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German Pages 575 [584] Year 1955
DIE DEUTSCHE LITERATUR DES MITTELALTERS *
VERFASSERLEXIKON UNTER MITARBEIT ZAHLREICHER FACHGENOSSEN HERAUSGEGEBEN VON
K A R L LANGOSCH BAND Y NACHTRÄGE
BERLIN
1955
WALTER DE G R U Y T E R & CO. VORMALS G. J. GÖSCHEN'SCHE VERLAGSHANDLUNG • J. GUTTENTAG, VERLAGSBUCHHANDLUNG • GEORG REIMER • KARL J. TRÜBNER • VEIT & COMP.
Mit Schlußwort und Verzeichnis der Mitarbeiter
A r c h i v - N r . 4512 55 Printed in Germany Alle Rechte des Nachdrucks, der photomechanischen Wiedergabe, der Übersetzung, der Herstellung von Photokopien und Mikrofilmen, audi auszugsweise, vorbehalten. Satz: Walter de Gruyter & Co., Berlin W 35 Druck: Thormann & Goetsch, Berlin SW 61 Einband: Laderitz & Bauer, Berlin SW 68
A 'Abgründen, Von den drei'. 1. Der anonyme mystische Traktat 'Von den drei Abgründen' ist in den St. Galler Hss. 976, Bl. 176—518 v . J. 1499 (C) und Nr. 1003, Bl. 207—539 v . J. 1498 (B) überliefert. Beide Hss. stammen aus Frauenklöstern in der Nähe St. Gallens. B ist im allgemeinen zuverlässiger und vielleicht die Vorlage von C. Die drei 'Abgründe' sind: 1. der A . der Bosheit, der eingeborne Hang des Menschen zum Bösen, die Erbsünde; 2. der A . von den Leiden Christi; 3. eine 'andächtige Passion'. Die drei Teile stehen in einem gewissen inneren Zusammenhang miteinander. Der Verf. geht vom Wort Davids aus: 'Abyssus abyssum invocat', das er folgendermaßen auslegt: man kann den Abgrund der Bosheit durch einen andern, denjenigen der göttlichen Barmherzigkeit,überwinden. Dieser ist grundlos und unbegreiflich; sie ist tiefer als unsre Sünden. Noch größer ist der A . des Leidens Christi, der unaussprechlich groß ist. Als höchstes Mittel der Erbauung wird die Betrachtung der Passion hingestellt. 2. Obwohl die Schrift offenbar als Lesestoff für Klosterfrauen bestimmt war, ist der Sinn des Verf. stets auf das Praktische gerichtet. Seine Ermahnungen betreffen die wirklichen Mängel und Übelstände, die er um sich sieht, und die Mittel zu deren Bekämpfung. Seine Ausführungen, die mit vielen biblischen und patristischen Zitaten geschmückt sind, legen eine gründliche Kenntnis des menschlichen Herzens an den Tag, wie sie nur durch den Beichtstuhl erworben wird. Sein Stil erinnert manchmal an Tauler, doch ist der Traktat kaum von diesem. Die Sprache der beiden Hss. ist osthochalem. (Appenzell, St. Gallen, Vorarlberg), aber einige Reste, die nicht von den schweizerischen Schreiberinnen herrühren können, weisen auf eine md. oder elsässische Vorlage hin. 3. G. S c h e r r e r machte auf die Ähnlichkeit des Buches 'Von den drei Abgründen' Verfasserlexikon V .
(X) mit dem von P f e i f f e r herausgegebenen Buch ' Von dem Grunde aller Bosheit' (Y) aufmerksam. Vergleicht man beide Schriften, so wird ohne weiteres klar, daß Y unvollständig ist: es handelt sich oft um Auszüge aus einem größeren Werke. Der Verf. hat ganze Sätze fast unverändert oder in umgearbeiteter Form aus X (bzw. aus einer gemeinsamen Vorlage) übernommen. Dies kommt aber nur in dem ersten Teile des Traktates v o r ; später benutzt er andere Quellen. Während Y einen einzelnen Gedanken ausführt (die Erbsünde als Wurzel alles Bösen, die heimlichen Schlupfwinkel der Selbstsucht und der Sünde im Herzen), ist X ein Werk größeren Umfangs und hat dementsprechend einen komplizierteren Aufbau. Mit Recht hebt Q u i n t die psychologische Tiefe von Y hervor. Das von ihm Gesagte gilt auch in vollem Maße von X . G. S c h e r r e r Verzeichnis der Hss. der Siiftsbibl. von St. Gallen S. 369—370, 381; P r e g e r Gesch. der dt. Mystik, II, S. 160; Der Schürenbrand her. von Ph. S t r a u c h (Studien zur dt. Philologie, Festgabe) 1903; J. Q u i n t i n M e r k e r — S t a m m l e r IV'S'83"
Clark
Der Abt von Mariazell. Auf das unter dem Namen Fachner (s. d.) überlieferte Steinund ' Grieß'-rezept folgt in der Hs. Chart. B 1238 der Hzgl. Bibl. Gotha (bair., Ende 15. Jahs., s. Ebser) auf Bl. 44a eins mit der roten Überschrift: 'Item practica des Abbts von Marie Zell'. Mariazell ist wohl das etwa 50 k m südlich von Melk liegende oder KleinMariazell 35 km südwestlich von Wien und etwa ebensoweit südöstlich von St. Pölten; das Mariazell, das 35 km östlich von Udine liegt, kommt wohl schwerlich in Frage. H. Niewöhner Adam von Bremen. i . A . nennt sich im Prolog seiner Hamburgischen Kirchengeschichte A. minimus sanctae Bremensis ecclesiae canonicus, in einer wohl von ihm verfaßten Urkunde des Erzbischofs Adalbert von Bremen Adam magister scolarum ( L a p p e n b e r g Hamburg.
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Adam von Bremen
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UB. i , S. 97 Nr. IOI). Erst Helmold von trauter Heinrichs III., als Reichsverweser Bosau gibt ioo Jahre später seinem Werk für den jungen Heinrich IV. stürzten und den Namen: magister Adam, qui gesta Ham- seiner Kirche Elend und Unheil eintrugen: memburgensis ecclesiae -pontificum disertis- die Maßlosigkeit seines Wesens, sein Stolz, simo sermone conscripsit (I c. 14). Von seine Ruhmsucht, seine Überheblichkeit, Adams Herkunft ist nichts bekannt; er kam seinEhrgeiz. Doch A., der nur den alternden proselitus et advena (Prolog S. 1, zugleich Erzbischof gekannt hat, dessen düstere Tob. 1, 7) im 24. Jahr der Regierung Erz- letzte Jahre durch eben diese superbia selbst bischof Adalberts (1066/67) nach Bremen verschuldet schienen, blieb offenen Auges (III c. 4, S. 146) und ist 1075/76, als er das für Adalberts großartige Anfänge, seine BauWerk Erzbischof Liemar überreichte — ten, seine unermüdliche Unterstützung des Kaisers in den Kriegen Heinrichs III. (III v. 54 des Epilogs bezieht sich wohl auf Liemars Vermittlung im Sachsenkrieg in c. 6, S. I47f.), seinen Plan, vielleicht nach dieser Zeit — noch kein alter Mann ge- byzantinischem Vorbild, ein nordisches Pawesen ; er spricht von iuvenilibus ausis triarchat zu gründen, um die nordischen Reiche durch ihre kirchliche Einbeziehung (Epilog v. 20). Bis in die Jahre 1081/85 hat er sein Werk mit Nachträgen versehen. Das unter Hamburg-Bremen als Einflußsphären Jahr seines Todes ist unbekannt. Das Scho- des Reichs zu erhalten. Nichts im Werk lion 151 (S. 270) nennt Adam einen Ober- weist auf eine Absicht, es Adalbert zu widdeutschen: Hie apparet quod scriptor huius men. So darf der Gegensatz der beiden ChaHb elli fuit ex Germania superiori, unde voca- rakteristiken nicht mit diesem Argument bebula pleraque sive nomina propria, cum ad gründet werden (vgl. III c. i f f . und 36ff.). suam aptare voluit linguam, nobis corrupit. Auch ist die zweite mehr eine Verteidigung Nach Edw. S c h r ö d e r weist die sprachliche als eine Anklage; denn A. hat erkannt, daß Form der Namen auf Ostfranken oder Thü- ein Mensch, der so Großes geleistet hat wie ringen, nach B. S c h m e i d l e r u. a. die Adalbert und so außerordentlich ist, viel Kenntnis des Herzogtums des Bischofs von mehr Anfeindungen und Versuchungen erWürzburg und das Lob Heinrichs II., iusticia fährt. Der sterbende Adalbert ist ihm wieder et sanetitate insignis (II c. 56, S. 116), dazu der bonus pastor (c. 64, S. 210), dessen Tod, die gleiche reichskirchen- und kaisertreue wie dem Tod Christ, schreckliche Vorzeichen Gesinnung beider Bistümer nach Bamberg. vorausgehn und begleiten (mortui numquam Vielleicht ist er anläßlich der zwischen 1063 tarn familiariter locuti sunt cum vivis ebd.) und 1066 nachweisbaren Verhandlungen und dessen Liebe zum König bis zuzwischen Bamberg und Bremen aus Bam- letzt Adam mit johanneischen Worten bezeichnet. berg gekommen. 2. A. erzählt in seinem 1. Buch die Gründung des Bistums Bremen unter Karl dem Großen, wozu er das wohl in seiner Zeit gefälschte Diplom (D. 248) sicher bona fide als Zeugnis aufnahm, und seine Entwicklung bis zum Tode Unnis 936. Das 2. Buch schließt 1043 mit dem Tode Alebrands. Das 3. Buch, der wichtigste Teil des Werkes, enthält die Darstellung des Pontifikats Adalberts, seines Gönners und väterlichen Freundes, qui et me dilexit (III c. 65, S. 212). Man hat sein Charakterbild Adalberts die beste Persönlichkeitsdarstellung des MAs. genannt. As. Liebe und Bewunderung blieben auch die Wesenszüge Adalberts nicht verborgen, die ihn von seiner Höhe als Berater und Ver-
Die Kirchengeschichte Hamburg-Bremens ist auch eine Missionsgeschichte. Die Geschichte anderer Völker hat A. ebenso interessiert wie die Lage und Beschaffenheit ihrer Länder. So ist er auch der bedeutendste Geograph des MAs. gewesen. Er fängt sein Werk an mit der Beschreibung Sachsens und schließt es nach mehreren geographischen Exkursen mit dem 4. Buch, der 'Descriptio insularum aquilonis', einer Geographie Dänemarks, Schwedens und Norwegens und der nördlichen Meere und Inseln. Er berichtet als erster die Wikingerfahrt im Jahre 1000 nach Winland (Nordamerika; IV c. 39, S. 275) und eine Fahrt der Friesen (zwischen 1035 und 1043) in das Nordmeer (IV c. 4of.).
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A d a m von F u l d a — Adelwip
3. Als Historiker bemüht er sich um Wahrheit (I c. 61, S. 59; I I I c. 71, S. 219; Epilog v. 24, S. 281). Außer genannten Gewährsmännern, unter denen Erzbischof Adalbert und König Swend Estridsen, den er zu Beginn seiner Bremer Zeit aufsuchte (III c. 54, S. 198), am häufigsten angeführt werden, hat er von allen weitgereisten Leuten, die Adalbert gerne an seinen Hof zog, Kunde eingeholt. Er hat Urkunden und Briefe des Bremer Archivs benutzt, Canones, die Viten der älteren Bremer Kirchenfürsten und andere mal. und frühchristliche Schriftsteller. Für seine geographischen und völkerkundlichen Mitteilungen hat er Orosius, Solinus, Martianus Capeila, Macrobius, Beda und andere herangezogen. (Über sein Verhältnis zu den klassischen Autoren s. die Ausg.) Er hat sein Material sorgfältig und kritisch zu beurteilen gesucht; natürlich finden sich auch Irrtümer, besonders chronologische Unstimmigkeiten. In seine Berichte über fremde Länder hat er guten Glaubens Fabeln und Märchen aufgenommen, die (für uns) in seltsamem Gegensatz stehn etwa zu Angaben der fast modernen Weise Adalberts, zu missionieren; er ließ sich von König Swend überzeugen, seinegeplante Missionsreise aufzugeben und die Heiden durch Männer ihrer Sprache und Art bekehren zu lassen, die er nur mit seinen Mitteln unterstützte. Zum Ruhm des Erzbistums hat er die Verdienste seiner Hirten nach Art der Hagiographen erhöht, betont er die ihm immer feindlichen Absichten der sächsischen Herzogsfamilie (II c. 7 1 ; III c. 26); das ist wohl seine einzige 'Tendenz'. 4. Die erhaltenen Hss. — S c h m e i d l e r hat 26 benutzt — geben ein Bild der Arbeitsweise As., der als Gelehrter und Forscher jede neue Kunde in seinem Werk verzeichnete. Im Jahre 1074 hat er am 2. Buch gearbeitet, 1075/76 hat er eine Abschrift seines Werks Erzbischof Liemar überreicht. Sein Handexemplar hat er bis 1081/85 durch Einschübe, Zusätze und ganze Kapitel erweitert. D a ß Abschreiber später Weiteres hinzufügten, hat die Herstellung des echten Textes sehr erschwert. Schmeidler hat Adam von 181 sogen. Scholien 141 zugesprochen. Wenn dem Werk nun der nicht eingearbeiteten Zusätze wegen die letzte Rundung
fehlt, so vermittelt es gerade in dieser Form etwas von der Aufgeschlossenheit, der Lebendigkeit und dem echten historischen Bemühen seines Verfassers. A u s g a b e : A. v. Br.,Hamburgische Kirchengesch., з. A u f l . her. v o n B . S c h m e i d l e r 1 9 1 7 ( M G H . S S . rer. Germ.). G. D e h i o Gesch. des Erzbistums Hamburg-Bremen 1 ( 1 8 7 7 ) . H a u c k I I I , S. 9 4 6 f f . ; B . S c h m e i d l e r Hamburg-Bremen und NordostEuropa 1 9 1 8 ; M a n i t i u s I I , S. 3 9 8 f f . ; S. S t e i n b e r g in Geschschr. der dt. Vorzeit 44, 1 9 2 6 ; C. E r d m a n n Studien zur Brieflit. 1 9 3 8 , S. 1 1 5 , 288, 290 (datiert die Briefe betr. Bamberg/ Bremen a n ders als Schmeidler und bezweifelt As. Zugehörigkeit zur Bamberger Schule); E d w . S c h r ö d e r Zur Heimat des A. von Br. Hanseat. Geschichtsbl. 1 9 1 7 , S. 3 5 i f f . ; A . O t t o Beitr. zur Textgesch. des A. von Br. Neues A r c h i v 4 9 ( 1 9 3 0 ) ; L . W e i b u l l Geoethnograph. Interpolationen u. Gedankengänge bei A. von Br. Hanseat. Geschichtsbl. 5 8 ( 1 9 3 3 ; aus dem Schwedischen); dazu B . S c h m e i d l e r Neues Archiv 5 0 ( 1 9 3 3 ) ; W a t t e n b a c h - H o l t z m a n n I, 3, S. 5 6 6 f f . ; H . L u d a t Die Patriarchatsidee Adalberts von Bremen und Byzanz A r c h i v f. K u l t g . 3 4 (1952), S. 2 2 1 . g M L
AdamvonFuIda (Nachtrag). InTorgauseit 1489 (frühester Beleg). Seit 1492 beschäftigt mit der Zusammenstellung einer Sachsenchronik, wofür er ein Empfehlungsschreiben Friedrichs des Weisen zur Quellensammlung 'in etlichen clostern, stifften und andern enden . . .' erhält. Das bei seinem Tode (1505 in Wittenberg an der Pest) noch unvollendete Werk sollte Trithemius zu Ende führen; es muß bis jetzt als verloren betrachtet werden. H . J. M o s e r Renaissance-Lyrik dt. Musiker um 1500 D V j s c h r . 5 ( 1 9 2 7 ) , S. 3 8 1 — 4 1 2 (A. v . F . als Liederkomponist). W . G u r l i t t Ein Lütticher Beitrag zur A. v. F.-Frage Kongreßbericht der Internat. Ges. für Musikwiss. ( 1 9 3 0 ) , S. I 2 f f . J. W a l t h e r Lob u. Preis der Musik, Faks.-Neudr., her. v o n W . G u r l i t t ( 1 9 3 1 ) . W . G u r l i t t Joh. Walter и. d. Musik der Reformationszeit Luther-Jahrbuch 1 5 ( 1 9 3 3 ) . S. 9 — 1 1 (Zusammenfassung). W . E h m a n n Das Schicksal der dt. Reformationsmusik Monatsschr. f. Gottesd. u. Kirchl. K u n s t 40 ( 1 9 3 5 ) , S. 7 5 (Literaturbericht mit weiteren Hinweisen). D e r s . A. v. F. als Vertreter d. ersten dt. Komponistengeneration (Diss. Freiburg i. Br. 1 9 3 4 , N e u e dt. Forschgn., A b t . Musikwiss. 2, 1 9 3 6 ) . D e r s . D i e Musik in Gesch. und G e g e n wart 1, 1 9 4 9 / 5 1 , S.
79—81.
L. Denecke
Adelwip (Nachtrag). Es hat sich erwiesen, daß A. keine andere als die ndl. Mystikerin Hadewijch aus Brabant (s. d.) ist. Die H.
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Adolf von Wien
enthält ihren 10. Brief, einen in der ndl. Mystik berühmten und oft exzerpierten Brief über die vollkommene Minne zu Gott, sowie noch einige kleinere Auszüge aus andern Briefen. Die Auszüge aus dem Joh.Evangelium gehören nicht mehr hierzu. Dieselben Exzerpte stehen auch in der Hs. 40 1949 der Berliner Staatsbibl. J. v a n M i e r l o A. Versl. en Mededeel. der k. Vlaamsche Acad. vor Taal- en Letterk. van Belgie 1933, S. 581 — 593; ders. A.-Uitirehsels ebenda
Adolf von Wien, der Dichter des ,,Doligamus" 1. Das Akrostichon der ersten 14 Verse lautet Adolfus me fecit\ ebenso nennt er sich am Schluß (V. 688). Hier gibt er auch das Jahr an, 1315. V . 647—684 enthalten die Widmung an den Magister Ulricus, den er als caput cleri in den höchsten Tönen feiert, zu dem im caput Austri, magna Vienna alles von weither zusammenströmt. Während wir über A. nichts weiter wissen, ist uns Magister Ulrich in mehreren Urkunden bezeugt als rector puerorum ad sanctum Stephanum Wienne, als medicus et scholasticus zwischen 1284 und 1342. Sein Zeitgenosse Egbert von Admont rühmt ihn als Mann magnae scientiae et prudentiae ac discretionis. A . spricht von ihm auch als Dichter (V. 664). Seinen hochverehrten Lehrer bittet A . : Accipe discipuli munus tarn vile, pusillum! Der Titel der Dichtung ,,Doligamus" findet sich nicht in den Versen, sondern nur im Incipit oder Explicit von vier Hss., und zwar zweimal ohne Beifügung; einmal folgt magistri adolphi, einmal mulierum de fraude (von den drei übrigen Hss. haben an dieser Stelle zwei den Dichternamen und eine decepta mulierum bzw. decepcio). Vermutlich ist „Doligamus" von A. selber gewählt: es bedeutet Weiberlist, wie es der Kommentator in der Wiener Hs. 4264, Bl. 143 a erklärt (Dicitur doligamus a dolus, id est fraus et gama mulier quasi fraus mulierum), dazu stimmt der erste Vers: fraudes didici muliebres. 2. Das Werk hat 342 Distichen und 7 leoninische Hexameter am Ende. Auf neun Distischen Vorwort folgen neun Fabulae, deren Umfang zwischen 9 und 44 Distichen
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schwankt, alle misogynen Inhalts; daran schließt sich eine predigtartige, didaktische Abhandlung gleichen Themas in 82 Distichen, die als Gipfel den Rat bringen: Veneris triplex medicina/ Est fuga sive labor, parcere sepe cibis (V. 643f.). Den Schluß bilden die 19 Distischen der Widmung an Ulrich und die 7 Hexameter. Was A. mit seinen Versen will, sagt er gleich am Anfang: Ut verbis harum quisque sibi caveat V . 6. Auch in den Erzählungen liebt er es, reflektierende und moralisierende Bemerkungen einzuflechten, besonders an deren Schluß. Bezeichnenderweise genügt ihm das nicht: er muß den neun Geschichten eine lange Moralisatio anhängen, die das letzte Viertel füllt, und erreicht damit, daß seine Dichtung auseinanderfällt. Damit soll aber nicht verkannt werden, daß er einen gewissen Plan h a t : Die antifeminine Tendenz kündet er in der Einleitung an, gibt in den 'Fabellae' die Exempla dafür und im Schlußteil die Auslegung und Belehrung als predigtmäßige Krönung des Ganzen. Auch in anderem wird deutlich, daß er kein Künstler ist. Die Verse schmiedet er mit stümpernder Mühe. E r vermag nur einfache, kurze Sätze zu bauen; oft ohne äußere und innere Bindung; kürzere Perioden wagt er nicht häufig, längere garnicht. Häufig begegnen leere Füllsel; öfter wiederholt er dasselbe Wort ohne Not oder künstlerische Absicht. Eine Haupteigenschaft seines Stiles ist also die Einfachheit, die sich nicht selten mit Mangel an Kunst paart. Eine andere ist die Bildlichkeit, die er mannigfach anwendet und besonders gern dazu benutzt, um das Letzte beim Liebesspiel zu sagen. Sichtlich macht es ihm Vergnügen, die Schlechtigkeit der Frau herauszustellen und gehörig anzuprangern. E r sucht und findet immer neue Schimpfworte für sie: vaga lupa, insaciabilis bestia, ianua Lethes, viscus sceleris, demonis auceps,cloaca luis Im Ausdruck ist er selbständig, zeigt wenn auch nicht wenige, so doch nur leichtere Anklänge an die Bibel, an Ovid, Aesopus Latinus und Henricus Septimellensis. 3. Literarischen Q u e l l e n hat A.seineneun Erzählungen entnommen, wie er selber im ersten Vers andeutet: Augurio docti fraudes didici mulieres. Nr. 3—6 stimmen mit Nr. 9,
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Adrianus ex specu—'Afralegende'
I i , 13, 14 der „Disciplina clericalis" des Petrus Alfonsi überein, was die Tatsachen betrifft, auch einige charakteristische Züge und Anklänge im Wortlaut, und sind sicherlich von dort übernommen, da sich nur in dieser einen von allen parallelen Überlieferungen die vier Fabeln zusammenfinden und noch dazu in derselben Reihenfolge. Für die anderen Fabeln läßt sich bisher keine unmittelbare Quelle nachweisen. Der Vergleich mit den Fassungen des Petrus Alfonsi lehrt, daß sich A. stofflich eng anschloß, Anstößiges milderte und Eigenes hinzutat wie Refexion, Zeitanspielung, Motivierung. Mit dem Erzählen gab er sich wenig Mühe, schilderte die Handlung oft nur oberflächlich und andeutend, ließ Einzelheiten ohne Verbindung miteinander. Wörtliche Übereinstimmung fand man bisher nur zwischen Nr. 1 und der Prosabearbeitung in Steinhöwels Äsop. Wenn diese auch nicht dem A. vorgelegen hat, so zeigt sie doch ein Wichtiges; die Handlung ist in dieser Prosa weit besser, klarer und verständlicher dargestellt als in As. Versen, in denen gar nicht wenig dunkel bleibt, ungeschickt und mißverständlich ausgedrückt ist; auch hier tritt wieder hervor, wie unfähig A. ist. 4. Wenn die V e r b r e i t u n g des „Doligamus" doch recht beträchtlich ist, so hat man das auf den Inhalt, nicht die Darstellung zurückzuführen. Zu 7 Hss. und 174 Versen in einem Florilegium kommt nach freundlicher Mitteilung H. N i e w ö h n e r s noch die Hs. Leningrad Öffentl. Staatsbibl. lat. 40 ch. X V I I 18, Bl. 83a—93b. Hugo Spechtshart (s. d.) in Reutlingen pries in seiner „Forma discendi" 1346 den ,,Doligamus" den jungen Klerikern als Lektüre. Heinrich Steinhöwel nannte ihn im Vorwort seiner Äsopübersetzung als ganz oder teilweise benutzte Quelle, nahm aber keine Verse daraus auf. Her. von P. L e y s e r Historia poetarum et poematurn medii aevi 1721, S. 2007 ff. (nach der Wolffenbüttler Hs.), kritisch nach 7 Hss. von E . H a b e l Studi Medievali n , 1938, S. I03ff. J. Z w ö l f e r Die Fabeln des Adolfus Masch.-Diss. Wien 1934, der nur 2 Hss. zur Edition heranzieht, die Wolfenbüttler aber nur nach L e y s e r s Abdruck, sonst Inhalt und Aufbau, Quellen und Motive, Sprache, Metrik, Stil und Tendenz behandelt.
K . Langosch
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Adrianus ex specu (Nachtrag). (Sacer) specus ist Subiaco, A . also wohl ein Italiener. Tegernsee, auf das die Überlieferung im Cgm. 731 weist, war durch die Melker Reform mit Subiaco verbunden. g Bisch0ff 'Afralegende'. 1. A f r a von Augsburg gilt als Märtyrerin der diokletianischen Zeit. Sie soll öffentliche Dirne gewesen sein, die bei Ausbruch der Christenverfolgung von Bischof Narcissus, der in ihrem Hause Zuflucht fand, bekehrt wurde. Kurze Zeit danach hätte sie auf der Lechinsel den Feuertod erlitten (nach der Tradition im Jahre 304). Wie andere Legenden — z. B. die der Katharina von Alexandrien — zerfällt die Afralegende in zwei zu verschiedenen Zeiten entstandene Teile, die ältere 'Passio' und die jüngere 'Conversio'. 2. Die früheste Erwähnung eines Afrakultes in Augsburg findet sich bei Venantius Fortunatus in der ' Vita s. Martini' (IV, 640—3; um 570), kurze Zeit später wird sie im ' Martyrologium Hieronymianum' genannt. Und wahrscheinlich erst ihrer zufälligen Stellung in diesem Martyrologium neben Venerea, einer Heiligen aus Antiochia, ist durch die falsche Auffassung des Namens Venerea als Appellativum die Ansicht zuzuschreiben, A . sei vor ihrer Bekehrung Venuspriesterin, d. h. Dirne gewesen. Diese Deutung ist für die kürzere, wahrscheinlich ältere Passio (7. Jh.) bereits vorauszusetzen. Nach dieser kürzeren Version entstanden im 8. Jh. zunächst eine 'Conversio' und danach eine erweiternde ' Passio'. 3. Da eine Afratradition im Orient nicht bekannt ist, empfiehlt es sich, für eine armenische Version der Legende die Überlieferung in west-östl. Richtung aus dem Lat. anzusetzen. Während man früher glaubte, in der längeren Passio die Gerichtsakten von der Verurteilung As. vor sich zu haben, gilt heute höchstens noch ihr Feuertod auf der Lechinsel als historisch fundiert. Legendär ist aber auch die vornehme Herkunft As. aus einem Königshaus der Insel Cypern und die Gestalt ihrer Mutter Hilaria, die gemeinsam mit den Dienerinnen ebenfalls das Martyrium erlitten haben soll.
II
' Ä g i d i u s ' — A l b e r , Mathias von
Afra hat neben dem Patronat von Augsburg auch das von Meißen inne, ihre Reliquien werden dazu noch an manchen anderen Orten verehrt. Der Mittelpunkt ihres Kultes ist jedoch Augsburg. 4. Der Weg der dt. Überlieferung- der A.-legende ist leicht zu bestimmen. Durchgesetzt hat sich die Version, die von conversio und ftassio berichtet; bestimmend waren die Bearbeitungen des Priors des Augsburger Stiftes St. Ulrich und A f r a Adlibert (f um 1235) und die 'Legenda aurea' des Jacobus de Voragine. Das 'Magnum Legendarium Austriacum' (MLA), das seine A.-legende wörtlich aus dem 'Windberger Legendär' bezog, war seinerseits Quelle für Boninus Mombritius und das ' Märterbuch'. Neben dem M L A benutzte der Bearbeiter des MBs. aber noch eine zweite nicht bekannte Version der Legende. Es ist auch möglich, daß diese zweite Quelle eine 'Passio Narcissi' gewesen ist, da die Abweichungen im ersten Teil der Legende und besonders in der Einführung der Person des Bischofs liegen; der zweite Teil weist gegenüber dem M L A keine Verschiedenheit auf. — Das „Leben der Heiligen", das (fälschlich) sogen. 'Wenzelpassional', bietet eine Prosaauflösung der MB.-legende. Die Augsburger und Nürnberger Drucke interpolierten jedoch statt dieser eine Augsburger Redaktion der Legende mit dem Prolog Adliberts. Eine A.-legende enthält auch des Armen Hartmanns (s.d.) 'Rede von dem heiligen gelouberi (V. 2238 ff.). Dem ausgehenden 14. oder der ersten Hälfte des 15. Jhs. gehört die in zwei ehemals Augsburger, jetzt Münchener Hss. überlieferte und von Fr. W i l h e l m edierte Reimlegende an. Das von einem Ostschwaben in der Technik Konrads v. Würzburg (s. d.) verfaßte Gedicht gründet auf denselben Voraussetzungen wie die Augsburger Redaktion des Wenzelspassionais; eine direkte Bekanntschaft zu diesem oder zum MB. ist aber unwahrscheinlich. — Die im Jahre 1516 bei Silvan Otmar verlegte ausführliche lat. A.-legende druckte dieser im selben Jahr auch in dt. Übersetzung, die ebenfalls unter Benutzung der Augsburger Redaktion des Wenzelspassionals angefertigt wurde. - In den A S . erschien A . bereits 1751 im zweiten Augustband.
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B. K r u s c h MGH. SS. rer. Merov. I I I (1896), S. 41—64, V I I (1919), S. 192—204; A. V i e l h a b e r Anal. Boll. X X V I (1907), S. 58—65; Fr. W i l h e l m Analecta Germanica 1906, S. 43—169; A. B i g e l m a i r Die Afralegende Archiv f. d. Gesch. d. Hochstifts Augsburg I (1910), S. 139—221 (hier die Lit. bis 1910); d e r s . B u c h b e r g e r Kirchl. Handlex. I, 1 1 6 — 1 1 7 ; O. R i e d n e r Der gesch. Wert der Afralegende (1913); G. E i s Die Quellen des Märterbuchs Prager dt. Studien 46 (1932) S. 1 7 6 — 1 7 9 ; E h r i s m a n n II, 2, S. 393t.; K . K ü n s t l e Ikonographie der Heiligen 1926, S. 35; B ä c h t o l d S t ä u b l i I. Sp. 2071. s_ S u d h o f
'Ägidius' (Nachtrag): A. L e i t z m a n n ZfdA. 82, 1948/50, S. 25—56.
Hannemann Alber (Nachtrag). Die drei Frauen, die A . anregten, sind als Klosterfrauen in Windberg bei Straubing nachzuweisen. In dem herren ze Winneberg bruoder Kuonrat kann man nur einen adligen Kanoniker des Prämonstratenserstiftes Windberg sehen, wohl denselben, der 1200 als frater Chuonradus de Windberg in Regensburg beurkundet ist und im Windberger Nekrolog als Chuonradus sacerdos frater noster et canonicus erscheint (14. 1.). Offensichtlich ist auch A . selbst adliger Kanoniker in Windberg gewesen und mit dem Alberus sacerdos et canonicus noster des Nekrologs (26. 5.) identisch. Die Dichtung, die dem leichtsinnigen Ritter die Schrecken der Hölle vorführt, ist offensichtlich eine Mahnung des Dichters an seine adligen Standesgenossen, rechtzeitig Buße zu tun. Charakteristisch für As. geistiges Blickfeld ist, daß sich nur Reminiszenzen an das'Rolandlied'und an Heinrich v. Melk finden lassen. S. 122 f. E. S c h r ö d e r A. v. Windberg ZfdA. 50 (1908), S. 391 u.; d e r s . Die Überlieferung von A. s. Tundalus ZfdA. 72 (1935), S. 249—54. H. R o s e n f e l d NDB.
1 (1953). S .
I22f.
Hellmut Rosenfeld
Alber, Mathias von, Rechtsgelehrter und Hofkanzler, geb. um 1490 in Brixen am Eisack, studierte Rechte in Ingolstadt, errang den Doktorgrad, eine Professur und 1522 das Rektorat dieser Universität, wurde 1537 an den fürsterzbischöflichen Hof von Salzburg als Kanzler, R a t und Pfleger von Glan berufen, 1538 v o m Kaiser geadelt und zum Pfalzgrafen erhoben, 1 5 5 1 — 1 5 5 9 Kanzler von Tirol und starb 1562 in Innsbruck.
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Albert von Aachen — Albert von Dießen
Alber trat in Reden und Entscheidungen der kaiserlichen Rechte hervor. Einige Notizen über die Familie von Alber W i e n 1860; M e m m i n g e r Geschichtsblätter 22 (1937),
Albert von Aachen (Albertus Aquensis), zeitgenössischer Verfasser der ausführlichsten Darstellung des ersten Kreuzzuges. 1. As. Lebenszeit läßt sich nicht genau bestimmen. Als canonicus et custos Aquensis ecclesiae erscheint er inHss.; daß mitAquensis nicht Aix-en-Provence, sondern Aachen gemeint sei, ist die heute herrschende, vor allem auf innere Gründe gestützte Ansicht, die jedoch über As. Herkunft nichts aussagt. Sein Werk, die 'Historia Hierosolymitanae expeditionis' (oder 'Historia Hierosolymitana' ?) ist nach 1121 abgeschlossen, aus welchem Jahre noch Ereignisse berichtet werden. D a ß A. nicht zu lange danach seine Darstellung beendete, wie z. B. M a n i t i u s und d e G h e l l i n c k annehmen, ist wahrscheinlich ; doch ist die Ursprünglichkeit des von beiden als terminus ante quem für den Abschluß von As. Werk herangezogenen Eintrages in dem (nur in Abschrift 16. Jhs. erhaltenen) Egmonder Bibliothekskatalog (gedruckt von K l e y n im Archief v. Nederl. Kerkgeschiedenis 2, 1887, S. i 2 j f f . ) zu 1128/30 umstritten (vgl. vor allem O p p e r m a n n Nordniederland I (1933), S. Ö4ff.). Die älteste Hs. von As. Werk stammt erst aus dem Jahre 1158. 2. Das Werk besteht aus 12 Büchern, von denen die ersten 6, beginnend mit der Geschichte von Peter dem Einsiedler, die Züge bis zur Eroberung des Heiligen Landes schildern, die letzten 6 die Geschehnisse im Königreich Jerusalem behandeln. Der Vf., der selbst nicht am Kreuzzug teilnahm, hat auf Grund der Berichte von Augenzeugen (quae auditu et revelatione nota fierent ab his, qui praesentes adfuissent I, c. 1 u. ähnlich öfter) einen gewaltigen Stoff zusammengetragen und ihn ohne strenge Disposition mit besonderer Berücksichtigung des Interessanten in bunter Aufeinanderfolge von Einzelbildern vorgelegt. Über den Wert von As. Darstellung als historischer Quelle ist im Gefolge von S y b e l s radikaler Kritik eine lebhafte Kontroverse entstanden, die
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heute noch nicht klar entschieden ist. Neu zu untersuchen wäre der Zusammenhang As. mit der Lieder- und Sagenliteratur, die sich im Anschluß an den ersten Kreuzzug bildete, endgültig zu klären auch, was von der zuerst von K u g l e r angenommenen Chronik eines lothringischen Geistlichen und Teilnehmers am Kreuzzug zu halten ist, die von A. angeblich weitgehend abgeschrieben wurde. 3- Die rein historische Betrachtung ist jedoch nicht entscheidend, dennAs. Bedeutung liegt nicht eigentlich auf historischem, sondern auf literarischem Gebiet. Sein Werk ist im Grunde ein historischer Roman und steht als solcher zwischen der im 12. Jh. erstarkenden Erzählungsliteratur und der eigentlichen Historiographie. Als geborener Erzähler versteht es A., bei aller Wahrheitsliebe die Erlebnisse des Ritterheeres, die Gestalten Peters des Einsiedlers, Gottfrieds von Bouillon und vieler anderer, den Reiz der geheimnisvollen Ferne so unmittelbar packend zu schildern, daß der Leser sich mitten in die Schar der Kreuzfahrer hineingezogen glaubt. A . hat in meist schlichter, jedenfalls ungekünstelter Sprache ein farbenprächtiges Gemälde vom ersten Kreuzzug geschaffen, das wohl nicht in allen Einzelheiten historische Treue beanspruchen kann, das aber als Ganzes wie wenig andere Werke eine Vorstellung von der Stimmung der Kreuzfahrer wie der Daheimgebliebenen zu geben vermag Benützt wurde As. Werk von Wilhelm von Tyrus; die hsl. Uberlieferung ist reich. Bis auf S y b e l bestimmte A. die Darstellung des ersten Kreuzzuges. Hss., A u s g a b e n u n d ältere L i t e r a t u r b e i P o t t h a s t I , S. 30; M a n i t i u s I I I , S. 426H; Wattenb a c h - H o l t z m a n n I , S. 6 4 0 I ; v g l . a u c h j . d e G h e l l i n c k , L'essor de la litter. lat. au XIIe siecle I I , 1946, S. 1 1 9 u. ö. — H a ß g e b e n d die A u s g a b e v o n P . M e y e r i m Recueil des Hist. des croisades Hist. occid. I V . V o n der älteren L i t e r a t u r w i c h t i g : H . v . S y b e l Gesch. d. z. Kreuzzuges 1887; B . K u g l e r A. v. Aachen 1885. Ü b e r s e t z u n g mit g u t e r E i n l e i t u n g v o n H . H e f e l e 1923 I / I I .
Brunhölzl Albert von Dießen oder Tegernsee. E s ist das Verdienst von R. B a u e r r e i ß , in mehreren Aufsätzen in den Stud. u. Mitt. zur Gesch. des Bened.-Ordens (47,1929, S. 52 ff.
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Albert von Dießen
und 433ff.; 49, 1931, S. 45ff. und 38gff.; 54, 1936, S. 7 ff.) A., einen bair. Schriftsteller des 14. Jhs., wiederentdeckt zu haben. Aber er hat ihm zu viele Werke zugeschrieben, vgl. B. S c h m e i d l e r Zs. f. bayer. Landesgesch. io, 1937, S. 65ff. Sonst vgl. K. B e n e d i k t Andechser Studien Oberbayr. Archiv f. vaterld. Gesch. 1937/8. 1. A. war Chorherr des Augustiner-Chorherrenstifts Dießen am Ammersee: in dem selbstgeschriebenen Clm. 5668, Bl. 159 nennt er sich Albertus presbyter et canonicus regularis monasterii s. Marie virginis in dyssen, in der etwas späteren Hs. desselben Werks, im Clm. 18387, Bl. 84b: Albertus de Tegernsee presbyter et canonicus regularis in Dyssen oder in seinem ,,Epytaphium prelatorurn in Dyessen'' (Hauptstaatsarchiv München Klosterliterale Dießen 37, Bl. 63): ego Albertus regularis canonicus huius loci licet minimus. 1362 ist er in zwei Urkunden bezeugt (Mon. BoicaVIII, S. 251). Seine Werke fallen nach den Daten, die er selber gab, in die Jahre 1365—1376. Sein Todesjahr läßt sich nicht bestimmen: obwohl an Dießener Totenbüchern kein Mangel ist, wird nur im Schriftstellerkatalog der Augustinerchorherrn von Propst Töpsl von Polling der Tag, der 27. Dezember, überliefert, während im Clm. 1020, Bl. 26 b auf der Rasur nur noch der Name Albert zu erkennen ist, nicht aber mehr das Jahr. Auch in seinem Kloster war über sein Leben bald nichts mehr bekannt: Sebastian Meckenloher (1520 f) schreibt in der auf A. nächstfolgenden Dießener Hauschronik zwar As. ,,Epitaphium" fast wörtlich aus, sagt aber nichts über A. selber; in einem Chorherrenkatalog nach A. werden wohl seine Werke genannt, aber es heißt bezeichnenderweise: Obitus huius Alberti nec dies nec annus constat (Clm. 1345 aus Dießen, 17. Jhs., Bl. 9 b). Ob A. den Beinamen Teuto besaß, scheint fraglich, da er erst in sehr später Überlieferung begegnet, wohl zuerst in der Dießener Chronik des Chorherrn Joseph dall' Abaco, II. Teil, „Lebensbeschreibung hiesiger H. H. Pröpste 1132—1755" (Ordinariatsarchiv Augsburg Codices 127, Bl. 25 ff.); F. Petri ,,Collectio SS. rerum historico-monastico ecclesiastarum" 1757, I, 4, S. 66 stellt an die
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Spitze der Schriftsteller unter den Chorherren von Dießen Albertus Teuto, den er freilich um 1422 leben und ein ,,Speculum passionis dominice" schreiben läßt, von dem keine Hs. in der Bibl. des Heiligkreuzklosters zu Augsburg nachzuweisen ist, die nach Petri eine besitzen sollte. Dießen war As. Profeßkloster. Weswegen er sich aber gelegentlich de Tegernsee (s. o.) nannte, ist nicht klar. Statnmte er aus Tegernsee oder dessen Umgebung ? War er erst Benediktiner in Tegernsee ? Jedenfalls war er mit Tegernsee irgendwie enger verbunden: die Hs., in der er sich de Tegernsee nennt, die Zweitälteste seines „Speculum clericorum", stammt auch aus T., dagegen die älteste, der Clm. 12471, aus dem Dießen benachbarten Rottenbuch; A. hatte also offenbar jene Hs. für dies Kloster geschrieben. 2. As. ,,Speculum clericorum" ist sein einziges Werk nicht historischen Inhalts, eine Sammlung kirchenrechtlicher und pastoral-theologischerVorschriften. Es wurde ein sehr beliebtes Handbuch. B a u e r r e i ß (a. a.O. 47, S. 436 Anm. 5) zählte, ohne systematisch gesammelt zu haben, schon 27 Hss. in der Münchner Staatsbibl. auf, dazu 2 in Einsiedeln; hinzuzufügen wären zwei aus dem 15. Jh., Stuttgart H B I, 56 und Innsbruck 757. Bekannt sind drei Fassungen und alle im Autograph As.: Clm. 12471 nach seiner Unterschrift am 10. 2. 1369 vollendet, Clm. 5668 am 23. 8. 1373 und Clm. 18387 am 5. 1.1376. Daß der Text in der Neubearbeitung der 2. Hs. erheblich erweitert wurde, zeigt sich bereits an den Blättern, die im 2. Codex nicht nur größer sind, sondern auch fast verdoppelt (von 88 auf 159). Auf die Kapitelübersicht in Clm. 5668, Bl. 160 a—165 b folgen noch viele Zitate aus Gregor dem Gr., Hugo von St. Victor und andern kirchlichen Schriftstellern; diese wurden alle in die 3. Fassung aufgenommen, und zwar ziemlich genau an den Stellen, die in Beischrift im Clm. 5668 bereits genannt wurden: A. benutzte also diese Hs. zu Nachträgen für die nächste Auflage, übrigens auch auf den Rändern von Bl. 1—159 b, trug aber auch Andersartiges ein, was er in der 3. Fassung nicht verwertete. Die 3. Fassung vermehrte er also wie-
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der beträchtlich. Daß sie als „abschließende Reinschrift" ( S c h m e i d l e r ) von A. gedacht war, darauf deuten die sorgfältige Schrift (auch die roten Überschriften über den Kapiteln) und die schönen Initialen. Freilich schrieb A. auch hier an den Rand weitere Exzerpte und Hinweise auf sachliche Bearbeitung, aber doch nur wenige. 3. Auch As. „Epytaphium Prelatorum in Dyezzen" ist in seiner eigenen Niederschrift erhalten: Hauptstaatsarchiv München, Klosterliterale Dießen 37, Bl. 56 a—63 b, datiert durch die Unterschrift Compilata autern est hec cronicula anno Domini MCCCLXV in vigilia sancte Margarete, completa et scripta. Das davor stehende Salbuch des Klosters St. Marien in Dießen (Bl. 1—48a) hat zur Hauptsache ebenfalls A. geschrieben, auch im Jahr 1365. Das ist eine Chronik der Dießener Pröpste von der Gründung bis 1365. Die Ausgabe Ö f e l e s in Rerum Boicarum SS. II, S. 648ff. bringt nur einen „arg verstümmelten späten Auszug" und beruht auf Konzepten Gewolds. 4. An der „Fundatio Diessensis", die äußerlich und im Inhalt dem „Epitaphum" ähnelt, ja es benutzt, hat A. sicher mitgewirkt, aber bis zu welchem Grade, ist noch zu klären. Im Clm. 3005, dem „Andechser Missale", das Anfang des 10. Jhs. wohl in Wessobrunn geschrieben wurde, trugen bis Bl. 172 b vier Hände des 14. Jhs. auf vielen freien oder freigemachten Stellen geschichtliche Notizen ein, die zum ersten Mal vollständig in der ursprünglichen Reihenfolge und Schreibung von R. B a u e r r e i ß aaO. 47, S. 56ff. veröffentlicht wurden; unter ihnen fallen durch besonderen Stil die von Bl. 50b auf, „prima, secunda, tertia fundacio in Diessen" mit längerem Prolog davor. Dies Schriftchen wurde in die ,,Fundationes monasteriorum Bavariae" (s. u. 6) aufgenommen und steht in der Mutterhs. der zehn bisher bekannten Hss. dieses Denkmals, im Clm. 14594, Bl. 26 b—28, hier ohne den Prolog, aber mit reinerem Text und auch Zusätzen, mit der damit zusammenhängenden Gründung von Grafrath an der Amper (ediert von R. B a u e r r e i ß aaO. 47, S. 442); dazu gehört wohl auch als kleine Fortsetzung die unmittelbar anschließende Notiz über den Verkauf Dießener Güter in Trebe-
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gast an Himmelkron auf Bl. 28, die noch nicht ediert ist. Das Vorwort dieser ,,Fundatio" wurde sätzelang wörtlich in der Praefatio zur ,,Cronica abbatum Tegernseensiutn" benutzt, von der nur eine Hs. bekannt ist, der Clm. I0 7 3 ( I 5- Jhs. aus Tegernsee). Weder die Praefatio noch der erste Teil der ,,Cronica" kann von A. verfaßt sein, sondern die ganze ,,Cronica" muß von einem Anonymus um 1480 stammen, s. S c h m e i d l e r aaO. S.84ff. 5. Die ,,Historia fundationis Tegernseensis" in Clm. 1072, Bl. 1—13 a ist in der zweiten Hälfte des 15. Jhs. niedergeschrieben, kann also nicht von A. geschrieben sein, s. S c h m e i d l e r S. 83t. (der Clm. 18933 Ende 15. Jhs. ist eine Abschrift des Clm. 1072; her. von B. P e z Thesaurus anecdot. noviss. 3, 1721, S. 475ff.). Trotzdem kann natürlich die Schrift von A. verfaßt sein, und B a u e r r e i ß hat auf einige Anklänge im Wortlaut und ein bezeichnendes Psalmenzitat hingewiesen, s. 47, S. 439 ff. und 54, S. 13 f. Diese Zuschreibung muß aber noch durch stärkere Beweismittel gesichert werden. Quelle waren die Quirinalien des Metellus von Tegernsee. In der bair. Historiographie wird dies Denkmal gerühmt, weil es „kräftiges Stammesgefühl" zeige (S. R i e z l e r Gesch. Baierns I, 2, 1927, S. 477). Etwas gekürzt findet sich die „Fundatio Tegernseensis" in den „Fundationes monasteriorum Bavariae" (s. u. 6), im Clm. 14594, Bl. 2—9b. 6. Die „Fundationes monasteriorum Bavariae", ein Werk, in dem Gründungsurkunden und -geschichten fast 40 südbair. Klöster zusammengestellt und mit Annalenbruchstücken und legendären Notizen vermischt sind, werden in zehn Hss. überliefert, von denen Clm. 14594 die älteste ist und die Vorlage der andern, das Autograph des Verfassers, vgl. G. L e i d i n g e r NA. 24, S. 674t. Diese Hand gehört wohl in die Zeit As., aber ist nicht mit seiner Hand identisch, s. S c h m e i d l e r aaO. S. 8iff. Somit kann also nicht A. der Verfasser der „Fundationes" gewesen sein oder richtiger ihr Sammler oder Redaktor, sondern ein anderer. Und der nahm auch Texte As., die er wenig änderte, vor allem kürzte, und zwar an 13. und 14. Stelle die Gründungsgeschichten
Albert der Große
von Dießen und Grafrath (s. o. 4), an 16. die von Ebersberg und Geisenfeld (s. u. 7), an 2. die Tegernsees (s. o. 5), sofern man'ihm diese alle zuschreiben darf. Und vielleicht ist er auch der Verfasser der kleinen ,,Fundatio" von Dietramszell, einer Gründung Tegernsees, womit die Sammlung beginnt und woran sich die Tegernsees anschließt: hier findet sich jenes Zitat aus dem 76. Psalm wieder (vgl. B a u e r r e i ß aaO. 49, S. 48f.). Das bedarf aber noch der Untersuchung. 7. Das „Chronicon Eberspergense •posterius", her. von G. W a i t z in den M G H . SS. 25, S. 8Ö7ff. nach dem prächtigen Perg.-Codex 104 des Hist. Ver. von Oberbayern aus den Jahren 1496—1500, der mit vielen künstlerisch wertvollen Miniaturen verziert ist, Bl. 28ff., aber auch bedeutend gekürzt in den „Fundationes monasteriomm Bavariae" an 16. Stelle überliefert (vgl. 6), ist eine erweiternde Bearbeitung des älteren, in die Zeit Willirams (s. d.) fallenden ,,Chronicon Eberspergense" (her. in den M G H . SS. 20, S. g f f . ; vgl. O. M e y e r in W a t t e n b a c h - H o l t z m a n n Geschichtsqu. I, 1940, S. 558L), worin vor allem ein Prolog, eine Darstellung der Ungarnstürme und des Verhältnisses des von Ebersberg gegründeten Nonnenklosters Geisenfeld zu dem Mönchskloster hinzugefügt wurden. Verschollene Kaiserdiplome des 14. Jhs. beweisen die enge Verbindung Ebersbergs mit Andechs-Dießen. Die Bearbeitung kann erst nach dem 15. 6.1264, dem Sieg König Belas IV. über Österreich, angesetzt werden, da in ihr darauf angespielt wird: ante quaedam pauca tempora. Auch hier spricht Stilistisches, besonders jene Zitierung des Philosophus (Aristoteles) und des 76. Psalms dafür, daß A . diese Bearbeitung verfaßte, vgl. B a u e r r e i ß aaO. 49, S. 389ff. Aber auch das muß noch gesichert werden. Über die in der Hs. beigefügte Übersetzung ins D t . sagt W a i t z S. 867: „ H o c chronicon . . . i t a . . . dispositum, ut singulis capitibus picturae praemittantur, versio vero Germanica mox subdatur (n. 4: Haec inscribitur: in vulgari, vel in Thewsch, vel simpliciter: Tewtsch, Teutsch, Tewsch) . . . Translatio vero non ante saec. X V . facta esse videtur."
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8. Wenn auch noch viel zu tun ist, u m das Werk As. abzugrenzen, zu sichern und zu werten, so läßt sich doch wohl schon jetzt sagen: in seiner Zeit fällt er durch seine Bildung auf, seine Belesenheit nicht nur in der theologischen Literatur, sondern auch in den Klassikern, wie durch seinen gewandten, wenn auch meist nüchtern-knappen Stil. E r verfaßte kleinere Geschichtswerke, die Gründungsgeschichten von Dießen und Grafrath, von Tegernsee und Diatramszell sowie die Pröpstechronik von Dießen, und überarbeitete die Ebersberger Chronik. Sein größtes Werk ist das für die Geistlichkeit berechnete „Speculum", sein Hauptverdienst daran die geschickt verarbeitete Compilation der Vorschriften. Mit dem letzten erzielte er die stärkste WirK . Langosch Albert der Große (Nachtrag). Zu 1. A . war kein Graf von Boilstädt, aber doch wohl ritterlichen Geschlechts. Für alle Einzelheiten dieses bewegten Lebens sei auf die Arbeiten von H. C h r . S c h e e b e n verwiesen: A. d. Gr. Zur Chronologie seines Lebens (Quellen u. Forschungen zur Gesch. des Dominikanerordens in Deutschland 27) 1931; Der selige A. d. Gr. 1931; Albertus M. 1932. Zu 2. Sp. 27 2. Abschnitt Z. 5 Die —• 6 vor ist zu tilgen. Statt dessen ist einzufügen: Unter der Leitung von B . G e y e r veranstaltet das Albertus-Magnus-Institut in Köln eine kritische Gesamtausgabe. Bisher erschienen: T. X X V I I I . De bono primum edd. H . K ü h l e , C. F e c k e s , B.Geyer, W . K ü b e l 1951; T . X I X . Postilla super Isaiam primum ed. F. S i e p m a n n ; Postillarum s. Ier. et Ezech. fragmenta ed. H. O s t l e n d e r 1952. Zu 4. Sp. 29 ist Z. 18 hinter hat einzufügen: Vgl. B . G e y e r Die A.d.Gr. zugeschriebene Summa naturalium (Beiträge z. Gesch. der Phil. u. Theol. des MAs. X X X V ) 1938. Die L i t e r a t u r von 1934 bis 1945 ist verzeichnet in: Bibliographia Philosophica I, Nr. 5612 — 5687. Sp. 30 Z. 11 f. ist der Aufsatz von Lambermond zu streichen; statt dessen ist einzufügen: H. W i l m s A. d. Gr. 1930. Alberto Magno Atti della Settimana Albertina Roma 1931, S c h e e b e n W a l z Iconographia Albertina, Der hl. A. d. Gr. in
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der Kunst 1 9 3 2 . J . B a r i o n Zur Forschung um A. d. Gr. Blätter f. dt. Philos. 11 ( 1 9 3 7 ) s - 51—57-
T h . H a e r i n g A. d. Deutsche i n : Das Deutsche
in der dt. Philos. 1941, S. 1 —17; C. S t a n g e ZfKg. 64, 1952/3, S. 166/70. J . B e r n h a r t Lebensbilder aus dem Bayer. Schwaben I , 1 9 5 2 , S . 5 7 — 8 8 ( m i t B i b l i o g r . ) . Studia Albertina, Festschrift f.
B. Geyer (Beitr. z. Gesch. d. Phil. u. Theol. d.
MAs, Suppl. IV), 1952. R . B a u e r r e i ß Kirchgesch, Bayerns 4. 1953, S. 187—190. B . Geyer Eine un-
bekannte Albertus Magnus-Hs. in der Eisenbibl. in Schaffharsen ('De mineralibus') S c h w e i z . Zs. f.
Gesch. 3, 1953, S. 241/4. Zu Z. 16: G r a b m a n n jetzt auch in: Mal.
Geistesleben II, 1936, S. 324—412. — Neues zum E i n f l u ß : L . P f l e g e r ^ . d. Gr.und das Elsaß Arch.
f. elsäss. Kirchengesch. 5 (1930), S. 1—18. B. G e y e r Die hsliche Verbreitung der Werke A.
als Maßstäb s. Einflusses
Studia
d.Gr.
Mediaevalia
K. J. Martin O. P„ 1948, S. 221—228. W. S t a m m -
l e r Deutsche Scholastik
ZfdPh. 72 (1953), S. 6f.
J. Koch Albert von Neustift (AlbertusNovacellensis) war Propst der dortigen Augustiner Chorherren 1298—1314, Archidiakon des benachbarten Pustertales und damit Suffragan des Bistums Brixen in dessen ältesten Kirchengemeinden, starb am 23. April 1319. Seine Grabstätte im Neustifter Kreuzgang ziert ein Stein aus grauem Marmor mit eingemeißeltem Kreuz, der erste, der einem dortigen Propst gesetzt wurde. Der Chronist des Stiftes, Joannes Librarius, gedenkt dieses Propstes in seinem ' Memoriale Benefactorum' (Stiftsarchiv Cod. 21a, pg. 42ff.): Bonus custos conservator religionis, pro loco, tempore, personis, sui ipsius ac fratrum omnium ad officium spectancia pervigilans cum suis officialibus, magne literature fuit, usum magnum in arte rythmizandi habuit, metrista perfectus, musicus subtilis claret in libris missalibus quibusdam, certis oracionibus, libris contemplativis, versibus super regulam sancti Augustini, statutis ordinis et libris cantualibus. Einzelangaben seiner Werke fehlen. Die m a r i a n i s c h e Sequenz Ave cella nova legis mit Anspielung auf Novacella (== Neustift) ist in einer Stiftshs. des 14. Jhs. erhalten (vgl. StLV. 291 (1942) S. I42ff., I27ff., 340ff.). Das sogen. Innsbrucker (Neustifter) Fronleichnamsspiel der Hs. 960 der Univ.Bibl. Innsbruck vom Jahre 1391 erklärt das auf Grund des Erlasses Papst Klemens V. von 1311 allgemein eingeführte Fest in einer
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Reihe gelehrter Monologe biblischer Personen, veranschaulicht und verteidigt es, wie dies im Munde von Klerikern und Scholaren eines zu vorbildlichem Gottesdienst verpflichteten Klosters wie Neustift mit seinen Chorherren und den Singknaben seiner Stiftsschule verständlich war (s. o. I, Sp. 703f.). Es gestaltet den klösterlichen Umgang durch liturgische Lektionen aus. Daß es erst in einer Abschrift von 1391 und diese in der Hennebergischen Mundart aufgezeichnet und überliefert ist, schließt seine nächste Beziehung zu Neustift noch nicht aus. Genügende Aufschlüsse über die Herkunft des Propstes Albert, seiner Konventualen und Vaganten liegen nicht vor. Geistliche aus Mitteldeutschland waren im Mittelalter für die Diözese Brixen nicht selten. Endlich vermittelt ein Kopialbuch des Stiftes (Liber litterarum, Cod. 4), entstanden um 1500, eine Urkunde vom 31. 12. 1310, worin Propst Albert im Verein mit seinem Dekan und ganzen Kapitel beschloß, daß ein Officium der hl. Anna und des hl. Joachim zweimal im Jahre, nämlich am 26. Juli, dem Feste der hl. Anna, und am 8. Sept., dem Feste Mariens Geburt, feierlich gesungen werde. Unter den beschließenden Chorherren erscheint ein Friedrich von Chiemsee, der Rektor der Singknaben darin genannt wird. Dieses Zeugnis dürfte das älteste über den damals sich gesellschaftlich ausbreitenden Annakult in Tirol sein, der bisher nur durch die Kultstätten auf den Höhen Vintschgaus (Annenberg, Annaburg) beglaubigt ist. Die Gemahlin des Landesfürsten Heinrich von Görz-Tirol, eine böhmische Prinzessin, mag die Feier ihrer Namenspatronin in dem von den Regenten bevorzeugten Neustift drei Jahre vor ihrem Tode aus familiären Sorgen veranlaßt haben. Näheres über diese zu einem Oratorium ausgestaltete Annafeier fehlt. A.
Brixen
Sparber
Das
Chorherrenstift
1953, S. 23; A.
Giner-M.
Neustift
b.
Schrott-
A . S p a r b e r Festschrift zum 800jährigen Jubiläum des Stiftes Novacella 1 9 4 2 , S . 51, 102 f f . ; B . R u t z Die Chorknaben zu Neustift 1911; H . J . H e r m a n n Die illustrierten Handschriften Tirols 1 9 0 5 ; A . D ö r r e r Mal. Mysterienspiel in
Tirol ArchfnSpr. 164 (1933)' S* 161 ff. u. 165 (1934), S. 6 f f . ; d e r s . Forschungswende des mal.
Schauspiels ZfdPh. 68 (1943), S. 24ff. A. Dörrer
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Albert III. von Österreich—Albrant, Meister
Albert III. von Österreich, Herzog, fertigte als Graf Von Tirol ein ' Privilegium fiaganorum ad Passer fl. in Terioli' 1395, erhalten in der Nationalbibl. Wien 14977/1. A . Dörrer Albertus von Augsburg (Nachtrag): E. S c h r ö d e r Der 'hl. Ulrich' des A. G G N . 1938, S. 139—146. H. d e B o o r Gesch. der dt. Lit. II, 1953, S. 38of. Hannemann Albertus Socius Inttimus. Im Tone Heinrichs von Meißen gen. Frauenlob dichtete A . vier Leiche, überliefert in einer Papierhs. des Schlosses Tarantsberg im Vintschgau in Schmalfolio von zwei Händen. Hand A verzeichnete die vier Leiche, Hand B den mehrfach verstümmelten Text von Frauenlobs Lied I, 5 (s. E t t m ü l l e r Heinrich von Meißens des Frauenlobes Leiche, Sprüche, Streitgedichte u. Lieder S. 247). Der Dichter nennt sich selbst am Schlüsse Alb(ertus) socius inttimus dixit sub m° ccc° XXII die Pancratii. Die Leiche sind mit damals üblichen Sinnbildern und Titeln Mariens ausgeziert und von L. S c h ö n a c h Marienleiche des Albertus socius intimus 1322 Zs. des Ferdinandeums 47 (1903), S. 284—289 veröffentlicht; dazu ders. Urkundliches über die Spielleute in Tirol ZfdA. 19 (1887), S. 171 f.; Forsch, u. Mitt. z. Gesch. Tirols und Vorarlbergs 8 (1911), S. i f f . u. iigii.) J. W e i n g a r t n e r Tiroler Burgenkunde 1950, S. 53. Vgl. noch Johann von Latsch. ^ Dörrer
Albert von Stade (Nachtrag): K . F i e h n Alberus Siadensis HistVjschr. 26,1931, S. 536—572. H. P l e c M N D B . 1, 1953, S. 136.
Hannemann Albich, Siegmund (Nachtrag). Das Bild As., das K . S u d h o f f in der Hauptsache nach seinen eigenen Forschungen gezeichnet hat, wurde durch Arbeiten G . E i s ' und seines Schülers R . B a c h e m in mancher Hinsicht erweitert. E i s wies eine Reihe weiterer dt., lat. und tschechischer Hss. von Albichtexten nach, unter ihnen den aus dem Jahre 1496 stammenden Cod. 125 des Sudetendt. Archivs in Reichenberg. Es kam E i s darauf an, neben dem medizinischen Können besonders auch das Deutschtum Albichs herauszustellen. Trotzdem war seine Wirkung auf die ihm feindlich gesinnten tschechischen Zeitgenossen erstaunlich groß, vor allem auf deren Wortführer Christian
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von Prachatitz; und dies, zumal zu der völkischen Verschiedenheit auch die konfessionelle Gegnerschaft der Hussiten trat. Albich aber betonte wiederholt, daß seine ärztliche Kunst dem ganzen Volke zugute kommen sollte. —• Die neu genannten Hss. bestätigen die Tatsache, daß das Werk Albichs in der Hauptsache lat. abgefaßt ist. Die Bemerkung S u d h o f f s , daß die dt. Einsprengsel in lat. Texten in ihrer individuellen Stilistik A. selbst zugeschrieben werden müssen, wird von E i s wesentlich erhärtet. E r bezeichnet den Stil As. als meisterlich und stellt ihn der Aussageweise des Paracelsus an die Seite. Dies trifft auch inhaltmäßig zu in der bewußten Betonung seines Deutschtums und in der Erkenntnis, daß sowohl Krankheit und Heilmittel als auch Arzt sich jeder geographischen Landschaft notwendig anpassen. Schärfstens wendet er sich gegen den Glauben, daß eine astrologische Konstellation einen ärztlichen Eingriff beeinflussen könnte. Er kehrt sich ab von der Vormundschaft ausländischer Autoritäten und Heilmittel (Item in vnnsernn landen nemens dy teutschen . . . oder: Man schol auch wissen, das etlich erzenney in ainer gegenndt oder in ainem lannt frument vnd den andernn nicht). Eine unmittelbare Bekanntschaft Paracelsus' mit Albich konnte indes nicht nachgewiesen werden. — B a c h e m konnte in einer Bamberger Hs. die Wirkung Albichs für Franken bis ins 16. Jh. belegen. G. E i s Das Deutschtum des Arztes Albich ZfdPh. 64 (1939), S. 174—209; R. B a c h e m Altd. Pestregimina in Bamberger Hss. Med. Monatsschrift 1949, S. 934 f. Einen an A. gerichteten Bittbrief eines Priesters Andreas in Form einer Intervalltafel von 1425 — 60 druckte B. B i s c h o f f
Hist. Jb. 60, 1940, S. 576.
s . Sudhof
Albrant (Albrecht, Hilbrant, Hillebrant), Meister, um 1240 Marstaller Kaiser Friedrichs II. in Neapel. 1. Von seinem Roßarzneibuch, dem ersten in dt. Sprache, wurden bis jetzt 114 Hss. (vom 13.— 19. Jh.) und eine große Anzahl Drucke (8 Inkunabeln) nachgewiesen. Die dt. Haupthss.: Cod. V I I I E 12 der Prager U B . (13. Jh.); Cod. I I I F 20 der Breslauer UB. (14. Jh.); Cod. I I I Q 1 der Breslauer U B . (14. Jh.); Cod. 82 der fürstl. Fürstenbergischen Hofbibl. zu Donaueschingen (15. Jh.); Cod. I V E 16 der Prager UB. (15. Jh.); Cgm. 289 (15. Jh.); Cod.
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Albrant Meister
194 der Stiftsbibl. Schlägl (15. Jh.); Cod. 2977 der Wiener Kationalbibl. (15. Jh.); Cod. Md. 432 der Tübinger U B . (15. Jh.); neben mehreren tschechischen Hss. sind auch zwei lat. Übersetzungen überliefert.
2. Über die Lebensgeschichte As. ist sonst nichts bekannt. Daher hielt man ihn lange Zeit allgemein für apokryph. Und erst seitdem G. E i s die älteste böhmische Überlieferung aufdeckte, hier einen festen Kernbestand von 36 Rezepten fixieren konnte und feststellte, daß der Name A . der ursprüngliche ist, während Albrecht (so in den meisten späteren Hss. und Drucken) und Hilbrant Verballhornungen darstellen, kann an einer historischen Individualität des Verf. nicht mehr gezweifelt werden. Ebenso wie der Name As. wurde auch der seines Herrn und Kaisers Friedrich II. in späterer Zeit mehrfach verändert: keyser Vrederich von Krichen, Kayser Ferdinand, Kaiser Frankreichs Sohn, kaysser dietreich, kayser Ulrich. 3. Das Werk As. entspricht den Erfahrungen der damaligen gelehrten Schulmedizin, deren Entwicklung vielleicht mit der 1224 gegründeten Staatsuniversität Neapel zusammenhängen kann. Das Büchlein ist frei von den Zaubermitteln der Volksmedizin, zum andern setzt es aber gewisse antike Überlieferungen fort. In Deutschland führte das Werk Meister As. in der Frühzeit ein rein literarisches Dasein, was sich an einigen nicht berichtigten sinnlosen Mißverständnissen zeigt; erst im 14./15. Jh. setzt die breite praktische Wirkung ein. Zahlreiche Texte zeigen in Brand- und Blutflecken noch deutliche Spuren der Schmiedewerkstatt. Die Niederschrift des ursprünglichen Rezeptbestandes füllte grade den Raum von zwei Pergamentblättern. Die spätere hsl. Uberlieferung, besonders aber die ersten Drucker fügten zahlreiche Mittel anderer Herkunft hinzu, z. B. des Laurentius Rusius, Mang Seuter, in stärkerem Maße aber auch Volksheilmittel. Beachtung verdienen dazu die mit dem Roßarzneibuch verbundenen Heilsegen. 4. Die Arbeitsweise As. in Neapel ist nicht bekannt, die wahrscheinliche Wirkung seiner Schrift auf die romanischen Völker (insbesondere Italiener und Franzosen) noch nicht untersucht.
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Bereits im 13. Jh. fand die Schrift den Weg nach Deutschland, und zwar zunächst nach Böhmen. Die erste überlieferte schriftliche Fixierung aus der 2. Hälfte des 13. Jhs. enthält der Cod. V I I I E . 12 der Prager U B . (Faksimile bei G. E i s Meister Albrants Roßarzneibuch im deutschen Osten Anhang). Das hier aufgezeichnete Fragment, das wahrscheinlich aus zwei Vorlagen geflossen ist, blieb selbst ohne Wirkung (ein Fehler dieses Textes tritt an keiner Stelle wieder auf). Von Prag nahm die Verbreitung des Roßarzneibuches ihren Ausgang. Von hier wurde es in Schlesien eingeführt, zur gleichen Zeit wohl auch in die Oberlausitz. Diese Weitergabe hängt sicher mit der Gründung der Prager Universität und der persönlichen Förderung Karls IV. zusammen. (Auch für andere medizinische Gebiete ist die Wirkung Prags auf Schlesien bezeugt.) Einen besonders guten T e x t repräsentiert die Abschrift des gelehrten Siegmund von Königgrätz (1435), deren Einfluß noch im 16. Jh. bei den tschechischen Nachbarn zu erkennen ist. Von Schlesien und der Lausitz aus erreichte der Text wahrscheinlich um die Wende v o m 14. zum 15. Jh. das preußische Ordensland. Heinrich von Pfolspeundt (s. d.) hat As. Werk gekannt. Im 15. Jh. k a m As. Roßarzneibuch bis nach Ungarn. —• Eine rege Kopiertätigkeit im Westen setzte nicht vor dem 15. Jh. ein. Auf bair. Boden muß sich früh ein selbständiger Mittelpunkt entwickelt haben, der sich mehr und mehr v o m böhmischen Vorbild absetzte; seine Hauptvertreter sind der Cgm. 289 und der Cod. Md. 432 der Tübinger U B . Einen selbständigen Überlieferungsweg ging der Cod. 82 der fürstl. Fürstenbergischen Hofbibl. zu Donaueschingen. Die Übersetzungen des volkssprachlichen Arzneibuches in das Lat. der Gelehrten gehen auf dt. Grundlagen zurück. Dies erweisen nicht zuletzt die häufig dt. benannten Krankheiten. Die tschechische Überlieferung, in 23 Hss. nachgewiesen, reicht vom 15. bis zum 19. Jh. Auch hier wurde das Werk As. in späterer Zeit vor allem durch zahlreiche Zutaten der Volksmedizin vermehrt. Die Ausbreitung erstreckt sich über ganz Böhmen. Als letztes Zeichen einer praktischen Wertschätzung
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Albrecht, Dichter des "Jüngeren Titurel*
ist eine Schenkungsnotiz im Cod. 33 der Sammlung Eis anzusehen, nach der im Jahre 1890 ein Großvater seinem Enkel das Buch übergab. Die Einflüsse As. auf andere slawische Nachbarvölker sind noch zu untersuchen. Die in den Artikeln Albrecht der Schwabe und Meister Hillebrant von K. S u d h o f f besprochenen Autoren sind mit Meister A. identisch, die dortigen Ausführungen jedoch wurden durch die Forschungen von G. E i s weithin überholt. Die grundlegende Untersuchung über Heister A. lieferte G. E i s Meister Albranis Roßarzneibuch im dt. Osten 1939. Die vor diesem Zeitpunkt erschienenen Arbeiten sind meistens nur noch durch ihre Textveröffentlichungen wertvoll. H. H e l d Zu Meister As. "Hippopronia" (1612) P B B . 60 (1936), S. 1 9 1 ; M. J l i e c k Das Wiener Veterinärmanuskript des Meister Albrant Veterinärhist. Mitteilungen 11 (1931), S. 25—30; ders. Zur Pferdeheilkunde des 14. Jhs., ebda. S. 6 — 8 ; ders. Proben mnd. Veterinärlit. ebda. 1 2 (1932), S. 41 — 52; R. S c h m u t z e r Die Schrift des Meisters Albrecht über Pferdekrankheiten, Quellen und Studien zur Gesch. d. Naturwiss. u. d. Med. 4 (!933). S. 11 — 36; K. S u d h o f f Dt. Roßarzneibücher des MAs. Archiv f. Gesch. d. Med. 6 (1912), S. 223—230. 7 (1914). S. 335—346. An die Arbeit von E i s , der ein Bericht in den F F . vom 20. 3. 1938 voranging, schlössen sich zahlreiche Einzeluntersuchungen an (in Auswahl): K. H o p p e Dunkles und Mißverstandenes in frühnhd. Veterinärlit. Beitr. z. Gesch. d. Vet.-Med. I I I (1940/1) S. i 7 3 f f , 2 i i f f . , V (1942/43), S. 12ff.; R. F r o e h n e r Historisches zu Pferdefarben, ebenda II (1939/40), S. 193ff., I I I (1940/41), S. 9ff.; W. S c h w a r t z Die Pferdeheilkunde des Johann Alvarez de Salamiella Diss. Leipzig 1950; E . P l o ß Eine Veterinär med. Notiz Georg Palmas Dt. tierärztliche Wochenschrift (1950), S. 1 4 7 ; S. S u d h o f Eine Tübinger Hs. von Meister Albrants Roßarzneibuch ZfdPh. 72(1953), S. 5 3 — 6 6 ; R . F r o e h n e r K u l t u r gesch. der Tierheilkunde I I (1953), S. 45f.; G. E i s Pferdekundliches aus Böhmen Obd. Zs. f. Volkskunde X I I I (1939), S. 34—56; d e r s . Zum Roßarzneibuch Meister Albrants Beitr. z. Gesch. d. Vet.-Med. I I I (1940/41), S. 331—34°, IV (1941/ 42), S. 43—44; ders. Eine roßarzneikundliche Hs. aus dem Jahre 1473 Neues Lausitzisches Magazin 1 1 6 (1940), S. 5 3 — 5 7 ; ders. Die Schlägler Albrantanhänge Beitr. z. Gesch. d. Vet.-Med. V (1942/43), S. 23—31 (dazu R. S c h m u t z e r , ebda. S. 1 8 1 f.); ders. Albrants Einfluß auf Martin Böhme ebenda V (1942/43), S. 1 8 1 ; ders. Weitere roßarzneikundliche Hss. aus Böhmen ebenda VI (1943/44), S. 56; ders. Roßarzneikundliche Hss. in der Slowakei ebenda VII (1944/45) S. i 6 f . ; ders. Eine unmittelbare Vorlage Mang Seuters Dt. tierärztl. Wochenschrift (1949), S. 252; ders. Verzeichnis der bisher nachgewiesenen Hss, von Meister Albrants Roßarzneibuch ebenda (1952). S. 108 f.
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Albrecht, Dichter des 'Jüngeren Titurel' (Nachtrag). Zu 1 . Die schwierige Aufgabe, einen lesbaren Text des „Jüngeren Titurel" vorzubereiten, wurde 1932 von W. Wolf übernommen. Grundsätzliche Erwägungen über die einzuschlagende Methode und auf der ältesten, besten Hs. A (Wien Nr. 2675) aufbauende Textproben wurden inzwischen schon geboten. Im Zusammenhang mit diesen Forschungen kehrt W. zu der alten These zurück, daß A. mit Albrecht von Scharfenberg identisch sei (s. unten 10.). A. v. Scharfenberg, Der Jüngere Titurel ausgew. und her. W . W o l f 1952 (Altdt. Übungstexte 14). W . W o l f Grundsätzliches zu einer Ausgabe des Jung. Titurel ZfdA. 76 (1939), S. 6 4 — 1 1 3 (mit Textprobe 'Schionatulanders Tod', 55 Str.); 79 (1942) S. 4 9 — 1 1 3 (mit Textprobe 'Der Graltempel', 1 1 2 Str.) und S. 209—248.
Zu 7. Die religiöse Gralsidee, die A. mehr gilt als weltlicher Ruhm, gipfelt in der Vision des Graltempels. Die etwa 1 1 2 Strophen, die diesem architektonischen Wunschbild gelten, locken immer wieder zum Aufspüren architektonischer Urbilder, zu künstlerischer Interpretation und zu weittragender Ausdeutung. Typologischer Bezug zur Gottesstadt des himmlischen Jerusalem und zu Salomons Tempel sowie tropologische Deutung auf das menschliche Gehäuse der Seele weisen auf theologisches Denken ( S c h w i e t e r i n g ) . Andrerseits kehren alle, bei der Entstehung der gotischen Kathedrale maßgeblichen Phänomene (das Schweben, das Baldachinhafte, die durchsichtigen, leuchtenden Wände, die labilen, beweglichen Formen, das Umgeben einer Kernform mit Trabantenformen, die Kumulation der Motive, die neue Stofflichkeit und die Lichtfülle) in As. Beschreibung wieder und lassen sie als dichterisch gesteigerte Darstellung der Intention der gotischen Kathedrale erscheinen ( S e d l m a y r ) . Sucht man nach einem architektonischen Urbild, das die dichterische Phantasie befruchtet haben könnte, so darf man nicht die Liebfrauenkirche zu Trier heranziehen, sondern den auf Konstantinische Zeit zurückgehenden nahezu runden Zentralbau St. Gereon in Köln (Wolf und R i n g b o m ) . Danebenfußt A. vielleicht auf mündlichen Berichten der Kreuzfahrer über den arabischen Felsendom in Jerusalem, 'templum domini' ge-
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Albrecht, Dichter des "jüngeren Titurel'
nannt, dessen Kernding, der 'schwebende' Felsen, sich sehr wohl mit dem Paradiesstein der Legende verknüpfen läßt. Darüber hinaus mögen auch Nachrichten über Khosraus Thron und das iranische Herrscherheiligtum des Zoroastrismus in Shiz in Azerbeidjan eingewirkt haben, deren Einzelheiten z. T. frappierende Parallelen in As. Schilderung haben; wenn A. den Priesterkönig Johannes und seinen Graltempel im fernen Osten beheimatet, so lassen sich damit gewisse historische Aspekte des für A. zeitgenössischen, mit den Christen verbündeten Mongolenfürsten Akaba in Zusammenhang bringen (Ringbom). Mit diesen neu aufgezeigten Beziehungen zwischen Iran und Europa wird auch die Frage nach dem Wesen des Grals undseiner Herkunft wieder in Fluß gebracht, ohne daß sich sagen läßt, ob diese an sich diskutablen Möglichkeiten einer strengen und eingehenden Kritik Stand halten werden. 10. A. war ein frommer Mann. Zwar nennt er (Hahn Str. 3343) Weib und Kind, aber vielleicht ist dies Formelhafte Nachahmung Wolframs, und A. war doch Kleriker oder wurde es in reiferen Jahren. Wolfram hat er vielleicht noch persönlich gekannt. Jedenfalls fühlt er sich in metrischer Hinsicht als Vollender Wolframs und ersten Vertreter desgeblümten Stils (Wolf). Für As. Identität mit Albrecht v. Scharfenberg kann manches geltend gemacht werden. Ulrich Füetrer dichtete sein „Buch der Abenteuer" in As. Titurelstrophe und zeigt genaue Kenntnis des 'Jüngeren Titurel', preist aber vor Wolfram und Gottfried als Meister der Epik und des geblümten Stils Albrecht von Scharfenberg; es ist wenig wahrscheinlich, daß er hier einen anderen meint als den Titureldichter und Vollender Wolframs. In einem Minnegespräch, der Hof König 'Artus' und insbesondere das dem Aventiure-Gespräch des ' J. Titurel' nachgebildet ist, rühmt Füetrer Fraw eren hof den schönen des Albrecht v. Scharfenberg. Damit kann wohl nicht der 'Jüngere Titurel' als Ganzes gemeint sein (er wird seit alters „Titurel" betitelt), sondern der Hof König Artus' und insbesondere das Sommerfest auf Floritschanze im 'Jüngeren
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Titurel', bei dem die Inschrift des Brackenseil s verlesen wird. In ihr wird der Ehrencodex rechten Rittertums gegeben und dabei die Fahrt gein eren hof als Ziel eines wahren Ritters genannt. An andrer Stelle wird von Füetrer als Verfasser des 'Titurel' Mörlin genannt, wahrscheinlich weil Albrecht von Scharfenberg seinen „Merlin" nach dem Vorbild des franz. Merlinromanes in IchForm erzählte, somit Merlin als Kenning für Albrecht gelten konnte. Nach dem Zeugnis von Füetrer war also Albrecht v. Scharfenberg Verfasser von 'Titurel', 'Merlin' und 'Seifrid von Ardemont'. Das kann als richtig angesehen werden, solange keine Gegenbeweise vorliegen; was bisher dagegen angeführt wurde, ist neuerdings durch W o l f entkräftet worden. Damit kann A. jetzt wieder mit Albrecht v. Scharfenberg identifiziert werden. Der „Seifrid" muß dann sein Jugendwerk sein (er bildet die Vorlage für Pleiers „Meieranz"); der „Jüngere Titurel" ist das Werk der reifen Mannesjahre, nach einer Schaffenspause 1272—74 und nach Kenntnisnahme neuer französischer Gralquellen fortgesetzt und vollendet, während der „Merlin" als Alterswerk gelten kann. Neben seinen allgemein anerkannten Lateinkenntnissen muß A. also genügende franz. Kenntnisse besessen haben, um die franz. Gralquellen und den franz. Merlinroman lesen zu können. Seine Sprache verrät ihn als Bayern. Dazu paßt gut, daß er seinen „Titurel" in einem fragmentarisch erhaltenen Widmungsgedicht Ludwig II. dem Strengen von Bayern widmete, als dessen Wahl zum Kaiser zu erwarten stand, daß mehrere Titurelhss. aus Wittelsbacher Besitz stammen und daß Ludwigs Sohn, Kaiser Ludwig der Bayer, 1332 die Klosterkirche von Ettal ausdrücklich nach dem Vorbild von As. Graltempel erbaute. Allerdings scheint sich A. beim Dichten des Titurelschlusses keiner Unterstützung Ludwigs erfreut zu haben, denn er tadelt in kurzen Andeutungen seinen Geiz und unterstreicht, sein Pflichtgefühl treibe ihn dazu, sein Werk fertigzustellen. Drei früher genannte geizige Gönner sind schwer zu identifizieren, dürften aber ebenfalls Wittalsbacher Herzöge gewesen sein.
Albrecht III. — 'Alexander, Der wilde'
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B i a n c a R ö t h l i s b e r g e r Die Architektur des Gralstempels im J. Tit. 1917 (Sprache u . D i c h t g . 18). J . S c h w i e t e r i n g Mal. Dichtung u. bild. Kunst, 2. Der Graltempel im J. Tit. Z f d A . 60
(1923), S. 118—27. J. T r i e r Architekturphantasien in der mal. Dichtung GRM. 17 (1928), S. 11-24. H . L i c h t e n b e r g Architekturdarstellungen in d.
mhd. Dichtung 1931, S. 44ff., 63ff. io6f. E h r i s m a n n Schlußband, S. 70—74. E. H e r m a n n Die
Inschrift
d.
Brackenseils:
Wandlungen
der
höf. Weltanschauung im J. Tit. Diss. M a r b u r g 1939J . S c h w i e t e r i n g Die dt. Dichtung des MAs.
1941, S. 294ff. W. Wolf Der Graltempel ZfdA. 79
(1942),
S.
225ff- H . S c h n e i d e r Helden-, Geist-
lichen-, Ritterdichtung 1943, S. 341 — 4 4 . W . W o l f Zu den Hinweisstrophen auf die Wolframfragmente
in der Kl. Heidelberger Hs. des J. Tit. Z f d A . 82
(1948/50), S. 256—64. H. S e d l m a y r Die Ent-
stehung der Kathedrale 1950, S. 85 — 91. W . W o l f Der Vogel Phönix u. d. Gral S t u d i e n z. d t . P h i l o l . ,
Fr. Panzer dargebracht, 1950, S. 73—95- L- I-
R i n g b o m Graltempel u. Paradies, Beziehungen zw. Iran u. Europa im MA. 1951 ( K g l . V i t t e r h e t s
Historie och Antikvitets Akademiens Handlingar 73). W . W o l f Zwei Bruchstücke
des J. Tit. F e s t -
schr. für W. Stammler 1952, S. 66 — 77. D e r s . Wer war der Dichter
des J.
Titurel ? Z f d A .
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(1953). S. 309—346. H. R o s e n f e l d NDB. 1,1953. S. 176t.; 178Ì Hellmut Rosenfeld Albrecht III. von Bayern (1438—60) Herzog, wird in den Roßarzneibüchern des Grafen Wolfgang I I . von Hohenlohe und Reicharts, Pfalzgrafen bei Rhein, als Gewährsmann für eine Düperie genannt, die einem Rennpferd den Sieg sichern soll (so du ein f f er dt wilt bald lauffend machen). Die Angabe ist Hertzog Albrechts rennen gewesen bezieht sich auf ein 1446 in Augsburg veranstaltetes Rennen, bei dem das Pferd des Herzog A . den ersten Preis gewann. D a s Mittel ist nicht originell. E s k o m m t schon in der u m 1400 aufgezeichneten „Roßaventüre" (s. d.) v o r ; es begegnet auch noch in mehreren Hss. u n d Drucken des 16. Jhs., in denen der Name des Herzogs A . meist nicht mehr genannt wird. W . S u b k l e w Das andere Buch von der Roßarznei von Wolfgang II. von Hohenlohe D i s s . B e r l i n 1932. H . R o t h Pfalzgräfliche Pferdeheilkunde
Diss. Berlin 1935; G. E i s Zum Roßarzneibuch Meister Albrants i n : B e i t r . zur Gesch. d e r V e t . -
Med. IV (1941), S. 43.
G e r h a r d
E i s
Albrecht von Johannsdorf (Nachtrag): C. v . K r a u s Des Minnesangs
Frühling,
Unter-
suchungen 1939, S. 2 i g f f . H . B r i n k m a n n Liebes-
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lyrik der dt. Frühe 1952, S. 268—278 u n d 400—402. H . d e B o o r Gesch. der dt. Lit. I I , 1953, S. 2 7 4 ! !
Hannemann Albrecht (von Köln?), der bischoff (!) von kollen gewesen sein soll, wird eine wundergläubige A b h a n d l u n g zugeschrieben ' Von maniger hande tugent von den widhofffen' im Cod. M I I I 3 der bundesstaatl. Studienbibl. Salzburg, Bl. 354a. g gudhof Albrecht II. von Mecklenburg, Herzog, s. E r n s t v o n K i r c h b e r g im Nachtrag. Albrecht v. Scharfenberg (Nachtrag), "Flordimar" und der (Artusroman, Erlösungsmärchen und das Motiv der gestörten Mahrtenehe vereinigende) „Poitislier", wie A s . andere Romane v o n Füetrer im B . d. A . in Titurelstrophen überliefert und deshalb v o n P r o b s t u. a. ebenfalls A . zugeschrieben, werden demnächst v o n F r i e d e r i k e W e b e r herausgegeben werden, ihre Zuweisimg an A . wird dann eher nachprüfbar sein als bisher. Neuerdings wird A . auch wieder identifiziert mit Albrecht, Dichter des „ J ü n g e r e n T i t u r e l " (s. d.). H.
Samson
Beiträge
z. dt. Märchen
im
aus-
gehenden MA. Diss. Köln 1931. E h r i s m a n n II, 2, 2 (1935), S. 74f. H. R o s e n f e l d NDB. 1 (1953). S. 178 f. H e l l m u t Rosenfeld Albrecht der Schwabe (?), N a c h t r a g : Die alte Donaueschinger Hs. nennt den A u t o r Albrant, s. H. N i e w ö h n e r Z f d P h . 65, 1940, S. 1 9 1 ; A . ist mit Albrant (s.d. im Nachtrag) identisch. k . L. 'Alexander, Der wilde' (Nachtrag). A . wird in der Jenenser Lieder-Hs. meister genannt, jedoch zählten ihn die Meistersinger nicht z u den ihren; er ist ein Fahrender, verachtet aber die gehrenden Spielleute und fühlt sich den ritterlichen Sängern verwandt. A l s Anhänger adliger K u l t u r und höfischen Stiles in bürgerlicher Zeit — er spielt auf historische Ereignisse zwischen 1287 und 1291 an — steht er isoliert. D e n Beinamen der wilde „der seltsame" führte er entweder, weil er seine Isoliertheit fühlte, oder aber, weil er bei seinen Sprüchen Rätseleingänge (109,25 wilde rede) liebt.
'Alexander und Anteloye'—Alexander von Roes Alexander von Roes. 1. A. v. R., vermutlich aus einem Kölner Patriziergeschlecht stammend, war Inhaber einer Männerpfründe am Kölner Frauenstift S. Maria auf dem Kapitol, als er wohl 1280 im Auftrag oder mit Empfehlung des Kölner Erzbischofs Siegfried von Westerburg nach Rom kam. Er gewann Anschluß an den Kardinal Jakob Colonna. In Viterbo erlebte er die Wahl des Franzosen Simon de Brion zum Papst Martin IV. (22. Febr. 1281); auch wurde er Zeuge antideutscher französischer Äußerungen, wonach das Imperium von den Deutschen weg an die Franzosen als das erste Volk der Welt und die wahren Nachfolger Karls des Gr. gezogen werden sollte. Als Antwort darauf und erschreckt, als er beim Lesen der Messe in Viterbo die Fürbitte für den römischen König im Meßbuch der päpstlichen Kapelle Frauenlob, Reinmar v. Zweier u. A. nach der Hs. gestrichen fand, widmete A. dem Jakob 2joi d. Wiener Hofbibl. D e n k m ä l e r der T o n k u n s t Colonna die im Frühjahr 1281 fertiggein Österreich 41 (1913). F. Löwenthal Studien stellte Schrift 'Memoriale de Prerogativa zum german. Rätsel 1914, S. goii.; d e r s . Das Rätsel des wilden A. ZfdA. 57 (1920), S. 277—82. Imperii Romani.' Sie enthält des OsnaG. H a s e Der Minneleich Meister As. und seine brücker Kanonikers Jordanus (1251—1283 Stellung in der mal. Musik 1921. H . O p p e n h e i m als Kanoniker am Osnabrücker DomNaturschilderung und Naturgefühl bei den frühen Meistersingern 1931, S. 17a. G. Ehrismann Zu kapitel bezeugt) im Interregnum geschrieAs. Kindheitslied AfdA. 53 (1933), S. 237 und benen ' Tractatus super Romano imperio' Dt.-ungar. Heimatbl. 5 (1934), S. 189f. R. Haller Der wilde A. 1935 (Monographie mit Textabdr.). mit einer Vorbemerkung und längerem Anhang von A. Wieder aus einem aktuellen Ehrismann Schlußband, S. 295f. H. Rosenfeld ZfdPh. 61 (1936), S. 237I H. Schneider Helden-, Anlaß, als Warnung vor der Wahl eines Geistlichen-, Ritterdichtung 1943, S. 4 8 3 1 H . H u s Franzosen zum Papst nach dem Pontifikat mann in Musik in Geschichte u. Gegenwart I Honorius III., entstand As. zweite Prosa{1949), Sp. 311—13. H. Rosenfeld NDB. 1 ( 1 9 5 3 ) , schrift 'Noticia seculi' im Frühjahr 1288, S. 1 9 5 . Hellmut Rosenfeld auch sie dem Colonna oder doch einem ihm Nahestehenden gewidmet. Jede spätere 'Alexander und Anteloye' (Nachtrag). Nachricht über A. fehlt. Zu 1 : die Fassung D ist nicht nur in der 2. In dem Traktat des Jordanus, den A. Dresdner Papierhs. M 42 überliefert, son- in den Zusammenhang seines 'Memoriale' dern auch fragmentarisch in Ms. Germ. 40 einfügt, wird gezeigt, wie Christus das 663 der Berliner Staatsbibl. (3. Viertel oder Romanum Imperium geehrt und damit Mitte des 14. Jhs.) — „ S , Reimchronik" notwendig gemacht und auch verheißen ist das Werk Heinrichs von München. hat, daß erst nach seinem Untergang das Vgl. H. N i e w ö h n e r ZfdPh. 65 (1940), Reich des Antichrist komme. Das römische S. 191. Reich erhält also die Ordnung der Welt. F. P f i s t e r GRM. 29, 1942, S. 81—91. Dem A. sind nun die Träger des Imperiums, Hannemann die Erhalter der Ordnung die Deutschen,
A. gehört zu den bedeutendsten Spruchdichtern nach Waither von der Vogelweide; er umfaßt dabei die ganze Skala, vom Minnespruch bis zur allegorischen Mahnung an die Vergänglichkeit, die von sentimentalen Kindheitserinnerungen ausgeht, und zur Warnung vor dem Antichrist. In seinen Minneliedern huldigt er der hohen ritterlichen Minne, aber er individualisiert sie und steigert sie zur Leidenschaft. Das gleiche Bild bieten seine Kompositionen, die in der Jenenser Hs. überliefert sind: auch sie zeigen den Stil des frühen Minnesanges, aber mit der fortgeschritteneren Melodik des modernen Liederstiles, und nähern sich schließlich stark den Melodien der großen Liedkünstler um 1300. C. von Kraus Dt. Liederdichter des 13. Jhs. I (1952) S. 1—19 und II (1953). S. 1—17.— G o e d e k e I, S. 253. R. Rietsch Gesänge von
Alexander, Pfalzgraf bei Rhein (Nachtrag): K. S c h o t t e n l o h e r Die Bayern in der Fremde
1950, S. 103 Nr. 71 und 72. Verfasserlexikon V .
Hannemann
ad, quos mundi regimen est translatum (cap. 10). Er aktualisiert die Schrift des Jordanus, indem er die Deutschen ermahnt, sich ihres Auftrages bewußt zu sein, nicht das Imperium verfallen zu lassen und dem
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Alexander von Roes
Antichrist den Weg zu bereiten. In einer historischen Begründung des Rechtes der Deutschen auf das Imperium erweist er Karl den Großen als einen Deutschen und identifiziert die Deutschen mit den Franken, Nachkommen der Trojaner, von denen die Franzosen Abkömmlinge sind, mit den Galliern vermischt, darum Francigene, Fränklinge genannt. So wurden die Deutschen, als der Papst das Imperium an Karl, den Verwandten des griechischen Kaisers und Schützer der römischen Kirche, übertrug, rechtmäßige Inhaber des Kaisertums. Karl begründet das Kurfürstenkolleg mit Einwilligung und im Auftrag des Papstes, denn das sanctuarium dei, id est regnum ecclesie darf kein Erbreich sein (cap. 24). Den Franzosen gibt er mit seiner Nachfolge im fränkischen Königtum Freiheit von jeder übergeordneten Gewalt in weltlichen Dingen. Zugleich überträgt er ihnen eines der drei Weltämter: das Studium, dif wissenschaftliche Obhut für die Reinheit der Kirche. Die älteren Römer haben das Sacerdotium inne, die Franken-Deutschen das Imperium. Hiis siquidem tribus, scilicet sacerdotio, imperio et studio, tamquam tribus virtutibus, videlicet vitali naturali et animali, sancta ecclesia catholica spiritualiter vivificatur, augmentatur et regitur (cap. 25). So ist As. Auffassimg der Weltordnung, in der die Franzosen den ihnen gemäßen Anteil haben, die sie aber zerstören mit dem Griff auf das den Deutschen gebührende Amt. — Das Imperium gerät stets dann in Unordnung, wenn die Kaiser es zu einem Erbreich machen wollen; so muß es von den Nachkommen Karls auf die mit ihrer Bekehrung in den fränkisch-dt. Volkskörper einbezogenen Sachsen übergehen, von denen A. es, die geschichtliche Entwicklung ungewollt verkürzend, von den Kurfürsten an die Schwaben übertragen sieht. Dieses sündige Geschlecht verdirbt das Ansehen des Reiches, bis mit Rudolf von Habsburg neue Hoffnung kommt. Nach einer Ermahnung, die bestehende Ordnung der Welt nicht zu zerstören, schließt die Schrift, Kölner Lokaltradition mit der Bedeutung des Imperiums verbindend, mit der Legende vom Stabe Petri, den der Apostel nach Deutschland gesandt hatte,
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damit durch ihn der heilige Maternus vom Tode erweckt und zugleich das „priesterliche Königtum" des Imperiums als den Deutschen bestimmt im Symbol des Hirtenstabes vorgedeutet sei. 3. Die Grundgedanken des 'Memoriale', vor allem die Weltämtertheorie, bestimmen auch die 'Noticia seculi' von 1288. Nur erscheinen hier die Gedanken weniger erregt, breiter ausgeführt, als Gegenstand eines erneuten ruhigeren Nachdenkens über das A. bewegende Problem. Nach einer Skizzierung der fünf Weltalter von der Schöpfung bis zur Zeit der Verklärung, der drei Erdteile Asien, Afrika und Europa kommt er zu seinem eigentlichen Thema: dem Zustand des christlichen Europa im (vierten) gegenwärtigen Zeitalter der Gnade. Von den vier Abschnitten dieser Zeit interessieren ihn besonders die beiden künftigen: Verfolgung und Reinigung der Kirche, endlich Verfolgung der Christenheit durch den Antichrist. Die Zukunft deutet sich an in den gegenwärtigen Bedrängnissen der Kirche und in der völligen Verkehrung des Verhältnisses von Papsttum und Kaisertum. Dem Tiefstand des Reiches seit Friedrich II. entspricht die widerrechtliche Weltherrschaft der Päpste. Das Reich kann freilich nicht noch tiefer, nurmehr wieder höher steigen, wie das Königtum Rudolfs bestätigt. Nach einer kurzen Beschreibung Europas wird die Frankengeschichte aufgenommen, leicht abgewandelt und doch im Sinne des 'Memoriale' bestätigt durch die Lektüre aus Gregor von Tours und Pseudo-Turpins 'Gesta Karoli Magni'. Die Stellung der Völker in der Weltordnung ist sowohl historisch begründet als durch ihre Eigenart gerechtfertigt. Gleichsam in einer „Völkerkunde" charakterisiert A. die Deutschen als Adelsvolk, die Italiener als Städter, Bürger, die Franzosen als Kleriker, Gebildete mit allen Schwächen und Vorzügen dieser Stände. Die Erfahrungen des Deutschen in Italien, wo ihm zugleich Franzosen begegnen, geben dieser Charakteristik ihre Lebendigkeit. In ihrer Art verschieden, sind die Nationen eingeordnet in den ständischen Aufbau der für das Heil aller verbindlichen Ecclesia durch die Gleichsetzung von Art
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Alexander von Roes
und Stand. Daraus folgt die Verteilung der Weltämter. So gibt A . jeder Nation ihr Recht und erhält doch die universale, übernationale Ordnung der Christenheit. Die Franzosen stören die Ordnung durch ihr Streben nach dem Imperium; über sie wird daher bald eine Verfolgung kommen. Mit der Warnung, das Bestehende zu erhalten, dem Ausblick auf das Kommen des Antichrist und der Hoffnung auf die Zeit der Verklärung endet die 'Noticia'. Ihr eschatologisches Schema, vor allem die Berechnung der Zukunft, hat sie aus der 1204/05 vermutlich von einem Bamberger Geistlichen verfaßten Schrift 'De semine scripturarum', welche die Jahrhunderte je einem Buchstaben in alphabetischer Reihenfolge zuordnet, mit dem prophetischen Sinn der Buchstaben auch den Inhalt der Zukunft aufschlüsselt und die Ankunft des Antichrist berechnet. Indem A . seine Schrift — freilich mit einer leisen Skepsis gegen die Weissagungen — in diese Prophetie einbaut, stimmt er mit der Tendenz des prophetischen, besonders an den Namen des Joachim von Fiore gebundenen Gedanken zugänglichen Colonna-Kreises überein, dessen den Minoriten freundliche und ghibellinische Gesinnung stärker als im 'Memoriale' auf seine Gedanken abfärbt. 4. Mit der 'Noticia seculi' veröffentlicht A. ein Gedicht: 'Pavo', das er 1284/85, wohl vor dem Tode Martins IV. (28. März 1285) geschrieben hatte. Auch dieses Gedicht vom Pfau lebt von der Sorge um Reich und Weltordnung. In die Parabel eines Konzils der Vögel gekleidet erscheint das Konzil von L y o n 1245 mit der Absetzung Friedrichs II., umgedeutet durch die gegenwärtigen Erfahrungen As. Die Charakteristik der Vögel weist vor auf die in der 'Noticia bewährte Kunst und Lebendigkeit der Schilderung nationaler Eigentümlichkeiten. Der strotzende Pfau (Papst) verurteilt wider Recht den Adler (Kaiser), den der Rabe (Thaddäus von Suessa) verteidigt, und maßt sich mit Hilfe des eitlen Hahns (Frankreich) die Herrschaft über das Imperium an. Der Pfau sät Unrecht und erntet Unfrieden: das Vogelvolk stürzt sich über den einst gefürchteten, jetzt verachteten Adler und schmückt sich mit
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seinen Federn; aber die Zerstörer des Reiches ziehen über sich selbst Verfolgung heran, als deren erste die Sizilische Vesper 1282 gedeutet wird. 5. As. Schriften sind der Spiegel eines — in der Zeit lebendiger werdenden nationalen Eigenrechts — konservativen dt. Selbstbewußtseins, dem Deutschland und Imperium untrennbar aufeinander bezogen sind und das in seine nationalen Empfindungen selbstverständlich die universale Ordnung der Welt einbezieht. So stellt er sich zeitgenössischen Tendenzen entgegen, die das Imperium in vier regna aufteilen und das deutsche Königtum erblich machen wollen. Als Weltamt der Deutschen beruht es auf der Wahl durch die Kurfürsten, und vier Hauptsitze sind ihm zugeordnet: Aachen, Arles, Mailand und R o m ('Mem.' cap. 25). E r sieht die Eigenart der Völker, in Blut, Sprache und Charakter gegeben, und bewahrt in seinem universalen Denken doch den übernationalen B a u der Ecclesia durch jene ihm eigene Weltämtertheorie. Seine Konstruktion historisch unterbauend, findet er die Gegenwart durch die Vergangenheit bestätigt. Wohl hat er das Wissen des Historikers von der Verschiedenartigkeit der Zeiten und Verhältnisse ('Not.' cap. 16). Aber er wählt'seinen Stoff aus, unterscheidet zwischen curiositas und utilitas '(Not.' cap. 4), aktualisiert die Vergangenheit und macht die Geschichte zum Rechtsbeweis. E r schreibt für seine Gegenwart, vom aktuellen persönlichen Erlebnis bewegt, gleichsam unter dem Schatten des Antichrist, und setzt sein subjektives Bewußtsein als allgemein gültig. Dabei zeichnen sich, indem A . das Recht der Deutschen auf das Imperium beweist, die Umrisse einer echten „Deutschen Geschichte" ab. 'Noticia' und 'Pavo' sind nur in einigen dt. und franz. Hss. des 14. und 15. Jhs. überliefert. Die Hss. des 'Memoriale' häufen sich im zweiten Viertel des 15. Jhs., als die Furcht, man wolle mit dem Konzil auch das Imperium von Deutschland abziehen, ihren Inhalt für die dt. Fürsten wieder aktuell machte. Vermutlich in Straßburg entsteht in dieser Zeit eine dt. Übersetzung der Schrift, die, 150 Jahre nach A., mit begrifflichen Schwierigkeiten zu kämpfen hatte. D e m späteren 15. Jhs. ist das 'Memoriale' vor allem wegen seiner Frankenhistorie interessant. 1470 zum ersten Male gedruckt, hat ihm doch erst 1559 der Basler 2*
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Alexandrinus von Neustein — 'Alpharts Tod'
Humanist Johannes Herold neue Aktualität gegeben, wieder als einer Streitschrift für das Recht der Deutschen auf das Imperium. Im Zusammenhang mit anderen reichsrechtlichen Schriften wurde es noch einige Male bis 1668 neu aufgelegt. — Der Name As. ist nur in einer (Wiener) Hs. aus dem Anfang des 14. Jhs., die alle drei Schriften enthält, überliefert; freilich gilt A. als Verfasser nur des 'Memoriale'. Diese Schrift ist seit Anfang des 15. Jhs. mit dem Namen des Jordanus von Osnabrück verbunden; ihm hat sie noch W a i t z in seiner Ausgabe 1868 zugeschrieben. Die Schriften des Alexander v. Roes sind herausgegeben von H. G r u n d m a n n u. H. H e i m p e l in Deutsches Ma., Krit. Studientexte der MGH. 4 (1949).— H. H e i m p e l A. v. R. und das dt. Selbstbewußtsein im 13. Jh. Arch. f. Kulturgesch. 26 (1935), S. i g f f . ; H. G r u n d m a n n Ü^er die Schriften des A.v.R. Dt. Archiv 8 (1950), S. 154ff.; J. L e u s c h n e r Zur Idee der dt. Gesch. im späten Ma. Diss. Gött. i 9 5 i . H e i n n c h S c h m i d t
Alexandrinus von Neustein, Julius, kaiserlicher Leibarzt, geb. 1506 zu Trient, gest. 1590, im Dienste Ferdinands I. und Maximilians II. aus der Schule des Galenus und hierin Vorläufer der beiden Guarinoni, Platoniker, verfaßte eine Reihe von Druckwerken, so 'Galeni enantiomaton aliquot Uber' 1548; ' Antargenterica pro Galeno 1552; 'De medicina et medico dialogus' 1557; ' Paedrotrophia seu de puerorum educatione' 1559; 'Libri XXXXIII de sanitate tuenda' 1575O. R u d e l Beitr. zur Gesch. der Medizin in Tirol 1925, S. 42, 55, 78, 84, 87, 294, 296.
A . Dörrer Alhart, Franziskanerbruder, Verf. einer Predigt in cod. 955 (Bl. 79—82) der St. Galler Stiftsbibl. Die Hs. stammt aus Freiburg i. B . und war offenbar für ein Frauenkloster bestimmt. Die Sprache ist rheinfränk., wobei andere (alem.) Züge wohl v o m Schreiber herrühren. A . gehört in den Kreis der dt. Mystiker, obwohl sein Stil mit dem Eckharts (s. d.) oder Taulers (s. d.) nichts gemeinsam hat. Ein Auszug aus dieser Predigt in cgm. 100 (Bl. 1 4 3 a — 1 4 4 b ) . D a diese Hs. im 14. Jh. geschrieben wurde, muß der Verf. im 14. oder in der 2. Hälfte des 13. Jhs. gelebt haben. Die St. Galler Hs. ist späteren Datums (s. a. Alphart). E. P e t z e t Catalogus cod. manuscr. Bibl. Monac. V, I, S. 178; W. P r e g e r Gesch. d. dt. Mystik
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II, S. 81 — 2. J. M. C l a r k Alhart und Alphart Modern Language Review 29 (1934), S. 44off.
Clark Alphart, Johannes, Franziskanerprediger, geb. in Basel, gest. in München 4. Juni 1492. E r war 1465 Socius des Provinzialvikars und 1 4 7 4 — 7 Vikar der Oberdeutschen Observantenprovinz. Zweimal wieder (1481 bis 1484, 1487—90) bekleidete er dieses A m t . A . galt als ausgezeichneter Kanzelredner. E r verfaßte eine Predigt in cgm. 5140 (Bl. 3 1 7 b — 3 2 3 a ) , die v o n L . V e r s c h u e r e n herausgegeben wurde. (Dieser T e x t genügt wissenschaftlichen Ansprüchen nicht.) Der Stil ist nüchtern und streng praktisch; der Dialekt ist schwäbisch mit Einwirkung der Schriftsprache. Chronica Fratris Nicolai Glassberger Analecta Franciscana II, 1887, S. 457, 489; P. M i n g e s Gesch. der Franziskaner in Bayern 1896, S. 55f., 59; L. V e r s c h u e r e n Eine Predigt des P. Johann Alphart O. F. M. (Franziskanische Studien XV) 1928, s. 1 2 1 - 5 . C l a r k
'Alpharts Tod' (Nachtrag). 1. Alphart gehört zu den jugendlichen Helden wie Siegfried, Chuchulinn und Achill, denen ein früher T o d bestimmt ist; wie diesen jugendlichen Helden meist, so ist auch ihm außergewöhnliche Stärke zugeschrieben worden. Das führt oft zu hyperbolischer Übertreibung der Unüberwindlichkeit ins Maßlose und dementsprechend dazu, daß der T o d dieser Jugendhelden nur durch Hinterlist erfolgen kann. A u c h in A . (wohl etwa 1250 gedichtet) schimmert dieses Handlungsschema noch durch, insofern nur zwei erprobte Helden bei gemeinsamem Angriff A l p h a r t besiegen können. Aber obwohl einige stilistische Eigentümlichkeiten sich allenfalls als spielmännische Elemente anführen lassen: Formlosigkeit, Wiederholung, Spannung, Hyperbel, Groteskes, Episoden, Formeln (zur N i e den), kehrt der Dichter doch sehr stark den ritterlichen Ehrenkodex heraus und stellt besonders die triuwe des Helden gegen die untriuwe seiner Überwinder, christliche Barmherzigkeit und ritterliche Ehre (245/6) gegen lasterhaftes Brechen von gotes recht (279) und Ehrlosigkeit (305). Diese Kontrastierung gipfelt in dem Gegensatz, daß Alphart zwar den
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'Alpharts Tod'
wehrlos am Boden liegenden Witige schont, Witige aber seinerseits den von Heime und ihm gefällten, kampfunfähigen Alphart mit Fleiß in den Leib sticht und darüber hinaus: er reib ez in im umbe und sneid im abe sin leben (305). Diese Schwarzweißmalerei, die S c h n e i d e r als neu und verstimmend bezeichnet, ist doch wohl Erbe der sogen. Volksepen, wenn sie im Nibelungenlied auch psychologisch vertieft wird. 2. Man hat A . als Nebenquelle der „Rabenschlacht" (s.d.) angesehen, und zwar wegen der Parallelen des Handlungsverlaufes und wörthchen Übereinstimmungen ( S t e c h e ) . Dabei spielt auch eine Rolle, daß Witige in der „Rabenschlacht" die jungen Etzelsöhne und Dietrichs jungen Bruder tötet. Aber Witige handelt dabei in Notwehr, was nicht unmittelbar mit dem gemeinsamen ehrlosen Angriff Witiges und Heimes auf Alphart zu vergleichen ist (daß auch in der „Rabenschlacht" Witige mit einem Helfer aufgetreten sei, wie S c h n e i d e r erwägt, ist kaum anzunehmen). A. ist getragen vom Ideal ritterlichen Zweikampfes, die „Rabenschlacht" schwelgt in blutigen Massenszenen; in A . ist Ermrich als Gegenspieler Dietrichs durchaus maßvoll gezeichnet, in der „Rabenschlacht" als ein zur Hölle verdammtes Ungeheuer (de B o o r ) . Deshalb dürften die äußerlichen Gemeinsamkeiten zwischen A. und „Rabenschlacht" nicht auf einen unmittelbaren, quellenmäßigen Zusammenhang zurückzuführen sein, sondern auf eine gemeinsame Quelle: A . ist wohl eine Sproßfabel des alten „Rabenschlachtliedes" (de B o o r ) . 3. Eine andere Beziehung — dies ist wohl bisher verkannt — ist nicht weniger wichtig. Sowohl Witige (222) wie Heime (263) fragen Alphart nach seinem Namen, nicht zuletzt, weil sie geschworen hatten, nicht gegen Dietrich und seine Mannen zu kämpfen. Beide Male verweigert Alphart die Namennennung (223, 264), das zweite Mal mit dem ausdrücklichen Zusatz: des müst ich mich schämen. Namenverweigerung, um nicht feige zu erscheinen, entsprach französischem Ritterehrenkodex und drang von Westen nach Deutschland. Eindrucksvoll verwendet Wolfram dieses Motiv beim Zweikampf zwischen Parzifal und Feirefiz;
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aus dieser Szene drang das Motiv in die ritterlich-höfische Vorform des Jüngeren Hildebrandliedes (s. d.), die gemeinsame Quelle für Thidrekssaga und Jüngeres Hildebrandlied (H. R o s e n f e l d DVjschr. 26, 1952, S. 421). Daß A. diese Vorstufe des Jüngeren Hildebrandliedes benutzte (dies nimmt mit anderer Begründung auch S t e c h e an), wird auch dadurch bewiesen, daß A. einen Zweikampf zwischen Alphart und seinem Oheim Hildebrand, der Alphart nur erproben will wie Hildebrand den Hadubrand im Jüngeren Hildebrandlied, etwas unmotiviert einfügt, nicht ohne Reminiszenzen an das Jüngere Hildebrandlied. Der Name Albhart ist vielleicht eine Abwandlung von Albrand, wie Hadubrand im Jüngeren Hildebrandlied und in der Thidrekssaga heißt. Darüber hinaus ist die Situation des Ritters auf einsamer Wacht in beiden Gedichten ganz ähnlich, so daß man sagen darf, daß das Motiv der Namensverweigerung, das für das Jüngere Hildebrandlied den Angelpunkt bildet, von hierher in A . übernommen sein muß. Es spricht für den Dichter, daß er zwar den höfisch-optimistischen, versöhnlichen Ausgang des Vater-Sohn-Kampfes beim Zweikampf zwischen Hildebrand und Alphart übernommen hat, aber trotz aller höfischen Sphäre und ritterlichen Ethik die echte Tragik im Kampf Alpharts mit Heime und Witige nicht verwischte. Wenn er bei der Einbettung der Alphartfabel in das große Geschehen der Dietrichsage der Ereignisfülle nicht Herr wurde und nicht einmal eine Rache an Alpharts Mördern als einigendes Band zu geben wußte, so zeigt das die Grenzen seiner Begabung. Ihn als „ritterlichen Spielmann" zu bezeichnen (zur N i e den), ist wohl keine wirkliche Erklärung. 4. Unhaltbar ist der Versuch, aus A. und einigen auserlesenen Strophen anderer Dietrichepen und des Jüngeren Hildebrandliedes ein Wolfhartlied zu rekonstruieren, das den Vater-Sohnkampf des Jüngeren Hildebrandliedes auf Hildebrand und Wolfhart übertrug; A . wäre als Gegen-Hildebrandlied aufzufassen, indem es aus dem anstößigen Verwandtenzweikampf einen Kampf mit notorischen Bösewichtern mache
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Altswert, Meister—Andreas von Kolmar
( B e c k e r ) . Das kann jedoch nicht den tragischen Ausgang von A. erklären, da das Jüngere Hildebrandlied einen versöhnlichen Ausgang bietet. Wenn aber die Tragik der älteren „Rabenschlacht" die Anregung für A. bot und damit die Tragik eines gotischen Heldenliedes vom Tod von Frau Helches Sohn, so ist nicht einzusehen, was die Zwischenstufe des angeblichen Wolfhartliedes begründen soll. L i t e r a t u r : H . S c h n e i d e r German. Heldensage i (1928), S. 324H.; 410. K . zur N i e d e n Uber die Verfasser der mhd. Heldenepen Diss. B o n n 1930, S. 1 0 8 — 1 9 ; H . d e B o o r Langzeilen und lange Zeil.n in Minnesangs Frühling ZfdPh. 58 (1933), S. i f f . T h . S t e c h e Das Rabenschlachtgedicht, das Buch von Bern u. die Entwickig. d. Dietrichsage (Dt. Werden 16) Greifswald 1939; vgl. dazu H. d e B o o r AfdA. 59 (1940), S. 4 — 1 4 . G. B a e s e c k e Vor- u. Frühgesch. d. dt. Schrifttums 1 (1940) S. 173. H. d e B o o r Die Heldennamen in der histor. Dietrichdichtung ZfdA. 78 (1942), S. 234—67. H . S c h n e i d e r Helden-, GeistlichenRitterdichtung 1943, S. 385. H . V o g e l s a n g Studien zur Entstehungsgesch. von AT. Diss. B e r n 1949. H e n r i k B e c k e r Warnlieder 2 (1953), S. 5 — 35.
Hellmut Rosenfeld Altsweit, Meister (Nachtrag). Die 286, fälschlich „ D a s alte Schwert'' genannten Verse, die in allen drei Hss. den anderen Dichtungen As. vorangehen, stellen offensichtlich die Widmung der nachfolgenden Gedichte an seine Gönnerin dar. Ihrhuldigen auch der „ K i t t e l " und „Der Tugende Spiegel" unter der Siegel „ G " (Margret?), wie ein Minnesänger seiner Herrin huldigt: daß die Gefeierte nicht etwa seine bürgerliche Geliebte, sondern eine vornehme Dame ist, dürfte außer Zweifel stehen. E h r i s m a n n Schlußband, S. 498L E . S c h r ö d e r Meister A. u. seine Dame ZfdA. 74 (1937), S. 64. H . R o s e n f e l d N D B . 1 (1953), s - 2 3 ° -
Hellmut Rosenfeld Amarcius nennt sich in seinen sogen. 'Sermones' (IV, v . 474 Da, precor, ut super $ compos sit Amarcius aulg); die ihnen voranstehenden Disticha sind überschrieben 'Incipit epistula Sexti Amarcii Galli Piosistrati ad Candidum Theopystium Alchimum'. Die Namen, auch des Lehrers Eufronius (III, v . 572; IV, v . 1), scheinen fingiert; die Angabe Hugos von Trimberg (s. d.) Amarcius . . . Turiaca prouincia secus Alpes natus {'Registrum' ed. L a n g o s c h S. 178)
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ist ohne Gewähr, wahrscheinlich aus I' v . 352 Nec tu, Turiace labes deterrima penne, • • • Luxuries, aberis gezogen. Nach III, v . 157 kann scheinen, er sei auch einmal selber in Speyer gewesen. Das Werk besteht, ohne epistula, aus 24 Kapiteln in vier Büchern, zusammen 2700 Hexametern. Die Hs. überliefert keinen Titel; ein Bücherverzeichnis des 13. Jhs. bezeichnet es als 'Uber sermonum amarcii metrice'; auch Hugo von Trimberg spricht von uarii sermones, worin die vier Bücher unterteilt seien. Was den Verfasser, oblitus tenere pubertatis alumnus, bewog, zu schreiben, war: Peruerti mores habitos maioribus hoc in Tempore pertractans, uix tenui lacrimas. Hinc carptim priscos intendi scribere ritus, His qui nunc degunt ferre uolens reduces. Sed cum talis adhuc titubaret mente libido, Publicus herentem scribere iussit amor (ep., v . 1 1 — 1 6 ) . Damit sind, wie die Kapitel über uitia und uirtutes, auch solche einbegriffen: De eo cur dei filius incarnari uoluerit, De xii lapidibus et misteriis eorum; er schließt, wieMarbodus (f 1123) seinen sehr viel bedeutenderen 'Liber x capitulorum', mit einer Oratio et fides de resurrectione camis. I I I , v . 575f. fratres Scismaticos fugite et uinctos anathemate, sie ne Vel dicatis aue. fidei soeiis date fedus weisen auf die Jahre 1080/1100 als Entstehungszeit; daß sie Eufronius in den Mund gelegt sind, den A . als paruus gesehen zu haben sich zu erinnern meint (III, v . 571), nötigt nicht, weiter herabzugehn. Der Name ist so sprechend, daß dieser „Lehrer" nicht einmal eine geschichtliche Person zu sein braucht. III, v . 739ff., woraus man schließt, daß A. nicht Mönch gewesen ist, sind Worte des Eufronius; jedoch gelten sie wohl auch von dem Dichter. D i e Ausgabe von H . M a n i t i u s 1888 ist leider noch nicht ersetzt — L i t t . : M a n i t i u s I I , S. 5 6 9 f f . ; I I I , S. i o 6 7 ; K a b y I , S.401 ff.; C. E r d m a n n Forschungen zur politischen Ideenwelt des Friihm. 1951,
Andreas von Kolmar. In der 1870 verbrannten Hs. A. V I Nr. 19 der Straßburger Universitätsbibl., deren Inhalt in einer Abschrift des 19. Jh. erhalten ist, befanden
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Angrer, Gregor— 'St. Anselmi Frage an Maria*
sich drei Malerbüchlein, von denen das erste Meister Heinrich von Lübeck (s. d.), das zweite A. v . K . und das dritte ein unbekannter Autor zusammengestellt hat. Uber das Alter der Hs. und damit auch über das des sonst nicht bekannten Verfassers des zweiten Büchleins gehen die Ansichten auseinander. M o n e , der den Codex noch mit eigenen Augen gesehen hat, setzte ihn ins 15. Jh., A . I l g , der ihn gleichfalls gekannt hat, in die Mitte des 14. Jhs. Auf Grund inhaltlicher Anhaltspunkte dachte E . B e r g e r an den Übergang des 14. zum 15. Jh., und E . P l o ß glaubt, die Niederschrift „in die zweite Hälfte des 14. Jhs." verlegen zu können. A. war nach P l o ß ein Maler von Beruf, weil seine Rezepte so genau und ausführlich sind, „daß man unbedingt einen Fachmann als V f . annehmen m u ß " . Sie behandeln z. T . die Herstellung von neuartigen Wasserfarben aus Pflanzen, z. T. folgen sie der älteren Tradition, wie man sie aus zahlreichen lat. Texten kennt. Auch eine in der Lombardei übliche Färbemethode wird beschrieben (Wellent ir schön fin tüchlin blau var machen nach lampten sitten). Außer Anweisungen für die Bereitung von Malerfarben, die am zahlreichsten vertreten sind, enthält das Werkchen auch Rezepte für das Färben von Tuchen, für die Erzeugung von Seife und für das Hornschmelzen. A. war wahrscheinlich ein gebürtiger Elsässer und könnte wohl in Straßburg gewirkt haben; ob er aber mit dem Straßburger Maler Andreas Ciamann identisch ist, wie P l o ß vermutet, muß zunächst noch offen gelassen werden; Ciamann ist in Straßburger Urkunden von 1358—1412 nachweisbar (H. R o t t Quellen und Forsch, zur swdt. und Schweiz. Kunstgesch. Oberrhein l i l a , 1936, S. 185). (F. J.) M ( o n e ) Bereitung von Malerfarben in: A f K d d V o r z . (1835), Sp. 3 7 4 I E . B e r g e r Quellen und Technik der Fresko-, Oel- und Tempera-Malerei des Mas. (Beitr. z. Entwicklungsgesch. d. Maltechnik III) 2, 1912; E . P l o ß Studien zu den altdt. Maler- und Färberbüchern des Mas. Diss.
München 1952, hektographiert.
Gerhard
Eis
Angrer, Gregor, wurde 1481 in Wien geboren, studierte in Bologna und war in verschiedenen diplomatischen Missionen tätig.
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Von 1530 bis zu seinem 1548 erfolgten Tode war er Bischof von Wiener Neustadt. Ein Porträt aus dem Jahre 1519 befindet sich im Ferdinandeum in Innsbruck. Von ihm ist im Archiv des Erzbischöflichen Ordinariats in München unter Nr. 3929 ein deutscher Brief erhalten, den er 1511 als Student in Bologna verfaßt hat (hsg. von S c h l e c h t , s.u.). Dieses Schreiben ist an Wolfgang Aichploch gerichtet, der zu der Umgebung jenes Kardinals Sansoni gehörte, welcher der getreueste Vertraute des Papstes Julius II. war. A . berichtet über Michelangelos Kolossalstatue dieses Papstes, die, bevor sie im Dezember 1511 herabgestürzt und gänzlich zerstört wurde, bereits durch drei Büchsenschüsse beschädigt war. E r schildert anschaulich mit dem Interesse eines Beteiligten die Zustände in dem von den franz. Gegnern des Papstes beherrschten Bologna. E r bezeichnet die Bologneser als Heuchler und Schmeichler und verrät eine warme Sympathie für den Papst (Papa Julius erbarmt mir). Mit Angaben über den Abzug von Söldnern, über die Sorglosigkeit der Aufständischen und die geringe Stärke der franz. Besatzung wollte er offenbar der päpstlichen Partei praktisch dienen. Gegen Schluß des Briefes fügt er in frivolem Ton intime Mitteilungen über Liebeshändel an. Die Sprache ist kunstlos und stark mit lat. Brocken durchsetzt. T h . W i e d e m a n n Beiträge zur Gesch. des Bistums Wiener-Neustadt in: Oesterr. Vjschr. f. kath. Theol. V (1866), S. 1 6 1 — 1 7 7 ; J. S c h l e c h t Eine Nachricht über Michelangelos K lossalstatue Julius II. in: Rom. Quartalschr. X V I I I (1903), S. l6°-168-
Gerhard Eis
'St. Anselmi Frage an Maria'. Das nd., in der Gegend des Nordharzes entstandene Gedicht 'Sent Anseimus wage tzo Marien', das in der besten Hs. 1254 Verse umfaßt, beruht auf einer lat. Vorlage, der sog. 'Interrogatio Sancti Anselmi' (von Canterbury). Maria erscheint diesem in einer Vision und beantwortet seine Fragen nach der Passion Christi. Der nd. Bearbeitung, die die Vorlage nicht wörtlich, sondern in Auswahl und in breiter Ausführlichkeit benutzt, lag ein lat. Text der 'Interrogatio' zugrunde, in den Interpolationen aus dem
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Anton von Annenberg— Antworter, Georg
Bemhardstraktat (s. d.) aufgenommen waren. Dadurch berührt sich A. stellenweise mit den aus diesem Traktat geflossenen Marienklagen, ohne daß eine direkte Abhängigkeit bestände. A. selbst ist keine Marienklage, vielmehr wird hier die ganze Passion Christi dargestellt. Indem die Erzählung der Mutter Gottes in den Mund gelegt wird, soll sie mit besonderer Autorität ausgestattet werden. Die subjektive Klage Marias mischt sich nur hier und da als Ausdruck starker persönlicher Anteilnahme ein. Eine kritische Ausgabe des Gedichts steht aus. Das nicht erhaltene Original dürfte aus der 1. Hälfte des 14. Jhs. stammen. Wie die zahlreichen Hss. und Drucke beweisen, muß es sich bis ins 16. Jh. hinein besonderer Beliebtheit erfreut haben. Es war in einer nd. und einer daraus abgeleiteten niederrheinischen Fassung verbreitet. Auch dreihd. nicht edierte Hss. sindbekannt. Daneben bestand eine Prosaversion, von der ebenfalls mehrere nd. und hd. Hss. bekannt, aber bis auf ein Bruchstück (Mecklenb. Jb. 23, 1858, S. 136—138) nicht ediert sind. Soweit es sich feststellen läßt, ist die Prosa nicht von dem Gedicht abhängig, sondern unmittelbar aus der lat. Quelle geflossen. Hss.: Oldenburg Landesbibl. Nr. 74, Pap., 2. Hälfte des 14. Jhs. (Abdr. A. L ü b b e n im Anbang zum Zeno 1869, S. 1 0 3 — 1 4 6 ) ; ferner: P. Graf iun der Nd. Jb. 19,1894, S. 131 fi. ; C. B o r c h ling II, S. 27; ebda. III, S. 254—256, 258 (mit Textprobe). H. D e g e r i n g I, S. 98; ebda. III, S. 60. Drucke: Lübeck um 1495 (Gesamtkatalog der Wiegendrucke 2044) ; Passau 1485/6, o. O. um 1487 u. ö., s. G K ; Köln 1 5 1 4 (Abdr.: O. S c h a d e Geistl. Gedichte S. 248—290); Lübeck 1521 (Abdr.: Chr. W a l t her St. Anselmi Frage 1890); ferner: B o r c h l i n g - C l a u s s e n Nr. 195, 260, 310, 442,
559, 7!3A.
L i t e r a t u r : Nd. Jb. 7 (1882), S. I 2 f . ; ebda. 19 (1893), S. 1 5 5 — 1 6 3 ; ZfdPh. 1 (1869), S. 4 6 9 — 4 7 3 ; vgl. auch: O S c h a d e Interrogatio Sancti Anselmi 1870, dazu K. S c h r ö d e r Germ. 17 (1872) S. 2 3 1 — 2 3 5 . ZfdA. 34, 1890, S. 39 f.
Hans Eggers
Anton von Annenberg (1420—1484),
Schloßherr im Vintschgau, weitete seinen Sinn für Wissenschaft und Kunst am Rhein und in Burgund aus, begründete eine Bücherei von 250 Bänden, darunter Kirchenväter, Klassiker, Helden- und Minne-
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lyrik, wohl auch die Berliner Nibelungenhs. und stattete seine Burg mit entsprechenden Darstellungen aus. A. Dörrer Mal. Bücherlisten aus Tirol ZfBiblw. 51 (1934) S. 260; K. S c h a d e l b a u e r Die Annenberger Bücherei u. ihre Hs. über die Notariatslehre Veröffentl. des Museum Ferdinandeum 12 (1932), S. I97ff. und Der Schiern 13 (1932), S. 2 i 6 f f . ; J. W e i n g a r t n e r Die Kunstdenkmäler Südtirols. 4 (1930), S. 282f.; ders. Tiroler Burgenkunde I 9 5 °"
A. Dörrer
Antonius von Pforr (Nachtrag): Zur Überlieferung: Nhd. Übertragung m. 30 färb. Repr. nach Cpg. 84: Bidpai. Das Buch der Beispiele alter Weisen. Her. von H. W e g e n e r 1926. Wichtig zu den Heidelberger Hss: ders. Beschr. Verz. d. dt. Bilderhss. . . . in der Heidelb. U.-B. (1927), S. 91-96. Die wohl kostbarste Hs., mit den Wappen Eberhards und seiner Gemahlin Barbara von Mantua (terminus a quo: Die Hochzeit, 1474) befindet sich (seit 1860) in Chantilly als Ms. 1389. Vgl.: C h a n t i l l y . Le cabinet des livres. Manuscrits. X. 2 (1900), S. 399ff. u. Abb. J a c ques M e u r g e y Les principaux mss. à peintures du Musée Condé à Chantilly [2.] 1930. S. 1 4 4 — 4 8 , Pl. 99 u. 100 (zu berichtigen ist hier, daß die im Widmungsbild Dargestellten natürlich n i c h t Eberhard und A. v. Pf. sind, sondern Anastres und Berosias, wie der Holzschnitt im Holischen Druck richtig angibt). Die Straßburger Hs. L. Germ. 79. 2 0 v. J. 1488 (vgl. Ad. B e c k e r Die dt. Hss. der TJniv.- u. Landes-Bibl. zu Straßburg [1914], S. 7) dürfte eine Abschrift des Schönsperger-Druckesvon 1484 sein. Vgl. W. S t a m m l e r Von der Mystik zum Barock (2. Aufl.), S. 45 mit Anm. S. 529.
Ludwig Denecke
Antworter, Georg. 1. Eine noch unveröffentlichte Belehrung über das Beschwören von Geistern von A. ist im Cod. theol. 6 ( Q . I I . 3 ) Bl. 306b—307b der Staatl. Bibl. in Bamberg erhalten. Der Hauptteil des Bandes wurde im Bamberger Karmelitenkloster 1470 von Christopherus Kellner geschrieben. Die Abhandlung A.s wurde von einer späteren Hand angefügt. Eine am Schluß stehende Jahreszahl, 1482, bezeichnet wohl das Jahr der Entstehimg; die vorliegende Abschrift wurde kurz darauf angefertigt. 2. Als Verfasser nennt sich Bruder jörg ein dyner Jesu Christi bischoue zu nicopoli, d. i. Georg Antworter, der von 1479—1499 Weihbischof in Würzburg war. E r war Mitglied des Minoritenordens, Bakkalaureus und Lektor der Theologie und bezeichnete
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'Der Apostele T a t ' — Arbeo von Freising
sich auch noch nach seiner Ernennung zum Weihbischof als theologiae Professor. Seine Biographie von R. R e i n i g e r (Die Weihbischöfe von Würzburg 1865, S. 87—95) berichtet von verschiedenen kirchlichen Amtshandlungen, wie Weihung von Altären und Kapellen, Erteilung von Ablässen u. a., weiß aber nichts von A.s schriftstellerischer Tätigkeit. 3. Die Abhandlung ist in Form eines brieflichen Ratschlags an einen Junker abgefaßt, der offenbar über einen Poltergeist berichtet hatte. A. betont, daß es gute und böse Geister gebe, die zu unterscheiden nach dem Apostel Paulus eine Gabe des heiligen Geistes sei. Wer Geister beschwören wolle, solle vorher drei Tage fasten und beten. Man solle nicht leichtfertig meinen, einen Geist vor sich zu haben. Wenn man nachts ein Seufzen höre, solle man erst beim drittenmal an einen Geist glauben. Das von der Kirche vorgeschriebene lat. Beschwörungsgebet wird im Wortlaut mitgeteilt. Bemerkenswert ist die Stelle: Solich erscheynung geschickt etwan durch eins nutzes willen einer ganntzen gemeyn vnd eins landes als an dysem ortt mächt sein. Man soll den Geist fragen, wer er sei und weshalb er komme. E s sei aber nicht leicht, das Gespenst zum Reden zu bringen. Manchmal bitte es um Gebet, Fasten und Almosen; man solle erfragen, an welches Spital man die Almosen entrichten solle. Nach Kriegen, künftigen Dingen, nach Zauberhaftem sowie allem, was eine Todsünde bringe, dürfe man den Geist nicht fragen. Wenn einem das Gespenst etwa die Bettdecke wegzerre und einen bei den Haaren ziehe, so bedeute das meist, daß es Hilfe brauche. Zum Schluß verspricht der Verfasser, daß er später genauer über die Zeichen handeln wolle, an denen man gute und böse Geister unterscheiden könne.
Gerhard Eis 'Der AposteleTat' (Nachtrag). Die Apostelgeschichte im Cod. A 191 des Königsberger Staatsarchivs kann nicht mehr als Werk des Claus Cranc angesehen werden. C o m . S c h r ö d e r Franziskan. Studien 1918, S. 2 6 5 — 8 1 . H. V o l l m e r D L Z . 60 (1939), Sp. 651 (gegen H. R o s t Die Bibel im Ma. (1939), S. 352). E r k k i V a l l i Zur Verfasserfrage der Königsberger Apostelgeschichte (Annales Acad. Scient. Fenn., Ser. B , 61 (1947)). K . H e l m u. W . Z i e s e m e r Die Lit. des Dt. Ritterordens (1951), S. 127, 196.
Ludwig Denecke Appet, Jakob (Nachtrag). „Abgesehen davon, daß mir J . A. nicht der Dichter des Schwankes vom 'Ritter unter dem Zuber' zu sein scheint, wäre nachzutragen, daß auch bei Diepold Lauber eine heute verschollene Hs. des Gedichtes zu kaufen war,
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vgl. ZfdA. 3, S. 1 9 1 " (H. N i e w ö h n e r ZfdPh. 65, 1940, S. 191). R . W. G i l b e r t /. Appet, Der Ritter mit dem Zuber Diss. Philad. 1943. Hannemann Arbeo von Freising (Nachtrag). Zu 1. Gleichzeitig mit meinem Artikel erschien damals das grundlegende Werk G. B a e seckes Der deutsche Abrogans und die Herkunft des deutschen Schrifttums 1930, durch das die literarische Tätigkeit und die Persönlichkeit As. in ganz neues Licht gerückt wurde. Wenn man Sprache und Stil As. mit denen des zeitgenössischen langobardischen Schrifttums, besonders mit Paulus Diaconus vergleicht, ergibt sich eine solche Ubereinstimmung, daß man vermuten muß, A., der ja von der langobardisch-bair. Grenze stammt, wo damals neben Deutsch auch italienisches Vulgärlatein gesprochen wurde, habe seine Bildung im Langobardenreich erhalten. Es ist nicht unmöglich, daß er die langobardische Hofschule in Pavia besucht hat, vielleicht in denselben Jahren wie jener Paulus. H. L ö w e (s. u. S. 90) stellt auch Bobbio zur Debatte. 6. Der „ D e u t s c h e A b r o g a n s " , früher fälschlich „Keronisches Glossar" (s. Kero von St. Gallen) genannt, ist nach Freising und in die Zeit um 760 herum zu setzen und mit A. und seiner Kanzlei zu verbinden. Bestimmt hat A. diese Glossierung veranlaßt, vielleicht auch einen Teil selber geliefert. In diesem lat.-lat. Wörterbuch, in dem schwierige, veraltete oder poetische Worte der älteren Autoren lat. erklärt wurden, das ursprünglich weltlich war und in Italien noch im Altertum verfaßt wurde, glossierte man sowohl das Lemma wie seine Deutung inter lineas, ohne daß die 2. Übersetzung auf die 1. bezogen oder die 1. durch die 2. erläutert würde, d. h. so, daß sich jede der beiden Übersetzungen jeweils nach ihrem lat. Vorbild richtete. Eine solche Glossierung konnte nur als Schulbuch dienen, in dem man das lat. Lemma aufschlug und die Vokabeln zur Ergänzung seines Wortschatzes lernte. Hierin standen seltene, kostbare, barocke Wörter, mit denen sich der Stil herausputzen ließ; damit gab A. seiner Kanzlei ein wichtiges Hilfsmittel in
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Arbeo von Freising
die Hand, auch um den von ihm gewünschten Stil zu zeigen. Der hier überlieferte ahd. Wortschatz ist außergewöhnlich reich, fast 700 Wörter, und zeigt neben grammatischen Fehlern, kindlichen Unbeholfenheiten, Mißgriffen und anderen Schwächen, bei denen man auch die besonderen Schwierigkeiten berücksichtigen muß (die Lemmata waren ja schon den Lateinern erklärungsbedürftig, außer ihnen mußten noch ihre Synonyma, die "oft in kleinen Scharen auftreten", verdeutscht werden), auch viele gute, richtige Lösungen, mutiges Zupacken, erstaunliche Überlegenheit und sogar geniale Treffer. Man kann es das älteste Buch nennen, das wir in dt. Sprache kennen. Es fällt vor die karolingische Renaissance und geht auf antike Uberlieferung zurück, die wie das Hildebrandslied (s. d.) damals oder wenigstens dessen Stoff aus Italien nach Bayern kam. Da der lat. „Abrogans" ursprünglich weltlich war und durch die später hinzugefügte Erklärung biblischer Namen nur kirchlichen Anstrich erhielt, hatte das dt. Schrifttum mit dem dt. „Abrogans" einen unkirchlichen Beginn. Überliefert wird der dt. „Abrogans" vor allem durch drei Hss., die um 800 herum geschrieben wurden, die Pariser Glossen in Murbach, die die ursprünglichsten Formen bringen, aber nur bis I gehen, die St. Galler Hs., die man früher als Originalarbeit Keros ansah, und das Reichenauer Glossar Ra. Aus dieser und anderer Überlieferung, die zumeist in alem. oder alem.-fränk. Hss. erhalten ist, läßt sich ein Archetypus erschließen, der nicht das Original gewesen sein kann, sondern eine frühe Abschrift aus ihm in Freising war, und läßt sich ersehen, wie geschaffen dieses vorkarolingische Glossenwerk für die karolingischen Bildungsbestrebungen war und wie sehr es, wohl von Karl selber, in den Dienst der Verdeutschung gestellt wurde. Dabei überarbeitete man es mehr oder weniger stark, indem man es der weiteren Lautentwicklung oder der anderen Mundart anpaßte oder Fehler verbesserte, mischte es mit andern Glossensammlungen oder ordnete es um. Besonders umfassend ist die Bearbeitung, die in der einzigen vollständigen Hs. den Titel 'Glösas
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Hrab. Mauri' trägt, weswegen man es früher pseudohrabanisches Glossar nannte, jetzt nach der dt. Überschrift ,,Samanunga uuorto" nennt; sie ist um 792 in Regensburg entstanden und hat sich recht verzweigt. Als man z. B. in einem dieser letzten Zweige auch die 2. (Interpretamenta-) Übersetzungen alphabetisch einordnete, machte man aus einem Schulbuch ein Nachschlagewerk, ein lat.-dt. Lexikon, um Deutschen lat. Vokabeln zu lehren. 7. Während A. in seiner Muttersprache lat. Wörter nur einzeln glossierte und nicht einmal zwei dt. Wörter zusammenschrieb, bzw. -schreiben ließ, verfaßte er in lat. Sprache größere Prosaschriften. An ihrer großen Nachwirkung wird deutlich, wie sehr A. mit den zwei Viten der beiden bair. Heiligen und Bistumsgründer ein Bedürfnis seiner Zeit wirklich befriedigte. Von der ursprünglichen Fassung der 'Vita Corbiniant sind zwar nur zwei Hss. erhalten, beide aus dem 9. Jh., aber von ihrer Bearbeitung 31, die meisten von ihnen aus dem 14. und 15. Jh. Die Bearbeitung, vor 931 verfaßt, strebte namentlich danach, Besitzungen der Freisinger Kirche zu sichern oder ihr zuzuschreiben. Da es dabei um die Marienkirche geht, so war der Bearbeiter schwerlich der Tegernseer Hrotroc, wie S. R i e z l e r vermutete, sondern ein uns mit Namen nicht bekannter Kleriker von St. Marien in Freising. Der Bearbeiter schwächte die frische, unmittelbare Art der Erzählung, beseitigte das Widereinander von Ideal und Wirklichkeit und zeigte darin, wie die innere Christianisierung Bayerns inzwischen fortgeschritten war. Auf der Bearbeitung fußen alle späteren Corbininian-Erzählungen, so Otto von Freising in seiner Chronik V, Kap. 24, Veit Arnpeck ,,De gestis episcoftorum Frisingensium" (1495) oder Joh. Freiberger ( 1 5 4 1 t ) . Noch größer war die Nachwirkung der 'Vita Haimhrammi'. Der ursprüngliche Text ist in 8 Hss. aus dem 10.—13. Jh. überliefert, von denen eine aus dem 10., die meisten aus dem 12. Jh. stammen. Auch schon in ihnen suchen die Schreiber die grammatischen Verstöße zu beseitigen und die Sprache zu glätten. Von dieser Vita gibt es ebenfalls eine Überarbeitung, die.
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Arbeo von Freising
nach der Zeit der ältesten Hs. zu urteilen, im Anfang der Regierung Ludwigs des Frommen vorgenommen wurde, in 12 Hss. aus dem 9.—15. Jh.; sie bemühte sich, den Text zu glätten, im Stil kürzer zu sein, das Barocke zu beseitigen. Obwohl der Bearbeiter nicht sehr gelehrt und geschickt war, Unentbehrliches wegließ und Unsinniges im Text bot, war seine Fassung beliebter. Als im Anfang des 1 1 . Jhs. der Emmeramkult in Regensburg aufblühte, bearbeitete Meginfried von Magdeburg (s. d.) auf Bitten Arnolds von St. Emmeram (s. d.) As. Vita neu von vor 1024—1030, und Arnold setzte sie in zwei Büchern fort, die er 1036 und 1037 vollendete. Hartwic von St. Emmeram (s. d.) goß As. Vita wohl auch im Anfang des 1 1 . Jhs. (der Clm. 14436, Bl. 1 1 8 b f., die einzige Hs., die zugleich das Original ist, aus St. Emmeram, enthält das Bruchstück von 244 Versen) in rhythmische Achtsilbler um, die aber vor dem Martyrium abbrechen. Literatur: Außer G. B a e s e c k e s Buch 1930 seine Ausgabe Der dt. Abrogans Text abi (Altdt. Textbibl. 30); ders. F F . 7, 1939, S. 274; ders. Vor- und Frühgesch. des dt. Schrifttums II, 1953, S. 101 ff. Zur Sprache: J . W. D. S k i l e s The Latinity of Ar. eo's Vita Cnrbiniani Chicago 1938; G. B a e s f c k e D i e Sprache des dt. Abrogans P B B . 55, I 9 3 1 . S. 321 ff. W. B e t z Der Einfluß des Lat. auf den ahd. Wortschatz, 1. Der Abrogans 1936 (Germ. Bibl. II, 40); E . K a r g - G a s t e r s t ä d t Zum Wortschatz des A brogans in der G. Baesecke-Festschrift Altdt. Wort und Wortkunstwerk 1941. Zur historischen Auswertung: I. Z i b e r m a y r Noricum, Bayern und Österreich 1944, S. i i 2 f f . (Der Landesbischof Emmeram von Regensburg) und S. 152 ff. (Bischof Korbinian von Freising). Übersetzung der 'Vita Haimbrammi'von B. B i s c h o f f : Leben und Leiden des hl. Emmer am Lat.-Dt. 1953 (TuoculumBücherei). Vgl. auchR. B a u e r r e i ß Kirchengesch. Bayerns I, 1949, S. 1 5 5 ff.
8. Durch das grundlegende Buch B. B i s c h o f f s Die südostdt. Schreibschulen und Bibl. in der Karolingerzeit I, 1940 ist die Freisinger Schreibschule unter A. erst richtig durchforscht und beurteilt worden, s. S. 60 ff. Sie läßt sich damals zum erstenmal erkennen und zwar als „eine fest gegründete Schule von einheitlich ausgebildeten Schreibern, die sich einer schlichten frühkarolingischen Minuskel bedienen". Die Meinung G. Baeseckes also, daß die insulare Schrift dort damals die typische gewesen sei, stellt „die tatsächlichen Ver-
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hältnisse . . . nahezu auf den Kopf" (S. 62 Anm. 4). Während die Schrift in St. Emmeram zu dieser Zeit eine starke Spannung zwischen italienischen und insularen Elementen zeigt, ist sie in Freising „obwohl keineswegs typengleich, doch . . . in Richtung auf die karolingische Minuskel viel mehr ausgeglichen" (S. 62 Anm. 3). 9. H. Löwe betrachtet in seiner Studie zu Religiosität und Bildung im 8. Jh. (Rhein. Vierteljahrsbll. 15/6,1950/1, S.87ff.) As. Persönlichkeit und Werk als „ein Zeugnis der geistigen und religiösen Haltung, die innerhalb des baierischen Stammes aus der Begegnung mit so vielgestaltigen geschichtlichen Mächten erwachsen konnte", und zwar die langobardisch-italienischen Beziehungen, wobei er darauf hinwies, daß seine staatsrechtliche Terminologie zum Wesentlichen aus der langobardischen Rechtssprache stammt, As. Bibliothek und ihre Beziehungen zu Virgil von Salzburg, „der das Interesse As. an Hieronymus gefördert und auch sonst zur Ausweitung des geistigen Gesichtskreises der Freisinger Bibliothek beigetragen hat", schließlich seine Religiosität und seinen Charakter. Seinem Christentum fehlt das ausgesprochen Germanische, aber nicht die naturhafte Ursprünglichkeit; es blieb in der Religiosität Gregors des Gr., drang nicht wie das Gottschalks in die Tiefe der Probleme und wahrte sich dadurch „bei aller Autoritätsgebundenheit eine weitgehende Freiheit der persönlichen Lebensgestaltung". Daß die Spannungen und Gegensätze, in die As. Bildung und Geistigkeit aufgedeckt wurden, nicht solcher Art sind, daß sie nicht in einem Menschen vereint sein können, machte G. B a e s e c k e aus der Geschichte von As. Heimat und Zeit verständlich (PBB. 68, 1945, S. 75 ff.), indem er das an der Einwirkung Gregors des Großen auf die beiden Viten As. darlegte, was Sprache und Inhalt, besonders den „Aufbau einer neuen klerikalen Haltung" betrifft; dabei arbeitete er an Eigenberichten As. heraus, wie realistisch und liebevoll A. die Umwelt aufzeichnet, daß er hier nirgends Wunder beansprucht, daß er „ein menschlich-praktischer Seelsorger und ein schlichter Prediger" gewesen zu sein scheint.
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Archipoeta
io. Die ' Vita SS. Marini et Anniani' (her. von O. H o l d e r - E g g e r N A . 13, 1883, S. 22ff.; B . S e p p Die Vita SS. M. et A. 1892, die Vita brevior aber in verbesserter Fassung) wollte R . B a u e r r e i ß Stud. und Mitteil, zur Gesch. des Ben.-Ordens 51, 1933, S. 37ff. dem A . zuschreiben, aber mit so merkwürdigen Mitteln, daß G. B a e s e c k e s Ironisierung a. a. O. S. 1 1 1 berechtigt ist. Das erste, früher selbständige Stück des Stuttgarter Canones-Glossars (Ahd. Gll. IV, S. 619 und Nr. D L X X X I I I ) versuchte E . K a r g - G a s t e r s t ä d t in der Festgabe für K . Bohnenberger 1938, S. 231 ff. mit Freising und A . zu verbinden. Baesecke kann aber „nicht recht an Freisinger Herkunft . . . glauben" a. a. O. S. H 7 f f . Dagegen können die Glossen zu Gregors Evangelienpredigten (s. W . Schröder P B B . 65, 1942, S. i f f . ) von A . nach Beendung seiner Viten (772) veranlaßt, aber nicht selber verfaßt sein, s. B a e s e c k e a.a.O. S. 1 1 2 f f . K . Langosch Archipoeta (Nachtrag). Zu 2. Während sich die meisten Gelehrten für die dt. H e r k u n f t des A . ausgesprochen hatten und O. S c h u m a n n (s. o. I, Sp. 108) diese Frage offen lassen zu müssen glaubte, setzten sich 1935 H. M e y e r - B e n f e y War der A. ein Deutscher? in der ZfdA. 71, S. 201—9 und W . v o n d e n S t e i n e n Die Heimat des A. Z f d A . 72, S. 97—109 für romanische Abstammung ein; der erste machte ihn zum Provenzalen und der zweite, der jene Hypothese als „irrig" zurückwies, zum Lombarden und Bürger von Novara. K . S t r e c k e r in den JBfdGesch. 9/10, S. 220 und O. S c h u m a n n in der ZfromPh. 56, 1936, S. 211 ff. lehnten mit Recht die Methode beider Arbeiten ab. Schumann glaubte aber, ein Beweismittel, das er übernahm und zu verstärken suchte, für die romanische Heimat zu haben: er wollte aus I, V . 14 mit den beiden Transmontani folgern, daß der A . bewußt Germanus gemieden hätte, weil er eben kein Deutscher gewesen sei, und dichtete diesen Vers mit zwei Germani statt der Transmontani gleichsam nach oder vor. Solch Pressen aber ist unbegründet und unmög-
lich, weil der A. Teutonicus für deutsch verwendet (V, 21 hätte Germanicus ebenso gut in den Vers gepaßt) und weil überhaupt solche Überlegung außerhalb des wissenschaftlichen Erkennens steht. In dem gleichzeitig erschienenen Aufsatz Der A. war ein Deutscher HistVjschr. 30, 1936, S. 493ff. bemühte ich mich, alle sprachlichen und besonders reimsprachlichen, aber auch metrischen und geistesgeschichtlichen Argumente für die romanische Herkunft, die man vorbrachte oder vorbringen kann, zu entkräften und aus einer weitgreifenden Interpretation jenes Transmontani-Verses und des ersten Gedichts heraus, die ich D t . Archiv 5, 1942, S. 397ff. ergänzte, die dt. Heimat wahrscheinlich zu machen, soweit das mit dem geringen Material möglich ist. Dagegen erklärten sich beiläufig E . S c h r o e d e r G G A . 199, 1937, S. 521 und W . B u l s t DVjschr. 15, 1937, S. 202, der ebenda S. 200 f. drei Argumente für Frankreich vorlegte, von denen aber keines schlagend ist (vgl. D t . Archiv 5, 1942, S. 398f.); leider begründeten beide ihre Ablehnung nicht. Zum mindesten kann man getrost mit W . S t a c h L S B . 9 1 , 1 9 3 9 , 3 . Heft, S . 1 2 Anm. 21 sagen: „Die Beweiskraft liegt dem ob, der gegen die an sich nächstliegende Annahme ankämpft, daß der Dichter ein Deutscher war." Zu 6: über die „Vision" (Nr. 5 Grimm = 9 Manitius) s. zu 11. Z u 10. Den „ K a i s e r h y m n u s " (Nr. 9 Grimm = 7 Manitius) erläuterte „als Zeugnis staufischer Reichsgesinnung" W . S t a c h Salve mundi domine! Kommentierende Betrachtungen zum Kaiserhymnus des A. L S B . 91, 1939, Heft 3 und zeigte den A . wie andere Dichter jener Zeit „im Dienste eines stummen Auftrags, und die Tendenz, die daraus spricht, die Art des politischen Pathos scheinen irgendwie amtlich". Wie er aus sorgsamer Interpretation der einzelnen Strophen herausarbeitete, ist das Gedicht „ein politischer T r a k t a t " , in dem „die Verfechtung des theokratischen Kaisergedankens und der Nachweis, daß Friedrichs Regierung dieses Ideal verkörpert" das eigentliche Anliegen des A. ist. Erst von dem hier nachgewiesenen historisch-poli-
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Archipoeta
tischen Hintergrund aus wird dies im Thema unter den Liedern des A. für sich stehende verständlich und lebendig. In den reichen Anhängen und Beigaben, die den Vortrag unterbauen und erweitern, stehen viele treffliche Einzelbemerkungen nicht nur zum Kaiserhymnus. Wohl für das Epos, das Reinald vom A. über die Italienzüge Barbarossas gefordert hatte, hatte er dieses Lied gedichtet (das Gedicht, in dem er das Epos ablehnte, d. i. Nr. 4 Grimm = 6 Manitius, ist nicht politisch, sondern wie die andern in der Art der Vagantenlyrik gehalten). Durch den Kaiserhymnus gehört er zu einem politischen Literaturkreis um Kaiser Friedrich I. mit einer Reihe anderer Schriftsteller, von denen er sich am stärksten mit dem Dichter des ,,Ludus de Antichristo" berührt. Jene wollten den Kaiser und seine Herrschaft verherrlichen und mit ihrer Feder helfen, daß das Reich die alte Macht wieder errang, die es im Investiturstreit eingebüßt hatte. Nicht nur der A., sondern auch andere schufen Gipfelleistungen, die sich auf die Hauptgattungen verteilen, Gunther von Pairis das große Barbarossaepos „Ligurinus", ein Unbekannter das einzigartige Drama ,,Ludus de Antichristo" und Otto von Freising, dessen Weltchronik man als Krone der mittelalterlichen Gechichtsschsreibung ansieht, schrieb die ersten Regierungsjähre Friedrichs I. auf. Die staufische Blüte der Literatur beginnt vor 1160 in lateinischer Sprache und greift erst Ende des Jhs. auf das Altdeutsche über. Wie hier als politischer Sänger der A. Ii er vorragt, so dort Walther (s. d.), den H. N a u m a n n als „neuen Erzpoet" bezeichnete (Das Bild Walthers 1930 S. 9): „Er war für die Kaiser das, was der Erzpoet einst in lateinischer Sprache für Barbarossa war" (Der staufische Ritter 1936, S. 102). W. S t a c h Politische Dichtung im Zeitalter Friedrichs I. Der Ligurinus . . . NJbb. 13, 1937,
S. 385ff. K. L a n g o s c h Politische Dichtung um
Friedrich Barbarossa 1943, S. 46ff.
Gegen M. B u c h n e r s These, daß der A. mit Ps.-Turpin identisch sei, A. H a e m e l Berl. Beitr. zur roman. Philol. 1, 1929, S. 45ff. mit vollem Recht.
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Zu 11. Für die „ V i s i o n " (Nr. 5 Grimm = 9 Manitius) konnte G. F r e n k e n Der Erzpoet und das Kloster St. Martin in Köln Jb. des Köln. Geschver. 11, 1929, S. i3off. durch den glücklichen Fund einer ungedruckten Urkunde des Pfalzgrafen Konrad bei Rhein (1165—95) die historische Grundlage klären und erst damit das Verständnis des Gedichtes erschließen. Hier geht es um fünf Morgen Weinberge in Moselweiß, die Propst Heinrich von St. Martin und Florin in Koblenz dem Kölner Martinskloster als Dank für die dort genossene Gastfreundschaft und die Aufnahme in die Brüderschaft geschenkt hatte. Erzbischof Adelbero von Trier (1132—52) hatte die Schenkung zwischen 1142 und 1152 bestätigt. Jene Urkunde des Pfalzgrafen nun, die an sich zwischen 1156—71 anzusetzen ist und davon spricht, daß die Schenkung dem Gedächtnis der Menschen entschwunden sei, geht sicherlich auf die Bitte des A. in der „Vision" zurück, die wirklich Reinald zu einer Intervention veranlaßte, und ist danach 1164 oder 1165 anzusetzen. Der Neffe des Propstes Vuldrich, der mit der Schenkung nicht einverstanden war, nahm den Mönchen die Weinberge wieder ab, die aber machten ihr Recht geltend. Der Pfalzgraf bei Rhein, vor den der Streit kam, entschied zunächst für das Kloster, als er sich jedoch mit dem Erzbischof verfeindet hatte, für Vuldrich. Der Abt des Martinsklosters brachte die Sache vor Reinald, scheint aber zunächst keinen Erfolg gehabt zu haben (s. Str. 18, V. 1—2). Da benutzte er den A. als Vermittler, und der übernahm die heikle Aufgabe, weil er dem Abt für gastliche Aufnahme verpflichtet war. Nun kann auch die Komposition besser erfaßt werden, s. L a n g o s c h DVjschr. 21, 1943, S. 4i7ff. Zu 12. E. R. C u r t i u s Der A. und der Stil mittelalterlicher Dichtung (Roman. Forsch. 54, 1940, S. 105ff.) betrachtete die rhetorischen Elemente. Wenn er den S t i l des A. zum Wesentlichen in der rhetorischen Tradition aufgehen lassen will, so überanstrengt er seine Betrachtungsweise von der Topik her. Bei wirklichen Dichtern muß der nur auf das Überkommene gerichtete Blick, der das viel stärkere Eigene übersieht, die
Argüía von Grumbach — Arnold, Priester
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poetische Leistung unterbewerten, wie es bei Curtius geschieht. Vgl. L a n g o s c h DVjschr. 2 i , 1943, S. 424ff. Auf K o m p o s i t i o n und A u f b a u hin untersuchte ich fünf Gedichte, im Dt. Archiv 5, 1942, S. 387ff. Gedicht I (Manitius), dessen 23 Hexameter sich in 6 Strophen gliedern lassen, die Vagantenbeichte (Nr. III) sowie die Ablehnung eines Epos für Barbarossa (VI); dabei ergibt sich, daß die sech Strophen Loca vitant publica . . . ursprünglich in V I gestanden haben und erst später in I I I eingefügt wurden; in V I ist Str. 4 als Dublette auszuscheiden; in der DVjschr. 21, 1943, S. 4 i 7 f f . die „ V i s i o n " (IX), die erst durch die von F r e n k e n gefundene Urkunde (s. o. zu 11) richtig verstanden wird, und den Kaiserhymnus (VII), bei dem die Konstantinstr. (23) entgegen S t a c h a. a. O. S. i 7 f f . und 66ff. an ihrem Platz zu lassen ist. Man kann nicht mit E . R . C u r t i u s DVjschr. 16, 1938, S. 451 ff. die Komposition als Formproblem fürs MA. ablehnen, vgl. DVjschr. 21, 1943, S. 424ff.; dazu ist sie an sich zu natürlich und in zu vielen mal. Denkmälern der dt. und lat. Sprache nachweisbar. Beim A . zeigt sich in zwei Dritteln der Gedichte beim A u f b a u des Inhalts und bei der Komposition der Strophen eine Gesetzlichkeit und Feinheit, die von hoher Kunst zeugt. Die 42 Hexameter von Nr. X sind wenigstens so eingeteilt, daß sich V . 1 — 2 als Präludium vom Ganzen abheben und dann zwei gleich große Stücke schon durch die Verschiedenheit des Reimschmucks (V. 3—22 leoninisch gereimt, 23—42 Caudati in Vierergruppen), aber auch durch den Inhalt. Von den Tiraden des achten Gedichts ist kein Aufbau in jener A r t zu erwarten, in Nr. II keiner zu erkennen. Zu 14. W . H o l t z m a n n möchte die zwei Hexameter auf dem Siegel Reinalds, das F. H e r m a n i n im Arch. della R . dep. Romana di storia patria 67, N S . 10, 1944, S. 269ff. veröffentlichte, dem A . zuschreiben, kann es aber nicht beweisen (Dt. Arch. 8, 1951, S. 544f.). Ubersetzungen:
des
A.
an
Kaiser
K.
W o l f s k e h l Gedichte
Friedrich
Barbarossa
und
seinen Kanzler 1921 (Rupprechtpresse XIII, 2).
K. L a n g o s c h
Lat.
60 Lyrik
des Mittelalters
1954
(lat. Text und Versübertragung mit ausführlichem Kommentar). L i t e r a t u r (außer der bereits oben genannten): P. Lehmann Die Parodie im MA. 1922, S. I39ff. (bes. zu den beiden Beichten). F. J. E. R a b y A History of secular latin Poetry II, 1934, K a p . 1 3 ,
Nr. 2. — Zum 1. Gedicht: W. N a u h a r d t ZfdA. 74, 1937. S. 268—70 (will V. 1 — 4 streichen, was abzulehnen ist, vgl. Dt. Archiv 5, 1942, S. 387ff.). — Zur „Vagantenbeichte": K. S t r e c k e r weist in ZfdA. 58, S. 160 auf die Hs. 125 in Charleville und ein zersungenes Stück daraus in der Hs. Wolfenbüttel 4466 Gud. 162. E. K . R a n d
In taberna
mori The Harvard Graduates' Magazin 37, 1929, S. 407ff. (über Goliarden, Golias, Parodie u. a ). J . - L . H e l l e r A note on the so-calle
,.Confession
of
Golias" Speculum 8, S. 2 5 7 ! H. J. Moser Die älteste Melodie zu Meum est propositum
Fortunatus,
Bll. für das Studententum Nr. 8, W S . 1927/8,
S. i — 4. H. W a i t h e r edierte eine geistliche Paro-
die der S t r . Meum est propositum in d e r L o n d o n e r
Hs. BM. 3362 aus dem Anfang des 15. Jhs. in ZfdA. 84, 1953, S. 265ff. — F. Heer Die Tragödie des hl. Reiches 1952, S. 7öff. (neue Betrachtung des A->-
K . Langosch
Argula von Grumbach, s. H a n s Landshut.
von
Vgl. K . S c h o t t e n l o h e r Bibliogr. zur dt.Gesch. im Zeitalter der Glaubensspaltung 1, S p . 312 u n d 5, Sp. 109.
'Aristoteles und Phyllis' (Nachtrag): G. J o s e p h s o n Die mhd. Versnovelle von A. u.
Ph. Diss. 1934, W. S t a m m l e r RL. zur dt. Kunst -
gesch. 1 (1937), S p . 1028—40.
'Aristotilis Heimlichkeit' (Nachtrag): W . S t a m m l e r Prosa der dt. Gotik 1933, S . 6 1 — 4 u n d J38-
Hannemann Arnold, Priester (Nachtrag). Zu 1/2. A r n o l d , d e r V e r f a s s e r d e r „ J u l i a n e " , bezeichnet sich v . 5 als ¿wart, ist also schon deshalb nicht mit dem innerösterreichischen Verfasser der „Siebenzahl", der sich priester nennt, gleichzusetzen, wie S c h ö n b a c h (1882) wollte. Auf die unterschiedliche Reimtechnik beider Dichtungen wies schon P o l z e r v a n K o l (1913), S. X I hin; L e i t z m a n n (1951) erwies A . auf Grund einiger Reime der „Juliane" als Alemannen! Die Datierung wird dadurch erschwert, daß die ..Juliane" zwar in einer Hs. aus Seckau/Steiermark des 12. Jhs. steht, jedoch erst im 14. Jh. nachgetragen wurde. Die vorliegende Fassung bietet als Mittelstück in fast 300 Versen eine Szene zwischen der Heiligen und dem
6i
Arnold von St. Emmeram
Teufel, die wahrscheinlich vom Teufelspiel des mal. Dramas beeinflußt ist wie später „Des Teufels Netz". Wenn also nicht eine spätere Umdichtung vorliegt, dürfte die „Juliane" keineswegs mehr dem 12. Jh. angehören, sondern sehr viel später zu datieren sein.
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Hs. S. Peter b. VI, 2, 15. Jhs. erhalten. Zu beachten ist auch der Emmeramer Katalog von 1501 im Clm. 14675, Bl. 19b: Item legenda sive vita Sancti Wolfgangi et beati Ramwoldi per modum dyalogi simul includens quedam miracula per sanctum Emmeramum operata . . . (a. a. O. Anm. 36). U. P r e t z e l Frühgeschichte des dt. Reimes 1 Bischof Heribert von Eichstädt (1021 bis (1941), S. 128—33. J. S c h w i e t e r i n g Die dt. 1042) fügte 5 leoninische Hexameter zu, die Dichtung des Mas. 1941, S. 90f. H. de Boor Die bei Canisius hinter der Praefatio zum 2. Buch dt. Literatur von Karl d. Gr. 1 9 4 9 , S . 1 6 9 ! , 191 f. stehen, in der Salzburger Hs. aber vor ihr, A. L e i t z m a n n Zu As. Juliane PBB. 73 (1951), S. 319. H. R o s e n f e l d NDB. 1 (1953), S. 379. was der richtige Platz sein dürfte; darin Zu 3—5. P r i e s t e r A r n o l d , der V e r - lobt er das Werk, das er mehrmals gelesen f a s s e r der „ S i e b e n z a h l " , stammt wahr- habe: Et nihil inveni, vitium quod possit scheinlich aus der Steiermark und dichtete, haberi. A. hat es also dem Bischof zuda er in der (vor 1139 begonnenen) Kaiser- gesandt. chronik zitiert wird, etwa 1130. Trotz cluZu 2 c. Das Faksimile jenes Gedichtes von niacensischer Mahnungen an Tod und Ver- 22 leoninischen Hexametern bei J. B. gänglichkeit läßt er doch auch der Welt Ge- K r a u s De translatione corporis S. Dionysii rechtigkeit widerfahren, indem er die sieben Areopag. Abb. XIII. B i s c h o f f gibt eine freien Künste einflicht und dabei an der bessere Deutung der griech. Buchstaben Philosophie Wilhelms von Conches ge- Theta und Pi und deckt die Quelle für die schulte naturwissenschaftliche Neigungen mystischen Erklärungen hier und im 2.Buch zeigt. Der Stil und die Frömmigkeits- As. auf, den Codex Hartwics, Clm. 14436, haltung ist objektiv-sakral. Das Gedicht Bl. 113b. — Die Antiphonen und Responsowächst aus einem liturgischen Lobpreis rien As. auf den hl. Emmeram sind in Clm. des Heiligen Geistes hervor und mündet 14870, Bl. 9ff., 11. Jhs., also wohl schon wieder in einen liturgischen volltönenden aus As. Zeit überliefert; in Clm. 14292 auf Lobhymnus auf ihn ein, und alle aneinander- dem hinteren Schutzblatt aus dem Anfang gereihten Siebenzahlen fließen eigentlich des 13. Jhs. und in Clm. 14872, Bl. 31 ff. aus den 7 Gaben des heiligen Geistes, so aus dem Anfang des 16. sind sie durch Lekdaß diese Zahl, die das Ganze zusammen- tionen eines Sermo des 11. Jhs. „Exultanhält, zum Symbol des Heiligen Geistes wird. dum nobis est" vermehrt, vgl. a. a. O. U. P r e t z e l Frühgesch. des dt. Reimes 1 (1941), Anm. 38. S. 150—57. J . S c h w i e t e r i n g Die dt. Dichtung Zu 3. B i s c h o f führt a. a. O. S. 112 seldes Mas. 1941, S. 123. H. de Boor Die dt. Literatur von Karl d. Gr. 1949, S. i6gi. K. R a n k e tene und ungewöhnliche Worte an, KomVolkskundliches zu Priester As. Gedicht von der posita wie mirigerulus, venipeta (veniam Siebenzahl ZfdPh. 71 (1953), S. 343—65. H. R o - petens) und Neubildungen wie palificat, s e n f e l d NDB. I (1953). s - 37 8f draconizantes u. a. und macht auf das Hellmut Rosenfeld griechische Element in Zwitterbildungen Arnold von St. Emmeram (Nachtrag). und Verballhornungen aufmerksam: anasAus der Untersuchung B. B i s c h o f f s tasificus, ministeriarchis (Gen.), aromaLiterarisches und künstlerisches Leben in tizans, diocten (SiotKiiniv) u. a. Ob man St. Emmeram (Regensburg) während des As. sprachliche Bildung „recht unsicher" frühen und hohen MAs. Stud. und Mitteil, nennen darf, weil er den Barbarismus spebus zur Gesch. des Bened.-Ordens 51, 1953, gebraucht, atqui statt itaque, mediastinus S. 102ff., in der er auch A. behandelt statt medianus, campanum statt -a..., scheint (S. n o f f . ) , ergibt sich folgendes: mir näherer Prüfung dahin zu bedürfen, Zu 2b. Das zweite Buch As., das infolge inwieweit das dem Sprachgebrauch damals seiner späteren Abfassung anders über- entspricht, bzw. bewußter Stilwille ist. R. B a u e r r e i ß Kirchengesch. Bayerns 2, 195 liefert ist als das erste, ist uns außer im S. 6if. v T Druck des Canisius noch in der Salzburger
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Arnoldus — Aschel, Wolfgang
Arnoldus. In Meffreths 'Hortulus reginae' wird Arnoldus in narratorio als Quelle angegeben; vgl. C r u e l Gesch. der dt. Predigt im Ma. S. 458. H. Niewöhner ArnoldusSaxo (Nachtrag). A . scheint aus Loccum zu stammen, da er in einem Bibliothekskatalog des 15. Jhs. Arnoldus Luce genannt wird und Loccum seit dem 12. Jh. oft Luc(c)a heißt; das Collegium universitatis Erfordiensis besaß Teile seines Werks unter dem Titel: „Lapidar ins Arnoldi Luce de gemmarum virtutibus, mirabilia et naturalia eiusdem, item de virtutibus et naturis animalium quorundam" (P. L e h m a n n Mal. Bibliotheskataloge II,, S. 205). Dieselbe Bibliothek hatte auch den fünften Teil: „Quinque libri moralium" (ebenda S. 139). Während diese Hss. noch nicht wieder aufgetaucht sind, ist in der Lüneburger Ratsbücherei eine Hs. mit den Teilen II, I V , I I I vorhanden, eine gute Perg.Hs. aus dem 13. J h . : Theol. 4 0 20, Bl. 89a bis 114 a, in der sich der A u t o r selbst anführt (Bl. 89 a). Mit diesen Nachweisen konnte P. L e h m a n n unsere Kenntnis der Überlieferung wesentlich vermehren; die Enzyklopädie As. war also beliebter, als wir wußten, s. Mitteil, aus Hss. I V (MSB. 1933, H e f t 9), S. 61 ff., auch Berliner Philol. Wochenschrift 1918, Sp. 385 ff. L . T h o r n d i k e A History of Magic and Experimental Science II, 1947, S. 430L führt eine Reihe von Gründen dafür an, d a ß nicht Bartholomäus Anglicus den Arnold ausschrieb, sondern umgekehrt A . den Bartholomäus, aus dem er dann auch die Kenntnis des „Diascorides" geschöpft haben müßte. D a die Enzyklopädie des Bartholomäus „De proprietatibus rerum" 1230 bis 1240 angesetzt wird, muß As. „De finibus rerum naturalium" nach dem Werk des Bartholomäus datiert werden, also nicht mit E . S t a n g e ins dritte, sondern erst ins fünfte Jahrzehnt des 13. Jhs. T h o r n d i k e zweifelt auch, daß Albertus Magnus oder Vinzenz von Beauvais ihre Zitate aus Jorach, Pictagoras, Esculapius oder Zeno aus A . haben: The probabüity is that such books were common property (S. 432).
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Vgl. auch T h o r n d i k e a.a.O. S. 261, 469, 470. G. S a r t o n Introduction 2, 1931, S. 592.
to the History of Science II,
Eine hebräische Übersetzung verzeichnet M. S t e i n s c h n e i d e r Die hebr. Übersetzungen des MA s. II, 1893, S. 957: A u f die prosaische Bearbeitung von Marbods „ L i ber lapidum" durch einen A n o n y m u s in hebräischer Sprache folgt in den Hss. Bern 200 und Oxford Bodl. K 11 eine kleine A b handlung über Siegel, deren A n f a n g wörtlich mit einer dem A . S. beigelegten übereinstimmt (In quocumque lapide inveneris vel arietem vel leonem . . .) . . . A . B i r k e n m a j e r Le rôle joué par les médecins et les naturalistes dans la réception d'Aristotc au XIIe et XIIIe siècles 1930. M. G r a b m a n n Methode und Hilfsmittel des A ristoteles-Studiums im
MA. MSB. 1939, V, S. 109-111.
£
^
'Arnstein, Marienlied', s. ' M a r i e n g e b e t v o n A.* Aschel, Wolfgang. x. Die Hs. A.III. I.23 derBibl. dereinstigen Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften in Görlitz enthält drei Pferdebücher, die von der Hand As. im Jahre 1473 geschrieben wurden: vnd
ist dises puech geschriben worden durch wolffgang A schel granator nouaforo ( ! ) anno 1473. I n w e l c h e m
der zahlreichen Orte namens Neumarkt dieser Kornschreiber A. lebte, ist noch nicht entschieden. Seine Sprache ist vorwiegend bair. (chrewsweys Bl. 5 3 b , chüm 46b, hiet 2 b , tail 40a,
mangerlay
63a u. a.), zeigt aber auch md. Einflüsse (konig
B l . 40a, M o n o p h t h o n g e i n gutten, triffen u. a.), so
daß man Neumarkt in der Oberpfalz in Betracht ziehen kann. Auf dem Vorderdeckel des Bandes ist ein Wappen eingeklebt, das große Ähnlichkeit mit dem der Augsburger Welser hat ; nach Görlitz gelangte der Codex erst gegen Ende des 18. Jhs. 2. A . hat für seine in der Hauptsache kompilatorische Arbeit mehrere verschiedene Vorlagen verwertet. Der Stoff ist in zwei Abschnitte gegliedert, auf die noch ein anfänglich nicht geplanter dritter Teil, gleichfalls von der Hand A . s geschrieben, folgt. Die beiden ersten Teile werden durch eine gemeinsame Überschrift auf Bl. i a folgendermaßen gekennzeichnet : Dises puch saget von den pferden vnd ist gemachet vnd getailt jn zway tail vnd capitel. vnd saget das erst, wie man auß vier dingen die guten pferd erkennen macc usw. Das ander saget von den gebresten oder suchten der pferd vnd was erczney man dartzu nemen soll. Der
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erste Teil beginnt dementsprechend mit. einer Abhandlung über die Kennzeichen guter Pferde, wofür wahrscheinlich die lat. 'Marstallerei' des Italieners Laurentius R u s i u s (Mitte des 14. Jhs.) als Quelle gedient hat. Darauf folgen aber noch zahlreiche Mittel zur Behandlung kranker Pferde aus einer anderen Quelle; diese Stücke entsprechen durchaus der spätmal. Schulmedizin; Zaubermittel und Roßtäuscherpraktiken fehlen gänzlich. Der zweite Teil gibt sich a l s A l b r a n t s Roßarzneibuch (s. d.) zu erkennen. Die Überschrift auf Bl. 40a lautet: Das ist der ander tail, helt jnne ettliche stuck vnd ertzney zu dem gepresten der pferde, jnmaß ettwen maister Albrecht kayser frydereichs schmid, der auch des konig von Napolis marstaler gebesen ist, gemacht vnd gebraucht hat. Der Text beginnt mit dem ersten Rezept des alten Meisters und schließt sich auch weiterhin an dessen Texte an, erweitert aber den Inhalt nicht nur durch Einschaltung zusätzlicher Rezepte, sondern auch durch zahlreiche erläuternde Ausführungen, so daß das Ganze als eine recht eigenartige Bearbeitung des Albrantschen Büchleins zu bezeichnen ist. Dabei ist deutlich zu erkennen, daß A. nicht eine einzige Albranths. zugrundegelegt, sondern mindestens zwei verschiedene Fassungen berücksichtigt hat. Der dritte Teil (Bl. 63 a—89 a) bietet weitere Anweisungen zur Behandlung kranker Pferde. A . bemerkt dazu einleitend, daß er diese Stücke auß andern puchern zusammen bracht habe, doch handelt es sich auch hier vorwiegend u m Albrantmaterialien, wobei sich viele Texte mit geringen Abweichungen wiederholen. 3. Die Sammlung As. bietet ein eindrucksvolles Beispiel dafür, wie gegen Ende des MAs. die dt. hippiatrische Literatur und Praxis mit den Texten und Verfahren des ältesten dt. Roßarzneibuches durchsetzt war. Nur noch in wenigen Hss. wurde der Name des alten Autors (meist Albrecht statt Albrant) genannt, in den meisten wurden die Mittel ohne Nennung des V f . weitergegeben. Die Texte Aschels stimmen inhaltlich weitgehend mit dem böhmisch-schlesischen Überlieferungsflügel von Albrants Roßarzneibuch überein. Vcrfasserlexikon V .
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'Asinarius*
Die Texte sind nicht gedruckt. Vgl. Die Bibl. der Oberlausitzischen Ges. der Wiss. 2, Anhang III (1819) Nr. 23; G. E i s Eine roßarzneikundliche H. in Görlitz aus dem Jahre 1473 in: Neues Lausitzisches Magazin C X V I (1940) S. 53— 57; G . E i s Zum Roßarzneibuch Meister Albrants in: Beitr. z. Gesch. d. Vet.-Med. III (1941) S. 337—340.
Gerhard Eis 'Asinarius'. Die mlat. Verserzählung vom Eselsprinzen, aus der die Brüder Grimm das 144. Kinder- und Hausmärchen „Das Eselein" gewannen, wird in den Hss., die einen Titel angeben, und das sind die meisten, übereinstimmend A . genannt, so auch von Hugo von Trimberg (s. d.) in seinem 'Registrum multorum auctorum V . 718 (nach meiner Ausgabe in den German. Studien 235, 1942). Nur im Explicit der 1452 in Frankfurt geschriebenen Heidelberger Hs. Salmansw. V I I I 29b heißt es asinarius vel diadema; das ist sicher eine eigene Erweiterung des Conradus Worheym, der die Hs. schrieb, bzw. seiner Vorlage und besagt nichts für den eigentlichen Titel. In 201 Distichen wird die Eselsgeschichte anders als bei den Grimms erzählt. Einem reichen Königspaar wurde endlich ein Nachkomme geschenkt, das war aber ein Esel. Die Mutter wollte ihn den Fischen zum Fraß ins Meer werfen lassen, aber der König nahm sich seiner an und ließ ihn aufs beste erziehen. Der Esel erwies sich als sehr gelehrig, wußte sich schnell als Herr durchzusetzen und lernte, nachdem er den Zithermeister, der sich weigerte, zurechtgewiesen und zum Gehorsam gebracht hatte, meisterhaft singen und Zither spielen (— V. 86). Als er eines Tages im Spiegel des Flusses seine häßliche Gestalt gewahr wurde, glaubte er, nicht König werden zu dürfen, wanderte mit einem treuen Diener aus, der sein Instrument tragen mußte, und fuhr übers Meer ans Ende der Welt (— V. 122). Dort regierte ein anderer König. Erst als der Esel in Sang und Spiel seine Künste gezeigt hatte, wurde er in den Königspalast eingelassen. Sein Musizieren gefiel und stimmte die ganze Hofgesellschaft heiter. An der Tafel errang er sich den Platz neben der Königstochter, deren Schönheit es ihm angetan hatte, und bediente sie mit allem Geschick (— V. 226). Als ihn das Heimweh packte, konnte ihn der König nicht durch Reichtum oder Teilung seines Reiches halten, sondern nur dadurch, daß er ihm seine Tochter zur Frau gab. In der Hochzeitsnacht stieg der Bräutigam als strahlender Jüngling aus dem Eselsfell, das er erst am nächsten Morgen wieder anlegte. Ein Diener, der auf des König Befehl das Paar beobachtet hatte, riet seinem Herrn, in der nächsten Nacht das Fell wegzunehmen und zu verbrennen. Das tat der König. Als sein Schwiegersohn daraufhin am nächsten Morgen fliehen wollte,
3
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'Asinarius'
hielt er ihn davon ab und gab ihm das halbe Reich; nach dessen Tod ein Jahr später erhielt er es ganz < - V. 402).
Zugrunde liegt das Volksmärchen v o m Tierbräutigam, bzw. dessen erster Teil. Der mit Namen unbekannte Dichter hat eine mündlich weitergetragene Volksdichtung in schriftliterarische Form gegossen, ein Märchen in kurzer Prosa zu einer Versnovelle ausgestaltet, d. h. schon im Umfang u m ein Vielfaches aufgeschwellt. Dabei wurde das Höfische breit ausgemalt. Die Handlung spielt ja an zwei Königshöfen und wird von zwei Königskindern und deren Eltern getragen. Nun wird z. B . geschildert, wie an der Königstafel die Etikette herrscht, die Städte nach dem R a n g geordnet sind, der Truchseß die Plätze anweist, der neue Gast erst auf seine vornehme A b k u n f t pochen und den K ö n i g zum Eingreifen veranlassen muß, ehe er sich neben die Königstochter setzen darf, wie galant er sie bedient. E s wird überall deutlich, daß diese Dichtung in einer Zeit höfischer Kultur geschrieben wurde und für ein höfisches Publikum, das nach Liebesgeschichten verlangte. Wir dürfen sie u m 1200 ansetzen, zumal sie Hugo von Trimberg in seinem 1280 datierten W e r k erwähnt, s. o., und ihre Heimat in Süddeutschland suchen, wo das Zentrum der Hss.-Verbreitung liegt. D a z u paßt die ovidische Tönung, für die schon die elegische F o r m bezeichnend ist, auch mancherlei Einzelnes in der Sprachfärbung; man darf wohl auch die antike Mythologie, die allein herrscht (Jupiter und die Götter, Lucina und Venus, Hesperus und Phoebus), dazu rechnen. Vor allem aber tut sie sich in der Neigung zum Pikanten kund. Ovidisch wird das Brautlager geschildert und alles gebracht, woraus sich eine reizende Wirkung gewinnen läßt. So sehr auch die Pikanterie gesucht wird, so wird doch das Letzte nur angedeutet, und es wird stets beizeiten abgeblendet. Das Behagliche und Liebliche der Schilderung, das Höfisch-Verhaltene und Pikante kann nie seinen Reiz verlieren und wird immer wieder den Leser in seinen B a n n ziehen. Muß man sich mit O. S c h u m a n n i m L t b l . 1931, S. 172 daran, stoßen, „ d a ß derselbe Königssohn,
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der eben noch verzweifelt über seine Eselsgestalt war, daß er darum seine Heimat verließ, am Hof des fremden Königs mit einem Male so keck und selbstbewußt auftritt; daß die Prinzessin gar keinen Abscheu vor der Vermählung mit einem Esel empfindet, vielmehr freudig zustimmt ?" Als der Dichter den fremden Königshof (V. 123 ff.) darstellt, widmet er acht von den zehn Versen der Königstochter und betont in ovidischen Versen ihre Heiratsfähigkeit — und das doch auch mit der Absicht, das kecke Auftreten des Esels erklärlich zu machen. Warum soll die Prinzessin Abscheu empfinden, wo der ganze Hof v o m Esel begeistert ist und er sich um sie wie ein höfischer Kavalier bemüht ? Vor allem : verträgt sich solch rationalistisches Fragen mit der Märchenwelt, deren Zauber auch dieser Novellist hütet ? Den Nom. absol. suscipiens V. 289 will O. S c n u m a n n dadurch beseitigen, daß er hier den Ausfall von mindestens zwei Versen annimmt und eine „burleske Schilderung" konstruiert, „wie der Esel seine Braut im Triumph durch die Stadt führt". Mir scheint derartiges dem Ton des Ganzen zn widersprechen. Außerdem liegt es nur an der Jugend der mlat. Wissenschaft, wenn sie den Nom. absol. nur „ i n karolingischer und ottonischer Zeit möglich" hält, aber nicht bei „den formal ganE anders geschulten besseren Dichtern des 12. und 13. Jhs.", s. Ltbl. 1931, S. 170. Diese Konstruktion findet sich z. B. im , , D o l i g a m u s " des Adolf von Wien (s. d.) 5—6mal, s. E . H a b e l Studi Medievali N. S. X I , S. 110. Man darf in solchen Fällen nicht konjizieren, sondern muß zulernen.
Für diese reizende Dichtung, in der übrigens Hiat, Elision und Reim gemieden werden, die aber öfter mit Allitteration geschmückt ist, spricht nicht zuletzt, daß sie im MA. viel gelesen wurde. Meiner Ausgabe konnte ich 9 Hss. und 2 Bruchstücke zugrunde legen. V o n den drei Hss., die ich nicht heranziehen konnte, scheint die Prager von H . W a l t h e r gefunden zu sein: Univ.-Bibl. 502 (III. E . 27), Bl. 3 5 ä f f . , s. Z f d P h . 1930, S. 243. Dort nannte er noch zwei weitere: P r a g Metropol. Bibl. 1482, Bl. 8 i b f f . ; Basel Univ.-Bibl. F . V I I , 8, Bl. 5 i a f f . M. M a n i t i u s wies den A . noch 2- oder 3-mal in alten Bibliothekskatalogen nach und zwar in Blois 1427 N . 6371 und 1440 N . 6634: avecques ung autre livre intitulé Asinarius . . . en latin (beide vielleicht identisch) bei C o m t e d e L a b o r d e Les ducs de Borgogne I I I , S. 295 und 332, ferner in Bibl. incerta Ital. 14. Jhs. (ZblfBblw. 4, S. 142). Damit kennen wir also nicht weniger als 1 8 — 1 9 Hss. und müssen die Erwähnung bei Hugo von Trimberg dazu rechnen. Der eine Zweig meines
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70
Astronomus
Hss.-Stemmas zeigt, wie sich der A. von Frankfurt bis nach Krakau verbreitete (6 Hss. und 1 Fragment = 1 9 5 ° . S. 4 0 I
Heinrich Schmidt
Burchard Schenk von Tautenburg wird von Michael Beheim (s. d.) als alter Meister nach Heinrich v o n Gera(u) gerühmt, die einen Stümper schnell erkennen würden: Und für den von tautenpurg kern / purkart schenken, dise kunst wem / auch pald von in erkennet (im Gedicht „Von den die sich der alten Meister getickt an nemen" im Cod. Pal. 334, Bl. 107b). V o n ihm ist anscheinend nichts bekannt oder erhalten. D i e freiherrliche Familie der Schenk v o n T a u t e n b u r g und Varila blühte in Thüringen bis ins S.. Jh., s. Z e d i e r Universallex. 1 7 3 2 f f . , 34, 17 1280. H. M a s c h e k Über einige verschollene Werke der älteren dt. Lit. ZfdA. 74, 1937, S. I47f.
Burchard von Wengen — Burchard (Buggo) von Worms
121
Burchard von Wengen (Nachtrag): A. S c h l a g e t e r Untersuchungen über die liedhaften Zusammenhänge in der nachwaltherschen Spruchlyrik Masch.-Diss. Freiburg/Br. 1953. S'
37
48'
Hannemann
Burchard (Buggo) von Worms. 1. L e b e n . B . wurde um das Jahr 965 als Sproß einer vornehmen hessischen Familie geboren. Seine Studien absolvierte er im benediktinischen Florinskloster zu Koblenz und in der Benediktinerabtei Lobbes (Laubach) bei Thuin im belgischen Hennegau. Danach war er zunächst als Diakon eines Wormser Stadtbezirkes tätig. Der bedeutende Staatsmann und Kirchenfürst Erzbischof Willigis von Mainz (975—1011) setzte ihn als Kämmerer und Stadtrichter (camerae magister et civitatis primas) ein, während er gleichzeitig die Würde des Propstes von St. Viktor in Mainz innehatte. 997 empfing Burchard die Priesterweihe. Nachdem der Kaiser ihm bereits den Titel eines Hof kaplans verliehen hatte, ernannte ihn im Jahre 1000 Otto III. (983—1002) zum Wormser Diözesanbischof. Mit großer Energie und Entschlußkraft bemühte sich B . um die Wiederherstellung und -gesundung seines von den Ungarn verwüsteten Kirchensprengels. Unter ihm erreichte das Wormser Bistum ebenfalls seinen geistigen Höhepunkt. E r vollendete den Dombau und schuf eine neue Pfarrorganisation der Stadt Worms durch Einteilung in vier Parochien. Als praktisch-kraftvoller Landesherr verstand er es, das schwierige Instrument des Landfriedens erfolgreich zu handhaben. Sein R u h m wurde vornehmlich durch seine Wirksamkeit als kanonistischer Schriftsteller gesteigert und wachgehalten. Er selbst muß eine männliche Persönlichkeit von echter Frömmigkeit, natürlicher Bescheidenheit und hoher Amtstreue gewesen sein. Züge eines revolutionären und unabhängigen Denkers entbehrte er indessen. Als er am 20. 8.1025 starb, setzte man ihn im Ostchor des Wormser Domes beim Altar des hl. Laurentius in einer K r y p t a bei. Seine wertvolle zeitgenössische Vita (Migne P L . 140, S. 507ff. u. MGH. SS. IV, S.829ff.; Neuausgabe bei H. B o o s Quellen zur Gesch. der Stadt Worms III, 1893, S. 97ff.) stammt
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vielleicht von dem Wormser Domkustos und Domschulmeister, dem philosophisch und humanistisch gebildeten Magister E b b o . MGH. SS. IV, S. 829; H. G r o s c h Burchard I., Bischof zu Worms Diss. Leipzig, Jena 1890; D r o e g e ZfdA. 52 (1910), S. 2o6ff., P. F o u r n i e r Revue d'histoire ecclésiastique ( = R H E ) 12 (1911), S. 451/473, S. 670/701 ; Wom,atia sacra 1925 (mehrere einschlägige Aufsätze) ; v. S c h u l t e u n d W e i g a n d A D B . 3 (1876), S. 563 — 564; H a u c k R E . 33, S. 564t; R. v. S c h e r e r Wetzer — Welte II, Sp. 1524—1526; A. K o e n i g e r B. I. von Worms (Veröffentl. aus dem Kirchenhist. Seminar München II, Nr. 6) 1905; d e r s . i n M . B u c h b e r g e r Lex. für Theol. und Kirche II (1931), Sp. 638f.; P. F o u r n i e r — G . L e B r a s Histoire des collections canoniques en occident 1/2, 1931 bis 32; G e r m a n i a p o n t i f i c i a cong. A . B r a c k m a n n III, 1935, S. i4off. (gute Literaturzusammenstellung!), G. A lie m a n g Dictionnaire d'histoire et de géographie ecclésiastiques X , 1938, S. 1 2 4 5 — ï 2 4 7 ; R . H o l t z m a n n G e s c A . der sächs. Kaiserzeit 1941; W . W a t t e n b a c h - R . H o l t z m a n n Deutschlands Geschichtsquellen 1948; Dino S t a f f a Enciclopedia cattolica III, 1949, col. 226.
2. W e r k e , a) Burchard von Worms verfaßte zwischen 1007 und 1014 unter Mitwirkung des Abtes O l b e r t von Gembloux, des Vorstehers des Klosters Lobbes (vgl. über ihn: S. H i r s c h , Jahrbücher des deutschen Reiches unter Heinrich II., Bd. II, Berlin 1864, 194/198) und Unterstützimg von Propst Brunicho und Bischof Walther von Speyer nach älteren Rechtssammlungen ein doktrinelles, der Gesetzeskraft entbehrendes Sammelwerk, das unter dem Titel „ D e c r e t u m " , „Collectarium" oder „Brocardus" bekannt wurde und zunächst als Rechtshandbuch für Burchards Klerus gedacht war. Nach dem modernen Forschungsstand (1935) waren im Hauptverbreitungsgebiet Deutschland, Schweiz, Österreich, Italien, Frankreich, Spanien und England 74 Dekrethss. vor Ausbruch des zweiten Weltkrieges vorhanden. Der Hauptanteil entfällt darunter auf dt. und ital. Diözesen. Was das Alter der Hss. selbst allgemein betrifft, so sei bemerkt, daß nur wenige noch aus dem 13. Jh. stammen. Die älteste Hs. ist der Codex der Freiburger Univbibl. aus der ehemaligen Kapitelsbibl. des Bistums Konstanz, der im Auftrage des bibliophilen Konstanzer Bischofs Eberhard I. (1034—1046) entstanden ist. Die bisher jüngste, genau datierbare Hs. stellt der Benediktbeurer Dekrettext von 1108 in der Staatsbibl. München (Clm. 4570) dar. K o e n i g e r Archiv für kath. Kirchenrecht 87 (1907), S. 393ff.; M a n i t i u s 2, S. 56ff.; O. M e y e r Überlieferung und Verbreitung des Dekrets des Bischofs B. von Worms Zs. der Savigny-Stiftung
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Burchard (Buggo) von Worms
für Rechtsgesch. ( = Z R G ) 55, Kanon. A b t . 24 (1935), S. 1 4 1 — 1 8 3 ; Katalog der Hss.: a. a. O. S. 148/149 Anm. 2. F. P e l s t e r Das Dekret Bischof Bs. v. W. in Vatikan. Hss. Miscellanea Giov a n n i M e r c a t i I I ( S t u d i e T e s t i 122), 1946, S. 114/57. (Codd. Vat. Pal. 585 und 586 Abschriften aus der Zeit Br. v. W s ?). Die erste Drackausgabe ist die Kölner: D. Burchardi Wormaciensis ecclesiae episcopi decretorum libri XX . . . opus nunc primum excusum . . . Coloniae ex officina Melchioris Novesiani 1548. Daran schließt sich zeitlich die Pariser Druckausgabe an: Burchardi . . . decretorum libri XX Parisiis apud Joannes Foucherium 1549 (vgl. dazu O. M e y e r aaO. S. 1 4 4 I Anm. 2) Nach der Pariser Ausgabe (leider nicht nach der älteren Kölner!) ist der Druck bei M i g n e P L . 140, S. 491/1090 besorgt. Über vorbereitete und geplante Arbeiten über Bs. Dekret (O. M e y e r ) vgl. F. B a e t h g e n MGH. Bericht für die Jahre 1943—1948 in: D t . Archiv 8 (1951), S. 14.
Bs. Dekret verkörpert kein revolutionäres und originelles Werk, sondern eine für seine Zeit ausgerichtete Kompilationsarbeit. Als Eklektiker, der vor allem ein praktisches Programm verfolgte, übernahm er sein Quellenmaterial den patristischen Schriften (Kirchenväter), den älteren Kanonessammlungen, insbesondere Pseudo-Isidor, Konzilsakten, Papstdekreten, dem Poenitentiale Romanum und den Werken berühmter Dogmatiker und Theologen schlechthin (u. a. Regino von Prüm [582 Canones], Martin von Bracara, Hrabanus Maurus, Caesarius von Arelat). Leider stimmen jedoch häufig seine Quellenangaben nicht mit den benützten Vorlagen überein. Bs. Dekret bildete schließlich diejenige kanonistische Sammlung, die den Glossatoren des 12. Jhs. allgemein bekannt gewesen ist. Ivo von Chartres (1090—1116) hat es ausgiebig verwendet und Bernhard von Pavia (f 1213) als Quelle für seine 'Compilatio prima herangezogen. Der damals außerhalb Italiens herrschende episcopale Geist, der die Bischöfe als tragendes Fundament der Kirche ansah, weht ebenfalls trotz der Heranziehung der extrempapalistisch ausgerichteten pseudo-isidorischen Texte durch Burchards Werk. Das Dekret ist stofflich in 20 Bücher gegliedert, die sich im einzelnen mit dem Primat der Kirche (I), den Ordines der Kleriker (II), den Kirchen (III), der Taufe und Firmung (IV), dem Altarsakrament (V), Mord (VI), Blutschande und unerlaubte Ver-
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wandtenehe (VII), Klosterleben (VIII), Eherecht (IX), Aberglauben (X), Exkommunikation, Diebstahl und Plünderung (XI), Meineid (XII), Fasten (XIII), Schlemmerei und Trunksucht (XIV), den Herrschern (Kaisern) (XV), Anklage, Zeugen und Richter (XVI), Unzucht (Fornikation) und anderen Sünden wider die Keuschheit (XVII), Besuch, Buße und Tröstung der Kranken (XVIII) befassen. Das X I X . Buch stellt ein ausführliches Pönitentiale dar, da es umfangreiche Bußvorschriften enthält. Es erlangte bald unter dem Namen „Corrector et Medicus" besondere, selbständige Bedeutung. Während bereits das gesamte Buch X ('De incantatoribus et auguribus') sich gegen Zauberei und Wahrsagerei wendet, unterrichtet Buch X I X über einzelne abergläubische Handlungen und Anschauungen wie Leichenzauber, Krankheitserregung, Liebeszauber, Totenbannung, Totenbräuche, Werwolfwesen, Quell-, Baum- und Steinkult. B . bezeichnet jedoch — im Gegensatz zur scholastischen Lehre von der Teufelsbuhlschaft — Hexenritte, Luftfahrten, Tierverwandlung, Scheinleib und fleischlichen Umgang weiblicher Dämonen (Succubi) mit Männern als Unmöglichkeiten. Buch X X nennt sich „Speculator" und beschäftigt sich, wie der Titel schon verrät, mit spekulativer Theologie. G r o s c h a. a. O. S. 5 4 — 7 1 ; A . H a u c k L S B . 1894, S. 65Íf; E . D i e d e r i c h Das Dekret des Bischofs B. v. W. Breslauer kath.-theol. Diss. 1908; P. F o u r n i e r Etudes critiques sur le Décret de B. de W. in: Nouvelle Revue historique de droit français 1910; L a g a r d e in: Revue d'histoire et de littérature religieuses 1910; E . P e r e l s Die Briefe Papst Nikolaus I. (2) Neues Archiv 39 (1914), S. 60; H e l m bei B ä c h t o l d - S t ä u b l i Handwb. des D t . Aberglaubens I, 1927, S p . 1 7 1 1 ; W e i s s e r - A a l l ebenda, I I I (1930/31), S. 1831; O. A. E r i c h und R. B e i t l W b . der dt. Volkskunde 1936, Sp. i i 2 f . ; A. P é t r a u - G a y Dictionnaire de droit canonique II, 1937, c ° l - ' M 1 — H 5 7 (ausführliche kanonistische Würdigung des Dekrets) ; A. M i c h e l Die Sentenzen des Kardinals Humbert 1943; C. G. M o r La reazione al "Decretum Burchardi" in: Miscell. G. Mercati I I (Studi e Testi 122), 1946 und Studi Gregoriani I, 1947; F. P e l s t e r Das Dekret Bs. v. W. in einer Redaktion aus dem Beginn der Gregorianischen Reform in Studi Gregoriani I, 1947, S. 321/52; vgl. W . H o l t z m a n n D t . Archiv 8, 1951, S. 5 5 3 Í A. M i c h e l Pseudo-Isidor, die Sentenzen Humberts und B. in : Studi Gregorian : III, 1948, S. 1 4 9 — 1 6 1 ; H. E. F e i n e Kirchl. Rechtsgesch. I, 1950, S. 154, 186.
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Burckardi, Johannes—Busch, Johannes
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E. Berger Quellen und Technik der Fresko-, b) H o f r e c h t . Für seine Diensthörigen erließ B. in den Jahren 1023—25 ein eigenes Oel- und Tempera-Malerei des Mas. (1912), S. 199—200 (Abdruck der Rezepte). Qgj.jjgj.jj ]?js Hofrecht, die sog. „Leges et statuta familiae sancti Petri (Wormatiensis)" (MGH. Const. I, S. 63gff. Nr. 438). Die Familie (familia Burgundisch, s. L e g e n d e , B u r g u n d i s. Petri) nun, mit der sich ausschließlich das sche. Dienstrecht beschäftigt, zerfällt in zwei Bürnn deMohawsen, Johannes,Kleriker Klassen: die Hörigen (Liten) oder dagevuardi der Mainzer Diözese und notarius publicus, und die fiscalini (fiszilini). Die Ministerialen beschrieb die Krönung Friedrichs III. zum bilden dagegen noch keinen eigenen Stand, röm. König (1442), die er als Augenzeuge ersondern gehören schlechthin zur Familie des lebt hatte, im Cgm. 331, Bl. 1 0 a — 1 2 b . Grundherrn. Während die fiscalini aus den S. Sudhof ehemaligen vollfreien coloni ecclesiae hervorgegangen sind, handelt es sich bei der Der Busant (Nachtrag): Gruppe der dagevuardi um die Nachkommen W. Stammler RL. zur dt. Kunstgesch. 3(1953), der früheren servi ecclesiae. Im Anschluß an Sp. 238—240. Hannemann das Herkommen werden im Hofrecht die Rechtsverhältnisse der Mitglieder der grundBusch, Johannes. herrschaftlichen Familie umfassend geregelt. 1. J. B. wurde zwischen dem 10. August Unter den zahlreichen Bestimmungen über 1399 und dem 6. Januar 1400 von verEhe, Eigentum, Erbrecht usw. finden sich mögenden Eltern zu Zwolle geboren. Bis ebenfalls strenge Strafnormen gegen Selbst1417 besuchte er die Schule von Zwolle, die hilfe und Friedensbruch. unter der strengen Leitung des Johannes H. G. Gengier Das Hofrecht des Bischofs B. Cele zu hoher Blüte gelangte und durch 1859; Grosch a. a. O. S. 28—54; Rodenberg Celes Freundschaft mit Geert Groote (s. d.) in: Hist. Aufsätze für Zeumer 1910, S. 237ff.; P. unter dem Einfluß der Reformbewegung der FournierRHE 12 (1911); R. Schröder-E.Frhr. v. KünßbergX.eAr&wcA der dt. Rechtsgesch. '1932, devotio moderna, der erlebten Frömmigkeit, § 57. S.757;H.Mitteis Dt. Rechtsgesch. 2i952, Kap. stand. Der Unterricht in der Schule von Cele, 28, 2a,S.109; vergleichsweises.ebenfalls:O.Opet worüber M. S c h o e n g e n Die Schule von Cum sacramento divortium facere ZRG. 53, Kan. Zwolle von ihren Anfängen bis zu dem AufAbt. 22 (1933). S. 332—336. treten des Humanismus Diss. Freiburg 1898 Friedrich Merzbacher berichtet, muß zu dem besten der damaligen Burckardi, Johannes, Dominikaner in Zeit gerechnet werden. Cele und einige MaGebweiler Anfang 16. Jhs. Eine Predigt, die gister aus Paris unterrichteten 800—1000 er 1518 im Frauenkloster seines Ordens Schüler, die bes. auch aus Deutschland dortGnadental hielt, im Stuttgarter cod. theol. hin kamen, im Trivium und wahrscheinlich et philos. octav. 3, Bl. 78b—84a. auch im Quadrivium. B. durfte als älterer W. Stammler Schüler in den unteren Klassen unterrichten. Burger, Johann, Kaplan in Trient, lieferte Gegen den Wunsch seiner Eltern trat er für den 'Liber illuministarius' des Klosters 1417 in das Augustiner-Kloster zu WindesTegernsee (Cgm. 821) zu Beginn des 16. Jhs. heim, südlich von Zwolle, einen Mittelpunkt einige Rezepte für die Buchmalerei. Die mit der devotio moderna, ein. Von 1424—1428 seinem Namen versehenen Stücke stehen war er im Chorherrenstift Bödingen bei auf den Seiten 204—208 und 228; bei einem Köln, zwischen 1429 und 1437 in einigen ndl. wird die Jahreszahl 1508 gegeben. Die ÜberKlöstern und von 1437—1439 als Subprior schriften lauten: Wild machen ain gold oder in Wittenburg, in der Diözese Hildesheim. silier grundt, Ain grünt zum vergulden, Den Das Basler Konzil erlaubte 1435 den WindesMundleim mach also, Zu der veldung ein golt- heimer und Wittenburger Mönchen, unaufgrunt ze machen, Vergulden auf papir oder gefordert ihre Reform in anderen Klöstern pergament. Die Texte geben ziemlich aus- durchzuführen. B. reformierte das Augustiführliche Beschreibungen, bieten aber in- ; ner Chorherrenstift Sulta (Sülte) im Hildeshaltlich kaum etwas Eigenes. i heimischen, jetzt in der Stadt selbst, dessen
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Busch, Johannes
Prior er 1440—1447 und 1459—1479 war. In der Zwischenzeit war er Praepositus des zwischen Halle und Schloß Giebichenstein gelegenen Klosters N o v u m Opus (Neuwerk). 1451 ernannte ihn der Kardinal Nikolaus Cusanus zum päpstlichen Visitator. 2. Dies alles wissen wir aus Bs. 'Liber de reformatione monasteriorum diversorum ordinum' einer anekdotischen Beschreibung seiner manchmal sonderbaren Erlebnisse und zugleich einer klösterlichen Sittengeschichte Sachsens bis 1475. Das große Werk Bs. ist das 1459 in Windesheim in erster Fassung und 1464 in Sulta in zweiter Fassimg vollendete 'Chronikon Windeshemense', das aus drei Teilen besteht: 1. 'Liber de viris illustribus', 2. 'Epistola de vita et de passione domini nostri Jhesu Christi et aliis devotis exerciciis, secundum que fratres et layci in Windesem se solent exercere,' 3.'Liber de origine modernae devotionis'. Der erste Teil ist nach dem dritten Teil entstanden, während Teil 2, die 'Epistola', von einem andern als B . ursprünglich im Mnd. abgefaßt war. Über einen mnd. Text der 'Epistola' L y d i a H e d b e r g 1954 (Lunder German. Studien). Die Verschiedenheit der zwei Fassungen tritt am stärksten im ' Liber de origine modernae devotionis' hervor. Die zweite Fassimg umfaßt die Geschichte der Bewegung der Modernen Devotion, während sich die erste mehr auf das Kloster Windesheim beschränkt (V. B e c k e r De twee verschillende redactien der Windesheimsche Kronijk De Katholiek 1885). Von B. sind weiter noch 6 Predigten, 4 Briefe, ein ' Soliloquium' und ein 'Soliloquium breve' erhalten, vielleicht auch noch ein 5. Brief (s. W ü s t e n h o f f s Ausg.). M. C o e n s schreibt B . eine ' Vita Lebuini' zu (An. Boll. 34—35, 1921) und S. v a n d e r W o u d e ein 1481 gedrucktes 'Speculum exemplorum'. Bs. Glaubwürdigkeit wurde von B o e r n e r stark angegriffen, P o h l und v. d. W o u d e aber schließen sich einer Briefstelle des Priors Clovekorn an B. an: quia non valeo esse quietus, nisi videro scripta vestra, que novi fore solida firma, veritate subnixa atque
fundata, quoniam non soletis incorrecte scribere. Bs. Glaubwürdigkeit ist darum auch von Bedeutung, weil er Thomas a Kempis (s. d.) als den Verfasser der KImitatio Christi' nennt. Das Verhältnis T h o m a s — B . oder B . — T h o m a s bezeichnet v . d. W o u d e aber noch als ungeklärt. Bs. Quellen sind neben Augenzeugen Urkunden, eine Vita Geert Grootes (s. J. v a n G i n n e k e n ) , Briefe des Geert Groote und sicher andere Chroniken. E r zitiert gern aus der Vulgata und aus den Kirchenvätern. Ausgaben: Chronicon canonicorum regularium ordinis S. Augustini Capituli Windesemensis her. von H. R o s w e y d e Antwerpen 1621. Erste Fassung her. von V. B e c k e r Een onbekende kronijk van het klooster te Windesheim Bijdragen en Mededeelingen van het Historisch Genootschap 10, 1887. P. L e h m a n n Reste einer Frühfassung von Johann Büschs Windesheimer Chronik Hist. Jb. 54, 1934. — Zweite Fassung: Chronikon Windesheimense und Liber de reformatione monasteriorum her. von K . G r u b e 1886. Von Grube nicht genannte Hss. vgl. v. d. W o u d e (s. u.) S. I45ff. C. C. d e B r u i n De Dietse oertekst van de anonieme "Epistola de vita et passione domini nostri Jhesu Christi et aliis devotis exerciciis" Ntderlands Archief voor Kerkgeschiedenis N. F. 34, 1943. 'Liber de reformatione monasteriorum sorum ordinum' s. oben K . G r u b e 1886.
diver-
Kleinere Schriften: D. J. M. W ü s t e n h o f f De kleinere geschriften van J. B. 1890. 'Speculum exemplorum' gedruckt von R. P a e f r o e d D e v e n t e r 1481, Kernteil her. von B. K r u i t w a g e n in Bijdragen voor de geschiedenis van het Bisdom Haarlem 29, 1905. Literatur: J. G. R. A c q u o y Het klooster te Windesheim en zijn invloed 3 Bde. 1875—1880. J. v a n G i n n e k e n Geert Groote's levensbeeld naar de oudste gegevens bewerkt 1942. B. K r u i t w a g e n Le speculum exemplorum (Deventer 1481) entre les mains de Savonarole ä Brescia Miscellanea Giovanni Mercati IV, 1946. S. v a n d e r W o u d e J. B. Windesheimer kloosterreformator en kroniekschrijver Diss. Amsterdam 1947. Über die Glaubwürdigkeit: A c q u o y s. o. G. B o e r n e r Die Annalen und Akten der Brüder des gemeinsamen Lebens im Lüchtenhofe zu Hildesheim 1905. J. P o h l Die Glaubwürdigkeit des J. B, in der Imitatiofrage Hist. Jb. 27, 1906. A. J. B e m o l t v a n L o g h u m S l a t e r u s Het klooster Frenswegen Diss. Amsterdam 1938. F. v. d. B o r n e Geert Groote en de Moderne Devotie in de geschiedenis van het middeleeuwsche ordewezen Studia Catholica 1940. 1941. 1942. S. v. d. W o u d e 1947 s. oben.
C. Minis
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Caesarius von Heisterbach (Nachtrag). Von der Ausgabe aller Erzählungswerke durch A . H i l k a sind in den Publik, der Ges. für rhein. Geschichtskunde X L I I I erschienen Die Wunder geschickten des C. v. H. I, 1933 (Einleitung, Exempla und Auszüge aus den Predigten des C. v . H.) und III, 1937 (Die beiden ersten Bücher der ,,Libri VIII miraculorum" von A. H i l k a ; die Engelbertv i t a von F . Z s c h a e c k ; die Schriften über die hl. Elisabeth von Thüringen von A. H u y s k e n s ) . Cs. Brief mit der Aufzählung seiner Werke jetzt am besten in dieser Ausgabe I, S. i f f . , besonders weil Hilka wichtige Hss.-Nachweise brachte. Danach sind an neuen Ergebnissen folgende zu buchen: „De sollemnitatibus beate Marie Virginis octo sermones", beginnend: In omnibus requiem quesivi, ist mit dem Widmungsbrief, dem „Prologus ad Ludolphum priorem Vallis sancti Petri" vollständig gefunden (Köln Karthause 00. 219, Bl. 29aff.), s. a. a. O. S. 31 ff. ,,Questiones quodlibeticae Cesarii" sind nicht von C., sondern von einem Unbekannten. Ihnen folgen aber in der Hs. Oxford Bodl. Laud. Miscell. 540 die „Libri miraculorum" des C. Vgl. a . a . O . S. 33f. Mit dem ,,Dialogus inter capitulum, monachum et novitium" ist vermutlich der „Dialogus miraculorum" gemeint, s. a . a . O . S. 33. Neu aufgetaucht sind ,,Omelias de sanctis", Incipit Dominus ac salvator noster Jesus, nach dem Vermerk Wolfgang Treflers, des Klosterbibliothekars, im Jahr 1512, s. a . a . O . S. 60. Durch die von H i l k a a . a . O . mitgeteilten Auszüge wird bezeugt, daß nicht erst von Nr. 14 an der äußere Anlaß zur Predigt selten fehlt, sondern schon bei Nr. 9 (s. S. 8) und 12 (s. S. 10) vorhanden war. Für Nr. 9 gab Schönbach eine falsche Hs. an: die Expositiuncula zu „Ave, preclara maris Stella" steht vielmehr in Köln Karthause 00. 219, Bl. 85aff. (s. S. 7f.). Für die Predigten Nr. 10, 12, 13, 28 fand H i l k a zum ersten Mal Hss., s. S. 8f., i o f f . , 13 ff., 25. Diese vier Nrn. sind also zu den Verfasserlexikon
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Caesarius von Heisterbach— "Cantilena de Conversione Sancti Pauli'
V.
in Hss. nachgewiesenen, aber noch nicht edierten Nrn. 9, 22, 23, 30—33 hinzuzufügen; Nr. 21 aber ist schon gedruckt von J. H. S c h ü t z Summa Mariana II, 1908, S. 687ff. nach Köln Stadtarchiv G. B. 206, Bl. 175 äff. Noch nicht wiedergefunden sind 14 Nrn.: 1, 3, 4. 5, 6, 7, 8, 11, 14, 24, 25, 26, 29, 36. Nr. 26 ist wenigstens in einem Bibliothekskatalog von 1444 belegt, s. a . a . O . S. 60. Übersetzungen der Engelbertvita von M. B e t h a n y 1898 und K . L a n g o s c h 1954 (Gesch.schreiber der dt. Vorzeit). M a t h . H a i n Lebendige Volkssage im "Dialogus mir." des C. v. H. Arch. f. mittelrhein. Kirchengesch. 2, 1950, S. 130—140. B. G r i e s s e r Ein Himmeroder "Liber miraculorum" und seine Beziehungen zu C. v. H. ebenda 4, 1952, S. 257 bis
'Cantilena de Conversione Sancti Pauli'. Unter diesem hs.-lichen Titel ist der etwa 100 Verse umfassende Anfang einer bemerkenswerten strophischen Dichtung überliefert, die der ersten Hälfte des 12. Jhs. entstammt. Ausgehend von der Mahnung zur Bekehrung und zur Sorge für das ewige Leben wird warnend ein Bild des Jüngsten Gerichts entworfen. Darauf folgt ein Bekenntnis der Sündhaftigkeit in Ich-Darstellung und die Bitte um Gnade (tu mihi miserere I l d 49). Berufungen schlössen sich an, doch bricht das Fragment schon in dem ersten der Beispiele, in der Berufung auf die große Sünderin (Joh. 8,3—11) ab. Die letzte Strophe läßt gerade noch mit Sicherheit erkennen, daß C. zur Gattung der Sündenklagen gehört; dem Titel nach muß das Gedicht in der Berufung auf Paulus, den Protot y p des bekehrten Sünders, gegipfelt haben, obwohl dieser in dem erhaltenen Anfang mit keinem Wort erwähnt wird. Ein kräftiger, knapper Stil beherrscht die Darstellung. Die strophische Anlage ist infolge der Überlieferungslücken nicht ganz sicher zu beurteilen. Anscheinend liegt eine Gliederung in 6 achtzeilige, 1 zwölfzeilige ( I l d 7—18) und bis zum Abbrechen des 5
Cato — Christoph von Glotz
Fragments nochmals 5 achtzeilige Strophen vor. Die zwölfzeilige unterscheidet sich von den vorhergehenden, die sachlich belehren, durch den Übergang z u m K l a g e t o n und den Ausdruck der Furcht des Ich v o r dem Endgericht. D a m i t ist der Ausgangspunkt für die anschließende Sündenklage gegeben. Die Sprache des Denkmals gilt als alemannisch. F ü r die Sprache der Hs. trifft das sicher zu, nicht so eindeutig jedoch für das Original. Reimbeweise gibt es bei der frühen Entstehungszeit des Denkmals k a u m ; die Entscheidung wird von etwa wahrnehmbaren Dialektschichtungen in der Hs., insbesondere v o n der Beurteilung der durchstehenden du, su, ellu, andern Nsgfem. und NAplneutr. und ähnlicher teils dialektaler, teils orthographischer Erscheinungen abhängen. Hs.: Kreisarchiv Colmar, 3 Perg.-Doppelbll., C. auf Bl. 2c/2d, 12. Jh.Ausgabe: E. M a r t i n ZfdA. 40 (1896), S. 328—331; A. L e i t z m a n n Kleinere geistl. Gedichte 1910, S. 9f.; Kollation: F.. S c h r ö d e r ZfdA. 41, S. 92—94. Ausführliche Würdigung mit weiterer Literatur E h r i s m a n n I I , 1, S. 181—183. „ „
Hans Eggers
Cato (Nachtrag). Z u 2. Nachträge z u Z a r n c k e s Verzeichnis d. Hss. gibt Z a t o c i l s. u. S. 19. Z u 5. Die ostmd. Bearbeitung ist s c h l e s i s c h e r Herkunft. Neue Bruchstücke aus Neiße (unauffindbar) u. Berlin (Germ. 40 664 C u. E) in Z f d A . 72, 1935, S. 8 1 — 9 1 . V g l . u. 7. Zu 6. Die genannte Danziger Hs. erhielt die neue Sign. Ms. 2416. Vgl. O. G ü n t h e r Katalog d. Hss. d. Danziger Stadtbibl. 3,1909, S. 287. Ein weiteres nd. Fragm. unter Ms. 2417 ebd. S. 2 8 7 !
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D a s gehaltvolle B u c h von L . Z a t o c i l Cato a Facetus . . . Zu den dt. Cato- und Facetusbearbeitungen, Untersuchungen und Texte 1952 bringt die T e x t e der vollständigen Versionen (nach den Hss. bespricht er die Sprache und druckt Z, Z 1 , B , A , F , H , G) und ebenso den schlesischen Cato (London, Arund. 243), schließlich auch den T e x t des lat. Cato. E s g a b keine Rumpfübersetzung (F. Z a r n c k e , E. S c h r o e d e r , G . E h r i s m a n n , W . M i t z k a ) , sondern eine bayr.-österreichische Gesamtbearbeitung, einen d t . U r c a t o , von der die Hs. Z abstammt u n d sich n o c h Spuren bei S. B r a n t (s. d.) und M. O p i t z finden. Der Neusohler Cato ist nicht, w i e W e i n e l t annahm, in der Slowakei autochthon (S. 305 ff. Zusammenfassung in d t . Sprache). ^ Chiphenberger (Nachtrag). W i r kennen von ihm noch ein Lied auf den 1446 hingerichteten Leonhard Asenheimer. E s ist nach der Hs. I V Q 97 der Breslauer Staatsu. Univ.-Bibl. (um 1480) her. v . J. K l a p p e r in Z f d A . 50 (1908), S. 202—205 u. (besser) v o n d e m s . in der Festschrift z. 700-Jahrfeier des Neumarkter R e c h t s (1935) S. 31 bis 37. A n der Identität des dort K y p p i n b e r g e r genannten Dichters mit Ch. ist kein Zweifel. Bretschneider Christan von Hamle (Nachtrag) : C. v . K r a u s Dt. Liederdichter des 13. Jhs. (1952), S. 220—4. H. d e B o o r Gesch. d. dt. Lit.
1 2
(1953). S. 344.
Christan von Lupin (Nachtrag) : C. v. K r a u s Dt. (1952), S. 225—9.
Liederdichter
des 13.
Jhs.
1
Hannemann
7. Eine Mischredaktion aus der hd. und der schles. Fassung enthält die Hs. der L.u. U.-B. Brünn, die 1452 von Caspar Meissener in Neusohl (dt. Slovakei) geschrieben wurde. Ausgabe mit neuer Aufarbeitung der gesamten Cato-Überlieferung von L . Z a t o c i l Der Neusohler Cato. Ein krit. Beitr. z. Entwicklungsgesch. d. dt. Catobearb. (1935). Bespr. v . F r . R e p p K a r p a t h e n l a n d 9 , 1 9 3 6 ,
Christoph von Glotz (Nachtrag). V o n i h m sind in Drucken b e k a n n t : 1. Prognostikon für das Jahr 1491. D t . und lat. D r u c k , beide Nürnberg bei Peter Wagner. G W . 6659—60. 2. Praktika für das J a h r 1496. D t . in vier D r u c k e n : Nürnberg, Peter W a g n e r ; Nürnberg, Friedr. Creussner; Bamberg, Johann Pfeil; Speyer, K o n r a d H i s t ( ? ) . G W . 6661
S- 94^-
bis
Ludwig Denecke
6664-
L u d w i g Denecke
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' Christopherus*
'Christopherus'. 1. Innerhalb der Legende des hl. Chr. ist streng zu scheiden zwischen der ursprünglichen Passio und der späteren Christusträgerlegende, die jener als Vorgeschichte hinzugefügt wird. Die Passio gehört zu der Gruppe der unter gnostischem Einfluß stehenden Legenden der Märtyrer von unzerstörbarem Leben: in Symbolisierung der Auferstehung wird ihr Leib nach jeder Zerstörung durch alle erdenklichen Martern vom Geist zu neuem Leben erweckt, was in späterer Abschwächung meist so gewandelt ist, daß alle Martern dem Heiligen nichts anzuhaben vermögen (vgl. z. B. die Legende vom hl. Georg). Die Chr.-Legende ist aus der Bartholomäuslegende erwachsen: hier wird dem Heiligen von Gott als Helfer ein gewaltiger menschenfressender Kynokephale mit dem Namen "der Verfluchte" gesandt, der in der Taufe durch einen Engel menschliche Sprache erhält und Christianus genannt wird. Dieser Kynokephale wird nun selbst zum Mittelpunkt einer Legende gemacht, indem er von Bartholomäus die Missionstätigkeit und das Motiv des Märtyrers von unzerstörbarem Leben übernimmt. Von dieser Herkunft zeugt noch die Namengebung: vor der Taufe und Sprach Verleihung heißt er Reprobus "der Verworfene" und erhält dann den Namen "Christophorus", was eine alte Ehrenbezeichnung für den Christen überhaupt war. Daß das Halbtier zum Menschen wird und der Ehre des Glaubensbotens und Märtyrers gewürdigt wird, ist im gnostischen Sinne gleichfalls ein Symbol für die Erhöhung in der Auferstehung, und das Ganze erhält seine Bedeutung als Ausdruck der unbegrenzten Allmacht und Gnade Gottes. Die so entstandene Passio gliedert sich in zwei Äste, den orientalischen, der die Grundlagen der Legende besser bewahrt, und den okzidentalischen, der diese stark abgeschwächt, insbesondere die Hundsköpfigkeit zurückgedrängt oder ganz unterdrückt und einen versöhnlichen Schluß hinzugefügt hat, indem er den Peiniger des Heiligen durch dessen Blut geheilt und bekehrt werden läßt, als ein erstes Zeugnis der wunderwirkenden K r a f t des Heiligen. Wichtig ist in dieser Fassung vor allem die Betonung der IRiesenhaftigkeit des Heiligen, dem drei- bis vierfache menschliche Größe gegeben wird. Diese für das Abendland und damit auch für Deutschland im wesentlichen maßgebende Form der Passio liegt besonders in der Fassung der AS. (Juli V I , S. I46ff.) und gekürzt in dem wichtigen 'Sanctuarium seu Vita Sanctorum' des M o m b r i t i u s (Neudruck 1910 I, S. 3Ö4ff.) vor. Erst auf Grund der bildlichen Darstellung, die dem riesenhaften Heiligen in Illustraton seines Namens den Heiland in gewöhnlicher menschlicher Größe auf den Arm gibt, entsteht die Christusträgerlegende, indem das Fährmannsmotiv und die Offenbarung des Hilfsbedürftigen als Christus der Legende des Julianus Hospitator nachgebildet wird, mit dessen Pilgerpatronat der hl. Christophorus in Norditalien und im Südalpengebiet in Wettbewerb stand. Der Größen-
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unterschied zwischen dem Heiligen und dem Heiland, der älterem Brauch zufolge meist bartlos mit jugendlichen Zügen dargestellt war, führte dazu, diesen als Kind anzusehen und seiner Kleinheit sein geistiges Gewicht kontrastierend entgegenzusetzen, während in echt mal. etymologischer Spielerei die Vorgeschichte der Fergenlegende aus der Zerlegung des Namens in Christ + Offerus "der sich Christus anbietet" entwickelt und mit dem Motiv der Cyprianuslegende vom Übergang aus dem Dienst des Teufels zu dem des mächtigen Heilands verbunden wird, indem der riesige Held als Offerus, als Anbieter seiner Dienste, auf der Suche nach dem mächtigsten Herrn erscheint. Vom Südalpengebiet ausgegangen, hat diese Christusträgerlegende durch die Bearbeitung des Jacobus de Voragine in seiner 'Legenda Aurea' Aufnahme in wohl alle europäischen Literaturen gefunden. Nur in Deutschland läßt sich daneben, das Fortwirken der von Jacobus noch unabhängigen ursprünglichen Form der Christusträgerlegenden verfolgen.
Die dichterischen B e a r b e i t u n g e n : 2. D i e P a s s i o . Während in Frankreich die Passio ein sehr reiches literarisches Nachleben in Vers und Prosa erlebt hat, hat sie auf dt. Boden nur in der Frühzeit und nur in lat. Sprache dichterische Bearbeitung gefunden. Die älteste Versbearbeitung gehört nach der Ansicht des Herausgebers K. S t r e c k e r , der freilich auch das 10. Jh. in Erwägung zieht, in die karolingische Zeit, wohl das 9. Jh.; es ist ein Rhythmus in rund 370 dreizeiligen Strophen in ziemlich freiem Versbau mit einem stellenweise zutagetretenden noch recht unsicheren Streben nach Reim am Zeilenschluß, aber auch innerhalb der Langzeile. Die Hss. sind freilich wesentlich jünger; die älteste stammt aus dem XI. Jh. Es hält sich inhaltlich eng an die Passio und bewahrt auch die Hundsköpfigkeit des Heiligen. Es wäre denkbar, daß auf dies Gedicht der Hinweis des Ratramnus von Corbie für das Jahr 865 auf einen 'Libellus de martyrio S. Christophen', in dem gleichfalls die Hundsköpfigkeit betont war, zu beziehen ist, wenn es sich dabei auch um einen einfachen Passio-Text gehandelt haben kann (MGH. Epist. 6, S. 155). Über die uns erhaltenen okzidentalischen Fassungen der Passio hinaus bewahrt der Rhythmus in der Anknüpfung der Namen Dagnus und Nicaea an griechische Etyma Nachklänge einer griechischen Vorform. Dichterisch ohne größeres Verdienst ist diese 5*
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'Christopherus*
frühe Fassung wichtig für die Geschichte der Verehrung des Heiligen, weil sie die Nothilfeformel in beträchtlicher Ausweitung gegenüber dem Passiotext zeigt. Im Jahre 983 widmete Walther von Speyer (s. d.) seinem Lehrer, dem Bischof Balderich von Speyer, der bereits eine Nonne Hazecha zu einer (verlorenen) dichterischen Gestaltung der Passio angeregt hatte, gleich zwei Bearbeitungen der Passio, die eine in leoninischen Hexametern. Beide Bearbeitungen geben inhaltlich die Passio in der okzidentalischen Form recht genau wieder, das Gedicht nicht ohne Schwung, aber beeinträchtigt durch eine ausgesprochene Neigung zu seltener, schwer verständlicher Ausdrucksweise, im übrigen unter reichen Anklängen an Walthers Vorbild Vergil sowie Persius und eine ganze Reihe klassischer und christlicher Dichter. Im Gegensatz zu H a r s t e r s Auffassung haben die beiden Fassungen Walthers auf die Entwicklung der Christophoruslegende keinen Einfluß ausgeübt. 3. D i e C h r i s t u s t r ä g e r l e g e n d e hat in Deutschland im Anschluß an die 'Legenda Aurea des Jacobus de Voragine im KPassional' (s. d.) eine formgewandte, aber auf jede selbständige Ausgestaltung verzichtende mhd. Versbearbeitung gefunden. Diese hat dann, in Prosa umgesetzt, die Grundlage der Darstellung in vielen Heiligenleben und Passionalen des ausgehenden MAs. abgegeben. Wichtiger aber sind drei mhd. Reimfassungen, die unabhängig von der ' Legenda Aurea' sind und vielmehr auf die Vorform der Legende zurückgehen. Gemeinsam ist ihnen die Erhaltung des Namens Offerus, den Jacobus de Voragine zugunsten des von der Passio gebotenen Namens Reprobus aufgegeben hat, sowie eine Reihe von sicher ursprünglichen Einzelzügen, insbesondere daß der versuchende dreimalige Ruf des Kindes vom jenseitigen Ufer erfolgt und den Heiligen zum zweimal vergeblichen Durchwaten des Flusses nötigt sowie, daß Christus den ihn tragenden Riesen unter das Wasser drückt und so mitten im Fluß eine mit Namensänderung verbundene Taufe vollzieht. Andererseits fehlen ihnen alle von Jacobus der orientalischen Fassung der Pas-
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sio entnommenen sowie die auf dessen eigene Zutat zurückgehenden Einzelzüge der 'Legenda Aurea'. Die drei dt. Fassungen sind unabhängig voneinander und gehen auch schwerlich auf eine ältere deutsche Versbearbeitung als gemeinsame Vorstufe zurück, sondern fußen teils unmittelbar, teils durch Vermittlung geistlicher Nacherzählung besonders wohl in der Predigt auf der offenbar in Deutschland eingebürgerten lat. Urfassung. 4. ' C h r i s t o p h e r u s B'. Ü b e r l i e f e r u n g : Hs. XVI. Bibl. zu Prag, Pap., 15. Jh.
G 19 der Univ.-
Der geistliche Dichter der 2002 Verse umfassenden Reimpaardichtung, der wohl im österreichischen Alpengebiet beheimatet war, ist an höfischer Dichtung geschult und zieht Keit und Artus zum Vergleich heran. Er versteht nicht ungeschickt zu erzählen, verdirbt sich aber die Wirkung durch seine übertriebene Neigung zu didaktischen Einlagen und gespreizter Gelehrsamkeit. Vieles hat er aus Freidank (s. d.), einzelnes auch aus dem 'Welschen Gast' des Thomasin von Zirkläre (s. d.) entnommen. Er scheut sich nicht vor selbständigen Änderungen des Erzählungsverlaufs. Die ursprüngliche Dreiheit der Dienstfolge des Heiligen (König, Teufel, Christus) sucht er zu steigern durch die lehnsmäßige Folge Ritter, Graf, König, Kaiser, Papst (Teufel, Christus). Er verrät dabei seine klerikale Gesinnung, indem er den Papst weit über den Kaiser stellt, bedenkt aber nicht, wie wenig es dem tieferen Sinn der Erzählung entsprach, den Helden von der christlichen Sphäre des Papstes in die Hände des Teufels gelangen und ihn dann erst erkennen zu lassen, daß Christus der größte Herr ist. Daß er auch mit volksepischer Tradition vertraut war, kommt darin zum Ausdruck, daß an die Stelle der Marter mit dem glühenden Helm des küneges wurmgarte tritt, in dem Drachen, Nattern und Kröten ihr Wesen treiben. Für die Datierung ist wichtig die Erwähnung von Palermo als Sitz des dt. Kaisers. Das kann nur auf Friedrich II. und damit die Zeit vor 1250 hinweisen. Das Bild des friedlichen Osterbesuches des Kaisers in Rom und seine demütige Unterordnung un-
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'Christopherus*
ter die Autorität des Papstes dürfte am ehesten in einer Zeit gestaltet sein, in der wenigstens keine offene Feindschaft zwischen Imperium und Sacerdotium bestand, d. h. in der Zeit zwischen dem Frieden von San Germano 1230 und dem Bannfluch vom März 1239. Bei einer solchen Ansetzung des Gedichtes zwischen 1230 und 1239 ist allerdings auffällig das starke Hervortreten der Apokope und der vierhebig klingenden Verse. Diese Erscheinungen würden eher dazu führen, das Gedicht an das Ende des 13. oder in den Beginn des 14. Jhs. zu rücken. Da zu einem solchen Zeitpunkt aber schwerlich mehr der Bezug auf Palermo in dem erwähnten Sinn möglich wäre, müßte man entweder mit der Übernahme dieses Zuges aus einer Vorstufe rechnen, was wenig wahrscheinlich ist, oder mit einer lokalen Tradition, die auf Grund starker Apokope der Mundart den dreihebig klingenden Vers schon früh zugunsten des vierhebigen zurückgedrängt hat. 5. ' C h r i s t o p h e r u s A.' Ü b e r l i e f e r u n g : 1. Papierhs. X I 276 des A u gustiner-Chorherrenstifts zu St. Florian in Oberostcrrcich 15. J h . ; 2. Papierhs. 2953 der N a t . - B i b l . zu W i e n , 15. Jh. 3. E i n e erweiternde und vielfach ändernde, aber auf guter V o r l a g e beruhende B e arbeitung ist der D r u c k : Sant Christoffs gepurt und leben mit vil figuren gar lustig in reym Weyhs L a n d s h u t , J. W e i n e n b u r g e r 1520 (mit 31 Holzschnitten), erhalten anscheinend nur in der Staatsbibl. zu München.
Im Gegensatz zu der höfisch bestimmten Fassung B ist A (1650 V.) eine echt spielmännische Dichtung mit ihren Vorzügen und Schattenseiten. In unbekümmerter Fabulierlust wird etwa eine Geburtsgeschichte des Helden vorangestellt und die Erzählung mit zahlreichen novellistischidyllischen Einzelzügen ausgestattet. Dabei hat es dem Dichter vor allem die Riesenhaftigkeit des werdenden Heiligen angetan; sie sucht er mit derbem Humor zur Geltung zu bringen und scheut dabei vor dem Grotesken nicht zurück, vor allem, wenn er immer von neuem seine gewaltige Eßlust schildert oder wenn er vor Schreck über den Schall seiner Stimme gleich 40 Kriegsleute das Leben einbüßen läßt. Die Übersetzszene gestaltet er würdig und mit Wärme.
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Den Passioteil wandelt er unter Verwertung von Motiven der Legendendichtung und des Volksepos ziemlich frei um. U. a. läßt er statt der beiden Dirnen, die den Heiligen in fleischliche Lust verstricken sollen, den Teufel selbst in der Gestalt eines schönen Weibes einen Verführungsversuch machen. Die ihm gar zu versöhnlich erscheinende Heilung und Bekehrung des königlichen Wüterichs beseitigt er kurzerhand. Das Geistliche betont er durch Einlegung von Visions- und übernatürlichen Abendmahlsszenen. Gelegentlich gelingt ihm ein hübsches Naturbild (V. 866 ff. u. V. 1003 ff.). Ein erneuter Einfluß der bildenden Kunst wird darin sichtbar, daß der Einsiedler mit der Laterne, der auf den Christopherusbildern seit dem 14. Jh. nach verbreitetem mal. Brauch die Nacht andeutet, in die Handlung einbezogen wird (V. 1008 ff.). Die Sprache ist kräftig und nicht selten derb. Sie weist eindeutig auf das Bair.Österreichische hin. Die Metrik und besonders der Reim sind außerordentlich frei. W. G r i m m wollte das Gedicht darum ins 12. Jh. versetzen. S c h ö n b a c h und K. R i c h t e r erblickten wenigstens die Bearbeitung einer Vorlage des 12. Jhs. darin und glaubten, diese in Stil und Sprache durchschimmern zu sehen. Zu dieser Auffassung trug bei, daß man die Hs. von St. Florian mit W. Grimm dem 14. Jh. zuschrieb und die Freiheiten der Form mit diesem Zeitansatz nicht in Einklang bringen konnte. Aber weder im Wortschatz noch im Reim finden sich Anhaltspunkte für eine Dichtung des 12. Jhs. Vielmehr fehlen nicht nur die für das 12. Jh. charakteristischen Endsilbenreime bzw. solche Verse, die zur Wiederherstellung solcher nicht abgeschwächten Nebensilben Anlaß geben könnten, sondern ebenso auch die vokalischen Assonanzen. Vielmehr weisen die Reime mit ihren starken Apokopeerscheinungen, ihren ausgeprägten groben Dialekteigenheiten und der Fülle konsonantischer Unreinheiten, wie sie für die Spätzeit im allgemeinen und insbesondere für die Spielmannsdichtung charakteristisch sind, eindeutig auf das 15. Jh. hin. Dazu stimmt auch der Gesamtcharakter der Dichtung, iI der sich geistesgeschichtlich in keiner Weise
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' C h r i s t o p h e r u s ' . — "Christus und die minnende Seele*
in das 12. Jh. eingliedern ließe. Daß die Dichtung dem Geschmack des ausgehenden Mas. entsprach, zeigt die Tatsache, daß sie in leichter Überarbeitung noch 1520 eines Druckes gewürdigt wurde (s. o.). 6. ' C h r i s t o p h e r u s C.' Ü b e r l i e f e r u n g : Pap. h s . D 187 der Kirchenbibl. (jetzt der Ratsbibl. angegliedert) zu Annaberg im Erzgebirge, geschrieben 1447.
Diese kürzeste Fassung (564 V.) erzählt sehr schlicht und klar ohne viel Beiwerk den epischen Verlauf. Daß sie die Passio an eine Pilgerfahrt des Heiligen nach Santiago di Compostella anknüpft, erfolgt unter dem Einfluß des mit Jacobus d. Ä . gemeinsamen Feiertages (25. Juli), vielleicht auch aus der Kenntnis der im Bereich von Compostella und an der Pilgerstraße hoch verehrten Reliquien des hl. Chr. Sehr entschieden vertritt der Dichter den Glauben an die apotropäische Wirkung des Bildes des Heiligen und gibt damit der Auffassung Ausdruck, die den Christophoruskult in Deutschland am stärksten gefördert hat. Die Dichtung ist im nördlichen Gebiet des Ostfränk. zu Beginn des 14. Jhs. entstanden. L i t e r a t u r : K . R i c h t e r Der dt. St. Chr. 1896 (Acta Germanica V, 1); H.-Fr. R o s e n f e l d . D r hl. Christopherus 1937 (Acta Acad. Aboensis, Humaniora X , 3) und Leipzig 1937; d e r s . Der hl. Chr. F F . 15, 1939, S. 61 ff. Zur Ikonographie vgl. noch J. B r a u n Tracht und Attribute der Heiligen in der dt. Kunst 1943, S. i 6 5 f f . A u s g a b e n : Der T e x t der Passio nach der ältesten Überlieferung bei R o s e n f e l d a.a.O. 1937, S. 250ff. Der Chr.-Rhythmus her. v. K . S t r e c k e r M G H . Poetae 4, 2, 1923, S. 8o7ff. ('Passio S. Christophori'); dazu ebd. 3, S. 155 (Einleitung zur *Vita S. Liudtrudis'). Der Chr.-Text des 'Passionals' S. 345ff. in der Ausgabe von K ö p k e (1852). 'Christopherus B', her. v o n E . S c h ö n b a c h Z f d A . 26, 1883, S. 2 o f f . ; dazu E . S c h r ö d e r Z f d A . 75, S. 103I 'Christopherus A' her. von A . E . S c h ö n b a c h ZfdA. 17, 1874, S. 85ff. 'Christophorus C' her. v. R o s e n f e l d a . a . O . 1937, S. s o i f f .
H.- F r . Rosenfeld 'Christus und die sieben Laden'. Erbauungstraktat in dt. Prosa, der für das literarische Publikum der 'Gottesfreunde' bestimmt war. Entstanden am Anfang des 15. Jhs., vielleicht im Kreise der AugustinerEremiten in Straßburg. Eine Auslegung der Seligpreisungen (Lukas 14, 33) bildet den inhaltlichen Kern, als sinnfällige Einkleidung ist das Bild von Christus als Kaufmann ge-
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wählt. Ein reicher Krämer hat der Welt entsagt und sich in die Einsamkeit des Waldes zurückgezogen. Der Böse verführt ihn, wieder in die Welt zu gehen. D a begegnet ihm Christus, als Kaufmann verkleidet, der auf seinem Karren sieben wunderbare Schätze mit sich führt. Er bietet sie dem begierigen Krämer nacheinander zum Kauf an. Doch können die Schätze nicht für äußere Werte, sondern nur durch eine lautere Gesinnung von den Auserwählten Gottes erworben werden. Der Krämer kehrt voll Reue in den Wald zurück. Christus als Kaufmann ist ein in der mystisch-moralischen Literatur häufiger gebrauchtes Gleichnis (s. S t a m m l e r ) . Das augenfällige Bild ist dem Leben einer reichen Handelsstadt entnommen. Literarisch ist das Schriftchen Meister Ingolds (s. d.) ' G o l d e n e m S p i e l ' benachbart; gerade im Elsaß steigerten sich im Laufe des 15. Jhs. derartige Bildeinkleidungen zu einer Bildersucht, die bei Johannes Kreutzer und Geiler (s. d.) ihren Höhepunkt erreicht. Von dem Schriftchen lassen sich 26 Hss. des 15. Jhs., ein Wiegendruck (Basel: Johann Amerbach, 28. 1. 1491) und 8 Drucke des 16. Jhs. nachweisen. Zu den in der Stollreither-Festschrift aufgezählten 21 Hss. kommen noch 5 von K . R u h und W . S t a m m l e r gefundene Hss.: 1 — 3) Frankfurt a. M., Stadt- u. Univ.-Bibl.; 4) Einsiedeln, StiftsB., Cod. 770, Bl. 8 5 a — 1 0 1 b (15. Jh., Pap., oct.); 5) Leiden, H B . , Letterk. 340, Bl. 140—148 (2. H ä l f t e des 15. Jhs., Pap. — V g l . G. I. L i e f t i n clc Bibliotheca universitatis Leidensis. Codices mss. V 1, 1948, S. 185).
Einige Hss. sind mit Bildern versehen, die sich in den Drucken, zumeist als Titelholzschnitte, fortsetzen. Die Bilder lösen sich bereits im 15. Jh. von dem literarischen Werk ab und haben sich selbständig weiterentwickelt. Sie leben als kleine Andachtsbilder in der Form von Einzelblättern fort; Spuren haben sich bis ins 18. Jh. nachweisen lassen. W . S c h m i d t Christus und die sieben Laden in Festschrift Eugen Stollreither zum 75. Geb. 1950, S. 261 — 84. W . S t a m m l e r Christus als Kaufmann in Reallex. zur dt. Kunstgesch. 3 (1953), Sp. 669—73.
Wieland Schmidt
'Christus und die minnende Seele'(Nachtrag). 1. Wir haben das von B a n z herausgegebene, 2112 Verse zählende Gedicht (MS),
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"Christus und die minnende Seele'
das von B a r t s c h herausgegebene Gedicht von 222 Versen (BMS) und eine Fassung in ursprünglich 80 Bilderversen (vollständig im Münchner Einblattdruck, unvollständig in verschiedenen Einblattfragmenten, Hss. und dem Frühdruck „Von der ynnigen seien") zu unterscheiden. Geht man von den Bildern aus, so nähern sich die verschiedenen Fassungen, denn MS hat 21 Miniaturen, die die verschiedenen Abschnitte einleiten, BMS hatte 25 Miniaturen, die in der vorliegenden Hs. durch kurze Beschreibung ersetzt sind, das Münchner Einblatt hat 20, der Frühdruck 24 Holzschnittszenen; 19 von diesen Bildszenen finden sich in allen Fassungen wieder; dementsprechend stimmen bei jedem dieser Bilder zwei Verse, die Christus zu der Seele spricht, und zwei Verse, mit denen die Seele ihm antwortet, in allen Fassungen mehr oder weniger überein, also insgesamt 76 Verse. Durch Vergleich lassen sich jedoch 20 Bilder mit insgesamt 80 Versen als alter Stamm nachweisen. Sie haben einen mit Bilderversen versehenen Bilderbogen von 20 Szenen in 5 Reihen gebildet, der Mitte des 14. Jhs. entstanden sein muß und den Weg der Seele über fromme Kasteiungen des Leibes, Büß-, Meditationsübungen und Visionen zur Unio mystica in ein Schema zwängt. Damit sollte die Unio mystica, die begnadete Mystikerinnen in schöpferischer Schau erlebten, den weniger schöpferischen Frauen zugänglich und nacherlebbar gemacht werden. Wir haben uns diesen Bilderbogen also an der Wand unzähliger Nonnenzellen und Frauengemächer der von der Mystik berührten Klöster und Bürgerhäuser als Vorbild, Lehrplan und Unterpfand mystischer Schau vorzustellen. Die hsl. hergestellten Bilderbogen wurden dann schließlich durch Vervielfältigungen im Holztafeldruck und Buchdruck abgelöst. Sobald der Bilderbogen in Hss. oder Bücher übernommen wurde, war es möglich, die Szenenzahl zu vermehren oder den Text zu erweitern. Wie konstant das ursprüngliche Programm jedoch blieb, wird durch die Ubereinstimmung aller Fassungen in 19 Szenen dokumentiert. Die „Kreuztragende Minne" (s. d.) steht der eigentlichen Mystik und den hier behandelten Dichtungen in Haltung und Anlaß recht fern.
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2. B M S stammt aus einer Nürnberger Hs. (Berlin Cod.germ.quart. 1303), die B a r t s c h fälschlich ins 14. Jh. datierte; ich setze sie Mitte des 15. Jhs. an, frühestens nach 1430. Interessant ist, daß hier der Zyklus des 20teiligen Bilderbogens, dessen Verse etwas erweitert werden, noch einige andere Bilderverse eingefügt sind, die als selbständige Bilderbogen umgelaufen sein müssen. 3. M S ist in 4 Hss. überliefert, die sämtlich dem letzten Viertel des 15. Jhs. angehören ; drei von ihnen (E, D, U) stammen aus Konstanz. Es wird deutlich, daß der weit verbreitete Bilderbogen mit seinen 80 Versen hier zu einer klösterlichen Lehrdichtung ausgeweitet wurde, frommen Ermahnungen und Betrachtungen, aus denen sich die ursprünglichen Bilderverse wie erratische Blöcke herausheben. Die Dichtung beginnt mit einem Vierzeiler, der sich vom Schema der übrigen einleitenden Vierzeiler jedes Abschnittes ebenso abhebt wie sein Bild von den übrigen Bildern: es handelt sich um einen Nachtsegen, der wohl ebenfalls als selbständiger Bilderbogen verbreitet war. B a n z hatte Parallelen zwischen den erweiternden Versen von-MS und „Des Teufels Netz" (s.d.) zusammengestellt und nicht ohne Vorbehalt die Vermutung ausgesprochen, beide Dichtungen könnten von demselben Verfasser sein; K r e b s (s.o. 1, Sp. 377 ff.) übernahm das kritiklos als eine feststehende Tatsache. Aber diese kunterbunt aus den 10000 Versen von „Des Teufeis Netz" herausgegriffenen formelhaften 260 Verse beweisen in keiner Weise einen gemeinsamen Verfasser; es genügt die Annahme, daß die Verfasserin von MS die eindrückliche Dichtung eifrig studiert oder abgeschrieben und dabei eine Anzahl formelhafter Verse im Gedächtnis behalten hat. Daß beide Dichtungen nicht von demselben Verfasser sind, läßt sich unschwer beweisen. „Des Teufels Netz" ist, wie die darin enthaltenen Obszönitäten und die bittere Satire auf zahlreiche Berufe beweisen, von einem Manne verfaßt, und zwar von einem Manne, der das Leben der Welt sehr genau kennen gelernt und davon angeekelt sich in eine Einsiedelei am Bodensee zurückgezogen hatte. MS ist aber, wie z. B. die Verse über die Ehe zeigen,
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'Chronik, Bozner" — "Die Conversione Saxonum*
von einer Frau verfaßt, wahrscheinlich für eines der Beghinenklöster am Bodensee. Die Zitate aus „ D e s Teufels N e t z " sind teils gemildert, teils entstellt oder mißverstanden, gewisse Ausdrücke der Vorlage unter Reimänderung bewußt gemieden, so daß von der Möglichkeit einer Verfassergleichheit überhaupt keine Rede sein kann. Die angeblichen parodistischen Zitate aus WittenWylers (s.d.) „ R i n g " , die B a n z und K r e b s zur Datierung heranziehen, sind irrig; denn es handelt sich lediglich um ganz gängige Reime, die auch nicht die geringste Beweiskraft haben. W i r haben für die Datierung von MS also keinen festen Anhaltspunkt, aber Stil und Versbehandlung weisen in die zweite Hälfte des 15. Jhs.; dazu paßt gut, daß alle vier Hss. aus dem letzten Viertel des 15. Jhs. stammen. H . R o s e n f e l d Der mal. Bilderbogen Z f d A . 85 (1953), S. 6 6 — 7 5 . H . R o s e n f e l d Christus u. die minnende Seele, Gedichte und Bilder aus der Zeit der Mystik (soll 1955 erscheinen). W . M u s c h g Dis Mystik in der Schweiz 1935, S. 275/8.
Hellmut Rosenfeld 'Chronik,Bozner', Mitte des 14. Jhs. niedergeschrieben, in drei Abschriften (A: Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum Dipauliana cod. 612; B : Univ.-Bibl. Innsbruck cod. 502; C: gräfl.Wolkensteinsches Archiv auf Schloß Trostberg, Südtirol) aus dem 16. Jh. erhalten und fortgesetzt (s. O. R e d l i c h Tirolische Geschichtsquellen des MAs. Festschrift d. akad. Historikerklubs Innsbruck 1903; J. E g g e r Die ältesten Geschichtsschreiber, Geographen u. Altertumsforscher 1867), zum Teil als 'Tiroler Chronik' (A: Nationalbibl. Wien cod. 7989; B : Tiroler Landesregierungsarchiv cod. 54, f. 244—265; C: ebda, cod. 173; D : ebda. cod. 431, f. 1 — 1 7 ; E : ebda. c o d . 4 9 1 ; F : ebda. cod.859; G : ebda. cod. 908; H : ebda. cod. 1039; I : ebda. cod. 1 1 1 7 ; K : ebda. 2534; L : Univ.Bibl. Innsbruck cod. 827; M: Priesterseminar Brixen a. E . ; N : Schloßarchiv Churburg, Vintschgau; O : Zentralarchiv d. Deutschen Ordens Wien; P : Staatsbibl. München). Abbildungen der B. Chr. in S t L V . 291 Tafel 2 u. 3. Abdruck bei K . Ä u s s e r e r Die ' Bozner Chronik' u. ihre Beziehungen zur Geschichte der Stadt Bozen, Der Schiern 3 (1922) S. 386—398.
Die Angaben der B . Chr. gingen mehr oder minder wörtlich in neuere hsl. Chroniken und gedruckte Geschichtswerke der Stadt und des Landes über, vor allem der Bozner Chronik des Franziskaners Ferd. v. Troyer von 1648, die in der Franziskanerbibl. Bozen, Univ.-Bibl. Innsbruck, im Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum, Tiroler Landesregierungsarchiv Innsbruck, Priesterseminar Brixen usw. erhalten geblieben ist (s. A . D ö r r er P. Ferd. Troyers Bozner Chronik von 1648/49 Der Schiern 10 [1929], S. 21—23; Bozner Bürgerspiele, alpendeutsche Prang- u. Kranzfeste, Einführungsband 1942 = S t L V . 291, S. i ö i f f . ) oder wurden vorbildlich für ländliche Chroniken, z. B . von Pfons am Brenner (s. K . K l a a r Alt-Innsbruck u. seine Umgebung 1940, II, S. 62ff.). Die erste Nachricht datiert von 1131, die letzte von 1464: Kirchenweihen, Feuersbrünste, Naturereignisse, aber auch Kleidersitten u. a., jedoch z . B . keine Erwähnungen von Bozner Umgängen u. Spielen. L . S a n t i f a l l e r Vom Schrift- u. Schreibwesen unserer Heimat im Altertum u. MA. D . S e h l e m 13 [1932] S. 1 7 8 — 1 9 1 m. 2 3 T f l n . ; d e r s . Bozner Schreibschriften der Neuzeit 1500—1831 [Schriften d. I n s t i t u t s f. Grenz- u. A u s l a n d d e u t s c h t u m a. d. U n i v . Marburg 7] 1930.
A. Dörrer Clesse, s. K l e s s e . Closener, s. K l o s e n e r . Clusener, Heinrich, ist identisch Heinrich dem Klausner. Coelde, s. K o e l d e .
mit
'De Conversione Saxonum', ein lat. Preisgedicht auf den prineeps Karl, aus dem als das gegenwärtige genannten Jahr 777 (V. 23 bis 26; nifallor ist Floskel aus der Praefatio des Pradentius). Dem widerspricht nicht die Anzahl der leoninischen Hexameter, 34 unter 75: sie ergaben sich schon beinahe sämtlich aus dem epithetischen Stil, wenn auch nur ein Drittel der (95) Epitheta Reime stellte, und das monumentale B i l d des Ereignisses wäre schon in einem der nächsten Jahre (778, 779, 780, 782 ...) nicht mehr möglich gewesen. Nachdem fünf Weltalter vergingen, erlöste — vom Vater gesandt — im sechsten der Sohn die Menschheit (V. 1 bis 22); nun im 777. Jahre, — quo Carolus
I
45
Corna, Hans—Cyclop, Wolf
nono regnat feliciter anno (27), — ist den abgöttischen Sachsen die Erkenntnis Gottes zuteil geworden (23—39); Karl hat sie in vielen Kämpfen mit dem Schwert unterworfen (40—46); er hat ihre Wildheit in Sanftmut verwandelt (47—-55), und sie durch die Taufe in Christi aula geführt (56—62); möchte im jüngsten Gericht um deswillen dem -princeps der Lohn des himmlischen Reiches werden (63—75). Die welt-heilsgeschichtliche Anschauung der Taufe auf dem Paderbomer Maifeld (ibi paganorum Saxonum multitudo maxima baptízala est Ann. Mosellan., MGH. SS. X V I , S. 496) ist vielleicht ausgelöst durch das Verhältnis der Zahlen, des Jahres 777 im 6. Weltalter. Die IV. Ekloge hat eingewirkt, so daß noua progenies die Getauften bezeichnet; der V I I I . ist ein Zug entlehnt. Auf Hrotsvithas (s. d.) Kenntnis des Gedichtes weist außer Berührungen im Wortlaut vielleicht auch seine Stellung zwischen ihren 'Gesta Oddonis' und 'Dramata' in der auf baierische Vorlagen zurückzuführenden Pommersfelder Hs. Hg. von E. D ü m m l e r MGH. Poetae I (1880), S. 380 nach F r o b e n II (1777), S. 615; über dessen Regensburger, heute verschollene, zwischen 836 und 859 in der Erzdiözese Salzburg geschriebene Hs. D ü m m l e r ib. I, S. 165; über die Hs. Pommersfelden 2883 aus dem Ende des 15. Jhs. P. v. W i n t e r f e l d Hrotsvithae opera. (1902), S. V und X I V und E h w a l d Aldhelmi opera (1919), S. 342. — Litt. W a t t e n b a c h - L e v i s o n 2 (1953), S. 240
R. B a c h e m Altdt. Pesiregimina in Bamberger Hss. Med. Monatsschrift 1949, S. 934!
S. Sudhof 'Coronacio Adalberti'.
In der theologischen Sammelhs. I F 327 (15. Jh.) der Breslauer Staats- u. Univ.Bibl. finden sich auf Bl. 145 b—148 Nachrichten über die Krönung Albrechts II. zum König von Böhmen im Jahre 1438, den Poleneinfall in Schlesien von demselben Jahre und den Aufenthalt Albrechts in Breslau 1439. Der unbekannte Verf., der die Prager Krönung als Augenzeuge lebhaft und geschickt zu schildern versteht, dürfte ein Breslauer Geistlicher sein. Seiner politischen Gesinnung nach ist er ein Polenfeind. Der alte Titel seiner Aufzeichnungen 'Coronacio Adalberti regis Romanorum, Ungarie et Boemie' paßt nur auf das erste Drittel und ist auch insofern irreführend, als das Ganze dt. geschrieben ist. Von theatergeschichtl. Interesse ist die Inhaltsangabe einer zu Albrechts Krönung auf dem Markte der Altstadt Prag gespielten dramatischen Posse, die sich gegen die polnische Partei in Böhmen wendete, und die sicher in dt. Sprache aufgeführt wurde, da Albrecht nicht Böhmisch verstand. Her. wurde die *Coronacio' von F. W ä c h t e r SS. rer. Silesiac. 12 (1883), S. 21 — 28. Vgl. C. Grünh a g e n Wegweiser durch die schles. Geschqu.
1889, S. 7. Corna, Hans, Meister, wird mit Meister Bernhard Gödomus am Schluß eines Pestgedichtes, dessen Vf. nicht angegeben ist, als Urheber der dort mitgeteilten Anweisungen im Cod. M III 3 der bundesstaatl. Studienbibl. Salzburg (Bl. 387 a—387 b, 92 Verse) genannt. C. wird ein angesehener Arzt gewesen sein, der manigen mit siner kunst hat ernert. — Ein ähnliches Gedicht (ohne Namensnennung) ist überliefert im Cod. Theol. 95 der Bayr. Staatsbibl. Bamberg.
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Cranc, Claus, vgl. T a t ' im Nachtrag.
Paul Bretschneider 'Der
Apostele
Cyclop, Wolf (Nachtrag), s. ' V o n d e m H u r ü b e l ' und W o l g e m u t , N i c l a s . Zu 2 b : ,.Antidotarius contra furiosam Veneris frenesin" ist die Übersetzung von Niclas Wolgemuts (s. d. 1) „Hurübel" durch C. ins Lat. (Zwickauer Ratsschulbibl. X X I V , V I I 22, 3. Stück, 6 B1L, oct., o. O. u. J.), die er dem Prof. Joh. Hessus widmete. K . L.
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Dacher, Gebhard—Detmar von Lübeck
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D Dacher, Gebhard (Nachtrag): Th. L ä n g i n Dt. Hss. der Großh. Bad. Hof- und Landesbibl. 1894, S. 1 5 I
Damen, Hermann (Nachtrag): Herkunft nicht aus Rostock, sondern aus eint m „uralten märkisch-niederlausitz. Geschlecht" in Dahme (Brandenburg), letzte Lebensjahre am Niederrhein, s. M. L a n g Zwischen Minnesang u. Volkslied. Die Lieder der Berliner Hs. Germ. Fol. 922. 1941, S. 14,52 f., 80—3 u. 89.
Hannemann 'Daniel' (Nachtrag): K . H e l m - W . Z i e s e m e r Die Lit. des Dt. Ritterordens 1951, S. 100—107.
Hannemann David von Augsburg (Nachtrag). Die Quelle von Ds. „De exterioris et interioris hominis compositione libri très" ist die im MA. sehr berühmte, auf den Namen des hl. Bernhard überlieferte ,,Epistola ad Fratres de Monte Dei" des zu Signy in den Ardennen Cisterzienser gewordenen Benediktinerabtes Guillelmus a S. Theodorico zu Reims (Guillaume de St. Thierry, etwa 1085—1148), aus der er sehr oft zitiert. E r hat die asketische Lehre der „Epistola" dem franziskanischen Ideale dienstbar gemacht. In seine „Septem gradus orationis" schreibt er sogar die kühnste Stelle über die Einigung der Seele mit Gott aus. Doch bleibt er sich selbst genügend; er ist weniger metaphysisch, nur praktischer. J. H e e r i n c k Influence de l'Epistolaad Fratres demonie Dei sur la Composition de l'homme extérieur et intérieur de D. v. A. Études Franciscaines 1933, S. 330—347; d e r s . Le Septem Gradus Orationis de D. v. A. Revue d'Ascétique et de Mystique 1933, S. 146—170; ders. Theologia mystica in scriptis fratris David ab Augusta Antonianum 1933, S. 49 bis 85 und 161 —193. C. S m i t s D. v. A. en de invloed van zyn Profectus op de Moderne Devotie Coll. Franc. Neerl. 1927, S. 171 — 203. — Hss. s. T. A h l d e n Nonnenspiegel und Mönchsvorschriften 1952, S. 11 ff.
J. van Mierlo Demer (Diener, Diemer), Jorg, Augsburger Bürger, von Beruf geschworen underkeffel, lieferte von 1499—1512 eine Be-
1 arbeitung der Augsburger Chronik des Hektor Mühlich (s. d.), erhalten im Cod. 397 der Augsburger Kreis- und Stadtbibl. Er starb 1514 oder 1515. Seine Arbeit ist für die Überlieferung der Mühlichschen Chronik nicht besonders wichtig, da die Abschrift unsorgfältig ist. An manchen Stellen sucht D. aber auch die Ausführungen seines Vorgängers zu erläutern. Seine eigentliche Leistung liegt in einer Anzahl selbständiger Ergänzungen. Während seine Vorlage mit dem Jahre 1487 schloß, fügte D . zwei Gruppen weiterer Nachrichten hinzu; die eine führt bis 1503, die zweite bis 1512. Diese Anhänge laufen ungeordnet durcheinander, „wie er sie eben gelesen, gehört oder erlebt" (F. R o t h ) hat und sind durchaus verläßlich, besonders für die Zeit von 1499 an. Ds. Arbeit wurde die Grundlage für Mathis Manlichs 1527 hergestellte Bearbeitung der Mühlichschen Chronik. Fr R o t h in: Chr. der dt. Städte22 (Augsburg3) 1892 S. X X X I I f f . und X L I V f f .
Gerhard Eis Detmar von Lübeck. 1. Über die Entstehung der 'Detmarschen Chronik' heißt es in der Vorrede der Lübecker Ratshs.: 1385, alse de grote jamer schach der vorretnisse binnen Lubek, alse hir na gheschreven is an den sulven jäten, do weren voghede der Staad erbare lüde, her Thomas Mürkerke unde heerHermanLanghe. se betrachten, wo desse jamer queme an ewighe dechtnisse, nicht alleneghen dit stucke, mer ok dat ghescheen were bekentliken sodder deme groten dode; wente der stades coroniken was nicht togheschreven bi sos unde druttich jareni ok was se brekaftich der ding, de ghescheen weren an vele jaren unde an vele landen, hir umme hebbet se besorghet to scrivende desse coroniken vormiddest eyme ghestliken Personen, en lesemester in sunte Franciscus Orden, de sich nicht wil nomen, went he begheret God dar an to lovende, unde sich nicht. Der Name des Verfassers wird also nicht genannt. Schon 1707 machte aber der Lübecker Senior v o n M e l l e in seiner Schrift 'Notitia majorum' darauf aufmerksam, daß
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Detmar von Lübeck
H e r m a n L a n g h e in s e i n e m T e s t a m e n t v o n 1 3 8 7 d e m ftater Detmarus ad s. Catharinam 5 Mark vermachte, was offenbar das Entg e l t f ü r d e n A u f t r a g v o n 1385 w a r , u n d d i e s e r i n a n d e r e n T e s t a m e n t e n v o n 1368, 1 3 7 4 u n d 1380 a l s lector minorum b e z e i c h n e t w i r d . N a c h s e i n e m V o r g a n g w i r d die C h r o n i k d e s h a l b a l l g e m e i n D . z u g e s c h r i e b e n , u n d es d a r f a u c h a l s s i c h e r g e l t e n , d a ß er w i r k l i c h ihr V e r f a s s e r w a r , w e n n a u c h in e i n e r U r k u n d e v o n 1 3 9 6 frater Johannes de Osenbrugghe als quondam lector fratrum minorum, g e n a n n t w i r d . D a ß n ä m l i c h d i e C h r o n i k inzwischen fertiggestellt worden war, ergibt s i c h a u s f o l g e n d e r B e m e r k u n g : desse sake . . . stund noch in deme jare, alse desse cronica wart beschreven: dat was an deme jare Cristi 1386. D a ß D . s i c h 1386 in E r f u r t a u f h i e l t , h a t n i c h t s z u b e d e u t e n , d a es s i c h u m e i n e vorübergehende Abwesenheit von Lübeck g e h a n d e l t h a b e n m u ß . H i e r ist er n ä m l i c h n o c h b i s 1 3 9 4 als M i t g l i e d d e s K o n v e n t s z u St. Katharinen urkundlich bezeugt. W a h r scheinlich h a b e n wir auch an ihn zu denken, w e n n 1383 a l s K u s t o s d e r F r a n z i s k a n e r K u s t o d i e L ü b e c k ein D i t m a r b e g e g n e t . 2. Die von D. 1386 geschriebene Chronik ist uns nur in der von Melleschen Hs. B. D. 23 in Folio der Stadtbibl. zu Lübeck (M) erhalten. Diese bestand ursprünglich aus 13 Lagen, wovon die ersten zwölf je sechs, die letzte fünf Doppelbl. umfaßte. Vier der insgesamt 154 Blätter sind früh herausgerissen worden, eins zu Anfang und eins zu Ende von Lage 4, das dritte am Ende von Lage 6 und das vierte am Anfang von Lage 7. Die letzten Zeilen stehen auf Bl. 148b, doch reicht die Chronik nur bis Bl.i42a. Ein von gleicher Hand angehängtes mecklenburgisches Aktenstück hat nichts mehr mit ihr zu tun. Die Chronik beginnt mit dem Jahre 1105 und endet mit dem Jahre 1386. Geschrieben ist M um die Mitte des 15. Jhs. von einer Hand. Die Hs. ist, zumal im ersten Drittel, sehr flüchtig geschrieben und zeigt zahlreiche Verderbnisse. So ist auf Bl. 7 die aus der Sächsischen Weltchronik übernommene Stelle Bi sinen tiden vür Eneas in Ytaliam unde vacht mit Tumuse entstellt zu: By sinen tyden was Eneas in Ytalien unde vechtede myd •rotten unde myd musen, auf Bl. 20 der Satz In deme sulven jare warf bisscop Gherold, dat de hertoghe Hinric van Oldenborch to Lubeke leghdedat s.ichte verderbt zu: In deme sulven jare ward bisschop Gherolt doet geslaghen, dat dede hertich Hinrick van Oldenborch, de to Lubke lede dat stickte. Darüber hinaus zeigt M zahlreiche Auslassungen und Kürzungen. Durch den Hamburger Brand von 1842 vernichtet wurde eine zweite Hs. der Chronik von
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1386, die sich in der Bibl. der Patriotischen Ges. zu Hamburg befand. Bekannt ist nur, daß sie wie M mit dem Reimprolog der Sächsischen Weltchronik begann. 3. Aus der Sächsischen Weltchronik sind in M außer der gereimten Vorrede die einleitenden Abschnitte 'Hier volghet na aller dinge beghynne, also God ersten schop der vere elemente', 'hir na volget de telinge van Adam an', 'Wo Adam aldererst vand unde underdachte de bokstave', 'Hir na volget, also God vordelgede de viff stede', 'hir volghet na van den richtere' und 'Van den Konynghen volget hir na' übernommen. Sie sind trotz der gegenteiligen Ansicht K o p p m a n n s als späterer Zusatz zu betrachten. Dem betreffenden Schreiber eignen auch die überleitenden Sätze: Nach deme male dat wy myd desser kroneken sind homen over mer, so dencke ik van der stad Lubeke antohevende unde vorder mer mede in to bringhende van pawesen, keyseren, vorsten, sieden unde heren. Die Detmarsche Chronik beginnt erst mit der Überschrift Hyr betenget sik de croneke van Lubeke. 4. Neben der Chronik von 1386 gibt es noch eine überarbeitete und zunächst bis 1395, dann bis 1400 fortgeführte Fassung. Sie liegt in folgenden Hss. vor: L j : Hs. St. B. x der Stadtbibl. zu Lübeck, die früher dem Rat der Stadt Lübeck gehörte, aber nach ihrer Wiederauffindung im Jahre 1828 vom Senat jener überwiesen wurde. L ist eine Pergamenths. in Folio und besteht aus 17 Lagen, wovon die ersten 16 je 6 Doppelbll., die letzte zwei Doppelbll. bilden. Zu Beginn befindet sich eine reichvergoldete Initiale mit dem Doppeladler in einem Schilde und den Lübecker Farben im anderen. Auch sonst ist die Hs. mit vielen farbigen und vergoldeten Initialen verziert. Der T e x t beginnt nach einer Vorrede mit dem Jahre 1001 und ist bis zum Jahre 1395 auf Bl. 176b von einer Hand geschrieben und von einem Korrektor vielfach verbessert worden. Die von einer anderen Hand stammende Fortsetzung bis zum Jahre 1400 enthält weniger Initialen und weist auch keine Korrekturen mehr auf. H 2 : HS. Nr. 33 (alte Nr. 636) in Folio der Hamburger Staats- und Univ.Bibl., Bl. 38—167b. Dieser Teil der Hs. besteht aus zwölf Lagen, wovon ursprünglich die Lagen 1 — 3 je acht, die Lagen 4 bis 12 je sechs Doppelbll. aufwiesen, doch ist Lage 11 durch Einkleben von vier Bll. verstärkt worden, in Lage 10 ein unbeschriebenes Blatt herausgerissen und Lage 12 durch Abschneiden der leeren beiden letzten Bl. vermindert worden. H 2 schließt sich an H j an, das eine Abschrift der bis 1276 reichenden Lübecker Chronik Johann Rodes (s. d.) überliefert. Es selbst setzt daher erst mit 1277 ein und reicht wie L bis 1400. Mit Bl. 168a beginnt H 3 , das noch eine Fortsetzung von 1401 — 1 4 1 3 bringt. Diese ist jedoch durchaus selbständig und in den Jahren 1414 und 1413 wahrscheinlich von einem Minoriten geschrieben worden. L 2 : HS. St. B. 3 in Folio der Stadtbibl. zu Lübeck. L 2 ist eine vermutlich aus dem 17. Jh. stammende Abschrift von L r Angeschlossen ist noch ein hd. Auszug, der sich auf die Geschichte
Detmar von Lübeck Lübecks beschränkt. Textkritische Bedeutung besitzt L 2 nicht. 5. Umstritten ist, ob auch die erweiterte und überarbeitete Fassung der Chronik, die in L j und H 2 in zwei in Einzelheiten abweichenden und nicht unmittelbar in Verbindung zu bringenden Versionen überkommen, ebenfalls mit D. in Verbindung zu bringen ist. S c h w a l m hat dies geleugnet, K o p p m a n n behauptet. Jener beruft sich vor allem auf die in L x und H 2 , später aus L 2 auch noch in die 'IRufus-Chronik' (s. d.) übernommene Angabe zum Jahre 1357, wonach die Chronik 1386 geschrieben wurde. Sie ist nur für M sinnvoll, wo sie übrigens abweichend unter dem Jahr 1356 begegnet. Ferner glaubt Schwalm einen Unterschied in der Art der Aufzeichnungen feststellen zu können, was aber Koppmann nicht anerkennt. Den ersten Einwand sucht er durch den Hinweis zu entkräften, daß sich die in L j vorliegende Fassung ausdrücklich als das Werk des Franziskaner-Lesemeisters bezeichne und deshalb als dessen Umarbeitung und Fortsetzung zu betrachten sei; vgl. dazu die bisher unbeachtet gebliebene Stelle zum Jahre 1358 in L^. In deme sulven jare do was de erbare vorsie konink Petrus van Arragän, unde leghde van sik dat koninglike kleit, unde loch an de kappen des Ordens sancti Fransisci in der stad to Bartinonen, unde van orlove des paves dede he horsam des sulven dages, also he wart ghekledet. he sprac, he wolde den orden nicht na jartiden proven, wente he were al vor em gheprovet. he levede an deme sulven orden in aller hillicheit an deme jare Cristi 1386. dit levent sloch he an dor ener openbaringhe, dat sik eme bewisede sunte Lodewich, sin om, de dar was van deme sulven orden, wendages en konink to Cecylien, de eme hir to reed. In M fehlt an deme jare Cristi 1386. Gerade diesen Zusatz zu machen, hätte für D. keine Veranlassung bestanden, wenn er selbst seine Chronik fortgeführt hätte. Auch hätte er dann wohl die Angabe, daß die Chronik im Jahre 1386 geschrieben sei, geändert. Unbesehen übernehmen konnte letztere nur ein Fremder. Er konnte aber auch an der anderen Stelle die Jahreszahl hinzufügen, um den Stand der Dinge zur Zeit der Niederschrift der Chronik zu kennzeichnen. Ob sich jedoch die in L x vorliegende Fassung ausdrücklich als Werk des Franziskaner-Lesemeisters hinstellt, ist sehr fraglich. Koppmann betrachtet M selbst als einen Auszug. Es ist deshalb durchaus möglich, daß das in L j überlieferte Vorwort, von den Änderungen des Bearbeiters abgesehen, aus der Chronik von 1386 übernommen worden ist. Auch die in M fehlenden Angaben über ihre Entstehung können in ihr enthalten gewesen sein. Der kürzende Schreiber kann sie ebenso unterdrückt haben wie den Abschnitt über die benutzten Quellen. 6. Ü b e r d i e Q u e l l e n D s . h e i ß t es in d e m n u r in L x e r h a l t e n e n S c h l u ß a b s a t z der V o r r e d e : Ok sal man weten, dat desse coronika van vele anderen stukken is tosamende bracht, en deel is ghenomen ut deme s-pegel historiarum, der vele Historien sin in ghesettet, der
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Romere, Fransoyser, Engelscher, Hispanier, en del ut der stades coronicam, en deel ut den Wendeschen, went se nicht al nach jarental komen over en, dat en schele wol an tyden in eme jare odder an twen, so rame ik doch des besten, und halde mich nach deme speghel historiarum, dar ze sik meest tosamende vinden unde dar dat wisseste is to redene nach der warheit. boven alle stucke, wat anvalles heft ghehat de erlike stad to Lubeke van anbeghinne bet an dit jheghenwordighe jär, an gudem ghevelle odder unghevelle, dat schal ik hir nicht vorgheten. B i s z u m J a h r e 1 3 4 9 g i b t D . eigentlich nur die Chronik R o d e s wieder, d i e er, w e i l sie brekaftich w a r , d u r c h N a c h richten aus anderen Quellen ergänzt hat. D i e s e E i n s c h ü b e , die t e i l w e i s e a u c h a u s Vinzenz v o n Beauvais und H a y t h o n entn o m m e n sind, h a b e n vielfach den Z u s a m m e n h a n g g e w a l t s a m auseinandergeriss e n . M i t einer e i g e n e n L e i s t u n g D s . h a b e n w i r es d a g e g e n b e i d e r D a r s t e l l u n g d e r J a h r e 1350^-1386 zu tun. 7 . N i c h t D . z u z u w e i s e n ist e i n B e r i c h t über den Knochenhauer-Aufstand im Jahre 1384, d e n i h m K o p p m a n n z e i t w e i l i g z u s c h r i e b . D i e s e r ist in z w e i v e r s c h i e d e n e n F a s s u n g e n ü b e r l i e f e r t , i n einer k ü r z e r e n i n v o n M e l l e s hsl. G e s c h i c h t e L ü b e c k s ( S t a d t b i b l . z u L ü b e c k ) u n d e i n e r l ä n g e r e n in d e r in der Urschrift erhaltenen Chronik H a n s R e c k e m a n n s (Staats- u n d Univ.-Bibl. zu H a m b u r g ) . K o p p m a n n h a t j e d o c h selbst erkannt, daß D. den Bericht zwar benutzt hat, aber nicht selber v e r f a ß t h a b e n k a n n . D i e s e r g i b t s i c h d a r a u s , d a ß er e i n e S t e l l e m i ß verstanden hat. A u s g a b e n u n d S c h r i f t t u m . In der durch L j und H 2 vertretenen Fassung ist die Detmarsche Chronik 1829 von F. H. G r a u t o f f herausgegeben worden: Chronik des Franciscaner Lesemeisters Detmar (Die lübeckischen Chroniken in nd. Sprache I). Maßgebend ist jetzt die Neuausgabe von K . K o p p m a n n Die Chroniken der niedersächs. Städte, Lübeck I (1884). II (1899). (Chr. der dt. Städte vom 14. bis ins 16. Jh. 19 u. 26). Im ersten Band ist M auf S. 115—186, L x (H2) bis zum Jahre 1386 auf S. 187—597 gedruckt. Der zweite Band bietet den Schluß von L x (H2) auf S. 1 —129. Im ersten Band wird die Chronik Rodes noch fälschlich als Detmarsche Chronik bezeichnet. Über das Schrifttum unterrichtet K o p p m a n n in seinen ausführlichen Einleitungen. Willy Krogmann
Dietmar, Meister— "Dietrich und Wenezlan*
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Dietmar, Meister: Die Hs. Cod. Chart. B 1238 der Herzogl. Bibl. zu G o t h a (nord- oder mittelbair., letztes Viertel des 15. Jhs., kurz beschrieben v o n G. E i s in Sudhoffs Archiv f. Gesch. d. Med. u. d. Naturwiss. 35 (1942), S. i42f.) enthält Bl. 4 3 a u. b ein kurzes Rezept mit der roten Überschrift Ein raynigung zu dem haubt maister Diethmars. H . Niewöhner Dietmar von Aist (Nachtrag): K . R a t h k e D.v.A. 1932. H . K o c h P B B . 61 (1937), S. 180—2. M. I t t e n b a c h Der frühe dt. Minnesang 1939, S. 153—181. C. v . K r a u s Des Minnesangs Frühling, Untersuchungen 1939, S - 7 5 f f . H . B r i n k m a n n Liebeslyrik der dt. Frühe 1952,
S. 108—112 und 37of. H. d e B o o r Gesch. der dt. Lit. II, 1953, S. 244—249. Hannemann Dietmar der Setzer (Nachtrag): C. v. K r a u s
Dt.
Liederdichter
des 13. Jhs. 1
(1952), S. 52I und 2 (1953)' S. 53—55Hannemann
Dietrich von Apolda (Nachtrag). D a s Elisabethleben ist noch für ihn z u sichern. Literatur: H . H u y s k e n s Quellenstudien zur Gesch. der hl. Elisabeth 1008. ' J. v a n Mierlo Dietrich von Gotha schrieb den größten Teil der Pap. Hs. 1663 der Leipziger Univ.Bibl., die 57 Predigten auf 168 Bll. bietet, drei d a v o n verstümmelt, in md. Sprache. A u f Bl. 1 5 8 b gibt er das Jahr 1385 a n : do wart dyt buch geschreben von myr Ditheriche von Gotha unde iz wart vol brockt an deme dornstage vor sente Johans tage des toufers also man für machit. Die Predigten, v o r denen der A n f a n g der lat. Perikope steht und dann die dt. (diese im engen Anschluß an die Vulgata), sind nach den Sonn- und Festtagen des Kirchenjahres geordnet; sie legen den Bibeltext allegorisch und moralisch aus oder sind einem daraus hergenommenen T h e m a gewidmet. Sie sind stets gegliedert und mit Zitaten aus der Bibel, den Werken der Kirchenväter und Philosophen reich ausgestattet. D a s Generalthema ist die Aufforderung zur Beichte und B u ß e . F . T ü r k Der
Wortschatz
der
Predigtsammlung
Ds. v. G. 1926 (Gießener Beitr. zur Dt. Philol. 18). K. L.
154
Dietrich von Niem (Nachtrag): H . H e i m p e l Dietrich von N. 1932 ( W e s t f ä l . Biogr. 2). D e r s . Ausg.: Dialog über Union und Reform der Kirche 1410 (De modis uniendi et reformandi ecclesiam in concilio universali). Mit einer 2. Fassung aus dem J. 1415 1933. D e r s . Westfäl.
Lebensbilders
(1937). S. 176—192. A. L h o t s k y
WSB. 226 (1949), S. 93ff. K. P i v e c MIÖG. 58 (1950), S. 386 — 440. D e r s . und K. H e i m p e l Neue
Forschungen
zu
DvN.
GGN.
1953/4. —
Die Ausgabe des 'Viridarium' wird von L h o t s k y und P i v e c für die MGH. vorbereitet, s. F. B a e t h g e n Dt. Archiv 10 (1953). S. 9. Hannemann 'Dietrich und Wenezlan' (Nachtrag). Z u 1. D a s Baseler F r a g m e n t , das verschollen war, ist in der Baseler Univ.-Bibl. wieder aufgetaucht und v o n S c h r ö d e r nach der Schrift ins dritte Viertel des 13. Jhs. gesetzt. Eine v o m Schreiber aus der Vorlage mechanisch übernommene Eigentümlichkeit (ein dem h ähnliches z) zeigt, daß die Vorlage vor 1250 geschrieben war. Z u 2. Schon aus sachlichen Gründen kann Wenezlan, der stets der Bölan genannt wird und Anführer der Riuzen ist, nicht mit dem Böhmenkönig Wenzel I I . (1285—1305) und auch nicht mit Wenzel I. (1230—1253) identisch sein, auch wäre es keine Verherrlichung des Böhmenkönigs, v o n Dietrich von Bern besiegt zu werden. Endlich zeigt die Landschaft, in der die Dichtung spielt, keinerlei Ähnlichkeit mit den Gebirgen an der Salza, die der D i c h t u n g als Grenze zwischen Etzels und Wenezlans Reich gilt. D a nun die Handschrift 1250 datiert wird und die Dichtung selbst somit etwa 1220/30 entstanden sein muß, kommen die Böhmenkönige auch aus chronologischen Gründen nicht mehr in Frage. Z u 3. D . u. W . gehört in den K r e i s der nd. Dietrichsage, die den Hof Etzels in Soest beheimatet und ihn in K ä m p f e n mit den nordöstl. davon wohnenden Slaven zeigt. Die weiten Ebenen, die die Dichtung voraussetzt, und der in der Dichtung benannte Grenzfluß Salze sind hier gegeben. Wir dürfen somit in D . u. W . die v o m Manier (s. d.) bezeugte Dichtung 'Der Riuzen stürm' sehen. Der Handlungsverlauf läßt sich mit Hilfe der Wilzensaga in der 'Thidrekssaga' (Anfang des 3. Teils) einigermaßen rekonstruieren. N a c h wechselvollen K ä m p f e n
155
D i o n y s i u s der K a r t h ä u s e r — D o l n s t e i n , P a u l
siegt Dietrich und bindet seinen Gegner, kommt aber in schwierige Lage, da das Gros des Hunnenheeres geflohen ist und seine Gegner sich zu einem neuen Riuzensturm aufraffen. Diese Situation gibt Gelegenheit, Dietrichs Heldentum voll herauszustellen. Die md. Dichtung D . u. W . geht also wohl mit der Wilzensaga der Thidrekssaga auf eine gemeinsame westfälische Dietrichdichtung zurück. Zu 4. Nd. Relikte finden sich nicht. Der Verfasser von D . u. W . hat die nd. Spielmannsdichtung im Sinne der höfischen Epik umgeformt. Infolge der neuen Datierung können Parallelen und Anklänge zwischen D. u. W . und der obd. Dietrichsage ('Rabenschlacht', 'Dietrichs Flucht', 'Biterolf) nicht als Reminiszenzen an die obd. Dietrichsage angesehen werden, sondern als Beweis, daß D . u. W . seinerseits in Oberdeutschland bekannt war. Das vorliegende Hs.-Fragment von D . u. W . zeigt seinerseits in der Anordnung in Scheinstrophen Angleichung an die Rabenschlacht-Hss. E . S c h r ö d e r Das Fragment D. u. W. Z f d A . 70 (1933), S. 1 4 2 — 4 4 . G . E i s Zu Dietrichs Slavenkämpfen, 1.: D. u. W. Z f d A . 84 (1952), S. 7 0 — 7 7 .
Hellmut Rosenfeld Dionysius der Karthäuser (Nachtrag): W . ö h l Dt. Mystikerbriefe des MAs. 1 9 3 1 , S. 5 7 0 — 5 8 8 . P . T e e u w e n D. d. K. en de philos.theolog. s t r o m e n g e n a a n d e K e u l s e U n i v . 1938; über die Quellen D s . K . S w e n d e n Ons Geestelijk Erf 1948.
J. van Mierlo Dirmstein, Hans (Nachtrag): E . S c h r ö d e r G G A . 1935, S. 224. H . S c h i e l Die Frankf. Dirmstein-Hss. 1937 (die Miniaturhss. wurden v o n der S t a d t - und U B . F r a n k f u r t erworben).
Dissen, Heinrich (Nachtrag): H. V o l l m e r Bibel und dt. S. 1 9 5 — 7 u n d 8 (1938), S. 29.
Kultur 7
(1937),
Hannemann Dittlinger, Heinrich. Eine in der Stadtbibl. zu Zürich befindliche, reich mit Bildern geschmückte Berner Chronik ist nach der Vorrede im Jahre 1470 von Bendicht Tschachtlan (s. d.) und seinem Ratsgenossen D. geschrieben und, gemalt. Man nimmt an, daß jener der Maler, dieser der Schreiber ist. Der
156
erste Teil ist eine Kopie Justingers (s. d.). E r reicht bis 1421, während der zweite Teil die Jahre 1424—-1470 behandelt. Sein Eigenwert ist jedoch gering. Die Schilderung des Züricher Krieges schreibt mit einigen Änderungen die Darstellung Hans Fründs (s. d.) aus, und das übrige stammt, von einigen Abweichungen und Zusätzen abgesehen, aus der Chronik Diebold Schillings (s. d.). Von Bedeutung sind lediglich die ergänzenden Bemerkungen über den Mühlhäuser K r i e g und den Twingherrenstreit. H e r . ist die Chronik nach einer K o p i e S c h i l l i n g s v o n S t i e r l i n u. W y s s Bendicht Tschachtlans Berner Chronik 1820 sowie v o n G. S t u d e r Tschachtlans Berner Chronik ( Q u e l l e n zur S c h w e i zer Gesch. X, S . 191 — 298). V g l . G . T o b l e r A D B . 38, S. 6 9 7 !
Willy Krogmann Dolnstein, Paul. Im Thür. Staatsarchiv in Weimar befindet sich unter der Signatur Reg. S. fol. 460 Nr. 6 ein Tagebuch mit Handzeichnungen, das von dem sonst nicht schriftstellerisch hervorgetretenen Landsknecht D . geschrieben wurde. Es besteht aus 18 z . T . leeren Doppelblättern, die kurze Berichte über seine Erlebnisse und 19 Federzeichnungen enthalten. D . stammte wahrscheinlich aus Torgau und war Brückenbaumeister, scheint aber diesen Beruf nur kurze Zeit ausgeübt zu haben. Aus dem Tagebuch geht hervor, daß er auf mehreren Kriegsfahrten als einfacher Söldner mitgekämpft hat. 1491 nahm er im Heere des Herzogs Albrecht des Beherzten von Sachsen an der Belagerung von Montfort teil und wurde dort verwundet. Fünf Jahre später arbeitete er als Baumeister oder Baurechnungsführer im Dienste Herzog Friedrichs des Weisen beim Brückenbau in Torgau. Bis zum Jahre 1498 führte er zwei Pfeiler auf und erscheint mehrfach in den Rechnungen des kurfürstl. Landvogts Hans Hundt. 1502 kämpfte er in Südschweden in einem Söldnerheer des dänischen Königs gegen aufständische Bauern, und nahm an der Belagerung der Feste Elfsberg teil, die nach ihrer Kapitulation niedergebrannt wurde. 1509—1513 wird D . mehrmals in den Rechnungen der sächs. Hofschneiderei genannt, weil er wiederholt mit Tuch beschenkt wurde. E r scheint bei Herzog Hans in besonderer Gunst gestanden.
157
"Dompnig, Heinz' — Der Dürner
zu haben, denn die ihm gereichten Kleider waren ziemlich kostbar; 1 5 1 3 erhielt er einen franz. Rock, wie ihn im übrigen nur die beiden regierenden Herzöge selbst und Lukas Kranach erhielten. Das Skizzenheft erhebt keine künstlerischen Ansprüche, weder textlich noch malerisch. Die Bilder sind aber waffenkundlich und kostümgeschichtlich von Belang, die Texte stellen das früheste Kriegstagebuch der dt. Literatur dar. Es ist unmittelbar aus dem eigenen Erleben entstanden, ohne Verständnis für die geschichtlich-politischen Zusammenhänge. D. berichtet in den z.T. recht flüchtigen Beischriften über oder neben den Zeichnungen von seinen persönlichen Schicksalen und interessiert sich im übrigen nur für die Menschen seiner nächsten Umgebung, die er mit ihren Waffen und Trachten getreulich schildert, und für Gebäude und Befestigungsanlagen. H. D i h l e und A . C l o s s Das Kriegstagebuch eines dt. Landsknechts um die Wende des 15. Jhs. Zs. f. hist. Waffenkunde, N. F . I I I (1929), S. 1 — 1 1 .
Gerhard Eis 'Dompnig, Heinz.' Auf den Tod des Bürgermeisters Heinz Dompnig, den seine Heimatstadt Breslau des Hochverrats beschuldigte und am 6. Juli 1490 enthaupten ließ, gibt es ein Lied von 14 Str. (Str. 1—13 vierzeilig, Str. 14 fünfzeilig), das eine Hand des 16. Jhs. auf einem einzelnen Blatt, mgf. 621 der Berliner Staatsbibl., mit der Überschrift „Vom Heyntz Domnig gesang" verzeichnet hat. Ein Verf. wird nicht genannt. Es ist zweifellos unter dem frischen Eindruck der Hinrichtung und nach Ortskenntnis und Sprachfärbung zu Breslau entstanden. Str. 7, 8 u. 10 ähneln im Motiv (vergebliche Fürbitte einer edlen Frau) und im Ausdruck den Str. 7, 8, 9 u. 1 1 des im gleichen Versmaß abgefaßten Volksliedes auf den 1466 zu Ulm enthaupteten Raubritter Haman v. Reischach. Abdruck (buchstabengetreu) durch J . B o l t e ZfdA. 3 7 (1893) S. 231 — 2 3 5 ; danach mit verein-
158
fachter Schreibung SS. rer. Silesiac. 1 4 (1894), S. 221 f. u. bei J . K l a p p e r Schles. Volkskunde (1925), S. 1 7 1 f.; in modernisierter Fassung bei A . H o f f m a n n Schlesiens Gesch. u. geschichtl. Sage im Liede (1897), S. 69f. Biographie H. Ds. von H. M a r k g r a f Zs. d. Ver. f. Gesch. Schlesiens 20 (1886), S. 1 5 7 — 1 9 6 ; kurze Darst. des Prozesses geg. G. D. von H. B e c k e r Schles. Geschichtsbl. 1 9 2 1 , S. 37 ff.
Paul Bretschneider Donisius (Nachtrag). Da die ,,Comedia Pamphile" zur elegischen Komödie des lat. MAs. gehört und deren bisher bekannte Denkmäler namentlich aus dem 12. Jh. stammen, glaubte ich, dies Werk möglichst nahe an jenes Jh. heranrücken zu müssen und den Adressaten nicht mit dem bekannten Humanisten Johannes Hinderbach identifizieren zu dürfen, der in V. 2/3 vir docte, . . . Inderbache, das eine zweite Hand am Rand zu Hinderbache verbessert, parde angeredet wird. Schon lange stoße ich mich nicht mehr daran, daß wir in der mlat. Literatur noch viel hinzu- und umzulernen haben, und suche D. unter den Schülern Hinderbachs. Das Alter der Hs. spricht nicht dagegen: wenn auch der Schreiber dieser Komödie kein Datum angibt, so weist das nur in den Blättern dieses Stücks vorkommende Wasserzeichen (ein Ambos wie in B r i q u e t Les filigranes II, 1907, Nr. 5959) in das dritte Viertel des 15. Jhs. (das stimmt ungefähr zu den Daten in den ersten Teilen der Hs.: 1452, 1444, 1460). Freilich ist die Hs. nicht das Original: sie enthält eine ganze Reihe Fehler. Damit kämen wir also auf die Zeit um 1450 und vielleicht nach Wien, wo sich Hinderbach um diese Zeit bis 1465 aufhielt. K . L. Der Düring (Nachtrag): C. v. K r a u s Dt. Liederdichter des 13. Jhs. (1952), S. 54—58 und 2 (1953) S. 55 — 6i.
1
Der Dürner (Nachtrag): C. v. K r a u s Dt. Liederdichter des 13. Jhs. 1 (1952), S. 59f. und 2 (1953). S. 61 f.
Hannemann
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Ebendorfer, Thomas — Eberhard von Gandersheim
160
E Ebendorfer, Thomas (Nachtrag) :
Munde der Grammatica neben gelegentlichen pädagogischen Hinweisen die Lehren, die er den Schülern zu bieten h a t , und wird von der Poesie in den Regeln ihrer K u n s t unterwiesen, dabei aber auch über das traurige Los des Schulmeisters aufgeklärt. Das aus über 500 ungereimten Distichen und einer größeren Zahl v o n rhythmischen Beispielversen am E n d e bestehende Gedicht zeigt nach Stoff und Anlage Verwandtschaft mit der 'Nova Poetria' Galfrids und der 'Ars versificatoria' des Matthaeus von Vendôme, an dessen Dichtungen die Verstechnik erinnert ; es vermittelt einen Einblick in das Unterrichtswesen der Zeit, Kenntnis über gelesene Autoren u. dgl. ; d a ß die K l a g e n über das Los des Schulmeisters einen Schluß auf die persönlichen Erlebnisse des V f . u n d seine Einstellung z u seinem Beruf zulassen, wird man annehmen dürfen.
A. L h o t s k y Dt. Archivó (1943), S. 1 8 8 — 2 4 5 . Ders. Jb. des V. f. Gesch. d. Stadt Wien 5/6 (1946/7), S. 93—107 und MIÖG. 55 (1944). S. 1 7 1 bis 245 und 57 (1949), S. 1 9 3 — 2 3 0 . Die Österreich. Chronik Es. soll in den MGH. erscheinen, s. F. B a e t h g e n D t . Archiv 10 (1953), S. 6. Hannemann Eberhard von Bremen ( E v e r a r d u s A l e raannus), 1. Hälfte des 13. Jhs., V f . des ' Laborintus ', ist zu unterscheiden von Ebrard von Béthune, dem V f . des 'Grecismus', mit dem er lange zusammengeworfen wurde. E r studierte in Paris, dann in Orléans, war später Lehrer an der Domschule in Bremen. Seine Lebenszeit ist nur ungefähr aus dem Werk z u erschließen: Der 1 Laborintus' ist sicher vor 1280 entstanden, da ihn Hugo v o n Trimberg (s. d.) im ' Registrum multorum auctorum' zitiert, andererseits nach der wohl 1208—1213 verfaßten 'Poetria nova' des Galfridus de Vino Salvo, dem wahrscheinlich 1212 geschriebenen 'Grecismus' des E b r a r d von Béthune, und nach dem nicht genauer fixierbaren ' Tractatus de homonymis' des Johannes de Garlandia, welche Schriften von E . genannt werden. D e r 'Laborintus', dessen Titel als etymologisierende Verbindung des antiken labyrinthus mit labor (Glosse im Paris, lat. 18570: Laborintus quasi laborem habens intus) zu deuten ist, ist eines der im 13. Jh. so beliebten didaktischen Gedichte und gehört z u jener Gruppe v o n Lehrbüchern der Dichtkunst, in denen das besonders in Paris und Orleans gepflegte, z u m größten Teil auf antiken Mustern beruhende System der poetischen Technik dargestellt wird. Während aber die anderen Poetiken der Zeit in der Regel nur die Lehre selbst bieten, macht E . auf eine an sich originelle Weise wenigstens den Versuch, den trockenen Stoff zu beleben : er baut ihn in die freilich von all dem Lehrhaften des Gegenstandes wie auch der Behandlungsweise überwucherte Darstellung der Leiden eines armen Schulmeisters ein, dessen Leben von A n f a n g an unter dem Unstern der Plage und Trübsal steht; der empfängt aus dem
D a s W e r k wurde bis ins späte M A . viel gelesen und oft glossiert. Hss. sind zahlreich. Erstausgabe von P. L e y s e r
Historia
poematum
et poetarum
medii
aevi 1721 ;
maßgebende Ausgabe bei E. F a r a l Les arts poé-
tiques du XIIe
et XIIIe
siècles 1924 (nach P a r i s ,
lat. 18570), mit Untersuchungen und älterer Literatur. ! Brunhölzl i |
Eberhard von Cersne (Nachtrag) :
!
A . L e i t z m a n n P B B . 71 (1949), S . 306—330.
Hannemann Eberhard von Ebrach (Nachtrag) : Spruchsammlung auch in der Karlsruher Hs. St. Georgen 78 (G. L ä n g i n Dt. Hss. d. Grossh. Bad. Hof- u. Landesbibl.
1894, S. 38 f.) u n d in d e r
Maihinger Hs. III 1 40 32 (J. Q u i n t heue Hss.-
Funde zur Überlieferung der at. Werke Eckharts und seiner Schule 1940, S. 81).
Meister
Hannemann Eberhard von Gandersheim
(Nachtrag).
Zur Sprache Es. vgl. W. S e e l m a n n Nd. Jb. (1934/35), S. 20f., der aus der Behandlung der o-Laute zusammen mit einigen andern Punkten auf westfälische Herkunft des Dichters schloß. | Während T. D a h l b e r g Die Mundart Es. v.G. \ Nd. Jb. 63/64 (1937/38), S. 183ff. seine Beweisi führung zu entkräften suchte und dartun wollte, 60/61
I6I
Ebner, Christine —'Eckenlied*
daß man nicht über Ostfalen und Gandersheim hinauszusehen brauchte, hielt S e e l m a n n Zur Mundart Es. v. G. Nd. Jb. 65/66 (1939/40) an seiner These fest und brachte neue Gründe vor. Zum Versbau vgl. Gesine Schenk zu S c h w e i n s b e r g Zur Metrik des Rheinischen Marienlobs Diss. Marburg 1949 (Masch.), S. 165ff. u. 193 ff.
Ludwig Wolff Ebner, Christine, s. auch M ö n c h H e i l s b r o n n . Nachtrag:
von
O. K a r r e r Die große Glut 1926; H. W i l m s Das Tugendstreben der Mystikerinnen 1927; M. B u b e r Ekstatische Konfessionen 1926. F. H i l s e n b e c k Nürnberger Gestalten aus p Jhh. 1950, S. 12/16.
J. van Mierlo Ebner, Margarethe (Nachtrag): F. W. W e n t z l a f f - E g g e b e r t Dt. Mystik zwischen MA. und Neuzeit2 (1947), S. 59—63 und 297f- F. Z ö p f l Lebensbilder aus dem Bayer. Schwaben 2 (1953), S. 60—70. A. W a l z H i s t j b . 72, 1953, S. 253 — 265. R. B a u e r r e i ß KirchenKesch. Bayerns 4, 1953, S. 68 ff.
Hannemann Ebser, Doctor: Die Hs. Cod. Chart. B 1238 der Herzogl. Bibl. zu Gotha (nord- oder mittelbair., letztes Viertel des 15. Jhs., kurz beschrieben von G. E i s in Sudhoffs Archiv f. Gesch. d. Medizin u. d. Naturwissensch. 35 [1942], S. 142f.) enthält Bl. 4 3 b — 4 4 a als erste einer Gruppe von Stein- und ' Grieß'rezepten zwei kurze Rezepte mit der roten Überschrift Wider das grieß merck mancherley bewerter erczney des doctor Ebsers. Ebenso steht in einer Gruppe von Ruhrrezepten auf Bl. 53 b eins mit der roten Überschrift Für die Rur Ebser. H. Niewöhner 'Ecbasis captivi' (Nachtrag). K . S t r e c k e r s vorbildliche kritische Ausgabe erschien 1935 in den SS. rer. German, in usum schol. Diese Sonderausgabe sollte der Vorläufer für die größere Edition im 5. Band der MGH. Poetae sein, die herauszubringen ihm nicht mehr vergönnt war. Davor behandelte er in den ,,Ecbasisfragen" (HistVjschr. 29, 1934, S. 491 ff.) den Wert der Hs. B , den Namen, die Zeit und Heimat, Reim, Elision und Prosodie. C. E r d m a n n {Konrad II. und Heinrich III. in der Ecb. C. D t . Archiv 4, 1941, S. 382—393 und Die Entstehungszeiten des ,,Waltharius" und der ,,Ecb. C." F F . 17, 1941, S. iögff.) machte Verfasserlexikon V .
IÓ2
wahrscheinlich, daß mit den im Gedicht gelegentlich erwähnten Königen Heinrich und Konrad nicht Heinrich I. und Konrad I., wie noch Strecker trotz Bedenken glaubte, gemeint sind, sondern Heinrich III. und Konrad II., daß die Dichtung auf 1043—46 zu datieren ist. Daß infelix vitulus bei Thietmar von Merseburg V I I , c. 30 nicht V . 248 der „ E c b . " zitiert, bewies B . B i s c h o f f endgültig in Classical and Mediaeval Studies in Honor of E . K . Rand 1938, S. 13: Infelix vitulus sudibus quam saepe ligatus begegnet in Federproben süddt. Hss. des 10. und 11. Jhs., war also damals dort „als Schulübung im Umlauf", s. noch Dt. Archiv 4, 1941, S. 384 Anm. 3. K. L. 'Eckenlied' (Nachtrag). Das E. gehört nach allgemeinem Urteil zu den schönsten Epen der Dietrichsage. Auch in den vielen erhaltenen Fassungen schimmert bei aller Verritterlichung noch ungeschminkt die Natur- und Märchenwelt Tirols durch mit Wetterhexen, Sturmdämonen, helfenden „säligen Fräulein", die vom wilden Jäger gehetzt werden, und riesigen Naturdämonen. Man braucht nicht mit U h l a n d Dietrich als Nachfolger Donars zu sehen und kann trotzdem die Übertragung dieser mythischen Umwelt auf Dietrich als Versuch ansehen, die überragende Gestalt Theoderichs und sein fruchtbares Wirken für den Frieden der Völker symbolhaft-anschaulich in Dietrich als Besieger der Naturdämonen wiederzuspiegeln. Tirol war dem Bereich Theoderichs einerseits nah, andrerseits auch entlegen genug, um gestützt auf ein starkes nichtgermanisches Substrat die Wendung der Dietrichsage ins Märchenhafte durchsetzen zu können. So dürfen wir in der Übertragung der tirolischen Fabelwelt und ihrer Bezwingerfabel auf Dietrich den Ursprung und die früheste Fassung des E . ansehen. Dabei kann durchaus der Name des Schwertes Eckesachs den Anlaß für die Benennung des jugendlichen Sturmdämonen mit Ecke gegeben haben, denn neben dem echten tirolischen Dämonennamen Fasolt wirkt Ecke unursprünglich. Die in der Carmina-BuranaHs. aufgeführte Einzelstrophe, die als Ein6
IÓ3
Eckhart, Meister
164
gangsstrophe des alten E . gilt, nennt als Verfasser von Lutring Helferich (was möglicherweise aus dem tirolischen Luttach im A h r e t a l entstellt ist, B e c k e r ) , der späteren Fassungen zum Mitkämpfer und Helden wird. D a s Eckelied hat sich jahrhundertelang größter Beliebtheit erfreut und deshalb immer wieder Neufassungen erlebt. A m R h e i n wurde es ein wenig verritterlicht, bei K ö l n beheimatet und mit Motiven aus dem franz. Papageienroman vermengt; die Forschung hat deshalb eine Zeitlang die Tiroler Märchenmotive als späte sekundäre Z u t a t angesehen, zumal auch die Erzählung der Eckeabenteuer in der Thidrekssaga nichts von diesen märchenhaften Zügen bringt. A b e r gewiß hat der Sagaverfasser hier bewußt nicht zusagende Züge getilgt, während noch die letzte, wieder in Tirol redigierte Fassung neben den ritterlichen Zügen die urhaften Märchenmotive bringt. D a ß auch eine von Märchenmotiven befreite und auf den Zweikampf zwischen Dietrich und E c k e eingeengte Fabel ein gerundetes Lied ergeben kann, hat B e c k e r gezeigt; aber er konnte keineswegs wahrscheinlich machen, daß dies das Ursprüngliche oder auch nur eine Zwischenstufe war und daß das E . primär die Tendenz eines gesellschaftkritischen „ W a r n l i e d e s " gegen Ehr- und Streitsucht ritterlicher Jugend hatte. Viel eher spiegelt sich im K a m p f des ritterlich maßvollen Dietrich gegen die rohen maßlosen Naturgewalten der historische A s p e k t des maßvollen, überlegen ausgleichenden Friedenskönigs Theoderich wider. E s ist unwahrscheinlich, daß diese historische Erinnerung sich erst u m 1200 zum alten E . verdichtete ( S c h n e i d e r ) , wir müssen wohl mit einer Vorstufe sehr viel höheren Alters rechnen.
Appellation des Königs Philipp des Schönen v o m Papst an ein allgemeines Konzil nicht unterzeichnete, wurde er wahrscheinlich wie viele andere ausländische Ordensleute (z.B. Joh. D u n s Scotus) aus Frankreich ausgewiesen. — Z. 24/25 (1314 . . . Köln). Die Lehrtätigkeit in Paris erstreckte sich über die Schuljahre 1311/12 und 1312/13. V o n Paris wurde E . nach Straßburg versetzt; da er in der Urkunde v o m 13. A p r i l 1314 nicht nur als magister, sondern auch als Professor s. theologiae bezeichnet wird (Straßburger UB. 3, 1884, S. 236, 14), dürfte es wohl sicher sein, d a ß er das dortige Studium seines Ordens leitete. 1322 wurde er u m Pfingsten von dem Ordensgeneral Herveus Natalis z u m Visitator des Klosters Unterlinden zu Colmar bestellt u n d seine Anordnungen von demselben im Dez. d. J. gutgeheißen (J. B e u c h o t Das ehemal. Unterlindenkloster zu Colmar in seiner Blütezeit 1916, S. 50). Dieser A u f t r a g und seine Ausführung setzt voraus, daß E . in der Nähe war. W i r dürfen also annehmen, d a ß E . 1322 noch in Straßburg war. Der Kölner A u f enthalt war bis vor kurzem nur durch den Prozeß gesichert. Nun ergibt sich aber aus einigen Rückverweisen in dt. Predigten, daß E . nicht nur bei den Kölner Benediktinerinnen von ' S t . Maviren' ( = S S . Machabaeorum) und den Zisterzienserinnen von Mariengarten gepredigt hat, sondern auch (wohl der einzige und damit leitende) Magister des Kölner Generalstudiums der Dominikaner war (vgl. J. K o c h Meister E. in Köln Studium Generale K ö l n 1248, Festgabe der Kölner Universitätszeitung 1948, S. 13 f.; J. Q u i n t M. E. Predigten I, S. 372ff.). D a E . nach dem 22. Febr. 1327 nach A v i g n o n reiste, u m f a ß t die Kölner Wirksamkeit höchstens die Jahre 1323—-26. — Z. 42 Ganz — 44 Avignon tilgen!
S t e p h e n s Thidrekssage and Eckenlied London
Sp. 496 Z. 2 statt ersten Genesiskommentar lies: ersten und zweiten Genesis- und dem Exoduskommentar. — Z. 12 ist hinter verteidigte einzuschieben: A u ß e r diesen beiden Listen wurden in K ö l n höchst wahrscheinlich noch zwei weitere aufgestellt. Denn die Verurteilungsbulle u n d das ihr voraufgehende Gutachten (s. u.) enthalten gegenüber jenen Listen 13 neue Artikel, nämlich 1 aus dem Sapientia-, 7 aus dem
Mediaeval Studies 1 (1937). G. B a e s e c k e Vor-
und Frühgesch. des dt. Schrifttums 1 (1940), S. 35ff. H. S c h n e i d e r Helden-, Geistlichen-, Ritterdichtung 1943, S. 399. H e n r i k B c c k e r Warnlieder 2 (1953). S. 1 6 5 - 8 9 .
Hellmut Rosenfeld Eckhart, Meister (Nachtrag). Z u 1. Sp. 495 Z. 12 des Artikels ist hinter voraus einzufügen: D a E . im Juli 1303 die
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Eckhart, Meister
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Johanneskommentar und 5 (Gutachten i 19; 'In Joh.' n. 216. 494. 611. 646. 728: 2. 4—6. 7. 18u. 25;'Buchd. gött. Tröstung' 21—23, 28, 17 = Bulle 11—-13, 15, 20) un(hrsg. von J. Q u i n t [kl. Texte 55]), 19, bekannter Herkunft. Da aber im Gutachten bei 17, 21 und 28 ausdrücklich gesagt wird, 7—Ii. 14: 14; Von dem edlen Menschen, daß E. diese Sätze gepredigt habe, darf man ebda, y4, ig—75, 3: 24; Predigten (hrsg. wohl annehmen, daß auch die letzten beiden von J. Q u i n t ) Nr. 4,1 69, 4/.: 26; Nr. 6,1 deutschen Predigten entnommen sind. Hof100, 4—6: 8; 109, yf. u. 110,1: 22; 110, fentlich gelingt es dem Spürsinn der Ger8—in, 2 u. 6f.: 10; 112, 6—9: 9; Nr. 9, / manisten, diese Predigten wiederzufinden. 148,5 — 7 : 28; Nr. 12, I 197, 8 u. 11 u. Der Beweis, daß auch diese 13 Artikel auf 198,1; Nr. 13, I 220, 4f.: 27 (et hoc est inKölner Listen beruhen, ergibt sich 1. aus tellectus fehlt an beiden Stellen); Nr. 15, I der Arbeitsmethode des päpstlichen Ge239, 4: 21. — Der Prozeß gegen E. und die richts, das nicht die Schriften und Predigten Verurteilung hat nichts mit dem Gegensatz des Meisters noch einmal prüfte, sondern von Thomismus und Skotismus zu tun. Wie von den vorgelegten Listen ausging und sie sich aus dem von P. Th. K ä p p e l i entfür den in Aussicht genommenen Widerruf deckten Brief des Papstes Johannes X X I I . zusammenstrich (vgl. Gutachten S. 1118, 40); an den Erzbischof von Köln (30. April 1328) 2. aus der Tatsache, daß Nikolaus von Kues ergibt, war dieser selbst an der Verurteilung (s. d.) eine Liste von Artikeln aus dem des Predigers E. interessiert. Denn der Papst Johanneskommentar gekannt hat (Apologia gibt ihm (offenbar auf eine Anfrage) die doctae ignorantiae ed. R. K l i b a n s k y , S. 25, Zusicherung, daß der Prozeß bald zum Ab3f.). Ob die von ihm gesehene Rechtschluß komme. Die Bulle läßt auch in der fertigungsschrift (ebenda 4—7) mit der Begründung die seelsorglichen Bedenken des Soest er Schrift identisch ist, wie der HerausKölner Oberhirten gegen Es. Predigtweise geber meint, läßt sich nicht sagen. —• Z. 32. durchschimmern. Da in diesem Schreiben Es. Aufenthalt in Avignon ist durch Wilhelm E. als verstorben bezeichnet wird und in der von Ockham bezeugt ( G o l d a s t Monarchia Bulle genaue Angaben über seinen Widerruf Sacri Imperii II, S. 909; zitiert von A. auf dem Totenbett gemacht werden, kann D e m p f , der zuerst auf diesen Text hinwies, man es wohl als sicher annehmen, daß der in: Meister Eckhart 1934, S. 86f.). Ockham Tod ihn Ende 1327 oder Anfang 1328 in war der Meinung, E. sei nicht verurteilt Avignon ereilt hat. worden. Aus dem Gutachten, das Kardinal Zu 2, S c h r i f t e n : a) L a t e i n i s c h e . Diehsliche M e r c a t i fand und P. Fr. P e l s t e r verÜberlieferung der lat. Schriften scheint sehr schmal zu bleiben. Zu den großen Hss. ETC öffentlichte (Aus der Geisteswelt des MAs., kommt die von H. O s t l e n d e r u. K . C h r i s t geMartin-Grabmann-Festschrift 1935, S. 1099 fundene Hs. Berlin, Lat. Quart. 724 ( = B) hinzu, bis 1124), ergibt sich, daß E. Gelegenheit die den Joh.-Kommentar enthält. F r . S t e g erhielt, sich zu verteidigen, und daß die m ü l l e r , der für seine Repertorio, die umfassendsten Reisen unternommen hat, fand nur eine neue Kommission sich um ein sachliches Urteil Hs. zu der 'Collado' (s. u.). Zur hsl. Überlieferung bemühte. Freilich war es ein schwerer Fehvgl. unsere Ausgabe L W III, S. V l l l f f . — Neue ler, daß sie nicht wenigstens auf die lat. Ausgaben: Magistri Eckardi Opera Laiina auspiSchriften Es. zurückgriff. Bei der Bulle ciis Instituti S. Sabinae: I. 'Super oralione dominica' ed. R. K l i b a n s k y , 1934; II. 'Opus triparselbst sollte man die ausdrückliche Untertitum, Prologi' ed. H. B a s c o u r , 1935; X I I I . scheidung zwischen den ersten 15 Artikeln, 'QuaestionesParisienses' ed. A. D o n d a i n e , 1936. die nach Wortlaut und Zusammenhang als Diese Ausgabe wird nicht fortgeführt. — Meister häretisch verurteilt werden, und den folgenEckhart. Die dt. und lat. Werke, her. im Auftrage der Dt. Forschungsgemeinschaft I93öff. Nachdem den 11, die sich irgendwie rechtfertigen diese Ausgabe durch den Krieg eine lange Unterlassen, und die Abtrennung der letzten 2, brechung erfahren hat, wird sie jetzt mit Bebei denen es dahingestellt bleibt, ob E. sie schleunigung weitergeführt. Die lat. Werke werden gepredigt hat, nicht übersehen. Die Sätze 5 Bände umfassen, zu denen noch ein Band Indizes kommt. Übersicht: Bd. I (her. von K. Weiß) sind folgenden Werken entnommen: 'In Gen. enthält:E-Rezensionder 'Prologi','InGen. 1', 'In I'n. 7: 1 u. 3; 'InGen. II' n. 165: 16 u. 17: Exodum' (S. 35—101); in der Einführung (S. 3 'In Exodutn n. 58. 60: 23; 'In Safi.' 11. 226; ; bis 33) begründet der Hcraurgebcr c'.io So-.d r6*
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Eckhart, Meister
Stellung der E-Rezension. Der Rest des Bandes enthält die CT-Rezension der 'Prologi', 'In Gen. I' und 'In Gen. II' (bisher erschienen: Einleitung des Herausgebers S. 107—125), die 'Prologi' und der Anfang von 'In Gen. I', S. 126—224). — II. 'In Exodum' her. von K . W e i ß (gedruckt S. 1 — 64), 'In Eccli'.' und 'In Sap.' her. von J. K o c h . — I I I . 'In loh.', her. von K. C h r i s t (f), B. D e c k e r u. J. K o c h (gedruckt sind die allgemeine Einführung in die ganze Ausgabe von J . K o c h S. V I I I — X X X I und vom T e x t S. 1 — 304). — IV. 'Sermones' her. von E. B e n z (gedruckt S. 1 bis 240). Dieser Bd. wird bis 1955 fertig vorliegen. — V. 'Collatio in Libros Sententiarum' her. von J . K o c h (S. 1 — 26; F. S t e g m ü l l e r fand eine 2. Hs. in Prag, Univ.-Bibl. 1952 (X. F. 26); vgl. Divus Thomas (Fribourg) 20 (1942), S. 176—184); 'Quaestiones Parisienses una cum Quaestione magistri Gonsalvi' her. von B . G e y e r (S. 27—83); 'Sermo die b. Augustini Parisius habitus' her. von d e m s e l b e n (S. 85 — 99); *Tractatus super Oratione Dominica' her. von E. S e e b e r g f (S. 101—129). Dann werden der Sentenzenkommentar (s.u.), 'Acta et regesta vitam magistri Echardi illustrantia' und 'Processus contra m. E.' folgen. — Zum S e n t e n z e n k o m m e n t a r . Den anonymen Sent.-K. in der Hs. Bruges, Bibl. de la ville 491, habe ich auf Grund der dreimaligen Nennung Es. am Rand und der weitgehenden Übereinstimmung mit seinen Eigenlehren dem Bakkalar E. zugeschrieben, dabei aber offen gelassen, ob Buch I ihm auch gehört
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Erschienen: Tr. I Liber ,,Benedictus". 1. 'Daz buoch der goetlichen troestunge' S. 1 — 64. Folgen werden zunächst: 2. 'Von dem. edeln menschen' und Tr. I I 'Rede der unterscheidunge'. S t r a u c h s Ausgabe des BgT. ist jetzt ersetzt durch Q u i n t s Ausgabe (M. Es. Buch der göttl. Tröstung usw. [Kleine Texte usw., hg. von K. A l a n d , Nr. 55] 1 9 5 2 ) , d i e f ü r d i e B g T . a u f 4, f ü r V e M . a u f 3 H s s .
beruht und in den Anmerkungen einen ausgezeichneten Kommentar bietet. Diese Ausgabe ist deshalb von besonderer Bedeutung, weil sie zeigt, daß der E . der dt. Werke von dem der lat. nicht getrennt werden kann. — E c h t h e i t s f r a g e . Die Sp. 497 Z. 29 f f . als echt bezeichneten Predigten h a t Quint bereits in Bd. I ediert (mit Ausnahme v o n P f . 1 0 — 1 2 , 2 9 , 3 1 , 4 3 , 4 5 , 48, 5 5 , 5 6 , 66, 8 7
und Jostes 10 u. 28). Angesichts der Tatsache, daß VeM. die einzige dt. Predigt ist, die E. selbst niedergeschrieben h a t und alle andern in Nachschriften und Abschriften von Nachschriften auf uns gekommen sind, wird hier der Begriff der Echtheit selbst problematisch, und es bleibt uns nichts anderes übrig, als dem Herausgeber zu folgen, der jede Pr. in der zugehörigen Einleitung auf ihre Echtheit p r ü f t .
d) Chronologie der S c h r i f t e n (einzufügen Sp. 4gy Z. 5 v. u.). Nur folgende Schriften sind bisher mehr oder weniger genau datierbar: ' Rede der unterscheidunge' ( F F . 19 (1943), S. 2 0 — 2 3 ) . G. M e e r s s e m a n h a t (um 1295), 'Collatio' und 'Sent.--Kommentar' dem widersprochen und das Werk dem Genter (um 1300), ' Quaestiones Parisienses' 1—-3 Lektor Philipp zugewiesen (De Sentenentikommentaar (Cod. Brugen. 491) van de Gentse lektor Philip (1302/03), 4 (1311/12) und 5 (1312/13). O. P. (1302 — 4) i n : Studia Mediaevalia R. J. L. L. H a m m e r i c h und H. R o o s datieren Martin O. P., 1948, S. 383 — 407). Selbst wenn M. VeM u. BgT um 1312/14, G. Théry 1308/11, recht h ä t t e (was ich bezweifele), m ü ß t e das Werk d.h. kurz nach der Ermordung König Alin unsere Ausgabe aufgenommen werden, weil es soviel enthält, was unmittelbar auf E . zurückgeht brechts bei Königsfelden (vgl. Lit.). Da es und nicht aus gemeinsamer Quelle stammen kann, Aufgabe der magistri in theologia war, die daß wir auf jeden Fall weitgehend Aufschluß über Hl. Schrift zu erklären, kann man vermuten, die Sentenzenvorlesung Es. (um 1300) erhalten. daß E. seine Kommentare in Paris begonnen Daß E. aber eine solche Vorlesung gehalten hat, ergibt sich aus der echten Collatio, d. h. dem Vorund in Straßburg und Köln fortgeführt und trag, den die Bakkalare vorher halten mußten. vollendet hat. G. Théry kündigt eine Arbeit b) D e u t s c h e S c h r i f t e n . I m Unterschied zu über die Chronologie der lat. Schriften an. den lat. sind die dt. T r a k t a t e und Predigten in — Der Anfang einer Datierung der dt. Prezahlreichen Hss. überliefert; das hindert freilich digten ist mit dem Nachweis gegeben, daß nicht, daß die Überlieferung im einzelnen oft sehr eine Anzahl der edierten Predigten sicher brüchig ist. Vgl. J . Q u i n t Die Überlieferung der dt. Predigten M. Es. 1932; d e r s . Vorläufiges Verin Köln gehalten wurden (vgl. oben Sp. 164); zeichnis der benutzten Hss. in Bd. I der Ausgabe man kann darum weiter vermuten, daß die (s.u.); d e r s . Neue Hss.-Funde zur Überlieferung Predigten, gegen die sich die Kölner Ander dt. Werke M. Es. und seiner Schule. Ein Reisekläger richteten, daselbst oder in der Nähe bericht 1940 (vgl. dazu K. B r e t h a u e r i n ZfdA. 84, I 953. S. 123—127). — Ausgabe: Meister Eckhart gehalten wurden. Im übrigen muß man beusw. Die deutschen Werke her. von J. Q u i n t achten, daß E. in den Zeiten, die er in I936ff. Bd. I —IV Predigten. Erschienen: Bd. I Deutschland zugebracht hat, in sehr verEinleitung, S. I — X I I I ; Pr. 1 — 22, S. 1 — 384; schiedenen Räumen wirkte: vor 1300 in nach Hinzufügung der Übersetzung ist der Bd. abgeschlossen. F ü r Bd. I I — I V kommen noch Thüringen (Erfurt); 1304—10 in Nord- und etwa 140 Predigten in Frage, deren Reihenfolge Mitteldeutschland und seit 1307 auch in durch den abnehmenden Grad der Bezeugung beBöhmen; 1314—22 im Elsaß (Straßburg vor stimmt sein wird (vgl. S. VI). Bd. V Traktate.
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Eckhart, Meisttr
allem); 1323—27 in Köln. Da nun die Hörer und Hörerinnen die Predigten in ihrem eigenen Dialekt nachschrieben, lassen sich vielleicht aus der dialektischen Uberlieferung der einzelnen Predigten Rückschlüsse auf die Gegend, in der sie gehalten wurden, und damit auf den Zeitraum, dem sie angehören, ziehen. Zu 3 ( S y s t e m ) . Nachtrag zu Sp. 499/. Man ist lange nicht zu einer befriedigenden Deutung der Lehre Es. gekommen, weil man nicht erkannt hat, daß seine besondere Auffassung von der Seinsanalogie deren innern Einheitspunkt bildet, obwohl E. immer wieder darauf zurückkommt und seine Meinung mit aller nur wünschenswerten Klarheit darlegt. Zur Einführung ist neben dem 'Prologus generalis' (LW I S. 35ff. u. S. 148ff.) der Anfang von B g T geeignet; vgl. dazu 'In Eccli'. n. 52 (her. von H. D e n i f l e , Archiv 2, S. 588); 'Q. Paris.' 1, n. 11 L W V S. 45 f.; 'Proc. Col. V n. 29 (aus der Apologie des BgT, ed. A. D a n i e l s , S. 2Öf.) und n.no (ib. S. 8, 30ff.). Am leichtesten wird Es. Auffassung verständlich, wenn man sie der des Thomas gegenüberstellt. Wenn Thomas lehrt, daß zwischen Gott und den Geschöpfen ein analoges Verhältnis besteht, so drückt das zweierlei aus: 1. die Geschöpfe sind als Seiendes auf Gott als das Sein hingeordnet, weil sie durch die Schöpfung am Sein teilhaben; 2. jedem Geschöpf ist aber sein besonderes Sein entsprechend seinem besonderen Wesen zu eigen gegeben. E. lehrt ('In Eccli'. n. 53): „Was zu einem andern in analogem Verhältnis steht, hat in sich k e i n e n seinsmäßig eingewurzelten Ansatz zu der Form, auf der dieses Verhältnis beruht. Nun steht aber alles geschaffene Sein nach Sein, Wahrheit und Gutheit in analogem Verhältnis zu Gott. Also ist alles geschaffene Sein, Leben und Vernünftigsein seinsmäßig und wurzelhaft von Gott und in Gott, nicht in sich selbst als dem geschaffenen Sein. Und so zehrt es immer von Gott, insofern es hervorgebracht und geschaffen ist, hungert jedoch immer, weil es nie aus sich ist, sondern immer von einem andern." Nehme ich also die Analogata für sich, so sind sie nichts; nehme ich sie in ihrem Bezug zu dem Einen, so ist in ihnen alle Realität von, durch und mit dem Einen. Der creature
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engibet (got) kein guot, sunder er verlîhet ez ir ze borge (BgT, D W V, S. 36, i 6 f . ; Kl. Texte 55, S. 34, i6f.). Von hier aus wird nun nicht nur Es. Gottes- und Schöpfungslehre verständlich, sondern vor allem seine religiös-ethische Lehre. Er sagt selbst: Swer underscheit verstât von gerehticheit und von gerehtem, der verstât allez, daz ich sage (Pr. 6, D W I, S. 105, 2f.). Und: ' A l s ein Morgensterne miten in dem nebel' (Eccli. 50, 6). Ich meine das wörteltn 'quasi', daz heizet 'als', daz heizent diu kint in der schuole ein bîwort. Diz ist, daz ich in allen mînen predigen meine (Pr. 9, D W I, S. 154, 7—9). Wenn ich von Natur aus alles von Gott so empfange, daß ich es nie besitze, dann kann der Sinn meines Lebens nur darin bestehen, mich von allem vermeintlichen Besitz (von der ganzen Welt bis zum eigenen Ich) abzuscheiden, damit ich wider in gebildet werde in daz einveltige guot, daz got ist (Pr. X X I I [Pf.], S. 91, 24ff.). Daß die Gottesgeburt in der Seele für E. Gnade ist, ergibt sich von selbst. Sie erweist sich hier aber zugleich als das höchste Stück einer Lebenslehre, die selbst die Konsequenz einer metaphysischen Schau ist, die man weder als thomistisch noch als neuplatonisch, sondern eben nur als eckhartisch bezeichnen kann. Auf dieser hier vorgelegten Deutung beruht das Buch von H. H o f Scintilla animae. Eine Studie zu einem Grundbegriff in Meister Eckharts Philosophie 1952. Z u r L i t e r a t u r . G. T h é r y Le développement historique des études eckhartiennes V i e s p i r i t u e l l e , S u p p l . 2 (1948/49), S. 304—337. D i e L i t . v o n 1 9 3 4 — r 9 4 5 f i n d e t m a n i n Bibliographia Philosophien I n . 6885—6987. Vgl. a u c h F . W . W e n t z l a f f - E g g e b e r t Dt. Mystik2 1947, S . 8 8 — 1 0 2 u n d 301—307. A u ß e r d e m seien g e n a n n t zu 1. L e b e n . T h . K ä p p e l i in A r c h . F r . P r a e d . 10, 1940, S. 293f. ( D a r i n d a s i n s t r u k t i v e S c h r e i b e n : (Hen)rieo archiepiscopo Co(loniensi). Anxiarite, frater, non oportet ratione negocij quondam Ay(cardi) de ordine predicatorum, nam super illo (prüden) ter proceditur et etiam, dante domino, celeriter ad decisionem debitam procedetur. Datum A (venione) II. Kai. Maii anno duodecimo). G. L o h r Die Kölner Dominikanerschule vom 14. bis zum 16. Jh. 1948, S. 4 2 ! G. T h é r y Le ,,Benedictus Deus" u s w . (s. b e i 2). M. H . L a u r e n t Autour du procès de M. E. Les documents des Archives Vaticanes D i v u s T h o m a s ( P i a c e n z a ) 39 (1936), S. 331 — 348; 430 — 447. 2. S c h r i f t e n . L . L. H a m m e r i c h Das Trostbuch M. Es. Z f d P h . 56 (1931), S. 69—90. H . R o o s Zur Datierung von M. Es. Trostbuch e b d a . 57 (1932), S. 224-233. G. T h é r y Le ,,Benedictus
Edlibach, Gerold — 'Edolanz'
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Deus" de M. 11. Melanges J . de Ghellinck, 1951, S. 905 — 935. J . S e i t z Der Traktat des ,.unbekannten deutschen Mystikers" bei Greith. Ein Beitrag zur E.-Forschung 1936. . 3. S y s t e m . S v e n L ö n b o r g Ekkehart. Ur mystikens tankevärld 1931. A. D e m p f M. E. 1934. H. P i e s c h M. Es. Ethik 1935; vgl. dazu E . K r e b s Zur Interpretation M. Es. Theol. iRevue 34 (1935), Die Sp. 433—441. H. JRahner Die Gottesgeburt. Lehre von der Geburt Christi im Herzen der Gläubigen Zfkath. Theol. 59 (1935), S. 333 — 418 (wichtig für die Quellen der Mystik Es.). W. B a n g e M. Es. Lehre vom göttl. u. geschöpft. Sein 1937; vgl. dazu M. St. M o r a r d Die früheste und die neueste Apologie M. Es. Divus Thomas (Fribourg) 15 (1937). S. 325 —338; 433—456. H. E b e l i n g M. Es. Mystik 1941. E . v o n B r a c k e n M. E. und Fichte 1943. H. P i e s c h M. E. Eine Einführung 1946. G. d e l l a V o l p e II misticismo speculativo di maestro E. nei suoi rapporti storici 1930; d e r s . E. 0 della filosofia mistica 1952. Th. S t e i n b ü c h e l Mensch und Gott in Frömmigkeit und Ethos der deutschen Mystik (17 Vorlesungen aus dem Nachlaß) 1952. H. H o f Scintilla animae 1952 (s. o.). 4. S p r a c h e .
J.
Quint
M.
E.
philos. 5 (1939), S. 2 0 9 — 2 3 1 ; M.E.
ZfdtKulturVon dt. Art
in Sprache und Dichtung 3 (1941); Mystik und Sprache DVjschr. 27 (1953), S. 48—76. K. B r e t h a u e r Die Sprache M. Es. im „Buch der göttl. Tröstung" Diss. Göttingen 1931. Th. S c h n e i d e r Der intellektuelle Wortschatz M. Es. (Neue dt. Forschungen 14) 1935. I r e n e S c h n e i d e r Der Stil der dt. Predigt bei Berthold von Regensburg und M. F.. 1942.
5. E i n f l u ß . H. B o r n k a m m M. E. und Luther 1936. W. Z e l l e r M. E. bei Valentin Weigel ZfKirchengesch. 57 (1938), S. 309—355. J . K o c h Vier Predigten des Nikolaus von Cues im Geiste Es. H S B . 1936/37, 2. Abh. M. A. L ü c k e r M. E. und die Devotio moderna (Studien und Texte zur Geistesgesch. des MAs. I) 1950. 6. Ü b e r s e t z u n g e n . Die lat. Schriften werden (mit Ausnahme des Sent.-Kommentars) in unserer Ausgabe unter dem Text übersetzt, die dt. Schriften jeweils am Schluß eines Bandes. Eine Auswahl von dt. Werken, übers, von J . Q u i n t , wird bei Hanser-München 1954 erscheinen.
J. Koch Edlibach, Gerold, Chronist, geb. 24. 9. 1454 in Zürich, gest. 28. 8. 1530 daselbst, Stiefsohn des Bürgermeisters Hans Waldmann, 1473—1480 Amtmann des Stiftes Einsiedeln in Zürich, zwischen 1487 und 1524 wiederholt Mitglied des kleinen Rates in Zürich, Landvogt in Grünningen und Greifensee, 1489 in Waldmanns Sturz verwickelt. Im Alter erlebte er die Reformation Zwingiis, deren Gegner er blieb. Das hsl. Werk Es. befindet sich unter verschiedenen Signaturen in der Zentralbibl. Zürich (die Edlibachsche Chronik: Ms. A 75;
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eine Kopie ders. von 1507: Ms. A77); lediglich das Edlibachsche Wappenbuch wird als Depositum der Antiquarischen Ges. Zürich im Staatsarchiv des Kantons Zürich aufbewahrt (W3. 21). 1485/86 schrieb E. eine zürcherische und eidgenössische Chronik, die mit dem alten Zürichkrieg beginnt (1436) und mit dem Abschluß des Burgunderkrieges endete (i486); mit einigen Unterbrechung* n setzte er das Werk später bis zu seinem Tode fort. E. wahrt den Standpunkt Zürichs und hebt Waldmann hervor. In weiteren Aufzeichnungen beschrieb er die Wirkungen der Reformation in Zürich (1520 bis 1526) und die Ereignisse beim Sturz Waldmanns. Familiennachrichten und andere kurze Notizen befinden sich auf Vorsatzblättern von einigen hsl. und gedruckten Codices, die in seinem Besitz waren. Ein von E. geschriebener Codex, der früher der fürstl. Fürstenbergischen Hofbibl. gehörte und jetzt im Besitz der Antiquarischen Ges. Zürich ist, enthält neben Wappendarstellungen das Schachbuch des Konrad von Ammenhausen (s. d.), einen 'Melibus', eine astrologische Abhandlung und ein rotwelsches Glossar. Das letztere wurde von V. v. Scheffel abgeschrieben und nach dieser Abschrift mehrmals veröffentlicht (korrigierter Abdruck bei Fr. K l u g e Rotwelsch (1901), S. igf.). Edlibachs Söhne Hans und Ludwig setzten die historischen Arbeiten fort, während Jakob als Gegner Zwingiis bekannt wurde. Ausgabe der Chronik von J . M. U s t e r i Mitteil. der Antiquar. Ges. in Zürich 4, 1864. J . L e u (1714—82, Hist.-Biogr. Lexikon der Schweiz 4 (1927), S. 664, Nr. 11), Memorialia vom Edlibachen Geschlecht und von Herrn Burgermeister Waldmann Cod. Ms. L 463 der Zentralbibl. Zürich (handschriftl.); G. v. W y s s A D B . V, 646f.; ders. Gesch. d. Historiographie in der Schweiz 1895, S. 1 5 2 — 1 5 4 ; Hist.-Biogr. Lexikon der Schweiz 2 (1924), S. 781; B u c h b e r g e r Kirchl. Handlex. 3 (1931), Sp. 539 (E. F . G. M ü l l e r ) ; E . G a g l i a r d i Neuere Hss. der Zentralbibl. Zürich 1, 2. Lief. (i933ff.); A. L a r g i a d ö r Schweizer Archiv für Heraldik 1933, S. 1 — 6.
S. Sudhof 'Edolanz' (Nachtrag): G. T h i e l e Ein ostdt. Artusroman ZfdA. 77, 1940, S. 61 — 63.
des 13.
Jhs.
Hannemann
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Egbert von L ü t t i c h — Eigil
Egbert von Lüttich, Schulmann und Spruchdichter des 11. Jhs., war von adliger, wahrscheinlich dt. Abkunft, um 972 geboren, zum Weltgeistlichen bestimmt. Etwa 979 — ungefähr gleichzeitig mit Adalbold, dem späteren Bischof von Utrecht — befand er sich in der Schule Notkers in Lüttich und wurde in den artes ausgebildet. Anfang der 90er Jahre studierte er Theologie und wurde dann presbiter. Frühzeitig wurde er Lehrer an der Domschule in Lüttich. Er war ein Schulmann von Beruf und war als Mensch eine sympathische Erscheinung. In späteren Jahren unterrichtete E. vor allem im Trivium, für das er, ein vereinsamter Fünfziger, zwischen 1022 und 1024 als Lehr- und Lesebuch seine 'Fecunda ratis' schrieb. „Das vollbeladene Schiff" nannte er sein Werk, weil es nicht einen Gegenstand in zusammenhängender Darstellung behandelt, sondern in Form einer Spruchsammlung, „wie die Arche Noah die ganze Welt im Kleinen" umschließt. Die 'Fecunda ratis' besteht aus zwei Teilen, nämlich der (in der vorliegenden endgültigen Fassung gegenüber der ursprünglichen Form wesentlich erweiterten) 'Prora' und der 'Puppis' in 1768 und 605 ungereimten Hexametern, die oft recht holprig, mit sichtlicher Mühe gebaut und nicht selten schwer verständlich sind. Die 'Prora' ist vornehmlich dem profanen Lehrstoff gewidmet, sie zerlegt sich in eine aus ein- und zweizeiligen Sprüchen bestehende „Catogruppe" mit Proverbien, Sentenzen und eine zweite, aus 3-, 4- und mehrzeiligen Abschnitten bestehende Gruppe, in der unter Sprüche aus Bibel und Kirchenvätern, antiken Schriftstellern und heimischer Volksweisheit persönliche Bemerkungen Es. über Erlebnisse und Zustände seiner Zeit und Fabeln gemischt sind; die 'Puppis' enthält Versgruppen von verschiedener Länge und ist vorwiegend theologisch orientiert. Wichtig ist die 'Fecunda ratis' vor allem als Quelle für die mal. Spruchweisheit; literarhistorisch gehört sie in die seit dem 11. Jh. verstärkt auflebende Spruchdichtung, unterscheidet sich aber von den meisten anderen zeitgenössischen und späteren Spruchsammlungen dadurch, daß die Formulierung durchweg von E. selbst herrührt. Die Wirkung des Werkes,
der wohl vor allem die schwierige Sprache entgegenstand, ist schwer abzuschätzen ; andere wenig jüngere Spruchsammlungen wie die 'Proverbia Heinrici' sind noch im Spät-MA. beliebter gewesen. Sigebert von Gembloux nennt E. in seinem Literaturkatalog. Die Überlieferung beruht auf einer einzigen Hs. (Köln, Dombibl. 196, 11. Jhs.). Ausgabe von E. V o i g t 1889 (mit ausführl. Einleitung und Parallelennachweisen). M a n i t i u s II, S. 535 — 539. R a b y See. lat. Poetry I, S. 399ff.
Brunhölzl Egenolf von Staufenberg (Nachtrag):
(E. v. R a t h ) E. v. St. Die Gesch. vom Ritter Peter Diemringer von Staufenberg, gedruckt von Joh. Priiss in Straßbg. um 1483. Facs. Druck 1934. W. Ö f t e r i n g Gesch. der Lit. in Baden I 1930, S. 26—28. O t t i l i e D i n g e s Peter von Staufenberg Masch- D.ss. Münster 1948 (Motivgtsch.chte). W. K l u x e n S udien über die Nachwirkung Kontads von Würzburg Masch.- Diss. Köhn 1948.
Eichmann, Jodocus (Nachtrag): G. R i t t e r Die Heidelbg.
Universität
1 (1936),
Eigil, nach Sturmi (744—779), Baugulf (779—802), Ratgar (802—817) der vierte Abt Fuldas (818—822) und Vorgänger dos Hrabanus Maurus (822—842), Baier wie Sturmi und mit ihm verwandt, hatte schon zu dessen Lebzeit über zwanzig Jahre von Kind an (ab infantia) demselben Kloster angehört. Zwischen 791 und dem Tode Karls des Großen schrieb er auf das Verlangen der geistlichen Jungfrau Angildruth das Büchlein von „den Anfängen und dem Leben" Sturmis und seiner Gründung Fulda und bestimmte es zu Tischlesungen der Brüder ('Vita Eigilis' cap. X X I I ) ; in der 1. Hälfte des 9. Jhs. wurde es, wahrscheinlich ebenda, von Rudolf, überarbeitet. Die geschichtliche Bedeutung Sturmis undEigils unterrichtete und liebevolle Darstellung machen die Schrift historisch und literarisch gleich schätzenswert. Eigils Leben schrieb zwischen 839 und 843 der Fulder Mönch Brun-Candidus in zwei Büchern, unum prosa, alterum uero uersibus. Die Ausgabe von G. H. P e r t z MGH. SS. II, S. 365—377, genügt nicht; s. G. R i c h t e r Die ersten Anfänge der Bau- und Kunsttätigkeit des Klosters Fulda Diss. Freiburg i. Br. 1900 (auch:
Eike von Repgowe
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Veröffentl. des Fuldaer Geschver. 2); E. E . S t e n g e l Rudolf von Fulda und die ' Vita Sturmi' Arch. für Urk.forschung 5, 1913, S. 141 ff.; M. T a n g l Bonifatiusfragen 1919 (Abh. d. Preuß. Akad. d. Wiss. 1919, 2), S. 27ff. Die Zuschrift an Angildruth neu her. von E. D ü m m l e r M G H . Epp. IV, S. 556f. Sein von ihm selbst verfaßtes Epitaph M G H . Poetae II, S. 1 1 7 nr. 11. Die Geschichtschr. der dt. Vorzeit, 13, 1920. Die ältesten Geschichtsschreiber des Klosters Fulda in dt. B e arbeitung her. von D. H e l l e r 1952 (Veröfftl. des Fuldaer Geschichtsvereins 30). Th. H e n n e r A D B . 5, 1877, S. 749f. B. S i m s o n Jb. d. fränk. Reichs unter Ludwig d. Frommen 1,1874, S. 3 7 i f f . K . B r a n d i G G A . 170, 1, 1908, S. 4off. H. B e u mann Eigils Vita Sturmi und die Anfänge der Klöster Hersfeld und Fulda Hess. Jb. für Landesgesch. 2, 1952 S. i f f . J . T h e l e Die Quellen zum Lebensbilde des hl. Sturmius 1920. B r u n - C a n d i d u s Vita Eigilis ed. M i g n e Patr. Lat. CV, S. 421 ff., her. von G. W a i t z , SS. X V , 1, S. 2 2 i f f . (liber I) und E . D ü m m l e r M G H . Poetae II, S. 94ff. (liber II). Hrabanus an Eigil M G H . Poetae
II,
S.
186.
nr.
xxi.
XXII,
auf
ihn
(ti-
tulus) ib. 1 1 7 nr. 1.
W. Bulst Eike von Repgowe (Nachtrag). Die von Cl. v. S c h w e r i n mit äußerster Umsicht gezeichneten Umrisse unseres Wissens über E. bleiben nach wie vor gültig. Man kann sagen, daß wir heute von dem Leben dieses Mannes weniger wissen, als man noch vor einigen Jahrzehnten zu wissen glaubte. Insbesondere kann man — weitergehend als v. Schwerin — die Annahme, daß E. in den geistlichen Stand getreten sei, mit ziemlicher Bestimmtheit ablehnen. Dennoch sind einige neue Forschungen zu erwähnen, die zwar nicht viel am Gesamtbilde ändern, aber doch sehr gut zeigen, worum es bei den Bestrebungen um Aufklärung des E.-Rätsels hauptsächlich geht: einmal um die Quellenfrage und zum andern um die Gesamtwertung von Es. Persönlichkeit und Wirken. In ersterer Hinsicht hat man dem Verfasser des Sachsenspiegels eine tiefe Bibelkenntnis zugesprochen, was zwar die frühere Forschung auch schon gesehen hat, was aber jetzt besonders stark betont wird. Wir trauen ihm auch — was von anderer Seite in Zweifel gezogen wird — eine unmittelbare Benutzung des Bibeltextes zu. Durch welche Vermittlung sich an einer Stelle (III 7 § 3) ein Einfluß talmudischer Legende zeigt, bleibt noch offen. Die Abhängigkeit der Reimvorrede von Werner von Elmendorf
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(s. d:) wird bezweifelt. Neu ist die Vermutung des Zusammenhangs mit einem verlorenen 'Sfieculum ecclesiae', das in dem 'Speculum ecclesiae' des Honorius Augustodunensis und in einer Benediktbeurer Predigtsammlung zum Teil überliefert sein soll. Erstere Quelle zeigt (zu III 42 § 3) sogar eine nähere Verwandtschaft zum Sachsenspiegeltext als der früher hierzu angezogene Petrus Comestor. Auch die Stelle über die Weltalter ( 1 3 § 1 ) will man unter Streichung von Isidors 'Origines' aus dem Quellenverzeichnis auf diese unbekannte Quelle zurückführen. Romanistischer Einfluß ist im ursprünglichen Sachsenspiegeltext nach wie vor nicht zu lokalisieren. Selbst die schon lange herrschende Meinung, daß der 'Vetus Auetor de benefieiis' eine Rückübersetzung aus dem Dt. und keineswegs ein Rest des lat. Ursachsenspiegels sei, ist wieder in Frage gestellt worden; es handelt sich dabei darum, ob der im 'Vetus Auetor' vertretene Mündigkeitstermin von 24 Jahren (gegenüber 21 im dt. Sachsenspiegel) ursprünglich ist, was aber keineswegs erwiesen scheint. Bedeutsam ist der Versuch, die Entstehungszeit des Sachsenspiegels einzuengen auf den Zeitraum zwischen 1. 9.1221 und 1224. Seine Würdigung hängt davon ab, wie man das Verhältnis des Sächsischen Landfriedens von 1221 (oder 1223?) und der 'Treuga Hemici' von 1224 zum Sachsenspiegel bewertet; über eine gewisse Wahrscheinlichkeit ist man auch da nicht hinausgekommen. Mit unsäglicher Sorgfalt hat man den „Gedankengang" des Sachsenspiegels verfolgt und daraus den Schluß ziehen wollen, daß eine genauere Datierung schon deshalb nicht möglich sei, weil die einzelnen Teile namentlich des Landrechts wiederholt und wahrscheinlich in größeren Zeitabständen überarbeitet worden seien und seine Abfassung daher jedenfalls längere Zeit in Anspruch genommen habe. Deshalb hätten die neueren Versuche einer genauen Datierung nur Wert für die Datierung der einzelnen Sätze, auf diesie sichbeziehen. DieseAnschauung ist aber nicht ohne weiteres annehmbar, weil eine erste Publikationsform (nach Art einer modernen 1. Auflage) doch nicht zu leugnen ist, für eine solche aber die genaue
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Eilhart v o n Oberg — Einhard
Datierung gefunden werden könnte; weitere Arbeit Es. gleicht dann den Nachträgen eines modernen Verfassers in ein durchschossenes Handexemplar, die eine Grundlage für eine weitere „ A u f l a g e " bilden. Der schwerste Angriff auf Wirken und Persönlichkeit Es. ist in der sonderbaren Anschauung gelegen, daß der Spiegier überhaupt kein hervorragender, selbständiger Denker gewesen sei, sondern daß er nur in der Art seiner Zeit ein Florilegium des sächsischen Rechts aus anderen Florilegien zusammengestellt habe. Diese Anschauung ist schon deshalb unwahrscheinlich, weil wir von Florilegien als Vorgängern des Sachsenspiegels überhaupt nichts erfahren, vielmehr das Werk Es. selbst seinen überragenden Einfluß durch Jhh. erhalten hat. So ist, was die neueste Forschung über E . und sein Werk beigebracht hat, eher als eine Uberprüfung und Besinnung, denn als eine Mehrung unseres Wissens über ihn zu betrachten. N e u e A u s g a b e n : K. A. E c k h a r d t Sachsenspiegel Landrecht und Lehnrecht (1935). CI. F r h . v. S c h w e r i n Sachsenspiegel Landrecht (Reclam 1933); dass. eingel. v. H . T h i e m e (Reclam 1953). E. F r h . v . K ü n ß b e r g Der Sachsenspiegel. Bilder aus der Heidelberger Hs. (Inselbücherei 347). H . C h r . H i r s c h E v. R., Der Sachsenspiegel (Ldr.) in unsere heutige Muttersprache übertragen (1936); dazu H . M e y e r Z A k d R e c h t 3 (1936), S. 831. H . C h r . H i r s c h E. v. R., Der Sachsenspiegel Lehnrecht, übertr. und erläutert (1939). H s s . : R. K ö t z s c h k e Die Heimat der mal. Bilderhss. des Ssp. (1943). Aus d e m S c h r i f t t u m : W. H ö l l e n b e r g E. v. R. u. seine Zeit (1934); dazu K. A. E c k h a r d t Z R G . 2 55 (1935), S. 37gff. W . M e r k E. v. R.: I n : Die großen Deutschen I (1935)- G. M ü l l e r E. v. R. als Urheber ArchUrhuTheaterr. 10 (1937). P h . H e c k E. v. R., Verfasser der alten Zusätze zum Ssp. (1939); dazu K. A. E c k h a r d t Z R G . 2 60 (1940), S. 370. W . B a r k h a u s e n Die Gesetzgebung Wichmanns v. Magdeburg D A . 4 (1941). O. E b e r h a r d , E. v. R. I n : Zeugnisse deutscher Frömmigkeit v. d. Frühzeit bis heute (1940). E. W o l f E. v. R. I n : Große Rechtsdenker d. deuts hen Geistesgesch,2 (1944). H . v. V o l t e l i n i Ein Beilr. z. Quellenkunde des Ssp. Z R G . 2 58 (1938). G. K i s c h The Jewry-Law of the ,.Sachsenspiegel". SA. aus: Occident and Orient. Gaster Anniversary V o l u m e (London 1936). Jewish thought in the Sachsenspiegel. Ac. of Arts and Sciences nr. 5 ( N e w York 1938); The Jewry-Law of the medieval German Law-books. SA. aus: Proceedings of t h e American A c a d e m y for J e w i s h Research V I I u. X . (New York I 1937, I I 1941); A Talmudic Legend as the source for the
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Josephus passage in the Sachsenspiegel. I n : H i s t o ria J u d a i c a I (1939); Sachsenspiegel and Bible. I n : Publications i n Medieval Studies V, U n i v . of N o t r e D a m e (1941); d a z u G. F r ö l i c h Z R G . 2 6 7 ( ^ S 0 ) . S. 45off. E. M o l i t o r Der Gedankengang des Ssp. Z R G . 2 65 (1947). S t e n G a g n é r Sachsenspiegel u. Speculum ecclesiae. I n : N d d . Mitt. 3 (1947); dazu H . S c h u l t z e - v . L a s a u l x Z R G . 2 69 (1952), S. 406. K. A. E c k h a r d t Rechtsbücherstudien III. Die Textentwicklung d. Ssp. 1220—70 (1933); Die Volljährigskeitsgrenze 2 v. 24 Jahren. ZRG. 61 (1941). G. K a l l e n Friedrich Barbarossas Verfassungsreform u. d. Landrecht des Ssp. Z R G . 2 58 (1938). H . P r e c h t Die Stellung E. v. R. zu Staat u. Kirche Phil. Diss. H a m b u r g 1935. F. S t r o h Handb. der germ. Philol. 1952, S. 726/9. H . R ö s s l e r Biogr. Wb. zur dt. Gesch. 1952, S. 702ff. — Vgl. a u c h Dietrich von Bocksdorff 2 u n d Tammo von Bocksdorff.
Wilhelm Weizsäcker C. E r d m a n n Der Entschluß zur dt. Abfassung des Sachsenspiegels Dt. Archiv 9, 1952, S. 189 ff. interpretiert das úngeme der Reimvorrede richtig als Bescheidenheitstopos und befreit ihn von dem „ R u f der geistigen Unselbständigkeit": wir haben nicht mehr das Recht, „dem Verfasser selbst die geistige Freiheit für die erstmalige Wendung zur deutschen Abfassung eines Rechtsbuchs abzusprechen". ^ Eilhart von Oberg (Nachtrag): K . W a g n e r ArchfnSpr. 170 (1937), S. 161 — 184; H . S t o l t e Eilhart und Gottfried 1941; W . K o s c h Dt. Lit.-Lexikon 1 (1949), S. 4 2 4 ! . ; H . E g g e r s E u p h . 45 (1950), S. 275 — 304. D e r s . P B B . 72 (1950), S. 39—51; H. d e B o o r G e s c A . der dt. Lit. II, 1953, S. 33 — 36 und 40.
Hannemann Einhard. 1. E . wurde um das Jahr 770 geboren. E r entstammte einem vornehmen fränkischen Geschlecht des Maingaus. Seine erste Erziehung erhielt er in Fulda, von wo ihn A b t Baugulf nach Aachen an den Hof sandte seiner außerordentlichen Begabung wegen. Dort nahm er trotz seiner Jugend bald eine bedeutende Stelle unter den Großen ein. Alcuin, auf den er wohl nach seinem Fortgang nach Tours als Lehrer der Hofschule folgte, rühmte sein literarisches und mathematisches Wissen. Seine kunsthandwerklichen Fähigkeiten und seine Kenntnisse der Baukunst trugen ihm im Kreise Karls den Namen Beseleel ein; er wurde Aufseher
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Einhard
der Bauten in Aachen. Als Vertreter des Kaisers wurde er 806 an Papst Leo gesandt, um den Reichsteilungsplan von ihm unterzeichnen zu lassen. Im Jahre 813 soll er Karl bestimmt haben, Ludwig zum Mitkaiser zu erheben. Seine politische Tätigkeit erweiterte sich noch unter Ludwig dem Frommen; aus dieser Zeit sind Schriftstücke seines Diktats bekannt. Die Übertragung einer Reihe von Abteien, die er als Laienabt verwaltete, bezeugt die Gunst des Kaisers: St-Pierre et St-Paul au Mont Blandin und St-Bavon in Gent, St. Servatius in Maastricht, St-Cloud bei Paris und St-Wandrille, das er wieder aufgab, dazu die Kirche S. Johannes Baptista in Pavia und ein Landgut bei Michelstadt im Odenwald, das ihm vor allen lieb war und wo er eine Kirche stiftete. Mit Sorge sah E. den zunehmenden Einfluß von Günstlingen und suchte Kaiser Ludwig durch eine vom Engel Gabriel in der Gestalt des hl. Marcellinus offenbarte Himmelsbotschaft für eine Kirchenreform zu gewinnen (' Translatio' III, c. 13). Da sich der Kaiser seinen Mahnungen verschloß (sed de his . . . ferfauca adimflere curavit), war E. bei dem im Jahre 830 ausbrechenden Streit der Söhne Ludwigs gegen ihren Vater wohl seiner Überzeugung nach auf Seiten der Einheitspartei und Lothars, dessen Lehrer und Ratgeber er gewesen war, gestanden, ist aber Ludwig treu geblieben. Die Sorge und Verantwortung für seine Klöster zwang ihn, sich dem jeweils Machthabenden zu unterwerfen. So hat er 833 auch Ludwig dem Deutschen für seine fränkischen Güter gehuldigt, schwer betroffen durch die allgemeine Rechtsunsicherheit nach der Teilung, da er wie alle Lehnsleute nur in einem Teilreich Besitz haben und nur einem Herrn huldigen sollte. Dieser sublimitas(Jaff£ und H e l l m a n n HVjschr. 27, 1932, S. 45 Anm. 21 wollten subtilitas lesen), mit der er in der Rolle eines Vermittlers sich und das Seine bewahrt hat, galt das Lob Walahfrids. Daß Kaiser Ludwig E. auch noch nach dem Jahr 830, wo er nach Seligenstadt sich zurückgezogen hatte, mit dem Diktat von Briefen beauftragte, an seinen Hof zog und ihn 836 nach dem Tode der Gemahlin Es. Imma in Seligenstadt besuchte, zeigt deutlich, wie er von E. gedacht hat. Die Hauptsorge Es.
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galt in seinen letzten Jahren seinen Klöstern. Der Verfall des Reiches schmerzte ihn tief. Er ist am 14. 3. 840 in Seligenstadt gestorben. Eine Grabschrift verfaßte Hrabanus Maurus (s. d.). Sein steinerner Sarkophag steht heute in der Kapelle des Schlosses zu Erbach. Alcuin, Theodulf, Modoinus und Ermoldus Nigellus sprechen von ihm und rühmen seinen scharfen beweglichen Geist in einem kleinen, schwächlichen Körper. Walahfrid Strabo (s. d.) stellte vor eine „Neuausgabe" der ' Vita Karoli magni' eine Vita Einhards. 2. Es. Ruhm begründete sein „ L e b e n K a r l s " ; es wird schon von den Zeitgenossen gerühmt, im MA. immer wieder gelesen und ist in mehr als 60 Hss. auf uns gekommen. Über den historischen Wert seines Karlsbildes ist verschieden geurteilt worden. L. Ranke, L. Halphen u. a. haben sich wegen Einhards Abhängigkeit von Sueton sowohl als auch wegen Ungenauigkeit in einzelnen Angaben, wegen Verschweigens wichtiger Tatsachen und Zusammenfassungen, die den zeitlichen Ablauf undeutlich machen, zu einem im Ganzen negativen Urteil über das Werk verleiten lassen; S. Hellmann, P. Lehmann A. Kleinclauß und F. Ganshof sind in ihrem literarischen und historischen Verständnis dieser ersten mal. Herrscherbiographie gerechter geworden. E. hat bis zu einem gewissen Grade den Aufbau der Sueton ischen Augustusbiographie, er hat ihre Wendungen benutzt, um das Bild des Frankenkönigs zu zeichnen, wie er selbst es sah. Karls Größe in Glück und Unglück, seine Überlegenheit sogar den byzantinischen Kaisern gegenüber begreift er mit dem stoisch-ciceronianischen Begriff der magnanimitas. Das Werk ist um 830 zu datieren nach dem Brief des Lupus, des späteren Abtes von Ferneres, eines der ersten Leser, die das Werk bewundert haben. Da E. rückblickend schreibt in einer Zeit, wo die von Karl geschaffene Ordnung schon wieder verfiel, ist verständlich, daß zu Karls Gunsten manches verschwiegen wird, um die Vergangenheit heller erstrahlen zu lassen; es ist auch begreiflich, daß zu einer Zeit, da Karls Gesetzgebung keine Geltung mehr hatte, sie nicht mehr im einzelnen dargestellt wurde.
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Einhard
Sein Vorhaben, vitam et conversationen et ex parte non modica res gesta5 domini et nutritoris mei Karoli darzustellen, hat E. durchgeführt; und es ist von keinem mal. Herrscher ein so deutliches Bild in so vollendeter Form auf uns gekommen. Die Reichsannalen und die Akten der Kanzlei Ludwigs des Frommen standen zu Es. Verfügung. An den 'Annales, qui dicuntur Einhardi' hat er keinen Anteil, auch nicht an den verlorenen * Ann. Blandinienses' und ' Seligenstadenses', und nicht an den ' Ann. Fuldenses'. 3. In der Schrift ' Translatio et miracuta ss. Marcellini et Petri' erzählt E. die Entführung der Gebeine der Heiligen aus Rom erst nach Michelstadt, von da nach Obermülheim, später Seligenstadt, am Main, wo er ihnen ein Kloster gründete, und die Krankenheilungen und Wunder, die sie bewirkten. Die Schrift wendet sich in ihrer schlichten, aber lebendigen und anschaulichen Erzählung an die Mönche seiner Klöster. Der Historiker E. nennt die Zeugen der Wunder, die er nicht selbst erlebt hat, und die Sorge um den Verfall des Frankenreiches verläßt ihn auch hier nicht (III, c.13 ; III, c. 14). Eine metrische Passio dieser beiden und anderer Heiligen (MGH. Poetae Latini II, S. i25ff.) gehört ihm schwerlich; s.M. B o n d o i s La translation des saints Marcellin et Pierre 1907 (Bibl. de l'École des hautes études 160): es bestehen gar keine Berührungspunkte. Der 'Libellus de adoranda cruce', den E. auf Bitten des Lupus verfaßte, ist ohne Verfassernamen, aber an einen Lupus gerichtet erhalten, ebenso das Dankschreiben des Lupus. E. erklärt den Unterschied zwischen orare, das ist beten mente vel voce, sine corporis gestu precari, und adorare, das ist anbeten vel inclinatione capitis vel incurvatione vel prostratione totius corporis et protensione brachiorum atque manuum . . . . Die Adorratio des Kreuzes ist nicht abzulehnen, da nach Hieronymus schon die hl. Paula das Kreuz angebetet habe ; denn nach Augustin ist alles Heilige durch Gott heilig, und somit wird in dem von Gott Geheiligten Gott selbst angebetet. In einem andern Brief (nr. 2) verspricht E . einem Bischof orationes. Eine Hs. des
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10. Jhs. enthält orationes aus Psalmen zusammengestellt unter dem Namen eines E. (unvollständig gedruckt von M. V a t a s s o Bessarione 31 (1915), S. g2ff. ; vgl. S. H e l l m a n n (s. u.) S. 42). Ein unmittelbares Bild von Es. Wesen und Wirken geben seine B r i e f e , von denen 60 aus seinen letzten Jahren erhalten sind. Sie sind mit andern seines Besitzes in einem Genter Kloster zusammengeschrieben worden als Briefmuster. Sie zeigen den Bereich seiner geistlichen und weltlichen Anliegen ; die Verehrung der Heiligen in der von ihm angefangenen Kirche und die Vollendung dieses Baues liegen ihm ebenso am Herzen wie das Wohl seiner Dienstleute und aller, die seine Hilfe und Fürsprache begehren, wie das Schicksal des Reiches. Jene eindringliche Bitte an Lothar (Nr. 11), dessen Herrschaft er in andern Briefen begrüßt, nicht vom Vater abzufallen, braucht keineswegs von Ludwig erzwungen zu sein. Die schmerzliche, beinahe trostlose Klage um seine Gemahlin Imma in Es. einzigem Brief an Lupus schreibt ein alter, einsamer Mann. Opera ed. T e u l e t 1/2, Paris 1840—43. — 'Vita Karoli Magni' ed. O. H o l d e r - E g g e r 1911 (SS. rer. Germ.); ed. L. H a l p h e n 1923 u. ö. (Les Classiques de l'histoire de France au moyenâge. 1) u. a. 'Translatio et miracula ss. Marcellini et Petri' ed. G. W a i t z MGH. SS. X V , 1, S. 238 ff. — 'Libellus de adoranda cruce' ed. E. D ü m m l e r Neues Archiv 11 (1886), S. 231 ff., ed. K . H a m p e MGH. Epistolae V, S. 146ff. — Die Briefe her. von K. H a m p e MGH. Epistolae V, S. i o 5 f f . ; E. D ü m m l e r Epistolae VI, S. 9 Nr. 3; dazu K. H a m p e Neues Archiv 21, 1896, S. 599ff. W a l a h f r i d s 'Prologus' in'Vita Karoli Magni' ed. MGH. O. H o l d e r - E g g e r p. X X V I I I f . ; d e r s . ; MGH. Poetae II, S. 37 v. 221 ff. ; T h e o d u l f MGH. Poetae I, S. 4 8 7 ! v. I55ff., I77ff.; A l c u i n Carmen X X V I 21 ebd. S. 245 u. X X X , 2, S. 248; ders., Epistolae I V S. 285 nr. 172; Modoinus, Ecl. 1, 91 f., Neues Archiv 11 (1886), S. 85; Einhards Grabschrift von Hrabanus Maurus MGH. Poetae II, S. 237f; Ermoldus Nigellus II v. 31 ff. MGH. Poetae II, S. 25; Die Briefe 1, 2, 4, 5 desLupused. E. D ü m m l e r MGH. Epistolae V I 1 ff. Über die Zeichnung eines Bogens (17. Jh.) mit der Inschrift: A D T R O P A E V M A E T E R N A E VICTORIAF. SVSTINENDVM EINHARDVS P E C C A T O R HVNC A R C V M PONERF.
s. B. d e s M o n t e s q u i e u F e z e n s a c Cahiers archéologiques 4(1949), S. 79ff. ; P. E. S c h r a m m HistZ. 172 (1951), S. 495 Anm. 2. Aus der Literatur: E b e r t 2, S. 92ff. ; M a n i t i u s 1, S. Ö39ff. ; H a u c k 3 - 4 . II. S. 182ff. ; \ V a t t . e n b a c h AC DEO D E D I C A R E C V R A V I T
IS3
Ekkehard I . - Ekkehard II.
L e v i s o n 2 , S. 266ff. (mit Litt.); — Fr. K u r z e Einhard 1899; E . B e r n h e i m Die Vita Karoli Magni als Ausgangspunkt zur literarischen Beurtheilung des Historikers Einhard in Historische Aufsätze dem Andenken an G. Waitz gewidmet 1886; L . H a l p h e n 'Etudes critiques sur l'histoire de Charlemagne (ch. 3: Einhard, historien de Charlemagne), 1921; d e r s . in der Einleitung zu 'Eginhard, Vie de Charlemagne-, F. L. G a n s h o f Notes critiques sur 'EginhardRevue belge de philologie et d'histoire 3 (1924), S. 725ff.; S. H e l l m a n n Es. literarische Stellung HVjschr. 27 (1932), S. 40U.; M. L i n t z e l Die Zeit der Entstehung von Es. 'Vita Karoli' (Hist. Stud. 238) 1933, S. 22ff.; P. L e h m a n n Das literarische Bild Karh des Gr. 1934 M S B . 9; A . K l e i n c l a u ß 'Eginhard 1942 (Ann. de l'Univ. de L y o n 12); F. L. G a n s h o f 'Eginhard Bibliothèque d'Humanisme et Renaissance 13 (1951), S. 2 1 7 f f . ; H. B e u m a n n Topos und Gedankengefüge bei E. Archiv für K u l turgesch. 33 (1951), S. 339.
M. L. Bulst Ekkehard I. (Nachtrag). Zu 2/3: Für die Feststellung und Wertung des dichterischen Schaffens Es. ist entscheidend, ob man ihm den „Waltharius" zuschreiben darf oder nicht. Über den augenblicklichen Stand der Forschung s. o. ,,Waltharius", wo ich trotz der vielen Angriffe gegen die E.-These diese noch immer verteidigen zu können glaubte. Diese verschiedenartigen Bemühungen um den Verfasser des ,,Waltharius" haben ihr größtes Verdienst darin, daß sie die Kunst des Eposdichters deutlicher machten ; darüber an anderem Ort. Von K . S t r e c k e r erschien die große Ausgabe in den M G H . Poetae V I , 1951, S. 1 — 85, der Geraldus-Prolog leider davon getrennt (Strecker hielt ihn für ottonisch, das Epos aber für karolingisch) V, 1939, S. 405 — 408. Die Ausgabe S t r e k k e r s mit der Prosaübersetzung von P. V o s s e n 1947, an sich auf breitere Wirkung eingestellt, hat auch daneben ihren W e r t in einzelnen Bemerkungen vornehmlich i m Anhang III. Zur Hauptedition vgl. W . v o n d e n S t e i n e n ZfdA. 84, 1952, S. 1 — 5 , zur Übersetzung Vossens O. S c h u m a n n A f d A . 65, S. 3 8 !
Zu 4/5: E. I. als S e q u e n z e n d i c h t e r behandelte und würdigte W . v o n d e n S t e i n e n Notker der Dichter 1948, S. 439ff. und 6o4ff. zusammen mit dem Hymnus 0 martyr: „ I n ihm offenbarte sich kein Lyriker innerster Berufung, auch kein souveräner Theolog ; wohl aber ein Meister von guter Schule, darüber hinaus ein Mann von strenger Zucht und edler, menschlicher
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Weisheit." Die Afrasequenz Laudes deo perenni spricht er ihm ab und Ekkehart II. zu, s. S. 461 ff. Zur Edition in den Anal. h y m n . 50, 1907, S. 271 ff. durch G. M. D r e v e s jetzt W . v o n d e n S t e i n e n a . a . O. Editionsband S. i i 5 f . , H 7 f . , 130, 134. Zum Lidius Charromannicus d e r s . Darstellungsband S. 440f., 4 5 6 ! , 6 0 7 !
Nachzutragen ist, daß Ekkehart I V . „Casus s. Galli" Kap. 80 nach dem Hymnus ..0 martyr aeterni patris" noch zwei Incipit nennt: Ambulans Hiesus und Adoremus gloriosissimum, deren Texte verloren sind. Vielleicht waren beides „prosaische Antiphonen aus dem Officium des hl. Andreas" ( D r e v e s a.a.O.). Denn der St. Galler Domdekan und Bibliothekar G r e i t h bemerkt bei S a n M a r t e Walter von Aquitanien 1853, S. 172: „Diese beiden Versus, die zur Vesper gesungen zu werden pflegten, sind aus dem Text des Evangelii des Festtags entnommen, wozu mitunter Ekkehart u.a.m. Melodien und Noten komponierten." E r verweist auf eine Hs.-Stelle ad Vesperas in festo S. Andreae Apostoli: ,,Ambulans Hiesus ad mare Galileae vidit Petrum et Andream . . . " und dort auch ad Invitatorium:,,Adoremus gloriosissimum regem Christum . . .". Erhalten sind zwei leonmische Hexameter des R a c h i l d g e d i c h t s bei Ekkehart IV. a . a . O . Kap. 83. War es nur eine kleine Grabschrift oder eine größere V i t a ? Die berühmtere Klausnerin, die hl. W i b o r a d a , in einer Vita zu beschreiben, hat E . begonnen, auch das meiste entworfen, wurde aber durch den Tod an der Vollendung gehindert, s. Hartmann von St. Gallen „Vita S. Wiboradae" K a p . 45 und Hepidannus im Vorwort zur Bearbeitung dieser Vita (MGH. SS. IV, S. 546 und Anm. 28). K . L. Ekkehard II. (Nachtrag). B . B i s c h o f f macht mich auf ein anonym erhaltenes, unediertes Gedicht an Hadewiga, nobilissima femina aufmerksam (Cod. Vatic. Regin. Lat. 421, Bl. 7 — 1 4 , Anfang 11. Jhs., wahrscheinlich aus St. Gallen); trifft die naheliegende Gleichsetzung dieser H. mit der schwäbischen Herzogin zu, dann darf das Werk höchstwahrscheinlich Ekkehart II., ihrem Lehrer, zugeschrieben werden. Nach
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E k k e h a r d I V . — E k k e h a r d von A u r a
einer Einleitung von 30 Choriamben folgt in 287 Hex. eine metrische Auslegung von Prov. Salom. 31, v. 1 0 — 3 1 : 'De muliere forti'. A . W i l m a r t Codices Reginenses Latini 2 (1945), S. 5 1 1 ; Ausg. in den M G H . P o e t a e vorgesehen.
Außer der Desiderius-Sequenz Summis conatibus schreibt W . v o n d e n S t e i n e n E . auch die Afra-Sequenz Landes deo fierenni zu: Notker der Dichter 1948, Darstellungsband S. 457ff. und 608, Editionsband S. 113f. und 116f. Bei der Sequenz auf Gordian und Epimach Gaudendum nobis suadent fragt er, ob es nicht E. gehört, s. a . a . O . S. 457, 468f., 609 und Editionsband
Ekkehard IV. (Nachtrag): E.Schulz Uber die Dichtungen E. IV. von St. Gallen Corona quernea, Festgabe K . Strecker 1941, S. 199—235 räumt mit den schiefen und falschen Behauptungen und Beurteilungen E g l i s auf und bietet viele wichtige neue Erkenntnisse (z. B. hält er die Auffassung von Ratperts Galluslied als Volksgesang nur für „eine A r t von germanistischem Wunschtraum, ausgelöst durch die irrige Interpretation von Es. Vorbemerkung"). K . L. Ekkehard von Aura. E. war vermutlich obd. Herkunft, doch ist sonst kaum etwas über die ersten Jahrzehnte seines Lebens bekannt; denn gewisse Nachrichten, die T r i t h e m i u s überliefert (' Annales Hirsaugienses' I, S. 278, 344, 366, 390), daß E . nämlich ursprünglich Domherr und Magister in Worms war, dann aber nach einer Pilgerfahrt ins Heilige Land als Mönch in Hirsau eintrat, sind zwar nicht grundsätzlich zu verwerfen, doch werden sie durch andere Quellen nicht bestätigt, zum Teil sogar in Frage gestellt. Auch die Chronik Es. selbst verrät in keiner Weise ein besonderes Interesse für den oberrheinischen Raum, etwa Worms-Hirsau. Jedenfalls gewinnen wir erst eine gewisse Sicherheit über den äußeren Lebenslauf vom Jahre 1101 an, in dem E . an dem Kreuzzug unter der Führung Welfs I. von Baiern teilnahm. Uber K o n stantinopel und dann zur See erreichte er im
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August das Hl. Land und besuchte Jerusalem; am 24. September trat er die Rückreise über R o m an, wo er sich in der Karwoche aufhielt. Spätestens nach seiner Rückkehr nach Deutschland trat er ins Kloster ein, ob allerdings in Hirsau, ist fraglich; denn ein persönlicher Aufenthalt in Hirsau geht aus dem späteren Brief Es. an den A b t Volmar von Hirsau ( T r i t h e m i u s a.a.O. S. 390f.) nicht hervor und die Zugehörigkeit zu einer Gebetsverbrüderung mit Korvei, von der E. in einem Widmungsbrief an den A b t Erkembert von Korvei schreibt, muß nicht unbedingt über Hirsau zustandegekommen sein; jedenfalls genügt sie nicht, um auf einen dortigen Aufenthalt schließen zu können. Gewiß ist indessen, daß E. in dem Zeitraum von 1102 bis 1105, wenigstens zeitweise, Mönch in Tegernsee war (MGH. Necr. 3, S. 140; H a l l i n g e r Gorze-Kluni I, S. 350). 1105 spätestens kam er auf den Michelsberg nach Bamberg und setzte dort die Chronik Frutolfs fort, eine Arbeit, die er offenbar sogleich, aber in einem andern Geiste als sein Vorgänger, begann und bis 1106 fortführte. In diesem Jahr trat er gemeinsam mit Bischof Otto von Bamberg eine Reise nach R o m an, wurde aber im März drei Tage lang durch Anhänger des Kaisers in Trient gefangengehalten und kehrte nach Bamberg zurück. Oktober 1106 nahm er an der Synode von Guastalla teil. 1108 wurde er von Otto von Bamberg zum A b t des von diesem gegründeten, 1113 geweihten und mit Hirsauer Mönchen besiedelten Klosters Aura in der Diözese Würzburg bestellt, wo er auch die Fortsetzung der Chronik wieder aufnahm und im Laufe der Zeit bis 1125 führte. Es. Teilnahme an der Lateransynode vom März 1 1 1 6 ist wahrscheinlich. In diesem Jahr begann er auch eine erneute Bearbeitung seiner Chronik für den A b t Erkembert von Korvei, die 1116 überreicht wurde. D a Es. Chronik den Tod Heinrichs V. am 23. Mai 1125 noch meldet, sein eigener Todestag aber auf einen 23. Januar oder 20. Februar fällt (vgl. dazu G. W a i t z MGH. SS. 6, S. 3 Anm. 23), so ist das Jahr 1126 als frühestes Todesjahr anzunehmen. 2. Lange Zeit war die wahre Gestalt von Es. Geschichtswerk unbekannt. Ursprüng-
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Ekkehard von Aura
lieh lief es unter dem Namen des KChronicon Urspergense' und wurde dessen Verfasser Burchard von Ursberg zugeschrieben. 1836 wies G. W a i t z in seiner Dissertation erstmalig und ausführlicher dann in seiner Ausgabe (MGH. SS. 6) nach, daß diese Chronik nur zum geringsten Teil das geistige Eigentum Burchards sei, der lediglich eine ihm bereits vorliegende, bis 1125 reichende Weltchronik fortgesetzt habe, als deren Verfasser der A b t Ekkehard von Aura namhaft gemacht wurde, der im Laufe der Zeit seiner Chronik 5 verschiedene Fassungen gegeben haben sollte, die sich alle im Inhalt, besonders aber in der Tendenz, sehr stark voneinander unterschieden. Die dadurch entstandenen Interpretationsprobleme und die Schwierigkeiten, Es. offenbar ständig sich ändernde geistige Haltung zu erklären, wurden größtenteils erst beseitigt, als es 1895 H . B r e s s l a u gelang, den größten Teil dieser Chronik, der den Zeitraum von der Erschaffung der Welt bis zum Jahre 1101 umfaßte und die den übrigen Fassungen am stärksten widersprechende Tendenz zeigte, als die Arbeit eines bis dahin nur dem Namen nach bekannten Annalisten Frutolf von Michelsberg (s. d.) nachzuweisen (NA. 21, S. I97ff.). Damit war aber auch erst der tatsächliche Umfang von Es. Werk erkannt und dessen richtige Beurteilung ermöglicht. 3. Seitdem stellt sich uns das Werk Es. folgendermaßen dar: Als er 1106 die Frutolfsche Chronik fortsetzte — ob im Auftrage Ottos von Bamberg, ist eine unbeweisbare Hypothese — , benutzte er das Autograph Frutolfs, dessen ältere Teile er unverändert beließ, das er aber schon vereinzelt zu den Nachrichten des 11. Jhs. mit Änderungen und Zusätzen versah, durch die er gemäß seiner von Frutolf abweichenden und unter Hirsauer Einfluß stehenden Ansichten eine entschiedene Tendenz im Sinne der streng kirchlichen Partei hineinbrachte und alles für die Päpste Nachteilige entfernte. Besonders in dem Kampf zwischen Heinrich IV. und Heinrich V. stand er ganz auf Seiten des Sohnes und betrachtete den Vater als Feind Christi und der Kirche. Infolge dieser Parteinahme tilgte er vom Jahre 1098 an den Frutolfschen Text völlig, ersetzte ihn durch einen eigenen und fügte zugleich
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eine ausführliche Darstellung des 1. Kreuzzuges ein. Diese erste Fassung seines Werkes (A, früher Rezension B), erhalten im Autograph (Jena, Bose qu 19), reicht bis zum Jahre 1106 und bricht vor dem Tode Heinrichs IV. ab. a) Als E . den Michelsberg verließ, u m als A b t nach Aura zu gehen, nahm er wahrscheinlich eine von anderer Hand angefertigte Abschrift der von ihm fortgesetzten Chronik Frutolfs mit, die als Grundlage weiterer uns bekannter Rezensionen gedient zu haben scheint. Zwei von diesen entstanden gleichzeitig, wahrscheinlich um 1110/11; denn die von W a i t z als Rezension D bezeichnete Fassung (wichtigste Hs. Paris Nationalbibl. 4889), die angeblich noch 1106 auf Grund einer neuen Überarbeitung der Rezension A und unter Verwendung der Chronik Sigeberts von Gembloux begonnen worden sein soll, kann in der uns vorliegenden Form erst später entstanden sein, da der Jahresbericht zu 1106 schon berichtet, daß des Kaisers Leiche 5 Jahre lang an ungeweihter Stätte ruhte; allerdings muß er noch vor der Kaiserkrönung Heinrichs V . geschrieben sein, da in der Vorrede an Heinrich V., die dem Jahresbericht zu 1106 vorausgeht, der Herrscher noch als rex bezeichnet wird. Diese Fassung, in der Heinrich V. zunächst noch eine sehr günstige Darstellung erfährt, im Laufe der Zeit aber entsprechend seiner immer weniger kirchenfreundlichen Politik ständig schlechter beurteilt wird, reicht bis zum Jahre 1125 und vertritt vielleicht die Form des Handexemplars, an dem E . fortwährend schrieb. b) E t w a um die gleiche Zeit entstand eine andere Bearbeitung, die inhaltlich und in ihrer Tendenz stark von den andern abweicht. W a i t z hat sie nach der einzigen erhaltenen Hs., die heute in Cambridge liegt (Corp. Christi Coli. 373), als Rezension C bezeichnet. Dieses Werk beginnt mit einer an Heinrich V . gerichteten Widmung , in der sich der Verfasser im Gegensatz zu den übrigen Widmungen nicht mit Namen nennt, und die zeigt, daß es aus dem Wunsche des Kaisers nach einer Chronik, beginnend mit der Zeit Karls des Gr., entstanden ist. E s ist in drei Bücher eingeteilt, von denen das erste die Geschichte der
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Ekkehard von Aura
Franken, das zweite die Zeit von Karl dem Gr. bis zu Heinrich IV., das dritte diejenige Heinrichs V. bis 1114 darstellt. Hier ist noch stärker als in D Sigebert von Gembloux als zusätzliche Quelle herangezogen und ebenfalls wie in D für die unmittelbare Zeitgeschichte, nämlich für den Romzug Heinrichs V., das Werk des Schotten David in ziemlich genauem Wortlaut verwertet (vgl. Wilhelm von Malmesbury z. J. 1111/12, MGH. SS. 10, S. 478ff.). In seiner Tendenz ist das Werk nicht nur für Heinrich V. unvermindert günstig, sondern auch Heinrich IV. ist gegenüber den anderen Fassungen entschieden milder, ja sogar sehr positiv beurteilt. Diese Rezension bietet auch heute noch die größten Probleme, zunächst einmal wegen der von den übrigen Rezensionen stark abweichenden und noch nicht hinreichend erklärten Tendenz, sodann wegen des handschriftlichen Befunds. Die als Autograph geltende Hs. weist 3 verschiedene Hände auf, die untereinander sehr ähnlich sind. Von diesen hat die erste die Vorrede, deren Stil nicht auf E. als Verfasser weist, und den Hauptteil des nachgetragenen, ebenfalls nicht von E. stammenden Jahresberichtes zu 1114 geschrieben; eine zweite, die als Es. Hand gilt, aber genügend Unterschiede zu der in A aufweist, um an dieser Annahme zweifeln zu lassen, schrieb alles übrige bis auf den Schluß des Jahresberichtes von 1114, den eine dritte Hand aufgezeichnet hat (vgl. auch M e y e r v o n K n o n a u Jbb. des dt. Reichest, S. 7 Anm. 1). Vor der Lösung dieser Probleme kann jedenfalls die Autorschaft Ekkehards nicht als gesichert gelten. c) Eine letzte, sicher von E. herrührende Fassung ist die nach der Widmung an den Abt Erkembert von Korvei Rezension E genannte (Haupths. Berliner Staatsbibl. lat. 295). Erkembert, dem sich E. als dem Abt eines nach Hirsauer Regel reformierten Klosters eng verbunden fühlte, stand im Begriff, eine Reise ins Hl. Land anzutreten; und, als Vorbereitung dazu sandte ihm E. eine neue Überarbeitung seines Werkes, das durch seine ausführliche Schilderung des 1. Kreuzzuges dazu besonders geeignet war. Doch wurden gerade diese Partien aus dem Gesamtwerk herausgenommen und als eine
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besondere Schrift unter dem Titel „Hierosolymita" an den Schluß der Chronik gestellt, aus der auch noch einige andere Partien gestrichen wurden. Der Rest wurde in 5 Bücher eingeteilt, von denen die Bücher 4 und 5 den Büchern 2 und 3 der Rezension C entsprechen, doch geht die Fassung E textlich fast völlig mit D parallel. E kann ursprünglich nur bis 1116 gereicht haben, da Erkembert 1117 ins Hl. Land pilgerte, doch geht die erhaltene Fassung bis 1125, ohne daß wir das Zustandekommen der Fortsetzung eindeutig erklären können. Auch in der Tendenz steht E ganz auf Seiten von D, d. h. auch hier wird ab etwa 1115 die Beurteilung Heinrichs V. immer strenger und zumal seit Einsetzung des Gegenpapstes entschieden verschlechtert. Eine zusammenfassende Beurteilung des Kaisers bei seinem Tode zeigt noch einmal die Wandlungen des Herrschers in seinem Verhältnis zur Kirche und begründet so auch die wechselnde Beurteilung durch E. d) Zu erwähnen wäre schließlich noch eine letzte, von W a i t z als B* bezeichnete Rezension, die die größte Gruppe der Hss. umfaßt; sie entspricht bis 1125 der Fassung D, enthält aber verschiedene, sich auf Münsterschwarzach beziehende Zusätze und dürfte kaum von E. selbst bearbeitet sein. Einzelne Hss. dieser Gruppe enthalten Fortsetzungen über das Jahr 1125 hinaus. 4. Die ursprünglich von Frutolf (s. d.) verfaßte Weltchronik hat in der Überarbeitung und Fortsetzung durch E. und in den verschiedenen Gestalten eine ziemlich weite Verbreitung gefunden, wie die 17 noch erhaltenen vollständigen Hss. zeigen. Vielleicht noch zahlreicher sind die Exzerpte aus der Chronik, die meist zusammenhängende Berichte wie die Geschichte Alexanders des Gr., den Ursprung der Franken oder dergl. umfassen. Vielfach ist die Chronik auch als Quelle in weiteren mal. Geschieh tswerken herangezogen worden, so z. B. in den Polder, Magdeburger, Erfurter, Würzburger, Kaisheimer und isländischen Annalen. Benutzt wurde sie weiterhin vom sog. Anonymus von Melk, von Berthold, vom Annalista Saxo, in der Reinhardsbrunner Chronik, in der 'Vita Heinrici' des Adalbert und in besonders großem Maße von Otto von Frei-
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Elbelin von Eselsberg — 'Elisabeth, Heilige'
sing (s. d.), Burchard von Ursberg und in der Kölner Königschronik. 5. Seit der Kenntnis des im Grunde geringen Anteils Es. an der früher unter seinem Namen laufenden Weltchronik ist Es. Bedeutung als Geschichtsschreiber stark eingeschränkt. Nicht nur ist sein Werk von geringem Umfang — denn die einzelnen Rezensionen sind nicht als jeweils neue Leistungen anzusprechen — , sondern auch bezüglich der Fähigkeiten als Historiker steht E . weit hinter seinem Vorgänger Frutolf zurück, was die Bewältigung des Stoffs und die Genauigkeit betrifft. Ihm ist er höchstens stilistisch durch seine lebendigere uud farbigere Darstellung überlegen. Zwar bleibt sein Werk die Hauptquelle für die Geschichte Heinrichs V., doch ist E . nicht immer genau und oft unvollständig unterrichtet, und immer ist die Chronik wegen der entschiedenen Tendenz ihres Verfassers mit Vorsicht zu benutzen. A u s g a b e : G. W a i t z MGH. SS. 6, S. 1 ff.; Hierosolymita her. von H a g e n m e y e r (1877). — L i t e r a t u r : H. B r e s s l a u Die Chroniken des Frutolf von Bamberg und des Ekkehard von Aura. Bamberger Studien II N A . 21 (1895), S. I97ff. G. B u c h h o l z Ekkehard von Aura (1888). C. H a l l i n g e r Gorze-Kluni Studia Anselmiana I 1 22—25 ( 95°/5 )- G. W a i t z De chronici Urspergensis prima parte Diss. Berl. 1836. W a t t e n b a c h - H o l t z m a n n Geschichtsquellen I, 3, S. 491 ff.
Irene Schmale-Ott Elbelin von Eselsberg (Nachtrag). Zu 1, 3: Die Hs. ist Thür. Landesbibl. Weimar Q 566, s. H. N i e w ö h n e r ZfdPh. 65, 1940, S- I 9 I -
K. L.
Eleonore von Österreich (Nachtrag): H. K i n d e r m a n n Volksbücher vom sterbenden Rittertum 1942, S. 25ff. W. S t a m m l e r Von der Mystik zum Barock2 (1950), S. 624.
Elhen von Wolfhagen, Tilemann (Nachtrag) : G. G r o h Die Limburger Chronik des Tilemann E. v. W. Masch.-Diss. München 1951.
Hannemann 'Elisabeth, Heilige' (Ballade). In dem nd. Liederbuch aus dem Zisterziensernonnenkloster Wienhausen bei Celle, das der Musikwissenschaftler Heinrich Sievers 1934 entdeckt hat, und das gegen
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1470 geschrieben ist, hat sich als Nr. 42 eine Ballade von der Hl. E . gefunden. In bildkräftigen Strophen, die v o m Gefühl getragen werden, unter Ausscheidung alles Unwesentlichen, handelt sie davon, wie E . von ihrem Gatten, dem Landgrafen Ludwig, als er ins Heilige Land hinauszieht, ahnungsschweren, schmerzlichen Abschied nimmt, wie er auf der Fahrt den Tod findet und ihr die Nachricht überbracht wird, und wie sie, den letztwilligen Worten des Scheidenden entsprechend, allem Reichtum und fürstlichem Glanz entsagt, sich nur in die Hände Gottes stellt und in mönchischem Leben zur Heiligen wird. Das Lied ist stark zersungen; es haben sich geläufige Formeln eingestellt, die großen Linien sind aber noch klar erhalten, und die Testamentsstrophen, die in leichter Abwandlung auch in anderen Balladen wiederkehren, haben hier wohl ihre ursprüngliche Stelle, da sie nur hier sinnvoll sind, das Programm aufstellen und der Persönlichkeit der Hl. E . entsprechen. Eine Reihe Einzelheiten weist auf alte Überlieferungen, die in Marburg schon in der ersten Hälfte des 13. Jhs. in bildlichen Darstellungen der Elisabethkirche ihren Niederschlag gefunden haben; namentlich geht das seltsame Motiv von der Vergiftung des Landgrafen in volkstümlich-romantischer Umformung auf Gerüchte und Verdächtigungen zurück, die während der Kämpfe zwischen Friedrich II. und dem Papst aufgebracht wurden. So darf man glauben, daß das Lied als später Ausläufer noch auf die Ballade 'De separatione flebili E[lyzabet] et mariti sui Ludewici lantgravii in terrarn sanctam ituri' zurückgeht, die eine Frau aus Biedenkopf am 12. Januar 1233 in dt. Sprache singen hörte. Die angeblichen Spuren dieser Ballade, die man früher in dem Leben des Hl. Ludwig von Friedrich Köditz hatte finden wollen, haben sich als irreführend erwiesen; die Reime, die dort erscheinen, ergeben sich nur aus dem Streben nach wohlklingender Reimprosa, das überhaupt für sein Werk bezeichnend ist. Ausgabe von P. A l p e r s N d j b . 69/70 (1947), S. 29t. L. W o l f f Zur Ballade vom Landgrafen Ludwig und der Hl. E. ebda. S. 47ff. J. M e i e r Dt. Volkslieder mit ihren Melodien I I I , Balladen 3 (1954), s - 211 ff.
L. Wolff
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'Elisabeth, Heilige" — Elisabeth von Nassau-Saarbrücken
'Elisabeth, Heilige,' Reimprosa. Unter den zahlreichen Hss. in hd., nd. und ndl. Sprache, die uns Übertragungen des Lebens der Hl. E. von Dietrich von Apolda (s. d.) überliefern, hat eine zusammengehörige Gruppe von drei nd. Hss. besondere Bedeutung, weil hier der T e x t mit Reimen geschmückt ist. C. B o r c h l i n g (Reiseber. I, S. 213; III, S. i8f.) hatte darum vermutet, daß es sich um die Prosaauflösung einer Versdichtung handele. Das hat sich als Irrtum erwiesen. Als Grundlage der Übertragung, die aber eine kürzende Umformung nach bestimmten darstellerischen Absichten gibt, ist eine bestimmte Rezension der Reinhardsbrunner Erweiterung von Dietrichs Vita festzustellen. Von den schmückenden Reimen, die auch der lat. T e x t schon öfter aufweist, hat der Übersetzer sich anregen lassen, auch seiner nd. Prosa einen ähnlichen Schmuck zu geben, ist in diesem Bestreben freilich zum Schluß ermattet. Überhaupt war dt. Reimprosa im Spät-MA. anscheinend häufiger, als man gewöhnlich annimmt. Die Wolfenbüttel-Helmstedter Hs. 894, die älteste von den dreien, gibt auch die älteste Fassung, die dem Lat. noch am nächsten steht. Sie ist von Heinrich von Hanstein im Jahre 1449 in Ostfalen (unter Einmischung md., ihm nach seiner Herkunft geläufiger Einzelheiten) geschrieben, die Sprachformen, insbesondere die Reime, lassen jedoch erkennen, daß die Vorlage westfälisch gewesen ist. Von dieser Vorlage leitet sich auch die Wolfenbüttel-Helmstedter Hs. 1136 (Ende des 15. Jh.) aus dem Besitz des Klosters Lamspringe her, die ebenfalls verschiedene Sprachformen zeigt. Der Text, den sie bietet, ist nach jüngeren stilistischen Tendenzen, insbesondere aus dem Streben nach natürlicher Ausdrucksweise, umgeformt, und dadurch sowie aus sprachlichen Gründen sind zahlreiche Reime zerstört. Einige Einzelheiten hat diese Fassung aus Nebenquellen zugesetzt. Die 3. Hs., X X 1173 in der Niedersächs. Landesbibl. in Hannover, ist im Jahre 1474 von Arnoldus Ewicken in Hannover geschrieben. Sie ist auch von den beiden anderen unabhängig. Ein Bearbeiter, der aber nicht erst der Schreiber war, sondern wahrscheinlich i m südlichen Westfalen zu suchen ist, vermutlich ein Prediger, hat hier seine wachsende Freude an den Reimen gehabt; er hat sie reichlich vermehrt und im Schlußteil zusammen mit der rhythmischen Durchformung in ziemlich freie Verse vollkommen durchgeführt. Unterschiede in den Reimprinzipien lassen jedoch noch erkennen, daß die Mehrreime einer anderen und also jüngeren Schicht entstammen. Yerfasserlexikon V.
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Die Erzählung ist ansprechend und verrät überall warme Anteilnahme. Eingehende Untersuchungen und eine Ausgabe, die die jüngere Fassung zugrundelegt, aber auch die Lesarten der beiden anderen Hss. verzeichnet, von W. S t a n n a t Das Leben der Hl. E. in 3 mnd. Hss. aus Wolfenbüttel u. Hannover Diss. (vorl. Masch.) Marburg 1953. L u d w i g w d f f
Elisabeth Bona von Reuthe (Nachtrag): Abdruck der dt. V i t a durch K. B i h l m e y e r in der Festgabe Ph. Strauch 1932, S. 88—109.
Hannemann Elisabeth von Nassau-Saarbrücken. 1. Durch die Inschrift ihres Grabsteins ist Es. Todesjahr 1456 sicher überliefert; geboren wurde sie in den neunziger Jahren des 14. Jhs.; sie ist die Tochter der für das literarische Leben aufgeschlossenen Margarete von Vaud^mont und Joinville und deren dritten Gatten Friedrich von Lothringen. Vollkommen im franz. Kulturkreis aufgewachsen, heiratete E . 1412 den dt. Grafen Philipp I. von Nassau-Saarbrücken. Nach dessen Tode übernahm sie 1429 die Regierung der Lande bis zur Volljährigkeit ihres ältesten Sohnes (1438). Mehrere namhafte Stiftungen künden von ihrer ergebenen kirchlichen Einstellung. Verwandtschaftlich verbunden war Es. Familie mit den kunstfreudigen Höfen in Heidelberg, Rottenburg (Mechthild v. Österreich, s. d.) und Nancy. Auf dieser, von verschiedenen kulturellen Strömungen durchkreuzten Grundlage erwuchs Es. Werk, die stofflich und überlieferungsgeschichtlich zusammenhängenden Prosaromane * Herpin , 'Sibille', 'Loher und Maller', 'Huge Scheffel'. 2. Die Vorlagen Es. waren franz. Chansons de geste, die ihr wahrscheinlich durch die Vermittlung ihrer Mutter zugänglich wurden; in diesem Sinne ist wohl der Schluß des 'Loher und Maller' zu verstehen: Vnnd das buch det schreiben Inn welscher sprach ein edele wolgeborenne frauwe margarethe greffynne zu wiedemont vnd frauwe zu genwille... In den jaren vnseres herrn ano tusend vierhundert vnnd funff Jare. Eine Verfasserschaft Margaretens ist nicht anzunehmen, da Es. Vorlagen noch gereimte Epen waren; dies geht hervor aus der fast getreuen Übereinstimmung ihrer Textab7
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Elisabeth von Nassau-Saarbrücken
schnitte mit den Laissenabsätzen der Chansons, aus der Übernahme des nur versfüllenden epischen Beiwerks in die Prosa und aus beibehaltenen einführenden Hinweisen auf das folgende poetische Werk; z. B. Ich will euch singen ein lied\ Ich wil euch ein gut geticht sagen ('Herpin'); Eyn schone historie wil ich uch verkünden vnd höten lassen, die iterse darin sind lieblich ('Loher und Maller'); So will ich uch sagen von eyme gedichte, das man in franckrich . . .findet ('Sibille'). Die Prosaauflösung von Versepen hat in Frankreich eine längere Tradition als in Deutschland, sie begann aber mit Stücken des Artuskreises und griff erst gleichzeitig mit Es. Bemühungen auf die Chansons de geste über. Ihre Arbeit war demnach eine Verpflanzung von Erzählgut der franz. Heimat in den neuen dt. Wirkungsbereich in einer dem neuen Geschmack entsprechenden Form. Die direkten Vorlagen Es. sind nicht überliefert. Durch Vergleiche mit Chansons, die diesen nahestehen, ist es jedoch möglich, Es. Arbeitsweise nachzuspüren. Ihr Interesse war in solchem Maße stofflicher Art, daß sie jeden Einzelzug in die Übersetzung aufnahm; erst nach einer ziemlichen Arbeitserfahrung konnte sie sich, wenn auch nur in sehr bescheidenem Umfang, hiervon lösen. Sie überging sittlich bedenkliche Stellen, die ihren höfischen Vorstellungen von Ritter- und Heldenart nicht entsprachen, oder sie schwächte sie ab. Spätere selbständige Kürzungen (z. B. in der 'Sibille ) sind manchmal so ungeschickt, daß ein unklares Bild oder ein innerer Widerspruch den Zusammenhang der Erzählung stört. Neben der äußeren hsl. Überlieferung der vier Romane in drei, auf Veranlassung von Es. Sohn Johann III. von NassauSaarbrücken angefertigten Prachtcodices, sprechen durchgehende stilistische Kriterien für die Verfasserschaft Es., obschon ihr Name nur im 'Loher' und 'Huge Scheppel' genannt wird. Die zyklische Vereinigung der stofflich um die Person Karls des Großen kreisenden Romane hat auch in Frankreich in der späten Chanson de geste-Literatur zahlreiche Parallelen. Die wachsende stilistische Selbständigkeit Es. und rückweisende Anspielungen in den Romanen machen diese Abfassungsfolge wahrscheinlich:
I. KHerpin' (Lewen buch von Burges in Berrye). Hss.: A : Ms. germ. Fol. 464 der Staatsbibl. Berlin; B : Cod. Novissimi 46.2 0 der Herzog- AugustBibl. Wolfenbüttel; C : Pal. germ. 152. Eine vierte Hs. in Erlangen ist seit 1828 verloren. Der T e x t wurde im 16. Jh. viermal gedruckt.
Es. Vorlage war die in zwei unterschiedlichen Hss. überlieferte ' Chanson Lion de Bourges'. Es ist die Geschichte, in deren Mittelpunkt ein Horn steht, das nur von seinem rechtmäßigen Besitzer geblasen werden kann. Vertauschungsmotive und Kreuzzugsfabeln schufen in fast verwirrender Abwechslung die Erweiterung zum Roman. Die Übertragung Es. ist wörtlich genau, besonders im ersten Teil. Sie gestattete sich keinerlei Zusätze, erst gegen Ende wagte sie, den breiten Erzählgang zu straffen. Die dt. Texte teilen sich in der Weise in zwei Gruppen, daß auf der einen Seite die Hss. A und C, auf der anderen die Hs. B und die Drucke stehen. Es ist möglich, daß die Veränderungen von E. selbst nach einer erweiterten Vorlage vorgenommen wurden. II.
'Sibille'.
Hs.: Staats- und Univ.-Bibl. Hamburg Cod. ms. 12 in scrinio2°, Bl. 5 8 » — y 6 b . Der T e x t ist bisher ungedruckt; die von F. B u r g angekündigte Ausgabe ist m. W. nicht erschienen.
Die franz. Chanson de geste ist bis auf geringe Reste verloren. Je eine entwickeltere franz. und span. Prosabearbeitung des 15. Jhs. gestattet nur bedingt eine Rekonstruktion, mit der die Übersetzung Es. verglichen werden kann. Ein für die Textkritik wertloses ndl. Volksbuch ist nach der span. Version gearbeitet. Die Fabel des Sibillenromans, die Geschichte der verleumdeten und vertriebenen Gattin, die nach mühseligen Irrwegen wieder gerechtfertigt aufgenommen wird, hat in vielen Literaturen ihren Niederschlag gefunden. Die Chanson de geste-Poesie hat Sibille unhistorisch zur Gattin Karls des Großen gemacht, die in der Verbannung einen Knaben Ludwig, den späteren Kaiser, gebar. Gegenüber ihrer ersten Arbeit zeichnet sich diese Übersetzung Es. aus durch die insgesamt kürzende Übernahme der Vorlage. Sie erreichte dies hauptsächlich durch äußere Eingriffe, indem sie alles ihr Unbekannte,. besonders aus der Tradition
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Elisabeth von Nassau-Saarbrücken
der Heldendichtung, wegließ, nicht immer zum Vorteil der Erzählung. Die franz. ' Sebilenchanson' ist vielleicht auch die Quelle von Schondochs (s. d.) 'Königin von Frankreich'. III. 'Loher unb Maller . Hss.: H : Staats- und Univ.-Bibl. Hamburg Cod. ms. I i in scrinio 2°, Bl. i a — 1 4 3 b ; K : Cod. W. 337 des städt. Archivs Köln; P : bis 1945 Hs. des fürstl. Fürstenbergischen Palais zu Prag; W : Cod. 2816 der Österr. Nat.-Bibl. zu Wien. Eine fünfte Hs., mitgeteilt von R. P r i e b s c h Deutsche Hss. in England S. 3, Nr. 2 ist in Amerika verschollen. Der Text wurde im 16. Jh. dreimal gedruckt.
Neben Es. Prosa ist 'Loher und Maller' nur in dem Fragment einer mnl., nach einer franz. Vorlage gearbeiteten Dichtung aus dem Ende des 14. Jhs. überliefert. E. hat den mnl. Text nicht gekannt. Die hist. Grundgestalt des Romanhelden Loher, der als Sohn Karls des Großen vorgestellt wird, ist der Frankenkönig Chlotar I. (511—561). Zur Ausbildung der Chanson wurde eine alte Loherdichtung mit Zügen des Floovantepos kompiliert und das Geschehen auf die Thronfolgekämpfe Lothars I. gerichtet: mit Loher geht der getreue Maller in die Verbannung, gemeinsam bestehen sie mannigfache Abenteuer und Nöte. Durch die Heirat mit der Kaisertochter zum Herrscher von Byzanz geworden, kann Loher schließlich seinen Halbbruder Ludwig bestehen, der ihm sein fränkisches Erbe mit der römischen Kaiserwürde vorenthielt. ' Loher und Maller' wurde als erstes von Es. Werken durch die romantisierende Bearbeitung Dorothea S c h l e g e l s wieder bekannt (1805; erschienen 1823 unter dem Namen Fr. S c h l e g e l s , Sämtliche Werke 7). IV. 'Huge Scheppel'. Hs.: Cod. ms. 12 in scrinio 2 0 , Bl.i a — 5 7 b der Staats- und Univ.-Bibl. Hamburg. Der Text wurde in der kürzenden Bearbeitung C o n r a d H e i n d ö r f f e r s (s. d.) 1500, viermal im Laufe des 16. Jhs., viermal im 17. Jh. und schließlich noch 1794 gedruckt.
Die franz. Chanson de geste ist nur in einer Fassung überliefert. Sie griff eine mehrfach bekannte unhistorische Fabel auf, nach der Hugo Capet, Sohn eines Edelmanns und einer Metzgerstochter, die Tochter des letzten Karolingers Ludwig, hier ein Sohn Karls des Großen, wegen großer Helden-
taten gewinnen und ehelichen konnte. Durch eine vergleichende Heranziehung des ersten Druckes (1500) kann in Es. Übersetzungsarbeit, ähnlich wie beim 'Herpin', eine ursprüngliche und eine zweite, gebesserte Fassung erkannt werden. Auch in in ihrem letzten Werk gestattete sich E. keine inhaltlichen Veränderungen; selbständiger, wenn auch noch keineswegs frei, bewegte sie sich auf stilistischem Gebiet. Die Laissenabschnitte werden meistens noch eingehalten, in den Übergängen aber geglättet. Vereinzelt wagte E. verdeutlichende Ergänzungen. Das entwickeltere Übersetzungsgeschick gestattete der Verfasserin nun auch eine gleichmäßiger abschwächende Charakterisierung des Helden. 3. Das einzige feste Datum für Es. Übersetzertätigkeit ist das Jahr 1437, die Vollendung des 'Loher und Maller'. Dieses Jahr galt nach dem Vorgang W. L i e p e s allgemein als Ausgangspunkt dt. Unterhaltungsprosa. Und erst in neuester Zeit hat W. S t a m m l e r darauf hingewiesen, daß die Verfasserin in ihrer Zeit nicht allein steht, daß neben den historischen Erzählungen um Alexander und den Kampf um Troja die Zeit der dt. höfischen Prosa eingeleitet wurde durch Romane um 'Girart de Roussillon' (s. d.), 'Lanzelet' (s. d.), 'Herzog Ernst' (s. d.) usw., daß E. nicht am Anfang steht, „sondern in der Mitte einer längeren Tradition". Das Bestreben Es. ging über eine möglichst getreue Wiedergabe ihrer Vorlage nicht hinaus. Die Prosaform ihrer Zeit war für sie selbstverständlich. Daß sie zu den Versen ihrer Vorlagen in keinem Gegensatz stand, sondern diese nur zu vermitteln suchte, zeigt sich wohl am deutlichsten bei der Namengebung von Herpins Sohn: er hiesz lewe vmb des willen das sich das lied deste bas reyme. Von einer individuellen Note oder gar von einem Bewußtsein, am Beginn einer neuen Epoche der Literaturgeschichte zu stehen, kann bei Es. Werk nicht die Rede sein. Lange Zeit nach Es. Tod wurden ihre Romane, bis auf 'Sibille', in gekürzten Versionen zu sog. Volksbüchern verarbeitet. Die Gründe hierfür waren in erster Linie auch wieder stofflicher Art. Welch großer 7*
Elisabeth von Schönau — Embrico
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Sein Verfasser war der Naglergeselle Hieronymus E., der dafür vom R a t der Stadl zwei Gulden erhielt. Kennzeichnend für die geistesgeschichtliche Lage jener Zeit ist, daß der Drucker auf diese beiden Schriften A u s g a b e n : 'Herpin' in K. S i m r o c k Volksbücher 11, o. J . ; 'Loher und Matter': K. S i m r o c k im Dienste des Marienkultes noch im gleichen 1868; Fr. S c h l e g e l 1805; Huge Scheppel: K. S i m Jahr acht und im folgenden vier Werke rock Volksbücher 9, o. J.; H. Urtel Veröffentl. Luthers folgen ließ. Das Lied preist in 15 der Hamburger Stadtbibl. 1 (1905); H. KinderStrophen zu je neun Versen die Mutterm a n n Volksbücher v. sterbenden Rittertum 1928. — A b h a n d l u n g e n : W. S c h e r e r Die Anfänge des gottes, vor deren Bild in Regensburg ein dt. Prosaromans u. Jörg Wichram v. Colmar QF. 21 Blinder wieder sehend geworden sein soll, (1877); S. S i n g e r Die Wiedergeburt des Epos u. und erhebt scharfe Anklagen gegen die die Entstehung des neueren Romans SprD. 2 (1910); Juden, die vil kinder haben ermordt. H . S c h n e i d e r Die Gedichte u. d. Sage v. Wolfdietrich 1913, S. 343, 366; W . L i e p e E. v. N.-S., Ein Stück des Drucks von 1522 hat sich in der Entstehung u. Anfänge d. Prosaromans in DeutschUnivbibl. zu München erhalten (P. Germ. 3057). land 1920 (mit weiterer Lit.); ders. Die EntEinen jetzt verschollenen Abdruck, der um 1610 stehung des Prosaromans in Deutschland Z f D t k . erschien, erwähnt Weller Repert. Nr. 1205. Erneut 1922, S. 145—161; H. Weisser Die dt. Novelle gedruckt wurde das Lied zwischen 1747 und 1760, im MA. 1926; L. Mackensen Die dt. Volksbücher als man in St. Cassian zur Gedächtnisfeier der 1927; E h r i s m a n n l l , 2, S. 510—512; \V. Stamm- schönen Maria ein Marienbild aufstellte, das man l e r Von mal. dt. Prosa J E G P h . 48, 1949, S. 36I; später für das echte von 1519 ausgab. Dieser 2 Beliebtheit sich dann der erste Neudruck des 'Loher und Maller' (1805) erfreuen konnte, geht aus den Urteilen mehrerer Romantiker hervor.
ders. VonderMystik
zum. Barock i95o, S. 284, 623.
S. Sudhof Elisabeth von Schönau (Nachtrag): E . S p i e s s Ein Zeuge mal. Mystik in der Schwciz
'935. S. 35ff. K. Köster E. v. Sch. Werk und Wirkimg
im Spiegel
der mal.
hsl.
Uberlieferung
Arch. für mrhein. Kirchengesch. 3, 1951, S. 243—315 ( i i i erhaltene und 30 verschollene Hss.!) D e r s . Das visionäre Werk Es. v. Sch. Studien zur Entstehung, Überlieferung und Wirkung in der mal.
Nachdruck trägt den Vermerk: Nach dem alten
und noch vorhandenen Original, so Gedruckt zu Regenpurg Anno 151g (!). N a c h i h m h a t R . v . L i l i e n c r o n Die historischen Volkslieder der Dt.
3, S. 337 ff. das Lied unter Nr. 340 herausgegeben.
Vgl. C. T h . G e m e i n e r Der Reichsstedt Regensburg Chronik 4, 1824, S. 364 A n m . 702; K. S c h o t t e n l o h e r Der Buchdrucker Paul Kohl Z b l f B b l w .
29 (1912), S. 411 Nr. 4; ders. Das Regensburger Buchgewerbe im 15. und 16. Jh. (Veröffentl. der
Gutenberg-Ges. XIV—XIX), 1920, S. 14 u. 182
Nr.
8; W.
Stammler
Von
der Mystik
zum
Welt, ebenda 4, 1952, S. 79—119 (darin auch über die mal. Uberlieferung der Visionen der PseudoElisabeth). Hannemann
Barock• (1950), S. 2 44 .
Ell, Hieronymus. 1521 war in Regensburg das Muttergottesbild der "Schönen Maria', das 1519 an der Stelle der zerstörten jüdischen Synagoge aufgestellt worden war, in helle Flammen ausgebrochen. Nachdem bereits auswärtige Drucker Flugblätter mit Berichten über das wundertätige Wirken des Bildes verbreitet hatten, druckte 1522 Paul Kohl in Regensburg selbst ohne Jahresangabe die 40 Bll. in 4 0 umfassende Schrift 'Wunderberlicke czaychen vergangen Jars beschehen in Regenspurg tzw der schonen Malria der mueter gottes hye jn begriffen' sowie einen Begleittext zu dem Holzschnitt Michel Ostendorfers mit der Kapelle zur schönen Maria und dann als Einblattdruck in 2° das Gedicht 'Ein schon lied new gemacht von der schonen Maria / zw Regenspurg, in dem thon Von erst / so wol wir loben'.
A. B r e h e r Der Memminger Stadtarzt U. E. und seine Pestschriften 1942. G. E i s Studien zur altdt. Fachprosa 1951, S. 33.
w m y
K r o g m a n n
Ellenbog, Ulrich (Nachtrag):
Hannemann
Embrico (Nachtrag). Die von W . W a t t e n b a c h aus clm. 6911 und Vorau 111 gedruckte Confessio war schon 1793 aus Wien C C X X X I I I (746) von M . D e n i s Cat. mscr. theol. Bibl. Pal. Vindob.1,1, S. 757f. nachgewiesen, der als Verfasser Marbod vermutete; ohne Kenntnis des clm. 6911 und der Ausgabe Wattenbachs noch einmal von Cl. B l u m e in Anal. hymn. X X X I I I , 1899, S. 234; Wattenbachs Ausgabe und die Münchner Hs. sind auch M a n i t i u s III, 1931, S. 1002 unbekannt. Wegele ADB. 6, 1877, S. 79L J. F. Abert Lex. für Theol. u. Kirche 3, 1931, S. 652! W. Bulst
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Emmerich, Georg — Enen, Johann
Emmerich, Georg (Nachtrag). Die Schreibung Emerich ist vorzuziehen. Die „zweite Reise" Es. von 1476 ist eine Fabel. R. J e c h t Ur dl. Nachrichten üb. G. E. Neues Lausitz. Magazin 68, 1892, S. 85 ff.
Bretschneider Emmerich (Emerich), Johann der Ältere. E. wurde 1457 in Leipzig immatrikuliert und erwarb den Grad eines Baccalaureus der Rechte. Nachher war er Schöffe zu Frankenberg in Hessen. Als die Stadt 1476 durch eine Feuersbrunst zerstört wurde und sie dabei auch ihre Privilegien verlor, verfaßte er eine 'Samlung der alten Rechten und Gewohnheiten der Stad Franckenberg', worin er das Statutarrecht mit dem Schwabenspiegel verarbeitete. Über ihn selbst heißt es eingangs: Diss nachgeschrebin buchelyn hat gemacht eyn vornemiger trefflicher wol gelarter Baccalaureus genant Johannes Emerich, der aide, derselbe was eyn herfarinder man under allen scheffin zum Franckenberge, wante er hatte meistenteil alle amte der stad regirt von sinen jungen tagen biss an syn ende. Dazu was er aller gerichtslouffe kondig beyde geistlichs, werntlichs und auch des heymelichin fryen gerichts. Gedruckt wurde seine Sammlung von S c h m i n c k e Monimenta Hassica II, 1748, S. 669—775. Vgl. O. S t o b b e Geschichte der dt. Rechtsquellen 1, 1860, S. 4 3 3 ! u. Anm. 21; S t e f i e n h a g e n A D B . 6, S. 86f.; Die dt. Rechtsbücher des MAs. und ihre Hss. von G. H o m e y e r , neubearb. von C. B o r c h l i n g , K . A. E c k h a r d t u. J. v o n G i e r k e I I : Verzeichnis der Hss., 1931,
S. 76 Nr. 350.
Willy Krogmann
Enen, Johann. 1. Dieser Trierer Humanist ist 1512 als Rektor der dortigen Universität und Domprediger, 1514 als Magister artiumliberalium, Bakkalar der Hl. Schrift, Formatusprediger und Heiltumsverkünder im D o m zu Trier urkundlich bezeugt. Im Jahre 1515 wurde E . zum Doktor der Theologie promoviert. Erzbischof Kurfürst Richard von Greiffenklau (1511—1531) bestellte ihn 1517 zu seinem Weihbischof (Episcopus Azotensis in partibus infidelium). Gleichzeitig bekleidete E . von 1517 bis zu seinem Tode am 31. Juli 1519 das A m t des Dekans der theologischen Fakultät der Universität Trier. Es. Ruf als Gelehrter ist über die Grenzen von Kur-
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Trier hinaus gedrungen. Seinen R u h m erhellt nicht zuletzt die Widmung des Johannes Adelphus, Physikus in Straßburg, vom 13. Dezember 1512 für E . alias Enheim in seiner Schrift 'Sequentiarum luculenta interpretatio nedum scholasticis sed et ecclesiasticis cognitu necessaria' (Straßbui g 1519). Darin preist Johannes Adelphus E . als den besten seiner Freunde, als makellosen Priester und klügsten Mann von Trier (presbyter innocentissimus summaeque prudentiae vir apud Treveros vivens), den die akademische Jugend in seiner Eigenschaft als Gelehrten der Weltweisheit, Rechtskundigen und Verkünder des Gotteswortes (philosophie doctor, iuris interpres et divini verbi sedulus etdiligens seminator) stets Dank schulden wird. 2. Beeinflußt vom elsässischen Humanismus schrieb E . nach Wimphelings Vorbild ('Epitome rerum Germanicarum') 1514 in dt. Sprache einen Abriß der Trierischen Geschichte, seine 'Medulla gestorum Trevirensium. Clärlich Berichtimg des hochwirdigen heyltumbs aller stifft und clöster inwendig und bey der statt Tryer mit vilen anderen zugesatzten geschickten derselben statt' (Erstdruck: Metz 1515, 2. Druckausgabe: Metz 1525). Es. Buch über die Heiltümer der Kirchen in Trier, dem 12 Holzschnitte der Reliquiare beigegeben waren, übersetzte der Maximiner Mönch Johannes Scheckmann 1517 ins Lat. (Metz 1517). 1845 gab Peter Joseph Andreas Schmitz anläßlich der Kontroverse über den Heiligen Rock Es. Heiltumsbüchlein in Hochdeutsch neu heraus (Regensburg 1845). Es. Schrift kommt angesichts der verwilderten Sprache seiner Zeit eine bedeutende Rolle zu. Sie offenbart einen gewissen Reichtum an Ausdrucksmitteln, die hd., mittel- und niederrheinische, westfälische und nd. Entlehnungen lieferten. Während die einfachen Sätze klar und leicht konstruiert sind, erweist sich der Periodenbau zuweilen doch recht schwerfällig und wenig geschickt. Daneben beeinträchtigen zahlreiche Anakoluthe leider auch verschiedentlich Durchsichtigkeit und Logik der Gedankenführung. K r a u s A D B . 6 , S . 1 1 1 ; J. H o l z e r De proepiscopis Treverensibus 1844, S. 69ff.; II. Z e n z Die
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Engelbert von A d m o n t — Engelmann, Nicolaus
Trierer Universität 1473 bis 1798 (Trierer geistesgesch. Studien I) 1949; J. H. Z e d i e r Großes vollständiges Universal-Lexicón V I I I . 1734, Sp. 1173; N. P a u l u s Gesch. des Ablasses im MA. III, 1923, S. 290; A. P o t t h a s t Wegweiser durch die Geschichtswerke des europäischen MAs. 2 I, 1896, S. 405; H. H u r t e r Nomenciator literarius theologiae catholicae II, 1906, Sp. 1149.
Friedrich Merzbacher Engelbert von Admont (Nachtrag). E . S c h u l z Zur Beurteilung Es. v. A. Arch. f. Kulturgesch. 29, 1939, S. 51—63 gelang es, die bis dahin anonym geltende Erwiderung auf die Impanationslehre der markantesten Erscheinung aus der alten Pariser Thomistenschule gegen 1300 Jean Quidorts E . zuzuschreiben und damit eine hoch zu rühmende Leistung eines durchaus eigen gearteten Geistes. O. M e n z e l Bemerkungen zur Staatslehre Es. v. A. und ihrer Wirkung Corona quernea, Festgabe K . Strecker 1941, S. 390—408 wollte „einiges Wesentliche aus der Staatslehre andeutend herausheben und dabei auf Züge im Denken hinweisen, die auch für das Gesamtwerk von Belang sind". G. B . F o w l e r Intellectual interests of E. of A. (Columbia Studies in History, Economics and Public Law Nr. 530, 1947) gibt in seinem monographischen Werk eine Gesamtdarstellung von Es. Schaffen und Wirken, zeichnet ihn als einen typischen Gelehrten der Spätscholastik und fügt wertvolle Beilagen an: S. i83ff. ein Verzeichnis der 44 Werke Es. und der 25 andern Schriften, deren Zuschreibung nicht sicher oder falsch ist (mit ihren Hss.), S. 223 ff. eine umfassende Bibliographie. D e r s . bereitet eine Ausgabe der Schriften Es. vor. — M. v a n T r e e k Die Reichsidee bei E. v.A. und bei Aeneas Silvius Masch.-Diss. Köln 1946. K . L. Engelberti, Ulrich (Nachtrag): A. S p a m e r German. Philologie, Festschr. für O. Behaghel 1934, S. 343; J. B a c k e s H i s t j b . 62—9 (1942—49), S. 359—386; A. F r i e s Rech, í h é o l . Anc. et Med 17, 1950, S. 328—331.
Engelhart von Adelnberg (Nachtrag): F. R a n k e Gott, Welt und Humanität dt. Dicht, des MAs. 1952, S. 54f.
in der
Hannemann Engelhart von Hirschhorn. HMS. IV, S. 883b findet sich folgende Notiz: „ K o n r a d Oettinger vom Neckar um 1 4 1 4 — 1 7 , ge-
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denkt in hsl. Gedichten, die Laßberg besitzt, des verstorbenen Dichters Ritters Engelhard von Hirshorn (am Neckar)." K. L. Engelhus, Dietrich (Nachtrag): H. H e r b s t Neue Nachlichten zu den Schriften des D. E. ZfdGeistesgesch. 1, 1935, S. 242 bis 250 (zum „Promptus" wird eine vollständige Hs. nachgewiesen, Hildesheim Bibl. Beverina 623 von 1460, zur ,,Expositio psalterii" die Inkunabel Magdeburg c. 1480 = H a i n 7784, V o u i l l i e m e Die dt. Drucker 1922, S. 142 und zwei Hss. des 15. Jhs.: Hildesheim Bibl. Beverina 653 und Münster Univ.-Bibl. 1 6 1 ; einiges zur Überlieferung des ,,Vocabularius"). -g ^ Engelmann, Nicolaus, häufig genannt in verschiedenen Diensten des Mainzer Erzbischofs. Er war zunächst Landschreiber in Eltville, ab i486 Gehilfe des kurfürstl. Kammerschreibers. 1490 wurde er Kellermeister in Amöneburg zur Verwaltung des Schlosses und der Vorwerke; hier erneuerte er die Zins- und Hebebücher. 1495 wurde er zum Küchenmeister des erzbischöfl. Hofes in Erfurt ernannt. Seine erfolgreiche Tätigkeit zeigt sich in der Anlage eines neuen Inventariums des Mainzer Hofes, der Ordnung des Rechnungswesens und der Erneuerung der Lagerbücher. Die Freizinsordnung des Jahres 1488 ist sein Werk. Während seiner 21jährigen Amtsführung konnte er mehrere Bauwerke errichten und einige Ländereieri ankaufen. 1516 rief ihn der Erzbischof Albrecht nach Mainz, um dort als R a t von Haus aus tätig zu sein. Nach 1529 wird er nicht mehr genannt. — U m 1520 verfaßte er das sog. Engelmannbuch (Buch Nicolai Engelmanns etwan gewesenen Maintzischen Küchenmeisters des Ertzbischoflichen Hoffs zu Erfurt, über allerhandt desselben Hoffs einkommen, auch andere oberund gerechtigkeiten in vnd an der Maintzischen Churfürstlichen Stadt Erffurt sagend). E s ist eine Zusammenstellung von Urkunden und Akten über die erzbischöfl. Güter und Gerechtsame in Erfurt. Noch im 17. Jh. diente es der erzbischöfl. Behörde als maßgebende Unterlage. D a z u zeigt es eine übersichtliche Wirtschaftsordnimg, die selbst
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Engelschalk — Erhardus
den kleinsten Dienst berücksichtigt. Als Programm soll es „Unterricht einem neuen Küchenmeister in E r f u r t " sein. Einzeln werden sämtliche Dienste aufgeführt, denen dann die zukommenden Aufgaben angezeigt werden. Die Hs. des Buches befindet sich unter der Signatur Cop. 1378 a im Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt in Magdeburg. A . L . J. M i c h e l s e n Der Mainzer Hof zu Erfurt am Ausgange des MAs. 1853 (S. 1 8 — 4 6 w e r d e n die 27 A n w e i s u n g e n f ü r das Dienstpersonal a b g e d r u c k t ) ; M. G ü n t z Hdb. der Landwirtschaftl. Litt. 1 , 1 8 9 7 , S. 7 0 f .
S. Sudhof
Engelschalk. Der 1468 von Johann Wildenmanner in Egkenfelden geschriebene clm. 2800 der Bayer. Staatsbibl. zu München enthält auf Bl. i a f f . eine 'Passio Christi auctore mag. Engelscalco', s. H e r v i e u x Les Fabulistes Lalins IV, S. 56. H. Niewöhner Engelsüß, Kaspar (Nachtrag): E s . Ü b e r s e t z u n g der L e g e n d e der hl. R e p a r a t a d r u c k t e W . S t a m m l e r Prosa der dt. Gotik 1 9 3 3 , S. 1 0 1 — 1 0 4 . TT
Hannemann
Erhard (Nachtrag) ist nach G. L o h r ZfdA. 82, 1948/50, S. 178 Erhard (Gerhard) Hei, einer der 13 Nürnberger Patres, die seit 1428 das Basler Kloster reformierten. Hannemann Erhardus, Dominikaner, Hebraist, aus der 2. Hälfte des 15. Jhs. In der aus Tegernsee stammenden Hs. Clm. 18526b, Bl. 190a bemerkt der damalige Tegernseer Bibliothekar Ambrosius Schwerzenpeck zum Anfang einer polemischen lat. Abhandlung über das jüdische Passah-Ritual: Anno Domini etc. 1492 scriptum istud factum est ab Erhardo religioso de ordine praedicatorum; dadurch und durch einen Hinweis in dieser Schrift selbst läßt sich ein vorausgegangenes dt. Werk desselben Autors, das anonym überliefert ist, feststellen. Mit anderen Dominikanern, darunter dem angesehenen Hebraisten und Judenprediger Petrus Nigri (s. o. IV, S. i3off.), hatte Fr. Erhardus an den Ermittlungen im Trienter Judenprozeß wegen der Ermordung des Christenknaben Simon teilgenommen. Nach dem erwähnten Zeugnis hatte er die Prozeßakten 'sorgfältig
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bewahren und hüten müssen, damit sie nicht entwendet oder in irgendeinem Punkte verfälscht würden'. Auf Grund seiner intimen Vertrautheit mit dem umfangreichen lat. Aktenmaterial fertigte er eine dt. Bearbeitimg, 'die mehr als 24Sexternen' (288 Bll.) umfaßte. Darin ist der Stoff der lat. Akten selbständig disponiert, Ortsangaben und Daten sind mit größerer Genauigkeit behandelt, hebräische Worte und Sätze sind in hebräischer Schrift wiedergegeben. Die Veröffentlichung der dt. Bearbeitung liegt nach dem 20. Juni 1478, da die Bulle Sixtus IV. mit der päpstlichen Bekräftigung des Prozesses an den Anfang gestellt ist; der leitende Gedanke bei der Herstellung dieser Übersetzung war vermutlich, die Führung und Entscheidung des Prozesses vor den dt. Fürsten zu rechtfertigen. Denn diese vorstehenden Angaben sind nur daduich möglich geworden, daß für kurze Zeit eine für Graf Eberhard I. im Bart geschriebene Hs. der dt. Akten auftauchte, die sich im Wiener Karmeliterkloster befand und jetzt einstweilen in amerikanischem Privatbesitz verschwunden ist. Die zweite 1492 entstandene Schrift, die schon erwähnte lat. Übersetzung und Erklärung der Pessah-Haggadah, wurde dadurch veranlaßt, daß Tegernsee in den Besitz einer Bilderhs. des hebr. Textes (Chm. 200) gelangt war; vielleicht war es Schwerzenpeck selbst, der an E . die B'tte um eine Ausdeutung richtete. Die gelehrte Antwort, die wiederum zahlreiche hebräische Anführungen enthält, ist im Autograph erhalten (Clm. 18526b, fol. 190—200); eine kalligraphische Abschrift, in der freilich die hebr. und griech. Wörter ausgelassen sind, ist dem Chm. 200 beigegeben worden. 'Die für jene Zeit guten Kenntnisse genügten, um dem Übersetzer ein hinreichendes Verständnis des Textes zu sichern, aber die philologische Durchbildung, die auch die Einzelheiten der Konstruktion mit sicherer Hand löst, hat ihm gefehlt' ( W a l d e , S. 182). Die persönlichen Beziehungen zu Petrus Nigri, die gemeinsame Mitwirkung bei dem Tridentiner Prozeß legen es nahe, in E. einen Schüler Nigris zu sehen. Vielleicht darf er mit jenem E . Streitperger aus dem Konvent Pettau gleichgesetzt wer-
Erkanbald — * Ermenrikes Dot'
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den, der zwischen 1475 undc. 1484 in Regensburg weilte, 1494 Fraedicator generalis der deutschen Provinz und 1495 Prior in P e t t a u wurde. Vgl. B. B i s c h o f f Hist. Jb. 58 (1938), S. 615 — 8. Zur Übersetzung der Trienter Prozeßakten vgl. Fr. H a m m e r i n Graf Eberhard im Bart von Württemberg im geistigen und kulturellen Geschehen seiner Zeit 1938, S . 1 3 — 2 4 ; A b b . d e r H s . : Choice and valuable books and manuscripts ( G i l h o f e r u.
Ranschburg, Wien, Catalogue 233), 65 u. Taf.
X X I I ; Sotheby and Co., Catal. of valuable booki u s w . ( S a l e : 20. — 22. D e c . 1937), S . 7 3 ! ( n o . 553
m. Abb.).
vgl.
Zur Erklärung d. Pessah-Haggadah
B. W a l d e
Christi.
Hebraisten
Deutschlands
am Ausgange des MAs. (Alttestam. Abli. VI, 2/3, 1916),
S.
178—182.
B . Bischoff Erkanbald, Bischof von Straßburg (965 bis 991), förderte Wissenschaft und K ü n s t e aufs eifrigste, so daß Straßburg damals der Mittelpunkt des oberrheinischen Gebietes war. A l s er die Domschule erneuerte, holte er als Lehrer den Mönch Victor aus St. Gallen, dessen Klosterschule auf vorbildlicher Höhe stand. Noch stärker k o m m t die Verbindung mit jener traditionell humanistischen Bildungsstätte dadurch zum Ausdruck, daß ihm Gerald, doch wohl der bekannte Magister St. Gallens, eine Abschrift des „Waltharius" E k k e h a r t s I. mit einer Verswidmung zuschickte (s. o. „Waltharius"). E r betätigte sich selber literarisch. So überarbeitete er die,,Passio s. Trudperti" (her. von B . K r u s c h M G H . S S . rer. Merov. 4, S. 352ff., dort Gruppe 3) in Inhalt und Sprache, die gewandt ist und klassische Schulung verrät, fügte zwei kleine Dedikationsgedichte in Hexametern und Distichen für ein E x e m p l a r an die Mönche von St. Trudpert im Südschwarzwald hinzu und für sein eigenes. Z u einer metrischen Liste von 31 bzw. 32 Straßburger Bischöfen zu je 1 Hexameter fügte er 9 Stücke in Prosa oder Distischen, im letzten nennt er sich selber und bittet in seinem eignen E p i t a p h den Nachfolger, sein Todesdatum hinzuzusetzen. V o n den übrigen kleinen Gedichten sind verschiedene Bucheinträge z u nennen, weil sie für seine Bemühungen u m Bücher beredtes Zeugnis ablegen. Ausgabe der Gedichte von K. S t r e c k e r MGH. Poetae V, 1939, S. 507ff. N. F i c k e r m a n n in
Beitr.
zur
Gesch.
208 von
Mayer 1937, S. 3 1
St.
Trudpert
her.
von
Th.
K. L. 'ErmenrikesDot' (Nachtrag). 5. S a g e n g e s c h i c h t e . Der historische Gotenkönig Ermanerich hatte ein gotisches Großreich gegründet, das viele germanische, slavische und finnische Völker umfaßte, gab sich aber, als er den Hunneneinfall und den Zerfall seines Reiches auf die Dauer nicht aufhalten konnte, im Alter selbst den T o d (Ammianus Marcellinus 31, I I I , 1). Der Zusammenbruch des gotischen Großreiches mußte auf Mit- und Nachwelt v o n nachhaltigem Eindruck sein und zu dichterischer Gestaltung reizen, aber das freiwillige E n d e des großen Königs w a r von germanischem Standpunkt aus völlig unköniglich und wurde dabei selbstverständlich umgedeutet, wozu wohl geschichtliche Tatsachen A n l a ß boten. Ermanerich hatte nämlich, wie Jordanes in seiner Gotengeschichte K a p . 24 berichtet, beim Abfall des Rosomonenfürsten zu den Hunnen dessen Gattin Sunilda gemäß der damals üblichen Sippenhaftung ergreifen und zur Abschreckung vor weiterem Verrat von wilden Pferden zerreißen lassen. Hieran knüpfte die Heldensage an. Jordanes* weitere geschichtliche Darstellung f u ß t offensichtlich schon auf einem Heldenlied: die Brüder Sunildas Sarus u n d A m m i u s versuchen, die Blutrache zu vollziehen, und verwunden dabei den K ö n i g schwer. Diese W u n d e hinderte ihn daran, den Hunnen wirksam entgegenzutreten, und führte endlich zum Tode. D a s ist nun wirklich eine abgerundete Heldenliedfabel v o m T o d des großen Königs. Die Tragik besteht darin, daß die politisch notwendige Strafmaßnahme gegen die Rosomonenfürstin mit sittlicher Notwendigkeit eine Verwandtenblutrache nach sich zog, die die Goten i m entscheidenden Moment ihres Führers beraubte und so den Untergang des gotischen Großreiches zur Folge hatte. Die T a t der Rächer, die selbst das Leben dabei hingaben, wurde als schicksalhafte Notwendigkeit gegeben, nicht als kleinliche Rache, und deshalb war dieses Heldenlied von so großer W i r k u n g , daß es über die Jhh. hin seine Gültigkeit behielt, wenn auch nicht ohne Abwandlung.
209
E r n s t von
Denn die Folgezeit löste den Zusammenhang mit dem politischen Geschehen und sah alles als schicksalhaft verflochtene F a milientragödie. Swanhilde wird zur jungen Gattin des alternden Königs, und sie wird von bösen Ratgebern des Ehebruchs mit dem jungen Stiefsohn beschuldigt; die Strafe des erzürnten Königs trifft nun beide, den Stiefsohn, der am Galgen erhängt wird, und die zu unrecht beschuldigte Gattin, und auch die königlichen Brüder der Königin trifft bei der nur halb geglückten Blutrache der Tod. So wandelt sich das Bild des großen Gotenkönigs zu einem Tyrannen und Verwandtenfeind schlechthin, der als solcher in der Dietrichsage an die Stelle des Odoakar tritt, während Odoakar, später zu Sibiche umbenannt, die Rolle des bösen Ratgebers bekommt. Obwohl es nahegelegen hätte, Dietrich durch einen K a m p f mit Ermanerich sich Thron und. Reich wiedererkämpfen zu lassen, setzen die großen Dietrichepen alle die kampflose Rückkehr nach Ermenrichs Tod voraus. D e r Grund dafür kann nur sein, daß unabhängig von der Dietrichsage das alte Lied v o m Tod des Ermenrich und dem Heldentod der Rächer bei der nicht völlig geglückten Blutrache weiterlebte und lebendig blieb, so d a ß die Dietrichsage diese Ereignisse nicht anders darstellen oder gar den Tod Ermenrichs auf den überlebenden siegreichen Erben seines Reiches zurückführen konnte. So konnte denn nach einem dt. Lied von Ermenrichs T o d das Hamdirlied der E d d a entstehen, das noch einige wirkungsvolle Motive hinzufügte: die tragische Schuld der Brüder, die den Halbbruder töteten und damit ihre R a c h e t a t zum Scheitern verurteilen, und die Mutter, die die Brüder zur Blutrache anstachelt und in den sicheren T o d schickt, und die keine andere ist als die Rächerin schlechthin, Gudrun, die W i t w e Sigurds und Etzels. Erst der höfische Optimismus u m 1200 und die spielmännische Freude an unerhörten, erfolgreich überstandenen Heldentaten machten es möglich, daß um 1200 neben den wohl noch weiterlebenden Ermanrichliedern alter A r t ein Ermanrichlied mit Dietrich als erfolgreichem Rächer und überlebendem Sieger entstehen konnte. Der
Kirchberg
2IO
problemlosen spielmännischen Heldenfabel wurde mit Blödeling, dem Riesenkind, das mit seiner Tapferkeit allein den Sieg gewährleistet und zum Schluß fälschlich betrauert wird, nach-der A r t der Rennewartfabel in der Willehalmgeschichte und sicher nicht ohne deren direkte oder indirekte Einwirkung ein spannendes und zugleich groteskes Element eingefügt, das weitab von der ursprünglichen Heldenliedfabel führt. Der Name Blödeling kann als sprechender Name für einen Dümmling, der dann auf einmal sich als vollendeter Held entpuppt, gewählt sein. Jedenfalls liegt auch nicht der geringste Anhalt vor, mit Becker stattdessen Wolfhart einzusetzen und das Lied zu einem Lied von Wolfharts Besonnenheit zu machen. D a die späten Dietrichepen von diesem innerlich jungen Sproß der Dietrichsage keine Notiz nehmen, während sogar die Chroniken von B e d a bis E k k e h a r d von A u r a (s. d.) die Verbreitung des älteren Ermenrichsliedes bezeugen, so m a g das Lied von Ermenrichs Tod einer volkstümlicheren Schicht als die großen Dietrichepen angehören u n d deshalb erst so spät und nur in niederdeutscher Fassung den W e g aufs Papier gefunden haben. Die eigentliche H e i m a t des Liedes haben wir im deutschen Süden zu suchen, w o die Dietrichsage nach 1200 noch volksläufig war. D a b e i bietet uns die im Lied erwähnte B u r g Freysack einen Anhalt ; mit ihr ist zweifellos nicht Breisach im Oberrheingebiet, sondern die blühende und für den Handelsweg Deutschland/ Italien wichtige Stadt Friesach in K ä r n t e n gemeint (Meier). L . W o l f f Die Helden
der
Völkerwanderungszeit
(Frühgermanentum 2) 1928, S. 7—29. D e r s . Pädagog. Warte 41, 1934, S. 22—27. J- M e i e r Das Lied von Ermenrichs
Tod J b . f. V o l k s l i e d f . 4
(1934), S. 37—56. G. B a e s e c k e Vor- und Früh-
gesch. des dt. Schrifttums 1 (1940), S. 184—92. C a r o l i n e B r a d y The legends of Ermanaric B e r k e l e y 1943. G. Z i n k Les Légendes hèroiques de Dietrich
1950. S'
et d'Ermrich
Henrik
29~35'
dans les litt,
Becker
Warnlieder
germaniques
2
(1953),
Hellmut Rosenfeld
Ernst von Kirchberg, der Verfasser der Mecklenburgischen Reimchronik. 1. In der Vorrede der Chronik gibt E . v . K . seinen Namen an, die Miniatur am A n -
211
Ernst von Kirchberg
fang der Vorrede enthält das Bild Kirchbergs und sein Wappen. Er gehört dem niederhessischen Rittergeschlecht an, das sich nach dem Dorf Kirchberg bei Gudensberg im Kreis Fritzlar benannte. Die Mitglieder dieses nur mäßig begüterten Geschlechtes traten zunächst als Lehnsleute des Reichsabtes von Hersfeld auf und standen im 13. Jh., als sie sich des größten Ansehens erfreuten, in engen Beziehungen zu Giso von Gudensberg und Konrad von Elben (südöstlich von Naumburg in Niederhessen), den damals bedeutendsten Persönlichkeiten im niederhessischen Raum. Später sind die Kirchbergs im Patriziat der niederhessischen Städte aufgegangen und besonders häufig in Fritzlar anzutreffen. Hier taucht in einer Urkunde aus dem Jahre I 335 z u m ersten Mal in ganz Deutschland —• wenn man von einem schon früh ausgestorbenen bayr.-österreichischen Grafengeschlecht absieht, mit dem der Verfasser der Chronik natürlich nichts zu tun hat — der Name Ernst v. K . auf. Ein zweites Mal begegnet dieser Vorname in demselben Geschlecht in einer Urkunde vom 2. November 1384, nach der ein Ernst v. K . seine Wiese über Beldirshusen (Beltershausen, wüst im Gericht Elben) an zwei Bauern in Altendorf verkauft (s. W . K n o c h Diss. S. 5 8 ! ) . Das Siegel des Ernst v. K., das diese Urkunde trägt, hat keine Ähnlichkeit mit den Wappen der anderen Geschlechter von K . oder mit irgendeinem sonstigen deutschen Wappen, wohl aber stimmt es völlig mit dem oben erwähnten Wappen in der Mecklenburgischen Reimchronik überein. Es ist durchaus möglich, daß der Verfasser und der 1384 bezeugte Verkäufer der Wiese ein und dieselbe Person sind. Aus seinen näheren Lebensumständen ist bisher nichts weiter bekannt, als daß er, wahrscheinlich als Kanzleibeamter, im Dienst des Herzogs Albrecht I I . des Großen von Mecklenburg (1329—1379) gestanden hat. Dieser bedeutende Feldherr und noch größere Politiker, den K . in seiner Vorrede ausdrücklich als Auftraggeber der Reimchronik bezeichnet, griff, nachdem er sich durch engen Anschluß an Kaiser Karl IV. die nötige Rückendeckung gesichert, dabei 1348 seine Erhebung zum reichsunmittel-
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baren Herzog erreicht und 1358 die Grafschaft Schwerin erworben hatte, entscheidend in die nordeuropäische Politik seiner Zeit ein. Im Jahre 1363 gelang es ihm, seinen Sohn Albrecht zum König von Schweden zu erheben. Noch in seinen letzten Lebensjahren trug er sich mit dem Plan, seinem Enkel die Krone Dänemarks zu erwerben. Auch an dem geistigen Leben seiner Zeit nahm Albrecht I I . regen Anteil. Begünstigt durch dynastische Beziehungen zwischen den Luxemburgern und dem mecklenburgischen Herzogshaus sowie durch die Anziehungskraft, die die junge Universität Prag auf die mecklenburgischen Scholaren ausübte, wurde die böhmische Kunst auch am Schweriner Hof das bewunderte Vorbild. 2. Eines der frühesten Zeugnisse für diesen böhmischen Einfluß ist die Hs. der Mecklenburgischen Reimchronik, deren prunkvolle Miniaturen und Ornamentik (die Illumination ist allerdings nur im ersten Viertel der Hs. durchgeführt, s. u.) an die nicht viel später geschriebene Wenzelbibel erinnern. Eine Prachths. größten Formats, für deren 29 achtblättrige Lagen Pergament bester Qualität in verschwenderischer Menge (Blattgröße etwa 43 X 32 cm, Schriftspiegel dagegen nur etwa 29 x 24 cm) verwendet wurde, sollte sie nach dem Willen des fürstlichen Auftraggebers, der dazu gewiß durch den persönlichen Umgang mit Karl IV. angeregt wurde, den Glanz seines Hauses erhöhen und vielleicht auch seine Regierungszeit verherrlichen (s. u.) — für einen Territorialfürsten des 14. Jhs. ein kühner Gedanke, wie er in Deutschland sonst erst später, im 15. Jh., von Renaissanceherrschern wie Friedrich I. dem Siegreichen von der Pfalz verwirklicht wurde. Albrecht I I . scheute keine Anstrengungen und Mittel, um das geplante große Werk in künstlerischer Hinsicht an die Schätze am Prager Hof und inhaltlich an die in den Nachbargebieten niedergeschriebenen Chroniken, vor allem an die berühmten Lübecker Vorbilder sowie an die Braunschweigische Reimchronik, heranreichen zu lassen. Bei der Ausarbeitung konnte E. v. K . vorzügliche Unterlagen benutzen, die ihm der Herzog u. a. aus seiner Kanzlei und aus dem Kloster Doberan zur Verfügung stellte.
213
Ernst von Kirchberg
3. I n h a l t und Quellen. Die ersten mehr als 16000 Verse des Werkes, dessen ursprünglicher Umfang von etwa 28000 Versen durch den Verlust einiger Blätter (wahrscheinlich im 16. Jh.) glücklicherweise nur um rund 2000 Verse reduziert wurde, so daß mehr als 26000 Zeilen erhalten sind, stellen eine um fünf Kapitel vermehrte freie Übersetzung der Slawenchronik Helmolds dar, die bis zu den Ereignissen des Jahres 1 1 7 1 reicht. Im letzten Drittel der Chronik, das rund 9000 Verse umfaßt, behandelt K. die mecklenburgische Geschichte von 1 1 7 1 bis zum Jahre 1329, in dem die Vormundschaftsregierung für den damals ungefähr 10 Jahre alten Albrecht II. gebildet wird. In dem ersten nur rund 1200 Verse zählenden Abschnitt dieser Partie gibt K . einen chronologischen Bericht über die mecklenburgischen Fürsten und ihre Regierungszeit bis zur Hauptlandesteilung (1231), in dem zweiten Abschnitt dagegen eine nicht zeitlich, sondern nach den mecklenburgischen Fürstenhäusern geordnete Darstellung, in der auch Ereignisse bis zu den Jahren 1374 und 1377 erwähnt werden. Als Quellen für den ersten Abschnitt schimmern Annalen durch, die Kirchberg vielleicht im Kloster Doberan zugänglich waren. Die lat. „Doberaner Genealogie" hat Kirchberg nachweislich benutzt. Darüber hinaus müssen ihm verschollene Aufzeichnungen aus dem Kloster Doberan und Urkunden aus dem herzoglichen Archiv vorgelegen haben, deren Inhalt sich aus der Reimchronik erschließen läßt. Wieder andere Quellen zieht Kirchberg heran, wenn er — ebenfalls in der Partie nach der Helmoldübersetzung —• über sein eigentliches Thema hinaus auch auf die Reichs-, Kaiser- und Papstgeschichte sowie auf die Ereignisse in Sachsen, Pommern, Brandenburg, Schweden und Dänemark eingeht. 4. Die E n t s t e h u n g s z e i t der Chronik läßt sich genau bestimmen. Nach seinen eigenen Worten in der Vorrede begann K. mit der Arbeit am 8. Januar 1378. Da er nun im Schluß der Vorrede, der nachweisbar nach Fertigstellung der Chronik abgefaßt wurde, Albrecht II. wie einen Lebenden preist, jedenfalls seines Todes mit keinem Wort gedenkt, muß das Werk bereits vor
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dem am 18. oder 19. Februar 1379 erfolgten Ableben des Herzogs abgeschlossen gewesen sein. Die 28000 Verse der Chronik hat K. also innerhalb eines Jahres verfaßt; natürlich blieb ihm bei dieser Anspannung aller Kräfte keine Zeit für andere Arbeiten. Der ursprüngliche Plan des Herzogs, der eine von Karl dem Großen bis zur Gegenwart reichende, also auch die Regierungszeit Albrechts II. einbeziehende Darstellung vorsah (ein Hinweis auf diese geplante Fortsetzung findet sich in der Chronik selbst, s. die von K n o c h Diss. S. 9 zitierten Stellen), hätte also erst im Jahre 1379 realisiert werden können. Dazu ist es aber nicht mehr gekommen, da der Tod des Herzogs der Tätigkeit Ks. ein jähes Ende setzte. Die verständnislosen Nachfolger Albrechts scheinen K . nicht weiter beschäftigt zu haben, denn um seine Prachths. kümmerte sich niemand mehr: die einzelnen Lagen blieben lange Zeit ungebunden und mit Schmutzspuren behaftet in einem vergessenen Winkel liegen. Die Illuminierung der Hs. wurde, wie schon erwähnt, nicht über das erste Viertel der Chronik hinaus fortgesetzt; ja Kirchberg hatte nicht einmal mehr Gelegenheit, die Abschrift des Schreibers durchzusehen (s. u.), wie mehrere auffällige Lesefehler beweisen. 5. Der S c h r e i b e r hat sich seiner Aufgabe mit Sorgfalt unterzogen. Einige verständliche Schreibfehler sowie Eigenheiten, denen zu entnehmen ist, daß ihm das Nd. mehr als der hd. Chroniktext lag, ändern nichts an dieser Feststellung. Natürlich wurde die Prunkhs. nur einem der besten Schreiber anvertraut. Er war vielleicht in Albrechts Kanzlei oder wahrscheinlicher, worauf der verwandte Schriftcharakter in einer Gruppe Doberaner Urkunden hindeutet, im Kloster Doberan beschäftigt. Schreibung und Reimsprache zeigen, daß er die Vorlage, die K. wohl selbst geschrieben hatte, mechanisch und ohne Neigung zu Eigenmächtigkeiten kopierte. Diese Beobachtung unterstreicht den Wert der Hs. als Quelle für die Sprache Ks. 6. Durch die genealogisch-heraldische Bestimmimg seiner Heimat wurde das Material für die Erforschung des Niederhessischen um ein Werk von 26000 Versen bereichert.
215
*Esra und Nehemia' — Etzel, Anton
Die niederhessische H e i m a t m u n d a r t des Verfassers verleiht der Sprache der Chronik bezeichnende Züge. So begegnen öfter sayd-e(n) für saget-e(n), leyd (n) für legete (n), zweimal, darunter einmal im Reim auf syn (Inf. sin), der Inf. lyn für Ilgen, ferner der Reim ä : 0 vor r, vy als Reimwort (sonst vehe),eiüri vor nd (venden : wenden), die Reime % :ie im absoluten Auslaut (by : ny und hy : fry), i, i :ie in offener Silbe und e : e, ae, die Schreibungen ey für e, ae und nach für noch, die Reime « : o vor Id und It, uo : u vor s (z. B. sus : füs 'Fuß') und iuw- : ouw-uam. Für den Konsonantismus sind bezeichnend die Reime b : v (z. B. Heue 'Liebe' : brieue), rht (Schreibung rcht) : rt, r-Metathesis z. B. in vrochtet 'fürchtet', der Abfall von -ch im Reimwort ho (für sonstiges hoch) und -de nach r im sw. Prät. für regelmäßiges -te, dazu einmal mar dir 'Marter'. Formen: der Akk.Sg. männlicher Eigennamen auf -e, «-Abfall nach r im D. PI. der Substantive (z. B. im Reim gar : den beyden schar), die Komparativadverbia nar (das Grundwort wird nach und na geschrieben) und er (im Reim, sonst £), he, seltener er für regelmäßiges her, ferner hir für gewöhnliches hy 'hier'; die durch den Reim gesicherte Endung -n in der i . P. Sg. Ind. Präs. der sw. Verba, der Abfall des Inf.-«, lachte für legete (zweimal im Reim) uam. Diese Laute und Formen sind jedoch Ausnahmeerscheinungen, die nur in den Anfangspartien, in der Helmoldübersetzung, und später in eng umgrenzten Abschnitten der Chronik auftreten, also von K. sichtlich gemieden werden. Eine besonders deutliche Zäsur ergibt sich mit dem Abschluß der Helmoldübersetzung: im weiteren Verlauf der Arbeit fühlt sich K. im sicheren Besitz einer Sprachform, die seinem Ideal einer Literatursprache entspricht. Nur in einer Übergangspartie von etwa 200 Versen nach der Helmoldübersetzung treten die Ausnahmeformen des Anfangs noch einmal stärker hervor; wahrscheinlich mußte sich K. nach einer längeren Arbeitspause an die bereits geprägte Literatursprache erneut gewöhnen. Erst gegen Ende der Chronik machen sich die so lange gemiedenen Ausnahmeformen wieder etwas mehr bemerkbar. 7. D e m S t r e b e n n a c h einer r e i n e n L i t e raturaussprache entspricht die Sorgfalt in Reimbildung u n d Versbau, nur d a ß die E n t w i c k l u n g h i e r u m g e k e h r t v e r l ä u f t : die regelm ä ß i g alternierenden Verse haben zunächst mit m e h r als 70 % das Übergewicht, doch g e h t i h r e Z a h l s c h l i e ß l i c h a u f w e n i g e r als die Hälfte zurück. Erst a m E n d e der Chronik w i r d der V e r s w i e d e r g l a t t e r . J e m e h r a l s o K. v o n der Sorge u m die sprachliche F o r m e r f ü l l t ist, d e s t o w e n i g e r k a n n e r s i c h d e m V e r s b a u w i d m e n . A u c h hier liegt bei A b s c h l u ß d e r H e l m o l d ü b e r s e t z u n g w i e d e r ein deutlicher Einschnitt vor.
2l6
8. S t i l i s t i s c h e n E h r g e i z e n t f a l t e t K. n i c h t ; in seiner u r k u n d e n m ä ß i g - n ü c h t e r n e n Tatsachenschilderung finden sich keine literarischen Anspielungen. D e r Vers wurde der P r o s a n u r v o r g e z o g e n , w e i l er i m 1 4 . J h . n o c h als die g e w ä h l t e r e F o r m g a l t , d i e e i n z i g f ü r die P r a c h t h s . i n F r a g e k a m . T r o t z d e m h a t K . in s e i n e m v o n Z i e l b e w u ß t sein u n d z ä h e r E n e r g i e z e u g e n d e n S t r e b e n n a c h einer h d . L i t e r a t u r s p r a c h e u n d i n seinem B e m ü h e n u m einen Versbau, dessen Sorgfalt gegen die Versbehandlung in den zeitgenössischen literarischen Schöpfungen Hessens vorteilhaft absticht, eine i m weit e r e n S i n n e stilistische T a t v o l l b r a c h t , d e r e n W ü r d i g u n g eine wichtige A u f g a b e f ü r die zukünftige K.-Forschung bildet. Die Hs. der Mecklenburgischen Reimchronik befindet sich im Haupt- und Staatsarchiv Schwerin. Unzulängliche Ausgabe von E. J. v o n W e s t p h a l e n Monumenta inedita rcrum Germanicarnm praecipue Cimbricarunm et Megapolensium IV, 1745, S. 593 — 840. Eine dringend notwendige Neuausgabe wird hoffentlich von W. K n o c h (s. u.) besorgt. L i t e r a t u r : Grundlegend die Berliner Diss. von W. K n o c h E. v.K., seine Herkunft und seine Auseinandersetzung mit der Sprache in der Mecklenbugischen Reimchronik 1941 (Jbb. des Ver. für mecklenb. Gesch. und Alterstumskunde 104); ebda. S. 14 — 59 umfassende Materialsammlung über die mal. Geschlechter von K . ; über den Sprachgebrauch Ks. bes. S. 68 — 85. Über Herzog Albrecht II, vgl. W. Knoch Ein Schwedenkönig aus Mecklenburg' — Die dt.schwed. Beziehungen im MA. [1935]. In beiden Arbeiten weitere Literaturangaben. S. auch W . H e e ß Geschichtl. Bibliographie von Mecklenburg 1. Arbeiten der Hist. Kommission für Mecklenburg [1944], S. 192 über E. v. K., S. 276—77 über Albrecht II. , Wilhelm Brauns 'Esra u n d N e h e m i a ' ( N a c h t r a g ) : S. D. S t i r k Esdras und Neemyas. Eine Deutschordensdichtung aus dem 14. Jh. 1938. K. H e l m W. Z i e s e m e r Die Lit. des Dt. Ritterordens 1951, S'
115
7'
Der Esse, s. ' G e s t a Nachtrag.
Hannemann Romanorum'
Etzel, Anton, w a r z u L i n d a u A r z t
im
oder
W u n d a r z t u n d zeichnete dort i m Jahre 1496 ein Heilmittel für die Syphilis in dt. ital. Sprache auf.
und
' E v a n g e l i e n der guten Meister v o n P r a g ' — ' E v a n g e l i e n - P e r i k o p e n der Passion' E r b e m e r k t über die H e r k u n f t folgendes: Das recept ist mir worden, von dem k(aiserlichen) hoffe die Gemahlin Johannes' II. v o n Wertheim (1407—1444), freilich auch der D e k a n Simon aus Diedenhofen. Überliefert in derselben Hs. wie das ,,Compendium", gewidmet demselben Bischof Albert von Bamberg. c) , , R e g i m e n contra pestilentiam compendiosum multarum distinctionum involutionibus pretermissis secundum Wetslariensem" in der aus A m o r b a c h stammenden Hs. W ü r z b u r g Univ.-Bibl. M. ch. q. 160, Bl. 137 1 5 —i38 b , 15. Jhs., dem A b t Heinrich von Amorbach (1428—1456) gewidmet, nur einen A u s z u g aus dem „Regimen" enthaltend, als dessen Verf. schon K . S u d h o f f J. vermutete (Arch. f. Gesch. der Medizin8, 1915, S. 241 f. und 271); wohl um 1430 anzusetzen. d) Eine d t . P e s t b e r a t u n g in Cgm. 591 für den A b t v o n Maulbronn, s. K . S u d h o f f a. a. O. S. 271 und 278. 3. Pädagogisch ist der Prosatraktat ,,Aiiree claves", überliefert in der aus der Mainzer Kartause stammenden Hs. Mainz Stadtbibl. I 129, Bl. 169»—186"; es fehlt der Schluß, damit aber nicht viel. N a c h der Überschrift 1418 verfaßt, nach den 26 H e x a metern des Prologs von Graf Johannes II. von Wertheim (14441) veranlaßt. D a s erste B u c h behandelt die 7 Weisheitsschlüssel Patientia, Obedientia, Moralitas, Diligentia, Amor, Constantia und Oratio, das zweite das Gebäude der Weisheit, das von den 7 Säulen des Triviums und Quadriviums getragen und v o n der Theologie gekrönt wird. Einige Auszüge bei L e h m a n n a. a. O. S. 7. 4. V o n dem Gedicht des J. gegen H u ß und seine Anhänger, dem , , M a l l e u s Hus-
479
Johann v o n W ü r z b u r g —
480
Jordan Graf v o n Eberstein (J. v. Sachsen)
sonis" sagt J. im „Dialogus super Magníficat" V. 1752 f f . : De hiis hereticis lacius reperire valebis / Conscripta scelera numerosa valde patrata / In ipso libro scripta et intytulato / Per nie firme stilum figentem Wethflariensem / ,,Malleus Hussonis" . . . Ein Bruchstück von 17 Versen daraus steht in zwei Leipziger Hss. des 15. Jhs., Univ.Bibl. 1062, Bl. 23i b und 1384, Bl. 277* nach einer Leipziger Kopie um 1702 her. von R. P e i p e r F D G . 18, 1878, S. 162: ,,Nota versus de incineracione hereticorum Hussonis et feronimi, quoto anno, mag. fohannis de Wetslaria", jetzt nach den beiden Hss. von P. L e h m a n n a. a. O. S. 3. 5. ,,Dialogus super Magníficat" ist in dem Dedikationsexemplar für den Wormser Bischof Friedrich von Domneck (1426 bis 1445) erhalten, das mit vielen verzierten Initialen und drei Miniaturen geschmückt ist und auf der ersten von ihnen das Dedikationsbild bietet: der Dichter überreicht dem Bischof das Buch (Stockholm Kgl. Bibl. A 212). Nach den 2771 Hexametern wird im Prosasatz am Schluß das Jahr 1427 (wie auch in den 1. Versen) und als Ort Worms angegeben. Nachdem J. im Prolog dargelegt hat, daß Bischof Friedrich das Fest Maria Heimsuchung in seiner Diözese einführte, bringt er von V. 30 an einen Dialog zwischen Maria und ihm über jenes Fest und seine religiöse Bedeutung. Dabei geht er auf historische und kirchliche Begebenheiten der letzten 50 Jahre ausführlich ein, auf die Wahl Urbans V I . (1378), dessen Reform versuche, das Schisma durch die Wahl Clemens V I I . und seine Folgen, das Konzil von Konstanz, die Judenverfolgung in Prag 1389, die J. dort miterlebte, u. a. Diese Berichte haben nicht geringen quellengeschichtlichen Wert. Ausführliche E x zersite bei L e h m a n n a. a. O. S. 14—42. 6. Ob J. noch mehr Werke zuzuschreiben sind, bleibt zu klären. Vielleicht gehört ihm die Einführung in den Psalter an einen Bischof von Worms in Berlin theol. F. 87 (Rose 525), Bl. 266ff., sicher aber nicht die ihm auch von O. L o r e n z Geschquellen II, 1887, S. 138 Anm. 3 zugemuteten 2 leoninischen Hexameter auf Kurfürst Friedrich II. von Sachsen (1464 f). Wenn er auch
„kaum den guten Durchschnitt" erreicht, so war er doch „ein Deutscher, der uns etwas zu sagen h a t " . Johann von Würzburg (Nachtrag) : E h r i s m a n n S c h l u ß b a n d 1935, S. 92f. B. B e c k m a n n Spracht, und textkrit. Untersuchungen zu J. v. W. Diss. 1937. W . F e c h t e r Z f d A . 80 (1943), S. 83 — 85 (Karlsr. B r u c h s t . L i c h t e n t h a i 145, Perg., 2 Bl., 14. J h . : diese d e m Einband eines Kölner D r u c k s v o n 1542 entnommenen F r a g m e n t e des „ W i l h . v . Ö s t e r r e i c h " sind im Sept. 1942 verbrannt). — Zu J. v . W . und zur Prosa v o n 1481 und 1491 s. F . P o d l e i s z e k Volksbücher von Weltweite und Abenteuerlust 1936, S. 30ff.
Johann von Zuzenhausen (Nachtrag) : N a c h L . Ö l i g e r Franziskan. S t u d i e n 15 (1928), S. 245 — 51 w a r Joh. v o n Zazenhausen (so!) Weihbischof v o n Trier, f u m 1380. Ol. teilt Proben der dt. Passion aus Cod. I, 93 (des ausgehd. 14. Jhs.) des W ü r z b u r g e r Minoritenklosters mit. D e r als Suevus bezeichnete Franziskaner s t a m m t wahrscheinlich aus Zazenhausen bei S t u t t g a r t .
Hannemann Jordan Graf von Eberstein ( J. v. Sachsen), erster Dominikanermystiker. 1. J. wurde gegen Ende des 12. Jhs. zu Borgenteich bei Paderborn geboren und studierte zu Paris Theologie. U m 1219, als Dominikus zur Visitation des neugegründeten Pariser Predigerklosters St. Jakob in der Hauptstadt an der Seine weilte, war J. schon Baccalaureus und Subdiakon. Die Predigten des Ordensgründers und der Einfluß Reginalds v. Orléans bewogen J. zum Eintritt in den neuen Orden am 12. Februar 1220. Schon wenige Tage später wurde er vom Pariser Konvent zu dem am 17. Mai 1220 in Bologna zu eröffnenden General-' kapitel nach Italien gesandt und 1221 von Dominikus zum Provinzial der lombardischen Ordensprovinz ernannt. Als Dominikus am 6. August 1221 starb, wählte das Generalkapitel des Ordens am 22. Mai 1222 J. zum ersten Nachfolger des Stifters als Generalmagister. J. gehörte damals erst zwei Jahre dem Orden an. Die Wahl bezeugt somit die überragende Größe des Ansehens, das der Deutsche in dem spanischfranzösisch-italienischen Orden in der kurzen Zeit erworben hatte. Der Predigerorden zählte damals — im Gegensatz zu der viele Tausende umfassenden Mitgliederzahl des
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gleichalterigen Franziskanerordens — erst wenige hundert Mitglieder in etwa 30 K l ö stern. A l s J. 15 Jahre später starb, hatte der Orden die zehnfache Zahl von Klöstern in allen Teilen des Festlands und v o n den Grenzen Schottlands und Irlands bis nach Jerusalem, und von Marokko hin bis R u ß land, so daß J. der Deutsche als der zweite Stifter des Predigerordens betrachtet werden darf. Sein Beruf trieb J. durch die ganze Welt, er organisierte den K a m p f gegen die Albigenser in Südfrankreich, verwaltete den Orden, dessen Generalkapitel er alljährlich leitete, und predigte unermüdlich unter den Studenten der großen Hochschulen in Paris und Oxford, Bologna und Padua, Vercelli und Montpellier. Zugleich unterhielt er einen ausgedehnten amtlichen und persönlichen Briefwechsel. Aufenthalte bei Papst und Kaiser, b e i H o n o r i u s I I I . (gest. 18. I I I . 1227) und Friedrich II. v o n Hohenstaufen (gest. 1250), führten ihn nach R o m und Unteritalien, ein Besuch bei der Mystikerin Luitgard v . Tongern (gest. 1246) nach Aywières b. Brüssel. 1223 leitete er das Generalkapitel in Bologna und kleidete dort die ersten Schwestern von St.Agnes unter Führung der jugendlichen Diana v o n Andalo ein, mit der er in fleißigem Briefwechsel blieb. Im Juli desselben Jahres predigte er vor den Studenten in P a d u a und gewann unter ihnen 23 Novizen, darunter A l b e r t den Großen (s. d.). Über Mailand und Besançon reiste er nach Paris, wo er v o m A d v e n t ds. Js. bis nach Pfingsten 1224 weilte. 1225 leitete er das Generalkapitel in Bologna, predigte in den Städten Oberitaliens und hielt dann in Magdeburg am 24. September das erste deutsche Provinzialkapitel, auf dem er mit Wichmann v. Arnstein (s. d.) zusammentraf. 1226 verhandelte er in Paris mit der französischen Königin Bianca v. Kastilien, 1226 u. 27 war er wieder in Bologna und anderen Städten Oberitaliens und stand dann am 23. 10.1227 seinem liebsten Studienfreund und Ordensbruder, Heinrich, Prior v . K ö l n in dieser Stadt beim Sterben bei. 1227/8 war er wieder in Paris, 1229 in Oberitalien, von w o er über Genua und Montpellier, durch die Provence, die Auvergne und Burgund nach Paris reiste. 1230 weilte er in England, Verfasserlexikon V.
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predigte vor den Studenten v o n Oxford und hielt das erste englische Provinzialkapitel. 1230, 31 und 32 leitete er die Generalkapitel in Paris, Bologna und wieder in Paris, 1233 wieder in Bologna, von wo aus er die oberitalienischen Klöster visitierte und in Mailand schwer erkrankte. F r ü h j a h r 1234 wanderte er nach Zürich, wo er nochmals schwerkrank liegen blieb, nahm aber im August des Js. in Straßburg i. E . an der ersten Feier des soeben heiliggesprochenen Ordensstifters Dominikus teil, reiste dann zu den Klöstern in Oberitalien zurück, wo ihn abermalige Krankheit an der Teilnahme a m Ordensgeneralkapitel hinderte, und trat u m die Pfingstzeit 1236 die Seereise nach Jerusalem an, u m dort seine Ordensbrüder zu visitieren und die heiligen Stätten zu besuchen, predigte dort vor den Templern in französischer Sprache, bestieg im Februar 1237 in A k k o n das Schiff zur Heimreise und zerschellte mit diesem im Meeressturm. Seine Leiche wurde geborgen und in A k k o n bei den Dominikanern begraben. Der Orden verehrte ihn als Seligen. 2. J. ist der früheste H i s t o r i k e r seines Ordens und dessen erster M y s t i k e r . Neben anderen teilweise ungedruckten Schriften asketischen und exegetischen Inhalts und einem ungedruckten K o m m e n t a r zu dem Neuplatoniker Priscianus wird besonders seine kurze Chronik ,,De firincipio ordinis praedicatorum" gerühmt. Umstritten ist die Frage, ob J. der Verfasser einer Reihe mathematischer Facharbeiten ist, die im MA. unter dem Namen eines Jordanus Nemorarius verbreitet waren : 1 De fionderibus', "De triangulis', 'De numeris datis' usw. W e n n er ihr Verfasser ist, so darf er als „eine der bedeutendsten Gestalten der frühen Geschichte der Mathematik in Deutschl a n d " gelten (Cantor). W a s aber J. für die Literaturgeschichte Deutschlands besonders interessant macht, ist ein erhaltener Rest seines lateinisch geführten Briefwechsels, worin er in freudiger Weise seinen Vertrauten über die Erfolge seiner Universitätspredigten und den Eintritt von vielen Studenten und auch einigen Magistern verschiedener Hochschulen in seinen Orden erzählt, von seinen Krankheiten und Schwierigkeiten, z. B . bei Kaiser Friedrich I I . be16
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richtet, der die Ordensmänner nicht anzuhören versteht, sondern selbst sagt, daß es ihm verdrießlich sei, sie nur zu sehen, während die Königin Blanka von Kastilien, die Mutter Ludwigs des Heiligen, in Paris den Dominikanern sehr viel Gunst erweist und mündlich recht vertraulich über ihre Anliegen mit mir verhandelt hat. Während Abaelards und Heloises Briefe nur Traktate in Briefform sind, während Hildegards Briefe stets die autoritative Korrespondenz einer hohen Frau mit den Großen der Erde oder Sendschreiben sind, in denen sie als Legatin des Allerhöchsten auftritt, atmen die Briefe Jordans, als erste aus dem deutschen Mittelalter, den Geist reinster Freundschaft mit all den persönlichen Einblicken in das tägliche Leben und Sorgen eines Freundeskreises, der uns mit Namen und Schicksalen vorgeführt wird. Dabei unterschreibt er an lombardische Empfänger gern als Jordan der Deutsche, scherzt gelegentlich, daß er mit Erlaubnis des Ordensgenerals Jordan ein Stück Tuch schickte, und dringt in einem Brief an die Oberin einer deutschen Novizin in Bologna darauf, daß das deutsche Mädchen seine Muttersprache nicht verlernen darf: Ich wünsche, daß irgend ein deutscher Ordensbruder mit ihr zweimal oder wenigstens einmal in der Woche deutsch rede, damit sie das Deutsche nicht vergesse. Sei kann nämlich Deutsch und Lombardisch . . . Jetzt spricht sie ungern dsutsch, weil sie von Ostern vorigen Jahres bis jetzt {Febr. 1227) bei Herrn Gerhard war, wo sie nur lombardisch hörte. Rührend ist seine Totenklage um Heinrich von Köln: Ich hatte gehofft, schreibt er um die Weihnachtszeit 1227 an eine Trierer Nonne, Deiner Liebe einigen Trost schreiben zu können unter Einhauch des Heiligen Geistes. Aber ach aller Trost ist vor meinen Augen verborgen. Denn Er, der jedem zuteilt, wie er will, hat die Brüder getrennt, wie es ihm gefallen hat: Ich trauere um den süßesten Freund, den liebevollsten Bruder, um den teuersten Sohn, Heinrich, den Prior v. Köln. Im Brief an die Schwestern von St. Agnes in Bologna beschreibt er bis ins Einzelne die letzten Stunden des hingeschiedenen Freundes und sagt, ganz Köln, ja ganz Deutschland traure um diesen.
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Die Briefe Jordans sind der Hauptsache nach Seelenführung zum Leben in der reinen Liebe zu Christus. Ihre Sprache ist ein ganzes Gewebe von Schriftworten und eigenem Text. Mit benedektinisch anmutender Maßhaltung warnt er immer wieder vor zu großer Strenge in leiblicher Abtötung, während er für die aufbauende Tugend kein Maß kennen will. So sind diese Briefe mit denen des von ihm geistig abhängigen Wichmann von Neuruppin (s. d.) das erste Zeugnis deutscher Dominikanermystik, liegen sie doch Jahre vor den Briefen Heinrich Seuses (s. d.) und Heinrich von Nördlingens (s. d.). Nach Mumbauer sind sie „für das abendländische MA. das schlechthin erste Zeugnis eines ganz persönlichen, individuell gestalteten Briefverkehrs, der sich von der objektiven Gebundenheit des geltenden Kosmos zwar nicht grundsätzlich losgelöst, aber in seiner seelischen Struktur zu ausgeprägter Eigenart gesondert hat und den Drang aus dem Objektiven nach dem Subjektiven deutlich fühlen läßt". Über die Hss. der Briefe findet man alles Nötige bei B. A l t a n e r Die Briefe Jordans von Sachsen, Texte und Unters., zugleich ein Beitrag zur Gesch. der Frömmigkeit im 13. Jh. (20. Heft der Quellen u. Forsch, z. Gesch. des Dominikanerordens in Deutschland) 1925, S. 2 — 5. Dies die beste Ausgabe der Briefe. Erstausgabe: E. B a y o n n e Lettres du B. Jourdain de Saxe, texte latin et français Paris 1865. Die Schrift 'De principio O. P.' ediert in Monumenta Ord. Pr. histórica V I I (B. M. R e i c h e r t ) . Die relativ vollständigste Ausgabe der sämtlichen Werke besorgte J . J . B e r t h i e r , O. P. B. Jordanis de Saxonia Opera ad res Ordinis Pr. spectantia, quae extant, collecta ac denuo edita 1891. (Die Briefe darin S. 55 — 115.) M. A r o n Bienheureux Jourdain de Saxe, Lettres à la bienheureuse Diane d'Andalo. traduction nouvelle avec notes historiques et annexes 1924. Deutsche Ausgabe nach Altaners Text: J . M u m b a u e r Die Briefe des sel. J. v. Sa. (Dominikanisches Geistesleben I. Vechta 1927. Auswahl bei W. Oehl Deutsche Mystikerbriefe des MAs. 1931, S. 152 — 186. Die erste Biographie J.s schon um 1260 bei G e r a r d u s de F r a c h e t o . Vitae Fratrum Ordinis pr. ed. B. M. R e i c h e r t Monumenta O . P . hist. I, 1897, S. 99—146. Vgl. B. M. R e i c h e r t Das Itinerar des zweiten Dominikanergenerals J. v. S. (Festschrift des Deutschen Campo Santo), 1897, S. 153 — 160. J o s . M o t h o n Vie du Bienheureux Jourdain de Saxe 1884 (dt. D ü l m e n Leben des sel. J. 1888). A D B . 14, 501 ff. V a c a n t - M a n g e n o t Dictionnaire dethéol.cathol. 8, I, I574Í. G. S c h n ü r e r Kirche und Kultur im MA. II 2 (1929), S. 486. D. P f l a n z e r Die Reise des
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' D a s Jüdel' —
sel. J. v. S. über den St. Gotthard 1234 im 31. Hist. N e u j a h r s b l a t t der Ges. f. Gesch. u. Altertümer v o n Uri 1927, S. i f f . — Über Jordans Schriften H . C. S c h e e b e n Histor. Jahrbuch der Goerresgesellschaft 1932, S. 56 — 7 1 . — Über sein Generalat A . M o r t i e r Histoire des Maîtres Généraux de l'Ordre des Frères Prêcheurs I, 1903, S. 137 bis 274. (J. v a n M i e r l o : ) A k o n Un animateur de la jeunesse 1930; H . S c h e e b e n Jordan der Sachse I937"
E. Krebs
'Das Jüdel' (Nachtrag) : E. S c h r ö d e r lieferung).
Z f d A . 75
(1938),
S. 24
(Über-
Hannemann
'Judeneid' (sacramentum Hebreorum, juramentum Judeorum) ist ein E i d , der v o n
Juden bei Rechtsstreitigkeiten mit Christen zu Beweiszwecken abgelegt wurde. In den verschiedenen Formeln mischen sich jüdische und germ. Elemente, d. h. er entspricht sowohl dem jüdischen Recht als auch dem Judenrecht (im Sinne Guido K i s c h s ) . Jüdisch ist die regelmäßig anzutreffende Berufung auf die fünf Bücher Moses und die Anführung des Gottesnamens in der hebräischen Form Adonay, germ. ist der Vortrag in metrischer Form und der Brauch, daß ein „Eidstaber" die Formel dem Schwörenden vorspricht. Hingegen entspricht die Anführung von Fluchbeispielen sowohl der jüdischen Auffassung vom Wesen des Eides (Verwünschungseid) als auch der germ. (Eid als bedingte Selbstverfluchung). Eine vollständige Sammlung der dt. Judeneide gibt es noch nicht, doch ist die Zahl der bisher veröffentlichten Texte schon ziemlich groß. Als der älteste gilt der „Erfurter Judeneid", der frühmhd. ist (12. Jh.), nächstdem der „Görlitzer Judeneid"; nach K . B a r t s c h gehört der meist ins 13. Jh. gesetzte Judeneid einer vatikanischen Hs. ins 11. Jh. Diesen frühesten dt. Fassungen gehen lat. Formeln voraus, die in die Karolingerzeit zurückreichen, und im Spät-MA. folgen ihnen zahlreiche Formeln in den Stadtrechten. Thea B e r n s t e i n ordnete die Texte in drei Gruppen : die Judeneide bis zum Erfurter Eid, die westdt. Formeln und die Fassungen der Rechtsbücher. Demgegenüber setzte H.-K. C l a u s s e n folgende fünf Gruppen an: 1. die lat. For-
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'Judith'
meln der Karolingerzeit, 2. der Erfurter und der Görlitzer Judeneid, die auf eine gemeinsame Ausgangsform zurückzuführen sind, 3. die rheinisch-westf., 4. die sächs. und 5. die schwäb. Formeln der spätmal. Stadtrechtsbücher. Inhaltlich besteht der Judeneid regelmäßig aus drei Stücken: einer Anrufung Gottes als des Schöpfers von Himmel und Erde, Laub und Gras usw., einer Aufzählung von Strafwundern aus dem A T . und einer Aufzählung von Strafen, die der Schwörende auf sich laden will, falls er unrecht schwört. Dazu kommt meist noch ein Absatz, der die äußere Durchführung des Eides regelt. Die Texte sind, besonders in der älteren Zeit, in feierlich gehobener, metrisch akzentuierter und mit gelegentlichen Reimen geschmückter Rede abgefaßt ; einige wurden von ihren Herausgebern als unregelmäßige Strophen wiedergegeben. Sie blieben bis tief in die Neuzeit in Gebrauch und bewahren altertümliches Sprachgut. An ihrer Erschließung ist außer der germanistischen auch die rechtshistorische und religionsgeschichtliche Forschung beteiligt. M S D . I I (1892), S. 4 6 5 — 4 7 4 ; T h e a B e r n s t e i n Die Gesch. der dt. Judeneide im MA, H a m burger phil. Diss. (1922, Masch.); H . v . V o l t e l i n i Der Wiener und Kremser Judeneid M i t t . des Ver. f. Gesch. d. S t a d t W i e n X I I (1932), S. 64 — 70; H . - K . C l a u s s e n Der Judeneid in: D t . R e c h t s wissenschaft, her. von K . A . E c k h a r d t I I (1937), S. 1 6 6 — 1 8 9 ; S. W . B a r o n A Social and Religious History of the Jews I I I N e w Y o r k (1937), S . n 8 f . ; Encyclopaedia Judaica I X (1932), Sp. 5 4 1 ; G . K i s c h Studien zur Gesch. des Judeneides im MA. Hebrew Union College Annual X I V (1938). S. 431 bis 456 (mit zahlreichen Literaturnachweisen); G . K i s c h A fourteenth century Jewry oath of South Germany Speculum X V (1940), S. 331 — 3 3 7 ; G . E i s Beiträge zur spätmittelalt. dt. Prosa J E G P h L H (1953), S. 76 — 89 (darin: Judeneid aus Hostau in Böhmen,
S. 86—89).
Gerhard Eis
Judensint, Hans ( N a c h t r a g ) : K . H a n e Literar. Kulturleistungen des mal. Speyer Diss. Heidelberg 1934, S. 33. H . H e i m p e l ZfGesch. des Oberrheins 94, 1942, S. 323, 336f. und 357. V g l . 'Reimchronik, Breisache,'.
'Judith I, ältere' ( N a c h t r a g ) : H . d e B o o r Gesch. d. dt. Lit. und 162.
1 (1949), S. 1 5 6
E . H e n s c h e l P B B . 73 (1951), S. 304!.
Hannemann • xa
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Julian von Speyer
Julian von Speyer. 1. Julian, der schon in der in Frankreich geschriebenen „Chronica XXIV Generalium", deren letzte Redaktion von 1378 stammt, den Beinamen Theutonicus hat, wurde, vermutlich gegen 1200, in Speyer geboren: de Spira ist als seine Heimat zuerst in der um 1485 verfaßten ,,Chronica anonyma" der Straßburger Minoritenprovinz (Anal. Franciscana 1, 1885, S. 288) bezeugt. Er studierte wahrscheinlich in Paris, kam vermutlich früh in die Kapelle des königlichen Hofes und wurde dann ihr Chormeister, wohl schon unter Philipp August (1223 f), sicher unter Ludwig V I I I . Gewiß schon vor dem Tod des hl. Franz (4.10. 1226) schloß er sich den Minoriten an. 1227 reiste er mit seinem Confrater Simon Anglicus vermutlich schon zum Generalkapitel nach Assisi, sicherlich aber nach Deutschland und 1230 wieder nach Italien, um an der Translation des am 16. 7. 1228 heiliggesprochenen Franziskus teilzunehmen. Danach lebte er in Paris, hatte — das Kloster war zum Sitz eines Generalstudiums erhoben worden — das wichtige Amt des Franziskanerchormeisters zu versehen, womit er auch Corrector mensae war (vgl. den Straßburger Minoritenchronisten N. Glassberger: Cantor Parisiensis et corrector mensae Anal. Francisc. 2, 1887, S. 91). Daß er sich auch durch seine Lebensführung auszeichnete, versichert schon Bernhard von Bessa: frater Julianus, scientia et sanctitate conspicuus (Anal. Francisc. 3, 1897, S. 666), vgl. den Codex Vaticanus 4354, Bl. 112 (14. Jh.) : ob vitae suae merita inter famosos et praecipuae sanctitatis fratres et in registris Ordinis annotatus. Später schrieb man ihm auch Wunder zu. Die Annahme, daß er um 1285 oder 1278 gestorben sei, beruht sicherlich auf Verwechslung mit einem andern Frater Julianus, der Ende des 13. Jhs. in Paris starb. Im Codex Vaticanus 5354, Bl. 112 heißt es: preventus morte ystoriam de beato Dominico non complevit (Anal. Boll. 19, 1900, S. 329); da dies Officium dann von anderen vollendet und zwischen 1251 und 1254 in den Originalkodex der Dominikanerliturgie aufgenommen wurde, ist zu vermuten, daß J. schon um 1250 gestorben ist. Er
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wurde im Franziskanerkonvent zu Paris begraben. 2. Das Hauptverdienst seines Schaffens beruht darauf, daß er eine Gattung liturgischer Gesangeskunst, das R e i m o f f i c i u m , zur Vollendung brachte, was die Musik wie die sprachliche Form und den Inhalt betrifft. A m frühesten berichtet darüber Bruder Jordan von Giano in seiner 1262 verfaßten Chronik : cum fratre Juliano, qui postmodum historiam beati Francisci et beati Antonii nobili stilo et pulchra melodia composuit (Anal. Franciscana 1, 1885, S. 16, besser: H. B o e h m e r Chronica Fratris Jordani 1908). Er schuf das R e i m o f f i c i u m a u f d e n hl. F r a n z v o n A s s i s i nach dem 25. Februar 1229 (Papst Gregor I X . bestätigte an diesem Tag die eben festgestellte Franziskusvita des Thomas von Celano, die J. nachweislich benutzte) und dem 4. Oktober 1235, da Papst Gregor I X . damals die Antiphon daraus Hunc sanctum praeelegerat gesungen hörte, wie uns Thomas von Eccleston „De adventu Minor um in Angliam" (Anal. Francisc. 1,1885, S. 251, besser: A. G. L i t t l e Tractatus Fr. Thomae 1909) bezeugt. Er übernahm zwar den Text von vier Hymnen, des 7. und 8. Responsoriums, der Oktav-Antiphonen zum Benedictus ,,Sancte Francisce", ,,Celorum candor" und zum Magnificat ,,Salve sancte pater", die Papst Gregor I X . und die Kardinäle von Viterbo und Thomas von Capua dichteten, worauf im Codex Vaticanus 4354 (Ende 14. Jhs.) Bl. 112 eingehend hingewiesen wurde (abgedruckt von W e i s Choräle S. 20f.), aber auch von Bernard von Bessa (Anal. Francisc. 3, 1897, S. 666), von Bartholomäus von Pisa (Anal. Francisc. 4, S. 308, vgl. auch 544), von Salimbene (MGH. SS. 32, S. 383) und Randnotizen im Cod. Ambrosianus O 29 Sup. (s. Anal. Boll. 9 d, 1892, S. 351). Aber das andere, d. i. den größeren Teil der Texte dichtete er selber und komponierte die ganze Musik dazu. Das A n t o n i u s o f f i c i u m ist wohl zwischen 1241 und 1249 anzusetzen: Bruder Haymo von Faversham berührt in seiner Neuordnung des Breviers 1241 das Antoniusofficium noch nicht; vor dem Metzer Generalkapitel von 1249 aber ist es bereits
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Julian von Speyer
da, wird freilich damals nicht ins offizielle Brevier aufgenommen, das muß jedoch bald danach geschehen sein, da die Constitutionen der folgenden Generalkapitel verloren sind und das von 1260 sich nicht mehr mit jenem Officium befaßt, das Officium danach ständig im Gebrauch blieb, vgl. F e l d e r S. 57ff. In diesem Werk stammen Text und Melodie ganz von ihm. 3. In den beiden Offizien wird das Leben der beiden Heiligen in einer stattlichen Zahl von Liedern besungen, so daß man sie mit Recht auch Historien genannt hat. Zugrunde liegen die entsprechenden Heiligenviten, deren Text F e l d e r S. 107ff. mit dem der Officien parallel druckt, der Franziskushistorie die erste Vita des Thomas von Celano (die Vita „Ad hoc quorundam" dagegen fußt auf Julians Text, s. u. 6), der Antoniushistorie (nur in den Responsorien) die „Vita prima", während die „Vita anonyma" das Officium Js. benutzt, s.u. 7. DasFranziskusofficium schließt sich dem geschichtlichen Ablauf der Legende an und bringt ihn Schritt für Schritt in Verse, das Antoniusofficium greift nur besondere Stellen aus dem Leben heraus, lehnt sich nur wenig in zwei Dritteln der Responsorien an die Vita an, hält das andere Drittel lyrisch und frei von der Vita und paßt vor allem die Antiphonen den ihnen folgenden Psalmen an. Die Franziskushistorie ist also mehr episch, die Antoniushistorie mehr lyrisch gehalten. W e i s urteilte (/. v. Sp. S. 101): „Die bewußte Einheit der rhythmischen Anlage mit Aufgabe der antiken Metrik, die strenge Regelung von Hebung und Senkung in Versen mit abwechselnder Silbenzahl, die fein abgewogene Strophenbildung frei von aller späteren Künstelei, die Gliederung der liturgischen Epopöe in kurze Einführung (1. Vesper), Hauptgesang vom Leben und Schlußlied von der Wunderherrlichkeit, die glückliche Verbindung von lyrischen Psalmenmotiven mit den Episoden der Erzählung, wodurch die Psalmen organische Teile der Historie wurden, dies alles ist Julians unbestreitbares Verdienst." Seine Melodien sind seinen Versen mindestens gleichwertig. A. K i e n l e schreibt ihnen das Verdienst zu, „die zerflatternden Formen des Chorals seiner Zeit zusammengehalten
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zu haben" (Schweizer. Rundschau 3, 1902, S. 196); seine Kompositionen überragen die zeitgenössischen weit „wegen ihrer ganz eigenartigen Stellung als Marksteine und Wendepunkte in der Entwicklung der mal. Liturgie" ( K i e n l e ebenda S. 197). Es sind „seine beiden Offizien vollkommen organisch durchgebildet, von so getestetem Charakter, daß eine Weiterentwicklung nicht mehr möglich war" (P. W a g n e r Einführung in die gregor. Melodien s I, 1902, S. 312). Er suchte „den Sinn des Wortes im Tone zu verkörpern"; seine Choräle „kennzeichnen die Epoche höchster Kraftentfaltung der traditionellen kirchlichen Monodie, zu einer Zeit, da die mehrstimmige Musik sich rasch entwickelte und dem altehrwürdigen, einstimmigen Chorgesange im Gotteshause den Rang streitig machte" (Weis /. v. Sp. S. 145t). Nach E. B r ü n i n g (Gregorius-Blatt 55, 1931, S. H7ff.) fügte J. zum klassischen Choral einen neuen, eigenen Geist, hielt die Kantilene leichter, volkstümlicher und ansprechender, erreichte aber im Antonius-Officium nicht die Höhe des Franziskus-Officiums. 4. Für die Meisterschaft Js. in Text und Melodie spricht eindeutig seine N a c h w i r k u n g . Für diese „ersten liturgischen Poesien im Orden", die „zugleich formvollendete, einfachsinnige Lobgesänge auf die Hauptheiligen der Minderbrüder" waren, stellte schon 1900 W e i s (/. v. Sp. S. 82ff.) verschiedenartige Nachahmung in mehr als 50 Reimoffizien in und außerhalb des Ordens fest (die Forschung hat hier noch vieles nachzutragen). Reimhistorien wie die auf die hl. Clara und ihre Translation, den Einsiedler Antonius oder den hl. Benedikt weisen im 13. Jh. ziemlich starke eigene Gestaltungskraft auf; aber im 14. und 15. Jh. begnügen sich solche wie die auf den hl. König Ludwig IX., den hl. Bonaventura oder die Stigmata mit geistreicher Paraphrasierung; noch im 17. Jh. dichtete Probst David Furmann von St. Florian das Antoniusofficium Js. auf seinen Patron um. Im Ganzen wurde das Franziskusofficium häufiger nachgeahmt, weil das bei seinem Rhythmus leichter ging. Auch gibt es Offizien, die die beiden des J. verwerten, wie die auf die hl. Anna, den hl. Hieronymus oder
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Julian von Speyer
die Dornenkrone Christi. Es ergibt sich also, „daß die meisten Reimoffizien des Franziskanerbreviers so großer Beliebtheit sich erfreuten, weil sie mehr oder weniger glückliche Nachbildungen der Franziskusoder Antoniushistorie sind. Aber auch eine Anzahl der besten nichtminoritischen Reimgebete sind aus Julians Werken herausgewachsen" ( F e l d e r S. 157). 5. Wie aus dem oben 1 Ende zitierten Vatikankodex hervorgeht, hat J. ein D o m i n i c u s o f f i c i u m begonnen, ist aber durch den Tod daran gehindert worden, es zu vollenden. Von dem noch heute von den Dominikanern gesungenen Reimofficium (Anal. Hymn. X X V , S. 239 ff.) kann der größere Teil des Textes trotz seines reizvollen Flusses schon deswegen nicht von J. stammen, weil er zu viele Tonwechsel (Taktwechsel) enthält, die J. meidet, auch weil er sich mit den beiden Officien des J. so berührt, wie man es J. als Autor nicht zutrauen kann. F e l d e r möchte ihm die Antiphonen zum Magnificat und Benedictus als „die formvollendetsten der Historie" zuschreiben, auch die zwei Allelujaverse zum Graduale der Franziskus- und Antoniusmesse (S. iÖ3f.). W e i s Choräle S. 15f. pflichtet ihm zum Letzten bei, spricht dem J. aber die Antiphonen des Dominicusofficiums a b : „Die litaneiartige Häufung der Bilder, der zum Teil hüpfende (—^) Rhythmus weichen stark von der Art sicher julianischer Stücke ab". Es ist verständlich, daß man glaubt, J. müsse noch mehr geistliche Lieder verfaßt und komponiert haben, und daß man daher versucht, ihm noch mehr zuzuschreiben, so das Officium der hl. Clara, „De Corona spinea", des hl. Antonius oder der hl. Elisabeth (beim letzten wollte es D. H e n n i g e s in Franzisk. Studien 6, 1919, S. 123 ff. tun, indem er auf das 8. Responsorium des Franziskusofficiums Js. hinwies, das aber nicht von J. stammt, sondern von Papst Gregor IX., der also, wenigstens nach dieser Beweisführung, als Verfasser des Elisabethofficiums in Betracht käme). Sicher ist hier noch manches zu klären, dabei aber die Meinung von W e i s noch immer zu beachten (/. v. Sp. S. 82): „Bezüglich der Frage, ob man in einzelnen Fällen Julians Autor-
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schaft oder nur Nachahmung annehmen soll, scheint große Zurückhaltung geboten . . . Schon im voraus ist es unwahrscheinlich, daß ein fähiger Dichter sklavisch immer wieder dasselbe Schema ausfülle . . . " 6. Die F r a n z i s k u s v i t a „Ad hoc quorundam" (AS. Oct. II, S. 548 ff. stückweise, z. T. umgestellt und mit einer Lücke Nr. 235 ediert als Biographus secundus oder anonymus), überliefert in Cambridge Univ.-Bibl. 2354, Bl. iff., Paris Bibl. nat. lat. 14364, B]. iyöff. und 5333, Bl. 247ff., wurde von W e i s wohl mit Recht J. zugeschrieben (s. /. v. Sp. S. 33ff. und gegen F e l d e r , der sie J. absprach S. 169ff., verteidigt, s. Choräle S. 16, 24ff.). Als erster und doch wohl entscheidend bezeugt Bernhard von Bessa ein Franziskusleben dem J., s. Anal. Francisc. 3, 1897, S. 666; Bernhard folgend bezeichnet Bruder Arnold von Serano etwas später J. als secundus scriftor sue vite (Paris Nat.-Bibl. Lat. 12707, Bl. 118b); dann zeugt Bartholomaeus Pisanus in seinem 1385 begonnenen ,,Liber conformitatum vitae s. Francisci" : qui legendam beati Francisci composuit im Mailänder Druck von 1510 Bl. 126a, „XI. Conformität". Nikolaus Glaßberger zitiert in seiner Chronik, mit der er um 1508 beschäftigt war, den Anfang: Legendam sancti Francisci, quae incipit: Ad hoc quorundam etc., urbana eloquentia dictavit Anal. Francisc. 2, 1887, S. 47. Diese Vita benutzt außer der ersten Vita des Thomas von Celano und dem Franziskusofficium Js. das Testament des Heiligen und mündliche Nachrichten. Hier stellt J. das Panegyrische beiseite, arbeitet den historischen Zusammenhang heraus und trachtet danach, kurz und doch in der Sache vollständig zu sein. Man darf diese Schrift wegen ihrer Verständlichkeit und Gedrängtheit rühmen. Einen Auszug daraus fügte einige Zeit später Vinzenz von Beauvais in sein „Speculum historiale". J. hat das Franziskusleben 1232 abgefaßt: er nennt Antonius bereits nunc sanctus (die Kanonisation geschah am 30. Mai 1232); diese Stelle muß er also bald danach geschrieben haben. 7. Js. „Miracula s. Francisci" sind noch nicht wiedergefunden. In der Vita spricht er öfter von ihnen: cuius miracula, eist pro-
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'Der J u n k e r und der treue Heinrich'
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lixiori tractatui reservemus, pauca tarnen quum officium composuit..., licet Marianus huic opusculo breviter inseremus AS. Oct. II, et Annales Saxonici MSS. asserant totum S. 624 Nr. 411; vgl. 626, Nr. 421 und be- officium praeter historiam . . . ordinasse . . . sonders : Vere duplex in ipso prophetarum Fratrem Julianum . . . ; vgl. auch Scriptores spiritus requievit, qui et tantis, ut in parte Ordinis Minorum 1650, S. 232). Der Titel patebit, in vita miraculis claruit, et de fu- spricht vielmehr für eine musiktheoretische turis, quorum pauca prosequimur, tanta Schrift über die Zeitdauer der Noten oder die Tonlängen (mensurae) sowie über die praevidit (S. 595 Nr. 266). 8. Ein A n t o n i u s l e b e n schreibt allein Tonfiguren {modi): mensura und modus N. Glaßberger dem J. z u : vitam beati An- waren Ausdrücke der damaligen Musiktonii Paduani . . . , quamvis frater Julianus theorie. Ein anonymer Traktat wie der von . . . historiam, antiphonas ac Legendam com- E. d e C o u s s e m a k e r Scriptorum de música pendiosiorem olim tempore fratris Johannis . . . nova series I, 1864, S. 327ff. veröffentParentis, Ministri Generalis, digessisset lichte, der die Kapellmeister von Notre (Anal. Francisc. 2,1887, S. 91). Die von den Dame aufzählt, Musikgeschichtliches noBollandisten 1698 nach mehreren Hss. ver- tiert und eine der besten Abhandlungen öffentlichte ,,Vita auctore anonymo valde über zensurierte Musik ist, wäre es wohl antiquo" (AS. Jun. II, S. 705ff.) benutzt wert, J. zugesprochen zu werden, vgl. außer der kurz nach der Kanonisation W e i s / . v. Sp. S. 107. Oder ist Waddings (1232) geschriebenen Urlegende auch die Composuit Mensuras et modos . . . dahin zu historischen Teile des Antoniusofficiums verstehen, daß es sich um eine Sammlung Js.: deswegen vermutet W e i s J.v.Sp. mehrstimmiger Kompositionen, etwa MoS. 25ff. und 54ff. J. als ihren Verfasser. tetten handelt (Weis a. a. O. Anm. 4) ? Auch hier hat J. sachlich einiges hinzugeAusgabe der Officien: H. D a u s e n d 5 . Franfügt, die etymologischen Spielereien be- cisci Assisiensis et S. Antonii Patavini officia seitigt und namentlich in einem besseren, rhythmica auctore fratre Juliano a Spira (Opuscula e t textus. Series litúrgica 5) 1934; Franziskusvita flüssigeren und gewählteren Stil erzählt. und -officium her. von den Franziskanern in Nach der Datierung bei Glaßberger wäre Quaracchi: F r . J u l . S p i r . Vita S. Francisci et 1232 anzusetzen; das wird auch ungefähr eiusdem Officium rhythmicum S. Francisci additis stimmen (d. h. es ist wenig später zu da- sequentiis (Anal. Francisc. X , 1941, S. 333 — 88). tieren). F e l d e r lehnt diese These ,,in er- F . W e l l n e r Drei liturg. Reimhistorien aus dem Kreis der Minderen Brüder (Lat. und dt.) 1951; höhtem Maße" S. I77ff. ab. Sie scheint J . E . W e i s / . v. Sp. (Veröffentl. aus dem Kirchenmir nicht durch ihn widerlegt, aber doch hist. Seminar München 3) 1900; d e r s . Die Choder Sicherung zu bedürfen. Vinzenz von räle Js. v. Sp. (ebenda 6) 1901; H. F e l d e r Die Beauvais hat in seinem ,,Speculum histo- liturg. Reimoffizien auf die hll. Franziskus und Antonius . . . von J. v. Sp. 1901; M a r t i n d e B a r riale" den Abschnitt über den hl. Antonius c e l o n a Estudio critico de las fuentes históricas de wörtlich aus dieser Vita entlehnt. Zwischen San Francisco 1921; H. D a u s e n d J.v.Sp. als 1302 und 1319 wurde Js. Vita als neuer Dichter von Reimoffizien Lit.wissl. J b . der Görres3, 1928, S. I2ff.; E . B r ü n i n g Der musikaText in die Antoniuslektionen im Ordens- ges. lische Wert des Reim-Offiziums zu Ehren des hl. brevier eingeführt. Antonius von Padua Gregorius-Blatt 55, 1931, 9. ,,Mensurae et modi canendi divina S. 113 —119. Weitere Literatur in der Ausgabe von D a u s e n d , s. o. _ , officia" verfaßte J. nach W a d d i n g u s K. Langosch Scriptores ordinis Minorum 1650, S. 232. Das kann man nicht mit G. V o i g t (Abh. ' D e r Junker u n d der treue H e i n r i c h ' . der Sächs. Ges. der Wiss., Philol.-hist. 1. Die einzige Hs. cod. Pal. germ. 119, Klasse V, 1870, Nr. 6, S. 464 Anm. 3) als Heidelberg, aus dem 15. Jh. (vermutlich allgemeineren Ausdruck für die Mitarbeit nach 1462 geschrieben), hat die Uberschrift: Js. an der Franziskus- und Antoniusliturgie 'Ein history von einem edelman und sinem fassen, weil Wadding klar ausspricht, daß knechte Heinrich'. Das Gedicht in Reimer J. davon ausschließt (Annales Minorum, paaren (2189 Verse) ist nach Ausweis der ad annum 1228, Nr. 78: Sanctus Bonaven- Sprache und der Verstechnik vermutlich tura . . . concinnavit Legendam . . . et reli- im 14. Jh. von einem mfränk. Verf. ge-
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Justinger, Konrad
— Justinus von Lippstadt
dichtet. Die V . 826Ü.: ich mein zwar sie were ein wip / da zu stunden worden / und gedretten in unsern orden lassen auf eine Frau als Verfasserin schließen. Die vorliegende Hs. ist Abschrift eines md. Schreibers. 2. Dem Inhalte nach gehört das Werk zur späthöfischen Dichtung, in der sich ritterlicher Geist und bürgerlicher Sinn mischen. Ein Junker hat sein Gut durch Turnieren vertan, er besitzt nur noch drei Höfe und ein Haus. A l s er aber erfährt, daß die Königstochter von Cypern im Turnier zu erlangen ist, v e r k a u f t er auch das letzte noch und zieht hinaus. Einem armen Gefährten, den er trifft, bezahlt er eine Zeitlang die Herberge, doch als dieser nun dran ist zu zahlen, verschwindet er. Mit nur einem R o ß kommen der Junker und sein K n e c h t Heinrich nach Cypern. Dort gelingt es Heinrich, einen W i r t dazu zu bringen, sie standesgemäß auszustatten, außerdem erlangt der Junker im Walde einen Zauberstein, der ihm die Fähigkeit zu fliegen verleiht. So fliegt er zur Königstochter, gewinnt sie im Turnier und erhält sie zur Frau. Seine Schulden bei dem W i r t bezahlt der König.
Die höfisch-märchenhafte Fabel ist von Anfang bis Ende durchsetzt mit bürgerlichrealistischen Zügen. Dem Aventiurenritter, der auszieht, sich das Glück zu erstreiten, wird der schlaue Heinrich beigegeben, der dafür Sorge zu tragen hat, daß immer genügend Geld da ist, um standesgemäß auftreten zu können. Zwar ist der T y p des hilfreichen Kaufmanns schon in der höfischen Dichtung um 1200 und früher anzutreffen ('König Rother', Wolframs •Willehalm' u. a.), jetzt aber hat er beträchtlich an Gewicht gewonnen und ist zum unentbehrlichen Helfer geworden. War es ihm sonst eine Ehre, dem Ritter aus augenblicklicher Not zu helfen, so leitet er jetzt Ansprüche aus seiner Hilfsbereitschaft ab und spekuliert auf den Gewinn. Geld und Unterhaltssorgen sind das bestimmende Motiv. Bezeichnend der Schluß : der Dichter vergißt nicht zu bemerken, daß der König die Schulden bezahlt. Der Wirt hat also richtig gerechnet. Das Denkmal zeigt, daß der ursprüngliche Sinn des ritterlichen Abenteuers verloren gegangen ist; Glück ist nicht mehr sxlde, eye, -pris, sondern Reichtum, Geldeswert. Noch liegt der Akzent auf dem ritterlichen Tun. Spätere, thematisch und motivisch verwandte Dich-
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tung, wie etwa der 'Fortunatas' (s. d.), hat schon den Bürger zum Helden. Ausgabe von K . K i n z e l Der Junker und der treue Heinrich. 1 8 8 0 (mitEinleitung). G A . I , S . 6 2 U . III, S. 71. F. R a n k e in: B u r g e r Annalen der dt. Lit. 1 9 5 3 , S. 2 1 1 . ...
Bl. 216b—219b (148 Verse, in der Schlußzeile dem Schüber zugeschrieben), s. auch E. S c h r o e d e r ZfdA. 71, 1934, S. 266. Diesem Dichter, der übrigens in die vierziger Jahre des 14. Jhs. gesetzt wird, gehört nach E. S c h r o e d e r (ZfdA. 71,1934,5.107!. und Arch. für hess. Gesch. NF. 18, 1934, S. 327ff.) auch ,,Von dem Husrate", (her. von E. S c h r o e d e r am 2. Ort nach Straßburg Joh. Bibl. A 94, Bl. 38bff. um 1350 wohl in Straßburg geschrieben), das auch in Karlsruhe Landesbibl. K 408 (s. E. S c h r o e der ZfdA. 71,1934, S. 2 6 5 ! ) steht. Während er im „Buch von guter Speise" Rezepte der feinen Küche aneinanderreiht und sich mit diesem Kochbuch als „der Küchenchef eines vornehmen Haushalts" gibt, „am wahrscheinlichsten des Bischofs, damals Otto (II.) von Wolfskehl, der ja selbst nicht weit vom Odenwald zu Hause war", stellt er sich in diesen 162 Reimpaarversen als armen Teufel dar, der vor Sorgen um den Haushalt nicht mehr von Liebe und Minne dichten könne, und zählt alles Mögliche und Unmögliche auf, was ihm an Speise und Trank, Möbel und Küchengerät, Kleidung und Bettzeug usw. fehlt. V g l . Der Schüber
o. I V ,
Sp. n o f .
und
'Vom üblen Weibe I I ' S p . 869. E h r i s m a n n
Schlußband S. 487, 650.
^
^
Konrad, Der atme nennt sich als Dichter des Schwankes von Frau Metze der Käuflerin (in L a ß b e r g s Liedersaal Nr. 166 'Alten Weibes List' genannt).
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Konrad I, Meister
Hss.: Donaueschingen, Fürstl.Fürstenbergische Hofbibl. Cod. 107 (L. 177), Bl. 175» — 1 7 8 » , abgedr. in L a ß b e r g s L S . Nr. 166, Bd. II, S. 6$yii.) Nürnberg, Germ. Nationalmuseum, Merkeische Bibl. Nr. 966 (Valentin Holls Hs.), Bl. 8 4 »>-86 a ; Cgm. 379, Bl. 45 b — 52 b und Cgm. 270, Bl.
85b_92».
Her. von J. S c h a r o w o l s k y Sehestj Schwankow (Sechs Schwanke) Kiew 1913; N G A . Nr. 11.
Der Schwank ist stofflich eng verwandt mit dem wohl etwas älteren von ' S c h a m p i f l o r ' (s. d.) doch verlegt der a. K . die Handlung nach Würzburg: Das Haus der Kupplerin liegt bi dem spital (V. 239); die Würzburger Straße under Kaiharten wird genannt (V. 35), und an die Stelle Ruparts, des Bruders des Königs von England, tritt der Domherr Heinrich von Rotenstein, also ein Mitglied einer in Würzburg hochangesehenen Familie. Während die Kupplerin Frau Metze und sogar die Magd Katherin mit Namen genannt werden, bleiben die des Ehepaares diskret verschwiegen. Wenn man in Lorenz Fries' Würzburger Chronik liest, daß Bischof Mangold sich zu besonderer Strafandrohung veranlaßt sieht gegen Leute, die Söhne und Töchter reicher Bürger durch allerlei Überredungskünste in ihre Häuser lockten und zusammenkuppelten, so ist der Schwank geradezu ein Abschnitt aus der Würzburger Skandalchronik um 1300. Der Stoff hat einige Berührung mit der Erzählung von der Hündin in den 'Sieben weisen Meistern'; vgl. K e l l e r . Roman des sept sages J. C X L V . Das Gedicht 'Der a. K ' liegt dem Fastnachtspiel Nr. 37 ('Ein Spil von eim thumherrn und einer kupplerin' K e l l e r Fastn. Bd. II, S. 277ff.) zu Grunde. Der a. K . ist Pfälzer oder Nordelsässer; ein Jugendwerk K o n r a d s v o n W ü r z b u r g (s. d.) ist also der Schwank nicht (vgl. Germ. 3 S. 61). H . Niewöhner Konrad I, Meister, der Dichter der „Nibelungias". Wie die Schlußverse der „Klage" eindeutig bekunden, ließ der Passauer Bischof Pilgrim (971—991) das Ende der Nibelungen aufzeichnen von der alrersten stunde / wie ez sich huob und och began, / und wie ez ende gewan, und zwar mit Latinischen buochstaben, womit nach C. v. K r a u s P B B . 56, 1932, S. 60—74 nur die lat. Sprache gemeint sein kann; (überhaupt kann ein Nibe-
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lungenepos im 10. Jh. nur lat. gewesen sein). Daz mxr do briefen began / ein schnher, meister Kuonrdt. / Getihtet man ez stt hat / dicke in Tiuscher zungen — von diesem K . ist sonst nichts bekannt. Man kann nicht wahrscheinlich machen, daß diese schon in Hss. des 13. Jhs. überlieferten Verse erst später hinzugedichtet seien, auch nicht, d a ß diese Quellenangabe nur leerer literarischer Topos sei: dazu ist sie zu bestimmt gehalten (vgl. besonders: wan im seit der videlaere /' diu küntlichiu msere, / wie ez ergienk und geschach — damit greift der Dichter zurück auf V . 3460 f f . : Pilgrim bittet Swemmel, auf der Rückfahrt bei ihm vorzusprechen, damit er ihm alles erzählt, ich wil heizen schriben j die stürme unt die grözen not, / oder wie si sin gelegen tot, j wie ez sich huob und wie ez kam, / und wie ez allez ende nam). Diese sich von selbst ergebende Interpretation jener Verse kann auch nicht mit A. H e u s l e r Nibelungensage und Nibelun~ genlied 1944, S. 168 („Holzweg") damit erschüttert werden, daß man ,,in der Entwicklung des Nibelungenstoffs keinen Punkt gewahren" zu können glaubt, „ w o das Virgilische Epos oder sonstige Lateinpoesie befruchtend eingewirkt hätte". Die „Nibelungias" braucht in der Nibelungensage nur einen Trieb darzustellen, der sich nicht weiter entwickelte; wenn man aber der Meinung ist. daß sie unbedingt in das Stoff-Stemma hineinzunehmen ist und dieses keinen Platz bietet, so liegt das am Stemma und nicht an der „Nibelungias", d. h. das Stemma, das doch nur eine Arbeitshypothese ist, müßte geändert werden. D. K r a l i k , der die ,,Nibelungias" ablehnt, möchte in Meister K . den Dichter des Nibelungenlieds sehen, so noch in der Einleitung (S. X I I f.) zur Übersetzung Simrocks in Kröners Taschenausgabe 1954. Das ist nicht wahrscheinlich, s. nur F. N e u m a n n im Nachtrag zum 'Nibelungenlied' 7. Die Literatur pro und contra verzeichnen E h r i s m a n n I, 1932, S.415 und A n m . 4 sowie F. N e u m a n n o. I I I , S. 535L Vgl. auch K . H. H a l b a c h in S t a m m l e r s D t . Philologie im A u f riß I I , 1953, S. 5 1 5 ! W . v a n d e n K a m p Die Nibelungias und die Passauer Urkunden Diss. Halle 1921 ( „ D a m i t ist der endgültige Beweis für die Nibelungias erbracht"); S. R i e z l e r Gesch. Baierns I, 2 (1927), S. 504ff. (las viele Anspielungen auf die ottonische Geschichte aus dem
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Konrad II, Meister. —
zweiten Teil des Nibelungenliedes heraus); M. H e u w i e s e r Passau und das Nibelungenlied ZfbayrLandesgesch. 14, 1943/4, S. 5-62: prüfte noch einmal die Nibelungiasfrage S. 44-62, besonders das Ottonische im Nibelungenlied (es sei erstaunlich, mit welcher Sicherheit sich das Lied im wesentlichen innerhalb der ottonischen Zeit halte). j
Konrad II, Meister. In der Hs. D. II. 30 der Basler U.-Bibl., die um 1500 angefertigt wurde, findet sich Bl. 298b—299b ein dt. Pesttraktat in Prosa, der einem Meister K . zugeschrieben wird. In der Überschrift erscheint die Jahreszahl 1495, doch ist nicht zu erkennen, ob sie sich auf die Abfassung der Urschrift oder auf die Herstellung der vorliegenden Abschrift bezieht. Der Vf. wird vnser appodecker genannt. Daß er etwa mit jenem Meister Konrad identisch sei, der Münzmeister in Freiburg i. Br. war (s. o. II, Sp. 870), ist nicht entschieden. Gegen die Personengleichheit spricht außer der abweichenden Berufsbezeichnung auch der Umstand, daß die Sprache der Basler Hs. nicht auf alem., sondern auf bair. Entstehung weist. Es ließe sich auch an Konrad von Schamoppia (s. d.) und einen Wundarzt Konrad von München denken, der 1420 bis 1430 in Regensburg wirkte (über diesen s. F. S o l l e d e r München im MA. 1938, S. 341). — Inhaltlich bietet der Pesttraktat der Basler Hs. nichts Neues.
Der Pfaffe Konrad
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1948 herausgegeben. Im Gegensatz zu Hilka besorgte Rohlfs die Ausgabe nach B e d i e r s Editionsprinzip, d. h. streng diplomatisch. E. L e r c h s Ausgabe 1923 erlebte 1952 eine Neuauflage. Die Romanisten können auch nach den schärfsten Debatten nicht zu Anhaltspunkten für eine kritische Ausgabe kommen. Indessen bleibt der Wortlaut aller Chansonfassungen für die Textkritik an Konrads 'Roland' äußerst wichtig. Keiner hat sich nach G o l t h e r s Preisschrift 1887 mit den seit 1887 errungenen Ergebnissen der Romanisten der Aufgabe unterzogen, den Wortlaut in den dt. und afrz. Überlieferungszweigen eingehend zu vergleichen, wie Menhardt das für Herbort (s. d.) gemacht hat. Sogar E. S t e n g e l s kritischer Versuch 1900 läßt uns im Stich. Die mndl. Fassungen gab J. v a n M i e r l o 1935 heraus (Het Roelandslied), neue Fragmente G. G. K l o e k e in Tijdschr. 59, 1939. Literatur: W. G o I t h e r Das Rolandslied des Pfaffen Konrad 1887. E. S c h r ö d e r Aus der Überlieferung des Rolandsliedes ZfdA. 76, 1939. C. M i n i s Franz-dt. Literaturberührungen im MA. Romanistisches Jb. IV, 1951.
2. L a t e i n i s c h e Z w i s c h e n s t u f e . Im Epilog sagt K . v. 9o8off.: also iz an dem buche gescribin stat / in franczischer zungenj so han ich iz in die latine bedwngin, / danne in di tutiske gekeret. Außer Eigennamen wie Brittania für Brittanne fand B a r t s c h keine Abdruck des Textes: G. E i s Konrad der MünzSpur der lat. Zwischenstufe. Salue Terre meister und Konrad der Apotheker in Medizinische Monatsschrift V I I (1953), S. 321 f. „ , . v v^i. j Gerhard Eis 3523 aus Chans. 856 tere Certeine kann nur über lat. terra salva erklärt werden, 3734 thaberiske erde aus Chans. Cazmarine 956 Der Pfaffe Konrad (Nachtrag). (Karlamagnussaga: Katamaria) nur über 1. A u s g a b e n u n d A u f g a b e n . Seit E. S c h e u n e m a n n s Artikel wurde Ks. casa marina ,,Kastell am Meer" und casa — 'Roland' mit Verdeutlichungen und Lese- taber (slav. tabori „befestigter Ort"). K . V. 227 enthält eine nicht usuelle Doppelformel: hilfen nach der Heidelberger Hs. P. neu her. von F. M a u r e r (Dt. Lit. in Entwicklungs- si ne uorchten uür noch daz swert vgl. die reihen; Geistl. Dichtung des MAs. 5, 1940). klassische Formel ferro ignique. Aber V . 227 Keiner hat sich noch an einen kritischen steht in der großen Eingangspartie, die Text herangewagt. Nichts, auch nicht die ! Konrad mehr hat als die Chanson und also größte Verirrung in der Forschungsge- ! nicht aus dieser ins Lat. übersetzt hat. schichte entbindet die Wissenschaft von Sollten wir zunächst einmal die unter x. der Forderung, auf der Suche nach dem ur- geforderte Aufgabe einer erneuten Textversprünglichen T e x t auszuharren. Für Ks. gleichung erledigt haben, so gelangten wir 'Roland' wäre der Versuch eines kritischen bestimmt zu einer besseren Einsicht in die Textes vielleicht jetzt auch noch zu früh. Entstehungsgeschichte von Ks. 'Roland'. A. H i l k a s Ausgabe der 'Chanson de Literatur: C. M i n i s Über einige Namen aus Roland' wurde in 3. Aufl. von G. R o h l f s dem Rolandslied des Pf. K. Neophilologus 31, 1947.
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Der P f a f f e Konrad
3. Quellen. Neben der franz. Quelle der de Roland' für den Hauptteil muß K . die Mehrverse der Eingangspartie entweder aus sich heraus gedichtet oder aus anderer Quelle als der 'Chanson' geschöpft haben. cChanson
Das Gefüge dieser Mehrverse (K. v. 1 — 360) ist folgendermaßen: die ersten 16 Verse bilden ein Gebet, das an das Lob Salomonis anklingt. Sie passen nicht zu dem von W i l h e l m G r i m m dem Epos gegebenen Titel ' Ruolandes lief 1838 und zu dem eigentlichen Inhalt des Epos, denn dieses ist doch im Hauptteil recht eigentlich ein Epos über den Paladinen Roland. Konrad betet, Gott möge ihm die K r a f t verleihen, die wahre Geschichte eines verehrten und edlen Mannes zu schreiben, besonders wie dieser das Himmelreich gewann: daz ist Karl der cheiser ( n ) . — Der zweite Abschnitt der Einleitung (17 — 30 einschl.) fängt denn auch ganz in der Weise an, als ob wirklich eine Karlsgeschichte folgte: Karl der was Pipines surt. Schon viele Heiden hat er mit dem Schwert zum Christentum bekehrt, bis in sein greises Alter. J e t z t wohnt er im ewigen Gottesreich. — Der dritte Abschnitt leitet zu der Erzählung über: als K a r l eines Tages erfuhr, wie die Heiden in Spanien ihre Götzen anbeteten, klagte er darüber und flehte Gott, um seines Kreuztodes willen die Heiden aus der nebelfinsteren Nacht zu erretten (31 — 46 einschl., also genau 16 Verse wie in dem einleitenden Gebet). Ein (nicht mit Hamen genannter) Engel befiehlt Karl, die Heiden in Spanien zu bekehren. — A m folgenden Morgen beruft Karl seine 12 Räte, die den Märtyrertod erleiden möchten, um das Himmelreich zu erwerben. E r fordert sie auf, in dem Dienst Gottes für ihr ewiges Heil in Spanien zu kämpfen. Die 12 auserwählten Helden sind Roland, Olivier, Samson, Anseis, Gergers, Wernes (der fürte Waschonier uan), Engelirs . . . (uzer Prittania), Anselm (ein helt . . . von Moringen) und Gottfried . . . daz waren die uzerwelten zwelfe (12 ?). Roland unterstützt Karls Aufiorderung. Boten werden ausgesandt. Der Zustrom ist so groß, daß die Lande größtenteils entvölkert sind. Karl verspricht den versammelten Kriegern noch einmal nachdrücklich als Gottes Lohn das Himmelreich, wenn sie in Spanien fallen sollten. Der Erzbischof erhebt sich. E r ist einer der 12 Paladinen, die sich zeitlebens weder vor Feuer noch vor Schwert (ferro ignique\) fürchteten und nach dem Märtyrertod im Himmel aufgenommen wurden. D a leben sie jetzt unbekümmert und froh. Der Erzbischof hielt eine kleine Predigt: " W o h l a n Ihr heiligen Pilger, zeigt, weshalb Ihr das heilige K r e u z genommen habt
E s geht dann alles sehr schnell: die Christen ziehen siegreich in die feindlichen Lande; die Heiden verbrennen ihre Städte und Dörfer und schlagen sich in die Flucht. V . 281 sind wir mit den fliehenden Sarazenen gerade über die Gerunde. Dort hoffen die Heiden sich hinter dem schützenden Fluß behaupten zu können. Karls Leute aber
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fangen einen Heiden, der die Christen durch eine Furt nach Tortolose führt. Und nun tritt Roland auf den P l a n : er bläst ins Horn, daß der Götzentempel wankt, die Erde erbebt, die Fische zu zappeln, die Vögel zu singen anfangen, die Berge widerhallen und mancher den Tod findet. Ein alter Heide, der Josias heißt, sammelt seine Waffenbrüder um sich und spricht ihnen Mut ein. D e m Fahnenträger Karls, Gottfried, gelingt es aber, in die Stadt einzudringen . . . di beiden sich do irgaben / in des heiseres genade . . . si minten alle gotliche lere / unt lobeten in imir mere / daz er diu wunder zu in hete getan. / beide wib unde man, / swaz in der creftigin stete was, / si sungen alle deo gratias. / Also wonete do da I der heiser in Yspania = Ch. 1 f.: Carles Ii reis, nostre emperere magnes, / Set anz tuz pleins ad ested en Espaigne.
Diese Einleitung wirft viele Fragen auf, die teilweise schon einmal erörtert wurden, aber nachher wieder vergessen sind. Die alten Fragen werden wieder neu, wenn man sie im Zusammenhang mit der Quelle der beschriebenen Eingangspartie betrachtet. Diese Quelle ist der lat. Pseudo-Turpin. Dort wird, um nur die für den Beweis genügende Erzählung von dem Erreichen der Geronde und dem Übergang zu nennen, genau wie bei Konrad beschrieben, wie ein gefangener Heide die Christen durch eine Furt vor Toulouse führt. Was aber besonders immer wieder als Ks. ethische Einstellung gegen die Chanson vorgebracht wird: der Kreuzzuggedanke und der Lohn des Himmelreiches, das geht wie ein roter Faden durch den Pseudo-Turpin. Ich werde auf diese Frage umständlicher zurückkommen müssen. Als ich A. H ä m e l meine Gedanken mitteilte, zeigte es sich, daß eine diesbezügliche Arbeit von ihm im Krieg verloren gegangen sei. Er las dann in der Bayrischen Akademie über den Herzog Naimes von Bayern, K. und den PseudoTurpin. M o l d e n h a u e r glaubte den Ursprung des ,,Naimes Ii dux" aus der Chanson im Roland Ks. sehen zu dürfen. Hämel sieht den Ursprung aber in den ältesten Versionen des Pseudo-Turpin, wo von einem Naaman von Baiona, der Hauptstadt des Baskenlandes, die Rede ist. Aus diesem Namen wurde später Naimes von BaioriaBaioaria verlesen. Das ist eine erste Bestätigung der Turp in-Quelle für K. Einmal mit dem Pseudo-Turpin in Zusammenhang gebracht, scheint Ks. Eingangspartie ihren ganzen Sinn zu enthüllen.
54i
Der P f a f f e K o n r a d
H ä m e l hält die Aachener Fassungen des P-T. für die ältesten, Ph. A. B e c k e r denkt sich den P-T. als Erweiterung der „Epistola Tulpini Remensis" ( 1 1 5 1 — 1 1 6 5 entstanden) und als Schriftstück für die Heiligsprechung Karls des Großen entstanden. Man hat ebenfalls Ks. 'Roland' mit Karls Heiligsprechung in Verbindung gesetzt. M a u r e r läßt den Gedanken noch einmal aufkommen (S. 13, Anm. 2) und bes. H. R ö h r , der in Karl eine dichterische Verklärung Friedrichs I. sieht. Dagegen wendet sich sehr bestimmt die Abhandlung von O h l y in ZfdA. Die Frage müßte aufs neue aufgerollt werden, nachdem der P-T. in sie hineinzuspielen begonnen hat. Ks. Mehrverse zeigen j wohl eine zu deutliche Tendenz mit Hinsicht auf die Karlsgestalt, daß man sie nicht leugnen kann. Hält man überhaupt Tendenz des Dichters unwürdig, so muß man doch bedenken, daß das ganze Epos eine religiöse Tendenz atmet. Die Einleitung stellt noch mehr Quellenfragen zur Diskussion: woher die 12 Paladinen Karls, die in Wirklichkeit nur 9 an der Zahl sind, aber in der T a t 12 wären, wenn man Personen- und Ländernamen unterschiedslos zusammenrechnete ? Für diese sonderbare Heldenliste kann nur eine verlesene Quelle in Betracht kommen. — Auch der Komposition der Eingangspartie könnte man genauer nachgehen. Abschnitte von 16 und 24 Versen werden gelegentlich gestört von Verszeilen wie 47 ff. Karl bette dicke I Mit tiefen kerce blickin / (49 : So daz liU alliz intslief, / Uil tiure er hin zegote rief /) Mit tranendin ougin. \ Das eigentliche Rolandepos selbst wirft noch manche Frage auf. An die Stelle St. Jacobs von Compostela aus dem PseudoTurpin tritt bei K . der Hl. Egidius. So wird berichtet, daß der Hl. Egidius für Karl betete: 3005 ff. Daz urchunde wir uon sent Egidien haben, / Daz er unseren herren umbe in bat, / Daz er im aine sculde uirgab. Was Karl sich hat zu Schulden kommen lassen, wird uns aber nicht mitgeteilt. Wir wissen es aber aus dem 'Trierer Aegidius' (1160!). Dort heißt es, daß Karl dem Hl. Egidius eine Sünde verschwiegen hatte. Als der Heilige die Messe las, brachte ihm ein Engel aus dem Himmel einen Brief von Gott, in
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dem Karls Sünde mitgeteilt wird. Der Heilige betete für Karl, dem die Sünde vergeben wurde (V. 1174—-1252, M. R o e d i g e r s Ausgabe in ZfdA. 21,1877). Ich möchte hier auch das noch nicht erschöpfend behandelte Verhältnis Ks. zu dem 'Karlmeinet' und dem Karlsepos des Strickers (s. d.) streifen: der 'Karlmeinet' enthält den 'Aegidius' 320ff., erwähnt ihn aber in der K . entsprechenden Stelle nicht, 451, während der Stricker ausführlicher ist als K., der die Geschichte offenbar als bekannt voraussetzt, wie übrigens Stricker auch in der Benutzung der 'Chanson de Roland' eigene Wege geht. Der Name lautet übrigens beim Stricker nicht sentEgidie ( = Konrad), sondern sante Giljen (V. 3543), wie im 'Rother' 3945 ( F r i n g s — K u h n t Rotherausgabe 1922). — Weiter habe ich mich oft gefragt, woher K . den merkwürdigen Bischof sante Johannen hat, V . 1055 ff. und 1246 ff. Der Stricker hat nur den Namen (1673), im 'Karlmeinet' steht die ganze Geschichte (435, iöff.). G o l t h e r s Feststellung, daß die Figur als Zutat Ks. aufzufassen ist, (S. 59), hilft uns nicht weiter. Meiner Vermutung, daß K . Kreuzzugschroniken wie Fulchers 'Historia Hierosolymitana' oder die 'Gesta Francorum et aliorum Hierosolymitanorum' eines Anonymus gekannt haben dürfte, konnte ich leider noch nicht auf den Grund gehen. So erhebt sich eine Frage nach der anderen. I c h hoffe dies alles einmal im großen Z u s a m m e n hang ausarbeiten zu können. Diese A r b e i t soll besonders d a r u m einmal in Angriff genommen werden, weil die meisten Publikationen über K s . ' R o l a n d ' die geistliche und politische Einstellung des Dichters, seine ethische und ästhetische Stoffbehandlung erörtern. W i e sollte das zu gültigen Ergebnissen führen können, wenn die Fragen u m die Quellen und der T e x t k r i t i k noch gar nicht gelöst sind. Die hsl. Überlieferung wird als g ü i s t i g bezeichnet. Ist das vielleicht der Grund, daß man sich nicht u m die Textgeschichte kümmern zu brauchen g l a u b t und unfruchtbare H y p o t h e s e n z. B . zur D a t i e r u n g a u f b a u t , w o die einfachste Quellen- und Textgeschichte zu sicheren E r g e b nissen führen kann ? L i t e r a t u r : A . H ä m e l Überlieferung und Bedeutung des Liber Sancti Jacobi und des PseudoTurpin M S B . 1950. D e r s . Der Herzog Naimes von Bayern, der Pfaffe Konrad von Regensburg und der Pseudo-Turpin ebda., Sitzung v o m 6. Juni 1952. P h . A . B e c k e r Die Heiligsprechung Karls des Großen und die damit zusammenhängenden Fälschungen L S B . 96. 3. H . , 1947. H . R ö h r Die
Konrad von Ammenhausen —
543 politische
Umwelt
des dt. Rolandsliedes
P B B . 64,
1940. E. F. O h l y Zum Reichsgedanken des dt. Rolandsliedes ZfdA. 77, 1940.
4. Ü b e r d a s V e r h ä l t n i s z u r ' C h a n s o n de R o l a n d ' liegen Arbeiten vor von S i n g e r , der von K . aus auf Unvollständigkeit der franz. Überlieferung schließt, bis K n o r r , der bewußt das franz. Vorbild aus seiner Betrachtung ausschließt, um Ks. 'Roland' als Kunstwerk beizukommen. Ks. Sprache ist eine auf das Religiöse abgestimmte Gebärdensprache gegenüber der auf Effekt berechneten Geste der Chanson ( H o p p e ) . Ks. Epos ist ein Leseepos gegenüber der auf den Vortrag berechneten Chanson ( W o e l k e r ) . Mit romanischem Einfluß verbindet sich in alter Kontinuität germanisches Ethos ( S c h m i d , Ackermann, F l i e g n e r ) . Ks. 'Roland' als nationales und politisches Epos los von der Chanson neben Knorr A. Z a s t r a u (bes. die Auffassung vom Reichsgedanken als Gemeinschaft aller Christen), T e s k e (Ks. Epos als literarisches Vorspiel der Empörung Heinrichs des Löwen) und bes. O h l y (die Wappenkunde kann die vermeintlich heraldischen Anspielungen nicht als real historisch nachweisen). Literatur: A. B i e l i n g Das dt. Rolandslied im Spiegel des franz. Rolandsls. S. S i n g e r Arabische und
(Diss. G ö t t i n g e n ) 1936. europäische Poesie im
MA. ZfdPh. 52, 1927. F. K n o r r Das dt. Rolandslied ZfdGeisteswiss. 2, 1939/40. R. H o p p e Die rom. Geste im Rolandslied 1937. E . M. W o e l k e r Menschengestaltung in vorhöf. Epen D i s s . L e i p z i g 1940. G . S c h m i d Christi. Gehalt und german. Ethos in der vorhöf. Geistlichendichtung Diss. Er-
langen 1937. O. A c k e r m a n n German. Gefolgschaft und ecclesia militans im Rolandslied des P f . K. G R M . 26, 1938. G . F l i e g n e r Geistliches und weltliches Rittertum im Rolandslied des P f . K. D i s s .
Breslau 1937. A. Z a s t r a u Das dt. Rolandslied als nationales Problem Diss. Königsberg 1937. H. T e s k e Die andere Seite Dt. Volkstum 17, 1935. O h l y s. unter 3. C. M i n i s s. unter 1. G. G l a t z Die
Eigenart
des
P f . K.
in
der Gestaltung
seines
christl. Heldenbilds Diss. Freiburg im Br. 1949. Fr. M a u r e r Leid 1951, S. 81—84 u. 268f.
5. D a t i e r u n g : Es gilt trotz Schröders, Zastraus und Woelkers Einwände heute noch immer M. Lintzels Datierung 1170. Ich glaube, daß die Quellenforschung (Pseudo—Turpin und Trierer Aegid) diese Datierung bestätigen kann. Liteiatur: s. unter 4 und E. S i t t e Die tierung von Lamprechts 1940. l ' h . A . B e c k e r
Da-
Alexander ( H e r m e a 35) Chrestien de Troyes und
Konrad von Brundelsheim
544
Deutschland P B B . 67, 1944. D e r s . Zum dt. Rolandslied P B B . 68, 1945/46 (genau 1172 —1173). F. M a u r e r Zum dt. Rolandslied P B B . 69, 1947.
C. Minis Konrad von Ammenhausen (Nachtrag), s. a. „Des Teufels Netz". A . G o l d s c h m i d t Die Luzerner illustr. Schachzabelbuches des Schweizer Dichters
Hss.
des K.v.A.
Innerschweiz. Jb. f. Heimatkunde 8/10 (1944 bis
i946), s.9-33.
Hannemann
Konrad von Brundelsheim, A b t des zwischen Ansbach und Nürnberg gelegenen Zisterzienserklosters Heilsbronn 1303—1306 und 1 3 1 7 — 1 3 2 1 , wird meistens als Verf. der „Sermones Socci" angesehen, einer seit dem 14. Jh. besonders in Süddeutschland sehr verbreiteten Predigtsammlung (s. Soccus). Feststeht, daß diese 'Sermones' einige Zeit vor 1323 verfaßt sein müssen, weil das 'Buch der sechs Namen' des Mönchs von Heilsbronn (s. d.) diese 'Sermones' z. T . wörtlich benutzte und seine älteste Hs. 1323 datiert ist. Nach C. B ö c k l Wer ist der Mönch von Heilsbronn ? Zs. f. kathol. Theol. 52, 1928, S. 235 findet sich in jenen Predigten wie in den Werken des Mönchs von Heilsbronn „dieselbe Auffassung, dieselbe Gedankenwelt, welche die lat., wie die dt. A b handlungen durchzieht; dort ausführlich, beinahe weitschweifig, hier in gedrängter Kürze . . . dieselbe Arbeitsmethode". Daß der Verf. der ,,Sermones" ein Zisterzienser war, dafür spricht vor allem, daß er den hl. Bernhard am häufigsten heranzieht, wohl auch daß mehrere Hss. aus Zisterzienserklöstern stammen wie Heilsbronn oder Lilienfeld in Österreich. In mehreren Hss. schon des 14. Jhs. werden die 'Sermones' als von A b t Konrad verfaßt genannt, so in Clm. 17554, Bl. 9 : domini chunradi abbatis hailsprunensis und 379 : compilati a domino chunrado abbate de Fönte und Clm. 17555, Bl. 2 abbatis hailsprunensis, beide Hss. aus dem Jahre 1387, in zwei Heilsbronner Hss. der Univ.-Bibl. Erlangen, dem Cod. 308, den Friedrich Hubner 1412 schrieb, mit dem Explicit: Cunradus quondam abbas Heylsprunensis, qui composuit sermones in soccis und dem Cod. 309 vom Jahr 1466 mit dem Incipit: Sermones domini Cunradi de brundelsshem olim abbatis heylsbrunn dicti
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Konrad von Ebrach
in soccis. Diese Zuweisung an A b t Konrad lehnt R. B a u e r r e i ß ab (Wer ist der mal. Prediger ,.Soccus" ? Stud. und Mitteil. z. Gesch. des Benedordens 65, 1953/4 und Kirchengesch. Bayerns I V , 1953, S. 197, 67f.), weil diese Vermerke „erst von späteren Händen des X V . Jhs." hinzugefügt seien, was aber — wenigstens nach seinen Angaben — nur für eine der vier Hss. (308) zutrifft, weil ferner der Abt nicht wie in den meisten anderen Hss. als Soccus bezeichnet ist (den beiden Heilsbronner Schreibern „blieb die Persönlichkeit des Soccus wie der vermeintliche Anteil Abt Konrads völlig im Unklaren") und hier dafür die unverständliche Wendung in soccis sich finde — beide Argumente schlagen nicht durch. Er will Johannes von Marienrode dafür einsetzen, s. d. und Soccus. Aber damit ist das Verfasserproblem nicht geklärt, sondern muß viel weiter und tiefer greifend gelöst werden, d. h., wir wissen immer noch nicht, wer in Wirklichkeit der Autor jener „Sermones" war.
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gleichen Jahre nach Wien, wo er an der Universität dozierte. Hier verfaßte er im Verein mit anderen Theologen die ältesten Statuten der neuerrichteten Fakultät. Er starb im Dezember 1399. K . v. E. ist vor allem für die Geschichte des Thomismus in der zweiten Hälfte des 14. Jhs. bedeutsam. L i t e r a t u r : A. L a n g bei M. B u c h b e r g e r , Lexikon für Theol. u. Kirche V I (1934), Sp. 143 (mit Lit.); G. S o m m e r f e l d t Zu den Schriften des Magisters K. v. E. Z. f. kath. Theol. 29 (1905), S. 747—753; A. Z u m k e l l e r Dionysius de Montina, ein neu entdeckter Augustinertheologe des Spätmas. 1948; F. S t e g m ü l l e r Repertorium commentariorum in sententias Petri Lombardi I Textus, 1947, S. 71—73, n. 167—170, 1 ; A. Z u m k e l l e r Der Zisterziensertheologe K. v. E. ("t z399) im Kampf um Thomas von Aquin Cistercienser-Chronik 56 (1949), S. 1—24; E. K r a u s e n Die Klöster des Zisterzienserordens in Bayern (Bayer. Heimatforschung 7), 1953, S.3öf.
2. Die W e r k e des gelehrten Mönches sind größtenteils nur hsl. überliefert. Sie befassen sich vornehmlich mit theol. und kanonistischen Themen. I m Vordergrund steht Ks. v. E. weitverbreiteter SentenzenA b t Konrad verfaßte — das scheint kommentar ('Commentarius in Sententias'). sicher — einige asketische Schriftchen für Er enthält den Hauptteil dessen, das 1511 Mönche, so eine Anleitung für Novizen zum unter dem Namen Dionysius Cisterciensis Vollkommenheitsstreben im Clm. 2689, ediert worden ist (cf. S t e g m ü l l e r , 1. c. S. 71). K . v. E. ist ebenfalls der Verfasser Bl. 66. A. R o d e r Quasi Stella matutina . . . Ein Predigt- eines juristischen Traktats, des ' Tractatus de entwurf auf das Bernhardsfest von Konrad v. Br. censibus', der das Abgabenwesen, insbeCisterc.-Chronik 60 (1953), S. i n —119. sondere bezüglich der Kleriker, untersucht. K . L. I m ' Tractatus de contractibus' befaßt sich der Autor mit dem Vertragsproblem. K . hat Konrad von Ebrach. 1. Dieser Zisterziensermönch des 14. Jhs. auch eine 'Quaestio deanima Christi' ( S t e g (auch Chunradus de Ebraco genannt), der m ü l l e r , 1. c., S. 433. n. 951, nach einem Sentenzenkommentar) Insasse der fränk. Abtei E b r a c h und anonymen Basler verfaßt, in der Christi Weisheit (sapientia) mehrere Jahre Abt von Morimund (nach Ausbruch des Schismas 1378 als römisch- mit der Allwissenheit Gottes verglichen päpstlicher Abt) war, las 1369/70 oder wird. Ein *Compendium de Confessione' und 1370/71 in Paris die Sentenzen. 1374 wurde verschiedene Reden und Predigten stammen er in der franz. Hauptstadt zum Magister ebenfalls von ihm. A m Aschermittwoch 1386 (1386 I I I 7), auf den damals das Fest der Theologie promoviert. Von 1376 bis 1384 lehrte er Theologie an der Universität Prag. des hl. Thomas von Aquin fiel, predigte K . v. E. über den großen Kirchenlehrer in Dort ist 1377 in den Ordensschulen des hl. Bernhard (0. Cist.) seine Sentenzenvor- Wien ('Sermo de sancto Thoma': Staatsbibl. lesung angekündigt worden. Nach Geneh- München, Clm. 26 608; cf. A . S c h m e l i e r , migung einer theol. Fakultät in Wien C. H a l m , W . M e y e r Catalogus cod. lat. Bibl. Regiae Monacensis I V , 4, 1881, durch Papst Urban V I . 1384 kam K . v. E. zusammen mit Heinrich von Langenstein n. 2131, S. 194). Der größte Teil dieser (1325—1397), Heinrich Totting von Oyta Predigt ist thematisch der Aschermittwochsliturgie entnommen und stellt eine (t J397) und Gerhard von Kalkar im Verfasserlexlkon V.
Konrad von Esslingen
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— Konrad von Fussesbrunnen
Aschermittwochsansprache dar. Der 'Sermo bonus de dedicatione magistri Conradi de Ebrayco', der wie der Introitus des Kirchweihfestes (Dedicatio) mit den Worten Quam terribilis est locus ... (. . . Patriarcha Jacob [MS] locum terribilem dixit, übt dominum et angelos in scala vidit . . .) beginnt, steht in der Hs. der Bayer. Staatsbibl. Clm. 19670, Bl. 1 8 7 — 1 8 7 b (cf. Catalogus IV, 2, 1876, n. 2119, p. 267). L i t e r a t u r : S t e g m ü l l e r , I.e.; Z u m k e l l e r a . a . O . ; R. S t i n t z i n g Gesch. d. populären Lit. des römisch-kanonischen Rechts in Deutschland 1867, S. 543; J. F. v. S c h u l t e Die Gesch. der Quellen und Lit. des Canon. Rechts II, 1877
• 435
r. 26.
Friedrich
Merzbacher
Konrad von Esslingen (Nachtrag). W . O e h l Dt. Mystikerbriefe d. MAs. 1931, S. 236 — 239 (Übersetzung e. Briefes an das Dominikanerkloster Weiler bei Eßlingen mit wichtigen lit. Hinweisen). TT
Hannemann
548
und bietet den besten Text, A und C ändern in verschiedener Weise, gehen aber auf die gleiche Vorlage zurück. Entstanden ist das Werk wohl vor 1210 (H. d e B o o r Gesch. d. dt. Lit. II, S. 378 datiert 'eher kurz vor als nach 1200'). Es zeigt stilistisch und metrisch Einfluß durch Hartmanns (s. d.) 'Erec' und 'Gregorius', andererseits hat es auf Konrad von Heimesfurt (s. d.), Rudolf von E m s (s.d.), Reinbot (s.d.), 'Passional' (s.d.), Bruder Philipps 'Marienleben' (s. d.) eingewirkt. Rudolf von Ems erwähnt K . v. F. in seinem 'Willehalm' (V. 2215—2218): Des von Vuozesbrunnen. Die Quelle ist das gleiche im MA. weitbekannte apokryphe 'Evangelium Pseudo1 Matthaei', das auch dem 'Marienleben' des Priesters Wernher (s. d.) als Vorlage diente. Es ist nicht ausgeschlossen, daß K . v. F . auch dieses Werk kannte. Außerdem hat er die 'Vita beate virginis Marie et Salvatoris rhythmica' (s. d.) benutzt.
3. Inhalt: V. 1 — 90 Prolog: Bitte an G o t t um Konrad von Fussesbrunnen. 1. Der Dichter nennt seinen Namen am Beistand, A b k e h r von früherem weltlichen Denken und Dichten. V . 91 — 138: der Dichter will von Schlüsse seines Gedichtes (V. 3023). E r der Mutter A n n a und ihren drei Töchtern nicht stammt vermutlich aus der Gegend von berichten: Daz verswtge ih hie durch einen list, Krems in Niederösterreich; in Kloster-Neu- want ez vor mir getihtet ist . . . ein buoch heizzet burger Urkunden wird ein Mann seines das anegenge. Swer des mzeres irre gät, der suoch iz dar an wand es da stat. Ein 'Meister Heinrich' Namens zwischen 1182 und 1186 öfter als habe ein Lied über die Jugend der Anna geSohn des Gerunc v. F. genannt, wie J. schrieben (V. 98). Dann beginnt die Erzählung von D i e m e r in den W S B . 13, S. 269, nachge- der Vermählung Josefs und der Maria bis zur wiesen hat. Aus dem Prolog seines Werkes, Rückkehr aus Ägypten. Josef stellt als alter Mann seiner ihm durch das Los zugefallenen Frau frei, in dem er Gott bittet, seinen früher welt- ob sie keusch bleiben oder einen von zwei jungen lichen Sinn zu wandeln, hat man den un- Männern nehmen will. Sie wählt die Keuschheit. sicheren Schluß gezogen, daß er nicht Geist- Als Josef in Geschäften verreist ist, erscheint der licher gewesen sein könne. Aus V. 88—90 Engel Gabriel und verkündet ihr die Geburt eines Sohnes. Es folgt die Geschichte von Zacharias und geht hervor, daß er ehemals weltliche Ge- Elisabeth. Nach neun Monaten k o m m t Josef dichte verfaßte, doch ist davon nichts er- j zurück und beklagt wortreich sein Los, ein betrogener Ehemann zu sein: mit den fiusten er zedem halten noch durch Zeugnisse gesichert. hercen sluoch manigen ungevogen slach untz daz er 2. Sein Gedicht, die *Kindheit Jesu', nach für tot lach. Den Berichten der Mägde, Maria liegt in 3 vollständigen Hss. und mehreren habe keusch gelebt, glaubt er nicht; erst als ihm Bruchstücken v o r : A (Wien), heute ver- nachts im Traum ein Engel erscheint, läßt er den schollen; B (Wien); C (Donaueschingen). Argwohn. Dann aber wird er vor den jüdischen 'Bischof' gezogen, der ihm vorwirft, er habe unB und C haben am Anfang des Gedichtes recht gehandelt, da er Maria nur zur Verwahrung etwa 1100 Verse, die A fehlen; der Schluß bekommen habe. Die Wasserprobe im Tempel beweicht beträchtlich ab. Zu B C stellt sich weist seine Unschuld. Nun fällt der Verdacht auf das Fragment D. A her. von J. F e i f a l i k Maria, die sich aber auch reinigen kann. Darauf die Reise nach Bethlehem. Maria reitet auf einem 1859, B von K . A. H a h n Ged. d. 12. u. 13. Esel, Josef treibt eine K u h vor sich her. In einer Jhs. 1840. Eine kritische Ausgabe, die die Höhle in einem Berg gebiert Maria ihr Kind. Engel ganze Überlieferung heranzieht, veran- umstehen ihr Lager, helles Licht leuchtet. Josef staltete K . K o c h e n d ö r f f e r (QF. 43) 1881. ist in die Stadt geeilt, um Verwandte herbeizuholen. Eine Frau untersucht Maria, die weder Danach steht B dem Original am nächsten
Konrad von Gelnhausen
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Schmerzen verspürte noch krank ist, mit peinlicher Genauigkeit. Das Ergebnis: ir liep ist ir umbewollen, ir chint vater nie gewan. Zur Strafe für ihren Unglauben schrumpft der Frau die Hand, mit der sie Maria berührte. Himmlische Chöre singen: dane. douht die wile nieman lanc. Zwei Jahre nach der Geburt kommen die drei Könige. Sie bringen dri gäbe bezeichenliche m i t : Gold, Weihrauch, Myrrhen, womit Kaisertum, Göttlichkeit und Menschlichkeit Jesu 'bezeichnet' sind. Auf der F l u c h t nach Ä g y p t e n begegnen der Familie Drachen, Wölfe, Löwen und Bären; auf Befehl des Jesusknaben müssen sie den Reisenden dienen. E i n hoher B a u m , der saftige Früchte trägt, neigt sich herab, den Durstenden zu spenden. Räuber bedrohen sie; doch einer von ihnen bekehrt sich, führt Josef und die Seinen zu seinem Hause und bewirtet sie mit höfischem Anstand. Anschaulich schildert der Dichter die Lage von Haus und Hof im Schatten hoher Bäume. Durch wildes Gebirge f ü h r t die Reise in eine Stadt, in der der Teufel 340 A b g ö t t e r eingesetzt hat, deren Bildsäulen bei der A n k u n f t des wahren Gottes herabstürzen. Der Herr der Stadt, Herzog Affrodisius, findet Maria mit dem Kind im Tempel, fällt nieder und betet sie an. Die ganze Stadt bekehrt sich. Nach dem T o d e des Herodes kehrt die heilige Familie in die H e i m a t zurück.
4. Stofflich ist der Dichter seiner Quelle weitgehend verpflichtet, doch wählt er aus, faßt zusammen und macht so die Erzählung wirklich zu einem Ganzen. Gewandtheit des Ausdrucks und Anschaulichkeit der Erzählweise, geschult am Vorbild Hartmanns, kennzeichnen Sprache und Stil. In der Auffassung der erzählten Vorgänge machen sich zwei Tendenzen bemerkbar: ein zuweilen fast krasser Realismus und ein handfester Wunderglaube. Die irdischen Geschehnisse werden sorgfältig begründet und in ausführlicher Darstellung wahrscheinlich gemacht. So gleich am Anfang die Ehe des weißhaarigen Josef mit der blutjungen Maria. Daß Hirten auf dem Felde sind, hat seinen Grund darin, daß Rom befohlen hat, Vieh abzuliefern; da die Stadt von Menschen überfüllt ist, muß das Vieh außerhalb der Mauern untergebracht werden, wo es natürlich gut bewacht werden muß, damit es dehein
schaden
n&me
von
Wolfen
noh
von
dieben. Andererseits ist alles jenseitige Geschehen gänzlich wunderhaft aufgefaßt. Immer wieder erscheinen Engel, Chöre singen, überirdisches Licht leuchtet, die Geburt geschieht ohne Schmerzen der Mutter, begleitet vom Gesang der Engel. Wirkungsvoll stellt der Dichter besonders
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in der Figur des Josef den engen, mißtrauischen, ängstlichen Sinn der Menschen und ihre immer bedrohte Welt der göttlichen Wunderwelt, die Maria umfängt, gegenüber. Das Ganze des Daseins erscheint in der scharf dualistischen Scheidung von irdischer Wirklichkeit und göttlicher Herrlichkeit. So ist auch die aus der höfischen Dichtung übernommene Formel swer jenez (Leben) erwirbt der hat diz wol (V. 49) zwar auf das wirkliche Dasein bezogen, insbesondere auf das höfische Leben, das K. wohl zu schätzen weiß (vgl. besonders V. 2353ff.), wird aber doch ganz aus geistlicher Sicht verstanden, die die göttliche Fürsorge für den frommen Menschen als jeweiligen Lohn für die einzelne Glaubenshandlung versteht. E . Ö h m a n n Zur Kindheit Jesu Konrads v.F. Annales Universitatis Aboensis B , V I I I , 1929. D e r s . Reinbots Heil. Georg u. d. Kindheit Jesu Z f d A . 68, S. 270 — 273. Zur Heimat- und Verfasserfrage: F. P f e i f f e r Z f d A . 8, S. i 6 o f . ; J. D i e m e r W S B . 18, 1856, S. 2 6 0 - 2 6 9 ; M. A . B e c k e r B l ä t ter d. Ver. f. Landeskunde v. Niederösterr. 1866; K . K o c h e n d ö r f f e r A f d A . 13, S. 299f.; A. L e i t z m a n n Z f d A . 67, S. 169 — 173; E . S c h r ö d e r ebda. S. 1 7 4 — 1 7 6 ; K . B a r t s c h K. v. Fußesbr. u. K. v. Heimesfurt Germ. 8, S. 307 — 330. — QueHenfrage: K o c h e n d ö r f f e r Ausg. S. 2 6 — 4 1 . Öhmann S.33 —46; S. S i n g e r Prager dt. Studien 8, S.303f.; M. P ä p k e Das Marienleben des Schweizer Wernher (Pal. 181). S. 1 7 5 f f . Stil: K o c h e n d ö r f f e r A u s g . S. 42 — 5 1 ; Ö h m a n n S. 4off.; S c h r ö d e r Z f d A . 66, S. 1 4 1 I ; Sprache: A. L e i t z m a n n Z f d A . 67, S. 169 — 173; E . S c h r ö d e r ebda. S. 174 — 196; ö h m a n n S. 26—33. — E h r i s m a n n Schlußband S. 361 ff., 363; J. S c h w i e t e r i n g Die dt. Dichtung d. MAs. S. 2g8f.; H u g o K u h n in B u r g e r Annalen der dt. Lit. S. 152; H. d e B o o r Gesch. der dt. Lit. I I , 1953. S. 277 — 279. j w S c h r ö d e r
Konrad von Gelnhausen. 1. Geboren um das Jahr 1320 in der alten Reichsstadt Gelnhausen in der Wetterau, entstammte er einem vornehmen Gelnhäuser Bürgergeschlecht, das seit Generationen nachweisbar Juristen, Notare, fürstliche und bischöfliche Kanzleibeamte hervorbrachte. In Paris studierte er seit 1344 Philosophie und Theologie und erwarb auch dort den artistischen Lizentiatengrad. In Bologna widmete er sich dem Studium des kanonischen Rechts. 1359 wurde er unter Erzbischof Gerlach von Nassau (1354- -1371) Kanoniker in Mainz. Um das Jahr 1360 18»
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Konrad von Gelnhausen
war er vermutlich in der kurfürstlichen Kanzlei des Pfalzgrafen Ruprecht I. (1353 bis 1390) tätig, als R a t (consiliarius) Ruprechts II. (1390—1398) amtete er noch in seinem Todesjahr. 1369 versah er an der Universität Bologna das A m t des Prokurators der dt. Nation. Nach der Promotion zum Doctor decretorum kehrte er zu weiterem theologischen Studium an die Universität Paris zurück. Hier erhielt er als Professor nach Ausbruch des großen abendländischen Schismas (1378) vom franz. König Karl V . (1364—1380) den Auftrag, seine Gedanken über den Konzilsplan zu entwickeln, woraus seine 'Epistola brevis' und seine 'Epistola concordiae' (siehe unter 2) entstanden. 1380 wurde er Dompropst zu Worms. K . v. G. charakterisiert sich als Mann der Kirche von hohem Format und bedeutender Größe. E r lehrte bereits — Theologe und Jurist zugleich — an der weltbekannten Universität Paris, einer der berühmtesten Kulturzentren des Abendlandes, als er 1385 in der Stiftungsbulle für die Universität Heidelberg von Papst Urban V I . (1378—1389) zum ersten Kanzler der neuen Hochschule ernannt wurde. Hier las er in der juristischen Fakultät seiner neuen Wirkungsstätte über Kirchenrecht, möglicherweise daneben noch in der theol. über biblische Bücher. Während er im Schisma zeitweilig eine neutrale Stellung bezog, steht er dann im wesentlichen auf Seiten Urbans VI., des römischen Papstes, gegen Klemens V I I . (1378—1394), den avignonesischen Gegenpapst. E r ist jedoch, gemessen an seiner ganzen Haltung, keineswegs ein Revolutionär, viel eher ein Traditionalist zu nennen. Der Gelehrte trat bei ihm wohl hinter dem Kirchenmann, dem kirchlichen Praktiker, zurück. Seine kostbare, wertvolle Bücherei von 211 Werken (hauptsächlich theologischen und kanonistischen Inhalts) vermachte er der Universität Heidelberg. Zusätzlich bedachte er sie noch mit einem Legat in Höhe von 1000 Gulden, die er für die Errichtung eines Kollegs nach dem Vorbild der Sorbonne, d. h. zur Gründung eines großen Studienhauses für zwölf ordentliche Lehrer, bestimmte. A m 13. April 1390 verstarb er zu Heidelberg.
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L i t e r a t u r : A. P o s c h in B u c h b e r g e r Lex. f. Theol. und Kirche V I (1934), Sp. 144; P. F. P a l u m b o Enciclopedia cattolica I V (1950), col. Ö32ff.; F. B l i e m e t z r i e d e r Die wahre historische Bedeutung Ks. v. G. zu Beginn des großen abendländischen Schismas Stud. u. Mitt. zur Gesch. d. Bened.-Ordens 28 (1907), S. 549—556; D. E. C u l l e y K. v.G. Sein Leben, seine Werke und seine Quellen Phil. Diss. Leipzig, Halle a. S. 1913; G. R i t t e r Die Heidelberger Universität I, 1936.
2. Ks. v. G. S c h r i f t e n sind für die Literatur der konziliaren Epoche bedeutend geworden. K . v. G. ist aber nicht, wie man lange annahm, der Begründer der konziliaristischen, demokratischen Kirchentheorie. Er hat lediglich den längst vorhandenen aristotelisch-scholastisch-kanonistischen Begriff der Epikie (Aequitas), die Idee von einem das positive Gesetz brechenden Notstandsrecht der universalen Kirche zur Verteidigung eines Konzils ohne Papst im Augenblick der tatsächlichen Notlage (Schisma von 1378) aufgegriffen. Das Generalkonzil wertet er als alleiniges Mittel der Schismabeilegung. Es darf in außergewöhnlichen Zeiten eben kraft der Epikie (Notrecht) auch ohne päpstliche Autorität versammelt werden. Als erste Veröffentlichung Ks. v. G. ist hier der „kurze Brief", die sog. ,,Epistola brevis" vom Jahre 1379 z u nennen (her. von H. K a i s e r Der „kurze Brief" des K. v.G. HistVjschr. 3, 1900, S. 381—386). Er stellt eine „anspruchslose Gelegenheitsschrift" (H. K a i s e r ) , nur eine Zusammenfassung der dem franz. König mündlich vorgetragenen Gedanken dar. Ihm fehlt daher ebenfalls die strenge Logik und die rein-theoretische Methode des späteren „Eintrachtbriefes". Hier sind in den T e x t sogar praktische Winke und Ratschläge eingestreut. Aus dem Inhalt des Gutachtens, das quellenmäßig auf Wilhelms von Occam 'Dialogus' und der 'Summa theologiae' des Thomas von Aquin fußt, ist der Beschluß zur Berufung des Konzils und des Tagungstermins durch die weltlichen und geistlichen Fürsten hervorzuheben. An die Spitze der Konzilsbewegung sollen der franz. und der dt. König treten. Eine Ausgabe der bedeutenderen 'Epistola concordiae' von 1380 findet sich unter dem Titel 'Tractatus de congregando concilio' bei M a r t e n e - D u r a n d Thesaurus
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Konrad von Halberstadt, der jüngere
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novus Anecdotorum II, 1717, S. 1200—1226, im SpätMA. SZfRG. 70 Kan. Abt. 39 (1953), und in einer Neuausgabe bei F. B l i e m e t z - S. 327ff.; F . B a e t h g e n bei B . G e b h 8a r d t — H. G r u n d m a n n Handbuch d. dt. Gesch. I (1954), r i e d e r Literarische Polemik zu Beginn des \ S. 5 i 7 f f . ; H. E . F e i n e Kirchl. Rechtsgesch. I 2 großen abendländischen Schismas (Publik, (1954), S. 408 f. d. Österr. Hist. Instituts in Rom I), 1909, Einen von K . v. G. verfaßten biblischen S. i n f. Viele Wendungen sind darin aus Kommentar, eine 'Lectura super Cantica der 'Epistola brevis' entnommen. Auch die Canticorum', ein einmaliges Zeugnis seiner Quellengrundlage ist weitgehend die gleiche. theol. Wirksamkeit, verwahrt die HeidelF. B l i e m e t z r i e d e r (Stud. Mitt. Gesch. d. berger Univ.bibl. (vgl. R i t t e r a. a. O. Benediktiner-Ord. 28, S. 555) deutet beide S-497)Friedrich Merzbacher Epistolae als „Eintagsfliegen", die für den Augenblick gerechnet waren. K . v. G. sieht Konrad von Halberstadt, der Jüngere. die K i r c h e als Gemeinde der Gläubigen in der Einheit der Sakramente (Ecclesia Der Dominikaner K . ist zu scheiden von vero, quae est congregatio fidelium in unitate einem älteren Träger des gleichen Namens, sacramentorum). Die Universalkirche ver- der 1321 im Generalkapitel der Dominifügt über zwei geistliche Häupter: Christus kaner zu Florenz als Definitor der sächsiund Papst. Beim Fehlen des caput secun- schen Ordensprovinz erscheint. Der jüngere darium, des Papstes, ist Christus das K . ist 1342 und 1350 greifbar als Lektor an alleinige Haupt (caput primum) der Kirche. der Ordensschule zu Magdeburg, wird 1350 Die kirchliche Gewalt sinkt damit wieder als Vikar, 1351—1354 als Provinzial der an die Gesamtheit der Gläubigen zurück. sächsischen Provinz genannt. 1345 wurde er Diese Gemeinschaft, die Universalkirche, zum Magister der Theologie promoviert. In wird als oberste, volkssouveräne Macht der einigen seiner theologischen, K a r l IV. geKirche durch das Generalkonzil repräsen- widmeten Traktate nennt er sich provinciae tiert. Ihr unterstehen Papst und Kardinals- Saxon. Professor theologiae. E r war ein kollegium. Bei K . v . G. decken sich inhalt- fruchtbarer, zu seiner Zeit wohl sehr belich weitgehend die Begriffe Kirche und achteter Schriftsteller, entwickelte ebenso Konzil, finden die Wesensmerkmale der viel Gelehrsamkeit wie wenig Originalität, konziliaristischen Theorie mit ihrer Zurück- erwarb sich aber ein Verdienst um die Bibelweisung der papalen Oberhoheit (kuria- konkordanz, indem er die Konkordanz des listische Theorie!) ihren unverkennbaren des Hugo von St. Caro verbesserte und um Niederschlag. die undeklinierbaren Worte bereicherte. Neben seinen theologischen Schriften ( T r i L i t e r a t u r : (siehe unter I ) ; ferner: L o s e r t h logium continens theologiam et historias sive R G G . 2 I I I (1929), Sp. 1216; A. K n e e r Die Entcronicas diversas', Hs. d. Prager Dombibl.; stehung der konziliaren Theorie Rom. Quartalschr. 'De trinitate', Hs. d. Gymnasialbibl. zu f. christl. Altertumskunde u. f. Kirchengesch., Suppl. H. 1, 1893; K. W e n c k K. v.G. und die Halberstadt; 'Figurae historiae Christi', Quellen der konziliaren Theorie HistZ. 76 (1896), Clm. 8093; 'Glossemata in Josuam'; 'De S. 6 — 6 1 ; K . H i r s c h Die Ausbildung der konnumero duodenario') schrieb er einen histoziliaren Theorie im XIV. Jh. (Theol. Stud. d. Leo-Ges. 8), 1903; F . B l i e m e t z r i e d e r K. v.G. risch-politischen Traktat „De origine regnound H. v. Langenstein auf dem Konzil zu Pisa rum et de regno Romanorum" und eine ,,Cro140g Hist. Jb. 25 (1904), S. 536ff.; F . B l i e m e t z nographia summorum pontificum et imperar i e d e r Das Generalkonzil im großen abendläntorum". Originell an diesem historischen dischen Schisma 1904; A. H a u c k Die Rezeption und Umbildung der allgemeinen Synode im MA. Werk ist die Einteilung der Weltgeschichte: Hist. Vjschr. 10, (1907), S. 465—482; A. H a u c k K . gliedert sie in vier Teile und acht EpoKirchengesch. Deutschlands V, 2 (1953), S. 738ff.; chen. Der erste Teil handelt von der SchöpA. D e m p f Sacrum Imperium 1929, insbesondere fung, der zweite von den sechs Weltaltern, S. 539f-; E . W o h l h a u p t e r Aequitas canonica (Görres-Ges., Veröffentl. d. Sektion f. Rechts- u. der dritte und vierte Teil meinen das siebte Staatswiss. 56. H.), 1931, S. 85; M. S e i d l m a y e r und achte Weltalter, den W e g der Seele bis Die Anfänge des großen abendländischen Schismas zur Auferstehung und ihr ewiges Leben (Span. Forschungen d. Görres-Ges. II, 5), 1940; (vgl. die Vorrede in P e r t z Archiv X I ) . Im F . M e r z b a c h e r Wandlungen des Kirchenbegriffs
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Konrad, A b t von Heilsbronn
— Konrad von Heimesfurt
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übrigen kompiliert K . seine Quellen, aus | Gottfried v. Straßburg (s. d.) und Wirnt v . denen Martin von Troppau, die Sächsische | Gravenberg (s. d.) : von Heimesvurt her Weltchronik, die Erfurter Minoritenchronik Kuonrat, von gote wol getihtet hât V. 3189 f. (MGH. SS. 24), die ''Flores Chronicorum' 2. K . v. H. übertrug, wie Konrad v. des Bernardus Guidonis und das 'Chronicon Fußesbrunnen (s. d.) und unter dessen EinSampetrinum' hervorragen. Die 1 Cronofluß, den Stil der höfischen Dichtung auf graphia' reichte bis 1343; bis 1353 hat sie geistliche Stoffe. E r hat zwei Werke geein Johann Sprenenberg fortgesetzt. schaffen : a) Die 'Himmelfahrt Mariae' (Von Unklar ist, ob die theologischen Schriften unser vrouwen hinvart V. 64), verfaßt um 'Tripartitum per Abecedarium sive loci com- 1225, 1130 Verse. Quelle ist ein aus dem munes theologico-morales' und 'Quadripar- Griech. des 4. Jh. ins Lat. übersetztes Werk titurn morale' dem jüngeren oder dem älte- des Bischofs Melito von Sardes 'De transren K . zuzuschreiben sind. Dem älteren ge- itu Mariae virginis', wie K . selbst angibt hören wohl die 'Mensa philosophica', ver- (Milto von Sardania V . 77ff.), b) Die 'Urmutlich die in den ersten Jahrzehnten des stende' (Auferstehung), verfaßt um 1230, 14. Jhs. entstanden ist, und der 'Tractatus 2162 Verse. Quelle ist das apokryphe 'Evanmense philosophice et responsorii curioso- gelium, Nicodemi'. rum', der in vielem so mit der 'Mensa ph.' 3. In der 'Himmelfahrt Mariae' erzählt der übereinstimmt, daß beide von demselben Dichter anschaulich vom Leid der Maria nach dem Verfasser stammen müssen, s. G. F r e n k e n Tode Jesu. Der Engel Gabriel erscheint ihr und tröstet sie: binnen drei Tagen werde sie erlöst Die älteste Schwanksammlung des MAs. Jb. werden und als hüneginne stän in dem oberisten des Köln. Geschver. 8/9, 1927, S. 105—121, träne mit zepter und mit krâne (V. 228 — 230), Johannes, der Lieblingsjünger des Herrn, wird von mit weiterer Literatur. Hss. der 'Cronographia': Hannover, Cod. X I I I , Nr. 753, Wiener Haus-, Hof- u. Staatsarchiv Nr. 3175. Der von Sprenenberg ergänzte Teil her. von K . W e n c k F D G . 20, 1880, S. 292ff. L i t . : W e n c k a . a . O . S. 279ff.; O. L o r e n z Dtschlds.
Geschichtsquellen
II, 1887, S. 130.
Heinrich Schmidt Eonrad, Abt von Heilsbronn. V o n ihm eine dt. Marienpredigt in Bamberg E V I I I 16 (hist. 157), Anf. 15. Jh., 9 9 a — 1 0 8 a über Hohelied 8, 5: Das ist die predig her kunracz apt ze hailsprunne. Zweifelsohne identisch mit Konrad von Brundelsheim (s. Mönch von Heilsbronn). Kurt Ruh Konrad von Heimesfurt. 1. Der Dichter gibt seinen Namen zweimal an, 1. in der 'Himmelfahrt' V. 20 f . : ich armer pfaffe Kuonrat geborn von Heimesfür te; 2. in der 'Urstende' in einem Akrostichon der Abschnittsinitialen : Curat fon Heimesvurt hat diz buch gemachet des raten unde turt guten samen swachet. amen. Heimesfurt (heute Hainsfarth) liegt bei (Dettingen in Bayern. Ein Maiin gleichen Namens ist von 1198—1212 mehrfach urkundlich erwähnt; ob er mit dem Dichter identisch ist, muß fraglich bleiben. Rudolf v . Ems (s. d.) im 'Alexander' nennt ihn zwischen
Ephesus wunderhaft ins Gemach der Maria versetzt, davor versammeln sich die übrigen Apostel. Christus erscheint und befiehlt ihnen, zwei Tage lang bei Maria zu warten, bis er kommen werde. Dies geschieht am dritten Tage; Maria stirbt, die Apostel tragen sie auf der Bahre zu Grabe. Ein edler Wettstreit unter ihnen entsteht, wer die Palme tragen solle (V. 533ff.). Beim Gang zum Grabe wollen die Juden das Begräbnis stören, aber ein Wunder geschieht: als der jüdische 'Bischof' die Bahre in den Schmutz zerren will, bleiben seine Hände daran kleben als der vogel an dem kloben (V. 671). Darauf verläuft der Pöbel sich ängstlich. A m Grabe erscheint Jesus, erweckt die Tote und fährt mit ihr gen Himmel. Als die Apostel nun auseinander gehen wollen, eilt Thomas herbei, von Vorwürfen empfangen, daß er sich verspätet habe. Doch er berichtet, daß Gott ihm das Glück gegeben habe, zu schauen, wie die himmlischen Heerscharen die Gottesmutter empfingen.
Der Dichter ist überall auf klare Sachdarstellung bedacht. E r s i e h t die Vorgänge, er bewegt wirkliche Menschen mit wirklichen Empfindungen. Damit folgt er seinen Vorbildern Konrad von Fußesbrunnen und Gottfried von Straßburg, weniger der Dichtung Wolframs (s. d.) und Hartmanns (s. d.), die er sicher gekannt hat. Fern von jedem Mystizismus und Symbolismus gestaltet er die Handlung wie ein Ereignis des Alltags. Bezeichnend dafür ist, daß er für die wunderhafte Versetzung des Johannes v o n Ephesus zur Wohnung der Maria ausführ-
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Konrad v o m Hirschhorn (Hirczhorn) —
lieh ein Beispiel aus dem A T . anführt (V. 279 f f . ) : so wie es damals geschah, so geschieht es auch hier. Man spürt überall die Absicht, den religiösen Stoff menschlich nahe zu bringen. Als die Juden bemerken, daß es ihrem bischof beim Angriff auf die Bahre der Maria böse ergeht, dö begunden sie sich in die winkel smucken / und von deme wege ducken. / si winkten einander tougenlichi: / 'birg du dich dä, hie birge ich mich . . .' (V. 77off.). Andererseits weisen Stellen wie diese auf Gottfrieds formales Vorbild hin: aller vröuden vrouwe, vrönwe dich. / joch vröwet von dinen vröuden sich / swaz vröude dä ze himel ist V . 2 1 7 — 2 1 9 ; Swem nü herzeleii geschiht / und in des leides anders niht / wan leit mit leide ergetzet, / so leit solch leit setzet / daz leides niemer ende •wirt, / swä leit mit herzeleide swirt, / swem aller leidest ie beschah, / des leit und des ungemach . . . V . 159 ff. A n Wolframs Willehalmprolog erinnert das Gebet des Petrus V . 807—874. E s fehlt nicht die in der weltlichen Dichtung übliche Syntheseformel: Gottes Huld behalten und der Welt Lob begehren V. 909—936, die hier nun freilich auf die hirat (V. 923) d. h. auf die e zwischen Jesus und der maget, sine muoter verengt wird (V. 940ff.): ein Beispiel für die etwas gewaltsame Art, wie zuweilen Motive der großen Vorbilder auf einen Stoff übertragen werden, der ihrer gar nicht bedarf. 4. In der 'Urstende' erzählt der Dichter Leidensgeschichte, Kreuzigung, Höllenfahrt und Auferstehung Christi. E r führt dabei alles das, was nicht im Bericht der Bibel steht, breit aus, vor allem die Gerichtsszene vor Pilatus und die Einkerkerung des Joseph von Arimathia und seine Befreiung durch das wunderhafte Erscheinen Christi im Kerker. Die Höllenfahrt Christi wird — der Quelle folgend — im Anschluß an das Pfingstwunder als Augenzeugenbericht der v o m Tode erweckten beiden Söhne des Simeon erzählt. Seiner Neigung, lehrhafte moralische Erörterungen einzuflechten, folgt der Dichter hier mehr als in dem früheren Werk. Überhaupt liegt wohl der wichtigste Unterschied zu Konrad v . Fußesbrunnen, der immer im epischen Erzählen bleibt, in der Tendenz, formal und inhaltlich auf Autoritäten zurückzugreifen
K o n r a d v o n Megenberg
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und den Leser auf die religiöse Überlieferung zu verweisen. A u s g a b e n : 'Himmelfahrt Mariae' v o n F . P f e i f f e r Z f d A . 8, S. 156 — 200; A . E . S c h ö n b a c h Z f d A . 17, S. 5 1 9 f f . (Grazer Hs.) E s g i b t 3 Hss. und einige Bruchstücke. 'Urstende': K.A.Hahn Ged. d. 12. u. 13. Jhs. 1840, S. 103 — 128. — Zur T e x t k r i t i k : M. J e l l i n e k und C. K r a u s Z f ö G . 44 (1893), S. 6 g i f . ; S. S i n g e r Prager dt. Studien 8, S. 304 — 306; A . L e i t z m a n n Z f d A . 67, S. 273 bis 282; K . B a r t s c h Germ. 8, S. 228; L o t t e K u n z e Studien zu K. v. H. Diss. Göttingen 1921 (Masch.); A . S t ö c k l i Z f d A . 65, S. 1 7 7 - 1 8 8 ; F . K r a m m Über Ks. v. H. Sprache und Verskunst. Seine Himmelfahrt Mariae im Verhältnis zu ihrer Quelle Diss. Freiburg 1882. — G . E h r i s m a n n Schlußband S. 3 6 3 f f . J. S c h w i e t e r i n g Die dt. Dichtung des MA. S. 299ff. K . E . H a l b a c h D t . Phil, im Aufriß 2 (1953), S. 644. H . d e B o o r Gesch. d. dt. Lit. 2 (1953). s - 3 7 7 ~ 3 7 9 -
W . J. Schröder Pergamentumschlag zum hsl. Verzeichnis der Almosenspenden für Tulfes (ehem. Großpfarre A m p a ß - T u l f e s - R i n n bei H a l l des Prämonstratenserstiftes Wilten-Innsbruck) z u m Kirchweihfeste aus dem Jahre i486, j e t z t im Stiftsarchiv Wilten, L a n d e 35. Ff., vier Seiten Kleinquart, enthält stark überarbeiteten jüngeren T e x t aus 'Die Himmelfahrt Mariä' v o n K . v . H . aus der Z e i t u m 1350. E r ist mit keiner der b e k a n n t e n Hss. der D i c h t u n g näher verwandt. A n h a l t s p u n k t e für Beziehungen z u m Neustifter (Innsbrucker) Mariahimmelfahrtsspiel v o n 1391 (s. d.) oder zu den heilsgeschichtlichen Schauspielen der alten Pfarren A m p a ß - A m r a s (s. o. 'Ludus de Antichristo' III, Sp. 162) treten nicht hervor. ^ Dörrer
Konrad vom Hirschhorn (Hirczhorn) gibt ein ler vom gesuchte im Cod. M. I I I 3 der bundesstaatl. Studienbibl. Salzburg (Bl. I2?b-)-
S. Sudhof
Konrad von Hohenburg (Nachtrag), s. a. Rudolf von Rotenburg. J. L e f f t zDer Minnesänger Püller von Hohenburg Elsaßland 11 (1931), S. 71 — 7 5 ; v g l . D i e Oberp f a l z 1939, S. 228 — 230. C. v . K r a u s Dt. Liederdichter des 13. Jhs. 1 (1952), S. 321 — 324 (Der Püller), 175 — 179, 386 u n d 393 u n d I I (1954). S. 2 2 3 - 3 9 .
Konrad von Kirchberg (Nachtrag): C. v . K r a u s Dt. Liederdichter des 13. Jhs. (1952), S. 232 — 238 und I I (1954). S. 281/7.
1
Hannemann Konrad von Megenberg (Nachtrag). Die Monographie H. I b a c h s Leben und Schriften des K. v. M. (Neue dt. Forschungen 7)
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Konrad von Megenberg
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1938 förderte die Forschung von der hsl. Überlieferung bis zur Wertung (das 3. Kap. behandelt die Eigenart des Menschen und den patriotischen Verteidiger des christlichen Ordo). Zu 1. Nach W. K r a f t in den Mitteil, zur Gesch. der Med., der Naturwiss. und der Technik 40, 1941/2, S. 321/5 stammt K. nicht aus Mainberg bei Schweinfurt, sondern aus Mäbenberg, früher Megenberg bei Spalt oder Herrieden nahe bei Abenberg und Schwabach. — Biographisches aus der wiedergefundenen ,,Oeconomica" teilte Th. K a e p p e l i Revue d'Histoire Ecclésiast. 45,
der Widmungsbrief an Lupoid von Bebenburg, II, 4, 13 und III, 1, 20. Den größeren Teil aus dem Pal. lat. 1252 und zwar Bl. 99b bis 109a (III, 1, 1—14) gab L. T h o r n d i k e heraus, ohne dies als Eigentum Ks. zu erkennen : University Records and Life in the Middle Ages 1944, S. 409/33 mit engl. Übersetzung. Kollation dazu von A. P e l z er a. a. O. Zu 2 f. Beim ,,Tractatus contra Wilhelmum Occam" kommt zu den bekannten beiden Hss. ein Fragment: Prag Metropol.-
1950, S . 5 9 o f f . m i t .
K a e p p e l i a. a. O. S. 595. Zu 2i. Zum Clm. 14 016 des ,,Repertorium nuptiale" nennt K a e p p e l i a. a. O. S. 595 noch die Hs. Prag Univ.-Bibl. 353, Bl. 95—
Zu 2 a. Neue Ausgabe des „Planctus ecclesiae in Germaniam" durch R. S c h o l z 1941 : Staatsschriften des späteren MAs. MGH. C 2, II, 1 (mit gehaltvoller Einleitung und reichen Literaturangaben). Zu 2b. Der „Commentarius de laudibus B. V. Marie" deutet zwei Marienlieder Ks., die er vor 1349/50 dichtete, sehr umfänglich aus : die 5 Tractatus, die 2—8 Kapitel umfassen, füllen im Clm. 14 190 T26 Bll., an die sich noch 12 distincciones gracie, verschiedene Exkurse, 12 conclusiones und 21 solutiones bis Bl. 153 anschließen. Vgl. I b a c h S. i i 7 f f . Zu 2c. Die bei Trithemius erwähnte Schrift Ks. „Monastica ad ducerti Austriae lib. I." ist das 2. Buch des „Speculum felicitatis humanae", vgl. I b a c h a. a. O. S. 5 5 f f . Dazu K a e p p e l i a. a. 0 . Zu 2d. Von der „Oeconomica" sind zwei Hss. gefunden : Sevilla Bibl. Colombina 7—7—32, Pap.-Hs. dt. Herkunft aus dem 14. Jh. (Bl. 2 b : Incipit Economica Conradi de Monte puellarum, Canonici Ecclesie Ratisponensis) enthält das Ganze; Pal. lat. 1252, 15. Jhs., B l . 96a—109a dagegen nur I, 3,
cap. 49, I, 1, cap. 10, 1 7 , 18, I i , 8, III, 1, cap. 1 — 1 4 . L'oeconomica de Conrad de Megenberg retrouvée Revue d'Histoire Ecclés. 45, 1950, S. 5 5 9 f f . : A. P e l z e r Les fragments du ms. Palatin latin 1252 du Vatican und Th. K a e p p e l i Le texte entier du ms. 7—7—32 de la Bibl. Colombine de Séville (S. 569/90 — mit reicher Inhaltsangabe und Nachweis der Quellen). S. 5 9 6 — 6 1 6 Stücke daraus abgedruckt : die Inhaltsangabe vonBl. 1—4,
Bibl. 1574, 15. Jhs., B l . 1 2 6 a — 1 3 1 b u n d 146a—149b ( = Cap. 6 bei S c h o l z ) , s.
158.
Zu 2m. Bei dem unter den lat. Schriften Ks. am reichsten überlieferten „Tractatus de limitibus . . ." kennt I b a c h a. a. O. S. 131 noch 3 Hss.: die Abschrift der besten Hs. (Domkap. zu Regensburg H. 42) in der Kreisbibl. zu Regensburg, epp. Ratisb. 531 von 1661; Würzburg Minoritenkloster I 30, 15/6. Jhs., enthält nur die historischen Kap. 1 — 2 und Clm. 14 053, Ende 15. Jhs., nur 1—6. Folgende Schriften sind hinzuzufügen: 20. „Quaestiones in Johannis de Sacrobosco tractatum de sphaera" aus dem Jahr 1347 s i n < i i m Clm. 14 687, 14. Jhs., Bl. 71 bis 95 überliefert (Incipit: Optimus astrologus multum malum prohibere potest).Diese naturwissenschaftliche Schrift war eine Vorarbeit zur „Dt. Sphaera"; darin werden das „Centilogium" des Ptolemäus und der „Tractatus de fato" des Albertus zitiert. In diesem Codex stehen Bl. 1—60 „Commentarius in Joannis de Sacrobosco tractatum de sphaera" und Bl. 6 1 — 7 0 verschiedene „Quaestiones astronomicae et physicae", besonders über Ptolemäus. Sind auch sie von K . verfaßt oder nur benutzt? Es scheint so, als ob die Hs. ein Handexemplar Ks. war. Vgl. I b a c h a. a. O. S. 65f. 2p. „Tractatus de mortalitate in Alamania", überliefert in Maria-Saal 15, um 1400, Bl. 1 0 6 — 1 1 5 , handelt über die Naturkatastrophen von 1 3 4 7 — 1 3 5 ° u n ( i beginnt den eigentlichen T r a k t a t : Est igiiur questio.
56I
Konrad von Münchingen
utrurn mortalitas hominum, que fuit hiis annis, sit ab ulcione divina propter -peccata hominum vel a cursu quodam naturali. In der Vorrede steht die W i d m u n g an den E n d e Mai 1348 Kardinal gewordenen Pierre Roger de Beaufort (später Gregor X I . 1370/8). K . verfaßte wohl die Schrift 1350 oder 1351. Vgl. I b a c h a. a. O. S. 66ff. 2q. ,,Quatuor conclusiones Wurley", ein T r a k t a t gegen Walter Burleys „ F o r m e " : Intendo in hoc tractatu terminare, utrum forme contrarie, sicut calor et frigus, albedo et nigredo, sint eiusdem speciei specialissime. Überliefert in Wien Dominikaner-BibJ. 401/130, 14. Jhs., Bl. 83 a — 9 1 b . Während das Incipit dieser Hs. Bl. 83 a den zitierten Titel hat, heißt es im Explicit B l . 9 1 b : Tractatus magistri Chonradi de monte puellarum, rectoris universitatis parisiensis, qui Probat oppositum contra Wurley . . . Vgl. K a e p p e l i S. 594. 2r. „Appellatio contra omnes mendicantes in Ratispona" erwähnt N. Glaßberger in seiner A n f a n g des 16. Jhs. geschriebenen Chronik, wonach sie K . am 2. März 1359 vollendete (Anal. Franciscana II, 1887, S. 192). Vgl. I b a c h a. a. O. S. 1 1 1 . Bisher noch nicht gefunden. 2s. „De filiatione dei", diese bisher unbekannte Schrift erwähnt K . in der „Oeconomica", s. die Hs. v o n Sevilla, Bl. 1 3 3 b : in tractatu meo de filiacione dei und 138 b : in eo videlicet libro, quem filiorum dei tractatum intitulavi, s. K a e p p e l i a. a. O. S. 594, wo die Zitate ausführlicher ausgehoben sind. H. R u p p r i c h Das Wiener Schrifttum des aus-
gehenden MAs. Nachrichtenbl. des Ver. f. Gesch. der Stadt Wien 2 (1940), S. 80 — 82. F. B u c h n e r K. v. M. Die Oberpfalz 38, 1950, S. 121 —124.
K . Langosch Konrad von Münchingen, s. P e u n t n e r , Thomas. Konrad von Mure. I. K o n r a d von Mure, Chorherr und K a n tor am Großmünsterstift in Zürich, geb. u m 1210 in Muri/Aargau (seine Eltern hießen Ulrich und Irmengard), f Zürich 30. 3. 1281. E r studierte wahrscheinlich in Bologna und war vorübergehend in Italien in der kaiserlichen Kanzlei tätig, dann wohl in Paris, wo er den Magistertitel erworben haben wird
— Konrad von Mure
562
(den Titel eines Doktor decretorum h a t er nicht geführt, die diesbezügliche Behauptung Hemmerlins scheint unbegründet). Später wird er Pfründner des Züricher Stifts, 1244 Rector puerorum und im gleichen Jahre noch Scholasticus, daneben Leutpriester bzw. Pfründeninhaber von Gößlikon und E g g e n w y l ; 1259 erhält er das neugeschaffene A m t des K a n t o r s und stellte als solcher ein 1 Breviarium chori Thuricensis' zusammen (Hs. Zürich, Stadtbibl. Cod. membr. fol. 173 (1260), S. 1—82). Sein Schullehreramt versah er bis 1 2 7 1 ; mit seiner Lehrtätigkeit sind die Mehrzahl seiner W e r k e eng verflochten. E r ist ein typischer Vertreter der Schulliteratur und Gelehrsamkeit seiner Zeit und spiegelt geistige Regsamkeit, Bildung und Interessenkreis der Schweizer Hauptstadt kurz vor dem Unabhängigskeitskampf aufs beste wieder. 2. A l s Merkverse für den Schulunterricht sind eine Anzahl seiner lat. Reimdichtungen aufzufassen, eine lat. Sprachlehre ('Novui Graecismus'), eine Tierkunde, ein B u c h übei geographische Namen, das erste in seiner A r t , und eine Aufzählung der Päpste und Kaiser, während er seine weit verbreitete wichtige Darlegung über mythologische Ausdrücke ('Fabularius') in Prosa abgefaßt hatte. Seine gereimte Sakramentenlehre ist für junge Kleriker bestimmt und wohl, wie ausdrücklich seine für das Urkundenwesen wichtige Prosaschrift über die A n fertigung von Briefen und Urkunden ' S u m ma de arte prosandi' (1276) für das Kloster Muri bestimmt, mit dem er sich zeitlebens verbunden fühlte. Einige seiner Gedichte gelten dem Leben und Leiden von Heiligen; darunter ist eine V i t a des Heiligen Martin, des Heiligen von Muri. 3. D a die Grafen v o n Habsburg V ö g t e des Klosters Muri waren, k a n n seine Freundschaft mit Rudolf v . Habsburg nicht befremden; er war auch T a u f p a t e der jüngsten Tochter Rudolfs, Guta. A l s Rudolf 1273 zum Kaiser gekrönt wurde, widmete er ihm ein Preisgedicht, das er wohl bei dessen Anwesenheit in Zürich im Januar 1274 persönlich überreicht hat. D e n Sieg Rudolfs über K ö n i g Ottokar in der Schlacht bei Dürnkrut (1278) feierte er in 1800 V e r sen, die leider verloren sind.
563
K o n r a d v o n Mure
4. Der Berührung mit den Großen seiner Zeit und dem Verkehr mit dem Züricher Stadtadel (die Brüder Manesse waren Chorherren wie K.) verdanken wir wohl auch den 'Clipearius Teutonicorum', dessen 146 erhaltene Reimverse 73 königliche, herzogliche, gräfliche und freiherrliche Wappen beschreiben, vom römischen König und dem französischen Wappen angefangen. K. deshalb als Begründer der Wappendichtung zu bezeichnen, ist völlig unmöglich, da die Wappendichtung als Heroldsdichtung ein Fachhandwerk war, das allerdings ersl mit Zilies v. Seine (s. d.), Gelre (s. d.) und Suchenwirt (s. d.) literarisch greifbar wird, aber als Gebrauchsdichtung sehr viel älter ist. Wie Konrad v. Würzburg (s. d.) sich im „Turnei von Nantes" im Alter aus äußerlichen Gründen der Heroldsdichtung nähert, so hat sich K. ihr aus antiquarischem Interesse genähert und seine Verse wohl zur Erklärung einer Turnierwappenrolle in Form von Merkversen verfaßt; aber er scheut sich nicht, wo er das Wappen nicht kennt, Phantasiewappen einzustreuen und unter 'Wilhelm von Orlens' den Schild von Wolframs Willehalm v. Oranse (Willehalm 328, 9—12) wiederzugeben. Die fehlenden Verse werden geistlichen Wappen gegolten haben (zwei davon sind vielleicht die Verse über das Einsiedlerwappen im Einsiedler Codex 128, vgl. L i e b e n a u S. 234), denn die erhaltenen Verse verdanken wir Hemmerlins Schrift über den Adel (eventuelle Wappenverse über geistliche Wappen mußten hier also wegfallen). Für die Heraldik sind Ks. Verse besonders durch die genaue Angabe der Tinkturen wichtig; überhaupt ist Ks. 'Clipearius' ein Dokument dafür, daß Wappenwesen und Heroldsdichtung in den Interessenkreis der literarisch Gebildeten zu treten beginnen. 5. Zu Unrecht schrieb man K. auf Grund einer schlecht bezeugten Nachricht über Verfassen einer 'Vita Caroli Magni' das Rolandlied des Pfaffen Konrad und Strickers Karl zu; auch eine lat. Elegie (Zürich C 58/ 275, Bl. 13äff.), die von Konrads von Würzburg „Klage der Kunst" inspiriert wurde, ist schwerlich von K., keineswegs aber verfaßte er das Werk 'De Musica' (vgl. B i r k e n m a j e r gegen Bendel).
564
W e r k e : 1. 'N-ovus Graecismus' (1244), e t w a 1 0 5 6 0 V . , H s s . : S t r a ß b u r g C o d . l a t . de anno 1294; K l . Engelberg Cod. 318 (1378); Basel U B . H s . F I 5, F I 22, F I I 31 ; M ü n c h e n C l m . 3566, 1 2 2 7 3 , 1 3 1 2 3 , 1 4 2 5 4 , 1 4 9 5 8 . D r u c k e als 'Elucidarium carminum et historiamm' o. J „ 1498 und 1500 (Hain 1 1 6 4 3 — 4 5 ) . V g l . a u c h L . R o c k i n g e r Quellen u. E r ö r t e r u n g e n z. b a y e r , u. d t . Gesch. 9, I (1863), S. 4 0 6 — 4 1 3 . — 2. 'Denaturis animaliutn, metrice', 2080 V . , H s . Bern S t a d t b i b l . C o d . m e m b r . 462. — 3. 'Libellus de sacramentis' (1259), 3844 V . , H s . Zürich S t a d t b i b l . C o d . m e m b r . C 8 4 ; v g l . a u c h F . F i a i a Ks. v. Mure Schrift de sacramentis A n z . f. Schweiz. Gesch. N F . 3 (1878 — 81), S. 205 bis 209. — 4. 'Passio s. m. Felicis et Regulae', e t w a 3000 V . , verloren. — 5. 'Libellus de propriis nominibus fluvium et montium', e t w a 1500 V . , v e r loren; v g l . a u c h J. J . E g l i Der Schweiz. Anteil 1884, S. 2. — 6. an der geogr. Namenforschung Cathedrale Romanum, 1 1 3 0 V . , verloren. — 7. 'Laudes b. Virginis super quinque Ave Maria', e t w a 300 V . , verloren. — 8. 'Catalogus Romanorum Pontificum et imperatorum', e t w a 1640 V . , v e r loren — 9. 'Commendatitia Rudolfi regis Romanorum' (1273), e t w a 800 V . ; H s . : M u r i - G r i e s , S t i f t s b i b l . C o d . 10, B l . g a / b (nur 3 1 9 V !), gedr. D . T s c h u d i Origo et genealogia gloriosorum comitum de Habspurg, 1 7 1 5 , S. 1 1 0 — 1 2 3 ; F . K o p p Vindiciae Actorum Murensium 1750, S. 3 1 2 ; F . J . B e n d e l M I Ö G . 30 (1909), S. 9 2 - 9 9 - — 10. ' F a b u l a r i u s ' (1273), in P r o s a ; C l m . 399; Zürich C 56, B l . 16 a bis 1 3 1 b u n d zahlreiche, bei M a y e r a u f g e f ü h r t e H s s . ; gedr. als 'Repertorium vocabulorum exquisitorum oratoriae poesis et historiarum' bei B . R o t h i n B a s e l i 4 7 9 ( H a i n 1 1 6 4 2 ) ; g e k ü r z t als 'Magnus elucidarius' Paris 1 5 1 3 ; v g l . a u c h A . M a y e r Die Quellen zum Fabularius des K. v. M. Phil. Diss. M ü n c h e n 1916. — 1 1 . 'De vita b. Martini',etwa700 V . , verloren. — 12. 'De Victoria regis Rudolfi contra Ottocarum regem' (1278), e t w a 1800 V . , verloren. — 13. 'Summa de arte prosandi' (1275), Prosa, H s . C g m . 5 5 3 1 , B l . 1 3 7 — 1 8 2 ; auszugsweise gedr. L . R o c k i n g e r Briefsteller und Formelbücher d. 11. bis 14. Jahrh., 1. Abt. 1863 ( Q u e l l e n u. E r ö r t e r u n g e n z. b a y e r , u. d t . Gesch. 9, 1), S. 403 bis 482. — 14. 'Clipearius Teutonicorum' ( 1 2 6 0 — 6 4 ) , e t w a 160 V . , d a v o n 146 V . erhalten in F . H e m m e r l i n De Nobilita'e ( v e r f a ß t 1 4 4 4 — 1 4 5 0 , her. v o n S. B r a n t 1497), K a p . 2 1 ; N e u d r u c k e : T h . v . L i e b e n a u K.s v. M. Clipearius Teutonicorum A n z . f. S c h w e i z . Gesch. N F . 3 (1880), S. 2 2 9 — 2 4 3 ; P . G a n z Gesch. der herald. Kunst in der Schweiz im 12. u. 13. Jh. 1899, S. 1 7 4 — 1 8 5 (mit d t . Ü b e r s e t z u n g ) . T e x t b e s s e r u n g e n : E . S c h r ö d e r A f d A . 31 (1907), S. 1 2 7 — 1 2 9 u n d M . P r i n e t Mélangés d'histoire du moyen âge offerts à Terd Lot, 1925. S. 659 — 675. L i t e r a t u r : P . G . M o r e l K. v. M. und dessen Schriften N e u e s Schweiz. M u s . 5 (1865), S. 2 9 f f . M . B ü d i n g e r Von den Anfängen des Schulzwanges Zürich 1865, S. 2 9 f f . (betr. 'Vita Caroli Magni'). O . L o r e n z Deutschlands Geschichtsquellen im MA. 1 (1876), S. 67. G . v . W y s s A D B . 23 (1886), S. 5 7 bis 60. J . W e r n e r Mal. Klagegedicht über die Mißachtung und den Verfall der Dichtkunst N A . 14
565
Konrad von Nürnberg —
(1889), S. 421 — 423; vgl. dazu: J. S e e m ü l l e r Zu Konrads Klage der Kunst ZfdA. 34 (1890), S. 223ff. F. J. B e n d e l K. v. M. MIÖG. 30 (1909), S. 51 —101. A. B i r k e n m a j e r Zu K. v. M. ebda. 31 (1910), S. 121. B. H e i n e m a n n K. v. M. als Urkundenschreiber in: B. H. Beiträge z. Urkundenwesen d. Bischöfe v. Konstanz im 13. Jh. 1909 (Abh. z. mittl. u. neueren Gesch. 14), S. ioöf. D e r s . Paläograph. Untersuchungen zu K. v. M. Arch. f. Urkundenf. 3 (1911), S. 113 —124. D e r s . Beitrag z. Lebensgesch. K.s v. M. Anz. f. Schweiz. Gesch. N F . 11 (1910 —13), S. 33 — 36. F. H e g i Histor.-biogr. Lexikon der Schweiz 4 (1927), S.532. J. N a d l e r Literaturgesch. d. dt. Schweiz 1932, S. 81 f. H. R o s e n f e l d Nord. Schilddichtung und mal. Wappendichtung ZfdPh. 61 (1936), S. 232 bis 269.
Hellmut Rosenfeld
Konrad von Nürnberg (Nachtrag) : Biogr. Angaben zu Konrad K u n h o f e n bietet P. R u f Mal. Bibl.-Kataloge Deutschlands und der Schweiz III, 3 (1939), S. 774 — 778 (Bücherverzeichnis von 1443).
K u r t Hannemann
Konrad von Queinfurt (Nachtrag). K . v. Q. ( = Querfurt?) war offenbar zu seiner Zeit ein bekannter Liederdichter, das Osterlied sein beliebtestes Werk. Bekannt jetzt 7 Hss. (davon eine des 17. Jhs.). Eingehende Kenntnis lat. Hymnen läßt sich nachweisen. J o s e f K o t h e Die dt. Osterlieder des MAs. Diss. Breslau 1939, S. 45 — 56 mit Aufführung der Hss. und der biogr. Quellen; krit. Text S. 118 — 127. Die Melodie des Osterliedes mit Analyse bei H. J. M o s e r Gesch. der dt. Musik (1930), S. 177it.
Ludwig Denecke
Konrad von Rotenberg. Ottokar nennt K . v. R. in der Steirischen Reimchronik zweimal: das zweite Mal Vers 714 wenig besagend Ouch jach der Rotenbergaere, das erste Mal aber als einen der videlaere des Prinzen Manfred und gibt ihm sowie den andern 16 namentlich genannten den Titel meister: Vers 323 f f . : Da worht ouch manic torenwerc Meister Kuonrat von Rotenberc, Der nach des prinzen hinevart Lanc hernach min meister wart. Ein zünftiger Meistersinger als Lehrer Ottokars ist unwahrscheinlich. E r wird dem ritterlichen Geschlechte angehört haben, das seine Stammburg in der Steiermark hatte. Erhalten ist von seinen Dichtungen nichts. E. K r a n z m e y e r Die steirische Reimchronik Ottokars und ihre Sprache. W S B . 226, 4. Abh. (1950), S. 14. E h r i s m a n n Schlußband, S. 432.
H. Niewöhner
Konrad von Sachsen
566
Konrad von Sachsen. 1. K . v. S. gehört zu der ersten Minoritengeneration in Deutschland. Sein Familienname ist als Holzinger (Holthniker, Holt' nykher) überliefert, Braunschweig als Heimatort. 1245 wird er Lektor der Theologie in Hildesheim, 1247 Ordensminister der Saxonia. 'Hic in pace sibi per antecessores suos acquisita Provinciam in disciplina et rigore et magna maturitate et observantia Ordinis gubernavit, et cum praefuisset annis fere sexdecim, labore fatigatus et attaediztus, cum multorum fratfum dolore et cum ma lima importuna instantia obtinuit cessionem' ( G l a ß b e r g e r 'Chronica' Anal. Francisc. II, S. 70). 1272 wurde er nochmals in dieses A m t berufen. Auf dem Wege nach Assisi stirbt er 1279 in Bologna ( G l a ß b e r g e r S. 83 und 93). 2. Nach den alten Ordensschriftstellern schrieb K . v. S. einen Sentenzenkommentar, eine Pater noster-, eine A v e Maria-Auslegung ('Speculum B. Mariae Virginis') und andere Schriftkommentare, sowie drei Predigtzyklen. Die letzteren sind uns hsl. erhalten: 'Sermones de tempore, de sanctis, de communi sanctorum', ebenso das 'Speculum B. Mariae Virginis'. 3. Dieses gehört zu den Perlen der marianischen Literatur des HochMAs. E s ist in über 150 Hss. überliefert (zumeist in Bibliotheken des dt. Sprachgebietes) und galt lange Zeit und vielerorts als ein Werk Bonaventuras. Das Werklein ist ausgezeichnet durch große Innigkeit und reiche Auslegung nach dem mystischen Schriftsinn. A m Ausgang des MAs. hat es der Kartäuser Ludwig Moser (s. d.) ins Alemannische übertragen (Michael FurterDruck, Basel 1506/07, Bd. 1, a i a — r 9 a ): 'Vnser frowen Spiegel, gefront von dem demütigen heyligen vatter sant Bonauentura'. 4. Die 'Sermones de tempore' hat der sog. Schwarzwälder Prediger (s. d.) zu seinem dt. Predigtwerk benutzt (her. v. F. K . G r i e s h a b e r Dt. Predigten des XIII. Jhs. 1844/46). Literatur: ' S p e c u l u m B. Mariae Virginis Fr. Conradi a Saxonia' ed. a P P . Collegii S. Bonaventurae (Bibl. Franc. Ascet. Medii Aevi II) 1904; A. F r a n z Drei dt. Minoritenprediger aus dem XIII. und XIV. JA. 1907, S. 9—46Kurt Ruh
567
Konrad von Winterstetten — Konrad von Würzburg
Konrad von Winterstetten. K . v . W . tritt seit 1214 bis zu seinem Tode am 21. I I . 1243 dauernd in zahlreichen Urkunden auf, anfangs in einigen auch als K . von (der) Tanne. Seit 1220 erscheint er als Schenk im Herzogtum Schwaben, weiterhin (schon 1226) auch als imperialis aulae pincerna. W i r kennen ihn als einen der tätigsten Helfer der staufischen Herrschaft, dem Friedrich I I . sein volles Vertrauen schenkte; zeitweise treffen wir ihn in fast allen seinen Urkunden. In seine Hände legte der Kaiser 1220 die Verwaltung des Herzogtums Schwaben und die Erziehung und leitende oder überwachende Beratung des jungen Heinrichs V I I . , neben dem wir ihn v o n 1222 bis 1234 fast ununterbrochen sehen, und den er 1232 auch nach Italien begleitete; später ernannte er ihn wieder z u m Geheimen R a t seines Sohnes Konrad. A b e r er war nicht nur ein Mann von besonderer politischer Befähigung und T a t k r a f t , sondern wandte wie der ganze Kreis u m Heinrich V I I . auch der Dichtung warme Anteilnahme z u und h a t es vor Anderen verstanden, sie z u fördern. Rudolf von E m s (s. d.) widmet ihm im ' Willehalm von Orlens' hohen Preis und sagt, daß er das W e r k auf die B i t t e n des werden schenken, des höch gemuoten Cuonrdt von Wintersteten unternommen und geschaffen habe, ze dienste siner vrouwen, damit sie daran sines herzen willen erkennen möge, daz er ir staster dienestman iemer stsete wesen wil, und ihn noch reich an Freuden machen möge (V. 2301 ff. und 15 649 ff.). In gleicher Weise sagt Ulrich v . Türheim (s. d.) in der Fortsetzung des Gottfriedschen 'Tristan' von dem Anstoß zu seiner A r b e i t : des hdt mit vltze mich gebeten Kuonrdt der schenk von Wintersteten daz ichz ime ze liebe tuo, und er wünsche ihm damit so zu dienen, daß im gendde von ir geschehe der sin herze ze vrouwen jehe (497,25 ff., vgl. die entsprechenden Wendungen am Schluß seines Werkes 589, 2 ff.). Im ' Rennewart' aber beklagt er seinen T o d ; was er verloren habe, können er niht wol überwinden ; die besten Freunde, die er je gewonnen habe, seien ihm entrissen (V. 25 756ff.). D a s Schwert K s . , das sich erhalten hat, trägt eine an W o r t e Rudolfs von E m s anklingende deutsche Versinschrift: Chvnrat vil werder shenke, hie bi dv min gedenke * von
568
vintersteten hohgemvt. la ganz dehainen isenhvt. K . v . W . ist neben seiner G a t t i n G u t e (aus dem Geschlecht von Neifen) im K l o s t e r B a i n d t bei Weingarten, das er b e g r ü n d e t hatte, beigesetzt. Der Sohn seiner Tochter Irmengart und des Schenken K o n r a d v o n Schmalnegge war der Minnesänger Ulrich v o n Winterstetten (s. d.). Zur politischen Stellung Ks. v. M.: J . F i c k e r Die Reichshofbeamten der staufischen Periode W S B . 40, 1862, S. 4 9 4 t . G . R o e t h e A D B . 31 (1890). S. 6 8 f f . F r . G r i m m e Die rheinisch-schwäbischen Minnesinger (1897), S . I 5 8 f . A . W a l l n e r Schwert-
inschrift ZfdA. 64, 1927, S. 96.
\y0]ff
Konrad von Würzburg (Nachtrag), s. auch Axspitz, Konrad, 'Silvester' 2b und Suchenwirt, Peter. L i t e r a t u r : H. B u t z m a n n Studien z. Sprachstil Ks. v. W. Diss. Gött. 1930. J . K i r c h n e r Ein Fragment aus dem Schwanritter Z f d A . 67 (1930), S. 7 o f f . A . M o r e t
Ks. v. W. Un artiste
meconnu C. de W. Lille 1932. D. M. M e n n i e Die
Personenbeschreibung im höf. Epos der Epigonenzeit 1933. J . I . H a m i l t o n Landschaftsverwertung
im Bau höf. Epen Diss. Bonn 1934. J- M e i e r Das
Bremebergerlied
J b V l f . 4 (1934),
S. 56—65.
A. C. K r ü g e r Der Schwan der Rienecker ZfdA. 71 ( I 934). S. 78 — 83. Th. S c h a r m a n n Studien über die Saelde in den ritterl. Dichtungen
des 12.I13.
J.
Diss. Frankfurt 1935. G. E i s Beiträge zur mhd.
Legende und Mysik Vergleich, Gleichnis.
1935, S. 107 — 1 5 5 . E . R a s t Metatiher und Allegorie bei
K. v. IV. 1936. E r i k a E s s e n Die Lyrik Ks. v. W. 1938. A. L e i t z m a n n Zu Ks. v. W. Partonopier
N e o p h i l . 23 (1938), S. 1 7 5 — 1 8 5 ; zu Konrads Engelhard P B B . 63 (1939), S. 4 0 7 — 4 3 2 . E . S c h r ö d e r Aus der Buchgesch. der sog. Goldenen Schmiede
GGN. Fachgr. 4, NF. 2. Nr. 9, S. 163ff. M a r i e -
Luise
Gräff
Studien
zu Kunst-
und
Stilwandel
des 13. Jhs. Diss. Tüb. 1946. G e t r u d K ü r m a y r Reimwörterbuch zu Ks. v. W. 'Alexius', Lohn' und zu 'Peter v. Staufenberg' 1947. W . K l u x e n Studien über die
Ks. v. W. Diss. Köln 1948. D . H . G r e e n Ks. Tristan, Vorstudien
'Der Welt Diss. W i e n Nachwirkung
Trojanerhrieg und Gottfrieds zum Gotischen Stil in der
Dichtung Diss. Basel 1949. Hellmut Rosenfeld J . R i e c h e r t Studien
zur Auffassung
der
„Sre"
bei K. v. W. und Rudolf von Ems Masch.-Diss. Freibg./Br. 1952. A. S c h l a g e t e r Untersuch, über die liedhaften
Zusammenhänge
in der
nachwalther-
schen Spruchlyrik Masch.-Diss. Freibg./Br. 1953, S. 191 — 269 und 312L St. S c h n e l l Mhd. Trojanerkriege. Herbort v.
Studien Fritzlar
zur Rezeption der Antike bei und K. v. W. Masch.-Diss.
Freibg./Br. 1953. W. K o s c h Dt. Lit.-Lexikon 22
(1953), S. 1361 f. K . H . H a l b a c h Dt. Philol. Aufriß I I , 1953, S p . 672 — 675 u n d 679.
im
Hannemann
569
Konradin —
Kreutzer, Johannes
Konradin (Nachtrag): H . N a u m a n n Die Hohenstaufen als Lyriker Dichtung u. Volkstum 36 (1935), S. 47 — 49. C. v . K r a u s Dt. Liederdichter d. 13. Jhs. 1 (1953), S. 230t. und I I (1954), S. 279 — 281. H . H i r s c h Konradin. Sein ,, Prozeß" u. sein Ende in gesamtdt. Beleuchtung (in Gesamtdt. Vergangenheit. Festg. f. H . v. Srbik 1938, S. 33 bis 46). H. K ä m p f gab 1940 K . H a m p e s Konradin-Untersuchung mit „histor. u. bibliograph. N a c h t r ä g e n " neu heraus.
Hannemann Konstanz, s. auch J o h a n n v. K . Kotner, Hermann, Dominikaner in Lübeck, schrieb in den zwanziger Jahren des 15. Jhs. eine lat. Chronik, *Chronika novella , deren nd. Bearbeitung er selbst 1431 abschloß: . . . ene crdneken in ¿Lerne düdeschen, den leien to tidvordrive unde kortewile, alsö ik ok den lerden vorgheddn hebbe in dem latine. Während die lat. Fassung sowohl in der Darstellung der gesamten Menschheitsgeschichte als auch in der Aufführung der Quellen (Vincentius Bellovacensis, Martinus Polonus, Eckehart, Helmold, Heinrich v. Herford u. a.) den Anspruch des Gelehrten erhebt, läßt die nd. Version, die erst mit der Zeit Karls des Gr. einsetzt, diese Tendenz bewußt fallen. Sie ist darauf bedacht, in den Grenzen der Rechtgläubigkeit erzählend zu berichten. Der Wert der Chronik liegt daher weniger im hist. als vielmehr im lit. Bereich. Durch Ks. klare und anschauliche Darstellungskraft ist sie eine reichhaltige Quelle für die Kenntnis des Nd. Neben den rein hist. Mitteilungen enthält die Chronik eine Reihe von Legenden und Sagen (z. B. des Tanzes von Kölbigk, s. d.), gegen Ende auch zeitgenössische Berichte (z. B. ein Erlebnis mit einer Mörderbande, die sich der Gaunersprache bedient). Der nd. T e x t ist in zwei Hss. überliefert, im Cod. 3048 der Österr. Nat.-Bibl. Wien undimCod. 757 der Nieder sächs. Landesbibl. Hannover. F r . P f e i f f e r Nd. Erzählungen aus dem XV. Jh. Germ. 9 (1864), S. 257 — 289 (mit einer Textauswahl v o n zwölf Stücken); F r . K l u g e Rotwelsch 1901, S. 5 — 8 ; H. J e l l i n g h a u s Gesch. d. mnd. Lit. »1902, S. 42. s S u d l l o f
'Das Kotzenmäre' (Nachtrag). Die Fassung II ist auch in Karlsruhe Landesbibl. 408 überliefert (H. N i e w ö h n e r ZfdPh. 65, 1940, S. 193). K . L.
57°
Kraft von Boyberg, mystischer Prediger des frühen 14. Jhs., vielleicht identisch mit K r a f t o d e B o g s b e r g , O. P. (G. L o h r ZfdA. 82, S. 175f.). Die einzige von ihm erhaltene (sehr gut überlieferte) Predigt (her. von F r . P f e i f f e r ZfdA. 8, S. 238—43; W. P r e g e r Zs. f. hist. Theol. 36, S. 468ff.; P H . S t r a u c h 'Paradisus animae intelligentis' DTdMA. 30, 1919) gehört zu den hervorragendsten Stücken der dt. spekulativen Mystik. W . P r e g e r (a. a. O. S. 463ff.) und W . S t a m m l e r (ZfdA. 59, S. 181) haben sie M e i s t e r E c k h a r t (s. d.) zugewiesen. Zur hsl. Überlieferung s. F. P f e i f f e r Z f d A . 8, S. 238; A. S p a m e r Über die Zersetzung und Vererbung in den dt. Mystikertexten Diss. Gießen 1910, S. 50; S t a m m l e r a . a . O . S. i 8 i f . ; J.Quint Meister Eckhart, Untersuchungen I, 1940, S. 47, 106, 190, 244. K u r t R u h
Cranc, Claus (Nachtrag): E . V a l l i Beiträge zu C. Crs. Übersetzungstechnik und zu seiner Sprache. D e r s . Zur Verf.-Frage der Königsberger Apostelgesch. — beide Arbeiten Helsinki 1947. K . H e l m - W . Z i e s e m e r Die Lit. d. Dt. Ritterordens 1951, S. 1 2 2 - 1 2 7 . Hannemann
Kreutzer, Johannes. Prediger und theol. Schriftsteller in Straßburg, Basel, Gebweiler. 1. K . stammte aus einer reichen Familie und war in Gebweiler (Elsaß) um 1400 geboren. Die ersten fünf Jahrzehnte seines Lebens sind unbekannt. E r wurde 1454 als Weltgeistlicher an die St. Laurentius- oder Münsterpfarrei in Straßburg berufen und hier sehr bald in einen heftigen Streit mit den Mendikantenorden verwickelt. Obvrohl der Bischof und die Bürger auf seiner Seite standen, wurde er am 8. Mai 1456 mit dem Bann belegt; der vorsichtige Magistrat wies ihn aus der Stadt. Er ließ sich am 12. November 1457 an der Universität Heidelberg immatrikulieren und hat hier vielleicht auch das Bakkalaureat erworben. 1458 nahm er als Richter an dem Inquisitionsprozeß gegen Friedrich Reiser in Straßburg teil. 1459 wurde er erster Münsterprediger und Domherr in Basel und hielt an der theol. Fakultät der 1460 gegründeten Universität Vorlesungen; wahrscheinlich erwarb er hier den Doktorgrad. Wenn die Nachrichten glaubwürdig sind, war er 1460 Dekan der Artistenfakultät,
57i
Kronenberg, Hartmann, von —
1461 Rektor. In Basel trat er mit den Angehörigen des dortigen Dominikanerklosters in enge Verbindung und betrieb mit großer Energie die Reformierung der Klöster und die Einführung der Observanz. Vor allem durch ihn wurde die Observanz in dem Dominikanerkonvent seiner Heimatstadt Gebweiler eingeführt, 1465 folgten die drei Freiburger Frauenklöster Adelshausen, S. Agnes und S. Maria Magdalena, in seinen letzten Lebensjahren das Kloster in Chur. 1466 trat er selbst in den Gebweiler Konvent des Ordens ein und wurde hier 1468 Prior. In dem Jahre seiner Profess 1466 gelang es ihm auch, nach Uberwindung zahlreicher Schwierigkeiten das Dominikanerinnenkloster Engelporten in Gebweiler, das 1442 verlassen war, wieder zu begründen und den Aufbau mit Genehmigung des Ordens durchzuführen. 1467 weilte er vorübergehend als Lektor in dem Nürnberger Konvent. Als das Generalkapitel seines Ordens in der Fronleichnamsoktav 1468 in Rom tagte, starb er dort am 16. Juni. 2. Sein lit. Werk ist (nach Pfleger) in zwei Hss. überliefert: 1) Berlin Staatsbibl. Ms. germ. 40 158; 2) ebenda Ms. germ. 40 202; vgl. die Inhaltsangabe bei H. D e g e riug Kurzes Verz. d. germ. Hss. d. Preuß. Staatsbibl. 2 (1926), S. 27 u. 4 0 I Es handelt sich dabei vorzugsweise um Predigten und exegetische Auslegungen. Am Ende seines Lebens schrieb er eine umfangreiche Auslegung über Kapitel 1 der Cantica canticorum, die unvollendet zurückblieb. Beide Hss. stellen eine Ausgabe letzter Hand dar, d. h. eine Sammlung seiner Schriften, die noch zu Ks. Lebzeiten begonnen und nach seinem Tode durch die Gebweiler Dominikaner zu Ende geführt wurde. Weitere Hss. lassen sich dazu finden. 3. Für die religiös-kirchliche Entwicklung des dt. Südwestens im 15. J h . ist K. eine hervorragende, bisher wenig beachtete Erscheinung. Sein Ruf bei den Zeitgenossen war begründet als predicator a deo ehctus und durch seine Persönlichkeit, die von lauterstem Streben erfüllt war. Geiler hörte 1466 Ks. Fastenpredigten in Basel und pries ihn noch nach 40 Jahren seinen Straßburger Zuhörern; gleich ihm rühmten ihn andere. Literarisch bedeutsam wurde der
'Kudrun'
572
Bilderreichtum seiner Sprache, der ihm eine Mittlerstellung in der elsässischen Erbauungslit. des 15. Jhs. zuweist, zwischen den Anfängen wie Meister Ingolds (s. d.) 'Goldenem Spiel' oder dem Traktat 'Christus und die sieben Laden' (s. d.) und Geiler. Alltägliches wird allegorisch ausgedeutet und ins Geistliche verkehrt; so entstehen der geistliche Lebkuchen, das geistliche Maimus, der geistliche Maikäse usw. Bizarre Vergleiche, die sich schon bei Rulman Merswin finden, werden übersteigert und führen zu einer Bildersucht, der es vor allem auf Wirkung durch das gesprochene Wort, durch die Schrift ankam. Sein Kampf richtet sich gegen die Lauheit kirchlicher Übung. Für seine Überzeugung trat der wortgewaltige Mann mit Eifer ein und hat diesen Weg unbeirrt sein Leben lang verfolgt. L . P f l e g e r Dr. J. K. Hist.-polit. Blätter für das kath. Deutschland 1 5 0 (1912), S. 1 7 8 — 1 9 1 , 241 — 247. M. B a r t h Dr. J. K. Arch. f. elsäss. Kirchengesch. 8 (1933), S. 1 8 1 — 2 0 8 .
Wieland Schmidt Kronenberg, Hartmann, von (Nachtrag): G. L o h r Über die Heimat einiger dt. Prediger und Mystiker aus dem Dominik .-Orden Z f d A . 82 (1948/50), S. 1 7 5 .
Krus, Hans (Nachtrag): Zur Hs. St. Georgen Pap. 74, Bl. 4 3 a — 4 4 a s. T h . L ä n g i n Dt. Hss. der Großhzgl. Bad. Hof- u. Landesbibl. 1894, S. 3 1 .
Kuchlmeister, Martin, Leutpriester in Salzburg, dichtete nach R. B a u e r r e i ß Wer ist der ' Mönch von Salzburg' ? Stud. u. Mitteil. z. Gesch. des Benedordens 54, 1934, S. 204—220 und Kirchengesch. Bayerns 4, x 953» S. 209 und H. N o a c k Der KMönch von Salzburg' Diss. Breslau 1941 die dem Mönch von Salzburg (s. d. und Nachtrag) zugeschriebenen geistl. und weltl. Lieder zum größeren Teil, die andern Abt Johann von Rossessing (s. d.). Hannemann ®Kudrun' (Nachtrag). Zur Ü b e r l i e f e r u n g (1) ist nichts Neues zu berichten. Eine neue A u s g a b e (2) ist nicht erschienen, wohl dadurch mitbedingt, daß die E r zählung als Gesamtwerk seit Jahrzehnten fast allgemein nicht mehr so hoch wie im 19. J h . eingeschätzt wird.
3. D e r A u f b a u . Zwangsläufig gehen immer wieder Untersuchungen im Zusam-
573
'Kudrun'
menhang mit ihrem Thema auf den gestuften Gang der Erzählung ein. Aber eine interpretierende Darstellung, die Schritt für Schritt dem Überlieferten folgt und so nachlebend im Vollzug des Erzählens bleibt, steht weiterhin aus. 4. Die innere F o r m . Die gattungsmäßige Eigenart der 'Ku.', ihren Erzählstil im weitesten Sinne, behandelt F. W. de. W a l l Studien zum Stil der „Kudrun" Königsberger phil. Diss., vorgelegt 1937, gedr. 1939. Gute Beobachtungen vereint er zu einer Wertung des Ganzen, oft unter Begriffen, die nicht zureichend ausgewogen sind. Die 'Ku.' ist ihm „eine im Volkstümlichen wurzelnde und auf eine Hörerschaft primitiverer Struktur zu stilisierte heldische Abenteuerdichtung mit märchenhaftem Einschlag", trotz hoher Werte und formaler Vorzüge ein „zweitgradiges Werk" (S. 71). — M a r i a J . H a r t s e n sucht den Baustil der 'Ku.' in „Bestandteilen" zu fassen, die durch die Entstehungsgeschichte des Werks bedingt sind : Die Bausteine des Gudrunepos Bonner phil. Diss. (Amsterdam) 1941, Das Gudrunepos 2 i942. Die „wesentlichen Bestandteile" sind ihr die germ. und die ritterlich-höfischen „Elemente", die „schmiikkenden Bestandteile" die lied- und balladenhaften, mythischen, märchenhaften, wikingischen und spielmännischen „Elemente". Die Behandlung bleibt zu sehr im Allgemeinen, oft im Rhetorischen. — Knapp charakterisiert und wertet H. de B o o r Die höfische Lit. (1170—1250) 1953, S. 200 bis 205. Der Dichter der 'Ku.' erstrebe zwar in der Nachfolge des Nibelungenmeisters die „innere Umformung eines außerhöfischen Stoffes in höfischem Geist". Aber sein Stoff sei „wesenhaft nicht heroisch", von Herkunft „wikingisch", der Gestaltung nach „vorhöfisch". Die Stärke des Dichters liege nicht im Bewältigen einer Gesamtkomposition und nicht im Schaffen großer Gestalten, sondern in den „Einzelheiten". Von der „Einzelheit" her löse er seine große Aufgabe : „Kudrun im Elend". Der Begriff „wikingisch" (der Stoffgeschichte entnommen) wird hier zu einem Stilbegriff wie der Begriff „heroisch" (gewonnen am spätgerm. Heldenlied) und der Begriff „höfisch" (gewonnen am hochritterlichen Roman). Um
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die böse Gerlind neben der guten Kudrun zu begreifen, sollte man nicht an die „Legende" erinnern. Aus dem Nebeneinander dieser beiden Frauengestalten spricht ein Märchendenken, gut passend zu einem „Heldenroman", in dessen gegenständlicher Fülle sich Roheit und Gefühligkeit verbinden. — H. S c h n e i d e r s Charakteristik der 'Ku.' in der neuen Ausgabe von Heldendichtung Geistlichendichtung Ritterdichtung 1943, S. 390—396 ist im ganzen unverändert geblieben. — Die Frage, worin gründet, daß die 'Ku.' trotz ihrer für das 13. Jh. modernen Züge in alter Zeit geringe Wirkung hat, aber im 19. Jh. besonders geschätzt wird (vgl. o. II, Sp. 970), ist nicht für die Charakteristik des Werkes herangezogen worden. 5. Die m e t r i s c h e F o r m u n d die S p r a c h e . Für A. H e u s l e r (Dt. Versgesch. 2, 1927, § 782) entwickelt sich die Kudrunstrophe aus der • Nibelungenstrophe. Er weist für die letzten drei Glieder (Abvers des 3. Langverses und letzten Langvers) auf den „Abgesang des älteren Spervogel" und den Schluß des Reinmartones 1 5 1 , 1 hin, ohne eine unmittelbare Beziehung zu behaupten. Er spricht mit Recht diese Form „epischen Liedern" ab. Gegen die Annahme, daß der Kudrundichter diese Form um 1240 gefunden habe, steht ihm Wolframs Titurelstrophe, in der vor 1220 das „Kudrunmaß" gesteigert zu sein scheine (vgl. auch § 789). Diese Gesamtauffassung übernimmt O. P a u l Dt. Metrik 3 i95o, § 1 1 6 (auch schon 1 i930, § 100). S. B e y s c h l a g bezieht die Kudrunstrophe nur auf die Nibelungenstrophe, läßt aber Wolfram gleichfalls die Titurelstrophe „im Anklang" an Nibelungenlied und 'Ku.' schaffen: Die Metrik der mhd. Blütezeit in Grundzügen (1950), S. 28, 30. Bei dieser Reihenfolge müßte die Kudrunstrophe schon um 1210 da gewesen sein. Sie wirkt aber mit ihrem „lyrischen Klang" wie eine buchmäßige Spätform. Auch zeigt die Titurelstrophe in ihrer von der Kudrunstrophe verschiedenen Grundform und ihrer freien Bewegung echt Wolframsches Gepräge. Der Kudrundichter dürfte nach Wolframs Titurelstrophe hingehört haben (vgl. o. II, Sp. 972), was auch sonst dem Zeitverhältnis Wolfram-Kudrun-
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'Kudrun*
dichter entspricht! — In gut gewählten Beispielen sucht F. W. de W a l l Sprache und Sprachstil der 'Ku.' a. a. O. S. 36—70 aufzunehmen, nicht frei von übersteigerter Ausdrucksweise (vgl. oben unter 4). Auf der einen Seite findet er sprachliche Erscheinungen, zu denen begrenzter Vorstellungskreis, mangelnde Begriffsschärfe, Anspruchslosigkeit im Wortschatz, uneigentliche Ausdrucksweise gehören (S. 46), auf die andere Seite stellt sich ihm ,,der Wille zur Intensität, zur Plastik des Übertriebenen", dessen sprachlicher Ausdruck gleichwohl im Ganzen nicht den „Eindruck der Maßlosigkeit" erzeugt (S. 69/70). Eine genauere geschichtliche Einordnung der Kudrunsprache wird nicht angestrebt. 6. D i e Q u e l l e n . Für die Geschichte der Erzählfabeln, die das Gerüst der 'Ku.' bilden, haben wir nur wenige feste Punkte. Die Forschung sieht sich daher auf ein schwankendes Feld der Annahmen gewiesen, ein Unabänderbares, wodurch sie immer wieder angezogen wird. Im folgenden die wichtigsten Nachträge. Vorausgenommen sei W. J u n g a n d r e a s Die Gudrunsage in den Ober- und Niederlanden. Eine Vorgeschichte des Epos 1948. Die zusammenfassende Darlegung, ein „Bericht" über das schichtenweise Entstehn der 'Ku.', vorbereitet durch die Aufsätze Gudrunstudien I, II ZfdPh. 68, 1943, S. 4 bis 24, 113—155, steht in der neueren Forschung für sich. Das Endergebnis der Stoffgeschichte : Der „Bearbeiter des Hilde-Gudrunstoffes im 13. Jh.", ein „Poet dritten Grades", hat die Hälfte der Strophen neu geschaffen oder umgearbeitet; ihre Mehrzahl stammt, wenn man vom Umarbeiten absieht, aus seinen Vorlagen. Der erste Schritt auf die Vorlagen hin: Zu Strophen mit Zäsurreimen zählt Jungandreas alle Strophen, deren Zäsurstellen Reime nach dem Reimempfinden des frühen 12. Jhs. ergeben. Die so gewonnenen etwa 650 Strophen werden als Reste eines niederfränk. Hilde-Gudrunepos angesprochen, das nach dem angesetzten Reimgebrauch als ein „Brabanter Epos" der Zeit um 1100 gilt. Ein Schwabe des späteren 12. Jhs. schreibe es nach Vortrag ins Hd. um, indem er fast durchgehend reine Endreime schaffe. Neben
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das „Brabanter Epos" wird als „Parallelfassung" ein „flämisches Epos" der Zeit um 1100 gestellt, das die Zäsurreime nicht habe und ein Bayer des späteren 12. Jhs. in etwa 513 Strophen ins Hd. bringe. Diese „fläm.", dann „bayr." Fassung soll bereits Hagens Jugendgeschichte enthalten haben. Vor das „Brabanter Epos" und das „fläm. Epos" tritt ein unbestimmt „ndl. Epos" des 11. Jhs., dessen Dichter ein westfläm. Hildelied und ein ostfläm. Gudrunepos (!) vereint. Dies erste Gudrunepos (Gudrundichtung im engeren Sinne) wird dann gleichfalls auf ein unkenntlich gewordenes Hildelied zurückgeführt. Das Ganze eine Konstruktion, die nicht halten kann. Die echten Zäsur reimstrophen der 'Ku.', hier Ausgangsstelle der Darlegungen ; sind Gebilde des 13. Jhs. Darüber hinaus dürfte sicher sein, daß ein niederfränk. Hilde-Gudrun-Epos des 11. Jhs. und seine niederfränk. Neufassungen der Zeit um 1100 eine literarische Unmöglichkeit sind. Damit verlieren die hd. Umsetzungen dieser Epen ihre Vorlage und Grundlage. I n g e b o r g S c h r ö b l e r hat sich, von Th. Frings angeregt, mit dem Kudrunteil beschäftigt: Wikingische und spielmännische Elemente im zweiten Teile des Gudrunliedes Leipziger Diss. 1934 (Rhein. Beitr. u. Hülfsbücher zur germ. Philol. u. Volksk. 20). Ihre Ergebnisse: a) Eine „spielmännische" Gestaltung der Hildegeschichte entsteht nach dem ' König Rother' etwa um 1190; eine „spielmännische" Gestaltung der Gudrungeschichte des gleichen Zeitraumes wird unter anderem mit Hilfe der Salomonsage entwickelt; vielleicht werden beide Gestaltungen dabei zu einem „Großepos" verbunden, b) Die Gudrungeschichte zeigt ihre ursprüngliche Selbständigkeit an „wikingischen Einflüssen", die in der Hildegeschichte fehlen. Sie entsteht durch ein umfangreicheres Lied als „Mischung von Heldendichtung und Zeitgedicht" (S. 103) im 11. Jh. auf flandrisch-fries. oder fries. Boden. Der Aufbau dieses Liedes wird mit Vorbehalten erörtert, c) Die an einer dreizehnjährigen Leidenszeit entwickelte Charakteristik der Kudrungestalt ist das Werk des letzten, an der Ritterdichtung geschulten Dichters, das nicht viel später als die
577
'Kudrun'
578
Schlacht von Bornhöved vom J. 1227 ent- Herbort (Studien zur Thidrekssaga I ) LSB. steht. Es sollte in der Tat unbezweifelbar 95, 5. Heft, 1943, S. 36/37, wo mit G. Baesein, daß die Gudrungeschichte aus nieder- secke und Herrn. Schneider für die Gefränk. Räume kommt und nicht in das stalten Ludwig und Hartmut der 'Ku*. Spätgerm, zurückreicht. Fragwürdig, ja Herkunft aus der Herbortgeschicbte angeunwahrscheinlich ist jedoch, daß sie je un- setzt ist. — O t t o G r ü t e r s s t e l l t d e r ' K u . ' abhängig von der Hildegeschichte war. Den ein „Gudrunlied" voraus, das die beiden Begriff „wikingisch" sollte man nur ver- Nebenbuhler und die böse Gerlind h a t : wenden, um das Atmosphärische der Grund- Kudrun, Südeli und Jasmin GRM. 28, 1940, fabel zu bezeichnen. Endlich: Der Aufbau S. 161—178. Für die Entstehung einer solder 'Ku.' läßt ein „spielmännisches" Groß- chen Fabel seien Südeliballaden „fast beepos des 12. Jhs. als unsichere Größe er- langlos". Er weist erneut auf die Olimpiascheinen. — Th. F r i n g s hat sich. Früheres episode Ariosts hin, die ihm ein „Prüfstein" neu fassend, in weiterem Zusammenhang für jede Theorie über die Entstehung der z u r ' Ku.' geäußert, vor allem in dem Aufsatz 'Ku.' ist. Er neigt dazu, diese Episode aus Die Entstehung der dt. Spielmannsepen Z. einer nordfranz. Erzählung herzuleiten, die für dt. Geisteswiss. 2, 1939, S. 306—321. eine „ndl." („fläm.-seeländ.") Gudrunfabel Ein germ. „Brautraub-Entführungslied", zur Quelle hat. Der wichtigste Unterschied das „Hildelied der Zeit um 500", wird in zwischen Ariosts Darstellung und der 'Ku.' ein rhein. „Hildeepos", ein „Kurzepos" (!) ist ihm, daß Ariost keine Gerlind hat. Eine von rund 1500 Versen umgesetzt, das über Mutter, die um des Sohnes willen eine Geein Hildelied der „frühen Wikingerzeit des fangene peinigt, die das Weib eines anderen 9. Jhs." aus der Hildefabel eine „Braut- ist, findet er in der arabisch-ägyptischen werbungsfabel" macht. Entführungstyp Geschichte der Jasmin, die in den „Märchen und Werbungstyp der Fabeln werden dem- von Tausendundeiner Nacht" unter den nach auseinandergehalten: das Schema der Berichten der 262.—269. Nacht erzählt Werbungsfabeln dränge die Lieder auf den wird. Er schließt aus der Fabel der um ihrer Weg, der zum Epos führe. Die Gudrunfabel, Treue mißhandelten Gefangenen auf , # mitnach dem Schema von Entführungsliedern telmeerischen Erzählungsschatz", aus dem gebaut, wird aus einem Gudrunlied herge- ein Deutscher und ein Araber schöpfen leitet, in dem die „Rückführung" nach kann. — Verwandtes bringt B r u n o B o e s c h : einer Ballade von der .Wiedergefundenen Kudrunepos und Ursprung der dt. Ballade Schwester' ausgestattet ist. Wikinglied, GRM. 28, 1940, S. 259—269. Kudruns LeiFornaldarsaga, die Quellen des lat. Saxo j den gehört ihm zum „unlösbaren Bestand" Grammaticus bewegen sich auf derselben der Sage, Kudruns „Lachen der SchadenEbene wie die dt. Spielmannsdichtung, alle freude" (Str. I3i8ff.) zum „Kern" der Sage. beeinflußt durch „mittelmeerisch-orienta- Als unwahrscheinlich spricht er an, daß die lische Novellen und Märchen". Das germ. hochmal. Gattung der Ballade, daher auch Hildelied empfängt seine südlichen Züge in eine Südeliballade, einem „Ependichter" der „wikingisch-spielmännischen Berüh- Quelle gewesen sein solle. — H. S c h n e i d e r rungszone des Scheide-Rheingebietes" (vgl. äußert sich zum Forschungsstand in der besonders S. 311—314, 319). Der „Typ der neuen Ausgabe seiner ad. Literaturgesch., Brautwerbung durch List" ist nicht ohne a. a. O., 1943, S. 390—396, 567. Er rechnet weiteres aus der byzantinischen Fabel der für die Hildefabel mit einem tragisch enSalomonsage herzuleiten, die zum „Welt- denden Buchepos vom Ende des 12. Jhs., erzählthema und -Schema 'Ungetreue was eine Art Kurzepos (!) gewesen sein Frau'" gehört (S. 316/17). Allgemeineres müßte. Er neigt mit Vorbehalt dazu, den zum Thema „Brautwerbung und Braut- Kern der Kudrunhandlung (Befreiung einer entführung" : Th. F r i n g s u n d M. B r a u n gepeinigten Königstochter) aus einer „BalBrautwerbung 1. Teil LSB. 96 (1944/48), lade" („Erzähldichtung") von der Art der 2. Heft, 1947, S. 37—74; dort zur Gudrun- Südelifabel herzuleiten. Er lehnt ab, dem fabel S. 63—66. Man vgl. auch Th. F r i n g s Kudrunteil eine „lange dichterische Vörie Verfasserlexikon V.
579
Kügelin, Konrad — Küntzner, Heinrich
geschichte" z u geben, nicht überzeugt v o n dem Versuch, Spuren des Wikingertums und älterer Spielmannsdichtung nachzuweisen. — H . W . J. K r o e s behandelt die Vorgeschichte der ' K u . ' in seiner Amsterdamer Antrittsrede v o m J. 1947 : Het Kudrunepos en zijn nederlands-friese inslag. T r o t z der 'Widsith'-Verse neigt er dazu, das älteste Hildelied der Wikingerzeit zuzuweisen. E r nimmt ein Kudrunlied der Wikingerzeit an, in dem H a r t m a n n nicht ungestraft bleibt. E r erwägt, d a ß in ihm Ortwin allein als Befreier und Rächer aufgetreten ist. I h m ist annehmbar, daß die Hilde- und die Kudrungeschichte schon u m 1160 in einem „speelmansepos" verbunden sind. E r hält für möglich, daß die Südeliballade und die Olimpia-Episode Ariosts v o n der ' K u . ' herkommen. — Anders und noch unbestimmter urteilt H. d e B o o r a. a. 0 . 1953, S. 201—205. A m A n f a n g steht ihm ein zeitlich nicht festgelegtes „spätnordisch-wikingisches Lied v o m T y p der Brautraubfabeln", dessen Meer die Ostsee ist. Die erste dt. Formung, immer noch Hildelied, wird mit Vorsicht dem Gebiet der Scheidemündung zugesprochen. Der Kudrunteil ist „auf Kosten der Hildedicht u n g " geschaffen. E i n „ K u d r u n l i e d " wird nicht angenommen (!). N u r erwogen wird die vorhöfische Entstehung des „ K u d r u n epos", was in Österreich bis gegen Ende des 12. Jhs. möglich sei. Welche Unsicherheit auf dem Felde der Quellenforschung! I m ganzen sei auf die selten beachtete Zusammenfassung zurückverwiesen, die der 2. Bd., Sp. 975—981 gebracht hat. Schon wegen des Kudrunnamens sollte man nicht bezweifeln, d a ß die Geschichte von Chudrun als eine erweiterte und dabei selbständige Geschichte von Hilde auf niederfränk. Boden mindestens im frühen 12. Jh. entstanden ist, damals bereits eine Geschichte mit Nebenbuhlerfabel. Gewiß nicht als streng literarisches Epos, sondern als Erzähllied (Vortragslied), was nicht ausschließt, daß solche späten umfangreicheren Erzähllieder bereits halbliterarischen Charakter haben oder bald annehmen. (Der Begriff „ K u r z epos" sollte nicht unerläutert gebraucht werden.) Ob es so etwas wie ein vorhöfi-
580
sches, „spielmännisches" Kudrunepos, das Hildefabel und Kudrunfabel buchmäßig vereint, im späten 12. Jh., e t w a gar als rhein.-bayr. W e r k , gegeben h a t ? W i r werden eine solche Frage nie sicher beantworten können. Erneut sei gewarnt, den Arbeitsvorgang, in dem die ' K u . ' in all ihrer U n fertigkeit entsteht, an unsere neuzeitliche Vorstellung v o m literarischen Schaffen anzugleichen! I m A b r ü c k e n von älteren A u f fassungen wird man nur zu leicht geneigt, den Begriff der persönlichen Leistung zu überspannen. 7. E n t s t e h u n g s z e i t und Entsteh u n g s o r t . G. E h r i s m a n n läßt die ' K u . ' „ u m 1 2 1 0 — 2 0 " entstehen, was wegen der Verbreitung seiner Literaturgesch. erwähnt sei (Schlußband 1935, S. 147). Durchgesetzt dürfte sich haben, d a ß die ' K u . ' nicht v o r dem J. 1230 erscheint. W i r sollten uns auf die Bestimmung „ u m 1240" einigen. — H. d e B o o r stellt a. a. O. (vgl. oben unter 4) die ' K u . ' ohne Zusatz unter die „ s p ä t e E p i k in Österreich", während er das Nibelungenlied in Passau hervortreten läßt. B a y r . H e r k u n f t der ' K u . ' dürfte ebenso möglich, manchem wahrscheinlicher sein. Gewiß ist nur der bayr.-österreichische Sprachbereich. L i t e r a t u r (Nachträge): Reiche Angaben bei Schlußband
1935, S. 145 — 152. —
höfische Lit. (1170—1250),
1953, S. 214. — Kor-
Ehrismann
Die wichtigste neuere Lit.: H. de B o o r Die rektur-Nachtrag: Zu 3: Versuche, die 'Ku.' als Werk der Zeit um 1240 zu verstehen: M a g d a l e n e W e e g e Das Kudrunepos Diss. Mainz 1953. — L. W o l f f Das Kudrunlied Wirkendes Wort IV, 1953/4. S. 193 — 203. — Allgem. Charakteristik: K. H. H a l b a c h in Dt. Philol. im Aufriß II, S. 652ff. — Zu 6: H. W. J. K r o e s Kudrunprobleme
Neophil. 31, 1954, S. 11 —23 (Ansetzen einer „zweiteiligen spielmännischen Ku." für die Zeit „um 1190).
Friedrich Neumann
Kügelin, Konrad (Nachtrag). Krit. Ausgabe der Eisbethenvita durch K. B i h l m e y e r in der Festgabe Phil. Strauch 1932, S. 88
bis 1900. O. B a u m a n n N D B . I (1953), S. 33 (zu Achler, Elisabeth). TT
Hannemann
Küntzner, Heinrich, Benediktiner u n d A b t v o n Tegernsee, aus Kufstein (Tirol), zuerst vermutlich in Wien (vgl. Clm. 18. 983L 18a. 19. 681, 19. 871 u. 20. I75f.425), t r a t 1491 in Tegernsee ein, schenkte hierbei die
K u p p n e r , Christoph —
58I
Hs. Clm. 18. 797, 18. 801, 19. 617, 19. 681, 19. 870 und 20 Inc. c. a. 2134b (mit hebr. u. griech. Alphabet), war 1500—1512 und 1528—1543 A b t und starb am 16. Dez.1544. P . L i n d n e r Familia
S. Quirini
in
Tegernsee
und
Schriftenreihe
die z.
dt. bayr.
Geistesgesch.
S. 88, 127, 175, 178 A. 38, 179.
Redlich
im
Landesgesch.
15. 9
582
handelt die verschiedenen Handelsgeschäfte kasuistisch mit den Methoden der Scholastik. K . steht durchaus auf dem Boden des kanonischen Rechtes. Während das Geldverleihen verurteilt wird, ist der Handel an sich erlaubt; er unterliegt aber zahlreichen einschränkenden Bestimmungen. Er darf nicht an unpassenden Orten, nicht an Feiertagen, nicht von unpassenden Personen (Geistlichen) und nicht mit unziemlichen Waren (z. B. Spielkarten, Würfeln, Schminke) ausgeübt werden. A m Schluß folgen 16 Ratschläge, wie sich Kaufleute vor Sünde und Unrecht bewahren können. Die Anregung zur Abfassung dieser Schrift, die dem Erzbischof von Magdeburg und dem Hochmeister von Preußen gewidmet ist, ging von den Leipziger Beichtvätern Ks. aus.
Tegernsee
O b e r b a y r . A r c h i v 50 (1898), S. 109. V .
Lambrecht, P(f)affe
Jh.,
(1931),
A. Dörrer
Kuppner, Christoph.
Um 1466 in Löbau in Preußen geboren, studierte K . an der Leipziger Universität und wurde dann, nach kurzer Tätigkeit als Syndikus der Stadt Braunschweig, Rechtslehrer in Leipzig. Als Mitglied einer Gesellschaft für Zinnhandel beteiligte er sich auch selbst an Handelsgeschäften und erlangte großes Ansehen. Im Jahre 1495 wurde er in einem Rechtshandel mit den Herren von Weltheim durch diese gefangen genommen und zwei Jahre in Pommern festgehalten. Er starb 1511.
W . R o s c h e r Gesch. der National-Oekonomik in Deutschland (1874), S . 2 9 f f . G . E i s i n D t . P h i l , i m A u f r i ß I I (1954), S. 1664.
Gerhard Eis
Der von Kürenberg (Nachtrag):
Außer einer Reihe zivilistischer Arbeiten, die von italienischen Autoritäten abhängig und lat. geschrieben sind, veröffentlichte K . auch eine dt. Schrift, die den Titel h a t : Ein schönes Buchlein czu deutsch, daraus ein jegklicher mensche, wes standes er sey, lernen mag, was wucher vnd wucherische hendl seyn. . . . auch was rechte und unrechte kaufmanschaft und hendel seyn. Sie erschien 1508 zu Leipzig im Druck. Die Arbeit knüpft an Gedanken des hl. Johannes Capistranus an, der auch in Leipzig über Juden, Wucher, de censuris u. ä. gepredigt hatte, und be-
H . B r i n k m a n n Liebeslyrik der dt. Frühe 1952, S. 99 — 1 0 1 . W . K o s c h Dt. IAt.-Lexikon 2 (1953), S. 1423. H . d e B o o r Gesch. d. dt. Lit. 2 (1953). S. 242 — 249.
Der Kuse (Nachtrag): V i e l l e i c h t identisch m i t Johannes C u s i n aus d e m Mainzer D o m i n i k a n e r k l o s t e r , P r o v i n z i a l der Kölner T e u t o n i a v o n 1368 — 1372, s. G . L ö h r Die Dominikanerschule vom 14. bis zum 16. Jh. 1946, S. 4 7 I D e r s . Über die Heimat einiger dt. Prediger und Mystiker aus dem Dominik.-Orden Z f d A . 82 (1948/50).
S.
176.
Hannemann
Kyburger, s. K i b u r g e r .
L 'Laienspiegel', s. T e n g l e r ,
Ulrich.
Lambrecht, P(f)affe (Nachtrag). Bei der Ergänzung des ausgezeichneten Artikels von Krogmann im 3. Bd. über den P(f) äffen Lambrecht (Vorauer Kodex 2 f. reht: fihaffe lambret, aber Tobias 7 paffe lambreht, vgl. Vorau 1529 f. phaffte lampret: rehth) möchte ich von der zu wenig beachteten Abhandlung von E. S c h r ö d e r Die dt. Alexander-Dichtungen des 12. Jhs. GGN.
1928 ausgehen. Indem Schröder den Befund von S I ( = Straßburger Fassung, soweit sie mit der Vorauer zusammengeht) und S II ( = Straßburger Fortsetzung) trennt, gewinnt er einen Einblick in die Spracheigentümlichkeiten, die S I von S II so unterscheidet, daß S I unter dem Einfluß von Vor. (oder besser von Voraus Urvorlage = Lambreht) gegen seine eigene Mundart reimt. So kommt man außer zu dem Eigenen von S auch zu dem Eigenen von Vorau. 19*
583
L a m p e r t v o n Hersfeld
Schröder hält bes. das Prät. PI. gien 'gingen', das A d v . gagen und das noch nirgends sonst belegte W o r t stützet ' K l i c k e r ' für entscheidende Merkmale der Lambrehtschen Sprache. E r k o m m t nicht zu Trier als E n t stehungsort des 'Tobias' und des ' A l e x ander', weil die E r w ä h n u n g v o n Trier im 'Tobias' aus allgemeiner Bekanntschaft der Trierer Gründungsgeschichte heraus entstanden sein kann. Lit. S. 46; s. die selbständige Behandlung v o n H. de Boor Gesch. der dt. Lit. I, 1949. Ich bereite 2 Ausgaben des 'Alexander' ('Tobias'?) v o r : eine nach der Hs. (für die Ad. Textb.) und eine kritische; Vorstudie im Arch. f . n. Spr. 105 : Handschrift u. Dialekt des Vorauer Alexander. Die Straßb. Fassung spielt noch immer eine große Rolle in der Frage nach dem Verhältnis von Heinrich v o n Veldeke (s. d.) zur frühen dt. Lit. Seit v a n D a m s Vorgeschichte 1923 galt Veldeke als der Entlehnende. G. J u n g b l u t h Untersuchungen zu H. von Veldeke 1937 versucht S. 1 0 — 3 6 die Priorität v o n Veldeke zu beweisen, ersichtlich, u m das Verhältnis von Veldekes ' Servatius' z u dessen 'Eneide' z u lockern. E . S i t t e Die Datierung von Lamprechts Alexander 1940 vertritt wieder v a n D a m s Ansicht. E r denkt sich Lambrechts W e r k (V) in den Jahren 1 1 5 5 — 6 0 in Regensburg entstanden, die Straßb. Fassung kurz nach 1170. A u c h D . T e u s i n k Das Verhältnis zw. Veldekes Eneide u. dem Alexanderlied 1946 tritt für die Priorität von S. ein, während J. v a n M i e r l o De Oplossing van het Veldeke-probleem Versl. en. meded. v a n de K o n . Vlaamse Ac. 1952, S. 660—698 mit schwer wiegenden Gründen erneut Veldekes Priorität verteidigt. Sonst. L i t . : A . T . H a t t o The elephanls Straßb. AI. L o n d o n M e d . S t u d . 3, 1949.
in tke
C. Minis
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liger Sicherheit. Immerhin bieten zwei Hss. der Annalen, die auf einen verlorenen Cod. des Petersklosters in E r f u r t wohl v o m E n d e des 15. Jhs. zurückgeführt werden können, zum Jahre 1058 dort, wo die anderen Hs. nur ego n. haben, Lampertus. E s gibt keinen Grund, diese frühe Erfurter Uberlieferung, die sich u m 1500 auch sonst findet, anzuzweifeln. Die F o r m des Namens ist danach Lampertus und nicht Lambertus, wie m a n früher schrieb. D a ß der Verfasser der Annalen Mönch in Hersfeld war, berichtet er selbst, daß auch die ' Vita Lulli' ihm zuzuschreiben ist, steht seit H o l d e r - E g g e r s Untersuchungen von 1884 fest. A l s A u t o r der Geschichte des Hersfelder Klosters nennen ihn Johannes Trithemius, A b t v o n Sponheim, und der Benediktiner Paulus L a n g in seiner Zeitzer Chronik, der auch Auszüge bringt. W e n n auch L a n g als Schüler des Trithemius seine Kenntnis von diesem gehabt haben k a n n und man dem letzteren nicht ohne weiteres Glauben schenken darf, so ist doch die Stilgleichheit mit den Annalen und der ' Vita Lulli' so deutlich, daß kein Zweifel erlaubt ist. W a s wir über Ls. Lebensdaten mit Sicherheit wissen, ist wenig und nur aus seinen W e r k e n z u entnehmen. A m 15. März 1058 empfing er aus den Händen des von i h m hochverehrten A b t e s Meginher v o n Hersfeld das Mönchsgewand. Die Sorge für seinen Familienbesitz warf er von sich, damit ihn diese L a s t auf dem W e g e Gottes nicht behindere. Mitte September (ieiunio autumnali) des gleichen Jahres, vielleicht am T a g e des hl. Lambert, a m 17. September, empfing er zu Aschaffenburg (aus der irrtümlichen Trennung a Scafnaburg statt Ascafnaburg entstand die falsche Auffassung, L . stamme aus Aschaffenburg) durch E r z bischof Liupold von Mainz die Priesterweihe und trat dann unverzüglich eine Pilgerfahrt nach Jerusalem an. Weihnachten verbrachte er an der ungarisch-bulgarischen Grenze in der S t a d t Marouwa, deren N a m e n sich wohl nur aus einer Verwechslung m i t dem der Morawa erklärt. Mehrmals geriet er unterwegs in äußerste Lebensgefahr.
Lampert von Hersfeld. 1. V o n L., der als Mönch in Hersfeld, Verf. einer Lebensbeschreibung des hl. Lul, eines verlorenen Gedichtes in Hexametern über die neueste Geschichte des Klosters Hersfeld, einer in Bruchstücken erhaltenen Prosadarstellung der gesamten Geschichte des gleichen Klosters und vor allem eines großen Annalenwerkes bekannt ist, wissen A m 17. September 1059 traf er wieder in wir noch nicht einmal den N a m e n mit völ- ; seinem Kloster ein. E r h a t t e die Reise ohne
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Lampert von Hersfeld
den Segen A b t Meginhers angetreten und 11 gefürchtet, der A b t könne, ohne sich mit ihm versöhnt zu haben, vor seiner Rückkehr sterben. E r fand ihn noch lebend und erhielt nicht nur seine Verzeihung, sondern wurde mit offenen Armen dankbar aufgenommen. Daß der A b t noch am gleichen Tage von einem Fieber ergriffen wurde und acht Tage später, am 26. September, starb, nahm L. als Beweis der gnädigen Fürsorge Gottes. L. studierte 1071 in Saalfeld und Siegburg die Sitten und Einrichtungen italienischer Reformmönche, die Erzbischof Anno von Köln im Vorjahre aus der Benediktinerabtei Fructuaria bei Volpiano in Piemont nach Deutschland gebracht hatte. Ihre neuen Sitten gefielen ihm nicht. In dem Kampf gegen Heinrich IV. hielt er zu dessen Gegnern, im Gegensatz zu seinem Kloster und dessen neuen Äbten, über die er neben geringem L o b vor allem Ungünstiges berichtet. Alles übrige bleibt unsicher. D a er 1058 die Priesterweihe empfing, wird er kaum später als 1028 geboren sein. Nach kanonischem Recht konnte niemand vor dem 30. Lebensjahre Priester werden, es sei denn in einem besonderen Notfall (Gratianl, dist. 78). D a er beim Eintritt ins Kloster auf den Familienbesitz verzichtete, kann man folgern, daß seine Familie begütert war. Aber wo sie ansässig gewesen sein mag, bleibt ungewiß. Aus der häufigen Erwähnung Thüringens und der Feindschaft gegen Heinrich IV. hat man auf Thüringen schließen wollen. Mehr Gewicht hat vielleicht die Feststellung Holder-Eggers, daß die Lautgestaltung der von L. gebrauchten Eigennamen im Vergleich mit der der Hersfelder und Fuldaer Urkunden etwas mehr obd. Elemente zeigt. Es mag also sein, daß er in Franken geboren ist oder sich längere Zeit dort aufgehalten hat. Deutlich ist jedenfalls seine Verbindung mit Bamberg, das er in den Annalen außerordentlich häufig und mit intimer Kenntnis erwähnt und dessen Bischof Gunther er neben Erzbischof Anno von Köln am höchsten lobt und persönlich gekannt zu haben scheint {Opera ed. H o l d e r - E g g e r , S. 99, Z. 32). D a ß L . in der Bamberger Klosterschule vielleicht unter Leitung Annos er-
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zogen worden sei, hat Holder-Egger wahrscheinlich gemacht. C. E r d m a n n hat auf Grund stilistischer Ähnlichkeiten die Vermutung hinzugefügt, daß er ein Mitschüler Meinhards von Bamberg (s. d.) gewesen sei. D a ß er dann selbst in Hersfeld eine Zeitlang die Klosterschule geleitet habe, bleibt ebenso bloße Vermutung wie die Annahme, er habe wegen seiner Gegnerschaft zu Heinrich IV. am Ende Hersfeld verlassen müssen und die Annalen in der Fremde vollendet. Wenn Hartmann Schedel in seiner Weltchronik vermerkt, L. sei A b t von Hasungen gewesen, so ist mit dieser isolierten Nachricht nichts anzufangen. Der Gedanke, er sei der Verfasser des ' Carmen de hello Saxonico' gewesen, ist so abwegig wie der, der Name L . sei nur ein Pseudonym für A b t Hartwig von Hersfeld. 2. Ls. erstes Werk war die ,, Vita saneti Lulli episcopi", des Gründers von Hersfeld und späteren Erzbischofs von Mainz. D a er die 'Vita Bonifacii' benutzt hat, die Otloh von St. Emmeram (s. d.) zwischen 1062 und 1066 in Fulda schrieb, kann er kaum vor 1065 begonnen, da er selbst sein Werk im *Libellus de instituiione Herveldensis ecclesiae' erwähnt (Op. S. 347, Z. 25ff.), muß er es vor 1076 vollendet haben. Das Originalkonzept Ls. mit Verweisen auf spätere Einfügungen ist uns erhalten, bricht aber im 22. Kap. mitten im Satz ab. Das ausgearbeitete Werk, das an den im Konzept bezeichneten Stellen Zusätze bringt und auch die dort noch fehlenden 5V2 K a p . enthält, ist in einer vollständigen Abschrift auf uns gekommen, außerdem in einer weiteren Abschrift, in der die letzten 9 Kapitel fehlen. D a diese letzte Hs. zusammen mit der 'Vita Lulli' andere auf Fulda bezügliche Schriften enthält und die fehlenden Kapitel einiges für Fulda Peinliche ergeben, darf man annehmen, daß diese Rezension für Fulda bestimmt war. Ls. Darstellung selbst ist ohne geschichtlichen Wert, nicht nur, weil ihre Quellen bekannt sind, sondern vor allem, weil ihr Inhalt tendenziös entstellt ist. L. nennt seine Quellen wenigstens zum Teil selbst (Ego mihi eam ... operam iniunxi, ut de vita saneti Bonefatii, sanetae Lyobae, Sturmionis abbatis, item et ex cyrografis et decretis prin-
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Lampert von Hersfeld
ciftum . . . , quaeque in memoriam huius viri dicta excerperem et ea quasi disiecta historiae membra in unius libelli corpusculum congererem / Op. S. 340, Z. 20ff.). Wie sich aus dem Inhalt ergibt, sind Willibalds 'Vita Saudi Bonifatii, Eigils ' Vita Sturmi', die ' Vita Leobae' Rudolfs von Fulda und zwei Diplome Karls des Großen gemeint. Außerdem läßt sich die Benutzung der Bonifaciusvita Otlohs, der Lupusvita Wigberts von Fritzlar, der Karlsvita Einhards (s. d.) und der Chronik Reginos von Prüm (s. d.) nachweisen, die einer Mainzer ' Passio sancti Bonifacii' und einer ' Vita Wigberti' (entweder der des Lupus oder der verlorenen 'Vita metrica') wahrscheinlich machen. L. rühmt sich, die Überlieferung getreulich wiedergegeben und zu einer Einheit verschmolzen zu haben. In Wirklichkeit weicht er weit mehr als einmal von dem ab, was ihm vorlag, und berichtet hier und da sogar fast das Gegenteil, um seinen Helden im glänzendsten Licht erscheinen lassen zu können.
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4. L. hat sein viertes, letztes und bei weitem wichtigstes Werk, die A n n a l e n , nach der Wahl Rudolfs von Schwaben zum Gegenkönig in Forchheim am 15. März 1077 und wahrscheinlich vor der zweiten Exkommunikation Heinrichs IV. am 7. März 1080, jedenfalls aber vor Rudolfs Tod am 15. Oktober 1080 beendet. Ihrem Stil und Inhalt nach sind die Annalen offenbar in einem Zuge niedergeschrieben, so daß ihre Abfassung sehr wahrscheinlich in die Jahre 1078 und 1079 fällt. Sie beginnen mit der Erschaffung der Welt und enden Anfang März 1077 unmittelbar vor der Wahl Rudolfs. L. folgt anfänglich den alten, mehr als ein Jh. vor ihm begonnenen und mindestens bis 1044 reichenden Hersfelder Annalen, bringt also bis 702 einen dürftigen Auszug aus Isidor von Sevilla und Beda Venerabilis, dann von 708 an eine zunächst sehr knappe annalistische Darstellung, die seit 1039 immer reichhaltiger wird, 1056 mit dem Regierungsantritt Heinrichs IV. ihr eigentliches Thema findet und ab 1073 in breitem Flusse die Ereignisse schildert.
3. Eine zweite Schrift Ls., in der er um 1073 die neueste G e s c h i c h t e H e r s f e l d s in Hexametern beschrieb, ist uns verloren. Die lebhafte und ausführliche Darstellung, Er selbst berichtet später, daß man ihn an- scheinbar objektiv und jedenfalls ohne direkte geklagt habe, in seinen Versen mehr Fal- Stellungnahme, die im MA. sehr wenig Benutzung sches als Wahres berichtet zu haben {Op. fand, erweckte seit dem Ende des 15. Jhs. größtes Interesse, erlebte noch im 16. Jh. sechs verschieS. 345, Z. 17); es war in erster Linie der dene Drucke und ist bis auf W . G i e s e b r e c h t s Widerspruch, den er gefunden hatte, der 'Gesch. der dt. Kaiserzeit' die Grundlage für das ihn veranlaßte, kurze Zeit später eine aus- Verständnis der beiden ersten Jahrzehnte Heinführliche Darstellung der Geschichte seines richs IV. geblieben. Ein seltener Glücksfall schien ; eine so ausführliche Darstellung der dt. Geschichte Klosters in Prosa zu geben und dem Abt gerade für die entscheidenden Jahre der ersten Hartwig zu widmen. Die Darstellung selbst großen Reichskrise seit den Ottonen zu bieten. ist ebenfalls nicht mehr vorhanden, aber In Einzelheiten wurde zwar hier und da ein wir besitzen Auszüge aus dem Jahre 1513 Zweifel laut, der aber das Gesamtbild nicht zu ändern vermochte. In einem Akademievortrag des von einem Mönch aus Hamersleben (Prolog Jahres 1854 hat dann L. v o n R a n k e diese Einohne Inscriptio und Anfang vollständig), stellung einer gründlichen Revision unterzogen Stücke geringeren Umfangs in der Zeitzer !1 und an acht Beispielen dargetan, daß L. die Ereignisse falsch oder unzureichend dargestellt hat Chronik des Paulus Lang und der Hessi- und von seinem Mönchsstandpunkt aus Heinschen Chronik des Wigand Gerstenberg rich IV. gegenüber außerordentlich voreingenom(s. d.). Die Geschichte Hersfelds war hier I men war. von der Gründung durch Lul an in zwei Fünfzehn Jahre lang nahm man von dieser Büchern abgehandelt, deren zweites mit Darstellung kaum Notiz, bis dann schließlich seit der Minderheitsregierung Heinrichs IV. be- 1869 die Diskussion über die Glaubwürdigkeit Ls. gann. Das letzte Ereignis, das er brachte, in lebhaften Fluß kam. Die ältere Literatur ist, abgesehen von Rankes wohlabgewogenem Urteil, war die Flucht des Bischofs Burchard II. von bis auf Einzelheiten seit 1894 überholt durch die Halberstadt von der Burg Gößweinstein in ausführlich eindringenden und exakten Arbeiten Franken im Juli 1076. Bald darauf muß er O. H o l d e r - E g g e r s und M e y e r s v o n K n o n a u . seine Arbeit, die mehrere Jahre in Anspruch Kann seither über die Unzuverlässigkeit von Ls. Angaben in sehr vielen Fällen kein Zweifel mehr genommen hatte, abgeschlossen haben. bestehen, so war die Deutung im ganzen um so
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Lampert von Hersfeld
mehr Gegenstand der Auseinandersetzung. Sah Holder-Egger in erster Linie den unzuverlässigen Historiker und bewußten Verfälscher der Ereignisse, ja fast nur einen Propagandisten des Gegenkönigs Rudolf, so hat Meyer von Knonau einen wesentlich zurückhaltenderen Standpunkt eingenommen, Ls. Darstellung zu erklären unternommen und ein Urteil mehr von Fall zu Fall gesucht. Obwohl beide Standpunkte weiterhin ihre Verteidiger gefunden haben, hat sich die allgemeine Auffassung im großen und ganzen mehr der Meyers von Knonau angenähert, und damit dem, was Ranke 1854 zusammenfassend äußerte: „Lambertus hat die Gabe, in dem Kreise, den er überschaut, der Fortgang der Dinge, wie er war, zu bemerken; er ist bei aller seiner geistlichen Richtung nicht ohne Anflug der beginnenden Romantik des Jhs.; er hat Sinn für die Erscheinung und weiß sie wiederzugeben; wir vermissen ihn schmerzlich, wo er abbricht. Wogegen die Kritik sich verwehrt, das ist nur die ihm zugeschriebene Autorität, auch in Sachen, von denen er nichts weiß; die Übertragung dessen, was der Beschränktheit seines Standpunktes und seines Sinnes angehört, in die Auffassung der Weltgeschichte." (Werke 51/52, S. 1 4 8 ! )
Freilich kann L. von bewußter Unwahrhaftigkeit nicht freigesprochen werden. Unmöglich können all die Dinge, die er in seinen Annalen zweifellos falsch dargestellt hat, angefangen von Annos Staatsstreich 1062 bis zur Buße von Canossa 1077, von ihm in gutem Glauben geschrieben sein oder sonst eine harmlose Erklärung zulassen. Gewiß mögen die Lust zu erzählen, die Schulgewohnheit, in traditionellen Bildern und Gegensätzen zu schildern, klassische Vorbilder, die Unmöglichkeit, von seinen begrenzten Informationsquellen aus Genaueres zu erfahren, und die Erfahrung mönchischer Intrigen für vieles verantwortlich sein. Daß er aber tatsächlich durchaus imstande war, seine Quellen falsch wiederzugeben, zeigt unwiderleglich sein Verfahren in der' Vita Lulli'. R a n k e hat schon 1854 mit umfassendem Blick und sicherem Urteil gezeigt, daß es die „mönchische Weltansicht" ist, die Ls. Urteil trübt und die er allenthalben einmischt, die ihn Papst Gregor VII. als ehemaligen Mönch verehren und Heinrich IV. als seinen Gegner verdammen läßt. Aus diesem Grunde verzeiht er Anno von Köln und lobt sogar, was er an Adam von Bremen (s. d.) verurteilt, ist er ein Gegner der Städte, die Heinrich IV. unterstützen. C a r l E r d m a n n hat aus der gleichen Sicht
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heraus, wie wir sie bei Ranke finden, anläßlich einer Untersuchung über Ls. Darstellung Hermanns von Bamberg ein scharfes Urteil gefällt: „ . . . obgleich er im ein-, zelnen, soweit er nachprüfbar ist, viel mehr Richtiges als Falsches bietet, so weiß er doch von den treibenden Kräften und von den Zusammenhängen mit dem großen Geschehen seiner Zeit so gut wie gar nichts und kennt im Grunde nur die Szenen in Bamberg. Ihm ist die Absetzung des Bischofs Hermann ein Skandalhistörchen.. ." {Studien S. 316). Als Mönch von Hersfeld wendet sich L. schließlich auch gegen die Mönche von Fulda. Mit seiner mönchischen Weltansicht verbindet sich eine ausgesprochene Verehrung der guten alten Zeit. In scharfem Gegensatz sieht er die Männer, die er in seiner Jugend kennen und verehren gelernt hat, zu denen, die während seiner reifen Jahre die Politik beherrschten. So stehen einander gegenüber Bischof Gunther von Bamberg (1057—1065) und sein Nachfolger Hermann (1065—1075), Abt Meginher von Hersfeld (1035—1059) und sein Nachfolger Ruthard (1059—1072) und Hartwig (1072—1090), so vor allem auch Kaiser Heinrich III. und Heinrich IV. Es mag sein, daß diesem Gegensatz ein innerer Wandel oder ein einschneidendes Erlebnis entsprechen. Sein Eintritt ins Kloster und die unvermittelte Wallfahrt nach Jerusalem scheinen darauf hinzudeuten. Möglich auch, daß seine Feindschaft gegenüber Heinrich IV. damit zusammenhängt, daß dieser ihn nicht zum Abt von Hersfeld gemacht hat, wie Holder-Egger vorsichtig vermutet. Aber wo die Quellen nichts bieten, sind sichere Schlüsse unter allen Umständen versagt. Es muß genügen, festzustellen, daß neben im einzelnen nicht sicher erfaßbaren persönlichen Erfahrungen eine mönchisch-konservative Haltung Ls. ganzes Werk beherrscht. Ita cuncta in deterius ruunt, cum nec divina nec humana lex valeat afiud modernos, sagt er im 19. Kap. der 'Vita Lulli' (Op. S. 333, Z. 6f.). Nachdem er in den Annalen von dem bereits erwähnten Besuch bei den italienischen Reformmönchen in Saalfeld und Siegburg berichtet hat, faßt er sein Urteil abschließend dahin zusammen, daß nostras quam illorum
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Lamprecht von Regensburg —
consuetudines regulae sancti Benedicti melius congruere, si tarn tenaces propositi tamque ridigi paternarum nostrarum traditionum emulatores vellemus existere (Op. S. 133, Z. 24ff.). Dieser allgemein mönchisch-konservativen Einstellung gegenüber spielt seine Anhänglichkeit an das Kloster des hl. Wigbert eine wesentlich geringere Rolle. Sie hat ihn jedenfalls nicht daran gehindert, im Gegensatz zum ganzen Kloster ein Gegner Heinrichs IV. zu sein. Nur so ist es auch zu erklären, daß er von dem eigentlichen Inhalt des gregorianischen Reformpapsttums überhaupt keine Notiz nimmt. Charakteristisch für L. ist es, wenn er beim Tode A b t Meginhers über diesen s a g t : Vir magnarum in Christo virtutum et vere — quod omniurn modemorum abbatum pace dixerim — unicurn sua aetate in Teutonicis regionibus recte ac monastice vivendi exemplar {Op. S. 75, Z. 22ff.). Wenn L. als großer Historiker nicht mehr bestehen kann, so doch zweifellos als großer Schriftsteller und glänzender lat. Stilist. Sein Latein, wenn auch nicht klassisch, ist doch glatt, flüssig und ausdrucksstark, ein Beispiel der hervorragenden Ausbildung, die die damalige Klosterschule zu vermitteln vermochte. D a ß er neben der Bibel in der Vulgata-Ausgabe aus der eigentlichen christlichen Literatur Hieronymus, Augustin, Gregor den Gr., die Benediktinerregel, Isidor von Sevilla, Beda Venerabiiis und andere kannte, ist selbstverständlich, auch dann, wenn sich nur geringe Anklänge feststellen lassen. Die %Getica' des Jordanes erwähnt er selbst, anderes ist bereits zur ' Vita Lulli' vermerkt. Von den klassischen Schriftstellern hat er Sallust, Livius, Vergil und Horaz offenbar selbst gelesen und benutzt, desgleichen Ammianus Marcellinus und Justin, wohl auch Terenz und Lukan. Ob die teilweise ganz vereinzelten Anklänge an Plautus, Cicero, Caesar, Ovid, Seneca, Statius, Silius Italicus, Quintilian, Sueton und Boethius der Erinnerung an eigene Lektüre entstammen oder sich aus dem Überlieferungsgut der mal. Lateinschule erklären, soweit es sich nicht um zufällige Ähnlichkeiten handelt, läßt sich durch eine Untersuchung Ls. allein kaum klären.
'Lancelot'
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Beste Ausgabe der Werke Ls. in den MGH. SS. in us. scholarum von O. H o l d e r - E g g e r (1894). Für die 'Institutio Herveldensis ecclesiae' ist A . P a n n e n b o r g Ergänzugen zuLs. Hersfelder Klostergeschichte (Dt. Zs. für Geschwiss. N F . 1, Vjshefte 154, 1896/97, S. 154 — 159) heranzuziehen sowie die Chroniken des Wigand Gerstenberg von Frankenberg, bearb. v. H. D i e m a r 1909, Einleitung, S. 37 ff. Zur Darlegung der Hss.-Verhältnisse bieten Ergänzungen und andere Vermutungen für die Annalen J. H a l l e r Die Überlieferung der Annalen L. v.H. (in: Wirtschaft und Kultur, Festschrift für Alfons Dopsch, 1938, S. 410 — 423) und die Besprechung dieser Untersuchung von E. E. S t e n g e l im DA. 3 (1939), S. 530. Wichtigste Literatur: L. v. R a n k e Über die Annalen des L. v. H. (aus: Zur Kritik fränkischdt. Reichsannalisten Abh. d. Preuß. Akad. phil. hist. 1854, S. 436 — 458, mit einigen Ergänzungen in den Werken, Bd. 51/52 [1888], S. 125 —149). O. H o l d e r - E g g e r Über die Vita Lulli und ihren Verfasser NA. 9 (1884), S. 283—320. D e r s . Studien zu L. v. H. N A . 19 (1894), S. 141 —213, 369 bis 430, 507—574. G. M e y e r v o n K n o n a u Jb. des Dt. Reiches unter Heinrich IV. und Heinrich V., Bd. 2, Exkurs 1 und 3 — 7 (S. 785ff. und 791 bis 853). A . H a u c k Kirchengesch. Deutschlands 3 ' 4 III, S. 953 — 955. B. S c h m e i d l e r L. v. H. und die Ehescheidungsangelegenheit Heinrichs IV. im Jahre 1069 HistVjschr. 20, 1920/21, S. 141 —149. C. E r d m a n n Studien zur Briefliteratur Deutschlands im 11. Jh. 1938 S. 1 1 3 ! , 312 — 316. R. H o l t z m a n n in seiner Ausgabe von W a t t e n b a c h Deutschlands Gesch.-Quellen 1 (1940), S. 456—470, umfassende und noch heute gültige Darlegung des Standes der Forschung. Freyh
Lamprecht von Regensburg (Nachtrag). Die lat. Quelle seiner „Syo»"-Dichtung scheint eine Predigt „in Assumptionem" oder eine nach dieser Predigt dramatisierte Allegorie des Abtes Guerricus aus dem Kreis der Freunde des hl. Bernhard zu sein. Ausgabe von J. B e l l e r Le bienheureux Guerrie 1890 als Appendix. — D. de W i l d e De beato Guerrico abbate Syniacensi; L. R e v p e n s Het Latiinsche Originaal der Allegorie van der Dochter v. Syon Ons Geetelijk Erf 1943, II. — H. de B o o r Gesch. der dt. Lit. 2 1953, S. 384. Vgl. 'Tochter
J. van Mierlo 'Lancelot'. 1. D a s f r ü h e B r u c h s t ü c k M. Der erste Hinweis auf den höfischen Prosaroman von Lancelot stammt von B. J. D o c e n . Er entdeckte 18x6 das nd. Fragment Cgm. 5250, Nr. 5 (M) und datierte es ungefähr 1300. Den Zusammenhang im L.-Roman erkannte er nicht, denn er hielt es für den Teil eines Gawan-Romans. 1869 gelangte das Fragment M durch F. K e i n z vollständig zum Abdruck, den C. H o f m a n n 1870 verbesserte und als Bruchstück eines L.-Romans erkannte. M
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wurde seitdem als vereinzelter früher prosaischer Versuch in der 2. Hälfte des 1 3 . J h s . betrachtet und nicht mit der großen Heidelberger Hs. (P) aus der Mitte des 15. J h s . in Verbindung gebracht. B e h a g h e l s Versuch in dieser Hinsicht hatte keine Folge. Auch A. P e t e r , der das Verhältnis der damals bekannten dt. Prosahss. von L . zu Ulrich Füeterers (s. d.) 'Lanzelot' behandelte und dabei zu dem Ergebnis kam, daß Füetrers Prosaroman ein Auszug aus der Heidelberger Hs. P ist und sein poetischer L . wieder aus seinem eigenen Prosaauszug hervorging, stellte keine Verbindung zwischen dem Bruchstück M aus dem Anfang des 1 3 . J h s . und der Heidelberger Hs. aus dem 1 5 . J h . (woraus dann Füetrer schöpfte) her. Und schließlich auch W. L i e p e hielt noch 1920 das Bruchstück M für ein verfrühtes Zufallsprodukt. L i t e r a t u r : B . J . D o c e n Bruchstück einen Romans, vielleicht von Gawan, in niederdt. Mundart J . G. Büschings Wöchentliche Nachrichten für Freunde der Geschichte 3 1 . Stück 1 8 1 6 . F . K e i n z Altdt. Denkmäler M S B . 2, 1869. W. S c h e r e r Die Anfänge des dt. Prosaromans 1877. C. H o f m a n n Über ein ndt. Lancelotfragment und einige daran sich knüpfende literargeschichtliche Fragen M S B . 2, 1870. O. B e h a g h e l Über ein nd. Lancelotfragment Germania 23, 1878. A. P e t e r Die dt. Prosaromane von Lanzelot Germania 28, 1883. W. L i e p e Elisabeth von Nassau-Saarbrücken. Entstehung und Anfänge des Prosaromans in Deutschland 1920. K l u g e (s. unter 3), S. X X I V f f . 2. D a s f r ü h e B r u c h s t ü c k A . Das von E d w a r d S c h r ö d e r 1922 bekanntgemachte odt. Bruchstück von Amorbach (A) ist noch älter als das nd. Bruchstück M. Schröder erkannte die Übereinstimmung mit der Heidelberger Hs. aus dem 1 5 . J h . , so daß endlich die Brücke von den „ v e r f r ü h t e n " Fragmenten zu der verspäteten guten Heidelberger Überlieferung geschlagen war. Damit stand die Forschung vor der erstaunenerregenden Tatsache eines klassisch-mhd. Prosaromans. E s hat 25 J a h r e gedauert, bis man sich von dem Erstaunen erholt hatte und zu einer Ausgabe des großen und einzigartigen Prosaromans schritt. Literatur: E . S c h r ö d e r Fragment eines mhd. Prosaromans aus dem Anfang des 13. Jhs. Z f d A . 59, 1922. D e r s . Der dt. Lancelot in Prosa ZfdA. 60, 1923. D e r s . Eine unbenutzte Quelle des mhd. Sprachschatzes Neuph. Mitt. 33, 1932. J . S c h w i e t e r i n g Die dt. Dichtung des MAs. S. 296. K l u g e (s. unter 3) S. X X I I f f . 3. D i e s p ä t e H a n d s c h r i f t P . Der um 1430 entstandene Pergament Codex pal. germ. 147 (P) hat den ursprünglichen Wortlaut so gut erhalten, daß sein Herausgeber R e i n h o l d K l u g e ( S . X I I I ) von P sagen muß, „daß es keines Studiums, sondern nur einer aufmerksamen Lektüre der Hs. P bedurft hätte, um den durch Wort- und Fremdwortbestand gesicherten Sprachschatz zu erkennen und sich von der Integrität der klassisch-mhd. S y n t a x überzeugen zu lassen. In P ist der Sprache die K r a f t souveräner Unmittelbarkeit zur dt. Urvorlage erhalten geblieben". P bildet auch die
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Leiths. der L.-Ausgabe Kluges. B i s jetzt liegt der 1 . B d . (DTdMA. X L I I , 1948) der auf 3 Bände berechneten Ausgabe vor. E r enthält die Geschichte der Hss. und die Abenteuer: Die schmerzliche Königin — Lancelots Kindheit — Die Dolerose Garde — Galahot — Gawan und Hestor — Der Krieg in Schottland — Die falsche Ginevra und Galahots Tod — Der Karrenritter. Zwischen diesem Teil und dem 2. B u c h k l a f f t in der Überlieferung P p eine Lücke, die nach Kluges Berechnung ein Fünftel des gesamten Textumfanges umfaßt. Sie entspricht in der franz. Überlieferung der Charette-Suite. Die Pariser Hs. (a, s. 4) hat diese Lücke zwischen P 1 und P 2 nicht, und eins der Rotterdamer Fragmente (R, s. 5) fällt in diese Lücke. Man verbaut sich den richtigen Weg zur Erkenntnis der Entstehungsgeschichte des dt. Prosa-L., wenn man mit Kluge ohne weiteres annimmt, daß die anders als P redigierte Hs. a hier nach der franz. Überlieferung die Lücke in P ergänzt, weil die P-Überlieferung j a auch den schwächsten Teil der dt. Urfassung weggelassen haben kann. E s ist möglich, daß die gesamte dt. Überlieferung von einem mndl. Prosaroman ihren Ausgang genommen hat. Das ist sogar nachzuweisen, und es ist in dieser Beziehung wichtig, daß R eine mndl. Stelle überliefert, die in die Lücke zwischen P 1 und P 2 fällt. Die P Überlieferung hat die Charette-Suite ausgelassen, weil diese den „anerkannt schwächsten, die Handlung retardierenden Teil" der L-Überlieferung enthält ( K l u g e S. X V ) . 4. S o n s t i g e H s s . Mit A M P bilden folgende Hss.eine Gruppe: die jüngere Heidelberger Hs. p (Anfang des 16. Jhs.), die Donaueschinger Hs. d aus Joseph von Laßbergs Sammlung (Ende des 15. Jhs.) und vermutlich die Schaffhauser Hs. s (16. Jh.). Eine 2. Gruppe bilden die Marburger Hs. m (14. J h . , s. Korr.-Note) und Würzburg w (15. Jh.). Über die Zugehörigkeit der Kölner Hs. (15. J h . ) ermittelte K l u g e nichts, weil er sie nicht benutzte, s. Korr.-Note. Die vollständige Pariser Hs. a (16. Jh.) ist die jüngste. Sie soll nach Kluge einer späteren Redaktion folgen. Ulrich Füetrers PiosaL . wurde unter 1 erwähnt. Endlich gibt es noch die Rotterdamer Fragmente eines mndl. Prosa-L. 1340, die Kluge (Einleitung, S. X V und 1 , 1 f.) nicht in die von A M P vertretene Überlieferung stellen möchte. L i t e r a t u r : K l u g e Einl. (s. unter 3), S. X X V I bis L I . J . N o t e r m a n s en W. d e V r e e s e Fragmenten van de middel-Nederlandse Proza Lancelot Tijdscbrift voor Taal en Letteren 19, 1 9 3 1 (mit Parallelausgaben der franz. Quelle und des mndl. poetischen 'Lancelot'). 5. D a s B r u c h s t ü c k R und d e r m n d l . U r s p r u n g . Als Merkwürdigkeit sei zunächst erwähnt, daß die Marburger Hs. aus dem 14. J h . 30 Blätter Bruchstücke eines mndl. poetischen L . aus einer Hs. nach 1300 enthält. Sie stehen ebenso wie weitere 28 Bruchstücke im Staatsarchiv zu Marburg, eins im Stadtarchiv von Mengeringhausen und zwei Münchener Fragmente in keinem
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Verhältnis zu dem großen von J o n c k b l o e t 1846 — 49 herausgegebenen gereimten mndl. 'Roman van L . ' Es sind alles Anzeichen, daß mndl. L.-Dichtungen in Deutschland im 13. Jh. stark verbreitet waren. Das Rotterdamer Prosa-Fragm. wurde in der Schloßbibl. des Barons Erp zu Baarlo in ndl. Limburg gefunden und 1931 von W . d e V r e e s e veröffentlich (s. unter 4). K l u g e möchte dieses mndl. Fragment nicht zur Überlieferung A M P rechnen, muß sich aber sagen, daß die Berührung des ndl. Zweiges in einer Vorstufe mit dem zeitlich nahestehenden nd. Fragment der Hs. M im Bereich der Möglichkeit liegt, wenn man sich den Weg des Prosa-L. aus dem Afrz. ins Odt. durch flämische Vermittlung und rheinaufwärts vorzustellen geneigt ist (Einleitung, S. LH). Wir können R noch nicht mit der dt. Überlieferung in A M P vergleichen, da das Rotterdamer Fragment mit einem dt. Teil zusammengeht, dessen Ausgabe noch aussteht ( K l u g e Bd. 2). Der andere Teil aus R steht in der der P-Überlieferung eigentümlichen Lücke zwischen P I und P II. Aber Kluge teilt vier Stellen mit, die zeigen sollen, daß R sich enger an die franz. Quelle hält und eine andere Überlieferung vertritt als AMP. Es versteht sich aber, daß ein dt. Bearbeiter eines mndl. Textes nicht immer den Wortlaut seiner Vorlage beibehalten kann und so von der franz. Quelle seiner Vorlage abrückt. Kluge aber glaubt, daß die größere Übereinstimmung der franz. Quelle mit R und damit Ps Abrücken von dem franz. T e x t darauf hinweist, daß R und P nicht zu demselben Uberlieferungsstrang gehören, sondern jede Hs. für sich einerseits die mndl. Überlieferung und andererseits die dt. Überlieferung vertritt. Was sollte aber ein dt. Übersetzer, falls er aus dem Mndl. übersetzte, mit R : ende si visierde wat men hem gereiden soude ende si deder so groten nerenst toe dat hi alle dien nacht wale rüste (= Q: Et eile commence a aprester a mangier a lancelot si deuise coi. Et mist si grant entente en lui quil dormi taute la nuit) anfangen? Visierde („erwog") verstand das dt. Lesepublikum ebensowenig wie si deder groten nerenst toe („sie bemühte sich ernsthaft") und wale war am Ende des 12. Jhs. schon altertümlich. P hat: Und sie bewiszt sich da so ernstlich das Lancelot die nacht gar sere rüget. In „frappierender Übereinstimmung mit R " steht in P : Sie stund off und dete ir hemde an. sie bereyt sich so sie aller best mocht und ging zu Lancelot = R: Doe stoet si op ende dede ane haer himde ende bereidde hare so si best mochte, ende ghinc te lancelotte (= Q: Lors se uest et appareille au miex que le puet. si sen uient deuant lancelot). In dem Stil dieser Stelle berühren sich die mndl. und die dt. Sprache so stark, daß der dt. Übersetzer nichts zu ändern brauchte. Wie das Verhältnis auch sein mag, wir können auf diesen vereinzelten Beispielen nicht den mndl. Ursprung begründen. Es gibt aber noch andere, schwerwiegende Beweggründe eines mndl. Ursprungs, die uns ausgerechnet P in die Hand liefert: P und R zeigen denselben niederländischen Wort- und Formelschatz.
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Es konnte nicht fehlen, daß ein finnischer Forscher aus der Schule von Suolahti uns hier weiterhelfen sollte: P e n t t i T i l v i s hat Gründe dafür beigebracht, daß das Amorbacher Fragment und die Überlieferung, welche P und p vertreten, einen mndl. Roman als direkte Vorlage gehabt haben müssen. So ist P 29, 3 — 4 Die ander jrauw was des konigs dochter der geheissen was Afolerde nicht direkt aus der franz. Quelle Et lautre fu fille au roi mahaignie zu erklären. Mahaignie heißt „verstümmelt, verkrüppelt" und ist synonym mit afole. Im Mnd. gab es kein Verb afolieren, wohl aber im Mndl. afoleren. Der dt. Übersetzer hat mndl. coninc afolerde nicht verstanden und einen Eigennamen daraus gemacht. — So ist P 201, 10 des abendes an dem montag als Zeitbestimmung aus Q : Au lundi deuant les auens („am Montag vor dem Advent") nur aus einer mndl. Zwischenstufe erklärlich, wo avent sowohl „ A d v e n t " wie „ A b e n d " heißen kann. Der dt. Übersetzer verstand mndl. avent also falsch als „ A b e n d " , während es hier „ A d v e n t " bedeutet, gerade wie im Franz. — So ist P 199, 3: Der konig stach yn durch das sein (aus Q : Et Ii roi jiert lui a descouert sor le hauberc entre le mamele et lespaule se Ii met le fer parmi) sinnlos, weil es weder mhd. noch mnd. ein Wort das sein gibt. Schreibt man das sein aneinander, so erhält man mndl. dasseln „die Achsel". In dem Zusammenhang des mndl. Ursprungs rückt auch eine Notiz von K l u g e , aus der nur die starke Verbreitung des L. hervorgehen soll, ins rechte Licht. Die Bibl. des Fürsten von Bentheim-Steinfurt zu Burgsteinfurt besitzt eine Hs. des 'Merlin' von Jacob van Maerlant. In der Hs. aus der Mitte des 15. Jhs. steht diese Inschrift: „Item dit sint de boke, de joncher Everwyn van Güterswik (gest. 1454) greve to Benthem hevet: Ten ersten dit boek Merlyn, item twe nye boke van Lantslotte un eyn olt boek van Lanslotte unde item de olde vermaelde Cronike un Josaphat . . ." ( S . L X I I I ) . genannten Büchern ist lceins erhalten. Ich halte es für sehr wahrscheinlich, daß mit eyn olt boek van Lanslotte ein mndl. Roman gemeint ist, vielleicht wohl unser mndl. Prosa-L. Zum mndl. Einfluß auf wortgeschichtlichem Gebiet am Niederrhein im 12. Jh. vgl. E. ö h m a n n . Er stellt fest, daß der französische Einfluß in Dt. seit dem 12. Jh. großenteils über die Niederlande eingedrungen ist. L i t e r a t u r : Münchener gereimte Fragmente her. von W. de V r e e s e in Tijdschr. 52, 1933. K l u g e S. L I f . P e n t t i T i l v i s Mitte'.niederländisches im Prosa-Lancelot I Neuph. Mitt. L I I , 1951. J. v a n M i e r l o Een verloren Mndl. Proza' roman uil de eerste helft der dertiende eeuw Verslagen en Mededelingen van de Kon. Vlaamse Academie voor Taal- en Letterkunde 1952. E. ö h m a n n Die mhd. Lehnprägung nach franz. Vorbild 1951, s. Korr.-Note. P e n t t i T i l v i s bereitet eine Diss. Turku über den mndl. Ursprung des dt. Prosa-L. vor. 6. D i e f r a n z . Q u e l l e u n d d i e D a t i e r u n g . Die von S o m m e r her. Prosaromane sind: I 'Lestoire del Saint Graal' II 'Lestoire de Merlin
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Lange, Eier — Lau, Georg
I I I — Y 'Le Livre de Lancelot del Lac', V I 'Les A ventu/es ou la Queste del Saint Gr aal — La Mort le roi Artus', V I I 'Le Livre d'Artus'. Davon entspricht I I I und teilweise I V der dt. Überlieferung Buch I, V Buch II und V I Buch III. Ein Teil von I V fehlt also in der dt. Uberlieferung (siehe unter 3 und 5). Der erste franz. Prosaroman, der schon keine Stilumsetzung eines poetischen Romans mehr ist, „sondern als endlich fällige Umstellung auf den neuen Lesestil" ( T i e m a n n S. 314) gefaßt werden muß, ist der 'Didot-Perceval' um 1200. Keime waren schon bei Chrestien vorhanden, ausgebildeter schon bei seinem Fortsetzer Robert de Boron. Auch der ' Perlevaus' (etwa 1212) ist als Prosaroman eine Originalleistung. Den L. datiert man 1215, 1225 und 1228. Schon beim Dichter des 'Didot-Perceval' zeigt sich um 1200 eine beträchtliche Beherrschung der Prosa-Gattung. „ E r ist ein Dichter in der neuen Form des Prosaromans. Seine naive kurze Schreibart geht flüssig aufs Ziel; die innere Form hat sich gegenüber den alten Versromanen erheblich gewandelt; innerer und äußerer Formwandel stehen in Wechselwirkung " ( T i e m a n n S. 323). Der ProsaL. ist also gar kein Beginn, weshalb denn auch in formaler Hinsicht nichts dagegen ist, ihn um 1215 oder noch früher zu datieren, damit wir Spielraum für die dt. Bearbeitung aus dem Mndl. bekommen, die in der frühesten Hs. um 1225 vorliege. Die dt. Überlieferung wird älter als die franz., wenn die erste franz. Hs. 1240 —1270 datiert wird. F. L o t läßt den franz. L. in zeitlicher Nähe dieser späten Überlieferung entstehen: 1215 —1235. So ist man, jeder für sich, zu einer unmöglichen Chronologie gekommen: franz. Original bis 1235 - dt. Übersetzung 1225. Und dazwischen soll nun auch noch die mndl. Zwischenstufe fallen: franz. Original bis 1235 — mndl. Übers. — dt. Übers. 1225. Die erste Frage, die hier wieder aufgenommen werden soll, ist die Frage nach der zeitlichen Entstehung der verschiedenen Teile der franz. Überlieferung und nach möglichen Überarbeitungen etwa früher entstandener Teile. Eine Vergleichung mit der mhd. Bearbeitung könnte dazu beitragen, die Einheitlichkeit der verschiedenen franz. L.-Teile zu beleuchten oder anzuzweifeln. Vorläufig aber warten wir das Weitererscheinen der Ausgabe von Kluge und die Doktorarbeit von Pentti Tilvis ab. Der Widerhall in der Forschung ist schon so stark, daß die Bemühungen um diese frühen Prosatexte in Dt. wohl nicht mehr ins Stocken geraten. L i t e r a t u r : H. O. S o m m e r The Vulgate Version of the Arthurian Romances 1910 —1913 (Ausgabe des P. — L „ Teil I I I — V I ) . F. L o t Etüde sur Lancelot en prose 1918. G. H u t c h i n g s Le Roman en prose de Lancelot du lac 1938 (in den Spuren L o t s ) . K l u g e S. L H I f f . A. P a u p h i l e t Le Legs du Moyen Age (Sur la composition du LancelotGraal) 1950. H. T i e m a n n Zur Gesch. des afr. Prosaromans Roman. Forsch. 63, 1951. — K o r r . N o t e : M a a r t j e D r a a k De mndl. vertalingen van de Proza-L. Mededel. er kon. Ndl. Ak., Afd. Letterk., N. r. 17, 7, 1954: Vergleich des afr. L . mit der mndl. Prosa- und Reimfassung; Behand-
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lung des Kölner Hs. (s. u. 4) und der Marburger (s. u. 4) mit dem Ergebnis: Köln ist aus dem Mndl., Marburg ist das Werk eines holl. Autors. Beschreibung der Haager Hs. des mndl. gereimten L., 1846/9 her. von W . J. A. J o n c k b l o e t . £ M i n i s L a n g e , Eier, e i n R o s t o c k e r B ü r g e r , v e r anstaltete 1518 w ä h r e n d der Pfingstmesse m i t E r l a u b n i s des S t a d t r a t s eine L o t t e r i e ( „ G l ü c k s h a f e n " ) , z u d e r er e i n e g e d r u c k t e A n k ü n d i g u n g herausgab. D a s nur in einem E x e m p l a r erhaltene B l a t t g i b t eine eingehende Beschreibung der Volksbelustigung. Die ausgesetzten Gewinne (Goldschmuck, S i l b e r g e r ä t , P e l z w e r k , T u c h , D a m a s t u . a.), deren Geldwert genau angegeben wird, sind auf einem beigefügten Holzschnitt abgeb i l d e t , d e r die Z i e h u n g d a r s t e l l t . D a s n ü c h terne mndd. Geschäftsdeutsch Ls. erhebt keine künstlerischen Ansprüche. 1524 wied e r h o l t e L . d i e V e r a n s t a l t u n g , w o b e i er d i e Preise der L o s e erhöhte u n d wertvollere Gew i n n e a u s s e t z t e . D a b e i l i e ß er w i e d e r e i n e A n k ü n d i g u n g d r u c k e n , in d e r m a n c h e s a u s d e m B l a t t v o n 1 5 1 8 wörtlich wiederholt ist. [C. M.] W i e c h m a n n - K a d o w Der Glückshafen zu Rostock i. J. 1518 in: A f K d d V . N F . 3 (1856), Sp. 233f., 276t. D e r s . Mecklenburgs altnd.-sächs. IM. 1864, S. 4 7 f . , 71 f. Gerhard Eis Lappleder, Conratt,
s. B o l l s t a t t e r
3.
L a u , Georg, w i r k t e in d e r z w e i t e n H ä l f t e d e s 1 5 . J h s . als L a i e n p r i e s t e r i n P r ö ß d o r f (Frestorf) bei Zeitz. U m 1470 gelangte eine u m 1400 h e r g e s t e l l t e H s . m i t l a t . P r e d i g t e n in s e i n e n B e s i t z , die er b e i seiner p r a k t i s c h e n Amtstätigkeit benützte und mit verschiedenen Bemerkungen versah. Der B a n d bef a n d s i c h 1 8 7 5 in d e r Z e i t z e r C a p i t e l b i b l . u n d hatte keine Signatur. Unter den Eintragungen Ls., der mehrmals a u c h seinen N a m e n b e i s c h r i e b , b e f i n d e t s i c h ein d t . Segen gegen Mäuse ( = Ratten) auf Bl. 218b. D e r T e x t ist f o r t l a u f e n d w i e P r o s a g e schrieben, l ä ß t aber noch deutlich zahlreiche E n d r e i m e erkennen. D i e Schädlinge werden m i t verschiedenen christlichen Gebets- u n d Beschwörungsformeln aufgefordert, K ü c h e , Speicher und Feld zu verlassen. E s ist w a h r s c h e i n l i c h , d a ß d e r u n g e w ö h n l i c h u m f ä n g l i c h e T e x t (er f ü l l t 50 D r u c k z e i l e n ) v o n L . zurechtredigiert wurde, doch finden s i c h f ü r e i n e v o n F . B e c h b e h a u p t e t e „ur-
Lanber, Diepold — 'Legendarium Austriacum, Magnum'
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sprünglich unkirchliche Form" keine sicheren Anzeichen. Die Eintragung ist flüchtig und fehlerhaft; Bechs kritische Noten führen nicht viel weiter. F . B e c h Allerlei
aus Zeitzer Hss.
Germ. X X
Gerhard Eis
(1875), S. 3 2 5 f. u. 334f-
Lauber, Diepold, Leiter einer Hss.-fabrik und Hss.-händler in Hagenau im 15. Jh. Die Hss. aus seiner Manufaktur sind alle fließend geschrieben und mit kunstlosen, aber sauberen, leicht übermalten Federzeichnungen geschmückt, in elsäss. Dialekt und in der äußeren Anlage eng verwandt. Ihre Zusammengehörigkeit wird dadurch erwiesen, daß dieselben Zeichner an verschiedenen Hss. und mehrere dieser Zeichner an einer Hs. gearbeitet haben. Die Texte sind alle dt.; es sind Bibeln, Erbauungsschriften, Heiligenleben, höfische und spätere Romane, Naturgeschichten, Rechtsbücher usw. Seine Kunden fand er vor allem unter dem Landesadel. Es haben sich bis jetzt 38 Hss., 16 Zeichner und 5 Schreiber nachweisen lassen. Aus drei Eintragungen kennen wir seinen Namen; er handelte schon vor 1447 mit Hss., war vielleicht auch Lehrer oder Schreiblehrer und 1455—60 Schreiber in der Landvogtei von Hagenau. Zwei Schreiber nennen ihre Namen: Hans Schilling von Hagenau und Johannes Port de Argentina. Auch ein Vorläufer seiner Schule aus etwa 1415 und 1425 mit den Schreibernamen Hans Coler und Johannes Ziegler wurde nachgewiesen. J . F r a n c k ADB. 18, S.22 (1883); R . K a u t z s c h ZblfBblw. 12, S. i f f . , S. 57ff. (1895); d e r s . Philol. Studien, Festgabe für Ed. Sicvtrs 1896, S. 287; K. B u r d a c h
Vorspiel
X2, S. 89 u . ö. (1925).
J. van Dam Laufenberg, Heinrich Unverdorben, Peter. W . ö f t e r i n g Gesch.
S. 29 —32. rhein.
in Baden
J . M ü l l e r - B l a t t a u H.L.,
Dichtermusiker
Jahrb. 17
d. Lit.
(Nachtrag),
d. späten
MAs.
(1938), S. 143 — 163.
M . M ö l l e i Die Drucker
s. a.
1 (1930),
ein ober-
Els.-Lothr.
A. S c h r a m m -
in Augsburg
1943, S . I 4 f .
und Tafel 74/8. R. K i e n a s t Dt.Philol. im Auf-
riß I I , 1 9 5 3 . S p . 897—899.
Hannemann Lauterfeld, Magister. Herzog Johann von Sachsen (der spätere Kurfürst Johann der Beständige) schrieb
600
von 1515—1523 eine vierbändige Sammlung von medizinischen Rezepten zusammen. In deren II. Bande (Gotha, Herzogliche Bibl., Cod. Membr. I 113) steht Bl. 97»—99b ein Rezept gegen Blasensteine mit der Übers c h r i f t : Ein öll ßo wider den stein zcu gebrauchen yst nach dem wannen bade j Weichs maxister lauterfeit gemacht. Niewöhner H 'Legendarium
Austriacum,
Magnum'.
1. Hss. Das MLA. ist in sieben Exemplaren erhalten, von denen keines vollständig ist; die erhaltenen Teile füllen zusammen 21 meist sehr großformatige und dickleibige Bände. Das Werk hat jeweils vier bis acht Bände beansprucht. Die auf uns gekommenen Codices sind folgende: H. Bibl. des Cistercienserstiftes Heiligenkreuz in Niederösterreich. Erhalten sind vier Bände, die in den letzten Jahren des 12. Jhs. geschrieben wurden; verschiedene Glossen wurden im 13. Jh. eingetragen. Cod. 11 enthält die Viten für Januar bis März; Cod. 12 April bis Juni; Cod. 13 Juli bis September; Cod. 14 bietet die Texte für 22. November bis 27. Dezember, der Schluß des Dezembers fehlt und auch die vorhandenen Teile dieses Bandes sind durch Feuchtigkeit stark zerstört. Ein Band, der die Legenden für die Zeit vom 1. Oktober bis 21. November enthielt, ist verloren. L. Bibl. des Cistercienserstiftes Lilienfeld in Niederösterreich. Erhalten sind drei Bände, im 13. Jh. geschrieben. Cod. 58 enthält die Texte für die Zeit vom 1. Januar bis 15. Februar; Cod. 59 16. Februar bis 31. März; Cod. 60 Juli bis September. Die Bände, welche April bis Juni und Oktober bis Dezember enthielten, sind verloren. Z. Bibl. des Cistercienserklosters Zwettl in Niederösterreich. Erhalten sind vier Bände, die aus dem 13. Jh. stammen. Cod. 13 enthält Januar bis März; Cod. 24 April bis Mai; Cod. 14 1. Oktober bis 16. November; Cod. 15 17. November bis 31. Dezember. Ein Band, der Juni bis August enthielt, fehlt. M. Bibl. des Benediktinerklosters Melk in Niederösterreich. Erhalten sind sieben Bände, die zwei verschiedenen Exemplaren angehören. Dem älteren Exemplar gehört
6oi
'Legendarium Austriacum, Magnum'
602
der Cod. 310 an, der im 13. Jh. geschrieben mas Becket (f 1170) wird bereits behandelt. wurde und die Texte für die Zeit vom 1. Ja- Terminus ante quem ist das Jahrhundertnuar bis 14. Februar enthält. Das jüngere ende, denn die Schriftzüge von H gehören Exemplar besteht aus folgenden Stücken: noch dem 12. Jh. an. Verfasser und EntCod. 674, 14. Februar bis 30. April ent- stehungsort sind nicht bekannt. Jedenfalls haltend; Cod. 675, Mai und Juni enthaltend; stammt das MLA. aus einem österreichiCod. 676, Juli und August enthaltend; Cod. schen Kloster und zwar wohl einem solchen, 677, September und Oktober enthaltend; das mehrere schottische Mönche beherCod. 678, November enthaltend; Cod. C 12, bergte. Das ist daraus zu erschließen, weil Dezember enthaltend. Der Cod. C 12 ist die es ziemlich viele schottische (auch irische einzige Papierhs. des MLA., alle anderen und britische) Heilige enthält, darunter Bände sind Pergamenthss. Das jüngere auch die wenig bekannten Mochulleus, Melker Exemplar wurde in der zweiten Ruonanus, Coengenus, Senanus, FlannaHälfte des 15. Jhs. geschrieben; im Cod.677 nus. W. W a t t e n b a c h hat bemerkt (NA. Bl. 343 nennt sich der Schreiber, Christo- X, 646), daß besonders in Heiligenkreuz pherus Lieb, mit der Jahreszahl 1471. Das diese Legenden fleißig gelesen wurden, wie jüngere Exemplar wurde offenbar zur Er- hsl. Eintragungen an den Rändern und gänzung des älteren geschaffen, von dem das andere Benützungsspuren erkennen lassen. Kloster nur mehr den Anfangsband besaß. Über die Quellen des Werkes liegen noch A. Bibl. des Benediktinerklosters Admont keine abschließenden Ergebnisse vor. Unter 1 in der Steiermark. Erhalten sind zwei Bän- ihnen befinden sich jedenfalls das Martyrologium' von Wolfhard (s. d.), die Werke de, die aus dem 13. Jh. stammen. Cod. 25 enthält Januar bis März, Cod. 24 April Gregors von Tours, Bedas 'Historia ecclesiastica gentis Anglorum', die KDatiana hibis Juni; die zweite Jahreshälfte fehlt. V. Nationalbibl. in Wien. Erhalten ist storia ecclesiae Mediolanensis', die aber vielein Band, Cod. lat. 336 (früher hist. eccl. 5), leicht bereits in einem Sammelwerk verim 13. Jh. geschrieben, die Texte für Mai einigt vorlagen. Dazu kommen noch als Endquellen der Pseudo-Abdias, der Pseudound Juni enthaltend. Alle Exemplare zeigen Auslassungen und Linus, der Pseudo-Marcellus, die EvanZusätze gegenüber der zu erschließenden gelien, die ' Acta proconsularia', das LegenUrschrift, der H am nächsten zu stehen darium Ados von Vienne, das 'Martyroloscheint. Den meisten Exemplaren sind gium Romanum parvum', das sogenannte ' Martyrologium Hieronymianum', Hergers Kaiendare beigegeben. 2. Das MLA. enthält ungefähr 580 lat. ' Gesta episcoporum Leodiensium', die DraHeiligenlegenden; die genaue Zahl steht men der Hrotsvit von Gandersheim (s. d.) nicht fest, weil der Bestand des Archetyps u. a. Nach Auffassung der Bollandisten noch nicht ermittelt wurde und weil man (An. Boll. X V I I , S. 26) wurden diese Endbei manchen Texten zweifeln kann, ob sie quellen nicht unmittelbar benutzt, sondern als selbständige Viten zu zählen oder zu lagen in einem älteren, noch nicht aufgeeiner andern Bearbeitung des gleichen Hei- fundenen 'Legendarium X' vor, das auch ligen zu ziehen sind. Sie sind nach dem Ka- für das Windberger Legendär (s. d.) als Quelle gedient hat. Der Vf. des MLA. war lenderjahr — nicht wie die 'Legenda aurea' kein selbständiger Gestalter, sondern ein nach dem Kirchenjahr — geordnet, doch Kompilator, der seine Quellen unverändert finden sich in den einzelnen Exemplaren abschrieb und aneinanderreihte. Trotzdem verschiedene Einschübe und Nachträge auch an anderen als den kalendermäßig hat seine Arbeit großen Wert, weil sie dank entsprechenden Stellen. Die Entstehung ihrer Reichhaltigkeit eine wahre Fundgrube des Werkes ist um das Jahr 1190 anzu- auch für seltene Heiligenleben darstellt. setzen. Als terminus post quem ist 1181 zu Sie enthält eine große Anzahl von Texten, betrachten, weil die nicht vor diesem Jahr die nur hier erhalten sind. Die Wirkung und entstandenen * Mir acuta Virgilii eppiscoi Verbreitung des MLA. waren ziemlich groß. Juvavensis' aufgenommen sind; auch Tho- Das Werk erfreute sich vom 12. bis 15. Jh.
603
'Legendarium Austriacum, Magnum'
großer Wertschätzung bei den Cisterciensern und Benediktinern in Österreich und vielleicht auch in Böhmen. Die gegen Ende des 13. Jhs. in dt. Landen bekanntwerdende 'Legenda aurea' des Jacobus de Voragine gewann zwar größere Verbreitung, setzte aber das MLA. nicht völlig außer Kurs, weil sie nicht wie dieses den vollen Wortlaut der einzelnen Vitae und Passiones darbot, sondern nur kurze, volkstümlich gefaßte Nacherzählungen. 3. Das M L A . ist als Ganzes noch nicht herausgegeben, doch wurden einzelne Texte in größerer Zahl an verschiedenen Stellen veröffentlicht, z . T . allein auf Grund der im M L A . vorliegenden Fassungen, z T. unter Berücksichtigung ihrer V a rianten. Es seien davon hier angeführt: 'Miracula b. virginis Mariae' (bei B. P e z Veit. Agnetis Blannbekin vita 1731, S. 305 — 455), 'Herculanus ep. Perusinus' ( P e z Thes. anecd. II, 3, Sp. 125 bis 144), 'Bathildis' (MGH. SS. rer. merov. II, S. 482 bis 508), 'Visio Esdrae' (ed. M u s s a f i a W S B . L X V I I , 1871, S. 202 — 206), 'Leopoldus' (Hant h a l e r Fasti Campililienses I, S. 1308 — 1311), 'Vita cuiusdam moniales Admuntensis' (An. Boll. X I I , S. 359 — 366). Als Anhang zu der Beschreibung des M L A . wurden in An. Boll. X V I I , S. 128 bis 210 folgende Texte beigefügt: 'Mochulleus', 'Purificatio Mariae', 'Miracula Herculani', 'Herluca', 'Ruonanus', 'Gertrudis', 'Carmen de vita Benedicta, 'Carmen de vita Leonis papae', 'Zotas', 'Quirinus tribunus', 'Victor', 'Germanus', 'Miracula s. Mariae Magdalenae', 'Miracula Pantaleonis', 'Aurelius ep. Armenus', die von Drogo stammende ' Passio Miniatis', 'Florinus' (diese Texte wurden allein auf Grund des M L A . ediert); dazu noch die 'Miracula' und die 'Translatio' des Richarius, die 'Passio Valentis' und Otlohs (s. d.) Leben des hl. Nikolaus, bei denen neben dem M L A . auch das 'Martyrologium Wolfhardi' und das 'Legendarium Windbergense' berücksichtigt sind. Im übrigen sei auf die von den Bollandisten a . a . O . gebotenen Hinweise verwiesen, die für jede Legende des M L A . angeben, ob sie einem T e x t der A S . des Sanctuariums des Mombritius, der Patrologia Mignes oder irgendeiner anderen gedruckten Legende entspricht. Mit besonderem Hinblick auf die germanistischen Interessen hat F. Z a r n c k e (Der Priester Johannes Abh. d. philol.hist. Classe d. kgl. sächs. Ges. d. Wiss. V I I I , 1883, S. 122 — 127) die 'Descriptio Indiae' herausgegeben. In meinen Beiträgen zur mhd. Legende und Mysik (1935) findet man die unter Berücksichtigung aller Hss. herausgegebene 'Vita Adae et F.vae' (S. 241 — 255) und die 'Vita sancti Alexii Cfs.' (S. 304—315). Kleinere Auszüge aus zahlreichen weiteren Legenden enthält meine Dissertation Die Quellen des Märterbuches (1932).
4. Es ist klar, daß ein so reichhaltiges Werk nicht ohne Einfluß auf die spätere dt.
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Legendendichtung bleiben konnte. Man hat damit zu rechnen, daß es sowohl für die den ganzen Jahreskreislauf begleitenden hagiographischen Zyklen als auch für einzelne Legenden Bedeutung erlangte, doch liegen hierüber außer meinen Jugendarbeiten noch keine Untersuchungen vor. In meiner Untersuchung über die Quellen des Märterbuches glaubte ich eine Beziehung zu diesem Reimdenkmal (s. 'Buch der Märtyrer') herstellen zu können, das wie das MLA. nach dem Kalender von Januar bis Dezember geordnet ist und sehr weitgehende Übereinstimmungen zeigt. Daß es indes unmittelbar aus dem MLA. erflossen sei, habe ich bereits damals bezweifelt: „Ob der Vf. des Mb. ein Exemplar des MLA. selbst oder einen Abkömmling desselben vor sich liegen hatte, ist gleichfalls nicht mit voller Bestimmtheit auszumachen. Einige Legenden weisen recht deutlich auf eine Zwischenbearbeitung hin. Am entschiedensten verlangen die Legenden 68 Alexius und Sabina und 79 Kosmas und Damian die Annahme einer Zwischenstufe zwischen MLA. und Mb." (S. 25). Dementsprechend erklärte dann E. S c h r ö d e r , „daß der Autor des Mb. eine uns unbekannte Hs. des MLA. benutzt hat, die ihm den ganzen Stoff bot, hier und da eben mit Zusätzen einer »Mittelstufe«, wie E. sie etwa bei 57 »Afra« annimmt" (GGA. 1935, Nr. 3, S. 117). Noch einen Schritt weiter auf diesem Wege ging E. G i e r a c h , der diese hypothetische Hs. des MLA. in Südböhmen lokalisierte : „Das Kloster, in dem der Dichter die Quelle vorgefunden hat, mag dann das Cistercienserstift Hohenfurt gewesen sein, denn bei Cisterciensern finden wir vornehmlich die Hs. des MLA. auch in Österreich" (FuF. VII, 1931, S. 235). Ich bin heute überzeugt, daß weder das Mb. in Böhmen entstanden ist, noch das MLA., noch eine uns unbekannte von ihm abgeleitete Arbeit seine Quelle gewesen ist; es scheint lediglich Quellengemeinschaft zwischen dem älteren lat. und dem jüngeren dt. Legendenwerk zu bestehen. In dem im 12. Jh. geschriebenen Cod. hist. 139 ( = Q VI. 59) der Staatl. Bibl. in Bamberg liegt eine Legendensammlung vor, die dem Mb. insofern noch besser als das MLA. entspricht, als sie viel weniger
'Legendarium Windbergense'
605
Legenden enthält als dieses und zwar fast ausschließlich solche, die im Mb. wiederkehren. Der Band enthält rund 50 Heilige; wenn man annimmt, daß ein zweiter Band (der nicht vorhanden ist) nochmals rund ebensoviel enthielt, käme man genau zu den 103 Legenden des Märterbuchs. Dessen Vf. hätte dann gar keine Sammelarbeit geleistet, sondern die ihm in einer zweibändigen Vorlage gebotenen Texte der Reihe nach in dt. Verse umgesetzt. — Es ist zu wünschen, daß diese Bamberger Hs. einmal genau mit dem MLA. und dem Mb. verglichen werde.
606
Die Quellen des Märterbuches (1932); dazu: E. G i e r a c h Altdt. Legendendichtung in Böhmen FuF. V I I (1931), S. 235; E. S c h r ö d e r GGA. 1935, S. 116 bis 121; H. H a n s e l Neue Quellen zur mal. Legende ZfdPh. 1935, S. 390 — 395; A. B e r n t Altdt. Findlinge aus Böhmen (1943), S. 14 u. ö. — G . E i s Die Quellen für das Sanctuarium des Mailänder Humanisten Boninus Mombritius (1933); dazu F. R. S c h r ö d e r GRM. X X I (1933), H. 11/12; H. W a l t h e r ZfdA. L X X I I (1935), S. 1 4 0 - 1 4 2 ; Stud. u. Mitt. O.S.B. 1936, H. 2/3; H. D ( e l e h a y e ) An. Boll. L I I I (1935), S. 421—422 [dazu G. E i s Mombritius und die Deutschen GRM. X X I V , 1936, S. 301—304! — G. E i s Neue Quellen für die mhd. Legendendichtung FuF. X (1934), S. 98 — G. E i s Das Alter der lat. Alexiuslegende A GRM. X X I I I (1935) — G. E i s Alexiuslied und christliche Askese ; n : Zs. f. frz. Spr. u. Lit. L I X (1935), S. 232 — 236 — G. E i s Beiträge zur mhd. Legende und Mystik (1935); dazu: E. B e n z DVjschr. X V I (1936), S. 65 —66; F. P i q u e t Revue germanique ( I 93ö), S. 66—67; L. T h ü r l e m a n n Zs. f. dt. Geistesgesch. I (1935), H. 6; A. M a y e r Jb. f. Liturgiewissenschaft X V (1936), S. 521, Nr. 569; A. B e r n t Altdt. Findlinge aus Böhmen (1943),
Eine zweite Nachwirkung des MLA. glaubte ich im 'Sanctuarium' des Mailänder Humanisten Boninus Mombritius feststellen zu können, das 120 Texte in gleicher oder ähnlicher Gestalt wie das MLA. enthält. Auch in dieser Frage ist jedoch größere Zurückhaltung erforderlich, obwohl das MLA. ' 10 " 32' Gerhard Eis gerade auch mehrere der seltensten Texte des Mombritius enthält, darunter solche, 1 'Legendarium Windbergense 5 . 1. Das WiL. ist in einer einzigen Hs. erhalten, die bisher nirgends sonst nachgewiesen aus sechs Bänden besteht; Clm. 22240, 22241, sind. Ein Anhaltspunkt für eine Beziehung die 22242, 22243, 22244, 22245. Sie wurden in dem des 'Sanctuariums' zum MLA. ist auch Prämonstratenserkloster Sancta Maria in Winddarin zu erblicken, daß es nur solche Legen- berg (Diözese Regensburg) auf Veranlassung des den aus Ados 'Martyrologium' enthält, die Abtes Gebhard (1141 —1191) angefertigt. Die großformatigen, zweispaltig beschriebenen Coim MLA. aufgenommen sind. Zu endgül- dices wurden von zwei Schreibern hergestellt. Die tigen Aussagen wird man indes — wenn erste Hand schrieb den Cod. 22240, im Cod. überhaupt — erst dann gelangen können, 22243 Bl. 149 — 176, im Cod. 22244 Bl. 8 — 191 wenn das MLA. in einer kritischen Ausgabe und im Cod. 22245 Bl. 189—200; die zweite Hand schrieb die Codd. 22241 und 22242 und in vorliegen wird und genauere Kenntnisse den Codd. 22243 — 22245 die restlichen Teile. In der ihm voranliegenden und der von ihm allen Bänden steht, von einer dritten, gleichbeeinflußten Sammlungen erarbeitet sein zeitigen Hand eingetragen, der Vermerk über den Auftrag des Abtes Gebhard, aus dem jedoch nicht werden. zu erkennen ist, ob er sich auf die ZusammenVon dt. Einzellegenden des 13./14. Jhs. stellung des Werkes oder bloß auf die Herstellung habe ich bisher zwei auf die entsprechenden der vorliegenden Hss. bezieht. — Die Reihenfolge lat. Texte des MLA. zurückgeführt, Lut- der Legenden läßt den Grundsatz erkennen, eine Ordnung nach dem Kalenderjahr herzustellen, wins ''Adam und Eva' (s. d.) und die 'Ale- doch finden sich manche Unstimmigkeiten. Cod. xiuslegende
A.'
Die
Fassungen,
die
das
MLA. bietet, sind auch in anderen Hss. vorhanden, doch zeigen sie einige kleine Abweichungen, die in den dt. Versdichtungen Reflexe hinterlassen haben. Man sollte es fortan bei der Untersuchung mhd. Legenden, namentlich solcher, die vor dem Erscheinen
der
Legenda
aurea
entstanden
sind, niemals unterlassen, die einschlägigen Texte des MLA. zu vergleichen. An. Boll. X V I I (1898), S. 2 4 - 9 6 , 1 2 8 - 2 1 6 (mit Angaben über die ältere Literatur) — G. E i s
22240 enthält vorwiegend Texte für die Monate Januar bis März, Cod. 22241 April bis Juni, Cod.
22242 Juli und die erste Hälfte des August, Cod. 22243 die zweite Hälfte des August und September, Cod. 22244 Oktober und die erste Hälfte des November, Cod. 22245 die zweite Hälfte des November und Dezember. Allen Bänden ist ein Breviarium beigegeben, das in Form eines Kalendariums den Inhalt anzeigt
2. Das Werk ist eine Sammlung von rund 340 lat. Vitae oder Passiones oder Laudationes verschiedener Heiliger; die Apostel, Kirchenväter, frühchristlichen Märtyrer
607
'Legendarium Windbergense'
und jüngeren Nationalheiligen verschiedener Länder sind in gleicher Weise berücksichtigt. Dieser überlokale Charakter schließt eine verläßliche Lokalisierung aus; es ist auch denkbar, daß die Sammlung außerhalb des Klosters Windberg und außerhalb des Prämonstratenserordens entstand. Der Vf. kann seine Arbeit spätestens 1191, dem Todesjahr des Abtes Gebhard, beendet haben; sie kann aber auch schon zu einem wesentlich früheren Zeitpunkt fertig gewesen sein. Da nur eine einzige Hs. vorliegt, liefert das Vorhandensein jüngerer datierbarer Viten keinen terminus post quem, weil es sich dabei um Zusätze handeln könnte, die in der Urschrift noch nicht vorhanden waren. Ob die vorliegenden Codices selbst die Urschrift repräsentieren, ist durchaus zweifelhaft. Die sonst anwendbaren Kriterien zur Unterscheidung von Original und Abschrift versagen an einem Werk wie diesem, das nichts Eigenes bietet, sondern in allen seinen Teilen aus fertig geformten Stücken rein kompilatorisch zusammengefügt wurde. 3. Die Frage, aus welchen Vorlagen die Windberger Schreiber der vorliegenden Codices oder jene eines etwa voranliegenden Archetyps schöpften, ist noch nicht genau untersucht worden. Sie kann nicht durch die Untersuchung einzelner Legenden gelöst werden, sondern nur durch den Vergleich ganzer Sammlungen. Als Hauptquellen geben sich das 'Martyrologium Wolfhardi' (s. d.) und ein zu erschließendes 'Legendarium X' zu erkennen, das um 1070 oder wenig später angesetzt werden muß. Aus dem 'Martyrologium Wolfhardi' übernahm der Kompilator des WiL. ungefähr 55 kurze Vitae oder Laudationes mehr oder weniger vollständig. Aus dem ''Legendarium X' könnten nahezu 250 Texte entnommen sein; eine große Wahrscheinlichkeit ist für ungefähr 200 geboten, die in derselben Gestalt auch vom MLA. übernommen wurden. Dieses noch nicht aufgefundene 'Legendarium X' ist seinerseits ebenfalls nur eine Kompilation aus älteren Quellen gewesen. Der zeitliche Ansatz ergibt sich aus dem Umstand, daß einige Texte, die im WiL. und im MLA. zugleich erscheinen und daher der gemeinsamen Quelle angehören müssen,
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ein früheres Datum ausschließen. Es sind dies die Vita des 1035 gestorbenen Symeon von Trier, die von Otloh (s. d.) nach 1037 verfaßte ' Vita Wolfkangi', die nach 1065 von Wolfher geschriebene Vita des hl. Godehard von Hildesheim und die 'Vita Lullt' des Lambert von Hersfeld, die zwischen 1063 und 1073 angesetzt wird. — Neben diesen beiden Hauptquellen sind noch andere, nicht näher bestimmbare Quellen benützt worden. Es ist wahrscheinlich, daß der verbleibende Rest nicht Legende für Legende aus lauter Einzelschriften, sondern aus einigen wenigen Sammlungen genommen wurde. Das WiL. fand keine große Verbreitung, ja es muß als fraglich bezeichnet werden, ob es überhaupt über die Mauern seines Klosters hinausdrang. Die Möglichkeit, daß es der Verfasser des MLA. gekannt habe, ist zwar nicht völlig auszuschließen, aber nicht wahrscheinlich. Ein Einfluß auf die spätere dt. Legendendichtung ist bisher nicht erwiesen worden. Gedruckte T e x t e : D a s W i L . ist als Ganzes nicht gedruckt, doch wurden manche einzelnen Legenden daraus in den großen historischen und hagiologischen Editionsreihen berücksichtigt. In den M G H . S S . wurden v o n O. H o l d e r - E g g e r folgende T e x t e unter B e n ü t z u n g des W i L . im B d . X V her.: 'Pirminus' (S. 21 — 3 1 ) , 'Wigbertus', v e r f a ß t v o n Servatus L u p u s (S. 3 7 — 4 3 ) , 'Burchardus' (S. 4 7 — 5 0 ) , 'Leoba', v e r f a ß t v o n R u d o l f u s (S. 121 bis 131), 'Solus', v e r f a ß t v o n Ermanricus (S. 153 bis 163); von P e r t z Wolfhers 'Godehardus' SS. X I , S. 196 — 218); v o n K r u s c h in S S . rer. merov. I I 'Radegundis' (S. 364—377) und in I I I 'Marius, Martha, Audifax et Abacuc, Quirinus' (S. 1 1 — 2 0 ) , 'Legio Thtbaea' (S. 32 — 40), 'Ajra et mater eius Hilaria (S. 55, 64), ' M a x i m i a n u s ' (74—82), 'Servatius' (S. 8 9 — 9 1 ) , 'Anianus' (S. 108 — 117), 'Leonardus' (S. 396—399), 'Vedastus' (S. 4 1 6 — 4 2 9 ) , ' Theudarius' (S. 526—530). — Als A n h a n g zu der Beschreibung des W i L . in A n . Boll. X V I I wurden S. 123 — 1 3 5 und 204 — 210 folgende T e x t e bek a n n t g e m a c h t : 'Epiphanius, Miracula et Translatio Richarii, Valens'. — Bei C a n i s i u s - B a s n a g e Thes. monum. findet m a n 'Columba' (I, S. 680 bis 708), 'Willibaldus Eichsteiensis' (III, 1. S. 1 6 — 19), 'Adalbertus Pragensis, auctore Johanne Canapario' (III, 1, S. 45 — 58), 'Kilianus et socii eius' (III, i , S. 174 — 1 7 9 ; auch bei F. E m m e r i c h Der kl. Kilian S. 3 — 10), 'Albanus et socii eius' (IV, S . 1 6 7 bis 168). — 'Wolfkangus' wurde in A S . N o v . I I , S. 565 — 582 gedruckt, 'Maria Magdalena' in meinen Beiträgen zur mhd. Legende und Mystik S. 350 bis 352. Literatur: Catalogus abbatum Windbergensium M G H . SS. X I I I , S . 7 5 2 ; Necrologium Windbergense
6og
'Legende, Burgundische'
Monumenta Boica X I V , S. 98; An. Boll. X V I I (1898), S. 97—122, 123 — 135, 204 — 210; G. E i s Die Quellen des Märterbuches (1932), S. 20—22 u. ö.; G. E i s Beiträge zur mhd. Legende und Mystik (1935), S. 3 5 0 - 3 5 2 u. ö. G e r h a r d E . s 'Legende, Burgundische', s. a . P f e t t i s heim, Konrad u.Tüsch,Hans-Erhart. — A n f a n g : Als man zalt XIIII. C. Sechtzig vnd fünff jore Zoch hertzog karte von Burgunde, S c h l u ß : Amen sy in fröden iemer eweclich geseit. — 326 V e r s e i n R e i m p a a r e n v o n sehr u n g l e i c h e r L ä n g e . V e r f a ß t A n f a n g 14771. Ü b e r l i e f e r u n g : Die B . L . wurde noch im Jahre 1477 an 3 Druckorten herausgebracht. Die Drucker, die sich in keinem Falle nannten, sind durch Typenvergleichung festgestellt. Ausgabe A. 'Burgundisch legende'. 8 Bll. 8° (Basel bei B. Richel), mit Titelholzschnitt und der xylograph. Überschrift 'Karle von borgunt' (s. W. L. M e y e r Ein seltenes, unbekanntes Zürcher Exemplar der B.L., Straßburg 1477, Schweizer Sammler 3, 1929, S. I32f). Einziges Exemplar in der Wiener Nat.-Bibl. Ausgabe B. 'Burgundesch legende'. 8 B l l . , 8° (Straßburg bei H. Knoblochtzer). Bezeugt durch das am Schluß unvollständige Exemplar Mise. 40, 83 der Bad. Landesbibl. Karlsruhe und durch ein vollständiges, von W . L. Meyer in der Züricher Zentralbibl. aufgefundenes Exemplar (übrigens in einem Bande mit der Folioausg. der 'Burgund. Historie' Tüschs). M e y e r druckte die in Karlsruhe fehlenden Schlußseiten ab (a.a.O. S. 129 bis 132). B ist bis auf den fortgelassenen Titelholzschnitt und einige orthogr. Abweichungen ein genauer Nachdruck von A. — H a i n Nr. 8344. K . S c h o r b a c h Der Drucker H. Knoblochtzer in Straßburg 1888, S. 20 Nr. 2 u. Tai. 4. E. P i c o t H. S t e i n Recueil de Pièces histor. imprim. sous le règne de Louis XI 1923, S. 73 ff. (Beschreibung, Bibliogr., franz. Übersetzg. u. Faks.-Druck). Ausgabe C. Kopftitel eigener Prägung (Satztitel) : „ H i e vahet an eyn Maysterlicher Spruch wie hertzog Karel von burgundi sein leben in streytzfechten vnd maniger statt erstörung volfüret vnd an dem iungslen sein leben ausgegeben habe . . ." 8 Bll., 8° (Augsburg bei G. Zainer). Vorhanden nur ein Exemplar der Staatsbibl. in München (das E x . der Straßburger Stadtbibl. verbrannte 1870). Orthogr. und im Wortlaut gelegentlich unbedeutend von den oberrhein. Ausgaben abweichend. Die Frage der Abhängigkeit von A oder von B ist noch zu klären. — H a i n Nr. 14964. A. S c h r a m m Festgruß K. W. Hiersemann 1924, S. 389. Beschreibung, Bibliogr. u. Faks.-Druck s. E. P i c o t - H . S t e i n a.a.O. D. Zeitgenössische Abschriften: Der thüring. Geistliche Konrad Stolle nahm in sein Erfurter Prosamemorial (Bl. 204a—210a der in Jena aufbewahrten Originalhs.) mit anderen poetischen Dokumenten zur Zeitgeschichte des späteren 15. Jhs. Verfasserlexikon V.
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auch die B.L. auf, bei deren Abschrift er sich allerdings über die orthogr.-lautliche Umstellung hinaus Abweichungen im Ausdruck und mehrere Interpolationen erlaubte. Liegt in dieser Übernahme ein Beweis für das Übergreifen des oberrhein. Gedichts auf das md. Gebiet, so schätzte doch der Chronist Stolle gewiß mehr die Geschichtsquelle als das Literaturdenkmal. Er benutzte die Basler oder die Straßburger, nicht die Augsburger Ausgabe. Seine Kopie ist abgedruckt durch L. F. H e s s e in der ZfdA. 8 (1851), S. 326 bis 336 (Aus K . Stolles Erfurter Chronik) und in der Ausgabe Konrad Stolles Thüring.-Erfurtische Chronik B L V . 32 (1854), S. 115 —125 mit der von Stolle geprägten Ersatzüberschrift: „Der anefangk vnde das ende der geschieht herezogen Karls von Burgundien, vnnd wie das ende nam..." (s. a. E. P i c o t - H . S t e i n a . a . O . S. 75f.). Wie Stolle trug der anonyme Kopist einer Dresdner Hs. der Chronik Königshofens (F 98, 15. Jhs.) zum J. 1471 auf 5 Bll. die ,,Burguntsche Spruch und Legende" nach, s. B L V . 32, S. X V I f . Das Verhältnis zu den Drucken ist noch zu untersuchen. Noch nicht berücksichtigt wurde eine weitere Abschrift in Verbindung mit einer KönigshofenHs. : ,,Die burgunsche legende mit rümen geschriben" Straßbg. Ms. 3572, Bl. 2 7 7 b - 2 8 3 b (s. E. W i k k e r s h e i m e r Catalogue général des Mss. des Biblioth. publ. de France Départ. T. 47, Strasbourg 1923, S. 624). Teile dieser Abschrift, die auch den im Karlsruher Exemplar fehlenden Schluß enthält, lagen in Photokopien vor. Nach briefl. Auskunft der Direktion der Straßburger Staats- und Univ.-Bibl. war die Chronikhs. offenbar in Straßburg von 7 Schreibern um 1450 bis um 1515 zusammengestellt und erweitert worden. Die Kopie der B L . stammt von der zweiten Hand. Ein Exemplar des Knoblochtzer-Nachdrucks dürfte die Vorlage gewesen sein. Noch im 19. Jh. befand sich der Codex in Straßburger Privatbesitz, erst 1911 ging er an die Bibl. über. Auch für Twinger von Königshofen (s. d.) wurde diese Überlieferung noch nicht ausgewertet. 2. V e r f a s s e r u n d G e g e n s t a n d : D i e A u s g a b e n sind einspaltig g e d r u c k t u n d bis auf den Titelholzschnitt des Basler E r s t drucks nicht bebildert. Der K o p f t i t e l „ B u r gundisch legende" i n A u n d B k ö n n t e d i e Titelwahl Tüschs ('Burgund. Historie') b e e i n f l u ß t h a b e n : Legende ist h i e r m i t Historie b e d e u t u n g s g l e i c h . M i t d i e s e m G e d i c h t eröffnete Basel offenbar früh im Jahre 1477 die a l s b a l d in S t r a ß b u r g f o r t g e f ü h r t e R e i h e der g e d r u c k t e n R ü c k b l i c k s d i c h t u n g e n z u m burgundischen Ereignis, nachdem V e i t W e b e r (s. d.) als S ä n g e r p o l i t i s c h e r Z e i t - u n d Streitlieder der eigentliche poetische G e g e n s p i e l e r K a r l s d. K ü h n e n u n t e r d e n D e u t s c h e n g e w e s e n w a r (s. a. Hans Judensint u. 20
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'Lehre, Gemeine'
Matthias Zoller). Der früheste Burgunderdruck des Oberrheins war trotz seiner lit. Unzulänglichkeit zugleich der erfolgreichste: zu den bisher nachgewiesenen 3 Wiegendrucken treten 3 frühe Abschriften, sicherlich nur nach den „authentischen" Druckvorlagen. Der ungenannte Verf. gab sich leider auch nicht durch ein Akrostichon zu erkennen. Man darf in ihm einen Basler Geistlichen vom Schlage des leidenschaftlich burgundfeindlichen Basler Chronisten Joh. Knebel sehen. Mit dem Auftakt 1465 holte der Anonymus besonders weit aus, er begnügte sich aber im allgemeinen mit dem Aufzeigen der großen Linie und gliederte seine Darstellung annalistisch mit ausführlicherer Würdigung erst der Ereignisse von 1473—77, von Neuß bis Nancy. Auch Hagenbach ist nicht vergessen. Der Sturz Karls des Kühnen, der freventlich Christenblut vergossen habe, statt wider den Türken zu streiten, gilt als Gottesgericht. Erscheint die Vita des Burgunders in dieser Sicht fast ganz als abschreckendes Exempel, so erweist sich der „fromme Reimer" (E. Wendling-A. Stöber) doch als wohlunterrichtet, und es begreift sich, daß ein Zeitgenosse wie H. E. Tüsch den knappen und klaren Aufriß der B. L. als Grundriß für das eigene, weit umfangreichere Werk verwertete, obgleich er formal von diesem Vorgänger nichts lernen konnte (vgl. o. IV, Sp. 524). Die Abhängigkeit des Straßburgers wies K. S c h n e i d e r im einzelnen nach (Untersuchungen zur Burgd. Historie des H. E. Düsch. Diss. Straßbg. 1910, S. 93ff. Ders. Die burgund. Hystorie u. ihr Verf. Jahrb. f. Gesch., Spr. u. Lit. Els.-Lothr. 26, 1910, S. 1 0 9 — i n u. 155), während man früher geneigt war, in der B. L. einen dürftigen Auszug aus Tüsch zu sehen (so noch G ö d e k e i 2 , S. 277t. u. E. D ü r r Basler Zs. f. Gesch. u. Altertumsk. 11, 1912, S. 397). Eine bestimmte Quelle für die B. L. selbst ist noch nicht nachgewiesen; für die allgemeineren Auslassungen konnte sich der oberrhein. Verfasser wohl mit den mündlich übermittelten Nachrichten und dem Gedächtniswissen des Zeitgenossen begnügen. Wie bei Pfettisheim bleibt es fraglich, ob der Basler Anonymus sich auch sonst literarisch versucht
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hat. Es dürfte sich bei beiden um die — bestellte ? — Gelegenheitsarbeit schriftstellernder Dilettanten handeln. Immerhin sind die Reime der ungefügen Verspaare der B. L. verhältnismäßig sauber. 3. I l l u s t r i e r u n g : W i e d e r g a b e des einzigen kolorierten Holzschnitts ( K a r l d. K ü h n e zu Pferde) aus d e m W i e n e r E x e m p l a r der A u s g . A in A . S c h r a m m - W . S c h m i d t Die Buchdrucker in Basel (Bilderschmuck der F r ü h d r u c k e 21) 1938, S. 13, A b b . 273. W . L . S c h r e i b e r Manuel de l'amateur de la gravure sur bois 5, Nr. 3661. W . J . M e y e r Die ersten Illustrationen über die Burgunderkriege Schweizer Gutenbergmuseum 13 (1927), S. 104t. Richel ließ es leider bei dem Titelbild bewenden. Künstlerisch ist es den Schnitten in den Straßburger D r u c k e n Tüsclis und Pfettisheims durchaus überlegen. 4. B i b l i o g r a p h i e (außer den im T e x t gebotenen L i t . A n g a b e n ) : M u f f a t Meistergesang auf Karl'n den Kühnen von Burgund Taschenb. f. d. vaterländ. Gesch. 30 (1850/51), S. 3 i 7 f f . (Text nach C). A u s z u g (Murten) in G. F . O c h s e n b e i n Die Urkunden der Belagerung und Schlacht von Murten 1876, S. 6 7 0 ! E . W e n d l i n g - A . S t ö b e r A l s a t i a 1875/76, S. 353 — 355. K . S c h n e i d e r Untersuchg. zur Burgd. Historie des H. E. Düsch Diss. S t r a ß b g . 1910, S. 8ff. G. T o b l e r Conr. Pfettisheims Gedicht über die Burgunderkriege N e u j . - B l . d. L i t . Ges. B e r n 1917, S. 4. K . B u r d a c h Vom MA. zur Reformation I I I , I (1917), S. 63 — 65 (zum Karlsr. E x e m p l a r : ,,Lied auf die Schlacht K a r l s v o n B u r g u n d gegen den Königvon Frankreich"). „ . TT
Kurt Hannemann.
'Lehre, Gemeine'.
Das 4. Kap. der Benediktinerregel (s. d.} Quae sunt instrumenta bonorum operum, das einige Interpreten Benedikt selbst zuschreiben, während es meistens als eine von Benedikt übernommene Sammlung frühchristlicher Dicta angesehen wird, wurde im 14. Jh. wahrscheinlich im Kreise des Mönchs von Salzburg (s. d.) zu Vorschriften für Laien umgearbeitet und damit „aus dem Familienkreis des Klosters in den Familienkreis der Laien übertragen" (Selmer). Der Verf., ein Geistlicher, faßte das Kap. in 29 Lehrsprüchen zusammen, deren 100 gereimte Zeilen mit wenigen Ausnahmen auf -lieh endigen. Der ursprüngliche Dialekt ist wohl mittelbair. — In diesem in einigen Hss. und Fragmenten, darunter auch in dem Liederbuch der Klara Hätzlerin (s. d.), überlieferten moralisierenden Gedicht wird zwar ein Verf. nicht genannt, wohl aber der Titel
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'Leiden, Von unsers Herren' —
KAin gemaine lere. Den Zusammenhang mit der Benediktinerregel stellte erstmals C. S e l m e r fest.
C. S e l m e r The anonymous late MHG. Poem Ain Gemaine Lere and the Benedictine Rule J E G P h . 46 (1947), S. 28 — 37; d e r s . Das 4. Kapitel der Benediktinerregel in der mhd. Lit. Stud, und Mitt. z. Gesch. des Bened.-Ordens 61 (1947/48) S. 40 — 45 (jeweils mit dem Parallelabdruck des Textes). Vgl. K . B u r d a c h Vom MA. zur Reformation 6, 1935, S. 36of.
S. Sudhof
'Leiden, Von unsers Herren', ein wenig kunstvolles, in Ostschwaben um 1400 entstandenes Gedicht mit 941 Versen, erhalten in der bald nach 1450 in Nürnberg geschriebenen Sammelhs. Brit. Mus. Add. 24 946. Die Hauptquelle ist wie für Konrad von Heimesfurt in der 'Urstende' (s. Nachtr.), Gundacker von Judenburg (s. d.), die 'Erlösung' (s. d.) und Heinrich von Hesler (s. d.) das 'Evangelium Nicodemi'. (Während W ü l c k e r a. a. O. S. 34 auch für das „Anegenge" eine Benutzung des E. N. ansetzen möchte, weist T a u b e r P B B . 24 [1899] S. 303 für die betr. Stelle andere Quellen nach.) J. B a e c h t o l d Dt. Hss. aus dem Brit. Museum (1873), mit Auszügen. R. P r i e b s c h Dt. Hss. in England 2 (1901), S. 218 — 223 mit Textprobe. Ausgabe: 'Von unsers Herren liden' ed. b y C h a r l e s J. C a r r (Manchester 1929); bespr. v . E d w . S c h r ö d e r A f d A . 48 (1929), S. 2o8f., von F. M a u r e r Ltbl. 1930, S. I79f. R . P. W ü l c k e r Das Evangelium Nicodemi in der abendl. Literatur l872'
Ludwig Denecke
Lenipucher: Auf die beiden Stein- und ' Grieß'-rezepte, die unter dem Namen Ebser (s. d.) überliefert sind, folgen in der Hs. Chart. B 1238 der Hzgl. Bibl. Gotha (bair., Ende 15. Jhs., s. E b s e r ) zwei mit einer roten Überschrift Practica Lenipucher für den grieß. H . Niewöhner Lesch, Albrecht (Nachtrag) : L . K ö s t e r Albr. L. (Ein Münchner sänger d. 16. Jhs.) Diss. München 1937.
Meister-
Hannemann Leschenprant, Peter, Teilnehmer an Herzog Friedrichs „Jerusalemfahrt" (s. d.). Wurde vom Herausgeber des Gedichtes über diese Fahrt zu Unrecht als dessen mög-
Leuthold von Seven
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licher Verfasser angesehen, doch könnte auf eine besondere Beziehung zwischen P. L. und dem Dichter allenfalls daraus geschlossen werden, daß der Name P. L. in dem Gedicht einer auch anders überlieferten Fahrtteilnehmerliste als einziger zugefügt ist. Ein Augustiner-Chorherr Sigismund L. findet sich im Nekrolog des Stiftes Seckau. Eine Besitzereintragung S. Leschenprant mit der Jahreszahl 1560 enthält die Wiener Laurin-Hs. 3007. Wie weit es erlaubt ist, diese Zeugnisse zu der Annahme einer literarisch interessierten österr. Adelsoder Patrizierfamilie L. zu verdichten, wird die genealogische Forschung klären müssen. R . R ö h r i c h t Z f d P h . 23 (1891), S. 27. W . F e c h t e r Das Publikum der mhd. Dichtung (1935), S ' 7 0 f'
Ludwig Denecke
Leuthold von Seven.
1. Unter dem Namen Her Liutolt von Sauene sind in der großen Heidelberger Liederhandschrift C (Bl. 164 c—165 b) 11 Strophen überliefert (die gleichen z. T. auch in der Weingartner Hs. B.), während die kleine Heidelberger (A) 47 Strophen unter seinem Namen (Lvtolt von Seven) auf B1.36b bis 39a mitteilt, die jedoch zum größeren Teil anderen Dichtern gehören. Eine weitere (namenlose) in D (pal. germ. 350). F. P f a f f Die große Heidelberger Liederhs. (1909), Sp. 5 7 5 - 5 7 7 . M S H . I, S. 3 0 5 - 3 0 6 ; I I I , S. 3 2 7 t , 451, 468"; I V , S. 239 — 243. W . W a c k e r n a g e l und M. R i e g e r Walther v. d. V. nebst Vir. v. Singenberg u. Leutold v. Seven (1862), S. X X bis X X I V , 2 5 9 - 2 7 0 . K. B a r t s c h - G o l t h e r L D . Nr. 28 S. L V , 165 — 167. Leutolds von Sähen Gedichte 1876. C. v o n K r a u s Dt. Liederdichter des 13. Jhs.I (T952), S.245 —249, Nr. 35, 11(1953) S. 69, 291 — 300 ( = K L D . ) . K . Lachmannv . K r a u s Walther S. 210, 219. W . W i l m a n n s M i c h e l s Walther 2 ( 4 i924), S. 2 1 3 I , 428f., 443f. K . L a c h m a n n - v . K r a u s M F . S. 41, 379. W . Scherer£>/. Studien ( 2 i 8 g i ) I, S. 29; II, S . m . K . B u r d a c h A D B . 34 (1892), S. 73f. E . S t i l g e b a u e r Gesch. des Minnesangs (1898), S. I58ff. J. S c h a t z Zs. des Ferdinandeums 3, 45, (1904), S. I 7 5 f . A . W a l l n e r P B B . 33 (1908), S. 488 Anm. 1, 512, 524, 5 2 8 ! , 5 3 6 I P. K l u c k h o h n Z f d A . 52 (1910), S. 155. F . M o h r Das unhöfische Element in der mhd. Lyrik von Walther an Diss. Tübingen 1913, S. 27. K . P l e n i o P B B . 42 (1917), S. 423 — 425. S. S i n g e r P B B . 44 (1920), S. 463. A . H a i d Unters, über die Lieder, die L. v. S. zugeschrieben werden Diss. Innsbruck 1921 (ungedruckt). K . R a t h k e Dietmar von Aist (1932), S. 71. E . W a l t e r Verluste auf dem Gebiet der mhd. Lyrik (1933), S. 5 0 I C. v o n K r a u s Walther20*
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L e u t h o l d von Seven
Untersuchungen (1935), S. 128, 182f., 340, 341 1 , 392, 486. E h r i s m a n n Schlußband, S. 269. B . B o e s c h Die Kunstanschauung in der mhd. Dichtung (1936), S. 53, 209, 254. M. I s b a s e s c u Minne und Liebe Diss. Tübingen 1939, S. 9 4 I A . M o r e t Les débuts du lyrisme en Allemagne (1951), S. 20, 32, 56, 219, 233, 236, 264, 280. H . d e B o o r Gesch. d. dt. Lit. 2 (1953), S. 336.
2. Über den Dichter ist nur wenig Gesichertes zu berichten. Fest steht, daß er mindestens drei Minnelieder ( K L D , Nr. I, I I , III) sowie eine Anzahl von Sprüchen v e r f a ß t hat, und d a ß er ein jüngerer Zeitgenosse Walthers v . d. Vogelweide war. Über seine Heimat, seinen Stand usw. ist das Urteil uneinheitlich. In der älteren Forschung herrschen K o m binationen zwischen der Vorstellung von einem (begüterten) Ministerialen Liutolt aus Säben im Eisacktal und dem Liederbuch eines Fahrenden unter dessen Namen in der Hs. A . Durch S c h a t z ist das erste widerlegt : Säben kommt nicht in Frage, Tirol als Heimat ist unbewiesen (so W a l l ner, Plenio, Kluckhohn, Michels; für Säben noch K o s c h Literaturlexikon 2, 1953). Das zweite für sich genommen ist zu wenig, denn die unter dem Namen Reinmar der Fiedler (s. d.) überlieferte Spruchstrophe (s. u.) zwingt dazu, mit einer schärfer profilierten Persönlichkeit zu rechnen. 3. Die Bewertung des Dichters schwankt zwischen höchstem L o b ( W a c k e r n a g e l , B a r t s c h ) und dem K r a u s s c h e n W o r t v o n den „Nichtigkeiten dieses schwächlichen Nachahmers" (WU. S. 82). E n t scheidend ist, welche Lieder und Sprüche m a n für echt hält. W a c k e r n a g e l s Zuweisung der Waltherlieder 85, 34, 110, 27 u n d sogar 51, 13 muget ir schouwen waz dem meien Wunders ist beschert (nach A) kann natürlich keinen Anspruch auf Glaubwürdigkeit erheben. Andere Forscher lassen es beim sicher Bezeugten (BC) bewenden ( S c h e r e r , R o e t h e ) , woraus sich denn höchstens eine beflissene A r m u t des kleinen Talents ergäbe. Doch schon die Sprüche 19 und 20 A , die auch nach K r a u s ( K L D . V I I ) echt sind, zeigen sich in Sprachbehandlung und Gehalt der guten Walther-Tradition verbunden, obwohl sie andererseits sich nicht grundsätzlich v o m N i v e a u der fahrenden Bettelpoeten entfernen.
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P l e n i o hat denn auch einen direkten Zusammenhang zwischen W a l t h e r (dem sog. Heiligenstädter Fragment, Lachm a n n - K r a u s X X V I I , 7-13) u n d S e v e n i g A feststellen wollen (Z. 13 ich smecke seveken in dem rate) und von da her eine Walther-Seven-Fehde konstruiert. Seine Argumente, die K r a u s nicht überzeugen konnten, bleiben wohl (trotz W U . S. 486 und der dort genannten Lit., s. auch K L D . II, S. 292t.) bei der gegebenen Verzahnung vieler Probleme einer methodischen Überprüfung wert. 4. Die weiteren Strophen in A sind teils für andere Dichter gesichert, teils ließen sie sich gut mit Ls. A r t in den Minneliedern vergleichen: etwa das Lied mit Natureingang ( K L D V) oder das Tagliedfragment K L D . V I (nach S c h e r er das drittälteste dt. Tagelied). Aber da die Hs. A wenig Autorität genießt, wäre der Namensbegriff Liutolt k a u m mit weiteren F a k t e n zu füllen, wenn wir in A nicht die oben erwähnte Strophe h ä t t e n : Got welle sone welle, doch so singet der von Seven / noch baz dan ieman in der Werlte, fraget nifteln unde neven, / geswien swäger swiger sweher: si jehent ez st war. / tageliet klageliet hügeliet tanzliet leich er kan, / er singet kriuzliet twingliet schimpf liet lobeliet riiegliet alse ein man / der mit werder kunst den liuten kürzet langez jdr. / wir mugen wol alle stille swigen da her Liutolt sprechen wil. . . (vollständig gedruckt in M S H . I I I , 330, B a r t s c h L D . S. 168, L a c h m a n n Walther 165, 1 ; W i l m a n n s M i c h e l s S. 428t.; hier nach K L D . I, Nr. 45, III). Entweder geht dieser Spott auf offensichtliche Geistesarmut Leutholds (so etwa W i l m a n n s , R o e t h e ) , dann müßte man wohl an einen „ R e i c h e n " denken, der seinen Reichtum auch in der Form bewiese; oder ist es nur das Repertoire des Spielmanns, nicht die Schöpfung gemeint, dann ist Konkurrenzneid auf den fahrenden A d ligen ( R o e t h e , B u r d a c h ) bzw. Bettelsänger (Wallner) wahrscheinlich. P l e n i o verbindet alle Möglichkeiten, indem er diese Strophe (wie die in A folgende und die gleichgebaute Walther 38,10) W a l t h e r gibt, zur „Verulkung und grotesken Zurechtweisung" Leutholds, „freilich nicht ohne Konkurrenzneid" (S. 425). Ein Zusammenhang zwischen den 3 Str. ist nicht z u
Lichtenberger, Johann —
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leugnen, und da v. K r a u s 38, 10 für unecht hält (gegen S i n g e r , M i c h e l s , H e u s l e r usw.), überläßt er alle drei dem Fiedler (KLD. I, S. 335f.), einer Gestalt, die sonst öfters mit „anonym" gleichgesetzt wird. Die aufgezählten Gattungen nimmt R o e t h e nicht für bare Münze, während v. Kraus dies in so hohem Maße tut, daß er sie fast vollzählig in seinen Liutolt von Savene I — V I I I wiederfindet (s. K L D . II, S. 293t. — dazu A. S c h ö n b a c h ZfdA 34, S. 213 bis 218, G. R o s e n h a g e n Merker-Stammler III, S. 126f., H. S c h n e i d e r ebenda S. 287 b i s 2 93)-
Johannes Kibelka
Lichtenberger, Johann (Nachtrag), s. a. Rosenbach, Johannes. W . H a a r b e c k J. L. Astronomus in Saarpfälz. A b h . zur Landes- u. Volksforsch. 3 (1939), S. 152 bis 171, mit ausführl. Bibliogr. W . - E . P e u c k e r t Die große Wende 1948, S. 103ff. TT
^
Hannemann
Liebe von Giengen ist ein Meistersinger des 14. Jhs., über dessen Leben wir nichts Näheres wissen. Die Kolmarer Hs. (Cgm. 4997, Bl. 775 — 778) überliefert vier Lieder, eins über das Badeleben (in der jarwyse) und 3Marienlieder (imsenften ton), beide Töne bei Runge s. u.). In 2 Heidelberger Hss. finden sich: eine siebenstrophige Tugendlehre für Jungfrauen und ein weiteres Marienlied, das bekannte Gedicht über die 12 Meister im Rosengarten (unsicher!) und eins zum Vergleich der Tugenden von Mann und Frau (Pal. germ. 392, Bl. 30a, 126a und Pal. germ. 680, Bl. 43b und 61 b). Andere Lieder in der Baseler Hs. O I V 28 und der St. Georgener von 1448 in Karlsruhe (Germ. L X X I V , Bl. 17). Allergrößte Ähnlichkeit mit der jarweis h a t eine radweis (auch rot weis, raltweis usw.), die sehr viel benutzt worden ist (Lieder u. a. in Dresden M 6, M 12, M 195, Weimar Q 571, Wien 13512); doch ist hier entweder die Benennung oder die Reimfolge in Verwirrung geraten. Der Vergleich alles ungedruckten Materials wird Klarheit bringen.
Der Dichter wird genannt (in Preisliedern auf die alten Meister) von Folz (s. d.) und Kunz Nachtigall (s. d.), beide im mgq. Berol. 414 (Bl. 475b—477a, 426b—428a). Liebe als Namensform steht (nach B a r t s c h ) fest (doch pal. germ. 392 : Der Lieber), sein Beiname (meist gengen, gingen) weist auf das württembergische Giengen a. d. Brenz; Lautformen und Wortwahl sprächen nicht dagegen.
Limburg, Schenk von
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Die Sprache ist einfach und klar, Reimtechnik und Ausdrucksweise sind verhältnismäßig ungezwungen. Das Ethos ist dem Höfischen nahe. Ein fühlbarer Zug zur Innigkeit, bei erhobenem Zeigefinger, hebt unseren Dichter nicht stärker heraus: Er liebt vor allem den allegorisch verbrämten Marienpreis und eine etwas aufdringliche Didaxe, wobei er sich ungern vom Thema Frau entfernt. Das Badelied hat Schule gemacht (Lit. s. A. T a y l o r The Literary History of Meistergesang 1937 S. 55) — nur muß das minnesingerische Frauenlob als Höhepunkt eines solchen Liedes später fortfallen. T e x t e : A. H o l t z m a n n Germ.V (1860), S. 214 bis 219. K . B a r t s c h Meisterlieder der Kolmarer Hs. (1862), S. 79f., 183. P. R u n g e Die Sangesweisen der Colmarer Hs. (1896), Nr. i i 7 f . , S. 169f. J. G ö r r e s Volks-und Meisterlieder (1817), S. 222f., 3 i g f f . MSH. I V , S. 8 8 7 I , 892. W . W a c k e r n a g e l K L . I I , Nr. 1311. A . L . M a y e r Die Meisterlieder des Hans Folz (1908), S. 351. L i t . : G o e d e k e I 2 , S. 313. K . B a r t s c h A D B . X V I I I (1883), S. 562; d e r s . Die altdt. Hss der UB. in Heidelberg (1887), S. 122, 128, 1 6 7 L ; d e r s . Beitr. zur Quellenkunde der ad. Lit. (1886J, S. 278. F. S c h n o r r v . C a r o l f e l d Zur Gesch. des dt. Meistergesangs (1872), S. 39, 52 u. öfter. T . H a m p e Z f K u l t g . I V , 1 (1896), S. 46-53. F . R o s t o c k Mhd. Dichterheldensage (1925), S. 29f. A . T a y l o r - F . H , E l l i s A Bibliography of Meistergesang (1936). S. 39, 70. F . H . E l l i s P M L A . L X I (1946), S. 975. 988; M. J. S c h r ö d e r ebendort S. 1005, 1010, C. H . B e l l Georg Hager I V (1947), S. 1518, 1525,
1536,1553,1593.
Johannes Kibelka
Lienz, Burggraf von (Nachtrag): E . T h u r n h e r Wort und Wesen in 1947, S. 102 u. 217. C. v. K r a u s Dt. dichter d. 13. Jhs. I (1952), S. 250 — 252.
Südtirol Lieder-
Hannemann 'Die Lilie' (Nachtrag). Das Werk ist eine sehr freie Paraphrase der „Vitis Mystica" (Migne Patr. Lat. 184, S. 635—740) in Reimprosa. P h . S t r a u c h D L Z . 1912, Sp. 994. J. M. W i e l e n m i e r - S c h a l y Dat Boec der Minners (Die Rede von den 15 Graden) 1946. , T J
^
J. van Mierlo
Limburg, Schenk von (Nachtrag) : E . K o s t Schwab. Lebensbilder 1 (1940), S. 346 bis 349. D e r s . W ü r t t b g . Franken N F . 20/21 (1940), S. 2 i 5 f f . (Der Schenk von L., ein ritterl. Minnesänger der Hohenstaufenzeit). C. v . K r a u s Dt. Liederdichter d. 13. Jhs. I (1952), S. 239 — 244 und I I (1954), S. 287ff. TT
Hannemann
6ig
Linz — Lorchner, Johann
Linz, s. H e r m a n n v o n L i n z im Nachtrag. 'Lippif lorium' und 'Lippeflorer', s. J u s t i nus von L i p p s t a d t . Lobenzwey (Lobenzweig) vonRiedling, Hans. Der im 15. Jh. angelegte Cgm. 427 enthält ein Traumbuch in dt. Prosa, als dessen Vf. der sonst nicht bekannte L. bezeichnet wird. Die Wiener Hs. Poem. Germ. 2949 Bl. 165 a nennt ihn als Vf. eines Traumbuchs. Über die Beziehungen dieser noch ungedruckten Schrift zu den anderen dt. Traumbüchern desMA.s und über die Person des Vf. s liegen noch keine Feststellungen vor. H o f f m a n n Verzeichnis der alt dt. Hss. der Hofbibl. zu Wien S. 207. Berichte über die wissenschaftlichen Unternehmungen der Preuß. Akad. der Wissenschaften, Handschriftenarchiv (Sitzg. vom 24. 1. 1935), S. 2. „ , , +
Gerhard Eis
Lock, Johannes, Dominikaner des Nürnberger Konvents, Lektor, seit Ostern 1485 Beichtvater der Dominikanerinnen des Katharinenklosters. Von diesen sind 9 Predigten Ls. (8 dt. und eine lat.), gehalten von 1484—87, nachgeschrieben worden (Zürich, D 231). Sie handeln vom Reich Gottes in uns (nach Albertus Magnus), von der Dreifaltigkeit und den Appropriationen der göttlichen Personen, von der Nachfolge Christi, von der Versuchung Gottes, von der Fürbitte Marias, von der Liebe Gottes und wie man sie erlangt. L. ist in diesen Predigten ganz 'Lesemeister' : das gemüthafte, affektive Element fehlt fast gänzlich, er vermittelt den Zuhörerinnen vielmehr scholastische Theologie, vor allem diejenige des Thomas von Aquin, den er in jeder Predigt mehrere Male zitiert. Auch die äußere Form der Predigt verrät den Scholastiker: sie ist streng schematisch nach Distinktionen (unterScheidt) oder Quaestionen (Nu ist ein frag, ob ..., Über dyße frag antwurt. .. ) aufgebaut. Knappe Auszüge einiger Predigten gibt G. L o h r Aus spätmal. Klosterpredigten Zs. f. Schweiz. Kirchengesch. 38 (1944), S. 4 i f f . , I 9 9 f . . 203t.
Kurt Ruh Löffelholz, Martin. Der Cod. germ. quart 132 der Berliner Staatsbibl. enthält ein im
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Jahre 1505 angelegtes Bildwerk, für das F. M. F e l d h a u s die treffende Bezeichnung „Von Kriegs- und Friedens-Werkzeugen" vorgeschlagen hat. Der Band ist mit dem Wappen der Familie Löffelholz versehen; es ist wahrscheinlich, daß der einstige Besitzer, der 1533 gestorbene Ritter Martin L., auch der Vf. war. Das Werk ist nach A r t der spätmal. militärwissenschaftlichen Ikonographien angelegt, zeichnet sich aber durch größere Vielseitigkeit des Inhalts aus. Es sind drei verschiedene Gebiete der Eigenkünste behandelt, opificium, armatura und venatio. A m Anfang stehen Abbildungen von Bohrern und Zirkeln, dann folgt ein gebogenes Brenneisen, mit dem man kurvenförmige Löcher in Holz brennen kann. Eine besondere Vorliebe scheint L. für die technische Verwertung der Schraube gehabt zu haben. Er hat als erster einen Schraubstock und eine Hobelbank mit Schraubzangen abgebildet. Auf Bl. 10a wird ein Drehsessel vom Typus des „Lutherstuhls von der Wartburg" vorgeführt; auf Bl. n a erscheint eine Tür mit zwei Schlössen}, die das öffnen nach rechts und nach links ermöglichen; auf Bl. n b folgt eine Geheimtreppe und Bl. 12 a eine Kinderwiege, die sich von selbst schaukelt. Die kriegskundlichen Tafeln zeigen Bolzen, Armbrüste (auch eine SelbstschußArmbrust), eine Lade, auf der man Pfeile und Bolzen mit jenen schraubenförmigen Schlitzen versehen kann, in welche die Befiederung eingeleimt wurde, ferner Fußangeln sowie Eisensohlen, die Schutz gegen Fußangeln gewähren. Bemerkenswert sind ein eiserner Stuhl mit verstellbarem Sitz, auf dem ein Gefangener sicher festgebunden werden kann, und ein Trick, einem Gefangenen einen Brief in einem Ei zuzuschmuggeln. Die jagdkundlichen Bilder bieten Wolfseisen und Hirschfallen, Stachelhalsbänder und Mittel zum Anlocken von Hunden. Die Hippologie ist mit einem verstellbaren Hufeisen, einem Pferdemaulkorb und einem Rezept gegen Eingeweidewürmer vertreten. Auf Bl. 63 a steht ein Mittel gegen die Tollwut, auf Bl. 67 a ein Köder für Füchse.
Der Wert des Werkes beruht auf den Bildern, doch können auch die meist knappen dt. Beischriften Interesse beanspruchen. F. M. F e l d h a u s Waffentechnisches aus der Nürnberger Löffelholz-Handschrift von i$o5 Zs. f. hist. Waffenkunde, N F . V I (1938), S. 121 —123 (mit Anführung der älteren Literatur). G . E i s Fleischkonservierung und Küchenkunstkniffe aus altdt. Schriften Die Fleischwirtschaft 6, 1954, S. 3°3-
Gerhard Eis
Lorchner, Johann, lebte in der zweiten Hälfte des 1.5. Jhs. in der Stadt Spalt in
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Louganpert —
Mittelfranken und stand in Diensten Friedrichs I I I . und Maximilians I. E r wird als D o k t o r und Mathematiker bezeichnet und soll der V f . einer dt. Bearbeitung der pseudoaristotelischen 'Secrela secretorum' sein, die 1532 von Johann Besolt aus seinem Nachl a ß herausgegeben wurde. Das geht aus dem Titel des bei Heinrich Steiner in Augsburg erschienenen Druckes hervor, welcher lautet : Das aller eilest vnd bewertest Regiment der gesvndhait Auch von allen verborgnen künsten . . . Aristotelis . . . Nachmals ausz dem latein jn das Teutsch gebracht Bey Doctor Johann Lorchner zü Spalt (So bay der Kayser Fridrichs vnd Maximilians . . . Rath vnd Mathematicus gewesen) nach seinem tod geschriben gefunden zä auffenthaltung vnd fristung der gesuntheit. J. H a u p t bezweifelte, daß die Übersetzung von L . herrührt; sie erschien ihm älter, so daß er es für möglich hielt, daß sie mit der Bearbeitung der Hiltgart von Hürnheim (s. 'Aristotilis Heimlichkeit') zusammenhängt. Eine Untersuchung des T e x t e s steht noch aus. J . H a u p t Über das md. Arzneibuch des Meisters Bartholomäus W S B . L X X I (1872), S. 515.
Gerhard Eis Louganpert, Mönch von St. Emmeram in Regensburg. Die verlorenen Dichtungen Ls., der z. Zt. des Bischofs T u t o von Regensb u r g (894—930) dem Kloster St. E m m e r a m mehrere Hss. schenkte, sind nur durch einen Katalogeintrag des St. Emmeramer Bibliothekars Dionysius Menger von 1501 bekannt : Item versus Loganperti cuiusdam monachi de humano genere compositi et incipit: Constat sie homo compositus etc. Item metra eiusdem de festivitatibus XI beate v(irginis) et sanetotum etc. (Clm. 1 4 6 7 5 , Bl. 27af.). D a s erste Initium erinnert auffällig an Walahfrids (s. d.) Schulverse : Sic homo consistit, sie constant illius artus\ die Nachahmung durch L. ist zweifellos, zumal jenes Gedicht in dem erhaltenen LouganpertCodex Clm. 14 754 steht. B. B i s c h o f f Stud. u. Mitt. OSB. 51 (1933), S' I04'
B . Bischoff
'Lucidarius'. 1. I n h a l t : Der L . ist ein (wohl von Anfang an für Laien gedachtes) Kompendium
'Lucidarius'
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theologischen und allgemeinen Wissens. E r enthält eine Kosmologie, eine Weltbeschreibung, einen A b r i ß der Heilslehre, einige D a t e n über die Institutionen der Kirche und die christlichen Feste und eine Eschatologie. Ein einfacher (vielleicht dem ' E l u c i darium' des Honorius von A u t u n entlehnter — anders K e l l e S. 228) Kunstgriff erlaubt es, diese verschiedenartigen Materien in einen glatten äußeren Zusammenhang z u bringen; die Verf. haben die Dialogform gewählt : ein Schüler (junger) fragt den meiste/ und erhält Belehrung über alles, was er zu wissen begehrt. Eine eingehende Inhaltsbeschreibung läßt sich hier schon der Vielzahl der behandelten Themen wegen nicht gut anbringen. Zudem haben die zahlreichen Überarbeitungen (s. u. § 4) starke Veränderungen inhaltlicher Art zur Folge gehabt, die großenteils noch unbekannt sind. Ein Überblick über die Hauptpunkte, die in der Rezension B des hsl. überlieferten Textes (s. u. § 4) behandelt sind, möge immerhin einen äußerlichen Eindruck von der Eigenart des Werkes vermitteln. In dieser Fassung hat der L. drei Bücher. Das erste handelt von der Schöpfung, von Hölle, Himmel und Paradies. Weiter enthält es eine Erdbeschreibung (Asien, Europa, Afrika), eine Behandlung der Gestirne, gewisser kosmischer Erscheinungen (Wetter usw.) und der Entstehung des menschlichen Lebens und endlich einige andeutende Bemerkungen über das Ende der Welt. Im zweiten Buch sind religiöse Fragen (Menschwerdung Christi, Sündenfall usw.) und einzelne Gegenstände aus der praktischen Christenlehre (Hören, Messe, christliche Feste usw.) behandelt. Das dritte Buch schließlich bietet eine ausführliche Beschreibung der letzten Dinge. Fegefeuer, Hölle, das Leben der Seligen, der Antichrist, die Auferstehung der Toten, das jüngste Gericht, das Ende der Welt und der endgültige Stand der Erlösten und der Verdammten werden nacheinander abgehandelt.
G l o g n e r hat den Versuch unternommen, die B a u g e s e t z e dieser scheinbar so planlos kompilierten Wissenssammlung zu ergründen. E r betrachtet den L . (in Weiterbildung eines Ehrismannschen Gedankens) als eine für Laien bestimmte Summa, und zwar als eine theologische Summa, die nur in der Weltbeschreibung des ersten Buches Berührung mit dem T y p der Realiensumma zeigt. Die Teilung in drei Bücher ist wie es der T e x t selbst andeutet (58, 1 3 — 1 8 ) , im Blick auf die Trinität zu verstehen. Das 1. B u c h hört an den vater und enthält nach Glogner (S. 18) 'das, was unserem Sein vor-
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•Lucidarius'
ausliegt'. Das zweite gat an den sun; es 'handelt von der Mitte der Zeit, d. h. von unserer Gegenwart'. Das dritte (eine entsprechende Zuweisung an den hl. Geist fehlt!) endlich berichtet "vom Zukünftigen, von dem, was unserem Sein folgen wird'. Gl. hat namentlich zur Klärung der recht verwickelten Zusammenhänge im 1. Buch viel Förderliches beigetragen, so etwa, wenn er die merkwürdige Anordnung der Elemente aus einer Verschmelzung der stark divergierenden Baupläne der beiden Quellen (' Imago mundi' und ' Philosophia mundi ) verständlich macht (S. 38—42). Im Ganzen wird aber die Frage nach der ursprünglichen Anlage desL. noch einmal aufgerollt werden müssen, wenn das Textproblem (im Anschluß an die Untersuchung von M. D i t t r i c h , s. u. §4) eine endgültige Lösung gefunden hat. Denn Gl. folgt bei seinen Untersuchungen der in vieler Hinsicht unzulänglichen Edition von Heidlauf. 2. Über die E n t s t e h u n g des L. gibt der gereimte Prolog der Rezension A Auskunft (zitiert nach E d w . S c h r ö d e r ) . Der Auftrag zur Abfassung des Buches ging von Heinrich dem Löwen aus; er erteilte ihn seinen capellanen : got hat ime den sin gegeben / dem herzogen der ez sckriben liez: / sine capellane er hiez / die rede suchen an den Schriften j . . . / Daz daden sie willecliche / dem herzogen Heinriche, / der ez in gebot unde bat (10ff.). Sie vollführten das Werk ze Bruneswich in der stat (22). Eine genaue Angabe über die Entstehungszeit fehlt in dem Prolog. Man darf aber annehmen, daß sie in die letzten Lebensjahre Heinrichs des Löwen fällt, also etwa in die Jahre 1190—95. Zu dieser Vermutung berechtigen uns die gut bezeugten Nachrichten über das steigende Interesse des alternden Fürsten für kirchliche Angelegenheiten und gelehrte Bildung (vgl. S c h o r b a c h S. i o f . mit Stellenhinweisen). Heinrich der Löwe machte den Klerikern recht genaue Vorschriften für ihre Arbeit (vgl. auch §§ 3 und 5); vor allem verlangte er, daz sie ez dihten / ane rimen wolden (14f.). Mit dieser Forderung stand er durchaus im Gegensatz zu seinen Beauftragten : ez enwere an dem meister ('Hauptredaktor' oder wie ist der Singular hier zu verstehen ?) niht beleben, / er het ez gerimet ab er solde (24!). Der
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Fürst bestand aber auf seinem Wunsche, denn sie sollten niht schriben wan die warheit (17). Diese Begründung ist erstaunlich für eine Zeit, in der so gut wie alles gereimt wurde, was Geltung und Dauer beanspruchte. Heinrich der Löwe hat durch seinen Befehl indirekt zur Entstehung der dt. Kunstprosa beigetragen. Denn der L. ist, worauf G l o g n e r (S. 3) mit Recht hingewiesen hat, das erste Prosadenkmal, dem eine nachhaltige und traditionsbildende Wirkung beschieden war. Wie sehr es damals eines Anstoßes von außen bedurfte, wenn dt. Prosa entstehen sollte, zeigt am besten eine Parallele, auf die R o s e n s t o c k aufmerksam gemacht hat (Zs. d. SavignyStiftung, Germ. Abt. 37,1916, S. 498—504): auch Eike mußte zur Abfassung des ' Sachsenspiegels' in ungebundener dt. Rede erst durch einen Mäzen, den Grafen von Falkenstein, bewogen werden. Es war also eine revolutionierende, in die Zukunft weisende Tat, als Heinrich der Löwe ein Abrücken von der Tradition forderte, die den Reim vorschrieb. So faßt neuerdings auch L. W o 1 f f den Vorgang auf, in scharfem Gegensatz zu H. N a u m a n n , der darin 'ein Symptom der ernsten frommen vornehm-archaischen Stimmung des späten Weifenhofes' erblicken möchte {Höf. Kultur S. 60). 3. Auch einen T i t e l hatte Heinrich der Löwe für das Buch, das er schreiben ließ : Der herzog wolde / daz man ez hieze da / 'Aurea gemma' (25—27). Vielleicht wollte er damit an die 'Gemma animae' des Honorius erinnern, vielleicht sollte darin auch nur der hohe Wert des Werkes in allegorischer Weise zum Ausdruck kommen (vgl. dazu S c h o r b a c h S. 13f. und 165). Allein, der meister war anderer Meinung: do duhte ez dem meister bezzer sus / daz ez hieze 'Lucidarius' (2gf.). Unter diesem Namen, der zu erkennen geben soll, daß ez ein luhtere ist (31), hat das Buch seinen Weg durch vier Jhte. dt. Geistes- und Bildungsgeschichte angetreten. Bis in die beginnende Druckzeit hinein hat es ihn unverändert bewahrt, dann treten die ersten Entstellungen auf (s. u. § 4). Der Name 'Lucidarius' kehrt noch ein zweites Mal in der mhd. Literatur wieder: die Satiren des sog. Seifried Helbling (s. d.) sollten eigentlich unter dem authentischen
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'Lucidarius'
Titel 'Kleiner Lucidarius' (nach Seifr. Helbl. I, 30) zitiert werden. Er ist, wie die Anlage der Gedichte zeigt (Dialog) unserem L. abgesehen. (Über die Annektierung des Titels durch einen Zürcher Drucker s. S c h o r b a c h S. 267). 4. Die Ü b e r l i e f e r u n g s g e s c h i c h t e des L. muß noch geschrieben werden. Obgleich S c h o r b a c h , H e i d l a u f , E. S c h r ö d e r , M. D i t t r i e h u. a. wertvolles Material bereitgestellt haben, ist noch Allzuvieles unklar oder gar unbekannt. Bis zum Erscheinen der Arbeit von M. Dittrich glaubte man, über die hsl. Überlieferung in großen Zügen unterrichtet zu sein. Es galt seit Edw. Schröders Untersuchungen zu den Reim vorreden als ausgemacht, daß zwei Rezensionen zu unterscheiden seien, die aus einem gemeinsamen Archetypus stamm • ten. Den Hss. der Rezension A ( = II H e i d l a u f ) ist zweierlei gemeinsam: sie überliefern nur die beiden ersten Bücher; außerdem haben sie die Reimvorrede, in der sich die eben (§§ 2 und 3) skizzierten Angaben über die Entstehung des Werkes finden. Die Hss. der Rezension B ( = I H e i dl auf) enthalten alle drei Bücher; die Vorrede weicht stark von A a b : sie gibt keinerlei sachliche Aufklärung über die äußere Vorgeschichte des Buches. Im Ganzen darf man sie als eine ziemlich stümperhafte und inhaltsleere Reimerei betrachten. A stellt nach E. Schröder (S. 155) einen 'direkten Ausläufer der Braunschweiger Originalausgabe' dar, während B ihm als eine bair. Überarbeitung erscheint (S. 170; angezweifelt von F. W i l h e l m Komm. S. 223f.). Die von E. Schröder vorgenommene Einteilung der Hss. in zwei Klassen (über eine bedeutungslose Mischklasse C s. S c h r ö d e r S. 166) beruht allein auf einer Untersuchung der gereimten Prologe. H e i d l a u f kommt aufgrund eines Vergleiches der Gesamttexte zu einer ganz anderen Klassifikation (Diss. S. 6—17). Wenn auch seine Argumentation unbefriedigend ist, so müßte die Frage doch erneut behandelt werden. Sie müßte es umso mehr, als inzwischen M. D i t t r i c h nachgewiesen hat, daß in den Moneschen (bzw. Schorbachschen) Fragmenten eine Rezension des L. vorliegt, die vor der Spaltung der Über-
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lieferung in die Zweige A und B entstanden ist. Es scheint nach ihren Untersuchungen nicht ausgeschlossen, daß diese älteste Fassung nur die zwei ersten Bücher nach der jetzigen Zählung enthalten hat, die u. U. auf andere Weise dreigeteilt waren. Möglicherweise hat also die Rezension A das 3. Buch gar nicht verloren, sondern repräsentiert einen ursprünglicheren Zustand des Textes (so auch schon K e l l e S. 228). Eines ist sicher: die Heidlauf sehe A u s g a b e , die sich im wesentlichen auf die Berliner Hs. Ms. Germ. oct. 26 der K l a s s e B stützt, ist für die weitere Arbeit am L. unbrauchbar. Edw. Schröder hatte noch gemeint, das Ziel künftiger textkritischer Bemühungen müsse die Wiedergewinnung der beiden Hyparchetypen A und B sein (S. 171). M. Dittrich eröffnet uns nun die Hoffnung, daß sich bei erneuter Prüfung der gesamten Überlieferung ein Weg zurück zum Archetypus und damit in die Nähe des Originals finden läßt. Dazu wäre freilich eine unermeßliche Arbeit zu leisten. E. Schröder zählte bereits 50 Hss. (darunter 5 verschollene; S. 154). Inzwischen hat sich die Zahl weiter vermehrt : J. N a c h b i n publizierte ein Pariser Fragment, das anscheinend in die Nähe der Hss. B und M (Rez. B) gehört (vgl. den Text Ns. mit 20,2—25,13 H e i d l a u f ) . Acht weitere Hss. konnte W. S t a m m l e r nachweisen (ZfdPh. 53, 1928, S. n f . , Anm. 59); es ist gut denkbar, daß bei weiteren Nachforschungen noch mehr hsl. Material ans Licht kommt. Auf die Hss. folgen die D r u c k e . Schorbach hat allein 85 bibliographisch erfaßt. Diese Drucke gehören samt und sonders zur Rezension B ( S c h o r b a c h S. 135), d.h. sie haben die Reimvorrede von B, soweit sie nicht von vornherein völlige Neubearbeitungen geben wollen. Im übrigen schalten die Drucke mit dem überkommenen Text ziemlich frei, wie es eben in der Frühzeit des Druckwesens üblich war (Beispiele bei S c h o r b a c h s. i4off.). Kürzungen kommen so gut vor wie Erweiterungen, letztere vor allem bei den geographischen Kapiteln, die einen Hauptanziehungspunkt des Buches bildeten. Auch der Titel erfährt allmählich eine Veränderung: aus L. wird 'maister L.'
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'Lucidarius'
und schließlich 'M. Elucidarius' ( S c h o r b a c h S. 15). — Die Reformation brachte einschneidende Veränderungen für die Textgestalt des L. Der Cammerlandersche Druck (Straßburg etwa 1535) bietet neben Ergänzungen zu der Weltbeschreibung (hauptsächlich aus Seb. Francks 'Weltbuch') eine protestantische Überarbeitung der theol. Partien ( S c h o r b a c h S. 145—148). — Die Frankfurter Drucke seit 1566 fügen dem L. im Anhang Jakob Röbels ' Bauern-Compass' zu. Eine weitere Neubearbeitung bringt die Oporinsche Ausgabe (Basel etwa 1568). — Seit 1655 erscheint der L. abermals in neuer Fassung, jetzt unter dem gänzlich veränderten Titel 'Kleine Cosmographia' (1655). Als Verf. (!) nennt sich Caspar Maurer. Die 'Cosmographia' wurde zuletzt 1806 gedruckt ( S c h o r b a c h S. 149—156). 5. Q u e l l e n : Aus der Reimvorrede A ergibt es sich mit aller Deutlichkeit, daß der Stoff für den L. aus m e h r e r e n Quellen zusammengetragen worden ist: sine capellane er hiez / die rede suchen an den Schriften (12 f.) und man vindet uz maneger schrifte / ein deil geschreben dar inne (36f.; vgl. auch B 31 f.). Diese Quellen waren lat. abgefaßt: . . . sie (sc. die capellane) ensolden/ niht schriben wan die warheit j als ez ze latine steit (16—18). Die wichtigsten dieser lat. Quellen sind uns durch Schorbachs Untersuchungen bekannt geworden, zu denen Heidlauf eine Nachlese lieferte. Hauptquelle war das 'Eluciradium' des Honorius von Autun. Aus ihm stammt der einleitende Teil des Buches 1 und das gesamte 3. Buch. Die kosmolog., geogr. und naturwl. Erörterungen des 1. Buches beruhen zur Hauptsache auf der 'Imago mundi' des Honorius; daneben hat aber auch die 'Philosophia mundi' des Wilhelm von Conches eingewirkt. Die Quellenfrage für das 1. und 3. Buch darf also im wesentlichen als gelöst gelten, wenn auch immer noch die Möglichkeit bleibt, daß noch die eine oder andere Nebenquelle entdeckt wird. Wesentlich schwieriger liegen die Dinge beim 2. Buch. Schorbach nahm an, es sei sehr frei (die Bearbeiter haben sich überhaupt nirgends ängstlich an ihre Vorlagen gehalten!) nach der 'Gemma animae' des Honorius gearbeitet. Heidlauf konnte in der Schrift \De di-
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vinis officiis' des Rupert von Deutz eine dem L. näherstehende Behandlung des Stoffes nachweisen. In einzelnen Fällen ist wohl tatsächlich mit irgendeiner Beziehung zwischen dem L. und dem Traktat Ruperts zu rechnen, jedoch ist die Quellenfrage noch keineswegs befriedigend gelöst. Ein Vergleich des L. mit den bekannten Quellen zeigt, daß die Bearbeiter im höchsten Grade eklektisch verfahren sind. Sie haben sich ganz offensichtlich auf das beschränkt, was für den Laienunterricht geeignet erschien. 6. N a c h w i r k u n g . Die große Zahl der Hss. und das Vorkommen eines Buchtitels wie 'Kleiner L.' (s. o. § 3) beweisen zur Genüge, daß der L. schon bald nach seiner Entstehung Verbreitung und Beachtung gefunden hat. Einzelheiten über Art und Umfang seines Einflusses auf die dt. Literatur sind noch unbekannt. Sehr viel genauer kennen wir dagegen ein Stück der Wirkungsgeschichte eines späten Abkömmlings des alten L . : S. S z a m a t ö l s k i hat überzeugend nachgewiesen, daß allerhand geogr und kosmolog. Wissenskram in dem Spießschen Faustbuch von 1587 aus einem 'Elucidarius' stammt. (Sz. vergleicht den Frankfurter Druck von 1572 = S c h o r b a c h Nr. 60, jedoch wäre eine kritische Musterung aller von Schorbach verzeichneten Drucke nötig, ehe man völlige Gewißheit über die genaue Beschaffenheit der Vorlage erhielte). Der dt. L. hat bei weitem nicht den gleichen großen Erfolg gehabt wie das 'Elucidarium' des Honorius von A u t u n (über zwei dt. Hon.-Übersetzungen aus dem 15. Jh. vgl. S c h o r b a c h S. 26iff.). Immerhin hat auch der L. ein paar Übersetzungen in fremde Sprachen erlebt. Auf dem dt. L. beruht der mnld. Prosa-Lucidaris' ( S c h o r b a c h S. 196; der gereimte mnld. 'Lucidaris' , von S c h o r b a c h S. 225, ebenfalls auf den dt. L. zurückgeführt, stammt nach neueren ndl. Forschungen aus dem 'Elucidarium' des Honorius), ferner der tschech. L. ( S c h o r b a c h S. 216; hsl. Fassung, Buch 2 und 3 stark gekürzt). Der dän. L. stellt eher eine freie Bearbeitung als eine Übersetzung dar, jedoch geht auch er auf den dt. L. zurück ( S c h o r b a c h S. iögff.). Er erfuhr im 16. Jh. eine gründliche Er-
Ludolf v o n Sachsen
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neuerung, auf die abermals dt. (Druck-) Fassungen eingewirkt haben. Der dän. L. wurde zum letzten Male im Jahre 1892 gedruckt! 7. L i t e r a t u r : a) A u s g a b e n : Lucidarius aus der Berliner Hs. ed. F. H e i d l a u f 1915 (DTdMA. 28). Die Moneschen (bzw. Schorbachschen) Fragm e n t e bei F. W i l h e l m Denkmäler dt. Prosa des 11. und 12. Jhs. 1914, S. 115 — 1 3 1 u. K o m m . 2, 3918, S. 222 — 239 (mit Zitaten aus den Quellen!); neue Lesung nach W i e d e r a u f f i n d u n g der Fragm e n t e b e i M . D i t t r i c h Zur ältesten Überlief erung des dt. Luc. Z f d A . 70, 1940, S. 218 — 255. Ein Pariser F r a g m e n t bei J . N a c h b i n Beitr. zum Studium des dt. Luc. Z f d P h . 63, 1938, S. 363 — 375. Der modernisierte T e x t einer Druckfassung bei K . S i m r o c k Die dt. Volksbücher 13, S. 377 — 442. — Neud r u c k der Ausgabe J a c o b C a m m e r l a n d e r s ( S t r a ß burg e t w a 1535, S c h o r b a c h Nr. 31, S. 85) her. v o n F. P o d l e i s z e k D t . Lit. . . . in Entwicklungsreihen, Reihe Volks- u n d S c h w a n k b ü c h e r 2, 1936, S. 99 — 149. (Vgl. zur Quellenfrage f ü r die Zusätze A . A r c h a n g e l s k y Zur Gesch. des dt. Luc. Z f d A . 41, 1897, S. 296 — 300.) b) E i n z e l u n t e r s u c h u n g e n u n d D a r s t e l l u n g e n : O. D o b e r e n t z Die Erd- und Völkerkunde in der Weltchronik des Rudolf von Hohen-Ems, b) Benutzung der Imago Mundi des Hon. in dem dt. Luc. Z f d P h . 12, 1881, S.387 —412. — S. S z a m a t ó l s k i Kosmographisches aus dem Elucidarius V j s c h r . L g . 1, 1888, S. 161 bis í 83. (Die fraglichen Stellen nach Szamatólskis Angaben abgedruckt i n : Das Volksbuch vom Doctor Faust, her. v o n R . P e t s c h ' 1 9 1 1 (Neudr. 7 —8 b ), S. I 5 8 f f . ) . K . S c h o r b a c h Studien über das dt. Volksbuch Luc. 1894 (QF- 74)- J- K e l l e Gesch. der dt. Lit. 2, 1 8 9 6 , S. 2 2 4 — 2 2 8 u. S. 3 9 0 — 3 9 4 . F . H e i d l a u f Das mhd. Volksbuch Luc. Diss. Berlin 1915. E d w . S c h r ö d e r Die Reimvorreden des dt. Luc. G G N . 1917, S. 153 — 172. E h r i s m a n n Schlußband 1935, S. 43öf. J . S c h w i e t e r i n g Dt. Dichtung des MAs. S. 129t. G. G l o g n e r Der mhd. Luc. eine mal. Summa 1937 (Forsch, zur dt. S p r a c h e und Dichtung 8). L. W o l f f Welfisch-Braunschweigische Dichtung der Ritterzeit N d . J b . 71 — 73, 1950, S. 68 —89, spez. S. 69 bis 71. Ä l t e r e L i t e r a t u r bei E h r i s m a n n . — c) Z u d e n Ü b e r s e t z u n g e n : J. t e WinkelGeschiedenis der Nederlandsche Letterkunde 2, 1922, S. 3 g f . (gereimter L.) und S. 1 9 6 I (Prosa-L.). J. v a n M i e r l o De middelnederlandsche Letterkunde 12, S. 2 g f . (gereimter L.) und S. 1 5 3 I (Prosa-L.). C. S. P e t e r s e n i n : C. S. P e t e r s e n og V . A n d e r s e n Illustreret dansk Litteraturhistorie 1, 1929,
S. 100
105.
Stackmann
Ludolf von Sachsen. 1. Geburtsjahr und -ort Ls. sind nicht b e k a n n t ; die Bezeichnung de Saxonia weist ihn jedenfalls als einen Norddeutschen aus. 1340 trat er zu Straßburg in den K a r t häuserorden ein, nachdem er vorher lange Zeit Dominikaner war (die überlieferte
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Zeitspanne von 26—30 Jahren ist nicht gesichert). 1343 wurde L . von den K a r t häusern in Koblenz zum Prior g e w ä h l t ; 1348 trat er freiwillig von diesem A m t zurück. D a n a c h lebte er eine Reihe v o n Jahren in der Karthause zu Mainz. Gegen E n d e seines Lebens war er wieder in der Straßburger K a r t h a u s e ; dort starb L. am 10. April 1377. 2. Sein Hauptwerk, eine „ V i t a Jesu Christi" in 181 Kapiteln, in zwei Teile gegliedert, schrieb L. vermutlich in Mainz. D a s Leben Jesu wird „der Reihe n a c h " in seinen einzelnen Entwicklungsstufen dargestellt (vgl. die Vorrede). In den Erläuterungen zu einzelnen Abschnitten und Sätzen der Evangelien — das Johannes-Evangelium bevorzugt L. — , die den Leser im rechten Betrachten des Lebens Jesu unterrichten sollen, gelegentlich scharfe K r i t i k an den kirchlichen Zuständen des 14. Jhs. üben, zeigt der Verf. seine Kenntnis der Kirchenväter und der Philosophen des HochMAs., ohne in trockener Gelehrsamkeit zu erstarren. V o n der Mystik E c k h a r t s (s. d.) nicht unberührt, schreibt L. doch vor allem in einer von Bernhard her kommenden Tradition : die Betrachtung des Lebens Christi mit dem ganzen Gefühl, die sich zur Imitatio Christi steigert, soll die enge Berührung mit der Liebe Gottes bringen. Der Leser soll v o n K a p i t e l zu K a p i t e l im Lesen das Vorbild Christi erkennen und ihm nacheifern ; die Schrift dient nicht der Belehrung allein, sondern will ein W e r k aktiver Frömmigkeit sein. So schließt L . denn auch jedes Kapitel, in den Kapiteln über die Passion jeden Abschnitt mit einem Gebet. — W e i l sie in einer dem Gemüt faßbaren, nicht abstrakten Sprache das fromme Gefühl anspricht und anspornt, wurde Ls. ' Vita Jesu Christi' zum meistgelesenen B u c h des SpätMas., über ganz Europa verbreitet, zur Zeit Karls V I I I . ins Franz., im A u f t r a g der Isabella von Kastilien E n d e des 15. Jhs. ins Span., 1570 ins Ital. übersetzt. Eine dt. Übersetzung u m 1470 ließ alle gelehrten Abschnitte weg. — Die Hauptquelle für L. waren die ,,Meditationes vitae Christi", die er z. T . wörtlich benutzte (sie werden von P . Öliger dem Johannes de Caulibus v o n S. Gimignano zugeschrieben:
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Ludolf von Sudheim — 'Ludus de Antichristo'
C. Fischer weist einen K e r n , 'Meditationes de passione', B o n a v e n t u r a zu, das Ganze einem unbekannten toskanischen Franziskaner. — D a s liebenswürdige Büchlein ist in alle Volkssprachen übertragen worden, a m häufigsten ins Ait. und A f r z . Die mhd. [nd. und ndl.] Übersetzungen sind spärlicher: die 'V. Ch.', in der die 'Med.' aufgenommen, erweitert und systematisiert worden sind, verdrängte es. — A u c h die übrigen Quellen der 'V. Ch.' sind größtenteils bei den italienischen Franziskanern zu suchen: Bonaventuras 'Lignum vitae' und 'De triplici via', Jacobus' v . Mailand 'Stimulus amoris'. D a z u treten das 'Speculum humanis salvationis', Seuses 'Horologium Sapientiae', die 'Historia scholastica' des Petrus Comestor, die 'Legenda aurea' des Jacobus Voragine. Quellenmäßig stellt sich so die 'V. Ch.' als großes Sammelbecken aszetischen Schrifttums des 13. und 14. Jhs. dar.) E r selbst wiederum wirkte außerordentlich auf Ignatius von Loyola, für dessen die Vergegenwärtigung Christi anstrebende „ E x e r z i t i e n " seine ' Vita' vorbildlich wurde. (3. Die deutschsprachigen Ü b e r t r a g u n g e n und B e a r b e i t u n g e n der ' F . Ch.' sind noch nicht gesammelt und untersucht. I n K a t a l o g e n wird vielfach das ' BonaventuraLudolphiaanse Leven van Jezus' (s. unten) mit Übertragungen d e r ' F . CA.' verwechselt. Die folgende Liste ist höchst fragmentarisch, da sie nur auf beiläufig aufgenommenen Notizen Notizen beruht, a) Obd.: Basel, A VIII 51; A VIII 55; Engelberg, 339 (s. Schulmeister, Nikolaus); St. Gallen, 599; München, cgm. 624; 798; 6940; Stuttgart, theol. et phil. 40 49a, b; Zürich, C i o f . ; C 10k. b) Md.: Berlin, germ. 20 1170; Köln, G.B. 8° 175 ( L e v e n v. J e z u s ? ) ; Trier, 8083/1346; 809/1341 (beide eher L e v e n v. Jezus); Wiesbaden, 52. c) Nd. und ndl.: Amterdam, I E 27; I G 8; Brüssel, 19550; Düsseldorf, C 17 ( L e v e n v. Jezus?), Gent. 215; Greifswald, Nd. Abt. 3 < ?). Eine besondere Stellung unter den volkssprachigen Bearbeitungen d e r ' F . Ch.' nimmt das sog. ' Bonaventura-Ludolphiaanse Leven van Jezus' ein. Dieses Christusleben ist ein E x z e r p t aus der ' F . Ch.', zieht aber deren Quelle, die 'Med.', neuerdings heran. Zur Überlieferung s. K . B o r c h l i n g Nd. Reiseberichte I (GGN.i898,Geschäftl. Mitt.) S.122; W . M o l l Johannes Brugmanll, 1854, S-39f.,
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262 ff. Hierher gehört auch das 'Leben Jesu mittelniederländisch', das J. K e l l e aus einer Prager Hs. in Z f d A . 19 (1876), S. 9 3 — 1 0 4 z. T . herausgegeben hat. Einen alem. A u s läufer stelle ich in Berlin, germ. 4 0 1257, Bl. 6 1 a — 1 4 8 a fest. C. C. d e B r u i n bereitet eine Ausgabe des 'Levens v. Jezus' vor.) 4. In seinen letzten Straßburger Jahren schrieb L. einen K o m m e n t a r z u d e n P s a l m e n . Wimpfeling, der ihn 1491 herausgab, rühmt den Verfasser als in der scholastischen wie in der mystischen Philosophie außerordentlich gelehrt. Freilich will auch hier L. vor allem der E r b a u u n g dienen; so mündet wieder die Erklärung der einzelnen Psalmen jeweils in ein Gebet. — Eine Reihe 'Sermones', die L. für seine Ordensgenossen geschrieben und wohl selbst im Refektorium vorgetragen hat, ist nicht überliefert. Die „Vita Jesu Christi e quattuor Ew. et scriptoribus orthodoxis concinnata" her. von B o l a r d u. C a r n a n d e t 1870; am besten von L. M. R i g o l l o t 2 i878; Die 'Meditationes vitae Christi' her. von P e l t i e r Bonaventurae opera omnia XII, S. 509 bis 630. P.C. Fi s c h e r .Die Med. Arch. Franc. Hist. XXV (1932), S. 3 - 2 5 , 175-209, 3 0 5 - 3 4 8 , 4 4 9 - 4 8 3 Den Psalmenkommentar gaben heraus die Karthäuser in Montreuil-sur-Mer in Psalmos Enarratio XIX. — Lit.: H. B o e h m e r Loyola u. d. dt. Mystik LSB. 73, 1921, 1; N. P a u l u s Der Straßburger Karth. L.v.S. Arch. f. Eis. Kirchengesch. 2, 1927; O. Karrer Die große Glut 1926, S. 37off. Bibliographie bei S. Mary I m m a c u l a t a B o d e n s t e d t The v. Ch. of Ludolphus the Carthusian (The catholic Univ. of America. Studies in Medieval and Renaissance Latin Lang, and Lit. XVI) 1944, S. 149 — 154. Heinrich Schmidt (und K u r t R u h ) Ludolf von Sudheim (Nachtrag), s. a. ,,Spiegel der menschlichen Seligkeit". I. v. S t a p e l m o h r Ludolfs v. Sudheim Reise ins Hl. Land (nach der Hambg. Hs.) 1937. Hannemann 'Ludus de Antichristo' (Nachtrag). Eine neue Versübertragung mit dem gegenübergestellten Original, das uns nur in einem an mehreren Stellen gekürzten Regieexemplar erhalten ist und hier ergänzt wurde, und mit vielen Anmerkungen erschien 1 9 4 3 : K. L a n g o s c h Politische Dichtung um Kaiser Friedrich Barbarossa. Die umfängliche Einleitung versucht, die politische
Ludwig der Bärtige — Lupoid von Bebenburg
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und kulturelle Lage Deutschlands um die Mitte des 12. Jhs. zu umreißen und besonders den lat. Beginn der staufischen Literaturblüte um 1160 herauszuarbeiten, eben jenen politischen Literaturkreis um Barbarossa, zu dem der Archipoeta, Gunther von Pairis, Otto von Freising u. a. gehören, vgl. auch Archipoeta im Nachtrag, zu 10. R. B a u e r r e i ß Zur Verfasserschaft des ,,Spiel vom A." Stud. u. Mitt. zur Gesch. des Benedord. 62, 1950, S. 222—236 fand drei meist wörtliche Zitate aus dem ,,Ludus" (V. 81 f., 227f., 271 f.) in der „Historia fundationis Tegernseensis", die man vermutlich Albert von Dießen (s. d. 5) zuerkennen kann. Daraus wie aus einer Reihe Stellen mit Reimprosa in jener ,,Historia" darf man wohl die in Reimprosa anzusetzenden ,,Gesta s. Quirini" erschließen, aber nicht, daß ,,Ludus" und jene ,,Gesta" einem Verf. gehören; auch darf man nicht jene ,,Gesta" und den „.Ludus" dem Metellus von Tegernsee (s. im Nachtrag) zuschreiben, weil in den „•Gesta" auch die ,,Quirinalia" des Metellus zitiert werden. Wichtig sind aber die von Bauerreiß aufgedeckten Beziehungen des ,,Ludus" zur Chronik Ekkehards von Aura; dabei konnte er nachweisen, welche Gruppe in der Kirche mit den Hypocritae des „Ludus" gemeint ist. Vgl. auch B a u e r r e i ß Kirchengesch. Bayerns 3, 1951, S.i72ff. K . H a u c k Zur Genealogie und Gestalt des staufischen L. de A. GRM. 33, 1951, S. 11 bis 25 macht die Entstehung des ,,Ludus" im Auftrag des kaiserlichen Hofes wahrscheinlich und seine Datierung schon zu Barbarossas Königskrönung möglich, weist vor allem auf das Schlachtaufführungsspiel im ,,Ludus" hin, das aus weltlichen Spielen herrührt, die schon vor dem geistlichen Drama geschaffen wurden, und kann nun erst richtig erklären „jenes Doppelgesicht des heilsgeschichtlichen Ludus als Schlachtaufführungsspiel, des Endzeitdramas in Beziehung zu einem aktuellen politischen Programm, jene Verwendung von Theologie und Liturgie in einem nationalen Spiel höfischen Zeremoniells". Darin auch wertvolle Einzelinterpretationen. P . S t e i g l e d e r Das
Spiel
vom Antichrist,
eine
geistesgeschl. Untersuchung Diss. Bonn 1938 kommt
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in betontem Gegensatz zu „rein philologischpositivistischer Methode" zu anfechtbaren Ergebnissen. Sonst s. auch F. H e e r Die Tragödie des Hl. Reiches 1953, Kommentarband, S. 88.
K . L. Ludwig der Bärtige, 1365 geboren, 1384 bis 94 am Hofe seines Schwagers, des Königs Karl V I . von Frankreich, wurde 1413 Herzog von Bayern-Ingolstadt und starb 1447. Für seinen Sohn, der mit einigen niederbayr. Adeligen in Fehde lag, verfaßte er 1428 eine dt. Instruktion über das taktisch richtige Verhalten im kleinen Kriege. Seine in Briefform abgefaßten Lehren beruhen auf eigener Erfahrung. Er sagt einleitend, daß der Umgang mit erfahrenen Hauptleuten der beste Lehrmeister sei. Dann nennt er als wichtigste Gebote : für gute Kundschaft sorgen, aber den Kundschaftern keinen Einblick in die Verwendung ihrer Nachrichten geben; viele Ratgeber anhören, jeden einzeln, ihre Ansichten schriftlich festlegen und dann in aller Ruhe bedenken; die Kriegsart häufig wechseln. J . B a a d e r AnzfKddV. (1872), S. 164 (Abdr. des Textes ohne Angaben über die Hs.); M. J ä h n s Gesch.
d. Kriegswissenschaften
I (1889), S. 320 b i s
32 r'
Gerhard Eis
'Ludwigslied' (Nachtrag): M . I t t e n b a c h Dt. Dichtungen d. salisch. Kaiserzeit u. verwandte Denkmäler 1937, S. 19 — 27, J . K ö r n e r Bibliogr. Handb. d. dt. Schrifttums. 1949, S. 78. H . d e B o o r Gesch. d. dt. Lit. 1 (1949) 3
S. 8 6 - 8 8 . K.-H. H a l b a c h Dt. Philol. im Aufriß II) 1953, Sp. 502 — 504. F . W i l l e m s Der paratakt. Satzstil im L. ZfdA. 85, 1954, S. 18 — 35.
Luitgard von Wittichen (Nachtrag) : M. B a r t h Die sei. L. v. W. Archiv f. elsäss. Kirchengesch. 16 (1943), S. 45 — 54. R. D o l d Gottesfreunde
am Oberrhein
1949, S. 43 — 58.
Hannemann Lupoid von Bebenburg. 1. Lupoid von Bebenburg (heute Bemberg an der Brettach bei Rothenburg ob der Tauber) setzte sich als geborener Reichsministeriale (in seinem ,,Ritmaticum" [s. u.] spricht die allegorische Gestalt, die das Reich verkörpert, zum Dichter: te sub meis alis // protegam, quia meus es ministerialis V. 169/70) — er war dann Domherr in Mainz, Bamberg und Würzburg und seit
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Lupoid von Bebenburg
1353 Bischof von Bamberg — in mehreren Schriften gegenüber den politischen Machtansprüchen des Papstes und den eigensüchtigen Interessen der Territorialfürsten leidenschaftlich für das Ansehen des Reiches ein. Mit Kaiser Ludwig dem Bayern, für dessen Kandidaten bei der Würzburger Bischofswahl im Jahre 1333, Hermann von Lichtenberg, er seinen ganzen Einfluß aufbot, sowie später mit Kaiser K a r l I V . stand er im besten Einvernehmen. Ls. Leben fällt in die Zeit v o m Ende des 13. Jhs. bis in das Jahr 1363. A n seine Studien in Bologna erinnert die Würde eines doctor decretorum, als den er sich stets selbst bezeichnet. 2. Die wichtigste staatsrechtliche Schrift Ls. ist der , , T r a c t a t u s de iuribus regni et imperii Romanorum", den er Erzbischof Balduin von Trier (1285—1354, Erzbischof seit 1307), einem der einflußreichsten Verfechter der kaiserlichen Politik, der Hauptstütze seines Bruders Heinrich V I I . und später Ludwigs des Bayern, als clericus des mächtigen Kirchenfürsten widmete. D a in diesem Traktat das auf dem Frankfurter Reichstag von 1338 erlassene ,,Decretum de iure imperii" unter Anlehnung an dessen Wortlaut verteidigt wird, hat L. die A b handlung wohl bald nach dem Reichstag verfaßt. Der von den Kurfürsten gewählte römische König, so wird in dem Traktat betont, kann allein auf Grund dieser W a h l die königlichen und kaiserlichen Rechte in Italien und den übrigen dem Reiche Untertanen Gebieten beanspruchen, ohne der Bestätigung durch den Papst oder die Kirche zu bedürfen. Bei seiner Beweisführung zieht L. Argumente aus der Geschichte von Pippin und Karl dem Großen bis zum Ende der Ottonenzeit, wobei er sogar auf die altgerm. Zeit zurückgreift, ferner aus dem Naturrecht sowie dem kanonischen und dem römischen Recht heran. Unübertrefflich ist L. in der logischen Schärfe seiner Darstellung und in der Beherrschung der Fachliteratur seiner Zeit. 3. Für die im ' Tractatus' ausgesprochenen Grundgedanken und Argumentationen versuchte L. durch ein lat. aus 180 trochäischen 14-silbigen Reimpaarversen bestehendes Gedicht auch in weiteren Kreisen, besonders unter der höheren Geistlichkeit,
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zu werben. Dieses ,,Ritmaticum querulosum et lamentosum dictamen de modernis cursibus et defectibus regni ac imperii Romanorum" ist im Jahre 1341 oder kurz zuvor entstanden, also etwa um dieselbe Zeit und in demselben Würzburger Kulturraum wie die „Minneburg" (s. d.). In der T a t enthält die Naturschilderung am Anfang des 'Ritmaticums' wesentliche Motive der in den Minneallegorien beliebten Einleitungen. Bei einem Spaziergang gelangt der Dichter, der sich von dem angestrengten Studium der römischen Kaisergeschichte erholen will, auf einem Wiesenpfad in eine wüste Gegend. Der Wohlgeruch, der über ihr liegt, benimmt dem einsamen Wanderer die anfängliche Furcht, so daß er erfreut über den süßen D u f t in der Einöde weiterschreitet. Nach einiger Zeit erblickt er eine wunderbar schöne Frau auf herrlichem Sitz. Den Glanz ihrer Schönheit erhöhen drei mit zahlreichen Edelsteinen geschmückte Kronen auf ihrem Haupt. Geblendet und verwirrt von dieser strahlenden Pracht, sinkt der Dichter zu Boden. Die schöne Frau beruhigt ihn jedoch mit gütigen Worten und sagt ihm, sie sei das Heilige Römische Reich. Durch ihre Hand habe Gott lange die Welt beherrscht. Zunächst habe sie in Rom, dann in Konstantinopel regiert, und endlich sei sie aus Liebe zu Karl dem Großen, der sich um sie sehr verdient gemacht habe, in das Land der Deutschen gekommen. Auch viele spätere Kaiser, vor allem Otto I., hätten ihr mit Unterstützung der Fürsten treu gedient. Die schöne Frau schweigt nun, und ihre Augen füllen sich mit Tränen. Vom Dichter nach der Ursache ihres Kummers befragt, fährt sie fort, daß zahlreiche Angehörige des Adels ihr untreu, ja zu Dieben und Räubern geworden sind und sie auf jede Weise ihrer Rechte berauben. Einige Fürsten hätten sie sogar verraten. Daher sitze sie jetzt verlassen in der Wüste. Weil die Deutschen nur ihrem eigenen Vorteil nachhingen, sei sie auch von den Nachbarvölkern, darunter von den Italienern, im Stich gelassen worden. Die Deutschen jedoch griffen nicht zum Schwert gegen diese Abtrünnigen, obgleich es die Pflicht der Völker sei, das Vaterland zu verteidigen. Für die Ehren und Triumpfe, mit denen sie die Deutschen überhäuft habe, sei sie mit Undank belohnt worden, und nur die oft bewährte Treue der Vorfahren habe sie bisher daran gehindert, ihren Sitz zu verlegen. Den Dichter mahnt sie dann, die dt. Fürsten und Adligen immer wieder an ihre Pflichten ihr gegenüber zu erinnern, damit sie der Reichstreue ihrer Vorfahren eingedenk vor allem dem gemeinsamen Wohl, dem auch der eigene Nutzen folgen werde, dienen und die Nachbarvölker wieder unterwerfen. Wenn die Verstocktheit andauere, werde sie sich, so kündigt die schöne Frau zum Schluß warnend an, zu einem anderen Volk begeben. Sie segnet und entläßt den Dichter, den in seiner Einsamkeit eine tiefe Traurigkeit befällt. Den Geboten seiner Herrin getreu verkündet er das Gehörte öffentlich und
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L u p o i d von B e b e n b u r g
ohne Unterlaß, d a m i t der A d e l keine Unwissenheit vorschützen kann.
Im letzten Reimpaar des ' Ritmaticums' weist L. mit der Bemerkung, daß seine Worte figuratiue zu verstehen sind und in diesem Sinne allerdings nichts Erdichtetes, sondern die Wahrheit enthalten, auf den allegorischen Charakter seines Gedichtes hin. Der Spaziergang und die anschließende Begegnung entsprechen durchaus dem Stil der um die Mitte des 14. Jhs. ungemein beliebten Minneallegorien (s. u. a. H. N i e w ö h n e r o. III, Sp. 413) — nur daß an die Stelle der Frau Minne, Frau Stete usw. das ebenfalls als Frau von großer Schönheit personifizierte Heilige Römische Reich tritt. — Einige Motive der Naturbeschreibung — die Blumenwiese, der Vogelgesang, die Wüste (vgl. Minneburg V. 10 : ein wachsten wilde) •— klingen an die Spaziergangseinleitung der örtlich und zeitlich nahestehenden „Minneburg" an, wenn auch allein daraus eine direkte literarische Beziehung wohl nicht herzuleiten ist. Immerhin bietet das 'Ritmaticum' einen lehrreichen Anhaltspunkt für die Beliebtheit, deren sich die Minneallegorien in den Kreisen der höheren Würzburger Geistlichkeit erfreuten. Mehr A n k l ä n g e an die Minneburgeinleitung (vgl. den Hinweis v o n G. E h r i s m a n n in P B B . 22 [1897], S. 332) finden sich in der freien dt. Reimpaarübersetzung des 'Ritmaticums', betitelt ,,Von dem Romschen Riehe eyn clage", die 1341 (laut D a t i e r u n g a m Schluß) v o n d e m Ostheimer Pfarrer O t t e B a l d e m a n aus K a r l s t a d t (s. o. I, Sp. 155, und E h r i s m a n n s Schlußbd., S. 488 — 489) verf a ß t wurde, B a l d e m a n stellt sich in seiner Bearbeitung, die dreimal so lang (492 Verse) wie das lat. Original ist, in g e b l ü m t e m Stil als Kunsteloser vor, dem die Weisheit den bösen, kunstelosen staub aus seinem Geist entfernen soll, d a m i t dieser nicht mehr so taub und vngesliffen ist wie bisher. In dem Hinweis auf das Chronikstudium schließt sich B a l d e m a n seiner Vorlage an, doch in der Spaziergangsschilderung führt er eine andere Situation mit konkreteren A n g a b e n vor. I m Mai durchquert der Dichter, freudig g e s t i m m t durch den Gesang der V ö g e l und üppige B l u m e n p r a c h t — die F a r b e n der B l u m e n zählt er einzeln auf — , einen W a l d und gelangt zu einem hohen Gebirge (auch in der „ M i n n e b u r g " ein wichtiges L a n d s c h a f t s m o t i v ! ) , aus dessen Felsen sich zahlreiche Quellen ergießen. V o r dem Schrien der Tiere (vgl. 'Minneburg' V . 88: Manig gebrochen noten schrien der Vögel) in der wüste (V. 43, wie in der „Minneb u r g " und im 'Ritmaticum', s. o.) fürchtet sich
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der Spaziergänger. A u f der F l u c h t v o r der V e r folgung durch wilde Tiere steigt er den B e r g hinauf, der mit Dornenhecken bestanden ist (die 'Minneburg' ist Von rosen buschen, dornen hagen umg e b e n : V . 101). Die L u f t ist v o n s ü ß e m D u f t ( V v . 62/63: Mit mirren thus aromen // Gemizchet, v g l . 'Ritm.'V. 11: odoris suavitas,Y. 1 3 / 1 4 : . . . hec aromaticum omnem vicit odorem, // Et predulcem gustui meo dedit saporem) und v o n lutter balsem (V. 64) erfüllt (vgl. auch richir smag V . 68 und „ M i n n e b u r g " V . 78: edelm smak). Eine freie Übersetzung v o n B a l d e m a n s Version liegt in L u p o i d Hornburgs Gedicht 'Des Ryches clage' vor, das also ebenfalls, w e n n auch n u r mittelbar, auf L s . 'Ritmaticum' zurückgeht. Hornburg (s.o. II, Sp. 488 — 4 9 1 , Ehrismann, Schlußbd. S. 489, und die A u s g a b e v o n B e l l G u d d e , s . u . ) h a t manches' geändert, d a b e i weniger g e k ü r z t als vielmehr seinen politischen Z w e c k e n entsprechend — das Gedicht sollte a u f d e m Passauer F ü r s t e n t a g 1348 verlesen werden — erweitert und e r g ä n z t : v o n 590 Versen sind 132 eigene Z u t a t . F o r m g e w a n d t e r als B a l d e m a n , ist H o r n b u r g bestrebt, seine Vorlage sprachlich und stilistisch zu vereinfachen, Unverstandenes und Mundartliches auszumerzen, den V e r s b a u zu glätten und reinere R e i m e einzuführen. Die Spaziergangseinleitung h a t er v o n B a l d e m a n ohne w e s e n t liche Ä n d e r u n g e n übernommen.
4. In einem dritten Werk, dem Herzog Rudolf I. von Sachsen-Wittenberg (gest. 1356) gewidmeten ,,Libellus de zelo christianae religionis veterum prineipum Germanorum", richtet Bebenburg ähnlich wie im 'Ritmaticum' an die dt. Fürsten den Appell, sich ihrer großen Vorfahren würdig zu zeigen. Hier freilich bezieht sich die Mahnung vor allem auf das Verhältnis zu Religion und Kirche. 5. Etwa um die Mitte der vierziger Jahre redigierte L. eine Sammlung von Kaiserund Königsprivilegien für die Würzburger Kirche, den „Liber privilegiorum".Bei der Zusammenstellung des Liber griff L. nicht auf die Originale zurück, sondern übernahm die Urkunden, wie er sie im „Liber copiarum A" des Würzburger Domstifts (Stadtarchiv Würzburg Stb. 5) und im bischöflichen „Liber Albus" (ebd. Stb. 272) vorfand, ohne die in beiden Quellen fehlenden Urkunden, die noch heute existieren, nachzutragen. Sein Verdienst jedoch ist die sorgfältige chronologische Anordnung der Urkunden. Die reichstreue Haltung des Verfassers des 'Tractatus' und des ' Ritmaticums' kommt auch in der Vorrede des 'Liber' zum Ausdruck. Hier wird
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Lupoid von Bebenburg
n i c h t n u r der N u t z e n d e r H e r r s c h e r p r i v i legien im Rechtsstreit betont, sondern a u c h die Dankespflicht der W ü r z b u r g e r K i r c h e g e g e n ü b e r d e n K a i s e r n u n d K ö n i g e n , die d e r K l e r u s in G e b e t e n f ü r i h r S e e l e n h e i l erf ü l l e n soll. D i e G e s c h i c h t e d e s W ü r z b u r g e r H o c h s t i f t s w i r d i m *Liber' s t e t s i m Z u s a m m e n h a n g mit der K a i s e r - u n d Reichsges c h i c h t e b e h a n d e l t , die w i e i m T r a c t a t u s mit Pippin und K a r l dem Großen beginnt u n d m i t d e m T o d e L u d w i g s des B a y e r n u n d d e r a l l g e m e i n e n A n e r k e n n u n g seines bisherigen Gegners K a r l I V . endet. 6. D i e h i s t o r i s c h e n T e i l e d e s ' L i b e r privilegiorum' s i n d w a h r s c h e i n l i c h v o n L . s e l b s t i m ,,Liber de ortu, cursu et occasu Karoli magni et suorum successorum imperatorum et regum Romanorum" verarbeitet worden. D i e s e S c h r i f t h a t M i c h a e l d e L e o n e als V o r l a g e f ü r sein W e r k ,,De cronicis temporum hominum modernorum" sowie späteren W ü r z b u r g e r G e s c h i c h t s s c h r e i b e r n als Q u e l l e f ü r Bischofskataloge u n d -Chroniken gedient. 7. E i n e P r o t e s t s c h r i f t d e s K a p i t e l s d e s Würzburger Hochstifts gegen Kaiser Ludw i g d e n B a y e r n ist v e r m u t l i c h v o n L . f o r muliert worden. L u d w i g h a t t e mit der Einziehung der Stiftsregalien u n d anderer Privilegien gedroht, da der 1345 neu gewählte Bischof A l b r e c h t v o n Hohenlohe sich gew e i g e r t h a t t e , die R e g a l i e n v o n d e m g e b a n n t e n Kaiser zu nehmen. I n der E r k l ä r u n g w i r d z w a r die H a l t u n g L u d w i g s v e r u r t e i l t , g l e i c h z e i t i g a b e r a u c h die A u f f a s s u n g v e r t r e t e n , d a ß d e r B i s c h o f seine P f l i c h t gegenüber dem R e i c h nicht verletzen dürfe. A l s einer der drei A b g e s a n d t e n d e s K a p i t e l s , die diesen F a l l m i t d e m K a i s e r v e r h a n d e l t h a t t e n , w i r d i n einer S c h l u ß n o t i z a u c h L u p o i d v . B . g e n a n n t . E r w a r w e g e n seiner freundschaftlichen Beziehungen zu Ludwig als Vermittler besonders g u t geeignet. Literatur: v. S c h u l t e L. v. B. A D B . 19 (1884), S. 649 — 650, mit Angabe der älteren Literatur, darunter der Fontes rerum Germanicarum — Geschichtsquellen Deutschlands her. v. J. F. B ö h m e r I. Johannes Victoriensis und andere Geschichtsquellen Deutschlands im 14. Jh. 1843 (s. Vorrede S. X X X V I I - X X X V I I I ) ; A. P o t t h a s t Eibl. Hist. Med.Aevi «1,1896, 3.752b f.; ferner F . J o e l L.III, v. B., Bischof von Bamberg I: Sein Leben Diss. Halle 1891; A. S e n g e r L. v. B. 1905 ( = 63. Bericht über Bestand und Wirken des hist. Vereins
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zu Bamberg für das Jahr 1904; C. H. B e l l - E . G. G u d d e The Poems of Lupoid Hornburg in „Universitär of California Publications in Modern Philology" X X V I I [1943 — 1947] No. 4, 1945 (dazu S. K r ü g e r Dt. Archiv 9 [1951], S. 309 — 310), S. 150, 153 — 155; S a b i n e K r ü g e r Untersuch, zum sogenannten 'Liber privilegiorum' des L. v. B. im Dt. Arch. 10 (1953), S. 96 — 1 3 1 ; H. M e y e r L. v. B. 1909, S. 90 — 99, i n —124; R. M o s t Der Reichsgedanke des L. v. B. Dt. Arch. 4 (1940); K . W a n d Königkaisertum und Weltkaisertum bei L. v. B. Masch.-Diss. Köln 1949. F. H e e r Zur Kontinuität des Reichsgedankens MIÖG. 58, 1950, s. 336/50. Die einzelnen Schriften Ls. (die Druckausgaben sind bei S e n g e r a.a.O., S. 103 — 104 angeführt): 1. Der 'Tractatus'. Die Ausgaben sind in der A D B . a.a.O., S. 649, P o t t h a s t S.649 und bei Seng e r S. 104 verzeichnet; s. bes. S. SchardSyntagma tractatuum de iurisdictione imperii 1609. — Eine neue Ausgabe auf Grund aller erreichbaren Hss. ( S e n g e r S. 103 Anm. 6 kennt aus der Literatur 8 Hss.) und unter Benutzung des Nachlasses von H. M e y e r - R o d e h ü s e r und R. M o s t bereitet S a b i n e K r ü g e r vor, s. Dt. Arch. 9 (1951), S. 6-7 und 10 (1953), S. 8 — 9. Die in einigen Hss. des 'Tractatus' stehenden Nachträge rühren, wie die Herausgeberin nachweisen wird, von L. selbst her. 2. Das 'Ritmaticum'. Überlieferung: a) Das ,,Manuale" des Michael de Leone, Perg.-Hs. des 14. Jhs. in der Würzburger Univbibl., Bl. 37 b — 39 b ; b) Sammelhs. M.ch. f. 151 ebd. (Ende des 15. Jhs.); das 'Ritm.' am Anfang des 5. Teils auf Bl. 66 — 73. — Vgl. G. R o s e n h a g e n s. o. III, Sp. 382 bis 385, bes. die Notiz in Sp. 385, und S a b i n e K r ü g e r Unters. S. 102 — 105. Ausgaben: J. M. P e t e r Allegorisches Gedicht auf den Verfall des hl. röm. Reiches Schulprogr. Münnerstadt 1842; B ö h m e r a.a.O., S. 479 — 484; S e n g e r a.a.O., S. 149—154; sorgfältigster Abdruck von B e l l - G u d d e a.a.O., S. 266—270, doch ohne Ls. lat. Glossen, für die auf B ö h m e r S. 481 Anm. 1 und S e n g e r a.a.O., S. 155 —160 verwiesen werden muß. Über die Zeit ihrer Abfassung — etwa 1347 — 49 — s. S. K r ü g e r a.a.O., S. 116. — Baldemans Übers., ebenfalls in der erwähnten Würzburger Manuale-Hs. überliefert (Bl. 40" — 42 b ), ist herausgegeben von J. M. P e t e r , S e n g e r a.a.O., S. 161 — 177 und am besten von B e l l - G u d d e a.a.O., S. 275 —293. — Lupoid Hornburgs ,.Klage" abgedr. bei B e l l G u d d e S. 199 — 218. 3. Der 'Libellus': Vgl. P o t t h a s t S. 752b, S e n g e r S. 83 bis 91, die älteren Drucke ebd. S. 103 — 104. — Eine neue wichtige Hs. — Kassel Ms. hist. fol. 5 — ist jüngst von S a b i n e K r ü g e r entdeckt worden, s. Dt. Arch. 10 (1953), S. 8u.f. 4. Der 'Liber privilegiorum' (bisher ungedr.). Überlieferung: Die Originalhs., die 1346 begonnen wurde, befindet sich im Würzburger Stadtarchiv unter der Signatur Stb. 2; ferner existieren drei Abschriften und einige Fragmente, s. S. K r ü g e r Unters. S. 96 — 97. 5. Der 'Liber de ortu'. Überlieferung: a) Das „Hausbuch" des Michael de Leone, jetzt München,
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'Lupoid von Wiltingen'
Univ.-Bibl., Cod. ms. 731, Bl. 2 8 2 - 2 8 4 ; b ) Würzburg, Univ.-Bibl., M.ch. f. 151, Bl. 75 — 77 (hinter dem 'Ritmaticum', mit jüngeren Nachträgen aus der Zeit um 1400); c) Jena, Univ.-Bibl., Cod. Sagittar. Nr. 12 chart. (an einigen Stellen mit Interpolationen). Die drei Hss. gehen auf eine Vorlage zurück, die nicht das Original gewesen sein kann, s. S. K r ü g e r Unters. S. 106 — 107. — Ausgaben: B u d e r Nützliche Sammlung verschiedener meistens ungedruckter Schriften 1735, S. 455 ff. (nach der Jenaer Hs.) — der Schluß des 'Liber de ortu' nach dem ,.Hausbuch" gedr. bei J. H e t z e n e c k e r Studien zur Reichs- und Kirchenpolitik des Wtirzb. Hochstifts Diss. Würzburg 1901, S. 8 6 - 8 8 . Zur Verfasserfrage vgl. S. K r ü g e r a.a.O., S. 1 0 8 — 1 1 6 ; ebd. S. n 6 f f . über den *Liber de ortu' als Quelle für Michael de Leone und spätere Geschichtsschreiber. 6. Die Protestschrift, überliefert in einer Würzburger Bischofschronik vom Ende des 15. Jhs. (Würzburg, Univ.-Bibl., M.ch. f. 140, Bl. 204b), ist abgedruckt bei S. K r ü g e r Unters. S. 109 — 1 1 0 .
Wilhelm Brauns 'Lupoid von Wiltingen'. 1. Im Jahre 1296 erlebte der Würzburger Chorherr Lupoid von Wiltingen (Weiltingen an der Wörnitz zwischen Ansbach und Nördlingen) eine schwere seelische Erschütterung durch den plötzlichen Tod seines geistlichen Tischgenossen. Um sein eigenes Seelenheil besorgt, entsagte er allen Ehren und Annehmlichkeiten seines Amtes und trat 1297 als Novize in das Cisterzienserkloster Heilsbronn ein, um sich auf seinen nahen Tod vorzubereiten. Die Sage machte ihn zum Helden einer Legende von der Art der Jenseitsvisionen : ihm habe geträumt, daß er und sein Tischgenosse vor den Richterstuhl Gottes geführt und zum Tod verurteilt wurden; während für ihn selbst die hl. Katharina als Fürbitterin eintrat und ihm ein Jahr Aufschub erwirkte, damit er sich durch Buße retten könne, wurde an seinem Gefährten die Todesstrafe vollzogen; am nächsten Morgen habe er diesen tatsächlich tot in seiner Wohnung aufgefunden und darin eine Bestätigung seines Traumes erblickt. 2. Dieser Stoff ist mehrmals bearbeitet worden, bald mehr im Geschmack der
Verfas^erlexiiion V.
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Legende, bald mehr als Predigtmärlein. Die älteste Fassung, die wahrscheinlich in Versen abgefaßt war, entstand unmittelbar nach seinem Tode im Kloster Heilsbronn, ist aber nicht erhalten. Der Verfasser wird dem Kreis der schriftstellernden Mystiker um A b t Konrad von Brundelsheim (s. d.) angehört haben. Vorbild war die Marienlegende Maria und diu Sünden wäge des Passionais (s. d.). 3. Eine Prosabearbeitung findet sich in mehreren Hss. im Wunderanhang der Legende der hl. Katharina. Sie entstand wahrscheinlich in dem der hl. Katharina geweihten Clarissenkloster zu Nürnberg, aus dem eine i. J. 1443 angefertigte Abschrift erhalten ist (Cod. 1 5 1 3 1 des German. Nationalmuseums in Nürnberg). Eine Bamberger Hs. (Cod. E V I I 48 = hist. 154) enthält denselben T e x t und zugleich noch eine etwas abweichende Bearbeitung, in der die historischen Daten z. T . verwischt sind. Aus der Prosa des Nürnberger KatharinenKlosters übernahm Discipulus (s. Johannes Herolt) den Stoff für seine lat. 'Sermones de tempore et de sanctis', die im 15. und 16. Jh. mehrmals gedruckt wurden. 4. Eine jüngere Prosabearbeitung der ältesten, wahrscheinlich gereimten Fassung nahm gegen Ende des 14. Jhs. der unbekannte Kompilator des „Heiligenlebens" (von Fr. W i l h e l m „Wenzelspassional" genannt) in den „Winterteil" auf. Dieser Text erlangte durch die zahlreichen Drucke des „Heiligenlebens" im 15. und 16. Jh. die weiteste Verbreitung. 5. Noch im 17. und 18. Jh. wurde die Geschichte von „ L . v. W . " mehrmals bearbeitet, wobei freilich alle Namen und Daten wegfielen. Die letzte dt. Fassung lieferte 1738 der katholische Hagiograph Reginbald Berckmar („Geschickt- und Predigtbuch Von den Heiligen Gottes", s. o. III, S. 570) auf Grund der lat. Prosa Herolts, G. E i s Lupoid von Wiltingen. Eine Studie zum Wunderanhang der Katharinenlegende in: Festschrift für Wolfgang Stammler (1953), S. 7 8 — 9 1 .
Gerhard Eis
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643
Magdalene von Freiburg — Manesse
644.
M Magdalene von Freiburg
(Nachtrag) :
W. O e h l Dt. Mystikerbriefe des MAs. 1931, S. 519 — 530. H. N i e w ö h n e r ZfdPh. 65 (1940), S. 193 weist auf eine der Magdalene Beüttlerin zugeschriebene dt. Erklärung des Vaterunsers in der Donaueschinger Hs. 298 hin. Chr. v. H e u s i n g e r Studien zur oberrhein. Buchmalerei und Graphik im SpätMA. Masch.-Diss. Freiburg/Br.
1953. S. 124I
Hannemann
'Der Maget Krone', ein Legendenwerk eines unbekannten alem. Dichters des 14. Jhs., offenbar ein Erbauungsbuch, das für Damen weltlichen Standes bestimmt war. Es enthält eine kurze Einleitung, eine gereimte Bearbeitung des Salve regina, die Wiedergabe einiger Bibeltexte über Maria, das Leben der Maria und dann die Lebensbeschreibungen von zehn heiligen Jungfrauen, Barbara, Dorothea, Margareta, Ursula, Agnes, Lucia, Cecilia, Cristina, Anastasia und Juliana. Am Schluß werden geistliche Frauen und heilige Witwen nur erwähnt. Der Verfasser konnte Latein; sein Werk ist kunstlos, und er ist sich der Unrichtigkeit mancher Reime bewußt. Die Hs. entstammt wohl der 2. Hälfte des 14. Jhs. und befand sich 1864 im Besitz eines Kaufmanns Leopold Ettel in Innsbruck. I. von Z i n g e r l e hat Fragmente aus ihr veröffentlicht: W S B . 47, 1864, S. 48gff. E . S c h r ö d e r ZfdA. 67, S 481
'
J. van Dam
'Mahrenberger Psalter', s. ''Die Lilie , o. H I , Sp. 53'Mai und Beaflor' (Nachtrag) : H. R a u Die Sprache von M. u. B. auf Grund einer Reimuntersuchung Masch.-Diss. Münch. 1946.
Hannemann 'Malagis', Bearbeitung des mndl. Epos von 'Malagis', die in der zweiten Hälfte des 15. Jhs. in Heidelberg zustandekam, zusammen mit einem 'Reinalt' (s. Haimonskinder) und einer 'Margreth von Limburg' (s. Johann von Soest). Diese Texte befanden sich laut Str. 98, 99 des Ehrenbriefs von Püterich von Reichertshausen (s. d.) in der Bibl. der Mechtild von der Pfalz. Über den
Bearbeiter ist nichts bekannt. Hoff mann von Fallersleben versuchte in seiner Ausgabe des mndl. Renout 1837, Johann von Soest (s. d.) als solchen aufzustellen, was faktisch möglich wäre, aber an dem Unterschied zwischen dieser Bearbeitung und seiner Wiedergabe der Margreth von Limburg scheitert. Der 'Malagis' ist in zwei Hss. erhalten, die sich beide in der Heidelberger Bibl. befinden: A) Cod. Pal. germ. 340, Folio, Papier; die Hs. enthält auch den 'Reinolt'. Sie wurde 1474 der Bibl. des Sohnes der Mechtild, Eberhard von Württemberg, einverleibt, wie dessen Wahlspruch Attempto beweist. B) Cod. Pal. germ. 315, eine Abschrift von A, vielleicht unter Benutzung der mndl. Vorlage. Der Schluß ist abgedruckt bei G e r v i n u s s 2, S. 218. A ist wohl die Originalhs. Die Quelle war ein rohes, hie und da groteskes mndl. Epos über Malagis, das nur bruchstückweise erhalten ist. Es mangelt dem Stoff, der aus der Sphäre der franz. Chansons de geste stammt, an allem HöfischRitterlichen. Die Sprache ist formelhaft, die Metrik nachlässig. Malagis ist der Vetter der Haimonskinder, ein Zauberer, der allerhand Tricks zeigt. Neben dem Epos gab es auch ein späteres ndl. Volksbuch. Das Gedicht ist noch unediert. Der ndl. T e x t : N. de P a u w Madelghijs' Kintsheit 1889; Fragmente her. v. W. de V r e e s e Tijdschr. 15, S. 283; von J . V e r d a m ebd. 20, S 1. Das ndl. Volksbuch: Die schoone hijstorie van Malegifs uitgeg. d. E . T. K u i p e r 1903. Reinolt von Montelban oder die Heimonskinder her. v. Fr. P f a f f 1885 (StLV. 174), 468ff. K . B u r d a c h Vorspiel I a , S. 85 (1925). D^r Ehrenbrief des Püterich v. Reichertshausen, hg. v. Fr. B e h r e n d und R . W o l k a n , 1920.
J . van Dam Mandeville, John (Nachtrag), s. a. Bart, Hans, Otto v. Diemeringen, Velser, Michael. A. S c h ö r n e r Die dt. Mandeville-Versionen Diss. Lund 1927. W. S t a m m l e r Von der Mystik zum Barock 2 i95o, S. 6 1 1 .
Manesse (Nachtrag): F . L a u t e n s c h l a g e r Bibliogr. d. bad. Gesch. II, 2 (1938), S. 372 — 375. J . G a n t n e r Kunstgesch. d. Schweiz 2 (1947), S. 288 — 294. C. v. K r a u s
MSF. 3 0 (1950), Vorw. D e r s . Dt. Liederdichter des 13. Jhs. 1 (1952), S. X V f . K . S c h o t t e n l o h e r Bücher bewegten die Welt 1 (1951), S. joi. J. K i r c h n e r Lex. d. Buchwes. 2 (1953), S. 4 5 9 I W . K o s c h Dt. Lit.-Lexikon 2 2 (1953), S. 1629t. K . M a r t i n Minnesänger. 18 farbige Wiedergaben aus d. Maness. Liederhs. 1953. K . P r e i s e n d a n z Wege und Schicksale des Gr. Minnesängerhs. Stultifera N a v i s 8 (1951). TT
Hannemann
'Männertreue
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'Männertreue und Frauentreue'
645
und
Frauentreue',
ein
Streitgespräch zwischen Ritter und Frau, umrahmt von einer Ich-Erzählung des westmd. (mittelfränk.) Dichters, Umfang etwa 480 Reimpaarverse. 1. 'MuFr.' ist in drei Hss. des 15. Jhs. und in zwei Abschriften des 19. Jhs. überliefert: 1. Heidelberg, Univ.-Bibl., Cod. Pal. germ.358, B . I07 b — n 8 b ; 2. Berlin, Staatsbibl., Ms. germ. 40 1107, Bl. 104b — 1 1 i b ; in dieser „Veesenmeyerschen Hs.", die früher Georg Veesenmeyer in Ulm, dann seinem Mitbürger Dietrich Haßler gehörte, enthält das Gedicht eine sehr große Lücke, da nach Bl. 105 drei Blätter herausgerissen sind; 2a. Berlin, ebd., Ms. germ. 40 814a, Bl. 45a (nur die ersten zehn Verse und der Schluß): aus einer Abschrift von 2., angefertigt 1817/18 von F. E . Dronke, ehemals F. H. v. d. Hagen gehörig; 3. Berlin, ebd., Ms. germ. 40 909 (Abschriften von Jacob und Wilhelm Grimm), Bl. 37b —42b; der T e x t stimmt fast wörtlich mit dem von 2. überein; 4. Donaueschingen, Fürstl. Fürstenbergische Hofbibliothek Nr. 77, Bl. 295a —302». A b d r u c k von 1. in K . M a t t h a e i Mhd. Minnereden I 1913 (DTdMA. 24), S. 74 — 81 (Nr. 7), mit den Lesarten von 3. und 4. (Matthaeis Bemerkungen zur Überlieferung a . a . O . , Einl. S. X I I unter Nr. 9 sind nach den vorstehenden Angaben zu berichtigen); T e x t nach 2. bei A. v. K e l l e r Erzählungen aus ad. Hss. 1855 (StLV. 35), S. 634 bis 642.
2. Für die S p r a c h e des Dichters sind vor allem die folgenden Reimbindungen und ihnen zugrunde liegenden mundartlichen Merkmale (nach der Heidelberger Hs. in M a t t h a e i s Abdruck) bezeichnend. ä : 0 in verloßen (Inf.): gnoßen 479/80, ä:o in zwar : tor 139/40, e : e in mer „ M e e r " : ser 189/90, e : ä in nemen : Schemen 167/68, e : ae in wert: ervert 83/84, A d v . - E n d u n g -liehe : -ich in sidelich : mich 169/70, müdiclich : dich 193/94, ü : iu in frtint: verbtint 257/58, fründe : vergunde 351/52, ü : üe in mtil: ftil 223/24, wo : 0 in schüle : hüle (wohl = westmd. schäle : hole) 335/36, ü für iu in truwe 130 (: buwe), er am für er amen im Reim auf ervarn 106, schiuwen für schiuhen in rtiwen : schuhen 85/86, ch-Abfall beim A d j . hoch in ho : do 9/10, so : ho 401/02 (vgl. die gleiche Erscheinung außerhalb des Reims in bustaben 43), Schwund von intervok. g und Vokalkontraktion in (ge)san für (ge) sagen im Reim auf man 154, 468, dazu das
Prät. saden ('.entladen) 72, ferner lin für im Reim auf schin 22, -igen : -ihen in kestigen : verzihen 397/98, md. d für mhd. t in halden : erbalden 147/48, güdet: büdet 165/66, entreden : Steden 215/16, rede : stede 445/46, riden : snyden 229/30, drade : genade 425/26, n : m in stein : hein 423/24; an Verbformen: (wir ...) enmogen (: ungelogen) 452, brenget (: gemenget) 19, Inf. gan (: man) 182,, die durch Apokope gekürzte Endung des Part. Präs. in ymmer wernde: lernde (= wernd[e] .lern[e]t 3. Sg.Präs.) 333/34 und wohl auch in verlocken = verlockende „verlangend" (entgegen Matthaeis Ansatz in seinem Wortverzeichnis S. 180c) : kocken 33/34 (vgl. auch Matthaeis N r . i o , V. 989: begern = begernde im Reim auf den Inf. kern), Prät. gie (: alhie) 14, die Präterita tete und hete im Reim auf stete (= statte) 248, 338, ferner das Personalpron. üch (Dat.) in euch : drüh ( = drüch „Fessel zum Einfangen wilder Tiere") 381/82, und schließlich die westmd. Negation niet (: diet) 306. 3. Das Gedicht wird mit dem in den Naturschilderungen der Minnereden und -allegorien beliebten Spaziergangsmotiv eingeleitet. In IchForm erzählt der Dichter, sein W e g habe ihn eines Morgens an ein sturmbewegtes Wasser geführt. Nachdem das Himmelsblau stellenweise durchgedrungen ist, die Sonne wieder scheint und der Sturm nachgelassen hat — das Wetter wird verhältnismäßig ausführlich geschildert — , besteigt der Dichter einen Nachen, fährt zu einem bei einer Insel ankernden prächtigen Schiff und betritt es, ohne dabei einem Menschen zu begegnen. Nach der Besichtigung des einsamen Fahrzeuges wird der Dichter v o m Schlaf übermannt. Von einer männlichen und einer weiblichen Stimme wieder geweckt, springt er an Land und schleicht sich zu einem Gebüsch, hinter dem verborgen er einem Streitgespräch zwischen einer Frau und einem Ritter lauscht. Der weitgereiste und vielerfahrene Ritter hatte gerade behauptet, daß die Treue der Männer beständiger und fester als die der Frauen sei; die Männer seien auch viel opferwilliger als das weibliche Geschlecht, j a sie setzten den Frauen zuliebe G u t und B l u t aufs Spiel, während die Frauen nicht diesen Helden, sondern den Gecken den Vorzug gäben. Zornig und zungengewandt entgegnet die Angeredete, daß die Ritter solche Anstrengungen und Mühen nicht um der Frauen willen, sondern allein aus Ruhm- und Ehrsucht auf sich nähmen; selbstlos treu und opferwillig könnten nur die Frauen sein. Nun wirft der Ritter dem weiblichen Geschlecht weiter vor, daß Handwerker und Pfaffen bei ihm höher in Gunst ständen als der helme clang (V. 300). Dies bestreitet die F r a u : sie wende sich, so beteuert sie, nur gegen die wankelmütigen, unstet in der Fremde umherziehenden Ritter, denen die Treue unbekannt sei. Überdies müßten die Frauen ihre Gefühle vor den klaffern verbergen, während sich die Männer viel freier äußern könnten. Schließlich erklärt sich der Ritter in diesem Wortkampf für besiegt und gibt sich seiner Gegnerin gefangen. Sie p a c k t ihn und führt ihn gefesselt auf das Schiff, das beide den
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'Männertreue und Frauentreue'
Blicken des Dichters entführt. Dieser begibt sich zu seinem Nachen zurück. In einer Schlußbetrachtung stimmt er den Worten der Frau zu, die er als war und ungelogen bezeichnet. Mit einem Lobpreis der felsenfesten Frauentreue endet das Gedicht.
4. Der S t i l ist besonders in der Rahmenerzählung einfach und sachlich, doch fehlt es im Streitgespräch auch nicht an geblümten Wendungen und Bildern, vgl. z. B. V. 118/9: mich hat leyder schänden dach / bedecket me dann eren krön (Worte des Ritters); oder V. 140/41, 342/3, 346/7, 350/1. Die Verse klingen ziemlich holprig, doch mögen manche Unregelmäßigkeiten im Versbau der Überlieferung zur Last fallen (z. B. in dem zu kurzen Vers 324: clarer wibe fey ist wohl kunterfey zu lesen — in der Ulmer Hs. K e l l e r s steht an dieser Stelle wie auch sonst öfter ein anderer Reim). 5. In der umfangreichen Überlieferung der mhd. Streitgedichte über Themen aus dem Liebesleben (s. H. J a n t z e n Gesch. dt. Streitgedichtes imMA. [Germ. Abh. 13], 1896, S. 42—55) stellt der Streit zwischen Mann und Frau in 'MuFr.' ( J a n t z e n a. a. 0 . S. 54) eine nicht sehr häufig vorkommende Variante dar. Am nächsten steht diesem Typus ein strophisches Gedicht Suchensinns (s. d.), abgedruckt bei K. B a r t s c h Meisterlieder der Kolmarer Hs. S. 574—576 als Nr. CLXXVIII und bei E. P f l u g Suchensinn und seine Dichtungen 1908 (Germ. Abhh. 32), S. 78—80 als Nr. 8. Suchensinn, der hier die Frauen wegen ihres Wankelmuts tadelt, wird von einer Frau aufgefordert, auch die Männer zu schelten. Vielen von ihnen, so betont sie, sei die Minne nur eine Last, und mancher habe ein falsches Herz und eine treulose Gesinnung. Der Ausgang des Streits ist freilich ein anderer: Suchensinn verharrt bei seiner Haltung, wenn er auch zugibt, daß manche Männer der Minne nicht würdig sind. Zahlreiche Frauen, so fährt er fort, gäben sich mit Gecken ab und hielten sich von den „frommen Helden" fern. — Nicht nur um die Bewährung der Liebe, sondern um den Vorrang eines der beiden Geschlechter überhaupt geht es in dem Streit zwischen Priester und Frau, den Suchensinn ebenfalls in einem strophischen Gedicht behandelt
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hat (s. B a r t s c h a. a. O. S. 562—564 unter Nr. CLXXI und P f l u g a. a. O. S. 65—67 unter Nr. 1). Der Dichter erzählt in IchForm, er habe auf einem weiten Anger den Streit angehört, indem die Frau die Meinung vertreten habe, daß ein Weib die Mutter Gottes und daher ein ursprinc cristenliches glauben sei, dem auch der Priester seine Würde verdanke; auch er sei von einem Weib zur Welt gebracht worden. Demgegenüber betont der Priester die Heiligkeit der von ihm verwalteten Sakramente: beim Meßopfer halte er sogar Gott selbst in Händen. In einer Schlußbemerkung erkennt Suchensinn als Schiedsrichter dem Weib die höchste Würde zu. Ähnliche Argumente werden in dem wohl der ersten Hälfte des 14. Jhs. angehörenden 'Krieg von Würzburg' ( B a r t s c h a. a. O. S. 351—362, Nr. LXI) vorgebracht. In diesen Strophen, die Suchensinn vielleicht gekannt hat (s. P f l u g S. 59ff.), tritt Frauenlob (s. d.) für die Würde und Ehre der Frauen, vor allem der Mutter Gottes ein (vgl. o. Suchensinn, dazu: Got kam zuo ir [der Gottesmutter] e Adam was geschafen 126, ähnl. 232/3 — und Suchensinn P f l u g 1, 62/3: e himel und erde wart geticht, wip was bi gotes angesicht usw.). Regenbogen dagegen weist darauf hin, daß Gott selbst männlich sei und zuerst den Mann geschaffen habe. Wie bei Suchensinn wird hier die Würde des Priesters unterstrichen. Am Schluß gibt Regenbogen freilich nach und meint, die reinen frouwen müßten ebenso geehrt werden wie die werden man. — Später hat dann noch Ro'senplüt (s. d.) das Thema Priester und Frau aufgegriffen (s. K e l l e r Fastnachtsspiele S. 1328, 1168; J. D e m m e Studien über Hans Rosenplüt Diss. Münster 1906, S. 45; V . M i c h e l s Studien über die ältesten dt. Fastnachtspiele [QF. 77] 1896, S. 121; P f l u g a . a . O . S. 6 i f . und S. 62 Anm. 1). Im Monolog des Dichters, also noch nicht in der Form des Streitgesprächs, wird das Thema von 'MuFr.' bereits in zwei Strophen aus dem 13. oder 14. Jh. erörtert, die in einer Straßburger Hs. überliefert sind (Anf.: Ich han gehöret kriegen gn&g, s. I E. G. Gr äff Diutiska I (1826), S. 311 Anm. 2
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'Manuel und Amande' —
'Mariahimmelfahrtsspiel, Neustifter (Innsbrucker)'
und S. 313; J a n t z e n a. a. 0. S. 51). Der Mann, so erklärt der Dichter hier, liebt die Frau mehr als diese ihn, so wie der Schaffende dem von ihm Geschaffenen eine größere Liebe als umgekehrt das Geschöpf seinem Ursprung (das aus einer Mannesrippe geschaffene Weib dem Manne) entgegenbringt. Wilhelm Brauns 'Manuel und Amande', Bruchstück eines Ritterromans oder einer ritterlichen Novelle, in dem die Liebe zwischen Manuel von Griechenland und Amande von Spanien erzählt wird. Offenbar ist der Schluß erhalten, denn anläßlich der Tatsache, daß Artus ihre Hochzeit veranstaltet, wird die Sage von Artus' Tod und Wiederkehr berichtet. Der Verf. war wohl ein Mitteldeutscher, nach E d w . S e h r ö d e r ein Rheinfranke aus dem letzten Viertel des 13. Jhs. Das Gedicht entstammt der Gottfriedschule. Die Hs. ist ein Fragment einer Perg.-hs. des 14. Jhs., abgelöst von einem Bücherrücken im Kloster Schwaz am Inn. Der Abschreiber war ein Bayer. Ausg.: von O. Z i n g e r l e ZfdA. 26, S. 297 (1882); H. M e y e r - B e n f e y Mhd. Übungsstücke 1909, S. 160; 2 i92o, S. 151 ff. — Lit.: E d w . S c h r ö d e r GGN. 1925, S. 166. „ T
J. van D a m
Marcus Lindaugiensis, Cistercienser des Stiftes Stams im Oberinntal (Tirol), besuchte unter A b t Konrad von Feldkirch (1345—1369) die Hochschule in Paris und sandte von dort an seinen A b t Briefe, die sich in Stams erhalten haben. Zurückgekehrt, schrieb und predigte er viel und starb nach dem Jahre 1358. Unter seinen Schriften befinden sich 'Sermones' oder 'Collationes', eine beginnt: In prineipio collationis nostrae pro impetranda gratia salutemus Virginem gloriosam angelica saluaücne dicentes : Ave Maria. — Rev. D. D. et Patres praemandi! Dux es legifer noster Beatus Bernardus volens nos tamquam milites ecc. — JJnde Prions aut Superioris officium aliquando gessisse colligitur. C. P r i m i s s e r Rhythmus in laudem vener. P. Joannis Campidonensis sacerdotis et monachi Monasterii Stamsensis animadversionibus historicis explicatus. 1766 pag. 13 nota 8. (P. L i n d n e r ) Album Stamsens 1898, S. 10, i i f . . 3
A. Dorrer
Margarethe von Kentzingen, Merswin, Rulmann.
650 s. auch
' Mariahimmelfahrtspiel,Neustifter (Innsbrucker)' in einer Abschrift von 1391 als 2. Stück der Hs. 960 der Univ.-Bibl. Innsbruck aus dem wahrscheinlichen Besitz der Südtiroler Augustiner-Chorherrenpropstei Neustift bei Brixen überliefert, die R. H ö p f n e r Untersuchungen zu dem Innsbrucker, Berliner und Wiener Osterspiel (Germ. Abhh. 45) 1913, S. i f f . näher beschrieben hat (s. Fronleichnamsspiel, Neustifter und Osterspiel, Neustifter). Das Spiel ist betitelt: 'Hic ineipit ludus de assumptione beute marie virginis'. Seine Abschrift wurde abgeschlossen am Sonnabend, dem 26. August 1391, sabbato die post Bartholomei. A u s g a b e : F. J. M o n e Altteutsche Schauspiele 1841, S. 2i —106, 165 — 175, Glossar. S. i 9 5 f f . ; Verbesserungen bei F. E b b e k e Untersuchungen zur Innsbrucker Himmelfahrt Mariae 1929, S. 8/9; C r e i z e n a c h I 2 (1911), S. 125, 236; A. G i n e r , A. S p a r b e r und M. S c h r o t t Festschrift zum 8oojähr. Jubiläum des Stiftes Novacella 1942, S.104.
Die weitgehenden mundartlichen Übereinstimmungen dieser Spielüberlieferung mit der des Neustifter Osterspiels lassen ihren Schreiber als aus der Gegend von Schmalkalden stammen und mit dem des ersteren Spiels identisch erscheinen. Der Verfasser, ein Kleriker aus der ersten Hälfte des 14. Jhs., dürfte dieselbe Heimat besessen haben. Die Annahme von der leiblichen Aufnahme Mariens in den Himmel wurde auf dem dritten ökumenischen Konzil zu Ephesus 431 festgelegt und als bisherige Lehrmeinung der Kirche von Papst Pius X I I . am 1. Nov. 1950 zum Dogma erhoben. Ephram Syrus brachte diese Anschauungen in seinen Hymnen (her. von P. Z i n g e r l e 1871 II, S. 43L) in Syrien besonders zur Geltung. Die drei Szenen vom Versammeln der Apostel und Christi vor dem Tode Mariens, die Grabtragung und die Aufnahme von Körper und Seele in den Himmel durch Christus wurden auch durch lat. Gesänge des Spiels und Bilder dargestellt. Ihre figürliche Darstellung in Pustertaler Kirchen, besonders in Innichen, hielt sich bis vor den beiden Weltkriegen (s. R . H e y m Bruchstück eines geistl. Schauspiels von Marien Himmelfahrt ZfdA. 52, S. 1 — 5 6 , nach einer Hs. aus A m o r b a c h , zweier md.
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'Marien Himmelfahrt'
Schreiber aus dem Ende des 13. oder Anfang des 14. Jhs., lat. dt., mit Kampfgespräch zwischen Ecclesia und Synagoga). Die Legende, daß die Apostel das Apostolische Glaubensbekenntnis gemeinsam abgefaßt hätten (zuerst von Ruf in v. Aquleja vor 400 berichtet) hat das Spiel mit dem Neustifter Fronleichnamsspiel gemeinsam. Das Spiel kommt im Typus und in der Lehrhaftigkeit dem Neustifter Fronleichnamsspiel zunächst und steht anderen Marienspielen nahe, so auch der Sammlung des Bozner Lateinschulmeisters Benedikt Debs aus Ingolstadt. Kloster und Propsteikirche der Neustifter Augustiner Chorherren sind Maria geweiht. Noch heute ist im Chor Mariens Himmelfahrt und Verherrlichung dargestellt (vgl. auch St. B e i s s e l Geschichte der Verehrung Marias in Deutschland während des MAs. 1909; A. S a l z er Die Sinnbilder u. Beiworte Mariens i. d. dt. Literatur 1886—94). ^ Dörrer 'Marien Himmelfahrt'. Das Thema von Marien Himmelfahrt hat außer Konrad von Heimesfurt (s. d.) noch eine ganze Reihe von Bearbeitern gefunden. Hierher gehört die entsprechende Partie in der Erlösung (5614—5811; vgl. dazu das von S c h ö n b a c h in Herrigs Archiv 33, S. 121 mitgeteilte Parallelstück) und im 'Alten Passional' ( H a h n S. 120—154). Des weiteren sind eine Reihe von selbständigen Bearbeitungen des Themas bekannt. Letzten Endes gehen sie alle auf den aus dem Griech. ins Lat. übersetzten 'Liber de transitu Mariae' des Melito von Sardes (ed. T i s c h e n d o r f Apocal. apocryphae 1866, S. 113ff.) zurück. 1. Das bedeutendste und umfangreichste dieser Werke ist ein rheinfränkisches Gedicht von 1844 Versen, welches im 13. Jh. entstand und Konrads Dichtung voraussetzt. Nach einer umfangreichen Einleitung (1—230), die von den sechs Weltaltern und dem Davidsgeschlecht ausgehend Christi Geburt erwähnt und daran ein Gebet an Christus anknüpft (130—206), beginnt der epische Bericht mit einer Marienklage (231 bis 397). Die Ereignisse nach der Kreuzigung leiten über zur Schilderung der beiden letzten Lebensjahre Marias, bis ihr der Erzengel Gabriel Tod und bevorstehende Entrückung
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in den Himmel ankündigt (398—668). Sie stirbt in Gegenwart der Apostel und Christi mit den Engels-Scharen (669—1148). Nach der Grablegung (1149—1431) wird am dritten Tage der Leib von Christus auferweckt, wieder mit der Seele vereinigt und gen Himmel geführt (1432—1635). Mit einer mahnenden Betrachtung zur Abkehr von weltlicher und Hinwendung zur Marienund Christusminne (1636—1844) schließt das Gedicht. Seine schlichte, gemütswarme Darstellung zeichnet sich durch plastische Anschaulichkeit aus. Der Verfasser zeigt sich, besonders in der Schlußbetrachtung, stilistisch von Gottfried beeinflußt. D a ß er die höfische Dichtung kannte, geht auch aus weiteren Anklängen hervor, in denen man das Vorbild Hartmanns (s. d.) und gelegentlich auch von Wolframs (s. d.) Willehalm erkennen kann. Hs.: Univ.-Bibl. Gießen Nr. 876, 120, Perg., Ende 13. Jh., S. 163 — 272. — Ausg.: W e i g a n d ZfdA. 5 (1845), S. 5 1 5 - 5 6 4 ; Kollation: ZfdA. 9, S. i66f. — Literatur: K . B a r t s c h Erlösung 1858, S. X X I I — X X I V ; d e r s . Germ. 7, S. 1 und passim; MSD 3 . II, S. 238; K . Z w i e r z i n a ZfdA. 45, S. 22f.; F. N o r m a n n MLR. 23 (1928), S. 453 bis 465; E. S c h r ö d e r GGN. 1931, S. 1 — 20.
2. Weniger ansprechend ist ein noch dem Ende des 13. Jh. angehörendes ostmd. Gedicht von 587 Versen, dessen erste Hälfte oberflächlich in eine Predigtprosa aufgelöst ist, aber den alten Versbestand noch ziemlich genau erkennen läßt. Es beginnt mit der Todesverkündigung durch Gabriel und Marias Tod in Gegenwart der Apostel (V. 1—42). Von der leiblichen Auferstehung ist hier nicht die Rede. Die Seele wird von Christus und den Heerscharen in den Himmel geführt. Dabei wird der W e g durch jeden einzelnen der neun Chöre bis zur Krönung vor Gottes Thron genau beschrieben (43—513). Mit einem Marienlob (514 bis 541) und Gebet an Maria (542—587) schließt das trockene, in lehrhaftem Tone vorgetragene Gedicht, das nur an wenigen Stellen eine verdichtete poetische Stimmung atmet. Hs.: Univ.-Bibl. Breslau I Q. Nr. 326, Pap., 15. Jh., Bl. 236 b —247 b . — Ausgabe: J. K l a p p e r ZfdA. 50 (1908), S. 172 — 189.
3. Ein umfangreiches geistliches Spiel, der 'Ludus de assumptione beatae Mariae virginis', das beim Verse 3168 kurz vor dem
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'Marien Rosenkranz' —
'Marienklage'
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Ende abbricht, deckt sich in der Handlungsführung seines Kernteiles mit dem unter 1 behandelten Gedicht, ist aber nicht davon abhängig und stellt die Handlung in einen größeren Rahmen. Nach dem Prolog (1—44) berichtet es zunächst vom Wirken der Apostel in aller Welt (45—766). DerTodMariae {767—1562), ihr Begräbnis (1563—2022) und die Himmelfahrt (2023—2513) schließen sich an. Den meisten Raum nimmt dann die Zerstörung Jerusalems durch Titus ein (2514—3168. Nur bis zur Belagerung ; Einnahme und Zerstörung der Stadt sind in die Abschrift nicht aufgenommen). Das Stück behandelt also eigentlich die Ereignisse nach der Passion, von der Aussendung der Jünger bis zu Titus' Bestrafung der Juden. Die Marienhandlung stellt darin nur eine Episode dar.
zählt und am Schlüsse nicht vergessen anzugeben, daß sus sestich leede ghetettet synd (445). Die Patriarchen und Vorväter der Jungfrau werden als Beiträger der einzelnen Kranzelemente eingeführt, und in der Schlußstrophe ergreift Maria selbst das Wort und erklärt, daß ihres und Josefs Geschlecht ein und dasselbe sei, und daß sie also mit Recht den von den Vätern zusammengefügten Kranz trage. Das Gedicht mag wegen der darin enthaltenen skurrilen Gelehrsamkeit von einigem Interesse sein, ist aber poetisch ohne Reiz. Seine Sprache weist in den Westen Niederdeutschlands. Über Abfassungszeit und etwaige Vorlagen ist nichts bekannt, doch dürfte das Original der überlieferten Abschrift zeitlich nicht allzu fern stehen.
Das Drama ist im 14. Jh. vermutlich in hennebergischem Gebiet entstanden.
Hs.: Metz (1880 in Privatbesitz), 8 Bll., Okt., Pap., 15. Jh.; Ausg.: K . B a r t s c h Nd. Jb. 6 (1880), S. 1 0 0 - 1 1 3 .
Hs.: Univ.-Bibl. Innsbruck o. Nr., Fol., Pap., 1391. — Ausgabe: F. J. M o n e Ad. Schauspiele 1841, S. 21 —106. — Literatur: Ebda. S. i —18; F. E b b e c k e Unters, z. Innsbrucker Himmelfahrt Mariae Diss. Marburg 1929 (mit Übersicht über die Entwicklung der Himmelfahrtslegende im MA.).
2. Unter dem gleichen Titel ist ein md. Gedicht von 50 dreizeiligen und dreigereimten Strophen bekannt, ebenfalls ein Lobgedicht auf Maria, das in preisenden Anreden die topischen Mariennamen anhäuft und knappe Erinnerungen an Marias Gnadentaten einflicht. Das Gedicht endet mit einem siebenstrophigen Gebet an die Jungfrau. Es ist stark abhängig von dem "jüngeren Marienlob' (s. d.), dessen Verse es auswählend zu einer neuen Form vereinigt. Entstanden ist es in der 1. Hälfte des 14. Jhs.
3. Eine mnd. Himmelfahrt Mariae wurde v o n H o f f m a n n v o n F a l l e r s l e b e n Germ. 15 (1870), S. 369—374 aus der Wolfenbütteler Hs. Nr. 1084, Pap., 15. Jh. B l . 7 0 b — 8 8 a in Auszügen abgedruckt. Unveröffentlicht ist ein anderes mnd. Gedicht gleichen Themas aus der Königsberger Hs. Nr. 905, Qu., Perg., 14. Jh., Bl. 33a—42b (vgl. ZfdA. 13, S. 524). Endlich ist die nd. Himmelfahrt Mariae aus dem 'Hartebook' ( W a c k e r n a g e l K L . II, S. 3ogff.) zu erwähnen. Hans Eggers 'Marien Rosenkranz'. 1. R. ist ein nd. Preisgedicht zum Lobe der heiligen Jungfrau in 30 Strophen zu je 16 Versen. Überliefert sind 468 Verse; am Anfang fehlen 12 Verse. Der frostige Hymnus beschreibt in trokkenen Worten den Ehrenkranz der Jungfrau. Dieser besteht aus 12 Rosen, deren jede eine Tugend symbolisiert, aus den zwölf Edelsteinen aus Aarons Priesterschild, zwölf Sternbildern, zwölf Würzkräutern und zwölf Musikweisen. Sorgfältig wird ge-
Hs.: Nürnberg, Cent. V I 43, Okt., Pap., 15. Jh. — Ausgabe: K . B a r t s c h Die Erlösung 1858, S. 279 — 284, vgl. ebda. S. L V I ; A. J e i t t e l e s Germ. 31 (1886), S. 292; H. F. R o s e n f e l d P B B . 53 (1929), S. 4 « und passim. E g g e r s
'Marienklage'. Nicht behandelt sind im folgenden die Marienklagen, die nicht selbständig sind, sondern nur Stücke in einer größeren Dichtung, wie z. B. im „Rheinischen Marienlob" 24, 33—35, 24 (s. d.) oder im „ B u c h der Märtyrer" (s. d.) nach der Ausgabe E. G i e r a c h s DTdMA. 32, S. 77 bis 92 (hier ist der „Bernhardtraktat", s. den Nachtrag, von dem Dichter schlecht übersetzt; vgl. auch M i l c h s a c k P B B . 5, 1877, S. 344/8 gegen J. H a u p t W S B . 70, S. i77ff.), ferner zu unbedeutende wie das
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'Aggsbacher Marienklage' — 'Berner Marienklage'
Buxheimer Fragment in Berlin Germ. 4 0 1131, 15. Jhs., Bl. 7a—8b, beginnend: Marien klag, die was so groß oder das Himmelgartner Bruchstück (her. von E. S i e v e r s ZfdPh. 21, 1889, S. 395—404) u. a. Das jetzt vollständigste Verzeichnis der bekannt gewordenen Marienklagen gibt G. S e e w a l d Die Marienklage im mlat. Schrifttum . . . Masch.-Diss. Hamburg 1953, Anh. S. 1—42 (syrische, griech., lat., dt., engl, und nord. Marienklagen; besonders wertvoll die Zusammenstellung unveröffentlichter Texte). £ ^ 'Aggsbacher Marienklage'. Die A gehört mit der Böhmischen und der Münchener Marienklage zu einer Sondergruppe der dramatischen Marienklagen, welche man in ihrer Grundlage als monomadramatisch bezeichnen kann. Ihrem Typ nach, der rein allerdings nur in der Münchener Marienklage (s. d.) erhalten ist, stellen sie große Klagemonologe der Maria dar, wobei die hl. Jungfrau die an dem Passionsgeschehen unter dem Kreuz beteiligten biblischen Gestalten anredet. In der A. wird gegen Ende der monologische Rahmen einmal durchbrochen, indem Johannes redend eingreift. Die Handlung ist in die Bühnenanweisungen verlegt, welche in stummem Spiel ein zahlreiches Personal auftreten lassen. Als Besonderheit ist zu erwähnen, daß in der A. auch der Erzengel Gabriel als ständiger Begleiter der Maria anwesend vorgestellt ist. Nach dem Zustand des Manuskripts muß die A., von der 241 Verse überliefert sind (am Schluß fehlen einige Zeilen), als ein Konzept angesehen werden. Inhaltliche Anklänge verbinden sie, wie bei dieser Gattung ganz natürlich, mit den meisten der anderen Marienklagen, besonders mit einer Gruppe lat. Marienhymnen, die ebenfalls in Ostmitteldeutschland und besonders in Böhmen verbreitet waren, wo sich die monodramatische Form der Marienklagen entwickelt zu haben scheint. Dennoch ist eine unmittelbare lat. Vorlage nicht nachgewiesen und dürfte auch kaum vorhanden gewesen sein. Der Dichter, vermutlich ein Karthäuser aus Prag, greift bereitliegendes Material auf und verarbeitet es in eigener Weise.
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Die A. ist in omd. Dialekt kurz vor oder nach 1416 geschrieben.
Hs.: Zwei vom Einband eines Codex aus Kloster Aggsbach in Niederösterreich losgelöste BU. der Wiener Nationalbibl. (Cod. ser. nov. 3867), Pap., Anfang des 15. Jhs.; Ausgabe und Untersuchung: H. M a s c h e k P B B . 60 (1936), S. 325 bis 339; G. S e e w a l d Die Marienklage im mlat. Schrifttum und in den germ. Literaturen des MAs. Masch.-Diss. Hamburg 1953, S. 52.
Hans Eggers 'Augsburger Marienklage'. Die sogenannte Augsburger Marienklage ist nichts anderes als eine separat veröffentlichte Hs. des im 15. und 16. J h . ziemlich weit verbreiteten Gedichts ' M a r i a Mag die was so grosz'. Dieses umfaßt etwa 140 Verse und bettet die Klage Marias in eine epische Schilderung der Passionsereignisse ein. Die Darstellung ist wenig individuell und schöpft ihre Vorstellungen und deren sprachliche Gestaltung aus der langen Tradition volkstümlicher Marienklagen. Die A. ist ediert von W a c k e r n a g e l K L . I I , S. 354f. (Nr. 512) aus Cod. pal. germ. 109, Pap., Augsburg 1516, Bl. 160a (vgl. K. B a r t s c h Hss. d. UB. Heidelberg S. 30). Dasselbe Gedicht, bekannt als sog. Weimarer Marienklage, ebda. I I S. 612f. (Nr. 799) aus der Weimarer Hs. 0/72, Bl. 45, Pap., 1436. Ferner findet sich das Gedicht in folgenden nicht edierten Hss.: Cod. pal. germ. 639, 15. Jh., Bl. 176b ( B a r t s c h a. a. O. S. 160); Cgm. Nr. 5134, I4-/I5- J h . , Bl. 53—59 ( G o e d e k e 2 1 , S. 229; nach dem angegebenen Umfang könnte es sich um eine erweiterte Fassung handeln, wie sie z. B. auch in der Wiblinger Marienklage (s. d.) vorliegt); Berlin Ms. germ. Q. Nr. 1131, 15. Jh., Bl. 7 a — 8 b H. D e g e r i n g Verzeichnis der germ. Hss. der Preuß. Staatsbibl. I I (1926), S. 192. Literatur: W a c k e r n a g e l K L . II a.a.O.; A. E. S c h ö n b a c h Über die Marienklagen 1874, S. 50; G. W e i ß Die dt. Marienklagen Masch.-Diss. Prag 1932; G. S e e w a l d Die Marienklage im mlat. Schrifttum. . . Masch.-Diss. Hamburg 1953, S . 1 2 9 .
Hans Eggers 'Berner Marienklage'. Die B. ist eine zweigeteilte monologische Marienklage von 156 Versen. Den beiden Klagen Marias nach der Gefangennahme Christi (V. 5—34) und unter dem Kreuz (39—138) gehen je
'Böhmische Marienklage' — 'Erlauer Marienklage'
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vier einleitende Verse des Dichters voraus, der sich außerdem in einem Schlußgebet (139—156) u m Fürbitte an die Himmelskönigin wendet. Die in alem. Dialekt abgefaßte B., deren Original noch aus dem 14. Jh. stammen dürfte, steht in der Tradition der kunstmäßigen Marienklagen und ist besonders von 'Unserer Frauen K l a g e ' (s. d.) beeinflußt, zeigt aber auch eine Reihe sonst nicht nachweisbarer Einzelzüge. Mit der böhmischen Gruppe monologischer K l a g e n (s. 'Münchener Marienklage') besteht keine engere Verwandschaft. Hs.: Berlin Staatsbibl. Ms. germ. Q. Nr. 979 aus Schloß Spiez am Thuner See, 1. Viertel des 15. Jhs., Pap., Bl. 208 — 215 (Berner GregoriusHs.). Ausgabe: H . P a u l PBB. 3 ( 1 8 7 6 ) , S. 3 6 5 b l s 37°'
Hans Eggers
'Böhmische Marienklage'. Die B . gehört mit der Münchener und der Aggsbacher Marienklage zu einer engeren Gruppe ursprünglich monologischer Klagen, doch h a t die 307 Verse umfassende B . diesen T y p nicht rein bewahrt. Der große, von 5 9 — 2 1 9 reichende Klagemonolog, welcher noch auf die ursprüngliche innere Handlungsführung abgestellt ist, wird umrahmt von zwei Dialogszenen (Maria und Johannes auf dem W e g zum K r e u z V . 1 — 5 8 , Christus und Johannes in der Commendatio 219—294); erst die Schlußverse (Marias Totenklage) münden wieder in die alte monologische F o r m ein. Z u m Unterschied von B. pflegt in den dramatischen Marienklagen auch die große Klagerede in Rede und Gegenrede aufgelöst zu sein. Der Eingangsdialog ist in B . in enger Anlehnung an das Egerer Fronleichnamspiel gestaltet; im weiteren wird dann die Bearbeitung I von 'Unserer Frauen K l a g e ' (s. d.) als Vorlage benutzt, aus der 1 1 2 Verse wörtlich übernommen sind. Hs. Prag Dombibl., Perg., 15. Jh., hinter einer Abschrift von Bruder Philipps Marienleben. Ausgabe: A. E. S c h ö n b a c h Über die Marienklagen 1874, S. 55 — 62; Literatur: S c h ö n b a c h a.a.O., S. 33f.; G. S e e w a l d Die Marienklage im mlat. Schrifttum. . . Masch.-Diss. Hamburg 1953, '
Hans Eggers
51
'Marienklage, Bordesholmer' (Nachtrag): W . L i p p h a r d t Studien
PBB.
58 (1934),
S.
390—444.
zu den
Ders.
Marienklagen Marienklagen
658
und Liturgie Jb. f. Liturgiewissensch. 1934, S. 198 bis 205. H. M a s c h e k E. dt. Marienklage aus dem 15.
Jh. J
P B B . 60 (1936).
T T
Hannemann
'Breslauer Marienklage'. V o n der B. sind nur drei Brachstücke mit insgesamt 82 Versen überliefert. Sie ist nächstverwandt mit der 'Böhmischen Marienklage', aber doch nicht nur entstellte Abschrift, wie S c h ö n b a c h vermutet. Vielmehr ist hier die dialogische Auflösung dieser ursprünglich auf den Monolog abgestellten Gruppe (s. 'Münchener Marienklage') noch weiter fortgeschritten als in der 'Böhmischen Marienklage'. Hs.: Breslau, Städt. Archiv, Doppeibl., losgelöst vom Buchdeckel eines Schöppenbuches (Städt. Arch. Nr. 634), Pap., 1. Hälfte des 14. Jhs.; Ausgabe: A. S c h u l t z Germ. 1 6 ( 1 8 7 1 ) , S. 5 7 — 6 0 ; Literatur: A. E. S c h ö n b a c h Über die Marienklage 1874. S. 34fH a n g £ g g e r s 'Docens Marienklage'. Das von D o c e n bekanntgemachte Bruchstück enthält rund 70 Verse einer dramatischen Marienklage, die sich im A u f b a u mit der Erlauer und der Trierer Marienklage vergleichen läßt. Mit dieser bestehen enge Zusammenhänge, die auf Verwandtschaft der Vorlagen hindeuten. Dabei deutet die knappe Form von D , die nicht durch Verkürzung entstanden zu sein braucht, und die hohe Verhältniszahl unreiner Reime ( 1 : 5 ) auf ein höheres Alter der Vorlage von D. Die Hs. stammt nach Docens Angabe etwa aus der Mitte des 15. Jhs.; sie ist verschollen, Docen hat keine näheren Angaben darüber gemacht. Ausgabe: B. J. Docen Neuer literar. Anz. 1806, S. 8 2 - 8 4 ; H - H o f f m a n n Fundgr. II, S. 2 8 1 bis 283; W a c k e r n a g e l KL. II, S. 369 — 371. — Literatur: A. E. S c h ö n b a c h Über die Marienklagen
1874, S. 2 g f . ; E. A . S c h u l e r
Osterfeiern I, Marienklage
Hamburg
im mlat. Schrifttum...
1953,
Musik
1951, S. 380; G. S e e w a l d S. 49.
der
Die
Masch.-Diss.
H a n s Eggers
'Erlauer Marienklage'. A n der E . läßt sich die frühe F o r m einer in ihrem T y p noch unentwickelten dramatischen Marienklage besonders gut studieren. In dieser 438 Verse umfassenden, strophisch geordneten Marienklage sprechen außer in der Einleitung
659
'St. Galler Marienklage' — 'Lichtenthaler Marienklage'
(drei Marien) nur Maria und Johannes. Erst eine jüngere Hand hat in Randeintragungen eine Christusrolle hinzugefügt. Das Geschehen wird in den Bühnenanweisungen kaum angedeutet; es spiegelt sich in den Worten des Dialogs. Auch die Commendatio Christi kommt so nur indirekt zum Ausdruck (Johannes: dein chind hat dich enfholhen mir, also hat er mich auch dir V. 172f.). Auf solche Weise wird hier und an vielen Stellen der stumme Crucifixus mit in das Spiel einbezogen. Dasselbe gilt andererseits auch für die Gemeinde, die immer wieder angeredet und zum Mitleid aufgefordert wird. Die E. ist aus einer noch weniger entwickelten Vorform dramatischer Marienklagen entstanden, die dann in einem anderen Traditionszweig zur Trierer (s. d.) und zu Docens Marienklage (s. d.) geführt hat. Dabei bedeutet das Vorspiel der E. mit den drei Marien bereits eine Sonderentwicklung des Erlauer Zweiges. Auf das vielfache traditionelle Gut in E. hat der Herausgeber nachdrücklich hingewiesen. Der hier klarer als gewöhnlich erkennbare formale Aufbau ist von G. S e e w a l d untersucht worden. Die Sprache des Denkmals (und seiner Vorlage) ist bayr. Die Hs. entstand in Kärnten, und man wird das Original, das etwa ein Jh. älter sein dürfte als die Abschrift, ebenfalls im Südosten des bayr. Sprachgebietes zu suchen haben. Hs.: Erlau, Diözesanbibl. Nr. 772 — 774 (1563), Pap., Fol., Bl. 20a—24a, 15. Jh.; Ausgabe: K. F. K u m m e r Erlauer
Spiele
1882, S. 1 4 7 — 1 6 7 ; vgl.
ebda. S. L V I I - L X I . Weitere Lit.: G. W e i ß Die dt. Marienklagen,
Quellen und Entwicklung
Masch.-
Diss. Prag 1932, S. 35f.; G. S e e w a l d Die Marienklage im mlat. Schrifttum 1953, S. 4 1 - 4 7 .
Masch.-Diss. H a m b u r g
Hans Eggers
'St. Galler Mafienklage' ist ein
kleines
Bruchstück (42 Verse) vom Ende einer anscheinend monologischen Marienklage, das sich infolge seines geringen Umfanges in die übrige Tradition nicht einordnen läßt. Anklänge an Docens und die Münchener Marienklage, welche verschiedenen Strängen der Überlieferung angehören, reichen zur näheren Bestimmung nicht aus. Hs.: Stiftsbibl. St. Gallen, Cod. 1006, 15. Jh., ein Blatt; das übrige herausgerissen. — Ausgabe:
660
Mone Schausp. I, S. I99f. — Literatur: A. E. S c h ö n b a c h Über die Marienklagen
1874, S. 39f.
Hans Eggers 'Hoffmanns Marienklage' ist ein Bruch-
stück von nur 43 Versen, das die einleitenden 4 Kapitel des 'Bernhardstraktates' (s. d.) nicht ohne Entstellungen in dt. Verse überträgt. Es ist nur bemerkenswert als Glied der großen Gruppe deutscher Marienklagen, die von jenem Traktat angeregt wurden. Hs.: Perg.Bl. oct., 14. Jh., bair., in H o f f m a n n s Besitz, jetzt Berlin germ. fol. 737, 11 (H. D e g e r i n g Kurzes
Verzeichnis
1, S. 99); A b -
druck: Altdt. Bll. II, S. 200f.; ed. O. S c h a d e Geistl.
Gedichte
1854, S. 245t.
— Literatur:
G.
W e i ß Die dt. Marienklagen Masch.-Diss. Prag
' Königsberger Marienklage' ist eine ziemlich getreue Übersetzung einer erweiterten Fassung des 'Bernhardstraktats' (s. d.), nur am Schluß durch einen Bericht über die Auferstehung über die Vorlage hinausgehend. Das nd., wohl im 14. Jh. entstandene Gedicht umfaßt 869 Verse. Seiner lat. Quelle nach gehört es zu derselben Gruppe wie der dt. 'Bernhardstraktat', Hoffmanns Marienklage und 'Unserer Frauen Klage', doch ist es mit keinem dieser Denkmäler unmittelbar verwandt. Hs.: Univ.-Bibl. Königsberg, Perg.-Hs. Nr. 905, Qu., 14. Jh., Bl. i a - i g a (Beschr.: ZfdA. 13, S. 523 — 525). — Literatur: F. R o h d e Ein mnd. Gedicht über die Kreuzigung
Diss. Könisgberg 1 9 1 1 .
Hans Eggers 'Lichtenthaler Marienklage' ist das älteste
Zeugnis für die dt. dramatischen Marienklagen. Sie stellt sich dar als eine strophische Dichtung, die in dreimaligem Wechsel Klagen der Maria und Trostworte des Johannes einander gegenüberstellt. Rede und Gegenrede stehen sich fast beziehungslos gegenüber; Johannes' Trost erreicht die Gottesmutter nicht. Aber das kann als künstlerische Absicht gedeutet werden (Unendlicher Schmerz Marias; nur dem Hörer zeigt Johannes den Ausweg) und rechtfertigt nicht A. S c h ö n b a c h s Urteil: „Das elende Machwerk eines Stümpers". Ob L. wirklich zu dramatischer Aufführung bestimmt war, ergibt sich aus dem
661
'Marienweerder Marienklage' — 'Ältere niederrheinische Marienklage'
T e x t nicht. Ein hinzugefügter A n h a n g läßt freilich darauf schließen. Aber dieser, der lat. K l a g e n und ihre dt. Übersetzung gibt, während L . selbst nur dt. Verse enthält, k a n n nur sekundärer Zusatz sein. D a s Gedicht ist in 146 Versen mit weiteren 26 Versen des Anhanges überliefert, enthält aber Lücken. E s ist im 13. Jh. auf bayr. Sprachgebiet entstanden. Hs.: Kloster Lichtenthai in Baden, o. Nr., Perg., Ende 13. Jh. — Ausgabe und Literatur: M o n e Schausp. I, S. 2 7 - 3 7 ; W a c k e r n a g e l KL.
II Nr. 509; F r o n i n g Drama des MA. (Kürschners Nat.Lit. 14, 1), S. 251 — 256; A. S c h ö n b a c h Über die Marienklagen
1874, S. 11 —18; G. S e e -
w a l d Die Marienklage im lat. Schrifttum...
Diss. Hamburg 1953. S. 4 °f-
H a n s
Masch.E g g e r s
'Marienweerder Marienklage', ein mnl. Gedicht von 516 Versen, folgt in den ersten 350 Versen der Marienklage aus dem Levene ons Heren Martijns v a n Torhout, das aus dem letzten Viertel des 13. Jhs. stammt. Der Rest, Kreuzabnahme, Beweinung, Grablegung und Heimkehr, ist aus einer Übersetzung der 'Interrogatio Anselmi' (s.o. 'St. Anselmi Frage') hinzugefügt. Die K l a g e ist eingebettet in den epischen Bericht des Passionsgeschehens wie auch die Reden Christi und des Johannes. Bemerkenswert ist M. durch eine aus der mnl. Vorlage übernommene neue Sicht der Mariengestalt, die hier ganz als irdische F r a u und Mutter dargestellt wird, erschüttert durch den jähen Sturz aus Glück und Stolz in allertiefstes Leid. Während aber die Vorlage ihren W e g durch Anfechtung und Zweifel zur Glaubensgewißheit vorzeichnet, ist hier nur Leid und K l a g e ohne Ausweg. Hs.: Univ.-Bibl. Groningen, Ms. Nr. 405, Fol., Perg., Bl. 214c —217a, geschrieben 1339 i. Kloster Marienweerd a. d. Linge. — Ausgabe: P. L e e n d e r t s Tijdschr. Taal- en Letterk. 15 (1896), S. 81—94. Hans Eggers 'Münchener Marienklage'. In der M., einer monodramatischen Marienklage von 110 Versen, werden der W e g zum K r e u z und das Geschehen unter dem K r e u z im Monolog gespiegelt. In der Auseinandersetzung zwischen Trost und leidvollem Erleben wird kein Ausweg aus dem Leid gefunden. Alles ist auf den Schmerz der gleichwohl als Himmelskönigin gesehenen Mutter
662
abgestellt, und dementsprechend fehlt die tröstende Beziehung auf Christi Erlösungstat fast vollkommen. M. bildet mit der Aggsbacher (s. d.) und der Böhmischen Marienklage eine engere Gruppe und ist das ursprünglichste Zeugnis einer in Böhmen ausgebildeten Sondertradition monologischer Marienklagen. D a ß es sich in M. nur u m eine aus einem Passionsspiel ausgeschriebene Marienrolle handele, wie S c h ö n b a c h annimmt, ist wegen der Verwandtschaft mit A . und B . ausgeschlossen. Die junge Abschrift, in der M. vorliegt, weist bayr. Dialektmerkmale auf. Die Hs. ist mit Noten versehen und von hervorragendem W e r t für die musikhistorische Erforschung der Marienklagen. Hs.: Cgm. Nr. 716 aus Tegernsee, Bl. 150a bis 154a, Pap., 15. Jh. — Ausgabe: Fr. P f e i f f e r Altdt.
II,
Bll.
II, S. 3 7 3 - 3 7 6 ;
S. 371 f.
— Literatur:
Wackernagel
KL.
A. E. S c h ö n b a c h
Über die Marienklagen 1874, S. i g f . ; W . L i p p h a r d t Finkensteiner Liederbuch 2, 10. Jg. (1933). s - 33 — 3 9 ; d e r s . P B B . 60 (1934)' S. 390—444
passim; G. S e e w a l d Die Marienklage
im mlat.
Schrifttum. . . Masch.-Diss. Hamburg 1953, S. 51. Hans Eggers
'Ältere niederrheinische Marienklage'. Die unter dem handschriftlichen Titel Unsir vrowen clage (diese in den Marienklagen sehr häufige Uberschrift beweist keinerlei Verwandtschaft mit dem in der Literatur unter demselben Titel [s. d.] bekannten Gedicht) von W . G r i m m veröffentlichte N. u m f a ß t 153 Verse. Sie ist die früheste bekannte Übertragung der lat. Sequenz Planctus ante nescia des Victoriners Gottfried von Breteuil (f 1196). Die dt. Bearbeitung, die im A n f a n g ziemlich frei schaltet, schließt sich im Weiteren immer enger an die Vorlage an, wobei einige Übersetzungsfehler unterlaufen. W i e die Vorlage ist auch das dt. Gedicht in strenger Sequenzform gebaut, was die bisherigen Ausgaben freilich nicht erkennen lassen. A u c h in ihrem Gehalt entspricht die N . dem lat. Vorbild. Sie ist eine monologische K l a g e unter dem Kreuz, wobei Mariens Worte das Geschehen der Passion nur k n a p p andeuten. Maria ist hier gesehen als Vorbild und Führerin der christlichen Gemeinde. Durch Leid und K l a g e u m Christi T o d führt sie zur Hoffnung auf neues Leben in der Gnade.
663
'Jüngere niederrheinische Marienklage' —
Die Sprache des Gedichtes ist mfr., doch sind ihre Schichtungen, den Anteil des Verfassers und mehrere Abschreiber betreffend noch nicht untersucht worden. Als Abfassungszeit kommt etwa die Wende des 12./13. Jhs. in Betracht (1180 s. o. III, S. 256; im Hinblick auf die Quelle wohl etwas zu früh). Hs.: Bibl. Hannover, Cod. I 81, Bl. 134b bis 137a, Kl.-Okt., Perg., 13. Jh. (s. o. Werner v. Niederrhein). — Abdruck: W. G r i m m ZfdA. i (1841), S. 34 — 39 (seine Abschrift: Berlin Germ. oct. 309, 85); Kollation: K . K ö h n ZfdA. 34 (1890), S. 46t.; Ausgabe: O. S c h a d e Geistl. Gedichte S. 208 — 213; Literatur: vgl. o. III, S. 256; ferner: G. S e e w a l d Die Marienklage im mlat. Schrifttum... Masch.-Diss. Hamburg 1953, S. 22 — 24 u - passim. Ausg. des 'Planctus ante nescia': A. S c h ö n b a c h Über die Marienklagen 1874, S. 6 — 9.
Hans Eggers
'Jüngere niederrheinische Marienklage'.
In diesem Gedicht, dessen ursprünglicher Umfang mit den von S c h a d e aus einem verwilderten Druck herausgegebenen 234 Versen nur ungefähr bezeichnet ist, ist die Klage der Maria eingebettet in den epischen Bericht des Passionsgeschehens. Sowohl dieser Aufbau wie die innig menschlich gesehene Mariengestalt weisen das Gedicht frühestens in das Ende des 14., eher in das 15. Jh., und überhaupt braucht zwischen dem Original und der erst um 1500 beginnenden Überlieferung kein langer Zeitabstand angenommen zu werden. Schades Ansicht (S. 206), daß aus einer Reihe von ungenauen Reimen ein Original des 12. Jh. hindurchschimmere, ist gewiß unbegründet, und eine Reihe der von ihm angeführten Beispiele sind deutlich als späte Reimverwilderungen zu erkennen, also keine Stützen für die auch dem Gehalt nach unmögliche Frühdatierung. Das Gedicht muß sich zu Beginn des 16. Jhs. am Niederrhein großer Beliebtheit erfreut haben, wie die 6 erhaltenen Kölner Drucke aus der Zeit von 1500—1520 beweisen, welche neben einer einzigen, roh auf das 15. Jh. datierten Hs. bestehen. Eine Herstellung und Ausgabe mit Hilfe der fünf noch unveröffentlichten Drucke ist bisher nicht unternommen worden; besonders der älteste Druck von Joh. Koelhoff d. J. (um 1500) dürfte dafür wichtig sein.
'Trierer Marienklage'
664
Hs. (Fragm.): Brit. Mus.Ms.SloaneNr.2601,Pap,. 15. Jh., Bl. 29b —38b, ed. R. P r i e b s c h Nd. Jb. 18 (1892), S. 105 — i n ; vgl. d e r s . Dt. Hss. in England II, 1901, S. 28f.; Drucke: B o r c h l i n g C l a u ß e n Nr. 342 (um 1500), 341 (um 1500), 463 (um 1509), 530 (1513; ed. O. S c h a d e Geistl. Gedichte S. 214 — 224; vgl. ebda. S. 205 f.), 553 (1514), 667 (um 1520). — Literatur: A. S c h ö n b a c h Über die Marienklagen 1874, S. 49; A r t h u r M ü l l e r Das niederrhein. Marienlob Diss. Berlin 1907, S. n g f . ; G. S e e w a l d Die Marienklage im mlat. Schrifttum. . . Masch.-Diss. Hamburg 1953, s-I29'
Hans Eggers
'Prager Marienklage.' Die wohl erst aus
dem 16. Jh. stammende P. ist eine dramatische, jedoch nicht zur Aufführung bestimmte Mkl. von 256 Versen. Sie ist letzter Ausläufer der Böhmischen Gruppe (s. 'Münchener Mkl.'), zeigt im übrigen auch Anklänge an das Egerer Fronleichnamspiel und andere Marienklagen. P. ist das Werk einer Nonne, die mit geringer, aus Erinnerungsstücken gespeister Begabung der alten Tradition ihren Tribut zollt. Hs.: Prag, Univ.-Bibl. Nr. X V I 9, 33, 3. Band, Bl. 179a—187a, Pap., 160, 16. Jh. (3 Bände Gebetbücher von und für Nonnen). — Ausgabe: A. S c h ö n b a c h Über die Marienklagen 1874, S.63 — 70; vgl. ferner ebda. S. 43 f.
Hans Eggers
'Trierer Marienklage.' Tr. ist eine umfang-
reiche dramatische Marienklage von rund 400 dt. und zahlreichen eingestreuten lat. Hymnen- und Psalmen versen. In geschlossenem Aufbau, der an die 'Erlauer Mkl.* (s. d.) erinnert, zeigt die erste Hälfte die fast allen dramatischen Marienklagen gemeinsamen Stationen: 1. Klagegespräch zwischen Maria und Johannes (hier durch Hinzuziehung von Petrus erweitert) und Aufbruch zum Kreuz; 2. Christus vertraut die Mutter seinem Jünger Johannes an; 3. Johannes führt Maria beiseite. Im weiteren Verlauf wird der geschlossene Rahmen der Mkl. dadurch gesprengt, daß nunmehr die Christusgestalt, wie im Passionsspiel, in den Mittelpunkt tritt, wodurch Maria zur Randfigur wird. Das mangelnde Gleichgewicht zwischen den beiden Teilen hat Tr. mit der in das Alsfelder Passionsspiel (s. d.) eingelegten Marienklage gemeinsam, mit der sie auf dieselbe deutsche Vorlage zurückgeht. Über diese Vorlage ist Näheres nicht ermittelt.
66 5
'Weimarer Marienklage' •— 'Mariensequenz aus St. Lambrecht (Seckau)'
Hs.: Trier, Stadtbibl., Ms. 75, 15 BU., 15. Jh., mit Neumen; Abschrift dieser Hs. Berlin Germ. 4° 571- — Ausgabe: H. H o f f m a n n Fund.gr. II, S. 260 — 279; W a c k e r n a g e l K L . II, S. 347 — 353 (Nr. 510). — Literatur: A. E. S c h ö n b a c h Über die Marienklagen 1874, S. 20 — 28; B o h n Monatshefte f. Musikgesch. 9 (1877), S. i f . , 17 — 24 (mit Umschrift der Melodie); W. L i p p h a r d t Finkensteiner Liederbuch 2, 10. Jg. (1933), S. 40; G. S e e w a l d Die Marienklage im mlat. Schrifttum Masch.Diss. Hamburg 1953, S. 46 — 49 und passim.
Hans Eggers 'Weimarer Marienklage', s. 'A u£ s b u r g e r Marienklage'. 'Wiblinger Marienklage.' Die 772 umfassende W . ist eine stark erweiterte Fassung der sogenannten 'Augsburger Mkl.' (s. d.) ohne eigenen poetischen Wert. Sie ist geschrieben im Benediktinerkloster Wiblingen. Hs.: Stiftsbibl. Kremsmünster Nr. 404, Pap., 1498/99, Bl. 55a—68a. — Ausgabe: S. M a y r Z w e i Marienklagen Progr. Kremsmünster, Linz 1882,
Wolfenbütteler Marienklage. W . ist eine nd., dramatische Mkl. von 464 Versen, in der aber das dramatische Geschehen hinter der eigentlichen Klage stark zurücktritt. Das Stück beginnt mit der Klage um Christi Leiden, unterbrochen durch den Weg zum Kreuz. In knapper Darstellung folgen die Ereignisse unter dem Kreuz; zwei Drittel des Ganzen sind der nun folgenden Klage um Christi Tod gewidmet. Durch die Kreuzabnahme wird diese zweite Klage zweigeteilt, wie es auch schon bei der ersten der Fall war. Anzumerken ist, daß hier Christus erst durch die Bitten der Mutter veranlaßt wird, den Sündern zu vergeben, nachdem er sich zunächst geweigert hat. Dieses Motiv ist in keiner anderen dt. Mkl. zu finden. Hs.: Landesbibl. Wolfenbüttel, Cod. Heimst. Nr. 965, kl. qu., Pap., Mitte des 15. Jhs., Bl. 169a bis 192a, wohl aus Braunschweig stammend. — Ausgabe: O. S c h ö n e m a n n Sündenfall u. Marienklage 1855, S. 127 — 168 (mit den Musiknoten der Hs.). — Literatur: A. B r i n k m a n n Liturgische u. volkstüml. Formen im geistl. Spiel des MAs. 1932, S. 40—42; G. S e e w a l d Die Marienklage im mlat. Schrifttum. . . Masch.-Diss. Hamburg 1953, S. 4 9 I
666
einer korrupten Hs. hergestellten Ausgabe 411 Verse umfaßt. Mindestens 40 Verse sind aus später gefundenen Hss. einzufügen, aber auch damit sind die Lücken der Überlieferung noch nicht geschlossen. Das Gedicht könnte in ungleich lange, aber wohl unsangbare Strophen gegliedert sein, doch läßt der Zustand der Überlieferung kein sicheres Urteil zu. Das jM. ergeht sich in der immer wiederholten Anrufung der Gottesmutter mit einer Fülle der ihr zukommenden symbolischen Namen, in der Darstellung ihrer Herrlichkeit, in der wiederholten Beteuerung, daß niemand ihren Preis angemessen verkünden könne, und in kurzen, wiederholten Gebeten um ihre gnädige Hilfe. Gegen Schluß geht das Lob in ein Gebet an Maria über. Trotz der immer wiederkehrenden gleichartigen Stilelemente wirkt das Gedicht nicht eintönig. Es ist in einem anmutigen, leichten Stil verfaßt, der seinen Schmuck durch die Verwendung seltener, aber nicht gesucht wirkender Wörter erhält. Diese Leichtigkeit des Stils wird außer durch den einfachen syntaktischen Fluß der Sätze und den steten Wechsel der Formelemente auch dadurch erreicht, daß die vielen schweren Sinnbilder und Symbole der Mariennamen nicht Raum erhalten, ihr Gewicht auszuwirken. In ihrer Häufung verdrängen sie einander, wodurch sie ihrer Schwere entkleidet werden und nur der Eindruck einer unendlich reichen, im Einzelnen nicht mehr faßbaren Fülle entsteht. In dieser stilistischen Gestaltung liegt die Originalität des Gedichts, das sich dem Inhalt nach aus lauter topischen Elementen zusammensetzt. Entstanden ist es um die Wende des 13./14. Jhs. in Mitteldeutschland. Hss.: Vgl. die Übersicht in P B B . 53, S. 419 bis 421. — Ausgabe: A. J e i t t e l e s Germ. 31 (1886), S. 291 — 310. — Literatur: H. F. R o s e n f e l d P B B . 53 (1929), S. 4 1 9 - 4 3 1 H a n s E g g e r s
'Marienlob, Rheinisches' (Nachtrag):
Hans Eggers
G. T a u b e r t Zur Metrik des Rh. M. Masch.Diss. Marbg. 1949. H. de B o o r Gesch. d. dt. Lit. 2 (1953)- S. 385-389. Hannemann
'Jüngeres Marienlob'. Das auch unter dem Titel „Lobgesang auf Maria" bekannte jM. ist ein Preisgedicht, welches in der aus
'Mariensequenz aus St. Lambrecht (Seckau).' 1. Die Mariensequenz aus St. Lambrecht
'Mariensequenz aus Muri' — Marschalk, Nikolaus
667
wird seit E i c h l e r s (s. u.) Nachweisungen über die Herkunft des Hs. neuerdings meist als M. aus Seckau bezeichnet. Sie ist fragmentarisch überliefert; nur die ersten sieben Strophen mit 38 Versen sind erhalten. Die Überlieferung ist verderbt; die Ausgaben kommen nicht ohne zahlreiche Konjekturen aus. Demnach ist der hs.-liehe Text jedenfalls Abschrift; wir sind für das Original nicht an die Lokalisierung im steirischen Seckau gebunden, womit aber die Herkunft aus St. Blasien, die K e l l e als Möglichkeit andeutet, noch keineswegs erwiesen ist. Innere Gründe sprechen freilich dafür, daß diese älteste erhaltene dt. Sequenz im Umkreise der alemann. Kirchenmusikpflege entstanden ist. Auch eine eindeutige Zeitbestimmung ist noch nicht gelungen. Der Ansatz auf die Zeit um 1150 hat am meisten Wahrscheinlichkeit. 2. In ihren ersten drei Strophen übersetzt die M. den Anfang der lat. Sequenz Ave praeclara maris Stella, und die vierte Strophe
enthält noch Anklänge an dieses Vorbild, während für das Weitere keine unmittelbare lat. Vorlage zu ermitteln ist. Über Form und Gesamtanlage der M. ist bei ihrem bruchstückhaften Charakter wenig auszusagen. Die ersten fünf Strophen (drei Verse; viermal sechs Verse in Paarreimen) enthalten einen Marienpreis, in den in der dritten Strophe ein kurzes Gebet eingeflochten ist. Die sechste Strophe, wieder dreizeilig, aber im Metrum von der ersten verschieden, enthält den Heilsbeschluß Gottes, an den sich in der achtzeiligen siebenten Strophe der englische Gruß anschließt. Man darf vermuten, daß damit auf Christi Erlösungstat übergeleitet wurde, und daß das Gedicht etwa in einem Gebet um Fürbitte an Maria seinen Abschluß fand. Hs.: Univ.-Bibl. Graz Nr. 287, 40, Perg., 12. Jh., Bl. 8b (danach ein Blatt ausgeschnitten; die Mbricht am Schluß der Seite mitten im Wort ab). — Abdruck: D i e m e r Dt. Gedichte S. 384, vglS . L I . - Ausgaben: MSD. I 3 , Nr. 41, dazu II 3 , S. 251 — 253; A . W a a g Kl. dt. Gedichte 1 Nr. 16, dazu S. CVIIIf.; Konjekturen: P. W a l l n e r PBB. 43
(1918),
S. 1 7 6 — 1 7 8 .
—
Literatur:
Kelle
Litgesch. II, S. 47I, S. 271; W. S c h e r e r QF. 12, S. 68; F. v. d. L e y e n Kl. Beiträge S. 62 u. pass.; F. V o g t Mhd. Litgesch. I 3 , S. 45t.; E h r i s m a n n II, 1, S. 213 — 215; J . S c h w i e t e r i n g Dt. Dichtung des MAs. S. 123I; L. J ö r s s Das Arnsteiner Ma-
668
riengebet und die Sequenzen des MAs. Diss. M a r b u r g 1920; F . E i c h l e r Über die Herkunft einiger angeblich St. Lambrechter Hss. Z b l f B b l w . 35 (1918),
' 49
Ó4 '
Hans Eggers
'Mariensequenz aus Muri', s. ' S e q u e n z
a u s Muri'. Markgraf von Hohenburg, s.
Konrad
von Hohenburg. Marquard von Lindau (Nachtrag) : Zu 2a, 5. W e i t e r e Hss. 'De nobilitate
creatura-
rum' : München Bayr. Nat.-Mus. 3612, Bl. 95a bis 106a und Berlin theol. F. 157. Vgl. P. L e h m a n n M S B . 1916, 4, S. 54. —
10. 'De perfectione
humani-
' Tractatus
corporis
Christi')
tatis Christi' ist auch überliefert in München Bayr. Nat.-Mus. 3612, Bl. 81b —86a (unter dem Titel de nobilitate
et animae
und Berlin theol. F. 157 (damit in der Münchner Hs. zu vergleichen die ähnlichen Traktate Bl. I22aff. und i58ff.), s. P. L e h m a n n a.a.O., S.53. 16. 'De poenis damnatorum' auch in München B a y r . N a t . - M u s . 3612, B l . 86a — 9 4 b
('Tractatus
de penis inferni') und Berlin theol. F. 157, siehe P. L e h m a n n a.a.O., S. 54. Zu 25. Das Buch der zehn Gebote ist auch in Wien Nat.-Bibl. 2827, Bl. i a f f . überliefert (siehe H. V o l l m e r in Bibel und dt. Kultur 9, 1939, S. 45*) und wie in Wien Schottenstift 301, s. A. H ü b l Catalogus codicum mscr. in bibl. monasterii B.M.V. ad Scotos Vindobonae... 1899, S . 327, v o r
dem ,,Evangeliarium" des J . Bischof (s. d.). Beidemal scheint der Vorname Marcus zu lauten, s. auch H. V o l l m e r a.a.O., S. 48*. Zu 2 c .
'Tractatus
de remuneratione
clericorum'
steht auch in München Bayr. Nat.-Mus. 3612, Bl. 73a — 8 0 a ('Tractatus
m a n n a.a.O., S.53.
de premio patrie'),
s. P . L e h -
K . L.
F . L a n d m a n n Zum Predigtwesen der Straßbg. Franzisk. Provinz in der letzten Zeit des MAs.
Franziskan. Studien 15 (1928), S. 96 — 98. Ph. S t r a u c h Die dt. Predigten des M. v. L. PBB. 54
(1930), S. 1 6 1 — 2 0 1 . sein ¡iterar. Nachlaß
O. B o n m a n n M. v. L. und F r a n z i s k . S t u d . 21 (1934),
S- 315 — 343- J.M. C l a r k Neuesüber M. v. L. PBB. 64, 1940, S. 47t. Ders. M. v. L. and his use of exempla MLR. 1942, S. 246 — 251. W. S t a m m l e r Von der Mystik zum Barock2 1950, S . 618. W . K o s c h Dt. Lit.-Lexikon 2 2 (1953), S . 1 6 4 9 t .
— Statt „Glasbrenner" o. Glas(s)berger, Nicolaus (aus Chronist der Straßburger f 1508, s. F. D ö l l e Lex. f.
193 2 . S P- 5 r 9)-
III, Sp. 268ff. lies Olmütz, OFM. und Observantenprovinz, Theol. u. Kirche 4,
Hannemann
Marschalk, Nikolaus, ein Erfurter Frühhumanist, verfaßte ein diätetisches Spezialwörterbuch mit dem Titel ' Instrumentum leue in Psellum philosophum et medicum de natura eibarum communium'. Es ist dem
Martin, L e u t p r i e s t e r
66g
Knaben Peter Eberbach, Sohn des Erfurter Medizinprofessors Georg Eberbach, gewidmet und wurde 1499 in Erfurt gedruckt. Der Bewidmete war 1497 an der Universität immatrikuliert worden und sollte durch die Schrift Ms. eine Anleitung zum richtigen Verständnis des Psellus erhalten, der manche wenig bekannte Vokabeln aus der Küche enthält. M. hat das Werkchen in anderthalb Tagen zusammengestellt. K.
Sudhoff
(1908) Nr. » 3 .
Deutsche
medizin.
670
— M a t t h i a s (oder M a t t h e s ) von Günzburg
Inkunabeln G e r h a r d
E
.
s
Martin, Leutpriester. In einem Papstschreiben von 1370 ist M a r t i n u s K u c h l m e i s t e r genannt und als intrusus des Salzburger Erzbischofs bezeichnet, auch im Stiftungsbuch von St. Peter zweimal aufgeführt ; jedenfalls war er eher ein Pfründeninhaber als in erster Linie amtierender Priester. Möglicherweise verfaßte er den überwiegenden Teil der bisher dem „Mönch von Salzburg" (s. Hermann, der M. v. S.) zugeschriebenen Gedichte, insbesondere alle unter dessen Namen herausgegebenen weltlichen Lieder. Da eine Anzahl ausgesprochener Auftragsgedichte zu erkennen ist, könnte M. nicht mit Unrecht als „Hofdichter" des Erzbischofs Pilgrim bezeichnet werden. F . A. M a y e r und H . R i e t s c h Die MondseeWiener Liederhs. und der Mönch von Salzburg ( A c t a Germ. I I I , 4 u. I V ) . 1 8 9 4 — 96. R . B a u e r r e i ß Wer ist der ,,Mönch von Salzburg"? Stud. u. Mitt. z. Gesch. d. Bened.-Ordens 5 2 (1934), S. 209. H . N o a c k Der ,,Mönch von Salzburg" Diss. Breslau 1 9 4 1 , bes. S. 7 7 f f . ; vier neue T e x t e geistl. Übersetzungen S. 89 — 99. E v a F r e d r i c h Der Ruf, eine Gattung des geistlichen Volksliedes ( G e r m a n . Studien 1 7 4 ) 1 9 3 6 , S. 1 3 9 .
Ludwig Denecke Martin von Amberg (Nachtrag), s. auch V i n t l e r , Hans. W e i t e r e Hss. 1 2 . Berlin Staatsbibl. germ. qu. 1860, B l . 2 2 7 — 3 2 8 v o m J a h r 1 4 4 3 , bair. — 1 3 . Berlin Staatsbibl. germ. qu. 1 9 7 3 , Bl. 4 7 5 — 500, 1 5 . J h . — 14. Berlin Staatsbibl. germ. oct. 7 0 7 , B l . 1 — 3 9 . v o m J a h r 1 4 7 9 aus Nikolsburg. — Z u m 'Gewissenspiegel' W . S t a m m l e r Dt. Scholastik ZfdPh. 7 2 ( 1 9 5 3 ) , S. i 6 f : „ E i n e Ausgabe wäre aus geistes- und stilgeschichtl. wie volkskundlichen Gründen dringend zu w ü n s c h e n " .
L. Denecke
Martin von Bartenstein aus Franken, Augustiner im Martinskloster auf dem
Zürichberg, verfaßte und schrieb gegen Ende des 15. Jhs. eine dt. Legende von Felix, Regula und Exuperantius mit der Sage von der Gründung Zürichs im Cod. A118 der Zentralbibl. Zürich. Ein Verwandtschaftsverhältnis zu Joh. Chr. Bartenstein, dem außenpolitischen Berater Karls VI. und Maria Theresias, konnte bisher nicht festgestellt werden. H i s t . - B i o g r . L e x i k o n der Schweiz, B d . 1 ( 1 9 2 1 ) , B e r i c h t e über die wissenschaftlichen S. 5 7 5 ; U n t e r n e h m u n g e n der (Preuß.) Akademie, ausgegeben a m 24. März 1 9 3 8 , S. 1 2 ; O. B a r t e n s t e i n Beitr. z. Bartensteinschen Familien-Gesch. (l9Io)-
S. Sudhof
Martin von Salzburg (Nachtrag). Nach R. B a u e r r e i s s Wer ist der „Mönch von Salzburg" ? Stud. u. Mitteil. z. Gesch. d. Bened.-Ord. 54 (1934), S. 204—220 (vgl. Ders. Kirchengesch. Bayerns 4, 1953, S. 209) und H. N o a c k Der „Mönch von Salzburg" Diss. Breslau 1941 stammen die dem „Mönch" als Verf. und Martin v. S. als Komponisten zugeschriebenen geistl. und weltl. Lieder von dem Leutpriester Martin Küchlmeister und dem Salzburger Abt Johannes von Rossessing bei Mühldorf (t I 375) • ' »»Am dunkelsten ist die Gestalt des Mitarbeiters, des . . . Laypriesters Martin" ( B a u e r r e i s s , vgl. J . K o t h e Die S . Osterlieder d. MAs. Diss. Breslau 1939, ¿i.56ff.). Matthäus von Krakau (Nachtrag); G. R i t t e r Die Heidelbg. und 3 3 4 ff.
Univ. 1(1936), S.24Öff.
Hannemann
Matthias (oder Matthes) von Günzburg: Mit dem G u n t z b u r g e r (siehe Bd. I I Sp. 126) ist höchst wahrscheinlich identisch Matthias (oder Matthes) von Günzburg, der als Schreiber einer Reihe von Hss. bekannt ist. Von seiner Hand rühren her der Heidelberger cpg. 393, in dem „Sibyllen Weissagung" (s.d.) Bl. 301a folgenden Schluß hat (vgl. P B B . 4, S. 50): Dz helff vns die göttlich trinität / Von Guntzburg Mat' geschrieben haut / In gottes / name ame / Ich wart d'zeit / Such für dich / Glück ist misslich. I Ähnlich hat die verlorene Hs. von „Kaiser Lucius Tochter" (abgedruckt vdHagens Germ. I X S. 187) als Schlußschrift: m
Matthias von Kemnat —
v G dz geschribe haut / Inn gottes / namen ame / Ich har vff gnäd / . In der Berliner Hs. Ms. Germ. Q. 478 findet sich sein Name mehrfach, unter der Georgslegende und hinter Schondochs (s. d.) „Königin von Frankreich" in der Form Mat' ve Guntzburg dz gl haut {Mat' von L. P f a n n m ü l l e r Die vier Redaktionen der 'Heidin' Pal. 108, S. 489 irrtümlich als Madel aufgelöst, von v a n D a m o. II, S. 131 als Mats), hinter der „Heidin I I " in der Form In gottes / nante ante / Ich warft d' zeit / M . v . G . H. Niewöhner Matthias von Kemnat (Nachtrag): K . W i n k l e r Lit. Gesch. des oberpfälz.-egerländ. Stammes 1 (1940), S. 136—138. H. H a r t w i g Ein Fundbericht aus d. Bibl. d. Reichsgerichts ZblfBblw. 58 (1941), S. 114 —116. G. H e r t z o g Zur Gesch. Friedrs. des Siegr. v. d. Pfalz Mitt. des H. v. der Pfalz 37/8,1918, S. 9 1 - 1 0 4 . Hannemann
Matthias von Neuenburg. Nachdem die lebhaften Kontroversen des vorigen Jhs. zur Ruhe gekommen sind, gilt Mathias de Nuwenburg, d. i. Neuenburg im Breisgau, heute wohl allgemein als Vf. einer wichtigen, in mehreren Fassungen überlieferten Chronik, die seit Cuspinianus einem Albertus Argentinensis zugeschrieben worden war. M. studierte in Bologna, war in Basel und am bischöflichen Gericht in Straßburg unter Bischof Berthold von Bucheck tätig, für den er zweimal, 1335 und 1338, an der Kurie zu Avignon Verhandlungen führte; er starb 1364 wahrscheinlich in Straßburg. Seine 'Cronica' beginnt mit der letzten Zeit Kaiser Friedrichs II. und reicht bis 1350; die Ereignisse der letzten Jahre schrieb M. gleichzeitig nieder. Im Mittelpunkt des Werkes steht das Haus Habsburg, über dessen Ursprung gleich zu Anfang gesprochen wird; neben der habsburgischen Einstellung des Vfs. kommen seine lokalen Interessen deutlich zum Ausdruck. Für die ältere Geschichte der Habsburger scheint M. eine verschollene Chronik des Hauses benützt zu haben, für seine eigene Zeit verdankt er viele Kenntnisse seiner Stellung bei Bischof Berthold. Das Werk wird als eine der zuverlässigsten Quellen für die Zeit von Rudolf von Habsburg bis in die Mitte des 14. Jhs. geschätzt; zahlreiche
Mauritius
672
Anekdoten machen seine Lektüre anziehend. Der Stil ist einfach und frei von Gelehrsamkeit, Zitate aus Bibel und antiker Literatur fehlen so gut wie ganz; die handelnden Personen werden gerne direkt redend eingeführt. Die Chronik erhielt 4 verschiedene Fortsetzungen, die späteste reicht bis 1378. Im MA. scheint die Verbreitung nicht sonderlich groß gewesen zu sein. Mit den 'Gesta Bertholdi de Bucheck' gelang M. eine wertvolle Biographie. Hss., ältere Ausgaben und Literatur bei P o t t h a s t I, S. 7 8 0 ! O. L o r e n z Geschichtsquellen I, S. 3öff. u. ö. Maßgebende Ausgabe von A. H o f m e i s t e r Chronica Mathiae de Nuwenburg SS. rer. Germ. Nova series. IV, 1924/40. Übersetzung von G. G r a n d a u r - L . W e i l a n d Geschschreiber der dt. Vorzeit
3 IQI2,
N r . 84.
, ... .
Brunholzl
Maul von Enisheim. In der Rezeptsammlung des Thomas von Wasserburg (s. d.), die 1501 in dem von verschiedenen Händen geschriebenen Cod. ms. med. 801 4 0 der Hamburger Staats- und U.-Bibl. eingetragen wurde, findet sich eine M. zugeschriebene Badeanweisung. Der Vf. war wahrscheinlich ein Wundarzt im Elsaß. Er wird auf S. 286 und 287 so bezeichnet: Item ein bad von dem maul von enißhein. Der darunter stehende T e x t gibt an, in welcher Menge bestimmte Heilkräuter für ein Bad zu verwenden sind, das contra podagra wirksam sein soll. A. K n a p p ThomasvonWasserburgMed. Masch. Diss. München 1954, S. 51. „ , ,
Gerhard Eis
Mauricius, Schulrector in Landau, verfaßte Reimsprüche über die Beichte, die im clm. 18877 a u s Tegernsee (15. Jh.), Bl. 125 a — 1 3 2 a überliefert sind. Die Überschrift : sequens opusculum de penitentia compilavit magister nomine Mauricius rector scolarium in landau et legit in scolis sagt, wozu M. die Verse schuf und wie er sie benutzte. In 21 Sprüchen folgen auf jeweils 1 — 6 lat. Hexameter (im Ganzen 52) je 4 — 1 7 dt. Reimpaarverse (im Ganzen 135). Sie handeln hauptsächlich von Beichte und Sündenbekenntnis, Lastern und Tugenden, warnen und ermahnen, zählen aber auch die acht Seligkeiten und die Sakramente, die sieben Gaben des hl. Geistes und die fünf Sinne auf. Einige der lat. Memorial verse
Maximilian I.
673
— Meise, Heinrich
stammen nachweislich nicht von M.; ob alle nicht, bleibt zu klären. Sicherlich gehören ihm die dt. Versübertragungen, zumal ihr Dialekt bair. ist und zu Landau an der Isar paßt. E r trachtete, alle lat. Worte wiederzugeben, und scheute sich nicht, um den Sinn recht klar herauszustellen, ausführlicher (fast bis zum Dreifachen) zu werden oder einführende Worte hinzuzufügen sowie Warnung und Ermahnung. Seine Verse sind z. T. annehmbar und gefällig, kommen aber meistens nicht über die übliche Reimerei hinaus. Ihren Zweck als Memorialverse haben sie gewiß erreicht und den Schülern den Wissensstoff zur Beichte in einprägsamer Form nahegebracht. Dieses Schulbuch für den Religionsunterricht ist übrigens auch mit zahlreichen Glossen zum lat. T e x t versehen (fer 9: compassionem habe oder vix 20, 2: difficulter) und zeigt sich damit als Handexemplar eines Lehrers oder für den Lehrer. Her. von E. H a b e l ZfdA. 51, 1909, S. 273 bis 2 8 °'
K . L.
Maximilian I. (Nachtrag): F . E i c h l e r ZblfBblw. 53 (1936), S. 190—196 und S. K i l l e r m a n n St. Wiborada 7 (1940), S. 37 — 40 (Gebetbuch). K . Ä u s s e r e r MIÖG. 56 (1948), S. 3 8 5 - 4 1 7 (Tiroler Jagdbuch). K . S c h o t t e n l o h e r Bibliogr. zur dt. Gesch. im Zeitalter der Glaubensspaltung 3, S. 27 — 38 und 5, S. 4 0 4 ! J. K i r c h n e r Lex. d. Buchwes. 2 (1953), S. 468 bis 470. L. S a n t i f a l l e r Die Preces primariae Ms. I . Festschr. zur Feier d. 200jähr. Bestandes des Haus-, H o f - u . Staatsarchivs 1 (1949), S. 578 — 661. A . C o r e t h Ein Wappenbuch Kaiser Ms. I. ebda., S. 291 — 303. D i e s . Dynast.-polit. Ideen Kaiser Ms. I. Mitteilg. d. österr. Staatsarchivs 3 (1950), S. 81 — 105. J- K . M a y r Das Grab Kaiser Ms. I. ebda., S. 467 — 492. G. E . W a a s The legendary character of Kaiser M. 1941. W . W i n k e r Kaiser M. I. 1950.
'Diu mäze' (Nachtrag): W . S t a m m l e r Z w Datierung der ,,M." ZfdPh. 63 (1938), S. 179 — 182. H. de B o o r Gesch. d. dt. Lit. 2 (1953), 395. THannemann T v » o j . S. JJJ
Mechthild von Magdeburg (Nachtrag): N e u e r e L i t . : E . Z i n t e r Zur myst. Stilkunst Ms. v. M. (Diss. Jena 1931), darin Neuabdruck des Koblenzer Fragments ( = K), S. 46 — 5 1 ; L. B e r t hold Beobacht. zur dt. Myst. GRM. 19 ( i g 3 i ) , S . 4 6 2 ; H. T i l l m a n n Studien zum Dialog bei M. v. M. (Diss. Marburg 1933); E . S p i e ß Ein Zeuge mal. Verfasserlexikon V .
674
Mystik in der Schweiz 1934 (über die Wolhusener Rückübersetzung = Wol); H. G r u n d m a n n Rel. Bewegungen im MA. 1935, S. 327ff., 4 i 7 f f . , 4Ó5ff.; W . M u s c h g Die Mystik in der Schweiz 1935, S. n o f f . ; J. Q u i n t Neue Handschriftenfunde z. Überlieferung Meister Eckharts u. s. Schule 1940, S. 108 (1. Maihinger Fragm. = M 1), 82 (2. Maihinger Fragm. = M 2 ) ; E . H e d e r e r Mystik u. Lyrik 1941, S. I29ff, 2 i 5 f . ; F . - W . W e n t z l a f f E g g e b e r t Dt. Mystik zw. MA. u. Neuzeit 1944, 2 i947, S. 47 —59; R. K a y s e r Minne und Mystik im Werke Ms. v. M. Germ. R e v . 19, 1944, S. 3 — 1 5 ; H. N e u m a n n Problemata Mechtildiana ZfdA. 82 (1948), S. 143 — 172, über die Textgestalt der Einsiedelner Hs. im Verhältnis zur Überlieferung der Fragm., zum verlorenen Original; C. R i c h s t ä t t e r Christusfrömmigkeit in ihrer hist. Entfaltung 1949, S. n g f . ; L. M e y e r Studien z. geistl. Bildsprache im Werke der M. d. M. (Masch.-Diss. Gött. 1951); E. B e c k e r Beitr. z. lat. u. dt. Überlieferung des 'Fließ. Lichts d. Gottheit' (Masch.-Diss. Gött. 1951); M a r g o t S c h m i d t Studien z. Leidproblem bei M. v. M. (Masch.-Diss. Freiburg i. Br. 1952); L . M e n z i e s The revelations of M. of M. (1210—gj) or The flowing light of the Godhead (1953), engl. Übersetzung aus der Einsiedelner Hs.; H. N e u m a n n Fragmenta Mechtildiana inédita Ann. Acad. Scient. Fenn. 84, 12 (1954), S. 161 — 178, über das Londoner ( = L) und das Stuttgarter ( = S) Fragment nebst Abdruck der T e x t e ; d e r s . Beiträge zur Textgesch. des 'Fl. Lichts der Gotth.' und zur Lebensgesch. Ms. v. M. GGN. 1954, 3; s. auch „Der Minne Spiegel" im Nachtrag. ,T TT
Hans Neumann 'Meierin, Die, mit der Geiß' (Nachtrag). Die dritte Hs. der I. Redaktion ist Dresden Landesbibl. M 68, die II. Redaktion ist nicht in Dresden 481 überliefert, sondern in Karlsruhe Landesbibl. 408 und Berlin Staatsbibl. germ. 4 0 361, vgl. H. N i e w ö h n e r ZfdPh. 65, 1940, S. 193. ^ ^ Meinloh von Söflingen (Nachtrag): M. I t t e n b a c h Der frühe dt. Minnesang 1939, S. 91 — 1 1 6 . C. v. K r a u s Des Minnesangs Frühling, Untersuchungen 1939, S. 35ff. H. B r i n k m a n n Liebeslyrik der dt. Frühe 1952, S. 102 —106 und 369t. H. de B o o r Gesch. d. dt. Lit. 2 (1953), S. 248 f. TT
Hannemann
Meise, Heinrich, von wurtzpurgk nennt sich am Schlüsse des Cod. Pal. Germ. 552 als Vf. und Schreiber unter dem Datum des 27. Januar 1492. Der Codex enthält mehrere traditionsgebundene Stücke abergläubischen Inhalts, Bl. i a — 4 0 b ein Losbuch, Bl. 4 1 a — 5 1 b ein Punktierbuch, Bl. 52 b — 5 4 a eine Anleitung zur Bestimmung 22
Meißener, K a s p a r —
675
der Lebensplaneten, Bl. 54b—55 a eine primitive Monatsregel. Das Losbuch ist auch im Cgm. 472 und im Cod. 7032 des Germ. Museums Nürnberg, geschrieben von Procopius de Crumlovia, beide 15. Jh., überliefert. Die abweichende Bearbeitung im Cgm. 252 (1475) wurde von Bernhard, Heupoldt 1595 in Frankfurt in Druck gegeben. S o t z m a n n Serapeum 12. Jg. 1851, S. 312 bis 315. J. B o l t e G. Wickrams Werke 4, S. 294, 315 bis 317. F . B o e h m H d w b . d. dt. Aberglaubens 3,
SP. 635-647; 5, SP- 1386-1401.
g gyjJ^Qf
Meißener, Kaspar, lieferte 1452 in Neusohl in der mittleren Slowakei eine Bearbeitung der 'Disticha Catonis' mit dem Anhang Nihil utilius genannt 'Facetus'. Es handelt sich nicht um eine Übersetzung aus dem Lat., sondern um eine Bearbeitung des ostmd. Cato. Meißener nennt am Schluß seinen Namen und Wohnsitz mit D a t u m : Geschreben von mir Caspar Meissener Im Newenzol an Sant dorothee obend noch Christi geburt Thausent virhundert vnd Im Czwen vnd funffczigisten Jare, sey got gelobet, wer deme obil spricht, der Teufel im den hals bricht, got behut alle Amen. L . Z a t o c i l Der Neusohler Cato Cato e Facetus.. . Zu den dt. CatoUntersuchungen und bearbeitungen, H . P r o k e r t Zur Ortsbezeichnung K a r p a t e n l a n d V I I (1934), S. H 4 f f . ; Schrifttum in der Slowakei 1944, S.
1935; D e r s . und FacetusTexte 1952; Im Newenzol G. E i s Mdh. 18.
Gerhard Eis Der Meißner dichtete im 15. Jh. den Schwank von der faulen Frau und der Katze, den J. B o l t e in der Zs. d. V. f. Volkskunde X V I I I (1908) S. 59—60 aus dem Münchener cgm. 1020 veröffentlichte und von dem dieselbe Hs. außerdem noch einen Spruch auf den Junker Pfennig enthält. H. Niewöhner 'Meister Reuauss' (Nachtrag) : H . R u p p r i c h Das Wiener Schrifttum d. ausgehd. MAs. Nachrichtenbl. d. Ver. f. Gesch. der S t a d t Wien 2 (1940), S. 90f. TT v
'
Hannemann
Meister von Salzburg. Die Melker Hs. 371 (15. Jh.) überliefert Bl. 462a—469a zwei mystische Predigten, dy ein maister zw Saltzpurg predigt hat\ die erste über den rapius des Apostels Paulus (2. Cor. 12,2),
676
'Melusine'
die zweite (465b) mit dem Initium: Wann sich vnser synn vnd willen zw got piegen, sa get er in dy sei in fümflay wegen. Erwähnt
bei A . S p a m e r
P B B . 34,
S. 369f.
Kurt Ruh 'Meister, Sieben weise', zu 7) dt. Versbearbeitungen s. D i r m s t e i n , H a n s . Meisterlin, Sigismund (Nachtrag) s. a. ,,Ulrichslegende". D e n auf M. zurückgehenden K a t a l o g d e r Kirchenbibl. v o n St. Sebald in N ü r n b e r g teilte P . R u f m i t : Mal. Bibl.-Kataloge Deutschlands u. d. Schweiz I I I , 3 (1939), S. 690 — 718.
Hannemann 'Melusine*. 1. D a s V o l k s b u c h v o n der schönen Melusine wurde 1456 v o n dem Schweizer T h ü r i n g v o n R i n goltingen (gest. 1483 als Schultheiß v o n Bern) für den Markgrafen Rudolf v o n H o c h b e r g aus. dem Franz. in Prosa übertragen und zuerst 1474 in A u g s b u r g bei Johannes B ä m l e r unter dem T i t e l 'Dis abenteuerlich büch beweyset vns von einer frawen genandt Melusina die ein Merfaye .. . was' gedruckt. D e m E r s t d r u c k wurden 71 H o l z s c h n i t t e beigegeben. Die Beliebtheit des W e r k e s beweist die große Zahl der späteren D r u c k e , v o n denen wir bis 1800 e t w a vierzig, darunter a u c h zwei n d . (Lübeck u m 1480, 1485), nachweisen können. H a u p t d r u c k o r t e waren A u g s b u r g und S t r a ß b u r g . I m 19. Jh. ist die Sage mehrfach erneuert worden, so zuerst v o n G. S c h w a b (1836 u. ö.) u n d K . S i m r o c k in ihren V o l k s b u c h s a m m l u n g e n . Schwabs Ü b e r t r a g u n g erschien in der S a m m l u n g R e c l a m und 1922 m i t den Holzschnitten v o n L . Richter. S. R ü t t g e r s N a c h e r z ä h l u n g (1923) enthält die Holzschnitte der Erstausgabe. A u ß e r dem gab F . v . Z o b e l t i t z 1925 eine B e a r b e i t u n g heraus. D e r Stoff h a t schon früh weitere dichterische Gestaltung gefunden: H a n s Sachs 'Die Melusine', Tragödie, 1556; J a c o b A y r e r 'Melusine', Tragödie, 1598; Fr. W . Zachariae 'Zwei neue schöne Märlein' 1 7 7 5 ; Fr. Grillparzer ' M e lusina', Oper, Musik v o n K . K r e u t z e r 1833; Chr. v . Ehrenfels 'Melusine' 1887; als Oper b e a r b e i t e ten den Stoff K . v. Perfall und K . G r a m m a n n ; Goethe verwertete das T h e m a in seiner 'Neuen Melusine' (Wanderj ahre). Illustrât. : M. v. Schwinds Z y k l u s 'Die schöne Melusine' 1868/69 ( K u n s t w a r t 1921).
2. Die Vorlage Thürings v. R. war eine Versdichtung des Trouvère Couldrette, 'Melusigne', die dieser nach einer Prosa des Jean d'Arras (zwischen 1387 und 1394) verfaßt hatte. Die Sage von der Meerfee ist dort mit der Geschichte der Grafen von Poitiers verbunden und Melusine zur Ahnfrau
6 77
678
'Memento mori'
des Hauses Lusignan gemacht worden. Das Märchen von der Wasserfrau verbindet sich also mit geschichtlich-sagenhaften Zügen, es wird zugleich der Rahmen für eine Reihe von Abenteuererzählungen ganz im Sinne der höfischen Zeit. Raimund von Poitiers, aus einer armen Seitenlinie des berühmten Geschlechts, wird von einem reichen Oheim an Kindes Statt angenommen und erzogen. Eines Tages ereilt ihn auf der Jagd ein böses Mißgeschick: er ersticht im Kampf mit einem wilden Eber versehentlich seinen Wohltäter und flieht bestürzt. Im Walde trifft er am Brunnen drei schöne Mädchen, deren schönste, Melusine, ihm gute Ratschläge erteilt und ihm Heil verspricht, wenn er sie zur Frau nimmt. Freilich muß er ihr versprechen, sie nie zu fragen, woher sie stamme, und ihr erlauben, jeden Sonnabend im Verborgenen zu bleiben. Die Hochzeit wird prunkvoll gefeiert, und in der glücklichen Ehe gebiert Melusine zehn Söhne, die alle seltsame Verunstaltungen im Gesicht tragen: sie haben nur ein Auge, ein rotes Mal unterm Kinn, ein Stück haariger Wolfshaut auf der Nase oder ähnliche Zeichen. Trotzdem sind sie tapfere Ritter, die, als sie herangewachsen sind, Abenteuer und Heidenkämpfe bestehen und auf Fürsten- und Königsthrone gelangen. Eines Tages weckt nun der Bruder Raimunds in diesem Zweifel an der Lauterkeit seiner Gemahlin. Er läßt sich verführen, sein Gelübde zu brechen, und forscht ihr am Sonnabend nach. Da sieht er sie im Bade in verwandelter Gestalt: ihr Leib endet in einen silbrig schimmernden Fischschwanz. Als dann einer seiner Söhne aus W u t darüber, daß sein Bruder Freimund Mönch geworden ist, das Kloster mit allen Insassen vernichtet, macht Raimund seine Gattin für dies Unheil verantwortlich. Dadurch ist das Glück der Ehe zerstört;' Melusine verwandelt sich und kehrt klagend in ihr Element zurück, nachdem sie noch guten R a t für die Zukunft ihrer Kinder gegeben hat. Raimund pilgert nach Rom und beschließt sein Leben in einem Kloster.
3. Die Erzählung gehört ihrem Stoff nach noch ganz in die höfische Welt. Aber Märchen und Ritterleben sind nicht mehr miteinander verwoben wie in der Artusdichtung. Die Wesen der jenseitigen Welt sind Gespenster geworden, denen man gehorsam sein muß, andernfalls sie Verderben bringen. Das Motiv der verbotenen Frage wird psychologisch verstanden; blindes Vertrauen steht gegen Mißtrauen. Die Märchenmotivik hat nicht mehr hintergründige Bedeutsamkeit, sondern dient nur dazu, Glück und Unglück zu symbolisieren. Nach dem Sinn des Zufalls fragt man nicht. Kennzeichnend ist der schroffe Gegensatz von natürlichem
und jenseitigem Leben, der sich daran zeigt, daß alles Jenseitige schon wegen seiner Unnatürlichkeit verdächtig erscheint. Die Beliebtheit der Dichtung beruht gewiß auf der Gestalt der Melusine, die nur Gutes wollte und selbst nach ihrer Verwandlung noch als Geist erscheint, ihre jüngsten Kinder säugt und vor schlimmen Ereignissen warnend das Schloß umschwebt. Hier zeigen sich zweifellos Züge psychologischen Verständnisses der Frauenseele, wie sie zu gleicher Zeit in der mystischen Literatur auftreten. Das Jenseitige wird in das Seeleninnere verlegt und als unerforschbares Geheimnis angesehen. Es gibt hier kein Wissen, sondern nur blindes Vertrauen. — Die Erzählkunst des Verfassers ist beachtenswert. Er schreitet rasch voran, gliedert geschickt und findet den warmen Ton, den der Gehalt erfordert. Literatur: M. N o w a c k Die Melusinensage Diss. Zürich 1886. R. K o h l Das Melusinenmotiv. Symbolgesch. Studie 1934. P- H e i t z u. F. R i t t e r Versuch einer Zusammenstellung der dt. Volksbücher 1924 (S. 125 — 130 Bibliogr. d. Drucke). L. M a c k e n s e n Die dt. Volksbücher 1927, Reg., S. 149. S. B e y s c h l a g in: Annalen der dt. L i t . S ' 2Ö9 '
'Memento
W. J. Schröder mori'.
1. Das von seinem Entdecker B a r a c k als 'M. m.' bezeichnete alem. Gedicht ist ähnlich wie die ältere Fassung des 'Ezzoliedes' (s. d.) von jüngerer Hand in die aus dem schwäb. Kloster Ochsenhausen stammende Straßburger Hs. Nr. 1 (germ. 278) eingetragen, die den 3. und 4. Teil der 'Moralia' Gregors des Gr. enthält. Es findet sich hier auf Bl. I54 b und I55 a . In der überlieferten Textgestalt umfaßt das Gedicht 18 Strophen, von denen Str. 8 10, Str. 16 14, alle übrigen 8 Verse umfassen. Wahrscheinlich ist jedoch für die ursprüngliche Fassung nur mit achtzeiligen Strophen zu rechnen. In Str. 8 ist eine deutliche Lücke erkennbar, da das Verspaar ter eino ist wise unde vruotj tes wirt er verdamnot in seinen Reimen anstößig ist und außerdem ter eino ein gegensätzliches ter ander erfordert. In Str. 16 sind die Verse 5 f. eine fast wörtliche Wiederholung von V. i f . von Str. 3, und auch die Verse 11 —14 von Str. 15 fallen reimtechnisch ganz aus dem Rahmen. Das Gedicht gilt bis auf die umstrittenen beiden Schlußverse, die wenigstens teilweise als Schreiberzusatz betrachtet werden, als einheitlich. Es fragt sich jedoch, ob wir nicht drei verschiedene Teile unterscheiden müssen. In den Str. 1 —16 spricht der Dichter nur von ir, in den Strophen 17 und 18, 1 — 6 nur von wir, in den beiden Schlußversen unvermittelt wieder von ir. Daß sich die Str. 17 und 18, 1 — 6 von den vor» 22«
679
Mengin, Nikolaus
hergehenden unterscheiden und Sprache und Gedanken in ihnen 'eine fühlbare Steigerung' erfahren, h a t schon E h r i s m a n n beobachtet, ohne jedoch eine Folgerung daraus zu ziehen. Bezeichnend für sie ist die Verwendung der lat. Worte mundus (17,1) und nobis misere (18,2), die sonst keine Entsprechung haben. In Str. 4,1 bietet die Hs. zwar Paradysum, doch hat hier S t e i n m e y e r mit Recht Paradys hergestellt. A u c h wäre Paradysum nicht ohne weiteres mit mundus und nobis misere zu vergleichen. Es scheinen demnach zwei verschiedene Gedichte miteinander verbunden zu sein, wozu der Schreiber dann noch die Verse fro so mozint ir wesin iemerj daz machot allein (l. all ein) noker hinzugefügt hat.
2. Daß Noker der Name des Dichters, nicht aber des Schreibers ist, sehen wir an dem auszeichnenden ein. Das all aber läßt erkennen, daß beide Gedichte von ihm geschriebens ein werden. Noker ist eine in Schweizer Quellen schon seit dem 9. Jh. begegnende und im 1 1 . — 1 3 . Jh. öfter vorkommende Nebenform von Notker. Die Versuche, seinen Träger zu bestimmen, haben bisher zu keinem einwandfreien Ergebnis geführt. Wenn H e r z o g (Germ. 30, S. 60—63) wegen der Angabe Hos libros scripserunt pene omnes Nokerus et Heinricus in den ' Acta Murensia' cap. 5 an den Schreiber Noker des Klosters Muri dachte, so scheitert dies schon aus zeitlichen Gründen, da jener bereits um 1050 gestorben sein wird. M a r l i e s D i t t r i c h (ZfdA. 72, S. 5 bis 80) hat deshalb auf den 1095 verstorbenen A b t Noggerus des in der Nähe vom Kloster Ochsenhausen gelegenen Klosters Zwiefalten verwiesen und ihn als Dichter und Schreiber des "M. m.' in Anspruch genommen. Daß er auf keinen Fall der Schreiber gewesen sein kann, lehrt ein Noker. Zudem hat H. M e n h a r d t (ZfdA. 80, S. 7 f.) gezeigt, daß die Hs., in die das Gedicht und das 'Ezzolied' später eingetragen worden sind, aus paläographischen Gründen erst um 1130 angesetzt werden kann. Auch verbietet die Überlieferung die Annahme einer Gleichheit von Dichter und Schreiber. Ob Noker von Zwiefalten der Dichter gewesen sein kann, bleibt zweifelhaft, da auch andere Noker vor 1130 in Betracht kommen. Daß er ausschließlich Noggerus oder Nothgerus genannt wird, spricht nicht gerade für diese Annahme. 3. Sowohl die Str. 1 — 1 6 als auch die beiden folgenden Str. atmen cluniazensischen Geist.
680
Jene enthalten eine Aufforderung an wib unde man, bereit zu sein in der Stunde des Todes. ter man einer stuntwilo zergat, also skiere so diu brawa zesamine geslat. Die Forderungen des Predigers sind Nächstenliebe, Gerechtigkeit und gute Werke. Das Gedicht schließt mit einem Gleichnis von einem Wanderer, der sich unter einem schönen B a u m ausruht und einschläft. A l s er erwacht, hat er die Zeit versäumt. Ir bezeichint allo den man ... ter boum bezechint tisa werlt. Das Folgende ist auf jeden Fall bruchstückhaft überliefert. E s beginnt mit einer Anklage der W e l t : Ja du vil übeler mundus, wie betriugist tu uns sus\ In der zweiten Str. wendet sich der Dichter im Gebet an Christus. E r soll den Sinn der Menschen so lenken, daß sie die Seele bewahren.
4. Die beiden Gedichte werden gegen Ende des 11. Jhs. entstanden sein. Wie U. P r e t z e l (Frühgesch. des dt. Reims 1941, S. 100—103) gezeigt hat, steht das Endsilbenprinzip als Grundlage der Reimkunst fest. Es rückt sie von 'Merigarto' (s. d.) und 'Ezzolied' ab, wozu Ehrismann das 'M.m.' stellen wollte. Primitive Reime fehlen.Freilich stehen die Gedichte innerhalb der Endsilbenreimer am Anfang. Die konsonantische Stützung der reimenden Endsilben ist sehr gering. Die Sprache namentlich von Str. 1 — 1 6 ist sehr schlicht. Kennzeichnend ist der parataktische Bau der Sätze. Stilistische Feinheiten fehlen. Die Wirkung soll nicht durch die Form, sondern durch den Inhalt erreicht werden. Das 'M. m.' hat zuerst B a r a c k ZfdA. 23, S. 209 — 216 herausgegeben. 1879 h a t er auch eine Faksimileausgabe veranstaltet: Ezzos Gesang von den Wundern Christi und Notkers Memento mori in phototyp. Facs. der Straßburger Hs. Später ist es noch mehrfach gedruckt worden. Vgl. M S D . Nr. 3o b u. II®, S. 164 — 168; B r a u n e Ahd. Leseb. Nr. X L I I . Das Schrifttum verzeichnen E h r i s m a n n II, 1, S. 184 —186; B r a u n e a . a . O . , n S . 164. Nachzutragen sind: H. de B o o r Die dt. Lit. von Karl dem Gr. bis zum Beginn der höfischen Dichtung S. i 4 o f . ; H u g o K u h n Minne oder Reht (Studien z. dt. Philologie des MAs., Friedr. Panzer zum 80. Geburtstag) 1950, S. 29 — 37; W . S c h r ö d e r P B B . 72, S. 321 ff.; H. R u p p P B B . 74, S. 321
~354'
Willy Krogmann
Mengin, Nikolaus, lebte zu Beginn des 16. Jhs. in Nancy (Nanzey), wo er den Beruf eines Secretarius ausübte. E r übersetzte eine wenig bedeutende franz. Streitschrift gegen die Venediger ins Deutsche (l Venediger Chronica'), die 1509 von Gaultier Lud zu Saint-Die gedruckt wurde. Das
Mennel, J a k o b —
franz. Original ist nicht nachgewiesen. Am Schluß des dt. Druckes steht eine offenbar von M. selbst gedichtete „Freundliche Mahnung an die Venediger" (20 paarig reimende Verse). Ein franz. Zweizeiler mit dt. Übersetzung, der vielleicht gleichfalls von M. stammt, enthält eine Huldigung an die hl. Jungfrau Maria und an Margareta von Flandern. H . F i s c h e r Kleine Mitteilungen in: G e r m . X X I I I (1878), S. 5 7 I ; G. E i s Mhd. Lieder und Sprüche (1949), S. 210 und 2 3 0 1 Gerhard Ejs
Mennel, Jakob (Nachtrag) : P . A l b e r t Die Geschichtsschreibung der Stadt Freibg. Zs. f. d. Gesch. d. Oberrh. 55 (1901), S. 507 — 509 u. 522ff. D e r s . Die Chronik d. Konstanzer Bischofs Heinrich v. Klingenberg ebda. 59 (1905), S. 179 — 223 (Neudruck der 'Cronica Habspurgensis nuper rigmatice edita' S. 212 — 223). A . L h o t s k y Dr. J. M., ein Vorarlberger im Kreise Kaiser Maximilians I. A l e m . N F . 2 (1936), S. 1 bis 15. D e r s . Apis Colonna. Fabeln u. Theorien über d. Abkunft d. Habsburger M I Ö G . 55 (1944), S. 207 ff.
Hannemann
Merswin, Cuntz. Es ist nicht entschieden, ob M. als Übersetzer oder nur als Schreiber tätig war. Sein Name steht in roter Schrift unter der dt. Übersetzung des 'Memoriale de prerogativa
imperii
Romani'
682
Metellus v o n Tegernsee
des K ö l n e r
Stiftsherrn Alexander von Roes, die in einer aus dem Benediktinerkloster Ettenheimmünster im Schwarzwald stammenden Hs., die nun in Karlsruhe verwahrt wird, erhalten ist. Alexander von Roes richtete seine Denkschrift über die Ordnung der abendländischen Christenheit im Jahre 1281 an den italienischen Kardinaldiakon Jacob Colonna; er vereinigte mit dem 'Memoriale' auch einen etwas älteren lat. Traktat seines Landsmanns Jordan von Osnabrück. Die Arbeit Alexanders von der Roes gewann sehr große Verbreitung (70 Hss.), scheint aber nur einmal ins Deutsche übersetzt worden zu sein, und diese Übersetzung ist bis jetzt nur in der Karlsruher Handschrift nachgewiesen. H. G r u n d m a n n , der ihr eine eingehende Untersuchung gewidmet hat, hält Straßburg für ihren Entstehungsort, gelangt aber zu keiner Entscheidung über die Person des dt. Bearbeiters. Nach seiner Meinung wurde die dt. Fassung „vielleicht 1431 von Cunz Merswin
verfaßt, oder nach 1442 von ihm abgeschrieben". Dem Übersetzer lag eine fehlerhafte Hs. des 'Memoriale' vor; er selbst hat keine weiteren Fehler verschuldet. Er ging ausgesprochen geschickt und umsichtig zu Werke; er strebt möglichst genau zu verdeutschen, ohne der dt. Sprache Gewalt anzutun, und wagt oft eine großzügige, vom Wortlaut abweichende, aber den Sinn richtig erfassende Wiedergabe, wobei er mitunter auch aus eigener Kenntnis Erläuterungen einflicht. Seine Arbeit ist aber nicht nur stilgeschichtlich und übersetzungstechnisch interessant, sondern auch in literarhistorischer Hinsicht beachtenswert, weil sie
nächst
der
„Reformatio
Sigismundi"
(s. d.) der älteste politische Prosatraktat in dt. Sprache ist. H . G r u n d m a n n Übersetzungsprobleme i. Spätmittelalter in: Z f d P h . L X X (1948), S. i i 3 f f . ; H. G r u n d m a n n und H . H e i m p e l Die Schriften des Alexander von Roes M G H . , Deutsches M A . I V (I949) "
Gerhard Eis
Merswin, Rulmann (Nachtrag) : H . G u m b e l Mystik im Elsaß EIs.-Lothr. Jb. 10 (1931), S. 48 — 51. W . O e h l Dt. Mystikerbriefe d. MAs. 1931, S. 397 — 424. W . M u s c h g Die Mystik in der Schweiz 1935, S. 371 ff. E . D e h n h a r d t Die Metaphorik der Mystiker Meister Eckhart u. Tauler in den Schriften des Rulman M. Diss. Marbg. 1941. F . W . W e n t z l a f f - E g g e b e r t Dt. Mystik zwischen MA. u. Neuzeit 2 i 9 4 7 , S. 131 bis 134 und 311 — 3 1 3 . J. M. C l a r k The great German mystics 1949, S. 75 — 97.
Hannemann
Metellus von Tegernsee (Nachtrag).
R.
B a u e r r e i ß Studien zu M. v. T. Stud. u. Mitteil, zur Gesch. des Benedordens. 59, 1941, S. 96—104 und W. F i n k Abt Erbo II. von Prüfening,
der Verf. der sog.
Quirinalien
= Metellus ebenda 60, 1946, S. 53—75 versuchten, den Schleier zu lüften, der über dem Namen der Überschrift (odae Quirinalium) metelli noch immer liegt. F i n k möchte ihn mit Abt Erbo II. von Prüfening (1168—1187) identifizieren und dichtet das zwei Verse umfassende Anagramm: Magister Erbo Tegriensis
/ Erat
iLLius
Vitae
Scriba; danach war sein Vater Aeribo oder Erbo von Hugibrechtshusun (Umbertshausen, einem Dorf bei Münchsmünster an der Donau in der Diözese Regensburg), der zwei Söhne Erbo und Werner hatte, wie
68 3
Meyer, Johannes
aus Urkunden des Freisinger Hochstifts aus dem 12. Jh. hervorgeht; er hätte außer den „QuirinaUa" auch die „Threni cafitis Hierosolymis", 60 meist leoninische Distichen über den Fall Jerusalems im Juni 1187, die bald danach gedichtet sind (her. von C. B l u m e Anal. Hymn. 33, S. 3i6ff.), — „Inhalt und metrische Form der Elegie passen gut zu dem Bilde, das wir von dem dichterischen Schaffen Erbos gewinnen werden" (S. 60) — und ferner wohl die Versifikation der ,,Historia Hierosolymitana" des Robert von St. Remi verfaßt, die in derselben Admonter Hs. wie die „Quirinalia" steht (W. W a t t e n b a c h druckte Stücke daraus und Überschriften im NA. 2, S. 414 ff.). Wirkliche Beweise für diese Hypothese vermochte Fink nicht zu erbringen. — B a u e r r e i ß verwirft die Gleichsetzung mit dem Kanoniker Hugo Metellus von St. Leo in Toul, von dem wir mehrere Dutzend Briefe und einige Gedichte haben, gibt aber zu erwägen, ob nicht der Scholasticus Werenher von Tegernsee, über dessen Schaffen allerdings noch manches zu klären ist, mit M. identisch sein kann, und steuert einige Einzelbeobachtungen und -Interpretationen bei: M. sei Benediktiner gewesen, mit ordo Galliens meine er die Gorzer-Trierer Reform; hosfies wolle nicht besagen, daß er Fremdling sei, sondern daß ihm das Stift ergrab und die Größe des Patrons zunächst unbekannt war. Daß M. mit bair. Geschichte sehr vertraut und in bair. Land viel herumgekommen ist, steht fest. Ob man die Stellen, die man gegen seine bair. Herkunft angeführt hat, so ausdeuten darf, ist noch eingehender zu untersuchen. In der Arbeit Zur Verfasserschaft des ,,S-piel vom Antichrist" deckte R. B a u e r r e i ß drei meist wörtliche Zitate aus dem ,,Ludus de Antichristo" in der ,.Historia fundationis Tegernseensis", deren Zuschreibung an Albert von Dießen (s. d. 5) noch zu sichern ist, auf: a. a. 0. 62,1950, S. 23iff. Man darf dies wie eine Reihe Stellen mit Reimprosa wohl auf eine verschollene Quirinuslegende zurückführen, deren Verf. aber nicht auf Grund dessen mit dem ,,Ludus"-Dichter gleichsetzen und, weil er (s. Albert von Dießen 5) auch die „Quirinalia" zitiert, nicht dem Metellus die ,,Gesta
— 'Der Minne B o r n '
684
s. Quirini" und den ,,Ludus" zuschreiben, s. auch B a u e r r e i ß Kirchengesch. Bayerns 3, 1951, S. 164ff. K L Meyer, Johannes, O. P. (Nachtrag), s. auch ' Tochter Sion'. In seinem „Buch der Ämter der Schwestern des Predigerordens" (1454) übersetzte M. die ,,Instructiones de offieiis ordinis" des fünften Dominikanergenerals Humbert (1254— 12 &3) und führte dies bedeutendste Werk über die Klosterämter fort, indem er es für das Frauenkloster der Dominikaner zurechtschnitt und manches aus eigener Erfahrung hinzufügte. Sein Verdienst ist, „durch Erneuerung der Weisungen Humberts und Theoretisierung der gleichzeitigen Praxis die ausführlichste und wohl die aufschlußreichste Bibliothekslehre des MAs. verfaßt zu haben" (W. C h r i s t ZblfdB. 59, 1942, S. 21 ff.). K L W . M u s c h g Die Mystik in d. Schweiz 1935, S. 346ff. P. W e h b r i n k Das Leben der hl. Brüder Predigerordens Archiv d. dt. Dominikaner 2 (1939), S. 99 — 1 3 3 (Teilausg.). Chr. v. H e u s i n g e r Stud. zur oberrhein. Buchmalerei u. Graphik im SpätMA. Masch.-Diss. Freibg./Br. 1953, S. 124 u. ö. (zu den Adelhäuser Hss.). TT
Hannemann
Militsch von Kremsier: Die Hs. X V I . G. 28 der Öffentl. und U.-Bibl. zu Prag enthält auf Bl. 120a—123b ein Gebet, nach dem Empfang des Abendmahls zu sprechen, das beginnt: Diez herren Milcius gefiet ist auch czu sprechen . . . D o l c h Katalog d. dt. Hss. U.-Bibl. zu Prag 1909, S. 87.
der Öffentl. und
H. Niewöhner
Miller (Millius, Myllius), Martin (Nachtrag) : Zur Liedersammlung s. a. E . H ö p f n e r Reformbestrebungen auf dem Gebiete der dt. Dichtung Progr. 1866. K . S c h o t t e n l o h e r Bibliogr. zur dt. Gesch. mi Zeitalter d. Glaubensspaltung 2, S. 815. Ein E x e m p l a r der 'Passio Christi' von 1 5 1 7 befindet sich auch in der Univ.-Bibl. Heidelbg. (Q 1654), mit einigen zeitgenöss. hsl. Textänderungen.
Hannemann 'Der Minne Born'. In der aus J. Grimms Besitz stammenden Sammel-Hs. Berlin Ms. Germ. Fol. 922, Pap., 134 Bll., 15. Jh. aus Wimpfen, findet sich auf Bl. 125 a—130 d (und unvollständig auf Bl. 28 b—29 d) die bisher nicht edierte Minneallegorie „Der
685
'Der Minne Falkner'
— 'Kreuztragende Minne'
Minne B o r n " . Sie u m f a ß t 1076 Verse, ist wie die meisten Gedichte dieser Hs. in mfr. D i a l e k t geschrieben und nach Aussage der letzten Zeile v o n einem Minderbruder gedichtet. A n f a n g und Schluß sind mitgeteilt v o n E . M a r t i n Z f d A . 13 (1867), S. 363t.; •dort auch eine kurze Inhaltsangabe. Erwähnenswert ist in diesem Gedicht eine knappe Anspielung auf Dietrich von Bern. Hans E g g e r s 'Der Minne Falkner', s. H a d a m a r L a b e r 5c und ff.
von
'Kreuztragende Minne'. Unter dem Titel K M wurde von B a n z ein Gedicht in die Literaturgeschichte eingeführt, das in zahllosen, stark voneinander abweichenden Fassungen verbreitet ist und anderweitig „Christus und die N o n n e " , „Christus und d i e Seele", „ V o n der innigen Seele", „ G e s p r ä c h zwischen Jesus und der N o n n e " oder ähnlich betitelt wird und in den nd. Fassungen Heff up min crutze beginnt. I m Gegensatz zu dem Gedicht „Christus und die Minnende Seele" (s. d.), das die Stufen zur unio mystica schematisch darstellt und aus einem zwanzigteiligen mystischen Bilderbogen des 14. Jh. hervorgegangen ist, gibt K M nicht mystische Gedankengänge im engeren Sinne. Richtiger wäre der Titel „ D i a l o g v o m Klosterleben" (vgl. den Beg i n n der unter Nr. 4 aufgeführten Fassungen), denn bei diesen etwa 18 Strophen handelt es sich u m einen Dialog zwischen Christus und einer jungen Nonne, der zweifellos aus Gesprächen eines klösterlichen Seelsorgers mit seinen Beichtkindern hervorgegangen ist. K M bringt die Anfechtungen und Einwände einer jungen Nonne gegen die Klosterzucht sowie Hilfe und Trost seelsorgerlichen Zuspruches. Die weite, o f t mit U m d i c h t u n g verbundene Verbreitung des Gedichtes zeigt, wie brennend die darin behandelten Probleme waren. S o erhalten wir unter literarischer Formgebung ein lebendiges Bild v o m Ringen u m d e n Sinn des Klosterlebens im 14./15. Jh. aus dem Bereich der v o n der Mystik berührten Klöster. N a c h S t a m m l e r s Verm u t u n g wäre die Urform nd., das Gedicht also von Norden nach Süden und Westen weitergewandert.
686
1. Hef Up dyn cruce, myn leveste brut (18 Str.) Kopenhagen, Ms. Thottiana 8, Nr. 32 (1423), Bl. i i , gedr. H. J e l l i n g h a u s N d j b . 7 (1881), S. 3 ff. — Wolfenbüttel, Heimst. Hs. 1155 (1473), Bl. 284® — 285», gedr. H. H o f f m a n n v. F a l l e r s l e b e n Germ. 15 (1870), S. 3 6 6 ! — Ungedruckte nd. Fassungen: Wolfenbüttel, Heimst. Hs. 1136, 1155, 1231, 1233; Hamburg, bibl. cod. theol. 1134, Bl. 132. — Westf. Hs. von 1450, gedr. B e r l a g e Programm Realschule Osnabrück 1876, S. 18. — Werdener Liederhs. (1500), Nr. 23, gedr. F. J o s t e s Nd. Jb. 14 (1888), S. 88f. — Liederbuch der A n n a v. Köln, Berlin germ. oct. 280, Bl. 60a (26 Str.), vgl. J. B o l t e ZfdPh. 21 (1889), S. 135. — Liederb. der Katharina Tirs (1588), gedr. B . H ö l s c h e r Geistl. Lieder aus dem Münsterlande 1854, Nr. 45. — Md. in Hs. von 1475/80, gedruckt von A . H r u s c h k a ZfdA. 22 (1878), S. 7 8 « . H d . : Andernacher Gesangbuch 1608 u. andere kathol. Gesangbücher, Melodie gedr. von W . B a u m k e r Das kath. Kirchenlied 1 (1886), Nr. 21g. — Ndl.: gedr. von H. H o f f m a n n v. F a l l e r s l e b e n Horae Belgicae 10 (1854), Nr. 81; F. v a n D u y s e Het oude Nederl. Lied 3 (1907), Nr. 5 7 0 A ; aus Amsterdamer Hs. des V a n Yoorst (23 Str.) gedr. von W . M o l l Joh. Brugman en het godsdienstig leven onzer vaderen 2 (1854), S. 4o8ff. 2. Hef up myn crutze, myn sote brud Klosterbibl. Ebstorf, Hs. Nr. V I 12, Bl. 4171 — 423», gedruckt von W . S t a m m l e r Mnd. Lesebuch 1921, Nr. 62 und Gottsuchende Seelen 1948, Nr. 74. — Een dev. en prof, boecxken 1539, Nr. 149, her. v o n D. F. S c h e u r l e e r , Bl. 182, gedr. von F. v a n D u y s e Het oude Nederlandsche Lied 3 (1907), Nr. 570 B . 3. Hebe uff din crutze und gange nach mir (16 Str.), Hs. auf der Rückseite eines Gemäldes aus Kloster Camp b. Boppard, gedr. v o n H . H o f f m a n n v. F a l l e r s l e b e n Mones Anzeiger f. K u n d e d. MA. 1834, Sp. 27ff. und W a c k e r n a g e l K L . 2 (1885), Nr. 847. 4. Ich hab vil gesponsen im closterleben (20 Str.) Freiburg, Hs. L. lat. 123, B . 197. — München Cgm. 837, Bl. 234 a —236» (Druck zusammen mit dem Bildergedicht von 'Christus u. d. Minnenden Seele' von H. R o s e n f e l d vorbereitet. — Berlin Ms. germ. quart. 1260, Bl. i o i b , gedr. von L . B e n a r y (s.u.), S. 85f. 5. Wer zu mir in min rieh wil kommen (18 Str.) Berlin Ms. germ. quart. 1260, Bl. 6o a ; Einsiedeln Hs. 710, Bl. I a — I I a (E); Hs. 364, Bl. 101 — 1 1 0 (E'); Überlingen Nr. 22 (U); Kloster-Neuburg, Papierhs. 1228 (w, nur i o S t r . ) , gedr. v o n W a c k e r n a g e l K L . 2 (1865), Nr. 848; Hs. auf Holzschnitt von 1450 (z), gedr. von O. W e i g e l / Z e s t e r m a n n Die Anfänge der Druckerkunst in Bild u. Schrift I (1866), S. 1 5 3 I ; nach E , E ' , U, w, z gedr. v o n R. B a n z S. 253t. Lit. R . B a n z Christus u. d. Minnende Seele 1908 (Germ. A b h . 29), S. 1 ff., I54ff. W . S t a m m l e r Studien zur Gesch. der Mystik in Norddeutschland A r c h f R w . 21 (1922), S. 125. E . B e n a r y Liedformen der dt. Mystik im 14. u. 15. Jh. Diss. Greifswald 1936, S. 43 ff.
Hellmut Rosenfeld
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'Der Minne Spiegel'
'Der Minne Spiegel'. 1. Papierhs. der Nürnberger Stadtbibl. 4 0 Cent. V I 43 d, B l . 8o b — i o o b ; früher dem dortigen Katharinenkloster gehörend und in d e m v o n F r a n z J o s t e s abgedruckten Handschriftenverzeichnis des Klosters aus dem 15. Jh. auf Bl. 139® ( J o s t e s Meister Eckhart u. seine Jünger 1895, S. 146) als mynnespiegel aufgeführt. Ein bei v o n d e r H a g e n u. B ü s c h i n g Liter. Grundriß zur Gesch. der dt. Poesie (1812), S. 445 erwähnter „Spiegel der Minne" aus Docens N a c h l a ß in der B a y e r . Staatsbibl. zu München (Doceniana A 4 c 2 in 8°, 25 Bll.) erweist sich als Docens A b s c h r i f t aus der Nürnberger Hs. und teilt mit ihr die Fehler und Versauslassungen.
2. Das von Bartsch (s. u.) edierte Gedicht ist in 132 Strophen mit je vier Reimpaaren geschrieben, die von V. 17 an im strophischen Wechsel ein Zwiegespräch zwischen Gott Sohn und der Seele enthalten. Die von Bartsch (Einl. L U I f f . ) zusammengestellten Sprachkriterien der Reime weisen nach Ostfranken, vielleicht Nürnberg selbst (keine neuen Diphthonge, aber mhd. ei mehrfach als a und zu mhd. ä gebunden). Man wird die in 1045 Verszeilen (13 Verse fehlen, 8 Verse sind Zusätze des Schreibers) überlieferte Dichtung wohl einer Nonne (im kleinen Engeltal bei Nürnberg ?) zuschreiben dürfen, die lateinisch verstand (V. 911 f. revertere : we). Die Entstehungszeit ist nach 1345 anzusetzen, da die Basler Umschrift des „Fließenden Lichts" der Mechthild von Magdeburg (s. d.) bereits verwendet ist. Die Reime sind im ganzen sauber und lassen auf literarische Bildung schließen, auch der Versbau zeugt von poetischem Talent und hat (bei Einsatz dialektischer Kurzformen) weithin eine glatte Vierhebigkeit bewahrt unter maßvollem Gebrauch zweisilbiger Senkungen. Daß die Verf. außer Mechthilds Offenbarungen auch die alem. „Tochter Sion" (s. d.) und Lamprechts von Regensburg (s. d.) gleichnamiges Gedicht gekannt hat, läßt sich nicht hinreichend sichern, weil die von P r e g e r (s. u.) angeführten und auch sonst auftretenden Anklänge verbreitetes mystisches Formelgut darstellen oder der üblichen Liebesmetaphorik angehören. 3. 'Der Minne Spiegel', der seinen verfehlten Titel der gewiß nicht dem Original zuzuschreibenden Überschrift Hie hebt sich der minne Spiegel an / wol im der da mit wol
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kan verdankt, baut sich in vier planvoll geordneten Dialogszenen auf. Nach der Vorrede (V. 1—16) bietet Szene I (V. 17—416) eine Art Sündenspiegel; die Seele klagt über ihre Sündenschuld, und Christus hält ihr antwortend die zahlreichen Verfehlungen gegen ihn vor, erhört dann aber ihr Flehen um Gnade und gewährt Verzeihung. In Szene II (V. 417—712) vermengen sich mystische Liebesklage und mystischer Preisgesang der Liebenden, wobei Motive aus der Mariologie (besonders aus Cant. cant.) in freier Weise verarbeitet sind. Szene I I I (V. 713—842) bringt nach plötzlichem Verlust der Gottesliebe erneute Klagen der vereinsamten Seele und tröstende Ermunterungen des Geliebten, der die Läuterung durch Leiden als Weg zur Wiedervereinigung schildert. In der Szene IV (V. 843 bis 1058) kehrt Christus zur Seele zurück und vollzieht die Einung, was im nahen Anschluß an Mechthilds Minnesprache dargestellt wird; die letzten Strophen enthalten erneute Sehnsuchtsklagen der Seele und ihre Bitten um Erlösung von der Qual des körperlichen Lebens. Anders als bei den Gedichten von der „Tochter Sion" tritt im Sp. d. M. das didaktisch-allegorische Element fast ganz hinter der lyrischen Gefühlsaussage zurück. Der leidenschaftlich bewegte Dialog mit seinen spannungsvollen Kontrasten Verzweiflung und Beseligung lebt noch ganz aus dem Geist der affektiven Mystik Bernhards und der Viktoriner, wie ihn die Helftaer Visionärinnen gepflegt haben. Spekulative und reflektierend-zergliedernde Formen mystischer Verkündigung sind kaum von Einfluß gewesen (vgl. fliz dich al zit der innikeit / und wend din herze von uzerkeit V. 437f.); der Adel der Seele wird öfter hervorgehoben (V. 68. 193. 696) und als Ziel ihres Begehrens der gotheit sunderspiegel klar (V. 960) bezeichnet. Das ohne die süßliche Empfindelei der Seuseepigonen von echtem seelischen Aufschwung getragene und die Mehrzahl mystischer Gedichte des 14. u. 15. Jhs. an poetischer Kraft überragende Werk hat seinen besonderen Wert als Zeuge einer sehr lebendigen Nachwirkung der älteren dt. Frauenmystik des 13. Jhs. durch die Mechthildübertragung der Basler Gottesfreunde.
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Minner, Johannes — Der Mönch von Heilsbronn
4. Ausgabe von K. B a r t s c h in „Die Erlösung" mit e. Auswahl geistl. Dichtungen (1858), S. 242ff.; danach im Auszug bei F. S c h u l z e M a i z i e r Myst. Dichtung aus sieben Jahrhunderten (1925), S. i 2 o f f . (sprachlichleicht modernisiert). Literatur: W. P r e g e r Gesch. d. dt. Mystik im MA. 2 (1881), S. Ö2ff.; R. B a n z Christus und die minnende Seele (1908), S. 4Öff.; E. H e d e r e r Mystik und Lyrik (1941), S. I36ff.; H. N e u m a n n 'Der Minne Spiegel' u. Mechthild v. Magdeburg ZfdPh. 73 (1954), S. 217ff•
Hans Neumann Minner, Johannes. Dieser sonst nicht bekannte gelehrte Arzt lebte wahrscheinlich im 15. Jh. E r versah das Arzneimittelverzeichnis des Simon von Genua (13. Jh.) mit dt. Erklärungen. Seine noch ungedruckte Arbeit ist in dem im 15. Jh. geschriebenen Cod. 81 der Marburger Universitätsbibliothek erhalten. Sie verdient eine Untersuchung. Berichte über die wissenschaftl. Unternehmungen der Preuß. Akademie der Wiss., Hss.Archiv (28. 1. 1937), S. 3.
Gerhard Eis
'Des Minners Anklagen' ist ein allegorisches Dialoggedicht, in welchem der Liebhaber im Streitgespräch der Liebe und der Schönheit vorwirft, an seinem Liebesleid die Schuld zu tragen, bis sie ihm endlich zur Erringung der Geliebten verhelfen; die Stätigkeit macht daraufhin der Frau Vorwürfe, wird aber umgestimmt und schließlich um Schutz für den Liebesbund gebeten. Seinem Inhalt nach gehört das Gedicht also in die Gattung der im 14./15. Jh. üppig wuchernden Minneallegorien (s. o. I I I , Sp. 404 ff.). Es ist einigermaßen belanglos und zeigt zahlreiche Berührungspunkte mit anderen Dichtungen dieser Gattung, ohne daß eine unmittelbare Quelle nachzuweisen wäre. M. ist nur in nd. Übersetzung erhalten, die aber anscheinend die vermutlich md. Vorlage nahezu wörtlich übertragen hat und jedenfalls viel Hd. in Reimen, Wortschatz und Syntax durchschimmern läßt. Überliefert sind 831 Verse, doch ist der Text am Anfang und im Innern durch Blattverluste lückenhaft. Das Gedicht ist in Abschnitte von je 24 Versen gegliedert, und da 38 Abschnitte ganz oder zum Teil erhalten sind, errechnet sich daraus der
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Mindestumfang auf 912 Verse, womit aber noch nicht alle Lücken hinlänglich gefüllt sind.
Hs.: Berlin, Ms. Germ. Oct. 186, Bl. 43» — 66", Pap., 1 4 3 1 ; sog. Livländische Hs., beschr. in Bibl. Hoffmanni Fallersl. 1846, S. 20 — 22. Ausgabe: W. S e e l m a n n Nd. Jb. 8 (1883), S. 4 2 - 6 3 .
Hans Eggers 'Des Minners Klage',s. H a d a m a r v o n L a b e r 5a und ff. Der Mönch von Heilsbronn (Nachtrag). Zu 1 Hss.: 'Das Buch von den sieben Graden ist auch in der F. Fürstenberg. Hofbibl. Donaueschingen 93 überliefert, s. ZfdA. 64, S. 235. Die 2 1 . Hs. des 'Buchs der sechs namen des fronleichnams' ist Gotha Herzogl. Bibl. Ch. A. 27. Vgl. H. N i e w ö h n e r ZfdPh. 65, 1940, S. 193.
Zu 2. Während C. B ö c k l Wer ist der Mönch von Heilsbronn? Zs. f. kath. Theol. 52, 1928, S. 230ff. nicht nur die 'Sieben Grade' und die 'Sechs Namen des Fronleichnams' dem M. v. H. zuschreiben wollte, sondern außer den ,,Sermones Socci" (s. Konrad von Brundelsheim und Soccus) auch die 'Tochter Syon' und den 'Alexius', bewies E. S c h r o e d e r durch Untersuchung der Reimsprache der beiden letzten Denkmäler, daß die alte Meinung A. W a g n e r s (QF. 15) 1876 und H. F. D e n i f l e s (AfdA. 2, S. 294ff.) richtig war: 'Tochter Syon' und 'Alexius' gehören nicht dem Autor der 'Sieben Grade' und der 'Sechs Namen', sondern zwei andern Verfassern, die freilich mit jenem durch den ostfränk. Dialekt, die literarische Bildung, das künstlerische Niveau und die religiöse Haltung zusammenhängen; vielleicht waren alle drei in demselben Zisterzienserkloster Heilsbronn (Die Gießener Hs. 8j6, Anhang I I GGN. 1931, S. 23ff.). Vgl. L. W o l f f 'Tochter Sion' 2, s. o. IV, S. 480. Wer der Autor der ,,Sermones Socci" war, ist noch immer nicht geklärt. R. B a u e r reiß versucht, sie einem Zisterziensermönch Johannes von Marienrode zuzuschreiben (Wer ist der mal. Prediger ,,Soccus" ? Stud. und Mitteil, zur Gesch. des Benedordens 65, 1953/4; Kirchengesch. Bayerns IV, 1953, S. 197). Vgl. Johannes von Marienrode, Konrad von Brundelsheim, Soccus, ' Tochter Sion'. K. L
•Mönchlein, Das zwölfjährige' — Mornauer, Achaz
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Zu Sp. 430 Mitte: Statt „des Kartäuserpriors Guigo" ist zu lesen: des zu Signy in den Ardennen Cistercienser gewordenen Benediktinerabts Guillelmus a Sto. Theodorico zu Reims (Guillaume de St. Thierry, etwa 1085 — 1148; s. A. Adam Guillaume des St. Thierry 1923; J . M. D e c h a n e t Guillaume de St. Thierry 1942).
Legende v. zwölfj. M. Diss., Schaffhausen 1866; dazu J . L a m b e l Germ. 12 (1867), S. 106—108. L i t e r a t u r : W. W a c k e r n a g e l Gesch. d. dt. Lit. ' I (1879), S. 215; J . B a e c h t o l d Gesch. d. dt. Lit. i. d. Schweiz, 1892, S. 139t; S. S i n g e r Die mal. Lit. d. dt. Schweiz (Die Schweiz im dt. Geistesleben 36/37), 1930, S. 4 i f . ; E. E r m a t i n g e r Dichtung und Geistesleben der dt. Schweiz 1933, S. 5 6 ! ; G. E h r i s m a n n Schlußband S. 407!.
'Mönchlein, Das zwölfjährige' ist eine Weihnachtslegende in etwa 300 vierhebigen Reimversen von einem unbekannten (alem.) Dichter.
Kurt Ruh
Jan van Mierlo
Sie erzählt, wie ein sieben Schwestern nachgetorener Knabe von der Mutter der Jungfrau Maria anvertraut und mit sechs Jahren einem Kloster übergeben wird. In seinem 12. Lebensjahr wird sein Herz mächtig ergriffen von der weihnachtlichen Botschaft; er wünscht das Jesuskindlein leibhaftig zu schauen und bereitet sich mit Beten und Fasten, aber auch mit festlichem Schmuck der Zelle auf sein Kommen vor. Und in der Tat tritt Christus, recht als ein kint niu geborn, in seine Zelle. Dort kommt es zu einem anmutigen Spiel mit einem hin und her gerollten Apfel. Darauf wohnt das Christuskind im Ärmel des Mönchleins der Messe bei, verschwindet jedoch, als der Abt dem unaufachtsam singenden Knaben einen Bakkenstreich versetzt. In seine Zelle zurückgekehrt, findet das Mönchlein das Christuskind im Betstuhle sitzen und erfährt von ihm, daß es noch dieselbe Nacht mit ihm in die ewige Freude eingehen werde. Die Überlieferung des Gedichts ist dürftig und fehlerhaft: Schaffhausen, Stadtbibl., Gen. 20, Bl. I39 a —148® (S) u. Frankfurt a Main, Stadtbilbl., unbek. Sig. Bl. 217—226 (F); S gehört dem 15., F dem beginnenden 16. J h . an.
Das Gedicht selber dürfte im 14. Jh. entstanden sein. Formal zeigt sich der Einfluß K o n r a d s v o n W ü r z b u r g . Die Legende ist anmutig-anspruchslos erzählt, eine liebliche Kindergeschichte. Die direkte Quelle des Gedichts ist bis jetzt nicht gefunden worden; sie dürfte jedoch in einer lat. Legende zu suchen sein. Das Motiv des vertraulichen Spiels mit dem Kinde Jesu ist besonders in der mystischen Vitenliteratur verbreitet (s. W. Muschg Die Mystik i. d. Schweiz 1935, S. 1 1 3 I , 118, 214, 221, 223, 229). Das Apfel-Motiv findet sich in ähnlicher Form in der Legende des sei. Hermann Joseph (s. Vies des Saints et des Bienheureux IV, Paris 1946, S. 173— 175): AS., 7. Apr. (1675), S. 682ff. Ausgaben: Maurer-von Constant Das zwölfj. M. 1842; dazu F r . P f e i f f e r Münch. Gel. Anz. 1843, Stück 156; Th. K i r c h h o f e r Die
'Morant und Galie' (Nachtrag), s. a. 'Karlmeinet' (Nachtrag).
L. A u g s t e i n M.u.G. Diss. Freibg./Br. 1941. E. L i n k e Untersuch, zu Stil u. Spr. des rhein. Denkm. M. u. G. Masch.-Diss. Leipzig 1947. D ies. Die Gebete in M. u. G. P B B . 73 (1951), S. 124 bis 175. K. H. H a l b a c h Dt. Philol. im Aufriß I I (T953)> Sp. 647: „Kritischer Text durch Th. Frings/E. Linke in Aussicht." TT
Hannemann
Morgenrot (Nachtrag). Die Regensburger Hs. liegt heute in München und ist der Cgm. 5919. Eine weitere Hs. ist Berlin Staatsbibl. germ. fol. 564; sie nennt aber M. nicht als Verfasser, vgl. H. N i e w ö h n e r ZfdA. 68, S. 148 und ZfdPh. 65, 1940, S. 193. ^ Moritz von Craon (Nachtrag):
K. S t a c k m a n n Die mhd. Versnovelle „Moriz von Craun" Masch.-Diss. Hambg. 1947. H. Z o t h e Wörterb. zu M. v. C. Masch.-Diss. Wien 1947. H. de B o o r Gesch. der dt. Lit. 2 (1953), S. 145 bis I5
°'
Hannemann
Mornauer, Achaz, Domherr von Brixen, entstammt wahrscheinlich einem ursprünglich zu Murnau in Oberbayern ansässig gewesenen Geschlechte und der Ehe des Landshuter Stadtschreibers Alexander M. mit der Rattenbergerin Heidenreich. A. M. wurde zu Landshut geboren und erwarb sich den Dr. decret. Als Domherr von Brixen seit 1468 nachweisbar, errang er ein Jahr darauf die Würde des Kanzlers, 1477 die eines Rats des Herzogs Sigismund von Tirol und wurde zu mehreren landesfürstlichen Aufträgen gebraucht. Am 15. April 1497 wird er als verstorben bezeichnet. I. J . 1492 übergab ihm dasBrixner Kapitel über seine Bitten die Statuten zur Registrierung, zugleich mit dem Auftrage, diese sowie die noch nicht registrierten übrigen Kapitelurkunden zu ordnen. M. stand mit dem Schweizer Humanisten Albert von Bonstetten in Briefwechsel.
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M ö t z e l l , Johannes —
'Mühlenlied'
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H. H a m m e r Literat. Beziehungen u. musikal. Leben des Hofes Herzog Sigmunds von Tirol Zs. d. Ferdinandeums 3. F. 43 (1899) S. 93 u. 100. L. S a n t i f a l l e r Das Brixner Domkapitel in seiner persönlichen Zusammensetzung im MA. Schiern-Schriften 7 (1925) s . 388. A Dörrer
jetzt nur in dieser einen Hs. nachgewiesen. Das Malerbüchlein ('Dy myschung aller färb') ist nach E . P l o ß aus einer alem. Quelle erflossen; einzelne Anweisungen für Farbenmischung und Mischwässer stimmen mit den Malerbüchlein des Heinrich von Lübeck (s. d.) und Andreas von Kolmar (s. d.) überein.
Mötzell, Johannes. Als Karmelitermönch in Bamberg lebend, betätigte sich M. als Schreiber von lat. Hss. vorwiegend geistlichen Inhalts, in denen auch verschiedene dt. T e x t e eingeschaltet sind. Wie weit er als selbständiger Schriftsteller betrachtet werden kann, bedarf noch einer genaueren Untersuchung. Es sind bisher drei Hss. festgestellt, die ganz oder teilweise von ihm geschrieben wurden. Sie befinden sich sämtlich in der Staatl. Bibl. in Bamberg: 1. Cod. lit. 96 (Ed. V I I . 49), ein *Diurnale Carmelitarum', worin Bl. 3 1 1 a — 3 2 2 b im Jahre 1504 von M. eingetragen wurden; 2. Cod. lit. 153 (Ed. V I I . 57), das KMare magnum' des Johannes Maria de Polluciis und andere Karmelitenliteratur enthaltend, zur Gänze von M. geschrieben; 3. Cod. theol. 225 (Q. V I . 25), hauptsächlich theologische Texte, daneben auch verschiedene Schriften der Eigenkünste enthaltend, in den Jahren 1503—1509 zur Gänze von M. geschrieben. Seinen Namen nennt M. im Cod. lit. 153, Bl. 10b : Ego frater fohannes Moetzell feci\ in den anderen Bänden zeichnete er nur (an mehreren Stellen) sein Monogramm F. ]. M. ein. Sein Geburts- und sein Sterbejahr sind unbekannt; er war einige Zeit Bibliothekar und kurz nach 1500 auch Subprior des Bamberger Klosters.
F . L e i t s c h u h Katalog der Hss. der kgl. Bibl. zu Bamberg I (1898, 1904), S. 243H., 3 0 6 I , 8 o 5 f f . ; G . E i s Der Seuchenspruch des Armen Heinrich i n : F o r s c h u n g e n u. F o r t s c h r i t t e X X V (1949), S. l o f f . ; E . P l o ß Studien zu den dt. Maler- und Färberbüchern des MAs. Diss. M ü n c h e n 1952.
Die dt. Stücke befinden sich im Cod. theol. 225. Erwähnenswert sind davon eine Bearbeitung des Pestregimens der Ärzte von Paris für den König von Frankreich, kürzere Stücke über die Seelenmesse und die Gregorianischen Messen, verschiedene medizinische Ratschläge und eine Anweisung für Schreiber und Miniatoren zur Bereitung von Farben. Von den lat. Texten ist ein kurzes Spruchgedicht mit der Überschrift ' Pauperis Heinrici praeservativum ab epidemia' hervorzuheben, das nicht — wie sein Titel erwarten läßt •— vom Aussatz, sondern von der Pest handelt; er ist bis
Gerhard Eis Muffel, Nikolaus (Nachtrag), vgl. Tetzel, Gabriel. Z u m P r o z e ß : H . K n a p p Zs. f. d. ges. S t r a f rechtswiss. 12 (1892), S. 4 8 5 f f . u. S. 5 2 1 — 5 2 3 ; D e r s . Das alte Nürnberger Kriminalrecht 1896, S. 296 f. N o c h w ä h r e n d des L a n d s h u t e r K r i e g e s (1504) ist in einem nürnbergfeindl. L i e d e „ V o m Z u g wider N e u m a r k t * ' höhnend die R e d e 'von Muffels art' ( L i l i e n c r o n I I , N r . 236 und K . W i n k l e r Lit.-Gesch. des oberpfälz.-egerländ. Stammes I I , 1940, S. 2Öf.). — Z u m B i o g r a p h . - L i t e r a rischen: O . G l a u n i n g Mal. Hss.-Bruchstücke der Univ.-Bibl. u. des Georgianum zu München 1940, S. 1 6 7 f . ; J. K r a u s Die Stadt Nürnberg in ihren Beziehungen zur Rom. Kurie während des MAs. M a s c h . - D i s s . Freibg./Br. 1948, S. 5 1 ; A . S t a h l Nürnberg vor der Reformat. Masch.-Diss. E r l a n g . 1949, S. 5 9 — 6 1 ; F . H a i m e r l Mal. Frömmigkeit im Spiegel der Gebetbuchlit. Süddeutschlands 1952, S. nji. ( G e b e t b u c h v o n 1462) u n d bes. die I V , Sp. 547 a u f g e f ü h r t e n A r b e i t e n G . H i r s c h m a n n s .
K u r t Hannemann 'Mühlenlied' (Nachtrag). Zu 1 : Im Wienhäuser Liederbuch, das man vor Absetzung der Äbtissin Katharina von Hoya 1469 ansetzen muß, ist eine neue Aufzeichnung aufgetaucht, s. P. A l p e r s Nd. Jb. 69/70 (1948) S. 26 ff. Sie ist älter als die bisher bekannten und zeugt, da sie schon eine längere Überlieferung voraussetzt, somit für das Alter des Liedes. Vielleicht ist das auch für das Verhältnis zu den bildlichen Darstellungen Mecklenburgs zu berücksichtigen. Der Text, dem Str. 14, 15, 24 fehlen, entspricht in der Reihenfolge und bemerkenswerten Lesarten der Fassung von Deventer und bestätigt damit deren Wert, geht aber gelegentlich (Str. 6) in einer auffälligen Verderbnis auch mit Kiel zusammen.
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Muleysen, Johannes —
Zur Überlieferung des Ms. in den Werdener und Essener Liederheften des 15. Jhs. R . J a h n Beitr. zur Gesch. v o n S t a d t und S t i f t Essen 60, 1940, S. 9 7 — 1 0 4 (mit Faksimile und Ausg.).
L. Wolff Muleysen, Johannes, Nürnberger Dominikaner des späten 15. Jhs. Von ihm sind zwei dt. Predigten überliefert, die er 1484 und 1485 vor den Dominikanerinnen von St. Katharina gehalten hat (Zürich, D 231, Bl. u g a f f . , i52af.). Die eine handelt vom geduldigen Leiden, die andere vom Altarsakrament als Viaticum. G. L o h r Aus spätmal. Klosterpredigten Zs. f. Schweiz. Kirchengesch. 38 (1944), S. 40 und 45.
Kurt Ruh Mülich von P r a g (Nachtrag) : A . T a y l o r A Bibliography of Meistergesang Indiana U n i v . Studies 23 (1936), S. 4 0 I
Hannemann
Mulitor, Konrad. 1. Als Kanzelist des Grafen Ulrich von Oettingen legte M. in den Jahren 1450—73 auf dem Schlosse Baldern unweit von Nördlingen eine Sammlung von dt. Losbüchern an. Seine reich bebilderte Reinschrift, in Folio auf Papier, gelangte später in den Besitz des Augustinerklosters S. Ulrich und Afra in Augsburg und von dort nach München (Cgm. 312). Die Texte wurden noch nicht genauer untersucht, so daß es nicht feststeht, inwieweit M. als selbständiger Bearbeiter oder wohl gar Vf. in Betracht kommt. S o t z m a n n , der eine eingehende Beschreibung der Hs. geliefert hat, gewann den Eindruck, daß M. „an einigen Stücken seiner Sammlung mehr Anteil als den eines bloßen Abschreibers" hatte. „ E s läßt sich dies einesteils . . . aus der Sucht, poetische, historische und kosmographische Kenntnis aller Art an den Mann zu bringen und aus den aus der Nähe genommenen Gegenständen, andernteils aber auch aus Einschiebseln oder verkehrt beigeschriebenen Namen schließen." M. hatte jedenfalls eine Lateinschule besucht und war in der schöngeistigen Literatur sehr belesen. Er legte das Buch offenbar zunächts für seinen eigenen Gebrauch an, doch diente es später auch der gräflichen Familie und ihren Gästen zu geselliger Unterhaltung. Einige Eintragungen weisen darauf hin, daß es besonders von
Mulitor, K o n r a d
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verliebten Damen zur Zukunftserkundung benützt wurde. 2. Der Band enthält zehn Texte, die z.T. Losbücher im engeren Sinne, z. T. verschiedene Figurenreihen und Sprüche darstellen, deren Gebrauch nicht sicher bestimmt werden kann. Eine besondere Vorliebe hatte M. für das Glücksrad; es steht zu Beginn der Stücke a, c, d, f, g, k, wogegen es in anderen Losbüchern noch nicht nachgewiesen wurde. Den verschiedenen möglichen Würfelfällen entsprechen Bilder (von Propheten, Königen, „Meistern", Heiligen oder auch allegorischen Gestalten wie Justitia, Sapientia u. a.), die jeweils die Antwort auf die von den Benützern gestellten Fragen in Form paarig reimender Spruchverse bereithalten. Im Text b bieten hundert verschiedene Vögel je einen prophetischen Reimspruch, in i tun es Berge, Vögel, vierfüßige Tiere (aber Olpenthier ist wohl nicht ein „Alpentier", wie Sotzmann meinte, sondernolbent,,Kamel", „Elefant"), Wurzeln, Kräuter, Fische, Edelsteine, Bäume u. a. In diesem Text finden sich auch zahlreiche Anspielungen auf die dt. Dichtung; so begegnet man in einer Aufzählung der lantfarer auch Sant Branden und Schiltperger, unter den Rittern vom Graule den beliebten Dichtungshelden Tyttorel, Wygelays, Lohegryn, Parcyual, Rittern von der Tauelrum (Künig Rücher [d. i. Rother] Ritter, Trystram der Ritter, Lantzilit der Ritter, Konig Artus Ritter), auch Recken (Günther der Recke, Haym, Wittig, Hagen) und vier „Buhlern" : Wolffram von Eschenpach, Moringer Püler, Prennberger Püler, Ftiss der Püler. — Vier der Texte sind Würfelbücher. 3. Der Codex verdient eine genauere Untersuchung, denn er ist nicht nur für die im 15. und 16. Jh. blühende Literatur der „Hofkünste" und der verbotenen Künste eine ungewöhnlich reichhaltige Quelle, sondern verspricht auch für das Wörterbuch und die Namenkunde (Flur- und Tiernamen, besonders Vogelnamen) eine beträchtliche Ausbeute. — Außer den Losbüchern enthält der Band auch einen kurzen Text über die sieben Planeten (mit Sprüchen) und Monatskreise mit dt., lat. und hebräischer Beschriftung.
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'Müllerin, die fromme' — Münsinger (Mynsinger), Heinrich
S o t z m a n n Die Loosbücher des MAs. Serapeum X I (1850), S. 4 9 - 6 2 , 6 5 - 8 9 ; X I I (1851), S. 305 bis 3 1 6 , 3 2 1 — 3 3 2 , 337 — 342; J . B o l t e Georg Wickrams Werke IV (StLV. 230) 1903 {enthält S. 276 —348 eine „Geschichte der Losbücher"); A. G ö t z e Das Straßburger Würfelbuch von 152g (1918), S. iof.; G . E i s Fachprosa im MA. Dt. Philol. im Aufriß II (1954), S. 1683.
Gerhard Eis 'Müllerin, Die fromme (selige)', eine über das ganze dt.-ndl. Sprachgebiet verbreitete Legende mystischen Charakters. 1. Ü b e r l i e f e r u n g ; 1. P r o s a l e g e n d e (in verschiedenen Fassungen): a) mndl. und mnd.: d e V o o y s , S. 340, Anm. 3; W. de V r e e s e De hss. van Jan van Ruusbroec's werken 1900/02, S. 406, 459f., 677t.; K. B o r c h l i n g Nd. Reiseberichte (GGN., Beihefte) I (1898), S. 102, III (1902), S. 1 0 2 ; W. S t a m m l e r Kleine Schriften, I 9 5 3 . S. 1 6 5 ; ferner: Lübeck, th. germ. 89, Bl. b b 1 9 5 ® — I 9 9 ; ebd. 94, Bl. 6i —71b; Münster i. W., Bisch. Sem., o. S. Bl. 246^—248» (18 Hss.). b) mhd.: S p a m e r S. 405, Anm. 1; M u s c h g Anm. zu S. 274; ferner: Gotha, Thür. Landesbücherei, Chart. B. 237, Bl. 1 7 1 — 1 7 2 ; Heidelberg, Pal. germ. 418, Bl. i 3 a ; München, cgm. 466, Bl. 84 bis 90; cgm. 766, Bl. 104b—io6 b ; Nürnberg, Cent. VI 9 1 , Bl. 9 a — i o a ; Paris, Bibl. nat., Ms. all. 322, Bl. 251b—252b; Wien 2969, Bl. i a ff. (13 Hss.). Dazu treten die zahlreichen Hss. der Spruchsammlung des P s e u d o - E b e r h a r d v o n E b r a c h , worin die Legende aufgenommen ist (s. O. S p a m e r Über die Zersetzung u. Vererbung in den dt. Mystikertexten 1 9 1 0 , S. 5 3 I und P B B . 34, S. 327). — Gedruckt bei K. B a r t s c h Germ. 18 (1873), S. 197 (md. Fragm.); C. C. de B r u i n Middelnederlands Geestelijk Proza 1940, S. 1 0 3 — 1 0 5 (nach Amsterdam I G 5); K. E u l i n g Heinrich Kaufringers Gedichte (StLV. 182) 1888, S. I X — X I I (nach cgm. 766); L ü b b e n Mitteilungen aus nd. Hss. Programm Oldenburg 1874, S. 11 f. (nach Oldenburg, Cod. 73). — 2. R e i m f a s s u n g e n : a) Heinrich Kaufringer, hg. von K. E u l i n g a. a. O. Nr. X V I I , S. 2 1 2 — 2 2 0 ; b) Wolfenbüttel, 2. 4. Aug. 2 0 , Bl. igo a (s. DTdMA. X I V , S. 118).
2. Die Legende erzählt von der Begegnung zweier Predigermönche mit einer frommen Müllerin. Diese weiß eine ganze Reihe theologischer Fragen überlegen zu beantworten (Was ist göttliches Leben ? göttliche Liebe? Was ist ein Engel? Was ist Gott? usw.). Abschließend stellt die Müllerin eine Gegenfrage: Was soll der Mensch tun, damit er der himmlischen Freuden würdig wird? Die prosaische Fassung ist zweifelsohne die ursprüngliche. Sie erscheint wiederum in verschiedenen Rektionen, die jedoch noch nicht kritisch gesichtet sind. Verbreitet ist
eine Fassung, die dem theologischen Examen mit der Müllerin ein Gespräch der beiden Kinder der frommen Frau vorangehen läßt. Die lauschenden Mönche stellen fest: Sind das est, was mac dann der stamm gesinl Ich halte diesen Typus, im Gegensatz zu Spamer, für sekundär. E r ist besonders im Ndl. verbreitet, aber auch obd. Hss. überliefern ihn (cgm. 766, Wien 2969). Entstehungszeit: 14. Jh. Die Reimfassung Heinrich Kaufringers (s. d.) walzt die Prosalegende aus. Zugrunde liegt eine cgm. 766 nahestehende Hs. 3. Der Typus unserer Legende ist vorgeprägt in der Erzählung von 'Macarius und den zwei frommen Frauen' (Väterbuch DTdMA. X X I I , V. 1 3 373—452; vgl. auch 'Von einem heiigen scheffer' ebd. V. 2 4 7 8 1 bis 924): sie stellt vorbildliches Leben von Personen im weltlichen Stande dar, jedoch ohne Spitze gegen die Geistlichkeit. Die Legende von der frommen Müllerin verherrlicht in tendenziöser Weise Laienfrömmigkeit und Laientheologie. Die Müllerin besucht nur einmal jährlich die Predigt, beichtet selten: sie scheint zur Vollkommenheit der Vermittlung der Priester nicht zu bedürfen. So stammt die Legende sicher aus jenen Kreisen, die die mystische Lehre Meister Eckharts (s. d.) zum Anlaß 'antihierarchischer Tendenzen' (de V o o y s ) machten. Eine Dublette unserer Legende ist die Geschichte 'von der seligen Dorfmagd' (St. Gallen, Cod. 977, Bl. 345—346, ungedruckt; in Reimen: Germ. 18 (1873), S. igöf. und München, cgm. 4 1 1 , Bl. 50). L i t e r a t u r : W. M u s c h g Die Mystik i. d. Schweiz 1935, S. 274; F. P. P i c k e r i n g in Bulletin of The John Rylands Library 24 (1940), S. I 2 i f f . ; C. G. N. de V o o y s Mndl. legenden en exempeln 1900, S. 340—342; O. S p a m e r P B B . 34, S. 4 0 5 I ; W. S t a m m l e r Kleine Schriften 1953, S. 165.
Kurt Ruh Münnerstadt, Johannes (Nachtrag) : G. L o h r Über die Heimat einiger dt. Prediger und Mystiker aus dem Dominik.-Orden ZfdA. 82 (1948/50), S. 177.
Münsinger (Mynsinger), Heinrich (Nachtrag) : Eine wesentliche Ergänzung bringt Th. F r e y in der Zs. Württemberg 9 (1937), S. 63 — 70 Über
Müntzinger, Johannes — Der Mysner die Hs. H. Mynsingers Von den Falcken, Habichten, Sperbern, Pferden und Hunden (mit Abbildg. aus der Lobriser und der Augsburger Hätzlerisch.Hs. im Besitz der Stuttgarter Landesbibl. Müntzinger, Johannes ( N a c h t r a g ) : A. L a n g Heinrich Totting von Oyta 1937, S. 65ff. F. v. N e u f f o r g e Über den Versuch e dt. Bibl. als Spiegel dt. Kulturentwickl. 1941, S. 209I
Hannemann Musant, Berthold, aus Isny in Schwaben, 10. Abt des Cistercienserstiftes Stams im Oberinntal (Tirol) seit 1387, starb am 13. Okt. 1399. Er verfaßte ein lat. Wörterbuch 'Catholicon de Grammatica positiva'. Xenia Bernardina 3 (1891), S. 381. (P. L i n d ner) Album Stamsense 1898, S. 15.
A. Dörrer
Muskatblüt (Nachtrag):
R. S c h i m m e l p f e n n i g Über das Religiöse u. Ethische bei dem Meistersinger M. Diss. Marbg. 1935. A. A l t p e t e r Die Stilisierung des Autobiogr. bei Oswald v. Wolkenstein u. seinen Zeitgenossen Hugo v. Montfort, M. u. Michel Beheim Masch.Diss.Tübg. 1950. M . - L . R o s e n t h a l Stilist. Untersuchung. zu den Liedern Ms. Masch.- Diss. Berlin I95°-
Kurt Hannemann
"Muspilli' (Nachtrag). Die noch von Georg B a e s e c k e geteilte Ansicht, das 'Muspilli* bestehe aus zwei ursprünglich selbständigen Gedichten, die erst später ineinander geschoben worden seien, und mische christliche Vorstellungen vom Jüngsten Gericht mit germ.-heidnischen vom Weltbrand, ist in neuerer Zeit durch die gründliche und weit angelegte Untersuchung von Hermann S c h n e i d e r (s. u.) erschüttert worden. Nach ihm liegt ein nach Aufbau und Gedankengehalt einheitliches Gedicht vor, das in allen Einzelheiten christlicher Tradition und Anschauung verpflichtet ist. Es ist seiner Entstehung nach einbair. Werk. Die Ungleichheiten im Lautstand und in der Orthographie erklären sich aus der Überlieferungsgeschichte des Denkmals. Wir haben nach v a n D e l d e n (s. u.) drei sprachliche Schichten zu scheiden: A den bair.
700
Urtext, verfaßt um 810, vielleicht auf persönliche Anregung Karls des Großen, jedenfalls in seinem Kreis (Beziehung zum ' Capitulare
missorum
generale'
v o n 802 g e g e n
Mißstände im Rechtswesen); B eine jüngere bair. Umarbeitung, etwa um 850; C die um 870 anzusetzende Abschrift eines des Bairischen kundigen rheinfränk. Abschreibers. Dieser Abschreiber war mit größter Wahrscheinlichkeit König Ludwig der Deutsche selbst, dem die kostbare Hs., auf deren erstem und letztem Blatt das Gedicht eingetragen ist, noch als Kind (puer) von Erzbischof Adalram von Salzburg gewidmet worden war, der, in Rheinfranken aufgewachsen, als König in Bayern lebte (826 bis 876), in regem Gedankenaustausch mit den Gelehrten seiner Zeit und dessen Beziehungen zu Otfrid (vgl. die Widmung des Evangelienbuches an ihn) die Spuren Otfridschen Versbaues in dem sonst alliterierenden Gedicht erklärlich machen würden. Die bair. Grundlage des M. kann außer durch den Lautstand auch durch den Wortgebrauch gestützt werden (vgl. G. M ü l l e r u.). W. v. U n w e r t h Eine Quelle des Muspilli P B B . 40 (1914/15), S. 349ff. (Verwandtschaft mit dem ags. Christ III). G. N e c k e l Studien zu den germ. Dichtungen vom Weltuntergang H S B . 1918, 7. G. B a e s e c k e St. Emmeramer Studien P B B . 46 (1921), S. 431 ff. D e r s . Vocabularius Sti. Galli 1933, S. 124 —138. D e r s . Muspilli II ZfdA. 82 (1948/50), S. 199 — 239. F. B ä r t z l e r Edda und Muspilli vom Manichäismus beeinflußt ? Nd. Zs. f. Volkskde. 13 (1935), S. 179 — 185. H. S c h n e i d e r Muspilli ZfdA. 73 (1836), S. i f f . W. K r o g m a n n Der christliche Ursprung des as. Mudspelli N d j b . 71 — 73 (1948 — 50), S. 17 — 31. R. v a n D e l d e n Die spracht. Gestalt des M. und ihre Vorgesch. im Zusammenhang mit der Abschreiberfrage P B B . 65 (1949), S. 303 — 329. K. F. F r e u d e n t h a l Arnulfingisch-harolingische Rechtswörter Diss. Göteborg 1949, S. 125f., dazu G. M ü l l e r DLZ. 73 (1952), S. 370 — 374. — H. de B o o r Gesch. der dt. Lit. I, 1949. S. 5 0 - 5 4 -
E
Karg-Gasterstädt
Der Mysner (so im Cgm. 1020), s. D e r Meißner.
Nadda
7oi
Nadda, Verfasser der „Vita
s.
Cyriaci".
1. Überlieferung: Wolfenbüttel Heimst. 1024, Bl. 81 —109 (dieses Stück der Hs. war zuerst selbstständig), dem Schrifttyp nach um 1100 von zwei Händen geschrieben. Brüssel 104, Bl. 2Ö2b — 2Ö5b, 1139 geschrieben, bietet ein Exzerpt aus Kap. 1 —4, 6—12, 14 — 17, 19 — 21, 27 — 28, dann Prolog § 10 bis 13; Kap. 10 —11 Anfang und Kap. 14 Ende bis in 17 hinein, das zweite Stück freilich sehr verkürzt, sind nur hier überliefert, da Wolfenbüttel ein Doppelblatt verloren hat; das Exzerpt ist eine Umarbeitung, die Sprache und Inhalt geebnet hat, die fürs Officium hergerichtet und statt in Kap. in 6 Lektionen geteilt ist; her. in den An. Boll. II, S. 248 — 258. Eine noch stärkere Bearbeitung ist in den AS. Aug. II, S. 332 — 334 aus einem verschollenen Palatinus, wohl dem Vatic. 851, gedruckt (BHL. 2063). Ausgabe der Prosateile von N. F i c k e r m a n n Eine hagiographische Fälschung ottonischer Zeit aus Gernrode Corona quernea, Festgabe K . Strecker 1941, S. 159 —171 und des Versteils von d e m s . MGH. Poetae V, 1, 1937, S. 256 — 259.
2. Der Autor nennt sich Kap. X X I I : Ego ab omnibus iure infelix conclamatus Nadda. Nach E . S c h r ö d e r ist N. „eine in jedem Punkt gut ostfälische Koseform für einen Namen mit Not-", das damals ostfälisch nad hieß und wovon N. seinen Namen in jenem Zitat selber abzuleiten scheint (Corona quernea, Festgabe K . Strecker, 1941 S. 166 Anm. 6). Diese Lokalisierung wird durch zweierlei bestätigt: von der in Kap. 2 zitierten ,,Vita s. Liudgeri" des Altfrid, der 839—849 Bischof von Münster war, gehören fast alle älteren Hss. mit Werden, das mit Helmstedt und Halberstadt in Beziehung stand, oder dem vermeintlich liudgerischen Kloster Helmstedt eng zusammen. Wie N. im ersten Satz des Prosaprologs kundtut, hat ihn venerabilis Hadwi aufgefordert, die Cyriacusvita zu schreiben: breviter me tibi cum sororibus tuis aperire petisti, vgl. das Gedicht V. 1; mit Hadwi kann nur die erste Äbtissin von Gernrode (959—1014) gemeint sein. Im Kloster Gernrode, das Hadwis Schwiegervater Markgraf Gero (965t) gestiftet hatte, mußte damals ein starkes Bedürfnis danach vorhanden sein, da Gero eine Cyriacusreliquie aus Rom mitgebracht hatte, damit ein neues Patrozinium für jenes Kloster
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geschaffen war und für den zum H a u p t heiligen Gernrodes gewordenen der Mangel eines entsprechenden Panegyricus immer heftiger empfunden werden mußte. Damit ist das Werk datiert, etwa gegen 1000. Mit F i c k e r m a n n aaO. S. 167 und Anm. 3 kann man aus den Anredeformen der Hadwi schließen, daß N. ein höherer Geistlicher war. 3. Auf einen Prosaprolog, der über ein Viertel des Ganzen beansprucht, folgt ein Gedicht von 27 Distichen, das einen Überblick über den durch N. erreichten Umfang der ganzen Cyriacusvita gibt, darauf die Vita mit 21 Kap. und einem Schluß v o n 7 Kap., beides in Prosa. Was N. in den 21 Kapiteln der eigentlichen V i t a bietet, ist eine Ergänzung des in den „Acta S. Marcelli papae" (AS. Jan. 2, Sp. 36gff.) nur teilweise behandelten Cyriacuslebens, was er im Prosaprolog gleich in den ersten Worten andeutete: quecumque de incognitis gestis eximii martiris Cyriaci . . . usquam investigavi. Was dort fehlte, führte N. hier aus, Heimat und Herkunft, Erziehung und Bekehrung (Quis dubitat antea adultum esse etate, quam termarum gemeret sub fasce ? Prol. § 5), und wies im Schluß mehrmals auf die „Acta Marcelli" als Fortsetzung seiner V i t a hin (ista, que secuntur, . . . inveniuntur . . . in gestis eiusdem Marcelli expressa Kap. 22 Rubrik; lector ... ad Gesta Marcelli veniat, ibi etiam . . . inveniet iam plenius omnia facta . . . Kap. 24). A m Schluß des 21. Kap. und damit der eigentlichen Vita heißt es: Huc usque exemplar invente Historie Iohannis ptesbiteri, quod venerabilis Beda secundum sermonem sancti Gregorii pape in libro miraculorum scripsit. Wie N. im Prolog ausführte, s. § 9ff., fand Papst Gregor 596/7 die Reliquien des hl. Cyriakus und seiner Gefährten und in dessen Grab auch die Vita des Heiligen, die ihr Zeitgenosse, der Presbiter Johannes verfaßte, ließ sie aber dort liegen und teilte nur das Gelesene in einer Predigt dem Volke mit; dadurch erfuhr es auch der gerade in Rom weilende
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Nadler, Andreas — Neidhart von Reuental
Beda und schrieb es in seinem ,,Liber miraculorum" auf, den niemand auf dem Festland bis dahin kannte, weil die Iren dieses Erbstück hüteten. N. aber lernte die Vita durch seinen irischen Lehrer Mezenzius kennen. Diese Deckung durch Beda und Gregor ist eine von N. kunstvoll gesponnene Lügenmär, für deren Abenteuerlichkeit schon der etruskische Fürstenname Mezenzius spricht. Erfunden ist dementsprechend auch der Hauptteil, die Erweiterung der Cyriakusvita. 4. Einzigartig ist der Gesamtaufbau: im Prolog berichtet N. über seinen Auftrag, seinen Gewährsmann, die historische Wahrheit, das Wissen über den Heiligen und die Geschichtschreiber, dann redet Mezenzius über die Vita beata, das Wirken Gregors und Bedas für jene Vita u. a. m.; im Gedicht faßt er die ganze Vita zusammen (bis V. 21 seine danach folgende Prosa, V . 22 ff. die „Acta Marcelli") und bringt nach dem Kern, der Ergänzung zu den „Acta Marcelli", einen „wissenschaftlichen Anhang", in dem er sich vorstellt, auf die „Acta Marcelli" verweist und auf die 'Excerpta Trogi Pompci' — das ist die 'Epitoma hist. Philipp. Pompei Trogi' des Justinus, wo aber nichts von den folgenden Worten steht — , auch erörtert, warum Cyriakus zweimal im Kalender vorkommt. In dieser Weise ist keine zweite Heiligenlegende zusammengesetzt. Anzuerkennen ist auch, daß sich N. in die hagiographische Art und Ausdrucksweise recht gut eingefühlt hat. Ein solches Werk kann nicht im Ganzen als Historie angesehen und gewertet werden; es gehören dazu auch die vielen falschen Angaben und Daten, das freie Schalten mit dem Geschichtlichen. Überhaupt zeigen sich im Einzelnen erhebliche Mängel. Schon in der Prosa wimmelt es von oft größeren wörtlichen Entlehnungen besonders aus Augustin, Hieronymus, Alkuin, Sallust u.a. In dem Gedicht sind die ersten zehn und die letzten zehn Verse fast ganz aus Alkuins „Vita s. Willibrordi" entlehnt und im Mittelteil verhältnismäßig viel aus Alkuin und Prudenz, da ja hier ein Abriß der ganzen Vita zu geben war, d. h. hier durch das Thema weniger Raum für ein Cento war.
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Beim Entlehnen zeigen sich nicht selten Flüchtigkeiten und Mißverständnisse. Die Sprache hielt N. nicht frei von den Nachlässigkeiten der niederen Rede. Nach Inhalt und Form besitzt diese hagiographische Fälschung geringen Wert. Immerhin hat es seine Bedeutung als einziges Literaturdenkmal der Ottonenzeit in Gernrode. K . Langosch Nadler, Andreas, ist der Vf. eines Soldatenliedes, in dem das Lagerleben einer dt., in Ungarn liegenden Truppe drastisch und unmutsvoll behandelt wird. Der sonst nicht bekannte Dichter, der sich in der Schlußstrophe mit Namen nennt, stammte wohl aus Salzburg, denn dorthin schweifen sehnsüchtig seine Gedanken (gein Salczpurg stet mir all mein syn, solt ichs pey fuessen zeldten alz ein trabant). Die acht achtzeiligen Strophen (Reimstellung ababcccb) berühren nicht nur die Mißstände in der Truppe (schlechte Verpflegung, unkameradschaftliches Verhalten namentlich genannter niederer Vorgesetzter), sondern auch nationale Reibereien. Der Dichter spürt, daß die Ungarn den Deutschen nicht hold sind, und schmäht sie seinerseits als verlaust, habgierig und diebisch. Die einzige erhaltene Niederschrift (Cod. 3027 der Wiener Nat.Bibl.) stammt aus der Zeit um 1520; die Entstehung des Gedichtes fällt wohl noch ins 15. Jh. K . Z w i e r z i n a Drei Lieder aus Wiener i n : Z f d A . X L I (1897), S . 6 5 - 7 2 ( T e x t u n d h a n d l u n e>-
Hss. Ab-
Gerhard Eis
Nassau-Saarbrücken, s. E l i s a b e t h v o n N.-S. und ' P i l g e r f a h r t d e s t r . M ö n c h s ' im Nachtrag. Neidhart von Reuental (Nachtrag): H. W. B o r n e m a n n
Neidh.-Probleme
1937.
F . M a r t i n i Das Bauerntum im dt. Schrifttum 1944, S . 4 1 — 9 2 . K . W i n k l e r Lit.-Gesch. des oberpfälz.-egerländ. Stammes 1 (1940), S . 48 — 68 u n d
653 — 671 und 2 (1940), S. 357ff. W. W e i d m a n n
Studien zur Entwicklung v. Ns. Lyrik 1947. P. B ö c k m a n n Formgesch. der dt. Dichtung 1 (1949), S . 176 — 198. E . W i e s s n e r Berührungen zwischen Walthers u. Ns. Liedern Z f d A . 84 (1952 b i s 1953), S . 241 — 264. H . d e B o o r Gesch. der dt. Lit. 2 (1953), s - 3 5 9 — 3 7 ° u - 3 7 6 Kienast in W. S t a m m l e r Dt. Philol. im Aufriß I I (1953), Sp. 863f. W. K o s c h Dt. Lit.-Lex. 3 (1953). S. 1 8 5 2 ! E . W i e s s n e r Vollst. Wörterb. zu Ns. Liedern 1954. D e r s . Kommentar zu Ns. Liedern 1954.
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Nestler von Speyer — 'Nibelungenlied' und 'Klage'
Nestler von Speyer (Nachtrag), s. a. Kessler, Veit. K. Hane Lit. Kulturleistungen des mal. Speyer Diss. Heidelbg. 1933, S. 3 2 I H. N e s t l e r Der Meistersinger N. aus Speyer und seine Beziehungen zu Regensburg (mit Neuausg. des Mariennamenliedes) Verhdl. d. Hist. Ver. v Oberpfalz u. Regensburg 90 (1940), S. 305 — 316. B. S t ä b l e i n Zur Melodie des ,, Unerkannten Tones" Ns. ebda. S. 317 — 320 (mit Lichtdr. aus mgq. Berol. 414). J . S i e b e r t ì V . v. Sp. P B B . 72 (1950), S. 141 —150.
Der von Neuhaus (Nouhusius), s . ' L o h e n g r i n ' o. III, S. 60—62. Neune (Nachtrag), s. a. Kol von Neunzen. E. T h u r n h e r Wort und Wesen in Südtirol 1947, S. io4f. C. v. K r a u s Dt. Liederdichter des 13. Jhs. 1 (1952), S. 300f.
Hannemann
Neuper, Anna, eine Nonne im Nürnberger Clarissenkloster (f 1529), verfaßte 1517 ein dt. Musterbüchlein für Goldstickerei. Die noch ungedruckte, in Wolfenbüttel erhaltene Hs. (Cod. 57. Aug. oct.) ist eine wertvolle Quelle für das Lanificium, das in dem mal. System der septern artes mechanicae an erster Stelle stand. Die Nürnberger Nonnen waren wegen ihrer Geschicklichkeit in der Teppichwirkerei und Paramentenerzeugung berühmt. J. K i s t Das Klarissenkloster in Nürnberg bis zum Beginn des 16. Jhs. Diss. Würzburg 1929.
Gerhard Eis Nouhusius, Verfasser des ' L o h e n g r i n ' (s. d.). 'Nibelungenlied' und'Klage' (Nachtrag). A. D a s N i b e l u n g e n l i e d . 1. D i e U b e r l i e f e r u n g . Die Wertung der Hss. ist nicht neu erörtert worden. Im allgemeinen wird der Text der St. Gallener Hs. (B) als Text des Nibelungenmeisters behandelt. Da er bereits auf die Fassung hin geöffnet ist, die in der Hohenems-Laßbergischen Hs. (C) vorliegt, sollte diese erweiterte Ausgabe bei der Interpretation stärker berücksichtigt werden. Edw. S c h r ö d e r fand in Sprache und Versgang des Nls. nichts, was den Dichter als Verf. der „Redaktion C " ausschließe (ZfdA. 70, 1933, S. 158, Anm. 1 ; 78, 1941, S. 88/89; vgl. auch D. v. K r a l i k Die Sigfridtrilogie 1941, S. 27). Wer dieser Annahme zuneigt, muß bereit sein, die C-Fassung als Ausgabe Verfasserlexikon V .
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letzter Hand anzuerkennen. Doch gibt es manches, das dieser Annahme mit zureichender Stärke entgegensteht. In der B-Fassung liegt zwar nicht der Text des Nibelungenmeisters wie ein Text Hartmanns oder Wolframs fest, aber sie kann mit Vorbehalt innerhalb der uns zugänglichen Überlieferung als die maßgebendste Ausgabe des Dichters gelten. 2. D a s Nl. in d e r N e u z e i t , a) A u s g a b e n . Bearbeitet von H. de B o o r : Das Nibelungenlied her. v. K . B a r t s c h (Dt. Klassiker des MAs. 3) 11 1944 (Nachprüfung des Textes, neue Einl. mit Bibliogr., neue Anmerkungen). — Der Nibelunge Ndt in Auswahl, her. v. K . L a n g o s c h Samml. Göschen 1, 9 1953. b) U b e r s e t z u n g e n : M. C o l l e v i l l e e t E. T o n n e l a t La Chanson de Nibelungen, Traduction intégrale 1945. — Wirkung auf neuzeitliches Denken: M a x M e l i , Der Nibelunge Not („dramatische Dichtung") 1951 (vgl. d e r s . Die dram. Dichtung „Nibelunge Not" Wirkendes Wort, 3, 1952/53, S. 223/224 u. H. B r i n k m a n n Das Nl. als Tragödie ebd. S. 224—227). Zu weiterem vgl. J. K ö r n e r Bibliograph. Handbuch des dt. Schrifttums 3 1949, S. i n . 3. D e r A u f b a u . Eine Interpretation, die Schritt für Schritt mit der Dichtung geht, ohne das Sichtfeld der strophischen Gefüge zu verlassen, bleibt nach wie vor wichtigste Aufgabe der Forschung! Hauptgefahr für den Interpretierenden: das Suchen nach einem Geschehn, das in streng aufeinander bezogenen, kausal verknüpften Teilstücken abläuft. 4. D i e Q u e l l e n f r a g e . In der Vielfalt von Erwägungen, die zu Beginn dieses Jhs. da waren, wirkten H e u s l e r s Forschungen, die durch Nibelungensage und Nibelungenlied (1921) abgeschlossen wurden, wie eine Flurbereinigung. Der von ihm aufgestellte Stufengang gestalteter Nibelungensage hatte charakteristische Voraussetzungen : Nibelungendichtung, die vor dem Nl. liegt, erhält ihren Aufbau bei allem Wandel von Zeitbedingungen durch einzelne, mehr oder minder schöpferische Dichter. Darin besteht kein Unterschied zwischen dem Buchgedicht (dem sog. Epos) und liedmäßigen Gestaltungen. Daher hat so haushälterisch 23
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'Nibelungenlied' und 'Klage'
wie möglich zu verfahren, wer die Unterlagen des Nls. und darüber hinaus die Entwicklungsstufen der Nibelungensage ansetzt. Dagegen unterscheidet das Buchgedicht von vorliterarischen Liedern, daß es durch das schwellende Aus- und Durchgestalten einer Gerüst gebenden Liedfabel entsteht. Das Anwenden dieses Grundsätzlichen führte in Heuslers Forschung zu einem Ergebnis besonderer Art: Das Nl. erscheint als ein Buchgedicht zweiter Stufe, in dem ein älteres Buchgedicht mindestens für den 2. Teil umgearbeitet ist. So stark Heuslers Untersuchungen wirkten, sie haben sich in ihren Einzelergebnissen nur bedingt durchgesetzt. Dieser Zustand hat sich beträchtlich verstärkt. D. v. K r a l i k läßt das Nl. aus anderen Vorlagen entstehen: Die Sigfridtrilogie im Nl. und in der Thidrekssaga I 1941. (Kurze Zusammenfassung in dem Aufsatz Das Nl. Von dt. Art in Sprache u. Dicht. II, 1941, S. 189—233.) Drei miteinander verschmolzene Liedinhalte bauen ihm den 1. Teil des Nls. auf: die „ Kampf maidtragödie des Brünhildliedes", in der Sigfrid bei einem Jagdritt durch den Gefolgsmann Hagen fällt, die „Horttragödie des Grimhildliedes", in der Brünhild fehlt und Sigfrid durch den burgundischen Halbbruder Hagen auf einem Kriegszug ermordet wird, das „Lied von Sigfrids Hochzeit", eine Sigfridkomödie, die in zwei Abschnitten, in Kriegszug und Werbungsfahrt, eine „humoristische Kontrafaktur zu den zwei Tragödien" bringt, daher mit Sigfrids Abschied von den Eltern beginnt und mit der Rückkehr zu ihnen schließt. Vorausdeutungen lassen erkennen, wie für den 2. Teil des Nls. die Quellenfrage gelöst werden soll. Ein Lied aus dem 5. Jh. von der burgundisch-hunnischen Tragödie, die GrimhildGudrun durchleidet und in der es nicht um einen Hort, sondern um Herrschaft geht, wird im 12. Jh. durch zwei Dichtungen ersetzt: durch das „Rachelied", das zum ersten Mal die Rache der Schwester an den Brüdern einführt, und durch die etwas jüngere „Notdichtung", die Iring, Rüdeger lind Dietrich heranholt. Beide Dichtungen geben ihre Vorgeschichte in „rückblickenden Reden", doch bezieht sich das „Rachelied"
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nur auf das „Brünhildlied" (die „Kampfmaidtragödie"), die „Notdichtung" auf das „Brünhildlied" und das „ Grimhildlied" (die „Horttragödie"). Nur durch das Ansetzen dieser verschiedenen Dichtungen, unter denen sich mindestens die „Notdichtung" als eine Art halbliterarisches Kleinepos anbietet, ist für Kralik die Forderung erfüllt, daß die Lieder von früh an „frei geformte Kunstgedichte" mit geschloßner Fabel sind. Dagegen scheint ihm weder die Darstellung des Nls. noch die der Thidrekssaga im wesentlichen durch Aufschwellen zweier „Hauptquellen" erklärbar zu sein. Beide Darstellungen gehn ihm aus einer „Verschmelzung selbständiger und in sich abgeschlossener Fabelzusammenhänge" hervor. — Ist Kralik näher als Heusler an dem, was sich für uns verdeckt abgespielt hat ? Durch Kraliks Ergebnisse fallen nicht nur die Nibelungenteile der Thidrekssaga, sondern auch das Nl. unter den Begriff des „Kompilationswerkes". Darstellungen wie die des Nls. bewertet er daher bei strengem Maßstab als „künstliche Gebilde", hinter denen die im mündlichen Vortrag weitergeleiteten Gebilde der „wahrhaft künstlerischen Heldendichtung" stehn. Und doch sind diese angeblich „primären Schöpfungen" weitgehend aus dem Nl. heraus aufgebaut (!), das in Kraliks Wertung darunter zu leiden hat, daß es uns erhalten ist. Heusler nahe stellt knapp H. de B o o r das stufenmäßige Entstehn von Nibelungendichtungen bis zum Nl. einschließlich in der Einleitung der Brockhausausgabe vom J. 1940 dar (s. o. unter 2). — Herrn. S c h n e i d e r (der Kraliks Sigfridtrilogie im AfdA. 60, 1941, S. 59—70 bespricht) legt eine neue Quellenbestimmung für den 1. Teil des Nls. vor: Die dt. Lieder von Siegfrieds Tod 1947. Er holt aus Nl. und Thidrekssaga zwei „Parallellieder" heraus, die der Nibelungenmeister verschmolzen hat: ein roheres nd. 'Brünhildlied' der Zeit nach 1150, ein österreichisches 'Krimhildlied' der 1160er Jahre. Beiden voraus geht das "alte Brünhildlied', das sich nicht mit dem 'Brünhildlied' der vorkarolingischen Zeit deckt. Auch die Fabel vom Burgundenuntergang stellt sich ihm für den dt. Bereich
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über das 8. Jh. hinaus in zwei „Parallelliedern" dar, von denen das eine die ursprüngliche Rache für den Tod der Brüder festhält, das andere die Rache an den Brüdern bringt. —• Stärker lockert auf W. M ö h r s Aufsatz 'Giselher' ZfdA. 78, 1941, S. 90—120. Mohr nimmt Heuslers „sagengeschichtlichen Stammbaum" als ein „Schema", das nur ein Mindestes gibt, aber nicht die bunte Wirklichkeit mit ihren Übergängen, Seitentrieben und Ausweichungen zeichnet. Vorwärtstreibend in dieser Richtung ist Möhrs kritische Anzeige von Kraliks ' Sigfridtrilogie': Dicht, u. Volkst. (Euph.) 42, 1942, S. 83—123, besonders S. i o i f f . Der Begriff 'Sage' erhält vom Inhalt der Dichtungen her wieder Eigenwert, nachdem er dabei war, nur noch das Stoffliche von Dichterschöpfungen zu bezeichnen. Erwogen wird, daß ein „heiterabenteuerliches" Lied oder Epos des 12. Jhs. von der Werbung um Brünhild einen „Ausschnitt" (eine „Episode") von Siegfriedsage dargestellt habe. Ferner, daß der 1. Teil des Nls. nicht in einem Zug, sondern auf mehreren Stufen in ein Epos umgeschmolzen sei. — Für ein neues Verhältnis zur Vorgeschichte des Nls. ist wichtig H a n s K u h n s Aufsatz Kriemhilds Hort und Rache Festschr. P. Kluckhohn u. H. Schneider 1948, S. 84—100: „Zusammenhängende Neuerungen müssen durchaus nicht das Werk desselben Mannes sein". „Wo wir in die Fortbildung von Sagen Einblick haben, geht es langsam". Angeschlossen sei hier H a n s K u h n s Aufsatz Brünhilds und Kriemhilds Tod ZfdA. 82, 1950, S. 191—199: Brünhilds Selbstmord gehöre nicht zur ältesten Schicht der Siegfriedsage; die Tötung Kriemhilds durch einen Gast Etzels (durch Dietrich oder Hildebrand) sei nicht Rache im engeren Sinne, sondern ein Strafgericht ,,im Dienste eines höheren Rechts oder vielleicht Gottes"—• Die Art, wie Brünhild im Nl. erworben wird, führt F. P a n z e r im Grundgefüge erneut auf ein nordwestruss. Märchen zurück, das spätestens im 12. Jh. in den dt. Sprachraum wirkt: Nibelungische Ketzereien 1 PBB. 72, 1950, S. 463—498. Vgl. dazu das Nachwort von Th. F r i n g s mit weiterer Literatur S. 498—500, wo ein
rheinisches „Kurzepos" von Siegfried und Brünhild für das 12. Jh. angesetzt ist; auch die Angaben in: Th. F r i n g s u. M. B r a u n Brautwerbung I LSB. 96 (1944/48), 2., 1947, S. 72 und die dazu gehörige Anm. Für sich stehn Fr. P a n z e r s Studien zum Nl. 1945 (hervorgegangen aus zwei Vorträgen der Jahre 1942/43). Er stellt aus romanischen Heldenerzählungen Motivgruppen zusammen, an die Szenen des Nls. erinnern. Die provenz. Erzählung 'Daurel und Beton', die von einem Mord auf der Jagd berichtet, bindet er fest an nordfranz. Erzählungen und schließt den Einfluß des Nls. aus. Er tritt für Abhängigkeit des Nls. vom 'Daurel' ein, der freilich kaum älter als das Nl. ist. Er weist besonders auf Ähnliches zwischen dem Nl. und dem franz. 'Renaut de Montauban', der Geschichte von den Haimonsk indem hin, die gleichfalls zeitlich nahe am Nl. steht. Immerhin wird aufgehellt, daß der Nl.meister über einen Motivschatz verfügt, den er mit roman. Berufsgenossen teilt. Zugleich erneuert Panzer die Auffassung, daß die Thidrekssaga nicht ein Burgundenepos des 12. Jhs. benutzt, sondern das Nl. bearbeitet. Aus dem Sagabericht von Thidreks Heimkehr wird dem Sagamann Kenntnis der 'Klage' zugesprochen. Demgegenüber stellt Herrn. S c h n e i d e r „Kriterien" dafür zusammen, daß der Sagabericht trotz seiner Mängel ältere Quellen als das Nl. gehabt hat: Die Quellen des Nl. Euph. 45, 1950, S. 496—498. Aber ob sich noch aus dem Vergleich von Thidreksaga und Nl. eine 'ältere Not' als echtes Buchepos von Rang für die Zeit um 1160 aufbaun läßt ? Gewiß wohl nur, daß man für die Zeit vor dem Nl. mit einer szenenreicheren Ausgestaltung der Untergangssage zu rechnen hat, für die die Vorstellung vom streng unterliterarischen knappen Erzähllied nicht paßt. — Wie sehr die Frage eines dem Nl. vorausgehenden Buchepos ins Ungewisse führt, dafür noch zwei Beispiele: W. Mohr neigt dazu, die 'ältere Not' nicht nur mit Droege und Hempel als eine Art „rheinisches Epos" aus der ersten Hälfte des 12. Jhs. anzusetzen, sondern auch dieser Art „Epos" bereits die Verbindung von „Sigfrid- und Burgundensage" zuzusprechen: Jüngere 23*
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Eddalieder südgerm. Stoffes, ZfdA. 75, 1938, S. 269—280 (vgl. d e r s . Wortschatz u. Motive •der jüngeren Eddalieder, ZfdA. 76, 1939, S. 205, 207). H. H e m p e l hält an einem älteren rhein. Epos des früheren 12. Jhs. fest; er setzt zugleich an, daß ein Geistlicher aus diesem älteren Epos und nd.sassischem Liedstoff etwa um 1180 zu Soest eine Dietrichchronik zusammenbaut, die in Norwegen zur Thidreksaga bearbeitet wird: Sächsische Niebelungendichtung u. sächsischer Ursprung der Thidrekssaga Edda, Skalden, Saga (Festschr. F. Genzmer) 1952, S. 138—156. Nur mittelbar zur Quellenkunde des Nls. gehören Untersuchungen, die sich auf spätgerm. oder eddische Nibelungenlieder beziehn. Doch können sie für die nähere Vorgeschichte und die Interpretation des Nls. wichtig werden. — Heusler verbunden, aber in origineller Darstellung entwickelt die alten Stücke der Nibelungensage aus der Gesamtüberlieferung G. B a e s e c k e Vorgesch. des dt. Schrifttums 1940, S. 212—289. — H. d e B o o r versucht ein Grundgerüst der Sage von Siegfrieds Tod an fränkischburgundische Verhältnisse der Zeit vor der Burgundenkatastrophe des Jahres 436 heranzurücken, bestrebt, das Eintreten Siegfrieds in die burgundische Welt begreifbarer zu machen: Hat Siegfried gelebt? P B B . 63, 1939, S. 250—271. A n der uns allein faßbaren fränkisch-merowingischen Fassung der Siegfriedsage, die die ungeschichtliche Brünhild, das Ungeschichtliche an Siegfried und wohl auch erst Hagen bringt, ändert sich freilich dadurch nichts. — Nicht aufgelebt sind Versuche, an der Siegfrieddichtung Entstehung von Heldensage aus m y t h i s c h e m Denken zu begreifen. Doch hat sich F r a n z R o l f S c h r ö d e r für die Anfänge von Heldensage grundsätzlich gegen eine einseitig literarhistorische und literarästhetische Betrachtungsweise gewandt: Ursprung und Ende der germ. Heldendichtung GRM. 27,1939, S. 325—367. — F r . P a n z e r weist mit reichen Belegen nach, daß der urkundlich für das J. 1043 bezeugte lectulus Brunihildae des Feldberges (Taunus) nicht eine schlafende Walküre mit Flammenwall, sondern die ins Mythische erhobene merowingische
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Königin (f 613) meint: Nibelungische Ketzereien 2 P B B . 72, 1950, S. 95—123. Ausgehend von isl. Sagas und Heldenliedern hat F. G e n z m e r Wichtiges gefolgert : Vorzeitsaga und Heldenlied Festschr. P. Kluckhohn u. Herrn. Schneider 1948, S. 1 — 3 1 . Schon das Sagenlied der Völkerwanderungszeit wird nicht immer „reines Versgedicht" gewesen sein. Indem so für das Südgerm, gehobene Erzählprosa in den Bereich der Möglichkeit rückt, befreit sich die Gattung „Heldensage" von zu enger Bindung an eine ohnedies nicht überlieferte strenge Liedform. „Kleinsagas" in Prosa können wir freilich für das dt. MA. nicht ansetzen. Was schließt aber aus, daß das hohe MA. vor dem Nl. unterliterarische und halbliterarische Verserzählungen einfacher Strophengefüge gehabt hat, die den engeren Liedbegriff sprengen ? Es wäre falsch, den Texten solcher Großlieder oder Kleinepen die Festigkeit zu geben, die strenger Buchdichtung zukommt. (Vgl. T h . F r i n g s P B B . 72, 1950, S. 500, der einen „Grundfehler der Epenforschung" nennt, mit, .unwandelbaren Urformen" zu rechnen.) — Gegen die „Abstraktion", das Dasein von Heldensage auf versgebundene Heldendichtung einzuschränken, wendet sich H a n s K u h n Heldensage vor und außerhalb der Dichtung Edda, Skalden, Saga (Festschr. F . Genzmer), 1952, S. 262—278. E r g e b n i s : Indem Heuslers Quellenforschung Heldensage in Dichtung einschließt, die an Versgefüge gebunden ist, gewinnt er in einer I d e a l k o n s t r u k t i o n eine gestufte Abfolge von Nibelungenliedern. Doch sollte nicht übersehen werden, daß sich die geschichtliche Mannigfaltigkeit nicht mit einer solchen Idealkonstruktion deckt. Grundsätzlich gilt, daß sich Verlorenes, daher auch Unter- und Halbliterarisches nicht in seiner besonderen Geschichtlichkeit zurückgewinnen läßt. Trotz der eddisch en Gedichte haben wir daher nur eine ungefähre Vorstellung von spätgerm. und mal. Nibelungenliedern. Wohl ist kein Zweifel: das Nl., eine buchmäßige Großerzählung, nährt sich aus versgebundenen Dichtungen des 12. Jhs., die sich bereits durch Szenen- und Personenbestand in größeren Umfang dehnen. V o m Sprachge-
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brauch des 12. Jhs. fällt das alles unter den Begriff „ L i e d " . D o c h ist zu fragen, ob und wie weit Großlieder berufsmäßiger Vortragskünstler schon als eine A r t halbliterarische Dichtung gewertet und sogar imter den unscharfen Begriff „ E p o s " (etwa unter den Begriff „ K u r z e p o s " ) gestellt werden dürfen. Man wird stärker als bisher die mal. Bedingungen für unter-, halb- und hochliterarisches Dichten zu berücksichtigen haben und die Verwendung der Leitbegriffe „ L i e d " und „ E p o s " v o m Geschichtlichen her neu klären müssen. Erst von da her wäre die angenommene „ältere N o t " als Gebilde z u beurteilen. W o h l bleibt trotz der Einsprüche im Wahrscheinlichen, daß eine zum mindesten halbliterarische „ M ä r " , die im H a u p t z u g den Untergang der BurgundenNibelungen darstellt, unter dem Nl. liegt. D o c h sind wir schwerlich so weit, für die Entstehung dieser angenommenen „ M ä r " Zeit und Landschaft mit gleicher Wahrscheinlichkeit anzugeben. Rheinisches und Bayr.-Österreichisches könnte durch die W e g e der „ F a h r e n d e n " verbunden sein. A u c h sollte man nicht über eine „ältere N o t " wie über etwas Vorhandenes sprechen, das in einem älteren Stil „ E p o s " wie das Nl. ist. W i e kann vollends diesem schwebenden Gebilde eine Ranghöhe zugesprochen werden, durch die die Leistung seines Verfassers mit der Leistung des Nl.meisters vergleichbar w i r d ? I m ganzen zeigt sich bei der Erweichung v o n Heuslers Idealkonstruktion, d a ß die Quellenforschung mit den sagengeschichtlichen Methoden eine Grenze erreicht hat. 5. D i e E n t s t e h u n g d e s N l s . Noch mehr als früher erweist sich als notwendig, über die Quellenfrage hinaus zeitbedingte Voraussetzungen herauszuarbeiten, unter denen der Nibelungenmeister schafft. — F r . P a n z e r s Studien zum Nl. (1945) hellen motivischen Denkraum des Nl.meisters auf, indem sie in romanischer Dichtung, besonders in franz. Chansons de geste, aber auch im Zeitgeschichtlichen des 12. Jhs. Verwandtes aufzeigen (s. o. unter 4). — Angeregt durch die Anmerkungen in H e l m , d e B o o r s Ausgabe (s. o.) geht N e l l y D ü r r e n m a t t dem „höfischen G e i s t " nach, den im Nl. die äußeren Lebensformen und die
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„ethische H a l t u n g " der Hauptgestalten bekunden : Das Nl. im Kreis der höfischen Dichtung Berner phil. Diss., 1945. U m einen Maßstab zu gewinnen, zieht sie die vor-, früh- und hochhöfischen Erzählungen heran. Bei der W e r t u n g der v o m Nl.meister gewählten Darstellung, die dem wirklichen Ritterleben näher sein k a n n als Darstellungen höfischer Romane, will freilich die dem Nl. unterliegende Sagenwirklichkeit als Bedingung beachtet sein. Vollends läßt sich für den Nibelungenmeister aus seiner L e bens- und Menschendarstellung nicht Zugehörigkeit zum R i t t e r s t a r d herleiten. (Vgl. auch B o d o M e r g e l l E u p h . 45, 1950, S. 306/307.) — H u g o K u h n grenzt als Sonderheit des Nls. gegenüber einer in ihm hochentwickelten, aber älteren Gebärdensymbolik Szenen ab, die nach Gesetzen kunstvoller Raumregie gebaut s i n d : in dem weit über das Nl. hinausreichenden A u f s a t z Über Nordische und deutsche Szenenregie in der Nibelungendichtung, E d d a , Skalden, Saga (Festschr. F . Genzmer), 1952, S. 279 bis 306. 6. D i e m e t r i s c h e F o r m u n d d i e S p r a c h e . Weiterhin fehlt eine zusammenfassende Darstellung über die verhältnismäßig ebene Historiensprache des Nls. Durch das Nachfühlen der in ihr wirkenden Tradition und durch vergleichendes Festlegen, wie weit sie mit hochritterlicher E r zählsprache zusampiengeht, wie weit sie sich v o n ihr trennt, wäre am sichersten der literarische Standort des Nls. zu bestimmen. — Eine Würdigung des rhythmisch gebundenen Sprachstils versuchte in einer originellen A b h a n d l u n g M a x I t t e n b a c h : Das Nl. Dichtung u. Schicksalsgestaltung (1944). E r sprach d e m Nl. v o m Sprachstil her einen „ z y k l i s c h e n C h a r a k t e r " zu und verglich seinen A u f b a u m i t Spannungen des romanischen Stils. — E d w . S c h r ö d e r legte v o r Beiträge zur Textform des Nls. I—IV, Z f d A . 70, S. i 4 5 f f ; 72, S. 5 i f f . ; 74, S. 88ff.; 78, S. 88/89: wichtige B e o b a c h t u n g e n z u m W o r t g e b r a u c h und zur P r o s o d i e . — Friedr. M a u r e r s Studien zum Bedeutungsbereich des Wortes „ L e i d " behandeln das Nl. im 2. K a p . : Leid (Bibliotheca Germanica 1) 1951, S. 13—38. D a s W o r t leit hat im Nl. neben der Bedeutung „ S o r g e " , „ S c h m e r z " die
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Bedeutung „Beleidigung", „Entehrung" (s. auch unter 8). 7. E n t s t e h u n g s z e i t . E n t s t e h u n g s ort. D e r D i c h t e r . Durch Datierung der C-Fassung versucht F. P a n z e r die Entstehungszeit des Nls. einzugrenzen: Vom mal. Zitieren. Exkurs: Zur Datierung des Nls. und der Klage HSB. 1950, 2, S. 36—44. Ihn dünkt wahrscheinlich, daß Azagouc und Zazamanc aus Wolframs 'Parzival' (B. I, II) stammen. Aber „Rumolds R a t " des VIII. Parzival'-~Buda.es leitet er aus der C-Fassung' des Nls. ab. Das VII. 'Parzival'-Buch ist ihm wegen der erwähnten Erfurter Weingärten frühestens 1204, vielleicht erst 1205 oder 1206 gedichtet. Die Folgerung : Nl. und 'Klage' haben in der C-Fassung spätestens 1206/1207 vorgelegen. Da er daran festhält, daß das Nl. aus dem 'Iwein' Hartmanns entlehnt hat und die ersten Bücher des 1 Parzival' benutzt haben kann, drängt sich die gesamte Textentwicklung des Nls. und der 'Klage' in die ersten Jahre des 13. Jhs. zusammen. Nicht fügt sich hierzu, daß er mit Hinweis auf Edw. Schröder das Wort harnaschvar der B-Fassung auf Wolframs 'Parzival' zurückführt, wo es erst im XII. Buch, also nicht vor dem J. 1206/07 auftaucht. (Edw. S c h r ö d e r neigte dazu, die Vollendung der B-Fassung nicht zu früh anzusetzen.) Aber auch so ist unwahrscheinlich, daß die B- und C-Fassungen dicht aufeinanderfolgen. Zudem wird man die 'Klage' schon wegen A. Leitzmanns Beobachtungen über ihr Verhältnis zu Wolframs 'Parzival' und 'Willehalm' nicht in das frühste 13. Jh. stellen dürfen. Durch all dies wird gestützt, daß der C-Fassung Wolframs 'Parzival' vorausliegt. — Eine strophische Erzählung wie das Nl., die bei aller Einheit des Stils für Erweiterungen und Änderungen offen steht, läßt sich nicht mit ihren Fassungen in den engen Zeitraum weniger Jahre einfangen. Wie glatt wirkt zudem bei allen Archaismen Sprach- und Versgang des Nls. gegenüber Wolfram, selbst gegenüber Hartmann! Mag der Nl.meister schon vor der Jahrhundertwende eingesetzt haben, sein Werk, wie wir es in der B-Fassung kennen, dürfte von ihm im 1. Jahrzehnt des 13. Jhs. ausgebaut sein. (Vgl. auch K. L a n g o s c h , a. a. O. Samml. Göschen 1, Einleitung S. 6/7.) Die C-Fas-
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sung ist noch nahe genug an seinem Werk heran, wenn sie erst ein Jahrzehnt später die Textgestaltung des Nls. abschließt. Den Versuch, aus der B- und A-Fassung so etwas wie den ersten und entscheidenden Wurf, eine Grundausgabe des Nibelungenmeisters, zu gewinnen, die dann spätestens um das J. 1200 da ist, wird man in das für uns Unmögliche stellen dürfen. (Vgl. auch H u g o K u h n Annalen der deutschen Literatur 1952, S. 154/155.) — Anders G. Eis. Indem er die erste Verwendung der Namen Zazamanc und Azagouc dem Nibelungendichter zuweist, entsteht ihm das Nl. vor Wolframs 'Parzival', etwa um das J. 1195: Zur Datierung des Nls. FF. 27, 1953, Heft 2. Der Dichter, mit Kämmereiwesen vertraut, wähle für die Herkunft von Seidenstoff zwei Städtenamen: Zazamanc sei, durch „Lesefehler" entstellt, span. Salamanca\ Azagouc meine vielleicht span. Azuaga oder ostfranz. Azincourt. Namen, die im Sachstil des Nls. fremd anmuten, entstanden durch eine zufällige Entstellung ? Die Überlieferung des Nls. und Wolframs Phantasie gelenkt von einem Lese- oder Hörfehler ? Und dies vollzogen am Städtenamen Salamanca ? — Nimmt man alle Datierungsversuche zusammen, so ergibt sich, daß sich die Entstehungszeit des Nls., einer Erzählung, deren Strophenbestand eine gewisse Beweglichkeit hat, nicht durch den Umkreis einer bestimmten Jahreszahl festlegen läßt. F. P a n z e r hat die Gründe verstärkt, die dem Dichter Passau als Schaffensort anweisen : Studien zum Nl. 1945, S. i7gff., auch Der Weg der Nibelunge, Erbe der Vergangenheit (Festgabe für K. Helm), 1951, S. 83—107. — D. v. K r a l i k erwägt, daß der Schluß der 'Klage' im Passauer „Meister Konrad" den Dichter des Nls. mit seinem wirklichen Namen „durch die Blume" nenne und daß demnach der Dichter ein Beamter der bischöflichen Kanzlei gewesen sei: Das Nl. Von deutscher Art in Sprache u. Dichtg., 2. Bd., 1941, S. 201/202. Das spräche für einen Kleriker im engeren Sinne. Demgegenüber bleibt wahrscheinlicher, daß der Dichter zu den zwischenständischen Berufskünstlern gehörte, die bei stärkerer literarischer Vorbildung halbklerikale „Meister", in ihrer gesellschaftlichen Einordnung aber
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selbst nach Seßhaft werden „Fahrende" (vagi) waren. Der Rang, den das Nl. dem spilman verleihn kann, weist auf diese zwischenständische Stellung des Dichters hin. Sicherheit wird es nie über das Leben des Dichters geben. Dagegen sollte man schon wegen des Werkstils von dem Versuch absehn, den Dichter dem Ritterstand zuzuordnen. Daß er nach N e l l y D ü r r e n m a t t s Nachweis (s. o. unter 5) gesellschaftliche und rechtliche Vorgänge sorgsamer darstellt als hochritterliche Erzähler, läßt keineswegs den Ritter vermuten, wie etwa H. de B o o r , Die höfische Literatur, 1953, S. 157 annimmt. Den Hauptgrund für dies Vorgehn des Dichters schafft die Wirklichkeitsebene des Nls. Es ist an der Zeit, daß die Kritik an dem überspannten Spielmannsbegriff des 19. Jhs. auf ein geschichtlich zutreffendes Maß zurückgeführt wird (vgl. etwa B r u n o B o e s c h GRM. 28, 1940, S. 268). 8. D e r G e h a l t . Das Ausgehn von den Quellen birgt die Gefahr, daß das Stoffliche des Aufbaus höher bewertet wird als die darstellende Kraft des Gesamtwerks. Die Auffassung hat sich verfestigt, daß das Nl. im Zusammenhang der strophischen Gefüge als ein Werk des frühen 13. Jhs. erfaßt sein will. Eine Reihe von Betrachtungen versuchen das Nl. unabhängig von der Quellenforschung in dem zu begreifen, was es aus den Möglichkeiten seiner Entstehungszeit heraus an Gültigem darbietet. Die Blickrichtung der Betrachtenden hat dabei zu verschiedenen Ergebnissen geführt. Einige dieser Beurteilungen in zeitlicher Reihenfolge : Für Fr. K n o r r umfaßt der Nibelungendichter die „äußersten Möglichkeiten der Menschenwelt", dabei überzeugt, daß die Menschen die Aufgabe, „Einzelner im Miteinander" zu sein, nicht lösen können : Die mhd. Dichtung, 1938, S. 139—191. — Für H a n s N a u m a n n schwang im Nl. die „Untergangsahnung", die sich im staufischen Reiche langsam, dann jäh erfüllt : Das Nibelungenlied eine staufische Elegie oder ein dt. Nationalepos? Dichtg. u. Volkst. (Euph.) 42, 1942, S. 4ff. ; auch Sonderdruck 1942.— B o d o M e r g e i l belichtet in einer Interpretationsskizze des Ganzen die „ritterlich-
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heldischen Grundbegriffe" des Nls., um die „Kunstgestalt" des Werkes im Zusammensehn mit den großen Ritterromanen zu erfassen : Nl. und höfischer Roman Euph. 45, 1950, S. 305—336. Während der „höfische Roman" in Analogie zum religiösen Denken Symbole schafft, spiegeln im Nl. „Tat und Tod" göttliches Walten „unmittelbar" (S. 335). — S. B e y s c h l a g legt sich die Antriebe des Machtgedankens frei: Das Motiv der Macht bei Siegfrieds Tod GRM. 33 (N. F. 2), 1951/52, S. 95—108. Der Dichter richte über den rücksichtslosen Machtkampf durch das „konsequente Zuendegehen des 'falschen' Weges". — Anders H u g o K u h n . Ihm steht das Nl. neben 'Iwein' und 'Parzival' „wie ein erratischer Block", eine Dichtung, der etwas „quälend Zwiespältiges" anhaftet: Das Rittertum in der Stauferzeit Annalen der deutschen Literatur, 1952, S. 152—157. Gebunden an die Formensprache der Zeit, die zur Epik und Lyrik zwingt, schafft der Nibelungendichter das „zeitlose Gesetz des abendländischen Dramas". — Fr. M a u r e r findet im Nl. einen Einheit gebenden Ideengang. „Leid" meint vor allem „Beleidigung", „Entehrung", mit Vorzug bezogen auf die „Schlüsselfigur" der Kriemhild; „Leid und Ehre" sind in ihrem Gegensatz die „beiden tragenden Ideen" : Die Einheit des Nls. nach Idee und Form Der Deutschunterricht, 1953, 2. Heft, S. 27 bis 42. — L u t z M a c k e n s e n findet im Nl. sogar die „erste leiddunkle Stimme 'moderner' Schicksalsverhaftung": Mal. Tragödien, Festschr. für Wolfg. Stammler, 1953, S. 100—104.—H. de B o o r sieht den grundsätzlichen Unterschied des Nls. vom „Artus-Aventiurenroman" in der „Lebensnähe und Wirklichkeitsdichte des Geschehens". Der „Sinn des Todes" im Nl.: die „leidvoll dunkle Schicksalserfahrung" wird in der „Selbstbehauptung der sittlichen Persönlichkeit" überwunden. Der Begriff der „Persönlichkeit" fügt sich freilich nicht recht ins Nl., und der Gattung „Roman" läßt es sich nicht einordnen, darin grade von der 'Kudrun' geschieden Auffällig, wie schwer es der Forschung wird, das Nebeneinander von Nl. und hochritterlichem Roman aus dem Denkfeld des frühen 13. Jhs. zu begreifen. Deutlich wird,
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'Die Klage' — Nikolaus von Bibera
d a ß das Gegenüberstellen der Begriffe „Heldenepos" und „ R i t t e r r o m a n " nicht mehr zureicht. D e m Urteilen scheinen K a t e gorien zu fehlen, unter denen es das Nl. fassen kann. Ausgehn sollte man davon, d a ß die Fabeln der Aventiurenromane in der Seinsweise v o n Heldenmärchen gründen, das Nl. in der Seinsweise v o n Sage und damit v o n Vorzeitgeschichte. D a z u tritt ein W i c h t i g e s : Die dichterische Hochform des 12. und 13. Jhs. ist die Legende, durch Analogie auch die Hochform des märchenhaften Aventiurenromans hochritterlicher Durchgestaltung. Die dem Nl. entsprechende Hochform könnte bei aller romanhaften F ä r b u n g nur das echte, an Sage gebundene E p o s sein, zu dem auch die dramatische Möglichkeit gehört. A b e r ein echtes E p o s vermochte der Nibelungenmeister nicht zu schaffen, da auch über seinem zeitgebundenen W e r k , wie die ' K l a g e ' zeigt, der Anspruch der Legende wacht. Seine Größe bewährt er in dem mehr oder minder bew u ß t e n Festhalten an der ihm aus dem Überlieferten vorgezeichneten Wirklichkeitsebene. Grade im Unvollendeten seiner Schöpfung liegt ihre Lebendigkeit Übersichten über neue Literatur geben: M a r y T o r p The Study of the Nl. (1755—1937) Oxford Studies 1940. — I. F. R ö t t g e r Das Nl. im Lichte der neuesten Forsch. Nijmwegen-Utrecht 1949. — S. B e y s c h l a g Das Nl. in gegenwärtiger Sicht Wirkendes Wort 3, 1953,S. 193 — 200. — H. de B o o r Die höfische Literatur (1170 —1250), 1953, S. 169 bis 170. N a c h t r ä g e : K. W a i s Frühe Epik Westeuropas u. die Vorgeschichte des Nls. I (mit Beitrag v. H. K u h n Brunhild u. das Krimhildlied) Beih. zur ZfromPhil. 95, 1953. — F. P a n z e r Nibelungische Ketzereien 3. 4, PBB. 75, 1953, S. 248 — 272 (3. Thidrekssaga u. Nl., Irrungen u. Wirrungen; 4. Das'Traumlied' in der Volsungasaga). — S . B e y s c h l a g Die Funktion der ep. Vorausdeutung im Aufbau des Nls. P B B . 76, 1954, S. 38 — 55. — W. Joh. S c h r ö d e r Das Nl. P B B . 76, 1954, 5. 56—143 (I. Grundgedanke u. Aufbau, II. Höfisches Epos u. höfischer Roman).
B) 'Die Klage'. Fast erstaunlich, daß die ' K l a g e ' in den Erörterungen über das Nl. so wenig beachtet wird. H u g o K u h n nennt sie (in den 'Annalen der dt. Lit.' a. a. O. S. 154/155) einen A n h a n g zum Nl., dessen Totenklage „eindrucksvoll" sei. H. d e B o o r hebt nur das Mittelmäßige, Epigonenhafte heraus
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{Die höfische Literatur S. 167/168). Nicht übersehn sollte sein, daß die ' K l a g e ' ausdem Kreise des Nl.meisters stammt, zum mindesten aus dem Kreise, in den sich die C-Fassung (die Ausgabe der HohenemsLaßbergischen Hs.) stellt, die in der B - F a s sung (der Fassung der St. Gallner Hs.) v o r bereitet ist. Die ' K l a g e ' läßt uns etwas v o n einer Nibelungenfrage (!) des frühen 13. Jhs. vernehmen (vgl. oben I I I , Sp. 553—560). Z u r Datierung der ' K l a g e ' vgl. oben u n t e r 7 . Man wird daran festhalten d ü r f e n : D i e ' K l a g e ' entsteht vor der C-Fassung des Nls. Friedrich N e u m a n n Nider, Johannes (Nachtrag), s. a. „ T o c h ter Sion". W. O e h l Dt. Mystikerbriefe des MAs. 1931, S. 502 — 518. N. W e i n r i c h Die dt. Prosa desDominikaners J. N. in seinen 24 goldenen Harfen Diss. Münster 1933. W. M u s c h g Die Mystik in der Schweiz 1935, S. 344ff. G. M e t z g e r Der Dominik.-Orden in Württemberg, am Ausgang des MAs. Bll. f. württemb. Kirchengesch. 46 (1942), S. u f f . W. S t a m m l e r Von der Mystik zum Barock 2i9SO, S. 618. . „
K u r t Hannemann
Niger, Johannes. Die Predigt eines J o hannes Niger überliefert Cod. theol. 2205 der Hamburger Stadtbibl., Bl. 15a ff. (Inc.: Dat eirste is arbeit sunder virdroz). Mutmaßlich Dominikaner des frühen 14. Jhs. aus dem Kölner Geschlecht d e r Schwartze v o m Hirtz. Ph. S t r a u c h Kölner Klosterpredigten des 13. Jhs., N d j b . 37 (1911), S. 22 u. 27; G. L o h r Über die Heimat einiger dt. Prediger und Mystiker aus dem Dominikanerorden ZfdA 82 (1948), S. 173.
Kurt Ruh Nikolaus von Bibera Biberach).
(Bibra,
Bybera,
x. N. ist nach dem kleinen Städtchen B i b r a am Saubach (zur Unstrut) benannt, wo er nach der Zeugenunterschrift einer U r k u n d e von 1279 Kustos der Kirche war. W a s wir sonst v o n seinem Leben wissen, ist n u r seinem ''Carmen Sartiricum' zu entnehmen. Ob er in dem sächs. Städtchen Geithain geboren wurde, ist fraglich; denn die Anrede der Muse am Schlüsse seines langen Gedichtes (Tu de Gytene) kann auch auf den Erfurter Poeta Conradus gehen. In P a d u a h a t er zusammen mit Heinrich v o n K i r c h -
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Nikolaus von Bibera
berg, gegen den die I. Distinctio seines * Carmen' gerichtet ist, Rechtswissenschaft studiert; er bewohnte damals mit ihm zusammen das gleiche Zimmer, muß also wohl mit ihm befreundet gewesen sein; ob man aus der Tatsache, daß er ihn später so heftig angriff, auf einen schlechten Charakter schließen darf, muß dahingestellt bleiben. Aber daß er habsüchtig gewesen sei, darf man nicht aus den am Schluß eingestreuten „Bettelversen" s c h l i e ß e n d e s gehört zum guten Recht der Dichter jener Zeit, von ihren Auftraggebern oder Gönnern ein Honorar für ihre Verse zu erbitten. Auch in Rom hat er sich eine Zeit lang aufgehalten, also die Zustände an der Kurie, die er satirisch schildert, aus eigener Anschauung kennen lernen können. (Der vierfache römische Aufenthalt, den einige annehmen, dürfte auf eine Verwechslung mit Heinrich v . Kirchberg zurückzuführen sein.) H. G r a u e r t (Abh. d. Bayr. A k . 27, 1912, S. 323) hat es sehr wahrscheinlich gemacht, daß beide damals befreundeten Studenten auch mit dem späteren Dichter des von ihm edierten großen Kuriengedichtes, Magister Heinrich dem Poeten von Würzburg (s. d.), während einer Pariser Studienzeit und in Italien zusammengewesen sind; jedenfalls hat Nikolaus das etwas ältere Kuriengedicht gekannt und für sein' Carmen satir.' benutzt; die von Grauert angeführten Stellen beider Gedichte, sind überzeugend. Den größten Teil seines Lebens verbrachte N. in Erfurt, wohl als Kanonicus an der Stiftskirche. Wahrscheinlich hat er als Lehrer an der Erfurter Schule gewirkt. Ob man so weit gehen kann wie O. L o r e n z , der ihn als „wahrscheinlichen Stammvater der gesamten Erfurter Poetenschule" bezeichnet, scheint mir doch fraglich. Freilich verrät sein Gedicht beachtliches Können als Versificator und eine nicht unbeträchtliche Kenntnis — neben der Bibel und Heiligenu. Märtyrergeschichte —• auch der antiken Autoren und des römischen Rechts. Die Vermutung, er sei A b t in Erfurt gewesen, trifft nicht zu. Aber gegen Schluß seines Lebens soll er ins Kloster gegangen sein, vielleicht in das Peterkloster von Erfurt, da in dessen Nekrolog zum 8. Aug. eingetragen i s t : Nicolaus monachus nostre congre-
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gationis, qui multa scripsit. Das Jahr seines Todes (wie das seiner Geburt) ist nicht bekannt ; vermutlich starb er nach 1307. 2. Das 'Carmen Satiricum Occulti Erfordernis' (2441 leonin. Hex.) wurde zuerst durch C. H ö f l e r 1861 (s. u.) nach einer schlechten Hs. der Prager U.B. (15. Jh.) bekanntgemacht, wenn man von den Proben bei P. L e y s e r f f i s i . Poet. m. a. 1721, S. i o i o f f . nach einer Wolfenbütteler Hs. absieht; später trug H. dann (WSB. 1868) die Lesarten einer besseren Hs. des Prager Domkapitels nach. Eine sorgfältige kritische Ausgabe des Gedichtes, nach 8 Hss. und 4 Fragmenten, gab Xh. F i s c h e r 1870 in den Geschichtsquellen der Prov. Sachsen I, 2 mit Erläuterungen; letztere waren sehr notwendig, da viele Stellen ohne diese kaum verständlich wären, zumal in dem T e x t Höflers. Seitdem haben sich zahlreiche Forscher mit dem historisch und kulturhistorisch interessanten Gedichte befaßt (s. unten die Lit. - Angaben). Die wichtigste Hs., die Fischer aus dem Catalog der Hss. der Uffenbachiana/Frankfurt kannte und für verloren ansah, ist durch P. L e h m n n im ood. Hamburg theol. 2038 wiederentdeckt und von H. G r a u e r t für seine Forschungen (S. 323 — 365) benutzt worden. Die Hs. gehört nicht, wie der Catalog der Uffenbachiana angibt, dem 15. Jh., sondern spätestens dem Anfang des 14. Jhs an, vielleicht sogar dem Ende des 13., da eine Urkunde von 1301 als Einband verwendet worden ist; sie bezieht sich auf einen Kanoniker des Neumünsterstiftes in Würzburg, wo wohl Trithemius aus der Hs. seine Bemerkungen über den Dichter und seine Dichtung übernahm, denen dann Jöcher, Pol. Leyser, Matth. Flacius u. a. gefolgt sind. Wenn der gelehrte A b t von Sponheim sagt: quem carmine et soluta oratione composuit, so werden ihn die zahlreichen Glossen dieser Hs. dazu veranlaßt haben, die er als zu der Dichtung gehörend ansah. Diese Glossen, die sich — teils mehr, teils weniger ausführlich — in allen Hss. (z. T. interlinear, z. T. marginal) finden, sind zum Verständnis fast unentbehrlich; da sie schon — und zwar besonders zahlreich — in der noch sicher zu Lebzeiten des Dichters geschriebenen Hamburger Hs. stehen, ist nicht ausgeschlossen, daß sie v o m Dichter selbst stammen oder wenigstens dem Glossator von ihm an die Hand gegeben wurden. Für eine kritische Neuausgabe wären außer dem Hamburgensis noch folgende Hss. heranzuziehen: I. clm. 17619, Bl. 123 — 159; 2. Paris, BN. 11345 (16. Jh.), Bl. 125ff.; 3. Raudnitz, Lobkowitz V I , F . b 29, B l . I25 b —158b. D i e B e h a u p t u n g
Hend-
r e i c h s (Pandect. Brandenburg. S. 567), das Werk sei in Erfurt früh gedruckt worden, dürfte auf einem Irrtum beruhen.
3. Das Gedicht, das nach Art der juristischen Traktate in 4 Distinctionen (in einigen Hss. 5,* da dort die erste geteilt ist) gegliedert ist, behandelt in satirischer Form die Ereignisse und Zustände, die im Anschluß an das über Erfurt verhängte Inter-
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Nikolaus v o n B i b e r a
dikt (1279—82) eingetreten sind, und dürfte in den Jahren 1281/82 entstanden sein, kaum über 15 Jahre verteilt, wie L o r e n z annahm, aber nicht in einem Zuge geschrieben, sondern in Abständen, so daß manche Forscher vermuten konnten, es handle sich um eine Zusammenfassung mehrerer selbständiger Gedichte ( W e i l a n d nahm z. B. deren sogar 15 an), die von einigen an verschiedene Verfasser zugewiesen wurden. Letzteres dürfte kaum zutreffen, da die Technik und der Stil der Verse sehr einheitlich sind. Zu erwähnen ist immerhin, daß einige Hss. bzw. ihre Glossatoren einen Conradus de Gytene als Verf. bezeichnen, auf den das oben zitierte Tu de Gytene bezogen wurde; aber dieser wird in der ältesten Hs. (Hamburg) in dem aufschlußreichen ,,Accessus", der am Schluß des Gedichtes— wohl als Einleitung für die Schullektüre des 'Carm. sat.' — angehängt ist, ausdrücklich als Verf. abgelehnt, vielmehr Nicolaus v . Bibra als Dichter genannt: sed illi (seil. Conrado) nomen imposuit ad arrogantiam vitandam (\); Abdruck des 'Accessus' bei AI. S c h m i d t S. 149f. Die Annahme Conrads als Dichter hatte darin eine gewisse Stütze, daß ein Conradus als Pleban der Moritzkirche in Erfurt öfter urkundlich genannt wird und er Nachfolger Heinrichs von Kirchberg als Stadtschreiber von Erfurt wurde; so konnte die Vermutung entstehen, daß C. Urheber der scharfen Polemik gegen seinen Vorgänger gewesen sei, um in dessen Stelle einrücken zu können. Die Schwierigkeiten würden sich bei der Annahme lösen, daß Conradus de G. die Glossen verfaßt hat; eine Hs. nennt ihn commentator versiföcator. Aus begreiflichen Gründen wollte der Dichter wegen seiner scharfen Zunge gegen seine Zeitgenossen verborgen bleiben (occultus Erfordensis); unter dem Namen Occultus schlechthin wurde das Gedicht in Hss. und sonst des öfteren zitiert. (Echt mal. erklärt der 'Accessus' der Hamburger Hs. den Namen Occultus: quia aliquanto tempore fuit occultatus vel per antiphrasim, quia minime occultus, eo quod ad oculum pateant vera esse singula, que hic ponuntur.) 4. Z u m I n h a l t . Die I. Dist. (V. 1 — 9 5 2 ) ist eine satirische Biographie des Magisters Heinrich v . K i l c h b e r g , Stadtschreibers v o n E r f u r t und
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juristischen Beistandes der S t a d t i m Interdiktsstreit gegen den Erzbischof und die diesem treugebliebenen Geistlichen, die die S t a d t verlassen hatten. Der Dichter kannte dessen b e w e g t e Vergangenheit v o n frühester Jugend an sehr genau aus persönlicher B e k a n n t s c h a f t , die a u c h n a c h der gemeinsamen Studienzeit weiter in E r f u r t bestanden haben wird. Die Satire ist z u n ä c h s t nicht besonders sichtbar, wird aber immer deutlicher. Die Schuld des Heinrich v . K . gegen E r f u r t bestand darin, daß er den K a m p f so w e i t trieb, daß schließlich die S t a d t gedemütigt und zu einer hohen Geldbuße an den Erzbischof verurteilt wurde. Dieser I. Teil verfolgt w o h l die A b s i c h t , die Stellung des Stadtschreibers zu untergraben und den Streit zu beenden. W ä h r e n d sich die I. Dist. mit der Person eines einzigen Mannes beschäftigt, enthält die I I . (V. 9 5 3 — 1 4 7 3 ) K l a g e n über die W e l t im allgemeinen, die B e d r ü c k u n g der Kirchen und K l ö s t e r und ihrer Diener durch den L a n d g r a f e n und seine R i t t e r und K n e c h t e . A b e r auch die Geistlichen kommen schlecht w e g ; besonders richtet sich der Zorn gegen diejenigen Geistlichen, die t r o t z des Interdikts kirchliche Handlungen in E r f u r t vorgenommen u n d so den E i d gegen den Erzbischof gebrochen hatten. Selbst der P a p s t (Martin IV.) wird als h a b s ü c h t i g und schwelgerisch hingestellt. Der traurige Zustand des Landes Thüringen, besonders der Klöster, wird geschildert. A l s Beispiel für viele wird der Zustand des Klosters P f o r t a m i t seinen N ö t e n ausführlich beschrieben. Die Geistlichen sollten nicht so viel v o n den Heiligen und Märtyrern predigen, sondern versuchen, alle Stände zu bessern; so geht das Gedicht v o n hier an in eine allgemeine Ständesatire über. Die I I I . Dist. (V. 1474 —2071) ist eine Schilderung des in Erfurt wiederhergestellten Friedens und der beginnenden B l ü t e mal. dt. Städte. Sie gibt ein — nur hier und d a satirisch gefärbtes, im übrigen sehr realistisches — Bild v o m L e b e n u n d Treiben in der S t a d t : den Studien der K a n o n i k e r , d e m L e b e n der Mönche, dem Treiben der Scholaren, d e m bedenklichen W a n d e l der Beginen, v o r allem den Lebensgewohnheiten der Bürger, v o n den Spitzen der Stadtbehörden bis zu den H ä n d l e r n und H a n d w e r k e r n aller A r t ; sogar der bei unserm Dichter wenig beliebten Juden und des Henkers wird ausführlich gedacht, der B ä d e r u n d des Kneipenlebens in E r f u r t rühmlich E r w ä h n u n g g e t a n ; k u r z ein lebendiges Bild v o m gesamten L e b e n wird in dieser Dist. gezeichnet. Die letzte (IV.) Dist. (V. 2072 — 2441) bietet politisch und kulturhistorisch weniger Interessantes. Der Verf. und sein Gedicht stehen im Vordergrunde. N u r an wenigen Stellen e r l a u b t er sich noch satirische Ausfälle. Diese Dist. b i e t e t für das Verständnis die größten Schwierigkeiten, die nicht überall restlos zu lösen sind. Sie b e s c h ä f t i g t sich zunächst mit der Person seines A u f t r a g g e b e r s Gevehardus, D e k a n s der Mainzer K i r c h e , Canonicus zu Meißen, N a u m b u r g und E r f u r t , Protonotars Heinrichs des Erlauchten. Mit V . 2225 schließt er eigentlich das G a n z e : Hic feror ad portum, concludo poematis ortum. W a s folgt, sind
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Nikolaus von Dinkelsbühl
Z u s ä t z e : 1. B i t t e an einen Dichterkollegen Reinhardus u m Besserung seiner V e r s e ; 2. W i d m u n g a n A b t Christian v . Oldisleben, der dem Dichter in seiner Bedrängnis — er gehörte zu den aus E r f u r t vertriebenen Geistlichen — geholfen hatte-
5. Als histor. Quelle des 13. Jhs. hat das Gedicht nicht nur für die Lokalgeschichte Thüringens und Erfurts, sondern auch für die allgemeine Zeitgeschichte erheblichen Wert, da bedeutende Persönlichkeiten darin auftreten : Martin IV., die Landgrafen von Thüringen und der Markgraf von Meißen, der Erzbischof von Mainz u. a., besonders aber wegen der vortrefflichen und lebendigen Bilder aus Erfurt, wie sie wohl für manche andere dt. Stadt der Zeit charakteristisch sein mögen. Der Verf. ist in seinen Angaben durchaus glaubwürdig; nirgends läßt sich ihm etwas Falsches nachweisen; er hat alles mitangesehen und miterlebt; andere Quellen haben ihm kaum zur Verfügung gestanden, abgesehen von mündlichen Mitteilungen. Auch bezüglich der RechtszuständeDeutschlands in der 2. Hälfte des 13. Jhs. ist aus dem Gedicht viel zu lernen, wie M u t h e r (s. u.) im einzelnen ausgeführt hat; in Sonderheit läßt sich eine nicht geringe Kenntnis der ausländischen Rechte beim dt. Klerus nachweisen. In Heinrich v. Kirchberg sieht M. allerdings nicht, wie Höfler, den „großen Juristen", sondern einen „simonistischen Pfründenjäger undhabgierigen, rabulistischen Rechtsverdreher"; so hat ihn auch N. gekennzeichnet. Auch die dichterischen Fähigkeiten des N. sind recht beachtenswert; freilich darf man an den mal. Freiheiten der gereimten Hexameter keinen Anstoß nehmen. So ist es nur erklärlich, daß das Gedicht eine weite Verbreitung fand, wie schon die Ausdehnung der zahlreichen Hss. und Fragmente über das ganze Abendland bezeugt. Im 15. Jh. wurde der Occultus vor allem in Böhmen und Mähren gelesen, wo die Hussiten sich die satirischen Stellen gegen Kurie und Klerus zunutze machten, wie später Matthias Flacius die schärfsten Stellen gegen das Papsttum und die Hierarchie aushob, um sie als „Zeugen der Wahrheit" anzuführen. Einzelne Teile und Verse sind herausgelöst worden und finden sich in hsl.
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Anthologien und sonst zitiert; z. B. ist die Schilderung der Zustände des Klosters Pforta (s. o.) auf das Kloster Leubus übertragen worden (vgl. W . W a t t e n b a c h Monumenta Lübens. 1862, S. 31). Zahlreiche Sprichwörter und Sentenzen machten die Dichtung beliebt, wohl auch als Schullektüre. Charakteristisch ist auch die Vorliebe für die Gattung der Spottepitaphe, von denen sich mehrere in der Dichtung finden. 6. J o h . T r i t h e m i u s schreibt Nikolaus von Bibra noch zwei weitere Werke z u : 1. KDe cavendo malo l. 1 ' ; 2. 'Epistolarum diversorum l. 1'. Das erstere ist sicher identisch mit unserm Gedicht; was T. mit dem zweiten meinte, ist völlig unklar; auf die dem ' Carmen sat.' angehängten Widmungsgedichte kann die Bemerkung sich kaum beziehen. A u s g a b e n : C. H ö f l e r Carmen historicum occulti autoris s. XIII. W S B . 36, 1861, S. 163 bis 262. D e r s . Neue Beiträge z. d. Carmen occulti autoris W S B . 68, 1868, S. 5 — 34 (Hs. Ausg. auch bes. gedruckt 1861). — Nicolai de Bibera Occulti Erfordensis Carmen satiricum her. v. T h . F i s c h e r 1870 (Gesch.-Quell, der P r o v . Sachsen I, 2). Ü b e r s e t z u n g e n : A. R i e n ä c k e r Hist.-satir. Gedicht aus dem 13. Jh. von N. v. B. Jbb. der k g l . A k a d . gemeinnütziger Wiss. zu E r f u r t , N F . V I I , 1873, S. 1 — 1 0 1 . Besser: B . H a n f t m a n n Wie es in Erfurt ums Jahr 12S0 zuging Bll. f. H e i m a t kunde, Beitr. der Mdt. Z t g . 1921, Nr. 42 ff. O. L o r e n z Deutschlands Gesch.-Quellen im MA. 1887, S. 134 — 136. L . W e i l a n d Bespr. d. Fischerschen Ausg. HistZ. 30, 1873, S. i 8 o f f . T h . F i s c h e r Das Gedicht oder die Gedichte des Nikolaus v. Biberau HistZ. 25, 1871, S. 441—448. A D B . ( W e g e l e ) I I , 1875, S. 613. T h . M u t h e r Zur Gesch. d. Rechtswissensch. Ges. Aufsätze 1876, S. 38 — 68 (zuerst in: Glasers Jbb. f. Staats- u. Gesellschaftswissensch. 12, 1869, S. 25 — 40). A . P o t t h a s t Bibl. hist. 2 i 8 g 6 (dort weitere Liter.). H . G r a u e r t Magister Heinrich, der Poet v. Würzburg A b h . d. B a y e r . A k a d . d. Wiss. 27, 1912, § 12. A . S c h m i d t Untersuch, über das Carm. sat. occulti Erf. Sachsen u. A n h a l t 2, 1926, S. 76 — 158. D a h l m a n n / W a i t z 3 i 9 3 i , S. 471. B u c h b e r g e r Lex. f. Theol. u. Kirche 7, 1935, Sp. 574. 3II,
H. Walther Nikolaus von Dinkelsbühl (Nachtrag). R. R u d o l f Z J e r Verf. des 'Sp eculum artis bene moriendi' Anz. der Österr. Akad. der Wiss., Phil.-hist. K l . 88, 1951, 1952, S. 387—398 macht N. als Verf. jenes Werkes wahrscheinlich; jedenfalls war der ein Prof. der Wiener Universität um 1414 bis
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Nikolaus von Flüe — Nikolaus von Kues
1419. Die Schrift war sehr verbreitet (über 50 Hss. a. a. O. Anm. 2—10; 20 Ausgaben im Gesamtkatalog der Wiegendrucke 592, 592 a, 2597—2614; Übersetzungen ins Engl, ebenda 2615/6, ins Franz. 2617, Ital. 2618 bis 2630, Holland. 2631/2, Span. 2633 — ins D t . : Cod. Berlin germ. F 1148, Bl. 145äff., Bamberg Ed V I I 56, Clm. 19 803, Wien Natbibl. 8086, Bl. 229äff., die letzte unvollständig) und trägt in Hss. und Wiegendrucken noch andere Titel: 'Liber de arte moriendi', 'Speculum de temptationibus, penis infernalibus, interrogationibus agonisantium et variis orationibus illorum salute faciendis', auch ' Tractatus bonus et vtilis de arte moriendi'. In den sechs Teilen (Lob des Todes, die fünf Versuchungen in der Todesstunde, die Fragen an den Kranken, die Unterweisungen für ihn und Gebete, Mahnungen für den Todeskampf, Sterbegebete und das Predigtmärlein vom sterbenden Papst und seinem frommen Kaplan) ist der 3. Teil von Johannes Gersons 'Opus tripartitum', 'De arte moriendi', eifrig benutzt. Das Werk „mit seinem großen Apparat an Bibelstellen und Zitaten ist eine theoretische Handreichung für den Priester, der sich auf sein Wirken am Krankenbette vorbereiten will" ( R u d o l f a. a. O. S. 396). Der Schüler des N., Thomas Peuntner (s. d.), zog in seinem zweiten Hauptwerk, dem ' Büchlein von der Kunst des heilsamen Sterbens', außer dem genannten Werk Gersons auch das 'Speculum' des N. heran, besonders für Einzelheiten. Dem ersten Teil des 'Speculum' sehr nahe steht in Aufbau und Zutaten der ' Tractatus de morte' in der Hs. Bamberg B V I 17 : compilatus a quodam doctore in vyenna; er beginnt: Scire debes quod triplex est mors, s. R u d o l f a . a . O . S. 392 und Anm. 24. Zu 2g. Der ' S p i e g e l des kranken und sterbenden Menschen' (Cod. Wien Natbibl. 2978, Gesamtkatalog der Wiegendrucke 5689/90) geht über eine bis jetzt unbekannte Quelle auf das 'Speculum' des N. zurück, s. R u d o l f a. a. O. S. 397. ^ ^
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1942. W. Stammler Dt. Scholastik ZfdPh. 72, 953> S. igf. Zur Karlsr. Hs. St. Georgen 67 s. a.
I
T h . L ä n g i n Dt. Hss. der Großh. Bad. Hof-u. Landesbibl. 1894, S. 19. — H . M e n h a r d t Predigten des N. v. D. als Quellen der Volkskunde Wiens
Zs. f. Volkskde. NF. 7 (1953), S. 85-97. Oers.
Ds. dt. Predigt vom Eigentum im Kloster 73 (1954). S. 1 — 39 u n d 2 6 8 - 2 9 1 .
ZfdPh.
Hannemann
Nikolaus von Flüe (Nachtrag): W. Oehl Dt. Mystikerbriefe des MAs. 1931, S. 6 1 3 — 6 3 1 .
Mystik
Die
W. M u s c h g
Schweiz 1935,
Mystik
in
der
S. 383 — 398. C. W i t t m e r Zur
des sei. N. v. F.,
seine
Beziehungen
zum
Elsaß Archiv f. elsäss. Kirchengesch. 11 (1936), S. 1 5 7 — 1 7 4 . E . B o h n e n b l u s t
N.v.F.,
ein
Le-
bensbild 1945. F. Blanke u. M. F r i s c h k n e c h t Basier Theol. Zs. 2 (1946), S. 23 — 39 u. 321—345. F. Blanke Bruder Klaus v. F. 1948. W. Nigg Große Heilige3 1949, S. 135 — 173 (Bibl. S. 433f)W . K o s c h Dt. Lit.-Lexikon
3 (1953), S. 1893 f.
Nikolaus von Heidelberg. Die Berliner Hss. germ. 40 166, Bl. 307b—319a und germ. 40 206, Bl. 348a—366b, beide eis. und aus dem 4. Jahrzehnt des 15. Jhs., überliefern von einem sonst unbekannten N. v. H. je zwei Predigten. Dem Zusammenhange nach dürfte es sich in beiden Hss. um dieselben Stücke handeln. H . D e g e r i n g Kurzes Verz. der germ. Hss. Preuß. Staatsbibl. I I , S. 31 u. 43.
der
Kurt Ruh
Nikolaus der Kartäuser ist identisch mit Nikolaus von Nürnberg. Nikolaus von Kosel (Nachtrag): J. Klapper Gebete aus schles. Hss. Mitteil. d. schles. Ges. f. Volkskunde 34 (1934), S. 85 — 117. Ders.
N. v. K.,
Oberschles.
Kultur
am Beg.
des
15. Jhs. ebda. 36 (1937), S. 1 —104 (Teilausg. d. Bresl. Sammelhs.). Ders. Die ostmd. Evang.-Perikopen des N. v. K. Festschr. H. Vollmer 1941, • 249
3°3-
Hannemann
Nikolaus von Kues (Nachtrag). Zu 1. L e b e n . Sp. 603 Z. 15. Statt 15. lies 11. August. Zu 2. Schriften. Zu Z. 1 — 3. Erwähnt seien auch drei eigenhändige dt. Niederschriften, die für die Öffentlichkeit bestimmt waren: 1. ' Von den vogthen des gotzhaus Brixen'
(um 1457, I n n s -
bruck, Landesregierungsarchiv, U. 8976), eine hist. kanonistische Darlegung der Stellung, welche die Vgl. Peuntner, Thomas, a u c h Kempf, Nikolaus Grafen von Tirol als Vögte des Bistums Brixen u n d Matthäus von Krakau 7. — H . M a s c h e k hatten; 2. Fragment eines Berichtes über die AnDer Verf. des Büchleins von der Liebhabung Gottes ZblfBblw. 53, 1936, S. 361-368. A. Madre NvD., schläge der Anhänger Herzog Sigismunds auf das Lebensbild und Schriften Masch.-Diss. Würzburg Leben des Kardinals (Febr. 1458, in demselben
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Nikolaus v o n K u e s
A r c h i v , Sigm. IX/62, Bl. 269—270; veröffentlicht v o n J . K o c h in Humanismus, Mystik und Kunst usw. (vgl. die N a c h t r ä g e zur Lit.) S. 70 — 7 5 ; 3. F r a g m e n t einer Darlegung, d a ß er an dem über sein B i s t u m verhängten I n t e r d i k t unschuldig sei (145g? Sigm. IX/62, B l . 268). Abgesehen v o n der sachlichen Bedeutung, welche diese T e x t e für die Beurteilung des K a m p f e s m i t Herzog Sigismund haben, vermitteln sie uns ebenso wie viele Originalbriefe einen Einblick in die Sprache des Cusanus (vgl. auch N a c h t r a g zu 2e). A u s g a b e n . Sp. 604 Z.3. S t a t t XIII lies XlVji und 2. — Z. 4. S t a t t I. lies /., II. — Seit 1937 sind erschienen: XIfi. 'De beryllo' her. v o n L . Baur; XIII. 'Directio speculantis seu de non aliud' her. v o n L . B a u r f und P . W i l p e r t ; 1954 erscheinen IV. 'Opuscula philosophica' (De quaerendo Deum' usw. vgl. Sp. 605 Z. 3 — 5), her. v o n P . W i l p e r t ; III. 'De coniecturis' her. v . J. K o c h ; VII. 'De pace fidei' her. v o n H . B a s c o u r und R. K l i b a n s k y .
a) K i r c h e n p o l i t i s c h e S c h r i f t e n . Zu Sp. 604 Z. 29 (Übergang vom Konzil zum Papst). Vgl. hierzu auch die Schreiben (Ende 1439) an ein Kartäuserkloster und einen Gesandten König Albrechts (Briefwechsel des N. v. C., Erste Sammlung, Nr. 4 und 5; vgl. Nachtrag zu e) und deren Analyse in J. K o c h N. v. C. und seine Umwelt S. 17—29 (vgl. Lit.). — Zu Z. 31f. Beide Schriften sind übersetzt: Über den Frieden im Glauben, übers, von L. M ö h l e r (Philos. Bibl. 223, 1943); Sichtung des Alkorans, übers, von P. N a u m a n n mit Anmerkungen von G. H ö l s c h e r (ebda 221/222, 1943 u. 1946). b) D i e p h i l o s . - t h e o l . S c h r i f t e n . Zu Sp. 604 Z. 2 v. u. In lDe coniecturis' entfaltet N. vor allem seine Erkenntnistheorie, die auf dem Gedanken beruht, daß den vier großen Seinsbereichen (absolute Einheit Gottes, reine Geister, menschlicher Bereich, sinnfällige Dinge) eigene Erkenntnisweisen (göttliche, intellektuelle, rationale und sensuale) mit abnehmenden Wahrheits- und Gewißheitsgraden (Wahrheit und Gewißheit; wahr und gewiß; wahrscheinlich und konjektural; ungeordnete Eindrücke und keinerlei Gewißheit) entsprechen. Zwischen diesen Stufen gibt es aber eine durchgehende Kontinuität. Die ars coniecturalis erlaubt nun, innerhalb der dem Menschen gezogenen Grenzen ein Bild des ganzen Universums und seiner einzelnen Teile von den Elementen bis zu den reinen Geistern zu entwerfen. Die beiden Hauptwerke ergänzen sich nicht
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nur sachlich, sondern sind aus einer einheitlichen Konzeption entstanden. Zu Sp. 605 Z. 4 ist hinter 'Dei' einzufügen: (diese drei A b h a n d l u n g e n übersetzte E . B o h n e n s t ä d t Vom verborgenen Gott [Philos. B i b l . 218], 2. A u f l . 1942). — Z.14 hinter 1936 einfügen: I I I Der Laie über den Geist, übers, v o n M. H o n e c k e r und H . M e n z e l - R o g n e r (228), 1949; I V Der Laie über Versuche mit der Waage, übers, v o n denselben (220), 1942. — Z. iy hinter 1453 einfügen: Von Gottes Sehen, übers, v o n E . B o h n e n s t ä d t (219), 1942. — Z. 23 hinter D i n g e einfügen: Über den Ursprung, übers, v o n M. F e i g l m i t E r läuterungen v o n J. K o c h (1949) 'De aequalitate' (wohl auch 1459). — Z. 23 hinter 1460 einfügen: Vom Können-Sein. Vom Gipfel der Betrachtung (vgl. Z. 27), übers, v o n E . B o h n e n s t ä d t (Phil. Bibl. 229), 1947. — Z. 24f. Uebingers A u s g a b e ist j e t z t überholt; vgl. oben den N a c h t r a g zu den Ausgaben. Vom Nichtanderen, übers, v o n P . W i l p e r t (232), 1952. — Z. 25 hinter globi e i n f ü g e n : (Vom Globusspiel, übers, v o n G. v . B r e d o w [233],
1952). c) M a t h e m a t i s c h e u n d n a t u r w i s s e n s c h a f t l i c h e Interessen. Sp. 605 Z. 3g statt 1458 lies 1460. — Z. 42 hinter verraten einfügen: (Die mathematischen Schriften, übers, von J o s e p h a H o f m a n n mit einer Einführung und Anmerkungen von J o s e p h H o f m a n n [Philos. Bibl. 231], 1952). — Sp. 606 Z. 4 anfügen: Über die Frage, ob die älteste Karte von Mitteleuropa auf N. zurückgeht, unterrichtet jetzt am besten: Dana Bennett D u r a n d The Vienna-Klosterneuburg Map Corpus of the Fifteenth Century Leiden 1952, S. 252—269. — Sp. 606 Z. 14 ist anzufügen: Vgl. R. C r e u t z Medizinisch-physikalisches Denken bei N. v. C. HSB. 1938/39. 3- Abh. d) P r e d i g t e n . Sp. 606 Z. 43 ist hinter Entwürfe einzufügen: Die Predigten I — X I X wurden übersetzt von J. S i k o r a (f) und E. B o h n e n s t ä d t : Schriften des N.v.C. Predigten (1430—1441) 1952. Da die Edition des lat. Textes noch aussteht, kommt dieser Übersetzung besondere Bedeutung zu. — Sp. 607 Z. 6 ist hinter wurden einzufügen: Vgl. J. K o c h Untersuchungen über Datierung, Form, Sprache und Quellen. Kritisches Verzeichnis sämtlicher Predigten (Cusanus-Texte I, 7) H S B 1941/42 1. Abh. a) Die erste Vater-Unser-Predigt hat N. am 1. Jan. 1441 (nicht 1440) in Augsburg gehalten (lat. Entwurf = Pr. XVII) und den dt. Text (Pr. XVIII) wohl noch in demselben Monat niedergeschrieben. Die
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Nikolaus v o n K u e s
Überlegungen in der eben genannten Abh. S. 195 f. sind irrig. — Für alle Einzelfragen vgl. Die Auslegung des Vaterunsers in vier Predigten (nämlich X V I I , X V I I I , L X X I und CXCIV [31. Juli 1455]) her. und untersucht von J. K o c h und H. T e s k e (f), (Cusanus-Texte I, 6) HSB. 1938/39 4. Abh. — Zu Z. 23H. In der genannten Abh. korrigierte Teske (S. 175) diese Angaben: Die Vorlage des M. Geist steht zwischen der Trierer und der Tegernseer Hs., die Salzburger steht dieser näher als jener. Zu den für die Edition benutzten Hss. kommt nun noch eine in Münchener Privatbesitz befindliche hinzu, in der die Predigt anonym überliefert ist (Mj, Bl. 219 a—243 a; Mikrofilm im Filmarchiv des Kölner ThomasInstituts) und die wohl vom Niederrhein stammt. Ihr kommt insofern eine besondere Bedeutung zu, als sie der Vorlage, die M. Geist für seine Übersetzung benutzt haben muß, sehr nahe steht und deren Zwischenstellung zwischen Tr und K S T teilt. ß) Die Wiener Predigt (LXXI) liegt in einer fehlerhaften Kopie der Nachschrift eines Wiener Hörers vor und läßt keine Rückschlüsse auf das gesprochene Wort zu. Zu Sp. 60g Z. 12. Hinter 1439 ist einzufügen: (richtig: 25. Dez. 1440; vgl. die gen. Übersetzung der Predigten S. 368 Anm. 1; 414 Anm. 1). e) B r i e f e . Sp. 60g Z. 26—32 (Die . . . Böhmen [Bl. 1—22]) ist folgendermaßen zu ändern: Die Pariser Ausgabe bietet in Bd. II, 2 angeblich sieben Briefe. In Wirklichkeit handelt es sich um drei Stücke : 1) Brief an Rodrigo Sanchez (Bl. 3—5; vgl. oben S. 604 Z. 22f.); 2) 'De usu communionis sub utraque specie' (Bl. 5—13), eine um 1433 geschriebene Abhandlung gegen die Hussiten; bisher einzige Hs. Trier, Stadtbibl. 704/906; 3) das große Sendschreiben an die Hussiten aus Brixen vom 11. Okt. 1452, in das die Schreiben vom 27. Juni und 16. Sept. inseriert sind (Bl. 13—22). Die in Bd. II, 1 stehenden Stücke sind keine Briefe. — Zu Z. 40—43. Der von V. Redlich publizierte Brief ist eine Fälschung (vgl. J. K o c h N. v. C. und seine Umwelt S. 102—110). — Zu Z. 43ff. Msgr. E. V a n s t e e n b e r g h e ( f ) hat sich durch die Sammlung von 210 Briefen des N. v. K. ein sehr großes Verdienst
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erworben, zumal die Hs. 'Handlung zwischen Cardinal Niclausen von Cusa. . . und H. Sigmund von Oesterreich', aus der er 9 Briefe entnahm, aus dem Bozener Archivio di Stato verschwunden ist. Durch die Nachforschungen des Unterzeichneten und seiner Mitarbeiter hat sich aber die Zahl der aufgefundenen Briefe von und an N. ganz bedeutend vermehrt (vgl. Casanus-Texte IV. Briefwechsel des N. v. C. Erste Sammlung, her. von J. K o c h HSB. 1942/43, 2. Abh-, 1944; Zweite Sammlung: Das Brixner Brief buch des Kardinals N. v. K. her. von Fr. H a u s m a n n HSB. 1952, 2. Abh.). Der Kreis der Korrespondenten umfaßt Papst und Kaiser, Fürsten und Herzöge, Kardinäle, Bischöfe und Prälaten, Städte und Gemeinden, Geistliche und Ritterorden, Gelehrte und Fromme, außer den vielen Männern auch einige Frauen, vor allem die edle Herzogin Eleonore, die Gemahlin Sigismunds. Diese Korrespondenz gibt ein lebendiges Bild von den vielen Beziehungen, die N. zu seinen Zeitgenossen suchte und sie zu ihm. Da zahlreiche dt. Originale, darunter viele Autographe erhalten sind, vermögen wir auch die Sprache des Moselaners und die Veränderungen, die sie in Tirol erfuhr, coniecturaliter zu erfassen. N a c h t r a g zur Literatur. 1. L e b e n u n d W e r k : B . J a n s e n Nicolaus Cusanus philosophus antinomiarum Gregorianum 11 (1930), S. 380 — 397. J. R i t t e r Die Stellung des N. v. C. in der Philosophiegesch. B l ä t t e r für dt. Philosophie 13 (1939), S. i n — 1 5 5 . M. d e G a n d i l l a c La philosophie de N. d. C. 1941 (deutsch: N. v. C., Studien zu seiner Philos. 1954). E . B o h n e n s t ä d t Kirche und Reich im Schrifttum des N. v. C. H S B . 1938/39, I. A b h . W . S t o c k h a u s e n Die Cusanus-Bibliothek S a n k t Wiborada, Jahrb. f. Bücherfreunde 5 (1938), S. 1 — 9 . J. K o c h N. v. C. und seine Umwelt H S B . 1944/48, 2. A b h . A . S p a r b e r Vom Wirken des Kard. N. v. C. als Fürstbischof von Brixen (1450 — 1464) Veröffentl. des Museum Ferdinandeum Innsbruck 26/29, 1946/49, S. 345 — 379. E . H o f f m a n n N. v. C. Zwei Vorträge 1947. L . P r a l l e Die Wiederentdeckung des Tacitus. Ein Beitrag zur Geistesgeschichte Fuldas und zur Biographie des jungen Cusanus (Quellen u. A b h . z u r Gesch. der A b t e i u. der Diözese F u l d a X V I I ) 1952. R . H a u b s t Das Bild des Einen und Dreieinen Gottes in der Welt nach N. v. K. 1952. Humanismus, Mystik und Kunst in der Welt des Mittelalters her. v o n J. K o c h (Studien u. T e x t e zur Geistesgeschichte des M A s . I I I . ) 1953 (mit Beiträgen von M. S e i d l m a y e r [Humanismus], P. W i l p e r t [Coinzidenz-Prinzip], J. K o c h [N. v. C .
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Nikolaus von L a n d a u — Nithard
als M e n s c h ] , E . B o h n e n s t ä d t [Frömmigkeit u. Weltbild], Br. D e c k e r [Religionsfriede]). R . H a u b s t Joh. v. Segovia im Gespräch mit N. v. C. und Jean Germain M ü n c h . T h e o l . Zs. 2 ( 1 9 5 1 ) , S. 1 1 5 — 1 2 9 . M. S e i d l m a y e r 'Una religio in rituumvarietate' Zur Religionsauffassung des N. v. C. A r c h f K u l t g . 36 (1954), S. 1 4 5 - 2 0 7 . 2. Q u e l l e n : L . B a u r N. Cus. u. Ps.-Dionysius im Licht der Zitate u. Randbemerkungen des Cusanus H S B . 1940/41, 4. A b h . J o s . E . H o f m a n n Die Quellen der Cusanischen Mathematik I: Ramon Lulls Kreisquadratur H S B . 1941/42, 4. A b h . R . H a u b s t Zum Fortleben Alberts d. Gr. bei Heymerich von Kamp und N. v. K. i n : S t u d i a A l b e r t i n a , F e s t s c h r i f t f ü r B. G e y e r , 1 9 5 2 , S. 420 — 447. 3. E i n f l u ß b e r e i c h : O. M e n z e l Joh. Kymeus, Des Babsts Hercules wider die Deudschen HSB. 1940/41, 6. A b h . E . H o f f m a n n N. v. C. und die dt. Philosophie Neue Heidelberger Jahrbücher (1940), S. 35 — 76 ( a b g e d r u c k t in Zwei Vorträge). W e i t e r e L i t . in Bibliographia Philosophica I
Nikolaus von Landau (Nachtrag) : H s s . - E r g ä n z u n g s. K . B r e t h a u e r Neue harttexte. Eine Nachlese bei N. v. L. Z f d A . r ( 933)> S. 48ff. u n d J . Q u i n t Neue Hss.-Funde Überlieferung der dt. Werke Meister Eckharts seiner Schule 1940, S. 2 1 8 — 222 ( S t u t t g . T h e o l . P h i l o s . Q. N r . 88).
Eck70 zur und Hs.
Nikolaus von Löwen (Nachtrag): Zur Überlieferung u. Illustrierung der Memor i a l b ü c h e r s. Chr. v . H e u s i n g e r Studien zur oberrhein. Buchmalerei u. Graphik im Spät-MA. Masch.-Diss. F r e i b g . / B r . 1 9 5 3 , S. 2 o f f . u. 225.
Hannemann Nikolaus von Nürnberg ist identisch mit N i k o l a u s dem K a r t ä u s e r .
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zu bewegen (II, c. 2). Er nahm teil an der Schlacht bei Fontenoy am 25. Juni 841 (II, c. 10). 842 wurde er zu Aachen mit elf Großen des Westreiches ausgewählt, um die damals beabsichtigte Reichsteilung zwischen Karl und Ludwig mit Großen des Ostreiches zu beraten (IV, c. 1); 843 wurde er, wie sein Vater es gewesen, Laienabt in St. Riquier (Centula) neben dem geistlichen Abte Riebodo, einem andern Enkel Karls. An seiner Seite fiel er wahrscheinlich am 14. Juni 844 am Agout im Kampf gegen Pippin II. von Aquitanien, der sie hindern wollte, sich mit den Scharen Karls II. vor Toulouse zu vereinen ( X V I I I Kai. Iun. im Epitaphium ist wohl für Iul. verschrieben, nach L. T r a u b e MGH. Poetae I I I , S. 268). Das Epitaphium verfaßte Mico, Mönch und Diacon in St. Riquier, von dem Dichtungen aus den Jahren 825—53 bekannt sind (MGH. Poetae I I I , S. 310ff.). Nach Hariulf (Ende des 1 1 . Jhs.), der ihn comes et abbas nennt, wurde er später im Sarge seines Vaters beigesetzt: quique (Nithardus), cum paucissimis diebus ministrasset, hello interfectus iuxta patrem sepulturam meruit. At cum ibi aliquantis annis pausasset, iamdudum translato corpore saneti Anghilberti in ecclesiam, quidam devoti posuerunt corpus eiusdem Nithardi in patris sarcophagum (F. L o t Hariulf, Chronique de l'abbaye de St.-Riquier 1884,Collection detextes etc. I I I c.5, S. 102).
2. N. wurde 841 von Karl II. vor der Einnahme von Chälons-sur-Marne gebeten, Nikolaus von Pfaldorf (1471), Schreiber die Geschichte der Zeit zu schreiben. E r der Luc.-Hs. London Univ.-Coli., Ms. Germ. beginnt mit Ludwig dem Frommen und 1 , wird häufig als Verf. des 'Lucidarius' führt bis zur Vermählung Karls kurz vor (s. d.) bezeichnet, vgl. S c h o r b a c h Lud- dem Vertrag zu Verdun 843. E r nimmt ratend, verhandelnd und kämpfend an den darius (QF. 74), S. 17U 55«L . Denecke Kriegen der Brüder teil und schreibt in unmittelbarer Zeitnähe; z. B. über die Schlacht Nikolaus von Straßburg (Nachtrag): bei Fontenoy vier Monate danach. Obwohl G. L o h r Die Kölner Dominikanerschule vom 14. bis zum 16. Jh. 1946, s. 361 j j a n n mann die Schrift die Handlungen Karls zu rechtfertigen sucht und Lothar anklagt, bemüht sich N. um gerechtes Urteil. Es spricht nicht Nithard. 1 . N. nennt in seinen sog. 'Historiarum gegen seine Darstellung, daß der beim Ablibri IV' sich, seine Eltern Angilbert und schluß des Werkes noch nicht zwanzigjähBertha, eine Tochter Karls d. Gr., und rige Karl dem Bilde Ns. später nicht mehr seinen Bruder Hartnid (IV, c. 5). Im Streit entsprach. N. sah in ihm den von Gott beder Söhne Ludwigs des Frommen folgte er stimmten König (II, c. 8; I I I , c. 3); Karls Karl II., der ihn 840 an Lothar sandte, um Vermählung mit Irmentrud hat er kritisch ihn nach Ludwigs d. Fr. Tode zum Frieden betrachtet (IV, c. 6).
Notker Balbulus
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Im I. Buch finden sich geringfügige Irrtümer; in den folgenden Büchern überliefert N. die wichtigsten Nachrichten; die zeitgenössischen Annalen bestätigen und ergänzen sie an einigen Stellen. Außer den Straßburger Eiden, die er allein mitteilt (III, c. 5) scheinen ihm noch andere Documente vorgelegen zu sein (I, c. 6; IV, c. 1 ; I V , c. 4 und sonst). Er kannte wohl Einhard und die 'Annales regni Francorum'; (der sog. *Astrologus' hingegen ist von ihm abhängig). E r ist für lange Zeit der letzte Laie, der Geschichte schreibt, ohne literarischen Ehrgeiz, klar, einsichtig und aufrichtig. Seine Sprache ist schlicht und persönlich. In den Vorreden des III. und IV. Buchs spricht er, ähnlich wie Einhard (s. d.), von seiner Verantwortung, der Nachwelt die Wahrheit zu überliefern, ne forte quilibet quocumque modo deceptus res nostro in tempore gestas, praeterquam exactae sunt, narrare praesumat (III), obwohl er aus Kummer über den Krieg in seiner eigenen Familie lieber zu schreiben aufhören würde, wie er auch mit einer allgemeinen Klage über Verderbtheit, Elend und Jammer überall sein Werk beschließt. ' Die einzige Hs., Paris lat. 14, 663, 9.¡10. Jhs., wurde in S. Medardus in Soissons geschrieben. Her. zuletzt von E . M ü l l e r 1907 (SS. rer. Germ.) und Ph. L a u e r 1926 (Les classiques de l'histoire de France au moyen âge 7), mit Bibliographie. Eine Ausgabe in Nelson's Médiéval Classics ist angekündigt. Über die Hs. J. B r a k e l m a n n ZfdPh. 3 (1871). H. P r ü m m Sprachliche Untersuchungen zu Ns. Historiarum libri quattuor Diss. Greifswald 1910, auch zur Herstellung des Textes. Über die Echtheit des romanischen Textes der Straßburger Eide P. L. G a n s h o f Une nouvelle théorie sur les Serments de Strasbourg Studi medievali, N S . 2 (1929). Immer noch grundlegend G. M e y e r v o n K n o n a u über Nithards vier Bücher Geschichten 1866. E b e r t II, S. 370ff. ; W a t t e n b a c h 7 I, S. 233ff.; M a n i t i u s I, S. 657ff.
M. L. Bulst Notker Dichter).
Balbulus
(der
Stammler,
der
1. Den Beinamen Balbulus bezeugt Ekkehard IV. dreimal in den 'Casus s. Galli' (Nokero postea cognomine Balbulo Kap. 2, vgl. Kap. 30 und 33). N. selber spricht mehrmals von seinem Sprachfehler, der wohl auf eine Hasenscharte oder auf Zahnlosigkeit zurückgeht (er nannte sich balbus et eden-
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tulus in den 'Gesta Karoli' II, 1 7 ; im 4. Stephanushymnus: Eger et balbus vitiisque plenus; in der 'Notacio de illustribus viris' 29: balbus, edentulüs et ideo blesus vel, ut verius dicam, semiblaterator surdastris und auch debilitato ore cantavimus; vgl. ''Vita s. Galli': ego partim morbo partim senio iam edentulus, caeculus et tremulus, d. h. auch von der Gicht geplagt). In dem körperlichen Gebrechen darf man aber keine Alterserscheinung sehen; es ist uns in Schriften bezeugt, die er in den vierziger Jahren seines Lebens verfaßt hat. Sein Todesdatum ist mehrfach bezeugt: 6. April 912 ('Necrol. s. Galli', 'Annales Sangall. mai'. u. a.), sein Geburtsdatum aber läßt sich nur ungefähr erschließen: um 840. Adalbert, der als alter Mann ihm in ganz jungen Jahren die Geschichten des 2. Buchs der 'Gesta Karoli' erzählte, war etwa zwischen 790 und 800 als Krieger im Heer Karls des Großen mitgezogen, wird also um 770 geboren sein und im Alter von 70—80 Jahren, d. h. gegen 850, den widerstrebenden N. eingefangen haben (cum valde senior parvulum me nutriret, renitentem et sepius effugientem, vi tandem coactum de his instruere solebat). Auch anderes spricht für diesen Ansatz, z. B . daß sein Bruder Othere von den achtziger Jahren bis gegen Notkers Tod ein rühriger Hundertschaftsbeamter im Thurgau war, also im rüstigen Alter gestanden haben muß (s. M e y e r v o n K n o n a u in der Ausgabe der 'Casus' Ekkehards IV. S. 4 Anm. 16). Dieser Othere, den er im Schreiben an Bischof Liutward von Vercelli (vor 887) erwähnt, hatte seine Hundertschaft im Thurgau; der Mittelpunkt seines stattlichen Grundbesitzes war Jonschwil an der oberen Thür, über 20 km westlich von St. Gallen. D a auch für diese Gegend zweimal ein Notker (854 und 952/3) beurkundet ist, der letzte als Erbe Otheres, ist der Name N. für Jonschwil gut bezeugt und ist Grund vorhanden, Jonschwil als Ns. Heimat anzusehen. Wenn dagegen die 'Vita Notkeri' Ekkehards V . Elgg angibt, eine Ortschaft östlich Winterthur im Kanton Zürich, die freilich zur St. Gallischen Güterkarte gehört, so verdient das keinen Glauben, zumal dieses erfindungsreiche Machwerk Ns.
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Notker Balbulus
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Geschlecht von den Karolingern und Ottonen ableitet. N. stammt also aus einem angesehenen, begüterten Geschlecht. E r trat früh ins Kloster St. Gallen ein und verbrachte sein ganzes Leben still in dessen Mauern, die er nur einige Male zu kleinen Reisen verließ. Hier hatte er zwei vorzügliche Lehrer, den Turgauer Iso, der sich mit Heiligenleben und der Kommentierung des Prudenz befaßte, und den Iren Moengal mit dem Beinamen Marcellus (nach seinem Oheim Marcus), vorher A b t in Bangor, den das St. Galler Totenbuch den gelehrtesten und besten Mann nennt und Ekkehard IV. in den ' Casus' Kap. 2 als sehr gut unterrichtet in göttlichen und menschlichen Wissenschaften preist. Marcellus führte ihn in die Septem artes liberales ein, besonders in die Musik (EkkehardIV.'Casus' Kap. 33). Auch Adalberts Sohn Werinbert, Mönch und Lehrer in St. Gallen wird sich seiner angenommen haben (s. u.). Später wurde er, mindestens zeitweilig, selber Lehrer in der St. Galler Klosterschule. Seine berühmtesten Schüler waren Hartmann (s. d.), der spätere Abtbischof Salomo III. von Konstanz (s. d.) und dessen Bruder Waldo, wohl auch der Subdiakon Wolo (s. 'Casus' Kap. 43f.). Für Salomo und Waldo schrieb er die „Notacio de viris illustribus" und das Formelbuch s. u. i o f . Die St. Galler Annalen nennen ihn magister, Hermannus Contractus (s. d.) magister doctus. Wie eifrig ihn seine Schüler aufsuchten, berichtet Ekkehard IV. in den 'Casus' Kap. 37. Ein Mann mit solchen Kenntnissen wurde natürlich auch zum Urkundenschreiben herangezogen. Die neun Urkunden mit der konsequenten Schreibung Notker von 869 oder 870 bis 909 ( W a r t m a n n Urkundenb. der Abtei St. Gallen Nr. 546ff.) darf man sicher ihm zuschreiben, wohl aber nicht die Notger 858—860 (ebenda 465, 476). 890 ist er als Bibliothekar bezeugt, 892—904 als Hospitarius. In der letzten Urkunde nennt er sich wieder Notker indignus monachus.
in regno Karoli doctiorem. Zwischen den Laudes der Nacht befaßte er sich in der Schreibstube mit der Kollation und Kritik der Texte (Kap. 36). Die 7 kathol. Briefe schrieb er im griechischen Urtext ab (Kap. 46). E r kannte freilich nur die griech. Buchstaben, beherrschte aber die griech. Sprache nicht (er bat Salomo, ihm den OriginesKommentar zum Hohenlied durch einen des Griech. kundigen Mann ins Lat. übersetzen zu lassen, s. E. D ü m m l e r Das Formelbuch des B. Salomo III. 1857, S. 66). Sein Ruhm gründet sich auf seine Dichtung, speziell die Sequenzen, nach denen er schon früh benannt wurde: qui sequentias composuit (St. Galler Totenbuch, Ekkehard IV. öfter : Epitaph :'Obitus Notkeri magistri, qui sequentias composuit' im 'Liber Benedictionum' S. 399 E g l i , ähnlich in der Überschrift des Gallushymnus Ratperts, im 44. Gedicht V. 15, 'Casus' Kap. 5). Heute sind mindestens ebenso bekannt die 'Gesta Karoli'. 2. Das W e r k Ns. ist in seinem Umfang noch nicht überall sicher abgegrenzt. Das trifft nicht nur auf die Sequenzen zu (s. u. 3): N. fand hierin so gute Schüler, daß es heute schwer ist, Ns. Gut von ihrem zu scheiden, und deswegen die Forschung hierüber kurz charakterisiert werden muß. Schon zu Namens Verwechslungen ist Anlaß vorhanden, nicht nur durch N. Labeo (s. d.); selbst in St. Gallen scheint es zur Zeit des Balbulus mehrere seines Namens gegeben zu haben (s. o. 1).
Von seiner Gelehrsamkeit zeugen nicht nur seine Werke, sondern auch mancherlei Tatsachen in den 'Casus' Ekkehards IV., schon Kap. 38: iste est, quo neminem ajunt
Es sind nicht weniger als neun Stücke, bei denen man sich z. T. für N., z. T. gegen ihn als Autor ausgesprochen hat oder bei denen seine Verfasserschaft noch zu sichern i s t :
Verfasserlexikon V.
So wurde die Schrift 'Erkenhardo discipulo de quattuor questionibus computi' irrtümlich i h m zugeschrieben, dabei s t a m m t sie v o n N . L a b e o (überliefert nicht nur i m Clm. 14804, B1 I 7 2 f f . 1 1 . Jhs. und Paris n o u v . acqu. 229, sondern nach schriftlicher Mitteilung J. W e r n e r s auch in Zürich U n i v . - B i b l . Car. C. 174, Bl. 232ff., 10./11. J h s . ; her. v o n G . M e i e r Die sieben freien Künste 1886, A n h a n g — vgl. M a n i t i u s I, S. 362, revidiert I I , S. 804). Die 'Epistola ad Ruodpertum' (überliefert im Cod. St. Gallen 820, Bl. 63 zwischen Federproben wohl 10. Jhs., s. G. S c h e r r e r Verzeichnis der Hss. der Stiftsbibl. St. Gallen 1875, S. 277) ist v o n einem N. v e r f a ß t , aber wohl nicht v o m Balbulus, s. W . v o n d e n S t e i n e n N. der Dichter 1948, S. 500.
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a) drei Fabeln vom kranken Wolf, K a l b und Storch, Floh und Zipperlein, b) der Wunschbock, c) zwei Briefgedichte eines Lehrers an einen Schüler, d) ' Versiculi de Septem liberalibus artibus', e) ein Prosadialog zwischen Lehrer und Schüler, f) Meßintroductionen. Das Entscheidende ist, daß man bisher noch keinen wirklich zwingenden Grund für N. vorgebracht hat. Aber man hat auch bisher nicht bewiesen, daß diese Stücke nicht von N. veifaßt sein können. Das Argument Ws. v o n d e n S t e i n e n (a. a. 0. S. 499) dürfte bei den Stücken a und b nicht durchschlagend sein: ,,In Wahrheit besitzen wir nicht ein einziges beglaubigtes Fabel- oder Scherzgedicht von N., j a nicht einmal eine Andeutung, daß er je dergleichen geschaffen hätte; wie soll man ihm da welche zuschreiben?" Mir ist das auch zu eng geurteilt, selbst wenn wir nicht die mit dem literarischen Volksgut vertrauten 'Gesta Karoli' (s. 14), das neckende Pilzepigramm (8) oder seine Äußerung über das Rätselspiel besäßen (8). Da alle neun Stücke nur klein sind, ist es recht fraglich, ob die Verfasserfrage mit Sicherheit zu lösen ist. Auch ist zu bedenken, daß manches der übrigen Stücke erst mühsam für N. gewonnen werden mußte. a) Die drei F a b e l n v o m kranken L ö w e n , K a l b und S t o r c h , F l o h und Z i p p e r l e i n (übersetzt von P . v . W i n t e r f e l d Dt. Dichter des lat. MAs. S. 140 ff. und 174f.) stellte E . D ü m m l e r in seiner Ausgabe MGH. Poetae I, S. 62 ff. zu den 'Carmina Pauli et Petri', weil sie in der St. Galler Hs. 899 10. Jhs. (s. ebenda S. 30 ff.) mit Gedichten des Paulus Diaconus und andern, die sich auf Karls Hof beziehen, zusammenstehn. K . N e f f Die Gedichte des Paulus Diaconus 1908, S. 191 ff. wies nach, daß ihr Stil nichts Paulinisches enthält und die erste Fabel gerade Ausdrucksformen bietet, die Paulus mied; sie könnten nicht von ihm gedichtet, auch nicht am Hof Karls des Großen entstanden sein. K . S t r e c k e r bestätigte von der Reimuntersuchung her, daß Paulus nicht in Betracht kommt (NA. 44, 1922, S. 219). P. v. W i n t e r f e l d ver-
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suchte, die drei N. zuzuschreiben (NA. 29, 1904, S. 468ff.), weil sie „viel zu gut für Paulus" seien und dieselbe hohe Kunst zeigten, den gleichen „Fabel- oder Märchenton, die gleiche liebevolle sinnige Achtsamkeit auf jeden kleinsten, nebensächlichen und doch zum Bilde beitragenden T o n " . Aber diese Begründung reicht nicht aus, s. W . v o n d e n S t e i n e n a. a. 0. S. 499 : „ D a ß im ganzen Abendlande des reichen karolingischen Jhs. einzig N. hierzu fähig gewesen wäre, kann man im Ernste nicht vertreten". So kann man also weder die meisterhafte Darstellung der äsopischen Fabel von der Heilung des kranken Löwen durch den Fuchs, der jenem das Fell des Bären (!) umzulegen empfiehlt, in 34 Distichen noch die in der Hs. zusammenstehenden lFabula de vitulo et ciconia' (5 Distichen) und 'Fabula podagrae et pulicis' (7 Distichen) als Eigentum Ns. wahrscheinlich machen. b) Beim „ W u n s c h b o c k " (51 Hexameter, Tres iuvenes fratres beginnend, her. von E. D ü m m l e r MGH. Poetae II, S. 474ff., übersetzt von P. von W i n t e r f e l d a. a. O. S. 172ff., dazu S. 408ff.) kann man ebenfalls nicht beweisen, daß N. die Verse dichtete. Sie sind zwar in der St. Galler Hs. 73, Bl. 261 im 9 Jh. von ihrem Dichter, der durch seine Korrekturen das Lesen erschwerte, selber eingetragen worden, aber ihr Vergleich mit sicheren Autographa Ns. durch P. L e h m a n n ergab nicht, daß man diese Schriftzüge N. zuschreiben muß, s. K . S t r e c k e r in M G H . Poetae IV, S. 1092 Anm. Was die Dichtung betrifft, so weiß P. v. W i n t e r f e l d a. a. O. nichts weiter ins Feld zu führen, als daß sie „ein kleines Meisterstück" ist, denselben Ton habe wie die Pilzverse (s. u. 8) und daß man daher N. „die mit herzlichem Behagen vorgetragene Geschichte vom Wunschbock wohl zutrauen" möchte. Das reicht aber nicht aus, vgl. auch W . v o n d e n S t e i n e n a. a. O. S. 499. c) Zwei B r i e f g e d i c h t e , die in der Hs. Wolffenbüttel Weißenburg. 60, Bl. 134b 9.—10. Jhs. stehen, können in St. Gallen entstanden sein, da A b t Grimald von St. Gallen zugleich A b t von Weißenburg war und daher eine Hs. St. Gallens leicht nach Weißenburg gelangen konnte : 6 Distichen
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mit der Bitte um poetische Antwort (0 iuvenis clarae) und 7 Distichen mit dem Dank für einen aufmunternden Gruß und guten Wünschen (Accipe, care puer), her. von J. S c h w a l m NA. 27, 1902, S. 74of. und K. S t r e c k e r MGH. Poetae IV, S. 1092. Auch hier läßt sich weder von der Schrift noch von der Dichtung beweisen, daß sie von N. stammen. J. Schwalm, dem P. v. Winterfeld zustimmte, wußte für Ns. Autorschaft nur zu sagen, daß diese Verse eng verwandt seien mit den ' Versus de quinque sensibus' und mit den 'Versiculi de Septem liberalibus artibus' (s. u. 7 und 2d ). Aber W. v o n den S t e i n e n urteilt (a. a. O. S. 498): „Die liebenswürdigen Verse wären Notkers wohl nicht unwürdig, aber Spezifisches von ihm zeigen sie nicht". Damals gabs wohl noch mehr Magister, die solche Verse zu dichten imstande waren. d) ,,Versiculi de Septem liberalibus artibus", 52 Distichen über die Fächer des Triviums und Quadriviums im engen Anschluß an Martianus Capella, der beim Übergang zum eigentlichen Thema genannt wird (V. 17 : Fabula Felicis conponit ficta Capellae). Die sieben Fächer werden in weiblicher Personifikation vorgeführt, ihr Inhalt und ihre Aufgaben geschildert. In der Einleitung gibt sich der Dichter als alter Mann, der aus Liebe zu seinem jungen Schüler (puer illustris V. 2) wieder jugendstark wird. Daß dies Gedicht aus der St. Galler Hs. 817, Bl. 4 (11. Jhs.) N. gehört und der angeredete puer Salomo ist, vermutete P. v. W i n t e r f e l d in seiner Ausgabe und Antrittsvorlesung {Dt. Dichter des lat. MAs S. 413). K . S t r e c k e r schien es zweifelhaft (MGH. Poetae IV, S. 1092 Anm., aber ohne eine Begründung zu geben). W. v o n den S t e i n e n a. a. O. S. 495 führte etwas dagegen, aber mehr für Ns. Verfasserschaft an : „Der bildhafte Eingang, liebenswürdig und liebevoll; auch die eigentümliche Selbstbeschreibung; manches Stilistische (nicht zwingend); die rasche, einfache Schlußwendung. Hingegen scheint die Darstellung der sieben Artes, nach Martianus Capella, nicht recht auf der Höhe". Die Verfasserfrage ist also noch zu klären. Wenn das Gedicht von N. herrührt, darf man es nicht früh ansetzen, wenn auch die Schilderung
des Alters im Anfang nicht wörtlich zu nehmen ist. Ausgabe: P. v. W i n t e r f e l d M G H . Poetae IV, 1899, S. 339ff.; W . v o n d e n S t e i n e n a . a . O . , Editionsband, S. 151 f. (nur V . 1 — 26).
e) Den Prosadialog zwischen Lehrer und Schüler an einem Ferientag, den die St. Galler Hs. C 129, Bl. 101b 9. Jhs. in der Züricher Stadtbibliothek ohne Namen überliefert, den J. S c h w a l m NA. 27, 1902, S. 742f. herausgab und P. v. W i n t e r f e l d a. a. O. S. i86f. zu einer Dichtung umgestaltete, möchte Schwalm N. zuschreiben, weil er in dessen Art gehalten sei. Das ist nicht überzeugend. W. v o n den S t e i n e n gibt zu bedenken (a. a. O. S. 498) : „Das Gespräch springt eigentümlich hin und her, es fehlt ihm das klare Vorschreiten, das sich auch bei Notkers lockersten Texten wie von selbst ergibt. N. also kann das nicht geschrieben haben . . ." Wenn sich im Stil eine gewisse Verwandtschaft mit N. zeigt, so dürfte das als Nachahmung Ns. durch einen Schüler zu erklären sein. f) I n t r o d u k t i o n e n z u m I n t r o i t u s der M e s s e , die in der Hs. der Wiener Nationalbibl. 1609, Bl. 4—8 (10. Jhs.) stehen, schreibt W. v o n den S t e i n e n wegen ihrer Überlieferung (der Codex enthält zu zwei Dritteln Notkeriana und die Introduktionen vor deren Anfang, vor Ns. „Notatio") und ihres Stiles N. zu. Die kurzen Verse in der Art der Tropen feiern zwölf Hauptfeste von Weihnachten bis zum Marienfest. Da W. v o n den Steinen keine nähere Begründung gab, sondern es selber als „hypothetisch" bezeichnete, da auch hier schon der geringe Umfang den Beweis fast unmöglich machen dürfte, kann auch dieses Stück nicht als gesichert gelten. W . v o n d e n S t e i n e n a.a.O., Editionsband, S. 152H. D e r s . Darstellungsband S. 495 u. 515. Anal. H y m n . 49, 1906, S. 26 (7), 42 (59), 38 (47), 37 (42), 27 (12 und 11), 33 (28), 29 (15 und 18), 30 (20), 38 (45), 41 (54). Die Hs. beschrieben v o n E . D ü m m l e r Das Formelbuch des Bischofs Salomo III. 1857, S. X X I I I f f . A l s Urtropar b e trachtet v o n P . v . W i n t e r f e l d Z f d A . 47, 1903, S. 323 und 398 f.
3. V e r l o r e n ist ein größeres Werk Ns. über Musik, von dem uns in Schriften des 12. Jhs. berichtet wird: Notgerus abbas scripsit librum de musicis notis et symphoniarum modis, ut possit quivis videre et 24«
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intelligere, quomodo differunt a se intervalla symphoniarum Sigebert von Gembloux 'De viris illustribus' 108; De Martiale (1. Martiano), Ottone, Notkero, quorum libros tu utpote in hac arte probatissimorum diligenter perspexisse diceris Joh. Cotton 'Musica' ( G e r b e r t Scriptores de musica sacra II, S. 231). N i c h t g e s c h r i e b e n hat N. offenbar ein Werk über Ludwig den Deutschen. In den 'Gesta Karoli' II, Kap. 11 sagte er, als er den Exkurs über Ludwig beendet hat : Haec breviter per excessum dixerim, vita comité propitiaque divinitate votum habens plurima de eo scribere. Bisher ist nichts davon gefunden; es ist auch nicht bekannt, ob N. überhaupt dazu kam, seine Absicht auszuführen. D a sich bald nach der Abfassung der 'Gesta' oder vielleicht schon während ihrer Niederschrift die politischen Verhältnisse durch den Sturz Karls III. änderten, konnte ihm die Lust zu jener Schrift vergehen. Die gesicherten Werke können nicht chronologisch aufgereiht werden, weil sich mehrere nicht datieren lassen. So empfiehlt sich die Scheidung in Vers und Prosa, in beiden die Gruppierung nach der inhaltlichen Verwandtschaft. Zwischen die beiden Hauptgruppen gehört die ' V i t a s. Galli' (mit der Predigt auf den hl. Gallus), da sie in Vers und Prosa gehalten ist. (4) Sequenzen, (5) Die Stephanushymnen, (6) Das Susceptaculum regis, (7) Briefgedichte, (8) Das Pilzbillet. (9a) ' Vita s. Galli' und (b) 'Sermo s. Galli'. (10) (11) (12) (13) (14)
'Notacio de viris illustribus', Das Formelbuch, Brief an Lantbert über Musik, Martyrologium, Fortsetzung von Erchanberts ' Breviarium', (15) 'Gesta Karoli'.
4. Das Prooemium zur S e q u e n z e n s a m m l u n g , dem 'Liber Ymnorum', hat N. an Liutward, den Bischof von Vercelli und Kanzler Kaiser Karls III., den Mächtigsten im Keich, gerichtet; es fällt zwischen Anfang 881 (Karls Kaiserkrönung) und Juli
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887 (Sturz Liutwards). P. v . W i n t e r f e l d möchte den Brief hinter den Besuch Karls III. in St. Gallen setzen und nach den 'Gesta Karoli' (ZfdA. 47, S. 329), also etwa in die Jahre 885/6. Jedenfalls hat N. die ' Vita s. Galli' in der gleichen Zeit gedichtet, wovon er am Schluß spricht, das war 883/4, s. u. 9. Sein Lehrer Marcellus, dem die Gesänge so gefallen hatten, daß er sie mit seinen Schülern einübte, hatte ihm geraten, sie zu sammeln und sie alicui primorum zu widmen. Dann ermunterte ihn sein Bruder Othere, dem Bischof Liutward ein Werk zu verehren; erst dadurch habe er den Mut zu jener Widmung gefunden. E r richtete auch 8 Hexameter, die Uberleitung vom ersten zum zweiten Teil der Sequenzen, an Liutward. Die Zahl der Sequenzen in dieser Sammlung gibt Ekkehard IV. in 2 Glossen zu seinem Gedicht 'Item, de aliis sincellitis amborum' (her. von J. E g l i Der Liber benedictionum Ekks. IV. 1909, S. 225) mit 50 an (zu V. 15: sequentias L cum 'sancti spiritus' und zu 18: scilicet in quinquaginta suis sequentiis und Jubeleo dei, maxime autem in 'sancti spiritus'). Bisher ist noch kein notkerisches Sequentiar bekannt, in dem nur fünfzig Nummern stehen, alle haben mehr. Die runde Zahl scheint geschätzt und war P. v. W i n t e r f e l d (ZfdA. 47, S. 322) „ v o n vornherein verdächtig und die Zahl 50 überhaupt zu hoch". Ein solcher Zweifel ist schon an sich berechtigt, weil alle Angaben Ekkehards I V . ,,der genauesten Überprüfung" bedürfen ( M e y e r v o n K n o n a u in seiner Übersetzung Geschichtschreiber der dt. Vorzeit 38, 1925, S. X X X V I ) . Aber Beachtung verdient die wiederholte Angabe Ekkehards I V . in jenem Gedicht V. 17 (Et quod quemque diern decuit, homo vocijeravit) und im Epitaph auf N. (Hic numquam factum modulavit carne subactum, / Septenum flatum vociferatque datum. / Ecclesiam totam sponsi tutamine fotam, / Quaeque diem decuit laetitiam docuit V. 3 ff.), daß N. für jeden (wichtigen Fest-) Tag eine Sequenz gedichtet habe; das besagt, daß die Zahl doch hoch gewesen sein muß und von 50 nicht beträchtlich abgewichen sein kann. Eine Vermutung, wie Ekkehard IV. zur Zahl 50 gekommen sein könnte, gibt W. W i l m a n n s ZfdA. 15, 1872, S. 2goff. Die Forschung bemüht sich seit längerem, aus der hsl. Überlieferung die echten Notkersequenzen von denen seiner Schule zu scheiden und so das Original Ns. zu rekonstruieren. Wenn auch nicht wenige Hss. den Titel 'Liber ymnorum Notkeri' (z. B. 4 von den 7 in J. W e r n e r s Ausgabe) und das Proömium haben (5 von den 7), so ist doch in allen Hss., auch der ältesten, der St. Galler 484 aus der 2. Hälfte des 10. Jhs., der Sequenzenbestand verunechtet, dadurch, daß andere Sequenzen aufgenommen sind, bei denen man den
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A u t o r benennen oder wenigstens so viel nachweisen kann, daß sie nicht von N. stammen. Die R e k o n s t r u k t i o n ist schon deshalb schwierig, weil sich alle Hss. in Zahl, Ordnung und Bestand unterscheiden, und m a n damit rechnen muß, daß die Schreiber E c h t e s wegließen, weil der Archet y p u s der Hss. Unechtes enthält wie die Columbansequenz E k k e h a r d s I . : die Hss. waren j a für den praktischen Gebrauch bestimmt, der an jedem Ort und zu jeder Zeit wechselnden Anforderungen zu genügen hatte. Immerhin gibt N. im P r o ö m i u m zwei Sequenzen deutlich an, zwei weitere sind gut und fünf g l a u b h a f t als sein E i g e n t u m bezeugt. W . W i l m a n n s versuchte, aus dem bis dahin (1872!) gedruckten Material m i t kritischer Methode Ns. Sequenzen herauszuschälen, und k a m auf 4 1 ; d a die Grundlage zu dürftig war, konnte er w o h l den W e g weisen, wertvolle Einzelergebnisse gewinnen, aber in der H a u p t f r a g e keine befriedigende L ö s u n g bieten (ZfdA. 47, S. 321 ff.). D a g e g e n machte sich J. W e r n e r 1901 an das W i c h t i g s t e , alle ihm erreichbaren Hss. zu studieren (zwei Drittel seines Buches ,,Ns. S e q u e n z e n " gibt die Beschreibung der Hss. und ihres Inhaltes), und k a m im Streben nach E k k e h a r d s I V . Z a h l 50 auf 4 7 ; aber auch er kannte einige der ältesten Hss. nicht, beachtete nicht die historische Bedingtheit jeder Hs. und ließ sich durch jene Zahl 50 beeinflussen. C. B l u m e und H . B a n n i s t e r schlössen sich im 53. B a n d der A n a l e c t a H y m n i c a (1911) J. Werner an, was die Zuschreibung an N. betrifft, benutzten noch mehr Hss., brachten aber die 47 Ns. verstreut über 400 S. und ihren T e x t und A p p a r a t ohne die nötige Sorgfalt. Ins andere E x t r e m , N. möglichst wenig Sequenzen zuzuerkennen, fiel P . v . W i n t e r f e l d (ZfdA. 47, 1903, S. 321 ff.) und gestand ihm nur 15 zu, indem er 10 N.-Sequentarien des 1 0 . j n . Jhs. m i t z. T . überspitzter oder zu subjektiver Akribie auf ihren echten N.-Bestand prüfte. W e n n auch sein Endergebnis keine Anerkennung fand, so e n t h ä l t der temperamentvolle Zugriff doch wertvolle Einzelbeobachtungen. Zur geplanten Ausg a b e der älteren Sequenzen und damit auch Ns. in den M G H . ist er nicht mehr gekommen. — H . S p a n k e lenkte den B l i c k besonders auf die Melodien in seiner zusammenfassenden und erweiternden B e t r a c h t u n g des Forschungsstandes {Dt. und franz. Dichtung des MAs. 1943, S. i ö f f . ) . W . v o n d e n S t e i n e n p a c k t in einem W e r k , das schon im U m f a n g alle vorhergehenden u m ein Vielfaches übertrifft, N. der Dichter und seine geistige Welt (1948, Darstellungsband) die H a u p t a u f g a b e an, jenen 'Liber ymnorum' wiederzugewinnen, und gibt im Editionsband Ns. Seq u e n z e n b u c h lat. und mit dt. Übersetzung, ferner die Sequenzen seiner Schule lat., ebenso seine übrigen Gedichte m i t A p p a r a t und A n m e r k u n g e n . V o n den wenigen sicher bezeugten Sequenzen ausgehend, b e m ü h t er sich, o b j e k t i v e Kriterien innerlicher A r t v o m „ G a n g " des Gedichtes her (wobei es ihm auf „ d i e schöne Gesetzlichkeit der W o r t e , G e d a n k e n und Bilder, und v o r allem die A b f o l g e der Gedanken und B i l d e r " a n k o m m t , S. 152) zu finden, damit die dichterische Eigen-
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tümlichkeit herauszuarbeiten und zwischen Meister- und Schülerarbeit zu scheiden. E r erreicht die Zahl 40, und z w a r nach den beiden Festkreisen des Kirchenjahres so geordnet, d a ß der erste Kreis mit Weihnachten beginnend 7 enthält, die anderen nach jenen 8 H e x a m e t e r n , die den tiefen Einschnitt durch die Passionszeit dazwischen markieren, in der kein Alleluia ertönt (zur Interpretation W . B u l s t Z f d A . 80, 1943, S. 5f.), mit Ostern anfangend 17 und 16. Bei dem längst notwendigen Eindringen in methodisches Neuland erzielte er das wahrscheinlichste der bisherigen Ergebnisse und f ü h r t e tief in die W e l t des Dichters hinein. D a s umfassendste und gehaltvollste W e r k über N . ! Inwieweit aber sein Beweismittel o b j e k t i v ist und o b es als H a u p t m i t t e l genügt, u m das E c h t e v o n der N a c h a h m u n g zu scheiden, ist zweifelhaft und bedarf sorgfältiger Ü b e r p r ü f u n g ; die A u f g a b e m u ß noch einmal vorgenommen, und dabei müssen auch die andern Mittel gebührend eingesetzt werden. (Vgl. a u c h die Rezensionen von K . H a u c k Schweiz. ZsfGesch. 1952, S. 4 i 2 f f . ; P . L e h m a n n D t . A r c h i v 10, 1953, S. 2 2 g f . ; T h . S c h i e f f e r HistZ. 173, 1952, S. 122 ff. — Z u m A u f b a u der damaligen Sequenz allgemein und auch zu dem N o t k e r s v g l . G. R e i c h e r t Strukturprobleme der alt. Sequenz D V j s c h r . 23, 1949, S. 227 — 251. Anders L . K u n z Die Textgestalt der Sequenz 'Congaudont angelorum chori' D V j s c h r . 28, 1954, S. 275/8.
Im Proömium spricht N. davon, wie er zu dieser Art Dichtung gelangte, sie entwickelte und hunc minimum vilissimumque codicellum zustandebrachte. In jungen Jahren (iuvenulus) kam er auf den Gedanken, die sehr langen Alleluia-Vokalisen (melodiae longissimae) durch Worte zu binden (colligare), damit sie nicht davonflögen.Da habe ein Priester, der aus dem kürzlich (862) zerstörten Jumieges nach St. Gallen gekommen sei, ein Antiphonar mit Sequenzen mitgebracht, die ihm in ihrer Art gefallen hätten, aber voller Fehler waren (antiphonarium . . . , in quo aliqui versus ad sequentias erant modulati, sed iam tunc nimium vitiati). In Nachahmung dieser (franz. Initialsequenzen) habe er als erste Laudes deo . . . gedichtet. Das Incipit hier hat den alten Wortlaut, während die ganze Überlieferung im 'Liber ymnorum' den T e x t ein wenig geändert, d. h. bewußt umgearbeitet bringt (P. v. W i n t e r f e l d N A . 25, S. 386ff.). Inzwischen hatte sich nämlich N. der Kritik seines Lehrers Iso unterworfen, der für jeden Ton eine besondere Wortsilbe forderte (singuli motus cantilenae singulas syllabas debent habere), während er vorher auch mehr als einen Ton auf einer Wort-
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silbe zugelassen hatte; Iso hatte die Korrektur selber vorgenommen. Über diese enge Aufgabe kam er dann bei seiner Arbeit hinaus, wie er wohl im nächsten, schwer verständlichen und in seiner Deutung umstrittenen Satz angibt: er lernte, auch das eigentliche Alleluia, an das sich die Sequenz erst anschließt, mit Wortsilben auszustatten, was schwieriger war, da hier im Gegensatz zu den a-Vokalisen der Sequenz die Melodie fest und auf wenige Töne beschränkt ist. Anschließend nennt er als Beispiel für die 2. Arbeitsphase (secunda vice) die Kirchweihsequenz Psallat ecclesia, die nach v o n d e n S t e i n e n S. 157 so viel größere Vollkommenheit und Selbständigkeit aufweist, daß zwischen ihr und der ersten Sequenz mehrere Entwicklungsglieder anzusetzen sind. Mit der Sequenzendichtung begann N. um 860; zu Lebzeiten des Marcellus (871 f) setzte er darin zum zweiten Mal an und hatte davon bereits einen Libellus beisammen; aber das Proömium schrieb er erst um 884. Die dichterische Entwicklung, die sich bei so großer Zeitspanne fast von selber versteht, sieht v o n d e n S t e i n e n in drei Stufen, deren erste beide er an den beiden im Proömium genannten Sequenzen charakterisiert, die dritte an der Pfingstsequenz Sancti spiritus (S. iÖ3ff.) : „erster W u r f " , „erstes Vollgelingen", „letzte Meisterschaft". Die Form wird klarer, strenger und schließlich daneben freier, der Ausdruck ebenmäßiger, feierlicher, voller; alles wird immer vollkommener. Das Ganze aber ist mehr als eine nach dem Kirchenjahr geordnete Sammlung von Sequenzen, ist eine zyklische Dichtung, deren Teile sich miteinander verschlingen und zu einer Einheit zusammenfügen, auch miteinander in Zusammenhang gebracht sind. Das Kirchenjahr wird nach der Rekonstruktion v o n d e n S t e i n e n s fast gleichmäßig bedacht und in wohlüberlegter Auswahl der Tage : der erste Kreis mit 6 für die Weihnachtszeit vom 25. Dezember bis 6. Januar und mit der Lichtmeßsequenz — der zweite mit 7 für die Osterwoche von Sonntag bis Samstag und 8 für die Sonntage von der Osteroktav bis zur Pfingstoktav und dazwischen zwei für Himmelfahrt —
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der dritte für die andere Hälfte des Kirchenjahres mit 9 für die Heiligentage und mit 7 für den ergänzenden Teil des Commune sanctorum. Ähnliches ist von der Gestaltung der M e l o d i e n durch N. zu sagen. J. W e r n e r folgerte schon aus einem äußeren Vergleich der Osterfeiertagsmelodie mit den Alleluiamelodien des 10. und 11. Jhs. sonst: „ N . hat den überlieferten musikalischen Stoff frei bearbeitet, umgegossen, wohl auch erweitert und bereichert, so daß eine neue musikalische Form entstand" (a. a. O. S. i02f.). P. W a g n e r sieht N. im Gegensatz zu dem Mönch von Jumi^ges, daß er nämlich das ursprüngliche Vokalisengefüge nicht nur antastete, sondern „preisgab und die Tondauern der Aussprache des Textes unterordnete" (in S. S i n g e r Die Dichterschule von St. Gallen 1922, S. 16 ff.). Bei der Apostelsequenz stellte er f e s t : sie ist musikalisch „noch weniger von ihrer Urvokalise abhängig, vielmehr der Hauptsache nach eine freie Komposition von ungemeiner Frische, Lebendigkeit und Mannigfaltigkeit". Wenn man unter Komponieren etwas anderes versteht als heute, dann darf man mit ihm sagen : ,,N. ist der erste Komponist deutscher Abstammung, den die Geschichte kennt." Daß N. bald vorhandene Melodien benutzte und ausbaute, bald ganz neue schuf, dürfte die Klostertradition, die Ekkehard IV. in den „Casus" Kap. 47 wiedergibt, die aber den älteren, besseren Quellen widerspricht, doch bezeugen : die beiden von Karl dem Gr. aus Rom erbetenen Sänger Petrus und Romanus hätten Melodien komponiert, Petrus in Metz die Metenses Maior et Minor, Romanus in St. Gallen die Romana und Amoena, die N. nachher mit Sequenzen ausstattete (iubilos . . . , quos quidem post Notker, quibus videmus, verbis ligabat)', nach ihnen habe er die Melodien Frigdora und Occidentana selber ausgedacht (Frigdorae autem et Occidentanae, quas sie nominabat, iubilos illis animatus aetiam ipse de suo exeogitavit). Die Sage, daß das Knarren eines Mühlrades N. zur Occidentana, der Melodie von Ns. berühmtester Sequenz, der Pfingstsequenz Sancti spiritus, angeregt habe, findet sich in Ekkehards V . N.-Biographie (Kap. 18) und dürfte trotz des
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Rettungsversuches A. S c h u b i g e r s (Die Sängerschule St. Gallens 1858 : ihm schiene „der melodische Schluß jedes Satzes in der T a t das langsame Kreisen des Rades nachzuahmen . . .") nicht sonderlich schön und ehrend sein; vgl. auch P. v. W i n t e r f e l d Dt. Dichter des lat. MAs. S. 414. Ns. Stellung in der Geschichte der Sequenz ist überragend. E r hat zwar die neue Gattung der religiösen Lyrik, die in den germanisch-romanischen Grenzgebieten des Karolingerreiches vor 850 entstanden zu denken ist (W. v o n d e n S t e i n e n Die Anfänge der Sequenzendichtung Zs. für Schweiz. Kirchengesch. 1946, S. 190ff., 241 ff.; 147, S. 19ff., 122ff,), nicht geschaffen, aber ihre erste Gestalt, bei der Strophe und Gegenstrophe nur die gleichen Silbenzahlen und Kola zu haben brauchten, äußerlich und innerlich zur höchsten Vollendung gebracht. W a r vorher die Sequenz mehr im Formalen und Generellen geblieben, so schuf er sie zum Organischen und Spezifischen hin um; so baute er eine fein durchgegliederte Antistrophik aus, die er reich belebte und schmückte. E r wußte nicht nur das Wesentliche aus dem Dogmatischen heauszuholen, sondern es auch anschaulich darzustellen, seinen tiefen Gefühlen Ausdruck zu geben und neue, eigene Töne voll hoher Beschwingtheit zu finden. Die Bedeutung seiner Sequenzdichtung zeigt sich am deutlichsten darin, daß sie sich weit ausbreitete und förmlich Schule machte, s. u. 16. Media vita in morte sumus wurde seit J. Metzler, der 1613 in seinem ' Chronicon s. Galli' diese Antiphon N. zuschrieb und die rührende Geschichte ex vetustissimis membranis hinzufügte, wie N. Arbeiter beim Bau einer Brücke über den jähen Martinstobel in drohender Lebensgefahr gesehen hätte und dadurch zu jener Dichtung angeregt worden sei, oft N. zugewiesen. Das hat bereits 1875 G. S c h e r r e r Verzeichnis der Hss. der Stiftsbibl. St. Gallen S. 165 ff. widerlegt, dann auch P. W a g n e r Schweizer Jb. für Musikwiss. 1, 1 9 2 4 , S. 18 ff.
D a ß N. auch außerhalb des Sequenzenbuches noch Sequenzen gedichtet hat, besonders in den fast drei Jahrzehnten, die er nach dessen Abschluß gelebt und gearbeitet hat, wäre möglich und denkbar (s. P. v. W i n t e r f e l d Z f d A . 47, S. 325). Aber bisher wurde uns kein Anzeichen dafür bekannt.
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5. Daß N. die vier S t e p h a n u s h y m n e n im Sangall. 243, 10. Jhs., Bl. 3 dichtete, sagt er selbst in I V , Str. 1 0 : Stephani triumphos Notker indignus cecini. E r widmete sie dem Bischof Ruodbert von Metz (22. 4. 883—2. 1. 917), der einmal Mönch in St. Gallen gewesen war (s. III, 15; IV, 11). Er hat ihm wohl näher gestanden, da er ihn auch in die ' V i t a s. Galli' hineinbringt (Ruodperto nuper in Mettensis ecclesiae sede pontificatus honore sublimato I f, auch im Zusammenhang mit dem Protomartyr Stephanus). Dieser Heilige war der Schutzpatron der Metzer Kirche. Die Hymnen dürften zur Übernahme des Pontifikats durch Ruodpert gedichtet und wohl auch bestellt gewesen sein, d. h. also etwa 883. Übrigens hatte er schon die zweite Sequenz seines Buches diesem ersten Blutzeugen Christi gewidmet, den man j a am 26. Dezember zu feiern pflegte. Der erste Hymnus besingt in 11 sapphischen Str. die Passion und den Tod, der zweite in 7 Str. zu je 3 phaläcischen Elfsilblern die Bergung des Leichnams und seine wunderbare Wiederauffindung, der dritte und vierte in 15 und 13 sapphischen Str. die Wunder in Afrika und im Abendland. Den Stoff entnahm er verschiedenen Quellen, zu 2 aus Lukians 'Epistula de revelatione corporis Stephani martyris', zu 3 aus Augustins 'De civitate Dei' 22, 8 (Str. 1 5 : Hec mihi doctor retulit peritus, / Nomen augusti merito retentans), zu 4 aus Gregor von Tours 'De gloria martyrum' Kap. 33, 23—25 u. a.; die Versmaße konnte ihm Prudenz 'Cathem.' 4 und 9 geben. Die metrischen Verse sind kunstvoll gebaut, ihr Inhalt ist berichtend und belehrend vorgetragen; gegenüber der Sequenz scheinen sie mehr auf Ruodpert zugeschnitten, dem ja auch die vier letzten Str. mit übertriebener Captatio benevolentiae und Wünschen gelten; sie haben einen ganz anderen Ton und zeugen „mehr von dem Gelehrten als von dem Dichter Notker" (W. v o n d e n S t e i n e n a. a. O. S. 366). Ausgabe: P. v. W i n t e r f e l d MGH. Poetae I V , 1899, S. 337ff.; C. B l u m e Anal. Hymn. 51, 1908, Nr. 199—202; W. v o n d e n S t e i n e n a.a.O., Editionsband, S. I48ff. — D e r s . Darstellungsband, S. 365 f. und 493.
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6. Eines der 7 S u s c e p t a c u l a r e g u m i n der Hs. St. Gallen 381 (11. Jhs.) gehört N., da Notkeri magistri der Überschrift nicht N. Pfefferkorn meinen kann: die dort neben N. genannten Autoren passen mit ihrer Lebenszeit nur zu N. Balbulus, nämlich Hartmann, Ratpert, Waldram. In den fünf ambrosianischen Strophen, deren erste hinter der 2.—4. wiederholt wird, erklingt der Gruß an einen König, dessen Name, wie üblich in dieser Art Dichtung, nicht genannt wird: alle himmlischen Heerscharen sollen dem König bei seinem Einzug entgegengehen, wir (Mönche) holen ihn freudig ein, auch die Natur beteiligt sich mit Frühlingsflor an der Freude. Diesen Naturausgang hat N. nach seiner Ostersequenz wiederholt, auch anderes zeigt innige Berührung mit den Sequenzen. Welcher dt. König gemeint ist, läßt sich nicht ermitteln ( B u l s t denkt an den Besuch Ludwigs des Dt. 857, v o n den S t e i n e n an einen Busuch Karls III. vor 881). Ausgabe: P. v. W i n t e r f e l d MGH. Poetae IV, 1899, S. 324; G. D r e v e s Anal. Hymn. 51, 1908, S. 215; W. B u l s t in Corona quernea (StreckerFestschrift) 1941, S. i o 6 f f . ; W. v o n d e n S t e i n e n a.a.O., Editionsband, S. 151. — D e r s . Darstellungsband S. 495, auch 113, 357.
7. Von den zehn B r i e f g e d i c h t e n , die den letzten Teil des Formelbuches (s. u. 11) bilden, die in seinen beiden vollständigen Hss., der der Wiener Nationalbibl. 1609 des 10. Jhs. und dem Tegernseer Clm. 19 413 (um 1200), überliefert werden, sind neun von N. 880—890 an das Briiderpaar Salomo (III. von Konstanz, s. d. 3) und Waldo geschrieben worden. In den ' Versus de quinque sensibus' hat N. je ein Distichon an die Hand, das Auge, den Mund, das Ohr und die Nase des Antistes Domini (d. i. Salomo) gerichtet und die Sinne von sündiger Weltlichkeit zur reinen Göttlichkeit gewiesen; weitere Mahnungen ähnlicher Art, sich vor den turpissimae mulieres zu hüten, sein Äußeres nicht in weibischer Art zu pflegen, sondern an sein Priestertum zu denken, gibt er in der an die 10 Verse anschließenden Reimprosa von wenig größerem Umfang. Die nächsten vier Gedichte sind kleine Billetts von 1 (Nr. 2, 3) und 2 Distichen (4) und 6 Hexametern (5), in denen N. um Antwort bittet (2, 4), besorgt fragt, was für eine Wendung die Krankheit nahm (3), und seinMühen andeutet, sie (die Brüder) zu erziehen vos educere ... de Stramine ad aras). In den 13 Distichen des nächsten Gedichts (Nr. 6) be-
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klagt er die Abwesenheit Salomos, der zu Verwandten, vor allem zu seiner geliebten Nonne gereist sei, und bittet ihn, bald zurückzukehren (angor amore tui). Auf die 6 Hexameter der Brüder, die dem Lehrer klagen, daß er sich nicht sehen lasse, und ihn um Verzeihung und neue Lehre bitten (7), folgen 14 Hexameter Ns. als Antwort (8): er wende sich nicht ab, sondern kümmere sich um sie. Die 19 Distichen „Versus ad iuvenem" enthalten den Dank Egregio iuveni Salomoni für einen Pelzmantel in reichlichem Überschwang, so daß v o n d e n S t e i n e n vermutet, es läge Ironie oder Allegorie vor. In den 6 Hexametern des letzten Gedichts (10) Segenswünsche in der schon in der Antike beliebten Formel Quot-tot. Ausgabe: P. v. W i n t e r f e l d MGH. Poetae IV, S. 343ff.; W. v o n d e n S t e i n e n a.a.O., Editionsband, S. I38ff.; Nr. 1, 2, 6und 9 in E. D ü m m l e r Das Formelbuch... 1857, S. 79ff. und Erklärung S. 160 ff. Nr. 1 mit der Reimprosa in Verse übersetzt von P. v. W i n t e r f e l d Dt. Dichter des lat. MAs. S. 185t.; vgl. zum Ganzen S. 4 i i f f . W . v o n d e n S t e i n e n Zs. für Schweiz. Gesch. 25, 1945, S. 482 ff.
8. Das P i l z e p i g r a m m an die Reichenauer, zwei leoninische Hexameter, mit denen N. die Sendung einer im Klosterkeller während des Januar gewachsenen Morchel begleitete und in denen er um zwei Gräten jenes Riesenfisches, des 12 Zoll langen Alant aus Alahaspach, bat, zeichnete Ekkehart IV. in der St. Galler Hs. 621, Bl. 355 auf und berichtete in einem längeren Prosastück über die näheren Umstände. Ausgabe: E. D ü m m l e r St. Gallische Denkmale Mitteil, der antiqu. Ges. Zürich 12, 1859, S. 225; P. v. W i n t e r f e l d MGH. Poetae IV, S. 336. Übersetzt: P. v. W i n t e r f e l d Dt. Dichter des lat. MAs. S. 409; W. v o n d e n S t e i n e n a.a.O., S. 50. In der St. Galler Hs. 14, Bl. 331 (9. Jhs.) hat N. selber aufgeschrieben, wie er erst spät das literarische Spiel, das Rätsel, schätzen lernte, während er es in seiner Jugend bei der Lektüre einer sehr alten Reichenauer Hs. für wertlos hielt. Mitgeteilt von E. D ü m m l e r a.a.O., S. 225.
9. ' Vita s. Galli' und 'Sermo s. Gatti'. a) Ns. ' V i t a s. Galli' ist nur fragmentarisch erhalten in der Hs. St. Gallen Stiftsbibl. 369, Bl. 66ff. (15. Jhs.) und zwar z.T. nicht zusammenhängend und nicht in der ursprünglichen Reihenfolge oder in irgendeiner Ordnung, auch nicht nach einem erkennbaren Gesichtspunkt exzerpiert, auch in einem einzelnen Fragment ohne Absatz im Text, obwohl ursprünglich anderes dazwischenstand, sondern bunt verstreut unter Briefe, Urkunden u. a. Ein kleines Prosastück (Illb) auch in St. Gallen Stifts-
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bibl. 668, BL 198, von Tschudis Hand geschrieben und betitelt: 'Fabulosum. Ex libro Noggeri sancti Galli'. Der T e x t des ganzen Werkes war noch Anfang des 16. Jhs bekannt, wie J o a c h i m v o n W a t t (Dt. hist. Schriften 1, S. 169 her. von G ö t z i n ger) bezeugt, dabei auch durch ein sonst nicht erhaltenes Zitat (Ie). Bald danach aber ging der Codex verloren, wie J. M e t z l e r in seinem 'Chronicon s. Galli' (Stiftsarchiv 182, S. 238) vermerkt; vgl. W e i d m a n n Gesch. der Bibl. von St. Gallen 1841, S. 58. Wenn J. v. W a t t a. a. O. schreibt: in dem buoch, das er von dem, leben s. Gallen angefangen und etwa ferr vollstreckt, aber nit vollendt noch auszgemacht hat, so braucht das nur zu besagen, daß auch die W a t t vorliegende Hs. nicht vollständig war, weil W a t t nur den Dialog mit Hartmann (Buch I — I I ) , nicht aber mit Ratpert (III) erwähnt. Die vor dem Hauptstück der Überlieferung in St. Gallen 369, Bl. 81 ff. stehende 'Prefatio in metricam sancti Galli etc.' kann schon wegen der darin erwähnten Heiligsprechung Ulrichs (993!) nicht von N. herrühren, sondern gehört Ekkehard IV., da sie in Sprache und Stil wie dessen 'Casus' gehalten ist, der erste Teil Stücke dieser 'Casus' enthält, der zweite mit einer neuen Anekdote, einem „Gewisper" zwischen N. und Tutilo speziell über Germanismen in Walahfrids Gallusleben, dem Gehalt nach Ekkehard IV. entspricht. D a ß die ' Vita s. Galli' von N. verfaßt ist, haben P. v. W i n t e r f e l d N A . 27, 1902, S. 744ff. und N A . 28, 1903, S. 63ff. und K . S t r e c k e r N A . 38, 1912, S. 5gff. bewiesen. Wie N. im Proömiumder Sequenzensammlung mitteilte, arbeitete er damals eifrig an der V i t a (metrum quod de vita s. Galli elaborare pertinaciter insistit), d.h. zwischen 881—887, s. o. 3. In Fragment If der V i t a schreibt er Ruodperto nuper in Mettensis ecclesiae sede pontificatus honore sublimato: Ruodpert wurde am 22. April 883 geweiht. Damit kommen wir auf die Jahre 883/4. Eine Widmung ist nicht erhalten. Doch kündigt das Ssquenzen-Proömium an, N. wolle die Vita, obwohl er sie Salomo versprochen habe, doch ihm widmen, dem Erzkanzler Liutward, und durch ihn demKaiser
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unterbreiten (metrum ... de vita sancti Galli . . . quamvis illud fratri meo Salomoni prius pollicitus fuerim, vobis examinandum, habendum, ipsique per vos explanandum dirigere festinabo). Daß er sie dem ersten Gesprächspartner Hartmann gewidmet habe, besagt der Vermerk im alten Katalog St. Gallens von 1461 nicht: Epistola Notkeri monachi ... ad Hartmannum'. Notkerus predictus de vita s. Galli ad eundem Hartmannum . . . ( W e i d m a n n Gesch. der Bibl. von St. Gallen 1841, S. 417); denn mit der 'Epistola' ist das erste Gedicht gemeint, das in der Hs. die Uberschrift trägt: 1Epistula Notkeri metrica ad Hartmannum discipulum in vitam s. Galli'. Das Werk hat drei Bücher umfaßt, wie uns die alten Quellen bezeugen (St. Galler Bibliothekskatalog von 1461; C a n i s i u s Lectiones antiquaeN, 1605, S. 895; J. M e t z l e r aaO.). Von ihnen kennen wir den Anfang des 1. und 2. Buchs, das 2. beginnt mit dem Tod des Heiligen. Das erste Bruchstück des 3. bringt den elenden Tod des Bischofs Sidonius von Konstanz. Danach darf man vermuten, daß das 1. Buch das Leben, das 2. den Tod (wenigstens beginnt es damit; die Fragmente sind überschrieben: 'Principium libri secundi de vita s. Galli') und das 3. die Wunder behandelt. Im Ganzen hält sich N. an Walahfrids prosaische Gallusvita, so daß seinem Werk keine Bedeutung als Geschichtsquelle im eigentlichen Sinn zukommt. In Fragment If verspottet er in einem langatmigen Satz Walahfrid, der in seiner Biographie den Heiligen so hitzig von Ort zu Ort gehetzt habe; das spricht auch für Ns. Absicht, als Gewährsmann vor allem jenem zu folgen. Als Dichtung aber steht diese V i t a einzigartig da. Sie ist in der Form des Dialogs zwischen N. und einem Schüler gehalten; in I und II ist der Partner ein Hartmann, nicht der Magister und A b t von 920—925, sondern einer, der jung (wohl 884) starb, wie Ekkehard IV. in der Vorrede angibt (obiit Hartmannus ipse opere quidem, quod simul egerant, non explicito), vgl. S t r e c k e r aaO. S. 66 A n m . 6 und W . v o n d e n S t e i n e n aaO. S. 525t., in I I I aber Ratpert, wie nicht nur aus
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Ekkehards Prefatio hervorgeht (Eo viam patrum ingresso item dominus Notkerus Ratpertum patruelem suum et Ratperti condiscipuli sui nepotem amborumque discipulum in opus assumpserat reliquum), sondern auch aus der Glosse zu I I I c ipsi (viderimus): scilicet Notkerus et Ratpertus. Das Einzigartige ist nun, daß nicht wie in den Dialogwerken bis dahin das Ganze von ein und demselben Autor geschaffen ist, sondern einen wirklichen Wechselgesang darstellt, in dem mit der Stimme Ns. die eines poesiebegabten Schülers wetteifert, den N. zum Mitdichten angehalten hat. In den 10 sapphischen Strophen zu Anfang des ersten Buchs sucht N. in Hartmann das Feuer zu entfachen (Gesta tu Galli domini beati / Fange . . .), und verspricht ihm am Ende: relevabo temet: / Psalle vicissim\ Und Hartmann antwortet mit sechs ambrosianischen Strophen. Dieser persönliche Wettkampf wird dann im eigentlichen Gallusgedicht als wechselseitige Ermunterung, Frage o. ä. weitergeführt. Nachdem er sich in einem Satz, dessen Länge von anderthalb Seiten die der Wandermühen des Gallus malen und wohl auch die A r t dieser Darstellung bei Walahfrid treffen sollte, ermüdet hat, lädt er den ausgeruhten Hartmann zur Fortsetzung ein; bei ihr finden sich beide zusammen, indem sie beide nacheinander die Ablehnung des Heiligen besingen, Bischof von Konstanz zu werden (Ig). Nachdem an anderer Stelle N. durch ein Mißverständnis gekränkt und von Hartmann begütigt war, bringt N. die Predigt des Gallus in Prosa erst, als Hartmann versprochen hat, in Versen weiter zu dichten. In verschiedener Weise lösen sich also jeweils zwei Dichtende ab und bemühen sich offensichtlich, der Kunsttechnik viel abzugewinnen und ihre Leistung zu steigern. Ihre gemeinsame Aufgabe und innere Verbundenheit ergaben schon eine beträchtliche Gleichmäßigkeit. Ob sie aber ihren B a u in seinen Teilen gut aufeinander abgestimmt und genau berechnet haben, scheint schon nach den Fragmenten fraglich, s. auch b. Vielleicht kann man nach der Bezeichnung metrum durch N. selber im Sequenzenproömium vermuten, daß die V i t a mehr Verspartien als Prosa enthielt; jedenfalls
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waren sie in die verschiedensten Metra gekleidet, s. schon o. Die durch den dauernden Wechsel hervorgerufene Buntheit und Lebendigkeit wird durch mancherlei verstärkt und verinnerlicht. Die Dialogführung ist nicht auf das einfache Verhältnis zwischen Lehrer und Schüler gestellt, s. o. Die Darstellung im Einzelnen glänzt durch Reichtum an Farbe und Geist, s. etwa die des Gallus als Hahn, der sein Hühnervolk von der Stange aus verteidigt ( l i l a ) . P. v. Winterfeld meinte, es gäbe in der mal. Hagiographie kein zweites Werk, das diesem an die Seite zu setzen wäre, „das mit solcher Kunst komponiert, von so sonnigem Humor durchleuchtet wäre". Ausgabe: K . S t r e c k e r N A . 38, 1912, S. 59ff. (mit Kommentar); d e r s . M G H . Poetae IV, S. 1093ff. Z u Hartmann: W . v o n d e n S t e i n e n aaO. S. 5 i f f . (darin übertragen I, i a , 1 — 2 und Ig erste Hälfte) und 525f. Z u Ratpert: ebenda S. 40ff., 383ff-. 522ff. b) ' Sermo S. Galli abbatis et confessoris, habitus constantiae' ist nur im Druck durch H. C a n i s i u s Antiquae lectiones V , 1604, S. 893 ff. erhalten, der auf einer in St. Gallen gefertigten Abschrift einer verlorenen St. Galler Hs. fußt, und jetzt am besten ediert von W . E . W i l l w o l l in der ZsfSchweizKirchengesch. 35, 1941, S. 6 f f , der dabei den Inhalt analysierte. Ihm gelang es in der sorgsam und umsichtig geführten Untersuchung, „ I s t Notker Balbulus der Verfasser des Sermo Galli ?" ebenda S. 4—28, 1 1 4 — 1 3 9 und 180—208, diese Predigt für N. zu sichern, indem er die Quellen zum A u f b a u und Inhalt feststellte, die bis ins Kleinste mit den in der c Notacio' angegebenen Schriften übereinstimmen, und Einzelheiten des Stiles und Inhalts mit Ns. Werken verglich. In einem Fragment der 'Vita s. Galli' (Poetae IV, S. 1 1 0 3 I ) steht das einleitende Gespräch zur Predigt des Gallus bei der Bischofsweihe in Konstanz, wo Notker sagt: Si metrica modulatione illam postea decantaturum te promiseris, in quantum deo adiuvante potero, iam nunc eam perorare curabo, d. h. er will zunächst eine Predigt in Prosa geben, die sich nicht auf eine kurze Stoffübersicht beschränkt haben kann, weil solche Einleitung sonst
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nicht gerechtfertigt wäre, dann soll Hartmann die Predigt in Versen besingen; davon sind 12 Hexameter erhalten, in denen die Tiere der Arche Noah beschrieben werden. Daraus geht hervor, daß sich Hartmann an Walahfrid gehalten hat und die ganze Heilsgeschichte zum Thema der Predigt machte, daß seine Darstellung episches Ausmaß hatte. Danach ist anzunehmen, daß auch die Prosapredigt Ns. ausführlich gehalten war. Das wird durch eine Bemerkung bei C a n i s i u s aaO. S. 895 bestätigt: Walahfridus, cui Hartmannus S. Galli . . . . Monachus vitio vertit, quod totam orationem S. Galli historiae suae non intexuerit, ut fecit Notkerus cognomento Balbulus . . ., qui vitarn S. Galli ligata et soluta oratione tribus libris complexus est. Diese Stelle, die nicht in Hartmanns Werken erhalten ist, besagt, daß N. die ganze Galluspredigt einfügte, daß sie bei ihm mehr R a u m einnahm als bei Walahfrid. Es scheint danach fast, daß die Predigt den Kern der ganzen Vita bildete. Die Frage ist nun, ob jener * Sermo Galli' diese Predigt der Vita ist. Das läßt sich nicht streng beweisen, aber doch vermuten. E s ist ja auch sehr unwahrscheinlich, daß N. zwei Galluspredigten, eine für die Vita, eine außerdem verfaßte. Die Art der Überlieferung muß nicht dagegen sprechen: die Predigt wurde eben einmal allein aus der Vita abgeschrieben. Der ' Sermo' reißt die biblische Geschichte nach dem Alten und Neuen Testament in ihrem zeitlichen Lauf bis zum Pfingstfest auf (Kap. 1 — 2 1 ) und führt nach einem kurzen Blick auf die Heidenvölker die Heilsgeschichte bis zum jüngsten Gericht (23/4). „ B e i aller Bindung an den T e x t der Heiligen Schrift und bei aller Abhängigkeit von der Theologie der Kirchenväter ist das Ganze doch so selbständig, und •— was vielleicht das Schönste ist an dem kleinen Werk — so voll heimlicher Freude am Dichterischen, am Schalkhaften, am schwungvoll Kühnen, daß man darob vergißt, was auch an biederer Schulmeisterei und an sprachlichen Mängeln einer späten Zeit in der Galluspredigt des N. zu finden ist" ( W i l l w o l l aaO. S. 207t).
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Eine dt. Übersetzung des „Sermo" enthält die Hs. St. Gallen 221, Bl. 4 a — 2 3 b aus dem Jahr 1586. In der „Vorred" heißt es: wie . . . Hartman aber ... an sinen ohm Notkerum schribent, laßt syh beduren, das Walafrydus die gantzen predig in sin history von Gallo nit von wort zu wortt ingesetzt hatt. . .; hiedurch . . . Nottkherus bewegt und dise verfaste predig in sin history ingelypt unnd also bliben biß hütigen tag, wie dann das latin exemplar in des closters sannt Gallen libry funden wirt und nüwlich zu dienst denjhenigen, so das begerend, in tütsch gesetzt. 10. ' N o t a c i o Notkeri de viris illustribus' lautet der Titel einer Prosaschrift Ns. im Katalog des Amplonius ( S c h u m Amplon. Hss.-Samml. S. 851), aber in der Hs. der Wiener Nat.-Bibl. 766 (aus Göttweih), im Amplon. 4 0 125 und Pez' Hs. aus Zwettl: Notatio Notkeri de illustribus viris qui ex intentione sacras scripturas exponebant aut ex occasione quasdam sententias divinae auctoriiatis explanabant scripta ad Salomonem discipulum suum postea Constantiensis ecclesiue episcopum (E. D ü m m l e r Das Formelbuch S. X X X I V , 64). Auch die alte Aufschrift aus Klosterneuburg des 13. Jhs. (Serapeum 11, Intelligenzbl. 179) bezeugt Ns. Autorschaft: /'Notationes Notkeri'. Daß der Adressat Salomo ist, wie der zitierte Titel jener Hss. besagt, sichert auch der Anfang der Schrift: Cum prudens sis et prudentis nomen heredites. A n sich h a t t e N. t a k t v o l l die beiden N a m e n u n t e r d r ü c k t . W i e N . im ersten der beiden briefartigen Stücke, die die 'Notacio' ausmachen, sagt, b a t ihn Salomo darum, die christliche L i t e r a t u r (auctores nostros) aufzuzeichnen. N a c h d e m er ihn getadelt hat, weil die ihm aus seinem früheren Unterricht b e k a n n t sein m ü ß t e , f ü h r t er sie in der Reihenfolge der biblischen B ü c h e r auf, v o n der Genesis bis zu den 7 kanonischen Briefen, dabei auch die E x z e r p t o r e n (Excerptum Paterii, quod de libris beati Gregorii per ordinem singulorum librorum deflorando confecit oder den seltenen A u s z u g aus Gregors H i o b k o m m e n t a r v o m Iren L a d k e n ) . Die zweite Reihe bringt die Schriftsteller, die theologische K o m m e n t a r e und T r a k t a t e v e r f a ß t e n (qui ex occasione disputationis propriae quasdam sententias divinae auctoriiatis explanaverunt), A u g u s t i n , Cassian, Isidor u. a., besonders Gregor mit der ' R e g u l a pastoralis', und empfiehlt v o n A l k u i n die G r a m m a t i k , v o r der die eines D o n a t , Nicomachus, Dositheus und Priscian ein Nichts seien. Drittens geht er auf die D i c h t u n g
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ein, w a r n t v o r der heidnischen und r ü h m t Prudenz in christianitate prudentissimum, Alcimus A v i t u s , J u v e n c u s und Sedulius. A n - und abschließend verweist er für weitere Literatur der älteren Zeit auf die Literaturgeschichten des Hieronymus und Gennadius. Der zweite viel kürzere Brief ist ein N a c h t r a g z u m ersten und nennt W e r k e A u g u s t i n s und Prospers, besonders Passiones sanctorum, dabei a u c h solche, die zu verwerfen sind, dann Kirchengeschichten, griechische und abendländische Märtyrer* und Heiligenleben, schließlich Priscian und die Geschichtswerke des Josephus und Hegesippus.
Diese Einführung in das Studium der Bibel und theologischen Literatur nannte M a n i t i u s I, S. 358 „das erste kritische Handbuch der lat. Patristik". Das MA. verstand und nutzte den Doppelbrief gern als Literaturgeschichte, worauf der Titel in den Hss. deutet; dabei war diese Einführung nicht eigentlich literarhistorisch, sondern war nach Gesichtspunkten der Schulpraxis geordnet, aus der heraus sie ja, wie N. in den ersten Sätzen sagt, erwachsen war. Diese Schrift hat für die Bildungsgeschichte nicht geringe Bedeutung. Ihre Sachlichkeit wurde überall durch persönliche Formung Ns. lebendig gemacht, s. z.B.: Epistnlas (Alkuins) tibi commendare von audeo, quin tibi puerulo cum supercilio scriptae videntur). Salomo wird als puerulus, iuvenculus angeredet und mox sacerdos futurus genannt (S. 68, 26 D ü m m l e r ) ; N. spielt auf seinen Kriegsdienst und Aufenthalt bei Hof an. Er dürfte also bereits Diakon und in der Kaiserlichen Kanzlei tätig gewesen sein. Somit ergibt sich etwa 885/6 als Zeit der Abfassung. A u s g a b e : B . P e z Thesaurus anecdotorum noviss. I, 1721, S. i f f . (nach Zwettler Hs. 12. Jhs.); E . D ü m m l e r Das Formelbuch des Bischofs Salomo III. 1857, S. 64ff. (nach der Hs. der W i e n e r N a t . - B i b l . 1609 v o m E n d e des 10. Jhs. und der Zwettler Hs. 328 v o n Pez). B e k a n n t sind noch mehr Hss.: W i e n N a t . - B i b l . 766, Clm. 2550, B l . 126^ff., 12. Jhs., 15819, Bl. n g f f . , 12. Jhs. (es folgt der Brief Ns. Nr. 28 bei Z e u m e r , 29 bei D ü m m l e r ) , 1 9 4 1 3 , Bl. 5 6 f f . , E n d e 10. Jhs. (anschließend die übrigen Teile der Formelsamml u n g ) ; A m p l o n . 4 0 1 2 5 ; K l o s t e r n e u b u r g 1037; P e z nennt noch eine Heiligenkreuzer Hs. des 14. Jhs. E . D ü m m l e r a . a . O . , S. X X X I I I f . P . L e h m a n n Erforschung des MAs. 1941, S. 85. W . v o n d e n S t e i n e n a . a . O . , S. Ö2f., 494. E . R. C u r t i u s Europ. Lit. und lat. MA. 1948, S. 459t.
IT. Das F o r m e l b u c h Ns. (vgl. o. III, Sp. 26 f.) ist aus ganz verschiedenen Stücken
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zusammengesetzt, deren Entstehung in die zwei Jahrzehnte 870—890 fällt. D a s erste ist die 'Notacio' (s. 10), das zweite 5 Muster für K ö n i g s u r k u n d e n , die N . nach karolingischen U r k u n d e n umgearbeitet hat, das dritte sind 17 Privaturkunden-Muster fürs K l o s t e r , die auf St. Galler Quellen beruhen, 13 d a v o n wohl 870 — 873 gesammelt und 4 e t w a 1 0 — 1 5 Jahre später nachgetragen; es folgen zwei S t ü c k e für litterae formatae mit bestimmten Chiffern, die besonders bei geistlichen Empfehlungsschreiben üblich waren, ein Musterbrief und eine A n w e i s u n g dazu, auf älterer Vorlage beruhend; das vierte 17 Muster für bischöfliche Briefe, denen namentlich der Briefwechsel Salomos II. v o n K o n s t a n z (875 — 889) zugrunde liegt, v o n d e m 12 Briefe s t a m m e n ; d a ein weiterer Brief den V i c e d o m i n u s Salomos I I . und zwei den Erzbischof L i u t b e r t v o n Mainz als Absender haben, so k a n n der größte Teil dieser Briefe v o n W a l d o und Salomo I I I . gesammelt sein. D e n Schluß bildet die frühere Korrespondenz Ns. m i t W a l d o und S a l o m o : 6 Briefe, zu denen auch Nr. 29 aus der vorigen Gruppe gehört, in denen N. an die B r ü d e r schreibt, nur einmal (46) an W a l d o allein, und einer v o n Salomo an den Bischof v o n K o n s t a n z (46) — nur sind, wie sich das für eine Formelsammlung versteht, die N a m e n getilgt (45 b e g i n n t : Dilectissimo filio illi ille salutem) — und zehn Briefgedichte, neun v o n N . (s. o. 7) und eins (Nr. 7) v o n dem Brüderpaar.
Aus dieser Aufzählung geht hervor, daß Ns. Formelbuch außergewöhnlich ist, schon hinsichtlich seiner Bestandteile. N. hat die Zahl der Muster in den größeren Gruppen offensichtlich mit Absicht gleich groß gehalten (17) und die Gruppen nach einem bestimmten Plan geordnet: voran das Schulbuch, dann die Urkunden und Briefe, die mit Gedichten enden; stofflich geht es vom höchsten königlichen Bereich über den klösterlichen und bischöflichen zum persönlichen. Die Gruppen, in die er keine eigenen Schriften aufnahm, überarbeitete er, so daß man überall seine Stileigenheiten findet und das Menschliche, das er hineingebracht hat. Er sucht den Asudruck einfacher und lebendiger zu gestalten, bringt auch in Zusätzen sein eigenes Denken hinein, wenn er z.B. in den Königsurkunden zeigt, wie Kirche und Königtum miteinander arbeiten sollen. Die Urkunden und Briefe in 2—4 sind in sehr unterschiedlicher Weise von N. bearbeitet, bald mehr, bald weniger stark, bald nur stilistisch, bald auch sachlich, ja einige sind von ihm ganz erfunden wie Nr. 28 De rege ad regem.
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Ist auch das Technische in den Königsurkunden nicht ganz in Ordnung, so konnten doch auch sie und erst recht die Privaturkunden und Briefe gute Muster für den Kanzleigebrauch sein. Die Privaturkunden befassen sieb mit Rechtsgeschäften unter Laien wie Bestellung des Wittums, Übertragung des Erbteils an einen jüngeren Sohn, Grenzfestsetzung zwischen Gemeinde und königlichem Fiskus u. a. sowie mit Rechtsgeschäften für ein Kloster allein oder für Kloster und bischöfliche Kirche wie Traditionen ans Kloster oder Tauschverträge über Grundstücke. Die Briefe beziehen sich meistens auf die bischöfliche Amtstätigkeit und Verwaltung und handeln vom dreitägigen Fasten des Volks und der Geistlichkeit, Empfehlungen für Geistliche, Einladung zur Provinzialsynode, Beherbergung des Speirer Bischofs oder Sendreise und Ssndgericht. Wenn N. die Beziehungen aufs Bistum in die Privaturkunden erst später (und nur z. T.) eingesetzt hat, wenn klösterliche und bischöfliche Formeln miteinander verbunden sind, so deutet das auf Salomo, den A b t von St. Gallen und Bischof von Konstanz. Für ihn hatte N. dies Formelbuch zusammengetragen, daß es seiner Kanzlei von Nutzen sein konnte, ihn an die frühere Schülerzeit erinnere und ihm zugleich als dem neuen Herrn St. Gallens huldige. Die Eigenheit dieses Formelbuchs kommt im Schluß am kräftigsten zum Ausdruck, nicht nur durch die Versform; in den 6 Prosabriefen ist das Persönliche so stark wie sonst nirgends in seiner Prosa. Hier fordert er die Brüder zum Briefwechsel über wissenschaftliche Fragen auf, dort schreibt er über Ursprung und Notwendigkeit der Tonsur, da über die Pflichten des Bischofs in der Karwoche und die verführerische Welt; im Glückwunschschreiben zur Priesterweihe erklärt er Septem nomina sacerdotii, die 7 geistlichen Amtsbezeichnungen, besser als Isidor in den 1 Etym'. 7, 1 1 ; im Abschiedsbrief an die Wegreisenden ermahnt er sie, den gelehrten Briefwechsel weiterzuführen; schließlich erhebt er gegen die Hofgeistlichen Vorwürfe, weil sie die Mönche haßten profiter aliquam prosperitatem. Die Briefe sind ohne
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Datum, sind aber nicht erfunden, sondern aus ganz bestimmten Situationen erwachsen. Geordnet sind sie wohl nach ihren Themen. In ihnen spiegelt sich wie in den Briefgedichten die Bewegtheit jener Freundschaft und die Liebe Ns., die echt ist und tief, die wirbt und tadelt, mahnt und warnt. Die Hss. sind am Ende des vorausgehenden Paragraphen verzeichnet. — Ausgabe: E. D ü m m ler Das Formelbuch des Bischofs Salomo II. 1857; K. Z e u m e r MGH. L L . 5, 1886, S. 3Qoff. D e r s . Über die alem. Formelsammlungen N A . 8, 1883, S. 506ff.; D e r s . Der Mönch von St. Gallen Hist. Aufsätze dem Andenken G. Waitz gewidm. 1886, S. 97ff.; W. v o n d e n S t e i n e n Notkers des Dichters Formelbuch Zs. für Schweiz. Gesch. 25, 1945, S. 449ff.; D e r s . N. der Dichter 1948, S. 67IÍ., 494.
12. Der B r i e f a n L a n t b e r t ü b e r M u s i k z e i c h e n ist in der St. Galler Hs. 381, Bl. 6 (11. Jhs.) N. zugeschrieben (beginnt: Notker Lanibevto fratri salutem), in den nicht St. Galler Hss. freilich keinem. Wenn aber R . v a n D o r e n Étude sur l'influence musicale de l'abbaye de SainU Galt 1923, S. i i 4 f f . die Schrift N. abspricht, so tut er das ohne durchschlagenden Grund. Auch Inhalt und Stil sprechen für N. Ein sonst nicht bekannter Mitbruder Lantbert hatte N. gebeten, zu erklären, quid singulae litterae in superscriptionibus significent cantilenae. Diese zu den Neumen hinzugesetzten Buchstaben beziehen sich nicht auf die Melodie, sondern auf die Modulierung der Stimme und die Weise des Vortrags: a — ut altius elevetur, admonet . . c — ut cito vel celeriter dicatur, certijicat: jeder Buchstabe von A — Z vertritt das kennzeichnende Wort, das mit diesem Buchstaben beginnt. Dieses Schriftchen erwähnt Ekkehard IV. in den 1 Casus' Kap. 47: der Sänger Romanus litteras alphabeti significativas notulis ... assignari exeogitavit, quas postea cuidam amico querenti Notker Balbulus dilucidavit, cum et Martianus ... virtutes earum scribere molitus sit. Danach bietet die Überlieferung den betreffenden Abschnitt aus den lNuptiae' des Martianus Capella (III, § 257): ' D e sono singularum litterarum Martiani'. Ausgabe: E. D ü m m l e r St.Gallische Sprachdenkmale Mitteil, der antiqu. Ges. Zürich 12, 1859, S. 223f., vgl. 258f.; R. v a n D o r e n Étude sur l'influence musicale de l'abbaye de St. Gall 1923, S. l o s f f . W. v o n d e n S t e i n e n a.a.O., S. 121, 495-
13. Das M a r t y r o l o g , das in der bisher herangezogenen Überlieferung (St. Gallen 456, 10. Jhs. — dagegen in St. Gallen 620 nur ,,Excerpta ex martyrologiis Adonis et Notkeri") nur bis zum 26. Oktober reicht und im Juni und Juli Lücken hat, das aber
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im Clm. 5256, Bl. i b — 1 0 1 , 1 2 . Jhs. und nach einer Notiz Wilhelm Meyers in dieser Hs. auch im Clm. 22058,12. Jhs. vollständig vorliegt, — Bruchstücke einer Bearbeitung auf einem Perg.-Doppelbl. (2. Hälfte 12. Jhs.), s. P. L e h m a n n und O. G l a u n i n g Mal. Hss.-Bruckst. der Univ.-Bibl. und des Georgianum zu München 1940, S. 17 — wird durch den Titel der Excerptenhs. für N. bezeugt; auch wird ganz ausführlich der hl. Gallus zum 16. Oktober und seine Translatio zum 17. Oktober erwähnt; ebenso weist anderes auf St. Gallen; auch in der Darstellung spricht manches für N., so daß seine Autorschaft gesichert ist. Die Bemerkungen zum 25. April (Hatto von Mainz und das von ihm neu gestiftete Kloster, Papst Formosus) gehen auf das Jahr 896; das Werk ist also unter den datierbaren das älteste. N. benutzte vor allem die Martyrologien des Hieronymus, Hraban, das dieser dem damaligen St. Galler Abt Grimald gewidmet hatte, und besonders das des Ado von Vienne, von dem N. schreibt: anno ... DCCCLXX . . per . . . Beroldum presbyterum . . . cum reliquiis . . sancti . . . Desiderii et aliorum sanctorum pignoribus atque agonibus nobis in coenobio beati Galli constitutis direxit (S. 1087 Migne) und auf das er sich mehrmals beruft (z.B. in der ungedruckten Fortsetzung des 12. Juni: Ado, cuius vesligiis innitimur). Er vereinte die beiden Entwicklungslinien, mit Hraban die ags.-dt. und mit Ado die röm.-franz. Sein Werk wurde das letzte und umfänglichste Glied der ags.-dt. Linie und wurde dem des Neuardus sehr ähnlich, der 875 auf Befehl Karls des Kahlen ein Martyrolog schrieb. Wenn die Besonderheiten bei N. namentlich aus der Lektüre des Hieronymus stammen, das Zeit- und Lokalgeschichtliche aber wenig Eingang fand, so entspricht das der Tradition damals, da die Martyrologien allgemein mehr für die ganze Kirche als für die entsprechende einzelne Kirche berechnet scheinen. Dieses umfänglichste Gelehrtenwerk Ns. dürfte keine große Wirkung gehabt haben. Ausgabe: C a n i s i u s Lectiones antiquae 6, 1604, S. 759ff. und danach M i g n e Patr. lat. 131, S. io25ff. — E. D ü m m l e r Das Martyr. Ns. u. seine Verwandten F D G . 25, 1885, S. 194ff.; J. V e i t h Die kirchl. Martyrologien Hist.-polit. BU. für das
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kathol. Deutschland 117, 1896, S. 188f.; H. A c h e l i s Die Martyrologien 1900, S. 2 i 3 f f . (Abh. Gött. Ges. N F . III, 3); H. Q u e n t i n Les martyrologes... 1908, S. 412, öygf.; W. v o n d e n S t e i n e n a . a . O . S. 69ff., 494f.
14. Eine F o r t s e t z u n g z u m 'Breviarium regum Francorum' E r c h a n b e r t s , in dem an einen sehr dürftigen Auszug aus den KGesta regum Francorum' magere sagenhafte, kirchlich gefärbte Notizen über die Merowinger und Karolinger bis 827 gefügt sind (vorwiegend die Zeit von 715 an im Auszug herausgegeben in den MGH. SS. 2, S.328), verfaßte N. für die Jahre 840—881, von Ludwig dem Frommen bis Karl den Dicken, und huldigte am Schluß dem letzten Herrscher und seiner Gemahlin Richkarta kurz nach der Kaiserkrönung. Er schrieb also die ' Continuatio' 881 oder kurz danach, gab darin eine Übersicht über die Reichsteilungen und die karolingische Herrscherfolge, berücksichtigte besonders Ostfranken und brachte wertvolle Ergänzungen zu ausführlicheren Geschichtsquellen, so daß L. v. R a n k e in seiner „Weltgeschichte" VI, 1, bes. S. 261 f., 286f. sie kräftig beim Vertrag von Verdun, bei der Teilung Ostfrankens 865 oder der Reichsversammlung zu Ravenna 880 verwertete. In der einzigen Hs. (Stuttgart iur. 184) ist das Schriftchen ohne Namen überliefert. Untersuch, von B. S i m s o n (Jbb. des Frank. Reichs unter Karl dem Gr. 2, 1883, S. 6 i 4 f . ; Über die wahrscheinliche Identität des Forts, des ,,Brev. Erchanb." und des Monachus Sangall. Zs. für Gesch. d. Oberrheins NF. 2, 1887, S. 59ff.) und K . Z e u m e r (Hist. Aufsätze für G. Waitz 1886, S. 1 1 3 ! ) haben N. als Verfasser gesichert. Ausgabe von G. H. P e r t z M G H . SS. 2, S.329I
15. Die 'Gesta Karoli' werden in mehreren Hss., aber unvollständig und ohne Verfasserangabe überliefert. Es fehlen das Vorwort (s. den Epilog zum 1. Buch: in praefatione huius opusculi . . . spopondi), der Schluß des 2. Buchs (der Text bricht im 21. Kap. mitten im Satz ab) und das ganze 3. Buch (vgl. tres auctores in der Praefatio zum 2. Buch und den Schluß von II, Kap. 16, wo N. Bellicae res Karls des Gr. kürzen will, d. i. das Thema des 2. Buchs, um zur Schilderung des täglichen Lebens zu kommen — dies offenbar das Thema des 3. Buchs). Daß dies Werk N. gehört, wird durch wörtliche, sachliche und stilistische Ubereinstimmungen
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mit gesicherten N.-Schriften bewiesen, s. K . Z e u m e r Der Mönch von St. Gallen Histor. Aufsätze für G. Waitz 1886, S. 97ff.; E. G r a f Z e p p e l i n Wer ist der Monachus Sangall. ? Sehr, des Ver. für Gesch. des Bodensees 19, 1890, S. 34 ff.; am deutlichsten ist in II, Kap. 17: ego balbus et edentulus. Der Versuch R. B a l d a u f s (Historie und Kritik I. Der Mönch von St. Gallen 1903), dies Werk wie auch andere dem N. ab- und Ekkehard IV. zuzuschreiben, mißglückte.
Als sich Kaiser Karl I I I . Anfang Dezember 883 drei Tage in St. Gallen aufhielt und ihm N. Geschichten von seinem Urgroßvater Karl dem Gr. erzählte, forderte ihn der Kaiser auf, sie aufzuschreiben (I, 18: iussionem vestram implere cupio). Daraus ergibt sich die Datierung: nach Dezember 883 und vor November 887, wo K a r l der Dicke abgesetzt wurde. Die Frage ist, ob nur der Archetypus der Hss. unvollständig war oder N. selber das Werk nicht vollendete. Fürs zweite scheint die Veränderung der politischen Verhältnisse zu sprechen. Jedes Buch hat einen eigenen Gewährsmann und ein eigenes Thema. Dem 1. de religiositate et aecclesiastica . . . cura (I, 34) liegen die Erzählungen des St. Galler Priesters Werinbert zugrunde, dem 2. de bellicis rebus acerrimi Karoli) die von Werinberts Vater Adalbert; für das 3. muß N. einen dritten Gewährsmann gehabt haben für die conservatio cottidiana (s. o.). D a ß er daneben auch schriftliche Quellen heranzog, sagt er selbst: si iuxta scriptorum fidem pauca de superioribus ad memoriam revocemus II, 1 ; er zitiert die ' Vita s. Ambrosii' des Paulinus von Mailand (II, 11), Beda in ecclesiastica historia (II, 16); ferner benutzte er Sulpicius Severus' Vita Martini' und Dialoge (II, 11 und 17), Athanasius ' Vita s. Antonii' (I, 31), Walahfrid Strabo 'De exordiis' (I, 4 und 10), vielleicht Livius I, 54 (II, 12). Natürlich verwertete er an mehr als einer Stelle Einhards 'Vita Karoli Magni'. Wenn aber M. W e v e r s (Einhards ' Vita Karoli Magni' in der mal. Geschsschreibung Diss. Marburg 1929, S. 8—19, 45, 60), die die Beziehungen zu Einhard am gründlichsten untersuchte, die mündliche Tradition für N. ablehnt, so überschätzt sie die literarische und mutet der „mönchischen Phantasie" Ns. zu viel zu. So manche Geschichte verrät sich durch
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ihren Charakter als volksläufiges, mündlich weitergetragenes Gut, s. etwa die erste Geschichte von den irischen Gelehrten, die ihre Gelehrsamkeit als Handelsware anpreisen, Kaiser Karls Schulvisitation (I, 3), sein; Erhöhung eines armen Schülers zum Bischof (1,4), vor allem Geschichten wie die vom Riesen Eishere (IT, 12) oder v o m eisernen Karl vor Pavia (II, 17), die sich in den Deutschen Sagen der Brüder Grimm (Nr. 18, 447) wiederfinden. Was aber von N. teilweise oder auch ganz erfunden ist, läßt sich heute nicht mehr sicher feststellen, kaum vermuten; sicher scheint nur, daß es nicht wenig war. Was ihm sonst zugeschrieben werden muß, betrifft in erster Linie Auswahl und Aufbau sowie die Darstellungsform. Nach den beiden genannten Themen verteilte er die Geschichten auf die beiden Bücher. Man könnte sich freilich bei I, 26 (Romzug und Kaiserkrönung) fragen, ob er das nicht besser zu den bellicae res des 2. Buchs hätte stellen sollen, oder bei den nicht kriegerischen Erzählungen von Ludwig dem Deutschen oder Ludwig dem Frommen (II, 10f., 19 — 21), ob nicht zur religiositas et aecclesiastica cura des 1. Auch innerhalb der Bücher bildete er Gruppen: I, 1 —10 des Kaisers Bemühungen um Wissenschaft und Schule, wobei er Nr. 6 an ein Nebenmotiv von 3 — 5 anschloß; daran knüpfte er Geschichten, wie Karl hochmütige Bischöfe erniedrigte (11 — 1 2 , 1 6 — 19) und demütige Bischöfe und seinen gedemütigten Schwager erhöhte (13 — 15). Die fünf folgenden Begebenheiten, die N. selbst als nicht zur Sache gehörig bezeichnete, haben nichts mit Karl zu tun, sind nur zu dessen Zeit geschehen und setzen das angeschlagene Thema fort, wie hochmütige, eitle, geizige Bischöfe übertölpelt, fromme verführt und gestraft werden (20 — 24). I n den letzten Kapiteln (25, 28, 29, 31—33) erzählte er wieder Fälle, in denen durch Karl oder durch göttliches Eingreifen für ihn schlechte Geistliche seiner Umgebung und sein ungetreuer Haushofmeister in seinem Beisein tödlich gestraft werden. Die Geschichte von Papst Leo und der Kaiserkrönung soll als Gegenbeispiel dafür dienen, daß der Papst unschuldig und rein blieb (26). Unter die Erzählungen um den Aachener Pfalzbau herum mischte er auch die Beschreibung der kaiserlichen Bauten (30) und sprach am Schluß von der fränkischen Kleidung (34). Im 2. Buch berichtete er einleitend von der zweihundert] ährigen Herrschaft der Hunnen und ihren Ringwällen (1), dann von Karl und seinen Kriegern im Sachsenkrieg (2 — 4), von seinen Beziehungen zum Ausland, seinen Gesandten und besonders den ausländischen an seinem Hof (5 — 9), Verschwörungen gegen ihn und seinen Kriegen (11 —14, 17). Dabei stellte er seine Klugheit und Milde, sein weites Ansehen und
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seine M a c h t heraus. I n drei Abschweifungen, die nicht weniger als 7 K a p . umfassen (10 — 1 1 , 15, 18 — 21), ging er v o n K a r l auf Pippin, L u d w i g den F r o m m e n und L u d w i g den Deutschen über, verließ also sogar die Zeit K a r l s des Gr. B e i m erstenm a l ist es verständlich, weil er v o n einer Prophezeiung K a r l s über seinen E n k e l L u d w i g ausging. B e i m zweiten entschuldigte er sich damit, d a ß sich Gelegenheit geboten hätte, der drei zu gedenken, über die die träge G e g e n w a r t schweige. B e i m dritten übertrug er die T h e m e n fränkische K l e i d u n g und Eisen v o n K a r l auf L u d w i g den Deutschen, u m zu zeigen, wie sehr L u d w i g d e m Beispiel K a r l s folge. Die dabei e r w ä h n t e n Normannen (18) brachten ihn auf L u d w i g den F r o m men (19 Anfang).
Wie hier so suchte er auch sonst die einzelnen Geschichten miteinander zu verbinden, indem er auf denselben Schauplatz (ibidem II, 3 oder quoque ibi II, 4), dieselbe Zeit (in eadem quoque profectione I, 15 oder per idem tempus II, 8), dieselben Personen (idern quoque episcopus I, 17, oder idem missus II, 6) oder die passende Gelegenheit (referendum hoc in loco I, 10 oder quia ita se obtulit occasio II, 10) hinwies oder an Zurückliegendes anknüpfte (de ordinatione lectionum oblitus sum dicere . . . I, 7 u. ö.). Geschichten, wie er sie hier zusammenstellte, lassen sich nur lose aneinanderfügen. Er machte sich ja nicht wie Einhard zur Aufgabe, eine Biographie des Kaisers zu schreiben, von ihm ein möglichst vollständiges, nach Kategorien geordnetes Bild zu zeichnen und ihn direkt zu charakterisieren, sondern ihn durch heitere und ernste, kurzweilige und didaktische Erzählungen anekdotischen Gepräges zu beleuchten. Dabei rühmte er auf Grund der Geschichten dem Kaiser bestimmte Eigene Schäften nach und belegte ihn reichlich mit schmückenden Beiwörtern (religiosissimus, piissimus . . .; sapientissimus, providentissimus . . .; iustissimus, equissimus . . .; modevatissimus, temperatissimus . . .; gloriosissimus, honesiissimus . . .; fortissimus, invictissimus . . .; clementissimus, liberalissimus . . .); das sind wesentliche Züge aus Einhards Karlsbild. Aber sie sind sehr häufig vom realen Sachverhalt gelöst und ins Naiv-Ursprüngliche und in sagenhafte Verklärung gerückt. Wenn N. aus bis dahin unverbundenen Geschichten ein literarisches Denkmal von drei Büchern Umfang mit gewisser Ordnung
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aufbaute, so mußte er zur Füllung und Rundung nicht nur äußerlich, sondern auch innerlich mancherlei von sich aus hinzutun, Auf ihn gehen sicherlich gelehrte Einführungen und Bemerkungen zurück (s. die Buchanfänge oder I, 9, 27, 30), das Hervorkehren des Kirchlichen und Geistlichen: er hatte sichtlich Freude daran, Karl als Vorbild der Frömmigkeit und Hüter der Kirchenzucht und Geistlichenbildung hinzustellen (s. o.) und bei seinem Handeln auf das Einwirken Gottes hinzuweisen (I, 28 oder 32); gern brachte er Verfehlungen der höheren Weltgeistlichkeit vor und zeigte darin die Abneigung des Mönchs (1,16,18 oder 23), flocht Wundergeschichten ein oder zog den Teufel herbei (I, 33 oder I, 21, 23—25); in vielen Sätzen und Abschnitten über Liturgisches kam sein besonderes Interesse daran zum Ausdruck (I, 5, 7, 8, 10 oder 19). Keineswegs aber wählte N . die Geschichten nur v o m mönchischen S t a n d p u n k t aus und betrachtete sie auch nicht so. E r beschränkte sich j a nicht auf die Klostertradition über K a r l , wie m a n gemeint h a t ; dazu ist schon v o n St. Gallen viel zu wenig die R e d e (nur nebenbei wird der Verfolger St. Gallens zur Zeit Otmars in I I , 8 und A b t Grimald e r w ä h n t in I, 9, vgl. auch I, 12, die Geschichte v o m Glaser Stracholf in II, 21 erzählt, ausführlich nur die Geschichte v o m Glokkengießer T a n k o in I, 29 dargestellt; als er auf die Rechte zu sprechen k o m m t , die L u d w i g der Deutsche an St. Gallen vergab, entschuldigte er sich in I I , 10: privato gaudio retrahente digressus sum). E r ließ auch das Weltliche zu seinem R e c h t k o m m e n und führte K a r l als den größten K ö n i g vor, der der Verschwörer im Innern leicht Herr wurde und die Feinde vernichtete, der sich i m K r i e g freigebig und gnädig zeigte und v o n den auswärtigen Mächten die prächtigsten Geschenke erhielt, der rector et imperator plurimarum nationum, caput orbis schon v o r der Kaiserkrönung war, die i h m nur noch den Titel geben konnte (I, 26).
Mit dem Ruhme Karls verband er den des fränkischen Volkes und Reiches (s. den ersten Satz oder das höchste Lob für Alkuin: ut moderni Galli sive Franci anliquis Romanis vel Alkeniensibus equarentur I, 2 oder das Preisen der fränkischen Tracht I, 34, II, 17). Italiener und Griechen setzte er herab (I, 10, 26, II, 5; Karls Gesandter wußte sich vor dem Tod dadurch zu retten, daß er den byzantinischen Kaiser zum Lügen zwang vanissima Hellade in suis edibus exsuperata II, 6).
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Nach Karl rühmte er Pippin, Ludwig den Frommen und Ludwig den Deutschen, besonders den regierenden Karl III. Die Feindschaft aller Stände und besonders der Bischöfe, die er sich durch die vom Kaiser gewünschte Aufzeichnung zuziehe, bereite ihm keine Sorge, si tantum vestra defensione non destituar I, 18. Auch sein Kloster stellte er in engerer Verbindung mit Karl III. dar (patronus vester Othmarus II, 8, Hartmutus, vester inclusus II, 10). Wenn er auch Karls Neffen Arnulf und seinen unehelichen Sohn Bernhard nicht vergaß (II, 14; II, 12, 14), so brachte er doch hier wie in der 'Continuatio Erchanberti' seinen dringenden Wunsch vor, daß seinem Kaiser ein rechtmäßiger Erbe geschenkt würde (Karolaster aut Ludowiculus II, 14 und 11), der die Taten Pippins nachahmen sollte. Ja, er möchte Karl III. als Normannensieger hinstellen (gladius vester in sanguine Nordostranorum duratus II, 14) und ließ ihn, während sein älterer Bruder nur die Größe des Vaters erreichte, den Gipfel seines Stammes mit höchstem Ruhm zieren und ihn überragen (I, 34).
Das Ganze ist ausgewählt und zugeschnitten auf Karl als den großen Kaiser, dessen Gestalt damals bereits vom Mythos umspielt ist, der aber natürlich und einfach handelt und sein Herrschertum im Ursprünglichen bleiben läßt. Damit ist zugleich an Karl III. gedacht, der das Werk bestellte : der schwache Nachfahre sollte dadurch K r a f t und Schwung erhalten. Nicht das letzte Verdienst Ns. ist die Darstellungsform. Von selbst versteht sich, daß er biblische Wendungen und Vergleiche anbringt oder Zitate aus Vergil (I, 25, II, 8, q) einflicht. Wichtiger ist, daß er für diese anekdotenhaften Geschichten den entsprechenden Plauderton fand. In meist kurzen Sätzen, in denen er mit geringem Periodenbau auskommt, stellt er die Begebenheiten lebendig vor Augen, bringt die Reden möglichst direkt und malt, worauf es ankommt, liebevoll mit bunten Farben aus (ad sinistros magna cum severitate vultum contorquens et flammante intuitu conscientias eorum concutiens, yronice haec terribüia verba tonando potius quam loquendo iaculatus est I, 3). Die Vorliebe für Superlative und Diminutive, für zwei- und dreifachen Ausdruck gehört mit zur Eigenart dieses Plauderns. Wenn er auch manchmal wenig Belangvolles zu erzählen scheint, so daß er nach P. L e h m a n n S. 24 den Kaiser „ein wenig schulmeisterlich und hausbacken" mache, und dem Historisch-Belehrenden und Persönlichen etwas zu viel Verfasserlexikon V.
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Raum gab, so darf man doch wohl die Schulvisitation, die Vorstellung des Enkels Ludwig oder den eisernen Karl (I, 3, II, 10, 17) als Kronen dieser Erzählungsart ansprechen. Und diese Art mußte er erst neu schaffen. Die 'Gesta Karoli', die trotz aller Formung und Zutat Ns. doch zeigen, wie das Volk seinen großen Herrscher drei Menschenalter nach seinem Tod sah, wie bereits die Sage sein geschichtliches Bild umrankte, las schon das MA. gern und verband sie mit der V i t a Einhards und den ihm zugeschriebenen Reichsannalen. Die Verbreitung blieb nicht auf das dt. Gebiet beschränkt; auch in Frankreich kannte man das Werk, wie das 'Speculum historíale' des Vinzenz von Beauvais doppelt bezeugt: dort ( X X I I I , Kap. 173) ist der Anfang der 'Gesta' aus einer Bischofschronik von Arles entnommen und ist in diesem Wortlaut in vielen Chroniken Frankreichs und Italiens vom 1 3 . — 1 5 . Jh. zu finden. Noch heute reizt das Werk nicht nur zur Übersetzung (s.u.), sondern auch zu poetischer Bearbeitung („Als Kaiser Karl zur Schule kam und wollte visitieren"). Ausgabe: Ph. J a f f é Bibl. rerum Germ. IV, 1867, S. 628ff. und danach ohne den Lesartenapparat G. M e y e r v o n K n o n a u St. Gallische Geschichtsqu. VI, 1918. In den MGH. ist eine Neuausgabe durch B e c k - Z ü r i c h angekündigt, der die Bevorzugung der Hss. W und Z ablehnt und mehrHss. heranzieht. — Übersetzungen: W . W a t t e nb a c h Geschichtschreiber der dt. Vorzeit 26, 5igi2; K . B r ü g m a n n Inselbücherei 440. Einige Stücke umgedichtet; P. v. W i n t e r f e l d Dt. Dichter des lat. MAs. S. 177t. „Die Maus" (I, 16), S. 176 „Der Kobold" (I, 23), S. 183!. „ D e r eiserne K a r l " (II, 17). — Außer den genannten Untersuchungen von Z e u m e r , Z e p p e l i n , B a l d a u f , W e v e r s : B. S i m s o n Bemerkungen zum Mon. Sangall. Jbb. des Fränk. Reichs unter Karl d. Gr. II, 1883, S. 6 i 2 f f . ; L. H a l p h e n Le moine de St. Galt Revue hist. 128, 1918, S. 26off.; d e r s . Études critiques sur l'histoire de Charlemagne 1921, S. I04ff.; P. L e h m a n n Das literar. Bild Karls des Gr. MSB. 1934, 9, S. 21 ff. und jetzt Erforschung des MAs. 1941, S. ió9ff.; W. v o n d e n S t e i n e n a.a.O., S. 7 i f f . , 493.
16. W i r k u n g und B e d e u t u n g . Zwei nicht zeitgenössische Miniaturen (W. v o n d e n S t e i n e n Editionsband Tafel 1 und 2) lehren, wie man sich N. später, im 11. Jh., vorstellte: in der Mindener Hs., etwa 1025 in St. Gallen gemalt, frisch und gesammelt 25
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vor seinem Schreibpult, in der Züricher Hs. ebenfalls vor dem Pult sitzend, aber der Trauer um die Welt hingegeben. Wichtiger ist das Bild, das Ekkehard IV. von Ns. Persönlichkeit entwirft, s. Kap. 33 der 'Casus': corpore non animo gracilis, voce non spiritu balbulus, in divinis erectus . . . sancti spiritus erat vasculum, quo suo tempore habundhntius nulluni. In einem schmächtigen und zarten Körper ein starker, reger, mit außerordentlichen Gaben beschenkter Geist, der sich willig in mannigfache Dienste, seiner Gemeinschaft stellte. Sanft, schüchtern und plötzlichen Ereignissen gegenüber verlegen, voll Milde und Herzensgüte, bei seinen Mitbrüdern auch bösen Neckereien und Angriffen, Mißgunst und Mißtrauen ausgesetzt (s. 'Casus' Kap. 35f., 46). Scharf wachte er über die Klosterzucht und kämpfte energisch die eigenen Anfechtungen nieder. Seine lebhafte Phantasie scheint ihm besonders in nächtlicher Stille mit allerlei Spukgestalten zugesetzt zu haben (Kap. 41 f.). Auch prophetische Gabe rühmt ihm Ekkehard IV. nach (Kap. 37 Ende). Kennzeichnend für diesen großen Gelehrten und noch größeren Dichter ist es, daß er begabte Schüler hatte, die ebenfalls dichteten und von ihm dazu ermuntert und herausgefordert wurden, daß seine Schöpfung von der seiner Schüler manchmal kaum zu unterscheiden ist. Zwar wissen wir, was Hartmann (s. o. 9), was Salomo und Waldo gehört; aber wir wissen es nicht nur bei den Sequenzen nicht, sondern können wohl auch bei Stücken wie 2 c, d oder e damit rechnen, daß er hier ebenfalls Schule machte. Seine Wirkung prägt sich auch in der Verbreitung seines Werkes aus; mit Ausnahme der Gallusvita sind die bedeutenderen Schriften, auch das Martyrologium, in mehreren Hss. erhalten, vor allem die 'Gesta Karoli', die 'Notacio' (jetzt 9 Hss.!), die Sequenzen, als deren Dichter er im MA. fortlebte (s. 1 ; schon Ekkehard IV. nannte von ihm nur die Sequenzen). Einige Sequenzen der Notkerschule St. Gallens lassen sich hauptsächlich, aber nicht allein auf Grund der Angaben Ekkehards IV. in d e n ' Casus' bekannten Dichtern zuweisen, Waldram (s. d.), der etwas jünger
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war als N., mit einer verbreiteten, aber primitiven Kirchweihsequenz, Ekkehard I. und II. (s. d.) mit sieben Sequenzen, die davon zeugen, wie diese Gattung im 10. Jh. sich weiter entwickelte. Aus den anonymen Sequenzen des engeren Kreises, die J. W e r n e r noch N. zuschrieb, hebt W . v o n d e n S t e i n e n vier als von einem Dichter verfaßt heraus, vom Andreasdichter, dem Dichter der Andreassequenz ,,Deus in tua virtute" (aaO. S. 428ff.), den er folgendermaßen charakterisiert: „folgt nicht nur einer notkerischen Bauform, sondern ist auch mit Ns. Sprache, seiner Bilderwelt, seiner poetischen Technik engstens vertraut. Er kopiert nicht den Meister, er gibt das freie Werk eines Jüngers". Zwei Disentiser Sequenzen, die eine auf den hl. Placidus und die andere auf denselben Heiligen und den Bekenner Sigisbert, ahmen und formen zwei Notkersequenzen in Bau und Zahl der Strophen, in Worten und Wendungen des Textes nach, die z . T . sogar in den gleichen Strophen wiederkehren, und übernehmen deren Melodie. Sie gehören zur Notkerschule des 10. Jhs. und sind in ihre Ausgabe durch W . v o n d e n S t e i n e n nachzutragen (P. Iso M ü l l e r Zur Nachwirkung Ns. des Stammlers ZfschweizKirchengesch. 44, 1950, S. 2x5ff.). Bis etwa 1100 wird Ns. Sequenzenbuch mit einem großen Teil des alten Bestandes beibehalten; die Kirchen fügten meistens hinzu, was sie speziell brauchten, etwa Regensburg Sequenzen auf St. Emmeram und Dionysius den Areopagiten. Ns. Sequenzen wirkten über seinen Tod hinaus durch den immer neuen liturgischen Vortrag und lockten zum Nacheifern über Jhh. und immer weitere Räume hin. Wenn auch über die N.-Schule noch viel zu klären ist, so läßt sich doch wohl schon folgendes sagen. Zunächst griff die Schule auf die Reichenau über; sie förderte ihre Entwicklung und trug zu ihrer Verbreitung bei. Diese erstreckte sich nach Lothringen, Bayern, Sachsen und das übrige dt. Gebiet, nach Italien, Frankreich und England sowie in die Missionsgebiete im Osten und Norden, d. h. nach Böhmen und Ungarn, in die skandinavischen Länder. In Böhmen bildete man die N.Sequenz besonders liebevoll nach, in Italien
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vermochte die N.-Schule der franz. die Wage zu halten, in Frankreich wies sie die Sequenz in neue Richtung. N. trug also die Sequenz, die im westfränk. R a u m entstanden war und dort gelebt hatte, in den ostfränk. hinüber. Dadurch, daß er die Sequenz der ersten Periode auf die künstlerische Höhe brachte und damit so nachhaltige Wirkung erzielte, trug er wesentlich dazu bei, daß sich die mittellat. Dichtung von den bis dahin vorherrschenden metrischen Formen der Antike löste und neue, rhythmische Formen in reicher Fülle fand, wodurch sie imstande war, jedem Gehalt die ihm entsprechende eigene Gestalt zu geben. Mit den neuen Formen in anderen Gattungen machte er keine Schule, weder mit der prosaisch-polymetrischen Heiligenvita, an der er mit einem Schüler wechselnd arbeitete, der Gallusvita, noch mit der anekdotenhaften Prosaerzählung der 'Gesta Karoli'. Das Formelbuch war eine so einzigartige K o m position, daß sie sich nicht wiederholen ließ. Dafür sind jene Werke aber beste Zeugen für die individuelle Eigenart von Ns. Schöpfung, die sich damit als echte Dichtung dokumentiert. Sie fällt schon äußerlich durch ihre Vielfältigkeit a u f : Prosa oder Vers oder beides gemischt, die Versformen ungewöhnlich reich schon metrisch und erst recht in der Sequenz; bunt auch die Stoffe, Hymnus und Ssquenz und liturgischer Königsgruß, Heiligenvita und Martyrolog und Literaturgeschichte, Musiktraktat und Geschichtswerk und Anekdotenbuch, Urkunden* und Briefformulare und Briefgedichte. Seine Darstellung übt noch heute lebendigen Reiz aus, sie leuchtet durch wechselnde, besondere Farben, durch Geist und Phantasie. Sie ist stets dem Inhalt angepaßt, volkstümlich plaudernd in den 'Gesta', kunstvoll stilisiert in der Gallusvita, von höchstem Schwung und tiefer Innigkeit in den Sequenzen; überhaupt anschaulich und bildkräftig, anziehend und wärmend. In der Sequenz geht N. über das Dogmatische hinaus zum allgemein Religiösen und Menschlichen und ist so einer der wichtigsten Träger der dt. Frömmigkeit im 9. Jh. Die Kanonisation sprach ihm Papst Julius II. 1513 zwar nicht durch
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Dekret aus, wohl aber durch ihre Ubertragung an Bischof Hugo von Konstanz (s. Cod. 613 der Stiftsbibl. St. Gallen, abgedruckt bei C a n i s i u s - B a s n a g e Thesaurus monum. I V , 1725, S. yçôff.). Mit N. bringt Ekkehard IV. in den 'Casus' Ratpert (s. d.) und Tutilo (s. d.) zusammen (Kap. 1, 5, 6, 30), nennt sie die drei Unzertrennlichen (tribus illis inseparabilibus K a p . 36), die drei Senatoren des Klosters (très isti nostrae rei publicae Senatores). In ihnen fand N. gleichstrebende Freunde und Künstler : Ratpert, den man mit W . v o n d e n S t e i n e n a. a. O. S. 522ff., vgl. 40ff. zur selben Generation zu rechnen hat, ein trefflicher Magister und berufener Dichter religiöser Lieder, der es sogar wagte, ein Galluslied in dt. Sprache zu schaffen; Tutilo der universal begabte Künstler, der mit den Tropen eine der Sequenz verwandte Gattung zu wirkungsvoller Höhe hob. Nehmen wir noch Ns. Schüler Hartmann und Salomo hinzu, so haben wir die erste Generation der uns mit Namen bekannten St. Galler beisammen, durch die die Dichtung in diesem Kloster zu blühen begann. Vor allem durch N., das Haupt dieser Künstlergeneration, gewann die Dichterschule St. Gallens ihre Größe, mit der sie am Ende des 9. Jhs. in West- und Ostfranken aus allgemeinem Kulturverfall hoch herausragte und einsam dastand. In Sequenz und 1Gesta Karoli' zeigen sich Tendenzen, die ins Ottonische weisen, das Streben nach Neubildung in mal. Eigenheit und zum Heimischen und Nationalen hin. L i t e r a t u r : Die älteste, aber unzuverlässige Vita über N. schrieb E k k e h a r d V. nach 1220, her. AS. April I, 1675, S. 579ff. — G. M e y e r v o n K n o n a u Lebensbild des hl. Notker von St. Gallen Mitteil, der antiqu. Ges. in Zürich 19, 1875/77, Heft 4 ; G . M e i e r Gesch. der Schule von St. Gallen im MA. J b . für Schweizer. Gesch. X , 1885, S. 53ÎÎ.; M a n i t i u s I, S. 354ff.; Gelegenheitsschriften zum tausendjährigen Todestag: H. A m s t a d N. B. und die Schule von St. Gallen Jahresber. vom Kollegium St. Antonius Appenzell 1912; J o s . M ü l l e r N. B. als Lehrer und Dichter (Vortrag) Ostschweiz Nr. 96—109, 1912; J . W e r n e r N. B. Neue Zürcher Zeitung 2. Mai 1912, Nr. 122, 1. Morgenbl. und 2. Abendbl. H. v. S c h u b e r t Gesch. der christl. Kirche im MA. 1921, S. 670, 745. 747> 761 f; R . v a n D ö r e n Étude sur l'influence musicale de l'abbaye de Saint-Gall Acad. roy. de Belgique, Classe des beaux-arts, Mém. I I I , 26*
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2, 3, 1925, S. 80 — 94. Jetzt vor allem W. v o n d e n S t e i n e n N. der Dichter 1948, Darstellungsund Editionsband; vgl. noch o. bes. 4.
K . Langosch
Notker Labeo. 1. Notker III., von seinen St. Galler Klosterbrüdern nicht eben freundlich wegen eines körperlichen Merkmals Labeo, der ' Großlippige' benannt, trägt mit größerem Recht und seiner geschichtlichen Bedeutung entsprechender den ihm ebenfalls beigelegten N a m e n Teutonicus, der 'Deutsche', denn niemand hat so wie er zu seiner Zeit die dt. Sprache gemeistert und fähig gemacht, ihrer lat. Vorlage gerecht zu werden, selbst da, wo es höchste philosophische Gedankengehalte auszudrücken galt. Der Dritte heißt er zum Unterschied von den beiden anderen des gleichen Namens, dem Dichter und Schöpfer der lat. Sequenzen, Notker I. Balbulus (s. d.), und dem zweiten Notker, dem Arzt, den man seiner Strenge wegen Piperis granum (s. d.) nannte, vgl. das mit dem Codex Vadianus (s. u.) verlorene Distichon : Baibus erat Notker, Piperisgranum alter, Tertius hic labio datus est agnomine lato, das in seiner letzten Zeile den spottenden Namen rühmlich zu deuten w e i ß : Ecce favos labio quales stillat tibi lato ( K e l l e Litgesch. I, S. 411). 2. N. wurde u m 950 geboren und entstammte einem thurgauischen Adelsgeschlecht, dem St. Gallen eine ganze Reihe bedeutender Persönlichkeiten verdankt, anfangend mit E k k e h a r d I. (s. d.) und endend mit E k k e h a r d I V . (s. d.), dem Geschichtsschreiber des Klosters. Zu den vier Neffen, die E k k e h a r d I. seinem Kloster zuführte, gehört auch Notker III., in jugendlichem Alter aufgenommen und bis zu seinem T o d hier wirkend. E r wurde einer der größten und berühmtesten Gelehrten St. Gallens, Leiter der Klosterschule, die unter ihm zu höchster Blüte gelangte. E k k e h a r d I V . war sein Schüler und h a t dem geliebten und von ihm hoch verehrten Lehrer — doctissimus et benignissimus vir nennt ihn das Totenbuch — in seinem 'Liber benedictionum' ein ehrendes Denkmal gesetzt. In 22 leoninischen Hexametern, denen z. T . lat. Erläuterungen übergeschrieben sind, schildert er kleine Züge und Vorgänge aus
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dessen Leben und Tätigkeit, aus denen der Mensch und Lehrer uns heute noch greifbar deutlich wird ('Liber bened.' ed. E g l i 1909, S. 230—234; K e l l e Litgesch. I, S. 394). Wir erfahren von seinem seligen Sterben, vor dem er in der letzten Beichte als schwerste ihn quälende Sünde bekennt, als junger Mensch im Mönchsgewand einen Wolf getötet zu haben. Aufrecht und mit ausgebreiteten Armen, in Kreuzesform, will er den T o d empfangen und die B u ß k e t t e , die er unter seiner K u t t e trug, unberührt mit ins Grab nehmen. So erscheint er ein vollkommenes Bild tiefer mal. Frömmigkeit, eine anima Candida, und wenn er u m sein Sterbelager A r m e versammeln und speisen läßt, um ihre Freude als letzten Eindruck von der Erde mitzunehmen, so entspricht das dem vir benignissimus, als den ihn das Totenbuch preist. E r starb 72 Jahre alt am T a g St. Peters, des Heiligen, den er besonders geliebt hat, am 29. Juni 1022, an der Pest, die das aus Italien zurückkehrende Heer Heinrichs II. in St. Gallen eingeschleppt hatte, und die außer ihm noch neun Klosterinsassen, darunter den A b t Purchard II. und drei weitere Lehrer, dahinraffte. St. Gallen h a t diesen Verlust nie wieder ausgleichen können, nicht nur weil die bald darauf einsetzende Klosterreform im Geiste Clunys den weltlichen Studien sowieso ablehnend gegenüberstand, sondern auch weil eine Persönlichkeit wie die Notkers tatsächlich unersetzbar war. Hoc merito flebunt simili qui deinde carebunt schließt das Distichon Ekkehards. 3. Die literarische Arbeit Ns. hängt aufs engste zusammen mit seiner T ä t i g k e i t als Lehrer. N. war Lehrer aus innerem Beruf. Teutonice propter caritatem discipulorum plures libros exponens heißt es in der Erläuterung zum ersten Vers des E k k e hardschen Distichons, und N o t k e r selbst bestätigt das in seinem berühmten Brief an den Bischof Hugo von Sitten (998—1017). D a m i t seine Schüler einen besseren Z u g a n g zu den in der Schule zu lesenden Schriften hätten, habe er „ e t w a s bis dahin nahezu Unerhörtes zu unternehmen gewagt, nämlich lat. Schriften versuchte ich in unsere Sprache zu übersetzen und das syllogistisch oder figürlich oder dialektisch Ausgedrückte
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durch Aristoteles oder Cicero oder einen andern Gelehrten aufzuhellen" (vgl. E h r i s m a n n 2 I, S. 431). So stehen Ns. Übersetzungen ganz im Dienste der damaligen klösterlichen Schulwissenschaft und sind eingespannt in den Rahmen der Septem artes. E r selbst zählt in jenem Brief auf, welchen Werken seine Arbeit gegolten hat und noch gilt, und verteidigt seine Beschränkung auf die ecclesiasticos libros et ;praecipue quosdem in scolis legendi mit dem Hinweis auf die Notwendigkeiten seines Unterrichts gegen die mahnende Forderung des Bischofs, sich höheren Studien zuzuwenden, was seinen eigenen Neigungen entsprochen haben würde. Es ist ein ganz besonderer Glücksumstand, daß wir in diesem Schreiben ein persönliches Zeugnis über die Lebensarbeit eines mal. Menschen haben, eine Lebensarbeit, die ihrem Umfang und ihrem Wert nach so erstaunlich ist, daß man sie anfangs einem Einzelnen nicht zuzuschreiben wagte und von einer St. Gallischen Übersetzerschule, die unter seiner Anleitung gearbeitet haben sollte, glaubte sprechen zu müssen. Erst als der hierfür ins Feld geführte sogen. Brief Ruodperts von J. B a e c h t o l d als eine Fälschung Goldasts erwiesen worden war, und J. K e l l e in seinen Untersuchungen die durchgängige Einheitlichkeit der Sprache und des Wortgebrauchs dargetan hatte, wurde N. zugesprochen, was ihm als Eigentum gehört. Es sind in erster Linie philosophische und theologische Werke, dazu solche der klassischen lat. Dichtung, die zur Schullektüre benutzt wurden, die 'Disticha' des Cato, die Hirtengedichte Vergils und die ' Andria' des Terenz, leider sämtlich verloren. Die philosophischen Schriften gehören zumeist ins Trivium. N. selbst stellt an ihre Spitze die 'Consolatio philosophiae' des Boethius, jenes spätantike Trostbuch, in dem ein hoher, an platonischer Philosophie und stoischer Ethik geschulter Geist sich auseinandersetzt mit der Frage nach dem Sinn des menschlichen Schicksals und seiner Vereinbarkeit mit Gott als dem Begriff des vollkommenen Guten. E s ist das im MA. nach der Bibel wohl am meisten gelesene und kommentierte Werk, die Grundlage der christlichen Weltanschauung, in seiner Art der Dar-
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stellung, von N. im Kommentar wesentlich unterstrichen und ausgenützt — es ist in der Form des Lehrgesprächs angelegt — , zugleich ein wichtiges Hilfsmittel für die Erziehung zu logischem Denken und rhetorischer Kunst. Der gleichen Aufgabe dienen unmittelbar die Übersetzungen der K a t e g o r i e n ('De categoriis') und der H e r m e n e u t i k ('De interpretatione') des Aristoteles, beide in der kommentierten Bearbeitung des Boethius. Sie enthalten die Lehre von den Begriffen und von der Kunst des logischen Schließens schlechthin. Kleinere Schriften, wie die von den Syllogismen ('De syllogismis') und die beiden ' D e partibus logicae' und 'De arte rhetorica', deren lat. T e x t nur dt. Sprichwörter oder Verse als erläuternde Beispiele eingefügt sind, erwähnt N. selbst nicht, doch dürfen auch sie ihm zugeschrieben werden. Verloren ist die mathematische Abhandlung über die Anfangsgründe der Arithmetik, mit der N. ebenso wie mit dem ganz lat. 'Computus', der Anleitung zur Berechnung des Ostertermins, in das höhere Gebiet des Quadriviums übergreift. Auch des Martianus Capella im 5. Jh. entstandenes großes Lehrbuch 'De nuptiis Philologiae et Mercurii' mag erst im Quadrivium Verwendung gefunden haben. Es stellt in der allegorischen Einkleidung einer Hochzeit des Merkur mit der Philologie, d. h. der Verbindung der nach Erkenntnis strebenden menschlichen Seele mit der göttlichen Weisheit, ein Compendium des gesamten derzeitigen Wissens dar und ist in einem so schweren und verschnörkelten Latein abgefaßt, daß es größere Sprachkenntnisse und eine fortgeschrittenere Schulung des Denkens voraussetzt, als sie für das Trivium zu erwarten sind. Überliefert sind nur die beiden ersten Bücher, die den allegorischen Rahmen, die Vorbereitungen zur Hochzeit und ihre Feier, enthalten. Die sieben folgenden, deren jedes einer der freien Künste gewidmet war, fehlen, und es steht offen, ob N. sie ebenfalls, wie der Wortlaut seines Briefes es annehmen läßt, übersetzt hat. Endlich gehört noch als Lehrgegenstand ins Quadrivium die kleine ganz dt. Schrift 'De musica', die sich in den erhaltenen Bruchstücken auf einige Abschnitte der
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musikalischen Theorie, wie das Monochord, die 8 Tonarten usw. beschränkt. Sie ist ohne Namen überliefert und Ns. Verfasserschaft ist nicht unbestritten, doch fällt sie sprachlich nicht aus dem Rahmen der übrigen Werke heraus. 4. A m Ende seines Lebens hat N. sich theologischen Schriften zugewandt, nachdem er, wenn wir den Angaben seines Briefes folgen, bereits früher einmal mit der leider verlorenen Übersetzung von Boethius' 'De trinitate' sich auf diesem Gebiet betätigt hatte. Verloren ist ebenfalls der Hiob, nach Ekkehards ergänzender Angabe die 'Moralia in Job' Gregors des Großen, die zur Zeit des Briefes an Hugo von Sitten erst zu einem Drittel vollendet waren und die N. noch kurz vor seinem Tode zum Abschluß bringen konnte. Erhalten ist der Psalter, für den allein unter den Notkerschen Arbeiten zahlreiche Hss., wenn auch nur, mit einer Ausnahme, in Bruchstücken auf uns gekommen, von einer weiteren Verbreitung und einer ausgedehnteren Nachwirkung zeugen. Daß er schon zu Ns. Zeiten in hohem Ansehen stand, beweist die Nachricht, daß die Kaiserin Gisela bei ihrem Besuch im Kloster St. Gallen im Jahr 1027 sich eine Abschrift von ihm wie vom Hiob ausbat. Eine spätere Überarbeitung, die man nach ihrer sie überliefernden Handschrift, dem Cod. Vind. 2681, die Wiener nennt, ist bereits im 11. Jh. vermutlich in Wessobrunn vorgenommen worden. Sie weicht nicht nur in ihren bair. Sprachformen, sondern auch in ihrer Beschränkung auf die rein theologischen Erklärungen von Ns. so viel weiter gefaßter Kommentierung ab. 5. Die Bindung an den Unterricht, die die stoffliche Wahl dieser Übersetzungen bestimmt hat, macht sich nun auch in der A r t ihrer Ausführung geltend. Ns. Anliegen war nicht die dt. Fassung, sie war ihm Mittel zum Zweck, nicht Selbstzweck. Sie hatte dazu zu dienen, seinen Schülern das Verständnis der lat. Vorlage zu erleichtern, sie ihren Sinn im Hilfsmittel der heimischen Mundart voll erfassen zu lassen. Darum zerlegt N. den lat. T e x t durchgängig in kleine Sinnabschnitte, denen er jeweils die dt. Übersetzung folgen läßt. Dabei löst er die kunstvolle und oft verschlungene Wort-
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folge des Lateins auf und bringt sie, indem er Zusammengehöriges wie etwa das Substantivum und sein Attribut zusammenstellt oder das Verbum aus seiner Endstellung in die Mitte des Satzes schiebt, in eine dem dt. Sprachdenken gemäßere Form, E s mutet an wie das Umsetzen einer Schriftsprache in eine Umgangssprache und mag in dieser Form im Latein des klösterlichen Alltags und des Unterrichts vorgebildet gewesen sein. N. selbst beherrschte das Latein vollkommen — wie weit er auch etwas Griechisch verstand, ist eine Frage — und war selbst der schwierigen Sprache des Aristoteles und des Martianus Capeila gewachsen. Gelegentliche Irrtümer fallen demgegenüber nicht ins Gewicht. Doch mit den einfachen Übersetzungshilfen war dem Verständnis noch nicht genug getan. Alle Schriften Ns. sind kommentiert und mit Erläuterungen und Ausdeutungen durchsetzt. Sie bestehen sehr oft in einfachen Interpretamenten oder Umschreibungen einzelner Wörter oder Wortgruppen, die entweder unmittelbar in den Satz eingefügt sind, oft durch ein daz chit (das heißt) oder durch .». oder .s. abgehoben, wie z. B . uuelih sinflüot tüot sdlichen sutd . daz chit sölicha suendi dero hüte / (als Macht in der Hand der Bösen) ? (I, 102, 21 f.). Oder sie greifen nach der gegebenen Übersetzung einzelne lat. Wörter heraus, um sie nachträglich noch schärfer zu umreißen und die ahd. Wiedergabe zu rechtfertigen, z. B . dedisti . . . verba Fortuna . dum te illa demulcet . dum te ut delitias suas fouet. lh uuäno du betrüge dia Fortunatn . daz si dih sö zertet . ünde dih sö uritet . Demulcet chU streichöt . also man düot. temo man zdridt. Delitiq sint fritliche sdchä . die uuir eigen . ümbe lüstsdmi . ndls ümbe dürfte.also turtures sint . ünde psitaci (I, 76, 6—12). Bei anderen Gelegenheiten wird der Inhalt eines ganzen Satzes noch einmal vorgenommen, näher erläutert und in seiner Bedeutung im Zusammenhang des Ganzen betrachtet. Oft aber unterbricht N. auch den Gang seines Textes und fügt in reinem Ahd. größere Exkurse ein, in denen er den Schüler über geschichtl., geographische, naturwissenschl. und andere Tatsachen oder Vorgänge unterrichtet, oder ihm
Notker Labeo Begriffe, die zum ersten mal erwäjmt werden, ausführlich auseinanderlegt. So folgt z. B. der ersten E r w ä h n u n g der Rhetorik in der *Consolatio' eine über 6 Abschnitte ausgedehnte A b h a n d l u n g mit der Begründung, d a ß man er nieht pechennen nemdg iro dulcedinem . er man sia selbün bechdnnet (I, 64, 2Öf.). I m Psalter k o m m t dazu noch die exegetische und symbolische Auslegung der einzelnen Bibelstellen. Ein großes und vielseitiges Wissen wird hier vor dem Schüler ausgebreitet und jede Gelegenheit benützt, es zu mehren. In diesen erläuternden Zusätzen ist N . nicht selbständig, sondern folgt, dem Brauche der Zeit entsprechend, vorhandenen und anerkannten Kommentaren. Abgesehen v o n Aristoteles und Cicero, auf die er sich H u g o von Sitten gegenüber beruft, gibt er selbst im Vorwort zu Martianus Capella Remigius von Auxerre (nach 841—908) als seinen Gewährsmann an, für den Psalter verweist er im Brief an H u g o von Sitten auf Augustin, d. h. auf dessen 'Enarationes in psalmos'. F ü r beide W e r k e lassen sich jedoch auch noch andere Vorlagen namhaft machen, für die Psalmen Cassiodors 'Expositio in psalmos' und vermutlich auch eine verlorene Auslegung des Hieronymus, den N. zweimal zitiert, für Martianus Capella nach neueren Untersuchungen v o n A . K . D o l c h die beiden Iren Johannes Scottus Ereugena und dessen Lehrer Dunchad. F ü r die 'Consolatio' h a t H. N a u m a n n (s. u.) schon 1913 ebenfalls die Benützung des Remigius und eines A n o n y m u s X . nachgewiesen, dessen W e r k u. a. auch in dei St. Galler Hs. des 10. Jhs. Sg 845 erhalten ist. Ihnen fügt Dolch neuerdings noch Johannes Scottus als dritten bei. Kategorien und Hermeneutik gehen auf die Bearbeitung des Boethius zurück (s. o.). So baut N. auf fremden Vorlagen auf und trägt zusammen, was sie ihm bieten. A b e r es ist keine wortgetreue einfache Übernahme. E r wählt aus, prüft, verwirft hier und ersetzt aus andrei Quelle, kürzt oder erweitert, wie es ihm gut dünkt. Weichen die Auffassungen seiner K o m m e n t a r e voneinander ab, so kann er den einen durch den andern berichtigen oder sie beide vorlegen, ohne selbst eindeutig Stellung zu ihnen zu nehmen.
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In den Grenzen seiner Zeit ist es ein wirklich wissenschaftliches Verfahren, und es hat einen ganz eigenen Reiz, ihn dabei zu beobachten. Immer wieder k o m m t in der oft krausen Gelehrsamkeit der Mensch N. zum Vorschein, der aus eigenem Erleben und Beobachten einflicht, was ihm z u m besseren Verständnis des T e x t e s beizutragen scheint. E r erwähnt den Himmelsglobus, der in cella sancti Galli nouiter gemächdt ist. sub Purchardo abbate (I, 112, 15 ff.), u n d erleichtert die Vorstellung eines A b a c u s , einer Tafel, auf der die Sternenbahnen oder geometrische Figuren aufgezeichnet werden, durch den Vergleich m i t dem Brett, ddr man uuürfzdveles spilöt . so uulr iz nü sehen in disen ziten (I, 24, 18). E r hatte ein offenes A u g e für dieDinge unddas Leben u m ihnherum, wie das Treiben auf den Jahrmärkten, und verwendet dt. Sprichwörter und volkstümliche Verse als Beispiele in seiner lat. Logik und Rhetorik. Über H a u s b a u und S c h i f f a h i t weiß er Bescheid, er kennt die Berge und ihre Tierwelt, die Gemsen und Murmeltiere, und immer wieder bricht seine Liebe zu den Sternen durch, nicht nur, wenn es sich u m seltene Himmelserscheinungen wie eine Sonnenfinsternis oder den Durchgang des Mars durch die Mondscheibe handelt, die er selbst beobachtet hat (sö uuir . . . sahen). U n d wie am Himmel die Sterne sind seine Freunde auf der Erde die Blumen im bluomgärten . ddr rozä. ünde ringclen . ünde violq uudksent . iie den gärten brunent (I, 44, 13ff.). 6. A u s Liebe zu seinen Schülern h a t N . dies alles geschrieben, aber er hat damit etwas geschaffen, was weit über diesen Kreis und seine Zeit hinaus Bedeutung hat. Dienen seine Übersetzungen dem Verständnis der lat. Vorlage, so sind sie zugleich Marksteine in der Entwicklung der dt. Prosa. Die Spanne zwischen dem T a t i a n (s. d.) und N . beträgt mehr als 150 Jahre, und wir wissen nicht, was in dieser Zeit für ihre Ausbildung getan worden ist. N . selbst nennt sein Unterfangen penc inusitatam, so daß er selbst sich ohne Vorgänger gefühlt hat. W o h l h a t man schon vor ihm lat. W e r k e gelesen und interpretiert, für den Psalter liegen uns mehrfache Übersetzungsversuche, darunter auch ein altaleman.,
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vor, und die beiden St. Galler Hss. 844 und 845 enthalten reich glossierte Hss. der 'Consolatio' aus dem xo. Jh., die N. nachweislich gekannt und benützt hat. Aber sein Ziel war ein höheres: nicht mündliche Wiedergabe einzelner zusammenhangloser Stellen, sondern ein der lat. Schriftsprache ebenbürtiger Text. Das hieß nichts Geringeres, als eine bis dahin auf den Alltag beschränkte Sprache fähig zu machen, die ganze Fülle einer hochentwickelten Sprache der Poesie und Philosophie mit all ihren stilistischen und bedeutungsmäßigen Ausdrucksmöglichkeiten einzufangen und wiederzugeben. Daß ihm das gelungen ist, daß wir seit ihm eine dt. Prosa haben, ist sein unverlierbares Verdienst. Wie hat er mit dem lat. Wortschatz gerungen, neue Bezeichnungen für bisher unbekannte Begriffe geschaffen durch Ableitung und Zusammensetzung, oder alte gewohnte Wörter in neuen Sinnzusammenhang gestellt und dadurch ihren Anwendungsbereich vergrößert. Oft genügt ihm der zunächst gewählte Ausdruck nicht, er setzt ein zweites, ein drittes Mal an, um das Gemeinte wirklich treffend und unmißverständlich wiederzugeben. Besonders deutlich läßt sich das an den Fachbezeichnungen der aristotelischen Philosophie beobachten, vgl. etwa : raliotinatio est. quqdam imdissolubilis oratio. i. feste gechose . unziduelig kechdse . peslözen reda (I, 596, 6 ff.), oder so uuir mite (ftropositio vel proloquium) iomannen geübten uuellen so heizent siu . gtüozeda . pietunga . aide uerrolih kechdse. dldeürsüoh (1,6i5,i2ff.). Der Kommentar zeigt in Bezug auf den Wortschatz eine andre Technik als der T e x t : während dieser fast rein ist von fremden Bestandteilen, bleiben in jenem gerade die Fachaiisdrücke viel öfter unübersetzt und mischen sich auch sonst lat. Worte und Wendungen ein, wie es bei Menschen, die zweisprachig sind, gern geschieht, und es entsteht das, was man Mischprosa nennt. So sehr N. bemüht war, sich dem lat. T e x t anzupassen, so wenig läßt er sich verleiten, den kunstvollen und oft verwickelten Satzbau mechanisch nachzubilden. Seine Sätze sind einfach und übersichtlich, von dt. Sprachgefühl bestimmt, auch wenn er nicht ängstlich jeden Acc. cum Inf. oder jede
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Partizipialkonstruktion meidet. Liest man den T e x t ohne die lat. Zwischensätze, so bekommt die Sprache Fluß und Rhythmus, ja stellenweise, bei der Übertragung der eingestreuten Metren oder besonders feierlicher Abschnitte, wie etwa der Lobgesänge der neun Musen im Martianus Capella, nimmt sie etwas von deren Schwung an und wirkt selbst wie Dichtung. Der erste überzeugte Bewunderer Notkerscher Sprachkunst, Leonz Füglistaller, hat daher auch den Versuch gewagt, das Anfangsgedicht der ' Consolatio' in metrischer Form herauszugeben. Andrerseits sind gerade die Metren ein Beweis für die allem Gekünstelten abholde Denkart Ns. Die oft übersteigerte Ausdrucksweise der spätantiken Poesie wandelt sich bei ihm in eine zwar auch gehobene, aber noch durchaus sachliche Bildersprache. Wenn bei Boethius rigant ora Elegi veris fletibus, dann füllent sie bei N. mlniv öugen . mit emestlichen dränen. 7. N. hat keine unmittelbaren Nachfolger gehabt. Seinem Schüler Ekkehard ist Deutsch die lingua barbara, er dichtet und schreibt lat. Von seinen Werken hat nur der Psalter eine weitere Verbreitung gefunden (s. o.). E r war es auch, der als erstes den Namen Ns. wieder bekannt gemacht hat. 1726 wurde er von J. S c h i l t e r im ' Thesaurus antiquitatum germanicarum' herausgegeben. Erst im 19. Jh., nachdem der erste Band der Grimmschen Grammatik bereits in zweiter Auflage vorlag, kamen die umfangreichen Ubersetzungen der antiken Werke durch G r ä f f , der sie in seinem Sprachschatz verwertet hat, zur Veröffentlichung. Aber es dauerte noch eine geraume Zeit, bis man in ihnen den Verfasser der Psalmenübersetzung erkannte und damit N. als den größten Sprachschöpfer der ahd. Zeit. Er meinte, dem Latein zu dienen, aber ich möchte fast glauben, daß er uneingestanden eine geheime Liebe zu seiner heimischen, aleman. Mundart in sich trug, und daß er, seiner Zeit weit voraus, den Namen Teutonicus noch in einem ganz andern Sinn, als er ihm gegeben wurde, und mit vollem Recht trägt. Ns. Werke verteilen sich auf 14 vollständig erhaltene Hss. (dazu der verlorene Codex Vadianus), von 11 weiteren besitzen wir Bruchstücke. Vgl.
a u c h G. F r e n k e n Z f d A . 7 1 ( 1 9 3 4 ) , S. 1 1 7 — 1 2 2 (verlorene N o t k e r h s s . ) . G e s a m t a u s g a b e n v e r a n s t a l t e t e n H . H a t t e m e r Denkmahle des MAs. (St. Gallens altteutsche Sprachschätze) II/III (1846/49). P. P i p e r
Die
Schriften
Ns.
und
seiner
Schule.
I / I I I , 1 8 8 2 / 8 3 (neue A u s g a b e 1 8 9 5 , G e r m . Bibl. 8 — 10). E i n e n e u e G e s a m t a u s g a b e v o n E . H . S e h r t u n d T . S t a r c k Ns. des Deutschen Werke ( A l t d . T e x t b i b l . ) 1933 ff. ist n o c h im E r s c h e i n e n begriffen, es liegen v o r : B o e t h i u s , M a r t i a n u s Capeila, P s a l t e r 1 —100 (Nr. 32, 37, 40, 42). Boethius 'De consolatione S g . 825, B l . 4 — 2 7 1 ( P i p e r :
philosophiae': Hss.: A ) , IO./II. J h . ; c o d .
T u r i c . 121, p . 49b — 5 i b ( P i p e r : D), 11. J h . ( I I I , 71). A u s g a b e n : G r a f f Ahd. Lesebuch, enthaltend die
ahd.
Übersetzung
der
Cons.
Phil,
des
Boethius
o h n e l a t . T e x t , d e r l e t z t e S a t z fehlt). H a t t e m e r I I I , S. 7 — 255. P i p e r I , S. 1 — 363. S e h r t - S t a r c k I (1933). Teilausgaben: G e r b e r t Iter Alemannicum (1765) A n h . 1 4 3 t . (I 1 . 2 , j e A n f . ) . K . L a c h m a n n Specimina lingvae Francicae (1825), (1837,
S . 2 5 ( I I , 16 — 1 9 ; I I I , 122).~E.~R.Gr3.ii Ahd. Sprachschatz I ( 1 8 3 4 ) , S. X X X V I - X X X V I I (II, 4 5 , 4 6 ) . K . G o e d e k e Dt. Dichtung im MA. ( 1 8 5 4 ) , S. 4 8
bis 50 ( I I , 45, 46, o h n e l a t . T e x t ) . W . W a c k e r n a g e l Altdt. Lesebuch I s ( 1 8 7 3 ) , S. 2 9 9 — 3 0 6 (Prol. I I , 1 6 - 1 9 ; I I I , 1 2 2 ) . W . B r a u n e Ahd. Lb. »(1943). S. 4 8 - 5 2 (Prol. I 1, 2 ; I I 3 9 , 45)- PP i p e r D N L . I, S. 3 5 4 - 3 7 9 (Prol. I 1 - 7 ; I I I , 7 1 — 8 7 ) . J . M a n s i o n Ahd. Lb. ( 1 9 1 2 ) , S. 6 — 1 0 2 , 1 2 6 ( 1 6 , 7 ; II 1 7 , 30, 31, 3 3 - 3 5 . V9). F . W i l h e l m u n d N e w a l d Ahd. Lb. ( 1 9 3 0 ) 4 7 — 5 7 (Prol. I , 3 — 7; I I ,
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ahd.
Sprachdenkmäler
metrischen
Übersetzung
und Hermode
(1816)
d e r l i c h Beiträge
zur
des
Boethius von N. I d u n a S. 1 0 / 1 1 . H . W u n Syntax des Notker sehen Boe-
Nr.
3,
thius D i s s . B e r l i n 1883. J . K e l l e Das Verbum und Nomen in Ns. Boethius W S B . 1 0 9 ( 1 8 8 5 ) , S. 2 2 9 b i s 316. P . S o n n e n b u r g Bemerkungen zu Ns. Bearbeitung des Boethius P r o g r . B o n n 1887. O. W o l f e r m a n n Ns. Boethius 1888. J . K e l l e Über die Grundlage, auf der Ns. Erklärung Boethius 'De cons. phil.' beruht M S B . ( 1 8 9 6 )
S. 349 — 356. A. N a a b e r
Die
Boethius 'De cons. phil.' H . N a u m a n n Ns. Boethius,
und Stil
Quellen
von
Diss. M ü n s t e r Unters, über
1913 ( Q F . 121). W . B a c h Die ahd.
thiusglossen
und
Ns.
Übersetzung
der
pretation
christiana
S.
(1951/52),
in
40—57
Ns.
Boethius
(Interpr. von I I I
von
III, Ns.
1911. Quellen
Boe-
'Consolatio'
Diss. H a l l e ( W ü r z b u r g ) 1935. I . S c h r ö b l e r
Inter-
Z f d A . 83 9).
Dies.
N. I I I . von St. Gallen als Übersetzer und Kommentator von Boethius' 'De consolatione philos.' 1953. A . K . D o l c h Stilund Quellenprobleme zu Ns. Boeth. und Mart. Cap. ( N . - S t u d i e n I I I ) o . J . Martianus
Capella
'De
nuptiis
Philologiae
et
Mercurii': H s . : Sg. 872, B l . 4 — 170 ( P i p e r J ) , I I . J h . A u s g a b e n : E . G. G r a f f Ahd, Übersetzung und zwei s
786
Notker Labeo
7«5
Erläuterung Bücher De
- 257 — 372.
Starck
II
der von nuptiis
Piper (1935).
Iter Alemannicum(1765)
Mart. Capella verfaßten 1837. H a t t e m e r III,
I, S. 6 8 5 — 8 4 7 . Sehrt— Teilausgaben: G e r b e r t A n h . 141 — 1 4 2 ( P i o l . I i , j e
A n f . ) . K . L a c h m a n n Specimina lingvae Francicae (1825), S . 2 0 - 2 5 ( 1 6 - 1 3 ) . E . H . G r a f l A h d . S p r a c h schatz I ( 1 8 3 4 ) , S. L I I - L V ( I I 8 - 1 8 ) . K . G o e d e k e Dt. Dichtung im MA. ( 1 8 5 4 ) , S. 5 0 — 5 2 ( I I ,
7 — 18,
ohne
Text). W. W a c k e r n a g e l S. 3 0 5 - 3 1 2 (Prol. I I , 6 - 9 ) . Lb. ( i 9 4 3 ) > S. 5 2 — 5 6 (Prol. I, 3 8 bis 40, 43 — 49). P i p e r D N L . I, S. 392 — 406 (Prol. I, 1 - 9 ) . F . W i l h e l m u n d R . N e w a l d Ahd. Lb. Leseb. I B r a u n e Ahd.
Altd.
(1930),
s
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(1873), n
S. 57 —62
( I 7,
10,
50,
51;
I I
47,
11,
48).
L i t e r a t u r : J . K e l l e Verbum und Nomen in Ns. Capella Z f d A . 3 0 ( 1 8 8 6 ) , S. 2 9 5 — 3 4 5 . W . M a n t h e y Syntakt.
des Mart.
Beobachtungen
an Ns.
Übersetzung
Cap. D i s s . B e r l i n 1903. K . S c h u l t e
Verhältnis von zum Kommentar
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'De Nuptiis des Remigius
Phil,
Das
et Mere.' Antisiodorensis
D i s s . M ü n s t e r 1911. W . v . Ü n w e r t h Venus re1 2 1 — 1 2 3 . K . A. D o l c h
dolens. P B B . 4 2 ( 1 9 1 6 ) , S. Stilund Quellenprobleme
zu
Ns.
Mart.
Cap.
Categorien
des
(N.-Studien III). Des
Boethius
Commentar
zu den
Aristoteles: H s s . : Sg. 818, B l . 3 — 143 ( P i p e r : B ) , I I . J h . Sg. 8 2 5 , Bl. 2 7 5 - 3 3 8 ( P i p e r : A), I O . / I I . J h . (I, 1; IV, 11). A u s g a b e n : E . G. G r a f f Ahd. dem Anfange des 11. Jhs. angehörige Übers, und Erläut. der aristotel. Abhandlungen: Ka0r|yopiai
FIspl lp|JiT)V6ias. Abh. d e r K g l . A k a d . der W i s s . zu Berlin, Phil.-hist. Kl. 1835, S. 267 — 344. H a t t e m e r I I I , S . 3 7 3 — 4 6 5 . P i p e r I, S. 3 6 5 — 4 9 5 . — Teilausgaben: Gerbert Iter Alemannicum ( 1 7 6 5 ) , A n h . 1 4 3 (I 1, Anf.). I . v . A r x Gesch. des Kantons St. Gallen I ( 1 8 1 0 ) , S. 2 6 2 f. A n m . d (II 5 ) . E . G. G r a f f Ahd. Sprachschatz I ( 1 8 3 4 ) , S. L V I I b i s L I X ( I I I i —13). K . G o e d e k e Dt. Dichtung imMA. ( 1 8 5 4 ) , S. 5 3 f . ( I I I i — 1 3 , o h n e l a t . T e x t ) . B r a u n e Ahd. Lb. u ( i 9 4 3 ) , S. 5 6 - 5 9 (II, 3 1 — 3 6 ) . P . P i p e r D N L . I, S. 3 7 9 — 3 9 2 ( I I I , 1 — 2 0 ) . Literatur: Aristoteles in
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30
(1935).
S.
189-203.
Des Boethius Bearbeitung 'De interpretatione'. Hs.:
( P i p e r : B), 11. J h . -
von Aristoteles Schrift S g . 818, B l . 143 — 246
A u s g a b e n : E . G. G r a f f
Ahd., dem Anfange des z i . Jhs. angehörige und Erläut. der aristotelischen Abhandlungen
Übers, ...
TTspl ipnt|v£(as. A b h . d e r Kgl. A k a d . d e r Wiss. zu Berlin, Phil.-hist. Kl. 1853, S. 344 — 399. H a t t e m e r I I I , S. 465 — 526. P . P i p e r I, S. 497 — 588. — T e i l a u s g a b e n : G e r b e r t Iter Alemannicum ( 1 7 6 5 ) , A n h . 1 4 3 — 1 4 4 (I 1, 2 , je Anf.). L i t e r a t u r : s. zu d e n C a t e g o r i e n . 'De
partibus
logicae'-.
Hss., vollständige:
cod.
T u r . 121, Bl. 5i b — 5 4 b ( P i p e r : D), 11. J h . B r ü s sel N r . 1 0 6 6 4 , Bl. 64b — 65b ( P i p e r : G), 11. J h . ; u n v o l l s t ä n d i g e : c o d . V i n d . 275, Bl. 9 i b ( P i p e r : E ) , II. J h . (Anf. der l a t . E i n l e i t u n g ) . Sg. 242, Bl. 267 ( P i p e r : F), 11. J h . (nur l a t . A n f a n g , unvollst.). Sg. i n , Bl. 352 ( P i p e r : C), 11. J h . (nur d i e S p r i c h w ö r t e r ) , c l m . 4621, Bl. 75 ( P i p e r : H ) , I I . / 1 2 . J h . (Bruchstück aus der Einleitung). — A u s g a b e n : H a t t e m e r I I I , S. 537 — 540. P i p e r I ,
7
8
7
Notker Labeo
S. 591—595. K . L a c h m a n n Specimina lingvae Francicae 1825, S. 19 (Sprichwörter). W. W a c k e r n a g e l Altd. Lb. I 5 (1873), S. 3 1 7 - 3 1 8 (Sprichwörter). B r a u n e Ahd. Lb. 1 1 ( i 9 4 3 ) , S. 62 (Sprichwörter). Literatur: P r a n t l Die zwei ältesten Compendien der Logik in dt. Sprache 1856. J . K e l l e Verbum und Nomen in Ns. . . . 'De partibus logicae' ZfdPh. 20 (1888), S. 1 2 9 - 1 5 0 . 'De syllogismis': H s . : cod. Tur. 1 2 1 , B l . 28» bis 4 9 a ( P i p e r : D), 1 1 . J h . Ausgaben: H a t t e m e r I I I , S. 541 — 559. P i p e r I , S. 596—622. W. W a c k e r n a g e l Altd. Lesebuch I 6 (1873), S. 3 1 3 - 3 1 8 (1, 18). Literatur: J . K e l l e Verbum und Nomen in Ns. 'De syllogismis' ZfdPh. 20 (1888), S. 129 — 150. 'De arte rhetorica': Hss.: clm. 4621, Bl. 47 a bis 7 5 a ( P i p e r : H), 1 1 . / 1 2 . J h . ; cod. Tur. 1 2 1 , B l . 59 a bis 7 i b , 7 i b —73 a ( P i p e r : D), 1 1 . J h . (1 — 59, Schluß des lat. Teils); Brüssel Nr. 10662, Bl. 58 a ( P i p e r : G), 1 1 . J h . , abgedruckt von E . P l e w Germ. 14 (1869), S. 47 — 65. — Ausgaben: H a t t e m e r I I I , S. 560 — 585. P i p e r I, S. 623 — 684. W. W a c k e r n a g e l Altd. Lesebuch I 5 (1873), S. 3 1 1 bis 3 1 4 (Teil aus Abschn. 52 mit den dt. Versen). B r a u n e Ahd. Lb. n ( i 9 4 3 ) , S. 62 (Sprichwörter). Literatur: O. S c h a d e Zu den dt. Versen in der Notkerschen Rhetorik Germ. 1 4 (1869), S. 40—47. L . T r a u b e Zu Ns. Rhetorik und 'Ecbasis captivi' ZfdA. 32 (1888), S. 3 8 8 - 3 8 9 . J . K e l l e Verbum und Nomen in Ns. . . . 'De arte rhetorica' ZfdPh. 20 (1888), S. 1 2 9 — 1 5 0 . P . P i p e r Zu Ns. Rhetorik ZfdPh. 22 (1889), S. 277 — 287. 'De música'-. Hss.: Sg. 242, Bl. 1 0 — 1 6 ( P i p e r : F), Ii. J h . (2 — 5), abgedruckt bei G e r b e r t S S . ecclesiastici de música sacra I (1784), S. 9 6 — 1 0 2 ; clm. 1 8 9 3 7 , Bl- 295 b —297 a ( P i p e r : K ) , 1 1 . J h . (1); cod. Lips. Paul. 1493, p. 60 a —61 ( P i p e r : L), Ii. J h . ( 1 , 5 ) ; clm. 27300, B l . 75 ( P i p e r : M), 1 1 . J h . (5); cod. Guelf. Gud. 72, Bl. 48" ( P i p e r : N), 1 1 . J h . (5), abgedr. Monatshefte f. Musikgeich. 7 (1875), S. 4 5 f f . — Ausgaben: H a t t e m e r I I I , S. 5 8 6 - 5 9 0 . P i p e r I, S. 851 — 861. P i p e r D N L . I, S. 4 0 6 - 4 1 0 (4, 5). Literatur: J . K e l l e Verbum und Nomen in Ns. 'De música' Z f d P h . 2 0 (1888), S. 129 — 1 5 0 ; vgl. auch A m b r o s Gesch. der Musik 3 ( i 8 g i ) I, S. 351 ff., 3 6 5 ! , 465ff. (Monochord). I, S. 3 7 2 f f . , 399 (Tonarten). D e r P s a l t e r : 1 . Die St. Galler Fassung: Hss.: Sg. 2 1 , Bl. 8 — 574 ( P i p e r : R), 12. J h . , urspr. dem Kloster Einsiedeln gehörig; daraus abgeleitet die Abschrift De la Loubéres von 1675 ( P i p e r : R * ) , heute verloren, im Abdruck erhalten in S c h i l t e r s Thesaurus antiqu., teutón. I, 1 (1726) und in einer Abschrift der Schilterschen Kopie, 1697 für Rostgaard gefertigt, jetzt auf der Kgl. Bibl. in Kopenhagen. Eine zweite ältere Hs., der sogen. Codex Vadianus ( P i p e r : S), 1 5 5 5 noch in St. Gallen nachweisbar, ist jetzt auch verloren. Proben daraus auf Grund von Mitteilungen Vadians sind gedruckt in J . S t u m p f s Schweizerchronik 1548 ('Orat. dorn.', 'Symb. apost.'), ebenso P i p e r I I , S. X I V — X V I I (dass.), vermehrt um die 'Fides Äthan.' in J . v. W a t t Chronik der Äbte des Klosters
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St. Gallen her. von E . G ö t z i n g e r 1 8 7 5 (Dt. hist. Sehr. I, 1 . Hälfte), S. 5 3 - 5 5 . M S D . I 3 (1892), S. 249—259. — Cgm. 1 2 ( S e h r t : M), 14. J h . , aus St. Nicolaus bei Passau, ist eine späte Überarbeit., deren Bedeutung auf sprachl. Gebiet (Wandel des Wortgebrauchs, der Lautformen usw.) liegt. Aus ihr sind veröffentlicht Ps. 1 und 1 0 3 bei D o c e n Mise. I (1807), S. 32 —37, 42 — 47; Ps. 57, 1 — 5, 10, 1 1 bei J . S t e f f e n Über die Münchener N.-Hs. des 14. Jhs. Diss. Greifswald 1899/1900. Dazu 1 1 weitere Bruchstücke: cgm. 188 ( P i p e r : U 1 ) , Seoner Blatt, 1 1 . J h . (Ps. 10, 4 — 18), abged r u c k t i n H . F. M a ß mannDenAm. dt. Spr. undLit. (1828), S. 120 — 122, Faks. P e t z e t - G l a u n i n g Schrifttafeln I, T f . X I V ; St. Pauler Bruchstücke ( P i p e r : X), 12. J h . (Ps. 17, 37 — 5 1 , 1 1 8 , 170 bis 120, 1), abgedruckt Grerm. 2 1 (1876), S. 129 — 1 3 4 (A. H o l d e r ) . P i p e r I I , S. V - X I I ; Ms. 40 910, Univ.-Bibl. München ( P i p e r : U 2 ), 1 1 . J h . , Baumburger B l a t t (Ps. 2 1 , 19—22, 3), abgedruckt Z f d A . 37. 276—279 (W. G o l t h e r ) . P. P i p e r D N L . 162, S. 3 1 1 ! ; Aschaffenburger B l a t t ( P i p e r : a, S e h r t : A), 12. J h . (Ps. 28, i —8), abgedruckt P B B . 30 (1905), S. 1 — 6 (E. S t e i n m e y e r ) ; Eissche Bruchstücke ( E i s : E), 1 1 . / 1 2 . J h . (Ps. 88, 8 —10, 16), abgedruckt Idg. Forschg. 60 (1950), S. 8 9 ! ( E i s ) ; Steyrer Bruchst. ( P i p e r : L b , S e h r t : L), 1 1 . J h . (Ps. 103, 7 — 30). abgedruckt P B B . 45 (1921), S. 192 — 195 (K. Z w i e r z i n a ) ; erstes Wallersteiner B l a t t ( P i p e r : V 1 ) , 1 1 . J h . (Ps. 104, 3 0 - 1 0 5 , 5), abgedruckt bei H a t t e m e r I I , S. 532 — 534; erstes Basler Doppelblatt ( P i p e r : W 1 ), 1 1 . J h . (Ps. 1 3 6 , 5 — 1 3 7 , 8 , 139,7 — 140,6), abgedruckt bei W. W a c k e r n a g e l Die altdt. Hss. der Basler UB, 1825, S . 1 1 —18. P P B . 50 (1927), S. 1 1 5 — 1 1 7 , 120 — 122 (W. B r u c k n e r ) ; zweite Basler Bruchstücke, Fragm. I, 19 der U B . Basel ( S e h r t : W 2 ), 1 1 . J h . (Cantica bis Cant. Deut. 1 —12), abgedr. P B B . 50 (1926/27), S. 1 1 7 —120 (W. B r u c k n e r ) ; zweites Wallersteiner B l a t t ( P i p e r : V 2 ), 1 1 . J h . {'Cant. Mariae' 50 — 55, 'Fides Äthan.' 1 , 2, 1 1 bis 37), abgedruckt W S B . 143 (1901), 1 5 . Abh., S. 8 bis 1 2 ( J . K e l l e ) ; clm. 7637 ( P i p e r : T), Indersdorfer Blatt, 1 2 . J h . ('Orat. dorn.'), abgedruckt bei M a ß m a n n Die dt. Abschwörungsformeln 1839, Nr. 56, S. 163 — 165. — Ausgaben: J . S c b i l t e r Thes. antiqu. Teutón. I , 1 7 2 6 (nach der Abschrift De la Loubéres). H a t t e m e r I I . P i p e r I I . S e h r t I I I , 1 2 (Ps. 1 —100). — Teilausgaben : K . L a c h m a n n Specimina lingvae Francicae 1825, S. 28 — 30 (Ps. 28); K . G o e d e k e Dt. Dichtung im MA. 1854, S. 46—48 (Ps. 29, 1 1 6 , 1 1 8 Prol. 9, Diaps. 4 — 7, ' Hymn. Zach.',' Symb. apost.', 'Orat. dorn.')-, W. W a c k e r n a g e l Altd. Lesebuch I s (1873), S. 2 8 9 - 2 9 8 (Ps. 28, 'Cant.' 'Abac."); P i p e r D N L . I, S. 4 1 1 — 439 (Ps. i — 1 0 ) ; B r a u n e Ahd. Lb. " ( 1 9 4 3 ) . S. 5 9 - 6 2 (Ps. 1 , 3, 136, 6 - 9 , 'Orat. dorn.', 'Symb. apost.')-, J . M a n s i ó n Ahd. Lesebuch (1912), S. 102 —106, 1 2 6 — 1 2 8 (Ps. 4 1 , 1 1 4 ) ; R . K i e n a s t Ausgew. ahd. Sprachdenkmäler (1948), S. 69 — 72 (Ps. 1 3 8 1 —10, 19 — 24). Literatur: R . H e i n z e l Über die N.-Fragm. von St. Paul ZfdA. 2 1 (1877), S. 160 — 1 7 7 . E . H e n r i c i Über die Quellen und den Zweck von Ns. Psalmencommentar Diss. Berlin 1878 (auch als
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Notkerus medicus
E i n l . zu Q F . 29); d e r s . Die Quellen von Ns. Psalmen 1878 ( Q F . 29), d a z u E . S t e i n m e y e r A f d A . 5 (1879), S. 216 — 221 (Quelle f ü r die K o m m e n t i e r u n g d e r 'Cantica'); E . H e n r i c i Der lat. Text in Ns. Psalmencommentar Z f d A . (1879), S. 217 — 258; J . K e l l e Unters, zur Überlief., Übersetz., Gramm, der Psalmen Ns. 1889 ( S e h r . z. G e r m . P h i l o l . 3); A. K r u s z e w s k i Die St.Galler Hs. der Notkerschen Psalmenübersetzung und ihr Verhältnis zu den übrigen Schriften Ns. G y m n . - P r o g r . A a c h e n 1898; E . v . S t e i n m e y e r Die Vorlage für De la Louberes Abschrift von Notkers Psalter P B B . 33 ( ! 9 ° 8 ) , S. 61 — 94; F r . L e i m b a c h Die Sprache Ns. und Willirams, dargelegt an Ns. Psalter und Willirams Hohem Lied Diss. G ö t t i n g e n ( H e r f o r d ) 1934; A. A l l g e y e r Der Psalter Ns. von St. Gallen B i b e l u . d t . K u l t u r 11 (1943), S. 164 — 181. 2. D i e W i e n e r F a s s u n g : H s . : c o d . V i n d . 2681, B l . 1 — I 0 3 b , 108 — 2 i 2 a , 213 — 2 3 2 ® ( P i p e r - S e h r t ; Y , S c h e r e r - H e i n z e l : W ) , 12. J h . (Ps. 1 — 5 0 , x o i —150, C a n t i c a u . k a t e c h e t i s c h e S t ü c k e ) . — A u s g a b e n : R . H e i n z e l u n d W . S c h e r e r 1876. P i p e r I I I . — T e i l a u s g a b e n : E c c a r d Commentarii de rebus Franciae orientalis I, 1729, S. 930—935 ( k a t e c h e t i s c h e S t ü c k e ) . D o c e n Misc. I, 2. Ausg. 1809, S. 34 (Ps. 1); E . G. G r a f f Diut. 3 (1829), S. 124 — 1 4 1 ( C a n t i c a u . k a t e c h e t i s c h e S t ü c k e ) . H . H o f f m a n n Fundgruben I (1830), S. 48 — 58 (Ps. 1 — 7). B r a u n e Ahd. Lb. n ( i 9 4 3 ) . S. 6 0 - 6 2 (Ps. 3, 'Orat. dorn.'). R . K i e n a s t Ausgew. ahd. Sprachdenkmäler 1948, S. 69 —72 (Ps. 138, 1 —10, 19 — 24). — L i t . : R . H e i n z e l Wortschatz und Sprachformen der Wiener N.-Hs. W S B . 80 (1875), S. 6 7 9 - 7 4 4 ; 81 (1875), S. 203 —350; 82 (1876), S. 5 2 3 - 5 4 0 . B r i e f a n d e n A b t H u g o v o n S i t t e n : Hs.: B r ü s s e l 10661, B l . 58» ( P i p e r : G), 11. J h . , h e r . v o n J . G r i m m G G A . 1835, S. 9 1 1 — 913. K l e i n e S e h r . V, S. 190f. H a t t e m e r I I I , S. 3 - 6 . P i p e r I, S. 8 5 9 - 8 6 1 . K e l l e Lit.-Gesch. (1892), S. 3 9 5 I N o r d e n Die antike Kunstprosa 2 (1898), S. 682. E h r i s m a n n I 2 (1932), S. 4 2 1 ! (dt. Ü b e r s . ) . — L i t . : I. S c h r ö b l e r Zum Brief Ns. des Dt. an den Bischof von Sitten Z f d A . 82 (1948), S. 32 — 46. 'Computus': H s s . : clm. 14804, 12. J h . ; P a r i s . N o u v . a c q u . 229, 12. J h . A u s g . : P . G a b r . M e i e r P r o g r . E i n s i e d e l n 1887. — L i t . : J . B a e c h t o l d Beitr. zur St. Gall. Litgesch. Z f d A . 31 (1887), S. 189 — 198. E . S t e i n m e y e r Ns. Computus A f d A . (1893), S. 2 7 4 - 2 7 6 . Biographische u n d allgemeine Darstellungen: H e y e r v . K n o n a u N.L. A D B . 24 (1887), S. 39 bis 41. G. H o l z N.L. R E 3 . 14 (1903), S. 2 2 0 I J . W e i s w e i l e r N. der Dt. Z f D t k . 36 (1922), S. 276 — 281. W . F r e y t a g i V . d. Dt. Schweiz. M o n a t s h e f t e f. P o l i t i k u . K u l t u r 2 (1922/23), S. 218 —230. F . E i s n e r N. d. Dt. N a t i o n a l e Schweiz. H e f t e 7 (1941), S. 619 — 623. W . W a c k e r n a g e l Lit.-Gesch. I 2 , S. 9 9 - 1 0 4 . P . P i p e r D N L . I, S. 3 3 7 - 3 5 4 . J . B a e c h t o l d Gesch. der dt. Lit. in der Schweiz (1887), S. 5 8 - 7 5 . J . K e l l e Lit.-Gesch. (1892), S. 232 — 274. R . K ö g e l Lit.-Gesch. I, 2 (1897), S. 5 0 8 - 6 2 6 . R . K ö g e l P G r u n d . I I 2 ( 1 9 0 1 - 0 9 ) , S. 141 — 1 4 6 . W . v . U n w e r t h - T h . S i e b s Lit.Gesch. (1920), S. 234 — 252. M a n i t i u s I I (1923),
790 2
S. 694 — 699. E h r i s m a n n I (1932), S. 416 — 458. J . S c h w i e t e r i n g Dt. Dichtg. des MAs. S. 33 — 36. H . S c h n e i d e r Helden-, Geistlichen-, Ritterdichtg. 2 S . 124 — 128. H . d e B o o r Lit.-Gesch. I (1949), S. 104 — 1 1 3 . A n n a l e n d e r d t . L i t . (1952), S. 64f. ( d e B o o r ) . — A. H a u c k Kirchengesch. 3 (1904), S. 976 — 978. B u c h b e r g e r Lex. für Theol. und Kirche 7 (1935), S. 632 (M. S e i d l m a y e r ) . — I . v . A r x Gesch. des Kantons St. Gallen 1 (1840), S. 276 — 278. P . G. M e i e r Gesch. der Schule von St. Gallen im MA. J b . f. Schweiz. G e s c h . 10 (1885), S. 85—90. D e r s . P r o g r . d e r R e a l s c h u l e zu E i n siedeln (1886/87), S. 11—34. J . K e l l e Die St.Gall. dt. Sehr, und N. L. A b h . d e r K g l . B a y e r . A k a d . d e r Wiss., P h i l . - h i s t . K l . 1888, N r . 18. S. S i n g e r Die Dichterschule von St. Gallen 1922. H . B r a u e r Die Bücherei von St. Gallen und das ahd. Schrifttum 1926, S. 76—79. J . M. C l a r k The Abbey of St.Gall 1926, S. 248 — 254. I . S c h r ö b l e r Die St. Galler Wissenschaft ... Z f d A . 81 (1944/49), S. 32 bis 43. — E . O c h s Zweierlei Notker ? P B B . 38 (1912), S. 354 — 358. P . T h . H o f f m a n n Der mal. Mensch gesehen aus der Welt ... N. des Deutschen 1921, 2 i 9 3 7 , d a z u W . S t a c h Der mal. Mensch A r c h f K u l t . 16 (1925), S. 2 — 40. H . L o h m e y e r Vergil im dt. Geistesleben bis auf N. G e r m . S t u d . 96 (1930), S. 132 — 137. S. S i n g e r Ns. Irrtümer N e o p h i l o l o g u s 18 (1932), S. 21 f. G l o s s a r e : N . L i n d a h l Vollständiges Glossar zu Ns. ' Boethius de consolatione philosophiae' Buch I Diss. U p p s a l a 1916. A. K . D o l c h N.-Studien I und II: Lat.-ahd. Glossar und Ahd.-lat. Wörterverzeichnis zu Ns. 'Boethius de Consolatione Philosophiae' 1. Buch N e w Y o r k 1950. S p r a c h e : J . K e l l e Die philosophischen Kunstausdrücke in Ns. Werken A b h . d e r K g l . B a y e r . A k a d . d e r W i s s . , P h i l . - h i s t . K l . B d . 18 (1886), A b t . 1. J . K e l l e Die rhetorischen Kunstausdrücke in Ns. Werken A b h . d e r K g l . B a y e r . A k a d . d e r Wiss., P h i l . - h i s t . K l . 31 (1903) A b t . 3, S. 4 4 5 - 4 5 4 . K . S c h i f f m a n n Ns. Mischprosa in seinem Komment. zu den Ps. X — X X und C — C I V . G y m n . P r o g r . U r f a h r (Oberösterreich) 1903. P . H o f f m a n n Die Mischprosa Ns.desDt. 191 o (Pal. 58). E . S c h a u m a n n Studien zu Ns. Mischprosa Progr. Wien 1911. E . L u g i n b ü h l Studien zu Ns. Übersetzungskunst Diss. Z ü r i c h (Weida) 1933. — I . W e i n b e r g Zu Ns. Anlautsgesetz 1911 ( S p r a c h e u. D i c h t . 5). G e s c h . d . W i e d e r e n t d e c k u n g N s . i m 18./19. J h . : E . S t u d e r Leonz Füglistaller 1768—1840. Diss. B a s e l ( F r e i b u r g / S c h w . ) 1952, S. 250 — 282.
E. Karg-Gasterstädt Notkerus medicus, Mönch zu St. Gallen (f 12. Nov. 975). Ekkehart IV. schrieb um das J. 1050 von ihm De Notkero vero doctore, pictore et medico, cum materiam grandis voluminis habeamus, succincte quidern ad alia festinando dicemus. picturas quidem post arsuram (des J. 937) plures Gallo fecerat, ut videre est in ianuis et laqueari ecclesiae et libris quibusdam. sed haec quid sunt ad mille
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Notkerus Piperis granum — 'Orendel'
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die letzte Strophe, diese von G. M o r e l Lat. Hymnen S. 301; Anal. hymn. LI, S. 213; iHymnum' etc. ( C h e v a l i e r 8230) von C a n i s i u s S. 755 (ed. B a s n a g e II 3, S. 209); Anal. hymn. X X I I I , S. 92 (anonym). Falsch zugeschrieben sind ihm Kalendergedichte im Cod. St. Gallen 915, s. K . S t r e c k e r in MGH. Poetae V, S. 529; ' A v e beati germinis' (Poetae IV, S. 324; Anal. hymn. LI, S. 215), s. B u l s t S. 106f.; unbegründet'Inclite caesar ave' (Poetae V , S.404), s. B u l s t S. i i 7 f . Ekkeharti (IV.) Casus sancti Galli her. von G. M e y e r v o n K n o n a u 1877 (Namenverzeichn. S. 485); W. B u l s t Susceptacula regum in: Corona quernea 1941, S. 97. ^ Bulst
alia, quae dictans et medens insigniverat. fecit enim Otmaro decoras illas antiphonas et ymnum KRector aeterni metuende secli' et quedam susceptacula regum et ymnum de una virgine non martyre, id est' Ymnum beatae virgini' (Kap. 123, ed. M e y e r v o n K n o n a u S. 398; ebenda Kap. 74, S. 263 Notkerus, quem pro severitate disciplinarum Piperis granum cognominabant). Die Antiphonen sind bisher nicht nachgewiesen, ebensowenig susceptacula regum. Seine Verfasserschaft an den Hymnen hat keine Gewähr als die Angabe Ekkeharts. KRector' etc. ( C h e v a l i e r 17054) ist her. von H. C a n i s i u s Lect. ant. V, S. 757 (ed. B a s n a g e I I 3, S. 210); A. S c h u b i g e r Die Sängerschule St. Gallens. Exempla S. 42; F. J. M o n e Lat. Hymnen III, S. 470 (falsch Walahfrid zugeschrieben), ohne
Notkerus Piperis granum, s. N o t k e r u s medicus. Nouhusius, s. ' L o h e n g r i n ' .
O OdovonMagdeburg, s. ' H e r z o g , E r n s t ' . 'Orendel'. 1. Der 'O.', den man auch den "Grauen Rock' nennen könnte, wird im Jahre 1196 oder kurz darauf in Trier entstanden sein. In jenem Jahr ließ Erzbischof Johann von Trier die Reliquie des hl. Rockes aus dem Nicolausaltar in den Hauptaltar des Doms überführen. Nach der Legende hat die hl. Helena, die in Trier geboren worden sein und dort auch gewohnt und ein Haus gehabt haben soll, den Rock Christi durch den Bischof Agröcius nach Trier gesandt. Die Sage, daß Helena aus Trier stamme, begegnet uns bereits im 9. Jh. beim Benediktiner Almanus von Hautvillers, die ausgebildete Legende jedoch erst 300 Jahre später. Noch als A b t Berengosus von St. Maximin zu Beginn des 12. Jhs. ein Buch über Helenas Kreuzfindung schrieb und darin auch ihre Beziehungen zu Trier behandelte, erwähnte er den Rock nicht. Auch A b t Thiofrid von Echternach, der zwischen 1101 und 1106 ein Buch über die Verehrung der Reliquien verfaßte, das er dem Erzbischof Bruno von Trier (1101 —1124) widmete, wußte nur zu berichten, daß der hl. Rock in Safed gefunden und nach Jerusalem gebracht worden sei. Der Begründer der Legende, daß sich der Rock Christi in Trier befinde, ist der Erzbischof Bruno von Trier selbst, der im J ahre 1121 den Nicolausaltar weihen und offenbar damals den Grauen Rock in ihm bergen ließ. Er ist auch verantwortlich für eine Fälschung in der unter ihm geschriebenen ältesten Redaktion der 'Gesta Treverorum', wo in einer Urkunde des Papstes Silvester vom Jahre 327 auch der graue Rock Christi unter den Trierer Reliquien genannt wird. Vorbereitet war sein
Unterfangen freilich durch ein älteres Gerücht. Schon in der nach 1054 entstandenen ' Vita Agriéis' wird erwähnt, daß sich im Dom eine verschlossene Kiste befinde, in der einige den Rock Christi, andere seinen Purpurmantel, wieder andere seine Schuhe vermuteten. Man habe sie zwar einmal öffnen wollen, doch sei der erste, der hineingesehen habe, erblindet. Diesem Gerücht verschaffte Erzbischof Bruno die Anerkennung. Neuen Auftrieb erhielt die Legende durch die Überführung der Reliquie in den Hauptaltar. Im Zusammenhang mit ihr wird der ' O . ' gedichtet worden sein. In der Folgezeit wird der Rock in keinem Zeugnis mehr erwähnt. Erst im Jahre 1512 ordnete Kaiser Maximilian seine Ausstellung an. Auch damals beschäftigte sich eine Reihe von Büchern mit der Reliquie, ja, es erschienen sogar zwei Drucke des 'O.'. 2. Das Epos beginnt mit einem Gebet an Christus. Dann wird in den Versen 1 7 — 1 5 4 die Vorgeschichte des hl. Rockes berichtet. Aus der Wolle eines Lammes haben ihn Maria gesponnen und Helena gewebt. Christus hat ihn während der vierzigtägigen Fasten und bei seinem Tode getragen. Nachher hat ihn sich ein Jude von Herodes erbeten. Da sich die Blutspuren nicht herauswaschen lassen, muß er ihn jedoch aul dessen Geheiß in einen Steinsarg verschließen und 72 Meilen weit ins Meer werfen. Ein Siren erbricht den Sarg und vergräbt den Rock am Strande neun Klafter tief. Im neunten Jahr kommt dieser aber wieder an die Oberfläche, und nun findet ihn der Pilger Tragemunt. Dieser erkennt, als auch er die Blutspuren nicht herauswaschen kann, daß es sich um den Rock Christi handelt, und wirft ihn, weil keiner würdig ist.
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'Orendel'
ihn zu tragen, wieder ins Meer, w o ihn ein W a l verschlingt und acht Jahre im Magen behält. Die Verse 155 — 813 behandeln Orendels Ausfahrt, S c h i f f b r u c h und A u f e n t h a l t beim Fischer Ise. E r ist der Sohn K ö n i g s Öugels v o n Trier. A u f den R a t seines V a t e r s hin bricht er mit 72 Schiffen auf, u m u m Bride, die Königin v o n Jerusalem und des heiligen Grabes, zu werben. E r erleidet jedoch S c h i f f b r u c h und k a n n sich allein n a c k t auf eine Insel retten. Hier wird er der K n e c h t des Fischers Ise. B e i einem glücklichen Fischzug f ä n g t er den Wal, in dessen Magen Ise den R o c k findet. F ü r 30 Goldpfennige, die ihm Maria durch den E n g e l Gabriel sendet, erwirbt er den grauen R o c k , nach d e m er v o n nun an selbst der Grawe Roc genannt wird. I n ihm zieht er mit U r l a u b des Fischers z u m hl. Grabe. In den Versen 814 — 3201 erlangt er Bride zur F r a u und die Herrschaft über das hl. G r a b . N a c h siegreichen K ä m p f e n über die Heiden kehrt er mit Bride nach Trier zurück. Nach vierzehn T a g e n t r ä u m t diese jedoch, daß das hl. G r a b in die G e w a l t der Heiden gefallen sei. Sie b i t t e t Orendel, mit ihr dorthin zurückzufahren. A l s er dazu bereit ist, fordert ihn ein E n g e l auf, den grauen R o c k in Trier zu lassen, w o er in einen Steinsarg geschlossen wird. Die Verse 3202 — 3863 schildern die Wiedereroberung des hl. Grabes. D a b e i wird Bride zweimal gefangengenommen. D a s erstemal wird sie v o n Orendel und Ise, den jener schon vorher z u m Herzog erhoben hat, m i t Hilfe des Pförtners Achille, das zweitemal v o n einem ihrer Diener befreit. Die Schlußverse 3864 — 3891 lassen Orendel, Bride, Ise und Achille ins K l o s t e r gehen. W i e ein E n g e l vorher verheißt, werden ihre Seelen nach einem halben Jahr und zwei T a g e n ins Himmelreich geführt.
3. Was der Dichter vom hl. Rock erzählt, ist weitgehend seine Erfindung. Die Grundlinien der eigentlichen Handlung entnahm er einer Fassung des spätgriech. Romans Appolonius von Tyrus. Besonders nahe steht dem O. die afrz. Nachahmung Jourdain de Blaivies. Von den verwerteten Motiven fand der Dichter in seiner Quelle den Schiffbruch, die Aufnahme bei einem Fischer, den Erwerb eines Rockes, den Gang zur Stadt, die Gewinnung der Gattin, die Belohnung des Fischers, die Rückreise, die Trennung von der Gattin und die Wiedervereinigung vor. Dabei hat er z. T. die Schicksale der Tochter im Appoloniusroman mit auf Bride übertragen. Verwertet hat er außerdem zeitgeschichtliche Ereignisse, die ihm durch die Erzählungen von Jerusalempilgern bekannt geworden sein werden. Sie bilden vor allem den Hintergrund für den Schlußteil. 1183 hatte derfranz. Ritter Guido von Lusignon sich mit
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Sibylla, der Schwester König Balduin IV. von Jerusalem, vermählt, von der er 1186 zum König gekrönt wurde. Im folgenden Jahr aber bemächtigte sich Saladin der Stadt. Die Namen hat der Dichter frei gewählt. Daß Orendel denselben Namen trägt wie der Riese Aurvandill in der ' SnorraEdda' dessen erfrorene Zehe Thorr als Stern (Aurvandils td) an den Himmel wirft, oder wie Amleths Vater Horvendil bei Saxo Grammaticus und daß sich Örendil mit ae. earendel „Morgenstern" gleicht, berechtigt uns nicht, neben dem Appoloniusroman noch eine ältere germanische Orendeldichtung als Quelle des Dichters anzunehmen. Der Name Orentil, Orendil ist vom 8.—11. Jh. in den Urkunden wiederholt belegt. Der Dichter hat ihn ebenso aufgegriffen wie den Namen Öugel, den er Orendels Vater gegeben hat. 4. Die dichterische Leistung des Verfassers ist weder im Formalen noch in der Erfindung hoch. Versbau und Reimtechnik verraten wenig Sorgfalt, der sprachliche Ausdruck ist ungelenk und eintönig. Eingewirkt hat der 'O. 'auf eine jüngere Fassung des 'Oswald' (s. d.). 5. Die einzige bekannte Hs. (H), die ehemals der Johanniterbibl. zu S t r a ß b u r g gehörte und dann in die dortige Stadtbibl. gelangte (litt. B.92), ist 1870 verbrannt, doch h a t sich in Berlin (Ms. Germ. 4 0 817a) eine A b s c h r i f t Engelharts aus d e m Jahre 1818 erhalten. Sie s t a m m t e aus dem Jahre 1477. A u f einer anderen Hs. beruht der Augsburger D r u c k H a n n s Froschauers aus dem Jahre 1512 (D): ' E i n hübsche Histori zu lesen von vnsers herre roch wie der wunderlich einem kunig (Orendel genant) worden ist. Der in gen Trier pracht hat vnd da selbst in ein sarch verschlossen. Der yetz bey kayser Maximilians zeit erfunden ist.' I m gleichen Jahr erschien v o n H a n n s O t h m a r in A u g s b u r g eine Prosaauflösung (P): ' Von dem vntrenlichen vngenaten Rock vnsers herren Jesu christi ...'. Sie ist nach einer dritten Hs. gefertigt, die als ein gar altes buchlin bezeichnet wird, das fast maisterlich vnd mit großem fleiß geschriben ist. D und H gehen auf eine gemeinsame Vorlage (*U) zurück, die in D a m besten erhalten ist. N o c h besser als *U war *Z, die Vorlage v o n D . A u f einen Fehler des A r c h e t y p u s (*A) weist verzihet (erzaig(e)t H P , versagt D). Herausgegeben h a t den ' O . ' zuerst F . H . v o n d e r H a g e n Der ungenähte graue Rock Christi . . . aus der einzigen Handschrift, mit Vergleichung des alten Drucks 1844. Seine A u s g a b e ist v o n W e r t als weitgehender A b d r u c k v o n H . K r i t i s c h unzulänglich ist t r o t z guter Besserungen im Einzelnen
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Ortolf von Baierland —
die Ausgabe L . E t t m ü l l e r s : Orendel und Bride, eine Rune des dt. Heidenthums, umgedichtet im 12. Jh. zu einem befreiten Jerusalem 1858. Kritischen Ansprüchen genügt erst die Ausgabe von A. E. B e r g e r , der erstmals auch P herangezogen h a t : Orendel . . . mit Einleitung und A nmerkungen 1888. Manche Fortschritte über sie hinaus zeigt noch die Ausgabe H. S t e i n g e r s Orendel (Adt. Textbibl. Nr. 36) 1935. Das Schrifttum verzeichnen E h r i s m a n n II, 1, S. 3 3 7 — 345 und S t e i n g e r in der Einleitung zu seiner Ausgabe. Vgl. noch H. S c h n e i d e r Helden2i943, dichtung, Geistlichendichtung, Ritterdichtung S. 247t.; H. de B o o r Die Gesch. der dt. Lit. I, i949, S.256f. w m y K r o g m a n n
Ortolf von Baierland (Nachtrag): Lichtdr.: G. E i s Altdt. 102f. D e r s . Studien zur S. 37 und 49.
Hss. 1949, S. 84t. und altdt. Fachprosa 1951, TT
Hannemann
'Ortnit.' 1. Der 'O.' ist um 1225 von einem ostfränk. Dichter geschrieben worden. Es besteht aus 5Q7 Str. im Hildebrandston. Ortnit, der König von Lamparten, hat seinen Sitz zu Garte. Seine Ratgeber legen ihm nahe, sich zu vermählen, und sein Mutterbruder, König Iljas von Riuzen, rühmt ihm Sidrat, die Tochter des Heidenkönigs Machorel von Tyrus, der die Krone von Jerusalem trägt. Ortnit ist bereit, um sie zu werben. Daß ihr Vater jeden Freier töten läßt, schreckt ihn nicht ab. Als er eine mächtige Flotte gerüstet hat, begibt er sich auf den R a t seiner Mutter noch ins Gebirge, wo er im Grase ein schönes Kind mit überirdischen Kräften findet. Es ist der Zwergenkönig Alberich, der sich ihm als sein Vater zu erkennen gibt. Er holt ihm aus dem Berg eine Rüstung und das Schwert Rose und sichert ihm seine Hilfe bei der Brautiahrt zu Als die H o t t e absegelt, sitzt Alberich unsichtbar im Mastkorb. Nach zwölftägiger Meerfahrt gelangt Oitnit von Massina aus nach Tyrus. Als Machorel am Abend auf der Burgmauer spazieren geht, bringt Alberich die Werbung vor, doch weist der König den Unsichtbaren wütend ab. So kommt es zur Eroberung von Tyrus, die mit Hilfe Alberichs und Ilias' gelingt. Jener eilt zur Königsburg Muntabur, wo die Prinzessin auf den Knien liegt und ihre Götter um Rettung der Ihrigen anfleht Er sagt ihr, daß sie ihren Vater nur retten könne, wenn sie Ortnits Frau werden wolle. Sie ist bereit dazu; der Zwergenkönig zeigt ihr von der Zinne ihren künftigen Gatten, der im Hofe mit den Heiden kämpft. Als die Burg genommen ist, zieht Ortnit mit seiner Braut nach Tyrus zurück, wo er mit ihr an Bord geht. Auf der Heimfahrt wird die Prinzessin auf den Namen Liebgart getauft. Macharel aber sinnt auf Rache. E r stellt sich so, als ob er versöhnt sei, und sendet Ortnit zwei große Eier, aus denen angeblich ein Edelstein und ein Elefant hervorgehen sollen.
'Ortnit'
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In Wirklichkeit sind es jedoch Dracheneier. Die ausgeschlüpften Lindwürmer verheeren das Land. Obgleich seine Gattin ihn weinend zurückhält und auch Alberich ihn warnt, zieht Ortnit aus, um sie zu töten. Nach langem Suchen schläft er aber unter einem Baum ein und wird von dem einen Drachen verschlungen. Die Königin klagt um den Toten. Der Schluß stellt die Verbindung mit der Wolfdietrichsage her (s. 'Wolfdietrich'). Die Drachen werden vom Urahn Dietrichs von Bern erschlagen.
2. Schon K . M ü l l e n k o f f hat erkannt, daß Beziehungen zwischen Ortnit von Garte in Lamparten und Hertnid von Garda (Novgorod) bestehen. Der Name Hertnit von Riuzen begegnet uns auch in einer Reihe mhd. Dichtungen. Näheres von ihm berichtet uns die aus nd. Quellen schöpfende 'Thidrekssaga'. Hier ist Hertniö von Holmgarör der Sohn des Iarl Ilias von Greka. Als er zwölf Jahre alt ist, sendet ihn und seinen zehnjährigen Bruder Hiröir sein Oheim Osanctrix als Werber zu König Milias von Hunaland, von dem beide in Eisen gelegt werden. Weiter hören wir, daß Mimir Sigurör Helm, Brünne und Schild gibt, die er für Hertni 5 von Holmgarör geschmiedet hat. Dessen Gattin ist die zauberkundige Ostacia, die Tochter des Königs Runi von Austrriki. Als es zum Kampf zwischen Hertniö und König Isungr von Bertangaland kommt, kommt sie jenem zu Hilfe. Sie zaubert Löwen, Bären und Drachen um sich herum, die sie gegen die Feinde schickt. Unter ausdrücklicher Berufung auf dt. Lieder wird gesagt, daß ihr Heer wie leibhaftige Teufel gewesen sei. Auch sie selbst greift als Flugdrache in den Kampf ein, wobei sie tödlich verwundet wird. Der Sieg König Hertniös ist vollkommen. Zwar ist auch er schwer verwundet, doch wird er von den tüchtigsten Ärztinnen geheilt. Als er heimkehrt, findet er Ostacia im Sterben. Er selbst vollbringt als König noch viele große Taten. Der Bericht über ihn schließt: oc af hanum er allmikil saga. po at pes verde nu eigi her getet i pessare frasQgn. Die zugrundeliegenden nd. Lieder stehen unter russ. E i n fluß. Iljas af Greka ist der berühmte Ilija von Murom der russ. Bylinen. Ostacia aber haben R. H e i n z e l und W. H a u p t ansprechend mit der russ. Palenica Nastasia geglichen. Auch der Name Hertnid könnte in russ. Munde zu Ortnid geworden sein, wie Parallelen wie Olena < gr. "EXsvcc, Olgb < an. Helgi und Olga < an. Helga zeigen. Den Sagenaustausch vermittelte der Handel in Novgorod.
3. Im allgemeinen wird die Ansicht vertreten, daß die nd. Lieder von Hertnid nach Oberdeutschland gedrungen seien, wo man Garda „Novgorod" fälschlich mit Garda am Gardasee gleichgesetzt und daher das russ. Reich Hertnids nach Oberitalien verlegt habe. So einfach scheinen die Verhält-
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'Ortnit'
nisse jedoch nicht zu liegen. Hertnid wird vielmehr nur eine Komponente Ortnits sein. Daneben wird es einen zu Hertnid in keiner Beziehung stehenden Ortnit gegeben haben, der in Oberitalien beheimatet war und von Anfang an zur Wolfdietrichsage gehörte. Unter dieser Voraussetzung befremdet es auch nicht, wenn das von ihm Berichtete unrühmlich und nicht vollgewichtig erscheint. Wieder ersehen wir aus der 'Thidreksaga', was erzählt wurde. Die Meinung, daß schon in ihr die Namensformen Hertnid und Ortnid wechselten, ist irrig. Vielmehr sind die Träger beider Namen verschieden. Lediglich die Hss. A B haben Ortnid durch Hertnid ersetzt. Die schwed. Übersetzung, die sich auf die jetzt lückenhafte alte Stockholmer Hs. gründet, bietet Ortnid. König Ortniö von Bergara (Bergamo), der mit Isold vermählt ist, hört, daß in einem Walde ein Drache viel Unheil anrichtet. Er entschließt sich, gegen ihn zu ziehen und entweder Ruhm oder Tod zu gewinnen. Als er ihm begegnet, kann er jedoch nichts gegen ihn ausrichten. Der mächtige Lindwurm packt ihn mit seinen Klauen und fliegt mit ihm zu seiner Höhle, wo er seinen drei Jungen den toten König vorwirft. Getötet wird er dann von König Thiörekr von Bern, der auch Isold heiratet.
4. Gehen wir von dieser Darstellung aus, so läßt sich die eigentliche Leistung des "O.'-Dichters dahin bestimmen, daß er zum Drachenkampf eine Vorgeschichte erfunden und dadurch ein fast selbständiges Epos geschaffen hat. Der ganze erste Teil kommt auf seine Rechnung. Dabei hat er sich des beliebten Schemas der Brautwerbungsgeschichte bedient. Verwertet hat er das Incubusmotiv. Daß er neben Alberich aber auch noch Iljas heranzog, den er folgerichtig zum Mutterbruder Ortnits machte, legten ihm die nd. Hertnidlieder nahe, die sich ihm besonders dann anbieten mußten, wenn in ihnen die in russ. Munde aus Hertnid umgebildete Namensform Ortnid vorkam. Ihretwegen hat er auch den Herrschersitz des Königs von Bergamo nach Garda verlegt. Daß er Italien aus eigener Anschauung kannte, wird an mehreren Stellen deutlich. Er weiß, daß Trient mitten im Gebirge liegt, wie die große Heerstraße von Tirol nach Italien verläuft, daß in der Nähe von Garda Brescia und Verona liegen, nennt den Gartense und gibt richtig an, daß Ortnit sich links halten muß, wenn er von seiner Burg ins Gebirge reiten will.
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5. Bei der Ausgestaltung hat der Dichter sehr stark das Geschehen seiner Zeit berücksichtigt. Sein Werk spiegelt das staufische Italien, wie es sich zu Beginn der zwanziger Jahre des 13. Jhs. darbot. Ortnit ist wie Friedrich II. König eines einheitlichen I t a l i e n s , über elliu lant ze Walken.
Er
hat alle Lande vom birge unz an daz mer bezwungen. Wie die lombardischen Städte sind ihm auch Rom und Latran Untertan. In Trient hat er einen potestat. In Toscana herrscht sein Markgraf Helmnot, in Troja in der Capitanata, Luceria und Benevent sein Herzog Gerwart, auf Sizilien sein Vasall, der Sarazene Zacharis. Was der Dichter von Machorel und Muntabur zu erzählen weiß, verdankt er dem Kreuzzug von 1217. 1212 hatte Saladins Bruder Malek al Adel auf dem Berge Tabor eine Feste erbauen lassen, gegen die sich fünf Jahre später der Kreuzzug vor allem richtete. Es gelang zwar nicht, sie zu erobern, doch ließ der Sultan sie bald darauf schleifen. Schon 1218 starb Malek al Adel. Auf Tyrus kam der Dichter offenbar, weil hier 1225 die junge Isabella (Iolantha) zur Königin von Jerusalem gekrönt wurde, mit der sich Friedrich II. am 9. November 1225 in Brundisium vermählte, nachdem die Ehe zwischen ihnen schon vor ihrer Krönung durch Prokuration in Ackers geschlossen worden war. J ä n i c k e vermutet, daß erst die Vermählung des Kaisers mit Isabella dem Dichter die Anregung gab, die Erneuerung der alten Fabel von König Ortnits Brautfahrt zu versuchen. Diese Annahme wird nur insofern zu berichtigen sein, als es sich nicht um die Erneuerung, sondern um die Erfindung der Brautfahrt handelt. 6. Eine kurze Inhaltsangabe des 'O.' bietet das Gedicht von "Dietrichs Flucht' (s. d.) V. 2109—2294. Wenn hier der Heidenkönig Godian von Galame heißt und weder Alberich noch Ilias genannt werden, so berechtigen uns diese Abweichungen schwerlich, den erhaltenen '0.' als Bearbeitung eines älteren Epos aufzufassen, das dem Verf. von 'Dietrichs Flucht' vorgelegen hätte. Offenbar kannte dieser den 'O.' nur vom Hörensagen. Wie lückenhaft seine Kenntnis war, geht etwa daraus hervor, daß er die Tochter des Heidenkönigs gleich
Ostermayr, Doctor — Österreicher, Heinrich
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Liebgart nennt. Nur dieser dt. Name hatte sich ihm eingeprägt. Die vergessenen fremden Namen hat er eigenmächtig ergänzt. 7. D e n Drucke:
'O.'
überliefern
folgende
Hss.
und
A : A m b r a s e r S a m m e l h s . N r . 78 E , I v o n 1 5 1 7 a u f B l . 196 — 205. C : W o l f e n b ü t t l e r F r a g m e n t v o n u m 1300 m i t d e n S t r . 1 6 4 , 4 — 1 6 6 , 3 . W : e h e m a l s W i n d h a g e n e r , j e t z t W i e n e r H s . (Mod. ms. g e r m . 2279) v o n u m 1358 auf B l . 71» — 85«. a : H e i d e l b e r g e r H s . N r . 365 aus d e m 15. J h . auf B l . 1 — 3 6 a . b : H s . der F r a n k f u r t e r S t a d t b i b l . a u s d e m 1 5 . J h . auf B l . 1 — 4 0 . c : 1870 v e r b r a n n t e H s . der S t r a ß b u r g e r S e m i n a r b i b l . , die D i e b o l t v o n H a g e n a u u m 1450 schrieb, auf B l . 13 — 5 2 . E r h a l t e n ist eine A b s c h r i f t , die v o n d e r H a g e n g e h ö r t e , in B e r l i n (ms. g e r m . 4 0 768). d : e b e n f a l l s 1870 v e r b r a n n t e H s . der S t r a ß b u r g e r J o h a n n i t e r b i b l . v o m J a h r e 1 4 7 6 auf B l . I 7 3 a — I 9 5 b . e : H e i d e l b e r g e r H s . N r . 373 a u s d e m 15. J h . auf B l . 1 — 25». f : H s . der S t i f t s b i b l . z u O h r i n g e n a u s d e m 15. J h . auf B l . 1 bis 29. g : D o n a u e s c h i n g e r H s . v o n 1452 auf B l . 1 — 25. y : j e t z t der W i e n e r N a t i o n a l b i b l . (Nr. 1 5 4 7 8 , S u p p l . 3145) g e h ö r e n d e H s . d e s P i a r i s t e n k o l l e g i u m s z u S t . T h e k l a in W i e n auf 2 u n g e z ä h l t . B l l . u n d B l . 3 — 23 a l t e r Z ä h l u n g , z : v o r 1491 w a h r s c h e i n l i c h in S t r a ß b u r g erschienener D r u c k des H e l d e n b u c h s . D e n ä l t e s t e n T e x t v e r t r e t e n die H s s . W u n d A , w o b e i W den V o r z u g v e r d i e n t . I n C a b c d e f g y z liegt eine B e a r b e i t u n g v o r . 8. A u s g a b e n des ' O . ' b e s o r g t e n v o n d. H a g e n u n d P r i m i s s e r Der Helden Buch X, 1820 n a c h K ; F . J. M o n e Otnit 1821 n a c h A ; L . E t t m ü l l e r Künec Ortnides mervart unde tot 1838 n a c h W ; v o n d e r H a g e n Heldenbuch I, 1855 n a c h H u. C ; A . v o n K e l l e r Heldenbuch ( S t L V . 87, 1867), S. 12 — 125 n a c h z ; J . L u n z e r Ortneit und Wolfdietrich nach der Wiener Piaristenhs. (StLV.). E i n e kritische A u s g a b e n a c h M ü l l e n h o f s V o r a r b e i t , v e r a n s t a l t e t e n A . A m e l u n g u n d O. J ä n e c k e Ortnit und die Wolfdietriche B d . 1 (Dt. Heldenb u c h I I I , 1), 1 8 7 1 , S. 1 — 77. E i n e A u s w a h l b i e t e t E . H e n r i c i Das dt. Heldenbuch D N L . 7, S. 1 — 2 4 . Ü b e r s e t z u n g e n liegen v o r v o n K . S i m r o c k Das kleine Heldenbuch (1859), S. 367 — 505 ( W e r k e , h g . K l e e , B d . 8, S. 7 — 86 u n d K . P a n n i e r R e c l a m N r . 971 (1878 u. ö.). D a s S c h r i f t t u m v e r z e i c h n e t E h r i s m a n n S c h l u ß b a n d , S. 158 — 1 6 0 . V g l . ferner H . S c h n e i d e r Heldendichtung, Geistlichendichtg., 2 i 9 4 3 , S. 387, 3 9 6 f . ; H . d e Ritterdichtung Boor Gesch. der dt. Lit. I I , 1953, S. 206 — 208.
Willy Krogmann Ostermayr, Doctor, Augustiner. Von ihm eine Passionspredigt in Berlin, germ. 2° 1318, v. J. 1530, Bl. 218a—221a. Inc.: Nympt war, ich styrb von ewret wegen. Die Hs. stammt aus dem Katharinenkloster Nürnberg. K u r t R u h
800
Österreicher, Heinrich. 1. Als Mönch des Prämonstratenserklosters Schlussenried in Oberschwaben zog Ö. die Aufmerksamkeit des Grafen Eberhard im Bart auf sich, der ihm in seinen vielseitigen kulturellen Plänen eine wichtige Rolle zudachte. Ö. war Doktor des geistlichen Rechts und ein gesuchter Gutachter und Rechtsbeistand; er erwarb auch das Vertrauen Kaiser Friedrichs III., der ihn zu seinem R a t ernannte. Im Jahre 1481 wurde Ö. zum A b t von Schussenried gewählt. E r ließ sich besonders die bauliche Ausgestaltung und Verschönerung des Klosters angelegen sein und vermehrte dessen Besitzstand. E r starb am 18. April I505-
2. Im Auftrag des Grafen Eberhards im Bart übersetzte er Columellas zwölf Bücher 'De re rustica' in dt. Prosa. Diese Arbeit ist im Cod. cam. fol. 1 der Württ. Landesbibl. in Stuttgart in einer 1491 angefertigten Abschrift erhalten. Ö. legte seiner Arbeit eine Inkunabelausgabe zugrunde, von deren oft fehlerhaftem Wortlaut er in allzu ängstlicher Genauigkeit nur selten abzuweichen wagte. Sogar die Druckfehler seiner Vorlage spiegeln sich z . T . in seinem ganz von der lat. Wortstellung beherrschten Deutsch wider. Zuweilen übergeht er Bemerkungen, die ihm nur für italienische Verhältnisse in Betracht zu kommen schienen. Die Kapitelüberschriften, die im Original für alle 12 Bücher am Anfang des Gesamtwerks zusammengestellt sind, verteilte Ö. auf die Anfänge der einzelnen Bücher. Die zahlreichen Übersetzungsfehler und Unklarheiten seiner schwerfälligen Sprache wurden durch die Nachlässigkeit des Abschreibers noch durch weitere Entstellungen vermehrt. 3. Trotzdem ist das umfängliche Werk wegen des Gegenstands und der Absichten des Auftraggebers bedeutungsvoll. E s ist die erste systematische Darstellung der verschiedenen Zweige der Landwirtschaft in dt. Sprache und sollte — wie die gleichfalls Eberhard im Bart gewidmeten Übersetzungen Scherrenmüllers, Summenharts, Tüngers u. a. — dazu beitragen, die lat. Weltliteratur in den Gesichtskreis der Deutschen zu rücken. Eine lebendige Wirkung scheint Ö.s Arbeit allerdings nicht
'Osterspiel, Bozner' — 'Osterspiel, Neustifter (Innsbrucker)'
8oi
b e s c h i e d e n g e w e s e n z u s e i n , d a sie a u ß e r h a l b des Hofes u n d des Klosters nicht bekannt w u r d e . R u n d 50 J a h r e s p ä t e r t r a t e i n e selbständige, sprachlich gewandte und durch den Buchdruck verbreitete Columella- Übers e t z u n g v o n M i c h a e l H e r r ( S t r a ß b u r g 1538) a n ihre Stelle. Ausgabe von K . L ö f f l e r S t L V . Bd. 263—264 (1914); P. B e c k A D B . X X I V , S. 5 i 7 f . ; W . S t a m m l e r Ehrismann-Festgabe (1925), S . 1 7 9 (Stil); Th. F r e y , Graf Eberhard im Bart von Württemberg im geistigen und kulturellen Geschehen seiner Zeii
(^S)-
Gerhard Eis
*Osterspiel, Bofcner', i m A n s c h l u ß a n d i e M a r i e n k l a g e seit 1481, 1494, 1495, 1496, 1 5 1 4 , 1555 in d e n S t a d t a r c h i v a l i e n beurkundet, wahrscheinlich schon 1476 im R a h m e n der viertägigen Passionsspiele vorgeführt, jedenfalls 1 5 1 4 damit vereinigt u n d nach A u f l a s s u n g der Passionsspiele selbst noch 1555 abgehalten. Etliche Spielhss. enthalten i m C o d e x des B o z n e r L a t e i n s c h u l m e i s t e r s B e n e d i k t D e b s (s.d.), d e n V . R a b e r (s.d.) erbte. Das Osterspiel von 1520 ist beschrieben von A . P i c h l e r Über das Drama des MAs. in Tirol 1850, S. 43 — 51 (mit Inhaltsangabe und Proben); L . W i r t h Die Oster- u. Passionsspiele 1879, S. 123 bis 125; H. R u e f f Das Rheinische Osterspiel der Berliner Hs. Ms. germ. fol. 121g 1925 S. 96, Anmerk. 1. Vgl. o. III, Sp. 774, 779ff., 794. A . Dörrer 'Osterspiel' des Benedikt D e b s i n B o z e n (s.o. I S p . 4 0 5 — 8 ; I I I S p . 7 4 i f f . ; 9 7 4 t ) aus dessen N a c h l a ß in die S a m m l u n g V . R a b e r s (s.d.) ü b e r g e g a n g e n , s t a m m t a u s d e r 2. H ä l f t e d e s 1 5 . J h s . , r u n d 500 l a t . und dt. Verse, Wettlaufszene burlesk, im Ganzen noch nicht veröffentlicht und behandelt. E s gehört nicht u n m i t t e l b a r der v o n J. E . W a c k e r n e l l gekennzeichneten G r u p p e d e s T i r o l e r P a s s i o n s s p i e l s (s. d ) a n . A b h a n d l u n g e n : A . P i c h l e r Über das Drama des MAs. in Tirol 1850, S. 142 — 170; dazu: J. E. W a c k e r n e l l u. A. D ö r r e r A. Pichler (181g bis igoo) 1925, S. 4off.; R. F r o n i n g Das Drama des MAs. 1 (1890), S. 103 —106 (Apostelszene): L. W i r t h Die Oster- und Passionsspiele 1889, S. 123 bis 125; J. E. W a c k e r n e l l Altdt. Passionsspiele aus Tirol (Quellen u. Forschungen z. Gesch., Litt, und Sprache Österreichs und seiner Kronländer hg. von J. H i r n u. J. E. W a c k e r n e l l 1) 1897, S. I f f . X L I X ; H. R u e f f Das Rheinische Osterspiel der Berliner Hs. Ms. germ. fol. 1219, 1925, S. 96 Anm. 1. A D ö r f e r Verfasserlexikon V .
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'Osterspiel, Neustifter (Innsbrucker)'. 1. Hs. des 'Ludus de resurrectione Christi' (cod. 960, Bl. 35 b —5o a ) in der Univ.-Bibl. Innsbruck, daher bisher die Bezeichnung 'Innsbrucker'; vor 1808 wahrscheinlich der Augustiner Chorherrenpropstei Neustift bei Brixen (Südtirol) gehörig; denn am Schlüsse der Hs. ist der Tod Oswalds von Wolkenstein (s. Nachtrag) v o m 2. 8. 1445 vermerkt, der sich in Neustift eingepfründet hatte (s. A . Graf von W o l k e n s t e i n - R o d e n e g g Oswald von Wolkenstein 1930, S. 95f.). Das Spiel entspricht der Gründungsaufgabe dieses Stiftes, den Gottesdienst eindrucksvoll auszugestalten. Heberegisterformat, 60 Blätter mit sehr einfacher Form des Ochsenkopfes der damals auch in Tirol viel verbreiteten Rabensburger Papiere (s. A. D ö r r e r Papiermühlen im allen Tirol Gutenberg-Jb. 1952, S. 30) als Wasserzeichen (vgl. Abbildungen in: Der Schiern 13 [1932]: Die Neustifter A b t e i ; Die zwei ersten Seiten des Neustifter Fronleichnamsspiels); 27,6 cm hoch, 10,5 — 1 1 cm breit; das feinumränderte Schriftbild 24,2 x 9 cm. Die Spielhs. am 1. Sept. 1391 als Abschrift vollendet. Schreiber aus Mitteldeutschland, wahrscheinlich aus Schmalkalden; Verfasser aus dem 3. bis 5. Jahrzehnt des 14. Jhs. aus Thüringen-Henneberg. Teufelsauftritte vielleicht erst im Hennebergischen entstanden. Mittel- und norddt. Kleriker, die in Tirol und Neustift wirkten, im MA. nicht selten (s. o. Nikolaus von Kues III, Sp. 601 ff.; Albrecht von Neustift Nachtrag). Hs. als Regiebuch stark abgenützt. Breite textliche Berührungspunkte (Ständesatire!) mit dem Wiener Osterspiel; in der weltanschaulichen Einstellung des klösterlichen Verfassers, Spielanführers und Spielpersonals dem Erlauer zunächststehend, d. h. von fahrenden Spielleuten und Klerikern ebenso mitbestimmt. 2. A u s g a b e n : F. J. M o n e Altteutsche Schauspiele 1841 (Bibl. der gesamten dt. National-Lit. 21), S. 107 — 144; W a c k e r n a g e l KL. 2 (1867), S. 364 — 366 (Auszüge); R . F r o n i n g Das Drama des MAs. 1 (1890), S. 94/97 (Thomas- u. Apostelszene); E. H a r t l Das Drama des MAs. 2 (1937), S. 136 — 189; dazu: d e r s . Textkritisches zum Innsbruck. Osterspiel ZfdA. 74 (1937), S. 213 — 226; A. D ö r r e r Forschungswende des mal. Schauspiels ZfdPh. 68 (1943), S. 2 4 - 8 6 . 3. A b h a n d l u n g e n außer von F . J. M o n e , Ph. W a c k e r n a g e l , R. F r o n i n g , E. H a r t l 1 u. 2 a . a . O . noch R . H ö p f n e r Untersuchungen zu dem Innsbrucker, Berliner u. Wiener Oster spiel (Germ. Abhh. 45) 1913; dazu I. E. W a c k e r n e l l D L Z . 37, Sp. 753/5); F. D o s i h n Über das Redentiner Osterspiel 1866, S. 19 — 24; L. W i r t h Die Oster- und Passionsspiele 1889, S. 120f.; E. W i l k e n Gesch. der geistl. Spiele in Deutschland 1872; K . Y o u n g The Drama of the Medieval Church 1933; dazu N. C. B r o o k in The Journal of English and Germanic Philology 33 (1934), S.286ff.; K . T h . R e u s c h e l Die Weltgerichtsspiele des MAs. (Teutonia 4) 1906, S. 1 4 8 I ; C r e i z e n a c h 1 (1911), S. i o ö f f . , 231; W . A r n d t Die Personennamen der dt. Schauspiele des MAs. 1904; H. B r i n k m a n n Zum Ursprung des liturg. Spiels Xenia Bonnensia 26
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•Osterspiel, N e u s t i f t e r (Innsbrucker)'
1929, S. 106 — 1 4 3 ; A. B r i n k m a n n Liturg. und volkst. Formen im geistl. Spiel des dt. MAs. 1932; M. S. d e V i t o L'Origine del Dramma liturgico 1938; R. G r i e s h a m m e r Sprachgestaltende Kräfte im geistl. Schauspiel des dt. MAs. (Jenaer Germ. Forsch. 16) 1930; H . N i e d n e r Die dt. und franz. Osterspiele bis zum 15. Jh. (Germ. Stud. 1 1 9 ) ; dazu R. S t u m p f l Z f d P h . 59 (1934), S. 286ff.; H . O t t Personengestaltung im geistl. Drama des MAs. 1939; R. B a n z Christus u. die Minnende Seele (Germ. Abhh. 29) 1908; P . L. L a n d s b e r g Die Welt des MAs. und wir 1922; L. W o l f f Die Verschmelzung des Dargestellten in die Gegenwartswirklichkeit im geistl. Drama des MAs. D t . Vjschr. 7 (1929), S. 267 — 304; O. B e c k e r s Das Spiel von den zehn Jungfrauen (Germ. Abhh. 24) 1905, S. 77ff.; A. G i n e r , A. S p a r b e r u n d M. S c h r o t t Festschrift zum 8oojähr. Jubiläum des Stiftes Novacella 1942, S. 1 0 4 ! 4. A b h a n d l u n g e n z u L i t u r g i e u. S p i e l außer K. L a n g e , K. Y o u n g , N. C. B r o o k s u. E d . H a r t l 1 u. 2 n o c h : E . K. C h a m b e r s The medieval stage 1903; B. R o t h Die Seckauer und Vorauer Osterliturgie im MA. (Seckauer Geschichtl. Studien 4) 1935; O. W o n i s c h Osterfeiern u. dram. Zeremonien der Palmweihe (St. Lambrecht e r Quellen u. Abh. 1) 1927; O. C a r g i l l Drama and Liturgy 1 9 4 1 ; J . A. J u n g m a n n Die Andacht der vierzig Stunden und das Heilige Grab, Liturg. J b . II/2 (1952), S. 184—198; H. F r h r . v o n C a m p e n h i u s e n f l e f Ablaut der Ostermesse HSB. 1952, 4; G. D a l m a n Das Grab Christi in Deutschland (Stud. über christl. Denkm. N F . 14) 1922. 5. Z u r I n s z e n i e r u n g noch: N. C. B r o o k s The Sepulcre of Christ in Art and Liturgy with special reference to the Liturgical Drama (Univ. of Illinois Studies in Languega and Literature VII/2) 1 9 2 1 ; d e r s . The Sepulchrum Christi and its Ceremonies in Late Medieval and Modern Times The J o u r n a l of English and Germanic Philology 27 (1928), S. i 4 7 f f . ; R . B a u e r r e i s s Sepulcrum Domini. (Abh. d. Bayer. Benediktinerakademie 1) 1936; A. S c h w a r z w e b e r Das Hl. Grab in der dt. Bildnerei des MAs. 1940; dazu G. S c h r e i b e r Theol. Revue 40 (1941), Sp. 2 7 5 ! ; A. R a v a Teatro mcdievale: L'Apparato scenico nella Visita delle Marie al sepolcro 1939. 6. Zu E i n z e l - A u f t r i t t e n u n d - R o l l e n : K . D ü r r e Die Mercatorszene im lat.-liturgischen, altdt. u. franz. religiösen Drama 1 9 1 5 ; O. S c h ü t t p e l z Der Wettlauf der Apostel und die Erscheinung, des Peregrinispiels im geistl. Drama des MAs. (Germ. Abhh. 63) 1930; A. B ä s c h l i n Die altdt. Salbenkrämerspiele 1929; F. O. K n o l l Maria Magdalena im geistl. Spiel des MAs. (Germanisch u. Deutsch 2) 1934; M. N. H o f f m a n n Die Magdalenenszenen im geistl. Spiel des dt. MAs. 1938; H . H a n s e l Magdalenenkult u. Magdalenenlegende 2. Vereinsschrift d. Görres-Ges. 1936, S. 45-"59; d e r s . Die Maria-Magdalena-Legende (Greifsw. Beitr. 16/1) 1937; d e r s . Zur Geschichte der Magdalenenverehrung in Deutschland Volk u. Volkstum her. von G. S c h r e i b e r 1 (1936), S.269 bis 277; G. R o s k o f f Gesch. des Teufels 1 (1868), S. 372 — 376 (mit Probestücken); M. J . R u d w i n
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Der Teufel in den geistl. Spielen des MA s. (Hesper. 6) 1 9 1 5 ; J . B o l t e Der Teufel in der Kirche ZfverglLg. 11 (1897), S. 249 —266; A. K o p p e n Der Teufel und die Hölle 1895; H. Z i e r e n Studien zum Teufelsbild in der dt. Dichtung von 1050—1250 1937; C. N e u l i n g Die komische Figur in den wichtigsten dt. Dramen 1890; F. C u l m a n n Der Apostel Petrus in der ältesten dt. Literatur (Gießener Beitr. zur d t . Phil. 12) 1928. 7. Z u r M u s i k : B. V e n z m e r Die Chöre im geistl. Drama des dt. MAs. 1897; J . K o t h e Die dt. Osterlieder des MAs. 1939; H . O s t h o f f Dt. Liedweisen und Wechselgesänge im mal. Drama Arch. f. Musikforschung 7 (1942), S. 6 5 f f . ; d e r s . Die Musik im Drama des dt. MAs. D t . Musikkultur 1943, S. 2 9 f f . ; E . A. S c h u l e r Die Musik der Osterfeiern, Oster spiele und Passionen des MAs. i95i8. Z u r I n s z e n i e r u n g : R . S t u m p f l Schauspielmasken des MAs. und der Renaissance-Zeit (Sehr, der Ges. f. Theatergesch. 41) 1930; d e r s . Kultspiele der Germanen als Ursprung des mal. Dramas 1936; d a z u : ZfdPhil. 1936/37; K. Y o u n g Dramalic associations of Easter Sepulchre (Univ. of Wisconsin Studies in Language and L i t e r a t u r e 10) 1920; K . H o l l Gesch. des dt. Lustspiels 1923; K. K l e i n Das geistl. Drama des MAs. 1922.
9. Im N. 0 . ist der mal. Dualismus, Welt und Überwelt, zum Durchbruch gelangt. Chorische Feierlichkeit des Gottesdienstes wechselt mit Schlägereien, lat.-liturgischer Gesang mit dt. Volkslied im Ausdruck zeitlicher Bewegtheit und in enger Verknüpfung. Deshalb haben unsere Nachkriegsverhältnisse dieses Mischspiel wieder nahegebracht; an den UniversitätenMünchen (1952) und Innsbruck (1953/54) wurde es zu Ostern in einer dem Nhd. angenäherten Übertragung und szenischen Vereinheitlichung erfolgreich dargestellt (Leitung Eberh. Horst). Die ursprüngliche Vorführung erfolgte in der Kirche oder in deren Krypta unterm Presbyterium, nahe beim Altar und dargestellten Grabe Christi (s. A. G l o c k Zur Mysterienbühne. Analecta Germanica 1906) im Anschluß an die Osterfeier, wie dies z. B. in Neustift und Brixen noch zu Anfang des 16. Jhs. üblich war (s. A. D ö r r e r Mal. Mysterienspiele in Tirol ArchfnSpr. 164 [1933] S. 165 ff.; ders. Bozner Bürgerspiele I [StLV. 291, 1942] ArchfnSpr. 164 [1933] S. iö5ff.; d e r s . Bozner Bürgerspiele I [StLV. 291, 1942] S. 143f.), noch aus der Anlage der dortigen Stiftskirche und aus dem Brixener Dommesnerbuch (s. H. M a n g Vom Altar zur Bühne Der Schiern 9 [1928] S. 501/2; ders. Der
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'Osterspiel, Neustifter (Innsbrucker)'
Domgottesdienst in Brixen um 1550 Zfkath. Theol. 52 [1928] S. 540—49) zu entnehmen ist. Das Osterspiel galt zunächst wie die Osterfeier der eigenen Kloster- und Kirchengemeinschaft, nicht für das Volk schlechthin, als fortgesetzter Gottesdienst, an dem auch die Singknaben, Schüler und Ministranten aktiven Anteil nahmen, so daß Priester Johannes als Epilogsprecher die Andächtigen aufforderte, ihrer nicht zu vergessen (v. 1303—10). Die Annahme, daß die benachbarten verbürgten Sterzinger Passionsspiele schon 1503 eine Frau (Martine Kelderer) auftreten ließen, hat schon O. Z i n g e r l e (GGA. 1899 Nr. 11, S. 853) berichtigt. Erst als die Bozner mit ihren Spielen sich aus ihrer gotischen Marienpfarrkirche auf Platz und Straßen begaben, wurden einzelne weibliche Nebenrollen Frauen überlassen (s. A. D ö r r e r Bozner Bürgerspiele I, S. 155). 10. So wie heute die Andächtigen in ihrer Zuordnung dem Gottesdienst, der Predigt, der Prozession in der Kirche in ihrer Blickrichtung, Haltung und Platzeinnahme folgen, zogen die einzelnen Schauszenen des Osterspiels die Teilnehmer an sich; sie drängten nach, so daß zeitweilig Unruhe und Unordnung entstehen konnte und zur Ruhe gemahnt werden mußte. In weltlichen Auftritten steigerte sich diese Beteiligung zu Kundgebungen, besonders wenn, wie in der Krämerszene oder Ständesatire, die Zuschauerschaft oder einzelne Berufsvertreter in die Handlung einbezogen wurden. Aber nicht minder ergriffen die Schmerzens- und Freudenausrufe Mariens und der übrigen Frauen. In manchen von Gottesdienst her geläufigen Gesang fielen alle Anwesenden ein. 11. Je nach dem Grad kirchlicher Haltung steigerte sich die geistliche Kleidung, wurden die Marien von den Engeln unterschieden, erhielt Christus Pristergewänder. Dagegen bevorzugten Soldaten, Knechte, Krämer drastische Berufsstücke ihrer Zeit, die Teufel Stricke zum Fesseln. Des Pusterbalks Nase ist künstlich verstärkt und bei den Teufels sind schon ganze Gesichtslarven anzunehmen. Die Darsteller setzten sich an ihren Standorten und erhoben sich, in die Handlung eingreifend. Der feierlichen
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Haltung in den liturgischen Partien entspricht die realistische in komischen. Die Gebärden ersetzen vielfach die Gesichtsmimik. Daß die Darsteller einschließlich der Singknaben nach dem Spiele in Speise und Trank begünstigt wurden, erwähnt der Epilog. An ihrer Spitze stand der expositor, der regens chori, der zugleich der Schreiber der Hs. gewesen sein mag. Ihm oblag vor allem das Kunststück der Überleitung der gegensätzlichen Auftritte, aber auch die Aufrechthaltung der Ordnung und Ruhe. Er hatte rund 54 Darsteller zu ihren Standorten geführt. 12. Pilatus hat in der Mitte auf dem Thronsessel Platz genommen, sozusagen in ironischer Anmaßung des bischöflichen oder äbtlichen Sitzes, unterredet sich mit seinem Diener, wie auch die Juden sich wegen der Grabbewachung beraten und Pilatus ersuchen. Dieser läßt vier Ritter kommen. Sie ziehen zum Grabe, schlafen bald; ein Engel erscheint und Christus erhebt sich aus dem Grabe. Pilatus entsendet einen Boten, der die Ritter schlafend vorfindet und dies seinem Herrn meldet. Pilatus macht ihnen Vorwürfe, der dritte Ritter wehrt sich und gerät mit den anderen in eine Prügelei. Christus fährt zur Hölle, vom Engelsgesang begleitet, und Adam begrüßt den Erlöser. Das Teufelsspiel leitet die Ständesatire ein. Indessen treten die drei Marien vor, klagen singend ihr Leid, während der Krämer mit Frau und Magd vortritt und aus der Zuschauerschaft sich Rubin als seinen Knecht hervorholt. Dieser nimmt sich (daraus?) zwei Unterknechte, die aber ihre Ziele zunächst im Publikum verfolgen. Die drei Marien streben dem Salbenkrämer zu. Es geht bald um den Preis der Salben. Die Frauen ziehen dem Grabe zu. Christus erscheint als Gärtner. Der ungläubige Thomas wird belehrt. Maria Magdalena berichtet Petrus und Johannes ihr freudigstes Erlebnis. Sie eilen zum Grabe und sehen die Tücher. Johannes stimmt den Preisgesagn auf den Erstandenen an. 13. Das N. O. berührt sich wörtlich mit Stellen der Innicher Spielfragmente (s. S. M. P r e m Miscellen aus Tirol AfdA. 15 [1889], S. 143; MföG. 31 [1910], S. 418; 26«
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'Osterspiel, Osnabrücker'
E. S c h r ö d e r Zu einem Tiroler Passionsspiel von etwa 1340 ZfdA. 72 [1935], S. 8) und des 'Tiroler Passionsspiels' (s. d.), besonders der Sterzinger und Schwazer (Brixner) Fassungen. Es steht textlich und räumlich diesen zunächst. Die Neustifter Hs. weist mehrmals Unordnung auf, die E. Hartl einzurenken suchte. Archivalische Belege für Aufführungen von Oster- oder Passionsspielen im alten Pustertaler Chorherrenstift Innichen fehlen noch. Seine liturgischen Hss. und kultischen Traditionen bedürfen erst näherer Untersuchungen. Der liturgische Eifer des Stiftes wirkte sich augenfällig seit dem 16. Jh. auf Ort und Landschaft bis ins Slowenische aus und veranlaßte noch im Barock verschiedene Prozessionen und Spiele (s. o. III, Sp.79Öf., 801). Mit ihren liturgischen Prozessionen scheinen die Chorherren und Singknaben von Innichen und Neustift als die wichtigsten Ausgangspunkte zugunsten der Mysterienspiele in Tirol und Nachbarländer gewirkt zu haben, zunächst in Lienz, viel nachdrücklicher in Sterzing, deren Patrizier sie in ihrer Art aufnahmen und fortführten. Noch heute zeugen vornehmlich Prozessionen von Lienz und Sterzing für diese alten und reichen Überlieferungen. Ordnungen und Sprechtexte aus ihrer Barockzeit sind für den Textband der "Bozner Bürgerspiele' (StLV 291) im Anschluß an deren Fronleichnams- und Karfreitagsspiele vorgesehen. j)örrer A
"Osterspiel, Osnabrücker'. 1. Domarchivar Dr. Christian D o l f e n fand 1929 die Hs. des mndt. Spiels als ehemaliges Eigentum des Frauenklosters Gertrudenberg, das dessen Verfasserin des klösterlichen Nekrologiums, G e r t r u d e B r i c k w e l d e , a m 1. September 1505 vollendet hatte. Eine Verschiedenheit zwischen Dichter und Schreiberin ist sprachlich nicht anzusetzen. Bis dahin besuchten Domschüler die klösterl. Gottesdienste. Ob sie am Spiel beteiligt waren, führt die Klosterchronik nicht an. Heute die Pergamenths. im bischöfl. Generalvikariat Osnabrück. 12 cm breit, 17 cm hoch in OriginalIedereinband um 1500 mit zwei Originalmessingschließen. Lage I 1 Bl., Lage I I 10 Bl., Lage I I I 20 Bl. (zwei mit T e x t herausgeschnitten), Lage I V 28 Bl. (zwei herausgeschnitten), Lage V 35 Bl., Lage V I 43 Bl., Lage V I I 51 Bl., L a g e V I I I 59 Bl., L a g e I X 67 Bl., Lage X 75 Bl., Lage X I 83 Bl., L a g e X I I 91 Bl., L a g e X I I I 99 Bl., L a g e X I V
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107 Bl. (zwei herausgeschnitten), L a g e X V 115 B l . (zwei Außen- und sechs Innenblätter herausgeschnitten), Lage X V I 1 1 7 Bl., L a g e X V I I 125 Bl., Lage X V I I I 131 Bl., L a g e X I X 139 Bl., Lage X X 149 Bl. Das Osterspiel ist Bl. 130» bis I5ö b sauber und übersichtlich, doch nicht fehlerfrei geschrieben, Bühnenanweisungen sind stark gekürzt, die lat. T e x t e ausnahmslos durchgeschrieben, die 584 dt. Verse abgesetzt, ohne Interpunktionen. 2. A u s g a b e : H. H . B r e u e r (u. Chr. D o l f e n ) Beitr. zur Gesch. und Kulturgesch. des Bistums Osnabrück 1939, S. V I I — X I I u. 1 — 1 1 8 u. 10 T a f . ; dazu E . H a r t l A f d A . 60 (1941), S. 1 2 3 — 1 2 7 .
3. Wie beim Neustifter Osterspiel (s. d.) dürfte die liturgische Prozession mit ihren Stationen entscheidend für das Spiel geworden (s. O. S e n g p i e l Die Bedeutung der Prozessionen für das geistl. Spiel des MAs. in Deutschland 1932; dazu: A. D ö r r e r DLZ. 1934, Sp. 301—8; X. H a i m e r l Das Prozessionswesen des Bistums Bamberg im MA. [Münchner Studien z. hist. Theol. 14] 1937) u. zunächst von der Anlage des klösterl. Kreuzganges abgehangen sein (s. J. S a u e r Symbolik des Kirchengebäudes u. seiner Ausstattung in der Auffassung des MAs. 2 1924; N. W i d l ö c h e r Un prezioso codice per la storia dei Canonici Regolari e la sconosciuta regola SS. Patrum Bollettino della Società Pavese di Storia Patria, N. S. Vol.I Fase. III e IV 1935). Da Vorbilder für die Anlage nicht bekannt sind, rückt das O. O. der geistigen Einstellung nach zwischen das Trierer O. und das St. Galler Passionsspiel. 4. Eröffnet wird das 0. O. durch einen Vorspruch des Regens und einen Engelchor, dann setzen sich Infernus und Satan über die Gottheit Christi auseinander. Höllenfahrtszene; 1. Wächterszene mit Kaiphas vor Pilatus und Kaiphas mit den Soldaten zum Grabe; Grabbesuch der drei Marien und Bericht an die Jünger; Magdalena vor Christus und vor den beiden anderen Marien; 2. Teil der Ostersequenz Victimae paschali; Jesus vor den drei Marien; deren Botschaft an die Jünger; Emmaus; Lukas und Kleophas melden den übrigen Aposteln; Jesus vor den Jüngern; die Wächter unter sich, vor den Hohenpriestern und vor den Jüngern; ihr Geständnis; Thomasszene. Sonach fehlen die Krämerszene, der Salbenkauf und die Weglieder; der Wettlauf
Sog
'Osterspiel/!Rheinisches'
(angedeutet durch Chorgesang), die Grablegung (ebenfalls im Liede angedeutet) und die Auferstehung. Ausgeweitet ist die 2. Wächterszene, das Zusammentreffen der Jünger mit den Grabwächtern. Im Vordergrund stehen die fünf Erscheinungen. Hoheitsvoller oder gedämpfter Ton, Darsteller als Figuren hervorgehoben, der Chor im Vordergrund in Verbindung mit dem erläuternden Auftreten des Regens. Christus verkörpert im liturgus et celebrans! 5. A b h a n d l u n g e n (außer den beim Neustifter Osterspiel angeführten): J . K l a p p e r Der Ursprung der lat. Osterfeier ZfdPh. 50 (1923), S. 4 6 — 5 8 ; K . Y o u n g The home of tke Easter play Speculum 1 (1926), S. 75 — 86; O. S c h ö n e w o l f Die Darstellung der Auferstehung Christi 1909; G. D a l m a n DasGrab Christi in Deutschland 1 9 2 2 ; R . S t a p p e r Liturgische Osterbräuche im Dom zu Münster 1 9 2 4 ; J . S c h w i e t e r i n g Über den liturg. Ursprung des mal. geistl. Spiels Z f d A . 62 (1925), S. 1 — 20; P. E . K r e t z m a n n The liturgical dement in the earlist formes of the medieval drama (Univ. of Minnesota studies in language and lit. 4) 1 9 1 6 ; K . W . S c h m i d t Die Darstellung von Christi Höllenfahrt 1 9 1 5 ; J . K r o l l Zur Gesch. des Spieles von Christi Höllenfahrt 1 9 3 0 ; Higini A n g l e s La müsica a Catalunya fins al segle XIII 1935; P. W a g n e r Ursprung und Entwicklung der liturg. 2 Gesangsformen bis zum Ausgang des MAs. igoi (Erweiterte franz. Ausgabe 1904); d e r s . Ein vierstimmiger Agnustropus Kirchenmusikal. J b . 1 9 3 1 , S. 7 — 1 2 ; O. C a s e l Art und Sinn der ältesten christlichen Osterfeier JbfLitwiss. 14 (1938), S. 1 bis 7 8 ; F . B . H a r d t Die geistl. Spiele Benediktin. Ms. 1 3 ( 1 9 3 1 ) , S. 224ff. f 2 7 7 f f . ; L . S c h a b e s Alte liturg. Gebräuche und Zeremonien a. d. Stiftskirche zu Klosterneuburg 1930. Das O. O. hat mit dem von K . B o r c h l i n g Bruchstück eines Osnabrücker Osterspiel a. d. Ende des 14. Jhs. J b V N d S p r . 2 3 (1897), S. 1 2 0 angeführten und von K . D ü r r e Das Osnabrücker Osterspiel Niedersachsen 24 (1919), S. 301 — 306 ediert. Passionsspiel nichts zu tun. Dörrer
'Osterspiel, Rheinisches'. 1. Papierhs. Ms. Germ. fol. 121g der Staatsbibl. in Berlin aus dem Nachlaß des 1906 verstorbenen Magdeburger Archivdirektors Dr. E d . Ansfeld in modernem dunkelroten Kalikoeinband. Papier, Schmalfolio, 3 0 x 1 1 cm, vier Lagen, 29 Blätter mit Ochsenkopf als Wasserzeichen aus der Mitte des 1 5 . Jhs. Lage I — I I I in Kursive die Niederschrift des Rh. O. mit Schreibervermerk auf Bl. 2 8 a eines Helffricus, Osteroktav 1460, auf Schlußblatt Processio und Personenverzeichnis. Die dt. Verszeilen des Dialogs abgesetzt, die Judengesänge fortlaufend geschrieben. Die lat. geistl. Gesänge meist nur begonnen, allein in den alten Szenen der Visitatio und Erscheinung wichtige Tropen, Antiphonen und Hymnen mit ihren dt. Begleitstrophen vollständig und mit Noten-
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linien versehen. Nur die junge Vagantenstrophe ' Nunc vadamus' und der S a t z ' Raboni, quod dicitur magister' Noten. Insgesamt 2 2 8 5 Verse. U m 1 4 5 0 entstanden. 2. A u s g a b e : H . R u e f f Das Rheinische Osterspiel der Berliner Hs. Ms. Germ. fol. 121g mit Untersuchungen zur Textgeschichte des dt. Osterspiels ( G G A b h . N F . 18/1) 1 9 2 5 (besorgt v. E . S c h r ö d e r ) ; E . S c h r ö d e r G R M . 1 3 (1925), S. 4 9 i f . ; F . M a u r e r Lbl. 1 9 3 1 , S. 24 — 26; C r e i z e n a c h 1 2 ( i 9 i i ) , S. 107, 1 1 2 . M a i n z e r P a s s i o n s v o r f ü h r u n g e n : siehe F . H e r r m a n n Beitr. z. hess. Kirchengesch. 3 (1909), H. 4 ; M a i n z e r O s t e r f e i e r n s. R u e f f S. 3 7 f f - , S. 7 1 ff. Abhandlungen: s. 'Osterspiel, Neustifter. Osnabrücker'.
3. Heimat des Verfassers und des Schreibers Helfrich ist das nördliche Rheinhessen und der Rheingau mit Mainz als Mittelpunkt. Dort gab es einen Vikar Helfricus aus Wörrstadt in der i . Hälfte des 15. Jhs. Das Spiel umfaßt 2285 dt. Verse, die Spielanweisungen sind lat. eingetragen. Über 70 Darsteller treten auf (60 sind namentlich angeführt). Engel singen ihr Silete, darunter der Präcursor mit der Mahnung an die Hörer, sich ruhig zu verhalten. Der Salvator in Dalmatica erhebt sich singend aus dem Grabe. Engel bedienen ihn. Die erschreckten Wächter machen nach dem Gesang der Sinagoge ihrem gepreßtem Herzen Luft. Nach neuerlichen Silete dringt Salvator in die Hölle und befreit die gläubigen Seelen (Adam, David usw.) aus den Händen der Teufel. Medicus aus Paris preist seine Salben vor Gumprecht und Smagkfol an. Auf ein neues Silete treten die drei Marien auf den Plan. Die Wächter haben sich nun erholt. Die Marien wenden sich an den Krämer und kaufen ihre Salben, finden aber schließlich das Grab leer. Maria Magdalena klagt sich nun als große Sünderin an; ihr erscheint Salvator als Gärtner. Aus den Aposteln eilen zwei zum Grabe. Auf dem Gang nach Emmaus gesellt sich Salvator als Peregrinus den Trauernden zu. E r tritt schließlich unter die versammelten Jünger. Judenszenen schieben sich zwischen die nächsten Auftritte. Ausgießung des Heiligen Geistes und Schluß des Spiels in Form einer gereimten Predigt auf das Altarssakrament. Das Rh. O. ist das umfangreichste an Versen und Auftritten; es hat sich im
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'Osterspiel, Sterzinger' — 'Osterspiel, Wiener'
Gegensatz zu der Wetterauer Passionsspielgruppe ganz allein als solches entwickelt, ähnlich wie die Wormser Osterspieltradition von 13x6 und 1507. 1498 und 1510 wurde in Mainz je ein Passionsspiel aufgeführt. Die Auftrittsfolge des Rh. O. spricht für eine Zweiteilung der Simultanbühne bei dem in der Kirche aufgestellten Grabe der Pro- und Contra-Darsteller. Das Grab bildet die Scheidegrenze, angeglichen an das Wächterspiel. Das Rh. O. rückt den Ostergedanken wieder in den Mittelpunkt. E s ist eine stark individuelle Leistung im Geiste der Zyklusspiele. Die komischen Auftritte sind zurückgedrängt, burleske Ausfälle recht abgeschwächt. Der Stimmungswechsel ist gedämpft, das Interesse auf weitere biblische Vorgänge ausgedehnt, in Anbetracht der gehobenen und außerordentlichen kirchlichen Gemeinschaftsaufführung der Heilsgeschichte zugekehrt. Sie wird zum eindeutigen Gegenspiel für und wider Christus. Sorgfältige Bühnenanweisungen sprechen für die planmäßige Technik und bildmäßige Übersichtlichkeit, aus der Erfahrung eines Predigers, der sich um eine Reform des Ostererlebnisses erfolgreich bemüht.
A. Dörrer
'Osterspiel, Sterzinger', I. Pfarrkirchers, von i486, enthalten im Codex von Pfarrkirchers Sterzinger Passionsspiel, im Nachlasse V. Rabers (s. d.), Schmalfolio, 31 cm lang, 10,8 cm breit, 90 Blätter feinen, horizontal gewalktem Papiers, ursprünglich in eine Pergamenturkunde gebunden. Beschrieben von J. E. W a c k e r n e l l Die ältesten Passionsspiele in Tirol 1887, S. i ö f f . ; d e r s . Altdt. Passionsspiele aus Tirol 1897, S. L I X f f . , in der anschließenden Textausgabe des Sterzinger Passionsspiels berücksichtigt (von 4334 Versen sind 1497 abgedruckt).
A. Dörrer
'Osterspiel, Sterzinger', II. von 1496 und 1503, enthalten im Codex des damaligen Sterzinger Passionsspiels, im Nachlasse V. Rabers (s.d.) im halbbrüchigen Folio, 51 Blätter, 11 cm breit, 35 cm hoch, aus starkem, horizontal gewalktem Papier, in eine etwas ältere Pergamenturkunde gebunden. Beschrieben von J. E. W a c k e r n e l l Die ältesten Passionsspiele in Tirol (Wiener Beitr. zur dt. u.
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engl. Phil. 2) 1887, S. 3ff.; d e r s . Altdt. Passionsspiele aus Tirol 1897, S. L f f . ; anschließend Textausgabe. Vgl. 'Passionsspiele, Tiroler', o. III, Sp. 741 ff.
A. Dörrer 'Osterspiel, Wiener*. In der Papierhs. vom Jahre 1472 der Wiener Natbibl. 3007: Hy hebit an das spil von der besuchunge des grabis vnd von der ofirstendunge gotis, aus altem Klosterbesitz, lat. und md., 1183 Verse, nahe verwandt mit dem etwas älteren Neustifter-Innsbrucker und dem „Berliner" Osterspiel. E s enthält Anspielungen an Schlesien, Böhmen, den Jahrmarkt und Klerus des Donaubeckens. Das Spiel beginnt mit des Pilatus Auftrag, Christi Grab zu bewachen, und endet mit dem Wettlauf der Jünger in Spielmannsart, berührt sich also nicht mit dem jüngeren Wiener Spiel der Ausführung Christi (s. d.) oder mit dem in md. (thür. ?) Bruchstücken erhaltenen Wiener Passionsspiel aus dem 13. J h . , niedergeschrieben um I 3 2 5 . 5 3 2 Verse (mitgeteilt von J . H a u p t Wagners Archiv f. d. Gesch. dt. Sprache u. Dichtung I, 1874, S. 355—81, u. R . F r o n i n g Das Drama des MAs. I, 1890/91, S. 305—24; vgl. A. O r e l Ms. 12887 der Wiener Passion, Mitt. d. Ver. f. Gesch. der Stadt Wien 6, 1936, mit Noten u. Faksimile; N e i l C. B r o o k s The sepulchrum Christi and its Ceremonies in Laie Mediaeval and Modern Times The Journal of English and Germanic Philology 27,1928, S.i53ff.), das mit Luzifers Verstoßung und dem Sündenfall beginnt, vornehmlich Maria Magdalenens Bekehrung darstellt und somit in die Paradeis- und Hauptsündenspiele übergleitet, ähnlich dem Benektbeurer Passionsspiel I I (ed. Froning, ebda. S. 284 bis 99), oder mit dem St. Lambrechter Auferstehungsspiel aus der Zeit um 1400. Die angeblich einzig erhaltene volkstümliche Dichtung des Alt-Ostschles. entstand wohl in der 2. Hälfte des 14. J h s . bei Ottmachau nach einer älteren, vielleicht rheinfränk.-hess. Vorlage, in einem Kloster für einen größeren Ort, ähnlich der Abschrift des sog. Innsbrucker Osterspiels von 1391 für Neustift-Brixen, und steht in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit der Wiener Osterfeier (ed. K . F . K u m m e r ZfdA. 25, S. 291: Post gloria patri Respon-
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'Oswald'
sorium). Es handelt sich vielmehr um ein Marktplatzmysterium in Simultaninszenierung (8 Bühnenorte) und bunten Gemisch von insgesamt zehn, ernsten Auftritten und sakralem Gesang, wenn auch meist schon verdeutscht, und burlesken, ja zotenhaftem Zeug, und geht dabei über den Rahmen des Neustifter-Innsbrucker Osterspiels noch hinaus, ohne als Ganzes diesseitiger zu wirken. Es wirbt aber stärker um Teilnahme und Verständnis der Laien. Neueste A u s g a b e : Das Drama des MA s., Osterspiele, her. von E . H a r t l (Dt. Lit., Reihe: Drama d. MAs. 2) 1937, S. 59 — 1 1 9 ; d a z u : A . D ö r r e r Forschungswende des mal. Schauspiels ZfdPh. 62 (1943), S. 24 — 96. Ältere Ausgabe: A . H. H o f f m a n n v. F a l l e r s l e b e n Fundgruben f. Gesch. dt, Sprache u. Lit. II (1837), S. 287 — 336. Teilausgab.: K . W a c k e r n a g e l Dt. Lesebuch I (1835/36), S. 78 bis 94; R . F r o n i n g Das Drama des MAs. I (1890/91), S. 97—102. Örtliche Abhandlungen: J. Z e i d l e r Das Wiener Schauspiel im MA. (Gesch. d. S t a d t Wien 3) 1903, S. 38, 86, 1 0 3 ! ; H. R u p p r i c h Das mal. Schauspiel in Wien Jb. d. Grillparzer-Ges. N F . 3, 1943) S. 31 f.; P . W . S t i x u. L. C h m e l Die Wiener Passion der gotischen Tafeln des verbrannten Chorgestühls zu St. Stephan in Wien 1950; L . S c h m i d t Das Wiener Maskenwesen des MAs. u. der Renaissance Jb. d. Ges. f. Wiener Theaterforsch. 1950/51, S. 22 ff. Allgemeine Abhandlungen: R . H ö p f n e r Untersuchungen zu dem Innsbrucker, Berliner u. Wiener Osterspiel (Germ. A b h h . 45) 1913, S. 58ff.; L . W i r t h Die Oster- und Passionsspiele bis zum 16. Jh. 1889, S. I 7 f f . ; W . C r e i z e n a c h Gesch. des neueren Dramas I 2 ( i 9 i i ) , S. 107, 1 1 1 , 222, 355, 579; R . S t u m p f ! Kultspiele der Germanen als Ursprung des mal. Dramas 1936, S. 232, 237, 2 6 2 ! , 295ff., 312, 320; H. N i e d n e r Die dt. u. franz. Osterspiele bis zum 15. Jh. (Germ. Studien 119) 1932, S. 1 4 7 f f . ; dazu R. S t u m p f l ZfdPh. 59 (1934), S. 276ff.; N e i l C. B r o o k s The Sepulchre of Christi in Art and Liturgy (Univ. of Illinois Studies VII/2) 1921; K . D ü r r e Die Mercatorszene im lat.-liturg., ad. u. franz. religiösen Drama 1 9 1 5 ; K . Th. R e u s c h e l Die dt. Weltgerichtsspiele des MAs. und der Reformationszeit (Teutonia 4) 1906, S. 149; O. S c h ü t t p e l z Der Wettlauf der Apostel und die Erscheinungen des Peregrinispiels im geistl. Drama des MAs. (Germ. A b h h . 63) 1930; A . B ä s c h l i n Die ad. Salbenkrämerspiele 1929; Er. K r ü g e r Die kom. Szenen in den dt. Spielen des MAs. 1931; H. M a s c h e k Die Christusgestalt im Drama des dt. MAs. Jb. der österr. Leo-Ges. 1932, S. 59, u. Neophilologus 22 (1936), S. 63; H . O t t Personengestaltung im geistl. Drama des MAs. 1939; F. O. K n o l l Die Rolle der Maria Magdalena im geistl. Spiel des MAs. (Germanisch u. Deutsch 8) 1934; M. N. H o f f m a n n D i e Magdalenenszenen im geistl. Spiel des MAs. 1933; K . W . S c h m i d t Die Darstellung von Christi Höllenfahrt
in den dt. und den ihnen verwandten Spielen des MAs. 1915; W . M ü l l e r Der. schauspieler. Stil int Passionsspiel des MAs. (Form u. Geist 1) 1927; J. K o t h e Die dt. Osterlieder des MAs. 1939; H. O s t h o f f Liedweisen und Wechselgesänge im mal. Drama Archiv f. Musikforschung 7 (1942), S. 6 7 f f . ; D e r s . Die Musik im Drama des dt. MAs. Dt. Musikkultur 1943, H. 3/4; E . A . S c h u l e r Die Musik der Osterfeiern, Osterspiele und Passionen des MAs. 1951; A r n . R a v a L'apparato scenico nella visita delle Marie al sepolcro 1939. ^ Dörrer 'Oswald'. 1. Der hl. Oswald wurde 604 geboren und war von 635 bis 642 K ö n i g der Northumbrier. N a c h dem Tode seines Vaters Ethelfred lebte er, wie Bedas 'Historia ecclesiastica gentis Anglorum' berichtet, zunächst in der Verbannung, wurde aber nach dem Tode von dessen Nachfolger E a d w i n als K ö n i g zurückg;rufen. Bei Denisesburna besiegte er den heidnischen K ö n i g Kedwalla. E r bekehrte seine Untertanen und gründete Bistümer und Schulen. Obgleich er ein mächtiger König war, blieb er Armen und Pilgern gegenüber leutselig und freigebig. Bei der T a u f e des Königs Cynegilsus war er zugegen und heiratete später dessen Tochter Cyneburg, die ihm einen Sohn Oidilwald gebar. E r fiel im K a m p f e gegen den heidnischen König Penda. A n seinem Todesort geschahen viele Wunder. Die schon bei B e d a anklingenden legendenhaften Züge sind in der 1165 entstandenen ' Vita S. Oswaldi regis et martyris' des Mönches Reginwald wesentlich vermehrt. A l s Oswald an der Pest erkrankt war, erschienen ihm Engel, die ihm seine Genesung und die Stunde seines künftigen Todes verkündeten. V o n dieser Erscheinung an lebte er in Keuschheit. Vor dem K a m p f mit dem Britenkönig Cathlo ermutigte ihn der hl. Columba zum K a m p f e . A n der Stelle, wo er fiel, entsprang eine nieversiegende Quelle. A u c h wird in Verbindung mit ihr ein R a b e genannt. D a ß die Erzählungen v o m hl. Oswald früh auch auf das Festland hinübergebracht wurden, bezeugt schon Beda. Im Jahre 1038 wurden seine Gebeine nach dem Kloster des hl. Winnoc bei Bergen in Flandern überführt, und seit 1138 wurde sein H a u p t in Echternach verehrt.
2. Daß der hl. Oswald der Held des um 1170 entstandenen Spielmannsepos von sanl Oswalt uz Engellant ist, unterliegt keinem Zweifel. Von den geschichtlichen und legendären Gegebenheiten ist in diesem freilich kaum etwas bewahrt. Oswald, dem zwölf Königreiche Untertan sind, ist früh verwaist. E r möchte sich eine Frau nehmen und b i t t e t G o t t um R a t . E i n Engel empfiehlt ihm, sich eine heidnische Prinzessin über das Meer zu holen und so den christlichen Glauben zu mehren. Seine Ratgeber wissen keine zu nennen. Der Pilger W a r m u n t verweist jedoch auf Pannige. Sie ist dem Christenglauben zugetan, doch läßt ihr Vater Aron jedem Freier das Haupt abschlagen. Auf den R a t W a r m u n t s schickt Oswald einen
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•Oswald'
Raben, der sprechen kann, als Boten zu ihr. Unterwegs wird dieser von einem Meerweib gefangen, als er sich nach zehn Tagen auf einer Klippe niedergelassen hat. E s gelingt ihm aber, durch eine List zu entfliehen, und er gelangt zu König Aron. Als er bei ihm für Oswald um seine Tochter wirbt, wird er in einen Kerker geworfen. Die Prinzessin bittet ihn jedoch los und schickt ihn mit einem Ring und einem Brief zu Oswald zurück. Auf dem Heimflug fällt ihm der Ring ins Meer, doch bringt ihn ihm ein Fisch auf das Gebet eines Einsiedlers wieder, so daß er Oswald Ring und Brief zustellen kann. Behandeln die Verse i —1424 die Werbung, so bildet die E n t führung den Inhalt der Verse 1425 — 3209. Mit seinem Heer fährt Oswald auf 72 Schiffen über das Meer. Mit zwölf Gefährten begibt er sich als Goldschmied zu König Aron. Durch einen mit Gold und Silber geschmückten Hirsch gelingt es ihm, ihn mit seinem Gefolge auf die J a g d zu locken. So kann die Prinzessin mit ihm entfliehen. Ihr Vater verfolgt sie zwar, doch wird er in einer Schlacht auf einem Sande geschlagen. Um der Prinzessin willen verschont ihn Oswald und veranlaßt ihn durch Wundertaten, sich taufen zu lassen. Die Verse 3 2 1 0 — 3547 schildern abschließend eine Versuchung Oswalds durch den Heiland und seinen Tod. Nach seiner Rückkehr läßt der König auch die Armen einladen. Mit ihnen kommt auch Christus in der Gestalt eines Bettlers und bittet ihn zunächst um Gaben, dann um Land, Zepter und Krone und schließlich auch um seine Frau. Als Oswald alles hingibt, entdeckt sich der Bettler und gibt ihm alles wieder. Oswald und die Königin führen ein keusches Leben. Nach zwei Jahren holt eine Engelschar ihre Seelen ins ewige Himmelreich.
3. An die Legende erinnern nur noch die Freigebigkeit Oswalds, seine frühe Verwaisung, sein Kampf mit Aron, dessen Taufe, Oswalds Heirat mit der Prinzessin, seine Keuschheit, sein früher Tod und der Rabe. Im übrigen ist die Handlung nach dem Schema der Brautwerbungsgeschichte umerzählt worden, die uns beispielsweise auch in der 'Kudrun' (s. d.) und im 'König Rother' (s. d.) begegnet. 4. Auf uns gekommen ist das Epos in drei verschiedenen Fassungen. I. D e r M ü n c h e n e r O s w a l d (M. O.). E r ist in folgenden Hss. überliefert: M : Cod. germ. 719, 40 der B a y e r . Staatsbibl. zu München, geschrieben vor 1444 in bair. Mundart. I : Hs. 1 1 1 4 des Museum Ferdinandum zu Innsbruck aus der zweiten Hälfte des 15. J h s . Geschrieben von zwei Schreibern. Die Mundart des einen ist bair., die des andern wohl schwäb. S : MSc. A 1 0 in 8° der Bibl. zu Schaffhausen, 1472 dort in schwäb. Mundart geschrieben. Mk: Cgm. 5377 der Bayer. Staatsbibl. zu München (früher Bll. 47 — 60 von Clm. 24842) in 4 0 aus dem 15. J h . in bair. Mundart.
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Dazu kommen die Prosaauflösungen: s : Cod. theol. et phil. 81 in 4 0 der Staatsbibl. zu Stuttgart, geschrieben nach 1479 in schwäb. Mundart, b : Berlin Mscr. Germ. Oct 288, pap., aus dem 1 5 . J h . in bair. Mundart, u : Cod. 3 1 des ungar. Nationalmuseums zu Budapest aus dem J a h r e 1 4 7 1 in bair. Mundart. I I . D i e P r o s a zn. Eine selbständige Prosafassung liegt im Sommerteil des Lebens der Heiligen in zahlreichen Hss. des 1 5 . J h s . und seit 1 4 7 1 auch in Drucken vor (z). Dazu gibt es eine nord. Bearbeitung des 16. J h s . (n). Sie ist wahrscheinlich aus dem nd. Passional übersetzt worden. I I I . D e r W i e n e r O s w a l d (W. O.). E r findet sich in nachstehenden Hss.: W : Wiener Hs. 3007 olim Nov. 227 in 8° aus dem J a h r e 1472 in schles. Mundart. O: Hs. in 40 des Metropolitankapitels zu Olmütz von um 1450 in böhm.-mähr. Mundart. D : Cod. Georg 4 0 , 4 der Fürst Georg-Bibl. zu Dessau aus der zweiten Hälfte des 15. J h s . in obersächs. Mundart.
5. Nach B a e s e c k e stammen die drei Fassungen von einer mittelfränk. Dichtung ab. Dabei setzen MO und die Prosa zn wieder eine gemeinsame bair.-österr. Vorlage aus dem Ende des 12. Jhs. voraus, während in WO die Bearbeitung eines schles. Geistlichen aus der ersten Hälfte des 14. Jhs. vorliegt. Auf ihn hat der 'Orendel' (s. d.) insofern Einfluß ausgeübt, als der Einsiedler, auf dessen Bitte der Rabe den verlorenen Ring wiederbekommt, zum Fischer Ise geworden ist. Gegenüber MO, dessen Inhalt angegeben ist, stellt die Prosa zn eine kürzende Umarbeitung dar. Der Bearbeiter hat alles Spielmännische beseitigt und sich auf das Legendäre beschränkt. Einleitung und Schluß sind völlig umgestaltet. Jene erzählt die Herkunft des Raben. Er ist vom Himmel herabgesandt worden, um Oswald bei der Krönung das mangelnde Salböl zu bringen. Der Schluß schöpft aus Beda. Bei der Speisung der Armen fehlt daher die Gehorsamsprobe des Heilands. Die Darstellung endet mit dem Tode Oswalds im Kampf gegen die heidnischen Könige Englands. Als Anhang werden noch Wunderzeichen genannt, die an seinem Grabe geschahen. Völlig umgearbeitet ist auch WO. Das Anliegen des Bearbeiters ist noch stärker geistlich als in der Prosa zn. Über die Hälfte der Verse nehmen Gebete, die Vision von Hölle und Himmel sowie die Taufe der Heiden ein.
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Oswald von Wolkenstein
Das ursprüngliche Epos läßt sich aus den drei Fassungen nicht wiederherstellen, doch hat MO es am besten bewahrt. MO wird zwar Erweiterungen enthalten, doch sind die Grundlinien der Handlung in ihm kaum verändert worden. 6. 1835 wurde der ' O . ' von L . E t t m ü l l e r nach S her. Sant Oswald.es Lebens. Eine kritische Ausgabe von MO stammt von G. B a e s e c k e Der Münchener Oswald (Germ. A b h h . 28) 1907. Ebenso h a t B a e s e c k e eine kritische Ausgabe von W O besorgt: Der Wiener Oswald (Germ. Bibl. I I I , 2) 1912. Eine neue kritische Ausgabe von W O unter Heranziehung der von Baesecke noch nicht berücksichtigten Hs. D veranstaltete G e r t r u d F u c h s Der Wiener Oswald (Germ. A b h h . 52) 1920. Vgl. E h r i s m a n n II, S. 328ff., wo auch das Schrifttum verzeichnet ist. Nachzutragen sind H. S c h n e i d e r Heldendichtung, Geistlichendichtung, Ritterdichtung 2(1943) S.247f.; H . d e B o o r Die Gesch. der dt. Lit. I, 1949, S. 254 bis 256'
Willy Krogmann
Oswald von Wolkenstein, Dichter und Komponist von Liedern in der 1. Hälfte des 15. Jhs. 1. Ü b e r l i e f e r u n g . Die Lieder O.s sind durch drei Sammelhss. festgehalten: 1. A , die Wiener Pergamenths. (Text mit Noten) entstand nicht in einem Zug. Eine Grundsammlung von 42 Liedern (das Buch „der Wolkensteiner") wurde 1425 abgeschlossen. Von e t w a 1427 bis 1436 saß an ihr ein auch sonst bezeugter Schreiber O.s, wohl von Geburt ein Alemanne. In einem Schreiber, der das Verzeichnis der Grundsammlung anlegte und Korrekturen anbrachte, glaubte Schatz den Dichter zu erkennen. Die Hs., gewiß auf Veranlassung O.s entstanden, f a ß t 107 gesichert echte und ein nur in ihr überliefertes Lied. 2. B , die Innsbrucker Pergamenths. (Text mit Noten) schrieb fast ganz der bereits erwähnte Schreiber O.s, und zwar, abgesehen von wenigen Spätliedern, im Jahre 1432. Lieder der Hs.A sind hier anders geordnet, vor allem wohl, u m gleiche Strophengefüge und Melodien zusammenzubringen. Von den echten Liedern der Hs. A fehlen (wahrscheinlich durch Versehen) 7 Lieder, 18 treten neu zum Bestand der Hs. A hinzu. D a auch hinter dieser Sammlung O. selbst steht, sind 125, j a 126 Lieder gut bezeugt. Das letzte der in B aufgezeichneten Lieder gehört hinter das Jahr 1438. Zu diesen Liedern stellen sich 122 Kompositionen: 82 einstimmige, 40 mehrstimmige. 3. C, die InnsbruckTrostburger Hs. (Text ohne Noten), im 16. Jh. im Besitz der von O.s älterem Bruder abstammenden Linie Wolkenstein-Trostburg, ist im wesentlichen eine Abschrift der Hs. B , vorgenommen um 1450. — Nur x i Lieder und einige Verse dieser drei für die Familie Wolkenstein hergerichteten Sammlungen sind an anderen Stellen, vor allem in Liederbüchern, überliefert. Eine Tegernseer Hs. aus der 1. Hälfte des 15. Jhs.
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spricht O. zwei Umdichtungen lat. Sequenzen zu, für deren Echtheit W e r n e r M a r o l d eintrat. Ergebnis der Überlieferung: O.s Lieder haben über ihren ersten V o r t r a g hinaus nur geringe W i r k u n g gehabt. Ausgaben. Für eine Ausgabe h a t C nur untergeordnete Bedeutung. B bietet sich als eine A r t Ausgabe letzter Hand an. A b e r wegen der in A durchgeführten Korrekturen, auch wegen der Schreibweise des Schreibers von B , der kein Südbaier war, empfiehlt sich mit J. S c h a t z bei der Textgestaltung von A auszugehn. Für eine A n ordnung der Lieder scheidet A als Grudlage aus, aber auch B hat die Zufälligkeiten der Reihung nicht aufgehoben. Schatz teilt die Lieder in zwei Gruppen. Die 1. Gruppe (57 Lieder): Zeitlich Nicht-Festlegbares, das zumeist vor das Jahr 1414 (den Beginn des Konstanzer Konzils) gehört; mit den Untergruppen „Liebesgedichte", Gedichte „volksmäßigen Charakters", „religiöse Dichtungen". Die 2. Gruppe (68/69 Lieder): Zeitlich Festlegbares, beginnend mit Liedern, die während des Konstanzer Konzils entstehen, endend mit Liedern, für die die Abfassung nach 1436 sicher oder wahrscheinlich ist. Eine behelfsmäßige Lösung, da auch die 2. Gruppe Lieder enthält, die sich zu den Untergruppen der 1. Gruppe stellen. M a r o l d hat eine ansprechende z e i t l i c h e Reihenfolge für das Gesamtwerk O.s gegeben, in der Sicheres, Wahrscheinliches und Vermutetes ineinandergreifen. Nicht vermeiden läßt sich, daß in solcher Reihung Lieder auseinandertreten, die gattungsmäßig zusammengehören. Geeignete Uberschriften hätten die Verbindung zu erleichtern. — Die vorhandenen Ausgaben: B . W e b e r Die Gedichte O.s v. W. 1847 (veraltet); J. S c h a t z (Text) und O. K o l l e r (Musik) O. v. W., Geistl. und weltl. Lieder, Ein- und Mehrstimmig 1902 (Denkmäler der Tonkunst in Österreich I X , 1); J. S c h a t z Die Gedichte Os. v. W. 2. verb. Ausg. 1904. — Eine neue Ausgabe, die im T e x t das Rhythmische stärker berücksichtigt, im Anhang die Kompositionen und möglichst einen K o m m e n t a r beifügt, ist dringend erwünscht. V o n W . M a r o l d s 'Kommentar zu den Liedern Oswalds v. Wolkenstein' (Göttinger Diss. 1927) sind nur zwei zusammenfassende K a p . (Chronologische Reihenfolge der Gedichte und biographischer A b r i ß ; Literarisch-stilistische Bemerkungen) erschienen. Ü b e r s e t z u n g e n (Auswahl): J . S c h r o t t 1886; L . P a s s a r g e 1891 (Reclam). Vieles schwer oder nicht übersetzbar.
2. Vom L e b e n O.s wissen wir aus zwei Ursachen mehr als von Lyrikern der hochritterlichen Zeit. Der vitale Freiherr mit reichsritterlichen Ansprüchen ist im Zuge spätmal. Spannungen durch Urkunden zu fassen; Geschehnisse und Erlebnisse seines Alltags erscheinen in seiner zeitbedingten „biographischen" Lyrik. O., ein Südtiroler, heißt nach der Stammburg seines Geschlechts im oberen Grödenertal. Er ist der
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mittlere zweier Brüder und wahrscheinlich auf Schloß Schöneck im Pustertal geboren. Sein Geburtsjahr läßt sich aus seinen Gedichten im Ungefähren errechnen. In einer Lebensbeichte (Ged. 64), die wohl im Jahr 1416 entsteht, bekennt er, nach vollendetem 10. Jahr aus Neugier in die Fremde gegangen und etwa vierzehn Jahre in dienender Stellung bis zum Tode des Vaters unterwegs gewesen zu sein. Sein Vater ist zwischen dem Sommer 1399 und dem Frühjahr 1400 gestorben. Im gleichen Gedicht gibt er sich etwa 38 Jahre (vierzig jar gar leicht minner zwei). Zu diesen Angaben treten ein Reuegedicht des 46jährigen aus dem Jahre 1423 (Ged. 90) und ein gleiches des bald 50-jährigen aus den Jahren 1425/1426 (Ged. 104). So stellt sich sein Geburtsjahr in die Gabel der Jahre 1476 und 1478, im mittleren Wert in das Jahr 1477. Der jugendliche, früh entwickelte Abenteurer ist wohl zunächst nach Preußen und in die Ostseegebiete gekommen, später über Rumänien bis in die Türkei, angeblich sogar über Armenien bis nach Persien, wohl auch schon früh nach der iberischen Halbinsel und nach Böhmen und Ungarn (Ged. 64, 65, 107). E r will nach seiner Aussage vom Jahr 1416 zehn Sprachen gebraucht haben (Ged. 64, 21.22): franz., maurisch (arabisch), katalonisch, kastilisch, dt., lat., windisch (böhmisch), lombardisch (ital.), reuschisch (russisch), roman. (rumänisch). Da er vor allem elementare Wendungen von Umgangssprache meinen wird, dürften diese Kenntnisse (vom Dt. und Lat. abgesehen) aus Aufenthalten seiner Jugendperiode stammen. Die Angabe, er sei fortgeblieben, fis das mir starb / mein vater zwar (Ged. 64, 9), macht möglich, daß er mindestens zum Schluß dieser Periode Fühlung mit der Heimat hatte. In seiner schweifenden Unruhe bekundet sich die Entgrenzung des hochmal.en Weltbildes und zugleich der Druck einer Zeit, die dem selbstbewußten Landj unker keine Ziele in weiten Räumen setzt. In der Erbteilung des Jahres 1407 fällt ihm unter anderem ein Drittel des nördl. vom Schiern gelegenen Hauensteiner Besitzes zu, das durch Kauf in das Erbe seiner Mutter gelangt war. Dadurch übernimmt er
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den Streit seines Vaters mit dem Ritter Martin Jäger -von Tisens, dem Gemahl der letzten Hauensteinerin. Der hartköpfige O., wie sein Vater auf Ausweiten des Ererbten bedacht, widersetzt sich rechtlicher Regelung unklar gewordener Besitzverhältnisse durch den Bischof von Brixen und die Tiroler Herzöge. Dies Verhängnis seines Lebens wird dadurch gesteigert, daß er wahrscheinlich seit dem Jahr 1401 oder 1402 Sabina umschwärmt, die schöne Tochter Jägers und Erbin des übrigen Hauensteiner Besitzes, die wohl schon damals (an einen älteren Mann?) verheiratet war. Nur einmal (im Jahr 1427) nennt er sie mit einem Namen und zwar mit dem ihres verstorbenen Mannes: die Hausmannin (Ged. 109,120). Wenn sie die 18-j ährige ist, von deren Gestalt eins seiner frühesten Lieder singt (Ged. 1), dürfte seine Liebesdichtung durch das Verhältnis zu ihr geweckt sein. 1421 gesteht er, ihr wol dreuzehn jar und dannoch mer treu geblieben zu sein (Ged. 84, 21; vgl. auch Ged. 95, 9 — i x aus dem Jahr 1423). Wieviel Berechnung in dieser Liebe lenkt, gewiß ist sie eine starke Leidenschaft gewesen, die noch 1426 nach dem Tode Sabinas in Versen des Enttäuschten nachklingt (Ged. 104, 5ff.). Nach Aussage der Lebensbeichte vom Jahr 1416 will er von ihr zu einer rund zweijährigen Pilgerfahrt, die ihn zu einem „halben Begharden" (!) macht, gedrängt worden sein (Ged. 64, 49ff.), ein Vorgang, in dem wohl nach dem Tode Hausmanns die junge Witwe etwa 1409 seinem Werben ausweicht. (Graf Arthur v. Wolkenstein denkt für die Wallfahrt an die Zeit vom Sommer 1402 bis Ende 1403, schwerlich mit Recht.) Die E h e mit Sabina wird O. schon deshalb nicht erreicht haben, weil Martin Jäger gegen ihn steht. O.s große Zeit kommt. Im Frühjahr 1415 erscheint er, aus den engen Landesverhältnissen herausgehoben, auf dem Konstanzer Konzil in der nächsten Umgebung König Sigismunds, den er schon am Ende seiner Jugendperiode vor dem Jahr 1400 in Ungarn kennen gelernt haben mag. Man hüte sich, das Abenteurerdasein des Jugendlichen nur nach den vereinfachenden Worten der Lyrik zu beurteilen. So sehr dem
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Luxemburger Sigismund O.s Härte fehlte, in Neigungen waren sie verwandt. Bald reist O. von Konstanz an die Höfe von England und Schottland, von dort zu Schiff an den portugiesischen Hof, wird dadurch im Spätsommer 1415 in die Eroberung von Ceuta hineingezogen, wendet sich dann über den Hof von Aragon nach Südfrankreich, wo er im Frühherbst König Sigismund trifft (Ged. 109, i f f . ; 64, 33; so auch das Ansetzen des Wegs bei M a r o l d ) : Eine kurzfristige Fahrt mit diplomatischem Auftrag, zugeteilt dem Sprachgewandten und gesellschaftlich Beachteten im Zusammenhang mit Sigismunds Bemühen um die Beseitigung des Schismas. Im Frühjahr 1416 begleitet O. den König nach Paris, wegen seines auffallenden Aussehens von der Menge als Lustigmacher gewertet (Ged. 63, iögff.). Nach erneutem Aufenthalt in Konstanz wirkt der auf Sigismund Vertrauende etwa vom Sommer 1417 bis in das Jahr 1418 in Tirol im Zuge der Adelspolitik gegen den geächteten Herzog Friedrich II. von Österreich. Teilnahme an der erfolgreichen Verteidigung des Greifensteins bei Bozen im Frühjahr 1418 (Ged. 78!). Durch seinen 2. Konstanzer Aufenthalt hat er, von seinem bisherigen Leben Abstand nehmend, die Schwäbin Margarete von Schwangau kennen gelernt. Der auf Nachkommenschaft Bedachte (Ged. 64,99f.) heiratet seine „ G r e t " wohl noch 1417. Letzter Aufschwung seiner hochgestimmten Liebeslyrik! Der Verheiratete mochte im Interesse seiner Nachkommen mehr denn je auf rücksichtslose Weitung seines Besitzes aus sein. Im Jahr 1421 faßt sein Anlieger Martin Jäger mit seinen Hintermännern zu, indem er bei der Gefangennahme des vom Druck des Ehestandes Bedrängten die alte Geliebte, die Hausmannin, als Lockmittel benutzt. Wechselnde Gefangenschaft vom Herbst 1421 bis zum Frühjahr 1422 und v o m Spätsommer 1422 durch das Jahr 1423 hindurch erzeugt aus religiös-ethischer Besinnung O.s Reue- und Bekenntnisgedichte, in denen der Dichter nicht an Frau „ G r e t " , sondern an die Gottesmutter Maria denkt. Indem ihn Dichten von innerer Not befreit, behält er die Kraft, selbst gegenüber dem Eingreifen des Herzogs jeder Beendung
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des Rechtsstreites auszuweichen. 1424 (bei Aufbruch Ende 1423?) reist der an Beziehungen reiche O. in ehrenvoller Fahrt von Salzburg über Heidelberg bis Aachen, später nach Ungarn zu König Sigismund, ohne die erwarteten Hilfen zu finden. Zurückgekehrt erlebt er als Dichter keinen neuen Aufschwung, er beginnt vielmehr das Zusammentragen seiner Lieder (s. o.). Im Frühjahr 1427 versucht der rund 50-jährige vor drohender Entscheidung die Flucht in Länder, die er als Abgesandter Sigismunds im Jahr 1415 kennen gelernt hat. Abermals festgenommen, wird der Mann „ v o n H o l z " vom Herzog auf Fürsprache freigelassen (Ged. 109, i o i f f . ) . Den alten Rechtsstreit beendet am 1. Mai 1427 ein für den zähen O. verhältnismäßig günstiges Urteil, das ihm den Hauenstein läßt. Das spätere Leben O.s läuft ohne Gefährdung ab. 1429 steht er bei den Brixener Domherrn gegen den Bischof. Von 1430 — 1 4 3 2 betätigt er sich nochmals in der Reichspolitik als „ R a t " des Königs. Die späten Jahre seines Lebens bis zu seinem Tode im Hochsommer 1445 gelten seiner mit Härte geführten Hauspolitik und der Tiroler Landespolitik. Das Versbauen hat er nach 1427 nur noch selten geübt, zuletzt auch in unsanglicher Reimrede. — Freiherrliches Ritterdasein eines Genialischen von starkem, oft hemmungslosem Betätigungsdrang in der vielschichtigen Spannungswelt spätmittelalterlicher Reformzeit, ein Dasein, das sich durch die Ungunst der deutschen Verhältnisse außerhalb des lyrischen Bereichs nicht erfüllt. Dichtung und Tonkunst, beide geübt mit dem Wollen eines begabten Liebhabers, haben den Unbefriedigten vom Alltag befreit. (Die Hs. A hat ein Bild mit dem stehenden Dichter unter der Überschrift Oswald Wolkensteiner, die Hs. B ein eindrucksvolles Brustbild.) 3. D i e D i c h t u n g . In O.s noch streng mal. Liedkunst sind Melodie, Strophenbau, Sprachgefüge, Motivzusammenhang und Gehalt aneinander gebunden. Ein behelfsmäßiges Aufstellen von Liedgattungen gewährt einen ersten Einblick in O.s Schaffen. a) O.s L i e b e s d i c h t u n g ist kein Minnesang hohen Stils, hervorgehend aus einem Sehnen von geistig-seelischer Spannung im
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Aufblick zu einer vergeistigten Gestalt. In O.s Liedwelt wird die Geliebte als leibhafte Erscheinung abgetastet, dabei freilich durchaus als Typus genommen. Das Sehnen der Liebenden ist unverhüllt Ausdruck sinnlicher Erregung. Aus solcher Deutlichkeit des Erlebens erwachsen auch Liebeslieder, die Ehelieder sind, wie etwa die Gesprächgedichte 1 3 , 1 4 , das Bekenntnislied höheren Stils 69 mit dem Buchstabenspiel G R E T und die sinnlichen Sehnsuchtslieder aus Qual der Nacht 71, 72. Durch gebändigte Sprache hebt sich das Werbegedicht 20 heraus (Ain guet geporen edelman / warb umb ain freulin wolgetan): Dialog auf sechs Str. verteilt, dann abgeschlossen in einer 7. Str. — Schlichtes wechselt mit Überladenem oder spielerisch Hergerichtetem. Ein Kunststück des Versbaus und der Musik wie Ged. 22 bewegt sich in sprachlicher Aufstücklung an der Grenze des Verstehbaren. Im Gesamtschaffen lenkt bewußte Kunst auch die einfacheren Lieder sowie die Verse, die Persönliches freilegen. Die Breite der Liebesdichtung legt nahe, der Frage nach einer künstlerischen Entwicklung nachzugehen. Zum stärksten stellen sich Lieder des Vierzigjährigen aus der Zeit der jungen Ehe. Für diese zweite Zeit liedfrohen Schaffens sind bezeichnend das dialogische Neujahrslied 74 (Mit günstlichem herzen / wünsch ich dir / ain vil guet jar) und das Lied Sim Gredli, Gret, — traut Gredelein 76, dessen dreimal wiederholtes kunstvolles Strophengebäude in seinen Perioden das Gespräch der Liebenden (Gredelein, Oeselein) wechseln läßt. Neben dem ichbezogenen Lied hat O.s Liebeslied weitere, nicht scharf abteilbare Unterarten. O. nutzt den dauerhaften Motivzusammenhang des Tageliedes (Ged. 7—12). Das Tagelied ist nicht Höhe seiner Kunst, weil bei ihm der an sich sinnlichen Tageliedwelt das Gegengewicht einer vergeistigten Minnewelt fehlt. Es gibt ihm den Raum für eine lyrische Überfülle greifbarer Einzelheiten, zu deren Darstellung er auch die dem klassischen Tagelied fremde „Repetitio" verwendet. Sommerlieder in lockerer Neidhart-Neifen-Tradition zeichnen sich in weiten Str. durch benennendes Aufreihen
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von Naturerscheinungen und menschlichen Verhaltungsweisen aus (Ged. 35,36). In Ged. 44 wird das Jagdmotiv frei abgewandelt. Das Virtuosenstück eines ländlichen Klangspiels von freierer Bauart bringt rhythmisch gebundene Vogelstimmen (Ged. 45). In den Zwiegesprächen zwischen Nickel und Elselein (Ged. 38) und zwischen der Schäferin Bärbelein und einem Unbenannten (Ged. 40) wird die kräftige Sinnlichkeit durch die Spielkunst der Sprache aufgehoben. Entsprechendes gilt für die rauhe Welt von Trinkliedern (41—43) und die derbsinnliche Welt der Lieder von einer „Jäterin" (Ged. 48) und einer „Graserin" (Ged. 49). Auf der Höhe seiner Kunst bewegt sich O. in zwei parodierenden Spottliedern auf Bauernliebe: in einem Vierstropher mit lebhaftem Dialog (Gegenstück zum Gredelein-Oeselein-Lied 76) weist ein adliges Mädchen einen Bauern ab (Ged. 80), in einem Dreistropher mit lautmalendem weitem Kehrreim zieht es einen hübschen knaben einem mit groben Mundartklängen ausgestatteten meier vor (Ged. 81). b) O.s g e i s t l i c h e L i e d e r aus der Zeit vor der 1. Gefangenschaft sind fast alle mehr oder minder Marienlieder (Ged. 50-55, 65,68). Das Marienlob vollzieht sich in schlichten und in weiten, dazu durchbrochenen Versgefügen. Zeitbedingt ist an dieser Lyrik, daß Maria damals im künstlerischen Gesichtsfeld eine hervorragende Stellung hat. Nur wenige Lieder heben sich heraus, diese alle wohl dem enttäuschten Liebhaber zugehörig. Der Dienst der rainen frauen, die eine maget raine ist, macht ihm ein Erheben in das Geistige möglich, ohne ihn aus einer sinnenhaften Welt auszuschließen: si ist die höst / in meines herzen kloster (Ged. 54). Er bekennt sich zu Maria, seiner „ F r a u " , die ihm nicht die Treue bricht, in einem lyrischen Abschied von allen anderen „Frauen" (Ged. 65; nach M a r o l d Spätsommer 1416). — Die übrige geistliche Dichtung umfaßt einen großen Teil der Gefangenschaftslieder aus den Jahren nach dem Herbst 1421. An ihr hat daher auch manches Gedicht der folgenden Gruppe teil. Vom Persönlichsten sind frei oder fast frei: ein Preis „göttlicher Minne"
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und „geistlicher Brunst" (Ged. 89), ein Preis auf den Schöpfer (Ged. 90; nach M a r o l d schon 1409/10), eine Klage über die vergangenen Tage (Ged. 91), eine Bitte um göttliche „ B a r m u n g " gegen das Überrittenwerden durch Lucifer (Ged. 92), eine Aufforderung an die blinden Adamskinder zur Buße (Ged. 94), eine Absage an die „schnöde W e l t " (Ged. 96; kein „ärmer V i e h " als jenes Tier, das ein „ H o f m a n n " heißt), eine lange Betrachtung über das geringwertige Streben nach Gut und Ehre (Ged. 97), eine Betrachtung über die sieben Kammern der Hölle (Ged. 98), eine strophische Musterbeichte vor dem Priester (Ged.103, nach M a r o l d 1427), die „Passion" Christi, ein Erzähllied mit einem „Geleit", datiert auf das Jahr 1436 (Ged. 117) und das letzte Lied: ein geistlicher Weckruf, entstanden nach dem Jahre 1438 (Ged. 123). Keine Dichtung in den durchbrochenen Strophen spielender K u n s t : Gedankendichtung, aber spürbar von einer Lebensnot hervorgerufen, daher bekennende Dichtung, die nichts vom Gemeindelied hat. Keine Dichtung im Schwung der Liebeslieder, aber nicht minder echter Wolkenstein. c) Die b i o g r a p h i s c h e D i c h t u n g ist gleich der geistlichen Lyrik an Gedichten ärmer als die Liebeslyrik, aber die für O. charakteristischste Dichtungsart. Historie eignen Lebens wird spätmal. Versgefügen eingeschmolzen, daher notwendig verkürzt dargestellt, oft mit übersteigernder Ironie. Den Anfang machen in streng liedhaften Schöpfungen bewegte Genrebilder von O.s. Fahrt nach Konstanz (Ged. 58, 59, 60, 61). Durch zahlreiche kurze Erzählstrophen läuft ein oft grotesker Bericht von O.s. Frühjahrsfahrt des Js. 1416 (Ged. 63). Künstelnde Strophen fangen die Lebensbeichte des 38-jährigen ein (Ged. 64). Ein Höhepunkt das knappstrophige balladenhafte Lied von der Verteidigung des Greifensteins (Ged. 78). — Besondere Gelegenheit für biographisches Dichten geben dem Alternden, der der Liebesdichtung entwöhnt ist, die Gefangenschaften. Herausgehoben seien eine eindrucksvolle langgezogene Selbstanklage (Ged. 83), die Betrachtung über ein schön pös weih (Ged. 88), die Darstellung des Alters am körperlichen Zustand (Ged.
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93), die genrehafte, gallig-humorige Darstellung der letzten Gefangenschaft vom Jahr 1427 (Ged. 109), der in Prunkstrophen einherschreitende Bericht von der Rheinreise des Jahres 1424, der gallige Bericht vom Kindergeschrei in der Herberge auf der Ungarnfahrt des Jahres 1424 (Ged. 102), die lang rollenden Strophen vom Leben des späten Wolkensteiners auf dem Hauenstein (Ged. 107), die Erinnerung an den Tod im Rückblick auf sieben überstandene Gefahren (Ged. 111), der bittere Schwank eines Minneabenteuers, das sich der mindestens 50-jährige leistet (Ged. 114), der Bericht von einem nichtmiterlebten tragikomischen Überfall in Toskana vom J. 1432 (Ged. 116). d) V e r s c h i e d e n e s . Einiges läßt sich nicht ohne Zwang in die vorausgehenden Gruppen einordnen: Kleindichtungen der Spätzeit, die näher an Meistersingerisches (an Magistrates) heranrücken. Ein Spruchlied, das „Treu und E h r " gegen „ B ö s und Falsch" stellt (Ged. 103, nach M a r o l d „etwa 1425"), ein anderes von „zwölf Trunkenheiten", das stet Vernunft preist (Ged. 122, entstanden nach 1438), ein drittes, das sich aus Freidanksprüchen zusammensetzt (Ged. 121, etwa 1438; siehe auch unter Freidank). Eine Liedmahnung gegen die „grobe Gans" H u ß : Aufruf zum Kampf gegen die Hussiten (Ged. 110, wohl 1427). Ein strophisches Gedicht von der Sternenkunde (Ged. 79), „Der gesprochen Kalender" in Reimpaarversen (Ged. 56), ,,Der gesungen Kalender" („Cisioianus") in sechs Strophen (Ged. 57), alle drei Gedichte entstanden kurz vor 1424. Eine Spruchrede (!) in 205 Reimpaarversen vom „ R e c h t " , gerichtet gegen Unsicherheit im Recht ständisch geordneter Welt, entstanden 1438 (Ged. 1 1 8 ) : bezeichnend für den Landherrn O., der selbst immer wieder und zwar durch eigene Übergriffe im Rechtsstreit lag. 4. V e r s , M e l o d i e , S p r a c h e . Schon um einen T e x t zu gewinnen, der sich stilund sachgerecht vortragen läßt, bedarf es genauer Analyse der Versgefüge. Sie muß sich mit entsprechender Analyse der Melodien verbinden, wie umgekehrt die Beurteilung des Musikalischen nicht auf das
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Nachziehn der Versgänge verzichten kann. Das für O. Bezeichnende wird erst bei einem umfassenden Vergleich mit dem Strophenbau des 14. und 15. Jhs. hervortreten. — O. hat nicht für jedes Lied einen besonderen Strophenbau oder eine besondere Melodie. Dies gilt vor allem, wenn man kleine Abwandlungen nicht rechnet. Auch bedingt gleicher Strophenbau nicht gleiche Melodie. Immerhin sind die Lieder mit eigener Melodie in der Mehrzahl. Mindestens sechs Melodien sind übernommen (Marold). Der Vielgereiste war gewiß mit der Liedmusik der Franzosen, Niederländer und Italiener vertraut. Beachtenswert, daß die Kanzonenform (Strophenbau aus stolligem Aufgesang und Abgesang) zurücktritt gegenüber einem Strophenbau, der sich aus gleichgebauten Perioden (Versblöcken) zusammensetzt. So sehr O. noch schwerklingende Kadenzen kennt, seine Versgänge haben gesprochen etwas Eintöniges, sind aber im ganzen von Tonbeugungen frei, Anzeichen, daß Sprachbewegung und Melodie aufeinander bezogen sind. Die betont liedhaften Liebeslieder suchen die Dreistrophigkeit mit Strophenbindung, was dem Zeitempfinden entspricht. Unter rezitativische Melodien sind 19 Gedichte gestellt, abgesehn von einem Marienlied (Ged. 54) nur Gedichte, denen vom Gehalt her Sprechgesang gemäß ist. — Für O. lagen aus der Tradition viele Möglichkeiten bereit: das Schlichte und das kunstvoll Aufgeteilte, das tänzerisch Spielende und das schwertrittig Umständliche. Er benutzt diese Möglichkeiten für das Darbieten seiner verschiedenen Gehalte, darin so reich wie Walther und Neidhart in anderer Zeit. Die Freiheit gab ihm, daß er kein Berufsmeister der Sargeskunst, sondern ein unabhängiger Liebhaber war.
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Reime sind im ganzen gehört, wenn man Literarisches mitzählt. Hier wie sonst steht Wirkung vor Wohlklang. Weitgehend bestimmt in O.s. Sprache seine Hinwendung zum Sinnenhaften, besonders zum Hörbaren und Sichtbaren Und durch beides hindurch zur Fülle des gegenständlich Einzelnen und im Auffassen von Geschehn zum Episodischen. Marold hat O.s. Neigung zum Sprichwörtlichen betont. Sie entstammt dem Trieb, das Leben in Erfahrungssätzen einzufangen, Vorwegnahme einer Denkweise, die an der folgenden Jahrhundertwende herrschend wird. Während so die Sprache nahe an die Umwelt heranrückt, hat sie nur geringe Fähigkeit, übe r höhend Sinnbildliches zu greifen. Um so leichter kann sie ins Willkürliche, Künstliche, ja Spielerische geraten. Die Abflachurg der Sprache im Bereich der Idealbegriffe, ihre Anreicherung im Gebiet des erfahrbar Gegenständlichen und die Freude am Spiel der Wortklänge bedingen sich gegenseitig. Das Dichterische der Lieder gründet daher weitgehend in der ursprünglichen Macht des Empfindens und Begehrens. Das Historienhafte der biographischen Dichtung wird über jede Prosa durch die auswählende und verkürzende Sicht der liedmäßigen Sprache hinausgehoben. 5. Der D i c h t e r . Das Ungewöhnliche von O.s. Talent steht außer Zweifel. Das Besondere seiner Liedkunst: Schöpferisches Erleben hält sich an die sinnenhafte Fülle gegenständlicher Erfahrung. Dies gilt schon für die Liebesdichtung. Dabei ist sie trotz der Möglichkeit, ins Derbsinnliche zu gleiten, im Beherrschenden eine Sehnsuchtsdichtung, deren Frauenbild wesenhafte Züge zeigt. Nur hat das Geistig-Seelische keine führende Kraft. Es fehlt der gesellschaftliche Raum, in dem eine bildende Minne Die Sprache O.s. kommt gleichfalls aus sprechend werden kann. Gleichwohl, indem mannigfacher Tradition. Sie hält nicht O.s. Liebesdichturg aus dem sinnenhaften mehr die Höhe einer gesellschaftlich be- Anlaß lebt, tiägt sie das Ich der Liebenden dingten Kunst. Gar hochritterliche Sprache, aus dem Alltäglichen heraus. Schon das deren Auflösung schon im 13. Jh. beginnt, Kunstgewerbliche und Zusammengesetzte hat für ihn nur noch geringe Kraft. O. der melodisch-rhythmischen Fügung sollte schafft sich seine Sprache, indem er den davor bewahren, dies Dichten wie einen Wortschatz aus mundartlich getönter Um- Naturvorgarg zu werten. Nur selten läßt gangssprache füllt, nicht unwichtig für O.s. Wille zum Kunstschaffen einen Anflug seinen starken Verbrauch an Reimen. Die von Stimmung aufkommen, am ehesten in
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den Gret-Gredelein-Liedern. — Neben der Liebesdichtung ist die religiöse Dichtung ein vollgültiges Zeugnis von O.s. Kunst. Auch ihr eignet das Hinstreben auf das Gegenständlich-Sinnenhafte, erkennbar etwa an der Gottesvorstellung, am Marienbild, am Aufnehmen des Todesgedankens. Bezeichnend, daß jede Art mystischer Verinnerung O. fremd bleibt. Das Auffallendste und Originellste an O.s. Dichten ist, daß sich biographisch Einzelnes, Historienhaftes in ungewöhnlichem Maße dem lyrischen Räume einfügt. Das Biographische und Episodenhafte haben hier so sehr den Charakter der Entdeckung, daß sie lyrisch bedeutsam werden dürfen. O.s. zeitweiliges Hinüberwechseln in die große Welt und die Tage seiner Gefangenschaft haben diese nur bedingt lyrischen Erfahrungen sprachlich freigemacht. In der verkürzenden Darstellung solcher Erfahrungen entfaltet sich O.s. oft galliger Humor und seine selbstbewußte Ironie. — O.s. gesamtes Schaffen vollzieht sich in dem Denk- und Erlebnisraum spätmal. Ständewelt. Grade für das seinem Schaffen Eigentümliche ist das Nachlassen bindender Kräfte eine Voraussetzung. Der Begriff „Renaissance", ohnedies für außeritalische Verhältnisse des späten Mittelalters fragwürdig, sollte nicht in die Nähe von O.s. Kunst gebracht werden. (Das einmalige Nennen Petrarcas im Ged. 97 liegt wie das einmalige Nennen des Aquinaten im Ged. 1 1 7 nicht außerhalb seines spätmal. Denkens.) Der burgundische Lebenskreis wäre ihm bis zu einem gewissen Grade gemäß gewesen, wie man denn das Spielerische und Künstliche an seiner Kunst nicht übersehen darf. Aber vielleicht hat gerade der Abstand von einer gefüllten Welt den Lebensstarken zum originellen Künstler und Dichter gemacht. Durch die Zeitlage war bedingt, daß er bei aller persönlichen K r a f t keine vollgültige Höhenwelt aus Ton und Wort bauen konnte und für Zeitgenossen im besten Falle eine großartige Merkwürdigkeit bleiben mußte. (Für ein zureichendes Erfassen von O.s. Liedern bedarf es deren vorsichtiger Einfügung in das Denken und Schaffen des 15. Jhs. und umsichtiger Vergleiche von besonders ori-
Otírid
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ginellen Liedern mit vorausgehender und späterer Liedkunst.) L i t e r a t u r . Allgemeine Übersichten: E h r i s m a n n S c h l u ß b a n d , 1935, S. 452 — 456; J . K ö r n e r 3i949, Bibliograph. Handbuch des dt. Schrifttums S. 137. Z u m L e b e n s g a n g : J. S c h a t z Einleitung der 2. A u s g . v o m J . 1904 ( s . o . ) ; W . M a r o l d Teild r u c k des ''Kommentars' 1927 ( s . o . ) ; Arthur G r a f v . W o l k e n s t e i n - R o d e n e g g O. v. W. 1930 ( S c h i e r n - S c h r i f t e n 17), d a z u F . R a n k e Z f d P h . 57, 1932, S. 398/99Zu V e r s , M e l o d i e , S p r a c h e : H. J. M o s e r Gesch. der dt. Musik I, 1923, S. 229 — 232, 343 bis 346; H . L o e w e n s t e i n Wort und Ton bei O. v. W. K ö n i g s b e r g e r F o r s c h u n g e n 11, 1932 ( d o r t Bibliog r a p h i e ) , d a z u W . M a r o l d A f d A . 52, 1933, S. 44 bis 52. F r i e d r . M a u r e r Beiträge zur Sprache O. v. W. ( G i e ß e n e r B e i t r ä g e I I I ) 1922; J . S c h a t z Sprache und Wortschatz O. v. W. W i e n e r A k a d . d . W i s s e n s c h . , P h i l o s . - h i s t . K l . , D e n k s c h r i f t e n 69, 2, 1930. Z u m G e s a m t b i l d ( A n g a b e n in A u s w a h l ) . I n v e r s c h i e d e n a r t i g e n B e u r t e i l u n g e n v o n O.s K u n s t spiegelt sich die U n s i c h e r h e i t d e r F o r s c h u n g s l a g e : J . S c h a t z A D B . 44, 1898, S. 137 — 139; G. R o e t h e Dtsche. Reden 1923, S. 108 — 133; G. M ü l l e r Dtsche. Dichtung von der Renaissance bis zum Ausgang des Barock 1927, S. 79/80; H . B r i n k m a n n Zu Wesen und Form mal. Dichtung 1928, S. 170 — 175; F . M a r t i n i Dichtung und Wirklichkeit bei O. v. W. D i c h t u n g u n d V o l k s t u m ( E u p h . ) N F . 39, 1938, S. 390—411; E v a Schwarke Interpretationsstudien zur Lyrik Os. v. W. M a ^ c h . Diss. H a m b u r g 1949 (I. D i e S a b i n a - G e d i c h t e , I I D i e M a r g a r e t e - G e d i c h t e ) ; F . R a n k e Von der ritterlichen zur bürgerlichen Dichtung A n n a l e n d e r d t . L i t . , 1952, S. 242/243; R . K i e n a s t Die dt. Lyrik des MAs. D t . Philol. h e r . v o n W . S t a m m l e r (1953). Sp. 878—881. p j - j g j j j . ^ j s f e u m a n n
Otfrid (Nachtrag): A u s g a b e : H . H e r b s t Neue Wolfenbüttler Fragmente aus dem Codex Discissus von Os. Evangelienbuch Z f d G e i s t e s g e s c h . 2 (1936), S. 131 —152. D e r s . Die neuen Wolfenbüttler O .-Fragmente Z f d A . 74 ( J 9 3 7 ) ' S. 117—125. H . H e m p e l Bonner O.Splitter Z f d A . 74 (1937), S. 125 — 129 O. v. Weißenburgs Evangelienbuch in Auswahl mit Wörterbuch h e r . v o n A. H ü b n e r 1947. — L i t e r a t u r : H . G ö h l e r Das Christusbild in Os. Evangelienbuch Z f d P h i l . 59 (1934), S. 1—52. E d w . S c h r ö d e r Eine Nachspur von Os. Reimpraxis ? Z f d A . 71 (1934), S. i66f. O. E i c h l e r Os. Evangelienbuch P a s t o r a l b l . 78 (1936), S. 409 — 415. P . H ö r m a n n Untersuchungen zur Verslehre Os. L i t w i s s . J b . d e r G ö r r e s - G e s . 9 (1939), S. 1 —106, a u c h als Diss. F r e i b u r g i. B . K . H e l m O.-Nennungen P B B . 66 (1942), S. 134 bis 145. D . A. M c K e n z i e Otfridiana M o d . L a n g u . Q u a r t e r l y 6 (1945), 3. D e r s . O. von Weißenburg, Narrator or Commentator ? L o n d o n 1946. F . B e c h e r t Über die Entfernung vom Heliand zu Os. Evangelienbuch Diss. T ü b i n g e n 1947. O. S p r i n g e r
Otloh — O t t o von Lüneburg
831
O. von IV.: Barbarismus und Soloecismus, Study in the Medieval Theory and Practice of Translation Symposion (1947), S. 1 — 24. W . F o e r s t e O s . liter. Verhältnis zum Heliand N d j b . 71 — 73 (1948—50), S. 40 — 67. H. B r i n k m a n n Verwandlungu. Dauer. Os. Endreimdichtung und ihr geschl. Zusammenhang W i r k . W o r t 2 (1951/52), S. 1 — 1 5 . H . d e B o o r Gesch. der Lit. I, 1949, S. 73 — 80 und 88. K . H . H a l b a c h in W . S t a m m l e r Dt. Philol. im Aufriß II, 1953, S. 493—498. E. Otloh
Karg-Gasterstädt
(Nachtrag):
W . S c h r ö d e r Der Geist von Cluny u. d. Anfänge des frühmd. Schrifttums P B B . 72 (1950), S . 3 7 1 — 3 8 2 . R . B a u e r r e i ß Kirchengesch. Bayerns 2 (1950), S. 5 5 - 6 1 . Otmar, Hans
(Nachtrag):
Drucke s. J. B e n z i n g Buchdruckerlexikon des 16. Jhs. 1952, S. 12 und i 7 o f . Hannemann Otter, H e i n r i c h , s. ' U n t e r w e i s u n g z u r Vollkommenheit' und U n v e r d o r b e n , Peter. O t t h , Peter. D a s M s . g e r m . 4 0 4 1 7 d e r Berliner Staatsbibl., d a s in der ersten H ä l f t e des 16. Jhs. auf alem. Sprachgebiet g e s c h r i e b e n w u r d e , e n t h ä l t Vier puchlin von allerhand färben vnnd annderen kunnsten v o n der H a n d Os. E r h a t seine S a m m l u n g zweifellos auf G r u n d schriftlicher Quellen zusammengestellt, war aber nicht bloß Sammler und Redaktor, sondern auch selbst ein kenntnisreicher P r a k t i k e r . Item ich peter otth hab an gesetzt ein klain feßlin sagt er auf B l . 7 9 b bei B e s c h r e i b u n g der W a i d f ä r b e r e i . Ü b e r sein L e b e n ist n i c h t s b e k a n n t ; er w a r jedenfalls ein F ä r b e r v o n Beruf. E . P l o ß Studien zu den dt. Maler- und Färberbüchern des MA. Diss. München (1952, Maschinenschrift), S. V und 32. _ , , Gerhard Eis Ö t t i n g e r , Konrad, Hirschhorn.
s. E n g e l h a r t
O t t o v o n Botenlauben
von
(Nachtrag):
A . D i e h l Mainfränk. Kalender für 1939 S. 36 bis 44. H. K . S c h u c h a r d Der MinnesängerO.v. B. Diss. Philadelphia 1940. H. K u h n Minnesangs Wende 1952. S. 81 ff. C. v . K r a u s Dt. Liederdichter d. 13. Jhs. 1 (1952), S. 317 — 320. H . d e B o o r Gesch. d. dt. Lit. 2 (1953), S. 325 — 327 und 331-
832
Otto I V . von Brandenburg ( N a c h t r a g ) : Bibliogr. bei M. H e y n e Brandenburg. Jahrbücher 13 (1939), S. I i — 1 3 . C. v . K r a u s Dt. Liederdichter d. 13. Jhs. 1 (1952), S. 317 — 320. Otto von Diemeringen A. S c h ö r n e r 1927, S. 11 ff.
Die
O t t o v o n Freising
dt.
(Nachtrag): Mandeville-Versionen Hannemann
(Nachtrag):
H . S t r z e w i t z e k Die Sippenbeziehungen der Freisinger Bischöfe im MA. 1938, S. 203. E . K o r s c h Die verschiedenen Fassungen in Ottos von Freising Taten Kaiser Friedrichs I. Diss. Berlin 1941. L. A r b u s o w Liturgie und Geschichtsschreib. im MA. — in ihren Beziehungen erläutert an den Schriften Ottos von Freising ,.. 1951, bes. S. 8 — 41, 89—101 und 112. H. P o z o r Die polit. Haltung Os. v. F. 1937. P- B r e z z i Ottone di Frisinga Bulletino Istituto stor. ital. per il Medio E v o 54, 1939, S. I 2 g f f . A . P a s s e r i n d ' E n t r e v e s Ottone di Frisinga et la storiografia del medio evo Rivista inter. Fil. dir. 20, 1940, S. 36off. F. F e l l n e r The Ktwo cities' of O. v. F. and its influence on the catholic philosophy of history New Y o r k 1936. A . H a r t i n g s Civitas dei, civitas mundi in den Werken Os. v. F. Masch.-Diss. Bonn 1943. J. K o c h Die Grundlagen der Geschichtsphilosophie Os. v. F. Münchener Theol. Zs. 4, 1953, S. 79ff. R . B a u e r r e i ß Kirchengesch. Bayerns 3, 1951, S. i s o f f . K. L. O t t o v o n L ü n e b u r g (de L u n e b o r g , L u n e n borch, L a u e n b u r g , entstellt zu Lionenberck, L i m b u r g , L o b r i o u. ä.). I . Ü b e r O . ist n i c h t s N ä h e r e s b e k a n n t , als d a ß er n a c h d e m Zeugnis der Hss. u n d d e r I n k u n a b e l V e r f a s s e r d e s K Cornutus Novus' gewesen ist sowie einer m e t r . 'Ars Dictandi'. Der Zusatz zu seinem N a m e n b e g e g n e t i n v e r s c h i e d e n e n F o r m e n (s. o . ) . E s ist z u v e r m u t e n , d a ß er in L . u m die W e n d e d e s 1 3 . U. 1 4 . J h s . a l s M a g i s t e r (so z . B . i n d e n c o d d . D o n a u e s c h i n g e n , P r a g u . ö.) l e b t e u n d d o r t w o h l a u c h a l s Schulmeister wirkte. O t t o de Boyceneborg, rector ecclesie in Modesthorpe, der nach einer Urkunde v o m 20. 3. 1308 der Stadt Lüneburg den Adenbruch v e r k a u f t e (Urk.-Buch der Stadt L. I, S. 153), dürfte k a u m mit unserm Magister identisch sein. 2 . D e r ' C o r n u t u s Novus' — 2 1 V e r s p a a r e m i t d e m A n f a n g e : Physis orexiam peyon alers horret orexim i s t n a c h d e m M u s t e r d e s v i e l v e r b r e i t e t e r e n ' Cornutus' des Johannes d e G a r l a n d i a ( ü b e r 80 H s s . , I n c i p . : Cespitat in phaleris) g e a r b e i t e t u n d b e n a n n t , w e s h a l b
833
er gelegentlich fälschlich diesem zugeschrieben wurde. Den wirklichen Verf. nannte schon der Zwoller Druck von 1481 (GW. 111), der beide 'Cornuti' enthält, die die gleiche Verszahl aufweisen; er wird auch in mehreren Hss. als Autor genannt. Der Titel „Cornutus" ist im MA. teils als Verfassername, teils als Titel der Dichtung angesehen worden. Echt mal., wird er öfter von den Glossatoren erklärt: wie sich die Tiere mit zwei Hörnern verteidigen, so der Schüler mit den Verspaaren der Lehrdichtung. Gelegentlich ist für Verspaardichtung sogar cornutus als Adjektiv gebraucht, wie in cod. Oxford, Bodl. Laud. misc. 40 (12. Jh.), Bl. 62 für die Lividus et rodens putrescat in ore suo dens beginnende ' Satira in emulum versibus cornutis'. Die richtige Deutung gab E. H a b e l in den Mitteil. d. Ges. f. dt. Erz.- u. Schulgesch. 19, 1909, S. 27 f.: Cornutus bezeichnet — wie beanus — den noch nicht freigesprochenen Handwerker, der sich die Hörner noch nicht abgelaufen hat.
Als Lehrbuch für vorgeschrittene, aber der Lehre noch nicht entwachsene Schüler war es gedacht, Und so ist es auch verwendet worden. Über solche mal. Lehrbücher haben Erasmus und Herrn. Torrentinus, die in ihrer Jugend noch danach unterrichtet wurden, ihren Spott ausgeschüttet : immortalem Deum, quäle iaeculum erat hoc\, docebant enirn a tempestate praeceptores meram barbariem Usw. In der Tat ist der ' Cornutus novus' noch barbarischer hinsichtlich der Prosodik u. Grammatik, bes. Etymologie seiner Verse. So konnte E . H a b e l (s. u. S. 9) zu der Vermutung gelangen, es handele sich um eine von einem Studenten verfaßte Parodie auf den älteren ' Cornutus' des Joh. de Garl. und auf die ganze Unterrichtsmethode. Manche Verse verblüffen allerdings durch den Unsinn der Gedankenzusammenstellüngen; sie wurden aber von allen Schulkommentatoren für ernst genommen, und so möchte ich doch die parodistische Absicht bezweifeln (vgl. auch P. L e h m a n n Die Parodie 1923, S. 4of.). Es sollten vielmehr seltene lat. Wörter Und schwierige griech. Fremdwörter durch diese Verse schulmäßig eingeprägt und erläutert werden. Aus der Tatsache, daß dies Machwerk in mehr als 40 Hss. überliefert ist Und man öfter Zitaten daraus begegnet, ergibt sich die Beliebtheit dieses mal. Schulbuches. Ausgabe: E. H a b e l Der dt. Cornutus, I I : Der * novus cornutus' des Otto v. Lüneburg. Verfasserlexikon V.
834
Otto von Magdeburg — Ottokar von Steiermark (aus der Geul)
3. Dem O. wird in verschiedenen Hss. ein weiteres Gedicht zugeschrieben, das unter den Titeln begegnet: 'Ars dictandi', *Modus dictaminis', ' Breviloquus rhythmicus metrorum', 'De arte dictandi libellus' 'Carmen de epistolis componendis', ' Compendium poetrie' u. ä., mit dem Incipit: Dictandi normas per metrorum cape formas . . . . in leonin. Hexametern. Soweit ich sehe, ist es noch unediert. D a mir keiner der etwa 20 codd. zur Hand ist, ist es unmöglich, Näheres über diese Dichtung O.s. zu sagen. E s ist auch nicht einwandfrei festzustellen, ob in den Hss.Katalogen nicht hier und da Verwechslungen mit dem ' C o m . nov.' vorliegen. Auch dies Gedicht ist den Hss. meist kommentiert oder von Glossen begleitet. Für weitere Forschung stelle ich die bekanntgewordenen H s s . zusammen: 1. Bamberg L . III, 5 4 , Bl. 9 9 - 1 0 7 ; 2. Basel, F. I X , 3 ( X V . Jh.). Bl. 2 1 7 — 2 2 4 b ; 3. Berlin (Val. Rose) 9 8 9 , 1 9 , Bl. 263; 4. Danzig, Mar. Q. 8 (XV. Jh.), Bl. 231; 5. Donaueschingen 247 (XV. Jh.), Bl. 77 — 112; 6. Dresden, M. 165, Bl. 65; 7 . - 9 . Erfurt Ampi, q. 39; q. 56, Bl. 4 1 - 4 3 ; q- 66 (XIV. Jh.), Bl. 25 bis 27; 10. Göttweih 427 (XV. Jh.) (Wien. Stud.9, 1887, S. 56); 11. Kremsmünster 74 (XV. Jh.), Bl. 1 4 8 b ; 1 2 . - 1 3 . Clm. 5 6 7 0 (XIV./XV. Jh.), Bl. 30 bis
34;
16520
( X I V . Jh.),
Bl. 86-92t>;
14. — 1 5 .
Prag Metr. 1 4 7 5 (XIV. Jh.), Bl. 6 6 b - 6 8 ; 1 6 2 7 (XV. Jh.) f. 8 6 — 9 2 b ; 1 6 - 1 9 ) Wien 3 0 3 (XIV. Jh.), B l . 166; 3619 ( X V . Jh.), B l . 1 7 2 - 1 8 2 ;
3820
(XV. Jh.), Bl. I39 b — 1 4 7 ; 3 8 2 9 , Bl. 1 5 7 - 1 6 6 ; 20. Wolfenbüttel, Aug. 3162 (XIV. Jh.), Bl. 42.
H. Walther Otto von Magdeburg, s. ' G e s t a E r n e s t i d u c i s ' im Nachtrag. Ottokar von Steiermark (aus der Geul). 1. Ü b e r l i e f e r u n g . Die 98 595 Verse umfassende österreichische Reimchronik ist in keiner der acht erhaltenen Hss. vollständig überliefert. Cod. Vindob. 3040 (1) aus der zweiten Hälfte des 1 5 . Jhs. enthält den Anfang (von 2 5 0 — 2 8 4 6 7 ) und den Schluß der Chronik ( 6 9 0 0 2 — 9 8 5 9 5 ) . Die Stockholmer Hs. 37 (2) aus dem 15. Jh. hat nur d e n S c h l u ß t e i l (69148—98412). C o d . V i n d o b . 3047
(3), wahrscheinlich dem 15. Jh. angehörend, bietet den größten Teil der Chronik (1 — 6 9 0 0 2 ) . In der Admonter Hs. Nr. 19 (5) finden sich der Anfang und ein Mittelstück der Chronik (344—44596 und 5 3 8 6 7 — 6 9 0 0 2 ) . Den Bericht von der Belagerung Accons hat dieser Schreiber absichtlich weggelassen. Die Wolfenbütteler Hs. 291 (6) aus dem 15. Jh., die St. GallenerHs. 658 (7), in alem. Mundart des 15. Jhs. geschrieben, und die Jenaer Hs. Cod. msti. rec. f. adj. 3 (8) in md. Mundart des 15. Jhs. enthalten übereinstimmend nur die Geschichte der Belagerung Accons (in 6 : 4 5 3 9 7 bis 27
Ottokar von Steiermark (aus der Geul)
835 53465, i n 7: 4 4 5 9 7 - 5 3 7 2 6 -
in
8 :
44597-53866).
In den Bruchstücken der Hs. 3 haben wir Reste der ältesten Pergamenths. aus dem 14. Jh. vor uns. Sie wurde in Kärnten angefertigt und ist im 17. Jh. zerschnitten worden. Die erhaltenen Verse stammen aus dem 1., 4., 5. und 6. Zehntausend der Chronik. Es ist unwahrscheinlich, daß das umfangreiche Werk jemals in einem Bande zusammengefaßt worden ist. Die Gliederung des Inhalts in den erhaltenen Hss. spricht dafür, daß man das Gesamtwerk in Teile zerlegt hat. J. S e e m ü l l e r gliedert in Anlehnung an die Hss. die Chronik in vier Abschnitte: Teil I von 1—44578, Teil II 44579 bis
53866, T e i l I I I 53867 — 69002 u n d T e i l I V 69003
bis 98595. Er hat in seiner Ausgabe für jeden dieser Abschnitte die besondere Art der Quelle berücksichtigt und damit auf die vollkommene Einheitlichkeit der Schreibung und der Formen verzichtet; denn er wollte sich vom Boden der tatsächlichen Uberlieferung nicht zu weit entfernen. 2. Über die P e r s o n des Verf. wußte man jhh.lang sehr wenig. Fest stand nur, daß er Ottacher hieß; denn so nannte er sich selbst, Und daß er aus der Steiermark stammte; denn das verrieten seine Sprache und seine guten steirischen Orts- und Personenkenntnisse. M a j a L o e h r hat aus dem steirischen Urkundenmaterial heraus nachgewiesen, daß der Chronist Ottacher ouz der Geul sein muß. Sie hat ihn in der U m gebung Ottos von Lichtenstein gesucht (vgl. v . 8120 wan min her Ott von Liehtensteine) und auch gefunden. 0 . stammt von den ritterbürtigen Herren v o n Strettweg, einem landesfürstl. Ministerialengeschlecht, ab. Die S t a m m b u r g der Strettweger, der Reinmarshof bei Judenburg, ist noch erhalten, ihre Nachkommen sind die heutigen Grafen Galler. Die Familie ist seit 1149 urkundlich nachweisbar, ihre Angehörigen waren Lehensträger der Herren v o n Lichtenstein und später auch der Bischöfe von Seckau. N a c h der L a g e eines Seckauer Lehens nannte sich O.s. V a t e r Dietmar uz der Geul. O.s. Vorfahren spielen inder Landesgeschichte der Steiermark eine sehr rühmliche Rolle. Sein Urgroßvater, Großvater und V a t e r hatten hohe Ä m t e r inne und kamen durch vielfältige Verbindungen Und .Beziehungen mit führenden Persönlichkeiten ihrer Zeit in Berührung. 3. O. wurde in der Zeit v o n 1160—65 geboren. Man darf vermuten, daß er seine ritterliche Ausbildung am Hofe der Lichten-
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steiner empfangen habe; denn die B e ziehungen zwischen den beiden Geschlechtern lassen sich in allen Generationen nachweisen. Auf der Frauenburg stand die Literatur in hohem Ansehen; O t t o k a r könnte dort den Grund für seine ausgezeichnete literarische Bildung gelegt haben und auf den Gedanken gekommen sein, ein F a h render zu werden. E r wird a m 17. 12. 1287 das erste Mal urkundlich erwähnt, aber in den nächsten vierzehn Jahren erscheint er in keiner Urkunde der Heimat. Man nimmt daher aus guten Gründen an, d a ß er mindestens 10 Jahre lang als fahrender Sänger unterwegs gewesen sei. E r wird in dieser Zeit Wien und Prag, vielleicht auch Venedig und Ferrara gesehen haben. — 1304 urkundet er als angesessener Mann wieder in der Steiermark, er ist verheiratet und hat mindestens zwei Kinder, er m u ß also schon einige Jahre seßhaft gewesen sein. Im gleichen Jahre nimmt er im Heere Herzog Rudolfs am Kriegszug gegen Böhmen teil (v. 79 167). Wahrscheinlich ist er 1313 mit dem A b t e Otto von St. L a m bert in diplomatischen Diensten nach Spanien gereist und darauf vier Jahre außer Landes geblieben. Die heimatlichen Urkunden weisen für vier Jahre eine L ü c k e auf. W i r wissen aus der A r t der Urkunden, daß O. in guten Verhältnissen lebte und hohes Ansehen genoß. Seine wirtschaftliche L a g e erlaubte es ihm, jahrzehntelang literarisch tätig zu sein. Die Ritterweihe hat er im Gegensatz zu seinem Bruder Dietmar wohl nicht erhalten. E r ist am 27. September zwischen 1319 und 1321 gestorben. 4. N a c h v . I 4 f f . hat O. v o r der Österreichischen Reimchronik eine uns nicht erhaltene K a i s e r g e s c h i c h t e in Reimen geschrieben, die mit den assyrischen Gewaltherrschern begann und bis zum Tode Kaiser Friedrichs II. führte. A u s seiner literarischen Vorrede geht außerdem hervor, daß er sein zweites W e r k auf Bitten geschichtlich interessierter Kreise begonnen hat. Die ö s t . Reimchronik setzt sozusagen seine Kaiserchronik fort: sie beginnt mit der Schilderung der kaiserlosen Zeit und reicht bis in die unmittelbare Gegenwart des Chronisten. Sicher haben Einflüsse aus dem literarisch gebildeten
»37
Ottokar von Steiermark (aus der Geul)
Hause Lichtenstein, der Beifall, den das ritterliche Publikum seinem ersten Werke spendete, und nicht zuletzt der Wunsch, die ruhmreiche Geschichte seines eigenen Hauses mit aufzuschreiben (vgl. v. 14 018 ff.; 29525—26608; 27789—27805; 28663—28760), O. angespornt, die große neue Arbeit auf sich zu nehmen und sie auch durchzuführen. Durch quellengeschichtliche Studien ist erwiesen worden, daß O. an seinem Werk 1301—1319 geschrieben hat. K r a n z m e y e r hat durch Zahlenstatistik über die in der Chronik neu auftretenden Reime Caesuren nachweisen können, die er mit Arbeitspausen in Beziehung setzt: Um Vers 7000, um 25000, um 49000, um 96000. Er erklärt die erste Caesur mit der Teilnahme O.s. am Kriegszug nach Böhmen. In dem Abschnitt, der ihr folgt, treten sprachliche Einflüsse aus Böhmen zum ersten Mal in der Chronik klar heraus. Die dritte Caesur wird von ihm mit der Reise nach Spanien in Zusammenhang gebracht, die O.s. Arbeit an seinem Werk für vier Jahre unterbrach. Der folgende vierte Abschnitt läßt erstmalig starke Beeinflussung durch mystisches Sprachgut deutlich erkennen. 5. O. stellt in den fast 100000 Versen seiner Chronik geschichtliche Ereignisse aus den Jahren 1246—1309 dar. Den breitesten Raum nimmt die Geschichte der österreichischen Länder und ihrer Nachbargebiete ein. O. erzählt sie als Fürstengeschichte, wie er auch die Geschichte des Reichs als eine Geschichte seiner Könige Rudolf, Adolf und Albrecht auffaßt. Das Königtum der Habsburger macht es ihm möglich, die Lokalgeschichte Österreichs auf weite Strecken hin mit der Reichsgeschichte zu verflechten. Den übrigen Ländern Europas widmet er im ersten Teil der Chronik nur ganz kurze Abschnitte, in der zweiten Hälfte wendet er sich regelmäßig den Vorgängen in Frankreich zu. Ungefähr in der Mitte des Werkes steht die Darstellung der Belagerung Accons, die sehr breit ausgefallen ist. O. versucht, die ungeheure Fülle des Stoffes in der Art der Annalen zu erzählen. Dabei geht er länderweise vor. Aber es gelingt ihm nicht immer, die annalistische
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Anordnung durchzuführen. Stoffliche und geographische Zusammenhänge zwingen ihn, von der zeitlichen Reihenfolge abzuweichen und viele Abschnitte anders aufzubauen. Er muß im ganzen ein sehr gutes Gedächtnis gehabt haben; denn die Zahl der Widersprüche ist im Vergleich zu der Unmenge von Namen und Fakten nicht allzu groß. 6. Über den g e s c h i c h t l i c h e n W e r t der Reimchronik sind sehr verschiedene Meinungen geäußert worden. Bis zur Mitte des vorigen Jhs. sah man in ihr eine zuverlässige primäre Quelle. Nachdem P a l a c k y sich das erste Mal kritisch über sie geäußert hatte, haben Historiker einzelne Partien auf ihre Glaubwürdigkeit untersucht. A. H u b e r , A. B u s s o n , M. V y d s t y d , J . S e e m ü l l e r und W e i z s ä c k e r konnten dabei einerseits feststellen, daß der steirische Chronist viele und sehr weitverstreute Quellen benutzt hat, daß er aber, wie die Quellen vergleiche ergeben, auf weite Strecken unglaubwürdig ist, weil er seine Vorlagen willkürlich ändert und poetisch ausschmückt. In der neueren Forschung ist man geneigt, den Wert der Chronik für die Geschichte Österreichs wieder stark zu betonen (Loehr, K r a n z meyer). Es fehlt eine Untersuchung, die die ganze Chronik Vers für Vers mit den Quellen vergleicht. 7. Über O.s. A r b e i t s w e i s e können nur Vermutungen ausgesprochen werden. Solange man in dem Verf. der österr. Reimchronik einen unbemittelten Knappen im Dienste der Lichtensteiner sah, nahm man an, daß er für seine Aufgabe Hilfskräfte gebraucht habe, die für ihn Nachrichten sammelten und Quellen excerpierten. Seitdem es feststeht, daß O. sich in einer angesehenen Lebensstellung befand, ist es wahrscheinlicher, daß er sich den größten Teil des Materials selbst beschafft hat, sei es durch Quellenstudien daheim und während seiner Reisen oder durch systematisches Einsammeln von Auskünften führender Persönlichkeiten. Auch können ihm sein Großvater und sein Vater sowie andere Familienangehörige Berichte über die Geschehnisse im Lande gegeben haben. Aber alle diese Vorarbeiten, selbst wenn man an Hilfskräfte denkt, konnten bei den 27*
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Ottokar von Steiermark (aus der Geul)
damaligen Verhältnissen nicht dafür ausreichen, dem Chronisten richtige Vorstellungen von den einzelnen Ereignissen in so vielen weit voneinander entfernten Ländern zu vermitteln oder ihn gar die wahren Zusammenhänge in der großen Politik seiner Zeit erkennen zu lassen. E r versuchte wohl sein Werk geschichtlich zu unterbauen, deshalb darf man ihn unter die Geschichtsschreiber rechnen; aber er fühlte sich auch als ein Dichter und ergänzte unbekümmert die Lücken in seinem großangelegten Werk, verband Kenntnisse, die ihm un verbunden übermittelt wurden, schmückte Schilderungen breit aus und erfand Situationen, Reden und Einzelzüge. Weil er sich außerdem als Vertreter eines Standes und Parteigänger der Habsburger fühlte, färbte er manche Ereignisse um. Darum spiegelt sich in seiner Chronik mehr die Auffassung einer bestimmten Gruppe seiner Zeit, als daß sie objektiven Wahrheitsgehalt besäße. O. bezeugt des öfteren, daß er an die irdische Gerechtigkeit glaubt. Nach seiner Meinung entgeht kein Übeltäter seiner gerechten Strafe. Deshalb muß er Verschuldungen erfinden, d. h. Geschichte fälschen. Seine guten Kenntnisse der mhd. Literatur verführten ihn stets dazu, kleinere und größere Partien sowie ganze Motive aus den Epen in die Reimchronik hineinzunehmen. Sein Werk ist im ganzen gesehen ein verfilztes Ineinander von geschichtlicher Wahrheit und eigener Erfindung. Die stoffliche Vorlage beeinflußt seine Erzählweise und seinen Stil. So übersetzt er die Salzburger Annalen ziemlich wortgetreu, aber in der Geschichte des Reichs und der Länder fühlt er sich berechtigt, Zusätze zu machen, Motive einzuschieben, wobei es oft vorkommt, daß er Hunderte von Zeilen lang in den sprachlichen Formen des Epos von Kampf und Liebe spricht. 8. O.s. S p r a c h e zeigt im Wortschatz und im Lautstand mancherlei steirische, sogar Obermurtaler Merkmale. D a er sich aber der höfischen Dichtung verpflichtet fühlt, wird die heimatgebundene Mundart in seinem Werk von der Literatursprache völlig überdeckt. Kranzmeyer hat die sprachlichen Einflüsse der Heimat auf-
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gewiesen. Zeitlich steht seine Sprache auf der Schwelle zwischen Mhd. und Nhd.: Altüberkommene Sprach- und Reimvorschriften finden sich bei ihm im Zustand der beginnenden Auflösung, neue Sprachformen treten auf. Das geht auch eindeutig aus seinem Verhältnis zu den Idealen der ritterlichen Kultur hervor. E r bejaht das Kulturideal des Rittertums, gotes hulde und der werlt ere zu verbinden, lehnt aber an anderen Stellen alles Weltstreben schroff ab, weil das Leben nur als ein Durchgangsstadium zur Ewigkeit betrachtet werden kann. E r preist in seiner Chronik die Ideale des Rittertums: ere, frumikeit, triwe, milte, zttht, legt aber dem Begriff der kiusche einen anderen Sinn Unter, wenn er ihn auf die castitas beschränkt, Und kann zu dem für den Ritter zentralen Begriff der Minne kein Verhältnis mehr finden. Er setzt an ihre Stelle die Ehe. So wurzelt sein Denken wohl noch in der höfischen Kultur, aber der Wirklichkeitssinn einer neuen Zeit hat die Einheit des ritterlichen Weltbildes schon zerstört. 9. Auch der S t i l des Chronisten läßt deutlich werden, daß er zwischen dem Alten und dem Neuen steht. Sein Wortschatz ist nicht groß und auch nicht ungewöhnlich; denn Ottokar zeigt keine ausgesprochene Vorliebe für seltene Bildungen, wie sie die blümelnden Dichter seiner Zeit bevorzugten. Doch finden sich wiederum in seinem Werk Beispiele für alle neuartigen Wortbildungen und Ausdrucksweisen. E r wendet das Neue immer maßvoll an; häufiger sind bei ihm nur seltene Ausdrücke, die aus seiner Heimatsprache stammen. O. liebt starre Floskeln, die den Raum füllen und bequeme Reime liefern. E r bildet die Umschreibüngsformen für alle Wortarten, die wir in der zeitgenössischen Dichtung finden, weiter aus, verdoppelt und verdreifacht sie sogar. Sein Stil macht daher fast einen barock aufgeschwellten Eindruck. Die Aufschwellung bezieht sich aber nur auf das Formale, daher wird seine Sprache an Gehalt und Dichte arm. Ganz dünn fließt der Inhalt durch die aufgeblähten Wortreihen dahin. So längt er seine Chronik auf 100 000 Verse. Aber
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trotzdem bleibt das umfangreiche Werk lesbar, weil O. seine Sätze sehr glatt und leicht fügt und weil er die Geschichte sehr lebendig darstellt. Er tritt nämlich nicht hinter seine Darstellung zurück, sondern ergreift mit den Stilmitteln der politischen Dichtung unmißverständlich Partei. Unerschrocken be- und verurteilt er die Taten der Fürsten, er lobt und tadelt sie, belehrt die Leser, entsetzt sich in Ausrufen, beschimpft und verflucht die Bösen und Unedlen und beleuchtet die Einzelvorgänge höhnisch, auch ironisch. Die höchstpersönlichen Stilmittel, die er hierbei verwendet, bringen ihn uns als Persönlichkeit näher. Außerdem durchziehen zahlreiche Reden die Chronik. Ottokar hat sie sicher frei erfunden, aber sie sind geschickt aufgebaut und natürlich durchgestaltet, so daß die Lesbarkeit der Chronik durch sie gewinnt.
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Ausgabe: Ottokars Österr. Reimchronik her. v o n J. S e e m ü l l e r M G H . D t . Chron. V , 1 und 2, 1890—93. Schrifttum außer E h r i s m a n n I I , 2, S. 432 A n m . : A . B u s s o n Der Krieg von 1278 und die Schlacht bei Dürnkrut Arch. f. österr. Gesch. 62, 1 8 8 1 ; d e r s . Beiträge zur Kritik der steir. Reimchronik ebda. 65 (1884); d e r s . W S B . 1 1 1 (1884), 1 1 4 (1887), 1 1 7 (1890), 126 (1892); A . H u b e r D i e steir. Reimchronik und das österr. Interregnum M I Ö G . 4 (1883); W e i z s ä c k e r Der Pfalzgraf als Richter über den König A b h . der G ö t t . Ges. d. Wiss. 33 (1896); M i l o S V y s t y d Die steier. Reimchronik und die Königssaaler Chronik M I Ö G . 34 (1913); M a j a L o e h r Der steir. Reimchronist her Otacher ouz der Geul M I Ö G . 51 (1937); d i e s . Der steirische Reimchronist 1946 (Der Bindenschild 2); W. H e i n e m e y e r Ottokar von Steier und die höf. Kultur Z f d A . 73 (1936); A n n a K r ü g e r Stilgeschichtl. Untersuchungen zu Os. Österr. Reimchronik (Pal. 215) 1938; E . K r a n z m a y e r Die steir. Reimchronik Os. und ihre Sprache S B . der österr. A k a d . der Wiss., phil.-hist. Klasse 226, 4
(1950).
Anna Krüger
P 'Paradies-(Paradeis-)Spiele'.
1. Die christliche Heilsentwickhtng in einem zyklischen Weltdrama dem Volke eindringlich vorzustellen, begannen die dogmatisierenden ' P r o p h e t e n s p i e l e ' (s. M e r k e r - S t a m m l e r I, 1926, S. 222f.) in Erweiterung der Weihnachtsliturgie und der pseudoaugustinischen Predigt wider die Juden, in einem beschränkten Einklang mit den Vorstellungen vom Lebensbaum und dem Vorgefühl der Mittwinternacht (s. hierzu: A. H a b e r l a n d t Weihnachtsbaum, Paradiesbaum, Lichterbaum Obd. Zs. f. Volksk. 10, 1936, S. 152—62; Wiener Zs. f. Volksk. 43, 1938, S. 33—44; O . L a u f f e r Wunderbäume u. Wunschbäume im Schrifttum u. in der bildenden Kunst Brauch u. Sinnbild. E. Fehrle z. 60. Geburtstag 1940, S. 161—78; R. B a u e r r e i s s Arbor vitae 1938; K. F. K r ä m e r , in M. B u c h b e r g e r Lex. f. Theologie u. Kirche 7, 1935, Sp. 948 ff.). Die Annalen von Regensburg erwähnen das früheste dieser Welttheater für den 7. Febr. 1194 als lat. Spiel von der Erschaffung und dem Sündenfall der ersten Menschen und von den richtungweisenden Propheten {MGH. SS. 17,590). W. K o p p e n
Beiträge zur Gesch. der dt. Weihnachtsspiele 1893, S. 49 ff., nahm ein lat. Erlösungsspiel als Vorlage für die verschiedenen Paradiesauftritte mal. Mysterien an. Sie wurden in verschiedenen mal. Dichtungen berücksichtigt. Daß solche Vorstellungen vom Paradiesprozeß dank beweglicher Berufe sich früh in Schaustellungen des Volkes festsetzten, bezeugen außer Kirchenfresken noch die Pfingstspiele 1304 in Cividale (s. J. B i a n c h i Documenta historiae Forojuliensis Arch. f. Kunde österr. Geschichtsquellen 21, S. 174). Die Vorstellung vom Paradiese übertrug man auf Vorbauten von Kirchen, auf deren Ausstattungen und Verwendungen, auf kostbare Gemächer von Fürsten und schließlich auf solche von Bürgern im 15. und 16. Jh. Im vollen Umfange wurde dieses Weltdrama in S p i e l p r o z e s s i o n e n der Zünfte des 15. und 16. Jhs. figürlich, erklärend oder mimisch-dramatisch veranschaulicht. Ihre stärksten Ausmaße und weiteste Verbreitung erreichten diese in der Verherrlichung des Fronleichnamsgedankens (s. H. C r a i g The Corpus Christi procession and Corpus Christi play, The Journal of
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English and Germanic Philogy 13, 1914, S. 589—602; H. H. B r e u e r Der Ursprung desOsterspielsu. die Prozession, in: B r e u e r D o I f e n Beiträge z. Gesch. u. Kulturgeschichte des Bistums Osnabrück 1939, S. 10 ff.; dazu: E. H a r t l AfdA. 60, 1941, S. 123—7). Die einzelnen Schöpfungen s. Bozner Fronleichnamsspiele (etwa 1421 —1753) I, Sp. 698 —730 u. Nachtrag; A. Dören Bozner Bürgerspiele, alpendt. Prang- und Kranzfeste. Bd. I: Einführung in das Gesamtwerk (StLV. 291) 1942; dazu: W. E. P e u c k e r t Geistige Arbeit 10 (1943) Nr. 6, S. 7; L e o p . S c h m i d t ZfdPh. 67 (1942), S. 213 — 217 u. Geistige Arbeit 10 (1943) Nr. 4, S. 1 — 2 ; G. S c h r e i b e r Theol. Revue 4 (1942) Nr. 9/10, Sp. 224 — 229; d e r s . Das Weltkonzil von Trient I (1951), S. 402 — 406, II (1951), S. 552; E. T h u r n h e r r Der Schiern 21 (1947), S. 378. Texte und archivalische Belege folgen; vgl. A. D ö r r e r Die Bozner Fronleichnamsspiele und verwandte Südtiroler Umgangsspiele ZfdA. 86 (1954); Abbildung, des Bozner Hauptstandortes in: A. D ö r r er Spielbräuche im Wandel von sechs Jhh. Zs. Tirol, F. 2, H. 8 (1930), S. 1 — 27, und Buch: Tirol 2 (1931), S. 298 — 320; d e r s . Ein Kulturbild Südtirols vom Ausgang des iy. Jhs. Bergland 13 (1931), Nr. 7, S. 21—28, 53 — 55; d e r s . Bozner Kultur vor 250 Jahren Die Bühne 1934, 2 - Aprilheft S. 23 — 25. 'Freiburger Fronleichnamsspiele' (1515 — 1613). s . o . I, Sp. 732 —768; W . M i c h a e l Die Anfänge des Theaters in Freiburg i. Br. Zs. d. Freiburger Geschvereins 45 (1934), S. 1—90; d e r s . Die geistl. Prozessionsspiele in Deutschland (Hesperia 22) 1947; O. S e n g p i e 1 Die Bedeutung der Prozessionen f. d. geistl. Spiel des MAs. in Deutschland (Germ. Abhh. 66) 1932; dazu: A. D ö r r e r DLZ. 1934, Sp. 301—308. ' Friedberger Fronleichnamsspiele' (Mitte des 15. Jhs.), Dirigierrolle rekonstruiert von E. W. Z i m m e r m a n n Arch. f. hess. Gesch. u. Altertumskde. 6 (1909), S. 172 — 303; K . W e i g a n d ZfdA. 7 (1949), S. 545 —546 (Inhaltsübersicht u. Proben); S c h ä d e l u n d S c h e n k z. S c h w e i n s b u r g Freiberger Geschichtsbll. 2 (1910), S. 171 ff. 'Neustifter (Innsbrucker) Fronleichnamsspiel', Abschrift von 1391, s. Nachtrag; Albert v. Neustift s. Nachtrag; Bozner Fronleichnamsspiele'' s. I, Sp. 703ff. u. V (Nachtrag). 'ZerbsterFronleichnamsspiel' 1507, s. W. R e u p k e Das Zerbster Prozessionsspiel 1507 (Quellen z. dt. Volksk. 4) 1930; Fr. S i n t e n i s Beschreibung einer i. J. 1507 in Zerbst aufgeführten Prozession ZfdA. 2 (1842), S. 276 — 297; O. S e n g p i e l S. 65; C. K l i m k e Das volkstümliche Paradiesspiel und seine mal. Grundlagen (Germ. Abhh. 19) 1902, S. 7 f f . ; dazu A. S. S c h ö n b a c h Österr. Lit. 12, Sp. 659; H e l m Lbl. 25, S. 96f.; F. P i q u e t 1903, I, S. 189 — 190; E. P e t e r s Quellen und Charakter der Paradiesvorstellungen i. d. dt. Dichtung vom 9. bis 12. Jh. (Germ. Abhh. 48) 1915; Fr. W . S t r o t h m a n n Die Gerichtsverhandlung als literar. Motiv der dt. Lit. des ausgehenden MAs. 1930, S. 66ff.; dazu R. S t u m p f l ZfdPh. 59 (1934), S. 282; Fr.
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K a m p e r s Mal. Sagen vom Paradiese und vom Holze des Kreuzes Christi in ihren vornehmsten) Quellen und in ihren hervorstechendsten Typen 2. Vereinsschrift d. Görres-Ges. 1897; J. S t a b y D e r Ursprung der Paradiesmenschen Die Kultur 10,• S. 187 ff.; K . Th. P r e u ß Die religiöse Bedeutung der Paradiesmythen Custom is King, Festschrift für R. R. Marett 1936, S. 1 1 9 — 1 3 9 ; O. E i ß f e l d t Neues und Altes zur Paradieserzählung DLZ. 1940, Sp. 401 —409.
Außer Zerbst beschränkten sich noch andere Orte in ihren Fronleichnamsspielen auf dargestellte Figuren, zunächst die meisten, so M ü n c h e n (s. O. H a r t i g Münchener Künstler u. Kunstsachen i , 1926, S-349, 353, 452; A l s . Mitterwieser Gesch. der Fronleichnamsprozess i o n i n B a y e r n 1930, S. 33ff., 2. A. ed. v. T. G e b h a r d 1949; H. M o s e r Der Drachenkampf in Umzügen u. Spielen Bayer. Heimatschutz 30, 1934, S. 49ff.; P r a n t l MSB. 3, 1873, S. 834ff.). Andere wie Friedberg auf Passionsauftritte, aus denen verschiedenenorts eigene Passionsspiele entstanden, so das ' Wiener Spiel von der Ausführung Christi' (s. Nachtrag). Von mehreren Prozessionsspielen erhielten sich nur ungenügende Zeugnisse: 'Calwer Fronleichnamsspiele', 1407, 1498, 1502 bezeugt; s. A. K e l l e r Fastnachtsspiele, Nachlese (StLV. 46) 1858, S. 22gf. 'Dresdener Johannesprozessionsspiel', aufgeführt 1505. I 5 H . 1524. 1528, 1531, 1534, 1535; s. O. R i c h t e r Das Johannesspiel in Dresden im 15. u. 16. Jh. N. Arch. f. sächs. Gesch. u. Altertumsk. 4 (1883), S. 1 0 1 - 1 1 4 ; K . Th. R e u s c h e l Die dt. Weltgerichtsspiele des MAs. und der Reformationszeit 1906, S. 331; M. H e r r m a n n Forsch, z. dt. Theatergesch. des MAs. und der Renaiss. 1914, S. 490 — 493. 'Freiberger Pfingstspiele' (Sachsen), aufgeführt 1516 — 23, vielleicht schon 1509, T e x t gleichfalls nicht erhalten; s. A. M o l l e r Theatri Freibergensis chronici posteriori 1563 p. 162; Morgenblatt f. gebildete Stände (Stuttgart) 1808 Nr. 278, S. 1 1 0 9 I ; J. G r i m m Die ungleichen Kinder Evas ZfdA. 2 (1842), S. 264/265; C r e i z e n a c h 3, S. 225, 352 u. 401.
Die heilsgeschichtlichen Ereignisse, welche die Erschaffung der Welt bis zur Auferstehung Christi zusammenfaßten, führte das ' E g e r e r S p i e l ' in seiner umfangreichen Dichtung aus dem Ende des 15. Jhs. in drei Tagen vor; s. o. I, Sp. 730 bis 732 u. III Sp. 738—741; C. K l i m k e S. 16, O. S e n g p i e l
S.
¡gfi.
Andere Bürgerschaften begnügten sich mit dem Stoffkreis des Advents, insbesondere
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des; Sündenfalls bis zu Mariens Geburt (s. o. Immessen, Am. II, Sp. 545—8; C. K l i m k e S/23'ff.; G. R o s e n h a g e n Nd. S t u d i e n 1932, S. 87t.) und waren als Figur mit Propheten-, Weihnachts-, Passiöns- oder Weltgerichtsspielen verbunden, d. h. ihnen die litigatio sororum, den Heilsprozeß als Adam- und Evaspiel in theol. Dialektik des hl. Augustinus vorgesetzt; denn das erste Elternpaar wurde mit dem Flüche der Ausweisung aus dem Paradiese und der Verheißung Gottes begabt, durch den Messias erlöst zu werden, und somit die ersten menschlichen Zeugen für Gott, wie es als solche z. B. im Neustifter Fronleichnamsspiel auftrat. L j t i g a t i o sororum. Quelle: Psalm 84, 1 1 (misericordia et vertías obviaverunt sibi: iustitia et pax osculatae sunt, Veritas de terra orta est, et iustitia de coelo prospexit. Iustitia ante eum ambulavit et ponet in via gressus suos) spielt stark in die mal. theol. Lit. (s. R. H e i n z e l Excurs über den Mythus v. d. 4 Töchtern Gottes ZfdA. 17, 1874, S. 43 —52; W. S c h e r e r Die vier Töchter Gottes ZfdA. 21, 1877, S. 414 — 416; K. B r u n n e r Der Streit der vier Himmelstöchter Engl. Studien 64, 1938, S. 188 — 194; C. K l i m k e S. 4), in die Dichtung, so 'Erlösung' (s. o. I, Sp. 157 u. bes. 582ff.; Fr. M a u r e r Die Erlösung Dt. Lit., Reihe: Geistl. Dichtung des MAs. 6, 1934), ' n den Scheirer Rhythmus von der Erlösung (s. A. H a r t m a n n ZfdA. 23, 1879, S. 173 — 189), welcher der HeinzelForm nahesteht, in die Legenden, z. B. des Jacobus de Vorágine 'Legenda aurea', in Geschichtswerke wie Heinrichs v. München (s. d.) Fortsetzung der Weltchronik Rudolfs v. Ems oder ' Gesta Romanorum' (Kap. 55), in die Streitspiele, vom Tegernseer Antichrist (s.o. III, Sp. 87 —185) über die Haller und Münchener Spiele vom Jüngsten Gericht bis zum KSpeculum vitae humanae' des Erzherzogs Ferdinand II. v. Tirol (1584), in die Weihnachtslieder (s. W . P a i l l e r Weihnachtslieder und Krippenspiele aus Oberösterreich u. Tirol 1881/82), in Jahrmarktsdrucke usw. hinein. Der EngelTeufel-Streit ging als barocke Antithese des Lebens in das jesuitische Schultheater, in verschiedene musikalisch-dramatische Andachten beim Hl. Grabe des Karfreitags, in die meisten größeren Nikolausspiele des Volkes und in verwandte Adventspiele, meist mittelbar durch Paradeisspiele oder Erlösungsspielzyklen, über; s. E h r i s mann II (1935), S. 360, 577ff.; S t r o t h m a n n S. 66 ff.; W . S t a m m l e r Das religiöse Drama 1935, S. 14; H. N a u m a n n Grundzüge der Deutschkunde 1922, S. 106f.; K. W e i n h o l d Weihnachtsspiele und Lieder 1853, S. 294t.; A. H a r t m a n n Weihnachtslied u. Weihnachtsspiel 1875, S. 1 1 ff. Schon im Künzelsauer Fronleichnamsspiel (s.o. I, Sp. 768 ff.) traten Misericordia, Pax, Justitia und Veritas auf, desgleichen ähnliche Verkörperungen in anderen mal. Mysterienspielen; s. noch
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M. J . R u d w i n Die Prophetensprüche und -zitate im relig. Drama des dt. MAs. 1 9 1 3 ; ders. Zum Verhältnis des religiösen Dramas zur Liturgie der Kirche Mod. Lang. Notes 29 April 1 9 1 4 ; O. S c h ö n e m a n n Sündenfall und Marienklage, zwei nd. Schauspiele 1 8 5 5 ; dazu: R. S c h l e c h t Mon.H. f. Musikgesch. 7 (1875) Nr. 9, S. 1 2 9 ! ; E. S c h r ö d e r Zum Erlösungsspiel AfdA. 35 (1912). S. 302/303; J . T i t t mann Schauspiele aus dem 16. Jh. II (1848), S. X L I I I ; H. H o l d s c h m i d t Der Jude auf dem Theater des MAs. (Die Schaubühne 12) 1935, S. 22 ff.
Unter den Heilsprozesspielen nimmt das Stück in V. Rabers Sammlung (s. o. I I I , Sp- 975, 775. 779f.) als erweiterte Verselbständigung des Motivs schon eine Sonderstellung in der Bürgerrenaissance ein. Seit ungefähr 1400 beteiligten sich die aufkommenden Bruderschaften und Zünfte der Städte an der Ausgestaltung der Fronleichnamsprozession als der gemeinsamen Huldigung durch Teilnahme, Mitführen von Standesabzeichen, Fahnenbildern, Figuren der Patrone usw. Von den älteren Bruderschaften zur Pflege des Passionsspiels am Fronleichnamstage ist die Friedberger seit 1465 als aus geistlichen und weltlichen Personen bestehend erwiesen. Von den jüngeren tritt die Bruderschaft! der Bekrönung unseres Herrn in Luzern deutlich hervor (s. H. D o m m a n n , 3. Jb. der Ges. f. Schweizer. Theatergesch. 1930/ 31, S. 54ff.). In der Tiroler Salinenstadt Hall wirkte seit dem 15. Jh. die Achatiusgesellschaft. Durch einzelne ihrer Mitglieder scheint sie vorbildlich für das dortige Spielwesen geworden zu sein, wie überhaupt Humanismus und Renaissance der Bürgerschaft, Zusammenhänge mit der Hochschule und fürstliche Beziehungen, welche die östlichen Alpenländer und das Donaubecken damals näher brachten. Diese geistlichen Spielgesellschaften waren • Vorläufer und wurden Vorbilder in der kirchlichen Restauration für kirchlich und ständisch stärker verankerte Bruderschaften und Zünfte des Barock, welche die meist mehr figuralen und sozusagen in Spruchbändern erklärten Karfreitags-, Fronleichnams-, Rosenkranz- und verwandten Patronats-' Vorführungen, angeleitet durch die Reformorden der Jesuiten und Kapuziner, die Dominikaner und einzelne WeltgeistUche, bewerkstelligten.
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Durch deren Wirken in Stadt und Land wurden Texte von Umgangs- und Standortspielen selbst in Dörfer zur Ausgestaltung ihrer Figuralprozessionen und in der Folge zu eigenen Spielen verpflanzt, die noch aus dem 15. oder 16. Jh. stammten, so das ' G a i s h o r n e r P a s s i o n s s p i e l ' (s. A. S c h l o s s a r Dt. Volksschauspiele, in der Steiermark gesammelt 1891, S. 168, 330; J . E. W a c k e r n e l l Ein Tiroler Passionsspiel in Steiermark Forsch, z. neueren Litgesch.,Festgabef. R. Heinzel 1898, S. io3ff.; L. K r e t z e n b a c h e r Passionsbrauch u. Christi-Leiden-Spiel 1953, S. 51 f.; Leop. S c h m i d t Neue Passionsspielforschung in Oesterreich 2. J b . des Oesterr. Volksliedwerkes 1953, S. 159). Persönliche Beziehungen und brauchtümliche Gemeinsamkeiten zwischen Eisacktal und Paltental, Tirol und Innerösterreich waren unter den im Bergbau Beschäftigten nicht vereinzelt. Für die Zugehörigkeit des Gaishorner Passionsspiels zur Ablegergruppe der Bozner Fronleichnamsspiele (nicht: Passionsspiele) zeugen deren Hss. Die wichtigsten Vertreter dieser ländlichen Gruppe bis in die nachjosefinische Zeit waren: 'Kastelruther Passionsspiel', nur mehr im 18. Jh. nachweisbar, in etlichen Spielhss. (Privatbesitz) und in Akten vertreten; s. Der Sammler 2 (Meran 1908), S. 252 — 254. 'Rittener Passionsspiel', nur mehr im 18. Jh. belegbar, in Akten von Unterinn angeführt; s. H. N e u g e b a u e r Die Rittener Passion Der Schiern 20 (1946), S. 328ff.; weitere Archivalien in Unterinn; s. Der Sammler 2 (Meran 1908), S. 126. ' Sarntheiner Passionsspiel', im 18. und in der I. Hälfte des 19. Jhs. beglaubigt, in größerer Zahl von einander abweichender Spielhss. verschiedener Kulturinstitute Merans, Bozens und Innsbrucks und Privatpersonen überliefert, ohne daß ihre literarischen Zusammenhänge geklärt wären; s. O. Frhr. v. R e i n s b e r g - D ü r i n g s f e l d Culturhistorische Studien aus Meran 1874, S. 62 — 84; ders. Das Ausland 41 (Stuttgart 1868) Nr. 1, S. 6 — 1 1 ; Beilage z. Allgem. Zeitung, Augsburg 1868 Nr. 2 - 4 . Vgl. o. III, Sp. 769ff. Dort Angaben über weitere Vergabelungen der Tiroler Passionsspiele.
Bei verschiedenen Passions- und Weltgerichtsspielen, die beurkundet sind, bleibt es ungewiß, ob sie die heilsgeschichtliche Abfolge und Prozessionsform einhielten, so beim:
* Wiener Passionsspiel', einem md. Werke aus der Zeit um 1330; s. R. F r o n i n g Das Drama des MAs. I, S. 395ff.; J . H a u p t Arch. f. d. Gesch.
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dt. Sprache u. Dichtung I (1874), S. 3 5 5 f f . ; A. Orel Ms. 12887 der Wiener Passion Mitt. d. Ver. f. Gesch. der Stadt Wien 6, 1936, mit Noten und Faksimile; N e i l C. B r o o k s The sepulchrum Christ and its Ceremonies in Late Mediaeval and Modern times The Journal of English and Germanic Philology 27 (1928), S. I 5 3 f f . ; H. R u p p r i c h Das mal. Schauspiel in Wien Jb. der Grillparzer-Ges. N F . 3 (1943), S. 3 1 ! ; und beim: 'Maastrichter Passionsspiel', aus dem mittelfränk. Sprachgebiet um 1400, in Bruchstück von 1500 Versen, lat. und dt., erhalten. J . Z a c h e r Ein mndl. Osterspiel ZfdA. 2 (1842), S. 303 — 350; M. E. M o l t z e r ö e mideelnederlandsche dramatische Poezie 1868, S. 496 —538; C. K l i m k e S. 1 5 ! ; C r e i z e n a c h I, S. U 7 f f . , 165, 2 5 7 ; K. D ö r r Die Kreuzensteiner Dramenbruchstücke (Germ. Abhh. 50) 1919, S. 47; Ph. H a m b a c h e r Untersuchungen z. Maastrichter Passionsspiel Jb. der philos. Fak. 1922/23.
N e u z e i t l i c h e P a r a d e i s s p i e l e . M i t den Prozessionen und ihren Körperschaften und den Jugendgruppen überbrückten die Paradiesauftritte zunächst nur an wenigen Orten altgläubiger Bevölkerung, vornehmlich auf habsburgisch-vorderösterr. Boden vom Elsaß bis Südungarn, den religiösen und sozialen Umbruch des 16. Jhs. Ihre mal., d. h. zeitlose Stimmungswelt erhielt sich bis ins 20. J h . Schulhalter und Handwerker griffen die biblische Geschichte von der Erschaffung der ersten Menschen und ihrer schweren Schuld, deren Darstellung fast ausschließlich eine oder mehrere Figuren im zyklischen Heilsdrama des ausgehenden MAs. geworden waren, als selbständige Lehrstücke der Schul- und Ordenstheater wie andere Teile der Eschatologien und Jedermannsgestaltungen auf. J e weiter sie sich vom geistigen Ausgangspunkt dieser Gattung entfernten, desto eher erstarrten deren Gebärde-, Vortrags- und Chorliedformen in Strenge, am deutlichsten in Sprach- und Volkskulturinseln wie dem damals ausschließlich westungar. Heideboden, der heute auf Ungarn, den Nordrand des österreichischen Burgenlandes und die Slowakei verteilt ist. Oder sie sanken, besonders gerne in der Nähe von Stiften Und Städten, zu Heischeumzügen und ähnlichen Kinderspielen oder zur Posse der Aufklärung ab. Schon früh gingen sie in das Marionettentheater über (s. B. 1603 in Danzig; s. J . B o l t e Das Danziger Theater im 16. u. 17. Jh. Theatergeschichtl. Forschungen 12, 1895, S. 32/3).
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Das ursprüngliche Augenmerk der Paradiesdichter war auf die Erlösung der bedrängten Menschen, nicht mehr auf die gesamte Schöpfung der Welt wie im MA. gerichtet. Inwieweit ältere oder allgemein menschliche Lebensfeiern der Mittwinterzeit mit dem Lebensbaum als Mittelpunkt bei dem Stimmungsreichtum und der Gedankenwelt auf diese Spielkreise fortwirkten, läßt sich wohl eher aus alten Bildwerken ablesen, die in den Alpenländern erhalten geblieben sind. Restliche Paradeisszenen waren selbst bei Umzügen zu Neujahr oder Fasnacht, z. B . als Gegenstücke zu den ' Bauern-Hochzeiten' der Renaissance und des Barock, immer wieder bis 1914 aufgetaucht. Faustgroße Gesichtsmasken mit geschnitzten, weiblichen Schlangenköpfen, wie Puppen durch Arm und Hand, die in einem angehefteten Schlauch versteckt, bewegt werden, sind noch vorzufinden. Zumeist wurde das rein menschliche Empfinden durch religiöse Vorstellungen gedeckt; so stellte z. B . noch i. J. 1791 das Oberinntaler Dorf Oberperfuß am Eingang ins Sellraintal 'Den über Holl und Todt sieg- und gnadenreichen Lebensbaum' dar. Die Hauptmasse der neuzeitlichen Paradeisspiele, soweit sie zwischen Elsaß und Südungarn von K . W e i n h o l d , K . J. Schröer, C. K l i m k e usf. festgestellt wurden, führte man mit ihnen auf die Tragedia von schepfung, fal vnd ausstreibung Ade auss dem paradeyss von Hans S a c h s (1548) zurück. Diese fußt auf der dt. Fassung von ' Protoplastus. Drama Comicotragicum in memoriam humanae conditionis et vitae nostrae miserrimae des letzten kathol. Humanisten Hieron. Z i e g l e r aus Rotenburg ob der Tauber' (1545), eines der fruchtbarsten Spieldichter Süddeutschlands seiner Zeit. Beide benützten älteres Volksgut, das in Jahrzehnten des Umbruchs von der Bürgerrenaissance in Spiel und Bild aufgefangen wurde. H. Sachs hatte als Geselle und als anerkannter Spieldichter persönliche Beziehungen zu Schwaz und dessen Meistersingerschule, zu Hall und Innsbruck und später mittelbare zu Bergbeamten in Reichenhall und Rauris. Nicht minder vertraut muß Ziegler mit den Spiel-
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bräuchen Tirols gewesen sein. Seine Stücke fanden hier besondere Beachtung. Von diesen ostalpinen Bergwerksorten breiteten sich Paradeisspiele auch im slovenischen Räume aus, der durch die vielen Sprachinselgruppen, aber auch kirchlich verbunden blieb. A . D ö r r e r Paradeisspiele der Bürgerrenaissance Österr. Zs. f. Volksk. 51 (1948), S. 50 — 75; L . K r e t z e n b a c h e r Frühformen des Paradeisspiels in Innerösterreich Zs. d. hist. Ver. f. Steiermark 39 (1948). S. 1 3 7 - 1 5 2 .
Der Hans Sachssche Drück begünstigte die Ausbreitung und Erhaltung der Paradeisspiele besonders in Randgebieten und Sprachinseln und erleichterte die Durchsetzung seiner selbst Unvolkstümlicheren Partien im Volksschauspiel. Vgl. noch : F . E i c h l e r Das Nachleben des H.Sachs vom 16.—ig. Jh. 1904 (vielfach zu ergänzen in Oberösterreich, Kärnten u. Tirol). A u ß e r H. Ziegler und H . Sachs dramatisierten nicht wenige Zeitgenossen denselben Stoff, ohne annähernd jenen Erfolg für die VervolkstümIichung selbständiger Spiele zu gewinnen. In der Mehrzahl waren es schulmeisterliche, gelehrte oder konfessionelle K a m p f - S t ü c k e ihrer Zeit, so: * Ein schön Lieblich. Spiel, von dem herrlichen ursprung: Betrübtem. Fal Gnediger widerbrengunge Müseligen leben, Seligem Ende, vnd ewiger Freudt des Menschen, von Valten V o i t h ( V o i g t ) , Magdeburg 1538 ; ' Ein nüw vnd lustig Spyl von der er Schaffung Adams vnd Heua, auch jrer beider faal im Paradyss', von Jak. R u o f f , Zürich 1550; * Ein Klagliedt vom Fall Adams vnnd Heua, sampt der tröstlichen verheissung des Samens Abrahe' von Joh. K y m a e u s , Nürnberg 1550; 'Adamus' von Georg M a c r o p e d i u s , Göttingen 1 5 5 1 ; 'Ein Schöne vnnd newe Comedien, Von der wunderbarlichen Vereinigung Göttlicher gerechtigkeit vnd barmhertzigkeit, wie dieselben in der Seligkeit, vnd erlösung des Menschen, zusamenkomen, vnd in Gottes gericht vermischt werden' von L u k a s M a i , Hildburghausen 1561 ; 'Ein Euangelisch Spiel vnd deutsche Comedia, wie Gott aus Fürbit des Herren Jhesu Christ vnsere ersten Eltern, Adam vnd Eua, welche zum ewigen Todt verdampt waren, zu gnaden auffgenomen hat' von Georg S c h m i d , Grünstadt bei St. Martin 1565; ' E i n Geistlich Spiel, von dem erbermlichen Falle Adams vnd Euen' von Joh. S t r i c k e r , zuerst nd. L ü b e c k 1570, hd. nachgedruckt o. O. 1602 (behandelt nicht den Sündenfall, sondern dessen Folgen, den Fluch der Sünde, in breiter Ausmalung wie keines der angeführten Stücke) ; 'Ein schön Gespreche darinnen der Sathan Anklager des gantzen Menschlichen geschlechts, Gott der Vatter Richter, Christus der Mittler vnd Vor Sprech ist', von Petrus M e c k e l , Nürnberg 1 5 7 1 ; 'Comedia vom Fahl Ade vnd Eue, biss auff den verheissenen Sahmen Christum, Auss fünff Historien zusammen gezogen' von Georg R o l l , Königsberg 1573; ' E i n e
'Paradies-(Paradeis-) Spiele' Geistliche vnd Trostreiche Comedie, Von dem trawrigen Fall vnnd Gnediger annehmung vnser ersten Eltern vnd des gantzen menschlichen geschlechtes' Von Vitus G a r l e b e , Alt-Stettin 1 5 7 7 ; ''Eine schöne vnd lustige Action Von dem Anfang vnd Ende der Welt' von Barthol. K r ü g e r , Trebyn 1579; KEine Comoedia von dem jämmerlichen Fall vnd frölichen Wiederbringung des menschlichen Geschlechtes' von Georg M a u r i t i u s d. Ält., Leipzig 1606, weitere von K e t z e l 1 6 1 3 , O e p f e l b a c h 1 6 1 6 , E b e r h a r d 1644 usf.
Im Geiste des Reformationsjhs. legten die Verfasser dieser Stücke das Hauptaugenmerk auf die Darstellung der menschlichen Erlösung und begannen, die mal. Auftritte von der Erschaffung der Engel, von ihrer Empörung und ihrem Sturze aufzugeben, dagegen manches Neue selbst in bisherige Nebenszenen aufzunehmen. Am Erlösüngsspielzyklus hielten nur noch einzelne Volksschauspiele fest. Das 'Unterinntaler Weihnachtsspiel' (s. o. IV Sp. 884—8 u. Nachtrag) liegt in eindeutiger Mundart jenes Talteiles, jedoch in verschiedenen Fassungen Und Bearbeitungen vor. Etliche seiner Auftritte sind noch in jüngeren Adventsund Nikolausspielen, Jedermann- und Letztes-Gericht-Stücken des Inn-, Ziller-und Brixentales und des bayr. Inngaus vertreten. Auch Verselbständigungen von Präfigurationen hielten am Prozeßvorgang des Heilsdramas bis in den Hochbarock hinein fest. So verschiedene Bearbeitungen des Renaissancestoffes vom ägyptischen Joseph. Eine, 1676 von zwei Dorfburschen von Axams bei Innsbruck, dem damaligen frauenchiemseeschen Gerichtsbezirk, ins Reine geschrieben, wurde während der Belagerung Wiens durch die Türken als einziges Spiel zugelassen und seither bis zur Gegenwart, vielfach umgearbeitet, aufgeführt, da das frühere Gelöbnisspiel aus der Pestzeit von 1 6 1 1 , das die Letzten Dinge der Menschheit und das Erscheinen Antichrists (s. Ludus de Antichristo) zum Gegenstand hatte, in der Aufklärungsepoche gewaltsam unterdrückt worden war. Ein altes dt. Josephspiel von den zwölf Söhnen Jakobs des Patriarchen hg. von A. K u t s c h e r und M. I n s a m , nach der Axamer Hs. von 1678 ergänzt von A. D ö r r e r (Die Schaubühne 45) 1954-
Den Streitszenen der vier göttlichen Töchter folgen die Verkündigung an Maria, das Herbergsuchen, die Geburt Jesu, die
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Huldigung der Hirten und Weisen, der Kindermord und die Verurteilung des Königs Herodes als des entarteten Menschen schlechthin und seine Auslieferung an Tod und Hölle. Noch weiter greift eine Spielhs. des Tiroler Landesmuseums. Es beginnt mit der Erschaffung der Welt und schließt den Fall des ersten Menschenpaares, die Verkündigung der Propheten, den Prozeß der Himmelstöchter, den ersten Menschenmord, die Verkündigung an Maria, die Befreiung aus der Vorhölle, den Kampf der Tugenden und Laster bis zum Auftakt des Jüngsten Gerichtes in einer Art von Totentanz. Manche seiner Partien lebten in Einzelspielen des 17. und 18. Jhs fort. Das engere Weihnachtsspiel steht der Vorlage zu diesen ostischen viel näher als der nicht beheimatete Druck von 1693 (s. J. Bolte Drei märkische Weihnachtsspiele des 16. Jhs. nebst einem süddt. Spiel von 1693 Berlinische Forschungen 1, 1926, S. 177ff-, 24ff.). Er setzt mit dem Herbergsuchen ein und endet mit dem Kindermord. Das Wipptaler Paradeisspiel endlich dürfte auf einen der volksmäßigen Vorläufer Zieglers und Sachsens beruhen. Das Tirol der Renaissance besitzt immerhin zahlreiche und verschiedenartige Fortführungen des mal. Paradeisspiels als Vorläufer und Glieder neuerer Textgruppen, wie es in der Krippenausbreitung und ihrer Spiele starke dynamische Kräfte auslöste, ohne schon restlose Klärung in den Paradeisspielfragen geboten zu haben. Die Mehrzahl obiger Stückverfasser berief sich noch namentlich auf die Predigt des Kreüzzugsredners Bernhard v. Clairvaux (ed. Migne Patr. lat. 183, S. 383ff.), wogegen die meisten weiteren volkstümlichen Paradeisspiele, vorab die innerösterreichischen, mehr oder weniger schon aus Martins v. Cochem 'Leben Jesu' schöpften, wie auch ihre verwandten Weihnachtsund Schäferspiele. J . J . A m m a n n Das Leben Jesu von P. Martimnus v. Cochem als Quelle geistl. Schauspiele Z f V k . 3, 1893, S. 208 — 223, 300 — 329; darnach: J . C h r . S c h u l t e P. Martin v. Cochem 1634 — 1712 Freiburger Theol. Studien 1 , 1 9 1 0 .
Der Unterschied zeigt sich meist noch in der Form. Die ältere Gruppe hält durchwegs an den Reimversen fest, die jüngere
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'Paradies-(Paradeis-) Spiele'
ist mit P r o s a durchsetzt. Diese u n d andere renaissancehafte S t o f f - u n d Stilmerkmale vermischten sich jedoch in mehreren Spielen der großen, v o m E l s a ß bis S ü d u n g a r n reichenden Paradeisspielgruppe v o m 1 6 . b i s 1 9 . J h . m e h r f a c h . D i e meisten V e r v o l k s tümlichungen mal. Paradeisspiele lebten in den österr.-Ungar. Alpen-, Sudeten- u n d K a r p a t e n l ä n d e r n unter dem S c h u t z e ländlicher Abgeschiedenheit, V o l k s - u n d G l a u bensinseltüms, bes. an Sprachgrenzen u n d in Sprachinseln fort. Sie w a h r t e n diese Spielüberlieferungen bes. in K ä r n t e n , Obersteiermark Und v o r allem auf dem Heideböden bis in die jüngste Vergangenheit, v e r einzelt noch in eine ihnen günstigere Gegenw a r t . I m V e r l a u f e der letzten J h h . hatten sich landschaftliche E i g e n g r u p p e n herausgebildet. V o n allen K u n s t d i c h t u n g e n f a n d einzig die dörfliche Burleske ' D i e Schöpfung der ersten Menschen, der Sündenfall und dessen Strafe' ( 1 7 4 3 ) des P r ä m o n s t r a t e n s e r - P f a r rers S e b a s t i a n Sailer ( 1 7 1 4 — 7 7 ) a u s B a y r i s c h - S c h w a b e n A n k l a n g in Volkskreisen, zunächst bei den Prämonstratensern u n d Zisterziensern u n d in benachbarten P f a r r höfen, schließlich auch bei dörflichen H a n d werkern. E s entstanden Ü b e r t r a g u n g e n in die tirolische, ober- u n d niederösterr. M u n d art, n a c h seinem T o d e auch im D r u c k e . A u f f ü h r u n g e n lassen sich in den Stiften S t a m s u n d W i l t e n , im P f a r r h o f S t . J a k o b in I n n s b r u c k u n d in S a l z b u r g schon J a h r zehnte z u v o r nachweisen. E i n e Spielhs. aus F ü l p m e s i m S t u b a i des J a h r e s 1 7 4 4 erhielt sich i m Tiroler L a n d e s m u s e u m . M. G e r s t e r S. Sailer, der Vater der Schwab. Dialektdichtung (Aus Schwabens Vergangenheit 1 3) 1932; H. B o e t t i c h e r Neues zu S. Sailer Gedenkschrift f. H. Albert 1928, S. 32 — 43; L. L ö h r e r Seb. Sailers Komödie (Gießener Beitr. z. dt. Philol. 81) 1943; R . L a c h S.Sailers "Schöpfung' in der Musik Denkschriften d. Akad. d. Wiss. Wien 60 (1916), S. 1 —174; L. v. H ö r m a n n 6". Sailers 'Erschaffung der Welt' in Fulpmes Presse 1874 (Wien) Nr. 194; K . R e u s c h e l Das dt. Volksschauspiel 1922, S. 62 — 64; A.. F u c k e l Die Tiroler Bauernbibel und S. Sailer ZfdMdaa. 1911, S. 165 — 167; Ad. D e p i n y Heimatgaue 3 (Linz 1922), S. 288; N a g l - Z e i d l e r Deutschösterr. Lit.-Gesch. 1 (1899), S. 766. Alemannische (oberrheinische) Spielg r u p p e , noch 1869 im Elsaß vertreten, Text 252 Verse stark, davon decken sich Zweidrittel mit
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H. Sachs, veröffentlicht von J . B o l t e Ein elsässisches Adam- und Evaspiel Alem. 17 (1889), S. 124—134. J . S i t t a r d ZurGesch. der Musik und des Theaters am Württemberg. Hofe I S. 136—146. S c h w e i z e r S p u r e n . Am 20. Februar 1678 spielten die Waldleute der Innerschweiz ' A d a m und Eva und die Kraft des Rosenkranzes', auf der Johannismette; s. G. M o r e l Das geistl. Drama vom 12. bis ig. Jh. in den fünf Orten und bes. in Einsiedeln Geschichtsfreund 17 (Einsiedeln 1861), S. 75 — 144; E . W e i l e r Das alte Volkstheater in der Schweiz 1863, S. 283. Bayerische G r u p p e n . Aufführungen in Burghausen 1545 — 46 beurkund., 1659 dort untersagt; 1570 in Kaufbeuren. Seit dem Wiedererstarken mehrerer Fronleichnamsprozessionen als lebendes Bild oder dramatischer Auftritt, so in München und anderen größeren Städten, später auch Eichstätt, Rosenheim, Miesbach usw.; um 1700 selbst als Heischeumzug in Mittenwald und zwischen 1748 und 1848 als Marionettenspiel in München. Als Volksschauspiel noch im 19. J h . , vornehmlich im Chiemgau, als Umzugsspiel oder -lied in Oberpfalz, im Oberbayr. und Bayrischen und Böhmer Wald gepflegt. P . L e g b a n d Münchener Bühne u. Lit. im 18. Jh. (Oberbayer. Archiv 51) 1901, A. 65; H. M o s e r Chiemgauer Volksspiel-Texte Das bayrische Inn-Oberland 18 (1933), S. 5 f f . : Erschaffung der Menschen, Sündenfall, Ausweisung aus dem Paradies, Freude der Teufel, Streit der Engel; H. M o s e r Zwei Inntaler Passionsspiele (Kiefersfelden und Oberaudorf — Vorlagen für Thiersee und Erl) Das bayerische Inn-Oberland 14 (1929), S. 81 ff.; d e r s . Das altbayer. Volksschauspiel des 17. und 18. Jhs., Bayer. Heimatschutz 1928—32; über das Reichenhaller Paradeisspiel s. A. H a r t m a n n Volksschauspiele S. 36 ff.; vgl. noch A. H a r t m a n n Weihnachtlied und Weihnachtspiel (Oberbayer. Arch. 34) 1875, S. 1 1 2 I ; F e n t s c h Paradeisspiel zu TeuschnitzinOberfranken Bavaria. 3/I (1864), S. 357ff.; L. H e i l m a i e r Das Passionsspiel der Karfreitagsprozession in München Bayerland 33, S. 333 ff. T i r o l e r S p i e l a r t e n . Die meisten Schauprozessionen der Spätgotik, welche auf das Land übergingen, wie z. B . in Kastelruth, oder die vielen barocken, so auch die des für die östl. Nachbargebiete vorbildlichen des Kollegiatstiftes Innichen, führten Paradeisfiguren und -auftritte bis in die 2. Hälfte des 18. Jhs. vor. Noch heute wird ein Lebensbaum vor dem Sanktissimum in der Fronleichnamsprozession der Meraner Urpfarre, im Dorfe Tirol, vorangetragen. I n der Aufklärungszeit sank das volkstümliche Paradeisspiel, zunächst in Stiftskonventen wie dem der Augustiner Chorherren von Neustift bei Brixen zu "Hainzl-Gesprächen' ab oder ging in Heischeumzüge der Kinder, wie z. B . im Prämonstratenserdorf Wilten, auf. Die früheste ländliche Verselbständigung der Paradeisauftritte, das Wipptaler Paradeisspiel von 1608, erinnert noch an die Bürgeraufführungen von Bozen (1547) und Hall (Ziegler?), noch mehr an Knappenvorstellungen der Pfarre Schwaz (seit
'Paradies-(Paiadeis-) Spiele'
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1504 durch Kostümangaben belegt) und in anderen Bergwerksorten, zunächst des Ziller- und Ahrntales. Genauen Anteil der Bergknappen oder der Alt- und der Neugläubigen an der Pflege und der Ausbreitung dieser Gattung zu bestimmen, setzt Personal Verzeichnisse voraus. B. H. Z i m m e r m a n n Schwab. Kolonien am Neusiedlersee ? (Burgenländ. Forschungen 16) 1951, versucht an Hand von Matrikelbüchern, mdal. Bezeichnungen u. dgl. die Herkunft der Neusiedler des Heidebodens, der beharrlichsten Trägerschaft solcher Spiele, näher zu bestimmen. Jedoch enthalten seine Listen auch gewichtige Namen aus tirolischen Orten usw. Desgleichen müßten zu den Namen der verfolgten Täufer, die Ed. W i d m o s e r Das Tiroler Täufertum Tiroler Heimat 16 (1952), S. n o f f . anführt, noch
die
dichterisch
tätigen
Genossen
hinzu-
genommen werden, die sich aus den Preßburger Liederhss., die Th. U n g e r , R. W o l k a n u. a. erschlossen haben, und sonst bekannt gewordene ausgewanderte Dichter wie Bainstingl hinzugenommen werden. Für Spielbeziehungen an der Verbindungslinie des Pustertals fehlen unmittelbare Zeugnisse. Es ist daher noch umstritten, ob das elsässische Spiel oder Tiroler Fassungen den Ausgangspunkt der großen Spielgruppe darstellen. Das Wipptaler Paradeisspiel klingt wiederholt an Ziegler oder dessen Volksvorlage an und ist erhalten in einem vielgebrauchten Spielheft aus der Zeit um 1800 im alten Bergwerksort Eilbögen, am Eingang ins Arztal, der an der Salzstraße Hall— Brenner liegt. Ungenau abgedruckt in: Die dt. Familie 5 (1928), S. 82 — 86; dazu: A. D ö r r e r Paradeisspiele aus der Bürgerrenaissance österr. Zs. f. Volksk. 51 (1948), S. 58ff. Die zweite Hs. im Tiroler Landesmuseum, Bruchstück, deckt sich ungefähr mit der Ellbögener Fassung, schließt aber die Streitauftritte mit Tod und Hölle und den vier göttlichen Schwestern, die Propheten und die Verkündigung des Engels an Maria an, ähnlich wie das Kiefersfeldener Spiel 'Geistlich Recht' (1816), das schon mit dem Titel auf das Sterzinger Spiel ' A in recht das Christus stirbt' von 1529 zurückverweist, und das Spielbuch Cod. germ. 6392 der Münchener Staatsbibl. (1774). Nach den darin auftretenden Typen aus Wallensteins Lager stammt diese Fassung aus jenem 17. Jh. Solche Paradeisspiele dienten noch in den ersten Jahrzehnten des 19. Jhs. als Vorspiele für Nikolaus-, Weihnachtsund Passionsaufführungen; s. A. D ö r r e r Paradeisspiele S. 67 ff. Selbständige Paradeisspiele wurden in Tirol nach den Napoleonkriegen namentlich unterdrückt. Über Volksvorstellung von Menschenverführung durch Teufel vgl. L. v. H ö r m a n n Tiroler Volksleben 1909, S. 478f. Der Erlösungsspielzyklus ist am ausgeprägtesten vertreten in einem Spiel des Unterinntaler Dialekts, einer Hs. des Tiroler Landesmuseums aus dem anfänglichen und mittleren 17. Jh., eingebunden in Leder mit aufgepreßtem Wappen der Universität Dillingen, mit der das frühe gegenreformatorische Tirol, bes. Hall, auch handwerkliche Beziehungen unterhielt. (Auch etliche Fugger, denen die Kaiser, vorab Karl V., Bergrechte, so
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in Schwaz, als Pfänder für ihre großen Anleihen überließen, zogen altgläubiges und wiedertäuferisches Literaturgut aus Tirol an sich.) Ünkorrigiert ausgedruckt in: A. D ö r r e r Tiroler Volksgut auf dem Heideboden (Burgenländ. Forsch. 17) 1951, S.61 bisio6. Die Weihnachtsauftritte stehen den ostischen näher als die des Druckes von 1693 (ed. J. B o l t e ) , der wahrscheinlich in Dillingen, Augsburg oder am Bodensee heimlich erfolgt war. Das Erler Vorspiel zur Passion, seit dem 18. Jh. nach oberbayr. Vorlagen, bes. von Kiefersfelden (über dessen Spielzusammenhänge mit Tirol, bes. dem Zillertal, s. A. D ö r r e r Zillertaler Volksschicksale 1953), bis 1850 aufgeführt, veröffentlicht als : Das Spiel vom Streit der göttl. Gerechtigkeit u. Barmherzigkeit Die Gottesminne 6 (1911), S. 236—242, 320 — 323, 393—403; Das Erler Passionsbuch ®(1912), S. L X X X I I I - X C I I I ; 4. A. (1912), S. L X X X I — C I ; vgl. noch A. H a r t m a n n Volksschauspiele S. 399—403. Die Hss. von 1797 u. 1850 verbrannten i. J. 1933. Ins Hd. wurde das Spiel übertragen von H. Pfatschbacher, aufgeführt in Erl Advent 1947, im Radio Innsbruck übertragen Karwoche 1948, veröffentlicht im Jahresbericht 1947 der Erler Passionsspiele S. 9 — 28. Im 18. und 19. Jh. führten Prettauer (Innerahrntaler) und andere Spielgruppen des Hoch pustertals ein Adam- und Evaspiel auf, bei dem der Teufel komisch wirkte. Eine Hs. war nicht zu erfragen; s. A. D ö r r e r Die Prettauer Volksschauspielbücher Schiern-Schriften 53 (1948), S. 40. S a l z b u r g e r G r u p p e . Im österr. Teil der Grenzstadt Laufen hielt sich ein altes Adam- und Evaspiel durch die Schiffer bis ins 19. Jh. Das Spiel ist abgedruckt in: A. H a r t m a n n Volksschauspiele S. 39 — 51. C. K l i m k e sah in ihm die älteste Vervolkstümlichung des H. Sachsenschen Stückes (S. 841). Vgl. noch R. M. W e r n e r Der Laufener Don Juan (Theatergeschichtl. Forsch. 3) 1891. Das Gasteiner Paradeisspiel wurde um 1820 vom Sekretär des Erzherzogs Johann erworben, ist mit Liedern durchsetzt und stark zerspielt und wurde, leicht überarbeitet, von K . J. S c h r ö e r 1862 in seine Dt. Weihnachtsspiele aus Ungern (S. 142 f.) und in seiner Fassung von 1820 von K . A d r i a n und L. S c h m i d t 1936 in: Geistl. Schauspiel im Lande Salzburg (S. 67ff.) aufgenommen. W i l k e n bezeichnete es als ein 'freilich sehr lehrreiches Zerrbild des älteren geistl. Dramas'. Vgl. noch N a g l - Z e i d l e r Deutschösterr. Litgesch. 1 (1899), S. 730. O b e r ö s t e r r e i c h i s c h e G r u p p e . Das älteste überlieferte Spiel stammt aus Leonstein im Traunkreis. Eine jüngere Bearbeitung aus Oberösterreich erschien in der Wiener Zeitung ' D a s Vaterland' Jg. 11 Nr. 60 v. 2. 3. 1870. Das Taufkirchener Adam- und Evaspiel wurde beim dortigen Trachtenfest 1909 wieder hervorgeholt und von F. H o l z i n g e r im Innviertier Heimatkalender für 1910 S. 47 ff. veröffentlicht. Diese Fassung befindet sich außerdem im Nachlasse des oberösterr. Volkskundlers A. B a u m g a r t e n (f 1882) in Kremsmünster. A. D e p i n y verwies außerdem auf die
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erste mdal. oberösterr. Übertragung der S. Sailerschen 'Schöpfung' in Heimatgaue 3 (Linz 1923), S. 218. f f ; die 'in die österr. Bauernsprache übersetzte' erschien ohne Angabe des Druckortes 1784, veranlaßt durch Freunde des Dichters in Wien. Der Abdruck des Leonsteiner Spiels erfolgte in W. P a i l l e r Weihnachtlieder und Krippenspiele 2 (1883), S. 23 — 28; anschließend Paradeislieder aus dem Traunkreis. Vgl. noch J . B o l t e Ein Weihnachtsspiel aus dem Salzkammergute Z f V K . 1908, S. I 2 g f . ; A. D e p i n y Das Volksschauspiel in Österreich Volksbildung 9, S. 99 — 1 2 5 . N i e d e r ö s t e r r . u n d W i e n e r A u s l ä u f e r r e s t e. Ein Adam- und Evaspiel wurde i. J . 1647 von sechs Burschen in St. Pölten von Haus zu Haus in der Weihnachtszeit vorgestellt. Nach den Jesuitenaufführungen in Wien (1561), Krems (1621) und Eggenberg (1712) deutet ein Nachfahre Abrahams a Sancta Clara einen ins Heischespiel abgesunkenen Wiener Brauch in seinem Narrenkalender von 1 7 1 2 an. Ein Paradeisspiel ist für Wiesenbach oder Schachenstein i. J . 1 7 1 1 bezeugt. Ein südniederösterr. Paradeisspiel um 1820 hält eine Handzeichnung von J a k . Gauermann fest. L e o p . S c h m i d t Ein St. Pöltner Paradeisspiel von 1647 J b . f. Landeskunde v. Niederösterr. 27 (1938), S. 249 — 256; d e r s . Weihnachtsbräuche in Niederösterreich Unsere Heimat 20 (Wien 1949), S. i 3 o f f . ; d e r s . Das Schauspielwesen in Niederösterreich ZfdPh. 1940, S. s o f f . ; d e r s . Paradeisspiel in Wien um lyoo Nachrichtenblatt d. Ver. f . Gesch. d. Stadt Wien 5 (1943), S. 1 0 ; d e r s . Volkstümliches Geistesleben der Stadt Krems Festschrift zum 950jährigen Stadtjubiläum von Krems a. d. Donau 1948, S. 3 4 ! ; A. H a b e r l a n d t Weihnachtsbaum, Paradiesbaum, Lichterbaum Obd. Zs. f. Volksk. 1 0 (1936), S. 158/60. K ä r n t n e r G r u p p e n . E i n Paradeisspiel aus de m L a v a n t - und aus dem Görtschitztal veröffentlichte S. L a s c h i t z e r in Carinthia I 84 (1894), S. 80—90, 1 1 4 —127. E s handelt von der Erschaffung Adams und E v a s im Paradiese, vom höllischen R a t und Fall der Menschen, von deren Fesselung und Ausweisung und von der Messiasankündigung. E s steht den von Weinhold und Schlossar herausgegebenen steiermärkischen nahe. Ein Spiel aus Schneßnitz (zwischen Gurk- und Metnitztal) brachte G. G r a b e r 1925 in seinen Kärntner Volksschauspielen I, S. 3 — 32 heraus. E s ist älter, selbständiger und geschlossener. In sechs Akte geteilt, beginnt es mit der Schöpfung der Welt, der Kreaturen und der ersten Menschen. Der höllische R a t will sich infolge seines Engelsturzes damit rächen, daß er die Menschen verlockt. E v a und Adam fallen. Gott verurteilt sie nach der Schlange und läßt sie aus dem Paradiese weisen. Die Hölle jubelt. Luzifer verklagt die Sündigen. Gerechtigkeit und Barmherzigkeit ringen um die menschliche Seele. Gottsohn ist zu ihrer Erlösung bereit. Damit leitet dieses Spiel zu einem Christ-Geburt- oder Leiden-Christi-Spiel über, wie letzteres in Metnitz und anderen Orten West- und Mittelkärntens herkömmlich ist (s. L . K r e t z e n b a c h e r Passionsbrauch und Christi-
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Leiden-Spiel in den Südost-Alpenländern 1953, S. 24 ff.). E s wird im westl. Kärnten in Stuben oder Scheunen nach strenger Überlieferung von Kostümen, Gebärden und Sprechweise vorgestellt. Außerdem gab P. R o s e g g e r ein 'Paradeisspiel aus Obersteiermark' in seinem Heimgarten 8 (1877 Graz, S. 86off.) als Nachspiel heraus, ähnlich den tirolischen Hainzlgesprächen oder dem Fohnsdorfer Nachspiel von 1 8 1 3 der K n a f f l - H s . Diese Humoresken starben in den Jahren nach den Napoleonkriegen ab. Vgl. noch P. R o s e g g e r Die Komödiespieler in s. Die A elpler in ihren Waldund Dorftypen geschildert 1 8 8 1 , S. 57 — 84; V. v. G e r a m b Die Knaffl-Hs., eine obersteir. Volkskunde a. d. J . 1813 (Quellen zur dt. Volksk. 2, 1928, S. 97 — 108; L . K r e t z e n b a c h e r Lebendiges Volksschauspiel in Steiermark (Österr. Volkskultur 6) 1 9 5 1 , S. 360 f. S t e i e r m ä r k i s c h e G r u p p e n . Das Paradeisspiel lebt noch stärker als in Kärnten in etlichen Dorfschaften der benachbarten Steiermark, bes. in der Umgebung von Murau, dem Hauptorte des obersten Murtales, fort. Hier fand diese Gattung ihre erste fachkundliche Beachtung durch K . W e i n h o l d Weihnachtspiele und Lieder aus Süddeutschland und Schlesien 1 8 5 3 mit der Veröffentlichung des Vordernberger Spieles (S. 302 — 371). Dadurch erfuhr diese Spielforschung ihren stärksten Anstoß. Gefördert durch die Textfunde von A. Schlossar, J . R . Bünker und K . Polheim, die Schilderungen und Studien P. Roseggers, M. Mells, V. v . Gerambs, H. Korens und L . Schmidts, brachte L . K r e t z e n b a c h e r ein zusammenfassendes Werk Lebendiges Volksschauspiel in Steiermark 1 9 5 1 heraus, das an erster Stelle auf die Paradeisspiele eingeht (S. 1 — 96). Das Spiel aus Trieben (Paltental) stammt noch aus der Renaissancezeit, obschon die Hs. erst nach 1800 entstand, und rückt damit an die Seite der Fassungen von Elsaß, Tirol, Reichenhall-Laufen, Gastein, Taufkirchen und Oberufer, während die meisten Kärntner und Steirer Fassungen der Barockperiode angehören; s. L . S c h m i d t Das Triebener Paradeisspiel Wiener Zs. f. Volksk. 47 (1942), S. 5 3 - 6 7 Das Vordernberger Spiel ist in einer fast gleich alten Hs. überliefert, dürfte jedoch aus der ersten Hälfte des 18. J h s . stammen. E s steht dem Mitterndorfer (s. A. S c h l o s s a r Dt. Volksschauspiele, in der Steiermark gesammelt I, 1 9 0 1 , S. 1 ff.), dem etwas älteren Fohnsdorfer (s. Knaffl-Hs. S. 97 ff.) und Admonter (s. J . R . B ü n k e r Volksschauspiele aus Obersteiermark 1 9 1 5 , S. I 7 f f . ) , dem gereimten Donnersbacher (s. B ü n k e r , S. 45ff.) und dem Georgener (s. B ü n k e r , S. 9 3 f f . ; K r e t z e n b a c h e r , S. 57 ff.) inhaltlich, zeitlich und landschaftlich am nächsten und wurde, wie die meisten weststeir. Paradeisspiele von umgebenden Spielgruppen mit einem Schäferspiel zusammen noch vor hundert Jahren aufgeführt. Nur an das von St. Georgen und St. Lorenzen bei Murau schließt sich ein Hirtenspiel an. Ältere Erlösungsspiele bevorzugten noch die Dreiteilung: Paradeis-, Hirtenund lustiges Nach-Spiel. Das Admonter, ältere Donnersbacher und St. Georgener Spiel sind wie
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das von Leonstein durchaus gereimt; sie stellen darin die ältere Form dar, die bei den meisten Volksschauspielen nach 1815 nicht mehr lange aufrecht erhalten wurde. D a n k fachkundiger Gönner hielten sich die Obermurtaler Spiele bis in die Gegenwart (s. J. K o t t n i g Zs. f. österr. Volksk. 4, 1898, S. 49), wogegen das gesungene Paradeisspiel des Mürztales Kindberg) 1935 einging (siehe K r e t z e n b a c h e r S. 87, 57f.), A . B o n u s übertrug das Vordernberger Paradeisspiel ins Hd. (s. A. B o n u s Dt. Weihnacht 1899, S. 76ff.). Dazu die Ausgaben von E . S t e p a n Das Paradeisspiel, ein obersteir. Volksspiel 1912; V. Z a c k Das Paradeisspiel im Rathaus Grazer Urania-Almanach 1924, S. 7of.; J. G r e g o r Gesch. d. österr. Theaters 1948, S- 53 ffEigene Erlebnisbilder von Aufführungen in Stilvoll (Westst.) boten M. M e l i Paradeisspiel in der Steiermark 1936 (aufgenommen i. s. Steirischen Lobsgesang 1939, S. 221—235), in Rasing bei Voitsberg K o n r . M a u t n e r (Wiener Zs. f. Volksk. 27, 1921, S. 12 — 20), in Kindberg P. R o s e g g e r (Heimgarten 36, 1921, S. 54ff.), aus der Grazer Nähe V. v . G e r a m b u. a. in Grazer Zeitungen, v o m Obermurtal und Mürztal L. K r e t z e n b a c h e r Lebendiges Volksschauspiel S. 56ff., 82 ff., 361 f. Sie kräftigten die Fortführungen. Heideboden-Preßburg-Ofen-Gruppe. K n a p p vor Durchbruch des Barock entstanden jene Fassungen des Paradeisspiels, die mit solchen des Weihnachtsspiels (s. z. B . o. I V , Sp. 884ff.) und eines meist jüngeren handwerklichen Nachspiels durch auswandernde Neugläubige des Südwestens in das Gebiet des Neusiedler Sees, auch bis Preßburg und Ofen, getragen und als ihre K u l t spiele inbrünstig herausgestellt wurden, noch über die mariatheresianischen Zeit hinaus, in der viele Täufer auswandern oder sich auf eine der staatlich anerkannten Konfessionen umstellen mußten und die beruflichen Sonderheiten sich den Verhältnissen der neuen Heimat angepaßt hatten. In etlichen Ortschaften, vor allem in Oberufer, erstarkten diese Spiele zum deutlichsten Ausdruck ihrer alten Gemeinschaften, so viele Zuwanderer indessen eingesickert waren. Weder die Heimat der Ausgewanderten noch die frühere Landschaft dieser Spiele lassen sich nur auf ein Gebiet und eine Epoche allein festlegen ,noch e t w a einzig auf Täufer, Bergknappen oder andere Lebensgruppen beschränken. Der Hauptstock stammte aus den westlichsten Ostalpen und deren Voralpen; er war schon von A n f a n g an stammäßig und beruflich durchsetzt. Bestimmend für den Charakter ihrer Spiele blieb wohl die Meistersingertradition, entscheidend für das Festhalten das Andenken an Vorfahren und deren Seelennöt in kirchlichsozialer Bedrängnis. Ihr Spielen fand seine letzte innige und starre Form und seinen musikalischen R h y t h m u s vielleicht erst im Verlaufe der Wanderschaften, die teils aus den Bergen an den Bodensee, teils ins Salzburgische und schließlich meist zu den mährischen Brüdern führte, bis sie, noch mehr aus Innerösterreich zusammengewürfelt, sich auf dem Heideboden ansiedelten/ Manche dargestellte Gestalt, mancher A u f t r i t t aus alpiner
Volkskultur errang erst im Salzburgischen allgemeinere Geltung im Schaubrauch und Schauspiel. Wie die Alpen sich gegen Osten in verschiedenen Höhenzügen abdachen, glichen sich abgleitend manche Gruppen der Abwanderer und Züge ihrer Heimatart aus. Der b a y r . Chiemgau, Salzburg, das Tiroler Unterinntal, aber auch die Bodenseegegend stehen im Vordergrund der Herkunftsfragen. Tirol meldete als letztes seinen Anteil an und brachte wohl noch nicht alle seine Belege vor. In Preßburg und Ofen fällt der md. Einschlag ins Gewicht. Die knappe T e x t f o r m , der feierliche Stil, die starke Überlieferung sprechen für den religiösen Charakter des Spiels in zutiefst menschlichem Erleben. E s läßt sich vor die in den Preßburger Hss. überlieferten Täuferlieder stellen. Von Haus aus mag es ausgesprochen altgläubiges Volksgut von Alpenländern gewesen sein, das die Neugläubigen mit in ihre neue Heimat ohne einschneidende Veränderungen mitnahmen. E s deckt sich mit keinem der erhaltenen Fassungen der ganzen Gruppe genau. Elsaß, Laufen, Gastein, W i p p t a l und Trieben stehen ihm geistig und formell am nächsten; Böhmerwald, Nordsudetenland, Slowakei, Innerungarn blieben dem Spiel von Oberufer, das im Vordergrund der Gruppe Heideboden-Ofen steht, bedeutend ferner. In seiner alten Form war es den Auswanderen schon aus ihrer Heimat geläufig, kaum erst in der neupn aus einem Erlösungsspielzyklus v o m Weihnachtsspiel getrennt worden sein. K . J. S c h r ö e r Ein Paradeisspiel aus Oberufer in Ungern Weimar. Jb. 4 (1856), S. 383ff.; der'?. Dt. Weihnachtsspiele aus Ungern 1858, S. 32$., I23ff., 200ff.; d e r s . Nachtrag zu den dt. Weihnachtsspielen aus Ungern 1858; K . B e n y o v s z k y Die Oberuferer Weihnachtsspiele 1934, S. 55, 127 ff., I 7 ö f f . ; d e r s . Die alten Preßburger Volksschauspiele 1934, S. 10, 5 9 f f . ; H. K l e i n Das Oberuferer Paradeisspiel in ursprünglicher Gestalt 1928; H. A m a n s h a u s e r Das Paradeisspiel von Oberufer 1935; vgl. noch K . H o r a k Burgenländische Volksschauspiele 1940; dazu: K . M. K l i e r Das dt. Volkslied 42 (1940), S. 85ff.; L . S c h m i d t ZfdPh. 1941, S. 7 7 f f . ; E . H a r t l Zum Pamhagener Weihnachtsspiel Schlern-Schriften 104 (1953), S. s g i i . ; Dt. Volksschauspiele des MAs. I : D a s Paradeisspiel her. v. Salzburger Wandervogel 1923; M. M e l i Das Wunderbrünnl 7 (1924); Spiel v o m Sündenfall, eingerichtet v . Haas-Berkow; Das Paradeisspiel v. Oberufer 1927. Die Spielhss. von Münchhofen u. St. Johann noch ungedruckt. L e o p . S c h m i d t Zur Paradeisspielverbreitung im Osten Deutsch-Ungar. Heimatbll. 6 (1934), S>. 150ff.; d e r s . Das Volksschauspiel des Burgenlandes Wiener Zs. f. Volksk. 41 (1936), S. 81 f f . ; d e r s . Der Oberuferer Spielkreis Sudetendt. Zs. f. Volksk. 7 (1934), s - i 4 5 f f - ; M. H e i n z e l Z X . Weihnachtsspiele in Ungarn 1858; H . M o s e r Volksschauspiel im Auslanddeutschtum Dichtung und Volkstum 36 (1935), S. g o f f . ; G . K u r z w e i l P. Remigius Sztachovics O. S. B. und die Anfänge der deutsch-ungar. Volkskundeforschung; ders. Hans Sachs Hazankban, E g y e t e m e s Philologiai K ö z l ö n y 57 (1933), S. 191 f f . ; W . H e n s e l Über
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die Namen der Hirten und Könige i. d. dt. Weihnachtsüberlieferung Lied u. Volk 3 (1934). S. 1 5 9 ; A. H a r t m a n n Volksschauspiele S. i f f . (Öfener Spiele); N a g l - Z e i d l e r Deutschösterr. Lit.-Gesch.2 (1914), S. 176, 182. O s t i s c h e S p i e l i n s e l n . Aus den ehemaligen dt. Streuinseln der Donaumonarchie retteten sich Paradeisspiele in Dobschau (Slowakei), Töttös und St. Johann (Ungarn) und Srijem (Jugoslaw.) in die Zeit bis vor den Weltkriegen. Das St. J o hanner Spiel gehört mit dem Münchhofener zum Oberuferer Spielkreis der Heidebauern. Die Weinbauern vor Ofen scheinen ähnlich letzteren in ihrer eigenen Spielkultur nahegestanden zu sein. Dobschau ist gleichfalls ein Ausläufer. Töttös und Srij em bilden eine Sondergruppe zerspielter Umzugsspiele. R . H a r t m a n n Das Töttöser Adam- und Evaspiel Deutsch-ungar. Heimatbl. 2 (1930), S. 3 1 4 bis 3 1 7 ; St. S t r o d l Glasnik zemaljskog muzeja u Bosni i Hercegowini 1 3 (1901), S. 4 5 3 f f . Die stärkste Gruppe von Spielen hielt sich in den dt. Siedlungen der Karpathen. Wie Weinholds Weihnachtspiele J . K . Schröer auf dem Heideboden zur Erfassung des Volksgutes aufriefen, war es im dt. Westungarn überhaupt vornehmlich R . S z t a c h o v i c s , der Hss. sammelte und ihre Drucklegung vorbereitete. J . E r n y e y und G. K u r z w e i l ( K a r s e i ) brachten mit Unterstützung L . S c h m i d t s Dt. Volksschauspiele aus den oberungar. Bergstädten 1932 und 1938 heraus; dazu: L . S c h m i d t Stammeinheitlichkeitsfragen in der dt.-ungar. Volksschauspieldichtung Deutschungar. Heimatbll. 7 (1935), S. 68ff. Das Töttöser Spiel (II, S. 671 ff.) und ein weiteres, fast gleichlautendes kleines Singspiel der Umzüge sind mit Nachrichten über Einwirkungen auf die Landessprachen aufgenommen. D i e n o r d s u d e t e n d t . G r u p p e ist eine Mischgruppe zwischen Böhmen und Schlesien, nur vertreten in der Barzdorfer Moralität und im Obergrunder Weihnachtsspiel als ein kleines Gegenstück zur tirolischen zwischen der alem. und bajuwar. Das Barzdorfer Spiel ist aufgenommen in G. P a v i k o w s k i Das Braunauer Hirtenspiel (Böhmens Dt. Poesie u. Kunst 2, 1892, S. 403ff.). Sie ist durch eingewanderte Bayern vor Jhh. nach Barzdorf gekommen und von den Nachkommen festgehalten worden. An der Spitze steht ein kurzes Paradeisspiel mit 7 Personen, teils in Versen, teils in Prosa; es leitet durch das Auftreten des Todes zum Tode Adams über. Der Heilsprozeß stimmt mit dem Obergrunder und den meisten steir. Paradeisspielen ungefähr nach Martin von Cochem überein. Eine Kain- und Abelszene, ein Spiel vom Guten Hirten, Herodes und den drei Königen und der Auftritt Edelmann, der an H . Guarinonis dramatische Skizze im hs. (2.) Bd. seiner Grewl der Verwüstung (1648) mahnt, weisen auf ähnliche alpenländische Spielzyklen, hin. Aufgezeichnet etwas nach 1800, mag die Moralität Jahrzehnte älter sein; vgl. L . S c h m i d t Die Barzdorfer Moralität Sudetendt. Zs. f. Volksk. 6 (1933), S. i 8 4 f f . ; E . K . B l ü m m l Schottkys Volksliedernachlaß (Quellen u. Forsch, z. dt. Volksk. 7 (1912), S. 76ff.
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In der Obergrunder Weihnachtsspielgruppe (s. L . S c h m i d t , Sudetendt. Zs. f. Volksk. 8, 1935, S. 1 5 3 ff.) steht das bis 1 9 1 0 aufgeführte Engelsberger Christkindlspiel mit seinen Paradeisauftritten inmitten eines Erlösungsspieles, das bis zum Ende des Herodes reicht und mit der Vorstellung der Propheten schließt. Ähnlich reicht das Obergrunder Spiel aus den 20er und 30er Jahren des vorigen Jhs. bis zum Tode des Herodes. Beide Spiele sind stark barock überschichtet. E . W. B r a u n Das Engelsberger Christkindlspiel Zs. f. Gesch. u. Kulturgesch. Österr.-Schlesiens 8 (1913), S. i 2 4 f f . ; A. F r e y b e Weihnachten in der dt. Dichtung 1885, S. iggii., 2 3 2 f f . ; A. P e t e r Volkstümliches aus Oesterr-Schlesien I (1865) S. 3 5 9 f f . ; d e r s . Das Zuckmantier Passionsspiet 1868/69 (mit Gerechtigkeit, Barmherzigkeit, Teufel). D i e B ö h m e r w a l d g r u p p e . Das Weihnachtsspiel des Böhmerwaldes, her. v. Ad. J u n g b a u e r (Beiträge z. dt.-böhm. Volksk. III/2, 1 9 1 1 ) enthielt in Friedberg Paradeisauftritte, Heilsprozeß, Kain und Abel bis zur Opferung Isaaks als Vorspiel, in Reith Adam und E v a , Pilger und J ä g e r als Vorspiel gleich dem des Höritzer Passionsspiels. Sie wurden im 19. J h . aufgeschrieben und stammen aus dem nachbarocken bayr.-österr. Spielkreis. Vgl. J . J . A m m a n n Volksschauspiele aus dem Böhmerwalde (Beiträge z. dt.-böhm. Volksk. I I / i , 1898, S. V I I f f . ) ; J . R a n k Das Adam- und Evaspiel- i n : B l a u - L e h n e r t Bilder aus d. Volksr leben der Deutschen in Böhmen 1929, S. 49ff.
A. Dörrer 'Paradisus anime intelligentis' f P a r a d i s
sele'), eine bekannte Sammlung mystischer Predigten des 14. Jhs. im Cod. Laud. Mise. 479 der Bodleiana zu Oxford. Sie ist in rheinfränk. Sprache geschrieben und stammt aus dem Kartäuserkloster auf dem Michelsberg bei Mainz. Ihre Vorlage dürfte im Erfurter Dominikanerkloster entstanden sein. der fornuftigen
Die Hs. beschreibt R . P r i e b s c h Dt. Hss. in England 1 (1895), S. 148; ihre Sprache analysiert P h . S t r a u c h in seiner Ausgabe, S. X I H f f . E i n e Schwesterhs. entdeckte W. S t a m m l e r in einer Hs. der Hamburger Staatsbibl. (ZfdPh. 55, 1930, S. 291). Eine dritte Hs. der Sammlung hat den Sermonen des Nikolaus von Landau (s. d.) zugrunde gelegen (H. Z u c h o l d Des N. v. L. Sermone als Quelle für die Predigt M. Eckharts u. seines Kreises Hermaea 2, 1905).
Die Sammlung umfaßt 64 Predigten, nach Themen geordnet: Nr. 1 — 3 1 'sermones de tempore', Nr. 32—64 'sermones de sanetis'. Ihre Verfasser sind: Meister Eckhart (31 Predigten), Eckhart Rube (6), Johannes Franco (5), Gisilher von Slatheim (5), Florentius von Utrecht (3), Hane
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der Karmelit (3), Hermann von Loveia (3), Albert von Treffurt (2), Helwic von Germar (2), Thomas von Apolda (1), Bruder Erbe (1), Barfüßer Lesemeister (1), anonym (1): eine Heerschau von Predigermönchen mit Ausnahme Hanes und des Franziskaner Lesemeisters. D i e vollständige A u s g a b e des Par. an. besorgte P h . S t r a u c h D T d M A . 30, 1 9 1 9 ; T e i l a u s g a b e n von E. S i e v e r s Z f d A . 15 (1872), S. 3 7 3 — 4 1 8 (20 E c k h a r t - P r e d i g t e n ) und W . P r e g e r Gesch. d. dt. Mystik II, 1881, S. 4 3 9 — 4 6 8 . — Z u r W ü r d i g u n g der S a m m l u n g : H . N a u m a n n , A f d A . 42 (1923), S. i 8 i f ; P r e g e r a . a . O . S. 8 7 — 8 9 ; E . S i e v e r s a. a. O. S. 4 3 ö f . ; W . S t a m m l e r D L Z . 2 3 (1922), Sp. 7 6 5 — 7 7 0 = Kleine Schriften 1953, S. 1 5 2 — 1 5 5 ; P h . S t r a u c h E i n l e i t u n g zur T e x t ausgabe"
Kurt Ruh
'Passion Christi', s. " L e i d e n , v o n u n sers Herrn', ' E v a n g e l i e n - P e r i k o p e n der Passion'. 'Passional*. 1. Das fast 110 000 Verse umfassende ' P . ' ist in drei Bücher gegliedert. Das erste behandelt die Geburt Marias, die Verkündigung, die Geburt Jesu, die hl. drei Könige, den Kindesmord zu Bethlehem, Wundertaten des Jesuskindes, Pilatus, Christi Auferstehung und Himmelfahrt, die Ausgießung des hl. Geistes, Marias Tod und viele Wunder der Himmelskönigin. Das zweite Buch berichtet von den Aposteln, von der Zerstörung Jerusalems und von Maria Magdalena. Das dritte Buch endlich, das umfangreicher ist als die beiden anderen zusammen, schildert 75 Heiligenleben. E s beginnt mit dem hl. Nikolaus (6. Dezember) und führt durch das ganze Kirchenjahr bis zur hl. Katharina (25. November). Jede Legende erzählt von der Herkunft und Geburt des Heiligen, vom Leben und Sterben, von den Wundern nach dem Tode. Das ' P . ' endet mit einer Nachrede und dem Gedicht ' Unsers herren lob'. 2. Die Haupt q u e l l e des Dichters ist die 'Legenda aurea' des Jacobus a Voragine, die die Grundlage des zweiten und dritten Buches bildet. Doch hat er auch für sie noch andere Quellen benutzt, für die Thomaslegende nach W i l h e l m die KPassio Thomae', für die Elisabethlegende nach O e s s e n i c h die 'Summa vitae Elisabethae' Kon-
rads von Marburg und den 'Libellus de dictis quattuor ancillarum' in der Fassung von 1290. Das erste Buch stützt sich auf eine Reihe einzelner Quellen. Seinen Vorlagen gegenüber hat sich der Dichter seine Freiheit bewahrt. Weder ihr Wortlaut noch ihre Anordnung waren für ihn verbindlich. Sie boten ihm nur den Stoff, den er dichterisch gestaltete. 3. Die S p r a c h e des Werkes ist lebendig. Ausrufe und Anreden an den Leser unterbrechen den gleichmäßigen gefälligen Fluß der Verse. Wiederholt finden sich Wortspiele. Die Verse sind regelmäßige Vierheber mit reinen Reimen, wobei grobmundartliche Reimwörter gemieden werden. Die gewöhnliche Form der Versbindung ist das Reimpaar, doch begegnen auch Dreireime Und seltener Verse mit noch mehr gleichen Reimen. Eine künstlerische Absicht hat der Dichter mit solchen Reimhäufungen nicht verfolgt. Zur Hervorhebung des Schlusses von Abschnitten, die eine größere Einheit bilden, verwendet er gerne gleiche Verse. So schließen alle 25 Marienlegenden mit dem Vers des si gelobt die kuningin. In noch zahlreicheren Fällen bedient er sich eines Reimpaars, wobei der erste oder zweite Vers auf Crist endet. 4. Wie der Dichter ausdrücklich angibt, hat er das ' P . ' geschrieben, um die Menschen zu bessern. Vier Jahre lang hat er sich bedacht, bevor er an die Arbeit ging, die ihm anfänglich zu schwer erschien. Wenn er sie doch ausführte, so bestimmte ihn dazu mit der Wunsch, Busse für seine weltliche Gesinnung in früherer Zeit zu tun. Der äußere Anlaß war freilich die Bitte eines Gönners, den er ungenannt läßt. 5. W a n n das 'P.' entstanden ist, läßt sich nicht genau angeben. D a in ihm jedoch die 'Legenda aurea' benutzt ist, die Um 1275—80 anzusetzen sein wird, dürfen wir annehmen, daß es zwischen 1280 und 1300 geschrieben wurde. Dazu stimmt die Beobachtung, daß für die Elisabethlegende mit der 'Libellus de dictis quattuor ancillarum' in der Fassung von 1290 als Quelle gedient hat. U m 1300 wird das Werk vollendet worden sein, denn bald darauf lassen sich die ersten Einflüsse auf andere Dichtungen erkennen.
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6. Wer der D i c h t e r war, wissen wir nicht. Keine der vielen Vermutungen hat sich erhärten lassen. Die Dichtung selbst bietet Uns keinen Anhalt, da der Verfasser seinen Namen bewußt verschwiegen hat. Erkennen läßt sich mit Sicherheit nur, daß er Geistlicher war. Dies bezeugt er auch selbst. So sagt er in der Nachrede zum zweiten B u c h : waz ich Mute predegen pflege, / daz verget mit dem galme, an anderer Stelle : der mich zu finstere hat gewit, / des ich unwirdic leider bin. D a ß er dem Deutschen Orden angehörte, wird dagegen nirgendwo ausdrücklich angegeben. Diese allgemein vertretene Auffassung bedarf daher einer besonderen Begründung. Letzten Endes hat die Beweislast die Sprache des Dichters zu tragen. Ob sie eindeutig ins Ordenland weist, steht jedoch noch dahin. Daß im ' P . ' die ostmd. Mundart auf jeden Fall viel stärker zurücktreten würde als in späteren Deutschordensdichtungen, gibt G. T h i e l e zu. Wenn er vor allem auf tolke M. „Dolmetscher" und tolken „dolmetschen, erklären" verweist und jenes als balt. Lehnwort anspricht, so ist doch zu fragen, ob es nicht unmittelbar auf aruss. tolk „Dolmetscher" zurückgeht, woher auch lit. tülkas, lett. tulks stammen. E s würde dann, wofür außer der Laut form das Vorkommen des Wortes bei Hermann Korner spricht, zunächst von den dt. Kaufleuten aufgenommen sein, die mit Novgorod Handel trieben. Auf Grund von anderen sprachlichen Anhaltspunkten hat schon O. B e h a g h e l den Dichter für einen hd. schreibenden Nd. gehalten. Trifft diese Auffassung zu, so brauchte sie freilich noch nicht auszuschließen, daß das ' P . ' im Ordensland entstand. 7. Daß der Dichter sein Werk zunächst in Teilen v e r ö f f e n t l i c h t e , ersehen wir daraus, daß er an verschiedenen Stellen sich gegen die Kritik wendet, die es erfahren hat. E . S c h r ö d e r s Annahme, daß er wenigstens den dritten Teil später überarbeitet habe und erst in die zweite Fassung die Verse eingefügt worden seien, in denen er sich gegen Anfeindungen zur Wehr setzt, wird der Überlieferung nicht gerecht. Doppelfassüngen, die auf eine Bearbeitung hinwiesen, sind nicht erhalten. Auch ist kaum Verfasserlexikon V.
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'Passional'
anzunehmen, daß der Dichter sein umfangreiches Werk noch einmal einer solchen unterzogen haben sollte. 8. Die Wirkung des ' P . ' war in der Folgezeit sehr stark. Einflüsse auf Waither von Rheinau (s.d.) erwies A. H a u f f e n , auf Heinrich von München (s. d.) P. G i c h t e l , auf Helwig von Waldirstet (s. d.) H e y m a n n . Vor allem hat das ' P . ' späteren Legendensammlungen als Quelle gedient. Auch zu ergänzenden Legendendichtungen hat es angeregt. Als solche entstanden in Deutschordenskreisen etwa die Legenden von der hl. Barbara und vom hL Adalbert (s. d.). Lange angehalten hat der Erfolg des ' P . ' freilich nicht. Nach der Mitte des 14. Jh.s tritt es zurück. Nur gelegentlich ist es später noch abgeschrieben worden. 9. Auf Grund zahlreicher Gemeinsamkeiten in den Reimen, Ausdrücken und Redewendungen und fast wörtlicher Übereinstimmungen hat zuerst F . P f e i f f e r {Marienlegenden S. X I V ) die Auffassung vertreten, daß der Dichter des ' P . ' auch das 'Väterbuch' (s. d.) geschrieben habe. Sie darf heute trotz des Einspruchs H. S c h n e i d e r s als die herrschende Ansicht gelten. D a im 'Väterbuch' der Stil des Dichters noch nicht allgemein auf der Höhe steht, wie er im ' P . ' erscheint, wird es vor diesem entstanden sein. Freilich bleibt auch die Möglichkeit erwägenswert, daß Teile beider Werke nebeneinander geschrieben wurden. Sind jedoch das 'Väterbuch' und das ' P . ' vom gleichen Dichter verfaßt, so ist bei der Lösung der Heimatfrage auch jenes mit zu berücksichtigen. So ist zu prüfen, ob es Gewicht hat, wenn bei der Darstellung des jüngsten Gerichts in den Versen 40 757—76 die Brüder des Deutschen Ordens, die Marienbrüder, unter den Seligen genannt werden : Ein rot soltu noch schawen / bei der schonen junchfrawen, / Gotes muter, Marien: / Di mit hertzen freien / di werlt hin varn Hessen / und Marie ritter Messen. Zu bedenken ist allerdings, daß der Dichter auch die Franziskaner und die Dominikaner wiederholt rühmt und daß die Erwähnung der Marienritter durch das Auftreten der Mutter Gottes nahegelegt worden sein könnte. 28
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'Passionsspiele, Bozner'
— 'Passionsspiel, Frankfurter'
10. Die Überlieferung des ' P . ' ist sehr u m f a n g reich. Einen Teil der Hss. verzeichnet P. P i p e r Die geistliche Dichtung des MAs. I I , S. 1 2 g f . G. T h i e l e Der Ursprungsraum des Passionais (1936), kennt fast 70 Hss. Dabei werden noch ständig neue Fragmente gefunden; vgl. A . B e r n t Adt.Findlinge (1943); G. E i s I F . 60, S. 86ff. Überliefert sind immer nur das 1. und 2. B u c h oder das 3. Buch. O b es eine Gesamths. gab, l ä ß t sich noch nicht erkennen. Größere Hss. sind überhaupt nur in kleiner Zahl auf uns gekommen. V o m 1. und 2. B u c h besitzen wir 4 Kodizes, v o n denen die Berliner Hs. (A) den besten T e x t bietet. A m nächsten kommen ihr die Wiener Hs. (C) und die Meininger Papierhs. A m geringwertigsten ist die Heidelberger Hs. (B). N u r insofern verdient sie den Vorzug, als sie ein echtes Magdalenenwunder enthält, das sonst nur noch in einem kleinen Bruchstück überliefert ist. V o m 3. B u c h sind drei größere Hss. erhalten, die keine starken A b weichungen zeigen. Eine kritische A u s g a b e des ' P . ' gibt es noch nicht. A u c h fehlt bisher überhaupt eine Gesamtausgabe. B u c h 1 und 2 h a t 1845 K . A . H a h n nach B herausgegeben: Das alte Passional. Eine Ausgabe des dritten Buches besorgte 1852 Fr. K . K ö p k e Das Passional (Bibl. d. dt. Nat.-Litt.). Die zum ersten B u c h gehörenden Marienlegenden, die bei H a h n z u m größten Teil fehlen, bringt F . P f e i f f e r Marienlegenden (1846, 2 i863), einige bei H a h n ebenfalls nicht vorhandene Jacobuslegenden bieten C. K l ä d e n (v. d. Hagens Germania, S. 2 5 2 — 2 7 2 ) und O. v . Z i n g e r l e (ZfdPh. 6, S. 14 — 29). Das in B und deshalb auch bei H a h n fehlende Nachwort zum 1. B u c h druckt nach der Wiener Hs. Cod. bibl. palat. 2694 L a t z k e Über die Proömien und Epiloge zum mhd. Passional (Progr. Korneuburg 1903), nach einer Straßburger Hs. teilweise auch M a s s m a n n (v. d. Hagens Germania 7, S. 287 — 290). D a s Schrifttum verzeichnen K . H e l m - W . Z i e s e m e r Die Literatur des Dt. Ritterordens (Gießener Beitr. z. dt. Philol. 94), 1951, S. 48 — 70 und A n m . 126 — 183.
Willy Krogmann 'Passionsspiele, Bozner' s. o. III, Sp.735ff., 774ffDazu A . M a u r e r Baugesch. der Bozner Pfarrkirche B e i h e f t 8 z. Bozner Jb. f. Gesch., K u l t u r u. K u n s t 1945; d e r s . Der Schiern 26(1952), S_302ff.
'Passionsspiel, Frankfurter'. Die Spielhs. von 1493 im Frankfurter Stadtarchiv stellte der Gerichtsschreiber Johannes Kremer fertig. Im gebräuchlichen SchmalfolioHeberegister-Format enthält sie auf Bl. 1 bis 80a den Spieltext, etliche leere Blätter folgen. Die Hs. ist in altem Pergament gebunden. Sie führt die Auftritte zweier Vorstellungstage von der Berufung der Apostel bis zur Grablegung Christi aus, schließt
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also mit dem Karfreitagstext ab, wogegen die Frankfurter Dirigierrolle von 1350 (s. Baldemar v. Peterweil o. I, Sp. 155—8) auch die Auferstehung und Himmelfahrt vorsah. Aufführungen lassen sich noch 1498 und 1506 feststellen (vgl. die histor. Nachrichten von Aufführungen biblischer Stoffe in Frankfurt und Hessen bei E . W . Z i m m e r m a n n Das Alsfelder Passionsspiel 1909, S. 4ff.). 1515 verbot der Stadtrat jede Durchführung eines Passions-, Weihnachts- und Johannesspiels. Das Spiel setzt mindestens zwei U m arbeitungen des älteren Frankf. Passionsspiels voraus. Auf die ältere reicht das Heidelberger von 1514 Und greift der Bearbeiter des Alsfelder von 1501 wiederholt zurück. Aber nicht bloß durch die wechselseitige Textanschwellung, auch durch das Besuchen und kritische Beobachten der nachbarlichen Aufführungen wurden diese Spiele vorwärtsgetrieben, bald mehr vom Erlebnis des Raumes, bald mehr von dem der Bewegungsspiele aus, vielfältig durch das Kunstschaffen der Stadt angeregt. Viele Auftritte der Magdalena, des Judas, der Gefangennahme würden stark erweitert und lebhafter gestaltet. Wie schon das Vorspiel Augustinus und die Propheten wider die Rabbiner antönt, ist das ganze Spiel beherrscht vom Gegensatz zwischen Salvator und den Juden. Die 4408 Verse sind dt., die kurzen Spielanweisungen noch lat. verfaßt. Das Fr. P . wurde in seiner Aufteilung auf drei Gedenktage vorbildlich für die spätmal. Bürgerspiele, auch des weiteren Südens (z. B . Tiroler Passion) und des Ostens (Eger), wenn es auch das Schicksal des Täufers der eigenen Spiele wegen ausschaltete. Die Darstellung fand auf dem großen Platze mit dem Himmel auf der einen und der Hölle auf der anderen Seite statt. Das weite Spielfeld war begrenzt durch die einzelnen Standorte und Mansionen, den Tempel, die Häuser des Pilatus, Kaiphas usw., Paradies, Gethsemane, Berg der Versuchung und Ölberg. Auf dem neutralen Spielfeld wurden durch Requisiten die Orte angedeutet: Brunnen, Säule, Kreuz, Baum. A m frühen Morgen zogen die festlich ausgestattete Spielschar, die Bürger Und Zunftgenossen auf ihre
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'Passionsspiel, Heidelberger' —
Plätze. In ununterbrochener Folge vollzogen sich die einzelnen Auftritte, bald da, bald dort, in ständiger Bewegung. Da schwärmten die Teufel, dort erweckte Maria Magdalena besonderes Aufsehen, in arger Derbheit wurden Geißelung und Kreuzigung durchgeführt. Die noch vor seinem Tode fertig gestellte Neuausgabe des Spiels durch E. H a r t l für die Sammlung Die dt. Lit. Drama des MAs. 3, ist nicht erschienen. A u s g a b e : R . F r o n i n g Das Drama des MAs. I I ( D N L . 14) 1891, S. 375 — 5 3 4 . — C r e i z e n a c h I 2 (1911), S. 194, 198, 204, 2 2 4 I ; M. J. R u d w i n Die Prophetensprüche und -zitate im relig. Drama des dt. MAs. 1913, S. I 3 f . , i s f f . ; K . B u r d a c h Vorspiel I (1925), 1, S. 1 9 0 f f . ; J.W.Kurtz Studies in the staging of the German religious drama of the late middle ages 1932; K . Y o u n g The Drama of the Mediaeval Church 1933; d a z u : N e i l C. B r o o k s J E G P h . 33 (1934), S. 2 8 6 - 2 9 2 ; J . P e t e r s e n Z f d A . 59, S. 8 3 — 1 2 6 ; Z f d P h . 49, S. 247; H . F . M u l l e r Pre-history of the mediaeval drama, the antessendents of the tropes and conditions of appearence ZfromPhil. 1925, S. 544 — 5 7 5 ; F . H e r r m a n n Beitr. z. hess. Kirchengesch. 3 (1909), H . 4. Weitere Literaturangaben s. o. I l l , Sp. 736 ff.
A. Dörrer
'Passionsspiel,Heidelberger'. Die Spielhs. vom Jahre 1514 in der Heidelberger Univ.Bibl. (Cod. palat. germ. 402) Umfaßt 166 Blätter mit Text und drei leere; sie ist in Perg. gebunden. Schreiber war Wolfg. Stüeckh. Sie fußt zu großen Teilen auf dem Spiel der Frankfurter Dirigierrolle des Baldemar v. Peterweil (s. o. I, Sp. 155—8) und besteht aus 6125 Versen, ist aber unvollständig geblieben, da diese mit Josef v. Arimathea abbrechen. Die Hs. wurde nicht als Regiebuch benützt. Das Spiel setzt sich nach der allegorisierenden Art der zeitgenössischen Theologen durch seine 13 Präfigurationen in Parallelen zum AT., entbehrt aber dadurch des krönenden Abschlusses. Ausgabe: G. M i l c h s a c k Heidelberger Passionsspiel ( S t L V . 150) 1880; dazu A . E . S c h ö n b a c h A f d A . 8 (1881), S. 402. — T . W e b e r Die Präfigurationen im geistl. Drama des MAs. 1919; G r a c e F r a n k The palatine passion play Public, of the mod. Lang.ass 35 (1921); L . G o m b e r t Johannes Aals Spiel von Johannes dem Täufer (Germ. A b h h . 31) 1908, S. 14 — 20; J. P e t e r s e n Aufführungen und Bühnenplan des älteren Frankfurter Passionsspiels Z f d A . 69 (1922), S. 83ff. ; K . W e i g a n d Friedberger Passionsspiel ZfdA. 5
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'Paternoster'
(1845), S. 5 4 5 f f . ; C r e i z e n a c h I 2 (1911), S. 192, 205, 210, 2 2 7 ; A . E . B e r g e r Die Schaubühne im Dienste der Reformation I I (Dt. L i t . , Reihe Reformation 6) 1 9 3 6 , S. 325. A D ö r r e r
'Passionsspiel, Sterzinger' s. o. I I I , Sp.
753ff., 761 f., 779ff.; dazu P. K o f i e r Vom gotischen zum barocken Hochaltar in der Pfarrkirche zu Sterzing Der Schiern 26 (1952), S. 437ff. 'Passionsspiele, Tiroler', s. o. I I I , Sp. 741
bis 835; dazu L e o p . S c h m i d t Neue Passionsspielforschung in Oesterreich 2. Jb. des Oesterr. Volksliedwerkes (1953), S. 114 bis 143 und die Entgegnungen (ZfdA. 86, 1954/5; A. D ö r r e r Erl. Arbeit und Brauch I 955a . Dörrer 'Paternoster'.
Das kurz vor der Mitte des 12. Jhs. wahrscheinlich in Kärnten entstandene 'P.' gehört zu den Gedichten, in denen die Sieben als hl. Zahl erscheint. Ausgehend von den sieben Bitten im Vaterunser behandelt der Dichter die sieben Seligpreisungen (Matth. 5, 3—9), die sieben Gaben des hl. Geistes (Jes. 11, 2f.), die sieben Heilsstationen von der Geburt bis zum Gericht Christi und die sieben Patriarchen, und zwar diese vier Siebenerreihen jeweils in umgekehrter Reihenfolge. Einen Überblick über den Aufbau des nach Ausscheidung zweier Verse in Str. 4 20 Strophen zu je 12 Versen umfassenden Gedichtes gibt das lat. Schema, das in der Innsbrücker Hs. hinter dem folgenden Gedicht 'Von der Siebenzahl' (s. d.) steht, dessen Angaben zumeist aber auch als Überschriften der betreffenden Str. begegnen : David. Spiritus timoris. Beati pacifici. Dies judici. Patern. Moises. Sp. pietatis. B. mundi. Ascensio dni. Adveniat. Jacob. Sp. scientiae. B. miseric. Resurrect. Fiat v. Isaac. Sp. fortitud. B. pui esur. Sepultura. Panem. Abraham. Sp. consilii. Beati pui lug. Passio Chr. Et dim. Noe. Sp. intellect. B. mites. Baptism. Chr. Et ne nos. Adam. Sp. sapientiae. B. pauperes. Nativitas Chr. Sed libera. Auf eine Einleitung von 5 Str., in der auf das Vaterunser mit seinen sieben Bitten und auf die sieben Gaben des hl. Geistes hingewiesen und zur Gottesfurcht und Nächstenliebe aufgerufen 28»
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Pauli, Johannes — Paulus Diaconus
wird, folgen sieben Strophenpaare, wobei jeweils in der ersten Str. eine der sieben Bitten, in der zweiten eine der sieben Seligpreisüngen, der sieben Gaben Und der sieben Heilsstationen sowie ein Patriarch behandelt werden. Die Schlußstr. zerlegt die sieben Bitten dann noch in drei Und vier. Die drei ersten sind aller herist, si gerent der durnahtichaite zer drivalten gothaite. Die anderen vier trostent disses libes ellent. Die unmittelbare Quelle des 'P.' ist nicht bekannt. Ähnliche Gedanken enthalten das 'Ofusculum de quinque seftenis s. septenariis' des Mystikers Hugo von St. Victor (1097—1141) Und die Schriften Ruperts von Deutz (s. d.), ohne daß sich das frühmhd. Gedicht jedoch darauf zurückführen ließe. Eigentümlich ist ihm die Umkehrung der vier zugeordneten Heptaden. Vollständig überliefert ist das ' P . ' in der aus d e m Kloster Stams stammenden Hs. 652, Perg. 4 0 der Univ.-Bibl. zu Innsbruck, die es mit dem Gedicht v o n der Siebenzahl und mehreren lat. und dt. Rezepten auf einer besonderen, einst selbständigen L a g e enthält. E s steht hier auf Bl. 7 2 ' und ist im 12. Jh. geschrieben. L ü c k e n h a f t überliefert es auch die j e t z t in K l a g e n f u r t befindliche Milstätter Hs. 167. N a c h Ausweis von übereinstimmenden Fehlern setzen beide Fassungen eine gemeinsame Vorlage voraus. Zuerst veröffentlicht haben das ' P . ' nach der Innsbrucker Hs. M o n e A n z f K d d V . 8 (1839), S. 3 9 — 4 4 , nach der Milstätter Hs. K a r a j a n Dt. Sprachdenkmale des 12. Jhs. (1846), S. 6 7 — 7 0 . Spätere A u s g a b e n : M S D . Nr. 43 u. II 3 , S. 256 bis 265; A . W a a g Kleinere dt. Ged. des XI. u. XII. Jhs. aNr. 5 und Einl. S. X X X V - X X X V I I I . Das Schrifttum verzeichnet E h r i s m a n n I I , 1, S. 66 bis 69. V g l . noch H . d e B o o r Die Gesch. der dt. Lit. (1949) S. 168f. \ir-n TT" v
Willy Krogmann
Pauli, Johannes (Nachtrag): F . L a n d m a n n Zum Predigtwesen der Straßbg. Franziskanerprovinz in der letzten Zeit des MAs. Franziskan. Studien 15 (1928), S. 1 1 3 — 119. K . S c h o t t e n l o h e r Bibliogr. zur dt. Gesch. im Zeitalter d. Glaubensspaltung 2, S. 1 2 5 f . D . v o n K ü n s s b e r g Das Recht in Ps. Schwanksammlung Diss. Heidelbg. 1939.
Hannemann
Paulus Diaconus. 1. Da P. selbst in seiner Bescheidenheit seine Person fast ganz zurücktreten läßt, bieten seine Werke wenig Anhaltspunkte für seinen äußeren Lebensweg; auch die sonstigen Quellen geben nicht viel Sicheres her. Sein Geburtsjahr läßt sich nur annähe-
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rungsweise festlegen: gegen 720—730. Die Familie (Vater Warnefried, Mutter Theudelindis) gehörte zu den vornehmen und begüterten der Landschaft Friaul nahe bei Cividale, kaum zum alten langobardischen Volksadel, eher zum neuen Dienstadel des Landes; sein Urgroßvater Leupichis war mit Alboin nach Italien gekommen. P. hatte einen Bruder Arichis (s. U.) und eine Schwester, die in jungen Jahren Nonne wurde. A m Hofe des Königs Ratchis in Pavia erhielt P. eine gründliche wissenschaftliche Erziehung; als seinen Lehrer nennt er in der Langobardengeschichte besonders einen Flavianus, bei dem er nicht nur in die lat. Sprache Und Literatur eingeführt wurde, sondern auch griech. Kenntnisse erwarb; letztere kennzeichnet er selbst zwar bescheiden als unbedeutend, sie verschafften ihm aber später am karolingischen Hofe großes Ansehen und den Auftrag, die geistlichen Begleiter der Prinzessin Hrothrud, ältester Tochter Karls, dem griech. Thronerben verlobt, und diese selbst für ihre Reise zum Hofe in Byzanz im Griechischen vorzubilden. Er gehört also zu den Germanen, die sich um die geistige Verschmelzung ihres Stammes mit dem Erbe der Antike verdient machten. Trotzdem bewahrte er sich die Liebe zu seinem Volke und zu dessen Geschichte und Sage. Ob P. auch nach dem Eintritt des Königs Ratchis ins Kloster Montecassino am langobardischen Hofe in Pavia blieb, ist nicht sicher; jedenfalls hat er die Studien der Tochter des letzten Langobardenkönigs Desiderius, Adelpergas, betreut, folgte ihr wahrscheinlich nach Benevent, als sie den dortigen Herzog Arichis heiratete, und blieb diesem geistig interessierten Ehepaar bis zu dessen Tode in Anhänglichkeit verbunden. D a ß er Consiliarius, ja sogar Cancellarius, am langobard. Königshofe in den Jahren 769—74 wurde, wie spätere Überlieferung berichtet, ist nicht anzunehmen. Unsicherheit besteht auch hinsichtlich des Zeitpunktes und des Ortes, an dem er Mönch wurde. L . T r a u b e nahm an, daß er in das Friauler Kloster Civate eintrat, dort die Novizen Unterrichtete und seine lExpositio Reg. S. Bened.' schrieb; doch ist dem mit guten Gründen widersprochen worden.
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Paulus Diaconus
Wahrscheinlicher ist, daß er erst nach dem Erliegen des Langobardenreiches 774 in Montecassino die Profess ablegte, dem Kloster, das seine zweite Heimat wurde Und in dem er die meisten seiner literarischen Arbeiten verfaßte, auch sein Hauptwerk, die Geschichte seines Volkes. Von 784—88 lebte P. als eines der angesehensten Mitglieder des gelehrten Kreises Um Karl den Großen im Frankenreiche. Ob der König ihn auf Grund des Rufes seiner Persönlichkeit und seiner vorzüglichen Bildung dorthin berief, läßt sich nicht mit Gewißheit sagen. Sehr wohl möglich ist es auch, daß er das Bittgedicht für seinen in den langobardischen Aufstand gegen Karl verwickelten und darauf gefangengesetzten Bruder Arichis und für die Freigabe des beschlagnahmten Familienvermögens selbst an den karolingischen Hof brachte und dort auf Karls Drängen verblieb, nachdem dieser auf seine Bitten hin den Bruder begnadigt und aus seiner Haft entlassen hatte. Die poetischen Episteln, die P. mit dem König wechselte, geben ein schönes Bild von dem vertrauten, ja freundschaftlichen Verhältnis des großen Königs zu dem gelehrten Mönche. Wie die übrigen Mitglieder der sogen. Akademie folgte auch er dem wechselnden Hoflager des Königs; bezeugt sind z. B. Aufenthalte in Diedenhofen, Metz, Poitiers, Kiersey, Düren, Heristal Und Attigny. Diesem fränk. Aufenthalte verdanken zahlreiche seiner Gelegenheitspoesien, die Gesch. der Metzer Bischöfe, der Auszug aus Festus u. a. ihre Entstehung. Im Frankenreiche verließen ihn trotz aller Freundschaften und Ehrungen, mit denen man ihn überhäufte, nie das Heimweh nach Montecassino und seiner Klosterzelle; der König erlaubte ihm schließlich auf sein inständiges Bitten die Rückkehr, hielt aber auch weiterhin die Beziehungen zu seinem gelehrten Freunde aufrecht. P. blieb dort bis zu seinem Tode, dessen Jahr ebenso Ungewiß ist wie sein Geburtsjahr; man vermutet, daß er die Kaiserkrönung Karls nicht mehr erlebte, sondern 799 aus dem Leben schied (so seit Mabillon von den meisten angenommen, nach anderen einige Jahre früher). Der Nekrolog des Klosters
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verzeichnet den 13. IV. als seinen Todestag. Sein Schüler Hildric setzte ihm die Grabschrift, an deren Echtheit man nicht zu zweifeln braucht. Zur Gesch. der Forschung über Ps. Leben und die Chronologie seiner Werke: M a b i l l o n Anal, vetera 1675 — 85, I, S. 3 i o f f . ; dazu Annales Ord. S. Ben. II, 1703, S. X X I V , C. 73. — Grundlegend der Aufsatz B e t h m a n n s Pertz' Arch. X , 1851, S. 247 — 334, mit dem sich — etwas umständlich, aber fördernd — D a h n F. polemisch auseinandersetzte: Paulus Diac. 1876, in: Langobard. Stud. I, 1. — Dahns allzu skeptische Einwendungen, z . B . hinsichtlich der Echtheit der Grabschrift, wurden widerlegt von G. W a i t z G G A . 1876, S. I 5 ï 3 f f . — Th. M o m m s e n N. A. V, S. 53ff. G. C a l l i g a r i s Saggio di studi critici su Paolo Diacono 1890. L. Z a n u t t o P.D. ed il monachismo occidentale 1899. Atti e memoire del Congresso storico nell' XI. centenario di P. D. Cividale 1900. C i p o l l a Note bibliografiche circa hodierna erudizione degli studi critici sul testo dette opere di P. D. 1901. L. T r a u b e - H . P l e n k e r s Textgesch. der Reg. S. Bened. 1910 passim (Abh. d. Bayr. A k a d . Phil.hist. K l . X X V , 2). Miscellanea di studi intorno a P. D. etc. in: Memorie storiche Forogiuliesi X X V , 1929, 1930. (Vgl. auch ebda. X X V I I / X X I X , 1931, S. 55 — 72.) O l g a D o b i a c h e La main du Paul Diacre sur un codex du VIII. siècle envoyé à Adelhard (Mem. stor. Forogiul. 25, 129 — 143 mit Taf.). L. C h i a p e l l i II senso d'arte in P. D. e nel suo populo (ebda. S. 119 — 128). Zu benützende Ausg., wo nichts anderes unten bei den Werken bemerkt, M i g n e Pair. Lat. 95, 1851, S. 4 i 3 f f .
2. P o e t i s c h e W e r k e . Wenn auch auf diesem Gebiete nicht seine eigentliche Stärke zu suchen ist, so wirken seine Dichtungen, die zum größten Teil in antiken Metren, zum geringeren in rhythmischen Formen abgefaßt sind, doch viel liebenswürdiger und frischer als z. B. die etwas frostigen und moralisierenden Gedichte Alkuins. Zum großen Teil sind es Gelegenheitsgedichte im guten Sinne des Wortes, poetische Episteln als Antwort auf solche des Königs, bzw. in dessen Auftrage von Petrus von Pisa verfaßten, Epitaphien auf Mitglieder des karolingischen Hauses ü. a., Rätselgedichte, Inschriften usw. Besonders anziehend ist die Beschreibung der Ufer des Corner Sees, '/« laude Larii lad' (Neff Nr. I.) die menschlich ergreifende Klage auf den Tod des Herzogs Arichis von Benevent (Neff Nr. X X X V ) und das Bittgedicht an Karl den Gr. für seinen Bruder und dessen Familie, deren trauriges Schicksal mit warmem Mitgefühl geschildert wird (Neff Nr. XI). Seiner Frühzeit (763) gehört das
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Paulus Diaconus
komputistische Gedicht an, das er auf deren Bitte an Adelperga sandte. Vermutlich aus seinem ersten Aufenthalt in Montecassino (nach 774) stammen die Verse und der Hymnus auf S. Benedictus, im wesentlichen dessen Wundertaten nach Gregors des Gr. 'Dialogi' II. aufzählend. Nicht von P. rührt jener Hymnus auf S. Johannes Baptiste her TJt queant laxis . . ., berühmt geworden durch die auf ihn zurückgehende sogen. Solmisation (ut re mi la fa sol), trotz Zuweisung durch G. M. Dreves und nach diesem U. C h e v a l i e r Repert. Hymn. Nr. 21039 u - a - Auch die liebenswürdigen und trefflichen kleinen vier Fabeln (vom Wunschbock, vom kranken Löwen, vom Storch und Kälbchen, vom Floh u. d. Podagra) stammen weder von P., wie K . M ü l l e n h o f und E . D ü m m l e r annahmen, noch von Notker Balbulus (s. d.), wie P. v. W i n t e r f e l d wollte (vgl. darüber zuletzt: W o l f r a m v. d. S t e i n e n Notker d. Dichter u. s. geistige Welt 1948, Darstell.Bd. S. 499). Ausgabe der Gedichte: 1. v. E. D ü m m l e r M G H . Poetae I, S. 35 — 86 und 625 — 628. — Manche Irrtümer Ds. berichtigt von K . N e f f Die Gedd. d. P. D. krit. u. er kl. Ausg. 1908. (Quell, u. Unters, z. lat. Philol. d. MAs. III, 4), wonach zu zitieren ist. — Lit.: F . E . J. R a b y A History of Christian Latin Poetry 1927, S. 162 ff. — P . E r m i n i La poesia enigmistica e faceta di P. D. (Mem. stor. Forogiuliesi. 25, 1929, S. 97 —110).
3. T h e o l o g i c a u. P h i l o l o g i c a : a) Mit der inhaltlichwichtigen 'Expositio Regulae S. Bened.' eröffnete P. die durch alle Jhh. bis auf den heutigen Tag reichende Reihe der Erklärer der Klosterregel des Mönchsvaters. Sie dürfte wohl erst in die erste Zeit seines Montecasineser Aufenthaltes fallen. Daß das Latein der 'Expos.' vulgäre Züge aufweist und von dem der Langobardengeschichte absticht, wird seinen Grund nicht nur in dem zeitlichen Abstand, sondern auch im Gegenstande haben, d. h. im Latein der 'Regula', die er zwar im allgemeinen nach dem Textus receptus zitiert, aber häufig auch mit der echten Lesart. Die 'Expos.' ist ein schönes Zeugnis für die historische, philologische und literarische Bildung des Verfs. Die Verfasserschaft des P. (nicht des Hildemar, der sie nur bearbeitete) erwies L . T r a u b e S. 37.
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Ausg.: Montecassino 1880. L . T r a u b e Textgesch. der Reg. 1909 (Abh. d. Bayr. A k . 25, 102ff.). A. M. A m e l l i P. D. e la sua Expos, super. Reg. S. Ben. (Mem. stor. Forogiul. 25, 1929, S. 67—96).
b) Eine Sammlung von H o m i l i e n der lat. Kirchenväter in 2 Bänden für das ganze Jahr (Augustin, Hieronymus, Ambrosius, Papst Leo, Maximus, Gregorius) veranstaltete er in kritischer Treue im Auftrage Karls des Gr., der sie für sein ganzes Reich einführte; P. begleitete sie mit einem Widmüngsgedicht an den König. Sie blieb fast ein Jahrtausend im Gebrauch der Kirche Auch einige eigene Predigten des P. sind uns erhalten (vgl. Rev Bened. 1898, 5. 400ff.). c) Für Zwecke des Unterrichts an den fränk. Schulen schrieb er einen K o m m e n t a r z u r 'Ars' D o n a t i (ed. A. A m e l l i 1899) und mehr histor.-philol. das rhythm. Gedicht 'De speciebus preteriti perfecti', in derselben Form (15-Silber) wie das komputistische Gedicht (s. o.). Die gleichfalls im Frankenreiche entstandenen Excerpte aus Festus 'De verborum significatione' zeigen Ps. historisches und philologisch antiquarisches Interesse und sind von Wichtigkeit, da seine Quelle verloren ging. Her. von C. O. M ü l l e r S. Pomp. Festi De ed verb. signif. cum Pauli EpitomeiSSg.
d) Seine erhaltenen B r i e f e wurden von E. D ü m m l e r in MGH. Epist. IV, S. 505ff. herausgegeben, darunter das wichtige Begleitschreiben im Auftrage seines Abtes Theudemarus zur Abschrift des Montecass. Normalexemplars der 'Reg. S. Ben.' für Karl den Gr. 4. H i s t o r i c a : a) Der Herzogin Adelparga widmete er seine 'Historia Romana'. Die Fürstin hatte an dem ihr zugesandten Exemplar des Eutrop bemängelt, daß darin so wenig Aufschluß über die Kirchengeschichte zu finden sei; diesem Mangel suchte P. in der 'Hist.' abzuhelfen, die er bis zur Mitte des 6. Jhs. weiterführte. Ihr Wert als historische Quelle ist verhältnismäßig gering, da sie auf älteren erhaltenen Quellen beruht. Her. von H. D r o y s e n M G H . Auct. ant. II. G. B a u c h Über die Hist. Rom. des P. D. Diss. Göttingen. 1872. Ch. H. B e e s o n The Oldest Ms. of P. D. Hist. Rom. Mem. stor. Forogiul. 25, 1929, S. 1 5 - 2 2 .
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Peck, Hans
b) Auf Bitten des Bischofs Angelramnus von Metz schrieb P. (vermutlich in Metz oder Diedenhofen) eine Geschichte der Metzer B i s c h ö f e (etwa 784/85), die erste der Bistumsgeschichten, einer später zahlreichen Gattung, die eine Quelle von größter historischer Bedeutung wird. In Versen gab er auch eine Liste der Metzer Bischöfe. Ausgabe: MGH. SS. II, S. 2 6 0 - 2 7 0 .
c) Für Adelhard v. Corbie verfaßte P., auf einer älteren Vita eines anonymen Angelsachsen fußend und auf umfänglicher Lektüre Gregors beruhend, eine Biographie des Papstes Gregor d. Gr. und stellte eine kritische Auswahl von dessen Briefen zusammen. Her. von G r i s a r Zs. f. kath. Theol. X I , 1887, S. 162 ff.
d) Unstreitig sein bedeutendstes Werk ist die ' H i s t o r i a Langobardorum'. Er hatte schon bei Übersendung seiner'Historia Rom.' (s. o.) an Adelparga eine Fortsetzung bis auf die Gegenwart angekündigt. Die Darstellung dieser mehr sammelnden und ordnenden als quellenkritischen Geschichte seines Volkes bis zum Tode Liutprands wird durch Ereignisse aus der fränk. und griech. Geschichte öfter unterbrochen. Wenn auch die Chronologie nicht zuverlässig ist, so übt er doch Kritik in der Auswahl. Da das Werk z. T. auf verlorenen Quellen und auf mündlicher Uberlieferung beruht, ist es für uns von unschätzbarem Wert, namentlich auch in Hinsicht auf den volkstümlichen Mythen- und Sagenschatz, der darin verarbeitet ist. Trotzdem P. den fränkisch imperatorischen und antibarbarischen Standpunkt vertritt, so ist es doch ganz von der Liebe zu seinem angestammten Volke erfüllt". Seine Hoffnung ist, daß die Langobarden als Teil im fränk. Reich aufgehen möchten. Der Tod hinderte ihn wohl am völligen Abschluß des Werkes. In der Folgezeit wurde es mehrfach fortgesetzt, und sehr groß ist die Zahl der späteren Benutzer der in sehr zahlreichen Hss. überlieferten 'Historia'. Ausg.: B e t h m a n n u. G. W a i t z MGH. SS. Rer. Lang. 1878, 5 . 4 5 — 187. — Dt. Übers, in: Gesch.-Schreiber d. dt. Vorz. 1878. — Lit.: J a cobi Quellen d. Langob. Gesch. 1878. — A b e l P. D. u. die übrigen Gesch.-Schreiber der Langob.
1878. — D a n t e Bianchi Riflessi Romani nella Hist. Lang, di P. D. (Mem. stor. Forogiul. 25, 1929, 23 — 58). — Rob. Cessi J catalogi patriarchali delV Hist. Lang, di P. D. (ebda. S. 59—66).
5. Wenn auch P. D. für uns in erster Linie der Historiker seines Volkes ist, so hat er doch auch auf theol. Gebiet Bedeutsames geleistet, und als Dichter gehört er sicher zu den besten des karolingischen Zeitalters. Sein sehr persönlicher Stil zeichnet sich durch Frische und schlichte Klarheit aus; er ist lebhaft anschaulich und versteht sich auf Kleinmalerei; er vermeidet auch die bei vielen seiner Zeitgenossen so unerträgliche prunkende Mischung mit griechischen Wörtern. Seine Schriften zeugen von Vertrautheit mit den römischen Dichtern (Vergil, Ovid, Lucan, Fortunat u. a.) sowie mit der frühchristl. Dichtung (Sedul, Juvencus, Arator) und Belesenheit in den klass. und patrist. Prosaikern. Die allgem. Achtung und Liebe verdankt er aber nicht nur seiner umfassenden Bildung und seinen reichen Kenntnissen, sondern vor allem seiner menschlich liebenswürdigen und bedeutenden Persönlichkeit, seiner heiteren Laune, die gelegentlich seine Freunde mit humorvollem Spott bedachte. Gegen die Großen der Zeit bewahrte er eine vornehme Würde; unter seinen Versen an sie sind keine eigentlichen Huldigungsgedichte, wohl aber solche ehrlicher Zuneigung. Zusammenfassende Darstellungen (außer den bereits angeführten Arbeiten v. B e t h m a n n , D a h n , W a i t z usw.): A. E b e r t Allg. Gesch. der Lit. II, 1880, S. 36ff. F . D a h n A D B . X X V , 1887, S. 245 — 248. A.Hauck Kirchengesch. Dtlds. (1900) II, S. 163 — 169. M a n i t i u s I, S. 257ff. A. M o n t e v e r d i Paolo Diacono (Mem. stor. Forogiul. 25, 1929, S. 1 —14). B u c h b e r g e r Lex. f. Theol. und Kirche 8, 1936, S. 45f. , , r ,,, J TT
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Hans Walther
Peck, Hans, ist der Vf. eines Liedes, das die Eroberung des Schlosses Bösenbrunn bei Emskirchen durch den Nürnberger Ulman Stromer i. J . 1502 behandelt. Der Dichter, von dem sonst nichts bekannt ist, war ein Nürnberger. Sein Lied, schwunglos in graf Michels ton abgefaßt, wurde als Einblatt druck verbreitet. Ein Exemplar davon ist im Kupferstichkabinett des Germanischen Nationalmuseums in Nürnberg erhalten.
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Peiser, Oswald — Peter von Dusburg
T h . H a m p e Volkslied und Kriegslied im alten Nürnberg in: Mitt. d. Vereins f. Gesch. d. S t a d t Nürnberg, H e f t 23 (1919). S. n . ^ ^ ^
Peiser, Oswald, Abt des Prämonstratenserstiftes Wilten (Innsbruck, 1469—1470), verfaßte als Pfarrer von Ampass bei Hall in Tirol zwei Werke: 1. Die Dekrete der Konzilien von Basel und Konstanz. Das lat. Ms. wurde vom Stift dem Papst Benedikt X I V . zugeeignet zum Dank für die Zulassung der Verehrung des sei. Kindes Andreas von Rinn (s. o. II, Sp. 6yjíí.) und befindet sich in der Vatikan. Bibl. zu Rom (Bibliotheca Ottobonia, Lit. C O collectiones 3148 pag. 153). Eine Fotokopie wurde im Auftrage des Abtes Heinrich Schuler v. Wilten hergestellt und im Wiltener Stiftsarchiv hinterlegt. 2. Ein lat.-dt. Glossarium (Lexikon) in der Stiftsbibl. Wilten. A. Dörrer Peter, Bruder. Cod. 955 der St. Galler Stiftsbibl., Heidelberg, Pal. germ. 24 und Brüssel 110 83/84 überliefern eine Predigt über Gen. 1,1 von einem Bruder Peter: In principio creavit Deus celum et terram. Unser herre schuff in sechs tagen hymmel und, erden und alle ding . . . Der Autor ist nur in der St. Galler Hs. genannt. Ein fr. Petrus de Monasterio aus dem Basler Dominikaner-Kloster ist 1293 und 1296 urkundlich als Prior von Köln bezeugt. 1303 hat er im Auftrag des Trierer Erzbischofs Diether eine politische Mission in Koblenz zu erfüllen. 1304 finden wir ihn im Kreise Quedlinburg ( L o h r S. 174; daß . er mehrmals Prior des Basler Klosters war, finde ich bei G. B o n e r Das Predigerkloster in Basel Basler Zs. 34, 1935, nicht bestätigt). — Der Nachweis des Petrus de Monasterio im Niederrheinischen stimmt mit mfränk. Sprachelementen der St. Galler Hs. überein. Anderseits weist der Zusammenhang der Überlieferung auf einen Franziskaner hin, auch die Predigtweise erinnert am ehesten an Berthold von Regensburg (s. d.) und den St. Georgener Prediger (s. d.). So bleibt der Zusammenhang mit Petrus de Monasterio im Bereiche der Mutmaßung, ebenso die Verbindung mit dem in der Königsberger Hs. 896 ge-
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nannten bruder Petir (W. P r e g e r Gesch. d. dt. Mystik II, S. 94). Die überlieferte Predigt handelt von den einzelnen Schöpfungsakten, die mit den sieben Kardinaltugenden in Zusammenhang gebracht werden. A b d r u c k der Predigt nach Sang. 955: A . E S c h ö n b a c h W S B . 1 5 3 , 4 ( 1 9 0 6 ) , S. 1 4 2 — 1 4 4 — Über Petrus de Monasterio: G. L o h r Z f d A . 82
Peter von Dusburg. 1. P. v. D. widmete sein ' Chronicon terrae Prussiae' 1326 dem Hochmeister des Dt. Ordens Werner von Orseln. Seinem Namen nach wird er aus Duisburg im Herzogtum Cleve stammen. D a ß er Priesterbruder des Dt. Ordens war, bezeugt er selbst. Ob er mit Petrus canonicus Pomesaniensis, der um 1330 und 1331 genannt wird, oder mit Petrus officialis ecclesiae Sambiensis, der 1338 als Zeuge auftritt, gleichzusetzen ist, läßt sich nicht ausmachen. Als er seine Chronik schrieb, befand er sich wahrscheinlich in der Ordensburg Königsberg. 2. Das ' Chronicon terrae Prussiae' umfaßt die Geschichte des Dt. Ordens bis zum Jahre 1326, und zwar besonders in Preußen. Über seinen Plan schreibt P. v. D. selbst: Modus agendi in hoc libro erit iste. Primo describam, ouo tempore et a quibus et quomodo incepit ordo domus Theutonice, secundo quando et quomodo fratres predicti intraverunt in terram Prussie, tercio de bellis et aliis, que gesta sunt in dicta terra, quorum pauca, que vidi, alia que audivi ab his, qui viderunt et interfuerunt, cetera, que relacione verídica intellexi. Quarto ponam in margine pontífices summos et imperatores, qui a tempore institucionis hujus ordinis regnaverunt, et notabilia quedam facta, que ipsorum temporibus acciderunt. In der Thorner Hs. weist die Chronik noch eine Fortsetzung auf, die bis zum Jahre 1435 reicht. Sie schließt sich mit den Worten eodem anno unmittelbar an und behandelt in den ersten 20 Kap. die Geschichte der Jahre 1326—30 in derselben Weise wie die vorhergehenden Ereignisse. Wahrscheinlich sind diese ebenfalls von P. v. D. geschrieben worden. Nicolaus von Jeroschin (s. d.), der kurz darauf Ps.
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Peter von Eßlingen — Peter von Sachsen
Chronik übersetzte, hat auch sie mit übertragen. Vom 21. K a p . an bietet die Fortsetzung nur vereinzelte kürze Bemerkungen, die deutlich von einem anderen Verfasser stammen. 3. Wie P. v. D. selbst angibt, hat er, abgesehen vom vierten Teil, für den er sich auf ältere Chroniken, und zwar vor allem auf die Schriften der Dominikaner Ptolomaeus von Lucca Und Martin von Troppau stützte, eigene Erlebnisse, Augenzeugenberichte und glaubwürdige Überlieferungen benutzt. Letzte waren zum Teil ebenfalls schriftliche Quellen. So beruht seine Darstellung der Ordensgründung zu Accon auf dem Bericht 'De primordiis ordinis Theutonici' und der Einleitung der Ordensstatuten, in der auch schon auf alttestamentliche Vorbilder der christl. Ritterorden hingewiesen wurde. Daß es schon gegen Ende des 13. Jhs. eine Geschichte der Kämpfe des Dt. Ordens in Preußen in den Jahren 1226—56 gegeben hat, die P. v. D. benutzt haben wird, scheint das 'Chronicon Olivense' zu verraten. An einigen Stellen hat er auch Urkunden herangezogen, wenngleich es ihm nicht darauf ankam, seine Angaben durch solche zu belegen. A m verläßlichsten ist seine Darstellung seiner eigenen Zeit. Bis in die Geschichte des 14. Jhs. hinein zeigen sich zahlreiche Irrtümer. Sogar die Hochmeister des Ordens Und die Landmeister von Preußen sind in dieser Zeit unvollständig und fehlerhaft aufgeführt. 4. P. v . D. schildert den Krieg des Dt. Ordens in Preußen als hl. Krieg zur Ehre Gottes und zum Rühme der Kirche. Von der Besiedlung des Landes, seiner Verwaltung Und seiner Wirtschaft spricht er nicht. Dagegen unterbricht er seine Darstellung als Priester gerne durch religiöse Betrachtungen. Sein Standpunkt ist ganz einseitig. Die Preußen sind für ihn filii Belial, die entweder zum Christentum zu bekehren oder auszurotten sind. Auch bei der Behandlung von Ordensangelegenheiten erweist er sich als parteiisch. Trotzdem ist seine Chronik als Quelle für die ältere Geschichte Preußens von großem Wert. Sie hat denn auch die Grundlage für die spätere preußische Geschichtsforschung gebildet.
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Ps. Chronik ist nicht nur durch Abschriften und Auszüge verbreitet, sondern in der ersten Hälfte des 14. Jhs. auch durch den Ordenskaplan Nicolaus von Jeroschin (s. d.) übersetzt worden. In der zweiten Hälfte des 15. Jhs. hat ein anderer Ordensgeistlicher diese Übertragung, aus der der erste Teil der ebenfalls im 15. Jh. entstandenen Zamehlschen Chronik einen Prosaauszug darstellt, ins L a t . zurückübersetzt. Im 16. Jh. benutzten Simon Grunau, Lucas David und Caspar Schütz wieder Ps. Chronik selbst. 1671 gab sie C h r i s t o p h H a r t k r o s t in Frankfurt und Leipzig zum ersten Male heraus. Maßgebend ist jetzt die 1861 von M. T o p p e n besorgte Ausgabe im ersten Band der von ihm, Th. H i r s c h und E . S t r e h l k e bearbeiteten Scriptores rerum Prussicarum: Chronicon Terrae Prussiae von Peter von Dusburg (S. 3 — 269). In der Einleitung berichtet T o p p e n eingehend über die hsl. Überlieferung. Für seine Ausgabe benutzte er die Königsberger Hs. Fol. 1568 (K), die Hs. der Magistratsbibl. zu Thorn A. 111 Fol., das Berliner MS. boruss. Fol. 68 und die Wiener Hs. No. 9093 olim Hist. prof. 466. Verloren war zu seiner Zeit schon eine Hs. in der Schloßkirche zu Ronneburg in Livland, die S t r y c h o w s k i für seine 1528 gedruckte Kronika Polska, Litewska etc. benutzte. Von den Auszügen zog T o p p e n den im Sammelband der Bibl. des städt. Archivs zu Danzig L I 1. Quart Fol. 144—74 enthaltenen heran. Vgl. außer dem von Toppen aufgeführten Schrifttum M. P e r l b a c h Preuß.-poln. Studien z. Gesch. des MAs. II, 1886. T h . F u n k Zur Gesch. der Frömmigkeit u. Mystik im Ordensland Preußen (Kultur- und Universaigesch. Festschr. f. W. Goetz) 1927, S. 67ff. W. Z i e s e m e r Die Lit. des Dt. Ordens in Preußen 1928, S. 29 — 31. K . H e l m W. Z i e s e m e r Die Lit. des Dt. Ritterordens 1951,
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Willy Krogmann
Peter vonEßlingen(Petermann Eßlinger), s. K i b ü r g e r 1. (Nachtrag). Peter vonHagenbach, s. Judensint, Hans, 'Legende, Burgundische', Pfettisheim, Konrad, ' Reimchronik, Breisacher'.Tüsch, Hans Erhart ('Burgund. Historie'). Peter von Sachsen (Nachtrag). Eine Adelsfamilie Sax, Saxo mit dem Stammsitz Hofgiebing bei Rühldorf am Inn wird nachgewiesen von R. B a u e r r e i ß Stud. u. Mitt. z. Gesch. d. Bened.-Ordens 52 (1934), S. 210 f. Ihr gehört ohne Zweifel P . v. S. zu, womit die oben 3, Sp. 857 angeführte Vermutung von K . B a r t s c h und G. R o e t h e sich bestätigt. Ludwig Denecke
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Peter von Staufenberg —
Peter von Staufenberg, s. E g e n o l f v o n Staufenberg. Petermann, Nachtrag.
s.
Etterlin,
Peter
im
Petrus von Lisseweghe wird in der gelehrten Literatur manchmal als Verf. des Mahngedichtes KOmne punctum' bezeichnet, weil die Abschrift in Brügge cod. 548 (saec. X I V . ) , Bl. 34b den Vermerk trägt Explicit omne punctum Petri de Lisseweghe. Deo gracias. P. v. L. scheint aber nur der Schreiber der Brügger Kopie zu sein (Genetiv des Schreibernamens neben dem Titel kommt auch sonst vor); im Gedicht selbst nennt sich Godefridus de Thenis, G o t f r i d v o n T i r l e m o n t als Verf. Es liegt kein Grund vor, an dieser Angabe zu zweifeln und in G. etwa den Bearbeiter des Gedichtes zu sehen, dessen schwierige Form an sich schon eine Modifizierung unwahrscheinlich macht. D a ß G. im späten 13. und zu Anfang des 14. Jhs. gelebt habe, läßt sich vorerst nur vermuten. Aus dem 'Omne punctum' ergibt sich, daß G. Laie war und 3 Söhne hatte. Das Gedicht ''Omne punctum', manchmal auch 1 Punctus' genannt — der Titel nach Horaz ' A r s poetica' v. 343 -— besteht aus 340 (in anderer Überlieferung 346) Hexametern. Es enthält nach einleitendem Gebet um die Hilfe Gottes und aller Heiligen in zusammenhängender, freilich wenig gegliederter Darbietung Lebensregeln, die ein Vater, der sich einen alten Mann nennt, seinem Sohn oder seinen Söhnen erteilt. Allgemeine Ermahnungen zu tugendhaftem Lebenswandel wechseln mit praktischen Ratschlägen für bestimmte Lebenslagen. Immer wieder wird an den T o d und die Verantwortung vor Gott erinnert. Das Gedicht scheint auf Grund persönlicher Erfahrung geschrieben zu sein und enthält gelegentliche Anspielungen auf Verhältnisse in der Umgebung des Verfassers (Tirlemont und Saint-Trond); literarische Reminiszenzen oder Anklänge an bekannte Sprichwörter sind sehr selten. Überaus künstlich ist die F o r m : es finden sich leoninische Hexameter (intercisi), deren Reim durch 2—5-silbige völlig gleichklingende Worte
Petrus von Lisseweghe
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gebildet wird nach Art des Anfangs: Christe regis qui nos, in me sensus rege quinos j custodemque date michi vite, supplico, da te, einzeln Und paarweise als caudati oder auch Unisoni; daneben stehen Reihen von versus retrogradi mit leoninischem Reim Und tripertiti dactylici in verschiedenen, auch sehr seltenen Formen, einzeln und als caudati. Trotz oder vielleicht gerade wegen der Künstlichkeit des Metrums scheint das 'Omne punctum' im nd. Raumrecht beliebt gewesen zu sein. Die zuerst von M o n e vorgenommene, in der Biographie nationale de Beige wiederholte Zuweisung einer Reihe anderer Gedichte — des Luparius', 'Brunellus' oder ' Penitentiarius lupi', der mit der TheophilusFaust-Sage zusammenhängenden Marienlegende des 'Militarius', des 'Rapularius' (s. d.), 'Asinarius' (s. d.) und der 'Probra mulierum' — beruht einzig auf der zufälligen Vereinigung dieser Gedichte in der von Mone benützten Heidelberger Hs. Dagegen dürfte ein ' Grammatieale' mit dem an den Anfang des 'Doctrinale Alexanders de Villa-Dei anklingenden Initium Scribere clericulis paro grammaticale novellis von G. stammen, der sich in den letzten Versen als Verf. nennt. Das anscheinend ziemlich seltene Werk behandelt in etwa 1340 (z. T. leoninischen) Hexametern die Lehre vom Nomen, Pronomen und Verbum. Wieweit eine Beziehung zu anderen grammatischen Lehrgedichten besteht, ist zu untersuchen. G. v. T. ist nach unserer bisherigen Kenntnis kein Dichter gewesen, wohl aber ein gewandter Verskünstler, der den Geschmack seiner Zeit offenbar gut zu treffen verstand. D a s 'Omne punctum' ist in mindestens einem D u t z e n d Hss. überliefert. A u s g a b e n v o n J. J a c o b M. Reineri Alemanici Phagifacetus et Godefridi Omne punctum 1838; N . L o u m y e r B u l l e t i n du Bibliophile B e i g e X I I (2. Serie, I I I ; 1856), S. 3 1 1 f f . M o n e A n z . f. K u n d e d. dt. M A s . 3 (1834), S. I 5 g f f . S c h e l e r i m Bulletin d u Bibliophile B e i g e X I I I (1857), S. 2 8 6 f f . (Petrus v o n Lisseweghe). E . V o i g t Kleinere Dat. Denkmäler der Thiersage 1878, S. 22. E . v a n A r e n b e r g h in Biogr.-nat. de B e i g e V I I I (1884), S. 1 4 6 — 1 5 1 (unkritisch). — D a s 'Grammaticale' in C l m . 1 4 1 3 3 (saec. X V ) , B a s e l F . I V , 49 (saec. X V ) u. vielleicht noch öfter. „ „ . ... ,
F . Brunholzl
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'Petruslied'
Tetruslied'. 1. Das Petruslied, um seiner metrischen Form willen lange Zeit Otfrid von Weißenburg (s. d.) zugeschrieben, ist das älteste erhaltene dt. Kirchenlied und im 9. Jh. zweifellos von einem Geistlichen geschaffen worden. Die Sprache weist es nach Bayern; die aus Freising stammende Hs., in der allein es uns überliefert ist, legt dieses als Entstehungsort nahe. Hier hatte in der Tat zu jener Zeit die Kirchenmusik eine besondere Pflegestätte, und die Weihe einer Peterskapelle auf dem Domberg unter Bischof Erchambert (836—854?) könnte wohl den Anlaß zu seiner Entstehung gegeben haben. (Nach B . B i s c h o f f Die südostdt. Schreiberschulen I, 1940, S. 121 ist allerdings die Zugehörigkeit des Schreibers zur Freisinger Schule nach dem Befund seiner Schrift anzuzweifeln, vgl. auch G. B a e s e c k e AfdA. 60 (1941), S. 15.) Der streng gebundene, marschmäßige Rhythmus läßt an Prozession und Umzug denken, so daß man das Lied von jeher als Wallfahrtslied angesprochen hat. Dazu stimmt auch sein Inhalt: die Bitte an Petrus, den Himmelspförtner, dem Gott die Macht gegeben hat, über Einlaß und Ausschluß der menschlichen Seelen zu entscheiden, sich derer zu erbarmen, die auf ihn hoffen. Es sind Gedanken und Wendungen, die dem ganzen MA. geläufig waren, im Einzelnen klingt das Lied an an die dritte Strophe der der Elpis, der Gemahlin des Boethius zugeschriebenen lat. Hymne Aurea luce et decore roseo, ohne jedoch eine wörtliche Übertragung zu sein. 2. Das Lied besteht aus 3 Strophen von je 2 Langzeilen und dem Refrain Kyrie eleyson, Christe eleyson als Abschluß. Jede Langzeile zerfällt in 2 vierhebige Halbzeilen, die durch Endreim gebunden sind. Die Reime sind rein, der Wechsel zwischen Hebung und Senkung ist regelmäßig, d. h. nie findet sich mehr als eine Silbe in der Senkung, nie mehr als eine beschwerte Hebung in der Halbzeile. Das ist vollendete Technik des Otfridschen Reimverses. 3. Über das Verhältnis des Petrusliedes zu Otfrid — wer der Gebende, wer der Nehmende war — gehen die Meinungen auseinander. Sicher ist, daß beide außer der Form
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einen Vers gemein haben : daz er uns firtänen giuuerdo ginäden Petr. 3, 2 = Otfr. I 7, 28, nur daß es hier ginädön heißt, weil Otfrid kein ginäden kennt, der Reim also unrein ist. Hat das P. als das spätere die bessere Technik? Daß trotzdem das volkstümliche Lied aus dem umfangreichen Otfridschen Evangelienbuch diese eine, in keiner Weise hervortretende Zeile entlehnt und reimtechnisch richtig gestellt haben sollte, ist weniger wahrscheinlich, als daß Otfrid einen weit verbreiteten, bei Prozessionen üblichen Bittruf an einer ihm geeignet erscheinenden Stelle (Anruf der Maria und des Johannes) aufgenommen hat. Im P. bildet der Vers, direkt an den Heiligen gerichtet, einen kräftigen, sinnvollen Abschluß, bei Otfrid wird, in der Wirkung schwächer, Johannes nur um Fürsprache bei Christus gebeten. Sieht man somit den Bittruf als älter und selbständig an, so heißt das, daß es schon vor Otfrid in Anlehnung an die lat. Hymne und im kirchlichen Gebrauch eine dt. Reimdichtung gegeben hat. 4. Das P. ist mit Neumen überliefert, also bestimmt gesungen worden. Wahrscheinlich war es ein Wechselgesang zwischen dem Geistlichen und dem mit dem Kyrie, der Leise, einfallenden Volk. Auf jede Textsilbe entfallen 1—2 Töne, die Melodie war also bewegt und lebhaft. Während die des Kyrie in allen drei Strophen gleich ist, weist der Text kleine Änderungen auf. Sie sind jedoch zu gering, um von Durchkomposition zu sprechen. Wir haben deshalb ein Lied, keinen Leich vor uns. Hs.: clm. 6260f. 158b aus Freising, 9./10. Jh. — Ausgaben: D o c e n Mise. 1 (1807), S. 3t. H. H o f f m a n n Fundgruben 1 (1830), S. 1. H. F . M a ß m a n n Die dt. Abschwörungsformeln (1839), S. 52f., 172 (Faks. mit Neumen). K . R o t h Denkmähler d. dt. Sprache (1840), S. X f . , 30. L . U h l a n d Alte hoch- und nd. Volkslieder (1845), S. 809 (Nr. 305). K . G o e d e k e Dt. Dichtung im MA. (1854), S. 36 (Nr. 29). W. W a c k e r n a g e l AUd. Lesebuch I6 (1873), S. 277 — 280. MSD. IX. B r a u n e Ahd. Lb. l l X X X I I I . P i p e r D N L . I, S. 2 6 3 I J. Mansiony4A 4r7> 432, 47°. 5°4Faksimileausgabe von F . B e h r e n d t und R . W o l k a n (Ges. der Bibliophilen 1920).
R . D u e l l i u s Excerpta genealogica A p p e n d i x I , 1 7 2 5 ; J. Chr. A d e l u n g Jakob Pütrich von Reichertshausen (1778); L. U h l a n d Schriften zur Gesch. d. dt. Dichtung und Sage I I , S . 250 — 255; R . S p i l l e r Studien zu UlrichFüetrerZfdA. XXVII, Die
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Beförd.
d. Geschichts-, Altertums- u. Volkskunde 1870;
W . S c h e r e r Die Anfänge d. dt. Prosaromans QF. 21, (1877), S . i 6 f f . ; P h . S t r a u c h Pfalzgräfin Mechthild (1883); A. G ö t t e Der Ehrenbrief des Jakob Püterich von Reichertshausen an die Erzherzogin Mechthild (1899); E h r i s m a n n S c h l u ß b d .
K u r t Hannemann Pyling, Meister. V o n ihm stammt im Cod. M I I I 3 der bundesstaatl. Studienbibl. Salzburg Bl. 224a (15. Jh.) ein R e z e p t innerhalb eines größeren Kapitels Von der kinde enpfengnisse. g Sudhof
R Raber, Vigii (Nachtrag): E. T h u r n h e r Wesen und Wort in Südtirol 1947, S. 168ff. H. A r c h Die Sterzinger Fasnachtsspiele V. Rs. Masch.-Diss. Innsbruck 1948. A. D ö r r e r V. Rs. Hss.-Sammlung in Sterzing ZfdA. 83 (1951/52), S . 236—238.
Rabus, Johann Andreas. K. S c h o t t e n l o h e r Zeitalter
*224'
Jakob,
s.
Proles,
Bibliogr. zur dt. Gesch. im d. Glaubensspaltung 2, S . 158 u n d 5,
Hannemann
Rafolt, Henrich dichtete den „ N u ß b e r g " , einen Schwank, von dem nur 78 Verse erhalten sind (gedruckt G A . 19). R N i e w ö h n e r Raminger, Hans. D e r Cgm. 270 schreibt 4 Gedichte zu Recht oder Unrecht dem H. R. z u : 1. Bl. 50® ' V o n d e r N a t u r d e s K i n d e s ' , A n f a n g Hailiger gaist nu gib mir raut In meiner Vernunft, das ist mir not, ohne Verfasserangabe im Liederbuch der Cl. Hätzlerin Nr. 75 (abgedruckt bei H a l t a u s ) , ferner im Mscr. O 145 der Thür.
Landesbibl. zu W e i m a r Bl. 124® u n d in V a l . Holls Hs. Bl. 79 überliefert; 2. Bl. 55 a ' S p r u c h v o n d e r A r m u t , ' A n f a n g Ich pin gar der weit ain tor Das saget mir uil maniger uor, unter Hans Jungers (s. d.) Namen in der Wolfenbütteler Hs. 18. 12. A u g . 40 Bl. 255 b und ohne Verfasserangabe im Weimarer Mscr. O 145 B l . 2Öb überliefert; 3. B l . 204 b — 205® zwei Bruchstücke einer wahrscheinlich ihrer Unsauberkeit wegen zum größten Teil getilgten Erzählung, Schlußzeile Also ret Hans Raminger. 4. Bl. 205 die ' W a r n u n g v o r W e l t lichen Freuden zwischen Ostern u n d P f i n g s t e n ' , A n f a n g Hin sind die hailig viertzig tag Nun land die menschen uon der clag, Schlußzeile Hans Raminger es gesprochen haut. In einer andern Hs. wird noch ein fünftes Gedicht H . R . zugeschrieben : 5. der in vielen Hss. überlieferte ' S p r u c h v o n F r a u e n l o b ' ( A n f a n g : Waz got zu vrönden ie erdacht Daz hat er wirdiclich volbracht, gedr. bei H a l t a u s Liederbuch der
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'Rapularius'
Cl. Hätzlerin) hat in Val. Holls Hs. Bl. 8oa den Schluß Das spricht Johannes Raminger, und der Weimarer Hs. O 145 statt der Schlußverse 185—214 (nach dem Liederbuch der Hätzlerin gezählt) 112 ganz andere, von denen der siebtletzte (Bl. I40b Zeile 1) heißt: Daz spricht mit namen Der Raum für den Namen blieb ursprünglich leer, und erst um 1600 setzte ein Benutzer :Ramiger: neben die Lücke. Doch schöpfte er seine Kenntnis von des Dichters Namen wohl kaum aus Val. Holls Hs., sondern entlehnte den Namen einfach dem in der Hs. vorhergehenden Gedichte 'Von der Natur des Kindes'. Auffallen mag immerhin, daß der Dichtername im Gedicht 'Von der Natur des Kindes' und im 'Spruch von der Armut' jedesmal im siebtletzten Verse genannt ist; ob das Zufall ist ? Jedenfalls ist für H. R. noch so gut wie alles zu tun, sowohl was die Überlieferung seiner Gedichte als auch was die Glaubwürdigkeit der Verfassernamen angeht. Man greift aber Wohl kaum fehl, wenn man ihn für einen Schwaben der Mitte des 15. Jhs. hält. Vielleicht ist der Dichter der xHystori aus der Römer Cronica zu eim lied gemacht' (Augsburg 1535), Melchior Raminger, ein Abkömmling des H. R. (vgl. W e l l e r Annalen I, S. 29 Nr. 134). H. Niewöhner 'Rapularius'. Den Titel ,,Rapularius" der mlat. Verserzählung von der Riesenrübe, nach der die Brüder Grimm das 146. Kinder- und Hausmärchen „Die Rübe" erzählten, von räpula gebildet, überliefern vier von neun Hss., ebenso Hugo von Trimberg (s. d.) in seinem „Registrum multorum auctorum" V. 719 (nach meiner Ausgabe in den Germ. Studien 235, 1942). Zwei Hss. haben keine Bezeichnung; die Straßburger Hs. allein, die nicht weniger als 13 interpolierte Plusverse birgt, nennt im Explicit den Titel ,,Raparius". Ganz abweichen nur zwei Hss., die aber einen Mischtext, vier Fünftel erste und ein Fünftel zweite Fassung, bieten, die eine ,,historia de rapa" und die andre gar ,,quedam pulchra moralisacio metrice composita contra
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superbiam et invidiam". Der Titel ist also sicher, der Name des Verfassers aber unbekannt. Der Inhalt, den ich nach der größeren älteren Fassung I angebe, weicht in manchem von dem Grimmschen Märchen ab. Von zwei Söhnen eines Ritters war der eine reich, der andre aber verlor sein Geld und mußte sich als Bauer plagen. Aus dem Samen, den er säte, wuchs ihm eine Riesenrübe, die einen ganzen Wagen füllte. E r dankte Gott, fragte seine Frau, was er damit am besten anfinge, und erhielt den Rat, sie dem König zu schenken und ihm dadurch seine Verehrung zu bezeugen. So t a t er auch; daher erzählte er dem König sein Mißgeschick und wurde von ihm reich beschenkt, so daß er seinem Bruder an Reichtum gleich wurde. Froh wies er seiner Frau, die ihm entgegeneilte, seine Schätze und dann den herbeigerufenen Verwandten und Freunden, die er festlich bewirtete (— V. 164). Sein reicher Bruder, der auch an dem Fest teilgenommen hatte, wurde von Neid und Geiz so sehr geplagt, daß er seine Schätze dem König schenkte und in seiner Verblendung glaubte, der würde ihm hundertmal soviel geben. Auf den R a t der Königin wählte der König als Gegengabe jene Riesenrübe, da er nichts Besseres und Selteneres besäße. Zornentflammt wiegelte der Verarmte seine Diener auf, sich bewaffnet in einen Hinterhalt zu legen, in den er seinen Bruder lockte. Als sie ihn töten wollten, half ihm Fortuna (— V. 314). Der Gesang eines heranreitenden Scholaren verscheuchte die Mörder, so daß sie ihn nur in einen Sack steckten und ihn an einen Baum hängten. Durch ein Loch des Sackes erkannte der Bruder den fahrenden Schüler, der an den Baum herangeritten war, sprach ihn an, so daß er erschrak, und rühmte ihm, was für ein ungeheures Wissen er durch den Sack in kurzer Zeit und ohne Geld erworben hätte. Der Schüler fiel auf dieses Gerede herein, mußte aber erst lange betteln, ehe er den Platz mit jenem Bruder im Sack vertauschen durfte. Der steckte ihn umgekehrt in den Sack, verhöhnte ihn und ritt auf dessen Pferd mit dem Abschiedsgruß davon: „Magne sophista, vale\"
Hier sind zwei Schwanke, die sonst getrennt erzählt werden, vermutlich erst von dem mlat. Dichter miteinander verbunden. Der erste, der eigentliche Rübenschwank, endet mit einer Moralpredigt auf die habgierigen Toren (V. 237—250), der zweite aber, die mißglückte Rache des Habgierigen, mit der Übertölpelung eines dummen Vaganten, wodurch das Schwankhafte erheblich verstärkt wurde. O. S c h u m a n n meinte, diese Verhöhnung sei „eine unglaubliche Roheit und Gefühllosigkeit", weil der arme Vagant in dem Sack „elend umkommen" müsse (Ltbl. 1931, S. 172). Wenn man bei einer derartigen Dichtung
'Rapularius' überhaupt so rationalistisch urteilen darf, so muß man Wohl zunächst sagen: die Dummheit des Vaganten kann doch nicht so groß sein, daß er nicht aus dem Sack herausfindet; vor allem aber ist gewiß der von den Grimms hinzugedichtete Schluß („schickte nach einer Stunde jemand, der ihn wieder herablassen mußte") glatter, milder und — dem Märchenstil angepaßter, jedoch scheint mir der Schluß im Mlat. mit seiner gröberen Tönung dem Stil der Schwanknovelle mehr entsprechend Und durch dieses Abbrechen und Offenlassen poetischer und wirkungsvoller. Daher bin ich nach wie vor der Ansicht, daß mit dem Hinzufügen des zweiten Teils ein durchaus glückliches Gebilde entstanden ist, dessen Schwankhaftigkeit in dem belustigenden Ende gekrönt wird. Wie beim ,,Asinarius" (s. d.), so ist vermutlich auch hier eine bis dahin nur mündlich überlieferte Volksdichtung von geringem Prosaumfang in schriftliterarische Gestalt gebracht worden, ganz gleich, ob es, wie wir annahmen, zwei getrennte Schwänke waren oder diese schon vorher zusammengefügt wurden; d. h. dem mlat. Dichter kommt bestimmt das Verdienst zu, einen vorher wenig und anders geformten Stoff zu einer Schwanknovelle ausgestaltet und auf ein Mehrfaches an Umfang ausgeweitet zu haben. Das Milieu, aus dem der Verfasser stammte und für das er schrieb, ist dasselbe wie beim ,,Asinarius" : das höfische; die beiden Hauptträger der Handlung, das Brüderpaar, sind Ritter, nicht Bauern wie bei Erasmus oder Soldaten wie bei den Grimms; der Verarmte greift zum Pflug, ne possit mendicus haben (V. 7), empfindet das als Degradierung und leidet sehr darunter (V. 92 ff.); die Rübengeschichte und damit der größere Teil der Novelle spielt am Königshof; noch bezeichnender ist, daß sich der Dichter durch den Stoff nicht verlocken ließ, vom höfischen und poetischen Niveau abzugleiten, sondern bei einer gewissen Verhaltenheit blieb. Der R. ist wahrscheinlich um 1200 in Süddeutschland entstanden. Dorthin gehören die meisten Hss., die älteste und beste (V) kam aus Monsee und wurde um Verfasserlexikon V .
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1300 geschrieben; zum erstenmal genannt wurde der R. in Bamberg 1280 von Hugo von Trimberg, s. o.; im Elsaß ist recht eigentlich das Motiv der Riesenrübe verbreitet. Etwa ein Jh. später wurde der R. umgearbeitet, dabei fast um ein Achtel gekürzt (von 221 auf 192 Distichen) und nur etwa ein Siebentel aus der ersten Fassung übernommen. Am R. II wird so recht deutlich, wie sich der literarische Geschmack und das literarische Publikum gewandelt haben. Der Umdichter kürzte das Detail der Handlung und verstärkte dafür die lehrhafte Tendenz, schwellte den Exkurs über die Invidia fast auf das Dreifache an und verurteilte die Anbetung des Goldes als unchristlich. Die Gemütsbewegungen malte er mit schreienden und disharmonischen Farben aus; so ließ er den Armen über die Riesenfrucht Freude und Angst empfinden und ließ gar den Reichen rührselige Tränen vergießen, als er seine Diener auf het zt, seinen eigenen Bruder zu ermorden. Auch im Stil zeigt sich, wie das Kunstniveau gesunken ist: anschauliche Detailschilderung des R. I wird ins Allgemeine und Abstrakte umgesetzt, die Worte freier und willkürlicher gestellt oder im bildhaften Ausdruck das Geschraubte und Gekünstelte gesucht. Nicht dagegen spricht, daß sich im Kunsttechnischen kaum ein Unterschied zwischen R. I und R. II bemerkbar macht, d. h. in der Metrik, Prosodie und Grammatik; hier ist es einfacher, an der Tradition festzuhalten als neue Formen zu schaffen. Die nüchtern-realistische Einstellung der neuen Zeit kommt darin zum Ausdruck, daß der Verarmte vor dem König immer wieder auf seine Armut hinweist und der Eingesackte hier klingendes Entgelt verlangt, während im R. I ihm der Scholar ein Geschenk anbietet. Für die Beliebtheit dieser Dichtung zeugt einmal die hsl. Verbreitung (zu den neun in meiner Ausgabe herangezogenen Hss. läßt sich noch die frühere Existenz von vier bis fünf weiteren wahrscheinlich machen : eine durch das Zitat im ,, Registrum" Hugos von Trimberg, eine in einem Erfurter Bibliothekskatalog des 14./15. Jh.s, 30
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R a t , Werner —
R a t p e r t v o n St. G a l l e n
eine doch durch den Prüfeninger Katalog, da, wie M. M a n i t i u s in der Philolog. Wochenschrift 1930, S. 602 einwand, „diese Hs. das letzte Stück der Artes bildet, zu denen ja vorzugsweise poetische Werke gehörten"; eine durch das Florileg des Clm. 18 804, 15. Jh., in dem Verse aus dem R. vorkommen, s. M a n i t i u s a. a. O. und sonst meine Ausgabe S. 48; vielleicht noch eine durch das Florileg in Basel U B . A. X I . 67, 14. Jh., in dem V . 351 aufgenommen ist); wohl alle Hss. gehören nach Deutschland. Bezeichnend ist auch, daß die Dichtung zur Bearbeitung reizte. Die Mischfassung, die in zwei Hss. überliefert wird, geht freilich auf das Konto eines Stümpers, der vier Fünftel aus dem R. I nahm und in den letzten 120 Versen ein schlechtes Gemisch aus R. I und R. II herstellte, wobei er es nicht vermied, zwei Hexameter oder zwei Pentameter aufeinander folgen zu lassen und mehrmals dieselbe Sache in den beiden Fassungen hintereinander anzubringen. R. I gehört mit dem ,,Asinarius" nicht nur in Zeit, Ort und Milieu der Entstehung zusammen, sondern auch in der Metrik, der Sprache und dem Stil. Auch R. I meidet Reim, Hiat und Elision, seine Sprache ist ein von dem Latein antiker Autoren gezügeltes Mittellatein, das etwas nach Ovid getönt ist, auf den ferner die elegische Form weist; in Grammatik und Prosodie zeigen sich kaum Unterschiede zwischen jenen beiden Werken; beide lieben Asyndese, Anapher, Alliteration, Paronomasie, die verschiedensten Arten der Metapher, Häufung der Synonyma, die Variation. Trotz solcher und anderer Übereinstimmungen glaube ich nicht an eine Identität der Verfasser. An künstlerischer Qualität kommt R. I dem ,,Asinarius" nahe. H e r . v o n K . L a n g o s c h in der S a m m l u n g m l a t . T e x t e X , 1929. , T7. T
K . Langosch
Rat, Werner, von Zürich, zwischen 1504 und 1519 in mehreren schweizerischen und franz. Diensten genannt. Besondere Beachtung verdient das Bruchstück eines Briefes, das zur Verstärkung des Einbandes des Cod. theol.-philos. Q 219 der Württembergischen Landesbibl. Stuttgart benutzt
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wurde. Den Brief schrieb R. während seiner Studienzeit (wohl vor 1500) Dem erentrüesten fürndmen vnd wisen Micheln Rat, Burger zu Zürich, sinern liebsten Vatter. H i s t . - B i o g r . L e x i k o n der S c h w e i z 5 (1929), S. 541. A . D o l d Die Geschichte eines Bucheinbandes und die Ergebnisse seiner Untersuchung Zs. f. Schweizer K g . 45, 1 9 5 1 , S. 243, 2 5 0 — 2 5 5 .
S. Sudhof Ratpert von St. Gallen, Dichter und Chronist der 2. Hälfte des 9. Jhs. 1. R. war in Zürich geboren, wurde Mönch in St. Gallen in der besten Zeit des Klosters, war Schüler des Iso und des Iren Marcellus, Mitschüler des Notker Balbulus Und des Tutilo, später selbst Lehrer an der Klosterschule, starb an einem 25. Oktober nach 884, vielleicht erst Um 900. In der Erinnerung des Hauses, die Ekkehard I V . wiedergibt, lebte er als strenger und eifriger Mann, der sein Lehramt mit größter Gewissenhaftigkeit erfüllte. Ernst und Eifer spiegeln sich auch in Rs. Dichtung wie in seinem prosaischen Werk. 2. Seine G e d i c h t e sind, soweit erhalten, zum großen Teil liturgisch, alle aber haben etwas Feierliches an sich. R. schuf für die sonntägliche Prozession den Hymnus Ardua spes mundi, einen Prozessionshymnus für das Fest des hl. Gallus in lat. Sprache und für das gleiche Fest einen Lobgesang auf das Leben des Klostergründers in dt. Versen, wobei er im wesentlichen der alten, von Wettin überarbeiteten 'Vita S.Galli' und der mündlichen Tradition folgte; das Lied ist nur in der lat. Übertragung Ekkehards IV. überliefert. Ferner dichtete R., eine Seltenheit in der lat. Hymnodie bis ins 13. Jh., ein weihevolles Kommunionlied. Nur bruchstückweise erhalten ist ein Gedicht auf die Einweihung der Fraumünsterkirche zu Zürich. Anläßlich des Besuches Karls des Dicken und seiner Gemahlin in St. Gallen dichtete R. ein Begrüßungslied für die Königin. Alle bekannten Dichtungen Rs. sind in Distichen mit einsilbigem leoninischem Reim abgefaßt; der Form der Überlieferung nach wurden die liturgischen viel gesungen. 3. Heute ist R . bekannter dadurch, daß er die Hauschronik von St. Gallen begann, die 'Casus sancti Galli'. In diesem Werk
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'Ratschronik, Lübecker von 1 4 0 1 — 1 4 8 2 '
stellte er die äußeren Geschicke des Klosters von seiner Gründung bis A n f a n g des Jahres 884 dar. A l s Quellen für die älteste Zeit benutzte er die Lebensbeschreibungen Columbans v o n Jonas v o n Orléans, des hl. Gallus und des hl. Otmar, für die letzten Jahre Urkunden; für die ganze Epoche zwischen der Gründung und der Gegenwart hielt er sich an die Klostertradition. N a t u r g e m ä ß sind daher seine Angaben in manchem einseitig. W a s R . besonders interessierte, waren die wirtschaftlichen Verhältnisse und die rechtliche Stellung des Klosters, vornehmlich z u m Bischof von Konstanz, die er mit dem ihn charakterisierenden Eifer verteidigt. So gut wie gar nicht berührt er das innere L e b e n und die geistige E n t w i c k l u n g des K l o s t e r s ; selbst der Bestand der Bibliothek unter Grimald und H a r t m u t wird nicht als Zeugnis für das geistige Leben, sondern als Zeichen des Besitzes angeführt. E s fehlt all das, was die 'Casus' E k k e h a r d s I V . (s.d.) so anziehend macht. D o c h ist das W e r k als Quelle wichtig und auch als Darstellung schätzenswert, seine Sprache einfach Und klar, v o n der Latinität der Bibel und der 'Regula s. Benedicti' weitgehend bestimmt. Die Überlieferung blieb auf das Kloster beschränkt. Die meisten G e d i c h t e i m C o d e x St. Gallen 381. D a n a c h u n d n a c h anderen Hss. P . v . W i n t e r f e l d M G H . P o e t a e XV, S. 3 1 7 — 349. H y m n e n : A n a l . h y m n . L , S. 237 — 243. L o b g e s a n g auf den hl. G a l l u s : M S D . N r . 12. K . S t r e c k e r M G H . P o e t a e V , 2, S. 534 — 540. E h r i s m a n n I, S. 2 i 7 f f — 'Casus s. Galli' ed. X v . A r x M G H . S S . I I , S. 5 9 f f . ; G . M e y e r v o n K n o n a u in d. M i t t h e i l , z. v a t e r l ä n d . Gesch. X I I I (1872). — P o t t h a s t I I , S. 954. W a t t e n b a c h I, S. 268, 2 7 1 . M a n i t i u s I, S. 606 — 608; I I , S. 566 u. ö. W . v . d. S t e i n e n Notker der Dichter D a r s t e l l u n g s b a n d , 1948.
F . Brunhölzl 'Ratschronik, Lübecker von 1401—1482'. 1. Die ' L . R . v . 1401—1482' ist als Fortsetzung der Chronik D e t m a r s (s. d.) von drei verschiedenen Verfassern geschrieben. Der erste bis 1469 reichende Teil ist von dem Lübecker Protonotar und späteren R a t s m a n n J o h a n n H e r t z e verfaßt.Dieser wird im August 1410 als jüngster Sohn eines gleichnamigen L ü b e c k e r Bürgers erwähnt. Wahrscheinlich w u r d e e r a m 20. Mai
1420 in Rostock immatrikuliert. A m 1 . F e bruar 1422 wurde dem Kleriker der Diözese L ü b e c k Magister Johann Herse v o n Bischof Johann Scheie die Anwartschaft auf die Besetzung einer damals aus dem N a c h l a ß des Lübecker Domherrn Marquard Hertze gestifteten Vikarie zugesichert. In den Jahren 1433—35 weilte Hertze dann bis auf einen L ü b e c k e r Aufenthalt im F r ü h j a h r 1434 als Sachwalter seiner Vaterstadt am Hofe des Papstes Eugen I V . zunächst in R o m und später in Florenz. A m 1. September 1436 wurde er v o m L ü b e c k e r R a t als Protonotar berufen, was er bis 1454 blieb. Im F r ü h j a h r 1460 wurde er zum R a t s m a n n gewählt. A l s solcher wird er noch am 29. April 1476 genannt. I m gleichen Jahr ist er gestorben. Der v o n H . geschriebene Teil der Chronik beginnt mit einem nur wenige Zusätze enthaltenden A u s z u g aus einer sonst nicht überkommenen lateinischen Korner-Rezension. Die selbständige Behandlung setzt mit dem Jahre 1438 ein. 2. A l s Verf. des zweiten v o n 1469—1480 führenden Teils hat Bruns den L ü b e c k e r Protonotar J o h a n n R e y n d e s bestimmen können, der sich nach seinem Geburtsort Wunstorp in der gleichnamigen Grafschaft J o h a n n W u n s t o r p nannte. E r wurde im Wintersemester 1441/42 an der Universität E r f u r t immatrikuliert und hatte das A m t eines Lübecker Protonotars v o m Juli 1455 bis zu seinem Tode am 7. August 1483 inne. Im Juni 1477 legte er eine den stratenroeff belangende Notizensammlung an, die er bis in den März 1483 fortführte. Sie sollte als Materialsammlung für die Fortsetzung der Chronik dienen. 3. Den letzten Teil der L ü b e c k e r R a t s chronik, der die Jahre 1480—1485 u m f a ß t , weist Bruns dem Lübecker Stadtschreiber D i e t r i c h B r a n d e s zu. Dieser w a r ein Sohn des Lübecker K a u f m a n n s Hermann Brandes und seiner F r a u Elisabeth, die vorher mit dem K a u f m a n n Ludolf von A c h e m (Achen) verheiratet gewesen war. Geboren ist er frühestens 1445. 1477 wurde er z u m Sekretär des Deutschen K a u f m a n n s zu Bergen berufen. Lübecker Ratssekretär wurde er am 1 1 . April 1481. A l s solcher starb er am 16. August 1500. D a ß er Priester war, ergibt sich aus dem seit A n f a n g 1496 30*
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Rebmann, Hans Rudolf —
von ihm geführten Niederstadtbuch. Bruns betrachtet ihn auch als Verfasser des die Jahre 1480—1485 umfassenden Schlußteils des 1485 zu Lübeck gedruckten 'Chronicon Sclavicum'. 4. Die drei Teile der Lübecker Stadtchronik sind nicht gleichwertig. A m verläßlichsten ist die Darstellung Hertzes. Seine amtliche Tätigkeit vermittelte ihm die Kenntnis der geschilderten Vorgänge. Lagen sie außerhalb seines eigenen Blickfeldes, so benutzte er vorsichtig Zeugnisse anderer. Mehrfach hat er Aktenstücke des Lübecker Ratsarchivs herangezogen. Seine Berichterstattung ist gewissenhaft und objektiv. Deutlich tritt seine strenge Rechtgläubigkeit hervor. Der Papst ist für ihn der höchste Richter auf Erden. Als Aufgabe der dt. Fürsten aber betrachtet er es, den Glauben und die Kirche zu schützen. Flüchtiger ist schon Johann Wunstorp. So sind ihm durch oberflächliche Benutzung eines Berichtes der Stadt Basel an Lübeck mehrere grobe Fehler unterlaufen. Auch ist er fremden Berichten gegenüber lange nicht so kritisch wie sein Vorgänger. A m wenigsten Wert besitzt die Fortsetzung von Dietrich Brandes. E r hat sich nicht bemüht, die Ereignisse unbefangen und von einer höheren Warte aus darzustellen. Seine Berichterstattung ist oberflächlich und unklar. Stark tritt die auch in dem von ihm geschriebenen Teil des 'Chronicon Sclavicum,', den er überhaupt als Grundlage benutzte, zu beobachtende lehrhafte Tendenz hervor. Häufig zieht er Bibelstellen heran, die er jedoch teilweise entstellt wiedergibt, um sie in seinem Sinne benutzen zu können. Die Lübecker Ratschronik von 1401 —1482 liegt nur im zweiten Bande der Chronikensammlung des Lübecker Rats vor. Die Hs. besteht aus 250 Pergamentbl., von denen je 10 eine Lage bilden. In der vierten Lage ist Bl. 36 an Stelle eines ausgeschnittenen Blattes eingeklebt. Im ersten Teil reichen die Eintragungen von 1401 — 1438 bis Bl. 4 0 E s folgen die Nachrichten über die Jahre 1438 —1469 auf Bl. 40" —I79d. Von Bl. I79 (15. Jh.). — a. Heldenbuch, Straßburg etwa 1490, Bl. 2 i 6 a —254a, Neudruck her. A. v. K e l l e r (StLV. 87) 1867. S. 5 9 4 - 6 9 2 . - ß Dresden M. 103 von 1472, Bl. 1 5 2 * — I 9 i b . II. R e d a k t i o n C (rheinfränk.): f Frankfurt Hs. Kloss Nr. 6 (14. Jh.), her. von W. G r i m m Der Rosengarte 1836. III. R e d a k t i o n D (thür.): K Pergamentbl. im Kopenhagener Geheimarchiv (15. Jh.) her. von K . M ü l l e n h o f f ZfdA. 12 (1865), S. 536ff. - h Heidelberg Nr. 359 (15. Jh.). s Straßburg Seminarbibl. B. 81 (1450), Bl. 3203 — 3246, 1870 verbr. s 1 Straßburg. Johanniterbibl. B. 81 (1476), Bl. 111 bis 133, 1870 verbrannt, s und s 1 in Abschrift für W. Grimm erhalten in Berlin Ms. germ. quart. 921. IV. R e d a k t i o n F (thür.): F 1 Danziger Bruchstück (14. Jh.). F* Prager Bruchstück (14. Jh.). F3 Braunschweiger Bruchstück (13./14. Jh.). V. R e d a k t i o n P (ostmd.): T Blatt aus Tisch, her. von J. N e u w i r t h ZfdA. 28 (1884), S. 139 bis 142. p Pommersfelder Hs. (14. Jh.), Bl. 101 — 128, her. von K . B a r t s c h Germ. 4 (1859), S. i f f . K r i t i s c h e A u s g a b e der Redaktionen A, D, F. her. von G. H o l z Die Gedichte vom Rosengarten zu Worms 1893. Holz hält A für die beste Fassung, D, F für Bearbeitungen von A, C für Mischredaktion zw. A und D. Schneider und Brestowsky halten die Bevorzugung von A für unbegründet. Brestowsky sieht A und D (bzw. deren Urformen) als Bearbeitungen des UrRosengarten und kommt zu folgendem Stemm a: Ur:Rg Ai • F
"
D1 .
A2
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P D"
U m s e t z u n g in a n d r e S p r a c h e n : nd. Bruchstück Pommersfeld, Hs. Amadisica (1470). — nord. Thidrekssaga Cap. 189 — 224 (planvolle Bearbeitung des Ur-Rg.). — dän. Kämpeviser, her. von S. G r u n d t v i g Danmarks gamle Folkeviser 1 (1895), Nr. 7/8 (zersungene Volkslieder, ursprünglich nach Ur-Rg. oder nach der Thidrekssaga). — tschech. Bruchstücke (14. Jh.), vgl. Ausgabe von G. H o l z S. L X X I f f . 2. I n h a l t : Kriemhilde hat zu Worms einen Rosengarten, den zwölf kühne Recken hüten, darunter ihr Gatte Siegfrid. Um Siegfrids Unüberwindlichkeit zu erproben, fordert sie Dietrich von Bern und seine Recken zum Kampf im Rosengarten und verspricht als Siegespreis Rosen-
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kranz und Kuß. Beim Zwölfkampf siegen regelmäßig die Berner, auch Dietrich über Siegfrid, dessen Leben Kriemhilde vor Dietrichs Zorn retten muß, nur Walther von Wasgenstein und Dietleib kämpfen unentschieden. Der König Gibecke muß sein Land Burgund von Dietrich zu Lehen nehmen. Der Mönch Ilsan, den Dietrich zu dieser Fahrt erst aus dem Kloster hatte holen müssen, zertritt Kriemhildes Rosen mutwillig und besiegt noch 52 Wormser Ritter. Bei den 52 Siegerküssen kratzt sein Bart die Königin blutig; die 52 Rosenkränze drückt er bei der Rückkehr seinen Ordensbrüdern so stark aufs Haupt, daß ihnen die Köpfe bluten: hiemite endet sich daz Rosengarten liet (A. 390, 4).
3. S a g e n g r u n d l a g e : Alle Spekulationen über eine mythische Wurzel des Wormser Rosengartens (Jungfrau oder Göttin im Rosenhag, von riesischen Wächtern bewacht, von Frühlingshelden befreit) sind verfehlt. Das Rosengartenmotiv ist ganz äußerlich aus König Laurin (s. d.) übernommen. Dort ist der märchenhafte, von einem Faden umspannte Rosengarten sinnvoll, sein Betreten, nur von einem Tabu-Seidenfaden verwehrt, ruft den strafenden Dämon herbei und führt zur Bestrafung des Eindringlings, bis überstarke Helden kommen und ihn besiegen. Den Faden um den Rosengarten kennt auch der Rg., obwohl er in der ritterlichen Welt sinnlos ist. Sinnlos ist auch, daß nicht die Angreifer, sondern die Verteidiger zum Kampf herausfordern und daß der schöne Rosengarten von vornherein als Turnierplatz bestimmt wird. Das Rosengartenmotiv ist aus dem Laurin übernommen, aber durch andere Motive stark entstellt. Der von der tirolischen Lokalsage dargebotene Märchenrosengarten wird zusammengeworfen mit den dt. Rosengärten, die seit alters Turnier-, Thing- und Kultstätten waren und ursprünglich nichts mit Rosen zu tun hatten, sondern die kultische Farbe Rot festhielten (Ranke), aber wegen ihrer Wildrosenhecken volketymologisch mit eigentlichen Rosengärten verwechselt wurden. Auch bei Worms gab es solche Turnieranger, die eine Namen- und Motivübertragung aus dem Laurin begünstigten. Ob der Zweikampf zwischen Dietrich und Siegfrid nur dem Wunsche entsprang, die Haupthelden der Dietrich- und Nibelungensage zusammenzubringen, oder ob eine wirkliche Sagengrundlage vorhanden ist, bleibt zu überprüfen. Durchwegs wird das
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'Rosengarten zu Worms'
erstere angenommen. Ich bin jedoch überzeugt, daß ein historisch so wichtiges Ereignis wie der Sieg Theoderichs über den bis dahin unüberwindlichen Chlodwig und seinen Verbündeten, König Gundobad von Burgund (etwa 508) im Heldenlied gefeiert wurde (so mündlich auch A. B r a c k m a n n ) . Theoderich, der nach langem Zögern der Vernichtung der Alemannen und Westgoten durch Chlodwig und Gundobad Einhalt gebietet und Chlodwigs Siegeszug ein jähes Ende bereitet, wurde, so scheint mir, im Heldenlied zum Sieger über den unüberwindlichen Siegfrid. Dieses Heldenlied dürfte im Rg. nachleben; denn selbst Einzelheiten wie die Herausforderang durch die Gegner aus Niederlanden und Burgund, das lange Zögern, bis er sich zum Kampfe aufraffte und die wichtige Rolle Hildebrands dabei bewahrte der Rg. getreu. Nach Jordanes' Getica c. 302 (MGH. SS. 5, 1, S. 135, 19) u. a. Schriftstellern war es Ibba (bzw. Hibba, Hebba, Helba), der als Theoderichs Feldherr 508 n. Chr. die wichtigtsen Schlachten gegen Chlodwig und Gundobad von Burgund schlug, und gemäß R. M u c h (Rüdiger von Pechlarn, Almanach d. K.Akad. d. Wiss. zu Wien 1913, S. 4) ist Ibba bzw. Hibba als Koseform von Hildebrand anzusehen. Wenn der Rg. das historische Geschehen zum persönlichen Zweikampf zwischen Dietrich und Siegfrid macht und Hildebrand nur die wichtige Rolle zuweist, Dietrich zum Kampf zu ermutigen, so entspricht das dem Stil des Heldenliedes, Völkerkämpfe als Zweikämpfe ihrer Führer zu sehen und zweitrangige historische Persönlichkeiten zu ihren erfolgreichen oder unheilvollen Beratern zu machen. Beides hat der Dichter des Rg. wahrscheinlich in dem von mir postulierten Heldenliede vorgefunden. Es ist auch der einzige der zwölf Kämpfe, der zu Roß begonnen wird. Mit dem Heldenlied vom Sieg Dietrichs über Siegfrid ist im Rg. noch ein anderes Motiv, das des Zwölfkampfes, zusammengeflossen, das auch im *Walthari' und im „Biterolf und Dietleib" im Mittelpunkt steht. Die Herkunft des Zwölfkampfmotives ist noch ungeklärt. Da aber zwölf eine altgeheiligte Zahl ist (man denke an die „Zwölften" der Mittwinterzeit), so könnte I
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dahinter ein rituelles Kampfspiel stehen, sei es, daß ursprünglich ein einzelner zwölf Kämpfe zu bestehen hatte oder daß schon ursprünglich sich zwölf Kämpfer gegenüberstanden. Über eine bloße Vermutung kommen wir bei diesem rituellen Zwölfkampf nicht hinaus, jedoch hat der Zwölfkampf ursprünglich bestimmt nichts mit dem Heldenlied von Dietrichs Sieg über Siegfried zu tun. 4. Die vorhandenen Fassungen mögen um 1250 entstanden sein. Der Ur-Rg.,um dessen Eruierung sich B r e s t o w s k y erfolgreich bemühte, muß einige Jahrzehnte älter sein, aber Rosengartenmotiv, Dietrichs Sieg über Siegfrid Und Zwölfkampf bereits vereint haben. E r ist nach dem Ur-Laurin entstanden, dem er das Rosengartenmotiv entnimmt, aber vor dem mhd. Laurin, der die Frauenraubgeschichte angliederte und sich seinerseits von Formulierungen des Ur-Rg. beeindrucken ließ, und auch vor der Thidrekssaga, die den Ur-Rg. ausschöpfte ( S c h n e i d e r , B r e s t o s t o w s k y ) . D a Witeges Kampf gegen den Riesen Asprian sich eindrucksvoll heraushebt (im Grunde passen Asprian und die anderen Riesen gar nicht in das ritterliche Wormser Milieu), hat der Verf. hier wohl ein älteres Einzellied benutzt. Ilsans Klosterleben und Gewinnung als Mitkämpfer stimmt mit Heimes Klosterleben in der Thidrekssaga überein, aber auch mit einer lat. Wiedergabe des verlorenen Chanson de geste von der Moniage Ogier, so daß man ein (an das Ogier-Chanson angelehntes) dt. Heimelied als gemeinsame Quelle für Ur-Rg. und Thidrekssaga annehmen kann ( S c h n e i d e r , B r e s t o w s k y ) . Der Rg.-Dichter machte Ilsan zum Doppelgänger Heimes, möglicherweise unter Umgestaltung des Elsän der „Rabenschlacht" ( B r e s t o w s k y ) . Auch ein Waltherlied scheint dem Rg.-Dichter bekannt gewesen zu sein; ihm entstammt z . B . das Fergenabenteuer in Rg.-D. 5. Spielmännische Elemente (Groteskes, Derbheiten, Wiederholungen) mischen sich mit höfischer Lebensanschauung epischer Tradition ( z u r N i e d e n ) . Der Charakter der Helden ist einprägsam herausgearbeitet, wenngleich der Dichter sie auch nicht immer folgerichtig handeln läßt. Seine
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992
Rosenplüt, Haus — Rosla, Heinrich
eigentliche Liebe gehört der grotesken Gestalt Ilsans. Die Grenze seiner Begabung zeigt sich in den unausgeglichenen Widersprüchen. Einerseits ergeht die Einladung nach Worms wie zu einem Turnier und dementsprechend werden Rosenkranz und K u ß als Turnierpreis verheißen. Der Kampf wird aber zu einem Kampf auf Leben und Tod, bei dem nicht wenige den Tod finden oder lebensgefährliche Wunden erhalten. Ebenso wenig paßt es zum Charakter eines Turniers, daß der Burgunderkönig durch die Niederlage Thron und Reich verliert und zum Lehensmann Dietrichs wird; deshalb möchte Holz diese Verse, obwohl sie gut bezeugt sind, als unecht ausscheiden. Hier wie in anderen Dingen hat der Dichter nicht vermocht, die divergierenden Tendenzen seiner verschiedenen Quellen zu einer innerlich abgerundeten Handlung zusammenzufassen. Auch sonst zeigt er sich mit höfischer Sitte sehr wenig vertraut, so etwa, wenn Dietrich den Boten aus Worms, der die Einladung brachte, erschlagen will oder wenn zwei der Kämpfer sich weigern, sich von derKönigin der ungetriuwen rneit küssen zu lassen. Die breite Masse aber wird an der flotten Darstellung und der einseitig zu Ungunsten der Franken ausgehenden Märe ihre helle Freude gehabt haben. W . G r i m m Die dt. Heldensage 3 i 8 8 9 , S. 396ff. L . U h l a n d Der Rg. zu Worms Schriften z. Gesch. der Dichtung und Sage 8 (1872), S. 504 — 552. E . H . M e y e r Über den Rg. Germ. 17 (1872), S. 381 ff. B . P h i l i p p Zum Rosengarten 1879. E d z a r d i Rg. und Nibelungensage Germ. 26 (1881), S. 1 7 2 f f . G . H o l z Zum Rg. 1889. E . J a k o b s Der Rosengarten im dt. Lied und Brauch Neujahrsbl. d. hist. K o m m . f. P r o v . Sachsen 21 (1897). A . S c h ö n b a c h W S B . 136 (1897), S. igii. Suolahti M i m . de la soc. nöophil. de Helsingfors 6 (1917), S. i o g f f . E . F e h r l e Garten, Rose und Rosengarten im MA. Diss. Heidelberg 1922. J. v . L u n z e r Rosengartenmotive P B B . 50 (1926), S. 1 6 1 — 2 1 3 . H . S c h n e i d e r German. Heldensage 1 (1928), S. 2 8 6 — 3 1 5 . C. B r e s t o w s k y Der Rosengarten in Worms (Tüb. german. Arbeiten 7) 1929; v g l . dazu J. v . L u n z e r A f d A . 49, S. 9 — 1 3 ; W . G o l t h e r L t b l . 1930, S. i 8 2 f . K . z u r N i e d e n Über die Verfasser der mhd. Heldenepen Diss. B o n n 1930, S. 155 — 167. E h r i s m a n n Schlußband (1935), S. 164 — 166. H . d e B o o r Die Heldennamen in der hist. Dietrichdichtung, Z f d A . 78 (1942), S. 234 bis 267. E . G r a n d y Die Versbehandlung der Eigennamen im Gr. Wormser Rg. Diss. W i e n 1947. K . R a n k e Rosengarten, Recht und Totenkult 1951.
Hellmut Rosenfeld
Rosenplüt, Hans (Nachtrag): H. M a s c h e k
Lyrik
des
späten
MAs.
S. 2 5 — 2 7 , 220—258 und 3 1 2 — 3 1 4 . H . v . king Vorstud. zu e. Krit. H. R. Diss. H a r v a r d 1952.
Ausg.
1939, Schük-
der Dicht,
von
Hannemann
Rosla, Heinrich, mlat. Dichter des 13. Jhs. Von seinem Leben ist wenig bekannt. Geboren in Nienburg (wohl bei Kelbra, wo im 13. Jh. eine Familie Rosla nachweisbar ist), wurde er vermutlich Mönch der Cistercienserabtei Walkenried (am Harz), erlebte den Kampf der sächsischen Großen gegen Heinrich den Wunderlichen von Braunschweig und seine Burg Herlingsberg bei Goslar im Jahre 1291 und schrieb darüber das Gedicht, das seinen Namen bewahrt hat, die 1 Herlingsberga'. Für die Erklärung des Gedichtes ist noch so gut wie alles zu tun. Die 477 Hexameter (nach der Zählung von M e i b o m ) sind ungereimt, nur gelegentlich kommt ein- oder zweisilbiger leoninischer Reim vor. Die Sprache ist gewandt Und verrät Belesenheit des Vf. in antiker Dichtung, aber auch Vertrautheit mit mal. Spruchweisheit. Bemerkenswert ist eine gewisse Vorliebe des Dichters für seltene (auch gräzisierende) Ausdrücke und Formen sowie die Mischung mal. Verhältnisse mit homerischer Szenerie. Vieles in Verstechnik und Ausdrücksweise, aber auch ganze Abschnitte scheinen von der KIlias Latina' angeregt zu sein. Der Wunsch des selbstbewußten Dichters, seinem Sachsenvolk ein Heldenlied zu singen, führt ihn, angefangen mit dem ganz in der Manier der großen Epik gebauten Proömium, des öfteren zu Ausdrücken und Vergleichen, die im Hinblick auf die doch recht beschränkte Bedeutung des geschilderten Ereignisses und den bescheidenen Umfang des Werkes geschmacklos wirken. Die 'Herlingsberga' ist nur als Teil der Saxonum et terrae Saxoniae commentatio' des Dietrich Engelhus (hsl. in Hannover cod. 859) überliefert, einer Sammlung von Auszügen aus Gottfried von Viterbo (s. d.), Dietrich Lange und Henricus Rosla Nienborgensis. D a in dem von M e i b o m {Script. I, S. 806—812) als 'Saxonia' des Dietrich Lange gedruckten Teil der'Origo Saxonum' Verse vorkommen, die in der KOrigo
993
Röslin (Rösslin), Eucharius — Rotel, Johann
Hs. der %Origo' und in der Chronik des Dietrich Engelhus (s. d.) unserem H. R. zugeschrieben werden, ist zu vermuten, daß dieser noch ein anderes Gedicht über Sachsen verfaßt hat.. A u s g a b e : J. H. M e i b o m Script, rer. Germ. I, S. 775 — 783 (mit vielen überflüssigen Notae). — O. L o r e n z Gesch.-Qu. XI (1889), S. 136 u. 152; A D B . X X I X , S. 2 3 9 ; P o t t h a s t l l , S.985, jeweils mit weiterer Literatur. _ , .., ,
Brunholzl
Röslin (Rösslin), Eucharius (Nachtrag), s. a. Wonnecke, Johann von Caub. K . S c h o t t e n l o h e r Bibliogr. zur dt. Gesch. im Zeitalter der Glaubensspaltung 2, S. i 8 6 f . und 5, S- 233.
Hannemann
Ros(s)ner, s. R o s e n p l ü t , H a n s , bes. 25. 29. 'Roßaventüre'. Der Text ist im Cod. 731 des Stiftes Einsiedeln in der Schweiz auf Bl. 60 b—66 b erhalten, der um 1400 angelegt wurde. Dieser Hs. liegt eine mittelbair. Vorlage zugrunde, die im 14. Jh. entstanden sein muß. Die R . ist eine Sammlung von 39 Praktiken aus dem geheimen Hausmittelschatz der Pferdehändler. Nur wenige Mittel dienen der Heilung oder Gesunderhaltung von Pferden; die weitaus überwiegende Mehrzahl zielt auf Täuschung der Käufer oder Übervorteilung der Verkäufer ab, wobei die unredliche Absicht offen zugegeben wird. Einige Vorschriften sind Zaubermittel; bei manchen wird an Krieg und sportlichen Wettbewerb auf dem Rennplatz gedacht. Die Stücke sind z. T . internationales Gut von sehr hohem Alter. Von einem Verfahren ließ sich die Verwendung im spätantiken Zirkus (Ägypten) nachweisen. In den Zaubermitteln leben orientalische Überlieferungen in arg entstellter Gestalt fort; auch eine Psalmenstelle findet Verwendung. Die Entstehung der Sammlung ist so zu denken, daß zu dem Roßarzneibuch des Meisters Albrant (s. d.) anhangsweise nach und nach solche unfromme Praktiken angefügt wurden. In der Einsiedeler Hs. geht der R. eine stark angeschwellte Fassung des Albrantschen Büchleins voraus, und ganz in derselben Weise sind auch in der AlbrantYerfassexlexlkon V.
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handschrift des Stiftes Schlägl in Oberösterreich am Schluß verschiedene Roßtäuschertricks von zwei Schreibern angehängt worden. Die Einsiedler und die Schlägler Mittel stimmen in manchen Zügen miteinander überein. Die Bezeichnung ,,Aventüre" für abenteuerliche Pferdemittel kommt noch im 16. Jh. in der gedruckten hippologischen Literatur vor. Eine besondere Untersuchung erfordert noch ein Abschnitt Von auenteür vnd kunst, die man sol brauchen zuo pferden in dem zu Beginn des 16. Jh.s gedruckten Büchlein Ain gut artzney die hie nach stet (K. S u d h o f f Dt. med. Inkunabeln 1908, Nr. 119, 120, 120a, W e l l e r 2, 3, Suppl. 52). G. E i s Meister Albranis Roßarzneibuch im dt. Osten (1939) S. i o i f f . ; G . E i s Die Roßaventüre in Beitr. zur Gesch. der Vet.-Med. I I (1940), S. 257 bis 274; R . S c h m u t z e r Bemerkungen zu Gerhard Eis, Die Roßaventüre, ebda. I I I (1941), S. 97 bis 100; G. E i s Bemerkungen zur Roßaventüre ebda. I I I , S. 101 — 1 0 4 ; R . S c h m u t z e r Alembic und sonstige Erklärungen zu den Bemerkungen zur Roßaventüre ebda. III, S. 3 1 7 — 3 1 9 ; K. H o p p e Dunkles u. Mißverstandenes in frühnhd. Veterinärliteratur ebda. V (1943), S. 20; G. E i s Die Schlägler Albrantanhänge ebda. V , S. 23 — 3 1 .
Gerhard Eis Rost von Samen (Nachtrag): C. D i e t h e l m St. W i b o r a d a Jahrbuch 5 (1938), S. 6 9 - 7 1 .
Hannemann
Rotel, Johann, Bischof von Brixen (Südtirol), stammt aus Hallein (Salzburg), hatte von 1413 bis 1442 die Propstei Maria Saal inne, wurde Kanonikus und Scholaster von Freising, Abbreviator litterarum apostolicarum. 1418 providierte ihn Papst Martin V . mit einem Kanonikat an der Kirche in Brixen. Indessen studierte er an der Universität Bologna und wurde 1422 Dr. decret., sodann Scholasticus zu Brixen, 1442 Generalvikar und am 4. Jän. 1444 zum Bischof von Brixen erwählt. E r starb als solcher am 28. Febr. 1450. Nach alter Überlieferung sollen mehrere Reden von R. in der Brixner Hofbibl. erhalten sein, so eine, die er aus Anlaß seiner Erreichung des Doktorgrades an der Universität Bologna gehalten hat, andere bei Gelegenheit der Erhebung des Friedrich Deys zum Bischof von L a v a n t (Klagenfurt) 32
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Rothe, Johannes
und bei der Eidesleistung des Bischofs Nikodemus von Freising. L. S a n t i f a l l e r Das Brixner Domkapitel (Schlern-Schriften 7) 1924, S. 136, 4 4 3 — 4 4 7 .
A. Dörrer
Rothe, Johannes. 1. Der als Jurist, Historiker und Lehrdichter besonders für die Kulturgeschichte Thüringens bedeutsame J. R. hat über einige Lebensdaten selbst Zeugnis abgelegt in dem von F. B e c h entdeckten Akrostichon der „.Düringischen Chronik" und in den beiden Vorreden zu zwei Fassungen dieses Geschichtswerkes; diese Angaben werden ergänzt durch urkundliche Bezeugung. Da R. bereits 1387 als Priester in Fisenach nachweisbar ist, muß er spätestens 1360 geboren sein, vermutlich schon in der Mitte der fünfziger Jahre; nach seinen Akrosticha stammt er aus Kreuzburg an der Werra, wo seine Familie zu den begüterten Ratsverwandten gehörte. Als nächste Amtsbezeichnung nennt das große Akrostichon capellan des bischofis und dann vicarius; als solcher ist R. für 1394 an der Liebfrauenkirche und für 1397 a n der Pfarrkirche St. Georg bezeugt. Erst 1393 tritt er urkundlich als notarius auf, muß aber den Ratsschreiberposten schon früher erhalten haben, den er mindestens zehn Jahre lang bekleidete, vermutlich von 1384 bis 1397. Erst 1418 wird er als Chorherr am Collegiatsstift von St. Marien bezeugt, ist aber wohl bereits 1404 in das Stiftskollegium eingetreten, in dem er nach 1418 und vor 1421 zum Leiter der Stiftsschule (scolasticus) aufrückte und hochbetagt am 5. Mai 1434 starb. Persönliche Beziehungen verbanden R. mit den Zisterzienserinnen von St. Katharinen, wo seine Schwester Jutte als Nonne lebte, mit Eisenacher Ratsfamilien und einigen Persönlichkeiten des Amtsadels auf der Wartburg. Auch die Landgräfin Anna, als deren cappellan er sich selbst in einer Chronikvorrede bezeichnet, war seine Gönnerin. Die Zinskäufe in den Urkunden zeigen R. als vermögenden und geschäftsfreudigen Weltpriester, seine Lehrgedichte als scharfsichtigen Kritiker menschlicher Vierfehlungen und sozialer Übelstände, der auch fürstliche Übergriffe zu geißeln sich |
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nicht scheute. Als Rechtskundiger und Geschichtsschreiber liegt sein Verdienst hauptsächlich im Sammeln und Übersetzen, zeigt jedoch auch mancherlei Ansätze zu theoretischer Betrachtung. Sein poetisches Talent läßt sich nicht gerade hoch veranschlagen, vermochte aber im „ RitterSpiegel" ein Werk von kulturgeschichtlicher Bedeutung zuwege zu bringen. Seine Vorliebe für die allegorische Figurenmalerei (vgl. die Vorrede der „Dür. Chr.") hat auch seine didaktische Dichtung mit ihrem Reichtum an Bildausdeutungen stark beeinflußt. Literatur. F . B e c h Germ. 6 (1861), S. 4 5 f f . , 2 5 7 f f . ; 7 (1862), S. 354ÍÍ.; A . L . J. M i c h e l s e n Zs. des Verf. f. Thür. Gesch. 3 (1859), S. 23 ff. (mit einem Urkundenverzeichnis); J . P e t e r s e n Das Rittertum in der Darstellung des J. R. (1909), S. I 3 f f . ; K . Z a n d e r J. R., sein Leben u. s. Werke (Phil. Masch.-Diss., Halle 1921); H a n s N e u m a n n Das Lob der Keuschheit, e. Lehrged. von J. R. (1934), S. I 2 9 f f . , I 3 4 f f . ; P. R o n d i Eisenacher Rechtsbuch (1950) Einl. S. X X X I ff. (darin die Literatur bis 1933).
2. Die j u r i s t i s c h e n P r o s a s c h r i f t e n seiner Stadtschreiberjahre sind nicht mehr vollständig und in ihrer ursprünglichen Form erhalten. Nach eigener Angabe in den Chronikvorreden stellte R. zehn Jahre lang Rechtsbücher für die Stadt Eisenach zusammen. Als Quellen für diese Rechtssammlungen lassen sich die „Eisenacher Gerichtsläufte" (14. Jh.), das Meißner Rechtsbuch, das Stadtrecht des Landgrafen Albrecht von 1283, der 'Sachsenspiegel' mit Glosse, der 'Schwabenspiegel', das %Decretum Gratiani', die Decretalen, die Digesten, die altrömischen Institutionen u.a. nachweisen. Zwei der von R. genannten Rechtsbücher sind offenbar in den ersten acht Teilen des ,, Rechtsbuches des Johannes Purgoldt" enthalten; die Vorreden zu Buch I und V bei Purgoldt haben Rothes Namen noch im Akrostichon bewahrt, die zu Buch VIII zeigt noch Fragmente eines solchen, aber auch die Reimvorreden zu Buch VI und V I I sind gewiß Rs. Eigentum. Der Eisenacher Stadtschreiber J o h a n n e s P u r g o l d t (Anfang 16. Jh.) hat aber den Text der Rotheschen Reimprologe zum Teil stark verkürzt (Buch X), zum Teil durch eigene Vorreden ersetzt (Buch III, IV und IX) und teilweise auch den Inhalt der Bücher I — V I I I umgeordnet. Erkennbar
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Rothe, Johannes
bleibt jedoch, daß die heutigen Bücher I bis IV (materielles Recht) und die Bücher V bis VIII (Prozeß- und Verfassungsrecht) ältere Einheiten widerspiegeln. Die Bücher I X und X, die mehr ethische Lebenslehren als eigentliche Rechtsnormen bieten, sind wohl der Rest der drei „Bücher von den guten Sitten", die R. ebenfalls in einer Chronikvorrede (G) unter seinen Schriften erwähnt. Das von B e c h als Rs. Werk erkannte „Eisenacher Rechtsbuch" (in der gleichen Kasseler Hs. wie der 'Ritterspiegel') ist offenbar nur Teil einer umfangreicheren Rechtssammlung, aus der auch das nicht erhaltene „Eisenacher Kettenbuch" geschöpft haben muß; keinesfalls kann es selbst die Urgestalt des ,,Eisenacher Rechtsbuches" gewesen sein. Dieses gliedert sich gemäß seiner Überschrift in drei Abschnitte : Dit ist von der erbeschafft und dez sint dry bucher: Daz erste ist von sippeschafft. Daz andir von hergewette und gerade und lipczucht. Daz derte von husunge, eckern und vihe. Mit dieser Sammlung von familien- und erbrechtlichen Bestimmungen, von lehensrechtlichen sowie stadtrechtlichen und polizeilichen Vorschriften hat R. für Eisenach eine zeitgemäße Fixierung des geltenden Rechts geschaffen, die für Eisenach als Oberhof der Landgrafschaft Thüringen von großem Belang war und bis ins 16. Jh. hinein stark gewirkt hat. In den von R. stammenden Teilen des Purgoldtschen Rechtsbuches tritt vor allem sein harmonistisches Anliegen hervor, die Rechtsgrundsätze verschiedenster Geltung auf einen höheren moralischen Nenner zu bringen und mit patristischen und philosophischen Zitaten zu unterbauen, die in seinen Lehrgedichten z. T. wiederkehren. Die Bücher I X und X bei Purgoldt schöpfen auch textlich überwiegend aus kirchlichen und antiken Autoritäten, besonders den politischen und ethischen Schriften des Aristoteles, die als K daz buch von den stetin bzw. von den gutin setin' bezeichnet werden. Ausgaben. F. O r t l o f f Das Rechtsbuch Johannes Purgoldts (Jena 1860); d e r s . Das Rechtsbuch nach Distinctionen nebst einem Eisenachischen Rechtsbuch 1836, S. 627 ff., Neuausgabe (mit Ubersetzung) von P. R o n d i a.a.O. S. 2ff. Literatur. F. B e c h Germ. 6 (1861), S. 59ff., F. O r t l o f f Das Rechtsbuch Johannes Purgoldts
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a . a . O . S. 1 ff.; R. F. v. S t r e n g e u. E. D e v r i e n t Die Stadtrechte von Eisenach, Gotha und Waltershausen 1909, S. 19+ff.; P. R o n d i a . a . O . X l f f .
3. Zu Rs. h i s t o r i s c h e n S c h r i f t e n zählen außer den drei in Prosa verfaßten Redaktionen der ,,Düringischen Chronik" auch das poetische Fragment der sogen. ,,Passion" und das ReimWerk vom „Leben der Hl. Elisabeth", denn Heilsgeschichte und Legende gehören auch für R. zu den Grundlagen der Universalhistorie. Rs. Arbeit für die Landesgeschichte ist in drei Stufen vorwärts geschritten, von denen jede in einer besonderen Fassung erhalten ist; die älteste Stufe wurde erst 1912 von H e l m b o l d ermittelt. Man unterscheidet am besten 1. die „Eisenacher Chronik" (Kr), 2. die „Thüringische Landeschronik" (G) und 3. die „Thüringische Weltchronik" (L). Daß auch die nicht vor 1414 in Eisenach entstandene 'Historia de lantgraviis (Eccardiana)' von R. stammt, ist ausgeschlossen; doch mag R. den mönchischen Verfasser persönlich gekannt haben. Rs. erste Tat für seine deutschsprachige Geschichtsschreibung war es, diese ''Historia' zu exzerpieren und in heimische Sprache umzusetzen, wobei er aus eigener Kenntnis Eisenacher Geschehnisse einiges selbständig hinzufügte. Anscheinend war diese anfängerhafte Arbeit der Familie des Ratsmannes Reinhard Pinkemail gewidmet, dessen Haus in der Erzählung vom Wartburgkrieg eine Rolle spielt und der selbst einmal besonders hervorgehoben wird. Auch die in Rs. späteren Chroniken überall hervortretende Freude an der Namendeutung macht sich in der ,,Eisenacher Chronik" schon bemerkbar. In der zweiten Stufe, der noch üngedruckten „Thüringischen Landeschronik" (Gothaer Hs. Cod. chart. B 180, Bl. is8 b bis 288» geschrieben 1487 von Urban Schlorff, deshalb auch fälschlich als 1 Schiorffsehe Chronik' bezeichnet), hat R. in einer strophischen Vorrede als Auftraggeber den Amtmann auf der Wartburg Bruno von Teutleben genannt; als Zeit der Widmung wird etwa 1418 anzunehmen sein. Diese Fassung entspricht deutlich den landesgeschichtlichen Interessen des thüringischen Adels und geht stärker auf die Lokalfehden in Thüringen ein. Haupt quellen 32»
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Rothe, Johannes
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sind wieder die 'Historia de lantgraviis 30 Silberlinge (292—449), die vollständige (Eccardiana)' und die 'Historia de lant- Pilatuslegende (450—1714) und einen Abgraviis (Pistoriana)', auf die R. zum Teil schnitt über die Zerstörung Jerusalems neu zurückgreift, doch sind auch Kreuz- (1715—2051); Quellen für die Pilatussage burger und Eisenacher Ortstraditionen, waren eine lat. Prosa und ein lat. Pilatusdarunter mancherlei sagenhafte Berichte, gedicht (AnzfKddV. 1838, S. 526ff. und herangezogen worden; wörtliche Uber- 1835, S. 425ff.), doch muß auch die 'Lesetzung und breit ausmalende Nacher- genda aurea' benutzt worden sein, die für zählung wechseln miteinander ab. Aus die Judasgeschichte der Rotheschen Erdieser Redaktion hat die Thüringische Chro- zählung am nächsten steht. Stilistische und nistik bis Weit in die Neuzeit hinein ge- metrische Gründe sowie das Verhältnis zu schöpft, z. B. auch die bekannten Chro- den Parallelberichten in der „Thürinniken von Konrad Stolle und Wigand gischen Weltchronik" sprechen für die EntGerstenberg. Die reicher überlieferte dritte stehung der sogen. „Passion" in Rs. letztem Fassung, die „Thüringische Weltchronik" Lebensjahrzehnt. Das gleiche gilt für das (L), war gemäß der Reimvorrede für die gereimte „Leben der Hl. Elisabeth", das Landgräfin Anna bestimmt und 1421 ab- ohne hinreichende Gründe öfters einem geschlossen. Sie stellt eine vielfach ver- anderen Johannes scolast (so das wohl fragänderte Und ins Universalgeschichtliche aus- mentarische Akrostichon) beigelegt worden geweitete Bearbeitung von G dar, will ist. Das Werk trägt aber überall in Sprache nicht mehr nur von wundirn der herschaft und Ausdrucksform Rs. persönliches Sigvon Düringen (Vorrede G) berichten, sondern num und lehnt sich auch inhaltlich oft an auch von dem, waz bebiste, keisser haben die ,, Thüringische Weltchronik" an. Die gethan (Vorrede L), also Weltgeschichte Abweichungen und Widersprüche gegenbieten. Erst nach der Darstellung des über L beruhen auf neuem Rückgriff auf ersten Kreuzzuges mündet die mit der zusätzliche Quellen, besonders auf die Schöpfung beginnende Chronik stärker in 1 Vita S. Elisabethae' Dietrichs von Apolda die Landesgeschichte ein (Kap. 329ff.). Eine und wohl auch mündlich überlieferte Lebehagliche Kleinmalerei kennzeichnet Rs. gendenzüge. Der trockene Berichtstil hat Altersstil und ist zugleich Folge seines dem Erfolg des Werkes keinen Eintrag Verzichts auf gebundene Rede, für den sich getan. Zahlreiche Hss. bezeugen das hohe der Verfasser mit Rücksicht auf sein hohes Interesse der Zeitgenossen für diese DichAlter in der Vorrede entschuldigt. Wenn tung; in einer hessischen Redaktion, welche auch von kritischer Behandlung der schrift- die Vorrede umänderte und mit dem Akrolichen und mündlichen Quellenberichte stichon Johannes Rote (!) versah, sind einige nicht die Rede sein darf, so bleibt doch Zusätze mit Marburger Lokalinteresse eindas Streben nach einer erweiterten und gefügt (Helmbolds abweichende Ansicht besseren Erkenntnis gegenüber der frühe- erscheint irrig). ren Chronik G unverkennbar; und das Ausgaben. „Eisenacher Chronik" (Kr) gedruckt erklärt wiederum zahlreiche Differenzen, als 'Chronicon Thuringicum' bei S c h o e t t g e n und deretwegen man die ältere Chronik zu K r e y s i g Diplom, et Script, hist. Germ. 1 (1753) Unrecht R. hat absprechen wollen; auch 85 f f . ; ,, Thüringische Weltchronik" (L) gedruckt bei . v . L i l i e n c r o n Düringische Chronik des J. R. in den Namendeutungen hat R. hier R(1859); A . H e i n r i c h Johannes Rothes Passion verschiedentlich neue Wege gesucht. (1906); D a s „Leben der Hl. Elisabeth" gedr. bei Die in Reimpaaren geschriebene ' Passion' ist nur in vier Auszügen erhalten (Dresdener Hs. 40 M 199, 15. Jh.) und durch eine fremdhändige Prosavorrede als Rs. Werk gekennzeichnet. Die überlieferten 2051 Verse bringen die Lebensgeschichte des Judas (1—291), einen Bericht von der Entstehung der Münze und dem Schicksal der
J. B . M e n c k e Script, rer. Saxon. 2 (1728), S. 2033ff.
Germ,
et
praecipue
Literatur. F . B e c h Germ. 5, S. 2 2 6 f f . und 6, S. 4 5 f f . ; R . v . L i l i e n c r o n a . a . O . S. V f f . Ü b e r die Gothaer Fassung v g l . F . B e c h a . a . O . 6, S. 2 5 7 f f . ; A . W i t z s c h e l Germ. 17, S. I 2 9 f f . , d e r s . Beitr. z. Textkritik der Dür. Chr. d.J. R. (Programm Eisenach 1874/75); H o l d e r - E g g e r N A . 20, S. 4 2 o f f . ; J . P e t e r s e n a . a . O . S. 2 4 f f . ; H . H e l m b o l d J. R. und die Eisenacher Chroniken d. 15. Jhs.
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Rothe, Johannes
(Programm Eisenach 1911/12), S. 6ff. und fortgesetzt in der Zs. d. Ver. f. thür. Gesch. 29, 1913, S. 393ff. (über K r ebda. S. 4iyii.)\ ders. D. thür. Chronist J. R. Das Thür. Fähnlein 3 (1934), S. 388ff. Über die ,,Passion" F. B e c h Germ. 9, S. ij2ii.; A. H e i n r i c h a . a . O . S. 6 f f . ; über das „Leben der Hl. Elisabeth" vgl. H. R ü c k e r t Das Leben des Hl. Ludwig (1851), S. X V I I f f . ; A. W i t z s c h e l Zs. d. Verf. f. thür. Gesch. 7 (1870), S. 361 ff.; M a r i e H o m r i c h Studien über die hsl. Überliefer. d. Lebens des Hl. Elisabeth von J. R. (Phil. Masch.-Diss., Frankfurt 1924).
4. Die früher übliche Trennung von drei Schaffensperioden Rs. in eine juristische, eine didaktische und eine historische gilt für den zweiten Abschnitt gewiß nicht, denn die L e h r d i c h t u n g zieht sich über sein ganzes Leben hin und ist das wahre Fundament seiner Schriftstellerei, auch der historischen: Nu sal man bilde nemen / Von den alden geschickten (Vorr. L) und Es ist allis der sunde schult, / Die man nicht wolde meyden (ebda.); ebenso enthalten die Rotheschen Reimvorreden des großen Rechtsbuches bereits allgemeine Sittenlehre. Aber älter noch ist offenbar das umfängliche Lehrgedicht „Das Lob der Keuschheit" (Titel, nach der Berliner Hs. Ms. Germ. Qu. 186 der ehem. Preuß. Staatsbibl., von Dan. Sudermann), das vollständig nur in einer Abschrift des 18. Jh.s überliefert ist (Ms. Germ. Qu. 1400 ebendort). Die aus Sudermanns Nachlaß stammende elsäss. Redaktion stellt einen Auszug dar, der das Original auf reichlich ein Drittel des Umfangs zusammengedrängt hat. Die von H e l m . R o s e n f e l d (ZfdPh. 61, S. 26off. U. Herrigs Archiv 170, S. 238f.) vertretene Ansicht, daß die elsäss. Bearbeitung (S) zwar verkürzt sei, die von Johannes Rutinck aus Siegen 1456 geschriebene (verlorene) Vorlage der Kopie des 18. Jhs. (R) aber für ein laikales Publikum von Rutinck stark erweitert worden wäre und nicht Rs. Originalwerk entspräche, erweist sich als abwegig; auch die in S fehlenden und für weltliche Leser bestimmten Partien zeigen in Reimsprache und Wortschatz die spezifischen Züge der Hand Rothes und haben zahlreiche Parallelen in dem noch ungedruckten Rotheschen Lehrgedicht „Liber devotae animae". Nach dem Akrostichon war das L. d. K. einer Jungfrau Alheid gewidmet, vermutlich der Nonne Alheid j
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Tuchin, Zisterzienserin in S. Katharinen, die R. noch 1425 testamentarisch bedacht hat. Moraltheologische Ausdeutung eines allegorischen Gemäldes mit Sinnbildern der Keuschheit und anderer Tugenden (z. B. weißes Kleid, Turteltaube, Lilie, Fingerring, Einhorn) ist mit einer Fülle patristischer Zitate verbrämt, aus denen auch die meisten Bemerkungen über sittliche Zustände in den Klöstern und in der bürgerlichen Welt herausgesponnen sind, so daß der zeitgeschichtliche Gehalt gering bleibt. Mit Buch I X u. X des Purgoldtschen Rechtsbuches in naher sachlicher Verbindung stehen die beiden ersten der von V i l m a r unter dem Titel „Von der stete ampten und von der fursten ratgeben" edierten drei kürzeren Gedichte, von denen das zweite in den Eisenacher Ratsfasten des 17. Jhs. „Des Rates Zucht" genannt und dem Ratsmeister Reinhard Pinkernail zugeschrieben wird. Bech hat aber für alle drei Stücke Rs. Verfasserschaft evident gemacht; der im Akrostichon des zweiten Gedichtes genannte Pinkernail war der Empfänger des Werkes. Das erste der drei sichtlich aus Rs. Stadtschreiberzeit stammenden Gedichte schildert den Aufbau der städtischen Verwaltung und veranschaulicht die soziale Gliederung des Gemeinwesens durch den antiken Vergleich mit menschlichen Körperteilen. Das zweite in gereimten (leoninischen) Hexametern geschriebene Gedicht belehrt in spruchartiger Form den Rat und seine Beamten über ihre Pflichten, wobei der Akzent auf das ethische Verhalten gelegt ist. Das dritte Stück, wie das erste in Reimpaaren, behandelt die rechte Wahl und Beschaffenheit fürstlicher Ratgeber und enthält wie das L. d. K. eine Fülle von Bibelsprüchen und Väterzitaten. Wegen der unerschrockenen Anspielungen (Vilmar 822ff.) auf einen Rechtsbruch des Landgrafen Balthasar zugunsten der Zünfte (vgl. 'Dür. Chron.' Kap. 736) wird man dies eindringliche Mahngedicht in die Jahre 1387 — 88 verweisen dürfen, als die ungesetzliche und durch Bestechung erfolgte (erst 1392 wieder aufgehobene) Erweiterung des Stadtrates auf drei Ratsgänge noch in frischem Gedächtnis war.
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Rothe, Johannes
Der ,,Ritterspiegel" liegt um mindestens ein Vierteljh. später und wird etwa 1415/16 aus Rs. Erzieheramt an der Schule des Eisenacher Marienstifts herausgewachsen sein, wo er gewiß auch Söhne des Stadtadels und des Amtsadels der Wartburg unter seinen Zöglingen hatte (vgl. Uf daz ich ouch möge blibin / In myner jungin herrin gunstin V. 4047ff.); da das Akrostichon nur den Verfasser selbst nennt, darf nicht mit einem Einzelempfänger gerechnet werden, vielmehr wird man auch an Rs. adlige Freunde zu denken haben, die er vor der Todsünde superbia warnt (V. 65ff.). In gut 4100 Versen mit überschlagenden Reimpaaren bietet der Rsp. eine groß angelegte Standesdidaxe für das wirtschaftlich und sittlich verfallene Rittertum. R. hat die höfische Dichtung schwerlich gekannt, und sein Ideal des adligen Kriegers ist frei von romanhaften Wunschvorstellungen, dafür umso stärker aus städtisch-bürgerlicher Sicht gezeichnet Und an geistlicher Tugendlehre ausgerichtet. Die ritterlichen Wertbegriffe (zuht, hövescheit, mäze, ere, scelekeit) haben über die ständischen Grenzen des Adels hinaus allgemeine Verbindlichkeit gewonnen. Das oberste weltliche Lebensprinzip ist der gemeyne nutz (V. 999, 3354), dem sich auch das privilegierte Rittertum unterzuordnen hat. Seine Standesvorrechte beruhen auf geschichtlicher Institution (V. 725ff.) und auf kirchlicher Konsekration (V. 825ff., 1073 ff.). Die Gliederung des Standes erfolgt in dem System der sieben Heerschilde (V. 681 ff.) und der von R. erstmalig in Form einer heraldischen Theorie niedergelegten Lehre von den Adelswappen (V. 565 ff.). Heftige Ausfälle gegen die Fehdesucht und das Raubrittertum (V. i o n f f . , 929ff.) finden ihr positives Gegengewicht in den Ratschlägen zur wirtschaftlichen Gesundung verarmter Adelsgeschlechter (V. 2i73ff.) durch standesgemäßen Anteil am Erwerbsleben. Der Gedanke, daß nicht die edle Geburt, sondern Tüchtigkeit und Adel der Gesinnung den Wert des Menschen ausmachen, tritt immer wieder heraus (V. 5öiff., i5i4ff.). Zahlreiche Zitate aus Patristik und Antike sowie die allegorische Ausdeutung von
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sieben Attributen des Ritters auf seine ethischen Pflichten (V. 1065—2400) verleihen dem Rsp. streckenweise einen schulmeisterlichen Charakter. Auch den letzten Teil mit praktischen Unterweisungen für die Kriegführung (V. 2401—4100) im Anschluß an die 'Epitoma rei militaris' des spätrömischen Schriftstellers Flavius Vegetius (um 390) füllt mehr die Luft gelehrter Didaktik als die ritterlicher Lebenswirklichkeit. Doch fallen häufig Streiflichter auf zeitgeschichtliche Probleme, wie etwa die Frage, warum man eigene Lehensleute den fremden Söldnern vorziehen soll (V. 222iff.), oder wie die verschiedenen städtischen Handwerker im Kriege zweckmäßig zu verwenden sind (V. 3453ff). Literarisches Glück hat das nur in der Kasseler Hs. (Ms. poet. et rom. 40 Nr. 8) überlieferte Werk schwerlich gemacht; es darf aber als ein wichtiges Stück in der Gattung spätmittelalterlicher Ständedidaxe gelten, das dem bürgerlichen Arbeitsethos volle Geltung zu verschaffen sucht. Das noch ungedruckte Reimpaargedicht, der sogen. ,,Liber devotae animae", ist nicht ganz vollständig in einer aus Mühlhausen i. Th. stammenden Hs. überliefert (heute in der Univ.-Bibl. Kopenhagen unter A. M. 785,4 0 auf Bl. ioo b —23i b mit 6830 Versen). Vielleicht hat der Tod den Verfasser am Abschluß gehindert; auch die Vorrede Weist auf allerlei Altersgebrechen hin, ebenso deuten Metrik und Stil auf nachlassende Kräfte. Der in der Hs. übergeschriebene Titel *Librum de fota anima' erscheint verfehlt und bezieht sich in Wahrheit auf ein Zitat aus den 'Cantica' (V. 2768t.); man sollte das Werk künftig „Die geistliche Brustspange" nennen, denn es gibt sich selbst als Allegorese einer goldenen Spange, die der Dichter als Neujahrsgabe wohl füi den Konvent des Katharinenklosters verfertigte (Akrostichon Katharina Johannes, vgl. auch V. 4ff., 43ff.). Das Gedicht ist mehr noch als das L. d. K. auf monastische Verhältnisse zugeschnitten und bringt außer langatmigen moraltheologischen Auslegungen der einzelnen Teile und Schmucksteine der Brustspange sowie der eingeschnittenen Tier- und Pflanzensymbole allerhand dogmatischen Lehrstoff
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Der Rotter — Rüdeger von Hinkhofen
(Trinität, Erlösung, Eucharistie, Endgericht) heran. Berührungen mit dem Rsp. finden sich mehrfach, v o r allem sind aber aus dem L . d. K . zahlreiche didaktische Aussagen, Väterzitate und selbst ganze Versreihen in die neue D i c h t u n g übergegangen. Bei den Autoritäten treten Augustin und Bernhard besonders in den Vordergrund; K a p . X X I Von dem am (V. 3997ff.), das v o n der Sehnsucht der Seele nach Gott und der Kontemplation handelt, verleiht diesem Spätwerk einen früher bei R . fehlenden Z u g in mystische Gedankengänge. Ob aus leichten Anklängen der Vorrede an die Einleitung d e r ' Goldenen Schmiede' K o n r a d s von W ü r z b u r g (s. d.) auf Kenntnis älterer Dichtung geschlossen Werden darf, bleibt fraglich. Rs. didaktische W e r k e stehen auch sonst literarisch isoliert da, anscheinend kannte er einige Freidanksprüche (s. d.) und ein Gedicht v o n Tundalus (V. 2981). Ob ein kurzes Prosastück über „ D i e sieben Eigenkünste", d. h. die Handwerke, R . wirklich zugehört, bleibt trotz B e c h s (Germ. 6, S. 7gff.) Ausführungen und einiger Anklänge an den R s p . zweifelhaft. Diese simple Einteilung und Aufzählung der handwerklichen Künste als Gegenstück zu den sieben freien Künsten zeigt nichts v o n Rs. Eigenart, und die Überlieferung in der Kasseler Ritterspiegelhs. besagt nichts über den Verfasser (Ausg. v . W . C r e c e l i u s A n z f K d d V . N F . 3 (1856), S. 273ff. u. 303ff.). A u s g a b e n . „Das Lob der Keuschheit" her. v o n H . N e u m a n n (1934), D T d M A . X X X V I I I . „Von der stete ampten und von der fursten ratgeben" her. v . A . F . C h r . V i l m a r 1 8 3 5 ; K r i t . Teilausg. V . 1 — 4 6 5 (Vilmar 1 — 4 0 1 ) u n t e r d e m T i t e l 'Des ratis zcucht' v . A . H e i n r i c h Jahresber. d. Realgymn. Berlin-Tempelhof (1913) S. 6 f f . ; „ D e r Ritterspiegel" her. v . K . B a r t s c h Md. Gedichte (1860), S. 9 8 f f . ( A b d r u c k der H s . ) ; krit. her. v o n H . N e u m a n n (1936) A l t d t . T e x t b i b l . 38. L i t e r a t u r . 'L.d. K.': F. A . K i n d e r l i n g Mag a z i n f ü r die d t . Sprache 2 (1784), S, 108 f f . ; K . B a r t s c h H e i d e l b g . Jahrb. d. L i t . 65, I I , S. 9 ; A . H e i n r i c h Z f d P h . 48, S. 26gii.; H . N e u m a n n Das L. d. K. v. J. R., literarhist. u. sprachgesch. Untersuch. 1 9 3 4 ; H e l m . R o s e n f e l d Z f d P h . 61, S. 2 6 o f f . — Ü b e r die R a t s g e d i c h t e v g l . F . B e c h G e r m . 6, S. 271 f f . und 7, S. 3 5 4 f f . (mit A b d r . der Plusverse der Berliner H s . ) ; J.Petersen a . a . O . S. 2 2 f . ; H . N e u m a n n a . a . O . S. 1 4 0 f f . — . Ü b e r den ' R s p . ' v g l . F . B e c h Germ. 6, S. 5 2 f f ; J . P e t e r s e n a . a . O . S. 3 2 f f . ; H . N e u m a n n in
der T e x t a u s g . S. V — X X I I . Liber devotae animae, e. neues Diss., H a m b u r g 1933).
— L. A h m l i n g Werk J. Rs. (Phil.
5. F ü r die Geschichte der dt. Schriftsprache bleibt Rs. umfängliches Opus von besonderem Interesse, weil es in einer F o r m der thür.-wettinischen Schreibsprache verfaßt ist, die zwischen der landesfürstlichen Kanzleisprache und der städtischen U m gangssprache Westthüringens eine Mittelstellung einnahm. In seinen prosaischen und poetischen Werken (am besten bewahrt in der Dresdener Hs. der Chronik L), v o r allem auch in der Reimsprache, tritt die dialektische B i n d u n g stärker heraus als in den neun erhaltenen Urkunden v o n Rs. Hand. A l s Notarius hat er sich bewußter den gemeinsprachlichen Tendenzen der höheren Kanzleisprache angepaßt, ohne freilich überall das mundartfernere Vorbild der landesherrlichen Urkunden Sprache zu erreichen. H . N e u m a n n Das Lob der K. S. 2 2 4 f f . ; d e r s . Die eigenhänd. Urkunde G. Rs. und ihre wiss. Bedeutung Zs. des Ver. f ü r thür. G e s c h . , N . F . 31 (1935),
S.
351
fl
Hans Neumann
Der Rottet. V o n Peter R o t t e r (o. I I I , Sp. 1 1 1 5 ) ist der R o t t e r z u trennen, von dem der 1348 zu A u g s b u r g geschriebene Münchener cgm. 7 1 7 auf Bl. 49b—50® ein am Schluß unvollständiges geistliches Lied mit der Überschrift ' D a s sind die siben frawden (Mariae), ain liet das der rotter sang' überliefert. Gedruckt
bei
Wackernagel,
S. 324 Nr. 486.
K L . II,
H . Niewöhner
Rube, Eckhart (Nachtrag): V g l . a u c h J. Q u i n t Neue Hss.-Funde zur Überlieferung der dt. Werke Meister Eckharts und seiner Schule 1940, S. 160. , T Tr
J. K o c h
Rubin (Nachtrag): E . T h u r n h e r H^oW und Wesen in Südtirol 1947, S. 99 — 1 0 2 . C. v . K r a u s Dt. Liederdichter des 13. Jhs. 1 (1952), S. 338 — 3 5 8 . H . d e B o o r Geschichte der dt. Lit. 2 (1953), S. 3 3 ö f .
Hannemann Rüdeger von Hinkhofen. Ü b e r l i e f e r u n g : „ D e r S c h l e g e l " ist überliefert in den fünf b e k a n n t e n N o v e l l e n - H s s . : cod. P a l . germ. 341 der Heidelberger U n i v . - B i b l . , deren K a -
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Rüdeger von Munre
loczaer Abschrift, Hs. 2885 der Wiener Staatsbibl., ihrer Abschrift der Hs. des Ferdinandeums in Innsbruck 14. o. 9.
Rüdegers Reimpaarnovelle „Der Schlegel" gehört zu den besten mhd. Novellen der Nachblütezeit. Sie behandelt den weitverbreiteten, besonders aus Shakespeares 'König Lear' bekannten Stoff der undankbaren Kinder: Ein greiser Kaufmann übergibt nach dem Tode seiner Frau seinen Kindern seinen gesamten Besitz und verläßt sich auf ihre Kindesliebe. E r erfährt aber nur schlechte Behandlung. Auf den R a t eines von einer Pilgerfahrt zurückgekehrten Freundes läßt er eine schwere, verschließbare Truhe anfertigen und gibt vor, darin einen Schatz zu verwahren, den er dem Freunde zur Obhut gegeben hatte. Die Kinder wetteifern im Hinblick auf die Erbschaft nun darin, ihm Freundlichkeit zu erweisen und ihn dadurch für sich zu gewinnen. Nach dem Begräbnis wird die Truhe geöffnet; es findet sich darin nur ein Schlegel (Keule) und die Beischrift, daß man damit den totschlagen solle, der so töricht ist, seinen Kindern seinen Besitz zu geben.
Der Dichter versteht es, mit schlichten Mitteln lebendig und voll dramatischer Spannung zu erzählen. Wie er im aufsteigenden Teil der Handlung die zehn Szenen des doppelten Bittgangs des Alten bei seinen fünf Kindern in ständiger Variation als eine sich steigernde Reihe mit wenig Worten zu schildern weiß, verrät ebensoviel Kunst, wie die Erhaltung der Spannung im zweiten Teil und die humorvolle Charakterisierung des verschiedenen Verhaltens der Kinder in ihrem Werben um die Gunst des nunmehr anscheinend wohlhabenden Vaters. Das Ganze ist erfüllt von kleinbürgerlichem Realismus. Die Überlieferung bietet die Novelle in zwei in Versbestand und Lesarten ziemlich stark voneinander abweichenden Fassungen. Während P f a n n m ü l l e r seine Ausgabe auf die Überlieferung der Wiener und Dresdener Hs. gründete, steht die der Heidelberger Hs. dem Original offenbar näher. Püterich von Reicherzhausen nennt in seinem Ehrenbrief Str. 107 als Dichter des 'Wittig von Jordan' ( = ' H e i d i n ' II oder III) einen von Hindihofen Maister Ruediger und meint damit wohl unseren Dichter. Aber nach Stil und Sprache kann dieser nichts mit 'Heidin' II (oder III) zu tun haben. Es handelt sich also wohl um eine Verwechslung Püterichs.
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Der Dichter ist Bayer und gehört der zweiten Hälfte des 13. Jh.s an. Der hsl. Name Röedeger der Hünchovcere ist daher gewiß auf Hunchoven, jetzt Hinkofen südöstlich von Regensburg zu deuten und mit dem um 1290 in Regensburg urkundlich bezeugten Rodeger huenchovcer identisch. Dieser bezeichnet sich selbst als Schreiber der in Buchschrift verfaßten Urkunde. R. war also wohl berufsmäßiger Bücherschreiber. Her. von v. d. H a g e n im wesentlichen nach cpg. 341 G A . II, S. 401 ff. Nr. 49; von L. P f a n n m ü l l e r 1912 (Lietzmanns K l . Texte 95, S. 27ff.). — Übersetzt von M. H e y n e Fünf dt. mal. Erzählungen in neuen Versen 1902, S. 1 — 26. Über die Identität der genannten Rüdeger s. E. S t e i n m e y e r A D B . 29, 1889, S. 453ff.; O. L i p p s t r e u Der Schlegel Diss. Halle 1894, S. 26ff. und L. P f a n n m ü l l e r Die vier Redaktionen der Heidin (Pal. C V I I I ) 1911, S. 138ff. Zum T e x t : R. S p r e n g e r Germ. 26, S. 104 u. 37, i 8 i f . ; E h r i s m a n n Germ. 35, S. 403; L. P f a n n m ü l l e r Zfd Phil. 45, S. 2 3 i f t . ; S t e h m a n n Die mhd. Novelle vom Studentenabenteuer 1909 (Pal. L X V I I ) , d . i . ; A . L e i t z m a n n P B B . 48, S. 268 — 271. W. S t a m m l e r ZfdPh. 53, S. 22; E. S c h r ö d e r ZfdA. 59, S. 164. Zum Stoff s. v. d. H a g e n G A . II, S. L V I I I f f . J. B o l t e zu Pauli, Schimpf und Ernst Nr. 435 (2, 1924, S. 3 5 8 ! ) und die umfangreiche Literatur zu Shakespeares „ K ö n i g Lear". — Der Schlegel (Keule, Kolben) ist ein altes Rechtssymbol, das bis ins 19. Jh. in mehreren Städten am Stadttor hing, vgl. darüber J. G r i m m ZfdA. 5, S. 72 — 74 und R e i f f e r s c h e i d t ZfdPh. 6, 1875, S. 38 ff.; als Symbol der Erbschaftsübertragung weist ihn G. E h r i s m a n n Germ. 35, S. 403 nach und erschließt damit eine Vorstufe der Dichtung, in der der Schlegel nur die Bedeutung gehabt habe, die leere Kiste als das gesamte Erbe zu bezeichnen"
H.-Fr. Rosenfeld
Rüdeger von Munre. Die Novelle „Irregang und Girregar" ist anscheinend nur in der Königsberger Sammelhs. Nr. 907b überliefert.
Der Dichter, in der einzigen Hs. Rudier von Munir, aber durch den Reim zu dunre (= duner) wohl in der von v . d. H a g e n gewählten Namensform gesichert, mag nach Munre in Thüringen (nach M. H a u p t , ZfdA. 15 S. 468 =Ostermonra (Monnern) im Eckartsberger Kreise, das ich nicht nachweisen kann; nach O e s t e r l e y Hist.-geogr. Wörterbuch d. MAs. S. 466b ist Munre seiner näheren Lage nach unbekannt) heißen, doch gehört er seiner Sprache nach nicht nach Thüringen, sondern in den dt. Westen, nach
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Rudolf der Schreiber — Rudolf von Biberach
Hessen oder vielleicht sogar ins Mittelfränkische (809 lieben', brieven, 1091 verlobet : gehovet), wozu die Erwähnung von Aachen gut passen würde. E r war wohl ein Fahrender und hat zu Beginn des 14. Jh.s gedichtet. Die Novelle „Irregang und Girregar" (1450 V.) behandelt die „ E r z ä h l u n g v o n der W i e g e " , die schon in der Mitte des 13. Jh.s im ' S t u d e n t e n abenteuer' (s. d.) eine dt. Versbearbeitung gefunden hatte. D o c h ist sie hier u m eine Fortsetzung erweitert, die zwei auch sonst bekannte Schwankmotive verwertet (1. Herablassung des Liebhabers durch die D e c k e und versehentliches Emporwinden des aufmerksam gewordenen B e trogenen, 2. die Einnahme des Platzes der H a u s frau durch den als Frau verkleideten Genossen mit höchst anstößigen Weiterungen) und in eine groteske Beschwörung der beiden angeblich an allem schuldigen Irregang und Girregarr ausmündet.
Aber die Fähigkeit des Dichters reicht nicht aus, üm diese Fortsetzung einigermaßen wahrscheinlich zu gestalten, wie es auch im Grundteil nicht an Widersprüchen fehlt. Stilistisch herrscht eine volktümlichderbe Haltung vor, die in die spielmännische Sphäre weist, wenn auch höfische Einflüsse gelegentlich spürbar sind. Im Gegensatz zu der wirkungsvollen Knappheit des ,,Studentenabenteuers" ermüdet Rüdeger v . M. durch übermäßige Breite. Von volkskundlichem Interesse sind die Beschwörungsformeln und -bräuche, die zweifellos eine ernsthafte Grundlage haben. Den Namen 'Irregang' (s. d.) hat sich ein Spielmann des 14. Jh.s beigelegt, vielleicht nicht bloß als Kennzeichen des Fahrenden, sondern zum Ausdruck seiner koboldhaften Vielkönnerei, dann wohl im Anschluß an unsere Novelle. Für den ersten Teil hatte R. v. M. wahrscheinlich eine dt. Fassung als Quelle, die zugleich die Vorlage des 'Studentenabenteuers' war. Für die Erweiterung bot ihm das erste Motiv ein selbständiger Schwank, wie er ähnlich in dem Fabliau ,,Le chevalier a la corbeille" (Montaiglon-Raynaud Recueil général de fabliaux Nr. 47, Bd. II S. 183—92) begegnet, während das zweite Motiv den häufigen Substitutionserzählungen in wenig geschickter Weise nachgebildet ist. Her. v o n v . d. H a g e n G A . Nr. 55, B d . I I I , S. 3 7 - 8 2 und S. X I X f f . ; H . W i n t e r s t e t t e r
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Die mhd. Novelle „Irregang und Girrega.r" Diss. München 1923 (ungedruckt). — W . S t e h m a n n Die mhd. Novelle vom Studentenabenteuer 1909 (Pal. L X V I I ) S. 7 o f f . ; E . S t e i n m e y e r ADB. 23, S. 21 f . ; H . N i e w ö h n e r Der Sperber und verwandte mhd. Novellen 1913 (Pal. C X I I I ) S. 94 u. 126 (Einfluß auf die jüngere T e x t g e s t a l t der 'Dulziflorie'); B a r t h Liebe und Ehe im afrz. Fablei und in der mhd. Novelle (Pal. X C V I I ) S. 267 — 269; A . L e i t z m a n n P B B . 48 (1923), S. 273 f. — Zur Stoffgeschichte s. die L i t . z u m „Studentenabenteuer".
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H.-Fr. Rosenfeld
Rudolf der Schreiber. Von ihm sind drei Minnelieder überliefert, die zeitlich und mundartlich schwer zu bestimmen sind. In einem von ihnen ahmt er Walthers Vokalspiel nach. V g l . K . B u r d a c h A D B . 29, S. 569 und Reinmar2 S. 374; E h r i s m a n n Schlußband, S. 283.
H. Niewöhner Rudolf von Biberach, Franziskanertheologe des 14. Jhs. Eindeutige Daten seines Lebens fehlen. Nach einigen Hss. Lektor am Studium generale zu Straßburg. 1. W e r k e : 1) 'De Septem itineribus aeternitatis', 80 Hss., gedruckt Bonaventura, Opera omnia ed. Peltier, Paris, V I I I , S. 393—482; 2) 'De Septem donis Spiritus Sancti', 21 Hss., gedruckt ebd., V I I , S. 583 bis 652; 3) 11 'Sermones super Canticum Canticorum' (Salzburg, St. Peter, Cod. A I V 35 u. Basel, B I X 25); 4) 'De excellenti praerogativa benedictae Virginis' (Breslau, Univ.-Bibl. I 2° 148, Bl. 6b); 5) 'De officio Cherubyri (Leipzig, Univ.-Bibl., Cod. 639, Bl. i a — 1 8 b ; Auszüge davon in der Theol. Qschrift X X V I I I , 1906, S. 418 ff.) ist m. E. ohne zwingende Gründe R. v. B. zugeschrieben worden. Die Schrift bietet wichtiges Material zum deutschen Volksaberglauben (Liebeszauber, Schwangerschaftsverhütung, Brauchtum nach der Geburt usw.). 2. Rs. v. B. Hauptwerk, 'De septem itineribus aeternitatis', stellt den Aufstieg der Seele zum intrinsecum secretum Gottes in sieben Stufen dar: eine via mystica wie die berühmte via triplex des Dionysius Areopagita; eine Hierarchisierung der Seele, durch die Gott die ausgelöschte imago Dei wiederherstellt, die Seele deiformis macht. Die 7 Wege sind: recta in-
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Rudolf von Ems
tentio, medüatio, contemplatio, affectio, revelatio, praegustatio und deiformis operatio. — R. v. B. ist in dieser Schrift im wesentlichen Kompilator. Nur die Systematik ist von ihm, das übrige sind Auszüge aus Kirchenlehrern. Die wichtigsten Quellen sind Augustin, Dionysius Areopagita, Gregor d. Gr ('Moralia in Job'), Bernhard von Clairvaux, die beiden Viktoriner Hugo und Richard, Alcherus von Clairvaux ('De spiritu et anima'), die Hohelied- und Dionysius-Kommentare des Thomas Gallus (gen. Vercellensis) und Roberts Grosseteste (gen. Lincolensis). Die Hochscholastik hingegen ist nicht verwertet, auch nicht Bonaventura (s. unten). Die 'Septem itinera' sind somit zur Hauptsache ein Textbuch der mystischen Theologie des 12. Jhs. unter Einschluß der älteren großen Vorbilder und Leitsterne aller christlichen Mystik (Augustin, Gregor, Dionysius). Die Quellen zeigen auch die neuplatonische Grundhaltung der Schrift an; sie wird unterstrichen durch lange Auszüge aus Macrobius' Kommentar von Ciceros 'Somnium Scipionis' (VII, dist. 5). Grabmann (S. 24) spricht von einem .starken Einfluß der Mystik Bonaventuras'. Zu Unrecht: die Verwandtschaft beruht nur auf den gemeinsam verwerteten Quellen. Auch die Lehre von den geistlichen Sinnen, an die Grabmann im besonderen erinnert, entwickelt R. v. B. im Anschluß an die älteren Lehrer. 3. Der geschickten Kompilation war eine bedeutsame Wirkung beschieden. Johannes von Kastl benutzt sie in 'De adhaerendo Deo', Vincent von Aggsbach schöpft daraus seine Kenntnisse über die Dionysius-Kommentare des Lincolensis, Vercellensis und Hugos v. St. Viktor. Entscheidender für das dt. Geistesleben sind jedoch die Ü b e r t r a g u n g e n und B e a r b e i t u n g e n in dt. (und ndl.) Sprache: a) A l e m . Ü b e r t r a g u n g in Cod. 278, Bl. 1—147, der Einsiedler Stiftsbibl. aus der 2. Hälfte des 14. Jhs. Titel und Initium: Dis sint die siben strasse die in got wisent. Evm qui uenit ad me non e(ij)ciam foras. Jo(hannes). Sant augustinus sprichet: want cristus der warheit vnd leben ist sprichet in dem ewangelio . . . Die Hs. stammt aus dem
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Kreis der Basler Gottesfreunde um Heinrich von Nördlingen (s. d.); doch liegen keine Anhaltspunkte vor, daß auch die Übertragung dort entstanden ist. Sie ist die vorzügliche Leistung eines Autors, dem die Sprache der dt. Mystik der Dominikaner vertraut war. So liegt ihre besondere Bedeutung darin, daß sie klassische lat. Mystik im Gewände dt. Mystik vermittelt. Ausgabe und Würdigung stehen noch aus. b) 'Tractatus von den siben reisen der ewigkeit' inBerlin, germ. 8° 385 (15. Jh., schwäb.): freie Bearbeitung der 'Septem itinera' in 12 predigtartig aufgebauten Abhandlungen. c) 'Die seuen weghe der ewicheit', ndl. Exzerpt um 1400, gedr. F. H. G. I t e r s o n Stemmen uit den voortijd Leiden 1857, S. 167—177 (nach einer 1914 verbrannten Haager Hs.). Dasselbe in Berlin, germ. 8° 639, Bl. 8—46 und Leiden, Lett. 330, Bl. 175b—182a. d) Kompilatorisch hat H e n d r i k M a n d e den Traktat im 'boexken vanden binnensten ons liefs heren ihesu cristi' verwertet (her. nach Brüssel 2553/54 von P. J. C o s i j n Hendrik Mande 1899, Bijlage II, S. 18—43). e) Von den 'Septem itinera' abhängig ist die T a u l e r zugeschrieebenOsterpredigt ' Nonne cor nostrum ardens erat' (Tauler-Druck, Basel 1521,191b). Sie ist auch hsl. überliefert: obd. in St. Gallen, Cod. 1033, Bl. 113b—117a; ndl. u. nd. in Berlin, germ. 20 823, Bl. 83b—85b; Haag 73 G 24, Bl. 5 i f f . ( I t e r s o n a . a . O . S.155—166); Hildesheim, Bev. Bibl. 724 b ; Köln, G. B. 8° 71, Bl. 200a—210b; Leiden, Lett. 330, Bl. 162a—169a. L i t e r a t u r : A. F r a n z Des Frater Rudolfus Buch 'De officio cherubyn' Theol. QSchrift X X V I I I (1906), S.411—436; M. G r a b m a n n Mal. Geistesleben 1 (1926), S. 508 und in Zs. f. Aszese u. Mystik 19 (1944), S. 24; G . I . L i e f t i n c k Hendrik Mande als bewerker en compilator Tijdschr. 51 (1952), S. 201—217; d e r s . De middelnederlandsche TaulerHss. Proefschrift 1936, S. 112, 150; A . T e e t a e r t in Dict. de TMol. cath. X I V , 1, S. 149 f. (dort weitere Lit.-Angaben); E. V a n s t e e n b e r g h e Autour de la Docte ignorance (Beitr. z. Gesch. d. Phil, des MAs. X I V , 2/4, 1915), S. 29, igoff.
K. Ruh Rudolf von Ems (Nachtrag). In großer Zahl beschäftigen sich die Arbeiten immer wieder mit R. v. E. und seinen Dichtungen. Sicher liegt das besondere Interesse, das er
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Rudolf von Ems
erweckt, guten Teils in dem Bewußtsein oder dem nicht immer voll bewußten Gefühl dafür, daß in seinen Werken etwas Eigenes zu finden ist, was für das Verständnis dieses Zeitabschnitts wichtig ist, und doch haben es bisher erst wenige ernstlich versucht, wirklich das Neue als das Bedeutungsvolle herauszuheben. Er selbst beruft sich auf die großen Meister, an denen er sich geschult hat; so lag die Gefahr nur allzu nahe und ist auch heute noch nicht überwunden, ihn danach zu beurteilen, ob er den Maßstäben der Vergangenen gerecht wird, und doch liegen Wert und Bedeutung seines Dichtens nur darin beschlossen, daß er nicht beim Überkommenen stehen bleibt, sondern, wenn es auch nur die Anfänge sind, wegbereitend in neuer Richtung weiterschreitet. Wie sehr er damit den Wünschen seiner Zeit entgegenkam, zeigt sich auch darin, daß sich das hsl. Material immer noch vermehrt. Zu 1 und 2: Der Dichter und die Reihenfolge seiner Werke. Eine Arbeit von E. S c h r ö d e r R. v. E. und sein Literaturkreis ZfdA. 67 (1930), S. 2ogff. ist von E h r i s m a n n in der Literaturgeschichte noch verwertet. Sie behandelt Namen, Geschlecht und Stellung Rs., seine Gewährsleute und seine Auftraggeber, zu denen er durch Herkunft und Lehensherren kam, die literarischen Freunde und Bekanntschaften und zieht Schlüsse auf die relative und absolute Chronologie. Für den Alexander vermutet er Abfassung für Heinrich VII., mit dessen Kreise er namentlich durch Konrad von Winterstetten und Konrad v. öttingen verbunden war, und Beginn Anfang der 30er Jahre, für den Anfang am 'Willehalm', in dessen Einordnung er L e i t z m a n n folgt (s. unter 5), kommt er auf 1235. Dem Nachruf auf Konrad v. Öttingen 'Willehalm' V. 2084ff. erschließt er durch die Feststellung, daß er in den Deutschen Orden eingetreten war, erst das richtige Verständnis. Zu 3: 'Der gute Gerhard'. Die Abhandlung von Fr. S e n g l e Die Patrizierdichtung „D.g.G." DVjsSchr. 24 (1950), S. 53ff. trägt mehr als andere Arbeiten zum richtigen Verständnis Rs. bei. Er zeigt zunächst, daß der geographische Hintergrund kölnisch ist und ebenso das soziale Kulturbild; auch die politischen Bezüge, die die Fabel nahelegte, stimmen zu Köln. Hinter dem Helden steht ein Kölner Großkaufmann, Gerhardus Immoderatus, Unmäze oder de curia, der in den beiden letzten Jahrzehnten des 12. Jhs. häufig in Urkunden erscheint, zuletzt als Bürgermeister, und ebenso reich und machtvoll dastand wie der Held der Dichtung. Auch mit der Freundschaft zum Erzbischof, dem er allein 600 Taler leihen konnte, entspricht er dem G. G., und wenn dessen
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Sohn das Ritterrecht erhält, so ebenso der Neffe des geschichtlichen G., der Gatte seiner Stiefund Erbtochter. So kommt S. zu der Annahme, daß R. eine Kölner Vorlage gehabt hat, ein erweitertes Predigtmärlein, wie er vermutet; dort wäre die alte Fabel in abgewandelter Form auf einen fingierten Ahnen des großen Gerhard übertragen, um ihm dadurch Ehre zu erweisen, auch mit dem rühmenden Beinamen an Stelle des anstößigen, den er wohl abzulegen strebte. Als eine Patrizierdichtung müssen wir auch das Werk Rs. verstehen, das uns den edlen Kaufmann zeigt; am Wandel der Adelsidee beleuchtet S. das Heraufziehen einer neuen Zeit. Um das Aufgreifen eines solchen Themas vollends verständlich werden zu lassen, weist er darauf hin, daß R. sich von Anfang an, auch in St. Gallen, in Kreisen bewegte, die den Staufern und dem Hofe Heinrichs V I I . verbunden waren, des jungen Königs, der die Städte durch so reiche Privilegien förderte. Gerade in den Jahren, als Erzbischof Engelbert von Köln Reichsverweser und Vormund Heinrich war (1221 —1225), mochte die kölnische und englandfreundliche Dichtung willkommen sein. Deutlich wird es jedenfalls, wie gegenwartsnahe die Dichtung war, die man mitunter fälschlich als märchenhaft bezeichnet hat. Auch in der Zeichnung des Rittertums wie in den realistischen Tendenzen zeigt sich dem aufmerksamen Blick das Hinüberwachsen in eine neue Haltung, und man erkennt, wie Stil und Aufbau ihr entsprechen. Zu 5: D e r A l e x a n d e r . Gegen eine Arbeit von A. L e i t z m a n n Zum A. von R. v. E. P B B . 54 (1930), S. 294ff., die sich auf die listenmäßig vorgeführten Anklänge an Wolfram (s. d.) stützt, hatte G. K. B a u e r Die zeitliche Einreihung des A. und des Willehalm in das Schaffen Rs. v. E. ZfdPh. 57 (1932), S. 141 ff. auf Grund von Feststellungen zum Reimgebrauch und stilistischen Beobachtungen in Übereinstimmung mit Junk und Ehrismann die These verfochten, daß der ganze 'A.', soweit R. überhaupt gekommen ist, vor dem 'Willehalm' entstanden sei. Die mangelnde Beweiskraft seiner Gründe zeigte die bedeutsame Abhandlung von C. v. K r a u s Text und Entstehung von Rs. A. MSB. 1940, 4. Der erste Teil bringt eine Fülle von überzeugenden Besserungen zum Junkschen Text. Ein erheblicher Teil dient zur richtigen Wiederherstellung des Versbaues, der in der Ausgabe unter Verkennung von Rs. Streben nach möglichst gleichmäßigem Wechsel von Hebung und Senkung leider so entstellt ist; schon E. S c h r ö d e r (AfdA. 48, S. 5 9 ! u. 49, S. i6ff.) und L e i t z m a n n (a.a.O.) hatten das festgestellt; soweit ihre Besserungen überzeugend schienen, hat Kraus sie in seine Listen aufgenommen. Der zweite Teil geht aus von der großen Zahl der Akrosticha im 'A.' und stellt fest, daß sie nur in den Teilen regelmäßig durchgeführt und ungestört überliefert sind, die sich allein auf die 'Historia de preliis' gründen, sich dagegen Störungen zeigen, wo andere Quellen herangezogen sind, und sie ganz verschwinden, wo die 'Historia' nicht mehr benutzt ist. Es ergibt sich, daß R. bei seiner ersten Fassung im wesentlichen nur die 'Historia'
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Rudolf v. Fenis-Neuenburg — Rufus, Prior
als Richtschnur hatte. Als er nach einer längeren, hinter dem 4. Buche liegenden Arbeitspause wieder zu seinem Werk zurückkehrte, hatte er die anderen Quellen kennengelernt, denen er nun folgte und auch durch Einschiebsel und Änderungen im Vorausgehenden Rechnung trug. Eine Änderung in den Stilprinzipien (Verzicht auf Vierreime und Akrosticha) und im dichterischen Gesamtcharakter (die wärheit als das Hauptziel) ging damit Hand in Hand. In die Pause, die eine so tiefgehende Umstellung fordert, setzt Kraus mit Leitzmann den 'Willehalm' und findet im wachsenden Auftreten der rührenden Reime eine Bestätigung. Margot H ü h n e Die Alexanderepen Rs. v. E. und Ulrichs v. Eschenbach (Diss. Jena 1938) sucht in eingehendem Vergleich die Übergangsstellung Rs. zu bestimmen. A. E l s p e r g e r Das Weltbild Rs. v. E. in seiner A .-Dichtung (Erlanger Arbeiten zur dt. Lit. 11, 1939) behandelt die religiösen Anschauungen des Dichters (dabei auch seine Stellung zum Heidentum), die Rittertugenden, das Frauenbild und seine Auffassung vom Dichtertum. Zu 6: W i l l e h a l m v o n O r l e n s . Die Duisburger Bruchstücke aus der Mitte des 14. Jhs., von denen bisher 2 Blätter durch einen Abdruck von H. P a l m Germ. 21 (1876), S. 197ff. bekannt geworden waren, haben eine Vermehrung um zwei Halbblätter erfahren. Alle sind im Besitz der Duisburger Stadtbibliothek. E. S c h r ö d e r gibt ZfdA. 68 (1931), S. 89ff. eine Beschreibung und von den noch nicht gedruckten eine Kollation. Ferner ist in einer Braunsberger Inkunabel ein Doppelblatt des 13. Jh.s aufgefunden, das V. 14171 /322 und 14626/776 enthält und der Münchener Hs. am nächsten steht. W. Z i e s e m e r Ostpreuß. Findlinge ZfdA. 71 (1934), S. l o i f . gibt davon Nachricht und teilt die Abweichungen vom Junkschen Texte mit. — Wie sehr die Dichtung Rs. bis in den Ausgang des MAs. dem Sinn seiner Leser zusagte, zeigt auch die große Zahl von bildlichen Darstellungen, die sie hervorgerufen hat; Miniaturen und Federzeichnungen in 7 reichgeschmückten Hss. (abgesehen von der Kasseler, in der sie nicht ausgeführt sind), Stickereien auf einem linnenen Wandbehang aus der Marienkirche in Bergen auf Rügen, ein großer Teppich in Sigmaringen und das Gemälde im Schloß Runkelstein bei Bozen, das Willehalm und Amelie als eines der drei berühmtesten Liebespaare zeigt. Man vgl. hierzu die eingehende Behandlung, die sowohl die künstlerischen Wandlungen wie das Gemeinsame aufweist, von Maria Magdalena H a r t o n g W. v. 0. u. seine Illustrationen Diss. Köln 1938. Zu 7: Die W e l t c h r o n i k . Auch hier ist auf neue Hss.funde hinzuweisen. H. N o l l Die Wildunger Hs. der W. des R. v. E. P B B . 58 (1934), S. 445 ff. berichtet von einer Papierhs., die 1933 in der Bibl. des Wildunger Gymnasiums gefunden ist. Sie ist von einem einzigen Schreiber um 1400 in hessischen Sprachformen mit sehr vielen Nachlässigkeitsfehlern geschrieben, ist am Anfang und Ende auch verstümmelt, kann nach ihrer Stellung in der Gruppe ZP aber textkritisch wichtig werden. K l . J. H e i n r i c h Ein Fragment der W. des R. v. E.
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aus der Univ.-Bibl. Freiburg P B B . 58 (1934), S. 454I gibt mit Wiedergabe einiger Proben Nachricht von einem Doppelblatt, das wahrscheinlich noch dem 13. Jh. angehört, unregelmäßig beschnitten ist und V. 23471/822 enthält. Die Sprache ist md., die Abweichungen von Z sind bedeutend. — Genannt sei auch das Buch von D. J. C. Z e e m a n Stilistische Untersuchungen über R. v. E.s W. u. seine beiden Meister Gottfried und Wolfram Amsterdam 1927. Es behandelt die einzelnen Stilmittel und zieht ganz kurz den Vergleich mit den anderen Dichtungen Rs. Wolff M. B i l g e r i Das Vorarlberger Schrifttum 1936, S. 25ff. O. G l a u n i n g Mal. Hss.-Bruchstücke der UB. u. des Georgianum zu München 1940, S. 128 bis 131. Willehalm- u. Weltchronikfragm. s. W. S t a m m l e r u. G. E i s Festschr. A. Dold 1952, S. 261 —264 u. 268 — 270, zum „Guten Gerhard" J. D a n g l Masch.-Diss. Wien 1948. J. A. A s h e r Diss. Basel 1948. H. K u h n Minnesangs Wende 1952, S. 148ff. K . H. H a l b a c h in W. S t a m m l e r Dt. Philol. im Aufriß II (1953). Sp. 654—657. H. de B o o r Gesch. der dt. Lit. 2 (1953), S. 176—187 u. 191 f. IBfgPh. 16—19 (1954), S. 629.
Hannemann Rudolf v. Fenis-Neuenburg (Nachtrag): C. v. K r a u s Dt. Minnesangs Frühling. Untersuchungen 1939, S. 203ff. H. B r i n k m a n n Liebeslyrik der dt. Frühe 1952, S. 164 —170 u. 384t. H. de B o o r Gesch. der dt. Lit. 2 (1953), S. 261.
Rudolf von Rotenburg (Nachtrag): C. v. K r a u s Dt. Liederdichter d. 13. Jh.s (1952), S. 359-393-
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Hannemann
Rufus, Prior. Wohl aus dem bekannten Kölner Geschlecht der Rufi, urkundlich nicht nachgewiesen. Von ihm sind 5 Predigtexzerpte in der Hamburger Hs. theol. 2205, Bl. ia—12b in ripuarischer Mundart erhalten (Strauch Nr. 1—5). Soviel aus den knappen Proben Strauchs erkennbar ist, gehört R. noch dem 13. Jh. an: er steht der Predigtweise eines Schwarzwälder oder St. Georgener Predigers (s. d.) nahe. Predigtthemen sind u. a.: die acht Seligkeiten, von der Sonne des Himmelreiches und der Erde, zehn hassenswerte Dinge, vom Wesen und Wirken des Hl. Geistes. R. bevorzugt die allegorisierende Predigtweise und den schematischen Aufbau nach 3, 5, 10 dinc; trotzdem läßt er weder Innigkeit und Wärme noch volkstümliches Gleichnis vermissen. Besonders ansprechend ist das breit ausgeführte Bild
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'Rufus-Chronik' — Ruland, Ott
von der Schule des Hl. Geistes, wobei sich der Prediger auf Albertus Magnus beruft (s. Strauch S. 42f.). Ph. S t r a u c h Kölner Klosterpredigten des 13. Jh. s N d j b . 37 (1911), S. 2 i f 3 2 , 4 2 I
K. Ruh
'Rufus-Chronik'. 1. Die 'R.-Ch.' wird zu Unrecht eine von 1105—1430 reichende Lübecker Chronik genannt. Die Bezeichnung wird durch keine der auf uns gekommenen Hss. erhärtet, auch war sie Reimar Kock noch unbekannt. Mit Johannes Rufus (s. Rode, Johannes), den der Rektor des Lübecker Gymnasiums Heinrich Bangert sowohl in seiner 1659 erschienenen Ausgabe der Slavenchronik Helmolds als auch in seinen erst 1739 veröffentlichten KOrigines Lubicenses' unter seinen Gewährsleuten nennt, ist sie erst von dem Kantor S c h n o b e l zu Beginn des 19. Jh.s in Verbindung gebracht worden; als 'Chronik des Rufus' hat er sie 1829 im ersten Bande seiner ' Chronik Detmars nebst Fortsetzungen und Ergänzungen aus anderen Chroniken' bezeichnet. 2. Die Chronik, deren Verf. unbekannt ist, besteht aus zwei verschiedenen Teilen. Der erste umfaßt die Jahre 1105—1395, wobei nach Koppmann für die Jahre 1 1 0 5 bis 1349 die * Stadeschronik' Johann Rodes, für die Jahre 1350—1395 die Chronik Detmars benutzt worden ist. Der zweite Teil, der von 1395—1430 führt, ist im wesentlichen eine dt. Bearbeitung der lat. 'Chronica novetta' des Dominikanerbruders Hermann Korner, und zwar beruht er auf der verlorenen C-Rezension dieses Werkes. 3. Überliefert ist die Chronik in folgenden Hss.: Kj - . Papierhs. Nr. 3 1 0 Fol. der Alten Kgl. Sammlung in Kopenhagen aus der Mitte des 15. Jhs. mit 293 gezählten Blättern, wobei die sieben ersten, die leer sind, und drei herausgeschnittene nicht mitgezählt sind. Die Chronik endet auf Bl. 2 1 8 (22i)a: deme leten se syn hovet affslan. Sit /aus et gloria Cristo. K 2 : Papierhs. Nr. 682 Fol. der Alten Kgl. Sammlung zu Kopenhagen ohne Blattbezeichnung aus der zweiten Hälfte des 16. Jh.s L : Aus der Schnobeischen Sammlung stammende Hs. der Stadtbibl. zu Lübeck mit 3 3 3 Bll. Sie ist um die Mitte des 16. Jh.s geschrieben und trägt die Widmung: Viro consultissimo et integerrimo domino Hinrico Rodewolt amico percharo dedii G. T. d. H. p. m. 1 Sept. 1594. Sie schließt: dem leten se sein hovet affslan. H j : 1842 durch den Brand vernichtete Hs. des Hamburger Stadtarchivs. Sie wurde zu Beginn des
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18. Jh.s geschrieben und von dem Bürgermeister Dr. Gerhard Schröder (f 1723) verbessert. Eine Abschrift des ersten Teils bis 1 2 3 5 wurde 1825 von Ulrich Hübbe Grauhoff geschenkt und gelangte nach dessen Tod in die Stadtbibliothek zu Lübeck (Bibl. Deeckiana Nr. 41 fa, fb). H 2 : Folio Nr. 107 der Hamburger Staats- und Univ.-Bibl., von verschiedenen Händen des 16. Jh.s geschrieben. Ältere Foliierung 1 — 2 6 3 , neuere Paginierung 1 — 5 2 8 (S. 468, 469 doppelt gezählt). Der Text endet auf S. 524 (Bl. 263b). Eine weitere Hs. „neuerer Zeit" aus einer holsteinischen Privatbibliothek, die auf 1 2 7 Seiten in 4 0 die Chronik von 1395 — 1 4 3 0 enthielt und von Grautoff mit benutzt wurde, ist verschollen. Neu her. nach K x unter Berücksichtigung von H x > H 2 und L von K . K o p p m a n n Die Chroniken der nds. Städte. Lübeck 2 (Die Chron. d. dt. Städte v. 14. bis ins 16. Jh. 26), 1899, S. 197 — 276 und Bd. 3 (Bd. 28), 1902, S. 1 — 342. E r gibt auch in Bd. 2, S. 1 7 5 —196 sowie in Bd. 3, S. X I — X X eine ausführliche Einleitung mit einem Überblick über das Schrifttum. ,TT-M Tr
Willy
Krogmann
Ruland, Ott war in der Mitte des 15. Jhs. Chef eines der bedeutendsten Handelshäuser der freien Reichsstadt Ulm. Das Manual seiner Firma wird mit der Signatur U 7028 in der Stadtbibl. Ulm aufbewahrt. R. handelte mit Textilien (ndl. u. niederrhein. Tuchen und schwäb. Webereierzeugnissen), mit Metallen und Metallwaren, mit Wein und Vieh. Nicht sicher bestimmbar sind seine ^Aich mistlin paternoster' und 'Salczburger taffein'. Bei den ersten handelt es sich wohl um Rosenkränze, bei den anderen wahrscheinlich um Schreibtafeln, deren Herstellung im Salzburger Land eine eigene Berufsgruppe von „Tafelmachern" unterhielt. Die Nachrichten über diese reichen bis zur Mitte des 16. Jhs. Vielleicht wurden die Salzburger Tafeln dann von der Schiefertafel verdrängt. — R. wickelte seine Geschäfte häufig auf den Messen in Frankfurt und Nördlingen ab. Eigene Kontore besaß er in Frankfurt, Augsburg, Wien, das wichtigste in Braunau. Daneben bestand ein Direktverkehr zu den damals bedeutenden Städten. Die Bezahlung wurde häufig bar geleistet; verschiedene Belege lassen aber auch auf eine Wechselzahlung schließen, ohne daß ein bestimmtes Wort hierfür belegt werden kann. — Die früheste Eintragung in dem Handlungsbuch wurde 1442, die letzte 1464 vorgenommen. Ein Prinzip der Eintragungen ist nicht erkenn-
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Rülein, Ulrich — Ruotger
bar. Zwischen willkürlich wechselnden Belegen für geschäftliche Einnahmen und Ausgaben stehen solche aus privatem Bereich. E s scheint auch nur ein Teil der Geschäftsabschlüsse aufgezeichnet worden zu sein. A u s g a b e : K . D . H a s s l e r Ott Rulands Handlungsbuch S t L V . I, 4 (1843); F . V . Z i l l n e r Gesch. der Stadt Salzburg I I , 1890, S. 3 4 7 I ; T h . M a y e r Der auswärt. Handel d. Herzogtums Österreich im MA. Forschungen z. inneren Gesch. Österreichs 6 (1909), S. 86 — 89; E h r i s m a n n I I , 2, S. 644.
S. Sudhof Rülein, Ulrich (Nachtrag): K . S c h o t t e n l o h e r Bibliogr. zur dt. Gesch. im Zeitalter der Glaubensspaltung I I , S. 193 und Y ,
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Hannemann
•Ruodlieb' (Nachtrag). K . H a u c k Heinrich III. und der R. P B B . 70, 1948, S. 372 bis 419 zeigt an dem umfänglichsten Bruchstück Y , mit welcher Kunst der Dichter gliederte und die einzelnen Stücke zusammenfügte, wie er den sogenannten Goldschmuck der Kaiserin Gisela eingehend darstellte, daß die Friedens- und Indulgenzakte auf der Oktobersynode 1043 in Konstanz sich als Sühne durch edle Rache im ersten Hauptteil spiegeln. Deshalb möchte er das Epos möglichst bald nach 1043 datieren; sein Verfasser war ein Tegernseer Mönch, der den Salierhof näher kannte und dort wohl einige Zeit weilte, und gehört mit dem Dichter der „Ecbasis" (s. d. und im Nachtrag) und Wipo (s. d.) zu dem bisher noch nicht untersuchten Dichterkreis um Heinrich III., mit dem auch die Cambridger Lieder zu verbinden sind, die Heinrich III. oder einer aus jenem Kreis sammelte. — K . H a u c k betrachtete auf das Thema Rituelle Speisegemeinschaft im 10. und 11. Jh. (Studium Generale 3, 1950, S. 611 ff.) hin auch den R. (S. 617—9). Vgl. auch d e r s . Haus- und sippengebundene Lit. mal. Adelsgeschlechter, von Adelssatiren des 11. und 12. Jhs. aus erläutert MIÖG. 62, 1954. H. N a u m a n n Die anord. Varianten des Ruodlieb-Romans Edda, Skalden, Saga, Festschrift F . Genzmer 1952, S. 307—324 scheint mir entgegen der Ablehnung W . B a e t k e s in der D L Z . 75, 1954, S. 2 i f . (die Ähnlichkeit sei „nur oberflächlich")
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nachgewiesen zu haben, daß der Erzählungst y p des R. mit einem in den isl. Sagas verbreiteten verwandt ist, der sich durch enge Verbindung mit der Wirklichkeit und mit der lebendigen Sippenüberlieferung kennzeichnet. Damit ist diejenige Tradition aufgedeckt, aus der das Grundgefüge des R . kommt; und sie ist nicht lat., sondern germ. Aber nicht altheroisch, sondern mal., wie W . M o h r Wandel des Menschenbildes in der mal. Dichtung Wirkendes Wort 1. Sonderheft, 1953, S.37ff. herausarbeitete, ist der Zeitstil, auf dem die Ähnlichkeit von R. und Saga beruht: gerade „der R. prägt das neue Menschenbild am vielseitigsten und reifsten. Nicht mit ihm allein, sondern mit seiner ganzen weiteren Zeitnachbarschaft geraten wir in die Nähe der ThaettirSchicht der isl. S a g a " (S. 40). F . P a n z e r R. und Nibelungenlied Festschrift P . K l u c k h o h n - H . Schneider 1948, S. 73 — 83 stellt zwischen R . und Nibl. eine Reihe Übereinstimmungen zusammen, die nicht zufällig sein könnten (7 v o n den 8 betreffen den Sachsenkrieg); mich h a t das nicht überzeugt. K . H . H a l b a c h Epik des MAs. in W . S t a m m l e r s D t . Philologie im Aufriß I I , 1953, S. 5 2 3 f f . K . H a u c k Mlat. Lit. ebenda S. i883ff.
Ruotger. 1. Über die Persönlichkeit Rs. ist nichts Bestimmtes auszusagen. Wir sind auf Vermutungen aus den spärlichen persönlichen Notizen angewiesen, die der Verfasser in sein Werk eingestreut hat. Er War, wie sich mit ziemlicher Sicherheit erschließen läßt, Mönch, seit 964 in St. Pantaleon in Köln. Ob er mit dem ersten A b t dieses Klosters, Christian, aus St. Maximin in Trier gekommen ist oder schon vorher in Köln gelebt hat, ist nicht zu entscheiden. Im Kloster hat er wohl, wie seine ausgezeichnete Kenntnis antiker Schriftsteller nahelegt, das Amt eines Magister scholarum gehabt. Beziehungen zum Hofe des Erzbischofs Bruno, dessen Biograph er geworden ist, haben bestanden, wie aus einzelnen Stellen der Vita hervorgeht, an denen sich R. als Augenzeugen eines Geschehens nennt, doch gehörte der Mönch kaum zum engeren Gefolge des Erzbischofs; seine Informationen werden wohl größtenteils auf Rs. Auftraggeber und Brunos N a c h -
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Ruotger
folger Folkmar zurückgehen. Ein höheres Kirchenamt scheint R. auch nicht erlangt zu haben, und auch dieser Umstand spricht gegen eine allzu enge Verbindung mit Bruno. Wann R. gestorben ist, wissen wir nicht. Das Totenbuch von St. Pantaleon (her. v. B. H i l l i g e r Rhein. Urbare i , S. 6ff.) weist den Namen Ruotger dreimal auf, doch ist keine dieser genannten Personen mit unserm R. mit Bestimmtheit zu identifizieren. 2. Die einzig bezeugte Schrift Rs. ist die 'Vita Brunonis'. R. nennt sich als Verfasser in dem Widmungsschreiben an den Erzbischof Folkmar. Die ungefähre Abfassungszeit läßt sich aus der Vita entnehmen: die Schrift ist frühestens nach der Kaiserkrönung Ottos II. an Weihnachten 967 begonnen und vor dem Tode Folkmars am 18. Juli 969 vollendet. Die Darstellung, die gleichmäßig das geistlich-religiöse und weltliche Wirken des Erzbischofs umfaßt, gehört nicht eigentlich zur Gattung der Heiligenbiographie; die Schrift ist mit deutlich spürbarer apologetischer Tendenz geschrieben: das geistlich-weltliche Herrschaftssystem, das Otto d. Gr. errichtet hatte, nicht ohne die Kritik seiner Zeitgenossen herauszufordern, sollte in der Person Brunos, des Herzogs undErzbischofs, verteidigt werden. So nimmt die Darstellung des Wirkens Brunos als Staatsmann nicht weniger Raum ein als die seines Frömmigkeitslebens und seiner Tätigkeit als Bischof. 3. Die Lebensbeschreibung, verfaßt nach dem Vorbild der 'Vita s. Martini' des Sulpicius Severus, schildert in den Kapiteln 2—10 die Abstammung und Jugend Brunos, in den Kapiteln 11—42 die Höhe seines Lebens; Krankheit, Tod, Begräbnis und Nachruhm in den Kapiteln 43—48. Innerhalb dieses chronologischen Grundschemas stehen die Begebenheiten teils sachlich geordnet, teils sind sie ohne erkennbaren Sachzusammenhang erzählt. 4. Rs. Sprache ist nicht leicht verständlich, wirkt oft gesucht und dunkel und ist aus den verschiedenartigsten Bestandteilen zusammengesetzt. Neben der Bibel, der Regula s. Benedicti und den Schriften des Sulpicius Severus und des Prudentius
verwendet R. eine große Anzahl antiker Autoren, so Plautus, Terenz, Iuvenal, Persius, Martial, Lukrez, Seneca, Tacitus, Sueton, Livius, Velleius Paterculus, lustin, Curtius, Claudian, Quintilian, Horaz; Cicero ist ihm sehr vertraut und am meisten benützt, auch Stellen aus Vergils 'Aeneis' und KGeorgica' finden sich häufig. Trotz dieser mosaikartigen Zusammensetzung sind Stil und Sprache einheitlich und leicht Von anderen Autoren zu unterscheiden. 5. Ein nachweisbarer literarischer Zusammenhang mit zeitgenössischen Schriftstellern besteht nicht, auch nicht mit Widukind von Korvey. Die Wirkung der Schrift auf die Nachwelt war nicht sehr groß. Ihre Verwendung ist nachweisbar in Folkwins von Lobbes 'Gesta abbatum Lobiensium' (MGH. SS. 4, S. 54ff.) und in seiner *Vita Folcwini episcopi Morinensis' (MGH. SS. 15, 1, S. 424ff.); in Siegeberts xVita Decidendi.' (MGH. SS. 4, S. 4Ö3ff.), in der 'Vita s. Macharii altera', geschrieben in St. Bavo, (AA. SS. April 1 ed. nova, S. 868ff.) und in der' Vita Brunonis altera' (MGH. SS. 4, S. 275ff.). Entsprechend finden sich Hss., mit Ausnahme des großen österreichischen Legendars, auch nur im lothringischen Raum. 6. Die ''Vita Brunonis' besitzt, auch wenn sie keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben kann und etwas einseitig auf der Seite der kaiserlichen Familie steht, einen hohen Quellenwert, da R. vieles als Augenzeuge berichtet und wohl viel Material von seinem Auftraggeber erhalten hat. Ihr Wert liegt auch nicht nur in der Zeichnung Brunos allein, dessen Persönlichkeit in der ganzen Vielgestaltigkeit ihrer Anlagen, Interessen und Taten gezeigt ist sondern auch in der Erfassung und Darlegung der politischen, geistigen und religiösen Kräfte des ottonischen Zeitalters. Ausgabe: MGH. SS. rer. Germ. Nova series X ed. I. O t t . Übersetzung: J . v. J a s m u n d W. W a t t e n b a c h Geschichtschr. der dt. Vorzeit 30 (1890), I. S c h m a l e - O t t ebenda 1954. H. (1951)
S c h r ö r s Ruotgers Lebensgeschichte
des Eb.
Bruno
von Köln Annalen des hist. Vereins f. d. Niederrhein 88 (1910), S. i f f . , 91 ( 1 9 1 1 ) , S. I09ff. — C. H a l l i n g e r Gorze-Kluny Studia Anselmiana 22 — 25 ( I 95°/5 1 )- M a n i t i u s 2 (1923), S. I75ff..
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Rupert von Deutz — Ruprecht von Freising
H. S c h r ö r s Die Vita Brunonis des Ruotger Annalen des hist. Vereins f. d. Niederrhein 90 (1911), S. 61 ff. W a t t e n b a c h - H o l t z m a n n Geschichtsquellen I (1938), S. 89 — 91. E . W e i s e Urkundenwesen und Geschichtsschreibung des Klosters St. Pantaleon zu Köln Jbb. des Kölner GeschiehtsVereins 11 (1929), S . i f f . I r e n e Schmale-Ott
Rupert von Deutz (Nachtrag) : W e r k e . Auf der 5. Mediävistentagung in Köln 1954 kündigte P. R h a b a n H a a c k e an, daß die Benediktiner-Abtei Michaelsberg, Siegburg (Rhld), eine neue Edition der Werke R.s veranstaltet, da sich der Text in M i g n e Patr. Lat. als sehr mangelhaft erwiesen hat. Eine bisher unbekannte Predigt zu Ehren des hl. Pantaleon veröffentlichte M. Coens in An. Boll. 55 (1937), S. 244—267. L i t e r a t u r . L. Ott Untersuchungen zur theol. Brieflit. der Frühscholastik (Beitr. z. Gesch. d. Phil. u. Theol. des MAs. X X X I V ) 1937, S. 73—80. H. S p r ö m b e r g in W a t t e n b a c h - H o l t z m a n n Deutschlands Geschichtsquellen im MA. I, 1938 —43, S. 657—666. P. S é j o u r n é R. de Deutz, le théologien in Dict. de théol. catb. 14, 1939, Sp. 169—205. H. S i l v e s t r e Les citations et réminiscences classiques dans l'œuvre de R. de Deutz Rev. d'hist. éccl. 55 (1950) 140—174. Ders. Le 'Chronicon sancti Laurentii Leodiensis' dit de Rupert de Deutz, Étude critique (Univ. de Louvain, Ree. de travaux d'hist. et de philol. Sér. 3,43)
Ruprecht von Freising berichtet von sich selbst im Jahre 1328, daß er über 36 Jahre lang Vorsprech auf dem Lande und in Städten gewesen sei. Rechnen wir damit, daß er diese Tätigkeit mit etwa 25 Jahren begonnen habe, so könnte er um das Jahr 1265 geboren sein. Ob Freising oder ein Ort in der Nähe sein Geburtsort oder ob die Stadt Freising nur die Stätte seiner langjährigen Wirksamkeit gewesen ist, steht ebenfalls nicht fest. Urkundlich erscheint R. als Schiedsmann in der Urkunde eines gewissen Konrad von Pachen (westlich von Freising) von 1319. Anhaltspunkte für eine gelehrte Bildung Ruprechts sind nicht vorhanden. Er selbst bezeichnet sich als Laie. Auch die Zeit seines Todes ist ungewiß. Rs. einzige uns bekannte Arbeit ist das Freisinger Rechtsbuch, das nach der (durch Notiz der Münchener Kammerrechnungen bestätigten) Angabe des Reimnachworts im Jahre 1328 vollendet worden ist. Es ist zweifellos eine seiner praktischen Wirksamkeit entsprungene Privatarbeit. Wenig-
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stens ist Weder von einem amtlichen Auftrag noch von einer amtlichen Einführung das geringste bekannt, und auch aus dem Inhalt läßt sich ein amtlicher Charakter nicht folgern. Obzwar eine Bestimmung für Freising auch nicht ausdrücklich erwähnt ist, läßt der Inhalt doch keinen Zweifel, daß R. das Recht dieser Stadt im Auge gehabt hat. Anderseits ist auch nirgends herauszulesen, daß die Aufzeichnung für mehr als eine Stadt gedacht gewesen sei. Hauptquelle des Werks ist der 'Schwabenspiegel' (s. d.) nach einer verschollenen Hs. der Gruppe G ( = H o m e y e r IIc). Daneben sind das Augsburger Stadtrecht von 1276 sowie ein bayerischer Landfrieden benützt. Einzelne Anklänge an römisches Recht lassen keine bestimmte Quelle erschließen. Die Darstellung handelt von Totschlägen, von Diebstahl, Raub, Ketzerei Und Notzucht, von Falsch, von Straßen, Wasserläufen und vom Bauen, von Erbe an Eigen und Lehen, vom Empfangen und Verantworten von Eigen und Lehen, darüber, wie Leute in der Stadt miteinander leben sollen, und endlich vom Gerichtsverfahren. Erst zu Anfang des 15. Jhs. hat ein Unbekannter eine Hs. der Gruppe J ( = H o m e y e r I l f ) des 'Schwabenspiegels' dem Freisinger Rechtsbuch vorangestellt, so daß eine Folge von zwei Rechtsbüchern entstand, die man unzutreffend beide R. zugeschrieben hat. Eine besondere Bedeutung für die Praxis scheint das Freisinger Rechtsbuch nicht erlangt zu haben, Wohl weil ihm das alte und das neue Bayerische Landrecht (von 1335 und 1346) sowie das Münchener Stadtrechtsbuch (von 1342) die Wirkungsmöglichkeit beschnitten haben. Als beachtliches Zeugnis süddt. Rechtes vor der Rezeption hat das Werk Rs. aber seine geschichtliche Bedeutung erhalten. Quellen und Schrifttum: L o r e n z W e s t e n r i e d e r Ausgabe des Freis. Rb. in Beyträge zur vaterländ. Historie 7 (1803); Akademische Rede über das Rb. d. Rupert v. Frey sing (1802). Dazu: J o h . Chr. F r h . v o n A r e t i n in Beyträge z. Gesch. u. Lit. 2 (1803), 1. H. S. 67ff.; B. J . D o c e n ebd. 9 (1807), S. 1 1 1 2 f f . G. L. v. M a u r e r Das Stadtund das Landrechtsbuch Ruprechts v. Freysing (1839). L. R o c k i n g e r Über die Grundlage des
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Sachs, Konrad — 'Das Samenkorn'
dem Ruprecht v. Freising beigelegten Landrechtes M S B . 1 8 7 1 . O. S t o b b e Gesch. d. dt. Rechtsquellen I (1860), S. 4 3 5 f f . H e r r n . K n a p p Das Rb. Ruprechts v. Freising in seiner Bed. als strafrechtl. Quelle des MA. (1916, SA. aus Arch. f. Strafr. u. Strafproz.); d e r s . Das Rb. Ruprechts v. Freising (1916). D a z u : E d w . S c h r ö d e r GGA. 1917, S. 3 i 7 f f . ; J . v. G i e r k e Z R G . ¡=38 (1917), S. 3 8 3 f f . ;
Sachs, Konrad (Nachtrag): Konstanzer Stadtrechtsquellen •ed. O. F e g e r 1949, S. 18.
1, Das Rote
Buch
Der von Sachsendorf (Nachtrag): E . K r a n n e r U. v. S. Ein höf. Minnesänger im babenberg. Österreich 1944. C. v. K r a u s Dt. Liederdichter d. 13. Jh.s i (1952), S. 397 —402.
'Der Salden Hort' (Nachtrag): Zu der Ausgabe H. A d r i a n s DTdMA. 26 geben S. S i n g e r AfdA. 47, S. 1 2 7 — 1 3 2 und C. v o n K r a u s M S B . 1940, 1, S. 1 — 1 3 viele Vorschläge zur Textbesserung. F . E d e r Studien zu 'Der S. H.' 1938. Zur Illustrierung der Karlsruher Hs. St. •Georg. 66 um 1 4 1 0 — r 4 2 0 s. H. J e r c h e l Spätmal. Buchmalereien am Oberlauf d. Rheins Oberrhein. K u n s t 5 (1932), S. 29—31 u. 78t. — W . H e n s s Tatians Diatessaron im ' S . H.' Masch.-Diss. Marb. 1953. TT
Hannemann
'Samanunga worto', s. A r b e o F r e i s i n g im Nachtrag.
von
'Das Samenkorn*. Das als Sinnbild des menschlichen Lebens aufgefaßte Samenkorn in seiner Entwicklung bis zur reifen Frucht scheint das Thema eines längeren etwa um 1300 wohl in Trier •entstandenen Reimpaargedichts zu sein, das nur als Fragment auf einem vergilbten und verstümmelten Pergamentblatt auf uns gekommen ist. Dieses Blatt, das für ein 1684 in Trier bei Christoph Wilhelm Reulandt gedrucktes Buch, den „Sacer Septenarius", eine von dem Pfarrer Adrian Schöen aus Trier herausgegebene Sammlung von 7 Predigten, als Einbanddeckel verwendet worden war, ist auf beiden Seiten zweispaltig mit 49 Versen je Spalte beschrieben. Aus den Reimen ergibt sich, daß der Dichter s und % nicht mehr unterschied, vgl. zweimal da¡5: las und je einmal Verfasserlexikon V
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H. K n a p p Arch. f. Strafr. u. Strafproz. 64 (1917), S. 4 7 5 f f . G. H o m e y e r Dt. Rechtsbücher d. MA.2 I (1931 — 1934), S. 39. — H . K . C l a u ß e n Das Freisinger Rb. Die handschriftl. Entwicklung des Textes u. der Überlieferungswert der Hss. Deutschrechtl. Arch. 1 (1940), S. i f f . ; Freisinger Rb. (Germanenrechte I 9 4 i ) . ^ ^ W d z s ä c k e r
sa?,: was, vr,: kornhus. Ferner sind (in abe snide: zide) md. d für t, wale für wol im Reim auf male und das Vorkommen quantitativ unreiner Reime hervorzuheben. Wie dem Gedicht selbst zu entnehmen ist, setzt das Fragment mitten in einem 7. Stück ein, dem das 8. und das 9. S t ü c k vollständig sowie der Anfang des 10. Stückes folgen. — Den Beschluß des 7. Stückes bildet — nach einer Schilderung der Sorgen der Eheleute und Witwen — ein L o b der Jungfräulichkeit nach I. K o r . 7, 34. Wahrscheinlich hat dem Dichter die 'Glossa ordinaria' vorgelegen. Die Ausführungen über die reife F r u c h t und die E r n t e im 8. Stück stellen eine fast wörtliche Entlehnung aus der Geheimen Offenbarung 14, 14f. dar. Auf einer weißen Wolke sitzt, dem Gottessohn gleich, mit einer goldenen Krone auf dem Haupt der Schnitter Tod mit einer scharfen Sichel in der Hand. E i n Engel ruft ihm zu, er solle die reife Ernte schneiden. Die „glose" — als Quelle kommen die ,,Enarrationes in Apocalypsin" des Anselm von Laon in Frage — bietet die Erklärung, daß unter der Wolke die Christenmenschheit zu verstehen ist. Der Schnitt der Erntesichel bedeutet, daß auch der Mensch sterben muß. B e i dem Engel handelt es sich um den von Gott jedem Menschen beigegebenen Schutzengel, der G o t t bittet, den Menschen, wenn die Zeit gekommen ist, von dieser schlechten W e l t zu erlösen und ihm das ewige Leben zu geben. — I m 9. Stück, das nur etwa 25 Verse enthält, schildert der Dichter die Sonderung der F r u c h t von der Spreu, der Masse der Sünder. Die reine gesäuberte F r u c h t wird im 10. Stück mit der Seele eines Menschen verglichen, der nach einem tugendhaften, nicht mit Hauptsünden beladenen Leben gestorben ist. Wie das Korn im Kornhaus gelagert wird, wo es keinen Schaden leidet, so wird die Seele des tugendhaften Menschen von Engelshänden in das himmlische Land — daz kornhus . . . der hymmelischen ere — getragen. An dieser Stelle bricht der T e x t ab. Häufige Apostrophen an die Leser oder Zuhörer, die lieben lüde, beleben die einfache schmucklose Allegorie. J . B . K a i s e r Zwei mhd. Fragmente auf einem Buchumschlag J b . der Elsaß-Lothr. Wissensch. Ges. zu Straßburg V I I (1934), S. 86 —102 (Abdruck des „ S a m e n k o r n s " S. 90—96).
Wilhelm Brauns
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Sampach, Agnes — 'Satansprozesse'
Sampach, Agnes, Nonne im Nürnberger Clarissenkloster, ist die Schreiberin des 1406 oder wenig später hergestellten Cod. E . V I I . 55 (hist. 152) der Staatl. Bibl. in Bamberg. Der Band enthält eine Lebensbeschreibung des hl. Johannes des Täufers, Predigten und Gebete, für die S. gewiß nicht als Verfasserin in Betracht kommt. Hingegen könnte sie an der Abfassung zweier Anhänge lokalen Charakters beteiligt sein. Der eine ist eine Beschreibung einer ihrem Kloster gehörigen Gnadenstätte (Bl. 143® Das ist das heyligtum zu dem alten perg in dem altar der geweiht ist in der er des wirdigen hoch gelobten herren sant Johans baptisten in seiner Cappellen die vnser Closter angehöret), der andere ein Bericht über die an diesem Ort geschehenen Wunder (Bl. 146 a Hie heben sich an die zaichen die geschehen sint in seiner cappellen). Bei den letzteren handelt es sich um überraschende Besserungen bei Krankheiten, Behebung von Unfruchtbarkeit, Errettung eines Kindes aus einem Brunnen und die Bestrafung und Umkehr von Geistlichen, die sich weigerten, in der Kapelle die hl. Messe zu zelebrieren. Es sind im ganzen zwölf Abschnitte, in klarer, schlichter Prosa erzählt. Die Begebenheiten ereigneten sich zu jener Zeit, do ich agnes sampachinn sein phlegerin was (Bl. I50 b ). Gerhard Eis
' Satansprozesse'. 1. Das MA. schuf wohl in Anlehnung an antike Vorbilder Schriftwerke philos.theol. Inhalts, die in Prozeßform gekleidet und prozessuale Lehrbücher, denen die Formen eines erdichteten Rechtsstreites (mit dem ganzen, dazu gehörigen Verfahrensapparat) zwischen allegorisch-personifizierten Begriffen und Einrichtungen gegeben waren. Zu den bekanntesten und markantesten Zeugnissen dieser Literaturgattung zählen die sog. 'Satansprozesse'. Es handelt sich dabei um Darstellungen eines fingierten gerichtlichen Streites, eines förmlichen Verfahrens, das der Teufel als Kläger gegen das Menschengeschlecht führt. Sie weisen Zusammenhänge mit dogmatischen Traditionen der alten Kirche (patristische Versöhnungslehre, Frühscholastik) auf. Zeitweilig herrschte nämlich die
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volkstümliche Vorstellung, daß Gott das Menschengeschlecht dem Teufel im Rechtswege abgerungen habe. Infolge der engen Verknüpfung zwischen Theologie und Rechtswissenschaft im MA. wurde diese populär-dogmatische Anschauung, der übrigens Anselm von Canterbury und Thomas von Aquin entgegentraten, auch juristisch behandelt. Allerdings verdankt der Satansprozeß primär seine Entstehung nicht einem juristischen Zweck. 2. Das Hauptwerk des älteren T y p s dieses Schrifttums verkörpert der 'Processus Sathanae procuratoris infernalis contra genus humanum coram deo nostro Jesu Christo cujus quidem generis ipsa intemerata virgo Maria advocata existit'. In dieser Schrift, die in mehreren Bearbeitungen überliefert ist, erscheint vor Christus Satan oder Mascaron, der procurator nequitiae infernalis und beklagt das Menschengeschlecht. Der Satan will Maria, die für das säumige (rechts-ungehorsame) Menschengeschlecht als advocata generis humani auftritt, als Prokurator ausschließen, da sie weiblichen Geschlechts und zudem mit dem Richter nahe verwandt sei. Christus läßt sie aber trotzdem zu. Der Satan erhebt eine Spolienklage, die er auf die Behauptung stützt, daß ihm die Erlösung den Besitz der Menschheit gewaltsam entrissen habe. Sie wird jedoch auf Mariens Beweisführung hin, die Hölle habe das Menschengeschlecht nur von Gott in Gewahrsam gehabt und demzufolge würde ihrem Besitz titulus und bona fides, d. h. Rechtstitel und Guter Glaube, gefehlt haben, abgewiesen. Der Teufel fordert jedoch die Verurteilung der Menschheit, da auch die abgefallenen Engel verurteilt worden seien. Maria bringt jedoch gegen dieses Klagebegehren u. a. vor, daß Christus die Strafe für die Menschen erlitten habe. Schließlich wird der Satan abgewiesen. Im Rahmen des Werkes wird beispielsweise das Problem der richterlichen Abweisung eines Versäumnisurteils kraft Begründung mit der Billigkeit (Aequitas) behandelt. Die Fabel selbst dürfte jedoch schwerlich von einem Juristen stammen. Grundlegende rechtliche Bedenken geben immerhin einen gewissen Anlaß, diesen Schluß zu ziehen und die Vermutung aus-
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' Satansprozesse'
zusprechen. So ist z. B. nicht die Menschheit der rechte Beklagte, sondern Christus, der Erlöser, müßte es sein. Gegen ihn allein hätte die possessorische Spolienklage und auch die petitorische Vindikationsklage, d. h. alle teuflischen Ansprüche, gerichtet werden müssen. Streitobjekt könnte nur die Menschheit sein. Insofern dürfte ebenfalls Christus nicht als Richter amten. Eine Bearbeitung des 'Processus Sathanae', die sog. 'Quaestio inter virginemMariam et diabolum' stammt von dem großen ital. Postglossator Bartolus de Sassoferrato (1314—1357). F. C. v. Savigny deutet diese Arbeit als einen „pedantischen, breit durchgeführten Spaß". Ulrich Tengler hat den Stoff ebenfalls in seinen bekannten 'Laienspiegel' aufgenommen (s. d.). L i t e r a t u r : R . S t i n t z i n g Gesch. d. populären Lit. d. römisch-kanonischen Rechts in Deutschland 1867, S. 2 6 2 — 2 7 1 ; F . C. v. S a v i g n y Gesch. d. 2 Rom. Rechts im MA. V I , 1850, S. 180; E . W o h l h a u p t e r Aequitas canonica (Veröffentl. d. GörresGes., Sektion f. Rechts- u. Staatswiss. 56), 1 9 3 1 , S. 7 3 f f . ; H. F e h r Das Recht im Bilde 1923, S. 75ff. A. E r l er Das Straßburger Münster im Rechtsleben des MAs. 1954, s - 8 f f -
3. Den zweiten Typ dieser Literaturgattung bietet der sog. 'Liber Belial s. Processus Luciferi contra Christum', auch 'Consolatio peccatorum' genannt, des Kanonisten Bischof Jacobus Paladini de Theramo (de Ancharano) (1349—1417; vgl. über den Verf.: J. F. v. S c h u l t e Die Gesch. d. Quellen u. Lit. d. Canon. Rechts II (1877), Nr. 205, S. 377 J. B e c k m a n n in B u c h b e r g e r Lea;. für Theol. und Kirche V (1933), Sp. 263). Das 1382 abgefaßte Werk stellt eine scholastische Argumentation für die Überwindung der teuflischen Gewalt durch Christus dar. Der Name Belial bedeutet Böser, Verderber (vgl. Job 34, 18). Nach einer einleitenden Schilderung der Heilsgeschichte meldet J. d. Th., daß die Hölle gegen Christus klagen wolle, weil er ihr angeblich zu Unrecht die Menschheit entrissen habe. Zum Prokurator wird der rechtskundige (juris peritus) Belial eingesetzt. Belial tritt nun vor Gott hin und bittet um Gewährung des Prozesses gegen seinen Sohn. Durch förmliches Reskript bestellt
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Gott König Salomon zum Richter. Christus nimmt zu seinem Prokurator Moses. Belial übergibt dem Gericht ein ordnungsgemäßes Klagelibell. Positionen und Responsionen werden wie beim üblichen römisch-kanonischen Verfahren gewechselt. Schließlich entscheidet Salomon im Endurteil gegen Belial. Gegen diese Sentenz legt Belial aber Berufung ein und erbittet Apostelbrief. Als Appellationsrichter beauftragt Gott Joseph, den Sohn Jakobs, den Vizekönig von Ägypten. Die Parteien schließen jedoch mittlerweile einen Vergleich, daß unter der Leitung des Joseph als Obmann durch vier Schiedsrichter (Kaiser Augustus, hl. Jeremias, Aristoteles und Prophet Isaias) der Streit geschlichtet werden soll. Im Schiedsspruch wird darauf Belial mit seiner Klage abgewiesen. Am Jüngsten Tage (Tag des Gerichts) sollen aber die Gerechten von den Ungerechten geschieden und die letzteren der Hölle überantwortet werden. Über diese schiedsrichterliche Entscheidung wird ein Gerichtsbrief ausgefertigt, dessen Tenor jedoch nicht mitgeteilt ist. Das Werk (später auf den Index gesetzt) wurde frühzeitig ins Dt. übersetzt (u. a. Augsburg 1472, 1482, 1487 usw.). Bekannte Verdeutscher des Belialbuches waren die Juristen Nikolaus von Wyle und Albrecht von Eyb. Der 'historische Processus juris zwischen Lucifer und Christus' des Nürnberger Advokaten Jakob Ayrer stellt eine Umformung des dt. Belial dar (1597). (Über Dr. Ayrer und seinen 'Processus juris Luciferi contra Christum' vgl. G. A. W i l l Nürnberg. Gelehrten-Lexicon I I 755. S. 46; S t e f f e n h a g e n , ADB. I, S. 710). Literatur: (siehe unter 2); dazu noch v. S c h w e r i n I, Sp. i 9 o f . ; S t i n t z i n g , a . a . O . S. 2 7 1 — 2 7 6 ; H. H u r t e r Nomenciator literarius theologiae catholicae I V 2 , S. 606 f . ; Illustrationen des Belial bei F e h r a. a. O. Nr. 81—83.
4. Die Anlage des ,,Belial" ähnelt jener der dt. Prosadichtung des Johann von Saaz (s. d.) 'Ackermann aus Böhmen'. Im „Ackermann" wird gewissermaßen das altd. Verfahren auf handhafter Tat für die Behandlung der Klage eines Bauern gegen den Landfriedensbrecher und Weltschädiger Tod wegen Mordes und Raubes seiner 33»
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Der von Sax — Schlüsselfelder, Heinrich (Arigo)
Frau vor dem Richterstuhl Gottes angewendet. Der „Ackermann" ist literarisch jedoch wesentlich tiefgreifender als das Belialbuch, das sich aber seinerseits durch dramatische Dynamik auszeichnet. L i t e r a t u r : E. G i e r a c h s. o. II, Sp. 626ff.; S t i n t z i n g a . a . O . , S. 26of.; W. W o s t r y Saaz zur Zeit des Ackermanndichters 1951; F. W i e a c k e r Privatrecktsgesch. der Neuzeit 1952, S. 90.
Friedrich Merzbacher
des Konrad Celtis und Glossen zu Ovids Metamorphosen. J. S c h l e c h t Dt. Berichte aus Rom 1492 und 1504 in Rom. Quartalschrift Suppl.-Heft X X (Festschrift Anton de Waal, 1913), S. 251—269; K. S c h o t t e n l o h e r Der Freisinger Domherr und Humanist Dr. Sigismund Scheufier in: Wiss. Festgabe z. I200jähr. Jubiläum des hl. Korbinian (1924), S. 376—402; J. G a m m e l Zur Lebensgesch. des Domherrn und Humanisten Sigismund Scheufier in: Frigisinga II (1925).
Gerhard Eis
Schilling,
Der von Sax (Nachtrag): G. L o h r Über die Heimat einiger dt. Prediger u. Mystiker aus d. Dominik. Orden ZfdA. 82 (1948 b i s 1950), S . 176.
Der von Scharfenberg (Nachtrag): C. v. K r a u s Dt. Liederdichter des 13. Jh.s 1953, S. 403 — 403.
1,
Hannemann
Scheufier (Schiffler), Sigismund.
Aus Freising gebürtig, studierte Sch. seit 1490 in Ingolstadt und wandte sich 1503 nach Italien, wo er im Rom der Borgias ein Kenner des Geschäftsgangs an der Kurie wurde. 1509 wurde er in Siena Doktor der Rechte und kehrte kurz darauf nach Deutschland zurück. 1511 erhielt er ein Kanonikat an der Freisinger Domkirche. 1514 wurde er Domkapitular, daneben im selben Jahre auch Pfarrer von Waidhofen an der Ybbs. Seit 1520 war er bischöflicher Offizial in Freising, wo er 1522 starb. Mit Gregor Angrer (s. d.) war er persönlich bekannt. Sein Bücherrücklaß erweist ihn als einen Kenner der juristischen Literatur und einen Beobachter Luthers. Sein Interesse am Humanismus geht aus einer lebhaften Vorliebe für antike Dichter, besonders Ovid hervor. Mehrere Bücher aus seinem Besitz, darunter eigenhändig geschriebene juristische Arbeiten und Notizen zur Zeitgeschichte in lat. Sprache, befinden sich in der Freisinger Dombibl., andere in der Bibl. des erzbischöflichen Ordinariats in München und in der Staatsbibl. in München. Seine dt. Aufzeichnungen sind noch nicht gesammelt und untersucht. Im Clm. 6715 (Frising. 515) finden sich dt. und lat. Sprichwörter von seiner (schwer leserlichen) Hand, daneben auch Nachschriften der Epigramme
1032
Diebold
(d. Ä .
und
d. J.)
(Nachtrag): W. M u s c h g - E . A. G e s s l e r Die Schweizer Bilderchroniken des 15./16. Jhs. 1941. H. B l ö s c h P. H i l b e r D. Schilling, Spiezer Bilderchronik 1485 1939. D i e s . D. Schilling, Berner Chronik 1483 1943 —1945. Vgl. Schätze der Burgerbibliothek Bern 1953-
Schiltberger, Hans (Nachtrag): K . S c h o t t e n l o h e r Die Bayern in der Fremde S. 11 u. i n f.
1950,
Schlitpacher, Johann (Nachtrag): W. F i n k Wann sind die Verse des Benediktuslebens „Bis bini . . ." entstanden ? Stud. u. Mittl. zur Gesch. d. Ben.-Ord. 61 (1947/48), S. 126 — 141.
Hannemann Schlüsselfelder, Heinrich (Arigo).
1. Schi., der einer alten Nürnberger Patrizierfamilie entstammt, ist dank den sich über mehrere Generationen erstreckenden Bemühungen der germanistischen Forschung (s. u.), die ihn einer bis in den Anfang des 20. Jhs. reichenden völligen Vergessenheit entrissen hat, als einer der wichtigsten Vertreter des dt. Frühhumanismus erkannt und damit Männern wie Niclaus von Wyle, Steinhöwel, Albrecht von E y b und Antonius von Pforr als Ebenbürtiger an die Seite gestellt worden. Sein Erstlingswerk, eine Prosaübersetzung von Boccaccios KDecamerone' (Dec.), hat Sch. wohl um 1460 verfaßt. Sie ist noch anfängerhaft-unbeholfen im Ausdruck und reich an Fehlern. Die ital. Fassung, die Sch. vorgelegen hat, ist leider nicht genau bestimmbar (s. G. B a e s e c k e A f d A 28, S. 242—244). Stilistisch gewandter und freier, wenn auch weniger genau und nachlässiger gearbeitet ist die im Jahre 1468 zum Abschluß gebrachte Übersetzung des 'Fiore di Virtü' von Tommaso Leoni (um
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Schlüsselfelder, Heinrich (Arigo)
1320), desselben Werkes, das bereits Hans Vintler (s. d.) mehr als ein halbes Jahrhundert vorher (1411) in seinen ,,Pluemen der tugent" in dt. Verse gebracht hatte. Schs. "Fioi-e'-Übersetzung, als deren Vorlage eine verschollene jüngere Parallelfassung der von G. U l r i c h (1890) herausgegebenen 'Versione tosco-veneta' erschlossen werden kann, ist uns in zwei Autographa, H und S (s. u.), überliefert. Nur in der Schlußnotiz von S, der Hs. Nr. 484 der Vadianischen Bibl. in St. Gallen, hat der Übersetzer seinen vollen Namen angegeben: Also hat das puch der tugent vnd mein wercke ein Ende got der herre Jesu xre mir armen Elenden heynrichen Schlüsselfelder das zu gute sende amen — Anno Domini 1468. An dem VII vnd zwainzigisten tage des Nouembers In der fünften Stunde der nacht opus perfeci. In H lautet die Schlußbemerkung: Arigo. 1468. Opus perfeci. An dem acht vn fwain(igisten tage des Augsten. Die Widmungen in H (S. 1 5 7 ) : 0 du aller liebstes vnd edles chinde und in S (S. 254): aller Edelster freunt vnd günner gelten derselben Person, s. die Zusammenstellung von D r e s c h e r in der ZivglLg. N F . 1 3 , S. 465. Sch., vielleicht ein Angehöriger des geistlichen Standes (s. u.), hat sich also einem sozial wohl höher gestellten Zögling (chinde — freunt — günner) gegenüber des Pseudonyms Arigo wie auch seines vollständigen Vor- und Zunamens bedient. Bei befreundeten L e s e r i n n e n (nur um solche handelt es sich, s. das folgende Zitat) war er ebenfalls unter seinem italianisierten Vornamen bekannt, vgl. die von der Quelle gänzlich abweichende Stelle in der 'Decamerone'Übersetzung K e l l e r S. 17, 27 — 32 (Arigo auf Zeile 30): . . . die beschwerten vnd betrübtenn freulein: auch ir ein teyle irer verporen traurigkeit mügen ein klein fride geben, vnd die mit zucht in freude kern, han ich Arigo in das wercke machen vnd in teutsche zungenn schreibenn wollen, Als ir mit zucht lesent vernemen wert Auch do pey euer liebe, rate, tröste vnd hilffe on zweiffei finden wert.
Auch dieses weibliche literarische Publikum gehörte wohl einer gehobenen sozialen Schicht an, und die Vermutung, daß Sch. seine Übersetzungen ähnlich wie Niclaus von Wyle oder Steinhöwel Angehörigen irgendwelcher Hofkreise gewidmet hat, ist daher nicht ganz von der Hand zu weisen. Aus dem chronologischen Befund (s. o. die Schlußnotizen) und aus der Tatsache, daß zahlreiche Nachträge und Randbemerkungen, die sich in H finden, dem Text von S einverleibt worden sind, läßt sich nur folgern, daß S als zweite Redaktion von H unter nochmaliger Heranziehung des ital. Originals zustande gekommen ist. Über-
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einstimmende Korrekturen in beiden Hss. beweisen, daß S erst aus H geschöpft hatte und dann mit der Korrektur versehen wurde, die anschließend auch in H Eingang fand. Über H und die ital. Vorlage hinans bringt S in dem Kapitel „Von der vntugent des neydes" zwei Historien sowie eine Erweiterung in der Behandlung der gerechtigkeit und der forchte. Als Quellen dienten das AT., die „Gesta Romanorum" und Valerius Maximus (vielleicht in einer ital. Übersetzung). S bot dabei ursprünglich den Text von H, dessen nächstfolgende Uberschriften in S überklebt bzw. gestrichen wurden, so daß nunmehr die Einschaltung vorgenommen werden konnte; erst anschließend wurde in S die getilgte Überschrift von neuem geschrieben. Auch in der Benutzung von Konrad von Megenbergs (s. d.) „Buch der Natur" entfernt sich Sch. in H S — wie in der 'Dec.'-Übersetzung — von der Vorlage. 2. Die fortschreitende Entwicklung in der Kunst des Übersetzens und eines freieren Gestaltens, die sich vom 'Dec.' über H bis nach S (im erzählenden Teil von H S mehr als im Spruchteil) verfolgen läßt, erreicht ihren Gipfel in den drei Anhängen der '.Fiofe'-Übersetzung, die in ihrem literarischen Wert ebenfalls der Chronologie entsprechend abgestuft werden können. Es handelt sich um Auszüge — ammaestramenti — aus den „Moralischen Traktaten" des Albertano da Brescia {'De amore et dilectione dei', 'De arte loquendi et tacendi' 'De virtutibus diligendis et vitiis fugiendis' und 'Liber consolationis et consilii, zwischen 1238 und 1246), die schon dem Verf. des 'Fiore' als Quelle gedient hatten. Darüber hinaus wurden mehreren 'Fiore-\lss. Auszüge besonders aus dem zweiten Traktat als Anhänge beigegeben. Diese Überlieferung, die von den 'Fi'ore'-Fassungen Gelli und Volpi, denen auch Vintler (s. d.) folgt, bezeugt wird, spiegelt sich — gekürzt — in HS als Anhang A, allerdings in einer anderen vielleicht sogar ursprünglicheren Anordnung. Nur in HS steht Anhang B (sieben Kapitel). Obgleich Sch. in der Vorrede zu B versichert, daß er sich an Albertanos zweiten Traktat ,,Del dire e del taecre" halte, ringt er sich doch — im Ver-
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S c h l ü s s e l f e l d e r , H e i n r i c h (Arigo)
gleich zu der nüchternen Übersetzung in A — zu immer größerer Unabhängigkeit von der Vorlage durch, was sich u. a. in der Anordnung der Sprüche, in der Art der Übertragung, in der Einfügung von Anreden (ebenfalls ohne Vorbild bei Albertano!) und überhaupt in dem Ausdruck eines wärmeren Empfindens zeigt. In den beiden letzten Kapiteln von B fehlt jede Quellenberufung. Hier spricht Sch. selbst unmittelbar zu seinem aller liebsten vnd edlen chinde (s. o.) und zeigt ihm den Weg durch dieses jamerliche jamertal und elendigliche leben zu den hymlischen freuden (S stimmt meist wörtlich überein). Nur noch in S findet sich Anhang C mit weiteren sieben Kapiteln, die auf demselben Traktat Albertanos beruhen. Sch. bringt hier Ergänzungen und trägt Auszüge aus den letzten vier Kapiteln nach. Immer mehr wird die Übersetzung zu einer selbständigen Umgestaltung des Quellenmaterials, an das kaum noch irgendwelche Anklänge erinnern. Die originale Leistung Schs. tritt hier am stärksten hervor, vorausgesetzt, daß keine noch unbekannte Vorlage, die diese Anhänge bereits enthält (eine kritische Ausgabe des ital. 'Fiore' existiert noch nicht), nach ihrer etwaigen Auffindung Sch. wieder zum bloßen Übersetzer degradiert! Das letzte Kapitel haben H und S gemeinsam (die Überschrift in H ' E i n capitel zu leben jn der forchte gotes' fehlt in S). 3. Dieses Bild einer stilistisch-literarischen Entwicklung Schs. ließe sich nicht gewinnen, wenn nicht vorher die Verfasseridentität für die 'Dec.'- und die 'Fiore'Übersetzung erwiesen worden wäre. Für einen solchen Beweis sind aber gerade die beiden Werken gemeinsamen Züge, wie sie sich vor allem auf sprachlich-grammatischem Gebiet, im Wortschatz, in der Syntax und in gewissen stilistischen Erscheinungen zeigen, als wesentliche Merkmale der literarischen Persönlichkeit Schs. von besonderer Bedeutung. C h a r a k t e r i s t i s c h f ü r die S p r a c h e — S c h r e i b u n g u n d O r t h o g r a p h i e k ö n n e n auf G r u n d der b e i d e n A u t o g r a p h a H u n d S z u v e r l ä s s i g d a r g e s t e l l t werd e n — sind auf l a u t l i c h e m G e b i e t v e r e i n z e l t e V e r d u m p f u n g v o n d zu 0 (nomen, wo usw.), der regelm ä ß i g e W a n d e l v o n u zu 0, ü zu ö (nürnberg.) bes.
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v o r N a s . u n d L i q u i d a , d a n n v o r a l l e m die n h d . D i p h t h o n g i e r u n g v o n i zu ei, ey (für m h d . ei s t e h t ai, äi, ay neben ei, ey) — d a g e g e n E r h a l t u n g des n e b e n t o n i g e n i als i in ertrich — u n d v o n ü zu au (ebenso a u c h f ü r m h d . ou, d o c h som „ L a s t " ) ; h ä u f i g e s F e h l e n der U m l a u t b e z e i c h n u n g ; die K ü r z u n g n e b e n t o n i g e r V o k a l e in urlab u n d -het f ü r -heit (weishet usw.) n e b e n -heit, ae z u e in seilig; i m K o n s o n a n t i s m u s , der wie die n h d . D i p h t h o n g i e r u n g bair. ist, anl. b zu p, anl. (seltener inl.) k zu ch, w zu b in albeg usw., d a z u die u m g e k e h r t e S c h r e i b u n g w f ü r b in offenwar u s w . , anl. j zu n ü r n b e r g . g, inl. s zu ss in wessen (neben wesen) u s w . , zu sch in geschelschaft; i n t e r v o k . h zu ch in sechen usf. In d a s G e b i e t der F l e x i o n gehören h ä u f i g e s e p i t h e t i s c h e s -e b e i m st. S u b s t . u n d unf l e k t . A d j . sowie e b e n s o u n o r g a n i s c h e s -e in der 2. P e r s . Sg. I m p . u n d in der 3. Pers. S g . Ind. P r ä t . der st. V e r b e n , bei d e n P r ä t . - P r ä s . , a m Endungs-Z (du heste, musle, solle usw.), i m u n f l e k t . P a r t . P r ä t . usw. sowie u m g e k e h r t die e b e n f a l l s o f t belegte c - A p o k o p e in d e n gleichen F o r m e n d e s I m p . und P r ä t . der s w . V e r b e n , ferner die F o r m sein f ü r sind. I m U l m e r ' D e c . ' - D r u c k h a t der s c h w ä b . S e t z e r z w a r im A n l a u t k d u r c h g e f ü h r t , a b e r d a s urspr. ch der hsl. V o r l a g e Schs. s c h i m m e r t a u c h hier noch d u r c h : in zahlreichen ital. E i g e n n a m e n , in d e n e n Sch. c v o r a, o u n d u in ch u m g e s c h r i e b e n h a t t e , ist dieses ch, d a s der S e t z e r n i c h t v e r s t a n d , stehengeblieben! I m ü b r i g e n m a c h t sich die s c h w ä b . M u n d a r t der S e t z e r i m D r u c k n u r w e n i g b e m e r k b a r ; Schs. H e i m a t d i a l e k t t r i t t i m allg e m e i n e n k l a r h e r v o r , v o r a l l e m a u c h in b e z u g auf die nhd. D i p h t h o n g i e r u n g . — A u s der F ü l l e der seltenen z. T . nur oder z u e r s t bei S c h . b e l e g t e n W ö r t e r sei nur eine kleine A u s w a h l gegeben, die s c h o n g e n ü g e n w ü r d e , u m die I d e n t i t ä t der Ü b e r setzer des 'Dec.' u n d des 'Fiore' zu s i c h e r n : ansprung fiero assalto, ausrichtig anstellig, der dasig der derjenige, w e l c h e r (häufig), dunckelgut ipocrisia, einfart e i n m a l , eyttellere v a n a g l o r i a , entwichten zunichte m a c h e n , hümpler L u m p (ältester B e l e g bei Sch.), latz (ital. laccio) N e t z , Schlinge (ältester B e l e g bei Sch.), märtrager V e r l e u m d e r (nur bei Sch.!) u s w . F e r n e r z e i g t S c h . in seiner '.Fiore'-Übersetzung eine V o r l i e b e f ü r w e i b l i c h e A b s t r a k t a auf -ung. I n der S y n t a x m a c h t sich in der h ä u f i g e n A u s l a s s u n g des S u b j e k t e s des H a u p t s a t z e s bei G l e i c h h e i t m i t d e m S u b j e k t des v o r a n g e h e n d e n N e b e n s a t z e s der E i n f l u ß der ital. V o r l a g e n b e m e r k b a r . E n t g e g e n d e m ital. T e x t j e d o c h s t e l l t S c h . — v i e l l e i c h t u n t e r d e m E i n f l u ß des l a t i n i s i e r e n d e n N i c l a u s v o n W y l e (s. G . E h r i s m a n n Z f d P h . 35, 113) ? — d a s V e r b gern a n d e n S c h l u ß v o n H a u p t u n d N e b e n s ä t z e n , so d a ß bei seiner N e i g u n g zu h ä u f i g e m G e b r a u c h des D e m o n s t r a t i v p r o n . der Unterschied zwischen Relativ- und Demonstrativs a t z v e r w i s c h t w i r d . B e g ü n s t i g t w i r d diese E n t w i c k l u n g n o c h d u r c h die T e n d e n z z u r M i t t e l s t e l l u n g des V e r b u m s im e i n g e l e i t e t e n R e l a t i v s a t z . D i e B e v o r z u g u n g der a s y n d e t i s c h e n P a r a t a x e zeigt s i c h u. a. in der A b n e i g u n g g e g e n d e n G e b r a u c h der K o n j u n k t i o n e n ; so wird in d a ß - S ä t z e n daß o f t ausgelassen.
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Schlüsselfelder, Heinrich (Arigo)
4. Wie in der Kanzleisprache wuchern in Schs. Übersetzungen — und damit wird bereits ihr S t i l berührt — die Synonyma (auch verschiedene mundartliche Bezeichnungen für dieselbe Sache) in zweigliedrigen Ausdrücken, denen in den Quellen meist nur je e i n Wort entspricht. Dem Stil der Übersetzung angemessen ist darüber hinaus die Koppelung von ital. Wörtern mit ihrer dt. Erklärung, die dem massenweisen Eindringen von unübersetzten ital. Wörtern Vorschub leistet. Sch. behält dabei oft sogar die ital. Wortendungen bei, ja er bringt auch nichtital. Namen in ital. Form. Die lat. Fremdwörter schöpft Sch. aus dem Wortschatz der Kanzleisprache, wie er sich zur Zeit der Rezeption des römischen Rechts herausbildet. Besonders gern wendet Sch. den juristischen Fachausdruck materi für materia an. Der Kanzleisprache entsprechen schließlich noch die sorgfältige Stilisierung der Anreden (auch hier findet sich oft Zweigliedrigkeit) und die Hervorhebung von Stand und Titel auch da, wo die Quelle keinen Anhaltspunkt bietet. Andererseits lassen sich für die Annahme, daß der Übersetzer ein Geistlicher und als solcher ein geübter Kanzelredner war, mit D r e s c h e r und B a e s e c k e , der auf die aus zeitgenössischen Quellen zu erschließende Übersetzertätigkeit der Ordensbrüder der Nürnberger Kartause hinweist (AfdA. 28 [1902], S. 256—57), gewichtige stilistische Gründe ins Feld führen. So finden sich in Schs. Übersetzung — nicht im Original! — wie in einer Predigt, die von der Kanzel herab gehalten wird, zahlreiche Anreden an das Publikum (lieben jrawen, lieben freunde Usw.), Aufforderungen zur Aufmerksamkeit, Ausrufe, rhetorische Fragen, Bezugnahmen auf Gott, die Heiligen und die Kirche, die Betonung der gütlichen e(e) sowie überhaupt eine stark moralisierende Tendenz. Das Bestreben des Predigers, eindringlich zu wirken und zu diesem Zweck weitgehend zu popularisieren, könnte die häufige Umwandlung der indirekten Rede des Originals in die direkte, die Eindeutschung ital. Eigennamen, Naturmotive, Maße und Münzen, Sitten und Gebräuche, die Fortlassung der dem deutschen Leser nicht bekannten geographischen Namen
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sowie die Vorliebe für Reime, sprichwörtliche Redensarten und sonstige volkstümliche Wendungen erklären. Es verbirgt sich also hinter dem Namen des Nürnberger Patriziers und humanistischen Übersetzers H. Sch., vermutlich eines Geistlichen, der auch im Kanzlei- und Rechtswesen erfahren war, vielleicht eine ähnliche Persönlichkeit wie Albrecht von E y b , dessen humanistischer G e i s t bei Sch. freilich noch nicht zu spüren ist. Überlieferung und Ausgaben. 1. Die 'Dec.'Übersetzung. Maßgebend ist der Ulmer Druck (um 1472 oder 1473) aus der Werkstatt von Johann Zainer aus Reutlingen, hsg. v. A. v o n K e l l e r 1860 ( S t L V . 5 1 ) , s. auch S . 6 8 2 - 6 8 3 ; e b d . und G o e d e k e I 2 , S. 368 — 369 Angaben über weitere Drucke. 2. Die 'Fiore'-Übersetzung. a) Hs. H : Hamburg, Stadtbibl., in scrinio 106, S. 1 — 158, s. J. M. L a p p e n b e r g Z f d A . 10 (1856), S. 260; K . D r e s c h e r Z f v g l L g . N F . 13 (1899), S. 449ff.; F. V o g t G G A . 1895, S. 325 ff. und ZfdPh, 28 (1896), S. 470ff.; die Diss. von K a r s (s. u.) S. 8ff. Auszüge bietet F . V o g t ZfdPh. 28, S. 448 —470, die Anhänge A und B K . D r e s c h e r Z f v g l L g . N F . 13, S. 448 — 460. b) Hs. S : St. Gallen, Vadianische Bibl. Nr. 484, S. 1 — 254, m i t der Überschrift: das puch der lere zucht vndanweysung genant die plumen der tugent genade vnd züchticheyt, s. G. S c h e r e r Verzeichnis der Mss. und Inkunabeln der Vadianischen Bibl. zu St. Gallen 1864, Nr. 484; G. B a e s e c k e ZfdA. 47 (1904), S. 191; K a r s S. 7ff. Die Vermutung, daß Steinhöwel der Verf. der 'Dec.'-Übersetzung sei, wird bereits von G. W . P a n z e r in seinen Annalen der ältern dt. Litt., Nürnberg 1788, S. 462 ausgesprochen und von J. G r i m m im D W b . 1, Sp. L X X X V I I I mit noch größerer Bestimmtheit wiederholt. Seiner Autorit ä t beugt sich zunächst die Folgezeit, s. u. a. K e l l e r in seiner Ausgabe S. 681 f. Die ersten Zweifel werden von C. S c h r ö d e r im Vorwort zu seiner Griseldisausgabe (Mitteil, der dt. Ges. zu Erforschung vaterländ. Sprache und Altertümer in Leipzig V , 1 [1873], S. X) geäußert. Dann scheidet W . S c h e r e r Die Anfänge des dt. Prosaromans Q F . 21, 1877, S. 5, 12 und später in seiner Literaturgesch. klar zwischen Arigo und Steinhöwel. Den endgültigen Beweis dafür, daß Arigo nicht mit Steinhöwel gleichgesetzt werden kann, liefert H. W u n d e r l i c h auf Grund syntaktischer Untersuchungen in seiner Habilitationsschrift Steinhöwel und das Decameron Herrigs Archiv 83 (1889), S. 167 — 210, und 84 (1890), S. 241 —290. Eine neue wichtige Phase leitet F. V o g t mit einer versteckten Anmerkung (PGrundr. I I , 1, 1 i 8 g 3 , S. 408, Anm. 17) ein, in der er den Arigo der Hamburger Hs. der 'Roi'e'-Übersetzung mit dem Arigo der 'Dec.'-Übersetzung identifiziert. U m den Nachweis dieser Verfasser-Identität bemühen sich in der Folgezeit vor allem V o g t (s. o.) und D r e s c h e r (s. o., ferner d e r s . Arigo, Q F . 86, 1900;
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'Schmuck der seligen Jungfrauen, Der dreifache' — Schodeler, Wernher d . Ä .
Arigos „Blumen der Tugend" Z f d P h . 31 [1899], S. 336 — 358) in ausgedehnten Untersuchungen. V o g t kommt auch das Verdienst zu, H als eigenhändige Niederschrift des Übersetzers Arigo, der während des Schreibens Korrekturen nach dem ital. Original vornahm, erkannt zu haben (ZfdPh. 28, S. 471). Diese E n t d e c k u n g erleichterte die Lokalisierung des Übersetzers, die bei den 'Dec.'Drucken natürlich auf Schwierigkeiten gestoßen war. In der Auseinandersetzung mit diesem Problem und bei der Beantwortung der Frage, wer Arigo wirklich gewesen ist, führte Drescher allerdings auf Irrwege, als er in seinem Arigo-Buch (s. o.) den Übersetzer mit dem aus Nordhausen stammenden Heinrich Leubing, Pfarrer von St. Sebald in Nürnberg, identifizierte (über Leubing, t 1472 in Meißen, s. a . a . O . S. 208ff., dagegen u. a. E h r i s m a n n ZfdPh. 35, S. 1091t.). Endlich wurde das letzte Geheimnis von G. B a e s e c k e enthüllt. Seine kurze Notiz in der ZfdA. 47 (1904), S. 191 bedeutet daher einen Angel- und Wendepunkt in der Gesch. der Arigo-Frage. Baesecke zieht die Hs. S heran, führt damit den Namen Heinrich Sch. in die Literaturgeschichte ein und weist auf die engen Beziehungen zwischen S und H hin, die vor allem aus der ähnlichen Formulierung der Schlußnotizen (s. o.), aus der Übereinstimmung der Vornamen und aus der Tatsache, daß die Schlüsselfelder ein altes Nürnberger Patriziergeschlecht sind, wozu die Lokalisierung Arigos in Nürnberg paßt, erschlossen werden können. Ferner: ,,die 1449 gestorbene Heincz Slüsselfelderin (Chroniken I I 344. 9) setzt einen Heinrich S. v o r a u s " (ebd.). So kommt Baesecke zu der Gewißheit, daß S „eine eigenhändige abschritt oder neuredaction" von H ist. D a m i t ist Sch. auch als Übersetzer des 'Dec.' erwiesen, dessen Autorangabe (s. o.) nahezu dieselben Worte enthält wie die entsprechenden Notizen in H und S. — Die noch fehlende Schlußuntersuchung, in der an Hand zahlreicher und gewichtiger Übereinstimmungen — beim Wasserzeichen des Papiers angefangen — nachgewiesen wird, daß H und S v o m Übersetzer selbst geschrieben worden sind und Sch. daher der Verf. der 'Fiore'- u n d der 'Dec.'-Übersetzung ist, h a t der Baesecke-Schüler H a n s K a r s in seiner Diss. (Arigo Halle 1932) geliefert. Eine möglichst vollständige Sammlung des Urkunden- und sonstigen Quellenmaterials für das Leben und Wirken Schs. bleibt noch eine Aufgabe für die Zukunft. L i t . : E h r i s m a n n Schlußbd. S. 665 — 666 (bes. S. 665 Anm. 2 und S. 666 Anm. 1 — 3), K a r s a . a . O . S. 1 — 6. Über die Sprache Schs. vgl. V o g t Z f d P h . 28, S. 475 — 4 7 6 ; D r e s c h e r Arigo S. 1 1 1 bis 122, 198 — 203; E h r i s m a n n ZfdPh. 35, i o g f . ; B a e s e c k e A f d A . 28, 249 — 251; K a r s S. 19 — 28; — zum Wortschatz: V o g t a . a . O . S. 476 —478; D r e s c h e r a . a . O . S. 123 — 1 8 6 ; K a r s S. 29 — 4 5 ; zur S y n t a x : W u n d e r l i c h (s.o.); V o g t S. 479 bis 482; K a r s S.46 — 5 4 ; zum Stil: V o g t S - 4 7 2 f f . ; D r e s c h e r Arigo S. 5 — 1 1 1 ; d e r s . ZfdPh. 31, 348; K a r s S. 54 — 59; zur Quelle der 'Fiore'-Übersetzung: D r e s c h e r ZfdPh. 31, 336—358; K a r s S. 60 ff.; zu den Albertano-Anhängen in H und S :
V o g t S. 472; D r e s c h e r Z f d P h . 31, 355 — 358; d e r s . ZfverglLg. N F . 13, S. 447ff.; K a r s S. 86 bis 89 (mit synoptischer Übersicht). Wilhelm ' S c h m u c k der seligen
Brauns
Jungfrauen, D e r
dreifache', s. ' D i e d r e i B l u m e n P a r a d i e s e s ' im Nachtrag. Schneider, H a n s
des
(Nachtrag).
W . K r o g m a n n Vom Fräulein aus Britannia. Anna v. d. Bretagne im dt. Lied 1940. H. N i e w ö h n e r ZfdA. 83 (1951/52), S. 153 (Spruch von 3 Männern). TT ' Hannemann Schober, Friedrich, D o m i n i k a n e r . Von i h m eine P r e d i g t ü b e r Christus als R i c h t e r in Z ü r i c h D 231, Bl. I 2 5 b f f . v o m J a h r 1482, aufgezeichnet von den Frauen des K a t h a rinenklosters Nürnberg. G . L o h r Aus spätmal. Klosterpredigten Zs. f. Schweiz. Kirchengesch. 38 (1944), S. 41. Kurt Ruh Schodeler, Wernher d. Ä . (Nachtrag). Sch. ist e t w a 1490 g e b o r e n , w a r 1 5 0 3 — 1 5 0 8 K a n z l e i g e h i l f e in B e r n , w o er sich Schodler schreibt, wurde 1509 Stadtschreiber in seiner V a t e r s t a d t B r e m g a r t e n u n d s t a r b 1541 im Alter von 51 Jahren an der Pest. I n seiner Chronik ü b t er strenge K r i t i k a n kirchlichen Mißständen, blieb a b e r selbst dem alten Glauben treu, ohne fanatisch zu sein. So konnte er verschiedentlich schlichtend zwischen seine in sich gespaltenen, in W a f f e n gegeneinander stehenden Mitbürger treten. V a d i a n u m r e i ß t in seinem Tagebuch Schs. erasmisch anmutende H a l t u n g m i t d e n W o r t e n : der schwanket in vielen dingen des gloubens und hielt ouch viel für christenlich, das die bäpster für arg und zwinglisch, das ist kätzerisch, hieltend; kond sich aber schicken und zwüschet ross und wand gon. . . . Sch. b e k e n n t freimütig, sein B u c h aus v i e l e n a l t e n C h r o n i k e n zusamen colligiert zu h a b e n . D e r 1. B a n d seiner C h r o n i k erzählt die Geschichte der Eidgenossenschaft bis z u m Zürichkrieg, und zwar nach Justingers (s. d . ) B e r n e r C h r o n i k m i t Z u s ä t z e n a u s E t t e r l i n , T s c h a c h t l a n (s. d . ) , K l i n g e n b e r g e r Chronik und Züricher Jahrbuch. Der 2. B a n d g i b t d i e G e s c h i c h t e d e s Z ü r i c h krieges nach Tschachtlans Abschrift von
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Schönbleser, Martin — Schreiber, Heinrich, genannt Grammateus
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Hans Fründs Zürichkrieg. Der 3. Band hält sich für die Jahre 1468—1480 wörtlich an Diebold Schillings (s. d.) Berner Chronik von 1483 und wurde in diesem 1. Teil 1514 abgeschlossen. Der 2. Teil mit den Ereignissen bis 1525 wurde erst 1532 geschrieben und zieht für den Schwabenkrieg Etterlin heran, schöpft aber für die letzten beiden Jahrzehnte, wie auch die Verwendung des „ w i r " beweist, z. T. aus eigenem Erleben. Schs. eigene Z e i c h n u n g e n muten dilettantisch an gegenüber denen des namenlosen Hauptzeichners der Chronik, der die Schwarz-Weiß-Technik zum Siege führt und mit den Augen eines Reisläufers sieht; er war gewiß wie Urs Graf und Nikiaus Manuel selbst Krieger und Künstler zugleich und hat wohl dem Berner Kreise Manuels angehört.
reiche Abweichungen und auch einige Zusätze gegenüber den anderen Fassungen; weite Strecken stimmen mit dem Büchsenmeisterbuch des ein Menschenalter jüngeren Martin Merz (s. d.) überein. Eine genauere Untersuchung der Arbeit steht noch aus. Auch über die Lebensumstände Ss. ist noch nichts bekannt.
M. S t e t t i e r Schodoler, Bilder aus seiner Chronik 1943. W. M u s c h g - E . A. G e s s l e r Die Schweizer Bildchroniken des 15-/16. Jh.s 1941. K. S c h o t t e n l o h e r Bibliogr. zur dt. Gesch. im Zeitalter der Glaubensspaltung II, Sp. 239, V, Sp. 245.
Hannemann
Hellmut Rosenfeld Schönbleser, Martin (Nachtrag). Das einzige von ihm bekannte Gedicht bezieht sich nicht auf den Tod der Gattin, sondern auf eine untreue Schöne; es ist ein launiges Trostlied des ernüchterten Liebhabers, der sich beim Auftauchen des bevorzugten Nebenbuhlers zurückziehen muß. Das Mißverständnis wurde von dem Entdecker der Hs., V. M i s k o v s z k y , verschuldet, von dem es L. v. F e j e r p a t a k y , B. v. P u k a n s z k y , F. R e p p und A. E m e r i t z y übernahmen. Die Hs. bietet nicht An iren tot („An ihrem Tod"), sondern An erer tot („An ihrer Tat"). G. E i s Mhd. Schrifttum in der Slowakei S. 20f. (mit Bibliographie).
1944,
Gerhard Eis
Schondoch (Nachtrag): W. S ü s s m a n n Die schles. Fassung der Erzählung ,,Die Königin von Frankreich u. der ungetreue Marschall" P B B . 64 (1940), S. 244 — 263.
Hannemann Schongau, Konrad, Büchsenmeister, lieferte 1429 eine der ältesten Bearbeitungen des Feuerwerksbuches (s. d.). Seine Arbeit, die im Cgm. 4902 erhalten ist, hat zahl-
W. H a s s e n s t e i n Das Feuerwerksbuch 1941, S. 86.
von 1420
Gerhard Eis
'Schopf von dem Lohne' (Nachtrag): M. P. B u t t e l Religious stian humanism in German S. 78—83.
Ideology Cluniac
and verse
Chri1948,
Schradin, Nikolaus (Nachtrag): Eine Faksimileausgabe der „Schweizer Chronik" veranstaltete E. W e i l 1929. Zur Druckgesch. s. E. B ü c h l e r Die Anfänge d. Buchdrucks in d. Schweiz 2 (i95i), S. 67 — 69.
Schreiber, Heinrich, genannt Grammateus. 1. Aus Erfurt stammend, ging S. nach Krakau, wo er an der Universität studierte und seine lat. Erstlingsschrift erscheinen ließ. Dann wandte er sich nach Wien und wurde an der Universität Prokurator der sächs. Nation. Hier veröffentlichte er 1518 ein lat. Visierbüchlein und schloß im selben Jahre sein vielseitiges dt. R e c h e n b ü c h l e i n ab. Als in Wien die Pest ausbrach, begab er sich nach Nürnberg, wo er eine lat. Kosmographie verfaßte; schließlich kehrte er in seine Vaterstadt Erfurt zurück. Dort erschien 1523 sein lat., von Eobanus Hessus mit einem Prooemium versehener 'Algorismus in integris et fractis'. 2. Das dt. Rechenbuch trägt den Titel: 'Ayn new künstlich Buech, welches gar gewiss und behend lernet nach der gemainen regel Detre, welschen Practic, regeln falsi und etlichen regeln Cosse mancherlay schöne und zuwissen notürfftig rechnen auff kauffmannschaft. Auch nach den proportion der kunst des gesanngs jm diatonischen geschlecht auss zutaylen menochordum, orgelpfeyffen und ander jnstrument aus der erfindung Pythagore. Weytter ist hierjnnen begriffen buchhalten durch das zornal, Kaps und schuldbuech, Visier zu machen durch den Quadrat und triangel mit vil andern
1043
Schulmeister, Nikolaus
lustigen stücken der Geometrey. Gemacht auff der löblichen hoen schul zu Wienn in Osterreich durch Henricum Grammateum, oder schreyber von Erffurdt der sieben freyen künsten Maister'. Dieses Werk ist einem gelehrten Bürger, dem Ratsherrn Tzscherte, gewidmet. S. behandelt zuerst die Grundoperationen Numeratio, Additio, Multiplicatio, Subtractio, Divisio und definiert erstmalig das Multiplizieren als ein wiederholtes Addieren; Duplatio und Mediatio sind ihm nichts anderes als Multiplikation und Division durch 2. Die Multiplikation mehrziffriger Zahlen wird bereits in derselben Weise durchgeführt wie heute, die Division dagegen nach der indischen Weise. Darauf folgt die Species uff der Linien und die Regula detre in ganzen Zahlen und die Bruchrechnung. Die Grundregeln der Algebra werden in ähnlicherWeise vorgetragen wie in einem Wiener lat. Sammelkodex des ausgehenden 15. Jh.s, den S. wahrscheinlich benützt hat. 3. Wiewohl S. gleich seinen Vorgängern Ulrich Wagner (s. d.) und Heinrich Petzensteiner (s. d.) den praktischen Bedürfnissen der Kaufleute Rechnung trägt und dementsprechend die Visierkunst, die Buchhaltung und das kaufmännische Rechnen eingehend behandelt, betrachtet er sich selbst doch in erster Linie als gelehrten Wissenschaftler. Daher rechnet er auch Musik und Musikinstrumente, dem System des Quadriviums der freien Künste entsprechend, noch durchaus zu den mathematischen Wissenschaften. Auf die Nachwelt hat er starke Einflüsse ausgeübt. Sein Schüler Christoph Rudolf von Jauer, der später das erste dt. Lehrbuch der Algebra und zwei dt. Rechenbücher schrieb, bekannte sich dankbar zu ihm; er sagt in der Vorrede der „Algebra": Ich hab von meister Heinrichen, so grammateus genant, der Coss anfencklichen bericht emphangen. Sag ihm iarumb danck. Was ich weyters, über empfangnen bericht, durch embsigen vleiss zu gemeinem nutz geschaffen, wil ich im (als meinem preeeptor) zu indiciren heimgesetzt haben. Schreibers New künstlich Buech behauptete sich neben Rudolfs Schriften noch lange Zeit; es erlebte während des 16. Jh.s mehrere Auflagen.
IO44
C. J. G e r h a r d t Gesch. der Mathem. in Deutschland (1877) S. 36; S. G ü n t h e r Gesch. des math. Unterrichts im dt. MA. Mon. Germ. Paed. 3 (1887), S" 2 5 8 f '
Gerhard Eis
Schulmeister, Nikolaus, aus Straßburg, Kleriker, päpstlicher und kaiserlicher Notar, von 1378—1402 Stadtschreiber von Luzern. — Die schweizerischen Historiker sind ihm gram, da er es versäumt hat, einen einläßlicheren Bericht über die Schlacht von Sempach abzufassen, dafür 'mit Vorliebe mystischen Studien oblag' (Th. v. Liebenau). 2. Von Sch. stammt eine Bearbeitung der ' Vita Christi' des Ludolfus von Sachsen (s. d.), und zwar der Passionsgeschichte. Das Autograph ist erhalten in Cod. 339 der Engelberger Stiftsbibl., v. J. 1396, 2a bis 189a. Titel und Initium lauten: Hie vohet an die vsgenomen lere der heiligen vercen vnd leren von der allervollekommensten verstantlichsten wise Gotte ze lebende. — Ein brunne vnd ein vrsprung alles gutes ist eim geistlichen mSnschen, das er mit sim gesamneten gern ute vnd mit anblicken sinre eigenen gebresten . . . flisslich wandele in sinre celle. Sein Werk übergab Sch. der Frau von Waltersberg im St. Andreas-Kloster zu Engelberg mit der Bitte, daß die frommen Frauen vnsern herren bittent für claus schülmeister, den alten schriber ze lucern, der es vs der heiligen geschrift (!) von latine ze tütsche het gemacht. Die Quelle ist nirgends genannt, und sie besteht nicht nur in der ' Vita Christi'. So geht dem Ludolfschen Prolog (Das vserwelte vas sant paulus schribet, das nieman kein ander fundament gelegen mag, wand das geleit ist, das ist christus ihesus Bl. 4b) eine ganz im Geiste der dt. Mystik geschriebene Betrachtung voran. 3. Zur 'Vita Christi'-Bearbeitung Schs. gehört auch Zürich, C 10f., Bl. ia—273a. v. J. 1436. Der Titel freilich führt völlig irre: 'Hie vahent an jn dem nartien gottes die heiligen vier passion, als die hohen meister jn der schule ze Wyen die glosieret vnd darüber geschriben hant'. Das Initium lautet: 0 vos omnes qui pertransitis . . . Der für Sch. charakteristische 1. Prolog folgt erst 2 a (Ein brunne vnd vrsprunge alles gutes . . .), der Ludolfsche 6 a . Der Traktat
1045
Schulmeister v o n Eßlingen — ' Seelen wurzgarten'
benutzt noch andere Quellen, zu einem großen Teil deckt er sich jedoch mit der Bearbeitung Schs. Das genauere Verhältnis ist noch zu untersuchen. L i t e r a t u r : Ü b e r den Verfasser: Der Geschichtsfreund L X X I X , S. 11 f.; T h . v. L i e b e n a u Die Schlacht bei Sempach 1886, S. 15; R. D ü r r e r Bruder Klaus 1921, II, S. 1066. — G. H o p p e l e r Ein Erbauungs- und Andachtsbuch aus dem Dominikanerkloster Oetenbach in Zürich v. J. 1436 Zs. f. Schweiz. Kirchengesch. X V I I I ( I 9 * t ) . S. 2 I O - 2 I 6 . K u r t R u h
Schulmeister von Eßlingen (Nachtrag): C. v. K r a u s Dt. Liederdichter des 13. Jhs. 1952, S. 61 — 6 7 ; 2, 1953, S. 63 — 67.
1,
Schwarz, Hans (Nachtrag). Hans Sachs nennt in seinem Meistergesang „Ein Schulkunst" (Ich kam vor einen garten wol geziert, H. S. Dichtungen her. von K . G o e d e k e 1, 8170, S. 12 ff.) die zwölf Meister, durch die die Nürnberger Singschule in die Höhe gebracht sei, darunter als neunten Hans Schwarz, was ein briefmaler, der macht vil tön, die seint ein teil verloren. Die Briefmaler waren in dieser Zeit meist auch Holzschneider, die ihre Holzschnitte zum Verkauf illuminierten. Es wäre deshalb nicht ausgeschlossen, daß H. S. mit dem gleichnamigen Holz- und Buchsbaummedaillonschneider identisch wäre. Sehr wahrscheinlich ist es jedoch nicht, da der Medailleur H. S. erst 1492 geboren wurde und erst etwa 1512 in der Singeschule auftreten konnte, die Verse des Hans Sachs von 1515 aber doch wohl von einem älteren Meister sprechen, dessen Melodien größtenteils schon verloren seien. Jedenfalls gehört er, da er eigene Melodien erfand, zu der von H. Folz (s. d.) inspirierten Generation nach 1480, die ihren Stolz in der Erfindung eigner Melodien sahen. Hellmut Rosenfeld Schwarz, Peter (Petrus Nigri) trag):
(Nach-
F. H a m m e r in Graf Eberhard im Bart von Württembg. 1938, S. 21 — 24, 7°f-> 79f- u - I I D -
Kurt Hannemann 'Sebastian' (Nachtrag). Aus der Dissertation von R. G e r h a r d t Über die Akten des hl. Antonius und des hl. Sebastianus Jena 1916 ergibt sich für die Quellenfrage
IO46
folgendes: die Legende der Stuttgarter Hs. beruht auf der Erzählung in den Sebastiansakten, die rücksichtslos — auch auf Kosten des Sinnzusammenhangs — verkürzt worden ist. Ein paar kleine Umstellungen und sachliche Abweichungen fallen neben den tief in das Gefüge der Handlung eingreifenden Streichungen kaum ins Gewicht. Die vorkommenden Namen stammen von dort, und Gerhardt hat nachgewiesen, daß sie vom Autor teils frei erfunden, teils aus den Acta quattuor coronatorum genommen worden sind. Damit erübrigt sich jede weitere Spekulation über Zusammenhänge zwischen dem Sinphorian der Legende und dem gleichnamigen gallischen Heiligen oder zwischen Vicorius (die Akten schreiben Victorinus) und Victorinus von Pettau. Auch die Geschichte von Zoe, die nach ihrem Tode dem Sebastian erscheint, gehört bereits den Akten an. Ob die Bearbeitung der Akten von dem Verfasser der Legende stammt oder ob noch Zwischenstufen einzuschalten sind, bleibt ungewiß. K a r l Stackmann 'Die verdammte Seele'. Bei Lucas Zeissenmair in Augsburg 1497 wurde ein Buch gedruckt „Die verdambt Seel". Sein Inhalt wird durch folgende Angaben angedeutet ( F 2 a ) : Dises gegenwärtig auserlesen und edel büchlen das ein erschrockliche, greusliche, klegliche und ein forchtsame weiß setzt und offenbar wie kleglich und erbermcklich ein sündige und verdambte seel eins sündigen menschen aufgee und abscheid von irem leib . . . . und ist schier gantz und gar oder für den größern teil genommen und ausgetzogen aus den Worten und geschrifften des hochgelerten weisen und großwirdigen lerers der mit namen genennt wird Petrus Damianus. H a i n 14580 = Catal. of Books British Museum II, S. 401.
...
in the
K . L.
'Seelenwurzgarten', Titel eines Buches, das im 15. Jh. wiederholt gedruckt wurde. Im Druck Conrad Dinckmuts Ulm 1483 heißt es F 1 a: Register / Hie volget nach ein lieplich und nützliche materi und wird genant der seien wurczgart. . .; F 6 a: Das erst capittel: In einem waren cristenlichen gelauben verleihe uns der almechtig ewig
Seifried — Sicke, Ö r t e l i n
1047
got . . . H a i n 14584. Andere Drücke von Hans Schönsperger Augsburg 1484, 1488, 1496 ebenda 14585/7. Im Catal. of Books ... in the Brit. Mus. II, S. 366 = H a i n 14586 und 533 = H a i n 14584; außerdem S. 533 Dinckmut 26. 7. 1483 und S. 536 Dinckmut 18. 12. 1488. ^ ^ Seifried (Nachtrag): I. K ü h n h o l d 1939-
Seifrits
Alexander
Seiler, Johann, s. S a i l e r ,
Diss. B e r l i n
Johann.
Sesselschreiber, Christoph (Nachtrag). O. H a r t i g C. S. u. sein Buch über Büchsenmeisterei in Kultur des Handwerks 1927, S. 278 bis 2Ü4.
Seuse (Suso), Heinrich (Nachtrag): J . A n c e l e t - H u s t a c h e Le Bienheureux Henri Suso 1943. B . L a v a u d L'Oeuvre mystique de Henri Suso 1—4 (1946, m i t b i o g r . E i n l t g . z u r f r a n z . Ü b e r s e t z g . ) . J . A. B i z e t Henri Suso et le declin de la scolastique 1946. F . - W . W e n t z l a f f E g g e b e r t Dt. Mystik zwischen MA. u. Neuzeit2 (1947), S. 1 1 8 — 1 2 9 u . 309 — 311. D e r s . H. S. Sein Leben u. seine Mystik 1947. J- M- C l a r k The great German mystics Eckhart, Tauler and Suso 1949- J b f g P h . N F . 16—19 (1954), S. 6 5 3 ! , 696, 802. J . Q u i n t Textl. Zur Mystik des dt. MAs. 1952, S. 134—147. H . T ü c h l e Kirchengesch. Schwabens 2, 1954, S. 126—137. J . S c h w i e t e r i n g Zur Autorschaft von Seuses Vita (in Humanismus, Mystik u. Kunst aus der Welt des MAs., h e r . v. J . K o c h ) 1953, S. 146 — 158. Z u r I l l u s t r i e r u n g d e r Seusehss. s. C h r . v . H e u s i n g e r Studien zur dberrhein. Buchmalerei u. Graphik im SpätMA. M a s c h . - D i s s . F r e i b g . - B r . 1953, S. g f f . Vgl. U . W e y m a n n Die Seusesche Mystik u. ihre Wirkung auf die bildende Kunst 1938. — E i n e v o l l s t ä n d i g e Bibliogr. d e r ins N d l . ü b e r s e t z t e n S c h r i f t e n S s . : S. A x t e r s in Ons Geestelijk Erf. 1932, S. 1 2 5 f f .
Hannemann 'Sibyllen Weissagimg' (Nachtrag). A. M a n t e (Die mnd. Versionen der Sibyllen-Weissagung 1931, Beilage zu Redogörelse för Karolinska Högre Allmänna Läroverket i örebro, Läsäret 1930—1931) edierte zum ersten Mal die beiden nd. Fassungen vollständig, indem er ihre beiden Hss. (Lüneburg Ratsbücherei Theol. 83 fol., 15. Jhs., aus dem Kloster St. Michaelis in L., Bl. 1 8 8 b — 1 9 4 a und Hannover I, Nr. 84a, vom Jahr 1473, aus dem Kloster Marienstuhl vor Egeln bei Halberstadt, Bl. 426—440 nebeneinander diplomatisch
IO48
abdruckte (dazu Glossar der seltenen Wörter). G. Z e d i e r machte in den Veröfftl. der Gutenberg-Ges. 23, 1934, S. 30—44 wahrscheinlich, daß der Gutenbergdruck nur Teil I, d. i. die Geschichte des Kreuzholzes bis zu den 15 Zeichen des Weltuntergangs, und II, d. i. die Weissagung der Sibylle über die Ereignisse von Christi Geburt bis zum Weltgericht, umfaßt, während der dritte Teil (die weitere Geschichte des Kreüzholzes, Christi Erlösungswerk und nochmals das Jüngste Gericht) von einem anderen Verf. aus einer anderen Gegend stammt, wenn auch ebenfalls aus vorgutenbergischer Zeit. D e r s . prüfte in der ZfdPh. 61, 1936, S. 136/66 und 274/88 die hsl. Überlieferung, d. h. 17 Hss., und stellte danach fest, daß das ursprüngliche Gedicht nur V . 1—670 enthielt. Dieses einheitliche, abgerundete Ganze entstand 1361 (s. V . 330 und 341) in Thüringen im Kreis der Geisler, wohl um Konrad Schmidt. Dem wurden noch im 14. Jh. zwei Anhänge über das Weltgericht (I = V . 671—746, II = 7 4 7 — 1010) nacheinander von zwei verschiedenen Reimschmieden angefügt, von einem dominikanisch gesinnten Thüringer und einem franziskanischen Westobd. Nicht berücksichtigt ist die davor erschienene Greifswalder Diss. von L . D a r n e d d e Dt. Sibyllen-Weissagung 1933: er kennt drei weitere Hss. (S. 26f.), hebt bei der Musterung der Inkunabeln zwei neue Typen dieser Dichtung (A. Schönspergers Augsburger Druck nach obd. Vorlage, und H, Heidelberger Druck von 1493, dessen Bearbeiter der Heidelberger Prediger J o s t E y c h m a n n , 1491t, ist) heraus und weist als Hauptquelle Jacobus de Voragine ,,Legenda aurea" Kap. 68 nach und zwar in der Fassung des ,,Passionais" (s. d.), I I I . Buch, K a p . „Von dem heiligen kruze". S o n s t : R u t h F r a n k e Peter van Zims Hs. ( G e r m . S t u d i e n 127) 1932. A. K u r f e s s Sibyll. Weissagungen 1951. D e r s . F e s t s c h r . A. D o l d 1952, S. 75 — 83 u n d B . B i s c h o f f Mélanges J. de Ghellinck 1, 1951, S. 121 —147 (lat. Ü b e r s e t z u n g u n d Bearbeitung). ^ j
Sicke, Örtelin (Nachtrag): G. L o h r Über die Heimat einiger dt. Prediger und Mystiker aus dem Dominik.-Orden ZfdA. 82, 1948/50, S. 176.
1049
1050
' V o n der Siebenzahl' — S i m m e r i n g k , J o h a n n
"Von der Siebenzahl' (Nachtrag): Zu den „ 7 G a b e n des H l . G e i s t e s " s. a. E . F . Hohenliedes O h l y Der Prolog des St. Trudperter Z f d A . 84 (1952/53), S. 2 i o f f . M. P . B u t t e l l Relig. Jdeology and Christ, humanism in German Cluniac verse 1948, S. 163 — 172. TT
Hannemann
Sieder, Johann. Die Hs. Germ. Fol. 1239 der Dt. Staatsbibl. zu Berlin enthält J. S.s Übersetzungen von Lucians Wahrer Geschichte und von Apuleius' Goldenem Esel. Voran geht eine Vorrede, die an den Bischof Johann von Dalberg gerichtet ist und von Anno XV datiert ist und die in dem bei G o e d e c k e erwähnten Drucke von 1538 in eine Vorrede an den ,,gutwilligen vnd fraintlichen Leser" umstilisiert ist. Ob das Anno XV als „im Jahre 1500" zu deuten ist oder als „im Jahre (15)15" — was dem Gebrauche jener Zeit mehr entspricht — bleibe unentschieden. Das Dalbergsche Wappen mit der Jahreszahl 1500 kann dafür nichts entscheiden. Mitteilungen aus der K g l . B i b l . I I : N e u e E r w e r b u n g e n der H s s . - A b t e i l u n g (1914) S. 7 3 I
H. Niewöhner Siegmund, Vater, nicht näher bekannter Franziskaner des 15. Jh.s; von ihm eine Predigt über Ps. 22, 5 in Colmar, Ms. 268, Bl. 93 ff.: Dise predige det uns der wirdig vater Sigmund, der borfüß, vnd seit von dem heiligen sacrament, wie man sich vor vnd nach halten sol. Erwähnt von F. L a n d m a n n 1928, S. 108, A n m . 58.
Franz.
Stud.
Kurt Ruh
Siegmund von Gebsattel, genannt Rack, Ritter, verfaßte 1492 einen Bericht über fünf Turniere der Jahre 1484 bis 1487, an denen er selbst teilgenommen hatte. Diese Erinnerungen sind in schlichter Prosa abgefaßt; sie erheben keine Ansprüche auf künstlerische Bewertung, enthalten aber einige wertvolle Nachrichten über die Sitten und die führenden Persönlichkeiten bei den letzten großen Turnieren. N a c h der U r s c h r i f t a b g e d r u c k t i m A n z f K d d V . (1853) Sp. 67/68; M . J ä h n s Gesch. der Kriegswissenschaften I (1889), S. 375.
Gerhard Eis
Siegmund von Königgrätz, ein Deutschböhme, Magister und Propst des Allerheiligenkapitels auf der Prager Burg, wahr-
scheinlich 1471 gestorben. Von ihm stammt die Version von Meister Albrants (s. d.) Roßarzneibuch im Cod. IV E 16 der Prager National- und Universitätsbibl. (von S. selbst 1435 geschrieben), die den ursprünglichen Rezeptstand vorzüglich bewahrt. S. hat Wohl auch das Harnbuch Ortolfs von Bayerland (s. d.) in Böhmen eingeführt. G . E i s Meister Osten,
Albrants
1939, S. 56 — 60.
Roßarzneibuch
im
dt.
S. Sudhof
Siegmund am Ringeck (?ain ringeck, Amring) war ein Fechtmeister des Pfalzgrafen Ruprecht III. bei Rhein (1398-1410). Er stammte aus der Schule des Johannes Lichtenauer (s. d.) und schrieb nach Aussage des Cod. 487 der Sachs. Landesbibl. in Dresden eine Auslegung zu dessen Fechtbuch, das in verborgenen vnd verdeckten Worten abgefaßt ist. Diese „Glose" ist nicht erhalten. In der Liste der namhaften Fechtmeister aus Lichtenauers Gesellschaft, die Paul Kai (s. d.) mitteilt, begegnet ein Sigmund Amring, der mit S. a. R. identisch sein könnte. Jähns gibt den Namen, offenbar nach der Dresdner Hs., so: Sigmund, ain ringeck. M. J a h n s Gesch. der (1889), S. 38 und 370.
Kriegswissenschaften
I
Gerhard Eis
Sighart (Nachtrag). G . R o e t h e wies A D B . 34, 1892, S. 263 die V e r m u t u n g e n zurück, d a ß der N a m e aus Sigeher (s. d.) entstellt sei, d a ß m a n ihn ins 15. J h . und nach A u g s b u r g zu setzen h a b e : „ D o c h h a b e n die beiden in der meistersingerischen T r a d i t i o n d e m S. beigelegten T ö n e m i t Sigehers S t r o p h e n f o r m nichts gemein. D e r b e k a n n t e r e u n d h ä u f i g e r ben u t z t e ist der P f l u g t o n , eine V a r i a n t e zu F r a u e n lobs Froschweise; in i h m h a t a u c h H . S a c h s g e d i c h t e t ; seltener erscheint der kürzere senfte Ton
"
K . L.
Simmeringk, Johann. Im Cod. ms. med. 801 der Hamburger Staats- und Univ.-bibl., der Eintragungen aus der Zeit von 1494 bis 1548 enthält, befindet sich auf S. 318 bis 322, von einer Hand der zwanziger Jahre des 16. Jhs. geschrieben, eine Abhandlung über die Heilwirkungen des Wacholderöls. Die Überschrift lautet: Die tugent vnd naturliche wurcklicheyt deß oleys von wachelterberen, on allen zuosatz gemacht vnd von siner wesserigen feuchtigkeyt auch
io5i
Soccus — 'Der Sperber'
grobigkeyt sines ertrichs gedistilliert vnd rectijiciert. A m Schlüsse steht: m(agister) Jo: Simeringk. D i e A n w e n d u n g e n sind ziemlich vielseitig, z. T. sind es andere als in der A b h a n d l u n g ' Virtutes juniperi', die ich aus einer P r a g e r Hs. herausgegeben habe (Gottfrieds Pelzbuch 1944, S. I72f.). A u s der U m g e b u n g , in der S.s T e x t steht, k a n n m a n schließen, d a ß er in F r a n k f u r t a. M. in den Codex eingetragen w u r d e ; der B a n d gehörte damals E u c h a r i u s Rößlin (s. d., ob V a t e r oder Sohn, ist nicht zu entscheiden). Gerhard E i s Soccus w i r d in den meisten Hss. u n d D r u c k e n als der Verfasser einer Predigts a m m l u n g angegeben, die wie im M A . üblich aus den beiden Teilen 'Sermones de tempore' (nach dem K i r c h e n j a h r ) u n d ' Sermones de sanctis' bestehen u n d seit dem 14. Jh. besonders im bayr.-Österreich. Gebiet mit R e c h t sehr beliebt w a r e n ; sie müssen einige Zeit v o r 1323 v e r f a ß t sein (s. Konrad von Brundelsheim). Soccus hat man bisher meist als die Latinisierung des dt. Familiennamens S c h u h gedeutet oder des synonymen mhd. Botte, s. R . B a u e r r e i ß Wer ist der mal. Prediger „Soccus"? Stud. u n d Mitteil, des Benedordens 65, 1953/4, weil in der P r a g e r Hs. 1869, die 1389 geschrieben wurde, ein Schreiber A n f a n g 15. Jh.s Sermones Johannis Bottis Parisiensis eintrug. E . S c h r o e d e r schien die D e u t u n g als Familiennamen unmöglich: „ A u s z u g c h n hat m a n doch w o h l v o n der F a s s u n g Sermones in soccis die sich in beiden B ä n d e n der aus Heilsbronn stammenden Erlanger Hs. (cod. 322, 323, Irmischer S. 91) findet. soccus, das in der V u l g a t a fehlt, w a r bei den Römern u n d ebenso in der mal. K l o s t e r sprache (s. D u c a n g e s. v.), bei vielfachem Wechsel des Materials, stets ein bequemer Hausschuh, in den m a n hineinschlüpfte, ohne ihn mit R i e m e n z u festigen — also ein „ P a n t o f f e l " . D e r T i t e l „ P r e d i g t e n in Pant o f f e l n " ist g a n z gewiß eine A r t Klosterscherz u n d hängt vielleicht mit K o n r a d s E n t h e b u n g v o n der A b t s w ü r d e z u s a m m e n " G G N - 1931, S. 24 A n m . 1. Die Bezeichnung Sermones in soccis findet sich noch in andern Hss., in den ebenfalls aus Heilsbronn stammenden E r l a n g e r Codices 308 Und 309
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u n d k a n n nicht mit B a u e r r e i ß als „ u n verständliche W e n d u n g " a b g e t a n werden. D i e in Hss. u n d D r u c k e n häufigste B e zeichnung „Sermones Socci" k a n n dasselbe bedeuten. — E s gibt verschiedene Versuche, den N a m e n des A u t o r s z u ermitteln, obwohl m a n bisher die Überlieferung nicht systematisch zusammenstellte u n d dann durcharbeitete. Mehrere Hss. schon des 14. Jhs. nennen den Heilsbronner A b t K o n r a d v o n Brundelsheim (s. d.), w a s aber B a u e r r e i ß a. a. O. energisch ablehnt (auch in seiner Kirchengesch. Bayerns I V , 1953, S. 67t. u n d 197), zwei Hss. einen Frater Johannes u n d eine (Sermones) Johannis Bottis Parisiensis (s. o.) u n d ein I n k u n a b e l d r u c k v o n D e v e n t e r einen Theologieprofessor aus dem Zisterzienserkonvent in Marienrode bei Hildesheim, woraus B a u e r r e i ß a . a . O . einen Zisterzienser Johannes v o n Marienrode (s. d.), Pariser Magister, combinierend erschloß. C. B ö c k l Wer ist der Mönch von Heilsbronn? Zs. f. kathol. Theol. 52, 1928, S. 23off. wollte die ,,Sermones" dem Mönch v o n Heilsbronn (s. d.) zuschreiben. K e i n e dieser Zuweisungen ist bisher wirklich bewiesen bzw. widerlegt; dazu reicht das herangezogene Material nicht aus. Eine Hs. in Upsala Univ.-Bibl. C 277, A n f a n g 15. Jhs., die in K o n s t a n z während des Konzils g e k a u f t wurde, s. P. L e h m a n n Erforschung des MAs. 1941, S. 260. „ T
iv. L>.
'Sonntagsepistel' s. ' H i m m e l s b r i e f ' (im Nachtrag). Spechtshart, s. H u g o v o n R e u t l i n g e n . Spechtshart, Konrad, s . H u g o v o n R e u t l i n g e n 2, 4, 5. 'Der Sperber' (Nachtrag). D a s v o n R o s e n f e l d im S c h l u ß a b s a t z genannte F r a g ment, das A . B e r n t gehörte u n d v o n ihm unter dem N a m e n „ D a s Mädchen im T u r m " veröffentlicht wurde, ist in meinen B e s i t z übergegangen. E s wurde auf G r u n d einer Palimpsestphotographie, die mehr T e x t leserlich macht, als Bernt entziffern konnte, v o n mir in den Studia neophilologica X X I (1950/51), S. 1 — 1 6 behandelt u n d nochmals veröffentlicht. E s teilt e t w a 60 Verse mit N i e w ö h n e r s Dulziflorie-Text u n d biet e t dazu noch etwa 140 weitere, sonst nir-
Spervogel
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gends überlieferte Verse. Der Name der Heldin lautet aber nicht Dulziflorie, sondern Florie wie im altschwedischen Hertig Fredrik af Normandie. Ob dieser Florie-Text aus der „ D u l z i f l o r i e " herzuleiten ist oder ob diese wie der nicht erhaltene dt. „ H e r z o g Friedrich von der Normandie" von der „ F l o r i e " abstammt, konnte nicht verläßlich entschieden werden; das Wahrscheinlichere ist die Priorität der „Dulziflorie". Gerhard Eis Spervogel (Nachtrag). 1. Inzwischen erschienen die von C. v o n K r a u s besorgte Ausgabe von MF. (30 1950) und die ihr vorausgegangenen Untersuchungen des Herausgebers (1939). Die Untersuchungen berücksichtigten bereits die wichtigste neuere L i t e r a t u r : S. A n h o l t Die sogen. Spervogelsprüche u. ihre Stellung in der älteren Spruchdichtung Amsterdam r
937; d e r s . Neophil. 27, 1941, S. 31 —45; H.
H a l b a c h Walther v. d. Vog. u. die Dichter von M. F. 1937; M. I t t e n b a c h Der frühe dt. Minnesang 1939; E . H . K o h n l e Studien zu den Ordnungsgrundsätzen mhd. Liederhss. Mit einem Anhang: Der Verf. der sog. jungen Spervogelstrophen
1934. H . d e B o o r Gesch. der dt. Lit.
2, 1953,
S. 397 fErstmalig nach den vorbildlichen großzügigen Neuerungen F r . V o g t s (1920) wurde der T e x t der wieder dringend notwendig gewordenen Korrektur unterzogen. Die Strophe 23, 13 wurde aus dem echten Bestand ausgeschieden; dies nicht, da sie eine Nachdichtung nach 29,13 sein könnte (so glaubte S c h e r e r D t . Studien I, S. 8), sondern wegen ihrer engen Verbindung zu L a ß b e r g s L S . I, S. 78, 68, die nicht zufällig sein kann und wohl auf denselben Urheber zurückgeht. — In anderen Strophen wurden neben rein metrischen Korrekturen bessere Lesungen erzielt (20,9; 21,5; 23,5; 24.1)2. Die Persönlichkeit Ss. ist aus seiner Dichtung nur unscharf erkennbar und schwer zu fassen. Sicherlich w a r er nicht der Spielmann, den W a l In er o. I V , Sp. 233f. darstellt. D a ß er eher Kreisen des niederen Adels oder der Ministerialität angehört haben kann, geht aus mancherlei Äußerungen hervor. So bezog H. N a u m a n n ( M e r k e r - S t a m m l e r I I I , S. 258) 20, 25 auch auf den Dichter selbst. Seine
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gesellschaftliche Stellung wird ebenso deutlich durch die Vertrautheit mit den Hofämtern, durch das stolze Selbstbewußtsein und die wohl nicht nur äußerliche Verbundenheit mit den höfischen Idealen. D a ß er andererseits Dienstmann w a r (22, 1) — u. U. führte er selbst ein H o f a m t aus — , steht dieser Auffassung nicht entgegen. Den Namen seines Herrn, der vielleicht im schwäb.-bair. R a u m beheimatet war, nennt S. nicht. Zur Lokalisierung kann 22, 36 nicht herangezogen werden. Die Gelehrsamkeit Ss. erweisen seine Bibelkenntnis (z.B. 22, 26), aber auch Zitate der antiken Literatur (z. B . 24, 9ff.), die er von Wilhelm von Conches bezogen haben kann. 3. W a l l n e r hat o. versucht, die Spervogelsprüche zu Strophenpaaren zu verbinden. Andere Strophen Verbindungen glaubten H a l b a c h (ZfdPh. 60 (1935) Und wieder Walther Studien II Festschrift für W . Stammler (1953), S. 4 5 I ) , A n h o l t , Ehrismann u. a. wahrscheinlich zu machen. Die Verbindungen sind aber meistens nur äußerlich und gestatten vielseitige, doch allzu unsichere Kombinationen, die auch bei näherem Zusammenhang (z. B . 20, 9 und 20, 17 oder 20, 17 und 24, 33) keine Lieder ergeben. Die Strophenverbindungen lehnte auch v . K r a u s (bes. Unters. S. 55) ab wegen der Mannigfaltigkeit des Inhalts, die viele der Sprüche aufweisen, und der Schlichtheit der Reimbänder. 4. Die neue Forschung fand dazu noch eine Reihe von Interpretationsmöglichkeiten, nach denen die Auffassungen W a l l n e r s berichtigt werden müssen. Hierzu gehören zunächst K r a u s ' textliche Besserungen. — Die Heraushebung von besonderen Sippen- und Frauensprüchen (je zwei!) und eines Scheltspruches erscheint konstruiert. In einem der sog. Frauensprüche bedeutet stiefkint (23, 28) natürlich „uneheliches K i n d " . Hinter der Halmstrophe Ss. (23, 29) einen verschollenen Brauch zu suchen (wie hinter Walthers 17, 25) ist abwegig. Der Dichter zeichnete hier sicherlich das Spiegelbild eines jeden Menschen, der aufwächst, schafft und E r f o l g hat, dann aber, wenn er ausgedient hat, die Welt verlassen muß. — Einen Zusammenhang
I0
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'Spiegel menschlicher Behältnis' — 'Spiegel der Laien'
mit Walthers Spruch 17,25 nahm auch A n h o l t (S. 88ff.) an. Nach seiner Ansicht stellt der „Bohnenspruch" die erzürnte Antwort Walthers auf den herausfordernden S. dar. Die Fehde sei dann fortgesetzt worden, bis Walther im Wicmannspruch endgültig gesiegt habe. A n h o l t versuchte, seine Überlegungen durch angebliche metrische Übereinstimmungen zu stützen (hierzu K r a u s , Unters. S. 56—59). Eine völlig neue Strophe gewann v . K r a u s durch seine Rekonstruktion von 2 4 , 1 , indem er die Lesarten der Hss. C und J gegeneinander ausspielte. Durch die Bevorzugung der Hs. C im letzten Vers (24, 8) erhielt dieser Spruch den Sinn, den schon E h r i s m a n n (Festschrift f. M. H. Jellineck S.16) erkannt hatte: Die Gegenüberstellung der reinen Frau mit nicht guten Kleidern und der falschen mit vielen Kleidern, dem der ethische Gegensatz iugent des reinen Weibes, geringe ere des falschen entspricht. Anders Urteilten A n h o l t S. 83 und W a l l n e r , s. o. E h r i s m a n n (das. S. 10) machte auch auf den minnesängerischen Zug dieser Strophe aufmerksam. Gegen den Einspruch de B o o r s (ZfdPh. 58, 1933) bestätigte K r a u s , Unters. S. 63t. die Rhythmisierung A. H e u s l e r s § 787. 5. R. K i e n a s t Die deutschsprachige Lyrik des MAs. D t . Philologie im Aufriß II (1954), Sp. 868 wahrt den Standpunkt K r a u s ' . E r ist mit ihm auch bereit, den älteren der unter dem Sammelnamen Spervogel überlieferten Dichter (Anonymus, S. I) nach S i m r o c k s erstem Vorschlag wieder H e r g e r zu nennen (vgl. K e r l i n g o. II, Sp. 788 bis 794). 6. Im Anhang seiner Schrift (S. 142—152) versuchte E . H. K o h n l e den sog. j u n g e n S p e r v o g e l mit Reinmar von Zweter (s.d.) zu identifizieren. Mit den Strophen A C 27 bis 30 und C 54 antwortete nach seiner Ansicht Reinmar auf den Angriff Mamers (LD. X L I I , 35ff.) (s. d.). Die Fehde zwischen beiden setzte er nach 1245 an. C. v. K r a u s Dt. Liederdichter des 13. Jh.s 1, 1952, S. 2 6 5 - 2 7 5 . g gudhof
'Spiegel menschlicher Behältnis', Titel einer der dt. Prosaübersetzungen des ,,Speculum humanae salvationis", s. ,,Spiegel der
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menschlichen Seligkeit" 6c. Zu 9: die Drucke im Catal. of Books . . . in the Brit. Mus. II, S. 392, 581, 737 = H a i n 14937/8/6. R L 'Spiegel des Leidens Christi und der Gottesmutter', ein umfängliches Prosawerk in der Hs. 306 der Bibl. der Stadt Colmar (Haut-Rhin) um 1410—1420, 281 Bll. Incipit : In disem buoch so vindest du daz dem menschen nüt nützer ist noch got genemer denne daz der mensche emptzeklich betrachte daz grosse unsagberliche liden cristi won daz ist als gross gewesen daz wir lesent in der glos über ysaiam den propheten daz die engel dation wunder nament also si sprachent: Quare rubrum est uestimentum tuum. Bl. i b wird der Titel genannt: In disem buoch daz do heisset der spigel des lidens cristi als das die vier ewangelisten schribent vnd ander lerer mit inen, vnd ouch nicodemus der do ein heimlicher jünger cristi was. Bl. 281b bricht die Hs. unvollständig ab: So ist ouch der wille gottes dinem willen nit widerwer. Auf dem guten Pergament sind 153 Bilder verschiedenen Formats gemalt, Szenen aus dem Leben und der Passion Christi, aber auch einige Parallelszenen aus dem A T . , Christus in der Kelter als Anfangsbild, Szenen aus dem Leben des Antichrist, das erste Zeichen vor dem Weltgericht, einige Schlußbilder über dies Gericht — „nach ihrer Anlage in den Kreis der bürgerlichen Bilderhss." gehörend, wahrscheinlich „eine der frühesten elsässischen Werkstattarbeiten" (Jerchel). H. J e r c h e l Spätmal. Buchmalereien am Oberlauf des Rheins Oberrhein. Kunst, Jb. der Oberrhein. Museen V (1932), S. I 7 f f . , darin S. 45 u. 74. Die darin angekündigte Publikation der Hs. durch den Colmarer Stadtbibliothekar A l b e r t S c h m i d t ist nach freundlicher Mitteilung P i e r r e S c h m i t t s , des heutigen Conservateurs der Bibl., dem ich die Zitate aus der Hs. verdanke, nicht erschienen, ja „cette publication n'a jamais été envisagée. Jerchel semble avoir été mal inspiré en insérant dans son travail la note en question."
'Spiegel der Laien' (Nachtrag): P e k k a K a t a r a Speygel der Leyen, Neuausgabe eines Lübecker Mohnkopfdruckes aus dem Jahre 1496 (Annales Acad. Fennicae B, 77, 2) 1952 (nach dem Soester Exemplar und für den unvollständigen Schluß nach dem Lüneburger; in der Einleitung über Inhalt und Quellen, Bilderschmuck und besonders die Sprache).
K . L.
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'Spiegel der Seele' — 'Spiel von der Ausführung Christi, Wiener'
'Spiegel der Seele', mystischer Mosaiktraktat, überliefert in Donaueschingen, Cod. 144, Bl. 91—200 und Straßburg, Bibl. de la Ville, Nr. 287, Bl. 2 a —72». Titel: 'Hie hebt sich an das püchel, das da genant ist der s-piegel der sei vnd von iren kraften vnd von dem eingiessen gStlichs liechtz vnd von iren lügenden' (Hs. Do.). Nach Quint, der Analyse und Abdruck in Aussicht stellt, ist der Traktat besonders aus Eckharttexten zusammengesetzt. J. Quint Meister Eckhart, Die dt. u. latein. Werke Untersuchungen, I: Neue Hss.funde 1940, S" 2 0 u n d 2 1 7 1
Kurt Ruh
'Geistlicher Spiegel der armen sündigen Seele', Titel der Übersetzung von Dionysius des Kartäusers (s. d.) ,,Speculum aureum animae peccatricis". Im Druck Conrad Dinckmuts vom 5* Mai 1484 zu Ulm heißt es am Schluß: Genant ain gaistlicher spiegell der armen sündigen sele. Begriffen mit siben Capitel auff yeglichen tag der wochen aines zu lesen und betrachten. Hain 14949 (dass. im Catal. of Books ...in the Brit. Mus. II, S. 534) und 14950 (in derselben Druckerei vom Jahr 1487). K . L.
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Books . . . in the Brit. Mus. I, S. 10 nach einem vollständigen Druck (c. 1490) gedruckt : Wir drei sind ein got vnd herre vber alle gesiecht / Darumb pilgram sich hie in den Spiegel der vernunfft recht / Wan kumstu wer pistu vnd wie lebstu frag ich j wo mustu hin vnd wo pleibstu ewiglich. Die andern Strophen beginnen: Sich hinter dich pilgram..., Sich über dich pilgram..., Sich unter dich..., Sich für dich... Die Verse mahnen an seine Schuld, zur Buße und an das Memento mori. Der Dialekt ist fränk.-schwäb. Dasselbe mit den Inschriften in lat. Sprache und dem Titel,,Speculum racionis" ist aus dem Jahr 1495 belegt. W. L. S c h r e i b e r Handbuch der Holzund Metallschnitte des 15. Jh.s 4, 1927, S. 43f. (Nr. 1861 und 1861a). ^
'Spiel von der Ausführung Christi, Wiener'. Text nicht erhalten, Szenenfolge zum Teil annähernd rekonstruiert von M. C a p r a : Passionsspiel in Prozessionsform, veranstaltet von der Fronleichnamsbruderschaft zu St. Stephan in Wien, ähnlich den Trägerschaften in Bozen, hier Fronleichnamsbruderschaft seit 1421 nachweisbar; s. A. 'Spiegel der menschlichen Seligkeit' D ö r r e r Bozner Bürgerspiele I (StLV. 291), (Nachtrag), s. a. Konrad von Alzey. 1942, S., 55ff., und nach dessen Vorbild in E. Breitenbach Speculum humanae salvationis, e. typengeschichtl. Untersuchg. 1930. A. Pfi-Freiburg i. Br. (s. W. M i c h a e l Die Anster Das dt. Sp. hum. salv. und der frühe Basler fänge des Theaters zu Freiburg i. Br. Zs. d. Inkun. Holzschnitt 1937. A. Schramm Der Bil- Freiburger Gesch.-Vereins 45, 1934, S. i f f . ; derschmuck der Frühdrucke 21 (1938), S. 6ff. ders. Die geistl. Prozessionsspiele i. DeutschJ. Kirchner Lexikon d. Buchwesens 2 (1953), S. 730. — Die Karlsruher Bilderhs. CLXIII, md. Übersetz., land Hesperia 22, 1947) und in verschiede14. Jh., wird jetzt unter der Signatur H 78 auf- nen anderen Städten (s. O. S e n g p i e l Die bewahrt. TT Bedeutung der Prozessionen f. d. geistl. Spiel Hannemann des MAs. in Deutschland Germ. Abh. 66, 'Spiegel der Vernunft' ('Speculum ra- 1932, bes. S. 127), so auch der St. Michaelscionis'). Ein Holzschnitt der Graphischen bruderschaft in Friedberg, der LeonhardsSammlung in München mit der undeut- bruderschaft in Frankfurt a. M., der Marlichen Jahreszahl 148(8?) hat in der Mitte burger Bruderschaft von der Prozession des oben auf einem Band den Titel ,,Spiegel der Leidens Christi oder der St. Achatiusgesellvernuft". Vier Engel, die zwischen vier Bil- schaft der Tiroler Salinenstadt Hall (s. z . B . dern stehen, die sich auf die Auferstehung H. L i n k Die geistl. Brüderschaften des dt. und den im Jenseits zu erwartenden Lohn MAs., insbes. die Lübecker Antoniusbrüderbeziehen, ermahnen einen Pilger, der der schaft 1919). Im 16. Jh. entwickelten sich Mitte, d. i. dem 50. Lebensjahr, zuschreitet, neben diesen, meist nur in kath. gebliebenen während ihn der Teufel am Mantel fest- Städten und Ländern erneuerten, aber noch zuhalten sucht, in je vier Zeilen mit dem eingeschüchterten andere, kirchlich wie stänReim aabb. Die erste Str., die auf der disch stärker unterbaute für die Karwoche abgerissenen Spitze stand, ist im Catal. of oder für Fronleichnam, auch solche des Verfasserlexikon V.
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'Spiel von der Ausführung Christi, Wiener'
Rosenkranzes (z. B. 1575 in Landeck, 1620 in Kitzbühel; s. K . F i s c h n a l e r Eine Rosenkranz- und Geißlerbruderschaft in Nordtirol Zs. f. Volksk. NF. 4, 1933, S. 178—189), welche die figürliche, deklamatorische oder dramatische Ausgestaltung ihrer Umgänge auf sich nahmen. Das Spiel der Wiener Fronleichnamsbruderschaft scheint durch ein Mitglied der Familie Heuberger, welche die St. Achatiusgesellschaft in Hall zur Durchführung solcher Mysterien im ausgehenden MA. gegründet hatte, und etlichen anderen in Wien seßhaft gewordenen Tirolern angeregt worden zu sein, die unter dem aus Tirol kommenden Kaiser Maximilian I. in der Donaustadt hervortraten (s. A. D ö r r e r Die 'Tyroler Nation' in Wien Jb. f. Landeskunde v. Niederösterr. u. Wien NF. 29,1944 bis 1948, S. 280—309) und volkskulturellen Einfluß nahmen. Die Bücherei des Kaisers Maximilian I. (s. Th. G o t t l i e b Die Ambraser Hss. 1900), des Erzherzogs Ferd. II. von Tirol (die Bearbeitung des Ambraser Bibliothekskatalogs steht noch aus), dessen adligen Gegenstückes, der Bücherei des Frhrn. Christoph v. Wolkenstein auf Schloß Rodenegg (s. A. D ö r r e r ZblfBblw. 58, 1941, S. 17—43), die Sterzinger Neidhartspiel (s. Der Schiern 24, 1950, S. 374—81; 25, 1951, S. 103—26, 185 und 377), Fuchsmagen und die übrigen Haller Humanisten in Wien, die Innsbrucker Hofmusikkapelle, die Tiroler Plastik und Malerei u. v. a. beleuchten die damalige Brückenstellung Tirols nach West-Ost, das Einsickern von Volksvorstellungen, Charaktertypen, Maskenbräuchen usf. (einschränkend dazu: L e o p . S c h m i d t Das Wiener Maskenwesen des MAs. und der Renaissance Jb. d. Ges. f. Wiener Theaterforschung 1950—51, S. 22 bis 37). Die kräftige Herausarbeitung eines eigenen Stils fällt im Hausbau und Hausrat, wie im häuslichen Herkommen und im gemeindlichen Fest- und Schaubrauch an der Sprachgrenze Alttirols, im Bozner Unterland (heute spricht man vom "Überetscher Stil'), und in Bozen selbst, z. B. in der Gestaltung des kirchlichen Gepränges und des weltlichen Triumphes auf (s. A. D ö r r e r Bozner Bürgerspiele I, S. i f f . ; dazu wieder einschränkend, im Gegensatze zu Kunst-
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gelehrten, bes. der Pacher-Forscher, L e o p . S c h m i d t ZfdPh. 1942, S. 2i4ff.). Sie ist in Westkärnten ähnlich bemerkbar wie in der ostalpinen Messestadt Bozen, verdankt ihren Kunstreichtum auch dem Aufschwünge des Bergbaus und Überlandverkehrs, den Ideen und dem Eingreifen Kaiser Maximilians als des Gemahls der Burgunder Erbtochter und einer Mailänder Sforza und geht noch in den Umbruchsjahrzehnten nach seinem Tode nicht ganz unter. Nicht minder stark wirkte sich die Schlüsselstellung des westlichsten habsburgischösterr. Ländergefüges in der Zeit des österr.spanischen Zusammenhangs nach Nord und Süd aus, Wofür Spielprozessionen Und verwandte Schaubräuche am Nord- und Südrand der Alpen, in dt. Sprachinseln südlich Welschtirols, im damaligen Krain, in furlanischen Landstrichen usw. noch bis zum Ersten Weltkrieg augensichtlich zeugten. Vom Standpunkt der kirchlich-kulturellen Restauration berücksichtigt einzelne Erscheinungen G. S c h r e i b e r Das Weltkonzil von Trient 1951. 'Der loblich process der Ausführung' läßt sich in Wien bis 1481 zurückverfolgen. Er hielt sich bis 1534. Zu trennen von ihm ist die Marienklage, die ungefähr drei Jahrhunderte lang am Karfreitag zu St. Stephan gehalten wurde (s. A. R. v. C a m e s i n a Das Passionsspiel bei St. Stephan in Wien Berichte u. Mitth. des Alterthums-Ver. zu Wien 10, 1865, S. 43ff.; H. R u p p r i c h Das mal. Schauspiel in Wien Jb. der Grillparzer-Ges. NF. 3, 1943, S. 3if.) oder der Welser Marienklage (s. L. K a f f Das Welser Passionsspiel Festschr. d. Bundesrealgymn. Wels 1951, S. -29ff.) oder anderer donau- u. alpenländischer Stifte (vgl. noch A. E. S c h ö n b a c h ZfdPh. 6, 1875, S. 146—153). Die Bezeichnung 'Ausführung', 'Aufführung' u. dgl. für Kreuzgang, Passionsspiel war damals und noch lange im Tiroler Volke vorherrschend. Die Veranstaltung war durch Private im Anschluß an die kirchliche Prozession gestiftet worden, ähnlich wie der Georgskampf und Margaretens Befreiung an der Marienpfarrkirche der Stadt Bozen, deren Patrone Georg und Margareta waren, bis man sie auf den nächstfolgenden Sonntag verschob, ähnlich der
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'Spiele von der Zerstörung Jerusalems' — Sprenger, Jakob
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Fronleichnamsprozession der Urpfarre des Dorfes Tirol. Sie wurde mit der Kreuzigung am Friedhof, der Abnahme und Grablegung in der Tirnakapelle wie in Meran beschlossen.
Sprenger, Jakob. 1. Geboren um das Jahr 1436 zu Rheinfelden bei Basel, trat Sprenger 1452 in Basel dem Dominikanerorden bei und M. Capra Das Spiel der Ausführung Christi bei wirkte dort als Lektor. 1468/69 betätigte St. Stephan in Wien Jb. d. Ges. f. Wiener Theater- er sich an der Universität Köln als Senforschung 1945/46, S. 116 — 157; E. Tomek Spa- tenziar, erlangte dort 1472 das theologische ziergänge durch Alt-Wien 1 (1927), S. i67ff.; Doktorat und erhielt 1475 eine Professur. R. Müller Wiens Hof- und bürgerliches Leben im 1478 bis 1488 war er Prior der Kölner ausgehenden MA (Gesch. der Stadt Wien III'2) S- 723; J. Zeidler Das Wiener Schauspiel im MA. Dominikaner. Am 8. 9. 1475 begründete er (Gesch. der Stadt Wien III), S. I02ff.; J. Gregor zu Köln als Anhänger und Nacheiferer des Gesch. des österr. Theaters 1948, S. 41 ff.; Leop. Alanus de Rupe (de la Roche), OP. (1428 Schmidt Neuere Passionsspielforschung in Öster- bis 1475) die dt. Rosenkranzbruderschaft, reich Jb. d. österr. Volksliedwerkes 2 (1953), S. 118ff.; A. Rapp Studien über den Zusammen- Papst Sixtus IV. (1471—1484) ernannte ihn hang des geistl. Theaters mit der bildenden Kunst am 19. 6. 1481 zum generalis fidei inquisitor im ausgehenden MA. 1936. ^ Dörrer von Mainz, Köln und Trier und Innozenz VIII. (1484—1492) erteilte ihm mit der Bulle Summis desiderantes affectibus' vom 'Spiele von der Zerstörung Jerusalems'. 5. 12.1484 den Auftrag, zusammen mit In der Hs. 960 der Univ.-Bibl. Innsbruck, Heinrich Institoris gegen Ketzer, Zauberer der Abschrift je eines thür. Mariahimmel- und Teufelsbuhlschaften (daemones, incubi fahrts-, Oster- und Fronleichnamsspiels von et succubi), und damit letztlich gegen den 1391, ist anschließend an das erste der An- humani generis inimicus, vorzugehen. Wurde fang eines anderen dt. Spiels mit lat. An- Innozenz VIII. mit diesem letzten großen weisungen von anderer Hand (fol. 59b 60a) Gesetzgebungsakt der alten Kirche vor der angefügt, das die Vorgänge vor der Zer- Reformation, der sog. „Hexenbulle", gestörung Jerusalems von der Taufe eines wissermaßen der moralische und faktische heidnischen Königspaars durch die Apostel, Initiator der dt. Hexenprozesse, so besiegelte der darob ausbrechenden Feindschaft der der von Sprenger und Institoris verfaßte Juden, ihrer Kriegserklärung, der Aufnahme „Hexenhammer" ('Malleus maleficarum') in die Ritterschaft und Rüstung bis zur von 1487 die systematische Ausarbeitung des Belagerung der Stadt durch Vespasian und Hexenwahns. Wenn die „Hexenbulle" in geTitus (Vers 2516—3170) vorführt. Ver- wisser Hinsicht die kanonische Festlegung öffentlicht von F. J . Mone Altteutsche des neuen Hexenbegriffes schuf, so lieferte Schauspiele 1841, S. 89—106, 173—175, Sprenger immerhin mit seinem „HexenGlossar S. I75ff. Ein solches Spiel wurde hammer" den Kommentar, eine kasuistinoch 1603 neuerdings in Schmalkalden sche Zusammenfassung und Erläuterung aufgeführt. dazu. Am 8. 5. 1488 wurde Sprenger noch Fragmente eines anderen, mindestens Provinzial seines Ordens. Er starb am 6.12. zweitägigen Spiels gleichen Inhalts stammen 1495 in Straßburg. ebenfalls aus Thüringen, abgedruckt von 2. Der „Hexenhammer" ist von verschieK. B a r t s c h Beiträge z. Quellenkunde der denen Schriftstellern inhaltlich beeinflußt. altdt. Lit. 1886, S. 355—358; dazu E. Entscheidenden Anteil tragen daran vor S c h r ö d e r Die Gothaer Botenrolle ZfdA. 38 allem die Werke des großen Moralisten St. (1894), S. 222—224; F. E b b e k e Unter- Antoninus von Florenz (1389—1459) und suchungen z. Innsbrucker Himmelfahrt Ma- das *Directorium inquisitorum' des Nikolaus riae 1929, S. 84; vgl. auch G. Gröber Eymericus, OP. (1320—1399) a u s Gerona, Grundriß der roman. Phil. II/i (1902), S. das berühmte Handbuch der Inquisitoren, 658ff-
'SponsusspieP, spiele' 6.
A. Dörrer
s. 'Zehn j u n g f r a u e n -
das Sprenger zum Vorbild genommen hat. Der 'Malleus maleficarum', um dessen Approbation durch die Kölner theologische Fakultät sich gegen Ende des 19. und An34*
1063
Sprenger, Jakob
fang des 20. Jahrhunderts noch eine erbitterte wissenschaftliche Kontroverse (J. Hansen, N. Paulus) entspann, stellte das 'Maleficium', das für die profane Gerichtsbarkeit entscheidende Motiv der Hexenverfolgungen, mehr in den Vordergrund, als es bisher im theologischen Hexenbegriff geschehen war. In seinem Buche faßte S. die einzelnen Punkte des uralten Hexenglaubens kasuistisch zusammen und lieferte so dem Strafrichter das authentische Gesetzbuch, nach dem er urteilen konnte. V o r allem zeitigte der „ H e x e n h a m m e r " die theoretische Begründung des Glaubens an die Realität des fleischlichen Teufelsbündnisses. D a s Werk selbst zerfällt in drei Teile: 1. und 2. Teil erörtern die Probleme der Existenz, Natur und Wirkungen der Hexen, Und unterrichten gleichzeitig über wirksame Abwehrmaßnahmen gegen die Hexengefahr. Hingegen stellt Teil I I I den eigentlichen Kriminalkodex dar, der die Anweisungen für den geistlichen und weltlichen Richter hinsichtlich der Führung der Hexenprozesse enthält. Wichtig ist vor allem die einschneidende Tatsache, daß S. die Hexe außerhalb des gemeinen Rechts stellte. Auszüge aus dem 'Hexenhammer' wurden von U l r i c h T e n g l e r (s. d.) in seinem 'Laienspiegel' übernommen. S. schuf Ende der siebziger Jahre (1478) als doctor der heyligen geschrifft und -prior des großen convents Prediger ordens zu Kölen noch eine Schrift über die erneuerte Rosenkranzbruderschaft unter dem Titel 1 De institutione et approbatione societatis seu confraternitatis s. s. Rosarii'. Sie dürfte vermutlich im Anschluß an die Bestätigung der Kölner Rosenkranzbruderschaft durch Papst Sixtus I V . v o m 30. 5. 1478 entstanden sein. Ebenso formulierte S. die dt. abgefaßten Statuten der Rosenkranzbruderschaft, die 1477 bei Joannes Bämler in Augsburg gedruckt worden sind (vgl. L . H a i n Repertorium Bibliographicum II, 2, 1838, Nr. * 14961, 14962). v. S c h u l t e ADB. 35, S. 303; G. L o h r bei B u c h b e r g e r Kirchl. Handlexikon2 I X (1937), Sp. 740; H. K e u s s e n Matrikel der Universität Köln I ( 3 i929), 313, 5; G. S c h n ü r e r Kirche und Kultur im MA. III (1929), S. 265/267; T r i t h e m i ' i s Catalogus I, S. 177; Q u e t i f - E c h a r d Scrip-
1064
tores ord. Praed. I (1719), S. 880; J. F. v. S c h u l t e Die Gesch. der Quellen und Literatur des Canon. Rechts II, 1877, S. 377; R. S t i n t z i n g Gesch. der dt. Rechtswiss. 1,1880, S.31, 642; P.Friedrich-Di'e Hexenbulle Papst Innocens' VIII. ,,Summis desiderantes" 1905; J. H a n s e n Zauberwahn, Inquisition und Hexenprozeß 1900; ders. Der Malleus maleficarum . .. Westdt. Z. f. Gesch. u. Kunst 17 (1898); ders. Der Hexenhammer und die gefälschte Kölner Approbation v. J. 1487, ebda. 26 (1907); ders. Die Kontroverse über den Hexenhammer und seine Kölner Approbation ebda. 27 (1908); H . H e l d Hexe bei B u c h b e r g e r V, 1933, Sp. 4; P. H i n s c h i u s Das Kirchenrecht der Katholiken und Protestanten in Deutschland VI, 1, 1897; R. H i s Das Strafrecht des deutschen MAs. 1920; J. H u i z i n g a Herbst des MAs. 1952; E. F r h r . v. K ü n ß b e r g Hexenprozeß bei S t i e r - S o m l o / E l s t e r Handwb. der Rechtswiss. III, 1928; F. M e r z b a c h e r Gesch. des Hexenprozesses im Hochstifte Würzburg Main« fränk. Jb. f. Gesch. u. Kunst 2 (1950), S. 162ff., insbes. S. 163/164; N. P a u l u s Ist die Approbation des Hexenhammers eine Fälschung ? H JB. 28 (1907), S. 871 — 876; Ders. Zur Kontroverse über den Hexenhammer HJB. 29 (1908), S. 559ff.; G. R a d b r u c h Elegantiae juris Criminalis 2 I95o, darin Hans Baidungs Hexenbilder; G. R a d b r u c h - H . G w i n n e r Gesch. des Verbrechens 1951, S. I53ff-, insb. S. I57ff.; R. S c h r ö d e r - E . Frhr. v. K ü n ß b e r g Lehrbuch der dt. Rechtsgesch. 3 i932, S. 856 und 966; S o l d a n - H e p p e - B a u e r Gesch. der Hexenprozesse '1912; S p r e n g e r - I n s t i t o r i s Der Hexenhammer übers, von I. W. R. S c h m i d t 1922/23; W e i s e r - A a l l Hexe bei B ä c h t o l d S t ä u b l i Handwb. des dt. Aberglaubens III, 1930/31, Sp. 1827/1920; für Hexenhammer Sp.
1838/1842.
Friedrich Merzbacher
3. J a k o b S p r e n g e r verfaßte auch eine Predigt v. J. 1465 über Johannes E v a n g e list in Cod. 302, Bl. 34®—43b der Engelberger Stiftsbibl: (Inc.: Hut fr&wet sich bedi, daz himelsch her vnd ouch die stritbari kilch mit sunt Johansen dem hochfliegenden adler . . .). Sie handelt von fünf wirdikeiten des Evangelisten: seiner erlüchteten verstentniß vnd sunderlichen wißheit, der besonderen Liebe, die Christus ihm zuwandte, seiner Heimlichkeit mit Christus — er ruhte an dessen Brust — , seinem Durst nach Offenbarung und seinem schmerzlosen Tod. Die Predigt steht in der Tradition der obd. Dominikanermystik. Wenn die Predigt J. Sp. im Jahre 1465 sacre theologie Cursor ordinis praedicatorum nennt, so paßt diese Angabe zu den uns bekannten biographischen Daten des Inquisitors : dieser konnte 1465 wohl Cursor (Bibliae) sein, denn 1468 wird er Sentenziar, 1472 Ma-
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Der von Sprewenberg — Steinlinger, Lutz
gister. Die Engelberger Predigt ist somit ein Dokument des noch werdenden Theologen, Sps. der Basler Zeit (1452—67), und dazu geeignet, das Bild, das die Nachwelt von ihm besitzt, mit bisher unbekannten Zügen zu ergänzen. L i t e r a t u r : G. L o h r Quellen und Forschungen z. Gesch. d. Dominikanerordens in Deutschland 17 (1922), S. 302—304 u. ö., 21 (1926), S. 24. Und s. o.
Kurt Ruh Der von Sprewenberg ist erwähnt in der Königsberger Hs. 896 ( P r e g e r Mystik II, S. 95): Magister Johannes vnd der von Erich vnd der von Sprewenberc habin hy von wol gesprochin, das vf dise irwelunge nymant buwen sal sunder uf heilikeit vnd uf tugint vnd uf vnsin gloubin. Kurt Ruh Der von Stadeck (Nachtrag): C. v. K r a u s Dt. (1952), S. 415 f.
Liederdichter
des 13. Jh.s
1
Der von Stamheim (Nachtrag). C. v. K r a u s . Dt. Liederdichter (1952), S. 417-420.
des 13. Jh.s
1
Hannemann
Stegeier, Johannes. Die neu von mir aufgefundene Hs. vom Kaland Könemanns (s. d.) im Pfarrarchiv St. Stephani zu Osterwieck, die um 1650 geschrieben ist und den Text ins Hd. übersetzt, bringt zum Schluß Angaben, aus denen wir den Namen des Mannes erfahren, der die Dichtung im 15. Jh. bearbeitet und die Mischsprache des Originals in ein reines Nd. umgesetzt hat: Finita est haec Regula Fratrum calendarium in Osterwig per Johannem Stegeier incarnationis Dominicae Anno MCDLXVI, feria quinta post Sacri ieiunii Dominicam qua cantari solet: Laetare Jerusalem, d. h. am 20. März 1466. Im alten Stadtbuch von Osterwieck (im Staatsarchiv zu Magdeburg) wird er uns 1484 und 1487 als Ratsherr bezeugt, und wir erfahren auch den Namen seiner Frau Grete und hören, daß er ein Haus an der nyenkerckenstrate ann der dralle tygen der linden hatte. Vgl. über ihn und seine Bearbeitung des Kaland L. W o l f f Die Dichtungen Könemanns (Denkmäler her. vom Ver. f. Nd. Sprachforschung 8) 1953, S. i o f f .
L. Wolff
I066
Steinbeiß (Stainpaiß), Martin, widmete 1510 dem Herzog Franz von Mailand eine kleine Schrift gegen die Pest, die 1515 bei Johann Winterburger in Wien gedruckt wurde. Sie trägt den Titel: Ain hailsame ertzney: mit ierem zuesatz: zu behuetten wider den lauff der Pestelentz: aus bewertten geschriften der Ertzt: angezaigt. Der Vf. nennt sich Martinus Stainpaiß von wienn, lerer der erztney; er wirkte also wohl an der Wiener Universität. M. D e n i s Wiens Buchdruckergesch, bis MDLX (1782) Nr. 145; E. W e l l e r Repertorium typographicum (1864), Nr. 951.
Gerhard Eis
Steinlinger, Lutz. Als Nachfolger Hans Grasers (s. d.) im Nürnberger Stadtbaumeisteramt verfaßte S. im Jahre 1452 ein Baumeisterbuch, das Grasers Aufzeichnungen an Umfang und Bedeutung übertrifft. Er benützte amtliche Verträge und verschiedene ältere Aufzeichnungen über die Gewohnheiten als Quellen; u. a. beruft er sich auf Maßnahmen und Verfügungen des Stadtrats aus den Jahren 1415 und 1435, die sich ihrerseits bereits auf „altes Herkommen" stützten. In der Hauptsache kam es ihm aber darauf an, die Verhältnisse seiner eigenen Zeit darzustellen (er sagt zu Beginn: Also hob ich Lutz Steinlinger das püchlein verzeichent, nachdem es itzund ein gestalt hat). Seine Angaben über die Leistungen der einzelnen Bürger für die Unterhaltung von Brunnen, Brücken und Wegen innerhalb der Nürnberger Bannmeile sind sehr detailliert. Auch über die Löhne der im Dienst der Stadt stehenden Arbeiter und über die Arbeitszeiten macht er genaue Angaben. Die Eidformeln für die Verpflichtung der verschiedenen Handwerker sind im Wortlaut mitgeteilt. S. war auch für das Feuerlöschwesen verantwortlich; infolgedessen nahm er auch die Spritzen, Haken und Leitern, die an bestimmten Orten der acht Nürnberger Stadtviertel aufbewahrt wurden, in seine Verzeichnisse auf. In einem besonderen Abschnitt wird über das vorrätige Baumaterial berichtet. S. hatte keinen literarischen Ehrgeiz, sondern schrieb aus einem praktischen Bedürfnis. Er tritt uns aus seinen Aufzeichnungen als ein Mann von nüchternem, selbständigem Urteil und um-
1067
Herr S t e i n m a r , B e r t h o l d — S t o ß , P e t e r
sichtiger Tatkraft entgegen. Seine Arbeit wurde von seinem Amtsnachfolger Endres Tucher (s. d.) als Quelle für das große Nürnberger Baumeisterbuch benützt, das bis ins 17. Jh. praktische Bedeutung hatte. E . M u m m e n h o f f Lutz Steinlingers Baumeisterbuch vom Jahre 1452 M i t t . d. Vereins f. G e s c h . d. S t a d t N ü r n b e r g (1880), 2. H e f t , S. 15 — 7 7 ; Endres Tuchers Baumeisterbuch der Stadt Nürnberg ( 1 4 6 4 — 1 4 7 5 ) , m i t einer E i n l e i t u n g u n d sachlichen A n m e r k u n g e n v o n F . v . W e e c h hersg. d u r c h M. Lexer
( S t L V . 64, 1862).
Gerhard Eis
Herr Steinmar, Berthold (Nachtrag): R . S t e i g e r Herr Steinmar im Straßb. Münster S t r a ß b . M o n a t s h . 6 (1942), S. 8 6 — 8 9 . R - A i t y Studien zum spät. Minnesang mit bes. Berücks. Sts. und Hadlaubs M a s c h . - Diss. Münster 1947.
'St. Stephansleben' Kellner.
s. H a w i c h
der
Stockar, Johann (Nachtrag): K . S c h i b Hans Stockars Jerusalemfahrt 1519 und Chronik 1520—1529, N e u a u s g . 1949. Hansv. St. Christ, Pilgrim, Ratsherr (her. v o n W . v . S t o c k a r 1 9 5 1 ) . J . K . S c h o t t e n l o h e r Bibliogr. zur dt. Gesch. im Zeitalter der Glaubensspalt. 2, S . 305 u n d 5, S. 263.
Stöffler, Johannes (Nachtrag): K . S c h o t t e n l o h e r Bibliogr. zur dt. Gesch. im Zeitalter der Glaubensspaltung 2, S. 305t.
Hannemann Stoß, Peter, der aus einer Ravensburger Bürgerfamilie stammte, war Mönch des Zisterzienserklosters Salem (bei Überlingen) und starb nach den Klosternekrologen am 5. November 1485. Auf die Abtwürde von Königsbronn verzichtete er 1462 schon nach sechs Wochen propter miseram huius loci paupertatem. Wenn er auch nicht, wie in den Nekrologen steht, abbas in Olsperg gewesen ist, so muß er doch mit diesem Nonnenkloster in einer uns unbekannten Beziehung gestanden haben. Da er monachus in Salem genannt wird, hat er dauernd zu jenem Konvent gehört. Dort hat er wohl auch alle seine Werke geschrieben. In den Salemer Hss. der Heidelberger Univ.-Bibl. (Ende 15. Jh.) finden sich folgende, die in die Zeit von 1470—1483 fallen, soweit sich aus den Datierungen ergibt: vier P r e d i g t e n von 1470, 1475, 1479 in Cod. V I I 100, Bl. 49ff.,
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Sermones de tribus votis von 1480 und 1482 in Cod. V I I I 27, Bl. i f f . , Sermones in Cod. I X 9, Bl. 25—160 (ohne Datum), De origine indulgenciarum et sanctissimi jubilaei von 1475 in Cod. V I I I 27, Bl. 1 4 1 b bis 146 b, Tractatus de indulgenciis von 1479 in Cod. V I I I 27, Bl. 136—141, Indulgencia apostólica concessa ordini Cist. in extremis, extracta et concepta per fratrem Petrum Stoß ex bullis apostolicis (ohne Datum) in Cod. V I I I 27, Bl. 152b, Sentencia de sciencia et praesciencia von 1476 in Cod. V I I I 41, Nr. 14, Speculum infirmorum von 1478 in Cod. V I I I 27, Bl. 120—135b, Hystoria passionis Christi pro morientibus von 1483 in Cod. V I I 99, Bl. 82—109. Zu diesen theol. Werken kommt eine kirchenpolitische Streitschrift, die auch geschichtlich von Interesse ist: Breviloquium de papa et imperatore eorumque potestate von 1475, niedergeschrieben 1483, in Cod. V I I I 27, Bl. 147—152 b. Sie ist hervorgerufen durch das Schisma im Konstanzer Bistum nach dem Tode des Bischofs Hermann von Breitenlandenberg im September 1474, ein Schisma, das volle fünf Jahre dauerte, da weder der Papst von seinem Kandidaten lassen noch das Domkapitel die von der Kurie vollzogene Kassation der eigenen Wahl annehmen wollte, und ist in der Form einer Vision gehalten: eine trauernde Frauengestalt, die Konstanzer Kirche, klagt, daß sie mit zwei Männern verlobt sei, mit dem einen durch ihren Vater, den Papst, mit dem andern durch ihre Mutter, das Kapitel, und nun nicht wisse, Wem sie folgen solle. Der Mönch antwortet ihr mit einer allgemeinen Abhandlung über die Macht des Papstes, ohne auf den speziellen Fall Konstanz einzugehen. St. bringt nichts Neues, sein Verdienst besteht vielmehr darin, daß er die mal. Lehren über jenes Thema so kurz zusammenfaßte ; freilich waren sie längst überholt, der Papst hatte das Schisma sogar im entgegengesetzten Sinn beendet, bevor St. die endgültige Fassung schrieb. M. K r e b s Eine Salemer Stimme znm Konstanzer Schisma des Jahres 1474 Z f d G e s c h . des Oberrheins 87, 1935. S. 3 4 8 - 3 5 8 . R L a n g o s c h
Straub, Nicolaus — Der Stricker
Straub, Nicolaus. Das Ms. 35 der Leipziger Univ.-Bibl., eine Papierhs. des 15. Jh.s in obd. Sprache, enthält eine Übersetzung der vier Evangelien mit den Vorreden des Hieronymus. Die Schlußnotiz besagt: Subicio me correctioni melius transferencium, de nudo enim textu transtuli glosas non videns. Nicolaus straub subscripsit protonotarius (ob die Abkürzung mit proto richtig aufgelöst ist, ist nicht sicher) hallis. Der Sprache der Hs. nach ist mit hallis bzw. hallensis Schwäbisch-Hall gemeint. Seit 1351 ist dort der Name Straub öfter bezeugt, aber kein Nicolaus S. Mehr scheint über ihn nicht bekannt zu sein. E r schuf die Übersetzung unmittelbar nach dem L a t . selbständig, wie der Vergleich mit den andern Bibelübersetzungen lehrt, aber auch verschiedene Besonderheiten im Wortschatz, die häufigen Doppelübersetzungen oder glossenartigen Erweiterungen. Daneben kann man auch hier eine Übersetzungstradition erschließen, weil sich gewisse Gemeinsamkeiten mit den meisten andern Hss. in Wortwahl und Satzbau finden. E. Z i m m e r m a n n in Bibel und dt. Kultur 9, 1939, S. 70* ff.; dort auch Auszüge (die Perikopen Matth. 2, 1 — 1 2 und Joh. 2, 1 — 1 1 ; Matth. 9, 1 — 9 , Luk. 2, 1 —14, Joh. 5, 1 - 9 ) . g. ^
'Streit, Der geistliche', s. ' D e s T e u f e l s Netz'. Streitperger, Erhardus, s. E r h a r d u s im Nachtrag. Streytwicz, Michael. Im Cod. M I 128 der bundesstaatl. Studienbibl. Salzburg, der auch einen Text von Meister Albrants (s.d.) Roßarzneibuch und zwei Fassungen von Gottfrieds Pelzbuch enthält, stellt M. Streytwicz Bl. 3 1 8 a — 3 3 1 b Koch- und Konservierungsrezepte zusammen. g g u c jj 1 0 f Der Stricker (Nachtrag). 1. Einerinneren Geschlossenheit wie in dem Artikel Rosenhagens zog E h r i s m a n n die gattungsmäßige Behandlung in den zwar früher erschienenen, doch etwa gleichzeitig verfaßten Abschnitten seiner Literaturgeschichte vor (II, 2, S. 1 3 — 1 5 , 106—109, 345—347). Während die Beurteilungen der Epen (Daniel vom Blühenden Tal und Karl der Große) — wie in der späteren Literatur-
geschichtsschreibung überhaupt — nicht wesentlich voneinander abweichen, bestehen hinsichtlich der sog. Kleindichtung Unterschiede. Der Erzählung (mmre) stellte R. die Beispielrede (Mspel) und den Spruch gegenüber, ließ aber die Fabel auffallend unberührt. Dieselben Unterscheidungen traf auch E h r i s m a n n , doch ohne das gezwungene System; dies ist dem St. und der mhd. Uberlieferung sicherlich gemäßer (vgl. die Hs. H : ditz ist ein hubschez mere / von den Geuhuneren lobebere. Das Mspel der G. erscheint bei R. in der Reihe der Sprüche). Die Grenzen innerhalb der Gattungen können nicht scharf gezogen werden. 2. Die mehrfach angekündigte Gesamtausgabe von St.s Dichtungen durch K . Z w i e r z i n a ist nicht erschienen. Z. hatte die hsl. Überlieferung der kleineren Gedichte bekanntgemacht in C. v. K r a u s Mhd. Übungsbuch 2 (i92Ö), S. 279—284. Nachzutragen sind: H. N i e w ö h n e r A f d A . 54 (1935), S. 139 (Leipzig U B , Cod. Ms. 1614, Bl. 15); G. E i s ZfdA. 83 (1951), S. 1 2 8 I (Sammlung Eis); dazu einige Fragmente von 'Karl d. Gr.': G . E i s ZfdA. 74 (1937), S. 143f.; d e r s . Mhd. Schrifttum, in der Slowakei (1944) S. 46 — 55 (beide Fragmente Sammlung Eis); R. G r a g g e r Dt. Hss. in ungar. Bibl. (1921), S. 37 — 39 (Ungarisches Nationalmuseum).
R o s e n h a g e n s Auswahl von 13 Stücken der „Mären von dem Stricker" (1934, Ad. Textbibl. 35) wäre geeignet gewesen, das Fehlen der Gesamtausgabe zu überbrücken. Doch sowohl die philologische Unzulänglichkeit des Textes als auch die willkürliche Zusammenstellung der einzelnen Stücke (die Verfasserschaft St.s für Nr. 7 „ D a s Schneekind" ist zweifelhaft; vgl. H. N i e w ö h n e r , A f d A . 54 (1935), S. i39f., G. R o s e n h a g e n , das. S.2o8f.) machen die Ausgabe unbrauchbar. Die Begründung der Zusammenstellung (Ehestandsmären —Anekdoten), die R. nachträglich o . I V , Sp.295f. gab, überzeugt nicht. Nach einer Mitteilung K . Z w i e r z i n a s an C. B a i e r (s. u. 1934) handelt es sich bei den noch ungedruckten Nummern von St.s kleineren Gedichten ausschließlich um geistliche Stücke. 3. Einzelne Teilgebiete der Strickerschen Dichtung wurden in Dissertationen aufgegriffen :
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Stromer, Friedrich — 'Klagenfurter Sündenklagen'
M. M a u r e r Die Frauenehre von dem St. Freiburg 1927, mit dem ersten vollständigen Druck des Gedichtes. H. M a s t Stilistische Untersuchungen an den Kleinen Gedichten des St.s mit bes. Berücksichtigung des volkstümlichen und formelhaften Elementes Basel 1929. C. B a i e r Der Bauer in der Dichtung des St.s
1938. Es ist fraglich, ob an einer zunehmenden „moralisierenden Tendenz" einzelner Gedichte die Abfassungsfolge bestimmt Werden kann (so B a i e r S. io8f.); dies besonders aus dem Grunde, da zeitgeschichtliche Anknüpfungspunkte nahezu vollständig fehlen. Das gilt auch für die „Frauenehre", die meistens an das Ende des dichterischen Schaffens gesetzt wird. Obschon die Themen der beiden letztgenannten Arbeiten nicht zusammenhängen, kamen sie doch übereinstimmend zu dem Ergebnis, daß der St. zwar großen Anteil an der Schaffung der neuen Literaturepoche hatte, nicht aber an ihrer Entartung und Verwilderung. Sein Einfluß auf Seifried Helbling (s. d.) und Werner den Gärtner (s. d.) wurde von B a i e r für den Umkreis seiner Untersuchung herausgestellt. An mehreren Stellen berührte er dazu — durch briefliche Äußerungen Z w i e r z i n a s gestützt — die Frage der Doppelfassungen, die auch schon von R o s e n h a g e n (o. I V , Sp. 299) aufgeworfen wurde. — C. v . K r a u s (FF. V I , 19 30, S. 447) stellte aber auch von zweiter Hand angefertigte Prosanacherzählungen von St.s Mären fest und zog eine Parallele zu Hartmanns 'Armen Heinrich' (s. d.), dessen von J. K l a p p e r (1914) angenommene Quelle lediglich eine Prosanacherzählung ist. Eine Charakterisierung von St.s Fabeln im Rahmen der Fabelliteratur des MA.s unternahm A. S c h i r o k a u e r Die Stellung des Äsop in der Literatur des MA.s Festschrift für W . Stammler (1953) S. 186; Texte zur Gesch. der ad. Tierfabel Ad. Übungstexte 13 (1952) S. 9, 55f., und stellte fest, daß die zahlreichen Fabeln ihren Schwerpunkt auf die Moral hin verlagern und manchmal in ein bispel übergehen. 4. Die literarhistorische Stellung St.s zwischen der höfischen und bürgerlichen Literatur — beiden entrichtete er seinen
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Zoll — wurde wiederholt herausgestellt. Die doppelte Behandlung in den Annalen der deutschen Literatur (1952) (H. K u h n S. 171 f.; F. R a n k e S. 185t.) bringt sie erneut deutlich zutage. — R a n k e stellte den rationalistischen Realismus St.s als eine Grundtendenz des Gesamtwerkes heraus und zeigte an dem Beispiel von Volmars Steinbuch (s. d.) den Gegensatz der Zeitgenossen. Die Darstellung H a l b a c h s (Epik des MA.s Dt. Philol. im Aufriß, I I (1954), Sp. 643, 649) wird der dichterischen Persönlichkeit Sts. nicht gerecht. A. L e i t z m a n n Strickerstudien ZfdA. 81, 1944, S. 69 —84. G. S c h i e b Das Bloch P B B . 73, 1951, S. 422 — 429. H. de B o o r Gesch. der dt. Lit. 2, 1953, S. 192 — 195 und 4 1 6 I Vgl. auch Volmar, Verfasser des 'Steinbuchs'. _ _ ,, ,
S. Sudhof
Strömet, Friedrich, Nürnberger Dominikanerlektor, Prior (bis i486?) und Vikar der obd. Ordensprovinz. Von ihm eine Predigt v. J. i486 in Zürich, D 231, 281b bis 287a über die Ursachen der Sünde und ihre Heilmittel in der Nachschrift der Dominikanerinnen des Katharinenklosters (gedr. G. L o h r Aus spätmal. Klosterpredigten Zs. f. Schweiz. Kirchengesch. 38 (1944), S. 206—208). Sünden und Heilmittel sind als prunnen dargestellt, die Heilmittel sind Sakramente und einzelne Leiden Christi in seiner Passion. Kurt Ruh Stromer, Ulman (Nachtrag): A. K r e i n e r in Nürnberger Gestalten aus 9 Jhh. 1950, S. 20 — 24. Die Hss. würdigt L. S p o r h a n K r e m p e l Die Gleissmühle zu Nürnberg Archival. Zs. 49 (1954), S. 89—110.
'Summa Theologiae' (Nachtrag): L. L i e b e r t h Glossar und Reimwörterbuch zur S. Th. Masch.-Diss. Wien 1948. H. de B o o r Gesch. der dt. Lit. 1 (1949), S. 157 — 159, 162. M. P . B u t t e l l Relig. Ideology and Christian humanism in German Cluniac verse 1948, S. 84—89.
'Der Sünden Widerstreit' (Nachtrag): K. H e l m - W . Z i e s e m e r Die Lit. des Dt. Ritterordens 1951, S. 71, 187. TT
Hannemann
'Klagenfurter Sündenklagen', Fragmente von zwei gereimten Gebeten (30 u. 42 Verse) und einem dazwischen stehenden, stark verstümmelten Prosagebet (32 zum größten Teil fast unleserliche Zeilen der Hs.) finden
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' R h e i n a u e r (prosaische) Sündenklage'
sich auf einem am oberen Rande unter Verlust mehrerer Zeilen beschnittenen Pergamentdoppelblatt, das einem Klagenfurter Codex als Schutzumschlag gedient hat. Das erste Gedicht enthält den Schluß einer Sündenklage: Bitte um Bekehrung vom sündhaften Wandel an Christus mit Anspielung auf vorhergegangene (verlorene) Berufungen (1—8) und um Fürbitte an Johannes Evangelista (9—18). Ein Zusatz, der sich durch seine Reimtechnik deutlich als jünger erweist, wendet sich um Fürbitte an den Apostel Jacobus (19—30). Über das anschließende Prosagebet läßt sich kaum mehr sagen, als daß es in beschwörender, inbrünstiger Sprache um Schonung und Gnade fleht (Ganz kurze Bitten von dem immer wiederholten T y p : durch dine toufe, herre heiliger Christ, entlibe mir). Das zweite Gedichtfragment könnte die Einleitung zu einer groß angelegten Sündenklage darstellen (vgl. 44—46 und bes. 68—71). Es ist die Klage eines jugendlichen Sünders (37), der als Gottes Geschöpf um Gnade und Schutz des Schöpfers fleht. Dafür, daß hier zwei verschiedene Dichtungen zu unterscheiden wären (31—38 und 39—72), wie S p r o c k h o f f will, finden sich keine tragfähigen Anhaltspunkte. Die Sprache der Fragmente ist bayrisch, soweit der geringe Umfang einen solchen Schluß zuläßt. S c h ö n b a c h tritt für innerösterreichische Herkunft ein. Die Hs. entstammt nach seinem Urteil dem zweiten Drittel des 12. Jh.s Aus ihrem Sammelcharakter und aus der Interpolation am Ende des ersten Gedichtes ist auf ein höheres Alter der Originale zu schließen. H s . : Perg.-Doppelbl. der Bibl. der Ordinariatskanzlei K l a g e n f u r t , 2. Drittel des 12. Jh.s — Ausg a b e : A . E . S c h ö n b a c h Z f d A . 48 (1906), S. 87 bis 98. — L i t e r a t u r : P. S p r o c k h o f f Ahd. Katechetik Diss. Berlin 1912, S. 85; E h r i s m a n n II, 1,
'l84'
Hans Eggers
'Rheinauer (prosaische) Sündenklage'. 1. Die sogenannte Rheinauer Ski. ist ein fragmentarisch überliefertes Frauengebet, das in der Hs. 192 Prosazeilen umfaßt. Das Fragment dürfte nach dem Inhalt und der sorgfältigen Anordnung des Textes (rote
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Initiale zu Beginn jeder Bitte) einem gut ausgestatteten Frauengebetsbuch angehört haben. 2. Inhaltlich gliedert sich das F r a g m e n t in vier Teile. I. Schluß einer Einleitung, in der s u b j e k t i v gewendete B e r u f u n g e n gestanden haben dürften, vielleicht freilich nur die eine, die wir gerade noch rekonstruieren können: „ I c h rufe dich an in meiner N o t wie jener A u s s ä t z i g e " (Luk. 5, 1 2 f . ; die Sünde als A u s s a t z der Seele ?), do ir daz eiter an der hant hata vnder imo fil sere forhta (1 f.). Die anschließenden Zeilen m i t ihrer dreifachen Variation starker Selbstanklage sind deutlich als Schluß dieser Einleitung stilisiert: alse firwandele mih eitergun skelkin vnde mih blotigun sundarun vnde mih stinkinton in die sozi dinir tugindon (5 — 7). II. Berufungen aus Bibel und Legende, wie sie aus Sündenklagen und auch sonst b e k a n n t sind, v o m gegenüber der Einleitung umgekehrten (objektiven) T y p : „ T u mir, wie du dem N N . getan h a s t " (8 — 60). I I I . B e r u f u n g e n auf Christi Menschheit. W e n n schon ihn seine sündlose Körperlichkeit in N o t brachte, u m wieviel mehr dann den sündigen Menschen, den nur göttliche Gnade aus dieser Verstrickung lösen k a n n (61 — 132). I V . B e r u f u n g e n auf Christi Passion und A u f erstehung (133 — 192). Mit der B e r u f u n g auf die Auferstehung verbindet sich die B i t t e u m A u f nahme in die himmlische Schar (173 — 192). Sowohl am A n f a n g wie am Schluß k a n n nicht viel fehlen. D a s Gebet ist einer F r a u in den Mund gelegt, die sich wiederholt als armiu sundara bezeichnet.
3. Die beiden Doppelblätter, auf denen das Fragment überliefert ist, müssen das Innere einer Lage gebildet haben. B a c h m a n n s leise Zweifel an der Richtigkeit der Anordnung sind unbegründet: Bl. 2 a und 2 b können ohnehin nur in dieser Reihenfolge angelegt sein, und der Übergang von dem äußeren Bl. i b nach dem Innenblatt 2 a ist lückenlos, ebenso wie der gleiche Inhalt (Berufung auf Christi Kreuzestod) den Übergang von 2d nach dem am Kopf verstümmelten i c als einwandfrei erkennen läßt. Aus diesem Grunde ist auch die von F r . W i l h e l m (Kommentar S. 155) erwogene Möglichkeit abzuweisen, daß mit Zeile 145 (Beginn von i c ) ein anderes Gebet beginne. Der Plural des von ihm gewählten Titels „Rheinauer Gebete" wäre also höchstens insofern berechtigt, als jede einzelne Bitte nach Art des Rosenkranzgebetes ein in sich abgeschlossenes Kleingebet darstellen könnte. Aber auch das ist wegen des folgerichtigen und geschlossenen Aufbaus des
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Der von Suneck — Der von Tannebach
Ganzen wenig wahrscheinlich. Der von G. E h r i s m a n n geprägte Titel „Rheinauer (prosaische) Ski." ist nicht ganz glücklich gewählt. Zwar kommt das Sündenbewußtsein und Zerknirschung in inbrünstiger Sprache stark zum Ausdruck, aber das ist in vielen Gebeten der Fall, die deshalb doch nicht zu den Sündenklagen gerechnet Werden. Von diesen ist unser Denkmal außer durch die Gestaltung in Prosa vor allem auch dadurch getrennt, daß die für Sündenklagen charakteristische Aufzählung vieler Einzelsünden hier gänzlich fehlt. Auch ist der Grundgedanke ein anderer. Es geht hier nicht um Vergebung der Sünden, sondern um gnädige Verwandlung in einen neuen Menschen wegen und trotz der Sündhaftigkeit der Kreatur. Die Bezeichnung „Rheinauer Gebet" wäre daher besser angebracht. 4. Die Sprache des Denkmals ist alemannisch und zeichnet sich besonders durch die Erhaltung vieler voller Endsilben aus. Über die Abfassungszeit ist Sicheres nicht zu ermitteln. Terminus ante quem ist die Datierung der Hs. aus dem Schriftcharakter auf 1150—1170 (Fr. W i l h e l m Kommentar S. 154). Aber das Gebet ist gewiß nicht Original, sondern vielleicht durch mehrere Abschriftstufen gegangen. Dafür sprechen einige Stellen, die man als Interpolationen betrachten darf, z. B . vnde vmbe die zirstorde ierl'mis (35) und der einzige 'uns'-Passus (53—56) an Stelle des sonst strikt durch-
geführten Singular 'ich' usw., der außerdem auch mit der Erwähnung des Kreuzes dem vierten Teil vorgreift und überhaupt das gedankliche und stilistische Gefüge durchbricht. Demnach könnte B a c h m a n n s Datierung auf die Wende des 11./12. Jh.s für das Original etwa zutreffen.
Der von Talhain, einer der 'zwölf Meister' der Straßburger Hs. L germ. 662, die in Sprüchen gefeiert werden: Der von talhain sprichet maisterlich: der vater gebirt sein ewig wort sunder mitelich . . . (gedr. A. J u n d t Hist. du panthéisme populaire au moyen-âge 1875, S. 73, Anm. 2; A. S p a m e r P B B . 34, S. 351; der s. Texte aus der dt. Myst. des 14. u. 15. Jh.s 1912, S. 177). Es ist der ausführlichste dieser Sprüche. Die Terminologie ist eckhardisch. Schon aus diesem Grunde ist J u n d t s (S. 7 3 ! ) und S p a m e r s (Texte S. 175) Identifizierung mit Heinrich von Talheim, Franziskanerprovinzial der Alemannia superior und
Gegner Meister Eckharts in dessen Prozeß, fragwürdig (über ihn: J o h a n n i s V i t o d u r a n i 'Chronicon' Thesaurus Hist. Helv., Tiguri 1735, S. 3 of.). K u r t R u h
5. Einelat. Quelle ist nicht nachgewiesen, braucht auch kaum angenommen zu werden, obwohl F r . W i l h e l m auf eine ähnlich gestaltete lat. ' Oratio pro peccatis' hinweist (Kommentar S. 155). In der Sprache verrät sich jedenfalls kein lat. Einfluß, und das Baumaterial lag überall bereit, das hier zu allerdings bemerkenswert straffer Gestaltung zusammengefügt ist. Hs.: Zwei Perg.-Doppelbll., losgelöst vom Dekkel des Rheinauer Cod. pgm. 176, in der Züricher Kantonalsbibl., Mitte des 12. Jh.s Ausgaben und Lit.: A. B a c h m a n n ZfdA. 3z (1888), 50 — 57; F. W i l h e l m Denkm. dt. Prosa 1914, 64 — 69, Kommentar 154 — 156. — E h r i s m a n n II, 1, S. 183. _ TT
Hans Eggers
Der von Suneck (Nachtrag): C. v. K r a u s Dt. Liederdichter (1952), S. 426f.
d. 13. Jh.s
1
Süsskind von Trimberg (Nachtrag): M. S p a n i e r 5. v. Tr. Zs. f. Gesch. d. Juden in Deutschland 7 (1937), S. 138 — 155. R. S t r a u ß Jewish Social Studies 10 (1948), S. 19 — 30. C. v. K r a u s Dt. Liederdichter des 13. Jh.s 1 (1952), S. 421 — 425.
Hannemann
Der von Tannebach, einer der 'zwölf Meister', deren Kernlehren in Sprüchen der Straßburger Hs. L germ. 662 zusammengefaßt sind: Der von tannebach stat so nach da bev. Er secz das bilde der sele so rechte frey . . . (gedr. bei A. S p a m e r P B B . 34, S. 350). Vielleicht darf man an den Dominikanermagister Johannes von Dambach (s. d.) denken. Kurt Ruh
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Der Tannhäuser — Ten(n)gler, Ulrich
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Der Tannhäuser (Nachtrag):
entstandenen Te. von Fulda und Speyer führt auch F o e r s t e auf den von Bonifaz überlieferten lat. Text zurück. Sie übersetzen (abrenuntiastis enim diabolo, et) OmS. n o f f . (Leiche mit Faks. der lat. Kontrafaktur). nibus operibus ejus et omnibus pompis ejus H . d e B o o r Gesch. der dt. Lit. 2 (1953), S. 370 b i s 376. Zur T.-Ballade R. J a h n in Beitr. zur Gesch. mit uuerk(on) endi uuili(i)on, wogegen das von Stadt u. Stift Essen 60 (1940), S. 104 — 123 as. T. uuercum and wordum (vgl. ae. word (mit Nachbild, des T.-Liedes aus dem Essener „Befehl", Foerste S. 96) hat und damit ein Liederbuch) u. E. S e e m a n n Angebinde J. Meier zum 85. Geburtstag 1949, S. 190 — 193. JbfgPh. imperiis aus der westgotisch-mozarabischen Liturgie (Foerste S. 95) übersetzt. NF. 16/19 (1954). S. 641. Hannemann Das altwestfälische T. (aus Werden, Mitte des 9. Jhs., her. von G. F r e n k e n ZfdA. 71, 'Taufgelöbnis'. 1934, B r a u n e / H e l m Nr. 4 6 , 1 u. von 1. Das l a t . T. besteht aus festen Formeln F o e r s t e S. 9of.) hat auch uuerkon endi der äbrenuntiatio diaboli und der pro- uuillion und gesellt sich damit zu den fränk. fessio fidei, die in der einfachsten Form Ten. je drei Fragen enthalten. Bonifaz gebrauchte Neben den vier dt. Ten. sind einige Worte eine Formel, die in der äbrenuntiatio mit in einem Brief vom Erzbischof Hildebald dem heute noch gebräuchlichen katholischen von Köln, dem Hofkaplan Karls d. Gr., aus Taufformular übereinstimmt, in der pro- 812 erhalten: (Pompas autem nos dicimus) fessio aber kürzer ist. Nach Karls d. Gr. siniugel pardo sinen uuillen = siniu gelp Verordnungen von 789 sind die Formeln anda sinem uuillon ( F o e r s t e S. 103f.). Der erweitert worden. B a e s e c k e führt alle vier Satz muß aus einem Kölner T. stammen dt. Übersetzungen (die as., die fränk. aus (anda!). Wegen uuillon geht dieses altköln. Fulda und Speyer, die altwestfäl.) auf die T. mit den fränk. Ten. und dem altwestfäl. von Karl veranlaßte und in Mainz ver- T. zusammen, wegen der Koppelung gelpdeutschte Form zurück, während A g a t h a (on) anda uuillon für pompas ( F o e r s t e L a s c h und W i l l i a m F o e r s t e das as. T. S. 106f.) aber anscheinend auch mit dem (her. von E. S t e i n m e y e r Ahd. Sprach- as. T. denkmäler Nr. 3 u. B r a u n e / H e l m Ahd. Lit.: E h r i s m a n n I2, 1932, S. 295ff.; G. B a e Lesebuch Nr. 46, II) nicht direkt mit den s e c k e Di« ahd. und as. Te. GGN. 1944, S. 63 — 85; anderen in Zusammenhang setzen. Lasch D e r s . Die altdt. Te. F F . 21./23., 1947, S . 266 b i s hält den Verfasser für einen Angelsachsen, 268; A. L a s c h Das as. T. Neuphilol. Mitt. 36, 1935, S. 92 —133; W i l l i a m F o e r s t e Untersuch, der das Sächsische nur ungefähr getroffen zur westfäl. Sprache des 9. Jh.s Münstersche hat, Foerste vergleicht das wegen seiner Forschungen 2, 1950, S. 9 0 - 1 2 5 . ^ Kürze auffallende irische ' Stowe Missale', dessen Inhalt im wesentlichen aus dem Tauler (Nachtrag): 8./g. Jh. stammt, und stellt einen ZuEine vollständige Bibliographie der ins Ndl. sammenhang her mit entsprechenden mai- übersetzten Werke Ts. gibt St. A x t e r s in Ons ländischen u. spanisch-westgotischen Glau- Geestelijk Erf 1932, S. 231 f f . I. van Mierlo bensfragen. K . W i n k l e r Lit.-Gesch. des oberpfälz.-egerländ. Stammes 1 (1940), S. 69 — 73 u. 671 f. u n d 2 (1940), S . 363 — 369. H . K u h n Minnesangs Wende 1952,
2. Die f r ä n k i s c h e n Te. ('Fuldaer T.', her. von E. S t e i n m e y e r Nr. 4 u. B r a u n e / H e l m Nr. 16; 'Speyrer T.', her. von S t e i n m e y e r Nr. 4) sind in ihren Zusätzen älter als Karls Verordnungen 789, meint F o e r s t e S. 98f., weil die Aufnahme eines Artikels in ,,gallikanischer"Form (credis-per baptismum sanctum remissionem peccatorum? = gilaubistu thuruh taufunga sunteono forlaznessi ?) nach Karls Verordnungen nicht mehr möglich gewesen sei. Die wahrscheinlich in Mainz
Ten(n)gler, *Belial'.
Ulrich
(Nachtrag),
s. a.
Zu J (Leben). Aus Ts. Heidenheimer Kastnerzeit ist u. a. ein Originalschreiben vom 22. 4. 1493 an Herzog Georg erhalten über Streitigkeiten mit dem Fischer des Abtes von Neresheim und dem Ort Aufhausen (briefl. Mitteil. d. Direktion d. Württ. Hauptstaatsarchivs), ferner ein Bericht vom J. 1494 an die Rentmeister im Oberland über Pulverlagerung auf der Burg Hellenstein über Heidenheim (s. R. S t e i n Heidenheim im MA. 1918, S. 55 Anm. 60). Die Grafen von Helfenstein hatten Burg und Stadt 1448 an den Grafen Ulrich
1079
Ten(n)gler, Ulrich
von Württemberg veräußert, der sie aber schon 1450 an Bayern-Landshut weiterverkaufte. Erst 1504 fiel Heidenheim an Württemberg zurück (s. K . H. B ü h l er Gesch. der Herrschaft Heidenheim Masch.-Diss. Tübingen 1952). Über Ts. Beteiligung an der Verteidigung seiner Vaterstadt bei der Belagerung durch ein Reichsheer im J. 1463 ist nichts bekannt. Wie sein Schwiegervater Hans Jägerließ er der Kirche in Heidenheim Stiftungen zukommen. In den Jahren 1486 — 1488 lag er wegen der Zinsgüter der Herrschaft Heidenheim mit dem bayr. adligen Pfleger Kuntz von Aufsäss in Streit. Nachdem dieser dem Kastner vergeblich durch bewaffnete Knechte hatte auflauern lassen, wurden beide wegen Überschreitung ihrer Befugnisse 1488 von einer Kommission zurechtgewiesen (R. S t e i n a.a.O. S. 76f.). T. war also nicht unbedingt adelsfromm, wenn er auch meist in fürstl. Diensten gestanden hat. — Zu Ts. Anteil an der stadtrechtl. Gesetzgebung Nördlingens s. a. E. K u n z Die peinl. Halsger.Ordnung Kaiser Karls V. und das Nördlinger Stadtrecht inder 1. Hälfte des 16. Jh.s Masch.-Diss. Erlangen 1949, S. 11 —14, 27f. u. 32 f. Ein undatiertes T.-Autograph von 3 Folioseiten: „Fragment e. Kopie Nördlinger Privilegien aus dem J. 1398" wurde 1894 zum Verkauf angeboten (s. O. A. S c h u l z Autographen-Verz. Nr. 22 Lpz. 1895, Nr. 225). Im J. 1501 verhandelte T. mit Räten Maximilians in Nürnberg, im Frühjahr 1506 war er als Umrittskommissar für das umstrittene Neuburger Gebiet eingesetzt (s. F. v. K r e n n e r Baier. Landtags-Handlungen 15, 1805, S. 299), bei den Schlichtungsverhandlungen der Heidelberger Abrede vom 20. 6. 1509 erscheint er unter den Abgesandten der Pfalz ( K r e n n e r a.a.O. 17, 1805, S. 234f.), übrigens gemeinsam mit dem allerdings erst 1511 als humanist. Übersetzer hervorgetretenen Juristen und Diplomaten Dietrich von Plieningen (damals in bayr. Diensten), im Juli —August 1509 nahm er als einer der „schiedlichen" Räte an den kurpfälz.-bayr. Verhandlungen in Ingolstadt teil. Im Lsp. berührte T. diese persönliche diplomatische Tätigkeit nicht. Ts. Sohn und Nachfolger Ulrich hatte in Ingolstadt studiert (immatr. am 8. 12. 1507: Ulricus Tenngier de Höchstet non iuravit propter etatem). In Archivalien des Bayr. Hauptstaatsarchivs erscheint er im Juni 1518 als Ulrich T. der Jüngere, Landvogt von Höchstädt. Da er noch 1520, aber nicht mehr 1523 als „der Jüngere" bezeichnet wurde, setzt G. W u l z (briefl. Mitteil, des Stadtarchivs Nördlingen) den Tod des älteren Ulrich T. erst um 1520 an. — Zu dem arcium et iuris pontificii doctor et collegiatus Christoph T. s. K . P r a n t l Gesch. d. Ludw.-Maximil.-Univ. 1 (1872), S. 139 u. 188. G. F r h . v. P ö l n i t z Die Matrikel d. Ludw.Maximil.-Univ. 1937, S. 343 und P. R u f Mal. Biblioth.-Kataloge Deutschlands III, 2 (1933), S.229 (Anfertigung e. Bücherverzeichn. der Ingolstädter Artistenfakultät im J. 1508). K. E. G r a f zu L e i n i n g e n - W e s t e r b u r g Dt. und österr. Bibl. zeichen 1901, S. 131—134. Christoph T., der schon 1507 unter den Artisten Ingolstadts erscheint, gehörte
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dort zum Freundeskreise Joh. Ecks (s. G. B a u c h Die Anfänge d. Humanismus in Ingolstadt 1901, S. 89). Priester der Augsburger Diözese, war er seit 1531 im Besitz einer Freisinger Domherrenpfründe. Lochers Mirakelgedicht kam 1500 im Stil der Brantschen Einblattdrucke auch bei Jh. Bergmann in Basel heraus: De monstruoso puero nato in oppido Rain 15. 12. 1499, jedoch ohne Widmung an T. (s. A. S c h r a m m D. Bilderschmuck d. Frühdrucke 22, 1940, S. 38 u. 48, Abb. 1265). Z u 2 ( W e r k ) . Zur rechtsgeschichtl. W ü r digung des L s p . als eines d u r c h a u s zeitg e m ä ß e n Buches der zeitgenöss. „ F a c h l i t e r a t u r " , die w e n i g e r d a s „ V o l k " a l s die „bisherigen T r ä g e r des dt. R e c h t s - u. Ger i c h t s w e s e n s " a n g e s p r o c h e n h a b e , s. b e s . F . W i e a c k e r Vom röm. Recht 1 9 4 4 , S. 232 b i s 234. D e r s . Privatrechtsgesch. d. Neuzeit 1 9 5 2 , S. 8 9 L u . E . D ö h r i n g Gesch. d. dt. Rechtspflege seit 15001953, S. 2 8 9 t . , v g l . W . S t a m m l e r Kl. Schriften zur Sprachgesch. 1 9 5 4 , S. 1 3 f f. B e z e i c h n e n d f ü r die z e i t g e n ö s s . W e r t u n g ist S. B r a n t s V e r g l e i c h d e r j u r i s t . „ E n t d e c k e r " leistung des L s p . mit den F a h r t e n d e s K o l u m b u s u n d f ü r die m u t t e r s p r a c h l . B e m ü h u n g Ts. der Hinweis J . L o c h e r s a u f D a n t e (s. W . P . F r i e d e r i c h Dante's Fame A broad 1950, S. 346 f. - Z u m V e r h ä l t n i s B r a n t Klagspiegel zu T.-Laienspiegels.a. H . Z ö p f l Dt. Rechtsgesch. 14 ( 1 8 7 1 ) , S . 2 2 2 — 2 2 5 ) . E i n N a c h k l a n g dieser H y p e r b e l n a u s F r e u n d e s m u n d ist die E r w ä h n u n g T s . a l s e i n e s berümpt gelehrt Man in J u s t i n u s G o b i e r s W i d m u n g des den L s p . ablösenden „Rechten Spiegel" an K a r l V . , F r a n k f . M. 1550 (vgl. R . S t i n t z i n g Gesch. d. dt. Rechtswiss. 1, 1880, S. 5 8 4 ! ) . W e n n d e r L s p . p r a k t i s c h z. B . n o c h in d e r S t a t u t e n a m m l u n g d e s Nesselwanger Marktbuchs von 1584 nachw i r k t e (s. A . W o l f f A r c h . f. d . G e s c h . d . H o c h s t i f t s A u g s b u r g 4, 1 9 1 2 — 1 9 1 5 , S . 1 7 9 , 276) so w a r d o c h f ü r L s p . u n d K l a g s p i e g e l das J a h r 1560 das „ E p o c h e n j a h r " . E s bed e u t e t e die s o v o n T . s i c h e r l i c h n i c h t g e wollte A b d a n k u n g des dt. L a i e n r i c h t e r t u m s u n d den Sieg des „ t o t a l e n " Juristenhumanismus, der auch in der G a t t u n g des L s p . n o c h d a s j u r i s t . M A . , die S o n d e r g o t i k d e s d t . R e c h t s , b e k ä m p f t e , a u c h w e n n sie mit der grundsätzlichen W e n d u n g z u r gel e h r t e n J u d i k a t u r s c h o n auf d e m W e g e n a c h R o m war. In den Bibliotheken namentlich der städt. Verwaltungen scheint der L s p .
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Ten(n)gler, Ulrich
immerhin längere Zeit zum Handapparat gehört zu haben, vgl. für die Nördlinger Ratsbücherei E. K u n z a . a . O . S. 101, s . a . S. 1 1 — 3 3 und für die Ratsbibl. in Frankf. a.M. P. K ä g b e i n Dt. Ratsbüchereien bis zur Reformat. 1950, S. 24, für die Schweiz s. A. W a g n e r Peter Falcks Bibl. 1926, S. 44f. Auch Klosterbibliotheken war der Lsp. nicht unbekannt: schon 1514 führt ihn der Katalog des sächs. Zisterzienser-Klosters in Grünhain neben Sachsenspiegel, Belial und der Bambergensis auf (s. L. S c h m i d t N. Arch. f. sächs. Gesch. 20, 1899, S. 5), vgl. zu Amorbuch und Horb F. B e n d e l Stud. u. Mittl. z. Gesch. des Ben.-Ord. 34 (1913), S. 108 und J. R e s t Oberrh. Buchill. von 1475 bis 1530 Freib. 1925, S. 34.
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destens in drei Drucken vor (Venedig 1473, Leipzig um 1495 und Memmingen um 1500), während die Verdeutschung Gg. A l t s Ein nützlicher gerichteshandel in zwei Leipziger Ausgaben von etwa 1493 zur Verfügung gestanden hätte (s. G K W . Nr. 3652 — 3656 und A . S c h r a m m Der Bilderschmuck d. Frühdrucke 13, 1930, S. 3 u. A b b . 134V — Zum „Element der Exemplification" des Satansprozesses (R. S t i n t z i n g ) im Lsp. s. A. E. S c h ö n b a c h Mitteil d. H . V . f. Steiermark 46 (1898), 31 f. W . B r a n d l Seb. Wild, ein Augsb. Meistersinger 1914, S. 68f. (Nachwirkung in Petr. Meckels protestant. Kontrafaktur von 1571, einem geistl. Spiel, darinnen der Sathan Anklager des gantzen Menschlichen geschlechts ... ist}) und K . B u r d a c h Euph. 33 (1932), S. 51 f.
Die Verbindung des dt. Textes der Gold. Bulle mit späteren Reichsgesetzen war eine Eigentümlichkeit der dt. Ausgaben der Bulle Karls IV. als Vorläufer der Sammlungen von Reichstagsabschieden (s. 0. H a r n a c k Das Zu 3 ( Q u e l l e n ) . Im strafrechtl. Teil wesentKurfürstencollegium bis zur Mitte d. 14. Jh.s lich von der Bamberg, ausgehend, hat der Lsp. — darin auf die Karolina von 1532 hinführend — 1883, S. 182—195 und K . S c h o r b a c h Zur zur Ausbreitung der Rechtsreform SchwarzenBibliogr. d. Gold. Bulle Jb. d. Ges. f. lothbergs „über einen großen Teil Deutschlands in ring. Gesch. 5,1893, S. 245—252, vgl. H a i n wirksamster Weise beigetragen" (R. v. H i p p e l Nr. 4073—4081). T. stand auch hier schon Dt. Strafrecht 1, 1925, S. 163; vgl. H. B ö h l a u Krit. Viertj.-Schr. f. Gesetzgebung u. Rechtswiss. in einer Tradition; sein Verdienst war die 23, 1881, S. 560 — 565. L. G ü n t h e r Die Idee der Überleitung ihres Stromes in das Bett der Wiedervergeltung 2, 1891, S. 83 — 87. J. H e i m populärjurist. Literatur. Von 1474—1515 b e r g e r Die Teilnahme am Verbrechen in Gesetzgebung u. Litt, von Schwarzenberg bis Feuerbach lagen 9 lat. u. dt. Einzelausgaben der Gold. 1896, S. 99—101. A. S t ö l z e l Die Entwicklung d. Bulle vor. Sammlungen der Reichstagsabgelehrten Rechtsprechung 2, 1910, S. 94 u. 406f. schiede mit der Reformation Friedrichs III. N. S c h u l t e Öffentl. Strafe und Privatgenugtuung U. den Reformbeschlüssen namentlich des bei Ehrverletzungen 1913, S. 28 — 30. G. K i s c h Der dt. Arrestprozeß 1914, S. l o g f f . H. K r a u s e J. 1495 (vgl. K . Z e U m e r Quellensammlung Die geschichtl. Entwicklung des Schiedsgerishtswes. zur Gesch. der dt. Reichsverfassung 2 1 9 1 3 , in Deutschld. 1930, S. 5 i f . u. R. H i r s c h b e r g Nr. 166 u. 173) boten die Münchner, NürnDer Vermögensbegriff im Strafrecht 1934, S. 205 berger und Speyrer Drucke Schobsers, bis 207). Höltzels und Drachs (5 Ausgaben von 1501 Zu Ts. „seltsamer" Einstellung zur Rechtsbis 1508 verzeichnet J. W e i z s ä c k e r Dt. praxis des Folterns s. E. S c h m i d t D. Maximil. Halsgerichtsordnungen 1949, S. 1 5 4 ! Als besonReichstagsakten 1, 1867, S. I X — X V ) . Dem ders mal. erscheint die uneingeschränkte ÜberAbdruck der dt. Wiedergabe der Gold. Bulle nahme des Hexenprozesses mit der Vorstellung in 23 Kap. geht bei T. ein Hinweis auf des „Ringens zwischen Mensch und Teufel" und Wesen und Entwicklung des röm. Kaiserder Begleitvorstellung der Dämonenfurcht (H. F e h r Festg. f. R. Stammler 1926, S. 2 4 2 ! ; vgl. tums vorauf: Gott helff uns das es lang daW . S o l d a n - H . H e p p e Gesch. d. Hexenprozesse bey säligklich besteen mög. Einleitungshexa3 i , 1912, S. 344 u. 395). In Nördlingen setzte die meter u. Register der Bulle fehlen, während Hexenjagd erst Ende des 16. Jhs. ein (s. W. S o l der Zusatz zum 11. Kap. und die Einleitung d a n a . a . O . S. 5ooff. und G. W u l z Nördlinger Hexenprozesse Rieser Heimatverein 20, 1938, der Metzer Beschlüsse vorhanden sind. Der S. 42ff. und 21, 1939, S. 95ff.), zur Einwirkung Metzer Anhang ist im 23. Kap. zusammendes Lsp. auf den Hexenprozeß in Württembg. s. gefaßt, das mit den Sprachenbestimmungen A . K ö n i g e r Zs. d. Hist. Vereins f. Schwaben u. endet. Ts. Text stimmt nicht mit der älteNeuburg 33 (1907), S. 7 9 I und P. G e h r i n g Zs. f. württ. Landesgesch. 1 (1937), S. 167ff., zur sten Übertragung der Gold. Bulle — um „Mitverantwortung an dem Massenwahn" G. 1365 in Frankfurt a. M. — überein (s. die R a d b r u c h Elegantiae Juris Criminalis 1950 S. 48. Neuausg. W . A l t m a n n s in der S Z f R G . 18, Der 'Processus Satanae contra genus humanum' 1897, S. 107—147), ist aber nicht selbdes Bartolus de Saxoferrato lag zu Ts. Zeit min-
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'Teufelsbeichte'
ständig, sondern einer nicht weniger ver- 1 breiteten Verdeutschung entlehnt (Anfang: Wir Carolus der vierd von Gottes gnaden Römischer Kayser), die z . B . im Nürnberger Druck der dt. Bulle von 1474 ( H a i n Nr. 4077; auch die Kap.-Einteilung stimmt zum Lsp., s. H a r n a c k a.a.O. S. i86f.) wie in der Sammlung P. Drachs „Die gülden Bulle kaiser Friderichs reformation, des Reichs Landtfriden" Speyer 1508 (s. W e i z s ä c k e r a. a. O. S. X V ) leicht zugänglich war (auch der Wortlaut in der 1539 u. ö. von Seb. W a g n e r herausgebrachten Wormser Sammlung „Des Heyligen Römischen Reichs Ordnungen. Die Gülden Bull sampt aller gehaltner Reichsstäg Abschieden" stimmt mit T. überein). Es bleibt unentschieden, ob T. bewußt zwischen den konkurrierenden Übertragungen gewählt oder ob er sich nur der ihm zufällig bekanntgewordenen Wiedergabe angeschlossen hatte. Die Gold. Bulle beschließt den 1. Teil des Neuen Lsp., während die ,,Künigklich Reformation und Landtfriden im andern tail" vor dem Satansprozeß eingefügt wurden. Vor den ,,Additionen" des 2. Teils wies T. beiläufig auf die Reichslandfriedensgesetzgebüng Friedrichs I. hin. Der Grund für die Einschaltung der ungekürzten „Reformation Friedrichs III." und der maximilianischen Landfriedenserklärungen war, dieweil solch reformation und gemain landtfriden den schlechten Layen in regimenten und andern handlungen zu bürgerlicher und peinlicher rechtuertigung auch dienstlich. Da diese jüngeren Reichsgesetze dt. erlassen worden waren, bedurfte es für sie keiner übersetzerischen Hilfeleistung. Die Nachdrucker ließen es bei dem Stande des Neuen Lsp. mit der maximilian. Reichsjustizreform von 1495—1500 bewenden und steuerten keine „Addition" aus der Zeit der Carolina bei. So blieb auch der nachgedruckte Lsp. bis zuletzt das Werk Ts. — auf Kosten der Aktualität. Mit der Gold. Bulle und dem „ewigen Landfrieden" nebst der Augsburger Landfriedenserklärung waren immerhin wesentliche Gesetze des alten Reiches im Lsp. vereinigt. Fehlte darin die den Laien nicht unmittelbar berührende Kammergerichtsordnung von 1495, so schlössen sich doch Ts. Eidesformeln für Richter, Gerichtsschreiber und Redner dem For-
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mular des Kammergerichts an (vgl. Zeumer a.a.O. Nr. 174, § 3 — 6 ) . Der Anschluß an die Gesetzgebung des Reichs entsprach der Entwicklung des bayr. Gerichts- und Behördenwesens, s.W. H a r t z Die Gesetzgebung des ReichsDiss. Marb. 1931, S.31 f f . Die,,/?fc'formation" von 1442 hatte T. wohl vornehmlich wegen der darin gebotenen Einschränkung des „heimlichen Gerichts" aufgenommen, nachdem er die ,,Reformation, die Freischöffen und das heimliche Gericht zu Westfalen betreffend", die 1495 auf dem Wormser Reichstag publiziert worden war, schon im 2. Teil des Lsp. von 1509 — n a c h einer Erörterung der Zuständigkeiten des Königl. Hofgerichts zu Rottweil — wie die Arnsberger Reformation von 1437 im Auszug gebracht hatte. Im 3. Teil des Neuen Lsp. wies er beiläufig auch auf die Wormser ,,Satzung über die Gottslesterer" von 1495 hin: er hatte so keine der maximilianischen Justizreformordnungen übersehen, wenn er sie auch nicht alle wörtlich übernahm. Es fällt auf, daß er sich im Text zwar auf Hexenhammer und Klagspiegel, nicht aber auf die Bambergensis als Quelle berief, obwohl sie — 1507 erschienen — schon im J. 1509 in 9 Ausgaben vorgelegen hatte. Zu 6 (Buchschmuck). Zur Illustrierung der Straßburger Lsp.-Ausg. von 1511 (Brantbildnis ?) s. a. P. H e i t z Flugblätter d. Seb. Brant 1915, S. 6f. u. 12 und Tai. I l f . , vgl. F. R i t t e r Catal. des Incunables et Livres du i6e s. de la Bibl. Munic. de Strasb. 1948, S. 767 — 769. Zur Belehnungsszene im Lsp. von 1511 s. O. S c h o t t e n l o h e r Drei Frühdrucke zur Reichsgesch. 1938, S. i8f. u. 25, zur Bildausstattung der Augsburg. Ausgaben s. F. v. N e u f f o r g e Über den Versuch e. dt. Bibliothek als Spiegel dt. Kulturentwicklung 1941, S. 27 u. 434f. und C. v. S c h w e r i n Rechtsarchäologie 1 (1943), S.206. ^ H a n n e m a n n
'Teufelsbeichte' erzählt in 237 Verszeilen die Geschichte von der Beichte des Teufels, die dadurch auf nichts hinausläuft, weil der Teufel nicht an Gottes Gnade zu glauben vermag. In der lat. Quelle, dem 26. Kap.: 'De confessione cuiusdam daemonis' aus Caesarius von Heisterbachs (s. d.) 'Dialogus Miraculorum', erlangt der Teufel nicht die Vergebung seiner Sünden, weil er sich vor Gott nicht erniedrigen kann: Non possum me in tantum (sich dreimal am Tag zur Erde zu werfen und um Vergebung zu flehen)
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Thalhofer, Hans — 'Theologia Deutsch'
humiliare ei (Gott). Dieses Verhältnis zu Caesarius ist sehr merkwürdig und läßt vielleicht andere Quellen vermuten. C l o s s weist auf eine Parallele aus den 'Legenda aurea' des Jacobus de Voragine hin, auf Beeinflussung durch Konrad von Würzburgs (s. d.) 'Der Werlte Lon' und auf V . 231 des 'Wertions' (Ausgabe C l o s s s. unten): noch me danne ein fuler hunt, vgl. T. V . 23 noch erger denne ein fuler hunt = V . 165. D a aber der Verfasser der T. seinem lat. Vorbild sehr selbständig gegenüber stand, dürfte er auch aus sich heraus zu der Änderung des Motivs, weswegen die Beichte mißlang, gekommen sein (Hochmut zum Zweifel an Gottes Gnade). Dieser Zweifel ist im Wesen der Grund und nicht ,,Unfähigkeit zur R e u e " ( C l o s s 1934, S. 92), denn auf die Frage des Priesters, ob der Teufel Reue empfindet, antwortet dieser: Desn han ich niht, Waz umer mir darumb geschiht, Wan an der geschrifte stat, Daz nie kein man gedan enhat Gut ane helfe gots, daz glaubet, Priester, der gnaden bin ich beraubet (V. 211—216) und noch einmal ganz deutlich V . 220—222: Ez wurde unser niemer kein An keinen gnaden funden, Wan daz heil amme dufel gar was verswunden. Dieses Motiv hebt die dt. T. aus den sonstigen mehr oder weniger schwankartigen Histörchen heraus. So ist in dem mndl. Exempel die Antwort des Teufels auf die Frage des Priesters, ob er Reue empfindet: „Nein, mir tut es nur leid, daß ich so wenig sündigen darf" (Neen, mer mi is leet, dat ic der zünden also luttel doen mach). Die Märe von der T. war sehr verbreitet, vgl. C l o s s 1934, S. 93—96. Die T. ist in vier Hss. überliefert, die auf einen schon verderbten Archetypus aus der zweiten Hälfte des 14. Jh.s zurückgehen. Der Dialekt des Originals war rheinfränkisch. A. C l o s s Modern Language Review 27, Nr. 3, S. 297ff.; Ders. Weltlohn, Teufelsbeichte, Waldbruder (German. Bibl. II, Abt. 37) 1934 (Einleitung und Ausgabe). „ M- .
Thalhofer, Hans (Nachtrag): Zur Illustrierung d. Gothaer Fechtbuchs s. J. D ü r k o p Der Meister des Hausbuches Oberrhein. Kunst 5 (1932), s . 8 9 - 9 1 . H a n n e m a n n
Theoderich von Trier, Erzbischof dort 965 bis 977,dichtete eine,,Vita s. Liudtrudis" in 206 Strophen, die aus je drei Fünfzehnsilbern bestehen (8—u + y\j — ) . Seine Quelle War die Prosavita (AS. Sept. V I , S. 451 ff.), zu der er auch die in der ersten Hälfte übereinstimmende „Vita s. Pusinnae" (AS. April. III, S. iÖ7ff.) und die „Vita s. Hoyldis" (AS. April. III, S. 783ff.) herangezogen zu haben scheint. Dieser Rhythmus hat als historische Quelle daher nur geringen Wert, ebenso als Dichtung, selbst für das kulturarme, das „eiserne" 10. Jh. Wenn auch der Archetypus der Hss. erhebliche Fehler aufweist, d. h. die Überlieferung schlecht ist, so muß doch „das Gedicht schon für das 10. Jh. für eine formal sehr schwache Leistung erklärt werden, die einem Erzbischof nicht zu besonderer Ehre gereicht" ( S t r e c k e r ) . Die Verse sind nicht nur „sehr ungelenk", sie haben auch öfter eine Silbe zu viel, vielleicht darf man auch den nicht seltenen Mangel einer Silbe nicht der Überlieferung, sondern dem Original zuschreiben. Auch daß Th. sich nicht um den Reim bemüht, fällt in dieser Zeit auf und spricht gegen ihn. D a ß trotzdem diese Dichtung, deren Verfasser bisher in der Literaturgeschichte fehlte, ihre Bedeutung gehabt hat, dafür spricht die Überlieferung: K . S t r e c k e r konnte für seine Erstedition nicht weniger als drei Hss. heranziehen, von denen nur eine aus Trier stammt (sie ist freilich nur durch eine Kopie aus dem Jahre 1659 bekannt); die zwei aus Böddeken, 15. Jh.s, liegen jetzt in der Univ.Bibl. Münster i. W . ; vielleicht benutzte L . S u r i u s , d e r in „Deprobatis sanctorum historiis" V, 1580, S. 378 einen Auszug aus dem Rhythmus bringt, eine vierte Hs. Her. von K. S t r e c k e r MGH. Poetae V, 1937, s-
ff-
k . Langosch
'Theologia Deutsch' (Nachtrag): J. C h u z e v i l l e Les mystiques attemands du 13e au 19z s. 1935, S. 188 — 205. E. S c h r ö d e r Die Überlieferung des 'Frankf.' GGN. 1937. E . T e u f e l Die 'Dt. Theologie' im Lichte der neueren Forsch. Theol. Rundschau NF. 12 (1940), S. 99 —129. F.-W. W e n t z l a f f - E g g e b e r t Dt. Mystik zwisch. MA. u. Neuzeit 2 i947, S. 160 — 171 u. 324^ J. A. B i z e t Etudes Germaniques 3 (1948). K. H e l m W. Z i e s e m e r Die Lit. des Dt. Ritterordens 1951, S. 129t. TT
Hannemann
'Theophilus' — T h o m a s von A q u i n
'Theophilus' (Nachtrag). Zu 2: R . P e t s c h Der Aufbau des Helmstedter Th. Nd. Studien (Festschrift C. Borchling) 1932, S. 5gff.: der dramatisch wirkungsvolle zweiaktige Aufbau als Ausdruck der alles durchwaltenden zweiseitig - gegensätzlichen Gesamtauffassung. C. B o r c h l i n g Die Entstehungszeit des mnd. Th.spiels Vom Geist der Dichtung (Gedächtnisschrift für R. Petsch) 1949, S. 286ff. : die Urfassung noch im 14. Jh. im ostfälisch. Gebiet entstanden, unter Nachwirkung des franz. Spiels von Ruteboef. Die Helmstedter Hs. wohl erstes Viertel des 15. Jh.s (T 1440 bis 1460). l Wolff Theophilus Presbyter, Verfasser der ,,Diversarum artium schedula", gehört ins 11. Jh. Dies und daß er „die Malgewohnheiten der klassischen Zeit des Reichenauer Skriptoriums vom Jahrhundeitanfang gut kannte und sie an dessen Ende in seinem Lehrbuch niederschrieb, nachdem er auch andere Malschulen, Regensburg, Salzburg, Köln, vielleicht auch Echternach kennengelernt hatte", machten „ Quellengeschichtliche Untersuchungen", die in München vom Zentralinstitut für Kunstgeschichte gemeinsam mit andern Münchner Fachinstitutionen in einem Praktikum durchgeführt wurden, wahrscheinlich: 1. B. B i s c h o f f Die Überlieferung des Theophilus - Rugerus nach den ältesten Hss. — 2. St. W a e t z o l d t Systematisches Verzeichnis der Farbnamen. — 3. H. RoosenRunge Die Buchmalereirezepte des Theophilus Münchner Jb. der bildenden Kunst, 3. Folge III, IV (1952/3), S. 1 - 2 7 . K L Thomas, Bruder. Von ihm eine Predigt über Ps. 137, 1 in St. Gallen 955, Heidelberg, Pal. germ. 24 und Brüssel 11083/84: In conspectu angelorum psallam tibi, Deus meus. In Danielis buch, des künyncks, hiez die verstanden uß lesen, das man sy lernte . . . und bevall sy eime meister. Sie ist ein schönes Beispiel für die allegorische und mystische Predigtweise des spätem 13. Jhs. (*St. Georgener Prediger', s. d.): die drei Erzengel Michael, Gabriel, Raphael (ausgelegt nach der Tradition des Hieronymus als quis ut Deus? medicina Dei, fortitudo Dei)
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sind die Meister des Gesanges; sie lernen uns in rechter Weise den Psalter singen, sie führen uns zu Jubel und Tanz, in mentis excessu, zu einem vollen Genießen göttlicher Süßigkeit. — Den Namen des Autors überliefert nur Sang. 955. bei
A b d r u c k der Predigt n a c h der St. Galler Hs. A. E. S c h ö n b a c h W S B . 153, 4 (1906),
S' I 4 4 ~ 1 4 8 '
K u r t Ruh
Thomas, O. P. (Nachtrag). Th., bichtvatter zu der steigen (s. o. IV, Sp. 443), ist sehr wahrscheinlich identisch mit Thomas von Lampertheim (s. d.), der im Jahre 1488 als Vikar des 1487 mit Dominikaner-Reformschwestern besetzten ehemaligen Augustinerinnenklosters s. Mariae Steigae Superioris (Obersteigen) im Unterelsaß eingesetzt wurde. Thomas von Lampertheim (Lamperten, Lampertius, Lampacher) gehörte als Lektor dem Dominikanerkonvent zu Gebweiler (Oberelsaß) an; 1482 wird er als Prior genannt. Er wurde 1483 beauftragt, die zur Durchführung der Ordensreform in das Kloster Klingental bei Basel gebrachten, aber von dem reformfeindlichen Konvent wieder vertriebenen Dominikanerinnen anderweitig unterzubringen; die Schwestern kamen dann einige Jahre später in das leerstehende Kloster Obersteigen. Bis 1501 wird Thomas v. L. mehrfach als Vikar und Visitator von Dominikanerinnenklöstern erwähnt. Quellen u. Forsch, z. Gesch. des Dominikanerordens in Dtld. 7, 1912, S. 20, 53, 77, 821".; 10, 1914, S. 6, 11, 23, 130; 24, 1928, S. 8 i f .
Hans Hornung Thomas von Aquin (Nachtrag): G. M ü l l e r Scholastikerzitate bei Tauler D V j . Schr. 1 (1923), S. 405 —414. M. G r a b m a n n Die Autographe des Hl. Th.v.A. H i s t j b . 60 (1940), S. 514 — 537. G. S c h i e b E. mhd. Übersetzg. der 'Summa' Masch.-Diss. Leipzig 1943. K . H e l m W . Z i e s e m e r Die Lit. des Dt. Ritterordens 1951, S. 134 — 1 3 6 . K . R u h Th. v. A. in mhd. Sprache Basler Theol. Zs. 7 (1951), S. 341 —365. W . S t a m m l e r Dt. Scholastik Z f d P h . 72 (1953), S. 7 bis 11, K . R u h ebenda S. 24 — 53 (trinitar. Spekulation). Die Königsberger mhd. 'Catena aurea' fiel dem K r i e g z u m Opfer. A u s g a b e der S t u t t g . Hs. durch B . Q u . M o r g a n MGH.-Translation of the 'Summa Theologica' by Thomas Aquinas 1950.
Hannemann
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Thomas von Kempen — 'Totentanz'
Thomas von Kempen (Nachtrag): Ü b e r s e t z u n g e n : Buchr.: W e n d e l i n M e y e r Asketische Schriften des gottseligen Thomas von Kempen I. Die Ordensfrau im Hause Gottes ('De disciplina claustralium'); I I . Die Ordensfrau im Ringen um ihre Vollendung ('Hortulus rosarum', 'Libellus spiritualis exercitii', 'Brevis admonitio spiritualis exercitii') 1950 ff. L i t e r a t u r : F . und L . K e r n Prolegomena zu einer neuen Textausgabe der Imitatio Christi A n nuaire de l ' I n s t i t u t de philol. et d'hist. orientales et slaves I X , 1949, S. 313 — 340. M. L ü c k e r Meister Eckhart und die Devotio moderna 1950.
M. Lücker Thomas von Lampertheim (Nachtrag): L . P f l e g e r Zur hsl. Überlief. Geilerscher Predigttexte A r c h i v f. elsäss. Kirchengesch. 6 (1931), S. 202f. V g l . C h r . v . H e u s i n g e r Studien zur oberrhein. Buchmalerei und Graphik im SpätMA. Masch.-Diss. Freib./Br. 1953, S. g i f .
Thomasin von Zerklaere (Nachtrag): K . - H . H a l b a c h in W . S t a m m l e r Dt. Philol. im Aufriß II, 1953, Sp. 647. H . d e B o o r Gesch. der dt. Lit. 2 (1953), S. 403 — 408 und 426.
Tilesius, Hieronymus s. Schernberg, Dietr. K . S c h o t t e n l o h e r Bibliogr. zur dt. Gesch. im Zeitalter d. Glaubensspaltung 2, S. 331.
'Tochter Sion' (Nachtrag), s. a. Albert der Große und Engelberti, Ulrich. Zu A b s . 3: I n der Landesbibl. Karlsruhe befindet sich nur eine Hs. der Prosaübertragung der 'T.S.', nämlich die Papierhs. St. Georgen 79, B l . 316" — 3 2 1 " (Th. L ä n g i n Dt. Hss. d. Großh. Bad. Hof- u. Landesbibl. 1894, S. 40f. ist hier ungenau). Die ehem. Weingartner Hs., 15. Jh., ist die v o n K . L ö f f l e r beschriebene Hs. der Landesbibl. S t u t t g a r t H . B . I, 38 (Die Hss. d. Klosters Weingarten 1912, S. 122). TT
Hannemann
Toke, Heinrich (Nachtrag). Die Pap.-Hs. Wolffenbüttel Landesbibl. Helmstedt 139b hat T. um die Mitte des 15. Jh.s ganz oder wenigstens größtenteils selber geschrieben: Rapularius domini mag. Hinrici Token, sacre theologie doctoris eximii, quem Semper secum detulit quocunque pergebat et quottidie conscribebat, que memoranda occurrebant. . . Vor dem „Rapularius", der mit Bl. 14b beginnt, stehen Nachträge Ts. zum Buchstaben A. Das Werk ist „eine leidlich nach dem Alphabet geordnete Sammlung von Lesefrüchten, persönlichen Erinnerungen und Betrachtungen", die vor allem über die christliche Morallehre handeln, aber Verfasserlexikon V .
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auch über das kirchliche Leben seiner Zeit, dazu geschichtliche, geographische, völkerkundliche Bemerkungen enthalten. Moralphilosophisches und Theologisches schöpfte er vor allem aus der enzyklopädischen Chronik des Dominikaners Johannes de Podio, Historisches und Geographisches aus einer Bremer Chronik. A u s z ü g e her. v o n P . L e h m a n n Hss. I (MSB. 1929, 1), S. 29ff.
Mitteil,
aus £
R . H o l t z m a n n Zur Baugesch. des Slraßb. Münsterturmes Els.-Lothring. Jahrb. 11 (1932), S. 309 — 313 (Reisenotizen aus dem 'Rapularius'). P . R u f Mal. Bibl.-Kataloge Deutschlands und der Schweiz I I I , 3 (1939), S. 7 6 6 I (Nürnberg. B ü c h e r verzeichnis v o n 1431). P . C l a u s e n II. T. Beitrag zur Gesch. d. Baseler Konzils Diss. J e n a 1939. H . L ö b e l Die Reformtraktate des Magdeb. Domherrn H. T. Ein Beitrag zur Gesch. der Reichs- u. Kirchenreform im 15. Jh. Masch.-Diss. G ö t t i n g e n I949'
Hannemann
'Totentanz'. 1. T e x t ü b e r l i e f e r u n g . A . ' W ü r z b u r g e r T . ' Hss.: Cgm. 270, Bl. 1 9 2 b bis 1 9 7 b (M 1 ), Cod. x y l . mon. 39 (M2), C g m . 2927, Bl. 1 3 a — 1 5 b (M3), Cod. palat. 314, B l . 7 9 a — 8 0 b (H 1 ), Ms. germ. fol. Berol. 19, B l . 224 — 227 (Berl.). — D r u c k e : Cod. palat. 438, B l . 1 2 9 a — 1 4 2 b (H 2 ). — Inschriften: U l m , her. v o n R . W e s e r , Ulmische Bll. f. H e i m a t , Gesch., K u n s t u. D e n k m a l s p f l . 1 (1924/25), N r . 10, S. 81 — 8 3 ; Basel, her. v o n H . F . M a s s m a n n Die Baseler T., 1847.— K r i t . T e x t her. v o n W . F e h s e Z f d P h . 40 (1908), S. 83—90; H . R o s e n f e l d 1954. ' W ü r z b u r g e r T . ' (lat.): Cod. palat. 314, B l . 7 9 a — 8 0 b ; her. v o n W . F e h s e Z f d P h . 40, S. 9 0 — 9 2 ; H . R o s e n f e l d 1954. C. ' W e s t f ä l i s c h e r T . ' : Ms. germ. fol. Berol. 735, her. v o n W . S e e l m a n n N d j b . 11 (1885), S. 1 2 6 f f . ; krit. T e x t her. v o n H . R o s e n f e l d 1954. D . ' L ü b e c k e r T . ' (Inschrift v o n 1463) her. v o n W . D a h m e Die nd. Verse von 1463 und die hd. Verse von lyoi 1929. — (Buch v o n 1489) her. v o n H . B a e t h k e 1876. E . ' B e r l i n e r T . ' (Inschrift) her. v o n W . K r o g m a n n 1937. F . ' H a n n o v e r s c h e r T . ' her. v o n E . B o r c h l i n g N d j b . 28 (1902), S. 25 — 3 1 . G . ' M i t t e l r h e i n i s c h e r T . ' : K a s s e l Ms. poet. 5. — D r u c k e : Der doten dantz mit figuren Heidelberg 1485; Mainz 1492; München 1510. — K r i t . T e x t her. v o n M. R i e g e r Germ. 19 (1874), S. 257 — 280. F . ' N o r d b ö h m i s c h e r T . ' : her. v o n K . J. S c h r ö e r Totentanzsprüche Germ. 12 (1867), S. 296 — 309 G . ' B e r n e r T . ' : her. v o n P . Z i n s l i 1953 (Berner H e i m a t b ü c h e r 54/55).
2. ' W ü r z b u r g e r T o t e n t a n z ' . Der Volksglaube an den nächtlichen Tanz der unerlösten Armen Seelen über den Gräbern Und die in Frankreich entstandene lat. 35
'Totentanz' Todeselegie ,,Vado mori" sind die Grundlagen für die T.-Verse, die ein Würzburger Dominikaner unter dem erschütternden Eindruck des Massensterbens durch die Pest etwa 1350 lat. verfaßte. Zunächst sind es Monologe der Neuverstorbenen aus allen Ständen vom Papst und Kaiser bis zum Kind (24 Figuren), die in zwei leoninischen Hexametern beklagen, daß sie in den ekelhaften perversen Tanz nach der Pfeife des Todes über den Gräbern mit den schon vermoderten anderen Toten gezwungen werden. Dominikanermönche am Eingang und am Schluß warnen vor sündhaftem Leben, unbußfertigem Tode und Jüngstem Gericht. Eine zweite (nicht erhaltene) Fassung gab auch den verwesten Leichen, in deren Reigen die neu Verstorbenen sich einreihen müssen, lat. Antwortverse in den Mund, die lediglich ein Echo zu den Monologen der Neuverstorbenen sind. Diese Fassung wurde auf Bilderbogen in Dominikanerkreisen als Anregung für Bußpredigten und als Andachtsbild verbreitet. Ein von der Pest genesener franz. Parlamentsprokurator J. Le Fevre bearbeitete 1374 die Hexameterpaare zu achtzeiligen franz. Reimzeilen, mit denen später 1424 das Pariser Totentanzwandgemälde beschriftet wurde. Der lat. Würzburger Fassung folgte alsbald, und zwar zwischen 1350 und 1370 und eindeutig in Würzburg verfaßt, eine getreue dt. Übersetzung, die auf Bilderbogen sich bis zu den Alpen und bis zur See verbreitete und nun weitesten Kreisen als erbaulicher Wandschmuck und als Abwehrmagie gegen den plötzlichen Tod diente und dann auch als Malvorlage für Monumentalgemälde dienen konnte. Früheste bekannte dt. T.Wandbilder sind der T. in der Wengenkirche in Ulm (1440) und die Baseler T. (1440), letztere um 15 Figuren vermehrt und bereits nach einer Buchvorlage gemalt. 3. 'Nd. T o t e n t ä n z e ' . Auch der franz. T., die Danse de macabre, wurde, ehe der Buchdruck sich seiner bemächtigte, in Bilderbogen verbreitet und wirkte nach Spanien, Italien, nach den Niederlanden und Deutschland hinüber. Das westfälische Bilderbogenfragment (etwa 1430) bietet eine ziemlich getreue Übersetzung des franz. Textes. Auch im T. der Marienkirche zu Lübeck (1463)
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finden sich Anklänge an Paris, die aber durch ein ndld. Zwischenglied vermittelt wurden. In der Beschränkung auf 24 Figuren und in Einzelheiten wirkte noch der Würzburger Text nach, und das Teufelspiel des Osterspieles führte den Textdichter dazu, den T. dramatisch eindrucksvoll zu gestalten. Der Anlaß für den Ersatz eines älteren T. durch diesen moderneren war das Herannahen der Pest, deren Gefahr man durch den T. bannen wollte; die Bilder schuf nach dem ndld. Vorbild der damals noch jugendliche Meister Bernt Notke. Der Lübecker Totentanz wurde von den Hamburger Franziskanern in franziskanischem Geiste umgestaltet; die Geistlichen und die Laien werden getrennt und aus der dominikanischen Warnung vor Sünde und Gericht wird ein Hinweis auf den stellvertretenden Tod Christi und das Erbarmen Gottes. Wir kennen den Hamburger T. nur durch den T. in der Berliner Marienkirche (1484), wo das Bild des Gekreuzigten nun auch äußerlich in den Mittelpunkt gestellt wird. Der Lübecker T. von 1489 ist willkürliche Aufschwemmung zu einem erbaulichen Buch, der Hannoversche Totentanz (16. Jh.) eine Spätform, die nur noch den Tod sprechen läßt. Er schließt die Entwicklung ab, die aus den verwesten, gleichgestellten Tanzpartnern der Neuverstorbenen erst Sendboten des Todes mit den Attributen des Spielmanns und Totengräbers Tod werden ließ, um schließlich aus der ursprünglichen Totengestalt eine Personifikation des Todes selbst zu machen. Die einzelnen Texte tragen dieser Verschiebung der Vorstellung in verschiedenem Maße Rechnung. 4. 'Md. T o t e n t ä n z e ' . In Mainz entstand um 1450 unter den Einfluß des franz. T. ein mittelrheinischer Text, der zwar wörtliche Anklänge an den Pariser Text hat, aber nicht ganz die Tradition des Würzburger Totentanzes verleugnet. Er ist in seiner Haltung großstädtisch und franziskanisch und weist demgemäß die gleichen franziskanischen Elemente auf wie der HamburgBerliner T., während die Bilder, dem Ernst des Textes ganz unangemessen, das alte Tanzmotiv überspitzen und durch eine Revue der verschiedensten Musikinstrumente in den Händen der Todesgestalten veräußer-
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Treitzsauerwein, Marcus — Tucel, Burkhardt
liehen. Wir fassen diesen T. in einer Prachths. von 1460 und in mit Holzschnitten illustrierten Inkunabeln und Frühdrucken. Der nordböhmische T. ist weitgehend eine Reduzierung des mittelrheinischen auf die halbe Verszahl, zeigt daneben ein Beharren in der Würzburger Tradition, aber auch eine eigene Färbung und franziskanische Frömmigkeit. 5. R e n a i s s a n c e . Das Grauen vor der Unbegreiflichkeit des Massensterbens rief die Vision des T. hervor, ein Mahnruf zur Buße, eine Erinnerung an die Kreatürlichkeit des Menschen, dann auch mit Elementen der Ständesatire verbunden, aber jedenfalls in kultisch-magische Gedankengänge verflochten. Im Berner T. des Nikiaus Manuel (1516—1519) beginnt unter dem Einfluß der Renaissance die Auflösung. Die Gestalten der Ständerevue sind maskierte Porträts von Zeitgenossen, mit ihren Wappen als solche bezeichnet, und der geschlossene Reigen der Frühzeit wird hier endgültig in isolierte Einzelpaare zerrissen. Noch steht Manuel unter Einwirkung des Baseler T. und unter dem Bann des mittelrheinischen T. mit seinem Hinweis auf die Barmherzigkeit Gottes, aber aufklärerischer Rationalismus beginnt, den T. zur Polemik zu mißbrauchen, und Renaissance-Optimismus entkleidet den Tod seines Grauens. Holbeins „Bilder des Todes" (1521—1538) verflüchtigen vollends das Grauen des Todes zu einer Allegorie der Vergänglichkeit und machen die Totentanzmotive zu psychologisch durchdachten, realistischen Bildern des Sterbens ohne tieferen Anruf und ertöten damit die T.-Idee. Unter dem lähmenden Banne der Holbeinschen Gestaltung haben die T. der folgenden Jhh. nie mehr zum eigentlichen Anliegen des mal. T. zurückgefunden.
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L i t e r a t u r : W. S e e l m a n n Die T. des MA NdJb. 1 7 (1891), S. 1 - 8 0 , W. L. S c h r e i b e r Die Totentänze Zs. f. Bücherfr. 2, 2 (1898/99), S. 291 bis 304; 3 2 1 — 3 4 2 . W. S t a m m l e r Die T. des MA. 1922; D e r s . Totentanz Merker-Stammler 3 -