Die deutsche Literatur des Mittelalters: Band 1 Aalen - Futerer [Reprint 2022 ed.] 9783111419770, 9783111055411

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Vorrede.
Abkürzungen.
Mitarbeiter.
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E
F
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Die deutsche Literatur des Mittelalters: Band 1 Aalen - Futerer [Reprint 2022 ed.]
 9783111419770, 9783111055411

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DIE

DEUTSCHE DES

LITERATUR

MITTELALTERS *

VERFASSERLEXIKON HEBAUSGEGEBEN

VON

WOLFGANG STAMMLER ERSTER

BAND

VERFASSERLEXIKON DES

DEUTSCHEN

MITTELALTERS

UNTER MITARBEIT ZAHLREICHER FACEGENOSSEN HERAUSGEGEBEN VON

WOLFGANG STAMMLER

BANDI 1. L I E F E R U N G

BERLIN

UND LEIPZIG

1931

W A L T E R D E G R U Y T E R & CO. VORMALS G. J . GÖSCHEN'SCHE VERLAGSHANDLUNG - J . GUTTENTAG VERLAGSB U C H H A N D L U N G - G E O R G R E I M E R - KARL J . T R Ü B N E R . V E I T & C O M P .

I

Der Kauf

der ersten

Mittelalters

Lieferung

verpflichtet

des Verfasserlexikons zur Abnahme

des ganten

des

deutsehen

IPerkes

Das Verfasserlexikon des deutschen Mittelalters wird einen Umfang von ungefähr 120 Bogen haben und in Lieferungen von vier bis fünf Bogen ausgegeben werden. Der Subskriptionspreis für die einzelnen Lieferungen wird ca. UM 5.— betragen. Je größer die Zahl der Abonnenten ist, desto eher besteht die Möglichkeit, den Preis unverändert zu lassen oder herabzusetzen. Der Verlag muß sich vorbehalten, gegebenenfalls den Preis für die Lieferung zu erhöhen.

Vorrede. „Nur im vollen Zusammenwirken aller einzelnen Disziplinen der geschichtlichen Erforschung des mittelalterlichen Geisteslebens kann eine Annäherung an das Ziel der mittelalterlichen Philologie stattfinden, zu dem dieses Buch mit heißem Bemühen emporstrebt." Konrad Burdach.

Als der Verlag Walter de Gruyter & Co. vor Jahren an mich mit dem Vorschlag herantrat, ein 'Verfasserlexikon des deutschen Mittelalters' in die Wege zu leiten, sagte ich nach einigem Überlegen zu. Dabei bestimmte mich vor allem die Erwägung, daß ein solches Unternehmen einem dringenden Bedürfnis der Wissenschaft entspricht. Die vorhandenen Hilfsmittel dieser Art, der erste Band von Goedekes 'Grundriß' und die 'Allgemeine deutsche Biographie', sind zum größten Teil veraltet und schaden infolge ihrer heute meist überholten Nachrichten mehr, als daß sie nützen. Und die Lexika von Brümmer, Krüger, Kosch erheben nicht den Anspruch einer wissenschaftlichen, möglichst nach Vollständigkeit strebenden Zusammenfassung. Von vornherein war es mir klar, daß ein solches Verfasserlexikon nicht nur die sogenannte „schöne" Literatur enthalten dürfe. Bei der Eigenart der mittelalterlichen Überlieferung mußten vielmehr a l l e S c h r i f t s t e l l e r aufgenommen werden, d i e in d e u t s c h e r S p r a c h e e t w a s v o n sich v e r l a u t e n ließen. Nur so konnte ein richtiges und umfassendes Bild von dem Reichtum des mittelalterlichen Schrifttums in deutscher Sprache gegeben werden; nur so konnten schiefe Betrachtungsweisen vermieden werden, die sich leicht bei einseitiger Blickrichtung, allein auf die Dichtung oder wohl gar nur auf deren Höhepunkte, einstellen und in der Tat mitunter eingestellt haben. Der Überfluß und die weite Fülle an großen und kleinen deutsch schreibenden Dichtern und Prosaikern wird jetzt erst ganz erfaßt werden können, wenn nach Vollendung des Verfasserlexikons die Namen und Werke verzeichnet sind. Ferner: auch die historische, philosophische, theologische, juristische, medizinische und naturwissenschaftliche Literatur fällt in den Arbeitsbereich des Germanisten und ist seit je von ihm eifrig untersucht worden; vielfach hat die deutsche Philologie in Betrachtung und Würdigung dieser Denkmäler erst die Bahn gebrochen. Die deutsche Sprachgeschichte wird noch mehr, als bisher bereits geschehen, sich ihnen zuwenden müssen, um die Entwicklung der deutschen Prosa im Mittelalter zu erkennen. Und jeder Forscher der aufgezählten nichtphilologischen Gebiete wird der Mitarbeit des Germanisten, und somit auch dieses Verfasserlexikons, nicht entraten können. Da indes ein großer Teil der mittelalterlichen Literatur ohne Verfassernamen überliefert ist, müssen auch diese anonymen Werke unter den in der Wissenschaft eingebürgerten Titeln behandelt werden. Schließlich wurden diejenigen mittellateinischen Autoren oder Schriften aufgenommen, welche für die deutsche Literatur und Geistesgeschichte bedeutsam gewesen sind. Bei manchen Epochen und Autoren war solche Auswahl nicht schwer; bei anderen kann man schwanken, ob sie hierher gehören oder nicht. Ich bin mir bewußt, hierin I

Stammler, Verfasser-Lexikon

VI

Vorrede

unsicher vorgegangen zu sein; mancher wird den vermissen, jenen überflüssig finden. Eine volle Übereinstimmung wird da nie zu erzielen sein, und ich muß in Bezug auf die Auswahl um ein schonendes Urteil bitten. Einem Vorwurf zu begegnen bin ich gefaßt: daß ich das mittelniederländische Schrifttum nicht berücksichtigt habe. Aber dann wäre das Verfasserlexikon über die Ufer getreten; das Bessere wäre ein Feind des Guten geworden. Ein Seitenstück der Art möchte ich unseren Stammesvettern in den Niederlanden und Vlandern überlassen, die dazu besser gerüstet sind. Was heißt aber nun M i t t e l a l t e r ? Als Anfang gilt die karolingische Zeit. W o schon in Hoops' 'Reallexikon des germanischen Altertums' ein entsprechendes Stichwort vorhanden ist, wurde darauf verwiesen. Ein bestimmtes Jahr als Endtermin festzusetzen, erschien unmöglich, weil mechanisch und geistlos. So wurde als Schlußfrist eine geistesgeschichtliche Grenze genommen, das Einbrechen des Humanismus und der Reformation. Alle Autoren, die sich seit dem X V . Jahrhundert offen zu den neuen künstlerischen oder religiösen Gedanken bekennen, wurden ausgeschlossen; dagegen ihre Zeitgenossen, die noch mittelalterlichen Gedanken und Formen huldigen, einbezogen. Den Grenzstreifen bildet etwa die Regierung Maximiiiansi. Gerade bei dieser Scheidung waren Inkonsequenzen nicht immer zu vermeiden; so haben z. B. Johannes von Neumarkt und Johannes von Saaz eine Stelle gefunden, weil sie unter die Vorläufer des Humanismus zu rechnen sind, ebenso andere kleinere Geister. Ferner gibt es in derartigen Übergangszeiten immer Persönlichkeiten, die einen Januskopf tragen; solche rückwärts und vorwärts schauende Gestalten, wie Sebastian Brant oder Felix Hemmerlin, gelangten ebenfalls zur Aufnahme. Ohne ein Schema im einzelnen festzuhalten, ist j e d e r A r t i k e l ungefähr so g e g l i e d e r t : ein philologischer Teil gibt die handschriftliche Überlieferung und gegebenenfalls ihre Zusammenhänge; ferner die Herkunft und L,ebensdaten des Verfassers. Ein literar- und geistesgeschichtlicher Teil legt die historische Stellung des betreffenden Autors oder Werkes nach dem heutigen Stand der Wissenschaft fest, ohne sich auf moderne ästhetische Wertungen einzulassen, und weist gegebenenfalls auf noch ungelöste Fragen hin. Ein bibliographischer Anhang vereint die Ausgaben und die wichtigste Literatur. Einiges Kopfzerbrechen verursachte die a l p h a b e t i s c h e A n o r d n u n g . Für sie ist folgendes zu beachten: Diejenigen Verfasser, die einen festen Familiennamen führen, stehen unter diesem. Dagegen ist der Taufname Ordnungswort, wenn ein Beiname mit der, bei, von usw. beigefügt ist. Also: K o n r a d der Rote, aber F l e c k , Konrad. Auch bei den weltlichen Herrschern ist es so gehalten worden; also: H e i n r i c h VI. von Hohenstaufen. Heiligen-Namen werden ohne Sankt geordnet; also: St. Dorothea unter D o r o t h e a . Für die Ordnung der gleichlautenden Taufnamen sind die nachfolgenden Beinamen in ihrer alphabetischen Folge maßgebend. Dabei ist das Bindewort (ob Artikel oder Präposition) gleichgültig. Also: F r i e d r i c h von H a u s e n , F r i e d r i c h wo« H e n n e b e r g , F r i e d r i c h der K a r m e l i t e r , F r i e d r i c h der K n e c h t , F r i e d r i c h von L a n t z e n a u usw. Titel (Herzog, Markgraf) und Zahlen spielen dabei keine Rolle; also: O t t o IV. von B r a n d e n b u r g , Markgraf. Bei den Ortsnamen, welche Beinamen darstellen, ist im allgemeinen die gegenwärtige Form gewählt worden; also H a u s e n , nichtiiMsew/Leinau, nicht Linau. W o keine Vornamen bekannt sind, sondern nur der Herkunftsname, gilt dieser als Ordnungswort, also: Der t'ow D u r l a c h ; Der von F r a n k e n . Titel und dergleichen wie Bruder, Meister, Herzog, die v o r dem Eigennamen stehen, gelten nie als Ordnungswort. Dagegen entscheidet bei den gleichlautenden Taufnamen ohne Beinamen (die stets v o r denen mit Beinamen in der Reihenfolge rangieren) der Titelzusatz über die alphabetische Anordnung, d. h. H e i n r i c h , Bruder; H e i n r i c h , Magister; H e i n r i c h , Meister.

Vorrede

VII

Bei den anonymen Werken ist der eingebürgerte Titel maßgebend. Für ihre Einreihung in das Alphabet sind die Grundsätze des Preußischen Gesamtkatalogs als die konsequentesten beachtet worden, d. h. das erste Substantiv des Titels gilt als Ordnungswort. Also: ' G o t t e s Barmherzigkeit', 'Der neuen L i e b e Buch', ' N o v e l l e , Vorauer', ' P r o z e s s i o n s s p i e l , Zerbster'. Im übrigen sind reichliche Verweise gegeben, so daß auch der Laie sich leicht zurechtfinden wird. Ich habe lieber zu viel als zu wenig Verweise aufgenommen. Absichtlich sind dabei auch stets die Herkunftsorte (z. B. Basel, Straßburg) als Verweise mit angeführt; vielleicht können sie der landschaftlich oder stammeskundlich eingestellten Literaturgeschichte einige Hilfen geben. Nicht alle meine eigenen Wünsche konnte ich selbst bisher erfüllt sehen. Der Bearbeiter der Legenden, durch bisherige Forschungen dazu gründlich geschult, versagte sich im letzten Augenblick, so daß eine empfindliche Lücke entstand, die bisher nur vereinzelt ausgefüllt werden konnte. Auch scheinen Quellenforschungen auf dem Nachbargebiet der mittelalterlichen Geschichtswissenschaft zur Zeit wenig beliebt zu sein; auch da gibt es erhebliche Ausfälle. Das Handschriften-Archiv bei der Deutschen Kommission der Preuß. Akademie der Wissenschaften konnte nicht oder nur in wenigen Fällen benutzt werden. Ich muß darauf ausdrücklich hinweisen, um dem Vorwurf zu begegnen, nicht den Versuch zur Ausschöpfung aller zugänglichen Quellen gemacht zu haben. Nachträge werden am Schluß unvermeidlich sein, und gerade die Form des Lexikons bietet die Gelegenheit, Lücken auszufüllen und dem Werke Abrundung zu geben. Ich hoffe, daß das wissenschaftliche Verantwortungsgefühl auch da, wo das Lexikon bis jetzt noch keine Unterstützung gefunden hat, rege wird, um seine Vervollkommnung zu ermöglichen. Wenn also in den Stichworten Mängel sind, bitte ich um Nachsicht und Mithilfe an diesem Werk, das dem deutschen Geistesleben des Mittelalters dienen, seine Forschung und Erhellung fördern will, so gut es kann. Greifswald, 31. Oktober 1930. Wolf gang Stammler.

I*

Abkürzungen. a. = anno. ad. = altdeutsch, adän. = altdänisch. A D B . = Allgemeine Deutsche Biographie. (Leipzig 1875—1912.) ae. = altenglisch. A F . = Anglistische Forschungen, hg. von J. Hoops. (Heidelberg 1900 ff.) AfdA. = Anzeiger für deutsches Altertum und deutsche Literatur. (1876 ff.) afries. = altfriesisch, afrz. = altfranzösisch. A G . = Acta Germanica, hg. von R. Henning. (Berlin 1890 ff.) agerm. = altgermanisch, ags. = angelsächsisch, ahd. = althochdeutsch. Ahd. Gll. = Die althochdeutschen Glossen, gesammelt und bearbeitet von E. Steinmeyer und B. Sievers. (Berlin 1879 —1922.) ainrl. = altindisch, air. = altirisch, aisl. = altisländisch. Alem. = Alemannia. (1872—1903.) Alm. = Almanach. An. Boll. = Analecta Bollandica. (Brüssel 1882 ff.) and. = altniederdeutsch, anord. = altnordisch. Anord. SB. = Altnordische Sagabibliothek, hg. von Cederschiöld, Gering u. Mogk. (Halle 1882 ff.) anorw. = altnorwegisch. AnzfKddV. = Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit. (1835 ff.) arab. = arabisch. ArchfKultg. = Archiv für Kulturgeschichte. (1902 ff.) ArchfLg. = Archiv für Literaturgeschichte. (1870—87.) ArchfLitKgMA. = Archiv für Literatur- und Kirchengeschichte des Mittelalters. (1885 ff.) ArchfnSpr. = Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Literaturen. (1846 ff.) ArchfRw. = Archiv für Religionswissenschaft. (1898 ff.) ArchfslPh. = Archiv für slawische Philologie. (1876 ff.) Arkiv^ = Arkiv för nordisk filologi. (1883 ff.) A S . = Acta Sanctorum. as. = altsächsisch. aschwed. = altschwedisch. A T . = Altes Testament. |

Baechtold = Geschichte der deutschen Literatur in der Schweiz von J. Baechtold. (Frauenfeld 1892. Anastat. Neudr. 1919.) Bausteine = Bausteine zur Geschichte d. deutschen Literatur, hg. v. F. Saran. (Halle 1909 ff.) Beow. = Beowulf. BerlB. = Berliner Beiträge zur germanischen und romanischen Philologie, hg. von E. Ebering. (Berlin 1893 ff.) B H L . = Bibliotheca hagiographica Latina antiquae et mediae aetatis. (Brüssel i898ff.) Bibl. = Bibliothek. Braune Leseb. = Althochdeutsches Lesebuch von W. Braune. 9. Aufl. (Halle 1928.) B S B . = Sitzungsberichte der Akademie d. Wissenschaften zu Berlin. Phil.-hist. Klasse. (1836 ff.) c. = caput, Kapitel. Chr. = Chronik. Creizenach = Geschichte des neueren Dramas von W. Creizenach. (Halle 1893 ff.) dän. = dänisch. ders. = derselbe. DGeschBll. = Deutsche Geschichtsblätter. (1899—1921.) D H B . = Deutsches Heldenbuch. (Berlin 1866 bis 1873.) DHistTidskr. = Dansk historisk tidskrift. (1840 ff.) dial. = dialektisch. DLZ. = Deutsche Literaturzeitung. (1880 ff.) DNL. = Deutsche National-Literatur, hg. von J. Kürschner. (Stuttgart 1882—99.) dt. = deutsch. DTdMA. = Deutsche Texte des Mittelalters, hsg. von der Deutschen Kommission bei der Preußischen Akademie der Wissenschaften. (Berlin 1904 ff.) DVjschr. = Deutsche Viertel]ahrsschrift für Literaturwissenschaft undGeistesgeschichte. (1923 ff.) DZfGw. = Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. (1889—97.) Ehrismann = Geschichte der deutschen Literatur bis zum Ausgang des Mittelalters von G. Ehrismann. (München 1918 ff.) engl. = englisch. EnglStud. = Englische Studien. (1877 ff.)

Abkürzungen Ersch-Gruber = Allgemeine Encyclopädie, begründet von J . S. Ersch und J . G. Gruber. (Leipzig 1818—1889.) estn. = estnisch. Euph. = Euphorion, Zeitschrift f. Literaturgeschichte. (1894 ff.) FDG. = Forschungen zur deutschen Geschichte. (1862—86.) F F . = Forschungen und Funde, hg. von F. Jostes. (Münster i9ooff.) franz. = französisch. FrF. = Freie Forschungen zur deutschen Literaturgeschichte, hg. von F. Schultz. (Straßburg i g ^ f f . ) fries. = friesisch, frnhd. = frühneuhochdeutsch. FuG. = Form und Geist. Arbeiten zur germanischen Philologie, hsg. von Lutz Mackensen. (Leipzig 1927 ff.)

IX

hd. = hochdeutsch, hebr. = hebräisch. Histjb. = Historisches Jahrbuch der Görresgesellschaft. (i88off.) HistVjschr. = Historische Vierteljahrsschrift. (1898 ff.) HistZ. = Historische Zeitschrift. (1859 ff.) HMS. = Minnesinger. Gesammelt u. hg. von F. H. v. d. Hagen. (Leipzig 1838.) Hoffmann K L . = Geschichte des deutschen Kirchenliedes bis auf Luthers Zeit von H. Hoffmann von Fallersleben. 3. Aufl. (Hannover 1861.) holl. = holländisch. Hoops = Reallexikon der germanischen Altertumskunde, hg. von J . Hoops. (Straßburg 1911—19.) H S B . = Sitzungsberichte der Akademie der Wissenschaften zu Heidelberg, Phil.-hist. Klasse. (1909 ff.)

GA. = Gesamtabenteuer. 100 altdeutsche Erzählungen, hg. von F. H. v. d. Hagen. (Stuttgart und Tübingen 1850.) gäl. = gälisch. GB. = Gesangbuch. Germ. = Germania, Vierteljahrsschrift für deutsche Altertumskunde, hg. von F. Pfeiffer u. a. (1856—1892.) germ. = germanisch. GermAbhh. = Germanistische Abhandlungen, hg. von Weinhold, Vogt, Steller. (Breslau 1882 ff.) Gervinus = Geschichte der deutschen Dichtung von G. G. Gervinus. 5. Aufl., hg. von K . Bartsch. (Leipzig 1871 —1874.) GGA. = Göttingische Gelehrte Anzeigen. (1753«.) GGN. = Nachrichten der Göttinger Gesellschaft der Wissenschaften. Phil.-hist. Klasse. (1850 ff.) Goedeke = Grundriß zur Geschichte der deutschen Dichtung aus den Quellen von K . Goedeke. 2. und (Bd. IV) 3. Aufl. (Dresden i88 4 ff.) Goedeke MA. = Deutsche Dichtung im Mittelalter. Hg. von K . Goedeke. 2. Aufl. (Dresden 1871.) got. = gotisch. Götze Leseb. = Frühneuhochdeutsches Lesebuch von A. Götze. 2. Aufl. (Göttingen 1925-) Graff = Althochdeutscher Sprachschatz, hg. von G. E. Graff. (Berlin 1834—1842.) griech. = griechisch. Grimm Myth. = Deutsche Mythologie von J . Grimm. 4. Aufl., hg. von E . H.Meyer. (Berlin 1875—78.) GRM. = Germanisch-Romanische Monatsschrift. (1909 ff.) GrW. = Bibliothek der angelsächsischen Poesie, hg. von Grein u. Wiilker. (Kassel 1881 ff.)

idg. = indogermanisch, ir. = irisch, isl. = isländisch, ital. = italienisch.

HB. = Heldenbuch. Altdeutsche Heldenlieder, hg. von F. H. v. d. Hagen. (Berlin 1855.)

MA. = Mittelalter, mal. = mittelalterlich.

J B . = Jahresbericht (e). Jb(b). = Jahrbuch (Jahrbücher). JbfElsLothr. = Jahrbuch für Geschichte, Sprache und Literatur Elsaß-Lothringens. (1885—1918.) J B f g P h . = Jahresberichte über die Erscheinungen auf dem Gebiete der germanischen Philologie, hg. von der Gesellschaft für deutsche Philologie zu Berlin. (Leipzig 1877«.) J E G P h . = Journal of english and germanic philology. (1903 ff.) J G P h . = Journal of germanic philology. (1897 bis 1902.) KbldGesV. = Korrespondenzblatt des Gesamtvereins der deutschen Geschichts- und Àltertumsvereine. (1853 ff.) kelt. = keltisch. Könnecke = Bilderatlas zur Geschichte der deutschen Nationalliteratur von G. Könnecke. 2. Aufl. (Marburg 1895.) kymr. = kymrisch. lat. = lateinisch. LithForsch. = Literarhistorische Forschungen, hg. von Schick und v. Waldberg. (Heidelberg 1897 ff.) L S B . = Sitzungsberichte der Sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften zu Leipzig. Phil.-hist. Klasse. (i8i6ff.) Ltbl. = Literaturblatt für germanische und romanische Philologie. (1880 ff.) LZbl. = Literarisches Zentralblatt. (1850 bis 1924.)

X

Abkürzungen

Manitius = Geschichte der lateinischen Literatur | nord. = nordisch, norw. = norwegisch, des Mittelalters von M. Manitius. I., I I . nschwed. = neuschwedisch. (München 1 9 1 1 — 1 9 2 3 ) N T . = Neues Testament. md. = mitteldeutsch, me. = mittelenglisch. obd. = oberdeutsch. Merker-Stammler = Reallexikon der deutschen Literaturgeschichte, hg. von P. Merker und Pal. = Palaestra. Untersuchungen und T e x t e W . Stammler. (Berlin 1925—31.) aus der deutschen und englischen Philologie. MF. = Des Minnesangs Frühling, hg. von F. (Berlin 1898 ff.) Vogt. 3. A u f l . (Leipzig 1920.) P B B . = Beiträge zur Geschichte der deutschen M G E S c h G . = Mitteilungen der Gesellschaft für Sprache und Literatur, hg. von H. Paul, deutsche Erziehungs- und Schulgeschichte. W . Braune und E . Sievers. (1874ff.) (1891 ff.) Petzholdts Anz. = Anzeiger für Literatur der M G H . = Monumenta Germaniae histórica. — Bibliothekswissenschaft, hg. von J .Petzholdt. M G H . L L . = dass., A b t . Leges. — M G H . S S . (1840—1886.) = dass., A b t . Scriptores. Pfeiffer DM. = Deutsche Mystiker des X I V . M G P . = Monumenta Germaniae paedagogica. Jahrhunderts, hg. von F. Pfeiffer. (Göttin(Berlin 1886 ff.) gen 1845—57. Anastat. Neudr. 1914.) mhd. = mittelhochdeutsch. PGrundr. = Grundriß der germanischen PhiloM I Ö G . = Mitteilungen des Instituts für österlogie, hg. von H. Paul. 2. A u f l . (Straßburg reichische Geschichtsforschung. (1880 ff.) 1900—1909.) mlat. = mittellateinisch. Potthast = Bibliotheca histórica medii aevi. M L N . = Modern language notes. (i896ff.) M L R . = The modern language review. (i9o6ff.) V o n A . Potthast. 2. Aufl. (Berlin 1896.) MM. = Münchener Museum für Philologie des prov. = provenzalisch. Mittelalters und der Renaissance. (1911 ff.) mnd. = mittelniederdeutsch, QF. = Quellen und Forschungen zur Sprachmndl. = mittelniederländisch. und Kulturgeschichte der germanischen M S B . = Sitzungsberichte der Akademie der Völker. (Straßburg i874ff.) Wissenschaften zu München. Philos.-philol. und hist. Klasse. (1860 ff.) R E 3 . = Realenzyklopädie für protestantische M S D . = Denkmäler deutscher Poesie und Prosa Theologie und Kirche. 3. A u f l . hg. von A . von K . Müllenhoff und W . Scherer. 3. A u f l . Hauck. (Leipzig 1896—1913.) hg. von E . Steinmeyer. (Berlin 1892.) R e v . germ. = Revue germanique (1905ff.). R G G 2 . = Die Religion in Geschichte und Gegenwart. Hsg. von H. Gunkel und L. ZscharN A . = Neues Archiv der Gesellschaft für ältere nack. 2. A u f l . (Tübingen ig28ff.) deutsche Geschichtskunde. (i876ff.) Röhricht = Deutsche Pilgerreisen nach dem Nagl-Zeidler = Deutsch-österreichische LiteraHlg. Lande. Von R . Röhricht. 2. A u f l . turgeschichte. Ein Handbuch zur Geschichte (Innsbruck 1900.) der deutschen Dichtung in Österreich-UnRöhricht Bibl. = Bibliotheca geographica garn, hg. von J. W . Nagl, J. Zeidler und Palaestinae. V o n R. Röhricht. (Berlin 1890.) E . Castle. (Wien 1891 ff.) Röhricht-Meisner = Deutsche Pilgerreisen nach nd. = niederdeutsch. dem Hlg. Lande. Hsg. von R . Röhricht und N d j b . = Jahrbuch des Vereins für niederdeutH. Meisner. (Berlin 1880.) sche Sprachforschung. (i876ff.) R o m . = Romania. (i872ff.) N d K b l . = Korrespondenzblatt des Vereins für röm. = römisch, niederdeutsche Sprachforschung. (iSyyíí.) roman. = romanisch, ndl. = niederländisch, russ. = russisch. nds. = niedersächsisch, ne. = neuenglisch. Neophil. = Neophilologus, hg. von J. J. A. A . sächs. = sächsisch. Frantzen u. a. ( i 9 i 5 f f . ) S c h w A f V k . = Schweizer Archiv für Volkskunde. N F . = Neue Folge, (i897ff.) nfranz. = neufranzösisch, schwed. = schwedisch. ngriech. = neugriechisch, Schweiz. = schweizerisch, nhd. = neuhochdeutsch. slaw. = slawisch, NHistTidskr. = Norsk historisk tidskrift. span. = spanisch, (i877ff.) spätlat. = spätlateinisch. N J b b . = Neue Jahrbücher für das klassische SprD. = Sprache und Dichtung. Forschungen Altertum, Geschichte und deutsche Literazur Linguistik und Literaturwissenschaft, tur und für Pädagogik. (i89gff.) hg. von S. Singer und H. Maync. (Tübingen N L . = Nibelungenlied, 19x1 ff.) nlat. = neulateinisch, Ssp. = Sachsenspiegel. nnd. = neuniederdeutsch, Stammler Leseb. = Mittelniederdeutsches Lesenndl. = neuniederländisch. buch von W . Stammler (Hamburg 1921.)

Abkürzungen

XI

Stammler i g . = Niederdeutsche Literaturgeschichte von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart. Von W. Stammler. (Leipzig und Berlin 1920.) StLV. = Bibliothek des Stuttgarter Literarischen Vereins. (Tübingen 1842 ff.) StzvglLg. = Studien zur vergleichenden Literaturgeschichte. (1901—09.) SZfRG. = Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte. Germanistische Abteilung. (i88off.)

Hilfswissenschaften, hg. von Wetzer und Welte. 2. Aufl. (Freiburg i. B. 1882—1903.) W.KL. = Wackernagel KL. WSB. = Sitzungsberichte der Akademie der Wissenschaften zu Wien. Phil.-hist. Klasse. (1848 ff.) WuB. = Wort und Brauch. Volkskundliche Arbeiten, hg. von Th. Siebs und M. Hippe. (Breslau i9o8ff.) WZ. = Westdeutsche Zeitschrift für Geschichte und Kunst. (i882ff.)

Tijdschr. = Tijdschrift voor nederlandsche taal- en letterkunde. (1881 ff.) Tobler = Bibliographia geographica Palaestinae, hsg. von T. Tobler. (Leipzig 1867.)

ZblfBblw. = Zentralblatt für Bibliothekswesen. (i88 4 ff.) ZfBfr. = Zeitschrift für Bücherfreunde. (i897ff.) ZfdA. = Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur. (1841 ff.) ZfdKultg. = Zeitschrift für deutsche Kulturgeschichte. (1856—1892.) ZfdMdaa. = Zeitschrift für deutsche (anfangs nur: hochdeutsche) Mundarten. (1900—24.) ZfdPh. = Zeitschrift für deutsche Philologie (1868 ff.) ZfDtk. = Zeitschrift für Deutschkunde. (i92off.) ZfdU. = Zeitschrift für den deutschen Unterricht. (1887—1919.) ZfdWf. = Zeitschrift für deutsche Wortforschung. (1901—1914.) ZffrzSpr. = Zeitschrift für französische Sprache und Literatur. (i883ff.) ZfKg. = Zeitschrift für Kirchengeschichte. (1880 ff.) ZfKultg. = Zeitschrift für Kulturgeschichte. (1894—1902.) ZföG. = Zeitschrift für die österreichischen Gymnasien. (i8soff.) ZfromPh. = Zeitschrift für romanische Philologie. (1876 ff.) ZfverglLg. = Zeitschrift für vergleichende Literaturgeschichte. (1887—1910.) ZfVk. = Zeitschrift des Vereins für Volkskunde. (1891 ff.)

UB. = Urkundenbuch. urgerm. = urgermanisch. VjschrLg. = Vierteljahrschrift für Literaturgeschichte. (1888—1893.) vulglat. = vulgärlateinisch. Wackernagel B. = Bibliographie zur Geschichte des deutschen Kirchenliedes im 16. Jahrhundert. Von K. E . Ph. Wackernagel. (Frankfurt a. M. 1855.) Wackernagel KI,. = Das deutsche Kirchenlied von der ältesten Zeit bis zum Anfang des 17. Jahrhunderts von K. E . Ph. Wackernagel. (Leipzig 1864—77.) Wackernagel Leseb. = Altdeutsches Lesebuch von W. Wackernagel. 5. Aufl. (Basel 1873.) W.B. = Wackernagel B. Weimjb. = Weimarisches Jahrbuch für deutsche Sprache, Literatur und Kunst. (1854 bis 1857.) westf. = westfälisch. Wetzer-Welte2 = Kirchenlexikon oder Enzyklopädie der katholischen Theologie und ihrer

Mitarbeiter. Dr. Josef Ahlhaus, Privatdozent an der Universität W ü r z b u r g . Dr. Otto Basler, Abteilungsvorstand an der Heeresbücherei, Bibliotheksrat, Berlin. Dr. Hans Bork, Studienassessor, Berlin. Dr. Hans Brauer, Studienrat, S c h u l pforta. Dr. Eduard Brodführer, Oberstudiendirektor, G a n d e r s h e i m . Dr. Otto Brunner, Privatdozent an der Universität Wien. Dr. Max Buchner, ord. Professor an der Universität W ü r z b u r g . Dr. Lotte Busse, wissenschaftl. Hilfsarbeiterin an der staatl. Kunstbibliothek, Berlin. Dr. Henrik Cornell, Dozent an der Universität S t o c k h o l m . Dr. Jan van Dam, ord. Professor an der Universität A m s t e r d a m . Dr. Ludwig Denecke, Berlin. Dr. Josef Deutsch, Direktor der Univerversitäts-Bibliothek, G r e i f s w a l d . Dr. Anton Dörrer, Staatsbibliothekar an der Universitäts-Bibliothek, Innsbruck. Geheimrat Dr. Gustav Ehrismann, ord. Professor i. R., H e i d e l b e r g . Dr. Hans Engel, Privatdozent an der Universität G r e i f s w a l d . Dr. Eduard A. Geßler, Kustos am Schweizer Landesmuseum, Zürich. Dr. Erich Gierach, ord. Professor an der Deutschen Universität Prag. Dr. Otto von Greyerz, ord. Professor an der Universität Bern. Dr. Erich Gülzow, Studienrat, B a r t h i. Pom. Dr. Hermann Gumbel, Privatdozent an der Universität F r a n k f u r t a. M. Dr. Günther Hahn, Studienreferendar, Berlin.

Dr. Kurt Halbach, S t u t t g a r t . Dr. Louis L- Hammerich, ord. Professor an der Universität K o p e n h a g e n . Dr. Eduard Hartl, Privatdozent an der Universität München. Dr. Wilhelm Hartnack, Privatdozent an der Universität G r e i f s w a l d . Franz Herberhold, Assistent am Historischen Seminar der Universität Würzburg. Dr. Erich Hofmann, N e u - U l m (Donau). Dr. Hans Martin Junghans, Studienreferendar, S t a r g a r d i. P. Dr. Hermann Kaben, Studienreferendar, S c h w e r i n i. M. Dr. Fritz Karg, ao. Professor an der Universität L e i p z i g . Dr. Josef Klapper, Oberstudienrat, ao. Professor an der Universität Breslau. Dr. Josef Koch, ao. Professor an der Universität B r e s l a u . Dr. Engelbert Krebs, ord. Professor an der Universität F r e i b u r g i. Br. Dr. Karl Langosch, Berlin. Dr. Albert Leitzmann, ord. Professor an der Universität Jena. Dr. Lutz Mackensen, Privatdozent an der Universität G r e i f s w a l d . Dr. Friedrich Maurer, ao. Professor an der Universität Gießen. Dr. Hans Menhardt, Gymnasialprofessor, Privatdozent an der Universität Wien. Dr. Karl Menne, Studienrat, Privatdozent an der Universität K ö l n . Dr. Walther Mitzka, ao. Professor an der Techn. Hochschule D a n z i g . Dr. Hans Naumann, ord. Professor an der Universität F r a n k f u r t a. M. Dr. Friedrich Neumann, ord. Professor an der Universität G ö t t i n g e n . Dr. Hans Neumann, Berlin. Dr. Richard Newald, ord. Professor an der Universität F r e i b u r g i. Schw.

Mitarbeiter

Dr. Otto Niewöhner, Oberstudiendirektor, G o t h a . Dr. Kurt Ohly, Bibliothekar an der Staatsbibliothek, Berlin. Dr. Horst Oppenheim, S t e t t i n . Dr. Otto Paul, München. Dr. Karl Polheim, ord. Professor an der Universität Graz. Dr. Robert Priebsch, ord. Professor an der Universität L o n d o n . Dr. Walther Recke, Archivdirektor, D a n zig. Dr. Heinrich Reincke, Archivrat am Staatsarchiv, Privatdozent an der Universität H a m b u r g . Dr. Willm Reupke, Lektor an der Universität L o n d o n . Dr. Hans-Friedrich Rosenfeld, Privatdozent an der Universität Berlin. Dr. Gustav Rosenhagen, Honorarprofessor an der Universität H a m b u r g . Dr. Friedrich Schmeidler, ord. Professor an der Universität E r l a n g e n . Wieland Schmidt, Berlin. Dr. Hermann Schneider, ord. Professor an der Universität T ü b i n g e n . Dr. Karl Schulte-Kemminghausen, Privatdozent an der Universität Münster. Dr. Otto Schumann, Studienrat, Privatdozent an der Universität F r a n k f u r t a. M.

II Stammler, Verfasser-I^exikon

XIII

Dr. Otto Freiherr von Schwerin, ord. Professor an der Universität F r e i b u r g i. Br. Dr. Samuel Singer, ord. Professor i. R. an der Universität Bern. Dr. Wolfgang Stammler, ord. Professor an der Universität Greifswald. Dr. Hans Steinger, Privatdozent an der Universität K ö n i g s b e r g . Dr. Karl Strecker, ord. Professor an der Universität Berlin. Geheimrat Dr. Karl Sudhoff, ord. Professor i. R. an der Universität Leipzig. D. Dr. Hans Vollmer, Professor, H a m burg. Dr. Anton Wallner, Gymnasialprofessor, Graz. Dr. Gottfried Weber, ord. Professor an der Universität K ö n i g s b e r g . Dr. Wilhelm Weichardt, Greifswald. Dr. Carl Wesle, ord. Professor an der Universität Kiel. Dr. Hans Georg Wirz, Privatdozent an der Universität Bern. Dr. Arthur Witte, Privatdozent an der Universität Halle. Dr. Ludwig Wolff, ao. Professor an der Universität G ö t t i n g e n . Dr. Adam Wrede, Honorarprofessor an der Universität Köln. Dr. Walther Ziesemer, ord. Professor an der Universität Königsberg.

Aalen, s. H e i n r i c h v o n A a l e n . Abelendlin (Aubelendlin) vonÖttingen. Hs. Additional 16581 des Britischen Museums, 15. Jh. (1469), ostschwäbisch, Bl. 1 4 7 a ; s. R. P r i e b s c h DeutscheHss. in EnglandII (1901) S. 147—58. Ihm wird in den Mund gelegt der Spruch: Die wellt hat also ain mütt Als das gluckrad vmb lauffen tut. Wenn das gatt ymmer dar vmb Biß das oberst zum vndersten kommpt. R. Priebsch. Aberlin von Weiler. Hs. Additional 16581 des Britischen Museums, 15. Jh. (1469), ostschwäbisch, Bl. 1 5 9 b ; s. R. P r i e b s c h Deutsche Hss. in England I I (1901) S. 147—58. Ihm wird zugeteilt der Spruch: Sich selber nyemant loben sol, Ist er frum, man lobt in wol. R. Priebsch. 'Abor und das Meerweib'. Das Fragment von 'Abor und das Meerweib' war überliefert auf einem Pergamentblatt aus der Königlichen Bibliothek in Kopenhagen, das jetzt als verschollen gilt, aus dem J. Grimm es ZfdA. 5,6ff. abdruckte. Ein zweiter Textabdruck findet sich bei H. Meyer-Benfey, Mittelhochdeutsche Übungsstücke 1 igo9, S. 188ff.; 2 i g 2 i S. 180 ff. Den Inhalt des Fragments teilen Grimm S. 9f. und Goedeke 2 I S . 2 2 4 ! mit. E s enthält eine Episode aus einem — wohl ziemlich umfangreichen — märchenhaften Abenteuerroman, die Begegnung des Ritters Abor mit einem Meerweib. Ansprechende Vermutungen über den weitern Inhalt finden sich bei Schröder S. 162f. Als Eigennamen begegnen Abor, der Name des Helden, und Omlatin, die Bezeichnung der Stadt, woher der Mann des Meerweibes kommt. Schröder vermutet orientalischen Ursprung der Erzählung. Die Sprache des Dichters ist mitteldeutsch, die der Handschrift auch, aber mit etwas stärkerm obd. Einschlag. Das I

Stammler,

Verfasser-Lexikon

beweisen etwa der Reim swére: hére 6, und die Schreibungen e für ae, u für uo, i für ie. Im Reim begegnet die Form hére, im Innern herre. Der Schreiber neigt zur Diphthongierung von t in geschlossener Silbe. Abgesehen von swére: hére lassen die Reime einen zwingenden Schluß auf einen bestimmten Dialekt nicht zu; zum Teil widersprechen sie sich. Es begegnen an: an 8. 10. 14, Hecht: niht 12, vant: sant(e) 44, 2 Reime mit überschüssigem n (oder mit Schröder S. 164 «-lose Infinitive?) 112. 122, gie: lie 4, dan: gelán 8, gegán: han 54, geaz: baz 102, künegín: sin 118. Unrein ist nur gebatte: gelabte 26. Schröder schwankt zwischen Ostfranken und Thüringen. Aus dem Wortschatz ist wichtig das Wort lite, schw. w. subst. „ A b h a n g " , hier in der sonst nicht belegten Bedeutung „Talgrund" (Schröder S. 164). Auch vederboge 93, hugede 102 ( = Sinn), pflücke = vlücke in auffälliger Bedeutung 106 wären hervorzuheben. Die Verse sind nicht besonders fließend gebaut; zum Teil sind sie sogar holprig und überlang. Der Stil ist formelhaft, ohne besonders hervorstechende Eigenheiten oder Einflüsse. Schröder setzt als Abfassungszeit, wohl aus ziemlich allgemeinen Gründen 1300 bis 1350 an. Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang der Versuch von Karl Bartsch, im Anschluß an gebatte: gelabte = gebadete: gelabete Stellen aufzudecken, wo ähnliche Assonanzen durch Reimänderung getilgt zu sein scheinen. E r möchte daher die Vorlage ins 12. Jahrhundert emporrücken. Da andere Anhaltspunkte dafür vollständig fehlen, erscheint der Versuch ziemlich kühn. Die Handschrift war in Aventuren eingeteilt. Das erhaltene Fragment enthält jedenfalls eine gereimte rotgeschriebene Aventürenüberschrift von sechs Zeilen. Das Ganze war wohl ein — wenig verbreitetes — Durchschnittswerk der erzählenden Epigonenliteratur, das keine künstlerisch-stilistische Wirkung anstreb-

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Abraham von Memmingen — 'Adam und E v a '

te, sondern nur durch den — dem Zeitgeschmack entsprechenden — märchenhaft-abenteuerlichen Inhalt wirken wollte. Über die Art der Quelle läßt sich nichts entscheiden. Der von J. Grimm zuerst angewandte Titel ist nur der Titel einer Episode. K . B a r t s c h 'Abor und das Meerweib', l o s f f . E. S c h r ö d e r 'Abor und das G G N . 1925 S. 161 ff.

Germ. 5, Meerweib',

J. van Dam. Abraham von Memmingen, galt in der artilleristischen Literatur als Verfasser des sogenannten 'Feuerwerkbuches' (s. d.); letzteres ist eines der wichtigsten Zeugnisse für die Entwicklung der Pulverwaffen vom letzten Viertel des 14. bis in die erste Hälfte des 15. Jahrhunderts hinein. Daß ein einzelner damals ein solches umfassendes Wissen in einem Buche zusammenfassen konnte, ist schon widerlegt durch die Menge der sowohl textlich wie zeitlich verschiedenen Hss. dieses artilleristischen Hauptwerks des 15. Jahrhunderts. A. soll 1410 für den Herzog Friedrich von Tirol als Büchsenmeister ein Feuerwerksbuch verfaßt haben, das sich jedoch mit keinem der vorhandenen identifizieren läßt. Die Autorschaft des Obigen für das Feuerwerksbuch ist auf keine Weise festzustellen, so wenig wie seine Herkunft aus Memmingen. M a x J ä h n s , Handbuch einer Geschichte des Kriegswesens 1880, S. 965/66; ders. Geschichte der Kriegswissenschaften 1889, S. 392. F. M. F e l d h a u s Verfaßte Abraham von Memmingen das Feuerwerksbuch?, Zeitschrift f. hist. Waffenkunde (1909) S. 27/28. A u g u s t v o n E s s e n w e i n Quellen zur Geschichte der Feuerwaffen, hrg. v. germ. Museum Nürnberg 1877, S. 15.

Ed. A. Geßler. Absolon, Verfasser einer verlorenen Dichtung auf Kaiser Friedrich I., ist uns nur bekannt aus den zwei Dichterkatalogen, die Rudolf v. Ems (s. d.) in seinen 'Alexander' und seinen 'Willehalm' eingefügt hat. Im 'Alex.' nennt ihn Rudolf min vriunt Absolon und preist seine Kunst, im 'Will.' gibt er den Inhalt seines Werkes an: es war ein historisches Epos, das die Ruhmestaten Friedrichs I. besang und seinen Tod beklagte. Eine Familie, die sich Absolon (Absalon) nannte, ist in drei lat. Urkunden v. J. 1262 und 1264 nachgewiesen, wonach sie ein liehen am

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Bodensee (Baden) innehatte. Absolon gehörte wohl zu dem schwäbischen Dichterkreise, dem auch Rud. v. Ems nahestand, und war, wie dieser, ein Anhänger des staufischen Hauses. Sein Stauferepos mag er um 1230 verfaßt haben. Der Verlust seines Werkes bedeutet für uns eine empfindliche L,ücke, da die mhd. erzählende Dichtkunst jener Jahrzehnte sehr arm an Stoffen aus der deutschen Zeitgeschichte ist und Absolon das Bild des großen Kaisers jedenfalls in der Auffassung darstellte, wie es im deutschen Volke damals lebte, ein frühes Denkmal der deutschen Kaisersage. K o b e r s t e i n i e (1884) S. 198 (Iit.); H e r z o g Germ. 29 (1884) ' S. 33t. (Urkunden); J u n k Beitr. 29 (1904) S. 426 u. Ausg. v. Rud.'s v. Ems 'Willeh. v. Orlens' S. 37. 250 (die Textstellen bei Rud.); E h r i s m a n n Stud. üb. Rud. v. Ems, H S B . 1919, S. 93. 97. E. S c h r ö d e r ZfdA. 67 (1930) S. 226.

Gustav Ehrismann. Der von Achenheim, Barfüßer und mystischer Prediger, nur bekannt durch ein Zitat in der Berliner Hs. 40. 191, Bl. 387b, mitgeteilt durch F. P f e i f f e r Germ. 3 S. 232. W . St. Achler, Elsbeth, s. K ü g e l i n . 'Ackermann aus Böhmen', s. J o hann von Saaz. Adalbert, s. Hoops R L . I S. 34. Adalbert, s. A d e l b r e c h t . Adalviva, Adalwif, s. A d e l w i p . 'Adam und Eva' ('Adams Klage'). In zwei verschiedenen Fassungen überliefert: I. Eine selbständige, abgedruckt G A . Nr. 1 ; überliefert: 1. in der Heidelberger Hs. Perg. Pal. germ. 341, 14. Jh.; 2. in dfer Kalocsaer Hs., Perg. in der Erzbischöflichen Bibliothek; 3. in der Wiener Hs. 2677, 14. Jh. (Rosenhagen S. X V I I ) . 4. Der Anfang, die ersten 52 Zeilen, in fast gleichlautender Fassung auch in der Wiener Hs. 2709, 14. Jh., von Philipps Mariengedicht, abgedruckt G A . I I I S. 702 f. II. Als Einlage in Rudolfs von Ems 'Weltchronik' und zwar in acht Handschriften: aus Vilmars Klasse I (C): ursprünglicher T e x t mit 'Adam und E v a ' : 1. Fulda, Landesbibliothek 184, 14. Jh., Perg. kl. Fol. (Vilmar 7); 2. Weimar, Arch. der I o, das nicht mit 6, sondern ö reimt, in Verbindung mit einer Vorliebe f ü r Kontraktionsformen v o n -egi-,

-agi-)

auf die Zugehörigkeit zur Deutschordensliteratur hin. Dafür spräche auch die metrische Eigenart des Gedichtes, die genau den diesbezüglichen, später weithin maßgeblichen Vorschriften des Nikolaus von Jeroschin (s. d.) und Heinrich v. Hesler (s. d.) entspricht. Tatsächlich „war die Verehrung der vier Hauptjungfrauen [damit der Barbara] im Orden der Deutschherren besonders im Schwange" (vgl. die leider verlorene Barbara des Luder von Braunschweig; s. d.). E s ist nicht unwesentlich, daß die Barbaralegende gerade in Köln und Magdeburg gedruckt wurde, wo sich wichtige Niederlassungen des Ordens befanden. — Mit der Zuordnung des Gedichtes zur Deutschordensliteratur ließe sich gleichzeitig ein terminus post quem für seine Datierung feststellen: es könnte nicht vor Heslers 'Apocalypse' um 1 3 1 0 entstanden sein. (Vgl. auch den Art. ' D o r o t h e a ' . ) A u s g a b e n : J . Z i n g e r l e Der maget kröne, W S B . Bd. 47 (1864) H. I. II, S. 489—564. O. S c h a d e Geistliche Gedichte des 14. u. 15. Jhs. vom Niederrhein 1854. Ph. W e g e n e r Drei mittelniederdeutsche Gedichte des 15. Jhs. Progr. Magdeburg 1878; dazu S c h ö n b a c h Afda. 6 (1880) S. 172. J . D i e m e r Kleine Beiträge zur altdtsch. Sprache u. Literatur S. 44/45. Die Katherinen-Passie. Hrsg. v. G. D e g e r i n g und M. J . H u s u n g (Seltene Drucke der Staatsbibliothek 2) 1928 [behandelt auch die BarbaraLegende]. — S e l m a r Peine St. Barbara. Programm Freiberg 1896. P. S e e f e l d t Studien über d. versch. mal. dramatischen Fassungen d. Barbara-Legende. Diss. Greifswald 1908. J . V i t e a u Passions des Saints Ecaterine et Pierre d' Alexandrie, Barbara et Anysia 1897. A. W i r t h Danae in den christl. Legenden 1892. P o t t h a s t Bibliotheca hist. medii aevi 1896, I I S. 1193. F. W i l h e l m Dtsch. Legenden und Legendare 1908 [enthält einen Überblick über die mhd. Prosalegenden der Barbara], — Die 'Acta sanctorum' der Bollandisten enthalten die Barbara noch nicht.

Elisabeth Hübener.

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'Barlaam und Josaphat'

'Barlaam und Josaphat'. 1. I n d i s c h e F a s s u n g d e r L e g e n d e . Die im 6. Jh. in Afghanistan entstandene Legende bezog sich ursprünglich auf das Leben Buddhas; vgl. B. u. J. English Lives of Buddha, ed. and introduced by J o s e p h J a c o b s , London 1896. Der Name B o d h i s a t t v a ist zu J o a s a p h ( J o s a p h a t ) umgeformt worden (vgl. A. W e b e r Indische Streifen I I I 570 Anm.). Die christliche Fassung erzählt von einem indischen Könige A b e n n e r an der persischen Grenze, der die frommen Einsiedler verfolgt. Bei der Geburt seines Sohnes Joasaph wird prophezeit, daß er Christ werden wird. Fern von der Welt und ihrem Leid erzogen, trifft der Prinz doch einen Aussätzigen und einen Blinden sowie einen hinfälligen Greis; so erfährt er die drei Tatsachen der Welt: Krankheit, Alter, Tod. Der Eremit Barlaam bietet ihm als Kaufmann verkleidet einen Edelstein an und kündet ihm den unverlierbaren Schatz des christlichen Glaubens. Joasaph bekehrt den Vater, die Untertanen, auch den Zauberer Theudas, der ihn verführen sollte; er verzichtet auf den Thron und wird Eremit. 2. D i e L e g e n d e i m O r i e n t . Von Indien kam die Legende nach Persien und ward ins Pehlevi der Sassaniden (226—641) übersetzt, von da ins Syrische oder Arabische, woraus hebräische und griechische Bearbeitungen flössen, die ihrerseits die Grundlage der Fassungen in den anderen Sprachen geworden sind. Mit der griechischen Überlieferung sind zehn altarabische Buddhaleben verwandt, wohl durch Vermittlung eines georgischen Textes, der über einen syrischen T e x t auf das Pehlevi zurückgehen mag, aus dem auch die arabische Fassung stammt. Eine selbständige arabische Fassung ist 1888 in Bombay gedruckt worden; eine georgische ist in Auszügen bekannt. Aus dem Arabischen gingen zwei äthiopische Bearbeitungen hervor; die eine ist von E. A. W a l l i s B u d g e veröffentlicht (Baraläm and Jewäsef, being the Etkiopic Version of the Buddhist legend of the Buddha and the Bodhisattva, Cambridge 1923). Es gab auch eine armenische Übersetzung. In der

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ersten Hälfte des 13. Jhs. verfaßte der spanische Rabbi Ibn Chisdai in hebräischen Versen ein Gedicht über diese Legende u. d. T. 'Fürst und Derwisch'. 3. G r i e c h i s c h - c h r i s t l i e h e F a s s u n g . Die wichtigste aller Fassungen ist die griechische. Die meisten alten Hss. berichten, daß die Legende von dem Mönche J o h a n n e s des Klosters vom hl. Sabbas (f 532) bei Jerusalem aus Indien mitgebracht worden sei. Das Kloster war von dem Armenier Euthymius (f 473) gestiftet worden und besteht noch heute; vgl. A. E h r h a r d Rom. Quartalschr. V I I (1893) S. 31—79. Johannes hat die Geschichte um etwa 630, mit selbständigem Geiste umgearbeitet, niedergeschrieben; er übertreibt die religiöse Belehrung nicht und bleibt edel in der Sprache und spannend in der auf scharf gegensätzlich gezeichneten Charakteren aufgebauten Handlung. Erst Hss. des 16. u. 17. Jhs. schreiben diese Bearbeitung dem hl. J o h a n n e s D a m a s c e n u s zu. Text bei M i g n e P. Gr. 96 Sp. 857—1250, besser in der Ausg. von S o p h r o n i o s (Athen 1885). Gute Hss. Paris, N. B. 903, 904, 1128; der Vatikan besitzt 11 Hss.; vgl. Cat. cod. hagiogr. graec. bibl. Vaticanaei8gg, S. 305. Andere Hss. bei H. Z o t e n b e r g Notice sur le texte et sur les versions orientales du livre de B. et /., Not. et Extr. des mss. de la Bibl. Nat. et autres bibl. 28 (1887) S.3-54. L a t e i n i s c h e Ü b e r s e t z u n g e n . Die westeuropäischen Bearbeitungen gehen sämtlich auf eine latein. Übersetzung zurück, die zuerst 1655 von C a s p a r B a r t h dem vatikanischen Bibliothecarius A n a s t a s i u s zugeschrieben worden ist. Es scheint jedoch keine Hs. vor dem 12. Jh. zu geben (vgl. W a r d Cat. of Romances in the department of mss. in the British Museum II S. 119). Der Text ist wenigstens zweimal im 15. Jh. gedruckt worden: um 1472—73 in Speyer (Gesamtkat. d. Wiegendr. 3396) u. nicht nach 1474 in Straßb. bei H. Eggestein (G.-K. d. Wiegendr. 3397). Verkürzte Auszüge enthält das 'Speculum historiale' (1. X V c. 1—64) des V i n z e n z v o n B e a u v a i s (um 1250) und die 'Legenda aurea' J a c o b i

i6g

'Barlaam und Josaphat'

d e V i t r i a c o (um 1270—1280). Eine andere latein. Übersetzung des G e o r g i u s T r a p e z u n t i u s (1396—1485) ist in Antwerpen gedruckt (S. Joannis Damasceni historia de vitis et rebus gestis sanctorum Barlaam eremitae et Josaphat regis Indorum, ohne Jahr); diese Übersetzung ist dem griech. Text beigefügt in den Ausgaben der Werke des J o h . D a m a s c . (Basel 1535, 1539 usw.). Endlich übersetzte B i l l y d e G u i s e , Abt von St.Michel (1535—1581), den Text; seine Übersetzung ging über in die Ausgabe R o s w e y d e s der 'Vitae Patrum' (Antwerpen 1615) und von hier in M i g n e P. L. 73 Sp. 443—606 (vgl. Bibliotheca hagiogr. lat. S. 979—982). 5. D i e a b e n d l ä n d i s c h e n volkss p r a c h l i c h e n F a s s u n g e n . E s gibt vier kurze altenglische, eine ins 13. J h . zurückreichende altnordische und auf diese zurückgehend eine moderne dänische Überarbeitung; eine schwedische stammt aus der 2. Hälfte des 15. Jhs. Bekannt sind eine irländische, eine polnische und eine tschechische Übersetzung, eine bedeutende Anzahl spanischer Fassungen und zwei Klassen von italienischen Texten. Die eine Klasse h a t den vollen Text ( S t o r i a ) , die andere den Kurztext (Vit a ) ; dazu kommen poetische und dramatische Bearbeitungen. Die Storia geht ebenso wie eine provenzalische Prosa eines Unbekannten auf eine ältere provenzalische Grundlage zurück; vgl. F e r d . H e u c k e n k a m p Die prov.Prosaredaktion des geistl. Romans von B. u. J . 1912 (nach der Hs. der N. B. zu Paris; Cat. des mss. fr. I, anc. fonds 1869 nr. 1049). Die bedeutendste französische Verserzählung (12352 Verse) stammt von G u y d e C a m b r a i , 1. Hälfte des 13. J h s . ; Ausg. v. P a u l M e y e r e t H. Z o t e n b e r g B. u. ]., französ. Ged. d. 13. Jh. v. Guy de Cambray (StLV. Bd. 75) 1864. Eine metrische Übersetzung von C h a r d r y in anglonormannischer Sprache (3000 V.), Anf. d. 13. Jhs., ist von K o c h herausgegeben (Chardry's Josaphaz 1879). Proben einer Prosaübersetzung stehen in der Ausg. des Guy de Cambray (S. 335—352). Am Ende des 14. Jhs. gibt es eine szenische Dar-

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Stellung: ' M i s t è r e d u r o i A d v e n i r ' ( = Abenner). 6. D e u t s c h e Ü b e r s e t z u n g e n . Um das J a h r 1220 h a t R u d o l f v o n E m s (s. d.) eine freie Versbearbeitung geschaffen. Das lateinische Buch h a t t e der Abt des 1185 gestifteten Zisterzienserklosters Kappel Guido (Wide), urkundlich 1220—23 belegt, mit nach Deutschland gebracht ( B ä c h t o l d Gesch. d. deutsch. Lit. d. Schweiz S. 102 u. Anm.). Auf des Konvents Bitte übernahm R. die Bearbeitung, die manches kürzt; so fehlt die Parabel 'Vogelsteller u. NachtigaT. Seine in wohlklingender Sprache gebotene klare Darstellung will bessern: diz maere ist niht von ritterschaft, noch von minnen, diu mit kraft an zwein gelieben geschiht, ez ist von äventiure niht, noch von der liehten sumerzît: ez ist der weite widerstrît mit ganzer wârheit, âne lüge. Das Werk zählt 16124 Kurzverse; erste Ausgabe von F. K. K ö p k e B. u. J . v. R. v. Montfort 1818, 2 i838. Eine Ausgabe nach dem gesamten damals bekannten Hss.-Bestande besorgte 1843 F r a n z P f e i f f e r B. u. J . v. R. v. Ems (Dichtungen des deutsch. MA. Bd. 3). Er bevorzugt Cgm. 273 v. J . 1459 als den trotz vieler Verderbnisse besten Text vor dem ältesten Cgm. 16 v. J . 1284. Zu den von Pfeiffer aufgezählten, heute teilweise vernichteten 12 vollständigen Hss. u. 3 Bruchstücken treten die Hs. der Wiener Nat.-B. 2884 (Hoffm. X X X V I ) aus Ambras, Bl. 1—111b, 14. J h . ; die Berliner Bruchstücke Gf. 757 Bl. 21, 15. J h . ; Gf. 737 Bl. 1 6 ^ 1 9 , 13. Jh. ; Bl. 20—21, 13. J h . (aus Hoffm. v. Fallerslebens Nachlaß); Gf. 1259 B1 1—72, v. J . 1493—94 (Phillipps 1152) enthält eine Prosabearbeitung von Rudolfs Text in schwäbischer Mundart: Johannes hiesz ein herr... (Bl. i r a ) Es was hie vor jn india ein küng weisz nach der weit— Noch umfänglicher als Rudolfs Gedicht ist der zwischen 1200 u. 1220 verfaßte ' L a u b a c h e r Barlaam', eine Dichtung des Bischofs O t t o II. v o n F r e i s i n g (1184 bis 1220) (s. d.). Diese Dichtung hält sich viel genauer an den lat. Text. Ausg. v. A. P e r d i s c h , (StLV. 260) 1913; vgl. A. P e r d i s c h , Der Laubacher B. Göttinger

i7i

Bart, Hans

Diss. 1903. Die Mundart zeigt ein mit bairischen Eigenheiten gemischtes Alemannisch. Andere Bearbeitungen stellen dar ein Bruchstück der Zürcher Wasserkirchbibl. C 79c (ZfdA. 1,126) u. das Berliner Bruchstück Gf. 923 (W. S c h e e l , Die Berl. Sammelmappe deutscher Fragmente, Festgabe für Karl Weinhold 1896, S. 31—90); ferner Gq. 1147, aus dem Benediktinerinnenkloster Marienberg in Boppard, 150 Bll., ein moselfränkischer Prosaroman nach Joh. Damascenus v. J. 1478. Bereits um 1476 erscheinen zwei Drucke einer Prosa: (H)Je vahet an eyn gar loblich vnnd heylsam allen christglaubigen cronica. Sagend von eynem heyligen künig mit namen Josaphat; G. Zainer, Augsburg (G. K. d. Wiegendr. 3398) u. A. Sorg, Augsburg (G.K. 3399). Von der aus dem Griechischen gefertigten lat. Übers, des J a c o b u s B i l l i u s G i a n a e u s besorgte eine deutsche Übers. S c h w e i k h a r t Grf. z u H e l f e n s t e i n , die von Joh. G e o r g Grf. z u H o h e n z o l l e r n - S i e g m a r i n g e n vollendet und 1603 in Konstanz bei Nicolaus Kalt gedruckt ward. Im gleichen Jahre ist auch nach dem mittelalterlichen lat. Texte eine Übers, durch U l r i c h S a t l e r in Dillingen gefertigt worden. Die griech. Fassung ist von F. L i e b r e c h t neu übersetzt worden (1847); zuletzt von L u d w i g B u r c h a r d Die Legende v. B. u. J. [1924]. 7. D i e P a r a b e l n . Für die abendländische Literatur sind die in die Legende eingeschlossenen Parabeln und Geschichten von Bedeutung geworden: die Todestrompete, die vier Kästchen (Goldkästchen m. Totenknochen, Pech- u. Asphaltkästchen m. Schätzen), Vogelsteller u. Nachtigal (die 3 Lehren), der Mann im Brunnen auf der Flucht vor dem Einhorn, der Jahreskönig. Diese Parabeln sind in die meisten Exempelsammlungen übergegangen, auch in die 'Gesta Romanorum'; vgl. die Nachweisungen über ihre Verbreitung in den Anm. der O e s t e r l e y schen Ausg. der 'G. R.' 1872. Fr. Rückerts 'Es ging ein Mann im Syrerland' hat die Parabel vom Mann im Brunnen lebendig erhalten; vgl. E u g e n B r a u n h o l t z Die

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erste nicht christliche Parabel des B. u. /., ihre Herkunft u. Verbreitung 1884. Die Geschichten sind: der König u. das arme, aber glückliche Ehepaar; der reiche Jüngling und die arme Christin; das Gleichnis von zahmen Reh oder von der Gazelle; Macht der Frauenliebe (Dämonen; vgl .Li ciento novelle antiche, Bibl. Rom. 71—72 nr. X I V ; F. L i e b r e c h t Zur Volkskunde 1879, 112 d; 459). Alle diese Motive bis auf das Gazellengleichnis und das Motiv 'König u. armes Ehepaar' sind in der indischen Literatur belegt. 8. G e s c h i c h t e der F o r s c h u n g . Zum 27. Nov. liest man im M a r t y r o l o g i u m R o m a n u m : Apud Indos Persis finitimos, sanctorum Barlaam et Josaphat, quorum actus mirandos sanctus Joannes Damascenus conscripsit. Die Stelle tritt zuerst in der Ausgabe 1583 auf; seit 1515 begegnen die Heiligen im Martyrologium des U s u a r d , in dem des C a n i s i u s , das 1562 deutsch von A d a m W a l s e r herausgegeben wird, und in dem des M a u r o l y c u s , Venedig 1568. B e l l a r m i n De scriptoribus ecclesiasticis (Paris 1658 S. 252) ist geneigt, ihre Existenz anzunehmen. Nachdem schon Anf. d. 17. Jhs. der portugiesische Geschichtschreiber D i e g o de C o n t o Decada quinta da Asia, V I 6 (Lisboa 1612) Bl. 123, die Ähnlichkeit mit dem Leben Buddhas bemerkt hatte, ist erst 1859 die Entsprechung von L a b o u l a y e , J ournal des Débats, 26. VII, betont worden. F. L i e b r e c h t verglich 1860 (Jahrb. f. rom. u. engl. Lit. II S. 314—334: Die Quellen des B. u. J.), dann 1879 (Zur Volkskunde S. 441—460) die Quellen. B e n f e y besprach 1860 (Gött. Gel. Anz. S. 871) die Entdeckung Laboulayes, desgleichen 1 8 7 0 M . M ü l l e r (Contemporary Review, July: On the migration of Fables). E. C o s q u i n schrieb in der Revue des Questions historiques 28 (1880) S. 579—600 eine eingehende Untersuchung, in der er den indischen Ursprung der Legende nachwies. Den besten Überblick gab E r n s t K u h n 1894: B. u. J., eine bibliographisch - literargeschichtliche Studie (Abh. d. philos.-philol. Kl. d. Bair. Ak. d. Wiss., Bd. X X ) . Die neueste Darstellung bietet E. A. W a l l i s B u d g e in seiner Ausg. der äthiopischen Version, Bd. 2 (1923).

J. Klapper. Bart, Hans, war nach Gebhardt (Das Erlanger Mandevillebruchstück, Münchener Museum für Philologie des Mittelalters 2 S. 191 ff.) ein Ulmer Bürger, auf den eine Mandeville-Übersetzung (vgl. O t t o v o n D i e m e r i n g e n ) zurückgeht (a. a. O. S. 197). Sie liegt vor im Cgm. 593 (nach einer brieflichen Mitteilung des Herrn Josef Bergbauer vom 15. 7. 1909). E. Brodführer.

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Bartholomäus — Bartholomäus von Reichersberg

Bartholomäus, sonst unbekannter Prediger, von dem eine dogmatische Predigt im Auszug aufgezeichnet ist in der PredigtSammelhs. cod. theol. 2065 der Hamburger StB., Anf. des X V I . Jhs. von Schwester Katharina Gürdeler im St. Agneskloster zu Trier geschrieben, Bl. 307 b—311a, Nr. 40 : Eyn goit nutz lere van dem hilgen sacrament // Her bartlomeus. Vielleicht ist er identisch mit Heinrich Seuses (s. d.) Freund B a r t h o l o m ä u s v o n B ö l s e n h e i m , der 1354—61 Provinzial der deutschen Dominikaner-Provinz war ( J u n d t Histoire du -panthéisme -populaire 1875, S. 289!). W. St. Bartholomäus, M a g i s t e r , aus A n d l a u im Elsaß. Joh. Schenk (s. d.) überliefert von ihm eine recht beobachtungsund erfahrungsreiche Auseinandersetzung über Beurteilung und Behandlung von Speer- oder Hellebarden-Wunden im Rükken, bei deren Pflege Rückenlage und erhöhtes Becken („nieder mit dem heufde, mit dem lif hoc") vorgeschrieben wird. „Datum Andelawe magister Bartholemeus Cyrurgicus". Beitr. z. Gesch. d. Chirurgie im MA. 2. Teil 1918 S. 571/72. Daß dieser erfahrene elsässische Wundarzt mit dem anderwärts von Joh. Schenk genannten „magister B a r t h o l o m e u s in G r e i z " identisch wäre, von welchem ein 'Wasser vur das swinden' (S. 578 aaO.) mitgeteilt wird, ist nicht allzu wahrscheinlich, doch eine solche Umsiedelung immerhin möglich. Sudhoff. Bartholomäus, Meister, s. O r t o l f vonBaierland. Bartholomäus v. d. Lake, s. L a k e . Bartholomäus von Münsterberg, Pfarrer in Leutschau in der ersten Hälfte des X V . Jhs., Mitglied des 1248 gegründeten Zipser (Zips im damaligen Oberungarn, heute zur Tschechoslowakei gehörend) Pfarrbundes (Confraternitas Plebanorum Scepusiensium.) Er nennt sich in den beiden von ihm erhaltenen Handschriften auch Bartholomaeus de Monte Divi Georgii, scheint also aus Georgenberg (Zips) zu stammen. Nach seiner Tätigkeit in Leutschau wird er 1448, 1454 und 1477 als Prediger von Wallendorf (Zips) erwähnt. Die letzte

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Angabe über ihn stammt vom Anfang des letzten Jahrzehnts des X V . Jhs. Seine Arbeiten enthalten eine Hs. der Budapester Universitäts-Bibliothek und eine des Batthyanaeums in Weißenburg (Siebenbürgen). Die ersten sechsunddreißig Stücke der Budapester Hs. (S. 1—259). ausgenommen das vierte Stück, rühren zweifellos von B. her. Auch das Sammelwerk 'Sermones de Tempore et de Sanctis' in Weißenburg zeigt ganz seine Handschrift. B. bietet nur in geringem Maße Eigenes. Der erste Teil der Budapester Hs., das 'Opus de passione Domini' und die Rede über den hl. Stanislaus in der Weißenburger Hs. dürften von ihm selbst verfaßt sein. Das übrige sind Abschriften aus bekannten Werken des Chrysostomus, Hieronymus, Gregorius Magnus und Thomas Cantimpratensis. B. setzte in seine Predigten des leichteren Verständnisses halber auch deutsche Wörter ein. Hss.: Nr. 65 der Budapester UniversitätsBibliothek und I 5 I V 2 des Batthyanaeums in W e i ß e n b u r g . — V g l . J o s e f H r a d e z k y . 4 XXIV kirdly i plebömos testverülete es a reformdciö a Szepessegen (Die Bruderschaft der 24 königlichen Pfarrherrn und die Reformation in der Zips) 1895. J o h a n n C s o n t o s i Adalek a szepessegi XV. szäzadi könyvtdrakhoz (Ein Beitrag zu den Bibliotheken der Zips im XV. Jahrhundert), Magyar K ö n y v o z e m l e 1880, S. 329ff. F l o r i a n H o l i k Die erste gelehrte Gesellschaft in Ungarn, Ung. Jahrbücher 1923.

B. v. Pukanszky. Bartholomäus von Reichersberg. Berol. ms. germ. quart. 488, S. 159—163, nach einer Reichersb. Hs. abgeschrieben von Frz. Goldhann, Wien 1836. 58 kunstlose Reimpaare über die Gründung des St. Michels-Klosters Reichersberg (Oberösterreich) durch Werner von Playn i. J. 1084 und seine weitere Geschichte. Die 1462 verfaßte Darstellung beruft sich mehrmals auf schriftliche Quellen; vgl. dazu die 'Annales Reicherspergenses' MG. SS. X V I I S. 447, 26ff. und 'Gesta Archiep. Salisburg'. MG. SS. X I S. 40,11. Anfang: Von christ gepurdt tausent jar / und vier und achtzig daz ist war / zu derselben frist / hueb sich an ein stifft / zu Reichesperg (!) als ich las. Am Ende: B. praepositus Reicherspergensis. Ludwig Denecke.

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Bartholome, Ludwig — Basilius Valentinus

Bartholome, Ludwig. 1. Nürnberger Meistersänger aus dem Anfang des X V I . Jhs., über dessen Lebensverhältnisse sonst nichts bekannt ist. Im „späten T o n " dichtete er ein Lied über die Untaten Neros, gedr. u. d. T.: 'Diß lied sagt von Nero dem Küng // der that so vnmenschliche ding // Groß büberey waz er so ring // zu letzst es jm gar vbel ging.' Nürnberg bei Jobst Gutknecht, o. J. 4 Bll. 8°. (Ex. Weimar Landesbibl.) Ein zweiter Druck, datiert 1521, in Berlin Staatsbibl. Anf.: Vor zeyt ein König saß zu Rom, // Nero gehayssen was sein nam. Schi.: Die boßhayt tregt uff jn die räch // also dicht Ludwig Bartholome der binder. 2. Diese Unterschrift bringt auf den Gedanken, L. B. auch ein zweites balladenhaftes Meisterlied zuzuschreiben, das ebenfalls einen antiken Stoff behandelt und ebenfalls in dem „späten T o n " gedichtet ist: 'Diß lied sagt von Lucretiam // Do sie vmb jr ehre kam 11 Do hat sie also grosse schäm // Das sie jr selbs das leben nam.' A n f . : Zu Rom eyns mals eyn Kayser saß. Erster Druck in Nürnberg durch Kunegunde Hergotin, o. J. 4 Bll. 8°. Dieses Lied erfreute sich großer Beliebtheit, wie die wiederholten Neuauflagen und Nachdrucke bezeugen, die Goedeke II S. 253 aufzählt; hinzukommt noch ein Augsburger Druck von ca. 1580, bei Valentin Schönigk. Auch in das Ndd. ward es übertragen (gedr. zusammen mit dem Lied vom alten Hildebrand in Lübeck um 1560) und als dänische „Volksweise" gesungen ( G r ü n e r N i e l s e n Danske Viser II, 1914, Nr. 54, v. J. 1630; dazu IV, 1919, S. 163/8; doch ist das dt. Original Nielsen unbekannt geblieben). Hier nennt sich der Dichter am Schluß Ludwig Binder. Wenn man diese Nennung zusammenstellt mit der des ersten Liedes: Ludwig Bartholome der binder, so ist der Schluß nicht zu kühn, daß es sich um dieselbe Persönlichkeit handelt. 3. 'Ein bewerte Ertzney allen krancken wie sie gesundheyt der seelen und leibs erlangen mögen. Darnach 4. Psalmen sampt etlichen weltlichen Liedlein, guter Meynung geistlich gestellt, für die jugent, die sunst allerley liedlein zu singen geneygt. Wer

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Christum kendt, Wirt nicht geschendt. L. B.' Nürnberg, bei Georg Wächter, o. J., 20 Bll. Nach W a c k e r n a g e l Bibliographie'Nr. 338 um 1535; nach H e n n i g Die geistliche Kontrafaktur im Jh. der Reformation 1909, S. 68f. um 1540; nach W e l l e r Annalen II S. 51 Nr. 3 um 1543. (Ex. in Berlin Staatsbibliothek.) — Wackernagel hat hinter den Initialen den Meistersinger Ludwig Bartholome den Binder vermutet. Doch spricht mancherlei dagegen. Einmal die späte Zeit, in die die Lieder fallen. Dann die Technik, die sich hier zeigt: die schwierigen Metren und Reime beherrscht der Dichter mit Leichtigkeit, und auch inhaltlich wird der Durchschnitt der meistersingerischen Reimerei übertroffen. Ich hege daher große Bedenken, Wackernagels Hypothese aufzunehmen. Außer der zitierten Literatur kommt in Betracht: B a r t s c h A D B . I I S. 110, 647. W e i l e r Annalen I S. 208, Nr. 38 ordnet bereits das Gedicht auf Nero ebenfalls unter L u d w i g B i n d e r ein. — Die Gedichte unter 3 gedruckt bei W a c k e r n a g e l Kirchenlied III S. 866/885.

W. St. Bartoldus von München, Meister. Seine Methode der Behandlung von Pfeilschüssen in Herz, Darm, Leber oder Magen, soweit deren prognostische Abschätzung eine solche überhaupt zuläßt, teilt Johann Schenk mit. Beitr. z. Gesch. d. Chirurgie im MA. 2. Teil 1918 S. 571. L a g mit Joh. Schenk bei Rottenmann gegen die Türken. Sudhoff. Basel, s. N i k o l a u s v. B. Der von Basel. A) Barfüßer und mystischer Prediger, nur bekannt durch ein Zitat in der Berliner Hs. 4 0 . 191, Bl. 362 a — b , mitgeteilt von F. P f e i f f e r Germ. 3 S. 230. B) Dominikaner und mystischerPrediger, nur bekannt durch Auszüge in der Berliner Hs. 4 0 . 191, Bl. 387a—b, mitgeteilt von W. S t a m m l e r ZfdPh. 55 (1930) S. 292. W. St. Basilius Valentinus galt seit dem 17. Jahrhundert als Benediktinermönch im Peterskloster bei Erfurt. Als Schriften unter seinem Namen hat Joh. Thölde erscheinen lassen 1599 zu Eisleben 'Vom großen Stein der Uralten' (vermehrt

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Bassenheimer — 'Der Bauern Lob'

Leipzig 1602); 1603 zu Leipzig 'De occulta Philosophia' deutsch; 1603 'Von den natürlichen und übernatürlichen Dingen' zu Leipzig; 1604 'Triumph-Wagen Antimonii' zu Leipzig. Die ältesten Handschriften sind Oxford, Bodleian Libr. „Ashmol 1447" zwischen 1610 und 1620 geschrieben; Siena, Bibl. comm. L- X . 24. Mitte des 17. Jhs.; Kopenhagen Gl. Kgl. Saml. Fol. 243, 4 0 1752, 8° 3507 desgl. 17. Jhs.; auch die Handschriften zu Wolfenbüttel u. Gotha stammen aus dem 17. Jahrh. Der erste Herausgeber Joh. Thölde ist auch der Verfasser dieser Schriften. In der unter seinem eigenen Namen herausgegebenen 'Haliographia' (Frankenhausen, 1. Jenner 1603) wird er als des Rats zu Frankenhausen Kämmerer und Pfannenherr des dortigen Salzwerks genannt. Sudhoff. Bassenheimer (auch Passerhammer, Passenhanner, Bassenhanner, Basserhamer [so unterzeichnet er sich selbst], Bassenhaumer; vgl. über ihn Serapeum 15, 1854, S. 232 u. 16, 1855, S. 13), J o h a n n e s , nahm 1426 an einer Pilgerfahrt ins Heilige Land teil, vielleicht unter Herzog Ludwig III. von der Pfalz; schrieb einen 'Pilgerführer': Dresdener 4°-Hschr. M 65,5 Bl. 85b—88a, mitgeteilt von H e r s c h e l Anz. f. Kde. d. dtsch. Vorzeit 1863, S. 319—22. R ö h r i c h t - M e i s n e r S. 4 7 i f . , 569; R ö h r i c h t S. 43 u. 105; R ö h r i c h t Bibl. Nr. 291; T o b l e r S. 46. Vgl. ZfdA. 25 (1881) S. I23ff.

Hartnack. 'Der Bauern Kirchweih', eine Erzählung in 63 Reimpaaren von der Art, wie sie im 'Gesamtabenteuer' stehen, will den Lehrsatz exemplifizieren, daß ein kluger Mann seine Frau nicht der Versuchung anheimgeben soll. Der Titel ist aus einem nebensächlichen Handlungselement des Einganges genommen. Die Darstellung ist so vortrefflich, wie der T e x t verderbt. Handschriften: Wiener Nationalbibliothek Hs. 2885, aus Ambras, v . J. 1393, Bl. i 8 b f f . : 'Von der pauren Chirchweihe' (Hoffmann von F a l l e r s l e b e n Verzeichnis S. 93f.) und in deren Tochterhs. in Innsbruck, Museum Ferdinandeum 16. o. 9. ( E m m e r t Mones Anz. 1836, Sp. 33Öff.), beide in Tirol geschrieben. Britisches Museum in London, Add. ms. Nr. 24.946, Bl. 135. 14:

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'Von der pawren andacht' ( B a e c h t o l d Deutsche Handschriften aus dem Britischen Museum 1873 S. 112; H. L. D. W a r d Catalogue of Romances X, 1883, S. 826ff.).

Den T e x t des Gedichtes, das einigemal erwähnt wird (vgl. Hoffmann von Fallersleben), druckt F. D. G r ä t e r (Bragur V I I , 1, [1802] S. 203ff.) recht mangelhaft ab: die Aufteilung der Reden ist verfehlt, der Schlußvers der einen und der Anfangsvers der nächsten Rede sind im Reim verbunden; mein graber vol ist nicht „mein voller K o r b " , sondern doch: „mein graues Fohlen". Das Gedicht wird von H. Niewöhner in seine neue Ausgabe des ' Gesamtabenteuers' aufgenommen werden. Karl Polheim. 'Der Bauern Lob'. 1. Ein Spruchgedicht aus dem X V . Jh. schildert, wie der Bauer der erste und wichtigste Stand auf Erden immer war und sein sollte, mit Polemik gegen den Adel (die berühmten Verse stammen daher: Da Adam reutet und Eva span / wer was die zeit da ein edelman). Auch gegen die äußere Werkheiligkeit, die im bloßen Kirchengehen besteht, wendet sich der Dichter und hält schon die Erfüllung der Berufspflichten in fleißiger Arbeit für Gottesdienst, den der Herr belohnt (Die paum kummen gen kirchen selten / doch lest sihs got nit entgelten I Für ir arbeit gibt er yn Ion / gesunten leib und die ewigen krön). Der gewandte und warmherzige Dichter war nach den Reimen ein Oberdeutscher, wohl ein Baier. 2. Drei Drucke sind erhalten und bezeugen die Beliebtheit des Gedichts: a) 'Ein neues gedieht wer der erst edelman gewest ist und wie sein nachkumen die land haben betzwungen seider Adams zeit so ist der paur nit gefreit.' Bamberg, bei Hans [Sporer, um 1493]. 4 Bll. 4 0 . E x . in München, StB. — b) 'Der paum lob.' [Bamberg, bei Joh. Sensenschmidt, um 1495.] 4 Bll. 4°. E x . in Bamberg und Maihingen. Hier ist der T e x t in geringfügigen Kleinigkeiten anders als in a). — c) 'Uns sagt die geschrift. Wer der erst edelman gewest ist wie er und sin nachkumen die lant haben geezwungen. sider Adams zit so ist weder arm noch reich vor

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Bauernfeind — Bebo von B amberg

der herschafft gefreit.' Erfurt, 1497, bei St. Pauls Pfarr zum weißen Lilienberge [d. i. Hans Sporer]. 4 Bll. 40. Ex. im Brit. Museum. In der Rechtschreibung und Lautgebung rückständiger Nachdruck von a). W. St. Bauernfeind. Im Stadtarchiv zu Frankfurt a. M. befindet sich ein histor. Gedicht, das von einem gewissen Jacobus dem Stadtschreiber Nicolaus Uffsteiner (als solcher von 1431—1470 tätig) übersandt worden ist. Es bezieht sich auf die Kämpfe, welche Nürnberg um die Mitte des X V . Jhs. mit dem Markgrafen Albrecht Achilles von Brandenburg-Ansbach, demErzbischof von Mainz, dem Bischof von Bamberg und einer Menge fränkischer wie schwäbischer Ritter zu führen hatte. Der Dichter steht auf der Seite der Ritterpartei, schilt die Städter geizige Bauern (filczgeburen) und ermuntert den Adel, besonders Eberhart Rüde von Kollenberg, in den Kampf einzugreifen und den Übermut der Nürnberger zu brechen. Da Rüde am 6. Dez. 1449 den Städtern aufsagte, muß das Gedicht kurz vor diesen Termin fallen. Es besteht aus 8 ungleich langen Strophen. Der Dichter nennt sich Burenfiendt, ein auf den Inhalt bezogenes durchsichtiges Pseudonym. R . W ü l c k e r Lied der Ritter wider die Städte, Germ. 16 (1871) S. 438—442. S t e i f f und M e h r i n g Geschichtl. Lieder Württembergs Nr. 6.

W. St. Bauernfeindt (Pauernfeindt), Andreas, 'Gründtliche Lehr der ritterlichen Kunst des Fechtens', verfaßt in Wien 1516. Die Schrift ist abhängig von den älteren Fechtbüchern (s. T h a l h o f e r ) . G. H e r g s e l l Livre d'escrime de Talhofer (code de Gotha) de Van 146g 1901, S. 8.

E. A. Geßler. Baumburg, s. B u w e n b u r g . Baumgartner, Stefan, machte 1498 unter Herzog Heinrich zu Sachsen eine Reise nach dem Heiligen Grabe, von der er eine Beschreibung (mit Abbildungen) gab. Hs. 369 des German. Mus. Nürnberg, 38 Bll., davon 8 mit Abbildungen. Vgl. R ö h r i c h t - M e i s n e r S. 5 1 8 — 5 2 1 ; R ö h richt S. 195—199 (mit Aktenauszügen); R ö h r i c h t Bibl. Nr. 457; T o b l e r S. 62.

Hartnack.

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Baumgartner, Wolfgang. 1. Geboren als der dritte Sohn des wohlhabenden Bürgers und Getreidehändlers Peter B. aus Wasserburg a. Inn. Sein Geburts- und Todesjahr ist nicht bekannt. Seit 1500 war er Rentmeister in Wasserburg. Möglicherweise ist er personengleich mit jenem W. B., der 1493—1498 Professor des Zivilrechts in Ingolstadt war (C. P r a n t l Geschichte der LudwigMaximilians-Universität in IngolstadtLandshut-München I 1872, S. 73). Sein Bruder Peter B., 1478—1482 Professor des kanonischen Rechts an derselben Universität, dürfte vielleicht der Fortsetzer der Chronik des Ulrich Füterer (s. d.) sein (R. Spiller Quellen und Erörterungen zur bair. und deutschen Geschichte N. F. II, 2 [1909] S. L X X X ) . 2. Von W. B. besitzen wir kurze Aufzeichnungen, die unter dem Titel 'Gleichzeitige Wasserburgische Nachrichten, betreffend die Begebenheiten in der Stadt Wasserburg, während der traurigen Jahre 1504, 1505, 1506, 1507; vom damaligen Rentmeister Wolf Baumgartner' durch L,. v. Westenrieder in seinen 'Historischen Schriften' I (1824) S. 181—206 veröffentlicht sind. Die Originalhandschrift liegt im Stadtarchiv Wasserburg a. Inn. In diesen Aufzeichnungen schildert B. anschaulich und gewandt die Vorgänge, die zur Übergabe der Stadt W. an den Pfalzgrafen Ruprecht, den Schwiegersohn des Herzogs Georg des Reichen von Ivandshut, im sog. Landshuter Erbfolgekrieg führten. B. spielte bei diesen Ereignissen die führende Rolle, und sein Bericht ist ohne Zweifel als Rechtfertigungsschrift aufzufassen. S. R i e z l e r Geschichte Baierns I I I (1889) S. 917/8. W . K r a g Die Baumgartner von Nürnberg und Augsburg. Mit einem Anhang: Die bairischen Baumgartner von Kufstein und Wasserburg, Schwäbische Geschichtsquellen und Forschungen I (1919) S. 1 3 1 .

Paul Ruf. Baumholz, s. Paumholz. Bayern, s. Christoph v. B. 'Beaflor', s. 'Mai u. B e a f l o r ' . Bebenburg, s. L u p o i d v. B. Bebo von Bamberg. 1. B. ist etwa 950/960 geboren: 1021 klagt er über

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Bechen —

egritudo senilis corporis. Der Eifer, mit dem er in demselben Jahr die Diakonwürde gegen die dignitas sacerdotalis atque presbiteralis verteidigt, ist nur dann verständlich, wenn er selber dem angegriffenen Stande angehört. 1020 hat ihn Kaiser Heinrich II. in Bamberg während der Osterfestlichkeiten, an denen sogar der Papst teilgenommen hat, zu einer Unterredung vorgelassen. Vorher hatte B. für den Kaiser die letzten acht Bücher von Gregors 'Moralia' abgeschrieben. 2. B. ist Gelehrter. Er hat allegorische Anmerkungen zu biblischen Büchern geschrieben (er spricht von: sensu allegorico iuxta sensum maiorum explanare, sensum et dicta observando elucidare, enodare, traclare). Seine Bearbeitung des von Hieronymus verfaßten Jesajas-Kommentars ist erhalten (Bamberg, Bibl. 78 und 79; vgl. Katalog derHss. der Kgl. Bibl. zu B. 1 1 , S. 63f. und I 3, S. 9). Wie er selber im Prolog verrät, hat er fortgelassen, was sich widerspricht oder sich verschieden interpretieren läßt, und hat Zitate aus den Kirchenvätern und eigene Erklärungen hinzugefügt. 3. Seine übrigen literarischen Leistungen haben geringen Umfang. Am Schluß der Abschrift aus Gregors 'Moralia' (Bamberg, Bibl. 43) wendet er sich in einem Brief an den Auftraggeber: er huldigt darin dem Kaiser und bittet ihn um integritas gratiae. Vor der Bearbeitung des Hieronymustextes steht ein langer Brief an den gleichen Adressaten: darin kämpft B. für die Gleichberechtigung der Diakonen mit den Priestern, führt sieben Tugenden mit mystischen Auslegungen vor, schildert das Osterfest von 1020 und läßt das I,ob des Kaisers, das durch das ganze Schreiben ertönt, in 9 leoninischen Hexametern ausklingen. Darauf folgt in der Hs. der erwähnte Prolog. Am Schluß der Hs. befindet sich ein Gedicht von 14 leonin. Hexametern, ebenfalls von B. an Kaiser Heinrich II. gerichtet, der als trefflicher Hüter des Landfriedens gepriesen wird. 4. B. bringt wertvolles Material zur Geschichte Heinrichs II. und der Bamberger Kirche. Er schreibt elegant, streut gern biblische Zitate ein und sucht durch

Beez

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volle Reimprosa (sein Vers- und Prosareim ist einsilbig; vgl. K. P o l h e i m Lat. Reimprosa 1925, S. 365), durch Wortspielerei und Alliteration (vgl. Neues Archiv 19 S. 4o8f.) außer im Prolog zu brillieren; dabei wirkt er oft gesucht. A m besten ediert von J ä f f 6 Bibliotheca rerum Germanicarum V (Monumenta Bambergensia) 1869 S. 484—497 (ohne den Prolog); außerdem von G u t e n ä c k e r im 25. Bericht des Histor. Vereins zu Bamberg 1862 S. 136/59 (diplomat. Abdruck mit längeren Einleitungen); S. H i r s c h Jahrbücher des deutschen Reichs unter Heinrich II. 1862 Bd. 1 S. 545—554 (ohne den Prolog; mit Einleitung). — Wattenbach Deutschlands Geschichtsquellen I 7 S. 401; vor allem M. M a n i t i u s Gesch. der. lat. Lit. des MAs. I I S.706—8.

K. Langosch. Bechen, s. B e h e i m , Mich. Bechtold, B r u d e r , wird in einer Hs. des Johanniterhauses zu Straßburg als eifriger und guter Prediger in dieser Stadt erwähnt. Sonst ist nichts über ihn bekannt. Ch. S c h m i d t Zur Gesch. d. ältesten Bibliotheken und der ersten Buchdrucker zu Straßburg 1882, S. 23.

W. St. Bechwinden, s. H e i n z v. B. Becker, Peter. Die unter diesem Namen gehende 'Zerbster Ratschronik' stammt nicht, wie neuere Forschungen ergeben haben, von P. B., sondern offenbar von einem Stadtschreiber unbekannten Namens. (Mitteilung des Anhaltischen Staatsarchivs in Zerbst.) W. St. Beckmesser, Peckmesser (Bekmeserer), Sixt, Meistersinger des X V . Jhs.in Nürnberg, den H. Sachs unter den 12 alten Nürnberger Meistern anführt. Gedichte von ihm sind nicht bewahrt geblieben, dagegen haben sich seine Töne: der gülden Ton, der neue Ton, die Corweis und der Maienton, lange gehalten und sind von den Späteren gern angewandt worden. In der Steyrer Hs. heißt er Six bek meserer; daraus macht Schröer einen „Messerer Sixt Beck" (Germanist. Studien II, 1875, S. 221)!

W. St. Beeck, s. H e i n r i c h v a n B e e c k . Beez, A n d r e a s , Meister, izund pfarrer zu Füssen. Von ihm ein Trank für die Pestilenz im Ms. allem. 164 der Pariser Bibl. Nat. um 1500, Bl. 296. Sudhoff.

183

'Beginchen von Paris'

'Beginchen von Paris.' Das 'B. v. P.' ist in 4 Hss. und verschiedenen Drucken überliefert. Dem Original am nächsten, aber mit lückenhaftem Text, steht ein Delfter Wiegendruck von etwa 1490, ' Baghijnken van Parijs' (Königl. Bibl. im Haag, X I V 33 a). Bloß hieraus abgeleitet sind zwei spätere Antwerpener Drucke (1605, Nachdruck davon etwa 1660). In mittelfränkischer Übertragung, vielfach stark umgeformt durch Durchreimung der vier Kurzzeilen jeder Strophe (abab), findet sich die Dichtung in einem Kölner Druck Heinrichs von Neuß von etwa 1505 (Univ.-Bibl. Bonn, F a 447). Dazu ein zweiter Druck Heinrichs von Neuß von etwa 1510 (in Köln und Aachen) und ein in Wortlaut und Mundart übereinstimmender Wiegendruck in Paris. Eine nd. Übertragung ist in einer Hs. der Hamburger Stadtbibliothek (Anfang des 16. Jhs. im Hamburger Beginenhof geschrieben, Hss. des Convents Nr. 5) gut überliefert, während der T e x t im Oldenburger Bedeboek (15. Jh.) durch den Versuch, die Strophen durchzureimen (unabhängig von der mfrk. Fassung), stark entstellt ist. Noch unbenutzt sind zwei Hss. des 15. Jhs. in der I,übeckischen Stadtbibliothek (Ms. theol. germ. 45 und 66), die eine sicher aus Frauenbesitz.

Die Dichtung ist wohl erst im 15. Jh. in Holland entstanden. Sie ist in Strophen abgefaßt: zwei Langzeilen (vorwiegend — nach Heuslerscher Bezeichnung — je vier voll, vier klingend), paarweise gereimt. Wie mit dieser äußeren Form steht sie trotz ihres Umfangs (134 Strophen) auch im Stil dem Volkslied nahe und ordnet sich nach Ton und Richtung in die blühende geistliche Liederdichtung der Niederlande ein. In glücklicher Einheit spricht aus der schlichten, lyrisch gefärbten Strophe das gleiche dichterische Empfinden wie aus der Gesamtgestaltung des Inhalts, der den Rhythmus seines Einzelaufbaus aus dieser Form empfängt. Alle stimmungsleeren Nebensächlichkeiten sind aus der bis ins einzelne trefflich gegliederten und sich steigernden Darstellung ausgeschieden; nur das Geistige als etwas wesentlich aus der Empfindung Hervorwachsendes Anzufangen, ist ihr Ziel. Ganz überwiegend baut sie sich denn aus Reden auf, die meist ohne besondere Einführung, aber mit häufiger Verwendung von formelhaften, empfindungtragenden Anreden Strophe für Strophe wechseln. Wiederaufnahme der gleichen Worte ist wie im Liede das Bindemittel für die Strophenkette, das die geistige Einheit stimmungverstärkend

heraushebt. Wo die Gedanken und Empfindungen nicht in aller Schlichtheit ausgesprochen werden, stellt sich häufig sinnbildlicher Ausdruck ein aus dem Drang, das Tiefste voll und doch in unrhetorischer Einfachheit und Echtheit auszusprechen. Fern von den großen Gedankengebäuden unserer Mystik ist es eine Dichtung aus dem Geist der innigen, nur aus dem Gemüt erwachsenden Gottversenkung, wie sie die Beginen pflegten, einer Richtung angehörig, die gerade in den Niederlanden und Niederdeutschland besonders heimisch war. Um mit ihrem ganzen Wesen nur im Göttlichen zu wohnen und nur mit Jesus, ihrem Liebsten, auf dem Wege seines Liebeswerks all sein Leiden und Fühlen mitzuleben und seiner Liebe mit gleicher Hingabe des ganzen Herzens zu entsprechen, entsagt das Beginchen aller Herrlichkeit der Welt, die ihr in reicher Fülle zu Gebote stände. Aber auch alle äußeren Formen kirchlicher Frömmigkeit werden ihr — das ist das Bezeichnendste — eine abzuweisende Abhaltung von der mystischen und doch kindlich schlichten Andacht, die ohne fremde Vermittlung unmittelbar das Gemüt ins Göttliche hinaufhebt und in dieser Gottverzückung alles Irdische versinken läßt, so daß sie sieben Jahre ohne Trank und Speise lebt. Das Aufgehn ihres ganzen Seins im Religiösen bringt ihr so auf Erden schon die letzte, fast selbstverständlich scheinende Erfüllung ihres in Wahrheit schon im Überirdischen wohnenden Lebens, das Erscheinen Christi, mit dem sie, unbehindert durch die Scheu des Unvollkommenen, Zwiesprache hält, und der sie zu sich heimholt. Die vielgelesene Dichtung, deren Quelle wir nicht kennen (der Schluß beruft sich auf den hl. Gregorius), stellt damit das Höchste dar, was als Krönung eines gottseligen und doch abseits vom Kirchlichen Hegenden Beginenlebens denkbar war. Die Drucke mögen mit so manchen geistlichen Volksdichtungen von der kirchlichen Verfolgung betroffen sein. J. v. V l o t e n Algemeene Konst- en Letterbode voor het Jaar 1853, 2. Deel (Haarlem 1853) S. soff. (Delfter Druck). C. P. S e r r u r e Maetschappy der Vlaemsche Bibliophilen, Werken voor de Leden alleen Nr. 7 (1860) S. i f f . (Ant-

jgij

Beham, Lazarus — Beheim, Michael

werpener Drucke). O. S c h a d e Geistliche Gedichte des 14• und 15. Jhs. vom Niederrhein 1854 S. 333ff.(2. K ö l n e r Druck). A . L ü b b e n Mittelniederdeutsche Gedichte 1868 S. i f f . (Oldenburger Hs.). R . S e g e b r e c h t 'Von dem B. zu P.', Vergleichung der überlieferten Fassungen und Herstellung eines kritischen Textes. Diss. (Maschinenschrift) H a m b u r g 1921. W . S t a m m l e r N J b b . 45 (1920) S. 121.

L. Wolff. Beham, Lazarus, aus Sulzbach, astrologischer Schriftsteller. Von ihm ein Traktat 'Von den Wirkungen der sieben Planeten oder der zwölf Zeichen' in der Münchener Hs. cgm. 328, v. J. 1477, Bl. 1 2 2 — 138. W. St. Der Beheim, ein Prediger des X I V . Jhs., uns nur bekannt durch kleine Auszüge aus seinen Predigten in der Berliner Hs. 191. 40, Bl. 358 b, 361a—362 b, 364 a - b (gedruckt Germ. 3 S. 227). Sie enthalten nichts Mystisches, sondern beschäftigen sich mit dogmatischen (Engelslehre, Hlg. Geist) und erbaulichen (Reue, Buße, Beichte) Fragen. W. St. Michael Beheim (1) (andere Namensformen: michel behamer, michel behen in cod. Dresd. M. 180; Michel Beheim in den von Michel Hefelin im X V . Jhd. in mgq. 1402 Berlin von ihm niedergeschriebenen Gedichten; Michel peham von Vlrn in cod. germ. quart. 414 Berlin Bl. 380®) ist Meistersinger; genau so Meistersinger wie Frauenlob (s. d.) und Heinrich von Mügeln (s. d.). E r gehört keiner Meisterzunft oder -schule an; alles aber, was den Meistersinger kennzeichnet, findet sich bei ihm: strenge Beachtung des Formalen und — stofflich — Rückschau auf Altes, Kenntnis und Deutung der Gegenwart. Michael Beheim ist eine Persönlichkeit, die nicht in der dumpfen Stube aus verstaubten Büchern sich Weltweisheit zu erwerben strebt: steter Kampf, ein ruheloses Dasein verschaffen ihm Lebenserfahrung und Lebenswissen. 2. Der Dichter ist am 27. Sept. 1416 in Sulzbach (Württemberg) geboren. Zunächst ergreift er das väterliche Weberhandwerk. Konrad von Weinsberg, Kaiser Siegmunds berühmter Reichserzkämmerer, weist ihm den Weg zur Dichtkunst, für die er so manche Lanze gebrochen hat.

Er bleibt bis zu Konrads Tod an seinem Hof. Dann aber — nach dem Jahre 1448 also — sieht man ihn bei den verschiedensten Herren. E r dient Markgraf Albrecht von Brandenburg, unterstützt ihn in seinen Kämpfen gegen die süddeutschen Städte. Nachdem er Albrechts Dienst verlassen hat, zieht er nach dem Norden: Köln, Westfalen, Lübeck, Kopenhagen, Drontheim — wo er 1450 König Christians Krönung beiwohnte — und Bergen lernt er kennen. Dann ist er wiederum im Dienste Albrechts von Brandenburg bis zum Jahre 1454. Oft muß er später den Herrn wechseln. Bedeutungsvoll ist der Aufenthalt bei dem Herzog Albrecht von Baiern: dort trifft er den berühmten Ritter Jakob Pütrich von Reichertshausen (s. d.); Pütrich der Sammler und Erhalter alter Dichtkunst und B. der Sänger und Kriegsmann, der Ritter und der Bürgerliche, sie treffen sich im Lob jener, die sich der alten maister geticht annemen (Gille S. 173) — 1445 hingegen ist B. bei König Ladislaus von Böhmen, erlebt den Zug nach Belgrad, wo Cilli ermordet wird, begleitet Ladislaus erst nach Wien, dann nach Prag, muß aber das Land seiner freien Sprache wegen verlassen. 1459 steht er bereits in kaiserlichen Diensten: stets vertritt er die Partei Kaiser Friedrichs gegen dessen Bruder Albrecht. 1461 und 1463 macht er die Belagerung von Wien mit. Nach Weihnachten 1466 gilt es auch den kaiserlichen Herrn zu verlassen. Beheims Aufenthalt am Hofe des Pfalzgrafen Friedrich von der Pfalz ist seit vor 1467 festzustellen. Noch 1474 scheint er in Heidelberg geweilt zu haben. — Auf seine letzten Lebensjahre meinte Caspart ein Licht werfen zu können: ein Stein mit dem Wappen Beheims („ein Schild, in dem sich eine gekrönte Sirene, die ihre Fischschwänze mit den Händen hält, befindet, und darüber ein Helm, der von der nämlichen Meerjungfrau in derselben Haltung geziert wird" Gille S. 8), der die Jahreszahl M C C C C L X X I I und ein Sühnekreuz (beham schulteis tzu Sultzbach erschlagn) mit der Zahl MCCCCLXX..., deren letzte Ziffern abgeschlagen sind, soll darauf hinweisen, daß u n s e r Beheim als

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Beheim, Michael

Schtiltheiß des Heimatdorfes ein so tragisches Ende fand. Gille (S. 8) lehnt diese These nicht durchaus ab. — 3. Es ist bei Beheim nötig, einige Daten seines bewegten Lebens so genau aufzuzeigen: hat doch der Dichter fast jede Lebensphase in seinen historischen Liedern besungen (s. u. Gille, Karajan). Auf einige historische Gedichte großen Umfanges sei hingewiesen. Wichtig ist das 'Buch von den Wienern', in dem B. die Belagerung Wiens durch Kaiser Friedrichs Bruder Albrecht und den Bürgermeister Holzer behandelt; Karajan zeigt (S. X l f . ) B.s Kenntnis der alten deutschen Heldensage, der deutschen Mythologie (S. X I ) , den Dichter als Aufaeichner rechtsgeschichtlich interessanter Einzelheiten (S. X I I u. XIII), als Benutzer althergebrachter Redensarten und Sprichwörter. Sehr eigenartig ist, daß das ganze 'Buch von den Wienern' in der „Angstweise" abgefaßt ist: daß man es lesen könne wie einen Spruch oder singen wie ein lied, wie es in der Überschrift lautet (Karajan S. VII). — Für den Pfalzgrafen Friedrich I. verfaßte B. eine gereimte Verherrlichungschronik, wobei er sich an die vom Kaplan Matthias Kemnat (s. d.) geschriebene Prosa-Chronik eng anschloß. — Ein längeres histor. Gedicht schrieb B. über den Woiwoden Wlad IV. Drukal, einen Unmenschen, der auch u. a. in Schumanns 'Nachtbüchlein' und Fischarts 'Flöhhaz' erwähnt wird; B. behauptet, in WienerNeustadt habe ihm der Barfüßlermönch Jakob viel von Drakul erzählt, Schullerus erweist sklavische Anlehnung an ältere Flugschriften. — Es sei noch verwiesen auf des Dichters Beschreibung seiner Dänemarkreise und sein Gedicht 'Von der statt Triest'. — 4. Ausgesprochen meistersingerisch ist Beheims Auffassung der Dichtkunst: so der Hinweis auf die alten Meister, so die Streitgedichte (s. Germania I I I S. 327), so die Betonung der Vokalmusik (Gille S. 229), so das Spottgedicht in Mones Anzeiger 8, so die Hervorhebung des formalen Wissens (s. Germania I I I S. 311). Wie so viele Meistersinger betätigt sich B. auf dem Gebiet der Fabel, des bispels (die

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Fabel vom Esel in Löwenhaut z. B. dient zur Verherrlichung von Markgraf Albrecht; der Esel sind die Städte [Gille S. goff.]). Unter anderem pflegte B. auch das Lügenlied (s. Bolte, Festschrift f. Kelle Nr. IX). 5. In religiöser Hinsicht steht B. nur insofern an exponierter Stelle, als auch er — wie z. B. Muskatblüt (s. d.) — sich in strenger (wenn auch parodistischer) Weise gegen die Hussiten wendet: u. a. 'widereffen von den keczern zu bekam' (s. Gille S. 102). Seine geistlichen Lieder behandeln u. a. die Fragen der Trinität, das Wesen Gottes und Mariae vor der Erderschaffung, er verwendet (W. Kirchenld. II S. Ö7if.) das in Kunst und Literatur so oft behandelte Motiv des Kreuzesholzes, das Seth aus dem Paradies holte, und das von der Königin von Saba bei ihren Besuch bei Salomo als Bachsteg erkannt wird. 'Von zwain und sibenczig namen der Künigin Marie' handelt das X . Meisterlied, das Bolte mitteilt, gegen den Aberglauben schilt der Dichter sehr eindrucksvoll (Mones Anzeiger 4), das Einhorn (!) als Symbol für den dem Menschen drohenden Tod verwendet er ein anderes Mal (Bolte Nr. I). Das Lob der „guten Werke" — wir denken an 'Jedermann' — , die in Gefahr dem Menschen helfend zur Seite stehen, singt B. im Meisterlied 'Von drein fronten' (Bolte Nr. II). — 6. Schon Karajan (S. X X V ) wandte sich gegen das harte Urteil von Gervinus, der (Gesch. der dtsch. Dichtg. 1871 6 S. 413) sagt: ,,Es ist gewiß nicht leicht, einen Meistersinger zu finden, der an dichterischen Anlagen tiefer zu setzen, oder an Charakter so versehrt wäre, wie Beheim " Zu abschätzend auch äußert sich Bartsch (ADB. II S. 281). — Daß B. nicht aus rein historischen Interessen, sondern um seinen Gönnern zu gefallen, seine größeren und kleineren geschichtlichen Gedichte — man denke u. a. auch an das in allegorisches Gewand gekleidete österreichische Wappenlied (Mones Anz. 5) — schrieb, daß er in althergebrachter Weise Fabel, bispel usw. benutzte, daß seine religiösen Lieder keine Neu-Schöpfungen sind: all das darf nicht zu einer Aburteilung führen, die seine technischen Fähigkeiten, seinen

B ehern — 'Belial'

Sinn für das Tatsächliche außer acht läßt. 7. W e i s e n B e h e i m s : Angstweise, Gekrönte Weise, Hofweise, Hohe guldin Weise, Kurze Weise, Lange Weise, Osterweise, Siecht guldin Weise, Siegweise, Trommetenton, Verkehrter Ton, Zugweise. — Nach Kuhns Forschungen liegt bei B. alternierender u n d akzentuierender Rhythmus vor. Es finden sich Werke von Beheim in folgenden H a n d s c h r i f t e n : cod. Pal. germ. 312 (Autogr.), cod. Pal. germ. 334, cod. Pal. germ. 335, cod. Pal. germ. 351 (Autogr.: 1436), cod. Pal. germ. 375 (Autogr.), cod. Pal. germ. 382, cod. Pal. germ. 386; cod. Dresd. M 180; cgm. 291; cod. germ. quart. 414; Berlin mgq. 1402 ( = Phill. 16414). L i t e r a t u r : K . B a r t s c h Die altdeutschen Hss. der Univ.-Bibl. in Heidelberg 1887. J. B o l t e Zehn Meisterlieder Mich. Beheims, Festschr. f. Kelle I 1908, S. 4 0 i f f . J. B l e y e r Ein Gedicht Michaels Beheim über Wlad IV., Woiwoden von der Walachei, Archiv f. Siebenbg. Landeskunde 32 (1903); dazu Nachtrag von A. S c h u l l e r u s Siebenbürg. Korrespondenzblatt 27 (1904). J. B l e y e r Beheim Michdly elete es müvei, a magyar törtenelem szempontjaböl 1902. G. C. C o n d u r a t u Michael Beheims Gedicht über den Woiwoden Wlad II. Drahul. Diss. Bukarest 1903. J. C a s p a r t Michael Beheims Lebensende, Germ. 22 (1877) S. 4 i 2 f f . H. G i l l e Die histor. undpolit. Ged. Michel Beheims (Pal. X C V I ) 1910. F. H. v. d. H a g e n Sammig. f. Altd. Lit. u. Kunst 1812, S. 37ff. C. H o f m a n n D. 2 u. 3. Buch der Chronik des Kurfürsten Friedrich von der Pfalz, Quellen und Erörterungen zur bair. u. dtsch. Gesch. I I I (1863). A. H o l t z m a n n Meistergesänge des XV. Jhds. Germ. I I I (1858) S. 307ff. Th. G. v. K a r a j a n Buch von den Wienern 1867; d e r s . Zehn Gedichte Michael Beheims z. Gesch. Österr. und Ungarns, Quellen und Forschungen z. vaterl. Gesch., Lit. u. Kunst 1849, S. 1 — 6 5 . A. K ü h n Rhythmik und Melodik Michel Beheims, Münsterer Diss. 1907 (s. dazu anerkennende Rezens. v. A. S t a m m D L Z . 1907, Sp. 2277/79). Mitteilungen aus der Königl. Bibl. I I (1914) S. 92/98. M o n e Anzeiger für Kunde d. dtsch. Mittelalters 4 (1835) Sp. 448/51; 5 (1836) Sp. 51 und 52; 8 (1839) Sp. 560/1. H. O e r t e l Michel Beharn ' Von der statt Triest': I. Progr. Schweinfurt 1916. R . P r i e b s c h Dtsche. Handschriften in England 1896. P. S p a r m b e r g Zu Dähnhardts'Natursagen', ZfdPh. 45 (1913)8.66/8. V a n g e n s t e n Michel Beheims Reise til Danmark og Norge i 1450, Kristiania 1908 (s. LZbl. 1908 Sp. 1442; S. G ü n t h e r D L Z . 1908 Sp. 3255/7). M. W e r n e r Glossen zu Beheims histor. Liedern, Ungar. Rundschau 3 (1914).

Horst Oppenheim. Behem(n), s. B e h a m u. B e h e i m .

'Belial.' Den Namen 'Belial' führt ein 1382 verfaßtes Werk des Archidiakons und Kanonisten, später Bischofs, J a c o b u s d e T h e r a m o (1349—1417), das als 'Consolatio fteccatorum seu Lis Christi et Belial' wie unter anderen Titeln seit der Mitte des 15. Jhs. wiederholt gedruckt wurde. Eine Straßburger Ausgabe von 1484 bezeichnet es als apud nonnullos Belial vocitatum, eine Augsburger von 1477 als das buch Belial genant. Sein Vorbild ist eine zur Gruppe der Satansprozesse gehörende Arbeit des Postglossators Bartolus de Saxoferrato aus der Mitte des 14. Jhs., die aber auch ihrerseits Vorläufer hat. Der schon der patristischen Versöhnungslehre bekannte Inhalt ist ein Streit, den Satan um seine Rechte am Menschengeschlechte führt. In den älteren Fassungen streitet Satan wider dieses selbst, vertreten durch Maria, und vor Christus als Richter, während bei Jacobus de Theramo der Streit mit Christus als dem Erlöser vor dem von Gott bestellten Richter Salomon geführt wird. Die Form der Darstellung lehnt sich an den gerichtlichen Prozeß an, wie auch die gegenseitigen Behauptungen gelegentlich mit Rechtssätzen belegt werden. Gleichwohl ist der Zweck dieser Arbeit nicht ein juristischer, auch nicht der einer Popularisierung des Rechts, sondern ein theologisch-erbaulicher, der einer Behandlung des Erlösungswerkes. Dadurch unterscheidet sie sich auch von dem wesentlich juristischer eingestellten 'Processus Sathanae' des Bartolus. Der 'Belial' des Jacobus de Theramo ist frühzeitig in das Deutsche übersetzt und dann in der zweiten Hälfte des 15. und im ersten Jahrzehnt des 16. Jhs. häufig gedruckt und mit Illustrationen versehen worden. Die Persönlichkeit des Übersetzers steht noch nicht fest. E s kann an Albrecht von E y b oder Nikolaus von W y l e gedacht werden. Das Verbreitungsgebiet war im wesentlichen Süddeutschland, wie das Erscheinen von 22 hochdeutschen Ausgaben gegenüber einer einzigen niederdeutschen (Magdeburg 1492) und einer holländischen (Haarlem 1484) zeigt. Im Laufe des 16. Jhs. gerieten diese ersten deutschen Ausgaben offenbar in

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•Beliand, Herzog' — Bereit, Johann

Vergessenheit. An ihre Stelle trat der zuerst 1597 in Frankfurt a. M. gedruckte 'Historische Processus iuris'. Dieser stellt eine Umarbeitung und Erweiterung des deutschen 'Belial' da. Der Verfasser ist J a k o b A y r e r , Doktor beider Rechte und Advokat in Nürnberg, seit 1603 in Weiden in pfälzischem Dienst, Sohn des gleichnamigen Nürnberger Dichters. Dieser hat das lateinische Original selbst nicht gekannt und hält den Kleriker Jakob von Theren für dessen Übersetzer. Der 'Processus' ist nach 1597 zunächst von Ayrer selbst in verbesserter und vermehrter Form herausgegeben worden, später dann, seit 1678, durch den Leipziger Dr. iur. A h a s v e r F r i t s c h . Die letzte der nahezu 30 Ausgaben erschien 1737. In der Bearbeitung durch Ayrer ist der Belial zu einem populär-j tu istischen Werk geworden, mit dem deutlichen Zweck einer Einführung in das rezipierte römische Recht, insbesondere in den gemeinen Prozeß. S t i n t z i n g Geschichte der populären d. röm.-kanon. Rechts in Deutschland 271 ff. A D B . I S. 710. Ausgaben bei S t i n t z i n g a. a. O.

Literatur 1867, S.

v. Schwerin. 'Beliand, Herzog', s. ' H e i d i n ' . Bemmelberg, s. R e i n h a r d v. B. Benckel, s. W e n c k , B a l t h . Der von Berau (berowe), vielleicht genannt nach dem Ort B. in Baden, Kr. Waldshut, Diözese Konstanz, wo sich ein Benediktiner-Nonnenkloster befand, abhängig von St. Blasien, in welchem er vielleicht als Beichtvater wirkte. Als mystischer Prediger erscheint er mit zwei Aussprüchen in der Berliner Hs. 8°. 69, um 1400, Bl. 1 7 a und 2 2 1 a — b (mitgeteilt durch W . S t a m m l e r ZfdPh. 55, 1930, S. 294f.). W. St. Berchtold, s. auch B e r t h o l d . Berchtold, Magister, Mönch im Zisterzienserkloster Maulbronn (magister Berchtold, monachus in Mulbrunnen). Von ihm ein deutsches 'Regimen praevisivum' in cgm. 591, veröffentlicht im Arch. f. Gesch. d. Med. V I I I (1915) S. 279t.; vgl. auch ebenda S. 270 u. X V I (1925) S. 77—95, wo nach einer Hdschr. der Stadtbibl. Heil-

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bronn (20029) ein ausführlicher lateinischer 'Tract. de pestelencia magistri Berchtoldi' mitgeteilt ist, der Literaturkenntnis und eigene praktische Erfahrung erkennen läßt und recht wohl vom gleichen Verfasser vor 1450 geschrieben sein könnte. Auch Hans Suff nennt diesen „maister Berchtold". Beitr. z. Gesch. d. Chir. II S. 596. Sudhoff. Bereit, Johann, Stadtschreiber von Görlitz. 1. Er ist in den ersten Jahren des 15. Jhs. zu Jüterbogk geboren und bald vor dem 8. August 1472 in Görlitz gestorben. Im Winter 1425 wurde er in Leipzig Student, wobei er 6 Groschen (Gebühr für bemittelte Schüler) bezahlte, 1427 Baccalaureus. In der Zeit von 1432 Oktober bis 1433 Oktober wurde er Bürger von Görlitz; wahrscheinlich verheiratete er sich auch damals mit Katharina, der Stieftochter des Görlitzer Ratsherrn (1423—1448) Siegmund Menzel, der im Hussitenkrieg als Führer Görlitzer Truppen oft erwähnt wird. B. wohnte zunächst bei seinem Schwiegervater; 1435 am 17. Juni kaufte er aber einen Görlitzer Brauhof, der jetzt die Nummer 16 in der Peterstraße trägt. Seit 1436 bis zum Schlüsse des Jahres 1463 bekleidete er das Görlitzer Stadtschreiberamt. Damit kam er noch nicht in den Rat. Erst seit 1441 wird er Ratmann, seit 1449 Schöppe, Bürgermeister 1469. Die Quellen erweisen, daß er nur einen Sohn hatte, den gleichnamigen Johann Bereit, der seit 1449 in Leipzig studierte, 1456 Hochzeit mit einer Görlitzerin hatte, auch eine Handlung in Görlitz mit wenig Erfolg trieb. Eine verheiratete Enkelin des Stadtschreibers, Tochter des jüngeren Bereit und seiner FrauUrsula, wird erwähnt, Der ältere Bereit betrieb wohl schon seit 1432 eine Handlung und fuhr damit auch als Stadtschreiber fort. Er brachte wohl selbst Mittel aus Jüterbogk mit und erhielt auch von seinem Schwiegervater Kapital. Er wurde ein reicher Mann, der im Stande war, seiner Stadt Görlitz Geld zu borgen und mehrere Heidedörfer nördlich von Görlitz zu kaufen, die er dann der Stadt überließ. Im Jahre 1450, einem Jubeljahre, macht er als gläubiger Christ etwa

Bereit, Johann

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vom I.März bis zum Juni eine Romfahrt. Zuvor setzte er seinen letzten Willen auf, bedachte dabei die Niklas- und Petrikirche, bestimmte aber auch für die Stadt Mittel, weil er vielleicht, „als er im Dienst gewesen ist, versäumlich gewest wäre oder in Botschaften und Reisen obrige Kost getan hätte". Unter den zahlreichen frommen Stiftungen ist die bedeutendste die Stiftung zum Leiden unseres Herrn in der unterirdischen Georgskapelle der Petrikirche (1465—1466). 2. 27 Jahre war B. Stadtschreiber. Er übernahm das einflußreiche und mühevolle Amt, als die verheerenden Hussitenzüge nach der Ober-Lausitz und den Nachbarländern ihr Ende fanden. In den schlimmen Zeiten von 1424—1434 war Görlitz zwar unbezwungen geblieben, ja es hatte den Hussiten gegenüber niemals sich friedlich gestellt und war als stärkstes Bollwerk mit trotziger Bereitschaft ein rechter Hort des Deutschtums; aber durch die fortdauernde Stärkung seines Waffenkleides, durch die stetige Bereitstellung von Truppen, bestehend in Bürgern und Söldnern, durch die Unterbindung der Handelsstraßen waren die geldlichen Verhältnisse der Stadt und der Bewohner ganz zerrüttet. Da mußten, als etwas Ruhe eintrat, die Stadt und die Kaufleute wieder neu aufbauen. Und da hatte Görlitz das Glück, daß B. als erfahrener Kaufmann, der die Geld- und Handelsverhältnisse kannte, an die Spitze des Görlitzer Gemeindewesens trat. Wie überaus erfahren er z. B. in Währungssachen war, zeigt ein umfangreiches Schriftstück enthaltend die Verhandlungen mit Erfurt, dem Haupthandelsplatz für Waid (Tuchfärbemittel), für den Görlitz ein Niederlagsmonopol besaß. Man kann diese seine Haupttätigkeit auf die Formel bringen: B. hat die Görlitzer Finanzen wieder in Ordnung gebracht, der Art, daß beim Tode B.s Görlitz wieder anfing, eine hervorragende Stellung im Handel und in der Erzeugung von Tuch in Ostdeutschland einzunehmen. 3. B. war ferner ein entscheidender Führer in der Politik der Stadt. In dem Sechsstädtebund, zu dem außer Görlitz 7

Stammler, Verfasser-I,exikon

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Bautzen, Zittau, Lauban, Kamenz und Löbau gehörten, hatte seine Stadt die hervorragendste Stellung, und Görlitz hauptsächlich hat durch B. in den letzten Zeiten Kaiser Siegmunds, unter König Albrecht und seinem Sohne Ladislaus viele schwierige Verhandlungen mit den Landesherrn, der Oberlausitzer Ritterschaft, den benachbarten Fürsten und Städten geführt, vor allem aber die wichtige Entscheidung für Anerkennung des tschechischen Königs Podjebrad als Landesherrn treffen müssen. 4. B. war ferner sehr gewandt mit der Feder; die zahlreichen Niederschriften in Stadtbüchern, Ratsrechnungen, Briefschaften, Vermögensaufstellungen und dergl. beweisen es. 5. So hat denn auch B. eine chronikalische Aufzeichnung über seine Zeit hinterlassen, und zwar war er abgesehen von geringen früheren Spuren der erste, der in Görlitz solche Erinnerungen niederschrieb. Er behandelt darin ganz kurz die Abwehr der Stadt gegen die Hussiten, singt das Lob Kaiser Siegmunds, bei dessen Tode er zugegen war, spricht von dessen Nachfolger Albrecht, wie er nach Görlitz kam und schwere Verhandlungen zwischen Stadt und Land leitete, spricht von den Schulden der Stadt und den lindernden Maßnahmen, von den Zügen der Stadt Görlitz und der Oberlausitzer gegen die räuberischen Festen im benachbarten Böhmen (1444—1445), stellt die zinslichen Verpflichtungen der Stadt zusammen, spricht von dem Gusse der schweren Geschütze und vom Kaufe der Landeskrone usw. und nennt sich dann selbst als Verfasser. Wenn man den vorhandenen Urkundenstoff von 1420 bis 1448 in Betracht zieht, sind diese Nachrichten freilich dürftig. Aber er sorgte in seiner Kanzlei, ebenso wie auch seine Vorgänger und Nachfolger, für Niederlegung des überreichlichen geschichtlichen Materials, das bis 1437 jetzt bearbeitet und bis 1463 in Urkundenbüchern festgelegt ist. So kann man wohl sagen: Die darstellende Arbeit B.s als Geschichtschreiber ist wenig bedeutend, unvergängliche Verdienste aber hat er sich für die Geschichte der Stadt Görlitz,

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Berengarius de Landora — •Bergmann, Die Mär vom'

der Oberlausitz und der Nachbarländer durch seine wohlgeordnete und reiche Kanzlei erworben. R. J e c h t Quellen zur Geschichte der Stadt Görlitz bis um 1600 1909. Cod. diplom. Lusat. sup. II. IV. VI. Die Görlitzer Stadtbücher aus Bereits Zeit (nur wenige Stücke davon sind gedruckt). Script, rer. Lusat. Neue Folgel (1839) Vorrede S. X V I I I — X X und Text S. 217—261 von G u s t a v K ö h l e r , wo B.s Chronik aus dem „neuen Roten Buche" gedruckt ist. O. L o r e n z Deutschlands Geschichtsquellen im Mittelalter II (1871) S. 120. W o l d e m a r L i p p e r t Neues ¿ausitzisches Magazin 77 (1901) S. 131—139. E b e r h a r d S t a n g e Die Heimat, Beilage d. Neuen Görlitzer Anzeigers 1928 Nr. 15. R. J e c h t Geschichte von Görlitz I (1926) S. iÖ4ff.

R. Jecht. Berengarius de Landora, der mutmaßliche Verfasser des 'Lumen animae' (s.d.), (1) ist gegen 1262 bei Rodez (Aveyrori) geboren; er stammt aus dem alten Geschlecht der Landora. 1282 tritt er in Toulouse in den Dominikanerorden ein, wird 1290 lector physicae seu naturarum, studiert seit 1292 in Montpellier und Paris und ist seit 1301 in Toulouse Lektor der Theologie. 1305 liest er in Paris über die Sentenzen des Lombarden. 1306—08 und 1310—12 ist erProvinzial der Dominikaner in Toulouse, 1312 (dreizehnter) Ordensgeneral. 1317 wird er von Papst JohannXXII. zum Erzbischof von Compostella ernannt und 1318 in Avignon geweiht. Er starb am 18. Sept. 1330 in Sevilla. 2. Eine Hs. des 'Magnum lumen anime' zu St. Ulrich u. Afra in Augsburg ( B r a u n Decodd. S.Ulrici etc. VS. 112; C r u e l Gesch. d. deutschenPred. S. 460) enthält einen Hinweis, der in sämtlichen anderen Hss. fehlt: Triginta itaque annis minus uno sine intermissione die et nocte huic complendo insistens operi, studio inestimabili, ingenti diligentia, multis variisque laboribus insudando, multa legens, multa audiens per me ipsum diversa auditu quam digna expediens et discernens, tandem ego frater Berengarius, quondam magister ordinis fratrum Praedicatorum nunc autem quamvis indignus Compostellis Archiepiscopus hunc sie fundatus librumedidi Die Schlußschrift lautet: Explicit Uber exemplorum quod (!) sub alio titulo lumen anime nuneupatur anno

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domini M°CCC° Septuagésimo tercio in die Sancti Andree Apostoli finitus est iste liber per me Anthonium Grüber tune temporis caplanum Altaris S. Michaelis in ecclesia beate Marie Virginis. 3. Danach müßte das Werk zwischen 1317 u. 1330 entstanden sein, was mit den benutzten Quellen übereinstimmt, von denen keine ins 14. Jh. hineinreicht. Daß der Verfasser Dominikaner war, zeigt die Bevorzugung Alberts d. Gr. (s. d.) und des hl. Thomas von Aquino (s. d.), wogegen Bonaventura unerwähnt bleibt. Der Lebensgang Berengars erklärt die Vertrautheit mit der spanisch-arabischen Literatur und die Erwähnung von Toledo als Quelle für seltene Schriften, sowie die engen Beziehungen zum päpstlichen Hofe in Avignon. P l a c i d u s B r a u n N o t i t i a historico-literaria de codd. mss. in bibl.... ord. s. Bened. ad SS. XJdalricum et Afram Augustae extantibus, Bd. V (1794) S. 113, wo die Hs. als Nr. L I X aufgeführt ist. Q u é t i f - É c h a r d Ser. Praedic. (1719) I S. 514. C h e v a l i e r Eépert. des sources hist. du moyen âge. Bio-Bibliogr. I (1905) S. 535. Année dominicaine I X (1900) S. 1—16. T

Jos. Klapper. 'Bergmann, Die Mär vom' (daz maere von einem veltbûwœre), ist überliefert in der Heidelberger Hs. cod. Pal. germ. 341 und ihrer Schwesterhs. in Kalocsa, und zwar in ersterer an 56. Stelle, Blatt 161 c—i64d. Es ist eine satirische Erzählung in Reimpaaren von 512 Versen. Es wird in launiger Weise und gefälliger Form dargestellt, wie ein Schwindler unter der Vorspiegelung, reiche Erzgänge gefunden zu haben, wohlhabenden Leuten Geld entlockt. Ein solch Betrogener berichtet selbst in der Ich-Form; in ihm auch den Dichter, über den wir nichts erfahren noch wissen, zu sehen, ist schwerlich richtig; aber der Verfasser muß mit dem Bergbau vertraut gewesen sein, wie seine genaue Kenntnis der Verhältnisse und der Fachsprache zeigt. Das Gedicht zeichnet sich durch Humor und geschickte Darstellung aus und ist wichtig als Sittenbild aus dem Bergbauleben um die Wende des 13. und 14. Jahrhunderts wie durch seinen Reichtum an bergmännischen Ausdrücken. Die Abfassungszeit wird bestimmt durch die Angabe, daß 6 Jahre seit der Entstehung des Bergwerkes von Pribram (do der

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Beringen — Bernger von Horheim

biberans wart funden, v. 466) verstrichen seien; leider ist dieser Zeitpunkt nicht genau bekannt, aber das Gedicht muß um 1300 entstanden sein, nicht lange vor der Niederschrift von P K . Die Sprache der Reime ist ostmitteldeutsch, auf den Raum von Freiberg bis Ungarn verweist auch v. 61. Ob Meißen oder Schlesien, ob Mähren oder Böhmen das Ursprungsland ist, läßt sich nicht erweisen, aber das letztere hat trotz Wallner die größte Wahrscheinlichkeit für sich. Näher, etwa auf Iglau (Baesecke), ist der Entstehungsort nicht zu bestimmen. D a s Gedicht wurde zuerst herausgegeben von F r a n z P f e i f f e r im 1. B a n d e der 'Germania' (1856), neuerdings buchstabengetreu nach P abgedruckt v o n R o s e n h a g e n im B a n d 17 der Deutschen T e x t e des Mittelalters, S. 3 6 — 4 4 . Zur Worterklärung: P f e i f f e r a. a. O. S. 354t. und G ö p f e r t Beiheft zum 3. B a n d e der Zeitschr. f. deutsche Wortforschung. Z u r Heimatfrage und T e x t k r i t i k : W a l l n e r Z f d A . 63 (1926) S. 1 8 3 — 1 8 5 .

E. Gierach. Beringen, s. H e i n r i c h v. B. Beris, Johannes (von Bieris, Biris, Bires, Birer, vonParis), ein lothringischer Wundarzt aus der ersten Hälfte des 15. Jhs., den Heinrich von Pfalzpeunt (s. d.) an erster Stelle als seinen Lehrer nennt: Meister Johan von Bireß, in Lutringen bei Mez zu Bires gesessen. Ich habe nur einen Ort Baris oder Pairis im elsässischen Kreise Schnierlach in mittelalterlichen Quellen zu finden vermocht, der nicht in Frage kommt. In Drucken seiner 'New Wund Arztney' aus dem 16. Jahrhundert (z. B. 1549 z u Frankfurt a. M. durch Herman Gülfferichen in der Schmugassen zum Krug) heißt er stets M. Johan vonParis (Parisiis), und es hat viel Wahrscheinlichkeit für sich, daß er seine wundärztliche Ausbildung zum Teil in Paris erhielt und danach benannt wurde. Er war ein Lothringer und hatte seinen Wohnsitz unfern Metz. Seine deutsch geschriebene 'Practica Cyrurgie magistri Johannis Beris' ist im Codex 176 der Stadtbibliothek zu Metz Bl. 54a—61a erhalten und danach von mir in den Beitr. z. Gesch. d. Chirurgie im MA. S. 518 bis 530 zum Abdruck gebracht. B. ist ein schlichter, aber erfahrener Praktiker, der

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nach eigenen Beobachtungen handelt und schreibt, statt Hanfwerg in der Wundbehandlung Flachswerg verwendet wissen will, sein eigenes Wundspülwasser benutzt und empfiehlt, jeden instrumenteilen Eingriff vermieden wissen will, auch die Wundnaht und das Herausschneiden der Geschosse, die durch Eiterung herausschwären sollen. Auch das Wieder-Brechen schlecht geheilter Knochen lehnt er ab und will auch hier nur erweichende Mittel und erneutes Schienen in zweckmäßiger Stellung befürworten. S u d h o f f Die deutsche Practica Chirurgiae Magistri Johannis Beris genannt Johann von Paris, Beitr. z. Gesch. d. Chirurgie im M A . I I (1918) S. 5 1 5 — 5 3 ° -

Sudhoff. Berld, Kapellan, s. K ö d i t z , Joh. Bern, s. J a k o b v. B. Bernau, s. W e n z e l v. B. Bernger von Horheim. Weingartener Liederhs. in S t u t t g a r t (B), S. 76 = Pfeiffers A b d r u c k (Stuttg. L i t . Ver. V) S. 85. Cod. Pal. Germ. 848 (C), Bl. 178c = P f a f f s A b d r u c k S. 599.

Ein Berengerius de Orehern findet sich unter den Zeugen einer Urkunde Philipps v. Schwaben, die im Jänner 1196 zu Gonzaga ausgestellt wurde, und als Berlengerius de Oreim in einer zweiten Urkunde Philipps aus Arezzo vom 3. Mai des gleichen Jahres. Daß es der Minnesänger ist, bestätigt uns dieser selbst in einem Liede: nie hätte er gedacht, daß der Tod des Königs ihm so nahe gehn würde; nun trenne ihn der von der geliebten Herrin, denn er sei zur Heerfahrt nach Apulien aufgeboten. Wer mit dem künec gemeint ist, ob Tankred v. Sizilien (f 1194) oder sein Vorgänger Wilhelm II. (j 1189), läßt sich nicht sicher entscheiden. Für Tankred (Grafen von Lecce) spricht das spätere Datum, gegen ihn aber der Königstitel, den man im Lager Kaiser Heinrichs dem Usurpator schwerlich gegeben hat. Vielleicht hat also Berenger nicht nur die Heerfahrt von 1194, sondern auch schon den Römerzug von 1190 mitgemacht. Von den vielen deutschen Horheim kommt für seine Heimat wohl nur das im württembergischen Enzgau (nw. von Ludwigsburg) gelegene in Betracht, nicht das Horheim bei Frank-

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Bernhard — Bernhard von Breidenbach

furt a. M., wie neuerdings angenommen wird. In den beiden italischen Urkunden eröffnet nämlich die Zeugenreihe ein comes Gotefridus de Veinigen, und die schwäbischen Horheimer waren Dienstmannen der Grafen von Vaihingen (vgl. S t a l i n Das Oberamt Vaihingen, S. 181). Als Wappenbild des Minnesängers geben die Hss. ein Lilienkreuz an (B: Silber in Rot, C : Gold in Blau); sein Dienstherr Graf Gottfried, der Erbe der Vaihinger Grafen, führte das Wappen seines Stammhauses Calw, den gekrönten Löwen auf dem Dreiberg. Bernger gehört (mit Gutenburg und Fenis) zur Schule Friedrichs v. Hausen (s.d.) und zeigt dessen Einwirkung allenthalben; doch ist die Sprache des Jüngers gedrungener und seine Reimtechnik strenger. Durch Hausens Lieder aus Italien ist auch Berngers Püllelied angeregt, das den Namen Apuliens dem deutschen Minnesang und der Spruchlyrik zugeführt hat. Mit Veldekes (s.d.) Dichtung ist B. so wenig vertraut, daß er das französische Lied von Tristans Liebestrank, welches schon dieser verdeutscht hatte, noch einmal übersetzt, allerdings treuer und im Metrum des Originals. Sonst ist sein Lieblingsvers der daktylische Zehnsilbner, den er gelegentlich auch zu einem Virtuosenstück verwertet. Eine drastische Einkleidung erfährt das,,Himmelhochjauchzend, zu Tode betrübt" in dem lügeliet, dessen überschwängliche Freudenausbrüche in der Revocatio der Strophenschlüsse immer ins Gegenteil umschlagen. Ernst und von tiefer Empfindung getragen ist ein Abschied von Lied, Liebe und Leben, der wie ein leiser Vorklang von Walthers (s. d.) elegischer Altersdichtung anmutet. HMS. Nr. 55. L D . N r . X I I . M F . N r . X V . B u c h h o l z Die Lieder Berngers v. Horheim. Progr. Emden 1889. G r i m m e Minnesinger S. 2 1 , 231. S t a l i n Gesch. Würtembergs I S. 4i4f. B u r d a c h Reinmaru. Walther S. 38. S c h ö n b a c h W S B . 141 S. 98.

Anton Wallner. Bernhard, M e i s t e r . Von ihm eine ärztliche Verordnung in Pulverform im Ms. 731 zu Einsiedeln, saec. X V . , Bl. 110. Sudhoff.

200

Bernhard von Breidenbach. 1. B. v. B., ecclesiae Maguntinae decanus et camerarius, Protonotar des apostolischen Stuhles und Dr. iur., entstammte dem oberhessischen Geschlecht derer von Breidenbach. A m 25. April 1483 traf er sich mit dem Grafen Johannes von Solms und dem Ritter Philipp von Bicken zu einer Pilgerfahrt nach Palästina. Der Weg führte die Pilger zunächst nach Venedig, dann zur See über Korfu, Rhodos und Cypern nach Joppe. Von hier setzten sie ihre Pilgerfahrt nach Jerusalem zu Lande fort. Dann zogen sie wie gewöhnlich von Jerusalem weiter zum Berge Sinai mit dem Grabe der hl. Katharina. Bernhard starb am 5. Mai 1497 .(Seine Grabschrift bei W e r n e r Der Dom von Mainz I S. 294.) 2. Die Beschreibung seiner Pilgerfahrt erschien unter seinem Namen i. J. i486 zuerst in lateinischer, dann einige Monate darauf in deutscher Sprache. Die Autorschaft B.s wird bestritten. T. Tobler sagt in seiner 'Bibliographia geographica Palaestinae' (1867) S. 57: „ E s geschieht gänzlich unrecht, daß die nicht unverdienstliche Schrift immer unter dem Namen Breydenbachs herumläuft, weil sie eigentlich ein Predigermönch, Martin Roth, abfaßte, wie Fabri (1, 347) bezeugt, welcher die Genauigkeit der Beschreibung rühmt." Felix Fabri (s. d.), ein Züricher Predigermönch, war Lesemeister zu Ulm. E r war von Jerusalem bis zum Berge Sinai B.s Reisegenosse. E r sagt in seiner Reisebeschreibung: Si cui placet legere luctuosam orationem super desolationem terrae sanctae et civitatis Jerusalem videat peregrinatorium domini Bernhardt de Braitenbach, decani eccl. Mogunt., compositum ornate per egregium sacrae theologiae magistrum Martinum Rath, studii heidelberg. regentem. Nach R ö h r i c h t DeutschePilgerreisen nach dem heiligen Lande (1900) S. 164 beruht B.s Reisebeschreibung auf den durch Walther Guglinger gemachten Aufzeichnungen über die Pilgerreise des Markgrafen Friedrichs des Älteren von Brandenburg und ist von dem Heidelberger Schulrektor MartinRöth redigiert. Eine endgültige Entscheidung läßt sich kaum treffen. B. selbst sagt, er habe den Abbildungen des Werkes declara-

Bernhard v o n Hirschfeld

201 torias

notulas

vel

latinas

vel

vulgares

per

hinzufügen lassen. Diese Abbildungen rühren von dem Utrechter Erhard Rewich her, der für die Reisegesellschaft Bilder des Heiligen Randes, der Städte und Häfen herstellte. Jedenfalls hat B. v. Br. an dem Zustandekommen der Reisebeschreibung in der lat. und dt. überlieferten Fassung so großen Anteil, daß wir sie ohne Bedenken mit seinem Namen in Verbindung bringen können. 3. Noch nicht genügend geklärt ist auch die Verbindung von B.s Reisebeschreibung mit dem 'Hortus sanitatis', der dem Frankfurter Arzt Johannes de Cuba (s. d.) zugeschrieben wird. In der Vorrede heißt es in einzelnen Ausgaben, ein „vornehmer Herr mit einem Maler" habe die in dem Werk in alphabetischer Reihenfolge verzeichneten medizinischen Pflanzen gesammelt. Daher hat man auf B. v. Br. und Erhard Rewich geraten. Vielleicht handelt es sich um eine Buchhändlerspekulation, um dem 'Hortus sanitatis' ein größeres Ansehen zu verschaffen. (Vgl. R ö h r i c h t a. a. O. S. i64f.) 4. Baumgarten spricht in seinen 'Nachrichten von merkwürdigen Büchern' II (1770) S. 233 bei der Beurteilung B.s von den „deutlichen Merkmalen der Unwissenheit und Vorurteilen der damaligen Zeit", rechnet aber doch das Werk unter die ersten guten Reisebeschreibungen. In der Tat "erweist sich der Verf. als ein Mann, dem tiefes Gefühl nicht minder eignet als kluger Verstand. Er weiß ebenso ergreifend den Eindruck zu gestalten, den die Kirche des Heiligen Grabes mit ihren geweihten Stätten auf die andächtigen Pilger ausübte, wie er gebildet und mit für damalige Zeit tüchtiger Kenntnis von den Gegenden und Städten berichtet, an denen ihn sein Weg vorüberführte. Für die Geschichte der Erdkunde ist seine Reisebeschreibung eine Quelle ersten Ranges. 5. Entsprechend seiner Beliebtheit und Bedeutung war das Werk ungeheuer verbreitet. Fast jede größere dt. Bibliothek enthält ein oder mehrere Exemplare. Eine Ausgabe von 1485, die zuweilen zitiert wird, läßt sich nicht nachweisen. Aber schon i486 wurde das Buch zu Mainz lat. quendam

alium

doctum

virum

202

und dt. herausgebracht. Diese beiden älte sten Ausgaben druckte derselbe Rewich, auf den die Abbildungen zurückgehen. Drucktechnisch sind diese Ausgaben meisterhaft gelungen, zudem verleihen ihnen Rewichs Illustrationen künstlerischen Wert. Seitdem haben wir zahlreiche Nachdrucke und Übersetzungen ins Niederländische, Französische, Italienische und Spanische. Niederländisch erschien das Werk 1498 zu Delft bei H. Eckert. Ein Verzeichnis der Ausgaben s. bei F. F a l k Die Druckkunst im Dienste der Kirche 1879, S. i04ff.; P o t t h a s t Bibliotheca histórica medii aevi2 1896 I, S. 154; GKdWD. IV Nr. 5075 ff. T . T o b l e r a. a. O. S. 5 5 f f . R ö h r i c h t u. M e i s n e r Dt. Pilgerreisen nach d. hl. Lande 1880, S. 5 7 4 I P. F a l k a . a . O . S. 47H. R . R ö h r i c h t a. a. O. S. IÓ4Í. Ü b e r F a b r i v g l . T o b l e r a. a. O. S . 5 3 f f . , R ö h r i c h t u. M e i s n e r a . a . O . S . 2 7 8 f f „ R ö h r i c h t a . a . O. S. i ó i f f . Ü b e r W a l t h e r v o n G ü g l i n g e n R ö h r i c h t a. a. O. S. 159t. Ü b e r Bernhards L e b e n v g l . S c h a a b Geschichte der Erfindung der Buchdrucker kunst; Knetschke Allgem. dt. Adelslex. I I S. 43; A D B . I I I (1876) S.285. E i n e Beschreibung der drei ersten A u s g a b e n u n d der spanischen Ü b e r s e t z u n g s. bei M o s e r Serapeum I I I (1842) S. 5 6 f f . , 6 5 f f . , 8 i f f . ; N a c h t r a g I V (1843) S. 279, w o durch den Hinweis auf F . F a b r i s R e i s e b u c h „ d i e F r a g e über den wahren Verfasser des lat. T e x t e s v o n B r e y d e n b a c h s Reise durch das unverdächtige Zeugnis dieses R e i s e g e f ü h r t e n B r e y d e n b a c h s " entschieden werden soll. A u s der sehr umfangreichen älteren L i t . (vgl. F a l k S. 47) hebe ich h e r v o r : S t r u v e B u d e r - M e u s e l Bibl. hist. 1784, I 2, S. 7 8 f f . J a c o b s u. U c k e r t Beitr. zur alt. Lit. ... I (1835) S. 3 4 7 f f . G r ä ß e Literärgesch. 1840, I I § 90, S. 7 7 1 f. Incunabeln-Sammlg. von F. G. H. Culemann, verzeichnet von C. L. Grotefend (1844) S. 19 Nr. 91. D i e Reiseinstruktion des B . v o n B r e i d e n b a c h f ü r den G r a f e n v o n H a n a u - L i c h t e n b e r g s. b e i R ö h r i c h t - M e i s n e r a. a. O. S. i 2 o f f .

Eduard Brodführer. Bernhard von Hirschfeld, Ritter zu Kametz, Kämmerer des Kurfürsten Friedrichs d. Weisen, unternahm 1517 auf dem Seewege eine Wallfahrt zum Heiligen Grabe und beschrieb sie selbst. Sie erschien später mit interessanten Zugaben z. B. zur Geschichte Bernhards v. H. im Druck. Näheres s. R ö h r i c h t S. 2 0 8 — 1 1 ; T o b l e r S. 6 7 ; R ö h r i c h t - M e i s n e r S. 5 2 3 f . ; R ö h r i c h t Bibl. Nr. 605 (hier A n g a b e der Hschr., A u s g . u. L i t . ) .

Hartnack.

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Bernhard von Rostock — Berno von Reicnenau

Bernhard von Rostock, Arzt in Straßburg in der 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts, Mitarbeiter an einer Pestanweisung für den Rat der Stadt, betitelt 'Schatz der Weisheit und der Kunst verborgenlich', den ich aus Cod. F. 4 der Berleburger Schloßbibliothek Bl. 209—212 im Archiv f. Gesch. d. Med. X V I (1924) S. 12 ff. veröffentlicht habe. Sudhoff. Bernhard vonUtzingen. Ihm schreibt R. v. Liliencron die Reimchronik des Würzburger Städtekriegs zu, welche die Ereignisse der Jahre 1397—1400 behandelt und in diesen Jahren verfaßt sein muß. L i l i e n c r o n Histor. Volkslieder dazu MSB. 1870 I I S. 373/385.

I Nr. 40;

W. St. Bernhard von Waging. Lateinische, liturgische und mystische Schriften. Wichtigste Hss. München clm. 7007 u. 18548. 'Ordinarium missae practicum', clm. 18600. Briefwechsel mit Nikol. v. Kues, clm. 19697.

Geb. gegen 1400 in Waging bei Salzburg, Baccalaureus lib. art. a. d. Univ. Wien, dann Augustiner Chorherr in Intersdorf, wird aus Eifer für die benediktinische Ordensform 1446 Benediktiner im Quirinuskloster von Tegernsee, bald dessen Prior, Berater der Bischöfe von Eichstätt und Brixen, verfaßte auf Wunsch des ersteren 1461/2 das 'Ordinarium missae practicum,', stand mit dem letztgenannten, dem berühmten Nikolaus von Kues (s.d.), in fleißiger Korrespondenz über die Klosterreform und über das Wesen der mystischen Beschauung, die er mit dem Kusaner als Gnade des Affekts und des Verstandes zugleich gegen die ganz antiintellektualistische Theorie des Kartäusers Vincenz v. Aggsbach verteidigt. Stützt sich auf Bonaventura und den Pseudoareopagiten, besonders aber auf die 'Docta Ignorantia' des Kusaners, für deren Verteidigung er das 'Laudatorium doctae ignorantiae' und das ' Defensorium laudatorii' verfaßt. Schrieb mehrere klärende Traktate zur mystischen Theologie: 'De spiritualibus sentimentis et de perfectione spirituali', 'Remediarius pusillanimium et scrupulosorum', 'De obihiCaspari Aindorfer' (Nachruf auf seinen Abt, dem er wie dessen Nachfolger Konrad Eirinschmalz ein treuer Berater gewesen) u. a. m. Starb

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2. Aug. 1472 als Beichtiger der Benediktinerinnen von Bergen bei Neuburg a. D. Das 'Laudatorium' und 'Defensorium' sowie die Briefe sind bei Vansteenberghe, ein Bruchstück aus 'De cognoscendo Deo' bei Grabmann gedruckt. V a n s t e e n b e r g h e Autour de la docte ignorance (Beiträge z. Gesch. d. Philos. d. MA. X I V , 2—4) 1915 S. 1—21, 78—100, 107 bis 108. M. G r a b m a n n Die Erklg. des B. v. W. zu Bonaventuras 'Itinerarium', Franzisk. Studien V I I I (1921) S. 125—135. A . F r a n z Die Messe im dt. MA. 1902 S. 567—577. F a b r i c i u s Bibl. lat. med. et inf. aetatis 1858 I S. 202.

Engelbert Krebs. Bernkopf, s. F r a u e n z u c h t . Bernlef. Über Bernlef berichtet die 'Vita Liudgeri' (Mon. Germ. hist. Scr. II S. 412): Cum [Liudger] evangelizandi gratia in Fresia ad quandam villam nomine Helewirt pervenisset, matronaquaedamMensuit nomine excepit illum in domum suam. Et ecce illo discumbente cum discipulis suis, oblatus est cecus, vocabulo Bernlef, qui a vicinis suis valde diligebatur, eo quod esset affabilis et antiquorum actus regumque certamina bene noverat psallendo promere; set per triennium continua cecitate percussus est. Der Friese Bernlef war also um 780 ein Sänger geachteten Standes und als solcher offenbar schon vor seiner Erblindung aufgetreten. Vielleicht war er ansässig (vicinis suis), jedenfalls, wie wir später erfahren, verheiratet, von einem Gefolgschaftsverhältnis hören wir nichts. Von Liudger geheilt und dem Christentum gewonnen, lernte Bernlef in höherem Alter Psalmen und starb hochbetagt. Zu seiner Zeit war die altgermanische Heldendichtung in Friesland noch allgemein beliebt. H a u c k Kirchengeschichte I I 3 u. 4 S. 366. H e u s l e r Altgerm. Dichtung S. 114, 116, 146, 153. J a e k e l ZfdPh. 37 S. 433. K ö g e l Gesch. d. dtsch. Dichtung I S. I 4 i f . N a u m a n n Dtsch. Vierteljahrsschr. 2 S. 783.

Steinger. Berno von Reichenau. Bedeutender Musiker und Theoretiker der St. Galler Schule in der 1. Hälfte des ix. Jhs. 1. Er erhielt seine Ausbildung in den Klosterschulen zu Prüm und St. Gallen. 1008 ward er durch Heinrich II. als Abt nach der Reichenau (Benediktinerkloster Augia dives auf einer Insel im Bodensee) berufen. 1014 begleitete er den Kaiser nach Rom.

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Berno von Reichenau

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Gerb. I I 63) werden mit ihren altgriechischen Namen, nicht mit Buchstaben bezeichnet; der Ton ist nicht benannt. Die Quart hat drei Gattungen (diatesseron): 1. Ganzton + Halbton + Ganzton, 2. H + H + G, 3. H + G + G ; der älteren Lehre folgend, entwickelt Berno sie nach abwärts: 1. G F E D, 2. a G / E , 3. c t) a G. (nicht aufwärts, wie die „moderni": A—d, H—e, c—f); ebenso die vier Gattungen der Quinte (diapente). B.s Zeitgenosse Vis doctrina et moribus insignis, anno 40 Hermann Contractus (s. d.) spricht sich promotionis suae in senectuie bona diem clausit (Herrn. Contractus 'Chron.'). — ausdrücklich gegen diese Einteilung aus. Von seinen Schriften, die z. T. oft abge- Die Oktaven (diapasón) werden nach schrieben und verbessert wurden und aufwärts gerechnet. Die Modi können nach verbreitet waren, druckt G e r b e r t Scrip- oben und unten ihren Umfang um zwei Töne überschreiten. Gesänge, die sich tores eccles. I I a b : 'Tonarius Bernonis', samt der wichtigeren Einleitung dazu: wegen ihres Umfanges (Lage) nicht in eine ' MusicaBernonis seuPrologus in Tonarium'; der Haupt- und Nebentonarten einreihen lassen, weist B. den mittleren Tönen, toni 'De varia psalmorum atque cantuum modumedii, zu (vier, im Ganzen dann 12 Töne), latione'; 'De consona tonorum diversitate'; sowie Bernos Dichtungen. (Über die Hss. wie sie die griechische Kirchenmusik vgl. E i t n e r Quellenlexikon', F e t i s Bio- kennt, was auf den auch sonst immer wieder beobachteten Zusammenhang St. graphie universelle des musiciens 1860, 2 I 318 nennt noch eine 'De Mensura Gallens mit der byzantinischen Musik deutet. — Bei B. finden sich Anfänge zu Monochordis' [ ? ].) 2. Berno gehört zur ä l t e r e n S c h u l e , einer seit Aribo häufigen symbolisch-alledie durch Aurelianus Reomensis, Hucbald gorischen Betrachtungsweise. So verund Regino von Prüm, wohl seinem per- bindet B. die Neunzahl der Musen, sönlichen Lehrer, vertreten ist. Sein rationalistisch v o n den novem officia 'Prologus', unwesentlichen die mittelalter- humanae vocis hergeleitet (4 Zähnen, liche Tetrachordlehre darstellend, folgt 2 Lippen, Zunge, Kehle, Lunge), mit den Regino und war wahrscheinlich noch in neun Modi (Abert S. 117). Auf antiker Prüm, vor 1008, verfaßt. B. steht darin im Grundlage wird die Zahl Vier symbolisch Gegensatz zu der Lehre der „moderni", erläutert (Abert S. 181) u. a. m. — Berno ist Odos und Guidos von Arezzo, die zu An- nicht sehr selbständig, er entnimmtStellen, fang des 1 1 . Jhs. in Deutschland noch die Beschreibung der Quinten- und Quarnicht Eingang gefunden hatte. Einzelne tengattungen wie der Kirchentöne, dem Abschnitte darin zeigen freiere Behand- Traktat eines (nach Brambach a. S. 14) lung des Tonsystemes und kündigen sich ganz als Person verschwimmenden Autors ;als Lehren der „moderni" an. Sie sind, wie Bernelinus und eines Anonymus (Brambach b. S. 5 . 1 6 , bei Gerb. I S. 313, 331, Kopien R i e m a n n (Studien zur Gesch. der Notenschrift 1878, S. 37) bereits vermutete und in St. Blasien, Ottobeuren und Wien Brambach (S. 33) an Hand eines Codex Cod. 51). Ferner hat Berno (nach Riemann Durlacensis zeigt, Interpolationen; viel- S. 52) die 'Institutio harmónica' des Hucleicht (Konimüller S. 10) zu Lebzeiten bald stark benützt. B. bezeugt das bei B.s gemacht, da die neue Lehre gewiß Hucbald beschriebene Organum (organinach Reichenau drang. Der 'Prologus' ist zare), die früheste Mehrstimmigkeit. Er in nachguidonischer Zeit überarbeitet. fordert vom Sänger Beachtung der Längen Die echten Teile zeigen altertümlichen und Kürzen, allgemein nach der älteren Charakter: die 15 Töne (secundum prae- Lehre (ut in metro certa pedum dimensione Die Eindrücke, die er vom dortigen Gregorianischen Gesang hatte, bestimmten seine reformatorische Tätigkeit in der Heimat. Er hat die unter dem wilden Abt Immo (1006—1008) verfallene Klosterzucht wiederhergestellt. Als Redner, Dichter und Komponist, als Gelehrter, bes. als musikalischer Schriftsteller hat er weitverbreiteten Ruhm erlangt. Er starb nach 4oj ährigem Wirken am 7. Juni 1048:

. claram disertissimi viri Boetii instructionem

contexitur versus, ita apta et concordabili

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Berno von Reichenau

brevium longorumque sonoritm copulatione componitur cantus G. II S. 77, vgl. W a g n e r Gregor. Melodien 11 S.367). Der Verfall der rhythmischen Werte zeigt sich auch bei ihm. B. kommt dann auf die fehlerhaften Gesänge zu sprechen und auf die differentiae, d. h. die zur Übereinstimmung des Schlusses des Psalmverses (das Saeculorum amen als E u 0 u a e notiert) mit der ursprünglich jedesmal wiederholten Antiphon getroffenen Änderungen (bes. bei Offizien; zuerst angewandt in der Schule Hartkers von St. Gallen, Wagner III S. 130). — B. zitiert die alten, „auf das frühmittelalterliche byzantinischeTonsystem zurückweisenden Formeln für die Tropen der einzelnen Kirchentöne, die bis heute noch nicht hinlänglich erklärt sind: Noeane, Nona neane, Nona noeane usw.", die zuerst bei Aurelianus Reomensis im 9. Jh. auftauchen (Riemann a. S. 34). B. nennt sie moduli antiquitus constituti und syllabas (G. II S. 77a). 3. Der 'Tonarius' des B. ordnet die liturgischen Gesänge nach Tonarten unter Vorausstellung der gen. melodischen Formeln zur Bestimmung der Tonweisen und der bei Regino auftretenden, bei Hucbald fehlenden Merktexte der Tonarten (Kommüller S. 12), aber ohne Noten. Das weitere bei Gerbert abgedruckte Werk behandelt die verschiedenen Lesarten der Psalmen und anderer Gesänge rein textlich. •— Der Traktat 'De consona tonorum diversitate' erläutert die authentischen und plagalen Tonarten mit nach den Textanfängen der Gesänge zitierten Beispielen. Diese Schrift ist, für die Reichenauer Schule auf Bitten der Gesangslehrer Burkard und Kerung zum Lehrgebrauch, diesen und den übrigen Lehrern der »Schule gewidmet, die Schrift über die Lesart der Psalmen seinen Brüdern in Christo Meginfried und Eipennon, der 'Prologus' dem Erzbischof Piligrin von Köln, einem Liebhaber frommer Gesänge. B. ist auch Verfasser anderer liter. Arbeiten, darunter 'De quibusdam rebus ad missae officium pertinentibus' (Migne PL- CXLII). B. verlangt darin für die Priester das Recht, das Gloria so oft anzustimmen als die Bischöfe, nicht nur an Ostern, unter

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Berufung auf die Heilige Schrift. Am Ende des Jhs. war diese Forderung anerkannt (Wagner I S. 77). B. erzählt, daß das Credo in die römische Messe eingeführt worden sei auf Bitten Heinrichs II. (Wagner I S. 104). 4. B. ist auch Dichter und Komponist von Hymnen, Tropen, Sequenzen und Offizien. Das Offizium auf den hlg. Ulrich (Woldaricus, Bischof von Augsburg) besteht aus Antiphonen, Responsorien, Orationen und Praefationen zur Messe (abgedr. wie die weitergenannten Dichtungen bei Gerbert II S. H7ff.). Möglicherweise stammt auch das in Form und Textstellen ähnliche (Schubiger S.83) Officium auf den hlg. Meinrad von B. (ein Responsorium in Hexametern mit Musik daraus bei Schubiger Beispiel 45). B. dichtete einen Tropus für den Introitus auf Epiphanie: Eja nunc socii dicamus, die Hymnen (auf das gleiche Fest) : Festiva mundi gaudia, auf Mariae Lichtmeß : Exulte omne saeculum, auf die Fastenzeit: Omnes chorum ecelesiarum, die Sequenzen auf den hlg. Wilibrord: Laudes nunc Christe, auf die hlg. Verena: Laetetur ecclesia jubilans. P. S c h u b i g e r Die Sängerschule St. Gallens vom 8.—12. Jh. 1858, S. 83t. Essai sur la Tradition du Chant Ecclésiastique depuis Saint Grégoire suivi d'un Tonal inédit de Bernon de Reichenau par un Supérieur du Séminaire [Chustain], Toulouse 1867. P. B o h n Musica Bernonis seu Prologus in Tonarium (Abweichungen vom Gerbertschen Text nach einer Trierer Hs.), Mhh. f. Musikgesch. 7 (1875) S.223ÎÏ. W . B ä u m k e r Zur Gesch. der Tonkunst in Deutschland von den ersten Anfängen bis zur Reformation 1881, S. 57. W . B r a m b a c h (a) Das Tonsystemund die Tonarten des christlichen Abendlandes im Mittelalter, mit einer Wiederherstellung der Musiktheorie Bernos von der Reichenau 1881, S. 31. (b) Die Musiklit. des Mittelalters bis zur Blüte der Reichenauer Sängerschule (500—X050 n. Chr.), Mitteilungen aus der großherzogl. bad. Hof- und Landesbibl. und Münzsammlung IV (1883) S. 13 f. (c) Die Reichenaus Sängerschule, Beih. z. Zbl. f. Bblw. II (1888). P. U. K o r n m iiller Die alten Musiktheoretiker, XI, Kirchenmus. Jb. 2 (1887) S. gfi. H. A b e r t Die Musikanschauung des Mittelalters 1905. H. R i e m a n n (a) Geschichte der Musiktheorie 2I920, S. 5ifi. (b) Handbuch der Musikgeschichte 3i923 I S. 176. P e t e r W a g n e r Einführung in die Gregor. Melodien 1911—21. H . J . M o s e r Gesch. der dt. Musik '1926 I S. 114.

Hans Engel.

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Berowe — Berthold von Herbolzheim

Berowe, s. Berau. Berthold, B r u d e r . Mönch im Dominikanerkloster zu Freiburg i. Breisgau um die Wende des 13. und 14. Jahrhunderts. Nähere Angaben über sein Leben fehlen, doch ist nicht wahrscheinlich, daß es sich um ein Jahrhundert später abgespielt hat, wie in der Literatur angenommen wurde. Berthold hat unter alphabetisch geordneten Stichworten eine Art von Laienkatechismus in hochdeutscher Sprache verfaßt, der mit den 'Summae confessorum' des J o h a n n e s von F r e i b u r g (s.d.) nahe Beziehungen aufweist. Nach den eigenen Angaben des Verfassers ist seine Arbeit außgezogen auß dem buch der Summe der beichtiger die der wirdig vater leßmeyster Johannes von freyburg auch prediger ordens ze latein gemachet hatt. Sie erweist sich aber durch die für die Bedürfnisse des täglichen Lebens sehr geschickte Auswahl des Stoffes und die Klarheit der Darstellung als ein Werk von selbständiger Eigenart, selbst wenn die alphabetische Ordnung auf die 'Summa minor' des Johannes von Freiburg zurückgeht und nicht von Berthold stammt. Mit besonderem Interesse behandelt der Verf. juristische Fragen unter Bezugnahme auf 'Corpus iuris civilis' , Dekret, 'Liber Extra' und kanonistische Literatur; deutsches Recht scheint er aber nur oberflächlich zu kennen. Unbekannt ist der Ritter Hans von Awr, der Berthold nach der Vorrede zu der Arbeit veranlaßt hat. Vermutlich hat er den Familiennamen von Au geführt und gehört zu dem bei Freiburg ansässigen Rittergeschlecht dieses Namens. Spätestens im 15. Jahrhundert erfolgte eine zuerst 1487 (Lübeck) gedruckte Ubertragung in das Niederdeutsche. (Vgl. auch Bertholdus.) Handschriften bei S c h u l t e a. u. a. O.; S t o b b e Geschichte der deutschen Rechtsquellen I S. 635 Anm. 8. Ausgaben bei S t i n t z i n g a.u. a. O . — S t i n t z i n gGeschichte der populärenLiteratur des römischkanonischen Rechts in Deutschland 1867, S. 5 i 6 f f . F . v o n S c h u l t e Geschichte der Quellen und Literatur des kanonischen Rechts I I 1877 S. 423. O. G e i g e r Freiburger Diözesanarchiv N F . 21 (1920) S. iff. v. Schwerin.

Berthold, P r i e s t e r , verfaßte wahrscheinlich um 1440 für eine Nonne des

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braunschweigischen Klosters Wöltingerode eine Andacht in lateinisch-niederdeutscher Mischsprache, die sich durch Schwung der Rede wie Anschaulichkeit der Bilder auszeichnet. Erhalten in Wolfenbüttel, cod. Heimst. 1144, Bl. i49bff. H e n r i c i Sprachmischung Deutschlands 1 9 1 3 , S. 25.

in älterer Dichtung

W. St. Berthold von Bombach, Pfarrer, verfaßte zwischen 1347 und 1356 das Leben der seligen Liutgart, der Stifterin des Klarissenklosters Wittichen, als Augenzeuge. Liutgart (gest. 1347) gehörte zu den ekstatisch-mystischen geistlichen Frauen, wie wir sie damals am Oberrhein nicht selten finden, und so wurde auch Kloster Wittichen (nördl. von Schiltach in Baden) zum Herd mystischer Denkweise, wie andere Nonnenklöster jener Gegend, Adelhausen, Unterlinden bei Kolmar, Töß, Schönensteinbach. Auch Berthold war von mystischen Anschauungen erfüllt; er scheidet zwischen äußerem und innerem Menschen, zwischen wirkendem und schauendem Leben; in geregelter Stufenfolge der Übungen steigt die Selige zur Gottesschau empor. Auch Beziehungen zu den Gottesfreunden in Straßburg sind vorhanden. Hss.: Donaueschingen Nr. 1 1 8 , Bl. 4a—88b, um 1400; ebda. Nr. 119, S. 1/169, Umarbeitung v. J . 1745. — Druck: M o n e Quellensammlung der badischen Landesgeschichte I I I (1863) S. 438 bis 468, 684. — Vgl. U n g l e r t Leben der gottseligen Jungfrauen und Mutter Leydtgarten 1636.

W. St.

Berthold von Her bolzheim wird durch Rudolf von Ems (s. d.) in seiner 'Alexandreis' (V. Buch, v. 15 662 ff.) lobend erwähnt als Dichter einer 'Alexandreis' für den „edeln Zähringer", d. h. Berthold V., gestorben (als letzter der Herzöge) 1218. Nicht den zehnten Teil des Stoffs bringt Berthold nach Rudolfs Behauptung. Goedeke noch setzt den Dichter, wie sein erster Entdecker Docen, ins Würzburgische, obwohl schon Lampadius und Schreiber ein Herboisheim im Breisgau entdeckten; ihnen schlössen sich Mone und die Späteren an. (Schreiber glaubte sogar Bertholds 'Alexandreis' selber entdeckt zu haben und fand Mones Beifall auch damit.)

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Betthold von Holle

M o n e Badisches Archiv I (1826) S. 49 (Rudolfs T e x t und die frühere Forschung). Diese bestehend aus: D o c e n Museum I (1809) S. 137. J u l i u s L a m p a d i u s Beiträge zur Vaterlandsgeschichte 1811, S. 181. H. S c h r e i b e r Charis 1824, S. 23. Dazu noch, außer Mone: M a ß m a n n Heidelberger Jahrbücher 1826, S. 1198. Z a c h e r ZfdPh. 10 S. 97. J u n k P B B . 29; S. 460. G o e d e k e Grundriß I 2 (1884) S. 88l E h r i s m a n n Geschichte der deutschen Literatur II, 1 (1922) S. 248. L. D e n e c k e Ritterdichter und Heidengötter 1930, S. 22 ff., bes. 26 f. (glaubt in einer aus dem .Baseler Alexander' erschlossenen früheren Fassung das Werk des Berthold gefunden zu haben).

Halbach. Berthold von Holle. 1. Berthold von Holle gehört einer altadeligen Familie im Hildesheimischen an und begegnet in Urkunden der Jahre 1251—70. Für den Stoff seines einen Romans, des 'Crane', fühlte er sich nach seiner eigenen Angabe dem jungen Herzog Johann von Braunschweig verpflichtet, der etwa 1237 g e _ boren wurde und 1252—77 regiert hat. Von seinem lieben ist sonst nichts bekannt. Er schrieb drei Ritterromane, 'Demantin', 'Crane' und 'Darifant', von denen die beiden ersten abgesehen von kleinen Lücken vollständig, der dritte dagegen nur in einem Fragment auf uns gekommen ist. Da er im 'Crane' den 'Demantin' als älteres Werk nennt, den 'Darifant' dagegen nicht, so dürfte die chronologische Reihenfolge seiner Dichtungen die oben angegebene sein. Künstlerisch bedeutet der nur knapp den halben Umfang des 'Demantin' aufweisende 'Crane' einen wesentlichen Fortschritt in der Kompositionstechnik. Quellen hat der Dichter wohl nicht gehabt, sondern seine Mosaiken von Heldentaten und Liebeserlebnissen aus dem Motivschatze bekannter Romane mit einer achtenswerten Phantasie selbst zusammengebaut, auch die erdrückende Fülle von Eigennamen fremden und einheimischen Klanges, so weit man es beurteilen kann, individuell erfunden und nur weniges dem vorhandenen Namenschatz entlehnt. Auch Beziehungen zur afrz. oder prov. Epik bestehen nicht. Die Beziehungen des Stoffs des 'Crane' zu dem im 12. Jahrhundert gedichteten 'Grafen Rudolf' (s. d.) haben der Forschung viel Kopfzerbrechen gemacht:

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sicherlich hat er das alteGedicht nicht selbst gekannt, vielleicht aber Motive einer stark veränderten Tradition entnommen, die früher einmal aus jenem gespeist worden ist. Auch die mannigfachen Anklänge an historische Persönlichkeiten und Orte, die sich in den Gedichten finden, lassen sich nicht so kombinieren, daß man historische Deutungen wagen dürfte. Des Dichters bewegliche Phantasie, reiche Kenntnis der Historie seiner Zeit und der Literatur, verbunden mit offenen und empfänglichen Sinnen für das, was ihm Umwelt und Verkehr darboten, haben die Kombinationsgabe in ihm gebildet, deren Resultate seinen Gedichten zugute kamen. Es ist die gleiche Lust zu fabulieren, die wir auch in Werken wie 'Reinfried von Braunschweig' (s. d.) und 'Wilhelm von Österreich' zur selben Zeit in andern Gebieten Deutschlands wiederfinden. 2. Die Sprachform der Dichtungen Bertholds ist nicht der niederdeutsche Dialekt seiner Heimat, mit dem er auf dem von ihm gewählten Felde des ritterlichen Romans sicherlich keine weitreichende Wirkung hätte erzielen können, sondern eine temperierte Form der mitteldeutschen Literatursprache, allerdings mit starkem mundartlichem Einschlag, besonders auf dem Gebiete des Wortschatzes, aber auch in manchen lautlichen und formellen Einzelheiten. Roethes fördernde Darstellung der Sprachform der mittelalterlichen Dichter aus niederdeutschet Heimat, die auf Gewinnung der großen Linien gerichtet ist, ist im einzelnen überall der Nachprüfung und der Korrektur bedürftig: so hat er auch den dialektischen Einschlag bei Berthold unterschätzt. Dieser tritt naturgemäß im Reimgebrauch viel weniger hervor als im Versinneren. Die von mir seiner Zeit gegebene, jugendlich schematisierende und deshalb mehrfach übers Ziel hinausschießende, die Probleme der Wortbildung und Wortwahl neben denen der Laut- und Formenlehre über Gebühr vernachlässigende Untersuchung müßte heute erneuert werden, ehe man zu einer gesicherten Position in der Frage von Bertholds Sprachform gelangen kann. Stilistisch ist ein starker Einfluß Wolf-

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Berthold von Regensburg

rams von Eschenbach, den der Dichter auch mehrfach als einzigen unter seinen künstlerischen Vorgängern mit Namen nennt, deutlich zu beobachten. Weitere direkte Vorbilder seiner Erzählungsmanier aufzuzeigen ist bisher nicht gelungen. Textabdrücke: K . B a r t s c h Berthold von Holle 1858; d e r s e l b e 'Demantin' von Berthold von Holle 1875; dazu S t e i n m e y e r AfdA. 1 S.256; E. S t e f f e n h a g e n Kieler Bruchstück aus Bertholds von Holle 'Demantin', Germ. 27 S. 406 (1892); O. v. H e i n e m a n n Aus zerschnittenen Wolfenbütteler Handschriften XV: Fragment von Bertholds von Holle 'Crane', ZfdA. 32 S. 102 (1888). — G r o t e f e n d Berthold von Holle, Zeitschrift d. hist. Vereins für Niedersachsen 1864 S. 117; K . B a r t s c h Die Sprache Bertholds von Holle, Germ. 23 S. 507 (1878); A. L e i t z m a n n Untersuchungen über Berthold von Holle, P B B . 16 S. 1 (1892); d e r s e l b e , Berthold von Holle ein Nachahmer Wolframs von Eschenbach, ebda. 16 S. 346 (1892) ; F. V o g t Zu Berthold von Holle, ebda. 16 S. 482 (1892) ; G. R o e t h e Die Reimvorr. des Sachsensp. S. 45 (1899); A. L e i t z m a n n Niederdeutsches bei Berthold von Holle, Nd. Jahrb. 43 S. 63 (1917); W. S e e l m a n n Zu Berthold von Holle, Nd. Jahrb. 44 S. 95 (1918).

Albert Iyeitzmann. Berthold von Regensburg. 1. Lateinische Handschriften. A. R e d a k t i o n e n B e r t h o l d s (autorisierte Sammlungen). Die 3 R u s t i c a n i . Sie enthalten 58 Sermones de dominicis, 125 de sanctis, 75 de communi. R u s t i c a n u s de s a n c t i s : L i n z - B a u m gartenberg; Linz, Studienbibl. Tp. Nr. 6, Ende d. 13. Jh., Abschrift aus einer 1293 gefertigtenHs. des Benediktinerkl. Gleink an der Enns, Oberösterreich; Nr. 1 — 7 6 de sanctis, Nr. 7 7 — 1 1 7 hauptsächlich de communi, Nr. 118—121 nicht B. gehörig. — W i e n Staatsb. Nr. 3735, Papier, 15. Jh. (davon abhängig W i e n , Univ.-Bibl. Nr. 421) ; 127 sermones, darunter einige de dominicis und de communi. — Verwandt mit L e i p z i g C. L. Paulinus 498 (früher 497), 14 1 Jh., aus Altenzelle; 125 sermones. — Leipzig Nr. 497 aus Altenzelle, 142 Jh., 119 sermones de sanctis, 70 de communi. — M ü n c h e n , Clm. 7961 (Kaisheim 61), 142 Jh., 70 sermones de communi, 80 de sanctis. — Clm. 14093 (EmmeramBi), 142 Jh., Rust. de sanctis Nr.i—63. — Clm. 2950 (Altomünster ? 20), 14 1 Jh., R. de sanctis Auswahl, 42 Stücke, u. 18 sermones de communi. — Clm. 2708 (Aid. 178), Mitte 14. Jh., Auswahl, 27 Stücke. — Clm. 8738 (Monac. Francisc. 38), 142 Jh., 1 sermo de dedicatione, 28 de dominicis, 39 de sanctis, 62 de sanctis, 10 speciales, 15 de sanctis et de dominicis. — ö m . 8739 (Monac. Francisc. 39), 142 Jh., 77 de sanctis, 30 de communi, 27 de dominicis, 28 speciales, Exzerpte aus sermones ad religiosos.— Clm. 2699 (Alderspach 169), 14. Jh., 40 de communi, 14 de sanctis, 40 ausgewählte Stücke oder auch extravagantes, 30 Exzerpte, meist de domi-

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nicis. — Clm. 2706 (Aid. 176), 14. Jh., 41 Reden, mit den vorigen verwandt. — W ü r z b u r g , Minoriten, 15 1 Jh., 79 sermones de sanctis, 44 de communi. — S a l z b u r g , Dombibl. Nr. 352. Der R. de d o m i n i c i s ist nicht so verbreitet, aber schon vorher entstanden. Zu den in Verbindung mit dem R. de sanctis überlieferten Sammlungen treten: L i n z , Studienbibl.; R. de dominicis, einst dem Zisterzienserkl. Baumgartenberg in Oberösterr. gehörig, 13. Jh., Anf. Ecce positus est hic. — Daraus sind abgeschrieben: Zisterzienserstift L i l i e n f e l d in Niederösterr. Cod. 53, 14. Jh. (Bl. 1—102 genau m. Linz übereinstimmend, Bl. 102b—107c nicht B. gehörig, Bl. 107c—178 überwiegend B. gehörig aus dem R. de communi); S t . F l o r i a n X I 257, 14 1 Jh.; St. Florian X I 347, 142 Jh., Bl. 195—277, 65 Stücke, von denen die ersten zahlreiche deutsche Eintragungen enthalten, zunächst R. de dominicis, Anf. Incipiunt collecta Perchtoldini. — Clm. 7961, 14. Jh. — Mit Bertholds Prolog: S a l z b u r g , St. Peter [vgl. J e i l e r Lit. Rundsch. f. d. kath. Deutschi. 1881 Nr. 2]; S e v i l l a , Bibl. Colombina Nr. 7. 6. 20, 15. Jh. [vgl. H. S. D e n i f l e ZfdA. 27 S. 303]; S i t t e n [vgl. H. F e l d e r in S c h ö n b a c h s Studien I I S. 5]R. d e c o m m u n i . Die zum Teil in den obigen Hss. enthaltenen Predigten werden ergänzt durch: L e i p z i g C. L. Paulinus 496, 14 1 Jh., aus dem Zisterzienserkl. Altenzelle in Sachsen, 65 s. de communi u. 63 s. speciales; B a m b e r g Q. V 78 (Kat. I 406), Bl. 1—294b, Anf. In omnem terram exivit sonus, ohne durchgeführte Ordnung. B. A u f z e i c h n u n g e n n a c h E n t w ü r f e n ; s e r m o n e s s p e c i a l e s. Zu den Clp. 496 enthaltenen sermones treten Skizzen in Clm. 8738 u. 8739; diese beiden Sammlungen sind privat zusammengestellte Predigtmagazine. — Eine lat. Meßpredigt steht Clp. 762 [vgl. G. B u c h w a l d Zs. f. K g . 39 (1921) S. 77—83]. Über die Meßpred. vgl. A. F r a n z Die Messe i. deutschen Mittelalter (1902) S. 644—658. — K r e u z e n s t e i n Nr. 5660, 15. Jh., Bl. 234—370. — V o r a u , Chorherrenstift Nr. 412, 13. Jh., enthält Bl. 14 fünf Festtagspredigten, die Schönbach für ein Jugendwerk B.s hält. C. A u f z e i c h n u n g e n n a c h N i e d e r s c h r i f t e n , d i e B. v o n s e i n e n P r e d i g t e n g e m a c h t h a t . Die wichtigste Hs. ist die zweibändige des Minoritenkl. zu F r e i b u r g i. d. Schweiz; vgl. Fr. J o s t e s Hist. Jb. 12 (1891) S. 360. D. A u f z e i c h n u n g e n d u r c h a n d e r e . S e r m o n e s a d r e l i g i o s o s . Von ihnen gibt es nur eine Vollhs., E r l a n g e n , Univ.-Bibl., 13—14. Jh., Irmischer Nr. 407, Fischer Nr. 292, aus der Zisterzienserabtei Heilsbronn i. Mittelfranken; 89 sermones. — Größere Gruppen von s. ad religiosos in G r a z Univ.-Bibl. Nr. 1501 (vgl. S c h ö n b a c h A f d A . 7 S. 386 u. 10 S. 31); Nr. 730; 1505; 1531; sowie clp. 497. 2. D e u t s c h e Hss. Die Hss. der 71 deutschen Predigten gehen nur ins 14. u. 15. Jh. zurück bis auf einen kleinen Rest aus der Zeit um 1300.

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riten gewesen und wohl 1230 in das höhere Theologiestudium eingetreten sein. Eine Predigtanspielung auf dasUdo-Mirakel(s.d.) macht wahrscheinlich, daß er in Magdeburg die Studienanstalt der Minoriten besuchte, w o B a r t h o l o m a e u s A n g l i c u s , der Verfasser der berühmten Realenzyklopädie 'De proprietatibus rerum', sein Lehrer gewesen sein kann. Dieses Werk ist die Hauptquelle für B.s naturwissenschaftliche Kenntnisse. B. wird hier bis 1234—35 geweilt haben. Von 1240 an übt er sein Predigtamt aus. Er hielt auch Frauenklosterpredigten, von denen sich die sogen, sechs „Klosterpredigten" erhalten haben. Als Schlichter in adligen Besitzstreitigkeiten und Berater in religiösen Dingen ist er Nov. 1253 in Landshut, seit 1254 außerhalb Baierns in Speier, Elsaß, Nordschweiz, Konstanz, Zürich, 1255 Thun, I257 i n Hohensaxen in Graubünden, 1257—58 in »Schlesien, 1259 ( ? ) i n Pforzheim, von 1260 an in Österreich, Böhmen, Mähren, Schlesien. Lange zeigte man in Glatz die Bertholdslinde, wo er gepredigt hatte. I n den 50er Jahren redigiert er seine drei Rusticani lateinischer Predigten. Auch die nicht von ihm autorisierten lateinischen Sammlungen werden vor 1263 entstanden sein. Sie zitieren aus dem Berichte der Orientdelegation des Minoriten Johannes de Piano Carpini, der im Herbst 1247 i n Deutschland bekannt geworden ist; sie kennen die 2. Franziskus-Vita des Thomas v. Celano v. J . 1247 und die hl. Klara, die 1253 stirbt und kanonisiert wird. 1256 erhält der Passauer Bischof von einem dominus Reinhold ein Exemplar zum Geschenk [Rockinger WSB. X I I I (1877) 3 S. 210]. Den Grund für 3. l i e b e n u n d l a t . W e r k e B.s. Sicher die R u s t i c a n i führt B. selbst in der ist nur der Todestag, 14. Dez. 1272. Augs- Vorrede a n : Istos sermones ea necessiburger Chronisten des 15. Jhs. berichten, tate coactus sum notare, cum tarnen invidaß er dort 1240 gepredigt habe. Herrn, tissime hoc fecerim, quod, cum predicarem eos in populo, quidam simplices clerici et v. Altaich schreibt, daß er 1250 ein bereligiosi, non intelligentes, in quibus verbis rühmter Prediger mit oft 40000 Zuhörern et sententiis veritas penderet, voluerunt gewesen sei. Somit kann er gegen 1210 genotare sibi illa, que poterant capere, et sie boren sein. Bei der Revision des Regensburger Benediktinerinnenkl. am Nieder- multa falsa notaverunt... et hac necessitate münster 1246 war ihm Bruder David v. coactus sum ipse notare, quod predieavi, ut Augsburg (s. d.) als socius, Sekretär, beige- ad istorum sermonum exemplar alia falsa geben ; er muß also damals Lektor der Mino- et inordinata notata corrigerentur. E s wer-

Die wichtigsten sind: H e i d e l b e r g Pal. germ. ^ r . 35 v. J . 1439- — Donaueschingen Nr. 292, 15. J h . — K l o s t e r n e u b u r g Nr. 886, Nationalbibl. 2829 [Hoffm. I 5 . Jh. — W i e n , C C L X ] v. J . 1444. — M ü n c h e n Cgm. 1 1 1 9 , 15. Jh., Bl. 1 — 6 4 Predigten u. Predigtauszüge. — Cgm. 632, 15. Jh., Bl. 67—97, 1 1 5 , 1 1 7 . — H e i d e l b . Cod. Pal. Nr. 24 v. J . 1370, im Auftrage der Pfalzgräfin Elisabeth ( 1 3 4 0 — 1 3 8 2 ) , Gemahlin Ruprechts I. (1309—1390), entstanden; vgl. W i l k e n Gesch. d. Heidelb. Büchersammlungen S. 3 1 8 . — M ü n c h e n , Cod. E m m . m. 5, 1 3 . — 1 4 . J h . (Strobls Hs. E). — Cgm. 210, Bl. 2 5 — 7 9 b ; 86b—95. — Cgm. 354, 1 4 . — 1 5 . Jh., Bl. 78—99, Betrachtungen von der Minne; von 3 Hochzeiten. — Cgm. 400, v. J . 1 4 9 1 , Geistlicher Leute Baumgarten, dessen 3. Teil v. B. stammt. — Cgm. 100, Bl. 1 7 6 — 1 7 7 a : Der cristen mensche sol laufen mit zwein fuzen; vgl. W . P r e g e r Gesch. d. deutschen Mystik I I (1881) S. 39. — Cgm. 1 1 6 , vgl. Preger I I S . 1 3 5 . —Cgm. 176, 13.-—14. J h . (vgl. Pfeiffer-Strobl S. X I V ) , Bl. 63a—90a, sechs Klosterpred. ( = Pfeiffer-Strobl S. 2 5 8 — 274). — B r ü s s e l , Burg. Bibl. Nr. 768, Ende d. 14. J h . — Eine verlorene S t r a ß b u r g e r Hs. d. 14. J h . , von O b e r l i n im Quellenverz. als sermones sacri sive predigten, bibl. S. Joh. Hieros. Arg. A 100 bezeichnet; vgl. Z f d A . 3 S. 534. •— Fragmente, einst im Besitze G e m o l l s , ZfdPh. 1 2 S. 1 3 0 , 1 8 3 . — Z u H a l b e r s t ä d t e r Bruchstücken vgl. ebda. 1 2 S. 130, 180. — Hinweis auf ein anderes Stückchen Z f d A . 38 S . 157. — Die älteste Überlieferung sind I n n s b r u c k e r Fragmente, die im 1 5 . J h . zum Binden der Hs. 1 5 1 / 1 1 F verwendet worden sind, 13. J h . ; vgl. Z f d A . 35 S. 209. •— Ein wohl noch ins 13. J h . gehöriges Bruchstück der' Vier Stricke des Teufels' im Pfarrarchiv v. R a i s t i n g , vielleicht aus Wessobrunn oder Kloster Dießen. — Auch Predigten von B. enthält St. G a l l e n Nr. 955, 15. J h . — Eine deutsche Meßpredigt ist gedr. bei Mone^4ZW. Schausp. I I S . 3 5 1 — 3 5 9 ; vgl. A d r i a n Mitt. aus Hss. 1 8 4 6 , S. 4 4 2 — 4 5 5 . — Der Weingartner Cod. asc. 86 der Landesbibl. in S t u t t g . enthält einen deutschen Traktat De signis missae, der wahrscheinlich von B. stammt; vgl. Z f d A . 28 S. 1 — 2 0 u. Anz, f. Kunde d. deutschen Vorzeit 7 Sp. 393. — Die 6 Klosterpredigten Cgm. 6247 reichen vielleicht ins 13. J h . zurück.

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den zum Teil flüchtige Aufzeichnungen gehörter Bertholdpredigten ausgearbeitet, zum Teil Bertholdsche Entwürfe benutzt worden sein. Die s e r m o n e s s p e c i a l e s setzen Laien, aber auch Kleriker als Hörer voraus. Die Überlieferung der Freiburger Bände geht wohl auf Diktate oder eigene Niederschriften B.s zurück, die von seinem socius kopiert wurden und von B. in deutscher Sprache gehalten worden sind; denn hier zeigt sich lebendige Sprache, Leidenschaft und Wucht. Meist werden die deutsch gehörten Predigten nachträglich lateinisch aufgezeichnet worden sein. Darum entschloß sich B., seine Predigten nach solchen Nachschriften und eigenen Entwürfen in den d r e i , , L a n d p r e d i g e r"Sammlungen verbessert zu verbreiten. Ihnen allein kommt die Autorität seines Namens zu. 1263 wird B. von Papst Urban IV. mit der Kreuzzugspredigt gegen die Ketzer, d. h. die Waldenser, beauftragt; vgl. E u b e l Gesch. d. oberdeutschen Minoritenprovinz S. 251. Er ist nun in Thüringen, Franken, vielleicht auch in Frankreich. Dann scheint er in Regensburg geblieben zu sein, wo er im Chorumgange des Franziskanerklosters beigesetzt ward. Johann v. Winterthur (s. d.) nennt ihn 1340 einen Heiligen. Die Reimchronik Ottokars (s. d.) rühmt seine Beredsamkeit als die eines zweiten Elias. Frauenlob (s. d.) hat ihm ein Gedicht gewidmet. Hermann v. Niederaltaich (gest. 1275) ist die Quelle für die meisten Chronisten. Von seiner Familie ist nur seine viel jüngere Schwester Elisabeth bekannt, die, mit einem Merklin Sachs verheiratet, ihn mehr als ein Jahrzehnt überlebte. Im 30jährigen Kriege sind die Überreste aus seinem Grabe in Sicherheit gebracht und später in einem einfachen Glaskasten im Dome zu Regensburg beigesetzt worden. B.s Aussehen ist nicht bekannt; er trug einen Bart. Der Regensburger Grabstein ist nicht zuverlässig; vgl. Verhandlungen d. hist. Ver. f. Oberpfalz und Regensb. N. F. 31 (1885) S. 257. 4. W e s e n s b i l d , B i l d u n g u n d P r e d i g t w e i s e . B. gehört zu den gemäßigten Joachimiten, Anhängern des Abts

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J o a c h i m de F l o r i s , die um 1260, später 1335 den Antichrist erwarteten; vgl. Arch. f. Lit. u. Kirchengesch. d. Mittelalt. 1, 49; i , 509; 2, 108; 3, 553; 4. Für die Behandlung der eschatologischen Dinge hatte sich B. vorbereitet durch einen Kommentar zur Apokalypse, der noch nicht gefunden ist. Predigten über den Antichrist stehen im Rust. de dominicis, infra nativitatem und dorn, quarta post Epiph. Er steht durchaus auf dem Boden des Christenglaubens seiner Zeit; er wendet sich an Bürgertum und Religiösen. Die Phantasie, die seine Grundkraft war, treibt ihn, das Sichere in das Unsichere fortzudichten, zu erweitern; so ist er ein wertvoller Zeuge der Volksmeinungen seiner Zeit. Ausgestattet mit scharfem Blick für die Wirklichkeit des Lebens, besitzt er gute Kenntnisse des Lateinischen, eine dürftigeKenntnis des Griechischen, während ihm das Hebräische wohl fremd war. Er beherrscht die Bibel und benutzt Glossen und Summen. Das kanonische Recht ist ihm vertraut. Er kennt Augustin genau und ahmt Bernhard v. Clairvaux in der Predigtweise nach; an der Prosa Gregors d. Gr. hat er sich geschult; Legenden und Exempel verwendet er maßvoll im Anschluß an die sermones vulgares des Jacobus de Vitriaco. Gelehrte Zitate in Fülle beweisen, daß die Rusticani im Studierzimmer redigiert worden sind; in keiner Hs. des R. de dominicis kommt ein deutsches Wort vor, und doch ist er geschrieben für Prediger, die rustici simplices, laici, servi et ancille vor sich haben. Über den Eindruck seiner Predigten besagen diese redigierten Texte nichts. In den anderen R. fehlen deutsche Worte nicht ganz; ausdrückliche Anweisungen, deutsch zu sprechen, wie sie in den nicht autorisierten Samminngen vorkommen, gibt es in den R. nicht. Die Prediger sollen den Text selber ausgestalten. In der Predigttechnik entspricht B. der Praxis der Bettelorden des 13. Jhs. Er beginnt mit dem Textspruch, dem Anf. des EVang. des betreffenden Sonn- oder Festtages; dazu tritt ein Satz aus der Epistel zu demselben Tage in innerer Übereinstimmung, wozu die Glosse oder auch Schriftstellen verhelfen (Glösa des Wala-

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frid Strabo oder Gl. interlinearis des Anselm v. Laon). Schon bei der Besprechung der sonntäglichen Schrifttexte werden Einteilungen und Distinktionen vorgebracht, die aber nicht immer mit den Ausführungen der Predigt zusammenhängen. Sie ähneln den Prothemata der späteren Predigtübung. Die eigentliche Disposition der sermones bildet die Historia, ein Stück Erzählung aus dem Alten Testament, das sich zur Gliederung und Benutzung im Predigtsinne eignet. Dies ist ein wichtiges Kennzeichen der echten Predigten, eine schon im 12. Jh. in Frankreich geübte Technik. Inhalt der Predigt sind Glaube und Leben, Buße, die kirchlichen Mißstände der Zeit. Die Gemüter sollen erschüttert werden durch die Ausmalung der Güte und Gerechtigkeit Gottes und der Arglist des Teufels, der Freuden des Himmels und der Martern der Hölle. Die für geistliche Hörer bestimmten Predigten sprechen von Rechten und Pflichten der Priester und den Schäden der Zeit. Die Reden an die Religiosi, Klosterleute, betreffen das innere religiöse Leben, die Klostergemeinschaft. Die Missionspredigten, im Dienste der Ketzermission, behandeln fast nur Glaubensfragen. Einige „ L e h r p r e d i g t e n " teilen Kenntnisse über verschiedene Dinge mit: Erdkunde, Naturwissenschaft. Sein naturwissenschaftliches Wissen, das er den 'Pro-prietates rerum' des B a r t h o l o m a e u s A n g l i c u s entlehnt, steht dem Wissen der höchstgebildeten Zeitgenossen etwa gleich. Roger Bacon hält ihn für den hervorragendsten Prediger der Mitte des 13. Jhs. Im Stil bekundet sich seine starke, lebensvolle Persönlichkeit. Lockere Konstruktionen begegnen in Fülle, wie sie der bequemen mündlichen Rede entsprechen und die Aufmerksamkeit der Hörer lebendig erhalten; Anrufe der Hörer, Anrede, auch Wechselrede sind nicht selten; Bilder, Vergleiche, Übertreibungen, dramatische Ausschmückung, Beispiele aus der eigenen Erfahrung beleben die Rede. 6. Die deutsch überlieferten P r e d i g t e n . Die bedeutendsten der 71 deutschen Predigten: 1. Von den fünf Pfunden; 2. Von den sieben Planeten;

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3. Von rufenden Sünden; 4. Von Aussätzigkeit; 5. Von den zehn Chören der Engel und der Christenheit; 6. Von dem Wagen; 7. Von zweien Wegen, der Marter und Barmherzigkeit; 8. Von dem Niederlande und von dem Oberlande; 9. Von den zehn Geboten unseres Herrn ; 11. Selig sind, die reines Herzens sind; 12. Von den vier Stricken; 13. Wie man die Welt in 12 Teile teilt; 14. Von des Leibes Siechtum und der Seele Tod; 15. Von der Messe; 16. Von den 7 Siegeln der Beichte; 17. Etliche sagen: Tu das Gute und laß das Böse; 18. Von den 3 Fürstenämtern; 19. Sechs Klosterpredigten; 20. Predigt über die Städte. Die deutschen Predigten sind nicht unmittelbar von B. verfaßt; sie rühren von Bearbeitern her, die in demselben Kreise der Minoriten zu suchen sind, aus dem der 'Deutschenspiegel' (s. d.) und der 'Schwabenspiegel' (s. d.) sowie die Anfänge eines Hauptzweiges der deutschen Mystik hervorgegangen sind, wahrscheinlich in der Gegend von Augsburg im letzten Drittel des 13. Jhs. Darunter gibt es auch Reden, die nicht lateinisch überliefert sind. Doch meist sind es freie Bearbeitungen des lateinischen Textes. Die strenge Predigtform ist aufgegeben; es sind Lesetraktate für Laien oder Nonnen; im Vergleich zur lateinischen Vorlage enthalten sie wenig Bibelstellen; die Zitate sind fehlerhaft; gelehrte Zitate sind selten, ebenso Legenden und Hinweise auf die Liturgie. Dagegen finden sich deutsche Sprichwörter, auch Reime, die mit Freidank (s.d.) übereinstimmen. Erwähnt sind der Helleviur (s. d.), der starke Poppe (s. d.), die böse Frau Kriemhild, ein rumor de Ditrico, die Liedstrophe Nu bitte wir den heiligen Geist. 'Der jüngereTiturel' scheint die lateinischen Predigten zu benutzen und seinerseits von den Bearbeitern der deutschen Predigten benutzt zu sein. Beziehungen zum 'Deutschenspiegel' und zum 'Schwabenspiegel' sind sicher; die Entstehungszeit läßt sich aber daraus nicht ableiten. Die älteste handschriftliche Überlieferung (Innsbruck) führt in die Zeit kurz vor 1300; eine historische Notiz (Pfeiffers Ausg. 1S. 91,26) reicht in das Ende der siebziger Jahre, also kurz nach B.s Tode zurück. Die

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Predigten sind von B. deutsch gehalten worden, aber lateinisch, zum Teil wohl mit deutschen Randbemerkungen (Worten B.s), nachgeschrieben, dann lateinisch, auch deutsch ausgearbeitet und nur zum Teil in den Originalnachschriften mit Einfügung der deutschen Glossen überliefert worden. Die so entstehende Unzuverlässigkeit zwang B. zur Redaktion der drei Rusticani. Die überlieferten deutschen Predigten sind wohl sämtlich Bearbeitungen nach ihnen entsprechenden lateinischen Predigten, woraus sich die großen Schwierigkeiten der Überlieferung erklären. Sprachliche Untersuchungen überB. haben dieses zu berücksichtigen. 7. L i t e r a t u r u n d G e s c h i c h t e d e r F o r s c h u n g . A u s g a b e n l a t . W e r k e . Eine Ausg. der R u s t i c a n i fehlt; umfängliche Proben bei S c h ö n b a c h (s. u.). — De signis missae: Z f d A . 28 S. i f f . — G e o r g B u c h w a l d Eine lat. Meßpf. B.s v. R„ Z f K g . 3 9 ( 1 9 2 1 ) S. 7 7 . — F r . W i e g a n d Eine Kreuzpred. B.s gegen die Ketzer, Gesch. S t u d i e n f. A . H a u c k ( 1 9 2 0 ) S. 177. — P e t r u s H o e t z l Fr. Bertholdi a Ratisbona sermones ad religiosos; 20 P r e d . , 1882; n u r n a c h der Erlanger Hs., unkritisch; vgl. S c h ö n b a c h A f d A . 13 S. 31; E d w . S c h r ö d e r , G G A . 1883, S. 724. — S e r m o ü b e r d a s A v e M a r i a ( R u s t . d e d o m i n i c i s N r . 5) g e d r . v . J o h . S c h m i d t i n d e r S t u d i e 'Über B. v. R.', P r o g r . d. R e a l o b e r g y m n . auf d e r L a n d s t r a ß e , W i e n 1871, S. 1 5 — 2 6 . — A u s z ü g e a u s H s . W i e n , N a t . - B . 3735 b e i J o s . S t r o b l W S B . 8 4 ( 1 8 7 6 ) S. 8 7 — 1 2 8 . Ausg. d e u t s c h e r Werke. Christ. Friedr. K l i n g Berthold, des Franziskaners, deutsche Predigten aus d. zweiten Hälfte d. dreizehnten Jh., theils vollständig, theils in Auszügen herausg. 1824 (12 S t ü c k e a u s P a l . g e r m . 24); v o n J . G r i m m bespr. in: Wiener J a h r b . d. Lit. 32 ( 1 8 2 5 ) S. 1 9 4 = Kl. Sehr. I V S. 2 9 6 . — F r a n z G ö b e l Die Missionspr. d. Franzisk. B. v. R. 1849 [41 P r e d . ] ; 21857; 3 i 8 7 3 ; 4 i 8 8 4 u . d . T . : B. v. R.s Predigten auf die Sonn- u. Festtage des Kirchenjahrs zeitgemäß bearb. — J . M o n e Altt. Schauspiele I I S. 351: D e u t s c h e M e ß p r e d . ; v g l . A d r i a n Mitt. aus Hss. 1846, S. 442. = P f e i f f e r - S t r o b l I I S. 683. — B. v. R., vollst. Ausg. seiner Deutschen Pred. v . F r a n z P f e i f f e r 1. B d . [ P r e d . 1—36, o h n e B e n u t z u n g d e r B r ü s s e l e r H s . ] 1862; 2. B d . e n t h a l t e n d P r . 37—71 nebst Einl., Lesarten u. A n m . v. J o s e p h S t r o b l 1 8 8 0 ; bespr. v. G o e d e k e GGA. (1880) S. 8 9 5 ; K . B a r t s c h e b e n d a 2 9 ( 1 8 8 1 ) S. 1 4 0 ; S c h ö n b a c h A f d A . 7 S. 337; J o h . S c h m i d t L t b l . 1881, S. 8 4 U . Z f ö G . 1 8 8 1 , S . 6 6 1 . D i e B r ü s s e l e r H s . ist herangezogen, der T e x t ist künstlich insMhd. des A n f . d. 13. J h . z u r ü c k g e b i l d e t . Die H s s . , a u s d e r e n G r u p p e ( u m P a l . g e r m . 24) d e r T e x t h e r gestellt ist, s i n d n i c h t z u v e r l ä s s i g ; die G r u p p e Cgm. 1 1 1 9 , K l o s t e r n e u b u r g 8 8 6 , W i e n 2 8 2 9 ist,

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w i e d a s I n n s b r . F r a g m e n t e r w e i s t , besser. Stilistische u n d s p r a c h l . U n t e r s u c h u n g e n auf G r u n d dieser A u s g . s i n d s o m i t b e d e n k l i c h ; vgl. S c h ö n b a c h ZfdA. 7 S . 3 7 9 . — I n n s b r . Bruchst. Z f d A . 35 S. 209. — H a l b e r s t ä d t e r B r u c h s t . Z f d A . 12 S. 129; v g l . Z a c h e r e b e n d a S. 183; d a s F r a g m . 1 s t i m m t f a s t w ö r t l . m i t S t r o b l I I 39 ü b e r e i n ; F r a g m . 3 m i t A n h a n g C N r . 2; F r a g m . 4 m i t I I 68. — H . H e r i n g B. v. R., Ausgew. Pred., i n : K l a s s i k e r b i b l . d . c h r i s t l . P r e d i g t l i t . B d . 21, 1893; r e i n t h e o l o g . Z w e c k e n d i e n e n d , 7 d e u t s c h e R e d e n . — B . S c h w e i z e r B. v. R., Die vier Stricke des Teufels. Bruchst. einer bisher unbek. Perg.-Hs. der Predigten B. s v. R. 1926. — O t t o H . B r a n d t B.s v. R. deutsche Predigten, übertragen u. eingeleitet 1924. Ü b e r L e b e n u. W e r k e . Die grundlegenden u n d zusammenfassenden Untersuchungen sind die S t u d i e n z u r G e s c h i c h t e d e r a l t d . P r e d . v . A.E. S c h ö n b a c h WSB. phil.-hist.Cl. 1 8 9 9 — 1 9 0 7 : B d . 140 A b h . I V ( S t u d . I I ; d a r i n S. 14 ü b e r d i e 5 V o r a u e r F e s t p r e d . ) ; B d . 147 A b h . V ( S t u d . I I I : Das WirkenB.s v. R. gegen die Ketzer)', B d . 151 A b h . 11,152 A b h . V I I , 153 A b h . I V ( S t u d . I V — V I : Die Überlieferung der Werke B.s v. R. I — I I I ) ; B d . 154 A b h . I, 155 A b h . V ( S t u d . V I I — V I I I : Über Leben, Bildung u. Pers. B.s v. R. I — I I ) . — S c h ö n b a c h Über eine Grazer Hs. lat.-deutscher Predigten 1890; v g l . J o h . S c h m i d t L t b l . 1891, S p . 257; F r a n z J o s t e s H i s t . J b . 1891, S. 358; F r i e d r . K a u f m a n n T h e o l . L i t . - Z t g . 1891, S p . 252; E . V o i g t Berl. P h i l o l . W o c h e n s c h r . 1891, S p . 3 4 3 . — S c h ö n b a c h Des Bartholomaeus A ngelicus Beschreibung Deutschlands gegen 1240, MJÖG. 2 7 ( 1 9 0 6 ) H e f t 1. — S c h ö n b a c h B.s v. R. Leben 1908; b e s p r . V. H e l m L Z b l . 60 S p . 286. - A l b . L e i t z m a n n B. v. R., Z f d A . 5 2 ( 1 9 1 0 ) S. 2 7 9 . — G e o r g J a k o b Die lat. Reden des sei. B. v. R., 1880; A u f z ä h l u n g u . B e s c h r e i b u n g d e r l a t . P r e d i g t w e r k e . — K . U n k e l B. v. R. 1882. — K . R e h o r n Die Chronistengesch, über Bruder B.s Leben, i n : G e r m a n i a 2 6 ( 1 8 8 1 ) S. 3 1 7 . — R . P i f f l Einiges über B. v. R. auf Grund seiner Predigten. P r o g r . d. O b e r g y m n . auf d e r K l e i n s e i t e in P r a g 1890. — K . R i e d e r Das Leben B.s v. R., Diss. F r e i b u r g i. B. 1901. — A d . F r a n z Die Messe im deutschen Mittelalter 1902, S. 645 (B.s M e ß p r e d i g t e n ) . — J e i l e r L i t . R u n d s c h a u f . d. k a t h . D e u t s c h i . 1881 N r . 2 (über d i e Salzb u r g e r H s . ) . — H . L e y s e r Deutsche Predigten d. 13. u. 14. Jh. 1858 S. X V I I u . X X X ( H i n weise auf d i e L e i p z i g e r Cod. P a u l . 496 u . 497). — F r a n z J o s t e s H i s t . J b . 1 2 ( 1 8 8 9 ) S. 3 6 0 ; B e s c h r . d e r H s . d. M i n o r i t e n k l . i n F r e i b u r g i. S c h w . — H . S. D e n i f l e Zu Bruder Berthold, Z f d A . 27 S. 303 (Über die R u s t i c a n u s - H s . i n Sevilla). — J o s . S t r o b l Beitr. zur deutschen Literaturgesch. aus der Kreuzensteiner Bibl. 1909; d a r i n S. 2 3 4 — 3 7 0 P r e d i g t e n B.s. — R i e d e r Der Georgener Prediger ( D T d M A . X ) 1908. — A r c h . f. L i t e r a t u r u . K i r c h e n g e s c h . d . M A . ( D e n i f l e 1, 49; E h r l e 1, 509; 2, 108; 3, 553; 4, 1: ü b e r die J o a c h i m i t e n ) . — K . L ö s t e Zur Theologie B.s v. R. P r o g r . Z w i c k a u 1890. — M. K o h n B. v. R., ein Sozialethiker des mittelalt.

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Berthold (us)

Deutschland, Wochenschrift f. Kunst und Lit. 1890, S. 436, 450, 470. — T h . W i e s e r Bruder B.s v. R., ein Kulturbild aus der Zeit des Interregnums. Progr. Brixen 1 8 8 9 . — G ä r t n e r B. v. R. über die Zustände des deutschen Volkes im j j . Jh. Progr. Zittau 1890. — M. S c h e i n e r t Der Franziskaner B. v. R. als Lehrer u. Erzieher des Volkes. Diss. Leipz. 1896. — E. B e r n h a r d t Br. B. v. R. Ein Beitr. z. Kirchen-, Sitten- u. Lit.Gesch. Deutschlands im 13. Jh. 1905; bespr. v. T h . K o l d e Beitr. z. bair. Kirchengesch. 12 S. 1 3 4 . — F. T h i e l Die Lage der süddeutschen Bauern nach der Mitte d. 13. Jh. Progr. Klosterneuburg 1906. — R u d . S c h e i c h Der Humor in den Pred. B.s v. R. Progr. d. Gymn. in Mährisch-Weißkirchen 1891. — H. G r e e v e n Die Predigtweise d. Franzisk. B. v. R. Progr. d. Realschule zu Rheydt 1892; darin Sammig. der Sprichwörter. — B o u m a n De zinsbouw van B. v. R.s predigten, Neophilol. 5 (1920) S. 218, 309 (über den freien und natürlichen Bau der Sprache; Verhältnis zum lat. Texte; Einfluß auf die Umgebung). — John Vrjederquist Unters, über den Gebrauch d Konjunktivs bei B.v. R. I. Der Konj. in Hauptsätzen, in direkter Rede u. Absichtssätzen, Lund 1896. — O. T o i f e l Über einige besondere Arten der Satzstellung bei B. v. R. Progr. Ried 1901 u. 1902. — E d . E c k h a r d t Das Praefix gin verbalen Zusammensetzungen bei B. v. R. Diss. Freiburg i. B. 1890. — W i l h . S t ö l t e n Verhältnis des jüngeren Titurel zu B. v. R. Diss. Jena 1920. — B. v. R o c k i n g e r Der Deutschenspiegel u. B.s v. R. deutsche Predigten in ihremVerhältnis zueinander, M S B . 23, 2. A b t . (1904) S. 213.

Klapper. Berthold(us), Priester des Predigeroder Dominikanerordens, hinsichtlich seines Weltnamens unbekannt, da er nur unter seinem Ordensnamen B. erscheint und der ihm beigelegte Name Huenlen irrig ist, als Teuto bezeichnet, ohne nähere Angabe seines Geburts- und Todesjahres überliefert, wahrscheinlich um 1304 Lesemeister in Freiburg i. Br., erscheint als Vorläufer der großen Mystiker, bearbeitete und verfaßte theologische Schriften, gilt besonders als Verfasser des Erbauungsbuches 'Horologium devotionis circa vitam Christi', das zufrühest in einem Kölner Druck (Ulrich Zell) um 1488 nachweisbar ist. In der Vorrede zu dieser Schrift sagt B., daß er sie in deutscher Sprache verfaßt habe, aber weil mehrere andere in deutscher Sprache geschriebene Andachtsbücher gebildeten Leuten nicht zusagten, habe er das Büchlein mit Gottes Hilfe ins Lateinische übertragen (oder übertragen lassen), weiter, daß er es für

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notwendig gehalten habe, es zur Erweckung größerer Andacht mit Bildern versehen zu lassen. Der Titel erinnert an Heinrich Seuses (s. d.) 'Horologium sapientiae', B.s Andachtsbuch wurde in der Frühzeit des Buchdrucks noch öfter aufgelegt, auch ins Französische übertragen. Unter dem Titel 'Das andechtig zytglögglin des lebens und lidens Christi, nach den 24 stunden ausgeteilt. Icon horologii' wurde es zuerst(?) zu Basel 1492 gedruckt herausgebracht (Ze Basel truckt man mich, do man zalt 1492), mit zahlreichen kleinen Holzschnitten und ornamentalen Randleisten prächtig ausgeschmückt, seitdem als Andachtsbuch oftmals aufgelegt oder bearbeitet, zuletzt noch unter dem Titel 'Vierundzwanzig Betrachtungen über die Geheimnisse der Menschwerdung, des bitteren Leidens und der vier letzten Dinge. Nach dem „Zeitglöcklein" des Fr. Berthold, O. Pr.' von A. Schauenberg (Dülmen i. Westf. 1921). Vielleicht ist er identisch mit dem Popularjuristen B r u d e r B e r t h o l d (s.d.). J. Q u é t i f e t J. E c h a r d Script. Ord. Praed. I (1719) S. 722. J ö c h e r Allgem. Gelehrtenlex. I Sp. I035f. J o h . B u t z b a c h (1477—1526) Auctarium de scriptoribus ecclesiastibus (Bonn, Univ.Bibl., hsl. Nachlaß des Joh. Butzbach, Bd. IX Bl. 78b — nicht Bl. 48b, wie Annalen d. Hist. Ver. f. d. Niederrhein 52 (1891), S. 218 irrtümlich angegeben i s t — ; B.s Angaben über Bertholdus sind ohne genauere Einzelheiten und, wie viele seiner anderen Mitteilungen, unkritisch und fehlerhaft). O. G e i g e r , Studien über Bruder Berthold, Freiburger Diözesan-Arch. 48 (1920) S.1/54. E. V o u i l l i è me, Der Buchdruck Kölns bis zum Ende des i$.Jhs. 1903, S. I07f. Nr. 246f. Catalogue général des livres imprimésde laBibliothèque nationale. Paris 1902. — Hain Repertorium Bibliographicum 1831; Inkunabelnkatalog d. Brit. Museums in London Part I I I , 754; im Gesamtkatalog der Wiegendrucke I V (1930) unter Nr. 4166 ein Kirchheimer Druck, der dem Marcus Reinhard und dem Jahr 1491 zugewiesen ist. •— Eine genaue Übersicht über die deutschen und lateinischen Frühdrucke jetzt im Gesamtkatalog der Wiegendrucke I V (1930) Nr. 4166—4177. Es fehlt dort anscheinend unter den deutschen Drucken ein Ulmer Druck von 1493, den bereits P a n z e r Annalen der älteren deutschen Literatur (Nürnberg 1788) erwähnt, und der nach G e i g e r a. a. O. S. 31 Anm. 3 von Cunrat Dinckmuot besorgt wurde und jetzt in der Staatsbibliothek Berlin ist.

A. Wrede.

Beßnitzer, Ulrich — Bevergern, A r n d

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Beßnitzer, Ulrich, in Landshut, Baiern. 'Der Gezewg mit seiner Zugehorungen', cod. pal. germ. 130, Universitätsbibl. Heidelberg, mit Abbildungen. Vom Verfasser dieses Landshuter Zeughausinventars wissen wir keine näheren Lebensumstände. Die Handschrift zeigt anfangs die Jahreszahl 1485 an einem Geschützrohr, wohl die Zeit der Fertigstellung. Das Buch gibt die Übersicht des „Gezeugs", des Kriegsmaterials, im Zeughaus zu Landshut und behandelt sowohl die vorhandene Artillerie, Geschütze, dann Handpulverwaffen, Munition und Zubehör zum Geschützwesen. Die zahlreichen Abbildungen, farbige Umrißzeichnungen, sind exakt gezeichnet, gemalt und in ziemlich genauem Maßstab der Originale wiedergegeben. Eine ganze Reihe ähnlicher Zeughausinventare, meist aber ohne Illustrationen, haben sich erhalten, doch sind ihre Verfasser unbekannt. M a x J a h n s Geschichte der Kriegswissenschaften 1889, I S. 412. B . R a t h g e n Das Geschütz im Mittelalter 1928, S. 78, 130 A n m . 20, S. 336, 434 A n m . 38. P. S i x l Entwicklung und Gebrauch der Handfeuerwaffen, Zeitschrift f. hist. W a f f e n k u n d e 1899, B . I S. 281, Fig. 47, 282, Fig. 48, 300—303, Fig. 5 0 — 5 2 ; 1900, B . I I S. 1 1 7 , F i g . 60, S. 442. — A u g u s t v o n E s s e n w e i n Quellen zur Geschichte der Feuerwaffen 1877, S. 49.

Ed. A. Geßler. Bethlehem (Bethlem, Bethleem), ein Priester des Spätmittelalters aus Nordwestdeutschland (Niederlande?), der eine Palästinareise unternahm, sich lange im Hlg. Lande aufhielt und die einzelnen Stationen von Christi Leidensweg mit ihren Entfernungen voneinander nachmaß. Die Ergebnisse seiner Messungen in Ellen legte er in einem Büchlein nieder und gab zugleich auch die Ablässe für die innigen Besucher der hlg. Stätten an; aber, bemerkt er ausdrücklich, auch für die, die nicht die Wallfahrt unternehmen können, gilt der Ablaß, wenn sie nur mit tiefem Mitleiden an Christi Passion denken und die einzelnen Stationen im Gebet mitleben. D t . Hss. seines Büchleins sind mir b e k a n n t in D a r m s t a d t Nr. 1861 (1); A n f . X V I . Jh., Bl. 129 b — 1 4 3 a (ndrh.); ebda. 1868 (1), X V . Jh., Bl. 1 9 a — 3 7 a (ndrh., ohne V f . - N a m e n ) ; Göttingen •cod. theol. 2951, X V . Jh., Bl. 2 a — 3 2 a ; Münster Univ.-Bibl. Nr. 406, X V . Jh., Bl. 2 1 9 a — 2 3 2 a 8

S tammler, Verfasser-Lexikon

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(die beiden letzteren mnd.); S t u t t g a r t cod. poet. et philol. 4°. 83, Bl. 23 a — 3 2 a, 2. H . X I V . Jh. — Gedruckt wurde es in K ö l n (Servays K r u f f t e r , o. J.), sowie in mndl. Sprache: 'Overwegingen op het lijden des heeres voor degenen, die in den geest de heilige plaatsen willen bezoeken' (Antwerpen 1518; N a c h d r u c k : D e l f t 1520); danach neu hrg. in den ' B i j d r a g e n v o o r de geschiedenis v a n h e t b i s d o m v a n H a a r l e m ' 11 (1884) S . 3 2 4 f i . — R ö h r i c h t Bibl. S. 172, Nr. 607 (nur die Drucke, ohne N a m e n des Vfs.!).

W. St. 'Betz, Meier', s. ' M e i e r B e t z ' . Betzier, Arnold, wird von Hans Folz (s. d.) als einer der ersten Meistersänger gerühmt. Sonst ist nichts von ihm bekannt. Deutsche T e x t e des Mittelalters X I I S. 349.

W. St. Bevergern, Arnd, ist geschichtlich nachweisbar im 5. und 6. Jahrzehnt des 15. Jhs., er war Bürger der Stadt Münster und Aldermann der Gilden und hat in der Geschichte der Stadt eine gewisse Rolle gespielt. Damals (1447) erlangten die Gilden im Stadtregiment die Gleichberechtigung mit dem Rat. In der Münsterschen Stiftsfehde war er zuerst ein tatkräftiger Parteigänger der Hoya, gehörte dann zu der vermittelnden Richtung derer, die das Koesfelder Kompromiß (1452) schufen, und mußte später als Anhänger der gemäßigten Partei Münster verlassen. B. hat in der niederdeutschen Mundart seiner Heimat eine Chronik des Bistums Münster geschrieben, welche die Zeit von 772 bis 1466 umfaßt. Für die frühere Zeit (bis 1424) lehnt er sich fast wörtlich an eine ältere Münstersche Chronik an, der er nur Einiges zufügt. Eigenen Wert hat seine Arbeit für die späteren Jahrzehnte (1424—1466), wo er Selbsterlebtes, wenn auch vermutlich bloß nach dem Gedächtnis, und daher nicht fehlerfrei, mitteilt. Sein Werk gliedert er nach den Amtsjahren der Bischöfe, sein besonderes Interesse und seine ganze Hingabe gilt seiner Vaterstadt; er berichtet vornehmlich über die Stiftsfehde, und die schlichte Form seiner Erzählung mutet den Leser recht lebenswahr an. Die Chronik B.s erhielt im 16. Jh. eine Fortsetzung, die bis zum Jahre 1524 hinabreicht. A u s g . : A . M a t t h a e u s Analecta veteris aevi V I I I (1710} S. 1 — 1 7 3 ; 2 V (1738) S. 1 — 1 1 5 .

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«Bewährung, daß die Juden irren' — 'Biblia Pauperum'

Arnd Bevergern's Münsterische Chronik von der Wahl Bischof Heinrich's von Moers bis auf die Einführung Bischof Heinrich's von Schwarzenburg. 1424—1466, in: Die Münsterischen Chroniken des Mittelalters. Hrsg. v. J. Ficker. Münster 1851 (Die Geschichtsquellen des Bisthums Münster. Bd. 1) S. 244—288. — J. F i c k e r in der Vorrede zu seiner Ausg. S. X X X V bis X X X I X ; O. L o r e n z Deutschlands Geschichtsquellen im Mittelalter seit der Mitte des j3. Jhs. 3 II (1887) S. 8 5 I

Josef Deutsch. 'Bewährung, daß die Juden irren'. Druck von Fritz Creußner in Nürnberg 1473 (Ex. Staatsbibl. Berlin); neue Ausgabe ebda. 1474. Nd. Übertragung, Lübeck bei Lukas Brandis, um 1474. — Die Einleitung, die von den 40 Bll. allein 10 umfaßt, bespricht die Schöpfungsgeschichte, die Messianische Sendung und die mancherlei Ankündigungen des Messias bei den antiken Dichtern. Der Hauptteil handelt 'Von dem unglauben und irrungen der Juden', bringt ausführlich die Beweise der Juden und deren christliche Widerlegung. Zum Schluß wird ausdrücklich darauf hingewiesen, daß nach Christi Tod seit 1400 Jahren kein Prophet mehr erstanden sei; der Traktat ist demnach um 1430 entstanden. Über die Quellen des unbekannten Verfassers müßte eine Einzeluntersuchung Klärung bringen, da der Druck bisher nur von den Inkunabelforschern beachtet worden ist. C o p i n g e r nr. 3023; P r o c t o r nr. 2127. V o u i l l i e m e ZblfBblw. 33 (1916) S. 368f.

W. St. Beyer, Christoph, Verfasser einer Danziger Chronik von ca. 1470—1518. Das Original der Handschrift ist nicht mehr erhalten, ist aber von dem späteren Danziger Chronisten Stenzel Bornbach ausgiebig benutzt worden (vgl. Stenzel Bornbachs Chroniken in der Staatsbibliothek Berlin Ms. Bor. Fol. 248). Christoph Beyer, geboren 1458 bei Könitz, war der Sohn des Matern Lumpen auf Lumpenfeld bei Könitz. Da sein Vater von dem Gute vertrieben wurde, wuchs der Sohn in Könitz auf, nahm auch den bürgerlichen Mädchennamen seiner Mutter Margaretha geb. Beyer an. Als Kaufgeselle kam er nach Danzig und gelangte hier durch seinen überseeischen Handel zu

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großem Reichtum, machte selbst weite Reisen, erwarb in Danzig umfangreichen Grundbesitz und wurde 1497 zum rechtstädtischen Schöffen, 1502 zum Ratsherrn gewählt. Im Januar 1518 brannte sein Haus in Danzig ab, wobei er von seinem Eigentum und seinen Schriften fast gar nichts retten konnte. Er starb am 2. Februar desselben Jahres. — St. Bornbach sagt von B.: Er war ein feiner vorstendiger Mann und ein vleissiger Schreiber, der wol in seiner Jugend studiret hatte und viel Geschichte bei seiner Zeit annotirte. — Kaspar Weinreich (s. d.) und Stenzel Bornbach berufen sich in ihren Chroniken vielfach auf die Angaben des Chr. B . E r gehörte lange Zeit zu den Bauherren der Stadt, die wichtige Festungsbauten in Danzig errichteten. Daher sind B.s Angaben über die städtischen Bauten von besonderer Bedeutung. Scriptores rerum Prussicarum Hirsch, Toppen und Strehlke, S. 44off.

(hgg. von 1874) Bd. 5,

Recke. Beyer, Judeus. Ärztl. Verordnung von ihm in Ms. praedicat. 1795, saec. X V . , zu Frankfurt a. M. Stadtbibl., Bl. 252. Sudhoff. 'Biblia Pauperum' ( ' A r m e n b i b e r ) . 1. Im späteren Mittelalter bezeichnet man mit der Benennung 'B. P.' mehrere ungleiche kleinere Bücher oder Kompilationen. Durch einen bibliographischen Irrtum wurde im 18. Jh. diese Benennung für ein bekanntes Bilderbuch in Anspruch genommen, das im 14. Jh. in verschiedenen Handschriften verbreitet war und im 15. Jh., wie eine große Anzahl Holzschnitte beweist, eine ungemeine Volkstümlichkeit gewonnen hatte. Heutzutage bezeichnet dieser Name so gut wie ausschließlich dieses Buch. Die einfachen literarischen Erzeugnisse, die im 14. und 15. Jh. den Namen 'B. P.' trugen, sind gewöhnlich mnemotechnischer Art, entweder ähneln sie Exzerptsammlungen aus der Bibel oder der theologischen Literatur, oder sie bestehen aus einer Reihe von Versen konzentrierten Inhalts. (S. L u t z P e r d r i z e t 'Speculum humanae salvationis' S. 276.)

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'Biblia Pauperum'

2. Dieses heute unter dem Namen 'BiUia Pauperum' bekannte Buch führte im Mittelalter mehrere Bezeichnungen, von denen der vielleicht gewöhnlichste und jedenfalls treffendste 'Concordantiae Novi ac Veteris Testamenti' lautet. 3. Illustrierte und nichtillustrierteHandschriften der 'B. P.' sind von ca. 1300 bis in den Beginn des 16. Jhs. bekannt. Bei C o r n e l l 'Biblia Pauperum' (Stockholm 1925) finden sich 68 Hss. verzeichnet, von denen Nr. 7, die als verschwunden angegeben wird, seitdem in der Sammlung Edmond de Rotschild, Paris, wiedergefunden worden ist. Nach Erscheinen der genannten Arbeit sind fernerhin folgende Hss. bekannt geworden: Berlin, Preuß. Staatsbibl. Ms. germ. fol. 1362, Mitte des 14. Jhs. (Typus wie Cornell 24); Stuttgart, Landesbibl. Ms. theol. 279, Ende des 14. Jhs. (wie Cornell 20), und Lyon, Ms. 446, Ende des 15. Jhs., die eine bedeutend erweiterte Nachbildung der 4oblättrigen xylographischen 'B.P.' ist. 4. Den Inhalt der 'B.P.' bildet eine Bilderreihe aus dem lieben Christi, nach der typologischen Methode ausgelegt und beleuchtet. Demgemäß ist jedes neutestamentliche Bild von zwei parallelen Bildern aus dem Alten Testament, die man als prophetisch-symbolische Vorbilder der neutestamentlichen ansah, und von vier Prophetenbildern mit Spruchbändern umgeben. Jede derartige Gruppe von drei Szenen und vier Propheten bildet ein Kapitel und nimmt oft eine Seite sowohl der Hss. wie der xylographischen Ausgaben ein. Der Text ist kurz und besteht für jedes Kapitel aus tituli, d. h. drei leoninischen Hexametern, einem für jede Szene, ferner aus zwei Rektionen, einer für jede der alttestamentlichen Szenen (bei den neutestamentlichen fehlt die Lektion) und den eben genannten Prophetensprüchen. Lateinisch liegt der Text, d. h. die Lektionen, in drei verschiedenen Fassungen vor. Zwei von ihnen sind bei mehreren verschiedenen Anlässen ins Deutsche übersetzt, daher liegen Lektionen auf Deutsch in acht verschiedenen Typen vor. Außerdem kommen deutsche Bearbeitungen vor, in denen die 8*

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Lektionen zu langen Erzählungen angeschwollen sind, die an eine Historienbibel erinnern. Diese ziemlich weitläufigen deutschen Texte sind von der Wissenschaft noch unbeachtete Varianten der Entwicklung der deutschen Historienbibel. Sie liegen in drei verschiedenen Fassungen vor, von denen eine in extenso veröffentlicht worden ist (Cornell S. 3igff.). Vom literarhistorischen und sprachlichen Gesichtspunkte aus sind diese Texte die interessantesten des ganzen umfangreichen 'B.P. '-Materials, während das Buch im übrigen seine eigentliche Bedeutung für die Kunstgeschichte hat. 5. Die ältesten Handschriften (Rotschilds Fragment, Wien 1198, Clin. 23425) reichen bis in die Spätzeit des 13. und in den Beginn des 14. Jhs. zurück. Nach allem zu urteilen, ist das Buch in einem bairischen oder österreichischen Benediktinerkloster vielleicht ungefähr um die Mitte des 13. Jhs. verfaßt worden. Zweifelsohne kann man es als eine Komposition betrachten, die auf Grund der lebhaften typologischen Überlieferungen dieser Gegenden entstanden ist, und die bereits früher in großen Serien von Glasfenstern in Tegernsee, von Malereien in Regensburg und nicht zum wenigsten in einer Reihe interessanter Bildertapeten in St. Ulrich und Afra zu Augsburg ihren Ausdruck gefunden hat, ein Material, das wir heute nur aus älteren Aufzeichnungen kennen. Neben diesen älteren typologischen Kunstwerken bairischen oder österreichischen Ursprungs tritt die 'B.P.' als der erste streng einheitlich komponierte Bilderzyklus typologischer Art hervor. Diese einheitliche Anordnung ist früher nur in französischen typologischen Zyklen vorgekommen. Die 'B.P.' stimmt in dieser Hinsicht mit ihnen überein, hat sonst aber keinen Zug aufzuweisen, der auf französischen Einfluß hindeutet. 6. Im 14. und 15. Jh. verfaßt man an verschiedenen Orten viele Zusätze und Veränderungen des ursprünglichen Buches, wodurch eine ziemlich große Anzahl von Varianten herauskommt. Aus einer von ihnen, die um 1400 herum unter Hinzufügung neuer, dem 'Speculum humanae

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Bibra — Der von Biel

salvationis' (s. d.) entnommener Motive entstanden ist, sind die gewöhnlichen 4oblättrigen Holzschnittauflagen hervorgegangen (die erste erschien 1465), während die drei anderen verschiedenen Auflagen, die von Pfister in Bamberg (1462—64) gedruckt wurden, von zwei anderen Varianten ausgehen. Die soblättrige Holzschnittauflage, von der nur ein einziges Exemplar bekannt ist (Bibl. nationale, Paris), ist eine Erweiterung der 4oblättrigen, möglicherweise von dem Pater G a l l u s K e m l y im Benediktinerkloster St. Gallen hergestellt. 7. Von den ziemlich zahlreichen typologischen Werken des Mittelalters hat keines eine so weitumfassende Bedeutung für die christliche Ikonographie gehabt wie die 'B.P.' Die französische 'Bible moralisee' (13. Jh.) war viel zu groß, als daß sie irgend welche Verbreitung hätte gewinnen können, und viele andere waren zu bunt. Die 'B.P.' bedeutet viel für die Entstehung späterer typologischer Werke, sowohl für das 'Speculum humanae salvationis' wie für Ulrichs von Lilienfeld (s. d.) 'Concordantiae caritatis'. Ebenso für die 'Biblia picturata', seit 1360 in vier Handschriften bekannt, die in Übereinstimmung mit Petrus de Rigas 'Aurora' (der spätere Teil aus dem 12. Jh.) von den Geschehnissen des Alten Testaments ausgeht und seine Gegenstücke im Neuen aufweist. 8. Schon bevor die 'B.P.' durch die Kunst des Holzschnitts ihre große Verbreitung fand, war sie als ikonographische Fundgrube geschätzt. In einem gemalten Fenster der Dionysiuskirche in Eßlingen, unter den Malereien des Brixener Doms, an den Skulpturen im Dom zu Doberan kommen Motive vor, die Handschriften der 'B.P.' entnommen sind. Nach ihrer Vervielfältigung durch den Holzschnitt wurde sie unerhört fleißig als Vorlage für Künstler nicht nur in Deutschland und Österreich, sondern auch in England, Dänemark und Schweden benutzt. 9. Obgleich man viele der in die 'B.P.' aufgenommenen Parallelen zwischen dem Alten und dem Neuen Testament als gekünstelt und nichtssagend bezeichnen

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muß, kann es doch keinem Zweifel unterliegen, daß man die 'B.P.' ebenso wie die große Blüte der typologischen Kunst und Literatur vom 13. Jh. an als Ausdruck tiefliegender Kräfte der gotischen mittelalterlichen Kultur anzusehen hat. Mit der Mystik waren die Geschehnisse des Lebens Christi in einer ganz anderen Art und Weise als früher vorbildliche Typensituationen mit besonderer Bedeutung für den Einzelnen geworden. Christi Leben wurde der Maßstab, an dem man das ganze menschliche Leben maß, und mit dem man alles in Übereinstimmung zu bringen suchte. Die Mystiker versuchten ja Christi Leiden aufs Neue zu erleben, die menschlich bedeutungsvollen Geschehnisse seines Lebens zu reproduzieren. Es machte sich eine allgemeine Tendenz dahin geltend, Parallelen oder Analogien zu Christi Leben zu finden, sogar reine Duplikate von ihm zu schaffen. Hierin haben wir die Voraussetzung der hochmittelalterlichen Blüte der typologischen Kunst und Literatur zu sehen, die eins ihrer vornehmsten und einflußreichsten Erzeugnisse in der 'Biblia Pauperum' erhielt. Für die Hss. H e n r i k C o r n e l l Biblia Pauperum 1925 (wo die einschlägige Literatur angeführt ist). Für die Holzschnittausgaben P. H e i t z und W. h. S c h r e i b e r Biblia Pauperum nach dem einzigen Exemplare in 50 DarStellungen 1903. Henrik Cornell.

Bibra, s. N i k o l a u s v. B. Bickenbach, s. K o n r a d v. B. Biderman, Jodocus. Auf dem hinteren Innendeckel des cod. 1061 in St. Gallen stehen 20 dt. Verse gegen das Messelesen um Sold mit der Überschrift: Item dominus Iodocus Biderman plebanus in Betschwanden A. d. MCCCC 47. Sollte es sich bei dieser Angabe um den Verfasser handeln, so hätten wir es zu tun mit einem Leutpriester, der 1447 in Betschwanden (Kt. Glarus) wirkte. W. St. Biel, s. J o h a n n e s v. B. Der von Biel, erscheint als mystischer Prediger mit einem Ausspruch in der Berliner Hs. 8°. 69, um 1400, Bl. 17b bis 18a, mitgeteilt durch W. S t a m m l e r ZfdPh. 55 (1930) S. 295. W. St.

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Biel, Gabriel— Bihler, Christoph

Biel, Gabriel (etwa 1415—1495). 1. L e b e n . G. B., geboren in Speier, studierte die artes in Heidelberg (1438 Magister), die Theologie (seit 1442) in Erfurt. An beiden Universitäten herrschte damals noch ausschließlich die via moderna, d. h. der Nominalismus; B. ist dieser Richtung stets treu geblieben. Von Erfurt scheint er nach Mainz gegangen zu sein; hier wirkte er jedenfalls um 1460 als Domprediger. Als er in der Bistumsfehde die Partei Adolfs von Nassau und damit des Papstes ergriff, wurde er aus der Stadt verbannt. Später schloß er sich der Windesheimer Kongregation der Augustiner-Chorherren an und wurde 1468 Propst von Butzbach. Vom Grafen Eberhard mit dem Barte 1476 nach Württemberg berufen, wirkte er nicht bloß als Ordensmann bei der von seinem Gönner erstrebten kirchlichen Reform mit, sondern vor allem als Organisator und Lehrer an der 1477 gegründeten Universität Tübingen, deren Rektor er 1485/86 war. Seine Lehrtätigkeit verlieh der jungen Hochschule bald hohes Ansehen. B. starb als Propst des neuen Stiftes St. Peter auf dem Einsiedel bei Tübingen. B. war eine charaktervolle Persönlichkeit. Wissenschaftlicher Fleiß verband sich in ihm mit praktischem Sinne; seine bescheidene und selbstlose Arbeit im Dienste der Kirche und des religiösen Lebens entsprang inniger Frömmigkeit. Seiner Verantwortung als akademischer Lehrer bewußt, gestattete er seinem Schüler und Freunde Wendelin Steinbach die Herausgabe seiner Schriften nur unter der Bedingung, daß dieser den Druck gewissenhaft überwache. Wie sein Leben eine klare Linie aufweist, so auch sein Schrifttum. 2. S c h r i f t e n . B.s theologisches Hauptwerk ist sein Kommentar zu den Sentenzen des Petrus Lombardus: 'Epitoma pariter et collectorium circa quatuor sententiarum libros', gedruckt 1501, 1508 und öfters. Seine bis 1612 I5mal gedruckte 'Expositio canonis missae' ist eine Bearbeitung des gleichnamigen Werkes seines Freundes E g e l i n g B e c k e r v o n B r a u n s c h w e i g . Auch seine Predigten wurden

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oft gedruckt: 'Sermones sacri totius anni tum de tempore tum de sanctis cum aliis nonnullis', zuerst 1499 und 1500. Diese Sammlung enthält auch das während der Mainzer Fehde entstandene 'Defensorium oboedientiae apostolicae', jedoch nicht den 'Sermo historialis passionis Dominicae', gedr. 1489. 'De monetarum potestate simul et utilitate libellus', 1516, ist ein Sonderdruck von IV Sent. d. 15 qu. 9. 3. B.s B e d e u t u n g beruht a) auf der eben genannten Untersuchung über das Münzwesen, die eine Wirtschaftstheorie in nuce (Angebot und Nachfrage, Preis, Wesen des Geldes, Zinsfrage) darstellt. Freilich ist B. abhängig von N i k o l a u s O r e s m e (f 1382). b) Viel größer ist aber die Bedeutung seines philosophisch-theologischen Systems. Nicht als originelle Leistung; denn sein 'Collectorium' ist nur „ein vollständiges, innerlich geschlossenes, rechtgläubiges Schul- und Handbuch der nominalistischen Philosophie und Theologie" (C. Feckes); sondern weil Biels Scholastik stark auf den jungen L u t h e r eingewirkt hat. Nicht bloß standen die Erfurter Humanisten unter B.s Einfluß, sondern vor allem waren Luthers Lehrer S t a u p i t z und N a t h i n B.s Schüler in Tübingen gewesen. Luther selbst hat sich eingehend mit B. befaßt und nannte seine Wittenberger Schüler Gabrielistae. Ü b e r w e g - G e y e r Geschichte der patristischen und scholastischen Philosophie, 11. Aufl. 1928, 611 f., 786 (hier Spezialliteratur). — Über B.s Bedeutung vgl. im besondern: H. H e r m e l i n k Die Theologische Fakultät in Tübingen vor der Reformation 1906, S.88—132. O. S c h e e l Martin Luther I. 1915, II. 1917. C. F e c k e s Die Rechtfertigungslehre des G. B. 1925. D e r s e l b e G. B., der erste große Dogmatiker der Universität Tübingen, in seiner wissenschaftlichen Bedeutung, Tübing. Theol. Quartalschrift 108 (1927) 50—76 (kurze, aber gute Zusammenfassung). M. B u r g dorf Der Einfluß der Erfurter Humanisten auf Luthers Entwicklung bis 1510, 1928.

Jos. Koch. Bieris, s. Beris. Bihler, Christoph, aus Augsburg, Hofprokurator zu München, dichtete um 1510 in Jörg Schillers Ton ein moralisierendes Lied ,Von falschen Zungen', aufgezeichnet in Valentin Holls Hs. Bl. 129b (Nürnberg, German. Museum). W. St.

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Binder, Ludwig — Biterolf

Binder, Ludwig, s. B a r t h o l o m e , Ludwig. Bingen, s. H i l d e g a r d v. B. Bircher, s. B i r k e r . Birer, Bires, s. Beris. Birgitta, s. N a c h t r a g . Biris, s. B e r i s . Birkenfeld, s. N i k o l a u s v. B. Birker (auch B i r c h e r ) , Hans, Bürger von Luzerrt, auch Schultheiß daselbst; Teilnehmer am Zug nach Genua, 1507, den er in dem Liede: Zuo lob und ehr han ich's betracht (Liliencron III, 6) und am sog. Leinlakenkrieg, 1521, den er in zwei Liedern besungen: Ein lied wil ichüch singen u. Ir kriegslüt sygend guoter dingen (Liliencron III, 388 u. 395). v. L i e b e n a u Das alte Luzern

S. 32f.

O. v. Greyerz. Bischof ( E p i s c o p u s ) , Johannes, O. F. M., Prediger des X V . Jhs. in Wien, zu Zeiten in Diensten des Herzogs Wilhelm von Österreich. Deutsche Predigten in der Wiener Hs. nr. 2869, in der Hs. nr. 301 des Wiener Schottenklosters und in den Erlauer Hss. C. I. 2 und 3. 20, v. J. 1444. Auf Veranlassung des Herrn Reintprecht von Waldsee, Hauptmanns ob der Enns, übersetzte er die Evangelien mit der Auslegung ins Deutsche, jetzt in der Wiener Hs. Nr. 2827, Bl. 50 a—254 a. Eine genauere Untersuchung steht noch aus. W. St. Bischoff, Konrad, Barfüßer im Kloster St. Michaelsberg bei Bamberg, verfaßte auf Grund der Biographien Ebos und Herbords ein deutsches Leben des hlg. Otto von Bamberg i. J. 1473. Wie er selbst angibt, begann er mit der wörtlichen Übersetzung von Ebos Schrift; in diese trug er später aus Herbords Dialog diejenigen Stücke ein, welche bei Ebo fehlen. Gewidmet ist die Schrift dem nachmaligen Abt Wolfgang I. Prechtlin (1502—05) von Kloster Michaelsberg. Erhalten ist die Legende in der Bamberger Hs. E. VI. 11, Bl. 113 a—203 a. Eine Abschrift des X V I I . Jhs., in modernisierter Sprache, leicht überarbeitet, in der Bamberger Hs. R. B. Msc. 125 (304 S. 8°). J a e c k Arch. f. alt. dt. Gesch. 6 (1831) S. 65/9. R. K o e p k e Praefatio zu seiner Aus-

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gabe der • Vita Ottonis', M G H . SS. X I I (als Vf. fälschlich der A b t Andreas Lang). R . K l e m p i n Die Biographien des Bischofs Otto und deren Verfasser, Baltische Studien 9 (1842) 1, S. 9/83 (ebenso als Vf. A. Lang). P. W i t t m a n n Die literar. Tätigkeit des Abtes Andreas von St. Michael nächst Bamberg, Histor. Jb. 1 (1880) S. 413/7 (den Vf. richtig festgestellt). A. H o f m e i s t e r Die Prüfeninger Vita des Bischofs Otto von Bamberg hsg. (Denkmäler der pommerschen Gesch. I) 1924, S. X X X X (plant „eine Ausgabe des E b o mit Heranziehung der ungedruckten deutschen Bearbeitung von 1473"); d e r s . Balt. Studien N F . 33 (1931) S. 26.

W. St. Biterolf. 1. Rudolf von Ems (s. d.) erwähnt im fünften Buch seines 'Alexander' unter seinen Vorgängern auf dem Gebiete der Alexanderdichtung nach von Herbitzheim her Berchtolt und Lamprecht einen Biterolf. Die Stelle lautet nach V. Junk, Alex. 15789: Ein vriunt her Biterolf der hat ouch durch siner vuoge rat getiht ein neizwaz maere von dem wisen wunderaere, als mir ist von im geseit. desi war, des ist mir niht leit. ob des sfrüche als eben gant, als eben siniu liet stant so sol er wol vollevarn und die warheit dar an bewarn daz er von im niht anders jehe, wan daz er geschriben sehe. 2. Aus der Stelle geht hervor, daß Rudolf das Alexandergedicht nicht kennt, wohl aber gute Lieder desselben Dichters. Vielleicht kann man daraus folgern, daß das Gedicht noch nicht vollendet ist (so sol er wol vollevarn) ; stutzig macht das Wort ein (vriunt), das Zacher (ZfdPh. 10 S. 97) und Schröder (ZfdA. 51 S. 152 Fußn.) in min, Junk in sin ändert. Beide Änderungen befriedigen nicht. Nach der einen wäre Biterolf ein Freund Rudolfs, dann wäre es merkwürdig, daß dieser den 'Alexander' nicht gekannt hat — nach der andern ein Freund des unmittelbar vorher genannten Lamprecht, was auch unwahrscheinlich ist, auch wenn wir in Erwägung ziehen, daß der ganze Straßburger 'Alexander' unter dessen Namen bekannt war. Wollte man dagegen ein beibehalten, so müßte man dem Wort friunt wohl eine ungewöhnliche Bedeutung beilegen.

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Biterolf — •Biterolf'

3. Noch problematischer sind die Versuche, Biterolf in den Entwicklungsgang ¿er deutschen Epik einzureihen. Am einleuchtendsten ist die Theorie, derzufolge er in der Nähe des thüringer Hofes gelebt und dort, vielleicht wohl auf Veranlassung des Landgrafen, seinen 'Alexander' gedichtet hätte. Diese Theorie, die u. a. von G. Baesecke (ZfdA. 50 S. 381) vertreten wird, stützt sich hauptsächlich auf zwei Argumente: auf die Tatsache, daß im ' Sängerkrieg auf der Wartburg' ein Dichter Biterolf auftritt, der von sich selbst aussagt, daß er in Stilla geboren ist und einem Herrn von Henneberg die Ritterwürde und Geschenke verdankt, und auf den Stoff des Gedichtes, der sich am einfachsten in die kurze Renaissance der Antike einordnen läßt, die offenbar den Charakter der deutschen Dichtung am thüringer Hof bestimmt hat. Dagegen hat Schröder eingeworfen, daß Rudolfs von Ems Zeugnis wohl kaum zu der Zeit dieser thüringer Renaissance stimme, und „mit der äußersten Reserve" auf eine andere Möglichkeit hingewiesen: in Erfurter Urkunden aus den Jahren 1212 und 1217 erscheinen neben Ebernandus Iuvenis, in dem er mit G. M. Priest (Jenaer Diss. 1907) den Dichter Ebernand von Erfurt (s. d.) erblickt, ein Conradus und ein Gerhart Biterolphus, resp. Biterolf, Bittherolf. Aus dem Wunsch heraus, die literarische Schulung Ebernands zu klären, weist er vermutungsweise auf diesen Biterolf hin, belegt daneben aber auch eine Familie Biterolf aus Freiburg i. Br., was der Heimat Rudolfs bedeutend näher kommt. In diesem Falle könnte etwa Biterolf das Gedicht Berchtolds von Herbolzheim fortgesetzt haben (Schröder AfdA. 34 S. 191)Die erste ganz unsichere Hypothese wurde von Nadler (Lit.-Gesch. der deutschen Stämme und Landschaften 2 I S. 99) übernommen. Die Stelle aus dem 'Alexander' jetzt in J u n k s Ausgabe (Stl/V. 272, 274), wo er vriunt in vruot ändert. K. S i m r o c k Der Wartburgkrieg 1858, S. 282L G. B a e s e c k e Herbort von Fritzlar, Albrecht von Halberstadt und Heinrich von Veldeke, ZfdA. 50 S. 366ff„ bes. 3 8 1 L E. S c h r ö der Erfurter Dichter des 13. Jahrkunderts, ZfdA. 51 S. I43ff., bes. 152ff.; ders. Biterolf,

AfdA. 34 S. i g i f . L. D e n e c k e u. Heidengötter 1930, S. 152 t.

238 Ritterdichter

J. van Dam. Biterolf (Pitrolff, Pitterolff) wird von Hans Folz (s. d.) (Dt.TdMA. X I I S. 349) und von Kunz Nachtigal (s. d.) (mgq. Berol. 414, Bl. 426 b) als einer der ersten Meistersänger gerühmt. Offenbar liegt Verwechslung mit dem gleichnamigen Ependichter oder gar dem Epos dieses Titels vor. W. St. 'Biterolf'. 1. Die Dichtung ist nur in der großen Ambraser Hs. überliefert (Bl. 166—195), die der Bozener Zolleinnehmer Hans Ried (s. d.) zu Beginn des 16. Jhs. aufzeichnete, und wurde zum ersten Male in den 'Deutschen Gedichten des Mittelalters' I I ('Der Helden Buch' 1. Teil; Herausgeber von der Hagen-Primisser; 1820) abgedruckt. Eine kritische Ausgabe unter dem Titel 'Biterolf und Dietleib' besorgte O. J ä n i c k e im 'Deutschen Heldenbuch' I (1866). Vgl. auch noch H e n r i c i in Kürschners DeutscherNationalLiteratur Bd. 7 (1883).

2. Der Verf. des in Reimpaaren gedichteten Werkes, welches 13 510 Verse zählt, ist unbekannt. Nach dem Sprach- und Reimgebrauch ist seine Heimat in Österreich, genauer wohl Steiermark zu suchen. Die alte These W. Grimms und Lachmanns von der Identität des 'Klage'- und 'Biterolf'-Dichters hat schon Jänicke nicht mehr vertreten (s. Einleitung, besonders S. XXIV); dagegen erbrachte erst die jüngere Forschung, von Weinhold abgesehen, der aber mit seiner Ansicht nicht durchdrang, den Nachweis, daß die Abfassung des 'Biterolf' erst um die Mitte des 13. Jhs. anzusetzen ist (vgl. hierfür zuerst W. R a u f f S. 23—40, der, gestützt auf historische Reminiszenzen der Dichtung [Preußenzug], diese zwischen 1245 und 1268 entstanden wissen will). 3. Der Autor vereinigte in seinem Werk zwei Themen der deutschen Heldendichtung: die Sage von Dietleib, die auf niederdeutschem Boden entstanden ist und neben dem 'Biterolf' noch in der 'Thidrekssaga' (Kap. 111—130) erzählt wird, und den Zweikampf Dietrich-Siegfried, welcher (neben 'Biterolf' und 'Thss.') bekanntlich im Mittelpunkt des 'Laurin' (s. d.) und den verschiedenen Fassungen der 'Rosengärten' (s. d.) steht. Dieses

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'Biterolf'—Bitschili, Konrad

zweite Thema interessierte unseren Dichter sehr viel stärker (es setzt bereits mit Vers 4 527 ein), und infolgedessen treten Dietleib und sein Schicksal allmählich derart in den Hintergrund, daß die einheitliche Abfassung der Dichtung ernstlich bezweifelt wurde. Sicherlich zu Unrecht; denn die persönliche Auseinandersetzung Dietleib-Gunther dient zur Motivierung des großen Kampfes vor Worms. 4. Schon Grimm hatte die umfassende Sagenkenntnis des Dichters gerühmt, dem für den ersten Teil seines Werkes eine mit dem Thetleijr der 'Thss.' "gemeinsame" Überlieferung vorlag, über welche er reichlich souverän verfügte. „Für den 'Biterolf' waren nur gewisse allgemeine Züge einer Heldengestalt notwendig, zuviel charakteristische Einzelheiten, individuelle Zeichnung und Farbe hätte sich zu dem Rahmen dieser Jugendgeschichte wenig geschickt, den doch das Vorbild der Artusromane hergab" (Schönbach S. 38). Das Grundmotiv des unreifen Knaben, der auf Abenteuer auszieht, ist aber beibehalten, nur in die höfisch-ritterliche Form der Artusromane gekleidet; besonders scheint der 'Wigalois' zu den Paten des jungen Dietleib gehört zu haben. Auch der zweite Teil zeigt das gleiche Kolorit. Die Kämpfe der dei minores, welche den Waffengang der beiden Haupthelden umrahmen, wie der Kampf dieser selbst, haben mehr den Charakter eines großen Turniers und lassen eine tragische Größe (wie z. B. der letzte Nibelungenstreit) keineswegs erkennen. Die Vorlage zu diesem Abschnitt gehört ebenfalls noch der Diedstufe an. Hier folgt der Dichter seiner Quelle genauer als zu Anfang. Wie I,unzer meint, kannte er daneben auch schon den %aurin', aus dem er die Belehnung (Biterolfs und) Dietleibs mit Steier übernahm, mit welcher die Dichtung abschließt. 5. Die Absicht des Biterolfdichters, ein nd. und hd. Thema der Heldensage zu vereinen, ist so deutlich, daß man auch aus diesem Grunde eine einheitliche Entstehung des Werkes nicht zu bezweifeln braucht; der Gedanke war auch naheliegend, da Dietleib in enger Verbindung

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zu Dietrich stand und von jeher an dem Zweikampf des Berners mit Siegfried in hervorragendem Maße beteiligt war. Ob aber der Aufbau des Ganzen vom künstlerischen Standpunkt aus als geglückt bezeichnet werden kann, ist eine Frage, die man nicht ohne weiteres bejahen wird. K . L a c h m a n n Zu den Nibelungen und der Klage 1836, S. 287. E. S o m m e r Die Sage von den Nibelungen wie sie in der Klage erscheint. Nebst Abweichungen von der 'Nibelunge Not' und des 'Biterolf', ZfdA. 3 (1843) S. 193—218. Z i n n o w Über die Entstehung der Sage von Biterolf und Dietleib, v. d. Hagens Germania 5 (1843) S. 2 5 — 43; 6 (1844) S. 181 ff. K . W e i n h o l d Über den Anteil Steiermarks an der deutschen Dichtkunst des 13. Jhs. 1860, S. 10—13. A. E d z a r d i Über das Verhältnis der'Klage' zum 'Biterolf, Germ. 20 (1875) S. 9—30. R. v o n M u t h Alter und Heimat des •Biterolf', ZfdA. 21 (1877) S. 182—188; d e r s . 'Biterolf' und Nibelungen, ebda. 22 (1878) S. 382—387. B. S i j m o n s De Verhouding van den 'Biterolf' tot het Nibelungenlied, Taalkundige bijdragen 1 (1877) S. 309—314; 2 (1878) S. U 3 f f . E . K e t t n e r Nibelungenlied und'Biterolf',ZfdPh. 16 (1884) S. 345—361. W. G r i m m Die deutsche 3 i88g, Heldensage S. 136—167. G. H o l z Die Gedichte vom Rosengarten zu Worms 1893, Einl. Abschnitt VI, S. C f f . A. S c h ö n b a c h Über die Sage von Biterolf und Dietleip, W S B . 136 (1897) 9. Abhandl.; dazu J i r i c z e k A f d A . 24 (1898) S. 363—369. O . L. J i r i c z e k Deutsche Heldensagen 1898, S. 321—326. P l a e h n Untersuchungen über die Entstehung der 'Klage' und des 'Biterolf. Programm Altenburg 1898. W. R a u f f Untersuchungen zu 'Biterolf und Dietleip'. Diss. Bonn 1907; dazu A. S c h ö n b a c h Mitteilungen d. Instituts f. Österreich. Geschichtsforschung 30 (1909) S. 186ff. R. C. B o e r Die Sagen von Ermanarich und Dietrich von Bern 1910, S. 2 0 5 — 217. W. H a u p t Zur niederdeutschen Dietrichsage (Pal. 139) 1914, S. 1—82. J . M . K e y m a n n 'Kudrun' en 'Biterolf. Bijdrage tot de bepaling van hun onderlinge verhouding 1915. H. S c h n e i d e r Das mhd. Heldenepos, ZfdA. 58 (ig2r) S. 97—139. J. L u n z e r Die Entstehung des 'Biterolf, Euphorion Erg.-Heft 16 (1923) S. 8—34. A. H a g e n m e y e r Die Quellen des 'Biterolf. Diss. Tübingen 1926. J. L u n z e r Humor im 'Biterolf', ZfdA. 63 (1926) S. 25ff.; d e r s . Steiermark in der deutschen Heldensage, W S B . 204 (1927) 1. Abhandl., bes. S. 29—64.

Bork. Bitschin, Konrad, aus Danzig stammend, war 1431 Stadtschreiber in Kulm und nahm als solcher an Gesandtschaften zum Kaiser 1434 und 1436 teil, später (1464) ist er in geistlicher Stellung. Von seinen Werken, die bisher nur zum geringen Teil gedruckt worden sind, seien genannt:

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Blannbekin, Agnes

X. 'Liber civitatis Culmensis oder Colmische privilegia von gewicht, ein, huebenmas, muntz etc.', 1431 für praktische Zwecke verfaßt. Ms. Staatsarchiv Königsberg A. 78. 2. 'Manuale notarti civitatis Culmensis, condidit C. Bitschin anno 1430'. Danzig, Staatsarchiv, Abt. 2, Nr. 2. 3. 'Libri de vita conjugali', 1432 verfaßt. Staats- u. Univ.-Bibl. Königsberg Ms. 1310. Dazu das Konzept ebda. Ms. 1762. 4. Fortsetzung zu Peters von Dusburg (s. d.) Chronik. Thorn, Ratsbibl. Ms. A. i n . In der Chronik bringt er von 1330—1410 nur kurze Notizen, im Anschluß an andre Werke, danach bis 1435 ausführliche, auf eigenen Erlebnissen beruhende Einzelheiten. Sein Hauptwerk ist die Schrift 'De vita conjugali', die eine Ausgabe und wissenschaftliche Bearbeitung verdient. Um dazu anzuregen, seien hier die Titel der neun Bücher angegeben: 1. de bono sacramenti conjugalis, 2. de fide conjugum, 3. de moribus feminarum, bonarum videlicet et malarum, 4. de prole et filiorum regimine, 5. de principibus et nobilibus et eorum regimine domestico, 6. de regimine policie, a) de civitate et eius fundacione, b) de commutacionibus in civitate et vita politica necessariis, c) de legibus et consiliis, 7) de regimine principatus (bes. de condicionibus bonorum et malorum principum), 8. de milicia et exercitio militari, 9. de statu ecclesiastico et eius officio. Vieles beruht auf Auszügen aus Kirchenschriftstellern, antiken Philosophen und Dichtern, die er, von humanistischem Geist berührt, in sich aufnimmt, anderes auf mündlicher Überlieferung und persönlicher Erfahrung. Boccaccios 'De claris mulieribus' bot ihm besonders reiche Anregung. E s kam ihm, vor allem in den zahlreichen Liebes- und Ehegeschichten, auf Unterhaltung des Lesers an, er erzählt daher die Beispiele in behaglicher Breite und Freude an belletristischer Form. Fortsetzung zu Peters von Dusburg Chronik bearb. von M. T o e p p e n Scr. rer. Pruss. I I I (1866) S. 472ff. F. S c h u l t z K. B. während seines Aufenthalts in Kulm (1430—38), Altpreuß. Mschr. 12 (1875) S. 5 i 3 f f . F. H i p l e r Christliche

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Lehre und Erziehung in Ermland und dem preuß. Ordensstaate während des MA.s, Zs. d. Ennländ. Gschver. 6 (1878) S. H 4 f f . D e r s . Die Pädagogik des K. B. 1892. R. G a l l e Bitschins Pädagogik; das 4. Buch von 'De vita conjugali' nach der lat. Hs. zum ersten Mal hsg. mit dt. Übersetzung 1905. W. Z i e s e m e r Die Literatur des Deutschen Ordens in Preußen 1928, S. I25f.

Ziesemer. Blannbekin, Agnes. 1. Sie lebte in der 2. Hälfte des 13. Jhs. Geboren als Bauerstochter, war sie bereits in der Jugend ein ernstes Kind und nicht den Spielen geneigt, sondern wollte lieber beten und übte sich früh im Fasten; seit ihrem 7. Lebensjahre genoß sie kein Fleisch mehr. Sie wurde in Wien Begine (oder FranziskanerTertiarierin) und starb 1297 oder 1315 (die Angabe ihres Todesjahres in der einzigen Hs. ist zweideutig). 2. Ihre Visionen (Revelationes) erstrecken sich über die Jahre 1290—94 und sind lateinisch aufgezeichnet worden von ihrem Beichtvater, einem ungenannten Franziskaner aus dem Hlg.-Kreuz-Konvent. 3. In ihren Offenbarungen spielt Christi Gestalt als Schmerzensmann eine besondere Rolle, und der Kult seiner Leiden, namentlich seiner fünf Wunden, erfährt gesteigerte Ausbildung. Viel mystische Allegorie mischt sich ein; bekannte mystische Bilder, wie Christus als Arzt, Apotheker, Kaufmann, finden sich zuerst bei ihr; Christi „sechs Betten" werden mystisch gedeutet, er erscheint als Lamm oder mit gezücktem dräuendem Schwert. Der göttliche Geschmack und Wohlgeruch werden gepriesen. Agnes sieht Christi Leben von der Geburt bis zur Auferstehung und zum Jüngsten Gericht; das Paradies, der Himmel überhaupt eröffnen sich ihr; die Scharen der Engel werden für sie bedeutsam. Ihr entschleiern sich die Geheimnisse der Trinität wie der Eucharistie, in den Anfechtungen der Teufel und Dämonen schaut sie das Fegfeuer, aber auch tröstend die goldene Himmelsburg. Auch die Gottesmutter Maria zeigt sich ihr, und der hlg. Jungfrau Krone mit vier Ecken und 12 Sternen deutet Agnes geistlich-mystisch aus. Andere Allegorien beziehen sich auf

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'Blanschandin'

christliche Moral: 6 Jungfrauen mit Kerzen oder 6 christliche Ritter = 6 Tugenden; i o Töchter der Seele; 7 Grade des Mitleids; Ausdeutung der irdischen Bäume als Tugenden; 12 Klassen aller Menschen; 6 Arten demütiger Gottesfreunde usw. usw. Von ihrer engen Verbindung mit den Franziskanern zeugt die hohe Verehrung für den hlg. Franziskus: von allen Heiligen ist er Gott am nächsten, außer den Aposteln, Johannes dem Täufer und Moses; auch sonst ertönt häufig das I^ob seines Ordens und seiner Jünger. 4. Soweit die lateinische Überlieferung einen Schluß gestattet, war das alles in einfacher, kindlicher, aber zu Herzen gehender Ausdrucksweise gesagt, ohne Ekstase oder blühende Rhetorik. Agnes gehörte zu den gotterfüllten Jungfrauen, deren religiöse Schwärmerei sich infolge ihrer phantastischen Begabung rasch in Bilder umsetzte. Nicht nur Gleichnisse, die ihr durch die Predigt geläufig geworden waren, benutzte sie neu, sondern sie gestaltete auch mit starker künstlerischer Kraft kühne Bilder und Gesichte, die, wenn auch nicht im Stil, doch im Format an die Visionen der Mechthild von Magdeburg (s. d.) heranreichen, und zu Unrecht hat man sie bereits im MA. rasch vergessen. Die neuere Forschung hat sie überhaupt übersehen, obgleich doch ihre Bedeutung für die bildende Kunst wie für manche spätere mystische Allegorien, Exempel und Gleichnisse nicht gering ist. Ausgabe nach der einzigen Hs. durch B. P e z 1731. Neue Ausg. in Vorbereitung.

W. St. 'Blanschandin'. 1. Die Hs. befindet sich in der Wiener Nat.Bibl. Nr. 102, Perg. aus der Mitte des 13. Jhs., und besteht aus 7 Langstreifen, die in der zweiten Hälfte des 15. Jhs. im Kloster Monsee beim Einbinden verwendet wurden. Eine Beschreibung der Handschrift gibt Meyer-Benfey. Der T e x t besteht aus einigen Fragmenten der Anfangsteile einer Übersetzung des franz. 'Blancandin

et l'Orgueilleuse d'amour.' 2. Diese Quelle ist ein französischer Abenteuerroman aus der Nachkommenschaft des bretonischen Romans und der chanson de geste und ist durchweg nach dem für solche Romane üblichen Klischeeund Motivenschatz gearbeitet. Die Haupt-

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sache bilden Abenteuer mit Sarazenen. Er ist in zwei Fassungen erhalten: I. Die ältere und kürzere (etwa 5000 Zeilen): Der „tumbe" Blancandin de Frise flieht von seines Vaters Hofe weg, weil er ritterliche Art erlernen will, küßt auf den Rat eines Ritters die stolze Orgueilleuse d'amour, gewinnt gelegentlich eines Turniers ihre I,iebe, heiratet sie aber erst nach zahlreichen Abenteuern (Belagerungen, Seestürme). Eine ausführlichere Inhaltsangabe bietet Michelant S. V f f . — II. Eine um etwa 1200 Zeilen verlängerte Fassung. Den Inhalt des Zusatzes (Mich. S. VIII) bilden wiederum Kämpfe, diesmal um l'Orgueilleuse selbst, gegen die aufsässigen Vasallen. Über die Handschriften unterrichtet Michelant S. 207ff. — Weiter besteht : III. eine Prosabearbeitung, die wahrscheinlich auf Veranlassimg Philipps des Guten von Burgund angefertigt wurde; Hss. bei Michelant S. 212. Das Inhaltsverzeichnis einer Hs. druckt er S. X H I f f . ab. Der Hrsg. (S. XII) erwähnt weiter eine englische Bearbeitung aus dem 15. Jh. nach der Prosa (Graesse II, 3 S. 387^). — Die Entstehungszeit der französischen Dichtung wird gewöhnlich in die 2. Hälfte des 13. Jhs. gerückt (vgl. etwa Bedier-Hazard I S. 42). Dazu stimmt aber nicht, daß die deutsche Hs. schon um die Mitte des 13. Jhs. angesetzt wird. Der Name des Haupthelden lautet nur in der — pikardischen — Hs., die Michelant abdruckt, Blancandin; in den andern Fassungen Blanchandin. Diese Form muß auch für die Vorlage des deutschen Textes vorausgesetzt werden. 3. Das deutsche Fragment verarbeitet von 'Blancandin' etwa v.65—158,287—342, 351—354. 365—44 8 . also aus den allerersten Partien. Es läßt sich demnach nicht feststellen, welche der beiden Fassungen hier verwendet wurde. 4. Inhalt der deutschen Fragmente: I. Bl. wird ohne Kenntnis des Ritterwesens großgezogen. Im Zimmer der Königin sieht er einen Vorhang mit Darstellungen ritterlicher Beschäftigungen. Sein Lehrer (hier setzt I ein) klärt ihn auf. Bl. empört sich über die Bestimmung, daß ein König nur mit seinesgleichen kämpfen

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Blarerin, Justina

könne, und sehnt sich nach Ritterschaft. In der Nacht kann Bl. nicht schlafen. Durch einen Diener läßt er Pferd und Schwert des Vaters holen. Er sitzt auf. — II. Er begegnet im Walde einem sterbenden Ritter, dem von einem Feinde die Dame geraubt worden ist. Bl. leiht sich seine Waffenrüstung. Er holt den anderen Ritter ein, der die Dame schlägt. (Hier setzt II ein.) Im Kampf tötet er ihn und rettet die Dame. — III. Sie reiten zurück und finden den ersten Ritter tot. Bl. legt die Rüstimg wieder hin und zieht weiter. Er kommt an einen Fluß, wo ein Ritter ihn mit einem Ring zu einer Burg schickt und ihm am nächsten Morgen guten Rat geben will. 5. Die Übersetzung ist breiter als der Urtext. Persönliche Betrachtungen des Dichters werden eingeschoben: III 21 —24, 106—116. I I I i f f . begegnet ein Lob der Liebe, das auch wohl dem Dichter zuzuschreiben ist. 6. Über den Verfasser ist nichts bekannt. Die Sprache des Dichters und der Hs. ist mitteldeutsch. Für den Dichter beweisen es die Reime riten: vermíten und sére: waere, für die Hs. die Schreibungen e für ae, u für uo, i für ie. Manches weist auf das Mittelfränkische hin: das Part, gesät (: stat; Michels § 274A.), bit = mit, nith = niht, ginhalb, ginem, ich ziehen. Als weitere Reimformen seien erwähnt: -an: -an, gär, az, seit = saget, lit = liget. Aus dem Wortschatz seien hervorgehoben die seltenen Wörter sich muntieren I 73, wäre II 16, wó (:vr6 = wä ?) I I I 19, unfurtic I I I 55, ein simelichez ( = ähnlich) I I I 107. Der Stil ist formelhaft, ohne besondere Merkmale. Darstellung und Versbau sind auf der Höhe der epigonenhaften Technik. Einzelne, aber nicht besonders stark sprechende Übereinstimmungen mit Wolfram (s. d.) lassen vermuten, daß der Dichter sich am 'Parzival' schulte. Er hielt sich aber von ausgesprochenen Wolframismen frei. Es seien hervorgehoben: der fiere, ritters orden, ribalt, beviln, trinität: rät, houbet: betoubet, nótet: tötet, schilte: bevilte. Es kommt hinzu, daß das Fragment II 59 ferejiz und parze(val) nennt, vermutlich in einem Kampf vergleich.

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7. Der Verfasser ist also vielleicht den mitteldeutschen Wolframepigonen zuzuzählen, die, ohne das Wesentlichste des Dichters zu erkennen, mit seinen Reimen und Formeln operieren und stofflich phantastische, durch ritterliche Szenen reich geschmückte Erzählungen den Rittern darbieten. Auch stoffliche Anklänge an höfische Epen bestehen — man denke nur an den „tumben" Helden — , aber diese Motiwerwandtschaft ist französischen Ursprungs. Unsere kurzen Fragmente geben keinen Anhalt zu erkennen, was hierin das Eigentum des dt. Bearbeiters ist. J. H a u p t 'Blanschandin', Germ. 14 (1869) S. 68ff. H. M e y e r - B e n f e y Mhd. Übungsstücke 2 S. 164; i 9 2 i , S. 155. Blancandin et l'Orgueilleuse d'amour, publié pour la première fois par H. M i c h e l a n t 1867. 1 i9oq,

J. van Dam. Blarerin, Justina. 1. Die Hs. Nr. 422 der Fürstl. Bibliothek Donaueschingen enthält an zweiter Stelle auf Bl. 7 1 a bis 143 b die deutsche Übersetzung der Vitendes Gert Groote (s. d.), Florentius Radewijn, Johannes Gronde, Johannes Brinckerinck, Lubertus Berner, Heinrich Bruyne, Gerhard von Zütphen (s. d.), Arnold Schön (-hof), Hans Kessel, also der Begründer der Bruderschaft vom gemeinsamen Leben. Die Verdeutschung ist angefertigt worden nach dem lateinischen Original des Thomas von Kempen (s. d.), abgedr. in: Thomae Hemerken a Kempis Opera omnia ed. M . J . P o h l V I I (1922) S. 31/329. Doch hat die Übersetzerin nicht diesen Originaltext benutzt ; es fehlt die dialogische Einkleidung zwischen Senior und Novicius. Pohl a. a. O. S. 540 spricht von einer Reihe von lat. Hss., die minutas quasdam vitarum Gerardi Magni et Florentii particulas enthalten. Als Vorlage kommt demnach eine ähnliche Hs. wie cod. Bruxellensis 2234 (Pohl a. a. O. IV, 1918, S. 496L) oder die Hs. W 75 des Kölner Stadtarchivs (ebda. S. 503t.) in Frage. Es ist unwahrscheinlich, daß die Kürzungen von der Verdeutscherin selbst herrühren. 2. Das Werk beginnt (Bl. 71b) : Deus jn adiutorium meum jntende usw. Hie vahet sich an das leben der säligen gaistlichen brudern vnd vâttern von dem orden saneti Augustini die jn latin genempt werden

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Blaufelden —

Bligger v o n Steinach

Canonici reguläres. Die zu vnnßern zytten gelept hond in dem nyderlannd an uil ortten Besonder jn dem Bystumb traiettensi vnder denen geweßen ist der andächtig sälig vatter Thomas de kempis der dyß biechlin mit andern vil schSner tractätlin zesamen gemacht hautt .... Das hob ich mütt alles zu tuttschen mit der hilff gottes Den gaistlichen zeliebe mit hoffnung Das mir jr gebett / auch selbe zehilff komen jm leben vnd nauch minem tode. Die Übersetzerin hat dem Original ein Nachwort beigefügt (Bl.i43b): Thomas dekempis ¡der diß büchlin geschriben hatt jst ouch ainer vnder denn säligen brüdern geweßen erlucht jn fügenden vnd groußer volkomenhait / Vnd ist Ixx jar jm orden geweßen / Vnd ist gestorben anno dominj Mcccclxx der vil schöner predig vnd lore beschriben haut / Vnd wie sich jn allen dingen ain gaystlich mensch sol halten und von ain Closter leben. Gytt mir gott gnaud wil ich es auch tütschen jür die gaystlichen. Geenndet mit der hilff gottes vff doenstag nauch Reminiscere vff sant Longinus tag anno xcviijmo [15. März 1498] — Bitten gott trüwlich für mich Es ist mir sur worden / jn der zytt der hailigen vasten. Laus deo. bitten got für mich es t n iustin blarerin. (Die letzte Zeile rot.) 3. Nach Bl. 70 a (Diß buch gehört in dz wirdig gotzhuß zu Vntzkofen vnd lichent dz dem wirdigen Conuent zu, sant katherina vnnsern erweltenn liepsten mütter vnd Schwester jn christo) stammt die Hs. aus dem Kloster Inzigkofen bei Sigmaringen, das der Regel des hlg. Augustinus folgte. Dem fügt sich die schwäbische Sprache der Übersetzerin, als die wir wohl Justina Blarerin annehmen dürfen, dem fügt sich gerade auch der Inhalt dieses Stückes. Allerdings ließ sich bei dem Mangel einer Klostergeschichte nicht feststellen, ob eine Schwester dieses Namens Ende des X V . Jhs. im Kloster gelebt hat. D i e Ü b e r s e t z u n g noch u n g e d r u c k t und u n besprochen. Sonstige V e r d e u t s c h u n g e n dieser Schrift sind mir u n b e k a n n t . — K a r g e N o t i z e n zur Geschichte des K l o s t e r s bei P. B i h l m e y e r Die Augustinerin Paula Merend (f 1627), eine mystische Blüte aus dem Klostergarten von Inzigkofen: Freiburger Diözesanarchiv 37 (1909) S. 180/203.

W. St.

248

Blaufelden, s. N i k o l a u s v. B. Bligger von Steinach. W e i n g a r t e n e r Liederhs. in S t u t t g a r t (B), S. 26 = A b d r u c k v o n P f e i f f e r ( S t u t t g . L i t . - V e r . V ) , S. 31. Cod. Pal. Germ. 848 (C), fol. 1 8 3 a = A b d r u c k v o n P f a f f , Sp. 612.

1. Der Stammsitz des freiherrlichen Geschlechts ist das burgenreiche Neckarsteinach oberhalb Heidelbergs. Sein Wappen war eine schwarze Harfe in goldenem Feld (B tingiert: Silber in Rot, C: Gold in Blau, nach dem Wappen der gleichnamigen thurgauer Dienstmannen). Auf das Schildzeichen spielt der Name der Harfenburg im Odenwald an und wohl auch das Bliggerlob im 'Tristan' (4703: sin zunge diu die harphe treit). Der Erbname Bligger d. i. Blic-ger (vgl. Förstemann 312) hat sich bei den Landschaden v. Steinach bis zu ihrem Erlöschen im 17. Jh. erhalten. Als den Dichter darf man unter drei Genannten, die in Betracht kämen, mit ziemlicher Sicherheit Bligger II. ansprechen, der von 1165—1184, 1198 bis 1209 in Urkunden heimatlicher Klöster (besonders Schönaus) und in vier Kaiserurkunden (1193—1196) als Zeuge auftritt. Im Gefolge Heinrichs VI. macht er die Heerfahrt nach Apulien mit (Piacenza 1194) und kehrt auch wieder mit dem Kaiser heim. Der Bligger v. St., der 1209 zwei toskanische Urkunden Kaiser Ottos bezeugt, dürfte der Sohn des Minnesängers sein; doch kennt noch Gottfrieds 'Tristan' diesen als liebenden. 2. Von Bliggers Dichtung sind uns nur 2 Lieder und 1 Spruch erhalten, insgesamt 6 Strophen. Das eine Lied hat daktylischen Rhythmus, das andere braucht einen (zweireimigen) Ton, der auch bei Fenis (s. d.) und Raute (s. d.) begegnet, doch sind Bliggers Strophen durch ein Korn gebunden. Wie die Strophik, verrät auch der Vortrag bewußte Kunst: Antithesen, Sentenzen, ein geistreicher Einfall, ein überraschender Vergleich geben den überkommenen Minnemotiven neuen Glanz. Die leicht humoristische Färbung gemahnt an Veldeke (s. d.), das Gedankenspiel an Hausen (s. d.). Biographische Daten gewährt die Strophe, die aus weiter Ferne der Schönen bi dem Rtne huldigt; die

249

'Das Blümel' —

Blumenau, Laurentius

ist dem Sänger so lieb, ja tausendmal lieber als dem Saladin sein Damaskus: alse Domas Saladine. Diese Anspielung war am wirksamsten, wenn sie im Morgenlande selber fiel, und so hat Bligger vielleicht wie sein Landsmann Hausen an dem Kreuzzuge Barbarossoas teilgenommen. Auf jeden Fall aber ist das Lied vor Saladins Tode (1193) gesungen. Der Spruch vergleicht spröde Unmilde mit zu rasch gekühltem Glase, das binnen weniger Stunden zerspringt. Die Echtheit der Strophe wird angezweifelt, doch ist ihr künstlicher Bau der Formgewandtheit Bliggers wohl zuzutrauen (zumal der Gleichlaut des Reimvokals in seiner 3. Liederstrophe ihr Seitenstück hat), und nicht nur ein Spielmann, auch ein herre konnte Könige wie Philipp und Otto, die kargen Nachfolger des freigebigen Heinrich, vor Knauserei warnen oder (wenn der Spruch keine politische Spitze hat) dies Laster an einem Standesgenossen rügen (vgl. Winsbeke 29. 49. 51). Vorliebe für Gnomik zeigen auch Bliggers Lieder, und Spruchartiges findet sich schon bei Rugge. 3. Hoch in Ansehen stand Bligger bei den Zeitgenossen als Epiker. An seinem 'Umbekanc', der für uns verschollen ist, rühmt Gottfried v.Straßburg (s.d.) dieüberaus anmutige Reimsprache, Rudolf v. Ems (s. d.) die eigenartig ersonnene schalkhafte Einkleidung, welche allerdings keinen Abschluß zulasse und auch keinen gefunden habe. Ob diese endlos laufende Bildertapete eine Reihe antiker oder bretonischer Fabeln vorführte oder eine zyklische Darstellung der Artussage gab, läßt sich nicht mehr erraten. Pfeiffer hat versucht, als eine Aventiure aus Bliggers 'Umhang' das sogenannte Salmansweiler Bruchstück zu erweisen, R. M. Meyer, noch weniger überzeugend, den 'Moriz von Craon' (s. d.). R i t s e r t DieHerren v. Neckar-Steinach, Archiv f. hess. Gesch. X I I S. 5 7 f f . und 331 f f . H M S . Nr. 58. I/D. Nr. X V I I . M F . Nr. X V I I . P f e i f f e r Freie Forschung S. 5 5 f f . : v g l . dazu S c h m i d t P B B . 3 S. 1 7 3 ; S c h r ö d e r A f d A . 13 S. 1 1 9 und S t e i n m e y e r G G A . 1887, S. 803. R . M. M e y e r A D B . 35 S . 668 und Z f d A . 39 S . 305. S c h ö n b a c h W S B . 141 S. 106.

Anton Wallner.

250

'Das Blümel' nennt ein Mönch aus dem ehemaligen Zisterzienserkloster Nepomuk ein Marienlob von 800 Versen, das er möglicherweise selbst in die heute in der Wiener Nationalbibliothek befindliche Hs. Nr. 2709 hinter dem 70 Blätter füllenden und weit verbreiteten Marienlobe des Bru-, der Philipp (s.d.) auf Blatt 71 und 72 eingetragen hat. Der Verfasser sagt von sich selbst: zu Pomuch in grawen orden da ist er armer munch worden. Das Zisterzienserkloster Pomuk — heute in Ruinen bei der Stadt Nepomuk südsüdöstlich von Pilsen — wurde 1253 gegründet und 1420 von den Hussiten zerstört. Vorher muß das Gedicht jedenfalls verfaßt worden sein. Es gehört in die große Zahl der Dichtungen zum Lobe der Muttergottes, wie sie am Ende des 13. und Anfang des 14. Jahrhunderts üblich waren. A b g e d r u c k t und besprochen wurde das G e dicht v o n J o s e f H a u p t in den Wiener Sitz.Ber., Phil.-hist. K l . , B d . 68 (1871) S . 204f. und 208 f f .

E. Gierach. Blumenau, Laurentius, aus Danzig, war Politiker und Geschichtschreiber. Nach seinem Studium in Leipzig und Bologna, wo er zum Dr. jur. utr. promovierte, wurde er 1447 HofJurist und Geschäftsträger beim Hochmeister des Deutschen Ordens. 1448 war er als Generalprokurator des Ordens in Rom tätig und später der vertraute Ratgeber des Hochmeisters Konrad von Erlichshausen, in dessen Begleitung er 1454 die Belagerung der Marienburg durchmachte. Nach der Übergabe der Burg suchte er in Deutschland eine neue Stellung, zunächst als Sachwalter des Herzogs Siegmund von Tirol, den er in seinen Streitigkeiten gegen den Papst Pius II. und den Kardinal Nicolaus Cusanus (s. d.) vertritt (1460—63), später als Vertreter des Erzbischofs von Salzburg auf Reichstagen. Darauf trat er in den Kartäuserorden und lebte in Karthaus bei Danzig, wo er 1484 starb. In Itaüen war er von dem Geist der klassischen Studien lebhaft berührt worden, mit dem humanistisch gesinnten Kardinal Peter von Schaumburg, Bischof von Augsburg, sowie mit dem bekannten

251

Blumentrost — Böhm, Hans

Augsburger Arzt und Humanist Hartmann Schedel war er befreundet. In seinen Briefen kommt seine humanistische Neigung zum Ausdruck. Er schrieb eine Ordenschronik 'Historia de ordine Tkeutonicorum cruciferorum' und sandte sie 1457 an einen Augsburger Freund. Für die Darstellung des 13. und 14. Jhs. fußt er auf den älteren Chroniken, die Zeiten der Hochmeister Paul von Rusdorf und Konrad von Erlichshausen schildert er vornehmlich nach eigenen Erlebnissen, scheut jedoch eine ausführliche Erörterung. Leidenschaftlich wendet er sich gegen den Preußischen Bund und dessen Verbindung mit Polen, sein Prinzip ist die Stärkung der landesherrlichen Gewalt. Die Hs. Bl. I03ff. Pruss. I V Laurentius Bl. 1859, scholastica

der Chronik: München clm. 529 quart, Hsg. von M a x T o e p p e n Script, rer. S. 35ff. (1870). Vgl. G e o r g V o i g t Blumenau, Neue Preuß. Prov.S. 242ff. M. P e r l b a c h Prussia 1895, S. 130.

Ziesemer. Blumentrost, s. O r t o l f v. B a i e r l a n d . Bocker, Peter, oberdeutscher Spruchdichter. Von ihm wenig bedeutende gereimte Moralsprüche in München, cgm. 1020, X V . Jh., Bl. 46a—49a. W. St. Bocksdorf, s . D i e t r i c h und T a m m o v. B. Bodman, s. J o h a n n e s v. B. Bogislaus X. von Pommern .Herzog, unternahm 1496/97 von Stettin aus über Nürnberg, Innsbruck, Venedig eine Pilgerfahrt nach Jerusalem, auf der er heftige Kämpfe mit den Korsaren auszufechten hatte, die schließlich durch Bestechung erledigt wurden. Freilich mußte er dafür nach seiner Rückkehr in seinem Lande die Zölle erhöhen. Auf dieser Pilgerreise wurde für die Universität Greifswald der berühmte Rechtslehrer Petrus von Ravenna gewonnen. Mehrere Schilderungen dieser Reise sind in latein. u. deutscher Sprache erhalten. Näheres s. R ö h r i c h t Bibl. Nr. 454. Vgl. ferner R ö h r i c h t S. 191—195; R ö h r i c h t - M e i s n e r S. 5 1 4 — 1 7 ; W. S t a m m l e r Von der Mystik zum Barock 1927, S. 168. Dazu die Artikel H a n s S c h ü r p f f und M a r t i n Dalmer.

Hartnack.

252

Boguslav von Lobkovitz (nach Tobler S. 60 u. Röhricht, Bibl. Nr. 439 J o h a n n von Lobkovitz und Hessenstein), Mitglied und Schilderer einer Pilgerfahrt nach Jerusalem i. J. 1493. An dieser beteiligten sich 185 Personen, die sich aus 6 Gesellschaften zusammensetzten, darunter die des Kurfürsten Friedrich von Sachsen (dabei Herzog Christoph von Baiern), des Grafen von Waldeck, des Grafen Botho von Stolberg (s. d.) u. a. Bog. von Lobkovitz war Mitglied, wahrscheinlich auch Führer der ersten oder böhmischen Gesellschaft und hat neben anderen die Fahrt in einer interessanten Pilgerschrift geschildert. Hs. Prag öff. Bibl. (aus d. Augustinerkloster bei St. Wenzel 1515); Kopie i. d. Fürstl. tobkovitzischen Bibl. (Fürstl. Plessische Bibl. zu Fürstenstein, Mskr. 8° 8°). — Weiteres s. R ö h r i c h t Bibl. Nr. 439 (hier weitere I4t.); Röhricht-Meisner S. 5iof., auch 507f.; R ö h r i c h t S. i 8 i f f . (mit Auszügen aus der Prager Hschr.). Vgl. Artikel B o t h o v. S t o l berg, Christoph v. B a i e r n , Friedrich d. W e i s e v o n S a c h s e n .

Hartnack. Böhm, Hans, ein junger Hirt aus dem würzburgischen Dorf Helmstatt, erwarb sich als Pauker, Pfeifer und Liedersänger einen Nebenverdienst; aufgeregt durch eine Erzählung von Capistranos Bußpredigten, begann er i. J. 1476 in dem unterfränkischen Ort Nikiashausen plötzlich als Prophet und Wunderprediger aufzutreten und scharf gegen die Geistlichkeit zu wettern; auch kommunistische Ideen propagierte er. Das Volk lief ihm in Scharen zu, und durch von ihm gedichtete Lieder, die seine Anhänger weiter verbreiteten, wuchs die Bewegung zu einer Gefahr für die bestehende Ordnung an. Der Bischof von Würzburg verbot daher die Wallfahrten der Tausende nach Nikiashausen, ließ H. B. gefangen nehmen und am 19. Juli hinrichten. Von seinen Liedern ist nichts erhalten, wir wissen nur von ihrer Wirkung auf die breiten Volksmassen. Ein anonymes Gedicht in sehr holprigen Versen 'Die Nicklashauser fart' besingt diese Vorkommnisse; sein Verf. ist wohl ein Kleriker, denn lat. Zitate reimen auf dt. Verse. Erhalten in einem sehr lodderigen Druck von H[ans] H[offmann in

Böhmen — Bombach'

253

Nürnberg], 10 Bll. 8° ( = Copinger Nr. 4404; Ex. in Berlin). R e u ß Arch. d. Histor. Ver. f. Unterfrauken 10 (1850) Heft 2/3, S. 300/18; K. B a r a c k ebda. 14 (1858) H. 3, S. 1/108. R. v. L i l i e n c r o n Histor. Volkslieder

I I N r . 148.

W. St. B ö h m e n , s. N i k o l a u s v. P o l e n und W e n z e l II. v. B. Boitzenburg, s. J o h a n n e s v. B. Boldensele, s. W i l h e l m v. B. B o l e , Bernhard, Fraterherr aus Herford, Prediger im Schwesternhaus zu Lübeck; in dem dortigen Memorienbuch als eindringlicher volkstümlicher Prediger gerühmt; gest. 1491. Von seinen Predigten nichts erhalten. A.

Fahne

Die

Westfalen

in

Lübeck

1855,

S. 103. F. L a n d m a n n Das Predigtwesen in Westfalen

S. 59-

in

der letzten Zeit

des MA.s

1900,

W. St. Bolff, Peter, s. W o l f , P e t e r . Bolkenhain, s. M a r t i n v. B. Boll, s. F r e i t a g z u B o l l . Bollstatter, Konrad, (1) ist als Schreiber zahlreicher deutscher Hss. aus der Zeit von 1446 bis 1487 bekannt. Am vollständigsten nennt er seinen Namen in der Schlußschrift einer Prager Hs. (Anz. f. K. d. dt. Vorzeit Neue Folge I I 1853 Sp. 31): .. .uon Cünraten Bollstattern den man nennet Müller den schreyber uon Olingen ym Rieß yetz wonhajt da selbst zu Augspurg geschriben... Als Orte seiner Wirksamkeit sind bezeugt Schloß Wallerstein und später Augsburg; dazwischen war er wohl vorübergehend in den Niederlanden. 2. I n der 1472 von ihm geschriebenen Hs. Ms. germ. fol. 564 der Berliner Staatsbibliothek, an deren Schluß er sich als Konrad Müller von Öttingen nennt, ist Bl- 53 b —54 a unter lauter Teichnergedichte ein anspruchsloses Gedicht von 24 Zeilen von K . B. eingelegt: 'Von des tüfels töchtern der siben waren'. Es folgt auf des Teichners Gedicht von des Teufels drei Töchtern; dies Thema von des Teufels Sprößlingen scheint K. B. interessiert zu haben; inhaltlich entsprechende Gedichte von den vier Töchtern Gottes stehen in seiner Hs. an bevorzugten Stellen: die nichtteichnersche 'Barmherzigkeit' (auch 'Von den

254

vier Töchtern Gottes' genannt) steht gleich zu Anfang der Hs. hinter den beiden Teichnergedichten 'Vom heiligen Geist' und 'Von Gottes Gericht'; das Teichnergedicht 'Von den vier Töchtern Gottes' beschließt die Hs. (vgl. Lehmann-Haupt a. a. O. Abbildung 56). K. B.s Gedicht beginnt: So halt der teufel die geyttikait Zü der ee genomen jn der cristenhait Bey der hatt er acht tochter gehabt Die hat er hin geben dem gewallt, und dann nennt je eine Zeile den Namen der Tochter und die Reimzeile dazu den, dem sie in der Welt gegeben wurde: Simonie den Prälaten, Neid den Klosterleuten, Wucher den Edelleuten, Trügnis den Kaufleuten, Räuberei den Rittern und Knechten, Hoffart den Frauen zart, Falschheit den Dienern und Unkeuschheit den Mönchen. Die Schlußzeile lautet: Also sprach Conrat Bollstatter. SchmidtWartenberg a. a. O. verweist auf ein Exempel Jakobs von Vitry als Stoff quelle: T. F. C r a n e The Exempla.. of Jacques de Vitry (Folklore Society 1890) S. 101 Nr. CCXLIV 3. Als „Dichter" wird K. B. sonst noch in der Hs. Add. 16581 desBritischen Museums genannt. Dort stehen Bl. I43 a und Bl. i88 a zwei Sammlungen von Aussprüchen berühmter Männer, und unter diesen ,,Auctoritates" erscheint einmal ein Conrat Bolstatter von ötingen und an der zweiten Stelle ein Maister Conratt Lappleder von Teyningen genant Bolstatter; was ihm freilich an Weisheitsaussprüchen zugeschrieben wird, sind zum großen Teil Freidanksprüche. Die Hs. kann also nur als ein Zeugnis für K. B.s Namen, nicht für ein Werk von ihm gelten. 4. Ob auch der Ö t t i n g e r (s. d.) mit K. B. eine Person ist, muß fraglich bleiben. Abdruck durch S c h m i d t - W a r t e n b e r g im Journal of Germ. Phil. I S. 249ff. Sonst vgl. J oac h i m s e n Die humanistische

Geschichtschreibung

in Deutschland 1895 S. 84ff.; H e l l m u t

Leh-

m a n n - H a u p t Schwäbische Federzeichnungen, Studien zur Buchillustration Augsburg im 15. Jh.

1929 S. 98 — 127; R. P r i e b s c h Deutsche Hss.

in England

I I S . 148.

Niewöhner. Boltzer, s. B a l t z e r . B o m b a c h , s. B e r t h o l d v. B.

255

Bömlin

B ö m l i n (Bömelin, Bömblin, Bömbelin, Bömirlin, Bömele), Konrad, Minorit und Prediger. 1. Geboren um 1380, trat er in Eßlingen in den Franziskanerorden ein, war 1406 zu Thann im Elsaß und wurde 1409 Lesemeister und Prediger zu Schwäbisch Hall. Er kam dann als Lesemeister nach Eßlingen und wurde 1438 Kustos der schwäbischen Minoritenkonvente. Als solcher hielt er folgende Kapitel ab: 1439 in Reutlingen, 1440 in Straßburg, 1441 in Eßlingen, 1442 in Straßburg, 1443 in Bern, 1444 in Ulm, 1445 in Offenburg, 1446 in Eßlingen, 1447 in Heilbronn, 1448 in Schaffhausen, 1449 in Speyer. Besonders energisch trat er gegen die Observantenbewegung auf. Er starb am 26. Juni 1449 in Eßlingen. 2. 35 lateinische Predigten, gehalten 1409 vor dem Konvent in Hall, liegen im Ms. 47/4 der Luzerner Kantonsbibliothek. Jede Predigt ist dreigeteilt, doch enthält jeder Teil ohne Übergang einen Gedanken für sich. Sie sind philosophisch-spekulativ in der Grundstimmung, mit viel Allegorie, ohne moralische Schlußfolgerungen. Hie und da finden sich mystische Bilder (Christus als Arzt, als Bräutigam), doch ist B. hier im allgemeinen mit Bildern und Gleichnissen sparsam. Dafür geißelt er die Gebrechen des Ordenslebens: Habsucht, Simonie, Üppigkeit, Trunksucht, Hochmut. — Deutsche Predigten haben sich mannigfach erhalten: a) Über Exod. 25, 40 (Christus als Vorbild), in Berlin mgf. 88, Bl. 136b—143 a; mgq. 182, Bl. 45 a—72 a; mgq. 194, Bl. 141a—157b. — b) Über Matth. 11, 28 (vom Sakrament), in Berlin mgq. 194, Bl. 157b—165a. — c) Über Matth. 23, 8 (Nachfolge Christi), in Berlin mgq. 206, Bl. 200b—207b, 1436 gepredigt in Straßburg. — d) Über I. Petr. 2, 21 (vom Leiden Christi), in Berlin mgq. 206, Bl. 207b—215b, 1436 gepredigt in Straßburg. — e) Über die sechs Eigenschaften Gottes, in Berlin mgo. 69, Bl. 153b—156b (Auszug). — f) Über I. Joh. 4, 1 (vom Unterschied der Geister), in Karlsruhe St. Blas. 76, Bl. 82 a—105 a. — g) Über die Gelassenheit der Seele, in Hamburg cod. theol. 1885, S. 438—442 (Abschrift des XVII. Jhs., aus Daniel Sudermanns

256

Besitz). — h) Ein Gebet, ebenda S. 856 bis 859. — Auch die deutschen Predigten B.s zeigen meist die Dreiteilung. Sie beschäftigen sich mit der Christologie: Christus als unser Vorbild äußerlich und innerlich; sein Leiden und sein Fronleichnam; Nachfolge aller, die sich nach ihm nennen. Mystische Gedanken treten hier mehr hervor: Willige Armut, Glück des Leidens, geistliche Geburt des inneren Menschen. Auch die Bilder und Gleichnisse sind zahlreicher als in den lateinischen Predigten, weil B. sich an die Laien wendete und verständlicher sein wollte, und verraten ebenfalls mystischen Einfluß (sechs Vergleiche Christi: Brot, Licht, Lamm, Hirt, Auferstehung, Tür; Durchzug durch das Rote Meer = Christi Blut; Ausruhen in Christi Wunden; Lebensbrunnen und Arbor vitae; drei Arten Taufe: Wasser, Hlg. Geist, Blut). Auch im Ausdruck finden sich Anklänge an die mystische Terminologie (edel, gegenwurf, frunde gottes). Doch wäre es nicht richtig, Bömlin unbedingt den Mystikern zuzurechnen. Wir können sehen, wie diese religiöse Richtung mit bestimmten Motiven und Ausdrücken auch das Denken derjenigen durchsetzt, die ihr anderseits doch fernerstehen. Denn es finden sich daneben die herkömmlichen Empfehlungen, zur Messe zu gehen, Almosen zu geben, sich zu kasteien u. a. m., Mahnungen, die an das übliche Predigerniveau erinnern. Auch die eingestreuten Märlein und Exempel erheben sich nicht darüber. Trotzdem muß B. zu den bedeutenderen Predigern des X V . Jhs. gerechnet werden: oft geht ein starker innerer Schwung durch seine Sätze, von Polterei hält er sich'ebenso fern wie von dogmatischer Rechthaberei, Wärme und Anteilnahme beseelen die Ausführungen. Die Sprache ist geschmackvoll, vermeidet Verstiegenheiten und Dunkelheiten und macht dem Zuhörer schlicht, aber auch bilderreich die Heilswahrheiten klar. M. T s c h a m s e r Die Annalen der Barfüßer zu Thann 1864, I S. 480, 552, 558, 560, 58xf. K . B u b e l Gesch. d. oberdeutschen Minoritenprovinz 1886, S. 165, 249 A r n 204, 257 Anm. 249. G l a ß b e r g e r Analecta Franciscana II (1887) S. 30of., 321. K . B r e h m Ein Haller Adventsprediger von 140g, Diözesanarchiv von

Bona. Elisabeth — Boner, Ulrich

257

Schwaben 22 (1904) S. 129/31. K . B i h l m e y e r Heinrich Seuse, Deutsche Schriften 1907, S. 2 1 * . L. P f l e g e r Zur Geschichte des Predigtwesens in Straßburg 1907, S. 58/60 (mit zu hartem Urteil). Eine ausführlichere Arbeit über B. steht zu erwarten.

W. St. Bona, Elisabeth, s. E l i s a b e t h . Bondensele, s. Wilhelm v. B. Bondorff, s. S i b y l l e v. B. Boner, Ulrich, Verfasser des gegen 1349 abgeschlossenen ' E d e l s t e i n ' .

1. Hss.: Die I. Klasse (ABCD in Pfeiffers Ausgabe 1844, dazu Berner Hs. Ms. Hist. Helv. X . 49 [vgl. Germ. 27 S. 219]) umfaßt 100 Fabeln; die älteste, beste Hs. A Zürich, Perg. 14. Jh., besaß Breitinger, seitdem verschollen. Die II. Klasse (vgl. Pfeiffer a. a. O. und Goedeke, MA. S. 653) enthält gewöhnlich 90; in der III. (vgl. a. a. O.) fehlen außerdem die letzten 6 Fabeln. — Drucke: Ins 15. Jh. gehören folgende Drucke: (1) Der Edelstein. Bamberg [Albrecht Pfister] S.Valentins Tag [14. Febr.] 1461 1 , 2°, 88 Bll. [Exemplar in Wolfenbüttel]; (2) Edelstein [Bamberg, Albrecht Pfister o. J . ] 2°. 78 Bll. In (1) 101, in (2) 103 Holzschnitte. Ob (2) älter als (1) ist, bleibt unentschieden (A. S c h r a m m Die Drucke v. A. Pfister in Bamberg 1922).

2. B. ('Edelstein' v. 39: Bonerius) wird m seiner Vaterstadt Bern urkundlich als Dominikaner 1324—49 öfters genannt, der Name gleichzeitig in der Schweiz verbreitet. Sein Gönner, dem er sein Werk widmet, ist Johann von Rinkenberg d. Ä. (s. d.), von dessen Minnesang einige Proben erhalten sind. Der 'Edelstein' zeigt stark Bernische Mundart. 3. Sein Werk trägt nach v. 64 den Namen edelstein, es ist ein Spiegel (v. 24)

der Lebensweisheit, die wir aus den 100 Beispielerzählungen (er nennt sie Mschaft [= bisfei]) entnehmen sollen. Die Zeit des Abschlusses wird jetzt auf 1349 ( ev 1350) gesetzt. Seine xoo Erzählungen entnehmen den Stoff zu 4/5 aus Tier- und Pflanzenwelt, der Rest bringt Begebenheiten aus dem Menschenleben. Sie richten sich mit ihrer ein- oder angefügten Nutzanwendung vor allem gegen Falschheit, Betrug, Hinterlist, Heuchelei, Neid, Habgier, Geiz, Zank, Gewalttat, Eitelkeit, dazu treten Klugheitsregeln. Ist die Moral bei B. gewöhnlich negativ, mahnt sie zum Vermeiden, so zeigen sich auch erstrebenswerte Güter: Freiheit, Ehre, Kunst. Der Mönch ist oft erkennbar, doch ohne 9

Stammler,

Verfasser-I,exikon.

258

asketische Einstellung. Mit seiner Zeit teilt er das Mißtrauen gegen weibliche Schwatzhaftigkeit, Putzsucht, Laune. Er steht insofern über seiner Zeit und seiner Umgebung, als er sich auf sie kaum bezieht. Von Ständen werden nur Richter und Geistliche gegeißelt. Er vermeidet auch Erörterung kirchlicher Vorschriften und Einrichtungen, prunkt nicht mit Gelehrsamkeit. Es wird daraus und aus seinem schlichten, geschickten Erzählertalent verständlich, daß sein Werk so lange beliebt blieb. Die Sprache des 'Edelstein' ist die gesprochene Kanzleisprache, der er als geschäftskundiger Kleriker nahestand; dazu tritt überlandschaftliche Literatursprache. Der S t i l ist frisch und volkstümlich, nicht trocken lehrhaft. Die Verskunst zeigt gute mhd. Tradition ohne metrische Künstelei, der Reim ist genau, wird aber einförmig wiederholt. 4. Den Quellen galt der umfassendste Teil der Bonerforschung. B. nennt nur Avian und Aesop, d. i. (wie Lessing nachweist) Anonymus Neveleti; er versichert, nur übertragen zu haben, und zwar aus Latein. Von 60 Fabeln des An. hat B. 52. Von den 23 nicht beim (erweiterten) An. und Avian vorhandenen Fabeln sind einige aus antiker Literatur (Valerius Maximus oder Verarbeiter) und aus Patristik (Hieronymus) abzuleiten. Die 3. Hauptquelle ist Etienne von Besançon 'Alphabetum narrationum'. Als weitere Quellen kommen in Betracht Petrus Alphonsi 'Disciplina clericalis', Etienne von Bourbon 'Liber de Septem donis', Jakob von Cessolis 'Liber scaccorum', der 'Dialogus creaturarum'. Für mehrere Fabeln ist die Quelle noch nicht gefunden. Die Verwendung des Quellenstofïes ist recht selbständig. Bei breiterer Darstellung kopiert B. nicht ängstlich, z. B. 14 statt Eber ein Löwe. Eigentum sind weiter die Gruppierung zu je 2 Erzählungen, die dadurch eine Moral von mehreren Seiten beleuchten, und diese Moral selber. 5. Unsre Zeit hat B.s Leistung seit seiner Wiederentdeckung durch das fabelfreudige 18. Jh. gewöhnlich anerkannt. Der Fortschritt gegen Stricker (s. d.) besteht in überzeugenderer Nutzanwendung, so seltsam

259

Boppe, Meister — Böschenstein, Johannes

sie oft noch ist, in frischem Erzählergeschick; seine epische Behaglichkeit ist erträglich und zeigt nicht das knappe Gewand der pointierten Fabel des Altertums und des 18. Jhs. Anziehend ist bei diesem zum Allgemeinmenschlichen gestimmten Didaktiker die Begeisterung für die Freiheit (25; 59), es meldet sich in diesem schweizer Patrizier und Mönch der Bürgerstolz und das Lebensgefühl der kommenden Zeit: vriheit zieret allez leben ... vriheit gdt vür allez guot der weite ( 5 9 , 7 i f . ) . A u s g a b e n vgl. Goedeke. Erste vollständige: Fabeln aus der Zeit der Minnesinger, Zürich 1757 [her. v. B r e i t i n g e r ] . Letzte kritische von Fr. P f e i f f e r 1844. U. B„ Der Edelstein, Lichtdrucknachbildung d. undat. Ausg. im Bes. d. Kgl. Bibl. zu Berlin her. v. P. K r i s t e l l e r 1908. — R. G o t t s c h i c k Über die Zeitfolge von B.s Fabeln und über die Anordnung derselben. Diss. Halle 1879. Chr. W a a s Die Quellen der Beispiele B.s. Diss. Gießen 1897 [dort Literatur zur Quellenfrage bis dahin], E- S c h r ö d e r Quellen und Parallelen zu B.s Beispielen, ZfdA. 44 (1900) S. 42off. Chr. W a a s Die Quellen des Bonerius, ebda. 46 (1902) S. 341 ff. Zu den Quellen weiter: R. G o t t s c h i c k ZfdA. 52 (1911) S. I07ff„ 23iff.; 53 (1912) S. 274ff. O. B e h a g h e l P B B . 45 (1921) S. 137. P. B a b s i g e r B.s Sprache und die Bernische Mundart. Diss. Bonn 1904 ( = ZfhdMdaa. 5 S. 37ff.). M. v. S t ü r l e r Das Bernische Geschlecht der B., Germ. 1 (1856) S. U 7 f f . A. L e i t z m a n n Zur Abfassungszeit von B.s Edelstein, PBB. 35 (1910) S. 574ff. S p ö l g e n U. B. als Didaktiker. Progr. Aachen 1888.

Mitzka. Boppe, Meister. Alemannischer Fahrender, Spruchdichter. Nachweisbar 1275 bis 1287. Beziehungen zu Bischof Konrad III. von Straßburg (1273—89), Rudolf I. Markgrafen von Baden (1242—88) und dessen Sohn Hermann VII. (f 1291) und zu Rudolf von Habsburg. Totenklage auf Konrad v. Würzburg (s. d.). Ü b e r l i e f e r u n g : Große Heidelberger Liederhandschrift C (Cod. Pal. Germ. 848, Nr. 112, Blatt 418—421, mit Bild). Jenaer Liederhandschrift /(Nr. 28, Blatt n i e — 1 1 3 a , mit Melodie). Heidelberger Hs. D 350 (Bl. 61). Bruchstücke einer Basier Hs. des 14. Jhs. (Universitätsbibliothek Basel). Sammlung von Bruchstücken und Nachbildungen alter Handschriften Bd. 3, 145. Anecdotorium T. I (Brünner Landesarchiv, Cerroni-Sammlung, II. Serie, Bd. 11, späte Abschürft des 17. Jahrhunderts von Strophe I, 14). — U n t e r seinem Namen überliefert, aber als unecht geltend: Heidelberger Hs. 680 (Bl. 9); 392 (Bl. 39a). Kolmarer Hs. (Münchener Staatsbibliothek, Cod. germ. 4997, Bl. 555a). Weima-

26O

rer Druck von 1500 (Landesbibliothek Q 564). T e x t a b d r ü c k e : F. P f a f f Die große Heidelberger Liederhandschrift I 1909, Sp. 1401—1417G. H o l z Die Jenaer Liederhandschrift I 1901, S. 192—198. [P. R u n g e Die Sangesweisen der Kolmarer Handschrift 1896, S. 136 f.] B. S i e b er Bruchstücke einer Minnesängerhs., Germ. 25 (1880) S. 76L A u s g a b e n : [ B o d m e r ] Proben der alten schwäbischen Poesie des 13. Jahrhunderts 1748, S. 261—266 ( = I, 1. 26. 13. 25. III, 1. IV, VI, 1. 2.) B o d m e r Sammlung von Minnesingern aus dem schwäbischen Zeitpunkte II 1759, S. 230b. HMS. II 377—386. III 405—408. IV 692—699. B a r t s c h - G o l t h e r Deutsche Liederdichter Nr. 120, S. L X X X — L X X X I , 285—286 ( = I, 1. 21). G. T o l l e Der Spruchdichter Boppe. Versuch einer kritischen Ausgabe seiner Dichtungen. Progr. Sondershausen 1894. B a r t s c h Meisterlieder der Kolmarer Hs. (Stuttg. Lit. Ver. 68) 1862, S. 166, 489—495. P f a f f Der Minnesang des 12. bis 14. Jahrhunderts I (DNL. 8) S. 216—218 ( = I, 1. 21. 27). L i t e r a t u r : W. W a c k e r n a g e l Der starke Boppe, ZfdA. 8 (1851) S. 347f. W. W i l m a n n s ADB. 3 (1876) S. I49f. G. T o l l e Der Spruchdichter Boppe, sein Leben und seine Werke. Diss. Güttingen 1887. A. W a l l n e r Eine Brünner Kopie der Hs. Gerhards von Maestricht und des Wiener Otfrid, AfdA. 38 (1919) S. n 6 f .

F. Karg. ' Bordesholmer Marienklage' , s . ' M a rienklage, Bordesholmer'. Böschenstein, Johannes, i . Aus Eßlingen, geb. 1472; sein Vater, der Goldschmied Heinrich B., stammte aus Stein am Rhein. B. erhielt 1494 ( ?) die Priesterweihe, hat jedoch nie ein geistliches Amt bekleidet. Seit 1489 lernte er Hebräisch, zuerst bei Moses Möllin aus Weißenburg, dann bei Reuchlin in Tübingen. Seit 1498 eigene Lehrtätigkeit, die fortan sein Leben ausfüllte; der Titel „Kaiserlicher Majestät g e f r e i t e r L e h r e r der Hebr. S p r a c h e " erscheint zuerst 1518 in der Wittenberger Matrikel. 1505— ca. 1512 Lektor in Ingolstadt (Osiander, Eck); 1514 in Augsburg (Erhard Öglin); 1518/19, Okt.—Jan., Professor in Wittenberg (Melanthon); 1519—21 wieder in Augsburg (Sigismund Grymm); 1521/22, Dez.—Juni, Professor in Heidelberg; 1522 in Antwerpen und Zürich (Zwingli); 1523 in Augsburg (Nikolaus Mair) und Erfurt (?); 1525—33 in Nürnberg, Lehrer am Augustinerkloster, seit 1526 am Ägidiengymnasium; 1533 bis mindestens 1536 in Augsburg (Nikolaus Mair, Heinrich Steiner); Isny ?, Nürn-

2ÓI

Bote, Hermann

berg?; gest. zwischen 1539 und 1541 in Nördlingen (?). 2. Seine ungewöhnliche Kenntnis der hebräischen Sprache führte B. mit den bedeutendsten Humanisten und Reformatoren zusammen, brachte ihm jedoch auch wie Reuchlin und Osiander den völlig unbegründeten Vorwurf engherziger Zeitgenossen (u.a. Sebastian Münsters), er sei ein geborener Jude. A n den kirchlichen Parteiungen der Zeit hat er als reiner Wissenschaftler nicht teilgenommen; 1518 bei Luther, 1522 bei Zwingli, nannte er sich 1523 „Priester" wie früher. Ein Sohn, Abraham, ist 1530 Schulhalter in Nördlingen, eine Tochter wird 1533 in Nürnberg genannt. Sein Bild bei Serpilius, 'Unschuld. Nachrichten', Brucker. 3. V i e r g e i s t l i c h e L i e d e r sind unter seinem Namen erschienen (W. EX- I I Nr. 1327, 1330/32). a) Do Jesus an dem creutze stund. 'Die sieben Worte Christi am Kreuz'. 1515. K e h r e i n Kirchen- und religiöse Lieder 1853, S. 198, gibt aus der Hs. 3027 der Wiener Hofbibliothek (Hoffmann Nr. XCII, Papier, 15. Jh., 8°) eine ältere Fassung Da iesus Christ am krewtz stayndt. Zugrunde liegt angeblich ein Lied des Petrus Bolandus (Ende d. 15. Jhs.) Stabat ad lignum crucis (vgl. Bäumker I S. 449, IV S. 467). B.s Fassung in vielen späteren Gesangbüchern, 1537 neu überarbeitet von Georg Witzel. b) Wölt ir mich mercken eben. 'Ein neu Gedicht, von den zehn Geboten'. 1515. c) Got ewig ist, on endes frist. 'Von göttlicher Majestat'. Bearbeitung des Liedes von Jörg Preining (s. d.). W. K L . II Nr. 1045. d) Von wunderlichen Dingen. 'Von Begehrung göttlicher Gnade'. Bearbeitung des Liedes W . K L . I I Nr. 1290, verfaßt nach 1524. — Deutsche Verse enthält nach Bruckers Angabe auch die Schrift Wiedemann Nr. 24; lat. Distichen in Wied. Nr. 9. D r u c k e : W. B. Nr. 71: a; Nr. 72: a; Nr. 73: b ; Nr. 74: b ; Nr. 75 (dazu W. K L . I S. 376): a, b ; Nr. 76: c; Nr. 77 (und S. 459): c, b, d ; Nr. 705: c, b ; Nr. 706: c, b ; W. KL,. I S. 382/3 (=BäumkerNr.i02,107):c,b,d.—Nachdrucke: W. B. Nr. 362 ( = W. K L . I S. 406, W. K L . I I Nr. 1329, Bäumker Nr. 122): a; W . B . Nr. 275, 276 ( = Bäumker Nr. 117): a; B l ü m m e l L. Uhlands Sammelband flgd. Bll. 1911, S. 24, Nr. 3, 2: a; Bäumker Nr. 173, 373: a; Bäumker Nr. 105: c.

9*

2Ó2

4. S o n s t i g e S c h r i f t e n : Zur hebr. Sprache, Schulübersetzungen, Predigten, Traktate. Ein ausführliches Verzeichnis gibt W i e d e m a n n S. 7Öff. Darin ist nachzutragen: Nr. 3 ist bei Z a p f Augsb. Buchdruckergesch. II S. 76 ein Anhang zu 1 ; Nr. 4 ist = W. B. Nr. 74; Nr. 6: Serpilius nennt eine Ausgabe von 1519; Nr. 8: Serpilius nennt eine Ausgabe von 1536; Nr. 14: Die zweite Ausgabe bei Hans Hergot (Lit. Mus. Altdorf); Nr. 20: Hummel gibt den T i t e l : ' Johann Boschemstein Hebrayscher zungen Lerer wünschet . . . ' ; Nr. 23 und 24 haben bei Serpilius und Hummel etwas andere Titel; Wackernagel, KL- I S. 385 führt noch an: Etliche dapffere lobwirdige andechtige Gepet ... 1538 o. O.; Serpilius (und nach ihm Will): Die Danksagung oder das Gratias, so die Juden nach dem Essen sagen, o. 0.1536. 8°. Unter Vorbehalt (posthum?) gibt Willemen Druck: In disem Spruch wird kurz verhört, was der Tobi sein Sun hab giert. Tobie am vierten. J. B. Augsburg 1546, 1 Bgn. in Versen. Ebenso unsicher ist die Zuweisung eines Neujahrsgedichtes, Will, Suppl. I S. 311Unschuldige Nachrichten 1719 S. 386 (nach Serpilius!). G e o r g i i S e r p i l i i Historische Untersuchung, wer doch des bekannten Liedes: Da Jesus an dem Creutze stund etc. eigentlicher Autor sei 1720. Ein Auszug daraus mit bibliogr. Nachweisen W. K L . I S. 3 8 4 ! Jak. Brucker Ehrentempel d. dt. Gelehrsamkeit 1747, S. 54—58. B a u m g a r t e n Nachr. von merkw. Büchern III (1753) S. 118. G e o r g A n d r . W i l l Nürnbergisches Gelehrten-Lexikon (1755) I S. 129—134. Supplement (1802) I S. 108—113. B e r n h . F r . H u m m e l Neue Bibliothek von seltnen Büchern I (1776) S. 415/24. Literarisches Museum (Altdorf 1780) I I S. 328f. J o h . G e o r g M e u s e l Hist.-lit.-bibliogr. Magazin I (1788) S. 1 0 9 — 1 1 2 . J. F. K ö h l e r Beiträge zur Ergänzung der dt. Lit. u. Kunstgesch. I I (1794) S. 1—23. H. A . E r h a r d Gesch. d. Wiederaufblühens wiss. Bildung 1832, I I I S. 332—40. H o f f m a n n v. F . Geschichte d. dt. Kirchenliedes 1854. T h . W i e d e m a n n ö s t e r r . Vierteljahrsschr. f. kath. Theologie I I (1863) S. 70/88. L. G e i g e r Das Studium der hebr. Sprache in Deutschland 1870. D e r s . A D B . I I I (1876) S. 184. W. B ä u m k e r Das kath. dt. Kirchenlied I (1886), Bibliographie.

Ludwig Denecke. Bote, Hermann. 1. H. B.s 'Boek van veleme rade' kennen wir aus einem Lübecker Druck von Steffan Arndes (Ende des 15. Jhs., nur ein Exemplar auf der

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Bote, Hermann

Fiirstl. Bibl. zu Wernigerode); von einem weiteren Druck aus dem Jahre 1509 wissen wir durch J. H. von Seelen. In überarbeiteter, aber der ursprünglichen Sprachform näherer Gestalt findet es sich in der Hs. eines Nachahmers, Jakob Scracz (Hs.740 der Beverinschen Bibl. zu Hildesheim, 1550/1). Die 'Weltchronik' ist in B.s eigener Hs. überliefert (Halberstadt, Heinesche Familienbibl., 380 Bl. 20, Anfangsblatt und Schluß verloren), ebenso auch das 'Schichtbok' samt den angehängten, literarisch bedeutungslosen Stücken, dem 'Wappenbuch' und den ebenfalls von B. aufgestellten Nachweisen über die geistlichen Stiftungen der Stadt Braunschweig (Landesbibl. in Wolfenbüttel, Extravag. 120, 40, 271 Bll.), wie der Schriftvergleich mit dem von ihm hergestellten ,Zollbuch' lehrt; von diesem haben wir eine teilweise faksimilierte Kopie von dem Kreisinspektor Sack, während das Original verloren ist. Das Zeitgedicht vom Jahre 1519 findet sich in der in verschiedenen Hss. überlieferten Braunschweigischen Chronik von A. Schoppius (Mitte des 16. Jhs.). Der 'Koker' ist nur aus der Ausgabe von F. A. H a c k m a n n Reinehe de Vos mit dem Koker (1711) bekannt.

2. H. B., der Sohn des Braunschweigischen Schmiedemeisters und Ratmanns Arnt B. (Schichtbok 379, 6), war Zollschreiber und hatte als solcher (vgl. Schichtspei 436 ff.) bei dem wachsenden Unwillen gegen die Zollbelastung vielfach gegen Unredlichkeit und foppende oder feindselige Zuchtlosigkeit zu kämpfen, denen er mit strenger Rechtlichkeit und Unzugänglichkeit und mit sicher treffendem Wort entgegentrat. Der Haß, den er sich hierdurch zuzog, entlud sich bei dem Aufruhr von 1488 in der Forderung nach seiner Entsetzung und Bestrafung(Schichtspel 436, Schichtbok 356, 5; 364, 27). Trotz vorübergehendem Gefängnis ließ er seine Feinde, die Partei der Aufständischen, nicht umberopen, sondern verfaßte schon wenige Wochen später mit dem Gerichtsschreiber A n t o n i u s B r a n d e n h a g e n ein nicht erhaltenes Spottgedicht auf die geschichtmekers, das ihnen beiden längere Haushaft einbrachte ('Von der Teilung der Katze*, Schichtspei 83Öff., Schichtbok 372, 17ff., Schoppius bei Üliencron II S. 215). Auch aus der Gilde wurde B. mit seinem Vater ausgestoßen (Schichtbok 379, 13). Nach dem Umschwung 1491 erhielt er sein Amt zunächst noch nicht zurück, sondern (nachdem er seit 1494 Wirt im Altstädter Bierkeller ge-

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wesen war) erst 1497 nach dem Abgang seines Nachfolgers. Den 90er Jahren gehört wohl das ' Boek van veleme rade',

in

dem er sich als hochgreven bezeichnet (I 44; IV 107; X I 181) und (II 14) den Großmeister des Johanniterordens offenbar (trotz des unde) als Kardinal, als radholzauslesenden (papstwählenden) Mühlenmeister, anredet (Petrus d'Aubusson, 1489 Kardinal, siegberühmt, j 1503). Ein Denkmal seiner gewissenhaften Amtstätigkeit in seiner zweiten Zollschreiberzeit ist das im Jahre 1502 geschriebene 'Zollbuch', das die Zolltarife, Zollgesetze und sonstigen maßgeblichen Tatsachen zusammenstellt. Nachdem er die 'Weltchronik' wohl schon vorher geschrieben hatte, verfaßte er zwischen 1510 und 1513 das Buch von den Braunschweigischen Volksaufständen ('Schichtbok') samt einer angehängten Darstellung der Münzverhältnisse, in denen die Mißstände und Unruhen zum großen Teil begründet lagen. Bei dem neuen Aufruhr im Jahre 1513 mußte er wieder wilden Haß erfahren. Schwer mißhandelt entging er nur mit genauer Not dem Tode. Nachdem vom Rat die Ordnung siegreich wiederhergestellt war, hat B. im Schluß teil des 'Schichtboks' auch diesen Sturm des vielerschütterten Braunschweigischen Stadtwesens noch dargestellt. Sein Zollamt hat er jedoch nicht wieder angetreten; seit Anfang 1516 war er Vorsteher des Ziegelhofs vor dem Petritor, im Jahre 1520 ist er offenbar gestorben. 1519 griff er noch mit einem mannhaften Streitgedicht, das die Gegner nicht ohne Antwort ließen, in die Hildesheimer Stiftsfehde ein. Ganz ungewiß ist die Entstehungszeit des 'Kokers'.

3. Die 'Weltchronik', durch seine Handschrift und spätere, ihn als Verfasser eines solchen Werkes nennende Nachrichten für B. gesichert, ist in herkömmlicher Weise angelegt und berührt sich vielfach mit der Bilderchronik seines Vetters Konrad B.(s. d.). Von der Erschaffung der Welt reicht sie bis in seine eigene Zeit (mit dem Jahre 1438 bricht das Erhaltene ab, vorausweisende Angaben führen bis 1493). In annalistischer Aneinanderreihung ent-

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Bote, Hermann

hält sie eine Fülle der verschiedenartigsten Nachrichten, wobei die gute Kenntnis der sächsischen Lande samt den Geschicken ihrer Städte auffällt, und verrät die bleichen Interessen, Anschauungen und stilistischen Kennzeichen (bis zum einzelnen Ausdruck hin), die sich in den andern Werken, namentlich im 'Schichtbok', zeigen. Die gewaltige Überlegenheit des 'Schichtboks', das wohl Sallusts 'Verschwörung des Catilina' Anregungen zu danken hat, über das umfassende Geschichtswerk beruht darauf, daß B., eigene Wege suchend, unter Verzicht auf die übliche Lückenlosigkeit des geschichtlichen Ereignisberichts hier zu freier Auswahl des Stoffes geschritten ist und so aus der Einheit seiner eigenen Anschauungen heraus ein Werk von geschlossener Einheit geschaffen hat, ein Werk, bei dem die Tatsachen um des Gedankens willen da sind. Die in seiner Persönlichkeit verankerten und aus den Erfahrungen seines eigenen Lebens gewonnenen und befestigten Erkenntnisse von den Lebensbedingungen eines gesunden bürgerlichen Gemeinwesens und das Verantwortungsbewußtsein des Tieferblickenden, der aus dem Vergangenen Lehre und Mahnung für die Sorgen der Gegenwart gewinnen will, führen ihn zu einer überschauenden Darstellung aller aufständischen Bewegungen, von denen die Stadt Braunschweig im Laufe der Jahrhunderte erschüttert ist. Sie entrollen sich in Bildern, die namentlich in den näherstehenden und selbsterlebten Zeiten packende dramatische Anschaulichkeit gewinnen. Mit Rede und Gegenrede hört und sieht man die scharf charakterisierten Einzelpersönlichkeiten und die tinbeständige, durch Schlagworte aufgehetzte Masse, welche Straßen und Plätze mit Drohungen und blinder Gewalt erfüllt. Namenreihen, Zahlen und Urkunden im Wortlaut oder in umfassendem Auszug geben sichere Unterlagen. Die kraftvolle und klare Sprache beleben Bilder, von schlagkräftiger Derbheit vielfach. Insbesondere eröffnet jeden Abschnitt von einem neuen Aufruhr ein dann weiterhin öfter wiederaufgenommenes Bild, das die einsichtslose, sich ihr

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Unheil selbst bereitende Menge oder die gewissenlosen Führer immer wieder in anderer Weise mit dem unvernünftigen und schadenstiftenden Vieh vergleicht, für das feste Zucht am Platze ist. Bitterkeit und Schroffheit lösen sich im gesunden Humor des dennoch Teilnehmenden. Wenn H. B. in scharfer Verurteilung aller revolutionären Strömungen mit Gesinnung und Empfinden auf Seiten der rechtmäßigen patrizischen Inhaber der Herrschaft steht, die auf Grund ererbter Wesensart die geborenen Führer sind (349), so ist er in unparteiischem Rechtssinn dennoch keineswegs blind gegen die Fehler der Regierenden und die sittlichen Gebrechen, die bei ihnen eingerissen sind, sieht vielmehr in stolzer Liebe für alle Kreise seiner Vaterstadt, auch für die Mißleiteten (451), seine Aufgabe gerade darin, die tieferen Ursachen der Unruhen aufzudecken und jedesmal daraus in knappgefaßter Mahnung, die er immer an die Spitze stellt, die Lehre für die Verantwortungsbeladenen zu ziehen. 4. Die Anschauungen, die hier nur aus kurzen Äußerungen oder unausgesprochen aus dem Sinn der Erzählungen zu entnehmen sind, hat H. B. in einer lehrhaften Dichtung von der gesamten Staats- und Gesellschaftsordnimg im Zusammenhang entwickelt, im 'Boek van veleme rade' (Namensnennung durch Akrostichon). Die dichterische Einkleidung gewann er, wie es dasMA. liebte, aus einer durchgehenden Allegorie, die sich in volkstümlicher Ausführimg durch sprechende Durchsichtigkeit auszeichnet und dem Gedankenwerk die sinnliche Farbe sichert. Unter dem Bild von verschiedenen Rädern, deren jedes seine eigenen, der besonderen Bestimmung entsprechenden und nur hierfür befähigenden Eigenschaften haben muß (VI 38 ff.), schildert er (anfangs in freier Anknüpfung an die weit verbreitete Allegorie von der Mühle als dem Reiche Gottes) die Reihe der menschlichen Stände mit den besonderen Aufgaben, die jeder an seiner ihm von Gott gegebenen Stelle zu erfüllen hat: Papst, Kaiser, Fürsten und Ritter, Städte, Bauern, und ebenso die entgegenwirkenden verantwortungslosenKräfte. Steht ihm

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Bote, Konrad

auch das Papsttum entschieden an der Spitze, so hat doch jede der gottgewollten Stufen ihren eigenen Wert, dem die Vertreter dienen sollen, ihre eghene natuer, doghet und eddelicheit; die Geistlichen z. B. sollen nicht nach weltlicher Ehre trachten. Kraftvoll und klar wie die Gedankenfuhrung ist der Ausdruck; sprichwörtliche Wendungen, Wortausdeutungen und Wortspiele, die sich dem Stil der Kapuzinerpredigt nähern, werden in ihren Dienst gestellt (wie auch rad in gewollter Doppeldeutigkeit verwendet wird, „Rad" und zugleich daneben „Rat"). Die Verse, frei gebaut, sind im vielseitigen Wechsel ihrer Füllung lebens- und ausdrucksvoll, die Reime rein. 5. Das Lied vom Jahre 1519, durch die Erwiderung der Gegner als Dichtimg B.s zu erkennen, lebenserfüllt, zeigt ebenfalls die klare, große Linienführung. An das 'Schichtbok' erinnernd, bezeichnend für die Bildkraft B.s ist es u. a., wie die Wappentiere Handlungsträger werden. Nach der schweren Niederlage der Braunschweigischen holt sich der Dichter Zuversicht in dem Gedanken, daß die Ehre als das Beste nicht verloren sei, daß der Löwe noch nicht tot und mit Gottes Hilfe der Schaden noch wieder auszugleichen sei. Auch weitere von den überlieferten Liedern (so Liliencron Nr. 327) mögen von B. stammen. 6. Nach Chr. Walthers Vorgang pflegt man H. B. auch eine andere Braunschweigische Dichtung, den 'Koker', zuzuschreiben, worüber noch eine genauere Untersuchung anzustellen wäre. Zur Gegenwehr gegen alle Bedrängnisse der trügerischen Welt will sie mit einer Sammlung sprichwörtlicher Lebensweisheit jedem in einem Köcher die Pfeile bereitstellen. Zusammengehalten nur durch Kettenreime, ohne geistige Ordnung, wechseln in einem tiefern Sinn zu fassende Sprüche mit komisch gemeinten Selbstverständlichkeiten und Derbheiten, die bis zum Unflätigen hinabzusteigen heben. Da jeder Spruch aus zwei nicht miteinander reimenden Versen besteht, kann nichts ohne Neuformung vom Verfasser übernommen sein. Die von B. vertretenen

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Anschauungen und die Sonderart seiner Persönlichkeit werden durchaus nicht als die bestimmende Grundlage sichtbar. 7. Zu Unrecht jedenfalls hat man B. auch die verlorene Braunschweigische Urfassung des 'Till Eulenspiegel' (s. d.) sowie den 'Reinke Vos' (s. d.) zuweisen wollen. 8. H. B. ist der bedeutendste Vertreter des nd. Schrifttums seiner Zeit. Die auf kirchlicher Grundlage ruhenden Anschauungen und das Menschentum des ständisch gegliederten, selbstbewußten spätmittelalterlichen Bürgertums, dem er mit allen Kräften seines Lebens diente, fanden in seinen Werken einen voll ausgereiften, umfassenden Ausdruck. Obwohl er mit seinem Denken noch völlig in dem Zeitraum ruht, der sich nun zu etwas Neuem wandeln wollte, und gerade daraus, daß er auf voll ausgewachsenem Boden stand, die ruhige Sicherheit gewann, zeigt sich in der Freiheit seines immer sich über den Stoff erhebenden Geistes und der bildkräftigen Klarheit seiner Darstellungskunst wohl schon die Einwirkung der neuen Zeit des Humanismus. Ausgabe des 'Schichtbuchs' von L. H ä n s e l m a n n Die Chroniken der dt. Städte XVI (1880, 1886) S. 269/493; des 'Räderbuchs' von H. B r a n d e s Nd. Jb. 16 (1890) S. 11/41; des Liedes von R. v. L i l i e n c r o n Die hist. Volkslieder der Deutschen I I I (1867) Nr. 329; des 'Kokers' von C. B o r c h l i n g und W. S e e l m a n n Nd. Jb. 42 (1916) S. 71/125. Umfangreiche Auszüge aus der 'Weltchronik' bei C. A b e l Sammlung etlicher noch nicht gedruckten alten Chroniken (1732) S. 1/250. J. H. v o n S e e l e n Nachricht von dem Ursprung und Fortgang der Buchdruckerei in Lübeck 1740 S. I7öff. C. S c h a e r C. Botes niedersächsische Bilderchronik 1880 S. 11/33. Chr. W a l t h e r Nd. Kbl. 6 (1881) S. 67ff.; Nd. Jb. 16 (1890) S. I07ff.; 19 (1893) S. 79. W. S e e l m a n n ebd. 18 (1892) S. I 5 2 f f . H. B r a n d e s Braunschweigisches Magazin 3 (1897) S. i o 8 f . ; n 6 f . K . E u l i n g Jacob Scracz, Nd. Jb. 25 (1899) S. 1 1 0 bis 1 3 1 . O. S c h ü t t e Zur Erklärung und Kritik des 'Kokers', Nd. Jb. 43 (1917) S. i 2 o f f . S t a m m ler Lg. S. 61/5. A. L a s c h Nd. Kbl. 39 (1924) S. 53. E. D a m k ö h l e r Entstehung des 'Kokers', Nd. Jb. 54 (1928) S. 24fi; Nd. Kbl. 43 (1930) S . I3f. Weitere Literatur bei S t a m m l e r Leseb. Anmerkungen zu Nr. 18 und 55.

L. Wolff. Bote, Konrad, (1.) stammte wahrscheinlich aus Wernigerode, von wo er nach Braunschweig übersiedelte. Hier begegnet sein Name in städtischen Regi-

2Ö9

'Bote, Der heimliche'

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bergk 1589). — I4t.: A D B . 3 (1876) S. i92f.; K . S c h a e r Conrad Botes niedersächsische Bilder chronik, ihre Quellen und ihr historischer Wert 1880. Vgl. die Lit.-Angaben bei A. P o t t h a s t 2 Bibliotheca histórica medii aevi I 1896, S. 168. — 14. B e e r Die illustrierten Historienbücher des XV. Jhs. (1903) S. 161 ff. weist die Formschnitte dem Hausbuchmeister zu und identifiziert ihn, einer Anregung H. T h o d e s (Jb. d. Preuß. Kunstsammlungen 21, 1909, S. 120) folgend, mit dem von Dürer gerühmtenFrankfurter Meister Martin Heß. Doch nach C. G e b h a r d t Martin Heß (Repertorium f. Kunstwiss. 31, 1908, S. 437 f f ) kann Martin Heß nicht der Hausbuchmeister sein, sondern ist jünger.

stern während der Jahre 1475—1501, seines Zeichens war er vermutlich Goldschmied. B. hat (etwa 1489—1491) eine niedersächsische Chronik geschrieben, die 1492 von Peter Schöffer in Mainz gedruckt wurde. 2. Ihren Inhalt bildet insbesondere die Geschichte der niedersächsischen Lande, von den Städten findet in erster Linie Braunschweig, dann vor anderen Magdeburg Berücksichtigung. Bezeichnend für die Chronik ist die Gliederung nach Jahren, das breite Ausspinnen der Erzählung einzelner Begebenheiten und die Fülle genealogischer Notizen zur Kaiser- und Fürstengeschichte. Das Ganze ist ein loses Aneinanderreihen von Nachrichten, die verschiedenen Quellen entfließen, und denen allerhand Fabeln zugefügt werden. Von jenen sind Johann Statwechs (s. d.) 'Weltchronik', Eikes von Repgow (s. d.) 'Sächsische Weltchronik', die 'Magdeburger Schöppenchronik' und besonders die 'Braunschweigische Reimchronik' (s. d.) zu nennen. 3. B. schreibt sein Geschichtsbuch als Bürger für Bürger, in den Verfassungskämpfen Braunschweigs stand er auf der Seite der Geschlechter, wie sein berühmterer Landsmann und Zeitgenosse Hermann Bote (s. d.), der vermutlich sein Vetter war. Konrad Botes Chronik erfreute sich in den niedersächsischen Ländern großer Beliebtheit und wurde mehrfach von späteren Geschichtsschreibern benutzt bzw. fortgesetzt, so von Johann Pomarius, der sie ins Hochdeutsche übertragen hat. Als historische Quelle hat sie nur geringe Bedeutung, mehr für die niedersächsische Sagen- und Sprachgeschichte, da sie in niederdeutscher Mundart verfaßt ist. Die Originalausgabe von 1492 ist bemerkenswert wegen der eigenartigen Versalien und der vielen Holzschnitte, namentlich der Städte- und Wappenbilder. Sie trugen ihr die Bezeichnung „Niedersächsische Bilderchronik" ein, wie die zahlreichen Nachrichten über das Erzstift Magdeburg den Namen „Magdeburgische Chronik".

2. Der I n h a l t des mangelhaft überlieferten Bruchstückes hat verschiedene Deutungen erfahren. Jedenfalls ist er nicht einheitlich, sondern zerfällt in zwei Teile. Der erste, von der ersten Hand geschriebene, umfaßt 56 Verse. Man könnte ihn 'Der frowen rät' betiteln, denn er lehrt die Frau, unrechte Minner zu meiden. Das sind die, die da glauben, man müsse sie um ihrer äußeren Vorzüge willen lieben. Auf ihre Ritterschaft, ihr Turnieren und Kriegen bilden sie sich viel ein, aber was hat die Frau davon? R e c h t e Minne beschreibt phaset, ein Buch. Wer nach seinen Vorschriften lebt, der wird den Frauen angenehm sein. —• Der von der zweiten Hand geschriebene 2. Teil, 'Des mannes rät', ist eine Anweisung zur frümecheit und zur tugent im allgemeinen, die in der Lehre gipfelt: Suche der Welt zu gefallen! Insbesondere wird der arme Ritter ermahnt, seine Armut zu verhüllen und erst recht nach Tugend und Ehre zu streben. Von Frauenminne ist in diesem 2. Teil nicht mehr die Rede.

Ausg.: Cronecken G. W. Iveibniz ittustrantium T. I I I Ports.] S. 423—425. Chronica der Sachsen

3. O. Fischer sucht daher (ZfdA. 48. S. 421 ff.) nachzuweisen, daß die beiden Teile gar nicht zu einem Gedichte gehören. Er hält den 1. Teil auf Grund der formelhaften

der süssen (Mentz 1492). 2°. Scriptorum Brunsvicensia (1711) S. 277—423, [nebst — Übers.: Joh. P o m a r i u s und Niedersachsen (Witten-

Josef Deutsch. 'Bote, Der heimliche'. 1. In der aus drei Hss. bestehenden Münchener Pergamenths. clm. 7792 haben zwei Hände des 13. Jhs. auf dem 1. Blatt des mittleren Codex das 50 Reimpaare umfassende Fragment eines dt. Gedichtes eingetragen, das mit den Worten: [ich bin] ein heinlich bote beginnt. (Beschreibung der Hs. von S t e i n m e y e r A f d A . 2 S.238ff.) Es ist zuletzt abgedruckt bei H. M e y e r - B e n f e y Mhd. Übungsstücke2, 1921, S. 3off. unter dem Titel: 'Lehren für Frauen und Männer'.

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Botenlauben — Brand (Hildebrand) von Tzerstede

Elemente seines Eingangs, insbesondere, weil sich das Gedicht selbst als heimlicher Bote einführt, für den ältesten uns bekannten gereimten Liebesbrief, der, von einem Geistlichen verfaßt, gegen die Ritter polemisiere: in den Geheimnissen der ars amandi fühle sich der Kleriker dem Ritter überlegen. Demgegenüber hält Ehrismann (ZfdA. 64 S. 301 ff.) an der Einheitlichkeit des Gedichtes fest: indem der 2. Teil die Tugenden des rechten Mannes schildere, bilde er eine positive Ergänzung zum negativen 1. Teil. Das Ganze sei eine Minne- und Höfischheitslehre, die Liebesregeln für die Frau, Lebensregeln für den Mann gebe. 4. Über den V e r f a s s e r sind kaum Schlüsse möglich, höchstens über seine Heimat: durch die alemannische Überlieferung schimmert die mitteldeutsche Mundart des Originals noch durch (vgl. ZfdA. 48 S. 422). Als Entstehungszeit erweist die mangelhafte Vers- und Reimtechnik das 12. Jh. (1150—80). 5. Strittig ist die Frage nach der Q u e l l e Ehrismann (a. a. O. S. 303 ff.) weist, aus gehend von fihaset, das er als facetu. deutet, Beziehungen zum 'Facetus moribuet vita' (s. d.) nach, der auch eine umfangreiche Minnelehre enthält. Das als Quelle zitierte Buch fihaset sei also wohl ein ähnlicher lat. 'Facetus' gewesen. Demgegenüber hält Edw. Schröder (ZfdA. 56 S. 216) fihaset für eine Verschreibung aus saget -f- fihade. — Jedenfalls ist unser Gedicht die erste speziell ritterliche Tugendlehre im Deutschen, ein Vorläufer von Hartmanns (s.d.)'Büchlein' undThomasins (s.d.) Adelslehre. Seine Auffassung von Minne steht zwischen der vorhöfischen der 'Kaiserchronik' (s. d.) und der romanisch beeinflußten der älteren Minnesänger. W. S c h e r e r QF. 12 S. 90. E h r i s m a n n ZfdA. 56 S. 214. E. M e y e r Die gereimten Liebesbriefe des dt. Mittelalters. Diss. Marburg 1899, S. 42f. H. B r i n k m a n n Entstehungsgeschichte des Minnesangs 1926, S. 114.

Arthur Witte. Botenlauben, s. O t t o v. B. Botenstein, s. U l r i c h v. B. Bothe, s. B o t e . Botho, s. B o t e .

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Botho von Stolberg, Graf (Botho III.), Teilnehmer an der Pilgerfahrt des Kurfürsten Friedrichs d.Weisen v. Sachsen ins Heilige Land, 1493. (Vgl. F r i e d r i c h d e r W e i s e , ferner B o g u s l a v v. L o b k o v i t z . ) Botho beschrieb diese 'Meerfahrt nach Jerusalem'; doch stammen die im Archiv zu Wernigerode aufbewahrten Tagebuchaufzeichnungen nicht von ihm, sondern von seinem Vater Heinrich und dessen Pilgerfahrt 1461. Vergl. H e i n r i c h von Stolberg. Vgl. P o t t h a s t I I S. 1035 u. f.; R ö h r i c h t S. 180; R ö h r i c h t - M e i s n e r S. 510; R ö h r i c h t Bibl. Nr. 441. — P l e s s i n g Über Golgatha u. Christi Grab 1789, S. 108. J a c o b s Über die Meerfahrt Graf Bothos des Glückseligen zu Stolberg, Zschr. d. Harzver. I (1868) S. 192—220.

Hartnack. Brabant, s. J o h a n n e s v. B. Brack, s. J o h a n n e s v. B. Brack, Wenzeslaus, verfaßte einen lateinisch-deutschen 'Vocabularius rerum', der 1495 in Straßburg gedruckt erschien; seine Vorlage bildete scheinbar ein handschriftliches Vokabular in Donaueschingen, cod. 56, v. J. i486, Bl. 3 7 a — 1 2 8 a . W . St. Brambeck, Peter, vermutlich der Verfasser der 'Danziger Chronik vom Bunde' von 1438 — 1526. E r war wohl ein Bruder des Danziger Ratsherrn Otto Brambeck, der im Jahre 1456 rechtstädtischer Ratsherr in Danzig wurde und 1464 starb. Über das Leben des P. B. ist sonst nichts bekannt. Die vermutlich von Peter Brambeck verfaßte Chronik ist gedruckt in den Scrifitores rerum Prussicarum Bd. 4 S. 4ogff. (vgl. auch daselbst S. 300f. und 407). Recke. Brand (Hildebrand) von Tzerstede (TzerSteden, Tzarstedt, Tzarsted, Czerstede, Zerstede, Zarsted, Sarstedt) stammt aus einem 1351 nach Lüneburg eingewanderten, dort zu den Patriziern zählenden und 1726 ausgestorbenen Geschlecht, das seinen Namen von dem im Bezirk Hildesheim liegenden Orte Sarstedt hat. E r erscheint 1414 an der Universität Leipzig, als Angehöriger der natio Saxonum, wurde dort 1417 zum Bakkalaureatsexamen zugelassen, wurde 1436 in Lüneburg Rats-

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'Brandan'

herr und starb als solcher am 3. Oktober I

45IDie literarische Tätigkeit des B. v. Tz. beschränkt sich auf seine Beteiligung an der Herstellung einer nach ihm benannten Rezension des Landrechts des 'Sachsenspiegels' und derGlosse hierzu (1442), die in einer zu Lüneburg geschriebenen Prachthandschrift und in deren Abschrift in einem jetzt in Wolfenbüttel (Cod. Heimst. 421) liegenden Codex erhalten sind. Im Gegensatz zu der früheren Meinung, die Br. für den Verfasser dieser Rezension hielt, hat die neuere Forschung nachgewiesen, daß ihm nur die Glosse zur Vorrede von der Herren Geburt zuzuschreiben ist, während er im übrigen aus anderen Quellen, insbesondere der Lüneburger Rezension des Schlüssels zum Sächsischen Landrecht, nur kompiliert hat. A D B . X X X I X S. 5 6 f . S t e f f e n h a g e n W S B . C V I S. I 9 7 f f . E . S i n a u e r Der Schlüssel des sächsischen Landrechts 1928 S. 2 2 2 f f .

v. Schwerin. ' B r a n d a n ' . 1. Der fabelhafte Bericht von der Seefahrt des Brandan oder Brendan genannten Heiligen gehört zu den im XII. Jh. aus Irland nach Deutschland gewanderten Legenden. Zum herkömmlichen Repertoire eines irischen DichterRhapsoden gehörten auch die sogenannten „Imrama" (,,Umherrudereien"), Geschichten von Seeabenteuern. Die in die heidnische Zeit hinaufreichende Gattung wird indessen durch das Christentum eigenartig beeinflußt. Die altirische Kirche war eine Mönchskirche nach orientalischem Vorbild, und wie die ägyptischen Mönche in Felsenhöhlen der thebaischen Wüste hausten, so bauten sich die irischen Einsiedler ihre ärmlichen „Bienenkorbzellen" auf den zahlreichen kleinen Inseln, die in teils geringer, teils aber auch beträchtlicher Entfernung um Irland herum liegen. Vom Mutterkloster aus wurden ab und zu diesen weitverstreuten Inseleinsiedeleien Besuche abgestattet, worüber dann märchen- oder legendenhaft ausgeschmückte Berichte entstehen konnten. So enthält die Brendanlegende teils Märchenhaftes, teils Mönchisch-Erbauliches, teils Legendarisches, ohne daß die Bestandteile immer

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auseinander zu halten sind: so vertreten die wunderbaren Inseln, die der irische Kolumbus oder Sindbad sah (und die noch im Jahre 1721 eine vom Guvernör der Kanarischen Inseln ausgerüstete Expedition zu finden suchte!), sowohl die glückseligen Inseln der Alten in der irischen Auffassung der Terra Repromissionis als das sogenannte Irdische Paradies mittelalterlich-christlichen Glaubens. 2. Die Brendanlegende wird vielfach zu den Jenseitsvisionen gerechnet, was deshalb berechtigt scheinen mag, weil hier ein Mensch höllische Peinigungen und paradiesische Freuden gesehen haben will. Eine wirkliche, in der Ekstase, im Traum oder Scheintod erlebte Vision ist sie indessen nicht, wenn auch die in einen Reisebericht gekleidete Erzählung vom Jenseits zu einer alten Schicht der Überweltsberichte gehört; es ist ein primitiver Zug, wenn die Lage der anderen Welt an einem bestimmten Ort innerhalb dieser Welt gedacht wird: in der Brendanlegende auf Inseln im äußersten Westen, in der Legende des Macarius Romanus hinter einer Wüste im äußersten Osten, im 11. Buch der 'Odyssee' im Land der Kimmerier usw. Die Gattung ist längst literarisch geworden, wie schon der 6. Gesang der 'Aeneis' zeigt, und die Brendanlegende ist eine Meerfahrt wie die des Odysseus oder Aeneas, wobei der Held außer Merkwürdigkeiten dieser auch Wunder jener Welt erlebt. 3. Brendan, Abt von Clonfert (f 577 oder 582; sein Festtag ist der 16. Mai) war ein irischer Heiliger, auf den man im IX. Jh. solche Schiffermärchen, wie sie seit dem 7. Jh. im 'Imram Maelduin' und in anderen Imrama berichtet wurden, übertrug. Zunächst wurde in die ' Vita Brendani' eine Seefahrt aufgenommen, aus der dann etwa 1050 die besondere Reiseerzählung, die lateinische 'Navigatio Brendani' erwuchs. Auf dieser beruhen die meisten irischen und lateinischen sowie die englischen und französischen Texte; sie ist aber erst im 15. und 16. Jh. mit sonstiger Hagiographie ins Deutsche übersetzt worden. •—In jener alten Seefahrt des Bran ('Imram Brain') hört der Held eines

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¡Brandenburg — Brant, Sebastian

Tages eine wunderbar süße Musik, die ein silberweißblühender Apfelzweig hervorbringt; er erfährt, daß der Zweig aus Emain stammt, und zieht aus, um dieses Zauberland zu suchen. Entsprechend beginnt in der 'Navigatio Brendani' der Heilige seine Fahrt, nachdem er durch einen Eremiten von der „Terra Repromissionis" gehört hat, wohin er denn auch am Ende gelangt. — Aber vor 1150 wurde die 'Navigatio' — höchst wahrscheinlich in einem deutschen Kloster — charakteristisch umgearbeitet: Brandau kann an die Wunder, von denen er liest, nicht glauben und wirft erbittert das Buch ins Feuer, aber der Engel Gottes rügt seinen Zweifel und befiehlt ihm, eine neunjährige Seefahrt zu unternehmen, um die Wunder selbst zu sehen. Brandan gehorcht, irrt lange umher und kehrt endlich zurück. 4. Auf dieser Grundlage entstand um die Mitte des X I I . Jhs. ein mittelfränkisches Gedicht, das selbst verloren ist, woraus aber drei Bearbeitungen hervorgegangen sind: 1. ein nxnld. Gedicht (XIII. Jh.); 2. ein md. Gedicht (XIII. bis X I V . Jh.); hierauf beruht eine etwas kürzere mnd. Dichtung (XIV. Jh.); 3. das Volksbuch (XV. Jh.); es ist eine Prosaauflösung des alten Gedichtes, dessen Reime noch bisweilen erkennbar sind. Der Inhalt ist die bunteste Mischung natürlicher und übernatürlicher Wunder: Seeschlange; Drache; Meerweib; Insel, die nur der Rücken eines großen Fisches ist; ein Felsenkloster, dessen Mönche durch eine Taube gespeist werden; Gregorius auf dem Stein; Judas in und außerhalb der Hölle; Seelen der Unbarmherzigen durch Durst, die der Ungerechten durch Feuer gepeinigt; gute, böse und neutrale Engel. Auffällig ist die in der dt. Bearbeitung ganz possenhafte Figur des Mönches, der einen Zaum stiehlt. Der Abschluß entspricht dem Anfang: auf einem Blatte kommt ein Däumling, der mit einem Näpfchen das Meer zu messen versucht und auf Befragen dieses Verfahren für ebenso verständig erklärt als die Unternehmung Brandans, die Wunder selbst sehen zu wollen — worauf dieser die Rückfahrt anzutreten beschließt.

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5. Unter den deutschen Brandandichtungen gibt es kein Kunstwerk, aber der kuriose, unterhaltende Stoff hat der I,egende langes Leben und große Beliebtheit gesichert. Für die lateinischen Texte ist am wichtigsten die Ausgabe von C. P l u m m e r Vitae Sanctorum Hiberniae 1910I S.98ff.,XI,IIff.II S.27off. Über das Irische vgl. H. Zimmer ZfdA. 33 S. I29ff., 257ff.; K u n o Meyer and A. N u t t The Voyage of Bran 1895—97; C. P l u m m e r Lives of Irish Saints 1922 (§ 18 ff. der Einleitung über Brendan). Die dt. Bearbeitungen sind herausgegeben von C. S c h r ö d e r Sanct Brandan 1871, die nid, am besten von E. B o n e b a k k e r Van Sente Brandane 1894; zur mnd. vgl. auch B r u n o C l a u s e n Van Santa Brandanus, ein Lübecker Druck von Joh. Snell, Nord. tids. för bokväsen 1 S. 33 ff. Eingehend behandelt werden die dt. Bearbeitungen von W. M e y e r Die Überlieferung der deutschen Brandanlegende I. Diss. Göttingen 1918. Vgl. noch E h r i s m a n n II, 1, § 53-

L. L,. Hammerich. Brandenburg, s. O t t o IV. v. B. Brandenstein, s. W i l h e l m v. B. Brandenturn, s. J o h a n n e s v. B. Brant, Sebastian. 1. Grundlegend für eine Kenntnis Brants ist die Ausgabe seiner Werke durch F. Z a r n c k e : 'Sebastian Brants Narrenschiff'; sie enthält neben Biographie und Bibliographie und dem 'Narrenschiff' fast alle kleineren Arbeiten bis auf einige Flugblätter und lateinische Gedichte. Ferner können wir die frühere Ausgabe des 'Narrenschiffs' von A. W. S t r o b e l heranziehen: 'Das Narrenschiff von Dr. Sebastian Brant' (1839); hier finden sich ausführlichere historische Angaben, während Zarncke eingehender geistesgeschichtlich und kritisch arbeitet. Für Brants juristische Bedeutung sind wesentlich: B. S t i n t z i n g Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft I, 1880, S. 93—95 und ders. Geschichte der populären Literatur des römisch-kanonischen Rechts in Deutschland 1867. An weiteren Ausgaben finden wir -.Sebastian Brant, Das Narrenschiff, Faksimile der Erstausgabe von 1494 mit einem Anhang, enthaltend die Holzschnitte der folgenden Originalausgaben und solche der Locherschen Übersetzung, mit einem Nachwort von F r a n z S c h u l t z 1913, unter besonderer Berücksichtigung der kunsthistorischen Fragen; ferner die Zusammenstellung der Einzeldrucke Flugblätter des Sebastian Brant, hrsg. v. P a u l H e i t z , mit einem Nachwort von F. S c h u l t z 1915. Eine umfassende Übersicht von Brants Wirken gibt G o e d e k e I S. 381—92. An neueren Darstellungen finden wir Brant gezeichnet bei W. S t a m m l e r Von der Mystik zum Barock S. 191—97; dort auch die Angabe von Einzeluntersuchungen (S. 484—85). Eine ausführliche Arbeit fehlt noch. Auf B.s jour-

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Braut, Sebastian

nalistische Bedeutung weist hin: K a r l S c h o t t e n l o h e r Flugblatt und Zeitung 1922, S. 56—58.

2. Über den Verlauf von Sebastian Brants lieben haben wir genaue Kenntnis. Er wurde 1485 zu Straßburg geboren als ältestes Kind von Diebolt Brant, dem Wirt zum goldenen Löwen, und seiner Gattin Barbara Picker. Die Erziehung leitet zunächst die Mutter, später erhält der junge Sebastian Privatunterricht, da das öffentliche Schulwesen Straßburgs derzeit noch unausgebildet ist. Früh knüpfen sich freundschaftliche Beziehungen zu dem Schlettstädter Humanistenkreise um Jakob Wimpheling und Peter Schott. 1475 bezieht B. die Universität Basel, die trotz ihrer Jugend (gegr. 1459 nach dem Vorbild von Bologna) ein Mittelpunkt süddeutschen Geisteslebens ist. Kurz vor B.s Eintreffen, im Jahr 1473, wird Basel von einer der lebhaftesten geistigen Bewegungen des ausgehenden Mittelalters ergriffen. Auf den hohen Schulen des Reichs wie der übrigen Staaten hatten sich zwei Parteien gebildet, die der Nominalisten unter Führung der Franziskaner (einer ihrer Hauptvertreter war Wilhelm von Ockham um 1350), die der älteren Richtung der Realisten unter Führung der Dominikaner entgegenstrebt. Die nominalistische Einstellung wendet sich gegen den päpstlichen Absolutismus und tritt für strenge sittliche Erneuerung der Kirche ein, jedoch völlig auf dem Boden der kirchlichen Lehre und im Gegensatz zu revolutionären Bewegungen wie der Hussischen. Nationalgesinnte Kreise sind dem Nominalismus zugewendet; ein Ausdruck nominalistischen Geistes sind die Reformkonzilien (Konstanz 1414—18 und Basel 1431—49). Seltsamerweise erkennen Kaiser und Fürsten den nationalen Wert des Nominalismus nicht, sondern beharren in den alten Formen und befördern so selbst den Zerfall des Reiches. Auf den Universitäten wird diktatorisch der Realismus durchgeführt. Gerade dadurch fühlen sich die Vertreter des älteren Realismus abgestoßen und wenden sich einem gemäßigten Nominalismus zu. Einer der bedeutendsten von ihnen, Johannes Heynlin (s. d.), verläßt mit seinen Anhängern seine Univer-

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sität Paris zum Protest und begibt sich nach Basel. Durch dies Ereignis wird der jungen Universität ihr besonderer Stempel aufgedrückt. Der Kreis, dem B. angehört, sammelt sich bald um Johannes Heynlin, der mit ihm in enge freundschaftliche Beziehungen tritt. Doch die freie Kampfstimmung des Führers ist einer gewissen Resignation gewichen. Die großen kirchlich-politischen Ideen verdrängen sich ins Kleinlich-lehrhafte. Ängstlich beruft man sich auf die älteren Lehrer; die Antike erfährt eine pedantisch enge Auffassimg. Als Jakob Locher Philomusus sich zu freierer Betrachtung der Antike aufrafft, wird er aus dem Kreise gestoßen; Geiler von Kaisersberg (s. d.) und Wimpheling verfolgen ihn mit ihrer Polemik, und auch B. sagt sich von dem ehemals so geschätzten Schüler und Mitarbeiter los. So beginnt eine starke Bewegung zu vertrocknen, während Locher die Linie weist, die in den 'Dunkelmänner— briefen' ihren Höhepunkt erreichen wird. Obgleich B.s persönliche Neigung ihn zu humanistischen Studien drängt, wird er durch wirtschaftliche Beschränkung gezwungen, zum Broterwerb juristische Studien zu treiben. 1477 wird er Baccalaureus; seine freie Meinungsäußerung zieht ihm den Unwillen enggeistiger Kreise zu; in jene Zeit fällt der gehässige Angriff auf ihn, dessen unbekannten Verfasser, der sich hinter den Buchstaben N N N verbirgt, Brants Humor als Narr Narr Narr identifiziert. 1484 erwirbt er den Lizentiaten, 1489 den Doktor beider Rechte. Seit Anfang der achtziger Jahre bereits wirkt B. als Dozent des römischen und kanonischen Rechts. Eine Nebenbeschäftigung, die seinen Neigungen entschieden mehr entgegenkommt, findet er in der Tätigkeit als Herausgeber und Korrektor bei verschiedenen Basler Verlagen. Obgleich viele dieser Arbeiten noch ohne seinen Namen erschienen sind, darf man sie auf Grund stilistischer Vergleiche ihm als sicher zuschreiben. In der Hauptsache handelt es sich um juristische und kirchenjuristische Veröffentlichungen, doch findet sich auch unter anderm eine PetrarcaAusgabe, jedoch noch keine antiken

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Brant, Sebastian

Schriftsteller. B. versieht die von ihm herausgegebenen Werke mit Einführungen, sowohl poetischen wie prosaischen, ebenso verfaßt er Dedikationen, Gelegenheitsgedichte aller Art. Die Blütezeit seines schriftstellerischen Wirkens liegt in den neunziger Jahren. Vom lateinischen Gedicht ausgehend, wendet er sich bald der deutschen Dichtung und Übersetzung ins Deutsche zu, je stärker seine Tendenz wird, als Lehrer und Führer zu seinem Volk zu sprechen. Mit der Übersiedlung nach Straßburg nimmt die schriftstellerische Tätigkeit Brants ab. Dieser Wechsel des Wohnsitzes hat seine innere Ursache in den schweizer Wirren, die 1499 Basels Anschluß an die Eidgenossenschaft und Lösung vom Reich im Gefolge haben. Gerade für einen Mann mit so lebhafter Anhänglichkeit an den Kaiser wie B. — seine Gedichte und Flugblätter werden uns das noch deutlich zeigen — war nun ein Bleiben in Basel unmöglich geworden. Durch Fürsprache seines Freundes Geiler von Kafsersberg, der am Straßburger Münster wirkt, wird er 1500 als städtischer Rechtsbeistand in seine alte Heimatstadt berufen. 1503 ernennt man ihn dann zum Stadtschreiber oder, wie er sich lieber nennt, „Erzkanzler". Weitere Würden sind ihm zugedacht: Maximilian I. (s. d.) macht den getreuen Parteigänger zum kaiserlichen Rat und später, trotz einer kurzen Differenz mit der Stadt Basel, zum comes falatinus. Gleichfalls wird ihm der kurmainzische Ratstitel zuteil. Innerhalb der städtischen Verwaltung betätigt B. sich gelegentlich. Er begründet ein Armenpflegewesen, er setzt beim Kaiser Befreiung von neuen Steuerlasten durch. Entscheidend wirkt sein Eingreifen auch, als Thomas Murners 'Gäuchmatt' beschlagnahmt wird; der Verfasser erhält sein Manuskript zurück, doch bleibt das Verbot bestehen; zwei Jahre danach läßt Murner das Werk in Basel erscheinen. Nach dem Tode Kaiser Maximilians führt B. eine Huldigungsabordnung zu dem neuen Kaiser Karl V. an und läßt sich die Straßburger Privilegien bestätigen. Im Jahr darauf, am 10. Mai 1521, stirbt er dann selbst. Seine Gattin, Elisabeth

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Burg, die er bereits in Basel geheiratet hatte, und mehrere Kinder bleiben zurück; ein Sohn, Onofrius, setzt die juristische Tradition des Vaters fort und versucht sich auch in Dichtungen. 3. Wir haben gesehen, wie Brants literarische Tätigkeit sich zunächst auf Bearbeitung und Herausgabe fremder Werke richtet. Erst um das Jahr 1490 können wir von selbständiger Verfasserarbeit reden. Ihrem Inhalt nach zerfallen seine Schriften in vier Gruppen: a) juristische, b) religiöse, c) politisch-historische, d) moralische. In dieser Reihenfolge wollen wir sie behandeln, indem wir mit den weniger bedeutenden anfangen, die allmählich zu Brants spezifischer Wirksamkeit führen. a) Als erste eigene Arbeit Brants tritt uns 1490 eine Schrift entgegen, die Ergebnis und Zusammenfassung seiner Vorlesungen über Dekretalen und Corpus juris ist: 'Expositiones sive declarationes omniurn titulorum iuris tarn civilis quam canonici'. In späteren Ausgaben fügt B. noch eine italienische Anweisung zum juristischen Studium, ebenfalls in lateinischer Sprache, hinzu. Es folgen einige weitere Veröffentlichungen auf dem Gebiete des kanonischen Rechts. Wichtiger für uns sind die Ausgaben von zwei deutschen Rechtsbüchern, die B. veranstaltet. Es handelt sich dabei aber keineswegs um eigentlich deutsche Rechtsquellen, sondern um volkstümliche Sammlungen aus dem römischen Recht. Im Jahre 1509 bringt er eine von ihm bearbeitete und mit einer einführenden deutschen Vorrede versehene Fassung des sogenannten 'Laienspiegels' heraus. Verfasser des Buches ist U l r i c h T e n g l e r (s. d.), den wir von 1479—83 als Stadtschreiber in Nördlingen nachweisen können ; später findet er sich als Vogt in Höchstett, wo er 1510 oder 1511 stirbt. Durch Beziehungen nach Ingolstadt wird Tengler mit Jakob Locher bekannt, der ihn an seinen Freund B. empfiehlt. Locher hat das Werk auch mit einer weiteren, aber lateinischen Vorrede versehen. Teng-

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Brant, Sebastian

lers Absicht ist in erster Linie Aufklärung und Unterricht der Laien; so erklärt sich auch das Interesse, das der lehrhaft gerichtete B. an dem Buch nimmt. 1516 läßt B. eine weitere juristische Veröffentlichung folgen, der er als Seitenstück zum 'Laienspiegel'- den Namen 'Der richterliche Klagspiegel' gibt. Den Verfasser des 1470 ungefähr erschienen Buches kennen wir nicht; man vermutet in ihm einen geistlich gebildeten Stadtschreiber zu Schwäbisch-Hall, der um 1440 gelebt haben muß. Das Buch besteht aus einem zivilrechtlichen und einem strafrechtlichen Teil. B. erweitert es um zwei poetische Vorreden. b) Die zweite Gruppe von Brants Dichtungen umfaßt die r e l i g i ö s e n Stoffe. Auch hier herrscht die didaktische Absicht vor; ein tieferer persönlicher Erlebniswert fehlt. Einzig in der Marien-Verehrung finden sich wärmere Töne. An mancher Stelle klingt hier Brants scharfe Parteinahme im Makulistenstreit für die Jungfräulichkeit Mariae auf. Die meisten dieser Gedichte sind lateinisch; als Flugblatt erhalten ist uns eine Zusammenstellung von Einsiedlerleben, 'In divi Onophrii laudem'; diesem Heiligen ist B. besonders zugetan, nennt er doch auch seinen Sohn nach ihm; ferner 'Hymnus de sancto Ivone , der den Anwalt der Armen, den Juristen Ivo, zum Helden hat. Verdeutschungen besitzen wir von den Sequenzen 'Verbum bonum' und 'Ave praeclara', die dem Urtext streng angeschlossen sind, was sich durch die Melodie von selbst ergab. c) Weit zahlreicher sind die Gedichte, in denen B. p o l i t i s c h e und his t o r i s c h e Stoffe behandelt. Die meisten von ihnen, soweit sie lateinisch sind, enthalten die 'Varia carmina'. die deutschen und einzelne lateinische sind in Einblattdrucken erschienen. Hier vermag B. am besten als Volksführer und -erzieher zu wirken. Er wendet sich für gewöhnlich an den Kaiser Maximilian unmittelbar. Straffere Verfassung des Reiches, Wiederaufrichtung der Weltherrschaftsidee eines deutschen Kaisers, Kampf gegen die Franzosen in Italien, Belebung des Kreuzzugs-

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gedankens durch die Türkenangriffe, das sind Brants Hauptthemen. Er erkennt, wie im Gegensatz zu den andern Staaten Unklarheit und Zerfall Deutschland bedrohen. Er begrüßt das Bündnis mit dem Papst, er ruft zum gemeinsamen Türkenkrieg der europäischen Fürsten auf. Bisweilen schließt B. seine Ermahnungen an irgendwelche auffälligen Naturereignisse an. Der Fall eines Meteors, sonderbare Mißgeburten, Überschwemmung und Seuche, ungewöhnliche Stellung der Gestirne geben ihm Ursache zur Ausdeutung. So entsteht eine Fülle von Blättern: 1492 'Der Donnerstein von Ensisheim'; — 1 4 9 3 'Die Schlacht bei Salyn'; — 1495 'Congratulatio confoederationis Alexandri Papae VI. et Maximiiianis'; 'Das Kind von Worms'; 'De inundatione Tybridis'; — 1496 'Die wunderbare Sau zu Landser'; 'Die zwiefältige Gans und Sau zu Gugenheim'; 'De pestilentiali scorra'; — 1499' Pacis in Germanicum Martern nenia'; — 1502 'Von der Vereinigung der Könige und Anschlag an die Türken'; —1504 'Wunderliche Zusammenfügung der obersten Planeten'. Mehrfach erscheint gleichzeitig eine deutsche und eine lateinische Fassimg des gleichen Textes. Von besonderem Interesse ist die 1497 erschienene 'Fuchshatz' (lat. als 'Alopehiomachia'); ihre Verwandtschaft mit dem 'Narrenschiff' ist auffallend. Wie dort besteht engste Beziehung zwischen Wort und Illustration. („Bilderbogen mit erklärenden Versen" nennt Schultz diese Art von Blättern). Die „Füchse", vor denen Brant den Kaiser warnt, sind Verkörperungen von List, Tücke und Widerwärtigkeit, ähnlich wie die Narren für die menschliche Schwächen; Spruchbänder stellen sie dem Leser vor. Der Holzschnitt beginnt ein dem Text gleichwertiger Faktor zu werden. Eine Reihe weiterer, sowohl lateinischer wie deutscher, Gedichte wendet sich an Zeitgenossen oder bringt Betrachtungen allgemeiner Art. Interessant ist eine kleine Würdigimg der Roswitha (Hrothswith; s. d.), deren Bedeutung B. über die der gleichzeitigen Sachsenkaiser stellt. Von historischen Prosaarbeiten verdient eine Geschichte Jerusalems Erwähnung, die

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Brant, Sebastian

auch zur Wiedererweckung des Kreuzzugsgedankens dienen soll. d) Den Höhepunkt von B.s gesamtem Wirken bilden seine moralisch-lehrhaften Schriften, und unter ihnen ist es das ' N a r r e n s c h i f f ' , das ihn zum gefeiertsten Dichter seiner Zeit gemacht hat. Das Werk bildet eine Zusammenfassung in ganz großem Stil von all den volksbelehrenden Absichten, die B. schon in seinen Einzeldichtungen und Flugblättern verfolgte. Der Charakter einzelner Kapitel erinnert so stark an die Flugblätter, daß zeitweise, sogar bei Zarncke, die Meinung aufkommen konnte, wir hätten es im 'Narrenschiff' mit einer Zusammenfügung ehedem selbständiger Stücke zu tun. Doch das ist nicht der Fall. Als ein Ganzes entstand die Dichtung, freilich nicht immer unter Wahrung der Einheitlichkeit. Es darf uns nicht wundern, in wie großer Zahl frühere Autoren und bekannte Werke vom Dichter herangezogen sind; der mittelalterlichen Einstellung war das nur natürlich. Der Dichter empfindet es als notwendig und mit Stolz, seine Kenntnis der älteren Literatur anzubringen und sich bei seinen Aussprüchen auf Vorgänger zu berufen. Bei B. stehen antike Schriftsteller, besonders die Kommentatoren Vergils, im Vordergrund; daneben benutzt er die Bibel, vornehmlich das Alte Testament, und aus ihm in erster Linie die Sprüche Salomos. Aus Übersetzungen dieser Vorbilder reiht er ganze Kapitel aneinander; dadurch ist auch der sentenzenhafte, tm zusammenhängende Charakter vieler Stellen erklärlich. Vielfach verwendet B. Stücke, die er bereits früher einzeln übersetzt hatte. Ebenfalls in der Wahl des Stoffes, in den er seine Gedanken einkleidet, ist B. kein selbständiger Erfinder. Den Narren, den Bibel und Antike bereits als Begriff kennen, hat das Mittelalter sowohl in dichterische wie in bildliche Darstellung übernommen. Doch wird die Auffassimg der Narrengestalt jetzt vertieft: der Narr ist nicht mehr nur lächerlich, sondern zu tadeln und zu bemitleiden. Sein Verhalten ist moralische Unzulänglichkeit, er beharrt trotz geistlicher und moralischer Warnung im Fehler

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und läßt sich treiben — freiwillig schließt sich jeder Narr der lustigen Reise an, ohne ihr trauriges Ziel zu erkennen. So erlangt der Narr geradezu eine Tragik, freilich mehr für den modernen Leser; der damalige Mensch sieht in erster Linie das moralisch belehrende Moment. So erfaßt auch B. den Narren; mit der Strenge seiner Beurteilung richtet er sich gegen die Gebrechen seiner Umwelt, die ihm in der Narrengestalt verkörpert erscheinen. Oft sind es •— neben wirklichen Fehlern — die unwesentlichsten und geringsten Schwächen, die er bloßstellt: Eitelkeit, Maßlosigkeit, Kirchensünden, lockeres Leben, Unredlichkeit aller Art, törichte Pläne und Ideen sind es, die sein Spott erfaßt. Besserimg und Erziehung seines Volkes, Rückkehr zur Autorität von Kaiser und Kirche sind sein Ziel. Das Bild des Schiffes oder der Flotte — beides erscheint •—, unter dem B. sein gesamtes Narrenvölkchen zusammenfaßt, wird zwar in der Vorrede begonnen, doch in der ersten Hälfte des Werkes nicht konsequent durchgeführt. Deutlich bilden sich so zwei Teile heraus; offenbar hat der Dichter eine anfängliche Fassung erweitert. Erst gegen Schluß wird das Bild des Schiffes wieder in denVordergrund gestellt. Ziel undSchicksal der Fahrt werden auch mehr angedeutet als dargestellt, doch weist alles auf ein Mißglücken hin. Neu ist auch diese Schiffssymbolik keineswegs; wir kennen sowohl Heiligenschiffe als auch bereits eine Art von Narrenschiffen. Hugo von St. Viktor (s. d.) führt das Motiv in die religiöse Literatur ein; ähnlich finden wir es beim Teichner (s. d.) und bei einem mittelniederländischen Dichter, zuletzt in einer akademischen Scherzrede 'Das Leichtschiff'; vielleicht hat Brant selbst einiges davon gekannt. Wesentlich für Entstehen und Herauskommen des 'Narrenschiffes' ist Brants Freundschaft mit Johannes Bergmann von Olpe, dem Baseler Kleriker und späteren Archidiakon in Granfelden. Dieser Mann, der seine humanistischen Kenntnisse und Interessen sowie seinen Reichtum den literarischen Bestrebungen seiner Zeit zuwandte, hatte in Basel eine Drucke-

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Brant, Sebastiani

rei begründet. Doch ist seine Absicht nicht in erster Linie der Gelderwerb, er widmet sich vielmehr den Büchern, die ihn persönlich interessieren; die meisten Arbeiten aus dem Brantschen Kreise erscheinen bei ihm. Alle Bergmannschen Druckerzeugnisse fallen durch ihre besonders schöne Ausführung auf; die Typen sind klar und deutlich (charakteristisch ist die Mischung deutscher und lateinischer Buchstaben), das Papier gut, die ganze Anlage großzügig, und von seltener Schönheit sind die Holzschnitte. Gerade für B. spielt die Illustration eine große Rolle; je mehr si^ eindringlich ist und ins Einzelne geht, um so besser vermag sie seine belehrende Absicht zu unterstützen. Wir finden sogar eine späte Ausgabe, die diese Illustrationen ohne den T e x t , nur mit erklärenden Überschriften, bringt. Bis in die kleinste Einzelheit ist eine Übereinstimmung der bildlichen und der textlichen Darstellung zu bemerken. Daraus hat man geschlossen, die Holzschnitte stammten von B.s eigener Hand. Die künstlerisch vollendete Durchführungläßt das als unwahrscheinlich annehmen; der Verfasser wird wohl dem Zeichner genaueste Angaben gemacht, vielleicht selbst Skizzen angefertigt haben. Eigentümlich ist die Übereinstimmung der Illustrationen des 'Narrenschiffs' mit denen des 'Ritter vom T h u m ' (s. M a r q u a r t v. S t e i n ) ; dies Buch kommt 1493 heraus, in MichaelFurters Druckerei, aber wohl auch auf Bergmanns Veranlassung. Der Künstler ist wohl der gleiche; ich vermute, daß er damals, ein Jahr vor Erscheinen des 'Narrenschiffes', bereits die Illustrationen für B. in Arbeit hat und sie hier, wo es ihm passend vorkommt, einsetzt. Die ebenfalls geäußerte Annahme, Dürer sei der Urheber, ist nicht haltbar. War auch das Narrenmotiv nicht neu, so hat es doch erst durch B. seine unerhörte Volkstümlichkeit erlangt. Eine Fülle von Neuauflagen, Nach- und Raubdrucken, Bearbeitungen und Übersetzungen zeugt davon. Zwischen 1494, dem Jahr des ersten Erscheinens, und 1509 erlebt das 'Narrenschiff' fünf Originalausgaben in Basel; seit 1512 finden wir es in Straß-

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burg. Nebenher gehen Nachdrucke und eine Bearbeitung, noch im Erscheinungsjahr; von der Bearbeitung weitere Nachdrucke. Ein auszugsweises Plagiat eines Hans Hörburger, das 1531 bei Steiner in Augsburg erscheint, wird Grundlage von Jakob Cammerlanders 'Kleinem Narrenschiff' 1540. 'Der Narren Spiegel' von 1545 stellt eine Mischung der Originalausgabe mit der gleichzeitigen Bearbeitung dar. Als aufkommende blühende Buchdruckerstadt bemächtigt sich seit der Mitte des 16. Jahrhunderts Frankfurt des 'Narrenschiffes'. 1553 gibt Hermann Gülfferich eine protestantisch bearbeitete Fassung heraus; auch hier Nachdrucke. Eine Zusammenstellung mit den entsprechenden Geilerschen Predigten in deutscher Übersetzung läßt Nikolaus Höniger 1574 erscheinen. Bis 1629 lassen sich noch •— meist sehr veränderte — Drucke des 'Narrenschiffes' verfolgen, für die ich im einzelnen auf Zarncke S. X L I V f f . verweise. Von Übersetzungen sind zunächst die lateinischen zu erwähnen. B. selbst hat den Plan zur Übersetzimg ins Lateinische gefaßt, doch überträgt er die Arbeit später seinem Schüler Jakob Locher Philomusus. Er überwacht das Ganze und fügt Anmerkungen hinzu. 1497 tritt das Werk als 'Stultifera navis' heraus. Vorteilhaft weicht der straffer durchgeführte Aufbau vom Original ab; konsequenter bleibt Locher im Bilde des Schiffes. Dagegen treten Humor und Satire zurück und lassen der Morallehre den Platz. Diese Übersetzung wird grundlegend für die Übertragungen in andere fremde Sprachen. — Eine zweite lateinische Fassimg von Jodocus Badus erscheint 1505; ferner besitzen wir drei französische, zwei englische und eine niederländische Übersetzung. Von besonderem Interesse ist die Übertragung ins Niederdeutsche, die das 'Narrenschiff' 1519 erfährt. Sie stammt von einem Lübecker Bürger, Hans van Getelen (s. d.), und lehnt sich an das Original nur an. Die Behandlung ist durchaus frei und persönlich; manches ist weggelassen, eigene Betrachtungen erweitern es. Die Zeitgenossen priesen inBrants Werk den vollendeten Ausdruck des herrschen-

28 7

Brant, Sebastian

den Geistes. Kein Wunder ist es, wenn sich darauf eine ganze Literaturgattung gründet. Bis ins 17., ja fast kann man sagen, ins 18. Jahrhundert, können wir eine Narrenliteratur verfolgen, die ihren Höhepunkt im Fastnachtspiel findet. Besonders stark ist Hans Sachs beeinflußt; seine moralische Einstellung hat viel Ähnlichkeit mit der Brants; formal übernimmt er den Dreireim, den B. bei der zusammenfassenden Überschrift der einzelnen Kapitel anwendet. — Der von B. geschaffene Heilige Grobianus wird zum Helden des Dedekindschen 'Grobianus' 1549, an den wiederum der ganze sogenannte „Grobianismus" anknüpft. — Vielfach werden Stellen aus dem 'Narrenschiff' bei Zeitgenossen zitiert gefunden. So bekannt ist das Werk, daß 1498 Geiler von Kaisersberg es wagen kann, seinen Predigten im Straßburger Münster die einzelnen Abschnitte zugrunde zu legen. Dadurch erhöht sich die Volkstümlichkeit natürlich noch mehr. Als Gegenstück verfaßt Geiler dann das 'Schiff' der Buße', das den Sünder dem Himmelreich zurückgewinnen soll. Die kleineren Arbeiten moralisch-lehrhaften Charakters, die wir noch von B. besitzen, erscheinen uns wie Ausführungen einzelner Gedanken, die er schon im 'Narrenschiff' behandelt. Meist übersetzt er alte, bekannte Morallehren. So entsteht eine Übersetzung der Sittensprüche, die dem C a t o zugeschrieben werden, und die das ganze Mittelalter seit dem Althochdeutschen (Notker; s. d.) schätzt. Dem 'Cato' (s. d.) nahe verwandt ist der sogenannte 'F a c e t u s' (s.d.), der auch eine Neubearbeitung durch B. erfährt. Das Büchlein, das 1496 erscheint, ist oft ziemlich ungewandt abgefaßt, dagegen überraschen bisweilen scharfgeprägte Sentenzen, wie sie der Dichter auch im 'Narrenschiff' mit Vorliebe pflegt. Als Fortsetzung hierzu, die er seinem Sohn widmet, gilt der ' M o r e t u s ' , der das Verhalten der einzelnen Berufe schildert. — E i n e der beliebten Tischzuchten liefert B. in der ' T h e s m o p h a g i a'. — 1508 gibt er eine Erneuerung der 'Bescheidenheit' F r e i d a n k s (s. d.) heraus. Er verändert das Original

288

stark, erweitert es durch Belegstellen aus der Bibel und antiken Schriftstellern und sucht unverständliche Stellen (es muß ihm eine recht fehlerhafte Hs. vorgelegen haben) zu erklären, oft im graden Gegensatz zum Urtext. — Auch in einer Sammlung epigrammatischer Gedichte ist die moralische Tendenz gewahrt. Einen Teil dieser Epigramme treffen wir hernach im 'Narrenschiff' an. — Moralisch ausgedeutet werden in der ' F r e i h e i t s t a f e l ' die Wandbilder in der Stube des Dreizehner-Rats zu Straßburg. — Ein allegorisches Drama B.s soll 1513 aufgeführt sein; Näheres davon fehlt uns; der moralisierende Stoff 'Herkules am Scheidewege' könnte ihm wohl gelegen haben. 4. Überblicken wir noch einmal im Zusammenhang, was B. für sein Volk und seine Zeit gewesen ist, so müssen wir in erster Linie betonen, daß wir es bei ihm nicht im Geringsten mit einem Neuerer zu tun haben. Alte Ideale sind es, die er wieder beleben will: Kaisertum und Kirche als große Mächte, dafür tritt er in seinen politischen Gedichten ein, die ganz persönlich sich an den Kaiser wenden. Wie wir sahen, hatte Maximilian auch volle Sympathie und volles Verständnis für diese Bestrebungen. Die Einstellung Bs. ist stark national; gegen die deutsche Fremdtümelei richtet sich scharf ein Kapitel des 'Narrenschiffes'. Im Übrigen steht der Dichter aber überzeugt auf dem Boden der katholischen Kirche. Die Ansicht, die ihn zu einem Vorläufer der Reformation machen will, ist vollkommen irrig. Man kann B. nicht einmal unbedingt zu den Humanisten zählen. Nur das, was im weiteren Verlauf des Humanismus sich als rationalistisch-lehrhafte Linie auswirkt,trifft für ihn zu. Die künstlerische und die kämpferische Seite treten dagegen stark zurück. B. ist viel weniger, trotz der bevorzugten poetischen Form, Dichter als Prediger, Richter, Lehrer. Gerade sein juristischer Beruf war ihm wohl nicht so ausschließlich wirtschaftlicher Zwang als auch wirkliche innere Berufung. Mit der Absicht zu lehren verbindet B. den Instinkt, die Masse wirklich für seine

Der von Brauneck

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Gedanken zu gewinnen. In den Flugblättern versteht er als ein geschickter Journalist, Sensationen, die das Volk anziehen, für seine Zwecke auszudeuten. So wenig B. also bahnbrechend wirkt, steht er doch als ein Abschluß und eine letzte große Zusammenfassung am Ende des Mittelalters, allen moralischen und politischen Ideen der vergangenen Jahrhunderte noch einmal Gestalt gebend. Er neben dem Kaiser Maximilian: mittelalterliches Rittertum neben mittelalterlichem Bürgertum. Ruth Westermann. Der von Brauneck. Hugo von Trimberg (s. d.) in seinem 'Renner' (ii79ff.) erwähnt unter andern hohen dihtern des vergangenen 13. Jhs. auch einen von Brünecke, offenbar als lyrischen Dichter. Docen hat schon bemerkt, daß auch Friedrich vonSunnenburg (s.d.) sich in einer Strophe zum Lob Rudolfs von Habsburg (seiner Krönung zu Ehren 1274; HMS. III, 73 b Str. 29, wo der Brünecker als Augenzeuge eines Wunders fungiert) auf 'den' Brünecker ausdrücklich beruft; ja er glaubte, ihn auch in eine Strophe Rumslands (s.d.) (HMS. III, 55a Str.12), der ebenfalls das Lob eines Fürsten von Brünes munde gehört hat, als Brünecke hineinkonjizieren zu können, was aber v. d. Hagen (Minnesinger IV, 676®) inzwischen durch Nachweisung eines Wortspiels an dieser Stelle ganz und gar widerlegt hat. Zu dem von Docen beigezogenen Geschlecht von Bruneck in Franken brachte v. d. Hagen noch zwei andere hinzu: erstens für den von Sunnenburg erwähnten Brünecker im Aargau, bei Mellingen, „dem nahen Habsburg zugewandt", eine B u r g B . mit danach benanntem Geschlecht; ein drittes tirolisches Bruneck im Pustertal an der Rienz, erbaut von Bischof Bruno von Brixen, glaubte er ausschließen zu können, weil dies erst im Interregnum vor Rudolf urkundlich erscheine. Kummer dagegen, der die erste urkundliche Erwähnung dieses B.s auf 1256 nachweist, entscheidet sich, wenigstens was die Unterbringung des von Sunnenburg genannten Gewährsmannes betrifft, für dies, da die schlechthinnige Anführung „des" Bruneckers 1°

Stammler, Verfasser-Lexikon.

290

bei Sunnenburg, dem Fahrenden aus der Brixener Gegend, auf einen Streitmann des Brixener Bischofs, den dieser auf seine Burg B. gesetzt habe, verweise. — Dieser und der D i c h t e r „von B . " wurden von Docen ganz selbstverständlich miteinander identifiziert, da die Zitation bei Sunnenburg auf einen vornehmen Dichter hinführe, v. d. Hagen blieb skeptisch dagegen, desgleichen Kummer. — Für ein Mitglied des f r ä n k i s c h e n G e s c h l e c h t s wird der Dichter von Haupt und Burdach gehalten. Dieses Geschlecht beginnt, als Seitenzweig des H o h e n l o h i s c h e n (benannt in den urk. Nachweisen, die v. d. Hagen beizieht, schlechtweg nach B., bei Rothenburg), mit K o n r a d (urk. bei v. d. Hagen 1245, und zwar ausdrücklich als Bruder Gottfrieds von Hohenlohe [s. d.], der als Kandidat für den Ruhm des Artusromandichters, den Rudolf von Ems [s. d.] unter eben diesem Namen zu vergeben hat, sehr in Betracht kommt). In der Tat wurde dieser Konrad für den Dichter gehalten: von Kummer, soweit er Franken überhaupt in Betracht zog, bestimmter später von Burdach, der darauf hinwies, daß dann Konrad durch die Person seines Bruders verbunden sei mit Konrad von Winterstetten (s. d.) und seiner konservativ hochhöfischen Sphäre. Aus den Jahren 1264—74 gibt v. d. Hagen mehrere Belege für einen (von ihm für Konrads Sohn gehaltenen) G o t t f r i e d von B. — Für F r a n k e n als Heimat des D i c h t e r s muß auch dieTatsache sprechen,daß geradeTrimberg, als einziger, eine Erinnerung an des ''Bruneckers" poetische Ader noch kennt. H u g o v o n T r i m b e r g Renner, hg. v. G. E h r i s m a n n I (1908). HMS. IV, 873a (Abdruck der Rennerstelle). — J. C. A d e l u n g Mag. f. d. deutsche Sprache II, 2 (1783) S. 39. Danach K o c h Grdr. einer deutsch. Lit.-Gesch. I (1795) S. 124 (Gedicht auf den v. B., erzählend, bloß bekannt nach den Anführungen im 'Renner', in Agrícolas Sprichwörtern und in Spangenbergs 'Hennebergischer Chronik'). D o c e n Mus. f. altd. Lit. I (1809) S. I 4 i f . HMS. IV, 655^ (urk. Belege). W i n s b e c k e hg. v. M. H a u p t 1845, S. X I . K . F. K u m m e r Die poetischen Erzählungen des Herrand v. Wildonie 1880, 2ig28 S. 201. K . B u r d a c h Reinmar der Alte S. 391, 405 r = A D B . 23 (1886) S. 401; A D B . 31 (1890) S. 68ff.].

Halbach.

291

Braunschweig — "Bruder Rausch'

Braunschweig, s. H e i n r i c h u. L u d e r . v. B. 'Braunschweigische Reimchronik', s. ' R e i m c h r o n i k , Braunschweigische'. Breidenbach, s. B e r n h a r d v. B. Breining, s. P r e i n i n g . Breisach, s. W a l t h e r v. B. Breischuch, s. P r i s c h u c h . Breitenbach, s. B e r n h a r d v. B. 'Brendan', s. ' B r a n d a n ' . Brening, s. P r e i n i n g . Brennenberg, s. R e i n m a r v. B. Brenning, s. P r e i n i n g . Brenz (Brentius), Hugo. Ein unbekannter Arzt aus dem Inntal (?) hat ein kleines 'Puch, saget von dem siechtagen epidimie oder pestilenz das ist ze teusch der gemeine sterb an den trüsen oder platern' verfaßt, das beachtliche Kenntnisse verrät. E s ist im Cod. lat. 4395 der Münchner Staatsbibl. überliefert auf Blatt 185—190 und im Arch. f. Gesch. d. Med. Bd. 8 S. 206—218 veröffentlichte. Das Schlußwort besagt, daß der in drei Teile disponierte Traktat dem abt von Stamß gemacht ist worden von ainem gewerten meister der erzenei. Kloster Stams hegt im oberen Inntal, gut 30 km oberhalb Innsbruck, und es ist nur eine ganz vage Vermutung, daß als Verfasser etwa ein Hugo Brentius de Sterns in Betracht kommen könnte, von dem der Cod. lat. 174 der Münchner Staatsbibliothek ein 'Consilium medicum' (Bl. 288 u. 291 ff.) enthält. Sudhoff. Breslau, s. H e i n r i c h u. P e t e r v. B. Breuning, s. P r e i n i n g . Breydenbach, s. B e r n h a r d v. B r e i denbach. Brixen, U l r i c h v., s. P u t s c h . Bruder, Hans, nur bekannt als Dichter des Spruchgedichts 'Der Rauch beißt' in der Karlsruher Hs. St. Georg. 74, v. J. 1456, Bl. 3 9 a — 4 1 a . Anf.: Ir herren ir sunt verstane. Druck durch M o n e Anz. f. Kde. d. dt. Vorzeit 5 (1836) Sp. 79—82. 15 X 8 Str. E s ist das bekannte Thema vom bösen Weib, das mit dem Mann um die Hosen kämpft und ihn besiegt. Das böse Weib treibt wie der böse Rauch den Mann aus dem Hause. Der Dichter nennt sich in der letzten Strophe mit Namen und bezeichnet sich selbst als einen,

292

den auch der Rauch gebissen hat. Die Metrik ist schlecht, die Verse stolpern unbeholfen dahin. Die Sprache ist alemannisch. Zum Stoff vgl. K e l l e r Fastnachtspiele (StLV. 30) S. 1278—82; v. d. H a g e n Gesamtabenteuer I S. L X X X V I I I .

W. St. 'Bruder Rausch'. 1. Den ursprünglichsten Text der nd. Dichtung von 'Broder Rusche' bietet ein Druck aus einer Offizin der Brüder vom gemeinsamen Leben von Joachim Westval in Stendal (A, etwa 1488, erhalten nur ein Exemplar im Besitz von Prof. Anz in Charlottenburg). Die Vorlage dieses Drucks hat in der Vorstufe für zwei weitere, ebenfalls nur in je einem Exemplar erhaltene (B, vielleicht um 1490; C, von Servais Kruffter in Köln 1520—30, beide auf der Preuß. Staatsbibl. Berlin) schon erhebliche Besserungsversuche durchgemacht, die sich auf die äußere Form erstrecken. Hierzu tritt noch eine Reihe hd. Drucke von 1508 bis etwa 1590.

2. Die Grundlage, aus der sich die Geschichte vom Br. R. als ein ungemein beliebter, weit über Deutschland hinaus sich verbreitender und bis in die Gegenwart nachlebender Stoff entwickeln sollte, war offenbar eine mönchische Teufelslegende, welche die einem Zisterzienserkloster Nordwestdeutschlands entstammende 'Heilige Regel für ein vollkommenes Leben' in der 2. Hälfte des 13. Jhs. unter ihren vielen erläuternden Beispielen erzählt. Diese Geschichte hat sich jedenfalls auf mündlichem Wege weiter verbreitet und hat sich dabei aus nd. Volkssage vom häuslichen Poltergeist (Hüdeken, Pück) neue Nahrung gezogen, wobei Rusche (wahrscheinlich der „Lärmer") für den älteren Namen Albrecht eingetreten ist. Zeugnis für diese erweiterte Fassung gibt eine dänische Volkssage, nach der die Geschichte in dem berühmten Zisterzienserkloster Esrom angesiedelt ist. Während wir hier noch eine erbauliche Erzählung haben, wie der fromme Lebenswandel der Klosterinsassen den Verführer lockt, sich unter falscher Hülle in die Gemeinschaft einzuschleichen, wie er sich, als sein Werk schon zu gelingen scheint, in der belauschten Teufelsversammlung selbst verrät und dann von dem heiligen A b t entlarvt und gedemütigt wird, zeigt die Reimdichtimg des 15. Jhs., die auf der nd. Sage f u ß t ,

293

Brugman,

vollkommen anderen Charakter. In Unterordnung unter die neuen Zeitströmungen hat der Stoff nunmehr einer satirischen, mönchsfeindlichen Einstellung, wie sie sich auf höherer Geisteslage in den 'Dunkelmännerbriefen' äußert, dienstbar werden müssen, obwohl das zu dem Grundgedanken von dem Verführungsversuch des Teufels und seiner Niederlage durch den Abt schlecht paßt. Unkeuschheit, Völlerei und Streitsucht haben nach der neuen Schilderung ihre Heimstätte bei A b t und Klosterbrüdern, bei deren swarten kappen man auch hier an Zisterzienser denken kann, und Br. R. ist ihnen nur noch der willkommene Helfer für ihr liederliches Leben. Da die Entartung der Klosterzucht gerade von den Brüdern vom gemeinsamen Leben in Satire und offenem Kampfe bloßgestellt wird, scheint es bezeichnend, daß der älteste uns erhaltene Text der Dichtung aus einer Druckerei der Bruderschaft hervorgegangen ist: wenn das kleine Werk nicht aus ihren Kreisen stammt, so hat sie sich doch jedenfalls der Verbreitung angenommen. Mit der satirischen Umformimg verband sich die Ausschmückung im Sinne einer mit kräftiger äußerer Handlung arbeitenden Unterhaltungsdichtung schwankhaften Einschlags. Insbesondere ist am Schluß mit einem Teufelswunder, für das die nd. Dichtung von Zeno (s. d.) die Anregung gegeben hat, noch ein unorganischer Zusatz angehängt, der die erfreuliche Geschlossenheit empfindlich stört. 3. Der derbe, eindrucksvolle Stoff und der rasch vorwärtsschreitende Erzählungsstil mit der anschaulichen Vergegenwärtigung von Gestalten und Geschehen sicherten der Dichtung bei anspruchsloser Form (freien Versen und höchst bescheidener Reimkunst) eine weitreichende Wirkung. Seit dem Anfang des 16. Jhs. bis zum Ende erscheint sie in hd. Drucken, wobei die Verknüpfung mit dem dänischen Kloster Esrom zugefügt ist, wohl auf Grund mündlicher Nachricht. Mitte des 16. Jhs. wurde die hd. Fassung durch eine ebenfalls die Bekanntschaft mit der dortigen Volkssage verratendeBearbeitung von künstlerischem Eigenwert bei inhalt10*

Johannes

294

lieh treuem Anschluß nach Dänemark verpflanzt, wo der Stoff sich bis in unsere Zeit hinein erhalten und im 19. Jh. verschiedene Neugestaltungen erfahren hat. Aus dem Dänischen floß wieder eine schwedische Übersetzung (1645, 1655 wiederholt). 4. Auch in die Niederlande wanderte die nd. Dichtung im 16. Jh., wahrscheinlich noch in der 1. Hälfte. Erweitert durch eine Reihe schwankhafter Erzählungen (worunter auch zwei Eulenspiegelgeschichten), wurde sie dort zu einem Volksbuch verarbeitet, das ebenso wie andere ndl. Volksbücher mit Verseinlagen ausgeschmückt ist. Schon 1568/9 wurde die ndl. Prosa ins Englische übertragen; nachdem der Frier Rush, der in England rasch zur volkstümlichen Gestalt geworden war, bereits 1601 zu einem Drama verwertet war, gab die Erzählung Thomas Dekker die frei ausgebaute Grundlage für seine Teufelsfarce '// this be not a good Play, the Divell is in it' (16x2); auch Ben Jonson verdankte diesem Stoff fruchtbare Anregung für sein Drama 'The Devil is an Ass' (1616). Auf dt. Boden wurde der 'Br. R.' nach jahrhundertelangem Schlaf erst wieder durch das Fragment von Siegfried Lipiner und die humorvolle Dichtung von Wilhelm Hertz (1882) zu neuem Leben erweckt. P. W o l f und St. E n d l i c h e r Br. R. 1834. Scheibles K l o s t e r 11 (1849) S. i o 7 o f f . O. S c h a d e Br. R., W e i m J b . 5 (1856) S. 3 5 7 f f . H . A n z Die Dichtung vom Br. R., E u p h . 4 (1897) S. 7 5 6 f f . ; Broder Rusche (kritische A u s g a b e der nd. D i c h t u n g m i t Einleitung), N d . Jb. 24 (1898) S. 7 6 f f . R . P r i e b s c h Die Grundfabel und Entwicklungsgeschichte der Dichtung vom Br. R. (Prager D e u t sche Studien 8, J. v . K e l l e dargebracht) 1908, des ältesten S. 4 2 3 f f . ; Br. R., Facsimile-Ausgabe nd. Druckes, eingeleitet und mit einer Bibliographie versehen (Zwickauer Facsimiledrucke Nr. 8) 1919 (vgl. P e t s c h ZfdPh. 50 S . 293ff.) W . S t a m m l e r Hansische Geschichtsblätter 45 (1919) S. 52.

L. Wolff. B r u g m a n , Johannes, OFM., berühmter Prediger in den Niederlanden und Reformator des Franziskanerordens, mystischer Schriftsteller, geb. Ende des 14. Jahrhunderts zu Kempen (Niederrhein), wurde Franziskanermönch zu Saint-Omer, 1462—64 Provinzial der von ihm mit-

Brühl — Brun von Schönebeck

295

begründeten Observantenprovinz Köln, gest. 19. Okt. 1473 zu Nimwegen. B. predigte viele Jahre lang mit solchem Erfolge, daß man noch lange nach seinem Tode die Redensart gebrauchte: AI cond ghi praten

als Brugmann

(und könntest

du

auch predigen wie B.)! Auch machte er sich um das Stadtrecht von Bolsward verdient. Er verfaßte in niederländischer Sprache die Erbauungsschrift 'Devote oefeninge der kijnsheit, des eyndes ons Heren

des middels ende Christi' (lat. in

Einsiedeln Hs. 220, S. 129/266), in eben dieser weiterhin geistliche Lieder echt mystischen Charakters. Ferner schrieb er eine lateinische Vita der Schiedamer Heiligen Lidwina (1380—1433) , die hochdeutsch (alemannisch) in der Karlsruher Hs. Lichtenthai 87, X V . Jh., übersetzt ist. Predigten und Kollationen, besonders über Christi Leiden finden sich häufig in mittel- und niederrheinischen Hss. (z. B. Berlin Staatsbibl. mgo. 328 Bl. 79 a—84 a; Darmstadt; Frankfurt a. M. vgl. B o r c h l i n g GGN. 1913 Beiheft S. 122). H o f f m a n n v o n F a l l e r s l e b e n Horae Belgicae 1854, S. 211—217. W. Moll J. B. Amsterdam 1854. ADB. P. S c h l a g e r Der Katholik 1902 I S. 119—132, 232—256; 1910 I S. 401—409; ders. Beiträge zur Gesch. d. Kölner Franziskanerprovinz im MA. 1904; ders. Blütenlese aus den Werken rheinischer Franziskaner 1907. J. G. R. A c q u o y Middeleeuwsche geestelijke liederen en leisen 1888, S. 8 — n .

A. Wrede. Brühl, s. H e i n r i c h v. B. Brumintfeld, Henni. Henni

Brum

int

feldt nennt sich mit einem Namen, der zu einem fahrenden Mann und Sänger paßt, der Verfasser eines Liedes, das uns der Geschichtschreiber Johannes Letzner in seiner unvollendeten Geschichte der Grafen und des Klosters von Catlenburg überliefert (Originalhs. im Staatsarchiv zu Hannover, D 4) und hieraus weiterhin in seine 'Dasselische und Einbeckische Chronica' (Erfurt 1596) und in seine handschriftlich vorliegende BraunschweigLüneburgische Chronik übernommen hat. Es ist in der Lindenschmiedstrophe abgefaßt. Im charakteristischen Stil der alten Volkslieder, knapp und frisch, singen die

296

8 Strophen dem Brandstifter, demHorleman, to hone von der Niederbrennung des Augustinerinnenklosters Catlenburg an der Rhume, von der Verpfändung des Dorfes Berka, das das arme Stift zur Beschaffung der nötigen Geldmittel dem reichen Hildesheimer Bischof habe überlassen müssen, und vom Wiederaufbau des Klosters, für das der Segen Gottes erbeten wird (dat wol gedien ohre schwin, vnd werden weder

ricke). Offenbar ist das Lied von einem Zeitgenossen der Ereignisse, aber erst in der Rückschau, abgefaßt. Wenn es sich, wie Letzner angibt, wirklich auf einen verbrecherischen Anschlag vom Jahre 1346 bezöge, wäre es das älteste geschichtliche Lied in nd. Sprache, das uns erhalten ist: nach den Untersuchungen von Edw. Schröder wird man es jedoch ins 16. Jh. rücken, auf den Brand von 1521 beziehen und vielleicht als nachkatholisch ansehen müssen. Ausgabe am besten bei E d w . S c h r ö d e r Zur Kritik der ältesten hist. Volkslieder in nd. Sprache, Nd. Jb. 54 (1928) S. iff. Früher bei Fr. L.v. S o l t a u Ein Hundert deutsche historische Volkslieder 1836 (2i845) S. 67; R. v. Iviliencron Die historischen Volkslieder der Deutschen I (1865) Nr. 16 (S. 60); H. O e s t e r l e y Nd. Dichtung im MA. (1871) S. 41. Vgl. R. S p r e n g e r Nd. Jb. 4 (1879) S. 104.

L- Wolff. Brüml von Ulm wird mit seinem fröhlichen ton in der Steyrer Hs. als 26. alt nachdichter aufgeführt. Danach scheint er ein Meistersinger des X V . Jhs. gewesen zu sein, von dem allerdings nichts erhalten ist. Schröer Germanist. Studien II (1875) S. 223.

W. St. Brun v. Braunschweig,

chronik,

s.

'Reim-

Braunschweigische'.

Brun Candidus, s. Hoops RL- I 335Brun v. Querfurt, s . Hoops R L - 1 335Brun von Schönebeck. 1. Das 'Hohe Lied' von B. samt einigen kleinen Reimereien ist überliefert in der Papierhs. R 482 oder S. IV 4 a 23 der Rhedigerschen Sammlung in der Breslauer Stadtbibliothek (Ende des 14. oder Anfang des 15. Jhs., wahrscheinlich in Breslau geschrieben); abgesehen von der Versetzung des Schlußteils infolge einer Blatt- oder Lagenverschiebung in der Vorlage sowie sprachlichen Änderungen ist der Text recht gut; Grundlage war vermutlich eine Originalhandschrift, der die endgültige Überarbeitung noch fehlte. Den ursprünglichen

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Brun v o n Schönebeck

Sprachformen scheint ein P e r g a m e n t b l a t t aus dem 14- Jh- näher (zwei Teile an verschiedenem Ort). N e u e r d i n g s entdeckte Bruchstücke einer papierhs. des 15. Jhs. auf der U n i v e r s i t ä t s bibliothek zu L u n d enthalten auf 18 z. T . verstümmelten Blättern Teile aus dem 'Ave Maria' und w o h l noch einer andern D i c h t u n g ; einzelne A b s c h n i t t e aus den gleichen W e r k e n sowie ein abgeschlossenes G e d i c h t über L e i b und Seele, schlecht überliefert, finden sich außerdem a m Schluß der Hs. des K ö n e m a n s c h e n (s.d.)'Wurzgartens' (Göttinger Universitätsbibl., Cod. theol. 153), o f f e n b a r in der V o r l a g e nach M a ß g a b e des v e r f ü g b a r e n R a u m e s als eine Auslese aus den W e r k e n B.s zusammengestellt.

2. B., aus einem Geschlecht, das in Magdeburg im 13. und 14. Jh. nachgewiesen ist, gehörte nach der 'Magdeburger Schöppenchronik' kraft seiner Herkunft zu der Genossenschaft, welche die herrschenden Geschlechter umfaßte, den „Konstablern". Mit welchem Selbstgefühl er in dieser Vereinigung den Zusammenschluß der Edelsten erblickte, zeigt sich darin, daß er (freilich im Wunsch nach einem Reim zum Worte nabel) auch König Salomo die Bezeichnung „Konstabel" beilegt ('H. L-' v. 267, 4133). Eine weitreichende, wenn auch nicht sonderlich tief gehende Gelehrsamkeit, die sich auf antike und theologische Schriftsteller erstreckt (jedenfalls z. T. nur durch mittelbare Kenntnis), hatB. auf einer geistlichen Schule erworben, wovon er im 'Ave Maria' spricht (13a v. 22f.). Er war jedoch, wie er selber sagt ('H. L,.' v. 1825), ein Laie, hebt als solcher mit der üblichen bescheidenen Rückendeckung den geringen Umfang seiner Kenntnisse hervor und bezeichnet sich als einen tumben Sachsen ('H. L . ' v. 8558, 8580). Auf Bitten seiner Magdeburger Standesgenossen setzte er, wohl in den 70er oder 60er Jahren des 13. Jhs., ein glänzend verlaufenes und in sächsischen Landen noch lange nachwirkendes Fest ins Werk. In allen Zügen wetteiferte es mit dem Glanz höfischer Veranstaltungen, bewegte sich in ritterlichen Lebensformen und entnahm seine Gedanken der idealen Phantasiewelt der höfischen Versromane. Wie man sonst die Tafelrunde von König Artus nachzubilden pflegte, um sich mit seiner Einbildungskraft dadurch auf den Gipfel ritterlichen Lebens zu versetzen, so stellte

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B., der in allen Dichtungen Wolfram v. Eschenbach (s. d.) als das bestimmende stilistische Vorbild erkennen läßt, in den Mittelpunkt offenbar den Gedanken einer Aufnahme in das Gralsheiligtum als den Inbegriff aller Vollkommenheit und Herrlichkeit. Nach dem Bericht der 'Schöppenchronik', die dabei auch von seinen sonstigen dichterischen Werken mit Anerkennung redet, verfaßte B. aus diesem Anlaß sowohl dichterische Einladungsschreiben, die an die Städte der weitern Nachbarschaft versandt wurden, wie auch ein ganz dudesch bok von diesem Fest; es ist davon nichts erhalten. Im Jahre 1278 kämpfte B. mit in der Schlacht bei Frohse (falls wir den Wortlaut im Bericht der 'Schöppenchronik' richtig deuten), in der die Magdeburger Markgraf Otto I V . von Brandenburg (s. d.) gefangennahmen. Schon vorher, 1275 auf 1276, schrieb B. das 'Hohe Lied' und vollendete dies Werk von über 12000 Versen nach eigener An-" gäbe im Laufe eines Jahres ('H. L-' v . 1252 ff.). Die nötige theologische Belehrung über den Stoff fand er bei dem Barfüßer, Prediger und Lehrmeister Heinrich von Höxter in Magdeburg ('H. L-' v. I2458ff.). Anscheinend stand er damals schon in vorgerücktem Alter (s. besonders 'H. L-' v. 33, 914, 2441, 10344, 10428, 12135); er rechnete mit einem baldigen Tode und betonte die Abkehr von weltlicher Jugendlust. Ob das 'Ave Maria' früher oder später entstanden ist, steht nicht fest. 3. Wie es bei den Niederdeutschen von Eilhart (s. d.) bis zum Ausgang des 13. Jhs., die unter dem vorbildlichen Einfluß der höfischen hd. Dichtungen stehn, die Regel ist, erstrebte B. hd. Sprachform, ohne sie voll zu erreichen. Seine Reime sind stark mundartlich, aber im Ganzen recht genau. Ursprünglich kurze Vokale in offener Tonsilbe bindet er auf Grund seiner nd. Aussprache schon mit alten Längen, und er verwendet darum im Versausgang Worte mit langer Tonund folgender Endungssilbe nicht bloß zwei-, sondern auch eintaktig (zu klingendem oder vollem Schluß). Im übrigen ist auch im Versbau der Anschluß an die hd.

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Brun von Schönebeck

Vorbilder zu erkennen, in der Füllung der Viertakter macht sich jedoch die Freiheit, die für den Niederdeutschen bezeichnend ist, auflockernd fühlbar. Bei vielfach zweiund dreisilbigem Auftakt und Senkungen werden meist nur inhaltlich vollwichtige Silben als Hebungen verwendet, und die Verse erhalten dadurch etwas sehr Lebendiges und Ausdrucksvolles. 4. Beim ' H o h e n L i e d e ' ist die Wahl des Stoffes jedenfalls durch die Verehrung Mariens bestimmt, der B. die Dichtung weiht (v. 56, 1-547, I 2 475). und deren Preis darin immer wieder neu ertönt. Mit Hilfe der üblichen Schriftauslegung will das Buch durch geistliche Belehrung dem religiösen lieben dienstbar sein, nicht als eine den Wortlaut der Vorlage Satz für Satz erläuternde Erklärung für den Gelehrten, sondern als eine zusammenhängende, in sich selbst ruhende Dichtung. Der Aufbau, dessen Gliederung ausdrücklich hervorgehoben wird, ist wohlüberdacht und muß als Werk des Dichters gelten, aus den besonderen Aufgaben einer Dichtung zu begreifen. In der Ausdeutung dagegen folgt B. den kirchlichen Schriftstellern, von denen er Augustin und zumal den hl. Bernhard oft beruft. Die beiden ersten Teile geben die Erzählung, wobei aus den biblischen Hymnen mit großer Selbständigkeit eine planvoll fortlaufende, wenn auch nicht völlig geradläufige Handlung herausgeholt wird. Der dritte Hauptteil, zehnmal so lang wie die beiden ersten, gibt die Auslegung. Die dreifache, eine fast vollkommene Ausschöpfung des ganzen christlichen Glaubensinhalts ermöglichende Ausdeutung auf Gott und Maria, Gott und die Seele und (im Hinblick auf die letzten Dinge) Gott und die Gesamtheit der Gläubigen wird jedoch zum Vorteil der Klarheit und künstlerischen Wirkung nicht gleichzeitig, sondern nacheinander auf je einen Unterabschnitt der Erzählung angewendet, wodurch sich eine abermalige Dreiteilung ergibt. Der fünfzehnstufige Aufstieg der Braut bis zum Schauen der Dreieinigkeit gibt den erhebenden Ausklang. Mystische Verzückung wird geschildert, aber nicht aus eigenem Erleben, sondern deutlich nur von außen

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her, belehrend. Im einzelnen ergibt sich aus der Natur der vergeistigenden Ausdeutungen aller Wirklichkeiten oft eine verwirrende Aneinanderschichtung. Auch Seitabliegendes wird von B. mit großer Lehrfreudigkeit und um sein Wissen an den Tag zu legen, herangezogen und erörtert. Die antiken Dichter werden öfter angeführt, ohne daß man von Einwirkung und Verwandtschaft reden kann; bei der Einführung der Parzen (v. io43off.) hält es B. für nötig, von der antiken Mythologie alsbald wieder abzurücken: es ist nur Wissensstoff und äußerlicher Ausputz. Zur Erläuterung und Belebung werden mehrfach kleine Erzählungen und Fabeln eingeschaltet, wobei sich die Darstellung vollkommen dem Zweck anpaßt, den sie in diesem Rahmen zu erfüllen haben; so ist namentlich die Theophiluserzählung (v. 6193 ff.), die Maria selber in die Hölle fahren läßt (wie sonst nur noch eine ndl. Prosafassung), lediglich auf das Wort Quae est ista (Cantica 6, 9) eingestellt. Den Stil des 'Hohen Liedes' bezeichnet redselige Weitschweifigkeit mit zahlreichen Flickversen. Mit den Hörern sucht B. durch vielfältige höfliche und vertraute Anrede sowie durch Fragen und Einwürfe, die er sich aus ihrem Kreise stellen läßt, enge Fühlung herzustellen. Als stilistisches Hauptvorbild ist der 'Parzival' unverkennbar, doch ist es bemerkenswert, daß die Bilder nicht selten in unhöfische, niedrige Kreise hinabsteigen. Höfische Vorstellungen werden ins Geistliche umgeprägt: was im 'Parzival' vom Hof des König Artus gesagt wird (144, 14), das überträgt B. auf die Gottesmutter: ihr nahezukommen ist keinem vilan vergönnt, sondern nur einem hobischen man, aber im geistigen Sinne, einem Mann, der kune, truwe und milde ist (v. I2545ff.). Bei Vorwalten lehrhafter Nüchternheit und Tatsachensinns lassen manche Abschnitte lyrische Wärme spüren. 5. Das 'Ave Maria' (Lund Bl. 1 — 1 4 und Göttinger 'Theophilus') trägt im Ganzen die gleichen Züge. Überschwängliche Marienverehrung wird als Antrieb fühlbar. Allegorie und theologischer Wissensstoff spielen eine beträchtliche Rolle; der geist-

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Brun von Schönebeck

liehe Gewährsmann erscheint auch hier (Lund Bl. I4 b v. 13). Der Aufbau ist infolge der trümmerhaften Überlieferung schwer zu beurteilen; so viel kann man sagen, daß B. sich allzu leicht auf Abseitsliegendes verlocken läßt, wenn sich zufällig durch irgendeine Einzelheit ein Berührungspunkt ergibt. Als eine Bekräftigung und Erläuterung durch ein besonders eindrucksvolles Beispiel von Mariens Wirken ist auch der Göttinger ' T h e o p h i l u s ' (mit einer Namensnennung des Dichters) ein Teilstück aus dem 'Ave Maria', wie man schon aus der Art der Darstellung erkennen konnte und nun der Fund in Lund bestätigt. Bei mancherlei Berührungen mit der im 'Hohen Lied' gegebenen Erzählung ist es doch eine stark abweichende Formung, der besonderen Aufgabe entsprechend: wieder ist sie (was Breucker bei seinem auch sonst unmöglichen und nun als hinfällig erwiesenen Rekonstruktionsversuch verkannt hatte) nicht Selbstzweck, sondern bloß dienendes Glied in einem größern Ganzen; auf ein Leitwort von der hilfreichen Gnadenfülle Mariens zugeschnitten, gehört sie zur Erläuterung des gratia plena im englischen Gruß. 6. Weitere einem größeren Zusammenhang entstammende Bruchstücke, die in der Göttinger Handschrift und den übrigen (jedenfalls als X 3. 4. 1. 2 zu ordnenden) Blättern aus Lund erhalten sind und ebenfalls die bezeichnenden Eigentümlichkeiten B. sehen Dichtens zeigen, mögen einem ' L e b e n C h r i s t i ' angehören: die Stücke aus den Seligpreisungen, von der Kreuzigung und von der Himmelfahrt (woran sich Ausführungen über Almosen und Gebet anschließen, die den Menschen als seine Flügel zu Gott emportragen sollen); auch die Stücke von Minne und Messe könnten hier ihren Platz gehabt haben. Die sittlich religiöse Belehrung stand im Vordergrund bei dieser Dichtung, veranschaulicht durch allerlei lebendig dargebotene Erzählungen; die erhaltenen Reste (die in der Göttinger Handschrift aber eine den Beispielerzählungen recht einseitig zugewandte Auswahl bilden) wirken dadurch volkstümlicher und reiz-

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voller als das 'Hohe Lied'. Selbständig und abgeschlossen ist das Gedicht von 'Leibund Seele'. Von denkleinen Gedichten der Breslauer Handschrift sind die drei vorangestellten anscheinend aus der Arbeit am 'Hohen Lied' hervorgewachsen, während die anderen offenbar je zu einem Bild gehörten (darunter auch Reinmar von Zweter [s. d.] Str. 99/100 nebst einer Nachbildung). 7. Bei recht umfangreichem dichterischem Schaffen zeichnet B. sich nicht durch neuartige geistige Richtungen und künstlerische Mittel aus; er wäre in seinen weltlichen Idealen eher rückgewandt zu nennen, so stark er auch im Leben seiner Zeiten steht und etwa die ketzerischen Bewegungen seiner Tage ihn erregen ('H.L.'v. 9507ff., 10854) oder das Ende der Hohenstaufen ihn bewegt ('H. L.' v. 10318 ff.). Die Marienverehrung in der Gestalt schwärmerischen Aufblicks hat ihn voll erfaßt, während er an mystischem^ Erleben nicht wahrhaft beteiligt ist. Bedeutsam ist er uns dadurch, daß er das Fußfassen höfischer Ideale und höfischer Kunst in bürgerlichem Lebenskreis, nicht ohne Spuren gleichzeitiger Vergröberung, erkennen läßt. Ein Hervortreten des Tatsächlichen, ein Hinwenden zum Stofflichen in gelehrter Betriebsamkeit wird merkbar. Ausgaben: Das 'Hohe Lied' A. F i s c h e r B. v. Sch. (Bibl. des Stuttg. Lit. Vereins 198) 1893; die Göttinger Bruchstücke F. B r e u c k e r Gedichte B.s v. Sch., Nd. Jb. 30 (1904) S. 81 ff. (mit Untersuchungen, die B. als Verfasser sicherstellen) ; die Bruchstücke aus Lund W. Nor l i n d Neuaufgefundene Bruchstücke des 'Ave Maria' B.s v. Sch., Nd. Jb. 53 (1927) S. 59ff. (über den Fund schon: Nordisk Tidskrift för bok- och biblioteksväsen 15 [1928] S. ii2ff.). K. J a n i c k e Die Magdeburger Schöppenchronik (Die Chroniken der dt. Städte vom 14. bis ins 17. Jh. 7) 1869. A. F i s c h e r Das 'Hohe Lied' des B. v. Sch. (Germ. Abhh. 6) 1886. G. R o e t h e ADB. 33 (1891) S. 484. F. B e c h Zur Kritik und Erklärung des B. v. Sch., ZfdA. 40 (1896) S. 63ff. E. S c h r ö d e r Das Kasseler Bruchstück des B. v. Sch., ebd. S. 101. G. R o e t h e Die Reimvorreden des Sachsenspiegels (Abhh. der Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen, Ph.-h. Kl., N. F. II Nr. 8, 1899) S. 37 A. L e i t z m a n n Zu B. v. Sch., ZfdA. 53 (1911) S. 6iff. E. S c h r ö d e r Bruno v. Braunschweig und B. v. Sch., ebd. 60 (1923) S. 151. W. G o l t h e r Parzival und der Gral in der Dichtung des Mittelalters und der

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Brimeck —

Brunschwig, H i e r o n y m u s

Neuzeit 1925 S. 259ff. R . P l e n z a t Die Theophiluslegende in den Dichtungen des Mittelalters (Germanische Studien 7) 1926 S. 4 5 f f . L . W o l f f Das Magdeburger Gralsfest B.s v. Sch., N d . Z . f . V o l k s k . 5 (1927) S. 202ff. E . S c h r ö d e r N d K b l . 42 (1928/9) S. 4 f .

L. Wolff. Bruneck, s. D e r v o n B r a u n e c k . Brünn, s. H e i n r i c h v o n B r ü n n und J o h a n n e s v. G e l n h a u s e n . Brunner (auch Prunner), Hans. Vielleicht der Verf. eines besonders gelungenen Liedes auf den Zwist des Abtes von St. Gallen mit der Bürgerschaft, 1451: Abt Kaspar von sant Gallen (Liliencron I, 441; L. Tobler II, 39). In der drittletzten Str.: Si sprechent, Johannes Pruner hob es [das Lied] von Costanz bracht. Die .Schlußstrophe scheint den Ursprungsort des Liedes verstecken zu wollen. O. v. Greyerz. Brunner,Ulrich, Chorherr v o m H a u g stift zu Würzburg, gibt eine sehr klare Beschreibung seiner Pilgerfahrt ins gelobte Land v. J. 1470. Diesen als Hschr. (s. u.) erhaltenen Bericht soll Hans von Mergental (s. d.) stark benutzt haben. H s . Ö f f . Bibl. Dresden P 216, s. X V , kl. 40. — K u r z e r A u s z u g v o n H e r s c h e l Serapeum 1853, S. 1 8 9 — 1 9 2 . — R ö h r i c h t S. 1 4 1 ; R ö h r i c h t M e i s n e r S. 488; R ö h r i c h t Bibl. Nr. 365. V g l . P e t z h o l d t s A n z . 1862, S. 244.

Hartnack. Bruno von Hornberg gehört auf Grund des Wappens der Manessischen Handschrift zu dem Geschlecht von Freiherren, die sich nach dem Hornberg an der Gutach im Breisgau nannten. Aus den Bruno genannten in diesem Geschlecht ist auf Grund der Urkunden der Dichter nicht leicht zu bestimmen. P f ä f f neigt sich (wie früher schon v. d. Hagen sich für einen von ihm zuerst 1234, später dann noch 1276 belegt gefundenen entschieden hatte) einem älteren zu und findet ihn schon 1219 belegt. G r i m m e dagegen hält, bestärkt durch den Charakter der Lyrik, wie Mone, den Dichter für später und entdeckt ihn in Urkunden 1275—1310. Die vier Lieder der Manessischen Handschrift sind von außerordentlich leichtflüssiger, liedhafter Form und guter Verskunst. Ein dreistrophiges Wächterlied ist originell.

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v o n d e r H a g e n Minnesinger Nr. 81 I I , 66; I V , 408. A u s g a b e und frühere F o r s c h u n g bei P f ä f f , N e u j a h r s b l ä t t e r der B a d i s c h e n H i s t o rischen K o m m i s s i o n 11, 6 (1908). Zangemeister Wappen, Helmzierden... S. 16. A . S c h u l t e Z f d A . 39 S. 226. G r i m m e Geschichte der Minnesänger I (1897) S. 114. M o n e Zeitschr. f. d. Gesch. d. Oberrh. 10 S. 316. Neuerdings N a d l e r Lit.-Gesch. d. deutschen Stämme H

(1923) S. 137-

Halbach. Brunschwig, Hieronymus, Wundarzt zu Straßburg, daselbst auch geboren um 1450 und gestorben um die Wende des Jahres 1512 zu 1513. Abgesehen von Wanderjähren hat er fast sein ganzes Leben in Straßburg zugebracht. Ein Mann von reicher eigener Erfahrung, aber auch auf sein Bücherwissen stolz. Erfahren auch wie viele Chirurgen in der Destillierkunst. Ließ sein 'Buch der Cirurgia' zuerst bei Johann Grüninger zu Straßburg am 4. Juli 1497 erscheinen, und als schon im Dezember des gleichen Jahres zu Augsburg bei Hans Schönsperger ein sorgfältig hergestellter Nachdruck erscheint, ließ sich der Verleger Grüninger bereitfinden, einen, vorher schon vom Autor gewünschten, Nachtrag von vier Kapiteln samt einem kurzen Traktat über Anatomie beizugeben. Eine zweite Auflage seiner 'Chirurgie' erlebte er selbst nicht mehr. Sie erschien kurz nach seinem Tode bei Grüninger ,,uf Palmabent in dem Jahr 1513" [19. März], A m 8. Mai 1500 war Brunschwig mit einem kleineren deutschen Destillierbuch an die Öffentlichkeit getreten, das nur die Destillation der einfachen Arzneistoffe behandelte: 'Liber destillandi de simplicibus', dem erst am 23. Februar 1512 ein größeres Werk folgte, das auch die Komposita einschloß: 'Liber de arte Distillandi de Compositis, das Buch der waren kunst zu distillieren die Composita vnd Simplicia', 369 Folioblätter stark, während das erste 230 gezählt hatte. Als drittes deutsches Werk seiner Feder war am 18. August 1500 ein 'Liber pestilentialis de venenis epidimie, das buch der vergift der pestilentz, das da genant ist der gemein sterbent der Trusen Blatren', 40 Folioblätter, gleichfalls bei Grüninger verlegt und an Heinrich Steinhöwels (s. d.) Pestbuch stark sich an-

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Brunwart von Augheim — 'Das Buch der Könige alter è und niuwer é'

lehnend, ohne eigene Erfahrung vermissen zu lassen, die er schon 1473 bei einer schweren Pestepidemie zu erwerben in der Lage war. S u d h o f f B.s 'Anatomia', Arch. f. Gesch. d. Med. 1 S. 41/66, 141/56, 291/2; d e r s . Gesch. d. Medizin! S. 41/66; d e r s . Dt. medizin.Inkunabeln 1908, S. 51/69, 185/9. G. K l e i n Das 'Buch der Cirurgia' des HB. 1911 (Facs.). H. E . S i g e r i s t The book of 'Cirurgia' 1923 (mit einer engl. Studie über H. B. und sein Werk). — F. W . E . R o t h H. B. u. Walther Ryff, zwei dt. Botaniker des XV. Jhs., Zeitschr. f. Naturwissensch. 75 (1902) S. 102/23. F- H o m m e l Zum Leben des H. B., Arch. f. Gesch. d. Math. u. Naturw. 10 S. 155/7. — E . G u r l t Gesch. d. Chirurgie I I (1898) S. 201/21.

Sudhoff. Brunwart von Augheim (Oukhein). Heimat des Geschlechts, zu dem Brunwart auf Grund des Wappens sicher gehört, ist der Breisgau, und zwar eine Burg, die gelegen war zwischen dem Pfarrdorf Auggen und Neuenburg in der Rheinebene. Seine Bewohner waren Hachbergische Ministerialen. Die für den Minnesinger beigetragenen Zeugnisse (1272 bis 1303) lassen sich nicht mit gleicher Sicherheit gebrauchen, vor allem deshalb, weil man nicht weiß, ob ein gleichzeitig auftretender Johannes Brunwart von Augheim identifiziert werden darf mit dem andern, dem Brunwart. Dieser erscheint öfter, schließlich in der zweiten Hälfte des in Betracht kommenden Zeitraums in einer Urkunde (1296) sogar einmal als Zeuge für Freiburg, wohl in höherem Alter. Von den fünf Liedern der Manessischen Handschrift sind drei so einfach, so liedhaft, daß v. d. Hagen sie für Tanzweisen hielt. Zwei dagegen (III, besonders aber V) sind raffiniert und künstlich, mit Refrain, Inreim, kunstvollerer Bindung der rhythmischen Reihen. v o n d e r H a g e n Minnesinger Nr. 87 II, 75; I V , 417. P f a f f Der Minnesang des 12. bis 14. Jahrhunderts ( K D N L . V I I I 1, S. 240). Ausgabe und Überblick über frühere Forschung bei P f a f f Zeitschr. d. Ges. f. Geschichtskunde in Freiburg7 (1888) S. 3. P f a f f Neujahrsblätter der Badischen Historischen Kommission 11 (1908). A u c h bei Z a n g e m e i s t e r Wappen, Helmzierden S. 17. V o m Frühern wichtig: A . P o i n s i g n o n Schau ins Land 13 (1887) S. 43. G r i m m e Geschichte der Minnesänger (1897) I S. 92 (die Urkunden). Neuerdings N a d l e r Lit.-Gesch. der deutschen Stämme!2 (1923) S. 137. K . F . K u m m e r

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(Die poetischen Erzählungen des Herrand von Wildonie 1880, S. 102) sucht Abhängigkeit Brunwarts von Herrand zu beweisen, auf Grund auffallender Berührungen. K o n r . Burdach (Reinmar der A Ite und Walther von der Vogelweide2 1928, S. 3 9 4 = A D B . 23 [1886] S. 401 ff.) weist hin auf denEinfluß Gottfrieds von Neifen.

Halbach. Brunzhoyften, s. H e r m a n n v. B. Brus (Brues), Andreas, Geistlicher, urkundlich 1500 Vikar der Kirche zu Büsum in Ditmarschen, zweimal nach Rom gewallfahrtet, gestorben 1532. Nach Neocorus dichtete er 1500 ein niederdeutsches Lied auf den Kampf der Ditmarschen gegen Herzog Johann von Dänemark und die Schlacht bei Hemmingstedt mit dem Anfang: Der herr heft sik erbarmet. Auch wird erwähnt, daß er noch andere Verse auf die Kirche zu Büsum gedichtet habe. N e o c o r u s Chronik von Ditmarschen, hsg. von D a h l m a n n 1827, I S. 226, 493f.; I I S . 72L, 77/9, 572. A D B . 3 S. 453. Druck des Liedes: N e o c o r u s I S . 5 2 3 / 5 ; L i l i e n c r o n H i s i o r . Volkslieder!! Nr. 217.

W. St. Bube, Der elende, s. K n a b e , D e r elende. Buch, s. J o h a n n e s v. B. 'Das Buch der Könige alter e und niuwer e\ 1. Handschriften (über 50) s. M a ß m a n n Kaiserchronik I I I S. 55—60. H o m e y e r Die deutschen Rechtsbücher des Mittelalters und ihre Handschriften 1856 S. 173, II. R o c k i n g e r A b handl. d. bair. A k a d . Hist. K l . Bd. 17 S. 6f. (M. Abh.) u. Wiener Sitzungsber. Bd. 1 1 8 — 1 2 2 (im Verzeichnis der Handschriften des 'Schwabenspiegels'). Die meisten Handschriften enthalten nur die alte e, davon zwei nur deren ersten Teil bis Nabuchodonosor (dein wesen wirt bei den wilden tieren datz walde): 1. Die Innsbrucker Nr. 922 des 'Spiegels deutscher Leute'; 2. die Berliner des sog. 'Schwabenspiegels', jetzt Mscr. Germ. Fol. 1097 (Rockinger Nr. 39, Homeyer Nr. 330). Mehrere andre ' Schwabenspiegel'Handschriften schließen die alte e mit den Makkabäern (Rockinger Nr. 92; 3 3 5 % ; 428), andre bieten alte und niuwe $ vereinigt (Rockinger Nr. 86; 161; 196; 245), eine (Nr. 435) bietet nur die niuwe e. In den weitaus meisten Fällen geht das 'Buch der Könige' oder ein Teil dem sog. ' Schwabenspiegel' (s. d.) voraus, selbständig oder mit andern Werken verbunden erscheinen alte oder niuwe $ nur in wenigen Handschriften (Rockinger, M. A b h . S. 19). 2. Ausgaben: M a ß m a n n Rechtsdenkm. des dt. Mittelalters 1 1 8 5 8 (vollständig, aber ohne Lesarten und Angaben der zugrunde gelegten Hand-

'Das B u c h der Könige alter è und niuwer è'

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Schriften). Teile: 1. F i c k e r in seiner Ausg. des 'Spiegels deutscher Leute' 1859, nach der Innsbrucker Handschrift Nr. 922 ( = M a ß m a n n Sp. X X X I I I — L I X ) . 2. K a n d z i o r a Diss. Greifswald 191° S. 55—79 ( = Maßmann Sp. L X X X V I I I u n t e n bis X C V I Mitte. D a s Stück entspricht d e m daneben gedruckten unechten Schluß v o n R u d o l f s v o n E m s 'Alexander' in Cgm. 203. K . versucht auf Grund v o n 6 ausgewählten Handschriften einen kritischen T e x t herzustellen). 3. Literatur außer der angegebenen s. S c h r ö d e r - v . K ü n ß b e r g Lehrbuch der dt. Rechtsgeschichte* 1922 S. 728. S t i e r - S o m l o u. E l s t e r Handwb.

der Rechtswissensch.

V S . 387ff. u n t e r

'Schwabenspiegel'. — E c k h a r t Gotting. Abhandl. N . F. 20,2 bes. S. 61 ff. u. Zschr. für Rechtsgesch. Germ. Abt. 45 S. s o f f , (zur Textgesch.). P f a l z Wiener Sitzungsber. Phil.-hist. K l . Bd. 191, 1. E. S c h r ö d e r Kaiserchronik S. 7Öf.

4. Das 'Buch der Könige' ist in seiner geläufigsten Gestalt als geschichtliche Einleitung zum sogenannten 'Schwabenspiegel' (s.d.) gedacht. Beide Werke nehmen mehrfach aufeinander Bezug und gelten als ein buoch; solche Verweisungen betreffen sowohl die alte als auch die niuwe e ( R o c k i n g e r M. Abh. S. i g f . 66f.). Beide Teile verfolgen denselben Zweck: daz alle künege und alle vürsten und ander herren und ir alle, den der almehtige got gerihte und gewalt enfifolhen hat, daz die an disme buoche bilde nemen (Sp. C X V I I I , am Schluß der alten e). Dieser Absicht entspricht in beiden die Darstellung (s. unten). 5. Das 'BdK.' ist kein Werk aus einem Guß. Der Aufbau spricht für stufen- oder doch stückweise Entstehung. Nicht nur gibt sich die alte e durch Einleitung und Schlußabschnitt als ein selbständiges Ganzes, sondern sie zerfällt deutlich in drei Teile. Teil I (Maßmann Sp. X X X I I I bis L X I I ) bietet ausgewählte Vorbilder und warnende Beispiele, z. T. ohne jede sachliche Verbindung und nicht einmal alle in zeitlicher Ordnung: die Patriarchen Abraham, Isaak und Jakob, Josef, Moses, Balaam, Heilung Naamans, Nabots Weinberg, Nabuchodonosor, Susanna. Davon werden die Patriarchen und, was bei dem Zweck des Buches auffällt, Moses ganz kurz abgehandelt. Teil II (Sp. L X I I — C V I ) gibt eine Art Abriß der jüdischen Geschichte von Samuel bis zu den Makkabäern, zeitlich vor dem Ende des ersten Teils beginnend. Ahab und Nabuchodo-

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nosor begegnen kürzer zum zweitenmal, nach Salomo werden im wesentlichen nur die Könige von Juda behandelt, nichtjüdische Geschichte wird nur berührt, soweit das im Alten Testament geschieht. Der III. Teil (Sp. C V I — C X X ) schließt daran die Geschichten aus den übergangenen Büchern Esther und Judith sowie ein Nachwort. In einigen Hss. (Rockinger Nr. 92, 335, 335V 2 ; vgl. M. Abh. S. 8) ist der Schluß unvollständig, oder die Reihenfolge weicht ab. Nur Teil II verdient den Titel ,Der künege buoch alter e'. Die niuwe e folgt ohne ausdrückliche Anknüpfung mit einem kurzen, rein geschichtlichen Rückblick auf den Übergang der Weltherrschaft von Babylon nach Rom. Ihr Inhalt entspricht im wesentlichen der 'Kaiserchronik' (s. d.) in ihrer ursprünglichen Gestalt, die bis zu Konrad III. reicht. 6. Ob die geschilderte Überlief erung stufen- oder stückweise Entstehung bestätigt, wird sich erst übersehen lassen, wenn Rockingers Angaben nachgeprüft und vervollständigt sind, was mir zur Zeit nicht möglich ist, und wenn die von Kandziora kaum begonnene Erforschung der Textgeschichte des ' B d K . ' für sich und in ihrem Zusammenhang mit der des Schwaben- und Deutschenspiegels weiter gefördert ist. Die niuwe e ist auffallend selten, die alte nicht in allen Händschriften vollständig überliefert. Aber die fehlenden Teile können, wie schon Rockinger betonte, weggelassen oder auch verloren sein. Es ist möglich, daß bereits der 'Deutschenspiegel' (s. d.) vom ' B d K . ' mehr kannte, als die Innsbrucker Handschrift enthält, denn Artikel 20 scheint sich mit wörtlichem Anklang auf die Geschichte von David und Absalom zu beziehen, auf jeden Fall hat von vornherein der Plan einer Fortsetzung bestanden ( R o c k i n g e r M. Abh. S. 1 7 I , 6 9 f.). 7. Rockinger hat zu zeigen versucht (ebd. S. 27ff., 65ff.), daß 'SchwabenSpiegel' und ' B d K . ' ihre geläufige Fassung von demselben rechtskundigen Geistlichen erhalten hätten. Dafür sprechen u. a. die beiderseitigen Berufungen der •Werke aufeinander, die sowohl alte als auch

3°9

'Das Buch der Könige alter è und niuwer è'

niuwe e betreffen, gelegentliche Berührungen im Ausdruck, der geistliche Standpunkt sowie die Rechtskenntnis und der oft betonte Zweck des Geschichtsbuches. Sicher ist es aus demselben Kreis hervorgegangen wie das Rechtsbuch, aber möglich bleibt, daß es auf einer dieser geläufigen Bearbeitung vorausgehenden Stufe nur die alte e umfaßte. Wie für Schwaben- und Deutschenspiegel sind zudem für die alte e in ihrer frühesten vollständigen Gestalt vielleicht ältere Aufzeichnungen bearbeitet und erweitert. So würde sich ihr Aufbau erklären. 8. Für die Quelle der alten e hielt Maßmann (Kaiserchr. S. 66ff.) eine verlorene Reimchronik des 12. Jhs., von der im unechten Schluß von Rudolfs von Ems (s.d.) 'Alexander' in cgm. 203 ein Rest erhalten sei. Aber Kandziora hat gezeigt (S. 122ff.), daß dies eine schlechte Reimerei des 14. oder 15. Jhs. ist, nach der Prosa, vielleicht vom Schreiber des Cgm. 203 selbst, angefertigt, daß die Prosa im Wortlaut dem Alten Testament näher steht als die Verse, daß als Hauptquelle der alten e also das A. T. selbst zu gelten habe. Auf dieses wird wiederholt verwiesen, öfter werden seine Quellenangaben mehr oder weniger genau übernommen (2. Paralip. 9, 29; 12, 15; 36, 8; 1. Macc. 16, 24 wird irrtümlich auf das 2. Makkabäerbuch bezogen, 1. Macc. 9, 22 hat einen Verweis auf die Bibel veranlaßt). Die Darstellung folgt von Samuel bis Salomo 1.—3. Reg., von Salomo (Quellenangabe) bis zur Gefangenschaft 1. 2. Paralip., weiterhin Esdra und Nehem. (8), i.-Macc., 2. Macc., besonders 3—7 (aus den folgenden Kapiteln wird ein Auszug gegeben, obwohl sie Ereignisse behandeln, die schon im 1. Makkabäerbuch erzählt sind). Doch hat der Verfasser oder Bearbeiter auch andere Darstellungen gekannt oder von ihnen gewußt; er verweist bei Balaam auf Josephus (Antiqu. IV, 6) und die 'Historia scholastica'. 9. Daß die Hauptquelle der niuwen e die 'Kaiserchronik' in ihrer ursprünglichen Ausdehnung ist, hat bereits Maßmann gezeigt. Die benutzte Handschrift hatte v. 15809 ze Swaben statt ze Swurben. Der Verfasser setzt seine Vorlage nicht

weiter fort und folgt ihr zuweilen so genau, daß Reime stehn bleiben, kürzt oft und ergänzt zuweilen aus anderweitiger Kenntnis. Von Justinians Gesetzgebung weiß er mehr als die Chronik, für Lukrezia verweist er auf Ovid (Fast. II, 685ff.), für die Geschichte Karls des Großen hat er neben der Chronik Einharts ' Vita' und die Annalen benutzt ( R o c k i n g e r M. Abh. S. 12). 10. Der Absicht des Werks entspricht die Darstellung. An das Erzählte wird mit kurzen Bemerkungen oder (besonders in der ersten Hälfte der alten e) mit längeren Darlegungen Mahnung und Warnung geknüpft, die niuwe e liebt Bemerkungen über das Schicksal des behandelten Herrschers im Jenseits. Gute Rechtsprechung und Gesetzgebung werden oft bei christlichen wie heidnischen Herrschern rühmend hervorgehoben, so bei Titus, Trajan und Justinian, oder ausführlicher behandelt, so bei Konstantin und Silvester und vor allem bei Karl dem Großen ( R o c k i n ger M. Abh. S. 21 ff.). Die Darstellung ist meist je nach der Quelle knapper oder ausführlicher, zuweilen aber wird, wie bei Moses, Salomo und Esra, aus einem langen Bericht ein dürftiger Auszug gegeben. Oft fallen ganze Abschnitte fort, zumal viele Kampf Schilderungen des Alten Testaments; für Moses' Zeichen, Daniels Weissagung, Silvesters Disputation mit den Juden, Crescentia und Astrolabius wird auf die Quelle verwiesen. Anderswo wird ein kurzer Bericht ausgemalt. Die Wiedergabe der Vorlage ist im ganzen nicht ungewandt, aber nicht immer sorgfältig. Bei Kürzungen bleiben zuweilen gerade wesentliche Züge weg, z. B. Sp. X X X V I I in der Erzählung von Josef oder Sp. C X X I in der von den Schellen, die den Römern den Aufstand unterworfener Völker anzeigten. Auch sonst laufen Flüchtigkeiten und Irrtümer unter, z. B. Achab ist künic in Jerusalem, Artaxerxes und Darius in Syria, 2. Paralip. 16, 2; 22, 10 sind mißverstanden. Darius Hystaspes und Darius Codomannus gelten als eine Person. Daß Heinrich III. und Heinrich IV. ebenfalls zusammenfließen (Sp. CCXIII: der keiser verwandelte sine witze), könnte auch auf einer Lücke der Vorlage beruhen.

3"

'Buch des Lebens' —

I I . Zeit und Ort der Abfassung werden durch Deutschen- und Schwabenspiegel bestimmt. Über jenen hat zuletzt E c k h a r t (Z. f. Rg. 45 S. 13—49) gehandelt. Was R o c k i n g e r (M. Abh. S. 55—63) aus dem ' B d K . ' selbst für Entstehung zwischen 1262 und 1266 anführt, spricht nicht gegen Anfang oder Mitte der 70er Jahre. Als Heimat des Werks hat Augsburg zu gelten. (Vgl. auch S c h r ö d e r a. a. O.) Hans Steinger. 'Buch des Lebens' nennt sich eine anonyme Erbauungsschrift in der Berliner Hs. 8°. 467, X V . Jh., Bl. 208a—249b. Sie besteht aus drei Teilen: a) Von Christi Leiden; b) Von Christi Wesen und Werken, von den Tugenden, Sakramenten, Gaben des Hlg. Geistes, Engeln, 10 Geboten, Aposteln; c) Betrachtungen und Gebete im Anschluß an Christi Leiden. Mystische Gedankengänge oder Ausdrücke finden sich nicht, dagegen viel Allegorisches und Symbolisches. Dem Stil nach lag eine lateinische Quelle zugrunde; aber welche, konnte ich nicht feststellen. W . St. Das 'Buch der Märtyrer' ( ' M ä r t e r b u c h ' ) ist (1) eine Sammlung von Legenden, die in drei mehr oder minder vollständigen Papier-Handschriften vorliegt: C = Hs. 713 der Bücherei des Augustiner-Chorherrenstiftes in Klosterneuburg, aus dem Anfang des 15. Jhs., enthält 95Legenden; B = Hs. A. 22 der fürstbischöflichen Seminarbibliothek in Brixen, zwischen 1385 und 1400 für Georg von Gufidaun geschrieben, enthält 73 Legenden des Mb.; P = cod. Pal. germ. 242 in Heidelberg, aus dem3. Vierteides 15. Jhs., enthält 40 Legenden. Außerdem besitzen wir Bruchstücke von 7 Pergamenthss. in Budweis (Museum), Frauenfeld (Thurgauische Kantonsbibl.), Karlsruhe (hrs. v o n T h . Längin), Klagenfurt (Kärnt. Geschichtsverein), Leipzig (Stadtbibliothek), Murau (Schwarzenberg Archiv), Pfaffenhofen (dz. München, Reichsarchiv), Salzburg (Studienbücherei), Wien (Nationalbibl. 15339). Einzellegenden finden sich in den Sammel-Hss. 2677, 2779, 2862 der Wiener Nat.-Bibl. und Nr. 83 der Landesbibl. in Stuttgart. Das Handschriftenverhältnis ist nicht geklärt;

'Buch der Märtyrer'

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P und C gehören eng zusammen, aber P zeigt auch manche Übereinstimmung mit B, während für B C gemeinsame Fehler nicht erwiesen sind; P scheint daher eine Mischhs. zu sein. Die Stellung der Bruchstücke ist noch nicht untersucht. Insgesamt enthält das Werk eine Vorrede (in CP) und 103 Legenden, von denen 102 überliefert und eine weitere, die des Apostels Thomas, durch den Index von C bezeugt ist. Ob auch die fehlenden Legenden von Lukas, Matthias und Barnabas enthalten waren, läßt sich nicht sagen, aber es ist nicht wahrscheinlich; von den übrigen Heiligen scheint keine Legende verloren gegangen zu sein. 2. Der Dichter des Werkes ist unbekannt. E r schreibt im Auftrage einer Gräfin von Rosenberg, die wohl eine Angehörige des reichsfreien Geschlechtes von Rosenberg in Schwaben und Franken war, das 1632 ausgestorben ist. Gewiß war er ein Geistlicher, vermutlich der Kaplan der Gräfin. E r ist rechtgläubiger Katholik, seine Grundanschauung ist lebensverneinend ; er klagt bei Gelegenheit über die Schlechtigkeit der Welt, den Verfall der Sitten, auch bei den reglern, die Ungerechtigkeit der Reichen gegen die Armen, die Herrschaft der Lüge in der Welt u. dgl.; auch Ritterschaft und Tanz sind ihm Teufelswerk. Aber von kirchlichen Reformgedanken ist er nicht erfüllt, auch äußert er sich nie gegen andere Schriften. Seine künstlerische Begabung ist sehr gering. E r versteht weder zu erzählen noch Verse zu machen. Seine Darstellung wird manchmal erst durch Heranziehung anderer Fassungen verständlich. So steht er tief unter dem Dichter des 'Passionais' (s.d.), dessen jüngerer Zeitgenosse er ist. Als seine Heimat betrachtete Weinhold Schwaben ; J. Haupt setzte das Werk auf Grund der Reime in die niederschwäbisch-fränkischen Gegenden, Edw. Schröder denkt an die bairisch-fränkische Grenze. Die Abfassungszeit läßt sich nicht genau bestimmen, sie fällt um das Jahr 1320. 3. Die Legenden sind nach dem Kalendertage der Heiligen geordnet (in der Datierung einige Besonderheiten) und beginnen mit Jahresanfang, während die 'Legenda aurea'

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•Buch der R ü g e n '

mit dem Advent, ,Der Heiligen Leben' mit Michael (29. Sept.) einsetzt. Die Sammlung enthält 3 Dichtungen über Maria (die Verkündigung, die Klage [ = Passion] und ihre Himmelfahrt), 2 Legenden vom Kreuz (die Auffindung und die Erhöhung [ = Eraclius]), je 1 Legende vom Erzengel Michael, Johannes d. T., vom Bethlem. Kindermord und Maria Magdalena, 12 Legenden der Apostel und Evangelisten und 82 Legenden der übrigen Heiligen, wobei 15 je zweien, 2 je dreien und 1 vier Heiligen gewidmet ist. Bemerkenswert ist die Aufnahme von Bonifatius, Theonestus und Albanus, Kilian, Afra, Gallus, während die bair.-österr. Heiligen wie Ruprecht und Wolfgang fehlen. Aus dem Leben Jesu enthält die Sammlung — abgesehen von der Marienklage — keine Erzählung; das hat dazu geführt, daß einzelne Hss. diesem Mangel abhalfen: B nahm ein Adventgedicht, P das 'Evangelium Nicodemi' des Heinrich v. Hesler (s.d.), />e», Helmzierden. . . S. 20; W a l l n e r P B B . 33 S. 500. Stand: R o e t h e Reinmar von Zweter 1887 S. 181 (adlig?). K l u c k h o h n ZfdA. 52 S. 154; W a l l n e r PBB.33S.53i(beidefürnichtadligen Spielmann). Wallner vermutete, allzu kühn, in dem Beinamen Setzer einen regelrechten Spielmannsnamen mit der Bedeutung „Pfandsetzer", „Versetzer", entsprechend Geltäre, die dann sogar zusammen eine Spielmannsfirma darstellen könnten.

Halbach. Dietrich, s. G r a f , D i e t r i c h . Dietrich, Bruder. Wiener Hs. 1637 Bl. 222; Gedicht aus dem X I I I . Jh., eingetragen von einer Hand des X I I I . oder X I V . (Denis) Jhs.

Die 5 Strophenanfänge des alten Himmelfahrtsliedes Jesu nostra redemptio (W. KIv. I Nr. 65) deutsch glossiert, die drei ersten in je sechs, die anderen in je vier Reimpaaren; am Ende ein Gebet des Dichters an Maria. Beginn; Got vater herre iesu christ. An verschiedenen Stellen verderbte Überlieferung; seorsum verte folium Str. 5, 2 gehört nicht in das Gedicht! Abgedr. bei H o f f m a n n v. F. Verz. d. altd.Hss. der k. k.Hofbibl. zu Wien 1841 Nr. 81. Ludwig Denecke. Dietrich, Bruder, angeblich Franziskaner in Zengg an der Adria im heutigen Jugoslawien, der dort 1420 eine Praktika, d. i. eine Prophezeiung, auf das Jahr 1501 verfaßt haben soll. Sie ist erhalten in einem Einblattdruck der Münchener Staatsbibliothek, nach den Typen gedruckt von Joh. Froschauer in Augsburg, und beginnt: Dise Practica hat gemacht ein bruder sant Franciscus orden geheyssen mit namen Dietrich. Beschehen zu Zenng in Krauatten. Nach der gepurt Cristi Tausend vierhundert und zwaintzig iar. Item wenn man wirt zelen nach der gepurt Cristi Tausent fünffhundert und ain iar usw. Schluß: Sicher ich sag nit unrecht mit meiner red. ich sag es mit grosser trübsal unnd schmertzen den got an mich hat gesandt. Einblattdrucke des XV.

Jhs. S. 130 Nr. 516.

W. St. Dietrich von Apolda (Theodoricus de Thuringia). 1. Hss. der 'Vita S. Elisabeth' in Brüssel, Darmstadt, Erlangen, Fulda, Middlehill, Montpellier, Oxford, Paris, Wolfenbüttel, Weißenburg. Erstdruck bei C a n i s i u s Lect. antiqu. V S. 143ff.' VitaS.Dominici',ErstdruckbeiSurius De probatis Sanctorum historiis V I I I S. 83.

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Dietrich (Theoderich) von Bocksdorff

2. D., nach seinem Geburtsort (um 1228) von Apolda genannt, 1247 Dominikaner zu Erfurt, verfaßt im 43. Jahre seines Ordenslebens 1289 die Lebensbeschreibung der hl. Landgräfin Elisabeth v. Thüringen, eine Kompilation, die den 'Libellus de dictis 4 ancillarum', den Brief Konrads v. Marburg an Gregor IX., die 'Vita Ludovici Landgravii' und zwei verlorene Sermone ausschreibt und zur immer neu ausgeschöpften Quelle für alle späteren Biographien wird. Deutsche Übersetzungen :'St. ElspetenLeben' vom P r e d i g e r m ö n c h D i e t r i c h in 8 Büchern, Ms. Wolfenbüttel chart. saec. X V . 33. Eine andere deutsche erschien Erfurt 1520 40, sehr selten. Zwei vlämische in Brüssel Burg. Bibl. saec. X I V . fol. und 12°. Eine gereimte deutsche Bearbeitung ist 'Das Leben der hl. Elisabeth'. — Auf Wunsch des Ordensgenerals Munione de Zamora (regierte bis 1291) schrieb Dietrich die Vita des Ordensstifters Dominikus und vollendete sie unter dem Ordensgeneral Nicolaus Boccasinus (1296—1298), wofür ihm sein dt. Provinzial Gerhard (außer den schrifth'chen Quellen des Jordanus, Humbert, Frachet, und den Kanonisationsakten) auch mündliche Quellennachrichten besonders der Schwester Cäcilie von Rom vermittelte. — D i e Solesmenser Herausgeber der 'Revelationes Gertrudianae ac Mechthildianae' II (1877) geben im Anhang V I eine 'Commendatio libri Sanctae Gertrudis juxta codicem bibliothecae Caesar eae Vindobonensis', worin es heißt: Frater quoque Theodoricus dictus de Apolda saepius cum ea colloquium habens sermones et sensum illius per omnia approbavit. So war also Dietrich befreundet mit der großen Mystikerin in Helfta. Dagegen hat Dietrich nichts zu tun mit dem Verfasser Th. de Apolda einer Predigt in dem Oxforder Cod. Laud. misc. 479, durch die er bei P r e g e r Gesch. der dt. Mystik II 168 einen unbegründeten Platz fand, denn nach Strauchs Edition der Hs. heißt jener Verfasser Thomas (s. d.). Die 'Vita Dominici' außer bei Surius bei B o l l a n d Acta Sanctorum, August I S. 562ff. Neue Ausgabe von Cur 61887. —Ergänzungen zur 'VitaS.Elisabeth' bei M e n c k e n Scriptores rerum german. I I S . 1987—2006. — Ü b e r Dietrich siehe

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Q u e t i f & E c h a r d SS. ord. Präd. (1719) I S. 4i3ff. P a b r i c i u s (1746) V I S. 630. Ph. S t r a u c h Paradisus anime (DTMA. X X X ) 1919, S. V H I f .

Engelbert Krebs. Dietrich (Theoderich) von Bocksdorff (Bogsdorf, Boxdorf, Bucksdorf, Buxtorff, Buchesdorf, Bockinsdorf, Buckenstorff, Bugendorph). 1. Geboren zu Zienitz bei Buckau in der Oberlausitz zu Beginn des 15. Jhs., kam er 1425 auf die Universität Leipzig, wo er als Ticzko Buckenstorf de Czymriz bei der natio Misnensium eingetragen wurde. Im Jahre 1426 war er baccalaureus artium, studierte 1436—37 in Perugia und erscheint 1439 als iur. utr. Dr., Dozent und Rektor der Universität Leipzig. Spätestens 1443 wurde er Ordinarius des ius canonicum an dieser Hochschule. Er wird erwähnt als custos ecclesiae collegiatae maioris in Glogau, Kanonikus in Magdeburg und Naumburg, war seit Oktober 1463 Bischof von Naumburg, starb hier am 9. März 1466 und liegt im Dom zu Naumburg begraben. 2. B. war ein über Leipzig hinaus angesehener Jurist, der insbesondere auch praktisch t ä t i g ' war als Schiedsrichter, Anwalt, Gutachter und in Diensten der Stadt. Seine Bedeutung beruhte auf seiner gleichmäßigen Beherrschung des sächsischen und des fremden Rechts, des römischen und des kanonischen. Diese ermöglichte ihm in seiner praktischen und literarischen Arbeit den ihm eigentümlichen, verständnisvollen Ausgleich zwischen dem einheimischen und dem rezipierten Recht, bei dem dieses nicht lediglich die Stelle gelehrten Zierats einnimmt. So wurde er seiner Zeit als der dominus Ordinarius schlechthin bekannt. Daneben nahm er hervorragenden Anteil an der Verwaltung der Universität, gehörte der Kommission für die Neufassung der Universitätsstatuten an und verkündete diese am 11. Januar 1445, wurde 1443 als Vertreter der Universität zu Verhandlungen in Kirchensachen nach Nürnberg geschickt. Seit 1449 hatte er das mit seinem Ordinariat verbundene Altarlehen in der Peterskirche inne. Er scheint ein vermögender Mann gewesen zu sein und hatte Hausbesitz in Leipzig. Seine

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Dietrich (Theoderich) von Bocksdorfi

ansehnliche Bibliothek von 52 Bänden, die neben den Corpora iuris und sächsischen Rechtsbüchern Werke von Durantis, Hostiensis, Panormitanus enthielt, ist zum Teil in den Hss. der Leipziger Stadtbibliothek erhalten. Eine Handschrift des 'Sachsenspiegels' (s. d.) hat er neben eigenen Werken der Stadt Guben geschenkt, vermutlich die noch dort befindliche, 1423 geschriebene (nicht in diesem Jahr geschenkte) Papierhandschrift. Für Studierende, in erster Linie aus seiner Familie, errichtete er 1463 eine Stiftung, bestehend in 40 Goldgulden und dem Recht der Benutzung seiner Bibliothek. 3. Die l i t e r a r i s c h e T ä t i g k e i t des D. v. B. ist noch nicht ganz aufgeklärt, aber in letzter Zeit wohl zu gering eingeschätzt worden. Als sicher ist anzunehmen, daß B. die ihm früher zugeschriebene Rezension der Sachsenspiegelglosse nicht verfaßt hat. Die sogenannte Bocksdorff sehe Rezension geht auf die Petrinische Glosse zurück. Die Notiz des Basler Drucks von 1474 und einiger anderer Drucke, daß B. den Sachsenspiegel „gecorrigieret" hat, ist auf eine Überarbeitung zu beziehen. B. sind nur einige wenige Zusätze zuzuschreiben, vielleicht auch eine Übertragung in das Mitteldeutsche. Dagegen besteht kein ausreichender Grund, dem B. auch die nach ihm benannten Additionen abzusprechen, glossenartige Zusätze in Glossenhandschriften des 'Sachsenspiegels'. Denn für sie wird im Leipziger Primärdruck von 1488 die Urheberschaft des Th. v. B. ausdrücklich erwähnt, und außerdem wird sie von Schriftstellern des 16. Jhs., Konrad Wimpina und Henning Göde, bezeugt. Dies schließt nicht aus, daß einzelne dieser Additionen von Tammo v. B. (s. d.) stammen und von D. v. B. nur übernommen worden sind. Unbestritten hat B. ein ' Remissorium' zum Sachsenspiegel, zum Lehnrecht und zum Weichbildrecht verfaßt, eine Aufteilung dieser Rechtsbücher unter alphabetisch geordnete Stichwörter. Nach einer Hs. von 1462 hat B. das 'Remissorium' 1449 begonnen, nach einer anderen von 1475 erst 1453 vollendet, doch ist es schon 14*

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in einer Quedlinburger Hs. von 1452 enthalten. Gleich sicher stammt von B. eine systematische Sammlung von Gerichtsformeln für Kläger und Beklagte, 1460 in Leipzig beendet. Mit ihr verwandt ist eine teils 1433 in Meißen, teils um 1451 in Leipzig verfaßte, zweite Sammlung von Formularen zur Anfertigung von Schriftsätzen, die als 'Informaciones domini ordinarii' in einem 1469 zu Görlitz geschriebenen Codex mitSchöffensprüchen und anderen Stücken verbunden sind. Höchstwahrscheinlich ist es, daß auch die im gleichen Codex enthaltene Weise des Lehnrechts B. zum Verfasser hat. Sicher ist dies wiederum für die ebenda enthaltenen Sippezahlregeln und Erbrechtsregeln. An weiteren Werken B.s nennt Wimpina einen Uber in iura munieipalia, einen Uber consiliorum (volumen ingens) und eine lectura super Decretalibus (volumen grande). Von diesen ist das zweite Werk aller Wahrscheinlichkeit nach identisch mit einem Kopialbuch des B. in der Domherrenbibliothek zu Zeitz. Die beiden anderen sind nicht bekannt. Außerdem kennen wir noch ein einzelnes Gutachten B. s von 1454 für den Kurfürsten Friedrich II. und eine Reihe von solchen in einem noch im 15. Jahrhundert geschriebenen Sammelwerk 'Summa der rechte weg gnant'. A u s g a b e n . 1. Additionen: S t e f f e n h a g e n WSB., Hist.-phil. K l . C X S. 251 f. — 2. Geriehtsfonneln: B ö h l a u Zeitschr. f. Rechtsgesch. I S. 4 i 5 f f . — 3. Sippezahlregeln: W a s s e r s c h i e b e n Prinzip der Sukzessionsordnung, Anhang A S. I25ff.; G. K i s c h Dietrich von Bocksdorfs 'Informaciones' 1923, S. 28 Anm. 1. — 4. Gutachten von 1454: D i s t e l Zeitschr. der Savignystiftung f. Rechtsgesch., Germ. Abt. I V S. 234. — 5. Consilia: B ö h l a u Zeitschr. f. Rechtsgesch. X I I I S. 5 i g f f . (Auszug). — 6. Erbrechtsregeln: K i s c h a. a. O. S. 29 Anm. 1. — 7. Weise des Lehnrechts: H o m e y e r Sachsenspiegel II 1, S. 543 ff. Handschriften. 1. 'Remissorium': Hom e y e r Die deutschen Rechtsbücher des Mittelalters S. 59. Dazu Anz. f. Kunde der deutschen Vorzeit 1859, Sp. 84; Zeitschr. f. Rechtsgesch. I S. 248; II S. 175. — 2. 'Informaciones': G. K i s c h a. a. O. — 3. Sippezahlregeln: K i s c h a. a. O. S. 27 Anm. 1. — Die von B. bei Johannes Petrucci de Montesperello (Perugia) nachgeschriebenen Kolleghefte in der Leipziger Universitätsbibliothek. L i t e r a t u r . A D B . I S. 789 f. M u t h e r Zeitschr. f. Rechtsgesch. I V S. 388ff. F r i e d -

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Dietrich der Dominikaner — Dietrich von Freiberg

b e r g Die Leipziger Juristenfakultät, passim. S t o b b e Gesch. d. deutschen Rechtsquellen I S. 384f. B ü h l a u Zeitschr. f. Rechtsgesch. X I I I S. 5 i 4 f f . S t e f f e n h a g e n W S B . CI S. 7 5 3 f f . ; ders. Die Bocksdorfschen Additionen, ebda. C X S. 2 i 9 f f . ; d e r s . ebda. C L X V I I Abh. 5. G. K i s c h , a. a. O. „ , .

v. Schwerin. Dietrich der Dominikaner, s. D i e t r i c h von Apolda. Dietrich von Freiberg (Theodoricus Teutonicus de Vriberg, Meister Dietrich).

1. H s s . : Cod. Vat. lat. 2 1 8 3 (21 Traktate, darunter 2 nur hier); Cod. Vat. lat. 4426 (1 auch sonst erhaltener Tr.); Erfurt Cod. Amplon P 72 (10 Tr. von denen 1 nur hier); Erfurt Cod. Amplon. F 79 (1 Tr.); Basel F I I I 18 (1 auch sonst erhaltenerTr.); BaselF I V 30 (1 Tr., der auch sonst erhalten); Leipzig 5 1 2 (4 auch sonst erh. Tr.); Wien Cod. 273 (1 auch sonst erhaltener Tr.); Wien, Cod. Dominic. 108 (9 auch sonst erhaltene Tr.); Maihingen I i i . qu. 6. (13 Tr., darunter einer nur hier).

2. Unsichere Lebensdaten: Geboren Mitte des 13. Jhs. wohl zu Freiberg i. Sachsen, wurde D. früh Dominikaner und Lesemeister im Heimatkloster. Als solcher zur weiteren Ausbildung 1276 nach Paris geschickt, hörte er dort unter anderen den Magister solemnis Heinrich von Gent und wird nach seiner Rückkehr, wahrscheinlich nach Verwaltung anderer Posten, 1285 Prior des Würzburger Klosters. — Gesicherte Daten: 1293—96 leitet er als Provinzial die damals noch ungeteilte von den österreichischen Alpen bis zur Nordsee und der holländischen Küste reichende Provincia Teutonica, deren Anwachsen gerade unter D.s Provinzialat bei seiner Absolvierung 1296 den Beschluß des zu Straßburg gehaltenen Generalkapitels veranlaßt, die Provinz zu teilen in Säxonica und Teutonica, ein Beschluß, der nach langen Vorarbeiten 1303 zur Ausführung kam. 1297 finden wir den ehemaligen Provinzial in Paris, wo er in diesem Jahr zum Magister theologiae promoviert wurde und ein Jahr lang die Sentenzen liest. Das folgende Jahr sieht ihn wieder als Prior des Würzburger Klosters, das er noch 1303 regiert. Im selben Jahr wirkt er in Koblenz a. Rhein in einer Ordenskommission mit, die zwischen den österreichischen Dominikanerkonventen zu Retz und Krems eine neue (Bettelbezirks-) Grenze festlegt. Er arbeitet hier zusammen

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mit dem damaligen Ordensprovinzial Amandus, dem Kölner Lektor Johann von Lichtenberg und dem Mainzer Lektor Wolfgang. 1304 geht er als Elektor oder als Generaldefinitor nach Südfrankreich, wo er auf dem Generalkapitel von Toulouse dem Ordensmeister Aimerich (1303 bis 1312) seine Theorie über den Regenbogen vortrug. Aimerich, der gerne seine Ordensbrüder zur Abfassung wissenschaftlicher Werke aufforderte — auch Hervaeus Natalis nennt seine ihm gewidmete 'Defensio doctrinae fr. Thomae' ein opus a vobis impositum mihi —, befahl D. die Niederschrift seiner optischen Lehren und regte ihn dadurch zur Abfassung seines Traktates über den Regenbogen an, der „größten derartigen Leistung des Abendlandes im Mittelalter" (Hellmann). Schriftstellerisch und als mystischer Prediger in Nonnenklöstern gleich Eckhart (s. d.) und Tauler (s. d.) tätig, entzieht er sich unseren Blicken bis 1310, wo ihm der Orden einen letzten Beweis seines großen Vertrauens gibt und ihn zum Vicarius der verwaisten deutschen Ordensprovinz macht. Bald danach scheint er gestorben zu sein. (Nach dieser Vita sind die vielen phantastischen LebensbeschreiI bungen mit Ketzergerichten usw., die in der älteren und neueren Gelehrtenliteratur sich über D. eingebürgert haben, zu korrigieren.) 3. D.s Lebenswerk umfaßt in 35 Traktaten von zum Teil erheblicher Ausdehnung: Logik, Ontologie, Naturphilosophie, Psychologie und Erkenntnislehre, Kosmologie, Grundfragen der Physik, Chemie und Astronomie, Optik bes. die Himmelsoptik und Meteorologie, endlich Theologie und Ordensangelegenheiten. Erhalten sind 23 Werke und zwei Briefe, die er als Ordensprovinzial an den Kardinallegaten Johannes von Tusculum gerichtet hat. Leider sind uns bis heute keine deutschen Predigten D.s bekannt, obwohl er in einer von Mone (Anz. f. Kde. d. dt. Vorz. VI [1837] 75) zitierten Koblenzer Hs. als Lehrer echter dt. Mystik gekennzeichnet wird durch eine von ihm an zwei fragende Schüler gerichtete Anweisung zur Vorbereitung auf die mystische Beschauung. Auch ein von Höfler, Germania X V (1870)

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Dietrich von Freiburg — Dietrich von der Glesse

S. 97 ediertes Gedicht einer süddeutschen Nonne rühmt D. als Prediger neben Eckhart und einem ungenannten Lesemeister und sagt von ihm, daß er „die Seele will versenken in den Grund ohne Grund". In der Vorrede zu seinem Traktat über die Himmelsbeweger schreibt er an seine Schüler Heinrich von Freiburg und Heinrich von Ettlingen (denen er wünscht, daß sie die ewige Wahrheit, die Gott selber ist, erkennen und erkennend lieben und liebend und genießend ohne Ende selig besitzen mögen): „Nach dem Stande meines Alters solltet ihr Predigten von mir verlangen, nicht Quästionen und besonders nicht solche, die philosophischer Art sind. Doch ihr zwingt mich, zurückzuschauen und die Hand wieder an den Pflug zu legen, den sie verlassen hat." 4. D. ist in philosophischer Hinsicht ein eigenwilliger Vertreter des Augustinismus nach und trotz seinem Ordensgenossen Thomas v. Aquino (s. d.), den er, ohne ihn zu nennen, mannigfach bekämpft, und arbeitet viel mit Texten des Neupiatonikers Proklus und der arabischen Neuplatoniker. Sein Weltbild ist ebenso eigenartig wie seine Erkenntnislehre; beides streift an den Pantheismus durch die kosmische Emanationslehre und die noetische Einstrahlungslehre, ohne aber wirklich pantheistisch zu werden. Als Naturforscher vertritt er den Standpunkt, daß überall, wo das Experiment und die eigene sorgfältige Sinnesbeobachtung uns etwas mit unfehlbarer Sicherheit lehren, die Autorität jedes Großen, selbst des Aristoteles, zurücktreten müsse. Stark von den Arabern, besonders von Alhacens (Ibn al Haitains) Optik abhängig, geht er doch in der Erklärung des Regenbogens weit über die Araber hinaus, indem er unabhängig von Kamal al Din erkannte, daß in den Wassertropfen zweimalige Brechung und einmalige Reflexion des Sonnenstrahls eintritt, und diesen Grundgedanken ohne Kenntnis des Brechungsgesetzes bewundernswert durchführt. „Jahrhundertelang nach ihm ist es nicht gelungen, eine wesentlich bessere Erklärung zu geben; erst der neuesten Zeit blieb es vor-

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behalten, eine vollständige Lösung des Problems auf Grund der Theorie der Beugung zu geben" (Würschmidt). 5. D.s Schriften haben auf Meister Eckhart und Tauler, auf den jüngeren Eckhart (s. d.) und andere Mystiker und Mystikerinnen Einfluß gehabt und besonders Proklus den Weg in die deutsche Mystik gebahnt. Seine dem heiligen Augustin entlehnte Lehre vom abditum mentis wirkt auf die Lehre vom Seelengrund ein und führt beim jüngeren Eckhart und einem begardischen Traktat zu häretischen Konsequenzen, die er selbst aber nicht gezogen haben würde. Ausgaben: 'De intellectu et intelligibili, de habitibus', vollständig bei K r e b s Meister Dietrich (Baeumker-Hertlings Beiträge z. Gesch. d. Philos. d. MA. V) 1906; 'De ente et essentia' vollständig bei K r e b s Revue neoscolastique X V I I I (1911) S. 516—536; 'De iride' vollständig bei W ü r s c h m i d t , B . - H . s B e i t r ä g e X I I (1914). Alles Übrige in ausführlichen Exzerpten bei K r e b s Meister Dietrich. Literatur: K r e b s aaO.; W. P r e g e r Gesch. d. dt. Mystik I (1874) S. 292—305. C. G a u t h i e r Thierry de Fribourg, Revue Augustinienne X V (1909) S. 657—673 u. X V I (1910) S. 178—206 u. 541—566. A. D y r o f f Philos. Jahrbuch X X V I I I (1915) S. 55—63. A. B i r k e n m a i e r Beiträge X X (1922) S. 70—90: Drei neue Hss. der Werke Meister Dietrichs. B. G e y e r Die patristische und scholastische Philosophie (Überwegs Grundriß 1 1 II ) 1928 S. 552—560 u. 778. Über Dietrich als Optiker: W ü r s c h m i d t aaO. G. H e l l m a n n Neudrucke v. Schriften und Karten über Meteorologie und Erdmagnetismus n. 14 (1902). G e r l a n d Geschichte der Physik I (1913) S. 201.

Engelbert Krebs. Dietrich von Freiburg s. D i e t r i c h von Freiberg. Dietrich von der Glesse (Glezze), (1.) Verfasser der mhd. Novelle 'Der Borte', die überliefert ist in der bekannten Heidelberger Novellenhs. Pal. Germ. 341 (Perg. Anf. X I V . Jh.; DTdMA. 17), in deren Kalocsaer Abschrift ( Z w i e r z i n a Festschrift M. H. Jellinek 1928, S. 209ff.; Perg., wenig später) und in der Heidelberger Pap. Hs. Pal. Germ. 4 von 1466/78 ( R o s e n f e l d Mhd. Novellenstudien S. 312). 2. Nach dem interpolierten, aber wohl auf älterer Grundlage beruhenden Epilog hat D. den 'Borte' auf Veranlassung eines Wilhelm, dessen Vater Vogt von Widenä ( = Weidenau in Österreich.-Schlesien)

Dietrich von Kettler — Dietrich von Niem

war, gedichtet. Dieser urkdl. nachweisbare Wilhelm ist spätestens 1296 gestorben, sein Vater frühestens 1266 mit der Vogtei belehnt, womit die Grenzen für die Entstehungszeit des Gedichtes gegeben sind. Unter Glezze ist wohl die Clesse, bzw. der Clessengrund am Südostabhang des Glatzer Schneeberges (1347 zuerst urkdl. bezeugt) zu verstehen. Ob D. ein Lehnsmann der Karpensteiner Herrschaft war (so Kiemenz), ist zweifelhaft; die unmotivierte Erwähnung eines spilman v. 490 könnte auf einen Fahrenden deuten (so v. Kralik), doch findet sich auch dafür kein sicherer Anhalt (typische Formeln fehlen ebenso wie das Liebäugeln mit der offenen Hand). Jedenfalls war der Dichter lateinkundig (v. 701 gelücke, daz da heizet sors), hat vielleicht sogar nach lateinischer Quelle gedichtet. 3. Denn die Erzählung von der Gattin, die sich um kostbarer Gaben willen einem Fremden hingibt, darum von ihrem Manne verlassen wird, ihn aber dadurch ins Unrecht setzt, daß sie ihn in Verkleidung der Bereitwilligkeit überführt, für einen Teil der Gaben sich zur Päderastie herzugeben, ist nahe verwandt mit der antiken Erzählung von Kephalos und Prokris, und zwar ist als Quelle eine Fassung vorauszusetzen, die Elemente des Antonius Liberalis mit solchen Hygins vereinigt hatte. Da die Erzählung in Frankreich nicht bezeugt ist, braucht Brabant als Schauplatz des zweiten Teils nicht auf französische Vermittlung zu weisen. 4. Den Dichter für einen gebürtigen Schlesier zu halten, erlauben die Reime nicht, die eher aufs nördliche Alemannien weisen (überreite 774; die nicht auf den Inf. beschränkte Vernachlässigung des unbetonten ausltd. n [umal] findet sich in größerer Ausdehnung am ehesten am Rhein). D. besaß zweifellos dichterische Begabung; Gewandtheit im Ausdruck, warmes Naturgefühl und die Fähigkeit, anschaulich zu schildern und den mit Ironie behandelten Gestalten Relief zu geben, sind ihm eigen. Um so mehr kontrastieren damit einige recht ungeschickte Partien. Da nun Prolog und Epilog von einem gewissen P u n z i n g e r (wohl einem

Schlesier) nachträglich zugedichtet sind, hat D. v. Kralik wohl mit Recht das vorliegende Gedicht als eine aufschwellende Überarbeitung des Originals angesprochen; freilich geht er in seinem Rekonstruktionsversuch (Komprimierung von 816 auf 426 v.) entschieden zu weit. Schon das Original besaß Fülle und war Wolfram (s. d.) und Konrad von Würzburg (s. d.) verpflichtet (v. 73—78 = Willeh. 62 n ff,; 26f. = Parton. 8692ff.). Hrsg. von v. d. H a g e n Gesamtabenteuer Nr. 20 (1850) und von O. R. M e y e r 'Der B.' des D. v. d. G. (Germ. Arbeiten hrg. v. Baesecke H. 3) 1915. — R. B r e n d e l , Diss. Halle 1906. D. v. K r a l i k 'Der B.' d. D. v. d. G. in ursprünglicher Gestalt, Z f d A . 60 (1923) S. 153—93. P. K i e m e n z Zur Herkunft D. s. v. d. G., Glatzer Heimatschriften 5 (1921) S. 20—28. L e i t z m a n n P B B . 48 S. 7off. (Textkrit.) — Übertragungen v. F r . B e r g mann Altdeutsche Minnemären 1924; von R. Z o o z m a n n (Phantasusdrucke Nr. 3) 1921.

H.-F. Rosenfeld. Dietrich von Kettler (Dirick Ketteier), Drost von Ottenstein bei Ahaus, gab einen Bericht über seine 1519 mit westfälischen und bergischen Herren unternommene Pilgerfahrt: 'Bedevarttom hilligen Lande . Hs. i.