Die deutsche Literatur des Mittelalters: Band 4 Saarburg - Zwinger [Reprint 2019 ed.] 9783111419800, 9783111055459


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German Pages 586 [596] Year 1953

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Die deutsche Literatur des Mittelalters: Band 4 Saarburg - Zwinger [Reprint 2019 ed.]
 9783111419800, 9783111055459

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DIE DEUTSCHE LITERATUR DES MITTELALTERS *

YERFASSERLEXIKON

UNTER MITARBEIT ZAHLREICHER FACHGENOSSEN HERAUSGEGEBEN VON

KARL L A N G O S C H BAND IV

Saarburg — Zwinger

BERLIN

1953

W A L T E R DE G R U Y T E R & CO. VORMALS G. J. GÖSCHEITSCHE VERLAGSHANDLUNG • J. GUTTENTAG, VERLAGSBUCHHANDLUNG • GEORG REIMER • KARL J. TRÜBNER • VEIT & COMP.

Printed in Germany Archiv Nr. 45 12 53 Druck von E. Heckendorff, Berlin SO 36

s. Saarburg, s. F r i e d r i c h v. S.

Sachsen, s. H e i n r i c h . P e t e r v . S.

Saaz, s. J o h a n n e s v. S. Säben, s . L e u t h o l d v . S e v e n (Nachtrag). Sach (Sax), Peter (Petterlein), in den Katalogen der Meistersänger bei Hans Folz, Nachtigal u. a. entstellt aus Peter von Sachsen (s. d.), vgl. schon G. R o e t h e Reinmar von Zweter (1887), S. 3. K. L. Sachs, Agnes, schrieb zwischen 1434 und 1438 im Cod. germ. Berol. quart 206, Bl. 37 b das Register der darin folgenden Straßburger Predigten und gab darin den Prediger und die Kirche, in der gepredigt wurde, sowie den Zeitpunkt an, s. H. D e g e r i n g Kurzes Verz. der germ. Hss. der Preuß. Staatsbibl. II (1926), S. 42.

K.L. Sachs, Georg (Jorig), schrieb 1462 in Walhenstorff das Register zum Alexanderbuch des Johannes Hartlieb (s. d.) im Cod. germ. Berol. fol. 1066, der bairischen Dialekt zeigt, s. H. D e g e r i n g Kurzes Verz. der germ. Hss. der Preuß. Staatsbibl. I (1925), S. 149.

K.L. Sachs, Konrad, aus Sulgen, Kleriker und Notar in Konstanz und in Zürich, wo ihm die bischöfliche Steuer gehörte. In Konstanz war er Stadtschreiber. 1398 stellte er die Satzungen des Rats und der Stadt Konstanz zusammen, siehe den Cod. germ. Berol. fol. 957. Gestorben 1409. H. D e gering Kurzes Verz. der germ. Hss. der Preuß. Staatsbibl. I (1925) S. 136. Hist-.biogr. Lexikon der Schweiz V (1929) S. 781.

K. L. Der Sachse, ein mystischer Prediger, Barfüßer. Ein Zitat von ihm in der Hs. der Preuß. Staatsbibl., dem Cod. germ, quart 191, 14. Jh.s: ein barfuoze hiez der Sahse, der seite an einer predigen alsS . . . ; mitgeteilt von F . P f e i f f e r in der Germ. 3 (1858), S. 233. Ob identisch mit Dem von Sax ? (s. d.). K. L. 1

Verfasser-Lexikon

Johann,

Der von Sachsendorf. Minnesänger aus einem österreichischen Ministerialengeschlecht, bei Kollersdorf in Niederösterreich beheimatet und wahrscheinlich identisch mit dem von Ulrich von Lichtenstein in seinem "Frauendienst" erwähnten und 1249 urkundlich bezeugten Ulrich von Sachsendorf. Der Dichter würde dann zum Hof Friedrichs des Streitbaren von Österreich gehört haben, in dessen Gefolge er 1240 an dem Artusfest in Wiener Neustadt teilgenommen hätte. Die 7 von ihm erhaltenen Minnelieder, die gedanklich durchaus im Typischen bleiben, verraten ein beachtliches formales Können. Ein Tanzlied klingt leicht an Neidhart an. Große Heidelberger Liederhs. C, Cod. Germ. Pal. 848, Nr. 46, Bl. 158—159» (mit Bild). F. P f a f f Die große Heidelberger Liederhs. I (1909) Sp.565—569. M. G o l d a s t Paraeneticorum veterum pars I (1604) S. 425 ( = I , l ) . B o d m e r Sammlung von Minnesingern aus dem schwäbischen Zeitpunkte I (1758) S. 158—160. HMS. Nr. 49, I 300—302; I I I 636, 830; I V 236. B a r t s c h G o l t h e r DL. Nr. 39, S. L X I I , 2 i 9 f . ( = VI). W. S t o r e k Der von Sachsendorf, Carmina quot supersunt 1868. L. T i e c k Minnelieder aus dem Schwäbischen Zeitalter 1803, S. 32—34 ( = I). W. S t o r c k Buch der Lieder aus der Minnezeit 1872, S. 45, 53, 71, 93f., 105, 161, I7öf. ( = V , III, IV, I, VII, 1—3, II, VI). K . F. K u m m e r Die poetischen Erzählungen des Herrand von Wildonie und die kleineren innerösterreichischen Minnesinger 1880, S. 64f. F. G r i m m e Beiträge zur Geschichte der Minnesinger III Nr. 7, Germ. 33 (1888) 53—55. K . B u r d a c h A D B . 30 (1890) S. 146 = Reinmar der Alte '(1928) S. 379f.

Elisabeth Karg-Gasterstädt Sachsenheim, (Nachtrag).

s.

Hermann

v.

S.

'Sachsenspiegel', s. E i k e v. R e p g o w e . Säckingen, s. J o d v . S. 'Das Säcklein Hermann.

Witz',

s.

Fressant,

Sailer, Johann. Die Hs. Nr. 792 der Fürstl. Fürstenbergischen Hofbibliothek zu Donaueschingen (Mitte oder drittes Viertel

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'Der Sälden Hort' — 'Salman und Morolf ('Salomon und Markolf)

des 15. Jh.s) enthält von J. S. drei Rezepte: Bl. 142b ein deutsches gegen die Ruhr (Überschrift: Ad idem secundum Johannem Sailer), Bl. 163a—163b ein lateinisches gegen Sehnenverkürzungen (Überschrift: Und fürbas von adren, die da sind zerhowen vnd ze kurcz vnd krumb worden secundum Johannem. Sailer) und Bl. 164a (Überschrift: Item aliter secundum Johannem Sailer) ein deutsches Zauberrezept gegen Hühneraugen (Die innere Haut von einem Hühnermagen soll vergraben werden, und sobald sie in der Erde verfault ist, ist auch das Hühnerauge vergangen). H. Niewöhner «Der Sälden Hort'. 1. Dieses nach H a u p t s Vorgang bisher „ale-, mannische Magdalenenlegende" genannte Gedicht ist uns in zwei Hss. überliefert: a) W : Papierhs. .2841 der Nationalbibliothek in Wien, Ende des 14. Jh.s; b) K : Papierhs, der Bad. Landesbibliothek Karlsruhe aus dem Benediktinerkloster St. Georgen bei Villingen, 15. Jh., enthält 2930 Verse von den 11304 Versen in W. — Beide Hss. sind mit Bildern geschmückt und gehen auf die gleiche Vorlage zurück. (Krit. T e x t von H. A d r i a n D T d M A . X X V I 1927.)

2. Das umfangreiche Gedicht zerfällt in zwei Bücher, von denen jedes mit einer allgemeinen Einleitung versehen ist, in der sich der Dichter gegen das weltliche Leben und insbesondere gegen den weltlichen Roman wendet, den er durch seine eigene fromme Dichtung zu verdrängen hofft. Im ersten Buche schildert er in der Hauptsache das Leben Johannes des Täufers und das Christi, soweit es von jenem zeitlich umfaßt wird. Das zweite Buch hebt mit der Versuchung Jesu in der Wüste an, erzählt von seiner Lehrtätigkeit, seinem Leiden und Tod und seiner Auferstehung und schildert insbesondere das Schicksal Maria Magdalenas. Mit einem Lobpreis Christi schließt das Ganze. So hat der Dichter die Aufgabe gelöst, die er sich V . i28ff. gestellt hat:lesen, hören, alsamen von Got und Gotes tofer: der lebens überlofer wil ich sin und der frowen min, Magdalenam der sünderin. — Es ist indessen nicht leicht, dem Gedicht einen zusammenfassenden Titel zu geben. A d r i a n nennt es nach V . 73 Der saelden hört, etwa einem "geistlichen Schatzkästlein" entsprechend. 3. Der Name des Dichter ist uns nicht überliefert. Seiner Sprache nach stammt

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er aus der Landschaft südlich Basel; Basel selbst, der geistige Mittelpunkt des Oberrheins, wird sein Wirkungsfeld gewesen sein. Hier hat er bald nach 1298, d. h. bald nach der Schlacht bei Göllheim, auf die er V . 4867f. anspielt, dieses sein Erstlingswerk verfaßt, um zu seiner ideal geistlichen, weltentsagenden Auffassung des Lebens die weltlichen Gemüter seiner Zeit zu bekehren und das Unterhaltungsbedürfnis der Leser mit einer aus heiliger Quelle geschöpften Erzählung zu befriedigen. Die Behandlung des Themas und der Reichtum an theologischen, insbesondere exegetischen Kenntnissen verrät den Geistlichen. Quelle ist ihm die Bibel und ihre Auslegung. Ob er dabei auf die verschiedenen Kirchenväter selbst zurückging oder ein Sammelwerk von Auszügen benutzte, ist nicht mit Sicherheit zu entscheiden. J. H a u p t W S B . 34 (1860) S. 279ff. S. S i n g e r A f d A . 47 S. 127ff. O. B e h a g h e l Litbl. 50, Sp. 172 f.

Arthur Witte Salicetus, s. W i d m a n n ,

Johann.

* Salmanu.Morolf'C Salomonu.Markolf'). I. D i e S a g e . Die Entführungs- und Wiedergewinnungssage von Salomon und Markolf (Morolf, Marolf, Marold) findet sich in zwei mhd. Dichtungen: in dem Spielmannsepos 'Salman u. Morolf aus dem Ende des 12. Jh.s und in dem Epilog des Spruchgedichtes von v Salomon und Markolf, das dem Ende des 14. Jh.s angehört. Dabei verkörpert der Epilog des Spruchgedichtes eine ursprünglichere Fassung der Sage, die zwar nicht der Vorlage des Spielmannsepos entspricht, wohl aber mit ihr auf eine gemeinsame Vorstufe hinweist. Die größere Ursprünglichkeit des Epilogs erhellt sowohl aus der Betrachtung des Aufbaus des Spielmannsepos wie vor allem aus dem Vergleich mit den slavischen Parallelen; denn die Erzählung von Salman u. Morolf findet sich in ganz ähnlicher Form in russischen Bylinen und Prosaerzählungen. Diese aber stehen in manchem wiederum dem Ausgangspunkt der ganzen Sage, der alten talmudisch-orientalischen Sage von Salomon als Dämonenherrscher und seinem Streit mit einem Dämonenfürsten näher, so daß sie nicht aus

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'Salman und MorolF (Salomon und Markolf)

der dt. Erzählung hergeleitet werden können. Aber auch die dt. Seite läßt ursprüngliche Sagenelemente erkennen. Griechischbyzantinische Vermittlung der orientalischen Sage ist daher für den dt. wie für den slavischen Zweig vorauszusetzen. Das Grundmotiv der Sage ist das Erzählschema von der ungetreuen Frau, die sich mit Hilfe eines Scheintod verursachenden Zaubermittels entführen läßt und von dem Gatten unter mancherlei Abenteuern wiedergewonnen wird. Die Form der Ausführung aber zeigt, daß dies Wandermotiv auf Salomo, den weisen König der Bibel und den Dämonenherrscher der talmudischen und kabbalistischen Uberlieferung, übertragen ist in Anknüpfung an die alte Sage, die ihn im Streit mit dem Geisterfürsten As'chmedai (Asmodaeus) zeigt: durch einen zauberkräftigen Siegelring beherrscht Salomo die Dämonen,- aber der Dämonenfürst Aschmedai setzt sich in Besitz dieses Siegelringes. Salomo verliert dadurch seine Macht über die Geister. Aschmedai vermag ihn daher seines Reiches und seiner Frauen zu berauben; er selbst muß als Bettler umherziehen, bis er seinen Siegelring wieder gewinnt, Aschmedai bewältigt und die Herrschaft zurückerlangt. Auf Salomos Liebe zu heidnischen Weibern, insbesondere zu seiner obersten Gattin, der Tochter des Pharao, die ihn auf Irrwege führt und ihm den Zorn Gottes zuzieht und ihn beinahe seines Königtums verlustig werden läßt, hatte bereits die Bibel hingewiesen. (III Reg. I i , bes. V. 12 u. 14). In der byzantinischen Sage war wohl durch Vermischung mit dem biblischen Bericht von Salomos Bruder Adonia, der sich gegen ihn empört, der Dämonenfürst (im russischen zumeist Kitovras aus xevtavQ05) zum Bruder Salomos geworden. Eine Umdeutung dieser Bruderrolle hat im abendländischen Zweig, wohl im Anschluß an das Motiv vom dämonischen Helfer, zur Spaltung dieser Gestalt geführt in den hilfreichen wandlungsfähigen und zauberkundigen Bruder Markolf, dessen Name dem Spruchdialog entstammt (s.u.; innerhalb der Tradition des Spruchdialoges erscheint Markolf nur in einem sizilianischen Märchen gleichfalls als Bruder Salomos

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[ F i t r S Fiabe e leggende Nr. X X I u. S. 132]; ob zufälliges Zusammentreffen?), und den gegnerischen Entführer Fore (aus Pharao), der nichts Dämonisches mehr an sich hat. Für das Dt. muß eine Urform der Sage bestanden haben, die dem Epilog des Spruchgedichtes sehr nahe gestanden hat und wahrscheinlich als spielmännisches Lied umlief: Salomos Gattin Salme (wohl identisch mit Sulamit), die er aus dem Heidenland entführt hat, hat Beziehungen zu dem Heidenkönig Fore. Zwei spielmännische Boten von ihm, die die angebliche Kranke heilen wollen, lassen die Königin in Scheintod verfallen. Markolf hat Verdacht, seine Warnungen bleiben aber ungehört. Zur Probe ihres wirklichen Todes gießt er der Königin geschmolzenes Metall durch die Hand, was sie unbeweglich erträgt. Aus dem Sarg heraus wird sie darauf von den beiden Spielleuten entführt, wohl unter Mitnahme von Salomons Zauberring. Markolf macht sich als Kaufmann verkleidet auf die Suche. E r findet die Königin und erkennt sie, als sie bei ihm Handschuhe kaufen will, an dem Loch in der Hand. Es gelingt, ihm zugleich, den Zauberring zurückzugewinnen. Er benachrichtigt Salomo, und dieser zieht mit drei Heerscharen, einer schwarzen, einer roten und einer weißen, in die Nähe von Fores Burg und begibt sich dann selbst als Pilger in die Burg. Hier wird er von der Königin erkannt und dem König ausgeliefert. Gefragt, welches Schicksal er selbst seinem gefangenen Gegner zuteil werden lassen würde, nennt Salomo den Galgentod in der Nähe des Waldes, in dem sein Heer verborgen liegt. Dort soll er am folgenden Morgen hingerichtet werden. Als letzte Gunst erbittet er, dreimal in sein Horn blasen zu dürfen, was ihm trotz des warnenden Einspruchs Salmes gewährt wird. Auf jeden Hornruf erscheint eine der drei Heerscharen, die von Salomo visionär gedeutet werden. Die Heiden werden niedergemacht, Fore erhenkt und Salme von Morolf durch Aderlaß im Bade getötet.

Mit ähnlichem Verlauf, noch ohne die Erweiterungen, die durch die Rasosage und die slavische Walthersage gekennzeichnet sind (s. u.), war die Sage offenbar zunächst in lat. Form im Abendlande im Umlauf. Dafür spricht nicht nur der entstehungsgeschichtlich sehr wichtige und von der Forschung in seiner Bedeutung bisher nicht richtig erkannte Text in der Handschrift S des lat. 'Dialogus Sälomonis et Marcolfi' (s. u.), sondern darauf weisen auch zahlreiche Anspielungen auf die Sage in den romanischen Ländern, besonders in Portugal und in Frankreich, sowie in England. Freilich darf man nicht, wie es vielfach geschehen ist, das Vorkommen des allgemeinen Erzählungsschemas „Entführung der Gattin und

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'Salman und Morolf ('Salomon und Markolf)

Wiedergewinnung durch Verkleiàung" als einen Beweis der Bekanntschaft mit der Salomonsage hinstellen. Doch finden sich eindeutige Entlehnungen. Insbesondere hat Chrétien von Troyes einen Teil der Handlung seines ,,Cliges" dem Anfangsteil dieser abendländischen Grundform entnommen und dies dadurch bekräftigt, daß er auf den Scheintod zum Zwecke der Entführung hin drei unbeteiligte Ärzte aus Salerno den Verdacht aussprechen läßt, es handle sich um eine Entführungslist wie bei der Gattin Salomos, worauf sie die Probe mit dem geschmolzenen Metall (Blei wie im Epilog des Spruchgedichtes und der lat. Hs. S , nicht Gold wie im Spielmannsepos) ausführen. Auch der Schlußteil hat mehrfache Nachahmung gefunden, am ausgeprägtesten in der Chanson de geste ,,Bastart de Bouillon". In allen Fällen steht der Handlungsverlauf dem oben dargestellten sehr nahe, in deutlichem Abstand von der slavischen Tradition. II. Die d e u t s c h e n T e x t e . i . ' S a l m a n und M o r o l f ' . Ü b e r l i e f e r u n g : i. Die Hs. E von 1 4 7 9 aus Eschenburgs Besitz war lange verschollen und konnte von Vogt für seine Ausgabe nur nach v. d. Hagens Text-Ausgabe rekonstruiert werden, wo sie mit dem Druck d vermischt war, wie sie auch Hartmann (s. u. 2) unbekannt blieb. Auch die Vogt nachträglich bekannt gewordene Abschrift v. d. Hagens, die als Ms. Quart 820" der Staatsbibl. in Berlin erhalten war, zeigt bereits Mischung mit d. E ist aber 1929 in Braunschweig wiedergefunden worden und befand sich 1 9 3 5 in dem Berliner Antiquariat von Paul Graupe. Sie ist mit 22 kolorierten Federzeichnungen geschmückt und ist ein Erzeugnis des Frankfurter Goldschmieds u. Miniators Hans Dirmstein ( 1 4 3 5 — 9 5 ) (s. W . K . Z ü l c h in I, Sp. 4 3 9 ! u. E . S c h r ö d e r G G A . 1 9 3 5 Nr. 6, S. 224), der aber entgegen W . K . ZuIchs irriger Behauptung mit der Dichtung nichts zu tun hat. 2. Die Stuttgarter Hs. S aus dem Kloster Weingarten, 14/15. J h . , gleichfalls mit Bildern, aus dem südlichen Rheinfränkischen. 3. Bruchstücke einer Dresdener Hs. (12 Blättchen), Mitte des 1 5 . Jh.s, die ebenfalls bebildert war; sie waren Vogt in seiner Ausgabe noch unbekannt ; hrsg. von L . S c h m i d t P B B . 30 (1905), S. 5 7 i f . 4. d«Druck Straßburg 1499, mit 50 Holzschnitten; er ist nicht nur in den von Vogt genannten E x e m plaren zu Berlin, Gotha und Neresheim erhalten, wovon allein das Berliner vollständig wäre, sondern auch in Straßburg und anderwärts, s. z. B. C h . S c h m i d t Matthias Hupfuff 1492—1520 Répertoire Bibliographique Strasbourgeois jusque vers 1 5 3 0 V . 2 f., Nr. 4. — Sämtliche Über-

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lief erungszeugen gehen auf eine bebilderte Hs. zurück, die bereits zahlreiche Interpolationen und Textverderbnisse aufwies. S und d sind näher miteinander verwandt. — Eine Hs. von 1 4 7 6 in der ehemaligen Johanniterbibliothek in Straßburg ist 1870 mit der Stadtbibliothek verbrannt, ohne vorher für unsere Texte ausgewertet zu sein.

Das Spielmannsepos von Salman und Morolf ist gegenüber der oben gekennzeichneten dt. Urform beträchtlich geändert und erweitert. Die Änderungen betreffen einmal den Grundriß, dann aber die Ausgestaltung der Handlung im einzelnen. Der Gesamtverlauf der Handlung wird nach Spielmannsweise gedoppelt (nach Frings' Vermutung im Anschluß an ähnlich doppelgliedrige Legenden): Salme erleidet nach ihrer Wiederauf findung nicht den Tod, sondern wird von Salman in Gnaden wiederaufgenommen, läßt sich dann aber von dem Heidenfürsten Princian aufs neue entführen, wodurch Gelegenheit zur erneuten Darstellung von Morolfs Kundschaft und von siegreichen Kämpfen gegen die Heiden ist. Das ursprüngliche Ringmotiv kommt allein im zweiten Teil zu stärkerer Geltung. Die Ausgestaltung der Handlung wird vor allem im Anschluß an eine Form der Erzählung von der ungetreuen Gattin vorgenommen, wie sie am klarsten in der Erzählung von dem Ritter Raso von Schlüsselberg bei Gualtherus Mapes in den 'Nugae Curialium' (ed. T h . W r i g h t 1850, Dist. I I I , Cap. V) in Erscheinung tritt: Gefangennahme eines feindlichen Herrschers, Übertragung der Bewachung an die eigene Gattin, die mit ikm Beziehungen anknüpft und mit ihm flieht. Durch die Verbindung dieser Motivreihe mit der ursprünglichen sind mancherlei Widersprüche und Unwahrscheinlichkeiten in den Handlungsverlauf gekommen. J ü n gerer Zuwachs ist die Einführung der Schwester des Entführers als freundliche Helferin des betrogenen Gatten und als seine schließliche neue Gemahlin, ein Motiv, das in reinerer Form ähnlich in dem zweiten Teil der slavischen Walthersage erscheint. I m übrigen ist vor allem die Gestalt Morolfs stark in den Mittelpunkt des Interesses gerückt: seine Listen und Verkleidungskünste werden in der mannigfachsten Weise abgewandelt und gesteigert. In der Auffassung der Gestalt hat zweifellos die derb-

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'Salman und Morolf ('Salomon und Markolf )

pfiffige Markolfgestalt der Spruchdichtung eingewirkt, woher besonders der derbe Schwank 'Morolf im Ofen' unmittelbar entnommen ist. Vor allem aber hat der spielmännische Dichter in Morolf seinen eigenen Stand mit seiner Wandlungsfähigkeit und Vielgewandtheit humorvoll verherrlicht. E r hat dazu alte und neuere Motive der internationalen Schwankliteratur und des Volksglaubens aufgegriffen. Eine ganze Reihe dieser Motive wird, wie Panzer nachgewiesen hat, im 12. Jh. lange vor der Entstehung unseres Spielmannsepos dem Erzbischof Albero von Trier zugeschrieben. Sie sind also um die Mitte des 12. Jh.s bereits in einer gewissen Vereinigung in der Gegend des Niederrheins, der Heimat unserer Dichtung, bekannt, während sie in den Erzählungen von den berühmten englischen Qutlaws Herward, Fulke Fritz Warin, Wallace und Robin Hood, die z. T . schon im 13. Jh. aufgezeichnet sind, mehr vereinzelt erscheinen. Neben solcher lokalen Tradition mögen aber auch unmittelbare westliche Einflüsse mitbestimmend gewesen sein: in der Chanson de geste' Renaut de Montauban', der Heldendichtung von den vier Heimonskindern, spielt der listenreiche, sich auf mannigfachste Verkleidungen verstehende und zauberkundige Vetter Maugis eine ähnliche helfende und vielfach burleske Rolle. Über die einzelnen Entwicklungsstufen unserer Dichtung und ihre Entstehungszeit herrscht keine Einigkeit. Immerhin wird das erste Spielmannsepos von Salman und Morolf allgemein um 1180 oder besser um 1190 (Anspielung auf die Eroberung von Akkon durch die Christen, worauf vor allem auch die Gestalt des Herzog Friedrich [von Schwaben] hinweist) angesetzt. Aber sein Umfang wird sehr verschieden bemessen. Ehrismann (II, 1 S. 317) möchte ihm den Rahmen des Epilogs des Spruchgedichtes mit knapper einsträngiger Handlung geben und demzufolge das ausführliche Epos mit der Verdoppelung der Handlung erst auf den Zeitpunkt des Archetypus unserer Handschrift um 1300 verlegen. Aber jene dt. Urfassung war gewiß eher ein spielmännisches Lied, das bereits dem Rotherdichter bekannt war und das um die

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Mitte des 12. Jh.s in Umlauf war. Aus diesem Liede ist wohl doch auch die in unserm Epos vorliegende Morolfstrophe zu erklären (2 vierhebig-stumpfe Reimpaare mit eingeschobener dreihebig klingender Waise in dem zweiten Reimpaar, also eine Strophenfprm, die nicht die altepische Langzeile zur Grundlage hat). In Metrik und Reim des erhaltenen zweigliedrigen Epos findet sich nichts, was gegen Entstehung im Ausgang des 12. Jh.s spräche, dagegen manches, was eine so späte Ansetzung wie „ u m 1300" ausschließt. Es ist also für die Entstehung des erhaltenen Epos in seinen wesentlichen Zügen mit Vogt an der Ansetzung um 1190 festzuhalten. Freilich läßt sich nicht mit Sicherheit bestimmen, was seitdem an Einzelheiten geändert ist; denn die z . T . sehr erheblichen Varianten der einzelnen Handschriften wie die Abweichungen des Archetypus von dem zugrundeliegenden Strophenbau zeigen die Freiheit der Überlieferung gegenüber dem Ursprünglichen. Trotz dieser Ungunst der Überlieferung ist aber die Durchführung des stumpfen Ausgangs der beiden Reimpaare der Strophe so folgerichtig und die des klingenden der eingeschobenen Weise so weitaus überwiegend, daß man dem Dichter den Willen und die Fähigkeit zu einem geregelten Versbau nicht absprechen kann. Eine Aussonderung jüngerer Strophen wird dadurch bis zu einem gewissen Grade ermöglicht, und es ist charakteristisch, daß sie besonders die Partien betreffen, die von der Schwester König Fores und von der episodischen Gestalt des Königs Isolt handeln. In der Reimtechnik stand der Dichter noch im Bann der frühmhd. Tradition, wie sie ihm wohl vor allem durch den 'Rother' vertraut war. Das ist auch durch die durchgreifende Redaktion nicht verwischt, die unser Epos wohl um 1300 oder im 14. Jh. erfahren hat. Der ausgiebige Gebrauch von festen Reimformeln und die sich daraus ergebende Reimarmut gehört jedenfalls bereits dem ursprünglichen Epos an. Die Heimat der ursprünglichen Dichtung war zweifellos am Nieder- oder Mittelrhein. 'Salman und Morolf ist die reinste Verkörperung des Spielmannsepos. Derb, aber

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'Salman und Morolf ('Salomon und Markolf)

unterhaltsam und handlungsreich, breiter Beschreibung ebenso abhold wie ausladenden Reden, anschaulich und humorvoll, hält es den Hörer trotz mancher Wiederholung in den Motiven in immerwährender Spannung. Dabei ist es trotz aller burlesken Elemente von einer ethischen Grundhaltung bestimmt: Salman als dem weisen und großmütigen, zur Verzeihung geneigten christlichen Idealkönig, der aber in seinem Edelsinn den Schlichen seiner-Gattin und seiner Feinde nicht gewachsen ist, steht die dämonisch schöne, aber herzlose und ungetreue Salme gegenüber. Morolf, der sie durchschaut, tritt nicht nur als treuer Helfer, sondern zugleich als rächender Wahrer der Ehre seines Herrn und Bruders auf und sorgt für die Verbindung des Königs mit der ihm an edler Gesinnung ebenbürtigen mitleidsvollen Schwester seines heidnischen Gegners Fore. Aber auch dieser erscheint als großmütiger Herrscher und die dem Hochmittelalter naheliegende Verdammung alles Heidnischen ist dem Dichter fremd. Der „edle Heide" Wolframs ist hier in gewisser Hinsicht vorweggenommen. Aber im Gegensatz zur höfischen Epik beschränkt sich 'Salman und Morolf' nicht auf die Höhen der menschlichen Gesellschaft, sondern läßt auch die sozial niederen Stände zur Geltung kommen: den Krämer, den Pilger, den Metzger, den Bettler und vor allem den vom Dichter gefeierten Spielmann. Geht das Interesse des Dichters für die Schilderung des Volkslebens entschieden über das hinaus, was die Rolle des verschlagenen Morolf verlangt, so greift andererseits, jedenfalls in der uns erhaltenen Fassung der Dichtung, die Komik über die Morolfpartien hinaus und macht auch vor dem Religiösen nicht halt: die Flucht der Salme aus dem Sarg und deren Entdeckung wird in deutlichem parodistischen Anschluß an die Auferstehung Christi und die Szene der Frauen am Grabe geschildert. Die Taufe der Schwester Fores gibt Anlaß zu derbkomischen Bemerkungen. Stilistisch arbeitet der Dichter mit der Neigung zur Formel, wie sie aller volksläufigen Dichtung eigen ist. Aber er überläßt sich ihr nicht rückhaltlos, sondern strebt dabei doch Variation an und weiß daher im allgemeinen

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die Klippe zu vermeiden, den Hörer durch stereotype Wiederholung zu ermüden. Die Wirkung der Dichtung war zweifellos groß. Aber es ist nicht überall, wo sich Anklänge, Anspielungen oder Anlehnungen finden, festzustellen, welche Stufe des Stoffes oder der Dichtung von Salman und Morolf zugrunde lag, vielfach nicht einmal, welches der gebende Teil ist. Der 'Rother' hat sicher den Einfluß eines älteren Liedes von S. u. M. erfahren und hat dann wohl seinerseits auf das Epos zurückgewirkt. Die Beziehungen zu 'Orendel' (s.d.), 'Oswald' (s.d.), 'Ortnit' (s.d.) und den 'Wolfdietrichen' (s. d.) sind schwer eindeutig zu fassen, da neben der Berührung der Dichtungen selbst die verwandten internationalen Erzählschemata wirksam gewesen sind. Gänzlich unsicher bleibt, ob Einfluß auf die Hilde-Kudrundichtung (s. d.) stattgefunden hat. Jedenfalls ist das hier vorliegende Kaufmannsmotiv (Entführung durch Verlockung auf das Schiff seitens angeblicher Kaufleute), das auch J u n g a n d r e a s wieder auf die Salomosage zurückführt (Gudrunsage 1948, S. 146) zwar der russischen Form der Salomosage geläufig ( V o g t S. XLII), für die deutsche Sagenform aber in keinem Stadium festzustellen. L i t e r a t u r : Erste Ausgabe v. d. H a g e n in v. d. H a g e n u . B ü s c h i n g Dt. Gedichte des MAs. I, S. 9 — 9 1 ; maßgebende Ausgabe mit sehr wertvoller Einleitung von F r . V o g t Die dt. Dichtungen von Solomon und M. 1SS0; dazu W. W i l m a n n s AfdA. 7, S. 274—301. Ein Faksimile von d, dem Straßburger Druck von 1499, ist hrsg. als 'König Solomon und Marcolphus, Straßburg Heitz 1930 (Elsäss. Frühdrucke 2). Die Holzschnitte besonders in: Straßburger Holzschnitte von Dietrich von Bern.. Marcolphus (Drucke und Holzschnitte des 16. Jh.s 15) 1922. W . V o g t Die Wortwiederholung ein Stilmittel im Ortnit usw., 1902. E. S c h r ö d e r ZfdA. 70, S. 196 (zu Str. 176)). G e r t r . S c h m i d Christi. Gehalt und germ. Ethos in der vorhöfischen Geistlichendichtung 1937, S. ngi. T h . F r i n g s Die Entstehung der deutschen Spielmannsepen Zs. f. dt. Geisteswissenschaft 2, 1939, S. 306—321. K . F u ß Der frühgotische Roman 1941. — Zum Stoff und den literarischen Berührungen s. außer V o g t s Einleitung bes. S. S i n g e r Sälomonsagen in Deutschland ZfdA. 35 (1891), S. 177—87, bes. S. I79ff. H. T a r d e l Untersuchungen zur mhd. Spielmannspoesie Diss. Rostock 1894, S. 33—72; dazu S. S i n g e r AfdA. 22, 1896, S. 43—50, F. P a n z e r Erzbischof Albero von Trier und d. dt. Spielmannsepen 1902, S. 303—32, bes. S. 3 i 7 f f .

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'Salman und Morolf ('Salomon und Markolf )

P a n z e r Hilde-Gudrun 1901 Reg. S. 451. O. B a e s e c k e Der Münchener Oswald, 1907, Reg. S. 442 unter Morolf, bes. S. 296 u. 386. D e r s . Der Wiener Oswald 1912, S. L X V I I I u. L X X X V . H. S c h n e i d e r Die Gedichte und die Sage von Wolfdietrich 1913, bes. S. 2 1 7 I , 22off., 324, 330. F r z . K a m p e r s Das Lichtland der Seelen u. der heilige Gral 1916; d e r s . , Mitteil. d. Schles. Gesellsch. f. Volkskunde 19 (1917), S. 72—139, bes. S. 74 u. 1 3 1 ! K . B u r d a c h Der Ackermann v. Böhmen I (1917), S. 260—62 (mit weiteren Literaturangaben). — Ausgangspunkt der ganzen Salomosage ist nach K . B u r d a c h Vorspiel I, 1, S. i 5 9 f . die Verehrung des Siegelrings Salomos mit dem er sich die Dämonen unterworfen habe, und des Salbhorns der alttestamentlichen Könige in der Kirche des Hl. Grabes zu Jerusalem bereits seit dem 4. Jh.; Salomos Horn sei durch Umdeutung des Salbhorns in Verbindung mit dem Märchenmotiv vom rettenden Horn entstanden. Ähnlich K . B u r d a c h Der Gral 1938, S. 11 if. — Über das Motiv des Schlüpfens in die Haut eines andern s. F r z . R . S c h r ö d e r G R M . 16, (1928), S. 1 2 . — W e i t e r e Lit. s. E h r i s m a n n II, 1, S. 3i3f.

2. Das Gefolge des'DialogusSalomonis et Marcolfi \ a) d a s m h d . S p r u c h g e d i c h t ' S a l o m o n und Markolf' Ü b e r l i e f e r u n g : 1. ii.TLschenburgs Hs. (s. o.), mit 22 Bildern, von dem Herausgeber Hartmann nur nach v . d. Hagens Ausgabe benutzt. 2. D, Darmstädter Hs. rep. 14, f. 92—106, 15. Jh. Pap. 3. H, cod. germ. pal. 154 der Univ.-Bibl. zu Heidelberg, 15. Jh., Pap. 4. B, Ms. germ. fol. 763 der Staatsbibl. zu Berlin, 15. Jh., Pap. Dazu tritt 5. das Teilstück S, die gesonderte Wiedergabe des Schwankes ' Wie der duifel zwey elitt verwurtte' = V. 947—1036, in der Straßburger JohanniterHs. des Heldenbuches v. J. 1476, Pap., die 1870 mit der Straßburger Stadtbibl. verbrannt ist; für die Hs. tritt der buchstäbliche Abdruck v. d. Hagens in den Anmerkungen seiner Ausgabe des Spruchgedichtes S. 95 ein. Die Hss. treten zu den Gruppen EB und DH zusammen, denen S mit größerer Selbständigkeit gegenübersteht.

In die oben dargelegte Salomonsage gehört das Spruchgedicht nur durch den oben besprochenen epischen Epilog V . 1631 bis 1902. Im übrigen vertritt das Spruchgedicht eine andere Seite der talmudischen Tradition von Salomo. Im Anschluß an die biblische Spruchweisheit Salomos und in Ausbau des beim Besuch der Königin von Saba angeschlagenen Motivs (III Reg. 10,1), daß Salomos Weisheit durch Rätselfragen auf die Probe gestellt werden soll, erzählt die talmudische und orientalische Tradition, daß Salomon sich mit Dämonen in Wissens-

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und Weisheitsproben dialogisch mißt. Noch der älteste in einer mittelalterlichen Volkssprache abgefaßte Salomondialog zeigt diesen ernsthaften Charakter, der ags. 'Salomon und Saturnus', der Fragen der Theologie und des menschlichen Schicksals gewidmet ist. Früh schon muß in diese Dialogtradition der Name Marcolfus eingegangen sein. Denn er ist wahrscheinlich eine Umgestaltung von Marcoiis aus lateinisch Mercurius, dem Namen eines hebräischen Abgottes, der offenbar noch auf orientalischem Boden an die Stelle eines der Dämonennamen getreten war. Auf einen lat. Dialog Salomons und Markolfs spielt bereits Notker in seiner Psalmenübersetzung Ps. 118, 85 an ( P i p e r Notker II, S. 522, igff.). Deutlich handelt es sich hier noch nicht um ein Werk satirischen oder gar derb-obszönen Charakters. Aber durch Einfluß der Äsopsage, die den mißgestalteten Sklaven Äsop seinem gelehrten und weisen Herrn durch treffende satirische Antworten obsiegen läßt, wird die Tradition dieses ernsthaften Geistesringens ins Humoristisch-Satirische umgebogen und dem Salomo nunmehr in Markolf ein häßlicher Gesprächspartner niederen Standes gegenübergestellt, der durch seine Schlagfertigkeit und seinen unbekümmerten derben Mutterwitz den Weisen zu übertrumpfen und zu verblüffen vermag. Hieran wird dann in einer weiteren Entwicklungsstufe ein schwankhafter Teil angeschlossen, dessen Schwanke größtenteils orientalischen Ursprungs sind und der daher vielleicht eine orientalische Rahmenerzählung zugrunde gelegt hat. Entstanden ist dies doppelteilige Werk dem Sprachcharakter zufolge wohl in Frankreich und zwar im Anglonormannischen im 12. Jh. als prosaischer xDialogus Salomonis et Marcolfi', der das satirische Element mit obszöner Derbheit paarte. Allerdings sind seltsamerweise Hss. des Werkes aus Frankreich nicht erhalten, während die reiche hsl. Überlieferung ganz aus dt. und deutschbeeinflußten Gebieten stammt. So kann es sein, daß der Schwank vom Fladen, der in seiner Entstehung wohl die Doppel-

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'Salman und Morotf ('Salomon und Markolf)

bedeutung des dt. Wortes von „Kuchen" und „Kuhdreck" zur Voraussetzung hat, erst auf dt. Boden hinzugewachsen ist. An diesen 'Dialogus Salomonis et Marcol\i' (hrsg. v. W. B e n a r y in Hilkas Sammlung mlat. Texte 8, 1914) schließt sich das mhd. Spruchgedicht,, Salomon undMarkolf" an, in der älteren Literatur öfter „Der ander Mofolf" genannt nach dem Titel der Hs. E, der aber nur aus dem Nacheinander der beiden Dichtungen in dieser Hs. zu erklären ist. Der Dichter hat sich seiner Quelle gegenüber recht frei verhalten. Ihm war ein nicht unbeträchtliches Talent der Übertragung und Umsetzung eigen. Denn die Sprüche erhalten bei ihm echt dt. Gepräge. Oft benutzt er nur den einen der beiden Sprüche, um den andern volkstümlichem Empfinden stärker anzupassen. Ob die Ubergehung zahlreicher Spruchpaare auf bewußter Auswahl beruht oder mit der schwankenden Haltung der lat. Hss. zusammenhängt, läßt sich schwer sagen. Jedenfalls hat er im Gegensatz zu seinem Nachfolger Gregor Hayden das Derbe nicht gemieden, sondern eher gesteigert. Ja, man hat mit Recht betont, daß die Sprüche bei ihm erst „rechten Saft und rechte Kraft gewonnen zu haben scheinen." Das wird besonders deutlich, wenn man die Dichtung etwa neben die Übersetzung der Leipziger Hs. Rep. II 159 oder auch neben die hält, die dem zum Volksbuch gewordenen Druck zugrunde liegt. Auch des erzählenden Teils ist der Dichter im allgemeinen gut Herr geworden. Von dessen 20 Kapiteln hat er das zweite, die Erzählung, woher Markolf seine versucia habe, fortgelassen, obwohl es in allen vollständigen Hss. des 1 Dialogus' enthalten ist. Andererseits hat er zwei Schwänke hinzugefügt, sei es, daß er sie erst selbst mit Markolfs Namen verband oder daß sie bereits gesondert unter seinem Namen umliefen. Daß solche Sonderüberlieferung vorkam, zeigt der eine der beiden Zusätze, die in S auch als selbständiger Markolfschwank erhaltene Erzählung von dem schlimmen Weibe, dem es gelingt, Zwietracht zwischen ein Ehepaar zu bringen, worum der Teufel sich vergeblich bemüht hatte, deren dichte-

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rische Formung aber gewiß auf unsern Verfasser zurückgeht. Das andere ist die Erzählung von den beiden Dieben, die einen Bienenkorb stehlen wollen, aber von dem darin verborgenen Markolf in Streit miteinander gebracht werden, wie sie bes. aus dem 'Eulenspiegel' bekannt ist. Das Gedicht ist entsprechend der lat. Quelle so aufgebaut, daß auf eine kurze erzählende und den Dialog eröffnende Einleitung der eigentliche Spruchteil folgt (V. 173—600), in dem Markolf den meist moralisch-lehrhaften Sprüchen Salomos die großenteils auf den lProverbia Salomonis' beruhen, witzige oder abstruse Erwiderungen gegenüberstellt. Daran schließt sich V. 623—1630 ein zweiter Teil, in dem an die Stelle des reinen Dialogs der eine aufgestellte Behauptung beweisende oder widerlegende Schwank tritt. Hier finden sich u. a. so verbreitete volksläufige Schwänke, wie der von der Frau, die tiefste Verschwiegenheit gelobt hat, gereizt aber sogleich das todbringende Geheimnis preisgibt, von der Katze, die zum Kerzenhalter dressiert ist, aber durch in ihre Nähe gebrachte Mäuse ihrer Dressur untreu wird, von der Aufwiegelung der Frauen durch die Angabe, daß ein Befehl erlassen sei, jeder Mann müsse sieben Frauen nehmen (vgl. Papirius). Zuletzt soll Markolf wegen seiner Unverschämtheit gehenkt werden, darf sich aber den Baum aussuchen und entgeht dadurch dem Tode, daß er den passenden nicht findet. Daran schließt sich der oben unter 1 erwähnte spielmännische Epilog, wie auch in der Hs. S der lat. Quelle eine entsprechende Prosaerzählung der Entführungssage angeschlossen ist. Die Dichtung ist im westlichen Moselfränkischen im letzten Viertel des 14. Jh.s entstanden. Sie ist in Reimpaaren abgefaßt und zeigt eine flüssige Form. Dem stark unterschiedlichen Umfang der lat. Sprüche gegenüber wechselt im eigentlichen Spruchteil Rede und Gegenrede in der Regel von Reimpaar zu Reimpaar, was öfter nur durch geschickte Auflösung eines doppelgliedrigen lat. Spruches in zwei Reden möglich ist. Der Verfasser war nach seiner eigenen Andeutung Mönch. Die älteren Anspielungen auf den Dialog Salomons und Markolfs, z.B. Freidank 81, 3 weisen entweder

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'Salman und Morolf ('Salomon und MarkolP)

auf die lat. Prosafassung oder auf eine mündliche volkstümliche Tradition hin, nicht aber auf eine ältere Fassung unseres Spruchgedichtes. Die lat. Prosa hat späterhin noch mehrmals dt. Literaturwerken zum Leben verholfen: der Bearbeitung Gregor Haydens und mehreren Übersetzungen, von denen die eine zum beliebten Volksbuch geworden ist. b) G r e g o r H a y d e n s V e r s b e a r b e i t u n g In der zweiten Hälfte des 15. Jh.s übertrug Gregor Hayden (s. II, Sp. 231L, doch stark verbesserungsbedürftig) die lat. Prosa für den bayr. Landgrafen Friedrich V I I . von von Leuchtenberg in der Oberpfalz (f 1487) in dt. Verse. Seine Auswahl weicht stark von der des älteren Spruchgedichtes ab. Insbesondere schränkt er die Derbheiten ein, läßt daher viele lat. Sprüche fort oder mildert sie oder ersetzt sie durch, sinngemäße andere. Ähnlich übergeht er im Schwankteil die Erzählung von Markolf im Ofen. Freilich bleibt auch bei ihm noch Derbes genug, ein Zeichen, an wie saftige Kost man damals auch in Hofkreisen gewöhnt war. Auch bei Hayden kann man sich oft über schlagkräftige Formulierungen freuen, die auch hier öfter sprichwörtliches Gepräge tragen oder unmittelbar volksläufige Wendungen verwerten. Doch erreicht er meist nicht die Präzision des älteren Spruchgedichtes; er muß daher auch weit häufiger von der Regel, jeder Rede nur ein Reimpaar zuzuweisen, abweichen, gelegentlich legt er auch den Schnitt ins Reimpaar, indem er ein oder drei Reimpaare auf beide Reden verteilt. Auch er ist oft sehr frei, hält sich aber im Durchschnitt stärker an die Vorlage. In formeller Hinsicht steht er dem Vorgänger nach, doch ist auch sein Gedicht im Rahmen seiner Zeit eine ganz achtbare Leistung. Größere Verbreitung scheint es nicht gefunden zu haben; jedenfalls ist es uns nur in einer Hs. (cgm. 579) erhalten. c) D i e Ü b e r s e t z u n g e n d e r L e i p z i g e r H s . R e p . I I 159 u n d d e r M ü n c h e n e r H s . c g m . 3974 Auf eine Hs. beschränkt bliebeil auch die dt. Prosaübersetzung der Hs. der Leipziger Stadtbibl. Rep. I I 8° 159 (alt 1147) geschrie-

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ben (und übersetzt?) von Ditterich Stoß, der auch die von M. Haupt herausgegebene Übersetzung der' Histona septem sapientum' (Altdt. Blätter II, 1836) geschrieben hat. Sie ist unvollständig und bricht zu Beginn des Kapitels X I X der lat. Quelle ab (vor der Backofenszene). Die Übersetzung hält sich im ganzen genau an die Vorlage, die sie zumeist sinngemäß wiedergibt, bietet freilich von den Sprüchen ebenfalls nur eine Auswahl: von den etwa 140 Spruchpaaren der vollständigsten lat. Hs. hat sie etwa 60. Weit tiefer steht die Übersetzung der gekürzten Fassung Pp, die sich im cgm. 3974 aus der Mitte des 15. Jh.s (mit 54 Spruchpaaren) findet. Sie folgt nicht nur sklavisch dem lat. Wortlaut, sondern hat ihn zudem oft genug nicht richtig verstanden. d) D a s V o l k s b u c h v o n S a l o m o n Markolf

und

Unabhängig von den genannten ist die dt. Übersetzung entstanden, die dem um 1482 zuerst in Nürnberg bei Marcus Ayrer gedruckten deutschen Volksbuch „Frag und antwortt Salomonis vnd marcolfij" zugrunde liegt. Auch die Auswahl der Sprüche weicht stark ab (84 Spruchpaare); bei der sonstigen Treue der Übersetzung ist kaum anzunehmen, daß sie von dem Übersetzer stammt, vielmehr hatte dieser wohl eine gekürzte lat. Vorlage. Die Übersetzung ist ziemlich schwerfällig; Fehlern der Vorlage folgt sie auch da, wo das Richtige auf der Hand lag, doch ist sonst der lat. Text im allgemeinen gut verstanden. Formellen Vorzügen hatte das Buch seinen großen Erfolg also nicht zu verdanken, sondern einerseits der Anziehungskraft des Originals, andererseits dem Unternehmungsgeist des Druckers, der richtig erkannt hatte, wie sehr dies Werk dem Zeitgeist mit seinem Grobianismus, seinem Inzweifelstellen bestehender Werte und seiner Neigung zur Diskussion entgegenkam. Allein bis zum Jahre 1520 sind weitere 7 hd. Drucke gefolgt, weitere 10 sind bis zum Ende des 17. Jh.s nachweisbar, und noch im 18. Jh. war es ein beliebter Jahrmarktsdruck. Schon 1489 erschien eine n i e d e r d e u t s c h e Bearbeitung bei Jochim Westfael in Stendal; sie ging von dem hd. Druck aus,

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'Salman und Morolf ('Salomon und Markolf )

zog aber zugleich den 1484 in der gleichen Druckerei erschienenen lat. Druck und vielleicht noch eine andere Hs. heran. Sie bietet 22 in dem hd. Druck nicht vorhandene Spruchpaare, läßt aber 12 dort gebotene fort. Ein weiterer nd. Druck o. O. u. J., wahrscheinlich 1502 in Hamburg erschienen, revidierte Westfaels nd. Übersetzung an dem lat. Druck, ließ nur die in diesem vorhandenen Spruchpaare bestehen und fügte danach einige weitere hinzu. Die niederrheinische (ndfrk.) Bearbeitung, die nach 1487 in Köln erschien, stammt wohl ohne Vermittlung des dt. Volksbuches unmittelbar aus dem Lat. Dagegen ist die dänische Übertragung, die noch im 18. Jh. als beliebtes Volksbuch umlief, anscheinend von der nd. Bearbeitung abhängig. Wenn J. B o l t e ZfVk. NF. II, 1931, S.297 erklärt, daß die italienische Übersetzung von 1502 auf Grund des dt. Volksbuches erfolgt sei, so ist das doch auf Grund ihres Charakters zu bezweifeln. Sie wird wohl eher von dem in Venedig um 1492 erschienenen lat. Druck herstammen, doch fehlt mir z. Z. die Möglichkeit der Entscheidung. Hat Bolte recht, so hätte das dt. Volksbuch die Ehre, zu einem der berühmtesten ital. Volksbücher mit Pate gestanden zu haben. Denn auf Grund der genannten ital. Übersetzung gestaltete der Bologneser Volkssänger Guilio Cesare della Croce (1550—1609) seinen „Bertoldo", in dem er an die Stelle Salomos den Langobardenkönig Alboin setzte; das Werk hatte einen außerordentlichen Erfolg, ja gewann eine geradezu internationale Bedeutung, wurde auch mehrfach ins Deutsche übersetzt, z. B. 1751, 1800, 1802: es ist in Italien heute noch lebendig und erlebte die verschiedensten Bearbeitungen. Bleibt hier die Nachfolge des dt. Volksbuches unsicher, so hat es doch mehrfach die Quelle für dramatische Bearbeitungen gebildet, so für Hans Folz' Fastnachtsspiel ' Von dem König Solomon und Marcolffo und einem narren', A.v. K e l l e r Fastnachtsspiele aus dem 15. Jh. 2, S. 523ff. Nr. 60, vgl. Bd. 3, S. 1468 q, r u. S. 1513 zu 523,2u. 1580b), für das Luzerner Fastnachtsspiel'Marcolfus' von i54Ö(s. B r a n d s t e t t e r Z f d P h . 17,1885, S. 421—24), für Hans Sachs' ' Comedi juditium Salominis' 1550 (ed. A. v. Keller H.S.'

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Werke, Bd. 6, S.ii2ff.) und sein Fastnachtsspiel ' Von Joseph und Melisso auch König Solomon' 1550 (ed. E. G o e t z e H.S.' Fastnachtsspiele Nr. 26, III, S. iff.). Ihm entnahm Christian Weise das Grundmotiv für seine 'Comödie vom König Salomo' 1685; 1922 verfaßte Alfons Paquet in ziemlich engem Anschluß an das Volksbuch ein heiteres Spiel *Marcolph oder König Salomo und der Bauer' (gedruckt 1924, uraufgeführt 1926 in Koblenz). L i t e r a t u r : Das mhd. Spruchgedicht zuerst hrsg. v. v. d. H a g e n in v. d. H a g e n - B f i s c h i n g Dt. Gedichte des MA.s I (1808), S. 44—64 u. 91—99. Neu hrsg. von W. H a r t m a n n D. dt. Dichtungen von Salomon u. Markolf II (1934)Dazu E. S c h r ö d e r G G A . 1935, Nr. 6, S. 2 2 1 — 227; H . - F r . R o s e n f e l d Herrigs Archiv 166, S. 28of.; O. Behaghel Litbl. 54, 8.459!; N i e w ö h n e r ZfdA. 54, S. 1 1 2 — 1 5 . W. S c h a u m b e r g Untersuchungen über das dt. Spruchgedicht Salomo u. Markolf P B B . 2 (1876), S. 1 — 6 3 (darin auch über den Stoff.). H. W a l t h e r Das Streitgedicht in der lat. Lit. d. MA.s 1914, S. 2of. Eine gänzlich freie erweiternde Bearbeitung erlebte das Spruchgedicht im Ausgang des 18. Jh.s: 'Salomon der Weise und sein Narr Markolph, Nach e. altdt. Hs.' Jerusalem 1797 (anonym, Vf. F r . A u g . G o t t l . S c h u m a n n ) , vgl. B i a g i o n i (s. u.) S. 9 — Das jüngere Spruchgedicht von G. H a y d e n ist hrsg. v . B o b e r t a g Narrenbuch (DNL. II) S. 293—361. E. S c h a u b a c h Gregor Haydens Salomon u. Marcolf Diss. Leipzig 1881 (unzureichend). Das Volksbuch ist nach der Ausgabe Nürnberg um 1560, aber mit starken willkürlichen Änderungen zuerst neu gedruckt von F r . H . v . d . H a g e n N a r r e n b u c h 18x1, S. 215—268; dazu S. 498—513. Danach neu gedruckt Dt. Dichtg. — Dt. Kultur, Sammlung Probst Eisleben o. J. (1928), ins Nhd. übertr. v. H. W. F i s c h e r Salomon u. Markolf 1907 (Kulturhist. Liebhaberbibl. 32). Nach d. Augsburger Druck v. J. 1490 mit 15 Holzschnitten neu gedruckt bei J. H a b b e l Regensburg o. J. (1920). Die niederrhein.-ndfrk. Bearbeitung hrsg. v. J. J. A. A . F r a n t z e n u. A . H u l s h o f f in: Drei Kölner Schwankbücher aus dem XV. Jh. 1920; dazu E. S c h r ö d e r A f d A . 49, S. 9 3f. Übersicht über die Ausgaben des Volksbuches bei P. H e i t z u . F r . R i t t e r Versuch einer Zusammenstellung d. dt. Volksbücher ... (1928) S. 150 u. B i a g i o n i (s. u.) S. I3ff. Die nd. Ausgaben s. ebda. S. 16 u. B o r c h l i n g - C l a u s e n Nd. Bibliographie I, S. 67 Nr. 148, S. 169 Nr. 366, S. 76 Nr, 171. — J. G ö r r e s Die teutschen Volksbücher 1807, S. 188; K . F. F l ö g e l Gesch. des Grotesk-Komischen neu bearb. u. hrsg. v . M. B a u e r 1914, S. 286f.; B o b e r t a g Narrenbuch S. 2g6ff.; d e r s . Gesch. des Romans I., 1., S. i86ff. L. M a c k e n s e n Die dl. Volksbücher (1927) S. 19, 21, 37, 66. Zur Stoffgeschichte s. außer S c h a u m b e r g (s. o.) und der wertvollen Einleitung B e n a r y s zum 'Dialogus' (s. o. im Text), wo die

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Salms — Salomo in. von Ronstanz

ältere Lit. verzeichnet ist, bes. G. E. D u f f This is the dyalogus or communyng betwixt the uiise hing Solomon and Marcolphus 1892 (Einleitung). L. B i a g i o n i Marcolf und Bertoido und ihre Beziehungen Diss. Köln 1930; Th. Z a c h a r i a s Zu Markolfs Nachtwache mit Salomo. Mit e. Nachtrag von J. B o l t e ZfVK. 30/32, S. 49—35; W. de Vreese und Jan de Vries Dat dyalogus of twisprake tuschen den ivisen coninck Solomon ende Marcolphus. Naar den ..druck., von 1501 (Nederlandsche volksboeken VII) 1941, dazu Z u i d e m a Museum 49 (1942) H. 3. S u o l a h t i Das Spruchgedicht von Solomon und Markolf. Annales Academiae Scientiarum Fennicae, Ser. B LIX, 1946 (noch unzugänglich).

H.-Fr. Rosenfeld Salms, s. D e r J u d e v. S. Salomo III. von Konstanz. 1. Salomo stammte aus begüterter Adelsfamilie (Regino zu 890: nobilitate.. .insigtiitus), deren Stammsitz ungefähr die gleiche Entfernung von Konstanz und St. Gallen hatte (s. Brief 46 der 'Formelsammlung', auch 44) und vielleicht im Linzgau am nördlichen Bodensee lag, jedenfalls nicht aus dem Geschlecht der Grafen von Ramschwag/Thurgau. Aus ihr waren schon zwei Konstanzer Bischöfe hervorgegangen: Salomo I. (869—71), dem Otfrid (s. d.) seine Evangelienharmonie widmete und dem er sich für wissenschaftlichen Einfluß verpflichtet fühlte, war sein Großonkel mütterlicherseits; Salomo II. (875—89), von dem uns einige Briefe erhalten sind, wenn auch von Notker Balbulus unstilisiert (s. bes. das 'Formelbuch Salomos III.' Nr. 25, 27, 30, 34, 37f.), war der Vetter von Salomos Mutter. Sein älterer Bruder Waldo wurde Bischof von Freising (goöf), seine Schwester gebar Waldo, den späteren Bischof von Chur (949t)- Seine Geburt ist gegen 860 anzusetzen (Annales Weingart, zu 885 — gemeint ist wohl 884: Solomon ... diaconus — seil, effectus: S. dürfte sich schwerlich beeilt haben, Diakon zu werden). Ab ipsis ineunabulis wie sein Bruder Waldo für den geistlichen Beruf bestimmt, wurde er mit ihm schon jung wahrscheinlich auf Betreiben seines Großoheims, der erkannte, wie S. ihm äußerlich und innerlich ähnlich war, und daher Interesse haben mußte, ihn gut zu erziehen, dem Kloster St. Gallen übergeben und hatte dort wohl noch Iso (871t), vor allem aber Notker Balbulus (s.

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d.) als Lehrer. Notker gab sich redliche Mühe, um den Brüdern ein väterlicher Freund zu sein und ihnen auch während ihrer Abwesenheit verbunden zu bleiben. E r schrieb ihnen meist gemeinsam, aber öfter auch an S. allein, Briefe in Prosa und Versen, in denen er sie nicht nur über Fragen des geistlichen Berufs belehrte, sondern sich auch um sie in den Gefahren des weltlichen Hofes Sorgen machte, rührend ihr Fernsein beklagte und um ihre Antwort und Freundschaft warb. S. bat Notker, ihm die Exegeten der Bibel aufzuzeichnen, und regte ihn damit zur 'Notatio de viris ittustribus1 und einem fortsetzenden kleineren Brief an. Des Schülers weltlichen Sinn und starke materiellen Interessen suchte Notker damit zu bekämpfen, daß er ihm möglichst viel von Wissenschaft und Priesterpflichten vermittelte. Es war sicherlich die feste und abgeklärte Persönlichkeit Notkers, die den aufs Praktische und Weltliche gerichteten, nicht allzu fleißigen S. am stärksten mit dem Kloster verband, das er schwerlich hebte, am wenigsten seine Mönche. Einen Teil seiner Ausbildung erhielt S. in Italien, wohl in Verona oder Brescia. Ostern 878 ist er mit Salomo II. und Waldo in Mainz bei Erzbischof Liutbert bezeugt (s. Brief 44). Danach war er wohl wieder in St. Gallen. Nachdem Waldo Ende 880 Notar in der kaiserlichen Kanzlei geworden war, kam auch S. an den Hof Karls des Dicken, wo beide Brüder längere Zeit gemeinsam verweilten (siehe z. B . Brief 47), und wurde so in die Hofgeschäfte eingeführt. A m 15. April 885 erscheint er zum erstenmal in einer kaiserlichen Urkunde als notarius, später mit dem Titel canceUarius. Er gehörte zur Hofgeistlichkeit und wurde währenddeß Diakon. Nach kurzer Zeit verließ er den Hof, kehrte nach St. Gallen zurück und wurde Mönch, wohl nicht zuletzt aus der politischen Einsicht heraus, daß die Regierung des Kaisers zur Katastrophe führe. Bald rief ihn Arnulf von Kärnten als Kaplan an seinen Hof (zuerst am 5. Oktober 889 beurkundet) und machte ihn, wahrscheinlich auf den Rat Hattos, des späteren Erzbischofs von Mainz, im August

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Salomo III. von Konstanz

890 zum Abt von St. Gallen, als er den Abt Bernhard abgesetzt hatte, der bei dem Aufstand Bernhards, des unehelichen Sohns Karls des Dicken, mit der Hauptgegner Arnulfs gewesen war. Bald danach wurde er noch im selben Jahr Bischof von Konstanz, da Salomo II. am 23. Dezember 889 gestorben war. Besitz und Macht des Klosters, die schon vor S. im 9. Jh. beträchtlich zugenommen hatten, vergrößerte er jetzt noch mehr, s. die zahlreichen Tausch- und Traditionsurkunden. Die reichen Schenkungen, die er durch seine guten Beziehungen zum Hof Arnulfs, Ludwigs des Kindes und Konrads I. erhielt, überwies er meistens an St. Gallen; darunter waren mehrere Abteien, Pfävers, das ihm Ludwig d. K. 905 schenkte und er 909 an St. Gallen weitergab, Massino (Oberitalien) und Faurndau (Württemberg) mit der Kapelle Brenz. Zu Anfang seiner Abtszeit gründete er die St. Magnuskirche nahe beim Kloster. Er stiftete noch eine Reihe von Kirchen und Kapellen, die er mit Einkünften ausstattete, oder erwarb sie aus Laienhand fürs Kloster. Die Blüte des geistigen Lebens in St. Gallen, die bereits lange vor S. begonnen hatte, wußte er zu erhalten, über das Reich hinaus richtig zur Geltung zu bringen und glanzvoll zu repräsentieren. Hauptträger der Klosterkultur war noch immer Notker, sein Lehrer, der ihn ja am stärksten beeinflußte und den er umgekehrt später anregte. Notker mehrte seine Liebe zur Poesie und forderte seine dichterischen Neigungen. Die Lieder zur Einweihung der St. Magnuskirche bestellte sicherlich S. (MGH. Poetae IV S. 32gff.). Von seiner Fürsorge für die Bibliothek spricht Waldram in einem Gedicht (Poetae IV S. 314): er wolle dem Abt bei seiner Rückkehr ins Kloster mit der Revision und Ausbesserung von Hss. Freude bereiten; ferner zeugt dafür das „Evangelium Longum", das S. Sintram schreiben ließ, die Prachths. St. Gallen 53, in der S. nach Ekkehards IV. 'Casus s. Galli' C. 28 zwei herrliche Initialen gemalt hat. Die dazu gehörigen Elfenbeintafeln schnitzte Tutilo (s. d.), dem sie S. dazu übergeben hatte. Auch für das Bistum Konstanz, das größte im Reich, sorgte er gut, wenn wir auch da-

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rüber durch die Ungunst der Überlieferung schlecht unterrichtet sind. Er soll viel gebaut, die Stadt bedeutend erweitert und mit einer Ringmauer versehen haben, ferner den Pelagiussarkophag und ein Kreuz aus Gold und Edelstein, das Tutilo arbeitete, haben anfertigen lassen. Der Süden Deutschlands kannte damals keinen mächtigeren Bischof als S., und er war auch der führende Mann in Schwaben. Nicht sein geistliches Amt stand ihm im Vordergrund, sondern seine Tätigkeit im politischen Leben des Reichs; die macht seine eigentliche Bedeutung aus. 894 war er auf dem Reichstag zu Worms, 895 auf der Synode von Tribur, an deren Beschlüssen er wesentlich beteiligt gewesen sein dürfte. Von 909—18 war er Kanzler und hatte damit, erstan mit dem ihm befreundeten Hatto von Mainz, dann allein, die Reichspolitik bestimmend zu leiten. Früh hatteer sich an Arnulf angeschlossen, dessen staatsmännische Befähigung er erkannte und für verheißungsvoll hielt. Königtum und Kirche mußten sich damals zusammenfinden, um den aufstrebenden Partikularismus der Herzogsgewalten abzuwehren. Im Kampf gegen sie leitete S. wie auch die andern Bischöfe in erster Linie das Interesse an der Reichseinheit. Als Bischof von Konstanz stand S. — er war der einzige darin aktive alemannische Bischof — dem mächtigen alemannischen Adel gegenüber und ging gleich im Anfang seiner Regierung entschlossen gegen Graf Ulrich vor, so daß er sich des Adels längere Zeit nicht zu erwehren brauchte. Danach trat er erst 911 dem rätischen Markgrafen Burchard entgegen, der sich princefis Alamannorum nannte und sich wohl als Herzog hatte anerkennen lassen, und scheint nach dessen Ermordung die Ausrottung seiner Familie betrieben zu haben, um so noch größere Sicherheit für die Zukunft zu erlangen. 914 wurde er von Graf Erchanger, mit dem sich König Konrad vermutlich sogar auf S.s Betreiben 913 verständigt hatte — in S. mußte aber Erchanger weiterhin den Hauptgegner gegen seine Anerkennung als Herzog sehen — überfallen, auf Diepoldsburg gefangen gesetzt, aber bald befreit. Trotz seines Sieges

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Salómo III. von Konstanz

915 fühlte sich der Graf 916 gezwungen, sich der Synode von Hohenaltheim zu stellen, wo er vom gesamten deutschen Episkopat abgeurteilt wurde. Diese Synode dokumentierte die Einheit von Königtum und Kirche und bildete den Triumph von S.s Politik, die sich freilich in den nächsten Jahren nicht mehr als durchführbar erweisen sollte. Wenige Jahre später starb S. am 5. Januar 920 in Konstanz und •yyurde dort im Dom an der rechten Wand begraben. 2. Von der späteren Tradition, bezeichnenderweise aber nicht von Ekkehard IV., der sogar nichts über eine literarische Betätigung des Bischofs verlauten läßt, werden S. eine ganze Reihe von Werken zugeschrieben, siehe etwa Jodocus Mezler „De viris illustribus Sangallensibus": scripsit lexicon opus grande et eruditum, quod hodieque asservamus: de Septem, artibus liberalibus librum unutn, epistolarum ad diversos librum unum, sermones multos et varios tractatus (Pez Thesaurus anecd. noviss. I 3 S.587). Die ,,Glossae Salomonis", ein weitverbreitetes alphabetisches Wörterbuch, nennt nicht in der Vorrede, wohl aber in den Überschriften S. als den, der die Abfassung befahl oder besorgte: 'glossae iussu Salomonis Constantiensis episcopi de diversis auctorabilibus libris defloratae et in unum Volumen dilucide studioseque digestae' Einsiedeln 293 (12. Jh.s) oder 'glosae a Salomone ... ex diversis auctoribus collectae' Clm. 17152 (12. Jh.s); andere nur 'glossae' bzw. 'vocabularius Salomonis'. Einige sind mit reicher deutscher Glossierung überliefert, s. Ahd. Gll. IV S. 27ff. Schon die Tradition ist sich darin nicht einig, daß damit unser S. gemeint ist: in einer Hs. werden die Glossen wohl von späterer Hand des 15. Jh.s Salomo II. zugewiesen. Fest steht, daß es aus andern Wörterbüchern geschöpft ist: ein großer Teil wurde aus dem „Liber glossarum" (und zwar in der Fassung des Clm. 14429, 9. Jh.s aus St. Emmeram) gekürzt und zusammengezogen und der ,,Abavus maior" (in der Sippe des Codex Paris, lat. 7640) fast ganz übernommen, s. G. G o e t z Abh. der sächs. Ges. der Wiss. 13 (1893) S. 244—48. Wenn also

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S. überhaupt etwas damit zu tun gehabt hat, so dürfte sich sein Verdienst auf Anregung beschränken. 3. Von den übrigen Werken ist nichts erhalten oder sonst bekannt außer den fälschlich so genannten ,,Formulae Salomonis", die Zeumer richtig ,,Collectio Sangallensis Salomonis III. tempore conscripta" genannt hat, da nicht S., wie ihr Editor E. Dümmler annahm, die Sammlung „zuerst für sein Bistum Konstanz, demnächst auch für sein Kloster St. Gallen veranstaltet" hat, „damit junge Geistliche, die sich zu Bischöfen und Kanzlern ausbilden wollten, in den Schulen beider Orte an diesen Mustern ihren Stil übten". Ihr Sammler und Redaktor war vielmehr wohl Notker Balbulus, der auch einige Formelgruppen selber verfaßt haben dürfte, aber auch eine fremde Sammlung aufnahm, die Konstanzer Gruppe Nr. 23—41, 43. So weit sich die Briefe datieren lassen, sind sie vorwiegend 877/8 geschrieben (Nr. 35, 36, 38, 39, 31—27» 28, 40, 41), keiner später außer 42,44ff. (s. u.), einige früher, so Nr. 43 871. Ihr Thema ist fast allgemein die bischöfliche Amtstätigkeit und Verwaltung. Die meisten sind direkt mit Salomo II. zu verbinden, einige mit Erzbischof Liutbert von Mainz. Sieben sind Briefe eines Lehrers an zwei Schüler, von denen fast nur rein persönliche und private Dinge zur Sprache kommen, ein Brüderpaar, das seine Lehrund Wander jähre getrennt von ihm in der Ferne verlebt, d. i. Notkers an S. und Waldo. An S. allein ist kein Brief gerichtet, an Waldo zwei. Dafür ist ein kurzer von S. verfaßt, Nr. 46, wo sich ein junger Mann beim Bischof von Konstanz wegen seiner verspäteten Heimkehr entschuldigt, da ihn widrige Winde nicht eher hätten über den (Boden-) See zurückkehren lassen. S. und Waldo haben also diese Briefsammlung angelegt, als sie am Hof Salomos II. und Liutberts bischöfliche Geschäftsführung lernten. Als sie endgültig von St. Gallen fortzogen, behielt Notker die Sammlung und fügte dann Nr. 42, 44—48 hinzu, sowie zehn Briefgedichte aus seiner Korrespondenz mit den Brüdern (etwa 880—890). Das siebente dieser Briefgedichte (6 leonin. Hexameter) verfaßten S. und Waldo (her.

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Salomo III. von Konstanz

von P . v . W i n t e r f e l d t MGH. Poetae IV, S. 345): beide klagen nach ihrer Rückkehr ins Kloster, daß sie Notker nicht beachte. Außer jener 'Notatio' (s. o. 1) umfaßt das Formelbuch Muster für Königs- und Klosterurkunden sowie für bischöfliche Briefe und schloß mit der genannten Korrespondenz. Wie W. v. d. S t e i n e n vermutet, dachte Notker das Formelbuch dem S. zu, damit es ihn nicht nur an seinen Lehrer erinnere, sondern ihm als den neuen Herrn des Klosters huldige und seinen Gehilfen in der Kanzlei nütze. Hrsg. von E. Dümmler Das Formelbuch des B. Salomos III. v. K. 1857, S. 27ff.; K. Zeumer MGH. LL. V (1886) S. 390ff. Ders. Über die alemann. Formelsammlungen III NA. 8 (1883) S. 5o6ff. W. v. d. Steinen Notkers des Dichters Formelbuch Zs. f. Schweiz. Gesch. 25 (1945), S. 449 ff.

4. Sicher und ganz gehören S. zwei Ged i c h t e , die er an den ihm befreundeten Bischof Dado von Verdun (880—923) richtete: im zweiten nennt er sich als Verfasser (V. 2) und verweist V. j i . eindeutig auf das erste, dem ein Prolog vorausgeht und das auf diesen zurückweist V. 7; damit ist die Überlieferung des St. Galler Codex unzweifelhaft widerlegt, die zwischen Prolog und erstem Gedicht die Überschrift hat: ' Versus Waldrammi ad Dadonem episcopum a Salomone episcopo missi', also Waldram die beiden Gedichte zuschreibt; sie muß vielmehr hinter dem zweiten stehn. Das zweite entstand bald nach Waldos Tod (18. Mai 906), das erste wohl nicht viel davor und zwar bestimmt nach 899, da von der Regierung Ludwigs des Kindes gesprochen wird. Im Prolog ruft S. den dreieinigen Gott an und singt ein Preislied auf die Liebe (30 Hexameter). Im ersten Gedicht (343 Hexameter) wünscht er mit Dado, den er eingangs rühmte, zusammenzukommen und lobt ihre geistige Harmonie. Bald aber geht er über zu der großen Klage über das Unheil der Gegenwart, das Wüten des heidnischen Feindes (67ff.), der Ungarn, die 899 Oberitalien (s. V. 85) und 900 die Ostmark verheerten und denen nichts heilig ist, zum andern die Zwietracht im Innern zwischen Bischof und Graf, Adel und Volk und Städten (93ff.). Das sei kein Wunder,

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da ein Kind regiere und zum Kämpfen und Handhaben der Gesetze viel zu schwach sei (iöoff.). Dabei gibt S. eine neue gewundene Erklärung des Begriffes junger König (i9iff.). Dann bricht er ab und spricht von seinen inneren Kämpfen, sich von der Unruhe der irdischen Welt zurückzuziehen (223ff.) — in der Form eines Zwiegesprächs zwischen Körper und Geist. Er bittet Dado, ihn, den des Weges Unkundigen, zu führen (259f.), und schließlich allgemein, ihmVater, Mutter und Lehrer zu sein (32if.). Dem Schlußwort fügt er die Bitte an, die Freundschaft zu ihm auch auf Erzbischof Hatto von Mainz auszudehnen (336). Das zweite Gedicht (66 Distichen) ist eine Totenklage um seinen Bruder Waldo, mit dem er ein Herz und eine Seele war und der ihm alles Schwere leicht machte; er geht Dado um Trost an. Im Anhang (i25ff.) macht er auf die beigelegte „Scriptura legenda" aufmerksam, das Gedicht, in dem einer (Waldram) sein Mitgefühl mit ihm äußerte und ihm sein Leid mit Geduld zu tragen mahnte. Als Dichter kann sich S. keineswegs mit seinem Lehrer Notker messen. Wenn sich metrische Verstöße finden und der leoninische Reim nicht immer einsilbig-rein in beiden Gedichten durchgeführt wird, so entspricht das dem damaligen Stand der poetischen Technik und braucht nicht dem Urteil Ekkehards IV. zu widersprechen: metro Primus 'Casus s. Galli' C. 28. Manche Stelle zeigt poetischen Schwung und echtes tiefes Gefühl, manche hinwiederum ist zu breit geraten oder weist z . T . erhebliche Künsteleien in Ausdruck und Gedanken auf, wodurch nicht selten das Verständnis sehr erschwert wird. Auch fehlt es an wirklichem Aufbau der Gedanken und ihrer inneren Verbindung. So sind diese Gedichte gewiß treffliche Zeugen für die Kulturhöhe der Bodenseeschule, die ja weit und einsam aus sonst die Zeit beherrschendem Verfall emporragt; sie dürften aber durch die Persönlichkeit ihres Verfassers, von der der Kampf zwischen Weltliebe und -flucht besonders beleuchtet wird, und vor allem durch die Schilderung der damaligen Zustände (E. D ü m m l e r übersetzte von I V. 74—88, 116—30, 160—86 in seiner Ge-

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'Salomo und die Liebe' — 'Salomos Lob'

schichte des ostfränkischen Reiches III 8.509!. und 527t.) größere Bedeutung haben denn als poetische Leistung. Hrsg. von P. v. W i n t e r f e l d MGH. Poetae IV. S. 296ff. Manitius I S. 59+ff. U. Z e l l e r B. Salomo III. v. K. 1910 (Beitr. 2. Kulturgesch. des MA.3 und der Renaissance 10). — Ekkehard IV. gibt in den „Casus s. Galli" die mündliche Tradition wieder, die damals 150 Jahre alt, von Verwechslungen und sagenhaften Zügen überwuchert war, und trübte sie noch durch glorifizierende Tendenz; seine Schilderung der Persönlichkeit ist nur in Grundzügen getreu, nicht in Einzelheiten und muß nach den „Formulae Salomonis" berichtigt werden.

K . Langosch 'Salomo und die Liebe', s. H e i n r i c h v o n V e l d e k e 3. 'Salomon und Markolf', s. und Morolf.

Salman

,Salomos Haus'. 1 . ' Salomonis hüs' ist der Titel des ersten umfangreichsten Stücks einer vier Teile umfassenden Kompilation in der Gießener Hs. 876», Bl. 1—162. Die einzelnen Teile sind: a) Bll. 1—105 'Salomonis hüs', eine mystisch-allegorische Deutung des ferculum Salomonis auf Grund von Hohelied Holz, Säulen, Schranken, Stufen, Estrich werden geistlich ausgelegt; Prosa, doch am Ende der einzelnen Abschnitte, seltener im Innern, Gebete in Reimform (Reime teilweise entstellt). — b) Bll. 105—137 'Diz ist ein bezeichenunge der heiligen messen', eine sonst Berthold v. Regensburg (s. d.) zugeschriebene Meßpredigt, hier anonym; eng verwandt mit der Predigt Nr. 3 des sogen. St. Georgener Predigers. — c) Bll. 138—148 eine Auslegung des Paternosters, von Vers zu Vers fortschreitend. Prosa, anonym. — d) Bll. 148—162 Gespräch zwischen Christus und der minnenden Seele, in ganz verwahrlosten Reimen, die nicht einmal überall als solche erkannt worden sein dürften. Anonym. Abdruck des Ganzen: J. V. A d r i a n Mitteilungen aus Hss. und seltenen Druckwerken 1846, S. 417—455 (mit kleinen Korrekturen zu a) durch W e i g a n d ) . — b) Abdrucke aus anderen Quellen bei F. J. M o n e Schauspiele des MAs. II (1846), S. 351 ff. W. W a c k e r n a g e l Altdt. Predigten und Gebete 1876. S. 6gii., 262! sowie P f e i f e r - S t r o b l Berthold von Regensburg II (1880), S. 683ff. Vgl. ferner Der sogen. St. Georgener Prediger her. von K. R i e d e r (DTdMA. X) 1908,

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S. 8ff. — d) ist eng verwandt mit dem zuletzt bei K ü r s c h n e r DNL. 12, 2 S. 42ff. abgedruckten Gedicht 'Christus zu der minnenden Seele', doch ist das Stück der Gießener Hs. umfänglicher.

2. Die Kompilation vertritt voreckhartsche mystische Andachtsliteratur des 13. Jh.s. Die einzelnen Stücke sind offensichtlich ganz verschiedener Herkunft. Untersuchungen darüber fehlen. Salomönis hüs weist, wie Anreden dartun, auf eine Gemeinschaft geistlicher Frauen hin, c) auf ein männliches Publikum. Die Mundart der Hs. weist in rheinfränkisches Gebiet. E. S c h r o e d e r hat Herkunft aus der Mainzer Gegend erwogen. Doch besagt diese Feststellung nichts über die Herkunft der einzelnen Teile. Es ist nicht ausgeschlossen, daß für a) die Heimat in niederrheinischem Gebiet gesucht werden muß. E. S c h r ö d e r : Die Gießener Hs. 876 und die rheinfr. 'Himmelfahrt Mariä' GGN. 1931, S. 1—27. — Zu b) vgl. A. F r a n z Die Messe im dt. MA, 1902. S. Ö44ff. — Zu d) auch R. B a n z Christus und die Minnende Seele. Germ. Abh. 29 (1908), S. 48.

G. Jungbluth 'Salomos Lob'. Überliefert in der Vorauer Hs. Nr. X I (s. E h r i s m a n n II 1, S. i6f.) Bl. 98c—99c. Ausgaben: J. D i e m e r Dt. Ged. des XI. u. XII. Jh.s 1849, S. 107—114, (vgl. S. X L I f.und 43—46. K. G o e d e k e MA. II Nr. 15. P. P i p e r Die geistl. Dichtung des MA.s. I, S. 207—214. O. S c h a d e Veterum monumentorum theotiscorum decas Nr. 7 V. 1—30 und die letzten 50 Verse; ders. Altdt. Lesebuch S. 94t. W a c k e r n a g e l KL.II Nr. 28. Kritische Ausgg.: MSD. I Nr. 35 II S. 223—230, dazu K . B a r t s c h Germ. 9,S. 62ff. W. W u n d e r l i c h ZfdPh. 26, S. 113. — K. W a a g Kleinere dt. Gedichte des XI. u. XII. Jh.s 2 S. 2 7 — 35 u. S. X X I V — X X I X , dazu C. K r a u s AfdA. 17, S. 2off.; ZföG. 45, S. 135—138. E. S c h r ö d e r DLZ. 1890 Sp. 1054—56. — Eine umsichtige Revision des Textes wäre sehr wünschenswert. Literatur: E h r i s m a n n II 1, S. 99—102. G o e d e k e I, -S. 38t.; ders. MA. S. 102—104. KelleGejeA. der dt. Lit. II, S. 119—121; 321—323. F. V o g t Gesch. der mhd. Lit. I, S. 31. W. G o l t h e r Die dt. Dichtung im A M . I I , S.94f. H. S c h n e i d e r Heldendichtung usw. S. 144; 157I J. S c h w i e t e r i n g Die dt. Dichtung des MA.s S. 7 1 I — H o f m a n n W S B . 1871, I S. 553—557 mit einem Versuch-zur Textherstellung. W. S c h e r e r QF. 7, S. 56ff.; 12, S. 40; ZfdA. 22, S. igff. F. V o g t Die dt. Dichtungen von Salomon und Markolf I, S. X L I X f f . K . W a a g P B B . 11, S. 109—119; 14, S. 573—579. Meier PBB. 16, S. 95. F. S a r a n Dt. Verslehre 1907, S. 253! G r ü n e w a l d Die lat. Einschiebsel... Diss. Göttingen 1908, S. 7.

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' S a l o m o s Lob*

S c h a m m b e r g e r Zum Gediente „Lob Solomons" Diss. Liepzig 1910 (auch 'Versuch zur Wiederherstellung der Urform mit Änderungsvorschlägen von E. S i e v e r s unter dem Text. A. W a l l n e r P B B . 43, S. 183—187. E. S c h r ö d e r ZfdA. 61, S. 48. S t r ü m p e l l P B B . 49, S. 162«. C. W e s l e Frühmhd. Reimstudien 1925. H. de B o o r Uber Brechung im Frühmhd. Germanica f. Sievers 1925, S. 497f.; d e r s . ZfdPh. 52, S. 31—76. S. S i n g e r AfdA. 44, S. 9yt. E. S c h r ö d e r ZfdA. 74, S. 226—228. M. I t t e n b a c h Dt.Dichtungen der sal. Kaiserzeit 1937, S. 86—98. U. P r e t z e l Frühgesch. des dt. Reims (Pal. 220) I (1941), S. 243t.; 268—272.

1. Die Mundart des Gedichts ist, wie die der Vorlage der Vorauer Hs. wohl auch, deutlich fränkisch, vielleicht rheinfrk. 'L.S.' und die zusammen mit ihm in der Hs. überlieferten "Ältere Judith' (s. d.) und ' Jünglinge im feurigen Ofen' (s. d.) entstammen wohl der gleichen Vorlage, aber 'L. S.' und 'Ä. J.' sind wohl kaum von einem und demselben Dichter verfaßt, wie Wallner annimmt ; dagegen sprechen sprachstilistische Unterschiede. 'L. S.' ist wohl in den ersten Jahrzehnten des 12. Jh.s abgefaßt, jedenfalls vor Pfaffe Konrads 'Rolandslied' (s. d.) wegen der fast wörtlichen Übereinstimmung von V. 216 bis 218 mit 'Rolandslied' (ed. W. Grimm) 309, 13—15 (MSD. II, S.223; 230). Der unbekannte Dichter war sicher ein Geistlicher. 2. Die Anfangsworte des Prologs ,,Inclita lux mundi" erinnern an formelhafte Hymnen- oder Sequenzeneingänge. Der Dichter fleht die zweite Person der Trinität, die Weisheit, um Beistand für sein Vorhaben an (V. 1—10). Gott läßt Salomo zwischen Reichtum und Weisheit wählen. Er zieht die Weisheit vor und erhält zum Lohn noch Ehre und Macht. Der von David begonnene Tempelbau wird fortgesetzt. Die Schilderung (V. 51—116) folgt hier aber nicht der Bibel, sondern geht letzten Endes auf eine judische (talmudische) ätiologische Sage zurück. Es sollte begründet werden, weshalb der Tempel ohne Eisenwerk gebaut wurde (vgl. 3. Reg. 6, 7). Ein Ungeheuer, in der talmudischen Sage der Dämonenkönig Aschmedai, in unserem Gedicht ein Drache (wurm, drachi), hat alle Brunnen in Jerusalem ausgetrunken und kann von niemand besiegt werden, bis Salomo eine Zisterne mit Wein und Met füllen läßt. Nachdem der Drache davon betrunken worden ist, wird er von Salomo im Schlaf gefesselt — ein beliebtes Märchenmotiv. Um sich zu lösen, verspricht er dem König, ein Mittel zur Beschleunigung des Tempelbaues, nämlich aus den Adern eines im Libanon hausenden Tieres (Schamir nach der jüdischen Quelle) eine Schnur zu bereiten, womit die härtesten Steine leicht durchschnitten werden könnten.

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Salomo folgt dem Rat und vollendet in einem Jahr den Tempelbau. Die unmittelbare Quelle der deutschen Drachenerzählung ist unbekannt. Sie zeigt aber so auffallende Übereinstimmungen mit der von Singer (a. a. O.) veröffentlichten lat. Version des Clm. 14 399, daß sie wohl beide auf die gleiche Quelle zurückgehen. Der dt. Dichter beruft sich auf die Archely (V. 55) eines Heronimus (V. 51), d. h. die öfters im MA. als vermeintliche Quelle solcher Sagen zitieret phönizische Archäologie des Hieronymus Egyptius (H. von Kardia) um 300 v. Chr., die von Josephus Flavius erwähnt wird (s. Pauly-Wissowa Realenc. der klass. Altertumswiss. VIII, Sp. isöof.). In der lat. Fassung heißt es nur: „Hoc sumtum de grecis exemplaribus". Außerdem ist wohl für ihre gemeinsame lat. Vorlage mit Einfluß der Erzählung von der Gefangennahme des Picus und Faunus durch Numa bei Ovid (Fasten III 28gff.) zu rechnen. Die Beschreibung des Tempels und dessen Innenausstattung (V.117 bis 135) sind aus 3. Reg. 6, I5ff. und 7, 38—50 bzw. 2. Paral. 3, 3ff. und 4, 6ff. zusammengezogen. In der ausführlichen Schilderung des Besuchs der Königin von Saba (V. 137—208) wollte der Dichter nach dem Geschmacke der Zeit ein eindrucksvolles Bild von Salomos Reichtum und prächtiger Hofhaltung geben; seine Weisheit wird nur kurz berührt. Nach einer bekannten Allegorie (u. a. Pseudo-Eucherius Kommentar zu Reg. 3) werden Salomo und die Königin auf Christus und die Kirche gedeutet (V. 209—228), während K e l l e die Beziehung des Hofstaates auf die Bischöfe nur bei Pseudo-Eucherius nachweist. Salomo war rex pacificus. Die Feststellung dd dagitin dt helidi snelli (V. 244) ist nach W a l l n e r ironisch gemeint 'die Räuber', in wörtlicher Übereinstimmung mit Guillaume Joies Noster Dame (bei E. M a r t i n Besant X X X V I I I ) . Das Gedicht schließt mit einem Gebet, daß der E löser uns die Gnade verleihen möge, mit ihm vereint im himmlischen Jerusalem zu leben. D e religiöse Stimmung kommt besonders in den Eingangs- und Schlußstrophen zum Ausdru