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German Pages 108 [120] Year 1937
Deutsche Wortforschung Heft 1
Deutsch Eine w o r t g e s c h i c h t l i c h e
Untersuchung
von
Willy Krogmann
Berlin und Leipzig
Walter de Gruyter & Co. vormals G. J . Göschen'sche Verlagshandlung • J . Guttentag, Verlagsbuchhandlung • Georg Reimer • Karl J . Trübner • Veit & Comp.
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Printed in Germany Archiv-Nr. 45 27 35
Druck von C. G R ö d e r A.-G. : Leipzig
Inhalt. Seite
Einleitung
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Die Belege
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Der S t a n d der Forschung Das Werden des N a m e n s deutsch
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Einleitung. Die Herkunft und die Bildungsweise des Wortes deutsch, das uns in der heutigen Bedeutung zuerst als mlat. theodiscus, dann auch als ahd. diutisk, as. thiudisk entgegentritt und das auf jeden Fall in got. piudisks, ae. peodisc, afries. tiosch lautliche Entsprechungen besitzt, sind vollkommen klar. Seine Bestandteile sind germ. *peudö, f., „Volk", das als got. piuda, an. pjöS, ae. peod, afries. thiade, as. thioda, thiod, ahd. diota, diot einzelsprachlich bezeugt ist 1 ), und das Suffix germ. -iska-. Was zunächst das Stammwort germ. *peudö anbelangt, so muß es wegen seiner zahlreichen außergermanischen Entsprechungen als eine wenigstens westindogermanische Prägung angesehen werden. Im Griechischen finden wir *leutä „Volk", wie W. Prellwitz, K. Z. 45, S. 159, gezeigt hat, in den Eigennamen TeuTd|uibr|c;, Teura|iiä? < *TeuTä-Ta|iiä5 und TeuriairXoc;. Das Italische bietet osk. Tuupro, toulo, umbr. totam, Akk., sab. touta „civitas", das Keltische gall. ieutä- in dem Namen Teutätis, air. tuath „Volk", kymr. tüd „Land", korn. tus, mbret. tut, nbret. lud „die Leute". Das Baltische endlich hat lett. taüta „Volk, Fremde, fremdes Gebiet", apreuß. tauto „Land", lit. tautä „Volk, Nation", 1
) I m Althochdeutschen bildet diot als Femininum auch vereinzelt Formen nach der i- und nach der n-Klasse. Daneben stehen aber auch noch ein der i- und e/o-Klasse folgendes Maskulinum und Neutrum diot, thiod. Auch das Mittelhochdeutsche zeigt alle drei Geschlechter. Mittelniederdeutsch begegnen das Femininum und das Neutrum, und ähnlich werden die Verhältnisse nach Ausweis der Formen in Heliand und Genesis im Altsächsischen gelegen haben. Neutrum ist auch norw. mdartl. tjo, kjo „Gesellschaft, Volk", in dem an. pjöfi nachlebt. Der e/o-Stamm, der auch im Keltischen in Namen wie gall. Toutobüdiäci, Toutobocios nachweisbar ist, bildet die Grundlage des Wortes got. piudans, an. pjötann, ae. peoden, as. thiodan, m., „Volksfürst, König". Vgl. F. Specht, K. Z. 60, S. 130f., und meine Bemerkung in der Zeitschrift für deutsche Philologie, Bd. 59, S. 226f. K r o g m a n n , Deutsch.
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Einleitung.
Tautä „Oberland, Deutschland". Apreuß. tauto begegnet auch in Eigennamen wie Tawtegal, Tawtenarwe. *teutä ist eine i-Bildung zur Wurzel idg. *ieu: *tau-: Hü„schwellen", die Walde-Pokorny im Vergleichenden Wörterbuch der indogermanischen Sprachen, Bd. 1, S. 706 ff. behandeln. Um nur einige weitere Sprosse dieser verbreiteten Wurzel anzuführen, nenne ich ai. taüti, taviti „ist stark, hat Macht, Geltung", tavas,,stark, kraftvoll, tatkräftig", tavasyd-, n., „Tatkraft, Mut"; av. tav- „vermögen", tavah-, n., „Macht, Kraft"; apers. tauman-, n., „Kraft, Macht"; arm. t(wp' < Hu-fho- „tuft. of shrubs, bramble; thicket, copse; underwood"; gr. Taüq' neyas, ttoXuc; Hes., Taucra? • HefcAuvac;, irXeovacras Hes., ffüujia „Leib", (TuJuaTÖuj „fest machen, verdichten"; lat. tömentum „Polsterung", tötus „ganz"; abg. tyjq, tyti „fett werden". Eine s-Bildung begegnet in der Sippe ahd. düsunt, f., n., „tausend", die im Germanischen und im Baltoslavischen auftritt, ferner in ahd. dosto, tosto „Büschel, Troddel; Driganum vulgare", nhd. dostig „ausgebreitet, aufgedunsen", ostfries. düst „Troddel, verworrene Masse", norw. mdartl. tust „Büschel, Haarzotte, Quaste", tüsta „Büschel, Knoten, Bündel", isl. püsta „Haufen, Masse". »¿-Ableitungen sind u. a. ai. tü-tumd-h „reichlich", tümra-li „strotzend, feist, derb, stark"; av. Tumäsfana- „von Tumäspa- d. h. einem, der feiste Rosse besitzt, stammend"; korkyr. Tü|ioq „TU)nßoq"; lat. tumeo, -ere „geschwollen sein", tumidus „geschwollen", tumor „Geschwulst"; kymr. twf „Kraft, Stärke"; aschwed. pumi, m., „Daumen", pum „Zoll", aisl. pumall „Daumen", ae. pymel „Eingerhut", ahd. dümo, ae. püma „Daumen", ¿-Fortbildungen ai. tüla-m „Rispe, Wedel, Büschel, Baumwolle"; gr. TöXri, TuXoq „Wulst, Schwiele, Buckel"; alb. tul', m., „Wade"; aisl. pollr „Baum, Pflock", schwed. mdartl. tull „Baumwipfel", tulle „Baumwipfel, Rispe", ae. pol(l) „Ruderpflock", nhd. Dolle „Ruderpflock, Baumkrone, Blumenbüschel, Quaste, Helmbusch", mnd. dolle „Ruderpflock", tirol. doli „dick", obd. Dollfuß „angeschwollener Euß, Klumpfuß"; apreuß. tülan, Adv., „viel", lit. tülas „multus". r zeigen weiter ai. turd-h „stark, kräftig"; aisl. pori „Menge, Masse"; lat. ob-, re-türo „verstopfe" und die Sippe gr. xaupo? „Stier; penis (Kratinos)"; lat. taurus, osk. xaupoju, umbr. tont, turuf, Akk. Plur., „Stier"; apreuß. tauris „Wisent", lit. tauras, abg. turt „Auerochse"; aisl. piorr, limburg.
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Einleitung.
dem „Stier". Als ¿/¡-Bildungen erwähne ich schließlich lat. tuber, -eris „Höcker, Buckel, Beule, Geschwulst, Knorren, Trüffel"; aisl. püfa „kleiner Hügel", obd. düppel „Beule, Geschwulst", ae. püf, m., „Laubbüschel; ein aus Eederbüschen zusammengesetztes Banner", pyfel „Busch, Dickicht, blattreiche Pflanze". Der bei *teutä hervortretende Begriff „Volk" beruht auf der auch sonst im Bereiche der Wurzel mehrfach anzutreffenden Vorstellung „Haufen, Masse". Ganz entsprechend sind übrigens auch das durch an. folk, ae. folc, afries. folk, ahd. folh belegte germ. *fulha-, n., „Volk" und lat. plebes, -ei und -i, plebs, -is „Volksmenge, Volk" zu beurteilen. Beide Wörter beruhen auf der Wurzel idg. *pel- „füllen, voll sein", die auch die Grundlage der Sippe nhd. voll bildet. Die von Walde-Pokorny a. a. 0., Bd. 2, S. 64, gegen diese Auffassung des germ. *fulka- geäußerten Bedenken sind unberechtigt.. Durch das Lehnwort abg. p H f a „Kriegerschar" wird keineswegs bewiesen, daß die auch im Germanischen selbst begegnende Bedeutung „Kriegshaufe, Heer" das Ursprüngliche sei, zumal das ebenfalls entlehnte lit. fuikas den allgemeinen Sinn „Haufe, Schar" besitzt. Es ist zweifellos der Ausgangspunkt der Bedeutungsentwicklung. Aus germ. *peudö ist das Adjektivum deutsch, mit Hilfe des Suffixes -isJca- < -isko- gebildet worden. Dieses Suffix findet sich hauptsächlich im Germanischen und im Baltoslavischen. In beiden Sprachzweigen dient es zur Bezeichnung der Art und der Herkunft. Als Belege nenne ich aus dem Germanischen das durch alle Einzelsprachen gehende *mannislca- „menschlich" in got. mannisks, an. men(n)skr, ae. mennisc, afries. mannisk, as. mannisk, mennisk, ahd. mennisk, das dem dem nhd. Mann zugrunde liegenden germ. *manna{n)- „Mann, Mensch" entstammt, ferner got. barnisks „kindlich": barn „ K i n d " , f u n i s k s „feurig": Jon, funins „Feuer", gudisks „göttlich": gup „Gott", an. ylfskr „treulos": ulfr „Wolf", fiflskr „närrisch, dumm": f i f l „Kiese, Dummkopf, Narr", ae. cildisc „kindlich": cild „Kind", ahd. as. kindisk „kindlich": kind „Kind", ahd. dorfisk „idiotus": dorf „Dorf", aus dem Baltoslavischen lit. berniskas „knechtisch": bernas „Jüngling, Knecht", dieviskas „göttlich": dievas „Gott", dangiskas „himmlisch": dangüs „Himmel", apreuß. deiwiskan „göttlich": deiw(a)s „Gott", tawiskan „väterlich": täws „Vater", abg. detbsk'b „kind1*
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Einleitung.
lieh": detq „Kind", zemljbslcb „irdisch": zemlja „Erde", pbsbsky, Adv., „hündisch": phsz „ H u n d " . Besonders zu vermerken sind noch lit. tautiskas „national" und lett. tautishs „extraneus", da sie dem Worte deutsch vollkommen entsprechen. Sehr häufig sind naturgemäß auch Ableitungen von Völker- und Ländernamen. Einige wenige Beispiele sind got. fynikisks „phönikisch", judaiwisks „jüdisch", an. IrsJcr „irisch", islenzkr „isländisch", saxlenzkr „sächsisch", ae. scyttisc „schottisch", denisc „dänisch", englisc „englisch", as. galileisk „galiläisch", römänisk „römisch", ahd. langbartisk „langobardiscli", frenkisk „fränkisch"; lit. lietüviikas „litauisch", apreuß. prusiskan „preußisch", abg. zidovbskt „jüdisch", rumbsk'b, rimbsko „römisch". Auch in den übrigen indogermanischen Sprachen, in denen das Suffix -isko- wenigstens noch vereinzelt vorhanden ist, gibt es die Art und Beschaffenheit an. So besitzt das Lateinische lentiscus, -um „Mastix": lentus „biegsam, zähe, langsam" und das ebenfalls von Bäumen gebrauchte mariscus „männlichen Geschlechts": mäs, maris „männlich". Dem Keltischen eignen Namen wie Taurisci, OuißiffKoi, Vivisca gens, Viviscum, Matriscum, Seniscum. Abweichend wirkt zwar das Suffix im Griechischen deminuierend, wo wir es in Substantivbildungen wie öecnroTicKoq „Herrchen", (7a|ußa\icn yfir meyia Mqgprasis, hamingior einar, Peer er i heimi ero, pö peer med iqtnom alaz; Sigrdrifomal 12, 8: pwr um vindr, peer um vefr, peer um setr allar saman, d pvi pingi, er piodir skolo i fulla döma fara; Romverja Saga. 269: pmr pjödir er turmas heita, ok 30 manna eru i hverri turma; Snorra Edda 1, 534: pjöd eru 30. Endlich findet sich an. pjöd noch in der Anwendung auf das von einem Volke bewohnte Land. In diesem Gebrauch steht es Fqr Skirnis 10, 4: Myrkt er üli, mal kved ek okkr fara tirig fiqll yfir, pursa pjöd yfir; bddir vit komomk, eda okkr bdda tekr sd inn dmdtki iqtunn. pursa pjöd deckt sich mit fiqll. Außerdem treffen wir die Zusammensetzung Svi-pjöd „Schwedenland" beispielsweise Grottasongr 13, 2: „ . , „ ,r,,4 hn vit sidan a övipjooo, framvisar tveer, i fölk stigom; Godpjöd „Gotenland" Vglospä 30, 4: Sd hon valkyrior, vitt um komnar, gqrvar at rida til Godpiödar;
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Helretf Brynhildar 8, 2: pd let eh gamfan d GodpioSo Hiälm-Gunnar naest heliar ganga und Guirdnarhvgt 16, 4: Gcedda eh gulli oh gudvefiom , ddr eh gcefah Godpiödar til. Einen noch größeren Begriffsumfang treffen wir im Altenglischen. Ich gebe die Belege nach den Nachweisen bei BosworthToller. Wie im Altnordischen t r i t t auch jetzt die Bedeutung „Volk, Völkerschaft" besonders hervor. East-Engla cyning and seo peod gesohte Ecgbryht cyning, heißt es im Jahre 823 in einer von Earle herausgegebenen Chronik S. 62, 24, ähnlich Eal seo peod de on East-Englum beop in den von Thorpe veröffentlichten Gesetzen Bd. 1 S. 152, 3. Weitere Beispiele sind: Myrcena deod onfeng fulluht1); Da wees peod (die Bürger von Mermedonia) gesamnod2); Cham ys foeder cScere Cananeiscre peode3); Beer ives mieel unpucernes (Scere peode (der Northumbrer) betweox him seif um!1); In lond (Sara cSeadc „in regionem Gerasenorum" 5 ); Her Edwine hyning wees gefulwad mid Ms peode6); Ic deme da peode (gentem = die Ägypter) 7 ); Ealla odree Cristnai Öioda8); Ofdamfrumgarum twapeoda (die Moabiter und Ammoniter), awoeon9); Manegrapeoda feeder „pater multarum gentium" 1 0 ); Drihten, öeoda waldend11); Eardas rume Meotud arwrde for moneynne, efenfela peoda and peawals); Hi preatiap ymbsittenda opra peoda13). Hierzu gehört auch der Beleg im Bcowulf Vers 1689ff.: Leechdoms, Wortcunning, and Starcraft of early England. Hrsg. von 0 . Cockayne. 1864ff., Bd. 3, S. 430, 21. 2 ) The Poetry of the Codex Vercellensis, I. The Legend of St. Andrew. Hrsg. von J. M. Kemble. 1894, Vers 2198. 3 4 ) Genesis 9, 18. ) Earle, S. 72, 8. 5 ) The Gospel of St. Matthew. Hrsg. von Kemble 8, 28. 6 7 ) Earle, S. 24, 2. ) Genesis 15, 14. 8 ) The Anglo-Saxon version of Gregory's Pastoral Care. Hrsg. von 9 H. Sweet (1871f.), S. 7, 5. ) Genesis Vers 2615. u « ) Genesis 17, 4. ) Daniel 361. 12 ) Codex Exoniensis. Hrsg. von Thorpe (1842), S. 334, 18. ") The metres of Alfred 25, 14.
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. . . sydpan flod ofsloh, gifen geotende giganta cyn; frecne geferdon: pcet wces fremde peod ecean dryhtne, him pces endelean purh wceteres wylm ivaldend sealde oder die Zusammensetzung Siveo-peod „Schwedenvolk" Vers 2922f.: Ne ic te Sweodeoda sibbe odde treoive ivihte ne werte
ebda.
Im Plural kann peod gemäß dem lateinischen gentes „die Heiden" bezeichnen. Zeugnisse sind: Se peoda lareoiv Paulus1) und para peoda Galilea2). Weiterhin heißt peod „Leute": Gif du eadmodne eorl gemete, pegn on peode3); Sio peod geseah in Hierusalem, godivebba eyst ufan eallforbcerst*); Inne on healle wces deod on scelum5); Cristes pegnas biddap God are ealre peode; du him tidast, siva du eadmod eart ealre worlde6); Grecas . . . Egiftisce peoda . . . Romani and Englisce peoda1)', Se disne ar hider onsendepeodum t.o helfe8); Is wide cud deodum, ceorlum and eorlum9); David wces swide gedancol to dingienne piodurn sinurn wid dane Scejrpend10). Wie im Nordischen bezeichnet peod sodann das von dem Volk bewohnte Gebiet: An hearpere wces on dcvre peode de Thracia hatte11); Se wces on dcere deode de hatte Babilonige12); -&a beorgas onginnap in Narbonense dcere deode13); In dcer deade „in Galilaeam" 14 ); Aulixis hcefde twa dioda under dam Kasere. Ba dioda wceron hatene Ipacige and Retie15). Endlich ist peod aber auch die von dem Volk gesprochene Sprache: peali de seofan men sittan on middanearde,
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) 3 ) 5 ) 7 ) 8 ) •') 10 ) 12 ) 13 ) 14 ) ,5 )
/Elfrics Homilien. Hrsg. von Thorpe (1899ff.), Bd. 1, S. 96, 35. The Gospel of St. Matthew 4, 15. 4 Cod. Exon. 318, 7. ) Ebenda 70, 6. 6 Beowulf, Vers 643. ) Hymnen und Gebete 7, 55. Anglia, Bd. VIII, S. 309, 19ff. The Legend of St. Andrew 3209. Menologium. Hrsg. von Fox (1830), Vers 61. Psalm 50, 7. " ) Alfreds Boetius, Kap. 35, 6. Daniel 172. Alfreds Orosius (Sweet), Buch 1, 1, S. 22, 20. The Gospel of St. John (Skeat) 4, 45. Boetius, Kap. 38, 1.
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and heo mihton sprecan on wghwyhere peode de betwux heofonum and eordan wwre, Sara is twa and hundseofontig1). Sehr wenig bietet das Altfriesische. Die Zeugnisse: an tha hethena thioda2); alle dyo tiade, deer hyoda aen Mende se 3 ); bi siefandere thiade4) lassen die Bedeutungen „Volk, Völkerschaft" und „Leute" erkennen. Stärker fließt die Überlieferung wieder im Altsächsischen. Der Heliand vor allem übermittelt uns eine Reihe von Belegen. Die Bedeutung „Volk, Völkerschaft" begegnet hier. VersM 5249: he uuas fan theru marean thiadu, the godo fan Galilealande. Auch das Zeugnis C 72ff.: . . . Than uuas thar en gigamalod mann, that uuas fruod gomo, habda ferehtan hugi, uuas fan them liudeon Leuias cunnes, Jacobas suneas, guodero thiedo reiht sich an. Aus der Genesis kommt Sodomo thiod Vers 325f. hinzu: . . . thuo habdun hiro firindadi all Sodomo thiod sero antgoldan, ebenso thioda Vers 140ff.: . . . thann hier olc thie ledo kumit, that hier Antikrist alia thioda, uuerod auuerdit und Vers 218ff.: . . . ef ik thar lubigaro mahg, quad he, thritig undar thero thiodo thegno fidan, godforotha gumon, thanna uuilli ik im fargeban allum that men endi thea misdad endi latan that manno folc sittian umbi Sodoma endi gisund uuesan. Weiter bieten die Essener Evangeliarglossen: (Grece et latine) /¿g tres lingu$ pre ceteris eminebant . . . latina propter romanos. multis ac pene omnibus gentibus imperantes. the thar herron vuarun allero 1
) Wulfstan. Sammlung der ihm zugeschriebenen Homilien. Hrsg. von A. Napier (1883), S. 214, 29. 2 ) Rüstringer Hss. 49, 10. 3 ) Westerlauwersches Landrecht 436, 19. 4 ) Rüstringer Hss. 77, 25; Emsigoer Hss. 76, 26; Hunsigoer Hss.341,1.
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thiadono Joh. 19, 201) und der Codex Cassellanus theol, sol. 60f. 3 a : Abraham pater multarum gentium, fader micelere thede2). Im übrigen bedeutet as. thiod(a) „Leute". Ich belege diese Anwendung aus dem Heliand mit Vers M 3901: uuas thiu smale thiod sines uuillean gernora mikilu, thes godes barnes uuord te gefrummienne so im iro fraho gibod; C5282: Than stuod thiu uuretha thiod, Judeo liudi endi thena godes suno uuurrun endi uuruogdun; M1541: Erod gi arme man, deliad iuuan oduuelon uuidar thero thurftigon thiodu; M 525: Nu is the helago Krist, uualdand selbo an thesan uuih cuman to alosienne thea liudi the her nu lango bidun an thesara middilgard managa huuila, thurftig thioda; C 3990: nu thu eft undar thia stridigun thioda fundos te faranne, thar ist fiondo ginuog, erlös dbarmuoda; M 4449: Ledid uj> thanen her hebencuning thea hluttaron tlieoda an that langsame Höht; M 5054: tholode mid gethuldiun so huat so imu thiu thiud deda liudi ledes. Kommen wir schließlich zum Althochdeutschen, so finden wir zunächst wieder für die Bedeutung „Volk, Völkerschaft" eine Menge von Zeugnissen. Von ihnen gebe ich als Beispiele aus dem Tatian: Tho antlingita Pilatus: eno bin ih Judeus? Thin thiota inti bisgoffa saltun thih mir: uuaz tati thu? „Respondit. Pilatus: numquid ego Judeus sum? Gens tua et pontifices tradiderunt te mihi: quid fecisti ?" 195, 3; Erstentit thiot uuidar thiotu inti richi uuidar riche „Consurget enim gens in gentem et regnum contra regnum" 145, 5; Nist fundan ther dar uürbi inti gabi guollichi gote, nibi therer fremidera thiota man ? „Non est inventus qui rediret et daret gloriam deo, nisi hic alienigena?" 111, 3; Oba uuir inan so forlazemes, alle giloubent inan, inti coment Romani inti nement unsera stat inti thiota „Si dimittimus eum sie, omnes credent in eum, et venient Romani et tollent nostrum et locum et gentem" 135, 28; Inti gisamanot uuerdentfuri inan allo thiota, inti thanne ziseeidit her sie untar zuisgen, so hirti ziseeidit sedffon zigon „ E t congregabuntur ante eum omnes gentes, et separavit eos ab invicem, sicut pastor segregat oves ab hedis" 152,2, aus Otfrid: wer si hold in muate Frankono thiote I, 1, 124; thu bist judiisger man, inti ih bin thesses thietes II, 14, 18: 1 2
) Ahd. Glossen, Bd. 4, S. 304, 5ff. ) Ebenda Bd. 1, S. 722, 6.
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Duent thaz these furiston joh thie hereston, ergebent mih zi nöte fremidemo thiete. III, 13, 8; Zi thiu mdg man ouh ginöto mdnagero thioto Mar ndmon nu gizellen joh süntar ginennen. I, 1 11, aus dem Ludwigslied: Lietz her heidine man Obar seo lidan, Thiot Vrancono Manon sundiono 12, aus Notker: iüdon diet „ebraic^ gentes" Psalm 2,1; Deus qui das uindictas mihi et subdis popidos sub me. Du bist Got. du mih riebest, unde populos gentium, (dar. Hüte dieto) mir ündertuöst 17, 48; Annuntiate inter gentes ojiera eins. Chündent under dieten siniu uuerch 104, 1; unde sie uudlloton Jone diete ze diete. fone riche ze riche „et pertransierunt de gente in gentem. et de regno ad populum alterum" ebda. 13. Vor allem im Plural hat thiod(a) dann auch im Althochdeutschen den Sinn „die Heiden". Belege sind etwa aus dem Tatian: Ni euret ir suorgfolle uuesan süs quedante: uuaz ezzen uüir oda uüaz trinken uüir odd mit hiu uuaten uuir unsih ? Thisu allu suohlient thiota „Nolite ergo solliciti esse dicentes: quid manducabimus aut quid bibemus aut quo operiemur ? Heec enim omnia gentes inquirunt" 38, 6; inti zi grauon inti zi cuningon uuerdet ir gileitte thuruh mih in zi giuüiznesse inti thiotun „et ad presides et ad reges dueimini propter me in testimonium illis et gentibus" 44, 12; Ist uuarlicho thrucnessi mihil obar erdu, inti gibuluht thesemo folke, intifallent in munde suertes inti uuerdent hafte geleitit in alla, thiota, inti Hierusalem ist gitretan Jon thioton io unz gifulto uuerdent ziti thiotono „Erit enim pr^sura magna supra terram et ira populo huic, et cadent in ore gladii et captivi ducentur in omnes gentes, et Hierusalem calcabitur a gentibus donec impleantur tempora nationum" 145, 13, aus Notker mit dem Gegensatz zu den Juden: Möns syon . latera aquilonis ciuitas regis magni. Syon der in ierusalem ist. unde nördsita . daz cMt iudei in sünde . unde gentes (dar. tiete) in norde . sint des mdhtigen chüninges . jntrg. Föne dien zuein bestät diu ecclesia (dar. jjrütsämina) 47, 3; Quam terribilis in consiliis sufer filios hominum.. Vuieo egebdre sin rat ist über die menniscen. Vuieo iudei irblendet sint. gentes irliehtet sint. iudei uz sint. gentes (dar. tiete) inne sint 65, 5; Miserieordia et ueritas occurrerunt sibi. Vuar unde gndda bechamen ein änderen. Gentes (dar.
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tiete) unde iudei chämen ze einero geloubo. Gentibus (dar. tietiri) ist iz misericordia (dar. kenada) . iudeis (dar. iüdon) ist iz ueritas (dar. uuär) 84, 11. Daß ahd. diot(a) drittens auch noch „Leute" bedeutete, zeigen endlich die Verse Otfrids: Hiar ist kneht einer, ni iveiz ih iviht es hiar mer, ther dregit hiar in sinan not finf girstinu brot Ouh zuene ßsga tharmit; theist zi thiu thok niwiht, thaz man sülih biete themo managfalten thiete. I I I , 6, 27ff. Fassen wir die Einzelbefunde zusammen, so ergibt sich uns als hauptsächlichster Sinn des ugerm. *peudö „Volk, Völkerschaft". Er liegt auch zugrunde, wenn das Wort für die Heiden gebraucht wird. Daneben bezeichnet es „Leute" schlechthin. Eine besondere Anwendung ist an. pjöd „Schar". Sie dürfen wir schwerlich weit zurückverlegen. Dagegen wird der Ausdruck schon früh auch für das von einem Volk bewohnte Land gebraucht worden sein. Diese Bedeutung findet sich nämlich sowohl im Altnordischen als auch im Altenglischen. Zudem ist daran zu erinnern, daß auch ae. leod und lat. gens „Gau, Land" heißen. Wie aber *peudö ein Ausdruck für das von einem Volk eingenommene Land werden konnte, so vermochte es sich in ganz entsprechender Weise auch zu einem Wort für die von ihm gesprochene Sprache zu entwickeln. Mit diesem Gehalt wird es einmal im Altenglischen benutzt. Mit dieser bloßen Feststellung dürfen wir uns freilich noch nicht begnügen. Da gerade die Anwendung des Wortes auf eine Sprache in unserem Zusammenhang von besonderer Wichtigkeit ist, müssen wir anschließend noch prüfen, ob die nur einmalige Bezeugung des Wortes auch auf einen ganz vereinzelten Gebrauch schließen läßt oder ob wir ungeachtet dessen annehmen dürfen, daß das Wort leicht sprachlich gewendet werden konnte. Wir haben damit noch über Jacob Grimms Behauptung zu entscheiden, daß *peudö auch unabhängig von der Ableitungssilbe -iska- auf den Begriff der Sprache führe. Als Stützen für seine Ansicht beansprucht Grimm ae. gepeode, n., „lingua", und das gleichbedeutende ahd. githiuti, ferner aus dem Althochdeutschen das Adjektivum githiuti und das Adverbium githiuto mit as. githiudo, sodann mhd. ze diute, be diute, afries. to thiotlie, mnl. in hären bediede und endlich das Verbum ahd.
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diutan, pidiuten, das er im Altenglischen allerdings in anderer Bedeutung antrifft. Auf ae. gepeode und ahd. diuten beruft sich auch Dove für seine Annahme, daß ein westgermanisches *peudisk mit besonderem sprachlichen Gehalt vorhanden war. Ebenso baut Braune auf das von ihm als Substantivierung eines Adjektivums mit der Bedeutung „der peod angemessen, zu ihr passend, zu ihr gehörend" betrachtete ae. gepeode. Das angesetzte altenglische Adjektivum findet er zwar nicht, wohl aber gleicht er es mit dem Adjektivum githiuti, das Otfrid neben dem Substantivum githiuti überliefert. Zu ihm stellt er teilweise auch das Adverbium ahd. githiuto, as. githiudo, das er vorher mit got. piup verknüpfte. Mit verneinendem un- begegnet ihm ahd. gidiuti auch noch im Keronischen Glossar. Demgegenüber hat Vaas angezweifelt, daß das vor dem Substantivum ae. gepeode und dem seiner Meinung nach wohl davon abhängigen ahd. githiuti liegende Adjektivum schon linguistische Bedeutung besaß. In ahd. githiuti kann er wenigstens gegen Braune nur die Vorstellung „stammverbunden, stammzugehörig" erkennen. Unsicher ist ihm, ob das Yerbum diuten in der Bedeutung „transferre" gemein westgermanisches Sprachgut war, oder ob sich dieser Sinn erst aus dem allgemeinen „dem Volksstamme hinzufügen, zueignen" verengerte. Knüpfen wir sogleich an das Verbum ahd. diuten an, so müssen wir zunächst ergänzend hinzufügen, daß das von Grimm in dieser Verwendung vermißte ae. gepeodan oder peodan doch belegt ist. Einmal ist uns das substantivisch gebrauchte peodend „Übersetzer" überkommen1), und außerdem kennen wir ein Zeugnis für gepeodan „übersetzen": He het cfisne regul of leeden-gereorde on englisc gepeodan2). Gleichzeitig müssen wir aber betonen, daß eine Zusammenstellung dieses Verbums und seiner Sippe mit germ. *peudö „Volk" nicht statthaft ist. Die Verwandten weisen nämlich nicht auf den Begriff „verdeutschen". Ahd. diuten, biditäen, mnd. düden, afries. bi-thioda, an. pyda heißen vielmehr „deuten, bedeuten, erklären" und erfordern so in Wahrheit einen ganz anderen Anschluß. Mit ihnen gleicht sich die ebenfalls von ugerm. *peudö „Volk" Anecdota Oxoniensia. Old English Glosses. Hrsg. von A. S. Napier, S. 15, 6. 2 ) Leechdoms, Bd. 3, S. 440, 28.
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zu trennende Sippe ae. piedan, peodan, gepledan „sich, verbinden, teilnehmen", äpiedan „trennen", bepiedan „verbunden sein, anhängen", underpiedan „sich verbinden, unterwerfen", mnl. dieden „helfen, nützen, gewinnen", ahd. untarthiutan „unterwerfen", an. pyda „wohlgesinnt machen", pijdask „sich anfreunden".
Dazu
kommt mit anders ausgeglichenem grammatischen Wechsel noch got. piupjan
„segnen".
Die Wurzel ist idg. Heu- „jemandem in
freundlichem Sinne die Aufmerksamkeit zuwenden". des G e r m a n i s c h e n e n t s p r e c h e n l a t . tueor,
-en,
tuitus
Außerhalb
u n d tütus
sum
„ins Auge fassen, betrachten, auf etwas achtgeben, schützen", „betrachte", tütus „sicher";
inlueor
< *günstig, g u t " ; gr.
Tucraer
air. tüath „link,
nördlich
keieuei Hes. Aus dem Germa-
nischen selbst ist noch ae. peaw, afries. thäiv, as. thau, ahd. gethau „Sitte, Brauch, Gewohnheit;
Betragen" als „*observantia" zu
nennen. Bereits Johansson, Beitr. 15, S. 238, und Wood, Mod. Phil. 5, S. 280, haben die Bedeutungsgruppe ahd. diuten richtig in diesen Zusammenhang gestellt.
Ihre Auffassung ist mit Unrecht ohne
Beachtung geblieben. Vollkommen gesichert wird sie etwa durch ae. peod-scipe „teaching, Instruction; a rule, regulation, law, injunction, a collection of regulations, law, religion; disciplin, a disciplinary regulation; custom, mode of conduct; learning, knowledge, understanding".
Für den Begriffsumfang vergleiche ich
noch die Wurzel idg. *delc- „nehmen; aufnehmen, begrüßen, Ehre erweisen" in ai. dasnöti, daSii, dasati „bringt Opfer dar, erweist Ehre, gewährt, verleiht", däsvams „die Götter ehrend, f r o m m " , dasasydto „erweist Ehre, verehrt einen Gott, ist gnädig", diksati „ w e i h t " , diksä „ W e i h e " , daksati „ist tüchtig, ist gefällig", dakia„tüchtig, geschickt"; gr. hom. beiKavöuuvTO
ör|KVU|uai
( = ai. däsnöti)
„begrüße",
„sie begrüßten", intensiv ötibexcrrai (3. Plur. Praes.),
btlbeKTO, ör|öexciTO (3. Singl. u. Plur. Impf.) „begrüßen, bewillkommnen", önbicFKO|iai „begrüße", dtpibeiKetoc; „ausgezeichnet", ÖOKei
noi „es scheint mir < es ist mir annehmbar"; boneiu „meine,
scheine", boSa „Meinung; R u h m " , bötajaoi; „ansehnlich, erprobt", öoYlLia „Beschluß", öoiceuu) „fasse ins Auge, beachte", TtpocrboKaai „auf etwas oder jemanden warten, erwarten",
öibctcrKuu
„lehre";
lat. decet, -ere „es ziemt sich, ziert, paßt gut", decus, -oris „Zierde", umbr. tigit „decet", lat. dignus „würdig, wert; befähigt", doceo
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„lehre", disco, didici „lernen"; mir. deck ( = lat. decus) „der Beste, Vorzüglichste", und den auf dem s - S t a m m ai. dasas(yati), lat. decus, mir. deck beruhenden Wörtern für „rechts = auf der tauglichen Seite", ai. ddkSina-, dahsina- „rechts, südlich, tüchtig, geschickt", av. dasina- „rechts", lit. desine „die rechte Hand", abg. desm „rechts"; gr. öeüiTepös, lat. dexter, -tra, -trum „rechts", osk. destrst „dextra est", umbr. destrame „in dextram"; gr. beSiög „rechts, glückverheißend, geschickt, gewandt"; air. dess, kymr. deheu „rechts, südlich", got. taihswa, ahd. zeso „rechts", got. taihsivo, ahd. zes(a)wa „die rechte H a n d " ; alb. djaMt „rechts". Außer der Sippe ahd. diuten gehören sogar noch weitere der genannten Wörter zur Wurzel idg. *teu- „jemandem in freundlichem Sinne die Aufmerksamkeit zuwenden". Zu ihr steht nämlich sowohl das bei Otfrid überlieferte Adjektivum githiuti als auch das Adverbium ahd. gilhiuto, as. githiudo. Braune befand sich auf dem richtigen WTege, als er in seinem Althochdeutschen Lesebuch got. piup, n., „das Gute", Plur. piupa „Güter" mit unpiup, n., „tö kciköv, das Böse", piupeigs „euXo-piTÖg, onfaGös, gepriesen, gut", piupeins, f., „crfaOuJcrijvii, Güte; eüXo-fia, Segen" zu ihnen zog. Dem ahd. githiuti entspricht unmittelbar ae. gepiede „good". Von irgendeiner Vermengung kann keine Rede sein. Fernzuhalten ist nur das in den Glossen bezeugte uncadiuti „barbarus", das Vaas im wesentlichen zutreffend auffaßt, wenn er auch mit ihm fälschlich das von ae. peodan gebildete ungepeod „separate, disjoined" gleicht. Es stammt wirklich von ahd. diot(a) „Volk" und ist eine Prägung wie das neben ihm auftretende ungasprachi oder elirerti „alienigena", samararti „barbarus". Eine Beziehung auf die Sprache ist in ihm nicht zu suchen. Ausscheiden müssen wir endlich auch die Wendung mhd. ze diute, afries. to thiothe. Schon die Lautform läßt erkennen, daß es sich nicht um mhd. diet, afries. thiad in der Bedeutung „zum Volk gehörige Sprache" handelt. Wir haben es einfach mit einem zu ahd. diuten gehörigen Substantivum mit dem Sinn „Deutung, Auslegung" zu tun, der natürlich ebenso die Färbung „Übersetzung" annehmen kann wie ae. peodend und gepeodan. Von dem ganzen beigebrachten Sprachgut bleibt nach diesen Abstrichen nur noch ae. gepiode, gepeode, ahd. gethiuti „zum Volk gehörige Sprache" übrig. E s ist aber auch wirklich ein weiterer
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Zeuge dafür, daß ugerm. *peudö einen Bezug auf die Sprache erhalten konnte. Es ist dasselbe wie ae. gepiede, gepeode „a people", das Bosworth-Toller im Supplementband S. 431 a mit Unrecht als Femininum ausgeben. I n Wahrheit erweist sich das Wort als neutrale m-Bildung mit kollektivem Sinn wie beispielsweise ae. gefylce „Schar, Trupp, Heer" oder ahd. gistirni, nhd. Gestirn. Ae. geplode, ahd. githiuti sind also genau so für die Sprache gebraucht worden wie ae. peod selbst. Dabei vermehren sie nicht allein zahlenmäßig die Belege für diese Anwendung, sondern geben darüber hinaus durch die keineswegs als Entlehnung zu betrachtende Entsprechung zu erkennen, daß sie wenigstens für das Westgermanische in Anspruch genommen werden kann. Dieser Befund erlaubt uns endlich, nun auch die Bedeutung des Adjektivums ugerm. *peudiska- schärfer zu fassen. Der ursprünglichste und hervortretendste Sinn ist zweifellos „von der Art der Völkerschaft, zur Völkerschaft gehörig" gewesen. Er ist uns unmittelbar bei Lagamon bewahrt. Ferner tritt er aber in den Belegen für ae. elpeodisc hervor. Nur durch das jeweilige Vorbild umgebogen ist diese Vorstellung auch in der Aldhelmglosse und bei Wulfila. Eine andere Färbung h a t afries. tiosch durch den Einfluß des bei germ. *peudö beobachteten Nebensinnes „Leute" angenommen. Das substantivisch gebrauchte ae. peodisc schließlich in der prosaischen Boetiusübersetzung und der metrischen Version läßt die ebenfalls weit zurückreichende Anwendung auf die Sprache erkennen. So unrecht hatte Jacob Grimm also nicht, wenn er für das Wort mehrere Bedeutungsfärbungen ansetzte. Abzulehnen ist aber vor allem, daß er in *peudisha- einen Hinweis auf das gesamte Volk im Gegensatz zu den einzelnen Stämmen sucht. Für ihn fehlen alle Voraussetzungen. Nicht zu stützen ist auch die Behauptung, daß der Ausdruck auch „barbarisch" bedeutete. Diesen abfälligen Beiklang hatte germ. *peudö in alter Zeit noch nicht. Nicht weiter auszuführen brauchen wir, daß die Grundlage für den Sprachnamen deutsch allein das sprachlich gewendete *Peudiska- und zwar im besonderen das zweifellos vorhanden gewesene ahd. diutisk bilden kann. Nur mit ihm haben wir uns daher weiterhin noch zu beschäftigen. Jacob Grimm hat zur Beleuchtung des mlat. theodiscus Wen-
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düngen aus lateinischen Urkunden herangezogen. Im besonderen vergleicht er usque ad acutum montem, qui diutisce wassinperck dicitur in der Urkunde Ottos II. vom Jahre 974 mit capsulas apibus ponendi, quod rustice cidelwida dicitur und ad arborem, que vulgariter dicitur melboum. Dove hat diese Zusammenstellung mit der Begründung zurückgewiesen, daß rustice und vulgariter ebensowenig wie anderswo gentilis, barbarus, patrius, proprius, vivus als Übersetzungen von theodislc gemeint seien und daß diese Eigenschaften der deutschen Gesamtsprache genau so gut nachgesagt werden konnten, wenn sie die fränkische hieß. Er kann in diesen Ausdrücken lediglich den Niederschlag von Sehweisen erblicken, unter denen die bereits benannte Sprache im neunten Jahrhundert, betrachtet werden konnte. Dieser Einwand besteht sicherlich zu recht. Grimm hat nicht berücksichtigt, daß mlat. theodiscus von Anfang ein Sprachname ist. Dennoch geht Dove zu weit, wenn er meint, daß die verglichenen Wendungen überhaupt nichts für die ursprüngliche Bedeutung des deutschen Sprachnamens hergäben. Ein Rückschluß ist aus ihnen sehr wohl möglich. Außer den beiden eben genannten Belegen kommen dafür auch die Zeugnisse in Betracht, die Grimm aus der Zeit vor der Verwendung des AVortes theodiscus gesammelt hat. Mehrfach begegnet in ihnen eorum lingua, auch juxta illorum lingua, lingua propria, pro patrio sermone sowie vulgo. Alle diese Ausdrucksweisen bilden Parallelen zu dem Adjektivum *peudiska-, das zwar von der Sprache gebraucht wurde, aber noch nicht zur Benennung einer besonderen Sprache geworden war. Auch die von Behaghel für die Anwendung des lat. gentilis auf die Sprache gesammelten Stellen bringen gute Entsprechungen, zumal *peudiska- und gentilis auch darin übereinstimmen, daß sie beide von Substantiven abgeleitet sind, die „Volk, Völkerschaft" bedeuteten. Wenn es sich für Braune von selbst verstand, daß gentilis, das mit der allgemeinen Bedeutung „zur gens gehörig" im klassischen Latein ganz geläufig war, auch von der zur gens gehörigen Sprache gebraucht wurde, so ist uns ebenso klar, daß das ursprünglich „zur *peudö gehörig" meinende *peudiska- ganz entsprechend die zur *peudo gehörige Sprache bezeichnete. Eine noch unmittelbarere Anschauung von dem anfänglichen Gebrauch des sprachlich gewendeten *peudiska- vermittelt uns
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aber eine Parallele, die ich aus dem Germanischen selbst beibringen kann. Sie bietet das in derselben Weise gebildete ae. fohisc. In der Übersetzung von Greg. Dial. lautet nämlich die Stelle Nam nigra parvaque avis quae vulgo merula nominatur circa eins fadem volitare coepit: sodlice In cö to sü sivype sweart 7 lytelfugel, seis 011 folcisc prostle (Hs. 0 strosle1)) gehaten . se ongann flogettan fipercian ymb his ansynez). Hieße es: sodlice Iii cö to sü sivype sweart 7 lytel fugel, se is on *peodisc prostle gehaten . se ongann flogettan 7 fipercian ymb his ansyne, so wäre der Sinn genau derselbe. Dabei zeigt dieser auffälligerweise bisher unbeachtet gebliebene Beleg, wie nahe die von Grimm verglichenen lateinischen Ausdrücke der ursprünglichen Bedeutung des Adjektivums *peudiska- kommen, wenn dieses Beziehung auf die Sprache hatte. Andererseits fällt von ihm aber auch auf das wirklich überlieferte ae. peodisc „Sprache eines Volkes" neues Licht, denn ihm entspricht folcisc vollkommen. Zu ae. peodisc „Sprache eines Volkes" gibt es übrigens innerhalb des Germanischen auch noch zwei weitere Parallelen, die in diesem Zusammenhang bis jetzt ebenfalls nicht gezogen worden sind. Auf dem Adjektivum an. *lyzkr, ae. -leodisc, me. leodisc beruht zunächst an. lyzka, f., das neben der Sitte eines Volkes auch seine Sprache bezeichnet. Ich belege den letzteren Gebrauch mit den Stellen: pal er sem svä se at slcilja ok Ijöst mwlt ok miskunnsamligafcert i öra If/psko: fyrgef pti oss örar synper Homilien 135, 35 und: kirkja sü, er d peirra lyzku heitir Agiosofha ok Nordmenn kalla Mgisif Symb. 10, 7. Die Berührung des an. lyzka mit ae. peodisc ist besonders eng, weil einmal sowohl an. Ijödr, lySr, ae. leod, afries. liod, as. Hut, ahd. Hut als auch die Sippe ae. peod „Volk" bedeutet und dann die zugrunde liegenden Adjektiva beide mit dem Suffix germ. -iska- gebildet sind. Auch zu ae. leod stellt sich ferner ae. lieden, leoden, me. leoden, leden „Sprache eines Volkes", das auf ein im Mittelenglischen noch nachzuweisendes Adjektivum leoden „zum Volk gehörig" zurückgeht. Bosworth-Toller haben es freilich wie auch andere mit ae. Iceden „Latein" gleichgesetzt, weil latinus im Romanischen später auch in allgemeinerem Sinn auftritt. Diese Auffassung ist aber
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Über die Lesart strosle vgl. meine Ausführungen Anglia 58, S. 448. ) Nach der Ausgabe von Heeht, S. 100, 19.
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ganz unmöglich, wie auch Holthausen in seinem Etym. Wörterbuch S. 201 gesehen hat. Ich habe denn auch in meinem Aufsatz „Got. haipno"1) zeigen können, daß das Substantivum nebst dem Adjektivum mit dem Suffix idg. -no- gebildet ist. Als Zeugnisse nenne ich aus dem Altenglischen: Spasmus dcet ys on ure leodene hneccan sar2); Mara dcet ys on ure lyden biternys3); Ealle hig sprecap an lyden „est unum labium omnibus" 4 ) und aus dem Mittelenglischen lediglich die Verse 29 675 ff.: cerno cernis pat is Latin ful iuris, cerno an Englisc leode ich iseo swa hit is iqueden. el is Ebreowisc pat is godd ful iwis. pene tun he cheopede Cernel ich iseo drillten iviildel und 2355ff.: . . . (Locrin) hine fare to pon tune pe Trinouant wes ihaten. pe wes on vre leoden Lundene ihaten aus Lagamons „Brut". Angesichts dieser verschiedenen Entsprechungen bleibt schlechterdings kein Raum mehr für die Auffassung, daß das sprachlich gewendete germ. *peudiska- etwas Besonderes sei. Sie beweisen im Gegenteil, daß ein abgeleitetes Adjektivum noch viel leichter in diesem Sinne gebraucht werden konnte, als das vorausliegende Substantivum selbst. Begegnen daher schon ae. Peod und ae. gepiode, gepeode, ahd. githiuti in bezug auf die Sprache, so wurden wenigstens ae. peodisc und ahd. diutisc sicherlich noch viel häufiger als „volkssprachlich" verwendet. Die Vorgeschichte des Wortes deutsch ist damit vollkommen aufgeklärt. Noch nicht einen Schritt sind wir jedoch bisher der Lösung der Frage näher gekommen, wie denn nun das in sprachZeitschrift für deutsche Philologie, Bd. 59, S. 209 ff. ) Leechdoms, Bd. 3, S. 110, 1. 3 ) Exodus. Bibl. d. ags. Prosa, Bd. 1, S. 15, 23. 4 ) Genesis, ebenda S. 11, 6. 2
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lichem Sinne gebrauchte Adjektivum zum Namen einer besonderen Sprache werden konnte. Da die einzelnen germanischen Stämme die Gesamtheit nicht als die *peudö schlechthin bezeichneten, ist Grimms Ansicht, daß etwa schon die Goten das Wort verwendeten, wenn sie das Gemeinsame zwischen ihrer und einer anderen germanischen Sprache zum Ausdruck bringen wollten, nicht irgendwie zu verteidigen. Auch Behaghel verkennt die eigentliche Schwierigkeit. Daß seine besondere Meinung nach den Darlegungen Braunes und vor allem den Nachweisen Vaas' an der tatsächlichen Überlieferung scheitert, ist dabei ohne Belang, weil eine ganz ähnliche Auffassung ja etwa auf lat. vulgo begründet werden könnte. Entscheidend ist aber, daß man auf diese Weise allenfalls zu einem althochdeutschen Adjektivum gelangte, das von der Sprache gebraucht wurde, hingegen niemals verständlich machen könnte, wie denn aus ihm der Sprachname wurde. Für die Nachprüfung bleiben daher nur die von Dove, Braune, Vaas und Rosenstock beschrittenen Wege übrig. Von ihnen gehen wir zunächst dem Doves nach. Für Dove ist es eine unabweisbare Voraussetzung, daß das germanische Adjektivum schon vor der Latinisierung zum Eigennamen der betreffenden Sprache geworden war. Sonst hält er es nämlich für ausgeschlossen, daß man es ins Lateinische aufgenommen hätte, da man sich dann, wie er glaubt, bei dem vollkommen durchsichtigen appellativen Sinn mit einem gleichbedeutenden lateinischen Wort begnügt haben würde. Diese Einstellung hat im Grunde keinen Widerspruch gefunden; denn Braunes Meinung, daß es nicht in der deutschen Sprache selbst zur Ausbildung eines Eigennamens für die deutsche Gemeinsprache gekommen sei, sondern daß die Benennung von den englischen Missionaren in Deutschland auf Grund ihres heimischen gepeode und peodisc geprägt wurde, verschiebt nur den Ort der Umdeutung. Auf ihn kommt es jedoch zunächst nicht an. In Frage steht vorläufig nur, ob bei der Latinisierung das Wort bereits ein Name war. Daran hat aber auch Braune nicht gezweifelt, und daran ist auch gar nicht zu zweifeln. Auch wenn wir von der Schwierigkeit ganz absehen, daß bei gegenteiliger Sachlage die Umbiegung im Lateinischen stattgefunden haben müßte, ist nur die LatiniK r o g m a n n , Deutsch.
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sierung eines Sprachnamens möglich. Die Feststellung, daß das Adjektivum schon vor der Übernahme ins Lateinische ein Sprachname gewesen sein muß, dürfen wir demnach als Grundlage für alle weiteren Untersuchungen betrachten. Wenden wir uns nun im einzelnen der Ansicht Doves zu, so müssen wir sogleich den von ihm selber nur mit Bedenken gegebenen Hinweis auf die Langue d'oc als bedeutungslos ansprechen. Abgesehen davon, daß die Entwicklung bei ihr ein ganz anderes Ergebnis zeitigte, ist zu betonen, daß das Auffällige in der Geschichte des Wortes deutsch nicht darin liegt, daß sich ein Volksname aus einer Sprachbezeichnung bildete, sondern darin, daß das Adjektivum germ. *peudiska- erst einmal zu einem Sprachnamen wurde. Für die weitere Gestaltung hat sich Rosenstock ganz richtig auf den Namen Français, francisci, Franzosen bezogen, der auch von einem wenigstens mit für die Sprache gebrauchten Adjektivum ausging. Weiter ist es eine voreilige Aufstellung, wenn Dove behauptet, daß die in der Namengebung liegende betonte Hervorhebung einen bestimmten Gegensatz nach außen in sich schließe. Er beruft sich dabei auf die, wie Rosenstock treffend bemerkt hat, für seine Ansicht nicht einmal verbindlichen Belege, sieht sie aber viel zu äußerlich an. Auch die anderen Forscher sind ihnen nicht gerecht geworden. Es stimmt einfach nicht, daß theodiscus entweder im Gegensatz zum Lateinischen oder zum Romanischen steht. Vielmehr handelt es sich lediglich um die Aufzählung verschiedener Sprachen oder um einen Hinweis auf eine besondere. Für theodiscus hätte in allen Fällen ebensogut ein anderer Name gebraucht werden können. Wenn es so im ältesten Zeugnis für das mittellateinische Wort heißt, daß die Verlesung auf der Synode zu Cealchyi tarn latine quam theodisce erfolgt sei, so wird damit nur eine bloße Feststellung getroffen. Wäre es notwendig gewesen, die Beschlüsse in zehn verschiedenen Sprachen zu wiederholen, so wären auch sie genau so nebeneinander genannt worden. Ebenso wird etwa durch die Angabe in der Urkunde Kaiser Ottos II. von 974 usque ad acutum montent, qui diutisce ivassinperch dicitur nur kenntlich gemacht, wie der Berg in der heimischen Sprache heißt. Die Verhältnisse liegen nicht anders, als wenn Beda schreibt: in Castro quod lingua Anglorum Cnobheresburg id est urbs Cnobheri vocatur
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oder Gregor von Tours: cultris validis, quos vulgo scramasaxos vocant. Gewiß wird durch einen Namen eine Sprache ebenso wie jede andere Gegebenheit aus der Menge herausgehoben, in einen Gegensatz zu einer besonderen anderen braucht sie dadurch aber keineswegs gestellt zu werden. Die ganzen Erörterungen, die Dove an den angeblichen Gegensatz zwischen der theodisca lingua und der lingua latina oder romana knüpft, schweben daher in der Luft. Aber selbst mit ihrer Hilfe vermag er die in der Bedeutungsentwicklung liegende Schwierigkeit nicht zu überwinden. Seine Erwägung, daß die Angehörigen der sechs diesseits des Rheines ansässigen Stämme das Adjektivum zwar zunächst auf das eigene Volkstum bezogen, daß aber die sechs Verwendungsweisen bei der wesentlichen Einheit der Mundarten in der Sache zusammenfielen und daß so der Gedanke einer sechsfältig einheitlichen Nation entstand, ist ebensowenig fruchtbar wie die für den Fall, daß *peudisk in allgemeiner Bedeutung schon vorhanden war, geltende Annahme, daß die sechs Stämme, so sehr sie sich auch in anderen Dingen auseinanderhielten, ein abgeschliffenes „angestammt" oder „volkstümlich" ohne weiteres auf die gemeinsame Sprache beziehen konnten. Nach unseren Ergebnissen ist sogar nicht zu bezweifeln, daß ein sprachlich gewendetes *peiidisk vorlag. Die Frage ist und bleibt aber, wie es zum Namen wurde. Dove geht im Bogen um sie herum, ohne eine wirkliche Antwort geben zu können. Es nützt auch nichts, wenn er sich schließlich Bonifatius mit seinem Kreis als denjenigen vorstellt, der dem Wort deutsch die heutige Bedeutung verlieh. Schon Vaas hat gegen diese Vermutung mit Recht geltend gemacht, daß Bonifatius selbst immer von den gentes oder populi Germaniae, den Germanime gentes spricht. Auch Dove räumt dies ein, meint jedoch, daß der Missionar in Gedanken die einzelnen Stämme stets insgesamt umfaßt habe. Wir dürfen diesen Ausweg auf sich beruhen lassen. Selbst wenn wir zugeben würden, daß Bonifatius die deutschen Stämme tatsächlich als eine Einheit betrachtete, wäre uns ein Weiterkommen unmöglich. Auch wenn er nämlich das Adjektivum theudish auf sie angewendet hätte, wäre immer noch kein Name geschaffen gewesen. Wie er entstand, bleibt auch jetzt offen. Dieser Tatsache gegenüber sind die Schwierigkeiten belanglos, 7*
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die sich aus dem frühsten Zeugnis für Dove ergeben. Uns zeigen sie nur noch einmal, daß es ihm nicht gelungen ist, den Bedeutungsübergang des Wortes deutsch zu erklären. Nachdem dieser Deutungsversuch zusammengebrochen ist, treten die Schwächen der Auffassung Braunes sogleich deutlich hervor. Das meiste, was wir gegen ihn einzuwenden hatten, gilt auch gegen sie. Hinzuzufügen haben wir noch, daß er das Zeugnis des Bischofs Georg von Ostia falsch auffaßt. Die Möglichkeit, daß theodisce in dem Schreiben noch Appellativum sei, ist ernstlich nicht in Betracht zu ziehen. Sie scheitert schon daran, daß sie voraussetzen würde, daß das Adjektivum *peudisk auf einer Stufe latinisiert wurde, als es noch nicht zum Sprachnamen geworden war. Außerdem schließt der ganze Zusammenhang eine solche Auslegung aus, zumal zu bedenken ist, daß der Bericht für den Papst in Rom bestimmt war. Wie Dove, wenn es zur Entscheidung kommt, so verfährt, als wenn die in der Bedeutungsentwicklung liegende Schwierigkeit gar nicht vorhanden wäre, so besteht sie auch für Braune im Grunde nicht. Nach seinen* Ausführungen kann die Benennung ohne weiteres von den Angelsachsen geschaffen sein. Ob für sie die Voraussetzungen dafür bestanden, prüft er nicht. Gerade sie sind aber, wie ich wiederum betonen muß, zu leugnen. Auch die englischen Missionare konnten das Wort nur im Sinne ihres heimischen peodisc anwenden. Als Name dagegen kam es für sie ebensowenig in Betracht wie für die Deutschen selbst. Soweit Yaas von Dove und Braune abhängig ist, ist auch seiner Auffassung natürlich schon der Boden entzogen. Noch weiter wird sie aber dadurch gefährdet, daß seine Vorstellung, wie das Adjektivum *peudisk Anwendung auf die Sprache fand, nach unseren Befunden falsch ist. Was übrig bleibt, ist so wenig, daß wir es mit kurzen Worten abtun können. Es ist ganz unerfindlich, wie Karl der Große dazu gekommen sein sollte, einen Ausdruck wie in thiudishon von Staats wegen als Bezeichnung der gemeinsamen Sprache der germanischen Stämme anzuerkennen. Auch Vaas schaltet einfach die vorhandene Schwierigkeit aus. Es bleibt demnach nur noch die Meinung Rosenstocks übrig. Sie widerstreitet aber der tatsächlichen Überlieferung so sehr, daß die Zustimmung, die sie fand, schwer zu verstehen ist. Um seinen
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Einfall durchzuführen, läßt Rosenstock das Ungerade gerade sein. Wir brauchen nur nachzufassen, um überall unter seinen Behauptungen den unsicheren Boden zu erkennen. Anfechtbar ist sein ganzes Vorgehen, obgleich er mit methodischen Überlegungen beginnt. Bs ist nicht zulässig, allein das Zweitälteste Zeugnis aus dem Jahre 788 zur Grundlage der Untersuchung zu machen. Auf diese Weise hat Rosenstock sich selbst der Möglichkeit beraubt, seine Schlüsse ständig nachzuprüfen. Betrachten wir dann seine Beweisführung in ihren Einzelheiten, so müssen wir uns schon gegen die Angabe wenden, daß das Wort deutsch zunächst nicht die Sprache aller nicht romanisierten Germanenstämme, sondern die Sprache der nicht romanisierten Franken links und rechts, vor allem aber links des Rheines bezeichnete. Wie er die Glosse Germania thiudisca liudi als einzigen möglichen Gegenbeleg hinstellen und den Sprachgebrauch Otfrids als Stütze seiner Ansicht ausgeben kann, verstehe ich nicht. Gierade im frühesten Beleg wird ja das Angelsächsische mit unter dem Ausdruck theodisce verstanden. Gegen Ende seiner Abhandlung kommt Rosenstock zwar auch auf ihn zu sprechen, doch nur, um ihn mit Gewalt in sein Gebäude einzugliedern. Gewiß haben wir es in dem Bericht Georgs von Ostia nicht mit einer besonderen Benennung des Englischen zu tun. Ebenso gewiß ist jedoch, daß die Bezeichnung es mit umfaßte. Was sodann Otfrid anbelangt, so kann keine Rede davon sein, daß er deutsch und fränkisch in gleicher Bedeutung nebeneinander gebrauche. Rosenstock kümmert sich einfach nicht um den wichtigen Tatbestand, daß theodiscus nur im lateinischen Text verwendet ist. Daß, wie er möchte, theodiscus „fränkisch" bedeutete, wird schließlich auch nicht durch die Glossen Germania franchono lant und Gallia Walcho lant erhärtet, weil, wie Dove dargelegt hat, auch fränkisch in allgemeinerem Sinne gebraucht und in dieser Anwendung erst durch das aufkommende theodiscus zurückgedrängt wurde. Entschiedenen Widerspruch erfordert weiter Rosenstocks Auslegung des Wortes theodisca in den Annales regni Francorum a. 788. Wir selbst haben es als mehr als wahrscheinlich bezeichnet, daß der überkommene Bericht auf einer Urkunde beruht. Auch haben wir Dove beigepflichtet, wenn er in der Wendung quod theodisca lingua harisliz dicitur eine Rechtsformel sah. Trotzdem
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ist es ganz ausgeschlossen, sie von ähnlichen Ausdrucksweisen zu trennen. Ganz ähnlich heißt es ja in der 882 ausgefertigten Tauschurkunde zwischen Bischof Salomo von Konstanz und Abt Hartmut von Sankt Gallen: Et utfirmior et credibilior otnnibus in futurum maneret, placuit inter nos cartam pacationis ex utraque parte allevari, quod tiutiscae suonbuoch nominamus. Auch die Belege aus den Kaiserurlcunden mit Angaben wie curtem ad Vludeniduor, lingua Slavanisca sie vocatam, Theotisce vero Nidrinhof nominatam reihen sich an. Die Meinung, daß theodisca „in der Rechtssprache" heiße, ist angesichts dieser Entsprechungen befremdend. Sicherlich hat das Heer theodisce gesprochen. Daß aber deshalb theodisce „in der Sprache des Heeres" bedeutet hätte, ist derselbe Schlußfehler wie der, daß theodiscus „fränkisch" meine, weil frankisk auch in einem weiteren Sinne gebraucht werden konnte. Die Folgerungen Rosenstocks erledigen sich mit seiner Grundlegung. Es ist nur noch einmal darauf hinzuweisen, daß der auch von ihm betonte Gegensatz zwischen der deutschen und der lateinischen Sprache in seinem Sinne gar nicht vorhanden war. Bedeutungslos ist es auch, wenn im Rolandslied unter den Thiedeis gerade die Franken verstanden worden wären. Dabei ist dies aber nicht einmal gesichert. Daß endlich auch das holländische duitsch mit ne. dutch keine Stütze für ihn stellt, brauchen wir kaum noch zu bemerken. Wie die vorherigen Erklärungsversuche versagt somit auch die Ansicht Rosenstocks. Wie sich das sprachlich bezogene Adjektivum *peudisk innerhalb des Deutschen oder auch allenfalls des Englischen zu einem Sprachnamen entwickeln konnte, ist daher bisher nicht aufgewiesen worden. Ich glaube auch nicht, daß dies überhaupt möglich ist. Da sich keiner der in Betracht kommenden Stämme als das „Volk" schlechthin bezeichnete, also *peudö nannte, sehe ich überhaupt keinen Weg, der innerhalb des Germanischen von dem allgemein gebrauchten Ausdruck zu dem Namen der Sprache führt. Aus diesem Grunde halte ich mich für berechtigt, neben den Satz, daß das Adjektivum *iheudisk, wenn es latinisiert werden sollte, schon ein wirklicher Name gewesen sein muß, den zweiten zu stellen, daß im Deutschen oder auch sonst irgendwo im Germanischen der Ausdruck niemals ein Name geworden sein kann.
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Damit stehen wir jedoch vor einer Antinomie. Wir sind zu zwei Ergebnissen gelangt, die beide richtig sind, aber sich gegenseitig ausschließen. Dieser Gegensatz kann überhaupt nur mit Hilfe eines Fehlers ausgeglichen werden. Wer das nicht berücksichtigt, muß ihn notwendig in seine Erklärung hineinverlegen, ganz gleich, wie sie sonst beschaffen sei. Eine Auflösung der Antinomie ist lediglich denkbar, wenn der Fehler in der Sache selbst liegt und dort gesucht wird. Stellen wir uns diese logische Forderung eindringlich vor Augen, so werden wir bald auf den Weg gewiesen, der allein zum Ziel führt. Es gibt ja im Grunde nur eine Stelle, wo wir den Fehler suchen müssen. Da er innerhalb des Germanischen selbst nicht entstehen konnte, aber auch nach der Latinisierung bereits nicht mehr möglich war, kann er nur auf der Grenze, im Ubergang liegen. Es bleibt somit allein die Auffassung, daß das Wort mißverstanden wurde. Der Ausdruck, der gar kein Sprachname war, muß für einen solchen gehalten worden sein. Dieser so einfache Schluß erklärt in der Tat alles. Die durch ihn bedingte Auffassung genügt auch vollauf den methodischen Aufstellungen Doves und besonders Rosenstocks. Sie gilt gerade von einem vom Tageslicht der Geschichte umflossenen einzelnen Augenblick. Sie vergegenwärtigt den geschichtlichen Augenblick, in dem die neue Bedeutung emportaucht. Für sie bedeutet es etwas, daß das Wort gerade unter Karl dem Großen in dem umgeprägten Sinne belegt ist und vorher nicht. Einige Zeit vor 786, das durch das erste Zeugnis gegebene Jahr, müssen wir das Mißverständnis allerdings schon zurückverlegen. Die Lautform des mittellateinischen Wortes läßt zwar, wie Yaas dargetan hat, keine Schlüsse in dieser Beziehung zu, doch gibt die Verwendung des Wortes in dem Bericht des Kardinalbischofs Georg von Ostia zu erkennen, daß es bereits in die mittellateinische Sprache jener Kreise aufgenommen war. Andernfalls wäre kaum vorausgesetzt worden, daß es Papst Hadrian I. verstehen würde. Die Möglichkeit wenigstens, daß Georg von Ostia es selber erstmalig in diesem Schreiben mit der neuen Bedeutung gebrauchte, wird weiterhin dadurch unterbunden, daß der Ausdruck schon zwei Jahre später im amtlichen Schrifttum des Hofes begegnet. Es versteht sich ja gerade auch bei unserer Auffassung von selbst,
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deutsch.
daß die Bezeichnung zunächst in einem kleineren Kreis üblich werden mußte, bevor es allgemein Verwendung finden konnte. Diesen Kreis vermögen wir, wenn auch nicht namhaft zu machen, doch seiner Zusammensetzung nach genau zu bestimmen. Bs war ganz richtig, wenn man auf die Kirche verwies. Fehl ging man nur, wenn man weiter an die angelsächsische Mission und im besonderen etwa an Bonifatius dachte. Es mangelt jeder Voraussetzung, daß jemand, der selber eine germanische Sprache als Muttersprache redete, dem Wort deutsch einen Sinn unterschieben konnte, den es nicht besaß. Der Natur der Sache nach muß es jemand mißverstanden haben, der von Hause aus eine fremde Sprache sprach und sich nur mangelhafte Kenntnisse im Fränkischen oder einer anderen Mundart angeeignet hatte. Lediglich ein Römer oder allenfalls ein Ire kann für die Umprägung verantwortlich gemacht werden. An der Stelle, wo er, vermutlich auf Veranlassung Karls des Großen selber, wirkte, hat er dann das für einen Namen der Sprache gehaltene Wort wiederholt gebraucht und so dafür gesorgt, daß es zunächst einmal in seiner Umgebung fest wurde. Wie es zu dem Mißverständnis kam, läßt uns der beigebrachte Beleg für ae. folcisc ohne weiteres begreifen. Er ist geradezu ein Ersatz für die verlorenen deutschen Sätze, aus denen der Römer den Sprachnamen theodiscus ableitete. Verstehen wir etwa nach der Maßgabe des Satzes: sodlice Iii cö to sü swype sweart ~] lytel fugel, se is on folcisc prostle gehaten die Angabe Notkers: hier ist fsalterium, unde cythara. Daz sältirsanch heizet nu, in dütiscun rotta, verleihen also gegen die tatsächlichen Verhältnisse dem Ausdruck in dütiscun den Wert des altenglischen on folcisc, so erhalten wir eine unmittelbare Anschauung von dem, was der Umpräger des Wortes hörte; denn wir machen dann die Entwicklung rückgängig, die er auslöste. Der angeführte Satz zeigt aber, wie leicht jemand, der des Deutschen nicht vollkommen mächtig war, in theodisk eine Sprachbezeichnung vermuten konnte. Dabei ist noch ein Umstand in Rechnung zu stellen, der gerade einem Römer diese Auffassung besonders nahelegen mußte. Dove hat den Grund für den späteren Ersatz des mlat. theodiscus durch teutonicus mit in dem Anklang beider Wörter gesucht. Dies ist unbedingt richtig, wenn auch daneben mit ihm betont werden
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muß, daß von einigen Seiten gewiß auch Widerstand gegen den Gebrauch einer Benennung geleistet wurde, die Herkunft und eigentlicher Sinn nicht gerade als geeignet für einen Namen erscheinen ließen. War aber jedenfalls bei der Einführung von ieutonicus die lautliche Ähnlichkeit mit theodiscus bei der Wahl des neuen Ausdruckes entscheidend, so mußte auch ein Römer, der einen Satz wie die Bemerkung Notkers Daz sdltirsanch heizet nü in dütiscun rötta mit der unterlegten Bedeutung hörte, an die Teutonen erinnert werden. Ein eigenartiger Zufall nur ist es, daß auch tatsächlich hinter der keltischen Lautgestalt des Teutonennamens eine n-Ableitung des germ. *peudö „Volk" steht. Auf einen Uberrest der Teutonen oder doch das von ihm bewohnte Gebiet weist nämlich noch der Name des Distrikts Thy mit der Hauptstadt Thisted und der Insel Thyholm im nordwestlichen Jütland, in der Nähe des Distrikts Himmerland, älter Himbersysiel mit der Hauptstadt Aalburg, des ursprünglichen Wohnsitzes der Kimbern. Er lautet adän. Thythessyscel, aisl. piöd. Wenn der Schöpfer des mlat. theodiscus bei dem Wort *theudisk an die Teutonen dachte, verstehen wir bereits, weshalb er und seine Nachfolger den Ausdruck in dem umfassenden Sinne unseres heutigen germanisch verwendeten. Diese Bedeutung mußte er ihm aber auch sonst zuschreiben. Wenn er etwa einen Franken das Wort gebrauchen hörte, dessen besondere Mundart er unter dem Namen frenkisk kannte, so mußte er in theudisk ebenso eine allgemeinere Bezeichnung vermuten. Zu dieser Meinung mußte er aber endlich auch kommen, wenn er bemerkte, daß ein Franke theudisk beispielsweise auch in Hinblick auf einen Bayern, einen Sachsen oder gar einen Angelsachsen benutzte. Für uns bietet der Beleg in dem Bericht Georgs von Ostia daher nicht die mindesten Schwierigkeiten. Wir haben es nicht nötig, ihn gewaltsam unserer Auffassung anzupassen. Er fügt sich ihr vielmehr völlig reibungslos. Unter mlat. theodiscus wurde das Angelsächsische ebenso mitverstanden wie 788 neben dem Fränkischen das Bairische, Langobardische und Sächsische, 801 neben dem Fränkischen das Langobardische und Alemannische und bei Smaragdus das Gotische. Ebenso gebraucht Walahfrid Strabo das Wort in umfassendem Sinne. Den wirklichen Umfang des Wortes theodiscus läßt uns auch der Bischof Frechulf von Lisieux erkennen,
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wenn er in seiner Weltchronik schreibt: Alii vero affirmant eos (Francos) de Scanza insula, quae vagina gentium est, exordium habuisse, de quaGothi etcaeterae nationes Theotiscae exierunt: quod et idioma linguae eorum testatur. Allein in diesem Sinne heißt es in dem Bericht an Hadrian I.: et in conspectu concilii clara voce singula capitula perfecta, sunt et tarn latine quam theodisce, quo omnes intellegere potuissent, dilucide reserata sunt. Daß die Benennung theodiscus anfänglich allein von der Sprache gebraucht wurde, entspricht nur ihrem Ursprung. War der Sprachname aber erst einmal üblich, so mußte sich aus ihm eigentlich von selbst der Volksname ergeben. Wie wir schon mit Rosenstock bemerkt haben, liegt hier wenigstens keine Schwierigkeit mehr vor. Noch auf einen bislang sehr auffälligen Tatbestand fällt bei der Durchführung unserer Ansicht Licht. Da das Adjektivum *the\tdisk erst bei der Latinisierung zum Namen wurde, verstehen wir, weshalb es im Deutschen selbst so spät erscheint. Das deutsche Wort hatte eben auch damals noch nicht den Wert eines Namens, als mlat. theodiscus schon längere Zeit in diesem Sinne gebraucht wurde. Daß die Verhältnisse wirklich so lagen, beweist uns unzweideutig der Sprachgebrauch Otfrids. Er bringt uns damit zugleich eine nachdrückliche Bestätigung für die Richtigkeit unserer Auffassung. Braune hat mit Recht aus dem Befund bei Otfrid gefolgert, daß der Name zunächst noch nicht in das deutsche Volk drang, sondern während des neunten Jahrhunderts nur in gelehrten Kreisen gebräuchlich war. Vaas' Einwand, daß der Dichter theodiscus nur verwendet, wenn er den alten Gegensatz zwischen Kirchensprache und Volkssprache zum Ausdruck bringen wolle, erledigt sich mit seiner Voraussetzung. Im übrigen muß er selbst zugeben, daß Otfrid an vier Stellen für frenkisg „mindestens ebenso gut" hätte thiutisg hätte schreiben können. Wenn er dies nicht tat, wenn er theodiscus lediglich im lateinischen Text bietet, so bleibt nur die Annahme, daß ihm ein entsprechendes thiutisg noch gar nicht zur Verfügung stand. Daß es überhaupt noch nicht vorhanden war, ist freilich dadurch nicht vollkommen gesichert. Immerhin ist es durchaus möglich, daß das Adjektivum ahd. thiutisk erst nach der Vollendung der Evangelienharmonie als Name gebraucht wurde. Das Auf-
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kommen der neuen Verwendungsweise würde demnach zwischen den Jahren 868 und 882 liegen. Daß nämlich die Form tiutiscae in der Tauschurkunde zwischen Bischof Salomo von Konstanz und Abt Hartmut von Sankt Gallen aus dem Jahre 882 ebenso wie die Form diutisca in den um 895 entstandenen Miracula S. Waldburgis Monheimensia Wolfhards von Herrieden ein schon in gleichem Sinne benutztes althochdeutsches Wort voraussetzt, müssen wir Vaas zugestehen. Zunächst hatte dieses wie sein Vorbild auch die allgemeine Bedeutung „germanisch". Sehr deutlich läßt diese noch die Glosse diutischemo in den Tegernseer Virgilglossen erkennen, da die Verwechslung von teutonicus „teutonisch" mit dem aus theodiscus umgeformten teutonicus nur aus ihr verständlich ist. Wenn dann später der Umfang mehr und mehr eingeengt wurde, so ist dies einerseits eine Folge der Tatsache, daß der Name in der Hauptsache doch von den Deutschen in einem dem heutigen Gebrauch nahestehenden Bestände verwendet wurde, andererseits aber eine Begleiterscheinung des politischen Geschehens. Wie ahd. diutisk selbst zum Namen wurde, ist nicht schwer zu erkennen. Es hat einfach die Bedeutung des mittellateinischen Ausdrucks angenommen. Daß beide Wörter von denen als gleich empfunden werden mußten, die sie nebeneinander im Munde führten, ist nicht zu bestreiten. Damit war aber auch die Möglichkeit gegeben, daß sie sich beeinflußten, im besonderen, daß das mlat. theodiscus seinen Inhalt dem deutschen Adjektivum vermittelte. Die Geschichte des Wortes deutsch verläuft somit nicht geradlinig. Erst auf dem Umweg über das aus ihm entlehnte mlat. theodiscus hat es die Geltung eines Namens gewonnen. Graphisch läßt sich die Entwicklung folgendermaßen darstellen: ahd. theudisk „volkssprachlich" mlat. theodiscus „germanisch"
j ahd. diutisk „germanisch"
Der Name deutsch hat dann das zunächst noch daneben anzunehmende allgemeinere Adjektivum im Hoch- und Niederdeut-
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sehen verdrängt. Auch im Nordischen, wohin es drang, hat es das heimische *pyskr in seiner alten Bedeutung erstickt. Dagegen hat es nach England keinen Eingang gefunden. Hier konnte sich daher peodisc bis ins Mittelenglische hinein erhalten. In beiden Bedeutungen finden wir den Ausdruck nur im Altfriesischen, wo der lebenskräftige Name das gewöhnliche Wort noch nicht gleich zu beseitigen vermochte. Überprüfen wir zum Schluß noch einmal unsere Lösung, so dürfen wir feststellen, daß sie alle Schwierigkeiten behoben hat. Was den früheren Erklärungsversuchen nicht gelang, war ihr möglich, weil sie nicht unbesehen den Bedeutungsübergang als solchen hinnahm, sondern aus seinem inneren Widerspruch einen Fehler erschloß. Ihn brauchte sie dann nur aufzudecken, um die tatsächlichen Zusammenhänge zu erkennen1). Nach Abschluß dieser Untersuchung und in Kenntnis ihres Ergebnisses hat noch E . Erdmann, Karl der Große. Acht Antworten deutscher Geschichtsforscher, 1935, S. 94 ff., über den Namen deutsch gehandelt. Auch er läßt ihn erst durch die Übernahme des Wortes ins Lateinische entstehen, will aber dem Vorgang seine Besonderheit durch den Vergleich mit franz. patois nehmen, das bei einer Entlehnung ins Deutsche eine französische Mundart bezeichnen soll. E r verkennt dabei, daß patois von Haus aus eine besondere Sprachform bezeichnet und nur als französischer Ausdruck auf französische Mundarten angewendet wird, lat. theodiscus jedoch in einem ganz anderen Sinne als das vorauszusetzende ahd. *theudisk gebraucht wird. Gerade dieser Wandel bedarf ja aber der Erklärung.
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Alfred Goetze Erste Lieferung: A — Alpe RM. 1.— Das Werk will unseren lebenden Wortschatz in wissenschaftlich ernsthaften und einwandfreien Wortgeschichten darstellen; bei schärfster Raumausnutzung will es den deutschen Wortschatz nicht erschöpfen, sondern in gewissenhafter Auslese die sprachgeschichtlich anziehenden
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Grundriß der indogermanischen Sprach- und Altertumskunde B e g r ü n d e t von K a r l B r u g m a n n und Albert T h u m b . Herausgegeben von Albert D e b r u n n e r und F e r d i n a n d S o m m e r .
1. Geschichte der indogermanischen Sprachwissenschaft. Abteilung
I : Allgemeine Sprachwissenschaft. In Vorbereitung.
A b t e i l u n g I I : Die Erforschung der indogermanischen Sprachen. I. B a n d : Die griechische Sprache. Von A. T h u m b . — Die italischen Sprachen. Von A. Walde. — Vulgärlatein. Von K. E t t m a y e r . — Die keltischen Sprachen. Von R. T h u r n e y s e n . Oktav. V I I I , 312 Seiten. 1916. RM. 10.—, geb. 12.— II. B a n d : Germanisch. 1. Allgemeiner Teil und L a u t l e h r e . Von W . Streitberg, V. Michels und M. H. J e l l i n e k . Oktav. X I I I , 455 Seiten. 1936. RM. 18.— I I I . B a n d : Slavisch-Litauisch. Von A. Brückner. — Albanisch. Von N. J o k l . Oktav. 154 Seiten. 1917. RM. 6.—, geb. 7.50 IV. Band, 1 . H ä l f t e : Indisch. Von W a l t e r W ü s t . Mit einem Stammb a u m der indo-arischen Sprachen. Oktav. X, 112 S. 1929. RM. 12.— IV. Band, 2. H ä l f t e : Iranisch. Von Dr. II. Reichelt, o. Professor an der U n i v e r s i t ä t H a m b u r g . — Armenisch. Von Dr. H. L. Zoller in D a r m s t a d t . Oktav. 104 Seiten. 1927. RM. 6.— Beide H ä l f t e n z u s a m m e n geb. RM. 20.— V. Band. 1. L i e f e r u n g . H e t h i t i s c h und „Kleinasiatische" Sprachen. Von J o h . Friedrich. Oktav. 76 Seiten. 1931. RM. 8.— 2. L i e f e r u n g . Tocharisch. Von E r n s t Schwontner. Oktav. V,49 Seiten. 1935. RM. 5.— 3. L i e f e r u n g . T h r a k i s c h , P h r y g i s c h . Von N. Jokl. In Vorbereitung 4. L i e f e r u n g . Etruskisch. Von E v a Fiesel. Oktav. IV, 79 Seiten. 1931. RM. 8.—