Lemmazeichentypen für deutsche Verben: Eine lexikologische und metalexikographische Untersuchung [Reprint 2010 ed.] 9783110915037, 9783484391048

After proposing a definition of the term "lemma sign type", the study proceeds to construct the lemma sign typ

169 28 79MB

German Pages 430 [432] Year 2000

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Table of contents :
Danksagung
1 Vorbemerkungen
2 Was sind Lemmazeichentypen?
3 Sind Bedeutungen im Wörterbuch?
4 Konfliktbedingte Situationstypen von Wörterbuchkonsultationen bei Verben für allgemeine einsprachige Wörterbücher
5 Verbklassifikationen und exemplarische Teilkonstruktion von Verb-Lemmazeichentypen für WB-10
6 Zur Bedeutungseruierung und -beschreibung in lexikographischen Prozessen
7 Und zum Schluß: Zwei Wörterbuchartikel zu wohnen
8 Anhang
9 Literatur und Corpora
Namenindex
Sachindex
Abstract
Résumé
Recommend Papers

Lemmazeichentypen für deutsche Verben: Eine lexikologische und metalexikographische Untersuchung [Reprint 2010 ed.]
 9783110915037, 9783484391048

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Series Maior

LEXICOGRAPHICA Series Maior Supplementary Volumes to the International Annual for Lexicography Supplements ä la Revue Internationale de Lexicographie Supplementbände zum Internationalen Jahrbuch für Lexikographie

Edited by Sture ADen, Pierre Corbin, Reinhard R. K. Hartmann, Franz Josef Hausmann, Ulrich Heid, Oskar Reichmann, Ladislav Zgusta 104

Published in cooperation with the Dictionary Society of North America (DSNA) and the European Association for Lexicography (EURALEX)

Matthias Kammerer

Lemmazeichentypen für deutsche Verben Eine lexikologische und metalexikographische Untersuchung

Max Niemeyer Verlag Tübingen 2000

Für Berte! und Hartmut

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme /Lexicographica / Series maiorj Lexicographica: supplementary volumes to the International annual for lexicography / publ. in cooperation with the Dictionary Society of North America (DSNA) and the European Association for Lexicography (EURALEX). Series maior. - Tübingen : Niemeyer. Früher Schriftenreihe Reihe Series maior zu: Lexicographica 104. Kämmerer, Matthias: Lemmazeichentypen für deutsche Verben. - 2000 Kammerer, Matthias: Lemmazeichentypen für deutsche Verben : eine lexikologische und metalexikographische Untersuchung / Matthias Kämmerer. - Tübingen : Niemeyer, 2000 (Lexicographica : Series maior; 104) Zugl.: Heidelberg, Univ., Diss., 1999 ISBN 3-484-39104-9

ISSN 0175-9264

© Max Niemeyer Verlag GmbH, Tübingen 2000 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany. Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier. Druckvorlage: Matthias Kammerer, Karlsruhe Druck: Weihert-Druck GmbH, Darmstadt Einband: Industriebuchbinderei Nadele, Nehren

Inhalt

Danksagung 1 Vorbemerkungen 2 Was sind Lemmazeichentypen? 2.1 Die Konzeption des Wörterbuchartikeltyps 2.2 Die Konzeption des Lemmazeichentyps 2.3 Korrelation zwischen Lemmazeichentyp und Wörterbuchartikeltyp und weitere terminologische Unterscheidungen beim Lemmazeichentyp 2.4 Ein abschließender Blick auf ausgewählte metalexikographische Eigenschaftsausprägungen 3 Sind Bedeutungen im Wörterbuch? 3.1 Bedeutung und Gebrauch 3.2 Die hiesige Konzeption des sprachlichen Zeichens 3.2.1 Prolegomena zum sprachlichen Zeichen 3.2.2 Festlegung des sprachlichen Zeichens 4 Konfliktbedingte Situationstypen von Wörterbuchkonsultationen bei Verben für allgemeine einsprachige Wörterbücher 4. i Typologie von konfliktbedingten Situationstypen von Wörterbuchkonsultationen 4.2 Interdependenz zwischen Situationstypen von Wörterbuchkonsultationen, Fragehandlungen und Angabeklassen

VII i 5 6 15 20 30 39 39 45 46 67

73 74 99

5 Verbklassifikationen und exemplarische Teilkonstruktion von Verb-Lemmazeichentypen für WB-10 113 5.1 Einführender Überblick 113 5.2 Verbklassifikationen in ausgewählten Grammatiken 121 5.2.1 Morphologische Klassifizierungen 122 5.2.2 Syntaktische Klassifizierungen 135 5.2.3 Semantische Klassifizierungen 159 5.3 Der Verbthesaurus von BALLMER/BRENNENSTUHL 190 5.3.1 Einführende Darstellung 190 5.3.2 Lexikalsemantische Relationen 197 5.3.3 Festlegung der Aktionalität für Verben des Deutschen 213 5.4 Semantische Verbklassifikationen und-analysen in ausgewählter Literatur. . . . 215 5.4.1 Die Verbklassifikation bei ENDRES (1973) 216 5.4.2 Die Verbklassifikation bei LEISI (1975) 219 5.4.3 Semantische Analyse der Handlungsverben bei SZLEK (1980) 224 5.4.4 Semantische Analyse der inchoativen Verben bei STORCH (1978) 226

VI

Inhalt

5.4.5 Semantische Analyse der Aufforderungsverben bei VAN DER ELST (1982) 232 5.4.6 Semantische Analyse von Gebrauchsverben bei DITTMER (1985) 234 5.4.7 Semantische Analyse von Verben des Verrugungs- und Besitzwechsels bei BITTER (1991) 236 5.5 Semantische Kategorisierungen in sog. onomasiologischen Wörterbüchern. . . . 239 5.6 Überprüfung der eruierten linguistischen Eigenschaftsausprägungen 250 6 Zur Bedeutungseruierung und -beschreibung in lexikographischen Prozessen 6. i Zu Semantisierungsbemühungen und zur Bedeutungseruierung von thematischen Exzerptsegmenten 6.1.1 Die Methode der Semantisierungsbemühungen 6.1.2 Die Methode der lexikographischen Bedeutungseruierung 6. i .2. i Beispiel für die Methode der lexikographischen Bedeutungseruierung 6.2 Bemerkungen zu Bedeutungsangaben in Lernerwörterbüchern 6.2.1 Enzyklopädisches und semantisches Wissen 6.2.2 Die Matrixframes EREIGNIS, HANDLUNG und ZUSTAND und ihre Funktion bei der Eruierung des enzyklopädischen gegenstandskonstitutiven Bedeutungswissens

259

294

7 Und zum Schluß: Zwei Wörterbuchartikel zu wohnen 7.1 Die linguistischen Eigenschaftsausprägungen von wohnen 7.2 Zwei Vorschläge zu einem Wörterbuchartikel zu wohnen

325 325 328

8 Anhang 8.1 Verzeichnis der Siglen und Abkürzungen 8.2 Verzeichnis der Abbildungen 8.3 Verzeichnis der Tabellen 8.4 Verzeichnis der Wörterbuchartikel und -eintrage 8.5 Verzeichnis der Definitionen 8.6 Verzeichnis der Zitate

341 341 349 351 352 353 354

9 Literatur und Corpora 9.1 Corpora 9.2 Bibliographien 9.3 Wörterbücher 9.4 Sonstige Literatur

357 357 358 359 369

Namenindex Sachindex

395 403

Abstract Resume"

421 423

259 259 263 271 287 287

Danksagung

Zum Gelingen dieser Arbeit haben viele beigetragen, bei denen ich mich an dieser Stelle ganz herzlich bedanken möchte, denn ohne ihre wohlwollende Unterstützung, ihre Hinweise, Kritiken, Vorschläge und praktischen Tips wäre diese Arbeit nicht so weit gediehen, wie sie es jetzt ist. Zuerst möchte ich mich bei meinen Eltern, Bettel und Hartmut, denen diese Arbeit auch gewidmet ist, dafür bedanken, daß sie mir die Voraussetzungen geschaffen haben, in Ruhe und mit Konzentration arbeiten zu können. Unauffällig haben sie wesentlich zum Gelingen der Arbeit beigetragen. Darüber hinaus sind insbesondere zu nennen (in alphabetischer Reihenfolge): Dr. KLAUSPETER KONERDING, der nicht nur ausgewählte Teile dieses Buches kritisch gelesen, sondern mir auch in vielen Gesprächen zu mehr Klarheit verhelfen und mir wichtige Verbesserungsvorschläge unterbreitet hat; Prof. Dr. JOACHIM KORNELIUS, der sich dankenswerterweise sofort bereit erklärte, die Aufgabe des Coreferenten zu übernehmen; Prof. Dr. KLAUS MUDERSBACH, der sich viel Zeit genommen hat, den Abschnitt 6. i genau zu studieren und mit mir zu besprechen, so daß ich noch manche wesentliche Anregung übernehmen und einarbeiten konnte; Dr. ANGELIKA STORRER, die freundlicherweise einige ausgewählte Ausschnitte prüfend gelesen hat, und schließlich Prof. Dr. Dr. h.c. HERBERT ERNST WIEGAND, der meine Studien nicht nur kritisch begleitet, sondern auch sehr intensiv betreut hat und mir in zahlreichen Besprechungen helfend und korrigierend zur Seite stand. Schließlich möchte ich mich noch bei den Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Doktorandenkolloquiums am Germanistischen Seminar der Universität Heidelberg für die konstruktiven Diskussionen bedanken und besonders herzlich bei Frau LARISSA BRÜTT (M.A.) für das genaue und schnelle Korrekturlesen des Typoskripts (wenn dennoch Fehler stehengeblieben sind, so ist das allein auf mich zurückzuführen). Nicht zuletzt gilt mein Dank den Herausgebern von Lexicographica, Series Maior, und dem Max Niemeyer Verlag dafür, daß diese Arbeit in dieser wichtigen Reihe erscheinen konnte. Hier sind insbesondere Prof. Dr. FRANZ JOSEF HAUSMANN, Prof. Dr. OSKAR REICHMANN und Prof. Dr. LADISLAV ZGUSTA zu nennen. Ihnen allen sei hier mein verbindlichster Dank ausgesprochen.

Karlsruhe, im Januar 2000

M. K.

i

Vorbemerkungen

[...] die Spur der Sprache [...] - eine verwischte, aber verräterische Spurt ROBERT MUSIL: Der Mann ohne Eigenschaften. Reinbek bei Hamburg '1986, P-559

In dieser Arbeit geht es um die lexikologische und lexikographische Beschreibung der (Voll-) Verben der deutschen Standardsprache der Gegenwart im Hinblick auf allgemeine einsprachige Wörterbücher. Dazu sollen die Lemmazeichentypen, denen die Verben des Deutschen zugeordnet werden können, konstruiert werden. Um dies durchführen zu können, wird in Kapitel 2 geklärt, was hier unter einem Lemmazeichentyp verstanden wird und wie sich die Korrelationen mit Wörterbuchartikeltypen gestalten. Demgemäß werden Lemmazeichentypen einerseits durch linguistische und andererseits durch metalexikographische Eigenschaftsausprägungen bestimmt. In dieser Arbeit wird nur auf erstere, die linguistischen Eigenschaftsausprägungen, näher eingegangen; für letztere wird nur ein kursorischer Überblick gegeben. Eine linguistische Eigenschaftsausprägung ist immer eine Eigenschaftsausprägung von bzw. zu etwas. Insofern wird eine linguistische Eigenschaftsausprägung als ein 2-Tupel begriffen, das aus einem Attribut und einem Wert besteht, wobei beide theorieabhängig sind. Das drückt sich darin aus, daß die Menge der linguistischen Eigenschaftsausprägungen immer hinsichtlich einer linguistischen Überdachung (cf. Definition D 2-6, p. 17; dies ist z.B. eine Liste linguistischer Literatur oder Grammatiken und den darin ex- oder implizit enthaltenen Aussagen über sprachliche Phänomene) konstruiert wird und von dieser abhängig ist. Das hat zur Folge, daß es keine linguistischen Eigenschaftsausprägungen per se gibt, sondern daß diese grundsätzlich durch die linguistische Überdachung bestimmt werden. Den linguistischen Eigenschaftsausprägungen können bestimmte Angabe- und Kennzeichnungsklassen korreliert werden. Kennzeichnungsklassen sind Klassen von Textsegmenten, die nur funktional, aber nicht positional segmentiert werden können. Angabeklassen sind Mengen von (konkreten) Angaben mit allgemeinem genuinen Zweck, die funktional-positional segmentiert werden können und daher immer eine Angabeform aufweisen. Auf Grund dieser Eigenschaft gehören zu den konkreten Angaben auch die typographischen Strukturanzeiger. Bei den Angabe- sowie bei den Kennzeichnungsklassen hingegen spielen die typographischen Strukturanzeiger keine Rolle. Diese Korrelation von linguistischen Eigenschaftsausprägungen mit Angabe- und Kennzeichnungsklassen ist deshalb von größter Wichtigkeit, da sie den Anknüpfungspunkt zu den Wörterbuchartikeltypen darstellt, denn Wörterbuchartikeltypen werden hier als eine Menge von n abstrakten hierarchischen MikroStrukturen begriffen. Auf diese Weise können den Lemmazeichentypen - bei denen verschiedene Arten unterschieden werden können - Wörterbuchartikeltypen zugeordnet werden.

2

Kapitel l

In Kapitel 3 wird die aus forschungsstrategischen Gesichtspunkten notwendige Frage nach der Bedeutung gestellt, da sie eine zentrale Rolle bei der lexikographischen Beschreibung von Verben in allgemeinen einsprachigen Wörterbüchern spielt. Es wird dabei von der neuesten Konzeption von WIEGAND (19993) ausgegangen und diese genau beschrieben. Im Anschluß daran wird dargelegt, was unter einem Lexem (i.S.v. sprachliches Zeichen) in dieser Arbeit verstanden werden soll (cf. Def. D 3-2, p. 67). Danach weist ein Lexem sechs »Aspekte« auf, die jedoch nicht als Teile eines Lexems zu verstehen sind; es sind dies: (i) die Wortart, (2) das morpho-semantische Formenparadigma, (3) die Bedeutung(en), (4) die diasystematischen Markierungen, (5) das syntaktische Verhalten und (6) syntagmatische Einheiten, die mit dem Lexem korreliert sind. Es ist klar, daß eine solche Konzeption insbesondere im Hinblick auf Verben erstellt wurde und nicht beispielsweise im Hinblick auf Partikel. Bevor nun die Lemmazeichentypen für allgemeine einsprachige Wörterbücher eruiert werden können, wird im Kapitel 4 dargelegt, welche Angabeklassen - bezogen auf Verblexeme - in einem allgemeinen einsprachigen Wörterbuch der deutschen Standardsprache enthalten sein müssen, wenn dieses Wörterbuch in konfliktbedingten Konsultationssituationen erfolgreich benutzbar sein soll. Dazu werden konfliktbedingte Situationstypen von Wörterbuchkonsultationen bei Verben für allgemeine einsprachige Wörterbücher im Anschluß an WIEGAND (1998) wiedergegeben, wobei Exhaustivität lediglich angestrebt wird, jedoch nicht erreichbar ist (dies drückt sich in den graphischen Darstellungen durch ein Dreieck „ " aus, das für einen nicht ausgeführten Teilbaum steht). Der Menge der konfliktbedingten Situationstypen von Wörterbuchkonsultationen bei Verben können dann Mengen von Fragen gegenübergestellt werden, auf die Wörterbuchangaben (und Kennzeichnungen) eine Antwort geben, sofern sie gemäß ihrem genuinen Zweck interpretiert werden. Diese Angabe- und Kennzeichnungsklassen seien dann konsumtiv für allgemeine einsprachige Wörterbücher der deutschen Standardsprache. Damit ist die Verbindung zwischen Situationstypen von Wörterbuchkonsultationen und Angabe- bzw. Kennzeichnungsklassen in Wörterbüchern gefunden und die Menge der Angabe- bzw. Kennzeichnungsklassen, die konstitutiv zu einem allgemeinen einsprachigen Wörterbuch gehört, festgelegt. Im 5. Kapitel kann dann - immer bezogen auf die Ergebnisse aus Kapitel 3 (Lexemkonzeption) und 4 (konstitutive Angaben in allgemeinen einsprachigen Wörterbüchern) - ein Überblick über Klassifikationen und spezifische Charakteristika bei Verben gegeben werden, wobei diese Darstellung notgedrungen stark selektiv und interessegeleitet ist. Der rote Faden, der durch einen Großteil dieses Kapitel führt, ist die Grammatik von HELBIG/BUSCHA. An Hand dieser Grammatik werden nacheinander morphologische, syntaktische und semantische Klassifizierungen und Eigenschaften von Verben vorgestellt, mit anderen Darstellungen verglichen und diskutiert. Ein weiterer Schwerpunkt dieses Kapitels bildet der Verbthesaurus von BALLMER/BRENNENSTUHL zusammen mit der Einleitung zu diesem Wörterbuch. Die Explikationen der Autoren werden ausführlich referiert, da gerade sie viele lexikalsemantische Relationen bei Verben beobachtet haben. Darüber hinaus werden weitere ausgewählte Verbklassifikationen kritisch vorgestellt, die m.E. in einer bestimmten Hinsicht exemplarisch sind. Jeder Abschnitt endet damit, daß der Lemmazeichentyp spezifiziert wird, und zwar immer bezogen auf die vorangegangenen Darlegungen.

Vorbemerkungen

3

Am Ende dieses Kapitels erfolgt eine systematische Verifikation und gegebenenfalls Ergänzung des konstruierten Lemmazeichentyps, so daß dieser schließlich exhaustiv präsentiert werden kann. Im nachfolgenden Kapitel 6 wird explizit auf die Bedeutungseruierung und -beschreibung in lexikographischen Prozessen - bezogen auf einen bestimmten Situationstyp - eingegangen, wobei einerseits auf WIEGAND (1998 u. 19983) und andererseits auf KONERDING (1993) Bezug genommen wird. Bei ersterem werden die Möglichkeiten der Bedeutungseruierung dargestellt und in einer Methode der lexikographischen Bedeutungseruierung systematisiert; zusätzlich wird eine phasisch gegliederte Methode der Semantisierungsbemühungen vorgestellt. Bei letzterem wird auf dessen Frame-Konzeption rekurriert und die Bedeutungsframes für Nominale für die hiesigen Bedürfnisse modifiziert aus der Beobachtung heraus, daß jedes Verb nominalisiert werden kann. Am Ende wird für ausgewählte Verben exemplarisch sowohl das gegenstandskonstitutive Bedeutungswissen als auch das enzyklopädische Bedeutungswissen an Hand einer framegestützten Analyse durchgeführt und die Ergebnisse in (provisorischen) framebasierten Wörterbuchartikeln präsentiert, die insbesondere hinsichtlich ihrer Form nicht als endgültig zu betrachten sind, sondern lediglich prinzipiellen Charakter haben. Im letzten Kapitel 7 wird ein Vorschlag für einen Wörterbuchartikel zu wohnen unterbreitet, der erläutert und in Ansätzen diskutiert wird. Dieser Wörterbuchartikel beruht auf den Ergebnissen der Konstruktion der Lemmazeichentypen für Verben der deutschen Standardsprache, wie sie in dieser Arbeit im Hinblick auf allgemeine einsprachige Wörterbücher der deutschen Standardsprache der Gegenwart entwickelt wurden. Da dieser Wörterbuchartikel sehr umfangreich ist, wird abschließend noch eine gekürzte Version vorgestellt.

2

Was sind Lemmazeichentypen?

»Ich mußte ihnen alle möglichen Namen geben, weißt du, damit ich in dem Buch über sie schreiben konnte. - [...]« KAREL CAPEK: Der Krieg mit den Molchen. Berlin, Weimar '1992, p. 48

Ein Lemmazeichentyp kann - zuerst einmal informell und auf rein intuitiver Basis formuliert - als eine Menge von Eigenschaften, die auf bestimmte Klassen von Lemmazeichen zutreffen, angesehen werden. Auf diese Weise können verschiedene Klassen von Lemmazeichen unterschieden werden. Jede Klasse von Lemmazeichen zeichnet sich gegenüber jeder anderen Klasse von Lemmazeichen dadurch aus, daß sie bestimmte und im Vergleich zu allen anderen Klassen von Lemmazeichen andere Angabeklassen in einem Wörterbuchartikel und/oder andere Eigenschaften eines Wörterbuchartikels (im weitesten Sinne) verlangt. Beispielsweise verlangt ein Substantiv in einem allgemeinen einsprachigen Wörterbuch des Deutschen u.a. eine Singularbildungsangabe - sofern es kein Pluraletantum ist -, während bei einem Verb eine grundsätzlich andere Morphologieangabe zu machen ist. Darüber hinaus gibt es auch Gemeinsames, z.B. die Lemmazeichengestaltangabe. Eigenschaften eines Wörterbuchartikels sind beispielsweise seine Länge, der Standardisierungs- und Textverdichtungsgrad oder seine mediostrukturelle Vernetzung mit Abbildungen oder der Wörterbuchgrammatik im Vor- oder Nachspann. So kann beispielsweise die Länge des Wörterbuchartikels vom Lemmazeichentyp abhängig gemacht werden. Ein Lemmazeichentyp kann demnach auch auf Grund der Menge der geforderten Angabeklassen und Wörterbuchartikeleigenschaften definiert werden. Er bestimmt auf diese Weise zusammen mit dem Wörterbuchprogramm, das im Instruktionsbuch festgeschrieben ist, u.a. die Mikrostmktur der Wörterbuchartikel. In Rekurs auf und teilweise in Modifikation von KAMMERER (1995, 93-96) soll nun der Begriff des Lemmazeichentyps genauer eingeführt und konkretisiert werden. Dazu muß in einem ersten Schritt auf den Begriff des Wörterbuchartikeltyps eingegangen werden.1

l. Es wäre sehr wünschenswert gewesen, auch einen historischen Abriß darüber zu geben, welche Lemmazeichentypen von Lexikographen - bewußt oder unbewußt - unterschieden und angesetzt wurden; dies konnte aber hier nicht geleistet werden. Dennoch sei an dieser Stelle auf M. KRAMER und dessen Vor=Bericht zu seinem TEUTSCH-!TALIÄNISCHEN DICTIONARIUM (= KRAMER 'TEUTITALÜIC) hingewiesen, worin er entsprechend seiner Unterteilung der Stammwörter in Substantive, Adjektive, Pronomen, Verben, Adverben, Interjektionen und Konjunktionen zwischen sieben Lemmazeichentypen - allerdings unter einer anderen Terminologie - unterscheidet und diese detailliert expliziert (cf. KRAMER 1700(1982], o.Pag.). (Den Hinweis auf KRAMERS Vorwort verdanke ich H. E. WIEGAND; M. K.)

Kapitel 2

2.1

Die Konzeption des Wörterbuchartikeltyps

Ein gedrucktes Wörterbuch2 besteht aus diversen funktionalen Komponenten, auch Bauteile genannt. Diese Bauteile sind Texte oder Teiltexte. Unter diesem Aspekt ist ein Printwörterbuch ein Textsortenträger, denn ein Printwörterbuch ist kein Text einer bestimmten Textsorte, sondern - aus drucktechnischen und buchbinderischen Gründen - eine Linearisierung von mehreren Texten, die verschiedenen Textsorten angehören. Ein Printwörterbuch ist deshalb ein lexikographischer Textsortenträger (LexTST). Unter einem n/c/z/funktionalen Gesichtspunkt weist ein Printwörterbuch als lexikographischer Textsortenträger obligatorisch entweder ein zentrales Wörterverzeichnis (z. W V) oder eine Wörterverzeichnisreihe (WVR) oder Wörterverzeichnisblöcke (WVB) sowie einen Vorspann (VorSp) auf; gegebenenfalls kann auf das zentrale Wörterverzeichnis bzw. auf die Wörterverzeichnisreihe noch ein Nachspann (NachSp) folgen. Dann bilden der Vorspann zusammen mit dem Nachspann relativ zum zentralen Wörterverzeichnis bzw. zur Wörterverzeichnisreihe einen textuellen Rahmen. Das zentrale Wörterverzeichnis bzw. die Wörterverzeichnisreihe bilden - bezogen auf den Vor- und den Nachspann - den Binnentext. Vorspann, Nachspann und das zentrale Wörterverzeichnis bzw. die Wörterverzeichnisreihe zusammen bilden einen Textverbund (oder: Großtext). Der Vorspann und der Nachspann gehören - zusammen mit den Einschüben ins zentrale Wörterverzeichnis - zu den Umtexten (oder auch: Außentexten). Die Umtexte, nämlich der Vor- und Nachspann, besitzen - bezogen auf das Wörterbuch - keine genuine Funktion, sondern werden lediglich durch ihre Position relativ zum zentralen Wörterverzeichnis bzw. zur Wörterverzeichnisreihe bestimmt. Deshalb sind sie auch keine /w«fozOna/-positional segmentierbare Konstituenten eines Wörterbuches, sondern sie werden allein durch die Position von Texten und Teiltexten in der linearen Sukzession der (Teil-) Textanordnung relativ zum zentralen Wörterverzeichnis bestimmt (oder anders ausgedrückt: alles, was »vor« dem zentralen Wörterverzeichnis bzw. der Wörterverzeichnisreihe steht, gehört zum Vorspann, und alles, was »danach« steht, zum Nachspann). Zur Veranschaulichung sei das folgende Architekturbild wiedergegeben. TEXTVERBUND textueller Rahmen

Abb. 2-1: Kommentiertes allgemeines Architekturbild zur Textverbundarchitektur und zum textuellen Rahmen (cf. KAMMERER/WIEGAND I998[99], 226); Darstellungskonventionen: „x *·«»·y" bedeutet soviel -wie steht als Ganzes oberhalb von y und damit y steht als Ganzes unterhalb von x; die Umrandungszeichen dienen der kommentierenden Verdeutlichung

2.

Cf. für eine Analyse von 'LGwDAF: WIEGAND (1995); genaueres hierzu findet man bei KAMMERER/WIEGAND (i998[99]> und BERGENHOLTZ/TARP/WIEGAND (1999).

Was sind Lemmazeichentypen ?

7

Die Strukturen, die dem Vor- und Nachspann zugeordnet werden können, sind präzedentiv. Das bedeutet, daß die zugehörigen Texte und Teiltexte nicht in einer hierarchischen Beziehung zueinander stehen, sondern ausschließlich linear-präzedentiv organisiert sind. Die dem Vorspann zugeordnete Struktur ist die präzedentive Vorspannstruktur, die des Nachspanns ist die präzedentive Nachspannstruktur. Die Vorspannstruktur und die Nachspannstruktur bilden zusammen die zweigeteilte präzedentive textuelle Rahmenstruktur. Neben der präzedentiven textuellen Rahmenstruktur, die nicht hierarchisch ist, gibt es noch die partitive Textverbundstruktur,3 zu deren Trägermenge u.a. der Vor- und der Nachspann sowie der lexikographische Textsortenträger, nicht aber das zentrale Wörterverzeichnis bzw. die Wörterverzeichnisreihe gehören. Es handelt sich hierbei um eine reflexive partielle Ordnung, wobei für die geordneten Paare der Textverbundstruktur der Relationsterm ist ein nichtfunktionaler textueller Teil von y gilt. In der nachfolgenden Abbildung wird dafür beispielhaft eine Strukturdarstellung gegeben. A. PARTITIVE TEXTVERBUNDSTRUKTUR l

A. HIERARCHISCHE VORSPANNSTRUKTUR

LexTST

A. HIERARCHISCHE .NACHSPANNSTRUKTUR NachSp

TI- IM- INHALTSABKURTE- PRES- VERZEICH- ZUNGSLEI SUM NIS VERZEICHNIS

/\/\ /\

WÖRTERBUCHGRAMMATIK

7\

Abb. 2-2: Nicht vollständig ausgeführter kommentierter Strukturgraph zur abstrakten hierarchischen Textverbundstruktur; Abkürzungen: LexTST = lexikographischer Textsortenträger; VorSp = Vorspann; NachSp = Nachspann; A. = ABSTRAKT; Darstellungskonventionen: „x —> y" bedeutet soviel wie ist ein nichtfunktionaler textueller Teil von y; „ " steht für einen nicht ausgeführten Teilbaum

Neben der partitiven Textverbundstruktur und der präzedentiven textuellen Rahmenstruktur kann noch die hierarchische Textverbundkonstituentenstruktur unterschieden werden, zu deren Trägermenge der Vor- und Nachspann nicht gehören, sondern beispielsweise das geordnete Paar: {Textverbund; Titelei} oder das Paar: {Textverbund; Wörterbuchgrammatik). Die Relation mit dem Relationsterm ist ein funktionaler Teil von y ist ein Element dieser Struktur. In Weiterführung des obigen Beispiels kann die nachfolgende Abbildung als Beispiel für eine Strukturdarstellung dienen:

3. Die Textverbundstruktur nannte WlEGAND (1995 u. 1996g) noch Textsortenträgerstruktur. Der dort verfolgte Ansatz barg jedoch einige Probleme, die in KAMMERER/WIEGAND (i998[99]) behoben wurden.

Kapitel 2 A. HIERARCHISCHE TEXTVERBUNDKONSTITUENTENSTRUKTUR LexTST A. ZWEIGETEILTE TEXT ELLE RAHMENSTRUKTUR

L TI- IM- INHALTS- ABKÜRTE- PRES- VERZEICH- ZUNGSLEI SUM NIS VERZEICHNIS

te^i

_

=£ _ |

A. HIERARCHISCHE VORSPANNSTRUKTUR

(ZENTRALES) WÖRTERVERZEICHNIS A

WÖRTERBUCHGRAMMATIK

»

A. HIERARCHISCHE NACHSPANNSTRUKTUR

Abb. 2-3: Nicht vollständig ausgeführter kommentierter Strukturgraph zur abstrakten hierarchischen Textverbundkonstituentenstruktur; Darstelltmgskonvention: „x y" bedeutet (von unten nach oben gelesen) soviel wie ist ein funktionaler Teil von y

Beide Strukturen können dann auch zusammengeführt werden. Auf diese Weise erhält man die hierarchische vollständige Textverbundstruktur (mit dem Vollständigkeitsgrad r) (cf. z.B. KAMMERER/WIEGAND i998[99], 2325^.)Das zentrale Wörterverzeichnis ist in der Regel nicht identisch mit einer geordneten Menge von Wörterbuchartikeln, sondern weist als unmittelbare Konstituenten einerseits Zugriffsstrukturanzeiger (ZSA), wie z.B. „A·" im 'DWB (I, 1/2), die ihrerseits durch (artikelexterne) Verweisangaben rechtserweitert sein können, wie z.B. „D, Dh, Th, p S. auch T" in SCHÜTZEICHEL 3AHDWB (24), und andererseits Artikelsirecken (AtS) auf. Daß dies aber nicht so sein muß, zeigt z.B. 'WB-UNTERFRANKEN: Dort gibt es keine Zugriffsstrukturanzeiger: Die Lemmastrecken werden dort ohne jegliche Einschübe oder nichttypographische Zugriffsstrukturanzeiger aneinandergereiht.4 Im PFEIFER 2ETYMWB sind jedoch, entgegen dem ersten Anschein, durchaus Zugriffsstrukturanzeiger zu beobachten, nämlich der größere Durchschuß vor einer neuen Artikelteilstrecke.5 Die hierarchische Konstituentenstruktur der Artikelstrecken heißt hierarchische Artikelstreckenstruktur. Die Artikelstreckenstruktur kann ihrerseits durch Binnentexte (bt) erweitert sein, wie dies beispielsweise in 3LGwDAF der Fall ist; dann handelt es sich um eine erweiterte hierarchische Artikelstreckenstruktur. Auf den Leitelementen des zentralen Wörterverzeichnisses ist mindestens eine Zugriffsstruktur definiert, mit deren Hilfe ein Benutzer-in-actu auf die Wörterbuchartikel des zentralen Wörterverzeichnisses gezielt zugreifen kann, falls er diese kennt. Bei Wörterbüchern mit initialalphabetischer Makrostruktur6 besteht die Hauptzugriffsstruktur in einer Zugriffsrelation, die i.allg. eine Erweiterung der »alphabetischen« Anordnung der Lemmazeichen ist. Wie 4.

Dies ist ein Beispiel dafür, daß die Aussage: „Das Wörterverzeichnis (WV) besteht aus Artikelstrecken (ArtS). Diese sind durch anikelexterne nichttypographische Zugriffsstrukturanzeiger (ZSA) voneinander getrennt" (BERGENHOLTZ/TARP/WIEGAND 1999, 1766) nicht für alle Wörterbücher zutrifft. 5. An dieser Stelle wäre noch zu klären, auf welche Weise laufende Kolumnen, die ebenfalls Zugriffsstrukturanzeiger darstellen, zu analysieren sind. (Cf. hierzu neuerdings die Bemerkung in BERGENHOLTZ/TARP/ WIEGAND 1999, 1764, nach der die lebende Kolumne als ein funktionales Element der Trägermenge der äußeren Schnellzugriffsstruktur interpretiert wird.) 6. Die Makrostruktur muß nicht immer alphabetisch sein, wie KESSELRING 'DicCHRON zeigt: Hier ist die Zugriffsstruktur beispielsweise chronologisch.

Was sind Lemmazeichentypen ?

9

diese Anordnung genau aussieht, ist derzeit alles andere als klar. Klar ist nur, daß hier größtenteils völlige Unkenntnis herrscht. Zum Problemkreis der Erweiterung des Alphabeis seien lediglich folgende Anmerkungen gemacht: Die Erweiterung der alphabetischen Anordnung besteht u.a. in der Berücksichtigung von Buchstaben, die zwar Teil desjenigen Schriftsystems sind, in der die Sprache, die lexikographisch beschrieben werden soll, verschriftlicht wird, die aber nicht durch das in der Sprache geltende Alphabet geordnet werden. Im Deutschen sind die alphabetexternen, aber schriftsystemintemen Buchstaben sämtliche Umlaute sowie dasjß. Kompliziert wird es, wenn eine Sprache in zwei (oder mehreren) verschiedenen Schriftsystemen präsentiert werden kann, wobei sich dann die Frage stellt, welches Schriftsystem zur Präsentation der Lemmazeichen gewählt und inwieweit das alternative (bzw. die alternativen) Schriftsystem(e) im Wörterbuch berücksichtigt werden soll(en) (cf. z.B. für das Turkmenische WIEGAND I994[95] und für das Usbekische WIEGAND I996d). In der Regel wird darüber hinaus nicht zwischen Majuskeln und Minuskeln unterschieden (wie in einem solchen Fall die Zugriffsrelation auszusehen hat, wird in KAMMERER 1995, 7 dargestellt). Soll jedoch die Groß- und Kleinschreibung in der Zugriffsrelation berücksichtigt werden, so kann beispielsweise nicht festgelegt werden, daß alle Majuskeln vor den Minuskeln eingeordnet werden, denn dies hätte zur Folge, daß sämtliche Lemmazeichen, deren erster Buchstabe eine Versalie ist, vor allen Lemmazeichen stünden, deren erster Buchstabe eine Gemeine ist. Für das Deutsche würde das beispielsweise bedeuten, daß in jeder Lemmastrecke alle Substantive und Namen vor den übrigen Wortarten stünden. Schließlich blieben alle außeralphabetischen, schriftsystemexternen Buchstaben, wie z.B. z, 5, ö, b oder (beispielsweise in a-Strahleri), sowie die nichtalphabetischen Buchstaben, wie Punkt, Klammer, Ausrufezeichen, Leerzeichen (!) etc., unberücksichtigt, die beispielsweise in Abkürzungen, Bindestrich-Ausdrucken, festen Wendungen (wie: durch und durch) oder bei Interjektionen auftreten. Schließlich muß noch auf jene nichtalphabetischen Zeichen hingewiesen werden, wie sie u.a. in der Mathematik auftreten, beispielsweise „!" für ,Fakultäf, ,,=" oder das Summenzeichen „ ", oder die Logogramme, wie „§", sowie die Währungszeichen „$", „£" oder „€" uvm.7 Jede Artikelstrecke besitzt als unmittelbare Konstituenten n Wörterbuchartikel (wa) (mit n> l). Auf diesen Wörterbuchartikeln sind diverse Strukturen definiert; u.a. sind dies (in Weiterführung von BERGENHOLTZ/TARP/WIEGAND 1999, 1767): -

die Artikelkonstituentenstruktur (kurz: Artikelstruktur); die MikroStruktur; die Makrostruktur; die Datendistributionsstruktur; die Positionsstruktur; die Angabestruktur; die Adressierungsstruktur; die Kohäsionsstruktur; die Thema-Rhema-Struktur; die Kohärenzstruktur; die innere Zugriffsstruktur; die innere Schnellzugriffsstruktur; die artikelinterne Verweis- oder Mediostruktur; die Mikroarchitektur;

7. Zu einigen Problemen von initialalphabetischen Makrostrukturen mit exhaustiver Alphabetisierung cf. BERGENHOLTZA'ARP/WlEGAND ([999, I8l2-l8l4).

Kapitell - die Suchbereichsstruktur; - die Suchbereichsarchilektur.

Jedem in einem Wörterbuch gegebenen Wörterbuchartikel kann auf Grund einer Analyse eine abstrakte und eine konkrete hierarchische Mikrostruktur (MiSh bzw. MiSh) zugeordnet werden, aus der die partitive als auch die präzedentive abstrakte bzw. konkrete MikroStruktur hervorgeht. Auch umgekehrt können auf der Grundlage von MikroStrukturen, die im Rahmen eines Instruktionsbuches vorgegeben sind, Wörterbuchartikel erstellt werden, die nach dem Abfassen der Wörterbuchartikel jeweils genau einer abstrakten hierarchischen Mikrostruktur entsprechen (cf. hierzu exemplarisch KAMMERER 1995, insbes. 123-160). - Unterscheiden sich zwei Wörterbuchartikel eines bestimmten Wörterbuches nicht hinsichtlich der ihnen zugewiesenen abstrakten hierarchischen Mikrostruktur, so kann man sie demselben Wörterbuchartikeltyp (wat) zuordnen. Sind die beiden zugehörigen abstrakten hierarchischen MikroStrukturen jedoch grundsätzlich verschieden, dann gehören beide Wörterbuchartikel verschiedenen Wörterbuchartikeltypen an. Wörterbuchartikeltypen sind immer auf ein bestimmtes Wörterbuch (WB) oder einen Wörterbuchtyp (WB-*) bezogen, weshalb sie mit dem Namen des betreffenden Wörterbuches bzw. Wörterbuchtyps indiziert sind (also z.B.: wat^ oder: watWB~x). (Im folgenden wird die Indizierung mit dem Namen des Wörterbuch(typ)s weggelassen, da sie sich von selbst versteht.) Damit kann definiert werden: Q

[02-1: Wörterbuchartikeltyp] Ein Wörterbuchartikeltyp (wat) eines Wörterbuches (wat1**) oder Wörterbuchtyps (watWB"x) ist eine Menge von n abstrakten hierarchischen MikroStrukturen (mit n e N*). Anmerkung i: Ein Wörterbuchartikeltyp ist immer Wörterbuch- (bzw. wörterbuchtyp-) spezifisch, weshalb er mit einem Index für das Wörterbuch oder den Wörterbuchtyp versehen wird (z.B.: watWB"24). Anmerkung 2: Die Notation der abstrakten hierarchischen MikroStrukturen, die die Elemente der Wörterbuchartikeltypen sind, muß nicht durch eine graphische Darstellung erfolgen, sie kann beispielsweise auch in der Klammerschreibweise durchgeführt werden; dadurch würde ein maschineller Vergleich erleichtert werden. Beispiel:

(A (B (C D) E (F G H))) für: C D

F G H

Je nach dem, ob n > l ist oder ob n = l ist, kann zwischen einem engen und einem weiten Wörterbuchartikeltyp unterschieden werden; es wird deshalb definiert: J3 2-2: enger Wörterbuchartikeltyp] Ein enger Wörterbuchartikeltyp (ewat) eines Wörterbuches oder Wörterbuchtyps ist ein Wörterbuchartikeltyp, für den gilt, daß die Kardinalität n der Menge von abstrakten hierarchischen MikroStrukturen, durch die er festgelegt wird, gleich l ist (mithin: [wat = cwat] «—> [|wat| = 1]). Anmerkung: Besteht die Menge aller Wörterbuchartikeltypen (WAT) ausschließlich aus engen Wörterbuchartikeltypen, so heißt auch die Menge aller Wörterbuchartikeltypen eng (CWAT). (Es gilt also dann: [WAT = "WAT] +-> [Vwat, e WAT: |wat/| = 1]).

8. Wie die Formulierung „grundsätzlich verschieden" zu verstehen ist, wird an späterer Stelle geklärt.

Was sind Lemmazeichentypen?

11

§ 2-3: weiter Wörterbuchartikeltyp] Ein weiter Wörterbuchartikeltyp (wwat) eines Wörterbuches oder Wörterbuchtyps ist ein Wörterbuchartikeltyp, für den gilt, daß die Kardinalität n der Menge von abstrakten hierarchischen MikroStrukturen, durch die er festgelegt wird, echt größer als l ist (mithin: [wat = wwat] *-* [|wwat| > 1]). Anmerkung i: Besitzt die Menge aller Wörterbuchartikeltypen (WAT) mindestens einen weiten Wörterbuchartikeltyp "wat, als Element, so heißt auch die Menge aller Wörterbuchartikeltypen weit (WWAT). (Es gilt also dann: [WAT = W WAT) «-·· [Bwat, e WAT: |wat,| > 1]). Anmerkung 2: Für alle Wörterbuchartikeltypen wat,, die Elemente einer weiten Menge von Wörterbuchartikeltypen WWAT sind, gelte einschränkend, daß sie paarweise disjunkt sind. (Es gilt also dann: Vwat, € W WAT Vwat, e WW AT: [wat/ n wat, - 0].)

Fürs erste wird - der Einfachheit wegen - von engen Wörterbuchartikeltypen ausgegangen. Alle Wörterbuchartikeltypen eines Wörterbuches können in der Menge aller Wörterbuchartikeltypen (WAT) dieses Wörterbuches (WAT^) bzw. eines Wörterbuchtyps (WATWB-,) zusammengefaßt werden. Für enge Wörterbuchartikeltypen gelten zusammenfassend folgende Beziehungen (wobei der Ausdruck ,,MiSh(w£j,)" zu lesen ist als die abstrakte hierarchische MikroStruktur vom Wörterbuchartikel i): WB

= {wat'!'8, watiB, ..., watfB}

, wat^-\ ..., wat?**, ...} wat*={MiSh(wa,)} [MiSfrwfl,) = MiSJKwa,)] - [(MiSSiwe,) e wat*)

mit l < n < Anzahl der Wörterbuchartikel des Wörterbuches WB. mit i e M* (MiSS(wfly) e watt)].

Hierzu nun ein Beispiel. Im DUDEN-"! finden sich die folgenden beiden Kurzartikel: |32-l:DuDEN-"i,400b] Knjt|ter, der; -s, J3 2-2: DUDEN-"!, 394a] Kjt|tel, der; -s, -

Die abstrakte hierarchische MikroStruktur zu diesen beiden Wörterbuchartikeln, zusammen mit einem Ausschnitt aus den dazu k-isomorphen konkreten hierarchischen MikroStrukturen, wird in der nachstehenden Abbildung wiedergegeben.

Kapitel 2

12

WA

LZG[STrA]AJi WAkK|VQK.KHWF.NSg|RS AkSAJl WAkK| VQK.K • j

: :

STrA 1 1

SA

PragsemA

Art.A.m HG.stjWAr v.SgbA



i

j

i

Krijt Kit

A-pragNM • · v.PlbA

j

j

I

DekKA

!1 "»r te

v.WStA A.KasE. v.WStA A.KasE. I i N.P1 G.Sg i

I

:

:

der der

Abb. 2-4: Strukturgraph9 zur (abstrakten und dazu isomorphen konkreten) einfachen hierarchischen MikroStruktur, die zu E 2-1 und E 2-2 gehören; Abkürzungen: WA = Wörterbuchartikel; FK = Formkommentar; LZG[STrA]A][WAkK|VQK.K-lWF.NSg|RS = Lemmazeichengestaltangabe, die um eine Silbentrennungsangabe (STrA) binnenerweitert und um eine Wortakzentkennzeichnung unten erweitert ist, die gleichzeitig eine Vokalquantitätskennzeichnung für die Kürze (WAkK|VQK.K) ist, und aus der die Wortform für den Nominativ Singular (WF.NSg) und die Rechtschreibung (RS) erschließbar sind; „|" = zugleich; „][" = unten erweitert; „H" = daraus ist erschließbar; A-rAus = Angabe zur regelmäßigen Aussprache; MorA.S = Morphologieangabe beim Substantiv; AkSAJ[WAkK|VQK.K = Akzentsilbenangabe (AkSA), die unten durch eine Wortakzent- und Vokalquantitätskennzeichnung für die Kürze erweitert ist; Art.A.mHG.st|WAr = Artikelangabe maskulinum, aus der das stabile Genus (G.st) sowie die Wortart (WAr) erschließbar sind; DekKA = Deklinationsklassenangabe; v.SgbA = verdichtete Singularbildungsangabe; v.PlbA = verdichtete Pluralbildungsangabe; v.WStA = verdichtete Wortstammangabe; A.KasE.G.Sg = Angabe der Kasusendung (A.KasE) für den Genitiv Singular (G.Sg); A.KasE.N.Pl = Angabe der Kasusendung für den Nominativ Plural (N.P1); [;ABj] = Angabeblank (als Angabeform!) mit / vandj als Variablen für den unmittelbaren linken bzw. rechten Kotext (= terminate Angabe); SK = semantischer Kommentar; PragsemA = pragmatisch-semantische Angabe; A-pragNM = Angabe zur pragmatischen Nullmarkierung; Darstellungskonventionen: „x y" bedeutet (von oben nach unten gelesen) soviel wie y ist unmittelbares Konstitut zu x bzw. (von unten nach oben gelesen) x ist unmittelbare Konstituente von y; „x y" bedeutet (von unten nach oben gelesen) soviel wie x ist ein Element von y

Ein Wörterbuchartikel, dessen abstrakte hierarchische MikroStruktur nicht mit der von E 2-1 und E 2-2 identisch ist, ist beispielsweise: [02-3: DUDEN-'°I, 401c] K9g|ge, die; -, -n (dickbauchiges Hanseschiff)

Hier sieht die abstrakte einfache hierarchische MikroStruktur, zusammen mit einem Ausschnitt aus der dazu isomorphen konkreten einfachen MikroStruktur, wie folgt aus:

Zum Problem der nichtverzweigenden Knoten cf. jetzt MEYER/WIEGAND (1999), wo statt „ SK PragsemA A-pragNM" analysiert wird: „ SK=PragsemA=A-pragNM" mit „x=y" bedeutet soviel wie* ist identisch mity (cf. auch WIEGAND 19990, 308, Abb. 3). Auf diese Weise erhält man einen einzigen komplex etikettierten Knoten. - In den folgenden Strukturgraphen wird weiterhin von nichtverzweigenden Knoten ausgegangen; diese können jedoch jederzeit problemlos in einen einzigen verzweigenden nichtterminalen bzw. in einen einzigen terminalen Knoten überführt werden.

Was sind Lemmazeichentypen?

WA

LZG[STrA]AJ[ A-rAus WAkK|VQK.KnWF.NSg|RS X^ l x^ AkSAJl STrA SA WAkK| VQK.K

MorA.S

PragsemA

DekKA

Art.A.f nG.st|WAr v.SgbA

A-pragNM

BPA

v.PlbA

v.WStA A.KasE. v.WStA A.KasE. G.Sg N.P1 {

K99

ge

• die

I

I

n

[,ABj] dickbauchiges Hanseschiff

Abb. 2-5: Strukturgraph zur (abstrakten und dazu isomorphen konkreten) einfachen hierarchischen Mikrostruktur, die zu E 2-3 gehören; Abkürzungen: Art.A.fHG.st|WAr = Artikelangabe femininum, aus der das stabile Genus sowie die Wortart erschließbar sind; BPA = Bedeutungsparaphrasenangabe

Daraus folgt, daß, wenn die Konzeption eines engen Wörterbuchartikeltyps zugrunde gelegt wird, die Wörterbuchartikel zu Knitter und Kittel im DUDEN-" i per definitionem zum selben Wörterbuchartikeltyp gehören, während der Wörterbuchartikel zu Kogge zu einem anderen Wörterbuchartikeltyp gehört, denn es gilt: Die abstrakten hierarchischen MikroStrukturen zu den Wörterbuchartikeln von Knitter und Kittel sind identisch, während die zum Wörterbuchartikel von Kogge eine andere ist. Zur Verdeutlichung kann auch kurz geschrieben werden (indem für den betreffenden Wörterbuchartikel das zugehörige Lemma in Fettschrift angegeben wird): MiSiKKnitter) = MiSftKittel) MiSh(Kogge) MiSah(Knitter)

[(MiSi(Knitter) e ewatf) (MiSS(Kittel) 6 W,-)] [(MiSftKogge) i Vat,) (MiS^Kogge) e ewat)].

Unter gewissen Bedingungen kann es aber ratsam sein, einen weiten Wörterbuchartikeltyp zugrunde zu legen; hierzu ein Beispiel. Gegeben sei der Wörterbuchartikel zu Rinde aus dem DUDEN- J0 i: 13 2-4: -20!, 603°] Rjn|de, die; -, -n

Die abstrakte hierarchische MikroStruktur zu diesem Wörterbuchartikel sieht wie folgt aus:

Kapitel 2

WA

LZG[STrA]AJ[ A-rAus WAkK|VQK.KHWF.NSg|RS |

AkSAJl WAkK| VQK.K

STrA

MorA.S

PragsemA

Art.A.f HG.st|WAr

SA

DekKA v.SgbA

v.WStA A.KasE. G.Sg Rin

|

de

[jABj]

die

-

[jABj]

A-pragNM v.PlbA

v.WStA A.KasE. | N.P1 -

n

Abb. 2-6: Strukturgraph zur (abstrakten und dazu isomorphen konkreten) einfachen hierarchischen Mikrostruktur, die zu E 2-4 gehören

Die abstrakte hierarchische MikroStruktur von E 2-4 unterscheidet sich von der zu E 2-1 und E 2-2 nur darin, daß die Morphologieangabe beim Substantiv nicht aus einer Artikelangabe maskulinum und einer Deklinationsklassenangabe besteht, sondern aus einer Artikelangabe femininum und einer Deklinationsklassenangabe. Bei einer engen Konzeption der Wörterbuchartikeltypen sind die Wörterbuchartikeltypen, zu denen die Wörterbuchartikel zu Rinde und zu Kittel (bzw. auch Kogge) gehören, verschieden, da sie sich in der Artikelangabe unterscheiden. Unter bestimmten Umständen kann es aber ratsam sein, weite Wörterbuchartikeltypen anzusetzen und dafür zu sorgen, daß z.B. die Wörterbuchartikel zu Rinde und zu Kittel zu demselben Wörterbuchartikeltyp gehören. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn die Wörterbuchartikel bildschirmorientiert abgefaßt werden und für die lexikographische Bearbeitung der lexikalischen Einheiten Rinde, Kittel und Kogge jeweils dieselbe Eingabemaske vorgesehen ist, da sie (thorieintern) zum selben Lemmazeichentyp und damit Wörterbuchartikeltyp gehören (cf. KAMMERER 1995). Die Diversifizierung erfolgt schließlich durch die Dateneingabe, in diesem Fall durch „der" bzw. durch „die". (Dabei ist darauf zu achten, daß „der" bzw. „die" keine Angaben, sondern Forangaben sind; cf. auch p. 270 und insbes. WIEGAND 1998, 217.) Ist die Dateneingabe zu einem Wörterbuchartikel abgeschlossen und hat darauf MSG (der Mikrostrukturgenerator; cf. WIEGAND 1998, 215) operiert, dann können (müssen aber nicht) enge Wörterbuchartikeltypen unterschieden werden. Zusammenfassend gelten nun folgende Beziehungen: MiSh(Knitter) e wwati MiSh(Kittel) e "wat, MiSh(Rinde) e wwat, MiSj(Kogge) e wwat, MiSj(Kogge) e "wat,· MiSh(Rinde) * MiSftKittel)

mit i,j e N*

und: MiSt(Rinde) * MiSÜ(Knitter).

Was sind Lemmazeichentypen ?

15

Da jedem Wörterbuchartikel eines Wörterbuches genau eine abstrakte hierarchische Mikrostruktur zugewiesen werden kann, ist jeder Wörterbuchartikel zusammen mit genau einem Wörterbuchartikeltyp Element einer Relation IR. Der zweistellige Relationsterm von (KL lautet: ... gehört zum Wörterbuchartikeltyp ... Da K. linkstotal und rechtseindeutig ist, handelt es sich genau genommen um eine Funktion. Es gilt also: Vwa e WA 3wat e WAT [{wa,wat) e R Vwa/' e WAT ((\ ,\

} e K — (wat = wa/'))]

oder einfacher ausgedrückt: Vvra e WA 3! wa/ e WAT ((wa,wat) e R).

Die Anzahl der Wörterbuchartikeltypen in einem gegebenen Wörterbuch kann maximal so groß sein wie die Anzahl der Wörterbuchartikel dieses Wörterbuches. In der Regel wird die Anzahl der Wörterbuchartikeltypen eines Wörterbuches deutlich unter der Anzahl der Wörterbuchartikel des Wörterbuches liegen. Die Anzahl der Wörterbuchartikeltypen hängt mit dem Grad der Standardisierung sowie mit dem lexikographischen Datenangebot zusammen; es seien diesbezüglich folgende Hypothesen formuliert, die empirisch verifiziert werden müßten: Hypothesen: - Je höher der Grad der Standardisierung der Wörterbuchartikel eines Wörterbuches ist, um so niedriger ist die Anzahl der Wörterbuchartikeltypen dieses Wörterbuches und umgekehrt. - Je niedriger (bei gleichem Standardisierungsgrad) das lexikographische Datenangebot eines Wörterbuches ist, um so niedriger ist auch die Anzahl der Wörterbuchartikeltypen dieses Wörterbuches und umgekehrt.

Das heißt: In einem Wörterbuch mit stark standardisierten MikroStrukturen gibt es - wenn die erste Hypothese korrekt ist - genuin weniger Wörterbuchartikeltypen als in einem Wörterbuch, in dem die Wörterbuchartikel nur schwach standardisiert sind.

2.2

Die Konzeption des Lemmazeichentyps

Jede lexikalische Einheit (LE) einer natürlichen Sprache kann genau einem Lemmazeichentyp (Izt) zugeordnet werden, mit anderen Worten: Alle lexikalischen Einheiten sind zusammen mit genau einem Lemmazeichentyp Element der Zuordnungsrelation S, deren Relationsterm lautet: ... gehört zum Lemmazeichentyp ... Diese Zuordnungsrelation § ist linkstotal und rechtseindeutig, so daß es sich wiederum um eine Funktion handelt, denn es gilt: VL£e LE3!/z/e IIJ((LE,lzt) 1) in den Lemmazeichentyp einfließen. Diese linguistischen Aussagen determinieren in ihrer Gesamtheit das So-Sein der Lemmazeichentypen, indem sie festlegen, wie sich die einzelnen linguistischen Eigenschaftsausprägungen gestalten. Dies hat jetzt den Anschein, als werde ein Lemmazeichentyp allein durch die linguistische Überdachung bestimmt und sei somit in einem gewissen Sinne objektivierbar - dies ist allerdings nicht ganz korrekt und muß relativiert werden. Die linguistische Überdachung liegt zwar als eine Menge von Daten vor, diese müssen aber von Subjekten (i.e. den Lexikographen) zu Informationen verarbeitet werden. Insofern fließt immer das interpretierende Subjekt in die linguistische Überdachung mit ein. Denn nur so ist es erklärlich, daß dieselben Daten (z.B. die Verwendungsweisen eines Wortes in einem Corpus) von verschiedenen Subjekten u.U. verschieden interpretiert werden, beispielsweise hinsichtlich des Polysemiegrades. Wird eine linguistische Aussage A, durch eine andere linguistische Aussage A,· ersetzt, kann sich das So-Sein der Lemmazeichentypen ändern, indem sich eine linguistische Eigenschaftsausprägung ändert. Damit kann außerdem einhergehen, daß sich die Anzahl der Lemmazeichentypen vergrößert oder verkleinert. Unter bestimmten Bedingungen kann eine linguistische Aussage A, nicht durch eine linguistische Aussage A/· ersetzt werden, und zwar genau dann nicht, wenn die Ersetzung zu Inkonsistenzen oder Inkompatibilitäten führt. Ist dies der Fall, muß entweder die Ersetzung rückgängig gemacht werden oder die Aussage(n), denen gegenüber die Inkonsistenzen auftreten, müssen ebenfalls durch geeignete andere ersetzt werden. Diese sind dann ihrerseits daraufhin zu überprüfen, ob sie nicht zu Inkonsistenzen und Inkompatibilitäten führen. Die linguistische Überdachung kann im einzelnen wie folgt konzipiert werden: Gegeben sei eine Bibliographie linguistischer Literatur, Grammatiken, Wörterbücher u.a. sowie gegebenenfalls diverser Corpora. Die bibliographischen Angaben in der Bibliographie werden mittels der Sigle B, durchgezählt (i e N*). Die linguistische Überdachung wird nun durch Nennung der Siglen angegeben, die auf diejenige Literatur- und Corporaangaben in der Bibliographie verweisen, in denen die betreffende linguistische Aussage zu finden ist. Diese Menge von Siglen wird der linguistischen Eigenschaftsausprägung angehängt, so daß man z.B. erhält: SubstantivBliB7B5,·

Auf die Reihenfolge der Siglen kommt es nicht an. So kann ein wörterbuchtypunspezifizierter Lemmazeichentyp wie folgt angegeben werden: Izt4712 = {1EB,, 1EB5,BI4,1EB32B5UB55,1EB21}·

Wenn klar ist, was als linguistische Überdachung für die jeweilige linguistische Eigenschaftsausprägung gilt, kann die Liste mit den Siglen für die bibliographischen Angaben weggelassen werden. Die linguistische Überdachung, die für ein gegebenes Wörterbuch gilt, ist in einem Wörterbuch grundsätzlich anzugeben, und zwar entweder im Vorspann oder im Nachspann - eine Forderung, die nur in den seltensten Fällen praktiziert wird. Eine Ausnahme bildet diesbezüg-

Was sind Lemmazeichentypen ?

19

lieh das FWB (cf. dessen „Lexikographische Einleitung", das „Verzeichnis der Quellen" sowie das „Verzeichnis der Sekundärliteratur"). Der Übersichtlichkeit wegen sollte zwischen Literatur, aus der explizite Aussagen gewonnen wurden (z.B. Grammatiken und andere Wörterbücher), von Literatur, aus der implizite Aussagen gewonnen wurden (wozu i.allg. die Corpora zu zählen sind), unterschieden werden. Auf diese Weise kann sich ein Wörterbuchbenutzer ein Bild darüber machen, auf welcher Grundlage Entscheidungen über den lexikographisch behandelten Phänomenbereich im Wörterbuch getroffen wurden. Die Zuordnungsrelation § wurde als eine Relation festgelegt, die als Elemente geordnete Paare von gegebenen lexikalischen Einheiten und Lemmazeichentypen besitzt; die Zuordnungsrelation § ordnet also lexikalische Einheiten einem bestimmten Lemmazeichentyp zu. Der Lemmazeichentyp wurde - im Falle des wörterbuchtypunspezifizierten Lemmazeichentyps - als eine Menge von linguistischen Eigenschaftsausprägungen bzw. - im Falle des wörterbuchspezifizierten Lemmazeichentyps - als ein 2-Tupel, bestehend aus einer Menge von linguistischen und aus einer Menge von metalexikographischen Eigenschaftsausprägungen, eingeführt. Die bisherige Annäherung an den Begriff des Lemmazeichentyps kann so als eine intensionale Bestimmung des fraglichen Terminus charakterisiert werden. Wird die intensionale Bestimmung extensionalisiert, erhält man eine Menge von Lemmazeichen, nämlich genau diejenige Klasse von Lemmazeichen, auf die die metalexikographischen und/oder linguistischen Eigenschaftsausprägungen zutreffen. Auf Grund dieser Beobachtung ist es sinnvoll, zwischen dem intensionalen und dem extensionalen Lemmazeichentyp zu unterscheiden; es sei definiert: flu 2-7: intensionaler Lemmazeichentyp] Ein intensionaler Lemmazeichentyp (lzt'nt) ist ein wörterbuchtypunspezifizierter oder ein wörterbuchspezifizierter Lemmazeichentyp. flu 2-8: extensionaler Lemmazeichentyp] Ein extensionaler Lemmazeichentyp (lztex) ist eine Menge von lexikalischen Einheiten (LE), die die metalexikographischen und/oder linguistischen Eigenschaftsausprägungen, wie sie im intensionalen Lemmazeichentyp gegeben sind, aufweisen.

Die Zuordnung von intensionalem und extensionalem Lemmazeichentyp zu Mengen von lexikalischen Einheiten geschieht mittels der bereits eingeführten Relation S, die hier lediglich genauer charakterisiert wurde. Es gilt zusammenfassend: lzC'={lE,, 1E 2) ...,IE„} IzC' >-» Izt" Izt™ = {LE|, LE2, ..., LE/}

du grinst [,ABj]

Tab. 2-1: Korrelationen zwischen linguistischen Eigenschaftsausprägungen eines Lemmazeichentyps, den Angabeklassen der abstrakten hierarchischen MikroStruktur eines Wörterbuchartikeltyps und den Angaben der präzedentiven konkreten MikroStruktur des Wörterbuchartikels zu grinsen; Darstellungskonvention: „?" bedeutet soviel wie ist fraglich und kann nicht genau angegeben werden

Diese Zusammenhänge können auch wie folgt dargestellt werden:

WA

PragsemA

- , Verb*,, „ ». < schlafender< Schluß" versteckt (Eco 1985, 61).

Sind Bedeutungen im Wörterbuch?

49

Geradezu charakteristisch für Zeichen überhaupt ist nun nach Eco, daß Zeichen nicht nur interpretiert werden können, sondern daß alle Zeichen - sofern ihr Inhalt erfaßt werden soll interpretiert werden müssen, da zwischen Ausdruck und Inhalt keine Äquivalenz besteht; mit anderen Worten: Der Inhalt ist nicht bereits durch den Ausdruck - quasi analytisch — gegeben. Die Möglichkeit und Notwendigkeit der Interpretation macht ein Zeichen erst zum Zeichen und ist deshalb für Zeichen im allgemeinen und auch für sprachliche Zeichen im besonderen konstitutiv. Demnach beruht die Verbindung zwischen Ausdruck und Inhalt nicht auf einer Äquivalenzbeziehung, wie oben angegeben, sondern auf einem »Implikationsmechanismus«: Ausdruck —> Inhalt

(cf. Eco 1985, 60-62; zum Terminus Implikationsmechanismus ist zu bemerken, daß das Schließen nicht als eine Handlung mißverstanden werden darf, die jedesmal von einem Individuum auszuführen ist, um einem Ausdruck A einen Inhalt I zuzuordnen, sondern dies geschieht quasi automatisch, ohne weiteres Zutun des Individuums; außerdem darf dieser Impiikationsmechanismus nicht z.B. mit der materialen Implikation verwechselt werden, denn der Implikationsmechanismus ist - wenn überhaupt - nur in einem gewissen Rahmen transitiv). Die scholastische Definition des Zeichens als aliquid stat pro aliquo ist genau dann falsch, wenn sie bezüglich sprachlicher Zeichen als eine Äquivalenzbeziehung interpretiert wird. Die bislang behandelten Aspekte des bilateralen sprachlichen Zeichens sollen nun an Hand von verschiedenen Beobachtungen modifiziert werden, wobei insbesondere Forschungsergebnisse der kognitiven Linguistik berücksichtigt werden sollen. Zuerst wird die Ausdrucksebene genauer betrachtet. Bis jetzt sah es so aus, als sei alles, was - in geschriebener Form - zwischen zwei Leerzeichen steht, ein Signifikant, oder - anders ausgedrückt - jede zusammenhängende Buchstabenkette der Art »Ulort« sei die Ausdrucksseite eines sprachlichen Zeichens. Aber was ein Wort ist, ist keineswegs vorgängig klar. So stellen nicht nur diskontinuierliche Konstituenten (wie z.B. Circumfixe) und analytische Formen die Worteinheit auf der Ausdrucksebene in Frage, sondern auch Bindestrichwörter (wie: Ich-Roman, ach-Laut, Druck-Erzeugnis oder Kfz-Papiere), phraseologische Einheiten, Kollokationen, Komposita etc. Schließlich ist zu fragen, wieflektierteWörter (z.B.: Haus - Häuser oder: gehst - gingen - geht!} zu behandeln sind. BÜNTING/BERGENHOLTZ ('1995, 39-41) unterscheiden deshalb z.B. treffend zwischen dem graphematischen Wort als Buchstabenkette zwischen zwei White spaces, dem grammatischen Wort, das ein Paradigma von graphematischen Wörtern darstellt, und dem (semantisch motivierten) lexikalischen Wort, das auch aus mehr als einem graphematischen Wort bestehen kann. LUTZ EIER (1995) bezeichnet diejenige Einheiten, die hier zur Diskussion stehen, mit Wort. Hinsichtlich des alternativen Ausdrucks Lexem schreibt er, daß er „für den Gebrauch des Begriffes ,Lexem' keine Notwendigkeit" sehe (LUTZEIER 1995, 39). Als Begründung gibt er auf der folgenden Seite an, daß meist nicht ganz klar sei, „ob es sich um eine Einheit mit Form- und Inhaltsausprägung oder nur mit Formausprägung handelt." Dies mag richtig sein, aber aus praktischen Gründen wird hier der Terminus Lexem bevorzugt, da er nicht Element der Alltagssprache ist und damit sein Gebrauch nicht unerwünscht konnotiert ist. Außerdem wird der Wortbegriff spätestens bei Phraseologismen problematisch und wirkt bei seiner Anwendung auf Phraseologismen kontraintuitiv, denn nach LUTZEIER wäre der sprachliche Ausdruck ins Blaue hinein reden genau ein Wort - mit anderen Worten: Da Wörter in der Regel

5O

Kapitel 3

im Gegensatz zu phraseologischen Einheiten gesehen werden, die ihrerseits aus mehreren graphematischen Wörtern (oder: Wortformen) bestehen, ist der Terminus Lexem, unter den auch phraseologische Einheiten fallen können, dem Terminus Wort vorzuziehen. Außerdem sollte mit den Ausdrücken Wort und Lexem ein wichtiger Unterschied gekennzeichnet werden, der nicht verwischt werden darf:7 Mit Wort werden morphosyntaktische, extrapersonale Einheiten bezeichnet, zu denen grundsätzlich sämtliche Okkasionalismen zählen, während mit Lexem intra- bzw. interpersonale Einheiten des Lexikons bezeichnet werden, zu denen nur in seltenen Fällen Okkasionalismen (nämlich als Neologismen) gehören, wobei die Eigenschaft der Okkasionalität dann bereits im Schwinden begriffen ist. Anmerkung: Wenn hier und im Folgenden von „Lexemen" die Rede ist, so müßte es genauer heißen: Wissen über Lexeme, denn Lexeme sind das Ergebnis von Abstraktionsprozessen und sind extrapersonal. Tatsächlich aber geht es hier und im Folgenden über das intrapersonale Wissen über Lexeme, das im Kognitionsapparat des Menschen zu verorten ist. Wissen - und damit auch Wissen über Lexeme - existiert nie außerhalb des Menschen. Was außerhalb des Menschen beobachtet werden kann, sind ausschließlich konkrete Materialisationen der den Lexemen korrelierten Formseiten, nie aber Lexeme (oder Wissen über Lexeme) selbst oder die Formseite eines Lexems schlechthin.

Auch GALLMANN (1991) differenziert zwischen Wort, Lexem, Listem und Lemma und erkennt damit die Verschiedenartigkeit von Wörtern und Lexemen an. Wort (genauer: syntaktisches Wort) definiert er wie folgt: [|2 3-8: GALLMANN 1991,263] Ein syntaktisches Wort ist eine abgeschlossene morphologische Einheit mit bestimmten formalen Merkmalen [...] sowie bestimmten grammatischen und/oder inhaltlichen Merkmalen [...], die eine Position in einer syntaktischen Struktur einnehmen kann.

Gemäß diesem Verständnis handelt es sich bei dem Auftreten von in den nächsten beiden Sätzen um zwei verschiedene syntaktische Wörter, da das eine im Nominativ und das andere im Akkusativ steht (cf. ibd.~): Bj.u Bj.ib

Der eine Turm war vierzig Meter hoch. Wir sind auf den höheren Turm geklettert.

Ein solcher (syntaktischer) Wort-Begnff ist natürlich sehr eng und läuft dem intuitiven Verständnis darüber, was ein Wort ist, zuwider. Auch von wissenschaftlichen Begriffsklärungen muß aber gefordert werden, daß sie nicht kontraintuitiv sind. - Das Lexem definiert GALLMANN dann wie folgt: [Q3-9: GALLMANN 1991, 267] Ein Lexem ist ein Paradigma von syntaktischen Wörtern, die sich nur in bestimmten Flexionsklassen voneinander unterscheiden.

Da nun für GALLMANN (1991) auch bestimmte Formen des Wortartwechsels zur Flexion gehören, z.B. die Konversion zu deverbalen Substantiven, wird sein Ansatz spätestens an dieser Stelle m.E. nicht mehr tragbar. So sind beispielsweise schreibt, schrieb, Schreiben, geschriebenen und schreibende in den Sätzen: 7. FLEISCHER/BARZ ('1995, 23) schreiben z.B.: „Während der Terminus Wort eine W[ort]B[ildungs]K[onstruktion] nach ihrer morphosyntaktischen Struktur kennzeichnet, bestimmt sie Lexem als eine im Wortschatz gespeicherte semantische Einheit, die als Benennung einen Begriff repräsentiert und syntaktisch autonom ist". Problematisch ist hier allerdings die Bestimmung des Lexems als eine „semantische Einheit".

Sind Bedeutungen im Wörterbuch? 83.23 Ba-a 63-20 63-20 B3-2e B3_2f

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Petra schreibt einen Brief. Petra schrieb einen Brief. Das Schreiben des Briefes dauerte länger als erwartet. Heute morgen war so viel los gewesen, daß Petra gar nicht zum Schreiben des Briefes kam. Über den fix und fertig geschriebenen Brief schüttete Petra aus Versehen Kaffee. Eine schreibende Katze habe ich noch nie gesehen, dafür aber viele Esel!

alles token für dasselbe Lexem (cf. GALLMANN 1991, 268seq.', oder cf. für das verbale Lexem lesen und das adjektivische Lexem genau: ibd., 272)! Allerdings ist die Diminutivbildung bei Nomina durch die Suffigierung mit -chen s.E. nicht zur Flexion zu zählen, sondern zur Lexembildung; damit gehören Bild und Bildchen zu verschiedenen Lexemen (cf. GALLMANN 1991, 2~i4seq.). Es ist unverständlich, weshalb die Diminutivbildung bei Nomina mit -chen, bei der schließlich die Wortart erhalten bleibt und die semantisch durchsichtig ist, zur Lexembildung gehört, während die Konversion von Verben zu Substantiven zur Flexion gehört und damit ein flexivischer Wortartwechsel angenommen werden muß, zumal das Konversionsprodukt mitunter idiomatisch ist. Darauf weist GALLMANN (1991, 278) selbst hin (cf. z.B.: essen - Essen), so daß zwei verschiedene Lexeme angesetzt werden sollten. Außerdem konstatieren FLEISCHER/B ARZ C I 995> 7) fi*r die deverbale Konversion eine Bedeutungsveränderung, nämlich von ,Prozeß' zu ,Substanz', und die Konversion selbst zählen die Autoren zur Peripherie der Wortbildung und nicht der Flexion? Es sei nun festgehalten: Lexeme finden ihre Manifestationen in graphematischen Wörtern (sensu BÜNTING/BERGENHOLTZ 3i995); mitunter kann diese aber auch mehr als ein graphematisches Wort umfassen (z.B. bei Phraseologismen), oder sie ist auch auf einer unteren Ebene zu finden (z.B. produktive Wortbildungsmorpheme wie -heit). Darüber hinaus fassen Lexeme - i.S.v. grammatischen Wörtern - solche graphematischen Wörter zusammen, die sich nur hinsichtlich der Flexion unterscheiden. Schließlich besitzt ein Lexem quasi eine »Aktivierungsfunktion« der intraindividuellen Bedeutung, so daß ein Sprecher/Schreiber und ein Hörer/Leser in einer Kommunikationssituation mit der sprachlichen Form sofort die depräsente Bedeutung hat. - Im Folgenden sind weitere Konkretisierungen zu leisten. Lexeme (als Synonym für sprachliche Zeichen) weisen immer eine Form und einen Inhalt auf (oder anders ausgedrückt: Wenn eine Person ein Wissen über ein Lexem besitzt, so hat sie immer auch ein Wissen über eine sprachliche Form und einen Inhalt). Sprachliche Formen, denen keine Inhalte korreliert sind, können u.a. auf der phonologischen und der graphematischen Ebene angetroffen werden. Diese nennt z.B. HEGER ('1976, 40seq.) Distingeme. HEGER unterscheidet nämlich im Hinblick auf die double articulation von A. MARTINET zwischen signißkativen Linguemen (i.e.: Signeme) und distinktiven Linguemen (i.e.: Dislingeme). Distingeme können nach HEGER ('1976, 41) u.a. sein: Phoneme, Grapheme und Takteme. (Allerdings kann hier nicht auf die komplexe und umfangreiche Theorie von HEGER näher eingegangen werden.) Sprachliche Formen, denen Inhalte korreliert sind, sind auf verschiedenen Ebenen anzutreffen, beispielsweise auf der Morphemebene: grammatische Morpheme, wie ({ge en}, , PERFEKT'), lexikalische Morpheme, wie ({grün}, ,grün'), gebundene Morpheme, wie ({rechn}, ,rechnen'), und freie Morpheme, wie ({du}, ,du'). Außerdem gibt es Phraseologismen, wie frank und frei oder bei jm. einen Stein im Brett haben, deren Bedeutung keine 8. Es ist allerdings kritisch zu fragen, ob mit der Konversion grundsätzlich eine Hypostasierung verbunden ist.

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Kapitel 3

Funktion ihrer Bestandteile ist, die also nicht nach dem sog. pREGE-Prinzip9 funktionieren und damit nicht kompositionell sind. Auch diese Einheiten sind als Form-Inhalt-Komplexe anzusehen und damit zu den Lexemen zu rechnen. Schließlich sind Phrasen, Sätze und ganze Texte sprachliche Zeichen, denn sie bestehen aus einer Form und einem Inhalt, worauf bereits HENNE (1972,18) hinweist. Daß solche größeren sprachliche Ausdrücke kognitiv als Einheiten zur Verfügung stehen und darüber hinaus auch ganze Sätze, die kompositioneil sind, wie: Was kostet das?, Die Zeiten ändern sich oder: Kann ich Ihnen behilflich sein? (als Eröffnungsfrage in einem Verkaufsgespräch), dazu vergleiche man u.a. FEILKE (1993).'° Auch SCHÖNEFELD (1997) konstatiert, daß kognitiv sehr viele größere syntaktische Einheiten verfügbar sind und damit Äußerungen nicht immer nur aus minimalen lexikalischen Einheiten (»Wörtern«) zusammengesetzt werden: [fSI 3-10: SCHÖNEFELD 1997,50] The repetitive occurrence of particular patterns, both structural and lexical, suggests that the language user does not always compute his/her utterances by applying general construction rules to the constitutive elements of this language, but that s/he might just as well have representations of larger constructions which are holistically retrieved and inserted into the utterance under construction.

FLEISCHER/BARZ Ci995> 16) trennen diese kognitive Verfügbarkeit von umfangreicheren sprachlichen Einheiten ohne semantische Demotivierung im Anschluß an COULMAS (1985) als Speicherung im Sprachgedächtnis von der eigentlichen Lexikalisierung. Demnach kommt nach FLEISCHER/BARZ ('1995) solchen Einheiten kein Lexemstatus zu. Hier ist allerdings zu bedenken, daß es sich z.B. bei Gesprächssteuerungs- und Routineformeln um Grenzfalle der Lexikalisierung handelt, worauf auch COULMAS (1985, 264) selbst hinweist: Sie sind zwar einerseits motiviert, stehen aber einem größeren Sprachkollektiv als Ganzes kognitiv zur Ver9. Das in der Linguistik unter dem Namen FREGE-Prinzip bekannte Kompositionalitätsprinzip der Bedeutung besagt, daß die Bedeutung eines ganzes Satzes sich aus den Bedeutungen seiner Teile zusammensetzt (cf. z.B. LYONS 1991, 21). Tatsächlich aber warnt FREGE davor, dieses Prinzip auf diese Weise zu interpretieren, wie FALKENBERG (1998, 40 seq.) ausführt. Statt dessen reformuliert FALKENBERG (1998, 41) das FREGEPrinzip wie folgt: „Ein Satz hat Bedeutung^ dann und nur dann, wenn alle seine Teile Bedeutung? haben". Zur Belegung dieser Behauptung verweist er auf G. FREGE: „Logik in der Mathematik." In: Nachgelassene Schriften. Hrsg. v. H. HERMES, F. KAMBARTEL, F. KAULBACH: Hamburg: Meiner 1969, 262. Für diese Arbeit gelte jedoch, daß der Terminus FREGE-Prinzip im Sinne der eingespielten linguistischen Tradition benutzt wird. Darüber hinaus muß allerdings die Frage aufgeworfen werden, inwiefern natürliche Sprache überhaupt hinsichtlich der Bedeutung (in einem trivialen, konkatenierenden Sinne) kompositioneil ist: Ist ein roter Bleistift in dem Satz: Gib mir mal den roten Bleistift! immer ein (Färb-) Bleistift, der rot schreibt, oder kann es nicht auch ein Bleistift sein, der rot lackiert ist (Beispiel aus HAMPE 1998, 225, nach M. TURNER/G. FAUCONNIER). Insofern ist m.E. das Kompositionalitätsprinzip grundsätzlich in Frage zu stellen und die Bedeutung immer auch kontextabhängig. HAMPE (1998, 227) resümiert deshalb im Anschluß an TURNER/FAUCONNIER: „we can say that a simple notion of compositionality which suggests that lexical items with fixed meaning values can be combined to produce complex units with predictable meanings is an illusion". 10. Interessant ist auch, was MARCEL PROUST in seinem Roman Auf der Suche nach der verlorenen Zeit, Frankfurt/M 1979, p. 3078, bemerkt: „denn es gibt gewisse nicht einmal allzu banale Formulierungen, die ein spezielles Thema, ein besonderer Umstand zwangsläufig in dem Gedächtnis des Sprechers auftauchen läßt, welcher gleichwohl seine Gedanken ganz unbefangen auszudrücken meint, dabei aber nur mechanisch die aller Welt bekannte Lektion wiederholt". Es werden also in der Rede weitaus mehr syntaktisch vorgeprägte Einheiten als Ganzes rekapituliert denn kompositionell zusammengesetzt, als es auf den ersten Blick den Anschein haben mag.

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fugung, sie werden also nicht im Akt der Sprachproduktion zusammengesetzt, sondern als Einheit reproduziert. Wenn nun, so COULMAS (1985, 264), die Modellierung eines Lexikons Ökonomieansprüchen genügen muß, dann gehören solche Einheiten nicht zum Lexikon; soll jedoch der kognitive Befund modelliert werden, dann gehören sie durchaus dazu. Insofern wären neben Phraseologismen auch (motivierte) Kollokationen, Syntagmen, Teilphrasen, Sätze und Texte zu den Lexemen zu zählen. Im Gegensatz dazu stehen beispielsweise Gedichte nur wenigen Individuen kognitiv zur Verfugung und nicht einem größeren Sprachkollektiv, so daß Gedichte, die z.B. Schüler auswendig gelernt haben, oder eine Rolle in einem Drama, die sich z.B. ein Schauspieler erarbeitet hat, nicht zu den Lexemen zu zählen sind. Es ist allerdings in dem hiesigen Rahmen - der u.a. durch die Belange der Lexikographie abgesteckt wird - nicht in jedem Falle sinnvoll, Texte, Sätze und Teilsätze als sprachliche Zeichen anzusehen und diese damit als Manifestationen der Formseite zu den Lexemen zu zählen, da mit einer solchen Konzeption die Kardinalität der Menge an Lexemen einer Sprache ins potentiell Unendliche extrapoliert werden würde mit den entsprechend unerwünschten Konsequenzen für die Lexikographie. Unter diesem Aspekt soll deshalb in einem ersten Schritt festgelegt werden, daß nur diejenigen Form-Inhalt-Komplexe als Lexeme anzusehen sind, deren Bedeutung sich nicht kompositionell aus ihren Bestandteilen ergibt. Dies hat allerdings zur Folge, daß zwar die Phraseologismen zusammen mit den freien und gebundenen Morphemen zu den Lexemen gehören, es fallen jedoch gleichzeitig wichtige Einheiten heraus, wie z.B. das mit dem Derivationssuffix -heit gebildete Lexem Krank-heit, motivierte Komposita wie Buchseite oder der Infinitiv des Verbs rechn-en mitsamt seinen flektierten Formen, denn rechnen läßt sich (in einer bestimmten Lesart) kompositionell motivieren durch ,rechnen' und .INFINITIV. Ebenso gehören Verben mit abtrennbarem Präfix, wie herunterfallen in dem Satz: 83.3

Hör auf, so zu wackeln, sonst fällt noch die Vase herunter!

nicht mehr dazu, denn die Inhaltsseite von herunterfallen kann kompositionell aus herunterund -fallen abgeleitet werden. (Außerdem bildet herunterfallen in dem Beispielsatz nicht einmal mehr eine formale Einheit, denn zwischen den Komponenten fällt und herunter steht noch die Pose!)11 Und schließlich gibt es noch weitere, kognitiv als Einheiten verfugbare sprachliche Entitäten, wie Kollokationen (z.B. Zähne putzen; blondes Bier), Syntagmen (z.B. zur Miete wohnen), Bindestrichwörter, feste Redewendungen (z.B. Leck mich am Arsch!; bis bald) oder sprichwörtliche Redensarten (z.B. wie du mir, so ich dir; wer ändern eine Grube gräbt, fällt selbst hinein), die dann ebenfalls nach der obigen Einschränkung nicht zu den Lexemen zählen. Um nun diese Probleme zu lösen, soll für das Deutsche festgelegt werden: Wenn die Formseite eine der folgenden Bedingungen erfüllt, dann gehöre der ganze Form-Inhalt-Komplex zur Klasse der Lexeme: -

wenn die der Formseite korrelierte Inhaltsseite sich nicht kompositionell aus echten Teilen der Formseite erschließen läßt (damit sind - neben den Morphemen - Phraseologismen zu den Lexemen zu zählen, nicht aber Sätze oder gar ganze Texte);

11. Für HENNE (1972, 24) gehören die genannten Beispiele nicht mehr zu den Pleremen des Ranges RI, sondern sie gehören als Synplereme zu einem höheren Rang RI+„, wobei er zwischen Derivatemen, Kompositemen und Flektemen unterscheidet. Diesem Vorschlag wird hier allerdings nicht gefolgt.

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-

wenn die der Foraiseite korrelierte Inhaltsseite sich kompositioneil aus echten Teilen der Formseite erschließen läßt, dann ist dennoch der ganze Form-Inhalt-Komplex als Lexem anzusehen, wenn eine der folgenden Bedingungen erfüllt ist: - der Form-Inhalt-Komplex ist das Produkt von Derivationsprozessen (sensu FLEISCHER/BARZ !I995, 46) und/oder - der Form-Inhalt-Komplex ist das Produkt von Kompositionsprozessen (sensu FLEISCHER/BARZ '1995, 45 seq.) und/oder - der Form-Inhalt-Komplex ist das Produkt von sonstigen Wortbildungsprozessen (wie z.B. Wortkreuzung oder Reduplikation; cf. FLEISCHER/BARZ '1995,47seq.). (Damit gehören Buchseite, Krankheit, herunterfallen, fällt... herunter und rechnest zu den Lexemen.) Anmerkung l: Syntagmen, Redewendungen, Nominationsstereotypen u.a. fallen damit nicht unter den hier festgelegten Begriff des Lexems. Dennoch ist es notwendig, daß solche größeren, kognitiv als Ganzes zur Verfügung stehenden Einheiten, die im Gegensatz zu Sprichwörtern oder gar Gedichten nicht zitiert, sondern reproduziert werden (cf. FLEISCHER '1997, ?6),12 bei der endgültigen Definition des Lexems insofern berücksichtigt werden, daß sie zwar keine Lexeme darstellen, aber mit diesen - auf welche Art auch immer - verknüpft sind (cf. 3-2, p. 67). Anmerkung 2: Kollokationen werden - genau genommen - hier nur unbefriedigend berücksichtigt: Einerseits zählen manche von ihnen mit den obigen Festsetzungen zu den Phraseologismen und damit zu den Lexemen, da sich ihre Inhaltsseite nicht kompositionell aus echten Teilen der Formseite erschließen läßt, wie z.B. in blondes Bier (außer man nimmt an, daß eine Bedeutung von blond die Farbe von hellem Bier bezeichne), andererseits zählen manche nicht zu den Lexemen, da sich ihre Inhaltsseite kompositionell aus echten Teilen der Formseite erschließen läßt, wie z.B. in Zähne putzen. Auch hier muß sicher gestellt werden, daß letztere bei der endgültigen Definition des Lexems berücksichtigt werden, denn DaF-Leraer müssen sowohl blondes Bier als auch Zähne putzen als Ganzes lernen. Überhaupt muß vom Standpunkt der DaF-Lerner die strenge Distinktion von Phraseologismen und Kollokationen kritisch hinterfragt werden. Anmerkung 3: Die Unterscheidung von HJELMSLEV zwischen Ausdruckssubstanz und Ausdrucksform wird hier nicht berücksichtigt. Näheres dazu findet sich u.a. bei WIEGAND (1970, 271-273). Anmerkung 4: Daß Form-Inhalt-Komplexe, die Ergebnis von Flexionsprozessen sind, nicht als zwei Lexeme anzusehen sind, obwohl deren Gesamtbedeutung - bei Verben - sich kompositionell aus der Bedeutung des Stamms und der Flexionsendung ergibt, dazu vergleiche man die folgenden Ausführungen.

Wurde oben darauf hingewiesen, daß es sich innerhalb eines strukturalistischen Ansatzes immer dann um « sprachliche Zeichen handelt, wenn einer Form n Inhalte korreliert sind, so gilt auch umgekehrt, daß immer dann, wenn einem Inhalt (beispielsweise ,Orange') m Formen (beispielsweise die vier Formen: [apfal'ziaia], [apfal'ziinan], [o'räga] und [o'rärjan]) zugeordnet sind, es sich wiederum um m sprachliche Zeichen handelt, nämlich: Zi = (Fi, Ii), , = (F2, Ii), ..., Zm = (Fm, Ii). Eine solche Konzeption kann unter gewissen Bedingungen sinnvoll sein, unter einem lexikologischen Aspekt, insbesondere wenn dieser noch auf die Lexikographie ausgerichtet ist, ist es besser, bestimmte Formen, die von nun an Formative genannt werden, in einem Formenparadigma zusammenzufassen. Hier wäre es beispielsweise sinnvoll, einerseits [apfal'ziais] und [apfsl'zKnan] und andererseits [o'rärjs] und [o'rä^an] in zwei verschiedenen Paradigmen zusammenzufassen, da es sich einerseits um verschiedene Stammmorpheme (({Apfelsine}, ,Apfelsine') vs.: ({Orange}, ,Orange')) und andererseits um ver-

12. An anderer Stelle weist FLEISCHER jedoch daraufhin, daß eine strikte Trennung letztlich nicht möglich ist: „Man darf heute wohl von der Erkenntnis ausgehen, daß nicht nur lexikalische Einheiten im engeren Sinn bei einer Äußerung .reproduziert' werden, sondern [auch] .vorgeformte' Satzstücke, Sätze und Satzkomplexe, je nach dem Grad der Entwicklung individueller sprachlich-kommunikativer Fähigkeiten und Fertigkeiten, in Abhängigkeit natürlich auch von den Zielen und Aufgaben des jeweiligen Kommunikationsereignisses und der Kommunikationssituation." (FLEISCHER '1997,63.)

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schiedene Flexionsformen desselben grammatischen Wortes (z.B. Orange- und Orange-0) handelt. Ebenso seien die Formen paß aufm dem Ausruf: B3^a

Paß endlich auf!

und aufpassen in der Drohung: B3.4b

Ich habe dir schon zweimal gesagt, daß du aufpassen sollst - ein drittes Mal sage ich es dir nicht!

Formative ein und desselben Formenparadigmas. Ein Formenparadigma ist mit anderen Worten nichts anderes als das Flexionsparadigma eines Formativs mitsamt der Angabe darüber, ob ein Präfix abgetrennt werden kann oder nicht. Dieses Formenparadigma gehöre als Ganzes zu einem Lexem. Damit müssen für flektierte Formen nicht kontraintuitiv jeweils zwei Lexeme angesetzt werden (nämlich eines für den Stamm und eines für die Flexionsendung), sondern nur ein einziges Lexem. Das Formenparadigma ist jedoch nicht nur eine Liste von flektierten Formativen, sondern der Flexion sind bereits morpho-semantische Informationen inhärent. Bei sprachlichen Zeichen der Kategorie Verb sind dies Informationen zur Person, zum Numerus, zum Tempus und zum Modus sowie zur Finitheit/Infmitheit des Verbs (das Genus kann vernachlässigt werden, weil das Passiv im Deutschen mit einem Hilfsverb gebildet wird und damit analytisch ist). Beispielsweise können den drei flektierten Formativen gehen, gehst und gingen folgende morpho-semantische Informationen entnommen werden: gehen: 1) als infinite Verbform: a) Infinitiv (genauer: Infinitiv I Aktiv;13 dieser wird benötigt, um das Futur I und das wwrc/ew-Konditional zu bilden); 2) als finite Verbform: a) i. Person Plural Präsens Indikativ (Aktiv); b) 3. Person Plural Präsens Indikativ (Aktiv); c) i. Person Plural Präsens Konjunktiv (Aktiv); d) 3. Person Plural Präsens Konjunktiv (Aktiv). gehst: i) 2. Person Singular Präsens Indikativ (Aktiv). gingen: 1) I. Person Plural Präteritum Indikativ (Aktiv); 2) 3. Person Plural Präteritum Indikativ (Aktiv); 3) i. Person Plural Präteritum Konjunktiv (Aktiv); 4) 3. Person Plural Präteritum Konjunktiv (Aktiv).

Das bedeutet, daß dem Formativ gingen, das zu einem bestimmten Formenparadigma gehört (meist repräsentiert durch die Angabe des Infinitivs), vier disjunkte morpho-semantische Bedeutungen eigen sind, die im Gegensatz dazu den Formativen gehst oder gehen nicht zugewiesen werden können. In diesem Fall ist es sogar so, daß keine zwei verschiedene Formative eine morpho-semantische Bedeutung miteinander gemeinsam haben - wohlgemerkt: immer nur hinsichtlich Person, Numerus, Tempus und Modus zusammengenommen. Dies muß aber nicht so sein. Beispielsweise haben "backt und bäckf oder "backte und das (so das DuDEN-2DUW) veraltende buk* folgende Bedeutungen gemeinsam (andere Beispiele

13. Cf. hierzu: HELBIG/BUSCHA (1986, 105).

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wären - nach HELBIG/BUSCHA 1986, 47 - u.a. melken, ^melkte/molk^, '^gemelkt/gemolken' oder: klimmen, ^klimmte/klomm", "^geklimmt/geklommen): backt l bäckt: i. 3. Person Singular Präsens Indikativ (Aktiv). backte l buk: 1. i. Person Singular Präteritum Indikativ (Aktiv); 2. 3. Person Singular Präteritum Indikativ (Aktiv).

Daraus kann geschlossen werden, daß es auch konkurrierende flektierte Formative gibt. Im Unterschied zu beispielsweise CRUSE (1986) wird hiermit nicht von einem rein morphologischen Formenparadigma ausgegangen, dem als Ganzes die Inhaltsseite korreliert ist, sondern von einem morpho-semantischen Formenparadigma, dessen Formative untereinander bereits emisch sind. Ganz ähnlich legt auch LUTZEIER (1995, 42seq.) die Formseite von sog. Wörtern fest. Gegen die Integration der ganzen Flexionsklasse in das Lexem könnte eingewendet werden, daß es Indizien dafür gibt, daß die Flexionsendung im Gegensatz zu den Derivationssuffixen (z.B. Ordn-ung), -präfixen (z.B. Un-glücK) oder -zirkumfixen (z.B. Ge-sing-e; cf. FLEISCHER/B ARZ '1995, 46) erst im Akt der Sprachproduktion angehängt wird, daß also das Flexionsparadigma kognitiv in einem separaten Modul organisiert sein muß (cf. AITCHISON 1997, 158-173). Diesem psycholinguistischen Befund könnte leicht dadurch Rechnung getragen werden, daß in einem Modell des Lexems lediglich die Form des Starnmorphems verzeichnet ist. Die Flexionsendungen würden dann regulär über ein Flexionsmodul angehängt werden. Entscheidend ist dabei allerdings, daß in dem Flexionsmodul nicht nur die Flexionsendungen aufgeführt sein müßten, sondern darüber hinaus auch deren morpho-semantische(n) Bedeutung(en). Das hat aber zur Folge, daß die bisherige Konzeption des Lexems problemlos entsprechend den psycholinguistischen Forschungsergebnissen modifiziert werden kann, ohne daß sich etwas grundsätzlich ändern würde. Daß hier - unökonomischerweise - das ganze Flexionsparadigma im sprachlichen Zeichen integriert wird, hat letztlich nur praktische Gründe: Es braucht nämlich nicht expliziert zu werden, wie das Flexionsmodul selbst und die Verbindungen en detail beschaffen sind. Doch in welcher Form (bzw.: in welchen Formen) manifestiert sich ein Formativ? Dies kann auf vielfältige Weise geschehen. Einige seien hier genannt, wobei nicht der Anspruch erhoben wird, exhaustiv zu sein: -

die moderne orthographische Realisierung eines Lexems des Deutschen direkt vor der Rechtschreibreform (z.B. gemäß den Vorschriften im DUDEN-™!); - die moderne orthographische Realisierung eines Lexems des Deutschen nach der Rechtschreibreform (z.B. gemäß den Vorschriften im DUDEN-"i); - nichtorthographische (kreative) Realisierungen eines Lexems des Deutschen (z.B. bei einem Autor wie ARNO SCHMIDT, der auf p. 3 von Julia oder die Gemälde neben anderen folgende Schreibungen präsentiert: Wildpret. MelonenFresser, LaxhsPastete. nb [wohl für: nebenbei], SchweizerKäse, Frikandellen, FÜRSTENHOF, se [für: sie], Ermurmelt, Brauchen, Fucktotum); - nicht-orthographische (defiziente) Realisierungen eines Lexems des Deutschen, beispielsweise bei Grundschülern, um auf diese Weise die spezifischen Probleme bei der Erlernung der deutschen Rechtschreibung herauszufinden; - historische orthographische Realisierungen eines Lexems des Deutschen; - individuelle schriftliche Realisierungen von Lexemen des Deutschen (z.B. die verschiedenen schriftlichen Realisierungen von bestimmten Lexemen bei GOETHE);

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die moderne orthoepische Realisierung eines Lexems des Deutschen gemäß der Hochlautung (z.B. nach SIEBS "DTAUSSPR); die moderne orthoepische Realisierung eines Lexems des Deutschen gemäß der Standardlautung (z.B. nach DUDEN-36); die phonetischen Realisierungen eines Lexems des Deutschen gemäß den Umgangslautungen; eine moderne dialektale Realisierung eines Lexems des Deutschen; idiolektale Realisierungen eines Lexems des Deutschen.

Zweifellos ist die orale Form des sprachlichen Zeichens die primäre, entsprechend den vier Prioritäten der gesprochenen Sprache (cf. LYONS '1987, 21-23). In literalen Gesellschaften gewinnt jedoch die scribale Form des sprachlichen Zeichens an Bedeutung, weshalb hier sowohl das orale als auch das scribale Formativ konstitutiv zur Formseite des sprachlichen Zeichens gehören soll. Darüber hinaus ist noch auf folgendes hinzuweisen: Neben den genannten Formausprägungen eines Formativs kann man heute mit AITCHISON (1997, 178-182) davon ausgehen, daß zusätzlich der Rhythmus eines Wortes im mentalen Lexikon verfugbar ist, d.h. mit einem Lexem sind auch Informationen über die relative Betonung sowie über Länge und Kürze der Vokale verbunden. Bei einem Formativ wie duplizieren könnte man sich dessen Rhythmus etwa wie folgt visualisieren (wobei „·" für Kürze und „-" für Länge steht; die Anzahl der Zeichen symbolisiert deren relative Intensität):

d u p l i ^s i: r s n

Deshalb soll auch der Rhythmus genuin zum Formteil des sprachlichen Zeichens und damit des Lexems gehören. Die Manifestationen des Formati vs (die genau genommen Abstraktionsklassen von je einzelnen und nicht wiederholbaren konkreten Manifestationen sind) können im morphosemantischen Formenparadigma in einem w-Tupel (mit « > 2) aufgelistet werden, so daß man z.B. für die 2. Pers. Sg. Präs. Ind. (Akt.) von duplizieren für die orthographische, rhythmische, orthoepische und eine beliebige dialektale Realisierung erhält:
! ) . Zum w-Tupel der flektierten Formative gehöre obligatorisch mindestens eine orale (inkl. rhythmische) und eine scribale Realisierung, so daß für m grundsätzlich gilt: m > 2. Kurz:

14. Eine Tupelkomponente (oder: Koordinate), das sei hier angemerkt, ist ein a, aus dem w-Tupel (a\, ai, ..., a„) mit n e N. Die /-te Tupelkomponente ist das a( aus dem Tupel (a\, a-z,,.., a„) mit ! < ; < « .

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Kapitel 3 morpho-semantischesFormenparadigma = ((A btrennbaresPräfix), (((Formativ\.\, ...,Formativi.}), (morpho-semantischeBedeittung\. j,..., morpho-semantischeBedeutung\ J)), ((Formativ2.\, ...,Fo/Tmrt/v2.*),

(morpho-semantischeBedeutung2. i,..., morpho-semantischeBedeutung2./)), • - ·» {(Formative i,..., Formativ^}, (morpho-semantischeBedeutungx.\, ..^morpho-semantischeBedeutung^))). Anmerkung i: Es ist klar, daß für das Deutsche die orthographische Realisierung vor und nach der Rechtschreibreform im morpho-semantischen Formenparadigma z.B. dadurch angegeben werden kann, daß vereinbart wird, daß die Tupelkomponente Formativ„j die orthographische Realisierung vor der Rechtschreibreform wiedergibt und die Tupelkomponente Formativ„j die orthographische Realisierung nach der Rechtschreibreform. Ebenso ist es in dieser Konzeption leicht möglich, konkurrierende Schreibungen (wie z.B. und y" bedeutet soviel wie* ist eine Spezifizierung bezüglich y (bzw.: y ist eine Generalisierung von x); „x > y" bedeutet soviel wie ist eine Generalisierung bezüglich y (bzw.: y ist eine Spezifizierung von x) 15. Zu beachten ist hier zweierlei: Aus welchen Gründen auch immer, steht die Bedeutungsangabe von la) vor der Polysemieangabe ,,a)", so daß „einem seine Untergebenheit oder auch nur Ergebenheit tätig beweisen" korrekterweise nachgesetzt werden müßte. Zum anderen wird im semantischen Subkommentar Ib) - ganz modern und entsprechend den Forderungen von HAUSMANN (1997) - zuerst die Kotextpartner genannt, bevor die Bedeutungsparaphrasenangabe zu dem SynsemantikonH erfolgt.

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6l

Ende des Exkurses. -

Aber nicht nur zwischen den Inhalten eines Lexems bestehen lexikalsemantische Beziehungen, sondern auch zwischen Lexemen. Im Rahmen seiner Wortfeldtheorie macht schon 1931 JOST TRIER darauf aufmerksam. Für ihn sind die Beziehungen eines Wortes zu den Wörtern desselben Feldes maßgebend dafür, daß das einzelne Wort verstanden werden kann: Es gewinnt seine Bedeutung erst in Bezug auf die kontrastierenden Wörter des Wortfeldes. Er fuhrt diesbezüglich aus: [Q 3-13: TRIER 1931 ['73], 5] Das Wortzeichenfeld als Ganzes muß gegenwärtig sein, wenn das einzelne Wortzeichen verstanden werden soll, und es wird verstanden im Maße der Gegenwärtigkeit des Feldes. Es „bedeutet" nur in diesem Ganzen und kraft dieses Ganzen. Außerhalb eines Feldganzen kann es ein Bedeuten überhaupt nicht geben. Die allgemeine Lehre vom Bedeuten wird das weit mehr als bisher berücksichtigen müssen.

Die Plausibilität der Postulierung einer kognitionspsychologischen Realität von lexikalsemantischen Relationen haben beispielsweise KLIX/KUKLA/KLEIN (1976) untersucht. Sie unterscheiden zwischen (i) Sinnrelationen, die innerhalb von Begriffsstrukturen gelten, und (2) Sinnrelationen, die zwischen verschiedenen Begriffsstrukturen gelten. Dabei bilden die zwischenbegrifflichen Sinnrelationen, so die Annahme der Autoren, primäre Bedeutungseinheiten des Gedächtnisses, die evaluiert im Kognitionsapparat - beispielsweise als baumähnliche Strukturen - zum Abruf bereit stehen, während die innerbegrifflichen Sinnrelationen sekundär sind in dem Sinne, daß sie erst aus „Merkmalen" oder „Merkmalssätzen" abgeleitet werden müssen. Auch KLIX (1976) betont, daß insbesondere die zwischenbegrifflichen Sinnrelationen gedächtnis-psychologisch explizit repräsentiert werden; er schreibt: [H 3-14: KLIX 1976, tfseq.} Die als semantische Kerne ausgewiesenen Bindungen markieren im Sprachlichen den in der Wahrnehmung unmittelbar gegebenen Zusammenhang von Objekteigenschaft, Aktivität und Zustandsänderung. Sie weisen darauf hin, daß die elementaren Bedeutungseigenschaften des Gedächtnisses nicht nur durch die isolierte Worteintragung, sondern auch als Verbindung zwischen verschiedenen Wortklassen ihren Niederschlag finden." * Es spricht einiges dafür, daß die denotative, im strengen Sinne isolierte Ding- oder Vorgangsmerkmale belegende Bezeichnungsfunktion von Worten eine abgeleitete Bedeutungscharakteristik darstellt. Die ursprüngliche Bedeutungsbildung ist danach mit der Bindung von Situations- und Verhaltensseite durch Bewertung unlösbar verbunden. Da sind nicht der Hirte und ein Hörn und ein Ton, sondern es ist ein Hirte, der bläst, da als Wahrnehmungseinheit; nicht eine Seite Papier und Tinte und ein Federhalter und ein Klecks sind da, sondern eben ein klecksender Federhalter. Diese Art von Bedeutungseintragungen reflektiert die Einheitlichkeit der Anschauungswelt, auch in den Verknüpfungen sprachlicher Einheiten. Möglicherweise ist die denotative Funktion isolierter Worteintragungen eine Art Züchtungsprodukt differenzierter sozialer Kommunikation, die aufzunehmende Schärfe begrifflicher Unterscheidung hinwirkt.

Weiter bemerkt er zu den zwischenbegrifflichen Sinnrelationen: [H 3-15: KLIX 1976,40] So bilden Arzt und Behandeln, Lehrer und Lehren, Hammer und Pochen, Federhalter und Schreiben, Wasser und Schwimmen elementare Bedeutungseinheiten. Diese Bindungen drücken Grundbeziehungen zwischen Objekten und Aktivitäten in wohlbestimmten Situationen aus, in denen noch sehr viele andere Gegenstandsbeziehungen eine Rolle spielen. Und wenn, wie begründetermaßen möglich, derartige Beziehungen zum Klassifizierungskriterium gewählt werden? Dann müssen Beziehungen zwischen Klassen von Begriffen entstehen. Etwa bei Tätigkeiten die Beziehung zwischen Handlungsträger und Empfänger [...]. Es ist offenkundig: Solche Relationen zwischen Begriffsklassen reflektieren Grundtypen von Ereignissen im Gedächtnis.

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Kapitel 3

Die These der unterschiedlichen gedächtnis-psychologischen Repräsentation von innerbegrifflichen und zwischenbegrifflichen Sinnrelationen konnte auch empirisch verifiziert werden (cf. KLIX/KUKLA/KLEIN 1976). Die neun Sinnrelationen mit gedächtnis-psychologischem Realitätsanspruch sind (cf. ibd., 307): 1. zwischenbegriffliche Sinnrelationen: a) Handlungsträger-Relation, z.B.: Arzt - behandeln; Lehrer - unterrichten; b) Objekt-Relation, z.B. behandeln - Patient; unterrichten - Schüler, c) Instrument-Relation, z.B. behandeln - Arznei; unterrichten - Lehrmittel; d) Finalitäts-Relation, z.B. behandeln - Gesundheit; unterrichten - Bildung; e) Lokations-Relation, z.B. Arzt ~ Behandlungsraum; Schüler - Klassenraum; 2. innerbegriffliche Sinnrelationen: a) Relation der Über- bzw. Unterordnung, z.B. Arzt - Augenarzt; Lehrer - Klassenlehrer; b) Relation der Qualität, z.B. Patient - krank; Schüler -fleißig; c) Relation des Kontrastes, z.B. krank - gesund; fleißig -faul; d) Relation des Komparativs, z.B. krank - siechend; streng - autoritär.

Hinsichtlich der innerbegrifflichen Sinnrelationen der Über- bzw. Unterordnung weist AITCHISON (1997, 118) daraufhin, daß die Hyp(er)onymie-Relation in der Sprachverwendung eine relativ untergeordnete Rolle spielt im Vergleich zu anderen lexikalsemantischen Relationen.16 So benutzen Sprecher des Englischen z.B. lieber Konjunkte statt dem dazugehörigen Hyperonym und sagen brothers and sisters statt siblings. Außerdem ist zu beachten, daß das Hyperonym zu einem Lexem einer bestimmten Lesart sich je nach Aspekt ändern kann: Das Hyperonym zu Gummistiefel kann unter einem bestimmten Aspekt Schuh und unter einem anderen Regenkleidung sein. Oder: Die Hyperonyme zu Orange sind neben Zitrusfrucht, Südfrucht, Frucht, Obst, Kernobst, Argume und Rautengewächs auch Lebensmitlel(produkt) und Nahrung. Überhaupt sind die Hyperonyme sehr stark kontextabhängig. Beispielsweise kann zu Orange das kontextuelle Hyperonym Kugel sein, wenn man es im Verein mit Tennisbällen und im Kontrast zu Bananen und Schlagstöcken sieht, oder auch Natürliche Art, wenn man es in Opposition zu Artefakten wie Autos oder Nähmaschinen stellt. Aus dem Erläuterten ist nun zu folgern, daß bei den interlexematischen Relationen zwischen zwischenbegrifflichen und innerbegrifflichen lexikalsemantischen Relationen zu unterscheiden ist. Neben dem Wissen über die Inhalte gehört zum Wissen über Lexeme auch Wissen über ihre diasystematische Markierungen. Bezüglich der Markierung i.S.v. Auffälligkeiten bemerkt HAUSMANN: [3-16: HAUSMANN 1989,649] Wie alle Phänomene lassen sich auch die sprachlichen Phänomene einteilen in Zonen einerseits der Normalität, des unauffälligen Durchschnittst,] und andererseits der auffälligen Abweichung von der Normalität. [...] Es ist eine unmittelbare Auffälligkeit gemeint [...]. Solche Auffälligkeit ergibt sich durch ein gegenüber der Normalität zusätzliches Merkmal [...]. Dem Durchschnittsphänomen fehlt dieses Merkmal, es ist unmarkiert.

16. Cf. aber kritisch dazu HILLERT (1987), der die lexikalsemantische Hyp(er)onymie-Relation bei verschiedenen Aphasiker-Gruppen detailliert untersucht.

Sind Bedeutungen im Wörterbuch?

63

Mit „Phänomen" meint HAUSMANN wohl sprachliche Zeichen. - Eine (unvollständige) Übersicht über Markierungen17 in Wörterbüchern ist ebenfalls bei HAUSMANN zu finden: Kriteriu m

unmarkiert

markiert

Art

Temporalität Arealität

gegenwärtig gesamtsprachlich nationalsprachlich

alt vs. neu regional/dialektal entlehnt/fremd gesprochen vs. geschrieben Oberschicht vs. Unterschicht, Kinder/Schüler . .. formell vs. informell bibl. vs. poet. vs. /;'/. etc. fachsprachlich selten konnotiert unkorrekt

diachronisch diatopisch

Nationalität Medialität

neutral

soziokulturell Formalität

neutral

Textsone Tcehnizitat

neutral gemeinsprachl.

Frequenz Attitüde Normati vital

häufig neutral korrekt

neutral

diaintegrativ diamedial diastratisch diaphasisch diatextuell diatechnisch diafrequent diaevaluativ dianormativ

Tab. 3-1: Markierungen in Wörterbüchern nach HAUSMANN (1989, 651)

Es ist klar - und darauf weist HAUSMANN (1989, d^oseqq.) explizit hin - daß die Diasysteme sich nicht nur überschneiden und damit eine Markierungsangabe nicht immer eindeutig einer Markierungsdimension (in der obigen Tabelle Kriterium genannt) zugeordnet werden kann, sondern daß auch die diskreten Markierungswerte eine klar gestufte Skala suggerieren, obwohl ein (temporales, areales,...) Kontinuum zugrunde liegt. Diese Markierungen sind von der Bedeutung strikt zu trennen, da es nicht die Bedeutung eines lexikalischen Ausdrucks, wie z.B. Köter (i.S.v. ,Hund', nicht als Name einer bestimmten Hunderasse), sein kann, daß durch seinen Gebrauch eine bewertende, genauer: eine abwertende Haltung18 des Sprechers/Schreibers gegenüber einem derart bezeichneten Hund ausgedrückt wird, kurz: Sprechereinstellungen (und andere „Auffälligkeiten" des Diasystems bzw. der pragmatischen Markierung) sind nicht Teil der Bedeutung, sondern etwas, das der Form- und - wie sich gleich noch zeigen wird - der Inhaltsseite zugeordnet ist. Dies kann vielleicht durch folgende Überlegungen verdeutlicht werden: Peter kann einem Hundehalter,

17. Wieviel Ebenen diastratisch zu unterscheiden und wie diese im Wörterbuch darzustellen sind, darüber gibt es verschiedene Auffassungen. KÄGE (1980, 1145^17.) plädiert z.B. dafür, statt eine - wie bisher üblich reich differenzierte Taxonomie für Stilebenen ein rudimentäres Klassifikationssystem einzuführen, da seiner Meinung nach der Wörterbuchbenutzer ohnehin nur wissen will, ob ein Wort der Standardsprache angehört oder nicht. Konkret schlägt er vor: 1. Wörter der Standardsprache bleiben im Wörterbuch unmarkiert. 2. Wörter, die einer Stilebene angehören, die sich oberhalb der Standardsprache befindet, werden mit einem Dreieck „ " gekennzeichnet. 3. Wörter, die nicht der Standardsprache angehören, aber im nichtöffentlichen, privaten Gesprächskreis benutzt werden, werden mit einem Kreis „O" markiert. 4. Wörter, die einer Stilebene angehören, die sich unterhalb der Standardsprache befindet, werden mit einem Dreieck versehen, das auf der Spitze steht „V". 18. Cf. z.B. den Wörterbuchartikel zu Köter in DuDEN-!DUW (889"), wo es heißt: „Köjter, [...] (abwertend): Hund1'.

64

Kapitel 3

der seinen gefahrlich kläffenden Hund nicht angeleint hat, u.a. wahlweise folgende Äußerungen zurufen: Nehmen Sie bitte Ihren Hund an die Leine! Nehmen Sie bitte Ihren Köter an die Leine!

Die Wortbedeutung von Hund und Köter ist jeweils dieselbe und ebenso die der ganzen Satzäußerungen in 83-63 und 63^ - darüber hinaus wird durch die Wahl des Lexems Köter in B^^ zusätzlich eine sprecherseitige Haltung ausgedrückt, die dem Lexem Hund sowie der ganzen Satzäußerung in 83.63 nicht inhärent ist. Man vergleiche hierzu die folgenden Satzäußerungen, in denen versucht wird, die sprecherseitige Haltung, die in dem Lexem Köter zum Ausdruck kommt, durch die Verwendung des Lexems Hund und eines Attributs explizit zu machen: B3.ÄC Bs-id B3^e

Nehmen Sie bitte Ihren verdammten Hund an die Leine! Nehmen Sie bitte Ihren scheiß Hund an die Leine! Nehmen Sie bitte Ihren blöden Hund an die Leine!

Nicht möglich ist hingegen: 83.7

*Nehmen Sie bitte Ihren abwertenden Hund an die Leine!

Ebenfalls nicht akzeptabel ist (nach WIEGAND I979[8i], 170): Bs-ga B3.sb

*Ein Köter ist ein abwertender Hund. *Der sprachliche Ausdruck „Köter" bezeichnet einen abwertenden Hund.

Allerdings kann man folgenden Satz formulieren (nach WIEGAND I979[8i], 172): 83.93 83.91,

Das abwertende Wort „ Köter " ist eine Benennung für Hunde, bzw.: Der sprachliche Ausdruck „ Köter " bezeichnet auf eine abwertende Weise einen Hund.

Daraus ist ersichtlich, daß die pragmatische Markierung (hier: „abwertend") nicht zur Bedeutung eines sprachlichen Ausdrucks gehört. Aber auch Hund selbst kann abwertend gebraucht werden, nämlich dann, wenn damit z.B. auf Menschen Bezug genommen wird (wobei auf die Effekte des übertragenen Gebrauchs nicht eingegangen wird), beispielsweise in: 63.10

So ein verfluchter Hund hat erst mein Auto demoliert und ist dann weggefahren!

Das bedeutet nun, daß diasystematische Markierungen nicht allein der Formseite korreliert sind, sondern der Form- und der Inhaltsseite. Erst beide zusammengenommen ermöglichen es zu entscheiden, ob z.B. Hund gebraucht wird, um abwertend von Menschen zu sprechen, oder um damit auf Hunde - ohne jegliche evaluative Markierung - Bezug zu nehmen. Diese Überlegungen werden durch die Untersuchungen von WIEGAND (i979[8ij) gestützt. WIEGAND unterscheidet zwischen dem Wissen I, das quasi dem lexikalischen Wissen entspricht, und dem Wissen II, das über das Wissen I hinausgeht und u.a. situationeil determiniert ist; er schreibt: [3-17: WIEGAND 1979181], i65seq.] Das über das Wissen I hinausgehende Wissen ist [...] ein Wissen darüber, daß gleiches X in der kommunikativen Situation S| unter den Bedingungen xi, \2, x 3 ,... anders genannt wird bzw. genannt werden kann als in der kommunikativen Situation 82 unter den Bedingungen yi, yz, yj, ... Dieses Wissen heiße Wissen II. Ich nenne das Wissen II bewußt n i c h t pragmatisches Wissen'; denn auch das Wissen II möchte ich nicht nur als Kenntnis der pragmatischen Regeln verstehen, sondern zugleich als Wissen von außersprachlichen

Sind Bedeutungen im Wörterbuch?

65

Bedingungen, die erfüllt sind (bzw. erfüllt sein müssen), wenn ein Ausdruck kommunikativ angemessen verwendet wird (bzw. verwendet werden kann)."

Zu diesem Wissen II zählt u.a. dasjenige, was hier diasystematische Markierung genannt wurde. In der Literatur wird dieses Wissen - allerdings nicht in einer l: l-Entsprechung - auch wie folgt bezeichnet: ,Jionnotationen, Symptomwert, symptomfunktionale Merkmale, Konnoteme, Stileme, sozio-stilistische Merkmale u.a." (ibd., 167). Die Frage, ob das Wissen II (i) mit der Ausdrucksseite des sprachlichen Zeichens, (2) mit der Inhaltsseite des sprachlichen Zeichens oder (3) mit der Ausdrucks- und Inhaltsseite des sprachlichen Zeichens assoziiert ist, beantwortet WIEGAND, entsprechend den hiesigen Überlegungen, wie folgt: [03-18: WIEGAND i979[8i], ij2seq.] Eine pragmatische Markierung ist n i c h t als assoziiert mit der oder einer oder gar als Teil der oder einer Bedeutung eines lexikalisierten Sprachzeichens aufzufassen. Oder anders ausgedrückt: Pragmatische Regein sind nicht Teil der Bedeutung eines Zeichens. Pragmatische Regeln lassen sich auch kaum als .Bewertungen' (Restriktionen, Markierungen etc.) nur der semantischen Regeln auffassen. [...] Das bedeutet, daß die pragmatischen Regeln als auf das ganze Zeichen bezogen zu gelten haben. - Das heißt u.a. auch, daß z.B. solche Prädikate wie (bewertend), (ugs.) etc. nicht als Merkmale der Bedeutung (Komponenten, semantische Merkmale, symptomfunktionale Seme etc.) uminterpretiert werden sollten, sondern als verkürzte Formulierungen von pragmatischen Regeln für die kommunikativ angemessene Verwendung der Ausdrücke.

Auf Grund dieser Beobachtung muß das bislang als grundsätzlich bilateral konzipierte sprachliche Zeichen, das einerseits aus m Form- und andererseits aus n Inhaltsseiten besteht, zu einem mindestens dreidimensionalen Zeichen modifiziert werden, nämlich zu einem Zeichen, zu dem darüber hinaus eine - wie es hier genannt werden soll - Pragmaseite gehört. Die Pragmaseite enthält dabei nicht nur diasystematische Markierungen, sondern weitere pragmatische Regel(formulierunge)n, die beispielsweise die außersprachlichen Bedingungen nennen, die erfüllt sein müssen, damit das sprachliche Zeichen situationsspezifisch korrekt benutzt werden kann. Abschließend sei nochmals mit WIEGAND auf den Unterschied hingewiesen, der zwischen der Bedeutung und der pragmatischen Markierung eines sprachlichen Zeichens besteht: [03-19: WIEGAND i979[8i], 178] Die Bedeutung eines lexikalisierten Sprachzeichens (das zu bestimmten Wortklassen gehört) kennen, heißt zu wissen, auf welche Gegenstände es in usuellen Texten bezogen werden kann; die pragmatische Markierung eines lexikalisierten Sprachzeichens kennen, heißt abwägen zu können, unter welchen Bedingungen es angemessen ist, dieses Zeichen zu verwenden. Die Verwendungsmöglichkeiten eines lexikalisierten Sprachzeichens für usuelle Texte zu beherrschen, heißt daher, seine Bedeutung und seine pragmatische Markierung zu kennen.

Die Frage ist nun, welche pragmatische Dimensionen in einem Wörterbuch des Typs WB-10 lexikographisch berücksichtigt werden sollen und welche pragmatischen Kommentarausdriikke für die Beschreibung geeignet sind. Für die Dimension Bewertung werden nach WIEGAND (i979[8i], 179) „wenigstens" vier Kommentarausdrücke benötigt: 1. 2. 3. 4.

negativ bewertend (oder: abwertend); positiv bewertend; ambivalent bewertend und situationsspezifisch bewertend.

66

Kapitel 3

Eine Ausarbeitung von pragmatischen Dimensionen und zugehörigen pragmatischen Kommentarausdrücken steht m. W. noch aus und stellt ein wichtiges Desiderat dar. Dem Wissen über ein Lexem ist auch Wissen über die Wortart korreliert, wie kognitionslinguistische Beobachtungen nahelegen (cf. AITCHISON 1997, 127 seq.). Die Frage ist allerdings, ob bei Phänomenen, wie bei dem graphematischen Wort einen, das - allein von der Formseite aus betrachtet - Verb oder indefiniter Artikel sein kann, zwei Lexeme anzusetzen sind, wovon das eine das Verb und das andere der indefinite Artikel ist, oder ein einziges Lexem, das auf der Inhaltsseite den einzelnen Bedeutungen die Wortart Verb resp. indefiniter Artikel zuweist. Hier soll festgelegt werden, daß von zwei verschiedenen Lexemen auszugehen ist, da unterschiedliche Wortarten nicht nur verschiedene Arten von Bedeutungen zur Konsequenz haben, sondern weil daran in der Regel auch ein unterschiedliches syntaktisches Verhalten gekoppelt ist. Es soll also - auch unter einem praktischen Aspekt - davon ausgegangen werden, daß in dem besagten Fall zwei Lexeme vorliegen: ein Lexem, das den indefiniten Artikel, und ein anderes Lexem, das das Verb repräsentiert. Diese Festlegung wird in der hiesigen Konzeption eines Lexems dadurch reflektiert, daß die Wortart der Form- und der Inhaltsseite zusammengenommen korreliert ist. Das bedeutet, daß es sich bei einen um zwei homonyme Lexeme handelt, nämlich einerseits um ein Verblexem und andererseits um ein Artikellexem. Schließlich muß das Wissen über Verblexeme - und nicht nur dieses - mit Wissen über die syntaktisch zulässigen Strukturen verknüpft sein (cf. AITCHISON 1997, I42).19 Ein Verb wie schlafen verlangt syntaktisch und semantisch einen Schläfer; einem Verb wie singen hingegen sind viele verschiedene syntaktische (und semantische) Muster zugeordnet, wie die folgenden Beispiele zeigen: Peter singt. 83-1 ib Peter singt ein Lied. BM i c Peter singt ihr ein Ständchen.

Das intrapersonale Wissen über syntaktische Muster soll ebenfalls mit dem Wissen über ein Lexem assoziiert sein. Dabei ist es für die hiesige Zielsetzung wiederum irrelevant, wie sich die Architektur im einzelnen gestaltet. Nach diesem kursorischen und keineswegs vollständigen Überblick darüber, welches Wissen ein Wissen über ein Lexem impliziert, können die Beobachtungsergebnisse wie folgt zusammengetragen werden: ' -

-

Dem Wissen über ein Lexem ist Wissen über das (morpho-semantische) Formenparadigma korreliert. Dem Wissen über ein Lexem ist Wissen über dessen n Bedeutungen (bisher „Inhalte" genannt) korreliert. Dem Wissen über ein Lexem ist Wissen darüber korreliert, daß für bestimmte Bedeutungen das (morphosemantische) Formenparadigma eingeschränkt ist. Dem Wissen über ein Lexem ist Wissen darüber korreliert, daß - falls mehrere Bedeutungen unterschieden werden können - die verschiedenen Bedeutungen untereinander Elemente von lexikalsemantischen Relationen sind. Dem Wissen über ein Lexem und dessen Bedeutung(en) ist Wissen darüber korreliert, wie diese Bedeutung(en) mit der/den Bedeutungen) anderer Lexeme lexikalsemantisch relationiert sind. Dem Wissen über ein Lexem ist Wissen über die diasystematische Markierung(en) korreliert. Dem Wissen über ein Lexem ist Wissen über die Wortart korreliert.

19. Auf die Valenz- sowie auf die Rektionstheorie soll an dieser Stelle nicht eingegangen werden.

Sind Bedeutungen im Wörterbuch? -

67

Dem Wissen über ein Lexem ist Wissen über syntagmatische Verbindungen, in denen das Lexem im usuellen Gebrauch auftritt, korreliert. Dem Wissen über ein Lexem ist Wissen über die Syntax korreliert.

Bevor das Lexem nun definiert werden kann als etwas, das beispielsweise formal notiert werden kann, muß auf folgendes Problem hingewiesen werden: Lexeme, wie sie bisher verstanden wurden, sind etwas Intraindividuelles, Kognitives, genauer: immer ein individuell vorliegendes Wissen über Lexeme. Die Frage ist nun: Was läßt sich wie exteriorisieren? Dies ist ganz einfach und wird so gehandhabt, wie es die ganze Zeit schon gemacht wurde: Das Wissen wird exteriorisiert, indem es aufgeschrieben wird. Dabei muß jedoch beachtet werden, daß dann kein Wissen mehr vorliegt, sondern Daten, an Hand derer der Leser im Akt des Lesens Informationen erarbeiten kann. Das heißt, daß das Lexem, wenn es notiert wird, kein Lexem im eigentlichen Sinne mehr ist, sondern ein linguistisches Konstrukt, das extrapersonal nämlich niedergeschrieben auf einem Blatt Papier - vorliegt. Es sollte klar sein, daß das Lexem als linguistisches Konstrukt auch nicht mit der konkreten Materialisierung identisch ist, sondern als eine Abstraktionsklasse aufgefaßt werden muß. Darüber hinaus ist für die Exteriorisierung des Wissens über die Bedeutung zu beachten, daß diese nur in einer Regelformulierung für den regelhaften Gebrauch in usuellen Bennenungskontexten einer bestimmten sozialen Sprachgemeinschaft bestehen kann und keinesfalls mit der intraindividuellen Bedeutung verwechselt werden darf (cf. den vorangegangenen Abschnitt).

3.2.2 Festlegung des sprachlichen Zeichens Das Lexem (oder: sprachliche Zeichen) kann nun - als linguistisches Konstrukt - wie folgt definiert werden:20 [03-2: Lexem] Ein Lexem (das ein sprachliches Zeichen repräsentiert) ist ein w-Tupel (mit n e N). Zu den Tupelkomponenten gehören mindestens (i) das morpho-semantische Formenparadigma, (2) die Regelformulierungen für den regelharten Gebrauch in usuellen Benennungskontexten, die im Folgenden der Kürze wegen „Bedeutung(en)" genannt werden, (3) diasystematische Markierungen, (4) die Wortart bzw. die syntaktische Funktion, (5) syntagmatische Einheiten, die mit dem Lexem korreliert sind, und (6) das syntaktische Verhalten. Ein Lexem sei formal und hinsichtlich der Reihenfolge seiner Tupelkomponenten wie folgt festgelegt: Lexem = ( Wortart, morpho-semantischesFormenparadigma, Bedeutungen), diasystematischeMarkierungen, syntagmatischeEinheiten Syntax).

20. Man vergleiche z.B. die bisher entwickelte und nun festgeschriebene Konzeption mit den Ausführungen in SCHWARZ/CHUR (1993, 81) darüber, welche Informationen im Langzeitgedächtnis zu einer lexikalischen Einheit gespeichert sind: (i) phonologische Informationen; (2) orthographische Informationen; (3) Informationen über die Wortart; (4) über die Flexion; (5) über die Subkategorisierung (i.e. syntaktische Umgebung); (6) semantische Informationen: (a) Extension des Wortes; (b) Prototyp; (c) „Selektionsbeschränkungen mit Angabe der thematischen Rollen der Argumente"; (d) Konnotationen; (e) „individuelle, episodisch gefärbte Assoziationen"; (7) Verknüpfung des semantischen Wissens mit konzeptuellem Wissen und (8) pragmatische Informationen.

68

Kapiteli Anmerkung i: Die Tupelkomponente Wortart ist nicht so zu verstehen, daß hier in jedem Fall die Wortart (im traditionellen Sinne) angegeben wird, denn auf Grund der Konzeption des Lexems gehören auch Morpheme, Phraseme sowie größere syntaktische Einheiten zu den Lexemen, die man eben nicht einer traditionellen Wortartkategorie zuordnen kann. Die Werte, die in die erste Tupelkomponente Wortart eingesetzt werden können, seien deshalb: {Substantiv, Adjektiv, Verb, Restklasse} u {kompositionelleSyntaktischeEinheit, nichtkompositionelleSyntaktischeEinheit}, wobei das Wortart-Prädikat Restklasse auf all diejenigen Lexeme zutrifft, die weder Substantive noch Adjektive noch Verben sind und weder kompositionelle noch nichtkompositionelle syntaktische Einheiten sind. Anmerkung 2: Zur Bestimmung der Tupelkomponente morpho-semantischesFormenparadigma cf. D 3-1, p. 57Anmerkung 3: Aus rein praktischen Gründen soll das als 6-Tupel konzipierte Lexem zu einem 7-Tupel erweitert werden, indem als siebte Tupelkomponente der Name des Lexems (Nennform) aufgeführt wird.

Die Tupelkomponente Bedeutungen) sei wie folgt definiert: rltl 3-3: Tupelkomponente Bedeutungen)] Die Tupelkomponente Bedeutung(en) ist ein «-Tupel von 4-Tupeln (mit n e N). Die 4-Tupeln besitzen als Komponenten (i) eine Regelformulierung für den regelhaften Gebrauch in usuellen Benennungskontexten einer bestimmten Sprachgemeinschaft für bestimmte Kotexttypen, die kurz „Bedeutung" genannt wird, (2) die Angabe eines Validitätsbereichs für das morpho-semantische Formenparadigma (ValiditätsbereichFP), für das die Bedeutung gültig ist, (3) die Angabe von intralexematischen semantischen Relationen, (4) die Angabe von innerbegrifflichen interlexematischen semantischen Relationen und (5) die Angabe von zwischenbegrifflichen interlexematischen semantischen Relationen. Kurz: Bedeutungen) = ( (Bedeutung\, ValiditätsbereichFP\, intralexematischeSemantischeRelationen\, interlexematischeSemantischeRelationenlBi, interlexematischeSemantischeRelationenZB\) (Bedeutung-i, ValiditätsbereichFP-i, intralexematischeSemantischeRelationen-i, interlexematischeSemantischeRelationenIB2, interlexematischeSemantischeRelationenZBi) (Bedeutungn, ValiditätsbereichFP'„, intralexematischeSemantischeRelationen„, interlexematischeSemantischeRelationenlBn, interlexematischeSemantischeRelationenZB„)) Anmerkung i: Die Tupelkomponente ValiditätsbereichFPj ist eine Menge von natürlichen Zahlen i, wobei sich die / auf die Indices der Tupelkomponenten aus dem Tupel morpho-semantischesFormenparadigma (a\, ..., a„ ..., a*) (mit l < i < k, k e N) beziehen und damit angeben, welche Formen für die in der Tupelkomponente Bedeutung, angegebene Bedeutung gebildet werden können. - Beispiel: ValiditätsbereichFP^ ={1,2, 3,4, 5,6, 7, 8,9, 12, 13, 15} Anmerkung 2: Die Tupelkomponente intralexematischeSemantischeRelationen ist ein «-Tupel von 2-Tupeln. Die erste Komponente der 2-Tupel spezifiziert eine lexikalsemantische Relation, z.B. VerallgemeinerungZu; die zweite Komponente der 2-Tupel ist eine Menge von natürlichen Zahlen /', wobei sich die auf die Indices der Tupelkomponenten aus dem Tupel Bedeutung(en) (a\, ..., a» ..., a*} (mit l < / < k, k e N) beziehen und damit angeben, für welche Bedeutung(en) die in der ersten Komponente spezifizierte Relation gilt. (Die Bezugsgröße für die zweite Komponente des 2-Tupels intralexematischeSemantischeRelationj ist natürlich die Bedeutungj und damit gilt immer: i ]. Damit wird auch der triviale Fall ausgeschlossen, daß eine Einzelbedeutung mit sich selbst synonym ist.) - Beispiel: intralexematischeSemantischeRelationen^ = ( (VerallgemeinerungZu, {1,2}}, (MetaphorischZu, {3}} {SpezifizierungZu, {5}}) Anmerkung j: Die Tupelkomponente interlexematischeSemantischeRelationenlß, die die innerbegrifflichen semantischen Relationen repräsentiert, ist ein «-Tupel von 2-Tupeln. Die erste Komponente der 2-Tupel spezifiziert eine innerbegriffliche semantische Relation, z.B. IstEinHyperonymZu; die zweite Komponente der 2-Tupel ist eine Menge von 3-Tupeln, wobei die erste Tupelkomponente den Lexemnamen eines Lexems nennt und die zweite Tupelkomponente eine Menge von natürlichen Zahlen /' ist, die sich auf die Indices der Tupelkomponenten aus dem Tupel Bedeutungen) (a\t ..., ait ...,ak) (mit l < i < k, k e N) des Lexems mit dem Namen Lexemnamen beziehen und damit angeben, für welche Bedeutung(en) die spezifizierte Relation

Sind Bedeutungen im Wörterbuch?

69

gilt. (Auch hier sei wiederum der triviale Fall ausgeschlossen, daß ein Lexem in einer gegebenen Einzelbedeutung mit sich selbst synonym ist.) Da lexikalische innerbegriffliche Relationen mitunter Geltungsbereiche besitzen, müssen diese darüber hinaus noch als dritte Komponente des 3-Tupels genannt werden. (Es gilt beispielsweise, daß Grapefruit und Pampelmuse in der Botanik keine synonymen Ausdrücke sind, während sie in der alltagssprachlichen Kommunikation und Kompetenz von vielen Sprechern als Synonyme gelten.) Es sei vereinbart, daß - wenn der Geltungsbereich nicht eingeschränkt ist - die leere Menge notiert wird; ansonsten werde der Geltungsbereich (bzw. die Geltungsbereiche) expressis verbis in der Menge aufgezählt. - Beispielsweise gilt für Orange: interlexematischeSemantischeRelationenIBi = { (SynonymZu, {{Apfelsine, {!}, { })}), {HyperonymZu, «Navel-Orange, {!},{}), {Blutorange, {!},{}>, {Valencia-Orange, {!},{}), {Jaffa-Orange, {!},{}>,...}) {HyponymZu, {{Zitrusfrucht, {!},{}>, {Südfrucht, {l},{}), {Argume, {!}, {Botanik}), {Kernobst, {!},{}),...}» Anmerkung 4: Die Tupelkomponente interlexematischeSemantischeRelationenZB, die die zwischenbegrifflichen semantische Relationen repräsentiert, ist ein n-Tupel von 2-Tupeln. Die erste Komponente der 3-Tupel spezifiziert eine zwischenbegriffliche semantische Relation, z.B. FührtAlsTypischeHandlungenAus; die zweite Komponente der 2-Tupel ist eine Menge von 3-Tupeln, wobei die erste Tupelkomponente den Lexemnamen eines Lexems nennt und die zweite Tupelkomponente eine Menge von natürlichen Zahlen /' ist, die sich auf die Indices der Tupelkomponenten aus dem Tupel Bedeutungen) {a\,..., a/, ..., at) (mit l < i < k, k e N) des Lexems mit dem Namen Lexemnamen beziehen und damit angeben, für welche Bedeutung(en) die spezifizierte Relation gilt. Gerade für lexikalische zwischenbegriffliche Relationen lassen sich leicht Kontexte angeben, in denen die Relation nicht mehr gilt, weshalb die Geltungsbereiche als dritte Komponente des 3-Tupels genannt werden müssen. In manchen Fällen mag es einfacher erscheinen, nicht positiv zu vermerken, wann eine Relation gilt, sondern negativ anzugeben, wann sie nicht gilt. Dann soll derjenige Bereich, für den die spezifizierte Relation nicht gelten soll, mit einem Negationszeichen ,,-i" versehen werden. Es sei darüber hinaus vereinbart, daß - wenn der Geltungsbereich nicht eingeschränkt ist - die leere Menge notiert wird; ansonsten werde der Geltungsbereich (bzw. die Geltungsbereiche) expressis verbis in der Menge aufgezählt. - Beispiel (zum Lexem Lehrer):21 interlexematischeSemantischeRelationenZB\ ({FührtAlsTypischeHandlungenAus, {{unterrichtet, {l}, {unter »normalen« Bedingungen}), (korrigiert, {2}, {unter »normalen« Bedingungen}),...}), {IstLokalisiertln, {{Klassenzimmer, {!}, {unter »normalen« Bedingungen}), {Schule, {!}, {unter »normalen« Bedingungen}), (Gymnasium, {!}, {unter »normalen« Bedingungen}), {Hauptschule, {!}, {unter »normalen« Bedingungen}), (Berufsschule, {!}, {unter»normalen«Bedingungen}),...}))

Nun muß noch die Tupelkomponente diasystematischeMarkierungen definiert werden: QQI3-4: Tupelkomponente diasystematischeMarkierungen} Die Tupelkomponente diasystematischeMarkierungen ist ein 2-Tupel. Die erste Tupelkomponente spezifiziere die diasystematischen Markierungen, die zweite Tupelkomponente weiteres pragmatisches Regelwissen in Form von Regelformulierungen. Die erste Tupelkomponente, in der die diasystematischen Markierungen angegeben werden, sei ihrerseits ein n-Tupel von 3-Tupeln (mit n e N)· Die erste Komponente der 3Tupel spezifiziert die Markierungsdimension, z.B. diastratisch', die zweite Komponente des 3-Tupels spezifiziert den Wert, z.B. vulgär, und die dritte Komponente ist eine Menge von natürlichen Zahlen /', wobei sich

21. Die Angabe des Geltungsbereichs mit „unter »normalen« Bedingungen" soll z.B. ausschließen, daß der Lehrer psychisch krank ist und deshalb nicht unterrichtet, sondern z.B. Witze erzählt.

7O

Kapitel 3 die i auf die Indices der Tupelkomponenten aus dem Tupel Bedeutungen) (a\,..., at,..., a*) (mit \ Nachschlagewerken ]

(

Typen von BenSit für Typen von BenSit für gedruckte gedruckte lexikographische nichtlexikographische Nachschlagewerke Nachschlagewerke ·* TKj^: Arten von gedruckten lexikographischen Nachschlagewerken „_ J Typen von BenSit für Typen von BenSit Typen von BenSit für 3 Sprachwörterbücher Sachwörterbücher für Allbücher Typen von Sprachwörterbüchern

{

Typen von BenSit für allgemeine einsprachige Wörterbücher (= WB-10)

(...für Wörterbücher anderer Typen)

Typen von Konsultationssituationen für WB-10

(mit Handlungen der anderen drei Benutzungsarten)

«: Benutzungsarien J· TS5 (vgl. TlTA5a

Arten von Be- l nulzungszur sammenhängen j

6

l

Typen von Konsultationssituationen für WB-10, die mit konfliktärer Sprachkommunikation im Zusammenhang stehen

Typen von Konsultationshandlungen für WB-10, die nicht mit konfliktärer Sprachkommunikation im Zusammenhang stehen

Abb. 4-1: Übersicht nach WIEGAND (1998, 851) zur Einbettung von (möglichen) Teiltypologien von Benutzungssituationen für gedruckte lexikographische Nachschlagewerke; Abkürzungen: TK = Typologiekriterium; TS = Typologiestufe; BenSit = Benutzungssituationen; Darstellungskonventionen: „·—*" bedeutet soviel wie die Anwendung des TKfiihrt zu der Unterteilung; „x y" bedeutet (von oben nach unten gelesen) soviel wie ist ein direkter Obertyp zu y sowie (von unten nach oben gelesen) soviel wie}· ist ein direkter Untertyp von

76

Kapitel 4 ΓΚ8Τ5,-5.1|4.10[Τ84]: KONSULTAς i 5 1 TIONSSITUATION F R WB-10 Arten von Benutzungs- \m ^~~ zusammenh ngen J l KSTs.-6.lj2.10: KONFLIKTTS6 4 BEDINGTE KONSULTATIONSI SITUATION (F R WB-10)

\Ύν6.\\ϊ. SalK-7-4 .

15>7

KSTs.-6.2j2.10: NICHTKONFLIKTBEDINGTE KONSULTATIONSSITUATION (F R WB-10)

Arten von ausgew hlten Benutzungsgelegenheiten f KST5.-7.1|4.10: KONSULJ ΤΑΉΟΝ88ΙΤυΑΤΙΟΝ BEI | GEST RTER TEXTLEK^T RE (F R WB-10) kompetenzbedingte St rungsarten als Benutzungsanla

{

KST5,-7.2|4.10: KONSULTATIONSSITUATION BEI DER GEST RTEN FORMULIERUNG VON SCHRIFTST CKEN (F R WB-10) Ψ (Abb. 4-6)

Δ

KSTS.-7.3|4.10: KONSULTATIONSSITUATION BEI DER GEST RTEN REZEPTION GESPROCHENER SPRACHE

Δ

KSTS.-7.4|4.10: KONSULTATIONSSITUATION-BEI DER GEST RTEN PRODUKTION GESPROCHENER SPRACHE

Δ

KST5a-8.1|2.10: KONSULTATIONSSITUA- KST5.-8.2|2.10: KONSULTATIONSTION WEGEN PUNKTUELLER TEXTVER- SITUATION WEGEN KORREKTSTEHENSSCHWIERIGKErTEN (F R WB-10) HEITSZWEIFELN (F R WB-10) Ψ Ψ (Abb. 4-3) (Abb. 4-5)

Abb. 4-2: Teiltypologieausschnitt 5a (TlTA5a) nach WIEGAND (1998, 866) zu den Typen von Konsultationssituationen f r allgemeine einsprachige W rterb cher (= WB-10); Abk rzungen: KST = Konsultationssituationstyp; Darstellungskonvention: „x > y" bedeutet soviel wie eine Darstellung der Fortf hrung des Teiltypologieausschnittes findet sich in

Konfliktbedingte W rterbuchbenutzungssituationstypen

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