Deutsche und österreichische Organisation der inneren Verwaltung: Deutsch-Oesterreichische Arbeitsgemeinschaft. Denkschrift der Rechtsausschusses [Reprint 2021 ed.] 9783112447901, 9783112447895


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German Pages 45 [49] Year 1928

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Deutsche und österreichische Organisation der inneren Verwaltung: Deutsch-Oesterreichische Arbeitsgemeinschaft. Denkschrift der Rechtsausschusses [Reprint 2021 ed.]
 9783112447901, 9783112447895

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Deutsch -- Österreichische Arbeitsgemeinschaft

Deutsche und Österreichische

Organisation der inneren

Verwaltung

Denkschrift des Nechtsausschuffes

1927 München, Vertin u. Leipzig A Schweitzer Verlag Arthur Seltier)

Druck von Dr. F. P. Oatterer & Cie., Freising-München.

Vorwort. Der Rechtsausschuß übergibt hiermit der Öffentlichkeit eine Denk­

schrift, die in seinem Auftrage von Herrn Regierungsrat Dr. Gebhard, München, verfaßt ist. Welchen Zwecken die Arbeit dienen soll, möge aus den nachfolgenden Vorbemerkungen entnommen werden. Der Rechtsausschuß hofft, daß auch

das gegenseitige Verständnis für die bestehenden Rechts- und Verwal-

Lungseinrichtungen dazu beitragen wird, das Bewußtsein der deutsch-öster­

reichischen Volks- und Kulturgemeinschaft zu stärken. Gleichzeitig bedeutet die Denkschrift eine Vorarbeit für das Ziel der so notwendigen Rechts­

angleichung.

Der Reichs-Rechtsausschuß der Deutsch-Österreichischen Arbeitsgemeinschast: Reichsminister a. D. Schiffer, Vorsitzender.

Vorbemerkungen. Die vorliegende Schrift beruht auf einer doppelten Erwägung. Zu den Aufgaben der Deutsch-Österreichischen Arbeitsgemeinschaft zählt es, zwischen dem Deutschen Reich und Österreich möglichst zahlreiche persönliche fachliche, kulturelle und wirtschaftliche Beziehungen zu schaffen oder die Aufnahme solcher Beziehungen wenigstens anzuregen und zu fördern. Be­ sonders auf dem Gebiete der fachlichen Beziehungen aber wird die An­ knüpfung erleichtert, wenn ste unterstützt wird durch Kenntnis der wich­ tigsten Einrichtungen und Verhältnisse, die stch auf der anderen Seite stnden. Der in die Wege geleiteten und in den Grenzgebieten bereits teil­ weise durchgeführten Aufnahme fachlicher und persönlicher Beziehungen zwischen deutschen und österreichischen Verwaltungsbeamten kann es nur förderlich sein, wenn über die wesentlichsten Tatsachen deutscher und öster­ reichischer Verwaltungsorganisation auf beiden Seiten Kenntnis verbreitet wird. Die nachfolgende Darstellung ist dieser Aufgabe gewidmet. Die andere Gedankenreihe geht davon aus, daß der Rechtsausschuß der Deutsch-Üsterreichischen Arbeitsgemeinschaft stch die Förderung der Rechtsangleichung zum Ziele gesetzt hat. Voraussetzung der Rechts Un­ gleichung aber ist die Rechtsvergleichung. Sofern diese durch umfassende wissenschaftliche Werke geboten wird, findet fie nur wenige Leser und bleibt theoretisch. Es war daher mein Bestreben aus der Fülle des Stoffes ein Teilgebiet herauszunehmen und dieses in der durch die Verhältnisse gebotenen Kürze und mit möglichster Überfichtlichkeit zu behandeln. Die wichtigsten Tatsachen und Erscheinungsformen der Verwaltungsorgani­ sation auf deutscher und österreichischer Seite find herausgegriffen und in rein sachlicher, referierender Weise einander gegenübergestellt. Eine Kritik ist mit dieser vergleichenden Darstellung nicht verbunden. Die Begrenzung des Stoffes war dabei das schwierigste Problem. Der Umfang der inneren Verwaltung ist — weniger theoretisch als praktisch — einigermaßen unklar. In dieser Schrift wird unter innerer Verwaltung die nach innen gerichtete Staatstätigkeit verstanden mit Ausnahme der Rechtspstege und Justizverwaltung, der Finanzverwaltung (einschließlich der Staatsvermögensverwaltung) und des Heerwesens. Von der Unterrichts­ verwaltung muß die Organisation des eigentlichen Schulwesens aus prak­ tischen Gründen ausscheiden. Dagegen muß die Wirtschaftsverwaltung wegen des unlösbaren Zusammenhangs mit der inneren Verwaltung im engeren Sinne in den Kreis der Betrachtungen gezogen werden.

Auf deutscher Seite wurden außer dem Reich besonders Preußen, Bayern, Sachsen und Württemberg berücksichtigt, in den wichtigsten Punkten auch Baden, Thüringen und Hessen. Ein weiteres Ausgreisen hätte die Übersichtlichkeit beeinträchtigt. Auf österreichischer Seite mußten Bundes- und Landesverwaltung nebeneinander herangezogen werden. Vollständigkeit konnte weder angestrebt noch erreicht werden, besonders bei der Darstellung der vielen — allzuvielen — Sonderbehörden. Sie hätte den Rahmen der Arbeit gesprengt, auch ist es trotz aller Bemühungen nicht gelungen, völlig gleichheitliches Material zu bekommen. Als Grundlage für Arbeiten an einer Verwaltungsreform ist die Schrift weder gedacht noch geeignet; sie soll einen summarischen Überblick geben sowohl für den Fachmann wie für jedermann, der Interesse für den Aufbau der öffent­ lichen Verwaltung hat. Bei der Arbeit, die mühevoller war als das Ergebnis vielleicht ver­ muten läßt, bin ich von mehreren Seiten in liebenswürdiger Weise unter­ stützt worden. Ich darf hier im besonderen folgende Herren nennen: Reichs^ minister a. D. Exzellenz Schiffer und Staatssekretär Dr. Meister, Berlin; Wirklicher Hofrat Dr. Bundsmann, Innsbruck; Ministerialdirektor Dr. Schmidt, Dresden; Ministerialrat Hofacker, Stuttgart und Universi­ tätsprofessor Oberverwaltungsgerichtsrat Dr. Koellreuther, Jena. Auch an dieser Stelle spreche ich den genannten Herren und allen anderen För­ derern meiner Arbeit den ergebensten Dank aus.

München, im Februar 1927. Dr. Ludwig Gebhard

Regierungsrat.

A. Aufbau der inneren Verwaltung. I. Allgemeines. Sowohl im Deutschen Reich wie auch in Österreich ist die Organi­ sation der inneren Verwaltung recht verwickelt, als Folgeerscheinung einer ebenso verwickelten Verfassungsgesetzgebung. Bei einer Vergleichung der in beiden Staatswesen bestehenden Organisakionsformen vervielfältigen stch die Schwierigkeiten, die einer Darstellung im einzelnen im Wege stehen. Äußerlich ergeben stch zahlreiche Ähnlichkeiten, bei genauerem Zusehen aber entdeckt man in diesen scheinbaren Ähnlichkeiten wieder vielfach grund­ legende Unterschiede. Beiden Staatsgebilden ist der Form nach eine föde­ ralistische Grundgestaltung gemeinsam. Die österreichische Bundesverfas­ sung enthält sogar die ausdrückliche Feststellung, daß Österreich ein Bundes­ staat sei (Art. 2) und die oberstaatliche Organisation heißt ofstziell „Bund". Trotzdem steht fest, daß gerade auf dem Gebiete der Verwaltung und deren organisatorischer Einrichtung Österreich stärker zenkralistert ist als das Deutsche Reich, obwohl in der Reichsverfassung eine ausdrückliche Feststel­ lung der bundesstaatlichen Organisationsform fehlt. Für das Gebiet der inneren Verwaltung besteht der wesentliche Unterschied zwischen dem Deut­ schen Reich und Österreich darin, daß im Reich die Regelung des Behörden­ aufbaues zum größten Teil den Ländern verblieben ist (wobei allerdings be­ stimmte Grundformen von der Reichsgesetzgebung als bestehend voraus­ gesetzt werden), wahrend es in Österreich zwar auch Landesbehörden und Landesverwalkung gibt, die Organisation dieser Verwaltungen aber auf Bundesgesetz, größtenteils sogar auf der Bundesverfassung beruht.

Für die vergleichende Darstellung ergibt stch daraus eine Schwierig­ keit. Die Verwaltungsorganisakion Österreichs ist für das ganze Bundes­ gebiet im wesentlichen gleichheitlich, die des Deutschen Reichs dagegen länder­ weise sehr verschieden. Es ist also in den Hauptpunkten nicht möglich, die Organisationsformen des Reiches und des Bundes unmittelbar mitein­ ander in Vergleich zu setzen. Auf der anderen Seite ist es aber auch nicht möglich, bei dem Vergleich schlechthin einerseits Österreich, andererseits die wichtigsten reichsdeutschen Länder einander gegenüberzustellen. Es bleibt also nichts anderes übrig als von den einzelnen organisatorischen Tatsachen und Formen auözugehen und jeweils die analogen oder homologen Verhältnisse aufzusuchen, gleichgültig, ob es stch im einzelnen hier um Reichs- oder Landesverwaltung, dort um unmittelbare Bundesverwaltung, mittelbare Bundesverwaltung oder Landesverwaltung handelt. Es wird stch daher

im Laufe der Darstellung von selbst ergeben, ob im einzelnen Falle Reich und Bund oder Land und Bund oder Land und Land zueinander in Be­ ziehung gesetzt werden müssen. Die Darstellung des Aufbaues der inneren Verwaltung kann die Tatsache zum Ausgangspunkt nehmen, daß gewisse Grundformen den meisten beteiligten größeren Ländern gemeinsam sind, wobei es allerdings an Ausnahmen nicht fehlt. Hierher gehört vor allem die Jnstanzenteilung in Zentralstellen, Mittelstellen und untere Behörden, das Vorhandensein von Sonderbehörden für bestimmte Zweige der Verwaltung neben den all­ gemeinen Behörden, die Eingliederung der Selbstverwaltung und schließ­ lich die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Die Möglichkeit, die Vergleichung in dieser Weise systematisch und schematisch durchzuführen, ergibt ssch zwar erst aus der Vergleichung selbst, nimmt also in gewissem Sinne ihr Er­ gebnis vorweg. Dieser methodische Mangel dürfte aber aus praktischen Gründen zu rechtfertigen sein.

II. Verwaltungsmintsterterr. Dem Reich und dem Bund ist gemeinsam, daß sse für die innere Verwal­ tung Zentralinstanzen besitzen (Reichsministerien, Bundesministerien), daß ihnen aber für die Vollziehung des materiellen Reichs- und Bundesverwal­ tungsrechts der eigene behördliche Unterbau in der Hauptsache fehlt. Im Reich ist der Vollzug der Reichsgesetze grundsätzlich Aufgabe der Landes­ verwaltungen (Art. 14 RV.). In Österreich ist zwar in der Verfassung (Art. 10 ff.) eine Ausscheidung der Zuständigkeiten auch in der Verwal­ tung zwischen Bund und Ländern erfolgt, maßgebend ist aber die Tatsache, daß die allgemeinen Behörden der politischen Verwaltung (Ämter der Landesregierungen und Bezirkshauptmannschaften) nicht Bundes-, son­ dern Landesbehörden sind. Während aber im Reich der bundesstaatliche Ge­ danke organisatorisch dadurch stärker in Erscheinung tritt, daß auch die größeren Länder oberste Behörden unter dem Noamen Ministerien be­ sitzen, fehlen solche Ministerien in den österreichischen Ländern nicht nur formell der Bezeichnung nach, sondern auch sachlich insofern, als die „Ämter der Landesregierungen" nach ihrem Aufbau und in gewisser Hinsicht auch inftanziell eher den sogenannten höheren Verwaltungsbehörden, also Mittelstellen, gleichzustellen sind als den Ministerien, wenn sie auch den Landtagen parlamentarisch verantwortlich sind. iTttm ist allerdings zuzu­ geben, daß die österreichischen Länder im Durchschnitt ja kleiner sind, als die reichsdeutschen Länder und daß es auch im Reich Länder gibt, die keine Ministerien besitzen. Aber auch die größeren österreichischen Länder, die wie Il?iederöslerreich und Steiermark sich nach Fläche und Einwohnerzahl mit reichsdeutschen Ländern mittlerer Größe wie Thüringen und Hessen ver­ gleichen lassen, haben keine Ministerien, sondern nur Landesregierungen und deren Ämter. Über deren Stellung ist an anderem Orte zu handeln. Bei

Besprechung der Ministerien als oberste Verwaltungsinstanzen müssen auf der einen Seite Reich und Länder herangezogen werden, während auf der anderen Seite nur der Bund Vergleichsgegner sein kann. Historische und politische Gründe bedingen es, daß der Aufbau der Verwaltungsministerien nicht nur im Deutschen Reich, in den größeren deutschen Ländern und in Österreich ziemlich ähnlich ist, sondern in der ganzen zivilisterten Welt stark verwandte Züge aufweist. Wie bereits einleitend erwähnt, muß die Wirtschaftsverwaltung, die mit der steigenden Bedeutung der wirtschaftlichen Jnteressentengruppen im modernen Staat eine immer größere Ausdehnung und Beachtung erfährt, trotz der ressort­ mäßigen Trennung von der sogenannten Polizeiverwaltung mit zur inne­ ren Verwaltung gerechnet werden, schon deshalb, weil in der Mittel- und Unterinstanz die Wirtschaftsverwaltung zum Teil von den allgemeinen Behörden der inneren Verwaltung besorgt wird. Es ist zwar richtig, daß die Wirtschaftsministerien stch in zunehmendem Maße nicht nur mit eigent­ lichen Verwaltungsgesetzen, sondern auch mit privatrechtlichen, steuer- und zollrechtlichen und anderen Gesetzen zu befassen haben, allein dies beweist nur, daß Rechtsprechung und Verwaltung stch eben mehr nach Ziel und Form als nach den Lebensgebieten unterscheiden, in die ste eingreifen. Unter diesen Voraussetzungen läßt stch über die Organisation der obersten Ver­ waltungsinstanzen, der Ministerien, folgendes sagen: Im Deutschen Reich wie in den größeren Ländern stndet stch der Kern der inneren Verwaltung nach wie vor im Geschäftsbereich des Mini­ steriums des Innern. Freilich schwankt der Umfang der Aufgaben dieses Ministeriums je nach den besonderen Verhältnissen. Gemeinsam ist, daß den Ministerien des Innern überall die sogenannte „Polizeiverwaltung" im älteren Sinne, also vor allem die Sicherheitspolizei samt dem Schutz der Verfassung und Rechtsordnung und in den deutschen Ländern außerdem die Oberaufstcht über die Selbstverwaltung der Gemeinden und Gebiets­ körperschaften verblieben ist. Mit gewissen Einschränkungen gilt diese Organisationsform auch für Österreich. Dem Bundeskanzleramt, das in Österreich das Ministerium des Innern mitumfaßt, ist mit dem Reichsministerium des Innern gemeinsam, daß ihm die oberste Leitung der Sicherheitspolizei mit dem Schutze der Verfassung und Rechtsordnung zusteht. Die Oberaufstcht in Selbstver­ waltungsangelegenheiten fehlt beiden Stellen aus verfastungsrechtlichen Gründen: im Reich wie in Österreich endet die Aufsicht über die Gemeinden

und Gemeindeverbände bei den obersten Instanzen der Länder. Für .Öster­ reich gilt aber noch die Besonderheit, daß außer dem Kern der inneren Verwaltung dem Bundeskanzleramt auch die Leitung der auswärtigen Angelegenheiten und der Justizverwaltung obliegt. Während das Reich für jedes der beiden zuletzt genannten Gebiete ein besonderes Ministerium hat (Auswärtiges Amt und Reichsjustizministerium), fehlen diese beiden

Stellen in der Bundesrepublik Österreich; gemildert wird dieser Zustand allerdings dadurch, daß außer dem Bundeskanzler in der Regel auch der Vizekanzler, also ein zweiter Minister im Bundeskanzleramt tätig ist. Die Zusammenfassung erscheint um so beachtlicher, als die Ministerien des Äußern und der Justiz in den älteren Staaten geradezu zu den Grund­ pfeilern der Organisation gehören. Daß auch die meisten deutschen Länder (außer Bayern und Sachsen) kein eigenes Ministerium des Äußern be­ sitzen, kann nicht zum Vergleich herangezogen werden angesichts der ganz anderen staats- und völkerrechtlichen Stellung der Länder. NÄch Art. 78 RV. ist die Pstege der Beziehungen zu den auswärtigen Staaten bekannt­ lich ausschließlich Sache des Reichs. In dieser Hinsicht kann also der Bund nur mit dem Reiche verglichen werden. Besonders stark ausgebaut ist die Stellung des Ministeriums des Innern in Bayern. Hier gehört außer dem erwähnten Kern der inneren Verwaltung zum Geschäftsbereich des Ministeriums des Innern u. a. auch das Gesundheits- und Veterinärwesen, ein großer Teil des Fürsorge­ wesens, das öffentliche Bauwesen, das Wasser-, Fischerei- und Jagd­ recht. In anderen deutschen Ländern, besonders auch in Preußen, hat das Ministerium des Innern eine Reihe dieser Zuständigkeiten an andere Ministerien, vor allem an die Ministerien der wirtschaftlichen Verwal­ tung abgegeben. Das Reich besitzt, im Gegensatz zu Österreich und den größeren deut­ schen Ländern, kein gesondertes Ministerium für Kultus und Volksbildung. Dies hängt damit zusammen, daß die Kulturpstege im Reich grundsätzlich den Ländern zusteht. Soweit Kulturpstege sowie die Beziehungen zwischen Staat und Kirche für die Reichsverwaltung in Frage kommen, ist das Reichsministerium des Innern zuständig. In Österreich besteht ein Bundes­ ministerium für Unterricht, da der Bund in diesen Angelegenheiten eine erheblich weitergehende Zuständigkeit besitzt als das Reich (BV. Art. 10 bis 14). Ziemlich beträchtliche Unterschiede zeigt die ressortmäßige Verteilung der Wirtschaftsverwaltung. Auf diesen Gebieten gibt es die meisten „neuen" Ministerien, obwohl die Schaffung von Zentralinstanzen für die Pstege des Handels schon in die Zeit des Merkantilismus zurückgeht. Es ist zuzugeben, daß die Bildung eigener Wirtschaftsministerien logisch viel­ fach eine Überschneidung mit den Tätigkeitsgebieten der Ministerien der sogenannten Hoheitsverwaltung ergibt, auch sind hinsichtlich der Bewäh­

rung dieser Ressortverteilung in Fachkreisen die Meinungen geteilt. Für die Erhaltung dieser Organisationsform aber ist wesentlich mitbestimmend die Tatsache, daß sie den Interessen der wirtschaftlichen und sozialen Mächtegruppen im heutigen Staat entspricht. In der Reichsverwaltung ist der Gedanke der Wirtschafts-Ressorts stark ausgeprägt, indem dort für jeden der größeren Wirtschaftszweige ein eigenes Reichsministerium zu

finden ist: Reichswirtschafksministerium, Reichsministerium für Ernäh­ rung und Landwirtschaft, Reichsarbeitsministerium und Reichsverkehrs­ ministerium; letzteres muß heute deshalb zum Bereich der inneren Verwaltung gerechnet werden, weil ihm nicht mehr die Verwaltung der Reichsbahn als Verwaltung von Reichsvermögen obliegt, also nicht die Führung eines Wirkschaftsbetriebes, sondern die Verfolgung der staat­ lichen Ziele und Interesten auf dem Gebiete des Verkehrswesens. In Öster­ reich ist ebenso wie in Bayern und Preußen die Zahl der Wirtschafts­ ministerien 3, und zwar ist jeweils das Verkehrswesen mit Handel und Gewerbe verknüpft, während für Landwirtschaft und für Soziale Für­ sorge besondere Ministerien bestehen (Bundesministerium für Soziale Verwaltung in Österreich, Ministerium für Volkswohlfahrt in Preußen, Skaatsministerium für Soziale Fürsorge in Bayern). Das Ernährungs­ wesen ist in der Regel mit dem Landwirtschaftsrestort verbunden. Wenn auch die Zahl der Wirtschaftsministerien in Österreich um eines geringer ist als im Reich, so ist doch der Gedanke der Wirtschaftsverwaltung in den Zentralinstanzen noch stärker ausgeprägt als im Reich und zwar wegen der bereits besprochenen Zusammenfassung von 3 Ministerien der Hoheits­ verwaltung im Bundeskanzleramt. Es gibt unter 11 Reichsministerien 4 Wirtschaftsministerien, während sich in Österreich unter 7 Bundesmini­ sterien 3 Wirtschaftsministerien befinden. In Preußen und Bayern find unter je 8 Ministerien je 3 Wirtschaftsministerien. In kleineren Ländern ist die Zusammenfassung eine schärfere, z.B. in Württemberg, wo die Wirtschaftsverwaltung im Arbeiks- und Ernährungsministerium vereinigt ist, das neuerdings die Bezeichnung Wirtschaftsministerium führt. In Sachsen besteht außer einem Wirtschaftsministerium noch ein Arbeitsund Wohlfahrtsministerium. In Baden und Thüringen finden fich keine gesonderten Wirtschaftsministerien. Die Wirtschaftsverwaltung ist dort mit dem Ressort des Innern verbunden. Dagegen befitzt Hessen ein Ministerium für Arbeit und Wirtschaft.

Eine Sonderstellung in der inneren Verwaltung nimmt die Bauver­ waltung ein (zu unterscheiden von der Baupolizei). Sie ist teilweise zur Staatsvermögensverwaltung zu rechnen, befaßt fich aber vorwiegend mit Verwaltungsvermögen (Straßen und öffentliche Gebäude) und steht inso­ fern theoretisch zwischen Finanzverwaltung und innerer Verwaltung. Die Folge dieser unklaren Stellung ist auch eine Verschiedenheit in der ressort­ mäßigen Zuteilung des Bauwesens. In Preußen und Sachsen find beträchtliche Teile der Bauverwaltung, insbesondere die Hochbauverwal­ tung, den Finanzministerien unterstellt. In Württemberg befindet fich der Straßen- und Wasserbau beim Ministerium des Innern, das Bau­ wesen der Staaksgebäude beim Finanzministerium. In Bayern dagegen ist wegen der technischen Zusammenhänge zwischen allen Teilen des Bau­ wesens die ganze Bauverwaltung im Skaatsministerium des Innern unter

dem Namen „Oberste Baubehörde" konzentriert; diese ist indes ihrem Wesen nach nichts anderes als eine Abteilung dieses Ministeriums ohne eigene Selbständigkeit. In Österreich stnd die wesentlichsten Teile des Bauwesens, soweit ste nicht Landessache stnd, dem Bundesministerium für Handel und Verkehr zugewiesen. Der Wasserbau dagegen untersteht dem Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft. Soweit das Reich eine eigene Bauverwaltung besttzt, untersteht ste dem Reichsstnanzministerium. Die Reichswasserstraßenverwalkung soll dem Reichsverkehrsmini­ sterium unterstellt werden. Über die Verteilung der Zuständigkeiten gibt die nachstehende Überstcht genaueren Aufschluß. Zuständigkeit Derwal tungsgebiete

Deutsches Reich

Staats- und Sicher­ heitspolizei . . . Gemeindeaufsicht.

.

Kirchen-u.Schulwefen

.

.

Sozialversicherung

.

Fürsorgewesen

R.Min. d. Inn.

Österreich

Wohnungswesen . Öffentl. Bauwesen

.

Landessache

R.Min. d. Inn.

Unterr.Min.

Landessache

Min.f.Soz.D.

.

R.ArbeitsMin.

Volksbild. Min.

Kult.Min.

1 Min.d.Inn. Wohlf.Min. < Min. f. Soz. 1 Fürs. Min. f. Soz. Fürs.

Landwirtschaft

.

.

Deterinärwesen

.

.

R.Min. d. Inn.

Handel und Gewerbe

R.Wirtsch. Min.

Sachsen

Württemberg

Volksbild. Min.

Kult.Min.

Arb.Min.

jWirtsch.Min. ^Min. d. Inn.

Min. d. Inn. Min. d. Inn. Min. d. Inn. Min. f. Soz. 23.1J

//

Min. f. Soz. Fürs.

i Landeosache IFinanz-Min. Landessache») Min. d. Inn. 1 Hand.Min. ^Landw.Min. R.Landw. Min.

Ernährungswesen

Bayern

Bundesk.Amt Min. d. Inn. Min. d. Inn. Min. d. Inn. Min. d. Inn.

Landesfache

R. ArbeitsMin.

Preußen

R.Min. d. Inn.

Gesundheitswesen

-

Landw.Min.

Landw.Min.

Arb.Min.

Fin.Min.

iMin. d. Inn. | Fin.Min.

Wirtsch.Min.

Wirtsch.Min.

Landw Min.

Verkehrswesen.

.

.

R.DerkehrgMin.

.

.

.

Landessache

Wasserrecht

der Verwaltungsministerien.

Hand.Min.

Hand.Min.

Min. d. Inn.

Min. d. Inn.

Hand.Min.

Wirtsch.Min.

Fin.Min.») Landw.Min.

Landw.Min. Min. d. Inn.

*) Bau- und Siedlungsfond. *) Reichswasserstraßenverwalkung: Reichsverkehrs-Ministerium. ») Staat!. Kraftwagenverwaltung und Regierungskommission für elektr. Bahnen.

Min. d. Inn.

IE. Mittelstellen der inneren Verwaltung. In den größeren deutschen Ländern schiebt sich zwischen die Mini­ sterien und die unteren Verwaltungsbehörden in der Regel noch eine mitt­ lere Instanz ein, die man als Provinzialstelle oder Mittelstelle bezeichnen kann; in den Reichsgesetzen wird sie neutral als „höhere Verwaltungs­ behörde" bezeichnet. Die Einteilung der Länder in Provinzen, Regierungs­ bezirke usw. ist häusig enge mit dem Entstehen und der Ausbreitung der Territorialstaaten verknüpft, vielfach aber auch rein nach Zweckmäßig­ keitsgründen erfolgt. Während sich z. 23. die Entstehungsgeschichte des preußischen Staates in großen Zügen auch heute noch in den Namen der preußischen Provinzen spiegelt, ist die Kreiseinteilung in Bayern den Ver­ waltungsbedürfnissen des 19. Jahrhunderts angepaßt, wobei freilich Stam­ mesgrenzen nach Tunlichkeit berücksichtigt wurden und in den Namen auch historische Erinnerungen nachklingen. In Württemberg zeigte die Benen­ nung der früheren Kreise nach Flüssen das französische Vorbild, in Sachsen führen die Kreishauptmannschaften die Namen ihrer Haupt­ städte, ebenso in Preußen die Regierungsbezirke (im Gegensatz zu den Pro­ vinzen). Im einzelnen kann hier auf die Entwicklung der Einteilung der Verwaltungsbezirke nicht eingegangen werden. Anders als im Deutschen Reich, das eine eigene Verwaltungseinteilung überhaupt nicht kennt und in den Ländern eine dem Wesen nach staatsrecht­ liche Gliederung aufzuweisen hat, gestaltet sich die Lage in Österreich. Es tritt hier wieder jenes die Vergleichung erschwerende Moment in Erschei­ nung, daß Österreich seiner Struktur nach weder mit dem Reich noch mit einem der größeren Länder des Reichs in Parallele gesetzt werden kann. Gerade bei den Mittelinstanzen zeigt sich die Überschneidung. Verfassungs­ rechtlich ist Österreich ein Bundesstaat und die Länder haben die Stellung von Gliedern des Bundes wie die deutschen Länder. Verwaltungstechnisch dagegen haben die deutschen Länder, wie erwähnt, ministerielle Zentral­ instanzen, die österreichischen Länder dagegen in ihren „Ämtern der Landes­ regierungen" behördliche Spitzen, die in einem großen Teil ihrer Tätigkeit (mittelbare Bundesverwaltung) nicht mit Ministerien, sondern nur mit höheren Verwaltungsbehörden oder Mittelstellen vergleichbar sind. Für die Landesverwaltung allerdings sind die Ämter der Landesregierungen Zentralinstanzen. Es ist an dieser Stelle nicht zu vermeiden, daß einige Ausführungen verfassungsrechtlicher Natur eingeschaltet werden. Es wurde schon wieder­ holt betont, daß das Deutsche Reich zwar eine ministerielle Instanz in Verwaltungssachen besitzt, daß dieser aber ein eigener Unterbau im wesent­ lichen fehlt. Das ist die organisatorisch-technische Folgerung aus Art. 14 RV., der besagt, daß die Reichsgesetze durch die Landesbehörden ausgeführt werden, soweit nicht die Reichsgesetze etwas anderes bestimmen. Es gibt also grundsätzlich in den unteren Instanzen keine Reichsverwaltung; die

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ziemlich erheblichen Ausnahmen, die hiervon bestehen, liegen vorzugsweise auf dem Gebiete der Finanzverwaltung, für die innere Verwaltung aber gilt der Grundsatz fast unbeschränkt. In Österreich dagegen ist nach der Bundesverfassung die Verwaltung auf zahlreichen Gebieten, auf denen dem Bund die Gesetzgebung zusteht, gleichfalls Bundessache. Es gibt also eine Bundesverwaltung neben der Landesverwaltung. Letztere tritt vorzugs­ weise da in Tätigkeit, wo auch die Gesetzgebung Landessache ist. Nun stnd aber auch aus der verfassungsrechtlichen Regelung insofern nicht alle Fol­ gerungen gezogen, als für die vorgesehene Bundesverwaltung nicht durch­ wegs auch eigene Bundesbehörden geschaffen wurden. Grundsätzlich ist die Bundesverwaltung in den Ländern dem Landeshauptmann übertragen, der diese Geschäfte durch das Amt der Landesregierung und die Bezirks­ behörden besorgt. Soweit dieser Zustand besteht, spricht man von mittel­ barer Bundesverwaltung. Es gibt also in Österreich unmittelbare Bundes­ verwaltung — durch Bundesbehörden —, mittelbare Bundesverwaltung — durch Landesbehördeu — und Landesverwaltung —- nur durch Landes­ behörden. Dies verwickelte Nebeneinander äußert stch auch in der Behörden­ organisation. Was zunächst die Grundsätze der territorialen Teilung be­ trifft, so entsprechen die heutigen österreichischen Länder im wesentlichen den verbliebenen Kronländern der alten Monarchie. Die Einteilung ist also historisch bedingt. Dies ist um so verständlicher, als in Österreich die territoriale Einteilung nicht nur eine organisatorisch-technische, sondern zugleich eine staatsrechtlich-föderalistische ist. Mit anderen Worten, die öster­ reichischen Länder stnd zwar staatsrechtlich Bundesglieder, verwaltungs­ technisch dagegen können ste, soweit die mittelbare Bundesverwaltung in Betracht kommt, als Verwaltungsgebiete bezeichnet werden. Diese Doppel­ stellung ist der Schlüssel zum Verständnis der österreichischen Verwaltungs­ organisation.

Jedes der österreichischen Länder besitzt eine Landesregierung; mit dieser ist eine Verwaltungsstelle verbunden, die den oben geschilderten doppelten Aufgabenbereich ausfüllt. Vorsitzender der Landesregierung ist der Landeshauptmann; für die Verwaltungsaufgaben besteht das Amt der Landesregierung, das eine Landesbehörde ist. An dessen Spitze steht der Landeshauptmann, dem ein Landesamtsdirektor als höchster Fachbeamter beigegeben ist. Dabei ist für die mittelbare Bundesverwaltung der Landes­ hauptmann verantwortlich — er untersteht somit in dieser Hinsicht den Bundesministerien — während für die Landesverwaltung die kollegial ge­ bildete Landesregierung dem Landtag verantwortlich ist. Diese Trennung der Verantwortlichkeit gilt aber nur für die Spitze. Das Amt der Landes­ regierung als die eigentliche behördliche Stelle besorgt sowohl die Geschäfte der mittelbaren Bundesverwaltung wie auch der Landesverwaltung, wobei die Geschäfte nach ihrem sachlichen Zusammenhang gegliedert sind. Das Amt ist in Abteilungen eingeteilt — juristische und Fachabteilungen — die

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sämtliche dem Lanbesamtsdirektor unterstehen. Die Zahl der Landesregie­ rungen entspricht natürlich der der Länder (8), wozu noch der Magistrat der Stadt Wien kommt, der rechtlich die Stellung einer Landesregierung einnimmt. Das Land Bayern zerfällt in 8Kreise, die als höhere Verwaltungs­ bezirke den Noamen Regierungsbezirke führen. An der Spitze der Kreis­ regierungen steht der Regierungsprästdent, der ausschließlich Beamter und den Ministerien für seine Tätigkeit verantwortlich ist. Jede Regierung besteht aus einer Kammer des Innern für die Angelegenheiten der inneren Verwaltung und einer Kammer der Forsten für die Forstverwaltung. Die Bauverwaltung gehört zu der Kammer des Innern. Die Regierungen stnd büromäßig organisiert, kollegiale Entscheidung kommt nur in Ausnahme­ fällen vor. Sachsen besitzt als Mittelstellen der inneren Verwaltung 5 Kreishanptmannfchaften. Diesen sind zur Beratung und Beschlußfastung in bestimmten Angelegenheiten die Kreisausschüsse beigegeben. Baden hat 4 Landeskommissare, in Hessen bestehen 3 Provinzial­ direktionen. Württemberg muß hier außer Betracht bleiben, da Mittelstellen für Teile des Staatsgebietes dort nicht vorhanden sind. Was dort als Mittelstellen (Kollegialstellen) bezeichnet wird, sind Zentralbehörden, die den Ministerien unterstehen.

Preußen nimmt unter den deutschen Ländern insofern eine Sonder­ stellung ein, als es dort zwei Instanzen von Mittelstellen gibt; für die Provinzen die Oberpräsidenten, für die Regierungsbezirke die Regierungs­ präsidenten. In der Regel bilden mehrere Regierungsbezirke eine Provinz, es gibt jedoch auch Provinzen, die ryir aus einem einzigen Regierungsbezirk bestehen (Schleswig-Holstein, Oberschlesien, Grenzmark); trotzdem haben auch solche Provinzen in der Regel neben dem Oberpräsidenten noch einen eigenen Regierungspräsidenten. Die Zahl der preußischen Provinzen ist 12, die der Regierungsbezirke 34. Die Stellung des Oberpräsidenten war ur­ sprünglich mehr eine repräsentative, die des Vertreters der obersten Staatsbehörden in der Provinz, während feine eigentlichen Verwaltungs­ zuständigkeiten verhältnismäßig gering waren. Muerdings aber hat die Entwicklung dahin geführt, daß durch Vermehrung der Zuständigkeiten auf dem Verwaltungsgebiet der Oberpräsident eine den Regierungspräsidenten übergeordnete Instanz geworden ist. Die Regierung ist in 3 Abteilungen eingeteilt, von denen die erste die Angelegenheiten der inneren Verwaltung im engeren Sinne umfaßt. Inso­ weit ist die Behörde büromäßig organisiert. In den beiden anderen Ab­ teilungen (für Kirchen- und Schulsachen, ferner für direkte Steuern, Domänen und Forsten) erfolgt die Bearbeitung der Angelegenheiten in kollegialer Form. Es ergibt sich also das Bild, daß in Preußen, wo die i5

Stelle den Noamen „der Regierungspräfident von ....." führt, in der Tat eine weniger büromäßige und mehr kollegiale Behandlung stattfindet als in Bayern, wo die Bezeichnung „Regierung von eher auf eine kollegiale Behördenverfastung hinzuweisen fcheint. In Preußen find in den Mittelinstanzen, wie übrigens auch bei den unteren Verwaltungsbehörden, teilweise Selbstverwaltungsorgane in der Staatsverwaltung beteiligt. So wird der neben dem Oberpräfidenten stehende Provinzialrat, dessen Vorfitz der Oberpräfident führt, vorwiegend aus Personen gebildet, die vom Provinzialausschuß '(Kommunalorgan) gewählt werden. Dem Provinzialrat steht außer verwaltungsgerichtlichen Zuständigkeiten insbesondere die Mitwirkung beim Erlaß von Provinzial­ polizeiverordnungen zu. In ähnlicher Weise steht neben dem Regierungspräfidenten der Bezirksausschuß. Bei den Mittelinstanzen ist häufig die Tatsache zu bemerken, daß fich hier die verhältnismäßig stärkste Zuständigkeitshäufung findet. Zum Be­ weis hiefür sei auf die am Schlüsse abgedruckten graphischen Darstellungen verwiesen. Die Mittelinstanzen greifen in ihrem Geschäftsbereich vielfach über das eigentliche Gebiet der inneren Verwaltung hinaus in das der staatlichen Vermögensverwaltung über. Dies gilt insbesondere von den Angelegenheiten der Forstverwaltung, der Domänenverwaltung und früher auch der Steuerverwaltung. Im Reich ist jetzt durch den Ausbau einer eigenen Reichsfinanzverwaltung die Zuständigkeit der Mittelstellen der Länder in Finanzsachen zum großen Teil weggefallen. In Bayern find die Kammern der Finanzen bei den Regierungen aufgelöst worden, in Preußen bestehen die entsprechenden Abteilungen noch, da in ihnen auch die Verwal­ tung der Domänen und Forsten orgam'fiert ist. Über die mit den Mittel­ stellen verbundenen Behörden der sozialen Verwaltung und über die Sonderbehörden mit dem Rang von Mittelstellen wird später zu handeln sein.

In Österreich ist die Zuständigkeitshäufung bei den Ämtern auch eine Folge der staatsrechtlichen Verhältnisse, da diese Ämter nicht nur Mittelstellen der Bundesverwaltung, sondern zugleich und vorzugsweise Zentralstellen der Landesverwaltungen find. Es ist daher klar, daß auch alle anderen Agenden der Landesverwaltung, die nicht auf dem Gebiete der inneren Verwaltung liegen, bei der Landesregierung vereint find oder wenigstens hier ihre Spitze haben. Im Gegensatz zu dieser Konzentration in der Mitte ist sowohl in den reichsdeutschen Ländern wie auch in Österreich in der obersten Instanz und bei den unteren Behörden eine erheblich weitergehende fachliche Teilung zu beobachten. Maßgebend für diese Teilung ist in der Ministerialinstanz, von rein politischen Gründen abgesehen, der Wunsch zu vermeiden, daß der Ge­ schäftskreis eines Ministers infolge seiner Ausgedehntheit von einer Stelle aus nicht mehr überblickt werden kann. Bei den unteren Behörden, von denen im einzelnen noch zu sprechen sein wird, ist der Gefichtspunkt vor16

herrschend, daß der Geschäftsgang der ersten Instanz, der grundsätzlich die erste Behandlung der meisten Angelegenheiten obliegt, nicht zu schwer­ fällig und zu langsam werde. In der Mittelinstanz dagegen, wo diese Rücksichten wegfallen, wirkt noch, wenn auch stark verwässert, der Ge­ danke nach, daß der Vorstand dieser Behörde gewissermaßen allge­ meiner Vertreter der Staatsgewalt in einem bestimmten Landesteil sein soll. Ein Rest des Statthalterbegriffs ist in der Stellung des Ober­ präsidenten in Preußen, des Regierungspräsidenten in Bayern, der bis 1837 noch Generalkommissar hieß, enthalten. In Österreich ist allerdings heute in der Person des Landeshauptmanns das föderalistische Prinzip vorherr­ schend, so daß seine Stellung eher als ein Gegensatz zu den alten Statthaltereien empfunden wird, denn als eine Fortsetzung. Das oben bezeichnete Prinzip läßt es erklärlich sinden, daß technische Mittelstellen als Sonderbehörden neben den allgemeinen Mittelstellen in der inneren Verwaltung selten sind. Soweit solche vorhanden sind, ist in dem Abschnitt über Sonderbehörden von ihnen zu handeln. In den reichsdeutschen Ländern befassen sich die Gedankengänge über mögliche und wünschenswerte Verwaltungsreformen vielfach mit der Frage nach der Notwendigkeit von Mittelinstanzen. In Preußen lautet das Problem, ob eine Verschmelzung der Provinzialstellen mit den Re­ gierungspräsidien zweckmäßig erschiene. In Bayern denkt man zwar nicht an eine Aufhebung der Kreisregierungen, wohl aber an die Vermin­ derung ihrer Zahl. Die Notwendigkeit des Bestehens von Mittelstellen an sich läßt sich wohl begründen. Sie sind zwar infolge ihrer besonderen Stellung im allgemeinen für die Entfaltung starker praktischer Initiative vielleicht weniger geeignet als die mit den lokalen Bedürfnissen und Wünschen in der Regel besser vertrauten unteren Verwaltungsbehörden, aber um so mehr berufen zur Bearbeitung schwieriger Rechtsfragen und objektiver Entscheidung alter, verwickelter Streitigkeiten, die gerade in ländlichen Gegenden die Kräfte der Verwaltung häufig stark in Anspruch nehmen. Es ist daher das Bestreben unverkennbar, die unteren Verwal­ tungsbehörden von der erstinstanziellen Behandlung solcher Angelegen­ heiten zu entlasten. Diese den Ministerien zu übertragen geht in größeren Ländern nicht an, da die Zentralinstanz ihren großen Aufgabenkreis nur dann erfüllen kann, wenn ihr lediglich die Leitung der Exekutive ob­ liegt. — In Österreich sind Erörterungen über die Existenzberechtigung der Landesregierungsämter selbstverständlich aus staatsrechtlichen Gründen aus­ geschlossen.

IV. Untere Verwaltungsbehörden. In den meisten deutschen Ländern (nur die territorial ganz kleinen müssen ausgenommen werden), wie auch in allen österreichischen Ländern findet fich eine Art von allgemeinen Behörden, die man als „untere Ver-

waltungsbehörden" bezeichnen kann. Ihnen steht die Behandlung der meisten Verwaltungsangelegenheiten in erster Instanz zu. Diese Behörden sind einander trotz der sehr verschiedenen Bezeichnungen im Wesen ziem­ lich ähnlich; sie fyeißen in Preußen Landräte (Landratsämter), in Bayern und Baden Bezirksämter, in den österreichischen Ländern Bezirkshaupt­ mannschaften, in Sachsen Amtshauptmannschaften, in Württemberg Ober­ ämter, in Hessen Kreisämter, in Thüringen Kreisdirektionen usw. Sie unterstehen regelmäßig den Mittelstellen der allgemeinen Verwaltung, soweit solche vorhanden stnd, sonst unmittelbar der Zentralinstanz. Ihre Zuständigkeit erstreckt stch im allgemeinen auf sämtliche Gemeinden, die innerhalb ihres Bezirkes gelegen stnd, doch stnd vielfach größere Städte hievon ausgenommen, indem ihnen für den Stadtbezirk die Besorgung der meisten Geschäfte der unteren Verwaltungsbehörden übertragen ist und ste insoweit der Mittelstelle direkt unterstellt stnd. Auf diese Gemeinden, die man als „gehobene Städte" bezeichnen kann, wird bei der Besprechung der Organisation der Selbstverwaltung näher einzugehen sein. Der Wirkungskreis der unteren Verwaltungsbehörden erstreckt stch im allgemeinen auf alle Angelegenheiten der inneren Verwaltung, für die keine Sonderbehörden bestellt stnd. Doch ist der Zuständigkeitsbereich der unteren Verwaltungsbehörden im allgemeinen nicht so umfassend, wie der der Mittelstellen und besonders die Entwicklung der neuesten Zeit geht in den meisten reichsdeutschen Ländern unverkennbar dahin, den Wirkungs­ kreis der allgemeinen Verwaltungsbehörden in der unteren Instanz durch Einrichtung von Fachbehörden zu beschränken. Technische Behörden und neuerdings auch wirtschaftliche Fachbehörden mit teils gleichen, teils etwas anders abgegrenzten Bezirken treten den Landräten, Bezirksämtern usw. in zunehmendem Maße als selbständige Verwaltungsbehörden an die

Seite. Dabei ist zu beachten, daß in Österreich die Stellung der Bezirkshauptmannschaften, die übrigens Landesbehörden stnd, insofern stärker ausgebaut ist als in den größeren deutschen Ländern, als diese Behörden Außer den rechtskundigen Verwaltungsbehörden noch sogenannte Fach­ referenten, insbesondere für den Medizinal- und Veterinärdienst besttzen, die in den größeren deutschen Ländern als Kreisärzte, Bezirksärzte, Kreis­ tierärzte, Bezirkstierärzte usw. selbständige behördliche Stellung, wenn auch ohne Anordnungsbefugnis, haben. Auch für die Forstverwaltung bestehen besondere Referenten bei den Bezirkshauptmannschaften, die jedoch in den meisten Ländern nur mit der Forstaufstcht betraut stnd, wogegen für die Verwaltung der Bundesforsten eine besondere Organisation besteht, die jetzt überhaupt keinen behördlichen Charakter mehr trägt. In Preußen besttzen die Landräte, in Sachsen die Amtshauptmannschaften auch Zuständigkeiten auf dem Gebiete der Finanzverwal--

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futig, doch ist bie Verwaltung der Staatsforsten in beiden Ländern beson­ deren Behörden übertragen. In Bayern und Württemberg sind die unteren Verwaltungsbehörden mit Angelegenheiten der Finanzverwal­ tung nicht befaßt. Die Bauverwaltung ist regelmäßig besonderen Fachbehörden über­ tragen, über die gesonderte Ausführungen an anderer Stelle folgen. Die unteren Verwaltungsbehörden haben jedoch zum Teil Fachberater für das Bauwesen, die in Bayern und Württemberg Kommunalbeamte sind (Bezirksbaumeisier, Oberamtsbaumeister); in Österreich sind sie den Bezirkshauptmannschaften eingegliedert (Bezirksbauleiter); häusig ist für mehrere Bezirkshauptmannschaften ein gemeinsamer Bezirksbauleiterbestellt.

Der preußische Landrat hat eine Rechtsstellung, die ihn von den unteren Verwaltungsbehörden der süddeutschen Länder und Österreichs nicht unwesentlich unterscheidet. Hierfür sind zum Teil historische Gründe maßgebend. Der Landrat war ursprünglich ein ständisches Organ, das erst durch Über­ tragung staatlicher Verwaltungsausgaben allmählich zu einem Staatsorgan geworden ist. Im 19. Jahrhundert ist die für die preußische Verwaltung charakteristische enge Verknüpfung der Staatsverwaltung mit der Selbst­ verwaltung hinzugekommen. So ist der Landrat heute nicht nur Chef der staatlichen Verwaltung in seinem Kreise, sondern zugleich auch Leiter der kommunalen Selbstverwaltung des Kreises. Auf der anderen Seite hat der Kreistag ein Vorschlagsrecht für die Besetzung der Landratsstelle. Der Kreisausschuß ist nicht nur Selbstverwaltungsorgan, sondern unter dem Vorsitz des Landrates zugleich Beschlußbehörde der allgemeinen Staats­ verwaltung. Von seiner verwaltungsgerichtlichen Zuständigkeit ist an anderer Stelle die Rede. In den süddeutschen Ländern ist die Verknüpfung der Staatsver­ waltung mit der Selbstverwaltung weniger eng. In Württemberg ist der Vorstand des Okeramtes auch Leiter der Selbstverwaltung der Amtskörperschaft, doch besitzt diese kein Vorschlagsrecht. In Bayern bestand bis zum Umsturz ein ähnliches Verhältnis, besten Wiederherstel­ lung zurzeit angestrebt wird. Im übrigen ist in Bayern der Bezirksaus­ schuß (Kommunalorgan) zur Besorgung einiger Staatsverwaltungsauf­ gaben, besonders zum Erlaß bezirkspolizeilicher Vorschriften berufen. In Österreich kann von Erscheinungen dieser Art deshalb nicht die Rede sein, weil es — mit Ausnahme von Steiermark — an Selbst­ verwaltungskörpern fehlt, die hiefür in Betracht kommen könnten. Nach Größe und Umfang der unteren Verwaltungsbezirke ist bei allen örtlichen Unterschieden doch im allgemeinen das Bestreben festzustellen, die Bezirke so zu gestalten, daß den Einwohnern das persönliche Erscheinen vor Amt ohne allzu große Opfer an Zeit und Geld möglich ist und daß anderseits der verantwortliche Leiter des Amtes in die Lage versetzt ist

seinen Bezirk oder Kreis in allen Teilen genau kennen zu lernen. Die 19

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Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte bewirkt es, daß die unteren Ver­ waltungsbezirke nach Größe und Umfang sowohl in den wichtigeren deutschen Ländern, wie auch in den österreichischen Ländern einander durchaus vergleichbar sind. Zahlenmäßige Vergleiche hinsichtlich der Einwohnerzahl und Flächen­ größe der Verwaltungsbezirke durchzuführen lohnt sich deshalb nicht, weil innerhalb der größeren Länder selbst die Verhältnisse örtlich außerordentlich verschieden sind. Es läßt sich lediglich allgemein sagen, daß in Gegenden mit dünner Besiedelung naturgemäß die Verwaltungsbezirke größere Aus­ dehnung aufweisen. Im Durchschnitt liegt die mittlere Größe eines Ver­ waltungsbezirkes — gehobene Städte außer Betracht gelassen — zwischen 300 und 1000 qkm, während bie Durchschnitte der Einwohnerzahlen zwischen 35000 und 100000 schwanken. Daß im Nordosten Deutsch­ lands und in den Alpenländern der räumliche Durchschnitt und umgekehrt in den rheinisch-westfälischen und sächsischen Industriegebieten der Durch­ schnitt der Einwohnerzahlen höher ist, liegt auf der Hand. In kleinen Ländern sind vielfach auch die Verwaltungsbezirke kleiner als in den größeren Territorien. Was die Bezeichnung der Amtsbezirke anbetrifft, so gilt in den meisten Ländern der Grundsatz, daß der Hauptort (Amtssitz) dem Bezirk den Namen gibt. Eine Ausnahme gilt teilweise für Preußen, wo sich verschiedentlich noch historische oder geographische Bezeichnungen als Namen von Kreisen sinden, z. B. Westhavelland, Mansfelder See- und Ge­ birgskreis, Herzogtum Laueuburg usw. Thüringen hat in der Bezeichnung seiner Kreise keine Erinnerung an die Namen der früheren landesherr­ lichen Gebiete bewahrt, sondern die Kreise durchwegs nach dem Amtssitz der Kreisdirektionen genannt. Auch in Österreich sind die Bezirkshaupt­

mannschaften stets nach dem Amtssitz benannt. Es bestehen: in Preußen 423 Landkreise (Landratsämter), 162 Bezirksämter, n Bayern 28 Amtshauptmannschaften, n Sachsen n Württemberg1 62 Oberämter, 40 Bezirksämter, n Baden Thüringen 16 Kreisdirektionen, ff Hessen 18 Kreisämter, n Österreich 83 Bezirkshauptmannschaften. H

V. Konderbehörden und Sorrderverwattungen. Die moderne Entwicklung des Verwaltungswesens hat dazu geführt, daß neben den allgemeinen Behörden der inneren Verwaltung, den eigent­ lichen politischen Behörden oder Polizeibehörden im älteren Sinne, für eine Reihe von besonderen Geschäften Sonderbehörden ausgebildet worden

sind. Vorzugsweise gilt dies für solche Geschäftszweige, die in höherem Maße besondere technische Kenntnisse und Erfahrungen als Beherrschung des Staats- und Verwaltungsrechtes voraussetzen. Infolgedessen sind diese Sonderbehörden vorwiegend solche, an denen rechtskundige Verwaltungsbeamte nicht oder nur in geringer Zahl tätig sind. Sonderbehörden der inneren Verwaltung finden fich in allen Instanzen, am wenigsten häufig in der Mittelinstanz, wo die allgemeinen Behörden meist technische Referate oder Abteilungen mitumfassen. Dagegen ist. die Spezialisierung am stärksten in der unteren Instanz. In der Zentralinstanz ist eine doppelte Ausbildung zu beobachten. Die eine bewegt fich in der Richtung einer Vermehrung der Zahl der Ministerien nach der Seite der wich­ tigsten Berufs- und Wirtschaftszweige hin. Diese Entwicklung wurde schon im Abschnitt über die Ministerien besprochen. Die andere Richtung der Ausbildung von Sonderbehörden zeigt sich in der Schaffung von soge­ nannten Zentralstellen, das find Behörden, deren Wirkungskreis fich in ihrem besonderen Geschäftszweige über das ganze Land hin erstreckt, die aber gleichwohl nicht den Rang eines Ministeriums befitzen, sondern einem der verschiedenen Ministerien unterstellt find. Der Grund dieser Organi­ sationsform liegt vornehmlich darin, daß für bestimmte Zweige der Ver­ waltungstätigkeit nicht nur, wie oben erwähnt, der Besitz besonderer Kennt­ nisse und Erfahrungen notwendig erscheint, sondern auch die Ausbildung besonders zweckmäßiger und verfeinerter Methoden unentbehrlich ist; diese aber setzt häusig wieder das Vorhandensein eines größeren Apparates voraus, dessen Umfang den Körper eines Ministeriums zu schwerfällig gestalten würde und dessen Einzelarbeit nicht unter der unmittelbaren Verantwortung des zuständigen Ministers stehen kann. Bei der großen Zahl von Einzelerscheinungen, die sich hier sinden, ist es nur möglich die wichtigsten Tatsachen herauszugreifen, indem die Tätig­ keitsgebiete, auf denen die Ausbildung von Sonderbehörden am weitesten vorgeschritten ist, der Reihe nach behandelt werden. Für das Deutsche Reich muß die Übersicht auf die vier größten Länder beschränkt bleiben. i. Sozialversicherung.

Die Organisation der Sozialversicherung kommt hier insoweit in Betracht, als es sich um die Verficherungsbehörden handelt; die Ver­ sicherungsträger (Krankenkassen, Berufsgenossenschaften usw.) üben zwar öffentliche, aber nicht staatliche Verwaltung aus; hier können nur ihre wesentlichsten Formen aufgezählt werden. a) Deutsches Reich: Art der Versicherung: Krankenversicherung

Träger der Versicherung Ortskrankenkassen Landkrankenkassen Betriebskrankenkassen Ersatzkassen

Art der Versicherung: Unfallversicherung Alters- und Invalidenversicherung Angestelltenversicherung

Träger der Versicherung Berufögenoffenschaften Versicherungsanstalten ReichsversicherungSanftalt für Angestellte

b) Österreich: Art der Versicherung:

Träger der Versicherung: {Gebietökrankenkassen Betriebskrankenkassen

Krankenversicherung

Unfallversicherung Angestelltenversicherung Arbeitslosenversicherung

Genossenschaftskrankenkassen Versicherungsanstalten Hauptanstalt für Angeftelltenverstcherung Dersicherungskafsen der Angestellten Ein vom Bund gegründeter Fonds

{

Die Organisation der Versicherungsbehörden ist für das Reich durch die Reichsversicherungsordnung einheitlich geregelt. Es bestehen drei Stufen: Versicherungsämter, Oberversicherungsämter, Reichsversicherungs­ amt. In Bayern und Sachsen besteht auf Grund reichgesetzlicher Ermächtigung außerdem je ein Landesversicherungsamt, das die Zuständig­ keiten des Reichsversicherungsamtes für diese Länder besitzt (mit bestimmten Ausnahmen). Während 'das Reichsversicherungsamt eine selbständige Behörde (Zentralstelle) ist, sind die Oberversicherungsämler meist den allgemeinen Mittelstellen der inneren Landesverwaltung angegliedert; dies ist möglich, weil die Oberversicherungsämter zwar kraft Reichsrechts bestehen, aber trotzdem Landesbehörden sind. So befinden sich z. B. in Preußen und Bayern die Oberversicherungsämter bei den Regierungspräsidenten bzw. Kreisregierungen, in Sachsen bei den Kreishauptmannschaften. In Würt­ temberg ist das Oberversicherungsamt eine selbständige Zentralstelle (Landes­ mittelstelle). Die Versicherungsämter sind durchwegs den unteren Ver­ waltungsbehörden eingegliedert. In Österreich werden die Angelegenheiten der Sozialversicherung von den allgemeinen Behörden der inneren Verwaltung (politischen Behörden) unter der Oberaufsicht des Bundesministeriums für Soziale Verwaltung behandelt.

2. Kriegs für sorge, Versorgungswesen und sonstige Fürsorge. Die beiden ersteren Verwaltungsgebiete gehören zwar nach dem sach­ lichen Zusammenhang in den Bereich der Militärverwaltung, müssen jedoch hier kurz erwähnt werden, da sie im Deutschen Reich zum Geschäfts­ bereich des Reichsarbeitsministeriums gehören und auch in -Österreich teil­ weise der Oberaufsicht des Bundesministeriums für Soziale Verwaltung unterliegen. Beim Reichsarbeitsministerium ist ein „Reichsausschuß der Kriegs­ beschädigten- und Kriegshinterbliebenenfürsorge" errichtet; den Ländern ist

die Errichtung von Hauptfürsorgestellen und Fürsorgestellen zur Pflicht gemacht. In Preußen werden die Aufgaben dieser Stellen von den Organen der Landesfürsorgeverbände (Provinzen) und der Bezirksfür­ sorgeverbände (Kreise) vorgenommen, also von den Organen derjenigen Verbände, die die Träger der öffentlichen Fürsorge darstellen. In Bayern besteht eine Landeshauptfürsorgestelle, die beim Staatsministerium für Soziale Fürsorge gebildet ist, außerdem Hauptfürsorgestellen bei den Kreisregierungen; Fürsorgestellen stnd die unteren Verwaltungsbehörden. In Württemberg ist die Hauptfürsorgestelle der Landesfürsorgebehörde eingegliedert. In Österreich wird die Kriegsbefchädigtenfürsorge von den in den einzelnen Ländern bestehenden Invalidenentschädigungskommifsionen behan­ delt, die zwar dem Landeshauptmann als dem VorstHenden unterstellt stnd, im übrigen aber selbständige Behörden in unmittelbarer Unterord­ nung unter das Bundesministerium für Soziale Verwaltung stnd. Das Militärversorgungswesen, das im Deutschen Reich gleichfalls unter der Leitung des Reichsarbeitsministeriums steht, weist die Besonderheit auf, daß hier die Reichsverwaltung einen eigenen Unterbau besttzt. Die Hauptversorgungsämter und Versorgungsämter stnd Reichs­ behörden. Dagegen stnd die Versorgungsgerichte (Spruchbehörden) bei den Oberverstcherungsämtern gebildet, also Landesbehörden. Die öffentliche Fürsorge ist, soweit die Aufstcht über die Für­ sorgeträger und die Entscheidung von Streitigkeiten in Betracht kommt, Aufgabe der allgemeinen Verwaltung bzw. der Verwaltungsgerichte. Eigene staatliche Behörden für die Fürsorge bestehen daher nicht. Da­ gegen stnd einige Bemerkungen über die Träger der öffentlichen Fürsorge veranlaßt. Nach der Reichsfürsorgepstichtverordnung vom 13. Febr. 1924 ob­ liegt die öffentliche Fürsorge den Fürsorgeverbänden und zwar Landes­ fürsorgeverbänden und Bezirksfürsorgeverbänden. Deren Bildung ist dem Landesrecht überlassen. Preußen hat zu Landesfürsorgeverbänden die Pro­ vinzen, zu Bezirksfürsorgeverbänden die Stadt- und Landkreise bestellt. In Bayern stnd teils der Staat, teils die Kreise Landesfürsorgeverbände, die Bezirke und unmittelbaren Städte Bezirksfürsorgeverbände. Daneben stnd in mehreren, besonders süddeutschen Ländern für die eigentliche Armen­ fürsorge die Gemeinden zu Ortsfürsorgeverbänden erklärt. In Österreich ist die Armenfürsorge Sache der LandesgeseHgebung und zwar auch in organisatorischer Hinstcht. Im allgemeinen stnd die Gemein­ den die Träger der Fürsorge, doch steht die neuere Armengesetzgebung teilweise Verbände von Gemeinden zum Zwecke der Armenfürsorge vor, teilweise auch die Bildung von Fürsorgebezirken, z. B. in Niederösterreich. Zusammenfafsend läßt stch über das Fürsorgewesen sagen, daß es hinstchtlich der Träger der Fürsorgelasten in einer Umwandlung begriffen ist,

indem an Stelle der Ortsgemeinde mehr und mehr die Gebietsgemeinde tritt. 2lm weitesten fortgeschritten ist die Entwicklung in dieser Beziehung in Norddeutschland (Preußen), während man in Süddeutschland zunächst in manchen Punkten an der Verpflichtung der Ortsgemeinde festhält und in Österreich sich die Entwicklung noch in den Anfängen befindet.

3. Bauwesen. Die Organisation des staatlichen Bauwesens weist ziemlich weit­ gehende Verschiedenheiten auf, die hauptsächlich aus der etwas unklaren systematischen Stellung der Bauverwaltung zwischen Finanzverwaltung und innerer Verwaltung zu erklären ist. Am einheitlichsten rst die Bauverwaltung in Bayern organisiert. Der gesamte technische Staatsdienst ist mit geringen Ausnahmen in der Obersten Baubehörde zusammengefaßt, die eine Abteilung des Staats­ ministeriums des Innern ist. Als Zentralstelle besteht in Unterordnung unter die Oberste Baubehörde das Landesamt für Wasserversorgung für die Spezialaufgaben dieses Sondergebietes. Im übrigen erscheinen als Mittelsiellen die Regierungen, die in ihren Kammern des Innern über eine entsprechende Zahl von technischen Referenten verfügen. Erst in der unteren Instanz trennen sich die Fachbehörden in:

1. Landbauämter für das Hochbauwesen, 2. Straßen- und Flußbauämter, 3. Sektionen für Wildbachverbauung für die Regulierung der Gebirgsbäche, 4. Kulturbauämter; letztere sind in gewisser Hinsicht auch dem Staats­ ministerium für Landwirtschaft unterstellt. In Preußen ist die Hochbauverwaltung dem Finanzministerium zu­ geteilt, als Zentralstelle besteht die Preuß. Bau- und Finanzdirektion, Mittelstellen sind die Regierungspräsidenten, untere Behörden die Hochbau­ ämter. Die Wasserstraßenverwaltung, die an das Reich übergehen soll, und die Kulturbauverwaltung gehören zu dem Geschäftsbereich des Ministe­ riums für Landwirtschaft, Domänen und Forsten. Mittelstellen der Kul­ turbauverwaltung sind die Regierungspräsidenten, untere Behörden die Kulturbauämter. Für den Wasserschutz bestehen Deichämter und Deich­ verbände. Eine staatliche Verwaltung für Straßenbau gibt es in Preußen nicht, da die früher vom Staat unterhaltenen Straßen ganz auf die Provinzen übergegangen sind. In Sachsen gehört die gesamte Bauverwaltung zum Ressort der Finanzen. Für die einzelnen Baufächer bestehen Direktionen (Straßenbau­ direktion, Wasserbaudirektion, Hochbaudirektion), unter ihnen Strkßenund Wasserbauämter, Landbauämter und weitere Spezialbehörden für be­ sondere Zwecke. Württemberg hat die Bauverwaltung aufgeteilt zwischen Finanz­ ministerium, Wirtschaftsministerium und Ministerium des Innern. Das

Finanzministerium hat eine Bauabteilung, der die Bezirksbauämter unter­ stehen, während dem Wirtschaftsministerium die Kulturbauämter unter­ geordnet find. Beim Ministerium des Innern ist cine Abteilung für Straßen- und Wasserbau errichtet, dieser unterstehen die Straßen- und Wafserbauämter. In Österreich finden fich Sonderbehörden für das Bauwesen nur in Gestalt der forsttechnischen Sektionen für Wildbachverbauung. Im übrigen find in der unteren Instanz die Landesregierungen zuständig.

4. Gesundheits- und Veterinärwesen.

Im Gegensatz zu den starken Verschiedenheiten in der Organisation des staatlichen Bauwesens ist diejenige des Gesundheits- und Veterinär­ wesens in den deutschen Ländern in der Hauptsache ziemlich ähn­ lich. Die Abweichungen betreffen im wesentlichen die Zuständigkeitsver­ teilung unter die Ministerien. Dagegen find in der Mittelinstanz durch­ wegs die allgemeinen Verwaltungsbehörden (Regierungspräfidenten, Kreis­ regierungen usw.) tätig, in der Unterinstanz aber Kreisärzte, Bezirksärzte, Bezirkstierärzte usw. als selbständige behördliche Organe tätig, die zwar in erster Linie zur technischen Beratung der unteren Verwaltungsbehörden bestimmt, aber von diesen unabhängig find. Bei der Zentralinstanz bestehen teilweise beratende Ausschüsse (Landesgesundheitsrat, Obermedizinalaus­ schuß); das Reich befitzt eine dem Reichsministerium des Innern unterstellte, begutachtende und beratende zentrale Fachbehörde, das Reichsgesundheits­ amt. Eine Aufzählung der in den einzelnen Ländern zahlreich vorhandenen staatlichen Forfchungs-, Unterfuchuugs- und Heilanstalten erscheint entbehrlich. In Österreich ist ein Volksgesundheitsamt und ein Oberster Sani­ tätsrat beim Bundesministerium für Soziale Verwaltung vorhanden. In den Ländern besteht ein Landessanitätsrat, bei den Ämtern der Landes­ regierungen find ärztliche und tierärztliche Referenten eingeteilt und auch in der unteren Instanz befitzen die Bezirksärzte und Bezirkstierärzte bei den Bezirkshauptmannschaften, wie erwähnt, keine selbständige behördliche Stel­ lung, sondern find technische Referenten des Amtes. Hierin liegt ein gewisser Gegensatz zu der Regelung in den deutschen Ländern. 5. Wirtschaftsverwaltung, a) Statistik.

Die Behörden, denen die Pstege der amtlichen Statistik obliegt, find durchwegs Zentralstellen. Verschieden ist nur die Zuteilung zum Geschäfts­ bereich der Ministerien, wie fich aus folgender Überficht ergibt: Deutsches Reich — Österreich — Preußen — Bayern — Sachsen — Württemberg —

Statistisches Reichsamt Bundesamt f. Statistik Statistisches Landesamt



— — — — — —

ReichswirtschaftSministerium BundeSminist. f. Unterricht Ministerium d. Innern Staatsministerium d. Innern Wirtschaftöministerium Finanzministerium

b) Landwirtschaftliche Verwaltung. Die landwirtschaftliche Verwaltung ist im Reich im wesentlichen Sache der Länder. Dem Reichsministerium für Ernährung und Landwirt­ schaft unterstehen lediglich zwei Forschungsinstitute, im übrigen hat es keinen behördlichen Unterbau. Die Landeskulturverwaltung in Preußen besteht aus drei Instanzen: das Oberlandeskulturamt, ferner die diesem und den Oberpräsidenten unter­ stellten Landeskulturämter als Mittelstellen und die Kulturämter als untere Behörden. Der Landeskulturverwaltung obliegt im wesentlichen die Durch­ führung von Gemeinheitsteilungen, Umlegungen (Flurbereinigungen), Ab­ lösungen und die Bildung von Rentengütern. Auch mit dem Siedelungswesen sind die Kulturbehörden befaßt. Als oberste entscheidende Behörde fungiert das Oberlandeskulturamt zu Berlin.

Eine stärkere Spezialisierung zeigt die landwirtschaftliche Verwaltung in Bayern, wo auch die landwirtschaftliche Fachberatung — im Gegen­ satz zu Preußen und anderen Ländern — durch Staatsbehörden ausgeübt wird. Mit dieser Tätigkeit sind die Landwirtschaftsstellen betraut, die in der Regel mit landwirtschaftlichen Winterschulen (Landwirtschaftsschulen) in organischer Verbindung stehen; sie sind den Kreisregierungen unterge­ ordnet. Außerdem bestehen Tierzuchtinspektionen, Gestütsämter und Saat­ zuchtinspektionen für die Fachberatung auf diesem Spezialgebiete, sowie be­ sondere Landesinspektoren für einzelne Sonderzweige (Weinbau, Tabakbau, Hopfenbau, Obst und Gemüse, Milchwirtschaft usw.). Eine Reihe von Forschungsinstituten und Anstalten schließt sich an (Landesanstalt für Moor­ wirtschaft, Landesanstalt für Psianzenbau und Psianzenschutz, Landessaatzuchtanstalt). Für die Durchführung der Flurbereinigung gibt es Flur­ bereinigungsämter, die dem Landwirtschaftsministerium direkt unterstellt sind. Dem Siedlungswesen dient als Verwaltungsbehörde die Landessied­ lung, der als Geschäftsabteilung die Siedlungs- und Landbank G. m. b. H. zur Seite steht. Die Landeskulturrentenanstalt fördert die Landeskultur durch Gewährung von Immobiliarkredit an Landwirte und von Dar­ lehen zur Durchführung von Bodenkulturunternehmungen. Sachsen hat einen Landestierzuchtdirektor, ein Landstallamt und ein Landesamt für Grundstückszusammenlegungen, außerdem verschiedene Ver­ suchs- und Forschungsanstalten. Ferner ist eine Landessiedlungsstelle und eine Landeskulturrentenbank vorhanden. Württemberg besitzt eine Zentralstelle für die Landwirtschaft in Unterordnung unter das Wirtschaftsministerium, ferner ein Landesoberstallmeifteramt, sowie eine Anzahl von Vermeffnngsämtern für die Flurbe­ reinigung. Die österreichische Agrarverwaltung zeigt in ihrer Organisation gemeinsame Züge mit der preußischen. Die neu errichteten Agrarbezirksbehörden haben eine ähnliche Zuständigkeit wie die preußischen Kultur-

ämter, insbesondere Teilung von Gemeinschaften, Ablösungen und Zu­ sammenlegungen (Flurbereinigung), außerdem noch die Almwirtschaft. Zur Entscheidung von Streitigkeiten bestehen die Landesagrarsenate und der Oberste Agrarsenat beim Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft.

N^icht in den Bereich der Darstellung gehört die Verwaltung der Staatsdomänen, sowie die Aufzählung der Arten der landwirtschaftlichen Lehranstalten. Auch die landwirtschaftlichen Berufsvertretungen (Land­ wirtschaftskammern, Bauernkammern) können nicht in Betracht gezogen werden, da ihnen trotz einer gewissen öffentlichrechtlichen Stellung die Eigenschaft von Staatsorganen nicht zukommt.

c) Staatliche Versicherungsunternehmungen.

Solche sind insoweit zur Wirtschaftsverwaltung zu rechnen, als sie nicht Erwerbszwecken dienen, sondern zum Zwecke der.Wirtschaftsförde­ rung betrieben werden. Dies gilt von einigen staatlichen Unternehmungen, die sich in Bayern, Sachsen und in anderen Ländern sinden. Die bayerische Versicherungskammer ist mit der Verwaltung der vom Staat errichteten Brand-, Vieh-, Pferde- und Hagelversicherung be­ traut; sie untersteht dem Staatsministerium des Innern. Neuerdings hat sie ihre Tätigkeit auch auf andere Versicherungszweige ausgedehnt. Sie ist die größte staatliche Anstalt dieser Art in Deutschland. Unterbehörden sind die Brandversicherungsämter. In Sachsen besteht eine Brandversicherungskammer im Geschäfts­ bereich des Ministeriums des Innern; unterstellt sind die Brandversiche­ rungsämter. Außerdem besteht eine Anstalt für staatliche Schlachtvieh­ versicherung, die zum Wirtschaftsressort gehört. Ähnliche Einrichtungen sinden sich auch in Baden und Thüringen. Dagegen sind die preußischen Brandversicherungsanstalten (Feuersozie­ täten) zwar Körperschaften des öffentlichen Rechts, aber keine Staats­ anstalten. In Österreich bestehen keine staatlichen Versicherungsunternehmungen. Die Länder haben auf privatwirtschaftlicher Grundlage beruhende Anstalten für Feuer- und Viehversicherung eingerichtet. d) Eichungswesen.

Das Eichungswesen ist im Reich Gegenstand reichsgesetzlicher RegeMg. Als Zentralstelle ist die Mrmaleichungskommission errichtet worden, !e dem Geschäftsbereich des Reichswirtschaftsministeriums angehört und \r Physikalisch-technischen Reichsanstalt eingegliedert ist. Dagegen sind e Vollzugsbehörden Landesbehörden. Preußen besitzt Eichungsdirektionen, die dem Handelsministerium rterstehen, als Mittelstellen und Eichämter als Unterbehörden. In sayern ist eine Zentralstelle vorhanden in Gestalt des dem Staats-

Ministerium des Innern unterstellten Landesamtes für Maß und Gewicht, das für Bayern hinsichtlich verschiedener Zuständigkeiten an die Stelle der Normaleichungskommission tritt. Der Vollzug des Eichungswesens ist Eichämtern übertragen. Sachsen hat ein Landesobereichungsamt, Haupt­ eichämter und Eichämter; ressortmäßig gehört das Eichwesen auch hier zum Wirtschaftsministerium. In Württemberg stehen die Eichämter unter dem Landesgewerbeamt. -Österreich hat in der Zentralstelle das Eichwesen mit dem Vermesiungswesen zusammengefaßt (Bundesamt für Eich- und Vermessungs­ wesen). Unterstellt sind die Eichinspektorate und Eichämter.

e)

Sonstige Wirtschaftsverwaltung.

Auf dem Gebiete von Handel, Industrie und Gewerbe ist eine durch­ gebildete Behördenorganisation in der Regel nicht vorhanden. Nur das Bergwesen macht eine Ausnahme. Für dieses bestehen in Preußen mehrere Oberbergämter, denen die Revierbergbeamten unterstellt sind. Zentrale ist das Ministerium für Handel und Gewerbe. In Bayern sind ein Oberbergamt und mehrere Berginspektionen vorhanden. Die Verwaltung ist dem Staatsministerium für Handel, Industrie und Gewerbe unterstellt. Zu unterscheiden davon ist die Verwaltung der staatlichen Bergwerke, die zum Geschäftsbereich des Finanzministeriums gehört. Hier ist, nach preußi­ schem Vorbild, die Umwandlung in eine Aktiengesellschaft geplant. Auch Sachsen besitzt ein Oberbergamt und mehrere Bergämter (im Geschäfts­ bereich des Finanzministeriums). In Württemberg findet sich als Zentralstelle ein Oberbergamt, das dem Ministerium des Innern unter­ stellt ist, und ein Bergamt in Stuttgart.

In Österreich ist das Bergwesen Bundesangelegenheit und wird durch Revierbergämter besorgt, die unmittelbar dem Bundesministerium für Handel und Verkehr unterstehen. Mehrere deutsche Länder haben Sonderbehörden für die Gewerbe­ auf ficht ausgebildet, so Preußen (Gewerbeaufsichtsämter in Unterordnung unter die Regierungspräfidenten), Sachsen (Gewerbeauffichtsämter im Geschäftsbereich des Arbeits- und Wohlsah rtsminisieriums), Württem­ berg (Gewerbe- und Handelsaufsichtsamt im Ressort des Wirtschafts­ ministeriums). In Bayern obliegt die Gewerbeaufsicht den Regierungen, denen für diesen Zweck besondere Fachbeamte beigegeben sind. Öster­ reich hat ein Zentralgewerbeinspektorat und Gewerbeinspektoren. Letztere sind dem ersteren untergeordnet, das seinerseits wieder dem Bundesmini­ sterium für Soziale Verwaltung unterstellt ist. Die Gewerbeaufsichts­ behörden sind in Österreich Bundesbehörden.

Landesgewerbeämter für die allgemeine Gewerbeverwaltung finden sich in Preußen, Württemberg und Baden. Die Handelskammern (Indufirieund Handelskammern, Handels- und Gewerbekammern) sind Berufsver-

tretungen, die zwar teilweise öffentlichen Charakter tragen, aber keine Staatsorgane.

6. Kunst- und Denkmalspflege.

Das Reich besitzt im Reichskunstwart, der dem Reichsministerium des Innern beigegeben ist, ein Zentralorgan für die Kunstpstege, die im ein­ zelnen Landessache ist. Die größeren Länder haben meist Landesämter für Denkmalpstege (Preußen: Konservator der Kunstdenkmäler). -Österreich besttzt ein Bundesamt für Denkmalpstege, daneben bestehen in den Ländern ent­ sprechende Landesämter (Bundesbehörden).

7. Schulaufsicht. Während der Aufbau des Schulwesens nicht in den Zusammenhang dieser Darstellung gehört, ist die Schulaufstcht Gegenstand der Staatsver­ waltung. Soweit die Schulaufstcht besonderen Organen des Staates über­ tragen ist, muß ste hier berührt werden. Für die Hochschulen und in den meisten Ländern auch für die Mittelschulen (höheren Schulen) wird die Aufsicht von den Kultusministerien geführt. Preußen macht insofern eine Ausnahme, als es in den Provinzialschulkollegien, deren Vorsitzende die Oberprästdenten sind, besondere Organe für die höheren Schulen besttzt, dagegen werden die Volksschulangelegenheiten bei den Regierungspräsi­ denten von Abteilungen des Amtes besorgt. In der unteren Instanz sind die Kreisschulräte tätig, die selbständig sind, doch haben in äußeren Schul­ angelegenheiten auch die Landräte Zuständigkeiten. Bezirksschulräte (Fach­ beamte) für die Schulaufstcht hat auch Sachsen. In Bayern bildet das Bezirksamt gemeinsam mit dem Bezirksschulrat die Bezirksschul­ behörde; bei den Regierungen sind für die Behandlung der Schulangelegen­ heiten neben rechtskundigen Beamten auch Fachbeamte eingeteilt. In Württemberg bilden Oberamt und Bezirksschulinspektor das Gemein­ same Oberamt in Schulsachen. In Österreich, wo die Schulgesetzgebung Landessache ist, aller­ dings unter starker Einstußnahme des Bundes, ist die Schulaufstcht kolle­ gialen Organen übertragen, den Ortsschulräten, Bezirksschulräten (unter dem Vorsitz des Bezirkshauptmanns) und Landesschulräten (unter dem Vorsitz des Landeshauptmanns). In diesen Organen sind neben Verwaltungsbeamten auch Fachmänner und Religionsgesellschaften vertreten.

8. Sonstiges. Art und Zahl der Sonderbehörden ist damit nicht erschöpft, doch sind die aufgezählten Arten Wohl die wichtigsten, bei denen vergleichende Darstellung möglich ist. Eine Aufführung weiterer Einzelerscheinungen würde die Übersichtlichkeit beeinträchtigen. Der Vollständigkeit halber sei nur noch die Reichsarbeitsverwaltung erwähnt (Zentralstelle für die Arbeits­ vermittlung) mit Landesämtern für Arbeitsvermittlung und kommunalen

Arbeitsämtern. In Österreich bestehen örtliche Arbeitsnachweisstellen, die zugleich mit der Durchführung der Arbeitslosenverstcherung befaßt sind. Ihnen übergeordnet stnd die industriellen Bezirkskommifsionen. Die Organisation der staatlichen Polizeikräfte steht mit der inneren Verwaltung nur in einem sehr losen Zusammenhang, wenn ste auch ressort­ mäßig den einzelnen Ministerien des Innern unterstehen. Jedenfalls würde eine Darstellung des Aufbaues der Polizei nicht in dem Rahmen dieser Schrift liegen.

VI. Der Aufbau der Selbstverwaltung. Die Selbstverwaltung der Gebietskörperschaften (Gemeinden und Ge­ meindeverbände) gehört insofern in den Zusammenhang dieser Schrift, als ihre Organe in der Regel Verwaltungsbehörden stnd, indem ste teils unmittelbare oder mittelbare Staatsverwaltung, teils eigentliche Gemeinde­ verwaltung, jedenfalls aber öffentliche Verwaltung führen. Es ist also ihr Aufbau einer Betrachtung zu unterwerfen, nicht aber ihre Verfassung, die in das Gebiet des Staatsrechtes gehört. Die Selbstverwaltung der Gemeinden und Gemeindeverbände ist heute so sehr eine Selbstverständlichkeit, daß einleitende Ausführungen über Ge­ schichte, Sinn und Zweck dieser Einrichtung entbehrlich erscheinen. Mben

den Ortsgemeinden, die auf dem unmittelbaren nachbarschaftlichen Verband beruhen, stnden stch in den meisten größeren Ländern noch sogenannte Ge­ bietsgemeinden, öffentliche Körperschaften, die einen größeren Bezirk mit einer Mehrzahl von Gemeinden umfassen. Die Sprache der Gesetzgebung im Deutschen Reich nennt diese Gebietsgemeinden in der Regel „Gemeinde­ verbände", eine Bezeichnung, die nicht überall zutrifft, da Glieder dieser Verbände nicht überall die Gemeinden, sondern (in Auswirkung des Art. 17 RV.) die einzelnen Einwohner des Verbandsgebietes stnd. Es handelt stch also im wesentlichen nicht um Verbände von Gemeinden, sondern um Ver­ bände von Staatsbürgern auf territorialer Grundlage. Gleichwohl soll der Ausdruck Gemeindeverbände der leichteren Verständlichkeit halber hier beibehalten werden. Die Ortsgemeinde oder Gemeinde schlechthin, ist eine Einrichtung, die in keinem deutschen oder österreichischen Lande fehlt. Auch die räumlich beschränkten Landherrschaften der Hansastädte stnd in Ortsgemeinden gegliedert und selbst wenn, wie es bei der staatsrechtlichen Stellung der Stadt Wien der Fall ist, Gemeinde und Land völlig zu­ sammenfallen, so ist die Sachlage eben die, daß nicht der Gemeindeverband fehlt, sondern von solcher Bedeutung ist, daß ihm eine Sonderstellung zu­ erkannt wurde. Ganz allgemeinen ist ferner die Unterscheidung der Gemeinden in Städte und Landgemeinden. Teilweise, so besonders in Bayern, ist aller­ dings die Bezeichnung „Stadt" kein Rechtsbegriff mehr, sondern ledig­ lich gewissermaßen ein Titel. Während nämlich in Preußen die Land-

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gemeinden eine andere Verfassung haben als die Städte, besteht in Bayern in dieser Beziehung kein Unterschied zwischen beiden. Eine besondere Ein­ richtung, die neben und außerhalb der Gemeinde steht, findet fich in Preußen in Gestalt des Gutsbezirkes; dieser beruht auf der Einheit eines größeren GutsbefiHes, ist also kein Verband, hat aber im wesentlichen die Rechte und Pflichten einer Gemeinde. Daß dieser Einrichtung in Preußen erheb­ liche Bedeutung zukommt, ergibt fich daraus, daß die Zahl der Gutsbezirky i2 02i beträgt gegenüber 29651 Landgemeinden. Für Bayern ist noch zu erwähnen, daß fich eine Unterteilung der Gemeinden in Ortschaften findet, die jedoch in der Hauptsache nur mit Rücksicht auf das Vorhandensein von gesondertem Vermögen Bedeutung haben, aber nicht mehr Träger öffentlichrechtlicher Verpachtungen find. In der Verwaltungsorganisation spielen fie daher keine Rolle. Wie bereits in den vorhergehenden Abschnitten erwähnt, gibt es Ge­ meinden mit besonderer Rechtsstellung, die man als „gehobene Städte" be­ zeichnen kann. Das gemeinsame Merkmal dieser Städte ist, daß ihre Ver­ waltungen für das Stadtgebiet die Befugnis der unteren Verwaltungs­ behörden befitzen, daß fie also nicht zum Bezirk einer solchen gehören. Ge­ hobene Städte finden fich unter den verschiedensten Bezeichnungen in der Mehrzahl der deutschen und österreichischen Länder, fie fehlen in den südwestdeutschen Ländern (Baden, Hessen und auch Württemberg, obwohl

hier die Stadt Stuttgart eine Sonderstellung einnimmt). In Preußen führen fie die Bezeichnung Stadtkreise, womit zugleich gesagt ist, daß fie auch in Hinficht auf die Selbstverwaltung aus der Gebietsgemeinde, dem Kreis, herausgehoben find. Die Verleihung der Eigenschaft als Stadtkreis erfolgt (wie entsprechend auch in den anderen deutschen Ländern) durch Verfügung der Landesregierung; fie geschieht in Preußen in der Regel nur bei Städten mit mehr als 25000 Einwohnern, in Westfalen ist die Grenze bei 30000, in der Rheinprovinz bei 40000 Einwohnern. In Bayern heißen die gehobenen Städte kreisunmittelbare Städte; nach dem gegenwärtigen Rechtszustand ist die Verleihung an Gemeinden mit mehr als 5000 Einwohnern zulässig, wenn auch natürlich längst nicht alle Städte dieser Größenklasse die Kreisunmittelbarkeit befitzen. Es ist in Ausficht genommen, die untere Grenze für Muverleihung künftig auf 10000 Einwohner zu erhöhen. In Sachsen ist die durchschnittliche Grenze für die bezirksfreien Städte bei 20000 Einwohnern. Es find nur zwei Städte unter dieser Größe gehoben. Rechtlich ist in Sachsen der Austritt aus dem Bezirk für Gemeinden mit mindestens 30000 Einwohnern frei und kann anderen Gemeinden vom Ministerium des Innern gestattet werden. In Österreich heißen die entsprechenden Städte „Gemeinden mit eigenem Statut"; fie find wenig zahlreich. Der Nachdruck ruht hier auf ihrer Betrauung mit den Geschäften der politischen Bezirksbehörde, nicht

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auf der Heraushebung in bezug auf die Staatsaufsicht oder aus einem Gemeindeverband. Es bestehen: In Preußen 116 Stadtkreise, „ Bayern 58 kreisunmittelbare Städte, „ Sachsen 21 Vezirksfreie Städte, „ Thüringen 10 Stadtkreise, „ -Österreich 12 Städte mit eigenem Statut (einschl. Burgenland). Unter den gehobenen Städten nehmen wieder die Hauptstädte Berlin und Wien je eine besondere Stellung ein. Berlin ist unmittelbar dem Oberpräsidenten der Provinz Brandenburg unterstellt, ohne aber dem Provinzialverband anzugehören, während sonst über die Stadtkreise die Aufsicht von den Regierungspräsidenten geführt wird. Die Größe der Stadt Berlin hat eine Dezentralisation der Kommunalverwaltung erfor­ derlich gemacht; es bestehen 20 Verwaltungsbezirke, die ihrerseits wieder ein gewisses Maß von Selbstverwaltung besitzen und nach Art von Städten organisiert sind (Bezirksämter, Bezirksversammlungen). Noch stärker ausgesialtet ist die Rechtsstellung der Stadt Wien. Diese besitzt die Eigenschaft eines Bundeslandes, hat also staatsrechtlich eine Stellung, die an diejenige der Freien Reichsstädte erinnert. Diese Eigentümlichkeit des verfassungsrechtlichen Verhältnisses bringt es mit sich, daß in Wien der Bürgermeister gleichzeitig Landeshauptmann ist, der Stadtsenat und der Magistrat die gleiche Stellung haben wie die Landesregierung und das Amt der Landesregierung. Ebenso wie in den übrigen österreichischen Ländern untersteht die mittelbare Bundesverwal­ tung, die von der Stadt Wien ausgeübt wird, dem Bürgermeister als Landeshauptmann, während die Landesverwaltung, die in diesem Falle identisch mit der Selbstverwaltung ist, unter der Verantwortlichkeit des Stadtsenats vor sich geht. Im übrigen ist auch in Wien ähnlich wie in Berlin die Gemeindeverwaltung dezentralisiert mit Bezirksvorstehern, Be­ zirksvertretungen und Bezirksämtern. Die Staatsaufsicht über die Gemeinden wird im allgemeinen von den unteren Verwaltungsbehörden geführt; eine Ausnahme gilt für Österreich, wo die Gemeindeaufsicht Landessache ist und in erster und letzter Instanz von der Landesregierung ausgeübt wird. Die Städte mit eigenem Statut haben also in diesem Punkt den übrigen Gemeinden nichts voraus. In den deutschen Ländern, die gehobene Städte besitzen, steht die Handhabung der Staatsaufsicht über diese den Mittelstellen der Verwaltung zu (Re­ gierungspräsidenten, Kreishauptmannschaften). In Württemberg wird un­ terschieden zwischen großen und mittleren Städten einerseits, für die die Aufsicht durch die Ministerialabteilung für Bezirks- und Körperschafts­ verwaltung geführt wird, und den übrigen Gemeinden, die der Aufsicht des Oberamtes unterstehen.

In einzelnen großen Städten, sowohl im Reich wie in Österreich, befinden fich staatliche Polizeiverwaltungen (Polizeipräsidenten, Polizei­ direktionen, Polizeiämter), durch die Staats- und Sicherheitspolizei, teil­ weise auch andere Gebiete des Polizeiwesens der Selbstverwaltung ent­ zogen find. Preußen befitzt deren 35, Bayern 2 (München und Nürnberg-Fürth), Sachsen 4 (Dresden, Leipzig, Chemnitz, Plauen), Öster­ reich 4 (Wien, Graz, Salzburg und Eisenstadt; in Bildung begriffen: Linz). Die österreichischen Polizeidirektionen find Bundesbehörden, nicht Landesbehörden. Württemberg hat ein Polizeipräfidium in Stuttgart, sowie eine Anzahl von Polizeidirektionen und Polizeiämtern in den Ge­ meinden von etwa 10000 Einwohnern aufwärts. Bei Betrachtung der Gemeindeverbände oder Gebietsge­ meinden ergibt fich ein auffallender Unterschied zwischen den größeren deutschen Ländern einerseits und Österreich auf der anderen Seite. Wäh­ rend nämlich in den deutschen Ländern diese Verbände stark ausgebildet find, fehlen fie in Österreich fast vollständig. In Preußen wie in Bayern erscheinen die Gebietsgemeinden in mehreren Stufen. In Preußen find die Provinzen, die zugleich die Verwaltungsbezirke der Oberpräfidenten darstellen, und die Kreise, die mit dem Amtsbezirk des Landrates zusammen­ fallen, Selbstverwaltungskörper. Dagegen entspricht den preußischen Re­ gierungsbezirken kein Selbstverwaltungskörper, obwohl dem Regierungs­ präsidenten, wie erwähnt, ein Bezirksausschuß zur Seite steht. Nur in Hessen-Nassau bestehen neben dem Provinzialverband zwei Bezirksver­ bände, die räumlich den Regierungsbezirken Kassel und Wiesbaden ent­ sprechen. Die beiden Hohenzollernschen Kreise find zu einem Landes­ kommunalverband zusammengefaßt. In einigen preußischen Provinzen gibt

es noch sogenannte engere Kommunalverbände, die in der Regel nur einige Gemeinden innerhalb des Kreises umfassen und in Westfalen „Ämter", in der Rheinprovinz „Landbürgermeistereien" genannt werden. In Bayern heißen die den Regierungsbezirken entsprechenden Selbst­ verwaltungskörper Kreise, die mit den Bezirksämtern räumlich zusammen­ fallenden Gemeindeverbände find die Bezirke. Eine Besonderheit gilt für die Pfalz, wo an Stelle der Bezirke noch die (früher auch im rechtsrheinischen Bayern vorhandenen) Distrikte bestehen, die nicht an die Verwaltungs­ einteilung, sondern an die Gerichtseinteilung anknüpfen und in der Regel dem Bezirk eines Amtsgerichtes entsprechen. Bürgermeistereien, die denen der Rheinprovinz ähnlich find, gibt es auch in der Pfalz. Die Stadtkreise in Preußen, bzw. die unmittelbaren Städte in Bayern r. d. Rh. stehen außerhalb der Landkreise bzw. Bezirke, von denen fie räumlich umschloffen werden. In Württemberg gibt es als Gemeindeverbände die sogenannten Amtskörperschasten, die mit den Bezirken der Oberämter räumlich zusammensallen, entsprechend in Sachsen die Bezirke und in Thüringen und Hessen die Kreise.

Eine etwas abweichende Stellung unter den größeren deutschen Län­ dern nimmt Baden ein. Es bestehen hier als Gebietskörperschaften die Kreise. Diese entsprechen räumlich aber weder den Landeskommissarbezirken noch den Bezirksämtern, umfassen vielmehr jeweils mehrere Bezirksämter, einschließlich aller größeren Städte, die in ihrem Gebiet liegen. Es be­ stehen in Baden 11 Kreise gegenüber 4 Landeskommissarbezirken und 4o Bezirksämtern. Die schwache Ausbildung der Gebietskörperschaften in Österreich hängt teilweise mit den Verfassungsverhältm'fsen zusammen. Es ist staats­ rechtlich nicht zulässig die Länder als Gemeindeverbände oder Selbstver­ waltungskörper zu bezeichnen, denn die Verfassung nennt Österreich einen Bundesstaat, dessen Glieder die Länder sind. So scheidet die höhere Stufe von Kommunalverbänden aus. Auf der anderen Seite ist beacht­ lich, daß in Österreich im allgemeinen auch diejenige Selbstverwaltungs­ körperschaft fehlt, die den preußischen Kreisen und den bayerischen Bezirken entsprechen würde. Über den Ortsgemeinden bauen sich unmittelbar die gliedstaatlichen Charakter tragenden Länder auf. Eine Ausnahme gilt für Steiermark, wo Bezirke gebildet sind, die Selbstverwaltungskörper dar­ stellen und räumlich den Bezirkshauptmannschaften entsprechen. Im Gegen­ satz zu den tatsächlichen Verhältnissen sieht die Bundesverfassung die

Errichtung von Bezirksvertretungen im allgemeinen vor, doch ist es bisher noch zu keiner Durchführung dieser Bestimmungen gekommen. Wegen des Vergleiches mit Österreich ist noch zu erwähnen, daß in den preußischen Provinzen der Leiter der provinziellen Selbstverwaltung in der Regel die Amtsbezeichnung Landeshauptmann führt. Seine Rechts­ stellung ist jedoch anders als die eines österreichischen Landeshauptmanns. Letzterer ist nicht nur Vorsitzender der Landesregierung, sondern steht auch an der Spitze der mittelbaren Bundesverwaltung, während der preußische Landeshauptmann nur Organ der provinziellen Selbstverwaltung ist, für die Staatsverwaltung in der Provinz dagegen der Oberpräsident, gegebenen­ falls der Provinzialrat das zuständige Organ ist. Die Staatsaufsicht über die Gemeindeverbände wird in Preußen für die Kreise vom Regierungspräsidenten, für die Provinzen vom Ober­ präsidenten geführt, in Bayern sind für die Staatsaufsicht über die Bezirke die Kreisregierungen, über die Kreise das Staatsministerium des Innern zuständig. In Württemberg unterstehen die Amtskörperschaf­ ten der Staatsaufsicht durch die Ministerialabteilung für Bezirks- und Körperschaftsverwaltung. In Sachsen ist Staatsaufsichtsbehörde für die Bezirksverbände die Kreishauptmannschaft.

VII. Verwaltungsgertchtsbarkett. Der Gedanke des Rechtsschutzes im öffentlichen Recht ist seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts sowohl in Deutschland wie in Üster-

reich zwar allgemein durchgeführt, die Art der Verwirklichung aber ist im einzelnen doch sehr verschieden. Es finden fich mehrere Systeme neben­ einander, deren Verschiedenheiten fich auch in der Organisation der

Verwaltungsrechtspfiege deutlich bemerkbar machen. soweit diese in Frage kommt, hat uns die Verwaltungsgerichtsbarkeit hier zu beschäf­ tigen. Ein weitergehender Vergleich der Systeme und Zuständigkeiten ist nicht beabfichtigt. Am wenigsten tritt die Verwaltungsrechtspfiege organisatorisch in Er­ scheinung, wenn fie fich im wesentlichen auf die Nachprüfung administra­ tiver Entscheidungen durch eine richterliche Instanz beschränkt. Dieses System gilt in Österreich. Es besteht dort im allgemeinen der Grund­ satz, daß derjenige, der fich durch einen Bescheid einer Verwaltungsbehörde in seinen Rechten verletzt glaubt, nach Erschöpfung des administrativen Instanzenzuges fich an eine richterliche Instanz, den Verwaltungsgerichts­ hof, beschweren kann. Der österreichische Verwaltungsgerichtshof ist eine Bundesbehörde, kann aber auch, was sogar die Regel bildet, gegen Ent­ scheidungen von Landesbehörden angerufen werden. Es gibt also im allgemeinen nur eine verwaltungsgerichtliche Instanz, dagegen bestehen neben dem Verwaltungsgerichtshof noch einige richterliche Organe, die gleichfalls auf dem Gebiete des Staats- und Verwaltungsrechtes Zu­ ständigkeiten befitzen, so insbesondere der Verfassungsgerichtshof, der außer seiner verfassungsgerichtlichen Tätigkeit auch über vermögensrechtliche An­ sprüche gegen Bund, Länder und Gemeinden, die nicht im ordentlichen Rechtsweg auszutragen find, zu entscheiden hat. Außerdem gibt es in der landwirtschaftlichen Verwaltung die Agrarsenate bei den Landesregierungen und den obersten Agrarsenat bei dem Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft.

Ein hievon etwas verschiedenes System besteht in Bayern. Hier handelt es fich nicht nur darum, daß Entscheidungen der Verwaltungs­ behörden durch eine richterliche Instanz nachgeprüft werden, vielmehr ist der Rechtsschutz insbesondere auch durch ein genau geregeltes Verwal­ tungsrechtsverfahren in bestimmten Angelegenheiten gewährleistet. In der Organisation der Verwaltungsgerichtsbarkeit äußert fich dieses System dadurch, daß neben einem Verwaltungsgerichtshof, der die oberste, aber nicht die einzige verwaltungsrichterliche Instanz darstellt, auch in der Mittelinstanz ein Verwaltungsgericht besteht, das bei den Kreisregierungen errichtet ist, in Gestalt des sogenannten verwaltungsrechtlichen Senates. In diesen Angelegenheiten entscheidet also nicht der Regierungspräfident, sondern ein aus Räten der Regierung bestehendes kollegiales Gericht. Unterste Instanz der Verwaltungsgerichtsbarkeit ist das Bezirksamt und der unmittelbare Stadtrat, bei dem fich das verwaltungsgerichtliche Ver­ fahren allerdings organisatorisch nicht mehr geltend macht, wohl aber in den Formen der Entscheidung und im modus procedendi. Sonderver-

waltungsgerichte gibt es in Bayern nicht. In Württemberg gibt es nur eine Rechtsbeschwerde an den Verwaltungsgerichtshof nach Erschöpfung des Verwaltungsinstanzenzuges. In Sachsen sind die Kreishauptmannschaften, also die Mittelstellen der Verwaltung, als Verwaltungsgerichte erster Instanz tätig. Berufungs­ instanz ist das Oberverwaltungsgericht. Während also in Sachsen nur zwei verwaltungsgerichtliche Instanzen vorhanden sind, gibt es in Bayern deren drei. Es besteht aber auch hier die Tendenz, die Zahl der Instanzen zu vermindern, indem teilweise die Entscheidung erster Instanz den verwaltungsrechtlichen Senaten an den Regierungen übertragen wurde, teilweise die Regierungsinstanz ausgeschaltet ist, insofern in manchen Sachen der Verwaltungsgerichtshof unmittelbare Beschwerdeinstanz gegenüber Ent­ scheidungen der Bezirksämter ist.

Anders als in den bisher besprochenen Ländern und in Österreich ist die Verwaltungsrechtspsiege in Preußen organisiert. Hier liegt der Nachdruck des verwaltungsgerichtlichen Schutzes nicht so sehr auf dem besonderen Verfahren (Verwaltungsverfahren) oder auf der Nachprüfung durch eine richterliche Instanz, .als vielmehr darauf, daß die Angelegen­ heiten, in denen ein Rechtsschutz erforderlich erscheint, Behörden von beson­ derer Zusammensetzung zur Entscheidung übertragen wird. Preußen hat die Heranziehung von Laien zur Verwaltungsrechtspflege ausgebildet. Angelegenheiten, für die das Verwaltungsftreitverfahren vorgesehen ist, werden in der Unterinstanz vom Kreisausschuß, in der Mittelinstanz vom Bezirksausschuß entschieden. Erst in der höchsten Instanz, dem Oberver­ waltungsgericht tritt ein ausschließlich aus Beamten gebildeter Gerichts­ hof in Funktion, bei dem ein besonderer wasserwirtschaftlicher Senat besteht. Außerdem gibt es bei dem Oberbergamt einen Bergausschuß als Verwal­ tungsgericht. Den Landeskulturämtern sind Spruchkammern angegliedert, die gleichfalls unter Laienbeteiligung entscheiden. Eine Heranziehung von Laien zur Verwaltungsrechtspsiege in der unteren Instanz findet auch in Thüringen statt (Kreisverwaltungsgerichte); das Oberverwaltungsgericht besteht auch hier ausschließlich aus rechtskundigen Richtern. Das Deutsche Reich als solches besitzt kein eigenes allgemeines Ver­ waltungsgericht, doch ist die Errichtung eines solchen in der Reichsver­ fassung vorgesehen und geplant. Dagegen gibt es — abgesehen von dem Versicherungs- und Versorgungswesen — mehrere Spezialverwaltungs­ gerichte, so das Bundesamt für Heimatwesen zur Entscheidung von Streitigkeiten zwischen Trägern der öffentlichen Fürsorge, ferner dasReichsaufsichtsamt für Privatversicherung und in gewissem Umfang auch dgs Reichswirtschaftsgericht mit dem ihm angegliederten Kartellgericht. Dagegen wird man das Reichspatentamt wohl nicht hierher, sondern in den Bereich der Justizverwaltung zu rechnen haben. Dem österreichischen Verfassungs-

gerichtshof entspricht ungefähr der Staatsgerichtshof für das Deutsche Reich, der auch in manchen Fragen des Verwaltungsrechts Zuständig­ keiten besitzt.

B. Personalverhältmsse. L Ällgememes. Die Staatsverwaltung beruht sowohl im Deutschen Reich wie auch in den deutschen Ländern und in Österreich im wesentlichen auf dem Berufsbeamtentum. 9Tur im Bereich der Selbstverwaltung spielt das Wahlbeamtentum und die ehrenamtliche Führung der Geschäfte eine gewisse Rolle. Aber auch hier hat die immer stärkere Spezialisierung der amtlichen Aufgaben zur Folge, daß das Berufsbeamtentum weiter vor­ dringt und auch der Wahlbeamte durch lange Dauer seiner Funktionen, durch Altersversorgung usw. vielfach an das Berufsbeamtentum angeglichen wird. In -Österreich bringt es die eigenartige Doppelstellung des Landes­ hauptmanns, der nicht nur Vorsitzender der Landesregierung, sondern auch Chef der mittelbaren Bundesverwaltung im Lande ist, mit sich, daß hier eine gewählte Person für die Führung der Geschäfte einer Mittel­ stelle der Bundesverwaltung verantwortlich ist. Ähnlich ist die Sachlage bei den übrigen Mitgliedern der Landesregierung (Volksbeauftragten). Diese scheinbare Durchbrechung des Prinzips, daß die Staatsverwaltung auf dem Berufsbeamtentum beruht, erklärt sich ohne weiteres aus den staatsrechtlichen Verhältnissen. Aus dem Berufsbeamtentum herausgenommen ist seit dem Übergang zur republikanischen Staatsform die Stellung des Ministers. Er ist zwar Chef einer bestimmten Verwaltung, seine staatsrechtliche und politische Stellung überwiegt jedoch die verwaltungstechnische Funktion. Die Ver­ hältnisse sind hier im Reich, in den deutschen Ländern und in Österreich im wesentlichen gleich gelagert. Die föderalistische Gestaltung hat in beiden Staatswesen zur Folge, daß die Beamten der Verwaltung in Reichsbeamte und Landesbeamte bzw. in Bundesbeamte und Landesbeamte zerfallen. Im Reich ist die Sachlage dabei einfacher als in Österreich, insofern die in Reichsbehörden tätigen Beamten grundsätzlich Reichsbeamte, die an Landesbehörden be­ schäftigten Beamten Landesbeamte sind. Für die innere Verwaltung besagt dies, daß Reichsbeamte im wesentlichen nur in den Reichsministerien und in den wenigen Zentralstellen, die sich zumeist in Berlin befinden, vorhanden sind. Die Reichsverwaltung hat daher nur wenig eigenen Nach­ wuchs und ergänzt sich vielfach durch Übernahme von Landesbeamten, die in den Reichsdienst übertreten und nach Ablauf einer Anzahl von Jahren manchmal wieder in den Landesdienst zurückkehren.

gerichtshof entspricht ungefähr der Staatsgerichtshof für das Deutsche Reich, der auch in manchen Fragen des Verwaltungsrechts Zuständig­ keiten besitzt.

B. Personalverhältmsse. L Ällgememes. Die Staatsverwaltung beruht sowohl im Deutschen Reich wie auch in den deutschen Ländern und in Österreich im wesentlichen auf dem Berufsbeamtentum. 9Tur im Bereich der Selbstverwaltung spielt das Wahlbeamtentum und die ehrenamtliche Führung der Geschäfte eine gewisse Rolle. Aber auch hier hat die immer stärkere Spezialisierung der amtlichen Aufgaben zur Folge, daß das Berufsbeamtentum weiter vor­ dringt und auch der Wahlbeamte durch lange Dauer seiner Funktionen, durch Altersversorgung usw. vielfach an das Berufsbeamtentum angeglichen wird. In -Österreich bringt es die eigenartige Doppelstellung des Landes­ hauptmanns, der nicht nur Vorsitzender der Landesregierung, sondern auch Chef der mittelbaren Bundesverwaltung im Lande ist, mit sich, daß hier eine gewählte Person für die Führung der Geschäfte einer Mittel­ stelle der Bundesverwaltung verantwortlich ist. Ähnlich ist die Sachlage bei den übrigen Mitgliedern der Landesregierung (Volksbeauftragten). Diese scheinbare Durchbrechung des Prinzips, daß die Staatsverwaltung auf dem Berufsbeamtentum beruht, erklärt sich ohne weiteres aus den staatsrechtlichen Verhältnissen. Aus dem Berufsbeamtentum herausgenommen ist seit dem Übergang zur republikanischen Staatsform die Stellung des Ministers. Er ist zwar Chef einer bestimmten Verwaltung, seine staatsrechtliche und politische Stellung überwiegt jedoch die verwaltungstechnische Funktion. Die Ver­ hältnisse sind hier im Reich, in den deutschen Ländern und in Österreich im wesentlichen gleich gelagert. Die föderalistische Gestaltung hat in beiden Staatswesen zur Folge, daß die Beamten der Verwaltung in Reichsbeamte und Landesbeamte bzw. in Bundesbeamte und Landesbeamte zerfallen. Im Reich ist die Sachlage dabei einfacher als in Österreich, insofern die in Reichsbehörden tätigen Beamten grundsätzlich Reichsbeamte, die an Landesbehörden be­ schäftigten Beamten Landesbeamte sind. Für die innere Verwaltung besagt dies, daß Reichsbeamte im wesentlichen nur in den Reichsministerien und in den wenigen Zentralstellen, die sich zumeist in Berlin befinden, vorhanden sind. Die Reichsverwaltung hat daher nur wenig eigenen Nach­ wuchs und ergänzt sich vielfach durch Übernahme von Landesbeamten, die in den Reichsdienst übertreten und nach Ablauf einer Anzahl von Jahren manchmal wieder in den Landesdienst zurückkehren.

Verwickelter sind die Dinge in -Österreich. Obwohl dort, wie aus­ geführt, die wichtigsten Behörden der politischen Verwaltung Landes­ behörden sind, besteht die überwiegende Anzahl der an diesen Behörden tätigen Beamten doch aus Bundesbeamten. Sie werden vom Lande bezahlt, aber vielfach wieder aus Mitteln, die der Bund dem Lande zur Verfügung stellt. Kraft ausdrücklicher gesetzlicher Bestimmung sind bei dem Übergang der Verwaltungsbehörden vom Bund auf die Länder die bei den Landesregierungen und Bezirkshauptmannschaften eingeteilten Beamten Bundesbeamte geblieben. Es können an diesen Behörden jedoch auch Landesbeamte angestellt werden. Vorbildung und Laufbahn der Verwaltungsbeamten ist je nach dem Aufgabenkreis verschieden. Die früher vielfach übliche Unterscheidung höherer, mittlerer und unterer Beamter ist heute teilweise durch andere Einteilungsarten ersetzt. In Preußen unterscheidet man je nach der Vorbildung und den übertragenen Aufgaben folgende Laufbahnen: den Dienst der Boten und sonstigen für die Verrichtung mechanischer Arbeiten bestimmten Beamten, den Kanzleidienst, den einfachen Bürodienst, den schwierigeren Bürodienst und den Dienst der akademisch vorgebildeten Beamten (höherer Verwal­ tungsdienst). Die Befähigung zum höheren Verwaltungsdienst kann auch mittleren Beamten zuerkannt werden. Bayern hat die frühere Unterscheidung zwischen unteren, mittleren und höheren Beamten in der Hauptsache beibehalten; es schiebt sich jedoch zwischen den Kanzleidienst und den gehobenen mittleren Dienst eine Prü­ fung ein, deren Bestehen Voraussetzung für das Aufrücken in die höheren Besoldungsgruppen des mittleren Dienstes ist. Der höhere Verwaltungs­ dienst ist den akademisch vorgebildeten Beamten Vorbehalten. In Würt­ temberg werden höhere, mittlere, Kanzleibeamte und untere Beamte unterschieden. In Österreich sind die Beamten in 8 Verwendungsgruppen ein­ geteilt; in der höchsten (8.) Verwendungsgruppe stehen die Beamten mit akademischer Vorbildung.

II. Vorbildung und Laufbahn der rechtskundigen Verwaltungsbeamten. Infolge der großen Mannigfaltigkeit des Verwaltungsdienstes ist es nicht möglich, Vorbildung und Laufbahn aller Gruppen der akademisch vorgebildeten (höheren) Verwaltungsbeamten darzustellen; neben den Ver­ waltungsjuristen finden sich in jedem Lande höhere technische Beamte der verschiedensten Art. Entsprechend dem Zweck dieser Schrift soll jedoch Vor­ bildung und Laufbahn der rechtskundigen Verwaltungsbeamten kurz ge­ schildert und verglichen werden. Gemeinsam ist der Ausbildung in den deutschen Ländern und in Österreich, daß sie sich in Hochschulstudium mit Abschlußprüfung und in

Vorbereitungsdienst mit einer zweiten Prüfung gliedert. Im einzelnen find diese Stadien der Ausbildung aber verschieden ausgestaltet. Während Preußen und Sachsen ein Z jähriges und Württem­ berg ein 31/2 jähriges Universitätsstudium der Rechte fordern, beträgt die Hochschulzeit in Bayern und in -Österreich 4 Jahre. Die Hochschul­ prüfungen, die mit den Anwärtern für den Justizdienst gemeinsam sind, zeigen in Österreich eine besondere Ausgestaltung; sie zerfallen in "die rechtshistorische, die judizielle und die staatswissenschaftliche Prüfung. Der Vorbereitungsdienst dauert in Preußen, Bayern, Sachsen und Württemberg 3 Jahre, in Österreich 2 Jahre. An seinem Abschluß steht eine nochmalige Prüfung, deren erfolgreiche Ablegung die Befähigung für den höheren Verwaltungsdienst verleiht. Hinsichtlich der Gestaltung des Vorbereitungsdienstes und der Staatsprüfung ist ein preußisches und ein bayerisches System zu unterscheiden. In Preußen sind die im Vorbe­ reitungsdienst stehenden Personen (Referendare) 21/2 Jahre bei Verwal­ tungsbehörden und ein halbes Jahr bei Gerichten beschäftigt; die Staats­ prüfung für den Verwaltungsdienst ist getrennt von derjenigen für den Justizdienst und verleiht nicht die Befähigung zum Richteramt. In Bayern dagegen ist die Ausbildung der Referendare gemeinsam für den Justiz- und Verwaltungsdienst (2 Jahre Beschäftigung bei Gerichten und Rechtsanwälten, 1 Jahr bei Verwaltungsbehörden), ebenso ist die Staats­ prüfung gemeinsam. Sämtliche bayerische Verwaltungsbeamte besitzen demnach die Befähigung zum Richteramt. Ein innerer Zusammenhang dieser Ausbildung mit der bedeutenden Rolle, die die Verwaltungsrecht­ sprechung in der bayerischen Verwaltung spielt, ist nicht von der Hand zu weisen. Die Mehrzahl der größeren Länder und auch Österreich haben eine dem preußischen System angenäherte Regelung; nur in Württem­ berg haben die Anwärter für den Verwaltungsdienst auch die zweite höhere Justizdienstprüfung abzulegen, seit die Abhaltung der besonderen höheren Verwaltungsprüfung — bis auf weiteres — eingestellt ist. Was die Laufbahnen der höheren Verwaltungsbeamten betrifft, so sind innerhalb des Deutschen Reiches Amtsbezeichnungen wie auch Funktionen weitgehend vereinheitlicht; auch die Besoldungsgruppen sind nach demselben Schema aufgebaut. In Österreich sind die Verhältnisse der Bundesbeamten, d. h. der überwiegenden Mehrzahl der höheren Be­ amten der politischen Verwaltung, gleichfalls einheitlich. Bei der Über­ sicht empfiehlt es sich die unteren Verwaltungsbehörden, die Mittelstellen und die Ministerien zu trennen. Die Organisation und die Besetzung der unteren Verwaltungs­ behörden ist in Preußen etwas anders geregelt als in Bayern, Würt­ temberg und Sachsen. Die Bezirksämter bzw. Oberämter und Amtshauptmannschaften in den drei letztgenannten Ländern sind außer mit einem Vorstand auch mit rechtskundigen Mbenbeamten besetzt. Die Stelle eines

solchen Nebenbeamten ist in der Regel die Eingangsstelle für den höheren Verwaltungsdienst in Besoldungsgruppe X; in Bayern ist die Amts­ bezeichnung Bezirksamtmann, in Württemberg Amtmann, in Sachsen Regierungsrat. Ein Aufrücken in Gruppe XI mit der Amtsbezeichnung Regierungsrat (in Bayern Regierungsrat L Klasse) in der Stellung des Nebenbeamten ist möglich. Der Amtsvorstand (Bezirksoberamtmann, Oberamtmann, Amtshauptmann) bestndet sich der Regel nach in Gruppe XI mit beschränkter Vorrückungsmöglichkeit in Gruppe XII. In Preußen beginnt die planmäßige Laufbahn, soweit der Dienst bei den Landrats­ ämtern in Betracht kommt, in selbständiger Stellung als Landrat in Be­ soldungsgruppe X mit Aufrückungsmöglichkeit in Gruppe XI und in be­ schränktem Maße in Gruppe XII. Der Landrat hat keinen etatmäßigen (planmäßigen) Nebenbeamten, doch ist ihm häustg ein (nichtetatsmäßiger) Regierungsassessor als Hilfsarbeiter beigegeben. In Österreich, wo die Bezirkshauptmannschaft eine umfangreichere Behörde ist als die entsprechenden Ämter der reichsdeutschen Länder, stnden sich Nebenbeamte in verschiedenen Stufen, von Dienstklasse VII auf­ rückend bis in Dienstklasse IV (Regierungskommissäre, Regierungsober­ kommissäre, Landesregierungsräte). Der Vorstand einer Bezirkshauptmannschaft ist entweder Landesregierungsrat (IV. Dienstklasse) oder Qberregierungsrat (III. Dienstklasse). Der Titel Bezirkshauptmann ist nur mehr Funktionsbezeichnung, der Dienstklasse nach führt der Amtsvorstand einen der beiden vorbezeichneten Titel.

Die Besetzung der Mittelstellen ist in den reichsdeutschen Län­ dern ziemlich gleichartig: Regierungsräte (X und XI), Oberregierungs­ räte (XII); der Präsident ist in der Regel in einer Sonderklasse (B i, 2 oder 3), sein Stellvertreter in Gruppe XIII (in Preußen Vizepräsident, in Bayern Regierungsdirektor; in Preußen ist der Regierungsdirektor Ab­ teilungsleiter in Gruppe XII). In -Österreich sinden sich an den Ämtern der Landesregierungen Beamte aller vorgenannten Dienstklasien, wobei die Oberregierungsräte als Abteilungsleiter fungieren. Die Gruppenvorstände und der Stellvertreter des Landesamtsdirektors sind mit dem Titel Wirkl. Hofrat in die II. Dienstklasse eingereiht. Der Landesamtsdirektor als Vor­ stand des Amtes bestndet sich in der I., teilweise aber auch in der II. Dienst­ klasse. Ziemlich einheitlich sind im Reich die Personalverhältnisse in den Mini­ sterien: Es sinden sich Regierungsräte, die sich in den Reichsministerien in Gruppe XI besinden und Referenten sind, in den Landesministerien in den Gruppen X oder XI der Regel nach als Hilfsarbeiter, Oberregierungsräte (XII) und Ministerialräte (XIII) als Referenten (Dezernenten), dienst­ ältere Ministerialräte (Gruppe Bi) und Ministerialdirektoren (B 2) als Abteilungsleiter. Der Stellvertreter des Ministers führt im Reich und in Preußen die Bezeichnung Staatssekretär, in Bayern Staatsrat (Gruppe 4o

B 4). Die Stellung des Ministers ist eine politische, die sich außerhalb der Beamtenlaufbahn befindet. In den österreichischen Bundesministerien find außer Beamten der vorgenannten Dienstklassen Ministerialräte (II. Dienstklasse) und Sek­ tionschefs (I. Dienstklasse) beschäftigt. Die Stellung des Ministers ist nicht in die Dienstklassen der Beamtenlaufbahn aufgenommen. In den reichsdeutschen Ländern wie in Österreich find jedoch für die einzelnen Instanzen nicht abgesonderte Laufbahnen vorgesehen, vielmehr findet regelmäßig ein Wechsel in der Verwendung der Beamten statt. Ein besonders geordnetes System, das nur in Ausnahmefällen durchbrochen wird, gilt dabei in Bayern. Es wird hier zwischen dem sogenannten äußeren Dienst an den Bezirksämtern und dem inneren Dienst an den Mittelstellen und Ministerien unterschieden. Voraussetzung für die Beschäftigung im inneren Dienst ist in Bayern, wie übrigens auch in Württemberg, eine be­ sondere Qualifikation. Eine dauernde Verwendung im inneren Dienst kommt jedoch in der Regel in Bayern nur für Beamte, die die Besoldungs­ gruppe XII (Oberregierungsräte) erreicht haben, in Frage, vorher muß fich der Beamte sowohl als N^ebenbeamter, wie auch als Amtsvorstand im Außendienst bewährt haben. Beamte der Gruppen X und XI werden im inneren Dienst meist nur vorübergehend verwendet. Für Preußen und Sachsen ist bemerkenswert, daß Verwaltungs­ stellen teilweise nicht mit rechtskundigen akademisch vorgebildeten Beamten, sondern mit Politikern besetzt werden. Häufig ist das der Fall bei Ober­ präsidenten, Landräten, Kreishauptmännern usw. Bei den preußischen Land­ räten liegt dies um so näher, als hier die Verknüpfung mit der Selbstver­ waltung eine besonders enge ist und der Landrat, wie schon an anderer, Stelle ausgeführt, ständischen, also in gewissem Sinne politischen Ilr-sprungs ist. Dagegen haben die süddeutschen Länder sowie Österreich für die höheren Verwaltungsstellen an dem akademisch vorgebildeten Berufs­ beamtentum festgehalten.

C. Zusammenfassung. Der Vergleich zwischen deutscher und österreichischer Verwaltungs­ organisation ergibt, daß die Verhältnisse einander auf beiden Seiten ziem­ lich ähnlich find. Im wesentlichen weichen die maßgebenden Grundformen etwa der österreichischen und bayerischen Verwaltungsorganisation nicht stärker voneinander ab als z. B. diejenigen der bayerischen und preußischen Verwaltung. Wenn man dieses Ergebnis unter dem Gefichtspunkt eines früheren oder späteren staatsrechtlichen Zusammenschlusses betrachtet, so drängt fich die Empfindung auf, daß auf dem Gebiete der Verwaltungs­ organisation die Probleme der Neugestaltung zwar im einzelnen vielleicht nicht leicht, aber der Zahl nach jedenfalls nicht überwältigend sein werden. Allein man darf die Organisation der Verwaltung nicht aus ihren Zusam-

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menhängen, vor allem nicht aus ihren staatsrechtlichen Voraussetzungen und Bedingungen lösen. Wer die N'eigung oder die Aufgabe hat, staats- und verfassungsrechtlichen Gestaltungsversuchen nachzugehen und politische Lö­ sungsmöglichkeiten auf ihre Auswirkung hin zu prüfen, der wird aus dem kurz gefaßten Vergleich Antworten auf selbstgestellte Fragen finden. Solche auch nur anzudeuten, liegt nicht im Bereich meiner beschränkten Aufgabe.

Rein sachlich betrachtet scheinen fich mir drei Tatsachen herauszu­ schälen, die in gewissen/ Sinne als Besonderheiten der österreichischen Ver­ waltung gegenüber der reichsdeutschen in deren verschiedenen Spielarten gelten können: 1. Die Stellung des Landeshauptmanns, der Landesregierung und des Amtes der Landesregierung.

2. Die umfassende Zuständigkeit der Bezirkshauptmannschaften gegen­ über den zahlreichen Sonderbehörden in den reichsdeutschen Ländern. Z. Das Fehlen von höheren Selbstverwaltungskörpern (Gebietskörperschaften) in den meisten österreichischen Ländern.

3nnrrf Verwaltung in Bayern

T) Landesanstalt für Moorwirtschaft, Landesanstalt für Pflanzenbau u. Pflanzenschutz, Landessaatzuchtanstalt. 2) Landbauämter, Straßen- und Flußbauämter, Sektionen für Wildbachverbauung, Kulturbauämter. •) Außerdem Tierzuchtinspektionen, Gestütsämter.

Ärmere Verwaltungm Preußen

*) Selbstverwaltungsorgane, wegen der engen Verbindung von Selbstverw. und StaatSverw. in Preußen hier besonders aufgeführt.

Innere Verwaltung»« Österreich1)

T) Einfache Umrandung: Landesbehörden, doppelte Umrandung: Bundesbehörden.

Veröffentlichungen der Deutsch-Österreichischen Arbeitsgemeinschaft

Der energiewirtschaftliche Zusammenschluß Südostdeutschlands u. Österreichs Denkschrift, des Fachausschusses für Energiewirtschaft. Mit einer Übersichtskarte der wichtigsten Starkstromleitungen an der österreichisch-deutschen Grenze. München 1926.

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Der Kampf des Deutschtums in Österreich von 1526 bis zum Friedensdiktat von St. Germain Mit einer Karte. Von Landgerichksrat H. Graner. München 1926.



Das reichsdeutsche und österreichischeMldungswesen im Vergleich zueinander Vortrag von Professor F. 3£. Eggerödorfer-Passau anläßlich der Gründungssitzung des Fachausschusses für Unterricht am 12. Januar 1927 im großen Sitzungssaals des Stadtrates München.

München 1927. Zu beziehen durch die Geschäftsstelle München, Residenz (Kaiserhof), zum Preise von Mk. —.50.