121 102 63MB
German Pages 781 [785] Year 2020
JUS PRIVATUM Beiträge zum Privatrecht Band 75
Peter Jung
Der Unternehmergesellschafter als personaler Kern der rechtsfähigen Gesellschaft
Mohr Siebeck
Peter Jung, geboren 1965; Abitur 1984; Studium der Rechtswissenschaft und Geschichte an den Universitäten Passau (1985-88), Toulouse (1988/89) und Göttingen (1989-91); Maîtrise en droit 1989; 1. Staatsexamen 1991; Promotion an der Georg-August-Universität Göttingen 1995; 2. Staatsexamen in Hamburg 1995; 1995-2001 Wissenschaftlicher Assistent am Institut für Wirtschaftsrecht der Universität Freiburg; seit 1998 Gastprofessor an der Universität Paris II (Panthéon-Assas); 1999-2002 Stipendiat der Deutschen Forschungsgemeinschaft; Habilitation an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Freiburg im Februar 2002; seit 1.4.2002 Lehrstuhlvertreter an der Universität Heidelberg.
Als Habilitationsschrift auf Empfehlung der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der AlbertLudwigs-Universität Freiburg gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft.
978-3-16-157938-7 Unveränderte eBook-Ausgabe 2019 ISBN 3-16-147862-2 ISSN 0940-9610 (Jus Privatum) Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.
© 2002 J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) Tübingen. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Textservice Zink in Schwarzach aus der Garamond-Antiqua gesetzt, von Guide-Druck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und von der Großbuchbinderei Heinr. Koch in Tübingen gebunden.
Vorwort Rechtsfähige Gesellschaften werden im Rechtsverkehr gegenüber ihren Gesellschaftern verselbständigt und natürlichen Personen weitgehend gleichgestellt. Andererseits handelt es sich bei ihnen um Rechtsgebilde, die in ihrer Willensbildung, ihrem Verhalten und in vermögensmäßiger Hinsicht ganz oder teilweise von den hinter ihnen stehenden natürlichen Personen abhängig sind. Damit stellt sich bei der Rechtsanwendung auf rechtsfähige Gesellschaften und ihre Gesellschafter die Frage, ob und wie die Zurechnung eines bestimmten, in der Person eines Gesellschafters oder der Gesellschaft gegebenen Umstands zur Gesellschaft und umgekehrt möglich ist bzw. die Gesellschaft mit einem einzelnen Gesellschafter ausnahmsweise als rechtliche Einheit betrachtet werden kann. Für diese unter dem Stichwort des Durchgriffs diskutierten Rechtsanwendungsprobleme wird in der vorliegenden Untersuchung ein einerseits gesellschaftsformübergreifendes und andererseits nach dem Zweck und Kontext der jeweils anzuwendenden Rechtsregel differenzierendes Lösungsmodell entwickelt. Es wird herausgearbeitet, daß es danach für die etwaige Statusvermittlung, Gesellschafterhaftung, Zurechnung oder Identifikation entscheidend auf die unternehmerische Beteiligung und Mitwirkung des in den Blick genommenen Gesellschafters am Gesellschaftsunternehmen ankommt. Die Arbeit hat im Wintersemester 2001/2002 der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg als Habilitationsschrift vorgelegen. Besonderen Dank schulde ich meinem verehrten Lehrer, Herrn Prof. Dr. Uwe Blaurock, für die vielfältige fachliche und persönliche Förderung während meiner Zeit als Assistent am Institut für Wirtschaftsrecht der Universität Freiburg. Herrn Prof. Dr. Gerhard Hohloch bin ich zudem für die Erstellung des Zweitgutachtens sehr verbunden. Für die großzügige Gewährung eines Habilitandenstipendiums und eines Druckkostenzuschusses habe ich der Deutschen Forschungsgemeinschaft herzlich zu danken. Die Arbeit widme ich meiner Frau. Freiburg, im Frühjahr 2002
Peter Jung
Inhaltsübersicht Inhaltsverzeichnis
IX
Einleitung
1
§ 1 Gegenstand und Ziel der Untersuchung § 2 Einführung in die Problematik der Untersuchung 1. Kapitel
1 4
Der Typus des Unternehmergesellschafters
21
§ 1 Methodische Grundlagen § 2 Verwandte Unternehmerbegriffe § 3 Die einzelnen Merkmale des Unternehmergesellschafterbegriffs § 4 Erscheinungsformen des Unternehmergesellschafters . . . § 5 Zusammenfassung 2. Kapitel
Die Sonderstellung des Unternehmergesellschafters rechtsfähigen Gesellschaft
Die statusbegründende und statusausschließende der gesellschaftsgebundenen Unternehmerstellung
48 109 120
in der 123
§ 1 Die Gemeinschaft von Unternehmergesellschafter und Gesellschaft § 2 Die Treuepflicht des Unternehmergesellschafters § 3 Die verfassungsrechtliche Behandlung des gesellschaftsgebundenen Unternehmertums § 4 Zusammenfassung 3. Kapitel
24 34
123 197 222 268
Funktion
§ 1 Der Unternehmergesellschafter im System der statusbegründenden bzw. statusausschließenden Gesichtspunkte § 2 Einzelne Fälle der Statusvermittlung § 3 Zusammenfassung
271
272 278 335
VIII
Inhaltsübersicht
4. Kapitel Die schuld- und haftungsbegründende Funktion gesellschaftsgebundenen Unternehmerstellung
der
§ 1 Der Unternehmergesellschafter im System der haftungsbegründenden Gesichtspunkte § 2 Die Haftung des Unternehmergesellschafters im Lichte der einzelnen Haftungstatbestände § 3 Zusammenfassung 5. Kapitel Die zurechnungsvermittelnde Funktion der gesellschaftsgebundenen Unternehmerstellung
337 338 361 475
478
§ 1 Der Unternehmergesellschafter im System der zurechnungsvermittelnden Gesichtspunkte 478 § 2 Notwendiger Zurechnungsdurchgriff 489 § 3 Ergänzender Zurechnungsdurchgriff 558 § 4 Zusammenfassung 586 6. Kapitel Die identitätsbegründende Funktion der gesellschaftsgebundenen Unternehmerstellung § 1 Der Unternehmergesellschafter im System der identifikationsbegründenden Gesichtspunkte § 2 Identifikation des Unternehmergesellschafters mit der Gesellschaft § 3 Identifikation zweier Rechtsträger über die Person des Unternehmergesellschafters § 4 Zusammenfassung Zusammenfassung
der Ergebnisse
590 591 593 671 675 678
Literaturverzeichnis
695
Sachverzeichnis
741
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
V
Inhaltsübersicht
VII
Einleitung $ 1 Gegenstand
und Ziel der Untersuchung
1
§ 2 Einführung
in die Problematik
4
der Untersuchung
A. Der Durchgriff als Folge der widersprüchlichen N a t u r rechtsfähiger Gesellschaften I. Die Verselbständigung der rechtsfähigen Gesellschaft gegenüber ihren Gesellschaftern 1. Die tatsächliche Verselbständigung 2. Die rechtliche Verselbständigung
6 6 7
a) Die Rechtsfähigkeit als Grundlage des Trennungsund Gleichstellungsprinzips b) Rechtfertigung des Trennungs- und Gleichstellungsprinzips
4
7 . .
II. Die Abhängigkeit der rechtsfähigen Gesellschaft von ihren Gesellschaftern 1. Die tatsächliche Abhängigkeit 2. Die rechtliche Abhängigkeit
9
12 12 13
B. Allgemeine Gründe für den Durchgriff auf die Gesellschafter der rechtsfähigen Gesellschaft
13
I. Die Lehren vom Durchgriff aufgrund Rechtsmißbrauchs . . . .
14
II. Die Lehre vom Durchgriff zum Zwecke sachgerechter Rechtsanwendung C. Die verschiedenen Formen des Durchgriffs auf den Unternehmergesellschafter I. Durchgriff bei Rechtsanwendung auf den Unternehmergesellschafter
16 17 18
X
Inhaltsverzeichnis
II. Durchgriff bei Rechtsanwendung auf die rechtsfähige Gesellschaft III. Durchgriff bei Anwendung einer die Personenverschiedenheit oder Personenidentität voraussetzenden Regelung
19 19
1. Kapitel D e r Typus des Unternehmergesellschafters § 1 Methodische
Grundlagen
A. Die Charakteristika typologischen Denkens I. Typus und Begriff als Formen abstrahierenden Denkens . . . . 1. Gemeinsamkeiten zwischen typologischem und begrifflichem Denken 2. Unterschiede zwischen typologischem und begrifflichem Denken II. Der Typus als typische Erscheinung B. Typologisches Denken in der Rechtswissenschaft I. Funktionen typologischen Denkens II. Vor- und Nachteile typologischen Denkens
24 24 24 25 26 27 28 28 29
C. Die Rechtsfigur des Unternehmergesellschafters aus methodischer Sicht
30
I. Typus mit Begriffselementen
30
II. Bildung und Handhabung des Typusbegriffs
32
§ 2 Verwandte Unternehmerbegriffe
34
A. Der wirtschafts- und sozialwissenschaftliche Typus des Unternehmers
34
I. Die verschiedenen Unternehmerbegriffe 1. Typische Unternehmerfunktionen 2. Typische Motive und Persönlichkeitsmerkmale des Unternehmers 3. Unternehmertypen und andere Wirtschaftssubjekte II. Verwertbarkeit des wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Unternehmerbegriffs B. Der handelsrechtliche Begriff des Unternehmensträgers I. Begriff des Unternehmensträgers
34 35 37 38 39 40 40
Inhaltsverzeichnis
XI
II. Verwertbarkeit des handelsrechtlichen Unternehmensträgerbegriffs
40
C. Der steuerrechtliche Typus des Mitunternehmers
41
I. Typusbegriff der Mitunternehmerschaft 1. Typuselemente der Mitunternehmerschaft 2. Erscheinungsformen der Mitunternehmerschaft
41 42 44
II. Verwertbarkeit des steuerrechtlichen Mitunternehmerbegriffs $ 3 Die einzelnen
Merkmale
des Unternehmergesellschafterbegriffs
.
47
.
48
A. Eigenschaft als natürliche Person
49
B. Gesellschaftsrechtliche Beteiligung an einer unternehmenstragenden Gesellschaft
49
C. Unternehmerische Beteiligung I. Vermögensbezogene Typusmerkmale (Unternehmerrisiko) 1. Innehabung eines namhaften Kapitalanteils 2. Übernahme von Nebenverpflichtungen
51 51 51 53
. .
a) Gesellschaftsrechtliche Verpflichtungen b) Rein schuldrechtliche Verpflichtungen
53 54
3. Übernahme besonderer Haftungsrisiken 4. Besondere Vermögensrechte
54 55
a) Gewinnbeteiligung b) Auseinandersetzung und Abfindung c) Nutzung von Gegenständen des Gesellschaftsvermögens
. . . .
5. Angewiesenheit auf die Ertragskraft des Gesellschaftsunternehmens II. Organisatorisch relevante Typusmerkmale (Unternehmerinitiative) 1. Ausübung von Leitungs- und Kontrollmacht in der Gesellschaft a) Typische Grundlagen der Leitungs- und Kontrollmacht . . aa) Gesellschaftsrechtliche Grundlagen der Leitungsund Kontrollmacht aaa) Namhafte Kapitalbeteiligung bbb) Namhafte Stimmrechtsmacht ccc) Rechte auf Organmitgliedschaft ddd) Weisungs-, Zustimmungs- und Widerspruchsrechte eee) Informations- und Kontrollrechte bb) Sonstige Grundlagen der Leitungs- und Kontrollmacht . aaa) Schuldrechtliche Bindung von Mitgesellschaftern . bbb) Faktische Grundlagen der Leitungs- und Kontrollmacht
55 56 57
57 58 58 . .
. . . . . .
58 58 59 60 65 67 68 69 69 71
XII
Inhaltsverzeichnis b) Typische Einflußformen der Leitungs- und Kontrollmacht
. . .
73
aa) Einfluß auf die Beschlußfassung der Gesellschafter
73
bb) Einfluß auf das Aufsichtsorgan
74
aaa) Einfluß auf die Besetzung des Aufsichtsorgans
74
bbb) Einfluß auf Entscheidungen des Aufsichtsorgans
. . .
cc) Einfluß auf das Geschäftsführungs- und Vertretungsorgan
75 .
76
aaa) Einfluß auf die Besetzung des Geschäftsführungsund Vertretungsorgans
76
bbb) Einfluß auf Entscheidungen des Geschäftsführungsund Vertretungsorgans c) Typische Einflußfelder der Leitungs- und Kontrollmacht
78 . . . .
aa) Bestimmung der Mitgesellschafter
81 81
bb) Bestimmung des wesentlichen Inhalts des Gesellschaftsvertrags bzw. der Satzung
84
cc) Bestimmung von bedeutenden Personalangelegenheiten
. . .
85
dd) Bestimmung der gewöhnlichen und außergewöhnlichen Geschäftsführung
86
2. M a ß g e b l i c h e M i t w i r k u n g i m G e s e l l s c h a f t s u n t e r n e h m e n
. . .
3. U n t e r n e h m e r i s c h e I n t e r e s s e n l a g e
86 87
III. Gesamtbetrachtung der T y p u s m e r k m a l e der u n t e r n e h m e r i s c h e n Tätigkeit
89
1. V o l l t y p i s c h e G e s a m t b e t r a c h t u n g
89
a) Umfassende Berücksichtigung der Typusmerkmale
90
b) Schematische Berücksichtigung der Typusmerkmale
93
2. A s p e k t b e z o g e n e G e s a m t b e t r a c h t u n g
96
a) Umfassende Berücksichtigung der aspektbezogenen Typusmerkmale
97
b) Schematische Berücksichtigung der aspektbezogenen Typusmerkmale
98
D . B e t e i l i g u n g als P r i v a t g e s e l l s c h a f t e r I. M a ß g e b l i c h k e i t des t e l e o l o g i s c h e n U n t e r n e h m e n s b e g r i f f s
98 . . . .
II. Fehlende anderweitige unternehmerische Interessenbindung
. .
99 102
1. K e i n e a n d e r w e i t i g e I n t e r e s s e n b i n d u n g als U n t e r n e h m e n s träger
102
2 . K e i n e a n d e r w e i t i g e I n t e r e s s e n b i n d u n g als I n h a b e r einer Gesellschaftsbeteiligung
104
a) Anerkennung der Unternehmenseigenschaft kraft multiplen Beteiligungsbesitzes
104
b) Voraussetzungen der Unternehmenseigenschaft kraft multiplen Beteiligungsbesitzes
105
Inhaltsverzeichnis § 4 Erscheinungsformen
XIII
des Unternehmergesellschafters
109
A. Der Unternehmergesellschafter im Gefüge der verschiedenen Gesellschaftsformen I. Der Unternehmergesellschafter in der Personengesellschaft 1. Der Unternehmergesellschafter als persönlich haftender Gesellschafter 2. Der Unternehmergesellschafter als Kommanditist und stiller Gesellschafter II. Der Unternehmergesellschafter in 1. Der Unternehmergesellschafter 2. Der Unternehmergesellschafter 3. Der Unternehmergesellschafter gesellschaft auf Aktien
109 . .
110 110
der Kapitalgesellschaft . . . . in der GmbH in der Aktiengesellschaft . . in der Kommandit-
111 111 112 114
B. Der Unternehmergesellschafter im Gefüge der verschiedenen realen Gesellschaftsstrukturen
114
I. Der Unternehmergesellschafter in der Einpersonengesellschaft . II. Der Unternehmergesellschafter in der Mitunternehmergesellschaft III. Der Unternehmergesellschafter in der majorisierten Gesellschaft IV. Der Unternehmergesellschafter in der Zweiklassengesellschaft
109
115 115 116
.
117
V. Der Unternehmergesellschafter in der Familiengesellschaft . . .
118
VI. Der Unternehmergesellschafter in der Publikumsgesellschaft . .
118
5 } Zusammenfassung
120 2. Kapitel
Die Sonderstellung des Unternehmergesellschafters in der rechtsfähigen Gesellschaft $ 1 Die Gemeinschaft und Gesellschaft
von
Unternehmergesellschafter
A. Die Vermögensgemeinschaft I. Vermögensgemeinschaft durch mitgliedschaftliche und vermögensrechtliche Beteiligung des Unternehmergesellschafters 1. Relativierung der Vermögenssonderung im Gesellschaftsrecht
123 123
124 124
XIV
Inhaltsverzeichnis
2. Relativierung der V e r m ö g e n s s o n d e r u n g bei der rechtsgeschäftlichen Ü b e r t r a g u n g v o n Gesellschaftsanteilen . . . . a) Formbedürftigkeit der Anteilsübertragung b) Genehmigungsbedürftigkeit der Anteilsübertragung 3. Relativierung der V e r m ö g e n s s o n d e r u n g im Schadensrecht . . 4. Relativierung der V e r m ö g e n s s o n d e r u n g im Steuerrecht . . . a) Trennung zwischen Betriebs- und Privatvermögen aa) Kriterien der Zurechnung eines Wirtschaftsgutes zum Betriebsvermögen bb) Berücksichtigung wirtschaftlicher Gesichtspunkte bei der Zurechnung eines Wirtschaftsgutes zum Betriebsvermögen von Gesellschaften b) Beschränkte Mithaftung bei betriebsbedingten Steuerschulden . c) Steuerrechtliche Behandlung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb . aa) Besteuerung der Einkünfte aus gewerblicher Mitunternehmerschaft bb) Ermittlung des Gewerbeertrags cc) Verdeckte Gewinnausschüttungen dd) Verdeckte Einlagen 5. Relativierung der V e r m ö g e n s s o n d e r u n g im Verfassungsrecht . II. Vermögensgemeinschaft d u r c h Drittgeschäfte 1. V e r m e i d u n g v o n Interessenkonflikten beim A b s c h l u ß des Drittgeschäfts 2. Inhaltskontrolle des Drittgeschäfts a u f g r u n d des Verbots verdeckter Vermögensverlagerungen III. Vermögensgemeinschaft d u r c h wechselseitige wirtschaftliche Abhängigkeit 1. D i e B e d e u t u n g des Gesellschaftsvermögens f ü r den U n t e r nehmergesellschafter a) Das Gesellschaftsvermögen als Lebensgrundlage aa) Das Gesellschaftsvermögen als Einkommensgrundlage . . . aaa) Vergütung von Tätigkeiten für die Gesellschaft . . . . bbb) Entziehung der Geschäftsführerstellung ccc) Besondere Entnahmerechte ddd) Gewährung von Unterhalt aus der Insolvenzmasse . . bb) Das Gesellschaftsvermögen als Grundlage der privaten Lebensführung cc) Das Gesellschaftsvermögen als Grundlage der Altersvorsorge b) Das Gesellschaftsvermögen als Finanzierungsquelle und Sicherungsmittel aa) Darlehen an den Unternehmergesellschafter
127 127 130 130 136 136 136
138 139 140 140 141 143 144 145 148 149 151 154 155 155 155 155 157 160 162 164 166 167 167
XV
Inhaltsverzeichnis bb) Sicherungsgeschäfte zugunsten des Unternehmergesellschafters cc) Haftungsdurchgriff auf das Gesellschaftsvermögen
168 170
2. Die Bedeutung des Privatvermögens des Unternehmergesellschafters für die Gesellschaft a) Das Privatvermögen als Finanzierungsquelle aa) Eigenkapitalausstattung bb) Darlehen des Gesellschafters cc) Gesellschaftsrechtliche und rein schuldrechtliche Nebenleistungspflichten b) Das Privatvermögen als Sicherungsmittel
3. Interdependenz in der Insolvenz
170 170 170 173 174 175
177
B. Die Willens- und Handlungsgemeinschaft
179
C. Die Interessengemeinschaft
180
I. Gesellschaft und Unternehmen als Interessengebilde 1. Das Interesse des Unternehmergesellschafters 2. Das Gesellschaftsinteresse a) Normative Bestimmung des Gesellschaftsinteresses b) Personenbezogene Bestimmung des Gesellschaftsinteresses
3. Das Unternehmensinteresse
180 181 182 . . .
183 187
188
II. Die Gesellschaftsbezogenheit der Interessen des Unternehmergesellschafters 190 1. Die Bestimmung des Gesellschaftsinteresses durch den Unternehmergesellschafter 191 2. Die tatsächliche Interessenverknüpfung 192 3. Die rechtliche Interessenverknüpfung 192 D. Die Gemeinschaft von Privat- und Gesellschaftssphäre I. Die Ausstrahlung der Gesellschaftssphäre auf die Privatsphäre des Unternehmergesellschafters II. Die Ausstrahlung der Privatsphäre des Unternehmergesellschafters auf die Gesellschaftssphäre
§ 2 Die Treuepflicht
193 194 196
des Unternehmergesellschafters
197
A. Grundlegung der gesteigerten Treuepflicht des Unternehmergesellschafters
198
I. Die besondere Rechtfertigung der Treuepflicht II. Die besonderen Funktionen der Treuepflicht III. Der besondere Umfang der Treuepflicht
198 200 201
XVI
Inhaltsverzeichnis
B. Besondere Ausprägungen der Treuepflicht des Unternehmergesellschafters
203
I. Das Wettbewerbsverbot für den Unternehmergesellschafter . . 1. Die Funktionsnotwendigkeit des Wettbewerbsverbots für unternehmerisch tätige Gesellschafter 2. Einschränkung des personellen Anwendungsbereichs der gesetzlichen Wettbewerbsverbote 3. Schaffung funktionsnotwendiger ungeschriebener Wettbewerbsverbote 4. Erweiterte Zulässigkeit vertraglicher Wettbewerbsverbote . . II. Verbot der Ausnutzung von Geschäftschancen
203 204 206 206 208 208
III. Verschwiegenheitspflichten
209
IV. Pflicht zur Zustimmung oder zu einem bestimmten Abstimmungsverhalten
210
V. Verbot der Verfolgung von Sondervorteilen 1. Maßnahmen der Herrschaftssicherung 2. Realisierung von Paketzuschlägen
211 212 215
VI. Leitungs- und Kontrollpflichten
216
VII. Rücksichtnahme auf die Interessen der Mitgesellschafter . . . . 1. Interessenwahrnehmung bei Abschluß des Gesellschafts Vertrages 2. Interessenwahrnehmung bei Übertragung des Gesellschaftsanteils VIII. Mitteilungspflichten
217 218 220
IX. Finanzierungsverantwortung § 3 Die verfassungsrechtliche Unternehmertums
217
Behandlung
220 des
gesellschaftsgebundenen 222
A. Der Schutz des gesellschaftsgebundenen Unternehmertums durch die Freiheitsgrundrechte I. Vereinigungsfreiheit 1. Schutzaspekte der Vereinigungsfreiheit 2. Schutz der gesellschaftsgebundenen Unternehmertätigkeit durch Art. 9 Abs. 1 G G II. Berufsfreiheit 1. Gesellschaftsgebundene Unternehmertätigkeit als Beruf 2. Schutz der gesellschaftsgebundenen Berufstätigkeit durch Art. 12 Abs. 1 G G
222 222 222 225
. . .
227 227 228
XVII
Inhaltsverzeichnis
III. Eigentumsgarantie 1. Unternehmerisches Anteilseigentum als verfassungsrechtlich geschütztes Eigentum 2. Schutz des unternehmerischen Anteilseigentums durch Art. 14 G G
232
IV. Allgemeines Persönlichkeitsrecht 1. Gesellschaftsgebundene Unternehmertätigkeit und allgemeines Persönlichkeitsrecht 2. Schutz der gesellschaftsgebundenen Unternehmertätigkeit durch Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 G G
237
232 235
237 . . . .
241
a) Die Verarbeitung von Gesellschafts- und Unternehmensdaten b) Die Publizität von Gesellschafts- und Unternehmensdaten
241 . . .
242
aa) Persönlichkeitsrecht des Unternehmergesellschafters und Beteiligungstransparenz
243
bb) Persönlichkeitsrecht des Unternehmergesellschafters und Publizität der Rechnungslegung
246
cc) Persönlichkeitsrecht des Unternehmergesellschafters und Innenpublizität von Unternehmensdaten
V. Allgemeine Handlungsfreiheit
252
254
B. Die Rechtsstellung des Unternehmergesellschafters im Lichte des allgemeinen Gleichheitssatzes
256
I. Grundlagen des verfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgebots 1. Inhalt des Gleichheitssatzes 2. Gleichheitssatz und Typisierung 3. Geltung des Gleichheitssatzes im Gesellschaftsrecht
256 256 258 260
II. Verfassungsrechtliche Gebote der Gleich- oder Ungleichbehandlung 1. Gleichbehandlung der Unternehmergesellschafter untereinander 2. Gleichbehandlung des Unternehmergesellschafters mit dem Einzelunternehmer 3. Gleichbehandlung des Unternehmergesellschafters mit einem Organmitglied der Gesellschaft 4. Ungleichbehandlung von Unternehmer- und Anlagegesellschafter 5. Ungleichbehandlung von Unternehmer- und Unternehmensgesellschafter
263 263 264 265 265 266
XVIII
Inhaltsverzeichnis
6. Ungleichbehandlung von Gesellschaften derselben Rechtsform mit und ohne Unternehmergesellschafter 267 § 4 Zusammenfassung
268
3. Kapitel Die statusbegründende und statusausschließende Funktion der gesellschaftsgebundenen Unternehmerstellung § 1 Der Unternehmergesellschafter bzw. statusausschließenden
im System
der
statusbegründenden
Gesichtspunkte
272
A. Statusrelevante Einbeziehung in ein bestimmtes Rechtsverhältnis . 273 B. Statusrelevanter Besitz bestimmter Eigenschaften 275 I. Besitz von Geschäftserfahrung 275 1. Besitz einer generellen Geschäftserfahrung 275 2. Besitz von Erfahrung im Geschäftskreis der Gesellschaft . . 276 3. Besitz einer im konkreten Fall auszunutzenden Geschäftserfahrung 276 II. Vertrauenswürdigkeit 277 III. Soziale Schutzbedürftigkeit § 2 Einzelne
Fälle der Statusvermittlung
A. Kaufmannseigenschaft des Unternehmergesellschafters I. Betreibereigenschaft gemäß § 1 Abs. 1 HGB 1. Betreibereigenschaft aufgrund sogenannten zweistufigen Betreibens 2. Zurechnung der Betreibereigenschaft der Gesellschaft . . . . a) Planwidrige Regelungslücke b) Handelsrechtliche Vergleichbarkeit der Tatbestände
277 278 278 279 279 281 281 282
II. Kaufmannsähnlichkeit des Unternehmergesellschafters im Hinblick auf einzelne handelsrechtliche Regelungszwecke . . . 284 1. Anwendung von Publizitäts- und Rechnungslegungsvorschriften 286 2. Anwendung von Normen zur Vereinfachung der Geschäftsabwicklung 286 3. Geltung von Handelsbräuchen und Handelsgewohnheitsrecht 287
Inhaltsverzeichnis
XIX
4. Geltung des handelsgeschäftlichen Sorgfaltsmaßstabs . . . . 5. Nichtanwendung von Schutzvorschriften des bürgerlichen Rechts 6. Geltung des Entgeltlichkeitsprinzips 7. Schutz des guten Glaubens in die Verfügungsbefugnis eines Unternehmergesellschafters 8. Geltung statusrechtlicher Privilegien
288 288 290 291 292
a) Befähigung zum Handelsrichteramt
292
b) Börsentermingeschäftsfähigkeit
293
c) Prorogationsfähigkeit
294
B. Verbraucher- und Unternehmereigenschaft im bürgerlichrechtlichen Verbraucherschutzrecht
296
I. Einbeziehung von Unternehmergesellschaftern in den Verbraucherbegriff
297
II. Einbeziehung von Unternehmergesellschaftern in den Unternehmerbegriff
301
C. Unternehmenseigenschaft im Recht der verbundenen Unternehmen D. Arbeitsrechtlicher Status von Unternehmergesellschaftern
303 . . . .
I. Einbeziehung von Unternehmergesellschaftern in den Arbeitnehmerbegriff 1. Fehlende Arbeitnehmereigenschaft von Unternehmergesellschaftern 2. Arbeitnehmerähnlichkeit des Unternehmergesellschafters im Hinblick auf einzelne arbeitsrechtliche Regelungszwecke
304 305 305
310
a) Anwendung des § 622 B G B
311
b) Anwendung der §§ 1 - 1 6 B e t r A V G
313
II. Einbeziehung von Unternehmergesellschaftern in den Arbeitgeberbegriff E. Sozialversicherungsrechtlicher Status von Unternehmergesellschaftern I. Einbeziehung von Unternehmergesellschaftern in den Beschäftigtenbegriff 1. Grundtatbestand der nichtselbständigen Arbeit 2. Fehlende Nichtselbständigkeit der gesellschaftsgebundenen Unternehmertätigkeit
316 317 317 317 319
a) Unternehmergesellschafter mit organschaftlicher Vertretungsbefugnis
319
Inhaltsverzeichnis
XX
b) Unternehmergesellschafter ohne organschaftliche Vertretungsbefugnis 322 3. Die fehlende Beschäftigtenähnlichkeit des Unternehmergesellschafters i.S.v. § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII 323 II. Einbeziehung von Unternehmergesellschaftern in den Arbeitgeber-, Unternehmer- bzw. Selbständigenbegriff 1. Arbeitgebereigenschaft 2. Unternehmereigenschaft 3. Eigenschaft als selbständig Tätiger
323 323 325 327
F. Parteieigenschaft des Unternehmergesellschafters im Gesellschaftsprozeß
328
G. Gewerberechtliche Gewerbetreibendeneigenschaft des Unternehmergesellschafters
330
I. Die Gewerbetreibendeneigenschaft von Gesellschaftern im Gewerberecht II. Die Forderung nach einer ausschließlichen Gewerbetreibendeneigenschaft der Gesellschaft § 3 Zusammenfassung
330 332 335
4. Kapitel Die schuld- und haftungsbegründende Funktion der gesellschaftsgebundenen Unternehmerstellung § 1 Der Unternehmergesellschafter begründenden Gesichtspunkte
im System
der
A. Allgemeine Wertungsgesichtspunkte I. Verfassungsrechtliche Wertungsgesichtspunkte
haftungs338 340 340
II. Gesellschaftsrechtliche Wertungsgesichtspunkte 341 1. Gesetzliche Haftungsbeschränkungen 341 2. Grundsatz der Korrespondenz von Herrschaft und Haftung 342 3. Korrespondenz von Leitungsmacht und Verantwortung . . . 345 4. Korrespondenz von Nutzen und Nachteil 346 5. Die Treuepflicht des Unternehmergesellschafters 347 6. Vermögensbetreuungspflichten 347 a) Pflicht zur Betreuung des Gesellschaftsvermögens 347 b) Pflicht zur Betreuung der Vermögensinteressen der Mitgesellschafter 350
Inhaltsverzeichnis
XXI
7. Prinzip der haftungsfreien Stimmrechtsausübung 8. Einfluß der gesellschaftsrechtlichen Kompetenzordnung auf die Gesellschafterhaftung 9. Unternehmerisches Ermessen III. Allgemein schadensrechtliche Wertungsgesichtspunkte 1. Schaffung bzw. Beherrschung der für einen Schaden ursächlichen Gefahrenlage 2. Erfüllbarkeit und Zumutbarkeit der Verhaltenspflicht . . . . 3. Versicherbarkeit des Risikos B. Einzelfallbezogene Haftungsfaktoren
355 356 356
360 360 360
III. Relationsbezogene Haftungsfaktoren
361 im
Lichte
A. Haftung des Unternehmergesellschafters gegenüber der Gesellschaft I. Organschaftliche Haftung 1. Organschaftliche Haftung als formell bestelltes Organmitglied 2. Organschaftliche Haftung als nicht formell bestelltes Organmitglied a) Faktische Organhaftung und unternehmerische Beteiligung . . . b) Voraussetzungen der faktischen Organhaftung von Gesellschaftern aa) Ausübung von Organfunktionen bb) Pflichtverletzung und Verschulden c) Inhalt der Haftung
II. Haftung aus Geschäftsführung ohne Auftrag 1. Voraussetzungen der Haftung aus GoA 2. Anwendung der Haftung aus GoA auf die verschiedenen Formen des Gesellschafterhandelns III. Geschäftsherrnhaftung
355
357 357 359 359
II. Gesellschafterbezogene Haftungsfaktoren 1. Gesellschaftsrechtliche Stellung 2. Sachkunde und Informationsstand
des Unternehmergesellschafters Haftungstatbestände
354 355
357
I. Verhaltensbezogene Haftungsfaktoren 1. Natur des haftungsauslösenden Verhaltens 2. Verhaltenserwartungen des Geschädigten 3. Verhaltensmotive des Gesellschafters
$ 2 Die Haftung der einzelnen
350
361 362 363 363 364 364 366 366 370 370
371 371 372 373
XXII
Inhaltsverzeichnis
IV. Haftung aus positiver Verletzung von mitgliedschaftlichen Treuepflichten 1. Die Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft als Haftungsgrundlage
373 374
a) Eigeninteressen der Gesellschaft
374
b) Drittinteressen
375
c) Interessen der Mitgesellschafter
376
2. Pflichtenkanon des Unternehmergesellschafters gegenüber der Gesellschaft 3. Haftungsmaßstab 4. Rechtsfolgen V. Haftung bei formeller Unterkapitalisierung 1. Haftung als Empfänger der Leistung 2. Haftung als Mitgesellschafter des Leistungsempfängers
376 377 379
380 380 . . . 380
a) Ausgleichshaftung nach § 31 Abs. 3 G m b H G
380
b) H a f t u n g aufgrund schuldhafter M i t w i r k u n g an der Auszahlung
382
VI. Deliktische Haftung 1. § 117 Abs. 1 S. 1 und Abs. 3 A k t G a) Bedeutung der H a f t u n g f ü r den Unternehmergesellschafter
384 384 . . .
384
b) H a f t u n g s v o r a u s s e t z u n g e n bei unternehmerischer Gesellschaftsbeteiligung
2. 3. 4. 5.
§ § § §
823 823 826 830
Abs. 1 BGB Abs. 2 BGB BGB Abs. 2 BGB
B. Haftung des Unternehmergesellschafters gegenüber den Mitgesellschaftern I. Die einzelnen Haftungstatbestände 1. Haftung wegen positiver Verletzung von mitgliedschaftlichen Treuepflichten 2. Deliktische Haftung II. Geltendmachung von Ersatzansprüchen durch Mitgesellschafter C. Eigenhaftung des Unternehmergesellschafters gegenüber Dritten I. Vertragshaftung 1. Bürgschaftsvertrag 2. Schuldbeitritt 3. Garantievertrag
385
387 388 388 389 390 390 390 390 393 396 397 397 398 400
XXIII
Inhaltsverzeichnis 4. P a t r o n a t s e r k l ä r u n g
401
a) Harte Patronatserklärungen
403
aa) Ausstattungsverpflichtung
403
bb) Einflußnahmeverpflichtung
404
b) Weiche Patronatserklärungen
405
5. N i c h t s t ö r u n g s v e r p f l i c h t u n g
406
II. Vertragsähnliche Haftung
407
1. H a f t u n g aus culpa in c o n t r a h e n d o
407
a) Auftreten des Unternehmergesellschafters im Rahmen eines gesetzlichen Schuldverhältnisses
408
b) Verletzung einer Verhaltenspflicht
409
c) Sachwalterstellung des Unternehmergesellschafters ( § 3 1 1 Abs. 3 B G B )
411
aa) Sachwalterstellung aufgrund der Inanspruchnahme besonderen persönlichen Vertrauens
411
bb) Sachwalterstellung aufgrund eines eigenen unmittelbaren wirtschaftlichen Interesses
413
cc) Sachwalterstellung aufgrund einer Repräsentantenrolle für die Gesellschaft
416
2. Prospekthaftung
416
a) Sondergesetzliche Prospekthaftung
416
b) Allgemein-zivilrechtliche Prospekthaftung
418
III. Rechtsschein- und Vertrauenshaftung
421
1. R e c h t s s c h e i n der p e r s ö n l i c h e n u n b e s c h r ä n k t e n G e s e l l s c h a f t e r haftung
422
2 . E n t t ä u s c h u n g des V e r t r a u e n s in die z u s ä t z l i c h e freiwillige Eigenhaftung
424
3. H a f t u n g aus s c h e i n b a r e m E i g e n g e s c h ä f t
425
4. R e c h t s s c h e i n e r h ö h t e r H a f t u n g s m a s s e
426
IV. Deliktische Haftung
427
1. E r w e i t e r u n g des d e l i k t i s c h e n H a f t u n g s s y s t e m s a) Das Bedürfnis nach einer erweiterten deliktischen Haftung
427 . . .
b) Erweiterung der deliktischen Haftung über § 826 B G B
427 428
c) Die Anerkennung der Schutzgesetznatur von richterrechtlich etablierten Verkehrssicherungspflichten
429
2. F a l l g r u p p e n d e l i k t i s c h e r H a f t u n g des U n t e r n e h m e r gesellschafters
432
a) Deliktische Haftung für die Verletzung absoluter Rechtsgüter bei Organisationsverschulden b) Deliktische Haftung wegen Insolvenzverschleppung
432 433
aa) Haftung nach § 823 Abs. 2 B G B wegen Verstoßes gegen die Insolvenzantragspflicht
433
XXIV
Inhaltsverzeichnis bb) Haftung wegen Teilnahme an der Verschleppung des Insolvenzantrags
436
cc) Haftung wegen sittenwidriger Schädigung
436
dd) Haftung nach § 823 Abs. 2 B G B wegen der Verletzung von Verkehrssicherungspflichten
437
c) Deliktische Haftung wegen Unterkapitalisierung
438
aa) Haftung wegen sittenwidriger Schädigung
438
bb) Haftung nach § 823 Abs. 2 B G B wegen der Verletzung von Verkehrssicherungspflichten
439
d) Deliktische Haftung wegen Sphärenvermischung
441
e) Deliktische Haftung bei einer Täuschung von Vertragspartnern
443
f) Deliktische Prospekthaftung
444
g) Deliktische Haftung wegen horizontaler, vertikaler oder temporärer Unternehmensaufspaltung
444
V. Störerhaftung D. Kapitalersetzende Leistungen des Unternehmergesellschafters
444 . .
I. Kapitalersetzende Gesellschafterleistungen im System der Haftung von Unternehmergesellschaftern 1. Eigenkapitalersatz als Haftung im weiteren Sinne bei nomineller Unterkapitalisierung 2. Die mitunternehmerische Finanzierungsverantwortung als Normzweck des Eigenkapitalersatzrechts II. Kapitalersetzende Gesellschafterleistungen in den einzelnen Gesellschaftsformen 1. Kapitalersetzende Leistungen von GmbH-Gesellschaftern
445 445 445 447
. .
450 450
a) N o r m z w e c k der Freistellung der Kleinbeteiligten
450
b) Reichweite der Freistellung
451
2. Kapitalersetzende Leistungen von Aktionären 3. Kapitalersetzende Leistungen von Kommanditisten
454 456
a) Kapitalgesellschaft & C o
456
b) Gesetzestypische Kommanditgesellschaft
456
4. Kapitalersetzende Leistungen von unbeschränkt haftenden Personengesellschaftern 5. Kapitalersetzende Leistungen von stillen Gesellschaftern . . . E. Haftungsdurchgriff auf den Unternehmergesellschafter I. Systematische Einordnung des Haftungsdurchgriffs 1. Haftungsdurchgriff und allgemeine Durchgriffsproblematik 2. Der Haftungsdurchgriff im System der Gesellschafterhaftung
458 458 459
.
459 459 461
XXV
Inhaltsverzeichnis
II. Rechtfertigung des Haftungsdurchgriffs
462
III. Voraussetzungen des Haftungsdurchgriffs 1. Zugehörigkeit zu einer anerkannten Fallgruppe
464 464
a) Materielle Unterkapitalisierung
464
b) Sphärenvermischung
466
c) Institutsmißbrauch
467
2. Verantwortlichkeit des haftenden Gesellschafters 3. Weitere Voraussetzungen des Haftungsdurchgriffs
468 469
IV. Rechtsfolgen des Haftungsdurchgriffs
469
V. Kritik am Haftungsdurchgriff 1. Fehlende gesetzliche Grundlage des Haftungsdurchgriffs . . 2. Fehlendes Bedürfnis nach einem Haftungsdurchgriff 3. Fehlen eines gesicherten Haftungstatbestands 4. Fehlende Eignung eines allgemeinen strukturellen Haftungstatbestands
470 470 472 473 474 475
§ 3 Zusammenfassung
5. Kapitel D i e zurechnungsvermittelnde F u n k t i o n der gesellschaftsgebundenen U n t e r n e h m e r s t e l l u n g § 1 Der Unternehmergesellschafter vermittelnden Gesichtspunkte
im System der
zurechnungs478
A. Die Abhängigkeit des Durchgriffs von der Natur des jeweiligen Zurechnungsdurchgriffs
479
I. Die Bedeutung der Notwendigkeit der Zurechnung
479
II. Die Bedeutung einer etwaigen Zurechnungskonkurrenz
. . . .
480
III. Die Bedeutung der Art der zuzurechnenden persönlichen Verhältnisse IV. Die Bedeutung des Zwecks der bezogenen Regelung V. Die Bedeutung der Rechtsfolge der bezogenen Regelung . . . . VI. Die Praktikabilität der Zurechnung B. Die Abhängigkeit des Durchgriffs von der rechtlichen und tatsächlichen Gesellschafterstellung I. Die Bedeutung der Gesellschaftsform und der realen Gesellschaftsstruktur
480 481 482 483 484 485
XXVI
Inhaltsverzeichnis
II. Die Bedeutung einer Organstellung und einer rechtsgeschäftlichen Vertretungsmacht
486
III. Die Bedeutung der Kapitalbeteiligung und der persönlichen Haftung
488
5 2 Notwendiger
Zurechnungsdurchgriff
A. Allgemeine Struktur des notwendigen Zurechnungsdurchgriffs
489 . .
I. Zweck des notwendigen Zurechnungsdurchgriffs II. Methodische Grundlagen des notwendigen Zurechnungsdurchgriffs 1. Die Methodik des notwendigen Zurechnungsdurchgriffs bei der Normanwendung a) Notwendige Zurechnung als Anwendung von Zurechnungsnormen b) Notwendige Zurechnung als Auslegung der bezogenen Norm . aa) Notwendige Zurechnung bei Tatbestandsmerkmalen mit fakultativ personalem Einschlag bb) Notwendige Zurechnung im Rahmen verweisender Rechtssätze c) Notwendige Zurechnung als Rechtsfortbildung praeter legem . . aa) Die planwidrige Regelungslücke als Grundvoraussetzung der rechtsfortbildenden Zurechnung praeter legem aaa) Unvollständigkeit der Gleichstellung von rechtsfähigen Gesellschaften und natürlichen Personen bbb) Planwidrigkeit der fehlenden Gleichstellung von rechtsfähigen Gesellschaften und natürlichen Personen . . . bb) Methoden der rechtsfortbildenden Zurechnung praeter legem aaa) Notwendige Zurechnung als teleologische Extension . bbb) Notwendige Zurechnung als Analogie d) Notwendige Zurechnung als Rechtsfortbildung contra legem . . 2. Die Methodik des notwendigen Zurechnungsdurchgriffs bei der Anwendung rechtsgeschäftlicher Regelungen B. Einzelne Fälle des notwendigen Zurechnungsdurchgriffs I. Zurechnung der Menschenwürde 1. Zurechnung der Menschenwürde im Rahmen von Art. 19 Abs. 3 G G a) Die Grundrechtsträgerschaft von Gesellschaften als Normanwendungsproblem bei Grundrechten mit personalem Einschlag . . . aa) Der traditionelle Bezug des Grundrechtsschutzes zur Menschenwürde
489 489 492 492 493 493 494 494 495 495 496 496 498 498 499 499 500 501 501 501 501 502
XXVII
Inhaltsverzeichnis bb) Der legitimatorische Bezug des Grundrechtsschutzes von Gesellschaften zur Menschenwürde
503
cc) Der legislatorische Bezug des Grundrechtsschutzes von Gesellschaften zur Menschenwürde durch das Erfordernis der doppelten Wesensanwendbarkeit
504
aaa) Der Bezug des jeweiligen Grundrechts zur Menschenwürde
504
bbb) Der Bezug der jeweiligen Gesellschaft zur Menschenwürde
505
b) Die Lösung des Normanwendungsproblems durch Zurechnung der Menschenwürde des Unternehmergesellschafters
506
aa) Die Zurechnung der Menschenwürde als Voraussetzung der Anwendbarkeit von Grundrechten
506
aaa) Die Anwendbarkeit des verfassungsrechtlichen Persönlichkeitsschutzes auf Gesellschaften
506
bbb) Die Anwendbarkeit der Berufsfreiheit auf Gesellschaften
510
ccc) Die Anwendbarkeit der Vereinigungsfreiheit auf Gesellschaften
510
bb) Die Zurechnung der Menschenwürde als Faktor der Schutzintensität von Grundrechten
512
aaa) Unternehmerischer Beruf und personaler Einschlag der Berufsfreiheit
513
bbb) Eigentumsschutz und Vereinigungsfreiheit
513
2 . Z u r e c h n u n g der M e n s c h e n w ü r d e i m P r i v a t r e c h t
514
a) Zurechnung im Rahmen des Persönlichkeitsschutzes
514
b) Zurechnung im Rahmen des Pfändungsschutzes
515
II. Zurechnung von menschlichen Eigenschaften 1. Z u r e c h n u n g der U n Z u v e r l ä s s i g k e i t i m G e w e r b e r e c h t
517 . . . .
517
a) Gewerberechtliche Vorgaben
517
b) Die Lösung des Zurechnungsproblems
519
2. Z u r e c h n u n g der f e h l e n d e n V e r t r a u e n s w ü r d i g k e i t im Vertragsrecht
521
3. Z u r e c h n u n g der S c h w e r b e h i n d e r t e n e i g e n s c h a f t III. Zurechnung von Geisteshaltungen und Gemütszuständen
522 . . .
525
1. Z u r e c h n u n g einer G e s i n n u n g
525
2. Z u r e c h n u n g einer p e r s ö n l i c h e n K r ä n k u n g
526
IV. Zurechnung von zwischenmenschlichen Beziehungen
527
1. Z u r e c h n u n g der A n g e h ö r i g e n e i g e n s c h a f t i m R a h m e n von § 134 Abs. 2 N r . 1 S G B I I I
527
2. Z u r e c h n u n g der A n g e h ö r i g e n e i g e n s c h a f t i m R a h m e n v o n § 138 I n s O
530
XXVIII
Inhaltsverzeichnis
V. Zurechnung von Wissen 1. Dogmatischer Stand der gesellschaftsrechtlichen Wissenszurechnung 2. Die Zurechnung der Kenntnis bzw. des Kennenmüssens eines Unternehmergesellschafters
534 534 538
VI. Zurechnung von Willensmängeln
541
VII. Zurechnung von rechtswidrigem Verhalten 1. Zurechnung als Gehilfenverhalten 2. Zurechnung als Repräsentantenverhalten
542 543 543
VIII. Zurechnung der tatsächlichen Sachherrschaft 1. Zurechnung des Besitzes
546 546
a) Möglichkeiten einer Z u r e c h n u n g des Gesellschafterbesitzes
. . .
aa) Besitzzurechnung a u f g r u n d Organbesitzes
547 547
bb) Besitzzurechnung aufgrund eines Besitzdienerverhältnisses
549
cc) Besitzmittlung a u f g r u n d eines Besitzmittlungsverhältnisses
551
b) Die Z u r e c h n u n g des Besitzes von Unternehmergesellschaftern als N o r m a n w e n d u n g s p r o b l e m im Einzelfall
552
aa) E i g e n t u m s e r w e r b d u r c h die Gesellschaft
552
bb) E i g e n t u m s v e r m u t u n g zugunsten der Gesellschaft
552
cc) Passivlegitimation der Gesellschaft in Vindikationslagen sowie als G r u n d s t ü c k s - oder Gebäudebesitzerin
552
dd) A u s ü b u n g des Besitzschutzes
553
ee) Ü b e r t r a g u n g der Besitzposition des U n t e r n e h m e r gesellschafters
555
ff) A b h a n d e n k o m m e n von Sachen des Gesellschaftsvermögens
555
2. Zurechnung des Vollstreckungsgewahrsams 3. Zurechnung des strafrechtlichen Gewahrsams § 3 Ergänzender
556 557
Zurechnungsdurchgriff
A. Allgemeine Struktur des ergänzenden Zurechnungsdurchgriffs I. Zweck des ergänzenden Zurechnungsdurchgriffs II. Methodische Grundlagen des ergänzenden Zurechnungsdurchgriffs 1. Die Methodik des ergänzenden Zurechnungsdurchgriffs bei der N o r m a n w e n d u n g 2. Die Methodik des ergänzenden Zurechnungsdurchgriffs bei der Anwendung rechtsgeschäftlicher Regelungen
558 . .
558 558 559 559 560
Inhaltsverzeichnis B.
XXIX
E i n z e l n e F ä l l e des e r g ä n z e n d e n Z u r e c h n u n g s d u r c h g r i f f s
560
I. E r g ä n z e n d e V e r m ö g e n s z u r e c h n u n g
560
1. B e r e c h n u n g s d u r c h g r i f f i m R a h m e n der P r o z e ß k o s t e n tragung
561
a) Der Unternehmergesellschafter als wirtschaftlich Beteiligter i.S.v. § 116 S. 1 Nr. 2 Z P O
561
b) Der Berechnungsdurchgriff auf den Unternehmergesellschafter im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes
563
2. Berechnungsdurchgriff im R a h m e n von Betriebsrentenanpassungen
564
a) Die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers als Tatbestandsmerkmal der Betriebsrentenanpassung
564
b) Berechnungsdurchgriff im Konzern
565
c) Berechnungsdurchgriff bei Beteiligung eines Unternehmergesellschafters
566
3. B e r e c h n u n g s d u r c h g r i f f i m R a h m e n v o n B i l l i g k e i t s e n t scheidungen
568
I I . E r g ä n z e n d e Z u r e c h n u n g einer G r u p p e n z u g e h ö r i g k e i t
568
1. Z u r e c h n u n g der S t a a t s a n g e h ö r i g k e i t
569
a) Die Staatszugehörigkeit von Gesellschaften
569
b) Die Bedeutung der Staatsangehörigkeit des Unternehmergesellschafters für die Staatszugehörigkeit der Gesellschaft
573
aa) Staatszugehörigkeit und Grundrechtsausübung
574
bb) Staatszugehörigkeit und Gewährung diplomatischen Schutzes
576
cc) Staatszugehörigkeit und nationale Wirtschaftsförderung
577
. .
dd) Staatszugehörigkeit und Sicherung der Gegenseitigkeit in bilateralen Wirtschaftsabkommen
578
ee) Staatszugehörigkeit und Schutz vor Überfremdung in sicherheitsrelevanten Wirtschaftsbereichen ff)
578
Staatszugehörigkeit und Ausübung effektiver staatlicher Kontrolle
579
gg) Staatszugehörigkeit und Gewährung von staatlichen Solidarleistungen
581
2. Z u r e c h n u n g der F e i n d e i g e n s c h a f t 3. Z u r e c h n u n g der V e r f o l g t e n - u n d V e r t r i e b e n e n e i g e n s c h a f t 4. Z u r e c h n u n g einer p o l i t i s c h e n B e t ä t i g u n g § 4 Zusammenfassung
582 . .
583 585 586
Inhaltsverzeichnis
XXX
6. Kapitel
Die identitätsbegründende Funktion der gesellschaftsgebundenen Unternehmerstellung § 1 Der Unternehmergesellschafter begründenden Gesichtspunkte
im System
der
identifikations591
A. Die Bedeutung des Einflusses auf die Willensbildung und das Verhalten der Gesellschaft
591
B. Die Bedeutung der Interessen- und Vermögensverflechtung . . . .
592
§ 2 Identifikation des mit der Gesellschaft
593
Unternehmergesellschafters
A. Allgemeine Struktur der Identifikation
593
I. Zweck der Identifikation
593
II. Methodische Grundlagen der Identifikation 595 1. Die Methodik der Identifikation bei der Normanwendung . 595 2. Die Methodik der Identifikation bei der Anwendung rechtsgeschäftlicher Regelungen 596 B. Einzelne Fälle der Identifikation I. Identifikation als Willensbildungs- oder Interessengemeinschaft 1. Identifikation im Rahmen der Stimmverbotstatbestände
596 596 . . . 596
a) Grundgedanken und subjektiver Geltungsbereich der Stimmverbotstatbestände b) Die Ausdehnung des subjektiven Geltungsbereichs der Stimmverbote als Fall der Identifikation c) Die Voraussetzungen der Identifikation im Rahmen der Stimmverbotstatbestände aa) Identifikation auf Seiten des beschlußfassenden
Verbandes bb) Identifikation auf Seiten der von der Verbandsentscheidung betroffenen Gesellschaft
2. Identifikation im Rahmen des Selbstkontrahierungsverbots a) Das Problem einer ausdehnenden Anwendung des § 181 BGB im Gesellschaftsrecht b) Die teleologische Extension des § 181 BGB durch Identifikation des Unternehmergesellschafters mit seiner Gesellschaft aa) Identifikation auf Seiten der Drittgesellschaft bb) Identifikation auf Seiten der vertretenen Gesellschaft . . . .
597 598 600
601 603
. 606 606 608 609 611
Inhaltsverzeichnis 3. I d e n t i f i k a t i o n i m R a h m e n d e r O r g a n k r e d i t g e w ä h r u n g
XXXI . . . .
612
a) Organkredite im Aktienrecht
612
b) Organkredite im G m b H - und Genossenschaftsrecht
613
c) Organkredite von Kreditinstituten
614
4. Identifikation i m R a h m e n v o n Maklerleistungen
616
a) Das maklerrechtliche Normanwendungsproblem
616
b) Die gesellschaftsrechtliche Lösung des maklerrechtlichen N o r m anwendungsproblems
619
aa) Identifikation auf Seiten des Vertragspartners
620
bb) Identifikation auf Seiten des Maklers
622
cc) Identifikation im Anwendungsbereich des § 2 Abs. 2 N r . 3 WoVermG 5. I d e n t i f i k a t i o n i m R a h m e n v o n G e s e l l s c h a f t s p r o z e s s e n
623 . . . .
624
a) D e r Unternehmergesellschafter als Nebenintervenient im Gesellschaftsprozeß
624
b) Ausschließung und Ablehnung des Unternehmergesellschafters als Richter im Gesellschaftsprozeß
626
c) Partei- und Zeugenvernehmung des Unternehmergesellschafters im Gesellschaftsprozeß
630
6. I d e n t i f i k a t i o n i m R a h m e n d e r B e s o r g u n g v o n Rechtsangelegenheiten der Gesellschaft
634
7. I d e n t i f i k a t i o n i m R a h m e n e i n e s B o y k o t t s
636
I I . I d e n t i f i k a t i o n als a b s o l u t e W i l l e n s g e m e i n s c h a f t
637
1. I d e n t i f i k a t i o n i m R a h m e n des G u t g l a u b e n s s c h u t z e s
637
a) Absolute Willenseinheit bei der Vertrauensbildung im Rahmen des gutgläubigen Erwerbs nach § 892 B G B
637
aa) Einheitlicher Lösungsansatz für alle rechtsfähigen Gesellschaften
637
bb) Das Erfordernis der wirtschaftlichen Personenverschiedenheit als teleologische Reduktion des § 892 B G B
638
cc) Rechtfertigung der teleologischen Reduktion des § 892 B G B durch das Erfordernis einer fehlenden absoluten Vertrauensbildungseinheit
639
dd) Voraussetzungen der absoluten Vertrauensbildungseinheit zwischen Gesellschaft und Gesellschafter
641
b) Absolute Willenseinheit bei der Vertrauensbildung im Rahmen anderer Gutglaubensschutzvorschriften
643
2. Identifikation im R a h m e n eines privaten V o r k a u f s r e c h t s
. .
I I I . I d e n t i f i k a t i o n als V e r h a l t e n s g e m e i n s c h a f t
646
1. I d e n t i f i k a t i o n i m R a h m e n v o n § 1 6 2 B G B 2 . I d e n t i f i k a t i o n i m R a h m e n v o n § 1 2 3 A b s . 2 S. 1 B G B 3 . I d e n t i f i k a t i o n i m R a h m e n v o n § 61 V V G
644
646 . . . .
648 650
XXXII
Inhaltsverzeichnis
IV. Identifikation als Schuld- und Haftungsgemeinschaft 1. Identifikation im Rahmen von § 648 Abs. 1 BGB
653 653
a) D a s E r f o r d e r n i s der rechtlichen Personenidentität bei unmittelbarer A n w e n d u n g des § 648 Abs. 1 B G B
653
b) Die analoge A n w e n d u n g des § 648 Abs. 1 B G B auf den schuldenden Gesellschafter
656
2. Identifikation im Rahmen der Drittwiderspruchsklage
. . . .
659
a) H a f t u n g des Vollstreckungsgegenstands f ü r die titulierte Forderung
660
b) M i t h a f t u n g des Gesellschafters gegenüber d e m Vollstreckungsgläubiger
661
V. Identifikation als Erfüllungsgemeinschaft 1. Mitverpflichtung der Gesellschaft 2. Einwirkungspflicht des Unternehmergesellschafters
663 664 666
VI. Identifikation als enge Wirtschaftsgemeinschaft
668
VII. Identifikation als Geschädigtengemeinschaft 1. Identifikation der verletzten Gesellschaft mit ihrem Gesellschafter aufgrund einer Verfolgtengemeinschaft 2. Identifikation des verletzten Gesellschafters mit der mittelbar geschädigten Gesellschaft aufgrund wirtschaftlicher Verflechtung § 3 Identifikation
zweier Rechtsträger
670 670
671
über die Person
des Unternehmergesellschafters
671
A. Allgemeine Struktur der Identifikation B. Einzelne Fälle der Identifikation I. Arbeitnehmerzusammenrechnung im Mitbestimmungsrecht
671 . .
672 672
II. Haftungskontinuität bei fortdauernder Beteiligung des früheren Unternehmensträgers
673
III. Zwecknachfolge im Verfolgtenentschädigungsrecht
674
§ 4 Zusammenfassung
675
Zusammenfassung der Ergebnisse I. Gesellschaftsformübergreifende Lösung der Durchgriffsproblematik II. Normzweckspezifische Lösung der Durchgriffsproblematik
678 . .
681
XXXIII
Inhaltsverzeichnis
III. Die durchgriffsbegründende Funktion der gesellschaftsgebundenen Unternehmerstellung 1. Die Sonderstellung des Unternehmergesellschafters 2. Der Zusammenhang zwischen der normspezifischen Rechtfertigung des Durchgriffs und der Sonderstellung des Unternehmergesellschafters
685 685
687
a) Statusbegründende bzw. statusausschließende F u n k t i o n der gesellschaftsgebundenen U n t e r n e h m e r s t e l l u n g
687
b) Schuld- u n d h a f t u n g s b e g r ü n d e n d e F u n k t i o n der gesellschaftsgebundenen U n t e r n e h m e r s t e l l u n g
688
c) Zurechnungsvermittelnde F u n k t i o n der gesellschaftsgebundenen Unternehmerstellung
689
d) Identitätsbegründende F u n k t i o n der gesellschaftsgebundenen Unternehmerstellung
IV. Der Typusbegriff des Unternehmergesellschafters als Anknüpfungspunkt für den Durchgriff im Einzelfall
690
. . . .
692
Literaturverzeichnis
695
Sachverzeichnis
741
Einleitung § 1 Gegenstand und Ziel der Untersuchung Gegenstand dieser Arbeit ist die Lösung und Systematisierung der unterschiedlichen Rechtsanwendungsprobleme, die durch die Mediatisierung des gesellschaftsgebundenen Unternehmers als Unternehmensträger einerseits sowie die rechtliche Verselbständigung rechtsfähiger Gesellschaften und ihre weitgehende Gleichstellung mit natürlichen Personen im Rechtsverkehr andererseits hervorgerufen werden. Es geht damit zum einen um die Frage, inwieweit bestimmte, zunächst nur auf die Gesellschaft als Unternehmensträgerin zu beziehende rechtliche Umstände auch auf den Unternehmergesellschafter zu erstrecken sind (3. und 4. Kapitel). Zum anderen wird im Hinblick auf die Handlungs- und Persönlichkeitsdefizite 1 der rechtsfähigen Gesellschaft zu klären sein, ob und in welcher Form eine dem jeweiligen Regelungszweck entsprechende Rechtsanwendung durch den Rückgriff auf den Unternehmergesellschafter als dem personalen Kern und maßgeblichen Akteur der Gesellschaft sichergestellt werden kann und muß (5. und 6. Kapitel). Mit dem Unternehmergesellschafter rückt eine Rechtsfigur in das Zentrum der Betrachtung, die im Zusammenhang mit der hier zu untersuchenden Problematik zwar immer wieder in Rechtsprechung und Schrifttum Erwähnung findet 2 , dort jedoch kaum näher beleuchtet wird. Das erste und zweite Kapitel der Arbeit sind daher einer umfassenden Beschreibung dieses Gesellschaftertyps und seiner besonderen Beziehungen zur Gesellschaft gewidmet. Dabei wird deutlich werden, daß natürliche Personen, die sich an einer einzigen unternehmenstragenden Gesellschaft mit Unternehmerrisiko und Unternehmerinitiative und damit als Unternehmergesellschafter beteiligen, eine auch in der gesellschaftsrechtlichen Wirklichkeit von Kapitalgesellschaften ausgesprochen weit verbreitete Erscheinung darstellen 3 . Aufgrund des Bedürfnis-
1 Treffend hat bereits F. Klein, Entwicklungen, S. 56, der Aktiengesellschaft ein „Persönlichkeitsproblem" zugeschrieben, das sich aus ihrer Entwicklung zur unpersönlichen Kapitalgesellschaft einerseits und der wachsenden Bedeutung der Persönlichkeit im Recht andererseits ergebe. 2 Siehe dazu die zahlreichen Nachweise im 1. Kap. Vor § 1. 3 Dazu näher unter Hinweis auf empirische Untersuchungen 1. Kap. § 4.
2
Einleitung
ses nach Kapital, unternehmerischer Arbeitsteilung, beschränkter Haftung und nach einer Perpetuierung des U n t e r n e h m e n s gehört die zunehmende „Vergesellschaftung" des U n t e r n e h m e r t u m s zu den bedeutendsten Entwicklungen des m o d e r n e n Wirtschaftslebens 4 . Die gesellschaftsgebundene U n t e r nehmertätigkeit erscheint dem Unternehmergesellschafter nicht selten als die Fortsetzung des einzelkaufmännischen Daseins mit anderen Mitteln 5 . Die Gesellschaft w i r d f ü r ihn zu einem den wirtschaftlichen Bedingungen besser angepaßten Funktionsgebilde, mit dem er - gegebenenfalls gemeinsam mit weiteren Unternehmergesellschaftern - seine unternehmerischen Ziele verfolgt 6 . Bei einem Unternehmergesellschafter vereinigen sich U n t e r n e h m e r r i siko und Unternehmerinitiative 7 , eigentumsmäßige Beteiligung und Berufsausübung 8 sowie Leitungsmacht und Verantwortung 9 . F ü r die übrigen G e sellschafter ist der Unternehmergesellschafter nicht nur Mitgesellschafter 1 0 , sondern auch unternehmerischer Initiator sowie G a r a n t der v e r a n t w o r t u n g s vollen Leitung 1 1 und der Selbständigkeit 1 2 des Unternehmens. A u ß e n s t e h e n den erscheint er vielfach als Personifizierung der Gesellschaft und des U n t e r nehmens 1 3 . M i t dem Unternehmergesellschafter soll ein gesellschaftsformübergreifender A n k n ü p f u n g s p u n k t f ü r diejenigen Fälle bereitgestellt werden, in denen 4 Zur Kollektivierung der klassischen Unternehmerfunktion aus ökonomischer Sicht Holderegger, Die Unternehmung 1988, 220, 224ff.; Redlich, Unternehmer, S. 109 und Liefmann, Unternehmungsformen, S. 43ff.; siehe ferner Issing, in: Issing/Leisner, „Kleineres Eigentum", S. 36f.; Chlosta, Wesensgehalt, S. 160f.; Badura, FS Rittner, S. 1, 5; Papier, W D S t R L 35 (1977), 55, 87f. und Ottmann, Vereinigungsfreiheit, S. 145. 5 Vgl. dazu auch für die AG Wiethölter, in: Frankfurter Publizitätsgespräch, S. 49. 6 Leßmann, AcP 170 (1970), 266, 267; Badura, FS Rittner, S. 1, 6f.; Schwerdtner, PersönFS König, lichkeitsrecht, S. 119; Hubmann, Persönlichkeitsrecht, S. 333; H. Westermann, S. 345, 352 f. 7 Dazu eingehend 1. Kap. § 3 C. 8 Dazu näher 2. Kap. § 1 A I 5 sowie 2. Kap. § 3 A II und III. 9 Dazu nur 1. Kap. § 3 C und 4. Kap. § 1 A II 2-5; zu den besonderen Ausprägungen der Finanzierungs- und Wissensverantwortung näher 2. Kap. § 2 B IX bzw. 5. Kap. § 2 B V 2. 10 So aber Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. 1, S. 445. 11 Zu dem von Anlagegesellschaftern in den Unternehmergesellschafter gesetzten Vertrauen auch F. Klein, Grundlagen, S. 45 und Lutter, AcP 180 (1980), 84, 126f.; vgl. dazu ferner v. Jhering, Zweck Bd. 1, S. 224f. (Rücksichtnahme auf das eigene Interesse als Grundlage verantwortungsvollen Wirtschaftens) und Boerner, Haftung, S. 113ff. (persönliche Haftung als Grundlage verantwortungsvoller Unternehmensleitung). 12 Vgl. zum Zusammenhang zwischen Gesellschafterstruktur und Unternehmenskonzentration nur Großfeld, Aktiengesellschaft, S. 22ff. und 185f. m.w.N. 13 Siehe dazu auch die Ausführungen zur Sachwalterstellung eines Unternehmergesellschafters im 4. Kap. § 2 C II lc aa und cc sowie zur Verknüpfung von Gesellschafts- und Privatsphäre bei unternehmerischer Beteiligung im 2. Kap. § 1 D; zur Personenbezogenheit einer Gesellschaft bei Beteiligung eines Unternehmergesellschafters auch BMJ (Hrsg.), Bericht der Unternehmensrechtskommission, Rn. 621 ff. und 992 ff.; vgl. demgegenüber zur vermeintlichen Verselbständigung des Unternehmens „an sich" bei Fehlen eines Unternehmergesellschafters Rüfner, DVB1. 1976, 689 und Püttner, DÖV 1976, 433, 434.
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Gegenstand und Ziel der
Untersuchung
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eine dem Regelungszweck entsprechende Rechtsanwendung nur unter Durchbrechung der rechtlichen Verselbständigung der Gesellschaft möglich ist. Angesichts der unterschiedlichen tatsächlichen Erscheinungsformen eines Unternehmergesellschafters und der Vielfalt der zu berücksichtigenden Regelungszwecke kann der Begriff des Unternehmergesellschafters allerdings nicht vollständig durch subsumtionsfähige Begriffsmerkmale definiert werden. Die den Begriff prägende Beteiligung mit Unternehmerrisiko und Unternehmerinitiative ist vielmehr mit Hilfe zahlreicher, nicht zwingender, abstufbarer und kompensierbarer Typusmerkmale zu beschreiben 14 . Der klassifikatorische Typusbegriff des Unternehmergesellschafters dient zudem lediglich dazu, einen Kreis von Gesellschaftern zu erfassen, der die unternehmerischen Funktionen der rechtsfähigen Gesellschaft wahrnimmt und damit prinzipiell bei einem Durchgriff auf den personalen Kern der Gesellschaft in Betracht zu ziehen ist. Letztlich ist es jedoch eine Frage des jeweiligen Regelungszwecks und Regelungszusammenhangs, ob und wie dieser Durchgriff erfolgt. Dabei kann zum einen das Bedürfnis nach rechtssicherer und einfacher Handhabung eine schematische Erfassung von Unternehmergesellschaftern gebieten. Zum anderen mag der Durchgriff eine besondere Beziehung des Unternehmergesellschafters zur Gesellschaft voraussetzen, so daß es nur auf einen bestimmten Aspekt der gesellschaftsgebundenen Unternehmertätigkeit ankommt und vielfach nur ein Teil der Unternehmergesellschafter die damit regelmäßig verbundenen spezifischen Anforderungen erfüllt 15 . Mit diesem typologischen Ansatz verfolgt die Arbeit das Ziel, die durch eine ausufernde Kasuistik gekennzeichnete Durchgriffsproblematik soweit wie möglich unter einheitlichen Wertungsgesichtspunkten in Fallgruppen zu ordnen, ohne dabei auf die durch die unterschiedlichen Regelungszwecke gebotenen Differenzierungen zu verzichten. Die gesellschaftsformübergreifende Betrachtung wurde gewählt, weil sich die durch die rechtliche Verselbständigung von Gesellschaften aufgeworfenen Fragen bei allen rechtsfähigen Gesellschaften in prinzipiell gleicher Weise stellen. Damit sollen keinesfalls die offen zu Tage liegenden Rechtsformunterschiede und ihre Auswirkungen auf die Lösung der konkreten Rechtsanwendungsprobleme unberücksichtigt bleiben. Es geht vielmehr darum, den Blick für bestehende Gemeinsamkeiten zu schärfen und die überkommenen schematischen Differenzierungen zwischen Personen- und Kapitalgesellschaften sowie zwischen Organmitgliedern und Nur-Gesellschaftern im Bereich der Durchgriffsproblematik einer kritischen Überprüfung zu unterziehen. Während damit die Darstellung zum einen an die Lehre von der Einheitlichkeit der Mitgliedschaft 16 anknüpft und Dazu eingehend 1. Kap. § 1 und § 3 C. Siehe dazu allgemein 1. Kap. § 3 C III lb und 2. 16 Dazu nur Lutter, AcP 180 (1980), 84ff.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 3 III 2 und §§ 19ff.; krit. im Hinblick auf die Vernachlässigung von Funktionsunterschieden zwischen ein14
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Einleitung
versucht, den Durchgriff als ein allgemeines Element der unternehmerischen Verbandsmitgliedschaft und der Relativität der Verselbständigung rechtsfähiger Gesellschaften zu erforschen, basiert sie zum anderen auf der grundlegenden Differenzierung zwischen der unternehmerischen und der anlageorientierten Verbandsmitgliedschaft 17 .
§ 2 Einführung in die Problematik der Untersuchung Die ausnahmsweise Transparenz der Gesellschaft bei unternehmerischer Beteiligung bildet eine Korrektur des sog. Trennungsprinzips, d.h. der tatsächlichen und rechtlichen Verselbständigung der rechtsfähigen Gesellschaft gegenüber ihren Gesellschaftern. Dabei geht es entweder nur in tatsächlicher Hinsicht um Ausnahmen von der grundsätzlichen Unbeachtlichkeit der persönlichen Verhältnisse der Gesellschafter für die Gesellschaft (notwendiger Zurechnungsdurchgriff) oder auch in rechtlicher Hinsicht um Durchbrechungen der durch ihre Rechtsfähigkeit begründeten rechtlichen Verselbständigung der Gesellschaft (Statuszurechnung, Haftungsdurchgriff, ergänzender Zurechnungsdurchgriff, Identifikationsdurchgriff).
A. Der Durchgriff als Folge der widersprüchlichen Natur rechtsfähiger Gesellschaften Mit dem Begriff der rechtsfähigen Gesellschaft sollen in dieser Arbeit zunächst alle diejenigen Gesellschaften erfaßt werden, die kraft Gesetzes mit eigener Rechtspersönlichkeit (§ 1 Abs. 1 S. 1 AktG), Rechtsfähigkeit ( § § 2 1 f. B G B ) bzw. als solche mit eigenen Rechten und Pflichten ( § 1 3 Abs. 1 G m b H G ) ausgestattet sind und daher unbestritten als juristische Personen gelten. Daneben werden aber auch alle jedenfalls nach der ursprünglichen Konzeption des B G B und H G B sowie der ganz herrschenden Meinung als zelnen Gesellschaftsformen und insbesondere der Kapitalsammeifunktion der Aktiengesellschaft sowie des daraus abzuleitenden Bedürfnisses nach Kapitalanlegerschutz Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 70 f. 17 Zu dieser Differenzierung etwa auch Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. 1, S. 103 f. und 488f.; vgl. demgegenüber die konzernrechtliche Differenzierung zwischen dem Privat- oder Unternehmergesellschafter und dem Unternehmensgesellschafter (dazu näher 1. Kap. § 3 D), die Differenzierung zwischen der Mitgliedschaft in Personengesellschaften und derjenigen in juristischen Personen bei Flame, B G B - A T 1/2, S. 258ff. sowie die Unterscheidung zwischen der Mitgliedschaft in personalistisch und kapitalistisch strukturierten Gesellschaften etwa bei Immenga, Kapitalgesellschaft, S. 15 ff. und passim sowie Friedewald, Aktiengesellschaft, S. 1 ff. und passim.
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Einführung
in die Problematik
der
Untersuchung
5
Gesamthandsgesellschaften zu qualifizierenden Gesellschaften einbezogen, die als solche gesetzlich (§§ 124 Abs. 1, 161 Abs. 2 H G B , § 7 Abs. 2 PartGG) oder richterrechtlich mit der Fähigkeit ausgestattet sind, Rechte zu erwerben und Verbindlichkeiten einzugehen, und daher im Sinne der Legaldefinition des § 14 Abs. 2 B G B als rechtsfähige Personengesellschaften und nicht als juristische Personen anzusehen sind (vgl. auch §§ 1059a Abs. 2, 1098 Abs. 3 B G B , 11 Abs. 2 Nr. 1 InsO und § 7 Nr. 3 MarkenG). Die verschiedenen Durchgriffsprobleme sind untrennbar mit der widersprüchlichen Natur aller rechtsfähigen Gesellschaften verbunden. Als überindividuelle Wirkungseinheiten und infolge der ihnen verliehenen Rechtsfähigkeit werden rechtsfähige Gesellschaften nämlich einerseits im Rechtsverkehr gegenüber den Gesellschaftern in personeller und vermögensrechtlicher Hinsicht verselbständigt (sog. Trennungsprinzip) sowie den natürlichen Personen als Zuordnungssubjekt von Rechtssätzen weitgehend gleichgestellt (sog. Gleichstellungsprinzip). Andererseits handelt es sich bei ihnen jedoch um Wirkungseinheiten, die in tatsächlicher Hinsicht nur zum Teil verselbständigt und in vielfältiger Weise von den hinter ihnen stehenden Personen abhängig sind 18 . Eine rechtsfähige Gesellschaft kann die ihr von den Gesellschaftern und der Rechtsordnung zugedachte Funktion daher vielfach nur dann angemessen erfüllen, wenn man nicht nur die persönlichen Verhältnisse ihrer O r gane und rechtsgeschäftlichen Vertreter, sondern in teilweiser Abkehr vom Trennungsprinzip auch diejenigen ihrer Gesellschafter mit in die Betrachtung einbezieht 19 . Es wird damit zur zentralen Frage aller rechtsfähigen Gesellschaften, unter welchen Bedingungen und in welcher Form ihr die Verhältnisse einer zu ihrem personalen Kern gehörenden natürlichen Person zugeschrieben werden und umgekehrt 20 .
18 Siehe zu den verschiedenen, an dieser Stelle nicht nochmals zu referierenden Deutungen der Natur juristischer Personen die eingehenden Darstellungen bei H.J. Wolff, Organschaft und Juristische Person Bd. 1, S. lff. und Rittner, Die werdende juristische Person, S. 180ff. 19 Siehe dazu auch die Kritik von Stampe, J W 1922, 517, 518 an der Verabsolutierung des Trennungsprinzips bei der juristischen Person: „...; die juristische Person hat ja nur einen Platz, den sie mit vollem Recht in Anspruch nehmen kann: v. Jherings Begriffshimmel. Hier auf Erden ist sie nur als Hindernis brauchbarer Rechtssätze wirksam gewesen; ..."; krit. zu dem daraus sich ergebenden Schwebezustand zwischen Anerkennung und Nichtanerkennung der juristischen Person und für die ausnahmslose Verselbständigung der juristischen Person als einem mit ihren Mitgliedern lediglich durch Rechtsbeziehungen verbundenen Rechtssubjekt jedoch Wilhelm, Rechtsform, S. 11 ff. und passim. 20 So auch bereits für die juristische Person Kelsen, Reine Rechtslehre, S. 180.
6
Einleitung
I. Die Verselbständigung der rechtsfähigen Gesellschaft gegenüber ihren Gesellschaftern 1. Die tatsächliche Verselbständigung E s gehört z u m Wesen aller und damit auch der rechtsfähigen Gesellschaften, daß sie zur V e r w i r k l i c h u n g eines eigenen Z w e c k s gegründet werden, der sich v o n den individuellen Z w e c k e n der Gesellschafter unterscheidet (vgl. § 705 B G B ) 2 1 . D i e V e r w i r k l i c h u n g dieses überindividuellen Z w e c k s mit H i l f e eines v o n den V e r m ö g e n der Gesellschafter getrennten G e s e l l s c h a f t s v e r m ö gens, durch eine v o n den einzelnen Gesellschaftern und O r g a n m i t g l i e d e r n z w a r prozessual abhängige, j e d o c h in ihrem E r g e b n i s eigenständige Willensbildung s o w i e durch entsprechende R e c h t s h a n d l u n g e n
der O r g a n e
und
rechtsgeschäftlichen Vertreter läßt die Gesellschaft nicht n u r rechtlich, s o n dern auch tatsächlich als eine m e h r oder weniger eigenständige Vermögens- 2 2 , Willens- 2 3 und Aktionseinheit 2 4 in E r s c h e i n u n g treten. D i e s gilt nicht n u r gegenüber D r i t t e n , sondern auch im Verhältnis zu den Gesellschaftern. M a g es n o c h möglich sein, dem reinen R e c h t s b e g r i f f der juristischen P e r s o n aufgrund der Vielfalt der v o n ihm erfaßten E r s c h e i n u n g s f o r m e n ein b e s t i m m t e s reales und ihr Wesen prägendes Substrat abzusprechen und ihn lediglich als eine konstruktive A b b r e v i a t u r zur besseren Erfassung eines k o m p l e x e n Sachverhalts v o n Tatbeständen, B e z i e h u n g e n und N o r m e n anzusehen 2 5 o d e r auf die b l o ß e Vermögensfähigkeit zu reduzieren 2 6 , kann ü b e r die dem R e c h t vorgegebene tatsächliche E r s c h e i n u n g der Gesellschaft als einer gegenüber ihren G e sellschaftern verselbständigten Z w e c k v e r w i r k l i c h u n g s e i n h e i t nicht o h n e weiteres hinweggegangen werden.
21 Zur überindividuellen Zweckverfolgung als dem gemeinsamen Wesenskern natürlicher und juristischer Personen etwa Jellinek, Allgemeine Staatslehre3, S. 169ff.; für die juristische Person Rittner, Die werdende juristische Person, S. 211 f. und allgemein für alle rechtsfähigen Gesellschaften auch Flume, FS L. Raiser, S. 27, 29f. 22 Zum Zweckvermögen als dem realen Substrat der juristischen Person siehe insbesondere Brinz, Pandekten Bd. 1, §§ 60f. und Bd. 3 §§ 432ff.; Bekker, System Bd. 1 §§ 41 f. und in neuerer Zeit Wiedemann, WM 1975 Beilage Nr. 4, S. 8 ff. u.a. unter Hinweis auf BGH v. 30.1.1956 BGHZ 20,4,12. 23 Siehe dazu für die juristische Person etwa Savigny, System Bd. 2, S. 283; Kau, Persönlichkeitsschutz, S. 95 f.; Larenz/M. Wolf, BGB-AT, § 9 Rn. 11; eingehend zur Lehre vom Gesamtwillen Nass, Person, S. 42ff.; krit. allerdings v. Gierke, Genossenschaftstheorie, S. 47f. (einer Gesellschaft fehle es „in Wahrheit an einer von den verbundenen Individuen abgelösten Willenseinheit"). 24 v. Gierke, Genossenschaftstheorie, S. 614 ff.; Rittner, Die werdende juristische Person, S. 211 f. 25 So etwa Kelsen, Reine Rechtslehre, S. 193 f.; H.J. Wolff, Organschaft und Juristische Person Bd. 1, S. 207ff. und Bd. 2, S. 280ff. und Müller-Freienfels, AcP 156 (1957), 522, 529; krit. Rittner, Die werdende juristische Person, S. 202. 26 Siehe dazu etwa Savigny, System Bd. 2, S. 236f. und 238f.
52
2. Die rechtliche
Einführung in die Problematik
der Untersuchung
7
Verselbständigung
a) Die Rechtsfähigkeit als Grundlage des Trennungsund Gleichstellungsprinzips Als G r u n d l a g e der rechtlichen Verselbständigung einer Gesellschaft wird nach h e r k ö m m l i c h e r Auffassung im deutschen R e c h t n e b e n ihrer tatsächlichen Verselbständigung ihre A n e r k e n n u n g als juristische P e r s o n betrachtet 2 7 . M i t §§ 1 4 , 1 0 5 9 a A b s . 2, 1098 A b s . 3 B G B , § 105 A b s . 2 H G B , §§ 190 A b s . 1, 191 A b s . 2 N r . 1, 2 0 2 A b s . 1 N r . 1 U m w G und den neueren G e s a m t h a n d s l e h ren, die z u m i n d e s t die Personenhandelsgesellschaften (§ 124 H G B , A r t . 1 A b s . 2 E W I V - V O ) und die Partnerschaftsgesellschaft (§ 7 A b s . 2 P a r t G G ) rechtlich in vergleichbarer Weise als gegenüber ihren Mitgliedern verselbständigt ansehen 2 8 , ist dies j e d o c h nicht m e h r zu vereinbaren. E s beginnt sich daher mit R e c h t die A n s i c h t durchzusetzen, daß die rechtliche Verselbständigung einer Gesellschaft keine Frage der formellen Z u g e h ö r i g k e i t z u m n u m e rus clausus der juristischen P e r s o n e n bzw. der damit nach traditioneller A u f fassung v e r b u n d e n e n R e c h t s p e r s ö n l i c h k e i t ist, sondern v o n der bei den juristischen P e r s o n e n wie den Gesamthandsgesellschaften jeweils festzustellenden Fähigkeit abhängt, ( b e s t i m m t e ) eigene R e c h t e zu e r w e r b e n und Verbindlichkeiten einzugehen. I n s o w e i t wird die Gesellschaft nämlich bereits als Z u o r d n u n g s s u b j e k t v o n R e c h t s s ä t z e n im R e c h t s v e r k e h r gegenüber ihren G e sellschaftern aus G r ü n d e n der rechtstechnischen Vereinfachung verselbständigt und den natürlichen P e r s o n e n als den g e b o r e n e n Trägern v o n R e c h t e n und Pflichten gleichgestellt 2 9 . N i c h t die fiktive R e c h t s n a t u r der juristischen P e r s o n und ihre R e c h t s p e r s ö n l i c h k e i t , sondern die Verleihung der R e c h t s f ä higkeit durch den G e s e t z g e b e r an juristische P e r s o n e n (§ 1 A b s . 1 S. 1 A k t G , § 1 3 A b s . 1 G m b H G , § § 2 1 f . B G B ) sowie
Personenhandelsgesellschaften
(§ 124 A b s . 1 H G B ) und die Partnerschaftsgesellschaft (§ 7 A b s . 2 P a r t G G ) bildet daher den A u s g a n g s p u n k t für die v o n den persönlichen Verhältnissen ihrer Gesellschafter unabhängige rechtliche B e h a n d l u n g der
Gesellschaft.
Dies gilt auch für die Gesellschaft bürgerlichen R e c h t s , soweit man diese mit
27 Dazu etwa Kelsen, Reine Rechtslehre, S. 178ff.; M. Wolff, Law Quaterly Review 1938, 494, 505 ff.; Rittner, Die werdende juristische Person, S. 229; Larenz/M. Wolf, BGB-AT, § 9 Rn. 11; U. Huber, FS Lutter, S. 107ff.; Ulmer, ZIP 2001, 585, 588. 28 Flume, BGB-AT 1/1, S. 93; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 8 III; Raiser, FS Zöllner Bd. 1, S. 469, 474ff.; Hohloch, in: Hohloch (Hrsg.), EU-Handbuch Gesellschaftsrecht, Deutschland, Rn. 74; Mülhert, AcP 199 (1999), 38, 43ff.; Wiedemann, WM 1975 Beilage Nr. 4, S. 28 f. 29 Siehe dazu insbesondere K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 8 IV 1 und § 9 I 2 x,John, AcP 185 (1985), 226; Rehbinder, FS R. Fischer, S. 579f.; Wiedemann, WM 1975 Beilage Nr. 4, S. 33; Hachenburg/Hüffer, § 47 Rn. 130; Raupach, Durchgriff, S. 44f.; zu diesbezüglichen Gemeinsamkeiten zwischen juristischen Personen und Gesamthandsgemeinschaften auch Flume, FS L. Raiser, S. 27,31.
8
Einleitung
der n u n m e h r herrschenden Meinung entgegen der ursprünglichen gesetzlichen K o n z e p t i o n (vgl. §§ 54, 7 1 4 , 7 1 8 f . B G B ) als eigenständige Einheit im Rechtsverkehr behandelt 3 0 . D e r anhaltende Streit u m die A n e r k e n n u n g der Personenhandelsgesellschaften und der im Rechtsverkehr eigenständig auftretenden Gesellschaften des bürgerlichen Rechts als juristische Personen 3 1 , der angesichts der z u r Zeit v o m Gesetzgeber (z.B. §§ 14, 21 f., 54, 1 0 5 9 B G B , 11 InsO) und der Rechtsprechung 3 2 vorgegebenen dreifachen Unterscheidung zwischen natürlichen Personen, juristischen Personen und rechtsfähigen Personengesellschaften n u r de lege ferenda geführt w e r d e n kann, hat daher f ü r die prinzipielle Reichweite des Trennungs- und Gleichstellungsprinzips w i e auch der D u r c h g r i f f s problematik keine Bedeutung 3 3 . Maßgeblich ist insoweit nur, inwieweit der jeweiligen Gesellschaft als solche Rechte und Pflichten zugeordnet w e r d e n und inwieweit sie tatsächlich und organisationsrechtlich gegenüber ihren G e sellschaftern verselbständigt ist. Im Rahmen der einzelnen Fallgruppen des D u r c h g r i f f s w i r d noch näher darauf einzugehen sein, daß die weit verbreitete D i f f e r e n z i e r u n g zwischen dem „Durchgriff" auf Gesamthandsgesellschafter und demjenigen auf die Gesellschafter juristischer Personen zu fragwürdigen Ergebnissen führt, die angesichts der weiten Verbreitung kapitalistischer Personengesellschaften und personalistischer Kapitalgesellschaften auch nicht als Folge einer rechtssicheren Typisierung durchgriffsfreundlicher (Mitunternehmergemeinschaft) und durchgriffsfeindlicher (Anlegergesellschaft) Realstrukturen gerechtfertigt w e r d e n können. M i t dieser prinzipiellen Gleichbe30 Vgl. etwa zur grundsätzlichen Rechts- und Parteifähigkeit der (Außen-)GbR BGH v. 29.1.2001 NJW 2001, 1056ff.; bestätigt durch BGH v. 18.2.2002 ZIP 2002, 614; zur Scheckfähigkeit der GbR BGH v. 15.7.1997 NJW 1997, 2754f. und zur Fähigkeit, sich an einer anderen GbR zu beteiligen BGH v. 2.10.1997 ZIP 1997, 2120, 2121; zur fehlenden Grundbuchfähigkeit der GbR OLG Düsseldorf v. 5.3.1997 WM 1997, 2032, 2033 f.; zur fehlenden Markenfähigkeit der GbR BGH v. 24.2.2000 GRUR 2000, 1028, 1029; zur WEG-Verwalter-Unfähigkeit der GbR BGH v. 18.5.1989 BGHZ 107,268,272; vgl. zur identitätswahrenden Umwandlung einer Kapitalgesellschaft in eine GbR nunmehr § 191 Abs. 2 Nr. 1 UmwG; zur Rechtsfähigkeit der GbR siehe insbesondere Kaiser, AcP 199 (1999), 104, 142 (Rechtsfähigkeit der Gesellschaft); Ulmer, AcP 198 (1998), 113, 114ff.; U. Huber, FS Lutter, S. 107, 122ff. (Rechtsfähigkeit der Gesamtheit der aktuellen Gesellschafter); Mülbert, AcP 199 (1999), 38, 43 ff. (quantitative Teilrechtsfähigkeit der BGB-Außengesellschaft) und Wertenbruch, Haftung, S. 211 f. (Rechtsfähigkeit im Außenverhältnis); zur (kollektiven) Rechtsfähigkeit der Gesamthandsgesellschaften (als Gruppe) auch bereits v. Gierke, Deutsches Privatrecht Bd. 1, S. 682 und Flume, ZHR 136 (1972), 177, 193; krit. zur Rechtsfähigkeit zuletzt etwa Zöllner, FS Gernhuber, S. 563, 566ff. 31 Siehe dazu zuletzt nur Kaiser, AcP 199 (1999), 104, 121 ff. und ders., FS Zöllner Bd. 1, S. 469, 482ff. (befürwortend) und Ulmer, AcP 198 (1998), 113, 119ff. (ablehnend). 32 Siehe dazu die Nachweise in Fn. 30. 33 A.A. U. Huber, FS Lutter, S. 107, 113f. und Ulmer, ZIP 2001, 585, 588, die im Einklang mit der traditionellen Lehre für die mit Rechtspersönlichkeit ausgestatteten juristischen Personen vom Trennungsprinzip und bei sämtlichen Gesamthandsgesellschaften von der Identität der Gesellschaft mit der Gesamtheit ihrer jeweiligen Mitglieder und darauf aufbauend von einer grundsätzlichen Transparenz der Gesamthandsgesellschaften ausgehen.
§ 2
Einführung
in die Problematik
der
Untersuchung
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handlung aller rechtsfähigen Gesellschaften in der Frage des Trennungs- und Gleichstellungsprinzips wird zwar der Unterschied zwischen rechtsfähigen Gesamthandsgesellschaften und juristischen Personen in einem wesentlichen Punkt verringert, doch bedeutet dies nicht, daß er damit in einer der aktuellen Gesetzeslage widersprechenden Weise gänzlich aufgehoben wäre 34 . Mit der Erstreckung des Trennungs- und Gleichstellungsprinzips auf die rechtsfähigen Personengesellschaften ist auch lediglich die Abkehr von einem zentralen Bestandteil der klassischen Gesamthandsdoktrin als einem Denkmodell, nicht jedoch die Mißachtung zwingender gesetzlicher Vorgaben verbunden. Denn das Gesetz spricht an keiner Stelle von einer Transparenz der rechtsfähigen Personengesellschaften und legte dieses Prinzip lediglich bei der seinerzeit noch nicht als rechtsfähig angesehenen Innen- und Außengesellschaft bürgerlichen Rechts zugrunde. Die bei gegebener Rechtsfähigkeit (§ 124 Abs. 1 H G B ) zwingend angeordneten vereinzelten Durchbrechungen der Trennung der rechtsfähigen Personengesellschaft von ihren Gesellschaftern (z.B. § 128 H G B ) sprechen nicht gegen dessen Erstreckung auf alle rechtsfähigen Gesellschaften, sondern bestätigen vielmehr wegen ihres Ausnahmecharakters und der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung die Regel der rechtlichen Verselbständigung dieser Gesellschaften.
b) Rechtfertigung des Trennungs- und Gleichstellungsprinzips Die Rechtsfähigkeit einer Gesellschaft bildet zwar die Grundlage des Trennungs- und Gleichstellungsprinzips, doch folgen diese im Gesetz nur vereinzelt verankerten (z.B. § 13 Abs. 2 G m b H G , Art. 19 Abs. 3 G G ) Prinzipien keineswegs zwingend aus der Verleihung der Rechtsfähigkeit. So wäre es durchaus denkbar, daß die rechtsfähige Gesellschaft ihre Rechte und Pflichten nicht getrennt von ihrem personalen Kern, sondern mit diesem als ideale Wirkungseinheit vereint erlangt, wie dies auch vielfach bei den Gesamthandsgesellschaften 35 und vereinzelt bei den juristischen Personen 36 angenommen wird. Außerdem könnte die Anerkennung der rechtsfähigen Gesellschaft als 34 Vgl. dazu nur die Liste der auch nach der Entscheidung B G H v. 29.1.2001 N J W 2001, 1056 ff. (bestätigt durch B G H v. 18.2.2002 ZIP 2002, 614) fortbestehenden Unterschiede zwischen juristischen Personen und (rechtsfähigen) Gesamthandsgesellschaften bei Ulmer, ZIP 2001, 585, 588; vgl auch Lamprecht, Zulässigkeit, S. 67 ff. 35 Zur automatischen Berücksichtigung von Eigenschaften der Gesamthänder als ideellem Teil der Gesellschaft siehe generell etwa R G v. 21.2.1899 R G Z 43, 104, 106 und B G H v. 16.2.1961 B G H Z 34, 293, 296f. („Die Personalgesellschaft ist von der Persönlichkeit der Gesellschafter nicht zu trennen. ... Soweit es für die Rechtswirksamkeit, Anfechtbarkeit oder Rechtsfolgen von Geschäften der Gesellschaft auf persönliche Beziehungen, Kenntnisse oder Verhältnisse der Vertragspartner ankommt, genügen die entsprechenden Umstände in der Person eines einzelnen Gesellschafters.") sowie Wiedemann, W M 1975 Beilage Nr. 4, S. 29f.; zu Einzelfragen siehe die jeweiligen Nachweise im 5. Kap. § 2 B. 36 Flame, B G B - A T 1/2, S. 67ff. und O. Kuhn, Strohmanngründung, S. 202ff.
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Einleitung
einem Zuordnungssubjekt von Rechtssätzen etwa auf den vermögensrechtlichen Bereich beschränkt werden 37 . Das Trennungs- und das Gleichstellungsprinzip rechtfertigen sich jedoch als die rechtstechnisch und rechtspolitisch überzeugendsten Denkmodelle zur Erfassung der rechtsfähigen Gesellschaften, für die es letztlich kein Patentrezept gibt. Sie haben sich daher auch soweit ersichtlich in allen Rechtsordnungen für die Kapitalgesellschaften und teilweise auch für die Personengesellschaften durchgesetzt 38 . Das Trennungsprinzip bedeutet nicht nur eine erhebliche Erleichterung für die Geschäftsabwicklung und Rechtsanwendung 39 , da man diese aufgrund der vermögensmäßigen und organisatorischen Verselbständigung der rechtsfähigen Gesellschaft in der Mehrzahl der Fälle auch ohne Rückgriff auf die Gesellschafter angemessen sicherstellen kann. Die Verselbständigung der Gesellschaft und der für sie pflichtgebunden handelnden Fremdorgane gegenüber den Gesellschaftern dient darüber hinaus in vielen Fällen dem Schutz der Minderheitsgesellschafter und Gesellschaftsgläubiger und eröffnet andererseits den Gesellschaftern die Möglichkeit, ihre Privatsphäre von der Gesellschaftssphäre zu trennen und sich auf diese Weise bis hin zum Rechtsmißbrauch einen Freiraum gegenüber dem Staat und gleichgeordneten Rechtssubjekten zu verschaffen 40 . Würde man demgegenüber die rechtsfähige Gesellschaft mit ihrem personalen Kern als ideale Wirkungseinheit auch rechtlich identifizieren, wäre man immer wieder dazu gezwungen, die weitgehende rechtliche Unbeachtlichkeit der persönlichen Verhältnisse eines jeden Gesellschafters eigens zu begründen, um der tatsächlichen Verselbständigung der Gesellschaft gerecht zu werden 41 . Das Prinzip der Gleichstellung 42 der rechtsfähigen Gesellschaft mit der natürlichen Person als einem Zuordnungssubjekt von Rechtssätzen durch be37 Vgl. dazu für die juristische Person Savigny, System Bd. 2, S. 236f. und 238f.; mit Recht krit. Wiedemann, W M 1975 Beilage Nr. 4, S. 10. 38 Siehe rechtsvergleichend zum Trennungsprinzip und Durchgriff etwa Bastid (Hrsg.), La personnalité morale et ses limites, Paris 1960; Simonart, La personnalité morale en droit privé comparé - L'unité du concept et ses applications pratiques - Allemagne, Angleterre, Belgique, Etats-Unis, France, Italie, Pays-Bas et Suisse, Bruxelles 1995. 39 Für die juristische Person wurde das Trennungsprinzip vom BVerfG v. 24.1.1962 BVerfGE 13, 331, 338 ff. als ein tragendes Prinzip der Zivilrechtsordnung bestätigt. 40 Zur Rechtsfähigkeit als einem Freiheitselement siehe auch K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 8 I 1; zur Trennung von Gesellschafts- und Gesellschaftersphäre siehe nur Larenz/ M. Wolf, BGB-AT, § 9 Rn. 10; krit. Fuchs, LZ 1923, Sp. 525: „Es gibt ein Zaubermittel, durch das jemand ... einer Reihe von zwingenden Normen eine Nase drehen kann. ... Das zauberhafte Wunderding aber ist die mißbräuchliche Ausnutzung der Rechtseinrichtung der GmbH.". 41 Siehe dazu auch die Ausführungen von Flume, B G B - A T 1/2, S. 67ff. 42 Siehe dazu für „erlaubte Gesellschaften" ausdrücklich § 26 S. 2 A B G B : „Im Verhältnisse gegen andere genießen erlaubte Gesellschaften in der Regel gleiche Rechte mit den einzelnen Personen"; für das deutsche Recht siehe nur Serick, Rechtsform, S. 213 und Rittner, Die werdende juristische Person, S. 218ff.
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Einführung
in die Problematik
der
Untersuchung
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grenzte Fiktion 4 3 oder begrenzte Analogie 4 4 rechtfertigt sich über die mit ihr verbundene rechtstechnische Vereinfachung 4 5 hinaus zunächst aus dem G e bot der Gleichbehandlung aller rechtsfähigen Personen und Personenvereinigungen. Auf rechtsfähige Gesellschaften findet das verfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgebot dabei nicht nur über Art. 19 Abs. 3 G G , sondern auch mittelbar aufgrund des Gebots der prinzipiellen Gleichbehandlung der individuellen und kollektiven unternehmerischen Betätigung natürlicher Personen 4 6 Anwendung. Die möglichst weitgehende Gleichstellung der rechtsfähigen Gesellschaft mit den natürlichen Personen rechtfertigt sich zudem aus dem U m s t a n d , daß die Gesellschaft als Wirkungseinheit alle Anforderungen erfüllt, die das Recht im allgemeinen in Gestalt der Willensbildungs- und Handlungsfähigkeit, der Vermögensfähigkeit und der Identifizierbarkeit an eine Rechtsperson stellt 47 . Schließlich würde es auch die Funktion der rechtsfähigen Gesellschaften in der Rechtsordnung beeinträchtigen, wenn diese etwa nur über Vermögensrechte und nicht auch möglichst über alle anderen im gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verkehr benötigten Rechte verfügten 4 8 . Eine Ungleichbehandlung der rechtsfähigen Gesellschaften im Vergleich zu den von den Rechtssätzen primär ins A u g e gefaßten natürlichen Personen kann daher nur auf Besonderheiten der Gesellschaftsstruktur gestützt werden.
43 Siehe dazu die klassische Formulierung von Savigny, System Bd. 2, S. 236ff.; z u m Streit um die Deutung der Ausführungen Savignys i.S.d. Fiktionstheorie siehe allerdings auch Flume, B G B - A T 1/2, S. 3 ff.; zur Fiktionstheorie in neuerer Zeit namentlich M. Wolff, L a w Q u a t e r l y Review 1938, 494, 505ff. 44 Larenz/M. Wolf, B G B - A T , § 9 Rn. 7ff.; Tuner, D u D 1985, 20, 22. 45 Siehe dazu für die juristische Person etwa Kelsen, Reine Rechtslehre, S. 193 f.; H.J. Wolff, Organschaft und Juristische Person Bd. 1, S. 207ff. und (angesichts der zahlreichen Gleichstellungs- und Durchgriffsprobleme zu optimistisch) M. Wolff, L a w Q u a t e r l y Review 1938, 494, 506 („Fiction ... is an abbreviation. A n author who has written five volumes on the law of physical persons and then wishes to discuss legal persons, need not write another five volumes ... but he need only write a single sentence stating: all I have said about human beings applies by way of analogy to the following entities, etc."). 46 D a z u näher 2. Kap. § 3 B II 2. 47 Siehe dazu eingehend John, Rechtsperson, S. 72 ff. (allgemeine Theorie der Rechtsperson) und S. 115 ff. (zur Rechtspersönlichkeit von Gesellschaften); im Zusammenhang mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht auch Raiser, F S Traub, S. 331, 337ff. (vergleichbar einer natürlichen Person verfügten auch die juristischen Personen und Gesamthandsgesellschaften über Einheit, Individualität, Integrität und soziale Aktivität); zur Tauglichkeit der juristischen Person als einem rechtlich gleichwertigen Zuordnungssubjekt von Rechtssätzen siehe etwa Kau, Persönlichkeitsschutz, S. 93. 48 Siehe dazu auch Raiser, A c P 199 (1999), 104, 134f.
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Einleitung
II. Die Abhängigkeit der rechtsfähigen Gesellschaft von ihren Gesellschaftern 1. Die tatsächliche Abhängigkeit I m Gegensatz z u m M e n s c h e n verfügt die rechtsfähige Gesellschaft weder über ein eigenes B e w u ß t s e i n n o c h über eine eigene physische Existenz. Als solche hat sie daher weder ein Interesse, einen Willen, ein Verantwortungsbewußtsein, Wissen, Einsicht, Gefühle, ein Geschlecht oder eine W ü r d e n o c h kann sie handeln, zwischenmenschliche Beziehungen aufbauen oder in ihrer körperlichen Integrität beeinträchtigt werden. Insbesondere ist die rechtsfähige Gesellschaft nicht dazu in der Lage, den ihre Existenz bestimmenden Z w e c k selbst zu bestimmen 4 9 . D i e Persönlichkeitsdefizite der rechtsfähigen Gesellschaft werden nur teilweise durch die O r g a n e und die rechtsgeschäftlichen Vertreter sowie die physische Existenz des Gesellschaftsvermögens - zumeist in der Gestalt eines eingerichteten U n t e r n e h m e n s - kompensiert 5 0 . I m übrigen ist die Gesellschaft darauf angewiesen, daß auch die nicht als O r g a n e oder rechtsgeschäftliche Vertreter fungierenden Gesellschafter und hier insbesondere die Unternehmergesellschafter als natürliche Personen im H i n b l i c k auf die von ihnen angestrebte Zweckverwirklichung die Interessen und Aufgaben der Gesellschaft definieren, ihren Willen bilden, ihr Wissen zur Verfügung stellen, K o n t a k t e schaffen usw. 5 1 . Insoweit gewinnt dann auch die Realstruktur der Gesellschaft, die möglicherweise nur als Instrument der unternehmerischen Betätigung eines einzigen Gesellschafters in Erscheinung tritt, eine maßgebliche Bedeutung 5 2 . Schließlich weist selbst die Vermögenslage der Gesellschaft einen wechselseitigen B e z u g zu derjenigen ihrer Gesellschafter als den wirtschaftlichen G e n i e ß e r n der gesellschaftlichen Vermögensrechte auf 5 3 .
Siehe dazu nur Kau, Persönlichkeitsschutz, S. 96 f. Zur Rolle der Amtsträger als dem Substrat der juristischen Person siehe insbesondere Holder, Personen, S. 55ff. und 340ff.; zur lediglich ausnahmsweisen Möglichkeit der Bestimmung von Eigenschaften der juristischen Person anhand ihres sachlichen Substrats siehe etwa Wiedemann, W M 1975 Beilage Nr. 4, S. 20ff. und Druey, Geheimsphäre, S. 115f. und 132f. (Berücksichtigung der Interessen des Unternehmens als einer im Wettbewerb agierenden Handlungs- und Erfolgseinheit in Fragen des Geheimnisschutzes); zur Rolle der Gesellschafter als Destinatären bzw. Gliedpersonen bei der Konkretisierung der juristischen Person siehe insbesondere Jhering, Geist des römischen Rechts, § 61 (S. 355ff.) bzw. Rittner, Die werdende juristische Person, S. 223 ff. 51 Zur Gesellschaft als einem Funktionsgebilde der Gesellschafter siehe nur BVerfG v. 8.7.1982 BVerfGE 61, 82, 100f.; Badura, FS Rittner, S. 1, 6f.; Kau, Persönlichkeitsschutz, S. 96 f.; Hubmann, Persönlichkeitsrecht, S. 333; Schwerdtner, Persönlichkeitsrecht, S. 119; Leßmann, AcP 170 (1970), 266, 267. 52 Siehe dazu näher 1. Kap. § 4 B; hier nur Müller-Freienfels, AcP 156 (1957), 522, 531 f. 53 Dazu eingehend 2. Kap. § 1 A III; hierin liegt auch der wirtschaftliche Kern der allgemein auf Jhering, Geist des römischen Rechts, § 61 (S. 355ff.) zurückgeführten sog. Genießertheorie der juristischen Person (vgl. dazu auch M. Wolff, Law Quaterly Review 1938, 494, 497f.). 49 50
5 2
Einführung
in die Problematik
der
Untersuchung
13
2. Die rechtliche Abhängigkeit Die grundsätzliche Gleichstellung der rechtsfähigen Gesellschaft mit der natürlichen Person als Zuordnungssubjekt von Rechtssätzen setzt neben ihrer Vermögensfähigkeit und Identifizierbarkeit voraus, daß die Gesellschaft als Rechtsgebilde zumindest ihre Interessen definieren, einen Willen bilden und handeln kann. Daneben kommt es nach dem Tatbestand zahlreicher N o r men auf menschliche Umstände an. Soll die jeweilige Rechtsfolge aus Gründen des Gleichbehandlungsgebots auch eine rechtsfähige Gesellschaft treffen, ist dies nur möglich, wenn ihr die entsprechenden Eigenschaften der für sie handelnden und hinter ihr stehenden Personen zugerechnet werden 54 . Insoweit spielt auch die Rechtsform der Gesellschaft eine Rolle, als sie insbesondere die Frage der Organmitgliedschaft, der zulässigen gesellschaftsrechtlichen Einflußnahme und der persönlichen Haftung von Gesellschaftern sowie den Umfang der Institutionalisierung der Gesellschaft präjudizieren kann. Das Gesellschaftsvermögen und die Privatvermögen der Gesellschafter sind darüber hinaus rechtlich durch die Beitragspflicht und das Anteilseigentum sowie etwaige Drittgeschäfte und Haftungsschuldverhältnisse miteinander verknüpft. Schließlich kann das Recht die Verselbständigung der Gesellschaft dann nicht anerkennen, wenn diese von den Gesellschaftern zur gezielten Umgehung von zwingenden Normen oder zur vorsätzlichen Schädigung anderer Rechtssubjekte mißbraucht wird 55 .
B. Allgemeine Gründe für den Durchgriff auf die Gesellschafter der rechtsfähigen Gesellschaft Obwohl die rechtsfähige Gesellschaft ihrer tatsächlichen und rechtlichen Natur nach zwingend von ihrem personalen Kern abhängig ist und damit eine von diesem verselbständigte Betrachtung der Gesellschaft als bloßes Rechtskonstrukt ausgeschlossen ist, bedarf der gesetzlich angeordnete 56 wie der im
54 Siehe hier nur HJ. W o l f f , Organschaft und Juristische Person Bd. 1, S. 229; Rittner, Die werdende juristische Person, S. 200f. und 211 f.; Nass, Person, S. 87f.; Wilser, Durchgriff, S. 144; Kau, Persönlichkeitsschutz, S. 95 f. 55 So auch etwa Serick, Rechtsform, S. 203 ff. und passim; GroßKomm.AktG/5ri, § 119 Rn. 14 und § 163 Rn. 8 sowie für die G m b H May, Sicherung, S. 51 und Rowedder/Koppensteiner, § 47 Rn. 14. 254 Dazu generell K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 21 II 1 e; für die O H G und K G Baumbach/Hopt, § 119 Rn. 14; für die G m b H Scholz/^. Schmidt, § 47 Rn. 11. 255 Vgl. dazu KK/Zöllner, § 12 Rn. 18 und Friedewald, Aktiengesellschaft, S. 68 (zum früheren Ausnahmetatbestand des § 12 Abs. 2 S. 2 AktG a.F.). 256 So auch Flume, B G B - A T 1/2, S. 203f.; Hachenburg/Raiser, § 1 4 Rn. 32; Baumbach/ Hopt, § 119 Rn. 19; a.A. Teichmann, Gestaltungsfreiheit, S. 225; Fleck, FS R Fischer, S. 107, 112 ff. und 118 ff. 257 Eine praktische Bedeutung dürfte diese Möglichkeit allerdings allenfalls außerhalb der Aktiengesellschaft haben. Zwar kann nach § 138 S. 1 AktG auch die Satzung Sonderbeschlüsse gewisser Aktionäre vorsehen, doch steht dem regelmäßig § 23 Abs. 5 AktG entgegen. 258 Vgl. zur Möglichkeit der Einführung von Stichentscheidungsrechten bei Wahlen in der Aktiengesellschaft § 133 Abs. 2 AktG; zur Möglichkeit der Vereinbarung eines Stichentscheidungsrechts in der G m b H R G v. 28.10.1901 R G Z 49, 142, 147 und in Personengesellschaften May, Sicherung, S. 46. 259 Siehe für die Aktiengesellschaft §§ 12 Abs. 1 S. 2 und 139ff. A k t G (dazu näher Reckinger, A G 1983, 216ff.); für eine entsprechende Geltung dieser Regelung für alle Publikumsgesellschaften K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 21 II 1 e; ferner B G H v. 14.5.1956 B G H Z 20, 363, 367ff. (Kommanditist); B G H v. 14.7.1954 B G H Z 14, 264, 269ff. (GmbH) und für die O H G bereits Fn. 246; zum Verbot des Stimmrechtsausschlusses bei der Genossenschaft §§ 18, 43 GenG.
53
Merkmale des
Unternehmergesellschafterbegriffs
63
schon früh erkannt 260 . Selbst bei Beachtung der insoweit für die Ausgabe stimmrechtsloser Vorzugsaktien bestehenden Einschränkungen (§ 139 Abs. 2 AktG) kann hier noch mit einem Anteil von lediglich 37,5 % der Stammaktien eine satzungsändernde Mehrheit gesichert werden 261 . Daneben kommt auch die Einführung von Höchststimmrechten in Betracht. Dieses klassische, wenn auch nur bedingt taugliche Instrument der Herrschaftssicherung 262 , das nach herrschender Ansicht auch noch nachträglich ohne Zustimmung der betroffenen Gesellschafter mit satzungsändernder Mehrheit beschlossen werden kann 263 , ist seit 1998 bei Aktiengesellschaften allerdings nur bei fehlender Börsennotierung einsetzbar (§ 134 Abs. 1 S. 2 AktG) 264 . Auch die Beschränkung des Höchststimmrechts auf bestimmte Aktiengattungen, die in ihren Wirkungen einem Mehrstimmrecht gleichkäme, dürfte angesichts von § 12 Abs. 2 A k t G nicht zulässig sein265. Zu beachten ist schließlich, daß die tatsächliche Stimmrechtsmacht eines an der Beschlußfassung teilnehmenden Gesellschafters vielfach die dem nominellen Kapitalanteil entsprechende Stimmrechtsmacht übersteigt. Insbesondere in Publikumsgesellschaften reichen daher oft schon ein Kapitalanteil von etwa 20 % zur Erlangung einer gesicherten Sperrminorität und ein Kapitalanteil von weniger als 4 0 % zur Erlangung der Mehrheitsherrschaft aus266. In bestimmten Situationen kann ein namhaft beteiligter Gesellschafter zudem relativ sicher mit der Unterstützung durch andere Gesellschafter rechnen. So 260 Müller-Erzbach, Umgestaltung, S. 31 ff.; siehe ferner Reuter, Schranken, S. 201 ff. und Michalski, Gestaltungsmöglichkeiten, S. 162ff. 261 Friedewald, Aktiengesellschaft, S. 75. 262 Näher für die Aktiengesellschaft U.H. Schneider, A G 1990, 56ff.; Baums, A G 1990,221, 224ff.; Zöllner, A G 1991, 117, 118ff.; für die G m b H May, Sicherung, S. 51. 263 B G H v. 19.12.1977 B G H Z 70, 117, 121 f. und Hüffer, AktG § 134 Rn. 8; mit Recht krit. unter dem Aspekt des Gleichbehandlungsgrundsatzes Immenga A G 1976, 293, 294 und KK/ Zöllner, § 134 Rn. 48. 264 Zur Verfassungsmäßigkeit der Abschaffung von Höchststimmrechten bei börsennotierten Aktiengesellschaften durch das KonTraG nach Maßgabe des § 5 Abs. 7 E G A k t G siehe bereits Zöllner/Noack, A G 1991, 157, 162; zur insoweit gegebenen Sonderrolle börsennotierter Aktiengesellschaften bereits etwa Baums, A G 1990, 221, 226f. und 242. 265 KK/Zöllner, § 134 Rn. 46f.; Baums, A G 1990,221,231; BaumbachIHueck, § 134 Rn. 10; a.A. Godin/Wilhelmi, § 134 Anm. 7 und Hennerkes/May, DB 1988, 537, 538; anders auch Ausschußbericht zu § 134 AktG bei Kropff, Aktiengesetz, S. 192. 266 Siehe dazu B G H v. 13.10.1977 B G H Z 69, 334, 347 (beherrschende Gesellschafterstellung bei einer Beteiligung von 43,74% und einer durchschnittlichen Hauptversammlungspräsenz von 80%); B G H v. 17.3.1997 W M 1997, 967, 970 (beherrschende Gesellschafterstellung bei einer Beteiligung von 2 0 % und einer durchschnittlichen Hauptversammlungspräsenz von 37%); Großfeld, Aktiengesellschaft, S. 27f.; Otto, A G 1994, 167; zum Problem des Desinteresses von Kleinaktionären siehe nur MUlbert, Aktiengesellschaft, S. 115 £.; vgl. dazu auch das von Pross, Manager, S. 154ff. angeführte Beispiel August v. Fincks, dessen im Jahre 1954 gestarteter Versuch zum Erwerb von 20-25 % der vinkulierten Aktien der Allianz-Versicherungs A G vom Vorstand mit der Begründung verweigert wurde, daß die Gesellschaft im Interesse der Aktionäre und Versicherten vor dem beherrschenden Einfluß einer Einzelperson bewahrt werden müsse.
64
1. Kapitel:
Der Typus des
Unternehmergesellschafters
werden etwa die Inhaber von Depotstimmrechten in aller Regel im Sinne der Verwaltungsvorschläge abstimmen 2 6 7 und in einer G m b H die drei jeweils zu etwa 2 0 % beteiligten Hauptgesellschafter einen Teil der jeweils zu knapp 1 0 % beteiligten anderen Gesellschafter für eine Blockbildung gewinnen können 2 6 8 . Auch die (vorübergehende) Beteiligung einzelner Kapitalanlagegesellschaften oder Emissionsbanken kann die Position eines unternehmerisch ambitionierten Gesellschafters weiter festigen, da diese Gesellschafter keinen maßgeblichen unternehmerischen Einfluß ausüben wollen oder können 2 6 9 . A u f der anderen Seite kann in der Aktiengesellschaft von Kreditinstituten mit Hilfe des Depotstimmrechts aber auch eine vom Kapitalanteil unabhängige und gegen den potentiellen Unternehmergesellschafter gerichtete tatsächliche Stimmrechtsmacht aufgebaut werden 2 7 0 . E b e n s o bleibt es abzuwarten, inwieweit der insbesondere für große Publikumsgesellschaften lange Zeit charakteristische Typus des passiven Anlagegesellschafters zunehmend durch den Typus des institutionellen Anlegers verdrängt werden wird 2 7 1 . Sieht man von diesen besonderen rechtlichen und tatsächlichen Gestaltungen einmal ab, wird man eine für die gesellschaftsgebundene Unternehmertätigkeit typische Stimmrechtsmacht erst ab einem Stimmrechtsanteil von 25 % annehmen können 2 7 2 . Zwar können bereits ab einem Stimmrechtsanteil von 5 % bestimmte Mitteilungspflichten bestehen ( § § 2 1 ff. W p H G und § 2 8 5 Nr. 11 Hs. 4 H G B ) , doch beruhen diese Regelungen zum einen auf anderen Rechtsgedanken und zum anderen auf der besonderen Situation börsennotierter Gesellschaften 2 7 3 . Dagegen ist auf der Basis der mit einem Stimmrechtsanteil von 2 5 % regelmäßig verbundenen sog. Sperrminorität eine noch
267 Dazu auch Otto, A G 1994,167; zum Depotstimmrecht als einer Machtquelle des Großaktionärs auch Großfeld, Aktiengesellschaft, S. 19. 268 Siehe dazu den Fall B F H v. 24.1.1975 B F H E 115, 58, 61 f. 269 Siehe dazu § 8a Abs. 3 S. 1 K A G G (dazu näher]. Baur, Investmentgesetze, § 8a K A G G Rn. 26; lmmenga, Aktiengesellschaft, S. 28; Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. 1, S. 104); zum Einwand unzulässiger Rechtsausübung bei unternehmerischen Einflußnahmen durch ein Ubernahmekonsortium Junker, Z H R 156 (1992), 394, 408f.; vgl. dazu auch die an die Nichtausübung des Stimmrechts gebundene Privilegierung des transitorischen Anteilserwerbs durch Kreditinstitute, Finanzinstitute und Versicherungsunternehmen in § 37 Abs. 3 G W B . 270 Maul, B B 1985, 897, 899; KK/Koppensteiner, § 17 Rn. 42; Geßler, in: Geßler/Hefermehl § 17 Rn. 49. 271 Siehe zur zunehmenden Verbreitung von Kapitalanlagegesellschaften Hansen, AG 2001, R 3 f f . 272 Pross, Manager, S. 151 f.; Boettcher u.a., Unternehmensverfassung („Sechser-Bericht"), S. 35 f.; vgl. dazu auch die Legaldefinition des § 29 Abs. 2 W p U G , der für die Kontrolle über eine A G oder K G a A einen Stimmrechtsanteil von mindestens 3 0 % voraussetzt. 273 Siehe zu den gesetzgeberischen Zielen des Anlegerschutzes, der Bekämpfung des Mißbrauchs von Insiderinformationen und der Erläuterung des Jahresabschlusses sowie zur besonderen Situation börsennotierter Gesellschaften die Regierungsbegründung zu dem durch das Zweite Finanzmarktförderungsgesetz eingeführten W p H G in BT-Drucks. 12/6679, S. 52; krit. zudem Happ, J Z 1 9 9 4 , 2 4 0 , 2 4 3 f.
§3
Merkmale des
Unternehmergesellschafterbegriffs
65
deutlich über die nominelle Stimmrechtsmacht hinausgehende unternehmerische Einflußnahme möglich, da sich ein Gesellschafter, der in Grundsatzfragen nicht übergangen werden kann, auch in anderen Fragen wird Gehör verschaffen können 274 . cccj Rechte auf
Organmitgliedschaft
Ein Unternehmergesellschafter wird nicht nur bestrebt sein, im Unternehmen der Gesellschaft in irgendeiner Form mitzuarbeiten, sondern möglichst auch an der Geschäftsführung der Gesellschaft oder zumindest an deren Überwachung beteiligt zu sein275. Seine Geschäftsführungsbefugnis kann sich dabei zunächst aus seiner schlichten Gesellschafterstellung (§§ 709ff. B G B , §§ 114ff., 125ff., 161 Abs. 2 H G B , § 278 Abs. 2 AktG) 2 7 6 oder aufgrund einer Bestellung zum Geschäftsführer bzw. Vorstand ergeben. Denkbar sind zudem ein nur durch Änderung des Gesellschaftsvertrags entziehbares Vorrecht 277 oder ein lediglich aus wichtigem Grund gemäß § 117 H G B (analog) bzw. § 38 Abs. 2 G m b H G entziehbares Sonderrecht auf Geschäftsführung i.S.v. § 35 BGB 2 7 8 . Auch für die ausnahmsweise erforderlich werdende gerichtliche Bestellung eines Notgeschäftsführers (§ 29 B G B , § 85 AktG) erscheint der für den damit verbundenen Organisationsmangel maßgeblich verantwortliche Unternehmergesellschafter in besonderer Weise prädestiniert279. Wird ein Gesellschafter im Gesellschaftsvertrag einer GmbH zum Geschäfts-
274 BFH v. 24.1.1975 BFHE 115, 58, 61; Pross, Manager, S. 152ff.; teilweise einschränkend Junker, ZHR 156 (1992), 394, 404f.; zur Bedeutung der Sperrminorität im Zusamenhang mit §23 Abs. 2 Nr. 2 S. 4 GWB a.F. vgl. auch BGH v. 10.11.1987 BGHZ 102, 180, 186 und BGH v. 15.7.1997 BB 1998, 123. 275 Die Unternehmensrechtskommission hat sich sogar die Frage gestellt, ob eine gesellschaftsgebundene Unternehmertätigkeit überhaupt ohne unmittelbare Geschäftsführungsbeteiligung denkbar ist (dazu BMJ (Hrsg.), Bericht der Unternehmensrechtskommission, Rn. 622ff. und 992ff.). 276 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 8 IV 2 d und § 14 II 2 a spricht insoweit zu Recht von einer geborenen Organmitgliedschaft der persönlich haftenden Gesellschafter; zum Grundsatz der Selbstorganschaft siehe nur BGH v. 22.1.1962 BGHZ 36, 292, 293 ff.; MünchHdb.GesR 1/ v. Ditfurth, § 7 Rn. 8 ff. 277 Dazu etwa Felix, NJW 1972, 853; A. Hueck, O H G , S. 179 mit Fn. 51. 278 RG v. 4.2.1943 RGZ 170, 358, 368; BGH v. 4.11.1968 DB 1968, 2166; Immenga, Kapitalgesellschaft, S. 99; Hachenburg/Ulmer, § 5 Rn. 176f.; einem Aktionär kann ein Sonderrecht auf Geschäftsführung allerdings nicht eingeräumt werden (§ 23 Abs. 5 AktG; dazu nur Würdinger, Aktienrecht, S. 115f.; vgl. ferner BGH v. 20.10.1954 BGHZ 15, 71, 78); zur Entziehung des Sonderrechts auf Geschäftsführung aus wichtigem Grund siehe Felix, NJW 1972, 853f. 279 Zur Organisationsverantwortung des Unternehmergesellschafters und zur Zumutbarkeit seiner Notbestellung näher Gustavus, GmbHR 1992, 15, 18 f. (Ablehnung der Notbestellung nur aus wichtigem Grund); ähnlich zumindest für den Mehrheitsgesellschafter auch Hohlfeld, GmbHR 1986, 181, 184; krit. Scholz/U.H. Schneider, § 6 Rn. 38.
66
1. Kapitel: Der Typus des
Unternehmergesellschafters
führer bestimmt, kann hierin allerdings grundsätzlich nicht zugleich die Einräumung eines Sonderrechts auf Geschäftsführung erblickt werden 280 . In den Personengesellschaften und der G m b H kann die Einzelgeschäftsführungsbefugnis auch nur einem der Geschäftsführer eingeräumt bzw. belassen werden 281 . Anstelle der mit dem Geschäftsführungsrecht regelmäßig verbundenen organschaftlichen Vertretungsbefugnisse kann sich ein Unternehmergesellschafter insbesondere als Kommanditist (vgl. § 170 H G B ) aber auch mit weitreichenden rechtsgeschäftlichen Vertretungsrechten (§§ 48ff. H G B ) zufrieden geben, die ihm dann ebenfalls nicht ohne weiteres entzogen werden können 282 . Verfügt die Gesellschaft über einen Aufsichtsrat, kann auch die gegebenenfalls noch durch ein Entsendungsrecht (vgl. etwa § 101 Abs. 2 AktG) abgesicherte Aufsichtsratsmitgliedschaft ein wichtiges Indiz für die Stellung als Unternehmergesellschafter bilden 283 . In allen Fällen einer Organmitgliedschaft kraft formeller Bestellung 284 wird die damit verbundene Leitungsmacht nicht durch die etwaige Unwirksamkeit des Bestellungsakts beeinträchtigt 285 . Solange die Fehlerhaftigkeit der Bestellung unerkannt bleibt, besteht ohnehin aus Sicht aller Beteiligten die gleiche Situation wie bei einer wirksamen Organbestellung 286 . Nach Bekanntwerden des Bestellungsmangels ist dieser zwar unverzüglich durch eine erneute wirksame Bestellung oder eine Ersatzbestellung (z.B. §§ 101 Abs. 3 , 1 0 4 AktG) zu beheben, doch kann der Unternehmergesellschafter nach zutreffender Ansicht bis dahin alle funktionsnotwendigen Rechte des betreffenden Organs bei zugleich korrespondierender Pflichtenstellung wahrnehmen 287 . Nicht mehr von einer gesellschaftsrechtlich vermittelten Leitungsmacht kann hin-
280 BGH v. 4.11.1968 DB 1968, 2166 und K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 21 I 2 b, der zugleich ein Beispiel für die sich durch Auslegung ergebende stillschweigende Vereinbarung eines Sonderrechts anführt; vgl. auch RG v. 20.4.1892 RGZ 44, 95, 98; BGH v. 29.9.1955 BGHZ 18,205, 208. 281 Für die GmbH May, Sicherung, S. 38. 282 Dazu etwa BGH v. 27.6.1955 BGHZ 17, 392, 394ff.; O L G Karlsruhe v. 27.11.1973 BB 1973, 1551. 283 Junker, ZHR 156 (1992), 394, 404; einschränkend Witte, ZfB 1981, 733, 763 ff.; zur unternehmerischen Einflußnahme über den Aufsichtsrat siehe näher 1. Kap. § 3 C II lb bb. 284 Ein formeller Bestellungsakt ist nur dann gegeben, wenn die Beteiligten die Organstellung wollen, auf ihre wirksame Begründung vertrauen und von der Einhaltung aller damit verbundenen Aufgaben ausgehen (dazu näher Stein, Organ, S. 121 f.). 285 Dazu auch im Zusammenhang mit der Haftung als faktischer Geschäftsführer G.H. Roth, ZGR 1989, 421,423. 286 Stein, Das faktische Organ, S. 115 f. und 121 f. 287 Stein, Das faktische Organ, S. 125 f. und 136ff.; zu Einschränkungen beim Einberufungsrecht siehe allerdings § 121 Abs. 2 S. 2 AktG und BGH v. 26.10.1955 BGHZ 18, 334, 339 (Eintragungserfordernis) sowie zu Einschränkungen beim Auskunftsanspruch KK/Mertens, § 101 Rn. 95; insgesamt einschränkend Reich, DB 1967,1663,1666 (bloße analoge Anwendung der Organhaftungstatbestände) und Baums, Geschäftsleitervertrag, S. 163 ff. (Normanwendungsfrage im Einzelfall) und 190ff. (Eintragungserfordernis).
§3
Merkmale des
Unternehmergesellschafterbegriffs
67
gegen gesprochen werden, wenn ein Gesellschafter ohne formellen Bestellungsakt als sogenanntes faktisches Organ lediglich tatsächlichen Einfluß auf die Leitung der Gesellschaft und ihres Unternehmens ausübt288. ddd) Weisungs-, Zustimmungs-
und
Widerspruchsrechte
In den Personengesellschaften wird der Unternehmergesellschafter vor der für ihn in Grundlagenfragen besonders mißlichen Unterwerfung unter einen fremden Willen regelmäßig durch das Einstimmigkeitsprinzip geschützt. Wurde im Gesellschaftsvertrag allerdings unter Wahrung des insoweit streng zu beachtenden Bestimmtheitsgrundsatzes auch für Grundlagenentscheidungen das (qualifizierte) Mehrheitsprinzip festgeschrieben oder bildet dieses wie bei den Kapitalgesellschaften den gesetzlichen Regelfall, sollte der potentielle Unternehmergesellschafter zumindest in Grundsatzfragen grundsätzlich nicht majorisiert werden können. Sollte es hierzu an der erforderlichen Stimmrechtsmacht oder einem gesetzlichen Zustimmungsrecht (§ 285 Abs. 2 S. 1 AktG) fehlen, ist zugunsten von Unternehmergesellschaftern typischerweise die Vereinbarung eines entsprechenden gesonderten Zustimmungsvorbehalts zu erwarten289. Für die Änderung des Unternehmensgegenstands wird ein solcher Zustimmungsvorbehalt bisweilen sogar ohne ausdrückliche Vereinbarung unterstellt 290 . Auch in Geschäftsführungsfragen wird ein Unternehmergesellschafter regelmäßig über bestimmte Weisungs-, Zustimmungs- oder Widerspruchsrechte verfügen. Sofern sich diese nicht ohnehin wie in den Fällen der §§ 109 Abs. 1 B G B , 115 H G B , 35 Abs. 2 S. 2 GmbHG 2 9 1 und 77 Abs. 1 S. 1 AktG bereits aufgrund seiner Beteiligung an der Geschäftsführung aus dem Gesetz ergeben, sie aufgrund einer Stimmrechtsmehrheit in der Gesellschafterversammlung bestehen (§§ 37 Abs. 1, 45 Abs. 1 GmbHG) 2 9 2 oder die Geschäftsführung andererseits zwingend dem Vorstand in eigener Verantwortung obliegt (§ 76 Abs. 1 AktG), ist daher auch hier typischerweise die gesonderte Vereinbarung von Ein- und Mitwirkungsrechten zugunsten eines Unterneh-
Dazu noch 1. Kap. § 3 C II la bb (bbb). Zur Bedeutung von Zustimmungsvorbehalten für Unternehmergesellschafter auch Knur, Familiengesellschaft, S. 134, 139 und 150; zur Zulässigkeit derartiger Vereinbarungen siehe nur Flume, BGB-AT 1/2, S. 195; May, Sicherung, S. 46f. und 50; Kowedder/Koppensteiner, § 47 Rn. 14 und Scholz/^. Schmidt, % 47 Rn. 11. 290 Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. 1, S. 334. 291 Die die Vertretung betreffende Regel des § 35 Abs. 2 S. 2 GmbHG gilt nach h.M. auch für die Geschäftsführung allgemein (dazu nur RG v. 3.2.1920 RGZ 98, 98, 100 und Hachenburg/Hertens, § 35 Rn. 106). 292 Zur Weisungsbefugnis der GmbH-Gesellschafterversammlung selbst in Angelegenheiten der laufenden Geschäftsführung B G H v. 14.12.1959 BGHZ 31, 258, 278; O L G Düsseldorf v. 15.11.1984 ZIP 1984, 1476, 1478. 288
289
68
1. Kapitel: Der Typus des
Unternehmergesellschafters
mergesellschafters zu erwarten 293 . Ein Unternehmeraktionär kann immerhin noch versuchen, einen gewissen Einfluß über den Aufsichtsrat mit Hilfe des sachlich begrenzten Vetorechts des § 111 Abs. 4 S. 2 AktG 294 oder über die Hauptversammlung nach § 119 Abs. 2 AktG auszuüben. eee) Informations-
und
Kontrollrechte
Für einen Unternehmergesellschafter sind weiterhin umfassende Auskunfts- und Kontrollrechte kennzeichnend, mit denen er seine eigenen Uberwachungsinteressen wahrnimmt und mit denen zugleich sein Sachverstand und seine Motivation für eine effektive Unternehmenskontrolle im Interesse der Mitgesellschafter (insbesondere der Anlagegesellschafter), der Arbeitnehmer, der Geschäftspartner und der Allgemeinheit dienstbar gemacht werden 295 . Da ein Gesellschafter seine unternehmerische Tätigkeit nur dann entfalten und von seinen besonderen Mitgliedschaftsrechten sinnvoll Gebrauch machen kann, wenn er die hierfür erforderlichen Informationen über die Angelegenheiten der Gesellschaft erhält, erlangt die Sentenz „Wissen ist Macht" für den Unternehmergesellschafter eine besondere Bedeutung 296 . Ein ausnahmsweise nicht an der Geschäftsführung beteiligter, unternehmerisch ambitionierter Kommanditist oder stiller Gesellschafter wird sich daher regelmäßig besondere Informations- und Konrollrechte zumindest in einem den §§ 716 Abs. 1, 713, 666 BGB und § 118 Abs. 1 H G B entsprechenden Umfang ausbedingen 297 . Demgegenüber genügt einem unternehmerisch tätigen GmbH-Gesellschafter grundsätzlich das weitreichende Auskunfts- und Einsichtsrecht nach §§ 51a und 51b G m b H G , das in seinem Fall auch weder unter funktionalen Gesichtspunkten noch unter dem Aspekt des Informationsbedürfnisses wesentlichen Einschränkungen unterläge 298 . Als ein weder zum Vorstands- noch Aufsichtsratsmitglied bestellter Aktionär ist der Unter293
May, Sicherung, S. 39ff.; Immenga, Kapitalgesellschaft, S. 92 f. (GmbH). Dazu etwa Schmidt-Leithoff, Verantwortung, S. 379; zum künftig zwingend vom Aufsichtsrat zu beschließenden Katalog zustimmungsbedürftiger Geschäfte siehe Art. 1 Nr. 9 RefE TransPuG, ZIP 2001, 2195. 295 Zur Selbst- und Gemeinnützigkeit der Informations- und Kontrollrechte Wohllehen, Informationsrechte, S. 28 ff. und M. Becker, Verwaltungskontrolle, S. 39ff. 296 Vgl. dazu auch den verfassungsrechtlich bedeutsamen Zusammenhang von Anteilseigentum und Auskunftsrecht (dazu B G H v. 29.11.1982 A G 1983, 75, 80; Druey, Geheimsphäre, S. 198f. und Ebenroth/Koos, BB 1995 Beilage Nr. 8, S. 2); zur Bezeichnung der Auskunfts-und Einsichtsrechte als mitgliedschaftliche Grundrechte etwa Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. 1, S. 374. 2,7 Vgl. dazu auch im Zusammenhang mit der steuerrechtlichen Mitunternehmerschaft B F H v. 30.7.1975 B F H E 116, 497, 501; BFH-GrS v. 25.6.1984 B F H E 141, 405, 440f.; B F H v. 27.1.1994 B F H E 174, 219, 222 f. 298 Vgl. zu den Grenzen des mitgliedschaftlichen Auskunfts- und Einsichtsrechts generell 2. Kap. § 3 A IV 2b cc; zur möglichen Vereinbarung von Sonderrechten auf Kontrolle May, Sicherung, S. 45. 294
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Merkmale des
Unternehmergesellschafterbegriffs
69
nehmergesellschafter ohnehin zwingend allein auf das Auskunftsrecht nach §131 AktG verwiesen, da hier die Vereinbarung von Informationssonderrechten nicht in Betracht kommt (vgl. §§ 23 Abs. 5, 53a, 131 Abs. 4 AktG) 299 . Schließlich kann auch die Möglichkeit, eine Sonderprüfung 300 , die Einberufung der Gesellschafter- bzw. Hauptversammlung 301 oder die Durchsetzung von bestimmten Ersatzansprüchen der Gesellschaft 302 zu verlangen, die Überwachungskompetenzen eines Gesellschafters stärken. bb) Sonstige Grundlagen
der Leitungs-
und
Kontrollmacht
Sofern die gesellschaftsrechtlich begründeten Grundlagen der Leitungsund Kontrollmacht den unternehmerischen Ambitionen eines Gesellschafters nicht genügen, wird dieser regelmäßig danach trachten, seinen Einfluß auf die Gesellschaft durch Vertrags- bzw. satzungsbegleitende Gesellschaftervereinbarungen und den Einsatz faktischer Machtmittel zu stärken. aaa) Schuldrechtliche
Bindung von
Mitgesellschaftern
Das wichtigste Mittel zur Verstärkung eines gesellschaftsrechtlich nicht ausreichend begründeten Einflusses bildet die selbständige schuldrechtliche Bindung von Mitgesellschaftern insbesondere durch Stimmbindungs- und Treuhandvereinbarungen. Die grundsätzlich auch ohne Zustimmung der übrigen Gesellschafter zulässige Stimmbindung eines oder mehrerer Mitgesellschafter 303 kann dabei entweder auf einer einseitigen bzw. synallagmatischen 2,9
Dazu näher Friedewald, Aktiengesellschaft, S. 94 f. und 100. Vgl. dazu für die Aktiengesellschaft §§ 142ff., 258ff., 315 AktG; zur Bedeutung des Sonderprüfungsrechts für den GmbH-Gesellschafter etwa Ebenroth, Kontrollrechte, S. 62 ff. 301 Vgl. dazu §§ 122 AktG, 50 G m b H G ; für die Personenhandelsgesellschaften Baumbach/ Hopt, § 119 Rn. 29; zur Bedeutung der Minderheitsrechte nach § 50 G m b H G für die Ausübung einer unternehmerischen Tätigkeit etwa Ehricke, KTS 1996, 209, 216; zur möglichen Vereinbarung eines diesbezüglichen Sonderrechts Hachenburg/Ulmer, § 5 Rn. 170. 302 Zur Bedeutung der Klagerechte nach § 147 A k t G und § 46 Nr. 8 G m b H G sowie einer actio pro socio im Kapitalgesellschaftsrecht siehe nur Großfeld, Aktiengesellschaft, S. 224ff. (AG) und Immenga, Kapitalgesellschaft, S. 285 ff. ( G m b H ) sowie in neuerer Zeit etwa M. Becker, Verwaltungskontrolle, S. 529ff. 303 Zur grundsätzlichen Zulässigkeit von Stimmbindungsvereinbarungen unter Gesellschaftern siehe nur B G H v. 29.5.1967 B G H Z 48, 163, 166ff.; U. Noack, Gesellschaftervereinbarungen, S. 66ff.; Lübbert, Abstimmungsvereinbarungen, S. 97ff.; Baumbach/Zfo^f, §119 Rn. 17; Friedewald, Aktiengesellschaft, S. 78ff.; zu gesetzlichen Grenzen siehe neben § 138 BGB und § 1 GWB noch § 136 Abs. 2 AktG (eine Stimmbindung gegenüber einzelnen Vorstandsmitgliedern bleibt jedoch möglich) und § 405 Abs. 3 Nr. 6 und 7 AktG; zur Unzulässigkeit einer Umgehung von Stimmverboten siehe nur RG v. 11./18.6.1914 R G Z 85, 170, 173 f.; B G H v. 29.5.1967 B G H Z 48, 163, 166f.; ferner zum Vorrang der mitgliedschaftlichen Treuepflicht etwa Lübbert, Abstimmungsvereinbarungen, S. 121f.; Baumbach///o^i, § 119 Rn. 17; Hüffer, AktG § 133 Rn. 28. 300
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1. Kapitel:
Der Typus des
Unternehmergesellschafters
Verpflichtung oder einer Stimmbindungsgemeinschaft (auch Stimmrechtspool, Konsortium oder Schutzgemeinschaft), d.h. einem wechselseitigen, auf übereinstimmende gemeinsame Stimmausübung gerichteten (mithin gesellschaftsvertraglichen) Stimmausübungsversprechen 304 , beruhen. Mit Hilfe von Stimmbindungsvereinbarungen kann der potentielle Unternehmergesellschafter aufgrund eines nach herrschender Ansicht klagbaren und gegebenenfalls gemäß § 894 ZPO vollstreckbaren Erfüllungsanspruchs 305 , der mit gewissen Einschränkungen auch im Wege der einstweiligen Verfügung durchsetzbar sein soll306, darauf hinwirken, daß Mitgesellschafter künftig ihr Stimmrecht etwa nach seinen inhaltlichen Vorgaben bzw. Weisungen oder nach Maßgabe des Mehrheitsbeschlusses einer gemeinsam gebildeten Stimmbindungsgemeinschaft ausüben. Dabei kann sich die Stimmbindung auch nur auf bestimmte Beschlußgegenstände wie insbesondere die Organbestellung beschränken. Daneben kann ein Unternehmergesellschafter auch mit Hilfe von fremdnützigen fiduziarischen Vollrechtstreuhand- oder Unterbeteiligungsvereinbarungen mit Mitgesellschaftern eine verstärkte Leitungs- und Kontrollmacht besitzen, indem er den Treuhänder bzw. Hauptbeteiligten dazu verpflichtet, Mitverwaltungsrechte wie insbesondere wiederum das Stimmrecht 307 nach seinen Vorgaben bzw. Weisungen auszuüben 308 . So kommt es nicht selten zu einer Hinzurechnung derartiger mittelbarer Unternehmensbeteiligungen 309 . Möglich ist schließlich selbst in der Aktiengesellschaft die Verpflichtung eines Mitgesellschafters, einen bestimmten faktischen Einfluß ins-
304 Zur Schutzgemeinschaft in der Form einer GbR siehe etwa den Fall BGH v. 13.6.1994 BGHZ 126,226ff.; zu Stimmbindungsgemeinschaften eingehend MünchHdb.GesR I / W e i p e r t ,
§28. 305 BGH v. 29.5.1967 BGHZ 48, 163, 169ff.; U. Noack, Gesellschaftervereinbarungen, S. 68ff.; krit. KYJZöllner, § 136 Rn. 112f.; anders noch RG v. 20.11.1925 RGZ 112, 273, 279f. 306 OLG Koblenz v. 27.2.1986 NJW 1986, 1692, 1693; Baumbach/Ho/>i, § 119 Rn. 17. 307 Zur Stimmrechtsbindung im Rahmen von Treuhand- und Unterbeteiligungsverhältnissen RG V. 16.10.1925 RGZ 111, 405, 408; Blaurock, Unterbeteiligung, S. 189ff.; speziell zu den Möglichkeiten einer gespaltenen Stimmabgabe des Treuhänders bzw. Hauptbeteiligten siehe Blaurock, Unterbeteiligung, S. 186ff. und Schlegelberger//f. Schmidt, Vorbem. § 335 a.F. Rn. 55. 308 Zur grundsätzlichen Zulässigkeit derartiger Vereinbarungen siehe nur Blaurock, Unterbeteiligung, S. 189ff. und MünchHdb.GesR 1 / R i e g g e r , § 24 Rn. 29 (für die in der Praxis den Regelfall bildende Unterbeteiligung eines Nichtgesellschafters). 309 Siehe etwa § 16 Abs. 4 AktG; § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 und S. 2 sowie S. 1 Nr. 4 WpHG; § 290 Abs. 3 S. 1 HGB; § 1 Abs. 9 S. 3 KWG; § 74 Abs. 2 S. 1 AO; § 17 Abs. 1 S. 1 EStG; § 8a Abs. 3 S. 1 KStG; Abschn. 9 Abs. 3 S. 1 VStR; zum Ausreichen einer mittelbaren Beteiligung im Rahmen von § 9 Nr. 2a GewStG auch Glanegger/Güroff, § 9 Nr. 2a GewStG Rn. 3; zur Hinzurechnung von Treuhandanteilen obiter auch BGH v. 13.4.1994 BGHZ 125, 366,369; vgl. auch zum wirtschaftlichen Eigentum des Treugebers § 39 Abs. 2 Nr. 1 S. 2 AO; anders demgegenüber etwa § 102 BewG und § 26 Abs. 2 KStG.
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Merkmale
des
Unternehmergesellschafterbegriffs
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besondere hinsichtlich anstehender Personal- oder Sachentscheidungen auszuüben 3 1 0 .
bbb) Faktische Grundlagen
der Leitungs- und
Kontrollmacht
Bei der typisierenden Betrachtung der gesellschaftsgebundenen U n t e r n e h merstellung gilt es grundsätzlich auch noch, die faktischen Möglichkeiten einer Einflußnahme auf Mitgesellschafter und Gesellschaftsorgane zu berücksichtigen 3 1 1 . Einschränkungen bzw. A u s n a h m e n sind lediglich dann zu machen, w e n n nach dem Willen des Gesetzgebers bzw. aufgrund der N o r m a u s legung n u r gesicherte 312 bzw. dem Gesellschaftsanteil als solchem i n n e w o h nende 3 1 3 Beherrschungsmittel in Betracht zu ziehen sind. Zu beachten ist z u dem, daß die A u s ü b u n g faktischen Einflusses verschiedenen Beschränkungen unter dem Gesichtspunkt der Gesellschafterhaftung 3 1 4 und des Gleichbehandlungsgrundsatzes 3 1 5 unterliegt. Zu den wichtigsten faktischen Einflußmitteln zählen zunächst familiäre Bindungen zu Mitgesellschaftern u n d Organmitgliedern. Z w a r gibt es wegen der Eigenständigkeit und Eigenverantwortlichkeit natürlicher Personen und v o r dem Hintergrund v o n A r t . 6 A b s . 1 G G nach allgemeiner A u f f a s s u n g keinen Erfahrungssatz, daß Familienangehörige per se gleichgerichtete Interessen verfolgen 3 1 6 , doch sind immer wieder Vorschriften 3 1 7 und Gerichtsent-
KK/Mertens, § 84 Rn. 9. Siehe dazu etwa 4. Kap. § 2 A I 2 und VI 1, 5. Kap. § 2 B II 1, V 2 und § 3 B II sowie 6. Kap. § 2 B III. 312 Siehe dazu einen Teil der Identifikationsfälle im Rahmen der Stimmverbotstatbestände (6. Kap. § 2 B I lc aa) und des § 181 BGB (6. Kap. § 2 B I 2b bb); zur im Rahmen von § 17 Abs. 1 AktG unzureichenden Sicherheit bloßer familiärer oder freundschaftlicher Verbundenheit siehe etwa BGH v. 16.2.1981 BGHZ 80, 69, 73 und Geßler, in: Geßler/Hefermehl § 17 Rn. 39; zur dort nach h.M. ebenfalls unzureichenden bloßen wirtschaftlichen Abhängigkeit ferner etwa BGH v. 26.3.1984 BGHZ 90, 381, 395f. und Ulmer, ZGR 1978, 457, 465ff.; im Rahmen von § 17 AktG teils a.A. Dierdorf, Herrschaft, S. 154 ff. 313 So haben beispielsweise nach § 9 Abs. 2 S. 3 BewG ungewöhnliche und persönliche Preiseinflüsse bei der Bewertung von Gesellschaftsanteilen außer Betracht zu bleiben; deshalb sollen nach BFH v. 6.10.1978 BStBl. II 1979, 6, 7 etwa das gute Verhältnis des Inhabers zu seinen Mitgesellschaftern, Absprachen über die Stimmrechtsausübung und die Persönlichkeit des Inhabers keinen Einfluß auf die Qualifizierung der Beteiligung als unternehmerisch haben; ähnlich auch BFH v. 23.7.1976 BStBl. II 1976, 706, 707. 314 Dazu näher 4. Kap. § 2 A I 2, IV und VI. 315 Vgl. im Zusammenhang mit dem Auskunftsrecht etwa § 131 Abs. 4 AktG und generell § 53a AktG. 316 BGH v. 28.4.1980 BGHZ 77, 94,105f.; BGH v. 16.2.1981 BGHZ 80, 69, 73. 317 So etwa (unter der weiteren Voraussetzung einer sog. engen Wirtschaftsgemeinschaft) Abschn. 3 Abs. 4 VStR; früher auch § 115 Abs. 2 RAO (anders nunmehr allerdings § 74 Abs. 2 S. 1 AO, wobei eine Berücksichtigung der Ehegattenanteile weiterhin gegebenenfalls als mittelbare Beteiligung möglich bleibt; dazu nur Klein/Orlopp, § 74 AO Rn. 1) und § 8 Ziff. 6 GewStG a.F. i.V.m. § 20 Abs. 2 GewStDV 1950; im Rahmen der §§ 21 f. WpHG (dazu etwa 3,0
311
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1. Kapitel:
Der Typus des
Unternehmergesellschafters
Scheidungen 3 1 8 a n z u t r e f f e n , die a u f g r u n d dieser V e r m u t u n g u n d einer u n t e r stellten w i r t s c h a f t l i c h e n E i n h e i t eine Z u s a m m e n r e c h n u n g der G e s e l l s c h a f t s anteile i n s b e s o n d e r e v o n E h e g a t t e n s o w i e v o n E l t e r n u n d m i n d e r j ä h r i g e n K i n d e r n a n o r d n e n . A u f die f e r n e r b e s t e h e n d e M ö g l i c h k e i t , a u f g r u n d der gegebenen M a c h t zur Abberufung von Gesellschaftsorganen oder zur Ausgestaltung ihrer A n s t e l l u n g s v e r t r ä g e auf deren V e r h a l t e n m a ß g e b l i c h e n E i n f l u ß a u s z u ü b e n , w u r d e bereits h i n g e w i e s e n 3 1 9 . V o n b e s o n d e r e r B e d e u t u n g k a n n d a n e b e n a u c h eine w i r t s c h a f t l i c h e A b h ä n g i g k e i t der G e s e l l s c h a f t v o n d e m p o t e n t i e l l e n U n t e r n e h m e r g e s e l l s c h a f t e r als z e n t r a l e m L i e f e r a n t e n , K r e d i t g e b e r o d e r A b n e h m e r der G e s e l l s c h a f t sein 3 2 0 . S c h l i e ß l i c h k ö n n e n F a k t o r e n w i e die m a ß g e b l i c h e B e t e i l i g u n g des G e s e l l s c h a f t e r s an der G r ü n d u n g u n d a m A u f b a u des G e s e l l s c h a f t s u n t e r n e h m e n s o d e r ein b e s o n d e r e r W i s s e n s - u n d E r f a h r u n g s v o r s p r u n g d a z u f ü h r e n , daß er eine b e s o n d e r e A u t o r i t ä t genießt b z w . als w i c h t i g e r B e r a t e r h e r a n g e z o g e n w i r d 3 2 1 . D e r f a k t i s c h e E i n f l u ß eines G e s e l l s c h a f t e r s findet seinen A u s d r u c k n i c h t selten a u c h in einer s o g e n a n n t e n f a k t i s c h e n O r g a n s t e l l u n g . D e r e n t a t b e s t a n d liche V o r a u s s e t z u n g e n u n d R e c h t s f o l g e n sind z w a r n o c h n i c h t i m e i n z e l n e n
U.H. Schneider, in: Assmann/Schneider WpHG § 22 Rn. 79ff.), des § 17 Abs. 1 AktG (dazu etwa Hüffer, AktG § 17 Rn. 6) oder des § 8a Abs. 3 KStG (dazu etwa Streck, § 8a KStG Rn. 16) kommt eine Zusammenrechnung von Familienbeteiligungen nur bei rechtlicher Bündelung der Familieninteressen etwa in Form einer Stimmbindungsgemeinschaft in Betracht. 318 BFH v. 24.1.1975 BFHE 115, 58, 62f.; BFH v. 5.10.1973 BFHE 110, 567, 571; BGH v. 16.12.1991 ZIP 1992, 242, 244 (gemeinsame Beherrschung eines Unternehmens durch Ehegatten wegen gemeinsam betriebener Unternehmenspolitik); ähnlich B G H v. 29.3.1992 BGHZ 122,125 f.; zur möglichen Berücksichtigung des Familieneinflusses im Zusammenhang mit der Unternehmenseigenschaft wegen multiplen Beteiligungsbesitzes BGH v. 18.6.2001 ZIP 2001, 1323, 1324 (offengelassen); vgl. auch zum wirtschaftlichen Eigentum von Ehemännern am Kommanditanteil ihrer Ehefrauen i.S.v. § 39 Abs. 2 Nr. 1 S. 1 AO BFH v. 26.6.1990 BFHE 161,472, 477ff. 319 Dazu etwa auch Alhath, Unternehmensbeteiligungen, S. 49; Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. 1, S. 735; MünchKommAktG/Ztocfer, § 1 Rn. 53. 320 Vgl. dazu § 74 Abs. 2 S. 2 AO (zur Einbeziehung etwa des faktischen Einfluß ausübenden Kreditgebers in den Betriebssteuerhaftungstatbestand nur Koch/Scholtz/Halaczinsky, § 74 AO Rn. 7); ferner für den konzernrechtlichen Abhängigkeitstatbestand Dierdorf., Herrschaft, S. 154ff.; H.P. Westermann, ZIP 1982, 379, 382ff.; speziell zur umstr. Berücksichtigung des durch die Kreditvergabe selbst begründeten Einflusses bei der Umqualifizierung eigenkapitalersetzender Gesellschafterdarlehen BGH v. 26.3.1984 BGHZ 90, 381, 392f. (verneinend) und Hommelhoff Haftung, S. 35 (bejahend zumindest ab einer Beteiligung von 20%); zur Berücksichtigung zentraler Drittgeschäfte im Rahmen der Mitunternehmerschaft siehe etwa BFH v. 29.1.1976 BStBl. II 1976, 332, 335 und BFH v. 28.10.1981 BStBl. II 1982, 186, 188; zur Einbeziehung der Darlehensvergabe mit maßgeblichem wirtschaftlichem Einfluß in den Begriff der Direktinvestition etwa Braun, Direktinvestition, S. 13. 321 Vgl. dazu etwa die die Mitunternehmerschaft betreffenden Fälle BFH v. 11.12.1980 BStBl. II 1981, 310, 313f.; BFH v. 28.1.1982 BStBl. II 1982, 389f.; zur Geschäftserfahrung als wichtigem Einflußfaktor auch Witte, ZfB 1981, 733, 750ff.
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Unternehmergesellschafterbegriffs
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geklärt 322 , sie werden jedoch überwiegend dahingehend umschrieben, daß der betreffende Gesellschafter ohne formellen Bestellungsakt wie ein Organmitglied tatsächlichen Einfluß auf die Leitung der Gesellschaft und ihres Unternehmens ausübt, wobei diese unternehmerische Aktivität nach außen hervortreten und eine gewisse Intensität und Breite erreichen muß 323 . Dies kann zum einen dann der Fall sein, wenn die Gesellschaft ausnahmsweise vorübergehend über gar kein formell bestelltes und handlungsfähiges Organ verfügt, weil die Bestellung unterblieb und die Gesellschaft irrtümlich dennoch eingetragen wurde oder weil das bestellte Organ wegen Todes, Widerrufs der Bestellung, Amtsniederlegung oder schwerer Krankheit an der Ausübung seiner Organfunktionen gehindert ist 324 . Insoweit kann dem Unternehmergesellschafter faktisch eine Lückenbüßerfunktion zukommen, die sich möglicherweise dann auch in seiner gerichtlichen Bestellung zum Notgeschäftsführer niederschlagen kann. Zumeist wird der Unternehmergesellschafter jedoch nur unter zumindest teilweiser Verdrängung des bestellten und handlungsfähigen Organs und damit unter Mißachtung der gesellschaftsrechtlichen Kompetenzordnung zur faktischen Ausübung von Organfunktionen in der Lage sein. Insoweit können ihn dann allenfalls einzelne Organpflichten treffen 325 .
b) Typische Einflußformen
der Leitungs- und
aa) Einfluß auf die Beschlußfassung der
Kontrollmacht
Gesellschafter
Von den typischen Einflußmöglichkeiten eines Unternehmergesellschafters auf die Beschlußfassung der Gesellschafter war bereits im Zusammenhang mit den gesellschaftsrechtlichen und sonstigen Grundlagen der unter-
322 Siehe dazu allgemein die Bestandsaufnahme bei Stein, Das faktische Organ, S. 33 ff. sowie im Zusammenhang mit der Haftung des Unternehmergesellschafters als faktisches Organ näher 4. Kap. § 2 A I 2b aa. 323 B G H v. 21.3.1988 BGHZ 104, 44, 46ff.; Großkomm.AktG/Ho/>£, § 93 Rn. 49ff.; Weimar, GmbHR 1997, 473, 478; Konzen, NJW 1989, 2977, 2985; weitergehend für die faktische Organhaftung des bestimmungsmächtigen Gesellschafters etwa Wilhelm, Rechtsform, S. 337ff. (punktuelle Ausübung von Organfunktionen ausreichend) und Scholz/U.H. Schneider, § 43 Rn. 18 ff. (interne faktische Unternehmensleitung ausreichend); aufgrund des Erfordernisses der Verdrängung der bestellten Organe enger Stein, Das faktische Organ, S. 184 ff. und BGH v. 9.7.1979 BGHZ 75, 96, 106f. (letztlich aber offengelassen). 324 Zu den Gründen siehe nur Hohlfeld, GmbHR 1986, 181; zur praktischen Häufigkeit des Problems bei der GmbH, bei der es nicht nur Ausdruck von Streitigkeiten in der Gesellschaft, sondern - in den Fällen der einverständlichen Abberufung - gerade auch Ausdruck mangelnden unternehmerischen Verantwortungsbewußtseins ist (Stichwort: Vollstreckungsvereitelung), siehe nur BayObLG v. 6.8.1981 BayObLGZ 1981, 266 und Gustavus, GmbHR 1992,15f.; im Zusammenhang mit strafrechtlichen Implikationen auch Tiedemann, NJW 1986, 1842, 1845. 325 Dazu näher 4. Kap. § 2 A I 2.
74
1. Kapitel: Der Typus des
Unternehmergesellschafters
nehmerischen Leitungsmacht die Rede 326 . Von Bedeutung sind dabei nicht nur die durch die eigene namhafte Kapital- und Stimmrechtsmacht begründete Möglichkeit, das Ergebnis der Willensbildung der Gesellschaftergesamtheit nach Maßgabe der jeweiligen Beschlußanforderungen unmittelbar zu beeinflussen, sondern auch etwaige Veto- und Zustimmungsrechte, das Recht auf Einberufung der Gesellschafter- bzw. Hauptversammlung sowie das Recht, die Tagesordnung durch die Bekanntmachung von Gegenständen zur Beschlußfassung zu erweitern. Daneben stehen dem Unternehmergesellschafter alle sonstigen Einflußmöglichkeiten wie insbesondere der Abschluß von Stimmbindungsvereinbarungen, die Ausnutzung familiärer Bindungen oder die persönliche Überzeugung von Mitgesellschaftern durch Sachverstand und Charisma zur Verfügung.
bb) Einfluß auf das Aufsichtsorgan aaa) Einfluß auf die Besetzung des Aufsichtsorgans In einer Gesellschaft mit obligatorischem oder fakultativem Aufsichtsrat wird ein Unternehmergesellschafter mit Hilfe einer entsprechenden Einflußnahme auf die Willensbildung der Gesellschafter bzw. durch Ausübung eines Sonderrechts auf Entsendung ( § 1 0 1 Abs. 2 AktG) 3 2 7 versuchen, sich selbst328 und/oder andere ihm genehme Personen 329 zu Vertretern der Anteilseigner im Aufsichtsrat zu bestellen. Inwieweit hierdurch auch eine Majorisierung des Aufsichtsrats ermöglicht wird, ist nicht nur vom Einfluß des Gesellschafters auf die Beschlußfassung der Gesellschafter 330 , sondern auch von der gesetzlich bzw. satzungsmäßig festgelegten Zahl der Aufsichtsratsmitglieder, dem Anteil der nach den einschlägigen Mitbestimmungsregeln gegebenenfalls von den Arbeitnehmern zu bestellenden Aufsichtsratsmitglieder, dem Vorhandensein bzw. Umfang eigener und fremder Entsendungsrechte 331 , der Zuläsl.Kap. § 3 C l i l a . Zum Entsendungsrecht nur KK/Mertens, § 101 Rn. 38ff.; Geßler, in: Geßler/Hefermehl §101 Rn. 60 f.; zur tatsächlichen Verbreitung von Entsendungsrechten siehe die empirischen Untersuchungen von W. Vogel, Aktienrecht, S. X 39ff. 328 An seiner eigenen Bestellung wird der Unternehmergesellschafter allerdings wegen der zumindest bei der Aktiengesellschaft (zum entsprechenden Meinungsstreit bei der GmbH siehe Scholz/ U.H. Schneider, § 52 Rn. 160) zwingend bestehenden Inkompatibilität mit Funktionen in der Unternehmensleitung (§ 105 Abs. 1 AktG) nur dann ein Interesse haben, wenn er keine derartigen Leitungsfunktionen wahrnimmt. 329 Zur Möglichkeit einer Besetzung des Aufsichtsrats mit ausschließlich dem Mehrheitsgesellschafter gewogenen Personen siehe etwa BGH v. 7.6.1962 WM 1962, 811 (AG) und Scholz/ U.H. Schneider, § 52 Rn. 134 (GmbH); a.A. unter Berufung auf die Treuepflicht O L G Hamm v. 3.11.1986 NJW 1987, 1030, 1031 (abhängige AG). 330 Zu den Gestaltungsmöglichkeiten siehe näher May, Sicherung, S. 140 f. 331 Bei der Aktiengesellschaft können Entsendungsrechte insgesamt höchstens für ein Drittel der von den Anteilseignern zu bestellenden Aufsichtsratsmitglieder eingeräumt werden 326
327
§3
Merkmale des
Unternehmergesellschafterbegriffs
75
sigkeit von Vorschlags- und Zustimmungsrechten 332 sowie den Wahlmodalitäten333 abhängig. Eine gewisse Einflußnahme des Unternehmergesellschafters auf eine seinen Interessen entgegenkommende Besetzung des Aufsichtsorgans ist schließlich noch durch eine von ihm durchgesetzte gesellschaftsvertragliche oder satzungsmäßige Festlegung von bestimmten, für die seitens der Gesellschafter zu bestellenden Aufsichtsratsmitglieder geltenden Eignungsvoraussetzungen möglich (§ 100 Abs. 4 AktG), wobei jedoch in der Aktiengesellschaft die freie Wahlmöglichkeit der Gesellschafter nicht in einer Weise beschränkt werden kann, daß hierdurch für bestimmte Personen ein verstecktes passives Wahlvorrecht entstünde 334 . bbb) Einfluß auf Entscheidungen
des Aufsichtsorgans
Die rechtlichen Einflußmöglichkeiten eines Gesellschafters auf die Entscheidungen des Aufsichtsrats sind jedoch begrenzt, da nicht nur die gewählten, sondern auch die entsandten Aufsichtsratsmitglieder frei von Weisungen, Stimmbindungen oder Zustimmungsvorbehalten der Gesellschafter sind335. Auch dem zum Mitglied eines obligatorischen Aufsichtsrats bestellten Gesellschafter kann wegen des Grundsatzes der individuell gleichen Berechtigung und Verantwortung der Aufsichtsratsmitglieder 336 allenfalls ein Recht zum Stichentscheid, nicht jedoch ein Mehrfachstimmrecht oder Veto- bzw.
(§ 101 Abs. 2 S. 4 AktG); dies gilt jedoch weder für den fakultativen noch nach h.M. für den obligatorischen Aufsichtsrat der GmbH (dazu etwa Scholz/U.H. Schneider, § 52 Rn. 135 bzw. Rn. 143 und 149). 332 Während derartige Sonderrechte für die Bestellung von GmbH-Aufsichtsratsmitgliedern vorgesehen werden können (dazu nur Scholz/U.H. Schneider, § 5 2 Rn. 133ff. und Rn. 142), sind sie bei der Aktiengesellschaft unzulässig (dazu nur May, Sicherung, S. 135 m.w.N.). 333 Zur Aufsichtsratswahl eingehend Bollweg, Wahl, S. 170ff.; durch die satzungsmäßige Einführung einer Verhältniswahl, die nach h.M. bei der Aktiengesellschaft allerdings unzulässig sein soll (dazu Ausschußbericht zu § 101 AktG bei Kropff, Aktiengesetz, S. 140; Bollweg, Wahl, S. 468ff.; Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. 1, S. 423; a.A. KK/Zöllner, § 133 Rn. 94), kann auch den Minderheiten eine Vertretung im Aufsichtsrat gesichert werden (dazu etwa für die GmbH Scholz/U.H. Schneider, § 52 Rn. 133); zur umstr. Zulässigkeit der in der Praxis üblichen Listenwahl nur Hüffer, AktG § 101 Rn. 6. 334 RG v. 11.6.1931 RGZ 133, 90, 94; Hommelhoff BB 1977, 322, 323; KK/Mertens, § 100 Rn. 28; speziell zu Mindestbeteiligungs- und Familienzugehörigkeitsklauseln May, Sicherung, S. 133 und 136ff.; zur tatsächlichen Verbreitung derartiger Satzungsbestimmungen siehe die empirischen Untersuchungen von W. Vogel, Aktienrecht, S. 141. 335 Für die Aktiengesellschaft: Friedewald, Aktiengesellschaft, S. 83 und 90; KK/Mertens, § 101 Rn. 51 und 55 sowie § 84 Rn. 9; Geßler, in: Geßler/Hefermehl § 101 Rn. 98 und 106; für die GmbH Scholz/U.H. Schneider, § 52 Rn. 232f. (mit Nachweisen zur abweichenden Mindermeinung). 336 Dazu nur BGH v. 25.2.1982 BGHZ 83, 106, 112f.; B G H v. 25.2.1982 BGHZ 83, 151, 154f.; Ausschußbericht AktG 1965 bei Kropff Aktiengesetz, S. 118 und 148.
76
1. Kapitel:
Der Typus des
Unternehmergesellschafters
Zustimmungsrecht eingeräumt werden 337 . Vielmehr kann zu seinen Lasten aufgrund allfälliger Interessenkonflikte sogar ein Stimmverbot analog § 34 B G B eingreifen338. Damit bleibt der Unternehmergesellschafter jedenfalls in der Aktiengesellschaft für eine über die etwaige eigene Stimmrechtsmacht im Aufsichtrat und die etwaige Bekleidung des Aufsichtsratsvorsitzes 339 hinausgehende Einflußnahme auf das indirekte Druckmittel der Abberufung nach Maßgabe des § 103 AktG 3 4 0 sowie auf die mögliche faktische Willensbeeinflussung der (anderen) Aufsichtsratsmitglieder verwiesen, wobei er insbesondere die ihm durch ein etwaiges Teilnahmeverbot an den Aufsichtsratssitzungen (§ 109 AktG), den mitbestimmungsrechtlichen Schutz der Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer (§ 26 MitbestG) und den Haftungstatbestand des § 117 AktG aufgestellten rechtlichen Grenzen zu beachten hat. cc) Einfluß aaa) und
auf das Geschäftsführungs-
Einfluß auf die Besetzung Vertretungsorgans
des
und
Vertretungsorgan
Geschäftsführungs-
Ein Unternehmergesellschafter wird zunächst bestrebt sein, möglichst ausschließlich sich selbst341 und allenfalls noch anderen ihm genehmen Personen die Mitgliedschaft im Geschäftsführungs- und Vertretungsorgan der Gesellschaft zu erhalten (vgl. §§ 709ff. B G B , §§ 114ff., 125ff., 161 Abs. 2 H G B , § 278 Abs. 2 AktG) bzw. aufgrund eines besonderen Bestellungsrechts (vgl. § 35 B G B ) oder durch Wahl (z.B. § 46 Nr. 5 GmbHG, § 84 Abs. 1 S. 1 AktG) zu verschaffen342. Während dabei im Hinblick auf die gesellschaftsvertragli337 Häffer, AktG § 108 Rn. 8; Geßler, in: Geßler/Hefermehl § 108 Rn. 20f.; May, Sicherung, S. 152 i.V.m. S. 105; für den obligatorischen im Gegensatz zum fakultativen GmbH-Aufsichtsrat siehe nur Scholz/U.H. Schneider, § 52 Rn. 235. 338 Dazu nur Mestmäcker, Verwaltung, S. 250f.; MünchHdb.GesR I V / H o f f m a n n - B e c k i n g , § 31 Rn. 59; Hüffer, AktG § 108 Rn. 9; für Organwahlen gilt jedoch wegen des berechtigten Eigeninteresses des Gesellschafters kein Stimmverbot (dazu nur obiter B G H v. 9.12.1968 B G H Z 51, 209, 215f.; Flume, B G B - A T 1/2, S. 230f.). 339 Zu diesbezüglichen Gestaltungsmöglichkeiten May, Sicherung, S. 154ff. 340 Zu Gestaltungsmöglichkeiten hinsichtlich des Abberufungsrechts der Anteilseigner B G H v. 15.12.1986 D B 1987, 475, 476 sowie ¥JL/Mertens, § 103 Rn. 13 und 16. 341 Sofern die Gesellschaft nicht § 33 Abs. 1 MitbestG unterliegt, kann ein Gesellschafter bei entsprechender Vertrags- bzw. Satzungsregelung (§ 710 B G B , §§ 114 Abs. 2, 125 Abs. 1, 164, 170 H G B , § 6 Abs. 1, § 76 Abs. 2 AktG) auch zum alleinigen Geschäftsführer bzw. Vorstand bestellt werden; speziell die Möglichkeit einer Bestellung des Kommanditisten zum einzigen Geschäftsführer befürwortend B G H v. 9.12.1968 B G H Z 51, 198, 201 und May, Sicherung, S. 34 sowie ablehnend Schlegelberger/A/ariens, § 164 Rn. 27ff.; nach B G H v. 20.10.1954 B G H Z 15, 71, 78 müssen Vorstandsmitglieder dem Aufsichtsrat im Gesellschaftsinteresse auch ihre Bedenken hinsichtlich der geplanten Berufung des Mehrheitsaktionärs in den Vorstand mitteilen. 342 Dazu auch bereits 1. Kap. § 3 C II la aa (ccc).
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Merkmale des
Unternehmergesellschafterbegriffs
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che Vereinbarung von Bestellungs-, Abberufungs- und Zustimmungsrechten sowie von Stimmbindungen bei den Personengesellschaften, der G m b H und der K G a A grundsätzlich Vertragsfreiheit besteht 343 , obliegt die Bestellung und Abberufung der Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft einschließlich des Anstellungsvertragsschlusses zwingend und ausschließlich der freien Entscheidung des Gesamtaufsichtsrats ( § § 3 0 Abs. 4, 84, 107 Abs. 3 S. 2 AktG) 3 4 4 . In der Aktiengesellschaft kann die Besetzung des Vorstands daher weder in der Satzung festgelegt 345 noch - selbst mit Zustimmung des Aufsichtsrats - auf einen anderen Entscheidungsträger übertragen 346 oder an dessen Zustimmung gebunden 347 werden. Die Bestellung kann auch nicht einzelnen Aufsichtsratsmitgliedern vorbehalten oder an deren Zustimmung gebunden werden 348 . Nicht einmal ein Vorschlagsrecht kann einem Nicht-Aufsichtsratsmitglied eingeräumt werden, so daß insoweit lediglich faktisch wirkende Vorschlagsinitiativen, insbesondere von Seiten des Vorstands, in Betracht kommen 349 . Selbst wenn durch die satzungsmäßige Festlegung von über §§ 76 Abs. 3, 105 Abs. 1 A k t G hinausgehenden Eignungsvoraussetzungen (vgl. § 23 Abs. 5 AktG) eine gewisse Einflußnahme des Unternehmergesellschafters auf eine seinen Interessen entgegenkommende Besetzung des 343 Für die Personenhandelsgesellschaften Baumbach/Hopt, § 114 Rn. 20ff., § 117 Rn. 11 f. und § 164 Rn. 7; für die GmbH BGH v. 4.10.1973 WM 1973,1295,1296; May, Sicherung, S. 37 und Rowedder/Koppensteiner, § 35 Rn. 13; Einschränkungen der Vertragsfreiheit ergeben sich insbesondere aus § 170 HGB, dem Grundsatz der Selbstorganschaft, dem Abspaltungsverbot und dem Verbot von Eingriffen in den Kernbereich (dazu jeweils etwa Baumbach/Hopt, § 114 Rn. 20ff.), den Mitbestimmungsregelungen über die Bestellung von Mitgliedern des Vertretungsorgans (§§31, 33 MitbestG, §§ 12f. Montan-MitbestG, § 13 MitBestErgG; dazu Martens, AG 1976, 113, 120 und teilweise krit. Reuter/Körnig, ZHR 140 (1976), 494, 511) und die GmbH & Co. KG (§ 4 MitbestG; dazu Bäumer, Anwendung, S. 72ff. und 80ff.); bei der KGaA ergeben sich jedoch insoweit keine Einschränkungen aufgrund der Mitbestimmungsregelungen (§§ 31 Abs. 1 S. 2, 33 Abs. 1 S. 2 und 37 Abs. 4 MitbestG; dazu Steindorff, FS B a l l stedt, S. 127, 130ff.). 344 BGH v. 28.1.1953 BGHZ 8, 348, 360; BGH v. 6.4.1964 BGHZ 41, 282, 285; Hommelhoff BB 1977, 322, 324; May, Sicherung, S. 89f.; zu zusätzlichen Absicherung der Autonomie des Aufsichtsrats durch die Mitbestimmungsregelungen siehe nur Raiser, MitbestG § 31 Rn. 7; Fitting/Wlotzke/Wißmann, MitbestG § 31 Rn. 8 und 10 f. 345 KK/Mertens, § 84 Rn. 9; Hommelhoff, BB 1977, 322, 324; dies gilt auch für die Dauer der Vorstandsbestellung (dazu etwa May, Sicherung, S. 106). 346 Hommelhoff, BB 1977, 322, 324; Hefermehl, in: Geßler/Hefermehl § 84 Rn. 7f. 347 Dazu nur Zöllner, DB 1976, 1766, 1767; Hommelhoff, BB 1977, 322, 324; KK/Mertens, § 84 Rn. 9. 348 Godin/Wilhelmi, § 84 Anm. 4; May, Sicherung, S. 90f. 349 Hommelhoff, BB 1977, 322, 324; KK/Mertens, § 84 Rn. 9; mit Einschränkungen auch Zöllner, DB 1976, 1766, 1767 f.; für die Zulässigkeit nicht bindender Vorschlagsrechte allerdings etwa MünchHdb.GesR IV/Wiesner, § 20 Rn. 19 und Hefermehl, in: Geßler/Hefermehl § 84 Rn. 9; für die Zulässigkeit bindender Vorschlagsrechte sogar Hoffmann/Lehmann/Weinmann, MitbestG § 31 Rn. 9; zur Bedeutung faktischer Einflußnahmen Ehricke, KTS 1996, 209, 217; zur vertraglichen Verpflichtung anderer Gesellschafter im Hinblick auf eine faktische Einwirkung KK/Mertens, § 84 Rn. 9 a.E.
78
1. Kapitel: Der Typus des
Unternehmergesellschafters
Vorstands denkbar ist350, wird auch insoweit streng darauf geachtet, daß das Auswahlermessen des Aufsichtsrats im Interesse des Unternehmens erhalten bleibt351. bbb) Einfluß auf Entscheidungen und Vertretungsorgans
des
Geschäftsführungs-
Wie bei der Besetzung besteht auch hinsichtlich der sachlichen Einflußmöglichen auf das Geschäftsführungs- und Vertretungsorgan bei den Personengesellschaften und der G m b H grundsätzlich Vertragsfreiheit. Dabei ist in der G m b H mit der Einräumung eines Sonderrechts auf Geschäftsführung zugleich eine Beschränkung des Weisungsrechts der übrigen Gesellschafter verbunden 352 . Aufgrund der Vertragsfreiheit kann andererseits auch ein von der Geschäftsführung und/oder Vertretung ausgeschlossener Gesellschafter durch ihm gesetzlich oder gesellschaftsvertraglich eingeräumte Weisungs-, Widerspruchs- und Zustimmungsrechte ebenso einen maßgeblichen Einfluß auf die Geschäftsführung gewinnen 353 wie durch Abberufungsrechte, die regelmäßig einen faktischen Druck auf die Geschäftsführer ausüben werden 354 . Lediglich in der mitbestimmten G m b H hält es die herrschende Meinung angesichts des Wortlauts von § 25 Abs. 2 MitbestG und § 45 Abs. 1 G m b H G nur dann für möglich, daß die Anteilseigner eine Geschäftsführungsmaßnahme gegen eine Zustimmungsverweigerung des Aufsichtsrats durchsetzen und den Geschäftsführern hierzu Weisungen erteilen können, wenn sie die entsprechen350 Zur tatsächlichen Verbreitung derartiger Satzungsbestimmungen insbesondere in Familiengesellschaften siehe die empirischen Untersuchungen von W. Vogel, Aktienrecht, S. 95 f. 351 Hommelhoff, BB 1977, 322, 324f.; Friedewaid, Aktiengesellschaft, S. 85; YJLIMertens, § 76 Rn. 116; speziell zur grundsätzlichen Unzulässigkeit von Familienangehörigkeitsklauseln Knur, Familiengesellschaft, S. 159 und Martens, A G 1976, 113, 120f. sowie a.A. Geßler, in: Geßler/Hefermehl § 100 Rn. 46; zur Zulässigkeit von sog. Vorrangklauseln („vorrangig sind ... zu bestellen") hingegen May, Sicherung, S. 99f.; speziell zu Aktieninhaberschaftsklauseln Raiser, MitbestG § 31 Rn. 11 (grundsätzliche Unzulässigkeit) sowie Friedewald, Aktiengesellschaft, S. 86 und Geßler, in: Geßler/Hefermehl § 100 Rn. 46 (Zulässigkeit); speziell zur Bedeutung des Unternehmensinteresses in dieser Frage Mertens, Z G R 1977, 270, 288 (bedenkliche Absicherung privater Macht). 352 Die Einzelheiten sind umstritten: nach Immenga, Kapitalgesellschaft, S. 96 ff. und R. Fischer, G m b H R 1953, 131, 133 sind die §§ 116, 164 H G B entsprechend anzuwenden; für einen stillschweigenden Ausschluß des Weisungsrechts durch Einräumung des Sonderrechts Wieland, Handelsrecht Bd. 2, S. 301; zur Möglichkeit einer satzungsmäßigen Freistellung von Weisungen der Gesellschafter siehe zudem Scholz/U.H. Schneider, § 37 Rn. 54. 353 Dazu bereits 1. Kap. § 3 C II la aa (ddd); speziell für den Kommanditisten U. Huber, Vermögensanteil, S. 256; zum Problem der Zulässigkeit einer Weisungsabhängigkeit der persönlich haftenden Gesellschafter Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. 1, S. 334 und Schlegelberger/ Martens, § 164 Rn. 29 einerseits (die Weisungsbefugnisse einschränkend) und etwa B G H v. 17.3.1966 B G H Z 45, 204, 205ff. andererseits. 354 Dazu auch Albath, Unternehmensbeteiligungen, S. 49; Schwerdtfeger, Mitbestimmung, S. 67.
53
Merkmale des
Unternehmergesellschafterbegriffs
79
den B e s c h l ü s s e v o n A n f a n g an 3 5 5 b z w . in e n t s p r e c h e n d e r A n w e n d u n g des § 111 A b s . 4 S. 3 A k t G i m A n s c h l u ß an eine Z u s t i m m u n g s v e r w e i g e r u n g des A u f s i c h t s r a t s 3 5 6 mit d e r v o n § 111 A b s . 4 S. 4 A k t G g e f o r d e r t e n 3 / 4 - M e h r h e i t der a b g e g e b e n e n S t i m m e n fassen. B e i der A k t i e n g e s e l l s c h a f t verfügt der n e b e n a n d e r e n z u m V o r s t a n d s m i t glied b e r u f e n e G e s e l l s c h a f t e r n u r i m F a l l e der gesetzlich als Regelfall v o r g e s e h e n e n G e s a m t g e s c h ä f t s f ü h r u n g (§ 7 7 A b s . 1 S. 1 A k t G ) o d e r als V o r s t a n d s v o r s i t z e n d e r 3 5 7 , der d u r c h die S a t z u n g o d e r G e s c h ä f t s o r d n u n g des V o r s t a n d s zudem grundsätzlich mit einem Vetorecht358 oder Stichentscheidungsrecht359 ausgestattet w e r d e n k a n n , ü b e r ein b e s o n d e r e s V e r h i n d e r u n g s - b z w . E i n f l u ß p o t e n t i a l . D a n e b e n b i e t e t allenfalls n o c h die die G e s c h ä f t s v e r t e i l u n g mit d e m Z u g r i f f auf S c h l ü s s e l r e s s o r t s in den d u r c h die G e s a m t v e r a n t w o r t u n g des V o r stands g e z o g e n e n G r e n z e n M ö g l i c h k e i t e n der gesteigerten E i n f l u ß n a h m e 3 6 0 . D e m g e g e n ü b e r ist der S p i e l r a u m f ü r sachliche E i n f l u ß n a h m e n eines n i c h t z u m V o r s t a n d s m i t g l i e d bestellten A k t i o n ä r s a u f g r u n d der z w i n g e n d e n W e i s u n g s u n a b h ä n g i g k e i t des V o r s t a n d s n a c h § 7 6 A b s . 1 A k t G ä u ß e r s t b e g r e n z t . L e d i g l i c h n a c h § 111 A b s . 4 A k t G k ö n n e n 3 6 1 genau b e s t i m m t e A r t e n v o n G e s c h ä f t e n d u r c h die S a t z u n g o d e r d u r c h A u f s i c h t s r a t s b e s c h l u ß e i n e m Z u s t i m m u n g s v o r b e h a l t z u g u n s t e n des A u f s i c h t s r a t s u n t e r w o r f e n w e r d e n 3 6 2 . N i c h t Duden, ZHR 141 (1977), 145, 178. Raiser, MitbestG § 25 Rn. 89; Ro-weA&a! Koppensteiner, § 37 Rn. 32; Martens, ZHR 138 (1974), 179, 217ff.; mit Recht a.A. Zöllner, ZGR 1977, 319, 327f.; Scholz/U.H. Schneider, § 52 Rn. 81 ff.; Reuter/Körnig, ZHR 140 (1976), 494, 511 f. (für die personalistisch strukturierte „Vertrags-GmbH"). 357 Es ist umstritten, ob dem Aufsichtsrat die Einrichtung des Amtes eines Vorstandsvorsitzenden nach § 84 Abs. 2 AktG durch die Satzung vorgeschrieben werden kann (dazu befürwortend Krieger, Personalentscheidungen, S. 252 f. und ablehnend unter Hinweis auf den Wortlaut May, Sicherung, S. 121); zur faktischen Vormachtstellung des Vorstandsvorsitzenden Semler, FS Lutter, S. 721, 727. 358 Hefermehl, in: Geßler/Hefermehl § 77 Rn. 11; KK/Mertens, § 77 Rn. 11; May, Sicherung, S. 115; vgl. allerdings zu Einschränkungen aufgrund von §33 MitbestG BGH v. 14.11.1983 BGHZ 89, 48, 58f. (GmbH). 359 May, Sicherung, S. 116ff.; Priester, AG 1984, 253ff.; speziell für die paritätisch mitbestimmte AG Hoffmann/Lehmann/Weinmann, MitbestG § 33 Rn. 24; ablehnend für den zweiköpfigen Vorstand allerdings HansOLG v. 20.5.1985 AG 1985, 251 f. und Godin/Wilhelmi, § 77 Anm. 4; entgegen May, Sicherung, S. 118f. ist ein Doppelstimmrecht jedoch unzulässig, da es in einigen Fällen über einen Stichentscheid hinaus Wirkungen entfaltet, die dem Verbot des § 77 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 AktG zuwiderlaufen. 360 Dazu auch May, Sicherung, S. 119f. 361 Künftig wird der Aufsichtsrat den Katalog zustimmungsbedürftiger Geschäfte voraussichtlich zwingend zu beschließen haben (siehe Art. 1 Nr. 9 RefE TransPuG, ZIP 2001, 2195). 362 Dazu sowie zu den Grenzen von Zustimmungsvorbehalten im Spannungsfeld zwischen § 76 Abs. 1 und § 111 Abs. 1 AktG einerseits und § 111 Abs. 4 S. 1 AktG andererseits Semler, Leitung, Rn. 227ff.; Schmidt-Leithoff, Verantwortung, S. 379; MünchHdbGesR I V / H o f f mann-Becking, § 29 Rn. 39; zum Aufsichtsratsvorsitzenden als dem vielfach in mittelgroßen Unternehmen faktisch das Unternehmen Leitenden Mestmäcker, Verwaltung, S. 90; zur Unternehmenspraxis siehe die empirischen Untersuchungen von W. Vogel, Aktienrecht, S. 21 Iff. 355 356
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1. Kapitel:
Der Typus des
Unternehmergesellschafters
selten wird es insoweit auch zu informellen Kontakten zwischen Vorstand und Aufsichtsrat kommen, wobei sich in der Praxis in abhängigen bzw. eigentümerkontrollierten Aktiengesellschaften bei Meinungsverschiedenheiten eher der Aufsichtsrat durchzusetzen pflegt 363 . Auch eine Erweiterung der Berichtspflichten des Vorstands nach § 90 AktG 3 6 4 und der Erlaß einer Vorstandsgeschäftsordnung durch den Aufsichtsrat nach § 77 Abs. 2 AktG 3 6 5 sind hier zur Verstärkung der Rechtsposition eines im Aufsichtsrat bestimmungsmächtigen Gesellschafters möglich. Darüber hinaus unterliegen sämtliche Strukturmaßnahmen aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Regelung (z.B. §§ 119 Abs. 1, 293 Abs. 1 AktG) bzw. bei wesentlicher Bedeutung nach § 1 1 9 Abs. 2 AktG 3 6 6 der Zustimmung der Hauptversammlung. Gerade einem Unternehmergesellschafter, der von Grundlagenentscheidungen in besonderer Weise betroffen ist und regelmäßig über eine hohe Sachkompetenz verfügt, wird man insoweit das nach der sog. „Holzmüller-Doktrin" über den Hauptversammlungsbeschluß nach § 119 Abs. 2 A k t G vermittelte Mitentscheidungsrecht nicht verwehren können 367 . Schließlich kann ein Unternehmergesellschafter in den ihm durch § 117 A k t G gesetzten Grenzen auch faktische Einflußmöglichkeiten nutzen, wozu etwa die Androhung eines nach § 84 Abs. 3 S. 2 A k t G möglichen und gegebenenfalls zur Abberufung durch eine Ermessensentscheidung des Aufsichtsrats führenden Vertrauensentzugs durch einen Beschluß der Hauptversammlung gehört 368 . Durch die Einrichtung eines Beirats kann der Unternehmergesellschafter zwar seine Informations- und Uberwachungsmöglichkeiten erweitern, nicht jedoch die zwingende gesetzliche Organisationsstruktur der Aktiengesellschaft überspielen und die Funktion der gesetzlich vorgesehenen Organe beeinträchtigen 369 .
363 Siehe dazu die empirischen Untersuchungen von Werth, Vorstand, S. 69 ff. und W. Vogel, Aktienrecht, S. 233 ff.; vgl. dazu auch Wiethölter, Interessen, S. 294. 364 KK¡Mertens, § 90 Rn. 31 f.; siehe zu formellen und informellen Kommunikationsnetzen zwischen Vorstand und Aufsichtsrat auch die empirischen Untersuchungen von W. Vogel, Aktienrecht, S. 159ff. 365 Dazu nur KK/Mertens, § 77 Rn. 43 ff.; Hefermehl, in: Geßler/Hefermehl § 77 Rn. 29. 366 Zur sog. „Holzmüller-Doktrin" nur B G H v. 25.2.1982 B G H Z 83, 122, 131 f. und krit. Beusch, FS Werner, S. lff. 367 Friedewald, Aktiengesellschaft, S. 152; auch insoweit zweifelnd Beusch, FS Werner, S. 1, 9f. 368 Zum möglichen Gewicht faktischer Einflußnahmen eines Großaktionärs etwa auch MünchKommAktG/Zieider, § 1 Rn. 53 und Chlosta, Wesensgehalt, S. 169. 369 Zur Einflußnahme von Großaktionären über einen sog. „Aktivitätsausschuß" auf die Geschäftsführung einer mitbestimmten Aktiengesellschaft LG Köln v. 13.7.1976 A G 1976, 329 mit zu Recht krit. Anm. Hommelhoff/Timm.
§3
Merkmale
c) Typische Einflußfelder
des
Unternehmergesellschafterbegriffs
der Leitungs- und
81
Kontrollmacht
Das Vorhandensein einer typischen unternehmerischen Leitungs- und Kontrollmacht ist schließlich auch durch die Einflußnahme auf bestimmte Felder der Gesellschafts- und Unternehmenspolitik gekennzeichnet.
aa) Bestimmung der Mitgesellscbafter Sieht man einmal von seiner maßgeblichen Mitwirkung an der Gesellschaftsgründung ab, kann ein Gesellschafter auf die Zusammensetzung des Gesellschafterkreises zunächst einmal dadurch Einfluß nehmen, daß er allein über die Aufnahme weiterer Gesellschafter entscheiden kann. Da es sich bei der Aufnahme eines weiteren Gesellschafters bei den Personengesellschaften um ein Grundlagengeschäft mit sämtlichen Gesellschaftern handelt, bedarf es hierzu neben einer gesondert für den Abschluß des Aufnahmevertrags erteilten Vertretungsmacht zumindest der diesbezüglichen Vereinbarung des Mehrheitsprinzips und einer Mehrheitsmacht des Gesellschafters (vgl. § 119 Abs. 2 H G B ) oder der Vereinbarung eines entsprechenden Sonderrechts 370 , wobei der neue Gesellschafter nach herrschender Meinung im Zeitpunkt der entsprechenden Vereinbarungen noch nicht bestimmbar sein und seine Auswahl später lediglich der Treuepflicht gemäß erfolgen muß 371 . Sofern bei den Kapitalgesellschaften die Aufnahme eines weiteren Gesellschafters nicht durch die Veräußerung von Teilen eines Geschäftsanteils (vgl. § 17 G m b H G ) bzw. eines Teiles der von einem Aktionär gehaltenen Aktien erfolgt, ist regelmäßig 372 zunächst ein Beschluß über die Kapitalerhöhung gegen Einlagen herbeizuführen (§§ 53ff. G m b H G , § 182ff. AktG). Dabei bzw. anschließend hat der Unternehmergesellschafter unter Ausschluß des Bezugsrechts bzw. ohne treuwidrige Benachteiligung der Mitgesellschafter für die ausschließliche Zulassung des Aufzunehmenden zur Übernahme der auf das erhöhte Kapital zu leistenden Stammeinlage (§ 55 G m b H G , § 186 A k t G analog)373 bzw. für den (teilweisen) Ausschluß des Bezugsrechts der bisherigen Aktionäre (§ 186 Abs. 3 und 4 AktG) und die Zeichnung der neuen Aktien durch den Aufzunehmenden (§ 185 AktG) Sorge zu tragen. Dies wird ihm allerdings nicht nur bei der Aktiengesellschaft, sondern auch bei der G m b H angesichts der erforderlichen Beschlußmehrheiten und sachlichen Rechtferti-
370 Zur Möglichkeit der Zubilligung entsprechender Sonderrechte A. Hueck, O H G , S. 390; Nitschke, Personengesellschaft, S. 107 mit Fn. 59. 371 Für die O H G RG v. 5.2.1918 R G Z 92, 164, 166 und A. Hueck, O H G , S. 391 m.w.N. 372 Auf die teilweise ebenfalls zur Aufnahme weiterer Gesellschafter geeigneten Sonderformen der bedingten und genehmigten Kapitalerhöhung sei an dieser Stelle nur hingewiesen. 373 Zum ungeschriebenen gesetzlichen Bezugsrecht der GmbH-Gesellschafter siehe nur Immenga, Kapitalgesellschaft, S. 228 und 232f.; Scholz/Priester, § 55 Rn. 41 ff.
82
1. Kapitel:
Der Typus des
Unternehmergesellschafters
gung des Bezugsrechtsausschlusses regelmäßig s c h w e r fallen 3 7 4 . S o f e r n die K a p i t a l e r h ö h u n g 1 0 % des S t a m m - b z w . G r u n d k a p i t a l s nicht übersteigt (§ 1 8 6 A b s . 3 S. 4 A k t G ) 3 7 5 o d e r die Mitgesellschafter lediglich kapitalistisch beteiligt sein sollten, k ö n n t e allerdings bereits ein i m Interesse der G e s e l l schaft e r f o r d e r l i c h e r u n d die Vermögensinteressen der Mitgesellschafter w a h render Bezugsrechtsausschluß sachlich gerechtfertigt sein 376 . In einer Personengesellschaft k a n n d e m U n t e r n e h m e r g e s e l l s c h a f t e r z u d e m das S o n d e r r e c h t z u m A u s s c h l u ß v o n Mitgesellschaftern eingeräumt w e r den 3 7 7 . D a es sich beim A u s s c h l u ß eines Gesellschafters j e d o c h u m den stärksten d e n k b a r e n Eingriff in die auch grundrechtlich 3 7 8 geschützte M i t g l i e d schaft handelt, k a n n dieser n u r aus wichtigen 3 7 9 o d e r z u v o r im Gesellschaftsvertrag festgelegten G r ü n d e n 3 8 0 u n d u n t e r W a h r u n g der gerichtlichen K o n t r o l l m ö g l i c h k e i t e n ( G b R ) 3 8 1 b z w . mit H i l f e der Ausschließungsklage (§ 1 4 0 A b s . 1 S. 1 H G B ) in die W e g e geleitet w e r d e n . S o f e r n m a n in Kapitalgesellschaften ü b e r die sondergesetzlichen Regelungen (§ 3 4 G m b H G , §§ 64, 2 3 7 A k t G 3 8 2 ) hinaus eine allgemeine M ö g l i c h k e i t z u m A u s s c h l u ß v o n Mitgesell374 Zum Erfordernis einer sachlichen Rechtfertigung des Bezugsrechtsausschlusses bei der Aktiengesellschaft siehe nur BGH v. 13.3.1978 BGHZ 71, 40, 45 f. und BGH v. 9.11.1992 BGHZ 120, 141, 145f.; für die GmbH bereits Immenga, Kapitalgesellschaft, S. 228ff.; ferner etwa Scholz/Priester, § 55 Rn. 52ff.; speziell zum Problem der Zulässigkeit einer Ausgabe sog. Schutzaktien zur Sicherung der bestehenden Herrschaftsverhältnisse auch 2. Kap. § 2 B V 1. 375 Siehe dazu die Begründung zum Entwurf eines Gesetzes für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts, BT-Drucks. 12/6721, S. 10f.; krit. Adams, AG 1997 Sonderheft zur Aktienrechtsreform 1997, S. 22 (insbesondere zum Problem der schleichenden Verwässerung von Herrschaftsrechten) und MUlbert, Aktiengesellschaft, S. 266 ff. (insbesondere zum Problem des unzureichenden Vermögensschutzes). 376 Zur Betroffenheit der Anlagegesellschafter lediglich in ihren vermögensmäßigen Interessen W. Groß, AG 1993, 449 und Hirte, Bezugsrechtsausschluß, S. 216f.; zur Bedeutung der vermögensmäßigen Gleichbehandlung von Neu- und Altaktionären im Aktienrecht siehe MUlbert, Aktiengesellschaft, S. 196 f. 377 Für die KG BGH v. 16.12.1960 BGHZ 34, 80, 83 und BGH v. 18.3.1968 DB 1968, 885; für die GbR MünchHdb.GesR I/Piehler, § 13 Rn. 22; für die OHG A. Hueck, OHG, S. 435; generell zur Gestaltungsfreiheit in diesem Punkt auch BGH v. 17.12.1959 BGHZ 31, 295, 298 (KG). 378 Zur Bedeutung von Art. 14 Abs. 1 GG BVerfG v. 7.8.1962 BVerfGE 14, 263, 277; Fechner!Schneider, Verfassungswidrigkeit 1960, S. 29ff.; zur Bedeutung von Art. 12 Abs. 1 GG für den Ausschluß unternehmerisch engagierter Gesellschafter Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. 1, S. 387. 379 Siehe dazu §§ 737 S. 1 i.V.m. § 723 Abs. 1 S. 2 BGB und § 140 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 133 HGB; dazu näher etwa MünchHdb.GesR I/Piehler, § 67 Rn. 16ff. 380 Dazu etwa Kreutz, ZGR 1983, 109, 120f. und MünchHdb.GesR I/Piehler, § 13 Rn. 23; vgl. auch BGH v. 20.1.1977 BGHZ 68, 212, 215. 381 BGH v. 17.12.1959 BGHZ 31, 295, 299; MünchHdb.GesR I/Piehler, § 13 Rn. 22. 382 Zur Zwangseinziehung gegen Abfindung etwa BGH v. 19.9.1977 NJW 1977, 2316f.; Friedewald, Aktiengesellschaft, S. 60; mit Zustimmung aller können auch Zwangseinziehungsgründe festgelegt werden, die nur bestimmte Aktionäre (KK/Lütter, § 237 Rn. 37; Hennerkes/ May, DB 1988, 537, 539) bzw. GmbH-Gesellschafter (Scholz/H.P Westermann, % 34 Rn. 3) treffen können.
§3
Merkmale des
83
Unternehmergesellschafterbegriffs
s c h a f t e r n aus w i c h t i g e n o d e r z u v o r in der S a t z u n g festgelegten
Gründen
ü b e r h a u p t f ü r d e n k b a r hält 3 8 3 , d ü r f t e a u c h dies m a n g e l s a b w e i c h e n d e r V e r e i n b a r u n g n u r m i t H i l f e e i n e r A u s s c h l i e ß u n g s k l a g e m ö g l i c h sein 3 8 4 . I n allen F ä l len w i r d es f ü r die W i r k s a m k e i t des A u s s c h l u s s e s m a ß g e b l i c h a u c h auf die Stellung des M i t g e s e l l s c h a f t e r s in der G e s e l l s c h a f t 3 8 5 u n d die W a h r u n g seiner vermögensmäßigen Interessen386 a n k o m m e n . I m F a l l e der d i n g l i c h e n Ü b e r t r a g u n g v o n G e s e l l s c h a f t s a n t e i l e n d u r c h M i t gesellschafter k a n n die Z u s a m m e n s e t z u n g des G e s e l l s c h a f t e r k r e i s e s v o n ein e m G e s e l l s c h a f t e r s c h l i e ß l i c h m i t H i l f e v o n V o r k a u f s r e c h t e n , individuellen Zustimmungsvorbehalten oder Alleinentscheidungsrechten beeinflußt werden. W ä h r e n d sich bei den P e r s o n e n g e s e l l s c h a f t e n das individuelle Z u s t i m m u n g s b e d ü r f n i s mangels gegenteiliger v e r t r a g l i c h e r R e g e l u n g bereits aus der N a t u r d e r A n t e i l s ü b e r t r a g u n g als G r u n d l a g e n g e s c h ä f t ergibt u n d lediglich ein A l l e i n e n t s c h e i d u n g s r e c h t u n t e r A u s s c h l u ß des Z u s t i m m u n g s r e c h t s der M i t gesellschafter g e s o n d e r t v o r g e s e h e n w e r d e n m u ß 3 8 7 , f ü h r t die gesetzliche ( § 1 7 Abs. 1 G m b H G )
oder satzungsmäßige
(§68
Abs. 2 A k t G ,
§15
Abs. 5
G m b H G ) V i n k u l i e r u n g v o n K a p i t a l g e s e l l s c h a f t s a n t e i l e n z u n ä c h s t n u r z u ei-
383 Zur Möglichkeit der satzungsmäßig festgelegten Ausschließung und der Ausschließung aus wichtigem Grund bei der AG M. Becker, ZGR 1986, 383 ff. und Reinisch, Ausschluß, S. 28ff.; zum Ausschluß aus wichtigem Grund auch ohne satzungsmäßige Vereinbarung B G H v. 1.4.1953 BGHZ 9,157ff. (bejahend für die GmbH, verneinend für die AG) und Grunewald, Ausschluß, S. 45ff. (GmbH) und 50ff. (AG); verneinend für die AG Martens, FS R Fischer, S. 437, 453; bejahend für die personalistisch strukturierte AG v. Falkenhausen, Mehrheitsherrschaft, S. 42; zur Unzulässigkeit einer Ausschlußklausel in der Satzung einer AG RG v. 25.9.1901 RGZ 49, 77, 79f.; vgl. auch BGH v. 27.10.1955 BGHZ 18, 350, 360ff. (Ausschließungsmöglichkeit in der kapitalistisch strukturierten KG). 384 B G H v. 1.4.1953 BGHZ 9, 157, 166; Immenga, Kapitalgesellschaft, S. 307; Grunewald, Ausschluß, S. 107ff.; Friedewald, Aktiengesellschaft, S. 145ff.; Reinisch, Ausschluß, S. 113ff.; M. Becker, ZGR 1986, 383, 387ff.; a.A. noch RG v. 7.12.1920 RGZ 101, 55, 61 f. 385 B G H v. 25.3.1985 ZIP 1985, 737, 738 (persönlich haftender Gesellschafter); BGH v. 9.11.1972 WM 1973, 12 (geringere Anforderungen an den wichtigen Ausschlußgrund bei fehlendem Erwerb einer besonders schutzwürdigen Gesellschafterstellung); ähnlich BGH v. 14.5.1952 BGHZ 6, 113,117f.; anders allerdings BGH v. 9.12.1968 BGHZ 51,204,207 (grundsätzliche Unbeachtlichkeit einer maßgeblichen Beteiligung); zur Inhaltskontrolle von Klauseln über die Ausschließung aus Personenhandelsgesellschaften am Maßstab der „Grundprinzipien des Gesellschaftsrechts" bzw. der Sittenwidrigkeit wegen der Schwere des Eingriffs in die wirtschaftliche und persönliche Freiheit des Gesellschafters siehe etwa B G H v. 20.1.1977 BGHZ 68,212,214f. und BGH v. 19.9.1988 BGHZ 105,213,216ff.; zur Problematik des Ausschlusses von Gesellschaftern personalistischer Kapitalgesellschaften siehe auch Immenga, Kapitalgesellschaft, S. 132 und Friedewald, Aktiengesellschaft, S. 147f.; zum geringeren Schutz von Anlagegesellschaftern etwa Angerer, Eingriffe, S. 149; Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. 1, S. 385; eingehend zur umstr. Institution des Gesellschafters minderen Rechts Partikel, Gesellschafter, S. 22 ff. 386 B G H v. 1.4.1953 BGHZ 9, 157, 166ff. 387 Zu den Gestaltungsmöglichkeiten MünchHdb.GesR VPiehler, § 66 Rn. 9ff.
84
1. Kapitel:
Der Typus des
Unternehmergesellschafters
nem vom Vertretungsorgan 388 auszuübenden Zustimmungsrecht der Gesellschaft. Anders als bei der Aktiengesellschaft (dort nur § 68 Abs. 2 S. 3 AktG) kann in der GmbH die Übertragung von Gesellschaftsanteilen nach zutreffender Ansicht aber ebenfalls von der Zustimmung eines einzelnen Gesellschafters nach § 15 Abs. 5 G m b H G abhängig gemacht werden 389 . Der Gesellschafterwechsel kraft Erbfolge kann in den Personengesellschaften mit Hilfe von qualifizierten erbrechtlichen oder rechtsgeschäftlichen Nachfolgeklauseln beeinflußt werden. Danach können gegebenenfalls nur bestimmte Erben oder Dritte mit unmittelbarer dinglicher Wirkung in die Gesellschafterstellung des Verstorbenen einrücken 390 und die Ausübung eines schuldrechtlichen Eintrittsrechts von Erben oder anderen Nachfolgern ebenso von einem Alleinentscheidungsrecht eines Gesellschafters abhängig gemacht werden391 wie die Umwandlung der Gesellschafterstellung nach § 139 HGB 3 9 2 . Die Vererbung von Kapitalgesellschaftsanteilen kann jedoch weder ausgeschlossen noch etwa durch einen Genehmigungsvorbehalt beschränkt werden 393 , so daß insoweit nur die Begründung einer Abtretungspflicht der Erben oder eines Einziehungsrechts der Gesellschaft in Betracht kommt 394 . bb) Bestimmung des wesentlichen bzw. der Satzung
Inhalts
des
Gesellschaftsvertrags
Für den an der Gründung oder einer entsprechenden Vertrags- bzw. Satzungsänderung beteiligten Unternehmergesellschafter ist es weiterhin typisch, daß er unter Einsatz aller ihm zur Verfügung stehenden Mittel den wesentlichen Inhalt des Gesellschaftsvertrags bzw. der Satzung zu bestimmen 388 Zur grundsätzlichen Wirksamkeit einer nicht von der Mehrheit der Gesellschafter gedeckten Zustimmung des Vertretungsorgans siehe R G v. 13.6.1922 R G Z 104, 413, 414f.; R G v. 22.3.1939 R G Z 160, 225, 231; Baumbach/Hueck///«ecfc/fasfrtcA, § 15 Rn. 41; mit Recht krit. Wiedemann, Übertragung, S. 99ff. und Immenga, Kapitalgesellschaft, S. 80. 389 Scholz /Winter, § 15 Rn. 91; Hachenburg/Z«it, § 15 Rn. 114; generell zur Satzungsautonomie in diesem Punkt Wiedemann, Übertragung, S. 100. 390 Zu den Gestaltungsmöglichkeiten siehe nur MünchHdb.GesR I/Klein, § 72 Rn. 32 ff. 391 Insoweit gelten die Ausführungen zur Aufnahme eines weiteren Gesellschafters entsprechend. 3 . 2 Die nach § 139 Abs. 5 H G B angeordnete Unabdingbarkeit der Vorschrift soll nicht dem Schutz der Mitgesellschafter, sondern lediglich die Rechtsstellung des Erben sichern, die jedoch durch ein Alleinentscheidungsrecht im Vergleich zum ansonsten bestehenden Einstimmigkeitserfordernis nicht beeinträchtigt wird (vgl. dazu auch für die Zulässigkeit von Mehrheitsentscheidungen Staub/Ulmer, § 139 Anm. 114 m.w.N.). 3 . 3 Siehe nur für die G m b H Scholz/Winter, § 15 Rn. 20 ff. und die A G KK/Lütter, § 68 Rn. 46; anders noch ohne nähere Begründung für die G m b H R G v. 8.10.1912 R G Z 80, 175, 179. 394 Dazu näher für die G m b H Scholz/Winter, § 15 Rn. 23 ff. und Hachenburg/Zxtf, Anh § 15 Rn. 106ff. sowie für die A G Friedewald, Aktiengesellschaft, S. 55ff.; Hennerkes/May, DB 1988, 537, 539 und Reinisch, Ausschluß, S. 31 f.
§3
Merkmale des
85
Unternehmergesellschafterbegriffs
versucht. D i e s gilt z u n ä c h s t für die B e s t i m m u n g des G e s e l l s c h a f t s z w e c k s und des Unternehmensgegenstands 3 9 5 . I n s b e s o n d e r e in T e n d e n z b e t r i e b e n wird der U n t e r n e h m e r g e s e l l s c h a f t e r auch versuchen, b e s t i m m t e ideelle Ziele und das Selbstverständnis des U n t e r n e h m e n s („sog. c o r p o r a t e p h i l o s o p h y " ) v o r zugeben 3 9 6 . A u f das typische Streben des U n t e r n e h m e r g e s e l l s c h a f t e r s nach einer ihm günstigen Festlegung der einzelnen V e r m ö g e n s - und M i t v e r w a l tungsrechte 3 9 7 wurde bereits e b e n s o eingegangen wie auf die I n d i z w i r k u n g v o n Z u s t i m m u n g s v o r b e h a l t e n bei Vertrags- und Satzungsänderungen 3 9 8 . V o n besondere B e d e u t u n g ist schließlich n o c h die Festlegung der Eigenkapitalausstattung der Gesellschaft 3 9 9 . A u s d r u c k der typischen M a ß g e b l i c h k e i t des W i l lens eines Unternehmergesellschafters für den Inhalt des Gesellschaftsvertrags bzw. der Satzung ist auch die Tatsache, daß teilweise bei deren A u s legung
über
den
Kreis
der
personalistisch
strukturierten
Personenge-
sellschaften 4 0 0 hinaus eine B e r ü c k s i c h t i g u n g subjektiver E l e m e n t e erwogen wird 4 0 1 .
cc) Bestimmung
von bedeutenden
Personalangelegenheiten
D i e M ö g l i c h k e i t e n , mit denen ein U n t e r n e h m e r g e s e l l s c h a f t e r typischerweise die B e s e t z u n g der Gesellschaftsorgane zu beeinflussen sucht, w u r d e n bereits angesprochen 4 0 2 . D i e für ihn k e n n z e i c h n e n d e P e r s o n a l h o h e i t kann daneben aber auch in der M i t e n t s c h e i d u n g ü b e r die K o n d i t i o n e n der A n stellungsverträge der Organmitglieder,
die B e s e t z u n g der unterhalb
der
G e s c h ä f t s f ü h r u n g s e b e n e angesiedelten M a n a g e m e n t p o s i t i o n e n und ü b e r die
395 Vgl. dazu etwa den Fall BGH v. 24.4.1978 BGHZ 71, 284, 288; ferner Hommelhoff ZHR 140 (1976), 271, 285 und Wiethölter, Interessen, S. 138; zur Interesseneinheit zwischen Gesellschaft und Unternehmergesellschafter näher 2. Kap. § 1 C. 3,6 Vgl. dazu auch Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. 1, S. 340 und den dortigen Verweis auf die politischen Grundsätze der Unternehmensführung in § 3 der Satzung der Axel-Springer-Beteiligungs-AG. 397 Dazu 1. Kap. § 3 C I 4 und II la. 398 Dazu 1. Kap. § 3 C II la aa (ddd). 399 Dazu auch Hommelhoff, ZHR 140 (1976), 271, 284f.; zur Finanzierungshoheit und -Verantwortung des Unternehmergesellschafters näher 2. Kap. § 1 A III 2 und § 2 B IX. 400 Zur Auslegung von Personengesellschaftsverträgen gemäß §§ 133, 157 BGB nur BGH v. 19.1.1978 WM 1978, 514, 515 und RG v. 22.10.1937 RGZ 156, 129, 133. 401 Vgl. dazu RG v. 25.1.1939 RGZ 159, 321, 326; Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. 1, S. 167f.; Friedewald, Aktiengesellschaft, S. 153ff.; anders jedoch BGH v. 6.3.1967 BGHZ 47, 172, 179f. (Vereinssatzung); BGH v. 16.2.1981 BB 1981, 926f. (Familien-GmbH); BGH v. 25.9.1989 WM 1989, 1809f. (Familien-GmbH); für das Erfordernis objektiver Anknüpfungspunkte hinsichtlich der Maßgeblichkeit des Gründerwillens in der Publikumspersonengesellschaft BGH v. 7.11.1977 WM 1978, 87, 88; hingegen nach dem Satzungsinhalt differenzierend Teichmann, Gestaltungsfreiheit, S. 128ff.; für eine vollständige Loslösung der Satzung vom Willen der Gründer hingegen Flume, BGB-AT 1/2, S. 317ff. 402 1 . Kap. § 1 C II la aa (ccc) sowie b bb (aaa) und b cc (aaa).
86
1. Kapitel: Der Typus des
Unternehmergesellschafters
Verleihung von Prokuren oder Generalhandlungsvollmachten zum Ausdruck kommen 403 . dd) Bestimmung der gewöhnlichen Geschäftsführung
und
außergewöhnlichen
Ein typisches Feld der Ausübung gesellschaftsgebundener unternehmerischer Leitungsmacht ist schließlich die Geschäftsführung einschließlich der Vertretung der Gesellschaft. Ein Unternehmergesellschafter beeinflußt daher regelmäßig aufgrund einer Mitgliedschaft im Geschäftsführungs- und Vertretungsorgan oder durch Weisungs-, Zustimmungs- und Vetorechte maßgeblich die Unternehmenspolitik, d.h. die Produktions-, Entwicklungs-, Absatz-, Personal-, Beschaffungs-, Finanz- und Investitionsplanung, sowie die zu ihrer Umsetzung und Überwachung erforderlichen bedeutsameren Maßnahmen einschließlich des dazugehörigen Risikomanagements 404 . 2. Maßgebliche
Mitwirkung
im
Gesellschaftsunternehmen
Ein Unternehmergesellschafter wird sich regelmäßig über die schlichte Ausübung gesellschaftsrechtlicher Leitungs- und Kontrollmacht hinaus entweder im Zusammenhang mit einer Organmitgliedschaft oder einer sonstigen Tätigkeit in der Unternehmensleitung persönlich und auf Dauer angelegt im Gesellschaftsunternehmen als „erster Arbeiter seines Betriebs"405 engagieren. Er wird eigene Ideen und eigenes know how ebenso einbringen wie seinen Namen 406 und seine Geschäftsbeziehungen 407 . Nicht nur mit der gesellschaftsrechtlichen Beteiligung, sondern auch mit der Betätigung im Gesellschaftsunternehmen übt er damit einen Beruf i.S.v. Art. 12 Abs. 1 G G aus, mit dem er sich auf Dauer angelegt eine Lebensgrundlage und Lebensaufgabe schafft bzw. erhält408. Aus Sicht der Gesellschaft und der Mitgesellschafter kommt es 403 Dazu teilweise auch BeriefMeans, Corporation, S. 70; Pross, Manager, S. 22 und 105 ff. sowie Schwerdtfeger, Mitbestimmung, S. 67. 404 Berle/Means, Corporation, S. 70; KK/Koppensteiner, § 17 Rn. 25; Hommelhoff, ZHR 140 (1976), 271, 284; zum Begriff der Unternehmenspolitik näher Zitzmann, Vorlagepflichten, S. 65 ff.; zum Begriff der strategischen Unternehmensplanung näher Albach, ZGR 1997, S. 37ff. 405 So die auf den Unternehmer bezogene Formulierung von v. Nell-Breuning, Wirtschaft II, S. 119. 406 Zur fehlenden Irreführungseignung einer mit den Namen der Unternehmergesellschafter gebildeten Firma siehe Jung, ZIP 1998, 677, 680ff. 407 Vgl. dazu etwa den Fall BVerfG v. 11.11.1964 BVerfGE 18, 224, 228. 408 Siehe dazu auch BVerfG v. 1.3.1979 BVerfGE 50,290,363 (personaler Bezug der Berufsausübung eines maßgeblich beteiligten und in der Unternehmensleitung tätigen Kapitalgesellschafters); Leisner, JZ 1972, 33 ff. (Berufsgesellschafter); A. Hueck, O H G , S. 146 (Ausübung eines Lebensberufs); zum zugrunde gelegten Berufsbegriff siehe nur BVerfG v. 11.6.1958 BVerfGE 7, 377, 397 und BVerfG v. 1.3.1979 BVerfGE 50, 290, 362.
§3
Merkmale
des
Unternehmergesellschafterbegriffs
87
andererseits in besonderer Weise auf das persönliche Engagement des Gesellschafters, seinen Ruf sowie seine Eigenschaften, Fähigkeiten und Leistungen als Unternehmer an, so daß sie typischerweise bestrebt sein werden, den U n ternehmergesellschafter insoweit gesellschaftsrechtlich oder zumindest rein schuldrechtlich zu binden 409 .
3. Unternehmerische
Interessenlage
Der Unternehmergesellschafter teilt zunächst mit seinen Mitgesellschaftern im allgemeinen das Interesse, Erträge zu erzielen sowie das Gesellschaftsvermögen in seiner Substanz zu erhalten und zu vermehren 410 . Trotz dieser grundsätzlichen Gemeinsamkeit der Interessenlage können sich die Interessen der Gesellschafter im einzelnen durchaus unterschiedlich und nicht selten entgegengesetzt entwickeln 411 . Gerade auf die insbesondere in Fragen der Gewinnverwendung möglichen Interessenkonflikte zwischen den langfristige unternehmerische Ziele verfolgenden und dauerhaft engagierten U n ternehmergesellschaftern einerseits und den in aller Regel nur eine kurzfristig attraktive Rendite anstrebenden Anlagegesellschaftern andererseits wird immer wieder hingewiesen 412 . Für den gesellschaftsgebundenen Unternehmer stellt zudem die von ihm initiierte bzw. maßgeblich fortgeführte Unternehmung selbst und nicht nur das Streben nach Gewinn und Substanzvermehrung Lebensinhalt und Lebensaufgabe dar 413 . Durch seine Beteiligung am Gründungsvorgang, seine Zugehörigkeit zur Familie des Unternehmensgründers oder derzeitigen U n ternehmensführers und/oder seine maßgebliche Mitwirkung im Gesellschaftsunternehmen ist der Unternehmergesellschafter mit der Gesellschaft und ihrem Unternehmen auch ideell in besonderer Weise verbunden 414 . Au409 Zur gesellschaftsrechtlichen und rein schuldrechtlichen Vereinbarung von Nebenleistungspflichten siehe bereits 1. Kap. § 3 C I 2. 410 BMJ (Hrsg.), Bericht der Unternehmensrechtskommission, Rn. 125; Zöllner, Stimmrechtsmacht, S. 31; Issing, in: Issing/Leisner, „Kleineres Eigentum", S. 26; Jürgenmeyer, Unternehmensinteresse, S. 61. 4,1 Rathenau, Aktienwesen, S. 29; C. Ott, Unternehmenskorporation, S. 160; BMJ (Hrsg.), Bericht der Unternehmensrechtskommission, Rn. 125; Wiethölter, Interessen, S. 32; v. NellBreuning, FS Kronstein, S. 59. 412 BVerfG v. 7.8.1962 BVerfGE 14, 263, 274 und 282f.; Haussmann, Aktienwesen, S. 53f.; Pross, Manager, S. 122 f.; Raisch, FS Hefermehl, S. 347, 348 f.; Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. 1, S. 490 und 729; ders., Z G R 1975, 385, 392; Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 159f. und 209f.; Kühler, SZW 1995, 223, 225. 413 Dazu auch generell für den Unternehmer Sombart, Bourgeois, S. 2 X 7 f.; Redlich, Unternehmer, S. 179 und Jungfer, in: Gestaltwandel der Unternehmung, S. 109, 120 f.; für den geschäftsführenden OHG-Gesellschafter A. Hueck, O H G , S. 146 (Ausübung eines Lebensberufs). 414 Dazu auch BVerfG v. 7.8.1962 BVerfGE 14, 263, 274 (innerliche Verbundenheit des unternehmerisch engagierten Aktionärs mit „seiner" Gesellschaft); Friedewald, Aktiengesell-
88
1. Kapitel:
Der Typus des
Unternehmergesellschafters
ßerdem wird er typischerweise danach streben, durch seine Beteiligung an der Gesellschaftstätigkeit den eigenen Ruf als Wirtschaftssubjekt zu begründen, zu verbessern oder zu erhalten, seine unternehmerischen Ziele zu erreichen sowie an der Steuerung des Unternehmensrisikos durch eine umsichtige Geschäftsführung mitzuwirken 415 . Im Falle einer Fremdgeschäftsführung wird er regelmäßig ein Interesse an der intensiven Kontrolle der Unternehmensführung haben. Gegenüber risikoreichen oder gar die Existenz von Gesellschaft und Unternehmen gefährdenden Geschäften bestehen aufgrund des von ihm maßgeblich durch Kapital- und Gewinnbeteiligung sowie etwaige Sicherungsgeschäfte getragenen Unternehmerrisikos starke Hemmungen 416 . Zur Sicherung der langfristigen Existenz der Gesellschaft und des von ihr betriebenen Unternehmens sowie zur Reduzierung seines gegebenenfalls persönlichen Haftungsrisikos wird der Unternehmergesellschafter zudem häufig an einer weitreichenden Rücklagenbildung und Reinvestition der erwirtschafteten Gewinne interessiert sein 417 . Ein besonderes Interesse am Wohlergehen der Gesellschaft kann schließlich auch durch die wirtschaftliche Abhängigkeit von Gehalts- und/oder Pensionszahlungen der Gesellschaft begründet werden, die hierdurch zugleich grundsätzlich in einem für die Gesellschaft vertretbaren Rahmen gehalten werden 418 . Neben der Wahrung dieser unmittelbar eigenen Belange hat der Unternehmergesellschafter aber auch ein grundsätzliches Interesse an der Rücksichtnahme auf die Bedürfnisse anderer. Dies gilt in erster Linie für seine Mitgesellschafter, auf deren zumindest finanzielle Mitwirkung er in aller Regel angewiesen ist. So wird er im wohl verstandenen eigenen Interesse darum bemüht sein, mit Mitunternehmern zu kooperieren sowie die Anlegerinteressen durch eine erfolgreiche Unternehmensführung und durch eine angemessene Gewinnausschüttung bzw. eine Steigerung des Anteilswerts zu befriedigen 419 . Schließlich wird er auch auf eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den
Schaft, S. 4; für den Unternehmer generell Redlich, Unternehmer, S. 179f.; vgl. auch Schumpeter, in: Handwörterbuch der Staatswissenschaften Bd. 8, S. 476, 484, der dem Fabrikanten eine typischerweise „arationale Liebe zu seiner Firma" unterstellt. 415 Siehe dazu auch Ziemons, Haftung, S. 132; Issing, in: Issing/Leisner, „Kleineres Eigentum", S. 32; vgl. zum Idealtypus des Pionierunternehmers etwa bei Schumpeter auch 1. Kap. § 2 A I. 416 Siehe dazu auch Issing, in: Issing/Leisner, „Kleineres Eigentum", S. 32f. und für den Eigentumsunternehmer Weddigen, in: Gestaltwandel der Unternehmung, S. 23, 28; teilweise krit. Ziemons, Haftung, S. 132 ff. 417 Dazu auch Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. 1, S. 729; MUlbert, Aktiengesellschaft, S. 158 und Chlosta, Wesensgehalt, S. 165. 418 Dazu auch Ziemons, Haftung, S. 134; zum Interesse von Unternehmergesellschaftern an angemessenen Tätigkeits- und Ruhestandsbezügen auch Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. 1,S. 120. 419 Siehe dazu auch Fastrich, Rechtsdenken, S. 20f.; zu den Interessen des Anlegergesellschafters etwa Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. 1, S. 489.
5-3
Merkmale des
Unternehmergesellschafterbegriffs
89
A r b e i t n e h m e r n des G e s e l l s c h a f t s u n t e r n e h m e n s und ihren Vertretern sowie auf den guten R u f der Gesellschaft bzw. des U n t e r n e h m e n s und seiner P r o dukte in der Ö f f e n t l i c h k e i t Wert legen 4 2 0 .
III.
Gesamtbetrachtung der der unternehmerischen
Typusmerkmale Tätigkeit
D i e K e n n z e i c h n u n g einer Gesellschaftertätigkeit als u n t e r n e h m e r i s c h ist letztlich abhängig v o n einer wertenden G e s a m t b e t r a c h t u n g der in einem k o n kreten Sachverhalt gegebenen T y p u s m e r k m a l e nach A n z a h l , Intensität, B e ständigkeit und W i r k u n g s w e i s e . D a j e d o c h nicht jeder der auf diese Weise als personaler und u n t e r n e h m e r i s c h e r K e r n der Gesellschaft identifizierten G e sellschafter in allen der in dieser A r b e i t behandelten Fälle als O b j e k t des D u r c h g r i f f s in B e t r a c h t k o m m t , sind an dieser Stelle n e b e n dem Volltypus des U n t e m e h m e r g e s e l l s c h a f t e r s auch bereits verschiedene S o n d e r f o r m e n dieses Gesellschaftertyps vorzustellen, die in den folgenden Kapiteln der A r b e i t b e stimmten, w i e d e r k e h r e n d e n R e c h t s a n w e n d u n g s s i t u a t i o n gerecht werden sollen.
1. Volltypische
Gesamtbetrachtung
In R e c h t s a n w e n d u n g s s i t u a t i o n e n , in denen es wie in den meisten der in dieser A r b e i t betrachteten Fälle u m eine Erfassung der hinter einer rechtsfähigen Gesellschaft stehenden m a ß g e b l i c h e n
Unternehmerpersönlichkeiten
und weniger um eine b e s t i m m t e durch den R e g e l u n g s z w e c k vorgegebene B e ziehung v o n Gesellschaftern zur Gesellschaft geht, ist eine Z u o r d n u n g des Sachverhalts z u m s o e b e n b e s c h r i e b e n e n Volltypus der gesellschaftsgebundenen u n t e r n e h m e r i s c h e n T ä t i g k e i t v o r z u n e h m e n . S o ist es etwa für b e s t i m m t e Fälle der Statusvermittlung 4 2 1 , des n o t w e n d i g e n und ergänzenden Z u r e c h nungsdurchgriffs 4 2 2 o d e r der Identifikation aufgrund einer z w i s c h e n Gesellschafter und Gesellschaft bestehenden Interesseneinheit 4 2 3 v o n B e d e u t u n g , daß die E l e m e n t e des U n t e r n e h m e r r i s i k o s und der U n t e r n e h m e r i n i t i a t i v e in einer jeweils erheblichen H ä u f u n g und Stärke ü b e r eine gewisse D a u e r hinweg k o m b i n i e r t vorliegen. D e n n als unternehmerisches Z e n t r u m der Gesellschaft kann ein Gesellschafter nur dann angesehen werden, w e n n er sich längerfristig w e d e r ausschließlich auf eine namhafte kapitalmäßige Beteiligung n o c h auf eine lediglich maßgebliche Beteiligung an der U n t e r n e h m e n s l e i t u n g 420 Näher zum Beziehungsfeld Unternehmen - Mitarbeiter und Unternehmen - Öffentlichkeit Schmidt-Leithoff, Verantwortung, S. 259ff. bzw. 346ff. 421 Siehe 3. Kap. § 2 A II 5, B, D I und E. 422 Siehe 5. Kap. § 2 B I, IV 1, VII, VIII la bb sowie 5. Kap. § 3 B II lb aa und bb. 423 Siehe etwa 6. Kap. § 2 B I lc bb, 3, 2b aa, 4b aa.
90
1. Kapitel:
Der Typus des
Unternehmergesellschafters
beschränkt 424 . Die volltypische Gesamtbetrachtung kann dabei einerseits im Interesse der materiellen Gerechtigkeit als umfassende Betrachtung und andererseits im Interesse der einfachen bzw. rechtssicheren Handhabung als schematische Betrachtung durchzuführen sein.
a) Umfassende Berücksichtigung
der
Typusmerkmale
Die umfassende Gesamtbetrachtung ist durch die Ermittlung, Gewichtung und Bewertung sämtlicher soeben angeführter Typusmerkmale gekennzeichnet. Dabei kann an dieser Stelle nicht auf alle denkbaren und vorzufindenden Kombinationen der je nach Rechtsform, vertraglicher Ausgestaltung und Realstruktur der Gesellschaft unterschiedlich intensiven, wechselseitig voneinander abhängigen und sich teilweise kompensierenden Merkmale eingegangen und über ihre Zuordnung zum Volltypus des Unternehmergesellschafters entschieden werden. Es ist aber auf diejenigen Faktoren hinzuweisen, die generell die Effektivität eines Typusmerkmals im Hinblick auf die Vermittlung von Unternehmerrisiko und/oder Unternehmerinitiative bestimmen. Hierbei geht es zunächst bei abstufbaren Typusmerkmalen (z.B. Kapitalbeteiligung, Stimmrechtsmacht, Breite der unternehmerischen Einflußnahme) um deren Intensität, die schlicht von ihrer skalenmäßigen Größe abhängig ist. Darüber hinaus kommt es auf die Beständigkeit eines Kriteriums an, die durch die Art seiner rechtlichen oder faktischen Absicherung und durch seine Dauerhaftigkeit bestimmt wird. Unterschiede bestehen insoweit etwa zwischen einer gesellschaftsvertraglichen Absicherung, einem Vorrecht und einem Sonderrecht, einer bedingten oder unbedingten Vereinbarung und einer wirtschaftlichen oder familiären Bindung. Ein lediglich vorübergehender Einfluß wirkt ferner weniger nachhaltig und ein drohender Wegfall von Einflußpotentialen kann bereits Vorwirkungen zeitigen 425 . Zu berücksichtigen sind weiterhin der Zeitpunkt und die mögliche Häufigkeit des Wirksamwerdens eines Typusmerkmals. Während hier etwa die Phase der Gesellschaftsgründung von besonderer Bedeutung ist, kommt einer Sonderrolle des Gesellschafters in der Liquidation für die werbende gesellschaftsgebundene Unternehmertätigkeit lediglich eine Indizfunktion zu. Zu differenzieren ist zudem zwischen einem periodischen (z.B. Gewinnverteilung, Ausübung eines Entsendungsrechts) und einem unregelmäßigen (z.B. Ausübung eines Zustimmungsvorbehalts) Wirksamwerden, das zudem in
424 Siehe dazu auch bereits im Zusammenhang mit der steuerrechtlichen Mitunternehmerschaft 1. Kap. § 2 C; an dieser Stelle ferner noch Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 431 und Püttner, D O V 1976, 433, 434; vgl. dazu auch das Ergebnis der empirischen Studien von Witte, ZfB 1981, 733, 768 (überproportionaler Aktionärseinfluß bei einer Präsenz von Aktionären im Vorstand und gegebener Anteilskonzentration). 425 Vgl. dazu auch für den Abhängigkeitsbegriff KK/Koppensteiner, § 17 Rn. 23.
§3
Merkmale
des
Unternehmergesellschafterbegriffs
91
Abhängigkeit von den konkreten Gesellschaftsverhältnissen in unterschiedlichem Maße wahrscheinlich sein kann. Es muß schließlich die Art, Breite und Tiefe des Wirksamwerdens eines Typusmerkmals bewertet werden. Hinsichtlich der Art ist zwischen Gestaltungs- (z.B. Organmitgliedschaft) und Verhinderungspotentialen (z.B. Sperrminorität, Vetorecht) zu unterscheiden. Die Wirkungsbreite eines Typusmerkmals ist von seiner eindimensionalen (z.B. Zustimmungsrecht, Entsendungsrecht) und mehrdimensionalen (z.B. Kapitalbeteiligung, Stimmrechtsmacht) Wirkungsweise abhängig. Für die Tiefenwirkung eines Typusmerkmals sind seine Folgewirkungen maßgeblich, die stark (z.B. Kapitalbeteiligung, Stimmrechtsmacht), mittel (z.B. Informations- und Teilnahmerecht, Entsendungsrecht in den Aufsichtsrat, faktische Abhängigkeiten), schwach (z.B. Einfluß auf die Geschäftsführung) ausgeprägt sein oder gänzlich fehlen können (z.B. Ausübung von Entnahmerechten). Maßgeblichen Einfluß gewinnt insoweit neben der Rechtsform und der Realstruktur der Gesellschaft 426 zunächst die gesellschaftsrechtliche Funktion eines Typusmerkmals, das für die Vermögensordnung, den Willensbildungsprozeß der Gesellschaftergesamtheit oder das Organhandeln bedeutsam sein kann. Wichtig sind ferner die möglichst vielfältige und voraussetzungslose, d.h. insbesondere die von bestimmten Sachlagen oder der Mitwirkung von Mitgesellschaftern unabhängige Einsetzbarkeit eines Einflußpotentials sowie dessen relative Größe im Verhältnis zu den Einflußpotentialen der Mitgesellschafter 427 . Anhand der genannten Kriterien und der vorangehenden Ausführungen zu den einzelnen Typusmerkmalen ergibt sich das besondere Gewicht der namhaften Kapitalbeteiligung und der persönlichen Haftung im Bereich des Unternehmerrisikos einerseits sowie der (grundsätzlich ebenfalls an den Kapitalanteil gebundenen) Stimmrechtsmacht und der Organmitgliedschaft im Bereich der Unternehmerinitiative andererseits. An das Vorhandensein dieser zentralen Typusmerkmale lassen sich daher auch widerlegliche Vermutungen knüpfen, die die Zuordnung der verschiedenen Sachverhalte zum Volltypus der gesellschaftsgebundenen unternehmerischen Tätigkeit leiten und erleichtern können. Verfügt etwa ein Gesellschafter über eine Kapitalbeteiligung von mindestens 25 % oder unterliegt er bei namhafter Kapitalbeteiligung der unbeschränkten gesellschaftsrechtlichen bzw. einer sonstigen nicht unerheblichen Haftung mit seinem Privatvermögen und ist er zugleich ein an der U n ternehmensleitung beteiligtes Organmitglied, wird man ihn grundsätzlich als volltypischen Unternehmergesellschafter bezeichnen können. Umgekehrt
Dazu näher 1. Kap. § 4 . Von Bedeutung ist hier, inwieweit und in welcher F o r m auch Mitgesellschafter das entsprechende Typusmerkmal aufweisen (z.B. Zwergbeteiligungen der übrigen Gesellschafter oder Mehrheitsbeteiligung eines anderen Gesellschafters, Alleinentscheidungsrecht oder Einstimmigkeitsprinzip). 426
427
92
1. Kapitel:
Der Typus des
Unternehmergesellschafters
müssen bei einem Gesellschafter, der keines der genannten Hauptkriterien erfüllt, zu einer immerhin noch namhaften Kapitalbeteiligung besondere U m stände wie etwa die Eigenschaft als Gründergesellschafter 428 , die vertragliche bzw. faktische Bindung von Mitgesellschaftern 429 , eine günstige, insbesondere zur Mehrheitsfähigkeit des Gesellschafters führende Anteilsstreuung 430 oder bestimmte auf die Unternehmensleitung bezogene Sonderrechte 431 teilweise kumulativ vorliegen, um ihn noch als Unternehmergesellschafter ansehen zu können. Dabei erlangt dann auch die Rechtsform und Realstruktur der Gesellschaft eine maßgebliche Bedeutung 432 . Verfügt der Gesellschafter über keine zur Mitwirkung an der Unternehmensleitung berechtigende Organmitgliedschaft, sollte eine unternehmerische Beteiligung grundsätzlich erst ab einer Kapitalbeteiligung von 25 % angenommen werden 433 . Bei der Gesamtbetrachtung der Typusmerkmale kann schließlich auch die Abgrenzung zum Gegentypus des privaten Anlagegesellschafters hilfreich sein, zu dem etwa der Klein- und Belegschaftsaktionär oder der gesetzestypische und über einen Kapitalanteil von weniger als 25 % verfügende Kommanditist sowie der typisch oder lediglich vermögensmäßig atypisch beteiligte stille Gesellschafter insbesondere einer Publikumspersonengesellschaft zu zählen sind. Der private Anlagegesellschafter unterscheidet sich nämlich nicht allein quantitativ 434 , sondern auch qualitativ von einem Unternehmergesellschafter, weshalb er nicht nur als dessen „ausgedünnte Version" 435 in Erscheinung tritt. Es handelt sich bei ihm vielmehr um einen eigenständigen Gesellschaftertypus, der seine gegebenenfalls sogar namhafte Gesellschaftsbeteiligung 436 vornehmlich als Kapitalanlage und weniger als auf den Zweck der 428 Siehe als Beispiele für einen Gründergesellschafter, der sich zwar formell weitgehend aus der Gesellschaft zurückgezogen hat, jedoch weiterhin maßgeblichen Einfluß ausübt und vom Wohlergehen der Gesellschaft abhängig ist, die Fälle zur steuerrechtlichen Mitunternehmerschaft: B F H v. 28.1.1971 B F H E 102, 362, 366 (Fortdauer der geschäftsführenden Stellung und des selbständigen Entnahmerechts nach Ausscheiden aus einer Familien-OHG) und B F H v. 29.1.1976 BStBl. II 1976, 332, 335 (Stellung des früheren Einzelunternehmers als teilweise gewinnabhängig vergüteter Alleingeschäftsführer der Komplementär-GmbH einer FamilienKG). 429 Dazu 1. Kap. § 3 C I I l a b b . 430 Siehe dazu die Nachweise in diesem Kapitel in Fn. 242 und Fn. 266. 431 Dazu 1. Kap. § 3 C II la aa. 432 Dazu 1. Kap. § 4; die Auswirkungen von Gesellschaftsform und Realstruktur auf die einzelnen Typusmerkmale wurden bereits dargelegt (1. Kap. § 3 C). 433 Zur Typizität des Beteiligungsschwellenwerts von 2 5 % bereits 1. Kap. § 3 C II la aa (aaa); anders allerdings etwa § 32a Abs. 3 S. 2 G m b H G (dazu RegE KapAEG BT-Drucks. 13/ 7141, S. 11 f.). 434 Für einen lediglich quantitativen Unterschied zwischen dem Kleinaktionär und dem Mehrheits- bzw. Alleinaktionär jedoch Friauf, D Ö V 1976, 624, 628. 435 So die Formulierung von Mülhert, Aktiengesellschaft, S. 90 und Schwark, FS Stimpel, S. 1087, 1095. 436 Im Einzelfall kann hier sogar das Potential für eine Stellung als Unternehmergesellschafter gegeben sein.
53 gemeinsamen
Merkmale des
Unternehmergesellschafterbegriffs
Unternehmensträgerschaft
ausgerichtete
93
Verbandsmitglied-
schaft betrachtet 4 3 7 und daher in erster L i n i e nach einer sicheren, renditeträchtigen, steuerlich attraktiven, fungiblen und a n o n y m e n Anlage und nicht nach u n t e r n e h m e r i s c h e r H e r r s c h a f t s m a c h t strebt 4 3 8 . F ü r den Anlagegesellschafter treten folglich die V e r m ö g e n s r e c h t e in den Vordergrund seines Beteiligungsverhältnisses 4 3 9 und die Verwaltungsrechte w e r d e n zumeist entweder gar nicht oder v o n D r i t t e n w a h r g e n o m m e n 4 4 0 . A n d e r s als für den U n t e r n e h m e r gesellschafter bildet die Gesellschaftsbeteiligung für ihn nicht die G r u n d l a g e einer B e r u f s a u s ü b u n g in der Gesellschaft oder eines wirtschaftlichen E i g e n tums am Gesellschaftsunternehmen. Charakteristisch sind daher ein gänzlich fehlendes o d e r auf G r u n d l a g e n e n t s c h e i d u n g e n beschränktes Interesse an u n t e r n e h m e r i s c h e r M i t e n t s c h e i d u n g , E i n f l u ß n a h m e und K o n t r o l l e 4 4 1 sowie eine weitgehende U n k e n n t n i s v o n den u n t e r n e h m e r i s c h e n E n t s c h e i d u n g s b e d i n gungen und -abläufen 4 4 2 . D i e einem Anlagegesellschafter für die Beteiligungsverwaltung zumeist n u r in b e g r e n z t e m U m f a n g zur Verfügung stehende Zeit wird v o n i h m nahezu ausschließlich zur Ü b e r p r ü f u n g und etwaigen K o r r e k tur seiner Anlageentscheidung genutzt.
b) Schematische Berücksichtigung
der
Typusmerkmale
E i n e schematische und annähernd begriffliche K o n t u r e n gewinnende G e samtbetrachtung ist hingegen v o r z u n e h m e n , w e n n es auf eine einfache u n d / oder rechtssichere A n w e n d u n g der betreffenden Regelung a n k o m m t . I n diesen Fällen hat man zu Lasten der materiellen G e r e c h t i g k e i t auf das Vorliegen b e s t i m m t e r M e r k m a l s k o m b i n a t i o n e n abzustellen, die für den B e t r o f f e n e n , seine Mitgesellschafter und G e s c h ä f t s p a r t n e r sowie für B e h ö r d e n und G e richte verhältnismäßig leicht ü b e r p r ü f b a r sind und in den allermeisten Fällen die für den Volltypus des Unternehmergesellschafters typische K o m b i n a t i o n
437 BVerfG v. 7.8.1962 BVerfGE 14, 263, 283; BVerfG v. 1.3.1979 BVerfGE 50, 290, 348; BGH v. 9.11.1992 BGHZ 120,141,151; Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 64ff. und 88ff.; Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. 1, S. 488f. 438 Wiedemann, BB 1975, 1591, 1596; ders., ZGR 1975, 385, 392; Hirte, Bezugsrechtsausschluß, S. 216; vgl. dazu auch die korrespondierenden Schutzbedürfnisse der Anleger bei Hopt, Kapitalanlegerschutz, S. 82ff. 439 BGH v. 9.11.1992 BGHZ 120, 141, 151; v. Gierke, Genossenschaftstheorie, S. 240; Mestmäcker, Verwaltung, S. 346. 440 Dazu nur Lütter, Aktionär, S. 26 und 30; Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. 1, S. 301. 441 Großfeld, Aktiengesellschaft, S. 14ff. m.w.N., der zugleich (S. 190ff.) für eine Reaktivierung des Anlagegesellschafters (Kleinaktionärs) im Interesse der vom Wettbewerbsprinzip gebotenen gesellschaftsinternen Machtkontrolle plädiert; ferner Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. 1, S. 301 und 488f. („passive property"); Schredelseker, Eigentümerkontrolle, S. 122ff. (Absentismus); Rittstieg, Eigentum, S. 351 („abwesender Eigentümer"); teilweise krit. Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 115f. und 136ff. 442 BVerfG v. 7.8.1962 BVerfGE 14, 263, 283; Wiedemann, BB 1975, 1591, 1593.
94
1. Kapitel: Der Typus des
Unternehmergesellschafters
aus Unternehmerrisiko und Unternehmerinitiative widerspiegeln. Dies kann wiederum nur mit Hilfe der bereits als zentral herausgestellten Kriterien der Kapital- und Geschäftsführungsbeteiligung geschehen. Der Unternehmergesellschafter muß daher in Anlehnung an die obigen Ausführungen entweder an der Geschäftsführung und zu mindestens 5 % (börsennotierte Aktiengesellschaften) bzw. 10% (übrige Gesellschaften) am Kapital der Gesellschaft beteiligt sein443 oder über eine ausschließlich kapitalmäßige Beteiligung von mindestens 25 % verfügen 444 . Die prinzipielle Eignung der genannten Kriterien wird auch dadurch bestätigt, daß die meisten gesetzlichen Regelungen, in denen der schematische Typus der gesellschaftsgebundenen unternehmerischen Tätigkeit eine Rolle spielt, ebenfalls - wenn auch teilweise in abweichender Form - auf sie zurückgreifen. So wird nach § 32a Abs. 3 S. 2 G m b H G eine Finanzierungsverantwortung aufgrund unternehmerischer Beteiligung dann ausgeschlossen, wenn der Gesellschafter weder an der Geschäftsführung noch mit mehr als 10% am Stammkapital der Gesellschaft beteiligt ist445. Die früher erst ab einer Kapitalbeteiligung von 25 % 446 und dann 20 % 447 einsetzende Meldepflicht für deutsche Investitionen im Ausland bzw. ausländische Investitionen in Deutschland, die zum Zweck der eigenen unternehmerischen Betätigung durch unmittelbare Einflußnahme auf die Geschäftstätigkeit des kapitalnehmenden Unternehmens vorgenommen werden (Direktinvestitionen) 448 , besteht inzwischen bereits ab einer Kapital- oder Stimmrechtsbeteiligung von 10% (§ 56a Abs. 1 Nr. 1 bzw. § 58a Abs. 1 Nr. 1 AWV), wobei die Problematik der aus Gründen der Praktikabilität erfolgenden Schematisierung stets er-
443 Zur Typizität der Mindestbeteiligungsschwellen von 5 % bzw. 10% und der Geschäftsführungsbeteiligung bereits 1. Kap. § 3 C I 1 und II la aa (ccc); zur Problematik der Typisierung siehe allerdings auch B G H v. 13.4.1994 B G H Z 125, 366, 368f. (keine maßgebliche Gesellschafterstellung einer zu 2 0 % beteiligten und als Strohgeschäftsführerin fungierenden Ehefrau). 444 Zur Typizität der Beteiligungsschwelle von 25 % bereits 1. Kap. § 3 C II l a a a (aaa); zur Verfassungsmäßigkeit der typisierenden Differenzierung mit Hilfe dieser Beteiligungsschwelle siehe BVerfG v. 14.12.1966 BStBl. III 1967, 166, 167; BVerfG v. 7.10.1969 BVerfGE 27, 111, 128ff. und BVerfG v. 20.11.1984 N J W 1986, 421. 445 Siehe dazu näher und teilweise krit. 4. Kap. § 2 D II 1. 446 Die bis zur Einführung der §§ 56a Abs. 1 Nr. 1 und 58a Abs. 1 Nr. 1 AWV gültige Beteiligungsschwelle von 25 %, ab der nach Ansicht der Deutschen Bundesbank sicher mit einem maßgeblichen unternehmerischen Einfluß auf die Geschäftspolitik zu rechnen sei (Monatsberichte der Deutschen Bundesbank 1979 Nr. 4, S. 38), entsprach früher auch internationalem Standard (siehe dazu die Nachweise bei Heidhues, Theorie, S. 14). 447 So § 56a Abs. 1 Nr. 1 bzw. § 58a Abs. 1 Nr. 1 AWV in der bis 1998 gültigen Fassung. 448 Zum Begriff der Direktinvestition und seiner Abgrenzung vom Gegenbegriff der zu Anlagezwecken vorgenommenen Portfolioinvestition siehe etwa die Monatsberichte der Deutschen Bundesbank 1965 Nr. 12, S. 19; Heidhues, Theorie, S. 12 ff.; Weichenrieder, Besteuerung, S. 4; Braun, Direktinvestition, S. 7; § 57 Abs. 1 Nr. 1 AWV a.E definierte die Direktinvestition noch als Investition zur Schaffung dauerhafter Wirtschaftsverbindungen.
5-3
Merkmale
des
Unternehmergesellschafterbegriffs
95
kannt wurde 449 . Auch in den Muster-Doppelbesteuerungsabkommen beträgt die Beteiligungsschwelle für Direktinvestitionen zwischen 10% (UN-Musterabkommen) und 25% (OECD-Musterabkommen) 450 . Sofern es bei der Ermittlung des wahren Werts von Gesellschaftsbeteiligungen nach dem Stuttgarter Verfahren (§ 11 Abs. 2 S. 1 BewG i.V.m. Abschn. 4ff. VStR) auf das Vorhandensein eines Einflusses auf die Geschäftsführung, d.h. die Willensbildung in der Gesellschafter- bzw. Hauptversammlung ankommt, wird ein solcher Einfluß ebenfalls erst ab einer Mindestkapitalbeteiligung von 5 % (AG) bzw. 10% (GmbH) für möglich gehalten und ab einer Beteiligung von mindestens 25% als sicher angesehen (Abschn. 9 Abs. 1 VStR) 451 . Aus steuerpolitischen Gründen wurden inzwischen die maßgeblichen Kapitalbeteiligungsschwellen für die steuerrechtlichen Schachtelprivilegien (vgl. § 102 BewG, § 9 Nr. 2a GewStG, § 26 Abs. 2 KStG) von 25 % auf 10 % herabgesetzt 452 . Die Inhaberkontrolle nach §§ 1 Abs. 9, 2b, 33 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, 44b KWG beginnt gleichfalls ab einem Kapital- oder Stimmrechtsanteil von 10%. Die Beteiligungsschwellen des § 271 Abs. 1 S. 3 HGB (mehr als 20% an einer Kapitalgesellschaft) und des § 37 Abs. 1 Nr. 3 lit. b GWB (mindestens 2 5 % ) begründen eine widerlegliche bzw. unwiderlegliche Vermutung für das Vorhandensein einer dauernden Unternehmensverbindung bzw. eines wettbewerbsrechtlich relevanten Einflusses. Nach § 74 Abs. 2 S. 1 A O gilt schließlich eine Person als wesentlich beteiligt, wenn sie unmittelbar oder mittelbar zu mehr als 25 % am Grund- bzw. Stammkapital oder am Vermögen des Unternehmens beteiligt ist453. § 29 Abs. 2 WpUG geht sogar schon ab einem Stimmrechtsanteil von 30% davon aus, daß der betreffende Gesellschafter die Kontrolle über eine börsennotierte Gesellschaft ausübt. Das bisweilen ebenfalls zur vereinfachten Erfassung von Unternehmergesellschaftern herangezogene Kriterium der unbeschränkten gesellschaftsrechtlichen Außenhaftung für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft 454 ist D a z u e t w a Weichenrieder, Besteuerung, S. 4 und Heidhues, Theorie, S. 13. D a z u K. Vogel, D B A Art. 10 R n . 82 ( U N - M A ) bzw. 76 ( O E C D - M A ) . 451 Ein Einfluß auf die Geschäftsführung soll danach nicht nur bei einer Kapitalbeteiligung von unter 5 % bzw. 10 % ausscheiden, sondern grundsätzlich auch bei einem Kapitalanteil von w e n i g e r als 2 5 % , w e n n ein anderer Gesellschafter über einen Kapitalanteil von mehr als 5 0 % verfügt (dazu e t w a B F H v. 5.7.1968 BStBl. II 1968, 734, 735; B F H v. 23.7.1976 BStBl. II 1976, 706, 707f.). Bei einer Kapitalbeteiligung von mindestens 25 % ist w e g e n des damit gesicherten unternehmerischen Einflusses (dazu etwa B F H v. 12.3.1971 B F H E 101, 550, 553; B F H v. 24.1.1975 B F H E 115, 58, 61; B F H v. 2.10.1981 B F H E 134, 167, 171 f.) z u d e m gegebenenfalls ein Paketzuschlag gemäß § 11 Abs. 3 B e w G zu berücksichtigen (dazu e t w a B F H v. 15.2.1974 BStBl. II 1974, 443, 444f.); siehe dazu auch den Vorschlag z u r E i n f ü h r u n g einer festen Beteiligungsschwelle in H ö h e von 1 5 % von Risse, BB 1977, 286, 287. 452 Siehe dazu BT-Drucks. 14/23, S. 178 bzw. BT-Drucks. 10/336, S. 22. 453 Zur Verfassungsmäßigkeit der typisierenden Differenzierung BVerfG v. 14.12.1966 BStBl. III 1967, 166, 167 (zu § 115 A O a.F.); näher d a z u 2. Kap. § 1 A I 4b. 454 Siehe e t w a B G H v. 9.6.1980 B G H Z 77, 233, 236ff. (zur betriebsrentenrechtlichen Eino r d n u n g v o n G e s e l l s c h a f t e r - G e s c h ä f t s f ü h r e r n ; d a z u n ä h e r 3. K a p . § 2 D I 2 b ) ; B G H v. 449 450
96
1. Kapitel: Der Typus des
Unternehmergesellschafters
hingegen für eine gesellschaftsformübergreifende B e t r a c h t u n g weniger geeignet. Z w a r ist in den Personengesellschaften mit der u n b e s c h r ä n k t e n persönlic h e n H a f t u n g grundsätzlich auch eine Beteiligung an der G e s c h ä f t s f ü h r u n g und organschaftlichen Vertretung der Gesellschaft verbunden, d o c h k a n n die (interne) Rechtsstellung eines solchen Gesellschafters durchaus derjenigen eines angestellten G e s c h ä f t s f ü h r e r s (Verzicht auf einen Kapitalanteil, interne H a f t u n g s b e f r e i u n g ) bzw. Anlagegesellschafters ( E n t z u g der G e s c h ä f t s f ü h rungs- und Vertretungsbefugnis sowie des Z u s t i m m u n g s r e c h t s ) angenähert werden 4 5 5 und andererseits auch ein Kapitalgesellschafter erhebliche persönlic h e H a f t u n g s r i s i k e n eingehen 4 5 6 . D a h e r sollte man besser auf die vorgeschlagene K o m b i n a t i o n v o n M i n d e s t k a p i t a l - und
Geschäftsführungsbeteiligung
abstellen, die grundsätzlich auch den gesetzestypischen persönlich haftenden Gesellschafter erfaßt.
2. Aspektbezogene
Gesamtbetrachtung
I n zahlreichen R e c h t s a n w e n d u n g s s i t u a t i o n e n k o m m t es aufgrund des R e gelungszwecks nicht auf eine Z u o r d n u n g des Sachverhalts z u m Volltypus des Unternehmergesellschafters, sondern lediglich auf eine Z u o r d n u n g zu einem b e s t i m m t e n A s p e k t der gesellschaftsgebundenen U n t e r n e h m e r t ä t i g k e i t an. I n s o w e i t ist dann die G e s a m t b e t r a c h t u n g auf die für diesen A s p e k t relevanten T y p u s m e r k m a l e zu begrenzen und der B e g r i f f des U n t e r n e h m e r g e s e l l s c h a f ters nur ein O b e r b e g r i f f für b e s t i m m t e m a ß g e b l i c h werdende Teilerschein u n g s f o r m e n wie den u n t e r n e h m e r i s c h beteiligten Gesellschafter (Relevanz des U n t e r n e h m e r r i s i k o s ) , den u n t e r n e h m e r i s c h tätigen Gesellschafter ( R e l e vanz der U n t e r n e h m e r i n i t i a t i v e ) , den b e s t i m m u n g s m ä c h t i g e n Gesellschafter (Relevanz des Willensbeherrschungsaspekts) und den wirtschaftlichen A l leingesellschafter (Relevanz der wirtschaftlichen Identität). M e t h o d i s c h läßt sich aber auch hier eine auf den jeweiligen A s p e k t b e z o g e n e umfassende und eine schematische B e t r a c h t u n g der T y p u s m e r k m a l e unterscheiden.
30.10.1954 N J W 1954, 1933 (zum Berechnungsdurchgriff im Rahmen der Prozeßkostentragung; dazu näher 5. Kap. § 3 B I la); Valgolio, in: Hauck/Noftz SGB III § 134 Rn. 62ff. (zur Zurechnung der Angehörigeneigenschaft im Rahmen von § 134 Abs. 2 Nr. 1 SGB III; dazu näher 5. Kap. § 2 B I V 1 ) ; § 1 Abs. 2 lit. a FlaggenrechtsG 1990 (näher zur Zurechnung der Staatsangehörigkeit 5. Kap. § 3 B II lb); O L G Hamm v. 22.9.1960 VersR 61, 505, 506 (versicherungsrechtliche Repräsentantenstellung von persönlich haftenden Gesellschaftern; dazu näher 6. Kap.§ 2 B III 3). 455 Dazu etwa B G H v. 17.3.1966 B G H Z 45,204 ff. (KG); obiter B G H v. 9.6.1980 B G H Z 77, 233,239 (KG); U. Huber, Vermögensanteil, S. 289ff. (persönlich haftender, geschäftsführungsberechtigter Gesellschafter ohne Kapitalanteil); teilweise krit. zu diesen Gestaltungsmöglichkeiten Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. 1, S. 334 und 547f. sowie Schlegelberger/Afartews, § 164 Rn. 29. 456 Dazu 4. Kap. § 2.
§3
a) Umfassende Typusmerkmale
Merkmale des
Berücksichtigung
Unternehmergesellsckafterbegriffs
der
97
aspektbezogenen
Die umfassende aspektbezogene Gesamtbetrachtung unterscheidet sich von der umfassenden Gesamtbetrachtung allein durch ihre Beschränkung auf die aspektrelevanten Typusmerkmale. So konzentriert sich etwa im Zusammenhang mit der ergänzenden Vermögenszurechnung 457 oder der Identifikation wegen bestehender Vermögensverflechtungen 458 die Betrachtung auf die unternehmerische Beteiligung und mithin die Elemente des Unternehmerrisikos (unternehmerisch beteiligter Gesellschafter), während andererseits bei Bestimmungen, in denen es wie etwa im Zusammenhang mit dem personellen Geltungsbereich von Wettbewerbsverboten oder bei der notwendigen Zurechnung von Eigenschaften um Informations- und Einflußnahmemöglichkeiten bzw. die maßgebliche Prägung der unternehmerischen Gesellschaftstätigkeit geht, in besonderer Weise die Elemente der gesellschaftsrechtlich vermittelten und faktischen Unternehmerinitiative zu berücksichtigen sind (unternehmerisch tätiger Gesellschafter). Setzt der Regelungszweck wie etwa bei bestimmten Fällen der Staatsangehörigkeitszurechnung 459 und bei der Identifikation aufgrund bestehender Willensbildungseinheit 460 einen besonderen Gesellschaftereinfluß voraus, kann dieser nur durch eine herausgehobene Organstellung (insbesondere eine Alleingeschäftsführerstellung) in Verbindung mit anderen Elementen der Unternehmerinitiative (insbesondere einer Sperrminorität) oder durch eine beherrschende Nur-Gesellschafterstellung (vgl. § 1 7 AktG) begründet werden (bestimmungsmächtiger Gesellschafter). Auch die angeführten subjektiven Elemente der unternehmerischen Tätigkeit, d.h. die unternehmerischen Absichten und Interessen, erlangen nicht in allen Fällen eine Bedeutung, da es insbesondere in Haftungsfragen bisweilen ausschließlich auf objektive Umstände ankommt 461 . Die als relevant erachteten Typusmerkmale sind anschließend wiederum im Interesse der materiellen Gerechtigkeit umfassend für den jeweilgen Sachverhalt zu ermitteln, zu gewichten und zu bewerten.
Dazu 5. Kap. § 3 B I. Dazu 6. Kap. § 2 B IV-VII. 459 Dazu 5. Kap. § 3 B II l b cc und dd. 460 Dazu 6. Kap. § 2 B I l c aa, 2b bb und 4b bb. 461 Siehe dazu für die Gesellschafterhaftung 4. Kap. § 1 B I 3 einerseits und etwa 4. Kap. § 2 C III oder § 2 D I 2 andererseits. 457
458
98
1. Kapitel: Der Typus des
Unternehmergesellschafters
b) Schematische Berücksichtigung der Typusmerkmale
aspektbezogenen
Nicht selten bedarf es auch in Fällen der aspektbezogenen Gesamtbetrachtung einer einfachen und/oder rechtssicheren Handhabung des Unternehmergesellschafterbegriffs, in denen dann wiederum auf das Vorliegen bestimmter, für den jeweiligen Aspekt der unternehmerischen Gesellschaftertätigkeit typischer Merkmalskombinationen abzustellen ist. In einigen Fällen weicht dabei die Typusbetrachtung methodisch bereits der ausschließlichen Subsumtion unter bestimmte Begriffsmerkmale (absolute Stimmrechtsmehrheit, Alleinbeteiligung). Kommt es praktisch ausschließlich auf Elemente des Unternehmerrisikos an, wird man bei einem bestehenden Schematisierungsbedarf auf die unbeschränkte persönliche Haftung oder eine Kapitalbeteiligung von mindestens 25 % abstellen (unternehmerisch beteiligter Gesellschafter). Geht es andererseits um eine schematische Erfassung der Unternehmerinitiative, muß der betreffende Gesellschafter an der Geschäftsführung und Vertretung der Gesellschaft beteiligt sein sowie zumindest über eine Sperrminorität verfügen (unternehmerisch tätiger Gesellschafter). In einigen Fällen kann es schließlich auf eine schematische Berücksichtigung der einflußreichen Gesellschafterstellung durch die mit einer Sperrminorität verbundene Alleingeschäftsführerstellung bzw. eine absolute Stimmrechtsmehrheit (bestimmungsmächtiger Gesellschafter) 462 oder der wirtschaftlichen Identität mit der Gesellschaft (wirtschaftlicher Alleingesellschafter) 463 ankommen.
D. Beteiligung
als
Privatgesellschafter
Der Unternehmergesellschafter ist schließlich dadurch gekennzeichnet, daß er sich als sogenannter Privatgesellschafter im Gegensatz zum Unternehmensgesellschafter lediglich an einer einzigen unternehmenstragenden Gesellschaft unternehmerisch beteiligt und damit im Sinne des heute herrschenden teleologischen Unternehmensbegriffs kein Unternehmen im Sinne des Rechts der verbundenen Unternehmen darstellt, von dessen zumindest direktem Anwendungsbereich er folglich ausgenommen ist.
462 Siehe dazu einzelne Fälle der ergänzenden Zurechnung (5. Kap. § 3 II l b cc und dd) und der Identifikation wegen bestehender Interessen- und Willensbildungseinheit (6. Kap. § 2 B I l c aa und 2 b bb). 463
Siehe dazu die Fälle einer Identifikation wegen absoluter Willensgemeinschaft (6. Kap.
S 2 B II).
§3
Merkmale des
I. Maßgeblichkeit
99
Unternehmergesellschafterbegriffs
des teleologischen
Unternehmensbegriffs
D e r U n t e r n e h m e n s b e g r i f f ist als T a t b e s t a n d s m e r k m a l sämtlicher N o r m e n des R e c h t s der v e r b u n d e n e n U n t e r n e h m e n dessen K e r n b e g r i f f . Seine B e s t i m m u n g bereitet j e d o c h nicht u n e r h e b l i c h e Schwierigkeiten, da der G e s e t z g e b e r angesichts der damit aus seiner Sicht verbundenen praktischen P r o b l e m e b e w u ß t auf eine Begriffsdefinition verzichtet hat 464 . B e t r a c h t e t m a n z u d e m die Verwendung
des
Unternehmensbegriffs
im
außerjuristischen
Sprachge-
brauch 4 6 5 , im U n t e r n e h m e n s r e c h t überhaupt 4 6 6 , im gesamten Aktienrecht 4 6 7 oder auch n u r im R e c h t der verbundenen U n t e r n e h m e n selbst 4 6 8 , wird die ganz unterschiedliche V e r w e n d u n g des U n t e r n e h m e n s b e g r i f f s deutlich. M i t dem kleinsten gemeinsamen N e n n e r aller U n t e r n e h m e n s b e g r i f f e stünde andererseits kein aussagekräftiger und trennscharfer B e g r i f f m e h r zur Verfügung, so daß dieser anschließend wieder für die Z w e c k e des R e c h t s der verb u n d e n e n U n t e r n e h m e n inhaltlich modifiziert und konkretisiert
werden
müßte 4 6 9 . I m k o n z e r n r e c h t l i c h e n S c h r i f t t u m werden für g e w ö h n l i c h ein institutioneller, ein funktionaler und ein teleologischer U n t e r n e h m e n s b e g r i f f u n t e r schieden. N a c h der als institutionell bezeichneten Auffassung ist das U n t e r n e h m e n als O r g a n i s a t i o n zu verstehen und setzt daher äußerlich w a h r n e h m bare und dauerhaft wirtschaftlich genutzte E i n r i c h t u n g e n voraus 4 7 0 . F ü r die Vertreter des funktionalen U n t e r n e h m e n s b e g r i f f s gilt hingegen jeder Träger einer marktstrategischen Planungs- und Entscheidungsgewalt und mithin u n ter U m s t ä n d e n auch ein Privatgesellschafter als U n t e r n e h m e n i.S.d. §§ 15ff.
464 Begründung RegE zu § 15 AktG bei Kropff, Aktiengesetz, S. 27; dazu auch BGH v. 13.10.1977 BGHZ 69, 334, 336. 465 Zum betriebswirtschaftlichen Unternehmensbegriff etwa Hohrmann, Konzernunternehmer, S. 27; zum allgemeinen Sprachgebrauch etwa Zöllner, ZGR 1976, 1,14; Koppensteiner, ZGR 1979, 91, 93 f. und Lutter, ZHR 151 (1987), 444, 451 f. 466 Zur Vielfältigkeit des Unternehmensbegriffs außerhalb des AktG siehe nur Geßler, in: Geßler/Hefermehl §15 Rn. 9; Zöllner, ZGR 1976, 1, 4; K.Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 31 II 1 und Handelsrecht, § 4 I; Kort, DB 1986, 1909, 1910. 467 Dazu nur BGH v. 13.10.1977 BGHZ 69, 334, 336; KK/Koppensteiner, § 15 Rn. 9. 468 Zur Unterschiedlichkeit des Unternehmensbegriffs in den Begriffskombinationen „herrschendes Unternehmen" und „abhängiges Unternehmen" siehe etwa KK! Koppensteiner, § 15 Rn. 10; MünchHdb.GesR IV¡Krieger, § 68 Rn. 5,13; Luchterhandt, ZHR 132 (1969), 149, 153; a.A. Nordmeyer, Unternehmensbegriff, S. 79ff.; zu möglichen Unterschieden des Unternehmensbegriffs im Aktienkonzernrecht und GmbH-Konzernrecht siehe Ehlke, DB 1986, 523, 524f. und Priester, ZIP 1986, 137, 141 f.; zu Forderungen nach einer Begriffsdifferenzierung anhand des Zwecks der jeweiligen konzernrechtlichen Norm siehe zudem etwa K. Schmidt, ZHR 155 (1991), 417, 432f. und Hohrmann, Konzernunternehmer, S. 67ff. 469 Anders allerdings Raisch, JZ 1966, 549, 555. 470 Nordmeyer, Unternehmensbegriff, S. 78; Luchterhandt, ZHR 132 (1969), 149, 155; Bachelin, Minderheitenschutz, S. 9; großzügig Godin/Wilhelmi § 15 Anm. 2 (Ausreichen bloßer Beteiligungsverwaltung) und Raisch, JZ 1966, 549, 555 (Ausreichen einer Schreibmaschine).
100
1. Kapitel: Der Typus des
Unternehmergesellschafters
AktG 4 7 1 . Nach inzwischen herrschender Ansicht ist zur Bestimmung des U n ternehmensbegriffs jedoch insbesondere auf den Normzweck des Rechts der verbundenen Unternehmen abzustellen, der darin bestehen soll, die Minderheitsgesellschafter und Gläubiger vor der Verfolgung fremdunternehmerischer Interessen zu schützen 472 . Dieser sogenannte teleologische Unternehmensbegriff hat sich mit Recht durchgesetzt, da er den Vorgaben der systematischen, historischen und teleologischen Auslegung am besten gerecht wird. Gesetzessystematisch spricht für den teleologischen Unternehmensbegriff zunächst, daß er die Unternehmenseigenschaft aus dem Verhältnis zu einem anderen als dem untergeordneten Unternehmen ableitet und folglich Überschneidungen mit den Qualifikationstatbeständen der §§ 16 ff. AktG, die an das Verhältnis zum untergeordneten Unternehmen anknüpfen, vermieden werden 473 . Im Gegensatz zum funktionalen Unternehmensbegriff widerspricht der teleologische Unternehmensbegriff auch weder der Regelung des § 18 Abs. 2 AktG 4 7 4 und des § 134 Abs. 1 S. 4 AktG 4 7 5 noch dem Willen des historischen Gesetzgebers, zwischen dem Privatgesellschafter und dem Unternehmensgesellschafter zu unterscheiden 476 . Nach dem erklärten Zweck des Rechts der verbundenen Unternehmen kann es ferner nicht darauf ankommen, ob der konzernrechtlich relevante Interessenkonflikt auf einer gegenständlichen Ausprägung der unternehmerischen Tätigkeit des Gesellschafters beruht oder nicht 477 . Das Recht der verbundenen Unternehmen bezweckt schließlich entgegen dem funktionalen Unternehmensbegriff auch nicht den Schutz der Minderheitsgesellschafter vor der Ausübung jeglicher Leitungsmacht, sondern nur vor der für Mitgesellschafter und Gläubiger besonders gefährlichen Wahrnehmung fremdun-
Kropff, BB 1965, 1281, 1285; Möhring, NJW 1967, 1; Rasch, Konzernrecht, S. 25f. Siehe nur BGH v. 13.10.1977 BGHZ 69, 334, 337; BGH v. 23.9.1991 BGHZ 115, 187, 190; B G H v. 29.3.1992 BGHZ 122, 123, 127f.; Kort, DB 1986,1909,1910; Luchterhandt, ZHR 132 (1969), 149, 154ff.; Ellerich, Unternehmenseigenschaft, S. 86ff.; Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, S. 1; Zöllner, ZGR 1976, 1, 7. 473 Zur systematisch notwendigen Unterscheidung der Begriffe Unternehmen und Unternehmensverbindung etwa Zöllner, ZGR 1976, 1,17 und KK/Koppensteiner, § 15 Rn. 11. 474 Dazu näher KK/Koppensteiner, § 15 Rn. 17; Milde, Gleichordnungskonzern, S. 16 f.; Bachelin, Minderheitenschutz, S. 8; a.A. Möhring, NJW 1967, 1 (Fn. 12). 475 Dazu näher Zöllner, ZGR 1976, 1,15. 476 So hat sich der Wirtschaftsausschuß im Zusammenhang mit der Meldepflicht gemäß §§ 20 f. AktG ausdrücklich gegen den Vorschlag gewandt, das Recht der verbundenen Unternehmen auf jede herrschende Person unabhängig von ihrer Unternehmensqualität anzuwenden (dazu etwa Flume, Grundfragen, S. 45 f.), da bei einem Privatgesellschafter die Gefahr einer Benachteiligung der Gesellschaft wesentlich geringer sei als bei einem Unternehmensgesellschafter (bei Kropff, Aktiengesetz 1965, S. 41 f.). 477 So auch Milde, Gleichordnungskonzern, S. 19; generell zur Kritik am institutionellen Unternehmensbegriff auch KK/Koppensteiner, § 15 Rn. 18; Zöllner, ZGR 1976, 1, 10 und Hohrmann, Konzernunternehmer, S. 16. 471
472
§3
Merkmale des
Unternehmergesellschafterbegriffs
101
ternehmerischer Interessen 478 . Dem Schutz vor einer die Gesellschaft schädigenden Einflußnahme des Privataktionärs sollen nämlich nur die §§117 und 243 Abs. 2 A k t G sowie der allgemeine gesellschaftsrechtliche Minderheitenschutz dienen 479 . Es ist daher mit der herrschenden Meinung davon auszugehen, daß der konzernrechtliche Unternehmensbegriff neben der Rechtssubjektsqualität 480 eine wirtschaftliche Interessenbindung des übergeordneten Unternehmens außerhalb des untergeordneten Unternehmens voraussetzt, die stark genug ist, die ernste Besorgnis zu begründen, der betreffende Gesellschafter könne um ihretwillen seinen Einfluß zum Nachteil der Gesellschaft und damit der Mitgesellschafter und Gesellschaftsgläubiger geltend machen 481 . Damit genügt eine alleinige Beteiligung an der untergeordneten Gesellschaft auch dann nicht, wenn es sich um eine Mehrheitsbeteiligung handelt 482 , in der untergeordneten Gesellschaft tatsächlich Leitungsmacht ausgeübt wird 483 oder die Beteiligung mit Hilfe eines geschäftsbetriebsartigen Apparats verwaltet wird 484 . Andererseits kommen damit aber auch natürliche oder juristische Personen, die kein Handelsgewerbe betreiben, sowie die öffentlichen Rechtsträger als konzernrechtliche Unternehmen in Betracht, sofern nur die beschriebene Konfliktlage denkbar ist485.
478 Dazu Milde, Gleichordnungskonzern, S. 17; Geßler, in: Geßler/Hefermehl § 15 Rn. 16ff.; Zöllner, Z G R 1976,1, 7f.; Kort, DB 1986,1909; Luchterhandt, Z H R 132 (1969), 149, 152 ff. 479 Ebenso Luchterhandt, Z H R 132 (1969), 149, 158; Zöllner, ZGR 1976, 1, 6f. 480 Zu diesem Begriffsmerkmal nur Zöllner, ZGR 1976, 1, 4f. und Milde, Gleichordnungskonzern, S. 10ff.; zur Irrelevanz der Rechtsform siehe nur die Begründung RegE zu § 15 AktG bei Kropff, Aktiengesetz 1965, S. 27; zur möglichen Unternehmenseigenschaft natürlicher Personen nur B G H v. 13.10.1977 B G H Z 69, 334, 338 (obiter); B G H v. 16.9.1985 B G H Z 95, 330, 337; B G H v. 23.9.1991 B G H Z 115,187,189ff.; B G H v. 29.3.1992 B G H Z 122,123,127f.; B G H V. 25.11.1996 W M 1997, 316, 317; Hommelhoff, Z G R 1994, 395, 397f.; Möhring, N J W 1967, 1; a.A. Zöllner, Z G R 1976, 1, 13 ff. 481 B G H v. 13.10.1977 B G H Z 69, 334,337f.; B G H v. 8.5.1979 B G H Z 74, 359, 364f. (zu § 23 Abs. 1 S. 2 GWB a.E); B G H v. 16.2.1981 B G H Z 80, 69, 72; B G H v. 16.9.1985 B G H Z 95, 330, 337; B G H v. 23.9.1991 B G H Z 115, 187, 189ff.; B G H v. 9.1.1992 B G H Z 117, 8, 16; B G H v. 13.12.1993 N J W 1994, 446; B G H v. 17.3.1997 WM 1997, 967, 969; KK/Koppensteiner, § 15 Rn. 22 ff.; Lutter, Z H R 151 (1987), 444,451; Ulmer, N J W 1986,1579,1581; Zöllner, Z G R 1976, 1,5. 482 B G H v. 13.10.1977 B G H Z 69, 334, 337; Zöllner, Z G R 1976, 1, 5; Ellerich, Unternehmenseigenschaft, S. 87; a.A. Rasch, Konzernrecht, S. 25. 483 Zöllner, ZGR 1976, 1, 5ff.; KK/Koppensteiner, § 15 Rn. 16f.; Luchterhandt, Z H R 132 (1969), 149, 162; Ellerich, Unternehmenseigenschaft, S. 87; a.A. Möhring, N J W 1967, 1. 484 KK/Koppensteiner, § 15 Rn. 15; Zöllner, Z G R 1976, 1, 9ff.; Luchterhandt, Z H R 132 (1969), 149, 155 f.; a.A. Godin/Wilhelmi, § 15 Anm. 2; Bachelin, Minderheitenschutz, S. 10. 485 B G H v. 13.10.1977 B G H Z 69, 334, 337; B G H v. 16.9.1985 B G H Z 95, 330, 337; KK/ Koppensteiner, § 15 Rn. 32; a.A. Zöllner, Z G R 1976, 1, 13ff. (u.a. unter Hinweis auf § 309 Abs. 1 AktG).
102
1. Kapitel:
Der Typus des
II. Fehlende anderweitige
Unternehmergesellschafters
unternehmerische
Interessenbindung
Als Privatgesellschafter darf der Unternehmergesellschafter bei Zugrundelegung des teleologischen Unternehmensbegriffs daher weder als Unternehmensträger noch aufgrund multiplen Beteiligungsbesitzes maßgebliche anderweitige unternehmerische Interessen verfolgen.
1. Keine anderweitige
Interessenhindung
als
Unternehmensträger
Die anderweitige Interessenbindung eines Gesellschafters kann sich zunächst daraus ergeben, daß er unmittelbar ein Unternehmen betreibt und damit seinerseits Unternehmensträger ist. Dies gilt nach allgemeiner Ansicht auch für die einzelkaufmännische 486 und branchenfremde 487 unternehmerische Betätigung. Fraglich ist in diesem Zusammenhang lediglich, ob die Unternehmensqualität auch natürlichen Personen zukommt, die eine freiberufliche oder kleingewerbliche Tätigkeit ausüben, und welche Anforderungen an das Betreiben eines anderen Unternehmens durch den übergeordneten Rechtsträger zu stellen sind. So wird teilweise angenommen, daß der konzernrechtstypische Interessenkonflikt nur bei Trägern eines eine kaufmännische Einrichtung erfordernden Gewerbes und nicht bereits beim Betrieb eines Kleingewerbes auftreten könne und daß die Annahme einer Unternehmensträgerschaft dem Leitbild der freiberuflichen Tätigkeit zuwiderlaufe 488 . Diese Auffassung ist jedoch als zu eng abzulehnen, da der konzernrechtliche Interessenkonflikt auch dann auftreten kann, wenn der übergeordnete Rechtsträger ein Kleingewerbe betreibt oder einen freien Beruf ausübt 489 und man die Eignung von Freiberuflern zum Unternehmensträger nicht unter Hinweis auf ein ohnehin im Wandel begriffenes angebliches Leitbild der freiberuflichen Tätigkeit verneinen sollte. Zur Erzielung gerechter Ergebnisse wäre man ansonsten auf eine analoge Anwendung konzernrechtlicher Vorschriften angewiesen 490 . Der Verzicht auf das Erfordernis eines handelsge486 So bereits ausdrücklich die Begründung RegE zu § 15 AktG bei K r o p f f , Aktiengesetz 1965, S. 27; siehe zur Unternehmenseigenschaft des Einzelkaufmanns zudem BGH v. 23.9.1991 BGHZ 115, 187, 190ff.; K K / K o p p e n s t e i n e r , § 15 Rn. 20; Zöllner, ZGR 1976, 1, 10 und Timm, NJW 1992, 2185, 2188. 487 K K / K o p p e n s t e i n e r , § 15 Rn. 19. 488 Bachelin, Minderheitenschutz, S. 9ff.; Zöllner, ZGR 1976, 1, 11 f.; Milde, Gleichordnungskonzern, S. 34 ff.; zu diesbezüglichen Differenzierungen zwischen dem Aktienkonzern und dem GmbH-Konzern siehe Ehlke, DB 1986, 523, 524ff. und Priester, ZIP 1986, 137,141 f. 489 BGH v. 19.9.1994 NJW 1994, 3288, 3290; BGH v. 27.3.1995 NJW 1995, 1544, 1545; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 31 II 1 a; K K / K o p p e n s t e i n e r , § 15 Rn. 20; H ü f f e r , AktG § 15 Rn. 11; a.A. Leo, AG 1965, 352, 353; Nordmeyer, Unternehmensbegriff, S. 73f. 4,0 So dann auch konsequent Zöllner, ZGR 1976, 1, 12 (insbesondere Fn. 33) und Milde, Gleichordnungskonzern, S. 46f. (analoge Anwendung der Vorschriften über den Gleichordnungskonzern).
53
Merkmale
des
Unternehmergesellschafterbegriffs
103
werblichen Zuschnitts der anderweitigen unternehmerischen Tätigkeit natürlicher Personen darf andererseits aber auch nicht dazu führen, daß jede anderweitige wirtschaftliche Tätigkeit bereits die Unternehmenseigenschaft begründet 491 . Vielmehr sollte dies nur für eine auf Dauer angelegte492 sowie durch die Zusammenfassung sachlicher und personeller Mittel institutionell ausgeformte wirtschaftliche Tätigkeit, eben eine unternehmerische Tätigkeit, gelten. Der übergeordnete Rechtsträger ist grundsätzlich immer und nur dann Träger eines anderen Unternehmens, wenn dieses in seinem Namen betrieben wird 493 . Dies entspricht den handelsrechtlichen Anforderungen an das Betreiben eines Handelsgewerbes 494 . Der übergeordnete Rechtsträger muß sich mithin nicht selbst in dem anderen Unternehmen betätigen und kann sich nicht nur bei einzelnen Geschäften, sondern bei der Führung des Unternehmens überhaupt vertreten lassen. Es ist nicht erforderlich, daß die in dem anderen Unternehmen abgeschlossenen Geschäfte für die Rechnung des übergeordneten Rechtsträgers getätigt werden 495 , so daß etwa auch einem auf Dauer anderweitig tätigen Kommissionär die Unternehmenseigenschaft zukommt. Der übergeordnete Rechtsträger braucht schließlich nicht der Inhaber des Geschäftsvermögens zu sein, so daß der Pächter und der Nießbraucher eines anderen Unternehmens ebenfalls konzernrechtliche Unternehmen sind. Andererseits begründet damit weder die Stellung als Geschäftsführer, Prokurist oder Konkursverwalter noch grundsätzlich diejenige als Verpächter oder Besteller eines Unternehmensnießbrauchs die konzernrechtliche Unternehmenseigenschaft 496 . Aufgrund des insoweit ebenfalls gegebenen konzerntypischen Interessenkonflikts und zur Verhinderung von Umgehungen sollte lediglich auch der Treugeber einer fremdnützigen Unternehmenstreuhand den Trägern eines anderen Unternehmens gleichgestellt werden 497 .
4 , 1 So aber Nordmeyer, Unternehmensbegriff, S. 73 und Hefermehl, FS Geßler, S. 203, 211; in dieser Richtung auch Würdinger, Aktienrecht, S. 284, der allerdings zumindest eine planmäßige erwerbswirtschaftliche Betätigung fordert; unklar B G H v. 13.10.1977 B G H Z 69, 334, 338 („wirtschaftliche Interessenverflechtung anderer Art"). 492 Das Element der Dauerhaftigkeit des anderweitigen Engagements wird auch von Dierdorf, Herrschaft, S. 26 ff. hervorgehoben. 4 , 3 Ebenso Zöllner, Z G R 1976, 1,11 f.; mit Einschränkungen bei fremdnützigen Treuhandverhältnissen KK/Koppensteiner, § 15 Rn. 37. 494 Dazu auch im Zusammenhang mit dem handelsrechtlichen Unternehmerbegriff 1. Kap. § 2 B I; hier statt vieler MünchKommHGB/Ä". Schmidt, § 1 Rn. 44 m.w.N. 495 So auch Zöllner, Z G R 1976, 1, 11 f.; a.A. Leo, A G 1965, 352, 353. 496 An eine Ausnahme wäre gegebenenfalls zu denken, wenn ein etwaiger Gewinn und Wertzuwachs des Unternehmens teilweise bzw. ausschließlich dem Verpächter oder Nießbrauchsbesteller zugute kommen sollen. 497 So auch KK/Koppensteiner, § 15 Rn. 37.
104
1. Kapitel: Der Typus des
Unternehmergesellschafters
2. Keine anderweitige Interessenbindung einer Gesellschaftsbeteiligung
als Inhaber
a) Anerkennung der Unternehmenseigenschaft Beteiligungsbesitzes
kraft multiplen
Nach herrschender Meinung kann die Unternehmenseigenschaft zudem durch eine anderweitige Gesellschaftsbeteiligung, die bestimmte und im einzelnen umstrittene Anforderungen erfüllt, begründet werden (Unternehmenseigenschaft aufgrund sogenannten multiplen Beteiligungsbesitzes) 498 . Da auch in bestimmten Fällen eines multiplen Beteiligungsbesitzes die Gefahr einer Verfolgung fremdunternehmerischer Interessen besteht, vermögen die Argumente der Gegenansicht 499 nicht zu überzeugen. Zwar legen die Aussagen des Gesetzgebers mehr 500 oder weniger 501 eindeutig die Vermutung nahe, daß der Gesetzgeber von 1965 offensichtlich noch traditionellen Vorstellungen verhaftet war und nur juristische Personen, Personengesellschaften sowie Einzelkaufleute als Unternehmen betrachtet wissen wollte, doch sollten diese teils peripheren und in anderem Zusammenhang gemachten (§ 134 Abs. 1 S. 4 AktG), teils unbewußten (§§ 16 Abs. 4, 309 Abs. 1 AktG) Äußerungen nicht überbewertet werden 502 , da sich der Gesetzgeber jeder abschließenden Festlegung des Unternehmensbegriffs ausdrücklich enthalten hat 503 . Insbesondere dürfen sie die nach allgemeiner Meinung unter teleologischen Gesichtspunkten vorzunehmende Bestimmung des Unternehmensbegriff nicht wieder konterkarieren. Es ist ebenfalls zutreffend, daß die Anerkennung einer Unternehmenseigenschaft kraft multiplen Beteiligungsbesitzes den Unternehmensbegriff je-
4,8 BGH v. 18.6.2001 ZIP 2001, 1323, 1324; Haesen, Abhängigkeitsbericht, S. 15 ff.; KK/ Koppensteiner, § 15 Rn. 22f.; Wiedemann/Martens, AG 1976, 197, 201; Dierdorf, Herrschaft, S. 27f.; Herrnring, Unternehmensbegriff, S. 69ff. 499 Milde, Gleichordnungskonzern, S. 24ff., 48ff.; Nordmeyer, Unternehmensbegriff, S. 68ff.; Zöllner, ZGR 1976, 1, 13ff.; Luchterbandt, ZHR 132 (1969), 149, 159ff.; Geßler, in: Geßler/Hefermehl § 15 Rn. 26. 500 So § 134 Abs. 1 S. 4 AktG (dazu Zöllner, ZGR 1976, 1, 15 und Milde, Gleichordnungskonzern, S. 22f. einerseits sowie Koppensteiner, ZGR 1979, 91, 94f. andererseits) und die Regierungsbegründung zu §18 Abs. 2 AktG bei Kropff, Aktiengesetz 1965, S. 33 f. (dazu K. Schmidt, ZHR 155 (1991), 417, 433 und Milde, Gleichordnungskonzern, S. 24ff. einerseits sowie BGH v. 13.10.1977 BGHZ 69, 334, 336 und Ellerich, Unternehmenseigenschaft, S. 98 andererseits). 501 So §16 Abs. 4 AktG (dazu Luchterbandt, ZHR 132 (1969), 149, 156f. und Milde, Gleichordnungskonzern, S. 23f. einerseits sowie B G H v. 13.10.1977 BGHZ 69, 334, 336 andererseits) und § 309 Abs. 1 AktG (dazu Zöllner, ZGR 1976, 1,15 und Milde, Gleichordnungskonzern, S. 24 einerseits sowie KK/Koppensteiner, § 15 Rn. 23 andererseits). 502 So auch KK/'Koppensteiner, § 15 Rn. 23; Haesen, Abhängigkeitsbericht, S. 18; Wiedemann/ Martens, AG 1976, 197, 198; Ellerich, Unternehmenseigenschaft, S. 98. 503 Begründung RegE zu § 15 AktG bei Kropff, Aktiengesetz, S. 27.
§J
Merkmale des
Unternehmergesellschafterbegriffs
105
denfalls dann relativiert 5 0 4 , w e n n man mit der herrschenden Auffassung die U n t e r n e h m e n s e i g e n s c h a f t einem Gesellschafter auch dann zuerkennt, w e n n dieser nur an einer der verschiedenen Gesellschaften m a ß g e b l i c h beteiligt ist 505 . I n diesen Fällen besitzt der betreffende Gesellschafter die U n t e r n e h menseigenschaft nämlich n u r im Verhältnis zu derjenigen Gesellschaft, an der er u n m a ß g e b l i c h beteiligt ist. D i e s e mögliche Relativität des U n t e r n e h m e n s begriffs stellt j e d o c h für das R e c h t der verbundenen U n t e r n e h m e n kein P r o blem dar, da es o h n e h i n i m m e r nur auf das Verhältnis zu einem b e s t i m m t e n untergeordneten U n t e r n e h m e n a n k o m m t und sich diesem gegenüber die U n ternehmenseigenschaft des ü b e r g e o r d n e t e n Rechtsträgers absolut feststellen läßt 5 0 6 . A u ß e r d e m gelangt auch die G e g e n a n s i c h t , die die U n t e r n e h m e n s e i genschaft bei multiplem Beteiligungsbesitz z w a r zunächst in jeder B e z i e h u n g absolut verneint, ü b e r die v o n ihr bei I n t e r e s s e n k o n f l i k t e n im Einzelfall b e f ü r w o r t e t e Analogie 5 0 7 im E r g e b n i s ebenfalls zu einer relativen A n w e n d u n g der k o n z e r n r e c h t l i c h e n Vorschriften 5 0 8 .
b) Voraussetzungen Beteiligungsbesitzes
der Unternehmenseigenschaft
kraft
multiplen
E b e n s o umstritten wie die prinzipielle A n e r k e n n u n g der U n t e r n e h m e n s e i genschaft kraft multiplen Beteiligungsbesitzes sind auch ihre Voraussetzungen. S o ist zunächst fraglich, o b bereits die Beteiligung an der für die k o n z e r n rechtliche Beurteilung m a ß g e b l i c h e n untergeordneten Gesellschaft besondere Voraussetzungen erfüllen m u ß . Bisweilen wird in diesem Z u s a m m e n h a n g eine Beteiligung v o n m e h r als 25 % oder gar eine die A b h ä n g i g k e i t b e g r ü n dende Beteiligung gefordert 5 0 9 , weil nur in diesen Fällen der Beteiligungsinhab e r ü b e r M ö g l i c h k e i t e n verfüge, seine f r e m d u n t e r n e h m e r i s c h e n
Interessen
z u m Schaden der Gesellschaft zu verfolgen. Derartige Erfordernisse sind j e d o c h abzulehnen 5 1 0 . Bereits der W o r t l a u t des § 2 0 A b s . 1 A k t G verdeutlicht, daß nach der Auffassung des G e s e t z g e b e r s die
Unternehmenseigenschaft
nicht v o n einem b e s t i m m t e n U m f a n g der Beteiligung an der m a ß g e b l i c h e n Gesellschaft abhängen sollte. D a r ü b e r hinaus ergibt sich aus der Systematik des R e c h t s der verbundenen U n t e r n e h m e n , daß es für die B e g r ü n d u n g der
504
In diesem Sinne kritisch Zöllner, ZGR 1976, 1, 17, 22; Milde, Gleichordnungskonzern,
S. 28f. Siehe dazu sogleich unter lit. b. Ebenso KK/Koppensteiner, § 15 Rn. 23 und Kort, DB 1986, 1909, 1911 f. 507 Dazu näher Zöllner, ZGR 1976,1,18 ff.; krit. allerdings Milde, Gleichordnungskonzern, S. 31 ff. 508 Keine Bedenken gegen diese Art der Relativität hat auch Zöllner, ZGR 1976, 1, 22. 509 So Ellerich, Unternehmenseigenschaft, S. lOOff.; Dierdorf, Herrschaft, S. 27f. und Hefermehl, FS Geßler, S. 203, 213 ff. 5,0 So ausdrücklich auch KK/Koppensteiner, § 15 Rn. 27. 505
506
106
1. Kapitel: Der Typus des
Unternehmergesellschafters
Unternehmenseigenschaft nicht auf das Verhältnis zu der maßgeblichen untergeordneten Gesellschaft ankommen darf. Dieses Verhältnis ist vielmehr erst für die Beteiligungs-, Abhängigkeits- und Konzerntatbestände der §§ 16 ff. A k t G von Bedeutung. Was die Beteiligung an der anderen Gesellschaft anbetrifft, ist noch nicht abschließend geklärt, ob diese andere Gesellschaft selbst Unternehmensträgerin sein muß oder nicht. Richtigerweise wird man auch die anderweitige Beteiligung an einer Holding als ausreichend ansehen können 511 . Im Falle der Einschaltung einer Holding zur Verwaltung des anderweitigen Beteiligungsbesitzes besteht nämlich ebenfalls die konzerntypische Gefahr der Benachteiligung der maßgeblichen Gesellschaft zugunsten der Holding. Darüber hinaus kann nur auf diese Weise die Möglichkeit der Umgehung konzernrechtlicher Vorschriften durch die Zwischenschaltung einer Holding verhindert werden 512 . Entgegen einer immer wieder vorgetragenen Ansicht 513 ist es dabei für die Unternehmenseigenschaft des übergeordneten Rechtsträgers unerheblich, ob dieser die von ihm weiterhin verwalteten Beteiligungen in der Holding lediglich formell zusammenfaßt oder die Holding diese Beteiligungen eigenständig verwaltet. Voraussetzung ist lediglich, daß in die Holding nicht auch die Beteiligung an der maßgeblichen Gesellschaft eingebracht wird und damit die Voraussetzung des multiplen Beteiligungsbesitzes entfällt, so daß allenfalls noch die Holding als übergeordnetes Unternehmen in Betracht kommen kann 514 . Andererseits kommt einem Kommanditisten die Unternehmenseigenschaft noch nicht bloß aufgrund der Beteiligung an der ausschließlich an der Kommanditgesellschaft beteiligten Komplementär-GmbH zu 515 . Besonders umstritten sind die Anforderungen, die an die Form und das Ausmaß der anderweitigen Beteiligung des übergeordneten Rechtsträgers gestellt werden sollen. Dies gilt insbesondere noch im Hinblick auf die Qualität des Einflusses in der Drittgesellschaft, nachdem man allgemein mit der weit-
511 Dieser Fall darf nicht verwechselt werden mit der Einbringung sämtlicher Beteiligungen in eine einzige Holding, wodurch das Erfordernis des multiplen Beteiligungsbesitzes nur noch von der Holding, nicht mehr jedoch von dem lediglich an der Holding beteiligten Gesellschafter erfüllt wird. 512 So auch KK/Koppensteiner, § 15 Rn. 37 mit einer allerdings weitergehenden Schlußfolgerung (Unternehmenseigenschaft des lediglich an einer Holding mit mehreren Tochtergesellschaften beteiligten Gesellschafters). 513 B G H v. 22.4.1991 B G H Z 114, 203, 210; Hüffer, AktG § 15 Rn. 9; Emmerich/Sonnenschein, Konzernrecht, § 2 III 2 d. 5,4 So auch O L G Saarbrücken v. 12.7.1979 A G 1980, 26, 28; Wiedemann/Martens, AG 1976,197, 201 f.; a.A. Lütter, Z H R 151 (1987), 444, 452 (Einbeziehung der sog. eindimensionalen Holding); differenzierend KK/Koppensteiner, § 15 Rn. 35, 37 und Raiser, Kapitalgesellschaften, § 51 Rn. 6 (Unternehmenseigenschaft, wenn der Gesellschafter zwar nur an der einen Holding beteiligt ist, diese Holding aber mehrere Tochtergesellschaften hat und der Gesellschafter damit über einen mittelbaren Einfluß auf mehrere Gesellschaften verfügt). 515 Laule, FS Semler, S. 541, 546f.
53
Merkmale
des
Unternehmergesellschafterbegriffs
107
gehenden Aufgabe des sog. institutionellen Unternehmensbegriffs zu Recht auch auf eine institutionelle Ausformung der Verwaltung der anderweitigen Beteiligung verzichtet 516 . Nach inzwischen herrschender Meinung genügt für den entsprechenden Einfluß in der Drittgesellschaft eine maßgebliche Beteiligung, die die Möglichkeit einer bestimmenden Einflußnahme auf die Geschicke der Drittgesellschaft und damit die Gefahr der Verfolgung fremdunternehmerischer Interessen begründet 517 . Hinsichtlich der dabei im Einzelfall zu stellenden Anforderungen soll zwischen der Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft und derjenigen an einer Personengesellschaft zu differenzieren sein. Bei Kapitalgesellschaften sei eine maßgebliche Beteiligung nur gegeben, wenn der Gesellschafter dort regelmäßig unmittelbar aufgrund einer Mehrheitsbeteiligung entscheidenden Einfluß auf die Ergebnisverwendung ausüben könne, da er anderenfalls kein Interesse an einer Vermögensverschiebung haben werde 518 . Die Beteiligung in der anderen Gesellschaft müsse dabei nicht größer sein als in der maßgeblichen Gesellschaft, da es nicht auf die konkrete, sondern nur die abstrakte Gefahr einer Vermögensverschiebung ankomme 519 . In jedem Fall sei der Alleingesellschafter einer anderen Kapitalgesellschaft als Unternehmen zu betrachten 520 . Hinsichtlich der Beteiligung an einer Personengesellschaft ist umstritten, ob diese nur in Verbindung mit einer persönlichen unbeschränkten Haftung die Unternehmenseigenschaft begründen soll 521 . Nach einer anderen Ansicht muß die anderweitige Beteiligung die Abhängigkeit der Drittgesellschaft i.S.v. § 17 A k t G begründen 522 , was regelmäßig eine Mehrheitsbeteiligung an der Drittgesellschaft erforderlich machen würde 523 . Verhältnismäßig weit verbreitet ist auch die Auffassung, daß über den maßgeblichen Beteiligungsbesitz hinaus die tatsächliche Ausübung von
5 , 6 Bejahend Godin/Wilhelmi § 15 Anm. 2; dagegen mit Recht Zöllner, Z G R 1976, 1, 22 f. und Geßler, in: Geßler/Hefermehl § 15 Rn. 29. 517 B G H v. 16.9.1985 B G H Z 95, 330, 337; B G H v. 13.12.1993 N J W 1994,446 (jedenfalls bei einer Kombination von maßgeblicher Beteiligung und der Ausübung von Leitungsmacht); KK/Koppensteiner, § 15 Rn. 22f.; Kort, D B 1986, 1909, 1912; Timm, N J W 1992, 2185, 2188; Raiser, Kapitalgesellschaften, § 51 Rn. 7. 518 Haesen, Abhängigkeitsbericht, S. 20; KK/Koppensteiner, § 15 Rn. 28; i.E. auch B G H v. 18.6.2001 ZIP 2001, 1323, 1324 (Beteiligungen des Mehrheitsaktionärs und Vorstandsvorsitzenden einer Holding an deren Tochtergesellschaften in Höhe von 9 % und 15 % nicht ausreichend, da die Zurechnungsregel des § 16 Abs. 4 AktG die Unternehmenseigenschaft voraussetze und nicht begründen könne). 519 KK/Koppensteiner, § 15 Rn. 27. 520 Kort, D B 1986, 1909, 1911; Haesen, Abhängigkeitsbericht, S. 16ff.; KK/Koppensteiner, § 15 Rn. 28. 521 So B G H v. 10.10.1983 W M 1983, 1278; KK/Koppensteiner, § 1 5 Rn. 29; MünchHdb.GesR W! Krieger, § 68 Rn. 8; a.A. Haesen, Abhängigkeitsbericht, S. 20f. 522 Ellerich, Unternehmenseigenschaft, S. 100ff.; Zöllner, Z G R 1976, 1, 17f. 523 Haesen, Abhängigkeitsbericht, S. 20.
108
1. Kapitel:
Der Typus des
Unternehmergesellschafters
Leitungsmacht in der Drittgesellschaft erforderlich ist524, wofür die bloße Ausübung der gewöhnlichen Gesellschafterrechte nicht ausreichen soll525. Schließlich wird vertreten, daß die Unternehmenseigenschaft aufgrund multiplen Beteiligungsbesitzes eine unternehmerische Beteiligung in der anderen Gesellschaft voraussetzt, da die konzerntypische Gefahrenlage nicht bestehe, wenn der übergeordnete Gesellschafter in der anderen Gesellschaft nur Anlageinteressen verfolge 526 . Die zuletzt genannte Meinung überzeugt. Mit dem Erfordernis einer anderweitigen unternehmerischen Beteiligung entspricht sie zunächst noch am ehesten der sich mit dem Wort „Unternehmen" verbindenden allgemeinen Vorstellung, von der man sich in der Fallgruppe der Unternehmenseigenschaft kraft multiplen Beteiligungsbesitzes ohnehin bereits weit entfernt hat und mit der Einbeziehung bloßer maßgeblicher oder die Abhängigkeit begründender Beteiligungen noch weiter entfernen würde. Die Anknüpfung an eine anderweitige unternehmerische Beteiligung bietet zudem den Vorteil, daß sie im Gegensatz zu den Auffassungen, die eine tatsächliche Ausübung von Leitungsmacht in der Drittgesellschaft oder eine Mehrheitsbeteiligung an dieser fordern, nicht auf eines der qualifizierenden Tatbestandsmerkmale der §§ 16 ff. AktG, sondern auf ein konzernrechtlich im übrigen nicht belegtes Kriterium zurückgreift. Das durch die gesetzliche Systematik vorgegebene Stufenverhältnis zwischen dem Unternehmensbegriff und dem Konzernbzw. Abhängigkeitsbegriff wird damit auch in den Fällen des multiplen Beteiligungsbesitzes beachtet 527 . Dem Normzweck des Rechts der verbundenen Unternehmen wird schließlich am besten dadurch Rechnung getragen, daß einerseits die Anforderungen an die Gefahr eines fremdunternehmerischen Interessenkonflikts bei multiplem Beteiligungsbesitz nicht zu hoch angesetzt werden, aber andererseits auch nicht derart herabgesetzt werden, daß man wie bei der maßgeblichen Beteiligung zu bloßen Anlagezwecken nur noch von der entfernten Möglichkeit eines Interessenkonflikts sprechen kann. Damit decken sich im Ergebnis die Anforderungen an die anderweitige unternehmerische Tätigkeit bei multiplem Beteiligungsbesitz mit dem soeben herausgearbeiteten Typus der unternehmerischen Beteiligung 528 . Die obigen Ausführungen verstehen sich insoweit zugleich als Beitrag zum konzern524
Dierdorf, Herrschaft, S. 26ff.; Hefermehl, FS Geßler, S. 203, 213ff.; ferner Kort, D B 1986, 1909, 1911 f. (hinsichtlich des von i h m als „Privataktionär" bezeichneten, kein H a n d e l s g e w e r b e betreibenden Großaktionärs); für eine Unternehmenseigenschaft natürlicher Personen jedenfalls bei A u s ü b u n g von Leitungsmacht B G H v. 25.11.1996 W M 1997, 316, 317. 525 Hommelhoff, Z G R 1994, 395, 399 (für den G m b H - K o n z e r n ) . 526 B G H V. 10.10.1983 W M 1983, 1278; Wiedemann/Martens, A G 1976, 197, 200f.; Geßler, in: Geßler/Hefermehl § 15 R n . 29; Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 15 R n . 14; krit. KK/Koppensteiner, § 15 Rn. 23. 527 KK/Koppensteiner, § 15 R n . 24; Zöllner, Z G R 1976, 1, 8. 528 Siehe 1. Kap. § 3 C .
§4
Erscheinungsformen
des
Unternehmergesellschafters
109
rechtlichen Unternehmensbegriff. Will mithin ein unternehmerisch an einer Gesellschaft beteiligter Gesellschafter hinsichtlich der Beziehungen zu dieser Gesellschaft die Qualifikation als Unternehmen und die damit verbundene prinzipielle Anwendbarkeit konzernrechtlicher Vorschriften vermeiden, darf er nicht noch an einer anderen Gesellschaft in dieser F o r m beteiligt sein. Als Gesellschafter mit multiplem unternehmerischem Beteiligungsbesitz kann er seine konzernrechtliche Unternehmenseigenschaft hingegen nur dadurch abwenden, daß er die Beteiligungen in eine Holdinggesellschaft einbringt und auf diese Weise nur noch an dieser als NichtUnternehmen beteiligt ist 529 .
§ 4 Erscheinungsformen des Unternehmergesellschafters Im Zusammenhang mit der Klärung der methodischen Vorfragen wurde bereits darauf hingewiesen, daß ein klassifikatorischer Typusbegriff wie der des Unternehmergesellschafters durch die Benennung besonders repräsentativer und/oder häufiger Erscheinungen aus seinem O b j e k t b e r e i c h und durch die Bildung von Typenreihen zu verdeutlichen ist, um die Zuordnung von Sachverhalten durch die Möglichkeit von Typenvergleichen zu erleichtern 530 . Aus diesem Grund soll abschließend kurz auf die verschiedenen typischen und besonderen Erscheinungsformen des Unternehmergesellschafters im G e füge der verschiedenen rechtlichen und realen Gesellschaftstypen eingegangen werden.
A. Der Unternehmergesellschafter im Gefüge der verschiedenen Gesellschaftsformen I. Der Unternehmergesellschafter
in der
Personengesellschaft
D i e Personengesellschaften bieten aufgrund der gegebenen weitreichenden vertraglichen Gestaltungsmöglichkeiten ideale Bedingungen für eine unternehmerische Gesellschaftsbeteiligung.
529 Zur Abwendung der Unternehmenseigenschaft durch die Zwischenschaltung einer Holding siehe auch Priester., ZIP 1986, 137, 144f.; Ulmer, N J W 1986, 1579, 1586; K. Schmidt, ZIP 1986, 146, 148f.; a.A. KK/Koppensteiner, § 15 Rn. 37; MünchHdb.GesR Krieger, § 68 Rn. 9; differenzierend Emmerich/Sonnenschein, Konzernrecht, § 2 III 2 d. 530 Zur methodischen Bedeutung des Typenvergleichs 1. Kap. § 1 A II.
110
I.Kapitel:
Der Typus des
1. Der Unternebmergesellscbafter Gesellschafter
Unternehmergesellschafters
als persönlich
haftender
Im Vergleich zum Begriff des persönlich haftenden Gesellschafters ( § 1 6 1 Abs. 1 H G B ) ist der Typus des Unternehmergesellschafters einerseits enger und andererseits weiter. Dies liegt zum einen an der teilweisen Ausgrenzung der von der Geschäftsführung, der internen Haftung oder einer namhaften Kapitalbeteiligung ausgeschlossenen persönlich haftenden Gesellschafter und zum anderen an der möglichen Einbeziehung auch von beschränkt haftenden Gesellschaftern. Dennoch bilden diejenigen persönlich haftenden Gesellschafter, die gesetzestypisch die unbeschränkte persönliche Haftung mit der organschaftlichen Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis verbinden sowie über eine namhafte Kapitalbeteiligung verfügen, eine repräsentative Erscheinungsform des volltypischen Unternehmergesellschafters. In der Kommanditgesellschaft wird die herausgehobene und ihn zum Unternehmergesellschafter prädestinierende Stellung des Komplementärs noch dadurch gestärkt, daß er sich zumindest teilweise Gesellschaftern gegenübersieht, die als Kommanditisten regelmäßig über geringere Mitverwaltungsrechte verfügen.
2. Der Unternehmergesellschafter und stiller Gesellschafter
als
Kommanditist
Gesetzestypische Kommanditisten und stille Gesellschafter können aufgrund ihrer fehlenden Geschäftsführungsbeteiligung und ihrer eingeschränkten Zustimmungs- und Kontrollbefugnisse nur dann als Unternehmergesellschafter angesehen werden, wenn das daraus resultierende Defizit bei der Unternehmerinitiative entweder unbeachtlich ist (vermögensaspektbezogene Gesamtbetrachtung) oder durch ein besonders stark ausgeprägtes Unternehmerrisiko und faktische Einflußnahmemöglichkeiten kompensiert wird. Bei schematischer Betrachtungsweise kann hierfür bereits ein Kapitalanteil von 25 % genügen. Regelmäßig ist hierzu jedoch ein Kapitalanteil von mindestens 50 % erforderlich (umfassende volltypische Gesamtbetrachtung und vermögensaspektbezogene Gesamtbetrachtung). Sowohl für den typischen Kommanditisten wie für den typischen stillen Gesellschafter ergibt sich damit eine andere Einordnung als im Bereich der steuerrechtlichen Mitunternehmerschaft, wo der eine gänzlich einbezogen ( § 1 5 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG) und der andere vollkommen ausgenommen (§ 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG) wird 531 . Die personengesellschaftsrechtliche Gestaltungsfreiheit (§ 163 H G B ) kann von einem unternehmerisch ambitionierten Kommanditisten oder stillen Ge531 Zur Mitunternehmerschaft näher 1. Kap. § 2 C ; krit. zur Einbeziehung des als Anlagegesellschafter beteiligten Kommanditisten in den Kreis der Mitunternehmer auch Wiedemann, W M 1975 Beilage Nr. 4, S. 30.
§4
Erscheinungsformen
des
Unternehmergesellschafters
111
seilschafter aber auch dazu genutzt werden, sich abweichend vom gesetzlichen Normalstatut die maßgebliche Leitungsmacht in der Gesellschaft zu sichern 532 . Einem solchen atypischen Kommanditisten oder stillen Gesellschafter kann dann im Falle seiner Geschäftsführungsbeteiligung grundsätzlich bereits ab einer Kapitalbeteiligung von 10% der Status eines Unternehmergesellschafters zugebilligt werden, sofern es nicht wie bei der vermögensaspektbezogenen Gesamtbetrachtung auf ein besonders stark ausgeprägtes Unternehmerrisiko im oben dargestellten Sinne ankommt. In der typischen GmbH & Co. KG, bei der die KG oder die Kommanditisten die GmbH-Anteile halten und die GmbH sich als alleinige Komplementärin auf die Geschäftsführung in der einen KG beschränkt, ist die Gesamtbetrachtung der Typusmerkmale sowohl auf die KG wie auf die GmbH und damit auf die von den beiden Gesellschaften gebildete unternehmerische Einheit zu beziehen. Besonderes Gewicht erhält hier naturgemäß die (alleinige) Geschäftsführerstellung in der GmbH. Soweit es auf das Unternehmerrisiko ankommt, sind die Kapitalanteile in KG und GmbH anteilig und nach Maßgabe des Kapitalanteils der GmbH in der KG zusammenzurechnen. Hinsichtlich der Unternehmerinitiative ist zwar zunächst zwischen dem Einfluß in der KG und demjenigen in der GmbH zu unterscheiden, doch gilt es hier ebenfalls den Umstand zu berücksichtigen, daß der Unternehmergesellschafter als Kommanditist auch unabhängig von seiner Beteiligung an der GmbH durch Weisungs-, Zustimmungs- und Widerspruchsrechte Einfluß auf das Verhalten der GmbH als Geschäftsführerin der KG nehmen kann.
II. Der Unternehmergesellschafter
in der
Kapitalgesellschaft
Obwohl das gesetzliche Normalstatut der Kapitalgesellschaften der Interessenlage eines Unternehmergesellschafters weniger entspricht, werden auch die Geschicke von Kapitalgesellschaften zumeist durch Unternehmer- und Unternehmensgesellschafter bestimmt.
1. Der Unternehmergesellschafter
in der GmbH
Die GmbH wurde vom Gesetzgeber zwar als körperschaftlich strukturierte Gesellschaft konzipiert 533 , sie weist jedoch in der Praxis auch ohne Be532 Zu den Instrumenten und Gestaltungsmöglichkeiten im einzelnen bereits 1. Kap. § 3 C; zum Kommanditisten als Unternehmergesellschafter etwa BGH v. 17.3.1966 BGHZ 45, 204ff.; U. Huber, Vermögensanteil, S. 301 f. 533 Entwurf eines Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung nebst Begründung und Anlage, Berlin 1892, S. 34f.; Limbach, Theorie, S. 15ff.; vgl. demgegenüber den grundsätzlich (§ 2) auf das Recht der OHG verweisenden und von der Kaufmannschaft unterstützten Gegenentwurf einer Personengesellschaft mbH von Oechelhäuser (abgedruckt bei Wieland, Handelsrecht Bd. 2, S. 399 f.).
112
1. Kapitel:
Der Typus des
Unternehmergesellschafters
rücksichtigung der zahlreichen Einpersonen-Gesellschaften mbH eine überwiegend personalistische Realstruktur auf534. Die bei der GmbH für die Verhältnisse einer Kapitalgesellschaft relativ große Gestaltungsfreiheit (§ 45 GmbHG) kann von den Gesellschaftern dazu genutzt werden, auch die Rechtsform der Gesellschaft dieser Realstruktur zumindest im Innenverhältnis weitgehend anzupassen535. Die Kompetenzen der Gesellschaftergesamtheit in Fragen der Geschäftsführung (Weisungs-, Zustimmungs- und Eviktionsrecht) bieten auch einem an dieser nicht mitwirkenden, jedoch zumindest zu 25 % am Stammkapital beteiligten Gesellschafter bedeutende Einflußmöglichkeiten kraft bloßer Stimmrechtsmacht bzw. entsprechender Sonderrechte536. 2. Der Unternehmergesellschafter
in der
Aktiengesellschaft
Die Aktiengesellschaft wurde vom Gesetzgeber als Publikumsgesellschaft und Trägerin eines Großunternehmens konzipiert537, in der die Person des einzelnen Aktionärs sowie seine persönliche Leistung und Qualifikation ganz hinter der vermögensrechtlichen Beteiligung zurücktreten sollten538. In der gesellschaftlichen Realität der Aktiengesellschaft findet sich jedoch überwiegend der Typus der von einem oder mehreren Unternehmeraktionären und zahlreichen Anlagegesellschaftern gebildeten Aktiengesellschaft oder der Typus einer personalistisch strukturierten Mitunternehmer- bzw. Familienaktiengesellschaft539 sowie seltener auch eine Aktiengesellschaft mit genossenschaftlicher Struktur540. Da der Gesetzgeber die Gestaltungsmöglichkeiten bei der Aktiengesellschaft jedoch mit dem Ziel der Standardisierung im Inter534 Siehe dazu die statistischen Angaben von Kornblum, G m b H R 1983, 29, 31 f. und von H. Winter, G m b H R 1969, 145 ff. zur Gesellschafterstruktur, zum Verhältnis Gesellschafter/ Geschäftsführer und zur personalistischen Ausgestaltung des Gesellschaftsvertrages; zur gesellschaftsvertraglichen Ausgestaltung siehe ferner das Ergebnis der empirischen Untersuchungen von Limbach, Theorie, S. 87ff.; ferner BMJ (Hrsg.), Bericht der Unternehmensrechtskommission, Rn. 618 und Immenga, Kapitalgesellschaft, S. 18 ff. 535 R G v. 7.12.1920 R G Z 101, 55, 61; Immenga, Kapitalgesellschaft, S. 18f.; Limbach, Theorie, S. 26 f. 536 Dazu auch BMJ (Hrsg.), Bericht der Unternehmensrechtskommission, Rn. 618; zu den Gestaltungsmöglichkeiten bereits 1. Kap. § 3 C I I l a a a ; zur Eigentümerkontrolle in der G m b H bei Fremdgeschäftsführung siehe generell Hucke, Gesellschafter, S. 65 ff. 337 Allg. Begründung R e g E A k t G 1965 bei Kropff, Aktiengesetz, S. 14; B G H v. 19.12.1977 B G H Z 70, 117, 123; Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 88ff. und 346; Hommelhoff, ZGRSonderheft 12, S. 65f. 538 In diesem Sinne bereits treffend R G v. 25.9.1901 R G Z 49, 77, 79. 539 Siehe dazu die statistischen Angaben bei Hansen, Strukturdaten, S. 32ff.; Pross, Manager, S. 105ff.; G.H. Roth, FS Paulick, S. 81, 87ff.; Hansen, A G 1988, R 236; Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. 1, S. 122; der Anteil der Familienaktiengesellschaften wird auf etwa ein Viertel geschätzt (dazu MünchKommAktG/Sem/er, Einl. Rn. 13). 540
Dazu eingehend Luther,
Die genossenschaftliche Aktiengesellschaft, Tübingen 1978.
§ 4
Erscheinungsformen
des
Unternebmergesellschafters
113
esse des Anleger- und Gläubigerschutzes durch § 23 Abs. 5 A k t G ausgesprochen stark eingeengt hat 5 4 1 , entsteht in vielen Fällen ein Spannungsverhältnis zwischen dem Wunsch zumindest eines Teils der Gesellschafter nach Gestaltungsfreiheit und der Rigidität des Aktienrechts. Wegen des auf den Publikumsaktionär zugeschnittenen gesetzlichen N o r malstatuts, der begrenzten Gestaltungsspielräume und der zusätzlichen Schwächung der Anteilseignerposition durch die grundsätzlich 5 4 2 zwingende unternehmerische Mitbestimmung ist die Rechtsform der Aktiengesellschaft auch verhältnismäßig ungeeignet für die Entfaltung einer gesellschaftsgebundenen Unternehmertätigkeit 5 4 3 . D i e jedenfalls rechtlich unabhängige Stellung des Vorstands erschwert zudem für den nicht an diesem Organ beteiligten Gesellschafter die Ausübung von Leitungsmacht 5 4 4 . D i e weitgehend zwingende kapitalistische Struktur der Aktiengesellschaft bedingt schließlich ein Ubergewicht des Typusmerkmals der Kapitalbeteiligung. Zwar kann auch hier gegebenenfalls durch die Ausgabe von Vorzugsaktien, die Einführung von Höchststimmrechten bei nichtbörsennotierten G e sellschaften, geringe Hauptversammlungspräsenzen oder durch Stimmbindungsvereinbarungen die für die Ausübung von Unternehmerinitiative zentrale Stimmrechtsmacht im Vergleich zur Kapitalbeteiligung gestärkt werden, doch bleiben die herrschaftsbezogenen Gestaltungsmöglichkeiten insgesamt weit hinter denjenigen in einer Personengesellschaft oder G m b H zurück 5 4 5 . In einer Aktiengesellschaft muß der Unternehmergesellschafter ohne O r g a n mitgliedschaft daher regelmäßig über einen Kapitalanteil von mindestens 2 5 % verfügen 5 4 6 .
541 Krit. dazu Mertens, Z G R 1994, 426ff. („eiserne Klammer"); F. Klein, Entwicklungen, S. 19 („schwere Rüstung"); U.H. Schneider, Handelsblatt v. 15.5.1990, S. 6 („rostig wie eine Ritterrüstung") und Friedewald, Aktiengesellschaft, S. 117; zur rechtspolitisch wünschenswerten Deregulierung eingehend Spindler, A G 1998, 53 ff.; zur Verfassungsmäßigkeit und Auslegung des § 23 Abs. 5 AktG etwa May, Sicherung, S. 64ff. 542 Zur Ausnahme für ab dem 10.8.1994 eingetragene Aktiengesellschaften und Familienaktiengesellschaften mit weniger als 500 Arbeitnehmern siehe § 76 Abs. 6 BetrVG 1952. 543 Kühler, A G 1981, 5, 8ff.; Immenga, Kapitalgesellschaft, S. 17f.; Hommelhoff, ZGRSonderheft 12, S. 65, 67, 76 und 80; speziell für Familiengesellschaften Knur, Familiengesellschaft, S. 152 und Hennerkes/May, B B 1988, 2393, 2394f. (immerhin sind aber etwa ein Viertel aller Aktiengesellschaften Familiengesellschaften; dazu MünchKommAktG/Sern/er, Einl. Rn. 13); zu Reformvorschlägen unten 2. Kap. § 1 A III 2a aa. 544 Zu den Möglichkeiten der Machtausübung 1. Kap. § 3 C II l b cc; zu den angesprochenen Schwierigkeiten nur F. Klein, Entwicklungen, S. 33 und Hommelhoff, ZGR-Sonderheft 12, S. 65, 76. 545 Dazu näher 1. Kap. § 3 C II la. 546 Siehe dazu den zusammenfassenden Vergleich hinsichtlich der Mitverwaltungsrechte zwischen dem zu weniger als 2 5 % und dem zumindest mit 2 5 % beteiligten Aktionär bei Alhath, Unternehmensbeteiligungen, S. 19 ff.
114
1. Kapitel:
Der Typus des
3. Der Unternehmergesellschafter auf Aktien
Unternehmergesellschafters
in der
Kommanditgesellschaft
Als Kapitalgesellschaft mit personengesellschaftlichen Elementen und sogenannte Zweiklassengesellschaft bietet die K G a A gerade auch in der nunmehr zulässigen F o r m der Kapitalgesellschaft & C o . K G a A (vgl. § 279 Abs. 2 A k t G n.F.) 547 attraktive Möglichkeiten für eine gesellschaftsgebundene U n ternehmertätigkeit. So vermag sich ein Unternehmergesellschafter als K o m plementär, als atypisch bestimmungsmächtiger Kommanditaktionär oder als maßgeblicher Gesellschafter und Geschäftsführer der Komplementärgesellschaft insbesondere einen Börsenzugang zu verschaffen und sich zugleich aufgrund der durch die Typenmischung weitreichenden Gestaltungsmöglichkeiten gegen den damit regelmäßig verbundenen Fremdeinfluß besser abzusichern sowie die Mitbestimmungsmöglichkeiten zurückzudrängen 5 4 8 .
B. Der Unternehmergesellschafter im Gefüge der verschiedenen realen Gesellschaftsstrukturen D i e Realstruktur einer Gesellschaft wird zumeist durch Klassifizierungen wie personalistisch/kapitalistisch 549 , eigentümerkontrolliert/managerkontrolliert 550 , monokratisch/oligokratisch/polykratisch 5 5 1 , Mitunternehmergesellschaft/Kapitalanlegergesellschaft 552 oder Vertragsgesellschaft/Satzungsgesellschaft 553 charakterisiert. Es handelt sich dabei um eine an der Gesellschafterzusammensetzung und damit auch an der Präsenz von Unternehmergesellschaftern orientierte Kennzeichnung von Realtypen, die rechtsformübergreifend die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse der jeweiligen Gesell547 Zur Zulässigkeit der Kapitalgesellschaft & Co. K G a A ferner B G H v. 24.2.1997 B G H Z 134, 392ff.; außerdem bereits H a n s O L G v. 5.12.1968 N J W 1969, 1030ff. 548 Siehe dazu näher Sethe, Kapitalgesellschaft, S. 101 ff.; Hennerkes/May, B B 1988, 2393, 2398f. und MünchKommAktG/Sem/er/Per&i, Vor § 2 7 8 Rn. 2ff.; zu den Gestaltungsmöglichkeiten im einzelnen 1. Kap. § 3 C II la aa; vgl. insoweit zudem für den Komplementär etwa § 285 Abs. 2 AktG und den Kommanditaktionär etwa § 278 Abs. 2 i.V.m. § 164 H G B oder §§ 161 Abs. 2 und 117 H G B sowie das Beispiel von Gerling als dem beherrschenden Kommanditaktionär der Herstatt K G a A im Fall B G H v. 9.7.1979 B G H Z 75, 96, 97; zur Mitbestimmung in der K G a A und der Kapitalgesellschaft & Co. K G a A siehe nur Steindorff, FS Ballerstedt, S. 127, 130ff. 549 So etwa Immenga, Kapitalgesellschaft, S. 15ff.; Friedewald, Aktiengesellschaft, S. 3ff.; Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. 1, S. 104; ähnlich Martens, Z G R 1979, 493, 507 mit Fn. 30a (personenbezogen/nicht personenbezogen). 550 Pross, Manager, S. 102ff.; Ridder-Aab, Aktiengesellschaft, S. 32ff.; Witte, ZfB 1981, 733, 741. 551 552 555
Jungfer, in: Gestaltwandel der Unternehmung, S. 109, 117. Wiedemann, Z G R 1975, 385, 386ff. Reuter/Körnig, Z H R 140 (1976), 494, 509 ff.
54
Erscheinungsformen
des
Unternehmergesellschafters
115
schaft prägen. O b w o h l die Realstruktur des Unternehmens (insbesondere seine G r ö ß e ) unternehmensrechtlich von Bedeutung ist und sich auch auf die Gesellschaftsstruktur auswirken kann, ist die Realstruktur der Gesellschaft von derjenigen des Unternehmens streng zu unterscheiden 5 5 4 .
I. Der Unternehmergesellschafter
in der
Einpersonengesellschaft
D e r Alleingesellschafter stellt praktisch ausnahmslos 555 eine besonders intensive Ausprägung des Unternehmergesellschaftertypus dar, der zugleich auch die Anforderungen etwaiger aspektbezogener Sonderformen des U n t e r nehmergesellschaftertypus (unternehmerisch beteiligter, unternehmerisch tätiger und bestimmungsmächtiger Gesellschafter) erfüllt. Zwar kann es auch in der Einpersonengesellschaft zu Einschränkungen der prinzipiell umfassenden Leitungsmacht durch Kapitalerhaltungsvorschriften 5 5 6 , gegebenenfalls bis zur annähernden Parität reichende Mitbestimmungsregelungen 5 5 7 , Inkompatibilitätsregelungen 558 und eine Fremdorganschaft 5 5 9 kommen, doch wird hierdurch die dominierende Position des Alleingesellschafters nicht aufgehoben. Dies gilt auch für den sogenannten wirtschaftlichen Alleingesellschafter, neben dem lediglich insgesamt unbedeutend beteiligte oder treuhänderisch an ihn gebundene Mitgesellschafter existieren, o b w o h l ein solcher Gesellschafter zusätzlichen Bindungen unter dem Gesichtspunkt des Gleichbehandlungsgrundsatzes und der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht unterliegt.
II. Der Unternehmergesellschafter
in der
Mitunternehmergesellschaft
D i e Mitunternehmergemeinschaft im gesellschaftsrechtlichen Sinn ist durch eine kleine Anzahl von Gesellschaftern gekennzeichnet, die alle Geldoder Sacheinlagen erbringen und eine verantwortliche Tätigkeit in der G e -
554 Siehe dazu etwa Wiedemann, Z G R 1975, 385, 392; insoweit nicht hinreichend differenzierend BVerfG v. 1.3.1979 BVerfGE 50, 290, 342f. und 348f.; zur Bedeutung der Unternehmensgröße für das Einflußpotential von Aktionären siehe nur Witte, ZfB 1981, 733, 766f. 555 Zumindest theoretisch wäre es allerdings denkbar, daß ein Alleingesellschafter auf unternehmerische Ambitionen verzichtet, sich auf die formale Wahrnehmung der erforderlichen Mitwirkungsakte beschränkt und im übrigen die Gesellschafts- und Unternehmensleitung einem Nichtgesellschafter überläßt. 556 Dazu näher 4. Kap. § 2 A V 1. 557 Vgl. §§ 27 Abs. 2 u. 3, 29 Abs. 2, 31 Abs. 3 und 4 MitbestG i.V.m. § 101 AktG und § 52 GmbHG. 558 Als Vorstand bzw. Geschäftsführer kann der Alleingesellschafter nicht zugleich Mitglied des Aufsichtsrats sein (§ 105 Abs. 1 AktG); in der G m b H wird teilweise aber auch eine satzungsmäßige kooperative Aufsichtsratsstruktur für möglich gehalten (dazu etwa Scholz/ U.H. Schneider, § 52 Rn. 160 m.w.N.).
116
1. Kapitel: Der Typus des
Unternehmergesellschafters
schäftsführung ü b e r n e h m e n 5 6 0 . E s handelt sich mithin u m die im Vergleich zur steuerrechtlichen M i t u n t e r n e h m e r s c h a f t ( § 1 5 A b s . 1 S. 1 N r . 2 E S t G ) engere B e z e i c h n u n g für einen personenbezogenen 5 6 1 s o w i e u n t e r n e h m e r i s c h und/oder familiär bedingten Z u s a m m e n s c h l u ß v o n zugleich mitarbeitenden und kapitalgebenden Gesellschaftern. I h r e gesetzliche Ausprägung hat die M i t u n t e r n e h m e r g e m e i n s c h a f t zwar in der O H G , der P a r t G und der u n t e r nehmenstragenden G b R erfahren, d o c h findet sie sich häufig auch in der R e c h t s f o r m der G m b H 5 6 2 u n d seltener in der F o r m der (kleinen/geschlossenen/privaten) Aktiengesellschaft 5 6 3 . A u f g r u n d des prinzipiell gleichberechtigten und arbeitsteiligen Z u s a m m e n w i r k e n s der M i t u n t e r n e h m e r in G e s e l l schaft und U n t e r n e h m e n werden vielfach alle oder jedenfalls der ü b e r w i e gende Teil der Gesellschafter die typischen Eigenschaften eines U n t e r n e h mergesellschafters aufweisen.
III. Der Unternehmergesellschafter
in der majorisierten
Gesellschaft
D i e majorisierte Gesellschaft wird e n t w e d e r v o n einem einzigen U n t e r n e h mer- bzw. U n t e r n e h m e n s g e s e l l s c h a f t e r oder v o n einer G r u p p e z u s a m m e n w i r k e n d e r Gesellschafter beherrscht. Von einer B e h e r r s c h u n g kann dann ges p r o c h e n werden, w e n n der betreffende Gesellschafter bzw. die Gesellschaftergruppe u n m i t t e l b a r o d e r mittelbar die M ö g l i c h k e i t haben, die U n t e r n e h mens-
und
Geschäftspolitik
dadurch
grundsätzlich der Mehrheitsbeteiligung
zu beeinflussen,
daß sie in
einer
entsprechenden Weise (vgl. § 17
A b s . 2 A k t G ) zumindest auf die B e s e t z u n g der Gesellschaftsorgane E i n f l u ß n e h m e n können 5 6 4 . D i e majorisierte Gesellschaft kann als abhängige oder
559 Zwar kann der Unternehmergesellschafter grundsätzlich (vgl. § 76 Abs. 2 AktG) zum alleinigen Geschäftsführer bzw. Vorstand bestellt werden, doch besteht der obligatorische Aufsichtsrat und mangels anderweitiger Satzungsbestimmung auch der fakultative Aufsichtsrat einer GmbH nach § 95 AktG aus mindestens drei Mitgliedern. 560 B G H V. 6.12.1962 B G H Z 38, 306, 312; Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. 1, S. 115. 561 Zu den umstrittenen Merkmalen einer personalistischen Gesellschaftsstruktur (z.B. eingeschränkte Ubertragbarkeit der Gesellschaftsbeteiligung, beschränkte Anzahl natürlicher Gesellschafter, Beteiligung von Unternehmergesellschaftern, Selbstorganschaft, fehlende Inanspruchnahme des öffentlichen Kapitalmarkts, fehlende eigene Rechtspersönlichkeit der Gesellschaft) siehe nur BMJ (Hrsg.), Bericht der Unternehmensrechtskommission, Rn. 621 ff. und 991 ff. sowie zu den verschiedenen Merkmalskombinationen a.a.O., Rn. 1026ff.; speziell für die AG Friedewald, Aktiengesellschaft, S. 14 ff. 562 Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. 1, S. 115; Immenga, Kapitalgesellschaft, S. 18 f. 563 Dazu Friedewald, Aktiengesellschaft, S. 11 (Mitunternehmer-AG) und S. 14ff. (Merkmale der personalistischen AG), der den Anteil der jedenfalls personalistisch strukturierten Aktiengesellschaften auf ca. 1 0 % bis 1 5 % schätzt (S. 10 mit Fn. 8); Wiethölter, in: Frankfurter Publizitätsgespräch, S. 37 („inkorporierte O H G " ) . 564 Vgl. dazu im Zusammenhang mit § 17 AktG O L G Düsseldorf v. 22.7.1993 A G 1994, 36, 37; Geßler, in: Geßler/Hefermehl § 17 Rn. 25ff. und 38; KK/Koppensteiner, § 17 Rn. 19.
§4
Erscheinungsformen
des
Unternehmergesellschafters
117
selbständige Gesellschaft, als personalistisch strukturierte oder p u b l i k u m s orientierte Gesellschaft wie auch als Zweiklassengesellschaft mit v e r a n t w o r t lichen Hauptgesellschaftern und einem g r ö ß e r e n Kreis einflußloser A n l a g e gesellschafter 5 6 5 in E r s c h e i n u n g treten. Sofern ein Privatgesellschafter die Gesellschaft allein beherrscht, ist er j e denfalls bei volltypischer G e s a m t b e t r a c h t u n g als U n t e r n e h m e r g e s e l l s c h a f t e r anzusehen. K o m m t es auf eine a s p e k t b e z o g e n e oder schematische G e s a m t b e trachtung an, k ö n n e n die A n f o r d e r u n g e n an die Stellung als U n t e r n e h m e r g e sellschafter in b e s t i m m t e n Fällen allerdings ü b e r den B e h e r r s c h u n g s t a t b e stand hinausreichen und eine absolute S t i m m r e c h t s m e h r h e i t o d e r sogar eine zumindest wirtschaftliche Alleingesellschafterstellung erfordern. W i r d die B e h e r r s c h u n g v o n m e h r e r e n Gesellschaftern gemeinsam ausgeübt, k ö n n e n vielfach alle diese Gesellschafter als U n t e r n e h m e r g e s e l l s c h a f t e r gelten. Als Minderheitsgesellschafter m u ß der U n t e r n e h m e r g e s e l l s c h a f t e r bei G e l t u n g des M e h r h e i t s p r i n z i p s zumindest ü b e r eine Sperrminorität in G r u n d l a g e n entscheidungen verfügen, u m gegenüber der M e h r h e i t eine hinreichende U n ternehmerinitiative entfalten zu k ö n n e n und nicht lediglich auf den formellen und materiellen M i n d e r h e i t e n s c h u t z angewiesen zu sein 5 6 6 .
IV. Der Unternebmergesellschafter
in der
Zweiklassengesellschaft
D i e Zweiklassengesellschaft ist durch das Z u s a m m e n w i r k e n v o n zwei in ihrer Rechtsstellung und Interessenlage grundverschiedenen Gesellschaftergruppen, den U n t e r n e h m e r g e s e l l s c h a f t e r n und den Anlagegesellschaftern, gek e n n z e i c h n e t . D a b e i m u ß die Z w e i k l a s s e n s t r u k t u r einerseits nicht n o t w e n d i g in der B i l d u n g einer auf die U n g l e i c h b e h a n d l u n g der Gesellschafter zugeschnittenen K G oder K G a A z u m A u s d r u c k k o m m e n 5 6 7 , n o c h garantiert andererseits die Wahl einer derartigen R e c h t s f o r m eine klare Zweiteilung der realen Gesellschafterstruktur, da auch K o m m a n d i t i s t e n o d e r K o m m a n d i t a k tionären abweichend v o m gesetzlichen N o r m a l s t a t u t u n t e r n e h m e r i s c h e L e i tungs- und K o n t r o l l m a c h t eingeräumt werden kann 5 6 8 .
565 Dazu insbesondere mit Vorschlägen de lege ferenda Müller-Erzbach, Umgestaltung, S. 37ff. und Hommelhoff ZGR-Sonderheft 12, S. 65, 80f. 566 Zum Minderheitsgesellschafter als Unternehmergesellschafter BGH v. 13.4.1994 BGHZ 125, 366, 369 (obiter); Mülhert, Aktiengesellschaft, S. 261; Fechner, AG 1962, 229, 231; Hüffen in: Geßler/Hefermehl § 243 Rn. 89. 56; Dazu etwa U. Huber, Vermögensanteil, S. 314f.; Wiedemann, BB 1975, 1591, 1597; zur Umgestaltung auch der Aktiengesellschaft in eine dem Modell der Handelskompagnien des 17. Jh. nachgebildeten Kerngesellschaft verantwortungsvoller Großaktionäre Müller-Erzbach, Umgestaltung, S. 37ff.; zur naturgemäßen Bedeutung der Zweiklassenstruktur auch in der neueren Aktiengesellschaft bereits 1904 F. Klein, Grundlagen, S. 21. 368 Dazu bereits 1. Kap. § 4 A I 2 und II 3.
118
1. Kapitel:
Der Typus des
V. Der Unternehmergesellschafter
Unternehmergesellschafters
in der
Familiengesellschaft
Familiengesellschaften sind Gesellschaften, an denen ausschließlich (vgl. § 76 Abs. 6 S. 2 B e t r V G 1952) oder zumindest in dominierender Stellung durch Verwandtschaft oder Eheschließung verbundene Personen beteiligt sind und deren Erscheinungsbild daher maßgeblich durch das Selbstverständnis und Wertesystem einer oder mehrerer Familien sowie durch das verwandtschaftliche Zusammengehörigkeitsgefühl bestimmt wird 569 . D i e Familiengesellschaft ist regelmäßig eine personalistisch strukturierte Gesellschaft 5 7 0 , die zugleich eine Mitunternehmergemeinschaft, majorisierte Gesellschaft und/oder Zweiklassengesellschaft 571 sein kann. Familiengesellschafter können danach nicht ohne weiteres als Unternehmergesellschafter angesehen werden, doch kann die herausgehobene Stellung eines Gesellschafters in der Familie seinen faktischen gesellschaftlichen Einfluß stärken und der Familiensinn zu einer besonderen Bindung des Gesellschafters an das Gesellschaftsinteresse führen 5 7 2 .
VI. Der Unternehmergesellschafter
in der
Publikumsgesellschaft
D i e reine Publikumsgesellschaft ist dadurch charakterisiert, daß keiner ihrer zahlreichen Gesellschafter über die Möglichkeit und den Willen zur Ausübung von Leitungsmacht verfügt 573 und es folglich in aller Regel zu einer Verselbständigung der Verwaltung gegenüber den Gesellschaftern 5 7 4 sowie zu einer Kontrolle der Unternehmensführung durch Kreditgeber, D e p o t s t i m m rechtsinhaber und institutionelle Anleger kommt 5 7 5 . Teilweise wurde sogar 569 Krim, Familiengesellschaft, S. 12f.; May, Sicherung, S. 1; Hennerkes/May, N J W 1988, 2761; zu statistischen Daten Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. 1, S. 119. 570 Zur Rechtsformwahl und den Gestaltungsmöglichkeiten eingehend Knur, Die Familiengesellschaft - Eine vergleichende Untersuchung der Unternehmungsformen, Berlin 1941; May, Die Sicherung des Familieneinflusses auf die Führung der börsengehandelten Aktiengesellschaft, Köln 1992; zum verhältnismäßig großen Aktionärseinfluß in der Familienaktiengesellschaft siehe die empirischen Untersuchungen von Witte, ZfB 1981, 733, 763 ff.; ferner Rittner, ZfSR 1980, 267, 279f. 571 Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. 1, S. 120; May, Sicherung, S. 1; Hohloch, in: Hohloch (Hrsg.), EU-Handbuch Gesellschaftsrecht, Deutschland, Rn. 130. 572 Dazu auch bereits 1. Kap. § 3 C III la bb (bbb); ferner etwa Knur, Familiengesellschaft, S. 12 ff. 573 G.H. Roth, FS Paulick, S. 81, 87; Wiedemann, Z G R 1975, 385, 391 f. 574 Berle/Means, Corporation, S. 69ff.; Pross, Manager, S. 12f. und 112f.; Witte, ZfB 1981, 733, 737 und 763ff.; Bornschier, Eigentum, S. 181 ff.; G.H. Roth, FS Paulick, S. 81, 90ff.; Mestmäcker, FS H. Westermann, S. 411, 412; Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. 1, S. 301; Papier, W D S t R L 35 (1977), 55, 64 f.; Schwerdtfeger, Mitbestimmung, S. 68; krit. bereits v. Jhering, Zweck Bd. 1, S. 224f. (Auseinanderfallen von Interesse und Verfügungsmacht). 575 Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. 1, S. 301; Immenga, Aktiengesellschaft, S. 24ff.; G.H. Roth, FS Paulick, S. 81, 96f.; Püttner, D Ö V 1976,433, 436.
§4
Erscheinungsformen
des
Unternehmergesellschafters
119
v o n einem U n t e r n e h m e n ohne Unternehmer 5 7 6 oder einer Verselbständigung des U n t e r n e h m e n s an sich 577 bzw. des Kapitalstocks 5 7 8 gesprochen. Die in der Praxis überwiegende 5 7 9 Publikumsgesellschaft mit einem U n t e r n e h m e r - oder Unternehmensgesellschafter w i r d demgegenüber verschiedentlich als gemischte Publikumsgesellschaft bezeichnet 5 8 0 . In ihr tritt der Gegensatz z w i schen unternehmerisch m i t w i r k e n d e n und anlageorientierten Gesellschaftern besonders deutlich hervor 5 8 1 . Im Vergleich zu seinem gesellschaftsrechtlich vermittelten Einfluß w i r d die Stellung eines unternehmerisch ambitionierten Gesellschafters durch das weitgehende unternehmerische Desinteresse der privaten Anlagegesellschafter faktisch gestärkt 582 . In der Aktiengesellschaft, deren gesetzliche Regelung am Modell der reinen Publikumsgesellschaft ausgerichtet ist, entsteht schließlich mit dem A u f t r e t e n eines G r o ß a k t i o n ä r s das Bedürfnis nach rechtlicher und faktischer Anpassung der Gesellschaftsorganisation an die reale Zweiklassenstruktur 5 8 3 .
Püttner, DÖV 1976, 433, 434. Rüfner, DVB1. 1976, 689; Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. 1, S. 301 f.; Püttner, DÖV 1976, 433, 434. 578 F. Klein, Entwicklungen, S. 5 (in der Publikumsgesellschaft werde „das Geld selbst zum Unternehmer"). 579 Siehe dazu die auf die Aktiengesellschaft bezogenen statistischen Daten bei Hansen, Strukturdaten, S. 32 ff.; Pross, Manager, S. 105 ff.; G.H. Roth, FS Paulick, S. 81, 87ff. und Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. 1, S. 122. 580 So etwa für die Publikums-AG Rittner, ZfSR 1980, 267, 279 und Friedewald, Aktiengesellschaft, S. 9; vgl. auch Wiethölter, in: Frankfurter Publizitätsgespräch, S. 37 („Publikumsgesellschaft mit stabilem Blockaktionär"). 581 Vgl. dazu auch Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. 1, S. 490, der angesichts der bestehenden Interessengegensätze das verbandsrechtliche Grundprinzip der gemeinsamen Zweckverfolgung auf eine ernste Probe gestellt sieht. 582 Dazu nur Wiethölter, Interessen, S. 302; Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 115f.; SchmidtLeithoff Verantwortung, S. 384 mit Fn. 65. 583 Dazu bereits 1. Kap. § 4 A II 2; vgl. ferner Suhr, Eigentumsinstitut, S. 139 („lautlose Verfassungsänderung"); Flame, in: Frankfurter Publizitätsgespräch, S. 189 („Man müßte also eigentlich in jede Satzung einer GmbH oder einer Aktiengesellschaft hineinschreiben, es wird alles ganz anders, wenn wir einen herrschenden Gesellschafter bekommen."); Chlosta, Wesensgehalt, S. 165 und 169 (Verfälschung der für die Aktiengesellschaft typischen Verantwortungsverteilung); ähnlich MünchKommAktG///eicier, § 1 Rn. 52 ff.; auch F. Klein, Entwicklungen, S. 56 und 64, hat die alten Aktiengesellschaftsverfassungen etwa der Handelskompagnien des 17. Jh. als „psychologisch wahrer" bezeichnet. 576 577
120
1. Kapitel:
Der Typus des
Unternehmergesellschafters
§ 5 Zusammenfassung D e r Unternehmergesellschafter ist eine natürliche Person, die an einer einzigen unternehmenstragenden Gesellschaft mit Unternehmerrisiko und U n ternehmerinitiative beteiligt ist 584 . Es handelt sich um einen gesetzlich nicht näher bestimmten klassifizierenden Typusbegriff der gesellschaftsrechtlichen Dogmatik, mit dem gesellschaftsformübergreifend der gesellschaftsgebundene Unternehmer als personaler Kern rechtsfähiger Gesellschaften, d.h. juristischer Personen und rechtsfähiger Personengesellschaften, erfaßt werden soll. Bei einem Unternehmergesellschafter, der Gesellschaft und U n t e r n e h men personifiziert, vereinigen sich eigentumsmäßige Beteiligung und Berufsausübung sowie unternehmerische Leitungsmacht und Verantwortung 5 8 5 . I m Rechtsverkehr tritt jedoch nur die rechtsfähige Gesellschaft als U n t e r n e h mensträgerin und damit als Zuordnungssubjekt aller unternehmensbezogenen Rechte und Pflichten in Erscheinung. Mit der Mediatisierung des Unternehmergesellschafters als Unternehmensträger einerseits sowie der Verselbständigung der rechtsfähigen Gesellschaft gegenüber ihren Gesellschaftern (Trennungsprinzip) und ihrer weitgehenden Gleichstellung mit den natürlichen Personen (Gleichstellungsprinzip) andererseits sind zahlreiche Rechtsanwendungsprobleme verbunden. Diese k ö n nen im Sinne des jeweiligen Regelungszwecks und des Gleichstellungsprinzips teilweise nur dadurch gelöst werden, daß man das Trennungsprinzip durchbricht und entweder die für die Gesellschaft als Unternehmensträgerin geltenden Umstände auf den Unternehmergesellschafter erstreckt oder auf die persönlichen Verhältnisse von Unternehmergesellschaftern zurückgreift bzw. diese Gesellschafter mit der Gesellschaft identifiziert 5 8 6 . D e r Begriff des Unternehmergesellschafters spielt damit eine zentrale Rolle im Rahmen der teleologischen Rechtsanwendung auf rechtsfähige Gesellschaften und ihre Gesellschafter. Seiner dogmatischen Funktion, die durch das Bedürfnis nach Einbeziehung der unterschiedlichen tatsächlichen Erscheinungsformen des gesellschaftsgebundenen Unternehmertums und nach Berücksichtigung der verschiedenen Regelungszwecke gekennzeichnet ist, kann er dabei nur gerecht werden, wenn man ihn zunächst im wesentlichen als Typus beschreibt und die Zuordnung der Sachverhalte letztlich vor dem Hintergrund des k o n kreten Regelungszusammenhangs vornimmt. Zwar enthält der Typusbegriff des Unternehmergesellschafters mit der E i genschaft als natürliche Person, der gesellschaftsrechtlichen Beteiligung an einer unternehmenstragenden Gesellschaft und der Stellung als Privatgesell-
584 585 586
Zum Begriff des Unternehmergesellschafters 1. Kap. § 3. Siehe dazu im 1. Kapitel § 3 C sowie das 2. Kapitel. Siehe dazu grundlegend die Einleitung sowie eingehend die Kapitel 3 - 6 .
15
Zusammenfassung
121
schafter auch unverzichtbare Begriffselemente, doch wird er letztlich durch die Beteiligung mit Untemehmerrisiko und Unternehmerinitiative geprägt. Insoweit kann der Begriff nur mit Hilfe zahlreicher, nicht zwingender, abstufbarer und kompensierbarer Typusmerkmale umschrieben werden 587 . Zu den Typusmerkmalen des Unternehmerrisikos gehören die namhafte Kapitalbeteiligung, die Eingehung von Nebenverpflichtungen, die Übernahme besonderer Haftungsrisiken, die Existenz spezifischer Vermögensrechte und das Angewiesensein des Gesellschafters auf die Ertragskraft des Unternehmens 588 . Die stets daneben zu fordernde Unternehmerinitiative ist durch die gesellschaftsrechtlich und/oder faktisch bedingte Ausübung von Leitungsund Kontrollmacht in den verschiedenen Gesellschaftsorganen und auf den diversen Feldern der Unternehmenspolitik sowie durch eine maßgebliche Mitwirkung im Gesellschaftsunternehmen und eine unternehmerische Interessenlage gekennzeichnet 589 . Die Zuordnung eines Sachverhalts zum Typus des Unternehmergesellschafters erfolgt zunächst durch herkömmliche Subsumtion unter diejenigen Begriffselemente, die die Stellung als natürlicher Privatgesellschafter einer unternehmenstragenden Gesellschaft bedingen und zugleich den Unternehmergesellschafter klar von anderen Formen des unternehmerischen Engagements (Einzelunternehmer, Unternehmensgesellschafter, partiarisch Beteiligter) abgrenzen 590 . Danach ist die Stellung des zu beurteilenden Privatgesellschafters auf das Vorhandensein derjenigen Typusmerkmale hin zu untersuchen, die das unternehmerische Engagement eines Gesellschafters beschreiben. An die Bewertung der einzelnen Typusmerkmale anhand ihrer Intensität, Beständigkeit und Wirkungsweise schließt sich eine Gesamtbetrachtung des Sachverhalts und ein Vergleich mit den zweifellos zum Objektbereich des Typus gehörenden Erscheinungsformen an591. Das Spektrum der möglichen Erscheinungsformen eines Unternehmergesellschafters reicht von dem über eine Sperrminorität und unternehmerische Interessen verfügenden Minderheitsaktionär ohne Vorstands- oder Aufsichtsratsmandat auf der einen bis hin zum Alleingesellschafter-Geschäftsführer auf der anderen Seite. Zu den in diesem Objektbereich besonders repräsentativen Erscheinungsformen hat man zunächst den an der Geschäftsführung und Vertretung der Gesellschaft beteiligten persönlich und unbeschränkt haftenden Gesellschafter mit namhafter Kapitalbeteiligung zu zählen. Trotz der fehlenden persönlichen Haftung handelt es sich aber auch bei den namhaft am Kapital und an der Geschäftsführung einer Kapitalgesell587 Zum typologischen Denken in der Rechtswissenschaft und zur überwiegend typologischen Struktur des Unternehmergesellschafterbegriffs siehe 1. Kap. § 1. 588 Dazu 1. Kap. § 3 C I. 589 Dazu 1. Kap. § 3 C II. 5 . 0 Dazu 1. Kap. § 3 A, B und D. 5.1 Dazu 1. Kap. § 3 C III und § 4.
122
1. Kapitel:
Der Typus des
Unternehmergesellschafters
schaft beteiligten Gesellschaftern um typische Unternehmergesellschafter. Zu den Unternehmergesellschaftern zählen ferner der unternehmerisch tätige und namhaft beteiligte Kommanditist sowie der atypisch an der Geschäftsführung und schuldrechtlich an den stillen Reserven wie am Geschäftswert beteiligte stille Gesellschafter. Sonderformen sind der namhaft beteiligte und über Leitungsmacht verfügende Gründergesellschafter sowie der Allein- und der Mehrheitsgesellschafter. Bereits zum Gegentypus des Anlagegesellschafters gehören der gesetzestypische und über einen Kapitalanteil von weniger als 25 % verfügende Kommanditist sowie der lediglich aus Renditegründen an einer maßgeblichen Unternehmensbeteiligung interessierte Privatgesellschafter einer Kapitalgesellschaft. Nicht jeder Gesellschafter, der mit Hilfe der Begriffs- und Typuselemente des Unternehmergesellschafterbegriffs als personaler und unternehmerischer Kern der Gesellschaft identifiziert wurde, kommt jedoch in allen der in dieser Arbeit behandelten Fälle als Objekt des Durchgriffs in Betracht. Der jeweilige Regelungszweck und die konkrete Rechtsanwendungssituation können nämlich bestimmte Aspekte der gesellschaftsgebundenen Unternehmertätigkeit in den Vordergrund treten lassen bzw. eine einfache und rechtssichere Handhabung des Unternehmergesellschafterbegriffs gebieten. Neben der Vollform des Unternehmergesellschafters wurden daher zum einen auch Sonderformen dieses Gesellschaftertyps vorgestellt, die wie der unternehmerisch beteiligte, der unternehmerisch tätige und der bestimmungsmächtige Privatgesellschafter sowie der wirtschaftliche Alleingesellschafter bestimmten Regelungszwecken gerecht werden sollen 592 . Zum anderen galt es dem jeweiligen Unternehmergesellschaftertypus unter Rückgriff auf zentrale Typusmerkmale eine schematisierte Abwandlung zur Seite zu stellen, um dem teilweise auftretenden besonderen Bedürfnis nach einfacher und sicherer Rechtsanwendung Rechnung tragen zu können 593 .
5.2 5.3
Siehe dazu 1. Kap. § 3 C III 2a. Dazu jeweils näher 1. Kap. § 3 C III.
2. Kapitel
Die Sonderstellung des Unternehmergesellschafters in der rechtsfähigen Gesellschaft Die herausgehobene Stellung eines Unternehmergesellschafters in der rechtsfähigen Gesellschaft beruht neben den bereits behandelten besonderen Rechten und Pflichten auf seiner engen rechtlichen und tatsächlichen Verbindung mit der Gesellschaft, auf seiner gesteigerten Treuepflicht und auf den besonderen verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen seiner gesellschaftsgebundenen Unternehmertätigkeit. M i t der Darstellung dieser Charakteristika der Unternehmergesellschafterstellung werden zugleich die Grundlagen für die sich anschließende Untersuchung ihrer status-, haftungs-, zurechnungs- und identifikationsbegründenden Funktion gelegt.
§ 1 Die Gemeinschaft von Unternehmergesellschafter und Gesellschaft Die Inhaberschaft von Gesellschaftsanteilen bzw. von Anteilseigentum an rechtsfähigen Gesellschaften begründet lediglich eine mitgliedschaftliche und vermögensrechtliche Beteiligung des Unternehmergesellschafters am Betrieb des Gesellschaftsunternehmens. Dies kann man aber nicht nur als Ausdruck der Trennung, sondern auch als eine bedeutsame Grundlage der Verbindung zwischen Gesellschafter und Gesellschaft bzw. dem von ihr betriebenen U n ternehmen ansehen, die durch eine Vermögens-, Willens-, Handlungs- und Interessengemeinschaft sowie durch wechselseitige Bezüge zwischen Privatund Gesellschaftssphäre gekennzeichnet ist.
A. Die
Vermögensgemeinschaft
D i e Sonderung des zweckgebundenen Vermögens der Gesellschaft von den Privatvermögen der Gesellschafter ist ein Hauptmerkmal aller rechtsfähigen Gesellschaften. Andererseits bestehen aber auch zahlreiche Vermögensrecht-
124
2. Kapitel: Die Sonderstellung des
Unternehmergesellschafters
liehe und wirtschaftliche Verbindungen zwischen der Gesellschaft und ihrem Unternehmergesellschafter. Auch wenn diese Beziehungen nicht dazu führen dürfen, unter Berufung auf die „wirtschaftliche Einheit" von Gesellschaftsund Gesellschaftervermögen im Ergebnis auch deren rechtliche Einheit anzunehmen 1 , prägt die im Folgenden näher darzulegende Gemeinschaft beider Vermögensmassen die Rechtsstellung eines Unternehmergesellschafters in erheblichem Maße.
I. Vermögensgemeinschaft durch mitgliedschaftliche und vermögensrechtliche Beteiligung des Unternehmergesellschafters Die gesellschaftsrechtlich vermittelte Beteiligung eines Unternehmergesellschafters am Wert und an der Herrschaftsmacht über die Gegenstände des Gesellschaftsvermögen führt zu verschiedenen Relativierungen der Sonderung des dinglich ausschließlich der Gesellschaft zugeordneten Gesellschaftsvermögens.
1. Relativierung
der Vermögenssonderung
im
Gesellschaftsrecht
Obwohl das Gesellschaftsvermögen bei allen rechtsfähigen Gesellschaften nach zutreffender Ansicht in gleicher Weise zunächst der Gesellschaft als juristischer Person bzw. rechtsfähiger Gesamthandsgemeinschaft zugeordnet ist, wird hinsichtlich der Rechtszuständigkeit in der klassischen gesellschaftsrechtlichen Lehre immer noch zwischen juristischen Personen und Gesamthandsgemeinschaften unterschieden. Danach wird bei den juristischen Personen zunächst die Konsequenz aus der Vermögenssonderung sowie der Rechtsträgerschaft der Gesellschaft gezogen und in zutreffender Weise das Gesellschaftsvermögen zivilrechtlich ausschließlich der Gesellschaft zugeordnet. Der Gesellschaftsanteil vermittelt nur mitgliedschaftsrechtliche Anteile an der Verfügungsmacht über das Vermögen der Gesellschaft 2 . Dennoch wird auch hier die Rechtszuständigkeit der durch die juristische Person mediatisierten Gesellschafter in Bezug auf die Gegenstände des Gesellschaftsvermögens als „wirtschaftliche Mitberechtigung" oder als „Wertrecht" bezeichnet, die dem Miteigentum bzw. der Mitinhaberschaft von Rechten umso näher kämen, je stärker die rechtliche und tatsächliche Machtposition des betreffenden Gesellschafters in der Gesellschaft ausgebildet sei3. Gerade bei Unternehmer1 So aber etwa BGH v. 3.4.1962 GmbHR 1962,134; BGH v. 13.11.1973 BGHZ 61, 380, 384 und BGH v. 8.2.1977 NJW 1977, 1283. 2 RG v. 26.1.1915 RGZ 86, 146, 149; RG v. 16.3.1920 RGZ 98, 289, 291. 3 So etwa für den Aktionär Begr. zum RegE des AktG BT-Drucks. 4/171, S. 93 und Lütter, Aktionär, S. 11 sowie für den Alleingesellschafter einer GmbH BayObLG v. 8.7.1926 JW 1926, 2377 Nr. 1 und O L G Hamm v. 10.11.1976 NJW 1977,1159; näher U. Huber, Vermögensanteil,
51
Gemeinschaft
von Unternehmergesellschafter
und
Gesellschaft
125
gesellschaftern, für die die Gegenstände des Gesellschaftsvermögens die vermögensmäßige Grundlage ihrer über die Gesellschaft für eine gewisse Dauer ausgeübten unternehmerischen Betätigung bilden, haben diese Schlagworte ihre wirtschaftliche und soziologische Berechtigung, doch dürfen sie nur in Ausnahmefällen zu einer Relativierung der gesellschaftsrechtlich vorgegebenen Vermögenstrennung führen 4 . Demgegenüber hält man selbst bei den rechtsfähigen Gesamthandsgesellschaften aufgrund des Verweises von § 105 Abs. 3 HGB auf § 718 Abs. 1 („gemeinschaftliches Vermögen der Gesellschafter") und § 719 Abs. 1 BGB traditionell an dem die Rechtszuständigkeit der Gesellschafter betonenden Modell der Gesamthand fest. Danach erfolgt zwar ebenfalls eine Absonderung des Gesellschaftsvermögens von den Privatvermögen der einzelnen Gesellschafter 5 , doch wird dieses nicht einem eigenständigen Rechtssubjekt, sondern entweder den Gesellschaftern gemeinschaftlich 6 oder der Gesamthand als Gruppe der Gesellschafter 7 zugeordnet, wobei man die gesamthänderische Bindung teilweise mehr individualistisch als dem Bruchteilseigentum 8 und teilweise mehr kollektivistisch als dem Körperschaftseigen-
S. 164ff., der die Natur des Wertrechts als wirtschaftlichem Miteigentum zwar nur für die Personenhandelsgesellschaften untersucht, jedoch zugleich von ihrer Übertragung auf die juristischen Personen ausgeht (S. 168) und eine analoge Anwendung bestimmter eigentumsrechtlicher Vorschriften auf den Gesellschaftsanteil befürwortet (S. 171). 4 Zu einzelnen Relativierungen der Vermögenstrennung sogleich unter 2.-5.; krit. zum Schlagwort des wirtschaftlichen Eigentums von Kapitalgesellschaftern etwa Wiethölter, in: Frankfurter Publizitätsgespräch, S. 38f.; Wilhelm, Rechtsform, S. 339ff. und ders., DB 1986, 2113 f.; unter Betonung des Gegensatzes von Gesamthand und juristischer Person auch Wiedemann, WM 1975 Beilage Nr. 4, S. 9f.; zu bedenklichen Auswirkungen der „wirtschaftlichen" Betrachtungsweise siehe etwa BGH v. 3.4.1962 GmbHR 1962, 134; BGH v. 13.11.1973 BGHZ 61, 380, 384 und BGH v. 8.2.1977 NJW 1977, 1283 (krit. dazu sogleich unter 3). 5 RG v. 5.5.1904 DJZ 1904, 817 („Erwirbt also die Gesellschaft Eigentum an einer körperlichen Sache, so ist diese für jeden Gesellschafter eine fremde und zwar in allen ihren Teilen."); BGH v. 31.1.1983 BGHZ 86, 367, 369f. (das Gesellschaftsvermögen bleibe nach § 738 Abs. 1 S. 1 BGB unabhängig von einem Mitgliederwechsel der Gesellschaft zugeordnet); Wiedemann, WM 1975 Beilage Nr. 4, S. 28 („mitgliedsbezogenes Sondervermögen") und S. 29 („jeder Beteiligte verliert seine private Zuständigkeit"); K. Schmidt, OHG, S. 99f.; näher U. Huber, Vermögensanteil, S. 61 ff.; zur Erforderlichkeit von Ubertragungsakten bei Vermögensverschiebungen zwischen personengleichen Gesamthandsgesellschaften siehe nur RG v. 4.6.1932 RGZ 136, 402, 406 und U. Huber, Vermögensanteil, S. 72ff. 6 So etwa RG v. 19.1.1933 RGZ 139, 252, 254; v. Tuhr, BGB-AT Bd. 1, S. 81 und 348; Schulze-Osterloh, Prinzip, S. 8ff.; Larenz/Wolf, BGB-AT, § 9 Rn. 73; Dörfelt, DB 1979, 1153, 1154. 7 So Flume, ZHR 136 (1972), 177, 193; siehe auch bereits v. Gierke, Deutsches Privatrecht Bd. 1,S. 675 ff. 8 So in neuerer Zeit etwa Schulze-Osterloh, Prinzip, S. 13 ff.; siehe zu Vorläufern dieser auch als Theorie der geteilten Mitberechtigung zu bezeichnenden Gesamthandslehre Buchda, Gesamthandlehre, S. 200ff. m.w.N.
126
2. Kapitel:
Die Sonderstellung
des
Unternehmergesellschafters
tum 9 angenähert betrachtet. Als gemeinschaftliche Träger des Gesellschaftsvermögens sind die Gesellschafter berechtigt, über das Gesellschaftsvermögen mit zu verfügen, es mit zu verwalten, es mit zu gebrauchen, es zu schützen und die Früchte zu genießen 10 . Mit diesem in anderen Ländern weitgehend unbekannten Grundmodell der gesamthänderischen Vermögenszuordnung und Vermögenssonderung, dessen unterschiedliche theoretische Ausprägungen 11 die Rechtsprechung mit der Kompromißformel von der Vermögensträgerschaft der Beteiligten in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit zu einen versucht hat12, möchte man bekanntlich ganz unterschiedliche Sondervermögen auf einen einheitlichen dogmatischen Nenner bringen, was im Personengesellschaftsrecht zu erheblichen Problemen bzw. heftigen Auseinandersetzungen um ihre Lösung geführt hat und noch immer führt. Im Recht der Personenhandelsgesellschaften galt und gilt es insbesondere den Widerspruch der durch § 105 Abs. 3 HGB i.V.m. §§ 718f. BGB gestützten Gesamthandslehre mit § 124 HGB, Art. 1 Abs. 2 EWIV-VO und § 7 Abs. 2 PartGG sowie den §§ 14 Abs. 2, 1059a Abs. 2 BGB, § 105 Abs. 2 HGB, § 191 U m w G und § 11 Abs. 2 Nr. 1 InsO aufzulösen. Entweder wird hierzu weiter an der unmittelbaren Zuordnung des Gesellschaftsvermögens an die gesamthänderisch gebundenen Gesellschafter festgehalten 13 und damit die Vermögensträgerschaft der Gesellschaft, die auf ihrer gesetzlich attestierten Rechtsfähigkeit beruht, mißachtet oder es wird juristisch unklar von den Gesellschaftern als den vermögensrechtlichen „Zurechnungsendsubjekten" 14 gesprochen. Demgegenüber wäre es überzeugender, die i.S.v. § 105 Abs. 3 HGB in den §§ 105 ff. HGB nun einmal in anderer Weise vorgeschriebene Vermögensordnung der rechtsfähigen Personengesellschaften dogmatisch von der Gesamthandsvorstellung zu lösen und sie derjenigen der juristischen Personen anzugleichen 15 . Entsprechendes sollte 9 So in neuerer Zeit etwa Flume, BGB-AT 1/1, S. 93 und ders., ZHR 136 (1972), 177, 189ff.; siehe zu Vorläufern dieser auch als Theorie der ungeteilten Gesamtberechtigung bzw. Mitberechtigung zu bezeichnenden Gesamthandslehre Buchda, Gesamthandlehre, S. 193 ff. 10 Dazu eingehend Schulze-Osterloh, Prinzip, S. 30ff.; für die GbR Buchda, Gesamthandlehre, S. 305. " Siehe zu den verschiedenen Gesamthandstheorien die instruktive Ubersicht bei Buchda, Gesamthandlehre, S. 193 ff. " Für das Gesellschaftsrecht etwa RG v. 23.6.1933 RGZ 141, 277, 280 (Träger der Gesellschaftsrechte seien „die Gesellschafter selbst in ihrer Zusammenfassung zur Gesellschaft"); ähnlich BGH v. 16.2.1961 BGHZ 34, 293, 296. 15 So etwa BGH v. 16.2.1961 BGHZ 34, 293, 296; A. Hueck, OHG, S. 32ff. und Kühler, Gesellschaftsrecht, § 7 I 2b. 14 So im Anschluß an die Terminologie von H.J. W o l f f , Organschaft und Juristische Person Bd. 1, S. 198 etwa Buchner, AcP 169 (1969), 483, 486f.; ähnlich Kraft/Kreuz, Gesellschaftsrecht, D I 4b („Letztzuständigkeit der Gesellschafter"). 15 So auch etwa BGH v. 2.7.1973 WM 1973, 1291, 1292 (Zuordnung der gesellschaftlichen Rechte und Pflichten zur Gesellschaft und nicht den Gesellschaftern zur gesamten Hand); Fahricius, Relativität, S. 163ff. und 182f.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 46 II 1; zur vermö-
§1
Gemeinschaft
von Unternehmergesellschafter
und Gesellschaft
127
spätestens seit der Anerkennung der grundsätzlichen Rechts- und Parteifähigkeit der BGB-Außengesellschaft durch die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 29.1.2001 16 auch für die unternehmenstragende G b R gelten. Insoweit würde man dann auch bei den unternehmenstragenden Personengesellschaften die Rechtsstellung der nur noch vermittelt über die Gesellschaft am Gesellschaftsvermögen partizipierenden Gesellschafter ebenfalls als „wirtschaftliche Mitberechtigung" 17 oder als der Mitinhaberschaft in Abhängigkeit von der gesellschaftsrechtlichen Machtstellung mehr oder weniger angenähertes „Wertrecht" 18 bezeichnen.
2. Relativierung der Vermögenssonderung bei der rechtsgeschäftlichen Übertragung von Gesellschaftsanteilen Die rechtsgeschäftliche Übertragung von Gesellschaftsanteilen vollzieht sich auf der Basis eines Verpflichtungsgeschäfts wie insbesondere Kauf oder Schenkung als bloße Übertragung des Mitgliedschaftsrechts in der Gesellschaft. Da zur Mitgliedschaft jedoch auch die auf das Vermögen der Gesellschaft bezogenen Vermögensrechte gehören, stellt sich mehrfach die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen es im Rahmen von Normen, die bestimmte Rechtsfolgen an die Tatsache der Übertragung eines Vermögensgegenstandes knüpfen, zu berücksichtigen ist, daß nach dem Willen der Parteien bzw. bei objektiver Betrachtung mit der Übertragung des Gesellschaftsanteils auch die wertmäßige Berechtigung am und die gesellschaftsgebundene Herrschaftsmacht über das Gesellschaftsvermögen mit übergeht.
a) Formbedürftigkeit
der
Anteilsübertragung
Nach § 311b Abs. 1 S. 1 B G B bedarf ein Vertrag, der die Verpflichtung zur Übertragung oder zum Erwerb des Eigentums an einem Grundstück begrüngensrechtlichen Annäherung der O H G an die juristischen Personen bereits R G v. 4.6.1932 R G Z 136, 402, 406; weitergehend und die O H G zur juristischen Person erklärend Kohler, Z H R 74 (1913), 456 ff. und Raiser, AcP 194 (1994), 495, 504f. 16 B G H v. 29.1.2001 N J W 2001, 1056ff.; bestätigt durch B G H v. 18.2.2002 ZIP 2002, 614; zuvor bereits etwa B G H v. 4.11.1991 B G H Z 116, 86, 88 (Fähigkeit zur Mitgliedschaft in Genossenschaft) und B G H v. 15.7.1997 B G H Z 136, 254, 257 (Scheckfähigkeit); siehe aber etwa auch B G H v. 24.2.2000 G R U R 2000, 1028, 1029 (keine Markenfähigkeit der GbR). 17 Im Rahmen der Gesamthandslehre auch Joerges, Z H R 49 (1900), 140, 184f. („gebundenes Miteigenthum") und U. Huber, Vermögensanteil, S. 169ff. („wirtschaftliches Miteigentum"), der jedoch aufgrund der Abhängigkeit der Miteigentumsähnlichkeit von den Einflußnahmemöglichkeiten des Gesellschafters hinsichtlich des Anteils des typischen Kommanditisten und des Kommanditisten einer Publikums-KG gewisse Bedenken äußert. 18 So auch auf der Grundlage der Gesamthandslehre U. Huber, Vermögensanteil, S. 168ff.; siehe im Zusammenhang mit dem BGH-Urteil vom 29.1.2001 auch K. Schmidt, N J W 2001, 993, 998.
128
2. Kapitel: Die Sonderstellung des
Unternehmergesellschafters
det der notariellen Form i.S.v. § 128 B G B . Nach ganz herrschender Meinung soll dies jedoch nicht für die Übertragung möglicherweise aller Anteile an einer Gesellschaft gelten, zu deren Gesellschaftsvermögen möglicherweise sogar ausschließlich Grundstücke gehören 19 . Begründet wird dies damit, daß es sich hierbei rechtlich nur um eine Übertragung der Mitgliedschaft handele, das Gesellschaftsvermögen auch bei den Gesamthandsgesellschaften im Falle des Gesellschafterwechsels der Gesellschaft zugeordnet bleibe und man die Formvorschriften aus Gründen der Rechtssicherheit eng auszulegen habe 20 . Die von der herrschenden Ansicht angeführten Gründe für die Nichtanwendung des § 311 b Abs. 1 B G B vermögen nicht vollständig zu überzeugen21. Der Daseinsgrund der Regelung besteht im Schutz der an einem auf die Übertragung von Grundeigentum gerichteten Verpflichtungsgeschäft Beteiligten vor Übereilung, in der Sicherstellung einer sachgemäßen Beratung sowie der Vermeidung von Streitigkeiten über das Zustandekommen und den Inhalt der getroffenen Vereinbarungen 22 . Diese Funktionen der Formvorschrift verlangen in gleicher Weise Beachtung, wenn die gesellschaftsrechtlich vermittelte (Mit-)Berechtigung an einem Grundstück als Teil des Mitgliedschaftsrechts übertragen werden soll 23 . Die analoge Anwendung des § 311b Abs. 1 B G B , wie sie etwa auch für einseitige Rechtsgeschäfte befürwortet wird 24 , auf die rechtsgeschäftliche Verpflichtung zur Anteilsübertragung sollte daher nicht von vornherein ausgeschlossen werden. Voraussetzung einer Ausweitung der Formbedürftigkeit wäre allerdings neben einer planwidrigen Gesetzeslücke nicht nur eine Vergleichbarkeit der Sachverhalte, sondern auch eine Gewährleistung der in der Tat besonders bedeutsamen Rechtssicherheit.
" RG v. 30.1.1925 JW 1925, 1109 (AG); RG v. 18.12.1925 RGZ 112, 236, 238 (notarielle Form der Abtretung aller Anteile an einer Grundstücks-GmbH nur nach § 15 Abs. 3 GmbHG erforderlich); RG v. 10.11.1927 RGZ 118, 385, 388 (obiter); BGH v. 31.1.1983 BGHZ 86, 367, 369ff. (GbR); B G H v. 2.10.1997 WM 1997, 2220, 2222 (GbR); O L G Frankfurt/M. v. 15.4.1996 NJW-RR 1996, 1123 f. (GbR); Dörfelt, DB 1979, 1153, 1154 (GbR; Erforderlichkeit lediglich der notariellen Beglaubigung der Eintragungsbewilligung); a.A. lediglich in Anlehnung an die wirtschaftliche Betrachtung im Zusammenhang mit der analogen Anwendung der Sachmängelgewährleistung RGRK/Ballhaus, § 313 a.F. Rn. 17; bei Umgehungsgeschäften auch K. Schmidt, AcP 182 (1982), 481, 511; Ulmer/Löbbe, DNotZ 1998, 711, 712ff.; PzXzndx./Heinrichs, § 313 a.F. Rn. 5. 20 BGH v. 31.1.1983 BGHZ 86, 367, 369ff. (KG; offengelassen allerdings für den Fall des vollständigen Wechsels aller Gesamthänder); Dörfelt, DB 1979,1153,1154; Staudinger/Wufka, §313 a.F. Rn. 40; MünchHdb.GesR VHamann, §21 Rn. 80; MünchKommBGB/Äjnz/ei'ier, §313 a.F. Rn. 14; mit Einschränkungen für reine Grundstücks-GbR K. Schmidt, AcP 182 (1982), 481, 510ff. 21 Krit. auch AK-BGB/Dubischar, § 313 a.F. Rn. 11 (die Argumentation bleibe formal). 22 Siehe zum Normzweck des § 313 S. 1 BGB a.F. eingehend Ulmer/Löbbe, DNotZ 1998, 711, 714ff. 23 Für Umgehungsgeschäfte auch Ulmer/Löbbe, DNotZ 1998, 711, 714ff.
§1
Gemeinschaft
von Unternehmergesellschafter
und Gesellschaft
129
Was zunächst die Planwidrigkeit der Gesetzeslücke anbetrifft, so könnte man aus der ausschließlich auf die Immobilienveräußerung bezogenen Heilungsregelung des § 311b Abs. 1 S. 2 BGB nicht nur auf eine bewußte Beschränkung des Anwendungsbereichs 2 5 , sondern gerade auch auf die Mißachtung der in den Beratungen des BGB 26 mit keinem Wort erwähnten gesellschaftsrechtlichen Problematik durch den Gesetzgeber schließen. Sofern man allerdings eine Ausdehnung des § 311 b Abs. 1 S. 1 BGB annähme, müßte man dann auch § 311b Abs. 1 S. 2 BGB entsprechend auf den Vollzug der Anteilsübertragung anwenden, ohne daß zugleich der durch die Analogie gewonnene Schutz wieder leerliefe 27 . Bei den Gesellschaften bürgerlichen Rechts bzw. den Personenhandelsgesellschaften kann man hierzu auf die deklaratorische Grundbuchberichtigung (§ 47 GBO) 2 8 bzw. die deklaratorische Eintragung des Gesellschafterwechsels in das Handelsregister (§§ 107, 143 Abs. 2 H G B ) abstellen. Für die Übertragung von GmbH-Anteilen käme hierfür die Anmeldung i.S.v. § 16 Abs. 1 G m b H G und bei der Aktiengesellschaft die Ubereignung der Inhaberaktien (§§ 929ff. BGB) bzw. der Vermerk des Ubergangs der Namensaktien (§ 68 Abs. 3 AktG) in Betracht. Die rechtsgeschäftliche Verpflichtung zur Übertragung von Gesellschaftsanteilen unter Einschluß der gesellschaftsrechtlich vermittelten (Mit-)Berechtigung an einem zum Gesellschaftsvermögen gehörenden Grundstück könnte zumindest dann mit der Übertragung des Grundeigentums verglichen werden, wenn es sich um die Übertragung (fast) aller Anteile an einer Gesellschaft handelt 29 , deren Gesellschaftsvermögen überwiegend aus Grundstücken besteht oder die einen grundstücksbezogenen Gesellschaftszweck verfolgen 30 . Aber auch darüber hinaus wird man dies dann annehmen können, wenn der Veräußerer auf den Erwerber die beherrschende Stellung in der Gesellschaft überträgt und zum Gesellschaftsvermögen in nicht unwesentlichem Umfang Grundstücke gehören. Denn auch in diesem Fall, in dem der Veräußerer bzw. der Erwerber maßgeblich am Wert des bedeutsamen Grundstückseigentums
24
Dazu MünchKommBGB/Äawz/ez'ten §313 a.F. Rn. 24; Palandt/Heinrichs, §313 a.F. Rn. 16. 25 So aber S t a u d i n g e r / W u ß a , § 313 a.F. Rn. 40; Petzoldt, BB 1975, 905, 908; krit. AK-BGB/ Dubischar, § 313 a.F. Rn. 11; in anderem Zusammenhang auch O L G H a m m v. 9.11.1973 M D R 1974,311. 26 Siehe dazu Motive II, S. 190f.; Prot. S. 921 ff.;Jakobs/Schubert, Beratung des BGB Bd. 2 S. 404 ff. 27 Ebenso K.Schmidt, AcP 182 (1982), 481, 512 und Ulmer/Löbbe, D N o t Z 1998, 711, 731 f.; in anderem Zusammenhang abweichend und für eine Unabhängigkeit der analogen Anwendung der beiden Sätze des § 313 BGB a.F. O L G H a m m v. 9.11.1973 M D R 1974, 311. 28 Dazu auch K. Schmidt, AcP 182 (1982), 481, 512 und Ulmer/Löbbe, D N o t Z 1998, 711, 732. 29 Vgl. dazu § 1 Abs. 2a GrEStG. 30 Dazu näher im Zusammenhang mit der Feststellung eines Umgehungstatbestandes K. Schmidt, AcP 182 (1982), 481, 511 und Ulmer/Löbbe, D N o t Z 1998, 711, 724 ff.
130
I.Kapitel:
Die Sonderstellung
des
Unternehmergesellschafters
der Gesellschaft beteiligt ist bzw. werden soll und aufgrund seiner Stellung als Mehrheitsgesellschafter trotz gesellschafts- und etwaiger unternehmensrechtlicher Bindungen über entscheidenden Einfluß auf die Ausübung der gesellschaftlichen Sachherrschaft über das Grundeigentum verfügt bzw. verfügen wird, kann die Bedeutung der Funktionen des § 311b Abs. 1 S. 1 B G B nicht geleugnet werden. Aus Gründen der Rechtssicherheit wird man die analoge Anwendung des § 311b Abs. 1 B G B jedoch auf Fälle beschränken, in denen mehr als 5 0 % der Gesellschaftsanteile übertragen werden und das Gesellschaftsvermögen zu mehr als 50 % aus Grundstückseigentum besteht.
b) Genehmigungsbedürftigkeit
der
Anteilsübertragung
Eine nur im Ansatz vergleichbare Problematik werfen zudem die öffentlich-rechtlichen Genehmigungsvorbehalte auf, die sich auf die Veräußerung bestimmter im Gesellschaftsvermögen enthaltener Gegenstände beziehen (z.B. für die Veräußerung bestimmter Grundstücke § 2 Abs. 1 S. 1 G r d s t V G und § 144 Abs. 2 Nr. 1 B a u G B ) . Zwar könnte man sich auch hier eine am jeweiligen N o r m z w e c k orientierte analoge Anwendung auf bestimmte F o r m e n der Anteilsübertragung vorstellen 31 , doch wird diese, abgesehen von bestimmten Umgehungsgeschäften 3 2 , deshalb nicht in Betracht kommen, weil der Genehmigungsvorbehalt einen Eingriff in das (Grund-)Eigentum darstellt, der dem Vorbehalt einer hinreichend bestimmten gesetzlichen G e n e h migungsregelung unterliegt 33 . Damit ist eine Einbeziehung der Anteilsübertragung in den Genehmigungsvorbehalt nur bei einer entsprechend weiten Fassung des Genehmigungsvorbehalts möglich 3 4 .
3. Relativierung
der Vermögenssonderung
im
Schadensrecht
Sofern ein Gesellschaftsvermögen gebildet wird, repräsentiert die Gesellschaftsbeteiligung einen wertmäßigen Anteil an demselben und damit am R i -
Fuchs, LZ 1923, Sp. 526ff.; Schumacher, J W 1937, 2249, 2252 (fragwürdig). Siehe dazu etwa für § 2 GrdstVG Vorwerk/v. Spreckelsen, § 2 GrdstVG Rn. 31 ff.; vgl. auch bereits Fuchs, LZ 1923, Sp. 526ff. 33 Ähnlich bereits R G v. 4.2.1922 R G Z 104, 42, 43 f. für das Vorkaufsrecht aufgrund der §§ 5ff. Reichssiedlungsgesetz (der Gesetzgeber müsse Eingriffe in das Eigentum genau regeln); krit. Fuchs, LZ 1923, Sp. 526ff. („begriffsjuristisches Gaukelspiel"); so wird denn auch etwa im Baurecht keine analoge Anwendung des § 144 Abs. 2 Nr. 1 BauGB auf den Fall der 100%igen Anteilsübertragung erwogen (siehe nur Brügelmann/iVe«&iiMse«, § 144 BauGB Rn. 17 und Sehrödter/Köhler, § 144 BauGB Rn. 10); generell zum Verbot mit Erlaubnisvorbehalt Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 9 Rn. 53 i.V.m. § 6 Rn. 12. 34 Siehe dazu den Fall R G v. 20.3.1926 R G Z 113,163,164 ff. („...jede Vereinbarung, welche den Genuß der Erzeugnisse ... eines Grundstücks zum Gegenstand h a t . . . " ) . 31 32
§1
Gemeinschaft
von Unternehmergesellschafter
und Gesellschaft
131
siko der Vermögensentwicklung der Gesellschaft 35 . Der Anteilswert stellt damit eine wichtige Brücke zwischen dem Gesellschafts- und dem Privatvermögen des Anteilsinhabers dar. Im Schadensrecht wirft dies die Frage auf, ob und unter welchen Voraussetzungen Schädigungen des Gesellschaftsvermögens auch solche des Privatvermögens eines Gesellschafters darstellen, ohne daß hierdurch gegen die auch bei den rechtsfähigen Personengesellschaften 36 zu beachtende rechtliche Verselbständigung der Gesellschaft und ihres Vermögens sowie die grundsätzliche Begrenzung der Ersatzberechtigung auf den unmittelbar Geschädigten verstoßen wird. Unbestritten ist in diesem Zusammenhang lediglich, daß der Gesellschafter den ihm entstandenen Erwerbsunfähigkeitsschaden auch dann vom Schädiger ersetzt verlangen kann, wenn ihm dieser bereits dadurch erstattet wurde, daß ihm die Gesellschaft unabhängig von ihrer Ertragslage und nicht in Form einer verdeckten Gewinnausschüttung vertragsbedingt 37 oder freiwillig 38 eine Vergütung fortgezahlt hat. Zwar führt auch dies im wirtschaftlichen Ergebnis zu einem Ersatz des mittelbaren Gesellschaftsschadens, weil der Gesellschafter den Ersatzanspruch in entsprechender Anwendung des § 255 BGB an die Gesellschaft abtreten bzw. den erlangten Ersatz herausgeben muß 39 , doch folgt dies nicht aus einer Identifikation der Vermögensmassen oder ihrer Träger, sondern schlicht aus der Anwendung der allgemeinen schadensrechtlichen Grundsätze der Vorteilsausgleichung. Im vertraglichen Bereich kann die Problematik zudem dadurch eingegrenzt werden, daß man die Gesellschaft in den Schutzbereich eines von ihrem Unternehmergesellschafter im eigenen Namen abgeschlossenen Vertrags einbezieht und ihr auf diese Weise nach allgemeinem Vertragsrecht zu einem 35 So spricht etwa U. Huber, Vermögensanteil, S. 164 ff. von einem Wertrecht, das dem Gesellschafter einen quantitativen Teil am Unternehmensvermögen zuweise und als mittelbare bzw. quasi-dingliche Berechtigung an den Gegenständen des Gesellschaftsvermögens dem Miteigentum umso ähnlicher sein würde, je stärker die rechtlichen und tatsächlichen Einflußnahmemöglichkeiten des Gesellschafters ausgeprägt seien; ähnlich bereits J. Kohler, AcP 91 (1901), 155, 163ff., der die Aktie und den GmbH-Anteil als Wertrechte ansah, die darauf gerichtet seien, den einzelnen Sachen als Teilen des Gesellschaftsvermögens einen Wert zu entnehmen. 36 Für eine unterschiedliche Behandlung von Kapitalgesellschaften und Personengesellschaften allerdings Ganßmüller, G m b H R 1977, 265, 266f.; lediglich für die Möglichkeit einer Gleichbehandlung von personalistischer Kapitalgesellschaft und Personengesellschaft auch Marschall v. Bieberstein, Reflexschäden, S. 241 mit Fn. 4. 37 B G H v. 5.2.1963 N J W 1963, 1051 mit zust. Anm. Ganßmüller, N J W 1963, 1446 f. (arbeitsunfähig verletzter Komplementär); B G H v. 8.2.1977 N J W 1977,1283 (geschäftsführender Alleingesellschafter); B G H v. 9.3.1971 N J W 1971, 1136 (Einpersonen-GmbH); vgl. demgegenüber zum Ersatzanspruch des Einzelkaufmanns und zum dort erforderlichen konkreten Schadensnachweis B G H v. 5.5.1970 N J W 1970,1411; siehe dazu auch Marschall v. Bieberstein, Reflexschäden, S. 245. 38 B G H v. 25.2.1964 VersR 1964, 626 (geschäftsführender GmbH-Gesellschafter). 39 Siehe dazu auch Marschall v. Bieberstein, Reflexschäden, S. 245 f.; Ganßmüller, N J W 1963, 1446f. und Wiedemann, W M 1975 Beilage Nr. 4, S. 25.
132
2. Kapitel: Die Sonderstellung des
Unternehmergesellschafters
eigenen Ersatzanspruch verhilft 40 . Auch wenn es insoweit nicht mehr auf die früher bisweilen in Frage gestellte41 personengebundene Nähebeziehung des Gesellschafters zu der in den Schutzbereich einzubeziehenden Gesellschaft („Wohl und Wehe") ankommt, so setzt dies doch voraus, daß man im Rahmen von § 242 B G B objektiv (Leistungsnähe, schutzwürdiges Interesse des Gläubigers, Schutzbedürfnis des Dritten) bzw. im Rahmen der ergänzenden Vertragsauslegung subjektiv (hypothetischer Parteiwille) eine Einbeziehung der Gesellschaft in den Schutzbereich des Vertrages rechtfertigen kann 42 . In diesem Zusammenhang sollte man sich davor hüten, den Grundsatz des Nichtersatzes von Drittschäden durch eine fiktive Ausdehnung des vertraglichen Schutzbereichs auf Gesellschaften des Vertragspartners auszuhöhlen 43 , zumal das durch die Verselbständigung der Gesellschaft entstandene Drittschadensrisiko im Einflußbereich des Gesellschafters liegt 44 . Im übrigen wird der Gesellschafter einen durch seine eigene Verletzung mittelbar bei der rechtlich verselbständigten Gesellschaft eingetretenen Schaden nur dann (gegebenenfalls entsprechend seinem Gesellschaftsanteil) ersetzt verlangen können, wenn sein Privatvermögen mit dem der Gesellschaft aufgrund seiner wirtschaftlichen Alleingesellschafterstellung (sog. gesellschafterfreundlicher oder umgekehrter Durchgriff) bzw. seiner vermögensmäßigen Gesellschaftsbeteiligung (abstrakter Anteilsschaden) schadensmäßig identifiziert wird, man ihm ausnahmsweise nach den Grundsätzen der Drittschadensliquidation eine Geltendmachung des Gesellschaftsschadens gestattet oder wenn sich der Gesellschaftsschaden zumindest konkret in einer Wertminderung seines Gesellschaftsanteils niedergeschlagen hat (konkreter Anteilsschaden). Was zunächst den sog. gesellschafterfreundlichen oder umgekehrten Durchgriff anbetrifft, so ist dieser teilweise in der Rechtsprechung aufgrund einer wirtschaftlichen Identifikation des Privatvermögens des verletzten (wirtschaftlichen) Alleingesellschafters mit dem geschädigten Gesellschaftsvermögen befürwortete Durchgriff 45 nicht nur aus schadensrechtlichen, son40 Siehe dazu auch BGH v. 13.11.1973 BGHZ 61, 380, 382f. (obiter für die Einbeziehung einer Einpersonen-GmbH in die Schutzwirkung eines Vertrages des Alleingesellschafters); K. Schmidt, GmbHR 1974, 178, 179; vgl. zum umgekehrten Fall einer Schutzwirkung zugunsten von Gesellschaftern BGH v. 2.2.1972 DB 1972, 577 (BGB-Gesellschaft). 41 Berg, NJW 1974, 933, 934; Hüffer, JuS 1976, 83, 88. 42 Siehe zu den genannten Voraussetzungen nur Staudinger /Jagmann, Vor §§ 328 ff. Rn. 103 ff. 43 In diesem Sinne auch Wilhelm, Rechtsform, S. 385. 44 So zutreffend Roll, Anm. zu BGH v. 13.11.1973, NJW 1974, 492, 493. 45 B G H v. 13.11.1973 BGHZ 61, 380ff. (insbesondere S. 384: Die Einpersonen-GmbH eines einzelnen Gewerbetreibenden sei „haftungsrechtlich nur ein in besonderer Form verwalteter Teil seines Vermögens. Was der Gesellschafter in der GmbH durch seine Tätigkeit erarbeitet oder einbüßt, trifft ihn, den Alleingesellschafter, unmittelbar ... Wird der Gesellschafter von einem Dritten schuldhaft verletzt und tritt ein Schaden an seinem Sondervermögen ein, so
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Gemeinschaft
von Unternehmergesellschafter
und Gesellschaft
133
dern auch gesellschaftsrechtlichen Gründen mit Recht überwiegend abgelehnt worden 46 . Mit einer allgemein wirtschaftlichen Betrachtung oder dem Hinweis auf die vermeintlich gebotene Gleichbehandlung mit dem Einzelunternehmer kann nämlich nicht erklärt werden, warum sich ein (Quasi-)Alleingesellschafter, der sich bewußt durch seine Rechtsformwahl für die ihm regelmäßig günstige rechtliche Vermögenstrennung entschieden hat, nun andererseits erneut zu seinem Vorteil auf die wirtschaftliche Identität der Vermögensmassen berufen können soll 47 . Auch die Privilegierung des (Quasi-) Alleingesellschafters gegenüber anderen, insbesondere ebenfalls unternehmerisch engagierten Gesellschaftern kann nicht gerechtfertigt werden 48 . Selbst bei wertender Betrachtung ist kein Grund ersichtlich, warum die Trennung der Vermögensmassen aus Gründen eines gerechten Schadensersatzes übergangen werden sollte 49 . Damit kann man eine Berufung des Schädigers auf das Trennungsprinzip auch nicht als rechtsmißbräuchlich ansehen 50 . Erhebliche Bedenken bestehen zudem gegen den Vorschlag, zumindest dem Alleingesellschafter auch außerhalb der anerkannten Fälle 51 einer Drittschadensliquidation ausnahmsweise eine Liquidation des Gesellschaftsschadens zu ermöglichen und ihn anschließend aufgrund des Gesellschaftsverhältnisses zur Abtretung des Ersatzanspruchs an die Gesellschaft bzw. zur Herausgabe der geleisteten Entschädigung für verpflichtet zu halten 52 . Angesichts des durch die Schädigung der Gesellschaft stets abstrakt und regelmäßig auch konkret gegebenen Anteilsschadens fehlt es hierzu bereits an der für die Drittschadensliquidation typischen stetigen und vollständigen Schadensverlagerung 53 . Eine solche könnte man allenfalls für die Differenz zwischen anmuß es ... im Verhältnis zum Schädiger so angesehen werden, daß ihn persönlich ein Schaden getroffen hat. Eine andere Betrachtungsweise würde an der wirtschaftlichen Wirklichkeit vorbeigehen und den Schädiger auf dem Wege über formale Gegebenheiten ungerechtfertigt entlasten"); ebenso bereits für den zu 96,4% beteiligten GmbH-Geschäftsführer BGH v. 3.4.1962 GmbHR 1962, 134; aufgrund der heftigen Kritik etwas zurückhaltender BGH v. 8.2.1977 NJW 1977, 1283 f. 46 Wilhelm, Rechtsform, S. 383ff.; ders., NJW 1977, 1887; Flume, FS L. Raiser, S. 27, 51 mit Fn. 78; Seibert, Schädigung, S. 204ff.; Schulte, WM 1979 Beilage Nr. 1, S. 20. 47 Seibert, Schädigung, S. 204f.; Berg, NJW 1974, 933, 934f.; Schulte, NJW 1979, 2230, 2233 f.; vgl. dazu auch bereits generell RG v. 29.6.1942 RGZ 169, 240, 248. 48 Dazu auch Ganßmüller, GmbHR 1977, 265, 272f. und Lieb, FS R. Fischer, S. 385, 391 f. 49 Dazu auch Schulte, NJW 1979, 2230, 2233. 50 So aber Bauschke, BB 1974, 429, 431 für den Fall BGH v. 13.11.1973 BGHZ 61, 380ff. 51 Zur Drittschadensliquidation durch den Gesellschafter im anerkannten Fall der mittelbaren Stellvertretung siehe etwa Berg, NJW 1974, 933, 934f. und Roll, Anm. zu B G H v. 13.11.1973, NJW 1974, 492, 493. 52 Hüffer, JuS 1976, 83, 86f.; ders., NJW 1977, 1285; Mann, NJW 1974, 492; Raiser, Kapitalgesellschaften, § 29 Rn. 37 (ausdrücklich nur für den Alleingesellschafter); zweifelnd Rehbinder, FS R. Fischer, S. 579, 592f.; krit. Lieb, FS R. Fischer, S. 385, 392f.; Wilhelm, Rechtsform, S. 384f. und Bauschke, BB 1974, 429, 431. 53 Siehe dazu zutreffend BGH v. 8.2.1977 NJW 1977, 1283; Wilhelm, Rechtsform, S. 384f.; W. Frank, NJW 1974, 2313, 2314 und Flume, FS L Raiser, S. 27, 51 mit Fn. 78.
134
I.Kapitel:
Die Sonderstellung
des
Unternehmergesellschafters
teiligem Gesellschaftsschaden und konkret eintretendem Anteilsschaden annehmen. Aber auch insoweit könnte man aufgrund der bewußten Rechtsformwahl und Verselbständigung des Gesellschaftsvermögens nicht von einer zufälligen und den Schädiger etwa wegen der zwischen Gesellschaft und Alleingesellschafter bestehenden Interessenidentität 54 oder allfälliger Gesellschaftsgläubigerinteressen 55 unbillig entlastenden Schadensverlagerung sprechen56. In mehrgliedrigen Gesellschaften würde die vollständige Liquidation des Gesellschaftsschadens zudem auch zu einem unzulässigen Ersatz des mittelbaren Anteilsschadens der Mitgesellschafter führen 57 . Eine auch schadensrechtlich relevante Verbindung zwischen dem rechtlich verselbständigten Gesellschaftsvermögen und dem Privatvermögen eines jeden Gesellschafters kann allerdings über dessen Vermögensbeteiligung hergestellt werden. Sofern man hierzu jedoch auf einen konkreten Schadensnachweis im Privatvermögen des verletzten Gesellschafters (konkreter Anteilsschaden) verzichtet und sich mit einem solchen im Vermögen der Gesellschaft begnügt (abstrakter Anteilsschaden) 58 , würde man sich mit der Fiktion, die Gesellschaft hätte den ihr durch die Schädigung entgangenen Gewinn in jedem Fall anteilig an den Gesellschafter ausgeschüttet, erneut von allgemeinen schadensrechtlichen Grundsätzen entfernen und könnte dies letztlich wiederum nur mit einer diesmal lediglich anteiligen Identifikation der Vermögensmassen oder einer ausnahmsweise zulässigen Liquidation des den konkreten Anteilsschaden übersteigenden anteiligen Gesellschaftsschadens durch den Gesellschafter rechtfertigen. Die Gleichsetzung des im Privatvermögen des Gesellschafters auszugleichenden Anteilsschadens mit dem anteiligen Gesellschaftsschaden ist daher letztlich denselben Bedenken ausgesetzt wie die wirtschaftliche Einheitsbetrachtung der Rechtsprechung und die Drittschadensliquidation. Wie auch sonst im Schadensrecht kann auch hier, abgesehen von dem bereits genannten Sonderfall der Vorteilsausgleichung, nicht eingewendet werden, die Berücksichtigung des konkreten hypothetischen Schadensverlaufs (z.B. hypothetische Gewinnbesteuerung, Gewinnverwendung, Ertragslage, Marktwertentwicklung etc. 59 ) würde den Schädiger ungerechtfertigt entlasten 60 .
So aber Hüffer, N J W 1977, 1285. So aber Mann, N J W 1974, 492. 56 So zutreffend Schulte, N J W 1979, 2230, 2232f.; Wilhelm, Rechtsform, S. 384f. 57 Zutreffend Lieb, FS R. Fischer, S. 385, 392 f. 58 D a z u eingehend Lieb, FS R. Fischer, S. 385, 387 u n d 391 f.; beschränkt auf den w i r t schaftlichen Alleingesellschafter, der die Vollausschüttung des entgangenen G e w i n n s angeblich hätte sicherstellen können, auch B G H v. 8.2.1977 N J W 1977, 1283 f.; mit Recht krit. Schulte, N J W 1979, 2230, 2231 f. 59 D a z u e t w a B G H v. 3.4.1962 VersR 1962, 622, 623 s o w i e näher Ganßmüller, GmbHR 1977, 265, 267f. 60 So aber B G H v. 3.4.1962 VersR 1962, 622, 623; Lieb, FS R. Fischer, S. 385, 388f. 54
55
§1
Gemeinschaft
von Unternehmergesellschafter
und Gesellschaft
135
Schließlich kann die Vermögenstrennung und der Unterschied zwischen Gesellschaftsschaden und Anteilsschaden auch nicht dadurch überwunden werden, daß man den vom Gesellschafter begehrten Ersatz des Gesellschaftsschadens als die gebotene Form der Naturalrestitution des Anteilsschadens des Gesellschafters ausgibt 61 . Denn die Naturalrestitution betrifft ausschließlich den grundsätzlichen Inhalt des Schadensersatzanspruchs und kann damit auch nur insoweit zum Tragen kommen, als der unmittelbar Geschädigte und das ist hier nun einmal allein der in seinem Anteilswert konkret geschädigte Gesellschafter, der den ihm zustehenden Schadensersatzanspruch rechtlich nicht auf die mittelbar geschädigte Gesellschaft übertragen kann - ersatzberechtigt ist. Es hat daher sein Bewenden mit dem Ersatz des konkreten Anteilsschadens des verletzten Gesellschafters 62 . Damit erübrigt sich auch die Frage, ob der Gesellschafter die Ersatzleistung für sich selbst beanspruchen oder hinsichtlich des mittelbaren Gesellschaftsschadens 63 bzw. gar des Gesamtschadens 64 ausschließlich Leistung an die Gesellschaft verlangen kann bzw. die vom Schädiger erhaltenen Ersatzleistungen an die Gesellschaft abführen muß. Die in diesem Zusammenhang geführte Diskussion um vermeintliche Kapitalerhaltungs- 65 und Treuepflichten 66 des Gesellschafters gegenüber den Gesellschaftsgläubigern bzw. den Mitgesellschaftern verdeutlicht nur nochmals die dogmatischen Schwächen, die die soeben verworfenen Konstruktionen aufweisen, sofern sie den mittelbaren Gesellschaftsschaden als einen solchen des Gesellschafters auszugeben versuchen, aber andererseits die Ersatzleistung in das Vermögen der geschädigten Gesellschaft lenken möchten 67 .
W. Frank, NJW 1974, 2313, 2314f.; Rehbinder, FS R. Fischer, S. 579, 593. So auch Wilhelm, Rechtsform, S. 383 ff.; Schulte, NJW 1979,2230,2231 und 2234; Flume, FS L. Raiser, S. 27, 51 mit Fn. 78; lediglich im Ansatz für einen zu 99,15% beteiligten Aktionär BGH v. 8.2.1977 NJW 1977, 1283; krit. BGH v. 3.4.1962 GmbHR 1962, 134 (unbillige Entlastung des Schädigers durch die konkrete Schadensberechnung); H ü f f e r , JuS 1976, 83, 84 (unzulässiger Ausgleich des Gesellschaftsschadens im Privatvermögen des Gesellschafters). 63 Schulte, NJW 1979, 2230, 2234f. 64 BGH v. 8.2.1977 NJW 1977, 1283, 1284; H ü f f e r , JuS 1976, 83, 87; W. Frank, NJW 1974, 2313, 2314f.; Rehbinder, FS R. Fischer, S. 579, 593. 65 Dazu mit Recht kritisch Lieb, FS R. Fischer, S. 385, 394f.; Ganßmüller, GmbHR 1977, 265, 274. 66 Mit Recht kritisch zum angestrebten Schutz der lediglich mittelbar geschädigten Mitgesellschafter Ganßmüller, GmbHR 1977,265,274; zu praktischen Problemen bei der gebotenen Vermeidung des Ersatzes des mittelbaren Mitgesellschafterschadens siehe Lieb, FS R. Fischer, S. 385, 395f. 67 Siehe dazu auch die Kritik von Lieb, FS R. Fischer, S. 385, 394ff. und H ü f f e r , NJW 1977, 1285. 61 62
136
2. Kapitel: Die Sonderstellung des
4. Relativierung
Unternehmergesellschafters
der Vermögenssonderung
im
Steuerrecht
Die Besteuerung der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter orientiert sich nicht allein an zivilrechtlichen Vorgaben, sondern auch an wirtschaftlichen Gegebenheiten. Daher kennt das Steuerrecht namentlich im Bereich der Besteuerung von Personengesellschaften zahlreiche Beispiele für die Relativierung der zivilrechlichen Vermögenssonderung und der mit ihr verbundenen Rechtszuständigkeiten unter dem Gesichtspunkt der „wirtschaftlichen Betrachtung" 68 .
a) Trennung zwischen
Betriebs-
und
Privatvermögen
Der gesetzlich nicht definierte Begriff des Betriebsvermögens ist im Steuerrecht an verschiedenen Stellen und namentlich für die Gewinnermittlung bei den Einkunftsarten durch Bestandsvergleich von Bedeutung (§ 4 Abs. 1 und § 5 EStG). Seine Abgrenzung vom Privatvermögen bereitet insbesondere bei den Einzelkaufleuten und den ihnen durch die Figur der Mitunternehmerschaft steuerrechtlich angeglichenen Personengesellschaftern zahlreiche Schwierigkeiten.
aa) Kriterien der Zurechnung eines Wirtschaftsgutes zum Betriebsvermögen Ein Wirtschaftsgut ist dem Betriebsvermögen nur zuzurechnen, wenn es dem Betrieb unter funktionalen Gesichtspunkten persönlich und sachlich zugeordnet werden kann 69 . Die persönliche Zurechnung eines Wirtschaftsguts zum Betriebsvermögen richtet sich auch im Steuerrecht grundsätzlich nach der zivilrechtlichen Vermögenszuordnung (§ 39 Abs. 1 A O ) und nur ausnahmsweise nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten (§ 39 Abs. 2 AO) 7 0 . Nach der Legaldefinition des § 39 Abs. 2 Nr. 1 S. 1 A O zeichnet sich das wirtschaftliche Eigentum dadurch aus, daß dessen Inhaber die tatsächliche Herrschaft über das betreffende Wirtschaftsgut in der Weise ausübt, daß er den Eigentümer im Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut wirtschaftlich ausschließen kann, was etwa im Regelfall für den Finanzierungsleasingnehmer, nicht jedoch für einen Gesellschafter im Hinblick auf die Gegenstände des Gesellschaftsvermögens gilt71. Zum Be68 Zur Verfassungsmäßigkeit der wirtschaftlichen Betrachtungsweise im Steuerrecht vor dem Hintergrund der gebotenen Einheit der Rechtsordnung (Art. 3 Abs. 1 GG) siehe BVerfG v. 15.7.1969 BVerfGE 26, 327, 334ff. und BVerfG v. 12.8.1991 BB 1991, 2119f. 69 Dazu nur Schmidt/Heinicke, § 4 Rn. 101. 70 Zu Einzelheiten siehe Schmidt/Heinicke, § 4 Rn. 128 und 132 sowie § 5 Rn. 151 ff. 71 Zu Einzelheiten siehe Koch/Scholtz/Hoffmann, § 39 AO Rn. 7 ff.; Klein/Brockmeyer, § 39 AO Anm. 4ff.
51
Gemeinschaft
von Unternehmergesellschafter
und Gesellschaft
137
triebsvermögen gehören danach grundsätzlich nur solche Wirtschaftsgüter, die im Eigentum des den Betrieb auf eigene Rechnung und Gefahr mit Unternehmerinitiative und Unternehmerrisiko führenden (Mit-)Unternehmers stehen 72 . Bei der im einzelnen immer noch umstrittenen Prüfung, ob ein Wirtschaftsgut sachlich in die betriebliche Gewinnermittlung einzubeziehen ist, unterscheidet die Rechtsprechung seit Mitte der 1970er Jahre zwischen dem notwendigen Betriebsvermögen, dem notwendigen Privatvermögen und dem gewillkürten Betriebsvermögen 73 . Das notwendige Betriebsvermögen besteht nach überwiegender Ansicht aus Wirtschaftsgütern, die dem Betrieb derart dienen, daß sie objektiv erkennbar zum unmittelbaren Einsatz im Betrieb selbst bestimmt sind 74 . Hierfür genügt es, wenn dem Wirtschaftsgut im betrieblichen Funktionszusammenhang ein bestimmter Zweck objektiv erkennbar zugewiesen wurde. Dies kann auch dann gegeben sein, wenn das Wirtschaftsgut nicht als solches in der Buchführung und Bilanz ausgewiesen ist, im Betrieb tatsächlich gar nicht genutzt wird und für den Betrieb weder notwendig noch wesentlich oder gar unentbehrlich ist75. Zum notwendigen Privatvermögen gehören demgegenüber alle Wirtschaftsgüter, die der Steuerpflichtige für Zwecke der privaten Lebensführung verwendet 76 . Das sog. gewillkürte Betriebsvermögen entsteht schließlich dadurch, daß neutrale Wirtschaftsgüter, die weder dem einen noch dem anderen Bereich eindeutig zugeordnet werden können, durch einen Buchungsvorgang und den anschließenden Ausweis des Wirtschaftsguts in der Buchführung der Förderung betrieblicher Zwecke ausdrücklich gewidmet werden. Im Steuerprozeß muß das Wirtschaftsgut dem Privatvermögen zugeordnet werden, sofern nicht dessen betrieblich veranlaßte bzw. zu betrieblichen Zwecken erfolgte Nutzung objektiv erkennbar geworden ist77. Bei teilweise betrieblich und teilweise privat genutzten Wirtschaftsgütern wird zwischen Grundstücken und anderen Wirtschaftsgütern unterschieden. Grundstücke können (etwa nach Stockwerken) teils privat und teils betrieblich genutzt werden. Sie werden dann in einzelnen Teilen dem Privat- oder Betriebsvermögen zugeordnet, sofern die jeweilige Nutzung ein gewisses Gewicht hat 78 . Bei den anderen Wirtschaftsgütern kommt es für die Zuordnung BFH-GrS v. 30.1.1995 BFHE 176, 267, 272f.; Schmidt!Heinkke, § 4 Rn. 128. BFH v. 30.4.1975 BStBl. II 1975, 582, 583 f.; BFH v. 19.2.1997 BStBl. II 1997, 399, 402; Merten, FR 1979, 365 ff.; krit. Schmidt/Heinicke, % 4 Rn. 108. 71 BFH v. 19.2.1997 BStBl. II 1997, 399, 402; Schmidt /Heinicke § 4 EStG Rn. 104. 75 Dazu etwa BFH v. 19.2.1991 BStBl. II 1991, 789, 790 sowie Woerner, Stbjb 1978/1979, 201, 205f. (das notwendige Betriebsvermögen sei kein benötigtes Betriebsvermögen und stehe nicht im Gegensatz zum überflüssigen, sondern zum gewillkürten Betriebsvermögen). 76 BFH v. 30.4.1975 BStBl. II 1975, 582, 583; Schmidt /Heinicke § 4 EStG Rn. 103. 77 Merten, FR 1979, 365, 371. 78 Siehe nur BFH-GrS v. 30.1.1995 BFHE 176, 267, 272 m.w.N.; zu Einzelheiten Merten, FR 1979, 365, 367 und Schmidt/Heinicke § 4 EStG Rn. 189ff. m.w.N. 72
73
138
2. Kapitel: Die Sonderstellung des
Unternehmergesellschafters
auf die überwiegende N u t z u n g an. S o gehört etwa ein Kraftfahrzeug, das zu m e h r als 50 % betrieblich genutzt wird, z u m n o t w e n d i g e n B e t r i e b s v e r m ö g e n . D a r u n t e r kann es durch B u c h f ü h r u n g s a u s w e i s als gewillkürtes B e t r i e b s v e r m ö g e n behandelt werden, w e n n die betriebliche N u t z u n g nicht als marginal einzustufen ist 79 .
bb) Berücksichtigung wirtschaftlicher Gesichtspunkte bei der Zurechnung eines Wirtschaftsgutes zum Betriebsvermögen von Gesellschaften D a eine Kapitalgesellschaft stets als solche U n t e r n e h m e r i n ist und alle ihre E i n k ü n f t e als gewerbliche E i n k ü n f t e erzielt (§ 8 A b s . 2 K S t G ) , stellen die der Gesellschaft persönlich z u z u r e c h n e n d e n Wirtschaftsgüter ausnahmslos B e triebsvermögen dar, o h n e daß es n o c h auf die Prüfung eines b e s o n d e r e n sachlichen B e t r i e b s z u s a m m e n h a n g s ankäme 8 0 . S o führt auch die private N u t z u n g eines der Gesellschaft persönlich z u g e o r d n e t e n Wirtschaftsguts durch einen Gesellschafter allenfalls zu einer verdeckten G e w i n n a u s s c h ü t t u n g , nicht j e d o c h zu einer L ö s u n g des betrieblichen Z u s a m m e n h a n g s . U m g e k e h r t erlangen die den Gesellschaftern persönlich z u z u r e c h n e n d e n
Wirtschaftsgüter
n o c h nicht dadurch die Q u a l i t ä t v o n B e t r i e b s v e r m ö g e n , daß sie in den D i e n s t der Gesellschaft gestellt werden 8 1 . Z u einer wirtschaftlichen
Betrachtung
kann es daher nur im R a h m e n des § 3 9 A b s . 2 N r . 1 A O k o m m e n . D e m g e g e n ü b e r setzt sich das B e t r i e b s v e r m ö g e n v o n Personengesellschaften, deren Gesellschafter als M i t u n t e r n e h m e r anzusehen sind, nicht n u r aus grundsätzlich 8 2
allen Wirtschaftsgütern
des G e s a m t h a n d s v e r m ö g e n s
(Be-
triebsvermögen der Gesellschaft), sondern aufgrund einer wirtschaftlichen B e t r a c h t u n g auch aus b e s t i m m t e n , den Gesellschaftern z u g e o r d n e t e n W i r t schaftsgütern
(sog. S o n d e r b e t r i e b s v e r m ö g e n I und I I ) zusammen 8 3 .
Zum
S o n d e r b e t r i e b s v e r m ö g e n I gehören sämtliche Wirtschaftsgüter, die im E i g e n t u m eines oder m e h r e r e r M i t u n t e r n e h m e r - G e s e l l s c h a f t e r stehen und dazu b e s t i m m t und geeignet sind, dem B e t r i e b der Personengesellschaft zu dienen 8 4 . D a s S o n d e r b e t r i e b s v e r m ö g e n II wird v o n denjenigen Wirtschaftsgütern geMerten, FR 1979, 365, 367 m.w.N.; krit. Schmidt/Hemicke § 4 EStG Rn. 144 und 206f. Junge, DStR 1998, 833, 835; Schmidt /Hemicke § 4 EStG Rn. 128 und 171. 81 Dazu nur BFH-GrSv. 26.10.1987 BStBl. II 1988, 348, 351 ff.; Schmidt/Heinicke § 4 EStG Rn. 171. 82 Nur in seltenen Ausnahmefällen gehören einzelne Wirtschaftsgüter des Gesamthandsvermögens zum notwendigen Privatvermögen eines Gesellschafters bzw. zum Privatvermögen der Gesellschafter in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit (dazu etwa BFH v. 3.10.1989 BFHE 158, 385, 386 und BVerfG v. 12.8.1991 BB 1991, 2119f. jeweils für ein von Personengesellschaftern privat genutztes Wohngrundstück). 83 Dazu nur BFH v. 30.3.1993 BStBl. II 1993, 864, 866. 84 Siehe nur BFH-GrS v. 3.5.1993 BStBl. II 1993, 616, 621 f.; Heidel/Pauly, Steuerrecht, § 1 Rn. 18. 79
80
§1
Gemeinschaft
von Unternehmergesellschafter
und Gesellschaft
139
bildet, die im zivilrechtlichen oder wirtschaftlichen Eigentum eines Mitunternehmer-Gesellschafters stehen und zur Begründung oder Stärkung seiner Beteiligung an der Personengesellschaft eingesetzt werden 85 , wie dies beispielsweise bei Darlehen zum Erwerb bzw. zur Aufstockung der Beteiligung, bei Anteilen eines Kommanditisten an der Komplementär-GmbH 86 oder bei Gebäudeteilen, in denen ein Gesellschafter eine Tätigkeit gegen Sondervergütung ausübt 87 , der Fall ist. Der Begriff des Sonderbetriebsvermögens möchte dabei in seiner ersten Worthälfte der zivilrechtlichen Eigentumslage und in seiner zweiten Hälfte dem wirtschaftlichen Zweck und damit der steuerlichen Zuordnung Rechnung tragen 88 . Das Sonderbetriebsvermögen wird, sofern es nicht ausnahmsweise wie etwa bei der Einbringung quoad sortem als wirtschaftliches Eigentum der Gesellschaft gilt 89 , in der Handelsbilanz nicht ausgewiesen, so daß hier Steuer- und Handelsbilanz ungeachtet des in § 5 EStG verankerten Maßgeblichkeitsgrundsatzes auseinanderfallen 90 . Im Gegensatz zum Einzelunternehmer haben die Personengesellschafter kein Wahlrecht, das notwendige Betriebsvermögen als Privatvermögen zu behandeln und können nach herrschender Meinung auch kein gewillkürtes Betriebsvermögen bilden 91 . Die seinerzeit noch auf der Basis der inzwischen aufgegebenen sog. Bilanzbündeltheorie 92 erfolgte Zurechnung eines der Gesellschaft mietweise überlassenen Gesellschaftergrundstücks zum Betriebsvermögen, die gegen den Grundsatz von der Einheit der Rechtsordnung verstößt, wurde im übrigen mit der Begründung als verfassungsgemäß angesehen, daß diese wirtschaftliche Betrachtungsweise der gleichmäßigen steuerlichen Behandlung von Einzel- und Mitunternehmern und damit der Steuergerechtigkeit dient 93 .
b) Beschränkte
Mithaftung
bei betriebsbedingten
Steuerschulden
Nach § 74 A O 1977 haftet ein unmittelbar oder mittelbar zu mehr als 25 % beteiligter Gesellschafter mit den ihm gehörenden, jedoch dem Gesellschaftsunternehmen nicht nur vorübergehend dienenden Vermögensgegenständen auch für die während des Bestehens der wesentlichen Beteiligung entstandenen und betrieblich bedingten Steuerschulden wie insbesondere der Umsatzsteuer und Gewerbesteuer. Dieser gegenständlich, zeitlich, sachlich und per85 BFH v. 6.7.1989 BStBl. II 1989, 890f.; BFH v. 7.7.1992 BStBl. II 1993, 328, 330; BFH v. 30.3.1993 BStBl. II 1993, 864, 866; Heidel/Pauly, Steuerrecht, § 1 Rn. 18. 86 BFH v. 30.3.1993 BStBl. II 1993, 864, 866. 87 BFH v. 14.4.1988 BStBl. II 1988, 667, 669. 88 M. Lehmann, Betriebsvermögen, S. 84. 89 Siehe dazu nur Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung, § 246 HGB Rn. 439ff. 90 Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung, § 246 HGB Rn. 436. 91 BFH v. 19.2.1991 BStBl. II 1991, 789, 790; Schmidt/Heinicke § 4 EStG Rn. 179. 92 Dazu sogleich unter lit. c aa. 93 BVerfG v. 15.7.1969 BVerfGE 26, 327, 334ff.
140
2. Kapitel: Die Sonderstellung des
Unternehmergesellschafters
sönlich b e s c h r ä n k t e Haftungsdurchgriff, der zu einem Zahlungsanspruch des Steuergläubigers und nicht n u r zu einem A n s p r u c h auf D u l d u n g der Z w a n g s vollstreckung in die betreffenden G e g e n s t ä n d e führt 9 4 , wurde v o m B u n d e s verfassungsgericht mit der B e g r ü n d u n g als verfassungsgemäß angesehen, daß der zu m e h r als 25 % beteiligte Gesellschafter über eine Sperrminorität verfüge, seine P o s i t i o n in der Gesellschaft durch das Zurverfügungstellen eines Betriebsgegenstandes zusätzlich gestärkt sei und es letztlich nur u m eine gegenständliche H a f t u n g für betrieblich bedingte Steueransprüche gehe, deren E n t s t e h u n g v o n Seiten des m a ß g e b l i c h beteiligten Gesellschafters oder der diesem nach A b s . 2 S. 2 gleichgestellten P e r s o n e n durch die Ü b e r l a s s u n g der G e g e n s t ä n d e o h n e eine entsprechende V e r m e h r u n g der H a f t u n g s s u b s t a n z gefördert w o r d e n sei 95 .
c) Steuerrechtliche
Behandlung
der Einkünfte
aus
Gewerbebetrieb
A u f die zahlreichen, mit der steuerlichen B e h a n d l u n g der gewerblichen E i n k u n f t s e r z i e l u n g durch Gesellschaften und Gesellschafter
verbundenen
P r o b l e m e kann und soll an dieser Stelle nicht eingegangen werden. H i n z u weisen ist lediglich auf verschiedene dabei zu Tage tretende D u r c h b r e c h u n gen des Trennungsprinzips.
aa) Besteuerung der Einkünfte aus gewerblicher
Mitunternehmerschaft
N a c h § 15 A b s . 1 S. 1 N r . 2 E S t G wird das v o n Personengesellschaften ( M i t u n t e r n e h m e r s c h a f t e n ) erzielte E i n k o m m e n unmittelbar und anteilig den einzelnen Gesellschaftern ( M i t u n t e r n e h m e r n ) als originäres eigenes E i n k o m men zugerechnet und nach deren persönlichen M e r k m a l e n der E i n k o m m e n o d e r K ö r p e r s c h a f t s t e u e r unterworfen 9 6 . D i e B e s t e u e r u n g der gewerblichen Einkünfte
(Gewinnanteil,
Sondervergütungen,
Sonderbetriebseinnahmen)
eines mit U n t e r n e h m e r r i s i k o und U n t e r n e h m e r i n i t i a t i v e beteiligten Gesellschafters ( M i t u n t e r n e h m e r s ) soll damit möglichst weitgehend derjenigen eines E i n z e l k a u f m a n n s angeglichen werden 9 7 . Z w a r wird hierzu nach A u f g a b e der sog. B i l a n z b ü n d e l t h e o r i e in der M i t t e der 1970er Jahre 9 8 nicht m e h r auf 94 Zu Einzelheiten siehe Adamek/Loose, GmbHR 2001, 649ff.; Koch/Schohz/Halaczinsky, § 74 AO Rn. 3 und 5 ff. 95 BVerfG v. 14.12.1966 BVerfGE 21, 6, lOff. (zu § 115 RAO); ferner BFH v. 10.11.1983 BStBl. II 1984, 127, 128 und KleinARMen, § 74 AO Rn. 1 und 4. 96 Siehe dazu nur BFH-GrS v. 3.5.1993 BFHE 171, 246, 258 und BFH-GrS v. 3.7.1995 BFHE 178, 86, 95. 97 Zur sog. Gleichstellungsthese siehe nur BFH v. 28.4.1983 BFHE 138, 545, 548 und BFH v. 10.8.1994 BFHE 175, 357,360 sowie Raupach, DStZ 1992, 692, 696; krit. Knohbe-Keuck, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, § 9 I und 21 II 6b („Einzelunternehmerideologie"). 98 Siehe BFH v. 8.1.1975 BStBl. II 1975, 437, 438 f.
§1
Gemeinschaft
von Unternehmergesellschafter
und Gesellschaft
141
die mit der gesellschaftsrechtlichen Verselbständigung der Gesellschaft unvereinbare Vorstellung einer Zerlegung des Gewerbebetriebs der Gesellschaft in einzelne Gewerbebetriebe ihrer Gesellschafter zurückgegriffen", doch begreift auch das heutige zunächst von der Einheit der Gesellschaft ausgehende „duale System" unter Wahrung der Grundentscheidungen der §§ lf. EStG letztlich nur die einzelnen Gesellschafter als Subjekte der Einkommensteuer100. Damit ringt hier die einkommensteuerrechtliche Dogmatik in der Auseinandersetzung um die sog. Gleichstellungsthese und die sog. Einheitstheorie mit dem bereits aus dem Gesellschaftsrecht bekannten und dort lediglich durch § 124 Abs. 1 H G B weitgehend entschärften Problem der Versöhnung von Einheit und Vielheit in der Personengesellschaft 101 . Charakteristischerweise wird die Personengesellschaft auch hier etwa als „partielles Steuerrechtssubjekt" 102 und „eigenständiges Gewinnermittlungssubjekt" 103 tituliert, und vermutlich droht auch den Gesellschaftern noch die Bezeichnung als „Einkommensteuerzurechnungsendsubjekt". bb) Ermittlung
des
Gewerbeertrags
Obwohl nach § 5 Abs. 1 S. 3 GewStG die Personengesellschaft als solche Schuldner der Gewerbesteuer ist, wird der Gewerbeertrag einer Personengesellschaft i.S.v. § 7 GewStG nach herrschender Meinung nicht allein auf der Grundlage der nach §§ 5ff. EStG aufgestellten Gesellschaftsbilanz, sondern auf der Basis einer aus der Gesellschaftsbilanz und den Sonderbilanzen der Gesellschafter bestehenden Gesamtbilanz, die die Summe aller einkommensteuerpflichtigen Einkünfte der Gesellschafter erfaßt, ermittelt 104 . Damit erhöhen alle von einem Personengesellschafter erzielten Sondervergütungen ( § 1 5 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 1 Hs. 2 EStG) und Sonderbetriebseinnahmen (Erträge der Sonderbetriebsvermögen I und II) den Gewerbeertrag der Gesellschaft, womit zugleich die Anwendung der Hinzurechnungsvorschriften in § 8 Nr. 1 und 7 GewStG entfällt.
99 So etwa RFH v. 14.7.1937 RStBl 1937, 937; siehe dazu insbesondere die Kritik von Meßmer, Stbjb 1972/73, 127ff. 100 BFH-GrS v. 25.2.1991 BFHE 163, 1, 16ff.; BFH-GrS v. 3.5.1993 BFHE 171, 246, 257ff. und BFH-GrS v. 3.7.1995 BFHE 178, 86, 94ff. 101 Bezeichnend insoweit Weber-Grellet, DStR 1995, 1341: „Nunmehr besteht zwischen der Einheits- und der Vielheitsbetrachtung ein ,gestuftes Miteinander', das jedoch von einem klaren Vorrang der Vielheitsbetrachtung geprägt ist". 102 So im Anschluß an BFH v. 26.5.1994 BFHE 175, 105, 107 und BFH-GrS v. 3.7.1995 BFHE 178, 86, 95; Schmidt, § 15 Rn. 164. 103 BFH v. 26.5.1994 BFHE 175, 105, 107. 104 BFH v. 9.4.1981 BStBl. II 1981, 621, 622f.; BFH v. 14.11.1985 BFHE 144, 572, 575f.; Glanegger/Güroff § 7 GewStG Rn. 3; krit. Knobbe-Keuck, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, §21 II 6b.
142
2. Kapitel: Die Sonderstellung
des
Unternehmergesellschafters
Bis zu ihrer Aufhebung bildete auch die nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts mit Art. 3 Abs. 1 G G unvereinbare 105 Hinzurechnungsvorschrift des § 8 Ziff. 6 GewStG a.F. i.V.m. § 20 Abs. 2 GewStDV 1950 ein interessantes Beispiel für Durchbrechungen des Trennungsprinzips bei der Ermittlung des Gewerbeertrags von sog. personenbezogenen Kapitalgesellschaften. Danach sollten die bei der Gewinnermittlung zunächst abgesetzten Vergütungen, die die Kapitalgesellschaft den allein oder zusammen mit ihren Angehörigen zu mehr als 25 % beteiligten Gesellschaftern oder deren Ehegatten für deren Mitarbeit gewährt hatte, dem Gewinn aus Gewerbebetrieb wieder hinzugerechnet werden. Zur Rechtfertigung dieser gewerbesteuerlichen Benachteiligung der personenbezogenen Kapitalgesellschaften wurde seinerzeit auf die sog. Fundustheorie bzw. das sog. Differenziationsprinzip verwiesen 106 , wonach die zusätzliche Belastung von gewerblichen Einkommen durch die Gewerbesteuer neben dem Gedanken eines Ausgleichs für die mit dem Gewerbebetrieb verbundenen Lasten der Gemeinde (sog. Äquivalenzprinzip) 107 damit begründet wurde, daß die von ihr betroffenen Einkommen aufgrund der betriebsbezogenen Erwirtschaftung als besonders sicher und ertragreich gelten könnten 108 . Unter fundiertem Einkommen wurde dabei in Anlehnung an die finanzwissenschaftliche Terminologie ein Einkommen verstanden, das i.e.S. allein aus dem Vermögen und i.w.S. aus der Verbindung von Vermögen (Kapitalertrag) und Arbeitskraft (Unternehmerlohn) erwirtschaftet wurde, während unfundiertes Einkommen allein aus der Verwendung der Arbeitskraft fließen sollte109. Begründet wurde die Zusammenfassung von Arbeits- und Kapitaleinsatz mit der Identität zwischen dem Arbeitsleistenden und dem Herrn des Unternehmens als dem Fundus 110 . Danach sollte sollte sich dann auch die Ratio des § 8 Ziff. 6 GewStG aus den vergleichbaren un-
105 BVerfG v. 24.1.1962 BVerfGE 13, 331, 338ff. unter Hinweis auf das auch für das Steuerrecht maßgebliche Trennungsprinzip und die daher auch mit Hilfe der Fundustheorie (S. 349ff.) nicht zu rechtfertigende Benachteiligung der personenbezogenen Kapitalgesellschaft gegenüber den anderen Kapitalgesellschaften; krit. dazu allerdings F. Klein, Gleichheitssatz, S. 146ff. sowie im Hinblick auf die Natur der Gewerbesteuer als Betriebssteuer Zitzelsherger, Grundlagen, S. 165. 106 So referierend das BVerfG v. 24.1.1962 BVerfGE 13, 331, 336 und 347ff. insbesondere unter Bezugnahme auf die im Verfassungsrechtsstreit vom Bundesministerium der Finanzen vertretene Auffassung. 107 Begr. zum E G RealsteuerG v. 1.12.1936, RStBl. 1937, 696; Zitzelsberger, Grundlagen, S. 165 f.; Knobbe-Keuck, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, § 21 Einl. 108 Eheberg, Finanzwissenschaft, S. 73; referierend BVerfG v. 24.1.1962 BVerfGE 13, 331, 348f.; krit. B F H v. 31.10.1974 BStBl. II 1975, 115, 116; Zitzelsberger, Grundlagen, S. 165f.; Glanegger/Güroff, § 1 GewStG Rn. 11. 109 Eheberg, Finanzwissenschaft, S. 73; referierend BVerfG v. 24.1.1962 BVerfGE 13, 331, 348 f. 1,0 So referierend das BVerfG v. 24.1.1962 BVerfGE 13, 331, 336 (Bundesministerium der Finanzen) und 349 (Finanzwissenschaft).
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Gemeinschaft von Unternehmergesellschafter
und Gesellschaft
143
t e r n e h m e r i s c h e n E i n w i r k u n g s m ö g l i c h k e i t e n der Gesellschafter einer P e r s o nengesellschaft und der Gesellschafter einer p e r s o n e n b e z o g e n e n Kapitalgesellschaft ergeben.
cc)
Verdeckte
Gewinnausschüttungen
I m K ö r p e r s c h a f t s t e u e r r e c h t hat der G e s e t z g e b e r durch § 8 A b s . 3 S. 2 K S t G dafür Sorge getragen, daß der Gesellschaftsgewinn nicht durch V e r m ö gensverschiebungen zwischen der Gesellschaft und ihren Gesellschaftern gemindert wird. D a n a c h wird das E i n k o m m e n einer Kapitalgesellschaft durch sog. verdeckte G e w i n n a u s s c h ü t t u n g e n , d.h. durch V e r m ö g e n s m i n d e r u n g e n (verhinderte V e r m ö g e n s m e h r u n g e n ) , die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßt sind, sich auf die H ö h e des E i n k o m m e n s auswirken und in k e i n e m Z u s a m m e n h a n g zu einer offenen A u s s c h ü t t u n g stehen 1 1 1 , nicht gemindert 1 1 2 . D a b e i wird v o n einer Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis grundsätzlich dann ausgegangen, w e n n die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter oder diesem nahestehenden Personen 1 1 3 außerhalb der gesellschaftsrechtlichen G e w i n n v e r t e i l u n g einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei A n w e n d u n g der Sorgfalt eines gewissenhaften und ordentlichen Geschäftsleiters unter sonst gleichen U m s t ä n d e n einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte 1 1 4 . H a n d e l t es sich bei dem Begünstigten allerdings u m einen b e h e r r schenden Gesellschafter, so k a n n eine verdeckte G e w i n n a u s s c h ü t t u n g auch bereits dann gegeben sein, w e n n die Kapitalgesellschaft eine Leistung an ihn
111 Zu dieser Definition der verdeckten Gewinnausschüttung durch die neuere st. Rspr. siehe nur BFH v. 22.2.1989 BStBl. II 1989, 475,476 und BFHv. 12.6.1997 BFHE 183,459, 461. 1,2 Beispiele für eine verdeckte Gewinnausschüttung bilden die unangemessen hohe Vergütung von Arbeitsleistungen (BFH v. 28.6.1989 BStBl. II 1989, 854, 855f.), die Zahlung besonderer Umsatzvergütungen neben einem angemessenen Gehalt (BFH v. 28.6.1989 BStBl. II 1989, 854, 855f.), die Gewährung eines zinslosen oder marktwidrig niedrig verzinsten Darlehens (BFH v. 16.9.1958 BStBl. III 1958, 451 f.; BFH v. 23.6.1981 BStBl. II 1982, 245, 246), die Gewährung eines Darlehens, mit dessen Rückzahlung bereits bei Valutierung nicht gerechnet wird (BFH v. 16.9.1958 BStBl. III 1958, 451, 452), die marktwidrig hohe Vergütung einer Gesellschafterleistung (BFH v. 28.10.1964 BStBl. III 1965, 119, 121; BFH v. 21.12.1972 BStBl. II 1973, 449, 450f.), die Gewährung einer Gesellschaftsleistung gegen marktwidrig niedrige Vergütung (BFH v. 12.7.1972 BStBl. II 1972, 802f.), der Verzicht der Gesellschaft auf Rechte gegen einen Gesellschafter (BFH v. 3.11.1971 BStBl. II 1972, 227,228; BFH v. 14.9.1994 BStBl. II 1997, 89, 91), überhöhte Pensionszusagen (BFH v. 29.10.1997 BFHE 184, 487, 490ff.), die private PKW-Nutzung (dazu Junge, DStR 1998, 833ff.) oder die NichtWahrnehmung eines günstigen Geschäfts, das stattdessen die Gesellschafter wahrnehmen (erwogen von BFH v. 12.6.1997 BFHE 183, 459, 461 ff.). " 3 Siehe dazu BFH v. 18.12.1996 BStBl. II 1997, 301, 302. 1,4 Zu dieser st. Rspr. siehe nur BFH v. 10.1.1973 BStBl. II 1973, 322, 323; ferner etwa Knobhe-Keuck, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, § 19 I la und Heidel/Pauly, Steuerrecht § 2 Rn. 73 ff.; zu Hilfsmaßstäben in Sonderfällen siehe BFH v. 7.12.1983 BStBl. II 1984, 384, 387 und Streck, § 8 KStG Anm. 65f/g.
144
2. Kapitel:
Die Sonderstellung
des
Unternehmergesellschafters
erbringt, für die es an einer klaren, im voraus getroffenen, zivilrechtlich wirksamen und tatsächlich durchgeführten Vereinbarung fehlt 115 . Die körperschaftsteuerliche Umgestaltung (Fiktionstheorie) 116 bzw. Aufspaltung (Aufteilungstheorie) 117 von Verträgen zwischen der Gesellschaft und ihrem Gesellschafter, die sich als verdeckte Gewinnausschüttung darstellen, wurde zu Recht ebenfalls als Durchbrechung des Trennungsprinzips gewertet 118 . In besonderem Maße gilt dies für die Rechtsbeziehungen einer Kapitalgesellschaft mit ihrem beherrschenden Gesellschafter, da es hier nicht nur auf das Verhalten eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters und den Vergleich mit Drittgeschäften, sondern wegen der regelmäßig durch den Interessengleichlauf zwischen Gesellschaft und Gesellschafter erhöhten Gefahr verschleierter Betriebsausgaben auch auf die Klarheit der Leistungsbeziehungen ankommen soll 119 . Der Gesellschafter wird damit nämlich allein aufgrund seiner Doppelstellung als Vertragspartner (bzw. diesem Nahestehender) und (beherrschender) Gesellschafter nur unter zusätzlichen Voraussetzungen als Vertragspartner der Gesellschaft „ernst genommen" und im übrigen mit dieser aufgrund eines vermuteten Gleichlaufs der Interessen- und Willensbildung gleichgesetzt120. dd) Verdeckte
Einlagen
Ebensowenig wie die sog. verdeckten Gewinnausschüttungen den körperschaftsteuerpflichtigen Gewinn der Kapitalgesellschaft herabsetzen dürfen, sind die auf dem Gesellschaftsverhältnis beruhenden Einlagen der Gesell115 B F H v. 12.6.1997 B F H E 183, 459, 461 f.; B F H v. 2.12.1992 G m b H R 1993, 232; Mink, G m b H R 1995, 644; Heidel/Pauly, Steuerrecht, § 2 Rn. 72 und 80 ff.; speziell zu Pensionszusagen B F H v. 25.3.1991 B B 1991, 927, 928f. und 2. Kap. § 1 A III la cc. 1 , 6 Dazu B F H v. 15.11.1960 BStBl. III 1961, 80, 81; Thiel, D B 1962, 1482. 117 Siehe zu der heute vorherrschenden Betrachtung der „doppelgesichtigen" Vermögensbewegung als teils schuldrechtliches Austauschgeschäft und teils als Gewinnausschüttung nur Meyer-Arndt, D B 1967, 1281, 1282 ff. und Knohhe-Keuck, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, § 191 lc. 118 Wilser, Durchgriff, S. 109; Raupach, Durchgriff, S. 100. 119 Dazu B F H v. 2.12.1992 G m b H R 1993, 232; Mink, G m b H R 1995, 644; teils krit. Knobbe-Keuck, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, § 19 I 2b. 120 Vgl. dazu besonders deutlich im Zusammenhang mit der Rückstellungsfähigkeit von Pensionszusagen an beherrschende Gesellschafter-Geschäftsführer und mit der Vereinbarkeit des bereits im Leitsatz angesprochenen Durchgriffs auf die hinter der Kapitalgesellschaft stehenden Personen mit Art. 3 Abs. 1 G G BVerfG v. 11.11.1964 BVerfGE 18, 224, 233f. („Eine diese Besonderheiten - gemeint ist die beherrschende Gesellschafter-Geschäftsführer-Stellung, Anm. d. Verf. - beachtende Beurteilung muß davon ausgehen, daß zwar nach der förmlichen Rechtsgestaltung auch hier Gläubiger und Schuldner verschiedene Personen sind, daß aber bei der hier zulässigen wirtschaftlichen Betrachtungsweise der Vertragsinhalt von ein und derselben Person bestimmt wird. Aus dieser Identität ..."); ähnlich auch bereits die der Entscheidung zugrundeliegenden Urteile B F H v. 5.5.1959 und BStBl. III 1959, 369, 371 f. und B F H v. 4.8.1959 BStBl. III 1959, 374 f.
§1
Gemeinschaft von Unternehmergesellschafter
und Gesellschaft
145
schafter diesem h i n z u z u r e c h n e n . F ü r die in der H a n d e l s b i l a n z als E i g e n k a p i tal auszuweisenden Gesellschafterleistungen auf das Gesellschaftskapital o d e r in die Kapitalrücklage ergibt sich dies bereits durch deren Ausweis auf der Passivseite der H a n d e l s b i l a n z (sog. offene Einlagen) 1 2 1 . S o f e r n j e d o c h aufgrund v o n causa societatis erbrachten bilanzierungsfähigen Leistungen eines Gesellschafters oder einer ihm nahestehenden P e r s o n in der H a n d e l s b i l a n z ein außerordentlicher E r t r a g auszuweisen ist (sog. verdeckte Einlagen) 1 2 2 , ist das Bilanzergebnis zur E r m i t t l u n g des körperschaftsteuerpflichtigen
Ein-
k o m m e n s entsprechend zu k ü r z e n , da die V e r m ö g e n s m e h r u n g der Kapitalgesellschaft nicht v o n dieser erwirtschaftet wurde, sondern durch das G e s e l l schaftsverhältnis bedingt ist 1 2 3 . D a b e i wird v o n der U r s ä c h l i c h k e i t des G e s e l l schaftsverhältnisses dann ausgegangen, w e n n ein Nichtgesellschafter bei A n w e n d u n g der Sorgfalt eines ordentlichen K a u f m a n n s den Vermögensvorteil nicht gewährt hätte 1 2 4 . Z w a r gibt es im G e g e n s a t z zu den verdeckten G e w i n n ausschüttungen kein S o n d e r r e c h t für beherrschende Gesellschafter 1 2 5 , d o c h wird auch hier unter M i ß a c h t u n g des Trennungsprinzips ein Rechtsgeschäft, das auf die E r b r i n g u n g einer bilanzierungsfähigen Leistung durch einen G e sellschafter oder einer diesem nahestehenden P e r s o n an die Gesellschaft gerichtet ist, im K ö r p e r s c h a f t s t e u e r r e c h t nur unter zusätzlichen Voraussetzungen berücksichtigt und im übrigen eine körperschaftsteuerliche B i l a n z k o r rektur v o r g e n o m m e n .
5. Relativierung
der Vermögenssonderung
im
Verfassungsrecht
D i e zivilrechtliche V e r m ö g e n s t r e n n u n g spiegelt sich zunächst auch in der verfassungsrechtlichen E i n o r d n u n g des Gesellschaftsanteils als einem eigenständigen Sondervermögensrecht, dem Anteilseigentum, wider. E s wird ebenfalls b e t o n t , daß der Anteilseigentümer sein Anteilseigentum z w a r grundsätzlich veräußern o d e r belasten und damit den V e r m ö g e n s w e r t des A n t e i l s rechts nutzen, die typischen am Sacheigentum orientierten Befugnisse der N u t z u n g und Verfügung hinsichtlich der Gegenstände des Gesellschaftsver121 Zum Begriff der offenen Einlage siehe nur Knobbe-Keuck, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, § 16 II la aa und Neumann, VGA, S. 574f. 122 Zum Begriff der verdeckten Einlage siehe nur BFH v. 29.5.1968 BStBl. II 1968, 722, 723; BFH v. 21.9.1989 BStBl. II 1990, 86; Häuselmann, in: Häuselmann/Rümker/Westermann, Finanzierung, S. 165 ff. und Knobbe-Keuck, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, § 16 II la bb; speziell zur umstr. mangelnden Bilanzierungs- und damit auch verdeckten Einlagefähigkeit von Gebrauchs- und Nutzungsvorteilen BFH-GrS v. 26.10.1987 BStBl. II 1988, 348, 356 sowie Wolter, Gesellschafterfremdfinanzierung, S. 181 ff. 123 Knobbe-Keuck, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, § 16 II la. 124 Dazu nur BFH v. 29.5.1968 BStBl. II 1968, 722, 723; Döllerer, Verdeckte Gewinnausschüttungen, S. 197ff.; zu Beispielen siehe Häuselmann, in: Häuselmann/Rümker/Westermann, Finanzierung, S. 166 ff. 125 Döllerer, Verdeckte Gewinnausschüttungen, S. 200 f.
146
2. Kapitel:
Die Sonderstellung
des
Unternehmergesellschafters
mögens aber regelmäßig nur mittelbar über die Organe der Gesellschaft und unter Beachtung der gesellschaftsrechtlichen Bindungen ausüben kann126. Hieraus ergebe sich eine in der Natur des Anteilseigentums liegende „innere Schwäche" 127 bzw. eine bereits gesellschaftsrechtlich bedingte Sozialbindung 128 . Mit Recht wurde jedoch Tendenzen eine Absage erteilt, das Anteilseigentum aufgrund seiner gesellschaftsrechtlichen Bindung auf einen bloßen Vermögenswert zu reduzieren und den Anteilseigentümer als einen bereits auf eigenen Wunsch hin durch privatrechtliche Vergemeinschaftung enteigneten Eigentümer zu betrachten 129 . Diese Sichtweise verkennt nämlich zum einen die Existenz der durch das Anteilseigentum vermittelten Mitgliedschaftsrechte 130 und zum anderen den Umstand, daß es nicht um den verfassungsrechtlichen Schutz des Eigentums an den in das Gesellschaftsvermögen eingebrachten Vermögensgegenständen, sondern um den Schutz des Anteilseigentums als einem eigenen Vermögenswerten Recht geht. Ebenso wäre es unangebracht, dem Anteilseigentümer den Schutz des Art. 14 GG mit dem Hinweis zu versagen, dieser hätte bereits mit dem Erwerb seiner Beteiligung im voraus auf den verfassungsrechtlichen Schutz gegen bestimmte Eingriffe etwa der Gesellschaftermehrheit in sein Anteilseigentum verzichtet. Zwar erklärt sich der Anteilseigner in der Tat zumindest stillschweigend mit den Mechanismen der Willensbildung und Geschäftsführung der Gesellschaft einverstanden, doch vertraut er dabei immer zugleich auch auf deren grundrechtskonforme Handhabung 131 . Die zivilrechtliche Vermögenstrennung findet ihren verfassungsrechtlichen Ausdruck aber auch in dem immer wieder in Rechtsprechung und Literatur verwendeten Schlagwort vom geringeren personalen Bezug des Anteilseigentums, wonach insbesondere mit Blick auf den Kleinanleger das Anteilseigentum nicht die gleiche freiheitssichernde Persönlichkeitsnähe wie das private 126 Wieland, in: Dreier (Hrsg.) GG Art. 14 Rn. 41; Friauf, DÖV 1976, 624, 626; Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. 1, S. 702f.; Badura/Rittner/Rüthers, Gemeinschaftsgutachten, S. 206ff.; siehe auch BVerfG v. 7.8.1962, BVerfGE 14, 263,276 und die dort auf S. 271 f. zitierte Stellungnahme des Bundesministers der Justiz. 127 BVerfG v. 1.3.1979 BVerfGE 50, 290, 345; BVerfG v. 7.8.1962 BVerfGE 14,263, 278 und 285; BGH v. 16.11.1981 BGHZ 82, 188, 192; OLG Düsseldorf v. 9.12.1993 AG 1994, 228, 233; Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. 1, S. 703; so auch für die Aktie OLG Düsseldorf v. 14.4.1960 BB 1960, 534,535 und die in BVerfG v. 7.8.1962, BVerfGE 14,263,271 f. zitierte Stellungnahme des Bundesministers der Justiz im Feldmühle-Fall sowie Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 64 und Ehenroth/Koos, BB 1995 Beilage Nr. 8, S. 11. 128 R. Scholz, AG 1972, 195, 198; Leisner, HStRVI § 149 Rn. 117. 129 Suhr, Eigentumsinstitut, S. 92 und 145ff.; Kunze, RdA 1972, 257, 268; krit. dazu Wiedemann, ZGR 1979, 385, 428ff. und Badura/Rittner/Rüthers, Gemeinschaftsgutachten, S. 212f. 130 Ebenso E.R. Huber, Mitbestimmung, S. 88 f.; zum Publikumsaktionär als Unternehmer auch Eckelt, Kernfragen, S. 8 f.; zum individualrechtlichen Aspekt der Mitgliedschaft auch Martens, ZGR 1979, 493, 501 f. 131 Ahnlich auch v. Falkenhausen, Mehrheitsherrschaft, S. 216f.
§1
Gemeinschaft
von Unternehmergesellschafter
und Gesellschaft
147
oder einzelunternehmerische Eigentum aufweisen soll 132 . Dies gelte insbesondere dann, wenn die ursprünglich einheitliche Unternehmer-Eigentümerfunktion aufgeteilt und auf verschiedene Instanzen verlagert worden sei oder sich die Mitwirkung an den unternehmerischen Entscheidungen wie bei einem Kleinaktionär fast auf Null reduziere 133 . Selbst wenn der frühere Eigentümer-Unternehmer noch weiter im Unternehmen der Gesellschaft mitarbeite, habe sich jedenfalls bei den Kapitalgesellschaften sein persönlichkeitsbezogener vermögensrechtlicher Einsatz durch die Haftungsbegrenzung und die Schaffung eines gesonderten Privatvermögens vermindert 134 . Die Behauptung eines geringeren personalen Bezugs des Anteilseigentums verkennt jedoch, daß es nicht um den Bezug des Anteilsinhabers zu den Gegenständen des Gesellschaftsvermögens, sondern einzig um seinen Bezug zu dem verfassungsmäßig als eigenes Recht geschützten Anteilsrecht in seiner vermögensmäßigen und mitgliedschaftlichen Dimension geht 135 . Zu seinem Anteilsrecht hat der Anteilsinhaber aber prinzipiell einen ebenso engen personalen Bezug wie zum Miteigentum oder jedem anderen durch Art. 14 G G geschützten Vermögenswerten Recht. Das Anteilsrecht ist für ihn - wie anderes verfassungsmäßiges Eigentum auch - zumindest eine freiheits- und existenzsichernde Kapitalanlage 136 . Auch bei Beteiligungen an Kapitalgesellschaften kann allenfalls von einer Minderung des unternehmerischen Risikos 137 , nicht jedoch von einer für das Eigentum untypischen praktischen Risikolosigkeit des Anteilseigentums gesprochen werden 138 . Gerade der unternehmerisch beteiligte Anteilseigner, der teilweise persönlich haftet und regelmäßig einen Großteil seines Vermögens in Anteilsrechten an der Gesellschaft gebunden hat 139 , geht ein hohes finanzielles Risiko ein 140 . Für den Unterneh-
132 BVerfG v. 1.3.1979 BVerfGE 50, 290, 340 und 347f.; Bryde, in: v. Münch/Kunig Art. 14 Rn. 4 und 22; Chlosta, Wesensgehalt, S. 176. 133 Meyer-Abich, Eigentumsgarantie, S. 98 ff.; Chlosta, Wesensgehalt, S. 161 ff.; Rittstieg, Eigentum, S. 346f., 351 und 362f. 134 Chlosta, Wesensgehalt, S. 161. 135 In diesem Sinne auch Leisner, H S t R V I § 149 Rn. 117f.; Badura/Rittner/Rüthers, Gemeinschaftsgutachten, S. 206 und Eckelt, Kernfragen, S. 16. 136 Dazu für den Kleinaktionär auch Martens, Z G R 1979, 493, 504 f. 137 So denn auch Chlosta, Wesensgehalt, S. 161 und AK-GG/Rittstieg, Art. 14 Rn. 104; Meyer-Hayoz, Gedenkschrift Gschnitzer, S. 303, 305 meint sogar, daß für den maßgeblich beteiligten Kapitalgesellschafter die Haftungsbeschränkung vielfach illusorisch werde, da dieser nicht selten sein gesamtes Vermögen in die Gesellschaft einbringe. 138 Das wird auch von Wiethölter, in: Frankfurter Publizitätsgespräch, S. 41 f. für den Fall einer unternehmerischen Beteiligung eingeräumt; a.A. jedoch Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 431 f. 139 Dazu oben 1. Kap. § 3 C I. 140 Zu Recht hat daher auch Martens, Z G R 1979, 493, 502 ff. gegenüber der These vom geringeren personalen Bezug des Anteilseigentums eine differenzierende Betrachtung angemahnt und den gesellschaftsgebundenen Unternehmer dem Typus des Unternehmer-Eigentümers gleichgestellt.
148
2. Kapitel:
Die Sonderstellung
des
Unternehmergesellschafters
mergesellschafter bildet die Bündelung von Anteilsrechten darüber hinaus die Grundlage seiner Persönlichkeitsentfaltung als Unternehmer, für die er sich vermittelt über die von ihm maßgeblich beeinflußte Gesellschaft auch die Gegenstände des Gesellschaftsvermögens zunutze macht 141 . Das Anteilseigentum erfüllt damit die in einer immer wieder zu lesenden Formulierung des Bundesverfassungsgerichts gestellten Anforderungen, wonach das Eigentum seinem Träger einen Freiheitsraum im vermögensrechtlichen Bereich gewähren und eine eigenverantwortliche Gestaltung seines Lebens ermöglichen soll142. Es besteht daher kein Anlaß, es vom Eigentumsschutz des Art. 14 G G auszunehmen oder ihm einen geringeren personalen Bezug als dem Sacheigentum beizumessen 143 . Dem engen wirtschaftlichen Bezug des Anteilseigentums zu dem von der rechtsfähigen Gesellschaft betriebenen Unternehmen wird schließlich auch durch eine gesteigerte Sozialbindung insbesondere des Anteilseigentums an Trägern größerer Unternehmen Rechnung getragen144. Damit steht das Anteilseigentum als privatnütziges Recht nicht nur im Dienst der individuellen Persönlichkeitsentfaltung des Gesellschafters, sondern zugleich im Dienst des Unternehmens und der am Unternehmen anknüpfenden wirtschaftsrechtlichen Ordnung 145 . II.
Vermögensgemeinschaft
durch
Drittgeschäfte
Der Unternehmergesellschafter kann der Gesellschaft wie jeder andere Gesellschafter als Dritter gegenübertreten und mit dieser einen schuldrechtlichen Austauschvertrag wie insbesondere einen Kauf-, Dienst-, Werk- oder Darlehensvertrag schließen. Derartige Drittgeschäfte, die in der Unterneh141 E.R. Huber, Mitbestimmung, S. 98; zur Ähnlichkeit von Sacheigentum und unternehmerischem Anteilseigentum als einem sog. Wertrecht bzw. „wirtschaftlichem Miteigentum" U. Huber, Vermögensanteil, S. 168 ff. und Badura/Rittner/Rüthers, Gemeinschaftsgutachten, S. 212f.; auch Chlosta, Wesensgehalt, S. 164f. und Suhr, Eigentumsinstitut, S. 93 erkennen insoweit eine verfassungsrechtliche Verwischung des Unterschieds von Anteils- und Sacheigentum an; krit. zu den von Durchgriffsvorstellungen geprägten Vergleichen des Anteils- mit dem Sacheigentum allerdings Leisner, H S t R V I § 149 Rn. 115ff. 142 Siehe nur BVerfG v. 18.12.1968 BVerfGE 24, 367, 389; dazu auch Ossenbühl, AöR 115 (1990), 1,27. 143 Für eine Ausklammerung des Anteilseigentums an Gesellschaften, die gesamtwirtschaftlich oder regional bedeutsame Unternehmen betreiben, demgegenüber Rittstieg, Eigentum, S. 348 und 362 f.; krit. dazu Stober, Grundrechtsschutz, S. 93 f. 144 BVerfG v. 1.3.1979 BVerfGE 50, 290, 340ff.; Leisner, in: Issing/Leisner, „Kleineres Eigentum", S. 52f.; Rittner, in: Marburger Gespräch, S. 59; Badura/Rittner/Rüthers, Gemeinschaftsgutachten, S. 194f.; Wieland, in: Dreier (Hrsg.) G G Art. 14 Rn. 41; Friauf, D Ö V 1976, 624, 626; Ebenroth/Koos, BB 1995 Beilage Nr. 8, S. 5; vgl. auch die Bedeutung des Art. 14 Abs. 2 G G für die Verantwortung des Unternehmensträgers und der Unternehmensleitung (hierzu eingehend Schmidt-Leithoff, Verantwortung, S. 155ff.). 145 Ballerstedt, Kapital, S. 37f.; Rittner, in: Marburger Gespräch, S. 59.
5 1
Gemeinschaft
von Unternebmergesellschafter
und Gesellschaft
149
menspraxis weit verbreitet sind, können sich für beide Seiten als wirtschaftlich ausgesprochen vorteilhaft erweisen und sind daher im deutschen Recht trotz der mit ihnen verbundenen Möglichkeit von Interessenkonflikten und Manipulationen grundsätzlich zulässig. An dieser Stelle soll lediglich auf einige der sich im Zusammenhang mit Drittgeschäften besonders für Unternehmergesellschafter stellenden Probleme eingegangen werden. 1. Vermeidung des
von Interessenkonflikten
beim
Abschluß
Drittgeschäfts
Da die Gesellschaft ihren auf den Vertragsschluß mit dem Gesellschafter gerichteten Willen nur mit Hilfe der zu ihrer Vertretung befugten Organe bilden kann, muß zur Vermeidung von Interessenkonflikten eine unmittelbare oder mittelbare Mitwirkung des Unternehmergesellschafters an der Vertretung der Gesellschaft bei einem ihm gegenüber vorzunehmenden Austauschgeschäft möglichst ausgeschlossen werden. Diesem Anliegen dienen zunächst verschiedene gesellschaftsrechtliche Sonderregelungen, die die Kompetenz zum Abschluß des Drittgeschäfts auf den zumindest weniger befangenen Aufsichtsrat verlagern oder an dessen Zustimmung knüpfen (§ 112 AktG 1 4 6 , § 1 1 4 AktG, § § 8 9 , 115 AktG 1 4 7 , fakultativ § 1 1 1 Abs. 4 S. 2 AktG, § 3 9 GenG, § 52 Abs. 1 GmbHG). Dem Abschluß von für die Gesellschaft nachteiligen Geschäften wird darüber hinaus durch die verschiedenen Tatbestände der Organhaftung begegnet148. Der Ausschaltung von bestimmten Interessenkonflikten beim Abschluß von Drittgeschäften dienen schließlich verschiedene Stimmverbote (§ 34 Alt. 1 B G B , § 47 Abs. 4 S. 2 GmbHG). Während sich der Gesetzgeber 1937 im Aktienrecht und 1973 im Genossenschaftsrecht jedoch bewußt für die Abschaffung des bis dahin nach § 252 Abs. 3 H G B a.F. bzw. § 43 Abs. 3 S. 2 GenG a.F. bestehenden Stimmverbots bei Beschlußfassungen über die Vornahme eines Rechtsgeschäfts mit dem betreffenden Gesellschafter entschieden hat, wird eine analoge Anwendung der genannten Verbotstatbestände im Personengesellschaftsrecht überwiegend befürwortet 149 . Das beispielhaft hier kurz anzuführende Stimmverbot des § 47 Abs. 4 S. 2 G m b H G unterliegt al146 Zur Geltung für Rechtsgeschäfte selbst mit ehemaligen Vorstandsmitgliedern siehe BGH v. 7.7.1993 AG 1994, 35; zur zwingenden Kompetenzverlagerung auf den Gesamtaufsichtsrat oder einen Aufsichtsratsausschuß BGH v. 6.4.1964 BGHZ 41,282,285; zur anders als bei § 89 Abs. 1 S. 5 AktG fehlenden Ausnahme für Bagatellfälle Huffmann, Kontrolle, S. 112 m.w.N. 147 Zur Problematik der sog. Organkredite näher 6. Kap. § 2 B I 3. 148 Dazu näher 4. Kap. § 2 A I 1. 149 RG v. 3.5.1932 RGZ 136, 236, 245 (GbR); Zöllner, Stimmrechtsmacht, S. 190ff. und 224f.; Baumbach/Hopt, § 119 Rn. 8; offengelassen für die O H G von RG v. 20.12.1939 RGZ 162, 370, 373 (im Hinblick auf die Aktienrechtsänderung von 1937) und B G H v. 13.7.1967 BGHZ 48, 251, 256.
150
2. Kapitel:
Die Sonderstellung
des
Unternehmergesellschafters
lerdings nicht unerheblichen Einschränkungen. So soll es etwa nicht gelten, wenn die Geschäftsführung lediglich zum Abschluß eines Rechtsgeschäft ermächtigt wird, ohne daß der Vertragspartner oder die Konditionen festliegen bzw. sich jedenfalls abzeichnen 150 . Hier wird man gerade bei einem Unternehmergesellschafter aber bereits dann ein Stimmverbot anzunehmen haben, wenn dieser als möglicher Vertragspartner in Aussicht steht, da insoweit dann aufgrund der rechtlichen und faktischen Gesellschafterstellung typischerweise von einer Einflußnahme im Hinblick auf die Auswahl des Vertragspartners sowie die Bedingungen des Vertragsschlusses auszugehen ist und damit ein schematisch wirkendes Stimmverbot gerechtfertigt ist. Fraglich scheint es auch, ob man aufgrund der engen Verbindung zwischen dem Beschluß über die Bestellung zum Gesellschafter-Geschäftsführer, an dem der Unternehmergesellschafter in jedem Fall mitwirken können muß, und demjenigen über den Inhalt des Anstellungsvertrags mit der herrschenden Meinung eine Reduktion des Anwendungsbereichs des § 47 Abs. 4 S. 2 GmbHG vornehmen sollte151, da dem Interesse des bestellten Gesellschafter-Geschäftsführers an einer angemessenen Vergütung seiner Tätigkeit auch durch einen aus der Treuepflicht abgeleiteten Anspruch auf die marktübliche Vergütung entsprochen werden kann 152 . Schließlich gewährleistet auch das allgemeine Verbot des Selbstkontrahierens (§ 181 BGB, § 35 Abs. 4 GmbHG) einen formalen Schutz der Gesellschaft. Es gilt jedoch nur für die Mitwirkung des Gesellschafters als organschaftlicher oder rechtsgeschäftlicher (Gesamt-)Vertreter am Vertragsschluß selbst153 und kann zudem auf verschiedenen rechtlich zulässigen Wegen umgangen werden 154 . Da außerdem eine teleologische Extension des lediglich auf 150 BGH V. 10.2.1977 BGHZ 68, 107, 112; Rowedder/Koppensteiner, § 4 7 Rn. 59; Wank, ZGR 1979, 222, 232; weitergehend zugunsten des Anwendungsbereichs des Stimmverbots Scholz/K Schmidt, § 47 Rn. 120; Huffmann, Kontrolle, S. 249f. 151 So aber BGH v. 29.9.1955 BGHZ 18, 205, 210 und Scholz/K Schmidt, § 46 Rn. 75 und § 47 Rn. 118; a.A. Wolany, Rechte, S. 225 f. 152 So im Ergebnis auch Wank, ZGR 1979, 222, 243, der allerdings von einem Stimmrecht des betroffenen Gesellschafters ausgeht und den Beschluß lediglich der richterlichen Kontrolle im Rahmen einer Beschlußanfechtung und nach § 315 BGB unterwerfen möchte. Siehe dazu nur BGH v. 22.9.1969 BGHZ 52, 316, 318f. (keine Anwendung des § 181 BGB auf die Stimmvertretung bei geschäftsführungsbezogenen Gesellschafterbeschlüssen) und U. Hübner, Interessenkonflikt, S. 274f. (wegen Vorrangs der gesellschaftsrechtlichen Stimmverbote keine Anwendung des § 181 BGB auf die Ausübung des Stimmrechts im eigenen Namen, auch wenn diese unmittelbar oder wie zumeist mittelbar über die gegebenenfalls weisungsgebundenen Organe zur Vornahme des Rechtsgeschäfts führt); krit. zur überwiegend angenommenen Unanwendbarkeit des § 181 BGB im Rahmen von Beschlußfassungen der Verwaltungsorgane allerdings U. Hübner, Interessenkonflikt, S. 276f., 284f. und 288f.; generell krit. Immenga, Kapitalgesellschaft, S. 214ff. 154 Siehe dazu nur BGH v. 6.3.1975 BGHZ 64, 72, 75 (Ermächtigung des anderen Gesamtvertreters nach § 125 Abs. 2 S. 2 HGB); BGH v. 7.2.1972 BGHZ 58, 115, 118f. (formlose Gestattung).
§1
Gemeinschaft
von Unternehmergesellschafter
und Gesellschaft
151
bestimmte typische Interessenkonflikte zugeschnittenen § 181 B G B nur in engen Grenzen in Betracht kommt 155 , wird ein umfassender Schutz der Gesellschaft gegen Interessenkonflikte beim Abschluß von Austauschgeschäften mit dem Unternehmergesellschafter letztlich nur mit Hilfe der Regeln über die Vermögensbindung, des Gleichbehandlungsgebots und der Treuepflicht hergestellt werden können. 2. Inhaltskontrolle verdeckter
des Drittgeschäfts
aufgrund
des
Verbots
Vermögensverlagerungen
Der in Anlehnung an die steuerrechtliche Terminologie zumeist als verdeckte Gewinnausschüttung bezeichnete eigenständige gesellschaftsrechtliche Tatbestand der verdeckten Vermögensverlagerung ist dadurch gekennzeichnet, daß mit einem Gesellschafter oder einem diesem nahestehenden Dritten ein Rechtsgeschäft abgeschlossen wird, das die durch eine gewissenhaft nach kaufmännischen Grundsätzen handelnde Person vertretene Gesellschaft unter sonst gleichen Umständen mit einem gesellschaftsfremden Dritten nicht abgeschlossen hätte156. Die Abgrenzung zwischen gewöhnlichen Umsatzgeschäften und verdeckten Vermögensverlagerungen kann sich im Einzelfall als schwierig erweisen. Für eine verdeckte Vermögensverlagerung ist jedenfalls dort kein Raum, wo die Gegenleistung des Unternehmergesellschafters angemessen ist und auch ein Dritter (Mitgesellschafter, Außenstehender) ceteris paribus nicht bereit ist, für die Leistung der Gesellschaft eine höhere Gegenleistung zu erbringen 157 . Eine verdeckte Vermögensverlagerung ist aber dann gegeben, wenn die Gesellschaft zugunsten des eine angemessene Gegenleistung offerierenden Unternehmergesellschafters auf ein höheres Drittangebot verzichtet, ohne daß hierfür eine sachliche Rechtfertigung wie etwa die Abwehr fremder Einflußnahmen auf das Gesellschaftsunternehmen158 gegeben werden kann 159 . Das Verbot verdeckter Vermögensverlagerungen stützt sich zunächst auf die Regeln über die Vermögensbindung (§§ 30ff., 43a G m b H G , §§ 57ff. AktG und §§ 129a, 171 ff. HGB), die bei den Kapitalgesellschaften (& Co.) Dazu näher 6. Kap. § 2 B I 2; a.A. lmmenga, Kapitalgesellschaft, S. 214ff. Dazu nur BGH v. 1.12.1986 NJW 1987, 1194, 1195; BGH v. 13.11.1995 NJW 1996, 589f.; Ballerstedt, Kapital, S. 112ff.; Geßler, FS R. Fischer, S. 131, 135f.; Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. 1, S. 440ff. und K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 29 II 2a und 37 III. 157 Abrell, BB 1974, 1463, 1465. 158 Dazu auch Rasch, BB 1973, 865 in der krit Anm. zur abweichenden Entscheidung des O L G Frankfurt/M. v. 28.2.1973 BB 1973, 863. 159 O L G Frankfurt/M. v. 28.2.1973 BB 1973, 863, 864 (Anfechtbarkeit eines Hauptversammlungsbeschlusses über einen möglicherweise angemessen vergüteten Betriebspachtvertrag mit dem Mehrheitsaktionär, weil der als Konkurrent am Markt auftretende Minderheitsaktionär ernstlich eine höhere Gegenleistung bei im übrigen gleichen Vertragsbedingungen geboten habe); Abrell, BB 1974, 1463, 1466. 155
156
152
2. Kapitel: Die Sonderstellung des
Unternehmergesellschafters
nach h e r r s c h e n d e r M e i n u n g zwingend zur N i c h t i g k e i t zumindest des schuldrechtlichen Austauschgeschäfts 1 6 0 und bei Z u w e n d u n g e n an den K o m m a n d i tisten z u m Wiederaufleben von dessen persönlicher H a f t u n g (§ 172 A b s . 4 i.V.m. § 171 A b s . 1 H G B ) 1 6 1 führen, w e n n der aus d e m g e b u n d e n e n V e r m ö gen der Gesellschaft s t a m m e n d e n Z u w e n d u n g nicht eine m a r k t ü b l i c h e G e genleistung des Gesellschafters gegenübersteht 1 6 2 . I n s o w e i t ergeben sich für einen U n t e r n e h m e r g e s e l l s c h a f t e r keine B e s o n d e r h e i t e n . A b e r auch bei Z u w e n d u n g e n aus d e m nicht gebundenen Gesellschaftsverm ö g e n besteht bei mehrgliedrigen Gesellschaften ein gesellschaftsrechtliches Verbot, die Gesellschaft durch den A b s c h l u ß eines für sie ungünstigen A u s tauschgeschäfts zu schädigen. Z u m e i s t wird dieses V e r b o t insbesondere bei der G m b H bereits auf die K o m p e t e n z v e r t e i l u n g in der b e t r o f f e n e n Gesellschaft gestützt, die es den G e s c h ä f t s f ü h r e r n untersagen soll, ungleiche A u s tauschverträge mit den Gesellschaftern abzuschließen 1 6 3 . D i e hierfür gegebenen unterschiedlichen B e g r ü n d u n g e n v e r m ö g e n j e d o c h nicht zu überzeugen, da sie die gesellschaftsrechtliche K o m p e t e n z v e r t e i l u n g , die nach dem G e s e t z an formale Kriterien a n k n ü p f t und mangels abweichender Vereinbarung das R e c h t z u m A b s c h l u ß v o n zumindest nicht a u ß e r g e w ö h n l i c h e n
Rechtsge-
schäften den G e s c h ä f t s f ü h r e r n zuordnet, v o n einer nicht selten schwierigen Angemessenheitsprüfung abhängig macht. I n s b e s o n d e r e die überwiegend b e f ü r w o r t e t e (analoge) H e r a n z i e h u n g des § 4 6 N r . 1 G m b H G beruht letztlich auf der doppelten E i n o r d n u n g der verdeckten Vermögensverlagerung als schuldrechtlichem Vertrag und als Gewinnausschüttung 1 6 4 , die heute im ü b r i gen zu R e c h t abgelehnt wird 1 6 5 , da es b e i m A b s c h l u ß selbst eines für die G e sellschaft nachteiligen Austauschgeschäfts weder o b j e k t i v n o c h subjektiv u m die V e r w e n d u n g eines v o n der Gesellschaft im abgelaufenen G e s c h ä f t s j a h r erzielten G e w i n n s geht 1 6 6 . 160 Siehe zum diesbezüglichen Meinungsstreit etwa Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. 1, S. 442; Hüffer, AktG § 57 Rn. 23 und K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 29 II 2b bb m.w.N. 161 Dazu etwa Schlegelberger/if. Schmidt, §§ 171, 172 Rn. 66ff. 162 Siehe dazu nur für die Angemessenheit der Geschäftsführervergütung BGH v. 15.6.1992 GmbHR 1992, 605, 606; BGH v. 13.11.1995 GmbHR 1996, 111, 112 und Scholz/U.H.Schneider, §35 Rn. 181a; für die Angemessenheit von Werklöhnen BGH v. 1.12.1986 NJW 1987, 1194, 1195; BGH v. 13.11.1995 NJW 1996, 589, 590; zu weitgehend hinsichtlich der Vermögensbindung bei der GmbH Wilhelm, FS Flume Bd. 2, S. 337ff. 163 BGH v. 5.12.1983 DB 1984, 661; M. Winter, ZHR 148 (1984), 579, 582f.; Immenga, Kapitalgesellschaft, S. 222f.; Kowedder/Koppensteiner, §37 Rn. 10; Hommelhoff, ZGR 1978, 119, 123; besonders weitgehend Wilhelm, FS Flume Bd. 2, S. 337, 368 ff.; generell krit. Brockfeld, Darlehen, S. 68 ff. 164 Insoweit deutlich Ballerstedt, Kapital, S. 115. 165 Dazu etwa Geßler, FS R. Fischer, S. 131, 138f. 166 So auch im Zusammenhang mit verdeckten Vermögensverlagerungen Huffmann, Kontrolle, S. 227ff., die dann jedoch eine allgemeine Kompetenz der Gesellschafterversammlung für Kapitalausschüttungen jeder Art annimmt (S. 233 ff.); ähnlich bereits Immenga, Kapitalgesellschaft, S. 222 f.
§1
Gemeinschaft
von Unternehmergesellschafter
und Gesellschaft
153
Das Verbot verdeckter Vermögensverlagerungen vom Gesellschafts- in das Privatvermögen eines Unternehmergesellschafters läßt sich in mehrgliedrigen Gesellschaften aber auch mit Hilfe des Gleichbehandlungsgrundsatzes 167 und der Treuepflicht 168 begründen 169 . Zwar soll der im vermögensrechtlichen Bereich etwa in den §§ 29 Abs. 3, 31 Abs. 3 und 72 G m b H G sowie § 243 Abs. 2 A k t G zum Ausdruck gekommene Gleichbehandlungsgrundsatz bei Drittgeschäften nur dann Geltung beanspruchen, wenn das Rechtsgeschäft mit Rücksicht auf die Gesellschafterstellung des Vertragspartners (causa societatis) abgeschlossen wird 170 , doch kann hiervon bei einem Vertragsschluß mit dem Unternehmergesellschafter ausgegangen werden, sofern dieser nicht der einzige oder günstigste Leistungsanbieter ist171. Anders als im Bereich der Herrschaftsrechte kann auch das Mehrheitsprinzip eine Bevorzugung des Unternehmergesellschafters im vermögensrechtlichen Bereich nicht rechtfertigen 172 . Vor dem Hintergrund des Gleichbehandlungsgrundsatzes sind verdeckte Vermögensverlagerungen vielmehr nur im Rahmen des unternehmerischen Ermessens 173 , bei einer Gewährung an alle Gesellschafter, bei versäumter Anfechtung eines etwaigen Weisungsbeschlusses 174 , bei Leistung eines Ausgleichs 175 oder bei einem Einverständnis aller anderen Gesellschafter 176 167 Dazu etwa B G H v. 15.5.1972 W M 1972, 931, 933 (Mietzins); B G H v. 14.5.1990 B G H Z 111, 224, 227f. (Geschäftsführervergütung); Ballerstedt, Kapital, S. 139ff. und 176 ff.; Zöllner, Stimmrechtsmacht, S. 304ff.; Huffmann, Kontrolle, S. 210ff.; HachenburgARijz'ser, § 14 Rn. 70; speziell zur Darlehensvergabe Brockfeld, Darlehen, S. 94ff. 168 Dazu etwa B G H v. 4.10.1976 WM 1976,1226,1227f. (Geschäftsführervergütung); B G H v. 28.6.1982 W M 1982, 1025, 1026 (Geschäftsführervergütung); O L G Karlsruhe v. 16.12.1983 W M 1984, 656, 660 (Anteilsübertragung); Huffmann, Kontrolle, S. 243 ff.; Tries, Gewinnausschüttungen, S. 169ff.; Brockfeld, Darlehen, S. 91 f. (Darlehensvergabe). 169 Zu den an dieser Stelle nicht interessierenden, im einzelnen umstrittenen Rechtsfolgen Tries, Gewinnausschüttungen, S. 220ff. und Huffmann, Kontrolle, S. 263ff.; zum diesbezüglichen Erfordernis der Gesellschafterklage in G m b H und A G Huffmann, Kontrolle, S. 285 ff. 170 B G H v. 14.1.1997 A G 1997,414; Zöllner, Stimmrechtsmacht, S. 306; Scholz /Winter, % 14 Rn. 43. 171 So auch Zöllner, Stimmrechtsmacht, S. 306 für den maßgeblichen Einfluß ausübenden Gesellschafter. 172 Dazu bereits Zöllner, Stimmrechtsmacht, S. 306f. 173 Zum Ermessenspielraum der Gesellschafter bei der Festlegung der Gesellschafter-Geschäftsführervergütung B G H v. 14.5.1990 B G H Z 111, 224, 227; zum unternehmerischen Handlungsspielraum der Geschäftsführer bei Austauschbeziehungen B G H v. 13.11.1995 N J W 1996, 589, 590; von einer praktischen Kapitulation des Gleichbehandlungsgrundsatzes vor den zahlreichen sachlich zu rechtfertigenden Differenzierungsmöglichkeiten bei Drittgeschäften spricht auch Zöllner, Stimmrechtsmacht, S. 306. 174 B G H v. 14.5.1990 B G H Z 111,224,227. 175 Ahreil, BB 1974, 1463, 1466f.; Geßler, FS Barz, S. 97, 103; a.A. Flume, BGB-AT 1/2, S. 213. 176 Vgl. dazu nur Zöllner, Stimmrechtsmacht, S. 303 und Huffmann, Kontrolle, S. 221 f. (einstimmiger Beschluß); Huffmann, Kontrolle, S. 212f. und Scholz /Winter, § 14 Rn. 45 (zur gesellschaftsvertraglichen Einräumung von Sondervorteilen und Vorzugsrechten auf verbilligten Warenbezug oder verbilligte Nutzung); im Zweifel werden Sonderrechte am Gesellschaftsvermögen zu Marktkonditionen eingeräumt (dazu Huffmann, Kontrolle, S. 215f.).
154
2. Kapitel:
Die Sonderstellung
des
Unternebmergesellschafters
möglich. In mehrgliedrigen Gesellschaften verbietet es einem Gesellschafter schließlich auch die gegenüber der Gesellschaft und seinen Mitgesellschaftern bestehende Treuepflicht, durch den Abschluß eines nicht marktgerechten Drittgeschäfts Sondervorteile zum Schaden der Gesellschaft zu erlangen, sofern nicht auch hier alle Mitgesellschafter ihr Einverständnis erklären oder ein Ausgleich geleistet wird (vgl. § 243 Abs. 2 AktG) 1 7 7 . Besonderheiten für den Unternehmergesellschafter ergeben sich hier lediglich aus seiner gesteigerten Rechtsmacht und Verantwortung, die ihm einerseits zusätzliche Möglichkeiten der Einflußnahme verschafft 178 und ihm andererseits eher Anlaß zu einer Uberprüfung der ihm von der Gesellschaft aus eigenem Antrieb offerierten Vertragsbedingungen gibt 179 .
III.
Vermögensgemeinschaft durch wechselseitige wirtschaftliche Abhängigkeit
Die wechselseitige wirtschaftliche Abhängigkeit von Unternehmergesellschafter und Gesellschaft führt zunächst zu einer wirtschaftlichen Gemeinschaft der Vermögensmassen, die rechtlich in verschiedener Hinsicht berücksichtigt wird bzw. berücksichtigt werden muß. Während dies auf der einen Seite etwa für den Umstand gilt, daß das Gesellschaftsvermögen für den Unternehmergesellschafter die Lebensgrundlage bildet, spielt auf der anderen Seite etwa die Frage einer verbesserten Eigenkapitalausstattung der Gesellschaft durch den Unternehmergesellschafter eine wichtige Rolle. Daneben kommt es aufgrund der wechselseitigen wirtschaftlichen Abhängigkeit der Vermögensmassen aber auch zu zahlreichen Rechtsbeziehungen zwischen den Vermögensträgern. Selbst wenn diese Rechtsbeziehungen einem Drittvergleich standhalten und sich die rechtliche Trennung der Vermögensmassen insbesondere auch in der Buchführung der Gesellschaft widerspiegelt, ergeben sich hieraus verschiedentlich Konsequenzen für die Haftung des Unternehmergesellschafters und seine Identifikation mit der Gesellschaft 180 . Erst recht gilt dies für die praktisch überhaupt nur bei Unternehmergesellschaf-
177 Tries, Gewinnausschüttungen, S. 169ff.; Huffmann, Kontrolle, S. 243ff.; gegen eine Ausgleichsmöglichkeit Flume, B G B - A T 1/2, S. 213. 178 Dazu etwa auch Huffmann, Kontrolle, S. 262f. 179 Zu weitgehend und deshalb auch unter Verzicht auf die Schadensersatzfolge Tries, G e winnausschüttungen, S. 169ff. (Pflicht zum Abschluß lediglich angemessener Drittgeschäfte und damit im Ergebnis zur Wahrung der Gesellschaftsinteressen) sowie Huffmann, Kontrolle, S. 253 ff. 180 Siehe dazu etwa 4. Kap. § 2 C II l c bb und III 4 (c.i.c.-Sachwalterhaftung und gegenständliche Rechtsscheinhaftung) sowie 6. Kap. § 2 B I und I V (Identifikation als Interessenbzw. Schuld- und Haftungsgemeinschaft).
j 1
Gemeinschaft
von Unternehmergesellschafter
und Gesellschaft
155
tern vorkommende systematische und nicht mehr nachvollziehbare Vermischung von Gesellschafts- und Privatvermögen 181 .
1. Die Bedeutung des Gesellschaftsvermögens für den Unternehmergesellschafter a) Das Gesellschaftsvermögen aa) Das Gesellschaftsvermögen
als als
Lebensgrundlage Einkommensgrundlage
Ein Unternehmergesellschafter kann Einkünfte auf der Grundlage des Gesellschaftsvermögens nicht nur durch seinen mitgliedschaftlichen Anteil am (ausgeschütteten) Gewinn und am Liquidationserlös, sondern auch durch vereinbarte Vergütungen der Gesellschaft namentlich für seine Mitwirkung in der Unternehmensleitung erzielen. Die Abhängigkeit eines Gesellschafters von den ihm von Seiten der Gesellschaft zufließenden Einkünften spielt rechtlich namentlich beim Entzug der Geschäftsführerstellung aus wichtigem Grund und in der Insolvenz der Gesellschaft eine Rolle.
aaa) Vergütung von Tätigkeiten für die
Gesellschaft
Bei den Personengesellschaften wird die Geschäftsführertätigkeit eines Gesellschafters regelmäßig als Beitragsleistung gewertet und daher nicht gesondert ausgewiesen bzw. vergütet, sondern lediglich als Umstand bei der Gewinnverteilung berücksichtigt. Ein Vergütungsanspruch ergibt sich hier mangels ausdrücklicher Vereinbarung bzw. Gesellschafterbeschlusses dann auch weder aus § 110 oder § 354 H G B noch aus § 612 BGB 1 8 2 . Besondere Vergütungen und die Anwendung des Dienstvertragsrechts kommen für den Unternehmergesellschafter einer Personengesellschaft daher nur bei vorübergehenden, außergewöhnlichen Dienstleistungen oder einer ausdrücklichen Vereinbarung in Betracht 183 . Während demgegenüber bei der Aktiengesellschaft die Vergütungen eines als Gründer (§ 26 Abs. 2 AktG), Vorstands- (§ 87 AktG) oder Aufsichtsrats181 Dazu näher 4. Kap. § 2 C IV 2d und E III lb; zur besonderen Gefahr von Vermögensvermischungen in der personalistischen Kapitalgesellschaft Immenga, Kapitalgesellschaft, S. 350. 182 B G H v. 13.5.1953 BGHZ 10, 44, 55; B G H v. 21.5.1955 BGHZ 17, 299, 301; BGH v. 10.6.1965 BGHZ 44, 40, 41; BGH v. 20.9.1973 BB 1973, 1368, 1369 (obiter); O L G Koblenz v. 14.2.1986 NJW-RR 1987, 24; Baumbach/Hopt, § 110 Rn. 19. 183 Zur Möglichkeit der Annahme einer stillschweigenden Vergütungsvereinbarung bei außergewöhnlichen Diensten BGH v. 21.5.1955 BGHZ 17, 299, 301; O L G Koblenz v. 14.2.1986 NJW-RR 1987, 24; Ganßmüller, Tätigkeitsvergütung, S. Rn. 4 und 54ff.
156
2. Kapitel:
Die Sonderstellung
des
Unternehmergesellschafters
mitglied ( § 1 1 3 A k t G ) tätigen Unternehmergesellschafters in der Satzung oder vom Aufsichtsrat bzw. von der Hauptversammlung ausdrücklich festgesetzt werden und den in den jeweiligen Vorschriften festgelegten Anforderungen entsprechen müssen, ist die Frage einer stillschweigenden Vergütungsvereinbarung nach § 612 Abs. 1 und 2 B G B für den Gesellschafter-Geschäftsführer einer G m b H umstritten. Teilweise wird dabei der G m b H - G e sellschafter-Geschäftsführer einem Fremdgeschäftsführer gleichgestellt, der wie dieser seine Dienste auch ohne ausdrückliche Vereinbarung im Zweifel nur gegen eine übliche Vergütung erbringt 184 . Richtigerweise wird man jedoch an einer Analyse der Umstände des Einzelfalls nicht vorbeikommen 1 8 5 und dabei dann vornehmlich die besondere Stellung eines Unternehmergesellschafters zu berücksichtigen haben. D a die rechtliche und wirtschaftliche Stellung eines GmbH-Unternehmergesellschafters viel eher derjenigen eines Personengesellschafters als derjenigen eines Fremdgeschäftsführers gleicht, wird man nur dann eine stillschweigende Vergütungsvereinbarung nach § 612 Abs. 1 und 2 B G B annehmen können, wenn dies durch besondere Umstände nahegelegt wird 186 oder es sich um eine momentane und außergewöhnliche Dienstleistung handelt. D i e Tatsache, daß der Unternehmergesellschafter möglicherweise dauerhaft oder vorübergehend auf eine besondere Vergütung der von ihm für die Gesellschaft erbrachten Dienste zur Sicherung seines Lebensunterhalts angewiesen ist 187 , spielt hingegen weder bei den Personen- noch den Kapitalgesellschaften eine Rolle für die Annahme einer stillschweigenden Vergütungsvereinbarung. Hieraus kann der Unternehmergesellschafter allenfalls unter B e rufung auf die mitgliedschaftliche Treuepflicht einen Anspruch auf Zustimmung zur Gewährung bzw. Erhöhung der Vergütung gegen seine Mitgesellschafter ableiten 188 . Sofern der Unternehmergesellschafter schließlich von der Gesellschaft eine Vergütung für Dienstleistungen beanspruchen kann, sind diese Zuwendungen darüber hinaus an die für Austauschgeschäfte zwischen der Gesellschaft und ihren Gesellschaftern bestehenden zivil- und steuerrechtlichen Regeln gebunden 189 , so daß die Angemessenheit der Gesamtvergütung unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls wie insbesondere Lutter/Hommelhoff, Anh § 6 Rn. 31 (sofern keine mitgliedschaftliche Vergütung). Ebenso O L G Frankfurt/M. v. 10.6.1992 G m b H R 1993, 358, 359f.; Goette, D S t R 1993, 659 und Hachenburg/Stern, § 35 Rn. 191. 186 Denkbar wäre es etwa, daß der Unternehmergesellschafter in Gestalt der von ihm erbrachten Dienste einen zusätzlichen Beitrag leistet, ohne hierfür einen entsprechend höheren Anteil am Gewinn und/oder Liquidationserlös zu erhalten. 187 Siehe dazu etwa die Annahme des B G H v. 5.2.1963 N J W 1963, 1051, 1052 für kleinere Familiengesellschaften. 188 B G H v. 10.6.1965 B G H Z 44, 40, 41f. (Zustimmungspflicht zur Erhöhung einer unverhältnismäßig geringen Geschäftsführervergütung nur in Ausnahmefällen); krit. Flume, B G B AT 1/1, S. 279 f. 189 Dazu 2. Kap. § 1 A I 4c cc und A II. 184 185
§1
Gemeinschaft
von Unternehmergesellschafter
und Gesellschaft
157
Art, Größe und Leistungsfähigkeit des Betriebes, Alter, Berufserfahrung und Fähigkeiten des Geschäftsführers sowie Umfang und Bedeutung der Tätigkeit zu gewährleisten ist190. bbb) Entziehung
der
Geschäftsführerstellung
Während die Entziehung der Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis bei den Personengesellschaften und der KGaA mangels abweichender Vereinbarung nur aus wichtigem Grund und mit Ausnahme der G b R nur durch gerichtliche Entscheidung möglich ist (§§ 712 Abs. 1, 715 B G B , §§ 117, 127 H G B , § 278 Abs. 2 AktG) und auch die Bestellung zum Vorstandsmitglied einer Aktiengesellschaft nur aus wichtigem Grund widerruflich ist (§ 84 Abs. 3 AktG), kann die Bestellung zum Geschäftsführer einer nicht der Mitbestimmung unterliegenden GmbH (§ 38 G m b H G ) sowie diejenige zum Vorstand einer Genossenschaft (§§ 24 Abs. 3 S. 2 , 4 0 GenG) unter Beachtung der bestehenden Verfahrensregelungen jederzeit grundsätzlich frei widerrufen werden. Grenzen bestehen aber auch hier zunächst unter dem Gesichtspunkt der §§ 226, 826 BGB 1 9 1 . Anders als möglicherwiese bei der Genossenschaft 192 kann bei der GmbH das Recht zur Abberufung eines GesellschafterGeschäftsführers zudem durch Satzungsbestimmungen 193 und begleitende schuldrechtliche Abreden mit den Mitgesellschaftern 194 eingeschränkt werden, sofern nur das Recht zur Abberufung aus wichtigem Grund erhalten bleibt. Insbesondere kann sich der Unternehmergesellschafter dabei durch ein Sonderrecht auf Geschäftsführung (§ 35 B G B ) gegen eine nicht auf einen wichtigen Grund gestützte Abberufung schützen 195 . Für personenbezogene Gesellschaften mbH werden darüber hinaus zusätzliche Einschränkungen der freien Abberufung erwogen. Abzulehnen ist hier jedoch zunächst der Vorschlag einer analogen Anwendung der §§ 712, 715 BGB 1 9 6 oder der §§ 117, 127 HGB 1 9 7 . Hierzu fehlt es nämlich bereits an
190 Dazu etwa für das Gesellschaftsrecht BGH v. 4.10.1976 WM 1976, 1226,1228 und B G H v. 14.5.1990 BGHZ 111,224, 228. 191 Dazu nur Baumbach/Hueck/Zö'/feiT, § 38 Rn. 2 und Hachenburg/Äej«, § 38 Rn. 20. 192 Zur zwingenden Natur des § 24 Abs. 3 S. 2 GenG siehe Beuthien, § 24 GenG Rn. 19 unter Hinweis auf BGH v. 28.1.1953 BGHZ 8, 348, 360f. (obiter). 1,3 Dazu nur BGH v. 20.12.1982 BGHZ 86, 177, 178 f. und Hachenburg/Siez«, §38 Rn. 22 ff. 194 Dazu näher Fleck, GmbHR 1970, 221, 224ff.; Lutter/Hommelhoff § 38 Rn. 15. 195 Dazu nur Lutter/Hommelhoff §38 Rn. 10f.; Hachenburg/St«rc, §38 Rn. 24; Baumbach/Hueck/Zö/foer, § 38 Rn. 7. 196 In diese Richtung Eder, GmbHR 1962, 22, 23 f. 197 Limbach, GmbHR 1968, 181 f.; krit. Fleck, GmbHR 1970, 221; Scholz/t/.//. Schneider, § 38 Rn. 17; Hachenburg/Siez'n, § 38 Rn. 21; vgl. dazu auch BGH v. 20.12.1982 BGHZ 86, 177,
180.
158
2. Kapitel:
Die Sonderstellung
des
Unternehmergesellschafters
einer planwidrigen Gesetzeslücke, da dem Gesetzgeber 198 trotz der Zurückweisung des Oechelhäuser'schen Entwurfs und des verschiedentlich bekundeten Willen zur Schaffung einer „kleinen Aktiengesellschaft" kaum unterstellt werden kann, er habe die sich später in der Praxis erweisende Anziehungskraft der neuen Gesellschaftsform für Mitunternehmergemeinschaften verkannt und die Selbstorganschaft in der kleinen personenbezogenen GmbH als seltenen Ausnahmefall nicht in Betracht gezogen 199 . Angesichts der zahlreichen Unterschiede 200 zwischen der Geschäftsführung in den Personengesellschaften und derjenigen in der GmbH bestünden im Hinblick auf die Abberufung zudem Zweifel an der Vergleichbarkeit der Sachverhalte. Problematisch wäre es auch, bei personenbezogenen Gesellschaften mbH aufgrund einer (ergänzenden) Vertragsauslegung eher von der Vereinbarung eines Sonderrechts auf Geschäftsführung auszugehen 201 , da man sich angesichts der weitreichenden Konsequenzen eines solchen Rechts, das im übrigen bei Existenz eines wichtigen Abberufungsgrundes wieder als unbeachtlich angesehen werden müßte, vor einer Fiktion entsprechender Vereinbarungen besonders hüten sollte. Vorzugswürdig wäre insoweit die Annahme einer konkludenten Vereinbarung von satzungsmäßigen oder satzungsbegleitenden Abberufungsbeschränkungen 202 , obwohl auch deren fiktiver Charakter nur selten zu leugnen sein dürfte. Sofern es daher an einer eindeutigen Gesellschafterabsprache fehlt, die den gesetzlichen Grundsatz der freien Abberufung des GmbH-Geschäftsführers einschränkt, können die berechtigten Interessen eines Unternehmergesellschafters am Schutz vor willkürlicher Abberufung, die in der Praxis ohnehin zumeist durch seine Stimmrechtsmacht 203 und die aufgrund des Anstellungsvertrages regelmäßig auf die Gesellschaft zukommenden finanziellen Lasten ausgeschlossen sein wird, nur unter dem Gesichtspunkt der mitgliedschaftlichen Treuepflicht gewahrt werden 204 . Insoweit ist es zwar zutreffend, daß die
1,8 Siehe dazu die Begr. zum Entwurf eines Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung von 1891, S. 27ff. und 31 ff. („Mittelstellung zwischen den streng individualistischen Gesellschaftsformen und der Aktiengesellschaft"). So aber Limbach, GmbHR 1968, 181 f. 200 Siehe dazu nur die Zusammenstellung bei Baums, Geschäftsleitervertrag, S. 312f. 201 So aber Hachenburg/Sie!«, § 38 Rn. 25. 202 Dazu etwa Scholz/t/.//. Schneider, % 38 Rn. 17 und Fleck, GmbHR 1970, 221. 203 Zum grundsätzlichen Stimmrecht des Gesellschafter-Geschäftsführers bei der zwingend (BGH v. 20.12.1982 BGHZ 86, 177,179) mit einfacher Mehrheit erfolgenden Beschlußfassung über die Abberufung und zur Ausnahme bei Behauptung ( G r u n e w a l d , FS Zöllner Bd. 1, S. 177, 183) bzw. Vorliegen (Baumbach/Hueck/Zö//«er, § 38 Rn. 16) eines wichtigen Grundes siehe nur BGH v. 16.3.1961 BGHZ 34, 367, 371 und OLG Zweibrücken v. 30.10.1997 GmbHR 1998, 373, 374 m.w.N. 204 Siehe zur Einschränkung der freien Abberufung unter dem Gesichtspunkt der TreuepOicht nur BGH v. 29.11.1993 DStR 1994, 214, 215; OLG Karlsruhe v. 23.12.1965 GmbHR 1967, 214, 215; Eder, GmbHR 1962, 22, 23f.; Baums, Geschäftsleitervertrag, S. 314f.
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Gemeinschaft
von Unternehmergesellschafter
und Gesellschaft
159
Treuepflichten in der personenbezogenen und insbesondere in der zweigliedrigen G m b H an Intensität gewinnen 205 , doch rechtfertigt dies noch keine schematische Sonderbehandlung dieser Gesellschaften in der Frage der freien Abberufung, da es letztlich viel mehr auf die betroffenen Belange des Abberufenen als die Struktur der Gesellschaft ankommt 206 . Da bei der Prüfung von Verstößen gegen die Treuepflicht stets alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen sind, kann außerdem nicht davon ausgegangen werden, daß ein in der Praxis fast immer auffindbarer sachlicher Abberufungsgrund bereits für sich den Treuepflichtverstoß ausschließt 207 . Vielmehr muß zumindest dann, wenn sich die Parteien bei Abfassung bzw. Änderung der Satzung nicht ausdrücklich gegen Beschränkungen der Abberufungsfreiheit ausgesprochen haben, im Rahmen einer verständigen Gesamtbetrachtung zugunsten des U n ternehmergesellschafter-Geschäftsführers berücksichtigt werden, daß seine Tätigkeit in der Gesellschaft dem Schutz des Art. 12 Abs. 1 G G untersteht 208 , daß der Unternehmergesellschafter von den Mitgesellschaftern nicht aus eigensüchtigen Motiven durch den Entzug der Geschäftsführerstellung letztlich aus der Gesellschaft hinausgedrängt werden darf 209 und daß er sich durch langjährige möglicherweise sogar besonders erfolgreiche Mitarbeit in der Unternehmensführung Verdienste erworben hat 210 . Fraglich erscheint es allerdings, ob neben diesen auf die gemeinsame Zweckverfolgung bezogenen beruflichen und unternehmerischen Gesichtspunkten von den Mitgesellschaftern auch auf den an dieser Stelle besonders interessierenden privaten Belang211 der Existenzsicherung durch Unterlassen der Abberufung Rücksicht zu nehmen ist 212 . Sofern der Unternehmergesellschafter insoweit nämlich Eder, G m b H R 1962, 22, 23; Schönle/Ensslin, G m b H R 1968, 23, 25. So auch Grunewald, FS Zöllner Bd. 1, S. 177, 181; Schönle/Ensslin, G m b H R 1968, 23, 25; Fleck, G m b H R 1970,221 f.; für die Fälle der mehr als zweigliedrigen G m b H wird dies auch von Eder, G m b H R 1962, 22, 24 anerkannt; für die Sonderstellung der Zweipersonen-GmbH allerdings O L G Karlsruhe v. 23.12.1965 G m b H R 1967, 214, 215 (Erforderlichkeit eines vernünftigen sachlichen Grunds) und Eder, G m b H R 1962, 22, 23 f. (Erforderlichkeit eines wichtigen Grunds). 207 Wie hier O L G Zweibrücken v. 30.10.1997 G m b H R 1998, 373, 374 (obiter); Baumbach/ Hueck/Zöllner, § 38 Rn. 9d und Goette, DStR 1994,214,216, die allerdings zugleich mit Recht darauf verweisen, daß hierdurch die Anforderungen nicht auf diejenigen eines wichtigen Grundes gesteigert werden dürften; krit. Meilicke, D B 1994, 1761, 1762; Grunewald, FS Zöllner Bd. 1, S. 177, 178 f. und Baums, Geschäftsleitervertrag, S. 314f. 208 Dazu näher 2. Kap. § 3 A II; von einem anerkennenswerten Bedürfnis nach Schutz des Lebensberufs spricht in Anlehnung an A. Hueck auch Limbach, G m b H R 1968, 181, 182; krit. gegenüber dem Gesichtspunkt der beruflichen Schutzbedürftigkeit Meilicke, D B 1994, 1761, 1762. 209 Goette, DStR 1994, 214,216; allgemein zum Verbot des Verfolgens von Sondervorteilen bei der Abberufungsentscheidung auch Baums, Geschäftsleitervertrag, S. 314f. 210 Baumbach/Hueck/Zö/feer, § 38 Rn. 9d; Goette, D S t R 1994, 214, 216; krit. Meilicke, D B 1994, 1761 ff. 211 Zur umstrittenen Pflicht zur Rücksichtnahme auf die privaten Belange der Mitgesellschafter siehe 2. Kap. § 2 A III und B VII. 205
206
160
2. Kapitel:
Die Sonderstellung
des
Unternehmergesellschafters
nicht schon hinreichend durch gesetzliche Kündigungsfristen 2 1 3 und Vereinbarungen im Anstellungsvertrag abgesichert ist, k ö n n t e ihm und seiner Familie in Erfüllung v o n etwaigen diesbezüglichen Treuepflichten die G e w ä h r u n g eines angemessenen Lebensunterhalts auch immer noch im Zusammenhang mit der A b b e r u f u n g zugesagt werden. Sofern nach dem Gesetz, der Satzung oder einer schuldrechtlichen Gesellschafterabsprache jedoch ein wichtiger G r u n d f ü r die Entziehung der G e schäftsführungs- und Vertretungsbefugnis bzw. den W i d e r r u f der Bestellung erforderlich ist, m u ß im Rahmen der umfassenden A b w ä g u n g der Belange aller Beteiligten und der Verhältnismäßigkeitsprüfung zugunsten des U n t e r nehmergesellschafters unter anderem auch seine allenfalls durch vertragliche Absicherungen gemilderte wirtschaftliche Abhängigkeit v o n den mit der G e schäftsführer- bzw. Vorstandsstellung verbundenen Einkünften berücksichtigt werden 2 1 4 .
ccc) Besondere
Entnahmerechte
Nach § 122 Abs. 1 Hs. 1 H G B kann der Unternehmergesellschafter als persönlich haftender Gesellschafter einer Personenhandelsgesellschaft zunächst 4 % seines f ü r das letzte Geschäftsjahr festgestellten Kapitalanteils der Gesellschaftskasse entnehmen, u m damit gewinnunabhängig den eigenen Lebensunterhalt und den seiner A n g e h ö r i g e n bestreiten zu können 2 1 5 . A l s Entnahme gilt dabei jede V e r m ö g e n s z u w e n d u n g aus dem G e w i n n oder Kapital der Gesellschaft an einen Gesellschafter, der kein marktgerechtes Drittge-
212 Im Ergebnis ebenfalls verneinend Meilicke, DB 1994, 1761, 1762, der den auf die Treuepflicht gestützten Abberufungsschutz jedoch zu Unrecht in die Nähe des Kündigungsschutzes von Arbeitnehmern i.S.v. § 1 KSchG rückt und die Abberufungsfreiheit der Mitgesellschafter fälschlich mit der Vertragsabschlußfreiheit der Gesellschaft vergleicht; ferner Hachenburg/ Stein, § 38 Rn. 30; a.A. Limbach, GmbHR 1968,181,182 und Goette, DStR 1994,214, 216 (besonderes Bedürfnis nach einem Schutz der Existenzgrundlage). 213 Zur Frage der analogen Anwendbarkeit des § 622 Abs. 1 und Abs. 2 BGB auf den auf der Basis eines Dienstvertrages mitarbeitenden Unternehmergesellschafter siehe 3. Kap. § 2 D I 2a. 214 Siehe dazu auch BGH v. 19.12.1951 LM Nr. 1 zu § 117 HGB (Berücksichtigung der Mitwirkung an der Unternehmensgründung und einer langjährigen Tätigkeit als Mitunternehmer); BGH v. 6.2.1967 DB 1967, 766 (Berücksichtigung, daß der Gesellschafter-Geschäftsführer einer Familiengesellschaft durch die Entziehung seinen Lebensberuf verliert); zur Berücksichtigung beruflicher und sozialer Gesichtspunkte im Rahmen der Gesamtbetrachtung aller Umstände des Einzelfalls siehe nur BGH v. 18.10.1976 WM 1977, 500, 502; BGH v. 25.4.1983 NJW 1984, 173, 174 und insbesondere Schlegelberger/Martens, § 117 Rn. 20; speziell zur Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes Baumbach/Hopt, § 117 Rn. 5; vgl. ferner für den Vorstand einer AG Hefermehl, in: Geßler/Hefermehl § 84 Rn. 71. 215 Siehe dazu nur die Denkschrift zum RJA - E l und die Protokolle der „Kommission Handel" bei Schubert/Schmiedel/Krampe, Quellen Bd. II/l S. 77 bzw. 321 f.; A. Hueck, OHG, S. 248f.; Kübler, Gesellschaftsrecht, § 7 III 3c; Schlegelberger/Martens, § 122 Rn. 1.
51
Gemeinschaft
von Unternehmergesellschafter
und Gesellschaft
161
schäft zugrundeliegt 216 . Zwar besteht das gesetzliche Entnahmerecht unabhängig von einem wirklichen Unterhaltsbedürfnis im Einzelfall, doch ist ein solches, wie es bei unternehmerisch engagierten Gesellschaftern aufgrund der fehlenden anderweitigen Berufstätigkeit nicht selten gegeben sein wird, im Rahmen etwaiger übergesetzlicher Einschränkungen des gewinnunabhängigen Entnahmerechts unter dem Gesichtspunkt der Treuepflicht zu berücksichtigen. Sofern der Gesellschafter daher zur Unterhaltssicherung auf Entnahmen angewiesen ist, wird man diese nur bei einer Existenzgefährdung der Gesellschaft als treuwidrig ansehen können. Auch das unter dem Vorbehalt der offenbaren Schädigung der Gesellschaft stehende Recht zur Entnahme des Mehrgewinns nach § 122 Abs. 1 Hs. 2 H G B wird man in diesen Fällen nicht schon deswegen ausschließen können, weil der Gesellschaft durch die Entnahme eine besonders günstige Geschäftsmöglichkeit entgeht 217 , sondern wiederum nur bei einer Existenzgefährdung etwa durch die Entnahme unentbehrlicher Betriebsmittel 218 . Aufgrund des Treuegedankens können die Mitgesellschafter vielmehr andererseits dazu verpflichtet sein, einer gesellschaftsvertraglich nicht ausdrücklich vorgesehenen Erweiterung des Entnahmerechts bzw. einer Verminderung des Kapitalanteils i.S.v. § 122 Abs. 2 bei Bedürftigkeit des Gesellschafters und Zumutbarkeit für die Gesellschaft zuzustimmen 219 . Das gilt etwa für den unternehmerisch engagierten Kommanditisten, dem die Mitgesellschafter bei Bedürftigkeit und ausnahmsweise fehlenden gesellschafts- oder dienstvertraglichen Vergütungsansprüchen entgegen der dispositiven Regelung des §169 Abs. 1 H G B ebenfalls ein gewinnunabhängiges Entnahmerecht zuzubilligen haben, sofern hierdurch die Existenz der Gesellschaft nicht gefährdet wird. Auch in der G m b H , für die eine dem § 122 Abs. 1 H G B entsprechende Gesetzesregelung fehlt, können die Gesellschafter nicht nur durch Satzungsklauseln Entnahmerechte vorsehen, sondern aufgrund der Treuepflicht im Einzelfall auch zur Gewährung unterhaltssichernder Leistungen aus dem Gewinn und Gesellschaftsvermögen verpflichtet sein, sofern hierbei die Grenzen des § 30 G m b H G eingehalten und die Existenzgrundlagen der Gesellschaft nicht berührt werden. Lediglich bei der Aktiengesellschaft stehen entsprechenden Entnahmerechten die zwingenden Vorschriften zur Vermögensbindung (§§ 57ff. AktG) entgegen, so daß an die Aktionäre lediglich unter den Voraussetzungen des § 59 A k t G Abschlagszahlungen auf den Bilanzgewinn und nach § 61 A k t G maximal wertgerechte Vergütungen für wiederkehrende Leistungen des Unternehmergesellschafters i.S.d. § 55 A k t G gewährt
216 217 218 2,9
Rn. 7.
Dazu nur Baumbach//io/>r, § 122 Rn. 1 und Hey mann/Emmerich, § 122 Rn. 2. So generell A. Hueck, O H G , S. 250. So generell Baumbach//fopt, § 122 Rn. 13; Schlegelberger/Martens, § 122 Rn. 7. A. Hueck, O H G , S. 249; Ganßmuller, DB 1968, 1299; Schlegelberger/Martens, § 122
162
2. Kapitel: Die Sonderstellung des
Unternehmergesellschafters
werden können. Auch die vorfällige Inanspruchnahme von vereinbarten Vergütungsleistungen der Aktiengesellschaft durch Vorstands- oder Aufsichtsratsmitglieder ist hier grundsätzlich den Vorschriften über die Kreditgewährung unterworfen (§§ 89 Abs. 1 S. 4, 5 und 115 AktG). ddd)
Gewährung
von Unterhalt
aus der
Insolvenzmasse
Nach § 278 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 InsO können die vertretungsberechtigten persönlich haftenden Gesellschafter im Falle einer hinsichtlich des Gesellschaftsvermögens angeordneten Eigenverwaltung (§§270ff. InsO) und im Rahmen des gesellschaftsrechtlich Zulässigen (§§ 57ff. AktG, § 30 G m b H G ) aus der Insolvenzmasse diejenigen Mittel entnehmen, die ihnen und den in § 1 0 0 Abs. 2 S. 2 InsO genannten Familienangehörigen eine bescheidene Lebensführung gestatten. Auch sofern - wie im Regelfall - das Verwaltungsund Verfügungsrecht hinsichtlich der Insolvenzmasse nach §§ 80 ff. InsO auf den Insolvenzverwalter übergeht, können vorübergehend der Insolvenzverwalter (gegebenenfalls mit Zustimmung des Gläubigerausschusses) und endgültig die Gläubigerversammlung nach ihrem Ermessen den vertretungsberechtigten persönlich haftenden Gesellschaftern und ihren Familien den (notwendigen) Unterhalt aus der Insolvenzmasse gewähren (§101 Abs. 1 S. 3 i.V.m. § 100 InsO). Diese in Anlehnung an den früheren § 56 VglO getroffenen Regelungen sollen verhindern, daß die Familienmitglieder und die betreffenden Gesellschafter, die wie auch ein insolvent gewordener Einzelkaufmann und dessen Familienangehörige durch die Beschlagnahmewirkung der Insolvenzeröffnung die Grundlage ihres Lebensunterhalts verlieren220, möglicherweise Sozialhilfe in Anspruch nehmen und damit der Allgemeinheit zur Last fallen221. Von einer Ausdehnung der Regelungen auf die Geschäftsführer und Vorstandsmitglieder von Kapitalgesellschaften hat der Gesetzgeber bewußt mit der Begründung abgesehen, daß diese Personen wegen des fortbestehenden Anstellungsvertrags und der fehlenden persönlichen Haftung keines besonderen Schutzes bedürfen 222 . Man kann durchaus daran zweifeln, daß es eher eine Angelegenheit der Gläubiger als der Allgemeinheit sein soll, den notwendigen Lebensunterhalt eines natürlichen Schuldners und der von § 101 Abs. 1 S. 3 wie § 278 Abs. 2 InsO erfaßten Gesellschafter zu gewährleisten, doch wird man sich bei der Anwendung der Vorschriften neben dem Wortlaut auch von diesem klar zum Ausdruck gebrachten Willen des Gesetzgebers leiten lassen müssen. Es fragt sich daher, ob auch die von der Vertretung der Gesellschaft nach § 125 Abs. 1 220 Begr. RegE BT-Drucks. 12/2443, S. 144; Kübler/Prütting/L^e, § 101 Rn. 10; Hess/ Wienberg, § 101 InsO Rn. 29; FK-InsO/App, § 101 Rn. 6 und FK-InsO/Foltis, § 278 Rn. 13. 221 FK-InsOM/>/>, § 100 Rn. 1. 222 Begr. RegE-InsO BT-Drucks. 12/2443, S. 144 und 225.
§1
Gemeinschaft
von Unternehmergesellschafter
und Gesellschaft
163
H G B ausgeschlossenen OHG-Gesellschafter und Komplementäre sowie bestimmte Kapitalgesellschafter in die insolvenzrechtliche Unterhaltsgewährung einzubeziehen sind. Früher wurde dies im Rahmen des § 56 VglO allgemein mit einem argumentum e § 100 Abs. 1 Nr. 5 i.V.m. 109 Nr. 2 VglO in Ansehung der nicht vertretungsberechtigten persönlich haftenden Gesellschafter und entsprechend (§ 108 VglO) auch für diejenigen Vorstandsmitglieder bzw. Geschäftsführer einer A G oder G m b H angenommen, die etwa aufgrund einer (Quasi-)Alleingesellschafterstellung „wirtschaftlich" als die Schuldner anzusehen waren 223 . Auch im Rahmen des § 132 K O wurde erwogen, das Recht der Gläubigerversammlung zur Unterhaltsgewährung auf die Mitglieder der Leitungsorgane und die Alleingesellschafter von A G und G m b H zu erstrecken 224 . Vereinzelt wurde sogar eine analoge Anwendung des § 56 VglO auf Kommanditisten und GmbH-Gesellschafter ins Auge gefaßt 225 . Seit Inkrafttreten der Insolvenzordnung orientiert sich die ganz herrschende Meinung hingegen zumeist ohne nähere Begründung 226 oder unter Hinweis auf eine fehlende planwidrige Gesetzeslücke 227 ausschließlich am strengen Wortsinn der §§ 101 Abs. 1 S. 3 und 278 Abs. 2 InsO. Demgegenüber wäre in verschiedenen Fällen an eine Ausdehnung der §§ 101 Abs. 1 S. 3 und 278 Abs. 2 InsO zu denken, da bei strenger Auslegung der Tatbestandsmerkmale der Vertretungsberechtigung und der persönlichen Haftung dem ausdrücklich geäußerten Willen des Gesetzgebers nicht hinreichend Rechnung getragen wird, zumindest bei den der unbeschränkten Außenhaftung ausgesetzten Gesellschaftern einen Ausgleich für den einem Einzelkaufmann vergleichbaren Wegfall der Unterhaltsgrundlage zu schaffen 228 . Hier wäre zunächst daran zu denken, im Rahmen des noch möglichen Wortsinns das Tatbestandsmerkmal der Vertretungsberechtigung im Sinne einer lediglich potentiellen bzw. regelmäßigen Vertretungsberechtigung auszulegen und damit auch die von der Vertretung nach § 125 Abs. 1 H G B gesellschaftsvertraglich ausnahmsweise ausgeschlossenen persönlich haftenden Gesellschafter in den Anwendungsbereich der §§ 101 Abs. 1 S. 3 und 278 Abs. 2 InsO einzubeziehen 229 , selbst wenn man damit das Tatbestandsmerkmal der Vertretungsberechtigung im Ergebnis entwertete. Insoweit müßte von dem betroffenen Gesellschafter dann nur noch nachgewiesen werden, daß er trotz
Siehe dazu etwa Bley/Mohrbutter, § 56 VglO Rn. 4. Siehe dazu Kuhn/Uhlenbruck, § 132 KO Rn. 2 (im Ergebnis jedoch Annahme des Abschlusses von Dienstverträgen mit den im Konkursverfahren mitwirkenden Organen und Gesellschaftern). 225 Kilger/K. Schmidt, % 56 VglO Anm. Ib. 226 Nerlich/Römermann/YWtt/feoirah', § 100 InsO Rn. 7; FK-InsOMpp, § 101 Rn. 6. 227 Hess, § 100 InsO Rn. 18 (1. Aufl.). 228 Begr. RegE BT-Drucks. 12/2443, S. 144 und 225. 229 So unter Hinweis auf den Normzweck auch Kübler/Prütting/Z.«&e, § 101 InsO Rn. 10; a.A. Hess, § 100 InsO Rn. 18 (1. Aufl.). 223 224
164
2. Kapitel:
Die Sonderstellung
des
Unternehmergesellscbafters
seines Ausschlusses von der Vertretungsmacht nicht etwa aufgrund anderweitiger Erwerbstätigkeit über hinreichendes insolvenzfreies Einkommen bzw. Vermögen verfügt230. Zum anderen könnte man auch das Tatbestandsmerkmal des persönlich haftenden Gesellschafters nicht nur im herkömmlichen Sinne der Legaldefinition des § 161 Abs. 1 H G B verstehen, sondern mit ihm teleologisch auch diejenigen Gesellschafter erfassen, die etwa auf deliktischer Grundlage einer persönlichen und unbeschränkten Haftung gegenüber sämtlichen Gesellschaftsgläubigern ausgesetzt sind231. Insoweit käme es dann nur noch formell auf das Vorhandensein einer organschaftlichen oder rechtsgeschäftlichen Vertretungsberechtigung des haftenden Gesellschafters und materiell auf die fast ausschließliche und nicht durch einen gesonderten Anstellungsvertrag abgesicherte Erzielung des Lebensunterhalts mit Hilfe des Gesellschaftsvermögens an. Selbst wenn man glaubte, die vorgeschlagene Ausdehnung des Anwendungsbereichs der §§ 101 Abs. 1 S. 3 und 278 Abs. 2 InsO nur auf eine teleologische Extension oder Analogie der betreffenden Vorschriften stützen zu können, wäre es möglich, insoweit die hierfür erforderliche Planwidrigkeit der Regelungslücke nachzuweisen 232 . Die durch die Extension bzw. Analogie erfaßten Fälle haben nämlich weder in den Überlegungen des Gesetzgebers bei Schaffung des Insolvenzrechts auch nur andeutungsweise eine Rolle gespielt noch können diese als derart verbreitet angesehen werden, daß trotz der dem Gesetzgeber möglicherweise bewußten Diskussion um die Extension des § 132 K O und des § 56 VglO ohne weiteres von ihrer stillschweigenden Ausgrenzung ausgegangen werden könnte. Vielmehr hat der Gesetzgeber die Nichteinbeziehung der Kapitalgesellschaftsorgane genau mit den die vorgeschlagene Ausdehnung des Anwendungsbereichs tragenden Wertungsgesichtspunkten der einem Einzelkaufmann vergleichbaren Bedürftigkeit und der unbeschränkten Außenhaftung begründet. bb) Das Gesellschaftsvermögen der privaten Lebensführung
als
Grundlage
Das Gesellschaftsvermögen wird in aller Regel auf ganz unterschiedliche Weise auch der privaten Lebensführung eines Unternehmergesellschafters dienstbar gemacht werden 233 . So besteht für einen Unternehmergesellschafter 230 Vgl. dazu auch die Beschränkung des Unterhaltsgewährungsrechts nach § 100 InsO auf Schuldner, denen kein hinreichendes insolvenzfreies Vermögen mehr zur Verfügung steht, bei F K - I n s O M p p , § 100 Rn. 5. 231 Zu den verschiedenen Möglichkeiten der unbeschränkten Außenhaftung auch von Kommanditisten und Kapitalgesellschaftern siehe eingehend 4. Kap. § 2 C. 2 , 2 A.A. Hess, % 100 InsO Rn. 18 (1. Aufl.). 233 Beispiele finden sich etwa in der Literatur zum früheren Umsatzsteuertatbestand des Eigen- bzw. Gesellschafterverbrauchs (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 lit. a oder b und Nr. 3 UStG bis 1.4.1999).
51
Gemeinschaft
von Unternehmergesellschafter
und Gesellschaft
165
zumeist die in ihren Modalitäten von der Rechtsform und Realstruktur der Gesellschaft abhängige Möglichkeit, Gegenstände des Gesellschaftsvermögens in sein Privatvermögen zu überführen oder diese für seine privaten Zwecke zu nutzen 234 . Bei den Personenhandelsgesellschaften setzt dies jedoch entweder eine entsprechende Vereinbarung im Gesellschaftsvertrag (§ 109 H G B ) , den Abschluß eines marktgerechten Drittgeschäfts 235 , gesetzliche Gewinnauszahlungs- bzw. Entnahmeansprüche (§§ 120ff., 169 H G B ) oder die Zustimmung grundsätzlich aller Mitgesellschafter zur Änderung des Gesellschaftsvertrags bzw. zur Verminderung des Kapitalanteils (§§ 109, 122 Abs. 2 H G B ) sowie die Beachtung von Treuepflichten 236 voraus. Bei Vermögenszuwendungen der G m b H an ihren Unternehmergesellschafter haben die Gesellschaft bzw. der Gesellschafter in jedem Fall die Grenzen des § 30 G m b H G sowie in mehrgliedrigen Gesellschaften auch diejenigen des Gleichbehandlungsgebots und der Treuepflicht zu respektieren. In diesem Rahmen können dem Unternehmergesellschafter entsprechende Möglichkeiten, insbesondere auch als Sonderrecht in der Satzung eingeräumt werden (§ 35 B G B ) , wobei die nachträgliche Einführung nicht nur an die Voraussetzungen der Satzungsänderung gebunden ist, sondern als Ausnahme vom Gleichbehandlungsgrundsatz auch der Zustimmung aller nicht bevorrechtigten Gesellschafter bedarP 37 . Vermögenszuwendungen, die lediglich von den Geschäftsführern oder der Mehrheit der Gesellschafter beschlossen wurden, sind nur zulässig, wenn sie auf einem marktgerechten Drittgeschäft beruhen und der Gesellschaft keine existenznotwendigen Betriebsmittel entzogen werden 238 . Aufgrund der strengen Vermögensbindung bei der Aktiengesellschaft (§§ 57ff. AktG) sind dort selbst satzungsmäßig vorgesehene Zuwendungen an den Unternehmergesellschafter (§ 35 BGB) 2 3 9 nur im Rahmen der Gewinnverwendung (§§ 58 Abs. 4, 59f. AktG), gesetzlicher Ausnahmen (z.B. §§ 57 Abs. 1 S. 2, 61, 222 Abs. 3 AktG), einer Kapitalherabsetzung oder auf der Grundlage eines marktgerechten Drittgeschäfts möglich (vgl. § 23 Abs. 5 S. 1 AktG).
Dazu auch bereits aus steuerlicher Sicht 2. Kap. § 1 A I 4a. Zur Problematik der Austauschgeschäfte zwischen der Gesellschaft und ihren Gesellschaftern siehe generell das 2. Kap. § 1 A II. 236 Zur Rücksichtnahmepflicht im Falle von Entnahmen siehe soeben unter la aa (ccc) sowie generell zur auf die Treuepflicht gestützten Finanzierungsverantwortung des Unternehmergesellschafters 2. Kap. § 2 B IX. 237 Siehe dazu nur Scholz/Winter, § 14 Rn. 20f. 238 Zur Problematik der Austauschgeschäfte zwischen der Gesellschaft und ihren Gesellschaftern sowie zur verdeckten Gewinnausschüttung im Körperschaftsteuerrecht siehe 2. Kap. § 1 A I 4c cc und A II. 239 Zur grundsätzlichen Anwendbarkeit des § 35 B G B im Aktienrecht siehe etwa Großkomm. AktG/Brändel, § 1 Rn. 31 und Hüffer, AktG § 1 Rn. 3. 234
235
166
2. Kapitel: Die Sonderstellung des
cc) Das Gesellschaftsvermögen
Unternehmergesellschafters
als Grundlage der
Altersvorsorge
D i e Altersversorgung eines Unternehmergesellschafters kann nicht nur d u r c h die M ö g l i c h k e i t zur Realisierung seines Anteils am Gesellschaftsverm ö g e n , sondern auch durch eine Pensionszusage der Gesellschaft abgesichert werden. E i n e solche Zusage kann d e m U n t e r n e h m e r g e s e l l s c h a f t e r zunächst im Gesellschaftsvertrag (§ 109 H G B ) bzw. in der Satzung (§ 35 B G B ) in der F o r m eines b e s o n d e r e n v e r m ö g e n s m ä ß i g e n Mitgliedschaftsrechts
gemacht
werden, w o b e i die B e g r ü n d u n g der Verpflichtung und insbesondere die spätere A u s z a h l u n g der Pensionsleistungen v o n Fall zu Fall den soeben dargestellten
gesellschaftsrechtlichen
Beschränkungen
des
Gleichbehandlungs-
grundsatzes der V e r m ö g e n s b i n d u n g und der Treuepflicht unterliegt. D a n a c h kann die Pensionsverpflichtung nachträglich nur durch eine grundsätzlich 2 4 0 einstimmig zu beschließende Ä n d e r u n g des Gesellschaftsvertrags bzw. der Satzung begründet werden. D e r S c h u t z des G m b H - S t a m m k a p i t a l s bzw. die aktienrechtliche V e r m ö g e n s b i n d u n g gestatten offene o d e r verdeckte Pensionszahlungen an Kapitalgesellschafter nur außerhalb des z u r E r h a l t u n g des N o m i n a l k a p i t a l s (§ 30 G m b H G ) bzw. im R a h m e n des zur Verteilung freigegebenen B i l a n z g e w i n n s (§§ 5 7 f f . A k t G ) . Schließlich kann auch die (nachwirk e n d e ) Treuepflicht eines Gesellschafters z u m (vorübergehenden) Verzicht auf Pensionsleistungen der Gesellschaft führen, w e n n diese hierdurch in ihrer E x i s t e n z gefährdet w e r d e n würde. Z u m e i s t w e r d e n Pensionszusagen an den U n t e r n e h m e r g e s e l l s c h a f t e r j e d o c h G e g e n s t a n d eines zwischen der Gesellschaft und d e m Unternehmergesellschafter, insbesondere als O r g a n m i t g l i e d abgeschlossenen Dienstvertrages sein. Sofern der U n t e r n e h m e r g e s e l l s c h a f t e r ausnahmsweise zu den arbeitnehmerähnlichen Pensionsberechtigten zu zählen sein sollte (§ 17 A b s . 1 S. 2 B e t r A V G ) 2 4 1 , unterliegt die Pensionszusage der Sonderregelung der §§ 1 - 1 6 B e t r A V G . D e r U n t e r n e h m e r g e s e l l s c h a f t e r verfügt dann ü b e r eine insolvenzgeschützte B e t r i e b s r e n t e und kann nach § 16 B e t r A V G alle drei J a h r e auch o h n e Vereinbarung einer Wertsicherungsklausel und unabhängig v o n den Voraussetzungen eines Wegfalls der G e s c h ä f t s grundlage (vgl. § 313 B G B n.F.) die U b e r p r ü f u n g und billige Anpassung der laufenden Pensionsleistungen verlangen. F ü r ihre seit 1987 gegenüber dem Unternehmergesellschafter rechtsverbindlich eingegangenen unmittelbaren Pensionsverpflichtungen hat die Gesellschaft in der Handelsbilanz nach § 2 4 9 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 H G B und § 28 E G H G B
240 Ausnahmen vom Einstimmigkeitserfordernis, das bei den Personengesellschaften auf der Notwendigkeit der Vertragsänderung und bei den Kapitalgesellschaften zumindest auf der sich aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz ergebenden Notwendigkeit der Zustimmung aller benachteiligten Mitgesellschafter beruht, setzen die dem Bestimmtheitsgrundsatz gerecht werdende vorherige Vereinbarung einer Mehrheitsentscheidung bzw. die vergleichbare Begünstigung weiterer Mitgesellschafter voraus. 241 Dazu näher 3. Kap. § 2 D I 2b.
§1
Gemeinschaft
von Unternehmergesellschafter
und Gesellschaft
167
Rückstellungen auch dann zu bilden, wenn diese einem (bedingten) Widerrufsvorbehalt unterliegen oder lediglich mündlich vereinbart wurden 242 . Trotz des Maßgeblichkeitsgrundsatzes (§ 5 Abs. 1 S. 1 EStG) können die entsprechenden Pensionsrückstellungen in der Steuerbilanz allerdings nur dann wirksam gebildet werden, wenn die Pensionsverpflichtung die zusätzlichen Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 und 2 EStG erfüllt 243 . Hierzu muß die zivilrechtlich wirksame Pensionszusage zunächst schriftlich erteilt worden sein (§ 6a Abs. 1 Nr. 3 EStG) und mit einer Inanspruchnahme ernstlich zu rechnen sein (vgl. § 6a Abs. 1 Nr. 2 EStG). Außerdem muß die Versorgungszusage betrieblich veranlaßt sein, was die Ernsthaftigkeit der Zusage sowie die Angemessenheit, Erdienbarkeit und Finanzierbarkeit der Versorgungsleistungen voraussetzt und bei beherrschenden Gesellschaftern besonders streng überprüft wird 244 . Schließlich können zwar nunmehr im Rahmen der zweistufigen Gewinnermittlung auch bei Versorgungszusagen an Mitunternehmer und ihre Hinterbliebenen entgegen der früheren Ansicht 245 Pensionsrückstellungen gebildet werden, doch müssen diese durch einen zeit- und betragsgleichen Aktivposten in der Steuerbilanz wieder ausgeglichen werden, so daß der Gesamtgewinn der Mitunternehmerschaft hierdurch ebenfalls nicht beeinflußt wird 246 .
b) Das Gesellschaftsvermögen und Sicherungsmittel aa) Darlehen an den
als
Finanzierungsquelle
Unternehmergesellschafter
In der deutschen Unternehmenspraxis werden häufig Darlehen an Gesellschafter gewährt 247 . Namentlich für die zugleich in der Unternehmensleitung 242
Dazu nur Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung, § 249 H G B Rn. 93 ff. Siehe dazu näher BdF v. 13.3.1987 BStBl. I 1987, 365; Schmidt/Seeger, § 6a EStG Rn. 4 und 17 (anderenfalls Qualifikation als vGA i.S.v. § 8 Abs. 3 S. 2 KStG); Adler/Düring/ Schmaltz, Rechnungslegung, § 249 H G B Rn. 98; Knobhe-Keuck, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, § 4 V 5c dd. 244 Dazu näher für den beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer B F H v. 21.12.1994 BStBl. II 1995, 419, 420f.; B F H v. 29.10.1997 B F H E 184, 487, 490ff. und Mmk, G m b H R 1995, 644ff.; für einen nicht beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer BFH v. 24.1.1996 BStBl. II 1997, 440f.; vgl. dazu auch die Diskussion um die steuerliche Rückstellungsfähigkeit von Pensionszusagen an zu mehr als 50% beteiligte Gesellschafter-Geschäftsführer unter der früheren Rechtslage BVerfG v. 11.11.1964 BVerfGE 18, 224, 233ff.; B F H v. 5.5.1959 BStBl. III 1959, 369, 371 f. und B F H v. 4.8.1959 BStBl. III 1959, 374f. 245 Zur früheren Einordnung der Pensionszusage als Gewinnverteilungsabrede i.S.d. § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG siehe etwa B F H v. 16.2.1967 BStBl. III 1967, 222, 224f. und B F H v. 21.12.1972 BStBl. II 1973,298, 300ff.; zur früheren Rechtslage in der G m b H & Co. KG ferner BFH v. 16.12.1992 BStBl. II 1993, 792, 794. 246 B F H v. 2.12.1997 N V 1998, 779, 780; B F H v. 2.12.1997 N V 1998, 779, 781, 782; B F H v. 2.12.1997 N V 1998, 779, 783, 784; Schmidt/Seeger, § 6a EStG Rn. 33. 247 U.H. Schneider, Z H R 161 (1997), 571, 572. 243
168
2. Kapitel: Die Sonderstellung des
Unternehmergesellschafters
als organschaftliche oder rechtsgeschäftliche Vertreter tätigen Gesellschafter wurde die noch näher zu behandelnde Problematik der Gefahr von Einflußnahmen und Interessenkollisionen bei der Kreditvergabe an Personen und Unternehmen, die in besonders enger Beziehung zu der kreditgewährenden Gesellschaft stehen (sog. Organkredite), durch die §§ 89, 115 AktG, 43a G m b H G , 39 Abs. 2 GenG und 15 K W G geregelt 248 . Während für die Organe und leitenden Angestellten der Gesellschaft darüber hinaus auch organschaftliche und rechtsgeschäftliche Verhaltenspflichten zum Schutz der Gesellschaft vor einer Kreditvergabe zu unangemessenen Konditionen bestehen, wird dieser bei der Darlehensgewährung an Nur-Gesellschafter ausschließlich durch die gesellschaftsrechtlichen Bestimmungen der Kapital- bzw. Vermögensbindung sowie der mitgliedschaftlichen Treuepflicht und des Gleichbehandlungsgebots insbesondere unter dem Stichwort der verdeckten Gewinnausschüttung gewährleistet. Namentlich im GmbH-Recht wird aufgrund der hinsichtlich Zulässigkeit und Vergabekompetenz lückenhaften gesetzlichen Regelung über die Behandlung der Darlehen an Nur-Gesellschafter diskutiert. Was dabei die Zulässigkeitsgrenzen anbetrifft, wird teilweise eine (ausdehnende) Anwendung des § 30 G m b H G 2 4 9 und teilweise eine analoge Anwendung des § 43a G m b H G erwogen 250 , was jedenfalls im Ergebnis aus Gründen des Gläubigerschutzes zur Unzulässigkeit auch eines zu angemessenen Konditionen an GmbH-Gesellschafter vergebenen Kredits führt, sofern dieser aus dem zur Erhaltung des Stammkapitals erforderlichen Vermögen gewährt wird. Wird der Kredit an den Gesellschafter zudem zu unangemessenen Bedingungen (günstige Konditionen, unzulängliche Sicherheiten) vergeben, wird in aller Regel auch ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz und die Treuepflicht vorliegen 251 . bb) Sicherungsgeschäfte
zugunsten
des
Unternehmergesellschafters
Die persönliche und dingliche Sicherung von Verbindlichkeiten oder Forderungen eines Gesellschafters gegenüber Dritten durch die Gesellschaft bzw. Teile des Gesellschaftsvermögens ist ebenfalls weit verbreitet 252 . Die Nutzung Dazu 6. Kap. § 2 B I 3. BT-Drucks. 8/1347, S. 74 und BT-Drucks. 8/3908, S. 75; BGH v. 21.9.1981 BGHZ 81, 311, 314f.; für eine teleologische Extension des § 30 GmbHG Brockfeld, Darlehen, S. 12ff. und 3 9 ff. 250 Sotiropoulos, Kredite, S. 37ff. und 67ff.; U.H. Schneider, ZGR 1984, 497, 526; krit. Huffmann, Kontrolle, S. 183 ff. und Brockfeld, Darlehen, S. 8 ff. 251 Dazu und zur zusätzlichen Problematik eines von der h.M. angenommenen Kompetenzverstoßes generell für Austauschgeschäfte 2. Kap. § 1 A II 2; speziell für Darlehensverträge Brockfeld, Darlehen, S. 91 f. bzw. 94ff. 252 Siehe zur Bestellung von Grundpfandrechten zur Besicherung von Gesellschafterverbindlichkeiten etwa die Fälle RG v. 23.10.1931 RGZ 133,393; RG v. 2.11.1934 RGZ 146, 84; 248
249
§1
Gemeinschaft von Unternehmergesellschafter
und Gesellschaft
169
des H a f t u n g s f o n d s der Gesellschaft e r m ö g l i c h t es dabei dem Gesellschafter, ein R e c h t s g e s c h ä f t überhaupt o d e r jedenfalls zu günstigeren K o n d i t i o n e n abzuschließen. E s handelt sich daher u m eine verdeckte G e w i n n a u s s c h ü t t u n g und möglicherweise sogar um einen V e r s t o ß gegen die z w i n g e n d e n Kapitalbzw. V e r m ö g e n s b i n d u n g s v o r s c h r i f t e n (§ 30 G m b H G , §§ 5 7 f f . A k t G ) , w e n n der Gesellschafter hierfür keine vollwertige Gegenleistung erbringt oder die Gesellschaft bei einer I n a n s p r u c h n a h m e aus der Sicherheit keinen vollwertigen R e g r e ß a n s p r u c h gegen den Gesellschafter hat 2 5 3 . D i e insoweit nicht u n b e deutende B e s t i m m u n g des Zeitpunkts der durch das Sicherungsgeschäft b e dingten Auszahlung v o n Gesellschaftsvermögen erfolgt heute nach ü b e r w i e gender A n s i c h t teils anhand des Z e i t p u n k t s der V o r n a h m e einer bilanziellen R ü c k s t e l l u n g für die drohende I n a n s p r u c h n a h m e gemäß § 2 5 1 H G B 2 5 4 und teils anhand des Bestellungsakts 2 5 5 . E s wird aber auch gesellschaftsformübergreifend auf den Z e i t p u n k t der Verpflichtung zur Sicherheitenbestellung 2 5 6 , den Verwertungsakt 2 5 7 oder die Valutierung des sog. H a f t u n g s k r e d i t s bzw. den Z e i t p u n k t der erstmals unterlassenen G e l t e n d m a c h u n g des Befreiungsanspruchs 2 5 8 abgestellt. D a n e b e n sind insbesondere auch die Voraussetzungen einer D r i t t w i r k u n g der im Falle eines Verstoßes gegen die Kapitalerhaltungsvorschriften eingreifenden R e c h t s f o l g e n gegenüber dem S i c h e r u n g s n e h m e r umstritten 2 5 9 . N a c h herrschender A n s i c h t sollen D r i t t e unabhängig v o n der A r t der gewährten Sicherheit 2 6 0 bei der G m b H nur im Falle der Kollusion 2 6 1 und bei der A G nur im Falle der Kenntnis 2 6 2 v o n den R e c h t s f o l g e n der § § 3 1 G m b H G und 62 A k t G ( A n s p r u c h auf Freigabe der Sicherheit) betroffen sein.
RG v. 15.12.1941 RGZ 168, 292; BayObLG v. 8.7.1926 JW 1926, 2377 Nr. 1 und BGH v. 20.10.1975 NJW 1976, 751; zur Verpfändung von Aktien durch eine Tochtergesellschaft für einen der Muttergesellschaft gewährten Kredit OLG Düsseldorf v. 24.10.1979 AG 1980, 273; für die Sicherungspraxis von Kreditinstituten ferner Mülbert, ZGR 1995, 578f. sowie generell zur Problematik Brockfeld, Darlehen, S. 30ff.; Meister, WM 1980, 390ff. und Canaris, FS R. Fischer, S.31,46 ff. 253 Siehe dazu näher Mülbert, ZGR 1995, 578, 580ff. und 586ff. (die h.M. referierend); Meister, WM 1980, 390ff. (GmbH) und Canaris, FS R. Fischer, S. 31, 45 ff. (AG). 254 Dazu etwa Steinbeck, WM 1999, 885, 887 und Lutter/Hommelhoff § 30 Rn. 31 ff. 255 Dazu etwa HansOLG v. 23.5.1980 AG 1980, 275, 279; Canaris, FS R. Fischer, S. 31, 46; teilweise auch Scholz///. P Westermann, § 30 Rn. 31a. 256 So Lutter/Hommelhoff, § 30 Rn. 8; im Ansatz auch Joost, ZHR 148 (1984), 27, 30ff., der dann jedoch § 30 GmbHG wiederum teleologisch reduziert; krit. Mülbert, ZGR 1995, 578,587f. 257 So OLG München v. 19.6.1998 GmbHR 1998, 986; Sonnenhol/Stützle, DB 1979, 925f.; grundsätzlich auch Hachenburg/Goerrfe/er/Afa//er, § 30 Rn. 66; Meister, WM 1980, 390, 392 (für Personalsicherheiten). 258 Mülbert, ZGR 1995, 578, 595 ff. 259 Näher Mülbert, ZGR 1995, 578, 601 ff. 260 Danach differenzierend allerdings Canaris, FS R. Fischer, S. 31, 45 ff. und 57 sowie Scholz///./! Westermann, § 30 Rn. 33. 261 BGH v. 20.9.1982 WM 1982,1402; Lütter/Hommelhoff, % 30 Rn. 39; a.A. etwa Mülbert, ZGR 1995, 578, 608. 262 OLG Düsseldorf v. 24.10.1979 AG 1980, 273, 274f.; Mülbert, ZGR 1995, 578, 608.
170
2. Kapitel: Die Sonderstellung des
cc) Haftungsdurchgriff
auf das
Unternehmergesellschafters
Gesellschaftsvermögen
Das Gesellschaftsvermögen würde schließlich auch dann als Sicherungsmittel für die Privatgläubiger eines Gesellschafters dienen, wenn man zumindest in bestimmten Fällen einen Haftungsdurchgriff vom Privat- auf das Gesellschaftsvermögen befürwortete. Diese zumeist als umgekehrter Haftungsdurchgriff bezeichnete Haftung der Gesellschaft für die Verbindlichkeiten eines ihrer Gesellschafter ist jedoch selbst bei einem Alleingesellschafter zumindest in ihrer unbeschränkten Form als nicht zu rechtfertigender Verstoß gegen das Trennungsprinzip abzulehnen. Da das Gesellschaftsvermögen als solches nur den Gesellschaftsgläubigern als Haftungsmasse zur Verfügung stehen soll, ist ein Privatgläubiger nämlich grundsätzlich ausschließlich auf die Möglichkeit der Vollstreckung in den Gesellschaftsanteil zu verweisen 263 . Einem Privatgläubiger wird man lediglich den Vollstreckungszugriff auf einzelne Gegenstände des Gesellschaftsvermögens dann gestatten, wenn sich die Berufung der Gesellschaft auf die Drittwiderspruchsklage ausnahmsweise als rechtsmißbräuchlich darstellt, wie dies etwa bei Vermögensvermischungen in der Einpersonen-Gesellschaft der Fall sein kann 264 . Darüber hinaus kann der Privatgläubiger insbesondere eines Alleingesellschafters zur Abwehr von Gefährdungen der Zwangsvollstreckung in den Gesellschaftsanteil auch aus der unmittelbar drohenden Verschlechterung der Vermögensverhältnisse der Gesellschaft einen Arrestgrund nach § 917 Z P O herleiten 265 .
2. Die Bedeutung des Privatvermögens gesellschafters für die Gesellschaft a) Das Privatvermögen aa)
als
des
Unternehmer-
Finanzierungsquelle
Eigenkapitalausstattung
Das Eigenkapital, das von Einzelunternehmen und Personengesellschaften in einer einzigen, sich durch Gewinn- bzw. Verlusterzielung verändernden Position und von Kapitalgesellschaften in mehreren Positionen (gezeichnetes 263 So auch BGH v. 30.1.1956 BGHZ 20, 4, 11 f. und BGH v. 12.2.1990 NJW-RR 1990, 738, 739 sowie Wilhelm, NJW 1977, 1887; Hüffer, NJW 1977, 1285 und Scholz/Emmerich, GmbHG § 13 Rn. 96; problematisch insoweit O L G Karlsruhe v. 10.12.1942 DR 1943, 811. 264 Ebenso K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 9 III 3; im Ergebnis ferner OLG Hamm v. 10.11.1976 NJW 1977, 1159f. (allerdings unter Berufung auf eine wirtschaftliche Betrachtung der Vermögensverhältnisse) mit krit. Anm. Wilhelm, NJW 1977, 1887f.; zur etwaigen Möglichkeit eng umgrenzter „gesellschafterfreundlicher" Ausnahmen vom Trennungsprinzip auch BGH v. 12.2.1990 NJW-RR 1990, 738, 739. 265 RG v. 28.1.1905 Recht 1905 Nr. 743 S. 168; krit. dazu Wiedemann, WM 1975 Beilage Nr. 4, S. 21 mit Fn. 16, der die Entscheidung jedoch zu Unrecht als Fall des umgekehrten Haftungsdurchgriffs einordnet.
§1
Gemeinschaft
von Unternehmergesellschafter
und Gesellschaft
171
Kapital, Kapital- und Gewinnrücklage, Ergebnis) auf der Passivseite der Handelsbilanz ausgewiesen wird, stellt unabhängig von der Unternehmensform die Residualgröße aus der Differenz zwischen der Summe des Gesamtvermögens und der Summe der Verbindlichkeiten dar266. Im Gegensatz zu dem durch Drittgeschäfte zur Verfügung gestellten Fremdkapital bezeichnet man mit Eigenkapital die vom Inhaber bzw. den Gesellschaftern nicht aufgrund eines Fremdkapitaltitels und damit in das Eigenkapital erbrachten bilanzierungsfähigen Leistungen, die der freien Kreditkündigung entzogen sind und nicht im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden können 267 . Die verhältnismäßig geringe und seit den 1960er Jahren deutlich gesunkene Eigenkapitalausstattung deutscher Unternehmen 2 6 8 und die zur Abhilfe vorgeschlagenen Maßnahmen sind immer wieder Gegenstand der wirtschafts- und rechtspolitischen Diskussion gewesen, wobei die grundsätzlich unbestrittenen Funktionen des Eigenkapitals für eine stabile Unternehmensentwicklung regelmäßig den Ausgangspunkt bildeten 269 . Eine Gesellschaft kann ihre Eigenkapitalbasis zwar auch durch eine Thesaurierung erwirtschafteter Gewinne (sog. interne Eigenkapitalversorgung) stärken 270 , doch wird sie hierzu auch oder sogar in erster Linie auf bilanzierungsfähige Beiträge (Einlagen) ihrer aktuellen bzw. zukünftigen Gesellschafter angewiesen sein (sog. externe Eigenkapitalversorgung). Dem Unternehmergesellschafter k o m m t insoweit eine besondere Rolle und Verantwortung zu, wodurch zugleich seine Stellung in der Gesellschaft gestärkt wird 271 . Dennoch gilt mit gewissen Einschränkungen, auf die noch näher einzugehen sein wird, auch für einen solchen Gesellschafter im Rahmen der zwingenden Kapitalsicherungsvorschriften der Grundsatz der Finanzierungsfreiheit 272 . Als 266
Böttcher, Eigenkapitalausstattung, S. 1; Kaiser, Eigenkapitalausstattung, S. 5 f. Kaiser, Eigenkapitalausstattung, S. 7 f.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 18 II 2a; zu den durch Rangrücktrittsklauseln oder gesellschaftsvertragliche Vereinbarungen gegebenenfalls auch stillschweigend begründeten verschiedenen Formen des sog. gewillkürten Eigenkapitals siehe näher B G H 9.2.1981 ZIP 1981, 734, 735; B G H v. 17.5.1982 ZIP 1982, 835, 836f.; Fleischer, Finanzplankredite, S. 5 ff.; Kur, Eigenkapitalersatz, S. 18 ff. und K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 18 III 2 und 3. 268 Siehe zu statistischen Daten etwa Kaiser, Eigenkapitalausstattung, S. 15 ff.; zur grundsätzlich besseren Eigenkapitalausstattung von Kapitalgesellschaften siehe Kühler, A G 1981, 5, 7; zur verhältnismäßig geringen Eigenkapitalausstattung von Familienunternehmen Hennerkes/May, BB 1988, 2393f. m.w.N. in Fn. 12. 2 " Dazu eingehend und teilweise krit. Kaiser, Eigenkapitalausstattung, S. 12 ff. sowie S. 26ff. (Bedeutung für die Insolvenzanfälligkeit) und S. 145ff. (Bedeutung für die Kreditwürdigkeit); Albach, in: Sitzungsbericht K 55. DJT, S. 9ff.; Adams, Eigentum, S. 27ff.; zur Gläubigerschutzfunktion etwa Ketzer, Aktionärsdarlehen, S. 9 f. 270 Dazu nur Reuter, Gutachten B 55. DJT, S. 12 ff.; Semler, in: Sitzungsbericht K 55. DJT, S. 39. 271 Zur Annahme eines gesteigerten Einflusses bei einer Zurverfügungstellung von Betriebsmitteln siehe auch BVerfG v. 14.12.1966 BStBl. III 1967, 166, 167. 272 Zur Finanzierungsfreiheit und Finanzierungsverantwortung von Unternehmergesellschaftern sowie zur Diskussion um die Unterkapitalisierung und die Pflicht zu einer angemes267
172
2. Kapitel:
Die Sonderstellung
des
Unternehmergesellschafters
Problem kann es sich zudem erweisen, daß der finanziellen Leistungsfähigkeit eines Unternehmergesellschafters, der grundsätzlich über keine außerhalb der Gesellschaft liegenden namhaften Einkunftsmöglichkeiten verfügt, für das Unternehmen nicht selten relevante Grenzen gesetzt sind. So wird sich bei einer erforderlichen nennenswerten Kapitalerhöhung für den Unternehmergesellschafter vielfach bereits die Frage stellen, ob er überhaupt den Erhalt seiner bisherigen mitgliedschaftlichen Position zu finanzieren vermag 273 . Es kann daher nicht verwundern, wenn die zahlreichen Vorschläge zur Verbesserung der Eigenkapitalausstattung in aller Regel nur die Gewinnung von institutionellen und privaten Anlagegesellschaftern zum Ziel haben. Bekannte gesellschafts- und kapitalmarktrechtliche Stichworte bilden hier etwa die Flexibilisierung des Aktienrechts, die Erleichterung des Börsenzugangs, die verbesserte Handelbarkeit von GmbH-Anteilen und die Stärkung des Anlegerschutzes 274 . In der Diskussion um die Verbesserung der Eigenkapitalausstattung deutscher Unternehmen sollte aber auch die Bedeutung von Unternehmergesellschaftern nicht unterschätzt und die sog. „Herr-im-Hause-Mentalität" nicht nur als Hemmnis für die Verbesserung der Eigenkapitalausstattung der Unternehmen angesehen werden 275 . So wird man die durch Unternehmergesellschafter geprägten Gesellschaften viel eher für die Aufnahme von Anlagegesellschaftern gewinnen können, wenn man es etwa den Unternehmergesellschaftern durch eine diesbezügliche Flexibilisierung des Aktienrechts ermöglichte, ihren bisherigen Einfluß auf die Unternehmensleitung durch statutarische Mitwirkungsrechte (z.B. Weisungs- und Zustimmungsrecht der Hauptversammlung, Erweiterung der Möglichkeit zur Entsendung von Aufsichtsratsmitgliedern und zur Ausgabe von Vorzugsaktien) weitgehend zu erhalten276. Es kann dann dem Kapitalmarkt überlassen bleiben, ob er beispielssenen Kapitalausstattung siehe näher 2. Kap. § 2 B IX sowie 4. Kap. § 2 D I 2 und E III la; zu möglichen fragwürdigen Einschränkungen unter dem Gesichtspunkt des Unternehmensinteresses siehe hingegen BMJ (Hrsg.), Bericht der Unternehmensrechtskommission, Rn. 176ff. 273 Siehe dazu für die personalistische Kapitalgesellschaft auch Immenga, Kapitalgesellschaft, S. 237; vgl. ferner im Zusammenhang mit möglichen Konflikten zwischen Unternehmens- und Gesellschafterinteresse BMJ (Hrsg.), Bericht der Unternehmensrechtskommission, Rn. 139. 274 Dazu nur Reuter, Gutachten B 55. DJT, S. 74ff.; Albach, in: Sitzungsbericht K 55. DJT, S. 22ff.; Semler, in: Sitzungsbericht K 55. DJT, S. 41 ff. sowie die Beschlüsse der Wirtschaftsrechtlichen Abteilung des 55. DJT, K 222ff. 275 So aber Bundesministerium für Wirtschaft, Eigenkapitalausstattung, S. 10; Reuter, Gutachten B 55. DJT, S. 17f.; Albach/Corte/Friedewald/Lutter/Richter, Deregulierung, S. 130 ff. 276 Siehe dazu eingehend Friedewald, Aktiengesellschaft; S. 35 ff.; Albach/Corte/Friedewald/Lutter/Richter, Deregulierung, S. 31 ff., 77ff. und insbes. 113 ff. (mit Ergebnissen einer Unternehmensbefragung und zum Reformvorschlag eines sog. Drei-Stufen-Modells der Privaten AG, Offenen AG und Publikums-AG); Hommelhoff ZGR-Sonderheft 12, S. 65, 80f. und 84; Semler, in: Sitzungsbericht K 55. DJT, S. 49; zum Zusammenhang von Eigenfinanzie-
51
Gemeinschaft
von Unternehmergesellschafter
und Gesellschaft
173
weise die von dem betreffenden Gesellschafter an den Tag gelegte „Herr-imHause-Mentalität" als patriarchalisch oder als Garantie für den bisherigen und künftigen Unternehmenserfolg sowie eine auch im Interesse der Anlagegesellschafter ausgeübte effektive Überwachung des Managements betrachtet 277 . In jedem Fall ist der vereinzelt gebliebene Vorschlag zurückzuweisen, für eigenkapitalbedürftige Unternehmen per Gesetz die Form der Aktiengesellschaft vorzuschreiben 278 , da der Gesetzgeber die Interessen der zahlreichen potentiellen Kapitalgeber, die ihren Eigenkapitalbeitrag mit unternehmerischer Einflußnahme verbinden möchten, aus verfassungsrechtlichen 279 und wirtschaftspolitischen 280 Gründen nicht einfach ignorieren kann. Problematisch wäre auch die Einführung einer gesetzlichen Pflicht zu erhöhten Gewinnausschüttungen an Aktionäre, da eine Änderung des § 58 A k t G nicht nur das bestehende Gleichgewicht zwischen den Interessen der Unternehmer- und Anlagegesellschafter zu Lasten der ersten verschieben, sondern auch die Möglichkeiten der Gesellschaft zur Risikovorsorge und ihren unternehmerischen Spielraum einschränken würde 281 .
bb) Darlehen des Gesellschafters Die Möglichkeit zur Gewährung von Darlehen und vergleichbaren Leistungen ist ein praktisch sehr bedeutsamer Ausdruck der Finanzierungsfreiheit der Gesellschafter 282 , die auch in der Krise der Gesellschaft fortbesteht, wobei die Gesellschafter dann jedoch unter bestimmten Voraussetzungen die Umqualifizierung der geleisteten Fremdhilfen in materielles Eigenkapital hinnehmen müssen, das in der Insolvenz gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO nachrangig zu berücksichtigen ist und der Vermögensbindung bei den Kapitalgesellschaften (& Co.) unterliegt 283 . Die grundsätzlichen Vorteile der Gesellschafter-Fremdfinanzierung im Vergleich zur Bereitstellung von Eigenkapital
rungsbereitschaft und Weisungsrecht bei der GmbH auch BM] (Hrsg.), Bericht der Unternehmensrechtskommission, Rn. 660. 277 Für eine vorsichtige Deregulierung des Aktienrechts vor dem Hintergrund einer Kontrolle durch die Kapitalmärkte auch Spindler, AG 1998, 53, 58ff.; Hommelhoff ZGRSonderheft 12, S. 65, 81 spricht im Zusammenhang mit dem von ihm vorgeschlagenen Modell der AnlegerAG treffend von der Plazierung eines neuen Produkts auf dem Kapitalmarkt. 278 So der Vorschlag von Reuter, Gutachten B 55. DJT, S. 44ff. 279 Siehe zur gesetzgeberischen Pflicht zur Bereitstellung geeigneter Gesellschaftsformen für die gesellschaftsgebundene Unternehmertätigkeit 2. Kap. § 3 A I 2 und II 2. 280 Siehe dazu die Kritik von Semler, in: Sitzungsbericht K 55. DJT, S. 42 f. und Albach, in: Sitzungsbericht K 55. DJT, S. 21f. 281 Semler, in: Sitzungsbericht K 55. DJT, S. 43. 282 Dazu nur grundsätzlich B G H v. 19.9.1988 BGHZ 105, 168, 175; Scholz/X. Schmidt, §§ 32a, 32b Rn. 4 und 7; Hachenburg/Ulmer, §§ 32a,b Rn. 7f. 283 Dazu eingehend 4. Kap. § 2 D; an dieser Stelle nur BGH v. 26.3.1984 BGHZ 90, 381,389 und B G H v. 19.9.1988 BGHZ 105, 168, 175.
174
2. Kapitel:
Die Sonderstellung
des
Unternehmergesellschafters
liegen neben ihrer zivilrechtlichen Flexibilität bei Kapitalzufuhr und -entnähme vor allem in der Verringerung des Haftungsrisikos und einer für den Gesellschafter günstigeren Besteuerung, wenn er die Gesellschaftsanteile wie ein Privatgesellschafter im Privatvermögen hält284. Im Vergleich zur Bereitstellung von Fremdkapital durch Dritte wird der Gesellschaft die Kreditaufnahme durch die enge Verbindung zu ihrem Unternehmergesellschafter überhaupt erst ermöglicht oder zumindest gerade auch hinsichlich der Konditionen erleichtert, während dem Gesellschafter zugleich eine verhältnismäßig attraktive Kapitalanlagemöglichkeit geboten wird285. cc) Gesellschaftsrechtliche pflichten
und rein schuldrechtliche
Nebenleistungs-
Eine persönliche Verbindung zwischen der Gesellschaft und ihrem Unternehmergesellschafter kann schließlich durch gesellschaftsvertraglich bzw. satzungsmäßig verankerte (§ 3 Abs. 2 G m b H G , §§ 55, 61 AktG) oder rein schuldrechtlich vereinbarte Nebenleistungspflichten begründet werden 286 . Bei der Aktiengesellschaft wird daher die durch § 55 Abs. 1 AktG allerdings ohnehin stark eingeschränkte Möglichkeit zur statutarischen Begründung von Nebenleistungspflichten und damit zur mitgliedschaftlichen Absicherung der Leistungsverpflichtung allgemein als Zugeständnis des Gesetzgebers an die besonderen Verhältnisse der Rübenzuckerindustrie sowie als schuldrechtlicher und individualistischer Fremdkörper im kapitalistisch geprägten Aktienrecht betrachtet 287 . Demgegenüber wurde bei der GmbH die weit verbreitete Praxis, jeder denkbaren schuldrechtlichen Verpflichtung (z.B. Geschäftsführungstätigkeit, Wettbewerbsverbot, Darlehensgewährung) eine mitgliedschaftsrechtliche Natur zu geben und die Leistung der Kapitaleinlagen vielfach in den Hintergrund zu drängen, allgemein als Möglichkeit akzeptiert, der Gesellschaft auf diese Weise ein auf den Einzelfall zugeschnittenes personalistisches Gepräge zu geben288.
284 B G H v. 24.3.1980 B G H Z 76, 326, 330; Wolter, Gesellschafterfremdfinanzierung, S. 4ff.; Adams, Eigentum, S. 85 f.; Häuselmann, in: Häuselmann/Rümker/Westermann, Finanzierung, S. 33 f. 285 Dazu Fleischer, Finanzplankredite, S. 10ff.; Ketzer, Aktionärsdarlehen, S. 15; Wolter, Gesellschafterfremdfinanzierung, S. 5f. 286 Zur personalistischen Prägung einer Kapitalgesellschaft durch Nebenleistungspflichten siehe auch B G H v. 12.6.1958 W M 1958, 1132, 1134; Immenga, Kapitalgesellschaft, S. lOlff. und Friedewald, Aktiengesellschaft, S. 101 f. (AG); zu einem Anwendungsfall siehe B G H v. 14.1.1997 A G 1997,414. 287 KKILutter, § 55 Rn. 2; Bungeroth, in: Geßler/Hefermehl § 55 Rn. 3; Kühler, Gesellschaftsrecht, § 15 II 3b. 288 Immenga, Kapitalgesellschaft, S. 101 ff.; Hachenburg/Ulmer, § 3 Rn. 65; S>cb.o\z./Emmerich, § 3 Rn. 43.
§1
Gemeinschaft von Unternehmergesellschafter
b) Das Privatvermögen
als
175
und Gesellschaft
Sicherungsmittel
D a s Privatvermögen eines Unternehmergesellschafters kann den Gesellschaftsgläubigern aus gesellschaftsrechtlichen o d e r allgemein zivilrechtlichen G r ü n d e n als zusätzlicher H a f t u n g s f o n d s zur Verfügung stehen. D a b e i ist rechtlich z w a r streng z w i s c h e n der F r e m d h a f t u n g des Gesellschafters für die Schulden der Gesellschaft 2 8 9 und den verschiedenen Tatbeständen der internen oder externen Eigenhaftung des Unternehmergesellschafters
aufgrund
Gesellschaftsrechts, Sicherungsgeschäfts oder allgemeiner bürgerlich-rechtlicher Haftungstatbestände 2 9 0 zu unterscheiden. L e t z t l i c h führen j e d o c h alle F o r m e n einer M i t h a f t u n g des Privatvermögens zu einer zusätzlichen Sicherung der Gesellschaftsgläubiger sowie zu einer Verstärkung der wechselseitigen wirtschaftlichen A b h ä n g i g k e i t v o n Gesellschaft und U n t e r n e h m e r g e s e l l schafter. D i e H a f t u n g eines Unternehmergesellschafters kann daher ü b e r die eigentlichen H a f t u n g s f o l g e n hinaus dessen Interessenlage 2 9 1 beeinflussen und insbesondere zu weiteren rechtlichen K o n s e q u e n z e n 2 9 2 führen. S o kann es zunächst im H i n b l i c k auf die erheblichen R i s i k e n der persönlichen H a f t u n g v o n O H G - G e s e l l s c h a f t e r n o d e r K o m p l e m e n t ä r e n einer K G bzw. K G a A unter dem G e s i c h t p u n k t der grundsätzlichen
Korrespondenz
v o n H a f t u n g und H e r r s c h a f t s m a c h t zur gesellschaftsvertraglichen oder h o heitlichen B e g r ü n d u n g zusätzlicher Mitgliedschaftsrechte k o m m e n , da ein persönlich und u n b e s c h r ä n k t haftender Gesellschafter grundsätzlich auch über die zur Steuerung des u n t e r n e h m e r i s c h e n R i s i k o s erforderlichen Verwaltungsrechte in der Gesellschaft verfügen m ö c h t e bzw. sollte („keine H a f tung o h n e H e r r s c h a f t " ) 2 9 3 . Allerdings k o m m t dieser rechtsethisch und v o r dem H i n t e r g r u n d der Steuerungsfunktion der H a f t u n g durchaus einleuchtenden Kehrseite des Prinzips der K o r r e s p o n d e n z v o n H e r r s c h a f t
und
Haftung 2 9 4 keine Allgemeingültigkeit zu. D e n n es steht j e d e m Gesellschafter frei, in den G r e n z e n der Sittenwidrigkeit, die einen auch grundrechtlich geforderten M i n d e s t s c h u t z gewährleistet, im Gesellschaftsvertrag auf die der H a f t u n g entsprechenden Gesellschafterrechte, insbesondere die M i t w i r k u n g
289 Hierzu zählen die Haftung gemäß §§ 128ff., 159f., 161 Abs. 3, 171 f. HGB und § 278 Abs. 2 AktG sowie die Fälle des sog. Haftungsdurchgriffs (dazu krit. 4. Kap. § 2 E). 290 Dazu eingehend 4. Kap. § 2 A-C. 291 Dazu 2. Kap. § 1 C I 1. 292 Dies gilt gleichermaßen für die status- (dazu 3. Kap. § 1 A), zurechnungs- (dazu 5. Kap. § 1 B III) und identifikationsvermittelnde (dazu 6. Kap. § 1 B) Funktion der persönlichen Haftung. 293 v. Gierke, Genossenschaftstheorie, S. 803; Wiedemann, Übertragung, S. 329; ders., Gesellschaftsrecht Bd. 1, S. 312 („geborener Unternehmensführer"), 544 und 547f.; Müller-Erzbach, Mitgliedschaft, S. 115 und 117; Tieisch, Haftung, S. 4; Immenga, Kapitalgesellschaft, S. 119f.; ähnlich H. Krause, Unternehmer, S. 21 f. (die Herrschaft des Unternehmers über das Unternehmen werde durch die Haftung legitimiert); krit. Beyerle, Kommanditist, S. 82 ff. 294 Dazu näher 4. Kap. § 1 A II 2.
176
2. Kapitel: Die Sonderstellung
des
Unternehmergesellschafters
an der Geschäftsführung und Vertretung der Gesellschaft, zu verzichten, ohne daß dies an seiner etwa nach § 128 H G B zwingenden Haftung etwas ändern würde 295 . Da auch aus der Treuepflicht der Mitgesellschafter keine Pflicht zur Wahrung der Interessen eines persönlich haftenden Gesellschafters bei Abschluß des Gesellschaftsvertrages bzw. bei Feststellung der Satzung hergeleitet werden kann 296 , ist die Rechtsprechung einer sich aus der persönlichen Haftung ergebenden Verstärkung von Mitwirkungsrechten mit Zurückhaltung begegnet 297 . Der Grundsatz der Korrespondenz von Haftung und Herrschaft hat aber eine gewisse Bedeutung für die Rechtfertigung der Selbstorganschaft 298 und der Mitbestimmungsfreiheit 299 von Personengesellschaften sowie für die Begründung der Unentziehbarkeit bestimmter Kontrollrechte 300 und der möglichst weitgehenden einkommensteuerlichen Gleichstellung von Einzelkaufleuten und Personengesellschaftern durch die Mitunternehmerschaft 301 erlangt. Die Verknüpfung der Vermögensschicksale durch die mögliche Haftung eines Unternehmergesellschafters mit seinem Privatvermögen wird darüber hinaus im Rahmen der H a f t u n g aus culpa in contrahendo sowie für die Identifikation im Gesellschaftsprozeß oder aufgrund einer Schuld- und Haftungsgemeinschaft relevant. Bei der Haftung aus culpa in contrahendo wird eine 2,5
Blaurock, FS Stimpel, S. 553, 569; Spies, Haftsumme, S. 91 f. Siehe 2. Kap. § 2 B VII 1. 297 RG v. 16.4.1942 R G Z 169, 105, 107f. (Komplementär mit gesellschaftsinterner Angestelltenstellung); R G v. 15.3.1893 R G Z 31, 33, 39 (atypisch stiller Gesellschafter mit umfangreicher Kontoll- und Leitungsmacht); RG v. 28.4.1925 R G Z 110, 418, 420 (Kommanditist mit Geschäftsführungsbefugnis und umfangreicher Handlungsvollmacht); B G H v. 15.1.1968 WM 1968, 509f. (Zulässigkeit der Übertragung von Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis auf Kommanditisten, sofern diese dem Komplementär verbleibt); dazu auch Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. 1, S. 547. 298 B G H v. 25.5.1964 B G H Z 41, 367, 369 (Erstarken der Gesamtvertretungsmacht des einzigen verbleibenden Komplementärs zur Alleinvertretungsmacht); Immenga, Kapitalgesellschaft, S. 119f.; Blaurock, FS Stimpel, S. 553f.; krit. Flume, BGB-AT 1/1, S. 244. 299 Siehe zum weitgehenden Gleichlauf von Mitbestimmung und beschränkter Haftung bzw. zwischen Mitbestimmungsfreiheit und persönlicher Haftung BMJ (Hrsg.), Bericht der Unternehmensrechtskommission, Rn. 979ff.; Baumann, Z H R 142 (1978), 557, 569; im Ansatz auch Reuter/Körnig, Z H R 140 (1976), 494 und 516, die dann aber für die G m b H eine (andere) Differenzierung zwischen Vertrags- und Satzungs-GmbH vornehmen; einschränkend Steindorff, FS Ballerstedt, S. 127, 130ff.; nach eigenem Bekunden hat sich der Gesetzgeber allerdings vorrangig von dem pragmatischen Gesichtspunkt der Vereinbarkeit der Mitbestimmung mit der weitgehenden Beibehaltung des geltenden Gesellschaftsrechts leiten lassen (dazu Begründung zum RegE, BT-Drucks. 7/2172, S. 17 u. 20); zur verfassungsrechtlichen Kritik an der inkonsequenten Bestimmung des Anwendungsbereichs der Regelungen über die unternehmerische Mitbestimmung siehe Badura/Rittner/Rüthers, Gemeinschaftsgutachten, S. 200f. und Eckelt, Kernfragen, S. 24ff. 300 Dazu etwa Baumbach///o/>i, § 118 Rn. 18 f.; Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. 1, S. 547. 301 Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. 1, S. 538; zur Mitunternehmerschaft siehe 1. Kap. § 2 C und 2. Kap. § 1 A I 4c aa. 296
§1
Gemeinschaft
von Unternehmergesellschafter
und Gesellschaft
177
Sachwalterstellung des Unternehmergesellschafters (§311 Abs. 3 BGB) aufgrund eines eigenen unmittelbaren wirtschaftlichen Interesses nämlich nach richtiger Ansicht auch durch die Existenz von bedeutsamen Interzessionsgeschäften begründet 302 . Darüber hinaus kann der Gesellschafter im Gesellschaftsprozeß aufgrund der u.a. durch die Mithaftung begründeten rechtlichen Interesseneinheit die Gesellschaft als Nebenintervenient 3 0 3 und ohne etwaigen Verstoß gegen Art. 1 § 1 Abs. 1 S. 1 RBerG als Rechtsberater 304 unterstützen sowie vom Richteramt 305 und der Zeugenstellung 306 ausgeschlossen sein. In bestimmten Fällen kann es schließlich der Zweck einer N o r m gebieten, den neben der Gesellschaft schuldenden und/oder haftenden Gesellschafter ausnahmsweise mit der Gesellschaft zu identifizieren 307 .
3. Interdependenz in der Insolvenz Mit der Festschreibung der eigenen Insolvenzfähigkeit aller Gesellschaften mit und ohne Rechtspersönlichkeit (§11 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 Nr. 1 InsO) ist nunmehr auch im Insolvenzrecht bis hin zur Außengesellschaft bürgerlichen Rechts der gesellschaftsrechtlichen Vermögenssonderung und der Rechtsträgerschaft der Außengesellschaften Rechnung getragen worden 308 . Da sich das Insolvenzverfahren nur auf das Vermögen des Schuldners erstreckt ( § 1 S. 1 InsO) und selbst die persönlich haftenden Gesellschafter nicht mehr zu den Schuldnern der Gesellschaftsverbindlichkeiten gehören (vgl. §§ 101 Abs. 1 S. 3 und 278 Abs. 2 InsO) 309 , werden daher zunächst weder die Privatvermögen der Gesellschafter von einem Insolvenzverfahren über
302 Dazu näher 4. Kap. § 2 C II lc bb; a.A. nunmehr entgegen der früheren Rechtsprechung allerdings B G H v. 6.6.1994 N J W 1994, 2220f. und B G H v. 7.11.1994 ZIP 1995, 124f. 303 Dazu näher 6. Kap. § 2 B I 5a; an dieser Stelle nur B G H v. 13.2.1974 B G H Z 62,131,133 (obiter zur akzessorischen gesetzlichen Gesellschafterhaftung als Interventionsgrund) und Stein/Jona s/Bork, § 66 Z P O Rn. 24 (zur Nebenintervention des Bürgen und Schuldmitübernehmers aufgrund gegebener Vorgreiflichkeit des Prozesses gegen den Hauptschuldner). 304 Dazu näher 6. Kap. § 2 B I 6. 305 Dazu näher 6. Kap. § 2 B I 5b. 306 Wird ein Gesellschafter aufgrund seiner persönlichen Haftung als einfacher Streitgenosse neben der Gesellschaft verklagt, ist er als Partei hinsichtlich aller Tatsachen zu vernehmen, die nicht ausschließlich für die Entscheidung gegenüber den anderen Streitgenossen maßgebend sind (dazu nur Baumbach/Lauterbach///artm^«n, § 61 Z P O Rn. 9). 307 Dazu 6. Kap. § 2 B IV. 308 K. Schmidt, Z G R 1998, 633, 642. 309 K. Schmidt, Z G R 1998, 633, 642; BaumbachAtfo^f, § 124 Rn. 46; unzutreffend Hess, §11 InsO Rn. 47ff.; zur früheren Rechtslage auch bereits Schlegelberger/K Schmidt, § 124 Rn. 39; für die O H G im Konkurs noch anders B G H v. 16.2.1961 B G H Z 34, 293, 297. 3,0 Siehe nur K. Schmidt, Z G R 1998,633, 640f.; F K - I n s O M ^ , § 84 Rn. 12; H K - I n s O / / / . £ Kirchhof, § 1 1 Rn. 13 und 16; BaumbachIHopt, §124 Rn. 46; noch zweifelnd FK-InsO/ Schmerbach, § 11 Rn. 2; zur entgegengesetzten früheren Rechtsprechung B G H v. 14.2.1957 B G H Z 23, 307, 314f. und O L G Neustadt v. 31.3.1958 N J W 1958, 999, 1000.
178
2. Kapitel:
Die Sonderstellung
des
Unternehmergesellschafters
das Gesellschaftsvermögen noch wird umgekehrt auch bei der Gesellschaft des bürgerlichen Rechts das verselbständigte Gesellschaftsvermögen von einem Insolvenzverfahren über die Privatvermögen aller Gesellschafter erfaßt 310 . Sofern ein Gesellschafter insolvent wird, ist der zur Insolvenzmasse gehörende Gesellschaftsanteil nach den allgemeinen Regeln durch Veräußerung zu verwerten, wobei etwaige sich lediglich auf die freiwillige Veräußerung beziehende Zustimmungsrechte entfallen (§ 84 InsO) 311 . Zu einer Auflösung der Gesellschaft wegen der Insolvenz eines Gesellschafters kommt es heute nur noch mangels anderweitiger Vereinbarung bei der Gesellschaft des bürgerlichen Rechts und der stillen Gesellschaft (§ 728 Abs. 2 BGB). Trotz dieser klaren Trennung wird aber auch im Insolvenzrecht der wirtschaftlichen Verbindung zwischen dem Gesellschaftsvermögen und den Privatvermögen insbesondere der persönlich haftenden Gesellschafter Rechnung getragen. So ist ein persönlich haftender Gesellschafter nicht nur nach § 1 5 Abs. 1 InsO unabhängig von seiner Geschäftsführungsbefugnis zur Stellung des Insolvenzantrags berechtigt, sondern kann auch wegen § 129 HGB der Feststellung von Forderungen gegen die Gesellschaft widersprechen (§§ 178 Abs. 1 und 2 und 201 Abs. 2 InsO) 312 . Andererseits wird die Geltendmachung der gesellschaftsrechtlich bedingten und nicht auf eigenen Verpflichtungstatbeständen beruhenden Haftungsansprüche der Gesellschaftsgläubiger gegen die Gesellschafter nach § 93 InsO und § 171 Abs. 2 HGB gebündelt, um die Insolvenzmasse zu stärken und das vollstreckungsrechtliche Prioritätsprinzip auszuschalten 313 . Da es bei einer Gesellschaftsinsolvenz nicht selten auch zu einer Insolvenz des persönlich und unbeschränkt haftenden Gesellschafters kommt und sich die Abgrenzung von Privat- und Gesellschaftsvermögen gerade bei einflußreichen Personengesellschaftern schwierig gestalten kann, wird ein Gesellschaftsgläubiger vielfach neben dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens hinsichtlich des Gesellschaftsvermögens auch einen solchen hinsichtlich der Privatvermögen der persönlich haftenden Gesellschafter stellen, was zugleich die Möglichkeit zur Anordnung von Sicherungsmaßnahmen gegen den Gesellschafter nach § 2 1 InsO begründet 314 .
R G v. 27.11.1908 R G Z 70, 64, 66; F K - I n s O M f t ö , § 84 Rn. 4 u n d 14ff. Baumbach///o/;t, § 128 R n . 46. 313 K. Schmidt, Z G R 1998, 633, 669f.; Hess /Weis, § 93 InsO R n . 10f.; zur analogen A n w e n d u n g des § 93 InsO auf den Haftungsdurchgriff bei der G m b H w e g e n Vermögensvermischung L G H i l d e s h e i m v. 16.1.2001 Z i n s O 2001, 474f. 314 F K - I n s O / S c h m e r b a c h , § 11 R n . 14. 311
312
5 1
Gemeinschaft
von Unternehmergesellschafter
B. Die Willens- und
und Gesellschaft
179
Handlungsgemeinschaft
Während die autonome Willensbildung und das eigenständige Verhalten einer natürlichen Person nur durch rechtliche oder faktische Bindungen zu beeinflussen sind 315 , kann in der nicht über einen eigenen Willen und eine eigene Handlungsfähigkeit verfügenden Gesellschaft ein Unternehmergesellschafter unter Umständen den eigenen Willen unmittelbar zu demjenigen der Gesellschaft machen und für die Gesellschaft tätig werden. Dies setzt jedoch voraus, daß er die Willensbildung und das Verhalten der Gesellschaft in internen und externen Angelegenheiten gesichert zu bestimmen vermag. Hierbei steht er in Konkurrenz zu Mitgesellschaftern, Organmitgliedern und Mitarbeitern der Gesellschaft. Eine umfassende absolute Willens- und Handlungsgemeinschaft mit der Gesellschaft besteht daher nur dann, wenn der Unternehmergesellschafter als Alleingesellschafter und einziges Geschäftsführungsorgan sowie als einziger Mitarbeiter im Gesellschaftsunternehmen allein den Willen der Gesellschaft bildet und für diese handelt. Hierauf kommt es jedoch in den noch zu behandelnden Normanwendungsfällen nicht an. Teilweise wird zwar für die Identifikation des Unternehmergesellschafters mit der Gesellschaft eine absolute Willensgemeinschaft zwischen ihm und der Gesellschaft vorauszusetzen sein, doch ist diese ausschließlich auf bestimmte Rechtsgeschäfte bezogen 316 . Sofern es im übrigen auf eine Willensbildungsgemeinschaft ankommt, setzt diese lediglich voraus, daß der Unternehmergesellschafter als bestimmungsmächtiger Gesellschafter die Willensbildung der Gesellschaftergesamtheit bzw. als organschaftlich oder rechtsgeschäftlich Alleinvertretungsberechtigter den rechtsgeschäftlichen Willen der Gesellschaft entscheidend zu bestimmen vermag 317 . Von einer partiellen Handlungsgemeinschaft kann schließlich bereits dann gesprochen werden, wenn der Unternehmergesellschafter als Geschäftsführungsorgan, leitender Angestellter oder sonst als Repräsentant der Gesellschaft i.S.v. § 31 B G B (analog) zu handeln imstande ist 318 . Grad und Umfang der zwischen einer Gesellschaft und einem ihrer Gesellschafter bestehenden Willens- und Handlungsgemeinschaft sind danach von der Intensität und Reichweite der von dem betreffenden Gesellschafter ausgeübten Leitungsmacht abhängig. Kommt es im Rahmen einer Rechtsanwendung auf das Vorhandensein einer Willens- oder Handlungsgemeinschaft an,
315 Zur grundsätzlichen Eigenständigkeit und Eigenverantwortlichkeit von Familienangehörigen siehe 1. Kap. § 3 C II la bb (bbb) m.w.N. 316 Zum Erfordernis der absoluten Willensgemeinschaft bei der Identifikation im Rahmen des Gutglaubensschutzes und des privaten Vorkaufsrechts siehe 6. Kap. § 2 B II. 317 Siehe dazu näher 6. Kap. § 2 B I lc aa, 2b bb und 4b bb. 318 Siehe zur Verhaltenszurechnung und zur Identifikation wegen bestehender Verhaltensgemeinschaft 5. Kap. § 2 B VII und 6. Kap. § 2 B III.
180
2. Kapitel:
Die Sonderstellung
des
Unternehmergesellschafters
tritt daher der vermögensmäßige hinter dem handlungsbezogenen Aspekt der unternehmerischen Gesellschafterstellung zurück. Es kann insoweit auf die obigen Ausführungen zu den einzelnen Typusmerkmalen der Unternehmerinitiative, insbesondere zur Stimmrechtsmacht, zur Organmitgliedschaft und Mitarbeit im Gesellschaftsunternehmen, sowie zur diesbezüglichen aspektbezogenen Gesamtbetrachtung verwiesen werden 319 .
C. Die
Interessengemeinschaft
Die Begründung der These von der Interessengemeinschaft zwischen Unternehmergesellschafter und Gesellschaft sowie zwischen Unternehmergesellschafter und dem von der Gesellschaft betriebenen Unternehmen verlangt zunächst eine genaue Bestimmung dessen, was unter den Interessen des Unternehmergesellschafters, der Gesellschaft und des Unternehmens zu verstehen ist. Erst anschließend kann auf die enge Verknüpfung dieser Interessen näher eingegangen werden.
I. Gesellschaft und Unternehmen als
Interessengebilde
Interessen werden im allgemeinen und zumeist auch im juristischen Sprachgebrauch individualpsychologisch als Gefühlsdispositionen verstanden, die auf die Befriedigung jeglicher Art von Bedürfnissen, Wünschen und Willenszielen gerichtet sind320. Insofern stellen sich die Gesellschaft 321 und das von ihr betriebene Unternehmen 322 als pluralistische Interessengebilde dar, die der Verfolgung der verschiedensten wirtschaftlichen und ideellen Ziele der beteiligten natürlichen Personen dienen. Aus diesem Grund haben auch das Gesellschafts- und Unternehmensrecht eine Vielzahl unterschiedlicher Interessen der Gesellschafter, Organmitglieder, Geschäftspartner und der Arbeitnehmer zu berücksichtigen 323 . Daneben ist im Recht aber auch immer 1. Kap. § 3 C II und III 2. Rothacker, Bewußtsein, S. 27; ähnlich auch Heck, AcP 112 (1914), 1,11 (Interessen seien die in der Rechtsgemeinschaft vorhandenen Begehrungen und Begehrungstendenzen materieller wie idealer Art) und Zöllner, Stimmrechtsmacht, S. 18 mit Fn. 3; zur Geschichte und aktuellen Popularität des Interessenbegriffs näher Schmidt-Leithoff, Verantwortung, S. 115 ff. 3,9
320
321
Haussmann,
A k t i e n w e s e n , S. 51 ff.; Kühler, S Z W 1995, 223, 225; Wiedemann,
Gesell-
schaftsrecht Bd. 1,S. 84 ff. 322 BMJ (Hrsg.), Bericht der Unternehmensrechtskommission, Rn. 124ff.; Boettcher u.a., Unternehmensverfassung („Sechser-Bericht"), S. 20ff.; Raisch, FS Hefermehl, S. 347, 348ff.; V. Nell-Breuning, FS Kronstein, S. 51 und 59ff.; Püttner, DÖV 1976, 433. 323 BMJ (Hrsg.), Bericht der Unternehmensrechtskommission, Rn. 124ff.; Fechner, Treubindungen, S. 103 f.; A. Großmann, Unternehmensziele, S. 87ff.; Jürgenmeyer, Unternehmensinteresse, S. 60ff.; Schmidt-Leithoff, Verantwortung, S. 93f.; v. Nell-Breuning, FS Kronstein, S. 51 und 59ff.
§1
Gemeinschaft
von Unternehmergesellschafter
und Gesellschaft
181
wieder von Interessen die Rede, die nur normativ bestimmt werden können und sich individualpsychologisch allenfalls mittelbar auf bestimmte natürliche Personen zurückführen lassen. Im Gesellschafts- und Unternehmensrecht gehören hierzu neben den Interessen der Öffentlichkeit bzw. der Allgemeinheit das Gesellschafts- und Unternehmensinteresse, die nicht selten auch einem Institutions- und Funktionsschutz von Gesellschaft und Unternehmen dienstbar gemacht werden. 1. Das Interesse
des
Unternehmergesellschafters
Der Unternehmergesellschafter im oben beschriebenen Sinne ist als natürliche Person ein Rechtssubjekt, dessen Interessen im Einzelfall individualpsychologisch bestimmt werden können. Mit seinen Mitgesellschaftern teilt er zunächst im allgemeinen das Interesse, Erträge zu erzielen sowie das Gesellschaftsvermögen in seiner Substanz zu erhalten und zu vermehren. Trotz dieser grundsätzlichen Gemeinsamkeit der Interessenlage können sich die Interessen der Gesellschafter im einzelnen durchaus unterschiedlich und nicht selten entgegengesetzt entwickeln 324 . Gerade auf die insbesondere in Fragen der Gewinnverwendung möglichen Interessenkonflikte zwischen den langfristige unternehmerische Ziele verfolgenden und dauerhaft engagierten Unternehmergesellschaftern einerseits und den in aller Regel nur eine (kurzfristig) renditeträchtige, fungible, anonyme und steuergünstige Kapitalanlage erstrebenden Anlagegesellschaftern andererseits wird immer wieder hingewiesen325. Für den gesellschaftsgebundenen Unternehmer stellt die von ihm initiierte bzw. maßgeblich fortgeführte Unternehmung selbst und nicht nur das Streben nach Gewinn und Substanzvermehrung Lebensinhalt und Lebensaufgabe dar326. Der Unternehmergesellschafter strebt danach, durch seine Beteiligung an der Gesellschaftstätigkeit den eigenen Ruf als Wirtschaftssubjekt zu begründen, zu verbessern oder zu erhalten, seine unternehmerischen Ziele zu erreichen sowie an der Steuerung des Unternehmensrisikos mitzuwirken 327 . Im Falle einer Fremdgeschäftsführung wird er regelmäßig ein Interesse an der
324 BMJ (Hrsg.), Bericht der Unternehmensrechtskommission, Rn. 125; Rathenau, Aktienwesen, S. 29; C. Ott, Unternehmenskorporation, S. 160; Wiethölter, Interessen, S. 32; v. NellBreuning, FS Kronstein, S. 59. 325 BVerfG v. 7.8.1962 BVerfGE 14, 263, 282£. und passim; Haussmann, Aktienwesen, S. 53f.; Pross, Manager, S. 122f.; Raisch, FS Hefermehl, S. 347, 348f.; Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. 1, S. 490 und 729; ders., ZGR 1975, 385, 392; Mestmäcker, FS H. Westermann, S. 411, 424; Mülhert, Aktiengesellschaft, S. 159f. und 209f.; Kühler, SZW 1995, 223, 225. 326 Dazu auch generell für den Unternehmer Somhart, Bourgeois, S. 217f.; Redlich, Unternehmer, S. 1 7 9 f J u n g f e r , in: Gestaltwandel der Unternehmung, S. 109, 120f. 327 Siehe dazu auch Ziemons, Haftung, S. 132 und generell für den Unternehmer Redlich, Unternehmer, S. 179f.
182
2. Kapitel:
Die Sonderstellung
des
Unternehmergesellschafters
intensiven Kontrolle der Unternehmensführung haben. Gegenüber risikoreichen oder gar die Existenz von Gesellschaft und Unternehmen gefährdenden Geschäften bestehen aufgrund des von ihm maßgeblich durch Kapital- und Gewinnbeteiligung sowie eine etwaige persönliche Haftung getragenen Unternehmerrisikos starke Hemmungen 328 . Zur regelmäßig angestrebten Sicherung der langfristigen Existenz der Gesellschaft und des von ihr betriebenen Unternehmens sowie zur Reduzierung seines gegebenenfalls persönlichen Haftungsrisikos wird der Unternehmergesellschafter zudem an einer weitreichenden Rücklagenbildung und Reinvestition der erwirtschafteten Gewinne interessiert sein329. Ein besonderes Interesse am Wohlergehen der Gesellschaft kann schließlich auch durch die wirtschaftliche Abhängigkeit von Gehaltsund/oder Pensionszahlungen der Gesellschaft begründet werden, die hierdurch zugleich grundsätzlich in einem für die Gesellschaft vertretbaren Rahmen gehalten werden 330 . Neben der Wahrung dieser unmittelbar eigenen Belange hat der Unternehmergesellschafter aber auch ein grundsätzliches Interesse an der Rücksichtnahme auf die Bedürfnisse anderer. Dies gilt in erster Linie für seine Mitgesellschafter, auf deren zumindest finanzielle Mitwirkung er in aller Regel angewiesen ist. So wird er im wohl verstandenen eigenen Interesse darum bemüht sein, mit Mitunternehmern zu kooperieren sowie die Anlegerinteressen durch eine erfolgreiche Unternehmensführung, eine umfassende Rechenschaftslegung und durch eine angemessene Gewinnausschüttung bzw. eine Steigerung des Anteilswerts zu befriedigen 331 . Schließlich wird er auch auf eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Arbeitnehmern des Gesellschaftsunternehmens und ihren Vertretern sowie auf den guten Ruf der Gesellschaft bzw. des Unternehmens und seiner Produkte in der Öffentlichkeit Wert legen 332 .
2. Das
Gesellschaftsinteresse
Das Gesellschaftsinteresse ist das Eigeninteresse der rechtsfähigen Gesellschaft, die aufgrund ihrer rechtlichen Verselbständigung gegenüber den Ge328 Siehe dazu auch Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. 1, S. 539 (Verhaltenssteuerungsfunktion der persönlichen Haftung) und S. 729 (Reinvestitionsinteresse); teilweise krit. Ziemons, Haftung, S. 132 ff. 329 Dazu auch Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. 1, S. 729; Miilbert, Aktiengesellschaft, S. 158 und Chlosta, Wesensgehalt, S. 165. 330 Dazu auch Ziemons, Haftung, S. 134; zum Interesse von Unternehmergesellschaftern an angemessenen Tätigkeits- und Ruhestandsbezügen auch Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. 1, S. 120. 331 Siehe dazu auch Fastrich, Rechtsdenken, S. 20 f. und F. Klein, Grundlagen, S. 49; zu den Interessen des Anlegergesellschafters etwa Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. 1, S. 489. 332 Näher zum Beziehungsfeld Unternehmen - Mitarbeiter und Unternehmen - Öffentlichkeit Schmidt-Leithoff, Verantwortung, S. 259ff. bzw. 346ff.
§ 1
Gemeinschaft
von Unternehmergesellschafter
und Gesellschaft
183
seilschaftern als gesonderter Interessenträger prinzipiell auch dann in B e tracht k o m m t , wenn es sich um eine Personengesellschaft 3 3 3 oder eine Einpersonengesellschaft 334 handelt. Im Gegensatz zu dem noch näher zu betrachtenden Unternehmensinteresse besteht das Problem des Gesellschaftsinteresses damit nicht bereits in der Bestimmung eines Interessenträgers, sondern ausschließlich darin, daß die Gesellschaft als Interessenträger für sich genommen nicht in der Lage ist, ein individualpsychologisches Interesse zu bilden 335 . Insofern zeigt sich hier erneut das bereits dargestellte Spannungsverhältnis zwischen der rechtlichen Verselbständigung und der tatsächlichen Abhängigkeit der rechtsfähigen Gesellschaft von ihren Gesellschaftern und Organmitgliedern 336 . Das Gesellschaftsinteresse kann daher nur normativ oder unter Rückgriff auf die konkreten Interessen der beteiligten natürlichen Personen bestimmt werden.
a) Normative
Bestimmung des
Gesellschaftsinteresses
D i e Vorstellung, daß das Gesellschaftsinteresse unabhängig von den individualpsychologischen Interessen der beteiligten natürlichen Personen ( G e sellschafter, Organmitglieder, Geschäftspartner, Arbeitnehmer) bestimmt werden kann und damit auch die genannten Personengruppen bindet, ist weit verbreitet. So wird etwa aus der rechtlichen Verselbständigung der G e sellschaft als juristischer Person ein Eigeninteresse auf Wahrung ihrer Eigenständigkeit abgeleitet, aus dem sich dann selbst für die Gesellschaftergesamtheit noch näher zu konkretisierende Verbote der Existenzgefährdung und Sphärenvermischung ergeben sollen 337 . Daneben wird das Interesse von E r -
533 So steht etwa das Entnahmerecht nach § 122 Abs. 1 Hs. 2 H G B unter dem Vorbehalt, daß „es nicht zum offenbaren Schaden der Gesellschaft gereicht"; auch die unbestrittene Existenz einer Treuepflicht der Gesellschafter gegenüber der rechtsfähigen Personengesellschaft (vgl. auch §§ 112f. H G B ) spricht für eine Interessenträgerschaft dieser Gesellschaften; die sich mit dem Gesellschaftsinteresse verbindenden Probleme werden jedoch aus vielerlei Gründen (insbesondere zwingende Mehrgliedrigkeit und stärkere Vertragsnatur der Personengesellschaften sowie Existenz der persönlichen Haftung) regelmäßig im Zusammenhang mit der Aktiengesellschaft (dazu etwa Kühler, Gesellschaftsrecht, § 14 III 2a; vgl. auch etwa §§ 121 Abs. 1 und 131 Abs. 3 Nr. 1 A k t G ) und insbesondere mit der G m b H (dazu etwa Priester, Z G R 1993, 512, 520ff. und M. Winter, Z G R 1994, 570, 580ff.; vgl. auch etwa § 49 Abs. 2 G m b H G ) erörtert. 334 So auch Ziemons, Haftung, S. 98 ff.; Priester, Z G R 1993, 512, 520ff.; vgl. auch § 3 5 Abs. 4 G m b H G ; a.A. und die rechtliche Verselbständigung der Einpersonen-GmbH auf die Vermögenssonderung beschränkend Schilling, J Z 1953, 161, 165; eine andere, sogleich noch zu behandelnde Frage ist es allerdings, ob in der Einpersonengesellschaft dieses Interesse durch die Interessen des Alleingesellschafters oder durch Drittinteressen konkretisiert wird. 335 Dazu bereits Zöllner, Stimmrechtsmacht, S. 18ff. 336 Dazu Einl. § 2 A. 337 So insbesondere jetzt auch für den Alleingesellschafter einer abhängigen G m b H B G H v. 17.9.2001 ZIP 2001, 1874, 1876; ferner Priester, Z G R 1993, 512, 520ff.; ähnlich Ziemons,
184
2. Kapitel: Die Sonderstellung des
Unternehmergesellschafters
werbsgesellschaften bisweilen in normativer Weise unter Rückgriff auf den auch für die Gesellschafter maßgeblichen Gesellschaftszweck und ein vermeintliches „Gesamt-Interesse der Idealgesellschafter" als Bestands- und Rentabilitätsinteresse bestimmt 338 . Hieraus wird dann für Gesellschafter etwa die Pflicht abgeleitet, das Gesellschaftsvermögen einer G m b H , die nur mit den zur Fortführung der Geschäfte notwendigsten Mitteln ausgestattet ist oder sich in der Krise befindet, gegen weitere Minderungen zu schützen. Insbesondere Weisungsbeschlüsse sollen dann nicht zu Maßnahmen führen dürfen, bei denen unter Berücksichtigung aller ex ante erkennbaren U m stände und voraussehbaren Entwicklungen mit einem günstigen Verlauf entweder gar nicht oder nur mit geringer Wahrscheinlichkeit zu rechnen ist bzw. bei denen ein nicht unwahrscheinlicher Fehlschlag den Bestand der Gesellschaft gefährden würde 339 . Anders als in der Diskussion um das Unternehmensinteresse wird allerdings zur normativen Konkretisierung des Gesellschaftsinteresses kaum auf die Belange der Arbeitnehmer oder der Ö f fentlichkeit Bezug genommen 340 . Im Vordergrund steht vielmehr das auch offen ausgesprochene Ziel, den Gläubigerschutz, insbesondere bei der (abhängigen) G m b H , durch eine an die organschaftliche oder mitgliedschaftliche Pflicht zur Wahrung des Eigeninteresses der Gesellschaft anknüpfende Haftung der (unternehmerisch engagierten) Gesellschafter gegenüber der Gesellschaft zu verbessern 341 . Es soll in dieser dem Privatgesellschafter gewidmeten Arbeit nicht weiter untersucht werden, ob möglicherweise in Unternehmensverbindungen und insbesondere im GmbH-Konzern ein auch vom Willen des (wirtschaftlichen) Alleingesellschafters zu unterscheidendes Eigeninteresse der Gesellschaft aus Gründen des Gläubigerschutzes anzuerkennen ist 342 . Bei KonHaftung, S. 135f. und M. Winter, ZGR 1994, 570, 581 und 585ff. (Verbot der Existenzgefährdung) und besonders weitgehend Wilhelm, Rechtsform, S. 334ff. und 356f. (Pflicht der bestimmungsmächtigen Gesellschafter zum sorgfältigen Umgang mit dem Gesellschaftsvermögen). 338 So insbesondere Ziemons, Haftung, S. 87ff., 97f. und 130ff.; ähnlich M. Winter, Treuebindungen, S. 198 und ders., ZGR 1994, 570, 583 und 585ff. (aus dem Gesellschaftszweck abgeleitetes Verbot der Existenzgefährdung). 339 Ziemons, Haftung, S. 135 und 143; ähnlich, wenn auch etwas allgemeiner (Verbot, die Gesellschaft „auf kaltem Wege" zu liquidieren bzw. zu ruinieren) Priester, ZGR 1993, 512, 520f. und 525; M. Winter, ZGR 1994, 570, 586f.; noch weitergehend Wilhelm, Rechtsform, S. 334ff. und 356f. (Pflicht der bestimmungsmächtigen Gesellschafter zum sorgfältigen Umgang mit dem Gesellschaftsvermögen). 340 M. Winter, ZGR 1994, 570, 587f.; im Ergebnis auch Schmidt-Leithoff, Verantwortung, S. 153 und 214ff., der die Gesellschaft und ihre Organe im Anschluß an Rittner an eine aus Art. 14 Abs. 2 G G abgeleitete sog. „Richtlinienbestimmung" binden möchte. 341 M. Winter, ZGR 1994, 570, 587f.; zu den haftungsrechtlichen Konsequenzen näher 4. Kap. § 2 A Vor I und IV. 342 So jetzt ausdrücklich BGH v. 17.9.2001 ZIP 2001, 1874, 1876; ferner etwa Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, S. 256; Ulmer, ZHR 148 (1984), 391, 416 ff.; zumindest von der Haf-
51
Gemeinschaft von Unternehmergesellschafter
und Gesellschaft
185
Zernfreiheit besteht jedenfalls lediglich für F r e m d o r g a n e und für die nicht einvernehmlich
handelnden
G e s e l l s c h a f t e r mehrgliedriger
eine P f l i c h t zur F ö r d e r u n g des v o n den G e s e l l s c h a f t e r n
Gesellschaften
gemeinschaftlich
verfolgten G e s e l l s c h a f t s z w e c k s . D i e s e r Z w e c k , der v o n den G r ü n d e r g e s e l l schaftern festgelegt bzw. den beitretenden G e s e l l s c h a f t e r n akzeptiert w u r d e und regelmäßig in einer langfristigen G e w i n n m a x i m i e r u n g bei gesichertem F o r t b e s t a n d der G e s e l l s c h a f t besteht, bildet dann zugleich auch das G e s e l l schaftsinteresse. U b e r diese sogleich n o c h n ä h e r zu b e l e u c h t e n d e B i n d u n g an den G e s e l l s c h a f t s z w e c k hinaus sollten die G e s e l l s c h a f t e r j e d o c h n i c h t
verpflichtet
sein, ein wie auch i m m e r n o r m a t i v b e s t i m m t e s Interesse der G e s e l l s c h a f t „an s i c h " zu w a h r e n . D i e R e i c h w e i t e des S c h u t z e s v o n D r i t t i n t e r e s s e n sollte nicht a b s t r a k t aus e i n e m t h e o r e t i s c h ü b e r f r a c h t e t e n v e r m e i n t l i c h e n E i g e n interesse der G e s e l l s c h a f t , s o n d e r n d u r c h eine o f f e n e A b w ä g u n g der im k o n k r e t e n Fall tatsächlich b e t r o f f e n e n I n t e r e s s e n b e s t i m m t w e r d e n , wie dies d u r c h zahlreiche z w i n g e n d e V o r s c h r i f t e n aller R e c h t s g e b i e t e und insb e s o n d e r e durch diverse H a f t u n g s t a t b e s t ä n d e auch geschieht 3 4 3 . E s besteht kein A n l a ß , den v o m G e s e t z g e b e r und der R e c h t s p r e c h u n g in aller R e g e l vertretbar herbeigeführten Ausgleich zwischen Gesellschafter- und Drittinteressen d u r c h ein s c h w e r zu k o n k r e t i s i e r e n d e s u n d die eigentlichen W e r t u n g e n verschleierndes Interesse der G e s e l l s c h a f t bzw. der Idealgesellschafter an der W a h r u n g ihrer E i g e n s t ä n d i g k e i t bzw. ihres B e s t a n d s z u u n t e r l a u fen und n a m e n t l i c h den G l ä u b i g e r s c h u t z auf K o s t e n der U n t e r n e h m e r f r e i heit der G e s e l l s c h a f t e r a u s z u b a u e n . S o b e d ü r f e n e t w a die o h n e h i n n u r für Kapitalgesellschaften m a ß g e b l i c h e n K a p i t a l a u f b r i n g u n g s - und
Kapitaler-
h a l t u n g s v o r s c h r i f t e n w e d e r einer z u s ä t z l i c h e n R e c h t f e r t i g u n g n o c h einer E r g ä n z u n g d u r c h ein auch die G e s e l l s c h a f t e r b i n d e n d e s G e s e l l s c h a f t s i n t e r esse, das auf eine E i n h a l t u n g der einschlägigen V o r s c h r i f t e n 3 4 4 o d e r sogar d a r ü b e r hinaus auf eine nicht klar e r k e n n b a r u n z u r e i c h e n d e
Kapitalaus-
stattung 3 4 5 , eine n i c h t ersichtlich e x i s t e n z g e f ä h r d e n d e G e s c h ä f t s t ä t i g k e i t der
tungskonzeption her auch schon BGH v. 29.3.1992 BGHZ 122, 123, 129f.; mit Recht ablehnend noch BGH v. 16.9.1985 BGHZ 95, 330, 345 f.; Baumbach/Hueck/Zö/foer, Anh KonzernR Rn. 83; mit gegenteiligem Ergebnis, jedoch ebenfalls krit. zu einer Differenzierung zwischen verbundenen und nicht verbundenen Unternehmen Ziemons, Haftung, S. 112 ff. und M. Winter, ZGR 1994, 570, 590ff. 343 So auch BGH v. 28.9.1992 BGHZ 119, 257, 259f.; BGH v. 10.5.1993 BGHZ 122, 333, 336ff.; siehe zudem bereits Zöllner, Stimmrechtsmacht, S. 21 ff.; ausdrücklich a.A. M. Winter, ZGR 1994, 570, 587f. 344 Ziemons, Haftung, S. 94; Ziegler, WM 1989, 1041, 1043. 345 Priester, ZGR 1993, 512, 526; K. Schmidt, ZIP 1988, 1497, 1505f.
186
2. Kapitel: Die Sonderstellung des
Unternehmergesellschafters
G e s e l l s c h a f t 3 4 6 bzw. eine S i c h e r u n g der E r f ü l l u n g s f ä h i g k e i t der
Gesell-
schaft 3 4 7 gerichtet wäre 3 4 8 . G e r a d e die in der gesellschaftsrechtlichen Literatur
vorgeschlagenenen
K o n k r e t i s i e r u n g e n des Gesellschaftsinteresses w ü r d e n sich in W i d e r s p r u c h zu den getroffenen W e r t u n g e n des G e s e t z g e b e r s setzen. So kann zunächst t r o t z der weitreichenden vermögensrechtlichen Verselbständigung i n s b e s o n dere der Kapitalgesellschaften nicht v o n einer allgemeinen Pflicht der G e s e l l schafter zur sorgfältigen W a h r n e h m u n g v o n Vermögensinteressen der G e s e l l schaft, sondern n u r v o n einer B i n d u n g an den d e m S c h u t z der Mitgesellschafter dienenden G e s e l l s c h a f t s z w e c k sowie die z w i n g e n d e n Vorschriften namentlich der Kapitalsicherung gesprochen werden 3 4 9 . I n s b e s o n d e r e ist dem G e s e t z w e d e r eine der Gesellschaft gegenüber bestehende Pflicht zur nicht völlig u n z u r e i c h e n d e n Kapitalausstattung n o c h z u m Unterlassen einer ersichtlich existenzgefährdenden Geschäftstätigkeit zu entnehmen 3 5 0 . E i n I n t e r esse an B e s t a n d und Rentabilität der Gesellschaft haben ebenfalls n u r die ( M i t - ) G e s e l l s c h a f t e r und nicht die Gesellschaft, die nach der gesetzlichen K o n z e p t i o n selbst keinen allgemeinen B e s t a n d s s c h u t z gegenüber M a ß n a h m e n ihrer Gesellschafter genießt 3 5 1 . E i n solcher S c h u t z der Gesellschaft an sich kann insbesondere nicht aus den weitgehend zwingenden L i q u i d a t i o n s vorschriften abgeleitet werden 3 5 2 , da die A u f l ö s u n g der Gesellschaft danach etwa als F o l g e eines fehlgeschlagenen Risikogeschäfts auch durch die E r ö f f nung des Insolvenzverfahrens bzw. deren A b l e h n u n g mangels Masse erfolgen kann und die Gesellschaft auch in diesen Fällen nicht auf „kaltem W e g e " , s o n dern im Interesse der Gesellschafter und D r i t t e r (nicht aber in ihrem eigenen) entweder nach den i n s o l v e n z - oder nach den gesellschaftsrechtlichen V o r schriften liquidiert wird. D e m g e g e n ü b e r wäre es p r o b l e m a t i s c h , das vermeintliche Bestandsinteresse der Gesellschaft mit der jeweils unbestrittenen
346 So aber Wilhelm, Rechtsform, S. 334ff. und 356f.; Ziemons, Haftung, S. 97f. und 135f.; M. Winter, ZGR 1994, 570, 585ff.; Priester, ZGR 1993, 512, 521 ff.; bei Konzernierung auch BGH V. 17.9.2001 ZIP 2001,1874, 1876 und ähnlich bereits BGH v. 29.3.1992 BGHZ 122,123, 130 sowie Ulmer, ZHR 148 (1984), 391, 417ff.; zur verwandten Frage einer Vermögensbetreuungspflicht des Alleingesellschafter-Geschäftsführers einer GmbH siehe 4. Kap. § 1 A II 6a. 347 So aber für die abhängige Gesellschaft BGH v. 29.3.1992 BGHZ 122, 123, 130. 348 Wie hier Zöllner, Stimmrechtsmacht, S. 21 ff.; Tiedchen, GmbHR 1993, 616, 617f.; Wolany, Rechte, S. 115. 349 Dazu näher 4. Kap. § 1 A II 6 und § 2 A I-IV; siehe hier nur BGH v. 28.9.1992 BGHZ 119, 257, 259f. und a.A. Wilhelm, Rechtsform, S. 334ff. 350 Dazu näher 4. Kap. § 1 A II 6a bzw. 4. Kap. § 2 A I 2. 351 So zutreffend für die Aktiengesellschaft BGH v. 20.3.1995 BGHZ 129, 136, 151 ff.; ferner Hennnchs, AcP 195 (1995), 221, 261; KK/Zö//ner, § 243 Rn. 193; Tiedchen, GmbHR 1993, 616, 617f.; anders nunmehr allerdings für die abhängige Einmann-GmbH BGH v. 17.9.2001 ZIP 2001, 1874, 1876. 352 So aber M. Winter, Treuebindungen, S. 204f.; ders., ZGR 1994, 570, 586f.; K. Schmidt, ZIP 1989, 545, 546f.; Priester, ZGR 1993, 512, 520f.; Ziemons, Haftung, S. 129.
§1
Gemeinschaft von Unternehmergesellschafter
und Gesellschaft
187
Dispositionsbefugnis der Gesellschafter und der mangelnden Pflicht zu N a c h schüssen zu vereinbaren 3 5 3 .
b) Personenbezogene Eine
personenbezogene
Bestimmung des Bestimmung
des
Gesellschaftsinteresses Gesellschaftsinteresses
wäre
theoretisch unter R ü c k g r i f f auf alle tatsächlichen Interessen einer jeden v o n der Gesellschaftstätigkeit b e t r o f f e n e n natürlichen P e r s o n möglich. A u f der G r u n d l a g e des geltenden Gesellschaftsrechts k o m m t hierfür j e d o c h nur eine B e z u g n a h m e auf die gesellschaftszweckbezogenen
Interessen der Gesell-
schafter in B e t r a c h t . D i e K o n k r e t i s i e r u n g des Gesellschaftsinteresses
mit
H i l f e v o n tatsächlichen Drittinteressen ist zunächst aus denselben G r ü n d e n z u r ü c k z u w e i s e n wie die diesen Interessen ebenfalls dienende normative B e s t i m m u n g des Gesellschaftsinteresses 3 5 4 . A u c h die Interessen der F r e m d o r gane der Gesellschaft k ö n n e n nicht zur B e s t i m m u n g des Gesellschaftsinteresses herangezogen werden, da diese gerade als Verwalter fremden V e r m ö g e n s in besonderer Weise an das Gesellschaftsinteresse gebunden werden sollen 3 5 5 . D i e s gilt letztlich in der mehrgliedrigen Gesellschaft auch für die mit der gemeinsamen F ö r d e r u n g des Gesellschaftszwecks unvereinbaren
Interessen
einzelner Gesellschafter, deren Verwirklichung sich in W i d e r s p r u c h zu der gegenüber den Mitgesellschaftern bestehenden Treuepflicht setzen würde. D a m i t kann die Gesellschaftergesamtheit, die in der Einpersonengesellschaft durch den Alleingesellschafter gebildet wird, das Gesellschaftsinteresse nicht nur im R a h m e n des zwingenden G e s e t z e s r e c h t s frei b e s t i m m e n , s o n dern es auch ignorieren 3 5 6 . E i n e M e h r h e i t oder M i n d e r h e i t der Gesellschafter ist hingegen in ihrem gesellschaftsrelevanten Verhalten wie insbesondere auch bei der A u s ü b u n g der Gesellschafterrechte an das Gesellschaftsinteresse gebunden, das in diesem Fall durch die schutzwürdigen und auf die gemeinsame F ö r d e r u n g des Gesellschaftszwecks b e z o g e n e n Interessen der Mitgesellschafter b e s t i m m t wird 3 5 7 .
353 Dieses Problem sehen auch Ziemons, Haftung, S. 135f.; Priester, ZGR 1993, 512, 521 und 524; K. Schmidt, ZIP 1988, 1497, 1506. 354 Dazu soeben unter lit. a. 355 Siehe dazu im Zusammenhang mit der organschaftlichen Haftung 4. Kap. § 2 A I 1. 356 BGH v. 16.9.1985 BGHZ 95, 330,345f.; BGH v. 28.9.1992 BGHZ 119, 257, 259f.; BGH v. 10.5.1993 BGHZ 122, 333, 336ff.; BGH v. 21.3.1994 DStR 1994, 1585; OLG Köln 1.3.1995 BB 1995, 793, 794; für die abhängige GmbH Baumbach/Hueck/ZöY/wer, Anh KonzernR Rn. 83 und Lutter, ZIP 1985, 1425, 1428; für die GmbH im Gegensatz zur AG auch Flume, BGB-AT1/2, S. 61 f.; a.A. Wilhelm, Rechtsform, S. 330ff.; M.Winter, Treuebindungen, S. 203ff.; /. Bekker, Wettbewerbsverbot, S. 61 ff.; Priester, ZGR 1993, 512, 520ff. und für die abhängige GmbH Ulmer, ZHR 148 (1984), 391, 418f. 357 Siehe dazu näher 4. Kap. § 2 A IV lc und B I 1.
188
3. Das
2. Kapitel:
Die Sonderstellung
des
Unternehmergesellschafters
Unternehmensinteresse
Besonders umstritten ist, ob neben dem Gesellschaftsinteresse noch ein eigenständiges Unternehmensinteresse existiert und rechtliche Beachtung verdient 358 . Z w a r spricht auch das Gesetz in § 308 A b s . 1 und 2 und § 3 1 2 A b s . 1 S. 2 A k t G v o n den Belangen bzw. Interessen eines verbundenen U n t e r n e h mens, doch w i r d damit f ü r alle Unternehmensträger lediglich auf den k o n zernspezifischen Interessenkonflikt Bezug genommen und nicht etwa zugleich die Existenz eines v o n den Interessen der beteiligten Unternehmensträger unabhängigen Interesses des U n t e r n e h m e n s „an sich" 359 gesetzlich bestätigt. A u c h an anderer Stelle w i r d mit den Begriffen U n t e r n e h m e n bzw. Unternehmensinteresse in Wahrheit die Gesellschaft bzw. das Gesellschaftsinteresse angesprochen 3 6 0 . Die berechtigten Bedenken gegen die A n e r k e n n u n g eines U n t e r n e h m e n s interesses beruhen im wesentlichen auf den letztlich unlösbaren Schwierigkeiten, diesen Begriff juristisch handhabbar zu machen 3 6 1 . Da das U n t e r n e h men nach geltendem Recht kein Rechtssubjekt und damit auch kein Träger eigener Interessen ist 362 , stößt nicht n u r die individualpsychologische Bestimmung eines eigenen Unternehmensinteresses auf ein tatsächliches, sondern auch die normative Bestimmung auf ein rechtliches Hindernis. Das U n t e r nehmensinteresse w i r d daher nicht selten lediglich als inhaltlich und f u n k t i o nal nicht näher definierte Resultante aller am U n t e r n e h m e n beteiligten 358 Bejahend etwa Brinkmann, Unternehmensinteresse, S. 216ff.; Raisch, FS Hefermehl, S. 347,356 ff .-Junge, FS v. Caemmerer, S. 547, 551 ff.; Teubner, ZHR 149 (1985), 470ff.; Dreher, ZHR 155 (1991), 349, 362ff.; Flume, BGB-AT 1/2, S. 56ff.; den Meinungsstand referierend BMJ (Hrsg.), Bericht der Unternehmensrechtskommission, Rn. 133 ff. 359 Zur Geschichte des Begriffs vom Unternehmen „an sich" eingehend Riechers, Das „Unternehmen an sich", Tübingen 1996. 360 Siehe dazu namentlich BVerfG v. 1.3.1979 BVerfGE 50, 290, 374; BGH v. 20.10.1954 BGHZ 15, 71, 78 (wo zugleich von einer Treuepflicht der Vorstandsmitglieder gegenüber der AG und einer Wahrnehmung der Unternehmensbelange die Rede ist); BGH v. 5.6.1975 BGHZ 64, 325, 331; BGH v. 25.2.1982 BGHZ 83,106, 120 und 121; BGH v. 25.2.1982 BGHZ 83,144, 149; zur Austauschbarkeit der Begriffe Gesellschaft und Unternehmen im Mitbestimmungsurteil des BVerfG siehe nur Rittner, JZ 1979, 743, 744; generell zur eingeschränkten Bedeutung der richterlichen Begriffsverwendung Schmidt-Leithoff, Verantwortung, S. 57ff. 361 Siehe zur diesbezüglichen Kritik Schmidt-Leithoff, Verantwortung, S. 65ff.; A. Großmann, Unternehmensziele, S. 98 ff. und Ziemons, Haftung, S. 84f.; vgl. auch die Kritik von Wiethölter, Interessen, S. 41; Mestmäcker, Verwaltung, S. 14f. und Immenga, Aktiengesellschaft, S. 12f. an der Lehre vom Unternehmen „an sich". 362 So auch etwa Schmidt-Leithoff, Verantwortung, S. 130 ff.; v. Nell-Breuning, FS Kronstein, S. 50; Jürgenmeyer, Unternehmensinteresse, S. 172 f.; a.A. Raiser, Unternehmen, S. 166ff.; weitere Nachweise bei K. Schmidt, OHG, S. 92ff.; vgl. dazu auch die im Zusammenhang mit der Auseinandersetzung um die vermeintliche Lehre vom „Unternehmen an sich" aufgestellte Behauptung eines Eigeninteresses des Unternehmens Rathenau, Aktienwesen, S. 23, 27 und 41 ff.; Haussmann, Aktienwesen, S. 27ff., 52 und 55 sowie Geiler, FS Heymann Bd. 1, S. 173, 182f.; zur Geschichte des Begriffs vom Unternehmen „an sich" eingehend Riechers, Das „Unternehmen an sich", Tübingen 1996.
5 1 Gemeinschaft
von Unternehmergesellschafter
und Gesellschaft
189
Interessen 3 6 3 oder als mit dem Interesse der Gesellschafter 3 6 4 , des U n t e r n e h mensträgers 3 6 5 , der Unternehmensleiter 3 6 6 bzw. der Allgemeinheit 3 6 7 identisch angesehen. D a r ü b e r hinaus sprechen die Schwierigkeiten, das Unternehmensinteresse inhaltlich näher zu bestimmen, gegen seine rechtliche A n e r k e n n u n g . N i c h t selten w i r d das Unternehmensinteresse normativ als das Interesse des U n t e r nehmens an seinem eigenen Bestand sowie an einer rentablen, harmonisierten und optimal an veränderte Bedingungen angepaßten Z w e c k v e r f o l g u n g definiert 368 . A l s solches setzt sich das Unternehmensinteresse dann aber zumindest in W i d e r s p r u c h z u m Wettbewerbsprinzip der Wirtschaftsordnung, dem der Bestandsschutz eines U n t e r n e h m e n s f r e m d ist 369 , w e n n es nicht überhaupt als v e r s c h w o m m e n e Wertkategorie den verschiedenen öffentlichen Interessen 370 , den Mitbestimmungsinteressen der Arbeitnehmer 3 7 1 oder einem M a c h t z u w a c h s des Managements 3 7 2 dienstbar gemacht w e r d e n soll und damit dem geltenden Gesellschaftsrecht widerspricht, das die privatautonome Bestimmung der Unternehmensziele in den G r e n z e n des zwingenden Gesetzesrechts einschließlich der Mitbestimmungsregelungen den Gesellschaftern zuweist 3 7 3 .
363 Schilling, FS Geßler, S. 1 5 9 , 1 6 9 ; J u n g e , FS v. Caemmerer, S. 547, 553; Ziemons, Haftung, S. 86; krit. Flame, BGB-AT 1/2, S. 58. 364 Immenga, Aktiengesellschaft, S. 13; Haussmann, Aktienwesen, S. 52 f.; zur grundsätzlichen Deckungsgleicheit der Interessen des Kleinunternehmens und der Mitunternehmer sowie der Interessen der Aktiengesellschaft und der Daueranleger auch Rathenau, Aktienwesen, S. 23 bzw. 27; krit. Jürgenmeyer, Unternehmensinteresse, S. 61 f. 365 Schmidt-Leithoff, Verantwortung, S. 45 ff. und 152; mit Einschränkungen aufgrund der Berücksichtigung eines „anstaltlichen Elements" des Unternehmensträgers auch Jürgenmeyer, Unternehmensinteresse, S. 166ff. und 193ff.; lediglich für die Aktiengesellschaft Flume, BGBAT 1/2, S. 59; krit. Zöllner, Stimmrechtsmacht, S. 73 f. 366 Boettcher u.a., Unternehmensverfassung („Sechser-Bericht"), S. 21. 367 Für eine Beschränkung des Unternehmensinteresses auf die Unternehmensinteressen der Allgemeinheit Zöllner, Stimmrechtsmacht, S. 77ff. 368 Rathenau, Aktienwesen, S. 55; Mertens, ZGR 1977, 270, 276f.-, Junge, FS v. Caemmerer, S. 547, 554 ff.; Flume, BGB-AT 1/2, S. 58; Dreher, ZHR 155 (1991), 349, 363; referierend BMJ (Hrsg.), Bericht der Unternehmensrechtskommission, Rn. 139f.; den prozeduralen Aspekt des Interessenausgleichs betonen besonders Brinkmann, Unternehmensinteresse, S. 216 ff. und Teubner, ZHR 149 (1985), 470, 483f.; vgl. dazu auch die von Raiser, Unternehmen, S. 105ff. benannten vier Aufgaben des Unternehmens: Zielverwirklichung, Integration, Anpassung und Selbsterhaltung. 369 v. Caemmerer, in: Frankfurter Publizitätsgespräch, S. 164; Ziemons, Haftung, S. 84. 370 Rathenau, Aktienwesen, S. 38ff.; Geiler, FS Heymann Bd. 1, S. 173, 182f.; Zöllner, Stimmrechtsmacht, S. 77ff.; BMJ (Hrsg.), Bericht der Unternehmensrechtskommission, Rn. 136. 371 BMJ (Hrsg.), Bericht der Unternehmensrechtskommission, Rn. 143 f. 372 Boettcher u.a., Unternehmensverfassung („Sechser-Bericht"), S. 20ff.; vgl. auch Rathenau, Aktienwesen, S. 41 f.; Haussmann, Aktienwesen, S. 52f. 373 Vgl. dazu auch die Allg. Begründung zum RegE AktG 1965 bei K r o p f f , Aktiengesellschaft, S. 14 f. sowie die Kritik von Mestmäkker, Verwaltung, S. 14 f.; Wiethölter, Interessen,
190
2. Kapitel: Die Sonderstellung des
Unternehmergesellschafters
Fraglich wäre schließlich die F u n k t i o n eines etwaigen U n t e r n e h m e n s i n t e r esses. Z w a r wird i h m i m m e r wieder eine B e d e u t u n g als M a ß s t a b für das Verhalten v o n Gesellschaftsorganen 3 7 4 und als L e i t m a x i m e für den G e s e t z g e b e r beim S c h u t z des U n t e r n e h m e n s v o r b e s t i m m t e n Einzelinteressen 3 7 5 zugeschrieben, d o c h k ö n n t e es insoweit o h n e weiteres durch das Gesellschaftsinteresse bzw. die ehrlichere B e n e n n u n g der v o m G e s e t z g e b e r zu schützenden öffentlichen o d e r privaten Einzelinteressen ersetzt w e r d e n . A u c h eine B i n dung der Gesellschafter an das U n t e r n e h m e n s i n t e r e s s e erschiene in h ö c h s t e m M a ß e fragwürdig 3 7 6 , da die Gesellschafter ausschließlich zur gemeinsamen Verfolgung des Gesellschaftszwecks sowie zur Treue gegenüber der Gesellschaft und ihren Mitgesellschaftern, nicht j e d o c h zur R ü c k s i c h t n a h m e auf ein unabhängig v o n der Betreibergesellschaft (und damit letztlich im wesentlichen v o n ihnen selbst) definiertes U n t e r n e h m e n s i n t e r e s s e verpflichtet sind.
II. Die Gesellschaftsbezogenheit der Interessen des Unternehmergesellschafters D i e enge V e r k n ü p f u n g des Gesellschaftsinteresses mit den Interessen des Unternehmergesellschafters beruht z u m einen auf der M a c h t des U n t e r n e h mergesellschafters, im R a h m e n des z w i n g e n d e n G e s e t z e s r e c h t s und unter etwaiger R ü c k s i c h t n a h m e auf seine Mitgesellschafter ü b e r das Gesellschaftsinteresse zumindest m i t z u b e s t i m m e n . Z u m anderen besteht nicht nur eine tatsächliche, s o n d e r n auch eine besondere rechtliche B i n d u n g des U n t e r n e h m e r gesellschafters an das Gesellschaftsinteresse. Sofern man entgegen der hier vertretenen A n s i c h t z u d e m ein Interesse des U n t e r n e h m e n s „an s i c h " aner-
S. 41; Ballerstedt, Kapital, S. 39 und Immenga, Aktiengesellschaft, S. 12 f. an der Lehre vom Unternehmen „an sich"; für die Personengesellschaften und die GmbH auch Flume, B G B - A T 1/2, S. 61 f.; krit. zur Absonderung des Unternehmensinteresses vom Gesellschaftsinteresse bzw. zur Bestimmung des Unternehmensinteresses durch die Gesellschaftsorgane auch Schmidt-Leithoff, Verantwortung, S. 45ff. bzw. 99ff. 374 So namentlich für die Mitglieder des Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft B G H v. 5. 6. 1975 B G H Z 64, 325ff.; Raiser, Kapitalgesellschaften, § 15 Rn. 121; für Vorstand und Aufsichtsrat der A G Dreher, Z H R 155 (1991), 349, 362ff.; genereller BMJ (Hrsg.), Bericht der Unternehmensrechtskommission, Rn. 138 und 201 ff.; für eine eigene drittelparitätische Vertretung des Unternehmensinteresses im Aufsichtsrat sogar Schilling, FS Geßler, S. 159, 165 f.; allgemein krit. A. Großmann, Unternehmensziele, S. 125 ff. 375 BMJ (Hrsg.), Bericht der Unternehmensrechtskommission, Rn. 134; Junge, FS v. Caemmerer, S. 547, 548. 376 So aber Rathenau, Aktienwesen, S. 27ff. (Bindung des Gelegenheitsaktionärs); referierend BMJ (Hrsg.), Bericht der Unternehmensrechtskommission, Rn. 209 (Bindung des Großaktionärs); differenzierend zwischen AG (dort Bindung an das mit dem Gesellschaftsinteresse gleichgesetzte Unternehmensinteresse) und dem Einzelkaufmann, den Personengesellschaften und der GmbH (dort Verfügung des Einzelkaufmanns bzw. der Gesellschafter als Gruppe über das Unternehmensinteresse) Flume, B G B - A T 1/2, S. 59 und 61 f.
§1
Gemeinschaft
von Unternehmergesellschafter
und Gesellschaft
191
kennen möchte, würde Vergleichbares auch für die Beziehungen des Unternehmergesellschafters zu diesem Unternehmensinteresse gelten 377 .
1. Die Bestimmung des Gesellschaftsinteresses durch den Unternehmergesellschafter Es wurde bereits dargelegt, daß das Gesellschaftsinteresse nur von den tatsächlichen Interessen der Gesellschafter her bestimmt werden kann. Als Alleingesellschafter ist der Unternehmergesellschafter daher dazu befugt, über das Gesellschaftsinteresse im Rahmen des zwingenden Rechts frei zu verfügen 378 . Als Gründungsgesellschafter einer mehrgliedrigen Gesellschaft kann er durch seine Mitwirkung am Abschluß des Gesellschaftsvertrags bzw. an der Feststellung der Satzung das anfängliche Gesellschaftsinteresse durch die Festlegung des überindividuellen Gesellschaftszwecks und des nach zutreffender Ansicht seiner Konkretisierung und Verwirklichung dienenden Unternehmensgegenstands mitbestimmen 379 . Sofern er allein oder zusammen mit anderen eine zur Vertrags- bzw. Satzungsänderung berechtigende Mehrheit besitzt, kann er darüber hinaus auch über den weiteren Inhalt des Gesellschaftsinteresses verfügen, sofern es hierzu nicht wie bei den Kapitalgesellschaften zur Änderung des Gesellschaftszwecks (§ 33 Abs. 1 S. 2 BGB) und bei den Personengesellschaften nach dem gesetzlichen Normalstatut der Zustimmung aller Gesellschafter bedarf. Als lediglich einfach bestimmungsmächtiger Gesellschafter kann er im Rahmen seiner Bindung an das zwingende Recht und die gesellschaftszweckbezogenen Interessen der Mitgesellschafter über die Maßnahmen zur Umsetzung und damit zur Konkretisierung des Gesellschaftsinteresses etwa durch die strategische Ausrichtung der Gesellschaft als Unternehmensträgerin am Markt entscheiden. Schließlich ist ihm auch als maßgeblicher Minderheitsgesellschafter und insbesondere als In377 Siehe zum grundsätzlichen Gleichklang des Unternehmensinteresses mit den Interessen des Unternehmergesellschafters Rathenau, Aktienwesen, S. 23 (Mitunternehmer) und 27 (langfristiger Anleger) sowie Haussmann, Aktienwesen, S. 52 f.; zur Identität der Interessen der Gründungsgesellschafter mit dem Unternehmensinteresse in der Gründungsphase siehe BMJ (Hrsg.), Bericht der Unternehmensrechtskommission, Rn. 158; vgl. dazu auch SchmidtLeithoff Verantwortung, S. 327, der von einem Gleichklang des Unternehmensgeschehens mit den Interessen eines bestimmungsmächtigen Anteilseigners spricht und daher von einer geringeren Bedeutung der aus Art. 14 Abs. 2 G G abgeleiteten und zunächst für das Verhalten der Gesellschaft als Unternehmensträgerin geltenden Richtlinienbestimmung gegenüber diesem Gesellschaftertyp ausgeht. 378 Siehe 2. Kap § 1 C I 2b. 379 Zur Bedeutung des Gesellschaftszwecks für das Interesse der mehrgliedrigen Gesellschaft siehe 2. Kap. § 1 C II 2b; zum Verhältnis zwischen Gesellschaftszweck und Unternehmensgegenstand siehe nur Scholz/Emmerich, § 1 Rn. 2; Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. 1, S. 155 und Dreher, Z H R 155 (1991), 349, 357 (Zweck-Mittel-Verhältnis) sowie Hachenburg/ Ulmer, § 1 Rn. 9 und KK/Zöllner, § 179 Rn. 18 (Unterscheidung zwischen einem Gesellschaftszweck i.e.S. und einem den Unternehmensgegenstand umfassenden Zweck i.w.S.).
192
2. Kapitel: Die Sonderstellung des
Unternehmergesellschafters
haber einer Sperrminorität eine nicht unerhebliche Einflußnahme auf die konkrete Verfolgung des Gesellschaftsinteresses möglich 380 .
2. Die tatsächliche
Interessenverknüpfung
Nicht nur in der Einpersonengesellschaft decken sich die Interessen des Gesellschafters mit denjenigen der Gesellschaft. Auch in der mehrgliedrigen Gesellschaft erweisen sich die bereits dargestellten typischen Interessen eines Unternehmergesellschafters 381 als weitgehend identisch mit denjenigen der Gesellschaft, die in diesem Fall durch die schutzwürdigen und auf die gemeinsame Förderung des Gesellschaftszwecks bezogenen Interessen der Mitgesellschafter bestimmt werden. Zum einen ist nämlich der Unternehmergesellschafter mit dem Schicksal der Gesellschaft eng verbunden und kann seine eigenen Interessen jedenfalls langfristig zumeist am besten fördern, indem er dem Wohl der Gesellschaft dient 382 . Zum anderen haben auch die Mitgesellschafter und insbesondere die Anlagegesellschafter ein Interesse am langfristigen Wohlergehen der Gesellschaft, am Schutz der Gesellschaft vor überzogenen oder unberechtigten Ansprüchen Dritter sowie an der produktiven Entfaltung der Unternehmerinitiative bzw. einer effektiven Kontrolle der Unternehmensleitung von Seiten des Unternehmergesellschafters.
3. Die rechtliche
Interessenverknüpfung
Obwohl der beschriebene grundsätzliche und zumindest auf lange Sicht gegebene tatsächliche Interessengleichklang auf der einen Seite das Risiko der Verfolgung gesellschaftsfremder Interessen bei einem Unternehmergesellschafter mindert 383 , besteht andererseits auch die erhöhte Gefahr, daß ein solcher Gesellschafter seinen Einfluß kurzfristig zur Verfolgung von Sondervorteilen mißbraucht 384 . Auch gefühlsmäßig liegt es für den Unternehmergesellschafter nahe, die Betriebsmittel der Gesellschaft als seine Verfügungsmasse zu betrachten und sie teilweise unbedacht auch für seine privaten Zwecke einzusetzen. Schließlich kann das Interesse eines Unternehmergesellschafters,
380 Siehe dazu etwa den Fall BGH v. 20.3.1995 BGHZ 129,136ff. (faktische Herbeiführung von Auflösung und Liquidation der Gesellschaft durch Ablehnung eines Sanierungsvorschlags). 381 Dazu 2. Kap. § 1 C I 1. 382 So ausdrücklich BGH v. 9.12.1968 BGHZ 51, 209, 216. 383 BGH v. 9.12.1968 BGHZ 51, 209, 216; für die Mitunternehmergemeinschaft auch Rathenau, Aktienwesen, S. 23; Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. 1, S. 120 und Schmidt-Leithoff, Verantwortung, S. 153. 384 So für die Familiengesellschaft auch Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. 1, S. 120; näher zur Problematik im Zusammenhang mit der Treuepflicht des Unternehmergesellschafters 2. Kap. § 2 B V.
51
Gemeinschaft von Unternehmergesellschafter
und Gesellschaft
193
seine gesellschaftsrechtliche M a c h t p o s i t i o n zu sichern oder auszubauen, mit den gesellschaftszweckbezogenen Interessen der Mitgesellschafter und damit dem Gesellschaftsinteresse kollidieren. S o wurde auch etwa v o n der U n t e r n e h m e n s r e c h t s k o m m i s s i o n der Fall diskutiert, daß das v o n ihr unterstellte I n teresse des U n t e r n e h m e n s an seinem Bestand und W a c h s t u m eine Kapitalerh ö h u n g erfordern k ö n n e , die d e m Interesse eines g r o ß e n Anteilseigners z u w i derliefe, w e n n dieser sein G e l d lieber woanders investieren wolle bzw. (so wäre zu ergänzen) nicht ü b e r die zur A u f r e c h t e r h a l t u n g seiner K a p i t a l q u o t e erforderlichen M i t t e l verfügen würde 3 8 5 . I n diesen Fällen eines Interessenkonflikts sorgt die gesteigerte Treuepflicht des Unternehmergesellschafters gegenüber der mehrgliedrigen Gesellschaft, deren R e c h t f e r t i g u n g und R e i c h w e i t e n o c h näher darzulegen sein wird 3 8 6 , für eine im Einzelfall durch berechtigte Schutzinteressen der Mitgesellschafter zu rechtfertigende rechtliche B i n d u n g des Gesellschafterinteresses an das G e s e l l schaftsinteresse, das in der b e s t m ö g l i c h e n gemeinsamen Verwirklichung des Gesellschaftszwecks besteht 3 8 7 . A u c h w e n n es sich hierbei nicht u m einen tatsächlich bestehenden, sondern n u r u m einen durch d r o h e n d e Schadensersatzansprüche e r z w u n g e n e n Interessengleichklang handelt, ist dieser gleichwohl rechtlich zu beachten 3 8 8 .
D. Die Gemeinschaft von Privat- und
Gesellschaftssphäre
D i e h e r k ö m m l i c h e T r e n n u n g v o n Privat- und Gesellschaftssphäre wird bei u n t e r n e h m e r i s c h e r Gesellschaftsbeteiligung in beiden R i c h t u n g e n d u r c h b r o chen. D i e enge Verbindung der Gesellschaft mit der hinter ihr stehenden U n t e r n e h m e r p e r s ö n l i c h k e i t , die insbesondere durch eine auch rechtlich relevante G e m e i n s c h a f t der R e p u t a t i o n und der wirtschaftlichen D a t e n g e k e n n zeichnet ist, führt zu vielfältigen R ü c k w i r k u n g e n der Gesellschaftssphäre auf die Privatsphäre des Unternehmergesellschafters und u m g e k e h r t .
BMJ (Hrsg.), Bericht der Unternehmensrechtskommission, Rn. 139. Dazu 2. Kap. § 2. 387 Dazu bereits für die Stimmrechtsausübung v. Gierke, Genossenschaftstheorie, S. 261 und RG v. 20.10.1923 RGZ 107, 202, 204f.; ferner K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 4 I 2b und II 1; Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. 1, S. 10f.; Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 138ff.; krit. zur Rolle des unbestimmten Gesellschaftszwecks bei der Kontrolle des Großaktionärs C. Ott, Unternehmenskorporation, S. 160f. 388 Dies gilt insbesondere für die Identifikation wegen Interesseneinheit (dazu näher 6. Kap. § 2 B I). 385 386
194
2. Kapitel:
Die Sonderstellung
des
Unternehmergesellschafters
I. Die Ausstrahlung der Gesellschaftssphäre auf die des Unternehmergesellschafters
Privatsphäre
D i e vielfach als möglich erachtete strikte Trennung der Gesellschafts- bzw. Unternehmenssphäre von der Privatsphäre der Gesellschafter 3 8 9 läßt sich bei Beteiligung eines Unternehmergesellschafters nicht aufrechterhalten. Das durch Unternehmerinitiative und Unternehmerrisiko gekennzeichnete Engagement eines Unternehmergesellschafters bedingt einen engen Bezug der U n ternehmenssphäre zur Privatsphäre des Gesellschafters. In vielen Fällen sind hier bei der Angabe von Unternehmensdaten nicht nur anonyme Kapitalinteressen und die informationelle Selbstbestimmung über wirtschaftliche D a ten betroffen, sondern auch die Persönlichkeit des beruflich und finanziell besonders engagierten und die Gesellschaft personifizierenden Gesellschafters 390 . Dies gilt gerade für das mittelständisch kleinstädtische Milieu 391 . So zeitigt insbesondere die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft R ü c k w i r k u n gen auf die private Vermögenssituation und den wirtschaftlichen R u f des Unternehmergesellschafters 3 9 2 . D i e Reputation der Gesellschaft bzw. des U n ternehmens in der Öffentlichkeit ist ebenfalls nicht ohne Einfluß auf den persönlichen R u f der dahinter stehenden Unternehmerpersönlichkeit 3 9 3 . Nicht selten wird auch der bürgerliche N a m e des Unternehmergesellschafters zum Bestandteil der Gesellschaftsfirma erhoben und hat dann Anteil an deren eventueller Verunglimpfung bzw. unzulässiger Ausbeutung 3 9 4 . Das Scheitern als (wenn auch gesellschaftsgebundener) Unternehmer mag sich schließlich beim Aufbau einer neuen unternehmerischen Existenz etwa ungünstig auf die gewerberechtliche Zuverlässigkeitsprüfung oder eine Kreditvergabe auswirken. D i e enge Verknüpfung von Gesellschafts- und Privatsphäre ist dabei ein Charakteristikum der unternehmerischen Gesellschaftsbeteiligung von na-
389 Wimmer, Bilanzpublizität, S. 21 f.; Kunze, FS Gleitze, S. 385, 388f.; Siekmann, FS Friauf, S. 647, 662 f. 390 Siehe dazu auch 2. Kap. § 3 A IV sowie für die Gesellschafter kleiner und mittlerer GmbHs Friauf, G m b H R 1985, 245, 252f.; ders., G m b H R 1991, 397, 407 und Weimar/Reeh, D B 1988, 1637; speziell für den Datenschutz Zöllner, Z H R 149 (1985), 179, 182f. und Gola/ Schomerus, B D S G § 3 Nr. 2.9; angesichts der zahlreichen rechtlichen und wirtschaftlichen Beziehungen wird dies für diesen Gesellschaftertyp auch eingeräumt von Druey, Geheimsphäre, S. 165 f. mit Fn. 95. 391 Delp, Publizitätspflicht, S. 129; Meilicke, D B 1986, 2445. 392 Zur Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Wertschätzung eines maßgeblichen Gesellschafters bei Schädigung des Kredits einer Gesellschaft B G H v. 26.10.1953 N J W 1954, 72. 3,3 Zur möglichen Betroffenheit des Inhabers eines Bankhauses bei rufschädigender Nennung von deren Firma in einem Zeitungsartikel B G H v. 24.10.1961 B G H Z 36, 77, 83; zum Durchschlagen der gegen eine O H G unter ihrer Firma gerichteten beleidigenden Äußerung auf die Gesellschafter R G v. 12.5.1919 R G Z 95, 339, 341. 394 Siehe dazu etwa den Fall B G H v. 26.6.1981 B G H Z 81, 75ff.
§1
Gemeinschaft
von Unternehmergesellschafter
und Gesellschaft
195
türlichen Personen allgemein. Sie kann nicht auf persönlich haftende Gesellschafter eingegrenzt werden 395 , da sie nicht allein auf der Möglichkeit einer Haftung des Privatvermögens, sondern auf der durch Unternehmerinitiative und Unternehmerrisiko geschaffenen beruflichen und vermögensmäßigen Verbindung des Gesellschafters zur Gesellschaft insgesamt beruht. Außerdem ist zu berücksichtigen, daß eine persönliche Haftung von unternehmerisch engagierten Kommanditisten oder Kapitalgesellschaftern in Einzelfällen durchaus möglich ist 396 . Die rechtliche Anerkennung der faktischen Verbindungen zwischen Gesellschafts- und Privatsphäre kann auch nicht auf Personengesellschaften mit dem Argument beschränkt werden, daß die Trennung von Privat- und Geschäftssphäre die Grundlage der Organisation gerade der Kapitalgesellschaften bilde 397 . Denn dort, wo diese Trennung nur unvollkommen gelingt und aufgrund der stets gegebenen Bezüge zwischen Gesellschaft und personalem Substrat auch gar nicht gelingen kann, darf das tatsächliche Durchschlagen von Unternehmensdaten auf die Privatsphäre der unternehmerisch engagierten Gesellschafter rechtlich nicht unberücksichtigt bleiben. Die Tatsache, daß sich ein Unternehmergesellschafter für die Gründung einer Kapitalgesellschaft entschieden hat und sich dennoch auf sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung über gewisse auf ihn durchschlagende Daten der rechtlich verselbständigten Gesellschaft beruft, kann daher nicht etwa als ein venire contra factum proprium gewertet werden. Die von dem betroffenen unternehmerisch engagierten Gesellschafter (mit)bestimmte Organisationsstruktur der Gesellschaft gewinnt lediglich insoweit eine Bedeutung, als etwa aufgrund erhöhter Publizitätsbedürfnisse weitreichendere Einschränkungen des durch die Veröffentlichung von Gesellschaftsdaten berührten Grundrechts aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 G G gerechtfertigt werden können 398 . Gegen die Annahme eines Bezuges von Gesellschaftsdaten auf die hinter der Gesellschaft stehenden Unternehmergesellschafter kann schließlich nicht eingewendet werden, daß diese Daten dann vielfach auch einen Bezug zu den Mitgliedern der Leitungsorgane aufweisen würden, da man diesen z.B. wirtschaftliche Mißerfolge mindestens ebenso anrechnen könne wie den einflußreichen Gesellschaftern. Sollte dies der Fall sein, stünde vielmehr der Bezug
3,5 Für eine Ausdehnung auf die Gesellschafter personalistisch strukturierter GmbH auch BGH v. 17.12.1985 ZIP 1986, 220; LG Bonn v. 22.11.1983 ZIP 1984, 182, 183; Zöllner, ZHR 149 (1985), 179,182f. und Gola/Schomerus, BDSG § 3 Nr. 2.9; a.A. jedoch Wimmer, Bilanzpublizität, S. 21 f. und Dammann, in: Simitis u.a. BDSG § 3 Rn. 43; auch Taeger, Offenbarung, S. 55 f. spricht davon, daß das „Unternehmerpersönlichkeitsrecht" nur noch in einem Teil der Personengesellschaften zum Tragen komme. 396 Dazu näher 4. Kap. § 2 B; auf die Möglichkeit des Haftungsdurchgriffs weist auch Zöllner, ZHR 149 (1985), 179, 183 mit Fn. 15 hin. 3.7 So aber Wimmer, Bilanzpublizität, S. 22. 3.8 Dazu näher 2. Kap. § 3 A IV.
196
2. Kapitel: Die Sonderstellung des
Unternehmergesellschafters
zu einzelnen Gesellschaftern einem B e z u g zu den Mitgliedern der G e s c h ä f t s leitung nicht entgegen und umgekehrt 3 9 9 .
II. Die Ausstrahlung der Privatsphäre des Unternehmergesellschafters auf die Gesellschaftssphäre A u f g r u n d der B e d e u t u n g seiner A r b e i t s k r a f t für die Gesellschaft sowie der Identifikation seiner P e r s ö n l i c h k e i t mit der Gesellschaft und den P r o d u k t e n ihres U n t e r n e h m e n s ist andererseits aber auch die Privatsphäre eines U n t e r nehmergesellschafters nicht o h n e B e d e u t u n g für die Gesellschaft 4 0 0 . Wegen k o n k r e t e r A u s w i r k u n g e n auf die Gesellschaft mag sich der A u s k u n f t s a n spruch der Mitgesellschafter in b e s t i m m t e n Fällen auch einmal auf die persönlichen Angelegenheiten eines u n t e r n e h m e r i s c h engagierten Gesellschafters erstrecken, sofern hiermit kein unverhältnismäßiger E i n g r i f f in das P e r sönlichkeitsrecht des Gesellschafters v e r b u n d e n ist 401 . D e r U n t e r n e h m e r g e sellschafter kann z u d e m seinerseits aufgrund organ- bzw. mitgliedschaftlicher Treuepflichten zur Weitergabe privat erlangten gesellschaftsrelevanten W i s sens an die Gesellschaft verpflichtet sein 4 0 2 . D i e Gesellschaft kann
sich
schließlich mit einem eigenen Unterlassungsanspruch gegen die H e r a b w ü r d i gung ihres Unternehmergesellschafters w e h r e n , sofern hiervon auch ihre eigene Tätigkeit und damit ihr eigener G e l t u n g s a n s p r u c h betroffen ist 403 . B e s o n d e r e H e r v o r h e b u n g verdient in diesem Z u s a m m e n h a n g z u d e m der U m s t a n d , daß der U n t e r n e h m e r g e s e l l s c h a f t e r aufgrund seiner Sonderstellung in der Gesellschaft auf deren Belange auch im Privatleben angemessene R ü c k sicht zu n e h m e n hat und daher zusätzlichen Unterlassungspflichten u n t e r liegt. Z u n e n n e n sind hier die für diesen Gesellschaftertyp bestehenden gesetzlichen, richterrechtlichen und vertraglichen W e t t b e w e r b s v e r b o t e sowie das V e r b o t einer A u s n u t z u n g v o n der Gesellschaft zugeordneten G e s c h ä f t s chancen 4 0 4 . A u ß e r d e m kann auch ein nicht im Z u s a m m e n h a n g mit der G e s e l l 3,9 Ein Problem der Zurechnungskonkurrenz sieht aber offenbar Wimmer, Bilanzpublizität, S. 22. 400 Für die typische Personengesellschaft spricht Angerer, Schranken, S. 15, sogar (untechnisch) von den persönlichen Eigenschaften und Umständen eines Gesellschafters als der Geschäftsgrundlage der Gesellschaft. 401 Zum Auskunftsanspruch über persönliche Angelegenheiten eines Großaktionärs siehe Eckardt, in: Geßler/Hefermehl § 131 Rn. 48; für die (personalistische) GmbH Tietze, Informationsrechte, S. 12f. und Grunewald, ZHR 146 (1982), 211, 214f.; zu den Grenzen des Auskunftsanspruchs 2. Kap. § 3 A IV 2b cc. 402 Zu Kommunikationspflichten des Unternehmergesellschafters siehe näher 5. Kap. § 2 B V 2. 403 BGH v. 3.6.1975 NJW 1975, 1882, 1883 (Herabwürdigung zweier persönlich haftender Gesellschafter in einem Theaterstück); BGH v. 8.7.1980 BGHZ 78, 24, 26f. (rufschädigender Angriff auf persönlich haftenden Gesellschafter). 404 Siehe dazu näher 2. Kap. § 2 B I und II.
52
Treuepflicht des
Unternehmergesellschafters
197
schaftstätigkeit stehendes privates Verhalten, das den Ruf der Gesellschaft schädigt405 oder die Vertrauensgrundlage zwischen den Gesellschaftern in einer personalistisch strukturierten Gesellschaft zerstört 406 , einen wichtigen Grund für den Ausschluß des Unternehmergesellschafters darstellen. Sofern der Unternehmergesellschafter als Mitglied des Leitungsorgans oder sonst aufgrund Vertrages zur Einbringung seiner vollen Arbeitskraft verpflichtet ist, wird man angesichts des berechtigten Interesses der Gesellschaft und der (organschaftlichen) Treuepflicht des Gesellschafters schließlich auch erhöhte Anforderungen an die Sittenwidrigkeit von vertraglich vereinbarten und den Privatbereich betreffenden Unterlassungspflichten stellen, wie dies beispielsweise bei Wettbewerbsverboten 407 , Verboten betreffend die Ausübung ehrenamtlicher Tätigkeiten bzw. gefährlicher Sportarten 408 oder bei Zölibatsklauseln409 der Fall sein kann.
§ 2 Die Treuepflicht des Unternehmergesellschafters Aus der Mitgliedschaft in der Gesellschaft ergeben sich für jeden Gesellschafter unabhängig von der Gesellschaftsform eine Reihe von Verhaltenspflichten, die unter dem Begriff der Treuepflicht zusammengefaßt werden 410 . Im folgenden Abschnitt wird dargelegt, daß die Stellung als Unternehmergesellschafter eine besondere Grundlegung und Ausprägung dieser Treuepflicht mit verschiedenen rechtlichen Konsequenzen bedingt.
405 Dazu obiter B G H v. 30.11.1951 BGHZ 4,108, 114; näher Mayer-Maly, JurBl 1966, 505, 511 und passim. 406 BGH v. 9.11.1972 WM 1973, 11 f. (Ehebruch eines Kommanditisten gegenüber der Tochter des persönlich haftenden Gesellschafters einer Familiengesellschaft); BGH v. 30.11.1951 BGHZ 4, 108, 114 (offengelassen für die ehewidrigen Beziehungen eines O H G Gesellschafters zu seiner Schwägerin); näher Lindacher, NJW 1973, 1169 ff.; Mayer-Maly, JurBl 1966, 505 ff. 407 Dazu 2. Kap. § 2 B I 4. 408 Mayer-Maly, JurBl 1966, 505, 509f.; vgl. zur Diskussion um die gesetzliche Pflicht eines Leitungsorgans zur Einbringung und Erhaltung der Arbeitskraft auch Scholz/ U.H. Schneider, § 43 Rn. 155; KK/Mertens, § 93 Rn. 58 und Großkomm.AktG/Hopt, § 93 Rn. 157. 409 Zu deren grundsätzlicher Unzulässigkeit Angerer, Schranken, S. 99ff.; Mayer-Maly, JurBl 1966, 505, 509 f. 410 Siehe dazu nur BGH v. 5.6.1975 BGHZ 65, 15, 18f.; B G H v. 1.2.1988 BGHZ 103, 184, 194f.; Lutter, AcP 180 (1980), 84, 97ff. und 102ff.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 19 III 1; krit. zur Treuepflicht als gesellschaftsformübergreifender Generalklausel allerdings Fiume, BGB-AT 1/2, S. 268ff.; Immenga, 100 Jahre GmbH, S. 189, 208 und Reiner, Fremdsteuerung, S. 155 f.
198
2. Kapitel:
Die Sonderstellung
des
Unternehmergesellschafters
A. Grundlegung der gesteigerten Treuepflicht des Unternehmergesellschafters M i t Recht w i r d die Intensität der Treuepflicht zumeist als abhängig v o n der personalistischen Struktur der Gesellschaft 4 1 1 , der Beteiligung und dem Einf l u ß des Gesellschafters 4 1 2 sowie dem G e w i c h t der b e t r o f f e n e n Interessen der Mitgesellschafter 4 1 3 angesehen. D a m i t f ü h r t die Stellung eines U n t e r n e h m e r gesellschafters zu einer besonderen Rechtfertigung, Funktion und Reichweite der Treuepflicht.
I. Die besondere
Rechtfertigung
der
Treuepflicht
A u f den f o r t d a u e r n d e n Meinungsstreit um die Grundlagen der Treuepflicht braucht an dieser Stelle nicht näher eingegangen zu werden, da die besondere Position eines Unternehmergesellschafters in jedem Fall eine verstärkte Rechtfertigung der Treuepflicht bedingt. Sieht man das mitgliedschaftliche Gemeinschaftsverhältnis und das wechselseitige Vertrauen der Gesellschafter untereinander als U r s p r u n g der Treuepflicht an 414 , w i r k t sich das durch die unternehmerische Beteiligung begründete personalistische Element und das dem allgemein bekannten Unternehmergesellschafter zumindest anfänglich regelmäßig auch persönlich entgegengebrachte Vertrauen auf die Intensität und den U m f a n g der Treuebindungen aus 415 . A u c h f ü r den Fall, 411 Dazu nur BGH v. 5.6.1975 BGHZ 65, 15,18f.; BGH v. 1.2.1988 BGHZ 103, 184, 194f.; Lutter, AcP 180 (1980), 84, 105ff.; M. Winter., Treuebindungen, S. 7 5 f F i l i m a n n , Treuepflichten, S. 54ff.; Immenga, 100 Jahre GmbH, S. 189, 195 und 202ff.; Rümker, ZGR 1988, 494, 513 f.; Häsemeyer, ZHR 160(1996), 109, 113; Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. 1, S. 434. 412 Dazu nur BGH v. 5.6.1975 BGHZ 65, 15, 18f.; Fechner, Treuebindungen, S. 70ff.; Immenga, Kapitalgesellschaft, S. 269f.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 20 IV 2 d; Rümker, ZGR 1988, 494, 513f.; Lutter, AcP 180 (1980), 84, 111 und 126f.; Blaurock, Unterbeteiligung, S. 196; Timm, WM 1991, 481, 483; Wiedemann, FS Heinsius, S. 949, 950 unterscheidet sogar eine gesonderte mehrheitsbezogene Treuepflicht von der allgemeinen mitgliedschaftlichen Treuepflicht; lediglich für eine tatsächlich erhöhte Relevanz der Treuepflicht für den Großaktionär Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 257. 413 Dazu etwa BGH v. 24.4.1954 LM Nr. 8 zu § 105 HGB; Rümker, ZGR 1988, 494, 513f. sowie für die Beschlußkontrolle BGH v. 13.3.1978 BGHZ 71, 40, 44 ff. und Martens, FS R. Fischer, S. 437, 445 f. 414 Dazu nur BGH v. 27.6.1957 BGHZ 25, 47, 53 (KG); BGH v. 5.6.1975 BGHZ 65, 15, 19 (GmbH); M. Winter, Treuebindungen, S. 67ff. (GmbH); Fechner, Treuebindungen, S. 88 (AG); Filbinger, Schranken, S. 104ff. (AG); Filimann, Treuepflichten, S. 70ff. und 88ff. (AG) sowie generell A. Hueck, Treuegedanke, S. 12f.; Lutter, AcP 180 (1980), 84, 121 und K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 19 III 1; krit. BGH v. 1.4.1953 BGHZ 9, 157,163 (fehlendes Gemeinschaftsverhältnis in der GmbH); Henze, FS Kellermann, S. 141, 144 (AG) und Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 227 (AG); zur Differenzierung zwischen „persönlichem" und „abstraktem" Vertrauen siehe nur Zöllner, Stimmrechtsmacht, S. 341 f. und Reul, Gleichbehandlung, S. 257f. 415 Dazu auch Lutter, AcP 180 (1980), 84, 126f.; zur Bedeutung der personalistischen Gesellschaftsstruktur generell nur BGH v. 5.6.1975 BGHZ 65, 15, 19; M. Winter, Treuebindun-
52
Treuepflicht
des
Unternehmergesellschafters
199
daß die Treuepflicht aus der mitgliedschaftlichen Z w e c k f ö r d e r u n g s p f l i c h t abgeleitet wird 4 1 6 , ist durch die N ä h e des Unternehmergesellschafters z u m G e sellschaftszweck und Unternehmensgegenstand 4 1 7 sowie durch etwaige z u sätzliche Beitragsleistungen 4 1 8 eine besondere Fundierung der Treuepflicht gegeben. Werden schließlich der Grundsatz einer K o r r e s p o n d e n z v o n Rechtsmacht und Verantwortung 4 1 9 oder der G e d a n k e einer treuhänderischen Verwaltung des in der Gesellschaft gebundenen Vermögens der Mitgesellschafter 420 z u r Rechtfertigung der Treuepflicht herangezogen, kann auch insoweit auf die dauerhaft herausgehobene V e r a n t w o r t u n g des Unternehmergesellschafters verwiesen werden 4 2 1 .
gen, S. 75 f.; zu dem von Anlagegesellschaftern in den Unternehmergesellschafter gesetzten Vertrauen auch F. Klein, Grundlagen, S. 45. 416 Dazu nur Wieland, Handelsrecht Bd. 2, S. 205; Würdinger, Gesellschaften Bd. 2, S. 13; Zöllner, Stimmrechtsmacht, S. 338; Lütter, AcP 180 (1980), 84, 102ff. 417 Dazu näher 2. Kap. § 1 C II. 418 Siehe etwa zur Bedeutung und Wirkung von Nebenleistungspflichten in der GmbH Martens, Mehrheits- und Konzernherrschaft, S. 123 ff.; zur Übernahme von Nebenleistungspflichten und zur Mitarbeit im Gesellschaftsunternehmen näher 1. Kap. § 3 C I 2 bzw. II 2. 419 Zu diesem heute besonders in der Aktiengesellschaft vorherrschenden Ansatz siehe nur BGH v. 5.6.1975 BGHZ 65, 15, 19 (GmbH); BGH v. 20.3.1995 BGHZ 129, 136, 143f. (AG); BGH v. 1.2.1988 BGHZ 103, 184, 195 (AG); Fechner, Treuebindungen, S. 70ff.; M. Winter, Treuebindungen, S. 324f.; Zöllner, Stimmrechtsmacht, S. 341 f. und 350; Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. 1, S. 409 und 431 f.; speziell zum Rücksichtnahmegebot Immenga, Kapitalgesellschaft, S. 274 und Friedewald, Aktiengesellschaft, S. 136; zum Verfassungsauftrag des Minderheitenschutzes durch Treuepflichten siehe Papier, W D S t R L 35 (1977), 55, 93. 420 Dazu etwa RG v. 31.3.1931 RGZ 132, 149,163; Dorpalen, ZHR 102 (1936), 1, 20 (unter Einbeziehung der Treuhänderstellung der Minderheit) sowie in Anlehnung an das amerikanische Recht auch Mestmäcker, Verwaltung, S. 345 und 350ff.; Wiedemann, Minderheitenschutz, S. 4ff. und Immenga, Kapitalgesellschaft, S. 262 und 266ff.; von einem auftragsähnlichen Verhältnis spricht Lamprecht, ZIP 1996, 1372, 1373; siehe zum Treuhandgedanken im Zusammenhang mit der Ausübung von Mehrstimmrechten auch bereits die Anmerkung zum Entwurf eines Gesetzes über Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien von 1930, S. 104 sowie Homburger, in: Reform des Aktienrechts, S. 39f.; krit. zum Treuhandgedanken Fechner, Treuebindungen, S. 50ff., der dann aber ebenfalls die Einwirkungsmöglichkeit auf das Unternehmen und seine Angehörigen als maßgebliche Grundlage der Treuebindung ansieht (S. 73 ff.). 421 Siehe dazu auch Lutter, ZHR 153 (1987), 446, 453 („Beim ersten - der einflußlosen Position des reinen Anlegers - ist man frei, beim zweiten - der wachsenden Möglichkeit von Einflußnahmen - wird man mehr und mehr auch zum Knecht wachsender Rechtspflichten".) und bereits ders., AcP 180 (1980), 84, 111 und 126f.; auch Wiedemann, FS Heinsius, S. 949, 950f. und 960ff. spricht von einer eigenen mehrheitsbezogenen Treuepflicht der dauerhaft die Mehrheit bildenden Gesellschafter; für die Aktiengesellschaft zudem F. Klein, Entwicklungen, S. 46; Müller-Erzbach, Umgestaltung, S. 37; Wiethölter, in: Frankfurter Publizitätsgespräch, S. 41 f.
200
2. Kapitel: Die Sonderstellung
des
Unternebmergesellscbafters
II. Die besonderen Funktionen der Treuepflicht Die gesteigerte Rechtsmacht eines Unternehmergesellschafters bildet auch insofern die Grundlage einer stärker ausgeprägten Treuepflicht als an ihrer Zügelung durch bestimmte Verhaltenspflichten ein besonderes Interesse der Rechtsordnung besteht 422 . Der Begrenzung der von einem Unternehmergesellschafter allein oder im Zusammenwirken mit anderen dauerhaft ausgeübten Leitungsmacht durch die Treuepflicht kommt daher eine gesteigerte Bedeutung zu. Die Richtigkeit von Mehrheitsentscheidungen kann in diesen Fällen zwar regelmäßig auch durch besondere Quoren, die allgemeine Mißbrauchskontrolle und den tatsächlichen Interessengleichklang von Privatgesellschafter und Gesellschaft gewährleistet werden, doch kann der möglichen Verfolgung von Eigeninteressen der Mehrheit zu Lasten der Gesellschaft und der Minderheit verschiedentlich nur unter Rückgriff auf Treuepflichten begegnet werden. So begründet die Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft und den Mitgesellschaftern nicht nur einen flexiblen Schutz gegen den Mißbrauch der Machtstellung des Unternehmergesellschafters zu gesellschaftsfremden Zwecken (§§ 138,242 und 826 BGB sowie § 243 Abs. 2 S. 1 AktG) 434 , sondern in bestimmten Fällen auch eine gesonderte Sachkontrolle des Eingriffs in die Rechte der Minderheit 424 , die am Maßstab der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit vorzunehmen ist425. 422 Dazu auch RG v. 12.10.1940 R G Z 165, 68, 79; B G H v. 1.2.1988 B G H Z 103, 184, 195; Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. 1, S. 409; Timm, W M 1991, 481, 482; zu verfassungsrechtlichen Aspekten des Minderheitenschutzes durch Treuepflichten Papier, W D S t R L 35 (1977), 55, 93. 423 Dazu nur BVerfG v. 7.8.1962 BVerfGE 14, 263,282f.; B G H v. 28.1.1980 B G H Z 76, 352, 353; B G H v. 1.2.1988 B G H Z 103, 184, 190f.; O L G Stuttgart v. 21.12.1993 DB 1994, 205, 206; O L G Düsseldorf v. 9.12.1993 W M 1994, 337, 343; Flume, BGB-AT 1/2, S. 201; v. Falkenbausen, Mehrheitsherrschaft, S. 29. 424 Zur Treuepflicht als der Grundlage der Beschlußkontrolle siehe nur M. Winter, Treuebindungen, S. 147; Immenga, Kapitalgesellschaft, S. 262ff.; Wiedemann, FS Heinsius, S. 949, 960ff.; Filimann, Treuepflichten, S. 157; mit Einschränkungen im Hinblick auf eine teilweise Rechtfertigung der Beschlußkontrolle aus der Bindung der Gesellschafter an den Gesellschaftszweck Zöllner, Stimmrechtsmacht, S. 344ff.; insgesamt krit. Flume, BGB-AT 1/2, S. 211 f. (Bindung der Gesellschafter an den Gesellschaftszweck) und eingehend Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 225ff. (Bindung des Beschlußorgans an den Gesellschaftszweck). 425 Zur Sachkontrolle von bestimmten Mehrheitsbeschlüssen siehe B G H v. 13.3.1978 B G H Z 71, 40, 44ff. (Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit einer Kapitalerhöhung durch Sacheinlagen); B G H v. 16.2.1981 B G H Z 80, 69, 74f. (Erforderlichkeit eines besonderen Sachgrundes für die Befreiung des beherrschenden Gesellschafters von einem Wettbewerbsverbot); B G H v. 9.11.1992 B G H Z 120, 141, 146 (Ausschluß vom Bezug von Genußrechten); für die Möglichkeit einer Sachkontrolle mit unterschiedlichen Einschränkungen auch Lutter, Z G R 1981, 171, 176ff.; Hirte, Bezugsrechtsausschluß, S. 138ff. und 147ff.; Timm, ZGR 1987, 403, 421 ff.; besonders weitgehend Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. 1, S. 435, 445f. und 447f.; ders., Z G R 1980, 147, 156ff.; ders., FS Heinsius, S. 949, 960ff. sowie Martens, FS R. Fischer, S. 437, 445 f.; ablehnend für den Liquidationsbeschluß B G H v. 28.1.1980 B G H Z 76, 352, 353; B G H v. 1.2.1988 B G H Z 103, 184, 190f.
52
Treuepflicht des
Unternehmergesellschafters
201
Neben ihrer die Mehrheitsmacht beschränkenden Funktion erhält aber auch der durch die Treuepflicht gewährleistete Schutz vor der unzulässigen Ausnutzung des in der Gesellschaft erlangten Wissens ein besonderes Gewicht, da ein Unternehmergesellschafter einen ganz anderen Einblick in die Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse der Gesellschaft gewinnt 426 . Von gewisser, wenn auch deutlich geringerer Bedeutung sind schließlich die Auswirkungen der mitgliedschaftlichen Treuepflicht eines Unternehmergesellschafters im Bereich der Unternehmensleitung und -kontrolle sowie der Finanzierungsverantwortung.
III. Der besondere Umfang der Treuepflicht Die besondere Reichweite der Treuepflicht eines Unternehmergesellschafters ist zunächst dadurch gekennzeichnet, daß sie in allen Gesellschaftsformen nicht nur, was heute als unbestritten gelten kann 427 , gegenüber der Gesellschaft 428 , sondern auch gegenüber den Mitgesellschaftern besteht 429 . Einschränkungen, die teilweise für die Treuepflicht gegenüber den Mitgesellschaftern befürwortet werden 430 und eine gewisse Berechtigung bei Anlagegesellschaftern haben mögen 431 , können für einen Unternehmergesellschafter
426
Siehe dazu etwa B G H v. 3.5.1988 B G H Z 104, 246, 252; Weisser, Corporate Opportunities, S. 191 ff.; Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. 1, S. 443 und 735 sowie Blaurock, Unterbeteiligung, S. 197f. 427 Zu anfänglichen Zweifeln im Hinblick auf den persönlichen Charakter der Treue als Gesinnung Fechner, Treuebindungen, S. 24, 26 und 34; siehe demgegenüber aber bereits R G v. 22.1.1935 R G Z 146, 385, 395 und A. Hueck, Treuegedanke, S. 13f. 428 Probleme bereitet lediglich die inhaltliche Konkretisierung der Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft, die sich namentlich in der Diskussion um ein eigenes Gesellschafts- und U n ternehmensinteresse (dazu bereits 2. Kap. § 1 C I 2 und 3) und die Pflichten zur Wahrung der Interessen von Mitgesellschaftern und Dritten zeigen (dazu näher 4. Kap. § 2 A IV 1). 429 Zur Treuepflicht gegenüber den Mitgesellschaftern in der G m b H siehe nur: B G H v. 5.6.1975 B G H Z 65, 15, 18 f.; B G H v. 25.9.1986 B G H Z 98, 276, 279ff.; M. Winter, Treuebindungen, S. 77ff.; Immenga, Kapitalgesellschaft, S. 272ff.; zur Treuepflicht gegenüber den Mitaktionären siehe nur: B G H v. 20.3.1995 B G H Z 129, 136, 142ff.; B G H v. 1.2.1988 B G H Z 103, 184, 194ff.; Dorpalen, Z H R 102 (1936), 1, 27ff.; Fechner, Treuebindungen, S. 88; Wieland, Handelsrecht Bd. 2, S. 243; Heymann, FS Wieland, S. 221, 230f.; Zöllner, Stimmrechtsmacht, S. 350. 430 Siehe dazu für die Mitglieder juristischer Personen Flume, BGB-AT 1/2, S. 268ff.; Ganßmüller, G m b H R 1968, 75, 77; für eine Einschränkung der gesellschafterbezogenen Treuepflicht auf personalistische (Vertrags-)Gesellschaften auch Reuter, G m b H R 1981, 129, 137f.; insgesamt krit. zur Treuepflicht unter Aktionären noch RG v. 21.9.1938 R G Z 158, 248, 254f.; B G H v. 27.10.1955 B G H Z 18, 350, 365; B G H v. 16.2.1976 W M 1976, 449, 450; A. Hueck, Treuegedanke, S. 14 und Ballerstedt, Kapital, S. 155; lediglich terminologisch differenzierend zwischen personalen (Treuepflicht) und körperschaftlichen (Rücksichtspflicht) Gemeinschaften Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. 1, S. 432. 431 Zur fehlenden bzw. eingeschränkten gesellschafterbezogenen Treuepflicht von Kleinaktionären siehe B G H v. 1.2.1988 B G H Z 103, 184, 195f.; Wiedemann, Minderheitenschutz,
202
2. Kapitel:
Die Sonderstellung
des
Unternebmergesellschafters
nicht gerechtfertigt werden 4 3 2 . Angesichts der Bedeutung, die den gesellschaftsbezogenen Interessen der Mitgesellschafter z u d e m f ü r die K o n k r e t i sierung der Treuepflicht eines Gesellschafters gegenüber der Gesellschaft zukommt 4 3 3 , w i r k t sich die gesellschaftsformübergreifende Treuebindung gegenüber den Mitgesellschaftern zugleich auf den U m f a n g der gegenüber der Gesellschaft bestehenden Treuepflichten aus. Die auch in der Kapitalgesellschaft einer Personengesellschaft vergleichbare Bindung der Mitgesellschafter an einen Unternehmergesellschafter ist im übrigen auch der G r u n d f ü r die Schlagkräftigkeit des im A n s c h l u ß an W i e d e m a n n immer wieder bemühten plastischen Arguments, daß der Mitunternehmer einer Personengesellschaft seine Pflichtenstellung einschließlich der d o r t anerkannten Treuepflicht bei der U m w a n d l u n g in eine Kapitalgesellschaft nicht einfach „in der G a r d e r o b e abgeben" könne 4 3 4 . Die besonderen Bindungen zwischen einem Unternehmergesellschafter und seinen Mitgesellschaftern k ö n n e n schließlich in bestimmten Fällen auch dazu führen, daß der Unternehmergesellschafter die Interessen v o n Gesellschaft und Mitgesellschaftern nicht nur im Rahmen der innergesellschaftlichen Z w e c k v e r f o l g u n g , sondern auch im außergesellschaftlichen Bereich wie etwa auf dem Kapitalmarkt 4 3 5 und in seinem Privatbereich 4 3 6 zu w a h r e n hat. S o f e r n dies z u r Erhaltung des wechselseitigen Vertrauens erforderlich ist oder
S. 55; Henze, FS Kellermann, S. 141, 152; Werner, FS Semler, S. 419, 423 f.; Marsch-Barner, ZHR 157 (1993), 172, 174; M. Becker, ZGR 1986, 383, 402 („gewöhnlicher" Aktionär in der Publikums-AG) und MUlbert, Aktiengesellschaft, S. 211 ff. 432 Zur Differenzierung zwischen Klein- und Großaktionär im Hinblick auf die Existenz von gesellschafterbezogenen Treuepflichten in der AG siehe etwa BGH v. 1.2.1988 BGHZ 103, 184, 195; Dreher, ZHR 157 (1993), 150, 156f.; Marsch-Barner, ZHR 157 (1993), 172, 174 und 176; zur Abhängigkeit der gesellschafterbezogenen Treuepflicht vom Maß des Einflusses Mestmäcker, Verwaltung, S. 349f.; zur Bedeutung einer Sperrminorität für die Existenz von Treuepflichten siehe nur Timm, WM 1991, 481, 483; Dreher, ZHR 157 (1993), 150, 157 und Henssler, ZHR 157 (1993), 91, 111 mit Fn. 90. 433 Dazu näher 4. Kap. § 2 A IV lc und B I 1; siehe hier nur M. Winter, Treuebindungen, S. 88 ff. 434 Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. 1, S. 433 f.; dagegen allerdings ausdrücklich Flume, BGB-AT 1/2, S. 269 und Reuter, GmbHR 1981,129, 137f., die auf die Beendigung des persönlichen Vertragsverhältnisses zwischen den Personengesellschaftern durch die Umwandlung abstellen. 435 So für den Großaktionär Lutter, JZ 1976, 225, 229ff.; Reul, Gleichbehandlung, S. 262 (Geltung der Treuepflicht auch im mitgliedschaftlich vermittelten Außenbereich); Schwark, ZGR 1976,271, 301f.; Burgard, AG 1992, 41,47ff.; Filimann, Treuepflichten, S. 187ff.; a.A. allerdings BGH v. 16.2.1976 WM 1976,449, 450; BGH v. 22.6.1992 WM 1992,1812,1818; Großkomm. hVtGlAssmann, Einl. Rn. 261. 436 Siehe dazu etwa den Fall BGH v. 30.11.1951 BGHZ 4, 108, 113f. (Schädigung des Gesellschaftsrufs durch unsittliche persönliche Lebensweise eines OHG-Gesellschafters); vgl. zur besonderen Bedeutung der persönlichen Eigenschaften und Lebensumstände eines Gesellschafters in der Personengesellschaft siehe Angerer, Schranken, S. 15 f.
52
Treuepflicht
des
Unternehmergesellschafters
203
zugleich Interessen der Gesellschaft betroffen sind, muß er unter Umständen sogar auf private Interessen der Mitgesellschafter Rücksicht nehmen 437 .
B. Besondere Ausprägungen der Treuepflicht des Unternehmergesellschafters Zwar läßt sich die Treuepflicht generalklauselartig als Pflicht zur aktiven und passiven Förderung des Gesellschaftszwecks und zur Rücksichtnahme auf die Interessen der Mitgesellschafter umschreiben 438 , doch wird ihre konkrete Bedeutung für die Rechtsstellung eines Unternehmergesellschafters erst im Rahmen der einzelnen aus ihr abgeleiteten Verhaltenspflichten deutlich.
I. Das Wettbewerbsverbot für den
Unternehmergesellschafter
Die gesetzlichen (§ 112 Abs. 1 H G B , § 2 8 4 Abs. 1 A k t G ) sowie richterrechtlichen Wettbewerbsverbote für Gesellschafter stellen eine spezielle Ausprägung der mitgliedschaftlichen Treuepflicht und der aus ihr abgeleiteten Pflicht zur passiven Förderung des Gesellschaftszwecks durch das Unterlassen gesellschaftsschädigender Maßnahmen dar439. An dieser Stelle soll weder auf die Fragen der Abgrenzung des sachlich und räumlich relevanten Markts noch der erforderlichen Qualität der Betätigung in der konkurrierenden Gesellschaft, für die das Kriterium der unternehmerischen Betätigung ebenfalls im Sinne einer Ausdehnung 440 bzw. Einschränkung 441 der Verbote maßgeblich 437 Dazu generell B G H v. 16.12.1960 B G H Z 34, 80, 83; B G H v. 22.6.1992 WM 1992, 1812, 1818f.; Zöllner, Stimmrechtsmacht, S. 349; Lutter, AcP 180 (1980), 84, 128f.; MünchKommBGBIUlmer, § 705 Rn. 188. 438 So etwa R G v. 19.2.1935 J W 1935, 1773; R G v. 1.4.1943 R G Z 171, 51, 54; B G H v. 16.12.1960 B G H Z 34, 80, 83; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 20 IV 2a; Hüffer, FS Steindorff, S. 59, 69; Friedewald, Aktiengesellschaft, S. 137; Angerer, Schranken, S. 85; MünchKommBGB/Ulmer, § 705 Rn. 180. 439 Siehe nur B G H v. 5.12.1983 B G H Z 89, 162, 165; Baumbach/Hopt, § 112 Rn. 1; Lutter, AcP 180 (1980), 84, 110; Blaurock, Unterbeteiligung, S. 196. 440 Zur Ausdehnung der gesetzlichen Wettbewerbsverbote auf Gesellschafter, die auch ohne formale Stellung als Geschäftsführer oder persönlich haftender Gesellschafter über einen maßgeblichen Einfluß auf die Geschäftsführung der konkurrierenden Gesellschaft verfügen, siehe nur A. Hueck, O H G , S. 197; Staub/Ulmer, § 112 Rn. 24 und Armbrüster, ZIP 1997, 261, 268f. und 271; zum insoweit auch verfassungsrechtlich gebotenen Schutz der Gesellschaft Nicotin, Berufsfreiheit, S. 126f. 441 Zur Einschränkung der gesetzlichen Wettbewerbsverbote bei einer lediglich formalen Stellung als Geschäftsführer (sog. Zölibatsgeschäftsführer) oder persönlich haftender Gesellschafter, die lediglich mit geringen oder gar keinen Geschäftsführungsbefugnissen verbunden ist, siehe nur Armbrüster, ZIP 1997, 261, 268f. und 271 sowie Staub/Ulmer, § 112 Rn. 24; zum insoweit auch verfassungsrechtlich verzichtbaren Schutz der Gesellschaft Nicolin, Berufsfreiheit, S. 125 f.
204
2. Kapitel:
Die Sonderstellung
des
Unternehmergesellschafters
ist, sondern ausschließlich auf den personellen Anwendungsbereich der verschiedenen Wettbewerbsverbote eingegangen werden. 1. Die Funktionsnotwendigkeit des Wettbewerbsverbots für unternehmerisch tätige Gesellschafter Die Berufsfreiheit des betroffenen Gesellschafters (Art. 12 Abs. 1 GG) 4 4 2 und die Freiheit des Wettbewerbs (§ 1 G W B und Art. 81 EGV) 4 4 3 gebieten eine Beschränkung der gesetzlichen, richterrechtlichen und vertraglichen Wettbewerbsverbote auf das für den Schutz von Funktion und Bestand der Gesellschaft erforderliche Maß. Andererseits ist der Richter aufgrund des grundrechtlichen Schutzgebots aus Art. 12 Abs. 1 G G verpflichtet, funktionsnotwendige und im Gesetz nicht enthaltene Wettbewerbsverbote als Ausprägung der Treuepflicht und unter teleologischer Reduktion von § 1 G W B und Art. 81 E G V durch Richterrecht zu entwickeln 444 . Als in diesem Sinne funktionsnotwendig wird man ein Wettbewerbsverbot aber nur dann ansehen können, wenn es sich an unternehmerisch tätige Gesellschafter im oben beschriebenen Sinne445 richtet 446 . Denn gerade bei diesen Gesellschaftern besteht nicht nur die Gefahr, daß sie ihre Kenntnisse im Wettbewerb verwerten, sondern auch das Risiko, daß sie ihren Einfluß in der Gesellschaft zugunsten des Konkurrenzunternehmens geltend machen 447 . Ein unternehmerisch tätiger Gesellschafter ist schließlich auch deshalb eher in der Lage, die Gesellschaft durch die Ausnutzung ihres Rufes und ihrer Kundenbeziehungen im Wettbe-
Dazu eingehend Nicolin, Berufsfreiheit, S. 132ff., 142f. und 148 f. Dazu nur B G H v. 6.12.1962 B G H Z 38, 306, 31 Iff.; B G H v. 21.2.1978 B G H Z 70, 331, 334ff.; B G H v. 5.12.1983 B G H Z 89, 162, 169; Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. 1, S. 730ff.; Beuthien, Z H R 142 (1978), 259, 289; Baumbach/Hopt, % 112 Rn. 15; zur (fehlenden) Funktionsnotwendigkeit (auch sog. Genossenschaftsimmanenz) des vertraglichen Ausschlusses einer schlichten doppelten Genossenschaftsmitgliedschaft (vgl. auch § 68 Abs. 1 S. 1 GenG) siehe B G H v. 10.11.1992 N J W 1993, 1710, 1711f. 444 Dazu eingehend Nicolin, Berufsfreiheit, S. 137ff. 445 Zum Typus des unternehmerisch tätigen Gesellschafters 1. Kap. § 3 C III 2a i.V.m. II. 446 Vgl. dazu auch B G H v. 6.12.1962 B G H Z 38, 306, 31 Iff. insbes. 314 (Differenzierung zwischen mitunternehmerischer und kapitalistischer Beteiligung eines OHG-Gesellschafters); B G H v. 3.5.1988 B G H Z 104, 246, 251 f. (Funktionsnotwendigkeit bei maßgeblichem Einfluß auf die Geschäftsführung der GmbH); F G Köln v. 25.7.1991 G m b H R 1992, 326, 327 (ungeschriebenes Wettbewerbsverbot des beherrschenden GmbH-Gesellschafters); Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. 1, S. 734f.; unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten auch Nicolin, Berufsfreiheit, S. 132ff. und 142f.; a.A. Beuthien, Z H R 142 (1978), 259, 282ff. und Baumbach/ Hopt, § 112 Rn. 15 (Funktionsnotwendigkeit bei Informations- und Kontrollrechten gemäß § 118 HGB). 4 , 7 Zur Kombination von Wissen und Macht als dem maßgeblichen Kriterium für die Funktionsnotwendigkeit des Wettbewerbsverbots siehe nur B G H v. 6.12.1962 B G H Z 38, 306, 31 Iff.; B G H v. 3.5.1988 B G H Z 104, 246, 251 f.; Blaurock, Unterbeteiligung, S. 197f.; Armbrüster, ZIP 1997, 261, 266. 442
443
52
Treuepflicht des
Unternehmergesellschafters
205
werb zu schädigen, weil er im Rechtsverkehr mit der Gesellschaft identifiziert wird. Der personelle Anwendungsbereich der gesetzlichen Wettbewerbsverbote wird zwar formal durch die Kriterien der persönlichen Haftung sowie der Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis und damit nicht in direkter Abhängigkeit vom Kriterium der unternehmerischen Betätigung bestimmt. Dennoch stehen hinter der typisierenden Bestimmung des personellen Anwendungsbereichs der gesetzlichen Wettbewerbsverbote materielle Gesichtspunkte, die mit der Kombination des Einflusses auf und des Einblicks in die Gesellschaft bzw. ihren Geschäftsbetrieb Umstände maßgeblich werden lassen448, die letztlich auch bereits unabhängig von grundrechtlichen oder wettbewerbsrechtlichen Einflüssen allein aufgrund des gesellschaftsrechtlichen Normzwecks eine ausdehnende bzw. einschränkende richterliche Anwendung der gesetzlichen Wettbewerbsverbote auf unternehmerisch tätige Gesellschafter bedingen könnten. Entgegen verbreiteter Ansicht 449 kann zudem ein Wettbewerbsverbot weder verfassungsrechtlich noch wettbewerbsrechtlich allein damit gerechtfertigt werden, daß der betreffende Gesellschafter über weitreichende Informationsrechte in der Gesellschaft nach Maßgabe des § 118 H G B bzw. des § 51a G m b H G verfügt 450 . In diesen Fällen kann die Gesellschaft nämlich vorgelagert durch Beschränkungen des Informationsanspruchs sowie nachgelagert durch die Geschäftschancenlehre und die Geheimhaltungspflicht des Gesellschafters hinreichend vor der Gefahr eines Informationsmißbrauchs zu Wettbewerbszwecken geschützt werden 451 . Schließlich kann es für die Funktionsnotwendigkeit auch nicht auf die personalistische Struktur der Gesellschaft als solcher, sondern allein auf die gesellschaftsrechtliche Stellung des betroffenen Gesellschafters ankommen 452 .
448
Siehe dazu nur Blaurock, Unterbeteiligung, S. \97{.; Armbrüster, ZIP 1997,261,266 und Scholz/U.H. Schneider, § 43 Rn. 126b; ähnlich auch Wiedemann/Hirte, Z G R 1986, 163, 166 (die Komplementäre seien lediglich als treuhänderische Unternehmensleiter dem Wettbewerbsverbot unterworfen). 449 Beuthien, Z H R 142 (1978), 259, 282ff.; Schlegelberger/Afartews, § 165 Rn. 12ff.; Baumbach /Hopt, § 112 Rn. 15; MünchHdb.GesR VSchmid, § 19 Rn. 81; Scholz/U.H. Schneider, % 43 Rn. 126b. 450 So auch Kellermann, FS R. Fischer, S. 307, 318 f.; iMertens/Cahn, FS Heinsius, S. 545, 556ff.; Armbrüster, ZIP 1997, 261, 270f. und ZIP 1997, 1269, 1273 sowie unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten Nicolin, Berufsfreiheit, S. 132 ff. und 142 f. 451 Siehe dazu 2. Kap. § 3 A IV 2b cc (Grenzen der Innenpublizität), 2. Kap. § 2 B II (Geschäftschancenlehre) bzw. 2. Kap. § 2 B III (Verschwiegenheitspflichten). 452 So auch Armbrüster, ZIP 1997, 261, 265 und ZIP 1997, 1269, 1273 sowie unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten Nicolin, Berufsfreiheit, S. 132 ff.; möglicherweise noch unter dem Eindruck der Debatte um die Existenz von gesellschaftergebundenen Treuepflichten in Kapitalgesellschaften a.A. Timm, G m b H R 1981, 177, 179; Lutter/Timm, N J W 1982, 409, 419 und Mertens/Cahn, FS Heinsius, S. 545, 555f.
206
2. Kapitel: Die Sonderstellung des
Unternehmergesellschafters
2. Einschränkung des personellen Anwendungsbereichs der gesetzlichen Wettbewerbsverbote Nach zutreffender Ansicht wird zunächst der von der Geschäftsführung ausgeschlossene und auch nicht auf andere Weise über Einfluß auf die Geschäftsführung verfügende persönlich haftende Gesellschafter einer O H G , K G oder K G a A vom gesetzlichen Wettbewerbsverbot des § 112 Abs. 1 H G B bzw. des § 284 Abs. 1 S. 1 A k t G ausgenommen. Insoweit ist das Wettbewerbsverbot nämlich weder als funktionsnotwendig anzusehen noch läßt es sich aus der Treuepflicht ableiten, die durch die lediglich finanzielle Verflechtung zwischen Gesellschafter und Gesellschaft vermindert ist 453 . Zweifel an der Funktionsnotwendigkeit des Wettbewerbsverbots könnte man zudem dann haben, wenn der persönlich haftende Gesellschafter lediglich formal an der Geschäftsführung beteiligt ist und faktisch keinen maßgeblichen Einfluß auf die Geschäftspolitik nehmen kann. Das Wettbewerbsverbot läßt sich hier allenfalls damit rechtfertigen, daß der persönlich haftende und formell an der Geschäftsführung beteiligte Gesellschafter bereits als solcher mit der Gesellschaft identifiziert werden kann und weder ein genauerer Einblick in die Gesellschaftsinterna noch ein negativer Einfluß auf die Geschäftsführung durch Ausübung der formal bestehenden Rechte auszuschließen ist 454 .
3. Schaffung funktionsnotwendiger verbote
ungeschriebener
Wettbewerbs-
Aufgrund der richterlichen Pflicht zur Sicherung des funktionsnotwendigen Schutzes der Gesellschaft sowie zur Beachtung der gesteigerten Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft und den Mitgesellschaftern ergeben sich für unternehmerisch tätige Gesellschafter auch über die gesetzlich geregelten Fälle hinaus richterrechtliche Wettbewerbsverbote 455 . Zu Recht wird daher
453 BGH v. 6.12.1962 BGHZ 38, 306, 313ff.; Armbrüster, ZIP 1997, 265ff. und 270; Kellermann, FS R. Fischer, S. 307, 317f.; unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten auch Nicotin, Berufsfreiheit, S. 134f.; für eine Abwägung im Einzelfall Staub /Ulmer, § 112 Rn. 7 und 47; a.A. A. Hueck, OHG, S. 196; Baumbach/Hopt, § 112 Rn. 2. 454 So unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten für den GmbH-Zölibatsgeschäftsführer Nicolin, Berufsfreiheit, S. 173 und 175 ff. 455 BGH v. 5.12.1983 BGHZ 89, 162,165f. (Gesellschafter mit maßgeblichem Einfluß); FG Köln v. 25.7.1991 GmbHR 1992, 326, 327 (beherrschender GmbH-Gesellschafter); Blaurock, Unterbeteiligung, S. 200 (Gesellschafter mit weitreichenden Informationsmöglichkeiten und maßgeblichem Einfluß); Armbrüster, ZIP 1997, 1269, 1271 (Aktionär mit Einfluß auf die laufende Geschäftsführung) und 1273 (GmbH-Gesellschafter mit maßgeblichem Einfluß auf die Geschäftsführung); zur Differenzierung zwischen kapitalistischer und unternehmerischer Beteiligung; Kaiser, FS Stimpel, S. 855, 862f. und Friedewald, Aktiengesellschaft, S. 143; speziell unter dem verfassungsrechtlichen Gesichtspunkt einer sich aus Art. 12 Abs. 1 GG ergebenden Schutzpflicht des Richters Nicolin, Berufsfreiheit, S. 137ff.
52
Treuepflicht des
207
Unternehmergesellscbafters
z u m i n d e s t ü b e r w i e g e n d ein W e t t b e w e r b s v e r b o t f ü r den u n t e r n e h m e r i s c h tätigen K o m m a n d i t i s t e n mittels t e l e o l o g i s c h e r R e d u k t i o n des § 1 6 5 H G B 4 5 6 , den a t y p i s c h mit m a ß g e b l i c h e m E i n f l u ß auf die G e s c h ä f t s f ü h r u n g des H a n d e l s g e w e r b e s ausgestatteten stillen G e s e l l s c h a f t e r 4 5 7 , den G e s e l l s c h a f t e r - G e s c h ä f t s f ü h r e r u n d den b e h e r r s c h e n d e n G e s e l l s c h a f t e r e i n e r m e h r g l i e d r i g e n GmbH458
sowie
den
unternehmerisch
tätigen
Aktionär459
angenommen.
W ä h r e n d i n s o w e i t eine u n t e r n e h m e r i s c h e T ä t i g k e i t i m o b e n b e s c h r i e b e n e n S i n n e das W e t t b e w e r b s v e r b o t a u c h o h n e b e h e r r s c h e n d e Stellung des G e s e l l schafters w e g e n F u n k t i o n s n o t w e n d i g k e i t b e g r ü n d e n k a n n , sollten b l o ß e I n f o r m a t i o n s r e c h t e i.S.v. § 118 H G B o d e r § 5 1 a G m b H G h i e r f ü r n i c h t ausreichen 4 6 0 . D a r ü b e r hinaus sollte es lediglich auf die naheliegende G e f a h r einer S c h ä d i g u n g der G e s e l l s c h a f t u n d d a m i t auf die I n f o r m a t i o n s - s o w i e E i n f l u ß n a h m e m ö g l i c h k e i t e n des G e s e l l s c h a f t e r s u n d n i c h t auf deren t a t s ä c h l i c h e Ausnutzung schließlich
a n k o m m e n 4 6 1 . Ist der u n t e r n e h m e r i s c h Mitglied
des
Leitungsorgans
einer
tätige
Gesellschafter
Aktiengesellschaft
oder
G m b H , trifft ihn ü b e r das aus der m i t g l i e d s c h a f t l i c h e n T r e u e p f l i c h t abgeleitete W e t t b e w e r b s v e r b o t hinaus ein g e g e n s t ä n d l i c h n o c h erweitertes W e t t b e -
456 B G H v. 5.12.1983 BGHZ 89, 162, 165 ff.; BGH v. 8.5.1989 NJW 1989, 2687 (obiter); Armbrüster, ZIP 1997, 261, 270; Löffler, NJW 1986, 223, 227; weitergehend Schlegelberger/ Martens, § 165 Rn. 12ff. und Baumbach//fopi, § 165 Rn. 3 (erweitertes Informations- und Kontrollrecht nach § 118 H G B ausreichend); siehe aber auch BGH v. 1.12.1981 BB 1982, 267, 268 (Unzulässigkeit eines vertraglichen Wettbewerbsverbots für einen zugleich an der Komplementär-GmbH beteiligten und unternehmerisch engagierten Kommanditisten). 457 BGH v. 5.12.1983 BGHZ 89, 162, 165f.; Löffler, NJW 1986, 223, 227; Blaurock, Hdb. Stille Gesellschaft, Rn. 646f. m.w.N. 458 FG Köln v. 25.7.1991 GmbHR 1992, 326, 327; Ivens, Konkurrenzverbot, S. 134 ff.; Hachenburg/ Raiser, % 14 Rn. 64; Armbrüster, ZIP 1997, 1269, 1272f.; Tiedchen, GmbHR 1993, 616, 617; weitergehend Scholz/t/.//. Schneider, § 43 Rn. 126b (aufgrund von § 51a GmbHG jeder GmbH-Gesellschafter, der nicht völlig ohne Einfluß auf das Tagesgeschäft ist und sich bei der Ausübung des Informationsrechts zurückhält); bei Nur-Gesellschaftern hingegen fälschlich auf die personalistische Struktur der Gesellschaft abstellend Timm, GmbHR 1981, 177, 179; gegen ein Wettbewerbsverbot des zu 20% beteiligten Nur-GmbH-Gesellschafters O L G Köln v. 22.2.1991 BB 1991, 859, 860; offengelassen in BGH v. 3.7.1978 WM 1978, 1205, 1206 und BGH v. 1.12.1981 BB 1982, 267, 268; eingehend zum Meinungsstand Ivens, Konkurrenzverbot, S. 125ff.; zum Wettbewerbsverbot in der Einpersonen-GmbH BFH v. 12.4.1989 (I R 142-143/85) B F H E 156, 484, 487; BFH v. 26.4.1989 (I R 172/87) B F H E 157, 138, 140f. und eingehend J. Becker, Wettbewerbsverbot, S. 179ff. (befürwortend) sowie BFH v. 12.10.1995 (I R 127/94) DStR 1996, 337, 338; Tiedchen, GmbHR 1993, 616, 617f. und Scholz/ U.H. Schneider, § 43 Rn. 127 (mit Recht ablehnend). 459 So auch Friedewald, Aktiengesellschaft, S. 141 ff.; Armbrüster, ZIP 1997, 1269, 1271; Burgard, FS Lutter, S. 1033, 1039ff.; a.A. U.H. Schneider, BB 1995, 365, 367. 460 Dazu bereits soeben unter 1. 461 So zutreffend Staub/ Ulmer, § 112 Rn. 1; Schlegelberger/Martens, § 165 Rn. 16; Löffler, NJW 1986, 223, 227; offengelassen von BGH v. 5.12.1983 BGHZ 89,162,167; a.A. und für das Erfordernis einer tatsächlichen Ausnutzung, für die bei beherrschender Stellung allerdings eine Vermutung bestünde Armbrüster, ZIP 1997,1269, 1273 und Mertens/Cahn, FS Heinsius, S. 545, 557f.
208
2. Kapitel:
Die Sonderstellung
des
Unternehmergesellschafters
w e r b s v e r b o t k r a f t organschaftlicher Treuepflicht aus § 88 A k t G bzw. aufgrund Richterrechts 4 6 2 .
4. Erweiterte
Zulässigkeit vertraglicher
Wettbewerbsverbote
A u s der gesteigerten Treuepflicht eines Unternehmergesellschafters ergibt sich schließlich noch die erweiterte verfassungsrechtliche und w e t t b e w e r b s rechtliche Zulässigkeit vertraglicher W e t t b e w e r b s v e r b o t e im Hinblick auf ihre im Rahmen der Funktionsnotwendigkeits- und Verhältnismäßigkeitsp r ü f u n g zu beachtende gegenständliche und zeitliche Geltung 4 6 3 . D e r Beschluß z u r Befreiung eines beherrschenden Gesellschafters v o n einem gesellschaftsvertraglichen W e t t b e w e r b s v e r b o t kann zudem unter Umständen der gesonderten Sachkontrolle unterliegen 4 6 4 .
II. Verbot der Ausnutzung von
Geschäftschancen
W i e das W e t t b e w e r b s v e r b o t w i r d auch das mit ihm v e r w a n d t e V e r b o t der A u s n u t z u n g v o n der Gesellschaft zugeordneten Geschäftschancen durch die gesteigerte Treuepflicht eines unternehmerisch tätigen Gesellschafters geprägt 465 . Danach soll es zumindest f ü r die Z u o r d n u n g der Geschäftschance z u r Gesellschaft maßgeblich darauf ankommen, ob dem Betreffenden die G e schäftsgelegenheit aufgrund seiner Tätigkeit in der Gesellschaft bekannt ge-
462 Dazu nur für die Aktiengesellschaft Friedewald, Aktiengesellschaft, S. 143 f. sowie für die GmbH BGH v. 26.10.1964 WM 1964, 1320, 1321; FG Köln v. 25.7.1991 GmbHR 1992, 326, 327 und OLG Düsseldorf v. 1.8.1993 GmbHR 1993, 581, 582; zu Überlegungen hinsichtlich eines Wettbewerbsverbots für Aufsichtsratsmitglieder näher U.H. Schneider, BB 1995, 365 ff. (de lege lata ablehnend); ebenfalls ablehnend Armbriister, ZIP 1997, 1269, 1271 sowie unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten Nicolin, Berufsfreiheit, S. 177ff. jeweils m.w.N. 463 Siehe dazu unter wettbewerbsrechtlichen Gesichtspunkten etwa Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. 1, S. 734 f. sowie unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten eingehend Nicolin, Berufsfreiheit, S. 154ff.; zur Unzulässigkeit eines fünfjährigen nachvertraglichen Wettbewerbsverbots für einen Kapitalgesellschafter, auch wenn dieser in engem Kundenkontakt gestanden habe, allerdings BGH v. 19.10.1993 NJW 1994, 384, 385; siehe auch BGH v. 1.12.1981 BB 1982, 267, 268 (fragwürdige Unzulässigkeit eines vertraglichen Wettbewerbsverbots für einen zugleich an der Komplementär-GmbH beteiligten und unternehmerisch engagierten Kommanditisten); auf die einer OHG entsprechende personalistische Struktur einer GmbH abstellend OLG Düsseldorf v. 8.1.1993 GmbHR 1993, 581, 583; vgl. zudem zur Zulässigkeit einer anderweitigen kapitalistischen Beteiligung des ausgeschiedenen Gesellschafters OLG Hamm v. 15.2.1993, GmbHR 1993, 655, 656. 464 BGH v. 16.2.1981 BGHZ 80, 69, 74f. für eine zugleich die Abhängigkeit i.S.v. § 17 Abs. 1 AktG begründende Befreiung eines beherrschenden GmbH-Gesellschafters. 465 Weisser, Corporate Opportunities, S. 191 f.; Lutter, AcP 180 (1980), 84, 115f.; zum Verhältnis von Wettbewerbsverbot und Geschäftschancenlehre siehe etwa Weisser, Corporate Opportunities, S. 147 ff. und Kübler/Waltermann, ZGR 1991, 162, 173 f.
§2
Treuepflicht
des
Unternehmergesellschafters
209
w o r d e n und aufgrund seiner Stellung in der Gesellschaft angetragen wurde 4 6 6 , was namentlich bei Gesellschaftern mit Geschäftsführungsbefugnis oder sonstigem maßgeblichem Einfluß auf die Geschäftsführung der Fall sein soll 467 . D a r ü b e r hinaus w i r d bisweilen sogar die A n w e n d b a r k e i t der Geschäftschancenlehre auf lediglich kapitalistisch beteiligte Gesellschafter ohne maßgeblichen Einfluß auf die Geschäftsführung insgesamt abgelehnt 468 .
III.
Verschwiegenheitspflichten
A u f g r u n d ihrer Treuebindung gegenüber der Gesellschaft und den Mitgesellschaftern besteht f ü r alle Gesellschafter die Pflicht, über die Angelegenheiten der Gesellschaft grundsätzlich Stillschweigen zu bewahren 4 6 9 . A u s n a h m e n k ö n n e n sich nur bei einer zulässigen Freigabe der betreffenden Tatsache durch das hierzu befugte Organ 4 7 0 , bei der Kollision mit höherrangigen Offenbarungspflichten 4 7 1 oder im Falle der ausnahmsweisen W a h r n e h m u n g berechtigter Interessen 472 ergeben. Für den Unternehmergesellschafter beste466 BGH v. 8.5.1989 NJW 1989, 2687f. (Kommanditist); BGH v. 26.10.1964 WM 1964, 1320, 1321 (GmbH-Geschäftsführer); BGH v. 8.5.1967 GmbHR 1968, 141, 142 (GmbH-Geschäftsführer); Lutter, AcP 180 (1980), 84,116; für den GmbH-Gesellschafter Timm, GmbHR 1981, 177, 180f. und M. Winter, Treuebindungen, S. 242ff.; für den Kommanditisten Schlegelberger/ Martens, § 165 Rn. 18; krit. Weisser, Corporate Opportunities, S. 170ff.; zu weiteren Zuordnungsgesichtspunkten eingehend Weisser, Corporate Opportunities, S. 142 ff. sowie für Mitglieder des Vertretungsorgans etwa Scholz/U.H. Schneider, §43 Rn. 144 ff. und Schießl, GmbHR 1988, 53 ff. 467 BGH v. 23.9.1985 ZIP 1985, 1482, 1483 (geschäftsführender OHG-Gesellschafter); BGH v. 8.5.1989 NJW 1989, 2687f. (Vertragsverhandlungen führender Kommanditist mit möglicherweise faktischer Geschäftsführerstellung); eingehend Weisser, Corporate Opportunities, S. 191 ff.; Kiihler/Waltermann, ZGR 1991, 162, 166f.; für die Zuordnung zunächst wie auch beim Wettbewerbsverbot fälschlich auf die personalistische bzw. kapitalistische Struktur der Gesellschaft und nur zusätzlich auf die Stellung als Mehrheitsgesellschafter abstellend Timm, GmbHR 1981, 177, 181. 468 Weisser, Corporate Opportunities, S. 197 f. (keine Geltung des Verbots für lediglich kapitalistisch beteiligte Gesellschafter, da diese über keine unternehmerischen Entscheidungsund Informationsmöglichkeiten verfügten); Kiihler/Waltermann, ZGR 1991, 162, 166 f. (kein Verbot für den einflußlosen Gesellschafter wie etwa den Kommanditisten einer PublikumsKG oder den Kleinaktionär). 469 Für die Aktionäre v. Stehut, Geheimnisschutz, S. 96. 470 Siehe dazu etwa für Personengesellschaften A. Hueck, OHG, S. 193 f. und MünchHdb.GesR 1 / M a t t f e l d , § 53 Rn. 4, für die GmbH Volhard/Weber, FS Semler, S. 387, 413; Hachenburg/Z/a/fer, §51a Rn. 11; Baumbach/Hueck/ZZaecfe/Zvism'cA, § 13 Rn. 29 und Lutter/Hommelhoff, § 51a Rn. 24 sowie für die AG v. Stehut, Geheimnisschutz, S. 89ff. und Friedewald, Aktiengesellschaft, S. 137. 471 Siehe etwa zum Konflikt mit Aufklärungspflichten im Falle der Anteilsübertragung Volhard/Weher, FS Semler, S. 387, 413 (grundsätzlicher Vorrang des Geheimhaltungsinteresses der Gesellschaft) und Lutter/Hommelhoff, § 51a Rn. 24 (Offenbarung nur gegenüber einem zur Verschwiegenheit verpflichteten Wirtschaftsprüfer etc.). 472 Dazu etwa v. Stehut, Geheimnisschutz, S. 139ff.
210
2. Kapitel:
Die Sonderstellung
des
Unternehmergesellschafters
hen insoweit keine rechtlichen Besonderheiten. Die Verschwiegenheitspflicht hat f ü r ihn lediglich eine besondere praktische Bedeutung, da er in aller Regel umfassend über die Gesellschaftsinterna informiert ist.
IV. Pflicht zur Zustimmung oder zu einem bestimmten Abstimmungsverhalten D i e Treuepflicht kann darüber hinaus Pflichten z u r Zustimmung oder zu einem bestimmten Abstimmungsverhalten begründen 4 7 3 . Es ist jedoch besondere Vorsicht geboten, w e n n diese teilweise neben die ergänzende Vertragsauslegung und die G r u n d s ä t z e der gestörten Geschäftsgrundlage ( § 3 1 3 B G B ) tretende F o r m der richterlichen Vertrags- und Beschlußgestaltung einen U n ternehmergesellschafter betrifft 4 7 4 . Z w a r unterliegt dieser auch insoweit seiner gesteigerten Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft und den Mitgesellschaftern, doch w i r d der Richter hier nur dann eine Pflicht z u r Zustimmung oder einem bestimmten Abstimmungsverhalten annehmen können, w e n n die priv a t a u t o n o m e Entscheidung des Unternehmergesellschafters ersichtlich v o n sachfremden Sonderinteressen geprägt ist 475 . Im übrigen w i r d man dem U n -
473 Siehe dazu nur BGH v. 20.3.1995 BGHZ 129, 136, 152ff. (Pflicht zur Sanierungsmaßnahmen ermöglichenden Stimmenthaltung); BGH v. 17.12.1959 WM 1960, 105, 106 (Zustimmung zu einem Grundlagengeschäft); BGH v. 10.6.1965 BGHZ 44, 40, 41 (Zustimmung zur Erhöhung einer Geschäftsführervergütung); BGH v. 3.7.1978 WM 1978,1205,1207f. (Zustimmung zur Teilabwicklung einer OHG); BGH v. 5.11.1984 ZIP 1985, 407 (Zustimmung zur Aufhebung der gesellschaftsvertraglichen Verpflichtung zur Verzinsung von Kapitaleinlagen); BGH v. 25.9.1986 BGHZ 98, 276, 279f. (Zustimmung zu Kapitalerhöhungsbeschluß); BGH v. 1.12.1986 BB 1987, 435f. (Pflicht zur Zustimmung zur Übertragung vinkulierter Namensaktien); BGH v. 10.10.1994 WM 1994, 2244, 2245 (Zustimmung zu einer Änderung des Gesellschaftsvertrags); Zöllner, Anpassung, S. 32 ff. (Pflicht zur Anpassung von Gesellschaftsverträgen an veränderte Umstände); M. Winter, Treuebindungen, S. 167 ff. (Zustimmungspflichten in Geschäftsführungsangelegenheiten und Satzungsänderungen der GmbH); Lutter, AcP 180 (1980), 84,109 f. (Pflicht zur Mitwirkung an einer Änderung des Gesellschaftsvertrags und zur Mitwirkung an der Feststellung des Jahresabschlusses); für die AG Filimann, Treuepflichten, S. 185 ff.; eingehend Korehnke, Treuwidrige Stimmen im Personengesellschaftsrecht und GmbH-Recht, Baden-Baden 1997; siehe zu den zu berücksichtigenden Gesichtspunkten den Überblick bei K. Schmidt, ZIP 1980, 328,336; generell krit. Flame, BGB-AT 1/1, S. 268ff. und 278ff. 474 Zu den insoweit bestehenden allgemeinen Grenzen etwa Zöllner, Anpassung, S. 40 ff. und MünchKommBGB/Wmer, § 705 Rn. 191. 475 Siehe dazu auch RG v. 10.10.1924 RGZ 109, 56, 59 (Unbeachtlichkeit eines Widerspruchs nur bei Schikane oder Willkür); RG v. 22.10.1938 158, 302, 310f. (Unbeachtlichkeit eines willkürlichen Widerspruchs); A. Hueck, FS R. Hübner 1935, S. 72, 89 (Zustimmungspflicht eines OHG-Gesellschafters nur bei schikanösem Verhalten); Flume, BGB-AT 1/1, S. 268ff. (Unwirksamkeit von Widerspruch und Zustimmungsverweigerung nur bei grober Treuwidrigkeit); zur Wahrnehmung berechtigter Interessen als Grenze der Treuepflicht siehe generell RG v. 13.4.1912 LZ 1912, 545; RG v. 21.9.1938 RGZ 158, 248, 254; BGH v. 9.6.1954 BGHZ 14, 25, 38 und A. Hueck, FS R. Hübner 1935, S. 72, 78ff.
§2
Treuepflicht des Unternehmergesellschafters
211
ternehmergesellschafter nicht nur sein unternehmerisches Wissen und Ermessen 476 zugute halten, sondern seine Entscheidung auch deshalb respektieren, weil er sich diese aufgrund seiner engen Beziehung zur Gesellschaft und der ihn regelmäßig in besonderem Maße treffenden Konsequenzen reiflich überlegt haben dürfte. Schließlich wird man es einem Unternehmergesellschafter nur schwerlich zumuten können, daß ihm einerseits von dritter Seite Unternehmensentscheidungen vorgegeben werden, deren Folgen er andererseits in erster Linie zu tragen hat477. Insoweit besteht ein bedeutsamer Unterschied zu dem nur geringfügig beteiligten, aber etwa durch Stimmbündelung über ein erhöhtes Einflußpotential verfügenden Gesellschafter. Der Unternehmergesellschafter kann daher zum Beispiel einen von ihm als ungünstig beurteilten Sanierungsvorschlag ablehnen, soweit seine Entscheidung nicht auf ersichtlich sachfremden Erwägungen beruht 478 .
V. Verbot der Verfolgung von Sondervorteilen Das teilweise auch im Gesetz (§ 243 Abs. 2 AktG) enthaltene Verbot der Verfolgung von Sondervorteilen gehört seit langem zum gesicherten Kernbestand der Treuepflicht eines jeden Gesellschafters 479 . Während ein kapitalistisch beteiligter Gesellschafter jedoch kaum in der Lage sein wird, Sonderinteressen auf Kosten der Gesellschaft und/oder seiner Mitgesellschafter zu verfolgen, besteht bei Unternehmergesellschaftern die erhöhte Gefahr, daß diese trotz gewisser Schutzmechanismen 480 in ihrem eigenen Interesse auf die Geschäftsführung einwirken 48 '. 476 Zum kaufmännischen Ermessen des um Zustimmung ersuchten Gesellschafters nur Flume, FS Rittner, S. 119, 121; siehe generell zum unternehmerischen Ermessen im Zusammenhang mit der Gesellschafterhaftung 4. Kap. § 1 A II 9. 477 Siehe zur Berücksichtigung der den Gesellschafter treffenden wirtschaftlichen Folgen bei der Entscheidung über die Pflicht zur Zustimmung zu Sanierungsmaßnahmen siehe Häsemeyer, Z H R 160 (1996), 109, 113f. 478 Vgl. insoweit zur Zustimmungspflicht von Kleinaktionären einerseits B G H v. 20.3.1995 B G H Z 129, 136, 158ff. (bejahend) und andererseits Flume, ZIP 1996, 161, 165ff. (ablehnend). 479 Siehe dazu bereits § 197 Abs. 2 AktG 1937; Rathenau, Aktienwesen, S. 30; Wieland, Handelsrecht Bd. 2, S. 205ff.; vgl. auch RG v. 20.10.1923 R G Z 107, 202, 204f. (Verfolgung von Sonderinteressen gegebenenfalls sittenwidrig) und R G v. 22.1.1935 R G Z 146, 385, 395f. (Mißbrauch des Anfechtungsrechts bei Einsatz zur Erlangung von Sondervorteilen); in neuerer Zeit B G H v. 28.6.1982 W M 1982,1025,1026; B G H v. 3.7.1978 W M 1978,1205,1206f.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 28 I 4 und Zöllner, Stimmrechtsmacht, S. 424ff. i.V.m. S. 293ff. (für personalistisch strukturierte Gesellschaften); zur gleichzeitigen Grundlage des Verbots im Gleichbehandlungsgrundsatz siehe nur Reul, Gleichbehandlung, S. 263. 480 Zu denken ist an § 181 BGB, Stimmverbote und die Vermögensbindung bei Kapitalgesellschaften. 481 B G H v. 5.6.1975 B G H Z 65, 15, 18 (GmbH); bei der A G kann für Ersatzansprüche insoweit vorrangig auf § 117 Abs. 1 AktG zurückgegriffen werden, der seit 1965 auch nicht mehr voraussetzt, daß die Bestimmung zu dem Zweck erfolgte „für sich oder einen anderen
212
2. Kapitel:
Die Sonderstellung
1. Maßnahmen der
des
Unternehmergesellschafters
Herrschaftssicherung
Ein besonderes Problem der unternehmerischen Gesellschaftsbeteiligung stellen die Versuche dar, den erworbenen gesellschaftsrechtlichen Einfluß auf Kosten der Gesellschaft und der Mitgesellschafter dauerhaft zu sichern 482 . Einerseits kann sich der Unternehmergesellschafter hier zwar mit gewissem Recht auf seine unternehmerischen Verdienste, das Bedürfnis nach einer Fortsetzung der verantwortungsbewußten Unternehmensführung 483 und den Bestandsschutz seines Anteilseigentums 484 berufen. Instrumente der Herrschaftssicherung können zudem dazu geeignet sein, einer unerwünschten Unternehmenskonzentration entgegenzuwirken sowie den aus Gründen der Eigenkapitalausstattung und des Wettbewerbs erwünschten Börsengang von personalistisch strukturierten Gesellschaften wie insbesondere von Familiengesellschaften zu erleichtern 485 . Auf der anderen Seite darf die Herrschaftssicherung nicht zu einer Ausschaltung des die Machtausübung kontrollierenden Wettbewerbs um unternehmerische Beteiligungen durch Zementierung der bestehenden Machtverhältnisse führen 486 . Entzündet hat sich der hierdurch vorgezeichnete Konflikt zunächst im Bereich der Kapitalerhöhung (mit Bezugsrechtsausschluß) und anschließender Ausgabe der neuen Gesellschaftsanteile an den bzw. die beherrschenden Gesellschafter und/oder andere mehrheitstreue Gesellschafter, um den Erwerb einer Kontrollmehrheit durch bisherige Minderheitsgesellschafter oder Dritte zu verhindern bzw. die Minderheitsgesellschafter in ihren Rechten zu beschneiden oder gar aus der Gesellschaft hinauszudrängen 487 . Nach den von gesellschaftsfremde Sondervorteile zu erlangen" (siehe zu dieser bewußten Ausdehnung des Anwendungsbereichs von § 117 AktG die Begr.RegE bei Kropff Aktiengesetz, S. 162); speziell zu (verdeckten) Vermögensverlagerungen vom Gesellschafts- in das Privatvermögen 2. Kap. § 1 A l l 2. 482 Mestmäcker, Verwaltung, S. 27. 483 Dazu etwa Müller-Erzbach, Entartung, S. 17f. 484 Dazu näher 2. Kap. § 3 A III. 485 Siehe dazu etwa KK/Lutter, § 186 Rn. 71 und May, Sicherung, S. 77. 486 Zum „Rotationsprinzip" als Ausdruck von Freiheit und Gleichheit Großfeld, Aktiengesellschaft, S. 65 ff.; zur Machtbegrenzungs- und Kontrollfunktion des Wettbewerbs im Gesellschaftsrecht grundlegend Großfeld, Aktiengesellschaft, S. 60ff.; vgl. auch Immenga, Aktiengesellschaft, S. 18 ff. und Mestmäcker, B B 1961, 945, 946 f.; siehe aber auch May, Sicherung, S. 77 ff., der auf die geringere Bedeutung des Wettbewerbsprinzips in personalistisch strukturierten Gesellschaften verweist. 487 Siehe dazu für die A G etwa R G v. 8.4.1908 R G Z 68, 235, 243ff. (keine Sittenwidrigkeit des Bezugsrechtsausschlusses zur Sicherung der Selbständigkeit der Gesellschaft); R G v. 16.9.1927 R G Z 118, 67, 71 f. (keine Sittenwidrigkeit des Bezugsrechtsausschlusses trotz Ungleichbehandlung der Aktionäre); R G v. 13.12.1927 R G Z 119, 248, 251 ff. (keine Sittenwidrigkeit des Beschlusses zur Schaffung von Schutzaktien) sowie Martens, FS R. Fischer, S. 437, 452ff. und Großkomm.AktG/WWemaroz, § 186 Rn. 161 ff.; für die G m b H R G v. 23.10.1928 R G Z 122,159, 165 f. (Sittenwidrigkeit eines GmbH-Kapitalerhöhungsbeschlusses, der der Gesellschaft kaum neues Kapital zuführte und andererseits die Mitgliedschaftsrechte der Minderheit praktisch entwertete) und Immenga, Kapitalgesellschaft, S. 228 ff.
52
Treuepflicht
des
Unternehmergesellschafters
213
der Rechtsprechung f ü r die Aktiengesellschaft aufgestellten, v o m Gesetzgeber durch § 1 8 6 Abs. 4 S. 2 A k t G im G r u n d s a t z indirekt bestätigten und auch auf die G m b H 4 8 8 zu übertragenden Kriterien der Sachkontrolle des entsprechenden Gesellschafterbeschlusses ist dies wegen der Schwere des Eingriffs in die Mitgliedschaftsrechte der unberücksichtigt bleibenden Gesellschafter 4 8 9 und des Gleichbehandlungsgrundsatzes 4 9 0 jedoch nur möglich, w e n n der Bezugsrechtsausschluß dem durch den Gesellschaftszweck bestimmten Interesse der Gesellschaft dient, hierzu erforderlich sowie verhältnismäßig ist 491 . Die A b w e h r m a ß n a h m e m u ß mithin den Gesellschaftszweck und nicht nur die persönlichen Interessen einzelner A k t i o n ä r e fördern 4 9 2 . Eine Kapitalerhöhung mit Bezugsrechtsausschluß kann danach, abgesehen v o m umstrittenen Sonderfall des § 1 8 6 A b s . 3 S. 4 A k t G 4 9 3 , nur dann als grundsätzlich zulässig angesehen werden, w e n n sie die Vernichtung 4 9 4 oder Konzernierung 4 9 5 der Gesellschaft verhindern soll. Ein bloßer Schutz der bisherigen Beteiligungs-
488 Der Zulassungsbeschluß zur Übernahme der neuen Stammeinlagen (dazu etwa Hachenburg/ Ulmer, § 55 Rn. 46ff.) bzw. der Bezugsrechtsausschluß analog § 186 Abs. 3 und 4 AktG (dazu etwa Scholz/Prcesier, § 55 Rn. 52ff.) unterliegt vor dem Hintergrund des Gleichbehandlungsgrundsatzes und der Treuepflicht ebenfalls der Sachkontrolle; zur früheren Rechtslage siehe etwa RG v. 23.10.1928 RGZ 122, 159, 165f. (Sittenwidrigkeitskontrolle) und Immenga, Kapitalgesellschaft, S. 228ff. (Maßgeblichkeit der Kapitalbedürfnisse der Gesellschaft). 489 Zu den Schutzinteressen der ausgeschlossenen Gesellschafter siehe nur BGH v. 13.3.1978 BGHZ 71, 40, 45 und Hirte, Bezugsrechtsausschluß, S. 31 ff. 4.0 Zur Geltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes siehe nur BGH v. 6.10.1960 BGHZ 33, 175, 186; G. Hueck, Grundsatz, S. 337ff. und Hefermehl/Bungeroth, in: Geßler/Hefermehl § 186 Rn. 118 m.w.N. sowie krit. Mestmäcker, BB 1961, 945, 949f. und Immenga, Kapitalgesellschaft, S. 228 ff. 4.1 BGH v. 13.3.1978 BGHZ 71, 40, 45f. (Sacheinlage); BGH v. 19.4.1982 BGHZ 83, 319, 321 (genehmigtes Kapital); BGH v. 7.3.1994 BGHZ 125, 239, 241 (genehmigtes Kapital); für die AG H ü f f e r , AktG §186 Rn. 25; Hefermehl/Bungeroth, in: Geßler/Hefermehl §186 Rn. 104ff.; unter weitgehender Beschränkung auf Sachkapitalerhöhungen und unter Betonung des Vorhersehbarkeitskriteriums auch Hirte, Bezugsrechtsausschluß, S. 20 ff.; für die GmbH etwa Scholz/Priester, § 55 Rn. 52. 492 Hirte, Bezugsrechtsausschluß, S. 46 und 51; H ü f f e r , AktG § 186 Rn. 26. 493 Siehe dazu die Begründung zum Entwurf eines Gesetzes für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts, BT-Drucks. 12/6721, S. 10f.; krit. Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 266ff.; Adams, AG 1997 Sonderheft zur Aktienrechtsreform 1997, S. 22; Hirte, ZIP 1994, 356ff. 494 BGH v. 6.10.1960 BGHZ 33, 175, 186f. (noch zur Vereinbarkeit mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz); Martens, FS R. Fischer, S. 437, 452f.; G. Hueck, Grundsatz, S. 344; H ü f f e r , AktG §243 Rn. 32; Hefermehl/Bungeroth, in: Geßler/Hefermehl § 186 Rn. 136; krit. Mestmäcker, BB 1961, 945, 946ff.; Hirte, Bezugsrechtsausschluß, S. 50ff. und insoweit auch KK/ Lutter, § 186 Rn. 75. 495 RG v. 8.4.1908 RGZ 68,235,247; Martens, FS R. Fischer, S. 437,453 f.; KK/Lutter, § 186 Rn. 71; H ü f f e r , AktG § 243 Rn. 32; Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 331; krit. Mestmäcker, BB 1961, 945, 946ff.; Hirte, Bezugsrechtsausschluß, S. 50ff. und insoweit auch Hefermehl/Bungeroth, in: Geßler/Hefermehl § 186 Rn. 136.
214
2. Kapitel: Die Sonderstellung
des
Unternehmergesellschafters
struktur oder vor Überfremdung ist hingegen nicht ausreichend 496 . Entscheidet man sich auf dieser Grundlage für die Zulässigkeit der Kapitalerhöhung mit Bezugsrechtsausschluß, wird man auch nicht die Mitaktionäre nach § 255 Abs. 2 A k t G bzw. 243 Abs. 1 S. 1 A k t G für berechtigt halten können, den entsprechenden Beschluß mit der Begründung anzufechten bzw. eine Ausgleichszahlung nach § 243 Abs. 2 S. 2 A k t G (analog) 497 zu erlangen, daß ein übernahmewilliger Dritter für die neuen Aktien einen über dem wahren Anteilswert und dem Ausgabekurs der neuen Aktien liegenden Preis zu zahlen bereit gewesen wäre 498 . Sofern der vermögensrechtliche Verwässerungsschutz nach § 255 Abs. 2 A k t G gewährleistet ist, kann es den vom Bezug ausgeschlossenen Aktionären nämlich durchaus zugemutet werden, nicht von einem Angebot zu profitieren, das von gesellschaftsfremden Interessen wie der Vernichtung oder Konzernierung des Unternehmens geprägt ist. Andererseits würde es den bisherigen Kontrollinhaber unangemessen belasten, wenn er allein für die Sicherung des Gesellschaftsinteresses finanziell aufzukommen hätte. In diesen Fällen kann daher die Herrschaftssicherung nicht als ausgleichspflichtige Verfolgung eines Sondervorteils zum Schaden der Aktiengesellschaft angesehen werden 499 . Ein weiteres Problem der mit den Interessen der Mitgesellschafter kollidierenden Herrschaftssicherung eines Unternehmergesellschafters stellt die nachträgliche Einführung oder Verschärfung einer Anteilsvinkulierung (§ 68 Abs. 2 A k t G und § 15 Abs. 5 G m b H G ) dar. Während eine solche im Aktienrecht nur mit Zustimmung aller betroffenen Aktionäre beschlossen werden kann (§ 180 Abs. 2 AktG), fehlt für die G m b H eine entsprechende Regelung. Es ist daher umstritten, ob für die nachträgliche Einführung oder Verschärfung der Vinkulierung von GmbH-Anteilen die Zustimmung aller betroffe496 KKILutter, § 186 Rn. 74; Hüffer, AktG § 186 Rn. 32; auch für die personalistisch strukturierte A G Friedewald, Aktiengesellschaft, S. 71 ff.; großzügiger Großkomm.AktG/Wiedemann, § 186 Rn. 162 ff.; für die G m b H etwa Scholz/Priester, § 55 Rn. 57; anders noch zur früheren Rechtslage RG v. 24.6.1924 R G Z 108, 322, 327ff. 497 Zur analogen Anwendbarkeit des § 243 Abs. 2 S. 2 A k t G im Rahmen von § 255 Abs. 2 A k t G siehe nur v. Falkenhausen, Mehrheitsherrschaft, S. 46 und Mülhert, Aktiengesellschaft, S. 266. 498 So allerdings MUlbert, Aktiengesellschaft, S. 265 f. und mit verfassungsrechtlicher Begründung v. Falkenhausen, Mehrheitsherrschaft, S. 219; vgl. nunmehr allerdings auch BVerfGE v. 27.4.1999 BVerfGE 100, 289, 306f. (Unbeachtlichkeit des von einem die Kontrolle anstrebenden Gesellschafter gebotenen Preises im Rahmen von §§ 304 f. und 320b AktG, da diese zum wahren Wert des Anteilseigentums keine Beziehung habe); offengelassen von KK/ Zöllner, §255 Rn. 9f.; vgl. dazu auch B G H v. 27.9.1956 B G H Z 21, 354, 357f. (unzulässiger Sondervorteil der begünstigten Aktionäre bei Zuteilung der neuen Aktien zum Nennwert trotz höherem inneren Wert und Vorliegen eines höheren Ubernahmeangebots von dritter Seite) sowie zum selben Fall B G H v. 6.10.1960 B G H Z 33, 175, 186 (sachliche Rechtfertigung des Bezugsrechtsausschlusses bei Erforderlichkeit zur Abwehr der Vernichtung der Gesellschaft). 499 A.A. MUlbert, Aktiengesellschaft, S. 265 mit Fn. 501.
52
Treuepflicht des
Unternehmergesellschafters
215
nen Gesellschafter 500 oder nur eine Satzungsänderung mit sachlichem Grund 5 0 1 bzw. mit einem Ausgleich für den durch die Verfolgung von Sondervorteilen erlittenen Schaden der überstimmten Gesellschafter 502 erforderlich ist. Da im einen Fall gegebenenfalls Zustimmungspflichten der betroffenen Gesellschafter und im anderen Fall immer noch eine Zustimmungspflicht der G m b H bzw. der Mitgesellschafter zur Anteilsübertragung oder ein Austrittsrecht aus wichtigem G r u n d angenommen werden können, handelt es sich bei der Frage nach der Unentziehbarkeit des Abtretungsrechts im wesentlichen um eine Frage des Regel-Ausnahme-Verhältnisses. Da in der G m b H im Vergleich zur Aktiengesellschaft regelmäßig ein erhöhtes Interesse an der Sicherung des bestehenden Gesellschafterkreises besteht, wird man hier aus dem Schweigen des Gesetzgebers das Ausreichen eines grundsätzlich mit 3/4Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefaßten und sachlich gerechtfertigten Beschlusses folgern können. Angesichts des schwerwiegenden Eingriffs in das Anteilseigentum der betroffenen Gesellschafter sind an die sachliche Rechtfertigung des Beschlusses, d.h. die Eignung und Erforderlichkeit zur Verfolgung des Gesellschaftsinteresses wie auch die Verhältnismäßigkeit der Vinkulierung bzw. ihrer Verschärfung besondere Anforderungen zu stellen. Die Zulässigkeit des Beschlusses wird insoweit entscheidend von der konkreten Benennung ausschließlich schwerwiegender Gründe für die künftige Verweigerung von Anteilsübertragungen abhängen. Außerdem ist dem Interesse der überstimmten Gesellschafter, sich gegebenenfalls aus der Gesellschaft zurückziehen zu können, durch die Gewährung eines Austrittsrechts aus wichtigem G r u n d zu entsprechen 503 . Die Gewährung eines Ausgleichs für die von den überstimmten Gesellschaftern zu erleidenden Nachteile wird eine sachlich nicht gerechtfertigte Satzungsänderung hingegen nicht zulässig werden lassen504.
2. Realisierung von
Paketzuschlägen
Auch der sog. Paketzuschlag, den ein Unternehmergesellschafter bei der Übertragung seines Gesellschaftsanteils vielfach wird erzielen können, wurde bisweilen als Sondervorteil eingestuft, den dieser zu Lasten der Mitgesellschafter treuepflichtwidrig erlangt und damit aufgrund von Nachwirkungen 500
So etwa RG v. 4.4.1908 R G Z 68,210,211 f.; Hachenburg/Z«tt, § 15 Rn. 101; Baumbach/ Hueck/Hueck/Fastrich, § 15 Rn. 39. 501 So etwa Lutter/Timm, N J W 1982, 409, 416 (Gewährung eines Austrittsrechts aus wichtigem Grund); Lutter/Hommelhoff, § 15 Rn. 25. 502 Nach v. Falkenhausen, Mehrheitsherrschaft, S. 220f. habe die Mehrheit aufgrund des von ihr erlangten Sondervorteils den überstimmten Gesellschaftern den durch die (Verschärfung der) Vinkulierung entstehenden Schaden auszugleichen. 303 So auch Lutter/Timm, N J W 1982, 409, 416. 504 A.A. v. Falkenhausen, Mehrheitsherrschaft, S. 220f.
216
2. Kapitel: Die Sonderstellung des
Unternehmergesellschafters
der Treuepflicht mit den Mitgesellschaftern zu teilen habe 505 . Mit Recht wurde eine derartige gesellschaftsrechtliche Ausgleichspflicht jedoch nahezu einhellig abgelehnt. Denn zum einen kann die Kontrollprämie nicht nur als finanzieller Ausdruck der schieren Herrschaftsmacht über die beherrschten Mitgesellschafter betrachtet werden und zum anderen müßte man dann einen Kontrollgesellschafter konsequenterweise stets zum Ausgleich der ihm aus seiner gesellschaftsgebundenen unternehmerischen Tätigkeit erwachsenden besonderen Vermögensvorteile für verpflichtet halten, was ersichtlich zu weit ginge und den unternehmerischen Antrieb unterdrücken würde 506 .
VI. Leitungs- und Kontrollpflichten Bei der Ausprägung rein mitgliedschaftlicher Treuepflichten im Bereich der Unternehmensleitung ist Zurückhaltung geboten. Auch in der G m b H ist der unternehmerisch engagierte Nur-Gesellschafter kein Ersatzgeschäftsführer oder Aufsichtsrat der Gesellschaft und kann daher für Mißmanagement, insbesondere für eine unzureichende Überwachung der bestellten Geschäftsleiter, nur in Ausnahmefällen augrund einer Verletzung von Treuepflichten haftbar gemacht werden 507 . Der Unternehmergesellschafter kann sich insoweit auf ein Recht auf Desinteresse berufen und die Geschäftsführung bzw. deren Überwachung anderen überlassen sowie auf die ordnungsgemäße Wahrnehmung der damit verbundenen Pflichten durch die hiermit befaßten Mitgesellschafter oder Dritten vertrauen, sofern er seinerseits die gesellschaftsrechtliche Kompetenzordnung respektiert 508 .
505 So im Ansatz etwa Reul, Gleichbehandlung, S. 263 ff. (rechtspolitisch krit. angesichts alternativer gesellschafts- und kapitalmarktrechtlicher Lösungen jedoch auf S. 267f.); referierend MUlbert, Aktiengesellschaft, S. 83 f.; vgl. auch zum U.S.-amerikanischen Streit um die sog. „Perlman doctrine" die Nachweise bei Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. 1, S. 452 Fn. 33. 506 Siehe dazu nur Wiedemann, Minderheitenschutz, S. 64 ff.; MUlbert, Aktiengesellschaft, S. 83 f.; Lüttmann, Kontrollwechsel, S. 180; Lutter, ZHR 153 (1989), 446, 462; v. Falkenhausen, AG 1972, 276, 282. 507 So zutreffend K. Schmidt, ZIP 1989, 545, 546; ders., ZIP 1988, 1497, 1505f.; Priester, ZGR 1993, 512, 523 ff. 508 Zur Bedeutung der Wahrung der gesellschaftsrechtlichen Kompetenzordnung näher 4. Kap. § 1 A II 8; zur Haftung aufgrund einer Verletzung der Treuepflicht bei Kompetenzüberschreitungen Immenga, Kapitalgesellschaft, S. 277ff.; M. Winter, Treuebindungen, 5. 105ff. und 112f.; Ziemons, Haftung, S. 137ff. und 144, die allerdings die Gesellschafter auch bei formellen Weisungsbeschlüssen in der GmbH an die Grundsätze ordentlicher Geschäftsführung binden wollen und mit Recht den Kompetenzverstoß für sich allein noch nicht als haftungsbegründende Pflichtwidrigkeit ansehen.
52
Treuepflicbt des
Unternehmergesellschafters
217
VII. Rücksichtnahme auf die Interessen der Mitgesellschafter Die Pflicht eines jeden Gesellschafters zur angemessenen 509 Rücksichtnahme auf die gesellschaftsbezogenen Interessen der Mitgesellschafter ist heute unbestritten 510 . Sie stellt lediglich eine allgemeine und kurze Umschreibung für verschiedene Treuepflichten dar, die bei der Ausübung von Mitgliedschaftsrechten bestehen 511 . Dabei wird aus dem Rücksichtnahmegebot zumeist eine Pflicht zur Wahl des schonendsten Mittels der Rechtsausübung und ein Verbot der willkürlichen Schädigung abgeleitet. Eine darüber hinausreichende Pflicht zur fürsorglichen Wahrnehmung oder Förderung von Interessen der Mitgesellschafter wird jedoch allgemein mit der zutreffenden Begründung abgelehnt, daß sich aus dem Gesellschaftsvertrag bzw. der Satzung lediglich eine Pflicht zur Rücksichtnahme im Hinblick auf die gemeinsame Zweckverfolgung ergibt 512 . Dies gilt auch für einen beherrschenden Unternehmergesellschafter, obwohl dessen Verhältnis zu den Mitgesellschaftern durchaus als der Treuhand ähnlich angesehen werden kann 513 .
1. Interessenwahrnehmung
bei Abschluß des Gesellschaftsvertrages
Entgegen vereinzelten Stimmen kann man selbst aus der besonderen Machtstellung eines beherrschenden Unternehmergesellschafters nicht die (vorwirkende) Treuepflicht ableiten, bei Abschluß des Gesellschaftsvertrages die berechtigten Interessen seiner Verhandlungspartner und künftigen Mitgesellschafter wahrzunehmen 514 . Für die Wahrung ihrer Rechte, die über den in Ungleichgewichtslagen ohnehin weitreichenden gesetzlichen und richterli-
509 Im Rahmen der Angemessenheit der Rücksichtnahme wird vielfach zwischen zweckfördernden und zweckneutralen bzw. zwecksetzenden Maßnahmen (dazu nur A. Hueck, FS R. Hübner 1935, S. 72, 89 f.; Zöllner, Stimmrechtsmacht, S. 344 ff. und Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. 1, S. 434 f.) sowie zwischen der Wahrnehmung von eigennützigen und gesellschaftspflichtigen Rechten (dazu nur A. Hueck, FS R. Hübner 1935, S. 72, 81 f.; Staub/Ulmer, §105 Rn. 237; Angerer, Schranken, S. 85) differenziert. 510 Siehe nur BGH v. 20.3.1995 BGHZ 129, 136, 142f.; BGH v. 16.12.1960 BGHZ 34, 80, 83; BGH v. 8.2.1962 WM 1962, 390, 391; BGH v. 15.6.1964 WM 1964, 1127, 1128; BGH v. 3.2.1966 WM 1966, 511, 512; MünchKommBGB/Wmer, § 705 Rn. 188; anders noch v. Thür, BGB-AT, S. 5lOf. (Möglichkeit auch einer rücksichtlosen Ausnutzung von Mehrheitsrechten in der Mitgliederversammlung eines Vereins, sofern diese sich nur im Rahmen des Vereinszwecks und der Satzung bewegt). 5 " Siehe dazu nur Zöllner, Stimmrechtsmacht, S. 349ff.; MünchKommBGB/t/teer, § 705 Rn. 188; Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. 1, S. 435 und Lütter, AcP 180 (1980), 84, 124). 512 B G H v. 8.2.1962 WM 1962, 390, 391; O G H v. 13.4.1950 O G H Z 4, 66, 73; MünchKommBGB/Wmer, § 705 Rn. 188. 513 Siehe dazu bereits die Nachweise in Fn. 455. 514 So aber Manke, Ausschließung, S. 70ff.
218
2. Kapitel: Die Sonderstellung des
Unternehmergesellschafters
c h e n Mindestschutz 5 1 5 hinausgeht, haben vielmehr allein die b e t r o f f e n e n G e sellschafter selbst Sorge zu tragen. D i e insbesondere v o r B e g i n n der gemeinschaftlichen Z w e c k v e r f o l g u n g bestehende D i v e r g e n z der individuellen G e sellschafterinteressen, namentlich der U n t e r s c h i e d zwischen einer u n t e r n e h merischen und kapitalistischen Gesellschaftsbeteiligung, darf durch übersteigerte Treuepflichten nicht bis zur Selbstverleugnung überspielt werden. V i e l m e h r m u ß der U n t e r n e h m e r g e s e l l s c h a f t e r gerade bei der A u s h a n d l u n g des Gesellschaftsvertrags, d e m er später in vielerlei H i n s i c h t erst seine n o t wendig auf K o s t e n der Mitgesellschafter h e r a u s g e h o b e n e Stellung als gesellschaftsgebundener U n t e r n e h m e r verdanken wird, ausschließlich seine eigenen Interessen im A u g e behalten dürfen, zu denen im übrigen auch die vertrauensvolle Z u s a m m e n a r b e i t mit den Mitgesellschaftern gehören wird. D i e B e t o n u n g fürsorglicher A s p e k t e der Treuepflicht bei A u s h a n d l u n g des G e sellschaftsvertrages w ü r d e daher auch die Vereinigungsfreiheit und B e r u f s freiheit des Unternehmergesellschafters unverhältnismäßig beschneiden 5 1 6 .
2. Interessenwahrnehmung
bei Übertragung
des
Gesellschaftsanteils
B e s o n d e r s p r o b l e m a t i s c h sind z u d e m besondere F ü r s o r g e p f l i c h t e n eines ( b e h e r r s c h e n d e n ) Unternehmergesellschafters
bei der Ü b e r t r a g u n g
seines
Gesellschaftsanteils. E s ist zwar weitgehend anerkannt, daß der U n t e r n e h mergesellschafter auch insoweit nicht nur bei deliktischen Eingriffen nach § 8 2 6 B G B oder § 117 A k t G 5 1 7 , sondern auch bei einer Verletzung der R ü c k sichtnahmepflicht seinen Mitgesellschaftern gegenüber zum Schadensersatz verpflichtet ist 518 . E i n e Verletzung der R ü c k s i c h t n a h m e p f l i c h t wird man j e d o c h n u r dann a n n e h m e n k ö n n e n , w e n n der U n t e r n e h m e r g e s e l l s c h a f t e r seinen Gesellschaftsanteil an einen die Schädigung der Mitgesellschafter ersichtlich beabsichtigenden E r w e r b e r überträgt, o b w o h l er z u m selben oder einem
515 Siehe zum staatlichen Schutzauftrag bei gestörter Vertragsparität bzw. festgestellter Fremdbestimmung eines Vertragspartners nur BVerfG v. 7.2.1990 BVerfGE 81, 242, 255; BVerfG v. 19.10.1993 BVerfGE 214, 232; Höfling, Vertragsfreiheit, S.45ff.; Lieb, AcP 178 (1978), 196, 201; zur Schutzgebotslehre im Gesellschaftsvertragsrecht näher Jung, JZ 2001, 1004,1008 f.; zur Umqualifizierung grundsätzlich dispositiver Normen in zwingende Normen bei Chancenungleichheit der Vertragspartner Biedenkopf, FS Böhm 1965, S. 135; zur Sittenwidrigkeit freier Ausschlußklauseln (BGH v. 25.3.1985 WM 1985, 772, 773; Angerer, Schranken, S. 79), der Bewertung von Einlagen (BGH v. 5.12.1974 WM 1975, 325, 327), von Abfindungsregelungen (BGH v. 29.5.1978 NJW 1979, 104; BGH v. 9.1.1989 WM 1989, 783, 784 f.); zur Inhaltskontrolle insbesondere vorformulierter (Gesellschafts-)Verträge bei gestörter Vertragsparität siehe nur BGH v. 14.4.1975 BGHZ 64, 238, 24Iff.; Nicklisch, Inhaltskontrolle, S. 34f. und 45 sowie Lieb, AcP 178 (1978), 196, 207ff. 516 Siehe dazu näher 2. Kap. § 3 A I und II. 517 Lüttmann, Kontrollwechsel, S. 157; Wiedemann, Minderheitenschutz, S. 53 und 56; V. Falkenhausen, AG 1972, 276, 282. 518 Lüttmann, Kontrollwechsel, S. 157f.; krit. Lutter, ZHR 153 (1989), 446, 461.
5 2
Treuepflicht
des
Unternehmergesellschafters
219
zumutbar niedrigeren Preis an einen Interessenten verkaufen könnte, bei dem dies nicht der Fall ist 519 . Ein G e b o t zu fürsorglichem Verhalten, das etwa in besonderen Pflichten zur Erkundigung bzw. Mitteilung über die Eignung und unternehmerischen Ziele des Erwerbers 5 2 0 , zu einem Verkauf an den aus Sicht der Mitgesellschafter geeignetsten Bewerber, zu einer um die Anteile der Mitgesellschafter erweiterten Paketbildung 5 2 1 oder zu einem weitreichenden Verkaufsverzicht 5 2 2 bestehen würde, kann jedoch selbst aus der Sonderstellung des (beherrschenden) Unternehmergesellschafters nicht abgeleitet werden. A u c h eine analoge Anwendung des § 317 A k t G auf Unternehmergesellschafter ist in diesem Zusammenhang abzulehnen 5 2 3 . Zwar könnte man hier ausnahmsweise noch eine ausdehnende Anwendung der konzernrechtlichen Vorschrift auf Privatgesellschafter erwägen, da die ansonsten gegebene Vermutung des Interessengleichklangs zwischen Gesellschaft und Privatgesellschafter aufgrund der getroffenen Verkaufsentscheidung nicht mehr besteht und sich konzernähnliche Interessenkonflikte ergeben können 5 2 4 . Es fehlt hier jedoch an einer schädigenden Handlung, die der vom Tatbestand des § 317 Abs. 1 A k t G geforderten Veranlassung der Gesellschaft zu einem für sie nachteiligen Rechtsgeschäft oder zu einer ihr nachteiligen Maßnahme ähnlich wäre. D e r veräußerungswillige Unternehmergesellschafter mag bei der Suche eines Nachfolgers zwar auch als Treuhänder der Minderheit agieren, doch wird er dadurch noch nicht zu einer Art Organ der Gesellschaft, das sich an organschaftlichen Pflichtenbindungen zu orientieren hätte 525 . Vielmehr ist es dem Unternehmergesellschafter zuzugestehen, sein unternehmerisches Engagement durch eine an seinem Eigeninteresse orientierte und lediglich das Rücksichtnahmegebot beachtende Anteilsveräußerung zu beenden.
519 Ähnlich Reul, Gleichbehandlung, S. 262 und Lüttmann, Kontrollwechsel, S. 15/f. und 180f. (Verstoß gegen die Treuepflicht bei Kontrollerwerb durch die Mafia, einen raider oder Wettbewerber); krit. Lutter, Z H R 153 (1989), 446, 461. 520 Zurückhaltend im Hinblick auf Nachforschungspflichten auch Lüttmann, Kontrollwechsel, S. 158; weitgehender Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. 1, S. 451 f. und im Rahmen der Analogie zu § 317 AktG ders., Minderheitenschutz, S. 59 (Pflicht zur Information über den Erwerber und Verbot der Aktienübertragung an einen Kommissionär insbesondere bei erhöhtem Verkaufspreis). 521 Siehe dazu Reul, Gleichbehandlung, S. 265f.; mit Recht ablehnend Lutter, Z H R 153 (1989), 446, 460. 522 Die Frage einer Pflicht zum Verzicht auf vorteilhafte Anteilsübertragungen hingegen offenlassend Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. 1, S. 451 f. 523 So auch v. Falkenhausen, A G 1972, 276, 282; Lüttmann, Kontrollwechsel, S. 157; a.A. Wiedemann, Minderheitenschutz, S. 56 ff. 524 Auch insoweit bereits a.A. v. Falkenhausen, A G 1972, 276, 282. 525 So aber Wiedemann, Minderheitenschutz, S. 58.
220
2. Kapitel:
Die Sonderstellung
VIII.
des
Unternehmergesellschafters
Mitteilungspflichten
Ein Unternehmergesellschafter unterliegt darüber hinaus aufgrund seiner Treuepflicht besonderen Mitteilungspflichten. Soweit er die Gesellschaft nach §§ 21 ff. W p H G davon in Kenntnis setzen muß, daß er selbst oder aufgrund von Zurechnungen bestimmte Stimmrechtsschwellen in einer börsennotierten Gesellschaft i.S.d. § 21 Abs. 2 W p H G erreicht, über- oder unterschritten hat, kommen ihm weder die den Anlagegesellschaftern aus Gründen des Datenschutzes gewährten Erleichterungen zugute noch bleiben seine Mitteilungspflichten auf die gesetzlichen Pflichtangaben nach § 21 Abs. 1 und Abs. la i.V.m. § 25 Abs. 1 S. 2 W p H G beschränkt. Aufgrund seiner sich auch auf den Kapitalmarkt erstreckenden Treuepflicht kann der Unternehmergesellschafter vielmehr zusätzlich zur Offenlegung seiner Absicht einer unternehmerischen Einflußnahme sowie zur Angabe der die Anteilsbewertung ermöglichenden Tatsachen verpflichtet sein526. Allerdings hat der Unternehmergesellschafter aufgrund seiner Treuepflicht weder die Gesellschaft noch seine Mitgesellschafter von der bevorstehenden Übertragung seines Gesellschaftsanteils zu unterrichten, wenn dies, wie regelmäßig anzunehmen sein wird, seine eigenen Interessen beeinträchtigt 527 . Auch zur Mitteilung von Nebenvereinbarungen an die Gesellschaft oder nichtbeteiligte Gesellschafter ist er grundsätzlich nicht verpflichtet 528 . IX.
Finanzierungsverantwortung
Die verschiedentlich angeführte sog. Finanzierungsverantwortung eines Unternehmergesellschafters 529 läßt sich teilweise auch auf seine gesteigerte Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft und den Mitgesellschaftern zurückführen 530 . Aus der Treuepflicht können allerdings nur solche Finanzierungspflichten abgeleitet werden, die dem Unternehmergesellschafter im Interesse seiner Mitgesellschafter und nicht auch der Gläubiger obliegen531. Außerdem kann selbst ein Unternehmergesellschafter mit Hilfe der Treuepflicht nicht zur Leistung von Nachschüssen gezwungen werden (§ 707 B G B , § 53 Abs. 3
Dazu und zur Verfassungsmäßigkeit der §§ 21 ff. W p H G näher 2. Kap. § 3 A IV 2b aa. Siehe dazu auch Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. 1, S. 452f. (Mitteilungspflicht nur unter besonderen Voraussetzungen); weitergehend für die G m b H Volhard/Weber, FS Semler, S. 387,414. 528 Dazu näher U. Noack, Gesellschaftervereinbarungen, S. 250 f. 529 Dazu insbesondere 4. Kap. § 2 C II l c aa, IV 2c bb, D I 2 und E II. 530 Dazu auch Rümker, Z G R 1988, 494, 513f.; vgl. auch H a n s O L G v. 28.1.1983 ZIP 1983, 573, 576. 531 Dazu näher 4. Kap. § 2 A IV 1. 526
527
5 2
Treuepflicht des
Unternehmergesellschafters
221
GmbHG) 5 3 2 . Es kann daher nur fraglich sein, inwieweit der Unternehmergesellschafter aufgrund der ihm eigenen Finanzierungsverantwortung bei der Ausübung von Vermögensrechten zur Rücksichtnahme auf die Interessen der Gesellschaft und der Mitgesellschafter verpflichtet ist 533 . Dabei dürfen pauschale Bezugnahmen auf ein aus der Treuepflicht abgeleitetes Schädigungs- oder Existenzgefährdungsverbot 534 , die lediglich das auf Seiten der Mitgesellschafter berührte Interesse benennen, nicht von einer sorgfältigen Beurteilung des Einzelfalls entbinden, da sich selbst eine in Kenntnis der schädlichen Folgen vorgenommene Maßnahme als zulässige Rechtsausübung darstellen kann. So wird die Umqualifikation von stehengelassenen Gesellschafterhilfen in Haftkapital gerade damit gerechtfertigt, daß sich der Gesellschafter bei Eintritt der Kreditunwürdigkeit nicht für die Liquidation der Gesellschaft, sondern ein Stehenlassen der gewährten Finanzhilfen und damit für eine Fortführung der für die Gläubiger besonders risikoreichen Geschäftstätigkeit entschieden hat 535 . Dieser Finanzierungsvorwurf darf nicht durch eine Verpflichtung auf das Bestandsinteresse der Mitgesellschafter konterkariert werden. Andererseits sollten sich die Rechtsfolgen eines Abzugs bereits umqualifizierter Gesellschafterhilfen nicht nach den Grundsätzen der Treuepflichtverletzung, sondern ausschließlich nach dem Sonderrecht des Eigenkapitalersatzes richten. Auch kann es dem Gesellschafter nicht verwehrt werden, die Gesellschaft durch eine zulässige Rechtsausübung wie etwa die Aufkündigung eines Lizenzvertrages oder durch zulässige Ausschüttungen faktisch zu liquidieren, sofern die jeweiligen Maßnahmen nicht ausschließlich der eigennützigen Umgehung der Auflösungsvorschriften dienen (sog. Liquidation „auf kaltem Wege") 536 .
532 A. Hueck, OHG, S. 209 (auch bei Existenzgefährdung der Gesellschaft keine treuepflichtbedingte Nachschußpflicht von OHG-Gesellschaftern); generell für Personengesellschaften MünchHdb.GesR Vv. Falkenhausen, § 54 Rn. 109; für die GmbH BGH v. 19.9.1988 BGHZ 105, 168, 175 und Priester, ZGR 1993, 512, 524; zu einem Sonderfall siehe lediglich BGH v. 25.9.1986 BGHZ 98, 276, 279f. (Pflicht zur Zustimmung zu einer Kapitalerhöhung, wenn dem Gesellschafter die entsprechenden Mittel von einem Mitgesellschafter zur Verfügung gestellt werden). 533 Siehe dazu etwa einerseits HansOLG v. 28.1.1983 ZIP 1983, 573, 576 (Anspruch eines Anlegerkommanditisten auf Rückzahlung des der Publikums-KG gewährten Darlehens auch bei möglicherweise drohendem Konkurs wegen fehlender Finanzierungsverantwortung) und andererseits B G H v. 5.11.1984 ZIP 1985, 407, 408 sowie O L G Koblenz v. 5.4.1984 WM 1984, 1051, 1053 (Treuepflicht zum Verzicht auf die im Gesellschaftsvertrag einer Publikums-KG garantierte Verzinsung von Kapitaleinlagen); zu Treuepflichten bei der Ausübung von Entnahmerechten bereits 2. Kap. § 1 A III la aa (ccc). 534 Dazu etwa K. Schmidt, ZIP 1988, 1497, 1506; ders., ZIP 1989, 545, 547; M. Winter, Treuebindungen, S. 202ff.; Priester, ZGR 1993, 512, 521 ff. 535 Dazu näher 4. Kap. § 2 D I 2. 536 Weitergehend hingegen M. Winter, Treuebindungen, S. 202 ff. und Priester, ZGR 1993, 512, 525f.; vgl. zu § 826 BGB auch O L G Saarbrücken v. 22.9.1992 ZIP 1992, 1623, 1625ff.
222
2. Kapitel: Die Sonderstellung des
Unternehmergesellschafters
§ 3 Die verfassungsrechtliche Behandlung des gesellschaftsgebundenen Unternehmertums D i e u n t e r n e h m e r i s c h e Tätigkeit als solche wird durch das G r u n d g e s e t z nicht ausdrücklich und eigenständig geschützt. E i n eindimensionaler G r u n d rechtsschutz würde der Vielschichtigkeit des u n t e r n e h m e r i s c h e n H a n d e l n s eines Gesellschafters auch nur undifferenziert gerecht werden k ö n n e n . I m folgenden soll daher eingehender untersucht werden, wie die T ä t i g k e i t eines Unternehmergesellschafters in seinen unterschiedlichen Ausprägungen an der verfassungsrechtlichen G e w ä h r l e i s t u n g der Vereinigungsfreiheit (Art. 9 A b s . 1 G G ) , der Berufsfreiheit (Art. 12 A b s . 1 G G ) , der Eigentumsgarantie (Art. 14 G G ) ,
des R e c h t s auf informationelle
Selbstbestimmung
A b s . 1 i.V.m. A r t . 1 A b s . 1 G G ) und der allgemeinen
(Art. 2
Handlungsfreiheit
(Art. 2 A b s . 1 G G ) sowie des allgemeinen Gleichheitssatzes ( A r t . 3 A b s . 1 G G ) Anteil hat. D a m i t soll zugleich die R o l l e des Verfassungsrechts und namentlich diejenige der G l e i c h b e h a n d l u n g v o n gesellschaftsgebundener und selbständiger U n t e r n e h m e r t ä t i g k e i t für die status-, haftungs-, z u r e c h n u n g s und identifikationsbegründende F u n k t i o n der gesellschaftsgebundenen U n ternehmerstellung verdeutlicht werden. D a b e i b e r u h t die Darstellung der Ausstrahlungswirkung der genannten G r u n d r e c h t e im Gesellschaftsrecht auf der L e h r e v o n der mittelbaren G r u n d r e c h t s w i r k u n g im Privatrecht in ihrer E r g ä n z u n g durch die sog. Schutzgebotslehre, w o m i t insbesondere auch der geltenden R e c h t s p r e c h u n g des Bundesverfassungsgerichts R e c h n u n g getragen wird 5 3 7 .
A, Der Schutz des gesellschaftsgebundenen Unternehmertums durch die Freiheitsgrundrechte I. 1. Schutzaspekte
der
Vereinigungsfreiheit Vereinigungsfreiheit
Als Individualrecht garantiert A r t . 9 A b s . 1 G G dem U n t e r n e h m e r zunächst die Freiheit, aus privater Initiative Mehrpersonengesellschaften 5 3 8 j e d 537 Eingehend zur Austrahlungswirkung der Grundrechte auf das Gesellschaftsrecht Jung, JZ 2001, 1004 ff. m.w.N. 538 Einpersonengesellschaften werden von Art. 9 Abs. 1 GG nicht geschützt (dazu nur Bauer, in: Dreier (Hrsg.) GG Art. 9 Rn. 34; Löwer, in: v. Münch/Kunig Art. 9 Rn. 25 und Wollburg, Anwendbarkeit, S. 88); auch das Unternehmen stellt keine durch Art. 9 Abs. 1 GG geschützte Vereinigung zwischen Anteilseignern und Arbeitnehmern dar, da es insoweit an einer durch kollektiven Gründungsakt begründeten rechtlichen Verbindung der zu einem ge-
§3
Grundrechte
des
Unternehmergesellschafters
223
weder Art und zu beliebigen Zwecken zu gründen (Gründungsfreiheit), ihnen beizutreten (Beitrittsfreiheit), sich in ihnen zu betätigen (interne Organisations- und Betätigungsfreiheit) sowie diese aufzulösen, ihnen fernzubleiben und aus ihnen auszutreten (negative Vereinigungsfreiheit) 539 . Darüber hinaus soll die Vereinigungsfreiheit nach herrschender Meinung auch die externe individuelle Betätigungsfreiheit sowie schließlich als Kollektivgrundrecht und ohne Rückgriff auf Art. 19 Abs. 3 GG die Vereinigung als solche in ihrem Bestand540 sowie zumindest im Kernbereich ihrer vereinigungsspezifischen Betätigung 541 schützen. Erfaßt werden namentlich der Erwerb, das Innehaben bzw. die Veräußerung von Anteilsrechten an Gesellschaften und die Ausübung der gesellschaftsrechtlichen Befugnisse aus diesen Anteilsrechten 542 sowie die gemeinschaftliche Organisation der Unternehmertätigkeit und die Handlungen zur Erhaltung der Gesellschaft 543 . Dabei kann der Unternehmergesellschafter im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung mit einem besonderen Schutz seiner Vereinigungsfreiheit und des Selbstbestimmungsrechts seiner Gesellschaft rechnen, da die Intensität des durch Art. 9 Abs. 1 GG ge-
meinsamen Zweck handelnden Beteiligten fehlt (dazu Wollburg, Anwendbarkeit, S. 81 ff.; Rittner, JZ 1979, 743, 744 und 746; a.A. verbunden mit einer Kritik am Mitbestimmungsurteil des BVerfG v. 1.3.1979 BVerfG 50, 290, 353ff. Kaiser, JZ 1979, 489, 494ff. 539 BVerfG v. 18.12.1974 BVerfGE 38, 281, 298 und 303; R. Scholz, in: Maunz/Dürig GG Rn. 78ff. und 93 zu Art. 9; Bauer, in: Dreier (Hrsg.) GG Art. 9 Rn. 17; Badura/Rittner/ Rüthers, Gemeinschaftsgutachten, S. 215; einschränkend allerdings Hamann, AG 1962, 287, 287f. 540 BVerfG v. 18.10.1961 BVerfGE 13, 174,175; BVerfG v. 24.2.1971 BVerfGE 30, 227, 241; BVerfG v. 26.2.1987 BVerfGE 80, 244, 253. 541 So unter Hinweis auf den engen Zusammenhang von individueller und kollektiver Vereinigungsfreiheit BVerfG v. 24.2.1971 BVerfGE 30, 227, 241 ff. (Verfolgung eines wesentlichen satzungsmäßigen Zwecks); BVerfG v. 1.3.1979 BVerfGE 50, 290, 354 („Führung ihrer Geschäfte", was allerdings nicht zwingend auch die externe Betätigung einschließt); BVerfG v. 26.2.1987 BVerfGE 80,244, 253 (Schutz des Kernbereichs des Vereinsbestands und der Vereinstätigkeit); BVerfG v. 9.10.1991 BVerfGE 84, 372, 378f. (Schutz der vereinigungssichernden Außenkontakte wie Mitgliederwerbung und Selbstdarstellung); BVerfG v. 12.10.1995 NJW 1996, 1203 („Führung der Geschäfte"); einschränkend BVerfG v. 14.5.1985 BVerfGE 70, 1, 25 (kein Schutz der allgemeinen Teilnahme am Rechtsverkehr); Bauer, in: Dreier (Hrsg.) GG Art. 9 Rn. 29ff. und 40; Löwer, in: v. Münch/Kunig Art. 9 Rn. 32; Ottmann, Vereinigungsfreiheit, S. 153 ff.; a.A. R. Scholz, in: Maunz/Dürig GG Rn. 23 ff. zu Art. 9 (Einordnung der Vereinigungsfreiheit als bloßes Ausübungsrecht); S a c h s / H ö f l i n g , Art. 9 Rn. 26; Wollburg, Anwendbarkeit, S. 148ff.; differenzierend AK-GG/Rinken, Art. 9 I Rn. 55f. (Schutz der Außenbetätigung des Kollektivs nach Art. 19 Abs. 3 GG und Schutz der Innenbetätigung unmittelbar durch Art. 9 Abs. 1 GG); ebenso Merten, HStR VI § 144 Rn. 50f., der z.B. entgegen BVerfG v. 1.10.1987 NJW 1988, 890, 892 zum Schutz von Vereinsdaten unmittelbar auf Art. 9 Abs. 1 GG zurückgreifen möchte. 542 Badura/Rittner/Rüthers, Gemeinschaftsgutachten, S. 195 f. und 215; R. Scholz, in: Maunz/Dürig GG Rn. 93 zu Art. 9. 543 R. Scholz, in: Maunz/Dürig GG Rn. 111 zu Art. 9; Badura, FS Rittner, S. 1, 13f.; Wollburg, Anwendbarkeit, S. 16ff.; Ottmann, Vereinigungsfreiheit, S. 138 ff.; Badura/Rittner/ Rüthers, Gemeinschaftsgutachten, S. 215 ff.
224
2. Kapitel: Die Sonderstellung
des
Unternehmergesellschafters
währten Schutzes nach allgemeiner Auffassung vom Bezug der gesellschaftlichen Beteiligung zur persönlichen Entfaltung des Menschen abhängig ist544. Von besonderem Interesse für die Reichweite des Schutzes eines Unternehmergesellschafters durch die allgemeine Vereinigungsfreiheit ist deren Verhältnis zu den Grundrechten der Art. 12 und 14 G G . O b w o h l die herrschende Meinung in diesem Zusammenhang auch für das Gesellschaftsrecht von einer Idealkonkurrenz der verschiedenen Gewährleistungsbereiche ausgeht 545 , wird Art. 9 Abs. 1 immer wieder im Ergebnis auf ein Grundrecht der Gründergesellschafter beschränkt 546 . Diese Beschneidung des Wirkungsbereichs der Vereinigungsfreiheit ist angesichts der zwischen den speziellen Freiheitsrechten bestehenden Idealkonkurrenz und der Unterschiedlichkeit der Grundrechtsschranken zumindest bei der Beteiligung eines Unternehmergesellschafters, der mit Hilfe der allgemeinen Vereinigungsfreiheit einen zusätzlichen Schutz der kollektiven Aspekte seiner personal geprägten U n ternehmerfreiheit anstrebt, nicht gerechtfertigt. Aufgrund der erwähnten Begrenzung des durch Art. 9 Abs. 1 G G dem Kollektiv gewährten Schutzes auf die vereinigungsspezifische Betätigung ist es dabei auch nicht geboten, im Überschneidungsbereich die Grundrechtsschranken der Art. 12 und 14 G G unter Hinweis auf Art. 3 Abs. 1 G G auch auf Art. 9 Abs. 1 G G zu übertragen, da insoweit die Privilegierung der kollektiven Tätigkeit gegenüber der Individualbetätigung durch die spezifischen Schutzbedürfnisse der Vereinigung gerechtfertigt ist547.
544
BVerfG v. 1.3.1979 BVerfGE 50, 290, 355f. und 359f.; Bauer, in: Dreier (Hrsg.) G G Art. 9 Rn. 57; Löwer, in: v. Münch/Kunig Art. 9 Rn. 28; R. Scholz, in: Maunz/Dürig G G Rn. 93 zu Art. 9; Wollburg, Anwendbarkeit, S. 136 und passim; May, Sicherung, S. 74f.; krit. Schmidt-Bleibtreu/Klein//C«KKei2gze/?er, Art. 9 Rn. 5d, der offenbar das gleichberechtigte Zusammenwirken von Gesellschaftern als Element der Vereinigungsfreiheit ansieht und dieses bei Einfluß eines großen Anteilseigners als zumindest stark eingeschränkt ansieht; für eine Unbeachtlichkeit des personalen Grundzugs und einen gleichberechtigten Schutz größerer Kapitalgesellschaften generell Merten, HStR VI § 144 Rn. 41. 545 R. Scholz, in: Maunz/Dürig G G Rn. 93 und 111 zu Art. 9. 546 Für einen Vorrang des Art. 14 G G vor Art. 9 Abs. 1 beim Schutz der Aktionärsstellung BVerfG v. 20.7.1954 BVerfGE 4, 7, 26; BVerfG v. 7.8.1962 BVerfGE 14, 263, 273ff. (hier beschränkte sich auch bereits die Vorlage des A G Düsseldorf auf die Rüge eines Verstoßes gegen Art. 14 Abs. 1 GG); BVerfG v. 1.3.1979 BVerfGE 50, 290, 356; offengelassen von BVerfG v. 25.10.1989 Az.: 1 BvR 1499/87; zur Subsidiarität des Art. 9 Abs. 1 außerhalb von Gründungsvereinbarungen Höfling, Vertragsfreiheit, S. 16f.; zur fehlenden Bedeutung des Art. 9 Abs. 1 G G für Veränderungen im Gesellschaftsverhältnis auch Hamann, A G 1962, 287, 287f.; krit. Ottmann, Vereinigungsfreiheit, S. 123f. und 138ff. 547 Ottmann, Vereinigungsfreiheit, S. 138ff.; a.A. R. Scholz, in: Maunz/Dürig G G Rn. 111 zu Art. 9; ders., Konzentrationskontrolle, S. 43 f.
53
Grundrechte
des
Unternehmergesellschafters
2. Schutz der gesellschaftsgebundenen durch Art. 9 Abs. 1 GG
225
Unternehmertätigkeit
Das Grundrecht der Vereinigungsfreiheit steht nach allgemeiner Meinung unter einem weitreichenden Ausgestaltungsvorbehalt zugunsten des Gesetzgebers548 und enthält insbesondere keine Institutsgarantie des überkommenen Gesellschaftsrechts549. Bloße Ausgestaltungsregelungen sind daher bereits durch die Notwendigkeit gerechtfertigt, die Vereinigungen in die allgemeine Rechtsordnung einzufügen, die Sicherheit des Rechtsverkehrs oder die Funktionsfähigkeit der Vereinigung zu gewährleisten, schutzbedürftiger Belange der Mitglieder bzw. Dritter zu sichern oder öffentliche Interessen zu wahren550. Art. 9 Abs. 1 GG trägt allerdings dafür Sorge, daß die kollektive nicht gegenüber der individuellen Zweckverfolgung unangemessen benachteiligt oder in ihrem privatautonomen Kernbereich mißachtet wird. Sofern dies durch die spezifischen Schutzbedürfnisse der kollektiven Zweckverfolgung geboten ist, kann die Gesellschaftstätigkeit aufgrund von Art. 9 Abs. 1 GG schließlich ausnahmsweise sogar gegenüber der Individualbetätigung privilegiert werden551. Aufgrund von Art. 9 Abs. 1 GG hat der Gesetzgeber namentlich eine hinreichende Vielfalt von funktionsfähigen Rechtsformen zur Verfügung zu stellen, die den verschiedenen Typen von Vereinigungen und damit auch der gesellschaftsrechtlich vermittelten Unternehmertätigkeit gerecht werden552. Zu begrüßen sind daher auch insoweit die Tendenzen zur rechtlichen Verselbständigung der Personengesellschaften und damit zur Stärkung ihrer Funktionsfähigkeit im Wirtschaftsverkehr 553 . Andererseits wäre es etwa fraglich, ob der Gesetzgeber die Rechtsform der GmbH abschaffen könnte, ohne damit in
548
BVerfG v. 1.3.1979 BVerfGE 50, 290, 354f. und 359; Löwer, in: v. Münch/Kunig Art. 9 Rn. 21; Badura, FS Rittner, S. 1, 14f.; R. Scholz, in: Maunz/Dürig G G Rn. 93 zu Art. 9; krit. Ottmann, Vereinigungsfreiheit, S. 147ff.; Bauer, in: Dreier (Hrsg.) G G Art. 9 Rn. 47. 549 BVerfG v. 1.3.1979 BVerfGE 50, 290, 355; R. Scholz, in: Maunz/Dürig G G Rn. 26 zu Art. 9; Löwer, in: v. Münch/Kunig Art. 9 Rn. 19; a.A. Pernthaler, Mitbestimmung, S. 24f. (Institutsgarantie eines Kernbestands von Einrichtungen des Assoziationsrechts). 550 BVerfG v. 1.3.1979 BVerfGE 50, 290, 355; Löwer, in: v. Münch/Kunig Art. 9 Rn. 20. 551 Ottmann, Vereinigungsfreiheit, S. 138 ff.; zum Verbot einer ungerechtfertigten Privilegierung der kollektiven Zweckverfolgung aufgrund von Art. 9 Abs. 1 G G siehe nur BVerfG v. 1.3.1979 BVerfGE 50, 290, 353 und Löwer, in: v. Münch/Kunig Art. 9 Rn. 15; R. Scholz, in: Maunz/Dürig G G Rn. 87und 111 zu Art. 9 u n d Wollburg, Anwendbarkeit, S. 155ff. plädieren aus diesem Grund im Bereich der Idealkonkurrenz sogar für eine Übertragung der für die Wirtschaftsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 S. 2 und Art. 14 G G geltenden Schranken auf die Vereinigungsfreiheit. 552 BVerfG v. 1.3.1979 BVerfGE 50, 290, 355; R. Scholz, in: Maunz/Dürig G G Rn. 30 zu Art. 9; Bauer, in: Dreier (Hrsg.) G G Art. 9 Rn. 48; Papier, W D S t R L 35 (1977), 55, 94 und 100; Ottmann, Vereinigungsfreiheit, S. 183ff. und 261 f.; Fastrich, Rechtsdenken, S. 37. 553 Vgl. allerdings zur Verfassungsmäßigkeit der Begrenzung der Rechtsfähigkeit BVerwG v. 24.4.1979 BVerwGE 58, 26, 33 ff.
226
2. Kapitel: Die Sonderstellung des
Unternehmergesellschafters
die Vereinigungsfreiheit v o n U n t e r n e h m e r g e s e l l s c h a f t e r n einzugreifen, denen auf diese Weise nur n o c h die wenig auf ihre Bedürfnisse zugeschnittene F o r m der Aktiengesellschaft, die in der Praxis wenig verbreitete K o m m a n d i t g e s e l l schaft auf A k t i e n und die v o r n e h m l i c h für K l e i n u n t e r n e h m e n o d e r U n t e r nehmenskooperationen
geeigneten Personengesellschaften
zur
Verfügung
stünden 5 5 4 . P r o b l e m a t i s c h wäre es daher auch, für eigenkapitalbedürftige U n t e r n e h m e n per G e s e t z die F o r m der Aktiengesellschaft vorzuschreiben 5 5 5 , da diese G e s e l l s c h a f t s f o r m für den U n t e r n e h m e r g e s e l l s c h a f t e r zumindest in ihrer derzeitigen Ausgestaltung verhältnismäßig nachteilig ist 556 und ihm hierdurch die u n t e r n e h m e r i s c h e Betätigung in kapitalintensiven Wirtschaftsbereic h e n in einer Weise erschwert wird, die durch das Ziel einer verbesserten E i genkapitalausstattung, die auch auf andere Weise zu erreichen ist 557 , nicht gerechtfertigt w e r d e n kann 5 5 8 . A u c h durch sonstige hoheitliche M a ß n a h m e n darf die gesellschaftsgebundene U n t e r n e h m e r t ä t i g k e i t nicht praktisch l a h m gelegt oder wirtschaftlich unattraktiv werden, was j e d o c h n o c h nicht für die Belastungen durch die derzeit bestehende u n t e r n e h m e r i s c h e M i t b e s t i m m u n g gelten kann 5 5 9 . E i n e mit A r t . 9 A b s . 1 G G nicht m e h r vereinbare D i s k r i m i n i e rung b e s t i m m t e r F o r m e n der kollektiven U n t e r n e h m e r t ä t i g k e i t wäre allerdings mit der E i n f ü h r u n g eines umfassenden K o n z e s s i o n s s y s t e m s 5 6 0 o d e r mit der gesetzlichen A b s c h a f f u n g der M ö g l i c h k e i t zur A u f l ö s u n g v o n
Groß-
unternehmensträgern 5 6 1 v e r b u n d e n .
554 Verneinend Ottmann, Vereinigungsfreiheit, S. 184 (Abschaffung der GmbH) und 261 f. (Abschaffung personenbezogener Unternehmensträgertypen). 555 So der im Interesse einer Verbesserung der Eigenkapitalausstattung deutscher Unternehmen gemachte Vorschlag von Reuter, Gutachten B 55. DJT, S. 44 ff. 556 Dazu näher 1. Kap. § 4 A II 2. 557 Siehe dazu 2. Kap. § 1 A III 2a aa. 558 Siehe dazu die Kritik von Semler, in: Sitzungsbericht K 55. DJT, S. 42 f. und Albach, in: Sitzungsbericht K 55. DJT, S. 21 f. 559 Zur Vereinbarkeit der Mitbestimmung der Arbeitnehmer in größere Unternehmen tragenden Kapitalgesellschaften BVerfG v. 1.3.1979 BVerfGE 50, 290, 353ff.; zur verringerten Attraktivität insbesondere der Aktiengesellschaft durch die Belastungen der unternehmerischen Mitbestimmung siehe etwa Kubier, AG 1981, 5, lOf. 560 R. Scholz, in: Maunz/Dürig G G Rn. 79 zu Art. 9; Schmidt-Bleibtreu/Klein//iii«»engießer, Art. 9 Rn. 6; Sachs /Höfling, Art. 9 Rn. 34. 561 Vgl. dazu den hypothetischen Vorschlag eines Sondergesetzes zur Verhinderung der Auflösung der Deutschen Bank A G bei Rathenau, Aktienwesen, S. 39; wie hier Ottmann, Vereinigungsfreiheit, S. 189f.; für die grundsätzliche Unbedenklichkeit staatlicher Einschränkungen der Auflösungsautonomie bei Kapitalgesellschaften unter Aufrechterhaltung individueller Kapitalentwidmungsmöglichkeiten hingegen Papier, W D S t R L 35 (1977), 55, 98 mit Fn. 188.
53
Grundrechte des
II. 1. Gesellschaftsgebundene
Unternehmergesellschafters
227
Berufsfreiheit Unternehmertätigkeit
als Beruf
U n t e r einem B e r u f wird allgemein jede auf D a u e r angelegte, der Schaffung und Erhaltung einer Lebensgrundlage dienende Betätigung verstanden, die erlaubt bzw. sozial unschädlich ist 562 . D e r Begriff des Berufs ist weit auszulegen und nicht an die traditionell oder v o m Gesetzgeber fixierten Berufsbilder gebunden. E r umfaßt nach heute einhelliger Auffassung gleichermaßen die gewerbliche wie die freiberufliche und die selbständige wie die unselbständige Tätigkeit 5 6 3 , wobei von einer Person auch mehrere Berufe als H a u p t - , Zweit- oder N e b e n b e ruf ausgeübt werden können 5 6 4 . D e r B e r u f ist für den Berufstätigen nicht nur L e bensgrundlage, sondern auch Lebensaufgabe und und damit eng mit seiner Persönlichkeit verbunden, die sich im B e r u f ausformt und vollendet 565 . D e r weit verbreiteten Auffassung, daß n u r der E i n z e l u n t e r n e h m e r oder ein persönlich haftender Gesellschafter, nicht j e d o c h die A k t i o n ä r e einer g r ö ß e ren Aktiengesellschaft als solche einen B e r u f im soeben dargestellten Sinne ausübten 5 6 6 , kann in dieser Allgemeinheit nicht gefolgt werden. D e n n z u m i n dest der u n t e r n e h m e r i s c h engagierte Gesellschafter geht unabhängig v o n der G e s e l l s c h a f t s f o r m und einer etwaigen Mitgliedschaft im Leitungsorgan der Gesellschaft einem B e r u f i.S.v. A r t . 12 A b s . 1 G G nach, da seine Gesellschafterstellung auf D a u e r angelegt ist und er sich mit der u n t e r n e h m e r i s c h e n B e tätigung und Beteiligung eine Lebensgrundlage und L e b e n s a u f g a b e schafft bzw. erhält 5 6 7 . D e r Unternehmergesellschafter, der seine Gesellschaftsbeteili-
562 BVerfG V. 11.6.1958 BVerfGE 7, 377, 397; BVerfG v. 21.2.1962 BVerfGE 14, 19, 22; BVerfG v. 1.3.1979 BVerfGE 50, 290, 362; BVerwG v. 14.12.1954 BVerwGE 1, 269, 271; zum Berufsbegriff eingehend Bachof, in: Bettermann/Nipperdey/Scheuner Bd. III/l, S. 181 ff. 563 BVerfG V. 4.4.1967 BVerfGE 21, 261, 266; BVerfG v. 16.3.1971 BVerfGE 30, 292, 312; BVerfG v. 1.3.1979 BVerfGE 50, 290, 362f.; BVerwG v. 18.4.1985 BVerwGE 183, 189; Bachof, in: Bettermann/Nipperdey/Scheuner Bd. III/l, S. 160; Wieland, in: Dreier (Hrsg.) GG Art. 12 Rn. 61; Sachs/Tettinger, Art. 12 Rn. 28. 564 Breuer, HStRVI §147 Rn. 53; Stober, Grundrechtsschutz, S. 62; Bachof, in: Bettermann/Nipperdey/Scheuner Bd. III/l, S. 187; Wieland, in: Dreier (Hrsg.) GG Art. 12 Rn. 50. 565 BVerfG v. 11.6.1958 BVerfGE 7, 377, 397; H.-P. Schneider, W D S t R L 43 (1985), 7, 40; zur inzwischen allerdings überholten Unterscheidung zwischen persönlichkeitsbezogenem Beruf und erwerbsbezogenem Gewerbe Haußleiter, DOV 1952, 496,497f.; zur „Berufung" als Element des Berufsbegriffs Ballerstedt, in: Gestaltwandel der Unternehmung, S. 65, 78 f. 566 Chlosta, Wesensgehalt, S. 175; Hamann, AG 1962, 287, 288; demgegenüber steht die von Wiethölter, Interessen, S. 32 im Anschluß an Steinitzer gemachte Aussage, es sei kein Beruf, Aktionär zu sein, in einem anderen Zusammenhang und soll lediglich unterstreichen, daß es angesichts der Vielzahl der die Aktionäre beherrschenden Interessen kein einheitliches Berufsbild des Aktionärs gebe; so spricht denn auch Wiethölter an anderer Stelle (Interessen, S. 316) seinerseits vom „Beruf" des Großaktionärs. 567 Siehe dazu auch Leisner, JZ 1972, 33 ff.; zur Einbeziehung von Gesellschaftern in die Unternehmerfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG ferner Breuer, HStRVI § 147 Rn. 23 und 61; offenlassend für den (Klein-)Aktionär BVerfG v. 21.11.1989, ZIP 1990, 228, 229.
228
2. Kapitel: Die Sonderstellung des
Unternehmergesellschafters
gung durch Unternehmerinitiative aktiv verwaltet und dessen persönliches Schicksal auf das engste mit dem der Gesellschaft verknüpft ist, kann daher mit Recht als Berufsgesellschafter oder Berufseigentümer bezeichnet werden568. Mit der freien Wahl und Ausübung eines Berufes schützt Art. 12 Abs. 1 G G daher auch die Freiheit des Unternehmergesellschafters zur privatautonomen Gründung, Organisation, Planung, Entwicklung, Führung und marktmäßigen Positionierung eines Unternehmens569. Auch das Bundesverfassungsgericht hat dies in seinem Mitbestimmungsurteil im Ergebnis bestätigt. Zwar hat es einerseits in unzutreffender Weise eine Abstufung der Schutzintensität der Berufs- und Unternehmerfreiheit anhand der Unternehmensgröße vorgenommen und vom fast vollständigen Verlust des personalen Bezugs bei Großunternehmen gesprochen570, doch hat es zugleich eingeräumt, daß dies ausnahmsweise dann nicht zu gelten habe, wenn ein maßgebender Anteilseigner zugleich in der Leitung des Unternehmens tätig sei571. Damit hat auch das Bundesverfassungsgericht letztlich auf das in der Tat maßgebliche Kriterium des personalen Bezugs der lediglich gesellschaftsrechtlich vermittelten unternehmerischen Tätigkeit abgestellt. Demgegenüber erlangt die Größe des Unternehmens nur eine Bedeutung für die in die Abwägung einzubeziehenden sozialen und gesamtwirtschaftlichen Belange572.
2. Schutz der gesellschaftsgebundenen Art. 12 Abs. 1 GG
Berufstätigkeit
durch
Art. 12 Abs. 1 G G gilt allgemein als das Hauptgrundrecht der freien wirtschaftlichen und unternehmerischen Betätigung573. Aufgrund des weiten Schutzbereichs des Art. 12 Abs. 1 GG ergeben sich jedoch Überschneidungen mit dem Schutz des Unternehmergesellschafters insbesondere durch Art. 2 Abs. 1 und Art. 14 GG. Angesichts der Subsidiarität der allgemeinen Vertragsfreiheit sind Einschränkungen der mit der Berufsausübung zusam-
568 Leisner, JZ 1972, 33 ff. spricht vom „Beruf des Mitgesellschafters" und vom „Berufseigentümer". 569 BVerfG v. 1.3.1979 BVerfGE 50, 290, 363; BVerwG v. 18.4.1985 BVerwGE 71, 183, 189; Gubelt, in: v. Münch/Kunig Art. 12 Rn. 18; BaduralRittner/Rüthers, Gemeinschaftsgutachten, S. 196 ff.; Badura, FS Rittner, S. 1, 12 f.; zu den Bestandteilen der Unternehmerfreiheit näher Ossenhühl, AöR 115 (1990), 1, 18f.; Papier, W D S t R L 35 (1977), 55, 57 u. 87; Breuer, HStR VI § 147 Rn. 63 und R. Scholz, in: Maunz/Dürig GG Rn. 124 zu Art. 12. 570 BVerfG v. 1.3.1979 BVerfGE 50, 290, 363; mit Recht krit. zum Kriterium der Unternehmensgröße Breuer, HStR VI § 147 Rn. 61 und Gubelt, in v. Münch/Kunig Art. 12 Rn. 18. 571 BVerfG v. 1.3.1979 BVerfGE 50, 290, 363. 572 Ebenso BVerfG v. 1.3.1979 BVerfGE 50,290, 363 und Ossenhühl, AöR 115 (1990), 1,12. 573 Ossenhühl, AöR 115 (1990), 1, 5; Rittner, Unternehmerfreiheit, S. 21; Badura, FS Rittner, S. 1, 12; Stober, Grundrechtsschutz, S. 59.
§3
Grundrechte
des
Unternehmergesellschafters
229
menhängenden Vertragsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 G G zu beurteilen 574 . Von einem Vorrang der Berufsfreiheit vor Art. 2 Abs. 1 G G ist auch bei Beschränkungen der Wettbewerbsfreiheit 575 und bei Pflichten zur Offenbarung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen 576 auszugehen. Im Verhältnis zu Art. 14 G G besteht Idealkonkurrenz, so daß angesichts der für den unternehmerisch engagierten Gesellschafter charakteristischen aktiven Nutzung des Anteilseigentums zur Berufsausübung vielfach eine Kombination des Grundrechtsschutzes aus Art. 12 Abs. 1 und 14 G G gegeben ist577. Die Feststellung, ob es sich um einen mehr erwerbs- als bestandsbezogenen 578 bzw. einen mehr personen- als sachbezogenen 579 Eingriff handelt, ist damit im Uberschneidungsbereich nur noch für die Frage von Bedeutung, welches der beiden die Wirtschaftsfreiheit sichernden Grundrechte primär einschlägig ist580. Die Ergänzung des Eigentumsschutzes durch Art. 12 Abs. 1 G G ist angesichts der weitgehenden Schrankenidentität allerdings nur dann von praktischer Bedeutung, wenn der Eingriff in das Anteilseigentum des Gesellschafters nicht nur die Berufsausübung beeinträchtigt, sondern auch die Freiheit der Berufswahl einschränkt, da in diesem Fall nach der Stufentheorie 581 durch Art. 12 Abs. 1 G G ein stärkerer Schutz als durch Art. 14 G G gewährleistet wird582. Das Berufsbild des unternehmerisch engagierten Gesellschafters wird insbesondere durch die unterschiedlichen gesellschaftsrechtlichen Regelungen i.S.v. Art. 12 Abs. 1 S. 2 G G typisiert und reglementiert. Der Gesetzgeber besitzt bei der Ausgestaltung der Berufsfreiheit einen großen Spielraum, da er gerade im Anwendungsbereich von Art. 12 Abs. 1 G G vielfältige Grund574 R. Scholz, in: Maunz/Dürig GG Rn. 131 zu Art. 12; H.-P. Schneider, W D S t R L 43 (1985), 7, 39; Stober, Grundrechtsschutz, S. 65. 575 BVerwG v. 18.4.1985 BVerwGE 71, 183, 189; R. Scholz, ZHR 132 (1969), 97, 105ff. 576 BVerwG v. 19.12.1958 BVerwGE 8, 78, 79f.; BVerwG v. 18.4.1985 BVerwGE 71, 183, 196ff.; krit. Taeger, Offenbarung, S. 59f., der jedoch die kollektive Dimension der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 19 Abs. 3 GG) verkennt. 577 Zum Nebeneinander von Art. 12 Abs. 1 und 14 GG insbesondere Leisner, JZ 1972, 33 ff.; Rüfner, DVB1. 1976, 689 und R. Scholz, in: Maunz/Dürig GG Rn. 122 und 141 zu Art. 12 sowie BVerfG v. 10.7.1958 BVerfGE 8, 71, 79ff.; BVerfG v. 14.2.1967 BVerfGE 21, 150, 154 und BVerfG v. 1.3.1979 BVerfGE 50, 290, 361 f.; mehr von einer Komplementarität des Grundrechtsschutzes gehen aus: BVerfG v. 16.3.1971 BVerfGE 30,292, 334f. und Mestmäcker, FS H. Westermann, S. 411, 414f. 578 Zu diesem Abgrenzungskriterium insbesondere BVerfG v. 16.3.1971 BVerfGE 30, 292, 334f.; BVerfG v. 21.6.1977 BVerfGE 45,272, 296; BVerfG v. 21.11.1989 ZIP 1990,228,230; Ossenhühl, AöR 115 (1990), 1, 3; Mestmäcker, FS H. Westermann, S. 411, 414f. 579 Zu diesem Abgrenzungskriterium H.-P. Schneider, W D S t R L 43 (1985), 7, 39. 580 So auch R. Scholz, in: Maunz/Dürig GG Rn. 141 zu Art. 12. 581 Siehe zur Stufentheorie nur BVerfG v. 11.6.1958 BVerfGE 7, 377ff.; BVerfG v. 17.7.1961 BVerfGE 13, 97, 104ff. 582 Zur Schrankenidentität bei Eingriffen in die Berufsausübung und das Eigentum siehe BVerfG v. 1.3.1979 BVerfGE 50, 290, 365; B G H v. 3.3.1986 NJW 1986, 2499, 2500; Leisner, JZ 1972, 33, 37 und R. Scholz, in: Maunz/Dürig GG Rn. 142 zu Art. 12; für eine noch weitergehende Schrankenidentität BVerwG v. 4.7.1957 BVerwGE 5, 171, 174.
230
2. Kapitel:
Die Sonderstellung
des
Unternehmergesellschafters
rechtskollisionen zu lösen hat 583 . So w i r d auch nicht eine bestimmte gesellschaftsrechtliche Ausgestaltung der Stellung des Unternehmergesellschafters, sondern nur die kollektive A u s ü b u n g seiner Berufs- und U n t e r n e h m e r f r e i heit als solche geschützt 5 8 4 . Im Gesellschaftsrecht müssen Gesetzgeber und Richter daher lediglich einen vertretbaren Ausgleich zwischen der durch die Berufsfreiheit geschützten gesellschaftsgebundenen Unternehmerinitiative und den Interessen der Mitgesellschafter herstellen 5 8 5 . Dies hat insbesondere A u s w i r k u n g e n auf die A n f o r d e r u n g e n an die Zulässigkeit v o n vertraglichen W e t t b e w e r b s v e r b o t e n f ü r Gesellschafter 5 8 6 sowie f ü r den Entzug der Gesellschafterstellung 5 8 7 und/oder der Geschäftsführungsbefugnis 5 8 8 durch die M i t gesellschafter, der daher unter Berücksichtigung der beruflichen Bedeutung der Gesellschafter- bzw. Geschäftsführerstellung f ü r den B e t r o f f e n e n regelmäßig nur aus wichtigem G r u n d erfolgen darf 5 8 9 .
H.-P. Schneider, VVDStRL 43 (1985), 7, 36f.; Bryde, NJW 1984, 2177, 2180f. So auch Wedemann, Gesellschaftsrecht Bd. 1, S. 698; ähnlich BVerfG v. 16.3.1971 BVerfGE 30, 292, 313 für die Stellung als selbständiger Olimporteur; vergleichbares gilt auch für den Beruf des Geschäftsführers, der als solcher, nicht aber als Beruf in einer bestimmten Gesellschaftsform geschützt ist (dazu Baumann, BB 1997, 2281, 2284f.). 585 Zum unternehmensinternen Interessenausgleich vor dem Hintergrund von Art. 12 GG allgemein Breuer, HStR VI § 147 Rn. 24 und AK-GG/Rittstieg, Art. 12 Rn. 167. 586 Siehe unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten zur erweiterten Zulässigkeit von vertraglichen Wettbewerbsverboten für unternehmerisch tätige Gesellschafter Nicolin, Berufsfreiheit, S. 154ff.; fragwürdig BGH v. 1.12.1981 BB 1982, 267, 268 (Unzulässigkeit eines vertraglichen Wettbewerbsverbots für einen zugleich an der Komplementär-GmbH beteiligten und unternehmerisch tätigen Kommanditisten); mit Recht für die Möglichkeit einer anderweitigen kapitalistischen Beteiligung des ausgeschiedenen GmbH-Gesellschafters OLG Hamm v. 15.2.1993 GmbHR 1993, 655, 656. 587 Zu den erhöhten Anforderungen an den Ausschluß eines in der Gesellschaft seinen Beruf ausübenden Gesellschafters siehe BGH v. 25.3.1985 ZIP 1985, 737, 738 (persönlich haftender Gesellschafter); Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. 1, S. 385ff.; Bunte, ZIP 1985, 915, 917f.; vgl. auch BGH v. 9.11.1972 WM 1973, 12 (geringere Anforderungen an den wichtigen Ausschlußgrund bei fehlendem Erwerb einer besonders schutzwürdigen Gesellschafterstellung); ähnlich BGH v. 14.5.1952 BGHZ 6, 113, 117; krit. zur Berücksichtigung der Berufsausübung Grunewald, Ausschluß, S. 226; zur Problematik des Ausschlusses von Gesellschaftern personalistischer Kapitalgesellschaften siehe auch Immenga, Kapitalgesellschaft, S. 132 und Friedewald, Aktiengesellschaft, S. 147f.; zur Inhaltskontrolle von Klauseln über die Ausschließung aus Personenhandelsgesellschaften am Maßstab der „Grundprinzipien des Gesellschaftsrechts" bzw. der Sittenwidrigkeit wegen der Schwere des Eingriffs in die wirtschaftliche und persönliche Freiheit des Gesellschafters siehe etwa BGH v. 20.1.1977 BGHZ 68,212,214f. und BGH v. 19.9.1988 BGHZ 105, 213, 216ff. 588 BGH v. 19.12.1951 LM Nr. 1 zu § 117 HGB (Berücksichtigung der Mitwirkung an der Unternehmensgründung und einer langjährigen Tätigkeit als Mitunternehmer) und BGH v. 6.2.1967 DB 1967, 766 (Berücksichtigung, daß der Gesellschafter-Geschäftsführer einer Familiengesellschaft durch die Entziehung seinen Lebensberuf verliert); so auch A. Hueck, OHG, S. 146. 589 Siehe zum Problem der freien Abberufung des GmbH-Gesellschafter-Geschäftsführers auch 2. Kap. § 1 A III la aa (aaa). 583 584
53
Grundrechte des
Unternehmergesellschafters
231
Da der unternehmerisch engagierte Gesellschafter als solcher einen Beruf ausübt, ist die kollektive Wahrnehmung der Unternehmerfreiheit in einer Personen- oder Kapitalgesellschaft von der staatlichen Gewalt in gleicher Weise zu achten wie die funktionsgleiche Alternative der individuellen Unternehmensgründung und -führung 590 . Von einer objektiven Einschränkung der Berufswahl könnte daher dann gesprochen werden, wenn die Möglichkeit, sich mit anderen als Unternehmer überhaupt in einer Gesellschaft zusammenzuschließen, theoretisch oder praktisch nicht mehr gegeben wäre 591 . Zur kollektiven Ausübung der Unternehmerfreiheit muß der Gesetzgeber daher geeignete Gesellschaftsformen bereitstellen, die im Ergebnis dem „Unternehmer im Gesellschafterstatus" vergleichbare Möglichkeiten der Berufsausübung bieten wie dem Einzelunternehmer 592 . Der Gesetzgeber darf auch die durch eine unternehmerische Betätigung in Gesellschaften realisierbaren Chancen gesetzlich nicht soweit beschneiden, daß der Beruf des Unternehmergesellschafters grundsätzlich wirtschaftlich derart unattraktiv wird, daß er faktisch nicht mehr ergriffen wird 593 . Der Zusammenhang zwischen individueller Initiative, Verantwortung, Gewinnchance und Risikobelastung müßte für den Unternehmergesellschafter in jedem Fall gewahrt bleiben 594 . Eine objektive Berufszulassungsschranke würden schließlich auch die Fälle der Vergesellschaftung oder der zentralen Verwaltung eines ganzen Wirtschaftszweigs darstellen 595 . Nach der Stufentheorie des Bundesverfassungsgerichts wären derartige objektive Berufszulassungsschranken nur dann mit Art. 12 Abs. 1 G G vereinbar, wenn die Regelung zur Abwehr nachweisbarer oder höchstwahrscheinlicher schwerer Gefahren für ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut erforderlich wäre 596 . Problematisch ist die Einordnung des staatlichen Entzugs der konkreten Gesellschafterstellung durch eine gesetzliche, gerichtliche oder behördliche Auflösung der Gesellschaft in das Schema der Stufentheorie. Es wurde vorgeschlagen, Eingriffe in die konkreten Grundlagen der Berufsausübung je nach-
Breuer, HStR VI § 147 Rn. 61. Breuer, HStR VI § 147 Rn. 61; Papier, W D S t R L 35 (1977), 55, 100; Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. 1, S. 698; siehe auch Ottmann, Vereinigungsfreiheit, S. 261 f., der den Ausschluß von personenbezogenen Unternehmensträgertypen für einen Eingriff in die Berufswahlfreiheit von „Eigentümer-Unternehmern" hält. 592 Breuer, HStR VI §147 Rn. 61; Ottmann, Vereinigungsfreiheit, S. 261 f.; Badura, FS Rittner, S. 1, 12. 593 Vgl. zum Umschlagen einer zur faktischen Unattraktivität des Berufes führenden Berufsausübungsregelung in eine objektive Einschränkung der Berufswahl BVerfG v. 10.7.1958 BVerfGE 8, 71, 81 und BVerfG v. 16.3.1971 BVerfGE 30, 292, 313f. sowie R. Scholz, in: Maunz/Dürig GG Rn. 130 zu Art. 12. 594 Für den Unternehmer allgemein Breuer, HStR VI § 147 Rn. 61. 5,5 Vgl. dazu allgemein auch Leisner, JZ 1972, 33, 37; Papier, W D S t R L 35 (1977), 55, 99 und Weddigen, in: Gestaltwandel der Unternehmung, S. 23, 29. 596 St. Rspr. seit BVerfG v. 11.6.1958 BVerfGE 7, 377, 378 (Leitsatz 6 lit. c). 590 391
232
2. Kapitel: Die Sonderstellung des
Unternehmergesellschafters
dem, o b eine zur A u f n a h m e einer vergleichbaren Tätigkeit hinreichende E n t schädigung gewährt wird oder nicht, als subjektive o d e r o b j e k t i v e B e r u f s z u lassungsschranke anzusehen 5 9 7 . H i e r d u r c h wird j e d o c h nicht nur die ausschließlich im R a h m e n v o n A r t . 14 G G relevante Frage einer angemessenen E n t s c h ä d i g u n g f ü r den Verlust des Anteilseigentums mit der Zulassung z u m B e r u f des U n t e r n e h m e r g e s e l l s c h a f t e r s in unzulässiger Weise vermischt, s o n dern auch das rein faktische H i n d e r n i s , sich in einer anderen Gesellschaft erneut als U n t e r n e h m e r g e s e l l s c h a f t e r zu betätigen, mit einer ansonsten ausschließlich unter rechtlichen G e s i c h t s p u n k t e n zu beurteilenden subjektiven bzw. o b j e k t i v e n Berufszulassungsschranke gleichgestellt. E s erscheint daher vorzugswürdig, in einem solchen Fall den B o d e n der hierauf nicht zugeschnittenen Stufentheorie zu verlassen und schlicht im R a h m e n der allgemeinen Verhältnismäßigkeitsprüfung den bedeutsamen U m s t a n d zu b e r ü c k s i c h tigen, daß es dem U n t e r n e h m e r g e s e l l s c h a f t e r anders als einem Anlagegesellschafter regelmäßig schwer fallen wird, sich in einer anderen Gesellschaft in vergleichbarer Weise zu engagieren.
III.
Eigentumsgarantie
1. Unternehmerisches Anteilseigentum geschütztes Eigentum
als
verfassungsrechtlich
D e r verfassungsrechtliche E i g e n t u m s b e g r i f f hat sich spätestens in den 2 0 e r J a h r e n des 2 0 . J a h r h u n d e r t s v o m B e g r i f f des zivilrechtlichen Sacheigentums gelöst 5 9 8 , so daß sich der grundrechtliche E i g e n t u m s s c h u t z heute in zunächst gleicher Weise 5 9 9 auf jedes privatrechtliche Vermögenswerte R e c h t erstreckt 6 0 0 . D a m i t ist auch das u n t e r n e h m e n s b e z o g e n e Anteilseigentum in all seinen F o r men v o m S c h u t z b e r e i c h des A r t . 14 G G erfaßt 6 0 1 . E s hat dabei nach heutiger Auffassung e b e n s o Anteil an der Rechtsstellungsgarantie wie der Institutsgarantie des A r t . 14 G G 6 0 2 und wird nicht nur als individuelles Freiheitsrecht, Leisner, JZ 1972,33,37. Siehe dazu insbesondere M. Wolff, FS Kahl, Beitrag IV. 5" Leisner, HStR VI § 149 Rn. 87; für das Anteilsrecht im besonderen Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. 1 S. 712. 600 Dazu nur M. Wolff, FS Kahl, Beitrag IV, S. 3; Sachs/Wendt, Art. 14 Rn. 22; Bryde, in: v. Münch/Kunig Art. 14 Rn. 11. 601 BVerfG v. 7.8.1962 BVerfGE 14, 263; BVerfG v. 7.5.1969 BVerfGE 25, 371, 407; BVerfG v. 1.3.1979 BVerfGE 50, 290, 341 f.; BVerfG v. 21.11.1989 ZIP 1990, 228, 230; E.R. Huber, Mitbestimmung, S. 98ff.; Rüfner, DVB1. 1976, 689, 690; Stober, Grundrechtsschutz, S. 93 f.; R. Scholz, Mitbestimmung, S. 81 f.; a.A. für das Anteilseigentum an Gesellschaften, die gesamtwirtschaftlich oder regional bedeutsame Unternehmen betreiben, Rittstieg, Eigentum, S. 348 und 362 f. 602 Papier, in: Maunz/Dürig GG Rn. 11 zu Art. 14; a.A. noch M. Wolff, FS Kahl, Beitrag IV, S. 6. 597 5,8
53
Grundrechte des
Unternehmergesellschafters
233
sondern zugleich in seinen objektivrechtlichen Funktionen für die Wirtschaftsordnung geschützt 603 . Das Anteilseigentum genießt den Schutz des Art. 14 G G sowohl als substantielle wie funktionale Grundlage der unternehmerischen Tätigkeit 604 . Es ist daher nicht nur in seinen vermögensrechtlichen Auswirkungen, sondern gerade auch hinsichtlich seiner damit untrennbar verbundenen mitgliedschaftsrechtlichen Komponente geschützt, so daß die auf dem Anteilseigentum beruhende unternehmerische Bestimmungsbefugnis ebenfalls von der Eigentumsgarantie erfaßt wird 605 , was nicht nur für die eigennützigen, sondern auch die im Gesellschaftsinteresse auszuübenden altruistischen Mitgliedschaftsrechte gilt 606 . Selbst wenn man mit dem Bundesverfassungsgericht den für die verfassungsrechtliche Betrachtung wenig hilfreichen Vergleich zum Sacheigentum zieht, erscheint damit die für das Sacheigentum typische direkte Verbindung von Rechtsinhaberschaft, Herrschaft und Nutzungsmacht einerseits sowie von Herrschaft und Verantwortung andererseits beim Anteilseigentum zwar als stark aufgelockert 607 , aber keinesfalls als unterbrochen. Denn letztlich wird jedes Unternehmen von den Interessen der Anteilsinhaber der Unternehmensträgerin bestimmt, indem es ihrer gesellschaftsrechtlich vermittelten Verfügungsgewalt unterliegt 608 . Bei einer unternehmerischen Beteiligung ist der Zusammenhang zwischen dem Anteilseigentum und der Leitungsmacht im Unternehmen sogar besonders augenfällig609. Bei unternehmerischem Anteilseigentum kann auch nicht von einem geringeren personalen Bezug des Anteilseigentums und einer dadurch bedingten geringeren Intensität des verfassungsrechtlichen Eigentumsschutzes gesprochen werden, da es die gleiche freiheitssichernde Persönlichkeitsnähe wie das Sacheigentum eines Privaten oder Einzelunternehmers aufweist 610 . BVerfG v. 1.3.1979 BVerfGE 50, 290, 344. Dazu näher R. Scholz, Mitbestimmung, S. 77ff. 605 BVerfG v. 7.8.1962 BVerfGE 14, 263, 276; BVerfG v. 7.5.1969 BVerfGE 25, 371, 407; BVerfG v. 1.3.1979 BVerfGE 50, 290, 342; BGH v. 16.11.1981 BGHZ 82,188, 192; O L G Düsseldorf v. 8.1.1991 AG 1991, 153, 155; Friauf, DÖV 1976, 624, 627; Ossenbühl, AöR 115 (1990), 1, 25f.; E.R. Huber, Mitbestimmung, S. 97; Chlosta, Wesensgehalt, S. 173; Ebenroth/ Koos, BB 1995 Beilage Nr. 8, S. 3; Kluth, ZIP 1997, 1217, 1219; Rüfner, DVB1. 1976, 689, 690; a.A. Kunze, RdA 1972, 257, 265 ff. 606 So auch für das Stimmrecht Zöllner/Noack, AG 1991, 157, 158f.; a.A. Hamann, AG 1962, 287, 289; zur Privatnützigkeit der Eigentumsgarantie allgemein Reinhardt, in: Reinhardt/Scheuner, Verfassungsschutz, S. 14 ff. 607 BVerfG v. 1.3.1979 BVerfGE 50, 290, 342. 608 Friauf, DÖV 1976, 624, 628; Rittner, in: Marburger Gespräch, S. 63; Reinhardt, in: Reinhardt/Scheuner, Verfassungsschutz, S. 18 ff.; Papier, W D S t R L 35 (1977), 55, 62f.; Fechner/Schneider, Verfassungswidrigkeit 1962, S. X 8 f.; siehe auch bereits v. Gierke, Genossenschaftstheorie, S. 317ff. 609 Dies wird auch eingeräumt von Chlosta, Wesensgehalt, S. 164f. und von Boettcher u.a., Unternehmensverfassung („Sechser-Bericht"), S. 36; dazu auch U. Huber, Vermögensanteil, S. 168 ff. 6 , 0 Dazu bereits 2. Kap. § 1 A I 5. 603
604
234
2. Kapitel:
Die Sonderstellung
des
Unternehmergesellschafters
Der Schutz der Unternehmerfreiheit wird jedoch nur teilweise und zudem nachrangig durch Art. 14 GG gewährleistet. Dies liegt zum einen daran, daß das Unternehmen und die Gesellschaft als seine Trägerin viel zu komplex ausgestaltet sind, als daß die unternehmerische Betätigung in ihnen allein aus den klassischen Eigentumsfunktionen heraus erklärt werden könnte 611 . Zwar weisen insbesondere die vermögensbezogenen Entscheidungen wie etwa die Entscheidungen über die Verwaltung des Gesellschaftsvermögens und die Verwendung seiner Erträge einen engen Bezug zur Eigentumsgewährleistung auf 612 , doch betreffen unternehmerische Entscheidungen vielfach bloße durch Art. 14 GG nicht geschützte Erwerbschancen 613 . Darüber hinaus wird gerade die unternehmerische Tätigkeit eines Anteilsinhabers in starkem Maße durch Verträge und insbesondere den Gesellschaftsvertrag bestimmt 614 . Als Beruf wird die unternehmerische Betätigung zudem vorrangig durch Art. 12 GG geschützt 615 . Gerade bei einem Unternehmergesellschafter, bei dem die Grenzen zwischen einem eher erwerbsbezogenen und einem mehr bestandsbezogenen Grundrechtseingriff 616 vielfach verschwimmen werden, kann neben Art. 12 Abs. 1 GG aber auch Art. 14 GG in Idealkonkurrenz zum Tragen kommen 617 . Dies ist auch deshalb sinnvoll, weil einerseits das unternehmensbezogene Eigentum seiner Natur nach durch einen lediglich statischen Schutz in seinem Bestand nicht bewahrt werden kann und andererseits eine unternehmerische Erwerbstätigkeit ohne die Sicherung der im Unternehmen gebundenen Vermögenswerten Rechte nicht vorstellbar ist618.
6,1 So auch Badura/Rittner/Rüthers, Gemeinschaftsgutachten, S. 190 f.; Ballerstedt, in: Gestaltwandel der U n t e r n e h m u n g , S. 65, 84f.; Rittstieg, Eigentum, S. 354f. und Meyer-Abich, Eigentumsgarantie, S. 97f.; im Sinne einer völligen Trennung der Kooperationsordnung im U n t e r n e h m e n v o m Anteilseigentum als Vermögensrecht auch Kunze, R d A 1972, 257, 265ff.; Ridder-Aab, Aktiengesellschaft, S. 49ff. u n d 132 ff. möchte daher die G r o ß u n t e r n e h m u n g als Vertragsgeflecht aus einem weiter gefaßten Eigentumsverständnis, das die interpersonalen Beziehungen im U m g a n g mit Ressourcen betont, heraus erklären. 612 D a z u B G H v. 16.11.1981 B G H Z 82, 188, 192; Podlech, Der Staat 15 (1976), 31, 47f. 6 . 3 BVerfG v. 25.10.1989 A z : 1 B v R 1499/87 ( C h a n c e der Wertsteigerung der A k t i e bei Stattfinden einer nicht einberufenen H a u p t v e r s a m m l u n g ) ; BVerfG v. 22.11.1989, ZIP 1990, 228, 230 ( C h a n c e eines günstigeren Umtauschverhältnisses in der Verschmelzung). 6.4 D a z u näher Friauf, D Ö V 1976, 624, 628; Böhm, FS Kronstein, S. 19f. u n d E.R. Huber, M i t b e s t i m m u n g , S. 90f. 615 D a z u Mestmäcker, FS H . Westermann, S. 411, 413f. 616 Zur A b g r e n z u n g z w i s c h e n Art. 12 u n d 14 G G BVerfG v. 13.2.1964 BVerfGE 17, 232, 248; BVerfG v. 16.3.1971 BVerfGE 30, 292, 334f.; BVerfG v. 21.6.1977 BVerfGE 45, 272, 296; BVerfG v. 21.11.1989 ZIP 1990, 228, 230; B G H v. 3.3.1986 N J W 1986, 2499, 2500; Ossenbühl, A ö R 115 (1990), 1 , 2 5 . 617 Siehe z u m N e b e n e i n a n d e r von Art. 12 u n d Art. 14 G G bereits 2. Kap. § 3 A II 2 sowie insbesondere BVerfG v. 1.3.1979 BVerfGE 5 0 , 2 9 0 , 3 6 1 f., Papier, in: M a u n z / D ü r i g G G R n . 122 zu Art. 12 u n d Leisner, J Z 1972, 33ff. 618 D a z u auch Rüfner, DVB1. 1976, 689, 690 u n d Ossenbühl, A ö R 115 (1990), 1, 25f.
§3
Grundrechte
des
2. Schutz des unternehmerischen durch Art. 14 GG
Unternehmergesellschafters
235
Anteilseigentums
Das Anteilseigentum w i r d durch A r t . 14 G G in der F o r m geschützt, in der es in seiner vornehmlich gesellschaftsrechtlichen Ausgestaltung e r w o r b e n wurde 6 1 9 . Neue gesetzliche Inhalts- und Schrankenbestimmungen, die die bisherigen Befugnisse des Anteilseigentümers abstrakt und generell beschneiden oder mit ihm neue Pflichten verbinden, stellen damit Eingriffe in das Anteilseigentum dar 620 . A l s solche müssen sie zu ihrer Rechtfertigung im Rahmen v o n A r t . 14 A b s . 1 S. 2 G G dem Verhältnismäßigkeitsprinzip sowie der Institutsgarantie des Eigentums und dem rechtsstaatlichen Prinzip des Vertrauensschutzes entsprechen 6 2 1 . Im Rahmen der allfälligen A b w ä g u n g ist unter anderem zu berücksichtigen, ob nur in das Mitgliedschafts- oder n u r in das Vermögensrecht oder aber in beide Rechte eingegriffen wird 6 2 2 . Von Bedeutung sind zudem Eingriffsziele und Eingriffswirkungen 6 2 3 . Schließlich w i r d die Verhältnismäßigkeit v o n Inhalts- und Schrankenbestimmungen des A n teilseigentums ganz maßgeblich durch den G r a d v o n dessen personalem Einschlag und des Leistungsbezugs bestimmt 6 2 4 . In Entscheidungen und Stellungnahmen z u m P r o b l e m des Eigentumsschutzes im Gesellschaftsrecht w i r d daher immer wieder darauf hingewiesen, daß das Anteilseigentum des Unternehmergesellschafters einen gesteigerten Bezug zur Persönlichkeitsentfaltung und Leistung des Gesellschafters aufweist 6 2 5 . Gerade der Gleichheitssatz kann es hier gebieten, daß der Gesetzgeber die Inhalts- und Schranken619 BGH v. 16.11.1981 BGHZ 82, 188, 192; BGH v. 19.12.1977 BGHZ 70, 117, 126; Martens, ZGR 1979, 493, 505; krit. Pütz/Willgerodt, Beteiligungskapital, S. 115. 620 Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn. 899; für Beschränkungen des Aktieneigentums auch Ebenroth/Koos, BB 1995 Beilage Nr. 8, S. 3f. und Fechner/Schneider, Verfassungswidrigkeit 1960, S. 33; zu Abgrenzungsproblemen zwischen Eigentumsbestimmung und Eigentumsbeschränkung Höfling, Vertragsfreiheit, S. 34ff.; Kluth, ZIP 1997, 1217, 1219f. 621 BVerfG-Beschluß v. 21.11.1989 ZIP 1990, 228, 230; BVerfG v. 14.2.1967 BVerfGE 21, 150, 155; BVerfG v. 19.6.1969 BVerfGE 26, 215, 222; BVerfG v. 9.1.1991 BVerfGE 83, 201, 212 f.; Ebenroth/Koos, BB 1995 Beilage Nr. 8, S. 4; v. Falkenhausen, Mehrheitsherrschaft, S. 203ff.; ders., AG 1961, 122, 123; Bogler, VR 1997, 345, 347f.; speziell zum Vertrauensschutz: BVerfG v. 15.7.1981 BVerfGE 58, 300, 351; BVerfG v. 15.7.1987 BVerfGE 76, 220, 244f.; Rüfner, JZ 1983, 755; Zöllner/Noack, AG 1991, 157, 163f. 622 BVerfG v. 1.3.1979 BVerfGE 50, 290, 347 und 351. 623 So wird ein Eingriff, der wie etwa ein Umwandlungsbeschluß zumindest auch im Interesse der Gesellschaft liegt und alle Gesellschafter gleichermaßen trifft, viel eher als verhältnismäßig angesehen werden können als ein Eingriff, der wie etwa die Abschaffung von Mehrstimmrechten durch Gesellschafterbeschluß direkt oder indirekt nur einem Teil der Gesellschafter zugute kommt und zu Lasten des anderen Teils der Gesellschafter geht; vgl. dazu auch die Fallgruppen bei v. Falkenhausen, Mehrheitsherrschaft, S. 206ff. 624 So auch Chlosta, Wesensgehalt, S. 77f. und 144ff.; Badura/Rittner/Rüthers, Gemeinschaftsgutachten, S. 222; Ebenroth/Koos, BB 1995 Beilage Nr. 8, S. 5. 625 Siehe dazu nur BVerfG v. 7.8.1962 BVerfGE 14, 263, 283; BVerfG v. 1.3.1979 BVerfGE 50, 290, 342f.; Papier, in: Maunz/Dürig GG Rn. 193 zu Art. 14; Ossenbühl, AöR 115 (1990), 1, 29; Leisner, HStR VI § 149 Rn. 87; Ballerstedt, in: Gestaltwandel der Unternehmung, S. 65, 85.
236
2. Kapitel:
Die Sonderstellung
des
Unternehmergesellschafters
Bestimmungen unter Beachtung der Wertungskriterien des Art. 14 G G differenzierend ausgestaltet, u m so dem Wesensunterschied zwischen dem Anteilseigentum eines Anlagegesellschafters und demjenigen eines Unternehmergesellschafters hinreichend gerecht zu werden 6 2 6 . Nicht selten wird die A u s ü b u n g der Unternehmerfreiheit zudem im Interesse des Gemeinwohls liegen 627 . Im Ergebnis wird damit dem Anteilseigentum des Unternehmergesellschafters ein stärkerer Schutz als dem Anteilseigentum des Anlagegesellschafters zuteil 628 . Besonders intensive Eingriffe in das Anteilseigentum, die etwa dieses Recht insgesamt entziehen, gegen den gesellschaftsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen oder den Ertrag eigener Leistungen des Unternehmergesellschafters schmälern, sind schließlich überhaupt nur dann verhältnismäßig, wenn der Gesetzgeber unter Beachtung der Wertgarantie des Art. 14 G G zugleich eine finanzielle Entschädigung vorsieht (sog. ausgleichspflichtige Inhaltsbestimmung) 6 2 9 . Zwar ist das Entschädigungsprinzip, das zu einem vollen Wertausgleich führt, insbesondere in dem an den Anlegerinteressen orientierten Kapitalgesellschaftsrecht von großer Bedeutung 6 3 0 . Eingriffe in das Anteilseigentum eines Unternehmergesellschafters, dessen mitverwaltungsrechtliche K o m p o n e n t e besonders stark ausgeprägt ist, können in vielen Fällen allerdings nicht durch eine Entschädigung ausgeglichen werden 6 3 1 . Wird das Anteilseigentum dem Unternehmergesellschafter als Teil eines bestimmten oder bestimmbaren Personenkreises durch Gesetz oder individuell durch administrative Maßnahmen vollständig oder teilweise entzogen 6 3 2 , 626
Kluth, Z I P 1997, 1217, 1221. Siehe dazu etwa BVerfG v. 7.8.1962 B V e r f G E 14, 263, 282. 628 So im Ergebnis auch BVerfG v. 7.8.1962 B V e r f G E 14, 263, 283 für das Verhältnis zwischen der die Unternehmensleitung wahrnehmenden Mehrheit und der Minderheit; zum geringeren Schutz des Kleinaktionärs auch Püttner, D O V 1976, 433, 436 und Papier, V V D S t R L 35 (1977), 55, 90; im Ansatz zudem v. Falkenhausen, Mehrheitsherrschaft, S. 217f., der ebenfalls einen besonderen Grundrechtsschutz der unternehmerischen Tätigkeit für gerechtfertigt hält, dann aber den konsequenten Schluß vermeidet, dies auch für den Fall des unternehmerisch engagierten (Mehrheits-)Gesellschafters anzunehmen. 629 BVerfG v. 9.1.1991 B V e r f G E 83, 201, 212f.; BVerfG v. 12.6.1979 B V e r f G E 52, 1, 27f.; BVerfG v. 30.11.1988 B V e r f G E 79, 174, 192; Sass, Entschädigungserfordernis, S. 301 ff.; Kluth, ZIP 1997, 1217, 1222. 630 Näher v. Falkenhausen, Mehrheitsherrschaft, S. 205f. und 224f.; Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. 1, S. 704; Ulmer, B B 1964, 665, 668; vgl. auch BVerfG v. 7.8.1962 B V e r f G E 14, 263, 284 und in neuerer Zeit auch Miilbert, Aktiengesellschaft, S. 299ff. und passim. 631 Vgl. dazu auch die Differenzierung zwischen Unternehmer- und Anlagegesellschaftern im Zusammenhang mit dem Bezugsrechtsausschluß etwa bei Hirte, Bezugsrechtsausschluß, S. 216f. und die allgemeine Kritik von Fechner/Schneider, Verfassungswidrigkeit 1960, S. 96 an der voraussetzungslosen Mehrheitsumwandlung gemäß §§ 9 und 15 U m w G 1956. 632 Zur Abgrenzung der Legalenteignung von den Inhalts- und Schrankenbestimmungen in der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts siehe BVerfG v. 12.6.1979 B V e r f G E 52, 1, 27f.; BVerfG v. 15.7.1981 B V e r f G E 58, 300, 330f.; BVerfG v. 12.3.1986 BVerfG E 72, 66, 76. 627
§3
Grundrechte des
Unternehmergesellschafters
237
handelt es sich um eine Legal- bzw. Administrativenteignung. Derartige Eingriffe, bei denen es sich nicht lediglich um gesetzlich mögliche Entziehungen des Anteilseigentums von privater Seite handeln darf 633 , haben im Gesellschaftsrecht zwar geringere praktische Bedeutung als die Inhalts- und Schrankenbestimmungen, doch werden aufgrund der schwierigen und umstrittenen Abgrenzung zwischen Inhalts- bzw. Schrankenbestimmungen und Legalenteignung vielfach auch unzumutbar schwere Beschränkungen des Anteilseigentums und insbesondere der zielgerichtete Entzug von Mitgliedschaftsrechten als Teilenteignung qualifiziert 634 . Von einer Enteignung des Anteilseigentümers „auf kaltem Wege" kann insbesondere dann die Rede sein, wenn die Privatnützigkeit und prinzipielle Rentabilität des Anteilseigentums durch gesetzgeberische Maßnahmen genommen wird 635 . Enteignungen sind nur zum Wohle der Allgemeinheit und gegen eine gesetzlich nach Art und Ausmaß festgelegte Entschädigung möglich 636 .
IV. Allgemeines 1. Gesellschaftsgebundene Persönlichkeitsrecht
Persönlichkeitsrecht
Unternehmertätigkeit
und allgemeines
Der unter dem Vorbehalt der verfassungsmäßigen öffentlichen Ordnung stehende Grundrechtsschutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts umfaßt die engere persönliche Lebenssphäre, die Selbstdarstellung des einzelnen in der Öffentlichkeit sowie den sozialen Geltungsanspruch 637 . Auch das allgemeine Persönlichkeitsrecht begründet Schutzpflichten des Staates im Privatrecht und ist als objektive Wertentscheidung im Rahmen privater Rechtsbe-
633 So wurde die von der Mehrheit der Gesellschafter nach den §§ 9 und 15 UmwG 1956 durchgesetzte Umwandlung der Feldmühle AG in den Entscheidungen des BVerfG v. 7.8.1962 BVerfGE 14,263, 277, O L G Düsseldorf v. 23.5.1960 BB 1960, 683 und HansOLG v. 14.1.1960 BB 1960, 189 zurecht nicht als Legalenteignung der ihr Anteilseigentum an der Gesellschaft verlierenden Minderheitsgesellschafter angesehen; krit. dazu allerdings Körner, BB 1960, 687, 689; gegen eine Anwendbarkeit des Art. 14 Abs. 3 G G auf den Entzug von Mehrstimmrechten durch Beschluß der Hauptversammlung auch Kluth, ZIP 1997,1217,1222 und Zöllner/Noack, AG 1991, 157, 161. 634 So für den Entzug von (bestimmten) Mehrstimmrechten etwa Zöllner/Noack, AG 1990, 157, 160 und Kluth, ZIP 1997, 1217, 1220f. 635 R. Scholz, Mitbestimmung, S. 86. 636 Einen Entschädigungsanspruch gegen die Gesellschaft begründet etwa § 5 Abs. 3 EGAG, da es nach Ansicht des Gesetzgebers die Gesellschaft gewesen sei, die zuvor von den für die Gewährung des Mehrstimmrechts erbrachten Gegenleistungen des Gesellschafters profitiert habe (vgl. dazu die Begründung zum RegE, BT-Drucks. 4/171, S. 311); krit. Zöllner/ Noack, AG 1991, 157, 160. 637 BVerfG v. 3.6.1980 BVerfGE 54, 148, 153; Schmitt Glaeser, HStRVI § 129 Rn. 10ff.; Szchs/Murswiek, Art. 2 Rn. 68ff.; Dreier, in: Dreier (Hrsg.) G G Art. 2 Rn. 50ff.
238
2. Kapitel:
Die Sonderstellung
des
Unternehmergesellschafters
Ziehungen zu berücksichtigen 6 3 8 . D e r Staat ist seinen Pflichten jedoch durch die Einbeziehung der privaten Datenverarbeitung in den Datenschutz sowie die Schaffung spezieller Schutznormen und des durch das Verfassungsrecht beeinflußten subsidiären zivilrechtlichen allgemeinen Persönlichkeitsrechts hinreichend nachgekommen 6 3 9 . Seit dem Volkszählungsurteil des Bundesverfassungsgerichts 6 4 0 wird aus dem R e c h t zur öffentlichen Selbstdarstellung auch das für den Unternehmergesellschafter besonders bedeutsame R e c h t auf informationelle Selbstbestimmung abgeleitet. Danach verfügt der Einzelne aufgrund von Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 G G über die Befugnis, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten einschließlich der wirtschaftsbezogenen Lebenssachverhalte zu bestimmen 6 4 1 . Kern dieses Rechts auf informationelle Selbstbestimmung ist die Beschränkung und B i n dung der Datenerhebung, Datenverarbeitung und Datenverbreitung, wobei es nicht allein um Daten in individualisierter F o r m , sondern ebenso um solche Daten geht, für die ein Personenbezug besteht oder herstellbar ist 642 . O b wohl das Bundesverfassungsgericht das R e c h t auf informationelle Selbstbestimmung nicht als ein das Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit ausschließendes Herrschaftsrecht ausgestaltet hat, wurde es doch unter den spezifischen Vorbehalt des überwiegenden Allgemeininteresses gestellt 643 . D i e Voraussetzungen und der Umfang von Beschränkungen der informationellen Selbstbestimmung müssen sich zudem klar und für den Einzelnen erkennbar aus einem den Verwendungszweck präzise und bereichsspezifisch bestimmenden Gesetz ergeben, das auch organisatorische und verfahrensmäßige Vorkehrungen gegen die Gefahr einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts zu treffen hat 644 . Bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung ist zu beachten, zu wel-
638 BVerfG V. 6.5.1997 BVerfGE 56, 64f.; SachsIMurswiek, Art. 2 Rn. 122; insbesondere für das Recht auf informationelle Selbstbestimmung Badura, FS K. Molitor 1988, S. 1, 14ff. und BT-Drucks. 10/4594, S. 3 und Anlage S. 23; noch weitergehend Simitis, N J W 1984, 398, 401 (unmittelbare Drittwirkung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung; krit. dazu Wente, N J W 1984, 1446); enger hingegen für den Schutz von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen Breuer, N V w Z 1986, 171, 174f. (Sicherung eines Minimalstandards). 639 Dreier, in: Dreier (Hrsg.) G G Art. 2 Rn. 62. 640 BVerfG v. 15.12.1983 BVerfGE 65, lff. 641 BVerfG v. 15.12.1983 BVerfGE 65, 1, 41 ff.; BVerfG v. 17.7.1984 BVerfGE 67, 100, 142f. (Schutz der beruflichen, betrieblichen, unternehmerischen oder sonstigen wirtschaftlichen Verhältnisse von juristischen Personen); BVerfG v. 25.7.1988 N J W 1988, 3009; Stober, Grundrechtsschutz, S. 37. 642 BVerfG v. 15.12.1983 BVerfGE 65, 1, 43; BVerfG v. 17.7.1984 BVerfGE 67, 100, 143. 643 BVerfG v. 15.12.1983 BVerfGE 65, 1, 43f.; BVerfG v. 17.7.1984 BVerfGE 67, 100, 143; BVerfG v. 9.3.1988 BVerfGE 78, 77, 85; BVerfG v. 25.7.1988 N J W 1988, 3009; Simitis, N J W 1984, 398, 400. 644 BVerfG v. 15.12.1983 BVerfGE 65, 1, 44, 46 und 49f.; BVerfG v. 17.7.1984 BVerfGE 67, 100, 143.
53
Grundrechte des
Unternehmergesellschafters
239
chem Zweck die Angaben verlangt werden und welche Verknüpfungs- und Verwendungsmöglichkeiten bestehen 645 . Als unbenanntes spezielles Freiheitsrecht, das den Schutz des passiven Elements der Persönlichkeitsentfaltung gewährleisten soll646, genießt das G r u n d recht aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 G G einerseits Vorrang vor der allgemeinen Handlungsfreiheit 647 , tritt aber seinerseits als Auffanggrundrecht zurück, sofern ein benanntes spezielles Freiheitsgrundrecht wie z.B. Art. 13 G G den berührten Bereich der passiven Persönlichkeitsentfaltung umfassend abdeckt 648 . Sofern nicht lediglich die Gesellschaft als Unternehmensträgerin betroffen ist, besteht in dem für die unternehmerische Tätigkeit besonders relevanten Verhältnis zu den Art. 12 und 14 G G regelmäßig Idealkonkurrenz, da die benannten Freiheitsrechte dem aktiven und passiven Schutz der wirtschaftlichen Betätigung von Gesellschaft und Unternehmergesellschafter dienen, während das allgemeine Persönlichkeitsrecht den Schutz der Privatsphäre des natürlichen Unternehmers im Auge hat 649 . Aufgrund des Bezugs des Persönlichkeitsschutzes zur Menschenwürde, die seine programmatische Leit- und Auslegungsrichtlinie bildet, sind im Vergleich zum Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit erhöhte Anforderungen an die Rechtfertigung von Grundrechtseingriffen zu stellen 650 . Dies ist auch der Grund dafür, daß die Prüfung der Verhältnismäßigkeit von Eingriffen in das Persönlichkeitsrecht trotz unterschiedlicher Erklärungsansätze 651 im Ergebnis durch die relative Nähe des Eingriffs zur Persönlichkeit des Betroffenen bestimmt wird und der Datenschutz durch § 1 Abs. 1 und § 3 Abs. 1 BDSG auf personenbezogene Daten einer natürlichen Person beschränkt ist. Dabei wird inzwischen nicht mehr nur mit der vom Bundesverfassungsgericht als eine Art Grobraster entwickelten sog. Sphärentheorie 652 , 645
BVerfG v. 15.12.1983 BVerfGE 65, 1, 45. Dazu BVerfG v. 3.6.1980 BVerfGE 54, 148, 153; Kau, Persönlichkeitsschutz, S. 2f. 647 Dreier, in: Dreier (Hrsg.) G G Art. 2 Rn. 67; Kunig, in: v. Münch/Kunig Art. 2 Rn. 91; SachsIMurswiek, Art. 2 Rn. 64. 648 BVerfG v. 3.6.1980 BVerfGE 54, 148,153; Sachs/Murswiek, Art. 2 Rn. 66; Rohlf, Privatsphäre, S. 236 ff. 649 BVerfG v. 17.7.1984 BVerfGE 67, 100, 142f.; für eine Idealkonkurrenz offenbar auch BVerfG v. 1.10.1987 N J W 1988, 890, 892 (Schutz von Aufsichtsratsprotokollen durch Art. 2 Abs. 1 G G i.V.m. Art. 1 Abs. 1 und Art. 14 G G i.V.m. Art. 19 Abs. 3 GG); siehe auch Breuer, N V w Z 1986, 171 f. und 174; Siekmann, FS Friauf, S. 647, 656 und Stober, Grundrechtsschutz, S. 28 und 37. 650 Dreier, in: Dreier (Hrsg.) G G Art. 2 Rn. 50; Sachs/Murswiek, Art. 2 Rn. 62f. und 103. 651 Zu nennen sind hier neben der sog. Sphärentheorie des Bundesverfassungsgerichts (Nachweise in Fn. 691), die sog. Rollentheorie, die sog. Theorie der autonomen Selbstdarstellung und die sog. Kommunikationstheorie (dazu Schmitt Glaeser, HStR VI § 129 Rn. 14 und Rohlf, Privatsphäre, S. 66ff.). 652 St. Rspr., siehe nur BVerfG v. 16.1.1957 BVerfGE 6, 32, 41; BVerfG v. 15.1.1970 BVerfGE 27, 344, 350 und BVerfG v. 5.6.1973 BVerfGE 35,202,220 sowie Rohlf, Privatsphäre, S. 76 ff. 646
240
2. Kapitel: Die Sonderstellung des
Unternehmergesellschafters
sondern zugleich mit einem stufenlosen Intensitätsmaßstab 653 gearbeitet. Im Ergebnis wird hierdurch ein unantastbarer Kernbereich der privaten Lebensgestaltung (Intimsphäre) geschaffen 654 und im übrigen (Privat- und Sozialsphäre) ein umso höheres Schutzniveau gewährleistet, je stärker der Bezug zur Persönlichkeit des Betroffenen ausgeprägt ist 655 . Trotz gewisser Vorbehalte und Einschränkungen ist der eigenständige zivilrechtliche und verfassungsrechtliche Persönlichkeitsschutz von Personenund Kapitalgesellschaften inzwischen allgemein anerkannt 656 . Der damit aufgeworfenen Frage seines Verhältnisses zum traditionellen Persönlichkeitsschutz der Gesellschafter begegnet man herkömmlicherweise insbesondere bei den Kapitalgesellschaften mit der strikten Trennung der Gesellschaftsbzw. Unternehmensspäre von der Privatsphäre der Gesellschafter 657 . Während die Privatsphäre einen Bezug zur Menschenwürde aufweise und daher einen verstärkten Schutz beanspruchen könne, sei die Gesellschaftssphäre nicht nur durch einen geringeren Persönlichkeitsbezug, sondern auch durch die Interessen Dritter bzw. der Allgemeinheit sowie die Funktionserfordernisse transparenter Märkte geprägt 658 . Es wurde jedoch bereits dargelegt, daß bei Beteiligung eines Unternehmergesellschafters unabhängig von der Gesellschaftsform und der Haftungsstruktur enge Verbindungen zwischen dessen Privatsphäre und der Gesellschafts- bzw. Untemehmenssphäre bestehen 659 . Der Aspekt des Persönlichkeitsschutzes der hinter der Gesellschaft stehenden Unternehmergesellschafter muß daher in der fast ausschließlich an den Interessen der Gesellschaft als Unternehmensträgerin orientierten Diskussion um die Offenlegung von Unternehmensdaten stärker berücksichtigt werden.
653 BVerfG v. 24.6.1993 BVerfGE 89, 69, 82f.; Dreier, in: Dreier (Hrsg.) GG Art. 2 Rn. 60; Sachs/Murswiek, Art. 2 Rn. 105. 654 BVerfG v. 16.1.1957 BVerfGE 6, 32, 41; BVerfG v. 15.1.1975 BVerfGE 38, 312, 320; BVerfG v. 14.9.1989 BVerfGE 80, 367, 373 f.; Steindorff, Persönlichkeitsschutz, S. 16 ff. 655 Dazu BVerfG v. 15.1.1970 BVerfGE 27, 344, 350ff.; BVerfG v. 31.1.1973 BVerfGE 34, 238, 245ff.; BVerfG v. 11.4.1973 BVerfGE 35, 35, 39f.; BVerfG v. 5.6.1973 BVerfGE 35, 202, 220 sowie die Nachweise in Fn. 692; speziell für den Zwang zur Angabe personenbezogener Daten BVerfG v. 15.12.1983 BVerfGE 65, 1, 46. 656 Dazu näher 5. Kap. § 2 B I lb aa (aaa) und 2a. 657 Wimmer, Bilanzpublizität, S. 21 f.; Kunze, FS Gleitze, S. 385, 388f.; Siekmann, FS Friauf, S. 647, 662 f. 658 BVerfG v. 17.7.1984 BVerfGE 67, 100, 142f.; BVerfG v. 14.10.1987 BVerfGE 77, 121, 124f.; BVerfG v. 25.7.1988 NJW 1988, 3009; BVerfG v. 27.6.1991, FR 1991, 375, 387; BGH v. 24.10.1961 BGHZ 36, 77, 80; Hager, ZHR 158 (1994), 675, 677; Leßmann, AcP 170 (1970), 266, 280; Windbichler, CR 1988, 447, 452; Wimmer, Bilanzpublizität, S. 28. 659 Dazu bereits 2. Kap. § 1 D.
53
Grundrechte des
241
Unternehmergesellschafters
2. Schutz der gesellschaftsgebundenen Unternehmertätigkeit durch Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG a) Die Verarbeitung von Gesellschafts- und
Unternehmensdaten
D e r S c h u t z gegen die E r h e b u n g , Speicherung, Veränderung, N u t z u n g und Ü b e r m i t t l u n g v o n D a t e n ist nach § 3 A b s . 1 B D S G , den entsprechenden L a n desgesetzen und A r t . 2 lit. a E G - D a t e n s c h u t z r i c h t l i n i e 6 6 0 auf sog. p e r s o n e n b e z o g e n e D a t e n beschränkt. D a m i t werden n u r E i n z e l a n g a b e n ü b e r p e r s ö n liche o d e r sachliche Verhältnisse einer b e s t i m m t e n oder b e s t i m m b a r e n natürlichen P e r s o n und nicht die D a t e n einer juristischen P e r s o n o d e r P e r s o n e n handelsgesellschaft als solcher erfaßt. Bei
Beteiligung
eines U n t e r n e h m e r g e s e l l s c h a f t e r s
werden
die
Gesell-
schafts- und U n t e r n e h m e n s d a t e n allerdings in nahezu gleichem M a ß e wie bei einem E i n z e l k a u f m a n n R ü c k s c h l ü s s e auf dessen berufliche und wirtschaftliche Situation zulassen, so daß in aller Regel ein „ D u r c h s c h l a g e n " der U n t e r n e h m e n s - auf die Privatsphäre festgestellt w e r d e n kann 6 6 1 . Selbst aggregierte D a t e n werden hier zumeist E i n z e l a n g a b e n i.S.v. § 3 A b s . 1 B D S G darstellen, da ein B e z u g zu d e m einzelnen Gesellschafter angesichts der umfangreichen Beteiligungspublizität 6 6 2 in üblicher F o r m und o h n e unverhältnismäßigen Aufwand
zumindest
mit H i l f e
des Handelsregisters
hergestellt
werden
kann 6 6 3 . Z u den gesellschafterbezogenen U n t e r n e h m e n s d a t e n gehören daher nicht n u r diejenigen, die die B e z i e h u n g e n der Gesellschaft zu ihren G e s e l l schaftern betreffen (Beteiligungshöhe, B e z ü g e v o n G e s e l l s c h a f t e r - G e s c h ä f t s führern, D a r l e h e n s b e z i e h u n g e n etc.), sondern auch alle ausschließlich auf das U n t e r n e h m e n b e z o g e n e n D a t e n , sofern diese R ü c k s c h l ü s s e auf die berufliche und v e r m ö g e n s m ä ß i g e Situation des u n t e r n e h m e r i s c h engagierten
Gesell-
schafters zulassen ( G r u n d - bzw. Stammkapital, Verbundenheit mit anderen U n t e r n e h m e n , S c h w e b e n eines Insolvenzverfahrens etc.). S o w u r d e n auch b e reits in der R e c h t s p r e c h u n g die A n g a b e n ü b e r die finanzielle Situation einer G m b H mit engen finanziellen, personellen und wirtschaftlichen B e z i e h u n g e n
AB1.EG Nr. L 281 v. 23.11.1995, S. 31. So auch für die persönlich und unbeschränkt haftenden Gesellschafter sowie die Gesellschafter personalistisch strukturierter Kapitalgesellschaften Zöllner, ZHR 149 (1985), 179, 182f.; Weilbach, DB 1992, 1537, 1538 und Gola/Schomerus, BDSG § 3 Nr. 2.9; mit Einschränkungen (und insoweit jeweils zu eng) auch Dammann, in: Simitis u.a. BDSG § 3 Rn. 43 (Personenbezug nur bei den persönlich und unbeschränkt haftenden Gesellschaftern) sowie Ungnade/ Gorynia, WM 1983 Beilage Nr. 7, S. 9f. (Personenbezug nur bei Angaben über die Beziehungen der Gesellschaft zu ihren Gesellschaftern); unzutreffend hingegen KG v. 3.4.1980 in: Simitis u.a., Dokumentation, § 2 Abs. 1 E 2, S. 3 (Verlust des Personenbezugs bei Umwandlung eines einzelkaufmännischen Unternehmens in eine OHG). 662 Dazu sogleich unter lit. b aa. 663 Zur Problematik aggregierter Daten und zu deren Personenbezug im Bereich des Gesellschaftsrechts Klatte, BB 1995, 35, 37 sowie Gola/Schomerus, BDSG § 3 Nr. 2.8. und 2.9. 660
661
242
2. Kapitel: Die Sonderstellung des
Unternehmergesellschafters
zu den hinter ihr stehenden Gesellschaftern als p e r s o n e n b e z o g e n e D a t e n i.S.v. § 2 A b s . 1 B D S G a.F. qualifiziert, deren Speicherung folglich dem G e b o t der E r f o r d e r l i c h k e i t unterlag 6 6 4 . A u c h das Bundesverfassungsgericht
ging im
H i n b l i c k auf die B e s c h l a g n a h m e v o n A u f s i c h t s r a t s p r o t o k o l l e n einer A k t i e n gesellschaft zutreffend v o n der p e r s ö n l i c h e n B e t r o f f e n h e i t der m a ß g e b l i c h beteiligten Gesellschafter und damit v o n ihrer B e s c h w e r d e b e f u g n i s aus 665 .
b) Die Publizität von Gesellschafts- und
Unternehmensdaten
A n dieser Stelle kann nicht auf alle Fragen eingegangen werden, die sich im Spannungsverhältnis zwischen der Unternehmenspublizität und dem Persönlichkeitsschutz des Unternehmergesellschafters stellen. E s sollen lediglich einzelne besonders interessante Aspekte der vielschichtigen Problematik herausgegriffen werden. I m übrigen ist darauf zu verweisen, daß der Gesetzgeber die publizitätspflichtigen Gesellschaften (große, mittlere und kleine Kapitalgesellschaften, Genossenschaften, Kapitalgesellschaften & C o . , K G , O H G ) ,
die P u b -
lizitätsgegenstände (Firma, Registergericht, Handelsregisternummer, schafterzusammensetzung, Beteiligungsstruktur, Rechnungslegung,
GesellEinkom-
mens- und Vermögensverhältnisse etc.), die Publizitätsmittel (Registereintragung, Registerakten, Bekanntmachung in einem amtlichen Organ, Presseveröffentlichung, Datenbank 6 6 6 , Briefkopf, Hauspublizität 6 6 7 ), die Publizitätsanbieter (öffentliche Stellen, nicht-öffentliche Stellen 668 ), die Publizitätsadressaten ( G e sellschafter, Geschäftspartner, Kreditgeber 6 6 9 , Betriebsrat, Verwaltung, Ö f f e n t lichkeit 670 ), die Zugangsvoraussetzungen (Online-Anschluß 6 7 1 , schriftliche oder fernmündliche Anfrage, persönliches Erscheinen, berechtigtes Interesse 6 7 2 ) und
664 BGH v. 17.12.1985 ZIP 1986, 220; LG Bonn v. 22.11.1983 ZIP 1984, 182, 183; Gola/ Schomerus, BDSG § 3 Nr. 2.9. 665 BVerfG v. 1.10.1987 NJW 1988, 890. 666 Dazu insbesondere BGH v. 12.7.1989 CR 1989, 984; Gustavus, GmbHR 1987, 253f.; Windbichler, CR 1988, 447ff. 667 Siehe zur Möglichkeit einer Hauspublizität Art. 1 Nr. 3 der insoweit allerdings nicht umgesetzten GmbH & Co.-Richtlinie, AB1.EG Nr. L 317 v. 16.11.1990, S. 61. 668 Siehe dazu insbesondere §§ 27ff. BDSG sowie BGH v. 12.7.1989 CR 1989, 984 (private Verbreitung von Handelsregisterdaten) und OLG Karlsruhe v. 2.10.1986 GmbHR 1988, 62f. (Auskunftei); ferner Gustavus, GmbHR 1987, 253f. und Hirte, CR 1990, 631 ff. 669 Dazu insbesondere BGH v. 17.12.1985 ZIP 1986, 220. 670 Hierzu würden dann auch der Friseur (dazu Meilicke, DB 1986, 2445, 2446) und der Nachbar (dazu Windbichler, CR 1988, 447, 451 f.) gehören. 671 Siehe dazu nur § 10 BDSG sowie zur Erweiterung des kostenpflichtigen Online-Zugangs zu verschiedenen öffentlichen Registern durch das ERJuKoG von 2001 (§ 9a HGB, § 79 BGB, § 156 GenG und § 5 Abs. 2 PartGG jeweils n.F.) und die Begr. RegE ERJuKoG BTDrucks. 14/6855, S. 1. 672 Siehe dazu für den Online-Abruf von Daten aus dem maschinell geführten Handelsregister durch nicht-öffentliche Stellen auch die Regierungsbegründung zu dem durch das RegVBG eingeführten § 9a Abs. 2 S. 2 Nr. 2 HGB in BT-Drucks. 12/5553, S. 105f.
§3
Grundrechte
des
Unternehmergesellschafters
243
die Informationsverarbeitungsmöglichkeiten (bloßer Abruf bzw. Einsicht, Abschrift, Ablichtung, Mikroverfilmung 673 , elektronische Speicherung, Weiterleitung, Verarbeitung) vor dem Hintergrund des verfassungsmäßigen Rechts auf informationelle Selbstbestimmung des Unternehmergesellschafters auf das zur Sicherung überwiegender Allgemeininteressen (Kontrollfunktion, Gläubigerschutz, Anlegerschutz, Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts, Transparenz von Unternehmensverflechtungen, Richtlinienumsetzung) erforderliche Maß zu begrenzen hat674. Vor dem verfassungsrechtlichen Hintergrund des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung reicht der schlichte Hinweis auf eine gesetzlich bestehende Offenlegungspflicht jedenfalls nicht mehr aus675. aa) Persönlichkeitsrecht des und Beteiligungstransparenz
Unternehmergesellschafters
Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung eines Unternehmergesellschafters wird in besonderem Maße durch die verschiedenen gesellschafts-, kapitalmarkt- und aufsichtsrechtlichen Offenlegungspflichten 676 hinsichtlich des Anteilsbesitzes berührt 677 . Als datenschutzrechtlich besonders problematisch erscheinen dabei die § § 2 1 ff. WpHG. Während nämlich die bei ihrer Einführung noch heftig umstrittene 678 aktienrechtliche Meldepflicht nach § 20 AktG bewußt auf Unternehmen i.S.v. § 15 AktG und auf die Bekanntgabe des bloßen Uber- oder Unterschreitens einer Schachtel- bzw. Mehrheitsbeteiligung beschränkt wurde, um eine Offenlegung der Vermögensverhältnisse von Privatgesellschaftern zu vermeiden 679 , kennen die §§ 21 ff. WpHG D a z u insbesondere B G H v. 12.7.1989 C R 1989, 984, 985f. Dies entspricht den Vorgaben des BVerfG v. 15.12.1983 BVerfGE 65, 1, 45; für die Rechnungslegungspublizität in diesem Sinne näher Wimmer, Bilanzpublizität, S. 14 und passim; ferner Siekmann, FS Friauf, S. 647, 658f. u n d 661 f.; plastisch Meilicke, D B 1986, 2445, 2446: „Was der Gesellschafter über sein eigenes U n t e r n e h m e n w e i ß und wissen m u ß , braucht der Gläubiger noch lange nicht zu wissen; u n d w a s der Gläubiger weiß, m u ß deshalb noch nicht dem Friseur an der Ecke offenbart w e r d e n . " . 675 Ebenso Gustavus, G m b H R 1987, 253, 254. 676 Siehe d a z u die Ubersichten bei U.H. Schneider, in: Assmann/Schneider W p H G Vor § 21 Rn. 37ff. u n d Burgard, A G 1992, 41, 44ff. sowie eingehend ders., O f f e n l e g u n g , S. 44ff. u n d Witt, U b e r n a h m e n , S. 139ff.; zu H a r m o n i s i e r u n g s b e m ü h u n g e n a u ß e r d e m Neye, ZIP 1996, 1853, 1854. 677 Kunze, FS Gleitze, S. 385, 392; S c h ä f e r / O p i t z , W p H G Vor § § 21-30 R n . 5; Witt, Ü b e r nahmen, S. 3 f.; Schäfer, B B 1966, 229, 230; für den aktiv in der Gesellschaft mitarbeitenden G r o ß a k t i o n ä r ausnahmsweise auch Druey, Geheimsphäre, S. 165f. mit Fn. 95. 678 Siehe dazu die N a c h w e i s e bei Kropff Aktiengesetz, S. 40ff. und KK/Koppensteiner, § 20 Rn. 4 s o w i e Schäfer, BB 1966, 229, 230. 679 Siehe d a z u Kropff, Aktiengesetz, S. 41 f.; zust. in neuerer Zeit Maul, BB 1985, 897, 898 f.; zu krit. S t i m m e n im H i n b l i c k auf diese Einschränkungen siehe allerdings bereits BMJ (Hrsg.), Bericht der Unternehmensrechtskommission, Rn. 2038. 673 674
244
2. Kapitel: Die Sonderstellung
des
Unternehmergesellschafters
keine derartigen tatbestandlichen Eingrenzungen. Die dort auch für Privatgesellschafter einer börsennotierten Gesellschaft i.S.d. § 21 Abs. 2 W p H G statuierten Meldepflichten können angesichts der Herabsetzung der Meldepflicht auf einen Anteil von 5 % der Stimmrechte nicht allein mit der Umsetzung von zwingenden Vorgaben der EG-Transparenz-Richtlinie 680 gerechtfertigt werden 681 . Es kann daher nicht verwundern, daß die überobligatorische Regelung des deutschen Gesetzgebers mit Hinweisen auf die gebotene Anonymität von Privataktionären und eine drohende Informationsflut der Kritik ausgesetzt war 682 . Dennoch bestehen im Hinblick auf die Regelung der §§21 ff. W p H G grundsätzlich keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Beteiligungstransparenz, die in engem Zusammenhang mit dem Konzerneingangsschutz, dem Recht der öffentlichen Übernahmeangebote nach dem W p U G und dem Insiderrecht steht 683 , dient mit ihrer frühzeitigen Identifizierung der Unternehmergesellschafter dem Anlegerschutz 684 sowie der Bekämpfung des Mißbrauchs von Insiderinformationen und stärkt auf diese Weise als wichtiger Bestandteil der Aktien- und Finanzmarktkultur das Vertrauen in die Funktionsfähigkeit des im internationalen Wettbewerb 685 stehenden deutschen Kapitalmarkts 686 . Während aus Gründen des Datenschutzes für Kleinanleger, die aufgrund der Zurechnung fremder Stimmrechte nach § 22 W p H G bisweilen zur Offenlegung eines geringfügigen Stimmanteils verpflichtet sein können, im Einzel-
680 Richtlinie des Rates vom 12.12.1988 über die bei Erwerb und Veräußerung einer bedeutenden Beteiligung an einer börsennotierten Gesellschaft zu veröffentlichenden Informationen 88/627/EWG, ABl.EG Nr. L 348 v. 17.12.1988, S. 62. 681 Da die EG-Transparenz-Richtlinie Meldepflichten zwingend erst ab einem Stimmrechtsanteil von 10% vorsieht, kann das europarechtliche Regelungsziel der Verwirklichung eines einheitlichen Binnenmarkts nur insoweit bei der Abwägung mit dem Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Unternehmergesellschafters berücksichtigt werden. 682 Junge, FS Semler, S. 473,483; für eine Einschränkung der Offenlegungspflichten bei Privatgesellschaftern auch Maul, BB 1985, 897, 898; für eine Erhöhung der Eingangsschwelle auf 10% Siebel, FS Heinsius, S. 771, 806 f. 683 U.H. Schneider, in: Assmann/Schneider W p H G Vor § 2 1 Rn. 17ff.; Weisgerber, W M 1995, 19 (§§ 21 ff. W p H G als Hilfsvorschriften der engeren Insiderbestimmungen der §§ 12ff. WpHG). 684 Fraglich ist lediglich, ob die §§ 21 ff. W p H G nur dem kollektiven (so Hüffer, AktG Anh § 22, Rn. 1 zu § 21 W p H G ) oder auch dem individuellen Anlegerschutz mit der möglichen Folge eines Schadensersatzanspruchs der Mitgesellschafter (so U.H. Schneider, in: Assmann/ Schneider W p H G Vor § 21 Rn. 16 und § 28 Rn. 54ff.) dienen. 685 Der sich im Vergleich zur Transparenz-Richtlinie als „Uberregulierung" darstellende Eingangsschwellenwert von 5 % entspricht dem internationalen Durchschnitt (dazu nur U.H. Schneider, in: Assmann/Schneider W p H G Vor § 21 Rn. 4 und § 21 Rn. 13 f.). 686 Siehe dazu die Begründung zum RegE der §§ 21 ff. W p H G in BT-Drucks. 12/6679, S. 52 sowie Otto, A G 1994, 167, 170; U.H. Schneider, in: Assmann/Schneider W p H G Vor §21 Rn. 12 ff.; Schäfer/O/niz, W p H G Vor §§ 21-30 Rn. 6; Kumpel, W p H G , S. 131 ff.
53
Grundrechte des
245
Unternehmergesellschafters
fall m i t H i l f e der A u s n a h m e v o r s c h r i f t des § 2 5 A b s . 4 W p H G 6 8 7 Einschränkungen
der M e l d e p f l i c h t 6 8 8
nach § § 2 1 ff. W p H G
durchaus
geboten
sein
k ö n n e n 6 8 9 , gilt das k a p i t a l m a r k t r e c h t l i c h e „ V e r m u m m u n g s v e r b o t " 6 9 0 in b e s o n d e r e m M a ß e f ü r d e n u n t e r n e h m e r i s c h engagierten
Privatgesellschafter.
D i e s e r w i r d sich n u r in ganz seltenen A u s n a h m e f ä l l e n 6 9 1 auf den v e r m e i n t l i c h e n G r u n d s a t z der A n o n y m i t ä t der A k t i e 6 9 2 b e r u f e n k ö n n e n . Z u R e c h t hat er bereits m i t E r r e i c h e n eines eigenen o d e r z u z u r e c h n e n d e n S t i m m e n a n t e i l s von 5 %
das Visier z u ö f f n e n . D e n n das E r r e i c h e n dieses S t i m m e n a n t e i l s
d u r c h einen ( k ü n f t i g e n ) U n t e r n e h m e r g e s e l l s c h a f t e r ist bei b ö r s e n n o t i e r t e n G e s e l l s c h a f t e n r e g e l m ä ß i g mit e i n e m b e d e u t e n d e n K a p i t a l e i n s a t z u n d e i n e m n i c h t u n e r h e b l i c h e n E i n f l u ß in der G e s e l l s c h a f t v e r b u n d e n 6 9 3 . D e r A u f b a u o d e r A b b a u einer u n t e r n e h m e r i s c h e n B e t e i l i g u n g i m o b e n dargestellten S i n n e w i r d sich n a t u r g e m ä ß o h n e h i n n u r in der w e n i g e r s c h ü t z e n s w e r t e n h e i m l i c h e n U b e r g a n g s p h a s e v e r b e r g e n lassen. A n g e s i c h t s der ( a n g e s t r e b t e n b z w . e h e m a l i g e n ) u n t e r n e h m e r i s c h e n E i n f l u ß n a h m e b e s t e h t z u d e m ein gesteigertes I n t e r e s s e der Mitgesellschafter, O r g a n m i t g l i e d e r , K a p i t a l m a r k t t e i l n e h m e r u n d des Staates an der f r ü h z e i t i g e n I n f o r m a t i o n 6 9 4 ü b e r den A u f b a u bzw. A b bau e i n e r u n t e r n e h m e r i s c h e n B e t e i l i g u n g d u r c h eine b e s t i m m t e P e r s o n 6 9 5 .
687 Nach Schäfer/Opitz, WpHG § 25 Rn. 22 ist der Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung als öffentliches Interesse im Rahmen von § 25 Abs. 4 WpHG zu berücksichtigen. 688 Anzugeben sind neben dem genauen Stimmrechtsanteil auch Name und Wohnanschrift des Privataktionärs sowie der Tag des Erreichens, Uber- oder Unterschreitens der jeweiligen Beteiligungsschwelle (arg. e § 25 Abs. 1 S. 2 WpHG); immerhin besteht keine Pflicht zur datenschutzrechtlich besonders problematischen Offenlegung des Kapitalanteils. 689 Dazu näher und insbesondere zur Sonderproblematik der Aktionärspools U.H. Schneider, in: Assmann/Schneider WpHG § 25 Rn. 50ff. und Schäfer/Opitz, WpHG Vor §§ 21-30 Rn. 5 und § 25 Rn. 50ff. jeweils m.w.N.; zust. auch Rümpel, WpHG, S. 144. 6 . 0 So plastisch im Zusammenhang mit der Registerpublizität Windbichler, CR 1988, 447, 452. 6.1 Denkbar wäre etwa der Nachweis einer konkreten Gefahr terroristischer Anschläge; ein allgemeiner Hinweis auf eine derartige Gefahr wäre hingegen nicht ausreichend (dazu U.H. Schneider, in: Assmann/Schneider WpHG § 25 Rn. 50). 692 Dazu Siebel, FS Heinsius, S. 771, 784f. sowie die Nachweise bei BMJ (Hrsg.), Bericht der Unternehmensrechtskommission, Rn. 2049 und Kropff, Aktiengesetz, S. 40; mit Recht krit. Schäfer/Opitz, WpHG Vor §§ 21-30 Rn. 2ff.; Burgard, Offenlegung, S. 186 (Geltung allenfalls für Kleinaktionäre); v. Caemmerer, in: Frankfurter Publizitätsgespräch, S. 141, 181 f. (Nebeneffekt der Fungibilität der Inhaberaktie); Witt, Ubernahmen, S. 2; hinzuweisen ist auch auf die Beteiligungspublizität bei den anderen Gesellschaftsformen (vgl. §§ 106 Abs. 2 Nr. 1, 107, 162 H G B und § 40 GmbHG) und die zunehmende Verbreitung von Namensaktien. 693 Dazu bereits 1. Kap. § 3 C I 1 und II 1 a aa (bbb); so auch die Begründung zum RegE des § 21 WpHG in BT-Drucks. 12/6679, S. 52 sowie Otto, AG 1994, 167, 170 und Witt, AG 1998, 171, 174. 694 Diesem Interesse wird unabhängig von § 21 WpHG zumeist auch durch die Ad-hocPublizität nach § 15 WpHG Rechnung getragen. 695 Dazu insbesondere unter eingehender Schilderung der Fälle Feldmühle Nobel und Continental Burgard, AG 1992, 40ff.; siehe auch Otto, AG 1994,167ff. und Witt, Übernah-
246
2. Kapitel:
Die Sonderstellung
des
Unternebmergesellschafters
Schließlich geht es bei Beteiligungstransaktionen eines Unternehmergesellschafters nicht selten auch um eine „lautlose Verfassungsänderung" 696 , die unternehmerische Ausrichtung der Gesellschaft 697 sowie eine möglichst gleichmäßige Verteilung der Paket- bzw. Kontrollzuschläge unter allen Aktionären698. Angesichts der Bedeutung unternehmerischer Beteiligungen ist darüber hinaus sogar zu überlegen, ob der Unternehmergesellschafter aus Gründen seiner gesteigerten Treuepflicht 699 gegenüber der Gesellschaft und den Mitgesellschaftern nicht nur zu den Angaben nach § 2 1 Abs. 1 und Abs. l a i.V.m. § 25 Abs. 1 S. 2 WpHG, sondern zusätzlich etwa zur Offenlegung seiner unternehmerischen Absichten 700 oder zur Angabe der die Anteilsbewertung ermöglichenden Tatsachen 701 verpflichtet ist. Im Gegenzug wird der Unternehmergesellschafter durch die Offenlegungspflichten seinerseits vor überraschenden Fremdeinflüssen geschützt 702 . bb) Persönlichkeitsrecht der Rechnungslegung
des Unternehmergesellschafters
und
Publizität
Obwohl der Rechnungslegungspublizität nur die wirtschaftlichen Verhältnisse der Gesellschaft und nicht die persönlichen (wirtschaftlichen) Verhältnisse der Gesellschafter unterliegen, bedingt es die für den Unternehmergesellschafter charakteristische enge Verknüpfung von Privat- und Unternehmenssphäre, daß die verschiedenen Pflichten der Rechnungslegungspublizität nicht nur einen Eingriff in die Berufsfreiheit der Gesellschaft 703 , sondern auch in das Persönlichkeitsrecht des maßgeblich beteiligten Gesellschafters darmen, S. 5 ff. und 75 ff.; einschränkend jedoch Siebel, FS Heinsius, S. 771, 806 f., der zunächst nur die Offenlegung der maßgeblichen Beteiligung als solcher, nicht jedoch von deren Inhaber für erforderlich hält. 696 Suhr, Eigentumsinstitut, S. 139; ähnlich Flume, in: Frankfurter Publizitätsgespräch, S. 189; zur verbandsrechtlichen Auswirkung des Pakethandels auch MUlbert, Aktiengesellschaft, S. 88. 697 Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. 1, S. 450 („Regierungswechsel"). 698 Otto, AG 1994, 167ff.; Burgard, AG 1992, 41 ff.; Mülbert, Akiengesellschaft, S. 83ff. 699 Dazu 2. Kap. § 2 A und B VIII sowie für den speziellen Fall näher Burgard, AG 1992, 41, 47ff.; den., Offenlegung, S. 65ff. 700 Siehe dazu nunmehr auch im Zusammenhang mit öffentlichen Ubernahmeangeboten beim Erwerb von 30% der Stimmrechte §§ 11, 35 Abs. 2 WpUG; ferner Schwark, FS Stimpel, S. 1087, 1109f.; Burgard, AG 1992, 41, 47ff. und 52 (treuwidriger Mißbrauch der Anonymität der Aktie); ders., Offenlegung, S. 65ff.; Otto, AG 1994, 167, 171 unter Hinweis auf das USamerikanische Recht; in diese Richtung auch U.H. Schneider, in: Assmann/Schneider WpHG Vor § 2 1 Rn. 15 und 46. 701 Dazu Wiedemann, Minderheitenschutz, S. 63 (allerdings keine Angabe des Anteilsverkaufspreises; insoweit weitergehend unter Hinweis auf die gebotene Gleichbehandlung der Aktionäre Burgard, AG 1992, 41, 52). 702 Hierauf verweist für Familiengesellschaften auch Siebel, FS Heinsius, S. 771, 772. 703 Dazu eingehend Nicolin, Berufsfreiheit, S. 37ff.; außerdem Friauf, GmbHR 1991, 397, 402ff.; Schulze-Osterloh, FS 100 Jahre GmbH-Gesetz, S. 501, 517ff.
53
Grundrechte
des
Unternehmergesellschafters
247
stellen können 7 0 4 . N e b e n den Geheimhaltungsinteressen der Gesellschaft spielen daher auch solche der maßgeblich beteiligten Gesellschafter als G r e n zen der Rechnungslegungspublizität eine Rolle. Diese m u ß so ausgestaltet werden, daß der Blick in die Privatsphäre, d.h. insbesondere in die E i n k o m mens- und Vermögensverhältnisse des unternehmerisch engagierten Gesellschafters nicht weiter freigegeben w i r d , als dies unter Berücksichtigung der verschiedenen Publizitätsgrade z u r Sicherung überwiegender Allgemeininteressen erforderlich ist 705 . Demgegenüber kann nicht eingewendet werden, daß die Rechnungslegungspublizität in weiten Teilen auf zwingenden Vorgaben des EG-Rechts 7 0 6 beruht. D e n n auch im Bereich der U m s e t z u n g v o n EG-Richtlinien, in dem die Geltung des A r t . 1 A b s . 3 G G noch nicht abschließend geklärt ist 707 , kann nicht v o n einem grundrechtsfreien Gestaltungsspielraum des deutschen G e setzgebers gesprochen werden, da selbst bei Geltung eines allgemeinen V o r rangs des sekundären Gemeinschaftsrechts v o r dem nationalen Verfassungsrecht 708 , den das Bundesverfassungsgericht in der sog. „Solange-H"-Entscheidung bislang nur f ü r das unmittelbar in den Mitgliedstaaten geltende V e r o r d nungsrecht anerkannt hat 709 , die nationale Grundrechtsgeltung durch eine europarechtliche Bindung an die E M R K und die gemeineuropäischen G r u n d rechte (Art. 6 Abs. 2 E U V ) ersetzt w e r d e n würde 7 1 0 . Insoweit d ü r f t e es dann 704 Friauf, GmbHR 1985, 245, 252f.; ders., GmbHR 1991, 397, 407; Weimar/Reeh, DB 1988, 1637; Weilbach, DB 1992, 1537, 1538; Delp, Publizitätspflicht, S. 129; Großfeld, NJW 1986, 955, 960; Schulze-Osterloh, FS 100 Jahre GmbH-Gesetz, S. 501, 517 mit Fn. 91. 705 Kunze, FS Gleitze, S. 385, 389; Meilicke, DB 1986, 2445; Friauf, GmbHR 1991, 397, 406f.; Siekmann, FS Friauf, S. 647, 658f. und 661 f.; für einen grundsätzlichen Vorrang der Publizität Hirte, CR 1990, 631, 633 („Der Reflex, daß die Informationen über die juristische Person mittelbar auch Rückschlüsse auf die an ihr beteiligten natürlichen Personen zulassen, ist gewollt und kann angesichts der mit der Publizität verbundenen Ziele verfassungsrechtlich nicht ins Gewicht fallen."). 706 Siehe insbesondere die Richtlinien 68/151/EWG vom 9.3.1968, AB1.EG Nr. L. 65 v. 14.3.1968 (Publizitätsrichtlinie), 78/660/EWG vom 25.7.1978, AB1.EG Nr. L 222 v. 14.8.1978, S. 11 (Bilanzrichtlinie) und 83/349/EWG vom 13.6.1983, AB1.EG Nr. L 193 v. 18.7.1983 (Konzernbilanzrichtlinie). 707 Siehe dazu BVerfG v. 16.3.1971 BVerfGE 30,292; BVerfG v. 12.5.1989 EuR 1989,270,273. 708 Dafür etwa Everling, EuR 1990, 195, 213; Tomuschat, EuR 1990, 340, 344f.; für eine Bindung an die deutschen Grundrechte bei der Richtlinienumsetzung als einem Akt deutscher Staatsgewalt nach Art. 1 Abs. 3 und Art. 20 Abs. 3 GG hingegen Di Fabio, NJW 1990, 947, 952f. und Friauf, GmbHR 1991, 397, 401; vermittelnd Streinz, Grundrechtsschutz, S. 253f. (Einbeziehung der europarechtlichen Belange in die Verhältnismäßigkeitsprüfung von Grundrechtseingriffen). 709 BVerfG v. 22.10.1986 BVerfGE 73, 339, 387. 710 Zur Anerkennung von Grundrechten auf der Basis der nationalen Verfassungstraditionen und der EMRK siehe auch EuGH v. 14.5.1974 Slg. 1974, 491, 507 (Eigentumsgarantie und Berufsfreiheit) und EuGH v. 21.9.1989 Slg. 1989, 2859, 2923 (rechtliches Gehör); zum Text bzw. zum Status der Charta der Grundrechte der Europäischen Union siehe die Proklamation 2000/C 364/01 Abl.EG v. 18.12.2000, S. lff. (Garantie der Berufs-, Unternehmer- und Eigentumsfreiheit in Art. 15 ff.) bzw. die Mitteilung KOM (2000) 644 endg.
248
2. Kapitel:
Die Sonderstellung
des
Unternehmergesellschafters
von Bedeutung sein, daß der EuGH bereits ein Grundrecht auf den Schutz der Privatsphäre und der Persönlichkeit (vgl. dazu auch Art. 8 EMRK und Art. 7f. Charta der EU-Grundrechte) anerkannt hat711 und daß angesichts des Vormarschs des Datenschutzes auch auf europäischer Ebene712 von einer Uberprüfung der Regelungen unter dem Gesichtspunkt der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit auszugehen ist713. Die bei den Kapitalgesellschaften und größeren Personengesellschaften durch zahlreiche legitime Informationsinteressen 714 gerechtfertigte Rechnungslegungspublizität kann zwar nicht mit dem Hinweis auf die informationelle Selbstbestimmung von Unternehmergesellschaftern generell in Frage gestellt werden 715 . Aus dem gesteigerten Persönlichkeitsbezug bestimmter Daten ergeben sich jedoch verschiedene Einschränkungen der Rechnungslegungspublizität. Dabei ist zwischen Angaben über das Verhältnis zwischen Gesellschaft und Gesellschafter sowie sonstigen Angaben zu unterscheiden. Angaben über die finanziellen Beziehungen der Gesellschaft zu natürlichen Personen gelten als besonders sensibel und unterliegen daher erhöhten Anforderungen an ihre Rechtfertigung. Dies ist auch der Grund für die Einschränkungen der Publizität, die auf einer Ausübung des Mitgliedstaatenwahlrechts nach Art. 4 der EG-Mittelstandsrichtlinie (90/604/EWG) beruhen und mit Gesetz vom 25.7.1994 durch Einfügung von § 286 Abs. 4 HGB und § 325 Abs. 1 S. 1 Hs. 3 HGB sowie durch Streichung des früheren § 326 S. 2 HGB eingeführt wurden 716 . So können nach § 286 Abs. 4 HGB auch mittelgroße und große Kapitalgesellschaften 717 von der Pflicht zur Angabe der Gesamtbezüge von Organmitgliedem nach § 285 Nr. 9 lit. a und b HGB befreit werden, wenn sich anhand dieser Angaben die Bezüge eines Mitglieds
EuGH v. 26.6.1980 Slg. 1980, 2033, 2056f.; EuGH v. 21.9.1989 Slg. 1989, 2859, 2923f. Siehe dazu insbesondere die Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr v. 24.10.1995 (95/46/EG), ABl.EG Nr. L 281 v. 23.11.1995, S. 31. 713 Dazu auch Limmer, Bilanzpublizität, S. 25 f. 714 Dazu grundlegend v. Caemmerer, in: Frankfurter Publizitätsgespräch, S. 141 ff. (krit. allerdings zum Zusammenhang von Haftungsbeschränkung und Publizität); eingehend Wimmer, Bilanzpublizität, S. 29ff.; Weimar/Reeh, DB 1988, 1637, 1638; Siekmann, FS Friauf, S. 647, 659 und 663; Windbichler, CR 1988, 447, 449; Hirte, CR 1990, 631, 633; siehe auch BayObLG v. 24.11.1994 DB 1995, 316f. 715 So auch das OLG Köln v. 8.3.1991 GmbHR 1991, 423, 424; Schulze-Osterloh, FS 100 Jahre GmbH-Gesetz, S. 501, 517f. mit Fn. 91. 716 Siehe dazu BT-Drucks. 12/7912, S. 23f.; Klatte, BB 1995, 35ff.; Staub/Marsch-Barner, § 286 Rn. 13f. und § 325 Rn. 8; zur mangelnden Erforderlichkeit der bis 1994 bestehenden Pflicht zur Angabe der Geschäftsführerbezüge und Kreditgewährungen Wimmer, Bilanzpublizität, S. 73f. und 114. 717 Kleine Kapitalgesellschaften sind bereits nach § 288 S. 1 HGB von den entsprechenden Angabepflichten befreit. 7,1
712
§3
Grundrechte
des
Unternehmergesellschafters
249
dieser Organe feststellen läßt 718 . Ebenfalls aus Gründen des Datenschutzes sind von der Offenlegung der Angaben über die Ergebnisverwendung zudem kleine Kapitalgesellschaften generell (§ 326 H G B n.F.) sowie mittelgroße und große Gesellschaften m b H dann befreit, wenn sich anhand dieser Angaben die Gewinnanteile von natürlichen Personen feststellen lassen (§ 325 Abs. 1 S. 1 Hs. 3 HGB) 719 . Der Wahrung der Privatsphäre der Gesellschafter dient schließlich noch der nach herrschender Meinung allerdings lediglich klarstellende 720 und der Vergleichbarkeit von Personen- und Kapitalgesellschaftsabschlüssen dienende § 5 Abs. 4 PublG, der wie nunmehr auch § 264c Abs. 3 H G B eine Aufnahme des Privatvermögens von Personenhandelsgesellschaftern in die Bilanz sowie diesbezüglicher Aufwendungen und Erträge in die Gewinn- und Verlustrechnung verbietet 721 . Andererseits besteht aber an der Offenlegung von schuldrechtlichen Beziehungen zwischen der G m b H bzw. bestimmten Personenhandelsgesellschaften und ihren Gesellschaftern ein derart großes Interesse 722 , daß die Angaben nach § 42 Abs. 3 G m b H G bzw. § 264c Abs. 1 H G B über Ausleihungen, Forderungen und Verbindlichkeiten 723 gegenüber Gesellschaftern auch dann mit dem Persönlichkeitsrecht vereinbar sind, wenn sie wie insbesondere bei der Einpersonen-GmbH Rückschlüsse auf die Verbindungen zu einzelnen (unternehmerisch engagierten) Gesellschaftern zulassen sollten. Die Worte „in der Regel" verweisen hier nur auf ein Rangverhältnis der Angabevarianten und nicht auf die Möglichkeit einer restriktiven Auslegung im Interesse des Persönlichkeitsschutzes. Es wird daher zu Recht auch allenfalls eine teleolo718 Die Feststellbarkeit der Bezüge ist nicht nur bei Gremien mit einem einzigen Mitglied, sondern auch dann gegeben, wenn bei mehreren Gremienmitgliedern die Bezüge annähernd verläßlich geschätzt werden können (dazu näher Feige/Ruffert, DB 1995, 637ff. und Klatte, BB 1995, 35, 37); zum datenschutzrechtlichen Hintergrund der Vorschrift auch Apelt, Publizität, S. 175; zur häufigen Mißachtung der entsprechenden Angabeverpflichtung bis 1994 Wimmer, Bilanzpublizität, S. 15. 719 Klatte, BB 1995, 35, 37f.; zur Kritik an der Rechtslage vor 1994 Meilicke, DB 1986,2445, 2446. 720 Dazu unter Hinweis auf die nach ganz h.M. auf das Geschäftsvermögen beschränkte Rechnungslegungspflicht Glade, Rechnungslegung, § 5 PublG Rn. 15 und Adler/Düring/ Schmaltz, Rechnungslegung, § 5 PublG Rn. 61 i.V.m. § 246 H G B Rn. 425 f. und 434. 721 Siehe zum Persönlichkeitsschutz der Gesellschafter die Begründung des RegE in BTDrucks. 5/3197, S. 20 sowie Biener, BB 1969, 1097, 1099 und Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung, § 5 PublG Rn. 61. 722 Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung, § 42 G m b H G Rn. 27; Scholz/Crezelius, G m b H G § 42 Rn. 18; wenig aussagekräftig allerdings die Begründung zum RegE, BT-Drucks. 10/317, S. 110; zur besonderen Gläubigergefährdung durch Vermögensverflechtungen zwischen der G m b H und ihren Gesellschaftern allgemein Wimmer, Bilanzpublizität, S. 50 ff.; Immenga, Kapitalgesellschaft, S. 350; zu Vermögensverflechtungen zwischen Unternehmergesellschafter und Gesellschaft näher oben 2. Kap. § 1 A II und III. 723 Hierzu gehört nach h.M. auch der gesonderte Ausweis von eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen (dazu näher Lutter/Hommelhoff, § 42 Rn. 34ff. und für die Gegenansicht Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung, § 42 G m b H G Rn. 34ff. jeweils m.w.N.)
250
2. Kapitel:
Die Sonderstellung
des
Unternehmergesellschafters
gische Reduktion der genannten Vorschriften zugunsten von Gesellschaftern mit geringfügigen Beteiligungen, nicht jedoch für Unternehmergesellschafter erwogen 724 . Da eine vergleichbare Interessenlage auch bei der Aktiengesellschaft gegeben ist und eine dem § 42 Abs. 3 G m b H G vergleichbare Vorschrift vermutlich nur aufgrund der Anonymität der Inhaberaktie fehlt, wäre zudem zu überlegen, ob nicht zumindest für die schuldrechtlichen Beziehungen der Aktiengesellschaft zu den nach §§ 21 ff. W p H G meldepflichtigen Aktionären eine vergleichbare Angabepflicht einzuführen ist. Im Gegensatz zu den Angaben über die Beziehungen der Gesellschaft zu ihren Gesellschaftern werden die rein gesellschaftsbezogenen Angaben ganz überwiegend als verhältnismäßig unproblematisch angesehen. Allerdings können auch sie, wie bereits dargelegt, indirekte Rückschlüsse auf die Privatsphäre der Unternehmergesellschafter zulassen. Neben den seit jeher für kleine Kapitalgesellschaften i.S.d. § 267 Abs. 1 H G B bestehenden Publizitätsprivilegien 725 sind daher de lege ferenda weitere Restriktionen der Rechnungslegungspublizität zu erwägen. So wäre es wünschenswert, daß die bereits einmal von der EG-Kommission erwogene Ausnahme von der Rechnungslegungspublizität für sog. „geschlossene Gesellschaften" 726 in geltendes Recht umgesetzt wird 727 . Da es sich bei diesen Gesellschaften um kleine und nicht verbundene Gesellschaften i.S.v. Art. 11 Abs. 4 bzw. Art. 41 der Richtlinie 7 8 / 6 6 0 / E W G handeln würde, die zudem in keinem Beteiligungsverhältnis zu einem anderen Unternehmen i.S.v. § 271 Abs. 1 H G B stünden und bei denen die vinkuliert beteiligten Gesellschafter und Mitglieder des Leitungsorgans identische natürliche Personen wären, bestünde hier nicht nur aufgrund der mitunternehmerschaftlichen Struktur ein erhöhter Personenbezug der Rechnungslegungsdaten und eine Nähe zur kleinen Personengesellschaft bzw. zum einzelkaufmännischen Unternehmen, sondern auch ein deutlich vermindertes Publizitätsinteresse 728 . 724 Siehe dazu Scholz/Crezelius, G m b H G § 42 Rn. 25; Küting/Weber, Rechnungslegung, Rechnungslegung, § 42 G m b H G Rn. 43 § 42 G m b H G Rn. 57 und Adler/Düring/Schmaltz, (im Ergebnis zudem alle ablehnend). 725 Zu den Publizitätserleichterungen für kleine Kapitalgesellschaften, wodurch insbesondere der Einblick in die Struktur der Finanzanlagen, Forderungen und Verbindlichkeiten eingeschränkt wird, eingehend Lück, G m b H R 1987, 4 2 f f . ; zur verfassungsrechtlichen Rechtfertigung der E i n s c h r ä n k u n g e n Großfeld/Lenfers, D B 1988, 2 0 0 9 , 2 0 1 1 . 726 Siehe zum Entwurf eines Art. la der Richtlinie 78/660/EWG K O M (88) 292 endg, ABl.EG C 287 v. 11.11.1988, S. 5,6. 727 In diesem Sinne und für eine noch stärkere Berücksichtigung des Gedankens der Familiengesellschaft siehe die Stellungnahme der Bundessteuerberaterkammer vom 2.1.1989 zur sog. Mittelstandsrichtlinie, in: DStR 1989, 151, 152; gegen eine Ausnahme für geschlossene Gesellschaften allerdings ausdrücklich Apelt, Publizität, S. 170 ff. 728 Zum verminderten Publizitätsinteresse und erhöhten Geheimhaltungsinteresse bei der GmbH generell bereits die Begründung zum Entwurf eines Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, Amtliche Ausgabe, Berlin 1891 S. 90f. sowie v. Caemmerer, in: Frankfurter Publizitätsgespräch, S. 172 f.
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Grundrechte
des
Unternehmergesellschafters
251
Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit würde daher insoweit eine Befreiung von den Publizitätspflichten nahelegen 729 . Auf der anderen Seite könnte jedoch wegen der zentralen Bedeutung der Unternehmensgröße für die Rechtfertigung der Rechnungslegungspublizität 730 auch unter Hinweis auf den Datenschutz eine generelle Befreiung für Familiengesellschaften nicht gerechtfertigt werden 731 . Schließlich sollte kleinen Kapitalgesellschaften i.S.d. § 267 Abs. 1 H G B überhaupt die Möglichkeit gegeben werden, zwischen der herkömmlichen Publizität und einer bei berechtigtem Interesse jedermann auf Antrag zu gewährenden Hauspublizität zu wählen 732 . Den Geheimhaltungsinteressen der Gesellschaft und ihrer zumindest bei unternehmerischer Beteiligung persönlich betroffenen Gesellschafter stünde nämlich auch insoweit ein geringeres Bedürfnis an externer Rechnungslegungspublizität gegenüber 733 . Die Innenpublizität wäre andererseits bereits in annähernd gleicher Weise durch das umfangreiche Informationsrecht der Gesellschafter nach § 51a G m b H G bzw. § 1 3 1 AktG, die Vorlage des aufgestellten Jahresabschlusses zur Feststellung nach § 42a Abs. 1 G m b H G bzw. §§ 170 ff. A k t G und die Einberufungspflicht nach § 49 Abs. 3 G m b H G bzw. § 92 Abs. 1 A k t G sowie zusätzliche Überwachungs- und Berichtspflichten bei der Aktiengesellschaft gewährleistet 734 . 729 Zu Publizitätseinschränkungen für Gesellschaften mbH mit überschaubarem Gesellschafterkreis generell Friauf, G m b H R 1985, 252 f.; zu Publizitätserleichterungen für kleine Kapitalgesellschaften unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit allgemein auch Siekmann, FS Friauf, S. 647, 660; für noch weitergehende Einschränkungen Streim/Klaus, BB 1994, 1109, 1116 (Erforderlichkeit der Rechnungslegungspublizität nur für Gesellschaften, deren Anteile am organisierten Kapitalmarkt gehandelt werden oder die ein Größtunternehmen von zumindest regionaler Bedeutung betreiben). 730 Siehe dazu die Begründung zum RegE des PublG, BT-Drucks. 5/3197, S. 13 ff.; Siekmann, FS Friauf, S. 647, 660; Streim/Klaus, B B 1994, 1109, 1116. 731 Ebenso Siekmann, FS Friauf, S. 647, 660; zur Vereinbarkeit der Publizitätspflichten einer Familien-GmbH mit dem Persönlichkeitsrecht B a y O b L G v. 24.11.1994 DB 1995, 316f. mit zust. Anm. Bokelmann, EWIR 1995, 489f. 732 Zur wahlweisen Zulassung der Hauspublizität vor dem Hintergrund des Schutzes der Berufsfreiheit der Gesellschaft auch Nicotin, Berufsfreiheit, S. 71 ff. und 92; siehe zur Möglichkeit der Hauspublizität auch Art. 1 Nr. 3 der insoweit allerdings nicht umgesetzten GmbH & Co.-Richtlinie, ABl.EG Nr. L 317 v. 16.11.1990, S. 61; zu entsprechenden Überlegungen der EG-Kommission Ende der 1980er Jahre siehe die bei Hahn, D B 1988, 1374 wiedergegebene Pressemitteilung der EG-Kommission v. 8.6.1988 über später allerdings nicht realisierte Vorschläge zur Milderung der Rechnungslegungspublizität für kleine und mittelgroße GmbH sowie die positive Stellungnahme der Bundessteuerberaterkammer vom 2.1.1989 zur sog. Mittelstandsrichtlinie, in: DStR 1989, 151 f. und Weimar/Kohl, M D R 1989, 396, 401; krit. zur Hauspublizität allerdings Wimmer, Bilanzpublizität, S. 139f. 733 Schulze-Osterloh, FS 100 Jahre GmbH-Gesetz, S. 501, 520 hält aus diesem Grund auch die Rechnungslegungspublizität kleiner und mittelgroßer GmbH für verfassungsrechtlich nicht unproblematisch; siehe zudem die Nachweise in Fn. 753. 734 Dazu eingehend für die GmbH Wimmer, Bilanzpublizität, S. 32ff., die allerdings auch auf mögliche Ergänzungen der Innenpublizität durch die Rechnungslegungspublizität selbst bei kleineren GmbH hinweist; ferner Nicotin, Berufsfreiheit, S. 78 ff.
252
2. Kapitel: Die Sonderstellung des
Unternehmergesellschafters
cc) Persönlichkeitsrecht des Unternehmergesellschafters und Innenpublizität von Unternehmensdaten D i e jeweiligen hier unter d e m B e g r i f f der Innenpublizität 7 3 5 z u s a m m e n g e faßten mitgliedschaftlichen
Auskunfts-
und E i n s i c h t s r e c h t e ( z . B .
§§118
A b s . 1, 166 H G B , § 131 A k t G , §§ 42a, 51a G m b H G ) k ö n n e n nicht nur die Geheimhaltungsinteressen der Gesellschaft, sondern auch das R e c h t auf informationelle S e l b s t b e s t i m m u n g eines Mitgesellschafters berühren 7 3 6 . Z w a r m u ß dieser angesichts der d u r c h Treuepflichten charakterisierten S o n d e r v e r bindung z w i s c h e n den Gesellschaftern im Vergleich zur A u ß e n p u b l i z i t ä t insoweit zusätzliche E i n s c h r ä n k u n g e n hinnehmen 7 3 7 , d o c h kann dies wie auch die lediglich an den Gesellschaftsinteressen orientierte Ausgestaltung der Auskunftsverweigerungstatbestände nicht dazu führen, die G e h e i m h a l t u n g s interessen eines Gesellschafters gegenüber seinen Mitgesellschaftern generell für unbeachtlich zu erklären 7 3 8 . D i e s gilt zunächst in b e s o n d e r e m M a ß e für die Aktiengesellschaft, bei der das A u s k u n f t s r e c h t nach § 131 A k t G bereits mit dem E r w e r b einer einzigen A k t i e erlangt w e r d e n kann und auf deren H a u p t v e r s a m m l u n g nicht selten auch die Presse bei Erteilung der A u s k u n f t zugegen sein wird 7 3 9 . S o hat der Vorstand bei einem Auskunftsverlangen, das die persönlichen B e l a n g e eines A k t i o n ä r s berührt, genau zu prüfen, o b die Voraussetzungen des § 131 A b s . 1 S. 1 A k t G gegeben sind und o b nicht ein Auskunftsverweigerungsrecht nach § 1 3 1 A b s . 3 S. 1 A k t G besteht. S o darf sich die gewünschte A u s k u n f t zunächst nur auf Angelegenheiten der Gesellschaft beziehen, w o z u wegen ihres engen B e z u g s zur Gesellschaft z w a r auch die persönlichen Angelegenheiten eines Unternehmergesellschafters 7 4 0 und insbesondere seine Beteiligung an
Dazu Immenga, in: Roth, Zukunft der GmbH, S. 107. Siehe dazu etwa BGH v. 20.6.1983 WM 1983, 910, 911 f. (Auskunftsbegehren hinsichtlich der Privatkonten von Mitgesellschaftern). 737 Wimmer, Bilanzpublizität, S. 29; Grunewald, ZHR 146 (1982), 211, 214 mit Fn. 13; konsequenterweise werden daher auch an den „nicht unerheblichen Nachteil" i.S.v. § 51a Abs. 2 GmbHG höhere Anforderungen gestellt als an den „erheblichen Nachteil" i.S.v. § 286 Abs. 2, 3 HGB (dazu ebenfalls Wimmer, Bilanzpublizität, S. 42 f.); vgl. zum Verhältnis von Innen- und Außenpublizität bei der Offenlegung von Beteiligungsbesitz auch Großfeld/Möhlenkamp, ZIP 1994, 1425, 1427; vgl. zu Mitteilungspflichten des Unternehmergesellschafters 2. Kap. § 2 B VIII. 738 So aber Druey, Geheimsphäre, S. 166 f. 739 Dazu generell auch v. Caemmerer, in: Frankfurter Publizitätsgespräch, S. 168; von einer öffentlichen Auskunftserteilung an den Aktionär spricht auch bereits Haussmann, Aktienwesen, S. 55; gegen eine Berücksichtigung der faktischen Öffentlichkeit hingegen Nitschke/ Bartsch, AG 1969, 95, 98. 740 Eckardt, in: Geßler/Hefermehl § 131 Rn. 48 (Großaktionär); für die (personalistisch strukturierte) GmbH auch Tietze, Informationsrechte, S. 12 f. und Grunewald, ZHR 146 (1982), 211,214 f.; vgl. zur Information über die persönlichen Angelegenheiten von Organmitgliedern auch Nitschke/Bartsch, AG 1969, 95, 97 und Ebenroth, Auskunftsrecht, S. 112f. 735 736
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Grundrechte
des
Unternehmergesellschafters
253
der Gesellschaft 741 gehören können, doch sollte man hier mit der Annahme des Bezugs zu den Angelegenheiten der Gesellschaft nicht zu großzügig verfahren. Einschränkungen des Auskunftsanspruchs können sich zudem daraus ergeben, daß die geforderte Information nach § 131 Abs. 1 S. 1 AktG zur sachgemäßen Beurteilung des Gegenstandes der Tagesordnung erforderlich sein muß 742 und daß der Vorstand bisweilen trotz angemessener Vorbereitung zur Beantwortung von Fragen über die privaten Verhältnisse eines Gesellschafters nicht imstande sein wird. Schließlich besteht nach § 131 Abs. 3 Nr. 1 AktG auch dann ein Recht zur Verweigerung der Auskunft, wenn der Gesellschaft oder einem verbundenen Unternehmen durch die Schädigung des Unternehmergesellschafters mittelbar selbst ein nicht unerheblicher Nachteil droht 743 . Da dem Gesetzgeber bei der Regelung des § 131 AktG die Verknüpfung von Gesellschafts- und Privatangelegenheiten offensichtlich nicht hinreichend bewußt gewesen ist, könnte man schließlich vor dem Hintergrund von Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG auch an eine analoge Anwendung der Einschränkung des § 131 Abs. 3 Nr. 1 AktG auf nicht unerhebliche Nachteile für den betroffenen Unternehmergesellschafter denken 744 . Nach § 51a Abs. 1 GmbHG kann ein GmbH-Gesellschafter zwar jederzeit verlangen, daß ihm unverzüglich Auskunft über die Angelegenheiten der Gesellschaft gegeben sowie Einsicht in deren Bücher und Schriften gestattet wird, doch unterliegt auch dieses von den Geschäftsführern gesetzlich nur unter engen Voraussetzungen nach § 51a Abs. 2 GmbHG zu verweigernde Recht nach allgemeiner Ansicht methodisch unterschiedlich ansetzenden Einschränkungen unter den Gesichtspunkten des Rechtsmißbrauchs, der objektiven Tatbestandseingrenzung, der Treuepflicht des Gesellschafters und
741 Burgard, Offenlegung, S. 78; U.H. Schneider, in: Assmann/Schneider WpHG Vor § 21 Rn. 55 (zumindest für die der Außenpublizität unterworfenen Beteiligungen); generell für Beziehungen der Gesellschaft auch Eckardt, in: Geßler/Hefermehl § 131 Rn. 46; H i i f f e r , AktG §131 Rn. 11; a.A. (Angelegenheit des betroffenen Aktionärs und nicht der Gesellschaft) allerdings LG Berlin v. 24.6.1993 ZIP 1993, 1632, 1635f. und i.E. auch KG v. 30.6.1994 ZIP 1994, 1267,1274; ferner LG Frankfurt/M. v. 16.9.1994 WM 1994, 1931, 1933 und grundsätzlich auch Witt, Ubernahmen, S. 199 f. (um eine Angelegenheit der Gesellschaft handele es sich nur, wenn eine offenlegungspflichtige Beteiligung nicht offengelegt wurde oder durch die Beteiligung eine abstrakte Gefahr für die Gesellschaft einzutreten drohe). 7,2 Vgl. dazu auch etwa KG v. 30.6.1994 ZIP 1994, 1267, 1274 (Information über die Zugehörigkeit von Vorstandsmitgliedern zu derselben Studentenverbindung zur sachgemäßen Beurteilung der Tagesordnungspunkte nicht erforderlich); ferner Ebenroth, Auskunftsrecht, S. 34ff. und Eckardt, in: Geßler/Hefermehl § 131 Rn. 50 sowie die Regierungsbegründung bei K r o p f f , Aktiengesetz, S. 185. 743 Dazu auch Druey, Geheimsphäre, S. 167f., der die Aktionäre allerdings unzutreffend zu den personellen Mitteln der Gesellschaft zählt, über deren „Beschaffung" die Gesellschaft Stillschweigen bewahren könne; vgl. dazu für die GmbH Scholz/K. Schmidt, § 51a Rn. 40. 744 Dagegen allerdings, wenn auch ohne Berücksichtigung der Analogiemöglichkeit, Eckardt, in: Geßler/Hefermehl § 131 Rn. 91 und W. Obermüller, BB 1960, 390.
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2. Kapitel:
Die Sonderstellung
des
Unternehmergesellschafters
der Verhältnismäßigkeit 7 4 5 . Unabhängig davon, ob man insoweit mit dem Mißbrauchsgedanken arbeitet 746 , f ü r funktionelle Einschränkungen eintritt 7 4 7 , ein Informationsbedürfnis auf Seiten des Gesellschafters verlangt 7 4 8 oder auf die Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit des Auskunftsverlangens abstellt 749 , w i r d man eine Pflicht z u r A u s k u n f t über gesellschafterbezogene A n gelegenheiten der Gesellschaft nur dann annehmen, w e n n die entsprechenden Informationen z u r W a h r n e h m u n g der Gesellschafterrechte erforderlich sind und keine schützenswerten Belange des Unternehmergesellschafters b e t r o f fen sind 750 .
VI Allgemeine
Handlungsfreiheit
Die Unternehmerfreiheit, die auch als Unternehmensfreiheit, Wirtschaftsfreiheit oder Handlungsfreiheit im wirtschaftlichen Bereich sowie in ihren bedeutendsten Auspägungen etwa als Unternehmensorganisationsfreiheit, Vertragsfreiheit, Wettbewerbsfreiheit oder Produktionsfreiheit bezeichnet wird 7 5 1 , genießt den Schutz des A r t . 2 A b s . 1 G G 7 5 2 . A u s diesem G r u n d ist ein angemessener Spielraum z u r Entfaltung der Unternehmerinitiative unantastbar (Art. 1 9 A b s . 2 GG) 7 5 3 . Dies gilt auch f ü r die Aktivitäten v o n juristischen Personen und Personengesellschaften als Unternehmensträger 7 5 4 . Nach allgemeiner Meinung tritt jedoch der aufgrund seiner weitreichenden Schranken verhältnismäßig schwache Schutz des A r t . 2 Abs. 1 G G 7 5 5 hinter 745 Dazu nur OLG Köln v. 18.2.1986 WM 1986, 761, 762; Scholz/K Schmidt, § 51a Rn. 7ff.; Kubier, Gesellschaftsrecht, § 17 IV 3b bb; H a c h e n b u r g / H ü f f e r , § 51a Rn. 56ff. 746 Dazu nur BayObLG v. 27.10.1988 GmbHR 1989, 201, 203 und OLG Köln v. 18.2.1986 WM 1986, 761, 762. 747 So etwa Mertens, FS Werner, S. 557, 568ff. 748 K. Schmidt, Informationsrechte, S. 35ff. und 57ff.; krit. KG v. 23.12.1987 GmbHR 1988, 221,223. 749 H a c h e n b u r g / H ü f f e r , § 51a Rn. 60 ff. 750 Zur Berücksichtigung der Belange von Mitgesellschaftern siehe Scholz/K. Schmidt, § 51a Rn. 40; Baumbach/Hueck/Zö/foer, § 51a Rn. 22. 751 Zur Terminologie siehe nur Rüfner, DVBl. 1976, 689; Ipsen, AöR 90 (1965), 393, 430f.; Frotscher, JuS 1981, 662, 665. 752 Siehe nur BVerfG v. 7.8.1962 BVerfGE 14, 263, 282f.; BVerfG v. 1.3.1979 BVerfGE 50, 290, 366. 753 BVerfG v. 14.10.1970 BVerfGE 29, 260, 266f.; BVerfG v. 1.3.1979 BVerfGE 50, 290, 366; BVerfG v. 19.10.1983 NJW 1984, 476, 477; BVerwG v. 23.3.1982 BVerwGE 65, 167, 174; Stober, Grundrechtsschutz, S. 43. 754 BVerfG v. 29.7.1959 BVerfGE 10, 89, 99; BVerfG v. 18.10.1966 BVerfGE 20, 283, 290; BVerfG v. 12.10.1976 BVerfGE 42, 374, 383; Badura/Rittner/Rüthers, Gemeinschaftsgutachten, S. 232. 755 Vgl. dazu nur BVerfG v. 14.10.1970 BVerfGE 29, 260, 267 (Rechtfertigung eines Eingriffs in die Unternehmerfreiheit, wenn der Gesetzgeber entsprechend dem Sozialstaatsprinzip aus überwiegenden gesamtwirtschaftlichen und sozialen Gründen die im Interesse des Gemeinwohls liegenden oder doch vertretbaren Maßnahmen tifft) und BVerfG v. 1.3.1979 BVerfGE
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Grundrechte
des
Unternehmergesellschafters
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den speziellen Freiheitsgewährleistungen des Grundrechtskatalogs zurück, sofern diese den betreffenden Eingriff bzw. das geschützte Verhalten vollständig erfassen 756 . Dies begründet insbesondere die Subsidiarität des Art. 2 Abs. 1 GG gegenüber Art. 12 Abs. 1 GG bzw. Art. 14 GG, soweit es um die gesellschaftsgebundene Berufsausübung 757 bzw. um die Wahrnehmung der aus dem Anteilseigentum fließenden vermögensmäßigen und mitgliedschaftlichen Rechte geht758. Auch die gesellschafts-, berufs- und eigentumsbezogene Vertragsfreiheit wird vorrangig durch die Art. 9, 12 und 14 GG geschützt 759 . Abweichend von der herkömlichen Auffassung 760 sollte zudem die Wettbewerbsfreiheit in ihrer Ausübung durch Art. 12 Abs. 1 GG und in ihren Bedingungen durch Art. 14 GG (Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb) geschützt werden 761 . Art. 2 Abs. 1 GG könnte damit nur noch dann zum Tragen kommen, wenn etwa ein Gesetz spezifisch die Freiheit der wirtschaftlichen Betätigung in der marktwirtschaftlichen Wettbewerbsordnung als ganzes beträfe, ohne selbständige Auswirkungen auf die Eigentumsverwendung oder auf Art und Gestaltung der Unternehmenstätigkeit zu zeitigen 762 . Die besondere Bedeutung der Art. 9 Abs. 1, 12 Abs. 1 und 14 GG für den Grundrechtsschutz des Unternehmergesellschafters führt damit auch zu einer nahezu vollständigen Verdrängung des Art. 2 Abs. 1 GG. Lediglich in seiner Feldmühle-Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht die Zulässigkeit der Mehrheitsumwandlung insbesondere auch damit gerechtfertigt, daß der Großaktionär ein nach Art. 2 Abs. 1 GG geschütztes Recht auf freie Ent50, 290, 366 (außerhalb des unantastbaren Kernbereichs Rechtfertigung durch die Verfolgung von Zwecken des Gemeinwohls); zur sog. „Elfes-Konstruktion" siehe nur BVerfG v. 16.1.1957 BVerfGE 6, 32ff.; vgl. zum weitreichenden Schrankenvorbehalt auch Rüfner, DVB1. 1976, 689, 690 („Eine nur auf Art. 2 Abs. 1 GG zu stützende .Unternehmerfreiheit' wäre jedenfalls ein weitgehend leerlaufendes Grundrecht") und Frotscher, JuS 1981, 662, 665. 756 BVerfG v. 16.1.1957 BVerfGE 6, 32, 37; BVerfG v. 14.12.1965 BVerfGE 19, 206, 215; speziell für die Unternehmerfreiheit BVerfG v. 1.3.1979 BVerfGE 50, 290, 363; BVerfG v. 16.3.1971 BVerfGE 30, 292, 335f.; Rüfner, DVB1. 1976, 689f.; R. Scholz, ZHR 132 (1969), 97, 105; Badura/Rittner/Rüthers, Gemeinschaftsgutachten, S. 193. 757 Zur Subsidiarität gegenüber der Berufsfreiheit BVerfG v. 16.3.1971 BVerfGE 30, 292, 335f. 758 Papier, in: Maunz/Dürig GG Rn. 226 zu Art. 14; Badura/Rittner/Rüthers, Gemeinschaftsgutachten, S. 193; Frotscher, JuS 1981, 662, 665; a.A. noch für komplexe Eingriffstatbestände Ipsen, AöR 90 (1965), 393, 429ff. 759 Papier, in: Maunz/Dürig GG Rn. 227 zu Art. 14; R. Scholz, in: Maunz/Dürig GG Rn. 131 zu Art. 12; Lauße, FS H. Lehmann 1956 Bd. 1, S. 156 und 162 f.; P. Krause, JZ 1984, 711, 717f.; Höfling, Vertragsfreiheit, S. 14ff. 760 Dazu nur BVerwG v. 19.12.1963 BVerwGE 17, 306, 309; BVerwG v. 30.8.1968 BVerwGE 30, 191, 198; BGH v. 22.2.1957 BGHZ 23, 365, 371. 761 So auch BVerfG v. 8.2.1972 NJW 1972, 573 (Art. 12 Abs. 1 GG); BVerwG v. 18.4.1985 BVerwGE 71, 183, 189; R. Scholz, ZHR 132 (1969), 97, 105ff. 762 Badura/Rittner/Rüthers, Gemeinschaftsgutachten, S. 233; Dürig, in: Maunz/Dürig GG Rn. 46 zu Art. 2 Abs. 1; krit. Frotscher, JuS 1981, 662, 665.
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2. Kapitel: Die Sonderstellung des
Unternebmergesellschafters
faltung seiner u n t e r n e h m e r i s c h e n Initiative habe und der G e s e t z g e b e r diesem h ö h e r w e r t i g e n P e r s ö n l i c h k e i t s r e c h t gegenüber dem b l o ß e n Anlageinteresse der M i n d e r h e i t s a k t i o n ä r e den Vorrang geben könne 7 6 3 . D i e
Entscheidung
s t a m m t allerdings n o c h aus einer Zeit, in der die z w a r bereits anerkannte S u b sidiarität des A r t . 2 A b s . 1 G G weniger streng gehandhabt wurde.
B. Die Rechtsstellung des Unternehmergesellschafters im Lichte des allgemeinen Gleichheitssatzes F ü r die Rechtsstellung des Unternehmergesellschafters ist der ö f f e n t l i c h rechtliche Gleichheitssatz in vielerlei H i n s i c h t v o n B e d e u t u n g . S o geht es nicht n u r um die vielfach gebotene G l e i c h b e h a n d l u n g der in den diversen G e sellschaftsformen u n t e r n e h m e r i s c h engagierten Gesellschafter untereinander, sondern auch um das vereinzelte G e b o t der G l e i c h b e h a n d l u n g mit dem E i n z e l u n t e r n e h m e r oder O r g a n m i t g l i e d bzw. um die E r f o r d e r l i c h k e i t v o n D i f f e renzierungen im Vergleich z u m Anlagegesellschafter. Schließlich k ö n n e n die B e s o n d e r h e i t e n einer u n t e r n e h m e r i s c h e n Beteiligung zu einer gesonderten B e h a n d l u n g der Gesellschaft insgesamt führen. In der Praxis kann dabei auch die A u s w a h l der Vergleichsgruppe für das E r g e b n i s der Verfassungsmäßigkeitsprüfung v o n entscheidender B e d e u t u n g sein 7 6 4 . Angesichts des den H o heitsträgern zugebilligten Ermessensspielraums (Frage der K o n t r o l l d i c h t e ) besagt die Vereinbarkeit einer R e g e l u n g oder E n t s c h e i d u n g mit A r t . 3 A b s . 1 G G (Frage der Vertretbarkeit de lege lata) n o c h nichts ü b e r die W ü n s c h b a r keit ihrer Beibehaltung (Frage der R i c h t i g k e i t de lege ferenda).
I. Grundlagen des verfassungsrechtlichen
Gleichbehandlungsgebots
1. Inhalt des Gleichheitssatzes D a z u m einen alle M e n s c h e n verschieden sind sowie aufgrund ihrer M e n s c h e n w ü r d e und Freiheitsgrundrechte einen verfassungsrechtlich garantierten A n s p r u c h auf die W a h r u n g und V e r w i r k l i c h u n g ihrer Individualität besitzen und z u m anderen das R e c h t gerade durch die S o n d e r b e h a n d l u n g der jeBVerfG v. 7.8.1962 BVerfGE 14, 363, 282f.; krit. v. Falkenhausen, AG 1963, 150, 152f. Siehe dazu etwa die vom BVerfG konträr entschiedenen Parallelverfahren zur Vereinbarkeit von § 8 Ziff. 6 GewStG mit Art. 3 Abs. 1 G G BVerfG-Beschluß v. 7.4.1960 (1 BvR 818/58 bei F. Klein, Gleichheitssatz, S. 146ff.), wo die Vorschrift als Ausdruck einer sachgerechten Gleichbehandlung der personenbezogenen Kapitalgesellschaften mit den Einzelunternehmen und Personengesellschaften als verfassungsgemäß betrachtet wird, und BVerfG v. 24.1.1962 BVerfGE 13, 331, 338 ff., wo eine Ungleichbehandlung von personenbezogenen und anonymen Kapitalgesellschaften im (Gewerbe-)Steuerrecht grundsätzlich als verfassungswidrig angesehen wird. 763 764
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des
Unternehmergesellscbafters
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weils vom Tatbestand einer N o r m erfaßten Sachverhalte gekennzeichnet ist 765 , kann der Inhalt eines allgemeinen Gleichheitssatzes nur in der U m schreibung einer v o m N o r m g e b e r bzw. Rechtsanwender zu lösenden A u f gabe bestehen, nämlich wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. D a s Bundesverfassungsgericht hat sich darum bemüht, diese Aufgabenstellung mit Hilfe des auf Leibholz 7 6 6 zurückgehenden Willkürverbots und des der Dogmatik der Freiheitsgrundrechte entstammenden Verhältnismäßigkeitsprinzips in zweierlei Hinsicht inhaltlich zu konkretisieren 767 . Bei bloßer Anwendung des Willkürverbots räumt das Gericht dem Normgeber bzw. Rechtsanwender ein vergleichsweise weites Ermessen ein und konstatiert einen Gleichheitsverstoß nur bei offensichtlich unsachlichen, sachwidrigen, sachfremden, nicht mehr verständlichen und nicht mehr nachvollziehbaren Entscheidungen 768 . Vom Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist hingegen die strengere sog. „neue Formel" 7 6 9 geprägt, nach der eine ungleiche Behandlung mehrerer Gruppen von Normadressaten nur dann möglich sein soll, wenn zwischen ihnen sachbereichsbezogene Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen können 770 . D a mit genügt nicht mehr irgendein sachlicher Differenzierungsgrund, sondern nur noch ein solcher, der zur Verfolgung eines verfassungsmäßigen Ziels geeignet, notwendig und im Vergleich zur Ungleichbehandlung angemessen ist 771 . D a s Verhältnis der beiden Formeln zueinander ist noch nicht abschließend geklärt 772 . Dabei dürfte es wenig hilfreich sein, Andeutungen des Verfassungsgerichts dahingehend zu interpretieren, daß jedenfalls bei Differenzierungen 765 Zu den problematischen Vorbedingungen des Gleichheitssatzes siehe nur P. Kirchhof., H S t R V § 124 Rn. 1; Hesse, FS Lerche 1993, S. 121; AK-GG/Siez'w, Art. 3 Rn. 34; Sachs/Osterloh, Art. 3 Rn. 2. 766 Zuletzt und für Art. 3 G G in: DVB1. 1951,193 ff.; krit. W. Böckenförde, Gleichheitssatz, S. 49ff.; vgl. zu einer positiven Formulierung des Willkürverbots auch bereits E. Kaufmann, W D S t R L 3 (1927), 2, 10, der im Anschluß an Lampert Ungleichbehandlungen im Rahmen von Art. 109 WeimRV nur dann gelten lassen wollte, wenn diese auf vernünftigen Erwägungen in der N a t u r der Sache beruhen und dem inneren Zweck der O r d n u n g der betreffenden Lebensverhältnisse gerecht werden würden. 767 Siehe dazu insbesondere Hesse, F S Lerche 1993, S. 121 ff. 768 D a z u nur für das Gesellschaftsrecht BVerfG v. 28.8.1990 D B 1991, 2027, 2028 sowie generell BVerfG v. 23.10.1951 B V e r f G E 1, 14, 52; BVerfG v. 1.6.1989 B V e r f G E 80, 109, 118; P. Kirchhof, H S t R V § 124 Rn. 89ff.; krit. Mertens, J u S 1963, 391, 394. 769 Inhaltlich findet sich die „neue Formel" auch bereits in der älteren Rechtsprechung des Verfassungsgerichts; dazu W. Böckenförde, Gleichheitssatz, S. 61 ff. 770 D a z u nur BVerfG v. 7.10.1980 B V e r f G E 55, 72, 88; BVerfG v. 17.7.1984 B V e r f G E 67,231, 236; BVerfG v. 14.1.1987 B V e r f G E 74, 129, 149; BVerfG v. 30.5.1990 B V e r f G E 82, 126, 146. 771 BVerfG v. 23.1.1990 B V e r f G E 81, 208, 224; BVerfG v. 30.5.1990 B V e r f G E 82, 126, 146; Starck, G G I Art. 3 Rn. 15 ff.; grundsätzlich krit. zum nicht auf Art. 3 G G zugeschnittenen abwägenden Charakter der Verhältnismäßigkeitsprüfung Heun, in: Dreier (Hrsg.) G G Art. 3 Rn. 24 ff. 772 Hesse, F S Lerche 1993, S. 121, 126ff.; Sachs/Osterloh, Art. 3 Rn. 25ff.
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2. Kapitel:
Die Sonderstellung
des
Unternehmergesellschafters
zwischen Personengruppen der strengere Verhältnismäßigkeitsmaßstab zur Anwendung komme 773 , da auch sachliche Differenzierungen letztlich immer eine Ungleichbehandlung von Personen bewirken 774 . Vielmehr sollte das Nebeneinander der beiden Formeln als Ausdruck einer vor dem Hintergrund der Gewaltenteilung und namentlich des Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers775 schwankenden Intensität der verfassungsgerichtlichen Kontrolle gewertet werden, deren unterste Grenze in jedem Fall das Willkürverbot bildet und bei der die Verhältnismäßigkeitsprüfung umso eher und strenger zur Anwendung kommt, je mehr die Ungleichbehandlung die Grundvoraussetzungen menschlicher Existenz und Betätigung beeinträchtigt 776 . Obwohl der Gleichheitssatz damit keineswegs inhaltsleer ist oder den Charakter eines Zirkelschlusses aufweist 777 , trägt er dennoch als solcher nur wenig zur Lösung eines konkreten Gleichbehandlungsproblems bei, da es sich weder um einen subsumtionsfähigen Rechtssatz noch um eine bestimmte Wertentscheidung des Verfassungsgebers handelt. Wie im Einzelfall die Vergleichsgruppen und Vergleichskriterien zu bestimmen und welche der bestehenden Gemeinsamkeiten bzw. Unterschiede damit als wesentlich bzw. unwesentlich anzusehen sind, richtet sich nach der konkreten Regelungsaufgabe bzw. dem Rechtsanwendungszusammenhang und setzt letztlich eine durch die Verfassung und das einfache Recht geleitete Wertentscheidung voraus 778 . 2. Gleichheitssatz
und
Typisierung
Ein spezielles und für die Rechtsstellung von Unternehmergesellschaftern besonders bedeutsames Problem bei der Anwendung des Gleichheitssatzes bildet das Spannungsverhältnis zwischen dem Gebot der Ungleichbehandlung wesentlich ungleicher Sachverhalte und der Typisierung 779 . Dabei geht es Hesse, FS Lerche 1993, S. 121, 124; P. Kirchhof, HStR V § 124 Rn. 217. W. Böckenförde, Gleichheitssatz, S. 46f.; das Problem sieht auch Hesse, FS Lerche 1993, S. 121, 128f. 775 Dieser wird betont von BVerfG v. 23.10.1951 BVerfGE 1, 14, 52; BVerfG v. 4.5.1971 BVerfGE 31, 101, 107ff.; vgl. auch Heun, in: Dreier (Hrsg.) GG Art. 3 Rn. 43; Hesse, FS Lerche 1993, S. 121, 129 und P. Kirchhof, HStRV § 124 Rn. 91 f. 776 So zutreffend insbesondere BVerfG v. 26.1.1993 BVerfGE 88, 87, 96; BVerfG v. 8.6.1993 BVerfGE 89, 15, 22f.; BVerfG v. 14.12.1994 BVerfGE 91, 346, 362f.; Hesse, FS Lerche 1993, S. 121 f. und 130f.; P. Kirchhof, HStRV § 124 Rn. 98 und 238. 777 So allerdings der Vorwurf von Ipsen, in: Bettermann/Nipperdey/Scheuner II, S. 153 mit Fn. 142. 778 Hesse, FS Lerche 1993, S. 121; W. Böckenförde, Gleichheitssatz, S. 78; Heun, in: Dreier (Hrsg.) GG Art. 3 Rn. 29ff.; P. Kirchhof, HStRV § 124 Rn. 20, 34 und 98; Reuber, Gleichbehandlung, S. 92 f. 779 Zur Typisierung als rechtswissenschaftlicher Methode bereits oben 1. Kap. § 1; zum Spannungsverhältnis mit dem Gebot der Ungleichbehandlung grundlegend BVerfG v. 8.10.1991 BVerfGE 84, 348, 359f.; siehe zudem BVerfG v. 17.7.1961 BVerfGE 13, 97, 117f.; P. Kirchhof, HStRV § 124 Rn. 293f. und § 125 Rn. 40; Sachs/Osterloh, Art. 3 Rn. 108. 773 774
§3
Grundrechte
des
Unternehmergesellschafters
259
namentlich im Bereich der Gesetzgebung um die Frage der zulässigen Abstraktionshöhe bzw. der gebotenen Differenzierungstiefe, wobei es im Ergebnis nicht darauf ankommen dürfte, ob man die Zulässigkeit der Typisierung bereits als eine Frage der Wesentlichkeit oder Unwesentlichkeit der Ungleichbehandlung 780 oder als eine Frage der Rechtfertigung der eigentlich nicht hinreichend differenzierten Regelung ansieht 781 . Demgegenüber ist es durchaus von Bedeutung, ob sich die am Normzweck und Normalfall ausgerichtete Typisierung im konkreten Fall benachteiligend oder bevorzugend auswirkt, da eine vor dem Hintergrund des Regelungszwecks ungerechtfertigte Privilegierung eher hingenommen werden kann als eine ungerechtfertigte Diskriminierung 782 . Es ergibt sich bereits aus dem Charakter einer Norm als generell-abstrakter Regelung (Art. 19 Abs. 1 GG) und aus der Natur des Gleichheitssatzes selbst, daß der Gesetzgeber nicht jede Besonderheit eines Sachverhalts berücksichtigen kann 783 . Er darf und muß sich daher nicht zuletzt auch im Interesse der Rechtsvereinfachung grundsätzlich am Normalfall und einem folgerichtigen Gesamtkonzept orientieren 784 . Dies ist neben der Selbstbeschränkung des Richters auch der wichtigste Grund für die immer wieder betonte Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers 785 . Andererseits werden der Typisierung aber auch durch Art. 3 Abs. 1 GG Grenzen gesetzt. So bedarf zunächst jedes Unterlassen einer naheliegenden Differenzierung eines sachlich rechtfertigenden Grundes 786 , der insbesondere in der Einfachheit, Klarheit, Praktikabilität und Berechenbarkeit der Regelung bestehen kann 787 . Typisierungen sind zudem dann möglich, wenn der Gesetzgeber mit einer Regelung Neuland betritt und daher nur über we-
P. Kirchhof, HStR V § 124 Rn. 293 ff.; Reuber, Gleichbehandlung, S. 91. Isensee, Verwaltung, S. 97ff. 782 BVerfG v. 24.7.1963 BVerfGE 17, 1, 23 f.; BVerfG v. 11.10.1972 BVerfGE 34, 62, 69; BVerfG v. 19.4.1977 BVerfGE 44, 290, 295. 783 BVerfG v. 31.5.1990 BVerfGE 82, 159, 185f.; P. Kirchhof, HStR V § 124 Rn. 5 und 293f.; Sachs/Osterloh, Art. 3 Rn. 105. 784 BVerfG V. 7.10.1969 BVerfGE 27, 142, 150 (Orientierung am Normalfall); BVerfG v. 18.6.1975 BVerfGE 40, 109, 117 (Systemgerechtigkeit der Differenzierungen im Steuerrecht); BVerfG V. 9.2.1982 BVerfGE 60, 17, 48; BVerfG v. 31.5.1990 BVerfGE 82, 159, 185f. 785 BVerfG v. 17.10.1953 BVerfGE 3,162, 182; BVerfG v. 15.12.1987 BVerfGE 77, 308, 338; P. Kirchhof HStRV § 125 Rn. 40. 786 P. Kirchhof, HStRV § 124 Rn. 296. 787 Dazu nur BVerfG v. 9.2.1982 BVerfGE 60, 17, 48; BVerfG v. 8.2.1983 BVerfGE 63, 119, 128; BVerfG v. 3.11.1965 BVerfGE 19, 150, 166 (Rechtssicherheit); BVerfG v. 8.11.1967 BVerfGE 22, 322, 329; (Rechtssicherheit); BVerfG v. 18.6.1975 BVerfGE 40, 109, 117 (Praktikabilität); BVerfG v. 13.1.1976 BVerfGE 41,126,187f. (Praktikabilität der groben Differenzierung nach der Gesellschaftsform im Lastenausgleichsrecht); BVerfG v. 14.5.1985 BVerfGE 70, 1, 34 (Praktikabilität und Effektivität); Sachs!Osterloh, Art. 3 Rn. 108; Heun, in: Dreier (Hrsg.) GG Art. 3 Rn. 31; P. Kirchhof, HStRV § 124 Rn. 298ff.; Neuner, ZHR (1993), 243, 289. 780 781
260
2. Kapitel:
Die Sonderstellung
des
Unternehmergesellschafters
nige tatsächliche Erfahrungen verfügt, die ihm erst eine angemessene D i f f e renzierung erlauben würden 7 8 8 . Schließlich k ö n n e n auch v e r w a l t u n g s ö k o n o mische A s p e k t e eine Typisierung rechtfertigen 7 8 9 . Typisierungen sind darüber hinaus n u r dann zulässig, w e n n die erzielten Vorteile in einem angemessenen Verhältnis zu den negativen Folgen der mangelnden D i f f e r e n z i e r u n g f ü r die B e t r o f f e n e n stehen 7 9 0 . Die durch Typisierungen eintretenden Härten oder Ungerechtigkeiten d ü r f e n daher n u r eine verhältnismäßig kleine Zahl v o n Personen betreffen und nicht zu s c h w e r wiegen 7 9 1 . W i r k t sich die Typisierung auf die A u s ü b u n g grundrechtlich geschützter Freiheiten aus, sind dem Gesetzgeber durch den Gleichheitssatz besonders enge G r e n z e n gesetzt 792 . Gegebenenfalls m u ß der Gesetzgeber Härteklauseln schaffen, um dem Richter im Einzelfall die Berücksichtigung v o n Extremfällen zu e r m ö g lichen 7 9 3 .
3. Geltung des Gleichheitssatzes
im
Gesellschaftsrecht
A r t . 3 Abs. 1 G G richtet sich in jeweils leicht veränderter F o r m an Gesetzgebung, Verwaltung 7 9 4 und Rechtsprechung 7 9 5 (Art. 1 A b s . 3 G G ) . Dies gilt uneingeschränkt auch f ü r den Bereich des Zivilrechts 7 9 6 . Privatpersonen und
BVerfG v. 14.5.1985 BVerfGE 70, 1, 34; BVerfG v. 8.4.1987 BVerfGE 75, 108, 162. BVerfG v. 16.12.1958 BVerfGE 9, 20, 31 ff.; BVerfG v. 29.5.1990 BVerfGE 82, 60, 102; Isensee, Verwaltung, S. 99; keine Anerkennung allerdings im Fall BVerfG v. 6.11.1985 BVerfGE 71, 146, 157; Sachs/Osterloh, Art. 3 Rn. 110. 790 Dazu nur BVerfG v. 26.1.1993 BVerfGE 88, 87, 96ff.; BVerfG v. 30.5.1990 BVerfGE 82, 126, 146 und 152; BVerfG v. 17.7.1961 BVerfGE 13, 97, 117f.; BVerfG v. 20.12.1966 BVerfGE 21, 12, 27f.; Sachs/Osterloh, Art. 3 Rn. 94; Heun, in: Dreier (Hrsg.) GG Art. 3 Rn. 31; krit. P. Kirchhof, HStRV § 124 Rn. 300 (Vermengung von Gleichheits- und Verhältnismäßigkeitsprinzip). 791 Dazu nur BVerfG v. 2.7.1969 BVerfGE 26, 265, 275 f.; BVerfG v. 12.5.1976 BVerfGE 42, 176, 185; BVerfG v. 8.2.1983 BVerfGE 63, 119, 128; BVerfG v. 29.5.1990 BVerfGE 82, 60, 102; BVerfG v. 31.5.1990 BVerfGE 82, 159, 185f.; Heun, in: Dreier (Hrsg.) GG Art. 3 Rn. 31; Neuner, ZHR (1993), 243,289. 792 BVerfG v. 26.1.1993 BVerfGE 88, 87, 96; BVerfG v. 8.6.1993 BVerfGE 89, 15, 22f.; BVerfG v. 14.12.1994 BVerfGE 91, 346, 362f. 793 BVerfG v. 5.4.1978 BVerfGE 48, 102, 116; BVerfG v. 9.2.1982 BVerfGE 60, 16, 39f. und 48 ff.; BVerfG v. 17.10.1984 BVerfGE 68, 155, 173 £.; Heun, in: Dreier (Hrsg.) GG Art. 3 Rn. 31. 794 Zur Bindung der Verwaltung an den Gleichheitssatz und zum Sonderproblem der Selbstbindung siehe nur P. Kirchhof, HStRV § 125 Rn. 16ff. und Mertens, JuS 1963, 391 ff. 795 Zur Bindung der Rechtsprechung an den Gleichheitssatz und zum Sonderproblem der Präjudizienbindung siehe nur P. Kirchhof, HStRV § 124 Rn. 183 und § 125 Rn. 20ff. sowie Riggert, Selbstbindung, S. 42 ff.; zum Gleichheitssatz als Maßstab für die Kontrolle fehlerhafter Rechtsanwendung im Gesellschaftsrecht siehe BVerfG v. 28.8.1990 DB 1991, 2027, 2028. 796 G. Hueck, Grundsatz, S. 7ff.; Heun, in: Dreier (Hrsg.) GG Art. 3 Rn. 61; Starck, GG I Art. 3 Rn. 164. 788
789
53
Grundrechte
des
Unternehmergesellschafters
261
damit auch Gesellschafter sind hingegen nach ganz herrschender Meinung keine Adressaten des öffentlich-rechtlichen Gleichheitssatzes 797 . Die Bindung der verschiedenen Hoheitsträger an Art. 3 Abs. 1 GG wirkt sich zunächst dahingehend aus, daß das Gesellschaftsrecht durch eine entsprechende Tatbestandsbildung wenn auch nicht optimal, so aber doch sachgerecht und folgerichtig auszudifferenzieren ist798. Dies bedeutet auch, daß sich das Gesellschaftsrecht einer ständig wandelnden Wirklichkeit anzupassen hat. Normen, die dem Gleichheitssatz nicht gerecht werden, sind vom Bundesverfassungsgericht im Rahmen der einschlägigen Verfahren für nichtig zu erklären (§§ 78 S. 1, 82 Abs. 1, 95 Abs. 3, 31 Abs. 2 BverfGG), sofern sich dem Gesetzgeber nicht - wie regelmäßig im Gesellschaftsrecht - verschiedene Möglichkeiten bieten, die Ungleichbehandlung zu korrigieren 799 . Gesetzliche Regelungen können mit Hilfe des Gleichheitssatzes nur dann erzwungen werden, wenn durch andere gesetzliche Vorgaben eine gleichheitswidrige Lücke entstanden ist oder ausnahmsweise reale Gegebenheiten im Interesse der Schaffung gleicher Chancen rechtlich umgestaltet werden müssen 800 . Darüber hinaus ist das weitgehende Fehlen übergreifender Regeln im Lichte des Gleichheitsgebots gegebenenfalls durch Analogien oder Rechtsfortbildungen der Rechtsprechung zu kompensieren 801 . Schließlich muß der Gleichheitssatz bei der (ergänzenden) Auslegung unklarer oder unvollständiger Regelungen des Gesetzes bzw. des Gesellschaftsvertrags berücksichtigt werden 802 . Im übrigen stellt sich auch im Zusammenhang mit Art. 3 Abs. 1 GG die Frage einer objektiv-rechtlich vermittelten Drittwirkung. Auf den diesbezüglichen facettenreichen Meinungsstreit, in dem sich die Positionen nicht immer mit den jeweils in der Drittwirkungsfrage allgemein vertretenen Grundansichten decken 803 , kann an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden. Auszugehen ist vielmehr von der herrschenden Meinung, die nicht nur eine un797 A.A. allerdings Lauße, FS H. Lehmann 1956 Bd. 1, S. 181 ff., der den Gleichheitssatz auf private Personen oder Personengruppen anwenden möchte, die in einer dem Staat vergleichbaren Weise Ordnungen wie etwa AGB, Standesnormen, Satzungen oder Tarifverträge aufstellen. 798 BVerfG v. 27.6.1991 BVerfGE 84, 239, 271; P. Kirchhof, HStRV § 124 Rn. 222ff.; Sachs/ Osterloh, Art. 3 Rn. 95 und 99. 799 St. Rspr.; siehe nur BVerfG v. 8.10.1991 BVerfGE 84, 348, 365; BVerfG v. 7.5.1991 BVerfGE 84, 168, 186f. 800 P. Kirchhof HStRV § 124 Rn. 32. 801 Zur Bedeutung des Gleichheitssatzes für die Analogie P. Kirchhof, HStRV § 124 Rn. 40. 802 Lauße, FS H. Lehmann 1956 Bd. 1, S. 181 ff.; zur Auslegung gesellschaftsvertraglicher Regelungen kann allerdings ebenso der gesellschaftsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz herangezogen werden (siehe dazu nur G. Hueck, Grundsatz, S. 278 ff.). 803 Entgegen ihren ansonsten in der Drittwirkungsdiskussion vertretenen Ansichten haben sich etwa Schwabe, Drittwirkung, S. 149ff. und Ramm, Freiheit, S. 70 gegen eine unmittelbare Drittwirkung des Art. 3 GG bzw. Art. 3 Abs. 3 GG und Canans, AcP 184 (1984), 202, 236 mit Fn. 113 für eine unmittelbare Drittwirkung des Art. 3 Abs. 2 und 3 GG ausgesprochen.
262
2. Kapitel:
Die Sonderstellung
des
Unternehmergesellschafters
mittelbare Drittwirkung aller drei Absätze des Art. 3 GG im Privatrecht ablehnt804, sondern auch die mittelbare Drittwirkung des allgemeinen Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG entweder gänzlich zurückweist 805 oder auf ein Verbot sittenwidriger Diskriminierungen 806 , völlig sinnloser Differenzierungen 807 bzw. auf Sonderfälle eines Machtmißbrauchs 808 beschränken möchte. Wie die Entscheidungen im Zusammenhang mit der Umwandlung der Feldmühle AG gezeigt haben, gilt diese Zurückhaltung auch für die Pflicht des Staates zur Wahrnehmung von Schutzpflichten 809 . Anderenfalls, so die zutreffende Begründung, würde Art. 3 GG die Privatautonomie beseitigen oder zumindest zu sehr einschränken, was weder mit seinem Wortlaut noch mit seinem Normzweck vereinbar wäre 810 . Da der Gleichheitssatz im Unterschied zu den grundrechtlich verbürgten Freiheitsrechten einer Abwägung im eigentlichen Sinne nicht zugänglich ist811, können seine Wirkungen nämlich nur durch eine Beschränkung seines Anwendungsbereichs oder die genannten Herabsetzungen des Kontrollmaßstabs begrenzt werden 812 . Im übrigen wird zur Begründung der eingeschränkten Drittwirkung auch auf den Vorrang der besonderen privatrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsätze verwiesen813. Im Privatrecht kommt dem Gleichheitssatz grundsätzlich ebenfalls nur die Funktion einer Abwehr ungerechtfertigter Differenzierungen oder Gleichbehandlungen zu. Lediglich in Ausnahmefällen kann er zur Begründung von Ansprüchen auf Teilhabe und Leistung herangezogen werden 814 .
804 Dazu etwa Dürig, in: Maunz/Dürig GG Rn. 505ff. und 516 zu Art. 3 Abs. 1 (bei stärkerer Ausstrahlung der besonderen Gleichheitssätze); B K / R ü f n e r , Art. 3 Rn. 191 ff. 805 Insbesondere G. Hueck, Grundsatz, S. 98 ff. möchte die mittelbare Drittwirkung auf die Art. 2 und 3 begrenzen. 806 Düng, in: Maunz/Dürig GG Rn. 515f. zu Art. 3 Abs. 1; Heun, in: Dreier (Hrsg.) GG Art. 3 Rn. 62; Angerer, Schranken, S. 72 ff. 807 Nipperdey, Grundrechte, S. 26. 808 Heun, in: Dreier (Hrsg.) GG Art. 3 Rn. 61; B K / R ü f n e r , Art. 3 Rn. 193. 809 BVerfG v. 7.8.1962 BVerfGE 14, 263, 285 und OLG Düsseldorf v. 14.4.1960 BB 1960, 534, 535 gegen Fechner/Schneider, Verfassungswidrigkeit 1962, S. 63 und v. Falkenhausen, Mehrheitsherrschaft, S. 105. 810 G. Hueck, Grundsatz, S. 98 f.; Heun, in: Dreier (Hrsg.) GG Art. 3 Rn. 61; B K / R ü f n e r , Art. 3 Rn. 193. 8.1 A.A. offenbar Rüfner, HStRV § 117 Rn. 69, der eine auf der Privatautonomie beruhende Ungleichbehandlung noch als gerechtfertigt ansehen möchte, wenn sie nicht gegen besonders hoch einzuschätzende grundrechtliche Wertungen verstößt. 8.2 Dieser Weg wird etwa vorgeschlagen von Leisner, Grundrechte, S. 358 f. mit Fn. 178a und 182; Enneccerus/Nipperdey, BGB-AT/I, S. 103 und W. Böckenförde, Gleichheitssatz, S. 20. 8.3 Düng, in: Maunz/Dürig GG Rn. 514 zu Art. 3 Abs. 1. 814 Düng, in: Maunz/Dürig GG Rn. 517 zu Art. 3 Abs. 1; Sachs/Osterloh, Art. 3 Rn. 38ff.
§3
II.
Grundrechte
des
Verfassungsrechtliche Gebote der oder Ungleichbehandlung
1. Gleichbehandlung
263
Unternehmergesellschafters
der Unternehmergesellschafter
Gleich-
untereinander
Es wurde bereits ausführlich dargelegt, daß der Typusbegriff des Unternehmergesellschafters einen bestimmten, durch Unternehmerrisiko und Unternehmerinitiative gekennzeichneten Gesellschaftertypus beschreiben soll, dessen unterschiedliche Erscheinungsformen unter verschiedenen Wertungsgesichtspunkten rechtlich gleich behandelt werden sollen 815 . Sofern es daher bei einer nur für bestimmte Unternehmergesellschafter wie z.B. persönlich haftende Gesellschafter oder Gesellschafter-Geschäftsführer vorgesehenen Regelung 816 maßgeblich auf die unternehmerische Tätigkeit bzw. Beteiligung eines Gesellschafters und weniger oder gar nicht auf die Rechtsform der Gesellschaft oder eine bestimmte förmliche Ausgestaltung der Gesellschafterstellung ankommt, kann Art. 3 Abs. 1 G G die Erstreckung der Regelung auf andere Unternehmergesellschafter gebieten. Sofern der Gesetzgeber insoweit untätig bleibt, ist es Aufgabe der Rechtsprechung, das Gleichbehandlungsgebot im Wege der Analogie bzw. des Rückgriffs auf allgemeine Rechtsprinzipien wie etwa die Treuepflicht umzusetzen. Insbesondere in Massenverfahren hat man hierbei jedoch nicht nur die Typisierungskompetenz des Gesetzgebers in Rechnung zu stellen 817 , sondern auch darauf zu achten, daß die möglichst einfache und sichere Rechtsanwendung nicht durch übertriebene materielle Gerechtigkeitsanforderungen verhindert wird. Widerspricht die Gleichstellung zudem dem Willen des nachkonstitutionellen Gesetzgebers, kommt nur eine Vorlage der betreffenden Norm nach Art. 100 Abs. 1 G G in Betracht 818 .
Siehe dazu eingehend 1. Kap. § 1 C und § 3. Beispiele bilden die gesetzlichen Wettbewerbsverbote (2. Kap. § 2 B I 2), die Kaufmannseigenschaft von persönlich haftenden Personengesellschaftern (3. Kap. § 2 A), die Wissenszurechnung (5. Kap. § 2 B V), die Organkredittatbestände (6. Kap. § 2 B I 3) oder die Ausschließung von Personengesellschaftern vom Richteramt im Gesellschaftsprozeß (6. Kap. § 3 B I 5b). 815
816
817 D a z u generell 2. Kap. § 3 B I 2; speziell zur Differenzierung zwischen Personengesellschaften, Einzelkaufleuten und juristischen Personen B V e r f G v. 24.1.1962 B V e r f G E 13, 331, 3 3 9 (Steuerrecht); B V e r f G v. 18.6.1975 B V e r f G E 40, 109, 117f. (Steuerrecht); B V e r f G v. 13.1.1976 B V e r f G E 41, 126, 187f. (Lastenausgleich). 818 Siehe dazu auch das Beispiel der de lege lata unzulässigen Gleichstellung des unternehmerisch tätigen Gesellschafters mit dem Einzelunternehmer durch Zurechnung der Schwerbehinderteneigenschaft im R a h m e n von § 9 Abs. 3 S c h w b G (5. Kap. § 2 B II 3).
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2. Kapitel: Die Sonderstellung des
Unternehmergesellschafters
2. Gleichbehandlung des Unternehmergesellschafters mit dem Einzelunternehmer D e r Verlust der Betreiberstellung, die V e r m ö g e n s t r e n n u n g und die gesellschaftsrechtlichen B i n d u n g e n der u n t e r n e h m e r i s c h e n L e i t u n g s m a c h t k e n n zeichnen die gesellschaftsgebundene gegenüber der selbständigen U n t e r n e h mertätigkeit. T r o t z dieser mit der „Vergesellschaftung" des U n t e r n e h m e r tums v e r b u n d e n e n B e s o n d e r h e i t e n bleibt die Gesellschaft j e d o c h ein F u n k t i onsgebilde des wie ein E i n z e l u n t e r n e h m e r mit U n t e r n e h m e r i n i t i a t i v e und U n t e r n e h m e r r i s i k o tätigen Gesellschafters zur Verwirklichung wirtschaftlicher Ziele, die er als E i n z e l u n t e r n e h m e r nicht oder nicht in vergleichbarer Weise erreichen k ö n n t e . Selbst die Aktiengesellschaft kann aus dieser P e r spektive bei Beteiligung eines Unternehmergesellschafters als die „ F o r t s e t zung des E i n z e l k a u f m a n n s mit anderen M i t t e l n " 8 1 9 erscheinen. E i n e U n gleichbehandlung beider P e r s o n e n g r u p p e n kann daher nur mit der E i n b i n dung des Unternehmergesellschafters in die Gesellschaft s o w i e mit der rechtlichen Verselbständigung der Gesellschaft 8 2 0 und der etwaigen B e s c h r ä n k u n g der H a f t u n g auf das Gesellschaftsvermögen 8 2 1 gerechtfertigt w e r d e n . A n d e rerseits k o m m e n G l e i c h b e h a n d l u n g e n insbesondere dann in Frage, w e n n es wie etwa bei der A u s ü b u n g der grundrechtlich geschützten U n t e r n e h m e r f r e i heiten 8 2 2 , bei der A n w e n d u n g v o n Schutzvorschriften 8 2 3 oder bei der M i t u n t e r n e h m e r s c h a f t im Steuerrecht 8 2 4 wesentlich auf die u n t e r n e h m e r i s c h e B e t ä tigung a n k o m m t o d e r das E l e m e n t der gesellschaftsrechtlichen B i n d u n g wie insbesondere bei der E i n p e r s o n e n - G e s e l l s c h a f t 8 2 5 in den H i n t e r g r u n d tritt. A u c h etwaige U n t e r s c h i e d e in der H a f t u n g s s t r u k t u r besitzen angesichts der n u n m e h r m ö g l i c h e n Restschuldbefreiung und der verschiedenen M ö g l i c h k e i ten einer E i g e n h a f t u n g v o n U n t e r n e h m e r g e s e l l s c h a f t e r n nicht i m m e r hinreichendes G e w i c h t , u m eine D i f f e r e n z i e r u n g zu rechtfertigen.
Vgl. Wiethölter, in: Frankfurter Publizitätsgespräch, S. 49. Siehe zum Trennungsprinzip als wichtigem Differenzierungsgrund zwischen Einpersonen-Kapitalgesellschaft und Einzelunternehmer etwa B G H v. 25.2.1964 VersR 1964, 626 (Schadensrecht) und B G H v. 26.9.1957 N J W 1957, 1877 (Zwangsvollstreckungsrecht). 82J Wimmer, Bilanzpublizität, S. 45 ff. und 118. 822 Siehe dazu 2. Kap. § 3 A. 823 Siehe dazu etwa die Frage einer Anwendung der §§ 348ff. H G B (näher 3. Kap. § 2 A II 5) oder der Verbraucherschutzvorschriften (näher 3. Kap. § 2 B I) auf Unternehmergesellschafter. 824 Zur Vereinbarkeit der der Gleichbehandlung von Mit- und Einzelunternehmer dienenden „wirtschaftlichen Betrachtungsweise" im Steuerrecht mit Art. 3 Abs. 1 G G (Einheit der Rechtsordnung) siehe BVerfG v. 15.7.1969 BVerfGE 26, 327, 334ff.; zur Annäherung der Besteuerung von Mitunternehmern einer Personengesellschaft an diejenige eines Einzelunternehmers siehe auch Heidel/Pauly, Steuerrecht, § 1 Rn. 29; zum Begriff bzw. zur Besteuerung der Mitunternehmerschaft siehe näher 1. Kap. § 2 C und 2. Kap. § 1 A I 4c aa. 825 Siehe dazu auch den unveröffentlichten Beschluß des BVerfG (1 BvR 818/58 v. 7.4.1960) bei F. Klein, Gleichheitssatz, S. 147 ff. 819
820
53
Grundrechte
des
Unternehmergesellschafters
265
Eine insoweit bedeutsame Ausprägung des Gleichheitssatzes ist zunächst das Gebot an den Gesetzgeber, zur Ausübung der Unternehmerfreiheit in kollektiver Form geeignete Rechtsformen mit einer entsprechenden Binnenverfassung bereitzustellen, die im Ergebnis dem „Unternehmer im Gesellschafterstatus" vergleichbare Möglichkeiten bieten wie dem Einzelunternehmer 826 . Daneben sollen insbesondere die Statusvermittlung 827 und die verschiedenen Fallgruppen des Durchgriffs auf den Unternehmergesellschafter 828 der Verwirklichung des Gebots der Gleichbehandlung mit dem Einzelunternehmer dienen. Schließlich finden sich auch verschiedentlich gesetzliche Gleichstellungen wie etwa bei der Unterhaltssicherung im Insolvenzrecht (§§ 101 Abs. 1 S. 3, 278 Abs. 2 InsO) 8 2 9 und der Personengesellschaftsbesteuerung nach den Grundsätzen der Mitunternehmerschaft ( § 1 5 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 und S. 2 i.V.m. Abs. 2 und 3 EStG) 8 3 0 .
3. Gleichbehandlung des Unternehmergesellschafters mit einem Organmitglied der Gesellschaft Der Unternehmergesellschafter ist auch dann, wenn er nicht zu den Mitgliedern des Leitungsorgans der Gesellschaft zählt, an der Unternehmensführung beteiligt. Sofern es daher, wie etwa bei bestimmten Haftungs- 831 und Zurechnungstatbeständen 832 , nicht maßgeblich auf die formale Stellung als Organmitglied einer Gesellschaft, sondern auf die schlichte Vornahme von Geschäftsführungshandlungen oder eine Repräsentantenstellung in der Gesellschaft ankommt, kann auch insoweit eine Gleichstellung geboten sein.
4. Ungleichbehandlung Anlagegesellschafter
von Unternehmer-
und
Der Gesetzgeber unterscheidet nur selten zwischen verschiedenen Gesellschaftertypen einer Gesellschaftsform. Insbesondere im Aktienrecht wird heute trotz des bis weit in das 19. Jahrhundert hineinwirkenden Vorbilds der niederländisch-ostindischen Kompagnie mit ihren privilegierten Hauptpartizipanten die Rechtsgleichheit aller Aktionäre (vgl. auch § 53a AktG) 826 Dazu bereits 2. Kap. § 3 A I 2 und II 2; ferner Badura, FS Rittner, S. 1, 12 und F. Klein, Grundlagen, S. 24. 827 Siehe dazu 3. Kap. Vor § 1 und passim. 828 Siehe dazu 5. Kap. § 2 A I und § 3 A I sowie 6. Kap. § 2 A I; siehe allerdings zur Verfassungsgemäßheit der früher im Armenrecht geltenden Differenzierung zwischen natürlichen und juristischen Personen BVerfG v. 3.7.1973 BVerfGE 35, 348, 353 ff. 829 Dazu näher 2. Kap. § 1 A III la aa (ddd). 830 Dazu oben 1. Kap. § 2 C und 2. Kap. § 1 A I 4c aa. 831 Siehe dazu etwa 4. Kap. § 2 A I 2 und IV. 832 Siehe dazu etwa 5. Kap. § 2 B V und VII.
266
2. Kapitel:
Die Sonderstellung
des
Unternehmergesellscbafters
hervorgehoben 833 . Lediglich in den „Zweiklassengesellschaften" der K G und K G a A wurde die Unterscheidung zwischen einem persönlich haftenden sowie mit der Geschäftsführung betrauten Komplementär und den eher anlageorientierten Kommanditgesellschaftern nicht nur anerkannt, sondern zugleich zum Charakteristikum des gesamten Gesellschaftstyps erhoben ( § 1 6 1 Abs. 1 H G B , § 278 Abs. 1 AktG). Durch seine Unternehmereigenschaft mit Unternehmerinitiative und Unternehmerrisiko unterscheidet sich der Unternehmergesellschafter jedoch derart grundlegend vom Anlagegesellschafter, daß eine Gleichbehandlung, die allein aus Gründen der Typisierung erfolgt, als nicht mehr verhältnismäßig angesehen werden kann. Sofern der Gesetzgeber insoweit erforderliche Differenzierungen unterläßt, hat der Richter entweder durch eine verfassungskonforme Auslegung Abhilfe zu schaffen oder die betreffende (vorkonstitutionelle) Norm zu verwerfen bzw. nach Art. 100 Abs. 1 G G vorzulegen. Darüber hinaus führen auch die nur für Unternehmergesellschafter gerechtfertigten Gleichbehandlungen untereinander, mit dem Einzelunternehmer oder dem Organmitglied zu einer Sonderbehandlung im Vergleich zum Anlagegesellschafter. Sofern der Gesetzgeber zudem wie etwa im U m w G von 1956 eine Differenzierung zugunsten von Mehrheitsgesellschaftern vornimmt, kann diese durch die unternehmerische Betätigung der Mehrheit gerechtfertigt sein 834 . Schließlich kann umgekehrt die besondere Herrschaftsmacht eines Unternehmergesellschafters zu erweiterten Treuepflichten und einer gesteigerten Haftung führen 835 .
5. Ungleichbehandlung von UnternehmerUnternehmensgesellschafter
und
Im Gegensatz zum Unternehmensgesellschafter ist der Unternehmergesellschafter als Privatgesellschafter nur in einer einzigen unternehmenstragenden Gesellschaft unternehmerisch engagiert, so daß die Gesellschaft durch seine Beteiligung nicht der konzerntypischen Gefährdungslage ausgesetzt wird 836 . Dieser Umstand rechtfertigt es, den Privatgesellschafter vom Sonderrecht der verbundenen Unternehmen prinzipiell auszunehmen und ihn etwa hinsichtlich der Mitteilungspflichten über seinen Beteiligungsbesitz im Vergleich zum Unternehmensaktionär zu privilegieren 837 . Siehe dazu auch Heymann, FS Wieland, S. 221, 222. BVerfG v. 7.8.1962 BVerfGE 14, 263, 285; O L G Düsseldorf v. 14.4.1960 B B 1960, 534, 535; Ulmer, B B 1964, 665, 667. 835 Dazu näher 2. Kap. § 2 und 4. Kap. § 2 A IV und B I 1. 836 Dazu bereits näher 1. Kap. § 3 D. 837 Zu den Offenlegungspflichten allgemein und insbesondere zur Gleichbehandlung beider Gesellschaftertypen im Rahmen von §§ 21 ff. W p H G näher 2. Kap. § 3 A IV 2b aa; siehe zur Berechtigung der Privilegierung des Privatgesellschafters im Rahmen von §§ 20 und 21 AktG auch KK/Koppensteiner, § 20 Rn. 5 (zust.) und Leo, A G 1965, 352, 353 (krit.). 833 834
§J
Grundrechte
des
267
Unternehmergesellschafters
6. Ungleichbehandlung von Gesellschaften mit und ohne Unternehmergesellschafter
derselben
Rechtsform
D i e deutlich unterschiedliche Realstruktur von Gesellschaften mit und ohne Unternehmergesellschafter kann eine Ungleichbehandlung von Gesellschaften derselben Rechtsform gebieten. So kann es aus Gründen der gesellschaftsformübergreifenden Gleichbehandlung von Unternehmergesellschaftern zur Erstreckung von Regelungen des Personengesellschaftsrechts auf Kapitalgesellschaften mit unternehmerischer Beteiligung und damit zu einer Sonderbehandlung dieses Gesellschaftstyps k o m m e n . Voraussetzung hierfür ist allerdings, daß sich die vorrangige Berücksichtigung der Realstruktur einer Gesellschaft nicht in Widerspruch zu den ausdrücklichen Wertungen des G e setzgebers setzt. Sofern dieser wie etwa im Einkommensteuerrecht traditionsgemäß nach der Gesellschaftsform differenziert, gebietet es nämlich bereits der Grundsatz der Folgerichtigkeit, hiervon zugunsten einer B e r ü c k sichtigung der Realstruktur und des personalen Kerns nur aus besonders gewichtigen Gründen abzuweichen 8 3 8 . Darüber hinaus wird sich im Bereich des zwingenden Rechts ein Unternehmergesellschafter in aller Regel an der von ihm zumeist mitbestimmten Rechtsformwahl festhalten lassen müssen 839 . Schließlich kann die einfache und rechtssichere Anknüpfung an die Rechtsform der Gesellschaft auch durch die Typisierungskompetenz des Gesetzgebers gedeckt sein, sofern hierdurch nicht eine größere Anzahl von Unternehmergesellschaftern unangemessen benachteiligt wird 840 . 838 Siehe dazu auch die Aufhebung des § 8 Ziff. 6 GewStG a.F. durch BVerfG v. 24.1.1962 BVerfGE 13, 331, 338f. und 347ff. wegen Unzulässigkeit der gewerbesteuerlichen Diskriminierung von Kapitalgesellschaften mit unternehmerisch beteiligten Gesellschaftern; krit. dazu im Hinblick auf die Natur der Gewerbesteuer als Betriebssteuer allerdings Zitzelsberger, Grundlagen, S. 165; krit. auch F. Klein, Gleichheitssatz, S. 146ff. unter Hinweis auf ein lediglich durch die unterschiedliche Wahl des Vergleichspaares (Gleichbehandlung von personenbezogener Kapitalgesellschaft mit Einzelunternehmen und Personengesellschaften) konträr entschiedenes Parallelverfahren (Beschluß 1 BvR 818/58 v. 7.4.1960); siehe aber auch BVerfG v. 11.11.1964 BVerfGE 18, 224,233 ff., wo die steuerliche Nichtanerkennung von Rückstellungen für Pensionszusagen an Gesellschafter-Geschäftsführer einer Einpersonen-GmbH und an zu mehr als 5 0 % beteiligte GmbH-Gesellschafter-Geschäftsführer unter Hinweis auf die Realstruktur der entsprechenden Gesellschaften als verfassungsgemäß angesehen wurde; zum Problem der Vereinbarkeit des steuerrechtlichen Durchgriffs mit Art. 3 Abs. 1 G G näher Raupach, Durchgriff, S. 92 ff. 839 Dazu auch A Koller, Typuslehre, S. 152ff., 158ff. und 169ff.; ferner Friedewald, Aktiengesellschaft, S. 127f. 840 So halten etwa B S G v. 21.4.1988 SozR 4100 § 112 Nr. 36 (S. 171) und B S G v. 15.12.1993 B S G E 73,263, 268 die Differenzierung zwischen O H G und G m b H wegen der Notwendigkeit zu einfachen Typisierungen im Massenverfahren der Arbeitslosengeldbemessung für gerechtfertigt (dazu krit. 5. Kap. § 2 B IV 1); andererseits warf etwa der generelle Ausschluß der Aktiengesellschaft von den Sonderabschreibungsmöglichkeiten nach §§ 7a, 7e EStG a.F. durch § 15 Ziff. 1 KStDV (bis 1969) die Frage auf, ob dies nicht eine willkürliche Diskriminierung der personenbezogenen Aktiengesellschaften gegenüber den (personenbezogenen) G m b H darstellte (bejahend Henninger, A G 1959, 285).
268
2. Kapitel: Die Sonderstellung des
Unternehmergesellschafters
§ 4 Zusammenfassung D i e herausgehobene Stellung eines U n t e r n e h m e r g e s e l l s c h a f t e r s
in der
rechtsfähigen Gesellschaft b e r u h t n e b e n den im ersten Kapitel behandelten b e s o n d e r e n R e c h t e n und Pflichten zunächst auf der zwischen ihm und der Gesellschaft bestehenden Vermögensgemeinschaft. D i e rechtsfähige G e s e l l schaft ist z w a r ausschließliche Trägerin des v o n den P r i v a t v e r m ö g e n der G e sellschafter gesonderten Gesellschaftsvermögens. D e r
Unternehmergesell-
schafter besitzt j e d o c h aufgrund seines Gesellschaftsanteils eine in ihrer H ö h e durch den Kapitalanteil b e s t i m m t e Beteiligung am Wert des Gesellschaftsverm ö g e n s sowie eine gesellschaftsrechtlich vermittelte H e r r s c h a f t s m a c h t ü b e r dessen Gegenstände. Selbst w e n n der verschiedentlich b e f ü r w o r t e t e n rechtlichen Identifikation
beider V e r m ö g e n s m a s s e n unter wirtschaftlichen
Ge-
sichtspunkten grundsätzlich entgegenzutreten ist 8 4 1 , m u ß die gesellschaftsrechtliche V e r m ö g e n s s o n d e r u n g gleichwohl unter b e s t i m m t e n Voraussetzungen bei der rechtsgeschäftlichen Ü b e r t r a g u n g v o n Gesellschaftsanteilen und in dem durch eine wirtschaftliche Betrachtungsweise gekennzeichneten Steuerrecht sowie im Z u s a m m e n h a n g mit d e m S c h u t z des Anteilseigentums durch A r t . 14 G G relativiert werden 8 4 2 . R e c h t l i c h e bzw. tatsächliche Verbindungen zwischen dem Privatvermögen des Unternehmergesellschafters und dem G e sellschaftsvermögen werden darüber hinaus durch vertragliche R e c h t s b e z i e h u n g e n zwischen den V e r m ö g e n s t r ä g e r n bzw. durch deren wechselseitige wirtschaftliche A b h ä n g i g k e i t geschaffen. H i e r a u s ergeben sich K o n s e q u e n zen für die G e m e i n s c h a f t der Interessen 8 4 3 , die formelle und materielle K o n trolle von Drittgeschäften 8 4 4 , die soziale A b s i c h e r u n g des U n t e r n e h m e r g e s e l l schafters 8 4 5 , sein rechtliches und faktisches Einflußpotential 8 4 6 , seine H a f tung 8 4 7 und seine Identifikation mit der Gesellschaft 8 4 8 . D i e teilweise u n m i t t e l b a r e n E i n f l u ß n a h m e m ö g l i c h k e i t e n eines U n t e r n e h mergesellschafters auf die Willensbildung und das Verhalten der Gesellschaft bedingen z u d e m eine Willensbildungs- und H a n d l u n g s g e m e i n s c h a f t mit der Gesellschaft, die sich v o n der Beeinflussung der a u t o n o m e n Willensbildung und des eigenständigen Verhaltens natürlicher P e r s o n e n
unterscheidet 8 4 9 .
E i n e umfassende und absolute Willens- und Handlungsgemeinschaft mit der 841 Dies gilt namentlich für die Fälle des sog. gesellschafterfreundlichen Durchgriffs im Schadensrecht (2. Kap. § 1 A I 3). 842 Dazu 2. Kap. § 1 A I 2, 4 und 5. 843 Dazu 2. Kap. § 1 C. 844 Dazu 2. Kap. § 1 A II und III lb. 845 Dazu 2. Kap. § 1 A l l l l a . 846 Dazu 2. Kap. § 1 A III 2. 847 Dazu 4. Kap. § 2 C II lc bh, III 4, IV 2d und E III lb. 848 Dazu 6. Kap. § 2 B I und IV. 849 Dazu 2. Kap. § 1 B.
54
Zusammenfassung
269
Gesellschaft besteht zwar nur dann, wenn der Unternehmergesellschafter als Alleingesellschafter und einziges Geschäftsführungsorgan sowie als einziger Mitarbeiter im Gesellschaftsunternehmen allein den Willen der Gesellschaft bildet und für diese handelt, doch kommt es hierauf in den in dieser Arbeit behandelten Normanwendungsfällen nicht an. Ausreichend sind vielmehr eine absolute Willensgemeinschaft hinsichtlich einzelner Rechtsgeschäfte oder die bloße Beherrschung der gesellschaftsrechtlichen Willensbildung bzw. eine partielle Handlungsgemeinschaft aufgrund der Repräsentantenstellung des Unternehmergesellschafters i.S.v. § 31 BGB (analog) 850 . Die enge Verbindung des Unternehmergesellschafters mit seiner Gesellschaft beruht desweiteren auf einer Gemeinschaft der Interessen. So wird bereits der Inhalt des Gesellschaftsinteresses als der Summe der gesellschaftszweckbezogenen Interessen der Gesellschafter von einem Unternehmergesellschafter dadurch mitbestimmt, daß er an der Festlegung bzw. Beibehaltung des Gesellschaftszwecks und des Unternehmensgegenstands maßgeblichen Anteil hat. Darüber hinaus besteht grundsätzlich ein tatsächlicher Gleichklang der Interessen des Unternehmergesellschafters und seiner Mitgesellschafter. Denn einerseits kann der beruflich und wirtschaftlich eng mit dem Schicksal der Gesellschaft verbundene Unternehmergesellschafter seinen eigenen Interessen zumeist am besten durch eine langfristige Förderung des Gesellschaftsunternehmens dienen und zum anderen werden auch die gesellschaftszweckbezogenen Interessen der Mitgesellschafter auf das langfristige Wohlergehen der Gesellschaft, den Schutz der Gesellschaft vor überzogenen oder unberechtigten Ansprüchen Dritter sowie die produktive Entfaltung der Unternehmerinitiative und eine effektive Kontrolle der Unternehmensleitung von Seiten des Unternehmergesellschafters gerichtet sein851. Bei unternehmerischer Gesellschaftsbeteiligung wird schließlich auch die herkömmliche Trennung von Privat- und Gesellschaftssphäre in beiden Richtungen durchbrochen. Die enge Verbindung der Gesellschaft mit der hinter ihr stehenden Unternehmerpersönlichkeit bedingt dabei namentlich im H i n blick auf die geschäftliche Reputation und die Verbreitung wirtschaftlicher Daten eine auch rechtlich relevante Gemeinschaft 852 . Die Sonderstellung des Unternehmergesellschafters in der Gesellschaft findet ihren Ausdruck ferner in einer Treuepflicht mit spezifischer Rechtfertigung, Funktion und Reichweite. Die hieraus unabhängig von der Gesellschaftsform für das Verhalten des Unternehmergesellschafters im einzelnen abgeleiteten Pflichten betreffen den Wettbewerb, die Ausnutzung von Geschäftschancen, die Verbreitung von Gesellschaftsinterna, das Abstimmungs-
850 851 852
Dazu noch eingehend 6. Kap. § 2 B II und III sowie 5. Kap. § 2 B VII. Dazu 2. Kap. § 1 C I 1 und II. Dazu 2. Kap. § 1 D.
270
2. Kapitel: Die Sonderstellung des
Unternehmergesellschafters
verhalten, die Verfolgung eigener Interessen sowie die Leitung, K o n t r o l l e und F i n a n z i e r u n g der Gesellschaft 8 5 3 . Schließlich erfährt der U n t e r n e h m e r g e s e l l s c h a f t e r auch verfassungsrechtlich eine Sonderbehandlung, indem nicht n u r seine Freiheit zur p r i v a t a u t o n o men Gründung,
Organisation,
E n t w i c k l u n g und F ü h r u n g eines
Gesell-
schaftsunternehmens als persönliche A u s ü b u n g der Vereinigungs- und B e rufsfreiheit ( A r t . 9 A b s . 1 und 12 A b s . 1 G G ) 8 5 4 , sondern auch seine Gesellschaftsbeteiligung und die mit ihr einhergehenden
Mitgliedschaftsrechte
durch die Garantie des Anteilseigentums (Art. 14 G G ) 8 5 5 einen vergleichsweise intensiven G r u n d r e c h t s s c h u t z erhalten. M i t H i l f e des R e c h t s auf i n f o r mationelle S e l b s t b e s t i m m u n g (Art. 2 A b s . 1 i.V.m. A r t . 1 A b s . 1 G G ) kann der U n t e r n e h m e r g e s e l l s c h a f t e r z u d e m verschiedene durch die Verarbeitung und Publizität v o n Gesellschafts- und U n t e r n e h m e n s d a t e n bedingte Eingriffe in seine Privatsphäre abwenden 8 5 6 . Von g r o ß e r B e d e u t u n g für die Sonderstellung des Unternehmergesellschafters ist schließlich der allgemeine G l e i c h heitssatz (Art. 3 A b s . 1 G G ) , der eine G l e i c h b e h a n d l u n g der U n t e r n e h m e r g e sellschafter untereinander, des U n t e r n e h m e r g e s e l l s c h a f t e r s mit d e m E i n z e l u n t e r n e h m e r oder einem O r g a n m i t g l i e d s o w i e eine gesonderte B e h a n d l u n g des U n t e r n e h m e r g e s e l l s c h a f t e r s im Vergleich zu Anlagegesellschaftern und U n t e r n e h m e n s g e s e l l s c h a f t e r n gebieten kann. I n s o w e i t sind dann gegebenenfalls auch D i f f e r e n z i e r u n g e n zwischen Gesellschaften derselben R e c h t s f o r m im H i n b l i c k auf ihre durch die Beteiligung oder N i c h t b e t e i l i g u n g eines U n ternehmergesellschafters
unterschiedlich
nehmen 8 5 7 .
853 854 855 856 857
Dazu Dazu Dazu Dazu Dazu
2. 2. 2. 2. 2.
Kap. Kap. Kap. Kap. Kap.
§ 2. § 3 A I und II. § 3 A III. § 3 A IV. § 3 B.
ausgeprägte R e a l s t r u k t u r
vorzu-
3. Kapitel
Die statusbegründende und statusausschließende Funktion der gesellschaftsgebundenen Unternehmerstellung
In diesem Kapitel soll der Frage nachgegangen werden, inwieweit ein bestimmter rechtlicher Status (z.B. Kaufmannseigenschaft, Arbeitnehmereigenschaft), von dem die Anwendung eines Normkomplexes (z.B. Handelsrecht, Arbeitsrecht) grundsätzlich abhängig ist, durch die gesellschaftsgebundene Unternehmerstellung generell oder im Einzelfall begründet bzw. ausgeschlossen wird. Mit den Rechtsfragen der Zurechnung und Identifikation haben die hier vorzunehmenden Statuszuordnungen gemein, daß es sich ebenfalls um Normanwendungsprobleme handelt, die durch die rechtliche Verselbständigung der Gesellschaft gegenüber ihren Gesellschaftern aufgeworfen werden. Die Rechtsfähigkeit der Gesellschaft führt nämlich dazu, daß die den jeweiligen Status begründenden bzw. ausschließenden Tatbestandsmerkmale (z.B. Betrieb des Handelsgewerbes, Dienstleistungsberechtigung aus einem bestimmten Arbeitsverhältnis) zunächst ausschließlich auf die Gesellschaft bezogen werden müssen und die Gesellschaft ihren Gesellschaftern auch als Partnerin eines statusbegründenden Rechtsverhältnisses gegenübertreten kann. Während damit bei der Bestimmung des Gesellschaftsstatus' lediglich die mit der Anwendung des Statustatbestands allgemein verbundenen Schwierigkeiten auftreten, stellt sich bei der statusrechtlichen Einordnung von Unternehmergesellschaftern das besondere Problem, ob und wie den jeweils statusbegründenden bzw. statusausschließenden Faktoren der gesellschaftsgebunden Unternehmerstellung überhaupt Rechnung getragen werden kann. Im Ergebnis führt die Berücksichtigung der gesellschaftsgebundenen Unternehmerstellung zu einer pauschalen oder einzelfallorientierten Erstrekkung des Gesellschaftsstatus' (z.B. Kaufmannseigenschaft, fehlende Arbeitnehmereigenschaft) auf den Unternehmergesellschafter, so daß man die Statuszuordnung mit der in dieser Arbeit verwendeten Terminologie auch als die Folge einer das Trennungsprinzip erneut durchbrechenden ergänzenden um-
272
3. Kapitel:
Statusrelevanz
der
Unternehmergesellschafterstellung
gekehrten Zurechnung des Gesellschaftsstatus' bezeichnen könnte 1 . Da eine solche Zurechnung jedoch einer besonderen inhaltlichen und methodischen Rechtfertigung bedarf, ist es letztlich nicht die durch die besondere Gesellschafterstellung als solche begründete pauschale Übertragung der statusrechtlichen Einordnung der Gesellschaft auf den Unternehmergesellschafter, sondern die Tatsache, daß dieser aufgrund seiner gesellschaftsgebundenen Unternehmerstellung über bestimmte Eigenschaften verfügt, die innerhalb eines Normkomplexes oder im Einzelfall vor dem Hintergrund des jeweiligen Regelungszwecks seine Gleichbehandlung mit dem Einzelunternehmer rechtfertigen bzw. gebieten. Mit der Zu- bzw. Aberkennung eines rechtlichen Status' wird stets ein ganzes Feld möglicher Rechtsfolgen eröffnet. Dies hat zwar bei einer ausdehnenden bzw. restriktiven Anwendung des jeweiligen Statustatbestandes neben einer Vereinfachung der Normanwendung den Vorzug, daß der Unternehmergesellschafter einheitlich den vorteilhaften wie nachteiligen Statusregelungen unterworfen bzw. von diesen ausgeschlossen wird, doch ist damit auch die erhebliche Gefahr einer unsachgemäßen und/oder unzulässigen Normanwendung im Einzelfall verbunden. So wird die generelle Zu- oder Aberkennung eines rechtlichen Status' durch Analogie bzw. teleologische Reduktion einer allgemeinen Statusnorm nur dort in Betracht kommen, wo der an den betreffenden Status anknüpfende Normkomplex ersichtlich durch einen einheitlichen Normzweck gekennzeichnet ist und für alle betroffenen Normen von einer planwidrigen Nichtberücksichtigung der gesellschaftsgebundenen Unternehmertätigkeit ausgegangen werden kann. In den übrigen Fällen wird man es bei der strikten Anwendung des allgemeinen Statustatbestandes bewenden lassen müssen und sich nur noch die Frage einer analogen bzw. restriktiven Anwendung konsistenter Normgruppen oder einzelner Regelungen auf Unternehmergesellschafter stellen können.
§ 1 Der Unternehmergesellschafter im System der statusbegründenden bzw. statusausschließenden Gesichtspunkte Der Tatbestand einer Norm kann auf einen Rechtsstatus zunächst deshalb Bezug nehmen, weil die entsprechende Rechtsfolge von der Stellung in einem bestimmten Rechtsverhältnis (z.B. Arbeitgeberstellung in einem bestimmten Arbeitsverhältnis, Parteieigenschaft in einem bestimmten Prozeß) oder in ei1 Die Möglichkeit einer solchen umgekehrten Zurechnung ohne Begründung verneinend K K / K r a f t , § 1 Rn. 47.
5 1 Statusbegründende und statusausschließende Gesichtspunkte
273
ner bestimmten Gruppe von Rechtsverhältnissen (z.B. Betreibereigenschaft) abhängig gemacht werden soll. In diesen Fällen ist eine Erstreckung des G e sellschaftsstatus auf den Unternehmergesellschafter nur dann möglich, wenn man ihn neben der rechtsfähigen Gesellschaft als Partner der jeweils relevanten Rechtsverhältnisse ansieht. Daneben kann es dem N o r m g e b e r aber auch darum gehen, mit der Bezugnahme auf einen bestimmten Status die mit diesem regelmäßig verbundenen Eigenschaften (z.B. Geschäftserfahrung eines Kaufmanns, soziale Schutzbedürftigkeit eines Arbeitnehmers) zur Voraussetzung einer Rechtsfolge zu erheben. Insoweit ist die jeweilige N o r m a n w e n dung auf den Unternehmergesellschafter dann davon abhängig, ob dieser durch seine gesellschaftsgebundene Unternehmerstellung über die nach dem N o r m z w e c k mit Hilfe des statusbezogenen Tatbestandsmerkmals vorausgesetzten Eigenschaften verfügt.
A. Statusrelevante Einbeziehung in ein bestimmtes Rechtsverhältnis Sofern die Innehabung eines rechtlichen Status von der Stellung in einem bestimmten Rechtsverhältnis (z.B. Arbeitsverhältnis, Beschäftigungsverhältnis, Prozeßrechtsverhältnis) oder einer bestimmten Gruppe von Rechtsverhältnissen (z.B. Betrieb eines Handelsgewerbes oder Unternehmens) abhängig ist, k o m m t der entsprechende Status (z.B. betriebsbezogene Kaufmannseigenschaft, Arbeitgebereigenschaft, Unternehmereigenschaft) zunächst der gegenüber ihren Gesellschaftern als Partnerin dieser Rechtsverhältnisse verselbständigten rechtsfähigen Gesellschaft zu. N a c h zutreffender Ansicht und entgegen der vielfach noch herrschenden Meinung gilt dies generell auch für die Personenhandelsgesellschaften 2 und die Außengesellschaft bürgerlichen Rechts 3 . Eine Zuerkennung des betreffenden Rechtsstatus' k o m m t damit nur in Betracht, wenn der Unternehmergesellschafter aufgrund seiner engen B e ziehung zur Gesellschaft und zu deren Rechtsverhältnissen mit in diese einbezogen wird. Eine solche Einbeziehung wird bisweilen für sämtliche Gesamthandsgesellschafter oder zumindest die persönlich haftenden Gesellschafter bzw. alle 2
D i e h.M. möchte hiervon jedoch eine Ausnahme im Gewerberecht machen, w o nur den
unternehmerisch tätigen Personengesellschaftern und nicht auch der Personengesellschaft die Gewerbetreibendeneigenschaft z u k o m m e n soll (dazu krit. 3. Kap. § 2 G ) . 5 Die noch h.M. m ö c h t e hiervon jedoch Ausnahmen im Arbeitsrecht (dazu krit. 3. Kap. § 2 D II), Sozialversicherungsrecht (dazu krit. 3. Kap. § 2 E II) und Gewerberecht (dazu krit. 3. Kap. § 2 G ) machen, w o nur Gesellschaftern und nicht auch der G b R als solcher die Arbeitgeber-, Unternehmer- bzw. Gewerbetreibendeneigenschaft z u k o m m e n soll; siehe nunmehr allerdings zur grundsätzlichen Rechts- und Parteifähigkeit der ( A u ß e n - ) G b R B G H v. 29.1.2001 N J W 2001, 1056ff. (bestätigt durch B G H v. 18.2.2002, Z I P 2002, 614).
274
3. Kapitel:
Statusrelevanz
der
Unternehmergesellschafterstellung
unternehmerisch engagierten Personengesellschafter befürwortet, für Kapitalgesellschafter jedoch generell ausgeschlossen 4 . Die mit der Einbeziehung bestimmter Gesellschafter in die betreffenden Rechtsverhältnisse einhergehende mehrfache Rechtszuständigkeit ist jedoch nicht nur für Kapitalgesellschaften, sondern generell für alle rechtsfähigen Gesellschaften abzulehnen. Die Annahme eines mehrstufigen Betreibens (Handelsrecht), einer neben der Gesellschaft bestehenden Arbeitgeber- bzw. Unternehmereigenschaft (Arbeits- und Sozialversicherungsrecht) oder der Parteieigenschaft (Zivilprozeßrecht) von Unternehmergesellschaftern widerspräche nämlich gerade dem Bestreben, durch die rechtliche Verselbständigung der Gesellschaft deren Rechtsbeziehungen zu ihren Gesellschaftern und zu Dritten zu vereinfachen und für eine klare, weil ausschließliche Zuordnung der sich aus dem jeweiligen Rechtsverhältnis ergebenden Rechte und Pflichten zu sorgen. Hinzu kommt, daß die allgemein auf (bestimmte) Personengesellschafter beschränkte Einbeziehung in die Rechtsverhältnisse der Gesellschaft zu einer Differenzierung zwischen Personen- und Kapitalgesellschaftern führt, die vor dem Hintergrund des jeweiligen Normzwecks selbst bei großzügig typisierender Betrachtung durchweg nicht gerechtfertigt werden kann. Will man einem Unternehmergesellschafter dennoch einen von der Stellung in einem bestimmten Rechtsverhältnis oder einer bestimmten Gruppe von Rechtsverhältnissen abhängigen Status im Einzelfall zuerkennen, ist dies nur aufgrund einer analogen Anwendung der den jeweiligen Status konkret voraussetzenden Norm möglich. Eine solche Analogie setzt dann nicht nur eine planwidrige Nichtberücksichtigung der besonderen Situation der gesellschaftsgebundenen Unternehmerstellung bei Schaffung der betreffenden Norm voraus, sondern auch eine Vergleichbarkeit der durch die unternehmerische Gesellschaftsbeteiligung begründeten wirtschaftlichen und persönlichen Beziehung zu den Rechtsverhältnissen der Gesellschaft mit der Stellung der Gesellschaft als der unmittelbaren Partnerin in diesen Rechtsverhältnissen. Dies wird man vermutlich generell und jedenfalls für die im folgenden untersuchten Fälle (z.B. §§ 8ff., 17ff., 238ff. H G B , § § 4 4 5 f f . Z P O , §§ 18c Abs. 2,28e Abs. 1 S. 1,47 Abs. 2 S G B IV) verneinen müssen, da es den betreffenden Normen stets gerade auf die unmittelbare Beteiligung an den jeweiligen Rechtsverhältnissen ankommt.
4 Siehe dazu die Nachweise im Zusammenhang mit der Erörterung der einzelnen statusrechtlichen Einordnungsfragen.
§ 1
Statusbegründende
B. Statusrelevanter
und statusausschließende
Besitz bestimmter
Gesichtspunkte
275
Eigenschaften
In vielen Fällen bezweckt die Verwendung eines statusbezogenen Tatbestandsmerkmals jedoch nicht die Anknüpfung der jeweiligen Rechtsfolgen an eine bestimmte Stellung in Rechtsverhältnissen, sondern lediglich die vom Daseinsgrund der Norm oder des Normkomplexes her gebotene Bezugnahme auf bestimmte Eigenschaften, die bei einem Inhaber des betreffenden Status' typischerweise gegeben sind. Insoweit kommt es dann für eine extensive bzw. analoge Anwendung der betreffenden Vorschriften neben der planwidrigen Nichtberücksichtigung von Unternehmergesellschaftern lediglich darauf an, daß die vom Normzweck mit Hilfe des statusbezogenen Tatbestandsmerkmals vorausgesetzte Eigenschaft in gleicher Weise durch die gesellschaftsgebundene Unternehmerstellung vermittelt wird.
I. Besitz von
Geschäftserfahrung
Hinsichtlich der von zahlreichen Normen etwa durch die Bezugnahme auf die Kaufmanns- oder Unternehmereigenschaft typisierend vorausgesetzten Geschäftserfahrung ist zwischen einer generellen bzw. auf einen bestimmten Geschäftstypus bezogenen Geschäftserfahrung, einer Geschäftserfahrung speziell im Geschäftskreis der Gesellschaft und einer im Rahmen eines bestimmten Geschäfts auszunutzenden Geschäftserfahrung zu unterscheiden. 1. Besitz einer generellen
Geschäftserfahrung
Mit Hilfe einer Bezugnahme auf die Kaufmannseigenschaft werden verschiedentlich Normen, die dem Schutz geschäftsunerfahrener Personen dienen, für einen typischerweise auch über den eigenen Tätigkeitsbereich hinaus geschäftserfahrenen Personenkreis außer Kraft gesetzt (z.B. §§ 348ff. H G B , § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BörsG, § 38 Abs. 1 ZPO). Auf einem ähnlichen Gedanken beruht zudem § 109 Abs. 1 GVG, der die Befähigung zum Handelsrichteramt ebenfalls von einer als Folge der Kaufmannseigenschaft vermuteten generellen unternehmerischen Geschäftserfahrung abhängig macht. Über eine solche generelle Geschäftserfahrung verfügt typischerweise aber auch ein Unternehmergesellschafter aufgrund seines finanziellen und unternehmerischen Engagements in der Gesellschaft, wobei es entgegen verbreiteter Ansicht nicht auf seine Stellung als Gesamthänder oder als persönlich haftender Gesellschafter ankommt. Die generelle Geschäftserfahrung wird vielmehr durch eine vielfach gegebene Mitwirkung an der Gesellschaftsgründung, eine Organstellung, die maßgebliche Mitwirkung an Gesellschafterbeschlüssen, die effektive Ausübung von Kontrollrechten, die Feststellung des Jahresabschlusses, die etwaige Beratung oder Anweisung der Geschäftsführung, den
276
3. Kapitel:
Statusrelevanz
der
Unternehmergesellschafterstellung
Abschluß von Sicherungsgeschäften zugunsten der Gesellschaft etc. erworben und vielfältig zum Nutzen der Gesellschaft, die über keine eigene und etwa diejenige ihrer Organe oder Gesellschafter verdrängende Geschäftserfahrung verfügt, eingesetzt5. 2. Besitz von Erfahrung
im Geschäftskreis
der
Gesellschaft
Inwieweit die für den Verkehrskreis der Gesellschaft geltenden Handelsbräuche (§ 346 HGB) und Verkehrssitten (§§ 157, 242 BGB) sowie die darauf aufbauenden Regeln des Handelsgewohnheitsrechts auch eine Bedeutung für Unternehmergesellschafter erlangen, ist letztlich ausschließlich von der Einbeziehung des Gesellschafters in den Geschäftskreis der Gesellschaft abhängig. Bei einem unternehmerisch in der Gesellschaft engagierten und im Geschäftskreis der Gesellschaft tätig werdenden Gesellschafter ist eine solche Einbeziehung gegeben, so daß auch bei einem ausnahmsweise nicht über eine organschaftliche Vertretungsmacht verfügenden unternehmerisch tätigen Gesellschafter von einer den Einzelkaufleuten und Gesellschaftsorganen vergleichbaren Kenntnis des entsprechenden Handelsbrauchs ausgegangen werden kann6. 3. Besitz einer im konkreten erfahrung
Fall auszunutzenden
Geschäfts-
Mit Hilfe einer Bezugnahme auf die Unternehmereigenschaft werden im Verbraucherschutzrecht zunächst verschiedene Normen, die dem Schutz von in der konkreten Situation geschäftsunerfahrenen Personen dienen, für einen in seinem Geschäftskreis typischerweise routiniert und aufmerksam tätig werdenden Geschäftsteilnehmer außer Kraft gesetzt (z.B. § 310 Abs. 1 i.V.m. § 14 BGB). Darüber hinaus wird ein besonderes Schutzbedürfnis von Verbrauchern nur dann anerkannt, wenn diese einem in der konkreten Situation typischerweise geschäftserfahren auftretenden Geschäftsteilnehmer gegenüberstehen (z.B. § 661a BGB i.V.m. § 14 BGB). Die entsprechende Anwendung dieser Vorschriften auf einen Unternehmergesellschafter setzt mithin u.a. voraus, daß dieser betriebs- bzw. gesellschaftsbezogen handelt und daher davon auszugehen ist, daß seine prinzipielle Geschäftserfahrung im Tätigkeitskreis der Gesellschaft auch in der konkreten Situation zum Tragen kommt. Hängt andererseits die Anwendung von verbraucherschützenden Vorschriften davon ab, daß die betreffende Person außerhalb eines eigenen gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeitskreises handelt (z.B.
5 6
Dazu näher 3. Kap. § 2 A II 5 und 8. Dazu näher 3. Kap. § 2 A II 3.
§1
Statusbegründende
und statusausschließende
Gesichtspunkte
2.77
§ 491 Abs. 1 i.V.m. § 13 BGB), wird damit letztlich auf eine in der konkreten Situation fehlende Geschäftsgewandtheit abgestellt. In Fällen, in denen der typischerweise geschäftserfahrene Unternehmergesellschafter betriebs- bzw. gesellschaftsbezogen handelt, ist folglich die Möglichkeit einer teleologischen Reduktion der entsprechenden, ihrem Wortlaut nach anwendbaren Verbraucherschutzvorschrift zu prüfen 7 .
II.
Vertrauenswürdigkeit
Der Daseinsgrund der §§ 348, 350 und 366 H G B besteht u.a. in dem Schutz des besonderen Vertrauens, das ein Kaufmann bei betriebsbezogenem H a n deln hinsichtlich der Verbindlichkeit seiner (mündlichen) Erklärungen bzw. seiner Verfügungsbefugnis genießt. Ein solches Vertrauen wird aber auch einem im eigenen N a m e n handelnden Unternehmergesellschafter entgegengebracht, wenn dieser im Geschäftskreis des Handelsgewerbes der Gesellschaft tätig wird. Dies liegt zum einen wiederum daran, daß der Rechtsverkehr bei einem solchen Gesellschafter eine dem Einzelkaufmann vergleichbare Geschäftserfahrung gerade auch hinsichtlich der Verbindlichkeit mündlicher Erklärungen unterstellt und unterstellen darf. Bei einem im Geschäftskreis des Handelsgewerbes der Gesellschaft im eigenen N a m e n tätig werdenden U n ternehmergesellschafter kann der Rechtsverkehr zudem erwarten, daß dessen Handeln einschließlich von Verfügungen über bewegliche Sachen des Gesellschaftsvermögens wegen der engen Verbindung des Gesellschafters zur Gesellschaft mit deren Vertretungsorganen abgestimmt ist8.
III. Soziale
Schutzbedürftigkeit
Als Daseinsgrund der Vorschriften des Arbeits- und Sozialversicherungsrechts spielt die mit dem für den Arbeitnehmer- bzw. Beschäftigtenbegriff zentralen Merkmal der persönlichen Abhängigkeit verbundene besondere soziale Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers bzw. Beschäftigten die entscheidende Rolle 9 . Dabei werden zumeist das typische Machtungleichgewicht im Arbeits- bzw. Beschäftigtenverhältnis sowie die Unfähigkeit zur eigenen Daseinsvorsorge und zur unternehmerischen Disposition als Gründe für den vielschichtigen Topos der sozialen Schutzbedürftigkeit angeführt 10 . An einer solchen sozialen Schutzbedürftigkeit wird es jedoch bei Unternehmergesell7
Dazu näher 3. Kap. § 2 B I. Dazu näher 3. Kap. § 2 A II 5 und 7. 9 Dazu näher 3. Kap. § 2 D I und E I. 10 Zu den verschiedenen Aspekten der sozialen Schutzbedürftigkeit von Arbeitnehmern siehe nur Hueck/Nipperdey, Arbeitsrecht Bd. 1, S. 25ff.; MünckHAbKrb^/Richardi, §6 Rn. 15 ff.; Schaub, H d b A r b R § 2 Rn. 5 ff. 8
278
3. Kapitel:
Statusrelevanz
der
Unternehmergesellschafterstellung
schaftern regelmäßig fehlen. Soweit sie nicht ohnehin auf gesellschaftsvertraglicher und damit gleichberechtigter Grundlage außerhalb eines Arbeitsbzw. Beschäftigungsverhältnisses für die Gesellschaft tätig werden, entsprechen sie auch als dienstvertraglich Verpflichtete nicht dem Typus des persönlich abhängigen Arbeitnehmers bzw. Beschäftigten 11 . Selbst wenn der Unternehmergesellschafter etwa als ein von der organschaftlichen Vertretung ausgeschlossener Minderheitsgesellschafter im Einzelfall fachlichen, örtlichen und zeitlichen Weisungen im arbeitsrechtlichen Sinne unterliegen oder von der dienstvertraglichen Tätigkeit für die Gesellschaft wirtschaftlich abhängig sein sollte, kann nicht von einer einem Arbeitnehmer generell vergleichbaren sozialen Schutzbedürftigkeit ausgegangen werden. Dies ergibt sich zum einen aus der bedeutenden gesellschaftsrechtlichen Machtposition des Unternehmergesellschafters, die ihn typischerweise eher arbeitsteilig und partnerschaftlich als weisungsunterworfen an der Unternehmensleitung mitwirken läßt, und zum anderen aus seiner maßgeblichen Gesellschaftsbeteiligung, aufgrund der er in bedeutendem Umfang von den Früchten seiner Arbeit profitiert und am Unternehmerrisiko teilhat. Als einflußreicher und maßgeblich beteiligter Gesellschafter kann der Unternehmergesellschafter schließlich grundsätzlich selbst für seine soziale Absicherung Sorge tragen. Aus der Sonderstellung und der grundsätzlich fehlenden sozialen Schutzbedürftigkeit des Unternehmergesellschafters ergibt sich zudem, daß er auch als Dienstverpflichteter typischerweise eher Arbeitgeber- als Arbeitnehmerinteressen verfolgt 12 und daher etwa im Betriebsverfassungsrecht nicht als Arbeitnehmer behandelt werden sollte.
§ 2 Einzelne Fälle der Statusvermittlung A. Kaufmannseigenschaft
des
Unternehmergesellschafters
Die Kaufmannseigenschaft i.S.d. §§ l f f . H G B ist auch nach der Reform des Handelsrechts von 1998 die zentrale Voraussetzung für die Anwendung handelsrechtlicher N o r m e n geblieben. Nach § 6 H G B verfügen zunächst nur die ein Handelsgewerbe betreibenden Personengesellschaften, die Kapitalgesellschaften und die Genossenschaften über die Kaufmannseigenschaft. Inwieweit daneben auch einzelnen Gesellschaftern als solchen die Kaufmannseigenschaft zukommt, ist davon abhängig, ob sich die Kaufmannseigenschaft 11 12
Sic.
Dazu näher 3. Kap. § 2 D I 1 und E I. Zur Interesseneinheit von Unternehmergesellschafter und Gesellschaft näher 2. Kap.
$ 2
Einzelne
Fälle der
Statusvermittlung
279
der Gesellschaft dem betreffenden Gesellschafter global durch eine Zurechnung des Betriebs des Handelsgewerbes im Rahmen von § 1 Abs. 1 H G B oder von Fall zu Fall im Rahmen der Anwendung handelsrechtlicher Sonderregelungen mitteilt.
I. Betreibereigenschaft
gemäß $ 1 Abs. 1 HGB
Als Betreiber i.S.v. § 1 Abs. 1 H G B gilt nach allgemeiner Auffassung derjenige, in dessen Namen das Handelsgewerbe betrieben wird 13 . Da die Geschäfte des Gewerbes einer Handelsgesellschaft nach ebenfalls unbestrittener Ansicht rechtlich im Namen der Handelsgesellschaft vorgenommen werden, können einzelne Gesellschafter nur dann neben der Gesellschaft als Betreiber angesehen werden, wenn man die Geschäfte der Gesellschaft als auch in ihrem Namen getätigt betrachtet oder dem betreffenden Gesellschafter in ausdehnender Anwendung des § 1 Abs. 1 H G B die Betreibereigenschaft der Gesellschaft zurechnet.
1. Betreibereigenschaft Betreibens
aufgrund sogenannten
zweistufigen
Bereits der Gesetzgeber des A D H G B ging ohne Begründung davon aus, daß die Gesellschafter einer O H G und die Komplementäre einer K G im Gegensatz zu Kommanditisten und Aktionären neben der Gesellschaft über die Kaufmannseigenschaft verfügen 14 . Bis heute hat die herrschende Meinung hieran zumindest für die auf das Handelsgewerbe bezogenen Geschäfte 15 der persönlich haftenden Gesellschafter festgehalten. Begründet wird dies auf der Grundlage der traditionellen Gesamthandslehre damit, daß die persönlich haftenden Gesellschafter die unternehmerischen Träger des Handelsgewerbes seien und dieses daher letztlich von ihnen selbst betrieben werde (sog. „zweistufiges" Betreiben) 16 . Zwar sei auch ein Kommanditist Gesamthänder, doch
13 R G v. 27.10.1914 R G Z 85, 380, 383; B G H v. 13.2.1952 B G H Z 5, 133, 134; B G H v. 12.5.1986 W M 1986, 939. 14 Siehe dazu die Protokolle der Kommission zur Beratung des A D H G B , hrsg. von J . Lutz, Theil III, S. 1259. 15 Zur Einschränkung der Kaufmannseigenschaft auf die Gesellschaftssphäre, die im handelsgeschäftlichen Bereich ohnehin gilt (§ 343 Abs. 1 H G B ) , siehe nur Thöl, Handelsrecht, § 3 8 1; StaubIBrüggemann § 1 Rn. 33; Landwehr, J Z 1967, 198, 201 ff.; A. Hueck, OHG, S. 27ff. mit Fn. 8; im Rahmen von § 53 BörsG wird heute nach einer entsprechenden Klarstellung des Gesetzgebers (BT-Drucks. 11/4177, S. 19) allerdings auf das Erfordernis der Betriebsbezogenheit des Börsentermingeschäfts allgemein verzichtet (dazu nur Schäfer/Irmen, BörsG § 53 Rn. 7). 16 B G H v. 16.2.1961 B G H Z 34, 293, 296f.; B G H v. 2.6.1966 B G H Z 45, 282, 284; Staub/ Brüggemann § 1 Rn. 32 („zweistufiges" Betreiben); A. Hueck, O H G , S. 27ff. mit Fn. 8.
280
3. Kapitel: Statusrelevanz
der
Unternehmergesellschafterstellung
hafte er für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft nur mit seiner Einlage und sei auch grundsätzlich von der Geschäftsführung und Vertretung der Gesellschaft ausgeschlossen, so daß er dem unbefangenen Beobachter nicht als Inhaber oder Prinzipal des Betriebs erscheine 17 . Gesellschafter und Organmitglieder von Kapitalgesellschaften könnten wegen des Trennungsprinzips ohnehin nicht als Betreiber des Handelsgewerbes angesehen werden 18 . Die Ausdehnung der Kaufmannseigenschaft auf die persönlich haftenden Gesellschafter als Betreiber hinter dem Betreiber widerspricht jedoch der gesetzlichen Regelung der Kaufmannseigenschaft sowie der rechtlichen Verselbständigung der Personenhandelsgesellschaft gegenüber ihren Gesellschaftern. Nach § 1 Abs. 1 H G B ist die Kaufmannseigenschaft nämlich eindeutig an das Betreiben eines Handelsgewerbes gebunden und zumindest wegen eines großen Teils der damit verbundenen Rechtsfolgen auch sinnvollerweise nur auf ein unmittelbares Betreiben zu beziehen 19 . Darüber hinaus verschleiert die Formel vom „zweistufigen" Betreiben, die an den vermögensrechtlichen Begriff des „Zurechnungsendsubjekts" und unspezifische „wirtschaftliche Betrachtungsweisen" erinnert, die rechtliche Geschäftszuordnung. Aber selbst dann, wenn man die unbeschränkt haftenden Personenhandelsgesellschafter auf der Basis der traditionellen Gesamthandslehre als gemeinschaftliche Betreiber des Handelsgewerbes betrachtete, ließe sich damit allenfalls eine Kaufmannseigenschaft in gesamthänderischer Verbundenheit begründen 20 . Eine solche Kaufmannseigenschaft, die sich inhaltlich in nichts von der Kaufmannseigenschaft der gegenüber ihren Gesellschaftern verselbständigten Personenhandelsgesellschaft nach § 6 Abs. 1 H G B unterscheiden würde, bliebe jedoch ohne praktische Bedeutung 21 . Auch die Beschränkung der Kaufmannseigenschaft auf die persönlich haftenden Gesellschafter könnte nicht schlüssig begründet werden, da die hierzu herangezogenen rechtlichen Unterschiede zwischen der Komplementär- und Kommanditistenstellung und insbesondere die unbeschränkte Haftung mit dem Privatvermögen für die vom Gesetz vorgegebenen Voraussetzungen der Kaufmannseigenschaft ohne
17 RG v. 5.1.1935 JW 1935, 948; BGH v. 2.6.1966 BGHZ 45, 282, 285f.; BGH v. 27.5.1957 WM 1957, 883, 884; RG v. 7.4.1933 HRR 1934, 143; B G H v. 24.1.1980 NJW 1980, 1572, 1574; B G H v. 22.10.1981 NJW 1982, 569, 570. 18 BGH v. 28.1.1993 BGHZ 121, 224, 228 (Alleingesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH); BGH v. 12.5.1986 WM 1986, 939 (Alleingesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH); B G H v. 17.1.1991 WM 1991, 536; BGH v. 13.2.1952 BGHZ 5, 133, 134 (GmbH-Gesellschafter); RG v. 4.11.1929 RGZ 126, 121, 122 (Aufsichtsratsmitglied); so auch bereits zur fehlenden Börsentermingeschäftsfähigkeit des alleinigen Gesellschafters einer GmbH RG v. 27.10.1914 RGZ 85, 380, 383; ferner nur Staub/Brüggemann § 1 Rn. 32. 19 Dazu auch noch sogleich unter II. 20 Dazu Thöl, Handelsrecht, § 38 I; Landwehr, JZ 1967, 198, 201 ff.; Lieb, DB 1967, 759, 761. 21 Dazu bereits Zöllner, DB 1964, 795, 796f.; Lieb, DB 1967, 759, 762.
§ 2
Einzelne Fälle der
Statusvermittlung
281
Bedeutung sind 22 . Aufgrund ihrer Unvereinbarkeit mit der aktuellen handelsund gesellschaftsrechtlichen Dogmatik sowie der immer wieder laut gewordenen kritischen Stimmen dürfte es schließlich schwer fallen, der zugegebenermaßen seit langem vorherrschenden Meinung als Gewohnheitsrecht zu normativer Geltung zu verhelfen 23 .
2. Zurechnung der Betreibereigenschaft der Gesellschaft Auf der Grundlage des geltenden Rechts könnte ein Unternehmergesellschafter aber auch dann als Betreiber eines Handelsgewerbes angesehen werden, wenn man ihm die Betreibereigenschaft der Gesellschaft aufgrund einer teleologischen Extension oder analogen Anwendung des § 1 Abs. 1 H G B zurechnete. Zwar ist eine extensive bzw. analoge Anwendung des § 1 Abs. 1 H G B nicht grundsätzlich ausgeschlossen 24 , doch muß hierfür ein strenger Maßstab angelegt werden, da die Zurechnung der Betreibereigenschaft pauschal zur möglichen Anwendung handelsrechtlicher Normen führt 25 . Es ist daher genau zu prüfen, ob das Gesetz im Hinblick auf die Kaufmannseigenschaft von Unternehmergesellschaftern eine planwidrige Lücke aufweist und ob die Stellung eines Unternehmergesellschafters im Handelsverkehr generell derjenigen der von § 1 Abs. 1 H G B unmittelbar erfaßten Rechtsträger entspricht.
a) Planwidrige
Regelungslücke
Da der Gesetzgeber des A D H G B noch selbstverständlich von der Kaufmannseigenschaft der unbeschränkt haftenden Handelsgesellschafter aus22 Siehe dazu auch die Kritik von Lieb, D B 1967, 759, 760 (keine Kaufmannseigenschaft von Personenhandelsgesellschaftern überhaupt); Landwehr, JZ 1967, 198, 199ff. (gesamthänderisch gebundene Kaufmannseigenschaft aller Personenhandelsgesellschafter) und Staub/ Brüggemann § 1 Rn. 35 (betriebsbezogene Kaufmannseigenschaft aller Personenhandelsgesellschafter). 23 So aber A. Hueck, O H G , S. 27f. mit Fn. 8; sofern man sich insoweit auf die Verkehrsanschauung beruft, müßte konsequenterweise etwa auch der Alleingesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH als Kaufmann angesehen werden. 24 Siehe generell zur Analogiefähigkeit der §§ 1 ff. H G B Siems, Anwendungsbereich, S. 187f. m.w.N. 25 Vgl. dazu auch die Begründung zum HRefG (BT-Drucks. 13/8444, S. 27ff.) und die Entscheidung B G H v. 13.7.1972 B G H Z 59,179, 182f. (zu § 1 Abs. 2 H G B a.F.), die angesichts der Möglichkeit von Sonderregelungen oder Einzelanalogien bzw. aufgrund des Respekts vor der klaren gesetzlichen Regelung einer Ausweitung des Gesamttatbestands der Kaufmannseigenschaft ablehnend gegenüberstehen; vgl. ferner den Umstand, daß auch im Rahmen der Rechtsscheinhaftung der Scheinkaufmann nur in gewisser Hinsicht als Kaufmann behandelt wird; zu Gefahren einer pauschalen Ausdehnung des Kaufmannsbegriffs auch etwa K. Schmidt, Handelsrecht, § 3 II 3c; Raisch, FS Stimpel, S. 29, 43 und eingehend Siems, Anwendungsbereich, S. 134ff.
282
3. Kapitel: Statusrelevanz der
Unternehmergesellschafterstellung
ging 2 6 und die D e n k s c h r i f t z u m H G B - E n t w u r f v o n 1897 2 7 sowie die B e g r ü n dung z u m H R e f G 2 8 die F r a g e u n e r w ä h n t lassen, k ö n n t e der seither gegenüber der traditionellen G e s a m t h a n d s l e h r e zu verzeichnende dogmatische Wandel, die rechtlich gegenüber ihren Gesellschaftern verselbständigte P e r s o n e n h a n delsgesellschaft n u n m e h r als ausschließliche B e t r e i b e r i n des H a n d e l s g e w e r bes zu betrachten 2 9 , insoweit zu einer nachträglichen planwidrigen G e s e t z e s lücke geführt haben. Angesichts der die K o m m a n d i t i s t e n und A k t i o n ä r e b e treffenden A b l e h n u n g durch den G e s e t z g e b e r des A D H G B , der gesetzlichen Verselbständigung der Handelsgesellschaften (§§ 6, 124 H G B , § 1 A b s . 1 A k t G , § 13 A b s . 1 G m b H G , § 17 G e n G ) und der traditionell ganz ü b e r w i e genden ( K o m m a n d i t i s t e n ) bzw. einhelligen (Körperschaftsmitglieder) A b l e h nung kann im übrigen j e d o c h nicht v o n einer planwidrigen L ü c k e des G e s e t zes ausgegangen werden. E i n e generell auf U n t e r n e h m e r g e s e l l s c h a f t e r b e z o gene Z u r e c h n u n g der Betreibereigenschaft wäre damit zumindest teilweise n u r c o n t r a legem zu realisieren, w o b e i es offen bleiben kann, o b hierfür ü b e r haupt die Voraussetzungen gegeben wären 3 0 , da eine globale E r s t r e c k u n g der Kaufmannseigenschaft auf U n t e r n e h m e r g e s e l l s c h a f t e r o h n e h i n an der fehlenden handelsrechtlichen Vergleichbarkeit des Unternehmergesellschafters mit dem B e t r e i b e r eines H a n d e l s g e w e r b e s scheitert.
b) Handelsrechtliche
Vergleichbarkeit
der Tatbestände
D i e Z u r e c h n u n g der Betreibereigenschaft der Gesellschaft bei U n t e r n e h mergesellschaftern steht wie jede andere extensive oder analoge A n w e n d u n g der §§ l f f . H G B auf sog. kaufmannsähnliche P e r s o n e n vor dem P r o b l e m , für den Vergleich des geregelten ( B e t r e i b e n eines H a n d e l s g e w e r b e s ) mit dem u n geregelten (unternehmerische Beteiligung an einer Handelsgesellschaft) Sachverhalt eine allgemeine R a t i o der verschiedenen an die Kaufmannseigenschaft a n k n ü p f e n d e n handelsrechtlichen Sonderregelungen als tertium c o m p a r a t i o nis zu benennen 3 1 . D a b e i hat man sich heute angesichts eines disparaten N o r 26 Protokolle der Kommission zur Beratung des A D H G B , hrsg. von J. Lutz, Theil III, S. 1259 27 Denkschrift-RTVorl., S. 6ff. und 21. 28 Siehe dazu BT-Drucks. 13/8444, S. 21 ff., wo lediglich die Frage der Kaufmannseigenschaft von nichteingetragenen Kleingewerbetreibenden und Freiberuflern erörtert und ausdrücklich verworfen wird. 29 Dazu etwa Staub/Ulmer, § 105 Rn. 77 und MünchKommHGBAK Schmidt, § 1 Rn. 54, die die Kaufmannseigenschaft von Personenhandelsgesellschaftern als dogmatisch überholt ansehen. 30 Siehe dazu im Zusammenhang mit der Ausdehnung der Kaufmannseigenschaft auf Freiberufler und nichteingetragene Kleingewerbetreibende etwa Siems, Anwendungsbereich, S. 134£f. und K. Schmidt, Handelsrecht, § 3 II 3c sowie zur früheren Rechtslage Neuner, Z H R 157(1993), 243, 272ff. 31 Siehe zur Schwierigkeit, allgemeine Kriterien für den Begriff der kaufmannsähnlichen Personen herauszuarbeiten nur Schach, Die kaufmannsähnlichen Personen, S. 54 ff.
§2
Einzelne Fälle der
Statusvermittlung
283
menbestands zu Recht auf eine pluralistische Rechtfertigung der handelsrechtlichen Sonderregelungen verständigt und beruft sich hierzu auf die verschiedenen spezifischen Gesetzmäßigkeiten und Bedürfnisse des Handels (beschleunigte Geschäftsabwicklung, Schutz des Rechtsverkehrs, Vergütungsgrundsatz) sowie die geringere Schutzbedürftigkeit der regelmäßig geschäftsgewandten Kaufleute 32 . Danach käme eine globale und nicht im Einzelfall der N o r m a n w e n d u n g durch Analogie begründete Erstreckung dieser Sonderregelungen durch die Verleihung der Kaufmannseigenschaft an U n t e r nehmergesellschafter nur dann in Betracht, wenn grundsätzlich davon ausgegangen werden könnte, daß diese Gesellschafter betriebsbezogene Geschäfte wie die Betreiber eines Handelsgewerbes tätigen, insbesondere denselben Bedürfnissen des Handels Rechnung zu tragen haben und über dieselbe geschäftliche Gewandtheit verfügen 33 . Die damit maßgeblichen Vergleichskriterien lassen zunächst erkennen, daß es für die globale Einbeziehung von Unternehmergesellschaftern in den Kaufmannsbegriff durch Zurechnung der Betreibereigenschaft der Gesellschaft weder maßgeblich auf die Stellung als Gesamthänder 3 4 oder einkommensteuerlicher Mitunternehmer noch auf die persönliche H a f t u n g für die eingegangenen Geschäftsverbindlichkeiten 3 5 oder das Erscheinen in der Firma 36 bzw. im Handelsregister 3 7 ankommen kann. Da die in dem Handelsgewerbe getätigten Geschäfte rechtlich der verselbständigten Gesellschaft zugeordnet werden, ist es auch ohne Bedeutung, daß der Unternehmergesellschafter einem unbefangenen Beobachter regelmäßig als der eigentliche Inhaber bzw. Prinzipal des Handelsgewerbes erscheint 38 . Vielmehr gilt es festzustellen, daß ein großer Teil der handelsrechtlichen Regelungen (z.B. §§ 8ff., 17ff., 48ff., 84ff., 93ff., 238ff. H G B ) sinnvollerweise nur auf eine selbständig im Handelsverkehr auftretende Person bezogen werden kann, die aus den in dem Handelsgewerbe wirksam geschlossenen Geschäften unmittelbar be-
32
Siehe dazu etwa Raisch, FS Stimpel, S. 29, 36ff.; Siems, Anwendungsbereich, S. 192ff. Vgl. dazu auch die Überlegungen zu einer Definition der kaufmannsähnlichen Personen bei Schach, Die kaufmannsähnlichen Personen, S. 64 ff., der letztlich maßgeblich auf die kaufmännische Art und Weise der Teilnahme am Geschäftsverkehr zur Verfolgung nicht privater Zwecke abstellt. 34 So aber StaubIBrüggemann, § 1 Rn. 32 und 35; zur Kritik siehe soeben unter 1. 35 So aber RG v. 5.1.1935 JW 1935, 947; B G H v. 2.6.1966 B G H Z 45, 282, 285; Staub/Brüggemann, § 1 Rn. 32; mit Recht krit. Lieb, DB 1967, 759, 760 und MünchKommHGB/ K. Schmidt, § 1 Rn. 54. 36 Frühere Aussagen hierzu (etwa B G H v. 2.6.1966 B G H Z 45, 282, 285 und Staub/ßraggemann, § 1 Rn. 32) sind teilweise durch die Liberalisierung des Firmenrechts überholt; zur umstrittenen Frage, ob die Namen von Kommanditisten in die KG-Firma aufgenommen werden können, Jung, ZIP 1998, 677, 681 f. 37 So aber Staub/Brüggemann, § 1 Rn. 32 und 35; krit. MünchKommHGB/Jf. Schmidt, § 1 Rn. 54. 38 So aber RG v. 5.1.1935 JW 1935, 948; B G H v. 2.6.1966 B G H Z 45, 282, 285. 33
284
3. Kapitel: Statusrelevanz der
Unternehmergesellschafterstellung
rechtigt und verpflichtet wird 3 9 . W i e gerade auch das Beispiel des K o m m i s s i o närs verdeutlicht, verlangt der H a n d e l s v e r k e h r nicht nach Sonderregelungen für die wirtschaftlich hinter dem G e s c h ä f t s p a r t n e r stehenden P e r s o n e n , s o n dern grundsätzlich ausschließlich nach solchen für diesen selbst. Sofern dies im Einzelfall anders sein sollte, ist der W e g einer z u d e m auf die k o n k r e t e N o r m a n w e n d u n g ( N o r m z w e c k , N o r m k o n t e x t , Planwidrigkeit der R e g e lungslücke) b e z o g e n e n Einzelanalogie demjenigen einer globalen E r s t r e k kung des H a n d e l s r e c h t s auf U n t e r n e h m e r g e s e l l s c h a f t e r vorzuziehen 4 0 . D a es damit im H a n d e l s r e c h t auf den U n t e r s c h i e d zwischen u n m i t t e l b a r e m B e t r e i ben des H a n d e l s g e w e r b e s im rechtlichen Sinne und einem lediglich mittelbaren B e t r e i b e n im wirtschaftlichen Sinne a n k o m m t , vermag es auch nicht zu verwundern, daß in der D i s k u s s i o n um die A u s d e h n u n g der §§ 1 ff. H G B auf kaufmannsähnliche P e r s o n e n zwar etwa die F r e i b e r u f l e r und nichteingetragenen K l e i n g e w e r b e t r e i b e n d e n , nicht j e d o c h die u n t e r n e h m e r i s c h tätigen G e sellschafter eine R o l l e spielen 4 1 .
II. Kaufmannsähnlichkeit des Unternehmergesellschafters im Hinblick auf einzelne handelsrechtliche Regelungszwecke O b w o h l nach den o b i g e n A u s f ü h r u n g e n eine generelle K a u f m a n n s e i g e n schaft v o n U n t e r n e h m e r g e s e l l s c h a f t e r n s o w o h l de lege lata wie de lege ferenda abgelehnt w e r d e n m u ß , bleibt die Frage zu klären, o b im Einzelfall eine ausdehnende A n w e n d u n g handelsrechtlicher N o r m e n auf U n t e r n e h m e r g e sellschafter m ö g l i c h und/oder w ü n s c h e n s w e r t ist. D a s H a n d e l s r e c h t besteht z w a r als Sonderprivatrecht der Kaufleute aus Sonder- und A u s n a h m e r e g e l u n gen, es ist j e d o c h unter den allgemeinen Voraussetzungen im Einzelfall d u r c h aus einer teleologischen E x t e n s i o n oder Analogie fähig 4 2 , wie es auch die verschiedentlich praktizierte A n w e n d u n g handelsrechtlicher N o r m e n i n s b e s o n -
Dazu auch noch sogleich unter II. Dazu sogleich unter II; auch insoweit zurückhaltend Siems, Anwendungsbereich, S. 208 und Lieb, DB 1967, 759, 762, der aufgrund des fehlenden Bezugs zum eigenen Handelsgewerbe eine rechtliche Bedeutung der Kaufmannseigenschaft von Gesellschaftern überhaupt leugnet. 41 Siehe dazu etwa Siems, Anwendungsbereich, S. 200ff. und Canaris, Handelsrecht, § 23 Rn. 3 sowie zum alten Recht Schach, Die kaufmannsähnlichen Personen, S. 74 ff. und Neuner, ZHR 157 (1993), 243, 272f. 42 Siehe dazu auch die Begründung zum HRefG, BT-Drucks. 13/8444, S. 30; BGH v. 23.4.1951 BGHZ 2, 37, 49ff. (analoge Anwendung des § 366 HGB); BGH v. 19.5.1960 BGHZ 32, 307 (analoge Anwendung des § 142 HGB a.F. auf GbR); Ratsch, FS Stimpel, S. 29, 35f.; Neuner, ZHR 157 (1993), 243, 246f. und 270ff.; Siems, Anwendungsbereich, S. 185ff.; Schach, Die kaufmannsähnlichen Personen, S. 281 ff.; Canaris, Handelsrecht, §23 I; Heymann/Horn, Einl. I Rn. 20. 39
40
§2
Einzelne Fälle der
Statusvermittlung
285
dere auf Freiberufler beweist 43 . Bisweilen mag die Analogie sogar durch Art. 3 Abs. 1 G G geboten sein44. U m die Grenzen zwischen der Rechtsfortbildung praeter legem und contra legem nicht zu verwischen, ist lediglich darauf zu achten, daß die Planwidrigkeit der gesetzlichen Regelungslücke im Einzelfall auch nachgewiesen wird 45 . Bei der Analogieprüfung ist zudem die allgemeine Regelung des bürgerlichen Rechts mit in den Blick zu nehmen, um die Besonderheiten der handelsrechtlichen Regelung vollständig zu erfassen 46 . Bei einigen N o r m e n (z.B. § 350 H G B , § 109 Abs. 1 GVG, § 38 Abs. 1 Z P O , § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BörsG) muß schließlich die einfache und rechtssichere Handhabung der ausdehnenden Anwendung gewährleistet werden. Angesichts der weitgehend angenommenen Kaufmannseigenschaft der persönlich haftenden Gesellschafter, der Konzentration der rechtswissenschaftlichen Diskussion auf die Einbeziehung der Freiberufler und nichteingetragenen Kleingewerbetreibenden und der Tatsache, daß die Anwendung der N o r m e n der allgemeinen und besonderen Handelsgeschäftslehre neben der Kaufmannseigenschaft auch die Betriebsbezogenheit des betreffenden Geschäfts voraussetzt (§ 343 Abs. 1 HGB) 4 7 , wird die Frage einer Kaufmannseigenschaft von Unternehmergesellschaftern in Rechtsprechung und Literatur nur selten erörtert. Auch in dieser Arbeit kann das wiederum durch die rechtliche Verselbständigung der Gesellschaft aufgeworfene N o r m a n wendungsproblem angesichts der Vielzahl der bestehenden Sonderregelungen nur exemplarisch untersucht werden, wobei dies im Interesse einer möglichst weitgehenden Systematisierung anhand der verschiedenen handelsrechtlichen Regelungszwecke geschehen soll.
43 Siehe dazu etwa B G H v. 26.6.1963 B G H Z 40, 42, 43 f. (für den Absender eines Bestätigungsschreibens); B G H v. 25.2.1987 N J W 1987, 1940, 1941 (für den Empfänger eines Bestätigungsschreibens); ferner Raisch, Geschichtliche Voraussetzungen, S. 249ff. (Erklärungswert des Schweigens), 277ff. (für § 377 HGB); Canaris, Handelsrecht, § 23 I (für Handelsbräuche und Handelsgewohnheitsrecht sowie die §§ 54, 56 und 366 HGB); Neuner, Z H R 157 (1993), 243, 270ff.; Schach, Die kaufmannsähnlichen Personen, S. 315ff.; Siems, Anwendungsbereich, S. 185 ff. 44 Zur Bedeutung des Gleichbehandlungsgrundsatzes für die Rechtsstellung des Unternehmergesellschafters generell 2. Kap. § 3 B; speziell zur Kaufmannseigenschaft Neuner, Z H R 157 (1993), 243, 286ff. 45 Zu großzügig Siems, Anwendungsbereich, S. 191. 46 Dazu auch Neuner, Z H R 157 (1993), 243, 247; Siems, Anwendungsbereich, S. 191 mit Fn. 861. 47 Die Vermutungsregeln des § 344 H G B können dabei nicht angewendet werden, da diese lediglich das Problem der Zuordnung eines Rechtsgeschäfts zur betrieblichen oder privaten Sphäre eines einzigen Rechtsträgers und nicht auch das Problem der Zuordnung eines Rechtsgeschäfts zu einem von zwei verschiedenen Rechtsträgern betreffen (zutreffend Lieh, DB 1967, 759, 762).
286
3. Kapitel:
1. Anwendung
Statusrelevanz
der
von Publizitäts-
Unternehmergesellschafterstellung
und
Rechnungslegungsvorschriften
Die Publizitäts- und Rechnungslegungsvorschriften im ersten und dritten Buch des H G B (Register- und Korrespondenzpublizität, Firmenordnungsrecht, Rechnungslegungsrecht) beziehen sich auf den im Handelsregister eigenständig eingetragenen, dauerhaft am Markt auftretenden sowie ein Betriebsvermögen bildenden Kaufmann und damit ausschließlich auf die Gesellschaft und das von ihr betriebene Handelsgewerbe. Eine analoge Anwendung dieser Vorschriften kommt daher mangels planwidriger Gesetzeslücken und mangels einer dem Betreiber statusrechtlich vergleichbaren Stellung des Unternehmergesellschafters nicht in Betracht. Daran vermag auch die an anderer Stelle herangezogene Betrachtung des Unternehmergesellschafters als dem gesellschaftsgebundenen Unternehmer nichts zu ändern, da nach dem Sinn und Zweck der genannten statusrechtlichen Regelungen auch die Unternehmergesellschafter insoweit von der ihnen gegenüber statusrechtlich verselbständigten Handelsgesellschaft mediatisiert werden (§ 6 H G B ) . Es mag für den Rechtsverkehr zwar bisweilen und insbesondere bei persönlicher Haftung von Interesse sein, über das derzeitige Maß hinausgehende Informationen über die hinter einer Gesellschaft stehenden nichtkaufmännischen Unternehmergesellschafter zu erhalten, doch kann dies die damit verbundene Informationsflut, die Belastung der Handelsregister und die Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht der betroffenen Gesellschafter nicht rechtfertigen. Angesichts der Tatsache, daß die Nichteinhaltung eines großen Teils der Publizitäts- und Rechnungslegungsvorschriften möglicherweise als Ordnungswidrigkeit oder Straftatbestand geahndet werden kann, dürfte zudem nicht nur die ausdehnende Anwendung der straf- und ordnungswidrigkeitenrechtlichen Sanktionsnormen, sondern überhaupt diejenige der ihnen zugrundeliegenden kaufmännischen Pflichten durch das Analogieverbot ausgeschlossen sein48. Ein Unternehmergesellschafter wird daher von den die Gesellschaft betreffenden Regelungen allenfalls als Gesellschaftsorgan (z.B. § 91 AktG, § 4 1 G m b H G ) oder aufgrund einer gesonderten gesetzlichen Anordnung (z.B. §§ 108, 245 S. 2 H G B ) berührt werden 49 .
2. Anwendung abwicklung
von Normen
zur Vereinfachung
der
Geschäfts-
Die Regelungen zur kaufmännischen Stellvertretung (§§ 48ff. H G B ) dienen mit der Stärkung des Vertrauensschutzes und der Erleichterung des arbeitsteiligen Auftretens im Geschäftsverkehr dem Streben des Handels nach 48 Dazu generell Raisch, FS Stimpel, S. 29, 39; Neuner, K. Schmidt, Handelsrecht, § 3 II 3c. 49 Zöllner, D B 1964, 795, 796 f.
Z H R 157 (1993), 243, 253;
52
Einzelne Fälle der
Statusvermittlung
287
Rechtsklarheit sowie einfacher und rascher Geschäftsabwicklung 50 . Dies gilt weitgehend auch für die Sonderregelungen zum Handelskauf wie insbesondere den § 377 HGB 5 1 . Das Bedürfnis des Handelsverkehrs nach einfacher und rechtssicherer Geschäftsabwicklung wird in diesen Fällen jedoch durch die Kaufmannseigenschaft der Gesellschaft hinreichend befriedigt. Im Bereich des von der Gesellschaft betriebenen Handelsgewerbes ist diese nämlich ausschließliche Prinzipalin bzw. Vertragspartnerin. Sofern der Unternehmergesellschafter im gesellschaftlichen Bereich wie etwa bei der Übernahme einer persönlichen Bürgschaftsverpflichtung oder dem Abschluß eines Drittgeschäfts ausnahmsweise nicht im N a m e n der Gesellschaft tätig wird bzw. einen Stellvertreter einschaltet, besteht nur dann ein Bedürfnis nach einer gegenüber dem bürgerlichen Recht erweiterten Möglichkeit zur Arbeitsteilung bzw. nach einem gesteigerten Verkehrsschutz, wenn dies im Rahmen eines gesonderten Handelsgewerbes geschieht, für das dann aber unabhängig von der Gesellschafterstellung ohnehin die Kaufmannseigenschaft gegeben ist.
3. Geltung von Handelsbräuchen
und
Handelsgewohnheitsrecht
Die normative Geltung von Handelsbräuchen (§ 346 H G B ) und Verkehrssitten (§§ 157, 242 BGB) beruht unabhängig von der Kenntnis oder dem U n terwerfungswillen der Parteien auf einer gleichmäßigen, einheitlichen und freiwilligen Ü b u n g der beteiligten Verkehrskreise über einen angemessenen Zeitraum hinweg 52 . Zwar setzt die Geltung von Handelsbräuchen nach § 346 H G B zunächst ein beiderseitiges Handelsgeschäft voraus, doch können sie letztlich auch unter Nichtkaufleuten und im Privatbereich zur Anwendung kommen, sofern auch insoweit ein vergleichbarer Brauch als zumindest bereichsspezifische Verkehrssitte besteht 53 . Inwieweit die für den Verkehrskreis der Gesellschaft geltenden Handelsbräuche auch eine Bedeutung für den U n ternehmergesellschafter erlangen, ist damit nicht von seiner Gleichstellung mit den ein Handelsgewerbe betreibenden Personen, sondern ausschließlich von der Einbeziehung des Gesellschafters in den Geschäftskreis der Gesellschaft abhängig. Bei einem unternehmerisch in der Gesellschaft engagierten und im Geschäftskreis der Gesellschaft tätig werdenden Gesellschafter ist eine solche Einbeziehung zu befürworten, da bei ihm von einer den Einzelkaufleuten und Gesellschaftsorganen vergleichbaren Kenntnis des entsprechenden Handelsbrauchs ausgegangen werden kann.
50
Dazu nur Jung, Handelsrecht, Kap. 7 Rn. 1. Dazu nur Jung, Handelsrecht, Kap. 10 Rn. 2. 52 Dazu nur B G H v. 25.11.1993 N J W 1994, 659, 660; B G H v. 2.5.1984 W M 1984, 1000, 1002; B a u m b a c h / H o p t , § 346 Rn. 1. 53 Dazu nur O L G Koblenz v. 10.3.1988 NJW-RR 1988, 1306f.; Neuner, Z H R 157 (1993), 243, 271; B a u m b a c h / H o p t , § 346 Rn. 4. 51
288
3. Kapitel:
Statusrelevanz
der
Unternehmergesellschafterstellung
Soweit bestimmte handelsrechtliche Regelungen wie insbesondere die als Gewohnheitsrecht geltende Lehre vom kaufmännischen Bestätigungsschreiben oder die §§ 358ff. H G B an bestimmte Handelsbräuche anknüpfen, gilt das Gesagte entsprechend. So, wie man etwa eine Anwendung der Lehre vom kaufmännischen Bestätigungsschreiben auf bestimmte Freiberufler befürwortet hat, wird man dies auch bei unternehmerisch tätigen Gesellschaftern tun müssen, da bei ihnen ebenfalls davon auszugehen ist, daß sie die handelsrechtliche Gepflogenheit der schriftlichen Bestätigung mündlicher Vertragsverhandlungen und eines etwaigen unverzüglichen Widerspruchs kennen 54 .
4. Geltung des handelsgeschäftlichen Sorgfaltsmaßstabs Es wird noch näher auszuführen sein, daß auch die Sorgfaltspflichten eines Unternehmergesellschafters seiner Sonderstellung in der Gesellschaft anzupassen sind 55 . Dabei kann jedoch auf eine analoge Anwendung des § 347 H G B verzichtet werden, da sich der allgemeine Sorgfaltsmaßstab des § 276 Abs. 2 B G B ohnehin nach dem jeweiligen Verkehrskreis bzw. der jeweiligen Berufsgruppe bestimmt, sofern nicht sowieso die auf gewisse Besonderheiten des Gesellschaftsverhältnisses Rücksicht nehmende Sonderregelung des § 708 B G B zur Anwendung gelangt.
5. Nichtanwendung
von Schutzvorschriften des bürgerlichen Rechts
Im Handelsrecht werden verschiedentlich Vorschriften des bürgerlichen Rechts außer Kraft gesetzt, die dem besonderen Schutz eines Vertragspartners dienen (§§ 348ff. H G B ) . Der Daseinsgrund dieser Regelungen, die trotz ihres Ausnahmecharakters prinzipiell einer Analogie fähig sind 56 , besteht in der geringeren Schutzbedürftigkeit der regelmäßig besonders geschäftserfahrenen Kaufleute und mit Ausnahme des § 349 H G B auch in dem besonderen Schutz des Vertrauens der Vertragspartner auf die (mündlichen) Erklärungen eines Kaufmanns 57 . Da bei einem Unternehmergesellschafter typischerweise von 54 Vgl. dazu die Argumentation zur Einbeziehung eines Grundstücksmaklers bzw. Konkursverwalters in BGH v. 26.6.1963 BGHZ 40, 42, 43f. (für den Absender eines Bestätigungsschreibens); BGH v. 25.2.1987 NJW 1987, 1940, 1941 (für den Empfänger eines Bestätigungsschreibens); ferner allgemein zur Erstreckung von Handelsbräuchen und darauf aufbauenden handelsrechtlichen Regelungen auf kaufmannsähnliche Personen Canaris, Handelsrecht, § 23 Rn. 3 ff. 55 Dazu näher 4. Kap. § 1 A III und B sowie § 2 A I 2b bb und IV 3. 56 Selbst wenn man davon ausginge, daß Ausnahmetatbestände von einem Formgebot eng auszulegen sind (in diesem Sinne zu § 1027 Abs. 1 ZPO a.F. BGH v. 2.6.1966 BGHZ 45, 282, 286), stünde dies einer Analogie nicht im Wege. 57 Dazu nur Heck, AcP 92 (1902), 438, 443 (generell für das Handelsrecht); Heymann/ Horn, § 348 Rn. 12 (Vertragsstrafeversprechen), § 349 Rn. 3 (selbstschuldnerische Bürgschaft) § 350 Rn. 3 (Formfreiheit nach § 350 HGB); K. Schmidt, ZIP 1986, 1510, 1514 (Formfreiheit nach § 350 HGB).
52
Einzelne Fälle der
Statusvermittlung
289
einer dem Einzelkaufmann vergleichbaren Geschäftserfahrung 58 sowie von einem entsprechenden Schutzbedürfnis des Rechtsverkehrs bei den wegen § 343 Abs. 1 H G B ohnehin betriebsbezogenen Geschäften ausgegangen werden kann 59 , kommt es für die Frage der analogen Anwendbarkeit der §§ 348 ff. H G B ausschließlich darauf an, ob die Nichterfassung der Unternehmergesellschafter als planwidrig anzusehen ist und ob speziell im Rahmen des § 350 H G B im Interesse einer einfachen und rechtssicheren Handhabung der derogierten Formvorschriften der Kreis der betroffenen Gesellschafter klar abgegrenzt werden kann. Von der Planwidrigkeit der Nichterfassung der persönlich haftenden Gesellschafter kann aus den oben genannten Gründen ausgegangen werden. Trotz der vom Gesetzgeber des A D H G B offensichtlich als selbstverständlich unterstellten generellen Ausklammerung der Aktionäre und Kommanditisten aus dem Kaufmannsbegriff sollte zudem im Rahmen der §§ 348ff. H G B auch eine planwidrige Regelungslücke hinsichtlich der übrigen unternehmerisch tätigen Gesellschafter angenommen werden. Der Gesetzgeber ließ sich bei seiner beiläufigen und auf die generelle Kaufmannseigenschaft bezogenen Stellungnahme nämlich offensichtlich von dem sachfremden und heute dogmatisch überholten Differenzierungskriterium der persönlichen Haftung sowie vom Bild des Aktionärs und Kommanditisten als einem geschäftlich eher unerfahrenen Anlagegesellschafter leiten. Es dürfte schließlich auch systemgerechter sein, die entsprechenden (mündlichen) Erklärungen eines Unternehmergesellschafters durch eine unmittelbare Korrektur der hinsichtlich ihrer subjektiven Anknüpfung zu eng geratenen §§ 348ff. H G B dem Handelsrecht zu unterwerfen, als dieses Ergebnis mit Hilfe eines aufgrund der besonderen Gesellschafterposition unterstellten Rechtsmißbrauchs 60 oder einer Ausweitung des Scheinkaufmannstatbestands 61 herbeizuführen. Gegen die analoge Anwendung der § § 3 4 8 ff. H G B auf Unternehmergesellschafter kann auch nicht eingewendet werden, daß hiermit die einfache
58 So auch K. Schmidt, ZIP 1986, 1510, 1515; Staudinger///orn, § 766 Rn. 6 (zumindest für den Gesellschafter-Geschäftsführer). 59 Dazu auch 5. Kap. § 2 B II 2; a.A. allerdings Heymann/Horn, § 350 Rn. 5f., der die Betriebsbezogenheit einer zur Sicherung von Gesellschaftsschulden abgegebenen Bürgschaftserklärung verneint, da alle Beteiligten gerade eine zusätzliche private Verpflichtung des Gesellschafters anstrebten. 60 So aber für die Berufung von GmbH-Gesellschaftern auf § 343 B G B BGH v. 13.2.1952 BGHZ 5, 133, 134 und 136f. und Heymann/Horn, § 348 Rn. 13 sowie für die Berufung auf § 766 S. 1 BGB B G H v. 12.5.1986 WM 1986, 939, 940; BGH v. 22.10.1981 NJW 1982, 569, 570 und Heymann///om, § 350 Rn. 5 (Alleingesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH). 61 Zur Geltung der §§ 348ff. H G B für Scheinkaufleute siehe nur Heymann ¡Horn, § 348 Rn. 12, § 349 Rn. 5 und § 350 Rn. 5; BaumbachIHopt, § 348 Rn. 6 und § 349 Rn. 12; a.A. für §§348, 350 HGB Canans, Vertrauenshaftung, S. 181; differenzierend MünchKommHGB/ K. Schmidt, § 350 Rn. 8.
290
3. Kapitel:
Statusrelevanz
der
Unternehmergesellschafterstellung
und rechtssichere Abgrenzung ihres Anwendungsbereichs aufgegeben wird 62 . Denn zum einen ist bereits der gesetzliche Kaufmannsbegriff in gewisser Hinsicht unbestimmt (Gewerbebegriff, § 1 Abs. 2 H G B ) und zum anderen besteht zumindest im Rahmen der §§ 348f. H G B kein gesteigertes Bedürfnis nach Rechtssicherheit, das die im Interesse der materiellen Gerechtigkeit stehende Verwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffs ausschlösse. Dem Bedürfnis nach Rechtssicherheit ist lediglich im Rahmen des § 350 H G B dadurch Rechnung zu tragen, daß man die zur Analogie berechtigende unternehmerische Gesellschafterstellung typisierend entweder von einer Mitgliedschaft im Leitungsorgan und einer namhaften Kapitalbeteiligung in Höhe von mindestens 5 % (börsennotierte Aktiengesellschaften) bzw. 1 0 % (übrige Gesellschaften) oder von einer ausschließlich kapitalmäßigen Beteiligung in Höhe von mindestens 25 % abhängig macht 63 .
6. Geltung des Entgeltlichkeitsprinzips Die Frage einer analogen Anwendung der §§ 352ff. H G B auf Unternehmergesellschafter ist nur von geringer praktischer Bedeutung. Dies liegt nicht nur an der Existenz paralleler und teilweise weitreichenderer Vorschriften im bürgerlichen Recht (z.B. §§ 288, 612 Abs. 1, 632 Abs. 1 B G B ) , sondern auch daran, daß die in § 110 Abs. 2 und § 111 H G B enthaltenen Sonderregelungen zur Verzinsung von Sozialansprüchen, die teilweise auch als Ausdruck der fehlenden Kaufmannseigenschaft der Personengesellschafter gewertet wurden 64 , nach § 352 Abs. 2 H G B auch dann dem erhöhten handelsrechtlichen Zinssatz von 5 % unterliegen, wenn es sich nicht um ein beiderseitiges Handelsgeschäft handelt. § 354 Abs. 1 H G B kann zumindest gegenüber der Personengesellschaft ebenfalls nicht zum Tragen kommen, da insoweit ein Vorrang der Gewinnverteilungsregelungen besteht 65 . Unabhängig von der Kaufmannseigenschaft der persönlich haftenden Gesellschafter richtet sich schließlich auch die persönliche Gesellschafterhaftung (§ 128 H G B ) wegen 62 So aber Canaris, Handelsrecht, § 23 Rn. 7; speziell zu § 348 H G B auch Schach, Die kaufmannsähnlichen Personen, S. 348f.; mit Recht krit. Neuner, Z H R 157 (1993), 243, 285. 63 Zur schematischen Betrachtung der gesellschaftsgebundenen Unternehmerstellung siehe generell 1. Kap. § 3 C III lb; vgl. dazu im hiesigen Zusammenhang auch K. Schmidt, ZIP 1986, 1510,1515 (analoge Anwendung auf den geschäftsführenden und vertretungsberechtigten Gesellschafter einer O H G , K G oder Kapitalgesellschaft, den von der Geschäftsführung und Vertretung ausgeschlossenen persönlich haftenden Gesellschafter und den geschäftsleitenden Kommanditisten); Staudinger///or«, § 766 Rn. 6 (Analogiemöglichkeit zumindest bei Gesellschafter-Geschäftsführern); gegen eine Anwendung des § 350 H G B auf Kommanditisten allerdings B G H v. 24.1.1980 N J W 1980, 1572, 1574; gegen eine Anwendung auf Alleingesellschafter-Geschäftsführer einer G m b H B G H v. 12.5.1986 W M 1986, 939 und B G H v. 28.1.1993 B G H Z 121,224, 228. 64 Zöllner, D B 1964, 795, 797; a.A. A. Hueck, O H G , S. 29. 65 Dazu bereits 2. Kap. § 1 A III la aa (aaa).
§2
291
Einzelne Fälle der Statusvermittlung
ihrer grundsätzlichen Inhaltsgleichheit automatisch nach den handelsrechtlic h e n Regelungen 6 6 . I n den verbleibenden Fällen wird man eine Analogie zu den §§ 3 5 2 f f . H G B eher verneinen müssen, da die Stärkung des Entgeltlichkeitsprinzips im H a n delsrecht letztlich auf dem U m s t a n d beruht, daß die Kaufleute ein auf G e w i n n - bzw. Entgelterzielung gerichtetes G e w e r b e betreiben und dies nach außen hin offenkundig ist, so daß der R e c h t s v e r k e h r redlicherweise von einer Tätigkeitsvergütung bzw. e r h ö h t e n und ab Fälligkeit zu gewährenden V e r z i n sung ausgehen muß 6 7 . D a diese V e r m u t u n g j e d o c h nur zugunsten der Gesellschaft als der B e t r e i b e r i n des H a n d e l s g e w e r b e s und nicht auch für ihre G e sellschafter zutrifft, fehlt es im H i n b l i c k auf den N o r m z w e c k der §§ 3 5 2 f f . H G B an der für ihre analoge A n w e n d u n g auf den U n t e r n e h m e r g e s e l l s c h a f t e r erforderlichen Vergleichbarkeit der Sachverhalte.
7. Schutz des guten Glaubens in die Verfügungsbefugnis Unternehmergesellschafters
eines
N a c h § 3 6 6 H G B i.V.m. §§ 9 3 2 f f . B G B wird unter b e s t i m m t e n Voraussetzungen auch der gute G l a u b e in die vorbehaltlose Verfügungsbefugnis eines K a u f m a n n s bzw. eines K l e i n g e w e r b e t r e i b e n d e n i.S.d. §§ 3 8 3 A b s . 2 S. 2, 4 0 7 A b s . 3 S. 2, 453 A b s . 3 S. 2 und 4 6 7 A b s . 3 S. 2 H G B geschützt. D a b e i wird die weitere A u s d e h n u n g des G u t g l a u b e n s s c h u t z e s auf Veräußerungen o d e r Verpfändungen anderer Unternehmensträger 6 8 und insbesondere eines Scheinkaufmanns 6 9 ganz überwiegend mit der B e g r ü n d u n g abgelehnt, daß der gutgläubige E r w e r b den wahren B e r e c h t i g t e n treffe und diesem der Vertrauenstatbestand, der n o c h nicht in der b l o ß e n Besitzüberlassung gesehen werden k ö n n e , unter B e r ü c k s i c h t i g u n g der auf beiden Seiten bestehenden Interessen nicht zugerechnet werden k ö n n e . F ü r einen U n t e r n e h m e r g e s e l l s c h a f t e r im o b e n dargestellten Sinne gilt diese grundsätzlich zutreffende B e g r ü n d u n g j e d o c h n u r insoweit, als dieser ü b e r bewegliche Sachen verfügt, die weder in seinem E i g e n t u m n o c h in dem der Gesellschaft stehen. Sofern der U n t e r n e h m e r g e s e l l s c h a f t e r d e m g e g e n ü b e r im H a n d e l s g e w e r b e der Gesellschaft eine im E i g e n t u m der Gesellschaft stehende bewegliche Sa-
So bereits Zöllner, DB 1964, 795, 797. Siehe dazu etwa für § 354 Abs. 1 HGB RG v. 6.11.1928 RGZ 122, 229, 232; RG v. 22.2.1938 JW 1938, 1175, 1176; BaumbachIHopt, § 354 Rn. 1. 68 Schach, Die kaufmannsähnlichen Personen, S. 350ff.; Heymann/Horn, § 366 Rn. 4; a.A. K. Schmidt, Handelsrecht, § 23 II la. 69 RG v. 6.4.1929 LZ 1929, 778; OLG Düsseldorf v. 18.11.1998 NJW-RR 1999,615f.; Schlegelberger/Hefermehl, § 366 Rn. 26; Bülow, AcP 186 (1986), 576, 581 ff.; offengelassen BGH v. 9.11.1998 NJW 1999, 426, 427; a.A. unter Hinweis auf die vergleichbare Schutzwürdigkeit des Erwerbers Canaris, Vertrauenshaftung, S. 181 f. 66 67
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Statusrelevanz
der
Unternehmergesellschafterstellung
che im eigenen Namen oder ohne Vertretungsmacht 70 veräußert bzw. verpfändet und der Erwerber bzw. Pfandnehmer lediglich hinsichtlich der Verfügungs- bzw. Vertretungsbefugnis des Gesellschafters gutgläubig ist, besteht eine besondere Situation. Hier kann wegen der engen Verbindung zwischen der Gesellschaft und ihrem u.a. auch der Kontrolle der Gesellschaftsorgane unterliegenden Unternehmergesellschafter zum einen nicht davon gesprochen werden, daß der von dem Unternehmergesellschafter eingeleitete gutgläubige lastenfreie Erwerb auf Kosten eines unter Risikoverteilungsgesichtspunkten Unbeteiligten erfolgt 71 . Zum anderen besteht ein besonderes Schutzbedürfnis des Rechtsverkehrs, da die Veräußerung bzw. Verpfändung des U n ternehmergesellschafters immerhin im Rahmen eines echten Handelsgewerbes erfolgt, wenn der Gesellschafter auch nicht im Namen der Gesellschaft bzw. mit Wirkung für diese gehandelt hat. Für diesen Sonderfall wird man schließlich auch von der planwidrigen Lückenhaftigkeit des Gesetzes ausgehen können, da anzunehmen ist, daß der Gesetzgeber diese besonderen Fälle nicht berücksichtigt hat72.
8. Geltung statusrechtlicher Privilegien a) Befähigung zum
Handelsrichteramt
Aufgrund einer teleologischen Extension des § 109 Abs. 1 G V G sollte ein unternehmerisch tätiger Gesellschafter unter den übrigen Voraussetzungen zum ehrenamtlichen Richter einer Kammer für Handelssachen (Handelsrichter gem. § 45a D R i G ) ernannt werden können. Zwar spricht hiergegen der Wortlaut der Vorschrift, der an die (frühere) Eintragung als Kaufmann im Handelsregister bzw. an eine bestimmte Vorstands-, Geschäftsführer- oder Prokuristenstellung anknüpft, doch kann dies angesichts des Normzwecks, mit Hilfe der (früheren) Kaufmanns-, Organ- oder Prokuristenstellung typisierte Qualifikationsanforderungen aufzustellen 73 , nur als ein Redaktionsver70 Zur umstrittenen (analogen) Anwendung des § 366 H G B auf Fälle der fehlenden Vertretungsbefugnis siehe nur K. Schmidt, Handelsrecht, § 23 III (befürwortend) und Canaris, Handelsrecht, § 29 I 3d (ablehnend). 71 Vgl. dazu auch die umstrittene analoge Anwendung des § 366 H G B in Fällen, in denen sich der wahre Berechtigte mit dem Auftreten des Veräußerers als Scheinkaufmann einverstanden erklärt hat (zum Streitstand und im Ergebnis allerdings ablehnend Bülow, AcP 186 (1986), 576, 588ff.). 72 Vgl. dazu auch B G H v. 23.4.1951 B G H Z 2, 37, 49ff. (planwidrige Regelungslücke hinsichtlich der Nichterfassung der Reichs- bzw. Bundesbahn); O L G Düsseldorf v. 18.11.1998 N J W - R R 1999, 615, 616 (keine planwidrige Regelungslücke) und K. Schmidt, Handelsrecht, § 23 II la (analoge Anwendung des § 366 H G B auf sonstige Unternehmensträger allerdings ohne explizite Erörterung der Planwidrigkeit, die insoweit von Schmidt seit 1998 nur noch als gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung für möglich gehalten wird - § 3 II 3c). 73 Siehe dazu nur Kissel, G V G § 109 Rn. 6.
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Einzelne Fälle der
Statusvermittlung
293
sehen betrachtet werden 74 . So wird sogar bisweilen die unterbliebene Nennung der grundsätzlich auch als Geschäftsführer fungierenden persönlich haftenden Gesellschafter von Personenhandelsgesellschaften als Ausdruck für deren stillschweigende Einbeziehung in die Kaufmannseigenschaft gewertet75. Von einer grundsätzlichen Befähigung zum Handelsrichteramt kann aber nicht nur bei persönlich haftenden Gesellschaftern einer Personenhandelsgesellschaft, sondern überhaupt bei unternehmerisch tätigen Gesellschaftern ausgegangen werden76. Lediglich zur Vermeidung von Unsicherheiten hinsichtlich der Wirksamkeit der Ernennung 77 sollte die Befähigung zum Handelsrichteramt eine Beteiligung des Gesellschafters an der Geschäftsführung78 oder eine Kapitalbeteiligung von zumindest 2 5 % voraussetzen. b)
Börsentermingeschäftsfähigkeit
Obwohl das traditionelle Privileg der generellen Börsentermingeschäftsfähigkeit von (früheren) eingetragenen Kaufleuten nach § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BörsG immer wieder der rechtspolitischen Kritik ausgesetzt war, wurde es vom Gesetzgeber mit lediglich geringfügigen Korrekturen beibehalten. Das Privileg hat lediglich durch das 1989 eingeführte Informationsmodell (§ 53 Abs. 2 und 3 BörsG) und die Einbeziehung des gewerbsmäßigen Betreibens von Börsentermingeschäften (§ 53 Abs. 1 S. 2 BörsG) an praktischer Bedeutung verloren. Hinter der Regelung steht die Vermutung, daß die kaufmännische Geschäftserfahrung typischerweise auch das Bedürfnis nach einer gesonderten Aufklärung über die Risiken von Börsentermingeschäften entfallen läßt79, wobei die formale Anknüpfung am Kaufmannsbegriff der §§ 1 ff. H G B der Rechtssicherheit dienen soll80. Die nach einer Klarstellung des Gesetzgebers unbestritten auch bei Privatgeschäften des Kaufmanns bestehende81 Börsentermingeschäftsfähigkeit wird nach herrschender Meinung auf die persönlich haftenden Gesellschafter 82 , nicht jedoch auf den Kommanditisten 83 , die 74 Für eine abschließende Aufzählung der in Betracht kommenden Personen allerdings Kissel, GVG § 109 Rn. 12. 75 A. Hueck, OHG, S. 29f. 76 Zur vorrangig auf die Unternehmerinitiative bezogenen Gesamtbetrachtung der gesellschaftsgebundenen Unternehmerstellung siehe generell 1. Kap. § 3 C III 2a i.V.m. II. 77 Zu den rechtlichen Konsequenzen der Unsicherheit siehe Kissel, GVG § 109 Rn. 5 und § 113 Rn. 2. 78 Für die Mitglieder von Vertretungsorganen juristischer Personen gilt dies bereits nach § 109 Abs. 1 Nr. 3 GVG. 79 Schwark, BörsG § 53 Rn. 4. 80 Schäfer//rmra, BörsG § 53 Rn. 2; Schwark, BörsG § 53 Rn. 4; Kumpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 15.133. 81 BT-Drucks. 11/4177, S. 19; SchäferUrmen, BörsG §53 Rn. 7; Staub/Brüggemann § 1 Rn. 33; dazu auch bereits O L G Düsseldorf v. 23.3.1914 BankArchiv 13, 259. 82 O L G Frankfurt/M. v. 18.1.1996 WM 1997, 2164, 2168; O L G Düsseldorf v. 23.3.1914 BankArchiv 13, 259; Assmann, FS Heinsius, S. 1,12 und 14; Schwark, BörsG § 53 Rn. 4; Schä-
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der
Unternehmergesellschafterstellung
Gesellschafter 84 bzw. Organe 85 juristischer Personen und den Scheinkaufmann 86 erstreckt. Wiederum wird zur Begründung angeführt, daß die persönlich haftenden Gesellschafter letztlich die Gesellschaft betreiben würden 87 . Die derzeitige Regelung und Handhabung des § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BörsG vermag nicht zu überzeugen. De lege lata kann zwar die vom Gesetzgeber bewußt vorgenommene Anknüpfung an den Kaufmannstatbestand der §§ 1 ff. HGB nicht in Frage gestellt werden 88 , doch sollte damit auch die Einbeziehung der persönlich haftenden Gesellschafter, die nach zutreffender Ansicht nicht zu den Kaufleuten gezählt werden können, ausgeschlossen sein. Da die zu unterstellende Geschäftserfahrung etwa eines eingetragenen Kleingewerbetreibenden oder eines Lebensmittelgroßhändlers keineswegs auch auf eine Börsentermingeschäftserfahrung schließen läßt, böten sich de lege ferenda zwei Möglichkeiten an: Zum einen könnte man etwa nach dem Modell des § 1 0 9 Abs. 1 Nr. 3 GVG eine Einbeziehung aller typischerweise überhaupt geschäftserfahrenen Personen vornehmen, zu denen dann nicht nur die eingetragenen Kaufleute, sondern auch die Mitglieder der Leitungsorgane und die unternehmerisch tätigen Gesellschafter gehören würden. Vorzugswürdig wäre es jedoch, durch eine Streichung des § 53 Abs. 1 S. 1 BörsG auch die Kaufleute nur unter den Voraussetzungen des § 53 Abs. 1 S. 2 bzw. Abs. 2 BörsG als börsentermingeschäftsfähig anzusehen. Im Zusammenhang mit der Verabschiedung des 4. Finanzmarktförderungsgesetzes deutet sich allerdings ohnehin eine grundlegende Reform der gesamten Materie an.
c)
Prorogationsfähigkeit
Kaufleute können nach § 38 Abs. 1 ZPO die Zuständigkeit eines an sich unzuständigen Gerichts vereinbaren und nach § 29 Abs. 2 ZPO durch Vereinbarung über den Erfüllungsort den besonderen Gerichtsstand des vertraglichen Erfüllungsorts festlegen. Dies soll nach herrschender Meinung ebenfalls für die persönlich haftenden Gesellschafter 89 sowie den Scheinkauff e r U r m e n , BörsG § 53 Rn. 7; Rümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 15.134; krit. Baumbach/Hopt, § 53 BörsG Rn. 3. 83 Schäfer//rme«, BörsG § 53 Rn. 8; Baumbach/Hopt, § 53 BörsG Rn. 3. 84 RG v. 27.10.1914 RGZ 85, 380, 383 (Alleingesellschafter einer GmbH); BGH v. 25.4.1988 W M 1988, 857, 858 (zu 90% beteiligter GmbH-Gesellschafter mit faktischer Geschäftsführerstellung). 85 BGH v. 25.4.1988 WM 1988, 857, 858 (faktische Geschäftsführerstellung); Schwark, BörsG § 53 Rn. 5; SchäferUrmen, BörsG § 53 Rn. 9; zu gewissen Wertungswidersprüchen siehe Assmann, FS Heinsius, S. 1, 11 f.; SchäferUrmen, BörsG § 53 Rn. 2. 86 BGH v. 12.4.1984 WM 1984, 1245, 1246; Schwark, BörsG § 5 3 Rn. 4; Schäfer Urmen, BörsG § 53 Rn. 5. 87 Schwark, BörsG § 53 Rn. 4. 88 Dazu auch etwa Schwark, BörsG § 53 Rn. 4. 89 Häuser, JZ 1980, 761 f.; MünchKommZPO/Aito>M, § 3 8 Rn. 15; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, § 38 ZPO Rn. 17.
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Einzelne Fälle der
Statusvermittlung
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mann 90 , nicht jedoch für die Kommanditisten und die Gesellschafter oder Organmitglieder einer Kapitalgesellschaft gelten 91 , auch wenn die Gerichtsstandsvereinbarung ihrem privaten Tätigkeitskreis zuzuordnen ist92. Die Wiederherstellung der Vertragsfreiheit für Kaufleute beruht dabei auf dem Gedanken, daß dieser Personenkreis typischerweise über die nötige Geschäftserfahrung verfügt, um die Tragweite einer Gerichtsstandsvereinbarung zu erfassen93. Hiervon ist auch für Unternehmergesellschafter grundsätzlich auszugehen, so daß ihre Prorogationsfähigkeit nach dem Normzweck des Prorogationsverbots 94 und der mit ihrer Anknüpfung an den Kaufmannstatbestand zu eng geratenen Vorschrift 95 durchaus in Betracht zu ziehen ist. Angesichts der in dieser Arbeit befürworteten generellen Herausnahme der Gesellschafter aus dem Kaufmannstatbestand könnte die Prorogationsfähigkeit von Unternehmergesellschaftern allerdings nur im Wege der Analogie bzw. einer teleologischen Restriktion des Prorogationsverbots begründet werden. Eine analoge Anwendung der Vorschrift auf die einem Kaufmann vergleichbar geschäftserfahrenen Personen hat der Gesetzgeber jedoch ausdrücklich abgelehnt, da die schematische Anknüpfung an den Kaufmannstatbestand der Rechtssicherheit diene 96 . Von einer planwidrigen Regelungslücke könnte mithin nur hinsichtlich der persönlich haftenden Gesellschafter ausgegangen werden, sofern man diese entgegen der noch herrschenden und auch vom Gesetzgeber stillschweigend zugrundegelegten Ansicht vom Kaufmannsbegriff ausnimmt. Wegen der fehlenden besonderen Schutzwürdigkeit ist den Unternehmergesellschaftern de lege ferenda aber überhaupt die Prorogationsfähigkeit zuzusprechen. Im Interesse der Vermeidung von Zuständigkeitsstreitigkeiten sind die Voraussetzungen der Prorogationsfähigkeit lediglich zu schematisieren, so daß sie im Ergebnis nur denjenigen Gesellschaftern zukommt, die entweder über eine Mitgliedschaft im Leitungsorgan und eine namhafte Kapitalbeteiligung in Höhe von mindestens 5 % (börsennotierte Aktiengesellschaften) bzw. 10% (übrige Gesellschaften) oder über eine ausschließlich kapitalmäßige Beteiligung in Höhe von mindestens 25 % verfügen. 90 O L G Frankfurt/M. v. 30.9.1974 M D R 1975, 232, 233; M ü n c h K o m m Z P O / P a i z i w a , § 38 R n . 15; a.A. Stein/Jonas/Bork, § 38 Z P O R n . 4. " Stein/Jonas/Bork, § 38 Z P O R n . 4. 92 BT-Drucks. 7/1384, S. 3; Häuser, J Z 1980, 761 m . N . z u r Gegenansicht; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, § 38 Z P O R n . 17. 93 BT-Drucks. 7/1384, S. 3; Münc\JLommZVO/Patzina, § 3 8 R n . 17; Stein/Jonas/ßor&, § 38 Z P O R n . 3. 94 Z u m durch das Prorogationsverbot angestrebten Schutz des rechtlich u n k u n d i g e n u n d geschäftlich u n g e w a n d t e n Schuldners siehe BT-Drucks. 7/1384, S. 1; eingehend Kornblum, Z H R 138 (1974), 478, 479ff. 95 Siehe dazu auch die insbesondere auf die Einbeziehung bestimmter Freiberufler gem ü n z t e Kritik von Kornblum, Z H R 138 (1974), 478, 486ff. 96 BT-Drucks. 7/1384, S. 3; Kornblum, Z H R 138 (1974), 478, 490; M ü n c h K o m m Z P O / Patzina, § 38 R n . 17; Stein/Jonas/ßor&, § 38 Z P O R n . 5.
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der
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B. Verbraucher- und Unternehmereigenschaft im bürgerlich-rechtlichen Verbraucherschutzrecht Im bürgerlich-rechtlichen Verbraucherschutzrecht hat die allerdings nicht alle Fälle abdeckende 97 Unterscheidung zwischen dem Verbraucher ( § 1 3 B G B ) und dem Unternehmer (§ 14 B G B ) nicht zuletzt auch aufgrund europarechtlicher Vorgaben die traditionelle Unterscheidung zwischen Kaufleuten und Nichtkaufleuten abgelöst. Die allgemeine gesetzliche Bestimmung der Schlüsselbegriffe des bürgerlich-rechtlichen Verbraucherschutzrechts in §§ 13 f. B G B ist zu begrüßen, wenn auch ihre systematische Einordnung in den Titel über natürliche Personen des Allgemeinen Teils und die offensichtlich mißglückte Formulierung des Gesetzestextes kritisiert werden müssen 98 . In Anlehnung an die gemeinschaftsprivatrechtlichen" und bislang in den speziellen deutschen Verbraucherschutzgesetzen enthaltenen Definitionen des Verbrauchers bzw. Unternehmers 100 kommt es für die Zuordnung einer Person oder Personenvereinigung darauf an, ob diese im privaten (Verbraucher) oder im gewerblichen bzw. selbständigen beruflichen (Unternehmer) Tätigkeitskreis handelt. Da der deutsche Gesetzgeber damit abweichend vom E G Recht auch den im beruflichen Bereich handelnden Arbeitnehmer als Verbraucher ansieht 101 , kann der für das gesamte deutsche bürgerlich-rechtliche Verbraucherschutzrecht einheitlich zu bestimmende Normzweck nur aus ei97 Zumindest nach dem Wortlaut des § 13 B G B sind juristische Personen und Personengesellschaften vom Verbraucherbegriff ausgenommen, während sie auf der anderen Seite nach § 14 B G B nur dann als Unternehmer angesehen werden, wenn sie im konkreten Fall in Ausübung einer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handeln; zur allgemein befürworteten Einbeziehung der zu privaten Zwecken handelnden Gesellschaften bürgerlichen Rechts in den Verbraucherbegriff siehe allerdings generell Palandt/Heinrichs, § 13 Rn. 2 und Flume, ZIP 2000, 1427, 1428 sowie für das frühere VerbrKrG (jetzt § § 4 9 1 ff., 655aff. B G B ) Martis, Verbraucherschutz, S. 8 und für das frühere A G B G (jetzt §§ 305ff. B G B ) Ulmer/ Brandner/Hensen/.SraWne?', § 24a Rn. 19, 22. 98 Zutreffend Palandt/Heinrichs, § 13 Rn. 1 und 4; nur teilweise überzogen Flume, ZIP 2000,1427f.; die Schwächen resultieren auch aus der offensichtlich gedankenlosen Übernahme und Verallgemeinerung (BT-Drucks. 14/2658, S. 47f.) der aus ihrem Kontext gerissenen Definitionen der § § 2 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 bzw. 24a S. 1 A G B G (in der Fassung vom 1.7.1998 bis 30.9.2000). 99 Das Gemeinschaftsprivatrecht definiert den Verbraucher im allgemeinen als eine Person, die bei den unter die jeweilige Richtlinie fallenden Verträgen zu einem Zweck handelt, der nicht ihrer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann (dazu etwa Art. 2 lit. b der Richtlinie 9 3 / 1 3 / E W G über mißbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, Abl.EG Nr. L 95 v. 21.4.1993, S. 29 oder Art. 1 Abs. 2 lit. a der Verbraucherkreditrichtlinie 87/ 102/EWG, Abl.EG 1987 Nr. L 42 v. 12.2.1987, S. 48). 100 Siehe dazu § 1 Abs. 1 VerbrKrG (Fassung bis 30.9.2000), § 6 Nr. 1 HaustürWG (in der bis 31.12.2001 geltenden Fassung) und § 24 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 bzw. § 24a S. 1 A G B G (in der Fassung vom 1.7.1998 bis 30.9.2000). 101 Dazu und zur gemeinschaftsprivatrechtlichen Zulässigkeit Bülow/Artz, N J W 2000, 2049, 2050f.; Palandt /Heinrichs, § 13 Rn. 3.
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ner Kombination zweier Rechtsgedanken gewonnen werden. Zum einen geht es um die besondere Schutzbedürftigkeit eines geschäftlichen Handelns im privaten Bereich, das typischerweise bei allen Personen und Personenvereinigungen unabhängig von ihren intellektuellen Fähigkeiten und ihrer generellen geschäftlichen Gewandtheit für das konkrete Geschäft eine Unterlegenheit gegenüber dem in seinem Geschäftskreis aufmerksam und routiniert handelnden Geschäftspartner erwarten läßt 102 . Zum anderen wird die besondere Schutzbedürftigkeit aber auch dann unterstellt, wenn die betreffende Person zwar in ihrem beruflichen Tätigkeitskreis, dort aber im wesentlichen nicht eigenverantwortlich und weisungsgebunden agiert 103 . Da es in allen Anwendungsfällen des § 13 B G B jedoch auf den besonderen Schutz des Verbrauchers vor übereiltem und/oder uninformiertem Handeln (z.B. §§ 312, 492ff. B G B ) , vor unangemessener Benachteiligung (z.B. §§ 308, 309 B G B ) sowie vor bestimmten belästigenden Methoden des Direktmarketings (z.B. §§ 241a, 661a B G B ) ankommt 104 , kann anders als im Handelsrecht, dessen disparater Normenbestand ganz unterschiedlichen Zwecken dient, daher auch allgemein für das bürgerlich-rechtliche Verbraucherschutzrecht festgelegt werden, unter welchen Voraussetzungen ein Unternehmergesellschafter als Verbraucher oder Unternehmer anzusehen ist.
I. Einbeziehung von Unternehmergesellschaftern in den Verbraucherbegriff Verbraucher ist nach dem Wortlaut des § 13 B G B eine natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu einem Zweck abschließt, der weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann 105 . Damit wollte der Gesetzgeber natürlichen Personen unabhängig von ihren intellektuellen Fähigkeiten und ihrer geschäftlichen Erfahrung immer 102 Zu diesem gemeinschaftsprivatrechtlichen Konzept des Verbraucherschutzes auch Bülow/Artz, N J W 2000,2049, 2050 und Faber, ZEuP 2000, 854, 865 ff.; allerdings noch im Widerspruch zum Wortlaut des § 1 Abs. 1 VerbrKrG a.F. auf die Schutzbedüftigkeit im Hinblick auf Ausbildung und Berufserfahrung abstellend BT-Drucks. 11/5462, S. 17. 10:1 Eine mit Recht genau gegenteilige Wertung enthält allerdings etwa § 53 Abs. 1 S. 2 BörsG. 104 Siehe dazu nur BT-Drucks. 14/2658, S. 16ff.; für § 24 A G B G (jetzt § 310 Abs. 1 B G B ) ist dies im Gegensatz zu § 24a A G B G (jetzt § 310 Abs. 3 B G B ) allerdings nicht unumstritten (siehe dazu nur Wolf/Horn/Lindacher/Wor», § 24 Rn. 1 und 9, der zutreffend in § 24 A G B G - jetzt § 310 Abs. 1 B G B - eine Herabsetzung des Schutzniveaus erblickt, und Ulmer/B randner/HensenIBrandner, § 24 Rn. 7, der wegen der Geltung des § 9 A G B G - jetzt § 307 B G B nur von der Herstellung einer größeren Beweglichkeit bei der Anwendung der Schutzmaßstäbe ausgeht). 105 Zur berechtigten Kritik an der Eingrenzung auf natürliche Personen und den Abschluß von Rechtsgeschäften sowie an der sprachlich mißglückten Formulierung des Tatbestandes („ein", „ihrer") siehe nur Palandt/Heinrichs, § 13 Rn. 1 und 4 sowie Flume, ZIP 2000, 1427f.
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3. Kapitel: Statusrelevanz
der
Unternehmergesellschafterstellung
dann den Status eines Verbrauchers zuerkennen, wenn sie außerhalb eines eigenen gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeitskreises handeln 106 . Bedeutung hat dieser nach zutreffender Ansicht zumindest auf Personengesellschaften 107 zu erstreckende Verbraucherbegriff derzeit insbesondere für die §§ 241a, 286 Abs. 3, 288 Abs. 2, 310 Abs. 3, 312ff., 355ff., 474ff., 481 ff., 491 ff., 655aff., 661a B G B und § 1031 Abs. 5 Z P O . Prinzipiell fällt auch der gesellschafts- und betriebsbezogen handelnde Unternehmergesellschafter unter den Verbraucherbegriff des § 13 B G B , da er als solcher rechtlich weder zu eigenen gewerblichen noch zu selbständigen beruflichen Zwecken handelt 108 . Es stellt sich jedoch die Frage, ob der Verbraucherbegriff insoweit nicht teleologisch reduziert werden muß, weil der Unternehmergesellschafter immerhin im Bereich seiner gesellschaftsgebundenen Unternehmertätigkeit und Berufsausübung handelt und insoweit auch im Hinblick auf den Normzweck des bürgerlich-rechtlichen Verbraucherschutzrechts als nicht besonders schutzwürdig erscheint. Die Frage der Verbrauchereigenschaft eines Unternehmergesellschafters ist insbesondere im Rahmen des früheren VerbrKrG 1 0 9 (jetzt §§ 491 ff., 655aff. B G B ) und des früheren HaustürWG 1 1 0 (jetzt § 312 B G B ) in Fällen relevant geworden, in denen ein Gesellschafter für eine betriebsbezogene Kreditverbindlichkeit der Gesellschaft die Mithaftung bzw. Bürgenhaftung übernommen hat. Da die Regelungen über Verbraucherdarlehensverträge analog auch auf den Schuldbeitritt 111 und nach zutreffender Ansicht zudem auf die Bürgschaftsverpflichtung 112 anwendbar sind, stellt sich in diesen Fällen die Frage, ob der Zweck des Sicherungsgeschäfts unabhängig vom gewerblichen bzw. beruflichen Zweck der Gesellschaftsverbindlichkeit als privater gekennzeichnet werden kann und ob auch ein Unternehmergesellschafter die Mit- bzw. Bürgenverpflichtung zu privaten Zwecken übernimmt. Vgl. dazu auch Palandt/Heinrichs, § 13 Rn. 2. Palandt/Heinrichs, § 13 Rn. 2; Flume, ZIP 2000, 1427, 1428; zur möglichen Erstreckung auf Idealvereine und gemeinnützige Stiftungen Faber, ZEuP 2000, 854, 862 f. und Flume, ZIP 2000, 1427, 1428. 108 Das wird auch eingeräumt von Kurz, NJW 1997, 1828f.; Rehmann, DZWiR 1996, 459f. und Drescher, Verbraucherkreditgesetz, Rn. 35. , 0 ' BGH v. 5.6.1996 BGHZ 133, 71, 74f. (Schuldbeitritt einer GmbH-Mehrheitsgesellschafterin und Alleingeschäftsführerin); BGH v. 25.2.1997 NJW 1997, 1443, 1444 (Alleingesellschafter-Geschäftsführerin); O L G Karlsruhe v. 25.2.1997 WM 1997, 1341, 1343 (Schuldbeitritt eines GmbH-Geschäftsführers); Martis, Verbraucherschutz, S. 12 ff. 110 O L G Köln v. 15.12.1995 BB 1996, 1524 (Mehrheitsgesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH). nl So zum früheren VerbrKrG BGH v. 5.6.1996 BGHZ 133, 71, 74f.; BGH v. 25.2.1997 NJW 1997, 1443, 1444; O L G Karlsruhe v. 25.2.1997 WM 1997, 1341, 1343; Martis, Verbraucherschutz, S. 12 ff. 1,2 Dazu Martis, Verbraucherschutz, S. 16f. m.w.N.; ablehnend insbesondere BGH v. 21.4.1998 BGHZ 138, 321 bestätigt durch EuGH v. 23.3.2000 NJW 2000, 1323 (sämtlich zum früheren VerbrKrG). 106 107
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Statusvermittlung
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Beide Fragen wurden von der herrschenden Meinung für das frühere VerbrKrG bejaht 113 . Hinsichtlich der getrennten Betrachtung des Kredit- und Sicherungsgeschäfts ist dem auch zuzustimmen, da es durchaus denkbar ist, daß unabhängig von der Unternehmereigenschaft der Gesellschaft wie etwa in dem Fall der Mitverpflichtung von Familienangehörigen eines Gesellschafters ein gesondertes Bedürfnis nach Schutz des Schuldmitübernehmers bzw. Bürgen entsteht. Gerade an einer solchen Schutzbedürftigkeit wird es bei einer betriebsbezogenen Schuldmitübernahme bzw. Bürgenverpflichtung von Unternehmergesellschaftern aber regelmäßig fehlen 114 , so daß insoweit eine teleologische Reduktion des § 491 Abs. 1 i.V.m. § 13 B G B mit der Folge zu erwägen ist, daß eine analoge Anwendung der Vorschriften über Verbraucherdarlehensverträge auf das Sicherungsgeschäft ausnahmsweise nicht in Betracht kommt. Hierfür spricht neben der typischerweise gegebenen Geschäftserfahrenheit eines unternehmerisch tätigen Gesellschafters zunächst der wirtschaftliche Hintergrund des Sicherungsgeschäfts, das dem Kreditgeber zwar eine zusätzliche private Sicherheit verschafft, für den U n ternehmergesellschafter jedoch Bestandteil seiner Sonderbeziehung zur Gesellschaft und seiner gesellschaftsgebundenen unternehmerischen Betätigung ist 115 . Damit erscheint es bereits bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise als gekünstelt, von einem Handeln des Unternehmergesellschafters zu privaten Zwecken zu sprechen 116 . Darüber hinaus müssen aber auch die beiden zentralen rechtlichen Argumente der herrschenden Auffassung für die Einordnung des Sicherungsgeschäfts in den privaten Bereich jeweils für sich relativiert und zumindest in ihrer Kombination in Frage gestellt werden. So ist es zunächst unzutreffend, die unternehmerische Gesellschaftsbeteiligung als bloße private Vermögensverwaltung zu bezeichnen 117 . Durch seine Mitverwaltungsrechte und gegebenenfalls auch durch seinen faktischen Einfluß verfügt der maßgeblich beteiligte
113 B G H v. 5.6.1996 B G H Z 133, 71, 76ff.; B G H v. 25.2.1997 N J W 1997, 1443, 1444; O L G Karlsruhe v. 25.2.1997 W M 1997,1341,1343; Marlis, Verbraucherschutz, S. 12f.; a.A. Drescher, Verbraucherkreditgesetz, Rn. 34f.; für den Mehrheitsgesellschafter-Geschäftsführer auch O L G Köln v. 15.12.1995 B B 1996,1524 (für § 6 Abs. 1 HaustürWG a.F. und obiter für das frühere VerbrKrG); Godefroid, B B 1994 Beilage Nr. 6, S. 16; Kurz, N J W 1997, 1828f. und Rebmann, DZWiR 1996, 459f. 114 Kurz, N J W 1997, 1828, 1829; vgl. dazu auch im Zusammenhang mit § § 3 , 9 A G B G (jetzt §§ 305c Abs. 1, 307 B G B ) und § 138 B G B B G H v. 11.12.1997 N J W 1998, 894 (keine typische Unterlegenheit von maßgeblich beteiligten Gesellschaftern und von Organmitgliedern). 115 Zur Bedeutung von Gesellschaftersicherheiten für die Sonderbeziehung zwischen Unternehmergesellschafter und Gesellschaft siehe näher 2. Kap. § 1 A III 2b. 116 Ebenso Rebmann, D Z W i R 1996,459, 460; entgegen Drescher, Verbraucherkreditgesetz, Rn. 35 sollte man hierzu allerdings nicht auf die ohnehin fragwürdige Rechtsprechung zur Identifikation des GmbH-Gesellschafter-Geschäftsführers mit der Gesellschaft verweisen. " 7 So aber B G H v. 5.6.1996 B G H Z 133, 71, 77 U O L G Karlsruhe v. 25.2.1997 W M 1997, 1341, 1343; Martis, Verbraucherschutz, S. 13.
300
3. Kapitel:
Statusrelevanz
der
Unternehmergesellschafterstellung
Gesellschafter nämlich über vielfältige Möglichkeiten, die Geschäftstätigkeit der Gesellschaft zumindest mitzubestimmen und dies nicht nur im Interesse einer Mehrung seines Privatvermögens, sondern auch zur Verfolgung seiner unternehmenspolitischen Ziele118. Nicht ohne Einschränkungen kann auch der Verweis auf die Angestelltenstellung eines Gesellschafter-Geschäftsführers hingenommen werden, da die herrschende Ansicht den Anstellungsvertrag eines einflußreichen Gesellschafters und sogar denjenigen eines Fremdgeschäftsführers nicht als Arbeitsvertrag, sondern als einen Dienstvertrag des selbständig Tätigen einordnet' 19 . Als endgültig verfehlt muß jedenfalls die Annahme eines privaten Sicherungsgeschäfts dann erscheinen, wenn sich die unternehmerische Gesellschaftsbeteiligung mit einer organschaftlichen Vertretungsbefugnis verbindet, wobei es sich nicht einmal um den Extremfall eines Alleingesellschafter-Geschäftsführers zu handeln braucht 120 . Schließlich kann der teleologischen Reduktion des Anwendungsbereichs der §§ 491 ff. BGB auch nicht entgegengehalten werden, daß diese Vorschriften im Interesse des Verbraucherschutzes im Zweifel Anwendung finden müßten 121 , da man sich ohnehin bereits in einem vom Gesetz nicht mehr erfaßten Bereich befindet und es sich zudem nicht um eine unklare Tatsachenfrage, sondern eine Rechtsanwendungsfrage handelt 122 , die ausschließlich unter Rückgriff auf den Normzweck des deutschen 123 bürgerlich-rechtlichen Verbraucherschutzrechts zu beantworten ist. Allenfalls könnte man noch ein
118 Zu den unternehmenspolitischen Interessen eines Unternehmergesellschafters siehe 2. Kap. § 1 C I 1 . 1,9 Dazu näher 3. Kap. § 2 D I 1; siehe hier nur BGH v. 11.7.1953 BGHZ 10, 187, 191 f. (für den Vorstand einer AG); BGH v. 26.3.1984 BGHZ 91, 1, 3 (für GmbH-Geschäftsführer) und für die Gegenansicht Scholz/U.H. Schneider, § 3 5 Rn. 160 (grundsätzliche Arbeitnehmereigenschaft des Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführers einer GmbH). 120 So auch Rebmann, DZWiR 1996, 459, 460 und Kurz, NJW 1997, 1828, 1829; vgl. dazu auch die Regelung des § 66 Abs. 2 BEG, der der selbständigen Erwerbstätigkeit die Geschäftsführertätigkeit eines an einer Kapitalgesellschaft mit zu mehr als 50% beteiligten Gesellschafters gleichstellte, was für die aktiven Gesellschafter einer OHG oder KG ohnehin galt (dazu van Dam/Loos, Bundesentschädigungsgesetz, § 66 Rn. 1); für die Verbrauchereigenschaft sogar des Alleingesellschafter-Geschäftsführers hingegen BGH v. 25.2.1997 NJW 1997, 1443, 1444; Martis, Verbraucherschutz, S. 13. 121 So aber BGH v. 5.6.1996 BGHZ 133, 71, 78; OLG Karlsruhe v. 25.2.1997 WM 1997, 1341, 1343. 122 Daher ist auch der Hinweis des BGH auf BT-Drucks. 11/5462, S. 17 verfehlt; zutreffend Kurz, NJW 1997, 1828, 1829. 123 Abweichend und gegen eine ausschließliche Maßgeblichkeit des deutschen Rechts OLG Köln v. 15.12.1995 BB 1996,1524 und Kurz, NJW 1997,1828, die den Begriff der selbständigen beruflichen Tätigkeit insbesondere auch vor dem Hintergrund der Vorgaben des Gemeinschaftsrechts weiter fassen möchten, da dieses lediglich eine berufliche Tätigkeit für den Ausschluß der Verbrauchereigenschaft voraussetze; siehe demgegenüber zur Zulässigkeit einer nationalen Erweiterung des Verbraucherbegriffs Bulow/Artz, NJW 2000, 2049, 2050f.
5 2
Einzelne
Fälle der
Statusvermittlung
301
besonderes Bedürfnis nach Rechtssicherheit unterstellen 124 . Insofern wäre dann die Nichtanwendung der §§ 491 ff. B G B typisierend entweder von einer Mitgliedschaft im Leitungsorgan und einer namhaften Kapitalbeteiligung in H ö h e von mindestens 5 % (börsennotierte Aktiengesellschaften) bzw. 1 0 % (übrige Gesellschaften) oder von einer ausschließlich kapitalmäßigen Beteiligung in H ö h e von mindestens 2 5 % abhängig zu machen 1 2 5 .
II. Einbeziehung von Unternehmergesellschaftern in den Unternehmerbegriff § 14 Abs. 1 B G B definiert den insbesondere für die § § 2 4 1 a , 310 Abs. 1 und 3, 312ff., 474ff., 481 ff., 491 ff., 655aff., 661a B G B bedeutsamen verbraucherrechtlichen Unternehmerbegriff als Pendant zum Verbraucherbegriff. N a c h dem ebenfalls mißglückten 1 2 6 Wortlaut der Vorschrift ist der Unternehmer eine natürliche oder juristische Person oder eine rechtsfähige Personengesellschaft, die bei Abschluß eines Rechtsgeschäfts in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt. Damit k o m m t es zunächst darauf an, daß von der betreffenden Person oder Personengesellschaft überhaupt eine selbständige Tätigkeit in eigener Verantwortung und nicht als angestellter Vertreter oder Gehilfe eines Dritten ausgeübt wird 127 . Dabei sollen dann allerdings auch nicht auf Gewinnerzielung gerichtete Tätigkeiten 1 2 8 , Nebentätigkeiten 1 2 9 und das Scheinunternehmertum 1 3 0 erfaßt werden. Im Ergebnis kommen damit nicht nur Kaufleute i.S.d. §§ l f f . H G B , sondern auch Freiberufler, Handwerker, nichteingetragene Kleingewerbetreibende, Landwirte und grundsätzlich auch Einrichtungen des öffentlichen Rechts prinzipiell als Unternehmer i.S.d. bürgerlich-rechtlichen Verbraucher-
124 So B G H v. 25.2.1997 N J W 1997, 1443, 1444 und Martis, Verbraucherschutz, S. 13, die mit dieser Begründung aber selbst den Alleingesellschafter-Geschäftsführer in den Verbraucherbegriff einbeziehen wollen. 125 Zur schematischen Betrachtung der gesellschaftsgebundenen Unternehmerstellung siehe generell 1. Kap. § 3 C III lb; vgl. zur Bedeutung der Kapitalbeteiligung und der Organmitgliedschaft im hiesigen Zusammenhang auch B G H v. 11.12.1997 N J W 1998, 894 (keine Anwendung der §§ 3, 9 A G B G - jetzt §§ 305c Abs. 1, 307 B G B - auf mit weitreichenden Zweckbestimmungen versehene Formularhöchstbetragsbürgschaften von maßgeblich beteiligten Gesellschaftern und von Organmitgliedern). 126 Dies gilt für die offensichtlich ungewollte Beschränkung auf den „Abschluß eines Rechtsgeschäfts" sowie die sprachlich zu kritisierende Verwendung des unbestimmten Artikels „eines" (es kommt auf das konkrete geschäftliche Handeln oder Unterlassen an) und des Pronomens „ihrer" (hiermit wird verkannt, daß die Betreffenden auch zu privaten Zwecken handeln können). 127 Martis, Verbraucherschutz, S. 7; Ulmer/Brandner/Hensen/Brawrfwer, § 24 Rn. 13. 128 Ulmer/Brandner/Hensen/ßrani/«er, § 24 Rn. 10; Palandt/Heinrichs, § 14 Rn. 2. 129 Va.la.ndt/Heinrichs, § 14 Rn. 2; Wolf/Horn/Lindacher///om, § 24 Rn. 6a. 130 Ulmer/Brandner/Hensen/Brarci/rcer, § 24 Rn. 10.
302
3. Kapitel:
Statusrelevanz
der
Unternehmergesellschafterstellung
schutzrechts in Betracht 131 . Weitere Voraussetzung ist lediglich, daß sie nicht im konkreten Fall entgegen der analog heranzuziehenden Vermutung des § 344 H G B 1 3 2 ausnahmsweise zu privaten Zwecken tätig werden 133 . Da der Unternehmergesellschafter als solcher rechtlich weder ein Gewerbe betreibt noch eine selbständige berufliche Tätigkeit ausübt, kann er nur dann als Unternehmer i.S.d. bürgerlich-rechtlichen Verbraucherschutzrechts angesehen werden, wenn man ihm bei gesellschafts- und betriebsbezogenen Geschäften die Gewerbetreibendeneigenschaft bzw. die selbständige Berufsausübung der Gesellschaft zurechnet. Möglich wäre dies wiederum nur im Rahmen einer teleologischen Extension des verbraucherschutzrechtlichen Unternehmerbegriffs oder einer analogen Anwendung der den Begriff verwendenden Vorschriften. Eine praktische Bedeutung dürfte diese Normanwendungsfrage derzeit allerdings nur im Rahmen des § 310 Abs. 1 B G B und möglicherweise auch im Zusammenhang mit Gewinnzusagen des Unternehmergesellschafters, die dieser zur Förderung des Absatzes der Gesellschaft in Umgehung des § 661a B G B Verbrauchern zusendet, haben. Denn im übrigen wird der Unternehmergesellschafter die sachlich in den Anwendungsbereich des bürgerlich-rechtlichen Verbraucherschutzes fallenden Geschäfte im Namen der Gesellschaft vornehmen. Eine planwidrige Regelungslücke wird man gerade im Rahmen von § 310 Abs. 1 B G B erneut zumindest für die persönlich haftenden Unternehmergesellschafter annehmen können, da allgemein davon ausgegangen wird, daß die früher auf die Kaufmannseigenschaft abstellende Vorschrift auch weiterhin in der Hauptsache alle typischerweise geschäftserfahrenen Kaufleute i.S.d. §§ 1 ff. H G B erfaßt 134 , wozu nach traditioneller, immer noch herrschender und vom Gesetzgeber zugrundegelegter Auffassung auch die OHG-Gesellschafter und KG-Komplementäre gehören sollen 135 . Uber die Zuordnung der anderen Unternehmergesellschafter hat sich der Gesetzgeber jedoch ebenfalls ersichtlich keine Gedanken gemacht 136 . Angesichts des demgegenüber unzweideutigen Normzwecks des § 3 1 0 Abs. 1 B G B , den routiniert und aufmerksam in seinem Geschäftskreis tätig werdenden Geschäftsteilnehmer nur eingeschränkt dem Schutz der Sonderregelungen für A G B zu unterstellen 137 , wird man entsprechend der obigen Ausführungen zur fehlenden Verbrauchereigenschaft des etwa bei Übernahme einer Formularbürgschaft betriebsPalandt/Heinrichs, § 14 Rn. 1 f. Zur analogen Anwendung des § 344 H G B Faber, ZeuP 1998, 854, 866; Palandt /Heinrichs, § 14 Rn. 2; a.A. im Hinblick auf den effet utile des Art. 2 lit. b der Richtlinie 9 3 / 1 3 / E W G über mißbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen Pfeiffer, N J W 1999, 169, 173 f. 133 Dazu näher Pfeiffer, N J W 1999, 169, 172ff.; Palandt/Heinrichs, § 13 Rn. 3. 134 Dazu nur Wolf/Horn/Lindacher/Z/or«, § 24 Rn. 7. 135 Dazu näher 3. Kap. § 2 A I 1. 136 Siehe dazu BT-Drucks. 14/2658, S. 47f. (zu § 14 B G B ) und BT-Drucks. 13/8444, S. 47 (zu § 24 A G B G i.d.F. vom 1.7.1998 bis 30.9.2000). 131
132
52
Einzelne Fälle der
Statusvermittlung
303
bezogen handelnden Unternehmergesellschafters auch insoweit dessen Unternehmereigenschaft annehmen können. Die dort näher ausgeführten und belegten Argumente einer fehlenden besonderen Schutzbedürftigkeit 138 und eines lediglich gesellschaftsrechtlich vermittelten eigenen unternehmerischen Handelns gelten auch hier.
C. Unternehmenseigenschaft im Recht der verbundenen Unternehmen Die fehlende Unternehmenseigenschaft des Unternehmergesellschafters als einem keine anderweitigen Unternehmensinteressen verfolgenden Privatgesellschafter wurde breits eingangs dieser Arbeit als bedeutendes Begriffsmerkmal behandelt 139 . Auch an dieser Stelle soll der das deutsche Recht der verbundenen Unternehmen kennzeichnende Unterschied zwischen Unternehmerund Unternehmensgesellschafter nicht in Frage gestellt werden, sondern lediglich auf das Problem eingegangen werden, ob einem Gesellschafter, der selbst keine anderweitigen unternehmerischen Interessen verfolgt (Privatgesellschafter), aufgrund seiner Beteiligung an einer die Gesellschaftsanteile treuhänderisch verwaltenden oder die Mitverwaltungsrechte zusammenfassenden Konsortialgesellschaft bürgerlichen Rechts die Unternehmenseigenschaft ausnahmsweise deshalb zukommt, weil die Konsortialgesellschaft aufgrund anderweitiger unternehmerischer Aktivitäten bzw. multiplen Beteiligungsbesitzes140 oder der Mitgliedschaft eines sie beherrschenden Unternehmensgesellschafters 141 über die Unternehmenseigenschaft i.S.d. §§ 15 ff. AktG verfügt 142 . 137 Siehe dazu BT-Drucks. 7/3919, S.43f. und etwa Wolf/Horn/Lindacher/Wo//, Einl. Rn. 18. 138 Vgl. dazu auch im Zusammenhang mit §§ 3, 9 AGBG (jetzt §§ 305c Abs. 1, 307 BGB) und § 138 BGB BGH v. 11.12.1997 NJW 1998, 894 (keine typische Unterlegenheit von maßgeblich beteiligten Gesellschaftern und von Organmitgliedern). 139 Siehe 1. Kap. § 3 D. 140 Zur eigenen Unternehmenseigenschaft der Konsortialgesellschaft aufgrund anderweitiger unternehmerischer Aktivitäten bzw. multiplen Beteiligungsbesitzes siehe nur LG Heidelberg v. 24.9.1997 ZIP 1997, 1787f. (im konkreten Fall verneint); K K / K o p p e n s t e i n e r , § 15 Rn. 32; MünchKommAktG/ßajer, § 15 Rn. 29; zu den Voraussetzungen der Unternehmenseigenschaft siehe näher 1. Kap. § 3 D. 141 Zur Zurechnung der Unternehmenseigenschaft eines die Konsortialgesellschaft beherrschenden Gesellschafters siehe nur BGH v. 22.4.1991 BGHZ 114, 203, 210 (im konkreten Fall allerdings verneint); LG Heidelberg v. 24.9.1997 ZIP 1997,1787,1788 (im konkreten Fall allerdings verneint); Geßler, in: Geßler/Hefermehl § 15 Rn. 41; Koppensteiner, ZHR 131 (1968), 289, 299 Fn. 30a; K K / K o p p e n s t e i n e r , § 15 Rn. 38; Marchand, Abhängigkeit, S. 75; unklar MünchKommAktG/Bayer, § 15 Rn. 28 und 35. 142 Zu dieser Fallkonstellation in der Praxis von Unterordnungskonzernen siehe auch Studienkommission des DJT, Untersuchungen zur Reform des Konzernrechts (DJT-Konzernrecht), Rn. 107.
304
3. Kapitel: Statusrelevanz der
Unternehmergesellschafterstellung
D i e mit einer B e j a h u n g dieser Frage verbundene E r s t r e c k u n g der U n t e r nehmenseigenschaft der Gesellschaft auf einen Privatgesellschafter ist aus zwei G r ü n d e n abzulehnen 1 4 3 . Z u m einen k ö n n t e die U n t e r n e h m e n s e i g e n schaft eines Privatgesellschafters rechtsdogmatisch nur mit H i l f e einer Statuszurechnung begründet werden, w e n n der Z w e c k des R e c h t s der verbundenen U n t e r n e h m e n eine A n w e n d u n g dieses R e c h t s o d e r einzelner seiner V o r schriften auf den an einer Konsortialgeseilschaft mit U n t e r n e h m e n s e i g e n schaft beteiligten Privatgesellschafter geböte. D i e s ist aber nicht s c h o n deswegen der Fall, weil ein anderer Gesellschafter mit U n t e r n e h m e n s e i g e n s c h a f t die Gesellschaft bürgerlichen R e c h t s beherrscht und damit das v o n dieser abhängige U n t e r n e h m e n zugunsten f r e m d e r u n t e r n e h m e r i s c h e r Interessen beeinflußt w e r d e n kann 1 4 4 . Z w a r trägt auch die Beteiligung des Privatgesellschafters an der Konsortialgesellschaft möglicherweise sogar entscheidend zur F ö r d e r u n g dieses Fremdeinflusses bei 145 , d o c h handelt es sich hierbei eben gerade nicht u m eigene f r e m d u n t e r n e h m e r i s c h e Interessen des Privatgesellschafters, v o r deren D u r c h s e t z u n g die Gesellschaft in b e s o n d e r e r Weise geschützt werden müßte 1 4 6 . E s ist zweitens auch kein B e d ü r f n i s erkennbar, die U n t e r n e h m e n s e i g e n s c h a f t auf alle Konsortialgesellschafter zu erstrecken, da die R e g e l u n g e n des R e c h t s der verbundenen U n t e r n e h m e n , die die abhängige Gesellschaft v o r F r e m d e i n f l u ß schützen sollen, nicht nur für den die K o n s o r tialgesellschaft b e h e r r s c h e n d e n U n t e r n e h m e n s g e s e l l s c h a f t e r gelten, sondern aufgrund der Z u r e c h n u n g v o n dessen U n t e r n e h m e n s e i g e n s c h a f t auch auf die rechtlich verselbständigte 1 4 7 Konsortialgesellschaft bürgerlichen R e c h t s anw e n d b a r sind 1 4 8 .
D. Arbeitsrechtlicher
Status von
Unternehmergesellschaftern
D a s A r b e i t s r e c h t wird überwiegend als das S o n d e r r e c h t der A r b e i t n e h m e r definiert 1 4 9 . W i e auch im H a n d e l s r e c h t mit dem K a u f m a n n s b e g r i f f wird damit die A n w e n d u n g des ebenfalls disparaten N o r m e n b e s t a n d s des Arbeitsrechts subjektiv v o n einem zentralen Statusbegriff, dem des A r b e i t n e h m e r s , abhän-
143 So im Ergebnis auch Marchand, Abhängigkeit, S. 75; Nordmeyer, Unternehmensbegriff, S. 91 Fn. 1; Haesen, Abhängigkeitsbericht, S. 53; MünchKommAktG/ifoyer, § 15 Rn. 35. 144 So aber Gansweid, Tochtergesellschaften, S. 129f. 145 So durchaus zutreffend Gansweid, Tochtergesellschaften, S. 129f. 146 Ebenso Marchand, Abhängigkeit, S. 75. ,47 Zur nunmehr höchstrichterlich anerkannten grundsätzlichen Rechts- und Parteifähigkeit der (Außen-)GbR siehe BGH v. 29.1.2001 NJW 2001, 1056ff. (bestätigt durch BGH v. 18.2.2002, ZIP 2002,614). 148 A.A. jedoch Koppensteiner, ZHR 131 (1968), 289, 299 Fn. 30a. 149 Siehe nur Hueck/Nipperdey, Arbeitsrecht Bd. 1, S. 3 ff.; Schaub, HdbArbR § 2 Rn. 5f.; krit. MünchHdbArbRIRichardi, § 1 Rn. 1, 9.
§2
Einzelne Fälle der
Statusvermittlung
305
gig gemacht. Damit kennt auch die Arbeitsrechtsdogmatik das Problem, die verschiedenen arbeitsrechtlichen N o r m e n auf einen Gesamtzweck zurückzuführen und mit einem einheitlichen, in Anlehnung an diesen N o r m z w e c k definierten Arbeitnehmerbegriff den prinzipiellen Anwendungsbereich des Arbeitsrechts zu bestimmen. Zumeist werden als allgemeiner Daseinsgrund des Arbeitsrechts die besondere Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers sowie seine Unfähigkeit zur eigenen Daseinsvorsorge und zur unternehmerischen Disposition genannt 150 . Auch wenn dem Arbeitsrecht zumindest formal ein insgesamt einheitlicher Begriff des Arbeitnehmers zugrundeliegt, so wird er doch für einzelne Arbeitsgesetze und ihre Regelungszwecke ganz oder teilweise bereits durch das Gesetz modifiziert (z.B. § 5 Abs. 2 BetrVG und §§ 14 Abs. 1, 17 Abs. 5 KSchG) 151 . Es stellt sich daher auch für den Unternehmergesellschafter zunächst die Frage nach seiner generellen statusrechtlichen Einbeziehung in den Arbeitnehmerbegriff. Auf der Basis dieser Grundentscheidung ist sodann zu klären, ob auch bzw. trotzdem vor dem Hintergrund sondergesetzlicher Einschränkungen des Arbeitnehmerbegriffs und möglicher teleologischer Reduktionen bzw. sondergesetzlicher Erweiterungen des Arbeitnehmerbegriffs und möglicher Analogien die maßgebliche arbeitsrechtliche N o r m auf einen für die Gesellschaft Dienste leistenden Unternehmergesellschafter Anwendung finden kann.
I. Einbeziehung von Unternebmergesellschaftern in den Arbeitnehmerbegriff 1. Fehlende Arbeitnehmereigenschaft schaftern
von
Unternehmergesell-
Arbeitnehmer ist nach herrschender Meinung, wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags oder eines gleichgestellten Rechtsverhältnisses im Dienst eines anderen zur Arbeit verpflichtet ist152. Von dem Gegenbegriff des Selbständigen wird der Arbeitnehmer mithin ausschließlich durch das Kriterium der Arbeit im Dienst eines anderen, d.h. in persönlicher Abhängigkeit, abgegrenzt 153 . 150 Siehe dazu die Darstellung der verschiedenen einheitlichen Deutungsversuche bei MünchArbR/Richardi, § 24 Rn. 35ff. und zur Kritik Rn. 45ff. sowie Wank, Arbeitnehmer, S. 45 ff. 151 Generell für eine Differenzierung des Arbeitnehmerbegriffs etwa MünchHdbArbR/i?zchardi, § 24 Rn. 45 ff. 152 Dazu nur BAG v. 28.2.1962 AP § 611 BGB (Abhängigkeit) Nr. 1 Bl. 13f.; Hueck/Nipperdey, Arbeitsrecht Bd. 1, S. 34f.; MünchHdbArbR/Richardi, §24 Rn. 12ff.; Löwisch, FS Kraft, S. 375. 153 Siehe dazu die Rechtsprechungsnachweise in AP § 611 BGB (Abhängigkeit) Nr. 1 ff.; MünchHdbArbR//?zc^ri&, § 24 Rn. 16 und krit. Rn. 20; näher zur Stellung des Gesellschafter-Geschäftsführers im Lichte der von der h.M. abweichenden Ansätze zum Arbeitnehmerbegriff V. Groß, Anstellungsverhältnis, S. 303 ff.
306
3. Kapitel: Statusrelevanz
der
Unternehmergesellschafterstellung
A u f g r u n d der V e r s e l b s t ä n d i g u n g der r e c h t s f ä h i g e n G e s e l l s c h a f t i m R e c h t s v e r k e h r k a n n a u c h ein G e s e l l s c h a f t e r A r b e i t n e h m e r seiner G e s e l l s c h a f t sein, s o f e r n er seine D i e n s t e n i c h t a u f g r u n d einer g e s e l l s c h a f t s r e c h t l i c h e n
Ver-
p f l i c h t u n g 1 5 4 erbringt 1 5 5 . D a ein G e s e l l s c h a f t e r a u ß e r h a l b des G e s e l l s c h a f t s verhältnisses a b e r a u c h a u f g r u n d eines freien D i e n s t v e r t r a g e s bzw. G e s c h ä f t s b e s o r g u n g s v e r t r a g e s m i t D i e n s t v e r t r a g s c h a r a k t e r f ü r seine G e s e l l s c h a f t tätig w e r d e n k a n n , ist h i e r ebenfalls die p e r s ö n l i c h e A b h ä n g i g k e i t des G e s e l l s c h a f ters die e n t s c h e i d e n d e V o r a u s s e t z u n g seiner A r b e i t n e h m e r e i g e n s c h a f t 1 5 6 . D i e auch den Gesellschafter-Arbeitnehmer charakterisierende persönliche A b h ä n g i g k e i t b z w . U n s e l b s t ä n d i g k e i t ist ein T y p u s b e g r i f f 1 5 7 , der d u r c h vers c h i e d e n e I n d i z i e n u m s c h r i e b e n wird. H i e r z u g e h ö r e n i m allgemeinen die L e i s t u n g f r e m d b e s t i m m t e r A r b e i t , die f a c h l i c h e , ö r t l i c h e u n d zeitliche W e i s u n g s g e b u n d e n h e i t , die E i n g l i e d e r u n g in den B e t r i e b des A r b e i t g e b e r s , das Fehlen
eines
Unternehmerrisikos,
die
soziale
Schutzbedürftigkeit,
die
F r e m d n ü t z i g k e i t der A r b e i t s l e i s t u n g s o w i e die Z a h l u n g v o n L o h n s t e u e r u n d S o z i a l v e r s i c h e r u n g s b e i t r ä g e n 1 5 8 . M i t R e c h t w e r d e n dabei gerade für G e s e l l s c h a f t e r - A r b e i t n e h m e r die M e r k m a l e der W e i s u n g s a b h ä n g i g k e i t 1 5 9 u n d des
154 Ein auf dem Gesellschaftsverhältnis beruhendes Recht zur Erbringung von Diensten, insbesondere zur Geschäftsführung, steht zwar einem Arbeitsverhältnis nicht entgegen (dazu etwa Hueck/Nipperdey, Arbeitsrecht Bd. 1, S. 46 mit Fn. 27), doch wird mit dem Recht regelmäßig auch eine entsprechende mitgliedschaftliche Pflicht verbunden sein, die dann ein Arbeitsverhältnis ausschließt. 155 BAG v. 9.1.1990 BB 1990, 856 (GmbH-Gesellschafter); vgl. auch BAG v. 8.1.1970 DB 1970, 592, 593 (keine Arbeitnehmereigenschaft des aufgrund Gesellschaftsvertrags in einer Familiengesellschaft mitarbeitenden Kommanditisten) und BGH v. 11.5.1978 BB 1979, 374 f. (keine Arbeitnehmereigenschaft des seine Arbeitsleistung in eine Mitunternehmergemeinschaft einbringenden Kommanditisten); ferner Loritz, Mitarbeit, S. 306ff.; Nikisch, Arbeitsrecht, S. 120 mit Fn. 104; Hueck/Nipperdey, Arbeitsrecht Bd. 1, S. 46 mit Fn. 27; MünchHdbArbR/ Richardi, § 24 Rn. 90f.; für eine Anwendung insbesondere des zwingenden Arbeitsrechts auch auf gesellschaftsvertraglich vereinbarte Dienstpflichten hingegen Beuthien, FS 25 Jahre BAG, S. 1, 13 ££.; zum Sonderproblem der Mitarbeiterbeteiligung eingehend Fohrmann, Der Arbeitnehmer als Gesellschafter, 1982. 156 Dazu etwa BAG v. 10.4.1991 DB 1991,2595f.; BGH v. 13.5.1992 ZIP 1992,1496,1497f.; O L G Köln v. 5.10.2000 NZG 165, 166f.; Hueck/Nipperdey, Arbeitsrecht Bd. 1, S. 46 mit Fn. 27; Beuthien, FS 25 Jahre BAG, S. 1, 2ff.; krit. Loritz, Mitarbeit, S. 248 ff. 157 Generell zum typologischen Denken im 1. Kap. § 1; speziell für den Arbeitnehmerbegriff Wank, Arbeitnehmer, S. 22 f. und Beuthien, FS 25 Jahre BAG, S. 1, 2 und 4 sowie für den Selbständigenbegriff Stolterfoht, Selbständigkeit, S. 16ff. und 166ff.; für den GesellschafterGeschäftsführer V. Groß, Anstellungsverhältnis, S. 285 ff. 158 Zu den verschiedenen Typusmerkmalen näher Wank, Arbeitnehmer, S. 11 ff. und MünchHdbArbR/Richardi, § 24 Rn. 22 ff.; speziell für mitarbeitende Gesellschafter Beuthien, FS 25 Jahre BAG, S. 1, 4 ff. und für den Gesellschafter-Geschäftsführer V. Groß, Anstellungsverhältnis, S. 259ff. 159 Dazu generell BAG v. 28.2.1962 AP §611 BGB (Abhängigkeit) Nr. 1 Bl. 13f. und O L G Köln v. 5.10.2000 NZG 165, 166f. sowie MünchHdbArbRARi'oWz, § 24 Rn. 26ff.; speziell für den Gesellschafter-Geschäftsführer V. Groß, Anstellungsverhältnis, S. 259ff.
§ 2 fehlenden
Einzelne Fälle der
Unternehmerrisikos160
307
Statusvermittlung
besonders
herausgestellt.
Auf
die
wirt-
s c h a f t l i c h e A b h ä n g i g k e i t s o l l es h i n g e g e n n a c h a l l g e m e i n e r A u f f a s s u n g w i e auch im G e w e r b e - und Handelsrecht nicht ankommen161. F ü r d i e an d e r G e s c h ä f t s f ü h r u n g u n d V e r t r e t u n g b e t e i l i g t e n G e s e l l s c h a f t e r w i r d die p e r s ö n l i c h e A b h ä n g i g k e i t nach ganz ü b e r w i e g e n d e r A u f f a s s u n g mit der B e g r ü n d u n g verneint, daß diese aufgrund ihrer O r g a n s t e l l u n g für die G e s e l l s c h a f t die A r b e i t g e b e r f u n k t i o n e n als „ k o n k r e t e r P r i n z i p a l " w a h r n ä h m e n , keinen Weisungen im arbeitsrechtlichen Sinne unterlägen, weniger schutzbed ü r f t i g s e i e n u n d d i e g e s e t z l i c h e n M i n d e s t p f l i c h t e n in e i g e n e r V e r a n t w o r t u n g zu erfüllen hätten162. Lediglich v o n einer M i n d e r m e i n u n g wird für M i n d e r heitsgesellschafter eine A u s n a h m e befürwortet163. D i e s e Auffassung, die sich aufgrund von sondergesetzlichen Regelungen164 und teleologischen R e d u k tionen165 im einzelnen Normanwendungsfall k a u m von der ganz herrschend e n M e i n u n g , die i h r e r s e i t s a u s d e h n e n d e S o n d e r r e g e l u n g e n z u b e r ü c k s i c h t i -
160 Dazu generell O L G Köln v. 5.10.2000 N Z G 165, 166 und Wank, Arbeitnehmer, S. 122ff.; speziell für den Gesellschafter-Geschäftsführer V. Groß, Anstellungsverhältnis, S. 281 ff. Dazu nur MünchHdbArbRARzc/WA', § 24 Rn. 17ff. 162 Für den Vorstand einer AG: B G H V. 11.7.1953 B G H Z 10, 187,191 f.; B G H v. 16.12.1953 B G H Z 12, 1, 8; KK/Mertens, § 8 4 Rn. 34f.; MünchHdbArbRARz'cWcft, § 2 4 Rn. 113; für GmbH-Geschäftsführer: B G H v. 26.3.1984 B G H Z 91, 1, 3; Hachenburg/Siez«, § 35 Rn. 160, 170; Lutter/Hommelhoff, Anh § 6 Rn. 3; Baumbach/Hueck/Zö7/zzer, § 35 Rn. 97ff. (der zudem auf die Verkehrsauffassung verweist); MünchHdbArbR/Äzc/wriiz, § 2 4 Rn. 111 ff. (der allerdings die etwaige gesellschaftsrechtliche Weisungsgebundenheit in die arbeitsrechtliche Typenzuordnung einbezieht); implizit auch B A G v. 7.10.1993 ZIP 1994, 319, 321 f. und B A G v. 21.2.1994 N J W 1995,675,676; (jeweils zur Frage des Ruhens des bisherigen Arbeitsverhältnisses bei Berufung zum Geschäftsführer); nunmehr allerdings mit Kritik an der herrschenden Lehre zumindest bei Mehrpersonengeschäftsführung auf den Einzelfall abstellend B A G v. 26.5.1999 D B 1999,1906f. (im Ergebnis jedoch die Arbeitnehmereigenschaft einer intern in ihrer Vertretungsbefugnis beschränkten stellvertretenden Geschäftsführerin verneinend). 163 Siehe etwa Scholz/£/.//. Schneider, § 3 5 Rn. 160 (grundsätzliche Arbeitnehmereigenschaft des Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführers aufgrund seiner Vergleichbarkeit mit leitenden Angestellten); V. Groß, Anstellungsverhältnis, S. 285 ff. (auf der Grundlage des kritisierten einheitlichen und auf die Abhängigkeit abstellenden herrschenden Arbeitnehmerbegriff lediglich für eine Arbeitnehmereigenschaft der sog. Arbeitnehmer-Geschäftsführer mit Vermögensbeteiligung) und 375 ff. (auf der Grundlage differenzierender Ansätze zum Arbeitnehmerbegriff Differenzierung der Arbeitnehmereigenschaft von Gesellschafter-Geschäftsführern nach ihrer Gesellschafterstellung und nach verschiedenen arbeitsrechtlichen Regelungskomplexen). 164 Siehe zur Ausgrenzung von an der Geschäftsführung und/oder Vertretung der Gesellschaft beteiligten Personen aus dem Arbeitnehmerbegriff des jeweiligen Regelungskomplexes etwa § 14 Abs. 1 Nr. 1 und 2 KSchG (für die §§ lff. KSchG), § 17 Abs. 5 Nr. 1 und 2 KSchG (für die §§ 17ff. KSchG), § 5 Abs. 2 Nr. 1 und 2 BetrVG (für das BetrVG) und § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG (für das ArbGG). 165 Zu einer Liste der auch bei angenommener Arbeitnehmereigenschaft auf GesellschafterGeschäftsführer unanwendbaren Vorschriften siehe etwa Scholz/t/./i. Schneider, § 35 Rn. 164b.
308
3. Kapitel:
Statusrelevanz
der
Unternehmergesellschafterstellung
gen hat 166 , aus dem Vertrags- bzw. Organschaftsverhältnis abgeleitete Schutzpflichten der Gesellschaft postuliert 1 6 7 und eine analoge Anwendung bestimmter arbeitsrechtlicher Schutzvorschriften auf kraft Dienstvertrages mitarbeitende Gesellschafter für möglich hält 168 , unterscheiden dürfte, mag eine Berechtigung für den Personenkreis der mitarbeitenden Anlagegesellschafter und der hier nicht interessierenden Fremdgeschäftsführer haben. F ü r Unternehmergesellschafter im oben beschriebenen Sinne kann ihr jedenfalls nicht gefolgt werden. Ein namhaft beteiligter Gesellschafter, der sich auf der Basis eines Dienstvertrags als Geschäftsführer bzw. Vorstand in der Gesellschaft betätigt, kann nämlich bei wertender Gesamtbetrachtung der oben angeführten Typusmerkmale auch dann nicht als persönlich abhängig angesehen werden, wenn er nur über eine Minderheitsbeteiligung verfügt. Zwar wird auch der U n t e r nehmergesellschafter zum N u t z e n der Gesellschaft und seiner Mitgesellschafter tätig, doch profitiert er zugleich aufgrund seiner Gesellschaftsbeteiligung nicht unmaßgeblich von den Früchten seiner Arbeit. Für ihn besteht auch keine fachliche, örtliche und zeitliche Weisungsgebundenheit im arbeitsrechtlichen Sinne, sondern allenfalls eine solche aufgrund Gesellschaftsrechts. Selbst wenn eine wirtschaftliche Abhängigkeit des Gesellschafters von der dienstvertraglichen Tätigkeit für die Gesellschaft bestehen sollte, kann angesichts der gesellschaftsrechtlichen Machtposition eines Unternehmergesellschafters nicht von einer einem Arbeitnehmer generell vergleichbaren sozialen Schutzbedürftigkeit ausgegangen werden. Schließlich spricht die maßgebliche Beteiligung eines Unternehmergesellschafters am Unternehmerrisiko in besonderer Weise gegen seine generelle Einordnung als Arbeitnehmer. Bei wertender Gesamtbetrachtung aller Typusmerkmale insbesondere im H i n blick auf die bei Arbeitnehmern typischerweise gesteigerte Schutzbedürftigkeit entspricht damit auch der nicht mehrheitlich beteiligte Unternehmergesellschafter-Geschäftsführer mehr dem Bild eines selbständigen Unternehmers als dem eines Arbeitnehmers 1 6 9 . Darüber hinaus wäre eine prinzipielle Anwendung des Arbeitsrechts auf die über eine organschaftliche Vertretungsmacht verfügenden Unternehmergesellschafter auch weitgehend unpassend, da bei einem UnternehmergesellSiehe etwa § 17 Abs. 1 S. 2 BetrAVG (dazu näher 3. Kap. § 2 D I 2b.). Baumbach/Hueck/Zö'/foer, § 35 Rn. 98; für die A G auch K K / M e r t e n s , § 84 Rn. 37. 168 Zur analogen Anwendung von Vorschriften zur Sicherung der persönlichen und wirtschaftlichen Existenz des GmbH-Geschäftsführers etwa LutterlHommelhoff, Anh § 6 Rn. 3 und Loritz, Mitarbeit, S. 370ff.; für den Vorstand der A G etwa K K /Mertens, § 84 Rn. 35f. 169 Vgl. dazu auch V G H Hessen v. 19.9.1996 N Z A 1997, 658, 659 (keine Arbeitnehmereigenschaft eines mit 2 4 % beteiligten GmbH-Gesellschafter-Geschäftsführers i.S.v. § 7 Abs. 1 SchwbG); BVerwG v. 25.7.1997 N Z A 1997, 1166 (keine Arbeitnehmereigenschaft eines mit 5 0 % beteiligten GmbH-Gesellschafter-Geschäftsführers i.S.v. § 7 Abs. 1 SchwbG; offengelassen für den Fremdgeschäftsführer und den Gesellschafter-Geschäftsführer mit geringer Beteiligung). 166 167
§ 2
Einzelne
Fälle der
Statusvermittlung
309
schafter das durch den Gesellschaftsvertrag und das Gesellschaftsrecht bestimmte und durch eine bestimmte Machtverteilung in der Gesellschaft gekennzeichnete Mitgliedschaftsverhältnis im Vordergrund steht und dieses grundsätzlich nicht durch die in vielerlei Hinsicht gegensätzlichen Wertungen und Rechtsfolgen des Arbeitsrechts überlagert werden sollte 170 . Insoweit würde die generelle Zuweisung der Arbeitnehmereigenschaft über die gesetzlich geregelten Fälle (z.B. § 14 Abs. 1 Nr. 1 und 2 KSchG, § 5 Abs. 2 Nr. 1 und 2 BetrVG und § 5 Abs. 1 S. 3 A r b G G ) hinaus zu zahlreichen teleologischen Reduktionen arbeitsrechtlicher Vorschriften zwingen 171 . Aus den gleichen Gründen muß es auch abgelehnt werden, einem dienstvertraglich für die Gesellschaft tätigen Unternehmergesellschafter ohne Geschäftsführungsbefugnis die grundsätzliche Stellung eines Arbeitnehmers zuzuerkennen. Die Tatsache, daß der von der Geschäftsführung und organschaftlichen Vertretung ausgeschlossene Unternehmergesellschafter bei seiner dienstvertraglichen Tätigkeit für die Gesellschaft theoretisch der arbeitsrechtlichen Weisungsbefugnis der die Gesellschaft vertretenden O r gane unterliegt, sollte nicht zu einer abweichenden Beurteilung führen, da ein an der Gesellschaft als Arbeitgeberin maßgeblich beteiligter Unternehmergesellschafter auch ohne formale Organstellung typischerwesie eher arbeitsteilig und partnerschaftlich als weisungsunterworfen an der Unternehmensleitung mitwirkt und auch insoweit nicht mit einem Arbeitnehmer verglichen werden kann 172 . Dies dürfte auch der überwiegenden Meinung entsprechen, die bei einem Kommanditisten, stillen Gesellschafter oder Kapitalgesellschafter zwar grundsätzlich von der Arbeitnehmereigenschaft ausgeht 173 , hiervon jedoch dann eine Ausnahme macht, wenn es sich um einen unternehmerisch engagierten Gesellschafter handelt 174 . Wenn davon gesprochen wird, daß ein 170 Zu den Ziel- und Regelungskonflikten zwischen Gesellschafts- und Arbeitsrecht näher Loritz, Mitarbeit, S. 157ff. 171 Vgl. dazu auch die generellen Anmerkungen von Loritz, Mitarbeit, S. 403 f. (grundsätzliche Unanwendbarkeit der Betriebsrisikolehre, der Regelungen zur Tarifautonomie, zur Lastenverteilung beim Ausfall der Arbeitskraft und zum arbeitsrechtlichen Bestandsschutz) sowie die Einschränkungen bei Scholz/U.H. Schneider, § 35 Rn. 164b. 172 Siehe dazu auch für einen sogar lediglich zu 5 % beteiligten BGB-Gesellschafter O L G Köln v. 5.10.2000 N Z G 165, 166f.; ferner Löwisch, FS Kraft, S. 375, 376ff., der davon spricht, daß der insbesondere aufgrund einer Sperrminorität über maßgeblichen Einfluß verfügende Gesellschafter die ihm erteilten Weisungen aufgrund seiner Gesellschafterstellung konterkarieren könne. 173 B A G v. 9.1.1990 B B 1990, 856; MünchHdbArbRARz'c/Wz, § 2 4 Rn. 110; Blomeyer/ Otto, § 17 BetrAVG Rn. 25; zum Sonderproblem der Mitarbeiterbeteiligung eingehend Fohrmann, Der Arbeitnehmer als Gesellschafter, Köln 1982. 174 B A G v. 6.5.1998 N Z A 1998, 939, 940 (für einen über 63,79 % der Stimmrechte verfügenden GmbH-Gesellschafter und obiter auch für den über eine Sperrminorität verfügenden Gesellschafter); Hueck/Nipperdey, Arbeitsrecht Bd. 1, S. 46 mit Fn. 27 (für die das Unternehmen leitenden Kommanditisten); speziell zu den Auswirkungen eines durch Veränderungen der Gesellschafterstellung bedingten Statuswechsels Löwisch, FS Kraft, S. 375, 378 ff.
310
3. Kapitel:
Statusrelevanz
der
Unternehmergesellschafterstellung
Gesellschafter mit wachsender Beteiligung und Einflußmöglichkeit zunehmend auf die Seite des Arbeitgebers rücke 175 , läuft dies für die zunächst vorzunehmende prinzipielle Zuordnung ebenfalls auf die Unterscheidung zwischen mitarbeitenden Unternehmer- und Anlagegesellschaftern hinaus. Im Ergebnis wird damit etwa auch ein nicht von § 5 Abs. 2 Nr. 1 und 2 BetrVG erfaßter Unternehmergesellschafter nicht als Arbeitnehmer i.S.d. Betriebsverfassungsrechts angesehen, was sachgerecht erscheint, da bei ihm anders als etwa bei einem an der Gesellschaft nur verhältnismäßig geringfügig beteiligten Arbeitnehmer 176 die typischen Arbeitgeberinteressen überwiegen.
2. Arbeitnehmerähnlichkeit des Unternehmergesellschafters Hinblick auf einzelne arbeitsrechtliche Regelungszwecke
im
Trotz der grundsätzlichen Ablehnung der Arbeitnehmereigenschaft von Unternehmergesellschaftern kann sich im Einzelfall durchaus die Frage stellen, ob aufgrund sondergesetzlicher Erweiterungen des Arbeitnehmerbegriffs und möglicher Analogien die maßgebliche arbeitsrechtliche Norm auf einen für die Gesellschaft arbeitenden Unternehmergesellschafter Anwendung finden kann 177 . Dies gilt insbesondere für diejenigen Bereiche des Arbeitsrechts, in denen es um die Sicherung der persönlichen und wirtschaftlichen Existenz geht178. Zu berücksichtigen bleiben allerdings auch hier die Uberlagerungen des Arbeitsrechts durch das Gesellschaftsrecht, da es bei der analogen Anwendung arbeitsrechtlicher Normen auf mitarbeitende Gesellschafter nicht nur um die Schlichtung des für das Arbeitsrecht typischen Interessengegensatzes zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, sondern zugleich um die Lösung eines innergesellschaftlichen Konflikts zwischen verschiedenen Gesellschaftern geht179. In dieser Arbeit sollen aus den verschiedenen Fällen einer diskutierten Anwendung arbeitsrechtlicher Vorschriften auf die für die Gesellschaft tätig werdenden Unternehmergesellschafter lediglich exemplarisch die besonders bedeutsamen und umstrittenen Fragen der analogen Anwendung des § 622 B G B und der Reichweite des § 17 Abs. 1 S. 2 BetrAVG herausgegriffen werden 180 .
Loritz, Mitarbeit, S. 389 und ähnlich auch S. 401. Dazu näher Fohrmann, Arbeitnehmer, S. 88 ff. 177 Dazu näher Loritz, Mitarbeit, S. 370ff. und 405ff. 178 Siehe dazu auch für Geschäftsführer Loritz, Mitarbeit, S. 362 ff.; LutterlHommelhoff, Anh § 6 Rn. 3. 179 Zutreffend Loritz, Mitarbeit, S. 363 f. und 406; vgl. dazu auch das obiter dictum in B G H v. 11.5.1978 B B 1979, 374f. zur Kündigung eines Gesellschafter-Arbeitsverhältnisses. 180 Siehe ferner etwa zur Anwendung der Pfändungsschutzvorschriften der §§ 850ff. Z P O auf Dienstleistungsvergütungen von Unternehmergesellschaftern Loritz, Mitarbeit, S. 372f. und Hachenburg/Stein, § 35 Rn. 213; offengelassen in B G H v. 8.12.1977 N J W 1978, 756 (jedenfalls Anwendung auf Organmitglieder mit unwesentlicher Beteiligung); anders noch obiter 175 176
52
a) Anwendung
Einzelne Fälle der Statusvermittlung
311
des § 622 BGB
M i t der 1993 erfolgten V e r k ü r z u n g der gesetzlichen Kündigungsfrist des § 622 A b s . 1 B G B hat die Frage nach dessen analoger A n w e n d u n g und damit die Verdrängung des § 621 N r . 3 B G B praktisch ihre B e d e u t u n g verloren. Z u mindest für beherrschende Gesellschafter wurde und wird eine analoge A n w e n d u n g des § 622 A b s . 1 B G B o h n e h i n ganz überwiegend abgelehnt 1 8 1 . W e i terhin v o n Interesse ist hingegen eine m ö g l i c h e analoge G e l t u n g der bei K ü n digung d u r c h den A r b e i t g e b e r verlängerten Fristen des § 6 2 2 A b s . 2 B G B . D i e hierfür erforderliche planwidrige R e g e l u n g s l ü c k e wird überwiegend zu R e c h t unterstellt, da das P r o b l e m des zu engen Wortlauts v o n § 6 2 2 B G B dem G e s e t z g e b e r des K ü n d F G zwar durchaus b e k a n n t gewesen sein dürfte, dieser sich aber angesichts der v o r 1993 höchstrichterlich etablierten und einhellig im Schrifttum b e f ü r w o r t e t e n Fremdgeschäftsführer
analogen A n w e n d u n g des § 622 B G B
und Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer
auf aus-
drücklich gegen diese A n a l o g i e hätte aussprechen müssen 1 8 2 . E s k o m m t mithin ausschließlich auf die Frage einer Ä h n l i c h k e i t der geregelten und ungeregelten Sachverhalte im H i n b l i c k auf den N o r m z w e c k des § 622 A b s . 2 B G B an. D a n a c h dient die einseitige Verlängerung der K ü n d i gungsfristen dem b e s o n d e r e n S c h u t z eines langjährig betriebs- bzw. u n t e r n e h m e n s t r e u e n A r b e i t n e h m e r s , der sich auf die B e e n d i g u n g des g e w o h n t e n Arbeitsverhältnisses einstellen und einen angemessenen neuen Arbeitsplatz suchen k ö n n e n soll. Von der herrschenden M e i n u n g wird die analoge A n w e n dung des § 622 A b s . 2 B G B auf die Anstellungsverhältnisse v o n F r e m d g e schäftsführern und Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführern mit der B e gründung b e f ü r w o r t e t , daß diese Dienstverpflichteten der Gesellschaft regelmäßig ihre volle A r b e i t s k r a f t zur Verfügung stellten, die v o n der Gesellschaft gezahlte Vergütung ihre Lebensgrundlage bilde und nur o h n e eine weitere
für Vorstandsmitglieder BGH v. 6.4.1964 BGHZ 41, 282, 288; zum Anspruch von Unternehmergesellschaftern auf ein Dienstzeugnis nach § 630 BGB siehe etwa Loritz, Mitarbeit, S. 375 (für beherrschende Gesellschafter-Geschäftsführer) und BGH v. 9.11.1967 BGHZ 49, 30, 31 f. (Zeugnisanspruch jedenfalls des Fremdgeschäftsführers); zur allgemein angenommenen Unanwendbarkeit des § 613a siehe nur OLG Celle v. 15.6.1977 OLGZ 78, 199f. und Loritz, Mitarbeit, S. 365. 181 BGH v. 9.3.1987 NJW 1987, 2073, 2074 (obiter); OLG Hamm v. 27.1.1992 NJW-RR 1993, 493f.; Hachenburg/Sie;'«, § 38 Rn. 9; Staudinger/Preis, § 622 Rn. 14; Löwiscb, FS Kraft, S. 375, 379; unzutreffend seit der Neuregelung von 1993 generell gegen eine Analogiemöglichkeit Hümmerich, NJW 1995, 1177,1179 f.; a.A. allerdings Scholz/U.H. Schneider, § 35 Rn. 226 und Lutter/Hommelhoff, Anh § 6 Rn. 53, die hinsichtlich § 622 Abs. 1 BGB zu Recht auch die Schutzinteressen der Gesellschaft hervorheben. 182 So auch i.E. MünchKommBGB/Schwerdtner, § 622 Rn. 6; Scholz/U.H. Schneider, § 35 Rn. 226; zur früheren Rechtslage BGH v. 29.1.1981 BGHZ 79,291,294; a.A. für die Rechtslage nach 1993 Hümmerich, NJW 1995, 1177, 1179f. (stattdessen Verfassungswidrigkeit der Regelung); gegen eine Planwidrigkeit der Nichteinbeziehung der beherrschenden Gesellschafter unter Hinweis auf die vor 1993 bestehende Rechtslage zudem Löwisch, FS Kraft, S. 375, 379f.
312
3. Kapitel: Statusrelevanz
der
Unternehmergesellschafterstellung
Differenzierung innerhalb der Minderheitsgesellschafter eine rechtssichere Handhabung der Fristenregelung gewährleistet werden könne 183 . Die Erstreckung dieser Analogie auf beherrschende Gesellschafter-Geschäftsführer wird allerdings vor dem Hintergrund einer als maßgeblich vorausgesetzten wirtschaftlichen Abhängigkeit von der Beschäftigung überwiegend ausdrücklich abgelehnt 184 oder zumindest als zweifelhaft angesehen 185 . Entgegen einer verbreiteten Auffassung 186 hat die Frage einer analogen Anwendung des § 622 Abs. 2 B G B auf den mitarbeitenden Mehrheitsgesellschafter bei der Kündigung durch den Insolvenzverwalter ( § 1 1 3 InsO) 1 8 7 oder bei der Kündigung durch ein ausnahmsweise vom Mehrheitsgesellschafter nicht beherrschtes Organ durchaus eine praktische Bedeutung. Gerade in diesen Fällen vermag die Differenzierung der herrschenden Meinung mit Hilfe des Kriteriums der Mehrheitsbeteiligung aber nicht zu überzeugen. Auf die spezifisch durch eine Mehrheitsbeteiligung begründete Einflußmöglichkeit bzw. das Maß der Vermögensbeteiligung könnte es zur Differenzierung nämlich nur ankommen, wenn hierdurch die wirtschaftliche Abhängigkeit des Gesellschafters von dem vorübergehenden Fortbestand der Beschäftigung in typischer Weise gemindert wäre. Gerade bei einer Kündigung durch den Insolvenzverwalter besteht jedoch ein Schutzbedürfnis, da die Gewinnund Kapitalbeteiligung keine wirtschaftliche Sicherheit mehr bietet und der Unternehmergesellschafter, wie bereits dargelegt, in dieser Situation besonders auf die Sicherung seiner Lebensgrundlage angewiesen ist 188 . Auch die Gesellschaft bzw. ihre Gläubiger werden durch die vorübergehende Weiterbeschäftigung des Mehrheitsgesellschafters nicht unzumutbar belastet. Vielfach wird man ohnehin noch auf seine Mitarbeit im Insolvenzverfahren angewiesen sein, wobei sich dann die mit der Annahme eines stillschweigenden Beschäftigungsverhältnisses begründete Gewährung einer besonderen Vergütung 189 wegen des innerhalb der Fristen von § 113 InsO und § 622 Abs. 2 B G B maximal knapp vier Monate fortbestehenden Dienstverhältnisses erüb-
183 BGH v. 29.1.1981 BGHZ 79, 291, 292ff.; BGH v. 26.3.1984 BGHZ 91, 217, 220f.; Staudinger/Preis, § 622 Rn. 14. 184 BGH v. 9.3.1987 NJW 1987, 2073, 2074 (obiter); O L G Hamm v. 27.1.1992 NJW-RR 1993, 493f.; Löwisch, FS Kraft, S. 375, 379f.; StaudingerAPra's, §622 Rn. 14; MünchKommBGB/Schwerdtner, §622 Rn. 7; Hachenburg/Ste«, §38 Rn. 9; a.A. Scholz/t/.//. Schneider, § 35 Rn. 226 und Lutter/Hommelhoff, Anh § 6 Rn. 53. 185 BGH v. 29.1.1981 BGHZ 79, 291, 294. 186 BGH v. 26.3.1984 BGHZ 91, 217, 220f.; MünchKommBGB/Schwerdtner, § 622 Rn. 6. 187 Zu der nach h.M. gebotenen Anwendung des § 113 InsO siehe nur BGH v. 25.6.1979 BGHZ 75, 209, 211ff. und O L G Hamm v. 2.6.1986 GmbHR 1987, 307, 308 (jeweils noch zu §§ 17, 22 KO); a.A. Lutter/Hommelhoff, Anh § 6 Rn. 69 m.w.N. 188 Zur ausdehnenden Anwendung der §§ 101 Abs. 1 S. 3 und 278 Abs. 2 InsO bereits 2. Kap. § 1 A U I l a a a (ddd). 189 Siehe dazu nur FK-InsOM#>, § 97 Rn. 16; noch zu § 100 KO: Uhlenbruck, KTS 1997, 371, 379f.
52
313
Einzelne Fälle der Statusvermittlung
rigen würde. A u c h bei einer K ü n d i g u n g durch ein ausnahmsweise nicht b e herrschtes Gesellschaftsorgan, etwa einen m i t b e s t i m m t e n und auf Anteilseignerseite fraktionierten Aufsichtsrat, w ü r d e das Interesse des an der U n t e r n e h m e n s e n t w i c k l u n g langjährig m a ß g e b l i c h beteiligten Gesellschafters an einer kurzfristigen U n t e r h a l t s s i c h e r u n g dasjenige der Gesellschaft an einem m ö g lichst kostengünstigen M a n a g e m e n t w e c h s e l überwiegen 1 9 0 , zumal es einem Mehrheitsgesellschafter verhältnismäßig schwer fallen dürfte, eine z u m u t b a r e anderweitige Beschäftigung zu finden. Sofern man eine analoge A n w e n d u n g des § 622 A b s . 2 B G B ablehnt, m ü ß t e man sich in jedem Fall n o c h mit der Frage beschäftigen, inwieweit einem im Einzelfall auftretenden
Schutzbe-
dürfnis v o n Mehrheitsgesellschaftern mit einer Fristverlängerung aufgrund organschaftlicher
bzw. mitgliedschaftlicher Treuepflicht
der
Gesellschaft
bzw. der Mitgesellschafter zu entsprechen ist 191 .
b) Anwendung
der §§ 1-16
BetrAVG
D a der U n t e r n e h m e r g e s e l l s c h a f t e r kein A r b e i t n e h m e r i.S.v. § 17 A b s . 1 S. 1 B e t r A V G ist, gelten für ihn die §§ 1 - 1 6 B e t r A V G nur dann, w e n n er zu den sog. betriebsrentenrechtlichen A r b e i t n e h m e r n i.S.v. § 17 A b s . 1 S. 2 B e t r A V G gehört. D i e in ihrem W o r t l a u t ersichtlich zu weit gefaßte U m s c h r e i b u n g des von der Pensionssicherung (§§ 7ff. B e t r A V G ) und Pensionsanpassung (§ 16 B e t r A V G ) profitierenden Personenkreises ist im H i n b l i c k auf den C h a r a k t e r des G e s e t z e s als A r b e i t n e h m e r s c h u t z g e s e t z nach allgemeiner A n s i c h t teleologisch zu reduzieren 1 9 2 . H i e r z u w e r d e n zwei unterschiedliche B e g r ü n d u n g s wege vorgeschlagen. W ä h r e n d insbesondere die R e c h t s p r e c h u n g zunächst j e den E m p f ä n g e r einer Versorgungszusage als schutzbedürftig ansieht und dann aufgrund allgemeiner wirtschaftsrechtlicher Ü b e r l e g u n g e n diejenigen P e r s o n e n ausnimmt, die für ihr eigenes U n t e r n e h m e n tätig w e r d e n und damit das Versorgungsrisiko
selbst zu tragen bzw. selbst V o r s o r g e zu
treffen
haben 1 9 3 , argumentieren zahlreiche S t i m m e n in der Literatur mit dem N o r m z w e c k des § 17 A b s . 1 S. 1 B e t r A V G , w o n a c h die Regelungen der §§ 1 - 1 6 B e -
1.0 So im Ergebnis auch Scholz/U.H. Schneider, § 35 Rn. 226; Lutter/Hommelhoff, Anh § 6 Rn. 53; a.A. Loritz, Mitarbeit, S. 371 f., der die Gefahr einer Behinderung von Managementwechseln sieht. 1.1 Vgl. zur Fristverlängerung aufgrund organschaftlicher Treuepflicht auch Hachenburg/ Stein, § 38 Rn. 9. 192 BGH v. 28.4.1980 BGHZ 77, 94, 97ff.; BGH v. 2.6.1997 DStR 1997, 1135; Hanau/Kemper, ZGR 1982, 123, 126; Goette, ZIP 1997, 1317f. und 1320; Höfer, § 17 BetrAVG Rn. 3709; Blomeyer/Otto, § 17 BetrAVG Rn. 44. 193 So etwa BGH v. 28.4.1980 BGHZ 77, 94, lOOff.; BGH v. 16.4.1997 GmbHR 1998, 84, 86 (kein Schutz von Unternehmerrenten); Hanau/Kemper, ZGR 1982, 123, 128 ff.; Loritz, Mitarbeit, S. 380; Höfer, § 17 BetrAVG Rn. 3709.
314
3. Kapitel: Statusrelevanz
der
Unternehmergesellschafterstellung
t r A V G n u r s o z i a l s c h u t z b e d ü r f t i g e n P e r s o n e n z u g u t e k o m m e n sollen, die n i c h t in der L a g e seien, g e r e c h t e V e r s o r g u n g s b e d i n g u n g e n a u s z u h a n d e l n 1 9 4 . I m E r g e b n i s b e s t e h t j e d o c h E i n i g k e i t darüber, d a ß die in
irgendeiner
F o r m 1 9 5 f ü r die G e s e l l s c h a f t tätig w e r d e n d e n M i n d e r h e i t s g e s e l l s c h a f t e r o h n e L e i t u n g s m a c h t 1 9 6 u n d die w i r t s c h a f t l i c h a u s n a h m s w e i s e e i n e m A n g e s t e l l t e n gleichgestellten p e r s ö n l i c h h a f t e n d e n G e s e l l s c h a f t e r 1 9 7 den S c h u t z der § § 1 - 1 6 B e t r A V G g e n i e ß e n u n d d a ß andererseits die A l l e i n - 1 9 8 u n d M e h r h e i t s g e s e l l schafter 1 9 9 s o w i e die t y p i s c h e n p e r s ö n l i c h h a f t e n d e n G e s e l l s c h a f t e r 2 0 0 u n d die ausnahmsweise unternehmerische Leitungsmacht ausübenden
Kommandi-
tisten 2 0 1 n i c h t z u den b e t r i e b s r e n t e n r e c h t l i c h e n A r b e i t n e h m e r n z u zählen sind 2 0 2 . A u c h i m B e r e i c h der u m s t r i t t e n e n F ä l l e der K a p i t a l b e t e i l i g u n g v o n genau 5 0 % 2 0 3 u n d der B e t e i l i g u n g s z u s a m m e n r e c h n u n g 2 0 4 b e r u h e n die a b w e i c h e n d e n E r g e b n i s s e nicht auf d i f f e r i e r e n d e n B e g r ü n d u n g s a n s ä t z e n , s o n d e r n
1.4 So etwa BGH v. 16.4.1997 GmbHR 1998, 84, 86; Goette, ZIP 1997, 1317, 1318; Blomeyer/Otto, § 17 BetrAVG Rn. 52ff.; Hachenburg/Siezn, § 35 Rn. 148; vgl. auch BT-Drucks. 7/1281, S. 30. 1.5 Insbesondere kommt auch eine Tätigkeit auf gesellschafts- und werkvertraglicher Grundlage (dazu etwa Blomeyer/Otto, § 17 BetrAVG Rn. 78) und als Aufsichtsratsmitglied (dazu etwa Höfer, § 17 BetrAVG Rn. 3734) in Betracht. 1.6 BGH v. 2.6.1997 DStR 1997, 1135, 1136; Blomeyer/Otto, § 17 BetrAVG Rn. 114f.; die Ausübung von Leitungsmacht soll jedenfalls bei einer Beteiligung von unter 10% ausscheiden (dazu etwa BGH v. 2.4.1990 NJW-RR 1990, 800, 801 und Blomeyer/Otto, § 17 BetrAVG Rn. 117). 197 BGH v. 9.6.1980 BGHZ 77, 233, 239; Hommelhoff/Timm, KTS 1981, 289, 299. 1,8 BGH v. 28.4.1980 BGHZ 77, 94,101; Blomeyer/Otto, § 17 BetrAVG Rn. 108 ff.; Goette, ZIP 1997, 1317, 1323 f. 199 BGH v. 28.4.1980 BGHZ 77, 94, 101 f.; Goette, ZIP 1997, 1317, 1323f.; mit der Einschränkung auf den typischen Mehrheitsgesellschafter auch Hommelhoff/Timm, KTS 1981, 289, 304ff. und Blomeyer/Otto, § 17 BetrAVG Rn. 113. 200 BGH v. 9.6.1980 BGHZ 77, 233, 237ff.; BGH v. 2.4.1990 NJW-RR 1990, 800, 801; BGH v. 2.6.1997 DStR 1997, 1135 (obiter); Goette, ZIP 1997, 1317, 1318f. und 1321 f.; Blomeyer/ Otto, % 17 BetrAVG Rn. 132; enger allerdings Hommelhoff/Timm, KTS 1981, 289, 296 ff. (Beteiligung von mindestens 10%). 201 Hommelhoff/Timm, KTS 1981, 289, 302f.; Goette, ZIP 1997, 1317, 1319; Loritz, Mitarbeit, S. 381; Blomeyer/Otto, § 17 BetrAVG Rn. 137; zum grundsätzlichen Schutz des Kommanditisten B G H v. 28.4.1980 BGHZ 77, 94, 104. 202 Zum Sonderproblem des Statuswechsels siehe Hanau/Kemper, ZGR 1982, 123, 136ff.; Hommelhoff/Timm, KTS 1981, 289, 320. 203 Die Arbeitnehmereigenschaft verneinend BGH v. 9.6.1980 BGHZ 77, 233, 241 f. (obiter); Höfer, § 17 BetrAVG Rn. 3745 und Hachenburg/Stein, § 35 Rn. 150; grundsätzlich auch Hommelhoff/Timm, KTS 1981, 289, 307f.; die Arbeitnehmereigenschaft hingegen bejahend Blomeyer/Otto, § 17 BetrAVG Rn. 112. 204 Dazu BGH v. 9.6.1980 BGHZ 77, 233, 241 ff.; BGH v. 25.9.1989 BGHZ 108, 330, 333; Hommelhoff/Timm, KTS 1981, 289, 308ff.; ablehnend noch B G H v. 28.4.1980 BGHZ 77, 94, 103 (eine Ausgrenzung der zu weniger als 50% beteiligten Gesellschafter-Geschäftsführer dem Gesetzgeber vorbehaltend); krit. Hanau/Kemper, ZGR 1982, 123, 133ff. und Goette, ZIP 1997, 1317, 1322 f.; einen möglichen Wandel der Rechtsprechung obiter andeutend BGH v. 2.6.1997 DStR 1997, 1135f. und BGH v. 16.4.1997 GmbHR 1998, 84, 86.
§ 2
Einzelne
Fälle der
Statusvermittlung
315
auf einer unterschiedlichen Einschätzung des Bedürfnisses nach Schutz und nach Rechtssicherheit 205 . Während hier namentlich in der neueren Rechtsprechung bei an der Geschäftsführung beteiligten Gesellschaftern lediglich neben einer nicht unerheblichen Beteiligung etwa in der Größenordnung von über 10% 2 0 6 eine besondere Leitungsmacht kraft sog. Einigungszwangs gefordert wird 207 , hält ein Teil der Lehre am Erfordernis der Mehrheitsbeteiligung bzw. der persönlichen unbeschränkten Haftung fest 208 . Maßgebliches Kriterium müßte eigentlich auch hier die durch Unternehmerinitiative und Unternehmerrisiko gleichermaßen gekennzeichnete Stellung als Unternehmergesellschafter sein 209 . Damit wird verhindert, daß Gesellschafter, die aufgrund ihres Einflusses und ihrer Vermögensbeteiligung das Unternehmen als ihr eigenes betrachten bzw. für eine gerechte Alterssicherung insbesondere durch gesellschaftsvertragliche Vereinbarungen selbst Vorsorge treffen können, dem Schutz der §§ 1-16 BetrAVG unterstellt werden. Die hierzu gerade im Grenzbereich erforderliche und von der Rechtsprechung auch zunehmend vorgenommene Gesamtwürdigung 210 aller im ersten Kapitel dieser Arbeit dargstellten Typusmerkmale widerspricht jedoch dem im Versorgungsrecht auf der Hand liegenden besonderen Bedürfnis nach Rechtssicherheit 211 , das durch die Möglichkeit von Statuswechseln im Laufe der Tätigkeit noch verschärft wird. Man wird daher im Bereich des § 17 Abs. 1 S. 2 BetrAVG nicht auf eine Typisierung verzichten können, wofür angesichts des Ziels einer möglichst zutreffenden Erfassung von Unternehmergesellschaftern wiederum auf die Kriterien der Kapitalbeteiligung und der Organmitgliedschaft zurückzugreifen ist. Vom Schutz der §§ 1-16 BetrAVG würden danach typisierend sowohl die 205 Das geringe Schutzbedürfnis von Gesellschaftern betont etwa Loritz, Mitarbeit, S. 381; das besondere Bedürfnis nach Rechtssicherheit wird etwa hervorgehoben von B G H v. 28.4.1980 B G H Z 77, 94, 98 f. und Hanau/Kemper, Z G R 1982, 123, 135; nach maximaler Einzelfallgerechtigkeit streben Hommelhoff/Timm, KTS 1981, 289ff. 206 Zu dieser Beteiligungsschwelle etwa B G H v. 2.4.1990 N J W - R R 1990, 800, 801 und Blomeyer/Otto, § 17 BetrAVG Rn. 117; Loritz, Mitarbeit, S. 381 lehnt sogar die Festlegung einer Mindestbeteiligungsschwelle als willkürlich ab. 207 Eine solche Leitungsmacht sei gegeben, wenn der betreffende Gesellschafter als Geschäftsführer mit einem oder mehreren anderen Geschäftsführern die Mehrheit der Gesellschaftsanteile inne hat und keiner von ihnen alleine über die Anteilsmehrheit verfügt (dazu B G H v. 9.6.1980 B G H Z 77, 233, 241 ff. und B G H v. 25.9.1989 B G H Z 108, 330, 333 sowie Hommelhoff/Timm, KTS 1981, 289, 308ff.); krit. Goette, ZIP 1997, 1317, 1322f.; eine gewisse Distanzierung lassen zudem die obiter dicta in B G H v. 2.6.1997 DStR 1997, 1135f. und B G H v. 16.4.1997 G m b H R 1998, 84, 86 erkennen. 208 Goette, ZIP 1997, 1317, 1321 und 1322f.; Hanau/Kemper, Z G R 1982, 123, 132ff. 209 Vgl. dazu auch B G H v. 2.6.1997 DStR 1997, 1135. 210 Zur Gesamtbetrachtung im Einzelfall insbesondere Hommelhoff/Timm, KTS 1981, 289ff.; B G H v. 16.4.1997 G m b H R 1998, 84, 86. 211 Krit. zur neueren Rechtsprechung daher auch Hanau/Kemper, Z G R 1982, 123, 133 ff.; Blomeyer/Otto, § 17 BetrAVG Rn. 105 und 116; von einem Typisierungsbedürfnis aus Gründen der Rechtssicherheit spricht auch noch B G H v. 28.4.1980 B G H Z 77, 94, 98 f.
316
3. Kapitel: Statusrelevanz der
Unternehmergesellschafterstellung
zugleich ü b e r eine Mitgliedschaft im Leitungsorgan und eine namhafte K a p i talbeteiligung in H ö h e v o n mindestens 5 % ( b ö r s e n n o t i e r t e
Aktiengesell-
schaften) bzw. 1 0 % (übrige Gesellschaften) verfügenden Gesellschafter wie auch diejenigen Gesellschafter a u s g e n o m m e n , die ausschließlich einen K a p i talanteil v o n mindestens 25 % aufweisen 2 1 2 . Jedenfalls im Vergleich zu der t y pisierend auf eine G e s c h ä f t s f ü h r u n g s - und Mehrheitsbeteiligung bzw. eine u n b e s c h r ä n k t e H a f t u n g abstellenden A n s i c h t wäre hiermit eine weitergehende E i n s c h r ä n k u n g des A n w e n d u n g s b e r e i c h s der §§ 1 - 1 6 B e t r A V G verbunden. Sollte es darüber hinaus im Einzelfall n o c h zu einer m i ß b r ä u c h l i c h e n I n a n s p r u c h n a h m e des Pensionssicherungsfonds k o m m e n , m ü ß t e diesen u n ter U m s t ä n d e n im R a h m e n v o n § 7 A b s . 5 B e t r A V G begegnet werden.
II. Einbeziehung von Unternehmergesellschaftern in den Arbeitgeh erbe griff Als A r b e i t g e b e r wird in A b h ä n g i g k e i t v o m B e g r i f f des A r b e i t n e h m e r s allgemein diejenige P e r s o n o d e r Personengesamtheit bezeichnet, die die D i e n s t leistungen v o m A r b e i t n e h m e r kraft des Arbeitsvertrages zu fordern b e r e c h tigt ist 213 . D e r A r b e i t g e b e r tritt im Individualarbeitsrecht als Vertragspartner des A r b e i t n e h m e r s und im kollektiven A r b e i t s r e c h t als der I n h a b e r der b e trieblichen Organisationsgewalt in E r s c h e i n u n g , w o b e i sich der B e g r i f f des A r b e i t g e b e r s nur bei u n t e r n e h m e n s b e z o g e n e n Arbeitsverhältnissen mit d e m jenigen des U n t e r n e h m e r s deckt 2 1 4 . Als der Partnerin der im Gesellschaftsunt e r n e h m e n abgeschlossenen Arbeitsverträge k o m m t damit zunächst der G e sellschaft die Arbeitgebereigenschaft zu 215 . Dies gilt entgegen der bislang n o c h herrschenden M e i n u n g auch für die Außengesellschaft
bürgerlichen
Rechts 2 1 6 , deren grundsätzliche R e c h t s - und Parteifähigkeit inzwischen höchstrichterlich anerkannt wurde 2 1 7 . I m Interesse einer klaren rechtlichen Z u o r d n u n g der vertraglichen und b e triebsorganisatorischen Zuständigkeiten sollte die Arbeitgebereigenschaft dan e b e n weder den Mitgliedern des Vertretungsorgans n o c h den persönlich haf-
2,2 Zur schematischen Betrachtung der gesellschaftsgebundenen Unternehmerstellung generell 1. Kap. §3 C III lb. 213 Dazu nur BAG v. 16.10.1974 BB 1975, 183; Hueck/Nipperdey, Arbeitsrecht Bd. 1, S. 88; Nikisch, Arbeitsrecht, S. 142 ff.; MünchHdbArbK/Richardi, § 30 Rn. 1. 214 Dazu näher MünchHdbArbR/Richardi, § 30 Rn. 1 ff. 215 Dazu nur MünchHdbArbR/Richardi, § 43 Rn. 2ff.; für die Personenhandelsgesellschaften und juristischen Personen auch Schauh, HdbArbR § 32 Rn. 2. 216 MünchHdbArbR/Richardi, § 43 Rn. 4; vgl. auch zur (im konkreten Fall verneinten) Arbeitnehmereigenschaft eines zu 5 % beteiligten BGB-Gesellschafters OLG Köln v. 5.10.2000 NZG 165, 166 f.; für eine Arbeitgeberstellung der Gesellschafter hingegen BAG v. 16.10.1974 BB 1975, 183 f.; BAG v. 6.7.1989 NJW 1989, 3034; Schauh, HdbArbR § 32 Rn. 2. 217 BGH v. 29.1.2001 NJW 2001,1056ff. (bestätigt durch BGH v. 18.2.2002, ZIP 2002, 614).
52
Einzelne Fälle der
Statusvermittlung
317
tenden oder sonst unternehmerisch engagierten Gesellschaftern zukommen. So ist auch die früher verschiedentlich vertretene Auffassung zurückzuweisen, daß nur eine voll geschäftsfähige natürliche Person Inhaberin des Anspruchs auf die Arbeitsleistung sein könne und es daher im gesellschaftsrechtlichen Bereich zu einer Aufspaltung des Arbeitsverhältnisses auf das Vertretungsorgan und die Gesellschaft als Betriebsinhaberin komme 218 . Im einzelnen Normanwendungsfall mag zwar durchaus das Bedürfnis nach einer Berücksichtigung von Verhältnissen der hinter der Gesellschaft als der Arbeitgeberin stehenden natürlichen Personen entstehen, doch kann dieses auch ohne eine Ausdehnung der Arbeitgebereigenschaft auf diese Personen mit Hilfe einer Zurechnung der entsprechenden Verhältnisse gelöst werden 219 .
E. Sozialversicherungsrechtlicher Status von Unternehmergesellschaftern Den arbeitsrechtlichen Begriffen des Arbeitnehmers und des Arbeitgebers entsprechen im Sozialversicherungsrecht einschließlich der Arbeitslosenversicherung die allerdings eigenständigen Begriffe des Beschäftigten und des sozialversicherungsrechtlichen Arbeitgebers, Unternehmers oder selbständig Tätigen. Der sozialversicherungsrechtliche Status eines Unternehmergesellschafters ist damit entscheidend von seiner Einbeziehung in diese Schlüsselbegriffe der Arbeitslosen-, Kranken-, Renten-, Unfall- und Pflegeversicherung abhängig, die den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Unterschied zwischen dem abhängigen sowie tendenziell weniger wohlhabenden und dem selbständigen sowie zur Eigenvorsorge befähigten Dienstleister widerspiegeln.
I. Einbeziehung von Unternehmergesellschaftern in den Beschäftigtenbegriff 1. Grundtatbestand der nichtselbständigen Arbeit Die Versicherungspflichten in der Arbeitslosenversicherung (§ 24 Abs. 1, 25 Abs. 1 SGB III), der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V), der Pflegeversicherung (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 SGB XI) und in der gesetzlichen Rentenversicherung (§ 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI) sowie die Versiche218 So etwa Hueck/Nipperdey, Arbeitsrecht Bd. 1, S. 89 und Nikiscb, Arbeitsrecht, S. 144f.; mit Recht krit. dazu MünchHdbArbR/ÄzcWiÄ, § 30 Rn. 10 m.w.N. 219 Ein Beispiel aus dem Arbeitsrecht bildet die (de lege lata allerdings unzulässige) notwendige Zurechnung der Schwerbehinderteneigenschaft im Rahmen von § 9 Abs. 3 SchwbG (näher 5. Kap. § 2 B II 3); vgl. ferner für das Sozialversicherungsrecht die Zurechnung der Angehörigeneigenschaft im Rahmen von § 134 Abs. 2 Nr. 1 SGB III (näher 5. Kap. § 2 B IV 1).
318
3. Kapitel:
Statusrelevanz
der
Unternehmergesellschafterstellung
rung k r a f t Gesetzes in der Unfallversicherung (§ 2 A b s . 1 Nr. 1 S G B VII) sind t r o t z verschiedener Sonderregelungen in den einzelnen Versicherungszweigen 220 im wesentlichen an den Status als Beschäftigter geknüpft. Nach § 7 A b s . 1 S. 1 S G B IV gilt als Beschäftigung eine nichtselbständige A r b e i t , insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. D e r f ü r die verschiedenen Sozialversicherungszweige einschließlich der Arbeitslosenversicherung 2 2 1 einheitlich geltende Beschäftigtenbegriff w i r d damit v o m Gesetzgeber in Ubereinstimmung mit der herrschenden Meinung z w a r einerseits auf der Basis des arbeitsrechtlichen A r b e i t n e h m e r b e g r i f f s und damit dem Grundtatbestand der persönlichen Abhängigkeit definiert 2 2 2 , andererseits aber auch unter Betonung seiner Eigenständigkeit prinzipiell weiter gefaßt 2 2 3 . Die Berechtigung dieser traditionell gegenüber dem Arbeitsrecht verselbständigten Bestimmung der grundsätzlichen Reichweite der Sozialversicherungspflichten, die gerade auch in der Rechtsprechung z u m sozialversicherungsrechtlichen Status v o n Gesellschaftern und Gesellschafter-Geschäftsführern hervorgehoben wird 2 2 4 , soll in dieser A r b e i t , in der es ausschließlich u m die statusrechtliche Einordnung v o n Unternehmergesellschaftern auf der Basis der herrschenden sozialversicherungsrechtlichen D o g m a t i k geht, nicht hinterfragt werden 2 2 5 . D e r sozialversicherungsrechtliche Grundtatbestand der nichtselbständigen A r b e i t unterscheidet sich dabei zunächst w e d e r in seiner Struktur als Typusbegriff 2 2 6 noch in seinen einzelnen Merkmalen 2 2 7 v o n dem arbeitsrecht-
220 Siehe dazu etwa die Befreiung bestimmter Beschäftigter von der Arbeitslosenversicherung (§ 27 SGB III) bzw. der Unfallversicherung (§ 4 SGB VII) oder die fehlende Rentenversicherungspflicht der Vorstandsmitglieder einer AG (§ 1 S. 4 SGB VI) einerseits und die Einbeziehung bestimmter selbständig Tätiger in die Rentenversicherung (§ 2 SGB VI) und die Möglichkeit einer Unfallversicherung kraft Satzung (§ 3 SGB VII) andererseits; vgl. zudem zur Versicherung kraft freiwilligen Beitritts oder freiwilliger Fortsetzung (Versicherungsberechtigung) etwa § 9 Abs. 1 SGB V, § 7 Abs. 1 SGB VI und § 6 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII; zu Beitragsbemessungsgrenzen etwa § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V. 221 Zur Maßgeblichkeit des § 7 Abs. 1 SGB IV siehe nur Gagel /Fuchs, SGB III § 25 Rn. 3; zur Maßgeblichkeit der Begriffe Arbeitsentgelt, Beschäftigter, Beschäftigungsverhältnis und Arbeitgeber in den Vorschriften des SGB IV zur Bestimmung des arbeitslosenversicherungsrechtlichen Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbegriffs auch bereits BSG v. 9.8.1990 BSGE 67, 183, 185 (zu § 128a AFG, jetzt § 148 SGB III). 222 KassKomm/Seewald, § 7 SGB IV Rn. 3 und 126ff. 223 Siehe insbesondere zur Einbeziehung der Scheinselbständigen und der arbeitnehmerähnlichen Selbständigen KassKomm/Seewald, § 7 SGB IV Rn. 3 und 142ff.; zur grundsätzlichen Einbeziehung der abhängigen Geschäftsführer siehe sogleich unter 2a. 224 BSG v. 13.12.1960 BSGE 13, 196, 198f. und 200f.; BSG v. 9.8.1990 BSGE 67, 183, 185. 225 Zur Diskussion um die Eigenständigkeit des sozialversicherungsrechtlichen Beschäftigtenbegriffs siehe die Nachweise bei KassKomm/Seewald, § 7 SGB IV Rn. 9. 226 Siehe dazu nur KassKomm/Seewald, § 7 SGB IV Rn. 7 und 46ff.; zur Maßgeblichkeit des Gesamtbildes im Einzelfall siehe nur BSG v. 30.6.1999 Breith. 1999,1033,1037; zur Verfassungsmäßigkeit BVerfG v. 20.5.1996 NJW 1996, 2644. 227 Siehe dazu etwa KassKomm/Seewald, § 7 SGB IV Rn. 52 ff. und Erlenkämper/Fichte, Sozialrecht, S. 320.
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Einzelne Fälle der
319
Statusvermittlung
liehen Tatbestand der Arbeit in persönlicher Abhängigkeit 228 . Die im Anschluß an die ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts 229 nunmehr auch gesetzlich in § 7 Abs. 1 S. 2 SGB IV verankerte Konkretisierung durch die Indizien einer Tätigkeit nach Weisungen und einer Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers ist keineswegs abschließend. Vielmehr sind ergänzend die weiteren traditionellen, inhaltlich der arbeitsrechtlichen Abhängigkeit entsprechenden Typusmerkmale der nichtselbständigen Arbeit 230 und der Katalog der Scheinselbständigkeitskriterien (§ 7 Abs. 4 SGB IV)231 heranzuziehen. Trotz dieser im allgemeinen begrifflichen Ansatz festzustellenden Ubereinstimmungen zwischen dem Arbeits- und Sozialversicherungsrecht geht die Einordnung von Gesellschaftern mit und ohne organschaftliche Vertretungsmacht in beiden Rechtsgebieten jedoch unterschiedliche Wege.
2. Fehlende Nichtselb ständigkeit der Unterneh mertätigk eit
gesellschaftsgebundenen
Die Stellung als Gesellschafter schließt wie im Arbeitsrecht ein Beschäftigungsverhältnis mit der Gesellschaft nicht grundsätzlich aus. Auch hier wird lediglich vorausgesetzt, daß die betreffende Tätigkeit im Rahmen eines nichtselbständigen Dienstverhältnisses und nicht aufgrund einer gesellschaftsrechtlichen Verpflichtung erbracht wird 232 . Im Einzelnen ergeben sich jedoch bedeutsame Unterschiede im Vergleich zum Arbeitsrecht, die insgesamt zu einer großzügigeren Einbeziehung von mitarbeitenden Gesellschaftern füh-
a) Unternehmergesellschafter befugnis
mit organschaftlicher
Vertretungs-
Die sozialversicherungsrechtliche Klassifizierung von Gesellschaftern mit organschaftlicher Vertretungsbefugnis ist zunächst von der Gesellschaftsform 228
V. Groß, Anstellungsverhältnis, S. 388ff.; Löwisch, FS Kraft, S. 375ff. BSG v. 13.12.1960 BSGE 13, 196, 197f.; BSG v. 29.3.1962 BSGE 16, 289, 293 f.; BSG v. 20.3.1984 SozR 4100 § 168 Nr. 16; BSG v. 29.10.1986 BB 1987, 406, 407; BSG v. 9.11.1989 BSGE 66, 69, 71; Bloch, in: Schulin HS-KV § 16 Rn. 17. 230 Neben den in § 7 Abs. 1 S. 2 genannten Merkmalen gehören hierzu die soziale Schutzbedürftigkeit, die fehlende Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft, das fehlende Unternehmerrisiko, der fehlende Einsatz eigenen Kapitals und die arbeitnehmerähnliche Ausgestaltung des Dienstvertrags (näher KassKomm/Seewald, § 7 SGB IV Rn. 52 ff.). 231 KassKomm/Seewald, § 7 SGB IV Rn. 45. 232 BSG v. 26.5.1966 BSGE 25, 51, 53f.; BSG v. 20.3.1984 SozR 4100 § 168 Nr. 16; KassKomm/SeraWJ, § 7 SGB IV Rn. 25; Schlegel, in: Schulin HS-UV § 14 Rn. 31 ff. 233 Loritz, Mitarbeit, S. 183 f.; KassKomm/SeewaM, § 7 SGB IV Rn. 85 ff.; Hachenburg/ Stein, § 35 Rn. 136ff. 229
320
3. Kapitel: Statusrelevanz
der
Unternehmergesellschafterstellung
abhängig. Bei den Personengesellschaftern mit organschaftlicher Vertretungsbefugnis wird die Dienstpflicht in aller Regel ausschließlich auf dem Gesellschaftsvertrag beruhen 234 . Selbst wenn Indizien ausnahmsweise für die Annahme eines gesonderten Dienstvertrages sprechen sollten, wird man hier die Nichtselbständigkeit der Arbeit verneinen müssen, da der betreffende Gesellschafter nicht nur eigenverantwortlich an der Unternehmensleitung mitwirkt, sondern auch aufgrund der mit der Vertretungsbefugnis verbundenen persönlichen und unbeschränkten Haftung besonderen Anteil am Unternehmensrisiko hat 235 . Soweit der Gesellschafter als Vorstandsmitglied einer Aktiengesellschaft nicht ohnehin bereits kraft sondergesetzlicher Regelung von der Sozialversicherung ausgenommen ist ( § 1 S. 4 S G B VI, § 27 Abs. 1 Nr. 5 S G B III), wird er dies wie auch als stellvertretendes Vorstandsmitglied einer A G oder als Vorstandsmitglied eines VVaG 2 3 6 in Ermangelung einer nichtselbständigen Arbeit aufgrund allgemeiner sozialversicherungsrechtlicher Grundsätze. Obwohl hier neben der Gesellschafter- und Organstellung in aller Regel ein gesondertes Anstellungsverhältnis besteht, wird dieses wegen der Weisungsunabhängigkeit und der fehlenden sozialen Schutzbedürftigkeit von Vorstandsmitgliedern generell nicht als sozialversicherungsrechtliches Beschäftigungsverhältnis anerkannt 237 . Damit kommt insoweit überhaupt nur eine Einbeziehung der Gesellschafter-Geschäftsführer einer G m b H und der Vorstandsmitglieder von Genossenschaften in den Beschäftigtenbegriff in Betracht. Im Gegensatz zur herrschenden Meinung im Arbeitsrecht hinsichtlich der Arbeitnehmereigenschaft wird die Beschäftigteneigenschaft des G m b H - G e schäftsführers nicht schon dadurch ausgeschlossen, daß dieser als Vertretungsorgan der Gesellschaft Arbeitgeberfunktionen wahrnimmt 238 . Allgemein wird ein Beschäftigungsverhältnis jedoch dann verneint, wenn die vertragliche Ausgestaltung des Anstellungsverhältnisses 239 und Indizien wie insbesondere die Möglichkeit zum Selbstkontrahieren, das Fehlen weiterer
BSG v. 26.5.1966 BSGE 25, 51, 53f. Widersprüchlich BSG v. 26.5.1966 BSGE 25, 51, 53 f. (3/16-Beteiligung an einer GbR), KassKomm/Seewald, § 7 SGB IV Rn. 87 und Bloch, in: Schulin HS-KV § 16 Rn. 25, die trotz fehlender persönlicher Abhängigkeit eines gesellschaftsrechtlich zur Mitarbeit verpflichteten Personengesellschafters bei Abschluß eines gesonderten Dienstvertrags (Drittverhältnis) von der Möglichkeit eines sozialversicherungsrechtlichen Beschäftigungsverhältnisses ausgehen. 236 KassK-omm/Seewald, § 7 SGB IV Rn. 99 m.w.N. 237 Eingehend BSG v. 14.12.1999 SGb 2000, 495, 497f. mit hinsichtlich der Generalisierung krit. Anm. Benz; BSG v. 4.9.1979 BSGE 49, 22, 25; Schlegel, in: Schulin HS-UV § 14 Rn. 49; Wannagat/Jung, SGB VII § 136 Rn. 19. 238 BSG v. 13.12.1960 BSGE 13, 196, 198f. und 200f.; BSG v. 9.8.1990 BSGE 67, 183, 185; BSG v. 6.2.1992 BSGE 70, 81, 82; Ka.ssK.omm/Seewald, § 7 SGB IV Rn. 98; Schlegel, in: Schulin HS-UV § 14 Rn. 35f.; Bloch, in: Schulin HS-KV § 16 Rn. 26; krit. zu den Unterschieden zwischen Arbeits- und Sozialversicherungsrecht V. Groß, Anstellungsverhältnis, S. 391 f. 239 BSG v. 13.12.1960 BSGE 13, 196,198f.; BSG v. 30.6.1999 Breith. 1999,1033, 1036f. 234
235
§2
Einzelne Fälle der
Statusvermittlung
321
Gesellschafter oder Geschäftsführer mit Branchenkenntnissen 240 , die fehlende Bindung an Zeit, Dauer und Ort der Arbeitsleistung, der Charakter der Gesellschaft als Familien-GmbH, eine frühere Alleininhaberschaft des Unternehmens und die Übernahme eines erheblichen Unternehmerrisikos gegen die Nichtselbständigkeit des Gesellschafter-Geschäftsführers sprechen 241 . Entscheidende Bedeutung wird letztlich aber dem maßgeblichen Einfluß des Geschäftsführers auf die Unternehmensleitung beigemessen, wobei es einerseits nicht auf die tatsächliche Ausnutzung bestehender Einflußpotentiale ankommen, andererseits aber ein besonderer tatsächlicher Einfluß durchaus zu berücksichtigen sein soll 242 . So wird der entsprechende Einfluß bei einer Mehrheitsbeteiligung 243 oder Sperrminorität 244 des Geschäftsführers grundsätzlich unterstellt und im Einzelfall, insbesondere bei einem durch familiäre Bande oder besonderen Sachverstand begründeten faktischen Einfluß auf die Unternehmensleitung, gegebenenfalls sogar ohne Kapitalbeteiligung 245 von der Unabhängigkeit des Geschäftsführers ausgegangen, da er in all diesen Fällen ihm ungenehme Weisungen verhindern könne 246 . Wie etwa auch in der noch gültigen neueren Rechtsprechung zu § 17 Abs. 1 S. 2 BetrAVG 2 4 7 wird damit im Sozialversicherungsrecht eine bedenkliche und hier sogar möglicherweise bis zum völligen Verzicht auf eine Kapitalbeteiligung reichende Tendenz zur Uberbewertung des Kriteriums der Weisungsbindung und - daraus folgend - des potentiellen oder faktischen Einflusses auf die Willensbildung der Gesellschaft erkennbar, die zugleich mit einer wachsenden Rechtsunsicherheit verbunden ist. Demgegenüber sollte man 240 Nach BSG v. 30.6.1999 Breith. 1999, 1033, 1037 schließt jedoch ein besonderes know how allein noch nicht die Nichtselbständigkeit aus. 241 KassKomm/Seewald, § 7 SGB IV Rn. 91; Entscheidungshilfe der Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger zur versicherungsrechtlichen Beurteilung von Gesellschafter-Geschäftsführern einer GmbH bei Kreikebohm/GnVjfsc^, § 1 SGB VI Rn. 15. 242 BSG v. 30.4.1976 BSGE 42, 1, 2; BSG v. 23.9.1982 ZIP 1983, 103, 104; BSG v. 20.3.1984 SozR 4100 § 168 Nr. 16; BSG v. 29.10.1986 BB 1987, 406, 407; BSG v. 9.11.1989 BSGE 66, 69, 71; Hachenburg/Stein, § 35 Rn. 144f.; KussKomm/Seewald, § 7 SGB IV Rn. 91c. 243 BSG v. 25.5.1965 BSGE 23, 83, 84; BSG v. 30.4.1976 BSGE 42, 1, 2; BSG v. 20.3.1984 SozR 4100 § 168 Nr. 16 (Beteiligung von 50% an der Komplementär-GmbH); Hachenburg/ Stein, § 35 Rn. 143; zu einem Ausnahmefall BSG v. 8.12.1994 GmbHR 1995, 584f. (Beschäftigungsverhältnis bei treuhänderisch gebundener Alleingesellschafterstellung). 244 BSG v. 9.11.1989 BSGE 66, 69, 71; BSG v. 6.2.1992 BSGE 70, 81, 83; Hachenburg/Si««, § 35 Rn. 144. 245 Siehe zur möglichen Unabhängigkeit von Fremdgeschäftsführern etwa die obiter dicta in BSG v. 23.9.1982 ZIP 1983, 103, 104 und BSG v. 30.6.1999 Breith. 1999, 1033, 1036. 246 BSG v. 13.12.1960 BSGE 13, 196, 198f. (Kapitalbeteiligung von 5%); BSG v. 30.4.1976 BSGE 42, 1, 2; BSG v. 29.10.1986 BB 1987, 406, 407 (Beteiligung von 1/3); BSG v. 30.1.1990 BSGE 66, 168, 171; BSG v. 9.8.1990 BSGE 67, 183, 185; BSG v. 28.1.1992 GmbHR 1992, 810, 811; BSG v. 6.2.1992 BSGE 70, 81, 83 (Beteiligung von 45%); BSG v. 30.6.1999 Breith. 1999, 1033, 1035f.; KissKomm/Seewald, § 7 SGB IV Rn. 91b; Schlegel, in: Schulin HS-UV § 14 Rn. 38£.; Bloch, in: Schulin HS-KV § 16 Rn. 27; Kreikebohm/Gn'wisci, § 1 SGB VI Rn. 15. 247 Dazu 3. Kap. § 2 D I 2b.
322
3. Kapitel:
Statusrelevanz
der
Unternehmergesellschafterstellung
auch im Sozialversicherungsrecht auf eine namhafte Beteiligung des Geschäftsführers in Höhe von mindestens 5 % (börsennotierte Aktiengesellschaften) bzw. 10 % (übrige Gesellschaften) und damit auf ein Mindestmaß an Risikobeteiligung nicht verzichten. Im Interesse der einfachen und rechtssicheren Handhabung der sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen sollte man sich zudem von der allgemein befürworteten Einzelfallbetrachtung 248 verabschieden und bei Uberschreiten der genannten Beteiligungsschwellen die Nichtselbständigkeit des Geschäftsführers typisierend verneinen 249 .
b) Unternehmergesellschafter befugnis
ohne organschaftliche
Vertretungs-
Gesellschafter ohne organschaftliche Vertretungsbefugnis, die aufgrund eines gesonderten Dienstverhältnisses zu Tätigkeiten für die Gesellschaft verpflichtet sind, können ebenfalls dann als beschäftigt i.S.d. Sozialversicherungsrechts gelten, wenn sie funktionsgerecht dienend am Arbeitsprozeß der Gesellschaft teilhaben, für ihre Beschäftigung ein entsprechendes Arbeitsentgelt erhalten und keinen maßgeblichen Einfluß auf die Geschicke der Gesellschaft geltend machen können 250 . Da diese Voraussetzungen von persönlich haftenden Gesellschaftern praktisch nur sehr selten erfüllt werden, kommen hierfür namentlich die mitarbeitenden Kommanditisten 251 und Kapitalgesellschafter 252 in Betracht. Der die Beschäftigteneigenschaft ausschließende maßgebliche Einfluß auf die Unternehmensleitung wird dabei wiederum im Falle einer Mehrheitsbeteiligung, einer Sperrminorität oder einem sonstigen faktischen Einfluß angenommen 253 . Dem ist grundsätzlich zuzustimmen. Aus Gründen der Einfachheit und Rechtssicherheit sollte jedoch auch hier typisierend nur auf den zumindest durch eine kapitalmäßige Beteiligung von 25 % 248 Siehe dazu nur B S G v. 30.4.1976 B S G E 42, 1, 2; B S G v. 20.3.1984 SozR 4100 § 168 Nr. 16; BSG v. 29.10.1986 B B 1987, 406, 407. 249 Zur schematischen Betrachtung der gesellschaftsgebundenen Unternehmerstellung siehe generell 1. Kap. § 3 C III lb. 250 B S G v. 26.5.1966 B S G E 25, 51, 53f.; B S G v. 20.3.1984 SozR 4100 § 168 Nr. 16; KassKomm/Seewald, § 7 S G B IV Rn. 25; Löwisch, FS Kraft, S. 375 ff.; Kreikebohm/Grintsch, § 1 S G B VI Rn. 14 f.; Schlegel, in: Schulin H S - U V § 14 Rn. 31 ff. 251 B S G v. 27.6.1974 VersR 1975, 322; Schlegel, in: Schulin H S - U V § 14 Rn. 34; Kreikebohm/Grintsch, § 1 S G B VI Rn. 15. 252 B G H v. 15.12.1971 B B 1972, 404. 253 B G H v. 15.12.1971 B B 1972, 404 (keine Beschäftigteneigenschaft eines zu 1/3 am Stammkapital und nicht an der Geschäftsführung beteiligten besonders sachkundigen Gesellschafters einer Zweipersonen-GmbH); B S G v. 27.6.1974 VersR 1975, 322f. (keine Beschäftigteneigenschaft eines weisungsungebunden tätig werdenden Kommanditisten); B S G v. 9.11.1989 B S G E 66, 69, 71 (keine Beschäftigteneigenschaft des Mehrheitsgesellschafters und des Inhabers einer Sperrminorität); B S G v. 20.3.1984 SozR 4100 § 168 Nr. 16 (grundsätzlich keine Beschäftigteneigenschaft eines unterhalb der Geschäftsführung tätigen Mehrheitsgesellschafters); Löwisch, FS Kraft, S. 375ff.; Schlegel, in: Schulin H S - U V § 14 Rn. 34.
52
Einzelne Fälle der
Statusvermittlung
323
rechtlich abgesicherten Gesellschaftereinfluß abgestellt werden und eine etwaige anderweitig rechtlich oder gar nur faktisch abgesicherte Machtposition unberücksichtigt bleiben.
3. Die fehlende Beschäftigtenähnlichkeit schafters i.S.v. § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII
des
Unternehmergesell-
Mit der Qualifikation als Nichtbeschäftigter sollte konsequenterweise auch eine Einbeziehung in die Unfallversicherung als eine einem Beschäftigten ähnliche Person nach § 2 Abs. 2 S. 1 S G B VII ausscheiden, da die von § 2 Abs. 1 Nr. 1 S G B VII erfaßten Personen gerade durch ihre bei einem Unternehmergesellschafter fehlende persönliche Abhängigkeit charakterisiert sind 254 .
II. Einbeziehung von Unternehmergesellschaftern in den Arbeitgeber-, Unternehmer- bzw. Selbständigenbegriff Im Gegensatz zu dem für das Sozialversicherungsrecht einschließlich der Arbeitslosenversicherung grundsätzlich einheitlich bestimmten Begriff des Beschäftigten wird die Eigenschaft als Arbeitgeber, Unternehmer bzw. selbständig Tätiger in den einzelnen Versicherungszweigen an verschiedene, wiederum vom Arbeitsrecht abweichende Voraussetzungen geknüpft. In allen Fällen begründet die fehlende Beschäftigteneigenschaft jedoch nicht zugleich auch die Eigenschaft als Arbeitgeber, Unternehmer oder selbständig Täti-
1.
Arbeitgebereigenschaft
Der für die Kranken- (z.B. §§ 147, 198, 249 S G B V), Renten- (z.B. § 172 S G B VI), Unfall- (z.B. § 36 S G B VII) und Arbeitslosenversicherung (z.B. § 2 Abs. 1 S G B III, indirekt auch § 134 Abs. 2 Nr. 1 S G B III) sowie das allgemeine Sozialversicherungsrecht (z.B. § 18c Abs. 2, § 28e Abs. 1 S. 1, § 4 7 Abs. 2 S G B IV, §§ 98ff., 115ff. S G B X ) maßgebliche Begriff des Arbeitgebers wird vergleichbar dem Arbeitsrecht aus dem Beschäftigtenbegriff heraus bestimmt. Arbeitgeber i.S.d. Sozialversicherungsrechts einschließlich der Arbeitslosenversicherung ist danach derjenige, zu dem der Beschäftigte im Verhältnis persönlicher Abhängigkeit steht. Es handelt sich mithin nicht um den
254 ZutreffendJ. Schmitt, SGB VII § 2 Rn. 135 und 139; a.A. BSG v. 27.6.1974 VersR 1975, 322 f. (zu § 539 Abs. 2 RVO). 255 Dazu nur BSG v. 21.4.1988 SozR 4100 § 112 Nr. 36 (S. 171); BSG v. 30.1.1990 BSGE 66, 168, 170; KassKomm/Seewald, § 7 SGB IV Rn. 96.
324
3. Kapitel:
Statusrelevanz
der
Unternehmergesellschafterstellung
persönlichen Träger des Direktionsrechts, sondern u m denjenigen, dem der A n s p r u c h auf die Arbeitsleistung zusteht, der den L o h n schuldet und dem der wirtschaftliche Ertrag der Arbeitsleistung zukommt 2 5 6 . A u c h sofern man die persönliche Abhängigkeit des Beschäftigten an die Eingliederung in einen Betrieb stützt, ist Arbeitgeber zunächst der Betriebsinhaber und damit die Gesellschaft 2 5 7 . N e b e n der Gesellschaft als der Unternehmensträgerin sollen allerdings gegebenenfalls auch weitere Personen als Arbeitgeber gelten k ö n nen, w e n n sie etwa als Kapitalgeber neben dem Betriebsinhaber die Möglichkeit haben, unmittelbar auf die Beschäftigungsverhältnisse einzuwirken 2 5 8 . So w i r d nach überwiegender A n s i c h t etwa im Rahmen v o n § 134 A b s . 2 Nr. 2 S G B III zwischen Personengesellschaften, bei denen ausschließlich (GbR) 2 5 9 bzw. neben der Gesellschaft (Personenhandelsgesellschaften) 2 6 0 zumindest den persönlich haftenden Gesellschaftern 2 6 1 die sozialversicherungsrechtliche Arbeitgebereigenschaft z u k o m m e n soll, und Kapitalgesellschaften, bei denen ausschließlich die mit eigener Rechtspersönlichkeit ausgestattete Gesellschaft über die Arbeitgebereigenschaft verfügen soll 262 , unterschieden. Diese ü b e r k o m m e n e D i f f e r e n z i e r u n g zwischen Personen- und Kapitalgesellschaften widerspricht der auch bei den Personengesellschaften einschließ-
256 Dazu nur BSG v. 20.12.1962 BSGE 18, 190, 196f.; BSG v. 16.3.1972 BSGE 34, 111, 113; KassKomm/SeraW^, § 28e SGB IV Rn. 3; Erlenkämper/Fichte, Sozialrecht, S. 305; Niesei, SGB III § 35 Rn. 8; vgl. auch für die Gruppenzugehörigkeit § 47 Abs. 2 Nr. 1 SGB IV. 257 BSG v. 16.2.1983 BSGE 55, 3, 5 (GbR); BSG v. 31.7.1963 BSGE 19, 265, 269 (KG); BSG v. 26.1.1978 BSGE 45, 279, 280f. (GmbH); KassKomm/SeeaWd, § 28e SGB IV Rn. 4 (GbR, OHG, KG) und Rn. 5 (Kapitalgesellschaften); Husmann, in: GK-AFG § 112 Rn. 426 (OHG) und 436 (KG); siehe ferner die Nachweise in Fn. 260 und 262. 258 BSG v. 16.3.1972 BSGE 34, 111, 113f.; für die ausschließliche Arbeitgebereigenschaft der Gesellschaft mit Ausnahme der GbR allerdings Husmann, in: GK-AFG § 112 Rn. 426 und 437f. 259 So im Rahmen des § 134 Abs. 2 Nr. 1 SGB III BSG v. 21.6.1994 SozSich 1996, 78; Valgolio, in: Hauck/Noftz SGB III § 134 Rn. 62; Niesei, SGB III § 134 Rn. 19 und Husmann, in: GK-AFG § 112 Rn. 437f.; im Rahmen des § 249 SGB V auch KassKomm/Peim, § 249 SGB V Rn. 13 unter Berufung auf die arbeitsrechtliche Entscheidung BAG v. 6.7.1989 NJW 1989, 3034. 260 BSG v. 15.12.1993 BSGE 73, 263, 265f. (der Arbeitnehmer einer OHG sei i.S.v. § 112 Abs. 5 Nr. 3 AFG bei seiner Ehefrau beschäftigt gewesen, wenn diese Gesellschafterin der OHG war); Valgoho, in: Hauck/Noftz SGB III § 134 Rn. 63 (OHG); unter Einschränkung auf einflußreiche Gesellschafter auch Gagel/Gagel, SGB III § 134 Rn. 32; krit. allerdings Husmann, in: GK-AFG § 112 Rn. 426 und 428ff. (OHG) sowie 436 (KG). 261 Zur fehlenden Arbeitgebereigenschaft von Kommanditisten Valgolio, in: Hauck/Noftz SGB III § 134 Rn. 65; zur fehlenden Arbeitgebereigenschaft auch der einflußlosen persönlich und unbeschränkt haftenden Gesellschafter Gagel/Gagel, SGB III § 134 Rn. 32. 262 BSG v. 21.4.1988 SozR 4100 § 112 Nr. 36 (S. 170ff.) für den Mehrheitsgesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH; BSG v. 30.1.1990 BSGE 66, 168, 170; BSG v. 15.12.1993 BSGE 73, 263, 264f. (obiter); KassKomm/Seewald, § 7 SGB IV Rn. 96; Valgolio, in: Hauck/Noftz SGB III § 134 Rn. 64; Niesei, SGB III § 134 Rn. 19.
§2
Einzelne Fälle der
Statusvermittlung
325
lieh der Außengesellschaft bürgerlichen Rechts 263 bestehenden rechtlichen Verselbständigung der Gesellschaft gegenüber ihren Gesellschaftern und ihrer sich hieraus ergebenden ausschließlichen Stellung als Betriebsinhaberin 264 . Wie auch im Arbeitsrecht sollte im Interesse einer klaren rechtlichen Zuordnung sowie zur Vermeidung einer Differenzierung nach der Rechtsform, die vor dem Hintergrund der im Sozialversicherungsrecht maßgeblichen Schutzbedürftigkeit sachlich nicht gerechtfertigt werden kann 265 , auf eine neben der Gesellschaft bestehende Arbeitgeberstellung von Gesellschaftern überhaupt verzichtet werden. Sofern sich im konkreten Fall bei der Normanwendung ein unabweisbares Bedürfnis nach Einbeziehung der hinter der Gesellschaft stehenden Unternehmergesellschafter bzw. nach Berücksichtigung ihrer persönlichen Verhältnisse ergeben sollte, ist dem im Wege der Analogie 266 bzw. durch Zurechnung der persönlichen Verhältnisse 267 Rechnung zu tragen.
2.
Unternehmereigenschaft
Unternehmer i.S.d. Unfallversicherung (z.B. § 2 Nr. 5 lit. a, § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 6 Abs. 1 Nr. 1, § 104, § 150 Abs. 1, 191 ff. S G B VII) ist jede Person, der das wirtschaftliche Ergebnis des betreffenden Unternehmens unmittelbar zum Vor- oder Nachteil gereicht (§ 136 Abs. 3 Nr. 1 S G B VII) und die über einen maßgeblichen Einfluß auf die betriebliche bzw. kaufmännische Leitung des Unternehmens i.S.v. § 121 Abs. 1 S G B VII verfügt 268 . Im gesellschaftsrechtlichen Bereich soll dies grundsätzlich nur für die einflußreichen Personengesellschafter gelten 269 , während den Kapitalgesellschaftern im Rahmen 263 Siehe grundlegend zur grundsätzlichen Rechts- und Parteifähigkeit der Außengesellschaft bürgerlichen Rechts BGH v. 29.1.2001 NJW 2001, 1056ff. (bestätigt durch BGH v. 18.2.2002, ZIP 2002, 614). 264 Zutreffend lediglich Husmann, in: GK-AFG § 112 Rn. 426 und 428ff. (OHG) sowie 436 (KG). 265 Siehe dazu auch im Zusammenhang mit § 134 Abs. 2 Nr. 1 SGB III 5. Kap. § 2 B IV 1. 266 Hinsichtlich der eingangs zitierten Normen besteht ein Bedürfnis nach analoger Einbeziehung der hinter der rechtsfähigen Gesellschaft stehenden Unternehmergesellschafter allerdings nicht. 267 Siehe dazu etwa im Zusammenhang mit § 134 Abs. 2 Nr. 1 SGB III 5. Kap. § 2 B IV 1. 268 Siehe dazu auch BSG v. 29.3.1961 BSGE 14, 142, 145f.; BSG v. 30.8.1962 BSGE 17, 273, 275; BSG v. 27.6.1974 VersR 1975, 322; ]. Schmitt, SGB VII § 3 Rn. 7 und § 136 Rn. 18; zum Unterschied zwischen Arbeitgeber- und Unternehmerbegriff BSG v. 16.3.1972 BSGE 34, 111, 113 und Gitter/Nunius, in: Schulin-HS-UV § 5 Rn. 84ff. 269 BSG v. 27.6.1974 VersR 1975, 322 f. (für die auf die Betriebsführung und kaufmännische Leitung maßgeblich einwirkenden Kommanditisten); BSG v. 26.1.1978 BSGE 45, 279, 280 (Mitunternehmereigenschaft von Kommanditisten); KassKommARzcfee, § 136 SGB VII Rn. 30 (Unternehmereigenschaft sämtlicher persönlich haftender Gesellschafter sowie der unternehmerisch einflußreichen Kommanditisten); Wannagat/Jung, SGB VII § 136 Rn. 21 (Unternehmereigenschaft grundsätzlich aller Personengesellschafter); Erlenkämper/Fichte, Sozialrecht, S. 556f. (für die geschäftsführenden Personengesellschafter);/. Schmitt, SGB VII § 136 Rn. 19 (persönlich haftende Gesellschafter).
326
3. Kapitel:
Statusrelevanz
der
Unternehmergesellschafterstellung
der Unfallversicherung nicht die Eigenschaft eines Unternehmers zukommen soll 270 . Insbesondere bei Aktionären soll es an der Unmittelbarkeit der Risikobeteiligung fehlen 271 . Die etwa aufgrund Gesellschaftsvertrages mitarbeitenden Gesellschafter, die Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft und die über maßgeblichen Einfluß verfügenden Gesellschafter-Geschäftsführer einer G m b H sollen daher nur als unternehmerähnliche Personen i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 5 lit. c (gesetzliche Versicherungspflicht im Bereich der Landwirtschaft) und § 6 Abs. 1 Nr. 2 S G B VII (freiwillige Versicherung) gelten können 272 . Die unfallversicherungsrechtliche Bestimmung der Unternehmereigenschaft weicht damit in Definition und/oder Ergebnis nicht nur vom sozialversicherungsrechtlichen Arbeitgeberbegriff, sondern auch vom Unternehmerbegriff des Verbraucherschutzrechts ( § 1 4 Abs. 1 B G B ) sowie des Handels- und Steuerrechts ab 273 . Ebenfalls eigenständig wird der für die Krankenversicherung der Landwirte maßgebliche Unternehmerbegriff umschrieben, obwohl die 1988 neugefaßte Legaldefinition des § 2 Abs. 3 S. 1 K V L G , wonach als Unternehmer derjenige gilt, der seine berufliche Tätigkeit selbständig ausübt, inhaltlich praktisch dem § 14 Abs. 1 B G B entspricht. Nach § 2 Abs. 3 S. 2 K V L G n.F. sollen nämlich auch die beschränkt haftenden Gesellschafter einer Personengesellschaft und die Mitglieder einer juristischen Person als Unternehmer gelten, wenn sie hauptberuflich im Unternehmen tätig sind und wegen dieser Tätigkeit nicht in der Rentenversicherung versichert sind. Dies entspricht zwar der bereits vor 1988 bestehenden Rechtslage 274 , widerspricht jedoch der ansonsten allgemein anerkannten sozialversicherungsrechtlichen und zivilrechtlichen Dogmatik. Die dogmatische Uneinheitlichkeit und Widersprüchlichkeit des sozialversicherungsrechtlichen Unternehmerbegriffs, die in seiner Doppelfunktion als Synonym für den Arbeitgeberbegriff einerseits und als Sammelbegriff für bestimmte Versicherte andererseits begründet liegt, sollte de lege ferenda durch eine grundlegende Neuorientierung beseitigt werden. Soweit es in der Unfallversicherung um die Funktion als Arbeitgeber geht (z.B. § 104, § 136 Abs. 1, § 150 Abs. 1 S. 1, 191 ff. S G B VII) wäre der allgemeine sozialversicherungs-
270 BSG v. 30.3.1962 BSGE 17, 15, 19f.; BSG v. 25.5.1965 BSGE 23, 83, 85 (zu 50% beteiligter Alleingeschäftsführer einer GmbH); BSG v. 26.1.1978 BSGE 45, 279, 280f.; KassKomm/ Seewald, § 7 SGB IV Rn. 96; Wannagat/Jung, SGB VII § 136 Rn. 21; KassKomm/Äic^e, § 136 SGB VII Rn. 29; /. Schmitt, SGB VII § 136 Rn. 19. 271 KassKommARjcfee, § 136 SGB VII Rn. 26; Wannagat /Jung, SGB VII § 136 Rn. 19. 272 BSG v. 14.12.1999 SGb 2000, 495, 499f.; BSG v. 30.4.1976 BSGE 42, 1, 3f.; KassKomm/ Ricke, § 6 SGB VII Rn. 3 und § 136 SGB VII Rn. 29; J. Schmitt, SGB VII § 6 Rn. 13; Wannag a t / / « ^ , SGB VII § 136 Rn. 21. 273 Siehe dazu auch BSG v. 30.8.1962 BSGE 17, 273, 276; Wannagat/>»g, SGB VII § 136 Rn. 18 f. 274 Dazu nur BSG v. 23.1.1986 SozR 5420 § 2 Nr. 35.
52
Einzelne Fälle der
Statusvermittlung
327
rechtliche Arbeitgeberbegriff auch in das SGB VII zu übernehmen. Damit wäre dann nach den obigen Ausführungen als Arbeitgeber nur die Gesellschaft als die Partnerin des Beschäftigungsverhältnisses anzusehen. Zur sich davon abhebenden Kennzeichnung der als Unternehmer versicherungspflichtigen bzw. -berechtigten Personen (z.B. § 2 Nr. 5 lit. a, § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 6 Abs. 1 Nr. 1, § 150 Abs. 1 S. 2 SGB VII, § 2 K V L G ) könnte man anschließend auf die Begriffe des Unternehmers und der unternehmerähnlichen Person zurückgreifen und diese gesellschaftsformübergreifend entsprechend der sozialversicherungsrechtlichen Schutzbedürftigkeit definieren. Hierzu sollte man sich an dem zumindest im Unfallversicherungsrecht allgemein anerkannten Grundsatz orientieren, daß nur eine Kombination aus Unternehmerrisiko 275 und Unternehmerinitiative 276 eine typischerweise verringerte sozialversicherungsrechtliche Schutzbedürftigkeit begründet. Ließe man es dabei für den Unternehmerbegriff entsprechend dem derzeitigen Wortlaut des § 136 Abs. 3 Nr. 1 SGB VII auf eine Unmittelbarkeit der Risikotragung ankommen, könnten die nicht als Beschäftigte einzuordnenden Unternehmergesellschafter aufgrund ihrer lediglich mittelbaren Unternehmensbeteiligung überhaupt nur als unternehmerähnliche Personen versicherungspflichtig bzw. -berechtigt sein. In jedem Fall müßte der Begriff des Unternehmers bzw. der unternehmerähnlichen Person wiederum im Interesse einer einfachen und rechtssicheren Handhabung typisierend entweder von einer Mitgliedschaft im Leitungsorgan und einer namhaften Kapitalbeteiligung in Höhe von mindestens 5 % (börsennotierte Aktiengesellschaften) bzw. 1 0 % (übrige Gesellschaften) oder von einer ausschließlich kapitalmäßigen Beteiligung in Höhe von mindestens 25 % abhängig gemacht werden 277 . 3. Eigenschaft
als selbständig
Tätiger
Der für die Renten- (z.B. § 2, § 4 Abs. 2, § 126 Abs. 1, 169 Nr. 1, § 274a SGB VI) und Unfallversicherung (z.B. § 2 Nr. 5 lit. c, 6, 7 und 9 SGB VII) sowie das allgemeine Sozialversicherungsrecht bedeutsame Begriff des selbständig Tätigen (z.B. § 4, § 8 Abs. 3 SGB IV) bildet das begriffliche Gegenstück zum abhängig Beschäftigten des Sozialversicherungsrechts. Es handelt sich mithin ebenfalls um einen Typusbegriff, der im wesentlichen durch das Vorhandensein eines eigenen Unternehmerrisikos und einer eigenen Betriebsstätte sowie durch den grundsätzlich eigenverantwortlich bestimmten sachli-
275 Dazu neben § 136 Abs. 3 Nr. 1 SGB VII auch BSG v. 29.3.1961 BSGE 14, 142, 146; KassKomm¡Ricke, § 136 SGB VII Rn. 24 und Wannagat/Jung, SGB VII § 136 Rn. 19. 276 Dazu auch BSG v. 31.7.1962 BSGE 17, 211, 212f.; BSG v. 27.6.1974 VersR 1975, 322; KassKomm/Rzc&e, § 136 SGB VII Rn. 24 und 27; Wannagat/Jung, SGB VII § 136 Rn. 20. 277 Zur schematischen Betrachtung der gesellschaftsgebundenen Unternehmerstellung siehe generell 1. Kap. § 3 C III lb.
328
J. Kapitel: Statusrelevanz der
Unternehmergesellscbafterstellung
chen, örtlichen und zeitlichen E i n s a t z der eigenen A r b e i t s k r a f t g e k e n n z e i c h net ist 278 . K o r r e s p o n d i e r e n d zur E i n o r d n u n g v o n Gesellschaftern in den B e griff des (abhängig) Beschäftigten sollte daher jeder nicht nur v o r ü b e r g e h e n d mitarbeitende Gesellschafter als selbständig T ä t i g e r gelten, w e n n er ü b e r eine Mitgliedschaft im L e i t u n g s o r g a n und eine namhafte Kapitalbeteiligung in H ö h e v o n mindestens 5 % ( b ö r s e n n o t i e r t e Aktiengesellschaften) bzw. 1 0 % (übrige Gesellschaften) oder ü b e r eine ausschließlich kapitalmäßige Beteiligung v o n mindestens 2 5 % verfügt 2 7 9 . S o f e r n man für die Selbständigkeit das B e t r e i b e n eines eigenen U n t e r n e h m e n s voraussetzt, wären die damit typisierend erfaßten U n t e r n e h m e r g e s e l l s c h a f t e r jedenfalls als einem selbständig T ä tigen ähnliche P e r s o n e n etwa im Sinne des durch Auslegung ü b e r die Fälle des A b s . 1 N r . 1 hinaus zu erweiternden § 2 A b s . 2 S. 1 S G B V I I 2 8 0 anzusehen.
F. Parteieigenschaft des Unternehmergesellschafters im Gesellschaftsprozeß Rechtsfähige Gesellschaften sind nicht nur im materiellen R e c h t , sondern auch p r o z e ß r e c h t l i c h gegenüber ihren Gesellschaftern verselbständigt ( z . B . § 124 A b s . 1 H G B , § 13 A b s . 1 G m b H G , § 1 A b s . 1 S. 1 A k t G , § 17 A b s . 1 G e n G ) 2 8 1 . I m Falle eines die parteifähige Gesellschaft im eigenen N a m e n aktiv o d e r passiv betreffenden R e c h t s s c h u t z b e g e h r e n s k o m m t die Parteistellung mithin ausschließlich der rechtsfähigen Gesellschaft und nicht auch einzelnen Gesellschaftern zu 282 . I m Gegensatz zur ständigen Rechtsprechung des Reichsgerichts, gilt dies nach inzwischen einhelliger Auffassung auch im B e w e i s recht nicht m e h r nur für die Kapitalgesellschaften 2 8 3 , sondern auch für die Per278 BSG v. 1.12.1977 SozR 2200 § 1227 Nr. 8; BSG v. 20.3.1984 SozR 4100 § 168 Nr. 16; BSG v. 29.10.1986 BB 1987, 406, 407; Bloch, in: Schulin HS-KV § 16 Rn. 19f.; KassKomm/ Gürtner, § 2 SGB VI Rn. 4 und § 4 SGB VI Rn. 15. 279 Zur schematischen Betrachtung der gesellschaftsgebundenen Unternehmertätigkeit siehe generell l.Kap. § 3 C III lb; im hiesigen Zusammenhang vgl. etwa auch BSG v. 29.10.1986 BB 1987, 406, 407 (Selbständigkeit eines zu einem Drittel an der Gesellschaft beteiligten Gesellschafter-Geschäftsführers). 280 Zur Auslegung des § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII als Auffangtatbestand siehe nur ]. Schmitt, SGB VII § 2 Rn. 131 m.w.N. 281 Mit Recht krit. zur Vermischung der Frage der Parteifähigkeit der Gesellschaft mit der Frage ihrer Parteistellung in der rechtswissenschaftlichen Diskussion siehe Henckel, Parteilehre, S. 116f. 282 Dazu nur allgemein im Zusammenhang mit der Parteifähigkeit Stein/Jonas/Bork, Vor §50 ZPO Rn. 5, 13 und 16a und MünchKommZPO/Lindacber, §50 Rn. 10, 23ff. jeweils m.w.N.; teilweise a.A. Henckel, Parteilehre, S. 116ff. (notwendige Streitgenossenschaft der Gesamthandsgesellschafter auch bei OHG und KG). 283 Griebel, Einmanngesellschaft, S. 137ff.; für die Aktiengesellschaft: RG v. 15.10.1913 RGZ 83, 182, 183; RG v. 16.9.1899 JW 1899, 673 (obiter); Barfuß, NJW 1977, 1273, 1274; MünchKommZPO/Ddffzn?«, § 373 Rn. 10; GroßKomm.AktG/Brändel, § 1 Rn. 46; für die
§2
Einzelne Fälle der
Statusvermittlung
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sonenhandelsgesellschaften 2 8 4 . Angesichts der jüngsten höchstrichterlichen Entscheidung z u r grundsätzlichen Parteifähigkeit der Außengesellschaft b ü r gerlichen Rechts 2 8 5 zeichnet sich schließlich auch f ü r diese Gesellschaftsform eine entsprechende Entwicklung ab. Die Ausschließlichkeit der Parteistellung der rechtsfähigen Gesellschaft ist dabei unabhängig davon gegeben, ob man den herrschenden formellen oder den materiellen bzw. funktionellen Parteibegriff zugrunde legt. D e n n stets ist n u r die Gesellschaft als solche Klägerin, Antragstellerin oder Vollstreckungsgläubigerin bzw. Beklagte, Vollstrekkungsschuldnerin oder Antragsgegnerin (formeller Parteibegriff 2 8 6 ), Subjekt des streitigen Rechtsverhältnisses (materieller Parteibegriff) bzw. Verwalterin des Streitvermögens (funktioneller Parteibegriff) 2 8 7 . Es besteht auch bei der A n w e n d u n g der auf die Parteieigenschaft Bezug nehmenden Vorschriften 2 8 8 kein Bedürfnis nach Erstreckung der Parteieigenschaft auf bestimmte Gesellschafter. Im sechsten Kapital ist lediglich noch zu untersuchen, ob der U n t e r nehmergesellschafter angesichts der Interesseneinheit mit der Gesellschaft diese als Nebenintervenient unterstützen (§§ 6 6 ff. Z P O ) , im Gesellschaftsp r o z e ß als Richter fungieren ( § § 4 1 f. Z P O ) und als Zeuge v e r n o m m e n (§§ 3 7 3 f f . , 4 4 5 f f . Z P O ) w e r d e n kann 2 8 9 .
GmbH: RG v. 16.9.1899 JW 1899, 673; RG v. 2.4.1909 Recht 1909 Nr. 1698; RG v. 14.12.1909 LZ 1910, 218 Nr. 29; Barfuß, NJW 1977, 1273, 1274; Baumbach/Lauterbach///^rtm^n«, Ubers § 373 ZPO Rn. 15; für eine Ausnahme bei gesellschaftsinternen Prozessen (z.B. § 61 Abs. 2 S. 1 GmbHG) in personalistischen GmbH Joost, ZGR 1984, 71, 97ff. 284 So nunmehr zutreffend unter Aufgabe überholter Gesamthandsvorstellungen und unter gebotener Wahrung der Trennung zwischen Gesellschafts- und Gesellschafterprozeß BGH v. 27.9.1965 NJW 1965, 2253, 2254 (Zeugenvernehmung eines Kommanditisten); BGH v. 19.10.1964 BGHZ 42, 230, 231 (Zeugenvernehmung von Kommanditisten und von Komplementären, die nicht zu Liquidatoren bestellt wurden); BAG v. 16.11.1979 BB 1980, 580 (Zeugenvernehmung eines mit Prokura ausgestatteten Kommanditisten); R. Fischer, FS Hedemann, S. 75, 83ff.; Stein/JonasAßerger, Vor § 373 ZPO Rn. 6; Kämmerer, NJW 1966, 801, 805; anders noch die st. Rspr. des Reichsgerichts in RG v. 15.12.1886 RGZ 17, 365ff. (Kommanditist); RG V. 15.12.1893 RGZ 32, 398, 399 (obiter, Kommanditist); RG v. 7.3.1895 RGZ 35, 388, 389 (OHG); RG v. 26.10.1908 JW 1908, 748 (Kommanditist); RG v. 15.11.1909 JW 1910, 25 (OHG) und ohne Differenzierung nach der Vertretungsmacht auch noch BGH v. 16.2.1961 BGHZ 34, 293, 297 (obiter) und A. Hueck, OHG, S. 335 f. 285 BGH v. 29.1.2001 NJW 2001, 1056, 1058 ff. (bestätigt durch BGH v. 18.2.2002, ZIP 2002, 614); zuvor bereits etwa MünchKommZPO/Lindacher, § 50 Rn. 26f. 286 Nach dem formellen Parteibegriff sind Parteien des Zivilprozesses diejenigen Personen, von denen und gegen die nach dem objektiven Sinn der einleitenden Prozeßhandlung der staatliche Rechtsschutz im eigenen Namen begehrt wird (dazu nur BGH v. 24.1.1952 BGHZ 4, 328, 334; MünchKommZPO/Zira^c/W, Vor § 50 Rn. 2f.). 287 Zum materiellen und funktionellen Parteibegriff siehe referierend Stein/Jonas/5or&, Vor § 50 ZPO Rn. 2f. m.w.N. 288 Zu nennen sind die Vorschriften über den Gerichtsstand, die Rechtshängigkeit, die Ausschließung oder Ablehnung von Gerichtspersonen, die Streitverkündung und Streithilfe, die Kostenpflicht, die Prozeßkostenhilfe, die Sicherheitsleistung, die Unterbrechung des Verfahrens, den Parteiwechsel, das Beweisverfahren, die materielle Rechtskraft und die Vollstreckbarkeit. 289 Siehe 6. Kap. § 2 B I 5.
330
3. Kapitel:
Statusrelevanz
der
Unternehmergesellschafterstellung
G. Gewerberechtliche Gewerbetreibendeneigenschaft des Unternehmergesellschafters Zwar wird dem unternehmerisch engagierten Personengesellschafter nach allgemeiner Meinung im Gewerberecht die Gewerbetreibendeneigenschaft zuerkannt, doch wird sich zeigen, daß dies nicht auf einer Zurechnung der nach dieser Ansicht gar nicht vorhandenen Gewerbetreibendeneigenschaft der Gesellschaft, sondern auf einer auch gewerberechtlich verfehlten Mißachtung der rechtlichen Verselbständigung der Personengesellschaften beruht. Demgegenüber sollte auch im Gewerberecht ausschließlich der Gesellschaft die Gewerbetreibendeneigenschaft zukommen.
I. Die Gewerbetreibendeneigenschaft von Gesellschaftern im Gewerberecht In Rechtsprechung und Schrifttum zum Gewerberecht wird hinsichtlich der Gewerbetreibendeneigenschaft von Gesellschaften und Gesellschaftern allgemein zwischen juristischen Personen und Gesamthandsgemeinschaften differenziert. Danach wird einer Gesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit, die nicht als sog. Strohgesellschaft angesehen werden kann 290 , die Eigenschaft eines Gewerbetreibenden ausschließlich selbst und nicht auch den Gesellschaftern oder Mitgliedern des Vertretungsorgans zuerkannt 291 . Demgegenüber sollen bei den Personengesellschaften wie auch den Gründergesellschaften 292 die unternehmerisch engagierten Gesellschafter und nicht auch die Gesellschaft als solche als Gewerbetreibende gelten293. Zu den unternehmerisch engagierten Gesellschaftern werden dabei zunächst die zur Geschäftsführung und Vertretung berufenen Gesellschafter gezählt. Nach überwiegender Ansicht sind zudem die von der Geschäftsführung und Vertretung ausgeschlossenen OHG-Gesellschafter 294 sowie die an der Geschäftsführung und 2,0 Zur Ausnahme für Strohgesellschaften siehe nur BVerwG v. 2.2.1982 GewA 1982, 299, 300 und Tettinger, in: Tettinger/Wank GewO § 35 Rn. 90. 291 Dazu nur BVerwG v. 30.9.1976 GewA 1977, 14f.; Dickersbach, WiVerw 1982, 65, 71; Friauf/Heß, GewO § 35 Rn. 30; Landmann/Rohmer/Aforc&s, GewO § 14 Rn. 56 und § 35 Rn. 65; a.A. für einen unternehmerisch engagierten GmbH-Gesellschafter lediglich BayVGH v. 20.10.1980 GewA 1981, 162, 163. 2,2 BVerwG v. 16.12.1992 GewA 1993, 156; Hess. VGH v. 17.1.1975 GewA 1975, 161; v. Ebner, GewA 1975, 41, 43 ff. und 49; Fröhler/Kormann, GewO § 35 Rn. 36; Landmann/ Rohmer/Mareks, GewO § 35 Rn. 65. 293 Dazu nur BVerwG v. 21.7.1964 GewA 1965, 7, 8f.; BVerwG v. 16.12.1992 GewA 1993, 156; für die GbR auch bereits Pr OVG v. 7.12.1933 OVG 92, 201,205; ferner Odenthal, GewA 1991, 206f.; Dickersbach, WiVerw 1982, 65, 71; Landmann/Rohmer/Afarcfo, GewO § 3 5 Rn. 64; Friauf/Heß, GewO Vor § 14 Rn. 42 und § 35 Rn. 29. 294 BVerwG v. 5.8.1965 BVerwGE 22, 16, 19; BayVGH v. 26.11.1991 GewA 1992, 181, 182; F r i a u f / H e ß , GewO Vor § 14 Rn. 41 sowie § 35 Rn. 29 und 135; v. Ebner, GewA 1974, 213,
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Einzelne Fälle der
Statusvermittlung
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rechtsgeschäftlichen Vertretung beteiligten oder faktisch unternehmensleitenden Kommanditisten 2 9 5 als Gewerbetreibende anzusehen. Die gewerberechtliche Differenzierung zwischen juristischen Personen und Personengesellschaften, von der lediglich für das Handwerksrecht eine Ausnahme erwogen wird 296 , wird damit gerechtfertigt, daß das Gewerberecht wie insbesondere im Rahmen von § 35 Abs. 1 S. 1 GewO 2 9 7 und den speziellen gewerberechtlichen Erlaubnis-, Genehmigungs- und Widerrufstatbeständen vorrangig auf die Eigenschaften natürlicher Personen Bezug nehme und es daher überflüssig bzw. sogar fehlerhaft wäre, die Personengesellschaften im Gewerberecht gegenüber ihren Gesellschaftern zu verselbständigen 298 . Die ausschließliche Gewerbetreibendeneigenschaft der unternehmerisch engagierten Personengesellschafter biete zudem Vorteile im Falle von Gesellschafterwechseln und personenidentischen Neugründungen, da auch insoweit eine Anzeigepflicht nach § 14 G e w O bestünde und eine Gewerbeuntersagung nicht erneuert werden müsse 299 . Ergänzend wird schließlich auch auf die angebliche Ubereinstimmung der Differenzierung mit der gesellschaftsrechtlichen Dogmatik verwiesen 300 .
215 ff.; enger O V G N W v. 19.12.1961 GewA 1965, 68, 69 und Landmann/Rohmer/Marc&s, G e w O § 35 Rn. 64 (Erfordernis der Geschäftsführungsbefugnis); vermittelnd Odenthal, GewA 1991, 206, 207ff. (Vertretungsmacht oder faktische Geschäftsführung ausreichend). 295 BVerwG v. 21.7.1964 GewA 1965, 7, 8f.; BVerwG v. 30.9.1976 GewA 1977, 14, 15; BVerwG v. 16.12.1992 GewA 1993, 156; Odenthal, GewA 1991, 206, 207; Dickersbach, WiVerw 1982, 65, 71; v. Ebner, GewA 1974, 213, 215; F r i a u f / H e ß , G e w O Vor § 14 Rn. 42 und § 35 Rn. 135; Fröhler/Kormann, G e w O § 35 Rn. 37; weiter (kapitalgebender Kommanditist) O V G Münster v. 5.7.1961 BB 1962, 541; enger (nur geschäftsführende Gesellschafter einer KG) Hess. V G H v. 14.1.1991 GewA 1991, 343; Landmann/Rohmer/ATarab, G e w O § 3 5 Rn. 64 und Worm, BB 1962, 542; für den stillen Gesellschafter auch BayVGH v. 26.11.1991 GewA 1992, 181, 182 (fragwürdig). 296 Siehe dazu Landmann/Rohmer/Mareks, G e w O § 14 Rn. 55 (die Zugehörigkeit der Personengesellschaften zu den selbständigen Handwerkern i.S.v. § 1 Abs. 1 H a n d w O führe insoweit auch zu deren Einbeziehung in den Gewerbetreibendenbegriff) einerseits sowie v. Ebner, GewA 1974, 213, 218ff. und F r i a u f / H e ß , G e w O Vor § 14 Rn. 43 (der Gesetzgeber habe nur die Eintragungsvoraussetzungen für einen bestimmten Kreis von Handwerkern erleichtern, nicht aber einen neuen Gewerbetreibendenbegriff schaffen wollen) andererseits. 297 Obwohl die Unzuverlässigkeit nach allgemeiner Meinung weder ein Verschulden im Sinne eines moralischen oder ethischen Vorwurfs noch einen Charaktermangel voraussetzt und vielfach durch rein objektive Umstände indiziert werden kann, soll sie nach h.M. nur natürlichen Personen zukommen (dazu etwa Dickersbach, WiVerw 1982, 65, 73; Friauf /Heß, G e w O § 35 Rn. 30; mit Recht a.A. Lang, Zuverlässigkeit, S. 109ff. und 249ff.). 2,8 V. Ebner, GewA 1974, 213, 214f.; Vnmi/Heß, G e w O Vor § 14 Rn. 39. 299 v. Ebner, GewA 1974, 213, 217. 300 V. Ebner, GewA 1974, 213 f.
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3. Kapitel:
Statusrelevanz
der
Unternehmergesellschafterstellung
II. Die Forderung nach einer ausschließlichen Gewerbetreibendeneigenschaft der Gesellschaft D i e von Rechtssprechung und Schrifttum zum Gewerberecht einhellig angeführten G r ü n d e für die ausschließliche Gewerbetreibendeneigenschaft der Personengesellschafter, die im übrigen ebenso für unternehmerisch engagierte Kapitalgesellschafter gelten könnten, vermögen nicht zu überzeugen. Zunächst ist darauf zu verweisen, daß zumindest die Ausgrenzung der Personenhandelsgesellschaften aus dem gewerberechtlichen Gewerbetreibendenbegriff ihrer Einbeziehung in den zivilrechtlichen Gewerbetreibendenbegriff und auch den Kaufmannsbegriff (§ 6 Abs. 1 H G B ) widerspricht. Darüber hinaus gilt dies auch für die im Handelsrecht von der herrschenden Meinung abgelehnte Einbeziehung der unternehmerisch engagierten Kommanditisten in den gewerberechtlichen Gewerbetreibendenbegriff und überhaupt für die Gewerbetreibendeneigenschaft von Personengesellschaftern, wenn man die im Zivilrecht zunehmend anerkante Verselbständigung der Außengesellschaft bürgerlichen Rechts und der Personenhandelsgesellschaften (§ 124 H G B ) zugrundelegt 301 . Im übrigen widerspricht die Annahme eines jeweils eigenständigen und damit etwa anzeigepflichtigen und untersagungsfähigen G e werbebetriebs durch die unternehmerisch engagierten Gesellschafter auch der traditionellen Gesamthandslehre, da diese die Gesellschafter im gesellschaftlichen Bereich immer nur in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit betrachtet, was im Handels- und Einkommensteuerrecht inzwischen auch allgemein beachtet wird 302 . Zwar kann der gewerberechtliche Gewerbetreibendenbegriff durchaus abweichend von seinem zivilrechtlichen Pendant definiert werden, doch fehlt es an dem hierfür erforderlichen Nachweis einer besonderen Teleologie oder Struktur des Gewerberechts. Als Gewerbe wird nämlich auch dort nach allgemeiner Auffassung eine sozial nicht unwertige, generell nicht verbotene, auf Gewinnerzielung gerichtete und auf Dauer angelegte selbständige Tätigkeit bezeichnet, sofern es sich dabei nicht um Urproduktion, die Ausübung eines freien Berufs oder die bloße Verwaltung eigenen Vermögens handelt 303 . 301 Zur umstrittenen Kaufmannseigenschaft von Kommanditisten und zur ausschließlichen handelsrechtlichen Betreibereigenschaft der Gesellschaft siehe bereits 3. Kap. § 2 A I 1. 302 Siehe zu Konsequenzen aus der gesamthänderischen Verbundenheit im Hinblick auf die Vermögensordnung und die Kaufmannseigenschaft der Gesellschafter 2. Kap. § 1 A I 1 und 3. Kap. § 2 A I 1; auch im Einkommensteuerrecht der Personengesellschaften hat man sich bereits Mitte der 1970er Jahre von der Vorstellung gelöst, die Mitunternehmer betrieben jeweils für sich einen eigenen Gewerbebetrieb im steuerrechtlichen Sinne (sog. Bilanzbündeltheorie; dazu und zum zweistufigen Gewinnermittlungsverfahren 2. Kap. § 1 A I 4c aa). 303 Dazu nur BVerwG v. 24.6.1976 GewA 1976, 293, 294; soweit der vergleichbare handelsrechtliche Gewerbebegriff der h.M. unter den Gesichtspunkten der Erlaubtheit, Gewinnerzielungsabsicht und des Ausschlusses der freiberuflichen Tätigkeit angegriffen wird (dazu nur Jung, Handelsrecht, Kap. 2 Rn. 5 ff.), ist dies insoweit unbeachtlich.
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Einzelne
Fälle der
Statusvermittlung
333
Wie im Handelsrecht wird auch hier für die Selbständigkeit der Tätigkeit vorausgesetzt, daß die betreffende Person das Gewerbe im eigenen Namen und eigener Verantwortlichkeit nach außen hin betreibt und in Bezug auf diesen Betrieb rechtliche Selbständigkeit genießt 304 . Auch auf die besondere Personenbezogenheit des Gewerberechts kann nicht verwiesen werden, da es in allen Rechtsgebieten auf natürliche Personen bezogene Normen gibt und die damit verbundenen Normanwendungsprobleme nicht durch eine generelle Mißachtung der Verselbständigung der rechtsfähigen Gesellschaften, sondern durch eine Zurechnung der entsprechenden persönlichen Umstände zu lösen sind, wie dies auch für die gewerberechtliche UnZuverlässigkeit noch darzulegen sein wird 305 . Insoweit kann dann auch berücksichtigt werden, daß ein Bedürfnis nach gewerberechtlicher Gefahrenabwehr nur dann gegeben ist, wenn die UnZuverlässigkeit eines Gesellschafters wegen dessen unternehmerischer Tätigkeit auf die rechtsfähige Gesellschaft und deren nach außen gerichtete Tätigkeit abfärbt 306 . Gegen die ausschließliche Anerkennung der rechtsfähigen Gesellschaften als Gewerbetreibende i.S.d. G e w O kann schließlich auch nicht ins Feld geführt werden, daß dies zu Problemen im Fall eines Gesellschafterwechsels oder einer personenidentischen Neugründung führen würde 307 . Tritt ein neuer, gegebenenfalls unzuverlässiger Gesellschafter in die ein Gewerbe betreibende Gesellschaft ein, wäre dies zwar nur dann anzeigepflichtig, wenn man diesen Gesellschafter selbst als Gewerbetreibenden ansähe, doch besteht hierfür kein Bedürfnis, da die Gewerbeausübung der Gesellschaft durch den Beitritt eines unzuverlässigen Gesellschafters noch nicht per se unzuverlässig wird, die zuständige Gewerbebehörde über den Wechsel von Personengesellschaftern und Vertretungsorganen vom Handelsregistergericht nach Ziff. 2 der Allgemeinen Vorschriften der Mitteilungen in Zivilsachen in Kenntnis gesetzt werden könnte und die Gewerbebehörde sich bei Zweifeln an der Zuverlässigkeit der Gesellschaft nach § 29 Abs. 1 Nr. 4 G e w O die erforderlichen Informationen 308 anfordern kann. Scheidet andererseits derjenige Gesellschafter, der die UnZuverlässigkeit der Gesellschaft durch Zurechnung begründet hat, aus der Gesellschaft aus, kann die Gesellschaft nach § 35 Abs. 6 G e w O einen Antrag auf Wiedergestattung der Gewerbeausübung stellen. Bei einer Neugründung der Gesellschaft wird schließlich erneut die Anzeigepflicht nach § 14 G e w O ausgelöst. Bei Identität der Gesellschafter und des Gewerbebetriebs kann zudem mittels Identifikation der neuen mit der alten BVerwG v. 30.9.1976 GewA 1977, 14f. Dazu generell 5. Kap. § 2 A und speziell zur gewerberechtlichen Zuverlässigkeit 5. Kap. § 2 B II 1. 306 Dazu näher 5. Kap. § 2 B II lb. 307 So jedoch v. Ebner, GewA 1974, 213, 216. 308 Hierzu gehören auch die personenbezogenen Daten eines Unternehmergesellschafters, weil es auf diese für die behördliche Entscheidung i.S.v. § 11 Abs. 1 S. 1 G e w O ankommt. 304
305
334
3. Kapitel:
Statusrelevanz
der
Unternehmergesellschafterstellung
Gesellschaft eine sich gegen die aufgelöste Gesellschaft richtende Untersagungsverfügung auch für die neugegründete Gesellschaft Geltung beanspruchen 309 . Mit der gewerberechtlichen Verselbständigung aller rechtsfähigen Gesellschaften und der Zurechnung nur der UnZuverlässigkeit der unternehmerisch tätigen Gesellschafter würde man sich andererseits mancherlei Ungereimtheiten ersparen. Das Gewerberecht befände sich zunächst im wünschenswerten Einklang mit der zivilrechtlichen Dogmatik, wonach die rechtsfähige Gesellschaft, in deren Namen alle betriebsbezogenen Geschäfte getätigt werden, als die Gewerbetreibende gilt. Darüber hinaus würde der Verwaltungsaufwand für die Gesellschaft und die zuständige Behörde etwa durch die Vermeidung von Mehrfachanzeigen und dogmatisch im übrigen schwer begründbarer 310 Mehrfachuntersagungen verringert. Die Zurechnungsmethode würde schließlich nicht nur zu einer dogmatisch stimmigen und gesellschaftsformübergreifenden Begründung der gewerberechtlichen UnZuverlässigkeit der Gesellschaft führen 311 , sondern insbesondere auch berücksichtigen, daß die Unzuverlässigkeit eines grundsätzlich durch die Gesellschaft mediatisierten Gesellschafters vor dem Hintergrund des gewerberechtlichen Normzwecks 3 1 2 nur dann Beachtung verdient, wenn sich dies auf die Geschäftstätigkeit der Gesellschaft auswirken kann und hierdurch der Allgemeinheit Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen drohen 313 . Auf der anderen Seite entfiele mit der Zurechnungsmöglichkeit auch das Bedürfnis, zumindest in Extremfällen wie insbesondere dem der Unzuverlässigkeit eines Alleingesellschafter-Geschäftsführers den Gewerbetreibendenbegriff sogar auf Kapitalgesellschafter auszudehnen 314 .
309 Krit. v. Ebner, GewA 1974, 213, 217f.; zur möglichen Identifikation zweier Rechtsträger bei maßgeblicher Gesellschafteridentität siehe näher 6. Kap. § 3. 310 Nach dem gewerberechtlichen Schrifttum darf eine Gewerbeuntersagung zwar nur gegen die unzuverlässigen Gesellschafter ausgesprochen werden, wobei die anderen Gesellschafter den Betrieb aber nur dann weiterführen dürfen, wenn die betreffenden Gesellschafter ausscheiden, da sie ansonsten selbst als unzuverlässig angesehen werden (dazu etwa Tettinger, in: Tettinger/Wank G e w O § 35 Rn. 89; Landmann/Rohmer/Marc^s, G e w O § 35 Rn. 64; Odenthal, GewA 1991,206, 209). 311 Dazu näher 5. Kap. § 2 B II lb. 312 Dazu nur BVerwG v. 24.6.1976 GewA 1976,293, 295; BVerwG v. 21.7.1964 GewA 1965, 7, 8f. 313 Vgl. dazu auch in anderem dogmatischem Zusammenhang BVerwG v. 21.7.1964 GewA 1965, 7, 8f.; Pr O V G v. 7.12.1933 O V G 92, 201, 205; F r i a u f / H e ß , G e w O Vor § 14 Rn. 41. 3 , 4 Siehe dazu auch den Fall B a y V G H v. 20.10.1980 GewA 1981, 162, 163 (Gewerbetreibendeneigenschaft eines GmbH-Gesellschafters wegen eines im Verhältnis zu den Mitgesellschaftern hohen finanziellen und persönlichen Engagements sowie einer dominiernden Sachkenntnis); mit Recht krit. Landmann/Rohmer/Afarc&s, G e w O § 35 Rn. 65.
5 3
Zusammenfassung
335
§ 3 Zusammenfassung D e r Tatbestand einer N o r m nimmt auf einen Rechtsstatus wie etwa denjenigen der Kaufmannseigenschaft Bezug, weil die entsprechende Rechtsfolge entweder von der Stellung in einem bestimmten Rechtsverhältnis bzw. in einer bestimmten Gruppe von Rechtsverhältnissen oder von bestimmten, mit diesem Status regelmäßig verbundenen Eigenschaften abhängig gemacht werden soll. Insoweit stellt sich das Problem, ob und in welcher F o r m im R a h men der Statusnorm oder der auf sie Bezug nehmenden rechtlichen Regelungen der mittelbaren Unternehmensbeteiligung, der generellen bzw. spezifischen Geschäftserfahrung, der Vertrauenswürdigkeit oder der weitgehend fehlenden sozialen Schutzbedürftigkeit von Unternehmergesellschaftern R e c h nung zu tragen ist. In diesen Statusfragen ist zunächst die rechtliche Verselbständigung aller rechtsfähigen Gesellschaften und die damit verbundene Mediatisierung auch der (persönlich und unbeschränkt haftenden) Gesamthandsgesellschafter und der Unternehmergesellschafter als Unternehmensträger streng zu beachten. Entgegen den insbesondere im Handels- und Gewerberecht immer noch vorherrschenden traditionellen Gesamthandsvorstellungen besitzt daher nur die rechtsfähige Gesellschaft im Hinblick auf das von ihr betriebene Unternehmen, die unternehmensbezogenen Rechtsgeschäfte bzw. den Gesellschaftsprozeß den Status als Kaufmann, Unternehmer (i.S.d. bürgerlich-rechtlichen Verbraucherschutzrechts), Arbeitgeber, selbständig Tätiger, Prozeßpartei oder Gewerbetreibender 3 1 5 . Ein Unternehmergesellschafter kann die genannten Statuseigenschaften mithin nur dann generell oder im Einzelfall innehaben, wenn man die entsprechenden Statustatbestände oder einzelne an den jeweiligen Status anknüpfende N o r m e n analog auf den Unternehmergesellschafter anwendet. Eine generelle Statuserstreckung ist dabei nur hinsichtlich der Unternehmereigenschaft des bürgerlich-rechtlichen Verbraucherschutzrechts durch analoge Anwendung des § 14 Abs. 1 B G B möglich, wobei dieser generellen Ausdehnung außerhalb von § 310 Abs. 1 B G B kaum praktische Bedeutung zuk o m m e n dürfte. Während im übrigen auch die Möglichkeit und das Bedürfnis hinsichtlich von Gruppen- oder Einzelanalogien zu verneinen sind, ist in einigen Fällen eine Erstreckung der Kaufmannseigenschaft auf die im G e schäftskreis der Gesellschaft tätig werdenden Unternehmergesellschafter durch ausdehnende Anwendung der §§ 348ff., 366 H G B und des § 109 Abs. 1 G V G zu befürworten 3 1 6 .
315 3,6
Dazu 3. Kap. § 2 A I, B II, D II und E II. Dazu 3. Kap. § 2 A II, D I 2 und E I 3.
336
3. Kapitel: Statusrelevanz
der
Unternehmergesellschafterstellung
Ist der Unternehmergesellschafter damit einerseits aufgrund seiner Mediatisierung als Unternehmensträger weitgehend von den damit verbundenen Statuseigenschaften ausgeschlossen, bedeutet dies auf der anderen Seite nicht, daß er damit zugleich über die korrespondierenden, aber keineswegs komplementären Statuseigenschaften der Verbraucher-, Arbeitnehmer- oder Beschäftigteneigenschaft verfügt. Die Verbrauchereigenschaft ist dem im Geschäftskreis der Gesellschaft tätig werdenden Unternehmergesellschafter vielmehr aufgrund einer teleologischen Reduktion des § 13 B G B generell abzusprechen 317 . Ebenso kommt zwar ein Gesellschafter aufgrund der Möglichkeit zum Abschluß eines auf die Erbringung unselbständiger Dienste außerhalb des Gesellschaftsverhältnisses gerichteten Vertrages prinzipiell als Arbeitnehmer oder Beschäftigter (§ 7 Abs. 1 S G B IV) der rechtsfähigen Gesellschaft in Betracht, doch fehlt es dem Unternehmergesellschafter insoweit letztlich an der für den Arbeitnehmer- bzw. Beschäftigtenstatus typischen persönlichen Abhängigkeit 318 bzw. Nichtselbständigkeit 319 . Obwohl in diesem Zusammenhang stets auch eine bisweilen sogar gesetzlich nahegelegte (§ 17 Abs. 1 S. 2 BetrAVG, § 2 Abs. 2 S. 1 S G B VII) entsprechende Anwendung einzelner arbeits- oder sozialversicherungsrechtlicher Vorschriften zu erwägen ist, greift diese doch nur in Ausnahmefällen bei gegebener Schutzbedürftigkeit des Unternehmergesellschafters Platz 320 .
317 3,8
D a z u 3. Kap. § 2 B I. D a z u 3. Kap. § 2 D I I .
D a z u 3. Kap. § 2 E I. Siehe dazu die im 3. Kap. § 2 D I 2a und b erörterten Beispiele der (analogen) A n w e n dung des § 622 A b s . 2 B G B (bejaht) und des § 17 Abs. 1 S. 2 B e t r A V G (typisierend verneint) auf Unternehmergesellschafter, die Nachweise in F n . 180 sowie die Ablehnung der A n w e n dung des § 2 Abs. 2 S. 1 S G B V I I im 3. Kap. § 2 E I 3. 319
320
4. Kapitel
Die schuld- und haftungsbegründende Funktion der gesellschaftsgebundenen Unternehmerstellung Die gesellschaftsrechtliche Haftung hat wie jede andere Haftung die Aufgabe, eine Leistung zu erzwingen, ein Verhalten zu steuern und Sicherheit für die Bereitstellung einer Gegenleistung zu gewähren 1 . Daher dürfen nicht nur die Gesellschaft und deren Organe, sondern muß in bestimmten Fällen auch der für die unternehmerischen Entscheidungen und das Unternehmerrisiko verantwortliche Gesellschafter zur Haftung herangezogen werden. Auf allen Ebenen und unter den verschiedensten Gesichtspunkten läßt sich daher das Bemühen erkennen, den Unternehmergesellschafter haftbar zu machen 2 . Die Haftung knüpft hier letztlich generalisierend an eine bestimmte Rolle des Gesellschafters an, die wie etwa die Ausübung eines bestimmten Berufs in den Fällen der sog. Berufshaftung mit bestimmten Verhaltensmöglichkeiten und -erwartungen verbunden ist. Zwar wird immer wieder mit Recht betont, daß die bloße Beherrschung einer Gesellschaft für sich noch keine persönliche Haftung von Gesellschaftern begründet und hierzu stets weitere Umstände hinzutreten müssen 3 , doch stehen diese zusätzlichen haftungsbegründenden Umstände wiederum in einem engen Zusammenhang mit der unternehmerischen Beteiligung des Gesellschafters. Man kann daher durchaus von einer haftungsbegründenden Funktion der gesellschaftsgebundenen Unternehmer-
1 Siehe dazu für das Gesellschaftsrecht nur Wiedemann, in: Die Haftung des Gesellschafters in der GmbH, S. 12ff. 2 Zur Haftung von Unternehmergesellschaftern siehe hier jeweils nur exemplarisch Wilhelm, Rechtsform, S. 337ff. (Organhaftung); K. Schmidt, ZIP 1994, 837, 843 (Treuepflichtverletzung); Hommelhoff, JbFfSt 1988/89, 382 (Ausgleichshaftung nach § 31 Abs. 3 GmbHG); Kropff, in: Geßler/Hefermehl § 117 Rn. 13f. (§ 117 AktG); Staudinger/Horn, Vor §§ 765ff. Rn. 367 (Haftung aus Schuldbeitritt); G.H. Roth, GmbHR 1985, 137, 138ff. (culpa in contrahendo); Canaris, FS Giger, S. 91, 118f. (Vertrauens- und Rechtsscheinhaftung); Wodicka, Untreue, S. 302ff. (deliktische Haftung wegen Untreue); Hachenburg/Ulmer, § 64 Rn. 78 (deliktische Haftung wegen Insolvenzverschleppung); Rümker, ZGR 1988, 494, 502f. (kapitalersetzende Leistungen); B G H v. 13.4.1994 BGHZ 125, 366, 368ff. und Erlinghagen, GmbHR 1962, 169 ff. (Durchgriffshaftung). 3 Dazu hier nur B G H v. 17.3.1966 BGHZ 45, 204, 209; BSG v. 1.2.1996 ZIP 1996, 1134, 1136; Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. 1, S. 226f.
338
4. Kapitel:
Haftungsrelevanz
der
Unternehmergesellschafterstellung
Stellung sprechen, die im Folgenden generalisierend und im Rahmen der einzelnen Haftungstatbestände näher erläutert werden soll. Hierzu wird das Augenmerk weniger auf die zahlreichen Meinungsverschiedenheiten in der Diskussion um die Dogmatik der Gesellschafterhaftung als vielmehr auf die einzelnen Situationen und Voraussetzungen der Gesellschafterhaftung und ihre Begrenzung auf Unternehmergesellschafter gerichtet.
§ 1 Der Unternehmergesellschafter im System der haftungsbegründenden Gesichtspunkte Das Ob und der Umfang der Gesellschafterhaftung werden ganz maßgeblich durch allgemeine Wertungsgesichtspunkte und Haftungsfaktoren bestimmt 4 , die an den unterschiedlichsten Stellen und insbesondere über die Einfallstore der unbestimmten Rechtsbegriffe und Haftungskonzepte in das Haftungsrecht eindringen. Als solche dogmatischen Anknüpfungspunkte sind auf der Tatbestandsseite zunächst der Umfang und die Intensität der Aufklärungs- bzw. Verhaltenspflichten bei der Haftung aus c.i.c. und Treuepflichtverletzung sowie im Bereich der deliktsrechtlich relevanten Verkehrssicherung zu nennen. Auch die Sorgfaltspflichten zur Vermeidung der Erklärungsfahrlässigkeit oder eines Rechtsscheins sowie die Abmilderung der Vorsatz- und Sittenwidrigkeitsanforderungen im Rahmen des § 826 BGB werden durch allgemeine Haftungskriterien ebenso beeinflußt wie die Beweislastverteilung, die Erkennbarkeit und Zurechenbarkeit von Rechtsschein-, Vertrauens- bzw. Durchgriffstatbeständen oder die individuelle Vorwerfbarkeit einer Verhaltenspflichtverletzung. Einfallstore bilden darüber hinaus auch die Erweiterung des gesetzlichen Schuldverhältnisses im Bereich der Sachwalterhaftung aus c.i.c. (§§ 280 Abs. 1,311 Abs. 2 und 3,241 Abs. 2 BGB), die Ausweitung der organschaftlichen Pflichtenbeziehung unter dem Gesichtspunkt der faktischen Organschaft und die Schutzzwecküberlegungen bei der Bestimmung der Schutzgesetzeigenschaft. Im Bereich der Durchgriffshaftung finden die Wertungsgesichtspunkte und Haftungsfaktoren schließlich Eingang in Haftungsentscheidungen über die verschiedenen Normzwecklehren. Auf der Rechtsfolgenseite geht es zumeist um die durch die Richtung der verletzten Verhaltenspflicht präjudizierte Frage der Innen- oder Außenhaftung sowie um die etwaige Subsidiarität und Beschränkung der Gesellschafterhaftung. 4 Zusammenstellungen allgemeiner Haftungskriterien in „beweglichen Systemen" finden sich etwa bei Mertens, VersR 1980, 397, 401 ff.; ders., AcP 178 (1978), 227, 242ff.; MünchKommBGB/Mertens, § 823 Rn. 24ff. und 472ff.; C. v. Bar, Verkehrspflichten, S. 84ff. und 112 ff. und Assmann, Prospekthaftung, S. 265ff.; ähnlich für die Risikoverteilung bei Vertragsstörungen auch I. Koller, Risikozurechnung, S. 77ff.
5 1 Haftungsbegründende
Gesichtspunkte
339
D e r allgemeinen Bedeutung der Wertungsgesichtspunkte und einzelfallbezogenen H a f t u n g s f a k t o r e n entsprechend, sollen diese hier als A r g u m e n t a t i onsgrundlage und z u r Vermeidung v o n W i e d e r h o l u n g e n bei der Erörterung der einzelnen Haftungstatbestände als geschlossenes Raster vorangestellt w e r d e n . Dabei soll es angesichts des Themas der A r b e i t jedoch nur um die gesellschafterbezogenen Haftungsgesichtspunkte und etwaige Besonderheiten bei unternehmerischer Beteiligung gehen. Unternehmensbezogene Kriterien wie etwa die G r ö ß e des Unternehmens 5 oder die Gefährlichkeit 6 und soziale Nützlichkeit 7 des Unternehmensgegenstandes sollen hingegen ebenso unberücksichtigt bleiben wie die gläubigerbezogenen Faktoren der S c h u t z b e d ü r f tigkeit 8 , des möglichen Selbstschutzes (caveat creditor) 9 und der A b s c h ä t z barkeit des Bonitätsrisikos 1 0 , o b w o h l auch diese Faktoren nicht selten eine große Bedeutung f ü r die Haftungsentscheidung erlangen.
5 Haftungsrechtlich gibt es kein Sonderrecht für große Unternehmen. Dennoch kommt der Größe des Unternehmens etwa als bedeutender Faktor für den Umfang des Haftungsrisikos, die Bemessung der konkreten Sorgfaltspflichten und die sozialen Folgen überzogener Haftungstandards eine maßgebliche Bedeutung zu (siehe dazu nur BGH v. 9.7.1979 BGHZ 75, 96, 108 ff. - Herstatt und rechtsvergleichend für die Organhaftung Schlechtriem, in: Kreuzer (Hrsg.), Die Haftung der Leitungsorgane von Kapitalgesellschaften, S. 9, 33 f.). 6 Die mit der Unternehmenstätigkeit verbundenen Risiken spielen etwa in der Frage der Haftung wegen qualifizierter Unterkapitalisierung der Gesellschaft (dazu 4. Kap. § 2 C IV 2c und E III la) oder im Bereich der Prospekthaftung (dazu Assmann, Prospekthaftung, S. 331: Vermögensanlagen als gefährliche Güter) eine maßgebliche Rolle. 7 Die Berücksichtigungsfähigkeit der sozialen Nützlichkeit des Unternehmensgegenstandes ist angesichts der insoweit bestehenden Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers zwar umstritten (allgemein krit. Mertens, VersR 1980, 397, 401 und Assmann, Prospekthaftung, S. 266), dürfte aber dennoch eine nicht unerhebliche Rolle spielen (vgl. etwa Ziemons, Haftung, S. 141; allgemein zur gemeinschaftlichen Nützlichkeit als einem Abwägungskriterium auch C. v. Bar, Verkehrspflichten, S. 125). 8 Zu Differenzierungen nach der Schutzbedürftigkeit des Gläubigers siehe etwa Mertens, AcP 178 (1978), 227, 247; zu Schutzbereichsüberlegungen bei Schutzgesetzen siehe etwa K. Schmidt, ZIP 1994, 837, 842; zur Bedeutung der Schutzbedürftigkeit bei der Bestimmung des Empfängerhorizonts im Zusammenhang mit Willenserklärungen und Rechtsscheintatbeständen siehe etwa Fried, Patronatserklärung, S. 194ff. 9 Hier ist insbesondere auf die Möglichkeiten des Gläubigers im vertraglichen Bereich zu verweisen, durch eine geschickte Verhandlungsführung eine gesteigerte Vertrauensposition etwa durch Nachfragen aufzubauen oder sich mit Hilfe der vielfältigen Möglichkeiten einer Kreditsicherung, zu denen auch die von einem Unternehmergesellschafter zu stellenden harten und weichen Kreditsicherheiten (dazu näher 4. Kap. § 2 C I) gehören, zu schützen (dazu nur Canaris, Vertrauenshaftung, S. 364f. und 369f.). 10 Dazu etwa Hofmann, NJW 1969, 577, 581.
340
4. Kapitel:
Haftungsrelevanz
der
A. Allgemeine
Unternehmergesellschafterstellung
Wertungsgesichtspunkte
Die mit der Verwirklichung eines Risikos verbundenen Verluste hat grundsätzlich derjenige zu tragen, zu dessen Verantwortungsbereich das Risiko zu rechnen ist. Diese Zuordnung erfolgt anhand verschiedener schadensrechtlicher Wertungskriterien, die sich zumeist überlagern und in der Diskussion um die konkreten Haftungsfolgen auch im Gesellschaftsrecht immer wieder in der ein oder anderen Form als Argumentationsmuster in Erscheinung treten. I. Verfassungsrechtliche
Wertungsgesichtspunkte
Das Verfassungsrecht beeinflußt das Haftungsrecht in verhältnismäßig geringem Maße. Auswirkungen zeitigt hier lediglich der Gleichbehandlungsgrundsatz, der auch eine haftungsrechtliche Gleichbehandlung wesentlich gleicher Sachverhalte gebietet". Auch unter dem Aspekt prohibitiver Haftungswirkungen könnten sich verfassungsrechtliche Probleme im Rahmen des Art. 12 Abs. 1 G G und des Art. 9 Abs. 1 G G ergeben. Die Beteiligung an einer Gesellschaft darf nämlich nicht durch eine zu strenge Gesellschafterhaftung faktisch unattraktiv werden12. Für den Unternehmergesellschafter bedingt dies eine auch verfassungsmäßige Absicherung seines gerade haftungsrechtlich bedeutsamen und auch anderen Unternehmern eingeräumten Ermessensspielraums bei unternehmerischen Entscheidungen 13 . Auch die Beschränkung der Haftung von Anlagegesellschaftern durch § 171 Abs. 1 Hs. 2 H G B , §§ 1 Abs. 1 S. 2, 278 Abs. 1 AktG, § 13 Abs. 2 G m b H G und § 2 GenG erhält vor diesem Hintergrund eine verfassungsrechtliche Komponente, wird man einem weitgehend einflußlosen Gesellschafter doch grundsätzlich nicht das abschreckende Risiko einer unbeschränkten Haftung zumuten können. Zu beachten ist hier jedoch, daß der Gesetzgeber für alle Unternehmenstypen mehrere Gesellschaftsformen mit unterschiedlichen und vielfach dispositiven Herrschafts- und Haftungsstrukturen zur Wahl stellt, so daß etwa ein von der Geschäftsführung ausgeschlossener OHG-Gesellschafter nicht auf die Verfassungswidrigkeit der von ihm privatautonom begründeten Haftung ohne Herrschaft verweisen kann. Auch ein Einzelkaufmann kann sich nicht gegen die haftungsrechtliche Privilegierung der Einpersonen-GmbH wenden, da es sich um eine andere Unternehmensform handelt, die auch ihm offensteht. 11 Zu den gesellschaftsrechtlichen Auswirkungen einschließlich der Haftungsproblematik siehe bereits 2. Kap. § 3 B; vgl. auch Wüst, J Z 1992, 710 (fragwürdige Rechtfertigung der Haftungsbeschränkung durch ein Gebot der Gleichbehandlung von Gesellschaftern mit Arbeitnehmern und Beamten). 12 Zu faktischen Berufsausübungssperren siehe bereits 2. Kap. § 3 A II 2; zur Vermeidung einer Prohibitivwirkung der börsengesetzlichen und investmentrechtlichen Prospekthaftung siehe BT-Drucks. 13/8933, S. 80 und Kumpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 9.307. 13 Dazu noch 4. Kap. § 1 A II 9.
§1
Haftungsbegründende
II. Gesellschaftsrechtliche 1. Gesetzliche
Gesichtspunkte
341
Wertungsgesichtspunkte
Haftungsbeschränkungen
Für bestimmte Gesellschaftsformen bzw. Gesellschaftertypen sieht das Gesetz ausdrücklich eine Haftungsbeschränkung vor (§ 171 Abs. 1 Hs. 2 H G B , §§ 1 Abs. 1 S. 2, 278 Abs. 1 AktG, § 13 Abs. 2 G m b H G und § 2 GenG). Die Haftungsbeschränkung ist logisch, systematisch und rechtspolitisch unabhängig von der Verselbständigung der Gesellschaft als juristischer Person 14 . Durch die Positivierung wird vielmehr einem gesellschaftsrechtlichen Wertungskriterium besonderes Gewicht verliehen, das materiell mit der regelmäßigen Einflußlosigkeit der betreffenden Gesellschafter 15 , dem Bedürfnis nach Eigenkapitalsammlung 16 , der Verhinderung dominoartiger Unternehmenszusammenbrüche 17 , der fehlenden Steuerbarkeit unternehmerischer Risiken und der notwendigen Existenz unüberschaubarer bzw. risikoreicher Unternehmen 18 ebenso gerechtfertigt werden kann wie mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz 19 und den durch die Kundgabe der Haftungsbeschränkung gegebenen Selbstschutzmöglichkeiten der Gläubiger 20 . Im Bereich der gesetzlichen Regelungen muß die Haftungsbeschränkung daher auch von ihren Kritikern, die gerade bei den Einpersonengesellschaften und bei Insolvenzreife auf die Gefahr eines verantwortungslosen Handelns der Gesellschafter und einer unzulässigen Abwälzung des Unternehmerrisikos auf die Gesellschaftsgläubiger hinweisen 21 , zumindest als Grundsatz auch
14 Zutreffend Raiser, AcP 199 (1999), 104, 135; Wiedemann, in: Die Haftung des Gesellschafters in der GmbH, S. 16 und bereits Tieisch, Haftung, S. 33 ff.; einschränkend Wilhelm, Rechtsform, S. 288f. (aufgrund der eigenständigen Rechtspersönlichkeit der Gesellschaft müsse eine gesonderte Vorschrift die direkte Außenhaftung von Gesellschaftern anordnen); anders etwa noch Laband, ZHR 30 (1885), 469, 500f. (bei persönlicher Haftung der Mitglieder gebe es auch keine juristische Persönlichkeit, da die juristische Person dort, wo sie keine Aufgabe mehr habe, zum „juristischen Gespenst" werde). 15 Tieisch, Haftung, S. 5ff.; Meyer-Cording, JZ 1978, 10 und Eucken, Wirtschaftspolitik, S. 281; zur vermeintlichen Korrespondenz von Herrschaft und Haftung näher unter 2. 16 M. Lehmann, ZGR 1986, 345, 349ff.; Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. 1, S. 547; Blaurock, FS Stimpel, S. 553. 17 Großfeld, Aktiengesellschaft, S. 183. 18 Limbach, GmbHR 1967, 71, 73 f.; Boerner, Haftung, S. 62 f.; Raiser, ZGR 1995, 156, 165; krit. Tieisch, Haftung, S. 41 (Rechtfertigung der Haftungsbeschränkung allenfalls für bestimmte Branchen). 19 Wüst,]Z 1992,710. 20 Spies, Haftsumme, S. 93; Würdinger, GmbHR 1964, 151, 154f.; krit. Boerner, Haftung, S. 108ff.; Tieisch, Haftung, S. 12f. und Müller-Erzbach, Mitgliedschaft, S. 116. 21 Dazu etwa G. Kuhn, FS R. Fischer, S. 351, 362; Gessler, GmbHR 1966, 102, 108; Martens, GmbHR 1984, 265, 268; krit. zur Haftungsbeschränkung bei der Einpersonen-GmbH insbesondere Meyer-Cording, JZ 1978, 10ff.; speziell zur Problematik der Haftungsbeschränkung bei Insolvenzreife G.H. Roth, GmbHR 1985, 137, 140 und ders., ZGR 1989, 421, 428ff.
342
4. Kapitel:
Haftungsrelevanz
der
Unternehmergesellschafterstellung
für Unternehmergesellschafter respektiert werden 22 . Da der Gesetzgeber mit der Haftungsbeschränkung zudem die Aufbringung und Erhaltung eines Haftungsstocks detailliert geregelt hat, erscheint auch die vielfach erhobene Forderung fragwürdig, daß sich die Gesellschafter über diese Anforderungen hinaus das Privileg der Haftungsbeschränkung etwa durch eine dem Unternehmen angemessene oder jedenfalls nicht völlig unzureichende Eigenkapitalaussattung erst noch verdienen müßten 23 . Zwar trifft es zu, daß die Haftungsbeschränkung für den Unternehmergesellschafter ein einzigartiges Privileg darstellt 24 , da er hierdurch sein Unternehmerrisiko deutlich herabsetzen kann, doch entspricht eben gerade dies dem gesetzgeberischen Willen. Aufgrund seiner engen persönlichen und wirtschaftlichen Bindung an die Gesellschaft sowie einer drohenden Verhaltenshaftung wird der Unternehmergesellschafter von einem Mißerfolg der Gesellschaft immer noch hinreichend berührt.
2. Grundsatz
der Korrespondenz
von Herrschaft
und
Haftung
Der im Gesellschaftsrecht umstrittene Grundsatz der Korrespondenz von Herrschaft und Haftung enthält in erster Linie die Forderung nach einer persönlichen und unbeschränkten Haftung sämtlicher Unternehmergesellschafter, der das geltende Recht nur teilweise gerecht wird (z.B. § 128 H G B , § 117 A k t G und § 32a GmbHG) 2 5 . Namentlich von den Anhängern des Ordoliberalismus wurde der Zusammenhang zwischen schlichter Herrschaft (Unternehmerinitiative) und Haftung (Unternehmerrisiko) als wirtschaftsverfassungsrechtliches Prinzip proklamiert sowie als rechtspolitische Forderung gegen die als inkonsequent empfundenen Haftungsbeschränkungsnormen des geltenden Rechts gerichtet 26 . Eine Haftungsbeschränkung könne nur bei fehlendem Einfluß auf die Steuerung des Unternehmerrisikos gerechtfertigt
22 Für die personalistische Kapitalgesellschaft eingehend Immenga, Kapitalgesellschaft, S. 128 f. und 418 ff. 23 So aber etwa Lutter/Hommelhoff Z G R 1979, 31, 58 ff.; Wust, J Z 1992, 710, 713; Raiser, Kapitalgesellschaften, § 29 Rn. 30. 24 Siehe dazu etwa für den Großaktionär Großfeld, Aktiengesellschaft, S. 111. 25 Zu der an dieser Stelle nicht weiter interessierenden Legitimation der Leitungsmacht durch die unbeschränkte persönliche Haftung etwa v. Gierke, Genossenschaftstheorie, S. 803; Siebert, FS A. Hueck, S. 334f.; H. Krause, Unternehmer, S. 21 f. und Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. 1, S. 312, 544 sowie 547f. 26 Eucken, Wirtschaftspolitik, S. 279ff.; Tieisch, Haftung, S. 4f., 44f. und passim; MüllerErzbach, Mitgliedschaft, S. 114ff.; ders., Umgestaltung, S. 37; ders., Entartung, S. 8; Böhm, Ordnung, S. 126 und 136f.; Paulick, Genossenschaft, S. 38ff.; Haupt/Reinhardt, Gesellschaftsrecht, S. 79; mit Einschränkungen auch Immenga, Kapitalgesellschaft, S. 120f. und 419f. (wirtschaftsverfassungsrechtlicher Grundsatz mit gesetzlich normierten Ausnahmen) und Nitschke, Personengesellschaft, S. 263 (Korrespondenz von Herrschaft und Verantwortung, die etwa auch in der hohen Haftsumme eines Kommanditisten liegen könne).
51
Haftungsbegründende
Gesichtspunkte
343
werden 27 . Die unbeschränkte Haftung sei hingegen das notwendige Korrelat der unbeschränkten Wirtschaftsfreiheit. Das Recht dürfe eine haftungsbefreite oder haftungsbeschränkte Herrschaft nicht dulden, da ansonsten das soziale Verantwortungsempfinden leide 28 , gegen das Nutzen-Nachteil-Prinzip verstoßen 29 , die Auslesefunktion der Wettbewerbsordnung beeinträchtigt 30 und die Unternehmenskonzentration gefördert 31 werde. Die durch die Haftungsbeschränkung bewirkte Abwälzung des unternehmerischen Risikos auf die Gläubiger sei angesichts der Steuerungsmöglichkeiten von Unternehmergesellschaftern verfehlt 32 und treffe gerade die schwächeren Marktteilnehmer, da diese sich als Gläubiger zumeist nicht absichern könnten 33 . In der Kommanditgesellschaft könne die Korrespondenz von Herrschaft und Haftung schließlich auch damit gerechtfertigt werden, daß die Komplementäre vor einer Beherrschung der Gesellschaft durch beschränkt haftende Gesellschafter bewahrt werden müßten 34 . Die Haftungsbeschränkung sei daher aufzuheben, wenn sich ein Kommanditist 35 , GmbH-Gesellschafter 36 oder Aktionär 37 insbesondere als Alleingesellschafter 38 abweichend von den Idealvorstellungen des Gesetzgebers in der Gesellschaft derart unternehmerisch betätige, daß er für deren Handlungen verantwortlich gemacht werden könne. Die Forderung nach einer generellen persönlichen und unbeschränkten Haftung von Unternehmergesellschaftern ist jedoch nicht nur de lege lata, sondern auch de lege ferenda abzulehnen 39 . Die Korrespondenz von Herr27 Tieisch, Haftung, S. 4ff.; H. Krause, Unternehmer, S. 27f.; Eucken, Wirtschaftspolitik, S. 281; Müller-Erzbach, FS Heymann Bd. 2, S. 737, 738. 28 Müller-Erzbach, FS Heymann Bd. 2, S. 737ff.; ders., AcP 154 (1955), 299, 343; Eucken, Wirtschaftspolitik, S. 280; Großfeld, Aktiengesellschaft, S. 105 ff. (Zügelung der Machtausdehnung durch die Verbindung von Macht und Risiko); Ziemons, Haftung, S. 122 ff. 29 Müller-Erzbach, AcP 154 (1955), 299, 342f.; Eucken, Wirtschaftspolitik, S.279; Immenga, Kapitalgesellschaft, S. 120; krit. Helm, ZGR 1973, 478, 485. 30 Eucken, Wirtschaftspolitik, S. 279ff.; Großfeld, Aktiengesellschaft, S. 106; Ziemons, Haftung, S. 122 ff. 31 Eucken, Wirtschaftspolitik, S. 280; Großfeld, Aktiengesellschaft, S. 105 f. 32 Müller-Erzbach, Mitgliedschaft, S. 120f. 33 Tieisch, Haftung, S. 42; Meyer-Cordmg, JZ 1978, 10. 34 Nitschke, Personengesellschaft, S. 258ff.; krit. Spies, Haftsumme, S. 92. 35 Paulick, Genossenschaft, S. 38f.; Haupt/Reinhardt, Gesellschaftsrecht, S. 79; Tieisch, Haftung, S. 14; ähnlich auch Müller-Erzbach, JZ 1956, 705, 709 (unbeschränkte Haftung des vertretungsberechtigten Kommanditisten); BGH v. 17.3.1966 BGHZ 45, 204, 205ff. 36 Eucken, Wirtschaftspolitik, S. 282f. (unbeschränkte Haftung bei größerer Beteiligung); krit. Immenga, Kapitalgesellschaft, S. 128 (Vorwurf doktrinären Denkens); Baumann, ZHR 142 (1978), 557, 569f. 37 Eucken, Wirtschaftspolitik, S. 282 f. (unbeschränkte Haftung bei größerer Beteiligung); Müller-Erzbach, Entartung, S. 25 f. (auf den einfachen Nennbetrag der gehaltenen Aktien beschränkte Nachschußpflicht von Großaktionären); Heymann, FS Wieland, S. 221, 240. 38 Meyer-Cording, JZ 1978, 10; Müller-Erzbach, AcP 154 (1955), 299, 343. 39 Krit. auch BGH v. 17.3.1966 BGHZ 45, 204, 205ff.; Limbach, GmbH, S. 107ff.; dies., GmbHR 1967, 71, 73f. (zusammenfassend); Boerner, Haftung, S. 59ff.; K. Schmidt, OHG, S. 111 ff.; Wilhelm, Rechtsform, S. 338f.; Hofmann, N J W 1969, 577, 579f.; Reiner, Fremd-
344
4. Kapitel: Haftungsrelevanz
der
Unternehmergesellschafterstellung
schaft und H a f t u n g kann w e d e r als wirtschaftsverfassungsrechtlicher G r u n d satz aus d e m insoweit wertneutralen G r u n d g e s e t z abgeleitet 4 0 n o c h kann sie angesichts der zahlreichen herrschaftsneutralen H a f t u n g s b e s c h r ä n k u n g s n o r men außerhalb des K o n z e r n r e c h t s als ein G r u n d s a t z des geltenden Gesellschaftsrechts betrachtet werden 4 1 . D a m i t scheidet sie auch als institutionelle S c h r a n k e der Vertragsfreiheit aus 42 . D i e d e m G e s e t z g e b e r b e w u ß t e E r s t r e c k u n g der H a f t u n g s b e s c h r ä n k u n g s m ö g l i c h k e i t e n auf u n t e r n e h m e r i s c h engagierte Privatgesellschafter ist auch rechtspolitisch sinnvoll 4 3 . Z w a r streiten das N u t z e n - N a c h t e i l - P r i n z i p und das W e t t b e w e r b s p r i n z i p
ordnungspolitisch
für eine K o r r e s p o n d e n z
von
H e r r s c h a f t und H a f t u n g . D i e s e Prinzipien sind j e d o c h zunächst auf die G e sellschaft zu beziehen, die das U n t e r n e h m e n zu ihrem eigenen N u t z e n bzw. N a c h t e i l betreibt und die bei M i ß e r f o l g im W e t t b e w e r b durch L i q u i d a t i o n v o m M a r k t verdrängt wird 4 4 . E i n e Ü b e r t r a g u n g dieser G r u n d s ä t z e auf die hinter der Gesellschaft stehenden U n t e r n e h m e r g e s e l l s c h a f t e r ist damit n o c h nicht v o r p r o g r a m m i e r t . I n s o w e i t sollte es für eine H a f t u n g nicht allein auf den Tatbestand der B e h e r r s c h u n g der Gesellschaft, s o n d e r n auf zusätzliche Verhaltensgesichtspunkte a n k o m m e n . Anderenfalls w ü r d e n die G l ä u b i g e r o h n e b e s o n d e r e n G r u n d v o n der schlichten, sie nicht per se gefährdenden B e herrschung der Gesellschaft durch einen Privatgesellschafter profitieren 4 5 . A u c h das N u t z e n - N a c h t e i l - P r i n z i p w ü r d e ungerechtfertigt zugunsten der Anlagegesellschafter v e r s c h o b e n werden, da diese auch weiterhin v o n den G e w i n n c h a n c e n o h n e das R i s i k o einer persönlichen H a f t u n g
profitieren
würden 4 6 . D i e U n a b h ä n g i g k e i t der H a f t u n g s s t r u k t u r v o n den M a c h t v e r h ä l t nissen in der Gesellschaft gewährleistet schließlich Rechtssicherheit 4 7 und verhindert, daß die Wahl des B e r u f s eines Unternehmergesellschafters nicht durch eine prohibitive H a f t u n g in verfassungsrechtlich bedenklicher Weise faktisch unattraktiv gemacht wird 4 8 . Angesichts des anhaltenden Bedarfs an
Steuerung, S. 219f.; Helm, ZGR 1973, 478, 481 ff.; Wiedemann, in: Die Haftung des Gesellschafters in der GmbH, S. 49 ff. (mit rechts vergleichenden Hinweisen); ders., Übertragung, S. 327f.; ders., Gesellschaftsrecht Bd. 1, S. 544. 40 Näher Spies, Haftsumme, S. 90ff.; vgl. zur haftungsrechtlichen Bedeutung der Grundrechte 4. Kap. § 1 A I. 41 Das sehen auch Reinhardt, FS H. Lehmann 1956 Bd. 2, S. 576, 589f. und Immenga, Kapitalgesellschaft, S. 128. 42 Teichmann, Gestaltungsfreiheit, S. 125f.; Boerner, Haftung, S. 66f. 43 Zur Rechtfertigung der Haftungsbeschränkung soeben unter 1. 44 So auch Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. 1, S. 545 und Teichmann, Gestaltungsfreiheit, S. 126. 45 HansOLG v. 12.2.1973 BB 1973, 1231 f.; Helm, ZGR 1973, 478, 486; O. Kuhn, Strohmanngründung, S. 213f. 46 So zutreffend Helm, ZGR 1973, 478, 486. 47 Stimpel, FS 25 Jahre BGH, S. 13, 16. 48 Zu faktischen Eingriffen in die Berufswahlfreiheit siehe bereits 2. Kap. § 3 A II 2.
5 1
Haftungsbegründende
Gesichtspunkte
345
Unternehmerpersönlichkeiten scheint es auch wirtschaftspolitisch fragwürdig, einen einmal vielleicht nur aufgrund der Verkettung unglücklicher Umstände gescheiterten Unternehmer durch eine persönliche und unbeschränkte Strukturhaftung auf Dauer „aus dem Verkehr zu ziehen". Mit Hilfe einer regelmäßig ein Verschulden des Gesellschafters voraussetzenden und auf ein bestimmtes Rechtsverhältnis beschränkten Verhaltenshaftung kann eine Eliminierung ungeeigneter Unternehmerpersönlichkeiten auch wesentlich differenzierter erfolgen. Mit der Ablehnung des ordnungspolitischen Prinzips der Korrespondenz von Herrschaft und Haftung soll keinesfalls jeglicher Zusammenhang zwischen gesellschaftsrechtlicher Leitungsmacht und Haftung geleugnet werden. Vielmehr ist die haftungsbegründende Funktion der gesellschaftsgebundenen Herrschaft, wie sie auch de lege lata mit dem sogleich zu erläuternden Grundsatz der Korrespondenz von Leitungsmacht und Verantwortung gekennzeichnet wird, im Rahmen der verschiedenen Verhaltenshaftungstatbestände noch eingehend zu würdigen. Insoweit muß die Haftung jedoch stets auf besondere, zumindest zurechenbare Verhaltensweisen des Gesellschafters zurückgeführt werden, die zwar in aller Regel dessen Unternehmerstellung in der Gesellschaft faktisch voraussetzen, über eine bloße Beherrschung der Gesellschaft aber jeweils hinausgehen. 3. Korrespondenz
von Leitungsmacht
und
Verantwortung
Die Formel von der Korrespondenz zwischen Leitungsmacht und Verantwortung stellt im Gegensatz zu derjenigen der Korrespondenz von Herrschaft und Haftung kein rechtspolitisches Programm dar, sondern beabsichtigt lediglich eine zusammenfassende Kennzeichnung der de lege lata durch tatsächlich ausgeübte oder potentielle Leitungsmacht gesteigerten Verhaltenspflichten eines Gesellschafters. Die durch Leitungsmacht bedingte Erweiterung des Pflichtenkanons und der damit verbundenen Haftung hat dabei rechtliche und tatsächliche Ursachen. Rechtlich werden dem Unternehmergesellschafter zunächst besondere Verhaltenspflichten auferlegt, weil er allein oder im Zusammenwirken mit anderen in der Gesellschaft Leitungsmacht ausübt, die ihm die Disposition über die in der Gesellschaft gebundenen Vermögenswerte von Mitgesellschaftern ermöglicht 49 . Die Machtausübung des Unternehmergesellschafters über den eigenen Vermögenskreis hinaus bedingt eine Steigerung der unternehmerischen Handlungsmöglichkeiten ohne korrespondierendes Risiko und erhöht damit zugleich die Gefahren für die Mitgesellschafter. Diese Möglichkeit zu fremdbezogener Machtausübung bedingt damit als Korrelat eine gesteigerte 49 Wilhelm, Rechtsform, S. 337f.; Krebs, Geschäftsführungshaftung, S. 233; Gesellschaftsrecht Bd. 1, S. 545 f.; Mertens, AcP 178 (1978), 227, 242 f.
Wiedemann,
346
4. Kapitel:
Haftungsrelevanz
der
Unternehmergesellschafterstellung
Pflichtenbindung 50 . In Anlehnung an die U.S.-amerikanische „dominant shareholder doctrine" wird hier verschiedentlich auch von einer fiduziarischen Stellung des leitenden Gesellschafters gesprochen 51 und auf die vom Gesetzgeber aber gerade zurückgewiesenen Parallelen zwischen der Verantwortlichkeit des herrschenden Privat- und des Unternehmensgesellschafters hingewiesen 52 . In das Haftungsrecht findet die durch Leitungsmacht gesteigerte Verantwortung des Gesellschafters insbesondere als organschaftliche Verantwortung 53 und als mitunternehmerische Finanzierungsverantwortung 54 Eingang. Die Existenz von Leitungsmacht führt schließlich auch rein tatsächlich zu einer Erweiterung der Haftungsgefahr. So kommt es insbesondere im Bereich der Haftung wegen Unterlassens auf die durch die Leitungsmacht des Gesellschafters überhaupt erst entstehenden Handlungsmöglichkeiten an. Aber auch für die Haftung wegen Tuns gilt der schlichte Satz, daß nur derjenige, der etwas verbindlich entscheiden kann, auch etwas falsch entscheiden und daher haftbar werden kann 55 .
4. Korrespondenz
von Nutzen und Nachteil
Das Nutzen-Nachteil-Prinzip (ubi emolumentum ibi onus), das auch als Interesseprinzip bezeichnet wird 56 , kann als ein allgemein anerkannter Gerechtigkeitsgrundsatz gelten, dessen Wirkungen weit über das Haftungsrecht und die hier maßgebliche Risikolehre hinausreichen. Das Prinzip gilt für den Träger des Unternehmerrisikos 57 und damit zunächst nur für die Gesellschaft, die unmittelbar von den Chancen und Risiken der Unternehmenstätigkeit be50 Zur gesteigerten Pflichtenbindung des bestimmungsmächtigen Gesellschafters Flume, BGB-AT 1/2, S. 88ff. (negotiorum gestio); Wilhelm, Rechtsform, S. 337f. (Organhaftung); Zöllner, Stimmrechtsmacht, S. 341 f. und 350 (Treuepflicht); zur Pflichtenbindung bei fremdbezogener Machtausübung allgemein Flume, BGB-AT II, S. 9 und 786; Wilhelm, Rechtsform, S. 337. 51 Dazu zuletzt eingehend Aheltshauser, Leitungshaftung, S. 24 f. und passim. 52 Wilhelm, Rechtsform, S. 350ff.; Krebs, Geschäftsführungshaftung, S. 232ff. (Gesamtanalogie zu den §§ 309 Abs. 2, 317 Abs. 3, 323 Abs. 1 S. 2 i.V.m. § 309 Abs. 2 AktG); mit Recht krit. Ziemons, Haftung, S. 59 ff. 53 So teilweise bedenklich im Rahmen der Haftung als faktisches Organ (näher 4. Kap. § 2 A I 2), der Haftung aus GoA (näher 4. Kap. § 2 A II) und der Haftung bei Verletzung von Treuepflichten (näher 4. Kap. § 2 A IV). 54 So im Rahmen der Außenhaftung aus c.i.c. (4. Kap. § 2 C II lc aa) und Delikt (4. Kap. § 2 C IV 2c) sowie der Umqualifizierung eigenkapitalersetzender Gesellschafterdarlehen (4. Kap. § 2 D I 2). 55 So für die Organhaftung Schlechtriem, in: Kreuzer (Hrsg.), Die Haftung der Leitungsorgane von Kapitalgesellschaften, S. 9, 54. 56 C. v. Bar, Verkehrspflichten, S. 125 ff. 57 MünchKommBGBAWerteiw, § 823 Rn. 25; Reinhardt, FS H.Lehmann 1956 Bd. 2, S. 576, 589f.
§ 1
Haftungsbegründende
Gesichtspunkte
347
troffen ist58. Machen die Gesellschafter von der ihnen gesetzlich unter bestimmten Voraussetzungen eingeräumten Möglichkeit einer Haftungsbeschränkung Gebrauch, können sie das Nutzen-Nachteil-Prinzip durch eine teilweise Sozialisierung der Unternehmensverluste durchbrechen 59 . Aus der Korrespondenz von Nutzen und Nachteil kann damit für sich allein keine allgemeine Gesellschafterhaftung abgeleitet werden, da man sich ansonsten in Widerspruch zu den Normen der Haftungsbeschränkung setzen würde. Sofern der Unternehmergesellschafter jedoch insbesondere durch eine nominelle oder qualifizierte Unterkapitalisierung bzw. durch verdeckte Gewinnausschüttungen den gewöhnlichen Risikozusammenhang zwischen den Gewinnen und Verlusten der Unternehmenstätigkeit zum Nachteil der Mitgesellschafter und Gläubiger beeinflußt, muß er hierfür als (hauptsächlicher) Nutznießer der Risikoverlagerung durch eine gesteigerte persönliche Haftung geradestehen 60 .
5. Die Treuepflicht des
Unternehmergesellschafters
Es wurde bereits in einem eigenen Abschnitt dieser Arbeit dargelegt, daß die Stellung eines Unternehmergesellschafters eine besondere Grundlegung und Ausprägung der unter dem Begriff der Treuepflicht zusammengefaßten mitgliedschaftlichen Verhaltenspflichten bedingt 61 . Da eine Verletzung dieser Verhaltensgebote den Unternehmergesellschafter zum Schadensersatz aus pVV gegenüber der Gesellschaft und den Mitgesellschaftern verpflichten kann (§ 280 Abs. 1 BGB) 6 2 , kommt der gesellschaftsgebundenen Unternehmerstellung auch vermittelt über die Treuepflicht eine haftungsbegründende Funktion zu.
6.
Vermögensbetreuungspflichten
a) Pflicht zur Betreuung des Gesellschaftsvermögens Die eng mit der Treuepflicht verbundene Frage nach der Existenz einer Vermögensbetreuungspflicht des Unternehmergesellschafters bildet den Schlüssel zur Anwendung des für den Schutz der Gesellschaft gegen vorsätz-
Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. 1, S. 545. Krit. dazu Wilhelm, DB 1986, 2113, 2119. 60 Vgl. dazu auch für die materielle Unterkapitalisierung G.H. Roth, ZGR 1989, 421, 430 und M. Lehmann, ZGR 1986, 345, 357 sowie die nominelle Unterkapitalisierung BGH v. 26.3.1984 BGHZ 90, 381, 389. 61 2. Kap. § 2 . 62 Dazu näher 4. Kap. § 2 A IV und B I 1. 58
59
348
4. Kapitel:
Haftungsrelevanz
der
Unternehmergesellschafterstellung
liehe Schädigungen bedeutsamen § 266 StGB 63 . Unbestritten ist, daß den Gesellschafter als bestelltes 64 und faktisches 65 Organmitglied eine Pflicht zur Betreuung des Gesellschaftsvermögens trifft. Lediglich für den Alleingesellschafter-Geschäftsführer sollte generell etwas anderes gelten, da ihn in Ermangelung eines Treueverhältnisses zu den Gläubigern und fehlender Mitgesellschafter auch hinsichtlich des gebundenen Gesellschaftsvermögens keine besonderen Fürsorgepflichten höherer Art, sondern lediglich gewisse im Gesetz genau bestimmte Verfügungsbeschränkungen treffen 66 . Darüber hinaus wird bisweilen auch eine Vermögensbetreuungspflicht angenommen, wenn im Rahmen faktischer Konzernbeherrschung bestimmender Einfluß auf die Leitung der Gesellschaft ausgeübt wird 67 . Für den Nur-Gesellschafter ohne Unternehmenseigenschaft wird eine Vermögensbetreuungspflicht zumeist ohne nähere Begründung teils angenommen und teils abgelehnt 68 . Man hat hier zunächst davon auszugehen, daß das mitgliedschaftliche Treueverhältnis zwischen Gesellschafter und Gesellschaft zwar neben gesetzlichen Regelungen, behördlichen Aufträgen und Rechtsgeschäften als Grundlage einer Vermögensbetreuungspflicht gegenüber der Gesellschaft in Betracht kommt, diese aber letztlich nur unter zusätzlichen in der Strafrechtslehre noch nicht allgemein geklärten Voraussetzungen begründet 69 . Würde man sich hier auf die insbesondere von der Rechtsprechung herausgearbeiteten Kriterien stützen und diese auf das Gesellschaftsrecht übertragen, wäre eine Vermögensbetreuungspflicht des Nur-Gesellschafters anzunehmen, wenn ihm das Treueverhältnis zur Gesellschaft gewichtige, nicht in 63 Zur Bedeutung des § 266 StGB für die Gesellschafterhaftung näher Reiner, Fremdsteuerung, S. 190ff.; Gribhohm, ZGR 1990, 1 ff.; Kohlmann, FS Werner, S. 387ff.; für die Haftung des Alleingesellschafters einer abhängigen GmbH nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 Abs. 1 Alt. 2 StGB nunmehr auch BGH v. 17.9.2001 ZIP 2001, 1874, 1876. 64 BGH v. 12.1.1956 BGHSt 9, 203, 217 (für ein Aufsichtsratsmitglied); siehe dazu auch die Begründung zum ersten Strafrechtsreformgesetz (BT-Drucks. 5/4094, S. 56), wonach § 81a GmbHG a.F., der einen speziellen Untreuetatbestand für GmbH-Organe enthielt, als neben § 266 StGB überflüssig angesehen wurde. 65 BGH v. 24.6.1952 BGHSt 3, 33, 39 i.V.m. 37ff.; Sc\io\z/Tiedemann, Vor §§ 82ff. Rn. 15; Tiedemann, NJW 1986, 1842, 1845f. (namentlich im Fall der „Konzernuntreue"); Hachenburg/Kohlmann, Vor § 82 Rn. 20ff. 66 Wie hier Flum, Schutz, S. 230f.; a.A. BGH v. 24.6.1952 BGHSt 3, 32, 39f.; BGH v. 18.3.1954 GmbHR 1954, 75; Scholz/Tiedemann, Vor §§ 82ff. Rn. 15; HachenburgAKoWm^rc, Vor § 82 Rn. 143; Wittkowski, GmbHR 1990, 544, 548. 67 So nunmehr insbesondere auch BGH v. 17.9.2001 ZIP 2001, 1874, 1876; ferner Scholz/ Tiedemann, Vor §§ 82ff. Rn. 25; Hachenburg/KoWiWiircrc, Vor § 82 Rn. 50; Tiedemann, NJW 1986, 1842, 1845 f.; generell krit. Flum, Schutz, S. 218ff.; krit. zur Differenzierung zwischen Unternehmens- und Privatgesellschaftern Wodicka, Untreue, S. 256ff.; Ziemons, Haftung, S. 201 f. 68 Befürwortend Gribhohm, ZGR 1990, 1, 21 und Müller-Erzbach, Mitgliedschaft, S. 385; Vor § 82 ablehnend Scholz/ Tiedemann, Vor §§ 82 ff. Rn. 17 und Hachenburg/Kohlmann, Rn. 50. 69 Dazu auch Flum, Schutz, S. 225; zu undifferenziert Richter, GmbHR 1984, 137, 144f.
§ 1 Haftungsbegründende
Gesichtspunkte
349
allen Einzelheiten vorgegebene Pflichten gerade auch z u m Schutz des Gesellschaftsvermögens auferlegte, die er mit Ermessensspielraum, Selbständigkeit und Bewegungsfreiheit zu erfüllen hätte 70 . Insofern könnte es v o n Bedeutung sein, daß das mitgliedschaftliche Treueverhältnis z u r Gesellschaft nicht n u r eine rechtsbegrenzende, sondern auch eine pflichtenbegründende Funktion aufweist und dem Unternehmergesellschafter z u m Schutz der gesellschaftszweckbezogenen Interessen der Mitgesellschafter (nicht allerdings der G l ä u biger 7 1 ) zahlreiche Verhaltenspflichten auferlegt 7 2 , v o n denen er n u r durch einen einstimmigen Beschluß der Gesellschafter befreit w e r d e n kann 7 3 . Die vorsätzliche Verletzung dieser gewichtigen und im einzelnen nicht v o n v o r n herein genau bestimmten Pflichten aus dem Mitgliedschaftsverhältnis könnte damit eine strafbare U n t r e u e begründen. Zu nennen w ä r e n hier insbesondere die Verfolgung v o n Sondervorteilen, der Verstoß gegen Kapitalsicherungsvorschriften 7 4 , die Liquidation der Gesellschaft auf kaltem Wege durch Entzug der notwendigen Betriebsmittel 7 5 und die dauerhafte Einflußnahme auf die Geschäftsführung und Unternehmenspolitik 7 6 . Angesichts der Existenzgefährdung bzw. der Verdrängung der ansonsten organschaftlich v e r a n t w o r t lichen Geschäftsleiter w ä r e in diesen Fällen z u d e m eine Erhöhung v o n Risiken f ü r das Gesellschaftsvermögen feststellbar, so daß man eine Vermögensbetreuungspflicht des Unternehmergesellschafters auch dann annehmen könnte, w e n n man h i e r f ü r eine Garantenstellung f ü r das Gesellschaftsvermögen voraussetzte 7 7 . Andererseits w ä r e aber auch darauf zu achten, daß gesetz70 Vgl. dazu die allgemeinen Anforderungen an die Vermögensbetreuungspflicht bei BGH v. 8.5.1951 BGHSt 1, 186, 188f.; BGH v. 4.11.1952 BGHSt 3, 289, 293f.; BGH v. 5.7.1968 BGHSt 22,190,192; LK/£. Hübner, § 266 StGB Rn. 25 ff.; Schönke/Schröder/LenoW, § 266 StGB Rn. 23. 71 So auch Ziemons, Haftung, S. 191. 72 Siehe dazu näher 2. Kap. § 2 B; im Rahmen von § 266 StGB a.A. Flum, Schutz, S. 232 f. 73 Zur Befreiungswirkung einstimmiger Einwilligung bis zur Grenze des § 30 GmbHG siehe Ziemons, Haftung, S. 191 und 199 und Richter, GmbHR 1984, 137, 144. 74 Für eine Vermögensbetreuungspflicht der GmbH-Gesellschafter hinsichtlich des gebundenen Stammkapitals insbesondere BGH v. 29.5.1987 BGHSt 34, 379, 387 m.w.N.; Richter, GmbHR 1984, 137, 144; Ziemons, Haftung, S. 200f. und Wittkowski, GmbHR 1990, 544, 548. 75 BGH v. 24.8.1988 BGHSt 35, 333, 337; Richter, GmbHR 1984, 137, 144. 76 BGHSt v. 10.7.1996 NJW 1997, 66,67 (ständige detaillierte Weisungen des Geschäftsführers einer herrschenden GmbH könnten eine Vermögensbetreuungspflicht auch unabhängig von einer faktischen Geschäftsführerstellung begründen); Wodicka, Untreue, S. 302 ff. (Vermögensbetreuungspflicht bei aktiver Einmischung in die Geschäftsführung und Existenzgefährdung der Gesellschaft); enger Flum, Schutz, S. 239ff., der eine Geschäftsführungstätigkeit unter Ausschluß des bestellten Geschäftsleiters aufgrund eines Gesellschafterbeschlusses oder eines tatsächlichen Einverständnisses aller Gesellschafter verlangt; zur Verneinung einer Vermögensbetreuungspflicht im Zusammenhang mit der erpresserischen Anfechtungsklage eines Minderheitsaktionärs unter Hinweis auf die eigenen wirtschaftlichen Interessen und die fehlenden besonderen persönlichen Bindungen des „normalen" Aktionärs zur Aktiengesellschaft siehe LG Köln v. 6.5.1988 wistra 1988, 279, 280. 77 Zu dieser möglichen Einschränkung des § 266 StGB siehe SKISamson/Günther, § 266 Rn. 27; wie hier auch Wodicka, Untreue, S. 311.
350
4. Kapitel: Haftungsrelevanz
der
Unternehmergesellscbafterstellung
lieh zulässiges Verhalten wie insbesondere die Ausstattung der Gesellschaft mit dem bloßen Mindestkapital, der Verzicht auf Nachschüsse, der vor Eintritt der Vermögensbindung erfolgende Abzug von Gesellschafterhilfen oder die Vornahme risikoreicher Geschäfte nicht über ein zur Vermögensbetreuungspflicht gehöriges Verbot der Existenzgefährdung strafrechtlich sanktioniert und hierdurch die grundsätzliche Finanzierungs- und Unternehmerfreiheit der Gesellschafter über Gebühr beschnitten wird 78 . Eine Vermögensbetreuungspflicht auch des unternehmerisch engagierten Nur-Gesellschafters müßte schließlich insgesamt dann verneint werden, wenn man in Übereinstimmung mit maßgeblichen Stimmen in der Strafrechtsliteratur zur Eingrenzung des weiten Untreuetatbestandes als Grundlage der Vermögensbetreuungspflicht ein typisiert fremdnütziges Schuldverhältnis mit Geschäftsbesorgungscharakter voraussetzen würde79. Der unternehmerisch engagierte Nur-Gesellschafter verfolgt nämlich in der Gesellschaft trotz bestehender Pflichten zur Rücksichtnahme auf die Interesessen seiner Mitgesellschafter vorrangig seine eigenen Interessen bzw. Rechte und diese auch nicht lediglich mittelbar über eine primäre Wahrnehmung der Gesellschaftsinteressen 80 . b) Pflicht zur Betreuung
der Vermögensinteressen
der
Mitgesell-
schafter Eine Pflicht des Unternehmergesellschafters, die gesellschaftsbezogenen Vermögensinteressen seiner Mitgesellschafter wahrzunehmen, wird man ebenfalls verneinen müssen. Zwar hat er insbesondere als Mehrheitsgesellschafter auch auf die Vermögensinteressen der anderen Gesellschafter Rücksicht zu nehmen, doch führt dies lediglich zu den erwähnten Verhaltenspflichten, nicht jedoch zu einer Vermögensbetreuungspflicht im soeben beschriebenen Sinn, die im Zentrum der demgegenüber vielmehr von eigenen Interessen des Gesellschafters geprägten Mitgliedschaft stehen müßte 81 . 7. Prinzip der haftungsfreien
Stimmrechtsausübung
Uber Haftungsprivilegien für die Stimmrechtsausübung durch Gesellschafter wird im Kapitalgesellschaftsrecht seit langem diskutiert. Das Stimmrecht gilt als das wichtigste Mitverwaltungsrecht des Gesellschafters. Seine Dazu auch Wodicka, Untreue, 304ff. Vgl. dazu die die Vermögensbetreuungspflicht einschränkenden Anforderungen bei LK/ E. Hübner, § 266 StGB Rn. 26f.; Schönke/Schröder/IeKcfeer, § 266 StGB Rn. 23a. 80 So auch LG Köln v. 6.5.1988 wistra 1988, 279, 280 und Flum, Schutz, S. 230ff.; a.A. Wodicka, Untreue, 310f.; siehe dazu ferner unten 4. Kap. § 2 A I 2a und II 2. 81 So auch Flum, Schutz, S. 232 f. 78
79
5 1 Haftungsbegründende
Gesichtspunkte
351
freie u n d gegebenenfalls auch eigennützige A u s ü b u n g w i r d verteidigt, um auf diese Weise gerade in den körperschaftlich strukturierten Gesellschaften die Richtigkeit des Beschlußinhalts als dem größten gemeinsamen N e n n e r aller Gesellschafterinteressen zu gewährleisten 8 2 . Lange Zeit w u r d e daher unter Berufung auf „elementare G r u n d s ä t z e des Körperschaftsrechts" 8 3 eine H a f tung f ü r die Stimmrechtsausübung in Kapitalgesellschaften allein in den G r e n z e n des § 826 B G B anerkannt und im übrigen der Schutz durch das A n fechtungsrecht f ü r ausreichend gehalten 84 . Fraglich w a r zudem, ob das U n t e r lassen der A n f e c h t u n g den Haftungsanspruch ausschließen oder jedenfalls unter dem Gesichtspunkt des Mitverschuldens mindern sollte 85 . Erst die weitgehende A n e r k e n n u n g der Treuepflichten auch im Bereich der Publikumskapitalgesellschaften hat hier zu einer veränderten Betrachtungsweise geführt 8 6 . Einen beschränkten gesetzlichen A u s d r u c k hat das Stimmrechtsprivileg im Aktienrecht erfahren. W ä h r e n d vorsätzlich schädigende Einflußnahmen v o n A k t i o n ä r e n auf Mitglieder der Unternehmensleitung grundsätzlich nach § 1 1 7 A b s . 1 A k t G z u m Schadensersatz verpflichten, gilt dies nach § 1 1 7 Abs. 7 Nr. 1 A k t G nicht f ü r Einflußnahmen durch A u s ü b u n g des Stimmrechts in der Hauptversammlung. Dieses Stimmrechtsprivileg ist jedoch seit langem heftig umstritten 8 7 . Es w i r d überwiegend einschränkend interpre-
82 Dazu nur RG v. 8.4.1908 RGZ 68, 235, 245ff.; RG v. 1.5.1908 RGZ 68, 314, 316f.; BGH v. 9.6.1954 BGHZ 14, 25, 38; Flume, BGB-AT 1/2, S. 88 und 201 ff.; K r o p f f , in: Geßler/Hefermehl § 117 Rn. 27; sehr weitgehend v. Thür, BGB-AT I, S. 511 („ein Beschluß ist nicht deshalb ungiltig, weil er eine rücksichtslose Ausnützung der Majoritätsrechte bedeutet oder auf willkürlichen und unvernünftigen Gründen beruht oder gegen das Interesse des Vereins verstößt") und Brodmann, GmbHG, § 47 Anm. 3a („In der Ausübung des Stimmrechts ist der einzelne grundsätzlich ganz frei. Er kann sich darin völlig durch seine persönlichen Interessen leiten lassen ..."). 83 Studienkommission des deutschen Juristentages, Untersuchungen zur Reform des Unternehmensrechts, Teil I, Tübingen 1955, S. 54. 84 Siehe dazu für die Aktiengesellschaft die bewußte Bestätigung des Stimmrechtsprivilegs nach § 101 Abs. 7 AktG 1937 durch den Gesetzgeber von 1965 (BT-Drucks. 4/171, S. 147) sowie RG v. 21.9.1938 RGZ 158, 248, 254f. (keine Fahrlässigkeitshaftung von Aktionären) und BGH v. 20.3.1995 BGHZ 129, 136, 164; für die GmbH siehe nur BGH v. 14.12.1959 BGHZ 31, 258, 278f.; zu den Schwächen des Anfechtungsrechts siehe jedoch nur lmmenga, Kapitalgesellschaft, S. 279f. und Wolany, Rechte, S. 114. 85 Dazu eingehend und grundsätzlich ablehnend Ziemons, Haftung, S. 165 ff. m.w.N. 86 Siehe dazu insbesondere BGH v. 20.3.1995 BGHZ 129,136,158ff. mit krit. Anm. Flume, ZIP 1996, 161, 165ff. und Staudinger/Oechsler, § 826 Rn. 288f. 87 Für eine Privilegierung der Stimmrechtsausübung Flume, ZHR 144 (1980), 18, 28ff.; ders., BGB-AT 1/2, S. 212 (die Autonomie der Ausübung des Stimmrechts decke auch die törichte Entscheidung, sofern diese nur am Gesellschaftsinteresse ausgerichtet sei); Mertens, FS R. Fischer, S. 461, 464f.; Reiner, Fremdsteuerung, S. 154; krit. hingegen Mestmäcker, Verwaltung, S. 271; Zöllner, Stimmrechtsmacht, S. 427ff.; lmmenga, Kapitalgesellschaft, S. 280; Großfeld, Aktiengesellschaft, S. 219; Krebs, Geschäftsführungshaftung, S. 252; für eine Aufhebung des Privilegs nunmehr auch der Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, hrsg. von Baums, Rn. 164.
352
4. Kapitel: Haftungsrelevanz
der
Unternehmergesellschafterstellung
tiert 88 und insbesondere nicht auf andere (personalistisch strukturierte) Gesellschaftsformen oder andere Haftungsgrundlagen übertragen 89 . Dennoch finden sich im Rahmen der verschiedenen Haftungstatbestände und insbesondere in der Diskussion um die Haftung aufgrund Treuepflichtverletzungen immer wieder Spuren einer Privilegierung der Stimmrechtsausübung 90 . Es kann hier dahingestellt bleiben, ob derartige Privilegien zum Schutz bestimmter Gesellschaftertypen wie etwa der vielfach zitierten Kleinaktionäre gerechtfertigt sind 91 . Jedenfalls für Unternehmergesellschafter erscheint außerhalb des Anwendungsbereichs von § 117 Abs. 7 Nr. 1 A k t G eine schlichte Differenzierung danach, ob sie ihren Einfluß auf die Gesellschaft mit Hilfe des Stimmrechts oder auf andere Weise ausüben, nicht angebracht. Die Entscheidungsfindung wird hier ohnehin nur selten der Modellvorstellung eines sich als Resultante unabhängigen eigennützigen Stimmverhaltens einstellenden und daher mit Richtigkeitsgewähr versehenen Beschlußinhalts entsprechen, da der Unternehmergesellschafter allein oder im bewußten Zusammenwirken mit anderen Gesellschaftern den Beschlußinhalt von vornherein in einem bestimmten Sinne determiniert 92 . Dies ist neben dem spezifischen Konzernkonflikt auch der Grund dafür, daß in § 317 A k t G ein dem § 117 Abs. 7 Nr. 1 AktG entsprechendes Haftungsprivileg zugunsten des U n ternehmensgesellschafters fehlt 93 . Von einem Unternehmergesellschafter darf daher auch unter Haftungsgesichtspunkten das Stimmrecht nur in den Schranken seiner mitgliedschaftlichen und deliktischen Verhaltenspflichten ausgeübt werden 94 . Dies gilt nicht Dazu näher 4. Kap. § 2 AVI lb. Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. 1, S. 423; Zöllner, Stimmrechtsmacht, S. 431 f.; M. Winter, Treuebindungen, S. 84; Ziemons, Haftung, S. 152 f.; gegen eine Anwendung des Privilegs im Bereich der Haftung wegen Treuepflichtverletzung Timm, WM 1991, 481, 487 und Dreher, ZIP 1993, 332, 335 ff. 90 Für eine Haftung aus Treuepflichtverletzung nur bei vorsätzlich schädigendem Abstimmungsverhalten etwa BGH v. 20.3.1995 BGHZ 129, 136, 162ff. (unter Hinweis auf § 117 Abs. 7 Nr. 1 AktG); Thöni, GmbHR 1989, 187, 189 (unter Hinweis auf § 243 Abs. 2 AktG); für das Erfordernis grober Fahrlässigkeit offenbar BGH v. 28.6.1982 WM 1982, 1025, 1026 sowie Rowedder/Rowedder, § 13 Rn. 13 und Rowedder/Koppensteiner, § 43 Rn. 60 (Weisungsbeschlüsse); rechtspolitisch auch bereits Heymann, FS Wieland, S. 221, 234f. und 238 f. 91 Dazu etwa Anm. zum Entwurf eines Gesetzes über Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien von 1930, S. 105; siehe auch Wiedemann, JZ 1976, 392, 394; krit. jedoch zumindest für den Ausschluß auch der Vorsatzhaftung Zöllner, Stimmrechtsmacht, S. 430 m.w.N. 92 Dazu auch Wiedemann, JZ 1976, 392, 394; Mertens, AcP 178 (1978), 227, 243; Hölters, BB 1977,105, 110; Ziemons, Haftung, S. 150. 93 Dazu auch Immenga, Kapitalgesellschaft, S. 281 ff. 94 So für die Stimmrechtsausübung in der Aktiengesellschaft Timm, WM 1991, 481, 487 und Dreher, ZIP 1993, 332, 335ff.; für die Stimmrechtsausübung von GmbH-Gesellschaftern Ziemons, Haftung, S. 151; Wolany, Rechte, S. 114ff.; Immenga, Kapitalgesellschaft, S. 282f. (für die personalistische GmbH); siehe auch bereits Zöllner, Stimmrechtsmacht, S. 424ff. (de lege lata aber nur für die Personengesellschaften und die personalistisch strukturierte GmbH). 88
89
$ 1
Haftungsbegründende
Gesichtspunkte
353
zuletzt auch für seine Mitwirkung an Weisungsbeschlüssen in der GmbH 95 . Probleme bereitet insoweit allerdings die Grenzziehung zwischen der zulässigen und der unzulässigen Verfolgung eigener Interessen mit Hilfe des Stimmrechts. Während die Rechtsprechung hier früher die eigennützige Ausübung des Stimmrechts weitgehend billigte 96 , legt sie inzwischen teilweise einen strengen Verhältnismäßigkeitsmaßstab zugrunde 97 . Was die Anfechtbarkeit des Beschlusses unter dem Gesichtspunkt der Treuepflichtverletzung anbetrifft, ist der strenge Verhältnismäßigkeitsmaßstab gerade auch vor verfassungsrechtlichem Hintergrund zu begrüßen 98 . Es dürfte aber zu weit gehen, ihn auch in das Haftungsrecht zu übertragen und etwa einen Gesellschafter dafür haftbar zu machen, daß er einen von ihm als ungünstig beurteilten Sanierungsvorschlag abgelehnt und damit die Existenz der Gesellschaft unverhältnismäßig gefährdet hat99. Schließlich setzt der Privatgesellschafter bei der Stimmabgabe nicht nur schützenswerte Interessen seiner Mitgesellschafter, sondern regelmäßig auch seine eigenen gleichgerichteten Interessen aufs Spiel. Eine Haftung ist allerdings dann zu befürworten, wenn der Unternehmergesellschafter - und sei es auch nur fahrlässig - Sondervorteile erlangt 100 oder pflichtwidrige Weisungen in Geschäftsführungsangelegenheiten 101 erteilt. Für den Beschlußinhalt haftet ein Gesellschafter in jedem Fall nur, wenn er für diesen gestimmt oder an der Abstimmung nicht teilgenommen bzw. sich enthalten und keinen Protest nachträglich zu Protokoll gegeben hat102.
95 Immenga, Kapitalgesellschaft, 278ff.; ders., GmbHR 1973, 5, 10f.; M. Winter, Treuebindungen, S. 205ff.; Ziemons, S. 137ff.; krit. Flame, BGB-AT 1/2, S. 296ff.; Scholz/U.H. Schneider, § 43 Rn. 16f. (Ausnahme nur bei faktischer Leitung nach den Grundsätzen der faktischen Organhaftung); Vonnemann, BB 1990, 217, 219f. 96 Dazu nur RG v. 8.4.1908 RGZ 68, 235ff.; RG v. 1.5.1908 RGZ 68, 314ff.; BGH v. 9.6.1954 BGHZ 14, 25, 38; BGH v. 14.12.1959 BGHZ 31, 258, 278. 97 BGH v. 20.3.1995 BGHZ 129, 136, 152 (Ablehnung eines Sanierungsvorschlags) sowie zur teilweisen Sachkontrolle von Mehrheitsbeschlüssen etwa BGH v. 13.3.1978 BGHZ 71, 40, 45 f. und BGH v. 7.3.1994 BGHZ 125, 239, 244ff. 98 Zum Zusammenhang von grundrechtlicher Schutzgebotslehre und gesellschaftsrechtlicher Verhältnismäßigkeitsprüfung Jung, JZ 2001, 1004, 1009. 99 Wie hier Flume, ZIP 1996, 161, 165ff.; a.A. BGH v. 20.3.1995 BGHZ 129, 136, 158ff. 100 Flume, BGB-AT 1/2, S. 216; vgl. dazu auch die zur Anfechtung nach § 243 Abs. 2 AktG analog ergangene Entscheidung BGH v. 28.1.1980 BGHZ 76, 352ff. 101 So auch für ein auf Unterlassen des Insolvenzantrags gerichtetes schuldhaftes Abstimmungsverhalten des Unternehmergesellschafters öOGH v. 10.12.1992 ZIP 1993, 1871, 1873; zust. für das deutsche Recht Wilhelm, ZIP 1993, 1833, 1837 mit Fn. 19; krit. allerdings Scholz/ K. Schmidt, § 64 Rn. 9 und 45. 102 Zum Teil a.A. Ziemons, Haftung, S. 155 ff. (Haftung auch des mit „nein" stimmenden Gesellschafters, der seinen Protest nicht noch eigens zu Protokoll gegeben hat).
354
4. Kapitel:
Haftungsrelevanz
der
8. Einfluß der gesellschaftsrechtlichen auf die Gesellschafterhaftung
Unternehmergesellschafterstellung
Kompetenzordnung
Die innergesellschaftliche Aufgabenverteilung führt zunächst zu einem Schutz des Gesellschafters, da auch der maßgeblich beteiligte Gesellschafter die Geschäftsführung und deren Überwachung anderen überlassen und auf die ordnungsgemäße Wahrnehmung der damit verbundenen Pflichten durch die hierzu bestellten Mitgesellschafter oder Dritten vertrauen kann 103 . Man kann insoweit auch von einem bei Unterlassungen haftungsbegrenzend wirkenden Recht auf Desinteresse sprechen, das der Unternehmergesellschafter aber nur in den Bereichen wird in Anspruch nehmen können, aus denen er sich insgesamt herausgehalten hat104. Andererseits verstärken unzulässige Übergriffe von Gesellschaftern in den Kompetenzbereich anderer Gesellschaftsorgane die Gesellschafterhaftung, da insoweit gegen die allen Organmitgliedern obliegende Legalitätspflicht verstoßen105 und der organisationsrechtlich vorgesehene Verantwortungsträger in seiner ordnungsgemäßen Aufgabenerfüllung zumindest beeinträchtigt wird 106 . Während die gesetzlich ohne eine Haftungsverschärfung ermöglichte Ausübung des Weisungsrechts in Geschäftsführungsangelegenheiten durch GmbH-Gesellschafter noch nicht zu diesen Übergriffen gezählt werden kann, gilt dies jedoch insbesondere für die auch nach außen in Erscheinung getretene faktische Übernahme von Geschäftsleitungsfunktionen durch Unternehmergesellschafter 107 . Die verschiedentlich befürwortete unbeschränkte persönliche Kommanditistenhaftung bei Vermögenslosigkeit des Komplementärs in der Strohmann-KG wird ebenfalls mit der Ausschaltung der einen Komplementär ansonsten regelmäßig kennzeichnenden unternehmerischen Vorsicht („Bremsfunktion") und damit einem der Organverdrängung verwandten Rechtsgedanken gerechtfertigt 108 .
103 Siehe dazu für die GmbH K. Schmidt, ZIP 1988, 1497, 1506; Priester, ZGR 1993, 512, 524 und Ziemons, Haftung, S. 158; strenger hingegen Wilhelm, Rechtsform, S. 355 f. 104 Siehe als Beispiele hierfür die deliktische Haftung wegen Insolvenzverschleppung (4. Kap. § 2 C IV 2b dd) und die Prospekthaftung (4. Kap. § 2 C II 2). 105 Abeltshauser, Leitungshaftung, S. 210ff. 106 Siehe dazu auch für die organschaftliche Haftung von Gesellschaftern Stein, Das faktische Organ, S. 71 und 184f.; Immenga, Kapitalgesellschaft, S. 275ff. und ders., GmbHR 1973, 5,11 sowie rechtsvergleichend Schlechtriem, in: Kreuzer (Hrsg.), Die Haftung der Leitungsorgane von Kapitalgesellschaften, S. 9, 17. 107 Dazu näher im Rahmen der Haftung als sog. faktisches Organ und aus GoA 4. Kap. § 2 A I 2b und II. 108 Dazu eingehend Boerner, Haftung, S. 104ff.; ähnlich Wiedemann, FS Bärmann 1975, S. 1037, 1049 f.
51
9. Unternehmerisches
Haftungsbegründende
355
Gesichtspunkte
Ermessen
Im Hinblick auf unternehmerische Entscheidungen verfügt der Unternehmergesellschafter wie auch ein Geschäftsleiter oder Einzelunternehmer über einen Ermessensspielraum, der auf der naturgemäßen Unsicherheit und Komplexität unternehmerischen Handelns beruht und gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar ist109. U m die unternehmerische Initiative nicht über Gebühr zu beeinträchtigen, besteht insoweit lediglich eine Bindung an die Grundsätze ordnungsgemäßer Unternehmensführung, wonach auch der Gesellschafter seine Entscheidungen im Verhältnis zum eingegangenen Risiko angemessen vorbereiten und dabei die Grenzen gesicherter Erfahrung und Erkenntnis beachten muß 110 . Ein Gesellschafter kann sich daher bei unternehmerischen Entscheidungen nur haftbar machen, wenn er das ihm dabei eingeräumte Ermessen fehlerhaft oder gar nicht gebraucht 111 .
III. Allgemein schadensrechtliche 1. Schaffung bzw. Beherrschung Gefahrenlage
Wertungsgesichtspunkte
der für einen Schaden
ursächlichen
Als gefahrbegründendes Vorverhalten kann die Schaffung einer Gefahrenlage durch den Unternehmergesellschafter zunächst besondere Sicherungspflichten zur Abwendung der sich daraus ergebenden Gefahren hervorrufen 112 . Die von dem Gesellschafter zu beherrschende Gefahr kann dabei im rechtsgeschäftlichen Bereich auch ein Erklärungs- und Vertrauensrisiko sein113. Die persönliche Gesellschafterhaftung soll dem Geschädigten nicht nur einen zusätzlichen Haftungsfonds bereitstellen, sondern den Gesellschafter auch zu einer vorsichtigen und sorgfältigen Unternehmensführung anhal-
109 BGH v. 13.3.1978 BGHZ 71, 40, 49f.; M. Winter, Treuebindungen, S. 106 und Ziemons, Haftung, S. 140 sowie für die Organhaftung etwa BGH v. 21.4.1997 BGHZ 135, 244, 252ff. und Scholz/U.H. Schneider, §43 Rn. 45aff.; zur Komplexität unternehmerischer Entscheidungen etwa Schmidt-Leithoff, Verantwortung, S. 214 und 247ff.; zu weitgehend DaunerLieb, Unternehmen, S. 25 („Die haftungsrechtliche Eigenart unternehmerischer Tätigkeit besteht darin, daß sie sich einer objektiven Richtigkeitskontrolle entzieht, mit der Folge, daß die haftungsrechtlichen Denkkategorien der Pflichtverletzung und des Verschuldens von vornherein nicht greifen."). 110 Ziemons, Haftung, S. 140ff.; zu den Grundsätzen ordnungsgemäßer Unternehmensführung näher v. Werder, DB 1995, 2177ff. 111 Ziemons, Haftung, S. 143. 112 Siehe dazu etwa die deliktische Verhaltenshaftung bei qualifiziert materieller Unterkapitalisierung 4. Kap. § 2 C IV 2c. 113 Dazu näher Canaris, Vertrauenshaftung, S. 481 f. und Bohrer, Haftung, S. 329.
356
4. Kapitel:
Haftungsrelevanz
der
Unternehmergesellschafterstellung
ten 114 . Soweit es um diese Steuerungsfunktion geht, muß die Haftung daher bei denjenigen Gesellschaftern ansetzen, die zumindest dazu in der Lage sind, einen entsprechenden Einfluß auf die Unternehmenspolitik auszuüben und hierdurch Gefahrenquellen insbesondere für die Gesellschaftsgläubiger zu schaffen, zu erhöhen, zu vermindern oder zu beseitigen. Durch die Beschränkung der Verhaltenshaftung auf Unternehmergesellschafter wird die Haftung damit zurecht denjenigen Personen auferlegt, die die einschlägigen Risikobereiche (z.B. Unterkapitalisierung, Sphärenvermischung, Insolvenzverschleppung) am besten beherrschen können 115 .
2. Erfüllbarkeit und Zumutbarkeit der Verhaltenspflicht Die von einem Gesellschafter erwartete Verhaltensweise muß von diesem erfüllt werden können und ihm angesichts der Intensität der Gefahr und des drohenden Schadensumfangs hinsichtlich des ihm nach der günstigsten geeigneten Handlungsvariante entstehenden Aufwands zumutbar sein 116 . Aufgrund der rechtlichen und faktischen Machtposition sowie des NutzenNachteil-Prinzips wird dies bei einem Unternehmergesellschafter viel eher der Fall sein als bei anderen Gesellschaftern 117 .
3. Versicherbarkeit des Risikos Es ist fraglich, ob die Versicherbarkeit eines Risikos überhaupt zu den Wertungskriterien der Haftungsverteilung gezählt werden kann und ob sich nicht vielmehr die Versicherungswirtschaft an den sich aus der materiellen Rechtslage ergebenden Bedürfnissen der Haftpflichtigen zu orientieren hat. Dennoch hängt insbesondere die Frage einer etwaigen Prohibitivwirkung der Haftung von der Möglichkeit und den Bedingungen einer Versicherung der entsprechenden Risiken ab. Die seit ihrer Zulassung durch das Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen im Jahre 1986 zunehmend verbreiteten D&O-Versicherungen (directors and officers liability insurance) 118 , die seit 1993 (AVB O L A 93) 119 und inzwischen auch nach den Allgemeinen Versiche114 Boerner, Haftung, S. 113 ff.; Wiedemann, in: Die Haftung des Gesellschafters in der GmbH, S. 12. 115 Siehe dazu auch M. Lehmann, ZGR 1986, 345, 359ff. (unter ökonomischen Gesichtspunkten wünschenswerte Haftung des „cheapest risk avoider"); zur Freistellung der Anlagegesellschafter von der Verhaltenshaftung auch Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. 1, S. 537; speziell zum sog. Vertrauensrisiko bei der rechtsgeschäftlichen Haftung und der Vertrauenshaftung Bohrer, Haftung, S. 329. 1,6 B G H v. 9.7.1979 BGHZ 75, 96, 108ff. 117 Krebs, Geschäftsführungshaftung, S. 255; krit. dazu allerdings Ziemons, Haftung, S. 63. 118 Zur Entwicklung der D&O-Versicherung in Deutschland Ihlas, Haftpflichtversicherung, S. 54 ff. 119 Abgedruckt bei Ihlas, Haftpflichtversicherung, S. 339 ff.
5 1
Haftungsbegründende
Gesichtspunkte
357
rungsbedingungen für die Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung von Aufsichtsräten, Vorständen und Geschäftsführern ( A V B - A V G ) 1 2 0 keinen Haftungsausschluß mehr für unternehmerische Risiken enthalten müssen 121 , zeigen, daß vor dem Hintergrund der Dienstleistungsfreiheit der Abschluß einer entsprechenden Vermögensschadensversicherung auch für Gesellschafter zu durchaus zumutbaren Bedingungen möglich ist, sofern eine Eigenschadendeckung ausgeschlossen und das Haftungsrisiko nicht wie etwa im Falle einer qualifiziert materiell unterkapitalisierten Gesellschaft für den Versicherer unüberschaubar ist.
B. Einzelfallbezogene
Haftungsfaktoren
D i e Beurteilung von Haftungsfällen mit Hilfe der soeben dargestellten allgemeinen schadensrechtlichen Wertungsgesichtspunkte setzt eine umfassende Emittlung der konkreten Sachverhaltselemente voraus, deren Systematik und Haftungsrelevanz an dieser Stelle noch kurz erläutert werden sollen.
I. Verhaltensbezogene 1. Natur des haftungsauslösenden
Haftungsfaktoren Verhaltens
Bedeutsam ist hier zunächst die Unterscheidung zwischen Tun und U n t e r lassen. Während die Haftung von Gesellschaftern für ein Tun nur im Bereich der Rechtsausübung Probleme bereitet und etwa Pflichten zur Einhaltung der gesellschaftlichen Kompetenzordnung, zum Unterlassen von Wettbewerb oder zur Verschwiegenheit für Unternehmergesellschafter unbestritten sind, ist die Haftung im Bereich des Unterlassens noch vielfach ungeklärt. Hier hat man es trotz immer wieder erhobener Forderungen 1 2 2 bislang insbesondere in der Rechtsprechung versäumt, vor dem Hintergrund der gesellschaftsinternen Aufgabenverteilung konkrete Pflichtenstandards für das Verhalten von Privatgesellschaftern 123 im vertraglichen, vorvertraglichen und deliktischen Bereich zu erarbeiten. Auszugehen hat man hierbei von dem Grundsatz, daß auch der unternehmerisch engagierte Nur-Gesellschafter weder gesetzlich 120 Siehe zu diesem sich vor dem Hintergrund der Dienstleistungsfreiheit als Basis für die individuelle Gestaltung der D&O-Policen verstehenden Grundkonzept aus dem Jahre 1997 Lattwein, VP 1998, 86ff. 121 Anders noch § 4 Nr. 2d AVBU 1986 (abgedr. bei Ihlas, Haftpflichtversicherung, S. 348ff.); zum Grundsatz der Unversicherbarkeit des Unternehmerrisikos näher und zugleich kritisch Littbarski, Versicherbarkeit, S. 2 ff. m.w.N. 122 Siehe dazu nur K. Schmidt, ZIP 1986, 146, 148; Priester, Z G R 1993, 512, 523 ff. 123 Zum mitgliedschaftlichen Pflichtenkanon von Unternehmensgesellschaftern vgl. Abeltshauser, Leitungshaftung, S. 161 ff.
358
4. Kapitel:
Haftungsrelevanz
der
Unternehmergesellschafterstellung
noch grundsätzlich vertraglich 124 zur Führung, Überwachung oder Beeinflussung der Gesellschaft und ihrer Unternehmertätigkeit verpflichtet ist und daher für Unterlassungen nur bei gefahrbegründendem Vorverhalten oder bei Inanspruchnahme besonderen Vertrauens haftbar gemacht werden kann 125 . Warn- und Instruktionspflichten gegenüber Geschäftspartnern treffen ihn nur dann, wenn er zu diesem in Kontakt getreten ist und insbesondere durch Hinweis auf seine Stellung in der Gesellschaft besonderes Vertrauen für sich in Anspruch genommen hat 126 . Pflichten zur Benachrichtigung der zur Schadensabwehr zuständigen Stellen über drohende Gefahren bestehen für ihn grundsätzlich nur gesellschaftsintern gegenüber den Gesellschaftsorganen und nicht im Außenverhältnis etwa gegenüber Gerichten und Behörden 127 . Uberwachungs- und Erkundigungspflichten treffen den unternehmerisch engagierten Nur-Gesellschafter, wenn er sich in die Unternehmensleitung einmischt 128 . Zur Finanzierung der Gesellschaft ist der Unternehmergesellschafter nur im Rahmen seiner gesetzlich eng umgrenzten Finanzierungsverantwortung verpflichtet 129 . Im Zusammenhang mit der Ausdehnung der Organhaftung und der Sachwalterhaftung zeigt sich zudem, daß es auch maßgeblich darauf ankommen kann, ob der Gesellschafter nach außen hin in Erscheinung getreten ist oder nicht 130 . Soweit man im Bereich der Interzessionshaftung die bürgerlichrechtlichen Schriftformerfordernisse auch auf die Erklärungen von Unternehmergesellschaftern anwendet, würde sich die Haftung zudem teilweise nach der Erklärungsform richten 131 . Schließlich wirken sich die Üblichkeit, Nützlichkeit und Gefährlichkeit des Gesellschafterverhaltens ebenso auf die Haftung aus wie der Umstand, ob es sich um die Ausübung eines Rechts oder eine Kompetenzüberschreitung handelt. So ist zu berücksichtigen, daß auch das unternehmerische Handeln von Gesellschaftern üblicherweise mit Risiken verbunden ist 132 und eine unternehmerische Mitwirkung der maßgeblich beteiligten Gesellschafter (sog. Eigentümerkontrolle) grundsätzlich als nütz-
124 Ausnahmen bilden gesellschaftsvertragliche Absprachen und die noch zu behandelnden vertraglichen Einwirkungspflichten (4. Kap. § 2 C I 4a bb und 6. Kap. § 2 B V 2b). 125 Siehe dazu etwa die deliktische Haftung wegen Insolvenzverschleppung (4. Kap. § 2 C IV 2b dd) und materieller Unterkapitalisierung (4. Kap. § 2 C IV 2c bb) sowie das Eigenkapitalersatzrecht (4. Kap. § 2 D I 2). 126 Siehe dazu beispielhaft die c.i.c.-Sachwalterhaftung wegen Inanspruchnahme besonderen persönlichen Vertrauens (4. Kap. § 2 C II l c aa). 127 Vgl. dazu etwa für die Insolvenzantragspflicht 4. Kap. § 2 C IV 2b aa. 128 So auch Ziemons, Haftung, S. 142. 129 Dazu näher 2. Kap. § 2 B I X sowie im Zusammenhang mit der Außenhaftung aus Delikt (4. Kap. § 2 C IV 2c bb) und der Umqualifizierung von eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen (4. Kap. § 2 D I 2). 130 Siehe dazu 4. Kap. § 2 A I 2b aa und C II lc. 131 Siehe dazu 4. Kap. § 2 C I. 132 Dazu schon 4. Kap. § 1 A II 9.
5 1
Haftungsbegründende
Gesichtspunkte
359
lieh angesehen wird133. Die insbesondere für die unterschiedlichen Haftungsmaßstäbe bedeutsame Gefährlichkeit des Gesellschafterhandelns wird durch die Art und Weise der Wahrnehmung von Finanzierungs-, Geschäftsleitungs-, Organisations- und Kontrollaufgaben geprägt.
2. Verhaltenserwartungen
des
Geschädigten
Die Haftung von Unternehmergesellschaftern wird im Einzelfall zudem ganz maßgeblich durch die Verhaltenserwartungen des Geschädigten bestimmt, die wiederum durch gesetzliche Verhaltenspflichten (z.B. Rechnungslegung), Verkehrssitten bzw. Handelsbräuche oder durch allgemeine (z.B. Publizität der Haftungsverhältnisse) bzw. individuelle (z.B. Patronatserklärungen) Verhaltensankündigungen geprägt werden134. Während es hier im Bereich der vertraglichen und vertragsähnlichen Haftung zusätzlich darauf ankommt, daß der Gesellschafter ausgehend von seiner dem Geschädigten bekannten Sonderrolle in der Gesellschaft ein besonderes Vertrauen in Anspruch genommen hat, das gegebenenfalls auch die Publizitätswirkung des §15 Abs. 2 H G B überspielen muß135, können im Bereich der deliktischen Haftung durchaus auch lediglich typisierte Verhaltenserwartungen eine haftungsbegründende Rolle spielen136.
3. Verhaltensmotive
des
Gesellschafters
Insbesondere im Rahmen des § 826 B G B besitzen schließlich die im konkreten Fall feststellbaren Verhaltensmotive des Gesellschafters eine Haftungsrelevanz. Ein eigensüchtiges Verhalten oder ein gezielter Machtmißbrauch werden eher sanktioniert, als ein Verhalten, das Gemeinwohlinteressen diente137 oder zu dem sich der Gesellschafter nach Abwägung der Vorund Nachteile verschiedener Handlungsmöglichkeiten berechtigt glaubte138. Auch der haftungsrechtliche Unterschied zwischen einem Privat- und einem Unternehmensgesellschafter beruht auf der vom Gesetzgeber typisierend als unterschiedlich unterstellten Motivationslage dieser Gesellschafter139. Siehe dazu bereits 1. Kap. § 3 C II la aa (eee). Vgl. dazu auch allgemein Mertens, VersR 1980, 397, 402; zu haftungsrelevanten Verhaltenserwartungen an sogenannte Dispositionsgaranten im rechtsgeschäftlichen Bereich siehe Bohrer, Haftung, S. 299 und 325. 135 Siehe dazu etwa die Haftung aufgrund von Patronatserklärungen (4. Kap. § 2 C I 4) oder die c.i.c.-Sachwalterhaftung (4. Kap. § 2 C II lc). 136 Siehe dazu etwa die ihrer Natur nach deliktische Prospekthaftung (4. Kap. § 2 C II 2) und die Haftung bei qualifiziert materieller Unterkapitalisierung (4. Kap. § 2 C IV 2c bb). 137 Dazu Schmidt-Leithoff, Verantwortung, S. 387ff. und rechtsvergleichend für die Organhaftung Schlechtriem, in: Kreuzer (Hrsg.), Die Haftung der Leitungsorgane von Kapitalgesellschaften, S. 9, 36 ff. 138 Siehe dazu etwa B G H v. 9.7.1979 B G H Z 75, 96, 114 (Sanierungsversuch). 139 Dazu 1. Kap. § 3 D. 133
131
360
4. Kapitel:
Haftungsrelevanz
der
Unternehmergesellschafterstellung
II. Gesellschafterbezogene 1. Gesellschaftsrechtliche
Haftungsfaktoren
Stellung
D e r Typus des Unternehmergesellschafters ist bereits durch vergleichsweise weitreichende Mitverwaltungs- und Vermögensrechte gekennzeichnet. D e n n o c h k o m m t es bei der Bestimmung der Verhaltenspflichten des betreffenden Gesellschafters im Einzelfall immer noch auf die genaue gesellschaftsrechtliche Ausgestaltung seiner Handlungs-, Einwirkungs- und Informationsmöglichkeiten sowie den Grad der vermögensmäßigen und persönlichen Verflechtung mit der Gesellschaft an. D a Unternehmergesellschafter in der Gesellschaft zumeist auch als Organe und Fremdkapitalgeber fungieren, k o m m t es vielfach zu einer haftungsverstärkenden Kombination verschiedener Haftungsgrundlagen, Verhaltenspflichten und Zurechnungsgesichtspunkte 1 4 0 .
2. Sachkunde
und
Informationsstand
Ein Unternehmergesellschafter besitzt regelmäßig eine besondere Sachkunde und Erfahrung im Hinblick auf die Gesellschaftsangelegenheiten und den Unternehmensgegenstand. E r verfügt zudem über alle unternehmensrelevanten Informationen oder hat jedenfalls die Möglichkeit, sich umfassend über die Gesellschaftsbelange zu unterrichten 1 4 1 . Dies begründet im Haftungsrecht nicht nur zusätzliche Verhaltenspflichten, sondern hat auch Auswirkungen auf den Verschuldenstatbestand, w o es zumeist auf Kenntnisse und Kenntnisnahmemöglichkeiten ankommt. Nicht selten werden hier zudem Darlegungs- und Beweiserleichterungen für den Geschädigten mit der Sachnähe des Unternehmergesellschafters begründet 1 4 2 . Schließlich können die besondere Sachkunde und der Informationsstand des Gesellschafters auch
140 Siehe zur haftungsverstärkenden Wirkung von Rollenkombinationen Mertens, AcP 178 (1978), 227, 246. 141 Zur Bedeutung von Informationsmöglichkeiten für die Verantwortlichkeit von Gesellschaftern siehe etwa Ulmer, KTS 1981, 469, 490 (Eintritt der Insolvenzreife); Junker, Z H R 156 (1992), 394, 404 (Bestehen einer nominellen Unterkpitalisierung) und Scholz///./? Westermann, § 31 Rn. 28 (Vornahme einer gegen die formelle Vermögensbindung verstoßenden Auszahlung). 142 Für die Verhaltenshaftung von Gesellschaftern Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. 1, S. 223 und 455; für die Haftung bei Treuepflichtverletzung K. Schmidt, ZIP 1986,146, 149 und ders., ZIP 1989, 545, 548; zu diesem Aspekt der Organhaftung von Gesellschaftern Wilhelm, Rechtsform, S. 359ff. und Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. 1, S. 546; für die Pauschalhaftung wegen Fremdsteuerung Reiner, Fremdsteuerung, S. 281 ff.; allgemein zur Beweislastumkehr wegen Sachnähe im Haftungsrecht C. v. Bar, Verkehrspflichten, S. 276ff.; Zweifel an der Berechtigung der beweisrechtlichen Gleichstellung des Mehrheitsgesellschafters mit einem Geschäftsführer äußert hingegen Mertens, FS R. Fischer, S. 461, 464.
§ 2
Relevante
Haftungstatbestände
361
die Grundlage für die Inanspruchnahme besonderen Vertrauens auf Seiten eines Geschäftspartners oder eines Mitgesellschafters bilden 143 .
III. Relationsbezogene
Haftungsfaktoren
Bedeutung für die dogmatische Einordnung der Haftung sowie den U m fang und die Intensität der Verhaltenspflichten hat schließlich der Grad des sozialen Kontakts zwischen dem Gesellschafter bzw. der Gesellschaft und dem Geschädigten 144 . Die engste Beziehung bildet dabei das Gesellschaftsrechtsverhältnis, das den Gesellschafter in Gemeinschaft mit seinen Mitgesellschaftern zu einer dauerhaften Verfolgung des Gesellschaftszwecks auf der Basis des Gesellschaftsvertrags bzw. der Satzung verpflichtet. Die Treuepflicht und der Gleichbehandlungsgrundsatz sowie die Finanzierungsverantwortung gegenüber der Gesellschaft wirken hier in Abhängigkeit von der Realstruktur der Gesellschaft haftungsverstärkend 145 . Demgegenüber besteht zwischen dem Unternehmergesellschafter und einem Vertragspartner der Gesellschaft regelmäßig kein eigenes vertragliches Rechtsverhältnis. Dennoch kann es hier unter den Voraussetzungen der Sachwalterstellung des Gesellschafters ( § 3 1 1 Abs. 3 B G B ) zu gegenüber dem Deliktsrecht gesteigerten Verhaltenspflichten des Gesellschafters kommen, die zudem durch die Dauer und die Intensität der Geschäftsbeziehung beeinflußt werden 146 .
§ 2 Die Haftung des Unternehmergesellschafters im Lichte der einzelnen Haftungstatbestände Im folgenden Abschnitt sollen die verschiedenen Tatbestände der zivilrechtlichen Gesellschafterhaftung mit Ausnahme der Gründerhaftung vorgestellt und auf ihre Besonderheiten bei unternehmerischer Beteiligung hin untersucht werden. Dabei wird sich zeigen, daß die vorrangigen Tatbestände der Haftung gegenüber der Gesellschaft (A.), den Mitgesellschaftern (B.) und der Eigenhaftung gegenüber den Gesellschaftsgläubigern (C.) sowie die Rechts143 B G H v. 10.3.1986 N J W 1986, 3193 (haftungsbegründendes Vertrauen gegenüber einem als Erfinder und Unternehmensgründer besonders sachkundigen Gesellschafter); siehe zur durch Sachkenntnis und Sachnähe gesteigerten Treuepflicht Immenga, Kapitalgesellschaft, S. 269f. 144 Mertens, AcP 178 (1978), 227, 249. J45 Dazu etwa auch Wolany, Rechte, S. 114f. (Treuepflicht), Hueck, Grundsatz, S. 127ff. (Gleichbehandlungsgrundsatz) und K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 9 IV 4c bb (Finanzierungsverantwortung). 146 Siehe dazu etwa 4. Kap. § 2 C II la und III 1.
362
4. Kapitel:
Haftungsrelevanz
der
Unternehmergesellschafterstellung
folgen bei nomineller Unterkapitalisierung (D.) eine Durchgriffshaftung entbehrlich machen (E.).
A. Haftung
des Unternehmergesellschafters der Gesellschaft
gegenüber
Aufgrund der Verselbständigung der rechtsfähigen Gesellschaft kann es auch zu Haftungsansprüchen der Gesellschaft gegen ihre Gesellschafter kommen, die ihrer Rechtsnatur entsprechend hier als organschaftliche, mitgliedschaftliche, bereicherungsähnliche und deliktische vorgestellt werden sollen. Dabei wird das Bemühen zahlreicher Autoren deutlich werden, die Innenhaftung gegenüber der Gesellschaft im Vergleich zur Haftung gegenüber den Mitgesellschaftern und zur Außenhaftung auszuweiten. Während dies aus Gründen der abwicklungstechnischen Vereinfachung hinsichtlich des Zurückdrängens der Haftung gegenüber den Mitgesellschaftern zu begrüßen ist 147 , scheint dies hinsichtlich der Außenhaftung fraglich. Hier wird zumeist damit argumentiert, daß die Innenhaftung den internen Verantwortlichkeiten eines Gesellschafters am besten entspreche, das Prinzip der Haftungsbeschränkung gewahrt werde und sie schließlich Vorteile in der rechtstechnischen Umsetzung der Haftung biete. Diese Argumente vermögen jedoch nicht zu überzeugen. Es ist zwar richtig, daß eine lediglich interne Verantwortung wie etwa die Finanzierungsverantwortung auch nur eine Innenhaftung von Gesellschaftern, wie sie etwa in den §§ 30ff. G m b H G vorgesehen wurde, nach sich ziehen sollte. Dies darf jedoch nicht dazu führen, die gegenüber den Gläubigern bestehenden Verkehrssicherungspflichten als solche gegenüber der Gesellschaft auszugeben und auf deren Verletzung eine organoder mitgliedschaftliche Innenhaftung zu stützen, die letztlich nur dem Schutz von Gläubigerinteressen dient 148 . Ebenso verschleiert der formal zutreffende Hinweis, daß die Innenhaftung die nur für das Außenverhältnis zwischen der Gesellschaft und ihren Gläubigern geltende Haftungsbeschränkung unangetastet lasse, den bestehenden Haftungskonflikt, wenn man die Gesellschafter zugleich im Interesse der Gläubiger als verpflichtet ansieht, diesen in Form der Gesellschaft in finanzieller und organisatorischer Hinsicht einen ordentlichen Schuldner zur Verfügung zu stellen 149 . Schließlich hat der
Dazu unten 4. Kap. § 2 A IV l c und VI 1 sowie § 2 B. So aber etwa für die Organhaftung Wilhelm, Rechtsform, S. 336 und 361 (Eingeständnis, daß die Organpflichtverletzung gegenüber der in ihrer Eigenständigkeit gestärkten juristischen Person nur aus Gründen des Gläubigerschutzes angenommen werde) und Weimar, G m b H R 1997, 473, 478 sowie für die mitgliedschaftliche Innenhaftung K. Schmidt, ZIP 1986, 146f.; wie hier krit. auch Karollus, ZIP 1995, 269, 273 und Weitbrecht, Haftung, S. 54ff. 149 So aber ausdrücklich Wilhelm, Rechtsform, S. 336. 147
148
52
Relevante
363
Haftungstatbestände
immer wieder zu Recht ins Feld geführte abwicklungstechnische Vorteil der Innenhaftung, der in einer ausschließlichen Aktivlegitimation des Insolvenzverwalters zur Geltendmachung der allen Gläubigern zugutekommenden persönlichen Gesellschafterhaftung bei Eröffnung des Konkursverfahrens besteht 150 , mit Inkrafttreten des § 92 InsO, der eine Geltendmachung des Gesamtgläubigerschadens durch den Insolvenzverwalter vorsieht, an Bedeutung verloren 151 . Die Außenhaftung bietet demgegenüber den Vorteil, daß zwischen einzelnen Gläubigern anhand des ihnen gegenüber gezeigten Verhaltens und ihrer Schutzbedürftigkeit differenziert werden kann 152 und die Gläubiger von Anfang an über eigene Ansprüche verfügen, die somit bei Nichteröffnung des Insolvenzverfahrens oder der Liquidation der Gesellschaft nicht erst noch durch eine teilweise an zusätzliche Voraussetzungen gebundene Anwendung der §§ 93 Abs. 5 bzw. 117 Abs. 5 AktG sowie insbesondere eine Gesamtanalogie zu den § § 3 1 7 Abs. 4 i.V.m. § 309 Abs. 4 S. 3, 310 Abs. 4 und 318 Abs. 4 AktG begründet werden müssen 153 .
I. Organschaftliche 1. Organschaftliche
Haftung
als formell
Haftung bestelltes
Organmitglied
Da Unternehmergesellschafter zumeist auch als formell bestellte Organmitglieder in der Gesellschaft wirken, finden auf ihr diesbezügliches Verhalten die verschiedenen Haftungstatbestände des § 280 Abs. 1 BGB n.F. i.V.m. § 708 BGB bzw. § 276 BGB sowie der §§ 43 GmbHG, 93, 116 AktG, 34 und 41 GenG Anwendung. Auch bei einer Mitgliedschaft in freiwilligen Aufsichtsräten oder Beiräten besteht die Möglichkeit der Organhaftung in Analogie zu den entsprechenden Haftungstatbeständen für die Mitglieder der gesetzlich vorgesehenen Organe 154 . Die Organhaftung kommt schließlich auch 150 Aus diesem Grund eine Innenhaftung bejahend etwa K. Schmidt, JZ 1985, 301, 303 ff. und Banerjea, ZIP 1999, 1153, 1159; teilweise wurde zur Vermeidung eines Wettlaufs der Gläubiger bei der Durchgriffsaußenhaftung auch eine analoge Anwendung des § 171 Abs. 2 HGB befürwortet (dazu nur Hachenburg/Ulmer, Anh § 30 Rn. 64; Lutter/Hommelhoff, ZGR 1979, 31, 62ff. und Raiser, ZGR 1995, 156, 168f.; krit. Rehbinder, AG 1986, 85, 97). 151 Siehe dazu nur K.Schmidt, ZGR 1996, 209, 21 Iff. und HK-InsO/Eickmann, § 9 2 Rn. 1 ff.; möglich ist gegebenenfalls auch eine analoge Anwendung des § 93 InsO auf Parallelbürgschaften von Gesellschaftern und damit sogar eine Kanalisierung vertraglicher Haftungsansprüche auf den Insolvenzverwalter (dazu etwa HK-InsO/Eickmann, § 93 Rn. 3 m.w.N. und krit. K. Schmidt, ZGR 1998, 663, 670). 152 Dazu etwa auch G.H. Roth, ZGR 1993, 170, 206 f.; Rehbmder, AG 1986, 85, 97. 153 Dazu näher Wilhelm, Rechtsform, S. 363 ff. und K. Schmidt, ZIP 1988, 1497, 1506; wie hier krit. Weitbrecht, Haftung, S. 57. 154 Dazu nur Hölters, Beirat, S. 48 und 64f.; Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. 1, S. 505; H ü f f e r , ZGR 1980, 320, 326ff. (mit Ausnahme der bloßen Gesellschafterausschüsse, für deren Mitglieder sich die Haftung nicht aus der Organschaft, sondern aus der Mitgliedschaft unter
364
4. Kapitel: Haftungsrelevanz
der
Unternehmergesellschafterstellung
bei Unwirksamkeit des formell erfolgten Organbestellungsakts zum Tragen' 55 . An den Voraussetzungen und Rechtsfolgen der verschiedenen Organhaftungstatbestände ändert der Umstand, daß das Organmitglied zugleich maßgeblich an der Gesellschaft beteiligt ist, grundsätzlich nichts' 36 . Lediglich als (wirtschaftlicher) Alleingesellschafter ist der Geschäftsführer einer G m b H aufgrund seiner mitgliedschaftlichen Weisungsbefugnis von der Haftung befreit, sofern er nicht gegen die §§ 30ff. G m b H G verstößt 157 .
2. Organschaftliche mitglied a) Faktische
Haftung
Organhaftung
als nicht formell
bestelltes
und unternehmerische
Organ-
Beteiligung
Wie die Haftung der fehlerhaft bestellten Organmitglieder wird auch die Haftung der nicht formell bestellten Organmitglieder zumeist unter dem Stichwort der faktischen Organmitgliedschaft diskutiert. Die faktische Organhaftung wird zumeist damit begründet, daß ein Gesellschafter, der sich als Nicht-Organ ganz oder teilweise wie ein solches betätigt, auch den besonderen Sorgfalts- und Loyalitätspflichten eines formell bestellten Organmitglieds unterworfen werden soll, die sich aus der Pflichtenbindung bei der Besorgung fremder Geschäfte allgemein und der von Gesellschaftsangelegenheiten im besonderen ergeben 158 . Gerade für den herrschenden oder zumindest bestimmungsmächtigen Gesellschafter wird zudem der eher auf der Mitgliedschaft
entsprechender Anwendung der Haftungsmaßstäbe der Organhaftung ergeben soll); für eine Haftung aus p W (jetzt § 280 Abs. 1 BGB) des Gesellschaftsvertrages mit lediglich einer Beweislastumkehr analog §§93, 116 AktG generell U.H. Schneider, DB 1973, 953, 956 mit Fn. 29. 155 So etwa für § 93 AktG BGH v. 6.4.1964 BGHZ 41, 282, 287; Hüffer, AktG § 93 Rn. 12 und Mestmäcker, Verwaltung, S. 212 sowie für § 43 GmbHG B G H v. 17.4.1967 BGHZ 47, 341, 343; Lutter/Hommelhoff § 43 Rn. 1 und Scholz/U.H. Schneider, § 43 Rn. 15; generell abweichend auf der Basis eines anstellungsvertraglichen Ansatzes Baums, Geschäftsleitervertrag, S. 168 ff.; siehe generell zur (weitgehenden) Gleichstellung der fehlerhaft bestellten mit den wirksam bestellten Organmitgliedern 1. Kap. § 3 C II 1 a aa (ccc) sowie die eingehende Bestandsaufnahme bei Stein, Das faktische Organ, S. 5 ff. 156 BGH v. 13.4.1994 BGHZ 125, 366, 370 (zu § 43 GmbHG). 157 BGH v. 14.12.1959 BGHZ 31, 258, 278; BGH v. 28.9.1992 BGHZ 119, 257, 261f.; Scholz/U.H. Schneider, § 43 Rn. 108; siehe auch 4. Kap. § 2 A IV und V. 158 Dazu nur BGH v. 21.3.1988 BGHZ 104, 44, 47f. (für den geschäftsführergleich auftretenden Gesellschafter); Wilhelm, Rechtsform, S. 336ff. (für die bestimmungsmächtigen Gesellschafter); Scholz/U.H. Schneider, §43 Rn. 18ff. (für den faktischen Unternehmensleiter); Abeltshauser, Leitungshaftung, S. 47f. und passim (für das herrschende Unternehmen); Schulze-Osterloh, ZGR 1983, 123, 158f. (für den Geschäftsführungsfunktionen wahrnehmenden beherrschenden Gesellschafter).
52
Relevante
Haftungstatbestände
365
beruhende Treuhandgedanke für die Organhaftung fruchtbar gemacht 159 . Hinzu tritt in einzelnen Fällen das Bedürfnis, die Mißachtung der gesellschaftsrechtlichen Kompetenzordnung zu sanktionieren und bestimmte Haftungslücken zu schließen 160 . Die faktische Organhaftung kann jedoch nicht ohne weiteres auf die unternehmerische Betätigung von Gesellschaftern ausgedehnt werden 161 . Ein allgemeines Prinzip der organschaftlichen Haftung für sorgfaltswidrige Leitung ist dem deutschen Recht fremd 162 . Dies gilt insbesondere für den tragenden Gedanken der Wahrnehmung fremder Angelegenheiten, der allenfalls für den Unternehmens- nicht jedoch für den Privatgesellschafter seine Berechtigung hat163. Wie es bereits das unbestrittene Haftungsprivileg des (wirtschaftlichen) Alleingesellschafter-Geschäftsführers einer G m b H zeigt, sind die Gesellschafter nicht nur Verwalter eines insbesondere bei den Kapitalgesellschaften ihnen gegenüber verselbständigten Gesellschaftsvermögens, sondern zugleich als Inhaber der Dispositionsbefugnis über die Geschicke der Gesellschaft Handelnde in eigener Sache164. Gerade bei der G m b H entspricht es daher dem ausdrücklichen Wunsch des Gesetzgebers, den Gesellschaftern Möglichkeiten einer Einflußnahme auf die Geschäftsführung zu gewähren, ohne sie zugleich der strengen Organhaftung zu unterwerfen. Selbst bei der Aktiengesellschaft wurde die Unabhängigkeit der Verwaltung gegenüber den Privatgesellschaftern vom Gesetzgeber nur durch den (allerdings zu engen) Tatbestand des § 117 A k t G haftungsmäßig geschützt. Zu beachten ist auch, daß die 159 Zur treuhänderischen Stellung des Unternehmergesellschafters allgemein 2. Kap. § 2 A I; zur Organhaftung unter Gesichtspunkten der Treuhand Wilhelm, Rechtsform, S. 336ff. (Pflichtgebundenheit der Verwaltung fremden Vermögens); Abeltshauser, Leitungshaftung, S. 47f., 268 und 400 (in Anlehnung an die US-amerikanische „dominant shareholder doctrine"). 160 Siehe dazu insbesondere Stein, Das faktische Organ, S. 143ff. und zusammenfassend S. 185. 161 Gänzlich ablehnend sogar Flame, Z H R 144 (1980), 18, 29 (eine organschaftliche Haftung der Gesellschafter sei weder de lege lata begründbar noch de lege ferenda wünschenswert) und ders., BGB-AT 1/2, S. 88ff. (negotiorum gestio statt Organhaftung) sowie Hüffer, AktG § 93 Rn. 12 (rein tatsächliche Umstände könnten keine rechtliche Sonderverbindung begründen) und Baumbach/Hueck/Zö'//«er, § 43 Rn. l b (Annahme einer fehlerhaften Bestellung allerdings bereits bei einer wiederholten Duldung des faktischen Organhandelns durch das zuständige Bestellungsorgan). 162 Auch Abeltshauser, Leitungshaftung, S. 268, erkennt im deutschen Recht ein Haftungsprinzip für sorgfaltswidrige Leitung nur für Organe, fehlerhaft bestellte Organe und (zumindest zusätzlich beruhend auf der Mitgliedschaft) für Konzernsachverhalte an. 163 Zum grundsätzlichen Interessengleichlauf von Privatgesellschafter und Gesellschaft siehe 2. Kap. § 1 C II; das vom Gesetzgeber ausdrücklich nur für Unternehmensgesellschafter geschaffene Konzernhaftungsrecht kann daher entgegen Wilhelm, Rechtsform, S. 349ff. und ders., DB 1986, 2113, 2120 nicht als Vorbild für eine Organhaftung des Unternehmergesellschafters dienen; wie hier auch Schanze, A G 1982, 42, 44. 164 ^.oweAAer/Koppensteiner, § 43 Rn. 58; Flume, Z H R 144 (1980), 18, 29; Wolany, Rechte, S. 113.
366
4. Kapitel:
Haftungsrelevanz
der
Unternehmergesellschafterstellung
Erfüllung der Verhaltensanforderungen, die an die regelmäßig in der Geschäftsleitung tätigen Personen gestellt werden, allenfalls von denjenigen Gesellschaftern erwartet werden kann, die in vergleichbarer Weise in der Geschäftsleitung engagiert sind. Für die Begründung einer etwaigen faktischen Organhaftung unternehmerisch engagierter Gesellschafter kommt es daher entscheidend darauf an, ob diese nur von ihren naturgemäß weitreichenden gesellschaftsrechtlichen Befugnissen Gebrauch gemacht bzw. lediglich im Hintergrund agiert haben oder ob sie in irgendeiner Weise nach außen hin die Aufgaben eines Organmitglieds in gewissem Umfang wahrgenommen haben. Nur in den noch näher zu beschreibenden Fällen der zuletzt genannten Art, in denen der Gesellschafter aus der Gesellschafterrolle in die Rolle eines Organmitglieds schlüpft, kommt eine an der Fremdverwaltung orientierte faktische Organhaftung mit den bekannten Folgen eines verschärften Pflichtenmaßstabs und einer Beweislastumkehr in Betracht. Im übrigen erscheint es angemessener, auch den Unternehmergesellschafter nur im Rahmen seiner mitgliedschaftlichen Bindungen haftbar zu machen.
b) Voraussetzungen schaftern
der faktischen
aa) Ausübung von
Organfunktionen
Organhaftung
von Gesell-
Die Voraussetzung der faktischen Leitungsmacht verbindet sich zumeist mit dem schillernden Begriff des faktischen Organs 165 , dem nicht zu Unrecht bereits eine „mythische Kraft als Quelle freier Rechtsfindung" 166 zugeschrieben wurde. In der Sache geht es um die Anforderungen, die eine Übertragung der Haftungsstandards von Gesellschaftsorganen, insbesondere der Geschäftsleiter, auf Gesellschafter ohne entsprechende Organstellung rechtfertigen. Am weitesten würde der Kreis der faktischen Organhaftung gezogen, wenn man sich hierfür mit der punktuellen Ausübung von Organfunktionen jeglicher Art begnügen würde 167 . In diesem Fall wären nicht nur ein Organhandeln mit Außenwirkung oder eine dauerhafte faktische Einflußnahme auf die Geschicke der Gesellschaft erfaßt, sondern selbst die zulässige Ausübung 165 Siehe dazu auch schon 1. Kap. § 3 C II la bb (bbb) sowie die Bestandsaufnahme zur Begriffsverwendung bei Stein, Das faktische Organ, S. 33 ff. zur Begriffsverwirrung zuletzt auch Weimar, G m b H R 1997, 473 ff. 166 Baumbach/Hueck/Zö7/ner, § 43 Rn. Ib. 167 In diesem Sinne namentlich Wilhelm, Rechtsform, S. 337ff. (beschränkt auf den bestimmungsmächtigen Gesellschafter) sowie für Weisungsbeschlüsse und deliktische Einwirkungen auf die Leitungsorgane Krebs, Geschäftsführungshaftung, S. 250ff., 270f. und 283 (begrenzt durch Zumutbarkeitserwägungen).
52
Relevante
Haftungstatbestände
367
v o n Gesellschafterrechten, sofern diese wie etwa ein W e i s u n g s b e s c h l u ß der G m b H - G e s e l l s c h a f t e r materiell einem O r g a n h a n d e l n entsprächen 1 6 8 . A u c h das Unterlassen eines für sich oder im Z u s a m m e n w i r k e n mit anderen G e s e l l schaftern hinreichend einflußreichen Gesellschafters wäre danach an den R e geln k a u f m ä n n i s c h e r Sorgfalt zu messen 1 6 9 . H i e r m i t würde sich die faktische O r g a n h a f t u n g j e d o c h entgegen dem gesetzgeberischen Willen zu einem allgemeinen Tatbestand der H a f t u n g für das schuldhafte Verhalten v o n b e s t i m m u n g s m ä c h t i g e n Gesellschaftern e n t w i k keln 1 7 0 . I n s b e s o n d e r e die W a h r n e h m u n g bestehender Gesellschafterrechte 1 7 1 und die A u s ü b u n g v o n K o n t r o l l f u n k t i o n e n 1 7 2 sollte auch bei u n t e r n e h m e r i scher Beteiligung nicht den strengen A n f o r d e r u n g e n der aus der P f l i c h t e n b i n dung bei F r e m d g e s c h ä f t s f ü h r u n g
abgeleiteten O r g a n h a f t u n g
unterliegen.
Z w a r k ö n n t e man n o c h daran denken, die durch weitreichende o b j e k t i v e Verhaltenspflichten g e k e n n z e i c h n e t e O r g a n h a f t u n g mittels einer H e r a b s e t z u n g des Verschuldensmaßstabs auf denjenigen des § 7 0 8 B G B o d e r des § 2 7 6 B G B abzumildern 1 7 3 , d o c h würde man sich damit in W i d e r s p r u c h zu d e m der H a f tung zugrundeliegenden F r e m d g e s c h ä f t s f ü h r u n g s g e d a n k e n setzen. D i e z u mindest g e b o t e n e B e s c h r ä n k u n g der H a f t u n g auf den b e s t i m m u n g s m ä c h t i gen Gesellschafter 1 7 4 ließe sich ebenfalls von diesem A n s a t z her nicht schlüssig begründen, da einerseits auch die Masse der Anlagegesellschafter zu pflichtgebundener M a c h t a u s ü b u n g in der L a g e ist und andererseits die v o r g e schlagene Analogie zu den §§ 3 1 1 , 3 1 7 A k t G die H a f t u n g n o c h weitergehend auf herrschende Gesellschafter b e s c h r ä n k e n würde.
168 So Krebs, Geschäftsführungshaftung, S. 250ff., der sich hierzu auch auf eine aus der Mitgliedschaft in der anweisenden Gesellschafterversammlung abgeleitete organisationsrechtliche Sonderverbindung der Gesellschafter zur Gesellschaft beruft, die zu Sorgfaltspflichten und damit in den Grenzen der Zumutbarkeit zu einer Haftung bei sorgfalswidrigem Verhalten führen soll; ohne nähere Begründung offenbar auch Schulze-Osterloh, ZGR 1983, 123, 158 f. 169 Wilhelm, Rechtsform, S. 355f.; Wilhelm, DB 1986, 2113, 2118. 170 Zur Kritik an den Thesen Wilhelms siehe auch Schanze, AG 1982, 42, 44; Ulmer, GmbHR 1984, 256, 262f.; ders., ZHR 148 (1984), 391, 413ff. und Drüke, Haftung, S. 44ff. 171 So auch für die Ausübung des Weisungsrechts BGH v. 14.12.1959 BGHZ 31, 258, 278f.; Semler, FS Goerdeler, S. 551, 557ff.; Flume, ZHR 144 (1980), 18,29ff.; ScholzIV.H. Schneider, § 43 Rn. 16; Mertens, FS R. Fischer, S. 461, 464ff.; Rowedder/Koppensteiner, § 43 Rn. 58; Lutter/Hommelhoff, § 43 Rn. 53 und Ulmer, GmbHR 1984, 256, 263 (unter Hinweis auf § 43 Abs. 3 GmbHG, der allerdings nicht zwingend gegen eine Haftung bei Weisungserteilung spricht; zutreffend Ziemons, Haftung, S. 68) sowie für die Ausübung des Stimmrechts generell Flume, ZHR 144 (1980), 18, 31 und die Ausübung von Gesellschafterrechten allgemein Blaurock, FS Stimpel, S. 553, 562f. mit Fn. 36. 172 Gegen eine Pflicht zur Überwachung der Geschäftsleiter etwa Scholz/U.H. Schneider, § 43 Rn. 16 und K. Schmidt, ZIP 1988, 1497, 1506. 173 So aber der Vorschlag von Thöni, GmbHR 1989, 187, 191 f. 174 So auch ausdrücklich Wilhelm, Rechtsform, S. 350ff.; bei Krebs, Geschäftsführungshaftung, S. 253 ff. wird eine Haftungsfreistellung der Anlagegesellschafter wegen Unzumutbarkeit erwogen.
368
4. Kapitel:
Haftungsrelevanz
der
Unternehmergesellschafterstellung
A u f eine immer noch sehr weitgehende Einbeziehung der Unternehmergesellschafter in die faktische Organhaftung liefe zudem die Ansicht hinaus, den Nur-Gesellschafter, der faktisch oder durch zulässige Weisungen das U n t e r nehmen insgesamt leitet und nicht nur einzelne Entscheidungen beeinflußt, der Geschäftsleiterhaftung zu unterwerfen 1 7 5 . Gegen diese Auffassung ist jedoch ebenfalls mit Recht eingewandt worden, daß eine Analogie zu den Tatbeständen der Geschäftsleiterhaftung nur dann gerechtfertigt ist, wenn sich der Gesellschafter unmittelbar an die Stelle des Geschäftsleiters setzt 176 oder wenn die indirekte Einflußnahme zumindest über die übliche Wahrnehmung von Gesellschafterrechten hinausgeht 177 . N a c h einer anderen Auffassung haftet als faktisches Organ derjenige G e sellschafter, der das Organ verdrängt und auf diese Weise der Gesellschaft, den Gesellschaftern oder den Gläubigern der Gesellschaft den Primärschutz gesetzmäßiger Pflichterfüllung und den Sekundärschutz des Haftungszugriffs auf das O r g a n entzieht 1 7 8 . Soweit hiermit wie auch in der früheren Rechtsprechung eine überwiegende oder gar vollständige tatsächliche Verdrängung der formell bestellten Organmitglieder gefordert wird 179 , ist dies abzulehnen, da es nicht auf eine zumindest überwiegende Verdrängung der bestellten Organe, sondern ausschließlich darauf ankommen sollte, ob die nach außen hervorgetretene faktische Organtätigkeit einen Umfang angen o m m e n hat, der eine entsprechende Anwendung der Organhaftung rechtfertigt 180 . Soweit mit diesem Ansatz nicht nur der die Organaufgaben usurpierende und für das Fehlen eines wirksam bestellten Organs verantwortliche Gesellschafter, sondern auch der aus dem Hintergrund etwa einen Strohmann steuernde Gesellschafter erfaßt und auf diese Weise verschiedene vermeintliche Haftungslücken geschlossen werden sollen 181 , kann dem ebenfalls nicht gefolgt werden. In dem Bemühen, Haftungslücken zu schließen, wird nämlich einerseits der Kreis der Haftpflichtigen mit der Einbeziehung der einflußnehmenden Hintermänner gerade auch vor dem Hintergrund des selbst aufgestellten Verdrängungserfordernisses zu weit gezogen. Andererseits wer-
175 ScholzIV.H. Schneider, § 43 Rn. 18ff.; ähnlich Schulze-Osterloh, Z G R 1983, 123, 158f.; krit. dazu Rowedder/Koppensteiner, § 43 Rn. 58; Baumbach/Hueck/Zö//«er, § 43 Rn. Ib. 176 Mertens, FS R. Fischer, S. 461, 464f.; Hachenburg/Mertens, § 43 Rn. 8. 177 Blaurock, FS Stimpel, S. 553, 562f. mit Fn. 36. 178 In diesem Sinne insbesondere Stein, Das faktische Organ, S. 184 ff.; ähnlich Hachenburg/ Mertens, § 43 Rn. 7 und KK/Mertens, § 93 Rn. 12; mit Erweiterungen (allgemeine Haftung für sorgfaltswidrige Leitung) auch Krebs, Geschäftsführungshaftung, S. 270f. 179 B G H v. 9.7.1979 B G H Z 75, 96,106f. (letztlich offengelassen); B G H v. 28.6.1966 B G H S t 21, 101, 104f.; O L G Düsseldorf v. 16.10.1987 N J W 1988, 3166; Hachenburg/Mertens, § 4 3 Rn. 7; Baumbach/Hueck/Zö//raer, § 43 Rn. Ib. 180 So auch für die Aktiengesellschaft Großkomm.AktG///o/>t, § 93 Rn. 49ff. 181 Stein, Das faktische Organ, S. 143ff., 186ff. und zusammenfassend S. 185 („Ein Dritter kann nur deshalb wie ein Organ verantwortlich gemacht werden, weil und soweit er das Organ als Verantwortungsträger ausschaltet ...").
§2
Relevante
Haftungstatbestände
369
den der H a f t u n g aus dem Sonderrechtsverhältnis der faktischen O r g a n s t e l lung mit dem dogmatisch u n z u t r e f f e n d e n H i n w e i s auf ihre angebliche Subsidiarität gegenüber anderen (insbesondere deliktischen) H a f t u n g s t a t b e s t ä n den 1 8 2 zu enge G r e n z e n gesetzt. In k e i n e m Fall k a n n der A n s i c h t gefolgt w e r den, die faktische O r g a n h a f t u n g des e i n f l u ß n e h m e n d e n Gesellschafters auch dann z u m Z u g e k o m m e n zu lassen, w e n n die formell bestellten und als solche verantwortlichen O r g a n m i t g l i e d e r lediglich nicht hinreichend finanziell leistungsfähig sind 1 8 3 . A u f diese Weise w ü r d e die organschaftliche Verhaltenshaftung o h n e jeden gesetzlichen A n h a l t s p u n k t mit E l e m e n t e n einer Ausfallhaftung überlagert. E i n g r o ß e r Teil der L e h r e und insbesondere n u n m e h r auch der B u n d e s g e richtshof verlangen hingegen ein organgleiches A u f t r e t e n in m a ß g e b l i c h e m U m f a n g . D a n a c h müsse sich aus den U m s t ä n d e n ergeben, daß der B e t r e f fende funktional wie ein O r g a n m i t g l i e d gehandelt hat, w o f ü r eine nach außen hervortretende gewisse Intensität und Breite der u n t e r n e h m e r i s c h e n A k t i v i tät bei gleichzeitiger zumindest teilweiser Verdrängung der formell bestellten O r g a n e verlangt wird 1 8 4 . Dies gilt auch dann, w e n n sich der Gesellschafter auf die für den wirtschaftlichen F o r t b e s t a n d entscheidenden M a ß n a h m e n k o n zentriert und die R o u t i n e a r b e i t e n den bestellten O r g a n m i t g l i e d e r n
über-
läßt 1 8 5 . B e i b l o ß e r F ü h r u n g v o n Sanierungsverhandlungen unter A u s s c h l u ß der bestellten Vertretungsorgane wäre die Geschäftsleitungshaftung ebenfalls entsprechend anwendbar 1 8 6 . Lediglich interne E i n f l u ß n a h m e n sind allerdings unabhängig v o n ihrer Intensität nicht ausreichend 1 8 7 . W i e sich bereits aus der E i n z e l k r i t i k zu den alternativen L ö s u n g s a n s ä t z e n ergibt, w e r d e n hiermit die
182 Stein, Das faktische Organ, S. 143 ff.; krit. dazu mit Recht im Hinblick auf den grundsätzlichen Vorrang einer Haftung aus Sonderverbindung und der elektiven bzw. kumulativen Konkurrenz zwischen organschaftlicher und deliktischer Haftung Xiemons, Haftung, S. 71 f. 183 So aber ausdrücklich Stein, Das faktische Organ, S. 172; vgl. demgegenüber zur strafrechtlichen und zivilrechtlichen Verantwortlichkeit auch von Strohmanngeschäftsführern Siegmann/Vogel, ZIP 1994, 1821 ff.; K. Schmidt, ZIP 1994, 837, 843 und Scholz/U.H. Schneider, § 43 Rn. 15. 184 BGH v. 21.3.1988 BGHZ 104, 44, 46ff. (Fall der §§ 130a, 177a HGB); Großkomm. AktG/Hopt, §93 Rn. 49 ff. (quasiorganschaftliche Stellung mit Billigung des Aufsichtsrats); ähnlich Konzen, NJW 1989, 2977, 2985 („hohe Eingriffsdichte"); Weimar, GmbHR 1997, 473, 478 (Vornahme typischer Organhandlungen); Ulmer, ZHR 148 (1984), 391, 415f.; krit. dazu, sofern es nicht zu einer völligen Verdrängung der bestellten Organmitglieder kommt Baumbach/Hueck/Zöllner, § 43 Rn. lb; offen gelassen von OLG Düsseldorf v. 25.11.1993 GmbHR 1994, 317, 318 (Organhaftung jedenfalls bei einem Gesellschafter, der faktisch allein und nach außen erkennbar die Geschäftsführung durch Verdrängung der bestellten Organmitglieder übernimmt). 185 BGH v. 21.3.1988 BGHZ 104, 44, 46 ff. 186 So auch Großkomm.AktG///o/)i, §93 Rn. 51; vgl. OLG Düsseldorf v. 25.11.1993 GmbHR 1994, 317, 318 (faktische Übernahme der Geschäftsführung in der Krise); offengelassen in BGH v. 9.7.1979 BGHZ 75, 96, 106f. 187 BGHv. 21.3.1988 BGHZ 104, 44, 48.
370
4. Kapitel: Haftungsrelevanz
der
Unternehmergesellschafterstellung
Grenzen der faktischen Organhaftung auch des Unternehmergesellschafters zutreffend umschrieben.
bb) Pflichtverletzung und Verschulden Im Anwendungsbereich der faktischen Organhaftung treffen den Unternehmergesellschafter in vollem Umfang die jeweiligen Leitungs- und Überwachungsaufgaben des betreffenden Organs 188 . Die Verhaltenshaftung umfaßt gleichermaßen ein Tun wie ein pflichtwidriges Unterlassen 189 . Auch die etwaige U m k e h r der Darlegungs- und Beweislast sowie der subjektive Haftungsmaßstab werden durch den jeweiligen Tatbestand der Organhaftung bestimmt 190 . Es wäre nicht gerechtfertigt, den Gesellschafter insoweit gegenüber den (teilweise) verdrängten formellen Organmitgliedern, die gegebenenfalls ebenso dem Kreis der Gesellschafter entstammen können, zu bevorzugen. Eine Anwendung des § 708 BGB kommt daher nur in der nicht kapitalistisch strukturierten Personengesellschaft in Betracht 191 .
c) Inhalt der
Haftung
Wie hinsichtlich der übrigen Anspruchsvoraussetzungen (Schaden der Gesellschaft, Kausalität, kein Haftungsausschluß) bestehen auch hinsichtlich der Rechtsfolgen der Organhaftung und ihrer Geltendmachung als auf Schadensersatz gerichteter Innenhaftung keine Besonderheiten bei Inanspruchnahme eines Unternehmergesellschafters 192 .
188 Wilhelm, Rechtsform, S. 356; siehe zu den einzelnen Pflichten neben der einschlägigen Kommentarliteratur zu den Organhaftungstatbeständen insbesondere Aheltshauser, Leitungshaftung, der für die organschaftliche Leitungshaftung auch von Gesellschaftern in Anlehnung an die Konkretisierungen der US-amerikanischen duty of care verschiedene originäre Leitungspflichten (S. 161 ff.) und Legalitätspflichten auf Einhaltung der gesetzlichen Sorgfaltspflichten bzw. der Kompetenzordnung und zur Kontrolle des rechtmäßigen Verhaltens der nachgeordneten Leitungsebenen (S. 205ff.) sowie schließlich Organisationspflichten bei der Planung und Kontrolle der Unternehmensorganisation (S. 214ff.) herausgearbeitet und darüber hinaus ebenfalls nach US-amerikanischem Vorbild verschiedene Loyalitätspflichten (S. 334ff.) aufgestellt hat. 189 Wilhelm, Rechtsform, S. 355f.; ders., DB 1986, 2113, 2118. 1,0 Zweifelnd allerdings Mertens, FS R. Fischer, S. 461, 464; lediglich hinsichtlich der Beweislastumkehr zustimmend Thöni, G m b H R 1989, 187, 192. 191 A.A. für die personalistisch strukturierte G m b H allerdings Thöni, G m b H R 1989, 187, 191 f. 192 Teilweise a.A. Wilhelm, Rechtsform, S. 363 ff., der unter Hinweis auf §§317 Abs. 4 i.V.m. § 309 Abs. 4 S. 3 A k t G den Gläubigern auch ohne die Voraussetzungen des § 93 Abs. 5 S. 2 AktG die Geltendmachung des Anspruchs ermöglichen möchte, wenn sich die Gesellschaft als zur Befriedigung der Gläubiger unfähig erweist.
5 2
II. Haftung
Relevante
371
Haftungstatbestände
aus Geschäftsführung
ohne
Auftrag
Die Geschäftsführung ohne Auftrag hat als Grundlage der Gesellschafterhaftung trotz einer frühen Reichsgerichtsentscheidung 193 und einer prominenten Stellungnahme in der Literatur 194 bislang eine erstaunlich geringe Aufmerksamkeit erfahren. Da auch ablehnende Stellungnahmen fehlen, kann dies nicht allein der weitgehenden Fragwürdigkeit des auch der GoA-Haftung zugrundeliegenden Fremdgeschäftsführungsgedankens im Gesellschaftsrecht 195 zugerechnet werden, sondern dürfte auch maßgeblich an der Skepsis gegenüber der schon oft kritisierten und insbesondere ungeklärten Weite dieses Auffangtatbestandes liegen196. 1. Voraussetzungen
der Haftung
aus GoA
Die Voraussetzungen einer Geschäftsbesorgung ohne Auftrag werden nur selten gegeben sein. Zwar wird unter einer Geschäftsbesorgung im Sinne der §§ 677ff. B G B jede Tätigkeit verstanden, die der Wahrnehmung von Interessen der Gesellschaft zu dienen bestimmt ist197, und ein Unterlassen auch dann erfaßt, wenn der Gesellschafter überhaupt die Organaufgaben durch ein Tun übernommen hat198. Der Gesellschafter muß jedoch darüber hinaus in dem Bewußtsein gehandelt haben, ein Geschäft zu führen, das zumindest auch einem fremden Rechts- bzw. Interessenkreis angehört, wobei heute bei allen Unterschieden im Detail allgemein auf eine Kombination subjektiver und objektiver Elemente unter Berücksichtigung auch spezialgesetzlicher Wertungen abgestellt wird199. Für das Gesellschaftsrecht ist es dabei von besonderer Bedeutung, daß es nicht ausreichend ist, wenn ein eigenes Geschäft des Ge-
193 R G v. 2.7.1909 Das Recht 1909 Nr. 2938 (Haftung des langjährigen faktischen G m b H Geschäftsführers aus GoA). 194 Flame, B G B - A T 1/2, S. 88ff.; vgl. auch Stimpel, A G 1986, 117, 121 (Hinweis auf § 678 B G B zur Begründung einer allgemeinen Verlustausgleichspflicht bei permanent schädigender Einflußnahme eines Privatgesellschafters). 195 Fragwürdig insoweit Flume, B G B - A T 1/2, S. 88 (die Angelegenheiten der Gesellschaft seien auch für den Alleingesellschafter fremde Geschäfte); zum Treuhandgedanken als Grundlage der GoA-Vorschriften siehe allgemein MünchKommBGB/Sei/er, Vor § 677 Rn. 3. 196 Dazu nur MünchKommBGB/Stt'/er, § 677 Rn. lOff. m.w.N. 197 Vgl. zum Geschäftsbesorgungsbegriff nur Staudinger/Wittmi»««, Vor §§ 677ff. Rn. 20. 198 Flume, B G B - A T 1/2, S. 89; zur Übernahme der Geschäftsführung allgemein Staudinger/ Wittmann, Vor §§ 677ff. Rn. 45. 199 Siehe dazu insbesondere MünchKommBGB/S«7er, § 677 Rn. 3 ff. und 18; zu einem eher subjektiven Ansatz siehe Staudinger /Wittmann, Vor §§ 677ff. Rn. 21 und 35 ff. (Fremdgeschäftsführung, wenn die Tätigkeit nach ihrem sozialen Sinn einem anderen zugute kommen soll); zu einem eher objektiven Ansatz siehe Wollschläger, Geschäftsführung, S. 52ff., 319 und passim (Fremdgeschäftsführung, wenn ein anderer eher für deren Kosten und Nutzen zuständig ist).
372
4. Kapitel:
Haftungsrelevanz
der
Unternehmergesellschafterstellung
seilschafters lediglich mittelbar auch die Belange der Gesellschaft berührt 200 . Schließlich wird es nicht an einer Berechtigung zur Geschäftsbesorgung fehlen, wenn der Gesellschafter seine Mitgliedschaftsrechte ausübt.
2. Anwendung der Haftung aus GoA auf die verschiedenen Formen des Gesellschafterhandelns Sofern der Gesellschafter als ordnungsgemäß bestelltes Organ oder bevollmächtigter Vertreter der Gesellschaft handelt, ist er hierzu organschaftlich bzw. rechtsgeschäftlich berechtigt und unterliegt daher nicht der Haftung nach §§ 678f. B G B . Wird der Gesellschafter lediglich faktisch als Organ der Gesellschaft tätig, indem er eine auch nach außen hervortretende unternehmerische Aktivität mit einer gewissen Intensität und Breite entwickelt und dadurch die formell bestellten Organmitglieder zumindest teilweise verdrängt, unterliegt er als faktisches Organ den jeweiligen Bestimmungen über die Organhaftung mit ihrer Beweislastumkehr und ihrem spezifischen Haftungsmaßstab, womit den weniger scharfen Haftungsregeln der Geschäftsführung ohne Auftrag insoweit zumindest die praktische Bedeutung genommen wird 201 . Nimmt der Gesellschafter durch Ausübung seiner Mitgliedschaftsrechte wie etwa durch die Erteilung rechtmäßiger Weisungen Einfluß auf die Geschäftsleitung, fehlt es weder an einer Berechtigung des Gesellschafters noch handelt es sich um eine unmittelbare Fremdgeschäftsführung durch den in eigener Sache handelnden Gesellschafter 202 . Auch wenn der Gesellschafter durch unrechtmäßige Weisungen oder in anderer Weise die Geschäftsleitung beeinflußt, handelt nicht er, sondern lediglich das beeinflußte Organ im Rechtskreis der Gesellschaft. Nicht in Betracht kommt schließlich auch die bloße Untätigkeit des Gesellschafters, da in der schlichten Existenz einer unternehmerischen oder gar beherrschenden Gesellschafterstellung noch nicht die Übernahme einer Geschäftsführung gesehen werden kann. Wenn der Gesellschafter es etwa unterläßt, auf eine angemessene Kapitalausstattung der Gesellschaft oder die rechtzeitige Liquidation der Gesellschaft hinzuwirken, kann er daher nicht als Geschäftsführer ohne Auftrag haftbar gemacht werden 203 . 200 Zur Ausgrenzung der lediglich mittelbar fremden Geschäfte allgemein Staudinger/Witimann, Vor §§ 677ff. Rn. 29. 201 A.A. Flume, B G B - A T 1/2, S. 88ff., der allerdings im Rahmen der GoA ebenfalls die Beweislastumkehr und die Haftungsmaßstäbe der Organhaftung anstelle der §§ 276 ff. B G B anwenden mochte. 202 A.A. Flume, B G B - A T 1/2, S. 88. 203 Vgl. dazu auch Flume, B G B - A T 1/2, S. 89, der zwar auch pflichtwidrige Unterlassungen des Gesellschafters durch die G o A erfassen möchte, hierfür allerdings ebenfalls auf eine Übernahme der Leitung der Gesellschaft abstellt.
§ 2
Relevante
Haftungstatbestände
373
Als Anwendungsbereich der Haftung aus G o A verbleibt damit nur die vereinzelte Usurpation von Organaufgaben durch den Gesellschafter. Der Vorwurf läge dann regelmäßig nicht darin, daß der Gesellschafter das Geschäft schuldhaft ohne Rücksicht auf die Interessen und den Willen der Gesellschaft geführt hat, sondern die Organfunktion überhaupt entgegen den in der Kompetenzordnung zum Ausdruck gekommenen Interessen der Gesellschaft übernommen hat (§ 678 B G B ) . Doch auch dies erscheint fraglich, da im Recht der G o A das Uberschreiten einer vertraglich eingeräumten Berechtigung nicht ohne weiteres den Regeln über die G o A unterworfen wird 204 . Auf das Gesellschaftsrecht übertragen, bedeutete dies, daß man sich mit der Abgrenzung zwischen der G o A und dem Mitgliedschaftsexzeß beschäftigen müßte. Insoweit wird zudem regelmäßig § 687 Abs. 2 B G B anwendbar sein. Sofern der Gesellschafter etwa durch die Veräußerung eines Gegenstands des Gesellschaftsvermögens eigennützig in ein Recht der Gesellschaft eingreift und dabei von seiner fehlenden Berechtigung weiß, wäre mithin bei entsprechender Ausübung des Wahlrechts durch die Gesellschaft bereits die bloße Geschäftsanmaßung durch den Gesellschafter pflichtwidrig und haftungsbegründend 204 , ohne daß es noch auf eine pflichtwidrige Ausführung der Geschäfte etwa unter entsprechender Heranziehung der Organverhaltensmaßstäbe ankäme.
III.
Geschäftsherrnhaftung
In Sonderfällen kann der Unternehmergesellschafter der Gesellschaft auch zum Wertersatz nach §§ 670, 257 B G B verpflichtet sein, wenn die Gesellschaft in seinem privaten Interesse etwa als vorgeschobene Strohgesellschaft tätig geworden ist und hierbei Aufwendungen gehabt hat, die sie für erforderlich halten durfte 206 .
IV. Haftung aus positiver Verletzung von mitgliedschaftlichen Treuepflichten Aus der Sonderbeziehung des Unternehmergesellschafters zur Gesellschaft und seinen Mitgesellschaftern ergeben sich verschiedene unter dem Begriff der Treuepflicht zusammengefaßte Verhaltenspflichten, deren schuldhafte Verletzung Schadensersatzansprüche unter dem Gesichtspunkt der positiven
204 205 206
Zum Streitstand siehe nur Staudinger /Wittmann, Staudinger /Wittmann, § 687 Rn. 14 und 18. Erman, KTS 1959, 129, 130.
Vor §§ 677ff. Rn. 41 m.w.N.
374
4. Kapitel:
Haftungsrelevanz
der
Unternehmergesellschafterstellung
Verpflichtungsverletzung auslösen kann 207 . Diesem Ansatz, der die Mitgliedschaft zutreffend als ein Sonderrechtsverhältnis mit einem gegenüber dem Deliktsrecht je nach Gesellschafts- und Beteiligungsstruktur mehr oder weniger gesteigerten Pflichtenstandard begreift, ist im Grundsatz zuzustimmen. Er könnte in Zukunft auch zu der wünschenswerten Angleichung der Verhaltenshaftung von Unternehmens- und Privatgesellschaftern beitragen 208 . Wie im Bereich der anderen möglichen Anspruchsgrundlagen steht jedoch auch hier eine gefestigte Konkretisierung der Haftung durch eine genaue Bestimmung der Treuepflichten und ihrer haftungsbegründenden Funktion noch aus209. Die Ansätze hierzu sollen im Folgenden kurz dargestellt und einer kritischen Würdigung unterzogen werden.
1. Die Treuepflicht grundlage
gegenüber
der Gesellschaft
als
Haftungs-
Als Grundlage für Schadensersatzansprüche der Gesellschaft gegen einen Unternehmergesellschafter kommt systematisch nur die Sonderbeziehung zur Gesellschaft in Betracht 210 . Die haftungsbegründenden Treuepflichten können sich ebenfalls nur aus dieser Sonderbeziehung ergeben. Inwieweit hierbei neben etwaigen Eigeninteressen der Gesellschaft auch die Interessen der Mitgesellschafter und die gesellschaftsfremden Interessen der Arbeitnehmer, der Gläubiger und der Öffentlichkeit zu berücksichtigen sind, ist umstritten.
a) Eigeninteressen
der
Gesellschaft
Die Diskussion um haftungsrelevante Eigeninteressen der Gesellschaft deckt sich weitgehend mit dem bereits erörterten Streit um das Gesellschaftsund Unternehmensinteresse bzw. die Lehre vom Schutz des Unternehmens 207 B G H v. 3.7.1978 WM 1978, 1205, 1206; B G H v. 28.6.1982 WM 1982, 1025, 1026; K. Schmidt, ZIP 1988, 1497, 1505f.; Priester, Z G R 1993, 512, 521 f.; Tböni, G m b H R 1989, 187, 189ff.; Immenga, Kapitalgesellschaft, S. 275 ff.; ders., G m b H R 1973, 5, 10f.; M. Winter, Treuebindungen, S. 83ff.; Wolany, Rechte, S. 113ff.; Schanze, AG 1982, 42, 44; zurückhaltend allerdings noch Zöllner, Stimmrechtsmacht, S. 426f. und 431 f. (Die Bindung des Gesellschafters an Treu und Glauben reiche insbesondere bei der Stimmrechtsausübung in kapitalistisch strukturierten Kapitalgesellschaften zur Begründung eines Schadensersatzanspruchs nicht aus, da diese Bindung auch ohne eine Schadensersatzsanktion denkbar sei.); zur Parallele zu den Modellen der Organhaftung von Gesellschaftern siehe Wilhelm, D B 1986, 2113, 2117f. 208 Siehe dazu nur die verschiedentlichen systematischen Erwägungen von K. Schmidt etwa in A G 1994, 189, 195. 209 Siehe dazu auch die zahlreichen Aufforderungen zur Erarbeitung eines Pflichtenkanons (z.B. K. Schmidt, ZIP 1986, 146, 148 und Priester, Z G R 1993, 512, 523 ff.); krit. daher Reiner, Fremdsteuerung, S. 152 ff.; demgegenüber lobt Hirte, Z H R 157 (1993), 80, 82 die inzwischen mit Hilfe der Treuepflicht erreichte Trennschärfe im Bereich zwischen Vertrag und Delikt. 2,0 K. Schmidt, ZIP 1986, 146,148 f.
52
Relevante
Haftungstatbestände
375
„an sich" 2 1 1 . D a s dort näher begründete E r g e b n i s , daß ein eigenes v o n der G e sellschaftergesamtheit unabhängiges Gesellschaftsinteresse nicht a n z u e r k e n nen ist, besitzt auch hier Gültigkeit. I n s b e s o n d e r e ist ein gegenüber dem einverständlichen Gesellschafterwillen verselbständigtes Bestandsinteresse der Gesellschaft „an s i c h " nicht anzuerkennen 2 1 2 . Selbst die für die Gesellschafter bindenden Kapitalsicherungsvorschriften sollen nicht den B e s t a n d der G e sellschaft „an s i c h " , sondern nur eine finanzielle G r u n d l a g e für die gemeinsame Z w e c k v e r f o l g u n g der Gesellschafter und einen H a f t u n g s f o n d s für die G l ä u b i g e r der Gesellschaft garantieren.
b)
Drittinteressen
A u c h die Auffüllung des Gesellschaftsinteresses mit Drittinteressen, die mit der angeblich gebotenen A u s d e h n u n g der Innenhaftung auf K o s t e n der als u n passend oder lückenhaft empfundenen externen Gesellschafterhaftung
be-
gründet wird, ist nicht zu befürworten 2 1 3 . Selbst w e n n man die Kanalisierung von Ersatzansprüchen auf die Gesellschaft im B e r e i c h der Rechtsfolgen für vorteilhaft halten sollte, darf dies nicht zu S y s t e m b r ü c h e n auf der Tatbestandsseite führen. G e n a u dies wäre j e d o c h die Folge, w e n n man die ausschließlich im Verhältnis zwischen Gesellschaftern und D r i t t e n anhand der eingangs erwähnten Haftungskriterien v o r z u n e h m e n d e Interessenabwägung durch vermeintliche Bestandsinteressen der Gesellschaft verschleiern sowie die Treuepflichten des Gesellschafters gegenüber der Gesellschaft und die damit verbundene H a f t u n g in bedenklicher Weise ausweiten würde 2 1 4 . D a s U n t e r n e h men und die dieses berührenden Interessen bilden für sich keine hinreichende Sonderverbindung, um daraus gegenüber dem D e l i k t s r e c h t erhöhte Pflichtenstandards der Gesellschafter gegenüber D r i t t e n abzuleiten. E s kann insoweit auch nicht die A u f g a b e der eine Sonderverbindung voraussetzenden Treuepflicht sein, die S c h w ä c h e n des deutschen Deliktsrechts auszugleichen 2 1 5 .
Dazu näher 2. Kap. § 1 C I 2 und 3. Speziell wie hier im Haftungskontext ein Bestandsinteresse der Gesellschaft „an sich" verneinend BGH v. 20.3.1995 BGHZ 129, 136, 151 ff.; BGH v. 28.9.1992 BGHZ 119, 257, 262; BGH V. 10.5.1993 ZIP 1993,917; Karollus, ZIP 1995,269,273; Hennrichs, AcP 195 (1995), 221, 260f.; KK/Zöllner, §243 Rn. 193; Drüke, Haftung, S.48ff. und Vonnemann, BB 1990, 217, 2X 8ff.; für eine Haftung bei treuwidriger Mißachtung des Bestandsinteresses auch der konzernfreien Gesellschaft hingegen M. Winter, Treuebindungen, S. 204 f.; mit Beschränkung auf konzerngebundene Gesellschaften auch Ulmer, ZHR 148 (1984), 391, 396 und 418ff. und tatbestandlich auch (noch) BGH v. 17.9.2001 ZIP 2001, 1874, 1876. 213 Siehe dazu auch die Nachweise in Fn. 212; zum grundsätzlichen Verhältnis zwischen Außen- und Innenhaftung bereits 4. Kap. § 2 A Vor I. 214 So auch Zöllner, Stimmrechtsmacht, S. 21 und Karollus, ZIP 1995, 269, 273; a.A. M. Winter, Treuebindungen, S. 211 f. und K. Schmidt, ZIP 1986, Höf. 215 Auf diese Funktion der Treuepflicht hat bereits Heymann, FS Wieland, S. 221, 239f. hingewiesen. 211
212
376
4. Kapitel:
c) Interessen
Haftungsrelevanz
der
der
Unternehmergesellschafterstellung
Mitgesellschafter
D a das Interesse der Gesellschaft als dem Zweckverbund aller Gesellschafter auf die gemeinsame Zweckverfolgung gerichtet ist, kann das Gesellschaftsinteresse allerdings durchaus mit Hilfe der gesellschaftszweckbezogenen Interessen der Mitgesellschafter konkretisiert werden 2 1 6 . In diesem Sinne relevant sind zunächst die unmittelbar gesellschaftszweckbezogenen Interessen wie das Interesse der Mitgesellschafter am Fortbestand der Gesellschaft, am Erhalt des Gesellschaftsvermögens und an einer nachhaltigen Gewinnerzielung durch die Gesellschaft 2 1 7 . N i c h t berücksichtigt werden insoweit lediglich individuelle Mitgliedschaftsinteressen wie der Wunsch nach einem qualitativ und quantitativ unveränderten Erhalt der individuellen Gesellschaftsbeteiligung sowie nach einem Schutz der ohnehin nur eingeschränkt zu berücksichtigenden privaten Belange 2 1 8 . D i e sich aus dem Mitgliedschaftsverhältnis ergebenden Treuepflichten des Unternehmergesellschafters gegenüber diesem so verstandenen Gesellschaftsinteresse erweisen sich damit zugleich als eine Bündelung der gegenüber allen oder einer Gruppe von Mitgesellschaftern im Rahmen der gemeinsamen Zweckverfolgung bestehenden Treuepflichten. D a hierdurch nur noch die Mißachtung individueller Mitgliedschaftsinteressen als Grundlage für eine Haftung gegenüber einzelnen Mitgesellschaftern in Betracht k o m m t , führt dies zu einer weitgehenden Kanalisierung der gesellschaftsinternen Schadensersatzansprüche auf die Gesellschaft und damit zu einer für die K o l lektivansprüche der Mitgesellschafter wünschenswerten rechtstechnischen Vereinfachung 2 1 9 .
2. Pflichtenkanon der Gesellschaft
des Unternehmergesellschafters
gegenüber
D i e Deutung des Gesellschaftsinteresses als Summe der gesellschaftszweckbezogenen Interessen der Gesellschafter stellt die einvernehmlich handelnde Gesellschaftergesamtheit und den Alleingesellschafter von vornherein von Treuepflichten frei. Insbesondere besteht insoweit keine Pflicht zur Schaffung und Aufrechterhaltung einer nicht völlig unzureichenden bzw. so216 Zum Gesellschaftsinteresse als Resultante der gesellschaftszweckbezogenen Interessen der Gesellschafter siehe bereits 2. Kap. § 1 C I 2b. 217 B G H v. 20.3.1995 B G H Z 129, 136, 151 m.w.N.; Hennnchs, AcP 195 (1995), 221, 261; Ziemons, Haftung, S. 144. 218 Zum Schutz der individuellen Mitgliedschaftsinteressen durch die Treuepflicht gegenüber den Mitgesellschaftern siehe noch 4. Kap. § 2 B I 1; zur Rücksichtnahme auf private Belange der Mitgesellschafter 2. Kap. § 2 A III und B VI. 219 Siehe zur Lösung des Problems des sog. Doppelschadens (dazu näher 4. Kap. § 2 B II) mit Hilfe der Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft insbesondere B G H v. 22.6.1992 B B 1992,2163,2167.
§ 2
Relevante
Haftungstatbestände
!577
gar angemessenen Kapitalausstattung 2 2 0 . Auch die Mitwirkung an einer der Vermögensbindung widersprechenden Auszahlung zugunsten eines Mitgesellschafters kann nur dann als treuwidrig angesehen werden, wenn hierdurch nicht nur Gläubigerinteressen, sondern auch solche von Mitgesellschaftern betroffen werden 221 . Sofern systematische Vermögensvermischungen nicht in der mehrgliedrigen Gesellschaft mit der unzulässigen Erlangung von Sondervorteilen verbunden sind oder die Existenz der Gesellschaft etwa wegen eines fehlenden Uberblicks über die Finanzlage derselben bedrohen, beeinträchtigen sie allenfalls Gläubigerbelange und können keine Innenhaftung wegen Treuepflichtverletzung auslösen 222 . Schließlich kann von einem U n t e r n e h mergesellschafter auch die rechtzeitige Veranlassung des von den Geschäftsleitern gegebenenfalls zu stellenden Insolvenzantrags nicht aufgrund einer Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft, sondern nur aufgrund von Schutzpflichten gegenüber den Gläubigern verlangt werden 2 2 3 . Demgegenüber besitzt die Haftung wegen der Verletzung von Treuepflichten bei gesellschaftsinternen Meinungsverschiedenheiten in mehrgliedrigen Gesellschaften eine Bedeutung, da sich aus der bereits dargestellten Treuepflicht des Unternehmergesellschafters besondere, auch haftungsrechtlich relevante Verhaltenspflichten ergeben 224 . A u f die besonderen Probleme, die sich dabei für die Haftung wegen Verletzung der Treuepflicht bei Ausübung des Stimmrechts ergeben, wurde ebenfalls schon näher eingegangen 225 .
3.
Haftungsmaßstab
D i e Haftung wegen positiver Verletzung der aus der Sonderbeziehung der Mitgliedschaft resultierenden Verhaltenspflichten ist grundsätzlich und entsprechend dem allgemeinen Haftungsrecht eine Haftung für Vorsatz und
220 B G H v. 21.6.1999 W M 1999,1565,1567; Weitbrecht, Haftung, S. 50ff.; Drüke, Haftung, S. 50; a.A. K. Schmidt, ZIP 1988, 1497, 1505f.; ders., ZIP 1989, 545, 547; ders., ZIP 1988, 1497, 1506; ders., ZIP 1986, 146, 148; Priester, Z G R 1993, 512, 526; Scholz/,Emmerich, § 13 Rn. 95. 221 Weitergehend Schmidt, ZIP 1988, 1497, 1506 unter Hinweis auf B G H v. 10.12.1984 B G H Z 9 3 , 1 4 6 , 1 4 9 f . , wo allerdings nicht auf die Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft, sondern lediglich die „allgemeinen Regeln" und eine Geltung des Auszahlungsverbots nach § 30 G m b H G gerade auch für Gesellschafter hingewiesen wird (siehe zu dieser zudem inzwischen wieder aufgegebenen Rechtsprechung näher 4. Kap. § 2 A V 2b). 222 A.A. K. Schmidt, A G 1994, 189, 193 unter Hinweis auf B G H v. 16.9.1985 B G H Z 95, 330. 223 A.A. K. Schmidt, ZIP 1986, 146, 148f.; ders., Gesellschaftsrecht, § 18 II 5; zur Haftung aus § 823 Abs. 2 B G B näher 4. Kap. § 2 C IV 2b dd. 224 Siehe 2. Kap. § 2 B; siehe zur ansatzweisen Ausbildung konkreter Verhaltenspflichten unter Einbeziehung des Schutzes von Drittinteressen auch Priester, Z G R 1993, 512, 523 ff. und K. Schmidt, ZIP 1988, 1497, 1505f. 225 Zur umstrittenen haftungsrechtlichen Privilegierung der Stimmrechtsausübung 4. Kap. § 1 A II 7.
378
4. Kapitel: Haftungsrelevanz
der
Unternehmergesellschafterstellung
(einfache) Fahrlässigkeit gemäß § 276 BGB 2 2 6 . Da es sich nach der hier vertretenen Auffassung um ausschließlich durch gesellschaftsinterne Interessen geprägte Pflichten handelt, kommt in den personalistisch strukturierten Personengesellschaften zudem der Haftungsmaßstab des § 708 B G B zur grundsätzlichen Anwendung 227 . Fraglich ist, inwieweit von diesen Grundsätzen für besondere Fälle der Treuepflichtverletzung Ausnahmen zu machen sind. Sehr verbreitet ist hier die Auffassung, wonach die Gesellschafter auch auf der Basis der mitgliedschaftlichen Treuepflicht bei der Übernahme von Geschäftsführungsfunktionen durch faktische Einflußnahmen oder Weisungsbeschlüsse dem gegenüber § 276 B G B erhöhten und mit einer Beweislastumkehr verbundenen Haftungsmaßstab der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes bzw. Geschäftsleiters (§ 43 Abs. 1 G m b H G bzw. § 93 Abs. 1 AktG) unterliegen sollen 228 . Dieser Ansicht kann jedoch aus den bereits im Zusammenhang mit der Ablehnung der organschaftlichen Haftungslehren genannten Gründen nicht gefolgt werden. Weder die Beweislastumkehr noch der erhöhte Haftungsmaßstab sind auf den seine eigenen mitgliedschaftlichen Interessen wahrnehmenden Nur-Gesellschafter zugeschnitten 229 . Sofern man den Gesellschafter dennoch den verschärften Maßstäben der Organhaftung unterwirft, sollte man ihm andererseits dann aber auch das Privileg der verkürzten Verjährung der Organhaftung (§ 43 Abs. 4 G m b H G bzw. § 93 Abs. 6 AktG) gewähren 230 . Besonders im Zusammenhang mit der Ausübung des Stimmrechts außerhalb des Anwendungsbereichs von § 117 Abs. 7 Nr. 1 A k t G wird zudem bisweilen eine grob fahrlässige231 oder gar bedingt vorsätzliche 232 Verletzung der 226 Wolany, Rechte, S. 113ff.; M. Winter, Treuebindungen, S. 110f.; Vollmer, ZGR 1979, 135, 168; K. Schmidt, ZIP 1988, 1497, 1505f.; Ziemons, Haftung, S. 160ff.; Rowedder/Koppensteiner, § 43 Rn. 59; krit. Krebs, Geschäftsführungshaftung, S. 223 ff. 227 BGH v. 5.6.1975 NJW 1976, 191, 192 (insoweit nicht in BGHZ 65, 15 abgedruckt), wobei der Haftungsmaßstab durch eine Heranziehung des § 43 GmbHG aber letztlich verschärft wurde; BGH v. 10.12.1984 BGHZ 93, 146, 150 (Anwendung nur auf Pflichtwidrigkeiten der Gesellschafter untereinander und nicht auf den Verstoß gegen eine im Drittinteresse geschaffene Schutznorm); M. Winter, Treuebindungen, S. 111; darüber hinaus sogar für die personalistisch strukturierte GmbH Thöni; GmbHR 1989, 187, 191 und für den GmbH-Mehrheitsgesellschafter Rowedder /Rowedder, § 13 Rn. 20; mit Recht krit. zur Anwendung auf die GmbH Ziemons, Haftung, S. 161 f. 228 Immenga, Kapitalgesellschaft, 283; ders., GmbHR 1973, 5, 10f.; K. Schmidt, ZIP 1989, 545, 548; Ziemons, Haftung, S. 138 und 163 ff.; Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. 1, S. 455; a.A. Rowedder /Koppensteiner, § 43 Rn. 59. 229 Dazu bereits 4. Kap. § 2 A I 2b. 230 So auch Ziemons, Haftung, S. 176ff.; ähnlich M. Winter, Treuebindungen, S. 117; a.A. Scholz/U.H. Schneider, § 43 Rn. 203; vgl. auch B G H v. 28.6.1982 WM 1982, 1025, 1026 (Regelverjährung des § 195 BGB a.F. allerdings bei einem Haftungsmaßstab der groben Fahrlässigkeit). 231 BGH v. 28.6.1982 WM 1982, 1025,1026; Rowedder/Rowedder, § 13 Rn. 13; Rowedder/ Koppensteiner, § 43 Rn. 60 (Weisungsbeschlüsse); rechtspolitisch auch bereits Heymann, FS Wieland, S. 221, 234f. und 238f.
52
Relevante
Haftungstatbestände
379
Treuepflicht verlangt. Auch diese Auffassungen sind als Ausprägungen des bereits oben für die Stimmrechtsausübung durch Unternehmergesellschafter als ungerechtfertigt erachteten Stimmrechtsprivilegs abzulehnen 233 . Sie würden die Haftung wegen Treuepflichtverletzung neben dem von der Rechtsprechung großzügig ausgelegten § 826 BGB auch praktisch entbehrlich machen.
4.
Rechtsfolgen
Der Unternehmergesellschafter haftet aufgrund von Verletzungen der Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft dieser gegenüber auf Ersatz des durch die konkrete Pflichtverletzung entstandenen Schadens. Eine vom Nachweis einzelner schuldhafter Pflichtverletzungen unabhängige allgemeine Verlustausgleichspflicht des beherrschenden Privatgesellschafters ist angesichts von deren gesetzlicher Beschränkung auf Unternehmensgesellschafter auch dann abzulehnen, wenn es zu permanenten und zusammenwirkenden Pflichtverletzungen kommt 234 . Obwohl es letztlich um den Schutz von gesellschaftszweckbezogenen Interessen der Mitgesellschafter geht, können die Schäden durch die Kanalisierung der Ersatzansprüche auf die Gesellschaft im Gesellschaftsvermögen ausgeglichen werden, wo sie entstanden sind. Die Gesellschafterhaftung besteht unabhängig von und damit auch neben einer etwaigen Haftung der Gesellschaftsorgane 235 . Dies gilt auch für den Gesellschafter, der zugleich (faktischer) Geschäftsleiter ist236. Der Ersatzanspruch der Gesellschaft kann von den Mitgesellschaftern nicht nur in der jeweils gesetzlich vorgesehenen Form, sondern gegebenenfalls auch mit Hilfe einer actio pro socio geltend gemacht werden 237 . Da die Innenhaftung nach der hier vertretenen Ansicht nicht den Interessen Dritter dient, haben diese auch dann keinen auf die Treuepflichtverletzung gestützten Ersatzanspruch gegen den schädigenden Gesellschafter, wenn es mangels Masse nicht zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens kommt 238 . 232 BGH v. 20.3.1995 BGHZ 129, 136,162 ff. (unter Hinweis auf § 117 Abs. 7 Nr. 1 AktG); Thöni, GmbHR 1989, 187, 189 (unter Hinweis auf § 243 Abs. 2 AktG); Krebs, Geschäftsführerhaftung, S. 224 (unter Hinweis auf den sprachlichen Unterschied zwischen untreu und unsorgfältig); vgl. dazu auch RG v. 21.9.1938 RGZ 158, 248, 254f. (eine Treuepflicht unter den Aktionären aber ohnehin noch ablehnend). 233 Dazu 4. Kap. § 1 A II 7. 234 A.A. Stimpel, AG 1986, 117, 121 (unter Hinweis auf § 678 BGB). 235 Thöni, GmbHR 1989, 187, 190f. 236 Scholz/1/.//. Schneider, % 43 Rn. 203. 237 Zur actio pro socio im Zusammenhang mit der Geltendmachung von Ersatzansprüchen aus Treuepflichtverletzung siehe nur BGH v. 5.6.1975 BGHZ 65, 15, 21; Immenga, Kapitalgesellschaft, S. 285ff. (für die personalistisch strukturierte GmbH) und Lutter/Hommelhoff, § 13 Rn. 16. 238 A.A. (Analogie zu §§ 93 Abs. 5, 117 Abs. 5, 309 Abs. 4 S. 3, 310 Abs. 4, 317 Abs. 4, 318 Abs. 4 AktG); K. Schmidt, ZIP 1988, 1497, 1506; ders., Gesellschaftsrecht, § 9 IV 5 und Ziemons, Haftung, S. 154; vgl. für den qualifiziert faktischen GmbH-Konzern auch BGH v. 16.9.1985 BGHZ 95, 330, 340.
380
4. Kapitel:
Haftungsrelevanz
VI Haftung
der
Unternehmergesellschafterstellung
bei formeller
Unterkapitalisierung
An dieser Stelle soll kurz auf die Besonderheiten der Haftung eines unternehmerisch engagierten Kapitalgesellschafters wegen formeller Unterkapitalisierung, d.h. bei Unterbilanz und Uberschuldung der Gesellschaft239, eingegangen werden. Die Ausfallhaftung der GmbH-Gesellschafter verdient dabei besondere Aufmerksamkeit. 1. Haftung
als Empfänger
der
Leistung
Hat der Unternehmergesellschafter oder eine ihm nahestehende Person eine der formellen kapitalgesellschaftsrechtlichen Vermögensbindung zuwiderlaufende Zahlung erhalten (vgl. insbesondere § 30 GmbHG und § 57 AktG), so ist er der Gesellschaft zu deren Erstattung verpflichtet (§31 GmbHG bzw. § 62 AktG). Diese jeden Gesellschafter betreffende gesellschaftsrechtliche Rückerstattungsverpflichtung in Höhe der verbotswidrigen Leistung240 weist keine rechtlichen Besonderheiten für unternehmerische Gesellschaftsbeteiligungen auf. Für den hier interessierenden Gesellschafterkreis wird sie lediglich eine praktisch größere Bedeutung haben241. Hinzu kommt, daß Unternehmergesellschafter im Zusammenhang mit den Haftungsprivilegien des § 31 Abs. 2 GmbHG und des § 62 Abs. 1 S. 2 AktG regelmäßig Schwierigkeiten haben dürften, ihren guten Glauben bzw. das Nichtkennenmüssen darzulegen und zu beweisen, da für sie aufgrund ihrer Finanzierungsverantwortung242 nicht nur bei gleichzeitiger Organstellung erhöhte Uberwachungs- und Nachforschungspflichten bestehen243. Auch die in der Praxis nicht unbedeutende Möglichkeit einer VerjährungsVerlängerung nach § 31 Abs. 5 S. 2 GmbHG wegen böslichen Verhaltens wird bei unternehmerischer Beteiligung häufiger angenommen werden können. 2. Haftung
als Mitgesellschafter
a) Ausgleichshaftung
des
nach §31 Abs. 3
Leistungsempfängers GmbHG
Im Gegensatz zum Aktienrecht kennt das GmbH-Recht eine verschuldensunabhängige, subsidiäre und anteilige Solidarhaftung der Mitgesellschaf239 Zur Haftung wegen nomineller und qualifiziert materieller Unterkapitalisierung 4. Kap. § 2 D und C IV 2c. 240 Zum Inhalt der Rückerstattungsverpflichtung näher Kleffner, Erhaltung, S. 126ff.; speziell zur actio pro socio der Mitgesellschafter Flume, Z H R 144 (1980), 18, 32f. 241 Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. 1, S. 570; vgl. zur Erfassung der praktisch bedeutsamen verdeckten Gewinnausschüttungen auch H a c h e n b u r g / G o e r d e l e r / M ü l l e r , § 30 Rn. 11. 242 Siehe dazu allgemein 2. Kap. § 2 B I X . 243 So im Ergebnis auch H a c h e n b u r g / G o e r d e l e r / M ü l l e r , § 31 Rn. 31.
52
Relevante
Haftungstatbestände
381
ter des Empfängers einer gegen die formelle Vermögensbindung verstoßenden Leistung nach § 31 Abs. 3 G m b H G . Wie nicht nur der Unterschied zum Aktienrecht, sondern auch ein Blick in die Gesetzesmaterialien deutlich macht, ließ sich der Gesetzgeber ganz offensichtlich von der Vorstellung leiten, daß der Gesellschafter einer personalistisch strukturierten G m b H die Finanzlage der Gesellschaft und das Verhalten der Geschäftsführer und Mitgesellschafter zumindest besser überblicken könne als ein außenstehender Gläubiger und letztlich durch die Haftungsdrohung auch dazu angehalten werden sollte, sich intensiv um die finanziellen Angelegenheiten der Gesellschaft zu kümmern 244 . Die Vorschrift geht damit als Pendant zu § 24 G m b H G von einer Gesamtverantwortung der Gesellschafter für die Kapitalerhaltung aus. Die Garantiehaftung, die nach dem Wortlaut des § 31 Abs. 3 G m b H G der Höhe nach nicht begrenzt ist, wird jedoch überwiegend 245 als zu weitgehend angesehen und in unterschiedlicher Weise nach Tatbestand und Rechtsfolgen eingeschränkt. Mit verschiedenen Begründungen wird zumeist eine Beschränkung des Haftungsumfangs auf das Stammkapital 246 , gegebenenfalls zudem verringert um die eigene Einlage des Gesellschafters 247 , oder auf die Einlage des Auszahlungsempfängers 248 befürwortet. Daneben gibt es aber auch Stimmen, die die Garantiehaftung teleologisch auf eine Haftung für vermutetes Verschulden 249 , bei Kennen und Kennenmüssen 250 oder auf eine Haftung für maßgeblich beteiligte Gesellschafter 251 bzw. auf Gesellschafter mit Finanzierungsverantwortung (§ 32a Abs. 2 S. 3 G m b H G analog) 252 reduzieren möchten. Angesichts des gegenteiligen Wortlauts und des ausdrücklich auf eine Garantiehaftung gerichteten Willens des Gesetzgebers 253 wird man § 31 Abs. 3 G m b H G de lege lata nur schwer auf eine Verschuldenshaftung reduzieren können. Dem eingangs erwähnten Willen des Gesetzgebers sollte aber insbe244 Siehe dazu die Begründung zum Entwurf eines Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, Berlin 1891, S. 81. 245 Für eine unbeschränkte Garantiehaftung allerdings etwa Kleffner, Erhaltung, S. 182 f. und Gätsch, BB 1999, 701, 704 ff. 246 BGH v. 29.3.1973 BGHZ 60, 324, 331; Hachenburg/Goerdeler/Müller, § 31 Rn. 46 und 54; siehe zum Diskussionsstand auch Kleffner, Erhaltung, S. 172 ff.; Reemann, ZIP 1990, 1309, 1310£. und Scholz/H.P. Westermann, § 31 Rn. 30 jeweils m.w.N. 247 LutterlHommelhoff § 31 Rn. 21. 248 K. Schmidt, BB 1995, 529, 531 f.; Scholz/H.P. Westermann, § 31 Rn. 30. 249 Reemann, ZIP 1990, 1309, 1313 f., der hinsichtlich des Verschuldensmaßstabs zudem zwischen dem Anlagegesellschafter und dem unternehmerisch beteiligten Gesellschafter differenzieren möchte (S. 1314f.). 250 Wiedemann, in: Die Haftung des Gesellschafters in der GmbH, S. 48f. 251 Hommelhoff, JbFfSt 1988/89, 382. 252 Grunewald, FS Lutter, S. 413, 422. 253 Dazu überzeugend Kleffner, Erhaltung, S. 178 ff. mit eingehender Analyse der Gesetzesmaterialien.
382
4. Kapitel: Haftungsrelevanz
der
Unternehmergesellschafterstellung
sondere in Publikumsgesellschaften durch eine teleologische Eingrenzung des zu weit geratenen Tatbestandes auf Unternehmergesellschafter und mithin eine Ausgrenzung der kapitalistisch beteiligten Gesellschafter Rechnung getragen werden. Es ist zwar richtig, daß die Anlagegesellschafter nicht nur durch die Haftungsbegrenzung auf das Stammkapital, sondern angesichts ihrer regelmäßig geringen Beteiligungsquote auch durch die Tatsache der anteilsmäßigen Haftung bereits weitreichend geschützt werden 234 , doch wird man ihnen in vielen Fällen auch diese Haftung kaum zumuten können 255 . Da es nach den Vorstellungen des Gesetzgebers darum geht, die Mitgesellschafter für die von ihnen als Insider mit zu verantwortende Auszahlung haftbar zu machen, muß es teleologisch auch auf die Informations- und Einflußmöglichkeiten der betroffenen Mitgesellschafter ankommen 256 . Das allen Gesellschaftern zwingend zustehende Auskunfts- und Einsichtsrecht nach §51a G m b H G rechtfertigt für sich dabei nicht die Annahme, daß auch die Anlagegesellschafter, die der Gesellschaft nicht selten ferner als ein Gläubiger stehen, über Kenntnisse und Handlungsmöglichkeiten verfügen, die es ihnen ermöglichen, unzulässige Auszahlungen zu verhindern 257 . De lege ferenda ist allerdings die Abschaffung des mißglückten § 31 Abs. 3 G m b H G zu befürworten. Die Parallele zur Ausfallhaftung des § 24 G m b H G hat sich nicht zuletzt auch aufgrund der (berechtigten) Ausweitung des § 30 G m b H G als nicht tragfähig erwiesen. Die unterschiedlichen Ausfallrisiken bei Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung ermöglichen trotz struktureller Gemeinsamkeiten keinen Gleichlauf der kollektiven Ausfallhaftung. Zu wünschen wäre stattdessen die Einführung einer unbeschränkten verschuldensabhängigen und gesamtschuldnerischen Haftung nach dem Modell der bereits behandelten Verhaltenshaftung bei schuldhafter Verletzung der Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft 258 . Dies entspräche auch einem vorübergehend vom Bundesgerichtshof verfolgten Ansatz, der anschließend noch vorgestellt werden soll.
b) Haftung aufgrund schuldhafter Mitwirkung
an der
Auszahlung
De lege lata stellt sich die Frage, ob neben der gesetzlich vorgesehenen und von der herrschenden Meinung beschränkten Garantiehaftung des § 3 1 Abs. 3 G m b H G auch noch eine unbeschränkte verschuldensabhängige Ausfallhaftung in Betracht kommt. Der Bundesgerichtshof hat diese Frage zu254
So Kleffner, Erhaltung, S. 180, der sogar von einer unbeschränkten Garantiehaftung aus-
geht. 255
Zur Unzumutbarkeit der Haftung auch Reemann, ZIP 1990, 1309, 1313; auch Baumb a c h / H u e c k / H u e c k , § 31 Rn. 1 sieht ein Problem für Anlagegesellschafter. 256 Dies wird auch angedeutet bei Scholz///./? Westermann, § 31 Rn. 28. 257 Reemann, ZIP 1990, 1309, 1312f. 258 Dazu 4. Kap. § 2 A IV.
52
Relevante
383
Haftungstatbestände
nächst unter H i n w e i s auf die „allgemeinen R e g e l n " sowie den seiner M e i nung nach sogar in erster L i n i e die G e s e l l s c h a f t e r umfassenden A d r e s s a t e n kreis des § 30 G m b H G b e j a h t und etwa einen Mitgesellschafter, der die G e schäftsführung
durch
schuldhafte
Mitwirkung
(§ 2 7 6
BGB)
an
einem
G e s e l l s c h a f t e r b e s c h l u ß zu A u s z a h l u n g e n aus d e m zur E r h a l t u n g des S t a m m kapitals erforderlichen o d e r bereits ü b e r s c h u l d e t e n
Gesellschaftsvermögen
veranlaßt hatte, z u m E r s a t z der an Mitgesellschafter geflossenen Z a h l u n g e n verpflichtet 2 5 9 . D i e s e insbesondere in ihrer dogmatisch u n z u r e i c h e n d e n B e g r ü n d u n g auf Kritik 2 6 0 gestoßene R e c h t s p r e c h u n g hat der B u n d e s g e r i c h t s h o f n u n m e h r allerdings wieder aufgegeben, da hierdurch nach seiner M e i n u n g die ausdifferenzierte und tendenziell auf H a f t u n g s b e g r e n z u n g der Mitgesellschafter angelegte Regelung des § 31 A b s . 3 G m b H G unterlaufen w e r d e n würde 2 6 1 . E s ist z w a r zutreffend, daß der G e s e t z g e b e r in § 31 A b s . 3 G m b H G ausdrücklich eine verschuldensunabhängige, subsidiäre und anteilige H a f t u n g angeordnet hat, bei der ein Verschulden in F o r m des böslichen Verhaltens nach § 3 1 A b s . 5 S. 2 G m b H G lediglich zu einer Verlängerung der Verjährungsfrist auf 30 J a h r e führen sollte, d o c h spricht dies keinesfalls gegen das B e d ü r f n i s und die rechtliche M ö g l i c h k e i t , daneben auch n o c h eine mit anderen Voraussetzungen und R e c h t s f o l g e n verbundene verschuldensabhängige Schadensersatzhaftung zu etablieren 2 6 2 . I n s o w e i t erscheint gerade auch die an anderer Stelle v o m B u n d e s g e r i c h t s h o f geäußerte A n s i c h t , die R e c h t s f o l g e n eines Verstoßes gegen § 3 0 G m b H G b e s t i m m t e n sich selbst dann ausschließlich nach § 3 1 G m b H G , w e n n es den Gesellschaftern auf eine U m g e h u n g dieser V o r schriften a n k o m m e 2 6 3 , als fragwürdig. Selbstverständlich wird man auch in diesem Fall durch eine entsprechende Ausgestaltung des P f l i c h t e n k a n o n s und des H a f t u n g s m a ß s t a b s nach § 2 7 6 B G B für die angemessene D i f f e r e n z i e r u n g zwischen den verschiedenen G e -
259 BGH v. 10.12.1984 BGHZ 93,146,149f.; angesprochen, aber wegen Verjährung des Anspruchs offengelassen in BGH v. 27.3.1995 GmbHR 1995, 442,443; gegen eine Verantwortung außerhalb von § 826 BGB bei Weisungen im Zusammenhang mit §§ 30 und 64 Abs. 2 GmbHG allerdings noch BGH v. 14.12.1959 BGHZ 31, 258, 278f. 260 Ulmer, ZGR 1985, 598, 603 ff.; Hachenburg/Goerdeler/Müller, §30 Rn. 19 und 57; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 37 III 3c. 261 BGH v. 21.6.1999 GmbHR 1999, 921, 923 mit zust. Anm. von K. Müller (Entfernung eines Fremdkörpers); zust. auch Lutter/Hommelhoff, § 31 Rn. 22; vgl. auch bereits die Kritik an BGHZ 93, 146 von Ulmer, ZGR 1985, 598, 601 ff.; krit. zum Wandel der Rechtsprechung allerdings Altmeppen, ZIP 1999, 1354f. 262 So zutreffend Altmeppen, ZIP 1999, 1354f., der sich allerdings nicht mit dem Einwand aus § 31 Abs. 5 S. 2 GmbHG (bloße Verjährungsverlängerung bei böslichem Verhalten) auseinandersetzt, und Kleffner, Erhaltung, S. 189f., der allerdings für eine Subsidiarität dieser Haftung gegenüber § 31 Abs. 3 GmbHG eintritt. 263 BGH V. 23.6.1997 GmbHR 1997, 790 (LS); krit. dazu auch Altmeppen, ZIP 1999, 1355.
384
4. Kapitel: Haftungsrelevanz
der
Unternehmergesellschafterstellung
sellschaftertypen Sorge zu tragen haben 264 . Mit der Maßgabe, die Überwachungspflichten insbesondere von kapitalistisch beteiligten Gesellschaftern nicht zu überspannen 265 , wird man diese Verschuldenshaftung auch auf die Vermögensbindung in der Aktiengesellschaft übertragen können.
VI. Deliktische
Haftung
1. § 117 Abs. 1 S. 1 und Abs. 3 AktG a) Bedeutung
der Haftung für den
Unternehmergesellschafter
Die Vorschrift des § 117 Abs. 1 S. 1 A k t G enthält einen speziellen Tatbestand der Deliktshaftung 266 zum primären Schutz der aktienrechtlichen Kompetenzordnung im allgemeinen und der Autonomie der Willensbildung der Verwaltung im besonderen 267 . Obwohl sich die Norm gegen unzulässige Einflußnahmen richtet, die gerade auch von Unternehmergesellschaftern herrühren können, betrifft sie angesichts ihrer engen Voraussetzungen nur einen kleinen Ausschnitt der von einem Unternehmergesellschafter zu verwirklichenden Haftungstatbestände und ist für diesen daher weit weniger bedeutsam als für die ebenfalls von § 117 A k t G erfaßten einflußreichen Nichtgesellschafter. Nach heute allgemeiner Auffassung entspricht § 117 A k t G auch in der Aktiengesellschaft nicht mehr den besonderen Bedingungen und sozialethischen Standards, die einem Unternehmergesellschafter durch das Gesellschaftsverhältnis gesetzt sind. Der für den Gesetzgeber von 1965 maßgebliche Unterschied zwischen dem Unternehmergesellschafter und einem Unternehmensgesellschafter ist nicht so gravierend, als daß er die Unterschiede zwischen § 1 1 7 A k t G und den Tatbeständen der Konzernhaftung rechtfertigen würde 268 . Angesichts der in den letzten Jahrzehnten herausgearbeiteten Haftung faktischer Organe und der Haftung wegen Verletzung der Treuepflicht muß es heute allerdings nicht mehr bedauert werden, daß die etwa bereits im Zusammenhang mit dem Aktiengesetzentwurf von 1930 diskutierte verschärfte 264 So zutreffend auch K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 37 III 3c; vgl. dazu auch die Zweifel von Ulmer, ZGR 1985, 598, 604ff. hinsichtlich der Haftung bei bloßem Unterlassen; allgemein und näher dazu 4. Kap. § 1. 265 Dazu näher 4. Kap. § 1 B I 1. 266 BGH v. 22.6.1992 NJW 1992, 3167, 3172; KK/Mertens, § 117 Rn. 10; für einen Sonderfall der Haftung wegen Treuepflichtverletzung Lutter, ZHR 153 (1989), 446, 456; vermittelnd Hüffer, AktG § 117 Rn. 2. 267 Zum Normzweck näher Hüffer, AktG § 117 Rn. 1; Kropff, in: Geßler/Hefermehl § 117 Rn. 6. 268 Vgl. dazu nur Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. 1, S. 436f. und 454f. und Luchterhandt, ZHR 132 (1969), 149,158 mit Fn. 31, der sogar davon ausgeht, daß der Gesetzgeber den Fall des dauerhaft Einfluß nehmenden Privataktionärs offenbar übersehen habe.
52
Relevante
Haftungstatbestände
385
deliktische Innenhaftung des Großaktionärs aufgrund vermeintlicher Abgrenzungsschwierigkeiten seinerzeit gescheitert war 269 . Von einer entsprechenden Anwendung der für die Aktionäre durch die Ausbildung der Organhaftung und der mitgliedschaftlichen Treuepflichten überholten Vorschrift auf die G m b H sollte nicht nur aufgrund der strukturellen Unterschiede beider Gesellschaftsformen 270 , sondern auch deshalb abgesehen werden, weil § 117 A k t G mit seinem Vorsatzerfordernis und Stimmrechtsprivileg die Haftung von GmbH-Gesellschaftern zu sehr einschränken würde 271 .
b) Haftungsvoraussetzungen beteiligung
bei unternehmerischer
Gesellschafts-
Gerade in den Haftungsvoraussetzungen des § 117 Abs. 1 S. 1 A k t G zeigt sich erneut die haftungsbegründende Funktion der unternehmerischen Gesellschafterstellung. Der Haftungsschuldner muß hier nämlich zunächst aufgrund einer rechtlichen oder tatsächlichen Machtstellung das Handeln der Gesellschaft derart mitbestimmen können, daß er zu einer schädlichen Einflußnahme auf die Führungspersonen der Gesellschaft in der Lage ist272. Da es nicht nur um den Schutz vor Außeneinflüssen geht, kann der Gesellschafter auch selbst Mitglied der Verwaltung sein273. Von der zudem erforderlichen Handlungsbeeinflussung der Verwaltungsmitglieder ist auch dann auszugehen, wenn sich das Verwaltungsmitglied die Wünsche des Täters voll zu eigen macht 274 . Sofern der Unternehmergesellschafter durch die schädigende Handlung einen Vorteil erlangt hat, genügt es auch, wenn er als Hintermann den Täter vorsätzlich zu der Beeinflussung veranlaßt hat (§117 Abs. 3 AktG) 275 . Fraglich erscheint es allerdings, ob § 117 Abs. 1 und Abs. 3 A k t G entsprechend anwendbar sind, wenn der Unterneh269
Anm. zum Entwurf eines Gesetzes über Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien von 1930, S. 107; zu entsprechenden Vorüberlegungen auch Heymann, FS Wieland, S. 221, 222 ff. 270 So insbesondere unter Hinweis auf die unterschiedliche Rechtsstellung der Verwaltung R. Fischer, Anm. zu B G H Z 31, 258 in LM § 2 G m b H G Nr. 4 Bl. 3; zu Besonderheiten aufgrund des Weisungsrechts der Gesellschafter speziell Ziemons, Haftung, S. 212 ff. 271 So auch M. Lehmann, Anwendung, S. 59ff. (gegen § 126 RefE G m b H G 1969); a.A. Flame, Z H R 144 (1980), 18, 30f., der allerdings außerhalb der Stimmrechtsausübung auch für eine Haftung bei fahrlässiger Verfolgung von Sondervorteilen eintritt; für eine ergänzende analoge Anwendung auch B G H v. 9.6.1954 B G H Z 14, 25, 38. 272 Kropff, in: Geßler/Hefermehl § 117 Rn. 13 f.; KK/Mertens, § 117 Rn. 12; Hüffer, AktG § 117 Rn. 3. 273 Y^L/Mertens, § 117 Rn. 13. 274 Kropff, in: Geßler/Hefermehl § 117 Rn. 20. 275 Das ist weniger als Anstiftung, aber mehr als Duldung (vgl. dazu Kropff, in: Geßler/Hefermehl § 117 Rn. 42 und KK/Mertens, § 117 Rn. 28); daneben kommt bei Doppelvorsatz eine Teilnahme nach § 830 Abs. 2 BGB in Betracht.
386
4. Kapitel:
Haftungsrelevanz
der
Unternehmergesellschafterstellung
mergesellschafter als Allein- oder Mehrheitsgesellschafter zugleich Mitglied des Vorstands oder des Aufsichtsrats ist und in dieser Doppelrolle der Gesellschaft durch die Verfolgung von Sonderinteressen einen Schaden zufügt 276 . Hier fehlt es nicht nur an einer die Personenverschiedenheit und nicht allein die Rollenverschiedenheit voraussetzenden Einflußnahme, sondern aufgrund der bestehenden Organhaftung gegenüber der Gesellschaft und einer Haftung wegen etwaiger Verletzungen der Treuepflicht gegenüber den Mitgesellschaftern auch an einem Bedürfnis nach deliktischer Vorsatzhaftung. Die Rechtswidrigkeit der Schädigung der Gesellschaft wird zwar nach herrschender Meinung nicht durch die Tatbestandsmäßigkeit indiziert und ist daher aufgrund einer Interessenabwägung positiv festzustellen, doch muß der Beeinflußte, wie sich aus § 117 Abs. 2 S. 1 A k t G ergibt, keineswegs ebenfalls pflichtwidrig handeln 277 . Die spezielle deliktische Haftung des Unternehmergesellschafters für gesellschaftsschädliche Einflußnahmen wird jedoch insbesondere durch das Vorsatzerfordernis und das Haftungsprivileg bei Stimmrechtsausübung in der Hauptversammlung eingeschränkt. So muß er mit der Schädigung der Gesellschaft gerechnet und diese zumindest billigend in Kauf genommen haben 278 . Das Haftungsprivileg des § 117 Abs. 7 Nr. 1 A k t G gilt zwar nur für die Stimmrechtsausübung i.e.S. und nicht etwa für Wortbeiträge in der Hauptversammlung oder Einflußnahmen im Vorfeld der Stimmrechtsausübung nach § 119 Abs. 2 A k t G oder § 124 Abs. 3 AktG 2 7 9 und nach seinem Wortlaut schon gar nicht für Schäden, die unmittelbar durch den Beschluß und nicht erst vermittelt über ein beeinflußtes Handeln der Verwaltungsmitglieder eintreten 280 . Eine weitere Einschränkung des Privilegs, insbesondere durch seine teleologische Reduktion auf kapitalistisch beteiligte Gesellschafter, dürfte aber trotz der seit langem geübten berechtigten Kritik 281 nur schwer zu begründen sein. Zwar nahm der Gesetzgeber bei Erlaß der Vorläuferbestimmung des § 117 Abs. 7 Nr. 1 A k t G insbesondere Bezug auf die Belange der
YJL/Mertens, § 117 Rn. 15. KK/Mertens, § 117 Rn. 22; Hüffer, AktG § 117 Rn. 6; a.A. Kropff in: Geßler/Hefermehl § 117 Rn. 23 f. 278 Lediglich Art und Höhe des Schadens müssen vom Vorsatz nicht umfaßt sein (vgl. K K / Mertens, § 117 Rn. 23 und Kropff, in: Geßler/Hefermehl § 117 Rn. 25). 279 Kropff, in: Geßler/Hefermehl § 117 Rn. 28; KK/Mertens, § 117 Rn. 32f. 280 B G H V. 20.3.1995 B G H Z 129, 136, 159; zu weiteren Einschränkungen siehe etwa B G H v. 20.3.1995 B G H Z 129, 136, 160ff. und Zöllner/Winter Z H R 158 (1994), 59, 74 (teleologische Reduktion auf Fälle möglicher Schadensabwendung durch Anfechtung) sowie Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. 1, S. 436f.; Timm, W M 1991, 481, 487; Dreher, ZIP 1993, 332, 335ff. (keine Geltung des Privilegs im Bereich der Haftung wegen Treuepflichtverletzung). 281 Mestmäcker, Verwaltung, S. 271; Großfeld, Aktiengesellschaft, S. 219; Zöllner, Stimmrechtsmacht, S. 427ff.; Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. 1, S. 454f.; Krebs, Geschäftsführungshaftung, S. 252. 276
277
5 2
Relevante
Haftungstatbestände
387
Anlagegesellschafter282, doch ging es ihm stets auch um einen Schutz der privatautonomen Stimmrechtsausübung in den Grenzen des § 826 BGB 283 . Die Stellung als Unternehmergesellschafter führt als solche nicht zu einer Umkehr der bei der Gesellschaft liegenden Darlegungs- und Beweislast. Es sind lediglich Beweiserleichterungen bei typischen Abläufen oder wegen einer besonderen Sachnähe des Gesellschafters denkbar284. Neben der durch den Vorstand bzw. Aufsichtsrat vertretenen Gesellschaft sind auch die Gläubiger zur Forderung der Leistung an sich berechtigt (§117 Abs. 5 AktG). Die für die abhängige Gesellschaft in Analogie zu den §§ 309 Abs. 4, 310 Abs. 4, 317 Abs. 4 und 318 Abs. 4 AktG befürwortete Klagebefugnis einzelner Gesellschafter285 kann für die unabhängige Gesellschaft jedoch nicht befürwortet werden, da es der Gesetzgeber insoweit zur Vermeidung querulatorischer Klagen bewußt bei der Regelung des § 147 AktG belassen wollte. 2. 5 823 Abs. 1 BGB In Fortführung und Verallgemeinerung des deliktischen Rechtsgedankens von § 117 AktG könnte auch eine Haftung des Unternehmergesellschafters aufgrund eines schädigenden Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb erwogen werden286. Hierfür wäre jedoch ein unmittelbarer Eingriff in den Gewerbebetrieb als solchen erforderlich. Hieran fehlt es nicht nur bei punktuellen Eingriffen in das Betriebsgeschehen, sondern insbesondere bei unzulässigen Einflußnahmen auf die Verwaltung der Gesellschaft, da es sich bei Mißachtung der gesellschaftsrechtlichen Kompetenzordnung nicht um einen Unternehmens- sondern lediglich gesellschaftsbezogenen Eingriff handelt287. So hat auch der Bundesgerichtshof in einem Fall, in dem ein ausgeschiedener Gesellschafter Betriebsangehörigen hinsichtlich der allgemeinen 282 Zu den Motiven des Gesetzgebers der Vorläuferbestimmung siehe Heymann, FS Wieland, S. 221, 224f. 283 Vgl. dazu die bewußte Bestätigung des Stimmrechtsprivilegs durch den Gesetzgeber von 1965 (BT-Drucks. 4/171, S. 147) sowie die Argumente der Befürworter eines Stimmrechtsprivilegs (z.B. Flume, Z H R 144 (1980), 18, 28ff.; Mertens, FS R. Fischer, S. 461, 464f.; Reiner, Fremdsteuerung, S. 154) und das allgemeine Plädoyer gegen eine Fahrlässigkeitshaftung im Aktienrecht bei R G v. 21.9.1938 R G Z 158, 248, 254f. 284 Kropff; in: Geßler/Hefermehl § 117 Rn. 26; KK/Mertens, § 117 Rn. 24; Hüffer, AktG § 117 Rn. 7. 285 Kropff; in: Geßler/Hefermehl § 117 Rn. 37; KK/Mertens, § 117 Rn. 42; zur Reduzierung des Kostenrisikos gemäß § 247 Abs. 2 AktG analog zudem KK/Mertens, § 117 Rn. 43; zur Einzelklage im deutschen Aktienrecht generell Großfeld, Aktiengesellschaft, S. 292 ff. und M. Becker, Verwaltungskontrolle, S. 598 ff. 286 Siehe dazu die Erwägungen bei Ziemons, Haftung, S. 183 ff.; andeutungsweise auch K K / Biedenkopf/Koppensteiner, § 317 Rn. 3; Brüggemeier, A G 1988, 93, 94 und Stein, Das faktische Organ, S. 167 (Andeutung für die Haftung im Konzern). 287 So auch Reiner, Fremdsteuerung, S. 189; zurückhaltend im Ergebnis auch Ziemons, Haftung, S. 185.
388
4. Kapitel: Haftungsrelevanz
der
Unternehmergesellschafterstellung
Ausrichtung der betrieblichen Tätigkeit Ratschläge erteilt hatte, lediglich eine nachvertragliche Unterlassungspflicht erwogen und einen deliktischen Anspruch zurückgewiesen 288 . In Betracht kommen allerdings etwa Schadensersatzansprüche bei Wettbewerbsverstößen von Seiten des Unternehmergesellschafters. 3. $ 823 Abs. 2 BGB Dem § 823 Abs. 2 BGB kommt für die deliktische Haftung des Unternehmergesellschafters gegenüber der Gesellschaft keine besondere Bedeutung zu, da den namentlich einschlägigen Bestimmungen der §§ 64 Abs. 1 GmbHG 2 8 9 , 117 AktG 290 und 283 StGB291 allgemein nicht der Charakter eines i.S.v. § 823 Abs. 2 BGB dem Schutz der Gesellschaft dienenden Gesetzes beigemessen wird. Auch auf etwaige Verkehrspflichten des Unternehmergesellschafters zum Schutz des Gesellschaftsvermögens und ihre mögliche Bedeutung als Schutzgesetze i.S.v. § 823 Abs. 2 BGB braucht in diesem Zusammenhang nicht eingegangen zu werden 292 , da diese allgemeinen Verkehrspflichten anders als die noch eingehend zu behandelnden Verkehrspflichten zum Schutz der Gläubiger 293 neben den vorrangigen gesellschaftsrechtlichen Treuepflichten keine eigenständige Bedeutung erlangen. 4. §826
BGB
Die allgemeine deliktische Haftung nach § 826 BGB bietet im Vergleich zur spezifisch aktienrechtlichen nach § 117 Abs. 1 S. 1 AktG den Vorteil eines sich auch auf die Stimmrechtsausübung erstreckenden Anwendungsbereichs294. Dafür wird der Haftungstatbestand durch weiterreichende Vorsatzanforderungen 295 und insbesondere das Erfordernis der Sittenwidrigkeit, die sich aus einer Gesamtbetrachtung des Gesellschafterverhaltens nach Inhalt, Motiv und Zweck ergeben muß 296 , entscheidend eingeschränkt. Da der Gesellschafter Kenntnis oder zumindest grob fahrlässige Unkenntnis von der
288
B G H v. 23.10.1979 M D R 1980, 300. Ziemons, Haftung, S. 187. 2,0 Kropff, in: Geßler/Hefermehl § 117 Rn. 44; H Uff er, AktG § 117 Rn. 14. 291 Ziemons, Haftung, S. 204. 292 Dazu näher Mertens, FS R. Fischer, S. 461, 468 und ders., AcP 178 (1978), I I I , 243f. 293 Dazu 4. Kap. § 2 C IV 2. 2,4 Dazu nur B G H v. 14.12.1959 B G H Z 31, 258, 265 und 278 f.; H a c h e n b u r g / H ü f f e r , § 47 Rn. 196; Zöllner, Stimmrechtsmacht, S. 426; KK/Mertens, § 117 Rn. 30. 295 Im Rahmen des § 826 BGB muß sich der Vorsatz auch auf Richtung und Art des Schadens beziehen. Bei Risikogeschäften fehlt es an einem Schädigungsvorsatz, wenn der Gesellschafter auf einen positiven Ausgang vertraut hat (vgl. dazu Ziemons, Haftung, S. 211). 296 Ziemons, Haftung, S. 207. 289
§2
Relevante
Haftungstatbestände
389
Sittenwidrigkeit haben muß 297 , liegt kein Sittenverstoß vor, wenn der Gesellschafter nicht wenigstens leichtfertig von seiner (gesellschaftsrechtlichen) Handlungsberechtigung überzeugt war 298 . Auch Verstöße gegen die gesellschaftsrechtliche Kompetenzordnung oder die Verfolgung eigener Interessen auf Kosten der Gesellschaft sind für sich genommen grundsätzlich nicht sittenwidrig. Etwas anderes kann nur gelten, wenn der Unternehmergesellschafter in grober Weise gegen die Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft verstößt, indem er etwa die Verfolgung des Gesellschaftszwecks durch den dauerhaften Entzug des hierzu erforderlichen Kapitals verhindert und damit zugleich die Existenz der Gesellschaft gefährdet 299 .
§ 830 Abs. 2 BGB Für den sich mit der Rolle eines Hintermanns begnügenden Unternehmergesellschafter mag schließlich noch die Haftung als Teilnehmer etwa an einer Untreue des Geschäftsführers 300 Bedeutung gewinnen. Hier ist allerdings fraglich, ob den für die Teilnehmerhaftung von Gesellschaftern besonders bedeutsamen Organhaftungstatbeständen überhaupt der Charakter von Schutzgesetzen zugunsten der Gesellschaft beigemessen werden kann 301 . Zum anderen besteht die herrschende Meinung mit Recht auch für die zivilrechtliche Teilnahmelehre auf dem Erfordernis des Doppelvorsatzes 302 .
297 Die subjektiven Anforderungen unterhalb des Vorsatzes sind umstritten: vgl. nur BGH v. 27.1.1994 LM § 826 (B) BGB Nr. 14 (bewußtes Sich-Verschließen) und BGH v. 9.7.1953 BGHZ 10, 228, 233 (grob fahrlässiges Sich-Verschließen). 298 BGH v. 22.6.1992 NJW 1992, 3167, 3174; Ziemons, Haftung, S. 207 und 209f.; allgemein auch RG v. 24.6.1937 RGZ 155, 234, 238. 299 So auch Zöllner, Stimmrechtsmacht, S. 301, 426f.; Ziemons, Haftung, S. 208f.; zum sittenwidrigen Rechtsmißbrauch allgemein MünchKommBGB/Aferteras, § 826 Rn. 4. 300 Scholz/Tiedemann, Vor §§ 82ff. Rn. 25; Gribbohm, ZGR 1990, 1, 22; Ziemons, Haftung, S. 202 f. 301 Befürwortend etwa Stein, Das faktische Organ, S. 157ff.; verneinend etwa Reiner, Fremdsteuerung, S. 194; für eine Ausdehnung der Außenwirkung von Geschäftsführerpflichten auch Ehricke, ZGR 2000, 351, 364ff., der sich dann allerdings lediglich für eine Innenhaftung gegenüber der Gesellschaft ausspricht. 302 Dazu näher 4. Kap. § 2 C IV 2b bb; vgl. hier nur zum Diskussionsstand Ehricke, ZGR 2000, 351, 356ff.
390
4. Kapitel:
Haftungsrelevanz
B. Haftung des gegenüber den I. Die einzelnen
der
Unternehmergesellschafterstellung
Unternehmergesellschafters Mitgesellschaftern Haftungstatbestände
1. Haftung wegen positiver Verletzung von Treuepflichten
mitgliedschaftlichen
Die haftungsbegründende Funktion der sich aus der mitgliedschaftlichen Sonderbeziehung zur Gesellschaft und den Mitgesellschaftern ergebenden Treuepflichten wurde bereits ebenso dargelegt wie die Bündelung und Ausrichtung der den einzelnen Mitgesellschaftern gegenüber bestehenden gesellschaftszweckbezogenen Verhaltenspflichten auf die Gesellschaft 303 . Da danach auch die Schadensersatzansprüche wegen einer gesellschaftszweckbezogenen Treuepflichtverletzung nur der Gesellschaft zustehen und von einzelnen Gesellschaftern allenfalls im Wege der actio pro socio geltend gemacht werden können 304 , verbleibt der Haftung gegenüber den Mitgesellschaftern nur ein geringer Anwendungsbereich. Ersatzberechtigt sind die Mitgesellschafter im Ergebnis nämlich nur, wenn sie einen unmittelbaren persönlichen Schaden erlitten haben (vgl. auch § 117 Abs. 1 S. 2 und § 317 Abs. 1 S. 2 AktG) 305 . Hinzu kommt, daß der Ersatzanspruch von Mitgesellschaftern durch Einwilligung insbesondere im Falle ihrer Mitwirkung an einem schädigenden Gesellschafterbeschluß ausgeschlossen oder wegen Mitverschuldens insbesondere im Falle unterlassener Beschlußanfechtung gemindert sein kann 306 .
2. Deliktische
Haftung
Bei schädlicher Einflußnahme auf die Verwaltung einer Aktiengesellschaft i.S.v. § 117 Abs. 1 S. 1 AktG ist der Unternehmergesellschafter nach § 117 Abs. 1 S. 2 AktG auch den Aktionären gegenüber zum Ersatz derjenigen persönlichen Schäden verpflichtet, die über die durch die Schädigung der Gesellschaft bedingte Wertminderung des Gesellschaftsanteils (sog. Anteilsschaden) hinausgehen (sog. Direktschäden) 307 . Dazu 2. Kap. § 1 C I 2b und 4. Kap. § 2 A IV le. Siehe dazu 4. Kap. § 2 A IV 4. 305 Scholz/Winter, § 14 Rn. 62 m.w.N.; Ziemons, Haftung, S. 153 f.; für den Ersatzanspruch bei verdeckten Gewinnausschüttungen auch Fiume, ZHR 144 (1980), 18, 33; zu den unmittelbaren persönlichen Schäden von Mitgesellschaftern siehe sogleich unter II. 306 Ziemons, Haftung, S. 146f. und 172; Hachenburg///«//er, § 47 Rn. 184; für einen Ausschluß der Schadensersatzhaftung nach Ablauf der Anfechtungsfrist sogar M. Winter, Treuebindungen, S. 323. 307 Zu diesen Direktschäden siehe allgemein sogleich unter II; zum Haftungstatbestand des § 117 Abs. 1 S. 1 AktG näher 4. Kap. § 2 AVI lb. 303 304
52
Relevante
Haftungstatbestände
391
Im Rahmen von § 823 Abs. 1 BGB käme eine Haftung des Unternehmergesellschafters für die bei den Mitgesellschaftern durch sein Verhalten eintretenden Schäden insbesondere dann in Betracht, wenn das Mitgliedschaftsrecht auch gegenüber einem Mitgesellschafter als sonstiges absolutes Recht i.S.d. § 823 Abs. 1 BGB anzusehen wäre 308 . Die Mitgliedschaft in einem Verband wird zwar nahezu allgemein als sonstiges Recht i.S.v. § 823 Abs. 1 BGB anerkannt 309 und teilweise hieraus auch ein deliktischer Schutz der Mitgliedschaft im Innenverhältnis gegenüber Verbandsorganen und anderen Verbandsmitgliedern abgeleitet 310 . Nach zutreffender Ansicht ist das Mitgliedschaftsrecht jedoch nur gegenüber einem der Gesellschaft völlig fremden Dritten als absolutes Recht geschützt (sog. verbandsexterner deliktischer Schutz) 311 , da die Mitgliedschaftsrechte verbandsintern anders als etwa das Eigentumsrecht nicht absolut feststehen, sondern weitgehend erst durch den Gesellschaftsvertrag bestimmt und speziell durch die Mechanismen des Gesellschaftsrechts geschützt werden 312 . Auch vom Ergebnis her vermag die Ausweitung der deliktsrechtlichen Haftung im Bereich der verbandsinternen Sonderrechtsverhältnisse nicht zu überzeugen, was sich insbesondere auch an dem Bemühen ihrer Befürworter zeigt, die allgemeinen deliktischen Grundsätze durch gesellschaftsrechtliche Wertungen zu überlagern 313 . Nach der Gegenauffassung ist zudem noch ungeklärt, wann ein relevanter Eingriff in das Mitgliedschaftsrecht durch Mitgesellschafter vorliegen soll 314 . Teilweise wird gefordert, daß das Mitgliedschaftsrecht in seinem rechtlichen Bestand durch vollständigen oder teilweisen Entzug betroffen sein müsse 315 und teilweise wird es als ausreichend betrachtet, wenn der Mitgesellschafter den durch Gesetz und Satzung ausgeformten Zuweisungsgehalt bzw. das Substrat des Mitgliedschaftsrechts dadurch beeinträchtigt, daß er die in der Mitgliedschaft zusammengefaßten Herrschafts-, Teilhabe- und Vermögens-
Dazu insbesondere Habersack, Mitgliedschaft, S. 201 und passim. Dazu nur BGH v. 12.3.1990 BGHZ 110, 323, 327; Habersack, Mitgliedschaft, S. 139ff.; Wiedemann, Übertragung, S. 39; Grunewald, Gesellschafterklage, S. 99; K. Schmidt, JZ 1991, 157, 158; Baums, Geschäftsleitervertrag, S. 246; krit. Hadding, FS Kellermann, S. 103 ff.; zum Problem der fehlenden sozialtypischen Offenkundigkeit einerseits MünchKommBGBAWertens, § 823 Rn. 152 und andererseits Staudinger/Hager, § 823 B Rn. 141. 310 BGH v. 12.3.1990 BGHZ 110, 323, 327 und 334f.; eingehend Habersack, Mitgliedschaft, S. 175ff.; Mertens, FS R. Fischer, S. 461, 468ff.; KK/Mertens, § 93 Rn. 173; K. Schmidt, JZ 1991, 157, 158 f. 311 Vgl. dazu etwa den Fall RG v. 26.11.1920 RGZ 100, 274, 278. 312 Dazu nur Wiedemann, Übertragung, S. 39; ders., Gesellschaftsrecht Bd. 1, S. 464; Zöllner, ZGR 1988, 392, 430; Grunewald, Gesellschafterklage, S. 100; M. Winter, Treuebindungen, S. 54 ff.; auf Parallelen zum Problem der fehlenden sozialtypischen Offenkundigkeit verweist mit Recht H u f f er, ZHR 161 (1997), 867, 869 f. 313 Siehe dazu etwa die gesellschaftsrechtlich bedingten Einschränkungen bei BGH v. 12.3.1990 BGHZ 110, 323, 335; Habersack, Mitgliedschaft, S. 225ff. und Mertens, FS R. Fischer, S. 461, 469 ff. 308
309
392
4. Kapitel: Haftungsrelevanz
der
Unternehmergesellschafterstellung
Zuständigkeiten beseitigt oder verkürzt 316 . Lediglich Eingriffe in Rechte der Gesellschaft bzw. das Gesellschaftsvermögen 317 und die Beeinträchtigung einzelner von der Mitgliedschaft ablösbarer Mitgliedschaftsinteressen 318 wären danach vom deliktischen Rechtsschutz ausgenommen. Erfaßt wären hingegen nicht nur die rechtswidrige Entzug der Mitgliedschaft, sondern auch deren rechtliche oder faktische Veränderung etwa durch Umstrukturierungen oder materiell satzungsändernde Geschäftsführungsmaßnahmen und Beeinträchtigungen etwa durch einen Bezugsrechtsausschluß sowie Wertminderungen des Gesellschaftsanteils, die nicht lediglich auf der Schmälerung des Gesellschaftsvermögens beruhten 319 . Insoweit bestünde dann auch ein für die innergesellschaftliche Kompetenzordnung nicht unproblematischer deliktsrechtlicher Unterlassungsanspruch, sofern nicht bei Eingriffen in Beschlußform eine Anfechtungsmöglichkeit gegeben ist 320 . § 823 Abs. 2 B G B erlangt für die deliktische Haftung des Unternehmergesellschafters gegenüber den Mitgesellschaftern insofern eine Bedeutung, als den Straftatbeständen der §§ 399 Abs. 1 Nr. 4, 400 AktG 3 2 1 sowie den Mitteilungspflichten der §§ 20f. AktG 3 2 2 und §§ 21 ff. WpHG 3 2 3 die Eigenschaft eines Gesetzes zum Schutz der (Mit)Gesellschafter zugesprochen wird. Die bedeutsamen Bestimmungen der §§ 43 G m b H G , 64 Abs. 1 G m b H G , 92 A k t G
314 Offengelassen in BGH v. 12.3.1990 BGHZ 110, 323, 334; eingehend Habersack, Mitgliedschaft, S. 151 ff. 315 RG v. 21.9.1938 RGZ 158, 248, 255; als Beispiel für den rechtswidrigen Entzug der Mitgliedschaft siehe etwa den Fall B G H v. 6.2.1984 BGHZ 90, 92; zum Entzug einzelner Mitgliedschaftsrechte siehe etwa die Beispiele bei Löwisch, Deliktsschutz, S. 79. 316 Mertens, FS R. Fischer, S. 461,469; KK/Mertens, § 93 Rn. 172; K. Schmidt, JZ 1991,157, 159; Baums, Geschäftsleitervertrag, S. 246. 317 Zu deren Ausgrenzung RG v. 21.9.1938 RGZ 158, 248, 355; K. Schmidt, JZ 1991, 157, 159 (organisationsrechtlicher Charakter des Eingriffs); Löwisch, Deliktsschutz, S. 79 f. (allerdings ohne spezifischen Bezug auf das Innenverhältnis); im Ergebnis auch Habersack, Mitgliedschaft, S. 154 ff.; a.A. Baums, Geschäftsleitervertrag, S. 246 mit Fn. 54 (Einbeziehung von Eingriffen in das Gesellschaftsvermögen). 318 Zur Ausgrenzung siehe insoweit insbesondere K. Schmidt, JZ 1991, 157, 159f. und Habersack, Mitgliedschaft, S. 272f. und die damit jeweils insoweit verbundene Kritik an BGH v. 12.3.1990 BGHZ 110, 323, 334. 3,9 Mertens, FS R. Fischer, S. 461, 468ff. mit weiteren Ausführungen zum Beispiel eines Verstoßes gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz bei der Zuteilung neuer Aktien; ders., AG 1978, 309f. (Ausgliederung eines Betriebsteils); Baums, Geschäftsleitervertrag, S. 246 mit Fn. 54 (Wertbeeinträchtigungen mit Ausnahme des bloßen Anteilsschadens); K. Schmidt, JZ 1991, 157, 159. 320 Mertens, FS R. Fischer, S. 461, 469 und 471; Habersack, Mitgliedschaft, S. 5f. 321 BGH v. 11.7.1988 BB 1988, 1983, 1984; RG v. 5.3.1938 RGZ 157, 213, 216. 322 Siehe nur KK/Koppensteiner, § 20 Rn. 59; Wiedemann, Minderheitenschutz, S. 61; zu den entsprechenden Tatbeständen 2. Kap. § 3 A IV 2b aa. 323 U.H. Schneider, in: Assmann/Schneider WpHG § 28 Rn. 54; zu den entsprechenden Tatbeständen 2. Kap. § 3 A IV 2b aa.
5 2
Relevante
Haftungstatbestände
393
und 93 A k t G werden jedoch allgemein nicht als solche angesehen 324 . Wie bereits im Zusammenhang mit der Haftung gegenüber der Gesellschaft erwähnt, sind zwar auch Verkehrspflichten des Unternehmergesellschafters zum Schutz des Vermögens der Mitgesellschafter als Schutzgesetze i.S.v. § 823 Abs. 2 B G B vorstellbar 325 , doch erlangen diese allgemeinen Verhaltensanforderungen neben den aus dem Sonderrechtsverhältnis der Mitgliedschaft abgeleiteten Treuepflichten keine eigenständige Bedeutung. Auch der drittschützende § 266 StGB kommt in Ermangelung einer Pflicht des Unternehmergesellschafters, die gesellschaftsbezogenen Vermögensinteressen seiner Mitgesellschafter wahrzunehmen, nicht für eine durch § 823 Abs. 2 B G B vermittelte Haftung gegenüber den Mitgesellschaftern in Betracht 326 . Schließlich soll noch die Möglichkeit einer Haftung wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung von Mitgesellschaftern nach § 826 B G B erwähnt werden 327 . Die Vorschrift erlangt eine besondere Bedeutung, wenn Mitgesellschafter durch einen Beschluß geschädigt werden, der durch ein Abstimmungsverhalten zustande kam, das von eigensüchtigen Motiven und der Hintansetzung der Interessen der Gesellschaft geprägt war 328 . Hier kann es sogar bereits dann zu einer deliktischen Haftung kommen, wenn die die Mehrheit bzw. Sperrminorität bildenden Gesellschafter ein nicht erforderliches oder unverhältnismäßiges Mittel zur Erreichung ihrer Ziele wählen 329 .
II. Geltendmachung
von Ersatzansprüchen durch Mitgesellschafter
Die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen durch Mitgesellschafter sieht sich nicht nur mit dem Wunsch nach einem vorrangigen Ausgleich von Schädigungen der Gesellschaft im Gesellschaftsvermögen, sondern auch dem berechtigten Anliegen des schädigenden Gesellschafters nach Vermeidung einer doppelten Inanspruchnahme durch die Gesellschaft und den Mitgesellschafter konfrontiert (sog. Problem des Doppelschadens). Es ist je324 Dazu nur m.w.N. Scholz/ U.H. Schneider, § 43 Rn. 211; Scholz/K. Schmidt, § 43 Rn. 37; Großkomm.AktG/Hopt, § 92 Rn. 71 und § 93 Rn. 469. 325 Siehe dazu näher im Zusammenhang mit der Haftung gegenüber Gesellschaftsgläubigern 4. Kap. § 2 C IV; vgl. hier nur Mertens, FS R. Fischer, S. 461, 472 (Konkretisierung der Verhaltenspflichten in Anlehnung an das Konzernrecht); krit. dazu im Zusammenhang mit Ansprüchen der Mitgesellschafter bei verdeckter Gewinnausschüttung Flume, Z H R 144 (1980), 18, 33 mit Fn. 58. 326 Dazu bereits 4. Kap. § 1 A II 6b. 327 Siehe zur generellen Ausweitung dieses Haftungstatbestands 4. Kap. § 2 C IV l b sowie speziell zur Haftung gegenüber Mitgesellschaftern Staudinger/Oecfo/er, § 826 Rn. 283 ff. und MünchKommBGB¡Mertens, § 826 Rn. 73. 328 R G v. 22.6.1923 R G Z 107, 72, 74 ff. (Kapitalerhöhung mit Bezugsrechtsausschluß); R G v. 20.10.1923 R G Z 107, 202, 204 f. 329 B G H v. 20.3.1995 B G H Z 129, 136, 172ff.; siehe auch bereits R G v. 22.6.1923 R G Z 107, 72, 75; R G v. 31.3.1931 R G Z 132, 149, 163.
394
4. Kapitel: Haftungsrelevanz
der
Unternebmergesellscbafterstellung
doch unbestritten, daß der Mitgesellschafter denjenigen Schaden ersetzt verlangen kann, der ihm persönlich entstanden ist und über den lediglich durch die Schädigung des Gesellschaftsvermögens bedingten Wertverlust seines Gesellschaftsanteils hinausgeht 330 . Zu diesen sog. Direktschäden gehören zunächst diejenigen Vermögenseinbußen, die die Mitgesellschafter durch eine Beeinträchtigung ihrer Mitgliedschaftsrechte etwa im Zusammenhang mit der Gewinnverteilung oder einem Bezugsrechtsausschluß erleiden 331 . Eine weitere Gruppe möglicher Direktschäden bilden der Ausfall von Forderungen gegen die Gesellschaft oder die Inanspruchnahme aus Sicherungsgeschäften zugunsten von Gläubigern der Gesellschaft im Falle eines schuldhaft herbeigeführten Zusammenbruchs der Gesellschaft 332 . Der Mitgesellschafter muß insoweit aber gerade in seiner Eigenschaft als Gesellschafter und nicht etwa als bloßer Lieferant oder Abnehmer der Gesellschaft betroffen sein. Nicht ersatzfähig sind daher Schäden, die auf einer Beeinträchtigung von weder gesellschafts- noch mitgliedschaftsbezogenen Vermögensinteressen des Gesellschafters beruhen 333 . Beispielsweise bei einem Sanierungsdarlehen ist allerdings davon auszugehen, daß die Gläubigerstellung auf dem Gesellschaftsverhältnis beruht 334 . Schließlich kommen an die Gesellschaft bzw. deren Gläubiger geleistete Ausgleichszahlungen, besondere über den Anteilsschaden hinausgehende Wertverluste des Gesellschaftsanteils oder der durch eine Verlautbarung der Verwaltung verursachte Verkauf des Gesellschaftsanteils unter Wert als Direktschäden in Frage 335 . Zur Geltendmachung des bloßen Anteilsschadens sollte der Mitgesellschafter in Analogie zu den gesetzlich geregelten Fällen der § § 1 1 7 Abs. 1 S. 2 und 317 Abs. 1 S. 2 A k t G hingegen grundsätzlich auch dann nicht berechtigt sein, wenn er lediglich Zahlung an die Gesellschaft verlangt 336 . Es wäre insoweit zunächst dogmatisch verfehlt, in einer Ersatzleistung des Schädigers an die Gesellschaft eine Naturalrestitution des dem Mitgesellschafter entstandenen reinen Anteilsschadens zu erblicken und diesem hierauf einen Anspruch
330 BGH v. 11.7.1988 BGHZ 105, 121, 130f.; Baums, Geschäftsleitervertrag, S. 228ff.; v. Godin, AcP 141 (1935), 212, 223 (mit Einschränkungen unter dem Gesichtspunkt der Adäquanz und der Vorhersehbarkeit). 331 Siehe dazu auch Zöllner, Stimmrechtsmacht, S. 296. 332 Dazu etwa BGH v. 4.3.1985 BGHZ 94, 55, 58f. 333 BGH v. 22.6.1992 NJW 1992, 3167, 3172; BGH v. 4.3.1985 BGHZ 94, 55, 59; KK/Mertens, §117 Rn. 20. 334 BGH v. 4.3.1985 BGHZ 94, 55, 59; KK/Mertens, § 117 Rn. 117 Rn. 20. 335 BGH v. 10.11.1986 AG 1987,126,128 (Ausgleichszahlungen); Kropff, in: Geßler/Hefermehl § 117 Rn. 38. 336 Wie hier G. Müller, FS Kellermann, S. 317, 329ff.; Ziemons, Haftung, S. 153 f.; a.A. B G H v. 10.11.1986 AG 1987, 126, 128; BGH v. 11.7.1988 BGHZ 105, 121, 130f.; B G H v. 10.11.1986 WM 1987,13, 16; BGH v. 29.6.1987 WM 1987, 1193, 1194; siehe auch bereits BGH v. 5.6.1975 BGHZ 65, 15, 21; Mertens, FS R. Fischer, S. 461, 474 f.; Brandes, FS Fleck, S. 13, 15 ff.
5 2
Relevante
Haftungstatbestände
395
einzuräumen 3 3 7 . Denn einerseits würde eine Ersatzleistung des Schädigers in H ö h e des dem Gesellschaftsvermögen entstandenen Schadens den G r u n d für das Entstehen des reinen Anteilsschadens zwar wieder beseitigen, doch stünde hierauf dem lediglich zu einem Bruchteil geschädigten Mitgesellschafter kein Anspruch zu 3 3 8 . Andererseits würde eine Zahlung des Ausgleichbetrags für den dem Gesellschafter entstandenen reinen Anteilsschaden in das Gesellschaftsvermögen den dort entstandenen Schaden und damit auch den Anteilsschaden nur zu einem Bruchteil ausgleichen. Würde man schließlich dem Mitgesellschafter zunächst einen Anspruch auf Leistung an sich zubilligen, müßte sich die Gesellschaft später zur Vermeidung der doppelten Inanspruchnahme des Schädigers eine entsprechende Minderung ihres Ersatzanspruchs gefallen lassen und der bereits befriedigte Gesellschafter von dem durch die Ersatzleistung bedingten Wertzuwachs ausgeschlossen werden. Dies würde nicht nur das Gesellschaftsvermögen auf Kosten Dritter schmälern 3 3 9 , sondern dürfte auch ebensowenig praktikabel sein wie eine Kondiktion des an den Gesellschafter geleisteten Ersatzes durch den Schädiger. Der Anspruchsverlust des Mitgesellschafters hinsichtlich seines Anteilsschadens sollte jedoch auf die Fälle eines drohenden Wettlaufs in der Anspruchstellung mit der Gesellschaft und der Gefahr einer doppelten Inanspruchnahme des Schädigers beschränkt bleiben 340 . Kann oder will die Gesellschaft den ihr zustehenden Ersatzanspruch nicht mehr geltend machen, müßte der Gesellschafter auch die Möglichkeit haben, den Ausgleich des eigenen Anteilsschadens durch Leistung an sich zu verlangen 341 . Diese L ö s u n g hätte für ihn zwar den Nachteil, daß er hierzu gegebenenfalls nach bereits erfolgter Geltendmachung seines Direktschadens einen erneuten Prozeß führen müßte, doch dürfte es hierzu ohnehin nur sehr selten kommen. Die darüber hinaus dem Schädiger drohende Inanspruchnahme durch weitere aufgrund desselben Verhaltens Geschädigte könnte dieser stets durch eine Ersatzlei-
So aber Baums, Geschäftsleitervertrag, S. 2X7iL und ders., Z G R 1987, 554ff. So auch Grunewald, Gesellschafterklage, S. 78 f.; G. Müller, FS Kellermann, S. 317, 334; auch eine Drittschadensliquidation (so generell Kowalski, Ersatz, S. 152ff.) kommt hier hinsichtlich des den eigenen Anteilsschaden übersteigenden Betrags nicht in Betracht, da der G e sellschafter einen eigenen Schaden, den Anteilsschaden, erlitten hat und die Gesellschaft ebenfalls über einen Anspruch verfügt. 339 Siehe dazu auch Mertens, FS R. Fischer, S. 461, 474f. 340 Dies entspricht auch den Motiven des Gesetzgebers zu den § § 1 1 7 Abs. 1 S. 2 und 317 Abs. 1 S. 2 A k t G ; vgl. dazu Kropff, Aktiengesetz, S. 163 und 419 sowie Kropff, in: Geßler/Hefermehl § 117 Rn. 38. 341 S o früher auch die Rechtsprechung; vgl. R G v. 5.3.1938 R G Z 157, 213, 218ff.; B G H v. 24.1.1967 W M 1967, 287, 288; B G H v. 23.6.1969 W M 1969, 1081, 1082; mit Einschränkungen Brandes, F S Fleck, S. 13, 19f.; krit. G. Müller, FS Kellermann, S. 317, 326f.; a.A. B G H v. 20.3.1995 B G H Z 129, 136, 165f. (Anspruch auf Zahlung lediglich an die Gesellschaft auch dann, wenn der Gesellschaft gar kein Anspruch zusteht). 3,7
338
396
4. Kapitel:
Haftungsrelevanz
der
Unternehmergesellschafterstellung
stung in das Gesellschaftsvermögen abwenden, so daß er insoweit keinen Schutz verdient.
C. Eigenhaftung
des gegenüber
Unternehmergesellschafters Dritten
In diesem Abschnitt geht es um die persönliche Haftung des Unternehmergesellschafters gegenüber Dritten aufgrund einer Schuld, die der Gesellschafter ohne Rückgriff auf eine gesellschaftsrechtliche Zurechnung in seiner Person durch die Verwirklichung eines allgemeinen zivilrechtlichen Haftungstatbestandes vielfach neben der Gesellschaft durch sein eigenes unternehmerisches Handeln begründet hat. Im Gegensatz zu der sogleich noch näher zu behandelnden gesellschaftsrechtlichen Durchgriffshaftung i.e.S. handelt es sich mithin nicht um eine spezifisch auf der Gesellschafterstellung beruhende Haftung für fremde Schuld (Haftungserstreckung), sondern vielmehr um eine auf allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen beruhende Haftung für eigene Schuld des Gesellschafters (Eigenhaftung) 342 . Rechtlich wird das Trennungsprinzip durch die Tatbestände der Eigenhaftung daher nicht durchbrochen; es wird von ihnen sogar gerade vorausgesetzt. Dies bedeutet allerdings nicht, daß nicht auch die bürgerlich-rechtlichen Haftungstatbestände im gesellschaftsrechtlichen Bereich an Verhaltensweisen und Erklärungen anknüpfen, die in einem engen Zusammenhang mit der Gesellschafterstellung des Haftenden und einer etwaigen Handlungs-, Interessen- und Vermögensgemeinschaft mit der Gesellschaft stehen. Außerdem können auch zwischen der Verpflichtung des Gesellschafters und der Gesellschafterstellung bzw. einer Schuld der Gesellschaft verschiedene rechtliche Verbindungen etwa in Form einer Bedingung, Geschäftsgrundlage, Akzessorietät oder Gesamtschuld vorhanden sein. Auf diese Weise kommt es in der Praxis immer wieder zu einer Verwischung der auf den ersten Blick dogmatisch klar geschiedenen Bereiche von bürgerlich-rechtlicher Eigen- und gesellschaftsrechtlicher Durchgriffshaftung 343 . Dies darf jedoch auch nicht im Grenzbereich dazu verleiten, eine Austauschbarkeit beider Haftungslösungen zu propagieren, da hierdurch der Vorrang der durch Gesetz und Rechtsprechung in Tatbestand und Rechtsfolgen ausgebildeten Eigenhaftung sowie der Unterschied von Schuld und Haftung verkannt werden würde. Die einzelnen Haftungstatbestände können an dieser Stelle nicht umfassend in ihrer Bedeutung für das Gesellschaftsrecht behandelt werden. Es kann vielmehr nur um die zahlreichen Besonderheiten ihrer Anwendung auf Unternehmergesellschafter gehen. Dabei spielen insbesondere die Gesichts342 343
Siehe zu dieser Differenzierung nur B G H v. 14.12.1959 B G H Z 31, 258, 271. So zutreffend Hachenburg/Afertercs, Anh § 13 Rn. 2.
5 2
Relevante
Haftungstatbestände
397
punkte des eigenen wirtschaftlichen und persönlichen Interesses des Gesellschafters an den Geschäften der Gesellschaft und seine Einflußmöglichkeiten auf die Gesellschaft in verschiedener Hinsicht eine maßgebliche Rolle. I. 1.
Vertragshaftung
Bürgschaftsvertrag
Durch den Bürgschaftsvertrag verpflichtet sich der Unternehmergesellschafter gegenüber dem Gläubiger der Gesellschaft, für die Erfüllung der Verbindlichkeit der Gesellschaft einzustehen (vgl. § 765 Abs. 1 B G B ) . Die Bürgschaftserklärung eines Unternehmergesellschafters bedarf dabei aufgrund der insoweit gegebenen Kaufmannsähnlichkeit dieses Gesellschaftertyps nicht der Schriftform des § 766 BGB 3 4 4 . Die Akzeptanz formloser Bürgschaftserklärungen ermöglicht die Einbeziehung konkludenter und ausdrücklich subsidiärer Einstandsverpflichtungen eines Unternehmergesellschafters in den Bereich der vertraglichen Eigenhaftung 345 . Dies entbindet jedoch nicht davon, die Voraussetzungen einer dem Bestimmtheitsgrundsatz gerecht werdenden Bürgschaftserklärung genau zu prüfen und allgemeine Beschwichtigungen des Unternehmergesellschafters in Krisensituationen aus dem Anwendungsbereich der §§ 765ff. B G B auszuscheiden346. Auch der Umfang einer auf bestimmte Garantiefälle beschränkten Bürgschaft erweitert sich nicht etwa konkludent dadurch zu einer unbeschränkten Bürgschaft, daß der Gesellschafter zum alleinigen natürlichen Gesellschafter einer GmbH & Co. K G wird 347 . Tritt ein Bürge für Verbindlichkeiten der Gesellschaft in diese als persönlich haftender Gesellschafter ein, bleibt die Bürgschaft bestehen, kann jedoch angesichts der nunmehr nach § 128 H G B gegebenen Gesellschafterhaftung gekündigt werden348. Scheidet ein Unternehmergesellschafter, der sich für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft global verbürgt hat, aus der Gesellschaft aus, kann er den Bürgschaftsvertrag in Ermangelung anderweitiger Vereinbarungen zwar nur aus wichtigem Grund mit einer die Interessen des Sicherungsnehmers angemessen berücksichtigenden Frist und nur im Hinblick auf die künftig entstehenden Verbindlichkeiten der Gesellschaft kündigen, doch bildet sein Ausscheiden regelmäßig einen solchen wichtigen Grund für die
Dazu näher 3. Kap. § 2 A II 5. Vgl. dazu etwa den Fall B G H v. 12.5.1986 WM 1986, 939, 940, in dem der Alleingesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH erklärt hatte, für den Verlust der GmbH aufzukommen und für ihn persönlich einzustehen, wenn irgendetwas nicht klargehe. 346 Zum Bestimmheitserfordernis der Bürgschaft siehe nur MünchKommBGB/Habersack § 765 Rn. 68 ff.; K. Schmidt, ZIP 1986, 1510, 1516. 347 So im Ergebnis auch B G H v. 6.6.1977 G m b H R 1978, 171, 172. 348 B G H v. 22.5.1986 N J W 1986, 2308f.; Staudinger /Horn, Vor §§ 765 ff. Rn. 113. 344
345
398
4. Kapitel: Haftungsrelevanz
der
Unternehmergesellschafterstellung
Kündigung des Dauerschuldverhältnisses 349 bzw. den Wegfall der Geschäftsgrundlage des Bürgschaftsvertrages 350 . Es ist nämlich grundsätzlich anzunehmen, daß die unternehmerische Gesellschafterstellung Anlaß für die Bürgschaftserklärung gewesen ist. Demgegenüber wird ein bloßer Rückzug aus der unternehmerischen Leitung der Gesellschaft unter Aufrechterhaltung einer kapitalistischen Beteiligung grundsätzlich nicht zu einer Lösung vom Bürgschaftsvertrag berechtigen.
2.
Schuldbeitritt
In dem gegebenenfalls formlos 351 und konkludent zu schließenden Vertrag des Schuldbeitritts verpflichtet sich der mitübernehmende Unternehmergesellschafter gegenüber dem Gläubiger der Gesellschaft, neben dieser für deren Schuld dem Gläubger gesamtschuldnerisch mitzuhaften 352 . Probleme bereitet dabei seit jeher die Abgrenzung des nicht akzessorischen und typischerweise nicht subsidiären Schuldbeitritts von der (selbstschuldnerischen) Bürgschaft. Der Wortlaut der Verpflichtungserklärung bildet hierfür lediglich ein, wenn auch vorrangiges Indiz 353 . Maßgebliches Kriterium für die Vereinbarung des weitreichenderen Schuldbeitritts ist vielmehr, insbesondere bei mehrdeutigen Erklärungen, daß zweifelsfrei ein eigenes wirtschaftliches oder rechtliches Interesse des sich verpflichtenden Gesellschafters festgestellt werden kann 354 . Während man hierzu früher auf ein unmittelbares Interesse an den Leistungen aus dem Hauptvertrag abgestellt und etwa die Wahrnehmung eigener Vermögensangelegenheiten durch den Beitretenden gefordert hat 355 , begnügt sich der Bundesgerichtshof nunmehr mit einem Interesse des Beitretenden an der Tilgung der Erstschuld, das etwa in der Abwendung einer den eigenen wirtschaftlichen Ruf schädigenden Insolvenz liegen kann 356 . Für die Annahme eines Schuldbeitritts ist es dabei ausreichend, wenn der Erklärungs349 BGH v. 10.6.1985 ZIP 1985, 1192, 1193; BGH v. 4.7.1985 WM 1985, 969, 970; Staudinger¡Horn, Vor §§ 765 ff. Rn. 116. 350 Dazu Staudinger/Horn, Vor §§ 765 ff. Rn. 116, der allerdings auch bei Wegfall der Geschäftsgrundlage (nunmehr § 313 BGB n.F.) eine Mitteilung gegenüber dem Gläubiger verlangt. 351 Zur fehlenden Formbedürftigkeit der Übernahme der Mithaftung für eine betriebsbezogene Kreditverbindlichkeit siehe näher 3. Kap. § 2 B I. 352 Vgl. zum Schuldbeitritt allgemein Staudinger/Z/orrc, Vor §§ 765 ff. Rn. 363 ff. m.w.N. 353 BGH v. 7.7.1976 BB 1976, 1431; Staudinger/Hom, Vor §§ 765 ff. Rn. 367 m.w.N. 354 RG v. 5.6.1930 JW 1930, 3478; BGH v. 7.7.1976 BB 1976, 1431 (selbst dann könne bei entsprechenden Gegenindizien wie insbesondere der ausdrücklichen Bezeichnung immer noch eine Bürgschaft gegeben sein); BGH v. 19.9.1985 NJW 1986, 580; Staudinger /Horn, Vor §§ 765 ff. Rn. 365; MünchKommBGB! Habersack Vor 765 Rn. 11. 355 Dazu allgemein RG v. 3.5.1909 RGZ 71, 113, 118; für den Schuldbeitritt von Gesellschaftern RG 5.6.1930 JW 1930, 3478 und BGH v. 7.7.1976 BB 1976, 1431; für den Schuldbeitritt des herrschenden Unternehmens Winterfeld, NJW 1949, 92, 93. 356 BGH v. 19.9.1985 NJW 1986, 580; krit. StaudingerAfiorrc, Vor §§ 765 ff. Rn. 367.
52
Relevante
Haftungstatbestände
399
empfänger davon ausgehen durfte, daß ein derartiges eigenes Interesse des Beitretenden bestand, weil er diesen etwa aus guten Gründen für den den „Macher der ganzen Sache" gehalten hat 357 . Sofern daher nicht gewichtige Indizien wie etwa die Bezeichnung der Interzessionserklärung als „Bürgschaft" oder der zum Ausdruck gekommene Wunsch nach einer subsidiären Haftung gegen einen Schuldbeitritt des U n ternehmergesellschafters sprechen, sollte im Zweifel auch dann von einem Schuldbeitritt ausgegangen werden, wenn ein eigenes unmittelbares Interesse des Gesellschafters an den Leistungen aus dem Hauptvertrag nicht festgestellt werden kann. Der weitgehende Gleichlauf der eigenen Interessen des Unternehmergesellschafters mit denen der Gesellschaft 358 und die vermögensmäßige Gemeinschaft mit der Gesellschaft 359 rechtfertigen es nämlich, daß zumindest der Gläubiger berechtigterweise von der Existenz eines eigenen sachlichen Interesses ausgehen durfte 360 . Aufgrund der ebenfalls für die Bürgschaft eines Unternehmergesellschafters bestehenden Formfreiheit 361 steht hierdurch auch keine Entwertung des § 766 B G B zu befürchten. Für den Bestand des Schuldmitübernahmevertrages bei Eintritt und Austritt des Unternehmergesellschafters würden dann die Ausführungen zur Bürgschaft entsprechend gelten 362 . Ganz im Sinne der hier befürworteten Lösung hat auch der Bundesgerichtshof die Übernahme der persönlichen Gesamthaftung dreier G m b H Gesellschafter und ihrer Ehegatten für einen Kontokorrentkredit der G m b H als Schuldbeitritt gewertet 363 . Auch das L G Mainz hätte das unter Hinweis auf sein Privatvermögen abgegebene Versprechen des alleingeschäftsführenden Gesellschafters einer G m b H in Liquidation, für die Verbindlichkeiten aus einem Beratervertrag aufzukommen, besser als Schuldbeitritt denn als einen Fall der Durchgriffshaftung wegen rechtsmißbräuchlichen Verhaltens qualifizieren sollen. Es hat nämlich ebenfalls ganz maßgeblich auf den Eindruck des Gläubigers von der persönlichen Haftung des Gesellschafters abgestellt 364 . Die Annahme eines Schuldbeitritts hätte schließlich auch das RG v. 5.6.1930 JW 1930, 3478; Winterfeld, NJW 1949, 92, 93. Dazu näher 2. Kap. § 1 C II. 359 Dazu näher 2. Kap. § 1 A. 360 A.A. Winterfeld, NJW 1949, 92, 93 unter Hinweis auf HansOLG v. 21.2.1934 HansRGZ 1934 B, 293, 294 (diese auf den Hauptaktionär einer Aktiengesellschaft bezogene Entscheidung wies allerdings die maßgebliche Besonderheit auf, daß die Interzessionserklärung ausdrücklich als selbstschuldnerische Bürgschaft gekennzeichnet worden war); krit. zur Entscheidung des HansOLG zudem Staudinger/Horn, Vor §§ 765ff. Rn. 367. 361 Dazu 3. Kap. § 2 A II 5. 362 Dazu soeben unter 1; zum Schuldbeitritt speziell B G H v. 10.6.1985 ZIP 1985, 1192, 1194 f. 363 B G H v. 10.6.1985 ZIP 1985, 1192, 1193. 364 LG Mainz v. 2.10.195 8 GmbHR 1960,26; wie hier auch Schulte, WM 1979 Beilage Nr. 1, S. 5. 357
358
400
4. Kapitel:
Haftungsrelevanz
der
Unternehmergesellschafterstellung
L A G Bayern vor einem lediglich mit der Leerformel vom Mißbrauch der Haftungsbeschränkung begründeten Haftungsdurchgriff auf den Alleingesellschafter einer für sich nicht mehr lebensfähigen GmbH bewahrt, da der Gesellschafter erklärt hatte, für die Verbindlichkeiten der GmbH persönlich einstehen zu wollen 365 . 3.
Garantievertrag
In Betracht kommt ferner eine Eigenhaftung des Unternehmergesellschafters aufgrund selbständigen Garantieversprechens, das in der Verpflichtung besteht, einem anderen dafür einzustehen, daß ein bestimmter tatsächlicher oder rechtlicher Erfolg eintritt oder die Gefahr eines bestimmten künftigen Schadens sich nicht verwirklicht 366 . Die versprochene Leistung besteht regelmäßig darin, den Versprechensempfänger bei Enttäuschung der garantierten Erwartung (gegebenenfalls bis zu einem Höchsbetrag) nach den Grundsätzen des Schadensersatzrechts schadlos zu halten367. Unter den verschiedenen Formen der Garantie 368 interessiert hier die Interzessionsgarantie, mit der sich der Gesellschafter verpflichtet, für die Erfüllung einer Schuld der Gesellschaft durch Schadloshaltung des Gläubigers und damit im Gegensatz zu Bürgschaft und Schuldbeitritt nicht durch eine inhaltsgleiche Haftung einzustehen. Wie bei einem Schuldbeitritt bereitet auch hier die Abgrenzung der in jedem Fall auch formlos gültigen369 Garantie von der (selbstschuldnerischen) Bürgschaft Schwierigkeiten. Unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls muß der Wille zur selbständigen, nicht akzessorischen und lediglich auf Schadloshaltung gerichteten Verpflichtung deutlich hervortreten. Die Verpflichtung zur Haftung unabhängig vom Bestand der gesicherten Forderung oder über deren Umfang hinaus bildet hierfür ein deutliches Indiz 370 . Zumeist kommt es aber wiederum entscheidend auf das eigene sachliche Interesse des Garanten an371. Dieses kann bei Unternehmergesellschaftern etwa in der Ausräumung behördlicher Beanstandungen bzw. der Abwendung be-
365 LAG Bayern v. 8.5.1970 GmbHR 1972, 31 f.; wie hier auch Schulte, WM 1979 Beilage Nr. 1, S. 5. 366 BGH v. 14.12.1959 BGHZ 31, 258, 271; Schilling, JZ 1953, 161 m.w.N.; Erlinghagen, GmbHR 1962, 169; zum Garantievertrag allgemein Staudinger///or«, Vor §§ 765 ff. Rn. 194 und MünchKommBGB///«£er5i2c& Vor 765 Rn. 13 jeweils m.w.N. 367 BGH v. 21.2.1968 WM 1968, 680; RG v. 28.6.1932 RGZ 137, 83, 84f. 368 Dazu M ü n c h K o m m B G B / / i < i V o r 765 Rn. 20ff. 369 Dazu nur Staudinger///or«, Vor §§ 765 ff. Rn. 223 und MünchKommBGB//iÄrsiick Vor 765 Rn. 16 jeweils m.w.N. 370 Staudinger/Z/om, Vor §§ 765 ff. Rn. 217 m.w.N. 371 BGH v. 22.2.1962 WM 1962, 577; BGH v. 21.2.1968 WM 1968, 680, 681 (die Bezeichnung als „Garantie" bilde nur ein Indiz); Staudinger /Horn, Vor §§ 765 ff. Rn. 217.
§2
Relevante Haftungstatbestände
401
hördlicher Maßnahmen gegen die Gesellschaft oder im Schutz des eigenen guten Rufs liegen372.
4.
Patronatserklärung
Die Patronatserklärung ist in erster Linie ein Instrument, die Kreditfähigkeit eines abhängigen Unternehmens dadurch zu verbessern, daß sich das herrschende Unternehmen dazu verpflichtet, das abhängige Unternehmen durch Maßnahmen oder Unterlassungen zu unterstützen oder zu beeinflussen373. Diese flexible atypische Kreditsicherheit kann aber auch für Unternehmergesellschafter außerhalb des Rechts der verbundenen Unternehmen eine Bedeutung erlangen 374 . Bei dem Begriff der Patronatserklärung handelt es sich um eine rechtlich schillernde deskriptive Sammelbezeichnung, deren Bandbreite von moralischen Absichtserklärungen bis hin zu Verpflichtungen mit garantieähnlichem Inhalt reicht 375 . Man hat namentlich zwischen sog. harten und weichen Patronatserklärungen sowie danach zu unterscheiden, ob die Erklärung gegenüber einem bzw. mehreren Gläubigern oder dem zu fördernden Schuldner abgegeben wird 376 . Da an dieser Stelle nur auf einzelne, für die Haftung des Unternehmergesellschafters wesentliche Gesichtspunkte eingegangen werden kann, ist im übrigen für die rechtliche Einordnung der zahlreichen Patronatsformen auf das umfangreiche Spezialschrifttum zu verweisen 377 . Die Patronatserklärung des Gesellschafters kann formlos und konkludent sowie bei einer entsprechenden Ermächtigung auch durch einen Vertreter der Gesellschaft erfolgen, da eine analoge Anwendung des § 766 BGB weder generell 378 noch gerade für den Unternehmergesellschafter geboten ist. Der entsprechende Vertrag kommt dann vielfach gemäß § 151 S. 1 BGB zu-
372
Siehe dazu die Fälle B G H v. 22.2.1962 W M 1962, 577 und B G H v. 1.7.1976 BB 1976,
1430. 373 O L G Düsseldorf v. 26.1.1989 W M 1989, 1642, 1645; Staudinger/Horn, Vor §§ 765 ff. Rn. 405; Michalski, W M 1994, 1229; M. Obermüller, Z G R 1975, 1; U.H. Schneider, ZIP 1989, 619, 621. 374 Zu den Motiven für eine Patronatserklärung in Konzernsachverhalten Michalski, W M 1994,1229,1230ff.; Mosch, Patronatserklärungen, S. 4ff.; M. Obermüller, Z G R 1975,1 f.; Staudinger/Horn, Vor §§ 765 ff. Rn. 406; speziell für „weiche" Patronatserklärungen Fried, Patronatserklärung, S. 79 ff. 375 O L G Düsseldorf v. 26.1.1989 W M 1989, 16,42, 1645; M. Obermüller, ZGR 1975, 1; Rümker, W M 1974, 990; Michalski, W M 1994, 1229f.; U.H. Schneider, ZIP 1989, 619, 620f. 376 Staudinger/Horra, Vor §§ 765 ff. Rn. 407; Michalski, W M 1994,1229,1230; U.H. Schneider, ZIP 1989, 619, 620. 377 Mosch, Patronatserklärungen, S. 8 ff. und 207ff.; Gerth, Kreditsicherheiten, S. 31 ff.; M. Obermüller, Z G R 1975, 1 ff.; Michalskt, W M 1994, 1229, 1234f.; Rümker, W M 1974, 990. 378 K. Müller, Z G R 1977, 1, 28f.; M. Obermüller, Z G R 1975, 1, 32; Michalski, W M 1994, 1229, 1232.
402
4. Kapitel:
Haftungsrelevanz
der
Unternehmergesellschafterstellung
stände 379 . Bei der Auslegung von Patronatserklärungen kommt der Existenz und der Reichweite des Rechtsbindungswillens eine zentrale Bedeutung zu. Die Grenzen zwischen einer Willenserklärung mit Erklärungsfahrlässigkeit 380 und der sogleich noch näher zu betrachtenden Haftung für zurechenbar veranlaßtes Vertrauen 381 sind hier zwar fließend, aber dennoch streng zu beachten 382 . Maßgeblich sind Erklärungsinhalt, Handelsbrauch, Unternehmenspraxis und die besonderen Umstände des Einzelfalls sowie die Geschäftserfahrenheit, die Vermögensdispositionen und Risiken der Gegenseite 383 . Gerade bei Privatgesellschaftern wird man nicht ohne weiteres von einer harten Patronatserklärung mit weitreichenden Haftungsgefahren ausgehen können. Auch das für die Existenz einer harten Patronatserklärung herkömmlicherweise als entscheidend eingestufte Indiz der Bilanzierung als Gewährleistungsvertrag nach §§ 251 S. 1,340a Abs. 2 S. 2 H G B durch den Patron 384 vermag mangels Rechnungslegungspflicht des Privatgesellschafters 385 nicht weiterzuhelfen. Insbesondere bei Erklärungen gegenüber einer größeren Zahl von Gläubigern oder gar der Allgemeinheit ist nur in Ausnahmefällen von einem Rechtsbindungswillen auszugehen 386 . Hier kommt regelmäßig allenfalls eine Rechtsscheinhaftung in Betracht, wenn weitere Elemente der berechtigten Vertrauensbildung auf Seiten des Erklärungsempfängers hinzutreten.
O L G Karlsruhe v. 7.8.1992 WM 1992, 2088, 2091; Michalski, WM 1994, 1229, 1232f. Nach heute h.M. ist das Erklärungsbewußtsein als konstitutives Element der Willenserklärung dann entbehrlich, wenn der Erklärende bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen und vermeiden können, daß der Erklärungsempfänger die Erklärung nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte als eine auf Herbeiführung einer Rechtswirkung gerichtete Äußerung verstehen durfte (vgl. dazu nur BGH v. 7.6.1984 BGHZ 91, 324, 330 und für konkludente Erklärungen BGH v. 2.11.1989 BGHZ 109, 171,177f. jeweils m.w.N.; a.A. Canaris, Vertrauenshaftung, S. 427f.). 381 Dazu näher und teilweise krit. 4. Kap. § 2 C II und III. 382 Siehe dazu auch Fried, Patronatserklärung, S. 186ff.; zu großzügig K. Müller, ZGR 1977, 1, 28 ff., der den Patron auch ohne ein entsprechendes Erklärungsbewußtsein immer dann für verpflichtet hält, die ordnungsgemäße Geschäftsabwicklung sicherzustellen, wenn dieser zu erkennen gegeben habe, daß der Geschäftsabschluß im Interesse des Patrons erfolge. 383 U.H. Schneider, ZIP 1989, 619, 624; Fried, Patronatserklärung, S. 192 ff. 384 Habersack, ZIP 1996, 257, 259f.; Michalski, WM 1994, 1229, 1231; Fried, Patronatserklärung, S. 80 f. 385 Siehe dazu 3. Kap. § 2 A II 1. 386 LG Frankfurt/M. v. 8.3.1977 AG 1977, 321, 322; U.H. Schneider, ZIP 1989, 619, 624; Staudinger/Horn, Vor §§ 765ff. Rn. 407; Lutter, ZGR 1982, 244, 255; Canaris, Vertrauenshaftung, S. 153ff. und 425f.; a.A. K. Müller, ZGR 1977,1,29; auch Habersack, ZIP 1996, 257f. hält die Rechtsverbindlichkeit von Patronatserklärungen ad incertas personas offenbar für den Regelfall; bei ausnahmsweise bestehendem Rechtsbindungswillen kann die Erklärung entweder als ein Vertragsangebot an alle gegenwärtigen und künftigen Gläubiger (so etwa Habersack, ZIP 1996, 257, 259ff. und Fried, Patronatserklärung, S. 204f.) oder als ein der Auslobung ähnliches einseitiges Leistungsversprechen, für dessen Begründung es nicht auf die Kenntnis des Erklärungsempfängers ankäme (so U.H. Schneider, ZIP 1989, 619, 624f.), gedeutet werden. 379 380
§2
a) Harte aa)
Relevante
Haftungstatbestände
403
Patronatserklärungen
Ausstattungsverpflichtung
Die Vereinbarung einer Ausstattungsverpflichtung, begründet für den Patron die Pflicht, die Gesellschaft stets finanziell so auszustatten, daß sie ihre Verbindlichkeiten erfüllen kann387. Insoweit besteht eine Pflicht zur Leistung an die Gesellschaft und nicht lediglich eine Bemühenspflicht 388 . Der Patron einer allgemeinen Ausstattungszusage ist zudem nicht nur wie bei einer konkreten Finanzierungszusage im Rahmen eines bestimmten Vorgangs oder Projekts 389 zur einmaligen Bereitstellung von Finanzmitteln in Höhe der Verbindlichkeit der Gesellschaft gegenüber dem Erklärungsempfänger, sondern auch zu weitergehenden bzw. erneuten Finanzierungsleistungen („Nachschüssen") verpflichtet390. Damit gewinnt dieser harte Typ der Patronatserklärung gerade für die Fälle der Haftung wegen Unterkapitalisierung einer Gesellschaft eine Bedeutung. Umstritten ist lediglich, ob sich der zur allgemeinen Ausstattung Verpflichtete typischerweise mit einer hinreichenden Finanzausstattung der Gesellschaft begnügen kann391 oder ob er sich darüber hinaus durch Aufsichtsund Einwirkungsmaßnahmen für die Weiterleitung der Mittel an den Erklärungsempfänger einsetzen muß392 bzw. sogar das Risiko der tatsächlichen Weiterleitung der Mittel an den Erklärungsempfänger zu tragen hat393. Damit die allgemeine Ausstattungsverpflichtung, die sich in den Augen der Parteien regelmäßig als ein Minus gegenüber den Interzessionsformen darstellt394, nicht zu einer allgemeinen Liquiditätsgarantie etwa für die gesamte Laufzeit eines Kredits wird, muß man dem Patron allerdings entweder unabhängig von § 267 B G B die Möglichkeit zur Direktablösung der Verbindlichkeit oder die Möglichkeit zur treuhänderischen Zuwendung an die Gesellschaft einräumen395. 387 Zu diesem bedeutendsten Typ der „harten" Patronatserklärung näher Mosch, Patronatserklärungen, S. 130ff.; Gertb, Kreditsicherheiten, S. 141 ff.; M. Obermüller, ZGR 1975, 1, 25ff.; Michalski, WM 1994, 1229, 1235ff.; Staudinger///orra, Vor §§ 765ff. Rn. 412ff. 388 BGH v. 30.1.1992 BGHZ 117, 127, 130; O L G Stuttgart v. 21.2.1985 WM 1985, 455; Mosch, Patronatserklärungen, S. 130f.; M. Obermüller, ZGR 1975, 1, 25ff.; Staudinger/Horn, Vor §§ 765 ff. Rn. 409. 389 Dazu O L G Düsseldorf v. 26.1.1989 WM 1989, 1646f. und Staudinger/Horn, Vor §§ 765ff. Rn. 412. 3 , 0 Dazu nur Michalski, WM 1994, 1229, 1238f.; Mosch, Patronatserklärungen, S. 134f.; Gerth, Kreditsicherheiten, S. 149. 3 " O L G Düsseldorf v. 26.1.1989 WM 1989, 1646f.; Michalski, WM 1994, 1229, 1238 f.; möglicherweise auch Mosch, Patronatserklärungen, S. 134 f. 392 Staudinger/.Horn, Vor §§ 765ff. Rn. 412. 393 Rümker, WM 1974, 990, 991; M. Obermüller, ZGR 1975, 1, 27; Michalski, WM 1994, 1229, 1238; Schröder, ZGR 1982, 552, 555ff.; Gerth, Kreditsicherheiten, S. 149. 394 Siehe zur Abgrenzung nur Michalski, WM 1994, 1229, 1236ff. und Mosch, Patronatserklärungen, S. 131 ff. 395 Rümker, WM 1974, 990, 991; Schröder, ZGR 1982, 552, 555; Mosch, Patronatserklärungen, S. 135 ff.; Habersack, ZIP 1996, 257, 258.
404
4. Kapitel: Haftungsrelevanz
der
Unternehmergesellschafterstellung
TLwzx bereitet eine Klage auf Erfüllung der Ausstattungsverpflichtung Probleme hinsichtlich der Bestimmtheit des Klageantrags396. Es kommen aber auch Schadensersatzansprüche wegen Verzugs bzw. Nichterfüllung in Betracht 397 . Der Anspruch des Gläubigers gegen die Gesellschaft geht bei Schadensersatzleistung nach § 255 B G B analog bzw. aufgrund ergänzender Vertragsauslegung auf den Patron über 398 . bb)
Einflußnahmeverpflichtung
Der nach der Ausstattungsverpflichtung wichtigste Typ der harten Patronatserklärung wird von Vereinbarungen gebildet, aufgrund derer sich der Patron zu der ihm rechtlich möglichen Einflußnahme im Hinblick auf die Erfüllung einer Verbindlichkeit durch die Gesellschaft verpflichtet 399 . Sie finden sich als sog. Managementklauseln bezogen auf allgemeine Einwirkungs- und Uberwachungspflichten sowie als konkrete Pflichtenübernahmen im Hinblick auf eine bestimmte Leistung der Gesellschaft. Die Einflußnahmeverpflichtung dient stets nur der Sicherung des primären Leistungsanspruchs gegen die Gesellschaft. Dies unterscheidet die Einflußnahmeverpflichtung in Gestalt der Patronatserklärung von den noch zu behandelnden Fällen der selbständigen Einwirkungsverpflichtung, in denen eine allein den Gesellschafter treffende Verpflichtung überhaupt nur dadurch oder jedenfalls vollständig erfüllt werden kann, daß der Gesellschafter auf eine nach verständiger Auslegung erforderliche Mitwirkungshandlung oder Unterlassung der Gesellschaft hinwirkt 400 . Die Möglichkeit zur Übernahme von Einwirkungspflichten stößt jedoch auf verschiedene (gesellschafts)rechtliche Grenzen 401 . So wird zumindest in der Krise der Gesellschaft die Möglichkeit zur wirksamen Verpflichtung und Erteilung einer Einzelweisung mit dem Ziel der bevorzugten Befriedigung eines bestimmten Gläubigers ganz überwiegend unter Hinweis auf §§ 138, 826
396 Schröder, ZGR 1982, 552, 557ff.; Gerth, Kreditsicherheiten, S. 145ff.; Michalski, WM 1994, 1229, 1239; Staudinger/Horn, Vor §§ 765ff. Rn. 413. 3,7 BGH v. 30.1.1992 BGHZ 117, 127, 133; Schröder, ZGR 1982, 552, 557ff.; Michalski, WM 1994, 1229, 1240; Mosch, Patronatserklärungen, S. 138 ff.; Staudinger /Horn, Vor §§ 765 ff. Rn. 414; M. Obermüller, ZGR 1975, 1, 29. 398 M. Obermüller, ZGR 1975, 1, 30 f. 399 Zu diesem Typ näher O L G Karlsruhe v. 7.8.1992 WM 1992,2088, 2091; M. Obermüller, ZGR 1975, 1, 16ff.; Fried, Patronatserklärung, S. 164ff.; Mosch, Patronatserklärungen, S. 116. 400 Siehe dazu auch 6. Kap. § 2 B V 2b. 401 O L G Karlsruhe v. 7.8.1992 WM 1992, 2088, 2091 (Einwirkung „im Rahmen seiner Möglichkeiten"); M. Obermüller, ZGR 1975, 1, 16ff. (Einwirkung im rechtlich zulässigen Rahmen und Überwachung der Einhaltung der bestehenden Sorgfaltspflichten); O L G München v. 22.6.1983 AG 1985, 221, 222.
§2
Relevante
Haftungstatbestände
405
B G B abgelehnt 402 . Auch die Einflußnahme über gesellschaftsrechtliche O r gane auf ein Verhalten der Gesellschaft ist an die jeweiligen Organkompetenzen und die Beachtung der am Gesellschaftsinteresse ausgerichteten Sorgfaltspflichten des Gesellschafters und der Organmitglieder gebunden 403 . Sofern danach nicht von einer anfänglichen objektiven Unmöglichkeit einer bestimmten Einflußnahmepflicht auszugehen ist, kommen auch hier bei Verzug, Nicht- oder Schlechterfüllung der Einflußnahmeverpflichtung Ansprüche auf Ersatz des dem Erklärungsempfänger entstandenen Schadens in Betracht 404 .
b) Weiche Patronatserklärungen Ein verbreitetes Beispiel weicher Patronatserklärungen bilden die vielfach mit einer Solidaritätserklärung 405 verbundenen Auskünfte eines Gesellschafters über das Beteiligungs- bzw. etwaige Beherrschungsverhältnis 406 . Weiche Patronatserklärungen werden ganz überwiegend als rechtlich unverbindliche Erklärungen eingestuft 407 . Zumindest begründen sie keine unmittelbaren Zahlungspflichten, sondern allenfalls in Teilen Informations- und Handlungspflichten, deren Schlechterfüllung eine Haftung aus § 280 Abs. 1 B G B n.F. begründen kann 408 . Darüber hinaus können sie aber auch den Anknüpfungspunkt für eine Haftung aus c.i.c. (§§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 B G B ) , Prospekthaftung, wegen enttäuschten Vertrauens oder nach § 826 B G B bilden, sofern dem Erklärungsempfänger nicht gerade der fehlende Bin-
402 M. Obermüller, ZGR 1975, 1,17f.; Mosch, Patronatserklärungen, S. 115; Gerth, Kreditsicherheiten, S. 108 ff.; mit Recht differenzierend und auf das Kriterium der Anfechtbarkeit abstellend Fried, Patronatserklärung, S. 171 ff. 403 Dazu auch M. Obermüller, ZGR 1975, 1, 17. 404 Dazu auch Fried, Patronatserklärung, S. 226. 405 Typisch etwa: „Die Geschäftsleitung genießt mein/unser volles Vertrauen"; auch die mehrdeutige Aussage, daß der Erklärende „voll hinter der Gesellschaft stehe" ist im Zweifel eher als weiche Patronatserklärung denn als allgemeine Ausstattungsverpflichtung einzustufen (dazu O L G Karlsruhe v. 7.8.1992 WM 1992, 2088, 2091; BGH v. 4.7.1961 WM 1961, 1103, 1106; Fried, Patronatserklärung, S. 135ff.; Gerth, Kreditsicherheiten, S. 137ff.; a.A. Rehbinder, Konzernaußenrecht, S. 330). 406 O L G Karlsruhe v. 7.8.1992 WM 1992, 2088, 2090f.; Fried, Patronatserklärung, S. 97f. und 104ff.; Mosch, Patronatserklärungen, S. 58ff.; M. Obermüller, ZGR 1975, 1, 4ff.; Gerth, Kreditsicherheiten, S. 103 ff.; Rehbinder, Konzernaußenrecht, S. 330. 407 Michalski, WM 1994, 1229, 1230; U.H. Schneider, ZIP 1989, 619, 621 und 623f.; Staudinger/Horn, Vor §§ 765ff. Rn. 407; MünchKommBGB/Habersack Vor 765 Rn. 49; abweichend Fried, Patronatserklärung, S. 94. 408 Zur Haftung aus p W (jetzt § 280 Abs. 1 BGB) O L G Karlsruhe v. 7.8.1992 WM 1992, 2088, 2090f.; Fried, Patronatserklärung, S. 93ff. und S. 207ff.; Gerth, Kreditsicherheiten, S. 104; M. Obermüller, ZGR 1975, 1, 4ff.
406
4. Kapitel:
Haftungsrelevanz
der
Unternehmergesellschafterstellung
dungswille des Patrons bekannt war oder aufgrund der Erklärungsumstände wie insbesondere der Vorverhandlungen hätte bekannt sein müssen 409 .
5.
Nichtstörungsverpflichtung
Der Unternehmergesellschafter kann schließlich gegenüber dem Gläubiger der Gesellschaft verpflichtet sein, alles zu vermeiden, was die Vertragserfüllung durch die Gesellschaft behindern könnte 410 . Diese Nichtstörungsverpflichtung kann nicht nur Gegenstand einer eigenständigen Vereinbarung sein, sondern sich auch als Nebenpflicht aus einem Interzessionsgeschäft 411 bzw. einer Patronatserklärung 412 zugunsten der Gesellschaft oder stillschweigend aus der Teilnahme des Gesellschafters am Vertragsschluß zwischen der Gesellschaft und dem Gläubiger ergeben. Zwar müssen im zuletzt genannten Fall noch besondere Indizien feststellbar sein, die darauf hindeuten, daß sich der Gesellschafter auch persönlich verpflichten wollte 413 , doch wird man im Vergleich zur zusätzlichen Übernahme von Leistungspflichten wesentlich eher von der Übernahme einer bloßen Nichtstörungsverpflichtung ausgehen können. Dies dürfte namentlich dann der Fall sein, wenn der Unternehmergesellschafter bei Vertragsschluß seine Machtstellung in der Gesellschaft und sein eigenes sachliches Interesse an dem Vertragsschluß gegenüber dem Gläubiger zu erkennen gegeben hat. Die Frage nach der Existenz einer eigenen Nichtstörungsverpflichtung des Unternehmergesellschafters stellt sich insbesondere dann, wenn es um die Erstreckung eines die Gesellschaft treffenden Wettbewerbsverbots geht414. Da das gesetzliche Wettbewerbsverbot des § 112 HGB zunächst nur für die verpflichtete Gesellschafter-Gesellschaft und nicht auch für die dahinter stehenden Personen gilt, könnte man hier allenfalls im Falle von vertraglich vereinbarten Wettbewerbsverboten an eine Mitverpflichtung des Gesellschafters denken. Diese würde allerdings neben dem auf eine Doppelverpflichtung gerichteten (hypothetischen) Parteiwillen bei fehlender Beteiligung des Unternehmergesellschafters dessen wirksame Vertretung durch die zugleich für die 409 OLG Karlsruhe v. 7.8.1992 WM 1992, 2088, 2092 (c.i.c.); Gerth, Kreditsicherheiten, S. 139 (c.i.c.); Habersack, ZIP 1996, 257, 263 (Prospekthaftung); Rehbinder, Konzernaußenrecht, S. 330 ff. (Konzernvertrauen) und Staudinger///or«, Vor §§ 765 ff. Rn. 416 (§ 826 BGB). 410 Vgl. dazu für verbundene Unternehmen Rehbinder, Konzernaußenrecht, S. 346ff. 4,1 So ist etwa der Bürge zugleich zur NichtStörung der Erfüllung der Hauptschuld verpflichtet (vgl. dazu für einen Konzernsachverhalt BGH v. 20.6.1989 WM 1989, 1677, 1679 sowie Staudinger/Z/or«, § 675 Rn. 131 und Rehbinder, Konzernaußenrecht, S. 346). 412 Ein Beispiel bieten insoweit die sog. Aushöhlungsverbote (vgl. dazu Fried, Patronatserklärung, S. 185 f.). 413 Rehbinder, Konzernaußenrecht, S. 347f. 414 Die Frage ist von der im 6. Kap. § 2 B V behandelten gegenteiligen Frage einer Erstrekkung des sich gegen einen Unternehmergesellschafter richtenden Wettbewerbsverbots auf die Gesellschaft zu unterscheiden.
52
Relevante
Haftungstatbestände
407
Gesellschaft handelnden Personen voraussetzen 415 . Fehlt es an einer Mitverpflichtung des Gesellschafters, kann sich diese entgegen verbreiteter Auffassung auch nicht aus § 128 HGB 4 1 6 oder einer Identifikation des Unternehmergesellschafters 417 bzw. der Gesellschaftergesamtheit 418 mit der verpflichteten Gesellschaft ergeben 419 . Vielmehr kann der Unternehmergesellschafter in diesen Fällen nur auf außervertraglicher Grundlage zur Verantwortung gezogen werden. Denkbar wäre dies insbesondere bei einer sittenwidrigen Umgehung des die Gesellschaft treffenden Wettbewerbsverbots durch die Gründung von und die Beteiligung an anderen, den Wettbewerbsverstoß dann begehenden Gesellschaften. Ein solcher Wettbewerbsverstoß könnte der verpflichteten Gesellschaft dann auch unter Umständen nach § 31 BGB (analog) zugerechnet werden 420 .
II. Vertragsähnliche
Haftung
Die vertragsähnliche Haftung eines Unternehmergesellschafters, die nicht nur im Bereich der Prospekthaftung bereits weit, dogmatisch gesehen sogar zu weit, in den Bereich der genuin deliktischen Haftung vorgedrungen ist, bildet ein wichtiges Element seiner Eigenhaftung und läßt in vielerlei Hinsicht das Bedürfnis nach einer Durchgriffshaftung erst gar nicht entstehen.
1. Haftung aus culpa in contrahendo Die nunmehr auch gesetzlich festgeschriebene c.i.e.-Haftung für die aufgrund der schuldhaften Verletzung einer vorvertraglichen Verhaltenspflicht entstandenen Schäden (§§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2,241 Abs. 2 BGB) kann auch
415 Siehe dazu nur K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 49 III 2 c, der auch auf die Möglichkeit einer Duldungsvollmacht hinweist. 416 So aber B G H v. 9.11.1973 BB 1974, 482 und mit Einschränkungen auch RG v. 2.5.1932 R G Z 136, 266, 270f.; mit Recht noch ablehnend RG v. 13.12.1901 JW 1902, 78f.; krit. auch K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 49 III 2 c. 417 So für den Alleingesellschafter Schilling, JZ 1953, 161, 162 und Neflin, G m b H R 1963, 41, 42; vgl. dazu auch die Erstreckung des gesetzlichen Wettbewerbsverbots des § 112 H G B auf eine zu 100% beteiligte Konzernmutter durch B G H v. 5.12.1983 B G H Z 89,162,165; dazu auch Löffler, N J W 1986, 223, 226f. und Wiedemann/Hirte, Z G R 1986, 163ff. 418 So aber im Ergebnis unter Berufung auf § 242 BGB B G H v. 9.11.1973 W M 1973 W M 1974,253,254; vgl. auch für die Einhaltung einer Sperrbezirksklausel durch die Gesamtheit der Gesellschafter der verpflichteten KG B G H v. 7.6.1972 B G H Z 59, 64, 67f. 419 So zunächst zutreffend K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 49 III 2 c, der letztlich aber etwas unklar für eine Berücksichtigung der mitunternehmerischen Nähe des Gesellschafters zur verpflichteten Gesellschaft bei der Auslegung und Interessenabwägung eintritt. 420 Siehe zur Verhaltenszurechnung nach § 31 BGB (analog), wenn ein Unternehmergesellschafter auf Veranlassung der verpflichteten Gesellschaft gegen ein Wettbewerbsverbot verstoßt, im 5. Kap. § 2 B VII 2.
408
4. Kapitel: Haftungsrelevanz
der
Unternehmergesellschafterstellung
den Unternehmergesellschafter treffen. Auf die sich in diesem Zusammenhang stellenden spezifischen Probleme 421 soll im Folgenden näher eingegangen werden:
a) Auftreten gesetzlichen
des Unternehmergesellschafters Schuldverhältnisses
im Rahmen
eines
Die Haftung des Unternehmergesellschafters aus c.i.c. (§§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB) setzt zunächst das Bestehen eines gesetzlichen Schuldverhältnisses zwischen dem Geschädigten und ihm oder zumindest der Gesellschaft voraus. Sofern es sich nicht um an dieser Stelle nicht weiter interessierende Nähebeziehungen im Zusammenhang mit Privatgeschäften des Gesellschafters handelt, kommt ein derartiges Schuldverhältnis zwischen ihm und dem Geschädigten nur im Zusammenhang mit den soeben dargestellten Interzessions- und Patronatsvereinbarungen 422 in Betracht. Im übrigen ist auf die sich etwa durch eine ständige Geschäftsbeziehung 423 oder Vorverhandlungen ergebende Nähebeziehung des Geschädigten zur Gesellschaft abzustellen (§311 Abs. 2 BGB), wodurch das zusätzliche und noch eingehend zu erörternde Problem der Sachwalterhaftung von Gesellschaftern (§311 Abs. 3 BGB) sowie die Frage eines möglichen Rückgriffs des Gesellschafters gegen die Gesellschaft 424 aufgeworfen werden. Entgegen vereinzelter Stimmen im Schrifttum ist diese Sachwalterhaftung aber bereits durch das Erfordernis einer Beteiligung des Unternehmergesellschafters am Zustandekommen des gesetzlichen Schuldverhältnisses in Gestalt einer Mitwirkung an den Vertragsverhandlungen oder der Herstellung des geschäftlichen Kontakts zu begrenzen 425 . Anderenfalls würde die vertragsähnliche Haftung, wie das Beispiel der 421 Nicht eigens berücksichtigt werden Fragen der Kausalität, des Verschuldens und Mitverschuldens (dazu für die Gesellschafterhaftung etwa B G H v. 19.12.1962 W M 1963,160,161) sowie der Rechtsfolgen (dazu für die Gesellschafterhaftung etwa B G H v. 2.3.1988 N J W 1988, 2234, 2236, B G H v. 19.12.1962 W M 1963, 160, 161 und B G H v. 23.2.1983 B G H Z 87, 27), da sich insoweit keine strukturellen Besonderheiten bei unternehmerischer Beteiligung ergeben. 422 Dazu etwa Fried, Patronatserklärung, S. 240 f. und 243. 423 B G H v. 27.10.1982 N J W 1983, 676, 677; B G H v. 23.2.1983 B G H Z 87, 27, 31 f. 424 Da aus c.i.c. letztlich nur der Partner des gesetzlichen Schuldverhältnisses und nicht der Sachwalter haften soll, ist dem Gesellschafter ein Regreßanspruch gegen die Gesellschaft zu gewähren, wenn der Gesellschafter als Vertreter oder sonst als Repräsentant der Gesellschaft tätig geworden ist. 425 B G H v. 5.7.1977 VersR 1978, 59, 60 (keine Haftung des faktisch von der Geschäftsführung ausgeschlossenen und an den konkreten Vertragsverhandlungen nicht beteiligten Alleingesellschafter-Geschäftsführers); B G H v. 4.5.1981 W M 1981,1021,1022 (keine Haftung des an den Vertragsverhandlungen nicht beteiligten Alleingesellschafters und Erstellers von Werbematerial); a.A. Grunewald, Z G R 1986, 580, 593, die sich hierzu auf B G H v. 9.7.1979 B G H Z 75, 96,105 ff. und B G H v. 25.1.1984 W M 1984, 475,477 beruft. Diese Entscheidungen betrafen jedoch zum einen die deliktische Konkursverschleppungshaftung und zum anderen den Sonderfall, daß die in Anspruch genommenen Personen an der insolventen G m b H & Co. K G über
52
Relevante
Haftungstatbestände
409
an den besonderen Bedürfnissen des grauen Kapitalmarkts orientierten allgemein-zivilrechtlichen Prospekthaftung i.e.S. 426 zeigt, zu weit auf Kosten der Deliktshaftung ausgedehnt werden 427 . Außerdem stellt die persönliche Mitwirkung des Gesellschafters bereits ein Indiz für das im Rahmen der Sachwalterhaftung bedeutsame Kriterium des eigenen sachlichen Interesses des Gesellschafters an dem Geschäft der Gesellschaft dar 428 . Gezielten Mißbräuchen, wie etwa dem im Hinblick auf das Haftungsrisiko bedingt vorsätzlichen Vorschieben von Strohmännern, kann zudem im Rahmen des Deliktsrechts (§§ 823 Abs. 2, 826, 830 Abs. 2 B G B ) begegnet werden 439 .
b) Verletzung einer Verhaltenspflicht Die möglichen Pflichtverletzungen eines Unternehmergesellschafters im Zusammenhang mit einem vorvertraglichen Kontakt zwischen Gesellschaft und Geschädigtem sind vielfältig. So hat der Unternehmergesellschafter einen (potentiellen) Vertragspartner der Gesellschaft zunächst auch ohne dessen ausdrückliche Nachfrage über alle wesentlichen rechtlichen wie tatsächlichen Hindernisse aufzuklären, die bei der Vertragsdurchführung voraussichtlich entstehen werden 430 . Auch die erst im Stadium der Vertragsdurchführung erfolgende Verletzung dieser Aufklärungspflicht soll nach einer allerdings fragwürdigen Entscheidung des Bundesgerichtshofs in Ermangelung eines Vertrages zwischen dem Gesellschafter und dem Gläubiger zur Haftung aus c.i.c. führen können 431 . Die Pflichten zur ungefragten Aufklärung werden dabei mit Recht auf Umstände beschränkt, die zur Vereitelung des Vertragszwecks geeignet sind und nur dem einen Teil bekannt, für den anderen Teil jedoch ersichtlich von so wesentlicher Bedeutung sind, daß ihre Mitteilung nach Treu und Glauben erwartet werden kann 432 . Für die damit lediglich generalklauselartig umschriebene Reichweite der Aufklärungspflicht bei unternehmerischer eine O H G beteiligt waren und der an den Vertragsverhandlungen Unbeteiligte auf diese Weise mit dem handelnden Gesellschafter verbunden war. Gerade in dem zuletzt genannten Fall hat der B G H vielmehr das Erfordernis eines „Gegenübertretens" ausdrücklich hervorgehoben. 426 Dazu näher 4. Kap. § 2 C II 2b. 427 A.A. Canaris, FS Giger, S. 91, 103ff., der gerade das Konzept der Prospekthaftung des Hintermanns in Form einer Vertrauenshaftung kraft Tatherrschaft verallgemeinern und auch für die Haftung von maßgeblichen Gesellschaftern etwa im Falle der qualifiziert materiellen Unterkapitalisierung fruchtbar machen möchte. 428 Siehe dazu BGH v. 19.12.1962 WM 1963, 160, 161. 429 Dies verkennt Grunewald, ZGR 1986, 580, 593. 430 B G H v. 19.12.1977 BGHZ 70, 337, 342; BGH v. 19.1.1962 WM 1963, 160f.; BGH v. 5.4.1967 WM 1967, 481,482; BGH v. 25.1.1984 WM 1984,475,477; O L G Karlsruhe v. 7.8.1992 WM 1992, 2088, 2093 (Pflicht zur Aufklärung über die fehlende Bereitschaft, der Gesellschaft im Bedarfsfalle neue Mittel zuzuführen). 431 B G H v. 19.12.1977 BGHZ 70, 337, 342ff. 432 St. Rspr., vgl. nur BGH v. 27.10.1982 NJW 1983, 676, 677; BGH v. 8.12.1988 NJW 1989, 1793, 1794.
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4. Kapitel: Haftungsrelevanz
der
Unternebmergesellschafterstellung
Beteiligung werden folglich die oben herausgearbeiteten allgemeinen Haftungsfaktoren relevant 433 . Lediglich einen Sonderfall dieser Pflicht zur Aufklärung über Hindernisse der Vertragsdurchführung bildet die mit den Tatbeständen der Insolvenzverschleppung 434 konkurrierende Pflicht zur Aufklärung über eine kritische Finanzlage der Gesellschaft. Unstreitig ist der Unternehmergesellschafter zunächst dazu verpflichtet, auf Fragen eines potentiellen Vertragspartners wahrheitsgemäße und in wesentlichen Punkten vollständige Auskünfte hinsichtlich der Finanzlage und insbesondere einer absehbaren Uberschuldung ( § 1 9 Abs. 2 InsO) bzw. Zahlungsunfähigkeit ( § 1 7 Abs. 2 InsO) zu erteilen 435 . Für die erkennbare Insolvenzreife gilt dies nach ganz überwiegender Meinung auch ohne eine entsprechende Nachfrage des Geschädigten 436 , insbesondere bei Bestehen langjähriger Geschäftsbeziehungen 437 . Bloße Zweifel an der künftigen Zahlungsfähigkeit sind hierfür jedoch grundsätzlich nicht ausreichend 438 . Zudem ist zu berücksichtigen, daß ein durchaus noch lebensfähiges Unternehmen nicht durch überspannte Aufklärungspflichten in seiner Existenz unnötig gefährdet werden darf. Selbst bei eingetretener Insolvenzreife muß man daher zumindest innerhalb der auch bei Insolvenzverschleppung bestehenden Drei-Wochen-Frist dem Unternehmergesellschafter im Hinblick auf ernsthafte Sanierungschancen einen pflichtgemäß auszuübenden Ermessensspielraum einräumen 439 . Darüber hinaus können den Unternehmergesellschafter auch vorvertragliche Aufklärungspflichten aufgrund besonderer Sachkunde treffen, die er sich etwa als Leiter der Produktentwicklung, der Produktion oder des Vertriebs angeeignet hat. Schließlich kann sich der Unternehmergesellschafter auch dadurch haftbar machen, daß er zunächst den Eindruck des sicheren Zustandekommens eines Vertrages mit der von ihm maßgeblich beeinflußten Gesell-
Dazu näher 4. Kap. § 1. Dazu näher 4. Kap. § 2 C IV 2b; zum grundsätzlichen Nebeneinander von c.i.c. und Insolvenzverschleppungshaftung BGH v. 2.3.1988 NJW 1988, 2234, 2236; krit. zu den nach der bis 1994 gültigen Rechtsprechung bestehenden Abstimmungsproblemen Ulmer, NJW 1983, 1577, 1580 und Grunewald, ZGR 1986, 580, 590ff.; zur Neuabstimmung von c.i.c.-Haftung und Insolvenzverschleppungshaftung eingehend BGH v. 6.6.1994 NJW 1994, 2220f. 435 BGH v. 23.2.1983 BGHZ 87, 27, 34; BGH v. 5.4.1967 WM 1967, 481, 482. 436 So für Gesellschafter-Geschäftsführer bzw. unternehmerisch engagierte Gesellschafter BGH v. 5.4.1967 WM 1967, 481, 482; BGH v. 23.2.1983 BGHZ 87, 27, 34; B G H v. 2.3.1988 NJW 1988, 2234, 2235; B G H v. 25.1.1984 WM 1984, 475, 477 (GmbH & Co. KG); BAG v. 24.9.1974 NJW 1975, 708, 709 (für den Abschluß von Arbeitsverträgen); G.H. Roth, GmbHR 1985, 137f.; Fried, Patronatserklärung, S. 242; differenzierend allerdings Ulmer, NJW 1983, 1577, 1578f. (Offenbarungspflicht nur bei drohender Zahlungsunfähigkeit). 437 BGH v. 27.10.1982 NJW 1983, 676, 677. 438 O L G Düsseldorf V. 18.11.1980 GmbHR 1981, 194; Hachenburg/Ulmer, § 64 Rn. 68. 439 BGH v. 9.7.1979 BGHZ 75, 96, 107ff. und 115; Hachenburg/Ulmer, % 64 Rn. 68f. 433 434
§2
Relevante
Haftungstatbestände
411
schaft erweckt, die Vertragsverhandlungen dann jedoch ohne triftigen Grund scheitern 440 .
c) Sachwalter Stellung des (§311 Abs. 3 BGB)
Unternehmergesellschafters
Soweit - wie zumeist - keine vertraglichen Beziehungen zwischen dem Geschädigten und dem Gesellschafter bestehen, treffen die Verpflichtungen aus dem gesetzlichen Schuldverhältnis zunächst nur die Gesellschaft und nicht den Geschäftsführer oder Nur-Gesellschafter 441 . Im einzelnen umstrittene Ausnahmen bestehen aber unter dem Gesichtspunkt der sog. Sachwalterhaftung insbesondere dann, wenn der Geschäftsführer oder Nur-Gesellschafter in besonderem Maße persönliches Vertrauen in Anspruch genommen hat (§311 Abs. 3 S. 2 BGB) oder wirtschaftlich selbst stark an dem Vertragsabschluß interessiert ist und aus dem Geschäft eigenen Nutzen erstrebt 442 . Diese Sachwalterhaftung setzt zwar, wie erwähnt, eine Beteiligung des Gesellschafters am Zustandekommen des gesetzlichen Schuldverhältnisses voraus, nicht jedoch daß der Gesellschafter als vertraglicher oder organschaftlicher Vertreter der Gesellschaft gehandelt hat443.
aa) Sachwalterstellung aufgrund, der Inanspruchnahme persönlichen Vertrauens
besonderen
Die zuvor bereits allgemein anerkannte Sachwalterhaftung aufgrund der Inanspruchnahme besonderen persönlichen Vertrauens wurde durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz in § 311 Abs. 3 S. 2 BGB gesetzlich verankert. Sie stößt auch vor dem Hintergrund der Haftungsbeschränkung für Kapitalgesellschafter weitgehend auf Zustimmung 444 . Voraussetzung ist allerdings, daß das geschaffene Vertrauen über das als normal zu betrachtende
Siehe dazu BGH v. 12.6.1975 WM 1975, 923, 924. BAG v. 24.9.1974 NJW 1975, 708, 709; BGH v. 23.10.1985 NJW 1986, 586, 587; BGH v. 10.3.1986 NJW 1986, 3193; BGH v. 8.10.1987 NJW-RR 1988, 615, 616; BGH v. 6.6.1994 NJW 1994, 2220. 442 BGH v. 27.10.1982 NJW 1983, 676, 677; BGH v. 23.10.1985 NJW 1986, 586, 587; BGH v. 6.6.1994 NJW 1994, 2220. 443 Vgl. dazu eingehend BGH v. 5.4.1971 BGHZ 56, 81, 83 und 85f.; außerdem BGH v. 25.1.1984 WM 1984, 475, 477 und Grunewald, ZGR 1986, 580, 588. 444 RG v. 19.1.1934 RGZ 142, 219, 223; BGH v. 23.10.1985 NJW 1986, 586, 588; BGH v. 10.3.1986 NJW 1986, 3193; BGH v. 8.10.1987 NJW-RR 1988, 615, 616; BGH v. 2.3.1988 NJW 1988, 2234, 2235; Ballerstedt, AcP 150 (1950/51), 501, 506 und 508 ff.; Ulmer, NJW 1983,1577, 1579; U. Müller, NJW 1969, 2169, 2171; Nirk, FS Stimpel, S. 443, 450f.; Schanze, EinmannGesellschaft, S. 108; Canaris, FS Giger, S. 91, 105 (Hinweis auf die Verankerung im Gedanken der Ingerenz); ablehnend allerdings Schmitz, Dritthaftung, S. 63 ff. 440 441
412
4. Kapitel:
Haftungsrelevanz
der
Unternehmergesellschafterstellung
Verhandlungsvertrauen hinausgeht 445 und daß der Gesellschafter das Vertrauen nicht allein mit Wirkung für die Gesellschaft als Vertragspartnerin bildet 446 . Hierzu genügt es nicht, wenn der Gesellschafter nur ganz allgemein durch seine maßgebliche Gesellschafterstellung zum guten Ruf der Gesellschaft beiträgt. Vielmehr muß ein bestimmtes Verhalten des Gesellschafters gegenüber dem Vertragspartner bei diesem den für den Vertragsschluß maßgeblichen Eindruck hervorgerufen haben, daß der Gesellschafter eine von ihm persönlich ausgehende Gewähr für die Seriosität der Gesellschaft und eine ordnungsgemäße Erfüllung des konkreten Vertrages übernommen hat 447 . Das Vertrauen wird sich mithin zumeist auf eine Art Garantenstellung des als besonders vertrauenswürdig geltenden Gesellschafters für die Ertrags- und Vermögenslage sowie auf die Redlichkeit und Zuverlässigkeit der Gesellschaft beziehen. Gerade von einer derartigen Gewährschaft ist jedoch bei einem sich aktiv in die Vertragsverhandlungen einschaltenden Unternehmergesellschafter in vielen Fällen auszugehen, da seine Einflußnahmemöglichkeiten hinsichtlich der Vertragsabwicklung, sein enges vermögensmäßiges Verhältnis zur Gesellschaft sowie seine regelmäßig gegebene besondere Sachkunde und Sachnähe ihn dazu prädestinieren, in dem Vertragspartner entsprechende berechtigte Erwartungen zu wecken 448 . Man kann den Unternehmergesellschafter isofern auch als Dispositionsgaranten 449 oder als finanziellen Sachwalter 450 bezeichnen. In diesem Zusammenhang können dann auch sog. weiche Patronatserklärungen eine Bedeutung erlangen 451 . Schließlich kommt insbesondere bei Rechtsgeschäften der Gesellschaft mit einem (beitretenden) Gesellschafter angesichts des intensiven Vertrauensverhältnisses der Gesellschafter unterein-
445 B G H v. 8.10.1987 N J W - R R 1988, 615, 616; B G H v. 6.6.1994 N J W 1994, 2220, 2222; U. Müller, N J W 1969, 2169, 2171. 446 Brandner, FS Werner, S. 53, 65. 447 B G H v. 4.7.1983 B G H Z 88, 67, 69; B G H v. 8.10.1987 N J W - R R 1988, 615, 616; B G H v. 17.6.1991 N J W - R R 1991, 1241, 1242; B G H v. 6.6.1994 N J W 1994, 2220, 2221 f. 448 B G H v. 23.2.1983 B G H Z 87, 27, 33 (Versicherungen eines Mehrheitsgesellschafters); B G H v. 10.3.1986 N J W 1986, 3193 (Vertrauen gegenüber einem als Erfinder und Gründer besonders sachkundigen Gesellschafter); B G H v. 8.10.1987 N J W - R R 1988, 615, 616 (Vertrauen in einen Mitgeschäftsführer und Gellschafter); weitergehend und für eine Art typisierten Vertrauens gegenüber unternehmerisch engagierten Gesellschaftern, die noch nach Eintritt der Insolvenzreife weitere Geschäfte für die Gesellschaft tätigen, G.H. Roth, G m b H R 1985, 137, 138ff.; krit. dazu Grunewald, Z G R 1986, 580, 596. 449 Dazu für die zivilrechtliche Vertrauenshaftung allgemein Bohrer, Haftung, S. 299 und passim. 450 So insbesondere im Zusammenhang mit der Finanzausstattung der in Schwierigkeiten geratenen Gesellschaft B G H v. 19.12.1977 B G H Z 70, 337, 341 und O L G Düsseldorf v. 26.1.1989 W M 1989, 1242, 1647f.; ähnlich für das typisierte Vertrauen im Rahmen der Prospekthaftung auch B G H v. 25.2.1991 W M 1991, 637, 638f. 451 Dazu Fried, Patronatserklärung, S. 246f.
52
Relevante
413
Haftungstatbestände
ander eine c . i . c . - H a f t u n g der m a ß g e b l i c h beteiligten Gesellschafter als Sachwalter in Betracht 4 5 2 .
bb) Sachwalterstellung aufgrund eines eigenen unmittelbaren schaftlichen Interesses
wirt-
D i e zweite Fallgruppe des eigenen wirtschaftlichen Interesses des Sachwalters ist generell 4 5 3 und insbesondere im B e r e i c h des Kapitalgesellschaftsrechts aufgrund
des
Konflikts
mit
den
Grenzen
der
Organhaftung
und
der
H a f t u n g s b e s c h r ä n k u n g 4 5 4 besonders umstritten. A u c h in d e m allerdings nicht abschließenden § 311 A b s . 3 S. 2 B G B ( „ i n s b e s o n d e r e " ) findet sie keine E r w ä h n u n g . N a c h der bisherigen R e c h t s p r e c h u n g kann es j e d o c h auch dann zur Sachwalterhaftung eines Gesellschafter k o m m e n , w e n n dieser an dem Vertragsschluß selbst wirtschaftlich stark interessiert sein, dem Verhandlungsgegenstand besonders nahesteht und aus d e m G e s c h ä f t eigenen N u t z e n erstrebt, so daß er im R a h m e n des gesetzlichen Schuldverhältnisses gleichsam in eigener Sache handelt 4 5 5 . D a s nur mittelbare allgemeine Interesse des Gesellschafters am E r f o l g seines U n t e r n e h m e n s reicht hierfür allerdings e b e n s o w e n i g aus 456 wie etwa das Provisionsinteresse v o n P r o k u r i s t e n , Handelsvertretern und Angestellten 4 5 7 . E n t s c h e i d e n d ist mithin, gerade auch im H i n b l i c k auf § 13 A b s . 2 G m b H G und § 1 A b s . 1 S. 2 A k t G , daß die Sachwalterhaftung in dieser Fallgruppe über die b l o ß e Gesellschafterstellung hinaus an zusätzliche Kriterien gek n ü p f t wird, damit sich die H a f t u n g aus c.i.c. im E r g e b n i s nicht zu einem verdeckten Fall der D u r c h g r i f f s h a f t u n g entwickelt 4 5 8 und auf ein vernünftiges M a ß b e s c h r ä n k t bleibt 4 5 9 . Zu diesem Z w e c k m u ß man z w a r nicht n o t w e n d i 452 Dieser Gesichtspunkt fand in BGH v. 8.10.1987 NJW-RR 1988, 615, 616 allerdings leider keine Beachtung. 453 Siehe die Kritik von Ballerstedt, AcP 150 (1950/51), 501, 524; U. Müller, NJW 1969, 2169, 2170f. 454 Befürwortend Flume, ZIP 1994, 337, 339; ablehnend Schanze, Einmann-Gesellschaft, S. 108; krit. auch K. Schmidt, NJW 1993, 2934, 2935. 455 BGH v. 5.4.1971 BGHZ 56, 81, 84; BGH v. 23.2.1983 BGHZ 87, 27, 33f.; BGH v. 8.10.1987 NJW-RR 1988, 615, 616; BGH v. 6.6.1994 NJW 1994,2220f.; BGH v. 10.6.1964 WM 1964, 916, 918; BGH v. 19.12.1962 WM 1963, 160, 161; BGH v. 27.10.1982 NJW 1983, 676, 677. 456 BGH v. 6.6.1994 NJW 1994, 2220f.; BGH v. 7.11.1994 ZIP 1995, 124f.; BGH v. 23.2.1983 BGHZ 87, 27, 33f.; BGH v. 10.6.1964 WM 1964, 916, 918; BGH v. 19.12.1962 WM 1963, 160, 161; BGH v. 27.10.1982 NJW 1983, 676, 677; BAG v. 24.9.1974 NJW 1975, 708, 709f. 457 BGH v. 5.4.1971 BGHZ 56, 81, 84; BGH v. 4.7.1983 BGHZ 88, 67, 70; BGH v. 17.6.1991 NJW-RR 1991, 1241, 1242. 458 BGH v. 2.3.1988 NJW 1988, 2234, 2235; Rehbinder, FS R. Fischer, S. 579, 599; Brandner, FS Werner, S. 53, 59; K. Schmidt, ZIP 1988, 1497, 1503. 459 BAG v. 24.9.1974 NJW 1975, 708, 709f.
414
4. Kapitel: Haftungsrelevanz
der
Unternehmergesellschafterstellung
gerweise allein an den Kriterien der Sachwalterhaftung ansetzen und könnte etwa auch daran denken, ausgehend von einer generellen Sachwalterstellung von maßgeblich beteiligten Gesellschaftern, die Offenbarungspflichten dieser Gesellschafter zu begrenzen. Auch insoweit würde es sich dann um einen echten Tatbestand der Eigenhaftung und nicht einen bloßen Durchgriff kraft Gesellschafterstellung handeln. Dennoch erscheint die generelle Beschränkung der Sachwalterstellung vorzugswürdig, da sie zu einer einheitlichen und rechtssicheren Lösung der Haftungsprobleme beiträgt und man die Fälle der Insolvenzverschleppung durch Unternehmergesellschafter, die die Gegenansicht im besonderen Maße im Auge hat, auch durch eine Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB 460 angemessen lösen kann. Die Tatsache einer unternehmerischen Beteiligung als solcher sollte daher selbst bei erkennbarer Insolvenzreife der Gesellschaft oder in Verbindung mit einer Geschäftsführerstellung noch nicht ausreichend sein, obwohl dies immerhin bereits zu einer Beschränkung der c.i.e.-Haftung auf den Kreis der „verantwortlichen Drahtzieher" führen würde 461 . Selbst wenn man dieser restriktiven Linie folgt, ist eine c.i.c.-Haftung des Unternehmergesellschafters als Sachwalter kraft eigenen wirtschaftlichen Interesses nicht generell ausgeschlossen. Ein eigenes unmittelbares Interesse an Geschäften der Gesellschaft kann sich für den Gesellschafter nämlich immer noch daraus ergeben, daß er durch den Geschäftsabschluß seine eigene, aufgrund umfangreicher Interzessionsgeschäfte drohende Inanspruchnahme durch Gläubiger der in die Krise geratenen Gesellschaft vermeiden möchte. Zwar hat der Bundesgerichtshof Mitte der 1990er Jahre 462 eine bis dahin inso460
Dazu 4. Kap. § 2 C IV 2b aa und dd. So auch B G H v. 23.10.1985 N J W 1986, 586, 587f. (Gesellschafter-Geschäftsführer); B G H v. 5.7.1977 VersR 1978, 59, 60 (Alleingesellschafter-Geschäftsführer, der allerdings auch faktisch von der Geschäftsführung ausgeschlossen und an den konkreten Vertragsverhandlungen nicht beteiligt war); B G H v. 8.10.1987 NJW-RR 1988, 615, 616 (Gesellschafter-Geschäftsführer); B G H V. 2.3.1988 NJW 1988, 2234, 2235 (maßgeblich beteiligter Gesellschafter); B G H v. 5.10.1988 ZIP 1988,1543,1544 (Vertreter einer G m b H & Co. KG, der zugleich Alleingesellschafter der Komplementär-GmbH und Kommanditist der KG war); BAG v. 24.9.1974 N J W 1975, 708, 709f. (zu 50% beteiligter Gesellschafter-Geschäftsführer); siehe zudem im Schrifttum (teilweise ausdrücklich auch für den Alleingesellschafter-Geschäftsführer) Ulmer, N J W 1983, 1577, 1579; Hachenburg/ Ulmer, § 6 4 Rn. 72; Rehbinder, FS R.Fischer, S. 579, 599; Brandner, FS Werner, S. 53, 59; Raiser, Kapitalgesellschaften, § 29 Rn. 20; a.A. allerdings G.H. Roth, G m b H R 1985,137, 138ff.; in älteren Entscheidungen auch der B G H : B G H v. 19.12.1962 W M 1963, 160, 161 (maßgeblich beteiligter Gesellschafter-Geschäftsführer); B G H v. 5.4.1967 W M 1967, 481 (85% Gesellschaftsanteil an einer Familien-GmbH); B G H v. 27.10.1982 N J W 1983, 676, 677 (Alleingesellschafter-Geschäftsführer); B G H v. 23.2.1983 B G H Z 87, 27, 33f. (Mehrheitsgesellschafter und Alleingeschäftsführer); B G H v. 2.3.1988 N J W 1988, 2234, 2235 (maßgebliche GmbH-Beteiligung). 462 B G H v. 6.6.1994 NJW 1994, 2220f. (die Entscheidung steht im Zusammenhang mit einer Änderung der bisherigen Rechtsprechung zur Konkursverschleppungshaftung; dazu 4. Kap. § 2 C IV 2b aa); bestätigend B G H v. 7.11.1994 ZIP 1995, 124f.; in diesem Sinne auch bereits Grunewald, Z G R 1986, 580, 586f. 461
5 2
Relevante
Haftungstatbestände
415
weit konstant verfolgte Linie 463 ausdrücklich aufgegeben, doch vermag die damit verbundene, wegen der weiten Verbreitung von Interzessionsgeschäften praktisch sehr bedeutsame Einschränkung der Sachwalterhaftung nicht zu überzeugen. Dem Bundesgerichtshof ist zwar zuzugeben, daß derartige Gesellschafterleistungen in der Krise der Gesellschaft ohnehin als eigenkapitalersetzend gewertet werden würden 464 . Es ist jedoch nicht ersichtlich, warum dies einem eigenen Interesse des Gesellschafters an einer Gesundung der Gesellschaft durch neue Geschäftsabschlüsse entgegenstehen soll und warum - die Sinnhhaftigkeit der gesamten Fallgruppe einmal unterstellt - aus diesem Eigeninteresse nicht auch ein bestimmter Vertragsgläubiger eine weitergehende Haftung des Gesellschafters soll ableiten können 465 . Sofern ein Unternehmergesellschafter trotz einer bestehenden Haftungsbeschränkung über bedeutende Interzessionsgeschäfte praktisch das gesamte oder einen erheblichen Teil des unternehmerischen Risikos trägt, erscheint es nicht mehr gerechtfertigt, die in der Krise der Gesellschaft bestehende Dominanz der Sicherung der privaten Vermögensinteressen und ein Handeln des sich in die Vertragsverhandlungen einmischenden Gesellschafters in eigener Sache zu leugnen 466 . Dabei darf es auch nicht darauf ankommen, ob der Verhandlungspartner Kenntnis von dem durch das Interzessionsgeschäft begründeten Eigeninteresse des Gesellschafters gehabt hat, da es in dieser Fallgruppe der Sachwalterhaftung nicht auf ein besonderes Vertrauen des Vertragspartners ankommt 467 . Darüber hinaus kann ein eigenes sachliches Interesse des Gesellschafters auch in den Fällen angenommen werden, in denen der Gesellschafter zur Tätigung eines Privatgeschäfts die Gesellschaft lediglich als Vertragspartnerin formal vorschiebt und etwa einen von der Gesellschaft erworbenen Gegenstand nicht dem Betriebsvermögen, sondern seinem Privatvermögen zuordnet468. Man kann insoweit auch von einem tatbestandlich eng umgrenzten Fall des zu sanktionierenden Mißbrauchs der Selbständigkeit der Gesellschaft sprechen 469 . 463 B G H v. 25.1.1984 W M 1984, 475, 477; B G H v. 23.10.1985 N J W 1986, 586, 588; B G H v. 2.3.1988 N J W 1988, 2234, 2235; B G H v. 8.10.1987 N J W - R R 1988, 615, 616. 464 D a z u näher 4. Kap. § 2 D. 465 So zutreffend Flame, ZIP 1994, 337, 338f. gegen Grunewald, Z G R 1986, 580, 586f. u n d Hommelhoff, E W I R 1986, 165, 166. 466 B G H v. 25.1.1984 W M 1984, 475, 477; Flume, ZIP 1994, 337, 338f.; Canans, FS Giger, S. 91,114f. (Eigeninteresse, w e n n die mit d e m Vertragsschluß z u s a m m e n h ä n g e n d e Geschäftstätigkeit der R ü c k f ü h r u n g der gesicherten Darlehen dient). 467 So zutreffend Flume, ZIP 1994, 337, 338f. gegen Grunewald, Z G R 1986, 580, 586f. 468 Siehe d a z u auch B G H v. 23.10.1985 N J W 1986, 586, 588; vgl. auch R G v. 29.10.1938 R G Z 159,33, 55 f. (Eigeninteresse von Konsortiumsmitgliedern bei G r ü n d u n g einer A k t i e n g e sellschaft ausschließlich zu Z w e c k e n des E r w e r b s von Kohlegruben für das Konsortium); a.A. allerdings Hommelhoff, E W I R 1986,165, 166 f ü r den Fall o r d n u n g s g e m ä ß e r U b e r f ü h r u n g der Leistung in das Privatvermögen. 469 Auf die B e z ü g e z w i s c h e n der Sachwalterhaftung u n d der Rechtsmißbrauchslehre w i r d mit Recht hingewiesen von Hachenburg/Ulmer, § 64 Rn. 72 mit Fn. 119 u n d w . N .
416
4. Kapitel: Haftungsrelevanz
cc) Sachwalterstellung für die Gesellschaft
der
Unternehmergesellschafterstellung
aufgrund einer
Repräsentantenrolle
Die beiden Fallgruppen der Inanspruchnahme besonderen Vertrauens (§311 Abs. 3 S. 2 BGB) und des eigenen sachlichen Interesses bilden bislang die einzigen prinzipiell anerkannten Anküpfungspunkte einer Sachwalterhaftung. Wie jedoch das Sonderrecht der Prospekthaftung und der Haftung von Gebrauchtwagenhändlern beweist, schließt dies die Herausbildung weiterer Fallgruppen der Dritthaftung aufgrund typisierten Vertrauens nicht aus. So wurde etwa vorgeschlagen, das Auftreten als geschäftsleitender Repräsentant einer insolvenzreifen GmbH als hinreichende Vertrauens- und Haftungsbasis anzusehen470. Zwar entspricht diese mit Blick auf den Geschäftsführer einer GmbH oder GmbH & Co. KG entwickelte Ansicht einer Vertrauensträgerstellung kraft Amtes der auch an verschiedenen anderen dogmatischen Stellen zu beobachtenden und grundsätzlich zu begrüßenden Tendenz, den unternehmerisch verantwortlichen und auftretenden Gesellschafter und/oder Geschäftsführer für die pflichtwidrige Fortführung der Geschäfte in der Krise der Gesellschaft generalisierend haftbar zu machen471. Ihr kann jedoch ebenfalls der zutreffende dogmatische Einwand einer Uberdehnung der c.i.e.-Haftung auf Kosten des Deliktsrechts entgegengehalten werden, da die Sachwalterhaftung nicht mehr an die Inanspruchnahme konkreten qualifizierten Verhandlungsvertrauens, sondern nur noch an einen typisierten Vertrauenstatbestand anknüpft. 2.
Prospekthaftung
a) Sondergesetzliche
Prospekthaftung
Die Börsenzulassungsprospekthaftung der §§ 45ff. BörsG ist durch eine in der Höhe auf den ersten Ausgabepreis begrenzte gesamtschuldnerische Haftung derjenigen Personen gekennzeichnet, die für den grob fahrlässig unrichtigen oder unvollständigen Börsenzulassungsprospekt die Verantwortung übernommen haben (Prospekt-Erlasser) oder von denen der Erlaß des Prospektes ausgeht (Prospekt-Veranlasser)472. Für den Unternehmergesellschaf470 K. Schmidt, ZIP 1988,1497, 1503; ders., NJW 1993, 2934, 2935; ausdrücklich ablehnend der BGH v. 6.6.1994 NJW 1994, 2220, 2222; krit. auch Flume, ZIP 1994, 337, 338. 471 Siehe dazu an dieser Stelle nur G.H. Roth, GmbHR 1985, 137, 138ff. (höchstrichterliches Sonderrecht der persönlichen Gesellschafterhaftung für unternehmerisch engagierte GmbH-Gesellschafter); Blaurock, FS Stimpel, S. 553, 662 f. (subjektive Ausdehnung der Insolvenzantragspflicht); Hachenburg/ Ulmer, § 64 Rn. 78 (Haftung aufgrund der Verletzung einer als Schutzgesetz zu betrachtenden Verkehrspflicht). 472 Dazu näher Kort, WM 1999,9ff.; Assmann, in: Assmann/Schütze, Hdb. KapitalanlageR, § 7 Rn. 197ff.; Schaf er/Hamann, §§ 45, 46 BörsG n.F. Rn. 1 ff.; Kumpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 9.292ff.
52
Relevante
Haftungstatbestände
417
ter kommt hier, sofern er nicht ausnahmsweise neben dem Emittenten und den die Emission begleitenden Instituten (§ 36 Abs. 2 BörsG i.V.m. § 13 Abs. 1 S. 3 BörsZulV) nach § 14 BörsZulV zusätzlich die Verantwortung für den Prospekt übernommen hat, eine Haftung als Prospekt-Veranlasser in Betracht. Als Personen, „von denen der Erlaß des Prospekts ausgeht" sollen nach dem Willen des Gesetzgebers nämlich in Übereinstimmung mit der auch schon vor Inkrafttreten des Dritten Finanzmarktförderungsgesetzes geltenden Rechtslage alle tatsächlichen Urheber des Prospekts, d.h. typischerweise diejenigen Personen erfaßt werden, die ein eigenes wirtschaftliches Interesse an der Emission haben 473 . Dies gilt nicht nur für die in der Begründung zum Regierungsentwurf ausdrücklich erwähnten Konzernunternehmen und veräußerungswilligen Großaktionäre 474 , sondern generell für Unternehmergesellschafter, zumindest sofern diese den Inhalt des Prospekts maßgeblich beeinflußt haben. Die börsengesetzliche Prospekthaftung gilt in entsprechender Anwendung für die Unternehmensberichtshaftung im Marktsegment des sog. geregelten Markts (§ 77 BörsG) und für die verkaufsprospektrechtliche Prospekthaftung im Zuge des ersten öffentlichen Angebots von Wertpapieren ( § 1 3 VerkProspG) 475 . Eine vergleichbare Haftung für die Unrichtigkeit und Unvollständigkeit von Prospekten für den Verkauf ausländischer Investmentanteile sehen zudem der § 20 K A G G sowie die § § 1 2 und 15i AuslInvestmG vor. Die Haftung erfaßt dort allerdings nur die Kapitalanlagegesellschaft bzw. ausländische Investmentgesellschaft, die Verwaltungs- und Vertriebgesellschaft sowie die im übrigen am Vertrieb beteiligten Vermittler, Vertreter und Kommissionäre 476 . Durch die Sonderregelungen der § § 4 5 ff., 77 BörsG, § 13 VerkProspG, § 20 K A G G und § 12 AuslInvestmG wird nach herrschender Meinung lediglich die allgemein-zivilrechtliche Prospekthaftung i.e.S. und die deliktische Fahrlässigkeitshaftung verdrängt, nicht jedoch eine etwaige Haftung aus Vertrag, culpa in contrahendo oder für vorsätzliche deliktische Schädigungen (§ 48 Abs. 2 BörsG n.F.) 477 . 473 Begr.-RegE zum Dritten Finanzmarktförderungsgesetz BT-Drucks. 13/8933, S. 78; zum alten Recht Schwark, BörsG §§ 45, 46 Rn. 7; Assmann, in: Assmann/Schütze, Hdb. KapitalanlageR, § 7 Rn. 204. 474 Begr.-RegE zum Dritten Finanzmarktförderungsgesetz BT-Drucks. 13/8933, S. 78; Rümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 9.311; Schäfer/Hamann, §§45, 46 BörsG a.F. Rn. 43 (Erwähnung von Gründergesellschaftern). 475 Dazu näher Assmann, in: Assmann/Schütze, Hdb. KapitalanlageR, § 7 Rn. 239ff. und 245 ff. 476 Dazu näher /. Baur, Investmentgesetze, § 20 KAGG Rn. lff. und § 12 AuslInvestmG Rn. lff. 477 Zu den teilweise umstrittenen Konkurrenzfragen näher Assmann, in: Assmann/Schütze, Hdb. KapitalanlageR, § 7 Rn. 94ff., 196, 234ff., 243 und 258 und Erg.Bd. § 7 Rn. 59; Schäfer/ Hamann, § 48 BörsG n.F. Rn. 3 ff.;/. Baur, Investmentgesetze, § 20 KAGG Rn. 33ff. und § 12 AuslInvestmG Rn. 18.
418
4. Kapitel:
Haftungsrelevanz
b) Allgemein-zivilrechtliche
der
Unternehmergesellschafterstellung
Prospekthaftung
Unter der Bezeichnung allgemein-zivilrechtliche bzw. bürgerlich-rechtliche Prospekthaftung 478 werden verschiedene Haftungstatbestände für die Unrichtigkeit und/oder Unvollständigkeit von Prospekten 479 zur Werbung von Kapitalanlegern auf dem nicht-organisierten Kapitalmarkt zusammengefaßt. Sie gelten damit insbesondere für den Vertrieb von Kommanditbeteiligungen, stillen Beteiligungen, Aktien außerhalb der geregelten Aktienmärkte 480 , Bauherrenmodellen 481 oder Immobilienfondsanteilen. Dabei hat man die allgemein-zivilrechtliche Prospekthaftung i.e.S., die sich zu einem eigenen durch richterliche Rechtsfortbildung geschaffenen Haftungstatbestand für typischerweise gewährtes Vertrauen entwickelt hat, von der sich nach den Grundsätzen der c.i.e.-Haftung richtenden allgemein-zivilrechtlichen Prospekthaftung i.w.S. (§§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 B G B ) und der deliktischen Haftung gemäß § 823 Abs. 2 und § 826 B G B zu unterscheiden 482 . Die allgemein-zivilrechtliche Prospekthaftung i.e.S. wurde von der Rechtsprechung im Wege der Rechtsfortbildung auf der Basis der culpa in contrahendo als Verschuldenshaftung 483 auf das negative Interesse 484 entwickelt. Der Prospekt wird dabei weniger als Werbemittel, denn als ein Medium zur Erfüllung vorvertraglicher Aufklärungspflichten betrachtet 485 . Im Unterschied zur c.i.c. knüpft die allgemein-zivilrechtliche Prospekthaftung i.e.S. jedoch an ein 478
Der Begriff der Prospekthaftung findet sich erstmals in B G H v. 13.3.1980 B G H Z 76,
231. 479 Während sich die sondergesetzlichen Haftungstatbestände auf die verhältnismäßig engen Prospektdefinitionen der §§ 36 Abs. 3 S. 2, 38 Abs. 1 S. 2 BörsG i.V.m. §§ 13 ff. BörsZulVO, §§ 5, 7 VerkProspG, § 19 K A G G bzw. § 3 AuslInvestmG beziehen, ist für die allgemein-zivilrechtliche Prospekthaftung noch nicht abschließend geklärt, ob sie nur auf Schriftstücke mit scheinbar allen wesentlichen anlagerelevanten Informationen (Siol, in: Schimansky/Bunte/ Lwowski, § 45 Rn. 47) oder auf jedes marktbezogene Schriftstück, das für die Beurteilung der Anlage erhebliche Angaben enthält oder zumindest den Eindruck eines solchen Inhalts erwekken soll, zu beziehen ist (so etwa Assmann, in: Assmann/Schütze, Hdb. KapitalanlageR, § 7 Rn. 57ff. unter Hinweis auf BT-Drucks. 10/318, S. 23 und Schäfer/Hamann, § § 4 5 , 46 BörsG a.F. Rn. 25 mit folglichen Einschränkungen hinsichtlich der Vollständigkeitsanforderungen).
B G H v. 5.7.1993 W M 1993, 1787. Dazu nur B G H V. 31.5.1990 B G H Z 111, 314, 316ff. 482 Dazu näher Assmann, in: Assmann/Schütze, Hdb. KapitalanlageR, § 7 Rn. 3 f. und 20 ff. 483 Siehe zu den Anforderungen an die (wesentliche) Mangelhaftigkeit des Prospekts nur Assmann, in: Assmann/Schütze, Hdb. KapitalanlageR, § 7 Rn. 63 ff.; zu den Verschuldensanforderungen nur B G H v. 6.10.1980 B G H Z 79, 337, 345 und Assmann, in: Assmann/Schütze, Hdb. KapitalanlageR, § 7 Rn. 147ff. sowie zur haftungsbegründenden und haftungsausfüllenden Kausalität nur B G H v. 5.7.1993 W M 1993, 1787, 1788ff.; Assmann, in: Assmann/Schütze, Hdb. KapitalanlageR, § 7 Rn. 138ff. 484 Zu den Haftungsfolgen siehe nur B G H v. 16.11.1978 B G H Z 72, 382, 389; Assmann, in: Assmann/Schütze, Hdb. KapitalanlageR, § 7 Rn. 155ff.; ]. Baur, Investmentgesetze, § 20 K A G G Rn. 36. 485 Assmann, in: Assmann/Schütze, Hdb. KapitalanlageR, § 7 Rn. 12. 480 481
§ 2
Relevante
Haftungstatbestände
419
typisiertes Vertrauen des Anlegers auf die Richtigkeit und Vollständigkeit der von den Prospektverantwortlichen gemachten Angaben an486. Für die Zwecke des Anlegerschutzes wurde der Kreis der Haftpflichtigen damit weit über die nach allgemeinen c.i.e.-Grundsätzen als Sachwalter Haftenden (vgl. § 3 1 1 Abs. 3 BGB) hinaus auf die hinter dem Prospekt und der Anlagegesellschaft stehenden Personen sowie auf alle diejenigen ausgedehnt, die kraft Amtes, Berufes, Sachkunde oder anerkannter wirtschaftlicher Stellung eine Garantenstellung für den Prospekt übernommen haben 487 . Denn das Vertrauen der Anlegergesellschafter gelte denjenigen Personen, die als Verantwortliche des Beteiligungsprojekts und damit als wirtschaftliche Vertragspartner erscheinen, und dies unabhängig davon, ob die betreffenden Personen dem Anlegergesellschafter jemals gegenüber in Erscheinung getreten seien oder ein Vertrauen im Einzelfall auch tatsächlich gebildet worden sei488. So kann es nicht verwundern, daß die allgemein-zivilrechtliche Prospekthaftung i.e.S. in dogmatischer Hinsicht als eine Uberdehnung der vertragsähnlichen Haftung 489 und eine Durchgriffshaftung ohne die hierfür erforderlichen Voraussetzungen kritisiert wurde 490 , die etwa besser auf eine Analogie zu den gesetzlich geregelten Tatbeständen der Prospekthaftung, auf eine vertragsähnliche Selbstbindung oder die deliktische Verletzung eines Bündels kapitalmarkt- bzw. berufsbezogener Verkehrsverhaltenspflichten gestützt werden sollte 491 . Der Unternehmergesellschafter der Anlagegesellschaft kann der allgemeinzivilrechtlichen Prospekthaftung i.e.S. zunächst als ein am Management des Beteiligungsprojekts mitwirkender Initiator, Gestalter oder Gründer unterliegen, da er insoweit als verantwortlich für die Prospektherausgabe und/oder Prospekterstellung betrachtet wird 492 . Ohne im Zusammenhang mit dem Be-
486 B G H v. 5.7.1993 W M 1993, 1787, 1788; Crezelius, B B 1985, 209, 213 (Schutz einer t y p i schen R e d l i c h k e i t s e r w a r t u n g ) . 487 D a z u nur B G H v. 22.5.1980 B G H Z 77, 172, 176 f.; Rümpel, B a n k - und Kapitalmarktrecht, R n . 9.342. 488 B G H v. 16.11.1978 B G H Z 72, 382, 385ff.; zur diesbezüglichen Kritik des Schrifttums siehe Assmann, in: Assmann/Schütze, H d b . KapitalanlageR, § 7 R n . 27ff.; C. v. Bar, Z G R 1983,476, 485 f. u n d 499ff. 489 D a z u nur C. v. Bar, Z G R 1983, 476ff. („Vertrauenshaftung ohne Vertrauen"). 4.0 Assmann, in: Assmann/Schütze, H d b . KapitalanlageR, § 7 Rn. 29; krit. auch Crezelius, BB 1985, 209, 214f. ( k a u m noch greifbare A n s p r u c h s g r u n d l a g e ; Außerachtlassung der Selbstv e r a n t w o r t u n g und Risikobereitschaft des Anlegers). 4.1 Zu den verschiedenen Vorschlägen jeweils m . w . N . C. v. Bar, Z G R 1983, 476, 501 ff.; Assmann, in: Assmann/Schütze, H d b . KapitalanlageR, § 7 R n . 32 ff.; f ü r den A n s a t z der als R e aktion auf ein M a r k t v e r s a g e n und die Gefahren des risikoreichen Guts der Kapitalbeteiligung zu schaffenden Verkehrsverhaltens- u n d Vermögensschutzpflichten Assmann, Prospekthaftung, S. 252 ff. unter B e z u g n a h m e auf die u.a. von C. v. Bar, Verkehrspflichten, S. 157ff. vertretene Lehre von der Schutzgesetzeigenschaft der Verkehrspflichten (dazu näher 4. Kap. § 2 C IV l c ) . 4 . 2 B G H v. 24.4.1978 B G H Z 71, 284, 287f.; B G H v. 16.11.1978 B G H Z 72, 382, 384; B G H v. 22.5.1980 B G H Z 77, 172, 175f.; Rümpel, B a n k - und Kapitalmarktrecht, R n . 9.344.
420
4. Kapitel:
Haftungsrelevanz
der
Unternehmergesellschafterstellung
teiligungsprojekt in Erscheinung getreten zu sein, kann er außerdem als ein maßgeblicher Hintermann, der hinter der Anlagegesellschaft steht und besonderen Einfluß in der Gesellschaft ausübt, der Prospekthaftung unterliegen 493 . Da die Haftungsbefreiung der Anlagegesellschafter 494 für den Unternehmergesellschafter nicht gilt 495 , kann er sich auch als erst nach der Gründung beigetretener Kommanditist 496 oder als bereits vor dem Beitritt des geschädigten Anlagegesellschafters ausgeschiedener Gründer-Kommanditist 497 haftbar machen. Dabei steht es jeweils außer Frage, daß mit dem Unternehmergesellschafter ein für die Gefahrenursachen maßgeblich Verantwortlicher und die Gefahrensteuerung sowie die angemessene Prospektgestaltung besonders Befähigter erfaßt wird 498 . Als solcher sollte er nicht nur dann für Unrichtigkeiten oder Unvollständigkeiten des Prospektes haften können, wenn er auf dessen mangelhafte Erstellung hingewirkt hat, sondern auch, wenn der Prospekt - wie anzunehmen - mit seiner Kenntnis in den Verkehr gebracht wurde und er trotz seiner Einflußmöglichkeiten und seines Interesses an der Werbung von Kapitalanlegern nicht die ihm zu Gebote stehenden erforderlichen Maßnahmen ergriffen hat, um die Erstellung eines beanstandungsfreien Prospekts zu gewährleisten 499 . Auf die allgemein-zivilrechtliche Prospekthaftung i.w.S. soll an Stelle nur der Vollständigkeit halber hingewiesen werden, da sie in der tur der jeweiligen Anspruchsvoraussetzungen keine Besonderheiten über der im übrigen nach den Grundsätzen der c.i.c. (§§ 280 Abs.
dieser Strukgegen1, 311
493 Insoweit gilt nichts anderes als für die börsengesetzliche Prospekthaftung; vgl. dazu nur BGH v. 16.11.1978 BGHZ 72, 382, 385f. und Assmann, in: Assmann/Schütze, Hdb. KapitalanlageR, § 7 Rn. 113 ff. 494 Siehe dazu nur BGH v. 24.4.1978 BGHZ 71,284,286f. und BGH v. 20.1.1992 WM 1992, 482, 483 (die Anlagekommanditisten seien zwar Vertragspartner des Beitretenden, nähmen als solche jedoch kein typisiertes Vertrauen in Anspruch); Crezelius, BB 1985, 209, 212; Assmann, Prospekthaftung, S. 333 f. (keine Verkehrspflicht zur Gewährleistung richtiger und vollständiger Prospekte). 495 Dazu näher BGH v. 1.10.1984 WM 1984, 1529f. (für die Prospekthaftung i.w.S.). 496 BGH v. 25.2.1991 WM 1991, 637, 638f. (Haftung eines nach Gründung mit einem maßgeblichen Anteil beigetretenen Kommanditisten, von dessen finanziellem Engagement Gründung und Fortbestand der Anlagegesellschaft entscheidend abhing). 497 BGH v. 16.11.1978 BGHZ 72, 382, 385f. (Fortbestand der Einflußnahme durch Mitgliedschaft der ausgeschiedenen Gründer-Kommanditisten in einem maßgeblich an der Geschäftsleitung der Anlagegesellschaft beteiligten Beirats); Crezelius, BB 1985, 209, 212; Assmann, in: Assmann/Schütze, Hdb. KapitalanlageR, § 7 Rn. 105. 498 Siehe zu diesem Kriterium für die Bestimmung des Kreises der Haftenden Assmann, Prospekthaftung, S. 346. 499 So auch BGH v. 16.11.1978 BGHZ 72, 382, 388f. und Assmann, Prospekthaftung, S. 347f.; Assmann, in: Assmann/Schütze, Hdb. KapitalanlageR, § 7 Rn. 117; die verschiedentlich für die Gegenansicht zitierte Entscheidung des BGH v. 4.5.1981 WM 1981, 1021 betraf nach ausdrücklichem Bekunden des Gerichts nicht die Prospekthaftung i.e.S., sondern einen Fall der c.i.c., für die es an einer Mitwirkung des Gesellschafters am Vertragsschluß fehlte.
52
Relevante
421
Haftungstatbestände
A b s . 2 , 2 4 1 A b s . 2 B G B ) 5 0 0 , § 823 A b s . 2 B G B 5 0 1 o d e r § 8 2 6 B G B 5 0 2 bestehenden H a f t u n g aufweist. F ü r U n t e r n e h m e r g e s e l l s c h a f t e r einer A n l a g e p e r s o n e n gesellschaft ist hier v o n praktischer B e d e u t u n g , daß ihnen bei P r o s p e k t u n richtigkeiten als Vertragspartnern des beitretenden Anlegers das vorvertragliche Verschulden der Vertretungsorgane der Gesellschaft nach § 2 7 8 B G B zugerechnet wird 5 0 3 .
III. Rechtsschein- und
Vertrauenshaftung
M i t den Begriffen der R e c h t s s c h e i n - und Vertrauenshaftung 5 0 4 sowie der H a f t u n g wegen sog. Konzernvertrauens 5 0 5 w e r d e n ganz unterschiedliche Tatbestände der Verhaltenshaftung im B e r e i c h z w i s c h e n vertraglicher und deliktischer H a f t u n g gekennzeichnet. E s handelt sich dabei u m eine außervertragliche Eigenhaftung des Gesellschafters, die, sofern sie nicht nach ihrem eigenen Inhalt auf eine subsidiäre Einstandspflicht gerichtet ist, gesamtschuldnerisch n e b e n diejenige der Gesellschaft tritt 5 0 6 . A n dieser Stelle kann nicht auf die
bestehenden
Meinungsverschiedenheiten
hinsichtlich
der
generellen
R e i c h w e i t e des Prinzips der Vertrauenshaftung, seines Verhältnisses zu den vertraglichen, vertragsähnlichen und deliktischen Haftungstatbeständen s o wie auf die im einzelnen umstrittenen Voraussetzungen und R e c h t s f o l g e n dieser H a f t u n g eingegangen werden 5 0 7 . E s soll daher lediglich im R a h m e n der die R e c h t s s c h e i n h a f t u n g von Gesellschaftern betreffenden Fallgruppen und dabei namentlich
im Z u s a m m e n h a n g
mit der Z u r e c h n u n g
des
Rechts-
scheins 5 0 8 die haftungsbegründende F u n k t i o n der u n t e r n e h m e r i s c h e n G e s e l l -
500 Siehe zur erst nach 30 Jahren verjährenden c.i.c.-Prospekthaftung von Unternehmergesellschaftern BGH v. 30.3.1987 WM 1987, 811 und BGH v. 1.10.1984 WM 1984,1529; zur ausnahmsweisen c.i.c.-Prospekthaftung von Anlagegesellschaftern BGH v. 20.1.1992 WM 1992, 482, 483. 501 Probleme bereitet hier die angemessene Grenzziehung im Bereich der Schutzgesetzeigenschaft J. Baur, Investmentgesetze, § 20 KAGG Rn. 43 m.w.N.; vgl. zu kapitalmarktbezogenen Verkehrssicherungspflichten als Schutzgesetzen auch 4. Kap. § 2 C IV lc und 2f. 502 Zur Prospekthaftung nach § 826 BGB etwa Assmann, Prospekthaftung, S. 254ff. 503 BGH v. 1.10.1984 WM 1984, 1529, 1530; BGH v. 30.3.1987 WM 1987,811, 812. 504 Dazu eingehend Canaris, Vertrauenshaftung, S. 491 ff. 505 Dazu eingehend Rehbinder, Konzernaußenrecht, S. 31 Iff.; Wiedemann, FS Bärmann 1975, S. 1037, 1054ff.; Fleischer, ZHR 163 (1999), 461, 464ff. 506 BGH v. 15.1.1990 NJW 1990, 2678; BGH v. 24.6.1991 NJW 1991, 2627, 2628; Kreifels, GmbHR 1956, 81, 83; Rehbinder, Konzernaußenrecht, S. 312f.; Canaris, NJW 1991,2628; a.A. Roth/Altmeppen, § 13 Rn. 14 (lediglich subsidiäre Ausfallhaftung); vgl. auch Freese, NJW 1956, 284 (Subsidiarität der korrespondierenden Rechtsscheinhaftung der Gesellschaft für Verbindlichkeiten des Gesellschafters). 507 Dazu eingehend Canaris, Vertrauenshaftung, S. 411ff.; ders., FS Giger, S. 91, 103 ff. und 118ff.; Rehbinder, Konzernaußenrecht, S. 31 Iff.; grundlegend zur Rechtsscheinlehre H. Krause, Schweigen, S. 144 ff. 508 Dazu allgemein Canaris, Vertrauenshaftung, S. 467ff.
422
4. Kapitel: Haftungsrelevanz
der
Unternehmergesellschafterstellung
schafterstellung, insbesondere des mit ihr verbundenen Engagements, Rufs und Einflußpotentials, verdeutlicht werden.
1. Rechtsschein der persönlichen unbeschränkten haftung
Gesellschafter-
U m einen weitgehend unbestrittenen Fall der Rechtsscheinhaftung handelt es sich, wenn der Unternehmergesellschafter zurechenbar gegenüber einem Geschäftspartner der Gesellschaft den unzutreffenden Anschein erweckt oder unterhält, er selbst oder ein anderer Gesellschafter werde als persönlich haftender Gesellschafter für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft unbeschränkt haften 509 . Ein solcher Anschein wird von einem Kommanditisten entgegen der Registereintragung allerdings noch nicht durch die bloße atypische Ausgestaltung der K G , die ihn zum eigentlichen Inhaber des Gesellschaftsunternehmens werden läßt, hervorgerufen, da die interne Ausgestaltung der K G den Gesellschaftern vom Gesetzgeber weitgehend freigestellt wurde und ein Geschäftspartner daher nicht auf eine der Machtlage entsprechende Haftungssituation vertrauen kann 510 . Entgegen einer verbreiteten Ansicht kann dies aber dadurch geschehen, daß er als maßgeblicher Gesellschafter auftritt und Geschäfte im Namen der K G schließt, ohne ausdrücklich zu erklären, daß er nur als rechtsgeschäftlich bestellter Vertreter und nicht als geschäftsführender Komplementär handelt 511 . Sofern der Unternehmergesellschafter einer Kapitalgesellschaft oder einer Kapitalgesellschaft & Co. als organschaftlicher oder rechtsgeschäftlicher Vertreter Geschäfte unter einer Firma ohne den entsprechenden nunmehr generell zwingenden Rechtsformzusatz ( § 1 9 H G B , § 4 G m b H G ; § 4 A k t G ) und mithin ohne Hinweis auf die fehlende persönliche Haftung einer natürlichen Person schriftlich 512 abschließt, erweckt er auch entgegen § 15 Abs. 2 H G B 509 Dazu nur B G H v. 3.2.1975 BGHZ 64, 11, 16ff.; BGH v. 8.5.1978 BGHZ 71, 354, 356ff.; Binz, GmbH & Co., § 7 Rn. 43; a.A. Canans, NJW 1991, 2628; den., FS Giger, S. 91, 118 (Fall der Vertrauenshaftung). 510 H.P. Westermann, Vertragsfreiheit, S. 127 und 262ff.; Boerner, Haftung, S. 41 f.; a.A. Paulick, Genossenschaft, S. 82. 511 Vgl. dazu auch Art. 167 Abs. 3 ADHGB sowie die Haftung eines Kommanditisten nach Art. 28 Abs. 2 L.1966 (no. 66-537), der gegen das nach französischem Recht allerdings zwingende Verbot des Handelns im Namen der Gesellschaft (Art. 28 Abs. 1 L.1966) verstößt; grundsätzlich auch BGH v. 22.1.1970 JZ 1971, 334 (in konkreten Fall jedoch Haftungsausschluß wegen Fahrlässigkeit der Geschäftspartner) und (mit anderem Ansatz) Nitschke, Personengesellschaft, S. 242; vor dem Hintergrund von § 15 Abs. 2 HGB differenzierend H.P. Westermann, Vertragsfreiheit, S. 263ff.; a.A. Boerner, Haftung, S. 42ff. m.w.N. (Rechtsscheinhaftung nur bei ausdrücklicher Selbstbezeichnung als Komplementär). 512 Vgl. zu Einschränkungen bei lediglich mündlichem Kontakt BGH v. 1.6.1981 NJW 1981, 2569, 2570 und LG Aachen v. 16.9.1987 NJW-RR 1988,1174f.
52
Relevante
Haftungstatbestände
423
den Anschein einer unbeschränkten persönlichen Haftung 513 . Die Pflicht der richtigen Firmierung trifft zwar nur die Handelsgesellschaft als Kaufmann und damit in erster Linie deren organschaftliche Vertreter, doch gilt sie letztlich für jeden und damit auch den Nur-Gesellschafter, der durch sein Handeln als Vertreter der Gesellschaft den falschen Anschein erweckt hat514. In einer ständigen Geschäftsverbindung kann der unzutreffende Anschein unbeschränkter Haftung schließlich auch dadurch hervorgerufen werden, daß der Gesellschafter sein bislang einzelkaufmännisch oder in Form einer O H G betriebenes Handelsgewerbe künftig in Form einer GmbH & Co. KG betreibt und hierüber seine Geschäftspartner nicht hinreichend informiert 515 . Der Gebrauch einer der neuen Gesellschaftsform entsprechenden Firma wird den Rechtsschein jedoch regelmäßig zerstören. Allenfalls, wenn der Gesellschafter in Verhandlungen etwa durch eine Bonitätsbeteuerung 516 oder veraltete Visitenkarten 517 auf seine vermeintlich fortbestehende persönliche Haftung verweist, kann es zu einer Haftung gegenüber einem langjährigen Geschäftspartner kommen, der auf den von der Handelsregistereintragung und der Firma abweichenden Rechtsschein vertraut hat. Die besondere haftungsbegründende Funktion der unternehmerischen Gesellschaftsbeteiligung kommt jedoch erst dann zum Tragen, wenn der Gesellschafter nicht selbst gegenüber dem Geschäftspartner aufgetreten ist, sondern sich lediglich einen von Dritten erzeugten Rechtsschein zurechnen lassen muß. Dies ist nach herrschender Meinung nur möglich, wenn er das Verhalten des Dritten kannte oder zumindest hätte kennen können und ihm ein Einschreiten zur Zerstörung des Rechtsscheins zumutbar gewesen wäre 518 . Hier wird man den Rechtsschein auch den nach außen nicht aufgetretenen Unternehmergesellschaftern zurechnen können, sofern diese eine nicht nur vereinzelte falsche Firmierung insbesondere auf den Geschäftsbriefen der Gesellschaft (vgl. u.a. § 37a HGB) oder andere Verhaltensweisen Dritter duldeten, die den Anschein unbeschränkter Haftung erweckt haben. Denn anders als ein kapitalistisch beteiligter Gesellschafter hätten sie zumindest Kenntnis von 5,3 BGH v. 3.2.1975 BGHZ 64, 11, 17ff.; BGH v. 8.5.1978 BGHZ 71, 354, 357; BGH v. 15.1.1990 NJW 1990, 2678; OLG Naumburg v. 20.9.1996 NJW-RR 1997, 1324, 1325; Rehbinder, FS R. Fischer, S. 579, 597; anders noch zur früheren Rechtslage bei der abgeleiteten Firma BGH v. 18.3.1974 BGHZ 62, 216, 228. 514 Ebenso BGH v. 1.6.1981 NJW 1981, 2569, 2570 und BGH v. 24.6.1991 NJW 1991, 2627f. in Analogie zu § 179 Abs. 1 BGB. 515 BGH v. 8.5.1972 WM 1972, 822f.; BGH v. 8.7.1976 WM 1976, 1084, 1085; BGH v. 6.10.1977 WM 1977, 1405, 1406f.; Boerner, Haftung, S. 44; Rehbinder, FS R. Fischer, S. 579, 597. 516 Vgl. dazu BGH v. 8.7.1976 WM 1976, 1084, 1085; Siebert, BB 1954, 417, 418. 517 Vgl. dazu LG Aachen v. 16.9.1987 NJW-RR 1988, 1174, 1175; OLG Naumburg v. 20.9.1996 NJW-RR 1997, 1324, 1325. 518 So für den Scheinkaufmann Röhricht, in: Röhricht/v. Westphalen, Anh § 5 Rn. 14; allgemein auch Canaris, Vertrauenshaftung, S. 479ff.
424
4. Kapitel:
Haftungsrelevanz
der
Unternehmergesellschafterstellung
dem Verhalten haben und dieses angesichts ihrer Einflußnahmemöglichkeiten unterbinden müssen 519 . Sofern auch die übrigen Haftungsvoraussetzungen der Gutgläubigkeit des Geschäftspartners und einer kausalen Vertrauensbetätigung im privatrechtlichen Geschäftsverkehr gegeben sind520, haftet der Unternehmergesellschafter neben der Gesellschaft und anderen Verantwortlichen in entsprechender Anwendung des § 128 HGB 5 2 1 .
2. Enttäuschung des Vertrauens in die zusätzliche freiwillige haftung
Eigen-
Die Rechtsscheinhaftung wegen enttäuschten Vertrauens in die zusätzliche freiwillige Eigenhaftung eines Gesellschafters ist besonders umstritten. Die einen sehen die Grenze der bereits beschriebenen vertraglichen Interzessionshaftung nämlich in einer konkludenten, zumindest mit Erklärungsfahrlässigkeit abgegebenen Willenserklärung und möchten darüber hinaus keine Vertrauenshaftung aufgrund widersprüchlichen Verhaltens des Erklärenden anerkennen. Sofern der Geschäftspartner die wahren Haftungsverhältnisse kenne und nicht von einem schuldhaft zum Ausdruck gebrachten Rechtsbindungswillen des Gesellschafters ausgehen könne, müsse er sich in jedem Fall durch ein Sicherungsgeschäft selbst schützen (caveat creditor) und könne im übrigen nicht in seiner Erwartung geschützt werden, der Gesellschafter werde durch eigene Mitarbeit oder zusätzliche Finanzhilfen die Gesellschaft stützen bzw. selbst für einen etwaigen Ausfall aufkommen 522 . Fehle es an einem Interzessionsgeschäft, genüge es nicht, wenn etwa ein Kommanditist auf seinen guten Ruf und seinen Einfluß innerhalb und außerhalb der Gesellschaft sowie auf seine Kreditwürdigkeit verweise 523 .
519 So auch bei unzutreffender Firmierung für Gesellschafter-Geschäftsführer und „Hauptgesellschafter" kraft Tatherrschaft Canaris, FS Giger, S. 91, 118f. und ders., NJW 1991, 2629 (Haftung analog § 179 Abs. 1 BGB); siehe zur Haftung eines unbeteiligten Gesellschafter-Geschäftsführers, der zur Anmeldung der Eintragung des Rechtsformzusatzes zum Handelsregister verpflichtet gewesen wäre, auch BGH v. 8.5.1978 BGHZ 71, 354, 358. 520 Insoweit kommt dem Geschäftspartner nach Ansicht der Rechtsprechung Umkehr der Darlegungs- und Beweislast zugute (siehe nur BGH v. 3.2.1975 BGHZ 64, 11, 18f. und BGH V. 1.6.1981 NJW 1981, 2569, 2570; anders noch für die Kausalität BGH v. 11.3.1955 BGHZ 17, 13, 18f.). 521 B G H v. 9.12.1987 NJW-RR 1988, 477, 479; unklar hinsichtlich der Gleichrangigkeit noch B G H v. 3.2.1975 BGHZ 64, 11, 18 (Haftung jedenfalls dann, wenn das Gesellschaftsvermögen zur Befriedigung letztlich nicht ausreicht). 522 O L G Karlsruhe v. 7.8.1992 WM 1992, 2088, 2092; Fried, Patronatserklärung, S. 230ff.; Mosch, Patronatserklärungen, S. 46 ff.; Habersack, ZIP 1996, 257, 263; Erman, KTS 1959, 129, 131 f.; K. Müller, ZGR 1977,1, 30ff. 523 B G H v. 17.3.1966 BGHZ 45, 204, 209f.; Wiedemann, FS Bärmann 1975, S. 1037, 1052f.
5 2
Relevante
Haftungstatbestände
425
Demgegenüber wird eine Vertrauenshaftung auch ohne erkennbaren Rechtsbindungswillen von anderen für möglich gehalten, wenn in der Öffentlichkeit oder gegenüber einem konkreten Geschäftspartner beruhigende Erklärungen etwa im Hinblick auf eine weitere Kapitalzufuhr oder die Begleichung von Gesellschaftsforderungen abgegeben werden 524 . Da es um das bloße Vertrauen auf ein zukünftiges freiwilliges Verhalten des Erklärenden gehe, handele es sich zwar nicht um einen Fall der Rechtsscheinhaftung i.e.S.525, doch könne das Vertrauen ausnahmsweise schutzwürdig sein, wenn zwischen den Parteien ein grobes Verhandlungsungleichgewicht bestand, das den Geschäftspartner daran hinderte, vertragliche Sicherungen durchzusetzen 526 . Voraussetzung dieser Haftung sei neben der Schaffung bzw. Aufrechterhaltung eines schutzwürdigen Vertrauenstatbestands, der sozialtypisch den Schluß auf die Fassung eines entsprechenden rechtsgeschäftlichen Willensentschlusses zulasse, eine Zurechnung grundsätzlich nach dem Verschuldensprinzip 527 . Zwar ist insoweit der Rückgriff auf den Vertrauensschutzgedanken immer noch besser als die Fiktion einer Willenserklärung 528 , doch ändert dies nichts an der Tatsache, daß in diesen Fällen eine Vertrauenshaftung - und sei sie auch auf den Ersatz des Vertrauensschadens analog § 122 BGB begrenzt 529 - aus den von der Gegenauffassung genannten Gründen überhaupt ausscheiden sollte. Anderenfalls würden die Grenzen zwischen der vertraglichen und der deliktischen Haftung zu sehr verwischt.
3. Haftung aus scheinbarem
Eigengeschäft
Aufgrund der Verselbständigung der Gesellschaft kann der Unternehmergesellschafter im Rechtsverkehr den Eindruck hervorrufen, nicht für die Gesellschaft, sondern für sich als Privatmann ein Geschäft zu tätigen. Sofern er nicht unter der Firma der Gesellschaft auftritt und diese damit auch ohne besonderen Hinweis auf das Vertretungsverhältnis berechtigt bzw. verpflich-
524 Canaris, Vertrauenshaftung, S. 364ff. (Vertrauenshaftung in Ungleichgewichtslagen aufgrund eines venire contra factum proprium); Rehbinder, Konzernaußenrecht, S. 317ff. (Haftung wegen Konzernvertrauens als Ausdruck eines allgemeinen Vertrauensprinzips); ders., FS R. Fischer, S. 579, 599f.; Hachenburg/Ulmer, Anh § 30 Rn. 27; Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. 1, S. 237; Schilling, JZ 1953,161; Stoll, FS Flume Bd. 1, S. 741, 761 ff.; Wüst, JZ 1995, 990, 994. 525 Canaris, Vertrauenshaftung, S. 364 und 368 f.; Hachenburg/Ulmer, Anh § 30 Rn. 27; mit anderer Begründung i.E. auch Rehbinder, Konzernaußenrecht, S. 318 f. (der Anschein eines Rechtsbindungswillens ist kein Rechtsschein). 526 Canaris, Vertrauenshaftung, S. 369f.; Rehbinder, Konzernaußenrecht, S. 324f. 527 Rehbinder, Konzernaußenrecht, S. 322ff.; Canaris, Vertrauenshaftung, S. 476f. 528 Rehbinder, Konzernaußenrecht, S. 316. 529 Dazu Rehbinder, Konzernaußenrecht, S. 328 f.
426
4. Kapitel: Haftungsrelevanz
der
Unternehmergesellschafterstellung
tet 530 , muß er nicht nur auf die bewußte Irreführung des Geschäftsverkehrs verzichten, sondern stets auch deutlich zum Ausdruck bringen, in welcher Rolle er handelt531. Die sich hieraus ergebende Haftung wird man allerdings als eine Haftung aus Rechtsgeschäft (gegebenenfalls aufgrund von Erklärungsfahrlässigkeit) und nicht aufgrund zurechenbar veranlaßten Rechtsscheins einzuordnen haben 532 . Erzeugen oder unterhalten der Gesellschafter bzw. die Gesellschaft andererseits durch Sphärenvermischung bei einem Geschäftspartner eine beiden Rechtssubjekten zurechenbare Fehlvorstellung ihrer rechtlichen Identität und der von ihnen jeweils betriebenen Handelsgewerbe, handelt es sich zwar um einen Fall der gesamtschuldnerischen Rechtsscheinhaftung 533 , doch trifft diese bereits einen Unternehmens- und nicht mehr einen Privatgesellschafter. 4. Rechtsschein
erhöhter
Haftungsmasse
Wenn auch nicht um einen Fall persönlicher, so doch gegenständlicher Rechtsscheinhaftung 534 des Gesellschafters handelt es sich, wenn ein Geschäftspartner über den Umfang des haftenden Kapitals dadurch getäuscht wird, daß Vermögensgegenstände des Gesellschafters etwa durch eine unzutreffende Aufnahme in die Gesellschaftsbilanz scheinbar in einer dem Gesellschafter zurechenbaren Weise der Gesellschaft zugeordnet wurden 535 . Der getäuschte Gesellschaftsgläubiger hat hier die Möglichkeit, auf den Vermögensgegenstand des Gesellschafters im Wege der Zwangsvollstreckung zuzugreifen bzw. sich bei der Berechnung seiner Insolvenzquote auf die Massezugehörigkeit des Gegenstands zu berufen. Für die eindeutige Zuordnung des Vermögensgegenstands zur Gesellschaft ist jedoch weder das lediglich abstrakte Hervorrufen des Eindrucks einer ausreichenden Haftungsgrund530 Dazu nur BGH v. 18.3.1974 BGHZ 62, 216, 218ff.; BGH v. 3.2.1975 BGHZ 64, 11, 13ff.; BGH v. 8.7.1976 WM 1976, 1084; O L G Nürnberg v. 26.5.1955 WM 1955, 1566f. 531 Hachenburg/Mertens, Anh § 13 Rn. 16. 532 Ebenso Canaris, Vertrauenshaftung, S. 177 und 367; a.A. Kreifels, GmbHR 1956, 81. 533 So auch Canaris, Vertrauenshaftung, S. 177ff. und 368; Rehbinder, Konzernaußenrecht, S. 154ff. unter Hinweis auf den Fall O L G Nürnberg v. 26.5.1955 WM 1955, 1566, 1567; ders., FS R. Fischer, S. 579, 597f.; Hachenburg/Mertens, Anh § 13 Rn. 16 unter Hinweis auf O L G Düsseldorf v. 12.7.1971 ZMR 1972, 307f.; zur Verwandtschaft mit der Haftung wegen Sphärenvermischung siehe Hachenburg ¡Mertens, Anh § 13 Rn. 16 und K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 9 IV 2b; Lutter, ZGR 1982,244, 251 f. möchte hingegen in den Fällen der Identitätstäuschung offenbar einen von den Voraussetzungen der Rechtsscheinhaftung unabhängigen Tatbestand des Durchgriffs annehmen. 534 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 9 IV 2a spricht von einer „gegenständlichen Haftungserweiterung". 535 Canaris, Vertrauenshaftung, S. 368 f.; Hachenburg/Ulmer, Anh § 30 Rn. 27; K. Schmidt, BB 1985, 2074, 2075f.; erwogen auch von LG Frankfurt/M. v. 8.3.1977 AG 1977, 321, 322; vgl. zum umgekehrten Fall O L G Hamm v. 10.11.1976 NJW 1977, 1159f. (nach Ansicht des Gerichts allerdings Fall der Durchgriffshaftung).
52
Relevante
Haftungstatbestände
427
läge536 noch eine bloße Unklarheit der Vermögensverhältnisse 537 oder eine bloße Nutzung von Vermögensgegenständen des Gesellschafters durch die Gesellschaft 538 ausreichend. Auch die Fälle der qualifiziert materiellen Unterkapitalisierung einer Kapitalgesellschaft (& Co.) sollten nicht mit Hilfe einer Vertrauenshaftung der „Hauptgesellschafter" kraft Tatherrschaft 539 , sondern im Rahmen des Deliktsrechts gelöst werden 540 , da der Betrieb eines kapitalintensiven Unternehmens mangels entsprechender gesetzlicher Verpflichtungen (vgl. etwa § 5 Abs. 1 S. 1 G m b H G ) für sich genommen noch nicht den Rechtsschein einer korrespondierenden Kapitalausstattung hervorruft.
IV. Deliktische Haftung In einem nach der Intensität des zugrundeliegenden Rechtsverhältnisses abgestuften Haftungssystem kommt dem Deliktsrecht für die Haftung von Gesellschaftern gegenüber außenstehenden Dritten eine zentrale Bedeutung zu. Ein Deliktsrecht, das in den traditionellen Strukturen verharrt, kann diesen Funktionen allerdings nicht hinreichend gerecht werden.
1. Erweiterung des deliktischen Haftungssystems a) Das Bedürfnis nach einer erweiterten deliktischen Haftung Die Unzulänglichkeiten des deutschen Deliktsrechts sind seit langem bekannt. Die bewußte Entscheidung des BGB-Gesetzgebers gegen eine echte deliktische Generalklausel etwa nach französischem Vorbild und damit insbesondere für eine Beschränkung des Ersatzes primärer Vermögensschäden auf die zumindest der gesetzlichen Konzeption nach engen Tatbestände der §§ 823 Abs. 2 und 826 B G B konnte angesichts gravierender Haftungslücken keinen Bestand haben 541 . Mit der bereits zu Beginn des letzten Jahrhunderts einsetzenden Erweiterung des § 823 Abs. 1 B G B um sonstige Rechte wie das am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb oder das der Mitgliedschaft sowie mit der Schaffung verschiedenster Haftungstatbestände im Bereich zwischen vertraglicher und deliktischer Haftung haben sich RechtspreBoerner, Haftung, S. 44 f. Canaris, Vertrauenshaftung, S. 368; zur zutreffenden deliktsrechtlichen Lösung der Fälle der Sphärenvermischung 4. Kap. § 2 C IV 2d. 538 Vgl. dazu für die Durchgriffshaftung B G H v. 26.11.1957 W M 1958, 460, 462; allgemein zur Vorsicht mahnt in diesem Zusammenhang mit Recht Rehbinder, Konzernaußenrecht, S. 152. 539 So aber für die GmbH Canaris, FS Giger, S. 91, 119 ff. 540 Dazu 4. Kap. § 2 C IV 2c. 541 Siehe dazu nur die Kritik von C. v. Bar, Verkehrspflichten, S. 204ff. m.w.N.; v. Caemmerer, Wandlungen, S. 69 ff. 536 537
428
4. Kapitel: Haftungsrelevanz
der
Unternehmergesellschafterstellung
chung und Lehre auch längst von diesem ursprünglichen engen Haftungskonzept entfernt 542 . So wird denn auch dem Bedürfnis nach einer Haftung des Unternehmergesellschafters durch eine konkludente Eigenhaftung, die Sachwalterhaftung, die Prospekthaftung, die Rechtsschein- und Vertrauenshaftung, die Insolvenzverschleppungshaftung, die Gehilfenhaftung und die Durchgriffshaftung sowie die mit Gläubigerinteressen begründete organschaftliche und mitgliedschaftliche Verhaltenshaftung auf ganz unterschiedlichen, teilweise dogmatisch fragwürdigen und nicht hinreichend aufeinander abgestimmten Wegen entsprochen. Andererseits verdeutlichen aber auch die Bemühungen der Rechtsprechung, die außervertragliche Außenhaftung der Gesellschafter soweit wie möglich auf § 826 B G B zu stützen, daß eine möglichst weitgehende Verortung dieser Haftung im Deliktsrecht angestrebt wird.
b) Erweiterung
der deliktischen
Haftung
über $ 826 BGB
Insbesondere von der Rechtsprechung wurde die deliktische Eigenhaftung von Unternehmergesellschaftern mit Hilfe einer Abmilderung der subjektiven Voraussetzungen des § 826 B G B ausgeweitet 543 . Aufgrund der Herabsetzung der tatbestandsmäßigen Anforderungen im Bereich der Sittenwidrigkeit und des Vorsatzes kann die Vorschrift längst nicht mehr als ein bloßer „Papiertiger" angesehen werden 544 . Ein sittenwidriges Verhalten wird danach bereits bei Leichtfertigkeit und Gewissenlosigkeit 545 bzw. sogar bei Unverhältnismäßigkeit 546 angenommen. Der erforderliche zumindest bedingte Vorsatz wird schon dann unterstellt, wenn der Gesellschafter so leichtfertig gehandelt hat, daß er eine Schädigung von Gläubigern in Kauf genommen haben muß 547 . In den gesellschaftsrechtlichen Urteilen hat dies nicht selten dazu geführt, bereits bei einem objektiven Mißbrauch der juristischen Person bzw. der Haftungsbeschränkungsnormen oder einer pflichtwidrigen Ausübung von Leitungsmacht eine Haftung nach § 826 B G B anzunehmen 548 . Schließlich wurde Siehe dazu nur die Inhaltsübersicht bei v. Caemmerer, Wandlungen, S. 49. Zur vergleichbaren Ausweitung der Haftung für Rat und Auskunft krit. etwa C. v. Bar, Verkehrspflichten, S. 211 ff. und K. Huber, FS v. Caemmerer, S. 359, 372ff. 544 So aber H.P. Westermann, Haftungsfragen, S. 95. 545 Dazu nur für die Gesellschafterhaftung BGH v. 27.2.1962 WM 1962, 579, 581 sowie allgemein MünchKommBGB/Meriercs, § 826 Rn. 42 m.w.N. 546 BGH v. 20.3.1995 BGHZ 129, 136, 172. 547 Für die Gesellschafterhaftung etwa B G H v. 30.11.1978 NJW 1979, 2104, 2105; BGH v. 20.3.1995 BGHZ 129,136,176f.; O L G Karlsruhe v. 13.5.1977 WM 1978, 962, 966; Weitbrecht, Haftung, S. 85ff.; vgl. dazu auch die Fälle einer leichtfertigen Auskunfterteilung BGH v. 17.9.1985 NJW 1986,180,182; B G H v. 14.4.1986 WM 1986, 904, 906; BGH v. 26.11.1986 NJW 1987, 1758f.; krit. dazu Assmann, Prospekthaftung, S. 255f. und Lutter/Hommelhoff, § 13 Rn. 8. 548 RG v. 22.10.1938 RGZ 158, 302, 310; B G H v. 30.11.1978 NJW 1979, 2104, 2105; O L G Saarbrücken v. 22.9.1992 ZIP 1992, 1623, 1627; O L G Karlsruhe v. 13.5.1977 WM 1978, 962, 966; Mertens, AcP 178 (1978), 227, 242f. 542
543
§ 2
Relevante
429
Haftungstatbestände
das Vorsatzerfordernis auch gegenständlich begrenzt, da sich der Vorsatz allein auf die Schadenszufügung und nicht auch auf die Sittenwidrigkeit und Rechtswidrigkeit des Verhaltens beziehen muß. Es soll genügen, daß er die sein Verhalten sittlich verwerflich machenden sachlichen Umstände 549 , die Art des Schadens und die generelle Richtung des Kausalverlaufs gekannt sowie den Kreis der gefährdeten Personen abgesehen und deren Schädigung billigend in Kauf genommen hat550. Obwohl auf diese Weise zahlreiche Fälle zutreffend gelöst werden konnten 551 , erscheint der Anknüpfungspunkt der deliktsrechtlichen Haftungserweiterung in § 826 B G B als verfehlt. Zum einen ist auch dieser Ansatz in vielen Fällen auf eine Korrektur des gesetzlichen Tatbestands angewiesen, um die Haftung in den Bereich zumindest des leichtfertigen Verhaltens ausdehnen zu können. Zum anderen werden damit noch immer nicht alle Fälle, in denen es an einer Sonderbeziehung zwischen Schädiger und Geschädigtem fehlt und die daher dem Bereich der deliktischen Haftung zugeordnet werden sollten, zutreffend gelöst552. Insoweit kann nur eine Fahrlässigkeitshaftung Abhilfe schaffen, die an die objektive Verletzung bestimmter für den Unternehmergesellschafter herausgearbeiteter Verhaltenspflichten anknüpft. c) Die Anerkennung etablierten
der Schutzgesetznatur
von
richterrechtlich
Verkehrssicherungspflichten
Es sollte daher eine behutsame Erweiterung der deliktischen Haftung über § 823 Abs. 2 B G B durch eine Anerkennung der Schutzgesetzeigenschaft von richterrechtlich etablierten Verkehrspflichten erfolgen. Die These, daß auch die Rechtsprechung in der Form gesetzesvertretenden Richterrechts zur Ausbildung von Schutzgesetzen i.S.d. § 823 Abs. 2 B G B in der Lage sei553, wider549 Dazu nur für die Gesellschafterhaftung B G H v. 30.11.1978 N J W 1979, 2104, 2105; B G H v. 27.2.1962 W M 1962, 579, 582; O L G Karlsruhe v. 13.5.1977 W M 1978, 962, 966; Weitbrecht, Haftung, S. 85; sowie allgemein bereits R G v. 29.9.1909 R G Z 72, 4, 7 (obiter) und R G v. 15.11.1909 R G Z 72, 175, 176 und für die Auskunftserteilung B G H v. 17.9.1985 N J W 1986, 180, 182. 550 O L G Karlsruhe v. 13.5.1977 W M 1978, 962, 966; R G v. 5.3.1938 R G Z 157, 213, 220; MünchKommBGB/Mertens, § 826 Rn. 62f.; dazu krit. C. v. Bar, Verkehrspflichten, S. 217 m.w.N. 551 Eine Ausnahme bildet allerdings die zu weit gehende Entscheidung O L G Saarbrücken v. 22.9.1992 ZIP 1992, 1623, 1627 (Haftung einer Gesellschafter-Geschäftsführerin, die ihrem Ehemann und Mitgesellschafter faktisch die Geschäftsführung überlassen und sich in der ihr bekannten Krise der G m b H leichtfertig und gewissenlos nicht um die Geschäfte der Gesellschaft gekümmert hatte) mit krit. Anm. Drygala (S. 1631); siehe demgegenüber auch B G H v. 13.4.1994 B G H Z 125,366. 552 So auch ausdrücklich für die Fälle der Unterkapitalisierung Wüst, J Z 1995, 990,994; Hachenburg/ Ulmer, Anh § 30 Rn. 42 und Staudinger/Oechsler, § 826 Rn. 319. 553 So unter Berufung auf die Einbeziehung des Richterrechts in § 2 E G B G B MünchK o m m B G B / M e r t e n s , § 823 Rn. 172f.; Mertens, AcP 178 (1978), 227, 228ff.; C. v. Bar, Ver-
430
4. Kapitel:
Haftungsrelevanz
der
Unternehmergesellschafterstellung
spricht allerdings nicht nur dem Willen des Gesetzgebers, der den über § 823 Abs. 2 B G B möglichen Ersatz primärer Vermögensschäden ausdrücklich auf die Fälle einer formalgesetzlichen Regelung begrenzen und über die Schutzgesetze lediglich außerdeliktische Sonderregelungen in das Deliktsrecht integrieren wollte 554 , sondern auch der bislang herrschenden Meinung 555 . Mit Recht wird demgegenüber aber auf die bereits von der Rechtsprechung praktizierte schutzgesetzähnliche Behandlung der Verkehrspflichten im Rahmen des § 823 Abs. 1 BGB 5 5 6 oder des „gesetzlichen" Schuldverhältnisses der culpa in contrahendo (§§ 280 Abs. 1,311 Abs. 2,241 Abs. 2) 557 sowie auf die im Ergebnis über § 826 B G B oder außerdeliktische Umwege erzielte Haftung hingewiesen. Die Anerkennung von Verkehrspflichten zum Schutz fremden Vermögens im Rahmen des § 823 Abs. 2 B G B böte gerade im Bereich der Gesellschafterhaftung, bei der es zumeist um den Ersatz primärer Vermögensschäden geht, eine Reihe von Vorteilen. Es würde nicht nur ein einheitlicher Lösungsansatz für die Außenhaftung von Gesellschaftern geschaffen, sondern auch eine Aushöhlung allgemeiner dogmatischer Grundsätze verhindert 558 . (Doppel-)Vorsatz bliebe (Doppel-)Vorsatz und Sittenwidrigkeit Sittenwidrigkeit ebenso wie etwa Vertragsverhältnisse Rechtswirkungen grundsätzlich nur noch zwischen den Vertragspartnern entfalten würden und die Eigenständigkeit der Gesellschaft gegenüber den Gesellschaftern weder mißachtet noch übertrieben werden müßte. Soweit es um den Schutz von Gläubigerinteressen ginge, müßte nicht erst der Umweg über eine organschaftliche oder mitgliedschaftliche Innenhaftung beschritten werden 559 . Wie auch im Fall der Innenhaftung wegen Verletzung der mitgliedschaftlichen Treuepflicht müßten die jeweiligen deliktischen Verhaltenspflichten von kehrspflichten, S. 157ff.; K. Hub er, FS v. Caemmerer, S. 359, 377ff.; Deutsch, Unerlaubte Handlungen, Rn. 276; Assmann, Prospekthaftung, S. 262; zu weitgehend Gieseke, GRUR 1950, 298, 310 (Schutzgesetzcharakter der allgemeinen Grundsätze des sozialen Lebens); Larenz, FS Dölle, S. 169, 193 f. (mit ausdrücklicher Beschränkung auf den Schutz von Rechtsgütern i.S.v. § 823 Abs. 1 BGB); siehe zudem zur Verkehrspflichtigkeit als Gewohnheitsrecht C. v. Bar, Verkehrspflichten, S. 164. 554 Mugdan, II S. 1072ff.; zur Entstehungsgeschichte des § 823 BGB auch Börgers, Wandlungen, S. 69ff. und Spickhoff, Gesetzesverstoß, S. 12ff. und 89ff. 555 Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 7 6 111 2b,c; Spickhoff, Gesetzesverstoß, S. 88 ff.; Börgers, Wandlungen, S. 34; Staudinger/tfager, § 823 Rn. E9; Grunewald, ZGR 1986, 580, 596f.; Kreuzer, AcP 184 (1984), 81, 86. 556 Dazu näher C. v. Bar, Verkehrspflichten, 165 ff.; vgl. auch v. Caemmerer, Schriften I S. 564 sieht die von der Rechtsprechung herausgearbeiteten Verkehrspflichten „in die Nähe der Schutzgesetze nach 823 Abs. 2 B G B gerückt"; vgl. dazu auch sogleich die Garantenaußenhaftung von Geschäftsführern aufgrund Organisationsverschuldens (4. Kap. § 2 C IV 2a). 557 C. V. Bar, ZGR 1983, 476, 501; G.H. Roth, ZGR 1993, 170, 205f. 558 Dazu auch C. v. Bar, ZGR 1983, 476, 51 Off.; G.H. Roth, ZGR 1993, 170, 205f.; siehe auch jeweils zur Kritik an den verschiedenen dogmatischen Ersatzlösungen die dortigen Nachweise. 559 Dazu bereits krit. im 4. Kap. § 2 A I und IV; wie hier auch Karollus, ZIP 1995, 269, 273; zur deliktischen Natur der faktischen Organhaftung ferner Mertens, AcP 178 (1978), 227, 234.
52
Relevante
Haftungstatbestände
431
der Rechtsprechung im Einzelfall unter Berücksichtigung der zu Beginn dieses Kapitels genannten Haftungsgesichtspunkte herausgearbeitet werden. Dies zwänge sie zu einer wesentlich sorgfältigeren und offeneren Begründung der Haftungsergebnisse 560 . Dabei wäre dann auch die Übernahme der nach ständiger Rechtsprechung im Rahmen des § 823 Abs. 2 BGB bestehenden Beweislastumkehr für den Verschuldensnachweis zu erwägen 561 . Auf diese Weise könnte die Rechtsprechung mit Hilfe der der „kleinen Generalklausel" des § 823 Abs. 2 BGB und der Verkehrspflichten zum Schutz fremden Vermögens das von der Praxis längst überholte gesetzliche Deliktsrecht im Bereich des Gesellschaftsrechts behutsam fortbilden 562 . Die nach allgemeinen deliktischen Maßstäben lediglich Fahrlässigkeit voraussetzende Haftung wegen einer Verletzung von Verkehrssicherungspflichten ist jedoch von generalklauselartiger Weite. Im Interesse der Vermeidung von Widersprüchen zu gesetzlichen Regelungen bzw. gesellschaftsrechtlichen Wertungen 563 und der gebotenen Begrenzung insbesondere des Ersatzes von primären Vermögensschäden 564 ist die Haftung daher subjektiv und objektiv durch die Ausbildung konkreter Verhaltenspflichten sowie durch Normzwecküberlegungen auf bestimmte Fallgruppen, Gesellschafter und Geschädigte zu begrenzen 565 . Nur so kann dem Spannungsverhältnis zwischen dem Schutzinteresse der Gläubiger und dem grundsätzlichen Recht der Gesellschafter auf Haftungsfreiheit sowie dem Stufenverhältnis zum generellen, jedoch an erhöhte Anforderungen geknüpften Haftungstatbestand des § 826 BGB angemessen Rechnung getragen werden 566 . Im Gesellschaftsrecht sollte allerdings nicht der Auffassung gefolgt werden, den Ersatz primärer Vermögensschäden Dritter auf die Verletzung von deliktsrechtlichen Berufspflichten zum Schutz fremden Vermögens zu begrenzen 567 . In Anbetracht der obigen Ausführungen zur unternehmerischen Gesellschafterstellung als Beruf könnte man die Verhaltenspflichten von Unternehmergesellschaftern zwar durchaus auch als Berufspflichten qualifizieren568, doch scheint es angesichts der gemachten Erfahrungen nicht wünEbenso Mertens, AcP 178 (1978), 227, 231 ff. und 241 f.; Karollus, ZIP 1995, 269, 273. Dazu allgemein C. v. Bar, Verkehrspflichten, S. 296ff.; MünchKommBGB/Mertens, § 823 Rn. 53. 562 A.A. Börgers, Wandlungen, S. 39ff.; Spickhoff, Gesetzesverstoß, S. 89ff. 563 Siehe dazu allgemein 4. Kap. § 1 A sowie sogleich für die einzelnen Fallgruppen unter 2. 564 Dieses Bedürfnis sehen auch die Befürworter der allgemeinen deliktsrechtlichen Lösung (vgl. nur allgemein C. v. Bar, Verkehrspflichten, S. 204 und für die Insolvenzverschleppungshaftung des Gesellschafters Hachenburg/Ulmer, § 64 Rn. 78). 565 Siehe zur Begrenzung von Verkehrspflichten allgemein C. v. Bar, Verkehrspflichten, 181 ff. 566 Dazu auch Karollus, ZIP 1995, 269, 273. 567 So jedoch allgemein C. v. Bar, Verkehrspflichten, S. 233ff.; wie hier Mertens, AcP 178 (1978), 227, 251 ff.; Assmann, Prospekthaftung, S. 263 ff. 568 So für die Fälle der Prospekthaftung letztlich auch C. v. Bar, ZGR 1983, 476, 504ff. 560 561
432
4. Kapitel:
Haftungsrelevanz
der
Unternehmergesellschafterstellung
sehenswert, die Rechtsprechung erneut durch allgemeine Rechtssätze an der Ausbildung von Fallgruppen der deliktischen Außenhaftung zu hindern und nunmehr etwa zu einer Uberdehnung des Begriffs der Berufspflichten zu drängen.
2. Fallgruppen
deliktischer
Haftung
des
Unternehmergesellschafters
a) Deliktische Haftung für die Verletzung absoluter bei Organisationsverschulden
Rechtsgüter
Die Reichweite der Verantwortlichkeit des geschäftsführenden Organs gegenüber Dritten für die ordnungsgemäße Organisation und Leitung des Unternehmens nach § 823 Abs. 1 B G B einschließlich der Produzentenhaftung 569 ist noch nicht abschließend geklärt 570 . Der Bundesgerichtshof hat eine Garantenstellung des Geschäftsführers zum Schutz von absoluten Rechtsgütern Dritter angenommen, sofern die Abwehr der sich in dem Schaden realisierenden Gefahrenlage zu allererst in dessen Aufgabenbereich der Koordination und Organisation des Unternehmens fällt 571 . Das Schrifttum hat sich demgegenüber um Einschränkungen dieser überwiegend als zu weitgehend empfundenen Haftung wegen Organisationspflichtverletzung bemüht. Da die Verkehrspflichten im Außenverhältnis grundsätzlich allein die Gesellschaft träfen 572 , dürfe der Geschäftsführer einer Schadensersatzpflicht nur bei Kenntnis von der drohenden Rechtsverletzung und einer aus seiner Organisationsherrschaft ableitbaren Möglichkeit zur Gefahrenabwehr unterliegen 573 . Im Ergebnis läuft dies allerdings auf eine von Organisationspflichten unabhängige Verwirklichung des Deliktstatbestandes durch Unterlassen hinaus574. Es ist zu vermuten, daß in dem Maße, in dem den geschäftsführenden O r ganmitgliedern danach Verkehrspflichten zum Schutz fremder Rechtsgüter 569 Während sich die sondergesetzliche Produkthaftung nach § 4 ProdHaftG ausschließlich an die Gesellschaft als Herstellerin richtet, trifft die Produzentenhaftung nach § 823 Abs. 1 BGB nach Auffassung des BGH u.U. auch Mitarbeiter (vgl. nur BGH v. 3.6.1975 NJW 1975, 1827 und Sandherger, Außenhaftung, S. 238 ff.). 570 Dazu eingehend Haas, Geschäftsführerhaftung, S. 211 ff.; Kleindiek, Deliktshaftung, S. 457ff.; Sandherger, Außenhaftung, S. 129ff. 571 BGH v. 5.12.1989 BGHZ 109, 297, 302ff.; in diesem Sinne auch Scholz/t/.tf. Schneider, § 43 Rn. 240 i.V.m. 232; vgl. zur strafrechtlichen Verantwortlichkeit von Geschäftsführern wegen unterlassenen Rückrufs gefährlicher Produkte BGH v. 6.7.1990 BGHSt 37, 106, 114ff. 572 Kleindiek, Deliktshaftung, S. 452; Mertens!Mertens, JZ 1990, 488, 489; Lutter, ZHR 157 (1993), 464, 471 f. 573 Kleindiek, Deliktshaftung, S. 445f. und S. 464ff.; Lutter, ZHR 157 (1993), 464, 468ff.; Heil, BB 1998, 1749, 1752ff.; in Form eines Hinweises auf das Wettbewerbsrecht auch bereits Mertens!Mertens, JZ 1990, 488, 490. 574 Das erkennt auch Kleindiek, Deliktshaftung, S. 464ff.
§ 2
Relevante
Haftungstatbestände
433
i.S.d. § 823 Abs. 1 B G B auferlegt werden, diese Pflichten kraft bestehender Organisationsherrschaft auch auf unternehmerisch engagierte Nur-Gesellschafter übertragbar sind. Wie bereits die Haftung von Arbeitnehmern zeigt, bildet die Rechtsfähigkeit der Gesellschaft und die Übernahme von Verkehrspflichten durch diese keinen absoluten Schutz gegen die Verantwortlichkeit der in dem von ihr betriebenen Unternehmen Tätigen. Auch der Umfang der unternehmerischen Organisationspflichten spräche jedenfalls nicht prinzipiell gegen eine Haftung bei Organisationsverschulden 575 , sondern nur für eine äußerst zurückhaltende Bestimmung des Pflichtenkatalogs. Voraussetzung der Haftung eines Nur-Gesellschafters im Außenverhältnis wäre allerdings in jedem Fall, daß dieser seine Organisationsverantwortung nicht wie in aller Regel auf einen eigenverantwortlich handelnden Geschäftsleiter delegiert hat. Insoweit dürfte es zudem von Bedeutung sein, daß sich der Bundesgerichtshof gegen die Schutzgesetzeigenschaft des § 130 Abs. 1 S. 1 O W i G bzw. der hinter dieser Sanktionsnorm stehenden Uberwachungspflicht des Betriebs- bzw. Unternehmensinhabers ausgesprochen hat 576 .
b) Deliktische
Haftung
wegen
Insolvenzverschleppung
aa) Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB wegen Verstoßes gegen die Insolvenzantragspflicht Nach §§ 64 Abs. 1, 84 Abs. 1 Nr. 2 G m b H G , §§ 92 Abs. 2, 283 Nr. 14, 401 Abs. 1 Nr. 2 A k t G und §§ 130a Abs. 1, 130b, 177a H G B sind die Mitglieder des Vertretungsorgans bzw. die Liquidatoren von Kapitalgesellschaften und von Personengesellschaften ohne persönlich haftenden natürlichen Gesellschafter verpflichtet 577 , unverzüglich und spätestens drei Wochen nach Kenntniserlangung von der Zahlungsunfähigkeit und/oder Uberschuldung der Gesellschaft die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu beantragen. Der Charakter dieser Vorschriften als Gesetze zum Schutz nicht nur der Altgläubiger, sondern auch der Neugläubiger ist inzwschen ohne Einschränkungen überwiegend anerkannt 578 . Denn die Insolvenzantragspflicht ist ein zentrales
575 A.A. jedoch für Organmitglieder juristischer Personen Kleindiek, Deliktshaftung, S. 446f. 576 B G H v. 13.4.1994 B G H Z 125, 366, 373ff.; krit. Siegmann/Vogel, ZIP 1994, 1821, 1828f. 577 Nach der von der h.M. abweichenden Ansicht von K. Schmidt, ZIP 1988, 1497, 1498 und 1501 könne allerdings nicht von einer Antragspflicht, sondern nur von dem sich an alle das Unternehmen tatsächlich Führenden richtenden Verbot gesprochen werden, die Gesellschaft im Insolvenzfall fortzuführen. 578 So namentlich für § 64 Abs. 1 G m b H G : Mit Einschränkungen hinsichtlich des Schutzzwecks (Quotenschaden) bereits B G H v. 16.12.1958 B G H Z 29, 100, 105ff.; zur bis 1994 h.M. siehe auch K. Schmidt, N J W 1993, 2934; nunmehr generell B G H v. 6.6.1994 N J W 1994, 2220, 2222f.; bestätigt durch B G H v. 7.11.1994 ZIP 1995,211; Flume, ZIP 1994, 337, 339f.; Karollus,
434
4. Kapitel:
Haftungsrelevanz
der
Unternehmergesellschafterstellung
Element des Gläubigerschutzes und der Rechtfertigung der Haftungsbeschränkung auf das Gesellschaftsvermögen 5 7 9 . Die Tatsache, daß § 64 A b s . 2 G m b H G h i e r f ü r nach seiner ursprünglichen K o n z e p t i o n und n u n m e h r auch § 130a A b s . 3 H G B nur eine Haftung gegenüber der Gesellschaft vorsehen, steht dem nicht entgegen 580 . Die Haftung, die f ü r Neugläubiger inzwischen zu Recht auch nicht mehr auf den bloßen Q u o t e n s c h a d e n begrenzt wird 5 8 1 , k o n k u r r i e r t mit der c.i.e.-Sachwalterhaftung (§§ 2 8 0 A b s . 1 , 3 1 1 A b s . 2 und 3, 2 4 1 Abs. 2 B G B ) wegen pflichtwidrig unterlassener A u f k l ä r u n g über die Insolvenzreife 5 8 2 . Nach dem W o r t l a u t der einzelnen Vorschriften sind jedoch nur die Mitglieder des jeweiligen Vertretungsorgans der Gesellschaft und nicht auch die M i t glieder des Aufsichtsrats oder eines Beirats oder gar der Nur-Gesellschafter z u r Beantragung der E r ö f f n u n g des Insolvenzverfahrens verpflichtet. Dies gilt im übrigen auch f ü r die korrespondierende Regelung der Antragsberechtigung durch § 15 InsO. Immerhin ist der Kreis der Antragspflichtigen v o n der straf- und zivilrechtlichen Rechtsprechung immer mehr ausgeweitet w o r den. M i t Billigung der herrschenden Lehre 5 8 3 w u r d e die Antragspflicht auf fehlerhaft bestellte Geschäftsleiter 5 8 4 sowie auf faktische Organmitglieder
ZIP 1995, 269ff.; grds. zust. Wilhelm, ZIP 1993, 1833ff., wenn auch gegen eine Aktivlegitimation der Gläubiger bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens (Abwicklung über § 64 Abs. 2 GmbHG und § 93 Abs. 5 AktG analog); vgl. zur von der h.M. abgelehneten Aktivlegitimation des Insolvenzverwalters auch Uhlenbruch, ZIP 1994, 1153 1154f. 579 BGH v. 6.6.1994 NJW 1994, 2220, 2223f.; Karollus, ZIP 1995, 269, 273; G.H. Roth, GmbHR 1985, 137, 140. 580 BGH v. 6.6.1994 NJW 1994, 2220, 2224; R o t h ! A l t m e p p e n , § 64 Rn. 37; Karollus, ZIP 1995, 269, 271 f. 581 Dazu eingehend BGH v. 6.6.1994 NJW 1994, 2220, 2222ff. m.w.N.; zuvor bereits zutreffend gegen die bis dahin h.M. Wilhelm, ZIP 1993, 1833f. und Flume, ZIP 1994, 337, 339f.; zust. Lutter/Hommelhoff, § 64 Rn. 40 mit zahlreichen aktuellen Nachweisen; krit. Scholz/ K. Schmidt, § 64 Rn. 40; zur früheren Rechtsprechung siehe nur BGH v. 16.12.1958 BGHZ 29, 100, 105ff. sowie BAG v. 24.9.1974 NJW 1975, 708, 710; zur weiterhin geltenden Beschränkung des Ersatzes des von den /l&gläubigern erlittenen Schadens auf den Quotenschaden und zur diesbezüglichen Aktivlegitimation des Insolvenzverwalters siehe nur BGH v. 30.3.1998 BGHZ 138, 211, 214ff. 582 Siehe zur Neubestimmung des Konkurrenzverhältnisses unter Zurückdrängung der c.i.e.-Haftung wegen wirtschaftlichen Eigeninteresses bei Interzessionsgeschäften BGH v. 6.6.1994 NJW 1994, 2220, 2221 ff. in Anlehnung an Grunewald, ZGR 1986, 580, 588ff.; dazu auch bereits 4. Kap. § 2 C II lb und c bb. 583 Siehe dazu nur HachenburglUlmer, § 64 Rn. 74 und 77; Ulmer, KTS 1981, 469, 490; Scholz/K Schmidt, § 64 Rn. 7ff.; Hachenburg/Mertens, Anh § 13 Rn. 77; Grunewald, ZGR 1986, 580, 590 und 594f.; zur berechtigten Methodenkritik siehe allerdings Stein, ZHR 148 (1984), 207, 220f.; mit Recht krit. im Hinblick auf das Analogieverbot zudem für die strafrechtliche Verantwortlichkeit Scholz/Tiedemann § 84 Rn. 27ff. 584 Zu dieser auch strafrechtlich unproblematischen Fallgruppe bereits RG v. 14.10.1887 RGSt 16, 269,271 f.
52
Relevante
Haftungstatbestände
435
ausgedehnt, die sich tatsächlich unter vollständiger 585 , überwiegender 586 oder zumindest teilweiser 587 Verdrängung der für die Geschäftsleitung formal Zuständigen nach außen erkennbar der Geschäftsleitung bemächtigt haben. Die gebotene einheitliche Behandlung aller Unternehmergesellschafter wird hierdurch jedoch nicht gewährleistet. Hierzu müßte die Antragspflicht (und damit auch die Antragsberechtigung 588 ) im Rahmen der genannten Vorschriften unabhängig von einer derart faktischen Geschäftsführerstellung auch auf die nach außen nicht in Erscheinung tretenden „Drahtzieher" ausgedehnt werden. Diese Forderung wurde denn auch verschiedentlich mit guten Gründen erhoben 589 . Der Bundesgerichtshof hat sich bislang jedoch mit der erwähnten Ausdehnung des Begriffs der faktischen Geschäftsführung begnügt und die Frage einer Einbeziehung der nicht an der Geschäftsführung erkennbar Beteiligten im Falle ihrer Entscheidungserheblichkeit verneint 590 . Lediglich im Herstatt-Fall, in dem sich der herrschende Kommanditaktionär Gerling als Aufsichtsratsvorsitzender und Verwaltungsratsmitglied in die Geschäftsführung der KGaA eingemischt, den Geschäftsführer Herstatt zum Stillhalten veranlaßt und die Sanierungsverhandlungen unter Ausschluß des Geschäftsführers selbst geführt hatte, vermied der Bundesgerichtshof mangels Entscheidungserheblichkeit eine ausdrückliche Stellungnahme 591 . Die insoweit mithin zu konstatierende Zurückhaltung der Zivilrechtsprechung ist auch Ausdruck des Problems einer wenn auch nicht zwingenden, so doch wünschenswerten Abstimmung der Insolvenzverschleppungshaftung mit der das Analogieverbot ohnehin bereits erheblich strapazierenden 592 strafrechtli585 BGH v. 24.6.1952 BGHSt 3, 32, 37 (Antragspflicht bei faktischer Alleingeschäftsführung wegen Strohmanneigenschaft des Geschäftsführers); BGH v. 28.6.1966 BGHSt 21, 101, 104 f. (Antragspflicht bei Verdrängung des formell bestellten Vorstands mit Duldung des Aufsichtsrats). 586 BGH (StR) v. 22.9.1982 NJW 1983, 240, 241; OLG Düsseldorf (ZR) v. 16.10.1987 NJW 1988,3166. 587 BGH (ZR) v. 21.3.1988 BGHZ 104, 44, 46ff. (Koordinator einer Unternehmensgruppe als faktischer Mitgeschäftsführer). 588 Zur gebotenen Korrespondenz von Antragspflicht und Antragsberechtigung siehe nur Weimar, GmbHR 1997,473,477; Hachenburg/Ulmer, § 64 Rn. 12; abweichend vor grundsätzlich anderem Hintergrund allerdings K. Schmidt, ZIP 1988, 1497, 1501 mit Fn. 31; möglich wäre auch die Beschränkung auf eine Pflicht zur Einwirkung auf die antragsberechtigten Mitglieder der Geschäftsleitung (dazu Stein, ZHR 148 (1984), 207, 2232f.). 589 Blaurock, FS Stimpel, S. 553, 562f.; Stein, ZHR 148 (1984), 207, 229ff.; Roth/Altmeppen, § 64 Rn. 36f.; krit. Grunewald, ZGR 1986, 580,594 f.; siehe auch öOGH v. 10.12.1992 ZIP 1993, 1871, 1873 (Haftung des zu einem Drittel beteiligten GmbH-Gesellschafters für ein auf Unterlassen des Konkursantrages gerichtetes angesichts der klar erkennbaren Zahlungsunfähigkeit zumindest fahrlässiges Abstimmungsverhalten) mit Anm. Karollus, EWIR 1993, 1221 f. 590 BGH v. 24.10.1973 W M 1973, 1354, 1355. 59' BGHv. 9.7.1979 BGHZ 75, 96, 107. 592 Siehe dazu die in Fn. 584-586 zitierten strafgerichtlichen Entscheidungen sowie zu Bedenken im strafrechtlichen Schrifttum nur Scholz/Tiedemann § 84 Rn. 27ff. m.w.N.
436
4. Kapitel:
Haftungsrelevanz
der
Unternehmergesellschafterstellung
chen Verantwortlichkeit nach § 84 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG, § 401 Abs. 1 Nr. 2 AktG und § 130b HGB 593 sowie den allgemeinen Kriterien der Haftung faktischer Organe 594 . bb) Haftung wegen Teilnahme an der Verschleppung des antrags
Insolvenz-
In Betracht zu ziehen ist aber auch noch die Möglichkeit einer Haftung des nicht zu einer Antragstellung verpflichteten Unternehmergesellschafters als vorsätzlich handelnder Anstifter oder Gehilfe gemäß § 830 Abs. 2 i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB und den jeweils einschlägigen Insolvenzantragspflichten 595 . Dies setzt allerdings nach herkömmlicher Ansicht voraus, daß auch der Antragsverpflichtete die Beantragung vorsätzlich verschleppt 596 , woran es gerade in Fällen einer verstärkten Einmischung von Hintermännern häufig fehlen wird 597 . Zwar erscheint es in der Tat geboten, gerade in diesen Fällen eine Haftung des steuernden Gesellschafters anzunehmen, doch ist es abzulehnen, aufgrund einer besonders gelagerten Fallgruppe auf das nach allgemeinen Deliktsgrundsätzen bestehende Erfordernis des Doppelvorsatzes, das sich wiederum im Einklang mit der strafrechtlichen Doktrin befindet, zu verzichten 598 . cc) Haftung wegen sittenwidriger
Schädigung
Eine Haftung des unternehmerisch engagierten Nur-Gesellschafters nach § 826 BGB kommt zunächst in Betracht, wenn die Insolvenzverschleppung mit einer planmäßigen Täuschung von Seiten des nach außen hin in Erscheinung getretenen Gesellschafters über die Bereitschaft und Fähigkeit der Gesellschaft zur Vertragserfüllung verbunden gewesen ist599. Neben einer Offen5.3 Siehe dazu nur Scholz/Tiedemann § 84 Rn. 27ff.; K. Schmidt, ZIP 1988, 1497, 1500f. m.w.N. 5.4 Dazu bereits eingehend 4. Kap. § 2 A I 2. 5.5 BGH v. 9.7.1979 BGHZ 75, 96, 107; BGH v. 7.11.1994 ZIP 1995, 124, 126; Ehricke, ZGR 2000, 351, 355ff.; Stein, ZHR 148 (1984), 207, 226f. 5.6 BGH v. 9.7.1979 BGHZ 75, 96, 107; MünchKommBGB/ft««, § 830 Rn. 14 m.w.N.; Hachenburg/Ulmer, § 64 Rn. 75 und 77; a.A. Ehricke, ZGR 2000, 351, 359ff. und K. Schmidt, ZIP 1988,1497,1501 m.w.N.; noch weitergehend Karollus, ZIP 1995,269, 273 mitFn. 52 (auch Vorsatz des Gehilfen entbehrlich). 5.7 Zu weiteren Haftungslücken Stein, Das faktische Organ, S. 156ff. und 162ff. 598 A.A. K. Schmidt, ZIP 1988, 1497, 1501; doppelgleisig Karollus, ZIP 1995, 269, 273, der einerseits auf das Erfordernis des Doppelvorsatzes verzichten möchte (a.a.O. Fn. 52) und andererseits die zu „engen Grenzen dieser Bestimmung" (insoweit geht er offenbar von der h.M. aus) durch die ergänzende Herausbildung von Verkehrspflichten überwinden möchte (zu dieser vorzugswürdigen Problemlösung sogleich unter lit. dd). 599 BGH v. 25.1.1984 WM 1984, 475, 476; BGH v. 16.3.1992 W M 1992, 735f.
§2
Relevante
Haftungstatbestände
437
barungspflicht 600 sind dafür aber zusätzliche, die Sittenwidrigkeit begründende Umstände wie etwa das Bestehen einer langjährigen Geschäftsbeziehung oder das Verschweigen der Uberschuldung trotz ausdrücklicher Nachfrage erforderlich 601 . Auch ein Gesellschafter, der die Insolvenzverschleppung durch Anweisungen an den Geschäftsführer aus dem Hintergrund veranlaßt hat, um noch eigene Bürgschaftsverbindlichkeiten zu reduzieren, soll nach § 826 B G B haftbar gemacht werden können 602 . Eine praktisch bedeutsame Einschränkung der Haftung nach § 826 B G B ergibt sich jedoch daraus, daß es bei ernsthaften Sanierungsbemühungen, jedenfalls im Rahmen der Drei-Wochen-Frist 6 0 3 , an einem vorsätzlichen sittenwidrigen Verhalten des Gesellschafters fehlt 604 . Die gebotene personelle Einschränkung der Haftung wird sich im übrigen naturgemäß bereits daraus ergeben, daß regelmäßig nur von Unternehmergesellschaftern die Insolvenzreife der Gesellschaft erkannt werden wird und Anlagegesellschafter grundsätzlich nach außen hin nicht in Erscheinung treten bzw. im Innenverhältnis nicht über eine Machtposition verfügen werden, die sie in die Lage versetzen würde, die eigentlich verantwortlichen Geschäftsleiter von der Erfüllung ihrer Pflichten abzuhalten 605 .
dd) Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB wegen der Verletzung von Verkehrssicherungspflichten Eine befriedigende Lösung des Problems der Insolvenzverschleppungshaftung von Unternehmergesellschaftern könnte jedoch unter allgemeiner Einbeziehung der im Hintergrund gebliebenen „Drahtzieher" durch eine Anerkennung der haftungsbegründenden Funktion bestimmter Verkehrssicherungspflichten gefunden werden 606 . Insoweit könnte von einem maßgeblich beteiligten Gesellschafter nämlich verlangt werden, daß er sich nicht - und sei es auch unter zulässiger Ausnutzung seiner Gesellschafterrechte (z.B. WeiDazu Staudinger/Oechsler, § 826 Rn. 299. Großzügiger Grunewald, ZGR 1986, 580, 600f., die die Sittenwidrigkeit allein aus der Risikoverlagerung auf die Gläubiger ableitet. 602 B G H v. 24.10.1973 DB 1973, 2440, 2441. 603 B G H v. 9.7.1979 BGHZ 75, 96, 114f.; Hachenburg/Ulmer, §64 Rn. 61; Grunewald, ZGR 1986, 580,599. 604 B G H v. 14.12.1959 BGHZ 31, 258, 279 und BGH v. 4.7.1961 WM 1961, 1103, 1106 (keine Sittenwidrigkeit bei Gewährung eigenkapitalersetzender Gesellschafterdarlehen); Staudinger/Oechsler, § 826 Rn. 363 ff.; strenger Grunewald, ZGR 1986, 580, 601 (nach Ablauf der Drei-Wochen-Frist Sittenwidrigkeit auch bei Sanierungsbemühungen). 605 Ähnlich Grunewald, ZGR 1986, 580, 598f. (über den Umweg einer Parallele zur Haftung der maßgeblichen Hintermänner für unzureichende Aufklärung bei Warentermingeschäften). 606 Ebenso Ulmer, KTS 1981,469,490f.; Hachenburg/Ulmer, % 64 Rn. 78; krit. jedoch Grunewald, ZGR 1986, 580, 596f. und Scholz/K Schmidt, § 64 Rn. 45. 600
601
438
4. Kapitel: Haftungsrelevanz
der
Unternehmergesellschafterstellung
sung, Abberufung) 6 0 7 - in die Geschäftsleitung einmischt und die geschäftsführenden Organe von einem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens pflichtwidrig abhält 608 . Sofern der Gesellschafter wie im Herstatt-Fall Sanierungsverhandlungen an sich zöge, hätte er nicht nur die geschäftsführenden Organe hinreichend über deren Verlauf zu informieren, um ihnen eine eigene Entscheidung über die rechtzeitige Insolvenzantragstellung zu ermöglichen, sondern müßte dann auch selbst eine pflichtgemäße Abwägung zwischen den Sanierungschancen und dem Insolvenzverschleppungsrisiko treffen sowie gegebenenfalls auf eine Antragstellung durch die Geschäftsleiter hinwirken. Sofern nach pflichtgemäßem Ermessen ernsthafte bzw. (bei komplexen Sachverhalten) nicht von vornherein aussichtslose Sanierungschancen bestünden, würde der Gesellschafter für seine Sanierungsbemühungen wie ein Geschäftsleiter maximal drei Wochen ab Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit bzw. Uberschuldung zur Verfügung haben (vgl. § 64 Abs. 1 S. 1 G m b H G und § 92 Abs. 2 S. 1 AktG) 609 . Vorsicht wäre allerdings im Hinblick auf positive Verhaltenspflichten des Unternehmergesellschafters geboten, da das bloße Vorhandensein von Einflußnahmemöglichkeiten nicht als haftungsbegründend angesehen werden kann 610 . Es könnte allenfalls von einem mit der Rechnungslegung der Gesellschaft und ihren Geschäften intensiv vertrauten dauerhaft Einfluß nehmenden Gesellschafter verlangt werden, sich aktiv um eine Antragstellung zu bemühen oder gar (bei Schaffung einer eigenen Antragsberechtigung) den Insolvenzantrag selbst zu stellen bzw. sich rechtzeitig u m eine Liquidation der Gesellschaft oder eine Einstellung des Geschäftsbetriebs zu bemühen.
c) Deliktische Haftung
wegen
Unterkapitalisierung
aa) Haftung wegen sittenwidriger Schädigung Die durch eine qualifizierte materielle Unterkapitalisierung bedingte bewußte Verlagerung der unternehmerischen Risiken auf die Gläubiger der Gesellschaft kann als vorsätzliche sittenwidrige Schädigung i.S.v. § 826 BGB
607 So auch für ein auf Unterlassen des Antrags gerichtetes schuldhaftes Abstimmungsverhalten des Unternehmergesellschafters ö O G H v . 10.12.1992 ZIP 1993,1871,1873; zust. für das deutsche Recht Wilhelm, ZIP 1993, 1833, 1837 mit Fn. 19; krit. allerdings Scholz/K Schmidt, § 64 Rn. 9 und 45. 608 Im Ergebnis ähnlich Stein, Z H R 148 (1984), 207, 233ff. 609 So im Ergebnis auch Stein, Z H R 148 (1984), 207, 228; a.A. Ulmer, KTS 1981, 469, 491 (Sanierung nur vor Eintritt der Insolvenzreife); zum Fristlauf ab Kenntnis vgl. B G H v. 9.7.1979 B G H Z 75, 96, llOf. 610 Im Ergebnis auch Stein, Z H R 148 (1984), 207, 228 und Roth /Altmeppen, § 64 Rn. 36 a.E.
§2
Relevante
439
Haftungstatbestände
qualifiziert werden 611 . Dies gilt namentlich, wenn eine Gesellschaft ausschließlich zu dem Zweck gegründet und vermögenslos gehalten wird, um das Nutzen-Nachteils-Prinzip zu umgehen612. Insoweit wird nicht selten das Vorliegen des objektiven Tatbestands der qualifizierten Unterkapitalisierung als Indiz für das Vorliegen des subjektiven Tatbestands angesehen613. Probleme bereitet hier allerdings die sachgerechte Eingrenzung der Haftung auf diejenigen Gesellschafter, die den Zustand der Unterkapitalisierung beseitigen oder zumindest die Beendigung der unterkapitalisierten Gesellschaft herbeiführen können 614 . In jedem Falle sollte auch im Rahmen des § 826 B G B das unternehmerische Engagement ein Kriterium für die Haftbarkeit der Gesellschafter bilden. bb) Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB wegen der von Verkehrssicherungspflichten
Verletzung
Eine gegenüber jedermann bestehende Verhaltenspflicht, die Gesellschaft anfänglich und nachträglich mit dem für das von ihr betriebene Unternehmen angemessenen Eigenkapital auszustatten, gibt es de lege lata grundsätzlich nicht. Dies gilt insbesondere für die Kommanditgesellschaft, für die im Gegensatz zu den Kapitalgesellschaften noch nicht einmal ein Mindestkapitalerfordernis besteht und bei der der Gesetzgeber die persönliche unbeschränkte Haftung des Komplementärs als für den Gläubigerschutz ausreichend angesehen hat615. Da Tatbestand und Rechtsfolgen der formellen wie nominellen Unterkapitalisierung gesondert geregelt sind, kann es nur noch fraglich sein, 611 B G H v. 30.11.1978 NJW 1979, 2104f.; BGH v. 25.4.1988 DB 1988, 1848; O L G Karlsruhe V. 13.5.1977 WM 1978, 962, 965f.; RG v. 22.10.1938 RGZ 158, 302, 310; Weitbrecht, Haftung, S. 81 ff.; Boerner, Haftung, S. 46; Kahler, BB 1985, 1429, 1433 f.; Hachenburg/Mertens, Anh § 13 Rn. 15; Flume, BGB-AT 1/2, S. 87; Scholz/Emmerich, § 13 Rn. 89; ähnlich auch Ulmer, GmbHR 1984, 256, 261 (Möglichkeit der Haftung wegen sittenwidriger Schädigung bei Verwendung eines vermögenslosen GmbH-Mantels oder bei Fortsetzung der Geschäfte trotz vollständigen Verlusts des Stammkapitals); speziell für die KG auch Hofmann, NJW 1969, 577, 582 und Staudinger/Oecfo/er, § 826 Rn. 330; eine bloß nominelle Unterkapitalisierung ist nicht ausreichend (dazu BGH v. 14.12.1959 BGHZ 31, 258, 270f.; anders noch RG v. 16.11.1937 JW 1938, 862, 864f.). 6,2 B G H v. 25.4.1988 DB 1988, 1848. 613 B G H v. 30.11.1978 NJW 1979, 2104f.; BGH v. 25.4.1988 DB 1988, 1848; Hachenburg/ Mertens, Anh § 13 Rn. 15; Flume, BGB-AT 1/2, S. 87; siehe dazu auch den Hinweis auf die Parallele zur Durchgriffshaftung nach den Normzwecklehren bei Hachenburg/f//mer, Anh § 30 Rn. 42. 6,4 Siehe dazu etwa Timm, ZHR 156 (1992), 281, 284 (bei der GmbH Eingrenzung durch eine Beteiligungsschwelle von 10% im Bereich des objektiven Tatbestands in Anlehnung an § 61 Abs. 2 GmbHG) und Vonnemann, GmbHR 1992, 77, 82 gegen Weitbrecht, Haftung, S. 82 f. und 87f. (Haftung aller Gesellschafter als „Betreiber", wobei es bei Splitterbeteiligungen ohne unternehmerisches Engagement regelmäßig an der Kenntnis der nachträglich eingetretenen Unterkapitalisierung fehlen werde). 615 Dazu näher Spies, Haftsumme, S. 127f.
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4. Kapitel: Haftungsrelevanz
der
Unternehmergesellschafterstellung
ob wegen einer etwaigen Finanzierungsverantwortung die Pflicht zur Vermeidung einer eindeutig und für Insider klar erkennbar unzureichenden Eigenkapitalausstattung der Gesellschaft besteht, um einen bei normalem Geschäftsverlauf mit hoher das gewöhnliche Geschäftsrisiko deutlich übersteigender Wahrscheinlichkeit zu erwartenden Mißerfolg zu Lasten der Gläubiger abzuwenden (sog. qualifiziert materielle Unterkapitalisierung 6 ' 6 ). Eine Haftung der zumindest fahrlässig handelnden Gesellschafter nach § 823 Abs. 2 B G B bei qualifiziert materieller Unterkapitalisierung wird denn auch verschiedentlich für möglich gehalten 617 . Gegenüber einer hinsichtlich Tatbestand und Rechtsfolgen ungeklärten Durchgriffshaftung wäre eine Lösung der Problematik über eine an Verschulden und Kausalität gebundene Schadensersatzhaftung gegenüber den Gläubigern nach § 823 Abs. 2 B G B auch durchaus vorzuziehen 618 . Voraussetzung der Haftung wäre mithin in jedem Fall die Kenntnis oder Erkennbarkeit der pflichtauslösenden Umstände und die Möglichkeit zu pflichtgemäßem Handeln 619 . Fraglich ist nur, ob angesichts der eindeutigen gesetzgeberischen Entscheidung unabhängig von den gesteigerten Voraussetzungen des § 826 B G B von einer unzulässigen Abwälzung des unternehmerischen Risikos gesprochen werden kann. Denn das Risiko der Bonität eines Schuldners hat grundsätzlich der Gläubiger zu tragen, und es gehört nicht zu den Aufgaben des Gesellschaftsrechts, dem Gläubiger über den gesetzlichen Kapitalschutz hinaus einen hinreichend vermögenden Schuldner zu garantieren. Das Stamm- bzw. Grundkapital von Kapitalgesellschaften sowie die Haftsumme von Kommanditisten sind zudem zumindest aus dem Handelsregister und gegebenenfalls auch aus den Geschäftsbriefen der Gesellschaft ersichtlich (§§ 35a Abs. 1 S. 2 G m b H G , 80 Abs. 1 S. 3 AktG, 125a Abs. 1 S. 2, 177a H G B ) . Während Vertragsgläubiger sich grundsätzlich selbst sichern oder vom Geschäftsabschluß Abstand nehmen können, haben reine Deliktsgläubiger abgesehen von den Fällen der Pflichtversicherung keinen Anspruch auf einen solventen Schuldner. Da eine qualifiziert unterkapitalisierte Gesellschaft große Risiken für die Gesellschaftsgläubiger mit sich bringt, kann sich eine Fahrlässigkeitshaftung wegen qualifiziert materieller Unterkapitalisierung jedoch aus der Verletzung von Verhaltenspflichten ergeben, die auf einer Garantenstellung des Gesellschafters wegen gefahrbegründenden Vorverhaltens beruhen. Dabei steht es einer Haftung nicht entgegen, daß die qualifizierte Unterkapitalisierung für Siehe dazu die Definition bei Hachenburg/Ulmer, Anh § 30 Rn. 55. G.H. Roth, ZGR 1993, 170, 201 f. und 205ff. (im Ergebnis allerdings für eine Innenhaftung der neben den Geschäftsführern verantwortlichen Gesellschafter); O. Kuhn, Strohmanngründung, S. 220ff. (Haftung allerdings nur auf den Betrag, der zur funktionsgemäßen Ausstattung der Gesellschaft fehlte). 618 Dazu auch noch 4. Kap. § 2 E V. 619 G.H. Roth, ZGR 1993, 170, 198ff. 620 Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 86 II 2a; Staudinger/Z/ager, § 823 H 12. 616 6,7
52
Relevante
Haftungstatbestände
441
sich genommen nicht als pflichtwidrig angesehen werden kann, da es nach zutreffender Ansicht auf die Natur des gefahrbegründenden Vorverhaltens nicht ankommt 620 . Zu den sich aus der Garantenstellung ergebenden allgemeinen Verhaltenspflichten könnte es etwa gehören, das von der unterkapitalisierten Gesellschaft betriebene Unternehmen keinen für den Geschäftszweig (nicht das Eigenkapital 621 ) übermäßigen Risiken auszusetzen, alle zumutbaren Organisationsvorkehrungen für einen geordneten Geschäftsablauf, eine ordnungsgemäße Rechnungslegung und eine rechtzeitige Stellung des Insolvenzantrags zu treffen 622 oder in der Kommanditgesellschaft nicht bewußt einen vermögenslosen Komplementär vorzuschieben 623 . Insoweit bestünde dann auch eine Parallele zur Verantwortlichkeit bei nomineller Unterkapitalisierung, wo mit der Finanzierungsentscheidung ebenfalls auf ein zusätzliches Verhalten des maßgeblich beteiligten Gesellschafters abgestellt wird (sog. Finanzierungsfolgenverantwortung) 624 . Im Gegensatz zu den reinen Deliktsgläubigern, die im übrigen allein auf die Haftungsmöglichkeiten nach § 826 BGB verwiesen sind625, können sich gegenüber Vertragsgläubigern insbesondere auch bei Bestehen eines groben Verhandlungsungleichgewichts zusätzliche Garantenpflichten aus dem geschäftlichen Kontakt mit dem Gesellschafter etwa in Form gesteigerter Aufklärungspflichten ergeben 626 .
d) Deliktische Haftung wegen
Sphärenvermischung
Unter dem Begriff der Sphärenvermischung werden zumeist die Fälle der Vermögensvermengung (auch sog. gegenständliche Sphärenvermischung) 627 und der Unternehmensvermischung 628 zusammengefaßt. Da der Unterneh621 So aber für die organschaftliche Gesellschafterhaftung Wilhelm, Rechtsform, S. 356f. und die negotiorum gestio Flume, BGB-AT 1/2, S. 89. 622 Vgl. dazu auch Hachenburg/Mertens, Anh § 13 Rn. 15 (zu Fällen sozialwidriger Risikoabwälzung). 623 Siehe dazu den Fall BGH v. 17.3.1966 BGHZ 45, 203 (aufgrund gewährter eigenkapitalersetzender Darlehen lag dort allerdings keine materielle Unterkapitalisierung der KG vor); für die Möglichkeit einer Haftung nach § 826 BGB in diesen Fällen Hofmann, NJW 1969, 577, 582 und Staudinger/Oechsler, § 826 Rn. 330. 624 Zur gebotenen Gleichbehandlung von nomineller und materieller Unterkapitalisierung vgl. Lutter/Hommelboff, ZGR 1979, 31, 57 und Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. 1, S. 573. 625 Weitbrecht, Haftung, S. 71; a.A. für die Durchgriffshaftung Immenga, Kapitalgesellschaft, S. 407f. 626 Ebenso im Rahmen der Vertrauenshaftung Canaris, FS Giger, S. 91, 120f.; ders., Vertrauenshaftung, S. 369f. und Rehbinder, Konzernaußenrecht, S. 324f. 627 Siehe dazu BGH v. 12.11.1984 BB 1985, 77; BGH v. 13.4.1994 BGHZ 125, 366, 368f.; Serick, Rechtsform, S. 46 mit Fn. 2; Lutter, ZGR 1982, 244, 251. 628 Siehe dazu OLG Nürnberg v. 26.5.1955 W M 1955,1566,1567 (Vermischung des von der GmbH betriebenen Gewerbes mit dem von ihrem Alleingesellschafter als Einzelkaufmann im selben Geschäftszweig betriebenen Gewerbe durch verschiedene Organisations-, Handlungsund Vermögensvermischungen) sowie Lutter, ZGR 1982, 244, 251 f.
442
4. Kapitel:
Haftungsrelevanz
der
Unternehmergesellschafterstellung
mergesellschafter definitionsgemäß keine anderweitigen unternehmerischen Interessen verfolgt und damit allenfalls kapitalistisch an anderen Gesellschaften beteiligt ist, kommt für ihn ein Haftungsdurchgriff regelmäßig nur wegen einer Vermengung des Gesellschafts- mit dem Privatvermögen in Betracht. Die Gefahr von Vermögensverschiebungen zwischen dem Gesellschafts- und dem Privatvermögen eines Unternehmergesellschafters ist allerdings relativ groß 629 . Obwohl hier terminologische Unklarheiten bestehen, hat man im Bereich der Haftung wegen Vermögensvermengung zwischen der auf eine allgemeine Vermögensvermischung gestützten generellen Haftung des Gesellschafters mit seinem gesamten Privatvermögen und dem lediglich zu einer beschränkten Ausweitung des haftenden Gesellschaftsvermögens auf einzelne Gegenstände des Gesellschaftervermögens führenden sog. Verwertungsdurchgriff (auch sog. gegenständliche Haftungserweiterung) zu unterscheiden 630 . Zu einer Haftung wegen Vermögensvermengung soll es nämlich nur kommen, wenn sich generell nicht mehr mit zumutbarem Aufwand ermitteln läßt, welcher Vermögensgegenstand zum Gesellschafts- und welcher zum Privatvermögen gehört. Dies ist in der Regel nur der Fall, wenn das Gesellschaftsvermögen in den Büchern der Gesellschaft unzureichend ausgewiesen, die Buchführung aus anderen Gründen undurchsichtig oder die Vermögensabgrenzung zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern sonst verschleiert wurde 631 . Gewichtige vereinzelte Entnahmen aus dem Gesellschaftsvermögen 632 oder das Zurverfügungstellen einzelner Gegenstände des Privatvermögens 633 sind üblich und daher für eine generelle Gesellschafterhaftung nicht ausreichend. Sofern die Vermögensvermischung der bewußten Schädigung von Gläubigerinteressen dient, kann die Haftung der verantwortlichen Gesellschafter auf § 826 B G B gestützt werden 634 . Darüber hinaus werden verschiedene auch 629 Dazu bereits 2. Kap. § 1 A II und III; so auch für die Haftung in der personalistischen Kapitalgesellschaft Wieland, Handelsrecht Bd. 2, S. 337 und Immenga, Kapitalgesellschaft, S. 350. 630 Siehe zur Abgrenzung nur B G H v.16.9.1985 B G H Z 95, 330, 333 f.; K. Schmidt, B B 1985, 2074, 2075f. sowie bereits Bärmann, AcP 159 (1960), 365, 368; siehe zum sog. Verwertungsdurchgriff bereits oben im Zusammenhang mit der Rechtsscheinhaftung 4. Kap. § 2 C III 4. 631 So für die Durchgriffshaftung B G H v. 12.11.1984 B B 1985, 77; B G H v. 16.9.1985 B G H Z 95, 330, 333f.; B G H v. 13.4.1994 B G H Z 125, 366, 368; Stimpel, FS Goerdeler, S. 601, 606f.; Lutter, Z G R 1982, 244, 251 f.; Immenga, Kapitalgesellschaft, S. 399; Erlinghagen, G m b H R 1962, 169, 172; Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. 1, S. 224; Kaiser, Kapitalgesellschaften, § 29 Rn. 23; Drüke, Haftung, S. 74f. 632 B G H v.16.9.1985 B G H Z 95, 330, 333; B G H v. 12.11.1984 B B 1985, 77; O L G Nürnberg v. 26.5.1955 W M 1955, 1566. 633 B G H V. 26.11.1957 W M 1958, 460, 462; Erlinghagen, G m b H R 1962, 169, 172; Drobnig, Haftungsdurchgriff, S. 33f. (ohnehin könne nur ein Entzug von Gesellschaftsvermögen rechtsmißbräuchlich sein). 634 O L G Karlsruhe v. 10.12.1943 D R 1943, 811; Immenga, Kapitalgesellschaft, S. 399; Hachenburg/ Mertens, Anh § 13 Rn. 15 (sozialwidrige Risikoabwälzung).
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Relevante
Haftungstatbestände
443
strafrechtlich bewehrte Rechnungslegungspflichten (§§ 283 Abs. 1 Nr. 5 StGB, 283b StGB und §§ 331 ff. HGB) inzwischen als Schutzgesetze zugunsten Dritter anerkannt, deren Verletzung durch die Gesellschafter als Täter (bei Verantwortlichkeit für die Rechnungslegung als bestellter oder faktischer Geschäftsleiter) oder Teilnehmer (§ 830 Abs. 2 BGB) eine Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB auslösen kann635. Aus Gründen der Haftungsbeschränkung wird allerdings entweder eine vorherige Einsichtnahme des Geschädigten in die Buchführungsunterlagen 636 oder zumindest ein Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen dem Rechnungslegungsverstoß und dem eingetretenen Schaden637 verlangt. Schließlich sollte in den verbleibenden Fällen einer an die Erfordernisse des Verschuldens und der Kausalität für den Gläubigerschaden gebundenen deliktischen Haftung wegen Verletzung von Verkehrspflichten der Vorzug vor einer durch die Sphärenvermischung bedingten Durchgriffshaftung gegeben werden 638 . e) Deliktische
Haftung
bei einer Täuschung von
Vertragspartnern
Die Straftatbestände des Betrugs (§ 263 StGB)639, Kreditbetrugs (§ 265b StGB), Subventionsbetrugs (§ 264 StGB), Kapitalanlagebetrugs (§ 264a StGB) und Versicherungsmißbrauchs (§ 265 StGB) haben nach allgemeiner Meinung den Charakter von Schutzgesetzen, so daß ihre Verwirklichung zugleich eine deliktische Haftung für hierdurch adäquat verursachte Schäden nach § 823 Abs. 2 BGB auslöst. Als für den Geschädigten regelmäßig schwer zu nehmende Hürde erweist sich in diesem Zusammenhang jedoch der von den verschiedenen Betrugstatbeständen geforderte Nachweis der vorsätzlichen Tatbegehung mit Bereicherungsabsicht 640 . Der Verstoß gegen die bereits angesprochenen Pflichten zur Aufklärung von Vertragspartnern, insbesondere über etwaige Erfüllungshindernisse bei Unterkapitalisierung oder Insol-
635 BGH v. 13.4.1994 BGHZ 125, 366, 377ff. (Schutzgesetzcharakter „nicht von vornherein von der Hand zu weisen"); Scholz/Emmerich (8. Aufl.), § 13 Rn. 92; K. Schmidt, ZIP 1994, 837, 842; krit. Ehncke, AcP 199 (1999), 257, 293ff., der stattdessen eine Haftung als Täter nach § 43 Abs. 2 GmbHG (analog) bzw. als Teilnehmer nach § 830 Abs. 2 BGB i.V.m. § 43 Abs. 2, 41 GmbHG befürwortet. 636 BGH v. 13.4.1994 BGHZ 125, 366, 377ff.; in diese Richtung auch bereits BGH v. 8.10.1987 NJW-RR 1988, 615, 616 (Verneinung des Ersatzanspruchs mangels substantiierten Vortrags hinsichtlich des Vertrauens auf die Richtigkeit der Buchführung). 637 K. Schmidt, ZIP 1994, 837, 842. 638 Dazu noch 4. Kap. § 2 E III lb und V; siehe außerdem Ehncke, AcP 199 (1999), 257, 292 ff. 639 Siehe dazu für den Bereich der Gesellschafterhaftung nur BGH v. 9.7.1979 BGHZ 75, 96, 115; BGH v. 25.1.1984 WM 1984, 475, 476; BAG v. 24.9.1974 NJW 1975, 708, 709; OLG Düsseldorf v. 18.11.1980 GmbHR 1981, 194. 640 Siehe dazu etwa BGH v. 9.7.1979 BGHZ 75, 96, 116 und BGH v. 8.10.1987 NJW-RR 1988, 615.
444
4. Kapitel: Haftungsrelevanz
der
Unternehmergesellschafterstellung
venzreife, können allerdings auch als Verkehrssicherungspflichten zu einer Haftung nach § 823 Abs. 2 B G B führen.
f)
Deliktische Prospekthaftung
Die allgemeine zivilrechtliche Prospekthaftung wird heute weitgehend als vertragsähnliche abstrakte Vertrauenshaftung eingeordnet 641 . Da es sich gerade hinsichtlich der im Hintergrund verbliebenen und für das Beteiligungsprojekt maßgeblichen Gesellschafter jedoch zumeist um eine typisierte Vertrauenshaftung ohne konkret entgegengebrachtes Vertrauen handelt, scheint eine dogmatische Verortung dieser Haftung im Deliktsrecht vorzugswürdig 642 . Sofern es an einer bewußten sittenwidrigen Schädigung von Anlegern und damit einer Haftung nach § 826 BGB 6 4 3 fehlt, wirkt die Verletzung der im Rahmen der allgemeinen Prospekthaftung herausgearbeiteten kapitalmarktbezogenen Verkehrspflichten nach § 823 Abs. 2 B G B haftungsbegründend 644 .
g) Deliktische Haftung wegen horizontaler, vertikaler oder temporärer Unternehmensaufspaltung Die horizontale bzw. vertikale Unternehmensaufspaltung auf mehrere Gesellschaften oder die Bildung von sog. GmbH-Stafetten zur Verteilung unternehmerischer Risiken auf verschiedene Rechtsträger stellen grundsätzlich zulässige gesellschaftsrechtliche Gestaltungsmöglichkeiten dar. Sofern die Gesellschafter mit Hilfe einer derartigen Konstruktion jedoch das NutzenNachteil-Prinzip gezielt auf Kosten der Gläubiger umgehen, indem sie die möglichen Gewinne ihrer unternehmerischen Tätigkeit einstreichen und etwaige Verluste den Gläubigern aufbürden, kommt eine deliktische Haftung der Verantwortlichen nach § 826 B G B in Betracht 645 .
V. Störerhaftung Die verschuldensunabhängige Störerhaftung etwa nach § 1004 Abs. 1 B G B (analog) trifft nach allgemeiner Ansicht denjenigen, dem die jeweils tatbeDazu näher 4. Kap. § 2 C II 2b. So insbesondere auch C. v. Bar, ZGR 1983, 476ff. und Assmann, Prospekthaftung, S. 252ff. 643 Zur Prospekthaftung nach § 826 BGB etwa Assmann, Prospekthaftung, S. 254 ff. 644 Zu den Verhaltenspflichten bereits näher 4. Kap. § 2 C II 2b. 645 Dazu allgemein Blaurock, FS Stimpel, S. 553, 564f.; für Fälle einer GmbH-Stafette RG v. 28.5.1932 HRR 1933 Nr. 299 und RG v. 22.10.1934 JW 1935, 512; RG v. 10.6.1926 RGZ 114, 68, 71 f. (dort allerdings fragwürdige Haftung der neu gegründeten GmbH und nicht des Gesellschafters); für eine Sittenwidrigkeit nur bei Hinzutreten besonderer Umstände BGH v. 12.2.1996 DB 1996, 1028 und Staudinger/Oechsler, § 826 Rn. 323. 641
642
§2
Relevante
445
Haftungstatbestände
standsmäßige Beeinträchtigung z u z u r e c h n e n ist. D i e s soll derjenige sein, auf dessen T u n bzw. pflichtwidriges Unterlassen ( H a n d l u n g s s t ö r e r ) oder W i l lensbetätigung (Zustandsstörer) die Beeinträchtigung unmittelbar oder adäquat mittelbar z u r ü c k z u f ü h r e n ist 646 . N a m e n t l i c h im R e c h t des gewerblichen R e c h t s s c h u t z e s findet die Störerhaftung auch A n w e n d u n g auf den (faktischen) G e s c h ä f t s f ü h r e r einer Gesellschaft 6 4 6 . U b e r t r ä g t man die anerkannten G r u n d s ä t z e der Störerhaftung auf den U n ternehmergesellschafter, ist dieser jedenfalls dann als Störer n e b e n der Gesellschaft 6 4 8 haftbar, w e n n er die wettbewerbswidrige H a n d l u n g bzw. die S c h u t z rechtsverletzungen selbst unmittelbar oder mittelbar v o r n i m m t oder an den Verletzungshandlungen sonst beteiligt ist 649 . Fraglich ist seine Störereigenschaft allerdings, w e n n er nicht aktiv an den in d e m v o n der Gesellschaft b e triebenen U n t e r n e h m e n v o r g e k o m m e n e n Rechtsverletzungen beteiligt war. Insoweit sollte der Unternehmergesellschafter wie ein Geschäftsführer nur bei K e n n t n i s v o n der drohenden Rechtsverletzung (Erstbegehungsgefahr) bzw. bei nachträglicher Identifikation mit der erfolgten Rechtsverletzung (Wiederholungsgefahr) und einer tatsächlich bestehenden Organisationsherrschaft als Störer angesehen werden, da ihm nur dann der V o r w u r f einer Vernachlässigung v o n Erfolgsabwendungspflichten gemacht werden kann 6 5 0 .
D. Kapitalersetzende Leistungen des Unternehmergesellschafters I. Kapitalersetzende Gesellschafterleistungen im System der Haftung von Unternehmergesellschaftern 1. Eigenkapitalersatz Unterkapitalisierung
als Haftung im weiteren Sinne hei
nomineller
D a s Eigenkapitalersatzrecht dient der L ö s u n g des in der K r i s e der Gesellschaft auftretenden
Problems
der sog. n o m i n e l l e n
Unterkapitalisierung.
D i e s e ist dadurch gekennzeichnet, daß das Eigenkapital der Gesellschaft ei646 Dazu allgemein nur RG V. 13.11.1935 149,205,210; BGH v. 25.11.1955 BGHZ 19, 126, 129; BGH v. 9.7.1958 BGHZ 28, 110, 111; BGH v. 18.2.1959 BGHZ 29, 314, 317 sowie Baur/ Stürner, Sachenrecht, § 12 Rn. 12ff.; Staudinger/Gxrs&y, § 1004 Rn. 90ff.; krit. hinsichtlich der Systematik MünchKommBGB/AieA'o«, § 1004 Rn. 32ff. 647 BGH v. 26.9.1985 GmbHR 1986, 83 m.w.N.; Ottofülling, GmbHR 1991, 304, 307; Weimar, GmbHR 1997, 473, 479. 648 Zur Zurechnung seines Verhaltens zur Gesellschaft siehe 5. Kap. § 2 B VII. 649 Dazu für Gesellschaftsorgane nur BGH v. 26.9.1985 GmbHR 1986, 83; Ottofülling, GmbHR 1991, 304, 307; Staudinger/Gursky, § 1004 Rn. 123. 650 Vgl. dazu zur Geschäftsführerhaftung eingehend BGH v. 26.9.1985 GmbHR 1986, 83ff.; Ottofülling, GmbHR 1991, 304, 308f.; Weimar, GmbHR 1997, 473, 479.
446
4. Kapitel: Haftungsrelevanz
der
Unternebmergesellschafterstellung
nerseits nicht ausreicht, um den unter Berücksichtigung der Finanzierungsmethoden nach Art und Umfang der Geschäftstätigkeit bestehenden und nicht durch Kredite Dritter zu deckenden mittel- und langfristigen Finanzbedarf zu befriedigen, die Gesellschafter der Gesellschaft andererseits jedoch anstelle von Eigenkapital Fremdkapital zuführen, um ihr auf diese Weise eine Fortsetzung der Geschäftstätigkeit zu ermöglichen 651 . Die nominelle Unterkapitalisierung ist ein gesellschaftsformübergreifendes Problem und von der formellen Unterkapitalisierung (Verstöße gegen die Kapitalschutzvorschriften im Kapitalgesellschaftsrecht) sowie der materiellen Unterkapitalisierung (gänzliches Fehlen der erforderlichen Finanzmittel) 652 zu unterscheiden. Die zwingende Behandlung kapitalersetzender Gesellschafterleistungen als „haftendes", weil in der Insolvenz gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO nachrangig zu berücksichtigendes und der Vermögensbindung bei Kapitalgesellschaften (& Co.) unterliegendes Fremdkapital bringt eine bedeutsame Einschränkung der Finanzierungsfreiheit von Gesellschaftern mit sich. Obwohl diese, abgesehen von sondergesetzlichen Regelungen bzw. gesellschaftsvertraglichen Vereinbarungen, nicht zu einer angemessenen Kapitalausstattung der Gesellschaft bzw. zu Nachschüssen verpflichtet sind, haben sie in der Krise der Gesellschaft zwar auch dann noch, wenn sie sich für die Mittelzufuhr und die Fortführung des Geschäftsbetriebs entscheiden, die Möglichkeit einer Gewährung von Fremdkapital, müssen dann jedoch die Umqualifizierung der geleisteten Hilfen in materielles Eigenkapital hinnehmen 653 . Die zwingende Nachrangigkeit und Vermögensbindung der kapitalersetzenden Gesellschafterleistungen ist von den durch Rangrücktrittsklauseln oder gesellschaftsvertragliche Vereinbarungen gegebenenfalls auch stillschweigend begründeten verschiedenen Formen des sog. gewillkürten Eigenkapitals 654 zu unterscheiden. Die Umqualifizierung eigenkapitalersetzender Leistungen in Haftkapital stellt zwar keine persönliche Erfüllungs- oder Schadensersatzhaftung dar, bildet aber im übrigen ein Musterbeispiel für die durch eine unternehmerische Gesellschaftsbeteiligung begründete finanzielle Verantwortlichkeit. Der Gesellschafter sieht sich zudem aufgrund der eintretenden Vermögensbindung auch bereits vor der Eröffnung eines etwaigen Insolvenzverfahrens analog § 3 1 G m b H G bzw. § 62 A k t G Rückgewähransprüchen der Gesellschaft bis maximal zum Ausgleich einer Unterbilanz und einer eventuellen UberschulSiehe dazu nur Hachenburg/Ulmer, Anh § 30 Rn. 16. Zur etwaigen Haftung wegen qualifiziert materieller Unterkapitalisierung bereits 4. Kap. § 2 C IV 2c. 653 BGH V. 26.3.1984 BGHZ 90, 381, 389; BGH v. 19.9.1988 BGHZ 105, 168,175; Hachenburg/ Ulmer, Anh § 30 Rn. 10 und §§ 32a,b Rn. 7f.; Rümker, ZGR 1988, 494, 498. 654 Dazu nur B G H 9.2.1981 ZIP 1981, 734, 735; BGH v. 17.5.1982 ZIP 1982, 835, 836f.; Fleischer, Finanzplankredite, S. 5 ff.; Kur, Eigenkapitalersatz, S. 18ff.; K Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 18 III 2 und 3. 651
652
§2
Relevante
Haftungstatbestände
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dung ausgesetzt, wenn die Gesellschaft Rückzahlungen aus dem der Bindung entsprechend § 30 G m b H G bzw. § 57 Abs. 1 S. 1 A k t G unterliegenden Vermögen vorgenommen hat 655 . Daneben wird der Gesellschafter mit Rückforderungsansprüchen des Insolvenzverwalters bzw. der Gesellschaftsgläubiger im Falle einer (Insolvenz)Anfechtung nach § 143 Abs. 1 i.V.m. § 135 Nr. 2 I n s O bzw. § 11 Abs. 1 i.V.m. § 6 Nr. 2 A n f G konfrontiert. Die Umqualifizierung von kapitalersetzenden Darlehensleistungen aller Art, Stundungen und Fälligkeitsaufschüben, stillen Beteiligungen, Nutzungsüberlassungen 6 5 6 und Sicherheitsleistungen kann daher als eine durch die Unternehmerstellung begründete Haftung i.w.S. bezeichnet werden, die in einem rechtspolitischen Zusammhang mit den verschiedenen Formen der Gesellschafterhaftung und insbesondere dem Bedürfnis nach einer dogmatisch allerdings von ihr zu unterscheidenden 657 Durchgriffshaftung steht 658 .
2. Die mitunternehmerische Finanzierungsverantwortung als Normzweck des Eigenkapitalersatzrechts Der N o r m z w e c k des Eigenkapitalersatzrechts ist seit langem umstritten und im Laufe der Zeit auch immer wieder unterschiedlich gesehen worden. Die Rechtsprechung hat die Umqualifizierung von Fremdkapital in materielles Eigenkapital zunächst mit einem widersprüchlichen Verhalten des Leistenden begründet, der der Gesellschaft die gewährte Kapitalgrundlage nicht wieder entziehen dürfe 659 . Später hat sie unter dem Stichwort der Finanzierungsverantwortung auf ein Bündel von verschiedenen Rechtfertigungsele655
Für die AG: B G H v. 26.3.1984 B G H Z 90, 381, 385f.; Ketzer, Aktionärsdarlehen, S. 173ff. und (zur Geltendmachung des Anspruchs durch die Gläubiger) S. 190ff.; A. Müller, Gesellschafterdarlehen, S. 159ff.; Immenga, ZIP 1983, 1405, 1411f.; für die G m b H : Scholz/ K. Schmidt, §§ 32a/b Rn. 76ff.; Lutter/Hommelboff, § 32a/b Rn. 102ff.; v. Gerkan/Hommelh o f f , Kapitalersatz, S. l l l f . 656 Dazu nur B G H v. 11.7.1994 B G H Z 127, 1, 7ff.; B G H v. 14.12.1992 B G H Z 121, 31, 31 ff.; B G H v. 16.10.1989 B G H Z 109, 55ff.; v. Gerkan/Hommelboff, Kapitalersatz, S. 126ff.; Scholz/K Schmidt, §§ 32a/b Rn. 114ff.; Claussen, G m b H R 1996, 316, 317f. 657 Serick, Rechtsform, S. 207 hat die Behandlung eines eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehens als Einlage allerdings als ein Beispiel für die Durchgriffshaftung wegen Mißbrauchs der juristischen Person bezeichnet; dagegen jedoch mit Recht B G H v. 21.9.1981 B G H Z 81, 311, 317 und Farrenkopf Gesellschafterdarlehen, S. 7ff. 658 Auf den Zusammenhang mit der Durchgriffshaftung verwies auch der Gesetzgeber anläßlich der Neufassung des § 32 Abs. 3 G m b H G (vgl. RegE KapAEG BT-Drucks. 13/7141, S. 12 und Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrats zum KapAEG, abgedr. in ZIP 1997, 710); dazu auch Drohnig, Haftungsdurchgriff, S. 71 und 92 f.; zu Ähnlichkeiten mit der Gläubigergefährdung durch qualifiziert materielle Unterkapitalisierung und Insolvenzverschleppung Lutter/Hommelhoff §§ 32a/b Rn. 4. 659 Dazu nur B G H v. 14.12.1959 B G H Z 31, 258, 272f.; B G H v. 27.9.1976 B G H Z 67, 171, 175; ähnlich bereits RG v. 16.11.1937 ] W 1938, 862, 864f.; mit Recht krit. Ketzer, Aktionärsdarlehen, S. 32f.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 18 III 4b-Junker, Z H R 156 (1992), 394, 397.
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4. Kapitel: Haftungsrelevanz
der
Unternehmergesellschafterstellung
menten des Vertrauensschutzes und der R i s i k o z u w e i s u n g verwiesen und dem Gesellschafter insbesondere den V o r w u r f gemacht, das U n t e r n e h m e r r i s i k o in der durch die gewährte H i l f e verlängerten Krise der Gesellschaft auf die auß e n s t e h e n d e n G l ä u b i g e r abzuwälzen 6 6 0 . I n s b e s o n d e r e im Z u s a m m e n h a n g mit dem sog. Stehenlassen v o n Gesellschafterleistungen hat der B u n d e s g e r i c h t s h o f schließlich v o n einer F i n a n z i e r u n g s f o l g e n v e r a n t w o r t u n g gesprochen und die M ö g l i c h k e i t zu einer b e w u ß t e n Finanzierungsentscheidung verlangt, die liquidationsreife Gesellschaft f o r t z u f ü h r e n und ü b e r das satzungsmäßige E i genkapital hinaus weiterzufinanzieren, anstatt die Gesellschaft, wie nach den G r u n d s ä t z e n o r d n u n g s g e m ä ß e r U n t e r n e h m e n s f ü h r u n g geboten, entweder u n m i t t e l b a r o d e r mittelbar durch die Verweigerung weiterer oder den A b z u g bereits gewährter Gesellschafterhilfen zu liquidieren und so das U n t e r n e h m e r r i s i k o auf die G l ä u b i g e r abzuwälzen 6 6 1 . D i e v o n der R e c h t s p r e c h u n g z u m Eigenkapitalersatz entwickelten G r u n d sätze stießen im Schrifttum, in dem teilweise eigene R e c h t f e r t i g u n g s k o n z e p t e vorgeschlagen wurden 6 6 2 , ü b e r w i e g e n d auf prinzipielle Zustimmung 6 6 3 . E r gänzend w u r d e etwa n o c h auf die M a ß g e b l i c h k e i t der D o p p e l r o l l e des G e sellschafters verwiesen, der nicht nur als Vertragspartner der Gesellschaft, sondern auch als Gesellschafter v o n der u n t e r n e h m e r i s c h e n N u t z u n g der erbrachten Leistung profitiere und durch Z u s a t z i n f o r m a t i o n e n s o w i e durch M ö g l i c h k e i t e n der E i n f l u ß n a h m e gegenüber anderen G l ä u b i g e r n im Vorteil sei 664 . Teilweise b e t o n t e man auch den engen Z u s a m m e n h a n g z w i s c h e n E i genkapitalersatz und Kapitalschutz, der den Gesellschaftern eine Pflicht zur R e s p e k t i e r u n g der v e r m ö g e n s m ä ß i g e n Eigenständigkeit der Gesellschaft s o wie zur hinreichenden Eigenkapitalausstattung auferlege 6 6 5 . G a n z ü b e r w i e gend auf A b l e h n u n g stieß hingegen die A n s i c h t , die U m q u a l i f i z i e r u n g sei nur dann gerechtfertigt, w e n n dem Gesellschafter der V o r w u r f gemacht w e r d e n k ö n n e , er habe die falsche F i n a n z i e r u n g s f o r m gewählt und sich insbesondere nicht hinreichend u m eine K a p i t a l e r h ö h u n g bemüht 6 6 6 .
BGH v. 26.3.1984 BGHZ 90, 381, 388f.; BGH v. 24.3.1980 BGHZ 76, 326, 329. BGH v. 7.11.1994 BGHZ 127, 336, 344ff. (Kennenmüssen der Krise der Gesellschaft und Handelnmüssen im Hinblick auf die unmittelbare oder mittelbare Liquidation der Gesellschaft); BGH v. 14.12.1992 BGHZ 121,31, 35ff.; dazu auch Habersack, ZHR 162 (1998), 201, 205 und Lutter/Hommelhoff §§ 32a/b Rn. 4; krit. Eichele, Finanzierungsverantwortung, S. 48 ff. und 66 f. 662 Siehe dazu die Ubersicht bei Eichele, Finanzierungsverantwortung, S. 32 ff. 663 Generell krit. zum Eigenkapitalersatz und zur Finanzierungsverantwortug jedoch Grunewald, ZIP 1997, 7, 9 und Benne, Haftungsdurchgriff, S. 179 ff. 664 K. Schmidt, ZHR 147 (1983), 165, 182ff.; Immenga, ZIP 1983, 1405, 1407. 665 Eichele, Finanzierungsverantwortung, S. 131 ff. (sogar unabhängig von der Größe des Kapitalanteils); Ullrich, GmbHR 1983, 133, 142 f. 666 So Immenga, ZIP 1983, 1405, 1410; krit. BGH v. 26.3.1984 BGHZ 90, 381, 390; Ketzer, Aktionärsdarlehen, S. IS-, Junker, ZHR 156 (1992), 394, 401. 660 661
§2
Relevante
Haftungstatbestände
449
Während sich der Novellengesetzgeber zum eigentlichen N o r m z w e c k der Regelung nicht geäußert hat 667 , hat der Gesetzgeber nunmehr im Zusammenhang mit der Neufassung des § 32a Abs. 3 S. 2 G m b H G die mitunternehmerische Finanzierungsverantwortung als zentrales Zurechnungskriterium benannt 668 . Dem ist zuzustimmen, da die nunmehr auch für die G m b H anerkannte und gebotene Freistellung der kapitalistisch beteiligten Gesellschafter nur mit einem letztlich auf die Unterschiedlichkeit der Gesellschafterposition abstellenden N o r m z w e c k gerechtfertigt werden kann. Auch die als G r u n d lage der zwingenden Umqualifizierung immer wieder angeführten Vorwürfe einer unzulässigen Abwälzung des Finanzierungsrisikos auf die außenstehenden Gesellschaftsgläubiger 669 und einer Täuschung über die Kapitalausstattung bzw. Leistungsfähigkeit der Gesellschaft 670 kann nur einem Gesellschafter gemacht werden, dem das Finanzierungsrisiko bzw. wirtschaftliche Erscheinungsbild der Gesellschaft zuzurechnen ist. Schließlich berücksichtigt das Kriterium der mitunternehmerischen Finanzierungsverantwortung auch die Möglichkeiten eines Gesellschafters, nach getroffener Finanzierungsentscheidung die Geschicke des Unternehmens weiterhin beeinflussen zu können und von einer günstigen Entwicklung in besonderem Maße zu profitieren671. Nicht nur zufällig findet sich der Gesichtspunkt der Finanzierungsverantwortung daher auch im Zusammenhang mit der Sachwalterhaftung aus c.i.c. (§§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 und 3, 241 Abs. 2 BGB) und der Gesellschafterhaftung wegen qualifiziert materieller Unterkapitalisierung 672 . Voraussetzung der mitunternehmerischen Finanzierungsverantwortung ist, daß der Gesellschafter in der Gesellschaft unternehmerische Interessen verfolgt, Anteil am Unternehmensrisiko hat, über einen Einblick in die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft verfügt und Einfluß auf die ordnungsgemäße finanzielle Ausstattung der Gesellschaft bzw. ihre Liquidation zu nehmen vermag 673 . 667
Begr. RegE GmbH-Novelle BT-Drucks. 8/1347, S. 39. RegE KapAEG BT-Drucks. 13/7141, S. 11; ebenso bereits B G H v. 26.3.1984 B G H Z 90, 381, 388f.; Hommelhoff, W M 1984, 1105, 1114f.; Rümker, Z G R 1988, 494, 503; zu Unrecht krit. Pentz, G m b H R 1999, 437, 439. 669 Siehe dazu nur B G H v. 26.3.1984 B G H Z 90, 381, 388f.; B G H v. 19.9.1988 B G H Z 105, 168, 175f.; Kreis, Finanzierungsverantwortung, S. 32ff.; Ketzer, Aktionärsdarlehen, S. 40ff. 670 Siehe dazu nur B G H v. 26.11.1979 B G H Z 75, 334, 337; B G H v. 26.3.1984 B G H Z 90, 381, 388; zur Einordnung des Eigenkapitalersatzrechts in die Vertrauenshaftung wegen Finanzierungsverantwortung Ketzer, Aktionärsdarlehen, S. 37ff. und S. 46ff. 671 Vgl. zu diesem sog. Unternehmensinteresse bzw. eigenunternehmerischen Interesse auch B G H v. 26.3.1984 B G H Z 90, 381, 390f.; Immenga, ZIP 1983, 1405, 1407; A. Müller, Gesellschafterdarlehen, S. 84; zur unternehmerischen Finanzierungsverantwortung als Ausdruck des Gleichlaufs von Herrschaft und Haftung Rümker, Z G R 1988, 494, 502 f. 672 Siehe dazu 4. Kap. § 2 C II lc aa und C IV 2c bb. 673 Vgl. dazu auch B G H v. 26.3.1984 B G H Z 90, 381, 389ff.; O L G Düsseldorf v. 6.11.1986 DB 1987, 40, 42; Kreis, Finanzierungsverantwortung, S. 56ff.; Junker, Z H R 156 (1992), 394, 403 ff.; Ketzer, Aktionärsdarlehen, S. 71; A. Müller, Gesellschafterdarlehen, S. 84; Hommelh o f f , Haftung, S. 33 und Karollus, ZIP 1996, 1893, 1894f. 668
450
4. Kapitel:
Haftungsrelevanz
der
Unternehmergesellschafterstellung
Auch hier k o m m t es mithin wiederum auf eine Gesamtbetrachtung der verschiedenen Merkmale der Unternehmergesellschafterstellung und nicht allein auf ein Kennenmüssen der Gesellschaftskrise 6 7 4 oder eine maßgebliche Beteiligungsquote bzw. eine Mitarbeit in der Geschäftsführung an (vgl. § 32a Abs. 3 S. 2 G m b H G ) . Berücksichtigt werden kann dabei auch ein gesellschaftsrechtlich abgesicherter Machtzuwachs im Zusammenhang mit der Kreditvergabe 6 7 5 und das Verhalten des Gesellschafters in der Krise 6 7 6 . Bei einer koordinierten Hilfeleistung durch mehrere Gesellschafter können ihre unternehmerischen Einflußpotentiale nur dann zusammengerechnet werden, wenn diese auch im übrigen eine gefestigte Gesellschaftergruppe bilden 6 7 7 .
II. Kapitalersetzende in den einzelnen 1. Kapitalersetzende
Leistungen
Gesellschafterleistungen Gesellschaftsformen von
GmbH-Gesellschaftern
Seit 1998 werden die nicht geschäftsführenden und mit 1 0 % oder weniger am Stammkapital der G m b H beteiligten Gesellschafter pauschal von einer möglichen Umqualifizierung ihrer kapitalersetzenden Gesellschafterleistungen ausgenommen (§ 32a Abs. 3 S. 2 G m b H G ) .
a) Normzweck
der Freistellung
der
Kleinbeteiligten
D i e Freistellung der sog. Kleinbeteiligten von den Regeln über den Eigenkapitalersatz verfolgt das Ziel einer typisierenden Privilegierung der kapitalistisch beteiligten Gesellschafter. Während im Aktienrecht eine grundsätzliche Freistellung von Beteiligungen bis zu einer Kapitalbeteiligung von 25 % allgemein anerkannt ist, trat in Ermangelung einschlägiger Gerichtsentscheidungen die bislang herrschende Meinung in der Literatur für eine ausnahmslose Anwendung der Regeln über den Eigenkapitalersatz auf alle G m b H - G e s e l l schafter ein 678 . Mit der Neuregelung sollte nunmehr auch im G m b H - R e c h t So aber allgemein Habersack, Z H R 162 (1998), 201, 206ff. Siehe dazu für die A G auch Hommelhoff Haftung, S. 35 (keine Berücksichtigung bei einer Gesellschaftsbeteiligung bis zu 1 0 % , aber zwingende Berücksichtigung ab einer Beteiligung von 2 0 % ) ; gegen jegliche Berücksichtigung jedoch Menzel, A G 1982, 197, 203; gegen eine Berücksichtigung von Aufsichtsratsmandaten, persönlichen Beziehungen und Kreditbeziehungen der Hausbank mangels Vermittlung durch die Gesellschafterstellung B G H v. 26.3.1984 B G H Z 90, 381, 391 ff. 676 B G H v. 26.3.1984 B G H Z 90, 381, 393 (signifikanter Abbau der Beteiligung als Indiz gegen die Finanzierungsverantwortung). 677 So zutreffend Junker, Z H R 156 (1992), 394, 407; a.A. Ketzer, Aktionärsdarlehen, S. 76 f.; zur gemeinsam mit anderen ausgeübten Unternehmerinitiative allgemein 1. Kap. § 3 C I la bb (aaa). 678 Für eine Anwendung auf alle GmbH-Gesellschafter etwa B G H v. 19.9.1988 B G H Z 105, 168, 175f. („allein wegen seiner Gesellschafterstellung"); O L G München v. 13.3.1992 (aus674
675
52
Relevante
Haftungstatbestände
451
die Finanzierungsfolgenverantwortung auf die mitunternehmerisch beteiligten Gesellschafter beschränkt werden 679 . Damit hat der Gesetzgeber den auch dieser Arbeit zugrundeliegenden Gedanken einer gesellschaftsformübergreifenden Differenzierung zwischen U n ternehmer- und Anlagegesellschaftern bestätigt und sogar in Verkennung der bis dahin vorherrschenden Meinung bezeichnenderweise von einer lediglich „klarstellenden Regelung" gesprochen 680 . Die Freistellung der Anlagegesellschafter ist entgegen der verschiedentlich geübten heftigen Kritik 681 daher gerade auch in ihren rechtlichen Motiven ausdrücklich zu begrüßen 682 . Berechtigt sind die Vorbehalte lediglich im Hinblick auf die Eignung der Regelung zur Verwirklichung der angestrebten (rechts)politischen Ziele 683 und hinsichtlich der Entscheidung des Gesetzgebers für eine starre Beteiligungsschwelle überhaupt sowie deren H ö h e im konkreten Fall684.
b) Reichweite der Freistellung Die Regelung des § 32a Abs. 3 S. 2 G m b H G gilt zumindest für das gesamte positivierte Recht der eigenkapitalersetzenden GmbH-Gesellschafterleistungen. Die hiergegen teilweise aus systematischen Gründen vorgebrachten Bedrücklich für eine Zwergbeteiligung von 1,5%); H a n s O L G v. 17.2.1989 G m b H R 1990, 130, 131; Ketzer, Aktionärsdarlehen, S. 61 ff. (unter Einschluß der kapitalistisch strukturierten G m b H aufgrund des gesetzlich personalistischen Wesens der GmbH); Kreis, Finanzierungsverantwortung, S. 87ff.; Hachenburg/Ulmer, §32 a,b Rn. 35; Ullrich, G m b H R 1983, 133, 141 f.; für Einschränkungen allerdings bereits Hommelhoff, WM 1984, 1105, 1115 f. (Differenzierung zwischen der unternehmerischen und der kapitalistischen Beteiligung); Menzel, A G 1982, 197, 201 ff.; K. Schmidt, Z H R 147 (1983), 165, 184ff. und Rümker, ZIP 1982, 1385, 1391 ff.; beschränkt auf die ergänzenden Rechtsprechungsgrundsätze A. Müller, Gesellschafterdarlehen, S. 82ff. und 127f.; die Rechtsprechung zum Eigenkapitalersatz im GmbH-Recht betraf bis zur Reform im Jahre 1980 nach den Ubersichten von Ullrich, G m b H R 1983, 133, 138f. mit Fn. 64 und Rümker, ZIP 1982, 1385,1392 mit Fn. 51 allerdings nur unternehmerisch beteiligte Gesellschafter. 679 RegE KapAEG BT-Drucks. 13/7141, S. 11 f. 680 RegE KapAEG BT-Drucks. 13/7141, S. 12; mit Recht krit. insoweit K. Schmidt, ZIP 1996, 1586, 1587f. und 1589 („rechtspolitisch unaufrichtig"); Dauner-Lieb, DStR 1998, 609, 612f. („Mogelpackung"). 681 Pentz, G m b H R 1999,437,439ff.; Altmeppen, ZIP 1996,1455; Dauner-Lieb, DStR 1998, 609, 613; v. Gerkan, G m b H R 1997, 677, 678 (kein bloßes „Witwen- und Erbtantenprivileg"); Habersack, Z H R 162 (1998), 201, 209f. 682 So auch K. Schmidt, ZIP 1996, 1586, 1587; Claussen, G m b H R 1996, 316, 321 f.; Lutter/ Hommelhoff, §§ 32a/b Rn. 66; zustimmend, wenn auch weitergehend Grunewald, ZIP 1997, 7, 10 (Minimallösung). 683 Mit der angeblich nur klarstellenden Freistellungsregelung wollte der Gesetzgeber zugleich deregulierend wirken und die Bereitstellung von Risikokapital insbesondere durch Kapitalbeteiligungsgesellschaften fördern (dazu RegE KapAEG BT-Drucks. 13/7141, S. 12); krit. insoweit mit Recht K. Schmidt, ZIP 1996, 1586, 1588f.; Hirte, ZInsO 1998, 147, 154; Pentz, G m b H R 1999, 437, 439 und 441. 684 Siehe dazu sogleich unter lit. b.
452
4. Kapitel: Haftungsrelevanz
der
Unternehmergesellschafterstellung
denken greifen nicht durch, da sich dies nicht nur aus dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift ergibt, sondern auch die Aufnahme der Bestimmung in den Abs. 3, der verschiedene Bestimmungen zum Anwendungsbereich der Regeln enthält, nicht zu dem Schluß führen darf, die Freistellung der Kleinbeteiligten beträfe nur die in Abs. 3 S. 1 erwähnten Fälle der wirtschaftlich vergleichbaren Rechtshandlungen 685 . Die Freistellung sollte darüber hinaus das in Anlehnung an die §§ 30f. G m b H G zum Schutz des Stammkapitals bei Unterbilanz und Uberschuldung entwickelte ergänzende Richterrecht über den Eigenkapitalersatz erfassen, da dies nicht nur dem geäußerten Willen des Gesetzgebers entspricht 686 , sondern anderenfalls die vom Gesetzgeber eindeutig gewünschte Privilegierung der Anlagegesellschafter angesichts der teilweise kumulativen Konkurrenz der Rechtsprechungsregeln 687 in nicht unerheblichem Maße leerliefe 688 . Als problematisch dürfte sich in der Zukunft jedoch die vom Gesetzgeber gewählte Typisierung erweisen. Zwar bilden Beteiligungsschwellen das zentrale und insbesondere rechtssicherste 689 Kriterium für unternehmerische Beteiligungen und sind daher wie auch die Geschäftsführungsbeteiligung für typisierende Betrachtungsweisen besonders geeignet 690 , doch kann man hier schon den Umstand kritisieren, daß die Ausnahmevorschrift auch noch Beteiligungen von genau 1 0 % erfaßt, obwohl mit einem solchen Kapitalanteil bereits die Minderheitsrechte des § 50 G m b H G verbunden sind 691 . Weitaus fragwürdiger ist es jedoch, daß die Freistellung überhaupt in schematischer Weise erfolgt und GmbH-Gesellschafter danach bereits aufgrund einer bloßen Geschäftsführungsbeteiligung oder Kapitalbeteiligung von über 1 0 % dem Eigenkapitalersatzrecht unterliegen 692 . Ausgehend von der auch vom 685 Insoweit krit., wenn auch im Ergebnis derselben Ansicht Pentz, GmbHR 1999, 437, 440 und 441 f. 686 RegE KapAEG BT-Drucks. 13/7141, S. 11 f.; dies wäre für sich allein auch nicht ausreichend (vgl. nur Larenz, Methodenlehre, S. 329). 687 Siehe dazu nur BGH v. 26.3.1984 BGHZ 90, 370, 378f. und K. Schmidt, JZ 1984, 881 („lex mala posterior non derogat bonae priori"). 688 Pentz, GmbHR 1999, 437, 442 f.; Lutter/Hommelhoff, §§ 32a/b Rn. 66; Habersack, ZHR 162 (1998), 201, 210f.; a.A. Karollus, ZIP 1996, 1893, 1895; für eine direkte Anwendung der §§ 30, 31 GmbHG Eichele, Finanzierungsverantwortung, S. 134; zur Debatte um ein „Widerstandsrecht" der Rechtsprechung näher Dauner-Lieb, DStR 1998, 609, 616f. 689 Auf den Gesichtspunkt der rechtssicheren Tatbestandsabgrenzung nimmt auch die Begründung zum RegE KapAEG BT-Drucks. 13/7141, S. 12 ausdrücklich Bezug; Lutter/Hommelhoff, §§ 32a/b Rn. 70 und Pentz, GmbHR 1999, 437, 447 weisen allerdings mit Recht auch auf mögliche Probleme durch schwankende Beteiligungsquoten hin. 6.0 Siehe dazu auch 1. Kap. § 3 C III. 6.1 So auch Pentz, GmbHR 1999, 437, 442 gegen den Vorschlag von Hirte, ZInsO 1998, 147, 153. 6.2 Krit. zur Neuregelung durch das KapAEG daher mit Recht auch K. Schmidt, ZIP 1996, 1586, 1588 und Karollus, ZIP 1996, 1893, 1894f.; vgl. auch BGH v. 13.4.1994 BGHZ 125, 366, 368ff. (keine Verantwortlichkeit einer zu 20 % neben ihrem Ehemann an einer GmbH beteiligten Strohgeschäftsführerin für eine Sphärenvermischung).
5 2
Relevante
Haftungstatbestände
453
Gesetzgeber ausdrücklich als maßgeblich erachteten Prämisse, daß sich die Umqualifizierung von eigenkapitalersetzenden Gesellschafterleistungen an der mitunternehmerischen Finanzierungsverantwortung und damit an der Unternehmergesellschafterstellung zu orientieren hat, hätte nämlich bereits die schematische Freistellung alle diejenigen Gesellschafter erfassen müssen, die weder über eine mit der Geschäftsführerstellung kombinierte Kapitalbeteiligung von mindestens 10% noch eine ausschließlich kapitalmäßige Beteiligung von mindestens 25 % verfügen 693 . Angesichts der Tatsache, daß im Eigenkapitalersatzrecht auch kein besonderes Bedürfnis nach Rechtssicherheit besteht, wäre sogar an eine bloße Übertragung der von der Rechtsprechung für die Aktiengesellschaft entwickelten Freistellungsgrundsätze in das G m b H Recht zu denken gewesen. D o r t wird der Kapitalbeteiligung von mindestens 2 5 % zwar eine Idizwirkung für die unternehmerische Gesellschaftsbeteiligung mit Finanzierungsverantwortung beigemessen, diese letztlich aber anhand einer Gesamtbetrachtung aller rechtlich für den Gesellschaftereinfluß relevanten Umstände des Einzelfalls festgestellt 694 . Gerade auch vor dem Hintergrund gegebener Umgehungsmöglichkeiten ist es zudem absehbar, daß die Rechtsprechung teilweise auch gegen den Wortlaut des § 32a Abs. 3 S. 2 G m b H G eine Umqualifizierung eigenkapitalersetzender Gesellschafterleistungen wird vornehmen oder unterlassen müssen. So ist etwa an eine teleologische Reduktion bzw. Extension der Freistellungsnorm zu denken, wenn die Stimmrechtsmacht des Gesellschafters im Vergleich zur Kapitalbeteiligung erhöht oder verringert ist695. Auch allfälligen Treuhandkonstruktionen und koordinierten Kreditvergaben müßte entsprechend Rechnung getragen werden 696 . Insoweit dürfte sich auch die an anderer Stelle von der Rechtsprechung praktizierte Ausdehnung des Geschäftsführungsbegriffs auf die sog. „faktische" Geschäftsführung 6 9 7 oder die Annahme 693 Zur schematischen Erfassung von Unternehmergesellschaftern mit Hilfe der genannten Kriterien siehe näher 1. Kap. § 3 C III lb; für eine Beteiligungsschwelle von 25% trat auch der Bundesrat in seiner Stellungnahme zum Regierungsentwurf des KapAEG (BT-Drucks. 13/ 7141, S. 13) unter Hinweis auf das Aktienrecht ein (dazu auch die Gegenäußerung der Bundesregierung, ZIP 1997, 710); für eine Beteiligungsschwelle von 25% ferner Claussen, G m b H R 1996, 316, 321 ff. 694 Dazu sogleich näher unter 2. 695 Vgl. dazu bereits zutreffend Lutter/Hommelhoff §§ 32a/b Rn. 66ff. und Scholz/ K. Schmidt, §§ 32a/b Rn. 184ff. sowie die allerdings auf verfehlten Normzweckgesichtspunkten (nicht die mitunternehmerische Finanzierungsverantwortung, sondern die Gesellschafterstellung und Erkennbarkeit der Krise stünden als Normzweck hinter den Regeln über eigenkapitalersetzende Gesellschafterdarlehen) beruhenden und daher nur teleologische Reduktionen befürwortenden Überlegungen von Pentz, G m b H R 1999, 437, 439 und 446f. 696 Siehe dazu nur Pentz, G m b H R 1999, 437, 444; v. Gerkan, G m b H R 1997, 677, 679f.; Lutter/Hommelhoff, §§ 32a/b Rn. 66f. und Scholz/K Schmidt, §§ 32a/b Rn. 186f. 697 Siehe dazu 4. Kap. § 2 A I 2; dazu sowie zur gebotenen Einbeziehung der Liquidatoren auch bereits Pentz, G m b H R 1999, 437, 445 und 446f. (die dort zugleich geforderte Einbeziehung der Gesellschafter-Prokuristen geht allerdings mit Ausnahme der unechten Gesamtver-
454
4. Kapitel: Haftungsrelevanz
der
Unternehmergesellschafterstellung
einer konkludenten Rangrücktrittsvereinbarung 698 anbieten. Derartige Problemlösungen sind jedenfalls einer auch vom Gesetzgeber 699 ausdrücklich verdammten „Durchgriffslösung" vorzuziehen.
2. Kapitalersetzende
Leistungen
von
Aktionären
Die entsprechende Anwendung des von der Rechtsprechung in Analogie zu den §§ 30ff. G m b H G entwickelten Kapitalersatzrechts auf die Aktiengesellschaft ist spätestens seit Mitte der 1980er Jahre unbestritten 700 . Die rechtsformspezifischen Besonderheiten der Aktiengesellschaft im Kapitalschutz, in der Publizität und Gesellschaftsorganisation führen lediglich zu einer Anpassung der Kapitalersatzregeln im Bereich der haftungsbegründenden Finanzierungsverantwortung und der Rechtsfolgen 701 . Die herrschende Meinung hält einen Aktionär grundsätzlich erst ab einer Kapitalbeteiligung von mehr als 25 % für die Finanzierung der Aktiengesellschaft verantwortlich, da regelmäßig erst dann von einem eigenunternehmerischen Interesse des Aktionärs gesprochen werden könne 702 . Im Zusammenhang mit der Einführung der Kleinbeteiligtenschwelle in § 32a Abs. 3 S. 2 G m b H G hat auch der Gesetzgeber zu erkennen gegeben, daß er für die Aktiengesellschaft ebenfalls eine rechtssichere feste Beteiligungsgrenze in dieser Höhe befürworten würde 703 . Das Bestehen einer formalen Sperrminorität kann jedoch auch hier nur ein gewichtiges Indiz für die unternehmerische Betretung zu weit) und Lutter/Hommelhoff, §§ 32a/b Rn. 75 (bei Ausübung individueller Weisungsrechte von einigem Umfang und Gewicht) sowie v. Gerkan, GmbHR 1997, 677, 681 (Einbeziehung der fehlerhaft bestellten und tatsächlich tätigen Geschäftsführer) und Scholz/ K. Schmidt, §§ 32a/b Rn. 185. 6,8 Dazu K. Schmidt, ZIP 1996, 1586, 1589; in diese Richtung auch Habersack, ZHR 162 (1998), 201, 211 f. (Ausdehnung der Rechtssprechung zum sog. Finanzplankredit; vgl. dazu nur BGH v. 21.3.1988 BGHZ 104, 33). 699 RegE KapAEG BT-Drucks. 13/7141, S. 12; Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrats zum KapAEG, abgedr. in ZIP 1997, 710. 700 BGH v. 26.3.1984 BGHZ 90, 381, 388ff. (gegen die Vorinstanz OLG Düsseldorf v. 30.6.1983 AG 1983, 250, 251); O L G Düsseldorf v. 6.11.1986 DB 1987, 40, 42; zuvor in der Rechtsprechung lediglich RG v. 3.12.1938 JW 1939, 355f.; Farrenkopf Gesellschafterdarlehen, S. 32 ff.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 18 III 4a; Junker, ZHR 156 (1992), 394, 399; zu den Voraussetzungen im einzelnen KK¡Lütter, § 57 Rn. 88 ff. 701 BGH v. 26.3.1984 BGHZ 90, 381, 389f.; Junker, ZHR 156 (1992), 394, 400ff.; Ketzer, Aktionärsdarlehen, S. 49ff.; Immenga, ZIP 1983, 1405, 1407ff. 702 BGH v. 26.3.1984 BGHZ 90, 381, 390ff.; Kreis, Finanzierungsverantwortung, S. 109ff. (sogar als feste Beteiligungsschwelle); Ketzer, Aktionärsdarlehen, S. 77ff.; A. Müller, Gesellschafterdarlehen, S. 152ff. und 190; Rümker, ZIP 1982, 1385, 1393; KK/Lütter, § 57 Rn. 93; Hachenburg/Ulmer, § 32a,b Rn. 11; Hommelhoff, Haftung, S. 34; krit. jedoch Junker, ZHR 156(1992), 394, 404 f. 703 RegE KapAEG BT-Drucks. 13/7141, S. 12; in seiner Stellungnahme zum KapAEG trat der Bundesrat sogar für eine Übernahme der 25%-Schwelle in das GmbH-Recht ein (RegE KapAEG BT-Drucks. 13/7141, S. 13).
§2
Relevante
Haftungstatbestände
455
teiligung bilden, die sich letztlich nur aus einer Gesamtbetrachtung des Sachverhalts ergeben kann 704 . Allein auf die Erkennbarkeit der Gesellschaftskrise 705 oder das Bestehen eines unternehmerischen Interesses 706 sollte es daher nicht ankommen. Nicht erforderlich ist es auch, daß der Aktionär eine Kapitalerhöhung durchsetzen kann oder sich darum zumindest bemüht hat, da der die Umqualifizierung rechtfertigende Vorwurf nicht in der unterlassenen Kapitalerhöhung liegt, sondern in der Gewährung einer von Außenstehenden nicht mehr zu erlangenden Finanzierungshilfe 707 . Hinsichtlich der gebotenen Gesamtbetrachtung ist auf die Ausführungen im ersten Kapitel zu verweisen 708 . Danach ist jedenfalls bei einer Kapitalbeteiligung von weniger als 5 % regelmäßig von einer fehlenden mitunternehmerischen Finanzierungsverantwortung auszugehen 709 . Verfügt der Gesellschafter über keine formale Sperrminorität, sollte eine Umqualifizierung eigenkapitalersetzender Leistungen nur bei Hinzutreten weiterer, die Unternehmerinitiative fördernder Umstände, wie insbesondere einer Vorstandsmitgliedschaft oder einer gesteigerten Stimmrechtsmacht, in Betracht kommen 710 .
704 Siehe dazu auch bereits die Kritik an § 32a Abs. 3 S. 2 G m b H G soeben unter lb; für das Aktienrecht auch etwa K. Schmidt, Z H R 147 (1983), 165, 184 ff.; Rümker, ZIP 1982,1393 und Junker, Z H R 156 (1992), 394, 405 f. 705 Habersack, Z H R 162 (1998), 201, 218 ff. (Erkennbarkeit bei Wahrnehmung eines Aufsichtsratsmandats, bei personalistischer Struktur und bei professionellen Kreditgebern); auch Junker, Z H R 156 (1992), 394, 404 will vornehmlich auf die Wahrnehmung eines Aufsichtsratsmandats abstellen. 706 O L G Frankfurt/M. v. 17.4.1980, zitiert als Vorinstanz in B G H v. 21.9.1981 B G H Z 81, 311, 314; krit. dazu im Sinne eines subjektiven Zurechnungskriteriums Rümker, ZIP 1982, 1385, 1391. 707 B G H v. 26.3.1984 B G H Z 90, 381, 390 gegen die Vorinstanz O L G Düsseldorf v. 30.6.1983 A G 1983, 250, 252f.; siehe auch Junker, Z H R 156 (1992), 394, 401 und Ketzer, Aktionärsdarlehen, S. 75; a.A. Immenga, ZIP 1983, 1405, 1410. 708 Siehe 1. Kap. § 3 C I l l l a . 709 So auch K. Schmidt, Z H R 147 (1983), 165, 186f.; für eine grundsätzliche Untergrenze von 12,5% des regelmäßig auf der Hauptversammlung vertretenen Grundkapitals allerdings A. Müller, Gesellschafterdarlehen, S. 158f.; für eine feste Untergrenze von 5 % Ketzer, Aktionärsdarlehen, S. 83 ff. (mit Ausnahme der Fälle koordinierter Kreditvergabe) und Immenga, ZIP 1983,1405,1410f.; für die Einbeziehung aller Aktionäre sogar Farrenkopf, Gesellschafterdarlehen, S. 97 f. 710 Vgl. dazu auch v. Gerkan/Hommelhoff, Kapitalersatz, S. 207 (20%-Schwelle in Anlehnung an § 271 Abs. 1 HGB); Hommelhoff, Haftung, S. 33ff. und Habersack, Z H R 162 (1998), 201, 217, der die Beteiligungsschwelle von 25% angesichts der durchschnittlichen Hauptversammlungspräsenzen für zu hoch hält; für eine starre Beteiligungsschwelle von 25 % hingegen Kreis, FinanzierungsVerantwortung, S. 109 ff.
456
4. Kapitel:
Haftungsrelevanz
der
Unternehmergesellschafterstellung
3. Kapitalersetzende Leistungen von Kommanditisten a) Kapitalgesellschaft & Co. Die §§ 129a, 172a H G B erstrecken den Anwendungsbereich der §§ 32a/b G m b H G einschließlich der ergänzenden Rechtsprechungsregeln 711 auf diejenigen Personenhandelsgesellschaften, die weder unmittelbar noch mittelbar über eine natürliche Person als persönlich haftenden Gesellschafter verfügen. Nach zutreffender Ansicht wird hiervon grundsätzlich auch der nicht zugleich an der Komplementärgesellschaft beteiligte sog. Nur-Kommanditist erfaßt, da dieser ebenso für die Finanzierung der G m b H & Co. K G verantwortlich sein kann 712 . Zwar sollte auch hier der lediglich kapitalistisch beteiligte Kommanditist mangels mitunternehmerischer Finanzierungsverantwortung von der Anwendung der §§ 32 a/b G m b H G freigestellt werden 713 , doch sollte sich dies für den Nur-Kommanditisten anders als für den an der G m b H beteiligten Kommanditisten nicht aus einer entsprechenden Anwendung des in seiner Ausgestaltung problematischen § 32a Abs. 3 S. 2 G m b H G , sondern aus einer Gesamtbetrachtung der Gesellschafterposition unter dem Gesichtspunkt der mitunternehmerischen Finanzierungsverantwortung ergeben 714 .
b) Gesetzestypische Kommanditgesellschaft Die herrschende Meinung lehnt eine Anwendung der Regeln über den Kapitalersatz in der gesetzestypischen Kommanditgesellschaft ab, da dieser eine Kapitalbindung fremd sei und die persönliche unbeschränkte Haftung eines natürlichen Gesellschafters die Umqualifizierung des Fremdkapitals in Haftkapital entbehrlich mache. Wie sich auch aus dem in § 172a H G B zum Ausdruck gekommenen Willen des Gesetzgebers ergebe, richte sich die persönliche Haftung der Kommanditisten daher ausschließlich nach §§ 171 Abs. 1 Dazu nur Hachenburg/t//mer, §§ 32a/b Rn. 193ff. B G H v. 19.2.1990 B G H Z 110, 342, 355ff.; K. Schmidt, G m b H R 1986, 337, 339; Lutter/ Hommelhoff §§ 32a/b Rn. 57; Hachenburg/Ulmer, §§ 32a/b Rn. 195 f.; mit Einschränkungen Hommelhoff E W I R 1986, 690. 713 A.A. (allerdings vor Einführung des § 32a Abs. 3 S. 2 G m b H G ) B G H v. 19.2.1990 B G H Z 110, 342, 358; Hachenburg/Ulmer, §§ 32a/b Rn. 198; ursprünglich wurde die Anwendung des Kapitalersatzrechts auf den Nur-Kommanditisten allerdings sogar grundsätzlich abgelehnt und nur bei mitunternehmerische Beteiligung etwa in der Einheitsgesellschaft oder als Mitglied der Geschäftsführung der Komplementärin befürwortet (dazu nur H a n s O L G v. 16.5.1986 ZIP 1986, 1048, 1051 und v. Gerkan/Hommelhoff Kapitalersatz, S. 199). 714 Vgl. dazu auch Lutter/Hommelhoff, §§ 32a/b Rn. 72 (Geltung des § 32a Abs. 3 S. 2 nur für die an der Komplementär-Gesellschaft beteiligten Kommanditisten); v. Gerkan, G m b H R 1997, 677, 680 (Maßgeblichkeit des Verhältnisses zwischen dem Stammkapital der Komplementärin und der Pflichteinlage des Kommanditisten) und Scholz/K. Schmidt, §§ 32a/b Rn. 210 (entsprechende Anwendung der Kleinbeteiligtenschwelle auf die Kapitalbeteiligung an der KG). 7.1
7.2
§2
Relevante
Haftungstatbestände
457
und 172 Abs. 4 HGB 715 . Gerade in Fällen wie dem bekannten Rektor-Fall, in dem ein Unternehmerkommanditist einen vermögenslosen Komplementär vorschiebt und die Geschäftsfortführung in der Krise der Gesellschaft über eine großzügige Darlehensgewährung ermöglicht, besteht jedoch ebenfalls das Bedürfnis, den Kommanditisten an seiner Finanzierungsverantwortung festzuhalten 716 . Daher ist der Mindermeinung zu folgen, die im Kapitalersatz ein allgemeines Rechtsprinzip sieht, das auch für die gesetzestypische Kommanditgesellschaft mit rechtsformspezifischen Anpassungen in den Rechtsfolgen gilt 717 . Danach kommt es lediglich anders als nach §§ 30f. GmbHG nicht zu einer Vermögensbindung, sondern nur zur Nachrangigkeit der Rückgewährforderung in der Insolvenz und zur Anfechtungsmöglichkeit analog § 135 InsO bzw. § 6 AnfG 718 . Damit ergeben sich systemkonform und beschränkt auf die unternehmerisch engagierten Kommanditisten vergleichbare Rechtsfolgen wie bei der Vereinbarung konkludenter Rangrücktrittsvereinbarungen, zu deren meist rein fiktiver Annahme und Ausdehnung zulasten der Anlegerkommanditisten sich die Vertreter der herrschenden Ansicht zumeist genötigt sehen719. Auch die bei einer Rückgewähr kapitalersetzender Gesellschafterhilfen bisweilen als Alternative vorgeschlagene Ausweitung der Außenhaftung des Kommanditisten mit Hilfe des § 172 Abs. 4 HGB 720 , die im Widerspruch zu dem an der Hafteinlage orientierten gesetzlichen Haftungskonzept steht721, wäre auf diese Weise entbehrlich.
715 OLG Frankfurt/M. v. 1.12.1981 WM 1982, 198, 199; LG Düsseldorf v. 23.8.1988 ZIP 1988, 1569, 1570; Rümker, ZGR 1988, 494, 512; Kreis, Finanzierungsverantwortung, S. 141 ff.; Boerner, Haftung, S. 86ff.; Kleindiek, FS Lutter, S. 871, 884ff.; der BGH hat die Frage zuletzt mit gewissen Zweifeln offengelassen (BGH v. 2.7.1990 BGHZ 112, 31, 39), nachdem er früher zumindest eine Außenhaftung zur Wahrung des Haftungssystems nach § 171 Abs. 1 i.V.m. § 172 Abs. 4 HGB abgelehnt hat (BGH v. 25.1.1984 GmbHR 1985, 51, 52). 716 Ebenso K. Schmidt, GmbHR 1986, 337, 340 und Joost, ZGR 1987, 370, 394. 717 K. Schmidt, GmbHR 1986, 337, 340; K. Schmidt, ZHR 147 (1983), 165, 171 ff.; Scholz/ K. Schmidt, §§ 32a/b Rn. 22 m.w.N. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 18 III 4a unter Bezugnahme auf die Kreditgewährung im Fall BGH v. 17.3.1966 BGHZ 45, 204; unklar Kreis, Finanzierungsverantwortung, S. 140 (Möglichkeit der Gläubigergefährdung) und S. 145 (kein hinreichendes Gefährdungspotential). 718 Scholz/K Schmidt, §§ 32a/b Rn. 22; zur Rechtslage vor Inkrafttreten der InsO K. Schmidt, GmbHR 1986, 337, 342. 719 Siehe dazu etwa BGH v. 28.11.1977 BGHZ 70,61 ff. (Publikums-KG); v. Gerkan/Homm e l h o f f , Kapitalersatz, S. 210f.; Rümker, ZGR 1988, 494, 512ff. und Habersack, ZHR 162 (1998), 201, 213 f.; krit. Joost, ZGR 1987, 370, 402 (Willensfiktion). 720 Joost, ZGR 1987, 370, 393ff. und 398ff. 721 Krit. insoweit mit Recht Rümker, ZGR 1988, 494, 509ff.
458
4. Kapitel:
Haftungsrelevanz
der
Unternehmergesellschafterstellung
4. Kapitalersetzende Leistungen von unbeschränkt Personengesellschaftern
haftenden
Die Anwendung des Kapitalersatzrechts auf die persönlich haftenden Personengesellschafter wird mit Recht fast ausnahmslos abgelehnt 722 , da diese Gesellschafter ihrer mitunternehmerischen Finanzierungsverantwortung bereits durch die persönliche und unbeschränkte Haftung gerecht werden 723 . Es kann daher nicht von einer unzulässigen Abwälzung des Finanzierungsrisikos auf die außenstehenden Gläubiger, sondern allenfalls von einer die zwingende Umqualifizierung nicht mehr rechtfertigenden Benachteiligung der Gesellschaftsgläubiger gegenüber den Privatgläubigern in der Doppelinsolvenz die Rede sein 724 . Damit kommen eigenkapitalersetzende Leistungen von persönlich haftenden Gesellschaftern nur in gewillkürter Form in Betracht 725 .
5. Kapitalersetzende Leistungen von stillen Gesellschaftern Während für stille Beteiligungen eines GmbH-Gesellschafters an der G m b H § 32a Abs. 3 S. 1 G m b H G gilt 726 , kommt das Kapitalersatzrecht auf die stille Beteiligung oder andere kapitalersetzende Leistungen des stillen Gesellschafters, der nicht zugleich Gesellschafter der G m b H ist, nach herrschender und zutreffender Ansicht nur dann zur Anwendung, wenn die stille Beteiligung über die bloß schuldrechtliche Beteiligung am Gesellschaftsvermögen hinaus atypisch ausgestaltet ist und der Gesellschafter auf diese Weise über unternehmerische Einflußmöglichkeiten verfügt, die denen von unternehmerisch engagierten GmbH-Gesellschaftern vergleichbar sind 727 . Entsprechendes gilt nicht nur, wenn die stille Beteiligung an einer K G oder O H G ohne natürliche Person als persönlich haftendem Gesellschafter besteht und der stille Gesellschafter zugleich Kommanditist oder an der Personenhandelsgesellschaft atypisch und mit unternehmerischen Einflußmöglichkeiten betei-
A.A. allerdings K. Schmidt, ZIP 1991, 1 ff.; Scholz/K. Schmidt, §§ 32a/b Rn. 22. Kreis, Finanzierungsverantwortung, S. 140f.auch der Gesetzgeber hielt ein Kapitalersatzrecht für persönlich und unbeschränkt haftende Gesellschafter offenbar für entbehrlich Begr. RegE GmbH-Novelle BT-Drucks. 8/1347, S. 58. 724 Zur Benachteiligung der Gesellschaftsgläubiger siehe K. Schmidt, ZIP 1991, 1, 6f. 725 Dazu auch K. Schmidt, ZIP 1991, 1, 5 f. 726 Blaurock, Hdb. Stille Gesellschaft, Rn. 1057f. 727 O L G Hamm v. 13.9.2000 N Z G 2001, 125f.; so auch bereits vor Einführung des § 32a Abs. 3 S. 2 G m b H G B G H v. 7.11.1988 B G H Z 106, 7, 9 ff.; H a n s O L G v. 17.2.1989 D B 1989, 671; O L G Hamm v. 6.3.1996 W M 1997, 2323, 2324 (Erforderlichkeit von Mitunternehmerrisiko und -initiative); O L G Frankfurt/M. v. 30.4.1997 G m b H R 1997, 555; Blaurock, Hdb. Stille Gesellschaft, Rn. 1060; Reusch, B B 1989, 2358, 2363; Kreis, Finanzierungsverantwortung, S. 115 ff. und I. Koller, in: Koller/Roth/Morck, § 2 3 6 Rn. 4f.; a.A. Schmid/Hamann DStR 1992, 952 (bloße schuldrechtliche Beteiligung am Gesellschaftsvermögen ausreichend). 722 723
52
Relevante
Haftungstatbestände
459
ligt ist728, sondern auch für stille Beteiligungen an gesetzestypischen Kommanditgesellschaften 729 . Da auch hier eine Gesamtbetrachtung des Sachverhalts unter dem Gesichtspunkt der mitunternehmerischen Finanzierungsverantwortung geboten ist730, sollte wie bei einem Nur-Kommanditisten auf die analoge Anwendung des § 32a Abs. 3 S. 2 G m b H G auf den nicht an der G m b H beteiligten stillen Gesellschafter verzichtet werden 731 .
E. Haftungsdurchgriff
auf den
Unternehmergesellschafter
Die Haftung beschränkt haftender Gesellschafter für Gesellschaftsschulden gehört zu den umstrittensten Fragen des Gesellschaftsrechts. Da sich gesetzliche Regelungen nur vereinzelt im Steuerrecht 732 finden, sind hier nicht nur Rechtfertigung und systematische Einordnung der Haftung fraglich, sondern insbesondere auch der Tatbestand und die Rechtsfolgen der allgemeinen Durchgriffshaftung zum Gegenstand freier Rechtsschöpfung geworden. Im Anschluß an eine systematische Eingrenzung und kurze Darstellung der Durchgriffshaftung soll gezeigt werden, daß neben den bereits erörterten Haftungstatbeständen kein Raum für eine derartige Haftung der Unternehmergesellschafter ist.
I. Systematische Einordnung 1. Haftungsdurchgriff
des
und allgemeine
Haftungsdurchgriffs Durchgriffsproblematik
Der Haftungsdurchgriff ist Teil der in dieser Arbeit behandelten allgemeinen Durchgriffsproblematik. Insoweit erscheinen die N o r m e n der Haftungsbeschränkung (§§ 1 Abs. 1 S. 2,278 Abs. 1 AktG, § 13 Abs. 2 G m b H G , § 171 Abs. 1 Hs. 2 H G B ) als besondere Ausprägung des Trennungsprinzips, um dessen ausnahmsweise Einschränkung es im konkreten Fall durch eine Haftungserstreckung vom Gesellschafts- auf das Privatvermögen des Gesellschaf728 O L G Frankfurt/M. v. 30.4.1997 G m b H R 1997, 555; Blaurock, H d b . Stille Gesellschaft, Rn. 1062. 729 Schmid/Hamann DStR 1992, 953; siehe zum Kapitalersatz bei der typischen KG soeben unter 3b. 730 Dazu nur B G H v. 7.11.1988 B G H Z 106, 7, 9ff.; Blaurock, Hdb. Stille Gesellschaft, Rn. 1060 und Reusch, BB 1989, 2358, 2363. 731 So auch v. Gerkan, G m b H R 1997, 677,680; Pentz, G m b H R 1999,437,447; I. Koller, in: Koller/Roth/Morck, § 236 Rn. 5. 732 Siehe dazu § 69 A O i.V.m. § 34 Abs. 2 A O bzw. § 35 A O (zur Eigenschaft des nicht geschäftsführenden beherrschenden Gesellschafters als Verfügungsberechtigter i.S.d. Vorschrift siehe B F H v. 16.1.1980 BStBl. II 1980, 526f.) sowie §74 A O (gegenständlich, zeitlich und sachlich beschränkte Durchgriffshaftung des wesentlich beteiligten Gesellschafters); siehe zum Durchgriff im Steuerrecht auch überblicksartig Frenkel, BB 1977, 788ff.
460
4. Kapitel:
Haftungsrelevanz
der
Unternehmergesellschafterstellung
ters geht 733 . Anders als in den anschließend im Rahmen des sogenannten Zurechnungsdurchgriffs diskutierten Fällen 734 handelt es sich beim Haftungsdurchgriff jedoch nicht um ein Normanwendungsproblem, das nur unter Rückgriff auf den personalen Kern der Gesellschaft gelöst werden kann, sondern um eine echte Ausnahme vom gesetzlich angeordneten Haftungstrennungsprinzip. Sofern andererseits Zurechnungen für den Gesellschafter Haftungsfolgen auslösen 735 , ergibt sich dies stets aus einer mit Hilfe der Zurechnung erzielten Verwirklichung des Haftungstatbestandes durch den Gesellschafter und nicht wie beim Haftungsdurchgriff aus einem Durchschlagen der Gesellschaftshaftung auf den nicht persönlich schuldenden Gesellschafter. Beim Berechnungsdurchgriff geht es ferner nicht um eine Haftungserstreckung, sondern lediglich um die Frage einer möglichen Erweiterung der Berechnungsgrundlage durch Einbeziehung des Privatvermögens von Unternehmergesellschaftern, wenn es in einer Norm um die Vermögenssituation der allein schuldenden und haftenden Gesellschaft geht 736 . Schließlich ist der Haftungsdurchgriff von den Fällen einer Identifikation zwischen Gesellschaft und Gesellschafter zu unterscheiden, obwohl auch diese Identifikation unter Umständen Haftungsfolgen auslösen kann. Ein Musterbeispiel für den Identifikationsdurchgriff mit Haftungsfolgen bilden die Fälle des sog. Aufrechnungsdurchgriffs, der vielfach als Sonderfall des Haftungsdurchgriffs behandelt und dort dann zu Recht als Fremdkörper betrachtet wird. So hatte die Rechtsprechung verschiedentlich sog. Kriegsgesellschaften, deren unmittelbarer oder mittelbarer (wirtschaftlicher) Alleingesellschafter das Deutsche Reich gewesen war und die lediglich als eine juristische Verselbständigung des Reiches erschienen, in Aufrechnungslagen die Berufung auf ihre rechtliche Selbständigkeit gegenüber dem Deutschen Reich versagt und mithin die Aufrechnung eines Schuldners der Gesellschaft mit einer Forderung gegen das Deutsche Reich trotz fehlender Gegenseitigkeit der Forderungen zugelassen 737 . Im Ergebnis „haftete" damit die Gesellschaft mit der ihrem verselbständigten Vermögen zugeordneten Forderung gegen den Aufrechnenden für eine Verbindlichkeit ihres (wirtschaftlichen) Alleingesellschafters, des Deutschen Reiches. Abgesehen davon, daß es sich hier allenfalls um einen an dieser Stelle ebenfalls nicht interessierenden Fall des sog. umgekehrten Haftungsdurchgriffs, also der Haftung des Gesellschaftsvermögens
Rehbinder, Konzernaußenrecht, S. 107. Dazu 5. Kap. § 2 und § 3. 735 Hachenburg/Mertens, Anh § 13 Rn. 38; Drax, Durchgriffs- und Konzernhaftung, S. 38. 736 Dazu 5. Kap. § 3 B I. 737 B G H v. 30.10.1951 B G H Z 3, 316, 318; B G H v. 3.7.1953 B G H 2 10, 205, 207ff.; in diese Richtung auch B G H v. 28.3.1952 N J W 1952, 817; distanzierend B G H v. 7.11.1957 B G H Z 26, 31, 33 ff. (Sonderrechtsprechung für eine außergewöhnliche Nachkriegssituation); siehe dazu auch den resümierenden Beitrag von Paulsen, W M 1955, 82ff. m.w.N. und die Kritik von Schilling, J Z 1953, 161, 162. 733
734
52
Relevante
Haftungstatbestände
461
für Verbindlichkeiten des Gesellschafters, handelt, sollte man diese Fälle besser als solche der fragwürdigen Identifikation zweier R e c h t s s u b j e k t e aufgrund enger Wirtschaftseinheit einordnen und sich damit zugleich der eklatanten Verletzung des Trennungsprinzips b e w u ß t werden 7 3 8 .
2. Der Haftungsdurchgriff
im System der
Gesellschafterhaftung
D e r H a f t u n g s d u r c h g r i f f bildet kein spezifisches P r o b l e m der juristischen P e r s o n , sondern ein solches der b e s c h r ä n k t e n Gesellschafterhaftung ü b e r haupt 7 3 9 . I m Interesse einer klaren A b g r e n z u n g zu den zahlreichen Tatbeständen einer verhaltensbedingten E i g e n h a f t u n g v o n Gesellschaftern sollten mit dem B e g r i f f der D u r c h g r i f f s h a f t u n g ausschließlich die Fälle einer strukturellen akzessorischen H a f t u n g der Gesellschafter für die Schulden der Gesellschaft etwa nach dem M u s t e r des § 128 H G B belegt werden. D a n a c h steht die H a f t u n g z w a r regelmäßig auch mit einem b e s t i m m t e n Verhalten des haftenden Gesellschafters in Verbindung, d o c h erfüllt dieses keinen Tatbestand der H a f t u n g für eigene Schuld. W ä h r e n d die E i g e n h a f t u n g eine Individualhaftung gegenüber b e s t i m m t e n G l ä u b i g e r n und aus b e s o n d e r e m Verpflichtungsgrund darstellt, handelt es sich bei der D u r c h g r i f f s h a f t u n g i.e.S. u m eine rein gesellschaftsrechtlich begründete, gegebenenfalls lediglich der H ö h e nach b e grenzte Pauschalhaftung für sämtliche v o n der Gesellschaft eingegangenen Verbindlichkeiten 7 4 0 . Bislang nicht vollständig geklärt ist das Verhältnis der D u r c h g r i f f s h a f t u n g i.e.S. zu den gesetzlich und richterrechtlich ausgeformten Tatbeständen der Gesellschafterhaftung. Teilweise wird v o n einem Vorrang der spezifischen Haftungstatbestände 7 4 1 , teilweise v o n einem N e b e n e i n a n d e r v o n E i g e n - und D u r c h g r i f f s h a f t u n g ausgegangen 7 4 2 . U n b e s t r i t t e n ist lediglich der Vorrang des Dazu im 6. Kap. § 2 B VI. Siehe zur unbeschränkten Haftung des die Gesellschaft beherrschenden Kommanditisten bei Vermögenslosigkeit des Komplementärs und Unterkapitalisierung der KG Blaurock, FS Stimpel, S. 553, 569 sowie Mossmann, Haftung, S. 86ff.; zum Rechtsmißbrauch der Haftungsbeschränkung in der Strohmann-KG wegen Ausschaltung des verantwortlichen Komplementärs eingehend Boerner, Haftung, S. X 04ff. sowie Wiedemann, FS Bärmann 1975, S. 1037, 1048ff. und Paulick, Genossenschaft, S. 38f., 82 und 85f.; zur Problematik der Korrespondenz von Herrschaft und Haftung in der KG siehe bereits 4. Kap. § 1 A II 2 sowie (im Ergebnis jeweils ablehnend) BGH v. 17.3.1966 BGHZ 45, 204, 207ff. und Hofmann, NJW 1969, 577, 580f. 740 Rebbinder, Konzernaußenrecht, S. 109ff.; ders., FS R. Fischer, S. 579, 582f.; Reiner, Fremdsteuerung, S. 205 ff.; Drax, Durchgriffs- und Konzernhaftung, S. 41 ff. (allerdings unter Einbeziehung der Haftung wegen individuell rechtsmißbräuchlichen Verhaltens); Erman, KTS 1959, 129, 130f. 741 Rebbinder, Konzernaußenrecht, S. 109ff.; ders., FS R.Fischer, S. 579, 582f.; Drax, Durchgriffs- und Konzernhaftung, S. 29; Bork, ZGR 1994, 237, 258. 742 BSG v. 7.12.1983 GmbHR 1985, 294, 295; offengelassen von OLG Karlsruhe v. 13.5.1977 WM 1978, 962, 967. 738
739
462
4. Kapitel:
Haftungsrelevanz
der
Unternehmergesellschafterstellung
Eigenkapitalersatzrechts vor einer etwaigen Durchgriffshaftung wegen nomineller Unterkapitalisierung 743 , womit der Durchgriffshaftung zugleich ihr praktisch bedeutsamstes mögliches Anwendungsgebiet genommen ist.
II. Rechtfertigung
des
Haftungsdurchgriffs
Die Bemühungen um eine Rechtfertigung des Haftungsdurchgriffs sind ausgesprochen vielfältig und abhängig von der zumeist in freier Rechtsschöpfung angestrebten Haftungsgestaltung sowie von den Theorien zur juristischen Person und der Rechtfertigung des gesellschaftsrechtlichen Durchgriffs im allgemeinen 744 . Dabei wird insbesondere in der älteren Literatur nicht immer klar zwischen den Fällen der Eigenhaftung und denjenigen des eigentlichen Durchgriffs differenziert. Nur so ist es zu erklären, daß sich neben unterschiedlichen Hinweisen auf die Grenzen der Haftungsbeschränkung auch Überlegungen zur gezielten Gläubigerbenachteiligung 745 , zur Erklärungshaftung 746 , zum Rechtsschein 747 und zur Verantwortlichkeit der Unternehmergesellschafter für Organisationsfehler 748 finden, die lediglich eine vertragliche, 743 B G H v. 14.12.1959 B G H Z 31, 258, 270ff.; B G H v. 4.5.1977 B G H Z 68, 312, 3X8ff.; Lutter/Hommelhoff, Z G R 1979, 31, 64 f. 744 Siehe dazu etwa den Uberblick bei Rehbinder, Konzernaußenrecht, S. 90ff. 745 G. Kuhn, FS R. Fischer, S. 351, 362; Gessler, G m b H R 1966, 102, 108; Roll, Anm. zu B G H v. 13.11.1973, N J W 1974, 492, 493. 746 Erman, KTS 1959, 129, 132 ff. (ein Gesellschafter, der sich über eine Gesellschaft wirtschaftlich betätige und dabei sein Privatvermögen von einer Haftung freihalte, erkläre als redlicher Verkehrsteilnehmer konkludent an die Öffentlichkeit einschließlich späterer Deliktsgläubiger, daß er die Gesellschaft weder unterkapitalisieren, noch der Gesellschaft das Kapital auf Umwegen entziehen, noch das Gesellschaftsvermögen mit dem eigenen vermischen werde, wobei die Haftung auf grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz beschränkt sein solle); auch Bärmann, AcP 159 (1960), 365, 368f. hat namentlich im Zusammenhang mit dem Durchgriff wegen Sphärenvermischung von einer weitgehenden Selbstverhaftung durch konkludentes Handeln gesprochen; zur berechtigten Fiktionskritik gegenüber diesen Ansätzen siehe bereits Erman, KTS 1959, 129, 132 selbst; fragwürdig sind außerdem die Einbeziehung der Deliktsgläubiger und die aus einer erklärungshaftung heraus nicht begründbare Beschränkung der Haftung auf grobe Fahrlässigkeit. 747 Pinner, J W 1926, 1483f.; Roll, Anm. zu B G H v. 13.11.1973, N J W 1974, 492, 493; auch Reinhardt, FS H. Lehmann 1956 Bd. 2, S. 576, 591 f. hat die Durchgriffshaftung auf einen Vertrauenstatbestand redlichen Gesellschafterverhaltens gestützt; mit Recht krit. Kahler, B B 1985, 1429, 1432; zur Zerstörung des Rechtsscheins durch korrekte Firmierung siehe ders., B B 1985, 1429, 1433f. 748 So zunächst für den Alleingesellschafter Reinhardt, FS H. Lehmann 1956 Bd. 2, S. 576, 586 und 592 f. sowie für alle „unternehmerisch aktiven Gesellschafter" Erlinghagen, GmbHR 1962, 169ff. (Haftung der maßgeblichen Gesellschafter wegen eines durch den Verstoß gegen ungeschriebene Ordnungsgrundsätze der juristischen Person bedingten Organisationsfehlers, da die Rechtsordnung bei der Anerkennung der juristischen Person davon ausgehe, daß diese als Handelsgesellschaft den Erfodernissen des Wirtschaftsverkehrs und des konkreten Unternehmenszwecks gerecht werden könne); krit. Nirk, FS Stimpel, S. 443, 458f. und Kahler, B B 1985, 1429, 1431 f.
5 2 Relevante
Haftungstatbestände
463
vertragsähnliche oder deliktische Haftung unter den jeweiligen Voraussetzungen der Eigenhaftungstatbestände zu begründen vermögen. Angesichts der allgemein anerkannten Entwicklung der D u r c h g r i f f s h a f t u n g zu einer objektiven Strukturhaftung v o n beschränkt haftenden Gesellschaftern überhaupt kann diese aber auch nicht mehr mit einem bewußten 7 4 9 oder objektiven 7 5 0 M i ß b r a u c h der juristischen Person bzw. des Trennungsprinzips, sondern nur noch mit einem objektiven M i ß b r a u c h der Haftungsbeschränkung und einer Finanzierungsverantwortung der haftenden Gesellschafter begründet werden 7 5 1 . Diese sogenannten N o r m z w e c k l e h r e n setzen methodisch bei der Möglichkeit einer teleologischen Reduktion der jeweiligen Haftungsbeschränkungsn o r m an, w o b e i sie allerdings weniger auf deren eigentlichen N o r m z w e c k , der ja gerade in einer Haftungsbeschränkung besteht 7 5 2 , als vielmehr auf den Z w e c k der Tatbestände z u r A u f b r i n g u n g und Erhaltung des gesellschaftlichen H a f t u n g s f o n d s abstellen 753 . Ihren Niederschlag hat diese Sichtweise auch in verschiedenen L e e r f o r m e l n der Rechtsprechung gefunden, w o n a c h über die juristische Person und insbesondere die Haftungsbeschränkung z w a r nicht leichtfertig und schrankenlos hinweggegangen w e r d e n dürfe, aber dennoch in allen Fällen eines gegen Treu und G l a u b e n verstoßenden objektiven Rechtsmißbrauchs im Hinblick auf die Wirklichkeiten des Lebens, die wirtschaftlichen Bedürfnisse und die Macht der Tatsachen auf die sich hinter
749 Für das Erfordernis eines subjektiven Elements zur Haftungsbegrenzung noch BGH v. 26.11.1957 WM 1958, 460, 462; BSG v. 26.3.1963 BSGE 19, 18, 20f.; Serick, Rechtsform, S. 38 und 203 ff. sowie passim; ders., Durchgriffsprobleme, S. 23 ff.; Kahler, GmbHR 1985, 297; offengelassen von BGH v. 4.5.1977 BGHZ 68, 312, 315f.; für die auf §826 BGB gestützte „Durchgriffshaftung" auch Drobnig, Haftungsdurchgriff, S. 94f. und Hofmann, NJW 1966, 1941, 1945f.; zur Kritik an diesen subjektiven Mißbrauchslehren siehe nur Reinhardt, FS H. Lehmann 1956 Bd. 2, S. 576, 586f.; O. Kuhn, Strohmanngründung, S. 208ff.; Erlinghagen, GmbHR 1962, 169, 175 und Erman, KTS 1959, 129, 131. 750 BGH v. 30.1.1956 BGHZ 20, 4, 13f.; BGH v. 29.11.1956 BGHZ 22, 226, 230f.; BSG v. I.2.1996 ZIP 1996, 1134, 1135; G. Kuhn, FS R. Fischer, S. 351, 352 ff. und 362 m.w.N. 751 Müller-Freienfels, AcP 156 (1957), 522, 535; Rehbinder, FS R. Fischer, S. 579, 580; Wiedemann, in: Die Haftung des Gesellschafters in der GmbH, S. 16; Immenga, Kapitalgesellschaft, S. 402 ff.; Stimpel, FS Goerdeler, S. 601, 605; Wüst, JZ 1995, 990, 992; Banerjea, ZIP 1999, 1153, 1158. 752 Krit. zu den Normzwecklehren daher Weitbrecht, Haftung, S. 45 und Kahler, BB 1985, 1429, 1434. 753 Stimpel, FS Goerdeler, S. 601, 605 (mißachtet werde nicht die juristische Person, sondern allein die Ordnungsgrundsätze, die Voraussetzung der Haftungsbeschränkung seien); Lutter, ZGR 1982, 244, 249 (für die Unterkapitalisierung); für die unterkapitalisierte GmbH Hachenburg/Ulmer, Anh § 30 Rn. 51 ff. und Lutter/Hommelhoff, ZGR 1979, 31, 59 und 61; mit einer ökonomischen Analyse auch M. Lehmann, ZGR 1986, 345, 357ff. (Verhinderung einer ungerechtfertigten Risikoabwälzung von den Gesellschaftern als den „lowest risk avoidern" auf die Gläubiger); krit. zur Durchgriffshaftung unter methodischen Gesichtspunkten mit Recht Ehricke, AcP 199 (1999), 257, 273 ff.
464
4. Kapitel: Haftungsrelevanz
der
Unternehmergesellschafterstellung
der juristischen P e r s o n „ v e r s c h a n z e n d e n " Gesellschafter durchgegriffen w e r den könne 7 5 4 .
III.
Voraussetzungen des
Haftungsdurchgriffs
D i e b l o ß e B e h e r r s c h u n g der Gesellschaft 7 5 5 durch einen Privatgesellschafter oder die atypische Ausgestaltung der O r g a n i s a t i o n s s t r u k t u r der K o m manditgesellschaft 7 5 6 begründen für sich g e n o m m e n n o c h keinen H a f t u n g s durchgriff. D i e s e r erfordert vielmehr insbesondere die E i n o r d n u n g des Sachverhalts in eine der für Privatgesellschafter anerkannten Fallgruppen 7 5 7 und eine V e r a n t w o r t l i c h k e i t des v o n der H a f t u n g b e t r o f f e n e n Gesellschafters.
1. Zugehörigkeit a) Materielle
zu einer anerkannten
Fallgruppe
Unterkapitalisierung
D i e bedeutsamste Fallgruppe des Haftungsdurchgriffs bildet diejenige der materiellen Unterkapitalisierung. D i e H a f t u n g s b e s c h r ä n k u n g solle die G e sellschafter n u r v o r nicht kalkulierbaren Verlusten schützen 7 5 8 und sei ein P r i vileg, das sich die Gesellschafter durch eine angemessene bzw. nicht völlig u n zureichende Eigenkapitalausstattung der Gesellschaft verdienen müßten 7 5 9 . D i e (qualifizierte) materielle Unterkapitalisierung stelle einen objektiven M i ß brauch der H a f t u n g s b e s c h r ä n k u n g
dar, da sie eine unzulässige
Gefähr-
dung der Gesellschaft 7 6 0 , einen V e r s t o ß gegen die F i n a n z i e r u n g s v e r a n t w o r 754 BGH v. 29.11.1956 BGHZ 22, 226, 230; BGH v. 8.7.1970 BGHZ 54, 222, 224 und 226 (krit. dazu mit Recht hinsichtlich der Begründung K. Schmidt, JZ 1970, 688f. - kein typischer Fall der Durchgriffshaftung); ganz ähnlich auch BGH v. 14.5.1974 NJW 1974, 1371, 1372; OLG Düsseldorf v. 1.3.1989 NJW-RR 1989, 743, 744 (krit. dazu mit Recht Drax, Durchgriffsund Konzernhaftung, S. 58f.); BSG v. 7.12.1983 GmbHR 1985, 294f.; BSG v. 1.2.1996 ZIP 1996, 1134, 1135; BAGv. 3.9.1998 ZIP 1999, 24,26. 755 BSG v. 1.2.1996 ZIP 1996,1134, 1136; BSG v. 26.1.1978 BSGE 45, 279, 284; Rittner, Die werdende juristische Person, S. 276 f.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 9 IV 3a; Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. 1, S. 226 f. 756 BGH v. 17.3.1966 BGHZ 45, 204, 207f.; Wiedemann, FS Bärmann 1975, S. 1037, 1049; Hofmann, NJW 1969, 579, 580f.; Boerner, Haftung, S. 106f.; H.P. Westermann, Vertragsfreiheit, S. 293; a.A. Tieisch, Haftung, S. 12ff.; Paulick, Genossenschaft, S. 38ff.; Haupt/Reinhardt, Gesellschaftsrecht, S.79. 757 Zu der für Privatgesellschafter unerheblichen Einbeziehung der Regeln über den qualifiziert faktischen GmbH-Konzern siehe etwa Stimpel, FS Goerdeler, S. 601, 609f. und Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. 1, S. 226f.; zur Sphärenvermischung als Unternehmensvermischung siehe etwa Lutter, ZGR 1982, 244, 251 f. 758 Kalter, KTS 1970, 267, 275. 759 Lutter/Hommelhoff ZGR 1979, 31, 58ff.; Wüst,]Z 1992, 710, 713; Raiser, Kapitalgesellschaften, § 29 Rn. 30. 760 Lutter/Hommelhoff, ZGR 1979,31,59; Stimpel, FS Goerdeler, S. 601,608; Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. 1, S. 571; HachenburgiUlmer, Anh § 30 Rn. 52; Raiser, ZGR 1995,156,165.
5 2
Relevante
Haftungstatbestände
465
tung 761 bzw. eine unzulässige Risikoabwälzung auf die Gläubiger 7 6 2 bedeute. Schließlich könnten auch Gesellschafter, die der unterkapitalisierten Gesellschaft überhaupt keine Mittel zur Verfügung stellten, nicht besser gestellt werden als Gesellschafter, die ihre Gesellschaft immerhin mit eigenkapitalersetzenden Leistungen ausstatteten 763 . Die Anforderungen an die Unterkapitalisierung sind bis heute umstritten. D i e herrschende Meinung verlangt wegen der grundsätzlich fehlenden gesetzlichen Pflicht zur angemessenen Kapitalausstattung und aus Gründen der Rechtssicherheit eine qualifizierte materielle Unterkapitaliserung, wobei es unerheblich sein soll, ob es sich um eine anfängliche oder nachträglich durch Geschäftsausweitung, Kapitalherabsetzung bzw. Verluste eingetretene U n terkapitalisierung handelt 764 . Von einer qualifizierten Unterkapitalisierung könne gesprochen werden bei einer eindeutig und für Insider klar erkennbar unzureichenden Eigenkapitalausstattung der Gesellschaft, die einen M i ß e r folg zu Lasten der Gläubiger bei normalem Geschäftsverlauf mit hoher, das gewöhnliche Geschäftsrisiko deutlich übersteigender Wahrscheinlichkeit erwarten lasse 765 . Demgegenüber wird von den Gesellschaftern aber auch immer wieder eine zumindest anfänglich angemessene Kapitalausstattung der Gesellschaft verlangt 766 . Anderenfalls würden die umfangreichen Kapitalsicherungsvorschriften letzlich leerlaufen 767 . Eine Pflicht zur angemessenen Kapitalisierung wäre auch durchaus handhabbar, wie die Beispiele aus dem K W G und K A G G zeigten 678 .
761 Wüst, J Z 1995, 990, 992; Banerjea, ZIP 1999, 1153, 1158f.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 9 IV 4c bb (allerdings für Verschuldenshaftung gegenüber der Gesellschaft). 762 Kalter, KTS 1970, 267, 274; für die Einpersonen-GmbH auch Meyer-Cording, J Z 1978, 10, 12. 763 Lutter/Hommelhoff, Z G R 1979, 31, 57; Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. 1, S. 573. 764 H a n s O L G v. 12.2.1973 B B 1973, 1231, 1232 (Rechtsmißbrauch bei einer Kalkulation der Gesellschaft, die von vornherein keine wirtschaftlich sinnvolle Grundlage aufwies, und bei einem Risiko, das von vornherein erkennbar mit dem Kapital nicht bewältigt werden konnte); B A G v. 3.9.1998 ZIP 1999, 2 4 , 2 6 (einfache Unterkapitalisierung noch kein Rechtsmißbrauch); BSG v. 7.12.1983 G m b H R 1985, 294f. (erhebliche anfängliche materielle Unterkapitalisierung der Komplementär-GmbH einer ihrerseits unterkapitalisierten K G rechtsmißbräuchlich); B S G v. 1.2.1996 ZIP 1996, 1134, 1135 (Möglichkeit der Unterbilanz innerhalb eines Geschäftsjahres nicht ausreichend); Hachenburg/Ulmer, Anh § 30 Rn. 55 f.; Lutter/Hommelhoff, ZGR 1979, 31, 60f. (einfache Unterkapitalisierung nur bei Hinzutreten weiterer Umstände rechtsmißbräuchlich); Lutter, Z G R 1982, 244, 249; Stimpel, FS Goerdeler, S. 601, 608 f. (mit Einschränkungen bei nachträglicher Unterkapitalisierung); Wüst, J Z 1992, 710, 712; O. Kuhn, Strohmanngründung, S. 220ff.; Weitbrecht, Haftung, S. 29ff. (offensichtliche und andauernde Kreditunwürdigkeit). 765 Hachenburg/Ulmer, Anh § 30 Rn. 55. 766 Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. 1, S. 224 ff. und 572; ders., in: Die Haftung des Gesellschafters in der GmbH, S. 17ff. (mit Beschränkung auf die anfängliche Unterkapitalisierung); Roth, Z G R 1993, 170, 182 (Unterkapitalisierung bei Kreditunwürdigkeit). 767 Winkler, B B 1969, 1202, 1205. 768 Kalter, KTS 1970, 267, 272.
466
b)
4. Kapitel: Haftungsrelevanz
der
Unternehmergesellschafterstellung
Sphärenvermischung
Die zweite weitgehend anerkannte Fallgruppe des Haftungsdurchgriffs bildet die Sphärenvermischung mit ihren Unterfällen der Vermögensvermengung (auch sog. gegenständliche Sphärenvermischung) und der für den U n ternehmergesellschafter definitionsgemäß kaum bedeutsamen Unternehmensvermischung 769 . Zu einer Durchgriffshaftung wegen Vermögensvermengung soll es dabei nur kommen, wenn sich generell nicht mehr mit zumutbarem Aufwand ermitteln lasse, welcher Vermögensgegenstand zum Gesellschafts- und welcher zum Privatvermögen gehöre. Dies sei in der Regel nur der Fall, wenn das Gesellschaftsvermögen in den Büchern der Gesellschaft unzureichend ausgewiesen, die Buchführung aus anderen Gründen undurchsichtig oder die Vermögensabgrenzung zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern sonst verschleiert worden sei770. Bedeutende sporadische Entnahmen aus dem Gesellschaftsvermögen 771 oder die Bereitstellung einzelner Gegenstände des Privatvermögens 772 seien hingegen üblich und daher für einen Mißbrauch des Trennungsprinzips nicht ausreichend, sondern allenfalls für eine beschränkte Ausweitung des haftenden Gesellschaftsvermögens auf einzelne Gegenstände des Gesellschaftervermögens (sog. Verwertungsdurchgriff oder gegenständliche Haftungserweiterung) 773 . Gerechtfertigt wird der Haftungsdurchgriff in diesen Fällen vornehmlich damit, daß die Haftungsbeschränkung nur vertretbar sei, wenn die Einhaltung der Kapitalerhaltungsvorschriften durch eine klare und mit Hilfe der Rechnungslegung zu belegende Trennung zwischen Gesellschafts- und Privatvermögen kontrollierbar bleibe 774 . Teilweise wird die Haftung des Gesellschafters auch mit einem Organisationsfehler 775 , einem widersprüchlichen
Siehe zum Begriff der Sphärenvermischung bereits 4. Kap. § 2 C IV 2d. BGH v. 12.11.1984 BB 1985, 77; BGH v. 16.9.1985 BGHZ 95, 330, 333f.; BGH v. 13.4.1994 BGHZ 125, 366, 368; Stimpel, FS Goerdeler, S. 601, 606f.; Lutter, ZGR 1982, 244, 251 f.; Immenga, Kapitalgesellschaft, S. 399; Erlinghagen, GmbHR 1962, 169, 172; Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. 1, S. 224; Raiser, Kapitalgesellschaften, § 29 Rn. 23; Drüke, Haftung, S. 74f.; Hommelhoff in: Heidelberger Konzernrechtstage: Der qualifizierte faktische GmbH-Konzern, S. 245, 252 („Waschkorb-Lage"). 771 BGH v.16.9.1985 BGHZ 95, 330, 333; BGH v. 12.11.1984 BB 1985, 77; O L G Nürnberg v. 26.5.1955 WM 1955, 1566. 772 BGH V. 26.11.1957 WM 1958, 460, 462; Erlinghagen, GmbHR 1962, 169, 172; Drohnig, Haftungsdurchgriff, S. 33 f. (ohnehin könne nur ein Entzug von Gesellschaftsvermögen rechtsmißbräuchlich sein). 773 Siehe zur Abgrenzung nur BGH v.16.9.1985 BGHZ 95, 330, 333 f.; K. Schmidt, BB 1985, 2074, 2075f. sowie bereits Bärmann, AcP 159 (1960), 365, 368; siehe zum sog. Verwertungsdurchgriff bereits oben im Zusammenhang mit der Rechtsscheinhaftung 4. Kap. § 2 C III 4. 774 BGH v. 12.11.1984 BB 1985, 77; B G H v. 16.9.1985 BGHZ 95, 330, 333f.; BGH v. 13.4.1994 BGHZ 125, 366, 368; BSG v. 1.2.1996 ZIP 1996,1134, 1135; Priester, ZGR 1993, 512, 520; ähnlich bereits Rehbinder, Konzernaußenrecht, S. 151. 775 Erlinghagen, GmbHR 1962, 169, 172. 769 770
52
Relevante
467
Haftungstatbestände
Verhalten im H i n b l i c k auf die Selbständigkeit der juristischen Person 7 7 6 oder einem stillschweigenden V e r z i c h t auf die H a f t u n g s b e s c h r ä n k u n g 7 7 7 b e g r ü n det.
c) Institutsmiß
brauch
B e i m I n s t i t u t s m i ß b r a u c h bzw. institutionellen M i ß b r a u c h handelt es sich um einen S a m m e l b e g r i f f für sonstige, weniger im Vordergrund der D i s k u s sion stehende Fälle des M i ß b r a u c h s der juristischen P e r s o n bzw. (genauer) der H a f t u n g s b e s c h r ä n k u n g . Verwiesen wird hier zumeist auf die Fälle der h o r i z o n t a l e n und vertikalen Unternehmensaufspaltung 7 7 8
sowie der
sog.
G m b H - S t a f e t t e n 7 7 9 . Z w a r stelle die hierdurch regelmäßig verwirklichte Verteilung u n t e r n e h m e r i s c h e r R i s i k e n auf verschiedene R e c h t s t r ä g e r für sich gen o m m e n n o c h keinen M i ß b r a u c h dar 780 , d o c h dürfe ein Gesellschafter mit H i l f e einer derartigen K o n s t r u k t i o n nicht das N u t z e n - N a c h t e i l - P r i n z i p u m gehen, indem er die m ö g l i c h e n G e w i n n e seiner u n t e r n e h m e r i s c h e n Tätigkeit einstreiche und etwaige Verluste den G l ä u b i g e r n aufbürde 7 8 1 . K ö n n e dem G e sellschafter ein derartiger V o r w u r f gemacht werden, läge allerdings regelmäßig zugleich entweder ein Fall der K o n z e r n h a f t u n g oder ein solcher der f o r mellen bzw. materiellen Unterkapitalisierung vor, so daß die praktische B e deutung dieser Fallgruppe fraglich sei 782 . I n B e t r a c h t k o m m e n schließlich auch eine Gesellschafterhaftung aus § 8 2 6 B G B 7 8 3 und in den Fällen der G m b H - S t a f e t t e n eine allerdings fragwürdige E i n w i r k u n g s v e r p f l i c h t u n g des Gesellschafters auf die neu gegründete Gesellschaft 7 8 4 .
776 BGHv. 29.11.1956 BGHZ 22, 226, 230; BGH v. 11.7.1960DB 1960, 1153; Kaiser, Kapitalgesellschaften, § 29 Rn. 23; Lutter, ZGR 1982, 244, 251; Drüke, Haftung, S. 76f.; Erlinghagen, GmbHR 1962, 169, 172. 777 Siebert, BB 1954, 417, 418; Baumbach/HueckIHueck, (11. Aufl.) Anh zu §34 Anm. 3 C; ähnlich Bärmann, AcP 159 (1960), 365, 367f. (konkludenter Eintritt in die Geschäfte der Gesellschaft); mit Recht krit. Immenga, Kapitalgesellschaft, S. 400. 778 Adams, Eigentum, S. 71 ff.; Hachenburg/Mertens, § 13 Rn. 52; Stimpel, FS Goerdeler, S. 601, 611; Lutter, ZGR 1982, 244, 252f.; Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. 1, S. 227f. 779 BSG v. 7.12.1983 ZIP 1984, 1217, 1221 (objektiver Mißbrauch der Formen juristischer Personen); Hachenburg/Mertens, § 13 Rn. 53; Stimpel, FS Goerdeler, S. 601, 611 f. 780 Lutter, ZGR 1982, 244, 252f.; Stimpel, FS Goerdeler, S. 601, 610ff.; Hachenburg/Mertens, § 13 Rn. 52 f.; krit. daher auch Ehricke, AcP 199 (1999), 257, 301 f. 781 Lutter, ZGR 1982,244,253. 782 Lutter, ZGR 1982, 244, 252f.; Stimpel, FS Goerdeler, S. 601, 61 Off. 783 Dazu bereits 4. Kap. § 2 C IV 2g. 784 So Schulte, WM 1979 Beilage Nr. 1, S. 19, der hierzu allerding zunächst die VorgängerGmbH mit dem Gesellschafter entgegen dem Trennungsprinzip identifizieren muß.
468
4. Kapitel:
Haft ungsrelevanz
2. Verantwortlichkeit
der
des haftenden
Unternehmergesellschafterstellung
Gesellschafters
Zwar wird heute auf der Basis der objektiven Normzwecklehren allgemein auf eine bewußte Gläubigerschädigung 785 oder ein sonstiges Verschulden als Voraussetzung der hier als Durchgriffshaftung i.e.S. gekennzeichneten Gesellschafterhaftung verzichtet, doch wird überwiegend eine Eingrenzung auf einflußreiche Gesellschafter unter dem Gesichtspunkt der Zurechenbarkeit und Finanzierungsverantwortung befürwortet 786 . Damit kommt auch die als Strukturhaftung verstandene Durchgriffshaftung nicht ohne eine personelle Differenzierung nach Leitungsmacht und Einflußnahme aus. Während nach herrschender Meinung für die anfängliche materielle Unterkapitalisierung alle Gründergesellschafter verantwortlich sein sollen, da sich hier selbst der einflußlose Gesellschafter durch Verzicht auf die weitere Gründungsbeteiligung der Haftung zu entziehen vermöge, könne die nachträgliche materielle Unterkapitalisierung nur den Gesellschaftern zugerechnet werden, die in der Lage gewesen seien, das Gesellschaftskapital zu erhöhen, die Kapitalherabsetzung zu verhindern oder den Geschäftsumfang zu vermindern 787 bzw. die Geschäftsfortführung zu beenden 788 . Den einflußlosen Gesellschaftern sei die Haftung nicht zumutbar, da sie genauso schutzwürdig seien wie die Gläubiger 789 , im Gegensatz zu den Unternehmergesellschaftern nicht für einen Organisationsfehler haftbar gemacht werden könnten 790 bzw. nicht der erforderlichen Finanzierungsverantwortung (§ 32a Abs. 3 S. 2 G m b H G analog) unterlägen 791 und zudem die Kapitalsammelfunktion der Kapitalgesellschaften nicht gefährdet werden dürfe 792 .
785 Anders noch für die Sphärenvermischung Siebert, B B 1954,417, 418 und Serick, Rechtsform, S. 46 mit Fn. 2. 786 So allgemein Stimpel, FS Goerdeler, S. 601, 612f.; G.H. Roth, Z G R 1989, 421, 430; ders., Z G R 1993, 170, 201; Kühler, Gesellschaftsrecht, § 23 II 3; Adams, Eigentum, S. 91 f.; für die Unterkapitalisierung Hachenburg/Ulmer, Anh § 30 Rn. 60; Wüst, J Z 1992, 710, 712 und Banerjea, ZIP 1999, 1153, 1158f.; gegen eine Zurechnungsvoraussetzung überhaupt Weitbrecht, Haftung, S. 76 (das Kriterium der Zurechenbarkeit sei sachwidrig der Rechtsscheinhaftung entnommen und harmoniere nicht mit der Regelung in § 31 Abs. 3 G m b H G ) . 787 Hachenburg/Ulmer, Anh § 30 Rn. 60; Stimpel, FS Goerdeler, S. 601, 609 und 612; Erlinghagen, G m b H R 1962, 169, 175f.; G.H. Roth, Z G R 1993, 170, 202ff.; O. Kuhn, Strohmanngründung, S. 217f.; Lutter/Hommelhoff, § 13 Rn. 7; a.A. Winkler, B B 1969, 1202, 1207 (anteilige Haftung aller Gesellschafter) und Weitbrecht, Haftung, S. 75 ff. 788 Kalter, KTS 1970, 267, 283 ff. 789 Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. 1, S. 572f.; Lutter/Hommelhoff, § 13 Rn. 7; ähnlich Stimpel, FS Goerdeler, S. 601, 612f. (für die nachträgliche Unterkapitalisierung). 7.0 Erlinghagen, G m b H R 1962, 169, 175 f. 7.1 Banerjea, ZIP 1999, 1153, 1160 (mit teleologischen Einschränkungen im Hinblick auf die Starrheit der Beteiligungsschwelle); danach wäre der Fall B G H v. 13.4.1994 B G H Z 125, 366, 368ff. aufgrund der formellen Geschäftsführerrolle der Ehefrau anders zu entscheiden gewesen; zur Kritik an § 32a Abs. 3 S. 2 G m b H G siehe 4. Kap. § 2 D II lb. 7.2 Erlinghagen, G m b H R 1962, 169, 175.
5 2
Relevante
Haftungstatbestände
469
Bei der Sphärenvermischung wird teilweise bereits eine Verantwortlichkeit sämtlicher Gesellschafter angenommen, denen der Durchgriffstatbestand bekannt bzw. offensichtlich war793 oder die einen Fremdgeschäftsführer gewähren ließen und sich nicht um die Angelegenheiten der Gesellschaft gekümmert haben 794 . Die herrschende Meinung legt hier jedoch mit Recht die gleichen Kriterien zugrunde wie bei der nachträglichen Unterkapitalisierung und nimmt den einflußlosen Gesellschafter von der Haftung aus795. 3. Weitere Voraussetzungen
des
Haftungsdurchgriffs
Schließlich wird dem betroffenen Gesellschafter zumeist die Möglichkeit eingeräumt, die Haftung durch den Nachweis fehlender (Mit)Ursächlichkeit der Unterkapitalisierung bzw. Sphärenvermischung für die Insolvenzreife der Gesellschaft bzw. den Ausfall der Gläubiger abzuwenden 796 . Ungeklärt ist hingegen, ob sich nur diejenigen Gläubiger auf die Durchgriffshaftung sollen berufen können, die bei Vertragsschluß keine Kenntnis von der Unterkapitalisierung gehabt haben oder in ihrer Vertragsfreiheit eingeschränkt gewesen sind797. IV. Rechtsfolgen
des
Haftungsdurchgriffs
Während sich auf der Tatbestandsseite der Durchgriffshaftung noch eine verhältnismäßig klare Tendenz zu einer Haftung der für eine qualifiziert materielle Unterkapitalisierung oder eine Sphärenvermischung verantwortlichen Gesellschafter abzeichnet, können die Rechtsfolgen des Haftungsdurchgriffs nur als in höchstem Maße unsicher bezeichnet werden. Die rechtspolitische Diskussion um die angemessenen Rechtsfolgen kreist in allen denkbaren Kombinationen um die Pole Innen- 798 und Außenhaftung 799 , Hachenburg/Mertens, § 13 Anh Rn. 49. So explizit Stimpel, FS Goerdeler, S. 601, 612; angesichts des Rechts der Gesellschafter auf Desinteresse mit Recht krit. G.H. Roth, Z G R 1989, 421, 430. 7.5 B G H v. 13.4.1994 B G H Z 125, 366, 368ff. (keine Verantwortlichkeit einer als Strohgeschäftsführerin tätigen und mit 2 0 % neben ihrem Ehemann an einer GmbH beteiligten Hausfrau für eine Vermögensvermischung); Boujong, FS Odersky, S. 739, 744; K. Schmidt, ZIP 1994, 840; Erlinghagen, G m b H R 1962, 169, 175 f. 7.6 Stimpel, FS Goerdeler, S. 601, 618f.; Hachenburg/Ulmer, Anh § 30 Rn. 58f. und 61; Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. 1, S. 573. 7 . 7 So Lütter/Hommelhoff, § 13 Rn. 7; Hachenburg/Ulmer, Anh § 30 Rn. 65; a.A. Banerjea, ZIP 1999, 1153,1159f. 7.8 Banerjea, ZIP 1999, 1153, 1159; Stimpel, FS Goerdeler, S. 601, 613f. und 615ff. (mit Ausnahmen zugunsten einer Außenhaftung bei masseloser Insolvenz und bei Ausfällen trotz vollzogenen Verlustausgleichs); für den organschaftliche Geschäftsführungsbefugnisse ausübenden Kommanditisten auch Nitschke, Personengesellschaft, S. 266ff. 7.9 O L G Düsseldorf v. 1.3.1989 NJW-RR 1989, 743, 744; B G H v. 16.9.1985, 330, 332 (obiter); Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. 1, S. 572f.; Lutter/Hommelhoff, § 13 Rn. 7; mit Ein7.3 7.4
470
4. Kapitel: Haftungsrelevanz
der
Unternehmergesellschafterstellung
Differenz- 800 und Vollhaftung 801 , gesamtschuldnerische 802 und anteilige803 Haftung, Erfüllungs- und Schadensersatzhaftung 804 sowie primäre 805 und subsidiäre 806 Haftung.
V. Kritik am
Haftungsdurchgriff
1. Fehlende gesetzliche Grundlage des
Haftungsdurchgriffs
Der vorstehend kurz beschriebene Haftungsdurchgriff steht trotz aller gegenteiligen Rechtfertigungsbemühungen im Widerspruch zu den bewußten Entscheidungen des Gesetzgebers für die Haftungsbeschränkung (§§ 1 Abs. 1 S. 2 AktG, 13 Abs. 2 G m b H G und 171 Abs. 1 H G B ) und für ein bloßes Mindestkapital (§§ 7 A k t G und 5 Abs. 1 GmbHG) 8 0 7 . Gerade im Vollstreckungsund Insolvenzrecht wird die Trennung des Gesellschaftsvermögens vom Privatvermögen der Gesellschafter als wesentlichem Ausfluß des Trennungsprinzips von Gesetz und Rechtsprechung besonders streng durchgeführt 808 .
schränkungen im Insolvenzverfahren (Aktivlegitimation des Insolvenzverwalters entsprechend § 171 Abs. 2 H G B ) auch Hachenburg /Ulmer, Anh § 30 Rn. 64; Lutter/Hommelhoff, Z G R 1979, 31, 62ff. und Raiser, Z G R 1995, 156, 168f. 800 Für eine Haftung auf die Differenz zwischen geleistetem Kapital und angemessenem Kapital O. Kuhn, Strohmanngründung, S. 216f.; Immenga, Kapitalgesellschaft, S. 410f.; Reinhardt, FS H. Lehmann 1956 Bd. 2, S. 576, 592; Winkler, BB 1969, 1202, 1205ff. (anteilige Differenzhaftung mit ergänzender Ausfallhaftung, wenn Mitgesellschafter ihren Anteil nicht erbringen); de lege ferenda auch Wiedemann, in: Die Haftung des Gesellschafters in der G m b H , S. 20 ff. 801 O L G Düsseldorf v. 1.3.1989 NJW-RR 1989, 743, 744; Raiser, Z G R 1995,156, 168f.; Hachenburg/ Ulmer, Anh § 30 Rn. 62; Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. 1, S. 572 f.; Drobnig, Haftungsdurchgriff, S. 71 und 92 f.; G. Kuhn, FS R. Fischer, S. 351, 360; Nirk, FS Stimpel, S. 443, 462; Kalter, KTS 1970, 267, 280f.; Wüst, JZ 1995, 990, 995. 802 Hachenburg/Ulmer, Anh § 30 Rn. 63; Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. 1, S. 223 und 573; Raiser, ZGR 1995,156, 168f. 803 Winkler, BB 1969, 1202, 1207. 804 Nirk, FS Stimpel, S. 443, 459f.; Kalter, KTS 1970, 267, 280f. 805 G. Kuhn, FS R. Fischer, S. 351, 360; für den Fall der Sphärenvermischung auch Drüke, Haftung, S. 77; krit. Ehricke, AcP 199 (1999), 257, 262. 806 Nirk, FS Stimpel, S. 443, 462 (Gesellschafterhaftung erst mit Ablehnung bzw. Abschluß des Insolverfahrens); Lutter/Hommelhoff, Z G R 1979, 31, 62 ff. und Hachenburg/Ulmer, Anh § 30 Rn. 61 (Gesellschafterhaftung mit Eröffnung oder Ablehnung des Insolvenzverfahrens); Drobnig, Haftungsdurchgriff, S. 56f.; Immenga, Kapitalgesellschaft, S. 411 (Gesellschafterhaftung bei Insolvenzreife der Gesellschaft); Wüst, JZ 1992, 710, 712; ders., JZ 1995, 990, 995; O. Kuhn, Strohmanngründung, S. 218; Bärmann, AcP 159 (1960), 365, 368; Kalter, KTS 1970, 267, 276; Drax, Durchgriffs- und Konzernhaftung, S. 27f. 807 Zur Rechtfertigung der Haftungsbeschränkung siehe 4. Kap. § 1 A II 1; zur bewußten Festlegung der derzeitigen Mindestkapitalsumme bei der G m b H siehe nur RegE G m b H - N o velle 1980, BT-Drucks. 8/1347, S. 29. 808 Siehe dazu etwa RG v. 30.11.1937 R G Z 156, 271, 277; B G H v. 26.9.1957 N J W 1957, 1877, 1878.
§2
Relevante
Haftungstatbestände
471
Allenfalls rechtspolitisch mag man daher über die Berechtigung und den Umfang der durch die Haftungsbeschränkung erfolgenden weitgehenden Abwälzung des unternehmerischen Risikos auf die ungesicherten Gesellschaftsgläubiger streiten 809 . De lege lata kommt gerade eine an der teleologisch stimmigen Normanwendung orientierte Lehre vom Mißbrauch der Haftungsbeschränkung bzw. des Trennungsprinzips nicht an der bewußten gesetzlichen Wertung vorbei 810 . Dies gilt auch für die noch am ehesten tragfähige Parallele zum Recht des Eigenkapitalersatzes unter dem gemeinsamen rechtfertigenden Gesichtspunkt der Finanzierungsverantwortung der Unternehmergesellschafter, da die Finanzierungsfreiheit der Gesellschafter nur im Bereich des Wie nicht aber auch im Bereich des Ob über die gesetzlichen Regelungen zur Kapitalsicherung hinaus eingeschränkt worden ist. Die Vermögenstrennung sollte daher nicht nur nicht leichtfertig, sondern überhaupt nicht ignoriert werden. In jedem Fall sollte dies für die teilweise in den Haftungsdurchgriff einbezogenen Sachverhalte der einfachen materiellen Unterkapitalisierung gelten, da dies nicht nur der gesetzlichen Regelung zum Mindestkapital und zur Nachschußpflicht widerspräche, sondern angesichts der Probleme bei der Bestimmung eines der konkreten Geschäftstätigkeit angemessenen Eigenkapitals 811 für die betroffenen Gesellschafter auch zu einer unzumutbaren Rechtsunsicherheit führen würde 812 . Der Widerspruch zum Prinzip der Haftungsbeschränkung sollte allgemein klar herausgestellt und nicht durch eine den Fällen des sog. Zurechnungsdurchgriffs 813 fälschlicherweise entlehnte Betonung der Relativität der Selbständigkeit der juristischen Person verschleiert werden. Mit Recht hat sich daher auch die Rechtsprechung im Bereich des Haftungsdurchgriffs ganz im Gegensatz zum Zurechnungsdurchgriff ausgesprochen reserviert gezeigt 814 .
809 Dazu im Zusammenhang mit der Forderung nach Korrespondenz von Herrschaft und Haftung 4. Kap. § 1 A II 2. 810 Krit. insoweit auch Ehricke, AcP 199 (1999), 257,273 ff.; G. Kuhn, FS R. Fischer, S. 351, 353; Wilhelm, Rechtsform, S. 311 ff. und Drax, Durchgriffs- und Konzernhaftung, S. 78. 811 Der Hinweis auf die Handhabbarkeit der für eine bestimmte Geschäftstätigkeit geltenden und ebenfalls generalisierenden Bestimmungen der § § 1 0 KWG und 2 KAGG vermag hieran nichts zu ändern. 812 Insoweit ebenfalls krit. BGH v. 14.12.1959 BGHZ 31, 258, 268; Vonnemann, Haftung, S. 203 ff.; Gessler, GmbHR 1966, 102, 108; Winkler, BB 1969, 1202, 1204f.; Kahler, GmbHR 1985,296; Wüst, JZ 1992, 710, 712; a.A. Wiedemann, in: Die Haftung des Gesellschafters in der GmbH, S. 22 ff. 813 Zur unterschiedlichen Struktur von Haftungs- und Zurechnungsdurchgriff 4. Kap. § 2 E I 1 sowie 5. Kap. § 2 A I und § 3 A I. 814 Dazu nur Scholz/Emmerich, § 13 Rn. 88ff.
472
4. Kapitel:
Haftungsrelevanz
der
2. Fehlendes Bedürfnis nach einem
Unternehmergesellschafterstellung
Haftungsdurchgriff
Es besteht weder das Bedürfnis nach einer Durchgriffshaftung des kapitalistisch noch des unternehmerisch engagierten Privatgesellschafters. Eine dem Gesetzgeber etwa verborgen gebliebene Regelungslücke, die eine Korrektur der Haftungsbeschränkung bzw. der Mindestkapitalvorschriften über § 242 B G B geböte, ist nicht ersichtlich 815 . Eine Durchgriffshaftung der Anlagegesellschafter wäre nämlich angesichts des Schutzbedürfnisses dieser Gesellschafter, ihrer fehlenden unternehmerischen Verantwortung sowie im Interesse des Erhalts der Kapitalsammelfunktion von Kapital- und Kommanditgesellschaften rechtspolitisch verfehlt. Sie wird daher auch von den Befürwortern eines Haftungsdurchgriffs fast ausnahmslos abgelehnt 816 . Nur wenn man insoweit ein Haftungsbedürfnis anerkennen würde, müßte hierzu auf eine von Zurechnungs- und Verschuldensmomenten befreite Durchgriffshaftung zurückgegriffen werden, da es mit Hilfe der allgemeinen Haftungstatbestände regelmäßig nicht zu einer Haftung der Anlagegesellschafter käme 817 . Soweit andererseits ein Bedürfnis nach Haftung der Unternehmergesellschafter in den Fällen der qualifiziert materiellen Unterkapitalisierung, der Sphärenvermischung und des Institutsmißbrauchs besteht, wird diesem durch eine Vielzahl von Tatbeständen der Innen- und Außenhaftung vollständig und dogmatisch befriedigend Rechnung getragen 818 . Dies gilt namentlich, seit die spezifischen Probleme der verbundenen Unternehmen 819 und der nominellen Unterkapitalisierung durch das Konzern- und Eigenkapitalersatzrecht einer gesetzlichen und richterrechtlichen Lösung zugeführt und die Möglichkeiten einer deliktischen Haftung gegenüber Gesellschaftsgläubigern insbesondere im Rahmen des § 823 Abs. 2 B G B 8 2 0 ausgebaut wurden. Auch die im internationalen Vergleich strengen Kapitalaufbringungs- und -erhaltungsvorschriften sichern den Gläubigern im Zusammenhang mit der Insolvenzantragspflicht 821 einen wenn auch der Höhe nach vielfach unzureiEbenso Ehricke, AcP 199 (1999), 257, 275ff.; Hofmann, N J W 1966,1941, 1944 f. Für eine Haftung aller Gesellschafter lediglich Weitbrecht, Haftung, S. 75 ff. und Winkler, B B 1969, 1202, 1207. 817 So denn auch von seinem Ausgangspunkt her konsequent Weitbrecht, Haftung, S. 77. 818 Siehe dazu die eingehenden Ausführungen unter B I, III und IV; für das Bedürfnis nach einer objektiven Durchgriffshaftung jedoch u.a. Rehhinder, FS R. Fischer, S. 579, 584 und Lutter/Hommelhoff, Z G R 1979, 31, 57f. 819 Zur teilweisen Verdrängung der allgemeinen Durchgriffsproblematik durch die Konzernhaftung siehe Drax, Durchgriffs- und Konzernhaftung, S. 164 ff. und 176ff. sowie Scholz/ Emmerich (8. Aufl.), § 13 Rn. 84a. 820 Siehe dazu näher 4. Kap. § 2 C IV; siehe insbesondere zur Erfassung der Fälle qualifizierter materieller Unterkapitalisierung mit Hilfe von § 823 Abs. 2 B G B O. Kuhn, Strohmanngründung, S. 220 ff. 821 Zur Bedeutung der Insolvenzverschleppungshaftung im Zusammenhang mit der Unterkapitalisierung siehe insbesondere B A G v. 3.9.1998 ZIP 1999, 24, 26 und Vonnemann, Haftung, S. 203 ff.; krit. Banerjea, ZIP 1999, 1153, 1154f. 815
816
5 2 Relevante
Haftungstatbestände
473
chenden Haftungsfonds 8 2 2 . Im Hinblick auf die Haftung v o n U n t e r n e h m e r gesellschaftern geht es daher keineswegs n u r u m die auch in der Rechtsprechung immer wieder herausgestellte Alternative zwischen der D u r c h g r i f f s haftung und § 826 B G B mit seinen zumindest im Ausgangspunkt engen subjektiven Mißbrauchsvoraussetzungen 8 2 3 .
3. Fehlen eines gesicherten
Haftungstatbestands
Die D u r c h g r i f f s h a f t u n g ist z u t r e f f e n d als Haftung ohne Haftungstatbestand, reine Rechtspolitik und freie Rechtssetzung kritisiert worden 8 2 4 . Die bloße teleologische R e d u k t i o n der Tatbestände der Haftungsbeschränkung schafft noch keinen ausgeformten Haftungstatbestand 8 2 5 . Selbst w e n n man dem G r u n d s a t z v o n Treu und G l a u b e n auch außerhalb bestehender Sonderrechtsverhältnisse eine haftungsbegründende Funktion beimessen wollte 8 2 6 , hätte man mit § 2 4 2 B G B noch keinen fest umrissenen Haftungstatbestand, sondern lediglich eine Anspruchsgrundlage gewonnen. Schließlich w i r d auch der vielfach bemühte Rückgriff auf § 1 2 8 H G B 8 2 7 f ü r die Kapitalgesellschaften mit Recht in Frage gestellt, da diese Gesellschaften durch den M i ß b r a u c h der Haftungsbeschränkung noch nicht zwangsläufig zu einer O H G w e r d e n und sich z u d e m die ganz überwiegend b e f ü r w o r t e t e Einschränkung auf v e r antwortliche Gesellschafter und die Subsidiarität der Haftung n u r schwer mit dieser Vorschrift vereinbaren lassen 828 . A n w e n d b a r ist § 128 H G B allenfalls Dazu etwa Immenga, Kapitalgesellschaft, S. 396ff. Für das Erfordernis eines zusätzlichen Haftungstatbestands wegen der hohen subjektiven Anforderungen des § 826 BGB etwa Hachenburg/Ulmer, Anh § 30 Rn. 42; Wüst, JZ 1995, 990, 994 und Staudinger/Oecfo/er, § 826 Rn. 319; für eine weitgehende Lösung der Fälle der Durchgriffshaftung über § 826 BGB hingegen etwa Hofmann, NJW 1966, 1941, 1945f.; Weitbrecht, Haftung, S. 81 ff.; Flume, BGB-AT 1/2, S. 82ff. und 87 und Kahler, BB 1985, 1429, 1433 f. (rechtsmißbräuchlich sei noch nicht die Ausstattung der Gesellschaft mit dem lediglich vorgeschriebenen Mindestkapital, sondern erst die dann auch nach § 826 BGB tatbestandsmäßige Abwälzung des unternehmerischen Risikos auf die Gläubiger); vgl. zu einem Nebeneinander von § 826 BGB und Durchgriffshaftung auch OLG Karlsruhe v. 13.5.1977 WM 1978, 962, 967 und Scholz ¡Emmerich, § 13 Rn. 89. 824 Wilhelm, Rechtsform, S. 311 ff.; Flume, BGB-AT 1/2, S. 84. 825 Es würde sich lediglich etwa folgender „Tatbestand" ergeben: Die Gesellschafter haften mit ihrem Privatvermögen für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft, wenn die Voraussetzungen für die vermögensmäßige Selbständigkeit nicht gegeben sind oder die Haftungsbeschränkung zweckwidrig mißbraucht wird. 826 Ablehnend O. Kuhn, Strohmanngründung, S. 211; Nirk, FS Stimpel, S. 443, 458 f. und Drax, Durchgriffs- und Konzernhaftung, S. 17f. 827 OLG Düsseldorf v. 1.3.1989 NJW-RR 1989, 743, 744; BGH v. 16.9.1985 BGHZ 95, 330, 332 (obiter); Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. 1, S. 223; Nirk, FS Stimpel, S. 443, 459; Hachenburg/ Ulmer, Anh § 30 Rn. 52. 828 Vgl. dazu auch K. Schmidt, ZIP 1994, 837, 840; Flume, BGB-AT 1/2, S. 84; auch Hachenburg/ Ulmer, Anh § 30 Rn. 52 fordert im Rahmen der Anwendung des § 128 HGB die Berücksichtigung der Besonderheiten der GmbH. 822 823
474
4. Kapitel:
Haftungsrelevanz
der
Unternehmergesellschafterstellung
im Zusammenhang mit einer teleologischen Reduktion des § 171 Abs. 1 Hs. 2 HGB829. Das Hauptproblem der Durchgriffshaftung besteht damit nicht so sehr in allfälligen unbestimmten Tatbestandsmerkmalen wie etwa dem der qualifizierten materiellen Unterkapitalisierung als vielmehr in dem Umstand, daß beispielsweise dieses Tatbestandsmerkmal für sich nicht unbestritten ist und zu seiner Konkretisierung anders als etwa zur Frage des kaufmännischen Z u schnitts eines Handelsgewerbes keine gesicherte Rechtsprechung als O r i e n tierungshilfe zur Verfügung steht. Die sich in den immer wieder kritisierten Leerformeln der Rechtsprechung niederschlagenden Unklarheiten auf der Tatbestands- wie Rechtsfolgenseite des allgemeinen Haftungsdurchgriffs 8 3 0 würden zumindest bis zu einer derzeit nicht absehbaren richterrechtlichen Konkretisierung der Haftung fortbestehen. Zumindest bis dahin fragt es sich, warum man angesichts eines ganzen Arsenals differenzierter Haftungstatbestände auf einen auch nach unzähligen Untersuchungen eingestandenermaßen 8 3 1 in den „Details" noch immer nicht ausgearbeiteten zusätzlichen Mißbrauchstatbestand zurückgreifen soll.
4. Fehlende tatbestands
Eignung
eines allgemeinen
strukturellen
Haftungs-
Die auch in der Rechtsprechung geäußerten Zweifel 8 3 2 an der Eignung eines allgemeinen Haftungstatbestands zur Lösung der vielfältigen Fälle eines M i ß brauchs der Haftungsbeschränkung sind berechtigt. Während subjektive Haftungsvoraussetzungen im einen Fall zur Eingrenzung des Haftungstatbestands erforderlich sind, kann ihr gegebenenfalls schwieriger Nachweis in anderen Fällen zu Haftungslücken führen. Gerade in der differenzierten Anpassung an die unterschiedlichen Mißbrauchssituationen erweist sich daher das etablierte Haftungssystem mit seinen im wesentlichen auf ein schuldhaftes Verhalten verschiedenster Art, teils aber auch auf bloße Zurechnungskriterien abstellenden Tatbeständen als überlegen 8 3 3 . Die gebotene Differenzierung zwischen ka829 Krit. auch insoweit Boerner, Haftung, S. 145ff. (Haftung nur für die durch das Fehlen der Bremsfunktion des Komplementärs entstandenen Schäden) und Nitschke, Personengesellschaft, S. 266ff. (unbeschränkte Innenhaftung gegenüber dem Komplementär). 830 Siehe dazu nur die Kritik von Drax, Durchgriffs- und Konzernhaftung, S. 77f.; MüllerFreienfels, AcP 156 (1957), 522, 523; Reinelt, B B 1974, 1145f.; Ehricke, AcP 199 (1999), 257, 277. 831 Siehe dazu etwa Wüst, J Z 1992, 710, 712; Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. 1, S. 222 (für die Rechtsfolgenseite). 832 B G H v. 4.5.1977 B G H Z 68, 312, 316; B S G v. 26.3.1963 B S G E 19, 18, 20; B S G v. 26.1.1978 B S G E 4 5 , 2 7 9 , 2 8 4 . 833 Zu den Vorteilen der grundsätzlichen Verschuldenshaftung im vorliegenden Zusammenhang siehe auch Canaris, FS Giger, S. 91, 120f.; K.Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 9 IV 4c aa und Kahler, G m b H R 1985, 296; krit. auch zum „Breitbandhaftungsinstrumentarium" der Durchgriffshaftung Ehricke, AcP 199 (1999), 257, 275ff.
§3
Zusammenfassung
475
pitalistisch und unternehmerisch engagierten Gesellschaftern ergibt sich hier naturgemäß aus den Anforderungen des jeweiligen Haftungstatbestands, während sie im Rahmen der Durchgriffshaftung nicht einmal völlig unbestritten rechtspolitisch gesetzt und gerechtfertigt 834 sowie teilweise wieder unter Rückgriff auf Elemente der Verschuldenshaftung 835 umgesetzt werden muß.
§ 3 Zusammenfassung Die Stellung als Unternehmergesellschafter oder gar die Beherrschung einer Gesellschaft begründen für sich genommen zwar noch keine persönliche Haftung von Privatgesellschaftern, doch stehen die verschiedenen haftungsauslösenden Umstände in einem engen Zusammenhang mit der unternehmerischen Beteiligung des Gesellschafters. Bei der Haftung eines Unternehmergesellschafters gilt es allerdings zunächst verschiedene allgemeine Wertungsgesichtspunkte zu berücksichtigen, die die Haftung nicht nur erweitern (gesteigerte Treuepflicht, Schutz der gesellschaftsrechtlichen Kompetenzordnung, Schaffung bzw. Beherrschung der für einen Schaden ursächlichen Gefahrenlage), sondern auch einschränken (Haftungsbeschränkungsnormen, Vermeidung einer prohibitiv wirkenden Gesellschafterhaftung, aktienrechtliches Stimmrechtsprivileg, Schutz eines unternehmerischen Ermessensspielraums, Erfüllbarkeit und Zumutbarkeit der maßgeblichen Verhaltenspflicht). Den im Zusammenhang mit der Haftung von Unternehmergesellschaftern immer wieder angeführten Prinzipien einer Korrespondenz von Herrschaft und Haftung, Leitungsmacht und Verantwortung oder Nutzen und Nachteil kommt ebenfalls keine haftungsbegründende, sondern allenfalls eine rechtspolitische oder die bestehenden Haftungsverhältnisse umschreibende Bedeutung zu836. Die haftungsbegründende Funktion der gesellschaftsgebundenen Unternehmertätigkeit wird jedoch deutlich, wenn es im einzelnen Haftungsfall zunächst darauf ankommt, ob ein aktives oder passives bzw. ein internes oder ex834 Stichworte sind hier die Korrespondenz von Leitungsmacht und Verantwortung und das Nutzen-Nachteils-Prinzip (dazu etwa Reinhardt, FS H. Lehmann 1956 Bd. 2, S. 576, 586 und 589f.) sowie das Schutzbedürfnis der Anlagegesellschafter (dazu etwa Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. 1, S. 572f.) und der Erhalt der Kapitalsammeifunktion (dazu etwa Erlinghagen, GmbHR 1962, 169, 175); krit. namentlich Weitbrecht, Haftung, S. 75 ff. 835 Stichworte sind hier der Verstoß gegen sog. Organisationspflichten (dazu etwa Reinhardt, FS H. Lehmann 1956 Bd. 2, S. 576, 586 und 593 und Erlinghagen, GmbHR 1962,169ff.) oder die Finanzierungsverantwortung (dazu etwa Wüst, JZ 1995, 990, 992 und Banerjea, ZIP 1999, 1153, 1158); vgl. dazu auch die Kritik von Flume, BGB-AT 1/2, S. 84 (bei den Modellen der Durchgriffshaftung handele es sich letztlich nur um Varianten der Verhaltenshaftung des herrschenden Gesellschafters). 836 Dazu 4. Kap. § 1 A.
476
4. Kapitel:
Haftungsrelevanz
der
Unternehmergesellschafterstellung
ternes Verhalten für den eingetretenen Schaden ursächlich gewesen ist. Denn hier kann die Stellung als Unternehmergesellschafter etwa im Bereich des Unterlassens zu Handlungs- und Erfolgsabwendungspflichten sowie bei Geschäftskontakten mit Vertragspartnern zu besonderen Aufklärungspflichten führen. Bedeutsam ist die Stellung als Unternehmergesellschafter zudem nicht nur für die haftungsbegründenden berechtigten Verhaltenserwartungen des Geschädigten, sondern auch für die im einzelnen Haftungsfall maßgeblichen Handlungs-, Einwirkungs- und Informationsmöglichkeiten eines Gesellschafters, den Grad seiner vermögensmäßigen und persönlichen Verflechtung mit der Gesellschaft sowie seine Sachkunde und seinen Informationsstand 837 . Die allgemeinen Wertungsgesichtspunkte und einzelfallbezogenen Haftungsfaktoren dringen an den unterschiedlichsten Stellen und insbesondere über die Einfallstore der unbestimmten Rechtsbegriffe und Haftungskonzepte in die Tatbestände der Innen- und Außenhaftung von Gesellschaftern ein. So sind beispielsweise erweiterte Aufklärungs- und Verhaltenspflichten eines Unternehmergesellschafters bei der Haftung aus Treuepflichtverletzung und c.i.c. sowie im Bereich der deliktsrechtlich relevanten Verkehrssicherung festzustellen838. Bei unternehmerischem Engagement des Gesellschafters erhöht man zudem nicht nur die Sorgfaltspflichten zur Vermeidung der Erklärungsfahrlässigkeit oder eines Rechtsscheins, sondern geht auch eher von der Erkennbarkeit und Zurechenbarkeit eines Rechtsschein-, Vertrauens- oder Durchgriffstatbestands aus839. Als (faktisches) Organ sieht sich der Unternehmergesellschafter sogar dem erhöhten Haftungsmaßstab der Organhaftung sowie der diesbezüglichen Umkehr der Darlegungs- und Beweislast ausgesetzt840. Aufgrund seiner Repräsentantenrolle und seiner vermögensmäßigen Verflechtung mit der Gesellschaft kann der Unternehmergesellschafter im Rahmen der Haftung aus c.i.c. (§§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 B G B ) unter Umständen auch als Sachwalter i.S.v. § 311 Abs. 3 B G B angesehen werden 841 . Betrachtet man die einzelnen Haftungstatbestände, kann dem vielfältigen Bemühen, den Unternehmergesellschafter für sein gesellschaftsbezogenes Verhalten haftbar zu machen, jedoch nicht in jeder Hinsicht zugestimmt werden. So sollte insbesondere die Haftung als (faktisches) Organ eine formelle Bestellung des Gesellschafters zum Organmitglied oder ein organgleiches Auftreten in maßgeblichem Umfang voraussetzen, da auch der bestimmungsmächtige Gesellschafter einer rechtsfähigen Gesellschaft im übrigen nicht als ein Verwalter fremden Vermögens, sondern zur Wahrnehmung seiner eigenen Interessen handelt und im Rahmen seiner mitgliedschaftlichen Bindungen auch
837 838 839 840 841
Dazu Dazu Dazu Dazu Dazu
4. 4. 4. 4. 4.
Kap. Kap. Kap. Kap. Kap.
§ § § § §
1 B. 2 A IV, C II l b und IV 2. 2 C I-III und E III 2. 2 A I. 2 C II lc.
§3
Zusammenfassung
477
handeln darf 842 . Die Haftung aus positiver Verletzung von mitgliedschaftlichen Treuepflichten ist ebenfalls nicht an vermeintlichen Interessen der Gesellschaft „an sich" oder an Drittinteressen auszurichten, sondern auf die schuldhafte Verletzung der gesellschaftszweckbezogenen Interessen der Mitgesellschafter zu beschränken 843 . Gegenüber den Mitgesellschaftern sollte sich auch der Unternehmergesellschafter nicht wegen einer Verletzung des absoluten Rechts der Mitgliedschaft nach § 823 Abs. 1 BGB haftbar machen können, da dieses generell keinen verbandsinternen Schutz genießt 844 . Im Bereich der vertraglichen Außenhaftung gilt es, die Grenzen der zumindest konkludenten vertraglichen Haftungsübernahme zu wahren und die Annahme fiktiver Interzessionsgeschäfte bzw. einer Haftung wegen enttäuschten Interzessionsvertrauens zu vermeiden 845 . Die c.i.c.-Sachwalterhaftung (§§ 280 Abs. 1,311 Abs. 2 und 3, 241 Abs. 2 BGB) sollte nicht auf der allgemeinen Repräsentantenstellung des Unternehmergesellschafters aufbauen, weil dies ebenso wie im Falle der allgemein-zivilrechtlichen Prospekthaftung zu einer Vertrauenshaftung ohne konkretes Vertrauen des Geschädigten führen würde 846 . Die Umqualifizierung kapitalersetzender Gesellschafterleistungen ist zudem, sofern dem nicht gesetzliche Regelungen entgegenstehen (§ 32a Abs. 3 S. 2 G m b H G , §§ 129a, 172a HGB), auf die die Finanzierungsverantwortung tragenden Unternehmergesellschafter zu begrenzen 847 . Eine strukturelle akzessorische Haftung von U n ternehmergesellschaftern für die Schulden der Gesellschaft ist schließlich ganz abzulehnen, weil es für eine derartige allgemeine Durchgriffshaftung nicht nur an einer gesetzlichen Grundlage und einem ausgeformten Haftungstatbestand, sondern auch an einem korrespondierenden Haftungsbedürfnis fehlt 848 . Die dem Schutz von Gesellschaftsgläubigern dienende Haftung des Unternehmergesellschafters ist demgegenüber verstärkt im systematisch einschlägigen Deliktsrecht anzusiedeln. Da insoweit die Möglichkeiten zur Erweiterung der Haftung nach §§ 826, 830 Abs. 2 BGB begrenzt sind, kann dies nur unter Rückgriff auf die „kleine Generalklausel" des § 823 Abs. 2 BGB geschehen. Hier ist zum einen auf die Verletzung von anerkannten Schutzgesetzen (z.B. § 64 Abs. 1 G m b H G , § 263 StGB, §§ 331 ff. H G B ) und zum anderen auf die Verletzung von Verkehrspflichten zur Sicherung des Vermögens der Gesellschaftsgläubiger Bezug zu nehmen, die von der Rechtsprechung richterrechtlich etwa für bestimmte Fälle der Insolvenzverschleppung oder der qualifiziert materiellen Unterkapitalisierung herausgearbeitet werden müßten 849 . 842 843 844 845 846 847 848 849
Dazu Dazu Dazu Dazu Dazu Dazu Dazu Dazu
4. 4. 4. 4. 4. 4. 4. 4.
Kap. Kap. Kap. Kap. Kap. Kap. Kap. Kap.
§ § § § § § § §
2 A I 2. 2 A IV. 2 B I 2. 2 C I und III 2. 1 C II l c c c . 2 D. 2 E V. 2 C IV.
5. Kapitel
Die zurechnungsvermittelnde Funktion der gesellschaftsgebundenen Unternehmerstellung Die zurechnungsvermittelnde Funktion der gesellschaftsgebundenen Unternehmerstellung zeigt sich in den Fällen der notwendigen und ergänzenden Zurechnung von Eigenschaften oder Verhältnissen der hinter einer rechtsfähigen Gesellschaft stehenden Personen zur Gesellschaft. Im Gegensatz zum Status- und Haftungsdurchgriff geht es beim notwendigen und ergänzenden Zurechnungsdurchgriff nicht um die Mißachtung des Trennungsprinzips zur Erstreckung von zunächst ausschließlich die Gesellschaft treffenden Rechtsfolgen auf bestimmte Gesellschafter, sondern um einen Rückgriff auf das personale Substrat zum Zwecke einer für die Gesellschaft vorteilhaften oder nachteiligen Rechtsanwendung. Bevor auf die jeweilige allgemeine Struktur und die einzelnen Fälle des notwendigen bzw. des ergänzenden Zurechnungsdurchgriffs ausführlich eingegangen wird, sollen zunächst diejenigen Gesichtspunkte verallgemeinernd herausgestellt werden, von denen gerade der Zurechnungsdurchgriff auf einen Unternehmergesellschafter abhängig ist.
§ 1 Der Unternehmergesellschafter im System der zurechnungsvermittelnden Gesichtspunkte Aufgrund der bereits im zweiten Kapitel dieser Arbeit eingehend behandelten Sonderstellung eines Unternehmergesellschafters unter den hinter einer rechtsfähigen Gesellschaft stehenden Personen sind dessen Eigenschaften oder Fähigkeiten von besonderer Bedeutung für den notwendigen und ergänzenden Zurechnungsdurchgriff. Im folgenden soll näher dargelegt werden, von welchen Faktoren die ausschließliche bzw. zusätzliche Zurechnung von persönlichen Umständen eines Unternehmergesellschafters im einzelnen Fall der Normanwendung abhängig ist. Die Form des notwendigen oder ergänzenden Zurechnungsdurchgriffs ist dabei nicht nur von der Natur des jeweiligen Zurechnungsdurchgriffs, sondern auch der rechtlichen und tatsächlichen Ausgestaltung der Gesellschafterstellung abhängig.
51
Zurechnungsvermittelnde
A. Die Abhängigkeit des jeweiligen
479
Gesichtspunkte
des Durchgriffs von der Natur Zurechnungsdurchgriffs
D e r Z u r e c h n u n g s d u r c h g r i f f auf den U n t e r n e h m e r g e s e l l s c h a f t e r wird zunächst durch die N a t u r des D u r c h g r i f f s , d.h. durch sich teilweise überlagernde U m s t ä n d e beeinflußt, die ihren U r s p r u n g in der Z u r e c h n u n g s n o r m , der bezogenen N o r m oder im tatsächlichen und rechtlichen K o n t e x t des N o r m a n w e n d u n g s p r o b l e m s haben.
I. Die Bedeutung der Notwendigkeit der Zurechnung D i e U n t e r s c h e i d u n g zwischen dem n o t w e n d i g e n und ergänzenden Z u rechnungsdurchgriff ist nicht n u r für das O b , sondern auch das W i e der Z u rechnung maßgeblich. S o verfügt die rechtsfähige Gesellschaft als solche in den Fällen der n o t w e n d i g e n Z u r e c h n u n g ( Z u r e c h n u n g m e n s c h l i c h e r E i g e n schaften, B e w u ß t s e i n s l a g e n und Verhaltensweisen) bei strikter B e a c h t u n g des Trennungsprinzips ü b e r h a u p t nicht ü b e r den v o m Tatbestand der a n z u w e n denden Regelung geforderten persönlichen U m s t a n d , so daß es für die N o r m anwendung nur auf eine entsprechende Prägung des personalen Substrats durch die persönlichen U m s t ä n d e des Unternehmergesellschafters a n k o m m t . D e m g e g e n ü b e r ist in den Fällen der ergänzenden Z u r e c h n u n g ( Z u r e c h n u n g der Vermögenslage, Z u r e c h n u n g einer G r u p p e n z u g e h ö r i g k e i t )
zusätzlich
eine Verdrängung der bereits unabhängig v o n ihrem personalen K e r n gegebenen o b j e k t i v e n Prägung der Gesellschaft (eigene Vermögenslage und G r u p penzugehörigkeit der Gesellschaft) d u r c h die entsprechenden persönlichen U m s t ä n d e des Unternehmergesellschafters erforderlich. Sofern dies nicht ü b e r h a u p t zur Verweigerung des Zurechnungsdurchgriffs wegen der damit verbundenen M i ß a c h t u n g der rechtlichen und tatsächlichen Verselbständigung der Gesellschaft führt, setzt dies zumindest eine normspezifische 1 oder, wie insbesondere bei einer für die Gesellschaft nachteiligen R e c h t s f o l g e , sogar eine (nahezu) vollständige 2 Prägung der Gesellschaft durch die entsprechende E i g e n s c h a f t des Unternehmergesellschafters voraus.
1 Siehe dazu etwa die Anforderungen an die wirtschaftliche Beteiligung beim Berechnungsdurchgriff im R a h m e n der Prozeßkostentragung (5. Kap. § 3 B I 1) oder die verschiedenen Kontrollanforderungen im R a h m e n der Staatsangehörigkeitszurechnung (5. Kap. § 3 B I I l b ) . 2 Siehe dazu das Beispiel der ergänzenden Zurechnung von politischen (5. Kap. § 3 B II 4).
Betätigungen
480
5. Kapitel: Zurechnungsrelevanz
der
Unternehmergesellschafterstellung
II. Die Bedeutung einer etwaigen
Zurechnungskonkurrenz
Von grundlegender Bedeutung für die Zurechnung von persönlichen Verhältnissen eines Unternehmergesellschafters ist zudem die Unterscheidung zwischen Rechtsanwendungsproblemen, für die es lediglich auf die Maßgeblichkeit der persönlichen Verhältnisse eines einzigen Organmitglieds bzw. Gesellschafters ankommt (isolierte Zurechnung) und solchen, in denen sich die entsprechende Eigenschaft bzw. Fähigkeit der rechtsfähigen Gesellschaft erst aufgrund einer Gesamtbetrachtung der konkurrierenden persönlichen Verhältnisse aller maßgeblichen Mitglieder des personalen Kerns ergibt (konkurrierende Zurechnung). In den Fällen der isolierten Zurechnung (z.B. Menschenwürde, Wissen, Verhalten, tatsächliche Sachherrschaft) können die Eigenschaften oder Fähigkeiten eines Unternehmergesellschafters der Gesellschaft nämlich bereits dann zugerechnet werden, wenn er Mitglied des Vertretungsorgans ist oder in anderer Weise den jeweiligen Zurechnungstatbestand aufgrund seiner unternehmerischen Beteiligung und/oder Betätigung in der Gesellschaft erfüllt, da insoweit lediglich eine zusätzliche Zurechnungsmöglichkeit geschaffen wird und die unter Umständen gegenläufigen persönlichen Verhältnisse von anderen Mitgliedern des personalen Substrats der Gesellschaft nicht von Bedeutung sind. Geht es hingegen um eine konkurrierende Zurechnung (z.B. UnZuverlässigkeit, Angehörigeneigenschaft, Undankbarkeit, Vermögenslage, Feindeigenschaft), kommt es darauf an, daß der Unternehmergesellschafter allein oder gemeinsam mit anderen maßgeblichen Mitgliedern des personalen Kerns die Gesellschaft im Hinblick auf den betreffenden Umstand in Abhängigkeit vom Regelungszweck zumindest maßgeblich, teilweise überwiegend und gegebenenfalls sogar ausschließlich prägt. Dies wird dann bei einem Unternehmergesellschafter grundsätzlich eine Organmitgliedschaft, eine Allein- bzw. Mehrheitsbeteiligung oder sein Zusammenwirken mit anderen Gesellschaftern, die über dieselbe Eigenschaft bzw. Fähigkeit verfügen oder sein Verhalten befürworten bzw. dulden, voraussetzen.
III. Die Bedeutung der Art der zuzurechnenden persönlichen Verhältnisse Der Zurechnungsdurchgriff auf den Unternehmergesellschafter wird zudem durch den Umstand beeinflußt, ob es sich um eine Verhaltens-, bewußtseins- oder eigenschaftsbezogene Zurechnung handelt. Kommt es wie etwa bei der Zurechnung eines rechtswidrigen Verhaltens oder der Zurechnung der tatsächlichen Sachherrschaft (auch) auf ein bestimmtes Verhalten des Zurechnungssubjektes an, so kommen für den Durchgriff nur diejenigen Gesellschafter in Betracht, die ein entsprechendes Verhalten an den Tag gelegt haben
§ 1
Zurechnungsvermittelnde
Gesichtspunkte
481
(z.B. Organtätigkeit, Handeln im Aufgabenkreis der Gesellschaft, Einflußnahme auf das Verhalten der Gesellschaft, Stimmabgabe). Insoweit wird dann zwar die regelmäßige Betätigung des Unternehmergesellschafters in der Gesellschaft zumeist für eine entsprechende Zurechnung sorgen, doch sind hier stets im Einzelfall die mit der gesellschaftsbezogenen Unternehmertätigkeit nicht deckungsgleichen verhaltensspezifischen Zurechnungsvoraussetzungen zu prüfen. Auch sofern es um die Zurechnung bewußtseinsbezogener U m stände geht (z.B. Wissen, Willensmängel, Gesinnungen, Gemütszustände), kommt es zumeist zusätzlich auf ein bestimmtes Verhalten des Gesellschafters an (z.B. Organtätigkeit, Einflußnahme auf die Willensbildung und das Verhalten der Gesellschaft), für das die unternehmerische Betätigung des Gesellschafters eine entscheidende Rolle spielt. Eigenschaften eines Unternehmergesellschafters (Unzuverlässigkeit, Vertrauenswürdigkeit, Angehörigeneigenschaft, Vermögenslage, Staatsangehörigkeit) können schließlich nur Berücksichtigung finden, wenn diese auf die Gesellschaft abfärben, was entsprechende Einflußnahmen bzw. zumindest Einflußnahmemöglichkeiten oder Betätigungen des Gesellschafters in der Gesellschaft voraussetzt. Auch insoweit wird damit der Blick durch den Schleier der rechtsfähigen Gesellschaft teilweise noch vor den Organmitgliedern auf den unternehmerisch tätigen und/oder beteiligten Nur-Gesellschafter gelenkt.
IV. Die Bedeutung des Zwecks der bezogenen
Regelung
Die konkreten Zurechnungsvoraussetzungen sind ganz maßgeblich vom Zweck der bezogenen Regelung abhängig, der entweder von ihrem Urheber (Gesetzgeber, Vertragsparteien) ausdrücklich und mit noch aktueller Gültigkeit bestimmt wurde oder aus Tatbestand, Rechtsfolge und Regelungszusammenhang zu erschließen ist. Geht es um den Schutz von aktiven (Berufsausübung, Eigentumsnutzung) oder passiven (Persönlichkeitsschutz, Daseinssicherung) Aspekten der Menschenwürde, setzt die Zurechnung der Menschenwürde eines Gesellschafters voraus, daß diese durch die Verletzung der Gesellschaft spürbar beeinträchtigt wird, was je nach Lage des Falles zumindest eine unternehmerische Beteiligung (z.B. Schutz des Anteilsvermögens als Daseinsgrundlage oder des vermögensbezogenen Rufs) oder eine unternehmerische Betätigung (z.B. Schutz der beruflichen Selbstverwirklichung, der Erwerbsgrundlagen oder des Rufs als Unternehmer) in der Gesellschaft erfordert 3 . Vergleichbares gilt auch für die ergänzende Zurechnung der Staatsangehörigkeit, soweit diese als tatbestandlicher Anknüpfungspunkt von Schutzbestimmungen dient 4 .
3 4
Siehe dazu näher 5. Kap. § 2 B I. Siehe dazu näher 5. Kap. § 3 B II l b .
482
5. Kapitel:
Zurechnungsrelevanz
der
Unternebmergesellschafterstellung
Bezweckt die betreffende Regelung eine Privilegierung oder Diskriminierung natürlicher Personen, die bestimmte menschliche Eigenschaften oder Geisteshaltungen aufweisen, können diese der Gesellschaft nur zugerechnet werden, wenn die entsprechenden Umstände in der Person von Gesellschaftern gegeben sind, die die Gesellschaft durch ihre unternehmerische Tätigkeit sowie ihren rechtlichen und tatsächlichen Einfluß prägen 5 . Geht es einer Norm darum, die öffentliche Sicherheit und Ordnung der Unternehmenstätigkeit zu gewährleisten, werden der Gesellschaft entweder im Falle eines angestrebten Schutzes vor Gefährdungen der ordnungsgemäßen Unternehmenstätigkeit die gegenläufigen Eigenschaften und Verhaltensweisen eines unternehmerisch tätigen Gesellschafters 6 oder im Falle einer gewünschten Umsetzung von Kontrollmechanismen nur diejenigen eines bestimmungsmächtigen Gesellschafters 7 zuzurechnen sein, da nur diese Gesellschafter über ein entsprechendes Gefährdungspotential bzw. über gesicherte Einflußnahmemöglichkeiten auf die ordnungsgemäße Unternehmenstätigkeit verfügen. Möchte die Regelung einer Mißbrauchsgefahr begegnen, muß der für die Zurechnung heranzuziehende Gesellschafter über eine Stellung in der Gesellschaft verfügen, die die hinreichend konkrete Gefahr eines entsprechenden mißbräuchlichen Verhaltens der Gesellschaft nahelegt, was typischerweise bereits bei einer einfachen Unternehmergesellschafterstellung gegeben sein wird 8 . Soll die Zurechnung schließlich Bewußtseins- und Handlungsdefizite der Gesellschaft ausgleichen, um diese im Prozeß des arbeitsteiligen Wirtschaftens weder zu benachteiligen noch zu bevorzugen, kommt es in unterschiedlicher Weise auf die Einschaltung des betroffenen Gesellschafters in die Gesellschaftstätigkeit an9.
V. Die Bedeutung der Rechtsfolge der bezogenen
Regelung
Die Anforderungen an die gesellschaftsrechtliche Stellung des von der Zurechnung betroffenen Gesellschafters sind darüber hinaus eine Frage der Rechtsfolge der bezogenen Norm. Privilegierungen der Gesellschaft bedürfen lediglich vor dem Hintergrund des Gleichbehandlungsgrundsatzes eines 5 Siehe dazu die Beispiele der gezielten Privilegierung deutscher Staatsangehöriger (5. Kap. § 3 B II l b cc-gg) und des Schenkungswiderrufs wegen groben Undanks (5. Kap. § 2 B III 1). 6 Siehe dazu das Beispiel der Zurechnung der gewerberechtlichen UnZuverlässigkeit (5. Kap. § 2 B II lb). 7 Siehe dazu etwa die Zurechnung der Staatsangehörigkeit von Gesellschaftern zur Sicherstellung einer effektiven staatlichen Kontrolle über Seeschiffe und Luftfahrzeuge 5. Kap. § 3 B II 1 b ff. 8 Siehe dazu etwa die Zurechnung der Angehörigeneigenschaft in § 134 Abs. 2 Nr. 1 S G B III (5. Kap. § 2 B I V 1 ) . 9 Siehe dazu die Zurechnung von Wissen, Willensmängeln und rechtswidrigem Verhalten (5. Kap. § 2 B V - V I I ) .
5 1
Ziirechnungsvermittelnde
Gesichtspunkte
483
sachgerechten Rechtfertigungsgrundes, der in den einschlägigen Fällen entweder in der Stellung als einfacher Unternehmergesellschafter 1 0 oder bestimmungsmächtiger Gesellschafter 1 1 des über die entsprechenden Eigenschaften oder Fähigkeiten verfügenden Gesellschafters zu suchen ist. Sind hingegen mit der Zurechnung wie insbesondere in den Fällen der ergänzenden Zurechnung Nachteile für die Gesellschaft verbunden, geht es nicht mehr nur um die Verwirklichung des Zwecks der bezogenen Regelung, sondern auch um die angemessene Berücksichtigung von Minderheits- und Gläubigerinteressen 1 2 . Allerdings kann die Zurechnung wiederum großzügiger gehandhabt werden, wenn die Rechtsfolgen der Zurechnung wie namentlich zumeist im Bereich der Mißbrauchsbekämpfung auf einer widerleglichen Vermutung beruhen, da dann die Gesellschaft die entsprechende Vermutung immer noch zu widerlegen vermag 1 3 . Auch eine gesetzliche Vergünstigung kann der Gesellschaft aufgrund der Zurechnung leichter verwehrt 1 4 als ihr eine zusätzliche Verpflichtung auferlegt werden.
VI. Die Praktikabilität
der
Zurechnung
D e r Zurechnungsdurchgriff wird schließlich durch Praktikabilitätsgesichtspunkte geprägt, die bisweilen auch gegen einen (insbesondere ergänzenden) Durchgriff auf die Gesellschafter ins Feld geführt werden 1 5 . Zwar k ö n nen der Kreis und die Eigenschaften bzw. Fähigkeiten der regelmäßig dauerhaft 1 6 und maßgeblich beteiligten 1 7 Unternehmergesellschafter fast ebenso leicht festgestellt werden, wie dies bei Organmitgliedern der Gesellschaft der Fall ist, doch können sich Probleme bei der Beurteilung ihrer Maßgeblichkeit im Hinblick auf den jeweiligen Zurechnungszweck ergeben. Diese Schwierigkeiten, die sich zwar prinzipiell auch bei einer Organmitgliedschaft stellen, dort aber regelmäßig durch eine teilweise auch gesetzlich festgeschriebene unwiderlegliche Maßgeblichkeitsvermutung ausgeräumt werden ( § § 3 1 , 166 Abs. 1 B G B , Organtheorie), bestehen allerdings zumeist nur hinsichtlich des 10 Siehe dazu die Beispiele des Schutzes der Menschenwürde (5. Kap. § 2 B I) und der Gewährung diplomatischen Schutzes (5. Kap. § 3 B II l b bb). 11 Siehe dazu einzelne Fälle der Staatsangehörigkeitszurechnung (5. Kap. § 3 B II l b c c gg)12 Siehe dazu das Beispiel des Schenkungswiderrufs wegen groben Undanks (5. Kap. § 2 B III 1) oder des Berechnungsdurchgriffs im Rahmen von § 116 S. 1 Nr. 2 Z P O (5. Kap. § 3 B I la). 13 Siehe dazu die Fälle der Zurechnung der Angehörigeneigenschaft (5. Kap. § 2 B IV). 14 Siehe etwa zur Verfassungsmäßigkeit des Berechnungsdurchgriffs bei der Prozeßkostenhilfe BVerfG v. 3.7.1973 BVerfGE 35, 348, 359. 15 Vgl. dazu etwa W. Schmidt, Nationalität, S. 131 ff. und Mann, FS M. Wolff, S. 271, 280f. (für die Ermittlung ausländischen Einflusses auf eine Gesellschaft mit Sitz in Deutschland). 16 Siehe dazu 1. Kap. § 1 C III 1 Vor a. 17 Zur Beteiligungspublizität siehe näher 2. Kap. § 3 A IV 2b aa.
484
5. Kapitel:
Zurechnungsrelevanz
der
Unternehmergesellschafterstellung
Durchgriffs auf den unternehmerisch engagierten Nur-Gesellschafter. Sofern dieser auch nicht mit einer rechtsgeschäftlichen Vertretungsmacht ausgestattet ist, die weitere schematische Zurechnungsmöglichkeiten (z.B. § 166 Abs. 1 B G B , Bestimmung des Gesellschaftsverhaltens durch Vertretung) eröffnet, muß hier der tatsächliche Einfluß bzw. die Einflußnahmemöglichkeit des Gesellschafters im Einzelfall festgestellt werden. Der damit verbundene Aufwand und die hierdurch bedingte Rechtsunsicherheit können zwar in vielen, nicht jedoch in allen Fällen hingenommen werden. So wird man die genannten Nachteile regelmäßig dann akzeptieren müssen, wenn es wie insbesondere bei der Eigenschaftszurechnung nach dem Normzweck gerade darauf ankommt, die dauerhaft bestimmenden unternehmerischen Kräfte in einer Gesellschaft aufzuspüren und damit zugleich die insbesondere in Statusfragen bedeutsame Kontinuität der Zurechnung sowie deren Absicherung gegen mögliche Manipulationen durch den Austausch von Organmitgliedern oder die Aufnahme von Strohgesellschaftern zu gewährleisten 18 . Dies wird umso mehr zu gelten haben, wenn die mit der Zurechnung verbundenen Rechtsfolgen grundsätzlich auf die Gesellschaft und eine weitere Partei beschränkt sind19. Andererseits wird man in Massenverfahren 20 nicht auf schematisierende Kriterien verzichten können, wie sie bereits im ersten Kapitel für den Unternehmergesellschafter und seine an besonderen Regelungszwecken ausgerichteten Unterformen herausgearbeitet wurden 21 .
B. Die Abhängigkeit des Durchgriffs von der rechtlichen und tatsächlichen Gesellschafterstellung Die konkrete Rolle des Unternehmergesellschafters in der Gesellschaft und damit die gesellschaftlichen Bedingungen des auf ihn bezogenen Zurechnungsdurchgriffs werden neben der Gesellschaftsform und realen Gesellschaftsstruktur insbesondere durch seine etwaige Organmitgliedschaft, sonstige Vertreterstellung und die Höhe seiner Kapitalbeteiligung bestimmt.
18 Beispiele bilden die Zurechnung der Unzuverlässigkeit (5. Kap. § 2 B II l b ) und der Staatsangehörigkeit (5. Kap. § 3 B II lb). 19 Siehe dazu etwa die Zurechnungen im Rahmen des Schenkungswiderrufs (5. Kap. § 2 B III) und der Insolvenzanfechtung (5. Kap. § 2 B IV 2) 20 Beispiele bilden die Zurechnung der Angehörigeneigenschaft im Rahmen des § 134 Abs. 2 Nr. 1 S G B III bei Bestimmung des Bemessungsentgelts in der Arbeitslosenversicherung (5. Kap. § 2 B IV 1) und die Zurechnung der Staatsangehörigkeit im Rahmen der nationalen Wirtschaftsförderung (5. Kap. § 3 B II l b cc). 21 Dazu 1. Kap. § 3 C III l b und 2b.
§1
Zurechnungsvermittelnde
Gesichtspunkte
485
I. Die Bedeutung der Gesellschaftsform und der realen Gesellschaftsstruktur Die Voraussetzungen eines Zurechnungsdurchgriffs auf den Unternehmergesellschafter sind grundsätzlich unabhängig von der Gesellschaftsform, der angesichts der weitgehend bestehenden Vertrags- und Satzungsfreiheit zumeist lediglich eine Art Indizfunktion im Hinblick auf die maßgeblichen Wertungskriterien zukommt. So legen insbesondere die Gesellschaftsform der O H G , aber auch diejenige der G m b H die Existenz einer personalistisch strukturierten Mitunternehmergemeinschaft nahe 22 . Mit den gesetzestypischen Formen der O H G , K G und K G a A ist zudem die persönliche unbeschränkte Haftung zumindest eines natürlichen Gesellschafters sowie der Grundsatz der Selbstorganschaft verbunden. Die Form einer Kapitalgesellschaft ermöglicht andererseits die besonders dem Durchgriff ausgesetzte Struktur der Einpersonen-Gesellschaft. Unmittelbare Bedeutung erlangt die Gesellschaftsform etwa dann, wenn es um die Einflußmöglichkeiten eines Nur-Gesellschafters geht, der insoweit mit den Geschäftsführungsrechten der Gesellschaftergesamtheit und der schwächeren Kapitalbindung in der G m b H wesentlich günstigere Rahmenbedingungen vorfindet als in der Aktiengesellschaft 23 . Auf die besondere Bedeutung der realen Gesellschaftsstruktur für die Rechtsstellung eines Unternehmergesellschafters wurde bereits verschiedentlich hingewiesen 24 . Auch für den Zurechnungsdurchgriff auf den Unternehmergesellschafter kommt es maßgeblich darauf an, ob es sich etwa um eine von einem bzw. mehreren Unternehmern oder von Kapitalanlegern geprägte Gesellschaft handelt 25 . Hierin liegt auch die Ursache für die Durchgriffsanfälligkeit der regelmäßig personalistisch strukturierten und von Unternehmerpersönlichkeiten geprägten Gesamthandsgesellschaften. Einpersonen- 26 und Familiengesellschaften 27 kommen für einen Zurechnungsdurchgriff ebenfalls viel eher in Frage als Publikumsgesellschaften. Kommt es für die Normanwendung schließlich darauf an, daß die persönlichen Verhältnisse eines U n ternehmergesellschafters der Gesellschaft das Gepräge geben, ist dies viel eher in einer Zweiklassengesellschaft, an der sich neben dem Unternehmergesell-
22 23
S. 38.
Dazu bereits 1. Kap. § 4 B II. Siehe dazu näher 1. Kap. § 3 C II und § 4 112; an dieser Stelle nur Ballerstedt,
Kapital,
Siehe dazu insbesondere das 1. Kap. § 4 B. Dazu auch K. Schumacher, JW 1937, 2249, 2250; Leßmann, AcP 170 (1970), 266, 278f. 26 Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. 1, S. 221; GroßKomm.AktG/Braudel, § 1 Rn. 59; K. Schumacher, JW 1937, 2249, 2250; Rittner, Die werdende juristische Person, S. 274 mit Fn. 129. 27 RG v. 23.2.1934 RGZ 143, 429, 431; RG v. 22.1.1935 RGZ 146, 385ff.; K. Schumacher, JW 1937, 2249, 2250; Leßmann, AcP 170 (1970), 266, 278f. 24
25
486
5. Kapitel: Zurechnungsrelevanz
der
Unternehmergesellschafterstellung
schafter zahlreiche a n o n y m e Anlagegesellschafter beteiligen, der Fall als in einer G e m e i n s c h a f t grundsätzlich gleichberechtigter M i t u n t e r n e h m e r .
II. Die Bedeutung einer Organstellung und einer rechtsgeschäftlichen Vertretungsmacht N a c h der sog. O r g a n t h e o r i e handelt die juristische P e r s o n durch ihre O r g a n e 2 8 bzw. werden z u m i n d e s t das B e w u ß t s e i n und Verhalten der O r g a n mitglieder automatisch der juristischen P e r s o n zugerechnet 2 9 . A u f diese Weise wird mit den O r g a n m i t g l i e d e r n für den Z u r e c h n u n g s d u r c h g r i f f ein praktisch i m m e r verfügbarer 3 0 A n k n ü p f u n g s p u n k t g e w o n n e n , der ebenso einfach wie rechtssicher zu h a n d h a b e n ist und für den auch materiell die V e r m u t u n g der M a ß g e b l i c h k e i t der p e r s ö n l i c h e n Verhältnisse der O r g a n m i t g l i e d e r spricht. G e r a d e in rechtsfähigen Gesellschaften o h n e Unternehmergesellschafter, in denen die Gesellschaft in b e s o n d e r e m M a ß e gegenüber ihren Gesellschaftern verselbständigt ist und den O r g a n m i t g l i e d e r n ein besonderes G e w i c h t z u k o m m t 3 1 , wird sich der Z u r e c h n u n g s d u r c h g r i f f weitgehend auf diesen P e r s o nenkreis b e s c h r ä n k e n . O b w o h l die O r g a n t h e o r i e zu keiner Zeit unbestritten war 3 2 und in § 31 B G B auch nur einen b e s c h r ä n k t e n und u n v o l l k o m m e n e n gesetzlichen A u s d r u c k gefunden hat 3 3 , w u r d e sie daher bisweilen sogar zu den allgemeinen G r u n d s ä t z e n des K ö r p e r s c h a f t s r e c h t s gezählt 3 4 . E i n e b e s o n dere R o l l e spielt die O r g a n t h e o r i e z u d e m bis heute im öffentlichen R e c h t , w o sich etwa die Unzuverlässigkeit oder die Staatszugehörigkeit insbesondere der Kapitalgesellschaften grundsätzlich nach entsprechenden Eigenschaften der antragstellenden O r g a n m i t g l i e d e r richten soll 3 5 . W i e bereits ihre B e s c h r ä n k u n g auf juristische P e r s o n e n verdeutlicht, ist die O r g a n t h e o r i e letztlich ein K i n d der in Z u r e c h n u n g s f r a g e n nicht hinreichend differenzierenden G e g e n ü b e r s t e l l u n g v o n G e s a m t h a n d und juristischer P e r son sowie F o l g e einer U b e r b e w e r t u n g des Trennungsprinzips, die es im ver-
v. Gierke, Genossenschaftstheorie, S. 614ff. Dazu nur K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 1 0 1 2c; Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. 1, S. 212; Kleindiek, Deliktshaftung, S. 180f. (mit Einschränkungen hinsichtlich eines Zurechnungsautomatismus) sowie für die Wissenszurechnung Richardi, AcP 169 (1969), 385, 388. 30 Zu Ausnahmesituationen und zur möglichen Notgeschäftsführerbestellung Hohlfeld, GmbHR 1986, 181 und Gustavus, GmbHR 1992, 15f.; zur Rechtsstellung von fehlerhaft bestellten und sog. faktischen Organen bereits 1. Kap. § 3 C II la aa (ccc) und bb (bbb). 31 Rittner, Die werdende juristische Person, S. 239f. und 272. 32 Siehe dazu nur Flame, BGB-AT 1/2, S. 377ff. m.w.N. 33 Dazu näher Flume, BGB-AT 1/2, S. 381 ff. sowie zur Ausdehnung der Verhaltenszurechnung über den Kreis der Organmitglieder hinaus 5. Kap. § 2 B VII 2. 34 KK/Mertens 1 , § 76 Rn. 12; krit. feststellend auch Baumann, Z G R 1973,284, 286. 35 Dazu näher und krit. 5. Kap. § 2 B II 1 und 5. Kap. § 3 B II lb ee. 28
29
§ 1
Zurechnungsvermittelnde
Gesichtspunkte
487
meintlichen Gegensatz zu den Gesamthandsgesellschaften erforderlich machte, anstelle der Gesellschafter auf die Organmitglieder zurückzugreifen. In Wahrheit kann die Organtheorie bei der Lösung von Zurechnungsfragen jedoch weder als ein stets sicherer noch als ein ausschließlicher Gesichtspunkt dienen. Vielmehr sind einerseits jeweils im Einzelfall die Bedeutung der persönlichen Umstände der Organmitglieder für die Normanwendung auf die rechtsfähige Gesellschaft zu ermessen sowie andererseits insbesondere bei personalistisch strukturierten Gesellschaften auch die (übrigen) Gesellschafter und die für die rechtsfähige Gesellschaft handelnden rechtsgeschäftlichen Vertreter in die Betrachtung einzubeziehen 36 . So wird die Anwendung der Organtheorie auch nicht selten auf die Mitglieder des jeweiligen Vertretungsorgans beschränkt 37 , weil die den Zurechnungsschematismus rechtfertigende Maßgeblichkeitsvermutung hinsichtlich der Wahrnehmung bloßer Aufsichtsund Beratungsfunktionen auf Bedenken stößt. Gegen die strikte und ausschließliche Zurechnung von Organeigenschaften kann zudem der teils rasche Wechsel und der gezielt mögliche Austausch von Organmitgliedern sprechen 38 . Auch die heute allgemein anerkannte Ausdehnung des § 31 B G B auf Personenhandelsgesellschaften und sonstige Repräsentanten der Gesellschaft 39 läßt die Fragwürdigkeit einer ausschließlich an der Organtheorie orientierten Zurechnung erkennen. Im Zusammenhang mit der Wissenszurechnung hat der Bundesgerichtshof die Organtheorie daher inzwischen zu Recht ebenfalls ausdrücklich verworfen 40 . Mit der Kritik an der Verabsolutierung der Organstellung für die Zurechnung bei juristischen Personen soll andererseits aber nicht die zentrale Bedeutung namentlich der Mitgliedschaft im Vertretungsorgan für den Zurechnungsdurchgriff gerade auf den Unternehmergesellschafter geleugnet werden. So wird zunächst die Zurechnung von ausschließlich in der Person eines Unternehmergesellschafters gegebenen Umständen (z.B. Wissens- und Verhaltenszurechnung) fast ausnahmslos möglich sein und jedenfalls nicht an gesellschaftsrechtlichen Voraussetzungen scheitern, wenn der betreffende Gesellschafter zugleich Mitglied des Vertretungsorgans der Gesellschaft ist. Geht es um eine konkurrierende Zurechnung (z.B. Zurechnung der Unzuverlässigkeit oder Undankbarkeit), gewinnen die persönlichen Umstände eines Unternehmergesellschafters durch seine Organmitgliedschaft zudem zusätzlich und regelmäßig entscheidend an Gewicht.
36 Dazu auch Wiedemann, WM 1975 Beilage Nr. 4, S. 16f.; Rittner, Die werdende juristische Person, S. 239f. und 272; K. Schumacher, J W 1937, 2249, 2250; Siebert, BB 1954, 417, 418. 37 So etwa schon für die Wissenszurechnung v. Gierke, Genossenschaftstheorie, S. 627. 38 Ähnlich auch K. Schumacher, JW 1937, 2249, 2250. 39 Dazu 5. Kap. § 2 B VII 2. 40 BGH v. 2.2.1996 BGHZ 132, 30, 37 (dazu näher 5. Kap. § 2 B V).
488
5. Kapitel:
Zurechnungsrelevanz
der
Unternehmergesellschafterstellung
In bestimmten Fällen der isolierten Zurechnung kann der Zurechnungsdurchgriff auf einen Gesellschafter auch nur mit seinem Handeln als rechtsgeschäftlicher Vertreter der Gesellschaft gerechtfertigt werden 41 .
III. Die Bedeutung der Kapitalbeteiligung und der persönlichen Haftung Der Durchgriff auf die persönlichen Verhältnisse eines Gesellschafters setzt in vielen Fällen namentlich der konkurrierenden Zurechnung einen bestimmenden oder zumindest repräsentativen unternehmerischen Einfluß des Gesellschafters auf die Gesellschaft voraus 42 . Insbesondere ein Nur-Gesellschafter kann einen derartigen Einfluß aber nur dann ausüben, wenn er regelmäßig aufgrund seiner Kapitalbeteiligung über eine Stimmrechtsmehrheit bzw. zumindest über eine Sperrminorität verfügt 43 . Geht es nach dem Regelungszweck wie in den Fällen des Berechnungsdurchgriffs um eine spezifische Berücksichtigung der vermögensmäßigen Verflechtung zwischen Gesellschafter und Gesellschaft und damit um Elemente des Unternehmerrisikos, gewinnt die Kapitalbeteiligung ebenfalls eine zentrale Bedeutung und sollte bei schematischer Betrachtung und fehlender persönlicher Haftung nicht unter 2 5 % liegen. Soweit es auf den bloßen Schutz der gesellschaftsgebundenen Unternehmertätigkeit ankommt, ist jedoch die schlichte Kombination von Unternehmerrisiko und Unternehmerinitiative im oben dargelegten Sinne und mithin bei einem Vorhandensein weiterer Typuselemente eine lediglich namhafte Kapitalbeteiligung ausreichend 44 . Im Gegensatz zu einzelnen Fällen des Identifikationsdurchgriffs 45 hat die persönliche Haftung eines Gesellschafters grundsätzlich keine unmittelbare Auswirkung auf den Zurechnungsdurchgriff. Als das neben dem Kapitalanteil wichtigste Indiz für das Unternehmerrisiko ist sie jedoch dann von entscheidender Bedeutung, wenn es um eine Berücksichtigung der vermögensmäßigen Verflechtung zwischen Gesellschafter und Gesellschaft geht und da-
41 Beispiele bilden die Zurechnung von Wissen und Willensmängeln (5. Kap. § 2 B V und VI). 42 Beispiele bilden die Zurechnung der undankbaren Gesinnung und der persönlichen Kränkung im Rahmen von § 530 Abs. 1 B G B (5. Kap. § 2 B III). 43 Siehe als Beispiele für das Beherrschungserfordernis einzelne Fälle der Staatsangehörigkeitszurechnung (5. Kap. § 3 B II l b cc und dd) und für das Erfordernis einer unternehmerischen Tätigkeit die Fälle der Eigenschaftszurechnung (5. Kap. § 2 B II); vgl. dazu auch Siebert, B B 1954, 417, 418; K. Schumacher, J W 1937, 2249,2250; Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. 1, S. 221; GroßKomm.AktG/ßrarciK § 1 Rn. 69. 44 Siehe dazu etwa die Zurechnung der Menschenwürde (5. Kap. § 2 B I) und einzelne Fälle der Staatsangehörigkeitszurechnung (5. Kap. § 3 B II lb aa und bb). 45 Zum Identifikationsdurchgriff wegen bestehender Schuld- und Haftungsgemeinschaft siehe 6. Kap. § 2 B IV.
5 2
Notwendiger
Zurechnungsdurchgriff
489
bei aus Gründen der Rechtssicherheit und Praktikabilität bereits zur schematischen Zurechnung von Verhältnissen eines persönlich haftenden Gesellschafters kommt 46 .
§ 2 N o t w e n d i g e r Zurechnungsdurchgriff A. Allgemeine Struktur des notwendigen Zurechnungsdurchgriffs I. Zweck des notwendigen Zurechnungsdurchgriffs Der Zweck des notwendigen Zurechnungsdurchgriffs besteht darin, die rechtsfähige Gesellschaft als verselbständigtes Rechtsgebilde dadurch zu stärken, daß man ihr im Rechtsverkehr bestimmte Umstände ihres personalen Kerns zurechnet, über die sie als solche bei strikter Beachtung des Trennungsprinzips nicht verfügt. Die hierdurch erweiterte Gleichstellung der Gesellschaft mit der natürlichen Person als dem gekorenen und in den Rechtsnormen primär angesprochenen Rechtsträger kann zum einen dem erweiterten Schutz der kollektiven Zweckverfolgung (Funktionsschutz) bzw. dem auf die Ebene der Gesellschaft vorverlagerten Schutz der Gesellschafter und Organmitglieder (Individualschutz des personalen Substrats) dienen und zum anderen eine dem Normzweck und Gleichbehandlungsgrundsatz entsprechende Rechtsanwendung sicherstellen. Im Gegensatz zum Haftungsdurchgriff geht es damit nicht um die Mißachtung des Trennungsprinzips zur Erstreckung von zunächst ausschließlich die Gesellschaft treffenden Rechtsfolgen auf bestimmte Gesellschafter, sondern um einen Rückgriff auf den personalen Kern zum Zwecke einer für die Gesellschaft vorteilhaften oder nachteiligen Normanwendung, die bei strikter Beachtung des Trennungsprinzips nicht möglich wäre. Der notwendige Zurechnungsdurchgriff ist mithin ein Kind des Gleichstellungsprinzips 47 . Wie dieses kann er sich zunächst durch die rechtstechnische Vereinfachung rechtfertigen, die mit der Vorverlagerung des Individualschutzes auf die Gesellschaftsebene möglich ist 48 . Seine Hauptaufgabe besteht jedoch darin, in Fällen, in denen zwar rein tatsächlich ein relevanter Unterschied zwischen der natürlichen Person und der rechtsfähigen Gesellschaft als 46 Siehe dazu das Beispiel des Berechnungsdurchgriffs im Rahmen von § 116 S. 1 Nr. 2 Z P O (5. Kap § 3 B I la). 47 Dazu bereits Einl. § 2 A I 2. 48 Siehe dazu etwa für die Zurechnung der Menschenwürde im Bereich des Grundrechtsschutzes 5. Kap. § 2 B I 1.
490
5. Kapitel:
Zurechnungsrelevanz
der
Unternehmergesellschafterstellung
verselbständigtem Rechtsgebilde besteht, weil diese über die vom Tatbestand einer R e c h t s n o r m vorausgesetzte menschliche Eigenschaft oder Fähigkeit kraft N a t u r der Sache nicht verfügt, die bei Betrachtung der Gesellschaft als einer unternehmerischen Wirkungseinheit rechtlich gebotene Gleichbehandlung 49 mit der natürlichen Person durch Zurechnung der entsprechenden Eigenschaft oder Fähigkeit zu ermöglichen 5 0 . So soll die kollektive U n t e r nehmertätigkeit unter Umständen weder dadurch gegenüber der Tätigkeit eines Einzelunternehmers bevorzugt werden, daß eine rechtsfähige Gesellschaft etwa als solche keine Angehörigen hat, noch dadurch benachteiligt werden, daß sie etwa über keine Menschenwürde verfügt. So werden der G e sellschaft vielfach überhaupt erst mit Hilfe einer Zurechnung Rechte eingeräumt, derer sie zur effektiven Verfolgung ihres Zwecks im Rechtsverkehr bedarf 51 . Im Zusammenhang mit vertraglichen Regelungen, die auf menschliche Eigenschaften oder Fähigkeiten Bezug nehmen, kann die notwendige Zurechnung schließlich der Berücksichtigung des hypothetischen Parteiwillens dienen. D a der notwendige Zurechnungsdurchgriff insoweit Rechtsanwendungsprobleme löst, die überhaupt erst durch die Verselbständigung der Gesellschaft gegenüber ihrem personalen Kern entstehen und bei einer Betrachtung der Gesellschaft als einer auch aus ihren Gesellschaftern und Organmitgliedern bestehenden idealen Wirkungseinheit vermieden werden könnten 5 2 , erscheint die notwendige Zurechnung nicht nur als eine Durchbrechung des Trennungsprinzips, sondern anders als die ergänzende Zurechnung zugleich als eine Voraussetzung für die rechtliche Verselbständigung der Gesellschaft. Mit Hilfe der notwendigen Zurechnung kann diese nämlich noch in Fällen aufrecht erhalten werden, in denen der Regelungszweck vor dem Hintergrund des Gleichbehandlungsgrundsatzes bzw. der hypothetische Parteiwille anderenfalls eine Erstreckung der Normanwendung auf die Gesellschafter und damit eine Mißachtung der Gesellschaft als verselbständigtem Rechtsgebilde erfordern würde. So könnte etwa das Normanwendungproblem des § 134 Abs. 2 Nr. 1 S G B I I I anstatt mit Hilfe einer Zurechnung der Angehörigeneigenschaft nur dadurch gelöst werden, daß man die eigentlich ausschließlich der Gesellschaft zukommende sozialversicherungsrechtliche Arbeitgebereigenschaft auch den Gesellschaftern zuerkennen würde, wie dies auch nach herrschender Meinung im Bereich der Personengesellschaften grundsätzlich der Fall sein soll 53 . Auf der anderen Seite ergibt sich aus der besonde49 Siehe zum Gebot der prinzipiellen Gleichbehandlung der individuellen und kollektiven unternehmerischen Betätigung bereits 2. Kap. § 3 A I 2 und II 2 sowie B II 2. 50 Serick, Rechtsform, S. 162; Rittner, Die werdende juristische Person, S. 218 f. und 223; Wilser, Durchgriff, S. 144. 51 Siehe dazu das Beispiel des allgemeinen Persönlichkeitsrechts 5. Kap. § 2 B I 2a. 52 Siehe dazu insbesondere Flume, B G B - A T 1/2, S. 67ff. sowie krit. Einl. § 2 A I 2b. 53 Dazu näher 5. Kap. § 2 B IV 1.
5 2
Notwendiger
Zurechnungsdurchgriff
491
ren Natur des notwendigen Zurechnungsdurchgriffs, daß hiermit zwar ein Rückgriff auf das personale Substrat und insoweit eine Durchbrechung des Trennungsprinzips, nicht jedoch eine Mißachtung der rechtsfähigen Gesellschaft verbunden ist, da die Gesellschaft anders als in den Fällen des ergänzenden Zurechnungsdurchgriffs über die zuzurechnenden Eigenschaften oder Fähigkeiten kraft Natur der Sache gar nicht verfügt 54 . Der notwendige Zurechnungsdurchgriff ist der Sache nach im Grundsatz allgemein anerkannt. Die verschiedentlich geäußerte Kritik richtet sich entweder in Wahrheit gegen das Trennungsprinzip und die damit verbundene Einordnung der Zurechnung als Durchgriff 55 oder gegen die heute überwundene 56 und lediglich auf einer mißverstandenen Formulierung Sericks 57 bzw. einer unzulässigen strukturellen Gleichsetzung des Zurechnungs- und Identifikationsdurchgriffs beruhende Fehlvorstellung vom notwendigen Zurechnungsdurchgriff als einer angeblichen Mißachtung der juristischen Person 58 . Das regelmäßige Uberschreiten der Grenzen des noch möglichen Wortsinns und die zumeist unbewußte Verabsolutierung des Trennungsprinzips bei der Anwendung von Normen oder Vertragsbestimmungen, die auf menschliche Eigenschaften oder Fähigkeiten Bezug nehmen, führen jedoch dazu, daß der notwendige Zurechnungsdurchgriff vom Rechtsgefühl her als gekünstelt erscheint. Wie bei der gedanklichen Verselbständigung der rechtsfähigen Gesellschaft gegenüber ihrem personalen Kern handelt es sich jedoch auch bei der Figur des Zurechnungsdurchgriffs lediglich um ein rechtstechnisches Denkmodell, das der widersprüchlichen Natur der rechtsfähigen Gesellschaft als einerseits verselbständigter, aber andererseits auch an ihr personales SubSiehe dazu auch die Andeutung bei Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. 1, S. 219f. Siehe dazu Flume, B G B - A T 1/2, S. 72, der vor dem Hintergrund einer Leugnung des Trennungsprinzips (dazu bereits krit. Einl. § 2 A I 2b) die Eigenschaften oder Fähigkeiten einer juristischen Person unter Umständen durch entsprechende Eigenschaften oder Fähigkeiten der ihr als idealer Wirkungseinheit angehörenden Mitglieder bestimmt sieht, dabei jedoch gerade die interessierenden Fragen des Wann und Wie der letztlich auch von ihm nur unter bestimmten Voraussetzungen angestrebten Zurechnung offenläßt. 56 Siehe dazu nur Wiedemann, W M 1975 Beilage Nr. 4, S. 16 und bereits Müller-Freienfels, AcP 156 (1957), 522, 540, 543 Fn. 101. 57 An verschiedenen Stellen (etwa Rechtsform, S. 119, 126f.) spricht Serick zwar von der Mißachtung der juristischen Person, er stellt zugleich aber klar, daß er damit lediglich eine Durchbrechung des Trennungsprinzips im Dienste einer sachgerechten Normanwendung auf juristische Personen meint (besonders deutlich Rechtsform., S. 214f.). 58 Siehe dazu Wilhelm, Rechtsform, S. 38ff., der der Lehre vom Zurechnungsdurchgriff zu Unrecht eine Mißachtung der Selbständigkeit der juristischen Person unterstellt und anschließend die auch nach seiner Auffassung von der Norm- und Vertragsauslegung abhängige Zurechnung der persönlichen Umstände der Mitglieder als bloße Berücksichtigung der Rechtsbeziehungen der Mitglieder zur juristischen Person ausgibt, obwohl etwa in den von ihm angeführten Beispielen des (ohnehin lediglich ergänzenden) Zurechnungsdurchgriffs aus den Vermögensrechten eines GmbH-Gesellschafters keineswegs von selbst die Berücksichtigung von dessen Vermögensverhältnissen abgeleitet werden kann, sondern sich dies allenfalls auf dieser Basis anhand des Normzwecks bzw. Parteiwillens ergibt. 54
55
Kapitel: Zurechnungsrelevanz
492
der
Unternehmergesellschafterstellung
strat gebundener R e c h t s p e r s o n gerecht w e r d e n soll 5 9 . R e c h n e t man etwa einer rechtsfähigen Gesellschaft ausnahmsweise die M e n s c h e n w ü r d e der hinter ihr stehenden P e r s o n e n im R a h m e n eines b e s t i m m t e n
Rechtsanwendungspro-
blems zu, dann soll damit nicht etwa behauptet werden, daß die Gesellschaft als solche auch tatsächlich ü b e r eine W ü r d e verfügt. V i e l m e h r soll die rechtsfähige Gesellschaft aus G r ü n d e n des F u n k t i o n s - und Individualschutzes bzw. des Gleichbehandlungsgrundsatzes lediglich rechtlich so behandelt werden, als o b ihr eine eigene W ü r d e z u k ä m e . A u f diese Weise wird dem U m s t a n d R e c h n u n g getragen, daß sich v o r dem H i n t e r g r u n d des Gleichstellungsprinzips insbesondere im B e r e i c h der u n t e r n e h m e r i s c h e n Tätigkeit die U n a n w e n d b a r k e i t einer N o r m o d e r Vertragsbestimmung auf rechtsfähige Gesellschaften nicht s c h o n aus der Tatsache ihrer tatbestandlichen B e z u g n a h m e auf menschliche E i g e n s c h a f t e n o d e r Fähigkeiten ergibt, sondern bei der R e c h t s anwendung vielmehr n e b e n dem Z w e c k und Z u s a m m e n h a n g der Regelung auch der G r a d der personalen S t r u k t u r der Gesellschaft und die R e c h t s b e z i e h u n g e n zwischen der Gesellschaft und ihren Gesellschaftern zu b e r ü c k s i c h t i gen sind.
II. Methodische Grundlagen des notwendigen Zurechnungsdurchgriffs 1. Die Methodik des notwendigen bei der Normanwendung
Zurechnungsdurchgriffs
B e i der N o r m a n w e n d u n g stellt sich die Frage der n o t w e n d i g e n Z u r e c h nung dann, w e n n ein T a t b e s t a n d s m e r k m a l nach dessen h e r k ö m m l i c h e r A u s legung v o n einer rechtsfähigen Gesellschaft nur dann verwirklicht w e r d e n kann, w e n n man ihr dessen V e r w i r k l i c h u n g durch eine natürliche P e r s o n zurechnet. M e t h o d i s c h handelt es sich bei der n o t w e n d i g e n Z u r e c h n u n g um eine A d d i t i o n der v o n verschiedenen R e c h t s s u b j e k t e n verwirklichten M e r k male eines N o r m t a t b e s t a n d s im H i n b l i c k auf die Tatbestandsverwirklichung durch eines dieser R e c h t s s u b j e k t e . D i e Z u r e c h n u n g setzt mithin einen zu verw i r k l i c h e n d e n Tatbestand der b e z o g e n e n N o r m , eine geschriebene o d e r u n geschriebene Zurechnungsregel sowie mindestens zwei R e c h t s s u b j e k t e , deren tatbestandsrelevante Verhältnisse addiert werden, voraus. Sofern die Z u rechnung weder durch eine gesetzliche bzw. g e w o h n h e i t s r e c h t l i c h
aner-
kannte Z u r e c h n u n g s n o r m n o c h ausdrücklich durch die b e z o g e n e
Norm
vorgesehen ist, m u ß im R a h m e n der Auslegung der einschlägigen Z u r e c h n u n g s n o r m o d e r der b e z o g e n e n N o r m sowie der R e c h t s f o r t b i l d u n g ü b e r die Zulässigkeit einer A d d i t i o n der v o n den verschiedenen R e c h t s s u b j e k t e n ver-
59
Siehe Einl. § 2 A.
5 2
Notwendiger
493
Zurechnungsdurchgriff
wirklichten Tatbestandsteile entschieden werden. Die Zurechnung kann daher als Methode der Normanwendung in vielen Fällen nicht ohne den Rückgriff auf die Methoden der Gesetzesauslegung und Rechtsfortbildung auskommen 60 , in deren Rahmen dann unter Berücksichtigung des jeweiligen Zurechnungsgrundes und Zurechnungszwecks sowie der Umstände der jeweiligen Zurechnungssituation die Anwendung der bezogenen Norm mit Hilfe der Zurechnung zu rechtfertigen ist61.
a) Notwendige Zurechnung als Anwendung von normen
Zurechnungs-
Für die zentralen Probleme der Zurechnung von Wissen (§ 166 B G B ) , Willensmängeln (§ 166 Abs. 1 B G B ) , rechtswidrigem Verhalten ( § 3 1 B G B ) und von Sachherrschaft (§§ 855 und 868 B G B ) enthält das Gesetz Zurechnungsnormen, mit deren Hilfe ein Teil der bei rechtsfähigen Gesellschaften auftretenden Zurechnungsprobleme zutreffend gelöst werden kann. Aufgrund der Konzentration des Gesetzgebers auf die Gesamthandsgesellschafter sowie die organschaftlichen und rechtsgeschäftlichen Vertreter der Gesellschaft erfassen die Zurechnungsnormen aber tatbestandlich jeweils nur einen bestimmten Kreis von natürlichen Personen und Gesellschaften, wodurch nicht selten die Frage ihrer ausdehnenden, teleologisch extensiven oder analogen Anwendung auf andere natürliche Personen und Gesellschaften aufgeworfen wird. Auf die Einzelheiten wird im Rahmen der Erörterung des jeweiligen Zurechnungsproblems einzugehen sein.
b) Notwendige Zurechnung als Auslegung der bezogenen
Norm
Die notwendige Zurechnung bewegt sich im Rahmen der Auslegung der bezogenen Norm, sofern die durch die Zurechnung möglich gewordene Einbeziehung der rechtsfähigen Gesellschaft in den Anwendungsbereich der Norm mit dem noch möglichen Wortsinn des betreffenden Tatbestandsmerkmals vereinbar ist 62 . Die Möglichkeit einer Zurechnung secundum legem besteht relativ selten, da es regelmäßig gerade die Grenzen des noch möglichen Wortsinns sind, die das Problem der notwendigen Zurechnung überhaupt erst auslösen. Dennoch kann es im Rahmen der Auslegung der bezogenen 60 Anders Bork, Z G R 1994, 237, 241 f., der zwar mit Recht betont, daß die Auslegung der bezogenen Norm der Zurechnung und diese der Analogie vorgehe, jedoch verkennt, daß die Zurechnungsregel methodisch vielfach wiederum nur durch Auslegung oder Extension bzw. Analogie der bezogenen Norm oder einer Zurechnungsnorm gewonnen werden kann. 61 Die Maßgeblichkeit der Interessenabwägung betont auch Bork, Z G R 1994, 237, 242. 62 Zur Maßgeblichkeit des noch möglichen Wortsinns als Grenze zwischen Auslegung und Rechtsfortbildung siehe nur Canaris, Lücken, S. 19 ff. und Larenz, Methodenlehre, S. 320 ff. und 366ff.
494
5. Kapitel:
Zurechnungsrelevanz
der
Unternehmergesellschafterstellung
Norm dann zu einer notwendigen Zurechnung kommen, wenn die herkömmliche Auslegung eines Tatbestandsmerkmals sich gerade aufgrund der Maßgeblichkeit menschlicher Verhältnisse im Vergleich zum noch möglichen Wortsinn als enger erweist oder wenn die Grenze des noch möglichen Wortsinns eines Tatbestandsmerkmals der bezogenen Norm durch eine Verweisnorm, die für rechtsfähige Gesellschaften ausdrücklich nur von einer entsprechenden bzw. wesensmäßigen Anwendung spricht, aufgelockert wird.
aa) Notwendige Zurechnung bei Tatbestandsmerkmalen personalem Einschlag
mit
fakultativ
Tatbestandsmerkmale wie der grobe Undank (§ 530 Abs. 1 B G B ) , die Vertrauenswürdigkeit als verkehrswesentliche Eigenschaft der Person ( § 1 1 9 Abs. 2 B G B ) oder die Unzuverlässigkeit im Gewerberecht können nach jeweils zumindest herrschender Meinung nur von natürlichen Personen verwirklicht werden, obwohl es der Wortsinn durchaus als noch möglich erscheinen ließe, von einer grob undankbaren, vertrauenswürdigen oder unzuverlässigen Gesellschaft zu sprechen. Das Bedürfnis nach einer Zurechnung entsteht hier mithin lediglich dadurch, daß die zumindest herrschende Meinung dem jeweiligen Tatbestandsmerkmal eine menschliche Komponente (undankbare Gesinnung auf der Seite des Beschenkten, persönliche Kränkung auf der Seite des Schenkers, charakterliche Eignung zur Vertragserfüllung etc.) beimißt oder wie im Fall der gewerberechtlichen Unzuverlässigkeit zwar überwiegend auf rein objektive Kriterien abstellt, aber dennoch ein Zuverlässigkeitsurteil nur bei natürlichen Personen für möglich hält63. In diesen Fällen eines fakultativ personalen Einschlags von Tatbestandsmerkmalen dient die Zurechnung von Verhältnissen natürlicher Personen zur rechtsfähigen Gesellschaft mithin nur der Erfüllung der nach zumindest herrschender Meinung bestehenden Anwendungsvoraussetzungen und nicht der ansonsten unmöglichen Einbeziehung der rechtsfähigen Gesellschaft in den durch den noch möglichen Wortsinn umgrenzten Anwendungsbereich der bezogenen Norm.
bb) Notwendige
Zurechnung im Rahmen verweisender
Rechtssätze
Erklärt der Gesetzgeber wie etwa in Art. 19 Abs. 3 G G eine Norm oder eine Gruppe von Normen, die ihrem Wortlaut nach zunächst nur auf natürliche Personen bezogen sind, für entsprechend auf Gesellschaften anwendbar, wird die Grenze des möglichen Wortlauts der bezogenen Norm(en) durch die
63 Dickersbach, WiVerw 1982, 65, 73; F r i a u f / H e ß , G e w O § 35 Rn. 30; mit Recht a.A. Lang, Zuverlässigkeit, S. 109 ff. und 249 ff.
5 2
Notwendiger
495
Zurechnungsdurchgriff
Verweisungsnorm bewußt aufgelockert. Rechtsfähige Gesellschaften sind daher stets vom Wortlaut erfaßt, sofern nur materiell die Anforderungen etwa der „entsprechenden Anwendung" oder der „Wesensanwendbarkeit" mit Hilfe der Zurechnung als einer Maßnahme der Normauslegung erfüllt werden können. In diesen Fällen der gesetzlichen Verweisungsanalogie64 entscheidet die Zurechnung nicht nur darüber, ob ein bestimmter Teil der Zielnorm(en) des Verweises überhaupt anwendbar ist (Reichweite eines Verweises), sondern auch über das Wie der Normanwendung (Inhalt des Verweises). Ist die Verweisungsnorm ihrerseits tatbestandlich zu eng gefaßt, kann ihr Anwendungsbereich durch eine teleologische Extension oder Analogie ausgeweitet werden, wie dies etwa im Rahmen von Art. 19 Abs. 3 G G mit Hilfe eines Erst-recht-Schlusses zugunsten von Personengesellschaften allgemein anerkannt ist65. c)
Notwendige
Zurechnung
als Rechtsfortbildung
praeter
legem
Sofern die Einbeziehung von rechtsfähigen Gesellschaften nicht mehr vom noch möglichen Wortsinn eines Tatbestandsmerkmals oder einer Verweisungsanalogie des Gesetzgebers gedeckt wird, gebietet es die Methodenehrlichkeit, den Vorgang der nicht gesetzlich oder gewohnheitsrechtlich anerkannten Zurechnung als Rechtsfortbildung zu kennzeichnen und zu rechtfertigen66. Von einer Rechtsfortbildung praeter legem kann dabei nur dann gesprochen werden, wenn die Zurechnung von Verhältnissen natürlicher Personen zur Gesellschaft lediglich der Ausfüllung einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes dient. aa) Die planwidrige Regelungslücke der rechtsfortbildenden Zurechnung
als praeter
Grundvoraussetzung legem
Mit dem Begriff der planwidrigen Regelungslücke wird allgemein die Situation gekennzeichnet, daß weder das Gesetz innerhalb der Grenzen seines möglichen Wortsinns noch das Gewohnheitsrecht nach Tatbestand und/oder Rechtsfolge eine bestimmte Regelung enthalten (Unvollständigkeit), obwohl die Rechtsordnung in ihrer Gesamtheit eine solche fordert (Planwidrigkeit) 67 .
Zu diesem Begriff Canaris, Lücken, S. 24. Dazu nur H. Bethge, Grundrechtsberechtigung, S. 32 und Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. 1, S. 690. 66 Zu weitgehend Bork, Z G R 1994,237,241 f., der die Zurechnung ohne Einschränkung als vorrangige Alternative zur analogen Anwendung einer Norm betrachtet. 67 Siehe dazu nur Canaris, Lücken, S. 39; Larenz, Methodenlehre, S. 370 ff.; Looschelders/ Roth, Methodik, S. 220ff. (normative Regelungslücke). 64
65
496
5. Kapitel: Zurechnungsrelevanz
der
Unternehmergesellschafterstellung
aaa) Unvollständigkeit der Gleichstellung schaften und natürlichen Personen
von rechtsfähigen
Gesell-
Die zahlreichen vom positiven Recht nicht gelösten Zurechnungsprobleme zeigen, daß es sich bei der Gleichstellung von rechtsfähigen Gesellschaften und natürlichen Personen um ein höchst unvollständig verwirklichtes Regelungskonzept handelt. Für diese Lücken ist in erster Linie der Gesetzgeber verantwortlich, der den Tatbestand von Zurechnungs-, Verweisungs- oder bezogenen Normen bewußt oder unbewußt zu eng gefaßt hat (anfänglich offene Lücke). Probleme bereitet dabei nicht nur die weitgehend unvermeidliche Verwendung von Begriffen, die ihrem allgemeinen Wortsinn nach nur von natürlichen Personen erfüllt werden können, sondern gerade auch die Verwendung familienrechtlicher Termini 68 . Im Bereich der Personengesellschaften sind die Regelungslücken teilweise aber auch darauf zurückzuführen, daß die rechtliche Verselbständigung dieser Gesellschaften gegenüber ihren Gesellschaftern zunehmend anerkannt wird und hierdurch ein formelles Zurechnungsproblem auftritt, das vielfach bei Erlaß des Gesetzes aufgrund der auch für diese Gesellschaften noch vorherrschenden klassischen Gesamthandslehre in dieser Form nicht bestand 69 . bbb) Planwidrigkeit der fehlenden Gleichstellung Gesellschaften und natürlichen Personen
von
rechtsfähigen
N u r eine planwidrige Lücke und nicht bereits ein rechtspolitischer Fehler berechtigen den Rechtsanwender zur Rechtsfortbildung praeter legem. Daher kann es nicht genügen, daß dieser die fehlende Gleichstellung von rechtsfähigen Gesellschaften mit natürlichen Personen lediglich subjektiv als unbefriedigend empfindet, sondern es muß dies vom Standpunkt der Gesamtrechtsordnung und insbesondere des spezifischen Normzwecks aus objektiv so sein 70 . Die fehlende Gleichstellung kann praeter legem nur dann korrigiert werden, wenn dies nicht nur bei historischer, sondern gerade auch systemati-
68 Man vergleiche etwa nur die durch die familienrechtlichen Begriffe des § 138 Abs. 1 InsO aufgeworfenen Normanwendungsprobleme mit der Lösung des korrespondierenden Problems durch § 138 Abs. 2 InsO (dazu 5. Kap. § 2 B IV 2). 69 Zur traditionell unterstellten Transparenz der Gesamthandsgesellschaften siehe etwa RG v. 21.2.1899 RGZ 43, 104, 106; B G H v. 16.2.1961 B G H Z 34, 293, 296f. („Die Personalgesellschaft ist von der Persönlichkeit der Gesellschafter nicht zu trennen. ... Soweit es für die Rechtswirksamkeit, Anfechtbarkeit oder Rechtsfolgen von Geschäften der Gesellschaft auf persönliche Beziehungen, Kenntnisse oder Verhältnisse der Vertragspartner ankommt, genügen die entsprechenden Umstände in der Person eines einzelnen Gesellschafters.") und Wiede-
mann, WM 1975 Beilage Nr. 4, S. 29f. 70 Canaris, Lücken, S. 33f. und 73.
§ 2
Notwendiger
Zurechnungsdurchgriff
497
scher wie teleologischer 71 Betrachtung des Gesetzes unter Beachtung des Gleichbehandlungsgebots 72 dem Plan der Rechtsordnung zuwiderläuft 73 . So kann insbesondere im Familien- und Vertriebenenrecht nicht von einer planwidrigen Regelungslücke ausgegangen werden, während im vermögensrechtlichen Bereich grundsätzlich das Bedürfnis nach einer Gleichstellung naheliegt. Probleme bereitet insbesondere die Abgrenzung zwischen dem beredten Schweigen des Gesetzes, das ein argumentum e contrario gebietet, und der Analogie. Zwar liegt bei einfachen und überschaubaren Sachverhalten aufgrund der Vermutung, daß der Gesetzgeber die Existenz von rechtsfähigen Gesellschaften und das Bedürfnis ihrer etwaigen Einbeziehung in die Regelung gesehen hat, ein argumentum e contrario nahe, doch kann hiervon niemals zwingend ausgegangen werden. Vielmehr sind auch hier die angesprochenen teleologischen Wertungen unter Anwendung des Gleichheitssatzes vorzunehmen 74 . Dies gilt in besonderem Maße für die Gleichstellung der rechtsfähigen Gesellschaften mit den natürlichen Personen, von der der Gesetzgeber häufig als einer die Gesetzesredaktion vereinfachenden Grundregel stillschweigend ausgegangen sein wird. Sofern man sich zunächst am historischen Willen des Gesetzgebers orientiert, liegen die Gründe für die Planwidrigkeit der unvollständigen Einbeziehung der rechtsfähigen Gesellschaften in der vielfach bei Erlaß der Norm noch herrschenden Vorstellung, daß sich bei den Personengesellschaften eine Gleichstellung wegen ihrer fehlenden Verselbständigung zumindest gegenüber den persönlich haftenden Gesellschaftern erübrige und eine solche bei den Kapitalgesellschaften aufgrund von deren anonym körperschaftlicher Struktur nicht möglich bzw. wünschenswert sei. Teilweise hat der Gesetzgeber die Gleichstellung aber auch auf bestimmte Gesellschaftsformen mit dem Argument beschränkt, daß nur auf diese Weise eine rechtssichere und einfache Normanwendung auf Gesellschaften möglich sei. Insoweit kann sich die Planwidrigkeit der Regelungslücke dann nur aus einem Widerspruch zum Gleichheitssatz als einem Bestandteil der Gesamtrechtsordnung ergeben, was angesichts der Typisierungskompetenz des Gesetzgebers voraussetzt, daß nicht nur ein beachtlicher Teil der betroffenen Gesellschaften willkürlich behandelt wird, sondern daß darüber hinaus alternative Differenzierungskrite71 Zur sog. objektiven Auslegungstheorie siehe näher Larenz, Methodenlehre, S. 32ff. und Engisch, Einführung, S. 111 ff.; zur besonderen Bedeutung der Gesetzesteleologie siehe näher Canaris, Lücken, S. 31 ff. m.w.N. 72 Zur besonderen Bedeutung des Gleichheitssatzes für die Analogie siehe nur Larenz, Methodenlehre, S. 374f. und Canaris, Lükken, S. 45 und 71 f.; zur Bedeutung des Gleichheitssatzes für die Durchgriffs- und Zurechnungsproblematik siehe generell 2. Kap. § 3 B. 73 Vgl. nur Larenz, Methodenlehre, S. 401; Canaris, Lücken, S. 16ff. und 38 sowie J. Vogel, Methodik, S. 135. 74 Vgl. dazu insbesondere Canaris, Lücken, S. 44f.
498
5. Kapitel:
Zurechnungsrelevanz
der
Unternehmergesellschafterstellung
rien benannt werden können, die zumindest annähernd so rechtssicher und einfach zu handhaben sind wie dasjenige der Gesellschaftsform 75 . Anderenfalls würde man die Grenzen der Rechtsfortbildung praeter legem in Gestalt einer verfassungskonformen Analogie überschreiten und sich in den Bereich der Rechtsfortbildung contra legem begeben. bb) Methoden der rechtsfortbildenden
Zurechnung praeter legem
Das Bedürfnis nach einer Gleichstellung rechtsfähiger Gesellschaften mit natürlichen Personen kann sich unmittelbar aus dem Normzweck (teleologische Extension) oder mittelbar unter Anwendung des Gleichheitssatzes (Analogie) ergeben. Die Unterscheidung zwischen diesen beiden Formen der Rechtsfortbildung praeter legem, die im Einzelfall Schwierigkeiten bereiten kann 76 , spielt in der Praxis der zivilrechtlichen Zurechnung regelmäßig keine Rolle, da der Begründungsaufwand für die Abweichung vom noch möglichen Wortsinn vergleichbar ist und Analogieverbote hier allenfalls im Bereich der Statusfragen eine Rolle spielen 77 . Teilweise wird zudem die Erstreckung der Analogieverbote auf die teleologische Extension befürwortet 78 . aaa) Notwendige
Zurechnung
als teleologische
Extension
Die notwendige Zurechnung erfolgt in Form einer teleologischen Extension, wenn der vom Gesetzgeber ausdrücklich oder zumindest eindeutig zugrundegelegte spezifische Normzweck ohne eine durch die Zurechnung ermöglichte Einbeziehung (eines Teiles) der rechtsfähigen Gesellschaften nicht hinreichend verwirklicht werden kann 79 . Die teleologische Extension setzt mithin neben der exakten Bestimmbarkeit des Normzwecks 80 voraus, daß der Gesetzgeber durch eine zu enge Tatbestandsfassung rechtsfähige Gesellschaften aus dem Anwendungsbereich einer Norm ausgeschlossen hat, auf deren Einbeziehung es ihm angesichts des konkreten Normzwecks eigentlich ankam (Umsetzungsfehler) 81 bzw. hätte ankommen müssen 82 . Aufgrund des unmittelbaren Bezugs zum Normzweck können dann im Gegensatz zur Analogie aber auch ungleiche Sachverhalte in die Regelung einbezogen werden, so D a z u 2. Kap. § 3 B II 6 u n d 1. Kap. § 3 C III l b u n d 2b. Siehe d a z u nur Pawlowski, Methodenlehre, R n . 501; Looschelders/Roth, Methodik, S. 271. 77 Vgl. dazu Pawlowski, Methodenlehre, R n . 500 u n d 508. 78 D a z u generell Larenz, Methodenlehre, S. 398f. 79 Vgl. allgemein zur teleologischen Extension Looschelders/Roth, M e t h o d i k , S. 267. 80 Siehe d a z u allgemein Larenz, Methodenlehre, S. 400; Looschelders/Roth, Methodik, S. 271. 81 So offensichtlich enger Looschelders/Roth, M e t h o d i k , S. 267ff. 82 So offensichtlich weiter Canaris, Lücken, S. 89ff. u n d Larenz, Methodenlehre, S. 398. 75
76
5 2
Notwendiger
499
Zurechnungsdurchgriff
daß man sich insoweit die Prüfung ersparen kann, ob eine Kapitalgesellschaft einer rechtsfähigen Personengesellschaft oder diese einer natürlichen Person im Hinblick auf die normrelevanten Umstände (gegebenenfalls unter bestimmten Voraussetzungen) wesentlich gleicht 83 . Im methodischen Ergebnis führt die Zurechnung durch teleologische Extension nicht zur Schaffung eines neuen analogen Entscheidungssatzes, sondern zu einer normimmanenten Rechtsfortbildung durch Ausdehnung des Anwendungsbereichs einer Norm über ihren noch möglichen Wortsinn hinaus 84 . Unter den hier behandelten Zurechnungsfällen sind namentlich diejenigen der notwendigen Zurechnung der Angehörigeneigenschaft im Rahmen von § 134 Abs. 2 Nr. 1 S G B III und § 138 InsO methodisch der teleologischen Extension zuzuordnen 85 .
bbb) Notwendige
Zurechnung als Analogie
Die analoge Anwendung einer bezogenen Norm auf (bestimmte) rechtsfähige Gesellschaften ist bei wertender Betrachtung dann geboten, wenn die betreffenden Gesellschaften den natürlichen Personen in allen für die bezogene Regelung wesentlichen Hinsichten gleichen und folglich die Anwendung der angeordneten Rechtsfolge auch auf rechtsfähige Gesellschaften ein Gebot der Gerechtigkeit darstellt 86 . Die Rechtfertigung der Analogie liegt mithin nicht unmittelbar im Zweck der bezogenen Norm, sondern wesentlich im Gleichheitssatz 87 . Unter den in dieser Arbeit behandelten Fällen der notwendigen Zurechnung kann methodisch allerdings nur die zudem zumindest bei unternehmerischem Engagement abzulehnende Ausdehnung der Besitzdienerschaft auf Gesellschafter der Analogie (des § 855 B G B ) zugeordnet werden 88 .
d) Notwendige
Zurechnung
als Rechtsfortbildung
contra
legem
Sofern der Gesetzgeber durch die Formulierung des Tatbestands eine aufgrund seiner Typisierungskompetenz 89 mit dem Gleichheitssatz zu vereinbarende und lediglich rechtspolitisch verfehlte Differenzierung zwischen natürlichen Personen und rechtsfähigen Gesellschaften, zwischen Personengesellschaften und juristischen Personen oder zwischen Organmitgliedern und Gesellschaftern bewußt getroffen hat, kann diese Entscheidung nicht mehr durch eine Lückenausfüllung, sondern allenfalls noch durch eine gesetzes83 84 85 86 87 88 89
Vgl. dazu generell Canaris, Lücken, S. 89ff. und Larenz, Methodenlehre, S. 397ff. Looschelders/Roth, Methodik, S. 270; Canaris, Lücken, S. 90. Dazu 5. Kap. § 2 B IV. Larenz, Methodenlehre, S. 381 f. Canaris, Lücken, S. 25. Siehe dazu 5. Kap. § 2 B VIII la bb. Siehe dazu 2. Kap. § 3 B I 2.
500
5. Kapitel:
Zurechnungsrelevanz
der
Unternehmergesellschafterstellung
übersteigende Rechtsfortbildung korrigiert werden 9 0 . Insoweit wird man sich jedoch grundsätzlich mit einem Appell an den Gesetzgeber begnügen müssen, da eine Rechtsfortbildung contra legem nur bei Wandlungen im Wertesystem der Rechtsordnung oder zur Vermeidung gravierender Beeinträchtigungen der Einzelfallgerechtigkeit möglich ist 91 und diese Voraussetzungen in den Fällen eines notwendigen Zurechnungsdurchgriffs regelmäßig nicht gegeben sein werden 9 2 . Bei willkürlichen Differenzierungen des vor- bzw. nachkonstitutionellen Gesetzgebers besteht für den Richter hingegen die M ö g lichkeit zur Zurechnung contra legem bzw. zur Vorlage gemäß Art. 100 Abs. 1 G G 9 3 .
2. Die Methodik des notwendigen Zurechnungsdurchgriffs bei der Anwendung rechtsgeschäftlicher Regelungen Im Rahmen der Auslegung von Rechtsgeschäften k o m m t es zunächst unabhängig vom objektiven Sinn der Erklärung darauf an, ob der Erklärende und der etwaige Empfänger die Gleichstellung rechtsfähiger Gesellschaften mit natürlichen Personen überhaupt gewollt und in welcher F o r m sie sich den Zurechnungsdurchgriff auf den personalen Kern der Gesellschaft (übereinstimmend) vorgestellt haben. Lediglich im Falle von Satzungsbestimmungen und bei divergierenden Parteivorstellungen hat man die betreffende Regelung objektiv wie eine Gesetzesbestimmung 9 4 bzw. dem objektivierten Empfängerhorizont entsprechend 9 5 auszulegen. D a sich die Parteien eines Rechtsgeschäfts in vielen Fällen zudem keine Gedanken über die etwaige Einbeziehung rechtsfähiger Gesellschaften gemacht haben werden, k o m m t aber auch der ergänzenden Auslegung anhand des (übereinstimmenden) hypothetischen Parteiwillens eine große Bedeutung für das O b und Wie des notwendigen Zurechnungsdurchgriffs zu. Insoweit entscheidet dann der gesamte Sinnzusammenhang und der (übereinstimmend) als maßgeblich erachtete Z w e c k des Rechtsgeschäfts sowie die Interessenlage der Beteiligten über den notwendigen Zurechnungsdurchgriff' 6 .
Siehe dazu allgemein Larenz, Methodenlehre, S. 374. " Larenz, Methodenlehre, S. 426ff.; eingehend Neuner, Rechtsfindung contra legem, 1992, S. 148 ff. 92 Vgl. dazu auch die (ergänzende) Zurechnung der Staatsangehörigkeit im Zusammenhang mit der Zulassung von Gesellschaften zu einer Tätigkeit in sicherheitsrelevanten Wirtschaftsbereichen 5. Kap. § 3 B II l b ee. 93 Siehe dazu auch das Beispiel der de lege lata unzulässigen Gleichstellung des unternehmerisch tätigen Gesellschafters mit dem Einzelunternehmer durch Zurechnung der Schwerbehinderteneigenschaft im Rahmen von § 9 Abs. 3 SchwbG (5. Kap. § 2 B II 3). 94 Siehe dazu unter 1. 95 Siehe dazu generell nur Larenz, Methodenlehre, S. 299ff. 96 Siehe dazu generell nur Larenz, Methodenlehre, S. 300. 90
§ 2
B. Einzelne
Notwendiger
Zurechnungsdurchgriff
Fälle des notwendigen
501
Zurechnungsdurchgriffs
I. Zurechnung der Menschenwürde Rechtsfähige Gesellschaften verfügen als solche nicht über eine Menschenwürde. Dies gilt nicht nur für die Menschenwürde i.e.S. und damit den passiven Schutz der Persönlichkeit, sondern auch für die Menschenwürde i.w.S. und damit den aktiven Schutz der sittlichen Entfaltung der Persönlichkeit. Dennoch werden rechtsfähigen Gesellschaften als solchen heute unter Rückgriff auf ihr personales Substrat Rechte zuerkannt, die in ihrem Bestand und/ oder ihren Rechtswirkungen von ihrem Bezug zur Menschenwürde abhängen. Damit kann Gesellschaften insbesondere im Verfassungsrecht (Art. 19 Abs. 3 G G ) und Deliktsrecht (Schutz der Persönlichkeitsrechte) ein eigenständiger Schutz zuteil werden, der über einen bloßen Funktionsschutz ihrer Tätigkeit hinausreicht.
1. Zurechnung der Menschenwürde im Rahmen von Art. 19 Abs. 3 GG Als personalem Kern der Gesellschaft kommt dem über eine eigene Würde verfügenden Unternehmergesellschafter eine maßgebliche Bedeutung für die Voraussetzungen und die Intensität des Grundrechtsschutzes von Gesellschaften nach Art. 19 Abs. 3 G G zu. Damit zeigt sich gerade auch im Bereich des Grundrechtsschutzes, daß der notwendige Zurechnungsdurchgriff nicht zu einer Verkennung der Eigenständigkeit der Gesellschaft, sondern ganz im Gegenteil zur Stärkung ihrer von den Gesellschaftern gesonderten Rechtsposition führt.
a) Die Grundrechtsträgerschaft von Gesellschaften als Normanwendungsproblem bei Grundrechten mit personalem Einschlag Die prinzipielle Anwendbarkeit der Grundrechte in ihrer subjektiv-rechtlichen und objektiv-rechtlichen Dimension 97 auf juristische Personen und Gesamthandsgesellschaften steht angesichts von Art. 19 Abs. 3 G G nicht mehr in Frage 98 . Allerdings gelten die Grundrechte nach dem Wortlaut der Vorschrift nur dann für inländische juristische Personen, wenn und soweit sie 97 Ossenbühl, FS Stern, S. 887, 890ff.; Rüfner, A ö R 89 (1964), 261, 273, der auf S. 278 zudem die besondere Bedeutung des Art. 19 Abs. 3 G G für die Berechtigung juristischer Personen zur Verfassungsbeschwerde hervorhebt. 98 H. Bethge, Grundrechtsberechtigung, S. 14 und Bettermann, N J W 1969, 1321, 1324 sprechen sogar von einer ausdrücklichen Abkehr vom rein individualistischen Grundrechtsverständnis.
502
y Kapitel: Zurechnungsrelevanz
der
Unternehmergesellschafterstellung
ihrem Wesen nach auf diese a n w e n d b a r sind. D a s O b und W i e der G r u n d rechtsträgerschaft v o n Gesellschaften ist danach nicht nur v o m „ W e s e n " des jeweiligen G r u n d r e c h t s , sondern auch v o m „ W e s e n " der jeweiligen Gesellschaft a b h ä n g i g " . D u r c h diese doppelte B e z u g n a h m e auf das K r i t e r i u m der W e s e n s a n w e n d b a r k e i t wird ein N o r m a n w e n d u n g s p r o b l e m u m s c h r i e b e n , das d u r c h den B e z u g des G r u n d r e c h t s s c h u t z e s zur M e n s c h e n w ü r d e und das damit einhergehende B e d ü r f n i s
nach einer personalen R e c h t f e r t i g u n g
des
G r u n d r e c h t s s c h u t z e s v o n Gesellschaften entsteht.
aa) Der traditionelle Bezug des Grundrechtsschutzes würde
zur Menschen-
N a c h der naturrechtlichen G r u n d r e c h t s k o n z e p t i o n galten die G r u n d r e c h t e als vorstaatliche M e n s c h e n r e c h t e . Sie sollten daher nur v o n natürlichen P e r s o n e n besessen und als individuelle Freiheitsrechte ausgeübt w e r d e n k ö n nen 1 0 0 . Dieses allein auf der W ü r d e und Freiheit des E i n z e l m e n s c h e n aufbauende Grundrechtsverständnis w i r k t bis heute nach 1 0 1 . Gespeist wird es dabei durch ein B e f r e m d e n gegenüber der G r u n d r e c h t s t r ä g e r s c h a f t eines v e r m e i n t lich rein fiktiven Rechtsgebildes 1 0 2 sowie durch die F u r c h t v o r einer unangemessenen Verselbständigung der juristischen Person 1 0 3 oder der D o m i n a n z v o n Verbänden im d e m o k r a t i s c h e n Staat 1 0 4 . D i e individualistische G r u n d r e c h t s k o n z e p t i o n k o m m t nicht allein in dem verschiedentlich als S y n o n y m für die G r u n d r e c h t e verwendeten B e g r i f f der „ M e n s c h e n r e c h t e " ( A r t . 1 A b s . 2 G G ) , der systematischen
Sonderstellung
des A r t . 1 A b s . 1 G G 1 0 5 oder d e m vielfach gebrauchten Schlagwort v o m „per" Zum Korrespondenzverhältnis beider Wesensaspekte Stern, Staatsrecht III/1, S. 1078 und Dreier, in: Dreier (Hrsg.) GG Art. 19 III Rn. 18. 100 C. Schmitt, Verfassungslehre, S. 173; Bleckmann/Helm, DVB1. 1992, 9; BK/w. Mutius, Art. 19 III Rn. 27. 101 BVerfG v. 2.5.1967 BVerfGE 21, 362, 369 (die Einbeziehung der juristischen Personen in den Schutzbereich der Grundrechte sei nur gerechtfertigt, „wenn ihre Bildung und Betätigung Ausdruck der freien Entfaltung der natürlichen Personen sind, besonders wenn der „Durchgriff" auf die hinter ihr stehenden Menschen dies als sinnvoll und erforderlich erscheinen läßt."); BVerfG v. 8.7.1982 BVerfGE 61, 82, 100f.; Düng, in: Maunz/Dürig GG Rn. 1 zu Art. 19 III; Badura, DÖV 1990, 353, 356f.; H. Bethge, Grundrechtsberechtigung, S. 27; krit. BK/ü. Mutius, Art. 19 III Rn. 29ff. 102 Rupp-v. Brünneck, FS A. Arndt 1969, S. 349 spricht von einem „Schock", den ein unbefangener Leser bei der Lektüre des Art. 19 Abs. 3 GG empfinden mag und davon (S. 362), daß „eine widersinnige Emanzipation des juristischen Homunculs von seinem Schöpfer" verhindert werden müsse. 103 Dürig, in: Maunz/Dürig GG Rn. 1 zu Art. 19 III; Rupp-v. Brünneck, FS A. Arndt, S. 349 ff. 104 C. Schmitt, Verfassungslehre, S. 173; krit. H. Bethge, Grundrechtsberechtigung, S. 23 f. 105 Zu Art. 1 Abs. 1 GG als einer Art von „vor die Klammer gezogenenem Muttergrundrecht" Dürig, in: Maunz/Dürig GG Rn. 4 ff. zu Art. 1 I; Sachs/Höfling, Art. 1 Rn. 7 f.; Dreier, in: Dreier (Hrsg.) GG Art. 1 I Rn. 23.
5 2
Notwendiger
503
Zurechnungsdurchgriff
sonalen Einschlag" der meisten Freiheitsgrundrechte 106 zum Ausdruck. Sie hat ihren Niederschlag vielmehr auch in der am Einzelmenschen orientierten Formulierung des Grundrechtskatalogs sowie in der Rechtfertigung und in den Voraussetzungen des Grundrechtsschutzes von Gesellschaften nach Art. 19 Abs. 3 G G gefunden. bb) Der legitimatorische Bezug des Grundrecbtsschut7.es schaften zur Menschenwürde
von
Gesell-
Zwar finden sich im Zusammenhang mit der Rechtfertigung des Grundrechtsschutzes von Gesellschaften auch Hinweise auf die eigenständige Schutzbedürftigkeit der Gesellschaft in grundrechtstypischen Gefährdungslagen107, die Vermeidung von Grundrechtskonflikten zwischen den hinter der Gesellschaft stehenden Gesellschaftern 108 oder Hinweise auf die gebotene Gleichbehandlung der verschiedenen Rechtssubjekte 109 . Die Erstreckung des Grundrechtsschutzes auf juristische Personen und Gesamthandsgemeinschaften wird jedoch zumeist mit dem Argument der Komplettierung 110 bzw. rechtstechnischen Vereinfachung 111 des Grundrechtsschutzes von natürlichen Personen begründet, da die Grundrechte heute vielfach nur noch in kollektiver Form ausgeübt werden könnten. Die juristische Person bzw. Gesamthandsgesellschaft erscheint bisweilen sogar lediglich als Sachwalterin der gebündelten Individualrechte ihrer Mitglieder oder als Treuhänderin der Grundrechte der hinter ihr stehenden natürlichen Personen 112 .
106 Dazu nur BVerfG v. 1.3.1979 BVerfGE 50,290, 340 und 347f. (Art. 14 Abs. 1 GG), 355f. und 359f. (Art. 9 Abs. 1 G G ) sowie 363 (Art. 12 Abs. 1 GG); Dürig, in: Maunz/Dürig G G Rn. 6 zu Art. 19 III; Wollburg, Anwendbarkeit, S. 136 und passim (Art. 9 Abs. 1 GG); Breuer, H S t R V I § 147 Rn. 61 (Art. 12 Abs. 1 GG); Chlosta, Wesensgehalt, S. 161 ff. (Art. 14 Abs. 1). 107 Dreier, in: Dreier (Hrsg.) G G Art. 19 III Rn. 21; BK/i>. Mutius, Art. 19 III Rn. 37; Bettermann, N J W 1969, 1321, 1324; Rüfner, AöR 89 (1964), 261, 279; Isensee, HStRV, § 118 Rn. 8; H. Bethge, Grundrechtsberechtigung, S. 27f. 108 H. Bethge, Grundrechtsberechtigung, S. 28. 109 Raiser, JZ 1979, 489, 492; Ramm, GS Rödig, S. 229, 230. 110 BVerfG v. 8.7.1982 BVerfGE 61, 82, 101; Dürig, in: Maunz/Dürig G G Rn. 1 zu Art. 19 III; H. Bethge, Grundrechtsberechtigung, S. 13 und 31; Bleckmann/Helm, DVB1. 1992, 9, 12. 111 Raiser, JZ 1979, 489, 491. 112 Rupp/v. Brünneck, FS A. Arndt, S. 349, 357ff.; Bachof in: Bettermann/Nipperdey/ Scheuner Bd. I I I / l , S. 155, 180f.; krit. Stern, Staatsrecht I I I / l , S. 1088 und 1117.
504
5. Kapitel:
Zurechnungsrelevanz
der
Unternehmergesellschafterstellung
cc) Der legislatorische Bezug des Grundrechtsschutzes von Gesellschaften zur Menschenwürde durch das Erfordernis der doppelten Wesensanwendbarkeit Nach allgemeiner Auffassung setzt die Anwendbarkeit von Grundrechten auf Gesellschaften nach Art. 19 Abs. 3 GG nicht nur eine Vereinbarkeit mit dem Wesen des jeweiligen Grundrechts, sondern auch eine Wesensbetrachtung des anderen Zuordnungselements, der juristischen Person i.S.d. Art. 19 Abs. 3 GG, voraus 113 . aaa) Der Bezug des jeweiligen Grundrechts zur
Menschenwürde
Das Wesen der Grundrechte i.S.v. Art. 19 Abs. 3 GG wird durch ihren Bezug zur Würde und persönlichen Entfaltung des Menschen bestimmt. Dabei hat man sich nicht nur an der allen Grundrechten gemeinsamen Funktion, Rechtssubjekte gegen bestimmte vornehmlich hoheitliche Gefährdungen zu schützen, sondern auch am Inhalt und den Besonderheiten des einschlägigen Grundrechts zu orientieren 114 . Insoweit kommt es weniger darauf an, ob das von dem jeweiligen Grundrecht geschützte Interesse auch kollektiv verfolgt werden kann, als vielmehr auf die Frage, ob die Ausübung des betreffenden Grundrechts Eigenschaften und Fähigkeiten voraussetzt, die nur natürlichen Personen zukommen 115 . Darüber hinaus muß die juristische Person nach dem Schutz- und Ordnungsgehalt des Grundrechts als Zuordnungssubjekt des geschützten Lebensbereichs angesehen werden können 116 . Es wird daher im allgemeinen unterschieden zwischen Grundrechten, die danach vollständig 117 oder nur teilweise 118 , unverändert 119 oder modifiziert 120 oder aber gar
Dürig, in: Maunz/Dürig GG Rn. 5 zu Art. 19 III; Kau, Persönlichkeitsschutz, S. 42. BVerfG v. 2.5.1967 BVerfGE 21, 362, 368f.; Bettermann, NJW 1969,1321,1324; Rüfner, AöR 89 (1964), 261, 266; BK/z>. Mutius, Art. 19 III Rn. 24; Kunig, in: v. Münch/Kunig Art. 19 Rn. 30 und 34 ff. 1,5 Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. 1, S. 692; anders allerdings BVerfG v. 26.5.1976 BVerfGE 42, 212, 219 (für die Frage, ob ein Grundrecht wesensmäßig anwendbar ist, komme es darauf an, ob es auch korporativ betätigt werden könne; daher sei Art. 13 Abs. 1 GG auch auf Kommanditgesellschaften anwendbar). 116 Badura, DÖV 1990, 353, 356f.; H. Bethge, Grundrechtsberechtigung, S. 36. 117 Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 3, Art. 5 Abs. 1 und 3, Art. 9 Abs. 1 und 3, Art. 10, Art. 11 Abs. 1, Art. 13, Art. 14, Art. 17 und Art. 19 Abs. 4 GG. 118 Art. 3 Abs. 1 GG (mit Ausnahme der Gleichheit im sozialen Bereich; dazu H. Bethge, Grundrechtsberechtigung, S. 38); Art. 4 Abs. 1 und 2 GG (mit Ausnahme der Gewissensfreiheit); Art. 12 Abs. 1 GG (mit Ausnahme des Berufs als Mittel der Selbstverwirklichung; dazu nur BVerfG v. 4.4.1967 BVerfGE 21, 261, 266; noch enger Rüfner, AöR 89 (1964), 261, 306f.). Art. 2 Abs. 1 GG; Art. 5 Abs. 1 und 3 GG; Art. 9 Abs. 1 und 3 GG; Art. 10 GG, Art. 14, Art. 17 und Art. 19 Abs. 4 GG. 120 Art. 11 Abs. 1 GG (Sitzverlegung); Art. 13 GG (Schutz von Geschäfts- und Büroräumen). 113 114
52
Notwendiger
Zurechnungsdurchgriff
505
nicht 121 auf juristische Personen bzw. Gesamthandsgesellschaften angewendet werden können 122 . Gerade auch bei den wirtschaftsrechtlich relevanten Grundrechten der Art. 12 und 14 G G spielt der personale Grundzug für das Bundesverfassungsgericht eine wichtige Rolle 123 . bbb) Der Bezug der jeweiligen
Gesellschaft zur
Menschenwürde
Das spezifische Wesen einer Gesellschaft i.S.v. Art. 19 Abs. 3 G G wird neben ihrem Zweck und Gegenstand124 durch den Grad ihrer organisatorischen und vermögensmäßigen Verselbständigung gegenüber den Gesellschaftern bestimmt. Der Grad der Verselbständigung ist dabei nicht nur von der Rechtsform, sondern auch von der Realstruktur der Gesellschaft abhängig125. Vor dem Hintergrund der individualistischen Grundrechtskonzeption und Rechtfertigung des Art. 19 Abs. 3 G G gilt damit der Satz, daß ein Grundrecht dem Wesen einer Gesellschaft nach umso eher auf diese anwendbar ist, desto weniger die Gesellschaft gegenüber den unmittelbar oder mittelbar hinter ihr stehenden natürlichen Personen verselbständigt ist. Da die Betätigung einer Gesellschaft mit zumindest einem Unternehmergesellschafter Ausdruck von dessen freier Persönlichkeitsentfaltung ist126, ist eine Ausweitung des Grundrechtsschutzes auf die Gesellschaft in diesen Fällen in besonderem Maße geboten. Mit dieser Argumentation wird nicht zuletzt auch in der Form eines Erst-recht-Schlusses 127 die weite Auslegung des verfassungsrechtlichen Begriffs der „juristischen Person" und damit die Ausdehnung des Grundrechtsschutzes auf alle rechtlich in gewisser Weise gegenüber ihren Mitgliedern verselbständigten Entscheidungsund Handlungseinheiten, d.h. insbesondere die Personenhandelsgesellschaften128 und die Außengesellschaft bürgerlichen Rechts 129 begründet. Angesichts 121 Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 2 S. 1 und 2, Art. 3 Abs. 2, Art. 4 Abs. 3, Art. 6, Art. 7 Abs. 2, Art. 12 Abs. 3, Art. 16 und Art. 16a GG. 122 Isensee, HStRV, § 118 Rn. 54; Dreier, in: Dreier (Hrsg.) G G Art. 19 III Rn. 23 f. 123 Dazu insbesondere BVerfG v. 1.3.1979 BVerfGE 50, 290, 336ff. 124 Bleckmann/Helm, DVB1. 1992, 9, 15 sprechen vom „Aufgabenkreis" der juristischen Person. 125 Siehe dazu näher 1. Kap. § 4. ,26 Zu dieser Voraussetzung der Wesensanwendbarkeit siehe nur BVerfG v. 2.5.1967 BVerfGE BVerfGE 21,362,369; BVerfG v. 8.7.1982 BVerfGE 61, 82,101; BVerfG v. 31.10.1984 BVerfGE 68, 193, 205 f.; BVerfG v. 14.4.1987 DÖV 1987, 819. 127 Dazu nur H. Bethge, Grundrechtsberechtigung, S. 32 und Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. 1, S. 690. 128 BVerfG v. 21.2.1957 BVerfGE 6, 273, 277; Düng, in: Maunz/Dürig G G Rn. 8 und 29 zu Art. 19 III; Rüfner, AöR 89 (1964), 261, 279; H. Bethge, Grundrechtsberechtigung, S. 30f. 129 Die Anwendung des Art. 19 Abs. 3 G G auf die BGB-Gesellschaft wird heute überwiegend befürwortet (vgl. nur Raiser, AcP 199 (1999), 104, 138f.; Sachs/Krüger, Art. 19 Rn. 57f.; Dreier, in: Dreier (Hrsg.) G G Art. 19 III Rn. 29f.); sofern sie abgelehnt wird (Isensee, HStRV, § 118 Rn. 32; Rüfner, HStR V, § 116 Rn. 56), ist dies die Folge einer überhaupt geleugneten Eigenständigkeit der Gesellschaft.
506
5. Kapitel:
Zurechnungsrelevanz
der
Unternehmergesellschafterstellung
der eindeutigen Regelung des Art. 19 Abs. 3 G G und der eigenständigen Schutzbedürftigkeit aller Gesellschaften kann andererseits aber auch die prinzipielle Grundrechtsträgerschaft einer reinen Publikumsaktiengesellschaft oder einer nur aus juristischen Personen bestehenden Gesellschaft nicht in Frage gestellt werden 130 . Letztlich steht nämlich auch hinter diesen Gesellschaften das Wollen und Handeln von natürlichen Personen 131 .
b) Die Lösung des Normanwendungsproblems durch der Menschenwürde des Unternehmergesellschafters aa) Die Zurechnung der Menschenwürde der Anwendbarkeit von Grundrechten
Zurechnung
als Voraussetzung
Der eigenständige Grundrechtsschutz einer Gesellschaft kann verschiedentlich nur mit Hilfe eines Rückgriffs auf die Menschenwürde der hinter ihr stehenden natürlichen Personen begründet werden, weil ohne eine derartige Zurechnung das jeweilige Grundrecht seinem Wesen nach gar nicht auf Gesellschaften angewendet werden könnte.
aaa) Die Anwendbarkeit des verfassungsrechtlichen schutzes auf Gesellschaften
Persönlichkeits-
Aufgrund des engen Bezugs des verfassungsrechtlichen Persönlichkeitsschutzes (Art. 1 Abs. 1, Art. 2 G G ) zur Würde des Menschen befindet sich dessen Geltung für Personenvereinigungen 132 seit langem in der Diskussion. Bei aller Unterschiedlichkeit der gewählten Formulierungen hat man sich inzwischen überwiegend darauf verständigt, daß Personenvereinigungen zwar nicht über ein allgemeines Persönlichkeitsrecht verfügen, das mit demjenigen natürlicher Personen vergleichbar wäre, ihnen aber dennoch einzelne Ausprägungen des verfassungsrechtlichen Persönlichkeitsschutzes in Form eines Funktionsschutzes zugute kommen können 133 . Damit möchte man dem unbestreitbaren Umstand Rechnung tragen, daß zum einen nur natürliche Personen über eine eigene Würde, verstanden als einem sittlichen und seelischen Phänomen, verfüRaiser, J Z 1979, 489, 491. Isensee, H S t R V § 118 Rn. 30. 132 Obwohl die allgemein verbandsrechtliche Frage nach Persönlichkeitsrechten von Personenvereinigungen vielfach nur im Zusammenhang mit der Rechtsnatur juristischer Personen thematisiert wird, können die Aussagen grundsätzlich verallgemeinert werden (siehe dazu auch Wiedemann, W M 1975 Beilage Nr. 4, S. 14f. mit Fn. 22). 133 BVerfG v. 3.5.1994 N J W 1994, 1784; BVerfG v. 25.1.1984 BVerfGE 66, 116, 130; B G H v. 3.6.1986 B G H Z 98, 94, 97; B G H v. 26.6.1981 B G H Z 81, 75, 78; Schwerdtner, Persönlichkeitsrecht, S. 119ff.; Hubmann, Persönlichkeitsrecht, S. 333 ff.; Leßmann, AcP 170 (1970), 266, 268ff. 130 131
5 2
Notwendiger
Zurechnungsdurchgriff
507
gen und damit insoweit von einer Wesensanwendbarkeit i.S.v. Art. 19 Abs. 3 G G nicht gesprochen werden kann 134 und daß zum anderen die Gesellschaftssphäre im Gegensatz zur Privatsphäre der Gesellschafter nicht nur durch einen geringeren Persönlichkeitsbezug, sondern auch durch die Interessen Dritter bzw. der Allgemeinheit sowie die Funktionserfordernisse transparenter Märkte gekennzeichnet ist135. Es soll aber auch nicht unberücksichtigt bleiben, daß rechtlich verselbständigte Personenvereinigungen bezogen auf ihren eigenen Wirkungskreis über eine Geheimsphäre und einen sozialen Geltungsanspruch verfügen, deren Schutz insbesondere zur Sicherung ihrer eigenen Zweckverfolgung und damit auch derjenigen der Mitglieder geboten erscheint 136 . Die Beschränkung des verfassungsrechtlichen Persönlichkeitsschutzes von Handelsgesellschaften auf einen Funktionsschutz darf allerdings nicht dazu führen, daß diese im Ergebnis doch wieder ausschließlich auf den verhältnismäßig schwach ausgebildeten Schutz ihrer wirtschaftlichen Betätigung nach Art. 2 Abs. 1 G G verwiesen werden 137 . Hier ist zunächst an eine verstärkte Heranziehung der Art. 9, 12 und 14 G G zu denken 138 . Daneben besteht aber auch die Möglichkeit, bei der Ausgestaltung des Persönlichkeitsschutzes von Handelsgesellschaften die Tatsache zu berücksichtigen, daß zwischen diesem und dem Persönlichkeitsschutz der Gesellschafter eine enge Wechselwirkung bestehen kann 139 . So können sich etwa die Schädigung des Rufes der Gesellschaft bei personalistischer Struktur der Gesellschaft oder Beteiligung eines Unternehmergesellschafters auch ganz unabhängig von einer Beeinträchtigung der Unternehmensfunktionen auf die persönliche Ehre von Gesellschaftern auswirken 140 , wie dies auch etwa die aus dem Strafrecht bekannte Proble134
BVerfG v. 25.1.1984 BVerfGE 66, 116, 130; Kau, Persönlichkeitsschutz, S. 95 ff.; Druey, Geheimsphäre, S. 89f.; Schwerdtner, Persönlichkeitsrecht, S. 119f.; Leßmann, AcP 170 (1970), 266, 268; Hubmann, Persönlichkeitsrecht, S. 334f.; Wimmer, Bilanzpublizität, S. 20; unter zusätzlichem Hinweis auf den Menschenbezug des Art. 2 Abs. 2 G G Jarass, N J W 1989, 857, 860. 135 BVerfG V. 17.7.1984 BVerfGE 67, 100, 142f.; BVerfG v. 14.10.1987 BVerfGE 77, 121, 124f.; BVerfG v. 25.7.1988 N J W 1988, 3009; BVerfG v. 27.6.1991, FR 1991, 375, 387; B G H v. 24.10.1961 B G H Z 36, 77, 80; Hager, Z H R 158 (1994), 675, 677; Leßmann, AcP 170 (1970), 266, 280; Windbichler, C R 1988, 447, 452; Wimmer, Bilanzpublizität, S. 28. 136 BVerfG v. 25.1.1984 BVerfGE 66,116,130; B G H v. 3.6.1986 B G H Z 98, 94,97; Schwerdtner, Persönlichkeitsrecht, S. 120ff.; Kau, Persönlichkeitsschutz, S. 99ff.; Hubmann, Persönlichkeitsrecht, S. 335; Leßmann, AcP 170 (1970), 266, 277; vgl. auch für den zivilrechtlichen Persönlichkeitsschutz Raiser, FS Traub, S. 331, 336ff. 137 In diese Richtung bereits BVerfG v. 3.5.1994 N J W 1994, 1784; Kau, Persönlichkeitsschutz, S. 105f. und SachsIMurswiek, Art. 2 Rn. 77; zu diesbezüglichen Gefahren einer „menschenrechtlichen Auslegung" der Grundrechte siehe etwa Badura, D O V 1990, 353, 359. 138 BVerfG v. 1.10.1987 N J W 1988, 890, 892 (Schutz von Aufsichtsratsprotokollen neben Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 G G auch durch Art. 14 GG); Jarass, NJW 1989, 857, 860; Merten, HStR VI § 144 Rn. 51; Hager, Z H R 158 (1994), 675, 677. 139 Dazu näher 2. Kap. § 1 D und § 3 A IV. 140 Siehe dazu insbesondere B G H v. 8.7.1980 B G H Z 78, 24, 26f.; vgl. dazu auch B G H v. 24.10.1961 B G H Z 36, 77, 83 (mögliche Betroffenheit des Inhabers eines Bankhauses bei dessen rufschädigender Nennung in einem Zeitungsartikel).
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5. Kapitel:
Zurechnungsrelevanz
der
Unternehmergesellschafterstellung
matik der Beleidigung unter einer Kollektivbezeichnung verdeutlicht 1 4 1 . In vielen Fällen sind bei der Angabe von Unternehmensdaten nicht allein anonyme Kapitalinteressen und die informationelle Selbstbestimmung über wirtschaftliche Daten oder die Selbstdarstellung ausschließlich unternehmensbezogener Tätigkeit betroffen, sondern auch die Persönlichkeit des beruflich und finanziell besonders engagierten Gesellschafters 1 4 2 . U m g e k e h r t stellen sich Eingriffe in die Menschenwürde von maßgeblichen Gesellschaftern bei einem unmittelbaren Bezug zur Unternehmenstätigkeit zugleich als Verletzungen der gesellschaftlichen Persönlichkeitsrechte dar 143 . Vor diesem Hintergrund erscheint es dann vornehmlich als eine Frage der Effektivität und Rationalität des Rechtsschutzes, ob im konkreten Fall (zunächst) der Gesellschaft und/oder den betroffenen Gesellschaftern das R e c h t zur Geltendmachung der Grundrechtsverletzung zugebilligt wird 1 4 4 . K o n struktiv ließe sich jedenfalls mit Hilfe einer Zurechnung der Menschenwürde der betroffenen Gesellschafter zur Gesellschaft die vollständige Wesensanwendbarkeit des verfassungsrechtlichen Persönlichkeitsschutzes auf die G e sellschaft gewährleisten 1 4 5 und damit neben dem Schutz der Gesellschaftstätigkeit auch der Schutz der Persönlichkeitsrechte der hinter der Gesellschaft stehenden natürlichen Personen absichern 1 4 6 . Sollten mithin durch die rechtliche Verselbständigung der Gesellschaft und das Erfordernis einer eigenen Betroffenheit (§ 90 Abs. 1 B V e r f G G ) einerseits und die fehlende Menschenwürde der Gesellschaft andererseits für die Gesellschafter oder die Gesellschaft Schutzlücken entstehen, könnten sie auf diese Weise geschlossen wer141 Siehe dazu sowie insbesondere zu den Erfordernissen eines überschaubaren und klar abgrenzbaren Betroffenenkreises Sohönke/Schröder/LeKC&ner, Vor § 185 StGB Rn. 5 ff. und L K I H e r d e g e n , Vor § 185 StGB Rn. 20ff. 142 Dazu bereits 2. Kap. § 1 D I und § 3 A IV 2; an dieser Stelle nur Friauf, G m b H R 1985, 245, 252 f.; ders., G m b H R 1991, 397, 407; Weimar/Reeh, D B 1988, 1637 und Druey, Geheimsphäre, S. 165 f. mit Fn. 95 sowie speziell für den Datenschutz Zöllner, Z H R 149 (1985), 179, 182f. und Gola/Schomerus, B D S G § 3 Nr. 2.9. 143 Siehe dazu die zivilrechtlichen Fälle B G H v. 3.6.1975 N J W 1975, 1882, 1883 (Verletzung der Ehre von Mitbegründern einer Aktiengesellschaft); B G H v. 8.7.1980 B G H Z 78, 24, 26f. (Herabwürdigung gesellschaftsbezogener Tätigkeiten eines persönlich haftenden Gesellschafters). 144 Siehe dazu Leßmann, AcP 170 (1970), 266, 272f.; Helle, Persönlichkeit, S. 95; MeyerAbich, Eigentumsgarantie, S. 101 f. (ausschließliche Rechtszuständigkeit der Gesellschaft); zur Klagebefugnis eines Personengesellschafters bei ehrverletzenden Angriffen gegen die Gesellschaft siehe etwa R G v. 12.5.1919 R G Z 95, 339, 341; zur (zivilrechtlichen) Rechtszuständigkeit des Unternehmergesellschafters bei Schädigung des Rufes einer inzwischen aufgelösten Gesellschaft siehe B G H v. 26.10.1953 N J W 1954, 72. 145 Vgl. dazu auch für die Genossenschaft H. Westermann, FS König, S. 345, 352 ff.; zweifelnd insoweit allerdings Kau, Persönlichkeitsschutz, S. 36f. 146 Auf diese Dimension des Gesellschaftsschutzes verweisen mit Recht H. Westermann, FS König, S. 345, 352f.; Hubmann, Persönlichkeitsrecht, S. 333; Leßmann, AcP 170 (1970), 266, 269; Helle, Persönlichkeit, S. 95 und Serick, Rechtsform, S. 174; krit. Kau, Persönlichkeitsschutz, S. 94 f.
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Notwendiger
Zurechnungsdurchgriff
509
den. D a ein derart personal gefärbter P e r s ö n l i c h k e i t s s c h u t z der Gesellschaft j e d o c h e i n e n i n d i v i d u a l i s i e r b a r e n B e z u g z u r M e n s c h e n w ü r d e aller o d e r z u mindest einzelner Gesellschafter voraussetzt, entscheidet damit nicht zuletzt die p e r s o n a l i s t i s c h e S t r u k t u r d e r G e s e l l s c h a f t , i n s b e s o n d e r e die P r ä s e n z e i n e s U n t e r n e h m e r g e s e l l s c h a f t e r s , ü b e r d i e Z u b i l l i g u n g des v o l l w e r t i g e n
verfas-
s u n g s r e c h t l i c h e n P e r s ö n l i c h k e i t s s c h u t z e s 1 4 7 . D a es s i c h u m e i n e i s o l i e r t e u n d nicht u m eine k o n k u r r i e r e n d e Z u r e c h n u n g handelt, k a n n die Z u r e c h n u n g der M e n s c h e n w ü r d e eines U n t e r n e h m e r g e s e l l s c h a f t e r s auch n i c h t gegen diejenige der Mitglieder der Leitungsorgane ausgespielt werden148. B l i c k t m a n a u f d i e e i n z e l n e n E l e m e n t e des P e r s ö n l i c h k e i t s s c h u t z e s , s o w i r d z u n ä c h s t die W e s e n s a n w e n d b a r k e i t d e s g r u n d r e c h t l i c h e n E h r e n s c h u t z e s a u f Personenvereinigungen gerade auch im H i n b l i c k auf den E h r e n s c h u t z der Mitglieder ganz überwiegend befürwortet149. W i e sehr hier teilweise Vorstell u n g e n v o m v o r g e l a g e r t e n S c h u t z des p e r s o n a l e n K e r n s e i n e R o l l e s p i e l e n , w i r d auch aus der D i s k u s s i o n u m d e n E h r e n s c h u t z v o n Stiftungen ersichtl i c h 1 5 0 . W a s s c h l i e ß l i c h das G r u n d r e c h t auf i n f o r m a t i o n e l l e S e l b s t b e s t i m m u n g a n b e t r i f f t , s o ist d e r S c h u t z d e r G e s e l l s c h a f t s d a t e n m i t H i l f e v o n A r t . 1 A b s . 1 i . V . m . A r t . 2 A b s . 1 G G w e i t g e h e n d a n e r k a n n t 1 5 1 . D a r ü b e r h i n a u s ist a u c h h i e r v o r d e m H i n t e r g r u n d des r e g e l m ä ß i g s c h w ä c h e r e n S c h u t z e s w i r t s c h a f t l i -
1.7 Siehe zur Maßgeblichkeit der personalen Gesellschaftsstruktur H. Westermann, FS König, S. 345, 353 (einer Gesellschaft könne das allgemeine Persönlichkeitsrecht nur zuerkannt werden, wenn sie in sich so viel Menschliches vereine, daß die Gesellschaft des dem Menschen selber zugedachten Schutzes bedürftig und würdig sei); ferner Leßmann, AcP 170 (1970), 266, 278 f. 1.8 Ein Problem der Zurechnungskonkurrenz sieht aber offenbar Wimmer, Bilanzpublizität, S. 22; zur isolierten Zurechnung generell 5. Kap. § 1 A II. 149 B G H v. 3.6.1975 N J W 1975, 1882, 1883f.; B G H v. 25.9.1980 B G H Z 78,274,278f.; B G H v. 26.6.1981 B G H Z 81, 75, 78; B G H v. 17.4.1984 B G H Z 91, 117, 120f.; B G H v. 3.6.1986 B G H Z 98, 94, 97; Dreier, in: Dreier (Hrsg.) G G Art. 2 Rn. 56; Sachs/Murswiek, Art. 2 Rn. 77; vgl. zum strafrechtlichen Ehrenschutz einer als Verleger tätigen Kapitalgesellschaft auch B G H v. 8.1.1954 B G H S t 6, 186, 187; für einen bloßen Funktionsschutz bei Beeinträchtigungen des zweckbestimmten Wirkens Kau, Persönlichkeitsschutz, S. 102f. und Schwerdtner, Persönlichkeitsrecht, S. 122; für einen Schutz durch Art. 12 und 14 G G Jarass, N J W 1989, 857, 860. 150 Zweifelnd angesichts des fehlenden personalen Substrats Ebersbach, Handbuch des Stiftungsrechts, S. 74; für einen Ehrenschutz von Stiftungen allerdings Druey, Geheimsphäre, S. 105 und Seifart/v. Campenhausen, Stiftungsrecht, § 9 Rn. 157. 151 BVerfG v. 17.7.1984 BVerfGE 67,100,142f. (Steuerdaten; zusätzlich gestützt auf Art. 14 GG); BVerfG v. 1.10.1987 N J W 1988, 890, 892 (Schutz von Aufsichtsratsprotokollen; zusätzlich gestützt auf Art. 14 GG); BVerfG v. 3.5.1994 N J W 1994, 1784f. (gestützt auf Art. 2 Abs. 1 GG); B a y O b L G v. 24.11.1994 G m b H R 1995, 307 (Verfassungsmäßigkeit der Publizitätspflicht einer Familien-GmbH); Druey, Geheimsphäre, S. 113; ausdrücklich nur im Sinne eines Funktionsschutzes Kau, Persönlichkeitsschutz, S. 102 ff.; Hubmann, Persönlichkeitsrecht, S. 337; lediglich gestützt auf Art. 2 Abs. 1 G G SachsIMurswiek, Art. 2 Rn. 77; krit. Merten, HStR VI § 144 Rn. 51 (Schutz über Art. 9 Abs. 1 G G ) und Jarass, N J W 1989, 857, 860 (Schutz über Art. 14 GG); ausschließlich für einen Schutz der Gesellschafter eintretend Schmitt Glaeser, HStR VI § 129 Rn. 88.
510
5. Kapitel:
Zurechnungsrelevanz
der
Unternehmergesellschafterstellung
eher Daten 152 ein besonderer Schutz der Gesellschaft zu erwägen, wenn die unternehmensbezogenen Daten naheliegende Rückschlüsse auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse von Gesellschaftern zulassen153.
bbb) Die Anwendbarkeit
der Berufsfreiheit
auf
Gesellschaften
Das Grundrecht der Berufsfreiheit weist einen in Rechtsprechung und Literatur immer wieder hervorgehobenen Bezug zur Persönlichkeitsentfaltung des Grundrechtsträgers auf154. Die Anwendung des Art. 12 G G auf Gesellschaften wurde daher verschiedentlich mit dem Argument in Frage gestellt, daß diese nur das Organisationsmittel zur beruflichen Persönlichkeitsentfaltung der im Unternehmen Tätigen einschließlich der sich selbst im Unternehmen betätigenden Unternehmer darstellten 155 . Diese Ansicht ist jedoch zurückzuweisen 156 . Sie verkennt nicht nur die große Bedeutung der Berufsfreiheit von Gesellschaften für die Wirtschaftsordnung und den Schutz der Gesellschaftstätigkeit 157 . Sie läßt auch die Möglichkeit eines Durchgriffs auf die hinter der Gesellschaft stehenden Berufstätigen und damit eine Zurechnung von deren Menschenwürde im Rahmen der durch Art. 19 Abs. 3 G G gebotenen Normanwendung außer Acht.
ccc) Die Anwendbarkeit
der Vereinigungsfreiheit
auf
Gesellschaften
Nach überwiegender Ansicht schützt das Grundrecht der allgemeinen Vereinigungsfreiheit (Art. 9 Abs. 1 G G ) nicht nur die individuelle Vereinigungsfreiheit (Gründungs-, Beitritts-, Organisations-, Betätigungs- und negative
Siehe dazu nur Druey, Geheimsphäre, S. 115 und Breuer, NVwZ 1986, 171, 174f. Dazu bereits 2. Kap. § 3 A IV 2; siehe an dieser Stelle nur zur Selbstbestimmung über Steuerdaten BVerfG v. 17.7.1984 BVerfGE 67, 100, 142f.; zu den Publizitätspflichten kleiner und mittlerer GmbHs Friauf, GmbHR 1991, 397, 406f. und GmbHR 1985, 245, 252f.; zur künftigen Erweiterung des derzeit nach § 3 Abs. 1 BDSG und Art. 2 lit. a EG-Datenschutzrichtlinie 95/46/EG nur für personenbezogene Unternehmensdaten bestehenden einfachgesetzlichen Datenschutzes auf die Daten juristischer Personen Tuner, DuD 1985, 20, 25 f. 154 Siehe dazu nur BVerfG v. 11.6.1958 BVerfGE 7, 377, 397; BVerfG v. 16.3.1971 BVerfGE 30,292, 334; BVerfG v. 1.3.1979 BVerfGE 50,290, 362; AK-GG/Rittstieg, Art. 12 Rn. 65; Wieland, in: Dreier (Hrsg.) GG Art. 12 Rn. 39; Bryde, NJW 1984, 2177, 2182. 155 VGH Bebenhausen v. 28.9.1955 DÖV 1955, 733; ML-GG! Rittstieg, Art. 12 Rn. 65 und 166f.; Haußleiter, D Ö V 1952, 496, 497. 156 Mit Recht ablehnend BVerfG v. 4.4.1967 BVerfGE 21, 261, 266; BVerfG v. 16.3.1971 BVerfGE 30, 292, 312; BVerfG v. 1.3.1979 BVerfGE 50, 290, 362ff.; Gubelt, in: v. Münch/Kunig Art. 12 Rn. 6. 157 Für das Gesellschaftsrecht eingehend Nicolin, Berufsfreiheit, S. 37ff. sowie allgemein Mestmäcker, FS H. Westermann, S. 411, 415; Papier, W D S t R L 35 (1977), 55, 58 und H.-P. Schneider, W D S t R L 43 (1985), 7, 40f. 152 153
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Zurechnungsdurchgriff
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Vereinigungsfreiheit) 158 , sondern auch als Kollektivgrundrecht und ohne Rückgriff auf Art. 19 Abs. 3 G G die Vereinigung als solche in ihrem Bestand 159 sowie zumindest im Kernbereich ihrer vereinigungsspezifischen Betätigung 160 . Danach erlangt Art. 19 Abs. 3 G G in Verbindung mit dem jeweiligen Spezialgrundrecht für die externe Betätigung der Vereinigung nur noch insoweit eine Bedeutung, als diese sich wie andere Privatrechtssubjekte etwa im Wettbewerb oder beim Zusammenschluß mit anderen Privatrechtssubjekten betätigt 161 . Da jedoch auch die kollektive Vereinigungsfreiheit letztlich der persönlichen Entfaltung der beteiligten Individuen dient und damit einen personalen Grundzug aufweist 162 , wird ihr Schutz für Kapitalgesellschaften verschiedentlich ganz in Frage gestellt bzw. auf den Vorgang der Gesellschaftsgründung beschränkt. Begründet wird dies damit, daß die Mitgliedschaft in Kapitalgesellschaften regelmäßig nicht Bestandteil der individuellen Lebensgestaltung sei und die Bindungen der Mitglieder untereinander sowie zur Gesellschaft eine geringe Intensität aufwiesen 163 . Diese Einschränkung, die bereits ange158 BVerfG v. 18.12.1974 BVerfGE 38, 281, 298 und 303; R. Scholz, in: Maunz/Dürig G G Rn. 78 ff. zu Art. 9; Bauer, in: Dreier (Hrsg.) G G Art. 9 Rn. 17; Badura/Rittner/Rüthers, Gemeinschaftsgutachten, S. 215. 159 BVerfG v. 18.10.1961 BVerfGE 13, 174, 175; BVerfG v. 24.2.1971 BVerfGE 30, 227, 241; BVerfG v. 26.2.1987 BVerfGE 80, 244, 253. 160 So unter Hinweis auf den engen Zusammenhang von individueller und kollektiver Vereinigungsfreiheit BVerfG v. 24.2.1971 BVerfGE 30, 227, 241 ff. (Verfolgung eines wesentlichen satzungsmäßigen Zwecks); BVerfG v. 1.3.1979 BVerfGE 50, 290, 354 („Führung ihrer Geschäfte", was allerdings nicht zwingend auch die externe Betätigung einschließt); BVerfG v. 26.2.1987 BVerfGE 80,244,253 (Schutz des Kernbereichs des Vereinsbestands und der Vereinstätigkeit); BVerfG v. 9.10.1991 BVerfGE 84, 372, 378f. (Schutz der vereinigungssichernden Außenkontakte wie Mitgliederwerbung und Selbstdarstellung); BVerfG v. 12.10.1995 N J W 1996, 1203 („Führung der Geschäfte"); einschränkend BVerfG v. 14.5.1985 BVerfGE 70, 1, 25 (kein Schutz der allgemeinen Teilnahme am Rechtsverkehr); Bauer, in: Dreier (Hrsg.) G G Art. 9 Rn. 29ff. und 40; Löwer, in: v. Münch/Kunig Art. 9 Rn. 32; Ottmann, Vereinigungsfreiheit, S. 153 ff.; a.A. R. Scholz, in: Maunz/Dürig G G Rn. 23 ff. zu Art. 9 (Einordnung der Vereinigungsfreiheit als bloßes Ausübungsrecht); Sachs /Höfling, Art. 9 Rn. 26; Wollburg, Anwendbarkeit, S. 148ff.; differenzierend A K - G G / R i n k e n , Art. 9 I Rn. 55f. (Schutz der Außenbetätigung des Kollektivs nach Art. 19 Abs. 3 G G und Schutz der Innenbetätigung unmittelbar durch Art. 9 Abs. 1 GG); ebenso Merten, HStR VI § 144 Rn. 50f., der z.B. entgegen BVerfG v. 1.10.1987 N J W 1988, 890, 892 zum Schutz von Vereinsdaten unmittelbar auf Art. 9 Abs. 1 G G zurückgreifen möchte. 161 BVerfG v. 14.5.1985 BVerfGE 70, 1, 25; zur Anwendbarkeit des Art. 12 Abs. 1 G G bzw. des Art. 9 Abs. 1 G G i.V.m. Art. 19 Abs. 3 G G bei wirtschaftlicher bzw. assoziativer Betätigung der Vereinigung R. Scholz, in: Maunz/Dürig G G Rn. 25 zu Art. 9 und Wollburg, Anwendbarkeit, S. 137ff. 162 BVerfG v. 1.3.1979 BVerfGE 50, 290, 353f.; A K - G G / R i n k e n , Art. 9 I Rn. 42; SchmidtBleibtreu/Klein/Kannengießer, Art. 9 Rn. 5d; eingehend Wollburg, Anwendbarkeit, S. 40ff.; krit. Ottmann, Vereinigungsfreiheit, S. 99 ff. 163 A K - G G / R i n k e n , Art. 9 I Rn. 48; v. Falkenhausen, Mehrheitsherrschaft, S. 103 (Art. 9 Abs. 1 G G befasse sich nur mit dem Schutz von Personenverbänden, so daß Kapitalgesellschaften als Vermögensverbände nur insoweit erfaßt werden würden, als in ihr Gesellschafter
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5. Kapitel:
Zurechnungsrelevanz
der
Unternehmergesellschafterstellung
sichts des allgemein von Gesellschaften sprechenden Wortlauts des Art. 9 Abs. 1 G G und des auch bei Anlagegesellschaftern in reinen Publikumskapitalgesellschaften bestehenden Schutzbedürfnisses nicht gerechtfertigt ist164, kann jedenfalls dann nicht mehr zum Tragen kommen, wenn hiervon Unternehmergesellschafter betroffen wären. Diese verdienen entgegen der offenbar auch vom Bundesverfassungsgericht geteilten Ansicht nicht nur dann den besonderen Schutz der Vereinigungsfreiheit, wenn sie sich in einer Gesellschaft gleichberechtigter Mitunternehmer vereinigen, sondern auch dann, wenn sie als einziger Inhaber eines Großanteils die Gesellschaft beherrschen und dadurch das personale Element der Vereinigungsfreiheit der Mitgesellschafter möglicherweise eingeschränkt ist165. Anderenfalls würde der allgemein anerkannte primäre Charakter des Art. 9 Abs. 1 G G als Individualgrundrecht in Frage gestellt. Die Sonderstellung maßgeblicher und persönlich engagierter Anteilseigner und ihrer Gesellschaften, wird daher auch von den Vertretern einer Einschränkung der Vereinigungsfreiheit zumeist ausdrücklich eingeräumt 166 .
hh) Die Zurechnung der Menschenwürde intensität von Grundrechten
als Faktor der Schutz-
Neben dem „ O b " wird insbesondere auch das „Wie" des Grundrechtsschutzes ganz maßgeblich durch den Persönlichkeitsbezug der Grundrechtsausübung geprägt. Vor diesem Hintergrund ist der Grundrechtsschutz einer körperschaftlich strukturierten Gesellschaft ohne Unternehmergesellschafter namentlich im Anwendungsbereich der personal geprägten Freiheitsrechte verhältnismäßig schwach ausgebildet167. Andererseits vermag die Beteiligung persönlich tätig wären, wie dies bei der Gründung regelmäßig der Fall sei); zweifelnd, aber letztlich offenlassend auch BVerfG-v. 1.3.1979 B V e r f G E 50, 290, 355f. und 357f.; zweifelnd auch Schmidt-Bleibtreu/Klein/Ä"