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German Pages 253 Year 2012
Schriften zum Strafrecht Heft 229
Der Strafgrund der Verbrechensverabredung gem. § 30 Abs. 2, Alt. 3 StGB Von
Karina Becker
Duncker & Humblot · Berlin
KARINA BECKER
Der Strafgrund der Verbrechensverabredung gem. § 30 Abs. 2, Alt. 3 StGB
Schriften zum Strafrecht Heft 229
Der Strafgrund der Verbrechensverabredung gem. § 30 Abs. 2, Alt. 3 StGB
Von
Karina Becker
Duncker & Humblot · Berlin
Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster hat diese Arbeit im Jahre 2010 als Dissertation angenommen.
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© 2012 Duncker & Humblot GmbH, Berlin
Fremddatenübernahme: Process Media Consult GmbH, Darmstadt Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0558-9126 ISBN 978-3-428-13704-6 (Print) ISBN 978-3-428-53704-4 (E-Book) ISBN 978-3-428-83704-5 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706
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Vorwort Die vorliegende Abhandlung wurde im Sommersemester 2010 vom Fachbereich Rechtswissenschaft der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster als Dissertation angenommen. Für die Veröffentlichung konnten Rechtsprechung und Schrifttum bis einschließlich Juli 2011 berücksichtigt werden. Meinem Doktorvater, Herrn Professor Dr. Ulrich Stein, danke ich herzlich für die vorbildliche Betreuung der Arbeit. Er stand jederzeit für Fragen und Anregungen zur Verfügung und brachte die Arbeit durch seine konstruktive Kritik stets voran. Dank gebührt auch Frau Privatdozentin Dr. Anette Grünewald für die zügige Zweitbegutachtung. Daneben gilt mein besonderer Dank Herrn Professor Dr. Mark Deiters, der mir die Möglichkeit bot, als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Westfälischen WilhelmsUniversität zu arbeiten und mir die entscheidende Anregung für das Thema dieser Arbeit gab. Von Herzen danke ich meinen Eltern, Irmela und Klaus Becker, die mich auf meinem Weg immer unterstützt und gefördert haben. Ich danke meinem Lebensgefährten, Nana Baidoo, von Herzen dafür, dass er immer an mich geglaubt hat und mir sowohl persönlich als auch fachlich, durch Diskussionen und die Korrektur meiner Arbeit, zur Seite stand. Darüber hinaus danke ich meinen Freunden, die mich auf diesem Weg begleitet haben, insbesondere Stefanie Budde, Simone Bürschen und Maral Kashgar für die Unterstützung bei der Korrektur der Arbeit und die wertvollen fachlichen Anregungen. Münster, im August 2011
Karina Becker
Inhaltsverzeichnis 1. Teil Einleitung
13
A. Zielsetzung der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 B. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 2. Teil Historische Entwicklung der Vorbereitungsstrafbarkeit
15
A. Die Einfügung des § 49a RStGB in das Reichsstrafgesetzbuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 I. Tatsächlicher Auslöser: der Duchesne-Fall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 II. Das Gesetzgebungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 III. Kritische Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 IV. Systematische Einordnung des Gesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 1. § 49a RStGB als delictum sui generis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 2. § 49a RStGB als unselbstständiges Delikt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 B. Die Reformentwürfe seit 1909 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 C. Die Strafrechtsangleichungsverordnung von 1943 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 D. Die Fortgeltung der nationalsozialistischen Gesetzesfassung des § 49a RStGB nach 1945 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 E. Das 3. Strafrechtsänderungsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 F. Die Einfügung des heutigen § 30 StGB im Jahre 1975 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 3. Teil Der geltende § 30 StGB und seine Auslegung
37
A. Systematische Einordnung des § 30 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37
8
Inhaltsverzeichnis
B. Die Verabredung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 I. Ableitung des Verabredungsbegriffes aus den Komplotttheorien . . . . . . . . . . . . . . 38 1. Die Theorie der wechselseitigen Anstiftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 2. Abweichende Theorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 a) Das Bestimmen im Sinne des § 26 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 aa) Das Bestimmen als Hervorrufen des Tatentschlusses . . . . . . . . . . . . . . . 41 (1) Definition des Begriffes Tatentschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 (a) Positive Begriffsbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 (b) Begriffsbestimmung anhand der Abgrenzung zur Tatgeneigtheit
44
(c) Der Tatentschluss als Vorgang von Überlegungen . . . . . . . . . . . . 45 (d) Kritische Würdigung der unterschiedlichen Ansätze . . . . . . . . . 48 (2) Das „Hervorrufen“ des Tatentschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 (a) Das Kausalitätsverständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 (b) Das Kausalitätsverhältnis zwischen der Teilnehmerhandlung und der Willensbildung des Täters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 bb) Abweichende Ansätze zur Definition des „Bestimmens“ . . . . . . . . . . . . 55 (1) Die Unrechtspaktstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 (2) Die Theorie von den Verhaltensnormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 cc) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 b) Anwendung auf die hier diskutierte Konstellation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 II. Der heute anerkannte Begriff der Verabredung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 1. Die Willenseinigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 a) Die bedingte Einigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 aa) Der bedingte Akt der Vereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 bb) Der bedingte Inhalt der Vereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 b) Das Zugangserfordernis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 c) Die Scheinverabredung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 2. Die Vereinbarung mittäterschaftlicher Beiträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 a) Ständige Rechtsprechung zur Mittäterschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 b) Aktuelle Rechtsprechung zur Verbrechensverabredung . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 3. Die Konkretisierung der geplanten Tat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 a) Verständigung über den Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94
Inhaltsverzeichnis
9
b) Erforderliche Konkretisierung des Opfers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 c) Die Entwicklung der Rechtsprechung zur Konkretisierung . . . . . . . . . . . . . . 102 aa) Die Grundaussage der Entscheidung aus dem Jahr 1994 . . . . . . . . . . . . 102 bb) Die aktuelle Rechtsprechung zu der erforderlichen Konkretisierung . . . 103 4. Besondere Verabredungsarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 a) Die alternative Verabredung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 aa) Alternative zwischen zwei Verbrechen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 bb) Alternative zwischen einem Verbrechen und einem Vergehen . . . . . . . . 108 cc) Alternative zwischen mittäterschaftlicher und anderweitiger Begehung . 109 dd) Alternative zwischen zwei mittäterschaftlichen Begehungsalternativen desselben Verbrechens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 ee) Einordnung dieser Varianten als Unterformen der bedingten Verabredung 110 (1) Alternative mit nur einer möglicherweise strafbaren Begehungsvariante . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 (2) Alternative mit mehreren möglicherweise strafbaren Begehungsvarianten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 ff) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 b) Die untaugliche Verabredung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 C. Die weiteren Varianten des § 30 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 I. Die versuchte Anstiftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 1. Die Ernsthaftigkeit der Erklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 2. Die Anstiftungshandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 a) Die Bestimmung der Strafbarkeitsgrenze des § 30 Abs. 1 StGB anhand von § 22 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 b) Die selbstständige Bestimmung der Strafbarkeitsgrenze . . . . . . . . . . . . . . . . 122 c) Stellungnahme: Die selbstständige Bestimmung der Strafbarkeitsgrenze oder die Anwendung des § 22 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 d) Stellungnahme: Die konkreten Anforderungen an den Bestimmungsversuch 126 aa) Vereinbarkeit des Ansatzes von Roxin mit dem Strafgrund . . . . . . . . . . 127 (1) Die Voraussetzungen des strafbaren erfolgsqualifizierten Versuchs . 129 (2) Übertragung der Grundsätze auf die Konstellation der unbeendeten, entäußerten Bestimmungsversuche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 bb) Konsequenzen für die Strafbarkeitsgrenze des Anstiftungsversuchs . . . . 135 3. Die Bedeutung des Verweises auf § 23 Abs. 3 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137
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Inhaltsverzeichnis 4. Die Erscheinungsformen der versuchten Anstiftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 II. Das Sich-bereit-Erklären . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 1. Die Ernsthaftigkeit der Erklärungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 2. Das Zugangserfordernis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 III. Die Annahme des Erbietens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 1. Systematische Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 a) Einordnung als modifizierter Anstiftungsversuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 b) Einordnung als Pönalisierung psychischer Beilhilfehandlungen . . . . . . . . . . 149 c) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 d) Rückgriff auf den zugrunde liegenden Strafgrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 2. Die Ernsthaftigkeit der Erklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157
D. Das Verhältnis der Varianten untereinander . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 4. Teil Der Strafgrund der Verbrechensverabredung
162
A. Die Legitimierung von Strafe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 I. Das Unrecht als Grundlage der Strafe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 II. Die Zusammensetzung des Unrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 1. Der Handlungsunwert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 2. Der Erfolgsunwert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 B. Anwendung dieser Erkenntnisse auf die Verabredung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 I. Der Erfolgsunwert der Verabredung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 II. Der Handlungsunwert der Verabredung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 C. Die Begründungsansätze für eine Rechtfertigung der Verabredungsstrafbarkeit . . . . . 172 I. Die Teilrechtsgütertheorie von Jakobs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 II. Rückgriff auf die Begründungsansätze für die abstrakten Gefährdungsdelikte . . . 176 1. Abstrakte Gefährdungsdelikte, die eine unmittelbar gefährliche Handlung unter Strafe stellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 2. Vorverlagernde abstrakte Gefährdungsdelikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178
Inhaltsverzeichnis
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III. Die Legitimation der Verabredungsstrafbarkeit durch die besondere Gefährlichkeit 182 1. Der Gefahrbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 a) Der Unterschied zwischen konkreter und abstrakter Gefahr . . . . . . . . . . . . . 184 b) Der Unterschied zwischen einem Gefahrzustand und einem gefährlichen Verhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 c) Die Gefährlichkeit des angestoßenen Verlaufs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 d) Die Anwendung der Gefahrdefinitionen auf den Strafgrund des Kontrollverlustes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 e) Die Anwendung der Gefahrdefinitionen auf den Strafgrund der erhöhten Willensbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 f) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 2. Überprüfung der behaupteten Gefährlichkeit der Verabredung . . . . . . . . . . . . . 193 a) Der Kontrollverlust . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 aa) Der Eintritt des Kontrollverlustes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 bb) Die eigene Gefährlichkeit der Verabredungshandlung . . . . . . . . . . . . . . 197 b) Die gesteigerte Willensbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 aa) Der Eintritt der erhöhten Willensbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 bb) Die hinreichende Gefährlichkeit der Verabredungshandlung . . . . . . . . . 210 (1) Die eigene Gefährlichkeit der Verabredungshandlung . . . . . . . . . . . 210 (2) Die Begründung der Strafbarkeit infolge der Gefährlichkeit . . . . . . 211 (a) Die Gefährlichkeit der Vorbereitungen eines Einzeltäters . . . . . . 211 (b) Die Gefährlichkeit der Verabredung im Vergleich zu derjenigen der Vorbereitungen eines Einzeltäters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 5. Teil Die Strafgründe der anderen Varianten des § 30 StGB
218
A. Allgemeine Erkenntnisse zu den echten Vorbereitungshandlungen . . . . . . . . . . . . . . . 218 B. Überprüfung der angeführten Strafgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 I. Die versuchte Anstiftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 1. Eintritt des Kontrollverlustes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 2. Die eigene Gefährlichkeit des Bestimmungsversuchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 3. Die Gefährlichkeit des Bestimmungsversuchs im Vergleich zu derjenigen der Vorbereitungen eines Einzeltäters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225
12
Inhaltsverzeichnis II. Die Annahme eines Erbietens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 1. Eintritt des Kontrollverlustes als typische Folge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 2. Die eigene Gefährlichkeit der Annahme eines Erbietens . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 III. Das Sich-Bereit-Erklären . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 1. Das Sich-Erbieten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 a) Der Eintritt der gesteigerten Willensbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 b) Die eigene Gefährlichkeit des Sich-Erbietens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 c) Die Gefährlichkeit des Sich-Erbietens im Vergleich zu derjenigen der Vorbereitungen eines Einzeltäters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 2. Die Annahme einer Aufforderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 a) Der Eintritt der erhöhten Willensbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 b) Die eigene Gefährlichkeit der Annahme einer Aufforderung . . . . . . . . . . . . 237 c) Die Gefährlichkeit der Annahme einer Aufforderung im Vergleich zu derjenigen der Vorbereitungen eines Einzeltäters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 3. Ergebnis für die Strafwürdigkeit des Sich-Bereit-Erklärens . . . . . . . . . . . . . . . . 238 IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 6. Teil Ergebnis und kritischer Ausblick
240
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251
1. Teil
Einleitung A. Zielsetzung der Arbeit Diese Arbeit hat sich zum Ziel gesetzt, die Vorbereitungsstrafbarkeit gem. § 30 StGB einer kritischen Überprüfung zu unterziehen. Dabei soll es in erster Linie um die grundsätzliche Frage der Legitimation einer solchen weiten Vorfeldbestrafung gehen. Das Besondere an der Regelung des § 30 StGB ist darin zu sehen, dass sie eine Ausnahme des anerkannten Grundsatzes der Straflosigkeit von Vorbereitungshandlungen darstellt. Als Ausnahmetatbestand muss sich diese Vorschrift auch einer besonders gründlichen Überprüfung ihrer Berechtigung stellen. Während in der letzten Zeit die Kritik an der Vorfeldstrafbarkeit sehr leise geworden ist und sich die Diskussion in der Regel auf Auslegungsfragen beschränkte, wird sich diese Arbeit umfassend mit der Strafbegründung auseinandersetzen. Auch die herkömmliche Auslegung des Tatbestandes wird im Kontext der üblicherweise angeführten Strafgründe kritisch überprüft. Die Frage nach der Vorverlegung der Strafbarkeit in einen Bereich vor der Versuchsstrafbarkeit ist gerade in der heutigen Zeit von besonderer Bedeutung. Es lässt sich eine allgemeine Entwicklung erkennen, nach der die Strafbarkeit immer weiter in diesen Bereich ausgedehnt wird, so beispielsweise durch Tatbestände wie diejenigen der Bildung krimineller bzw. terroristischer Vereinigungen gem. §§ 129, 129a StGB oder aktuell den Tatbestand der Vorbereitung einer Gewalttat gem. § 89a StGB. Da der Vorbereitungsstrafbarkeit nach § 30 StGB als einzige Regelung im Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuches insofern eine besondere Bedeutung zukommt, ist die Frage nach ihrer Legitimation auch für diese allgemeine Tendenz in der Strafgesetzgebung von großer Bedeutung. Denn auch wenn die Vorschrift des § 30 StGB nicht auf diese neuere Strafgesetzgebung zurückzuführen ist, kann die Überprüfung ihrer Legitimation insofern möglicherweise Grenzen einer Vorverlagerung der Strafbarkeit in einem rechtsstaatlichen Strafrecht aufzeigen – diese wären dann auch für die neuere Entwicklung in der Strafgesetzgebung von Bedeutung. Im Mittelpunkt dieser Arbeit wird die Auseinandersetzung mit der Variante der Verbrechensverabredung gem. § 30 Abs. 2, Alt. 3 StGB stehen. Anhand dieser Variante werden die Schwierigkeiten im Rahmen der Strafbegründung näher untersucht, um anschließend die gewonnenen Erkenntnisse auch auf die übrigen
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1. Teil: Einleitung
Begehungsvarianten des § 30 StGB zu übertragen und auch deren Legitimation zu überprüfen.
B. Gang der Untersuchung Bevor sich die Arbeit der Auslegung der geltenden Gesetzesfassung des § 30 StGB widmet, wird zunächst die historische Entwicklung dieser Strafbarkeit dargestellt. Anschließend werden die Auslegungsprobleme im Rahmen der Verbrechensverabredung sowie im Rahmen der übrigen Varianten des § 30 StGB, also der versuchten Anstiftung, des Sich-Bereit-Erklärens und der Annahme eines solchen, erörtert. Im vierten Teil wird sich die Arbeit dann mit der Strafwürdigkeit der Verbrechensverabredung auseinandersetzen und untersuchen, ob diese Strafbarkeit tatsächlich mit dem üblicherweise angeführten Strafgrund legitimiert werden kann – oder ob sie sich auf eine andere Begründung stützen lässt. Zuletzt wird zu untersuchen sein, ob die im Rahmen der Verabredungsstrafbarkeit gewonnenen Erkenntnisse hinsichtlich der Legitimation auf die übrigen Varianten des § 30 StGB übertragen werden können und ob diese strafwürdig sind.
2. Teil
Historische Entwicklung der Vorbereitungsstrafbarkeit Den Gegenstand der Untersuchung bildet zunächst die Entwicklung, die die Vorbereitungsstrafbarkeit und insbesondere diejenige der Verbrechensverabredung von ihrer Einführung bis zur heutigen Gesetzesfassung durchlaufen hat. Nur vor diesem Hintergrund kann der heutige § 30 Abs. 2, Alt. 3 StGB in das System des deutschen Strafrechts eingeordnet werden. Ausdrücklich tauchte die Verbrechensverabredung in einem deutschen StGB erst im Jahre 1943 auf, eingeführt durch die Strafrechtsangleichungsverordnung der Nationalsozialisten. Im Jahre 1876, also bereits deutlich früher, wurde aber mit der Einfügung des § 49a RStGB in das Reichsstrafgesetzbuch die Basis für die Strafbarkeit gelegt. Deshalb soll im Folgenden diese Gesetzesnovelle als Ausgangspunkt der Untersuchungen dienen, wobei die bereits zuvor bestehenden Partikulargesetze aufgrund des begrenzten Umfangs der Arbeit nur am Rande erwähnt werden können.
A. Die Einfügung des § 49a RStGB in das Reichsstrafgesetzbuch Obwohl sich bis zum Jahre 1875 im Reichsstrafgesetzbuch keine Bestimmung fand, die die versuchte Anstiftung oder andere Fälle der erfolglosen Teilnahme an einem Delikt unter Strafe stellte, zeigten sowohl die Diskussion im damaligen Schrifttum1 als auch die vorhandenen Bestimmungen in den zuvor geltenden Partikulargesetzen die Relevanz dieser Frage auf. So kannte zum Beispiel bereits das bayerische StGB von 1813 in Art. 48 die Strafbarkeit der erfolglosen Anstiftung. Allerdings war Voraussetzung für die Strafbarkeit, dass das Verhalten des Täters, also des Angestifteten, bereits in irgendeiner Weise nach außen in Erscheinung getreten war.2 Der Auslöser für die Einfügung des § 49a RStGB ins Reichsstrafgesetzbuch ist dagegen nicht in diesen Partikulargesetzen oder der Diskussion in der Literatur zu sehen, sondern in einem tatsächlichen internationalen Vorfall. 1 2
Umfassende Darstellung: Busch, S. 1 ff. Busch, S. 19.
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2. Teil: Historische Entwicklung der Vorbereitungsstrafbarkeit
I. Tatsächlicher Auslöser: der Duchesne-Fall So wurde die Diskussion über die Einfügung einer Strafbarkeit von Handlungen, die noch nicht das Versuchsstadium eines Delikts begründen, durch das Angebot des belgischen Kesselschmiedes Duchesne-Poncelet an den Erzbischof von Paris3, gegen Zahlung einer großen Geldsumme ein Attentat auf den deutschen Reichskanzler Bismarck zu verüben, ausgelöst.4 Diese erfolglose Offerte, die im Jahre 1873 während des Kulturkampfes erfolgte5 und erst ein Jahr später publik wurde6, veranlasste die deutsche Reichsregierung dazu, den belgischen Nachbarn aufzufordern, die nötigen rechtlichen Schritte einzuleiten, um eine Bestrafung solcher Tätigkeiten zu ermöglichen7. In der Folge wurde in Belgien im Juli 1875 die „loi contenant des dispositions pénales contre les offres ou propositions de commettre d’action de crimes“ verabschiedet.8 Das Gesetz, das das Anerbieten und die Aufforderung, ein Verbrechen zu begehen oder daran teilzunehmen, oder deren Annahme unter Strafe stellte, erregte Aufsehen in der Wissenschaft9 und wurde als auf den Einzelfall zugeschnittenes Gelegenheitsgesetz kritisiert.10 Im Gegenzug zu dieser Erweiterung des belgischen Strafrechts hatte die deutsche Reichsregierung zugesagt, solche Verhaltensweisen auch im eigenen Land unter Strafe zu stellen.11
II. Das Gesetzgebungsverfahren Das anschließende Gesetzgebungsverfahren war durch eine kontroverse Debatte gekennzeichnet, in der sich auch die verschiedenen in der Literatur vertretenen Auffassungen widerspiegelten.12 Der Regierungsentwurf, der am 23. 11. 1875 in den Reichstag eingebracht wurde13, stellte das Unternehmen, einen anderen zur Begehung eines Verbrechens oder zur Teilnahme an einem Verbrechen zu verleiten, ebenso unter Strafe wie das Erbieten zur Begehung eines Verbrechens oder zur Teilnahme an
3 Dabei kann es sich, anders als einhellig in der Literatur angenommen wird, zeitlich nicht um den Pariser Erzbischof d’Affre gehandelt haben, da dieser nur bis zum Jahre 1848 im Amt war. Es müsste hingegen der Erzbischof Joseph Hippolyte Guibert gewesen sein. 4 v. Martitz, S. 669. 5 Busch, S. 47. 6 v. Martitz, S. 669. 7 v. Martitz, S. 669. 8 Busch, S. 49. 9 v. Martitz, S. 671. 10 Busch, S. 49. 11 Busch, S. 50. 12 Fieber, S. 48; umfassende Darstellung bei Busch, S. 50. 13 Fieber, S. 48.
A. Die Einfügung des § 49a RStGB in das Reichsstrafgesetzbuch
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einem solchen und die entsprechende Annahme.14 In der folgenden zweiten Lesung wurde der Entwurf stark kritisiert, wobei ihm teilweise eine Legitimation vollständig abgesprochen, teilweise hingegen die Strafbarkeit als nicht weitgehend genug angesehen wurde. So forderte Wolfsohn eine noch stärkere Ausdehnung der Strafbarkeit, indem er alle Vergehen erfassen wollte, bei denen auch eine Versuchsstrafbarkeit vorgesehen war.15 Diese Ausdehnung stützte er auf die Argumentation, dass Anstiftung und Täterschaft gleich strafwürdig seien, da beide von demselben verbrecherischen Willen getragen seien und eine erfolglose Anstiftung insofern dem Unrecht einer versuchten Täterschaft entspreche. Somit müssten dann auch die erfolglosen Verleitungshandlungen bei bloßen Vergehen strafbar sein, wenn bei diesen auch der Versuch mit Strafe bedroht sei.16 Eine diesem Entwurf diametral entgegen gesetzte Auffassung vertrat der Abgeordnete Windthorst. Seine Kritik berührte nicht nur die Ausgestaltung der Strafbarkeit, sondern war viel grundlegender: Danach konnte die „erfolglose Anstiftung nicht den Inhalt eines Kriminalvergehens oder eines Kriminalverbrechens bilden“.17 Gegenstand eines Strafgesetzes könnten hingegen nur solche Handlungen sein, „welche eine wirkliche und thatsächliche in die äußere Erscheinung getretene Verletzung der Rechtsordnung enthalten“.18 Genau diese Qualität verneinte Windthorst aber für die erfolglose Anstiftung und kam deshalb zu dem Ergebnis, dass diese lediglich moralisch verwerflich, aber eben nicht strafwürdig sei.19 Umso bemerkenswerter ist es, dass er selbst einen Entwurf zur Einführung der Strafbarkeit einbrachte, um, wie er selbst sagte, das kleinste Übel zu wählen.20 Dabei schränkte er die Strafbarkeit weiter ein, indem er die Verhaltensweisen nur bei solchen Verbrechen bestrafen wollte, die „mit dem Tode oder mit lebenslänglichem Zuchthaus oder mit lebenslänglicher Festungshaft“ bedroht waren. Des Weiteren stellte er als besondere Anforderungen, dass die Aufforderung
14 Stenographische Berichte, III, S. 160. Der vollständige Text des Entwurfs lautet: „Wer es unternimmt, einen Anderen zur Begehung eines Verbrechens oder zur Teilnahme an einem Verbrechen zu verleiten, wird, soweit nicht das Gesetz eine andere Strafe androht, mit Gefängnis nicht unter drei Monaten oder mit Geldstrafe von einhundert bis eintausend Mark bestraft. Gleiche Strafe trifft denjenigen, welcher einem anderen gegenüber zur Begehung eines Verbrechens oder zur Teilnahme an einem Verbrechen sich erbietet, sowie denjenigen, welcher ein solches Erbieten annimmt. Neben der Gefängnisstrafe kann auf den Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte und auf Zulässigkeit von Polizeiaufsicht erkannt werden.“ 15 s. Stenographische Berichte, III, S. 620. Der Text des Änderungsvorschlages lautete: „Wer es unternimmt einen Anderen zur Begehung einer strafbaren Handlung, deren Versuch mit Strafe bedroht ist, oder zur Teilnahme an einer solchen Handlung anzustiften (§ 48) wird, soweit das Gesetz nicht eine andere Strafe androht, […] bestraft.“ 16 Stenographische Berichte, II, S. 862 f. 17 Stenographische Berichte, II, S. 856. 18 Stenographische Berichte, II, S. 856. 19 Stenographische Berichte, II, S. 856. 20 Stenographische Berichte, II, S. 857.
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2. Teil: Historische Entwicklung der Vorbereitungsstrafbarkeit
„schriftlich oder unter der Gewährung von Vortheilen“ erfolgen müsse.21 Auch der Abgeordnete Lasker wandte sich in ähnlicher Weise wie Windthorst gegen den Regierungsentwurf und bemängelte die Anknüpfung an die Grenze zwischen Verbrechen und Vergehen. Nach seiner Ansicht konnte diese wenig aussagekräftige Einteilung nicht maßgeblich für eine so elementare Frage wie die Einführung eines neuen Paragraphen in den Allgemeinen Teil des StGB sein.22 Stattdessen könne sich eine Abgrenzung nur daran orientieren, wie schwerwiegend die Straftaten seien, was sich wiederum an dem Grad der Gefährlichkeit der einzelnen Taten auszurichten habe.23 Auf dieser Grundlage kam er wie Windthorst zu dem Vorschlag, nur bei solchen Verbrechen die Strafbarkeit anzuordnen, die diese qualifizierten Strafdrohungen aufwiesen.24 Insbesondere warf Lasker den weitergehenden Entwürfen eine zu große Abhängigkeit von dem in Belgien durchgesetzten Gesetz vor – auch wenn im deutschen Strafgesetzbuch eine entsprechende Strafbarkeitslücke bestehe und deshalb Deutschland Belgien gegenüber verpflichtet sei, diese zu beseitigen, so müsse man doch die Strafbedürftigkeit genauestens selbst untersuchen und könne sich nicht vorbehaltlos an die weite Fassung des belgischen Gesetzes anlehnen.25 Als Kompromissvorschlag zwischen den soeben dargestellten entgegengesetzten Entwürfen konnte derjenige der Abgeordneten Klöppel und Marquardsen gelten.26 Darin wurde die als zu unkonkret bemängelte Formulierung des Regierungsentwurfs „wer es unternimmt, einen Anderen zu verleiten“ ersetzt durch die Tatbestandsva-
21 Der Text seines Gegenentwurfs lautete (Verhandlungen 1875, Nr. 160, I): „Wer einen Anderen zur Begehung eines mit dem Tode oder mit lebenslänglichem Zuchthaus oder mit lebenslänglicher Festungshaft bedrohten Verbrechens oder zur Theilnahme an einem solchen Verbrechen schriftlich oder unter der Gewährung oder dem Versprechen von Vortheilen auffordert oder wer eine solche Aufforderung annimmt, wird mit Gefängnis nicht unter drei Monaten bestraft. Die gleiche Strafe trifft denjenigen, welcher sich schriftlich oder unter der Ausbedingung von Vortheilen zur Begehung eines im ersten Absatze bezeichneten Verbrechens oder zur Theilnahme an einem solchen Verbrechen erbietet, sowie denjenigen, welcher ein solches Erbieten annimmt. Neben der Gefängnisstrafe kann auch der Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte und auf Zulässigkeit von Polizeiaufsicht erkannt werden.“ 22 Stenographische Berichte, II, S. 842. 23 Stenographische Berichte, II, S. 843. 24 Der Text des Entwurfs lautete (Verhandlungen 1875, Nr. 157): „Wer es unternimmt, einen Anderen zur Begehung eines mit dem Tode oder mit lebenslänglichem Zuchthaus oder mit lebenslänglicher Festungshaft bedrohten Verbrechens anzustiften (§ 48), wird, soweit das Gesetz nicht eine andere Strafe androht, mit Gefängnis nicht unter drei Jahren bestraft. Gleiche Strafe trifft denjenigen, welcher einem Andern gegenüber zur Begehung eines der im Absatz 1 bezeichneten Verbrechens oder zur Theilnahme an einem solchen Verbrechen sich erbietet, sowie denjenigen, welcher ein solches Erbieten annimmt.“ 25 Stenographische Berichte, II, S. 842. 26 So auch Busch, S. 53.
A. Die Einfügung des § 49a RStGB in das Reichsstrafgesetzbuch
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riante des „Aufforderns“.27 Damit bezweckten die Autoren eine stärkere Begrenzung des strafrechtlich relevanten Verhaltens, welche ihrer Ansicht nach in dem Ausgangsentwurf unzureichend gewährleistet war. Denn bei der erfolglosen Anstiftung sei gerade auch keine Begrenzung des richterlichen Ermessens durch die tatsächlich ausgeübte Tat, wie bei der Anstiftung nach § 48 RStGB, gegeben.28 Des Weiteren übernahm dieser Entwurf das Schriftformerfordernis bzw. die Notwendigkeit eines versprochenen oder gewährten Vorteils, die auch Windthorst in seinem Entwurf gefordert hatte. Andererseits gaben die Autoren den weitergehenden Forderungen nach einer Einschränkung der Strafbarkeit auf bestimmte Verbrechen nicht nach, so dass insofern der Regierungsentwurf bestätigt wurde. Trotz erneuter Kritik und Änderungsanträgen konnte sich dieser Entwurf durchsetzen und wurde anschließend leicht verändert29 als § 49a RStGB ins Reichsstrafgesetzbuch eingeführt.30 Bemerkenswert ist dabei, dass der Vorwurf des Abgeordneten Reichensperger, dass es sich um ein reines Gelegenheitsgesetz handele, das ohne den Fall Duchesne nicht zustande gekommen wäre, zwar unwidersprochen blieb31, die Einführung der Strafbarkeit aber dadurch nicht gehindert wurde. Dabei ist gerade diesem Vorwurf in der Tat Recht zu geben, da allein ein einziger – wenn auch politisch brisanter – Vorfall, der zu internationalen Verwicklungen führte, zur Folge hatte, dass ein Gesetz geschaffen wurde,
27 Verhandlungen 1875, Nr. 160, II: „Wer einen Anderen zur Begehung eines Verbrechens oder zur Theilnahme an einem Verbrechen schriftlich oder unter Gewährung oder dem Versprechen von Vortheilen auffordert, oder wer eine solche Aufforderung annimmt, wird mit Gefängnis nicht unter drei Monaten bestraft. Die gleiche Strafe trifft denjenigen, welcher sich schriftlich oder unter Ausbedingung von Vortheilen zur Begehung eines Verbrechens oder zur Theilnahme an einem Verbrechen erbietet, sowie denjenigen, welcher ein solches Anerbieten annimmt. Neben der Gefängnisstrafe kann auf den Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte und auf Zulässigkeit von Polizeiaufsicht erkannt werden.“ 28 Stenographische Berichte, II, S. 860. 29 Der endgültige Gesetzestext lautete: „Wer einen Anderen zur Begehung eines Verbrechens oder zur Theilnahme an einem Verbrechen auffordert, oder wer eine solche Aufforderung annimmt, wird, soweit nicht das Gesetz eine andere Strafe androht, wenn das Verbrechen mit dem Tode oder mit lebenslänglicher Zuchthausstrafe bedroht ist, mit Gefängnis nicht unter drei Monaten, wenn das Verbrechen mit einer geringeren Strafe bedroht ist, mit Gefängnis bis zu zwei Jahren oder mit Festungshaft von gleicher Dauer bestraft. Die gleiche Strafe trifft denjenigen, welcher sich zur Begehung eines Verbrechens oder zur Theilnahme an einem Verbrechen erbietet, sowie denjenigen, welcher ein solches Erbieten annimmt. Es wird jedoch lediglich das mündlich ausgedrückte Auffordern oder Erbieten, sowie die Annahme eines solchen nur dann bestraft, wenn die Aufforderung oder das Erbieten an die Gewährung von Vortheilen irgendwelcher Art geknüpft worden ist. Neben der Gefängnisstrafe kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte und auf Zulässigkeit von Polizeiaufsicht erkannt werden.“ 30 Busch, S. 54. 31 Stenographische Berichte, II, S. 1354.
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2. Teil: Historische Entwicklung der Vorbereitungsstrafbarkeit
das die Strafbarkeit in bisher nicht gekannter Weise auf solche Handlungen ausdehnte, die von der eigentlichen Rechtsverletzung noch sehr weit entfernt waren.
III. Kritische Würdigung So wie bereits die Einführung des § 49a RStGB in das Reichsstrafgesetzbuch das Ergebnis einer sehr kontroversen Debatte war, setzte sich diese Diskussion auch nach der Gesetzesnovelle im Schrifttum fort. Als maßgebliche Befürworter der ansonsten überwiegend abgelehnten Einführung seien an dieser Stelle Wächter, Hälschner und Meyer genannt. Den ersten beiden war gemein, dass sie die Anstiftung bereits als Versuch des eigentlichen Delikts ansahen. Folglich müsse auch eine erfolglose Anstiftung entsprechend den Versuchsgrundsätzen bestraft werden, unabhängig davon, ob der Täter bereits mit der Ausführung des Delikts begonnen habe oder nicht.32 Hälschner betonte dabei, dass sich die Tätigkeit des Täters und des Anstifters insofern unterschieden, als diejenige des Anstifters derjenigen des Täters vorgelagert sei. Somit könne auch das Versuchsstadium für den Anstifter vor demjenigen des Täters beginnen, also auch schon bevor dieser in das Versuchsstadium eingetreten sei.33 Demgegenüber sei es eine falsche Schlussfolgerung aus der Teilnahmenatur der Anstiftung, wenn man fordere, dass auch eine strafbare Handlung des Täters bereits vorliegen müsse.34 Damit wandte er sich gegen das Hauptargument der Gegenseite, die auf die Akzessorietät der Teilnahme verwies und daraus den Schluss zog, dass die Strafbarkeit immer erst dann beginnen könne, wenn bereits eine zumindest versuchte Haupttat vorliege.35 Ebenso lehnte auch Meyer diese zwingende Akzessorietät zwischen der Anstiftung und dem Hauptdelikt ab und leitete stattdessen die eigenständige Strafbarkeit der Anstiftungshandlung daraus ab, dass es sich bei ihr bereits um ein „an sich strafbares Hinwirken auf den Erfolg“ handele.36 Folglich könne es für die Strafbarkeit nicht mehr darauf ankommen, ob der Erfolg, also der Versuch der Haupttat, eingetreten sei. Somit stellte sich für ihn die Gesetzesnovelle nur als „Ausfüllung einer wesentlichen Lücke“ im Gesetz dar.37 Dieser behaupteten Systemkonformität begegneten die Gegner des neuen Paragraphen mit scharfer Kritik. So bezeichnete Geyer die Einfügung des § 49a RStGB als „regellosen Einbruch in das Gebiet des Strafrechts“, wodurch in „weitem Umkreis Alles in Unordnung und Zerrüttung“ gebracht werde38, und Meves warf der neuen
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Wächter, S. 256; Hälschner, Deutsches Strafrecht, S. 405. Hälschner, Deutsches Strafrecht, S. 404. Hälschner, Deutsches Strafrecht, S. 404. Meves, in: Petzold, Die Gesetzgebung, S. 17. Meyer, S. 242. Meyer, S. 243. Geyer, in: Holtzendorff, Handbuch des Deutschen Strafrechts, S. 148.
A. Die Einfügung des § 49a RStGB in das Reichsstrafgesetzbuch
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Regelung vor, „störend in das System des Strafgesetzbuchs“ einzugreifen39. Auch Berner ging das Gesetz und seine Urheber scharf an, indem er die „Schiefheiten des Gesetzes“ bemängelte, die ihn zu der Frage veranlassten, ob „Deutschland wirklich außer Stande gewesen sein (sollte), den Belgiern durch ein reiferes Gesetz zu antworten“.40 Dieser Systembruch wurde in der Durchbrechung der im Gesetz verankerten Akzessorietät zwischen Anstiftung und Hauptdelikt gesehen, denn das Strafgesetzbuch bestrafte nach § 48 RStGB bisher die Anstiftung nur, wenn das Hauptdelikt zumindest bis in das Versuchsstadium fortgeschritten war. Dieser Grundsatz beruhte auf der, auch durch die Objektivierung der Versuchslehren unterstützten, Grundannahme, dass nicht allein der verbrecherische Wille ausreiche, um eine Strafbarkeit zu begründen, sondern diese auch eine Ausführung des Willens nach außen hin verlange.41 Dem entsprach die an sich im Strafgesetzbuch bestehende Abgrenzung zwischen grundsätzlich straflosen Vorbereitungs- und strafbaren Versuchshandlungen.42 Vor diesem Hintergrund bedeutete die Einführung der Strafbarkeit dieser Verhaltensweisen, bei denen das eigentliche Delikt noch nicht in das Versuchsstadium gelangt ist und die folglich materiell eher als Vorbereitungshandlungen zu bewerten sind, eine Wiederbelebung der subjektiven Versuchstheorien, die eigentlich als überwunden galten und bei denen allein der verbrecherische Wille ausreichte. So bezeichnete auch Geyer die Einführung als einen „bedauerlichen Rückschritt“.43 Aus der Perspektive des damaligen Strafrechts, das bis zu diesem Zeitpunkt nur die strenge Akzessorietät kannte, ist den Kritikern in ihrem Vorwurf des Systembruchs beizupflichten. Denn durch die Bestrafung solcher Verhaltensweisen, die eigentlich erst noch in eine Anstiftung münden sollen, nun aber bereits unabhängig von dem Gelingen dieses Vorhabens bestraft wurden, wurde in der Tat ein dem RStGB immanenter Grundsatz missachtet. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass es ein einzelner Vorfall war, der die Aufgabe dieses gesetzlichen Prinzips einleitete, sind die schweren Vorwürfe gegen die neue Strafbarkeit verständlich. Die These Hälschners, die erfolglose Anstiftung sei wie ein Versuch des eigentlichen Delikts einzuordnen44, wurde in grundlegender Weise von v. Stemann kritisiert.45 Er bezweifelte in diesen Fällen bereits die Bildung eines bestimmten verbrecherischen Willens, weil der Wille des Anstifters noch von dem freien Willen des Täters abhängig gemacht werde.46 Erst durch die gelungene Bestimmung des Täters entstehe der eigene verbrecherische Wille des Anstifters und erst durch die vom Täter 39
Meves, in: Petzold, Die Gesetzgebung, S. 17. Berner, Lehrbuch, S. 169. 41 Berner, in: Verhandlungen, S. 118; ebenso: v. Bar, Schuld, S. 851 f. 42 So auch Meves, in: Petzold, Die Gesetzgebung, S. 17. 43 Geyer, in: Holtzendorff, Handbuch des Deutschen Strafrechts, S. 144. 44 Hälschner, Deutsches Strafrecht, S. 404. 45 v. Stemann, GerS 28, 267 f. Der Beitrag erfolgte vor der Einfügung des § 49a RStGB und bezieht sich auf den Gesetzesentwurf. 46 v. Stemann, GerS 28, 267, 268. 40
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begonnene Ausführung der Tat trete diese „geistige Thätigkeit als Betheiligung“ an einer fremden Tat in äußere Erscheinung.47 Daraus folge, dass der „Anstifter nur wegen seiner Beziehung zu dem vom Thäter versuchten oder vollendeten Verbrechen zur strafrechtlichen Verantwortung gezogen werden kann, sofern in der strafbaren Thätigkeit des Angestifteten auch der Wille des Anstifters in die Wirklichkeit tritt“.48 Verzichte man hingegen gänzlich auf jegliche Äußerung dieses Willens, laufe das Strafrecht Gefahr, sich als Gesinnungsstrafrecht darzustellen.49 Des Weiteren wandte sich v. Stemann schon damals gegen die noch heute überwiegend vertretene Argumentation50, nämlich den Hinweis auf die von den Handlungen ausgehende Gefahr. Damit diskutierte er bereits zur Zeit der Einführung des § 49a RStGB diese kriminalpolitische Seite, während ansonsten sowohl Befürworter als auch Kritiker ausschließlich eine dogmatische Begründung ihrer Standpunkte wählten.51 Dabei kam v. Stemann zu dem Ergebnis, dass von den mit Strafe bedrohten Handlungen nur „sehr geringe Chancen der Realisierung“ des Verbrechens ausgingen, da sie noch vieler Vermittlungen durch andere selbstbestimmte Handlungen bedürften52. Folglich erscheine die Gefahr gerade nicht als eine unmittelbar drohende. Eine solche müsse aber zumindest gefordert werden, wenn Handlungen, die noch keine Rechtsverletzung darstellten und bei denen die Schuld allein durch die Gefahr begründet werde, unter Strafe gestellt würden.53 Die Entwicklung, das materielle Strafrecht vorwiegend von polizeilichen Gesichtspunkten beherrschen zu lassen und vom Standpunkte polizeilicher Prävention aus das Gebiet der strafbaren Handlungen immer mehr zu erweitern, bezeichnete er sodann als sehr bedenklich.54 Dass dieser Vorwurf des „Polizeirechts in strafrechtlicher Gestalt“55 gerade in heutiger Zeit sehr aktuell ist, wird sich im weiteren Verlauf der Arbeit zeigen. Indem v. Stemann diesen kriminalpolitischen Aspekt ansprach, warf er bereits bei Einführung der Strafbarkeit die entscheidende Frage nach dem tragenden Strafgrund auf. Neben der – vorangehend dargestellten – grundlegenden Kritik an der Notwendigkeit und Existenzberechtigung des neuen Paragraphen wurde auch handwerkliche Kritik geübt. Teilweise wurden die Wortwahl56, die willkürlich erscheinende Ein-
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v. Stemann, GerS 28, 267, 268. v. Stemann, GerS 28, 267, 268. 49 v. Stemann, GerS 28, 267, 276; Gegen den Vorwurf des Gesinnungsstrafrechts wendet sich, allerdings ohne richtige Begründung, Merkel, S. 151. 50 s. dazu unten 5. Teil. 51 So auch: Letzgus, S. 124. 52 v. Stemann, GerS 28, 267, 276. 53 v. Stemann, GerS 28, 267, 276. 54 v. Stemann, GerS 28, 267, 277. 55 So das Münchener Oberlandesgericht im Zusammenhang mit § 129b StGB (OLG München, NJW 2007, 2786, 2787). 56 So bemängelt z. B. v. Bar, dass nicht jede Anstiftungshandlung, sondern nur die Aufforderung strafbar sein soll (Schuld, S. 851). Ebenso Hälschner, Deutsches Strafrecht, S. 407. 48
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schränkung der Strafbarkeit auf die in Abs. 3 genannten Fälle57 und die fehlende Rücktrittsmöglichkeit, die bei den Verhaltensweisen des § 49a RStGB unweigerlich zur Strafbarkeit führe58, bemängelt.
IV. Systematische Einordnung des Gesetzes Ebenso kontrovers wurde in der Literatur die Frage der systematischen Einordnung des neuen § 49a RStGB diskutiert. Während der Standort der Vorschrift im Allgemeinen Teil eine Einordnung bei den Teilnahmevorschriften nahelegte, überwog in der Literatur hingegen zunächst die Charakterisierung als selbstständiges Delikt59. Im Folgenden soll unter der Selbstständigkeit eines Delikts die systematische Zugehörigkeit der in Rede stehenden Regelung zum Besonderen Teil des Strafrechts verstanden werden, die sich durch den Schutz eines besonderen Rechtsguts auszeichnet60. 1. § 49a RStGB als delictum sui generis Während manche der Befürworter der Selbstständigkeit des § 49a RStGB es nicht für notwendig erachteten, sich mit der Gegenposition auseinander zu setzen61, differierten die Begründungsansätze der Übrigen sehr stark. Wiederholt stellten sie die detaillierte Ausgestaltung der einzelnen Begehungsformen62 und die eigenständige Strafandrohung, die sich nicht, wie bei Vorschriften des Allgemeinen Teils üblich, am Strafrahmen des jeweiligen Hauptdelikts orientierte63, in den Vordergrund. Als entscheidendes Indiz diente ihnen aber die fehlende Haupttat. So sahen sie die Ak-
57 So Berner, Lehrbuch, S. 168; v. Bar, Schuld, S. 851; Meves, in: Petzold, Die Gesetzgebung, S. 17. 58 Geyer, in: Holtzendorff, Handbuch des Deutschen Strafrechts, S. 154; Berner, in: Verhandlungen, S. 119. Darin verweist Berner auch darauf, dass der Anstifter, wenn er allein durch diese Handlung bereits unwiderruflich strafbar ist, eher noch zur weiteren Ausführung der Tat gedrängt werde bzw. dazu, dass er die weitere Ausführung der Tat vorantreibe. 59 So waren Befürworter dieser Einordnung: Witte, S. 21; im Ergebnis Allfeld, S. 228, Fn 13; Kern, Äußerungsdelikte, S. 24; Merkel, S. 152; Köhler, August, Strafrecht, S. 487; Nagler, ZAKDR 1940, 365; v. Liszt, Franz, S. 804; Wachenfeld, S. 552; Binding, Lehrbuch, S. 862; Silberberg, S. 45. 60 So auch: Jacoby, S. 14. 61 Binding, Lehrbuch, S. 862; Nagler, ZAKDR 1940, 365; Köhler, August, Strafrecht, S. 527; Kern, Äußerungsdelikte, S. 24. 62 Witte, S. 20 f; Köhler, August, KVS 51, 187, 188. 63 Olshausen, § 49a, Anm. 2.; Oppenhoff, § 49a, Anm. 2; Köhler, August, KVS 51, 187, 188.
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2. Teil: Historische Entwicklung der Vorbereitungsstrafbarkeit
zessorietät zwischen Haupttat und Teilnahme als zwingend an64, was ihnen eine Einordnung des § 49a RStGB als Teilnahmeform unmöglich machte65. Dennoch erschien auch einigen Anhängern dieser Theorie der Zusammenhang mit den Teilnahmeformen nicht ganz abwegig. So sah Allfeld einen Zusammenhang zwischen den Varianten des § 49a RStGB und den Teilnahmeregelungen, der darin bestehe, dass § 49a StGB die allgemeinen Teilnahmevorschriften ergänzen solle.66 Nach Ansicht von v. Bar handelte es sich zwar formell um ein delictum sui generis, gleichwohl sei aber die Stellung im Allgemeinen Teil aufgrund der engen Verbundenheit der Regelung mit den Teilnahmevorschriften, die sich insbesondere in der Subsidiarität der Vorschrift zeige, gerechtfertigt.67 Sieht man in § 49a RStGB ein selbstständiges Delikt, führt die gesetzlich angeordnete Subsidiarität in der Tat dazu, dass bei Begehung des Verbrechens die Strafbarkeit nach § 49a RStGB entfällt und der Auffordernde stattdessen wegen Teilnahme an dem ausgeführten Verbrechen bestraft wird. Allerdings würde dieses Ergebnis auf der Grundlage der Theorie, nach der es sich bei § 49a RStGB um eine Teilnahmeform handelt, bereits durch das Vorliegen materieller Subsidiarität erreicht, da die erfolgreiche Teilnahme dann die erfolglose verdrängen würde. Auf dieser Basis würde sich die gesetzliche Subsidiaritätsklausel nur auf das Verhältnis zu anderen Delikten als denen, auf die sich die Aufforderung etc. bezieht, erstrecken. Dies war zum Beispiel denkbar im Verhältnis zu § 111 RStGB für den Fall, dass die Aufforderung zwar öffentlich, aber erfolglos war. Somit ist der Schluss v. Bars, aufgrund der Subsidiaritätsklausel sei eine Verbundenheit mit den Teilnahmeregelungen anzunehmen, nicht zwingend, da die Subsidiarität als solche keine Aussage über die Natur der Regelung zulässt. Als verfehlt muss jedenfalls die Annahme v. Liszts gelten, für den Fall des Versuchs oder der Vollendung der angestrebten Tat verwandele sich das Verbrechen des § 49a RStGB in Teilnahme bzw. Täterschaft.68 Dies erkannte auch Silberberg, der, selbst Befürworter der Selbstständigkeit des § 49a RStGB, zugab, dass dies nur dann möglich wäre, wenn man § 49a RStGB als „ausnahmsweise auch bei Nichtbegehung der Hauptthat strafbare Beteiligung“ ansehe.69 Denn ein selbstständiges Delikt kann sich nicht in Teilnahme an einem anderen Delikt verwandeln. Genauso inkonsequent wirken die Ausführungen Kerns, der zwar ebenso den Charakter als selbstständiges Delikt bejaht, indem er § 49a RStGB den Äußerungsdelikten zuordnet, aber gleichzeitig fordert, die Begehungsformen genauso zu behandeln wie die Anstiftung
64 Beling, S. 416; v. Hoessle, S. 16; v. Liszt, Franz, S. 804; Köhler, August, Strafrecht, S. 487; Haeger, in: v. Liszt, Franz, Abhandlungen, S. 333, 339; Witte, S. 21; Oppenhoff, § 49a, Anm. 2. 65 Sehr kritisch dazu äußert sich Schütze, s. dazu unten 2. Teil, A. IV. 2. 66 Allfeld, S. 228. 67 v. Bar, Schuld, S. 838 f. 68 v. Liszt, Franz, S. 808. 69 Silberberg, S. 47.
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nach § 48 RStGB.70 Eine solche Parallele wäre hingegen nur dann zwingend, wenn es sich bei den Formen des § 49a RStGB um erfolglose Anstiftungsversuche handelte, also auch um Teilnahmeformen. Zu den besonders umstrittenen Fragen unter den Anhängern der Selbstständigkeit des § 49a RStGB gehörte die nach dem zu schützenden Rechtsgut.71 So stellte das RG den Schutz der Sicherheit der Person in den Vordergrund72, was aber von vielen Seiten mit guten Gründen bestritten wurde, da die in § 49a RStGB genannten Handlungen auch zur Herbeiführung solcher Verbrechen möglich seien, die keine Rechtsgüter der Person schützten73 und deren Begehung somit nicht geeignet sei, die Sicherheit der Person zu gefährden74. Stattdessen vertrat v. Liszt die Auffassung, Rechtsgut des § 49a RStGB sei die Staatsautorität, die durch die Aufforderung in Form einer „Verachtung und demonstrativen Verhöhnung der Gesetze des Staates“ gefährdet sei.75 Er stellte damit wie auch Wachenfeld76 § 49a RStGB in einen Zusammenhang mit § 111 RStGB, der darin bestehe, dass eben auch bei § 49a RStGB der Strafgrund in der Aufforderung selbst liege77. Mit Recht wurde gegen diese Theorie aber vielfach eingewandt, dass dem Rechtsbruch die Verhöhnung des Gesetzes immanent sei und somit die Staatsautorität nicht das spezifische Rechtsgut des § 49a RStGB sein könne.78 Auch warf Stange v. Liszt vor, dass die von ihm aufgezeigte „demonstrative Verhöhnung“ schon vom Wortsinn her eine gewisse Öffentlichkeit des Handelns fordere, während für die in Rede stehenden Begehungsweisen gerade die heimliche Ausführung charakteristisch sei.79 Insofern überzeugt schon der Vergleich des § 49a RStGB von v. Liszt mit § 111 RStGB nicht, da bei § 111 RStGB diese Öffentlichkeit bereits Tatbestandsmerkmal ist und damit vom Gesetzgeber für die 70
Kern, Äußerungsdelikte, S. 54. Die Frage nach dem zu schützenden Rechtsgut ist aber gerade von zentraler Bedeutung, da dies auch eines der konstituierenden Merkmale für die Annahme eines delictum sui generis darstellt. So stellte unter anderem Kuhlmann fest, dass Kennzeichen des selbstständigen Delikts sei, dass es dem Schutz eines bestimmten Rechtsguts dienen müsse (S. 5). Anders hingegen v. Hoessle, der es für die Qualität als selbstständiges Delikt nicht für erforderlich hält, dass es ein besonderes Rechtsgut schützt (S. 15 f). 72 RGSt 37, 45. 73 Als Beispiele seien genannt: Hochverrat §§ 80 – 86, Meineid § 153, Münzfälschung § 146. 74 Eine Gefährdung der Sicherheit der Person nimmt Kuhlmann nur dann an, wenn man den Begriff der Sicherheit der Person als umfassende Umschreibung der einzelnen Rechtsgüter versteht, die durch die einzelnen Verbrechenstatbestände geschützt werden sollen. Dieser mittelbare Schutz eines Rechtsguts sei aber jedem Delikt eigen und könne deshalb nicht ausreichen, um den § 49a RStGB als selbstständiges Delikt zu betrachten (S. 14). So auch: Stange, S. 18; Busch, S. 60. 75 v. Liszt, Franz, S. 804; Wachenfeld, S. 552. 76 Wachenfeld, S. 552. 77 So auch Busch, S. 59. 78 v. Hoessle, S. 15; Kuhlmann, S. 12. 79 Stange, S. 16. 71
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2. Teil: Historische Entwicklung der Vorbereitungsstrafbarkeit
Strafbarkeit als notwendig erachtet wurde, während dies bei § 49a RStGB gerade nicht gefordert wird. Ebenso grundsätzlich wurde die Auffassung Bindings kritisiert, der das Rechtsgut des § 49a RStGB in der rechtstreuen Gesinnung der Bürger sah. Er war der Ansicht, dass durch die Aufforderung zur Begehung eines Verbrechens die grundsätzlich rechtstreue Gesinnung der Bürger gefährdet würde80, und ordnete somit das Delikt als Delikt gegen die Person und nicht als solches gegen die Staatsgewalt ein. Dabei war bereits die Prämisse, von der Binding ausging, falsch. Denn Voraussetzung wäre insofern, dass die Aufforderung zur Begehung des Verbrechens grundsätzlich an rechtstreue Bürger gerichtet wird, während typischerweise ein solches Begehren jemandem angetragen wird, der solchen Tätigkeiten zugeneigt ist und somit von sich aus schon zum Rechtsbruch tendiert. Folglich kann dessen rechtstreue Gesinnung nicht mehr gefährdet werden.81 Noch deutlicher wird die Unrichtigkeit der These Bindings aber bei der Begehungsalternative der Annahme der Aufforderung. In dieser Konstellation erscheint die Gefährdung einer rechtstreuen Gesinnung als ausgeschlossen, da der Adressat der Erklärung, nämlich der Auffordernde, ja selbst schon seine Rechtstreue aufgegeben hat, indem er die Aufforderung ausgesprochen hat.82 Aus denselben Gründen ist eine solche Gefährdung bei der Annahme des Sich-Erbietens nicht gegeben. Es zeigt sich somit, dass es für die Befürworter der selbstständigen Qualität des § 49a RStGB alles andere als einfach war, das von ihm zu schützende Rechtsgut zu bestimmen. Aus dieser Problematik lässt sich vielleicht noch am ehesten die zweifelhafte Einordnung von v. Hoessle erklären, der zwar auch in § 49a RStGB ein delictum sui generis sieht, aber davon ausgeht, dass das zu schützende Rechtsgut in Abhängigkeit von dem Verbrechen, zu dem aufgefordert wird etc., bestimmt werden müsste.83 Dies entsprach allerdings viel mehr der Argumentation der Gegenseite, nämlich derjenigen, die in § 49a RStGB gerade kein selbstständiges Delikt erblickten. 2. § 49a RStGB als unselbstständiges Delikt Diese Gegenseite charakterisierte § 49a RStGB als Teilnahmeregelung84 oder unselbstständige Regelung besonderer Art85. Wie bereits angedeutet, stellte sich die 80 81 82 83 84
(S. 9).
Binding, Lehrbuch, S. 838. So auch schon Kuhlmann, S. 10 f; Jacoby, S. 9 f; Stange, S. 15. Kuhlmann, S. 11; v. Hoessle, S. 13 ff. v. Hoessle, S. 15 f. So ordnete Schütze den § 49a RStGB als eine neue allgemeine Form der Teilnahme ein
85 Jacoby ordnete die Begehungsformen des § 49a RStGB als „Vorbereitungshandlungen ein, die teilweise den sachlichen Charakter versuchter Teilnahme haben“. Für ihn ist diese Frage nach der Selbstständigkeit des Deliktes aber nicht gleichzusetzen mit der Frage, ob es sich um eine Bestimmung des Allgemeinen oder des Besonderen Teils handele – dies sei vielmehr
A. Die Einfügung des § 49a RStGB in das Reichsstrafgesetzbuch
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Frage des zu schützenden Rechtsguts hier nicht, da nach dieser Ansicht § 49a RStGB dasselbe Rechtsgut wie das Delikt des Besonderen Teils, auf das es sich bezog, bzw. das Rechtsgut des Verbrechens, zu dem aufgefordert etc. wurde, schützte.86 Kuhlmann begründete diese Einordnung damit, dass der Gesetzgeber nicht eine „Norm schaffen wollte, die in selbstständiger Weise ein Rechtsgut schützen sollte“, sondern nur „den Kreis der schon bisher mit Strafe bedrohten Handlungen durch Einbeziehung einer besonderen Wirkensweise erweitern“ wollte.87 Aber auch auf Seiten der Gegner der selbstständigen Deliktsqualität des § 49a RStGB gab es unterschiedliche Ansätze. Ganz selten nur wurde vertreten, dass es sich um eine Teilnahmeform handele. Dies befürwortete Schütze, der § 49a RStGB als eine „erweiterte Form der allgemeinen Teilnahme“ charakterisierte.88 Gleichzeitig betonte aber selbst er den entscheidenden Unterschied zwischen den bislang bestehenden Teilnahmeformen und dem neuen § 49a RStGB, der in der fehlenden objektiven Voraussetzung einer Haupttat liege, also in der Durchbrechung der Akzessorietät. Dass er gleichfalls eine Einordnung in das System der Teilnahme vornahm, gründete er auf die Vergleichbarkeit des dolus bei den anerkannten Teilnahmearten und der neuen Regelung, da dieser jeweils darauf gerichtet sei, mit einem „Anderen an einem Delikte mitzuwirken“.89 Erstaunlich fortschrittlich war seine Argumentation, nach der der Gesetzgeber sehr wohl in der Lage sei, auch eine neue Form der Teilnahme zu schaffen und so das positive Recht weiter zu entwickeln.90 Er wandte sich damit direkt gegen die gegenteilige Auffassung, die sich an der zwingenden Akzessorietät festklammerte. Stark kritisiert wurde Schütze unter anderem von Köhler, der die Teilnahmenatur wegen der eigenen Strafdrohung des § 49a RStGB und auch die Stellung im Allgemeinen Teil mit dem Hinweis auf die fehlende feste Abhängigkeit der Regelung von den Tatbeständen des Besonderen Teils ablehnte.91 Auffällig ist, dass Schütze zwar die Freiheit des Gesetzgebers, auch über die Grenzen der bisherigen Dogmatik hinausgehende Formen der Strafbarkeit zu schaffen, richtig erkannte, er sie allerdings selbst nicht konsequent seiner Argumentation zu Grunde legte. So lehnte er die ebenfalls vertretene Einordnung des § 49a RStGB als besonders mit Strafe bedrohte Vorbereitungshandlung allein mit dem Argument ab, dass die vorbereitende Tätigkeit als solche nicht bestraft würde und andernfalls eine ganze Reihe von Handlungen, die den verbrecherischen Willen
unabhängig davon anhand der Charakterisierung als allgemeine oder spezielle Regelung zu beurteilen (S. 11). 86 Kuhlmann, S. 15; Jacoby, S. 11. 87 Kuhlmann, S. 15. So auch Jacoby, S. 11. 88 Schütze, S. 7. 89 Schütze, S. 7. 90 Schütze, S. 9. 91 Köhler, August, KVS 51, 187, 188.
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2. Teil: Historische Entwicklung der Vorbereitungsstrafbarkeit
in gleicher Weise ausdrücken und „auf derselben Stufe der vorbereitenden Thätigkeit stehen“, strafbar sein müssten.92 Diese Theorie, die die Varianten des § 49a RStGB als besonders mit Strafe bedrohte Vorbereitungshandlungen charakterisierte, ordnete die neue Regelung nicht in die bestehende Teilnahmesystematik ein, sondern sah darin eine gänzlich neue, positiv-rechtliche Schöpfung.93 Dabei bestand auch unter diesen Autoren wiederum Uneinigkeit darüber, ob es sich dann doch um ein selbstständiges Delikt handelte.94 So ordneten einige § 49a RStGB als eigenständiges Delikt ein, indem sie das charakteristische Merkmal der Selbstständigkeit nicht in dem eigenen Rechtsgut erblickten, sondern vielmehr darauf abstellten, ob ein Delikt aus einer bestimmten Klasse von Tatbeständen herausgegriffen und mit Strafe bedroht worden sei.95 Nach dieser Definition war es ihnen dann auch auf der Basis der „Vorbereitungstheorie“ möglich, § 49a RStGB als selbstständiges Delikt zu begreifen. Allerdings wies Jacoby zu Recht darauf hin, dass eine solche Definition des delictum sui generis wenig hilfreich sei, weil dann alle Vorbereitungs- und Versuchshandlungen, die im Gesetz mit Strafe bedroht seien, als delicta sui generis qualifiziert würden und dieser weite Sprachgebrauch folglich auch zu Verwirrungen führe.96 Frank hingegen stellte für die Selbstständigkeit von strafbaren Vorbereitungshandlungen noch auf ein gänzlich anderes Kriterium ab. Nach seiner Ansicht kam es für die Unterscheidung, ob es sich bei Vorbereitungshandlungen um delicta sui generis oder um unselbstständige Delikte handelte, weder auf das zu schützende Rechtsgut noch darauf an, ob sie aus einer Klasse von Tatbeständen herausgenommen würden. Stattdessen handele es sich um ein delictum sui generis, wenn „die Handlung nicht wegen ihrer Beziehung zu einem Hauptdelikte, nicht als bloße Erscheinungsform desselben, sondern wegen ihrer eigenartigen, selbständigen Bedeutung mit Strafe bedroht“ werde.97 Auf der Grundlage dieser Definition kam er zu dem Schluss, dass § 49a RStGB kein selbstständiges Delikt darstellte.98 Gegen diese Unterscheidung wurde aber richtigerweise eingewendet, dass es gerade das wesentliche Kennzeichen von Vorbereitungshandlungen sei, der Vorbereitung eines anderen Delikts zu dienen und damit in Abhängigkeit von diesem anderen Delikt zu stehen. Somit könne es diese Unterscheidung nach dem Kriterium Franks bei Vorbereitungshandlungen nicht geben und damit auch keine selbstständigen Vorbereitungshandlungen in dem eben aufgezeigten Sinn.99 92
Schütze, S. 9. Nagler, ZAKDR 1940, 365; Kuhlmann, S. 5; Stange, S. 29. 94 Dagegen: Stange, S. 25; Frank, § 43, V, 4; § 49a, I. 95 Nagler, ZAKDR 1940, 365. Kuhlmann erkennt zwar die Möglichkeit dieser Einordnung an, misst diesem Verständnis von Selbstständigkeit aber kaum Bedeutung zu (S. 5). 96 Jacoby, S. 13. 97 Frank, § 43, V, 4. 98 Frank, § 43, V, a; § 49a, I. 99 Jacoby, S. 14 f. 93
B. Die Reformentwürfe seit 1909
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Als eine Art Kompromiss hinsichtlich der Frage, ob § 49a RStGB Teilnahmeformen oder Vorbereitungshandlungen unter Strafe stellte, erschien die Einordnung Jacobys, der die Teilnahmequalität unter Hinweis auf die selbstständige Strafdrohung, die detaillierten Tatbestandsmerkmale und die mangelnde Haupttat ablehnte100 und stattdessen feststellte, dass der Gesetzgeber Vorbereitungshandlungen unter Strafe stellen wollte. Gleichzeitig rechtfertigte er aber die Stellung im Gesetz im Abschnitt der Teilnahme damit, dass es sich bei § 49a RStGB hauptsächlich um eine Strafbestimmung gegen die versuchte Anstiftung handele, und bezeichnete die Varianten des § 49a RStGB als „Vorbereitungshandlungen, die teilweise den sachlichen Charakter versuchter Teilnahme“ hätten.101 Diese rege Diskussion über die systematische Stellung des § 49a RStGB zeigt deutlich, welche Neuerung in der Einführung der Strafbarkeit lag. Das Schrifttum tat sich schwer damit, diesen neuen Paragraphen zu deuten und in das bisherige System einzuordnen. In diesem Sinne war die Einführung, betrachtet aus dem System des bis dahin geltenden Strafrechts, revolutionär und sorgte auch in der Wissenschaft für einige Unruhe – nicht zuletzt deshalb, weil darin eine bedeutende Ausweitung und Vorverlagerung der Strafbarkeit lag. Auch heute noch hält die Diskussion über die systematische Einordnung bei der aktuellen Vorschrift des § 30 StGB, also dem gesetzlichen Nachfolger des § 49a RStGB, weiter an. Zwar ist inzwischen anerkannt, dass es sich dabei nicht um ein delictum sui generis handelt, andererseits wird aber sowohl die Vorbereitungstheorie als auch die Teilnahmetheorie immer noch vertreten.102 Somit zeigt schon die Tatsache, dass sich die Kontroverse bis heute gehalten hat, ihre grundlegende Bedeutung.
B. Die Reformentwürfe seit 1909 Die Diskussion über die systematische Einordnung des neuen § 49a RStGB prägte auch die Reformentwürfe der anschließenden Jahre. Anstelle einer umfassenden Darstellung der einzelnen Entwürfe103 sollen im Folgenden nur besondere Änderungsvorschläge hervorgehoben werden, die gerade auch für die Frage der Legitimation der Strafbarkeit dieser Handlungen von Bedeutung sind. So stellte der Entwurf der Münchener Juristischen Studiengesellschaft von 1922 erstmalig auch die Verabredung zu einem Verbrechen im Rahmen des § 49a RStGB – also im Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuches – unter Strafe.104 Zuvor befürworteten zwar auch andere Entwürfe die Strafbarkeit der Verbrechensverabredung – sie ordneten diese 100
Jacoby, S. 8. Jacoby, S. 11 f. 102 s. u. 3. Teil, A. 103 Eine umfassende Darstellung der Reformentwürfe in der Zeit von 1909 bis 1927 findet sich bei Busch, S. 79 ff sowie auch bei Schmidt, S. 386 ff. 104 E München, S. 25 ff. 101
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2. Teil: Historische Entwicklung der Vorbereitungsstrafbarkeit
aber, wie auch die übrigen Begehungsalternativen, als jeweils eigenständige Delikte in den Besonderen Teil ein.105 Von besonderer Bedeutung war des Weiteren der amtliche Entwurf eines Strafgesetzbuches von 1925. Dieser führte, neben der Beibehaltung der Verabredungsstrafbarkeit106, zu einer noch weiteren Ausdehnung der Strafbarkeit, indem der klar umgrenzte Begriff der „Aufforderung“ zu einem Verbrechen durch den bedeutend weiteren der „versuchten Verleitung“ ersetzt wurde.107 Daneben sah er eine – im Vergleich mit dem Entwurf der Münchener Juristischen Studiengesellschaft – sehr viel höhere Strafandrohung vor: Während der Entwurf von 1922 noch die Höchststrafe für sämtliche Begehungsalternativen auf eine Gefängnisstrafe von 2 Jahren begrenzte108, verzichtete der Entwurf von 1925 gänzlich auf eine solche Strafbegrenzung.109 Auffällig ist insofern, dass gegen diese Ausweitungen und Verschärfungen der Strafbarkeit – ganz anders als bei der ursprünglichen Einführung des § 49a RStGB – kaum Kritik erhoben wurde. Vielfach wurden diese Änderungen sogar begrüßt, wie auch von v. Hippel, der von einer „sachgemäßen Erweiterung“ des § 49a RStGB sprach110, oder es wurden darüber hinaus noch stärkere Verschärfungen gefordert.111 Zu den wenigen Kritikern der Änderungen zählte Coenders, der den Tatbestand des § 49a RStGB in der Folge der Ausweitung als „unheimlich“ unsicher bezeichnete.112 Des Weiteren äußerte er die Befürchtung, dass „das Verständnis für den Wert der in langen schweren Kämpfen errungenen Freiheitsrechte entschwunden“ sei und man dem mittelalterlichen Polizeistaat entgegensteuere.113 .
105
So der Kommissionsentwurf von 1913 und der Entwurf von 1919. Dazu Busch, S. 84. Diese Vorlage ordnete allerdings alle Handlungen wieder im Besonderen Teil des RStGB an und stellte die Verabredung zu einem bestimmten und die fortgesetzte Verbindung zu noch nicht bestimmten Verbrechen in einem eigenen § 183 unter Strafe. s. E 25, § 183. 107 E 25, § 182. 108 E München, S. 27. Der vollständige Wortlaut lautete: „Strafbar ist auch, wer ein Verbrechen dadurch vorbereitet, daß er einen anderen zu seiner Begehung auffordert oder die Aufforderung annimmt oder sich zur Begehung erbietet oder das Erbieten annimmt oder sich mit einem anderen zur Begehung bestimmter oder unbestimmter Verbrechen verabredet oder verbündet. Die Strafe ist gegenüber der Versuchsstrafe ebenso zu mildern wie die Versuchsstrafe gegenüber der Strafe für die vollendete Tat. Sie darf jedoch keinesfalls 2 Jahre Gefängnis überschreiten.“ 109 E 25, §§ 182 f. 110 v. Hippel, ZStW 47, 18, 57. Zustimmend zu der Änderung äußerten sich auch: Lobe, GerS 92, 53, 73 und Kern, GerS 92, 125, 149 f. 111 So forderte beispielsweise Kitzinger sogar eine Zuchthausstrafe für diese Begehungsalternativen, um die Strafdrohung an diejenige des speziellen Tatbestandes der versuchten Verleitung zum Meineid gem. § 173 RStGB anzupassen (ZStW 47, 533, 550 f). 112 Coenders, in: Schreiber, S. 266, 277 f. 113 Coenders, in: Schreiber, S. 266, 278. 106
C. Die Strafrechtsangleichungsverordnung von 1943
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Wie diese Reformentwürfe zeigen, gingen die Bestrebungen in der Strafgesetzgebung dahin, schon deutlich vor der Rechtsgutsverletzung einzuschreiten und anstelle eines Erfolgsstrafrechts ein Gefährdungsstrafrecht zu etablieren.114 Bedenken gegen eine solche Strafbarkeit scheinen in dieser Zeit hingegen kaum vorhanden gewesen zu sein – die grundsätzliche Frage nach der Legitimität einer Regelung wie § 49a RStGB wurde lediglich in der Begründung zum Vorentwurf von 1909 diskutiert.115 Auch die Reaktionen in der Wissenschaft infolge der vorgeschlagenen Verschärfungen machen deutlich, dass die Sensibilität hinsichtlich dieser Vorfeldstrafbarkeit im Vergleich zu derjenigen zur Zeit ihrer Einführung deutlich abgenommen hatte. Der Grund für diese Entwicklung ist wohl in den staatlichen Besonderheiten der Weimarer Republik zu sehen – aufgrund der inneren Instabilität des Staates erschien es in verstärktem Maße notwendig, möglichst frühzeitig gegen Verbrechen einzuschreiten und damit ein möglichst vorbeugendes Strafrecht zu schaffen.116 Die Gefährlichkeit einer solchen Entwicklung sollte sich anschließend zeigen.
C. Die Strafrechtsangleichungsverordnung von 1943 So fand die Tendenz der immer weiter ausufernden Strafbarkeit im Vorfeld der Rechtsgutsverletzung ihre Fortführung in der nationalsozialistischen Gesetzgebung. Dies entsprach der allgemeinen Zweckrichtung des nationalsozialistischen Strafrechts, das in verstärktem Maße schon den irgendwie betätigten „bösen Willen“ und nicht erst die Rechtsgutsverletzung bestrafen sollte.117 Das sogenannte Willensstrafrecht118 war somit vor allem für die Versuchsstrafbarkeit sowie für eine noch vor der Versuchsschwelle eingreifende Strafbarkeit von Bedeutung. So wurde auch § 49a RStGB durch die Strafrechtsangleichungsverordnung aus dem Jahre 1943, welche die bereits 1938 in einem Entwurf119 vorgeschlagenen Änderungen umsetzte, weiter verschärft: Neben den Begehungsalternativen der ersten Gesetzesfassung von 1876, die bis auf die Annahme einer Aufforderung erhalten blieben, wurde erstmalig auch die Verbrechensverabredung in § 49a RStGB unter Strafe gestellt. Die Vorfeldstrafbarkeit wurde aber noch stärker ausgeweitet, indem sogar auch die Vorstufe
114
So auch Busch, S. 90 f. VE, S. 483 ff. Darin wurde die Strafbarkeit dieser Verhaltensweisen mit Hinweis auf die starke Gefährdung der Rechtsordnung, die von solchen Handlungen ausgehe, begründet. 116 So auch Busch, S. 91. 117 Mezger, DJZ 1934, 98; Busch, S. 95; Werle, S. 427 f. 118 Zu der näheren Bestimmung dieses Begriffes Freisler, in: Gürtner, S. 11 – 48. 119 Ausführlich zu dem Entwurf von 1938: Busch, S. 96 ff. 115
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2. Teil: Historische Entwicklung der Vorbereitungsstrafbarkeit
der Verabredung – das Eintreten in ernsthafte Verhandlungen120 – und die versuchte Beihilfe unter Strafe gestellt wurden.121 Eine weitere wichtige Änderung bestand in der Abschaffung des festen Strafrahmens von 1876. Die Strafdrohung wurde stattdessen an diejenige für den Anstifter und damit auch an diejenige für den Täter angeglichen – abschwächend wirkte insofern lediglich die Möglichkeit einer Strafmilderung.122 Diese Anpassung des Strafrahmens hat sich im Übrigen bis heute gehalten, wobei aber zumindest eine obligatorische Strafmilderung angeordnet ist. In der nationalsozialistischen Gesetzgebung kam es somit zu einer sehr bedenklichen Ausweitung der Strafbarkeit von Teilnahmehandlungen – als welche die Begehungsalternativen des § 49a RStGB nun weitgehend qualifiziert wurden.123 Da es sich bei diesem Tatbestand seit jeher um eine Bestrafung von Verhaltensweisen noch vor dem Versuchsstadium, also im Vorfeld der eigentlichen Tatbegehung, handelt, war dieser – wie sich gezeigt hat – auch besonders zugänglich für die Zwecke eines Willensstrafrechts. In einem rechtsstaatlichen Strafrecht bedarf eine solche Strafbarkeit dementsprechend einer besonderen Überprüfung ihrer Legitimation. Dieses Bedürfnis besteht aber nicht nur hinsichtlich der verschärften Gesetzesfassung aus dem Jahre 1943, sondern auch hinsichtlich der Regelung in ihrer ursprünglichen Fassung, welche dem Willensstrafrecht erst ein Einfallstor bot.
120 Für diese Strafbarkeit sollte es bereits ausreichen, wenn nur einer der Beteiligten einen festen Entschluss zu der Tat bildet, während der andere „nur bezweckt, einen verbrecherischen Plan aufzudecken“. So Schönke, DR 1943, 721, 722. 121 Der vollständige Text des § 49a StGB in der Fassung von 1943 lautete: „Wer einen anderen zur Begehung eine Verbrechens oder zur Teilnahme an einem Verbrechen auffordert, wird auch dann wie ein Anstifter bestraft, wenn das Verbrechen nicht oder nur unabhängig von der Aufforderung zu der Ausführung gelangt. Die Strafe kann gemildert werden (§ 44). Ebenso wird bestraft, wer sich einem anderen zu einem Verbrechen erbietet oder ein solches Anerbieten annimmt oder wer die Begehung eines Verbrechens verabredet oder in eine ernsthafte Verhandlung darüber eintritt. Wer dem Täter zu der Begehung eines Verbrechens Hilfe leistet, wird auch dann als Gehilfe bestraft, wenn das Verbrechen nicht oder unabhängig von seiner Hilfeleistung zur Ausführung gelangt. Der Richter kann die Strafe nach pflichtgemäßem Ermessen mildern oder von Strafe absehen. Nach diesen Vorschriften wird nicht bestraft, wer freiwillig oder endgültig davon absieht, die Straftat zu begehen und ihre Begehung oder den Erfolg verhindert. Dies gilt auch für den, der sich freiwillig und ernsthaft bemüht, die Begehung oder den Erfolg zu verhindern, wenn nicht sein Bemühen, sondern ein anderer Umstand dies erreicht.“ 122 Busch, S. 100. 123 LK-Mezger, 6. Aufl., § 49a, S. 345; Schwarz ordnete sie hingegen als Vorbereitungshandlungen ein (§ 49a, S. 101).
D. Fortgeltung der nationalsozialistischen Gesetzesfassung nach 1945
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D. Die Fortgeltung der nationalsozialistischen Gesetzesfassung des § 49a RStGB nach 1945 So stellte sich nach dem Ende der nationalsozialistischen Herrschaft die Frage, ob § 49a RStGB in der Fassung von 1943 weitergelten oder als spezifisch nationalsozialistisches Gedankengut aufgehoben werden sollte.124 In der Rechtsprechung herrschte diesbezüglich keine Einigkeit125, bis der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 16. 02. 1951 die uneingeschränkte Geltung dieses Gesetzes feststellte: Obwohl die Vorschrift unzweifelhaft als „Hinneigung zum Willensstrafrecht“ angesehen werden könne, handele es sich dabei noch nicht um nationalsozialistisches Gedankengut mit der Folge, dass sie auch weiterhin anzuwenden sei.126 Auch wenn mit der Entscheidung des Bundesgerichtshofs die Geltung des § 49a RStGB praktisch feststand, wurden nun – da auch wieder gefahrlos Kritik an der bestehenden Gesetzeslage geäußert werden konnte – viele Bedenken hinsichtlich der weit ausufernden Strafbarkeit laut.127 Besonders deutlich wurde diese Kritik auf dem 39. Deutschen Juristentag im September 1951, also nur wenige Monate nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofes: So bezeichnete Lange die Regelung des § 49a RStGB als Ausdruck eines Gesinnungsstrafrechts und damit als Fremdkörper im geltenden Strafgesetzbuch, da der Zweck der Neufassung allein in dem möglichst frühen Einschreiten gegen politische Gegner gelegen habe.128 Schneidewin schlug eine Rückkehr zu der Gesetzesfassung von 1876 vor – wobei dies für ihn anscheinend auch eher das kleinere Übel war. Er betonte nämlich, dass die alte Fassung „bei aller Gebrechlichkeit doch wesentlich verständiger“ gewesen sei.129 Bei allen Forderungen nach einer Änderung des § 49a RStGB bestand lediglich weitgehende Einigkeit darüber, dass die Strafbarkeit der erfolglosen Aufforderung zu einem Verbrechen beibehalten werden sollte.130
124 Die Kontrollratsgesetze, die viele andere nationalsozialistische Strafvorschriften aufhoben, ließen den § 49a StGB unberührt. Dazu auch Busch, S. 104 f. 125 So lehnte das LG Berlin die Weitergeltung des § 49a StGB in der Fassung von 1943 ausdrücklich ab und wendete stattdessen den § 49a RStGB von 1876 an (JR 49, 121). Das OLG Darmstadt hingegen betonte die Wesensgleichheit der beiden Vorschriften und nahm eine uneingeschränkte Anwendbarkeit des neuen § 49a StGB an (NJW 1948, 697). Das OLG Hamburg versuchte einen Mittelweg, indem es entweder den Strafrahmen reduzierte (MDR 47, 137) oder den Tatbestand schon restriktiv auslegte (MDR 48, 368). 126 BGHSt 1, 59 f. 127 Busch, S. 113 f. 128 Lange, in: Verhandlungen des 39. Deutschen Juristentages, C, S. 19. 129 Schneidewin, in: Verhandlungen des 39. Deutschen Juristentages, C, S. 30 f. 130 Hartung, in: Verhandlungen des 39. Deutschen Juristentages, C, S. 75; Nüse, in: Verhandlungen des 39. Deutschen Juristentages, C, S. 91.
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2. Teil: Historische Entwicklung der Vorbereitungsstrafbarkeit
E. Das 3. Strafrechtsänderungsgesetz Der laut gewordenen Kritik wurde zum Teil mit dem 3. Strafrechtsänderungsgesetz aus dem Jahre 1953 entsprochen131: Diese Änderung schaffte die Strafbarkeit der versuchten Beihilfe sowie des Eintritts in ernsthafte Verhandlungen ab – letztere wurde im Regierungsentwurf als eine „Überspannung der Strafbarkeit“ bezeichnet.132 Daneben wurde der Strafrahmen erstmals an denjenigen des Versuchs des jeweiligen Delikts angepasst, da damit die Strafe am besten an den Einzelfall angepasst werden könnte.133 Systematisch wurden die Varianten nun unterschiedlich eingeordnet: Während die versuchte Anstiftung in der Begründung des Entwurfs als „isoliert gebliebene Teilnahmehandlung“ bezeichnet wurde, wurden die übrigen Varianten als Vorbereitungshandlungen qualifiziert.134 Besonders auffällig ist aber, dass im Zuge dieser Gesetzesänderung die grundsätzliche Frage nach der Strafwürdigkeit der verbleibenden Varianten des § 49a RStGB nur noch am Rande behandelt wurde. Hinsichtlich der versuchten Anstiftung enthält die Begründung des Entwurfs lediglich die Feststellung, dass ihre Strafbarkeit in allen Entwürfen von 1909 bis 1930 vorgesehen war und somit ihre „kriminalpolitische Notwendigkeit nicht verkannt werden“ könne.135 Für die anderen Varianten – die Verabredung, die Annahme eines Erbietens und das Sich-Bereit-Erklären, das nunmehr die Variante der Annahme einer Aufforderung ersetzen sollte – wurde die Strafwürdigkeit mit der erhöhten psychologische Bindung des Einzelnen an den Verbrechensentschluss begründet.136 Insofern lässt sich schon
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Die Gesetzesfassung von 1953 lautete: „Wer einen anderen zu bestimmen versucht, eine als Verbrechen mit Strafe bedrohte Handlung zu begehen, wird nach den für den Versuch des Verbrechens geltenden Vorschriften (§§ 44, 45) bestraft. Ebenso wird bestraft, wer eine als Verbrechen mit Strafe bedrohte Handlung verabredet, das Anerbieten eines anderen annimmt, ein solches Verbrechen zu begehen, oder sich zu einem Verbrechen bereit erklärt. Nach diesen Vorschriften wird nicht bestraft, wer aus freien Stücken: – eine als Verbrechen mit Strafe bedrohte Handlung verhindert, nachdem er einen anderen zu dieser Handlung zu bestimmen versucht oder das Anerbieten eines anderen hierzu angenommen hat; – nach der Verabredung einer als Verbrechen mit Strafe bedrohten Handlung seine Tätigkeit aufgibt und die Handlung verhindert; – seine Erklärung widerruft, durch die er sich zu einem Verbrechen bereit erklärt hat. Unterbleibt die Tat ohne sein Zutun oder wird sie unabhängig von seinem vorausgegangenen Verhalten begangen, so genügt sein freiwilliges und ernsthaftes Bemühen, die Begehung zu verhindern.“ 132 BT-Drucksache, I/3713, S. 31. 133 BT-Drucksache, I/3713, S. 32. 134 BT-Drucksache, I/3713, S. 32. 135 BT-Drucksache, I/3713, S. 31. 136 BT-Drucksache, I/3713, S. 32.
F. Die Einfügung des heutigen § 30 StGB im Jahre 1975
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hier137 die Argumentation erkennen, auf die auch heute noch überwiegend die Strafwürdigkeit dieser Verhaltensweisen gestützt wird.138 Die Beibehaltung der Strafbarkeit dieser Begehungsformen im Vorfeld der eigentlichen Tatausführung wurde also nicht annähernd so kritisch gesehen wie noch ihre Einführung im Jahre 1876 – es scheint vielmehr so, als wäre diese schon fest im Strafgesetzbuch etabliert.139
F. Die Einfügung des heutigen § 30 StGB im Jahre 1975 Diese Selbstverständlichkeit, mit der die Vorfeldstrafbarkeit nach § 49a RStGB im Jahre 1953 angenommen wurde, änderte sich aber schon in der Diskussion vor der Strafrechtsreform im Jahre 1975 wieder. So wurde 1962 ein Alternativentwurf von einigen bedeutenden Strafrechtslehrern vorgelegt140, der lediglich an der Strafbarkeit der versuchten Anstiftung festhielt, während die anderen Varianten nicht mehr unter die Strafandrohung fallen sollten.141 Zur Begründung wurde angeführt, dass § 49a RStGB in der Fassung von 1953 „die Strafbarkeit von der Tatbegehung weitgehend ablöst und bei einzelnen Tatbestandsalternativen in den Bereich bloßer Willens- und Gesinnungsbekundungen vorverlegt“.142 Die versuchte Anstiftung wurde noch als strafwürdig angesehen, weil dort der Auffordernde ein verbrecherisches Geschehen in Gang gesetzt habe, das sich fortan seiner Einflussnahme entziehe – folglich werde sein Tatbeitrag und nicht bloße Entschlüsse oder Gesinnungen bestraft.143 Bei den anderen Varianten sei der Handelnde hingegen nicht über die „Verlautbarung seines Entschlusses, dessen Durchführung von ihm abhängt,“ hinausgelangt, was auch nicht strafwürdiger als ein allein 137 Zu der Zeit der Einführung des § 49a RStGB wurde die Strafbarkeit wohl auch auf die Gefährlichkeit gestützt – allerdings ohne diese näher zu begründen. Kritisch schon damals v. Stemann, GerS 28, 267, 275 f. 138 s. u. 4. Teil, C. III. für die Verabredung und 5. Teil, B. für die übrigen Varianten. 139 So auch Busch, S. 116. 140 Dieser Entwurf stammte unter anderem von Arthur Kaufmann, Claus Roxin, Günter Stratenwerth und Walter Stree. 141 Der vollständige Text des Entwurfs für § 32 AE lautete: „Wer einen anderen zu bestimmen versucht, ein Verbrechen zu begehen oder zu ihm anzustiften, wird nach den Vorschriften über den Versuch bestraft. Die Versuchsstrafe ist weiter nach § 61 Abs. 1 zu mildern. Machen besondere persönliche Merkmale eine Tat zum Verbrechen, so gilt Abs. 1 nur dann, wenn diese Merkmale sowohl bei dem vorliegen, der die Tat begehen soll, wie bei dem, der ihn dazu anzustiften versucht.“ 142 AE, S. 67. 143 AE, S. 67.
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2. Teil: Historische Entwicklung der Vorbereitungsstrafbarkeit
gefasster Tatentschluss sei.144 Der Alternativentwurf sprach somit der Bestrafung eines solchen Verhaltens in einem rechtsstaatlichen Strafrecht die Legitimation ab. In der anschließenden Diskussion über den Entwurf der Bundesregierung einerseits145 und den Alternativentwurf andererseits wurde immer wieder betont, dass auch die übrigen Begehungsalternativen ebenso strafwürdig seien wie die versuchte Anstiftung, da sie besonders gefährliche Bindungen erzeugten.146 Oftmals wurde auch die Gefährlichkeit der Verabredung zu einem Verbrechen betont, die als mindestens genauso gefährlich wie die versuchte Anstiftung eingeordnet wurde.147 Durchgesetzt hat sich somit – bekanntermaßen – auch die Ansicht, die neben der versuchten Anstiftung auch die übrigen Varianten als strafwürdig erachtete – so dass alle diese Varianten auch in dem heute geltenden § 30 StGB zu finden sind. Die einzige wirkliche Neuerung seit 1953 ist somit in der Strafrahmenregelung zu sehen, die nun nicht mehr nur eine fakultative, sondern eine obligatorische Milderung der Versuchsstrafe vorsieht. Auch wenn sich der Alternativentwurf also im Ergebnis nicht durchsetzen konnte, wird darin doch deutlich, dass die Sensibilität hinsichtlich der weiten Vorfeldstrafbarkeit wieder gestiegen war und auch in der Lehre gewichtige Bedenken gegen eine solche bestanden. Bei der Argumentation der Befürworter der Strafbarkeit fällt hingegen auf, dass seit je her als Begründung derselben die angenommene erhöhte Gefährlichkeit dieser Verhaltensweisen angeführt wurde. Diese Gefährlichkeit wurde aber entweder gar nicht erklärt oder auf die immer gleiche Annahme einer erhöhten Willensbindung gestützt – ein Begründungsansatz, der noch heute überwiegend vertreten wird.148 Nun lässt aber schon die immer wiederkehrende Kritik erhebliche Zweifel an der Tragfähigkeit dieser Begründung aufkommen – wie berechtigt diese Bedenken sind, wird im weiteren Verlauf der Arbeit überprüft.
144
AE, S. 67. Der Entwurf der Bundesregierung ordnete den § 49a StGB als § 35 E 62 mit folgendem Wortlaut ein: „Wer einen anderen zu bestimmen versucht, ein Verbrechen zu begehen oder zu ihm anzustiften, wird nach den Vorschriften über den Versuch des Verbrechens bestraft. Die Strafe ist nach § 64 Abs. 1 zu mildern. Ebenso wird bestraft, wer sich bereit erklärt, wer das Erbieten eines anderen annimmt, oder wer mit einem anderen verabredet, ein Verbrechen zu begehen oder zu ihm anzustiften. Machen besondere persönliche Merkmale (§ 14 Abs. 1) eine Tat zum Verbrechen, so gelten die Absätze 1 und 2 nur dann, wenn die Merkmale bei dem vorliegen, der die Tat begehen soll. Im Übrigen gelten die §§ 33 und 34 entsprechend.“ 146 So Sturm, in: Sonderausschuss für die Strafrechtsreform, 91. Sitzung, S. 1831; Dreher, in: Sonderausschuss für die Strafrechtsreform, 91. Sitzung, S. 1832, der allerdings Bedenken an der Strafbarkeit der Variante des Sich-Bereit-Erklärens äußert. So auch Schwarzhaupt, in: Sonderausschuss für die Strafrechtsreform, 91. Sitzung, S. 1832. 147 So Dreher, in: Sonderausschuss für die Strafrechtsreform, 91. Sitzung, S. 1832; Sturm, in: Sonderausschuss für die Strafrechtsreform, 91. Sitzung, S. 1831. 148 s. u. 4. Teil, C. III. für die Verabredung und 5. Teil, B. für die übrigen Varianten. 145
3. Teil
Der geltende § 30 StGB und seine Auslegung Der folgende Teil der Arbeit befasst sich mit der geltenden Gesetzesfassung des § 30 StGB: Nach einer systematischen Einordnung der Vorschrift sollen zunächst die einzelnen Varianten daraufhin untersucht werden, welche Einzelprobleme sich bei ihrer Anwendung ergeben. Anschließend wird das Verhältnis der Varianten untereinander erörtert. Ziel dieser Untersuchung ist die Beantwortung der Frage, ob das Verhalten, das eine Verabredung ausmacht, in jeder denkbaren Konstellation bereits durch eine andere oder eine Kombination der anderen Tatmodalitäten des § 30 StGB unter Strafe gestellt ist. Insofern wäre die Verabredung im Verhältnis zu den anderen Varianten lediglich als speziellere Begehungsform anzusehen.
A. Systematische Einordnung des § 30 StGB Auch durch die letzte Gesetzesänderung im Jahre 1975 wurde die Frage nach der systematischen Einordnung des § 30 StGB innerhalb des Allgemeinen Teils des StGB nicht geklärt, so dass dieser Tatbestand auch heute noch teilweise als Teilnahmeregelung1 und teilweise als Vorbereitungsstrafbarkeit eingeordnet wird.2 Gegen die sog. Teilnahmetheorie kann auf die sonst für die Teilnahmeregelungen erforderliche Akzessorietät zu einer Haupttat verwiesen werden. Danach ist für eine strafbare Teilnahme erforderlich, dass eine Haupttat existiert, die bereits in das Versuchsstadium eingetreten ist – daran fehlt es aber gerade bei den Begehungsalternativen des § 30 StGB.3 Insofern könnte die Strafbarkeit dieser Handlungen auf der Basis der Teilnahmetheorie nur dann erklärt werden, wenn eine Ausnahme von der Akzessorietät gemacht würde.4 Daneben spricht auch die Unterschiedlichkeit der in § 30 StGB unter Strafe gestellten Handlungen für deren Einordnung als Vorbereitungshandlungen: Zum einen werden mit der versuchten Anstiftung und der Annahme eines Sich-Erbietens Handlungen bestraft, die eine fremde Tatbegehung zur Folge haben sollen. Zum anderen werden aber mit den Varianten des Sich-Bereit1
So Baumann/Weber/Mitsch, S. 762; Maurach JZ 1961, 138. BGHSt 9, 131, 134; 14, 378 f; Roxin, AT II, S. 286; Fieber, S. 58; Letzgus, S. 220; Fischer, § 30, Rn 2; Bloy, JR 1992, 494. 3 Roxin, AT II, S. 286. 4 Letzgus, S. 219. 2
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3. Teil: Der geltende § 30 StGB und seine Auslegung
Erklärens und der Verabredung auch solche Handlungen mit Strafe bedroht, die eine spätere eigene Tatausführung in die Wege leiten sollen. Demnach kann nur die Vorbereitungstheorie einen einheitlichen Erklärungsansatz für alle diese Begehungsalternativen liefern. Denn die Teilnahmetheorie versagt bei den Eigenvorbereitungen, da unter Teilnahme immer nur diejenige an einer fremden Tat verstanden werden kann.5 Im Ergebnis kann somit nur die Vorbereitungstheorie überzeugen, so dass § 30 StGB richtigerweise als eigene Vorbereitungsstrafbarkeit einzuordnen ist.
B. Die Verabredung Die Variante der Verabredung stellt den zentralen Gegenstand der folgenden Untersuchungen dar, so dass zunächst auch mit der Auslegung dieser Variante begonnen wird. Dabei stehen die Auslegungsprobleme im Vordergrund, die sich bei der Anwendung der geltenden Gesetzesfassung ergeben – immer auf der Grundlage der herkömmlichen Ansicht, dass die Strafbarkeit der Verabredung legitim sei.
I. Ableitung des Verabredungsbegriffes aus den Komplotttheorien Für die Auslegung des Begriffes der Verabredung kann zunächst auf die bereits Ende des 18. Jahrhunderts aufgekommenen Komplotttheorien zurückgegriffen werden.6 Wie sich zeigen wird, geben diese Theorien auch Anhaltspunkte für die im Folgenden7 zu erörternde Frage, ob die Verabredung immer andere Alternativen des § 30 StGB beinhaltet, also nur eine speziellere Variante darstellt. Als Ausgangspunkt wird dabei die Theorie Feuerbachs gewählt, der als Hauptbefürworter einer der Grundpositionen gelten kann.8 1. Die Theorie der wechselseitigen Anstiftung Nach Feuerbach war ein Komplott gegeben, wenn „Mehrere durch gegenseitiges Versprechen wechselseitiger Hülfe die Begehung eines Verbrechens gemeinschaftlich beschliessen und sich zu gemeinschaftlicher Ausführung desselben verbinden“9. Damit stellte das Komplott für ihn eine Gesellschaft mit dem gemeinschaftlichen
5 6 7 8 9
Letzgus, S. 220. Wehrstedt, S. 14. s. u. 3. Teil, D. Wehrstedt, S. 16. Feuerbach, Lehrbuch, § 47, S. 90.
B. Die Verabredung
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Zweck eines Verbrechens dar.10 Dies hatte seiner Ansicht nach aber nicht automatisch die gleiche Strafe aller Komplottanten zur Folge, sondern er unterschied verschiedene Rollen und damit auch unterschiedliche Stufen des Unrechts. Er sah dabei den Rädelsführer, denjenigen, der die Ausführung der Tat anordnet und leitet, und den Urheber der Verschwörung, denjenigen, der zuerst die Verschwörung bewirkt hat, als verantwortlich für die gesamte Tatbegehung an. Dies sollte auch dann gelten, wenn sie selbst die eigentliche Ausführungshandlung des Verbrechens nicht vorgenommen haben. Folglich seien diese Rädelsführer mit der Strafe für das ordentliche Verbrechen zu belegen.11 Hingegen seien solche Komplottanten, die weder zu der ersten noch zu der zweiten Gruppe gehörten, sondern nur in anderer Weise an der Tat teilnehmen, nicht in diesem Umfang strafbar. Diese Unterscheidung müsse in einem gerechten Gesetz zum Ausdruck kommen.12 Damit war Feuerbach der erste, der innerhalb der Komplottlehre nach objektiven Kriterien zwischen Gehilfen und Tätern unterschied.13 Für die Frage, ob die Verbrechensverabredung die speziellere Begehungsform im Vergleich zu den anderen Alternativen des § 30 StGB darstellt, ist ein anderer Aspekt der Feuerbach’schen Theorie von weit größerer Bedeutung. So vertrat er die Ansicht, dass die Beziehung unter den Komplottanten dadurch geprägt werde, dass jeder in dem jeweils anderen den Entschluss zur Begehung des Verbrechens hervorrufe. Dies basiert seiner Ansicht nach auf der „vertragsmäßig begründeten Erwartung des Beistandes und der Mitwirkung aller übrigen“, die jeder einzelne Komplottant habe und die ihn deshalb zur Tat bestimme. Insofern sei jeder „Mitverbündete, in Ansehung dessen die Erwartung der übrigen bis zu vollendeter That fortdauerte“, intellektueller Urheber der Tat.14 Dies entsprach der Einordnung der Anstiftung als intellektuelle oder psychische Urheberschaft, die in einem Zeitraum Ende des 18. bis Ende des 19. Jahrhunderts vorherrschte.15 Dabei galt die Anstiftung als eine der Täterschaft gleichwertige Form der Erfolgsverursachung und nicht mehr nur als Teilnahme an einer fremden Tat.16 Feuerbach ging also davon aus, dass jeder der Verbündeten die anderen anstiftete, somit das Komplott eine wechselseitige erfolgreiche Anstiftung darstellte. Demzufolge wäre ein unausgeführtes Komplott, also die bloße Verabredung zu einem Verbrechen, immer auch eine versuchte gegenseitige Anstiftung. 10
Feuerbach, Kritik, S. 133 f. Feuerbach, Kritik, S. 138 f. 12 Feuerbach, Kritik, S. 139. 13 So auch: Fabian, S. 7 f; Fieber, S. 33. 14 Feuerbach, Lehrbuch, § 47, S. 90. 15 Jacoby, S. 2. Diese Ansicht vertraten auch: v. Bar, Schuld, S. 593; Hälschner, Deutsches Strafrecht, I, S. 370. 16 Die Rückkehr zu diesem Teilnahmeverständnis erfolgte erst durch die Erkenntnis, dass die Annahme der intellektuellen Urheberschaft den Haupttäter zu einem Werkzeug des Anstifters degradiert. Dies war nicht vereinbar mit der Annahme der Willensfreiheit. Eine Übersicht über die geschichtliche Entwicklung der Einordnung der Anstiftung findet sich bei v. Liszt, Franz, S. 312 f. 11
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3. Teil: Der geltende § 30 StGB und seine Auslegung
2. Abweichende Theorien Feuerbach traf mit seiner Theorie der wechselseitigen Anstiftung zwar teilweise auf Zustimmung17, es wurden aber auch viele abweichende Ansätze vertreten. So setzte sich unter anderem Stübel kritisch mit Feuerbach auseinander. Er definierte das Komplott als „Gesellschaft zur Vollbringung eines bestimmten Verbrechens“18, womit allein er noch keinen maßgeblichen Unterschied zu der Definition Feuerbachs schuf. Er bestritt aber, dass in dieser Vereinigung eine wechselseitige Anstiftung in der Weise vorliege, dass „durch die Eingehung eines Complotts in allen Verbündeten der Entschluß zur Verübung des verabredeten Verbrechens hervorgebracht werde“19. Zur Begründung führte er verschiedene Fallkonstellationen an, in denen sich zwar mehrere Personen zur gemeinsamen Begehung eines Verbrechens zusammenschlössen, aber gerade keine Anstiftung vorliege. Eine solche Situation sei zum einen gegeben, wenn die bereits zur Tat Entschlossenen einen weiteren nur deshalb in das Bündnis aufnehmen, damit dieser sie nicht verrate20. Darunter ist folgende Fallkonstellation zu verstehen: Mehrere Komplottanten, die sich bereits auf die Tatbegehung geeinigt haben, lehnen das Begehren einer hinzutretenden Person, sich mit diesen zusammenzuschließen, ab. Daraufhin droht diese Person den Komplottanten, ihren Plan zu verraten, wenn sie nicht in das Bündnis aufgenommen werden sollte. Nehmen die Komplottanten den Drohenden daraufhin in ihren Zusammenschluss auf, liegt nach Stübel ein Komplott vor, das gerade nicht durch eine wechselseitige Anstiftung zustande gekommen sei. Denn die Komplottanten hatten sich schon vor der Drohung fest auf die Begehung der Tat geeinigt – sie waren also bereits fest entschlossen, so dass eine Anstiftung dieser Personen nicht mehr möglich sei. Ganz anders wird diese Konstellation von Fieber beurteilt, der davon ausgeht, dass auch darin eine Anstiftung durch den Drohenden liege. Er bejaht eine Anstiftung in der Form der Aufrechterhaltung des Tatentschlusses, falls die Aufnahme des möglichen Anstifters notwendige Bedingung für den Erhalt der Tatentschlüsse der anderen Komplottanten sei.21 Um zu beurteilen, ob diese Ansicht zutreffend ist, müssen vorab einige grundsätzliche Fragen, die sich bei der Beteiligungsform der Anstiftung stellen, beantwortet werden. Dabei soll zunächst untersucht werden, was unter dem Merkmal „bestimmen“ im Sinne des § 26 StGB zu verstehen ist, um anschließend zu prüfen, ob die Einwirkung des Drohenden diese Voraussetzungen erfüllt.
17
So unter anderem: Cucumus, NAC 1833, 1. Er befürwortete allerdings die Straflosigkeit des unausgeführten Komplotts, da dieses lediglich eine Vorbereitungshandlung und keinen Anfang der Ausführung des Verbrechens darstelle. 18 Stübel, Theilnahme, S. 33. 19 Stübel, Theilnahme, S. 33. 20 Stübel, Theilnahme, S. 34. 21 Fieber, S. 35, Fn 118.
B. Die Verabredung
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a) Das Bestimmen im Sinne des § 26 StGB Unter dem Bestimmen im Sinne des § 26 StGB wird überwiegend das „Hervorrufen des Tatentschlusses“22 verstanden. Gleichwohl gibt es auch abweichende Theorien, die einen ganz anderen Ansatz verfolgen. Zur besseren Verständlichkeit soll zunächst von der weit verbreiteten Definition des Bestimmens als Hervorrufen des Tatentschlusses ausgegangen werden. Anschließend wird sich die Untersuchung den abweichenden Ansätzen widmen. aa) Das Bestimmen als Hervorrufen des Tatentschlusses Diese weitgehend anerkannte23 Definition des Bestimmens enthält zwei Teilmerkmale, den Tatentschluss und das Hervorrufen desselben, die beide getrennt voneinander einer genaueren Untersuchung bedürfen. Dabei soll mit dem Begriff des Tatentschlusses begonnen werden, da die inhaltliche Bestimmung dieses Merkmals notwendig für die Beantwortung der Frage ist, wann ein solcher durch den Teilnehmer hervorgerufen wurde. (1) Definition des Begriffes Tatentschluss Der Begriff des Tatentschlusses wird überwiegend durch eine Abgrenzung zur bloßen Tatgeneigtheit näher bestimmt. Bevor aber auf diese negative Definition näher eingegangen wird, sollen zunächst einige Ansätze vorgestellt werden, die den Begriff des Tatentschlusses im Sinne der Definition des Bestimmens positiv ausfüllen. (a) Positive Begriffsbestimmungen Eine positive Begriffsbestimmung nimmt Hoyer vor, indem er unter dem Tatentschluss „den im Ausführungsstadium der Haupttat betätigten Vorsatz des Haupttäters“24 versteht. Nur durch diese Vorsatzbetätigung komme ein dem Anstifter zurechenbares Handlungsunrecht zustande, nicht bereits durch die Entwicklung des Tatplans im Vorbereitungsstadium.25 Hoyer stellt somit nicht nur auf die innere Entscheidung des Haupttäters ab, sondern verlangt zudem, dass der Haupttäter den Willen, die Tat zu begehen, nach außen in Richtung der Ausführung der Tat umsetzt. Erst dann könne ein Tatentschluss im Sinne des § 26 StGB bejaht werden. Zur Begründung dieser Auslegung greift Hoyer auf den Strafgrund der Anstiftung zurück. Das Unrecht des Haupttäters werde dem Anstifter zugerechnet, so dass eine Strafbarkeit des Anstifters erst bejaht werden könne, wenn auch der Haupttäter Unrecht 22
BGHSt 9, 370, 379 f; Schönke/Schröder/Heine,§ 26, Rn 4; Lackner/Kühl, § 26, Rn 2; BeckOK-Kudlich, § 26, Rn 12; Roxin, AT II, S. 148 m.w.N. 23 BGHSt 9, 370, 379 f; Schönke/Schröder/Heine, § 30, Rn 4; Lackner/Kühl, § 26, Rn 2; BeckOK-Kudlich, § 26, Rn 12; Roxin, AT II, S. 148 m.w.N. 24 SK-Hoyer, § 26, Rn 5. 25 SK-Hoyer, § 26, Rn 5.
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3. Teil: Der geltende § 30 StGB und seine Auslegung
verwirklicht habe.26 Dies sei erst gegeben, wenn er selbst seinen Willen zur Tat betätigt habe. Vor diesem Zeitpunkt bestehe nur der Wille des Haupttäters, der als rein innerer Vorgang nach geltendem Recht kein Unrecht darstellen und folglich auch nicht zugerechnet werden könne.27 So erklärt sich auch die Forderung Hoyers, für den Tatentschluss sei die Betätigung des Willens erforderlich. Die Auslegung Hoyers erscheint zunächst nachvollziehbar, wenn die vollendete Anstiftung mit der versuchten gem. § 30 Abs. 1 StGB verglichen wird. Die versuchte Anstiftung setzt voraus, dass jemand einen anderen „zu bestimmen versucht“, während die vollendete Anstiftung das „Bestimmen“ verlangt. Versuch und Vollendung unterscheiden sich also in der Wirkung des Verhaltens des Teilnehmers: Je nachdem, ob dem Teilnehmer die „Bestimmung“ des Haupttäters gelingt oder nicht, liegt – bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen – eine vollendete oder eine nur versuchte Anstiftung vor. Die vollendete Anstiftung nach § 26 StGB kann nur bejaht werden, wenn die Einwirkung des Teilnehmers zu einem Erfolg in der Weise führt, dass der Haupttäter sein Delikt zumindest bis zum Versuchsstadium fortschreiten lässt. In allen Fällen hingegen, in denen dieser „Erfolg“ der Anstiftungshandlung ausbleibt, kann lediglich die Vorschrift des § 30 Abs. 1 StGB eingreifen.28 Der Unterschied, den das Gesetz zwischen dem „Bestimmen“ des § 26 StGB und dem „Versuchen zu bestimmen“ des § 30 StGB sieht, liegt also in dem Erfolg der Anstiftungshandlung in Form des Versuchs- oder Vollendungsdelikts des Haupttäters. Aus diesem Vergleich ließe sich folgender Schluss, in Übereinstimmung mit der Theorie Hoyers, ziehen: Da von der Definition des „Bestimmens“ als „Hervorrufen des Tatentschlusses“ ausgegangen wird, könnte die Betätigung des Willens durch den Haupttäter ein notwendiges Merkmal des Tatentschlusses selbst darstellen. Ohne Willensbetätigung des Haupttäters gäbe es nämlich keine Haupttat und damit auch keine vollendete Anstiftung. Nur wenn es zu dieser Betätigung kommt, kann eine vollendete, anderenfalls lediglich eine versuchte Anstiftung vorliegen. Somit könnte die Betätigung des Willens als notwendiges Teilmerkmal des Tatentschlusses selbst angesehen werden. Gleichwohl kann dieser Auslegung nicht gefolgt werden. Hoyer geht von der Prämisse aus, dass es sich bei der Anstiftungsstrafbarkeit um eine Zurechnung des Unrechts des Haupttäters handelt.29 Auch wenn die Ansichten und Theorien zum Strafgrund der Teilnahme stark variieren30, ist aufgrund des Gesetzeswortlautes eindeutig, dass eine solche Zurechnung des Haupttatunrechts an den Teilnehmer
26
SK-Hoyer, § 26, Rn 5. SK-Hoyer, § 26, Rn 5. 28 s. u. 3. Teil, C. I. 29 SK-Hoyer, Vor § 26, Rn 5. 30 Eine umfassende Übersicht über die einzelnen Theorien findet sich bei LK-Schünemann, 12. Aufl., Vor § 26, Rn 1 ff. 27
B. Die Verabredung
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zumindest auch – neben dem eigenständig verwirklichten Unrecht31 – erfolgt.32 Folglich kann diese Unrechtszurechnung durchaus als Ausgangspunkt der Auslegung der Vorschrift des § 26 StGB dienen. Fraglich ist aber, ob sich daraus die von Hoyer vertretene Auffassung ableiten lässt, dass schon der Tatentschluss die Betätigung des Vorsatzes des Haupttäters im Ausführungsstadium verlangt. Diese Frage muss verneint werden. Es besteht keine Notwendigkeit, die Betätigung des Vorsatzes als Teil des Tatentschlusses selbst aufzufassen, nur um dadurch die Zurechnung des Haupttatunrechts zu dem Teilnehmer zu begründen. Eine solche Auslegung wäre nur dann richtig, wenn sie sich entweder aus dem Merkmal des Tatentschlusses selbst ableiten ließe oder sich kein anderer Anknüpfungspunkt für die Zurechnung im Gesetz finden ließe. Beides trifft hier aber, wie im Folgenden gezeigt werden wird, nicht zu. Zunächst soll untersucht werden, ob schon der Begriff „Tatentschluss“ nahelegt, die Vorsatzbetätigung des Haupttäters als ein notwendiges Element desselben anzusehen. Unter dem Begriff „Entschluss“ ist laut Duden die „durch Überlegung gewonnene Absicht, etwas bestimmtes zu tun“33 zu verstehen. Davon ausgehend kann der Tatentschluss als die durch Überlegung gewonnene Absicht verstanden werden, eine bestimmte Straftat zu begehen. Aus dieser Formulierung wird deutlich, dass unter einem Entschluss nicht die Betätigung eines Willens zu verstehen ist, sondern nur der Wille selbst. Die Betätigung hingegen bedeutet bereits die Umsetzung des Entschlusses und somit ein logisch erst nach der Entschlussbildung erfolgendes Moment. Für die Annahme eines Entschlusses kann nicht auch schon seine eigene Umsetzung verlangt werden. Stattdessen ist unter einem Entschluss nur ein rein subjektives Moment zu verstehen, während die von Hoyer geforderte Vorsatzbetätigung im Ausführungsstadium gerade ein objektives, also äußeres Geschehen darstellt. Daraus ergibt sich, dass die Auslegung Hoyers nicht nur nicht nahe liegt, sondern dem Wortsinn des auszulegenden Begriffes geradezu widerspricht. Eine solche Auslegung wäre – wenn überhaupt – nur dann ausnahmsweise zu rechtfertigen, wenn sich für die erforderliche Zurechnung des Haupttatunrechts zu dem Teilnehmer ansonsten gar kein Anknüpfungspunkt im Gesetz finden ließe. § 26 StGB spricht aber ausdrücklich davon, dass der Anstifter den Haupttäter zu einer „vorsätzlichen rechtwidrigen Haupttat“ bestimmen muss. Das Unrecht, das zugerechnet werden soll, wird also vom Gesetz ausdrücklich bezeichnet – nämlich das Unrecht der versuchten oder vollendeten Haupttat. Nur wenn der Täter eine solche vorsätzliche rechtswidrige Tat begangen hat, kann sich der Teilnehmer wegen Anstiftung gem. § 26 StGB strafbar machen. Folglich ergibt sich die Zurechnung des Haupttatunrechts bereits aus einem anderen Merkmal des gesetzlichen Tatbestands. Die von Hoyer vorgenommene Definition des Tatentschlusses führt also im Ergebnis nicht zu 31
Wie dieses eigene verwirklichte Unrecht ausgestaltet sein muss bzw. welche Anforderungen daran zu stellen sind, ist weiterhin sehr umstritten. Dazu ausführlich Schönke/Schröder/ Heine, Vor §§ 25 ff, Rn 17 ff sowie auch Roxin, AT II, S. 130 ff. 32 Roxin, AT II, S. 128, 130; Kühl, AT, S. 703 f. 33 Duden – Deutsches Universalwörterbuch.
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3. Teil: Der geltende § 30 StGB und seine Auslegung
einer anderen Beurteilung der Anstiftungsstrafbarkeit, da diese ohnehin eine Zurechnung des vom Haupttäter verwirklichten Unrechts voraussetzt. Da aber der Wortsinn dieser Auslegung entgegensteht, ist die Ansicht Hoyers abzulehnen. Eine andere positive Begriffsbestimmung nimmt Neidlinger vor, der sich vertieft mit dem Begriff des Tatentschlusses auseinandersetzt. Er geht davon aus, dass dieser sich aus mehreren Komponenten zusammensetzt und eine Bejahung des Tatentschlusses erst möglich ist, wenn das Vorliegen aller dieser notwendigen Komponenten positiv festgestellt wurde.34 Zu diesen Komponenten gehören seiner Ansicht nach der Plan oder Entwurf der Tat und ein dazu kommender aktueller Handlungswille des Haupttäters.35 Es sei erforderlich, dass die Tat in ihrem Kern feststehe, da erst dann ein auf ihre Ausführung gerichteter Handlungswille hinzutreten könne, der wiederum die Bildung des Tatentschlusses abschließe.36 Das Hinzutreten des Handlungswillens ist demnach erforderlich, um die Existenz des Tatentschlusses anzunehmen. Erst durch diesen Willen erlangten die subjektiven Vorstellungen, die den Plan oder Entwurf des Delikts ausmachen, strafrechtliche Relevanz. Er bezieht sich insofern auch auf die Versuchsstrafbarkeit, bei der die Vorstellungen des Täters im Rahmen des § 22 StGB erst strafrechtliche Bedeutung erlangten, wenn ein aktueller Wille zur Ausführung der Tat hinzutrete.37 Eine kritische Auseinandersetzung mit der Argumentation Neidlingers folgt im Zusammenhang mit der Darstellung der herrschenden Abgrenzung zwischen Tatentschluss und Tatgeneigtheit.38 (b) Begriffsbestimmung anhand der Abgrenzung zur Tatgeneigtheit Neben diesen Theorien, die den Begriff „Tatentschluss“ positiv definieren, wird überwiegend eine negative Begriffsbestimmung durch die Abgrenzung zur Tatgeneigtheit vorgenommen.39 Die Grenze zwischen Tatgeneigtheit und Tatentschluss sei demnach dort zu ziehen, wo „die zum Delikt hindrängenden Motive ein deutliches Übergewicht in der Psyche des Täters erlangt haben“40. Dabei ist richtigerweise davon auszugehen, dass mit dem festen Entschluss nicht ein unumstößlicher Entschluss gemeint sein kann. Dies ergibt sich aus der Anerkennung einer psychischen Beihilfe durch Bestärkung des Tatentschlusses41, die auf dem Gedanken beruht, dass ein Tatentschluss noch mit „gewissen Unsicherheiten“ belastet sein kann.42 Ein un34
Neidlinger, S. 126. Neidlinger, S. 126. 36 Neidlinger, S. 127. 37 Neidlinger, S. 126. 38 s. u. 3. Teil, B. I. 2. a), aa), (1), (d). 39 Roxin, AT II, S. 149 f; Schönke/Schröder/Heine, § 26, Rn 7; Kühl, AT, S. 722. 40 Roxin, AT II, S. 150. 41 Diese Arbeit geht mit der herrschenden Meinung davon aus, dass eine psychische Beihilfe möglich ist. Teilweise wird diese Form der Beihilfe hingegen abgelehnt, s. dazu ausführlich bei Roxin, AT II, S. 202. 42 Roxin, AT II, S. 150. 35
B. Die Verabredung
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umstößlicher Entschluss ist rein logisch keiner Bestärkung oder Vertiefung durch ein Teilnehmerverhalten zugänglich, so dass auch eine psychische Beihilfe, die gerade in einer solchen Bestärkung des Tatentschlusses gesehen wird43, nicht denkbar wäre.44 Als weiteres Argument, warum kein felsenfester Entschluss des Haupttäters verlangt werden kann, führt Roxin die Rücktrittsregelung des § 24 StGB an. Aus ihrer Existenz ergebe sich, dass das Gesetz davon ausgehe, dass ein einmal gefasster Tatentschluss im Wege des Rücktritts durchaus wieder aufgegeben werden könne.45 Diese Argumentation kann nur überzeugen, wenn von einer einheitlichen Auslegung des Begriffes „Tatentschluss“ im Rahmen der Anstiftung einerseits und des Versuchs andererseits ausgegangen wird. Dass eine solche einheitliche Auslegung aber keineswegs zwingend ist, wird im Weiteren gezeigt werden.46 Roxin sieht also den entscheidenden Unterschied zwischen einem Tatentschluss und einer bloßen Tatneigung darin, dass bei letzterer der Haupttäter „sich hin- und hergerissen fühlt und schwankt, ob er die Tat begehen soll“47. Anders gesagt, besteht ein Tatentschluss, wenn der Haupttäter diese Zweifel und Bedenken schon überwunden hat (oder gar nicht erst hatte) und somit die Tat eher begehen als unterlassen würde. (c) Der Tatentschluss als Vorgang von Überlegungen Sowohl nach der herrschenden Auslegung als auch nach Neidlinger ist unter dem Begriff „Tatentschluss“ ein geistiger Zustand des Täters im Sinne des Ergebnisses der vorangegangenen Überlegungen zu verstehen. Der Tatentschluss stellt demnach das Resultat der vorangehenden Überlegungen des Haupttäters dar – erst wenn dieser die Frage, ob er das Delikt begehen möchte, für sich positiv beantwortet hat, liegt ein Tatentschluss vor. Es stellt sich aber die Frage, ob dieses Verständnis zwingend ist oder ob unter dem Begriff des Tatentschlusses nicht auch bereits der Vorgang der Überlegungen selbst verstanden werden könnte. Sollte dies zutreffen, wäre ein Tatentschluss nicht erst in dem Moment gegeben, in dem der Täter diese innere Frage beantwortet hat, sondern allein das Anstellen entsprechender Überlegungen wäre hinreichend. Damit würde der Begriff des Tatentschlusses im Vergleich zu dem allgemeinen Verständnis ausgeweitet. Fraglich ist somit, ob mit der Verwendung des Begriffes „Tatentschluss“ in der Definition des „Bestimmens“ entgegen der üblichen Auslegung auch der Überlegungsvorgang gemeint sein könnte. Gegen ein solches Verständnis spricht allerdings schon der allgemeine Sprachgebrauch. Das Wort „Entschluss“ wird im Duden erklärt als die „durch Überlegung gewonnene Absicht, etwas bestimmtes zu tun“.48 Aus dieser Umschreibung lässt sich nicht erkennen, dass der Tatentschluss auch als 43 44 45 46 47 48
Roxin, AT II, S. 198; Schönke/Schröder/Heine, § 27, Rn 12; Lackner/Kühl, § 27, Rn 4. Roxin, AT II, S. 150; Stein, S. 178. Roxin, AT II, S. 150. s. u. 3. Teil, B. I. 2. a), aa), (1), (c). Roxin, AT II, S. 150. Duden – Deutsches Universalwörterbuch.
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3. Teil: Der geltende § 30 StGB und seine Auslegung
Vorgang der Überlegungen verstanden werden kann. Stattdessen ergibt sich daraus vielmehr, dass die Überlegungen lediglich die Grundlage für die Entschlussbildung darstellen. Synonym für das Wort „Entschluss“ werden im allgemeinen Sprachgebrauch auch Begriffe wie „Entscheidung“, „Beschluss“ oder „Entschlossenheit“ verwendet. Allen diesen Begriffen ist gemein, dass sie einen inneren, geistigen Zustand beschreiben. Es handelt sich quasi um eine abgeschlossene innere Stellungnahme des Betroffenen zu einer Frage, welche er vorher gedanklich untersucht hat. Somit stellt der Entschluss einen Zustand dar, der als Endpunkt von Überlegungen angesehen werden kann, und nicht die Überlegungen selbst. Folglich bleibt festzuhalten, dass es schon nach dem allgemeinen Sprachgebrauch näher liegt, unter dem Begriff „Tatentschluss“ das Ergebnis der Überlegungen, also die Entscheidung, zu verstehen und nicht schon die Überlegungen, die der Täter über das Vorhaben anstellt. Fraglich ist, ob sich ein solch extensives Verständnis des Begriffes „Tatentschluss“ im Rahmen des § 26 StGB aus einem Vergleich mit anderen Vorschriften des Strafgesetzbuches ableiten lässt. Dabei soll zunächst auf das Verhältnis des Tatentschlusses im Rahmen des § 26 StGB zu dem gleichlautenden Begriff im Rahmen des § 22 StGB eingegangen werden. Teilweise wird vertreten, dass der Tatentschluss im Rahmen der Definition des § 26 StGB identisch sei mit dem Tatentschluss im Rahmen des § 22 StGB. Auf diese Basis stützt beispielsweise Roxin seinen Vergleich mit § 24 StGB, den er als Begründung dafür anführt, dass für den Tatentschluss im Sinne des § 26 StGB kein unumstößlicher Entschluss verlangt werden könne.49 Und auch Neidlinger zieht diesen Vergleich heran, um seine Theorie des aktuellen Handlungswillens zu stützen.50 Sollte die Annahme der Identität der beiden Begriffe zutreffend sein, könnte sich daraus ein Hinweis auf die hier gestellte Frage finden lassen, ob der Tatentschluss im Rahmen des § 26 StGB auch bereits den Vorgang der Überlegungen erfassen könnte. Zunächst muss also untersucht werden, ob die beiden Begriffe tatsächlich identisch sind. Der Begriff des Tatentschlusses findet sich weder im Gesetzeswortlaut des § 22 StGB51 noch in demjenigen des § 26 StGB. Stattdessen ist er jeweils nur Teil einer Definition, die zur Auslegung der gesetzlichen Vorschrift geschaffen wurde. Es ist aber bereits nicht zwingend, dass ein Begriff, der mehrmals in unterschiedlichen gesetzlichen Vorschriften Verwendung findet, immer eine identische Bedeutung hat – vielmehr muss sich die Auslegung eines Begriffes an dem jeweiligen Sinn und Zweck seiner Verwendung, also dem Kontext, orientieren.52 Wenn der betreffende Begriff aber gar nicht selbst Teil des gesetzlichen Wortlautes, sondern lediglich Teil unterschiedlicher in Lehre und Rechtsprechung entwickelter Definitionen ist, kann damit erst recht keine identische Auslegung der Begriffe begründet werden. Es gibt folglich weder einen zwingenden Grund für noch gegen eine 49
s. o. 3. Teil, B. I. 2. a), aa), (1), (b). s. o. 3. Teil, B. I. 2. a), aa), (1), (a). 51 Lediglich die alte Gesetzesfassung des § 43 RStGB sprach von einem „Entschluss“, der betätigt würde. Dazu Schönke/Schröder/Eser, § 22, Rn 12. 52 Stein, S. 180 f. 50
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identische Auslegung des Begriffes „Tatentschluss“ im Rahmen des § 26 StGB und des § 22 StGB. Sollten dennoch Anhaltspunkte zur Auslegung des Tatentschlusses im Sinne des § 26 StGB aus derjenigen des § 22 StGB gezogen werden, würde auch dieser Vergleich dafür sprechen, für den Tatentschluss im Sinne des § 26 StGB mehr als die bloßen Überlegungen des Täters zu verlangen. Im Rahmen des Versuchs kann ein Tatentschluss erst angenommen werden, wenn der Täter nicht nur einen Plan zur Begehung der Tat, sondern auch den Willen zur Ausführung dieser Handlung hat. Er muss also die Entscheidung über das „Ob“ der Tat schon getroffen haben – nur dann kann ein Tatentschluss im Sinne des § 22 StGB bejaht werden.53 Daraus ergibt sich eindeutig, dass auch der Begriff des Tatentschlusses im Rahmen des § 22 StGB so auszulegen ist, dass es sich um das Ergebnis und nicht schon um den bloßen Vorgang der Überlegungen handelt. Eine gegenteilige Auslegung des Begriffs Tatentschluss im Rahmen des Versuchs würde auch folgenden Bedenken begegnen: Die Versuchsstrafbarkeit wird mit dem gleichen Strafrahmen geahndet wie die vollendete Tat – diese Strafe kann lediglich gemildert werden. Hinsichtlich des begangenen Unrechts unterscheidet sich der Versuch von der vollendeten Tat insofern, als der Erfolgsunwert fehlt – die Versuchstat hat ja keinen tatbestandlichen Erfolg verursacht.54 Wenn also bei der versuchten im Vergleich zu der vollendeten Tat nur der Erfolgsunwert fehlt, kann die annähernd identische Strafandrohung legitimiert werden. Würde hingegen für den Tatentschluss im Rahmen des Versuchs lediglich der Vorgang der Überlegungen verlangt, würde bei der Versuchstat auch noch auf Seiten des Handlungsunwerts ein Defizit im Vergleich zu der Vollendungstat hinzukommen. Denn der Handlungsunwert, der in der Vornahme einer final auf die Rechtsgutsverletzung gerichteten Handlung besteht55, würde fehlen oder zumindest bedeutend geringer sein, wenn nicht das Ergebnis der Überlegungen, sondern nur die Überlegungen über die Tat selbst verlangt würden. Insofern wäre die vom Täter vorgenommene Handlung ja noch gar nicht oder jedenfalls nur bedingt final auf die Rechtsgutsverletzung gerichtet. Er befände sich erst noch in den Überlegungen, ob er die Tat ausführen will, so dass auch in gleicher Weise eine Entscheidung gegen die Rechtsgutsverletzung möglich ist. Eine vergleichbare Strafandrohung kann aber nur legitimiert werden, wenn auch ein vergleichbares Unrecht besteht. Folglich muss im Rahmen des § 22 StGB der Tatentschluss als Ergebnis der vorangegangenen Überlegungen verstanden werden. Somit bleibt festzuhalten, dass auch der Vergleich mit § 22 StGB – wenn ihm überhaupt eine Bedeutung zugestanden wird – keine Anhaltspunkte dafür bietet, unter dem Tatentschluss im Sinne des § 26 StGB den Vorgang der Überlegungen zu verstehen. Vielmehr spricht dieser Vergleich für das allgemeine Verständnis des Tatentschlusses, das das Ergebnis der Überlegungen verlangt. 53
Wessels/Beulke, S. 223; Schönke/Schröder/Eser, § 22, Rn 18; Roxin, AT II, S. 355 f; BGH, NStZ-RR 04, 36. 54 Zu der Zusammensetzung des Unrechts und dem Begriff des Erfolgsunwerts unten 4. Teil, A. II. 55 Zu dem Begriff des Handlungsunwertes unten 4. Teil, A. II. 1.
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3. Teil: Der geltende § 30 StGB und seine Auslegung
Neben dem Verhältnis zu den Versuchsvorschriften ist insbesondere das Verhältnis der vollendeten Anstiftung gem. § 26 StGB zu dem bloßen Versuch derselben nach § 30 Abs. 1 StGB in den Blick zu nehmen. Würde der Begriff des Tatentschlusses im Sinne des Bestimmens des § 26 StGB so ausgelegt, dass es sich um den Vorgang der Überlegungen des Haupttäters handelte, ergäben sich folgende Konsequenzen: Das Bestimmen im Sinne des § 26 StGB wird überwiegend als Hervorrufen des Tatentschlusses definiert.56 Fielen auch die Überlegungen des Haupttäters selbst unter den Begriff des Tatentschlusses und nicht nur ihr Ergebnis, läge ein Bestimmen schon vor, wenn der Teilnehmer durch seine Einwirkung den Haupttäter zu solchen Überlegungen veranlasst hat. Andererseits wäre für die Strafbarkeit des Teilnehmers wegen vollendeter Anstiftung auch weiterhin erforderlich, dass es aufgrund dieser Überlegungen zu einer versuchten oder vollendeten Haupttat durch den Haupttäter kommt. Daraus ergibt sich, dass diese extensive Auslegung des Begriffes „Tatentschluss“ keine Auswirkungen auf die Strafbarkeit wegen vollendenter Anstiftung hat. Da dieses extensive Verständnis auch im Übrigen nicht naheliegt, bleibt es bei der üblichen Auslegung, nach der unter dem Tatentschluss nur das Ergebnis der Überlegungen zu verstehen ist. (d) Kritische Würdigung der unterschiedlichen Ansätze Nachdem das Verständnis des Tatentschlusses als Vorgang der Überlegungen bereits abgelehnt wurde, verbleiben noch die herrschende Abgrenzungstheorie und die positive Begriffsbestimmung Neidlingers, um den Begriff des Tatentschlusses zu definieren. Auch wenn sich diese beiden Ansätze auf den ersten Blick stark unterscheiden, da es sich bei dem einen um eine negative Abgrenzung und bei dem anderen um eine positive Beschreibung handelt, sind die inhaltlichen Unterschiede gar nicht so bedeutsam. Neidlinger spaltet den Tatentschluss in die Komponenten des Tatplans und des aktuellen Handlungswillens auf und sieht in letzterem ein selbstständiges, aber notwendiges Moment für die Existenz des Tatentschlusses. Im Rahmen der herrschenden Deutung des Tatentschlusses anhand der Abgrenzung desselben zur Tatgeneigtheit wird ein aktueller Handlungswille zwar nicht explizit verlangt, die vorgenommene Abgrenzung bedeutet aber eigentlich inhaltlich nichts anderes. Denn der Übergang zwischen Tatgeneigtheit und Tatentschluss erfolgt gerade durch das Hinzutreten eines Verwirklichungswillens des Haupttäters bzw. dadurch, dass dieser Wille die Überhand gewinnt. Somit ist auch nach der herrschenden Auslegung erforderlich, dass ein Verwirklichungs- oder Handlungswille des Täters zu dem bloßen Plan oder Entwurf der Tat hinzutritt. In der Tat kann richtigerweise von einem Tatentschluss im Sinne des § 26 StGB nur gesprochen werden, wenn der Täter auch innerlich schon zur Ausführung der Tat bereit ist – vor diesem Zeitpunkt besteht nur ein Plan, der sich nicht als Entschluss bezeichnen lässt. Allein der Entwurf einer Tat, der nicht den Willen umfasst, die Tat auch auszuführen, stellt noch kein strafbares
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s. o. 3. Teil, B. I. 2. a).
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Unrecht dar.57 Es handelt sich vielmehr nur um Vorstellungen, die an sich noch keinen Bezug zur Außenwelt haben und somit auch strafrechtlich nicht relevant sind. Andererseits kann für die Annahme eines Tatentschlusses, wie bereits erläutert, auch nicht noch mehr in Richtung auf die Ausführung der Tat gefordert werden.58 Somit stellt sich der Wille zur Ausführung der Tat als notwendiges, aber auch hinreichendes Moment des Tatentschlusses dar. Relevant werden die Unterschiede zwischen Neidlingers Ansatz und der herrschenden Auslegung des Tatentschlusses erst bei Hinzuziehung des weiteren Erfordernisses, dass der Anstifter diesen Tatentschluss des Täters auch hervorgerufen haben muss. (2) Das „Hervorrufen“ des Tatentschlusses Als zweites Teilmerkmal der herkömmlichen Definition des Bestimmens im Sinne des § 26 StGB wird das Hervorrufen des Tatentschlusses des Täters durch den Teilnehmer gefordert.59 Fraglich ist also, wann das Verhalten des Teilnehmers einen so starken Einfluss auf die Willensbildung des Täters hat, dass von einem Hervorrufen des Tatentschlusses gesprochen werden kann. Auch für die Qualifikation des Teilnehmerverhaltens als „hervorrufen“ wird überwiegend auf die Abgrenzung zwischen Tatgeneigtheit und Tatentschluss zurückgegriffen60, aus der sich auch die Abgrenzung zwischen Beihilfe und Anstiftung ergibt61. Danach kommt es für die Frage, ob der Teilnehmer den Tatentschluss hervorgerufen hat, darauf an, ob es sich bei dem Täter vor der Einwirkung bereits um einen omnimodo facturus handelt – also jemanden, der zur Tat schon fest entschlossen ist.62 In einem solchen Fall könne die Einwirkung des Teilnehmers diesen vorhandenen Entschluss lediglich noch fördern oder bestärken, aber nicht „hervorrufen“. Eine Anstiftung liege nur vor, wenn der Haupttäter vor der Einflussnahme des Teilnehmers lediglich tatgeneigt war und erst diese Einwirkung zu der Bildung seines Tatentschlusses geführt habe.63 Wenn der Haupttäter hingegen schon vor der Einwirkung den Tatentschluss gebildet habe, komme für den Teilnehmer allenfalls noch eine Strafbarkeit wegen psychischer Beihilfe in Betracht.64 Das entscheidende Kriterium für die Qualifikation des Teilnehmerverhaltens als „Hervorrufen“ im Sinne dieser herkömmlichen Definition ist somit der erforderliche kausale Zusammenhang zwischen diesem Verhalten und der Willensbildung des Täters. Die Bildung des Tatentschlusses muss auf der Einwirkung des Teilnehmers beruhen, also kausal durch sie verursacht worden sein, damit ein Hervorrufen des Entschlusses und damit eine 57 58 59 60 61 62 63 64
So auch Neidlinger, S. 126. Vgl. die gegen den Ansatz von Hoyer vorgebrachte Kritik, 3. Teil, B. I. 2. a), aa), (1), (a). s. o. 3. Teil, B. I. 2. a). Roxin, AT II, S. 149; Schönke/Schröder/Heine, § 26, Rn 7; MK-Joecks, § 26, Rn 10. s. o. 3. Teil, B. I. 2. b). Schönke/Schröder/Heine, § 26, Rn 7; MK-Joecks, § 26, Rn 10. Roxin, AT II, S. 149; Schönke/Schröder/Heine, § 26, Rn 7. Schönke/Schröder/Heine, § 26, Rn 7; Lackner/Kühl, § 26, Rn 2a; Roxin, AT II, S. 149.
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3. Teil: Der geltende § 30 StGB und seine Auslegung
Anstiftung bejaht werden kann. Die Frage, welche konkreten Anforderungen an den Kausalzusammenhang zwischen dem Teilnehmerverhalten und der Willensbildung des Täters zu stellen sind, wird allerdings auch innerhalb dieser Definition unterschiedlich beantwortet – Einigkeit besteht nur darüber, dass das Teilnehmerverhalten für das Entstehen des Tatentschlusses mindestens mitursächlich werden muss.65 Bevor eine nähere Auseinandersetzung mit den zwischen den einzelnen Ansätzen bestehenden Differenzen erfolgen kann, muss zunächst das Grundverständnis der Kausalität geklärt werden, das im Folgenden der Bearbeitung zu Grunde gelegt wird. (a) Das Kausalitätsverständnis Der Begriff der Kausalität findet im Gesetz keine gesonderte Erwähnung, was eine nähere Erläuterung des hier zugrunde gelegten Kausalitätsverständnisses erforderlich macht. Kausalität meint den Zusammenhang zwischen einer Handlung und einem Erfolg.66 Damit ist aber noch keine Aussage darüber getroffen, wie dieser Zusammenhang ausgestaltet sein muss – wann also ein kausaler Zusammenhang bejaht werden kann. Im Folgenden wird von der Äquivalenztheorie ausgegangen werden, die auch in der strafrechtlichen Praxis67 als Ausgangspunkt dient68. Danach ist jede Bedingung, die nicht hinweg gedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele, für diesen Erfolg kausal.69 Kennzeichen dieser Theorie ist die Gleichwertigkeit aller Bedingungen – es erfolgt keine Differenzierung danach, ob es sich um eine entfernte oder eine nahe Bedingung handelt oder danach, welches Gewicht die Bedingung hat.70 Zur Bestimmung der Kausalität auf der Basis der Äquivalenztheorie wird auf die Conditio-sine-qua-non-Formel zurückgegriffen, wonach eine Handlung kausal für einen Erfolg ist, wenn sie nicht hinweg gedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele.71 Zu Recht kritisiert wird diese Formel insofern, als sie nur dann weiterhilft, wenn bereits bekannt ist, dass zwischen einer Ursache und einer Wirkung ein naturgesetzlicher Zusammenhang besteht.72 Denn nur, wenn feststeht, dass eine Handlung geeignet ist, einen bestimmten Erfolg herbeizuführen, kann durch das Hinwegdenken dieser Handlung geklärt werden, ob der Erfolg auch ohne sie eingetreten wäre. Steht diese Eignung hingegen nicht fest, ermöglicht auch die Anwendung der ConditioFormel keine Aussage darüber, ob der Erfolg kausal durch die Handlung herbeige-
65 SK-Hoyer, § 26, Rn 5; Roxin, AT II, S. 149; RGSt 13, 121; BGHSt 9, 370, 379; BGH, MDR 1970, 730; Schönke/Schröder/Heine, § 26, Rn 4; Lackner/Kühl, § 26, Rn 2. 66 Kühl, AT, S. 17 ff. 67 St. Rspr.; BGH 1, 332; 2, 24; BGH, StV 04, 485. 68 So auch LK-Walter, 12. Aufl., Vor § 13, Rn 73. 69 LK-Walter, 12. Aufl., Vor § 13, Rn 73; SK-Rudolphi, Vor § 1, Rn 39; Kühl, AT, S. 20. 70 Fischer, Vor § 13, Rn 21; LK-Walter, 12. Aufl., Vor § 13, Rn 73. 71 SK-Rudolphi, Vor § 1, Rn 39; LK-Walter, 12. Aufl., Vor § 13, Rn 73. 72 So auch: LK-Walter, 12. Aufl., Vor § 13, Rn 73, SK-Rudolphi, Vor § 1, Rn 40.
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führt wurde.73 Des Weiteren stößt die Anwendung der Äquivalenztheorie an ihre Grenzen, wenn neben der zu untersuchenden möglichen Ursache noch andere Ursachen bereitstehen: Eine solche Konstellation ist gegeben, wenn zwei unterschiedliche Ursachen zusammentreffen, von denen aber jede auch allein geeignet ist, den Erfolg herbeizuführen. In Fällen dieser sogenannten alternativen Kausalität74, teilweise auch als Doppelkausalität bezeichnet75, versagt die Äquivalenztheorie. Danach müsste für jede der Ursachen für sich betrachtet die Kausalität verneint werden. Dies hätte zur Folge, dass keine der Ursachen als kausal für den Erfolg angesehen werden könnte und somit auch keine Zurechnung des Erfolges zu dem jeweiligen Verhalten möglich wäre. Dieses Ergebnis kann deshalb nicht überzeugen, weil jede einzelne Ursache unproblematisch als kausale Bedingung für den Erfolg erkannt würde, wenn die jeweils andere nicht existierte. Ähnlich problematisch ist die Anwendung der Äquivalenztheorie bei Vorliegen sogenannter Ersatzursachen.76 In dieser Konstellation wirken, anders als bei der alternativen Kausalität, nicht zwei Ursachen parallel, sondern für den Fall, dass die zu untersuchende Ursache ausfallen würde, stünde eine sog. Ersatzursache bereit, die auch allein zu dem Erfolg geführt hätte. Auch bei dieser, als hypothetische Kausalität bezeichneten77, Konstellation käme die Äquivalenztheorie zu dem untragbaren Ergebnis, eine Kausalität liege jeweils nicht vor.78 In der Rechtsprechung wird die Kausalität trotz der grundsätzlichen Anwendung der Äquivalenztheorie auch in den Fällen der hypothetischen79 und alternativen Kausalität80 gleichwohl immer bejaht, um diese Ergebnisse zu vermeiden.81 (b) Das Kausalitätsverhältnis zwischen der Teilnehmerhandlung und der Willensbildung des Täters Im Folgenden soll auf der Grundlage des dargestellten Kausalitätsverständnisses die Frage beantwortet werden, wann in dem äußeren Verhalten des Teilnehmers eine kausale Bedingung für die Willensbildung des Täters gesehen werden kann. Weiterhin wird untersucht werden, ob für das Hervorrufen im Rahmen der Definition des Bestimmens die Kausalität im Sinne der Äquivalenztheorie hinreichend ist oder ob weitergehende Anforderungen zu stellen sind. 73
LK-Walter, 12. Aufl., Vor § 13, Rn 72; SK-Rudolphi, Vor § 1, Rn 40. LK-Walter, 12. Aufl., Vor § 13, Rn 73; Kühl, AT, S. 27; Schönke/Schröder/Lenckner/ Eisele, Vor §§ 13 ff, Rn 82. 75 SK-Rudolphi, Vor § 1, Rn 40. 76 Kühl, AT, S. 23; Schönke/Schröder/Lenckner/Eisele, Vor §§ 13 ff, Rn 80; MüKo-Freund, Vor §§ 13 ff, Rn 312. 77 LK-Walter, 12. Aufl., Vor § 13, Rn 73, Kühl, AT, S. 23. 78 Kühl, AT, S. 23, Wessels/Beulke, S. 58. 79 RGSt 22, 325 f; BGHSt 2, 20, 24. 80 RGSt 19, 141, 145. 81 LK-Walter, 12. Aufl., Vor § 13, Rn 73. 74
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Wird dieses herrschende Kausalitätsverständnis auch der hier zu beurteilenden Problematik zugrunde gelegt, ist für das erfolgreiche Bestimmen im Sinne des § 26 StGB zu fordern, dass die Einwirkung des Teilnehmers für die Entschlussbildung des Täters kausal im Sinne der Conditio-sine-qua-non-Formel wird.82 Das Verhalten des Teilnehmers ist demnach kausal für den Tatentschluss des Täters geworden, wenn es nicht hinweg gedacht werden kann, ohne dass auch der Tatentschluss entfiele. Dabei besteht Einigkeit darüber, dass eine Mitursächlichkeit des Teilnehmerverhaltens neben anderen Entstehungsgründen ausreicht.83 Der von dem Teilnehmer bewirkte Anstoß muss somit nicht der alleinige Grund für die Entschlussbildung des Täters sein, sondern es genügt – wie auch nach der Äquivalenztheorie folgerichtig ist –, das Zusammenwirken mehrerer Ursachen, von denen eine die Einwirkung des Teilnehmers darstellt. Demzufolge kommt eine Anstiftung nur in Betracht, wenn der Täter ohne die Einwirkung des Teilnehmers den Tatentschluss nicht gefasst hätte.84 Auch hier sind, dem allgemeinen Kausalitätsverständnis folgend, etwaige Ersatzursachen unberücksichtigt zu lassen. Wenn ein bislang noch nicht entschlossener Täter die Tat begeht, weil ihm der Teilnehmer eine größere Geldsumme verspricht, ist das Verhalten des Teilnehmers für die Bildung dieses Tatentschlusses kausal. Das muss auch dann gelten, wenn sich der Täter ohne das Angebot des Teilnehmers aus anderen Gründen noch zur Ausführung der Tat entschieden hätte. Die hypothetische Überlegung, der Täter hätte den Tatentschluss auch ohne die Einwirkung des Teilnehmers gefasst, ändert nichts daran, dass das Verhalten des Teilnehmers den Täter tatsächlich zu der Tat motiviert hat. Somit kann der hypothetische Verlauf keine Bedeutung für die Bewertung des Einflusses des tatsächlich erfolgten Teilnahmeverhaltens auf die Entschlussbildung haben.85 Folglich dürfen solche Ersatzursachen bei der rechtlichen Beurteilung nicht berücksichtigt werden. Strikt zu trennen ist die Konstellation des Vorliegens von Ersatzursachen von derjenigen, in der der Teilnehmer zu dem festen Tatentschluss des Täters lediglich noch ein weiteres Motiv liefert, das der Täter in seinen Vorsatz aufnimmt. Damit ist zum Beispiel der Fall gemeint, dass ein Täter, der schon fest entschlossen ist, den Liebhaber seiner Frau zu töten, zusätzlich auf das Angebot eines Dritten eingeht, der ihm für diese Tötung eine größere Geldsumme anbietet. Hier kann nicht davon gesprochen werden, dass der Teilnehmer durch das Angebot den Tatentschluss des Täters hervorgerufen hat86, weil der Tatentschluss schon vor der Einwirkung des Teilnehmers bestand. Nach der Conditio-Formel ist das Verhalten des Teilnehmers 82 Teilweise wird die Möglichkeit einer kausalen Beziehung im Sinne der Äquivalenztheorie zwischen äußerem Verhalten und inneren Vorgängen, wie hier der Willensbildung, kritisch gesehen. Dieses Problem der psychischen Kausalität kann aufgrund des begrenzten Umfangs dieser Ausarbeitung nicht näher untersucht werden. Dazu Puppe, Erfolgszurechnung, S. 57. 83 LK-Schünemann, 12. Aufl., § 26, Rn 17 m.w.N. 84 LK-Schünemann, 12. Aufl., § 26, Rn 23. 85 So auch BGHSt 13, 14 f. 86 So auch LK-Schünemann, 12. Aufl., § 26, Rn 19.
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somit nicht kausal für die Entschlussfassung des Täters: Wenn der Teilnehmer dem Täter das Angebot der Geldzahlung nicht gemacht hätte, hätte der Täter die Tat gleichwohl begangen. Hier kann auch, anders als bei der Konstellation der Ersatzursachen, nicht darauf abgestellt werden, dass der Verlauf der Entschlussbildung ohne die Einwirkung des Teilnehmers ein rein hypothetischer sei, der nicht hinzugedacht werden dürfe. Denn in dieser Konstellation handelt es sich bei der Entschlussbildung ohne die Einwirkung des Teilnehmers nicht lediglich um einen hypothetischen Verlauf.87 Der Täter hat seinen Entschluss tatsächlich schon vor der Einflussnahme des Teilnehmers gefasst. Die Wirkung des Teilnehmerverhaltens beschränkt sich auf das Hinzutreten eines weiteren Motivs zu dem bereits existierenden Tatentschluss. Darin liegt ein deutlich geringerer Einfluss, als wenn der Tatentschluss vor der Einwirkung nicht bestanden hätte. Der Teilnehmer kann in einem solchen Fall den Entschluss des Täters höchstens verstärkt – so dass eine psychische Beihilfe in Betracht kommt –, jedenfalls aber nicht hervorgerufen haben. Ein engeres Kausalitätsverständnis liegt der Theorie von Neidlinger zugrunde. Er verlangt für das „Hervorrufen“ des Tatentschlusses, dass der Teilnehmer die entscheidende Bedingung für die Entstehung des aktuellen Handlungswillens setzt, wodurch die Bildung des Tatentschlusses abgeschlossen wird.88 Die Einwirkung des Teilnehmers muss demnach kausal werden für das Hinzutreten des aktuellen Handlungswillens zu den sonstigen subjektiven Vorstellungen von der Tat89, die der Haupttäter auch ohne Einwirkung des Teilnehmers gebildet haben kann. Dabei reiche allerdings nicht jede Herbeiführung des aktuellen Handlungswillens durch den Teilnehmer aus, sondern vielmehr müsse er die entscheidende Bedingung für dessen Entstehung gesetzt haben. Dieses Erfordernis leitet Neidlinger daraus ab, dass der Gesetzeswortlaut von einem „Bestimmen“ spricht und nicht jede kausale Hervorrufung des Tatentschlusses ein solches darstelle.90 Er nimmt Bezug auf den von Schulz entwickelten Dominanzgedanken91, wonach sich der Anstifter – in Abgrenzung zum Gehilfen – gerade nicht einem fremden Willen unterordne.92 Daraus ergebe sich, dass nicht jede kausale Herbeiführung des aktuellen Handlungswillens ausreichen könne, um eine Anstiftung zu bejahen. Das erforderliche einschränkende Kriterium sieht er in der entscheidenden Bedingung, die der Teilnehmer für die 87 Anders diesbezüglich: SK-Hoyer, § 26, Rn 9. Er nimmt auch für diese Konstellation einen hypothetischen Verlauf an, der nicht beachtet werden dürfe und bezieht sich bei seiner Argumentation auch auf die Entscheidung BGHSt 13, 14. Dabei verkennt er aber, dass sich die zitierte Entscheidung gerade auf die Situation bezieht, in denen es um mögliche, nicht tatsächlich in Wirkung getretene Ersatzursachen bezieht. Diese Konstellation kann aber nicht mit derjenigen gleichgesetzt werden, in der der Teilnehmer nur noch ein weiteres Motiv zu dem bestehenden Tatentschluss liefert. 88 Neidlinger, S. 127 f. 89 Neidlinger, S. 127. 90 Neidlinger, S. 152. 91 Schulz, S. 140 ff. Er geht davon aus, dass die tätergleiche Bestrafung des Anstifters durch eine Dominanz, ein Übergewicht des Anstifters in der Tatplanung begründet ist. 92 Neidlinger, S. 152.
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Entstehung des aktuellen Handlungswillens und damit für die Entstehung des Tatentschlusses gesetzt haben müsse. Nur dann habe der Teilnehmer auch die erforderliche Entscheidungsdominanz gegenüber dem Haupttäter.93 Die Qualifizierung einer Bedingung als entscheidend nimmt Neidlinger vor, indem er einen Vergleich mit den hypothetischen Kausalverläufen anstellt. Wenn der Täter den Tatentschluss auch ohne die Einwirkung des Teilnehmers aus anderen Gründen gebildet hätte, dann liege in dem Teilnahmeverhalten gerade keine entscheidende Bedingung.94 Neidlingers Ansatz der entscheidenden Bedingung bedeutet folglich nichts anderes, als dass bei der Beurteilung des Kausalitätsverhältnisses zwischen dem Teilnahmeverhalten und dem Tatentschluss des Täters auch etwaige Ersatzursachen berücksichtigt werden müssen. Liegen solche vor, schließen sie die Kausalität der Einwirkung des Teilnehmers für den Tatentschluss des Täters aus und ein Hervorrufen im Sinne der Definition des Bestimmens gem. § 26 StGB muss abgelehnt werden. Nach Neidlinger ist der Begriff des Bestimmens also im Vergleich zu der herrschenden Ansicht enger auszulegen mit der Folge, dass der Anwendungsbereich der Anstiftung begrenzt wird. Wie bereits dargestellt95, kann diese engere Auslegung, die sich auf die Berücksichtigung von Ersatzursachen stützt, nicht überzeugen. Neidlinger leitet die Notwendigkeit einer einschränkenden Auslegung aus dem Wortsinn des im Gesetz verwendeten Begriffes „bestimmen“ ab. Dieser Begriff verlange eine intensivere Einwirkung des Teilnehmers auf die Willensbildung des Täters als ein bloßes Verursachen oder Hervorrufen des Tatentschlusses. Somit habe bereits der Gesetzgeber für die Anstiftung mehr verlangen wollen als allein die kausale Verknüpfung zwischen Anstifterhandlung und Entstehen des Tatentschlusses beim Haupttäter. Anderenfalls, wenn jedes Verursachen des Teilnehmers hätte ausreichen sollen, wäre nicht der Begriff „bestimmen“ gewählt worden. Neidlinger ist zuzugestehen, dass der Begriff „bestimmen“ eine Auslegung, die darin eine stärkere Einflussnahme als jede beliebige Verursachung des Tatentschlusses sieht, nahelegt. „Bestimmen“ bedeutet so viel wie „beeinflussen“, „einwirken“, aber auch „einflößen“ und „überreden“.96 Aus diesen verwandten Begriffen kann zwar der Schluss gezogen werden, dass in einem „Bestimmen“ durchaus eine intensivere Einwirkung als in einem „Verursachen“ gesehen werden kann. Gleichwohl ist die von Neidlinger daraus abgeleitete Forderung, der Begriff des Bestimmens müsse enger ausgelegt werden als bisher geschehen, nicht zwingend. Dies wäre nur dann der Fall, wenn die herrschende Auslegung mit dem Wortsinn nicht vereinbar wäre, wovon aber nicht auszugehen ist. Denn das Gesetz verlangt ein „Bestimmen zur Tat“ eines anderen, das von der herrschenden Meinung als Hervorrufen des Tatentschlusses definiert wird. Darin liegt aber bereits ein engeres Verständnis des „Bestimmens“ als ein bloßes Verursachen der Tat eines anderen. Der Teilnehmer muss nämlich den Tatentschluss des Täters hervorgerufen haben. Nicht ausreichend ist hingegen die Verursachung der Tat auf an93 94 95 96
Neidlinger, S. 152. Neidlinger, S. 156 f. s. o. 3. Teil, B. I. 2. a), aa), (2), (b). Duden – Das Synonymwörterbuch.
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dere Weise – beispielsweise indem er einem bereits zur Tat fest Entschlossenen das noch fehlende Werkzeug besorgt. Damit hat der Teilnehmer die Tat des Täters zwar auch verursacht, da ohne seine Mitwirkung die Tat nicht begangen worden wäre, dennoch handelt es sich nach der herrschenden Auslegung nicht um ein Bestimmen im Sinne des § 26 StGB. Folglich reicht auch nach der herrschenden Auslegung für das Bestimmen nicht jede Verursachung der Tat, sondern nur jedes Hervorrufen des Tatentschlusses. Somit liegt auch in dieser Auslegung bereits eine Einschränkung des Merkmals. Selbst wenn Neidlingers Forderung, den Begriff des Bestimmens noch enger als ein „Hervorrufen des Tatentschlusses“ auszulegen, übernommen würde, kann das von ihm gewählte Einschränkungskriterium nicht überzeugen. Er verweist nämlich für die Begrenzung des Merkmals auf die hypothetischen Kausalverläufe, die in die Bewertung der Kausalbeziehung zwischen dem Teilnahmeverhalten und der Willensbildung des Täters einfließen müssten. Dabei lässt er aber außer Betracht, dass die Einwirkung des Teilnehmers bzw. deren Intensität nicht davon abhängt, ob hypothetisch auch andere Ursachen denselben Erfolg erzielt hätten. Auch wenn für den Fall der Untätigkeit des Teilnehmers der Erfolg gleichwohl eingetreten wäre, also der Täter den Tatentschluss gebildet hätte, bleibt die konkrete tatsächliche Wirkung des Teilnahmeverhaltens bestehen. Dieses Verhalten hat zu der Bildung des Tatentschlusses geführt – während den anderen Ursachen eine solche tatsächliche Wirkung gerade nicht zukommt. Es ist nicht nachvollziehbar, warum es dem Teilnehmer zu Gute kommen soll, wenn zufällig noch andere Ursachen, von denen er in der Regel auch keine Kenntnis haben dürfte, unabhängig von ihm den Tatentschluss hervorgerufen hätten. Denn sowohl sein Verhalten als auch dessen Wirkung ist identisch mit demjenigen bei Fehlen solcher Ersatzursachen – das von ihm verwirklichte Unrecht ist in beiden Konstellationen deckungsgleich. In dem einen Fall wäre der Teilnehmer aber höchstens wegen psychischer Beihilfe zu belangen, in dem anderen hingegen wegen Anstiftung. Dieser insbesondere in Hinblick auf die Strafdrohung bedeutsame Unterschied lässt sich nicht rechtfertigen. Folglich ist Neidlingers These, es sei eine entscheidende Bedingung notwendig, abzulehnen. bb) Abweichende Ansätze zur Definition des „Bestimmens“ Neben der soeben untersuchten überwiegend vertretenen Definition des Bestimmens als Hervorrufen des Tatentschlusses werden auch gänzlich andere Ansätze vertreten, die aufgrund des begrenzten Umfanges dieser Ausarbeitung aber nicht vollständig dargestellt werden können. Im Folgenden beschränkt sich die Untersuchung auf zwei abweichende Ansätze, die von Puppe entwickelte Unrechtspaktstheorie und die Theorie der Verhaltensnormen von Stein.
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(1) Die Unrechtspaktstheorie Einen gänzlich anderen Ansatz, um den objektiven Tatbestand der Anstiftung zu charakterisieren, vertritt Puppe. Sie lehnt das Kriterium des „Hervorrufens des Tatentschlusses“ als nicht überzeugend ab, da es keinen isolierten Tatentschluss vor der Tatbegehung geben könne.97 Des Weiteren sei auch keine zuverlässige Aussage über das Kausalitätsverhältnis zwischen dem äußeren Teilnahmeverhalten und der inneren Willensbildung des Täters möglich.98 Folglich könnten die von der herrschenden Auslegung gestellten Anforderungen gar nicht erfüllt werden, da eine über bloße Vermutungen hinausgehende Aussage über dieses Verhältnis nicht möglich sei. Puppe bezweifelt allgemein die Möglichkeit, die für die Vorgänge in der Außenwelt entwickelten Kausalitätsgrundsätze auf einen psychischen Vorgang wie die Entschlussfassung zu übertragen.99 Für die Beziehungen von Ereignissen in der Außenwelt gebe es bestimmte gesetzmäßige Bedingungen und Erfahrungssätze, anhand derer es möglich sei, die Kausalität zu bestimmen, während solche Gesetzmäßigkeiten im Bereich der menschlichen Psyche gerade nicht existierten oder sie – für den Fall, dass es sie doch geben sollte – jedenfalls nicht bekannt seien. Somit könne keine fundierte Aussage darüber getroffen werden, ob das Verhalten des Teilnehmers den Tatentschluss des Täters hervorgerufen hat – solche Aussagen seien lediglich intuitive Vorurteile, die allein darauf gestützt würden, dass das Verhalten des Teilnehmers zeitlich vor der Entschlussfassung des Täters liege.100 Die Definition des Merkmals „bestimmen“ als „Hervorrufen des Tatentschlusses“ führe also nicht weiter, da eine Feststellung, ob es erfüllt ist oder nicht, nicht möglich sei. Stattdessen sieht Puppe den erforderlichen Zusammenhang zwischen dem Verhalten des Teilnehmers und dem Vorsatz des Täters in dem Hervorrufen eines Tatmotivs. Wenn der Täter selbst anerkenne, dass ihn ein bestimmtes Motiv zu der Tat getrieben habe, das gerade von dem Teilnehmer geliefert worden sei, sei der erforderliche Erfolg des Verhaltens des Anstifters gegeben – ein Erfolg, der unmittelbar nur durch die Aussage des Haupttäters selbst festgestellt werden könne. Insofern bestehe aber kein Unterschied zu der Feststellung des Vorsatzes.101 Puppe gibt zu, dass auch hier die Hervorrufung irgendeines von mehreren Motiven genügen müsse, da eine Gewichtung von unterschiedlichen Motiven nach ihrem Einfluss auf das Verhalten des Täters unmöglich sei102. Außerdem erweise sich die Einordnung, ob ein bestimmtes Verhalten ein Motiv für ein bestimmtes Ziel geliefert habe, als sehr schwer, da diese Frage wiederum davon abhänge, was als Ziel qualifiziert werde. Je nachdem, was als Ziel oder Zwischenziel angesehen werde, variiere auch die Einordnung, ob und, wenn ja,
97
Puppe, GA 1984, 101, 117. Puppe, GA 1984, 101, 104 ff. 99 Puppe, GA 1984, 101, 104 ff. 100 Puppe, GA 1984, 101, 105, 107. 101 Puppe, GA 1984, 101, 109. 102 Puppe, GA 1984, 101, 110. 98
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welches Verhalten für dieses Ziel ein Motiv lieferte.103 Aus diesen Gründen, die auch das Kriterium des Hervorrufens des Tatmotivs als zu unbestimmt erscheinen ließen, ergebe sich, dass auch allein damit nicht die tätergleiche Bestrafung des Anstifters legitimiert werden könne.104 Stattdessen müsse, was als Kern der Theorie Puppes angesehen werden kann, als weiteres Merkmal noch eine Unrechtsvereinbarung zwischen Teilnehmer und Täter hinzutreten. Nur bei Vorliegen einer solchen Unrechtsvereinbarung habe der Teilnehmer die Herrschaft über das Delikt, da der Täter sich hinsichtlich des Ob und des Wie der Tatbegehung dem Anstifter unterordne. Die Forderung nach der Deliktsherrschaft des Anstifters leitet Puppe aus dem Wortlaut des Gesetzes ab, da „bestimmen“ mehr bedeute als nur „hervorrufen“ oder „veranlassen“. Folglich sei erforderlich, dass der Anstifter den Ablauf der Tat bestimme und so die Herrschaft über die Tatausführung habe.105 Des Weiteren ergebe sich die Notwendigkeit der Herrschaft des Anstifters aus dem tätergleichen Strafrahmen, da dieser sonst nicht legitimiert werden könne.106 Die Anstiftung verlange demnach, dass der Täter die Tat vornimmt, um eine dem Teilnehmer gegenüber bestehende faktische Verpflichtung zu erfüllen.107 Somit erfolge die Abgrenzung zwischen Anstiftung und psychischer Beihilfe nicht über den Begriff des omnimodo facturus, sondern über das Erfordernis der Unrechtsvereinbarung – fehle diese, könne es sich bei der Einwirkung des Teilnehmers schon gar nicht um eine Anstiftung handeln. Folglich könne auch eine für den Täter „unverbindliche Anregung oder Anreizung zur Tat“108, die dadurch gekennzeichnet sei, dass der Teilnehmer dem Täter alle weiteren Einzelheiten der Tat überlässt, nicht ausreichen, um eine Anstiftungsstrafbarkeit zu begründen. Auch Puppe stellt, wie Neidlinger109, zur Begründung ihrer im Vergleich zur herrschenden Definition engeren Auslegung des Merkmals „bestimmen“ auf den Wortsinn des Begriffes ab. Hinsichtlich der Frage, ob eine solche einschränkende Auslegung des Begriffes „Bestimmen“ zwingend ist, kann insofern auf die schon zu der Theorie Neidlingers vorgebrachte Argumentation verwiesen werden.110 Es bleibt festzuhalten, dass sich keine Notwendigkeit einer Begrenzung der Anstiftungsstrafbarkeit im Vergleich zu der herrschenden Auslegung allein aus dem Wortlaut des Gesetzes ableiten lässt. Der eigentliche Kritikpunkt an der von Puppe entwickelten Theorie des Unrechtspaktes ist aber in den sich daraus ergebenden Konsequenzen zu sehen. Wird für die Anstiftung verlangt, dass sich der Täter dem Teilnehmer gegenüber zur Tatbegehung verpflichtet fühlen muss, führt das zu folgenden, mit dem 103 104 105 106 107 108 109 110
Puppe, GA 1984, 101, 110. Puppe, GA 1984, 101, 110. Puppe, GA 1984, 101, 123. Puppe, GA 1984, 101, 112 f. Puppe, GA 1984, 101, 112. Puppe, GA 1984, 101, 112. s. o. 3. Teil, B. I. 2. a), aa), (2), (b). s. o. 3. Teil, B. I. 2. a), aa), (2), (b).
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3. Teil: Der geltende § 30 StGB und seine Auslegung
System der Teilnahme nicht zu vereinbarenden Ergebnissen: Wenn der Teilnehmer einem noch Unentschlossenen für eine bestimmte Tatbegehung Geld verspricht mit der Folge, dass der Angesprochene sich ihm gegenüber zur Tatausführung verpflichtet fühlt, hätte sich der Teilnehmer wegen Anstiftung strafbar gemacht. Wird der Fall hingegen nur leicht dahingehend abgewandelt, dass der Täter zwar das Angebot annimmt und die Tat ausführt, sich dem Teilnehmer aber nicht dazu verpflichtet fühlt, müsste eine Anstiftung verneint werden. Diese Differenzierung kann indessen nicht überzeugen. Es kann nicht bestritten werden, dass die Einwirkung des Teilnehmers auch im letzten Fall vergleichbares Gewicht hatte, da der Täter die Möglichkeit der Deliktsbegehung ohne sie erst gar nicht ins Auge gefasst hätte. Daraus ergibt sich die Frage, warum der insofern unwesentliche Unterschied, ob der Täter die Tat „nur“ aufgrund des Teilnehmerverhaltens begeht oder ob er dabei auch zusätzlich noch die Vorstellung hat, dem Teilnehmer verpflichtet zu sein, ausreichen soll, um in dem einen Fall höchstens eine psychische Beihilfe und in dem anderen eine Anstiftung zu bejahen. Diese Differenzierung führt also auch dazu, dass „klassische“ Anstiftungsfälle, in denen der Anstifter „nur“ den Anstoß zu der Tat gibt, aber sich selbst nicht in Fragen der Tatausführung einmischt, oder der Täter eben keine Verpflichtung eingeht, aus dem Bereich der Anstiftung ausgeklammert werden. Puppe argumentiert zur Begründung ihrer einschränkenden Auslegung auch mit dem tätergleichen Strafrahmen der Anstiftung, der erhöhte Anforderungen an das Anstifterverhalten erforderlich mache. Aber auch dieser Rückgriff auf die Strafdrohung der Anstiftung im Verhältnis zur Beihilfe kann nicht überzeugen. Zwar ist es zutreffend, dass aufgrund des tätergleichen Strafrahmens, den das Gesetz für die Anstiftung vorsieht, nicht jede psychische Einwirkung des Teilnehmers auf den Täter ausreichen kann, um eine Anstiftung zu bejahen. Vielmehr muss dem Teilnehmer in gewisser Weise eine dem Täter vergleichbare Rolle zukommen, damit die gleiche Bestrafung legitimiert werden kann. Doch folgt aus diesen Überlegungen weder die Notwendigkeit noch die Möglichkeit, eine Einschränkung anhand des Kriteriums des Unrechtspaktes vorzunehmen, wie Puppe es fordert. Der tätergleiche Strafrahmen wird nämlich auch dadurch legitimiert, dass der Anstifter die Tatbegehung überhaupt erst in Gang bringt, in dem er bei dem Täter den entscheidenden Auslöser zu dessen Tatentschluss setzt. Insofern kommt dem Teilnehmer durchaus eine einem Täter vergleichbare Rolle zu, da er in gewisser Weise den geistigen Ursprung für die Tat gesetzt hat. Ohne seinen Einfluss wäre es nie zu der Tat gekommen, so dass er einen vergleichbaren Anteil an dem durch die Tat tatsächlich verursachten Unrecht hat, und zwar auch dann, wenn der Täter die Tat begeht, ohne sich dem Teilnehmer verpflichtet zu fühlen. Folglich ist zur Begründung des Strafrahmens keine Einschränkung auf Konstellationen, in denen ein Unrechtspakt bejaht werden kann, erforderlich. Da bei Vornahme dieser Einschränkung andererseits sogar bestimmte Fälle aus dem Anwendungsbereich der Anstiftung herausfallen, in denen den Teilnehmer ein gleicher Unrechtsvorwurf trifft, kann diese Einschränkung auch nicht legitimiert werden. Folglich ist die Theorie Puppes abzulehnen.
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(2) Die Theorie von den Verhaltensnormen Einen von der herrschenden „Abgrenzungstheorie“ abweichenden Ansatz vertritt auch Stein. Er bezweifelt, dass es für die Unterscheidung zwischen Anstiftung und Beihilfe darauf ankommt, ob das Verhalten des Teilnehmers vor oder nach der festen Bildung des Tatentschlusses erfolgt. Für das von dem Teilnehmer verwirklichte Unrecht sei es unerheblich, ob er den Entschluss des Vordermannes durch seine Einwirkung erst hervorrufe oder ob er bei einem schon fest Entschlossenen noch vorhandene Zweifel wieder ausräume. Diese Unterscheidung erwecke den Eindruck, dass es bei den beiden Einwirkungsformen des Teilnehmers zu einer unterschiedlich starken Gefahrerhöhung durch den Teilnehmer komme, die die unterschiedliche Bestrafung rechtfertige.111 Davon könne aber nicht ausgegangen werden, weil allein ein Abwarten des Teilnehmers darüber entscheide, ob sein Verhalten als Anstiftung oder als Beihilfe charakterisiert werde. Dabei kritisiert Stein bereits den Ausgangspunkt der herrschenden Abgrenzung als unzutreffend. Diese gehe davon aus, dass ohne die Einwirkung des Teilnehmers die Tat gar nicht begangen worden wäre. Auch bei einer Einflussnahme des Teilnehmers vor der Entschlussfassung des Täter könne aber bereits ein Tatbegehungsrisiko bestehen – genauso wie der Teilnehmer bei einer Einwirkung auf einen bereits zur Tat fest Entschlossenen das Risiko der Tatbegehung erst noch durch seine Einwirkung begründen könne. Dies sei der Fall, wenn absehbar sei, dass die Tatgeneigtheit des Täters ohne die Einwirkung des Teilnehmers wieder wegfallen würde.112 Das Kriterium des festen Tatentschlusses des Vordermannes hat nach Stein also keine Aussagekraft hinsichtlich der Frage, welche Gefahr die Einwirkung des Teilnehmers schafft. Eine Betrachtung und Differenzierung nach diesem Kriterium würde eine rückblickende Beurteilung der Teilnahmeform nach ihrem Erfolgsunwert bedeuten. Diese Frage nach dem „Verantwortungsanteil“ des Teilnehmerverhaltens an der Haupttat sei aber nicht möglich, da es sich bei der Straftat immer um eine mit Strafe bedrohte Verhaltenspflichtverletzung handele.113 Auf dieser Basis entwickelt Stein seine Theorie zur Anstiftungsstrafbarkeit. Er unterscheidet dabei verschiedene Arten von Verhaltensnormen, die zu Pflichten mit unterschiedlicher Intensität führen. Die Täter- und Anstifternormen stellen danach diejenigen Verhaltensnormen mit der größten, die Gehilfennormen diejenigen mit einer nur untergeordneten Dringlichkeit und Reichweite dar.114 Als allgemeines Kennzeichen der Teilnehmerverhaltensnormen führt Stein zum einen an, dass sie sich immer auf Verhaltensweisen beziehen, deren Gefährlichkeit durch das künftige pflichtwidrige Verhalten eines anderen vermittelt werde. Zum anderen sei notwendiges Merkmal der Teilnehmerverhaltensnormen, dass das Verhalten des Vordermannes selbst durch eine vollwertige Verhaltenspflicht verboten sei und der Täter die
111 112 113 114
Stein, S. 179. Stein, S. 180. Stein, S. 178. Stein, S. 241 ff.
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3. Teil: Der geltende § 30 StGB und seine Auslegung
vollständige Pflichtbefolgungsfähigkeit besitze.115 Zur Differenzierung zwischen Anstifter- und Gehilfenverhaltensnormen unterscheidet Stein zwischen zwei verschiedenen Arten von Gefährlichkeit, die das Verhalten des Teilnehmers ausmachen können: Einerseits könne die Gefährlichkeit des Teilnahmeverhaltens in einer Einwirkung auf die äußere Situation oder auf das Wissen des Vordermannes liegen, wodurch die den Vordermann treffende Verhaltenspflicht noch stärker motivierend wirken müsse, um die Verletzung der Pflicht zu verhindern.116 Andererseits könne die Gefährlichkeit des Teilnahmeverhaltens auch in einer Beeinträchtigung der Motivationskraft der den Vordermann treffenden Verhaltenspflicht selbst liegen.117 Als Anstifterverhaltensnormen ordnet Stein nur diejenigen Normen ein, die Verhaltensweisen verbieten, deren Gefährlichkeit gerade in der Beeinträchtigung der Motivationskraft der Verhaltenspflicht des Vordermannes selbst liegt. Nur bei Verstoß gegen eine solche Verhaltenspflicht seitens des Teilnehmers liege eine Anstiftung vor. Wirkt das Verhalten des Teilnehmers hingegen nur auf die äußere Situation oder den Kenntnisstand des Vordermannes ein und erhöht es dadurch die Gefahr, dass der Vordermann aufgrund des höheren Anreizes gegen seine Verhaltenspflicht verstößt, liegt nach Stein lediglich ein Verstoß gegen eine Beihilfeverhaltensnorm vor.118 Die Unterscheidung zwischen Anstiftung und Beihilfe anhand der Beurteilung, ob in dem Teilnehmerverhalten eine Beeinträchtigung der Motivationskraft der Verhaltensnorm selbst liegt oder nicht, begründet Stein mit folgenden Überlegungen: Wenn die motivierende Kraft der den Vordermann treffenden Verhaltenspflicht nicht beeinträchtigt werde, bestehe ein „Schutzwall“, der die Straftatbegehung verhindern könne. Insofern sei die Verhaltenspflicht, die den Teilnehmer trifft – also die Einwirkung auf den Vordermann zu unterlassen – unter dem Gesichtspunkt des Rechtsgüterschutzes nicht ganz so dringlich.119 Bewirke das Verhalten des Teilnehmers hingegen, dass die den Vordermann treffende Verhaltenspflicht ihre Motivationskraft einbüße, werde der Schutzwall durchbrochen und die Gefahr der Straftatbegehung sei demnach größer. Folglich komme diesen Verhaltenspflichten eine erhöhte Dringlichkeit zu mit der Folge, dass diese Pflichten als Anstifterverhaltensnormen zu qualifizieren seien.120 Das entscheidende Kriterium für die Differenzierung zwischen Anstiftung und Beihilfe ist somit die Qualität des Teilnahmeverhaltens als Beeinträchtigung der Motivationskraft der den Vordermann treffenden Verhaltenspflicht. Diese danach für das Bestimmen im Sinne des § 26 StGB erforderliche Beeinträchtigung sei auf zwei unterschiedliche Arten denkbar: Jeder Verhaltenspflicht komme eine Bewertungs- und eine Bestimmungsfunktion zu, aus deren Kombination sich ihre motivierende Kraft ergebe. Die Bewertungsfunktion liege in der Einordnung eines bestimmten Verhaltens als missbilligenswert, während die 115 116 117 118 119 120
Stein, S. 241. Stein, S. 242. Stein, S. 242. Stein, S. 243. Stein, S. 242. Stein, S. 243.
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Bestimmungsfunktion den Verpflichteten aufgrund dieser Bewertung zur Meidung des jeweiligen Verhaltens auffordere.121 Das Verhalten des Teilnehmers könne demzufolge auf beiden Ebenen der Verhaltenspflicht ansetzen und dadurch ihre Motivationskraft beeinträchtigen. Der Teilnehmer könne zum einen Einfluss auf die Wertmaßstäbe des Vordermannes nehmen mit der Folge, dass dieser die von der Norm vorgenommene Bewertung nicht mehr teile. Eine Norm, deren Verbot schon nicht moralisch geteilt oder nachvollzogen werde, übe eine deutlich geringere Motivation in Richtung auf die Pflichtbefolgung aus, als wenn ihre Bewertung den Wertungen des Normadressaten entspreche. Folglich sei darin eine Beeinträchtigung der Motivationskraft der Norm und damit die Verletzung einer Anstifterverhaltensnorm durch den Teilnehmer zu sehen. Die andere Möglichkeit eines „Bestimmens“ liege darin, dass der Teilnehmer die verhaltenssteuernde Wirkung der Norm beeinträchtige, indem er den Vordermann von der Nichtbeachtung der Pflicht überzeuge, egal ob er die Bewertung der Norm teile oder nicht.122 Nach dem Ansatz Steins geht es also bei der Abgrenzung von Anstiftung und Beihilfe nicht um die Frage, ob der Täter schon zur Tat entschlossen oder lediglich tatgeneigt war. Entscheidend ist stattdessen, ob der Teilnehmer mit seiner Einwirkung gegen eine Anstifter- oder eine Gehilfenverhaltenspflicht verstößt. Insofern wird der Blickwinkel von der Wirkung des Verhaltens auf den Vordermann hin zu der Art des Teilnehmerverhaltens verschoben. Nach der herrschenden Auslegung entscheidet sich die Form der Beteiligung danach, welche Wirkung das Teilnahmeverhalten hatte – ob es als Erfolg den Tatentschluss des Vordermannes hervorgebracht hat oder nicht. Stein hingegen richtet den Blick ausschließlich auf das Verhalten des Teilnehmers selbst. Wenn dessen Gefährlichkeit gerade darin liegt, dass es die Motivationskraft der Verhaltenspflicht des Vordermannes beeinträchtigt, ist eine Anstiftung gegeben – unerheblich von der Wirkung, die von diesem Verhalten ausgeht. Dieser Ansatz führt dazu, dass der Anwendungsbereich der Anstiftung auf solche Fälle ausgedehnt wird, in denen die Einwirkung des Teilnehmers erst zeitlich nach der Entschlussfassung des Vordermannes erfolgt. Eine Anstiftung kann demnach auch darin liegen, dass der Teilnehmer den Täter davon abhält, den Tatplan wieder aufzugeben: Wenn absehbar ist, dass der Täter den Tatentschluss wieder aufgeben könnte und der Teilnehmer sodann die Motivationskraft der zur Aufgabe des Planes drängenden Verhaltenspflicht schwächt, liegt demnach auch eine Anstiftung vor. Eine solche Anstiftung in Form der Aufrechterhaltung des Tatentschlusses sei zeitlich bis zum Abschluss des pflichtwidrigen Verhaltens des Haupttäters, also bis zur Versuchsbeendigung denkbar.123 Diese Ausweitung der Anstiftung auf Einwirkungen des Teilnehmers, die erst nach der Entschlussfassung des Täters erfolgen, bietet Anlass zur Kritik an dem von Stein vertretenen Ansatz. Durch die Differenzierung innerhalb des Teilnahmeverhaltens 121 122 123
Stein, S. 242. Stein, S. 270 f. Stein, S. 273.
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3. Teil: Der geltende § 30 StGB und seine Auslegung
danach, ob die Motivationskraft der Norm beeinträchtigt oder nur auf andere Weise auf den Täter eingewirkt wird, werden viele von der herrschenden Auslegung als psychische Beihilfe charakterisierte Verhaltensweisen in den Bereich der Anstiftung verlagert.124 Zwar kann es auch nach dem von Stein vertretenen Ansatz noch Fälle psychischer Beihilfe geben, nämlich dann, wenn der Teilnehmer nur den Wissensstand des Täters erweitert. Insofern ist die Kritik von Roxin verfehlt, dass in jeder „Bestärkung des Tatentschlusses“ auch eine Verminderung der Motivationskraft der Norm liege.125 Nach der Einordnung Steins ist es sehr wohl möglich, dass ein Tatentschluss eines Täters gestärkt wird, ohne dass der Teilnehmer auf die Motivationskraft der Norm selbst einwirkt. Wenn beispielsweise der Hintermann einem zu einem Diebstahl in einer Villa fest entschlossenen Täter zusätzlich noch die Information gibt, dass die Hintertür dieser Villa oft unverschlossen ist, liegt darin nach der Terminologie Steins nur ein Verstoß gegen eine Gehilfenverhaltenspflicht. Indem er lediglich die Kenntnisse des Täters über das Tatobjekt verbessert hat, hat er zwar den Tatentschluss des Vordermannes gestärkt, aber nicht gezielt die Motivationskraft der Norm beeinträchtigt. Somit liegt auch nach der Konzeption Steins nur eine psychische Beihilfe vor. Dennoch ist es zutreffend, dass die Theorie Steins zu einer Ausdehnung der Strafbarkeit der Anstiftung führt. Die Ausweitung begründet er mit der erhöhten Gefährlichkeit, die in jeder Beeinträchtigung der Motivationskraft der den Vordermann treffenden Verhaltensnorm im Vergleich zur bloßen Verletzung einer Gehilfenverhaltenspflicht liege. Aus dieser erhöhten Gefährlichkeit rechtfertige sich auch die tätergleiche Bestrafung, die mit der Bejahung der Anstiftungsstrafbarkeit einhergeht. Fraglich ist indessen, ob die Prämisse zutreffend ist, dass eine Beeinträchtigung der Motivationskraft einer Norm immer gefährlicher ist als solche Verhaltensweisen des Teilnehmers, die nur eine Gehilfenverhaltensnorm verletzen. Falls es doch Fälle geben sollte, in denen trotz Beeinträchtigung der Motivationskraft der Norm eine solche erhöhte Gefährlichkeit nicht bejaht werden kann, wäre die tätergleiche Bestrafung nicht zu legitimieren. Nach Stein wird die Gefährlichkeit des Verhaltens des Hintermannes immer dadurch vermittelt, dass der Vordermann nicht bereit ist, sich von seiner Verhaltenspflicht motivieren zu lassen.126 Die erhöhte Gefährlichkeit eines Teilnehmerverhaltens, das die Motivationskraft der Norm beeinträchtigt, liege demnach darin, dass der Schutzwall, den die Verhaltenspflicht des Vordermannes für das bedrohte Rechtsgut darstellt, eingerissen werde. Die Gefahr der Tatbegehung und damit der Rechtsgutsverletzung sei folglich ungleich höher, als wenn der Teilnehmer die Verhaltensnorm nicht selbst angreift, sondern dem Täter nur weitere Informationen gibt. In letzterem Fall bliebe der besagte Schutzwall unberührt und folglich sei die Gefahr der Rechtsgutsverletzung durch den Täter viel geringer. Dabei stellt Stein gerade nicht 124 125 126
So auch die Kritik von Roxin an dem Ansatz Steins (LK-Roxin, 11. Aufl., § 26, Rn 21). LK-Roxin, 11. Aufl., § 26, Rn 21. Stein, S. 241.
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auf das Stadium der Willensbildung des Täters zum Zeitpunkt der Einwirkung des Teilnehmers ab – dies sei für die Bewertung der Gefährlichkeit des Teilnahmeverhaltens ohne Belang. Auch bei einem fest Entschlossenen könne die Motivationskraft der Norm noch eingeschränkt werden, indem der Teilnehmer die Motivation zur Aufgabe des Tatplanes, die von der Norm ausgehe, schwäche.127 Diese Annahme erscheint allerdings sehr zweifelhaft. Zwar ist die Wertung grundsätzlich nachvollziehbar, dass die Beeinträchtigung der Motivationskraft der Norm als gefährlicher als eine bloße Verbesserung des Kenntnisstandes des Haupttäters eingestuft wird. Gleichwohl stellt sich die Frage, ob diese Wertung auch unabhängig davon gilt, ob der Täter schon vor der Einflussnahme des Teilnehmers zur Tat entschlossen war oder nicht. Wenn der Täter von sich aus noch keinen Tatentschluss gebildet hat, ist das Bild der Zerstörung des Schutzwalles durch den Teilnehmer nachvollziehbar. In dieser Situation hat die Verhaltensnorm, die dem Täter die spätere Tatbegehung verbietet, noch ihre vollständige Motivationskraft – der Schutzwall ist also noch intakt. Insofern ist es zutreffend, dass eine nun erfolgende Einwirkung des Teilnehmers, die diesen Schutzwall durch einen Angriff auf die Motivationskraft der Norm einreißt, ein erhöhtes Maß an Gefährlichkeit für das Rechtsgut aufweist. In dem Moment aber, in dem der Täter schon von sich aus im Sinne der herrschenden Auslegung fest zur Tat entschlossen ist – also die zur Tat hindrängenden Motive die Überhand gewonnen haben –, hat die Norm ihre Motivationskraft bereits eingebüßt. Der Schutzwall, den die Norm im Verhältnis zu dem Rechtsgut darstellen soll, ist schon entfallen. Wenn aber der Schutzwall schon vor der Einwirkung des Teilnehmers nicht mehr besteht, kann das Verhalten des Teilnehmers ihn auch nicht mehr zerstören. Die Annahme Steins, der Teilnehmer könne die Motivationskraft der Norm auch in gleicher Weise beeinträchtigen, indem er die Aufgabe des Tatentschlusses verhindere128, kann indes nicht überzeugen. Er geht davon aus, dass eine Beeinträchtigung der Motivationskraft der Norm durch die Einwirkung des Teilnehmers erfolgen könne, wenn Anhaltspunkte bestehen, dass der Täter den Entschluss wieder aufgeben werde. In diesem Fall übe die Verhaltenspflicht eine Motivationskraft in Richtung auf die Aufgabe des Tatplanes aus. Folglich könne die Einwirkung des Teilnehmers diese Motivationskraft beeinträchtigen mit der Folge, dass auch eine Anstiftung möglich wäre. Diese Annahme begegnet aber mehreren Bedenken. Nach der Konzeption Steins reicht jeder Zweifel aus, den der Täter in Bezug auf die Tatbegehung hat, damit der Teilnehmer sich wegen Anstiftung strafbar machen kann. Erforderlich ist lediglich, dass sich die Bedenken nicht nur auf irgendwelche äußeren Umstände beziehen, sich also beispielsweise auf die Durchführbarkeit des Vorhabens beschränken, sondern es muss sich um Zweifel handeln, die aus der Bestimmungs- oder Bewertungsfunktion der Norm selbst resultieren. Hat der Täter solche Bedenken, weil er sich beispielsweise nicht mehr sicher ist, ob es nicht doch moralisch falsch ist, die 127 128
Stein, S. 273. Stein, S. 273.
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3. Teil: Der geltende § 30 StGB und seine Auslegung
Tat zu begehen, kommt es nach dem Ansatz Steins auf deren Intensität nicht an. Sobald der Täter einen solchen noch so geringen Zweifel hat, ist danach davon auszugehen, dass die Norm ihre Motivationskraft hin zu der Aufgabe des Tatplanes entfaltet. Wenn der Teilnehmer diese Motivationskraft beeinträchtige, liege somit sehr wohl eine Anstiftung vor. Insofern lässt sich feststellen, dass es auch nach dem von Stein vertretenen Ansatz nicht vollkommen unerheblich ist, ob der Täter schon zur Tat entschlossen ist oder nicht. Denn auch danach ist eine Anstiftung eines Täters, der gänzlich zweifelsfrei entschlossen ist, nicht mehr möglich. In einem solchen Fall übt die Verhaltensnorm nämlich gar keine Motivationskraft mehr in Richtung auf die Aufgabe der Tat aus, so dass der Teilnehmer diese auch nicht durch sein Verhalten beeinträchtigen kann. Die Annahme, auch bei Vorliegen solcher Zweifel sei eine Anstiftung noch möglich, könnte aber nur überzeugen, wenn die Beeinträchtigung der Motivationskraft der Norm durch das Teilnehmerverhalten immer eine im Vergleich zu der bloßen Verletzung einer Gehilfenverhaltensnorm erhöhte Gefährlichkeit aufweisen würde – insbesondere auch in den Fällen, in denen der Täter nur Zweifel an seinem schon gefassten Entschluss hegt. Denn die unterschiedliche Bestrafung von Anstiftung und Beihilfe findet ihre Legitimation nach dem von Stein vertretenen Ansatz in der höheren Dringlichkeit der Anstifterverhaltensnormen und damit auch der besonderen Gefährlichkeit eines Verstoßes dagegen129. Ob eine solche erhöhte Gefährlichkeit des Teilnehmerverhaltens auch in Fällen bejaht werden kann, in denen der Teilnehmer lediglich Zweifel des Täters an seinem Tatplan ausräumt, ist aber sehr zweifelhaft. Wenn der Täter zur Tat entschlossen war, ist der Schutzwall, der grundsätzlich in der den Täter treffenden Verhaltensnorm besteht, schon vor der Einwirkung des Teilnehmers nicht mehr intakt. Die Ausgangssituation ist somit eine ganz andere als im Fall eines noch nicht zur Tat entschlossenen Täters, was eine in entscheidender Weise differierende Schutzwirkung der Verhaltensnorm in beiden Konstellationen zur Folge hat. Wenn der Täter noch keinen Tatentschluss hat, entfaltet die Verhaltensnorm je nachdem, ob er sich noch gar nicht mit der Tatbegehung befasst oder diese schon ins Auge gefasst hat, ihre gesamte oder zumindest eine so große motivierende Wirkung, dass die Ablehnung der Tat überwiegt. Die Norm hat also mit der von ihr ausgehenden Motivationswirkung im Verhältnis zu dem bedrohten Rechtsgut in der Tat die Funktion eines Schutzwalles – dieser muss erst noch überwunden werden, bevor es zu einer Rechtsgutsverletzung kommen kann. In dem Fall eines schon entschlossenen Täters stellt sich die Situation hingegen in genau umgekehrter Weise dar: Die Norm hat ihre Eigenschaft als Schutzwall zunächst eingebüßt. Je nachdem wie stark die Zweifel des Täters sind, kann die Motivationswirkung zur Aufgabe des Tatentschlusses zwar möglicherweise recht intensiv sein. Dies ändert aber nichts an der Tatsache, dass die Norm keinen Schutzwall im Verhältnis zu dem Rechtsgut darstellen kann, solange der Täter an dem Tatentschluss festhält. Denn in diesem Moment würde der Täter die Tat ja eher begehen als nicht begehen. Die Norm müsste also nicht nur passiv einen Schutzwall bilden, 129
Stein, S. 241 ff.
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sondern in dieser Situation muss sie den Täter quasi aktiv von seinem Vorhaben wieder abbringen. Da dies eine viel größere Wirkung verlangt, die einer Norm nicht unbedingt zukommt, kann nicht davon ausgegangen werden, dass auch in diesem Fall ein effektiver Schutzwall im Verhältnis zu dem Rechtsgut besteht. Ein solcher Schutzwall kann erst ab dem Zeitpunkt wieder angenommen werden, in dem der Täter den Entschluss aufgegeben hat. Wenn der durch die Norm garantierte Schutzwall aber schon vor der Einwirkung des Teilnehmers nicht mehr besteht, kann sein Verhalten nicht als so gefährlich angesehen werden, wie wenn durch seinen Einfluss der intakte Schutzwall erst noch zerstört wird. Selbst wenn also der Teilnehmer auf einen Tatentschlossenen einwirkt, indem er die Motivationskraft der zur Aufgabe des Tatentschlusses drängenden Norm beeinträchtigt, weist dieses Verhalten eine geringere Gefährlichkeit auf als ein entsprechender Einfluss auf einen noch nicht zur Tat Entschlossenen. Der mögliche Einwand, in der Einwirkung auf einen Tatentschlossenen liege im Gegenteil sogar eine größere Gefährlichkeit, weil durch die Beseitigung der letzten Bedenken des Täters die Wahrscheinlichkeit der Rechtsgutsverletzung noch erhöht werde, kann nicht überzeugen. Eine solche Argumentation wäre nur dann zutreffend, wenn es für die Frage der Strafbarkeit des Anstifters lediglich darauf ankäme, ob er die Gefahr der Rechtsgutsverletzung insgesamt erhöht hat. Dies kann indes nicht richtig sein, da sich das Risiko der Rechtsgutsverletzung durch jede Teilnahmehandlung, auch durch klassische Beihilfehandlungen – wie die Bereitstellung des Tatwerkzeuges – erhöht. Auch die Stärkung eines Tatentschlusses von einem Täter, der überhaupt keine Zweifel mehr hat, müsste nach einer solchen Gesamtbetrachtung als sehr gefährlich eingeordnet werden, weil es die ohnehin schon sehr große Gefahr der Rechtsgutsverletzung noch weiter erhöht. In einem solchen Fall wäre aber selbst nach dem Ansatz von Stein keine Anstiftungs-, sondern nur eine Beihilfestrafbarkeit gegeben. Folglich kann es nicht allein auf die insgesamt gestiegene Gefahr der Rechtsgutsverletzung ankommen, sondern Beurteilungsgrundlage muss die originäre Gefährlichkeit des Verhaltens des Teilnehmers selbst sein. Nur wenn das Verhalten eine deutliche eigene Gefährlichkeit aufweist, kann auch die tätergleiche Bestrafung legitimiert werden. Die originäre Gefährlichkeit des Teilnehmerverhaltens kann nur bestimmt werden, indem diese von der Gefährlichkeit des Täterverhaltens ohne den Einfluss des Teilnehmers abgegrenzt wird: Wirkt der Teilnehmer auf einen zur Tat Entschlossenen ein, ist sein eigenes Verhalten nach dem bisher Gesagten deutlich ungefährlicher, als wenn der Täter noch keinen Tatentschluss gebildet hatte. Wenn der Täter schon einen Tatentschluss hat, wirkt das Verhalten des Teilnehmers nur unterstützend oder gefahrverstärkend – das Verhalten bzw. der Tatentschluss des Täters ist aber auch für sich genommen, ohne die Einwirkung des Teilnehmers, schon sehr gefährlich. Ist der Täter hingegen selbst nur tatgeneigt, ist die davon ausgehende Gefährlichkeit noch nicht sehr groß. Folglich weist das Teilnehmerverhalten, das den Tatentschluss und damit eine große Gefahr für das Rechtsgut erst noch hervorruft, insofern eine deutlich größere eigene Gefährlichkeit auf. Hat sich der Täter noch gar nicht mit der Tatbegehung befasst, stellt sich das Verhalten des Teilnehmers sogar als
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3. Teil: Der geltende § 30 StGB und seine Auslegung
gefahrbegründend dar. Daneben muss auch berücksichtigt werden, dass sich die Beiträge eines Teilnehmers auch praktisch sehr stark unterscheiden können, je nachdem, ob der Täter schon zu der Tat entschlossen ist oder nicht: Es kostet einen Teilnehmer in der Regel sehr viel weniger Aufwand, einen fest entschlossenen Täter von seinen Zweifeln abzubringen, als einen der Tat noch nicht zugeneigten Täter von dieser zu überzeugen. Letzteres Verhalten erfordert mehr Einsatz des Teilnehmers, so dass auch insofern die tätergleiche Bestrafung eher gerechtfertigt ist. Folglich kann dem Ansatz Steins, nach dem es für die Abgrenzung zwischen Anstiftung und Beihilfe nicht auf die Abgrenzung zwischen Tatentschluss und Tatgeneigtheit ankommt, nicht gefolgt werden. cc) Zusammenfassung Die vorangegangenen Untersuchungen haben gezeigt, dass der herrschenden Auslegung des Merkmals „bestimmen“ im Rahmen des § 26 StGB als „Hervorrufen des Tatentschlusses“ zu folgen ist. Diese ermöglicht eine sachgerechte Differenzierung zwischen den Teilnahmeformen, die auch mit den im Gesetz vorgesehenen unterschiedlich hohen Strafdrohungen vereinbar ist. b) Anwendung auf die hier diskutierte Konstellation Bei der hier diskutierten Fallkonstellation handelt es sich um diejenige, in der die Komplottanten eigentlich schon für sich entschlossen waren und einen Tatplan hatten. Eine hinzukommende Person droht den Verbündeten damit, sie zu verraten, wenn sie sie nicht in ihr Bündnis aufnehmen. Wenn die bisherigen Komplottanten den Drohenden daraufhin in ihren Zusammenschluss aufnehmen, stellt sich die Frage, ob darin eine Anstiftung zu dieser Tat durch den Drohenden gesehen werden kann. Die entscheidende Frage ist also, ob das Verhalten des Drohenden als „bestimmen“ im Sinne des § 26 StGB angesehen werden kann.130 Dies hängt wiederum, nach der hier vertretenen Definition, davon ab, ob der Drohende bei den Komplottanten den Tatentschluss erst noch hervorgerufen hat oder ob diese bereits vor seiner Einwirkung zur Tat entschlossen waren. In dem hier diskutierten Fall haben die schon bestehenden Motive zur Begehung der Tat bereits das Übergewicht in der Psyche der Komplottanten131, so dass dieses letzte Motiv, den Verrat des Plans zu verhindern, nicht mehr als ursächlich für den Tatentschluss angesehen werden kann. Eine Anstiftung in diesem Sinne durch bloße Aufrechterhaltung des Tatentschlusses kann es richtigerweise nicht geben. Auch Fieber legt seiner Arbeit aber diese Definition des „Bestimmens“ zugrunde132, so dass die Konstruktion der Anstiftung in Form der
130 131 132
s. o. 3. Teil, B. I. 2. a). SK-Hoyer, § 26, Rn 7. Fieber, S. 77.
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Aufrechterhaltung des Tatentschlusses selbst nach seinem Verständnis derselben inkonsequent ist. Fraglich ist allerdings, ob die Annahme, es handele sich um eine Anstiftung, auf andere Weise begründet werden kann. Das Hervorrufen eines Tatentschlusses könnte bejaht werden, wenn in der Drohung zunächst eine Abstiftung, die nicht als Anstiftung zu bestrafen ist133, und anschließend eine neue Anstiftung zu der Tat gesehen werden kann. Das setzt voraus, dass die bisherigen Komplottanten durch die Drohung veranlasst werden, ihren Tatentschluss vorerst aufzugeben. Zwar wird klassischerweise unter einer Abstiftung nur die Konstellation verstanden, in der der Haupttäter veranlasst wird, anstelle einer Qualifikation das Grunddelikt zu begehen oder innerhalb einer Deliktsart eine weniger intensive Begehungsart zu wählen.134 Wenn aber das Verhalten des Teilnehmers sogar zu einer Aufgabe des ursprünglichen Tatentschlusses führt, liegt darin eine gleichgerichtete, aber intensivere Form der Einwirkung, so dass auch dies als „Abstiftung“ bezeichnet werden kann. Diese Annahme ist in der vorgegebenen Situation noch denkbar, da die Aufnahme des Drohenden in den Pakt als notwendige Bedingung für den Erhalt des Tatentschlusses der Komplottanten gedacht wird. Träfe dies zu, würde die Drohung in der Tat dazu führen, dass die Komplottanten zunächst den ersten Tatentschluss aufgeben, also eine Abstiftung bejaht werden müsste. Auf dieser Grundlage ist es folgerichtig, in dem Eingehen des neuen Bündnisses mit dem Drohenden die Fassung eines neuen Tatentschlusses zu sehen. Dieser Tatentschluss wäre durch die Drohung hervorgerufen. Somit lägen ein „Bestimmen“ im Sinne des § 26 StGB und damit eine Anstiftung vor. Diese Beurteilung setzt aber voraus, dass die in Rede stehende Handlung in die zwei Komponenten der Ab- und Anstiftung getrennt werden kann bzw. muss. Fraglich ist, ob nicht stattdessen eine Gesamtbeurteilung des Vorgangs erforderlich ist, da der Drohende selbst die Aufgabe und die anschließende erneute Bildung des Tatentschlusses herbeiführte. Als Beweis für die Notwendigkeit einer solchen Gesamtbetrachtung dient der Vergleich mit einer parallelen Konstellation, der sog. Umstiftung. Dabei handelt es sich um den Fall, dass der Haupttäter von einem anderen dazu gebracht wird, seinen ursprünglichen Tatentschluss in einen anderen abzuändern und folglich eine andere Tat zu begehen. Die Umstiftung verursacht also im Vergleich zur Abstiftung nicht ein Minus, sondern ein Aliud zum ursprünglichen Plan.135 Diese der Umstiftung zugrundeliegende Konstellation entspricht insofern dem hier diskutierten Fall, als es sich auch dabei streng genommen um eine Kombination aus Ab- und Anstiftung handelt. Auch die Umstiftung zu einem anderen als dem ursprünglich gefassten Plan setzt sich aus einer Abstiftung hinsichtlich des ursprünglichen Plans, nämlich der Aufgabe desselben, und einer Anstiftung, dem 133
Wessels/Beulke, S. 212; Schönke/Schröder/Heine, § 26, Rn 8; MK-Joecks, § 26, Rn 29. Überwiegend wird bei einer Abstiftung eine Bestrafung als psychische Beihilfe in Betracht gezogen: Schönke/Schröder/Heine, § 26, Rn 8; MK-Joecks, § 26, Rn 29. 134 Kühl, AT, S. 724; LK-Roxin, 11. Aufl., § 26, Rn 33. 135 SK-Hoyer, § 26, Rn 16, 21; Fischer, § 26, Rn 3; MK-Joecks, § 26, Rn 37.
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Wecken des neuen Tatentschlusses, zusammen. Aufgrund der Vergleichbarkeit können die Erkenntnisse über die Umstiftung auf die hier zu untersuchende Konstellation übertragen werden. Insofern stellt sich die Frage, ob das Gesamtgeschehen, das die Umstiftung ausmacht, eine Anstiftung im Sinne des § 26 StGB darstellt. Richtigerweise muss dabei danach differenziert werden, ob die tatsächlich begangene Tat eine andere als die ursprünglich geplante darstellt oder ob es sich um dieselbe, lediglich modifizierte Tat handelt.136 Nur in dem ersten Fall kann eine Anstiftung137, ansonsten allenfalls eine psychische Beihilfe des Teilnehmers angenommen werden138. Für die Beantwortung der Frage, ob es sich noch um dieselbe oder schon um eine andere Tat handelt, werden mehrere Kriterien, wie ein Wechsel des Tatobjekts oder des Tatmotivs, des Rechtsguts oder dessen Inhabers sowie der Tatmodalitäten, herangezogen.139 Bei einer Übertragung dieser Anhaltspunkte auf die hier diskutierte Fallkonstellation ergibt sich folgende Bewertung: Nach der Einwirkung des möglichen Anstifters besteht ein inhaltlich identischer Tatentschluss, da weder das Tatobjekt noch das Rechtsgut oder der Inhaber desselben ausgetauscht werden. Der nach der Einwirkung gefasste Entschluss bezieht sich vielmehr auf die Begehung derselben Tat – die Situation ist also vergleichbar mit derjenigen, in der der Teilnehmer nie in Erscheinung getreten ist. Der einzige Unterschied im Vergleich zum ursprünglichen Tatentschluss kann in der Motivation der Komplottanten gesehen werden. Ein alleiniger Motivwechsel kann hingegen nicht ausreichen, um eine neue Tat anzunehmen. Vielmehr kommt dann nur eine psychische Beihilfe in Betracht.140 Denn das Motiv, das dazu führt, dass der Teilnehmer den Tatentschluss bildet, ist nur der Grund für den Tatentschluss – es hat aber unmittelbar keine Bedeutung für dessen Inhalt. Nur weil das Motiv für eine Tat sich ändert, bleibt die Tat dennoch dieselbe. Somit ist bei einem reinen Motivwechsel davon auszugehen, dass der Tatentschluss weiterhin identisch ist mit der Folge, dass auch in der Einwirkung des Teilnehmers keine Anstiftung gesehen werden kann. Ein richtiger Motivwechsel setzt voraus, dass der Haupttäter von seinem ursprünglichen Tatmotiv Abstand nimmt und stattdessen die Tat aus einem anderen, vom Teilnehmer hervorgerufenen, Grund begeht. In dem hier diskutierten Fall hingegen kann von einem solchen Austausch des Motivs nicht gesprochen werden. Zwar handeln die Komplottanten nun auch deshalb, um nicht verraten zu werden – gleichzeitig verfolgen sie mit der Tat aber weiterhin die gleichen Ziele und werden von denselben Umständen motiviert, die auch vor der Einwirkung durch den Drohenden bestanden. Folglich kann nur von dem Hinzutreten eines weiteren Beweggrundes ausgegangen werden, nicht aber von einem Motivwechsel. Der Einfluss des Teilnehmers ist also noch geringer zu bewerten als bei einer solchen Umstiftung, die immerhin zu einem Austausch des bestimmenden Motivs führte. 136
SK-Hoyer, § 26, Rn 21; NStZ-RR 1996, 1; MK-Joecks, § 26, Rn 37. NStZ-RR 1996, 1; MK-Joecks, § 26, Rn 38. 138 BGH, StV 1996, 2; LK-Roxin, 11. Aufl., § 26, Rn 17; MK-Joecks, § 26, Rn 40. 139 Schönke/Schröder/Heine, § 26, Rn 8. 140 SK-Hoyer, § 26, Rn 23; Schönke/Schröder/Heine, § 26, Rn 8; LK-Roxin, 11. Aufl., § 26, Rn 30; aA Jakobs, AT, S. 22, 26. 137
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Wenn aber bereits bei einem kompletten Austausch des Motivs eine Anstiftung abgelehnt werden muss, weil es sich noch um dieselbe Tat handelt, dann muss dies erst recht für die Fallkonstellationen gelten, in denen der Teilnehmer den Komplottanten lediglich noch ein zusätzliches Motiv für die Begehung der Tat liefert. Folglich kann hier nicht von einer Anstiftung ausgegangen werden. Somit ist Fiebers Annahme einer Anstiftung weder nach seiner noch nach der Konstruktion über eine Ab- und Anstiftung tragbar. Als weiteren Beleg dafür, dass nicht jedes Komplott eine wechselseitige Anstiftung darstellt, führte Stübel zutreffend die Situation an, in der sich mehrere unabhängig voneinander zu einem Verbrechen entschließen und sich anschließend zusammentun.141 In einem solchen, zugegeben recht unwahrscheinlichen Fall läge zwar eine Verabredung, aber keine gegenseitige Anstiftung vor. Alle Komplottanten waren auch schon vor der Vereinigung zur Tat entschlossen. Somit kann die wechselseitige Anstiftung nicht, wie von Feuerbach angenommen, als konstitutives Merkmal des Komplotts angesehen werden. Über dieses Problem eines bereits entschlossenen Komplottanten kam Köstlin mit der Konstruktion einer gegenseitigen „unvollkommenen“142 Anstiftung hinweg, bei der es nicht schadete, dass der andere jeweils schon fest entschlossen war.143 Er betonte, dass zwar jeder Komplottant zugleich als Anstifter und als Angestifteter angesehen werden müsse, wegen der Wechselseitigkeit dieses Verhältnisses könne aber jeder nur „Anstifter eines schon für sich Entschlossenen“ sein.144 Diese Einordnung als wechselseitige Anstiftung war Köstlin möglich, da für ihn die Anstiftung gerade nicht voraussetzte, dass der Anstifter den Tatentschluss des Angestifteten erst hervorrufe. Er ging davon aus, dass in einem solchen Fall der Anstifter zwar nur wegen des versuchten Delikts zu bestrafen sei, aber nicht sein Wesen als Anstifter verliere.145 Somit sah Köstlin, wie Feuerbach, in jedem unausgeführten Komplott eine gegenseitige versuchte Anstiftung. Wie bereits dargestellt, kann es eine solche Anstiftung eines zur Tat Entschlossenen aber gerade nicht geben146, so dass auch diese Theorie unter Verweis auf die bereits angeführten Gründe abgelehnt werden muss. Eine ganz andere Konstruktion entwarf Ziegler. Nach seiner Definition handelte es sich bei einem Komplott um „eine Vereinigung Mehrerer zu einer gemeinschaftlichen Begehung des Verbrechens, das Gegenstand eines wechselseitigen Zweckes ist“147. Es setzte sich demnach aus zwei notwendigen Merkmalen zusammen, zum einen aus dem gemeinschaftlichen Zweck, dem Gesamtwillen, und zum anderen aus der ge141 142 143 144 145 146 147
Stübel, Theilnahme, S. 33. So Fieber, S. 36. Köstlin, S. 577. Köstlin, S. 577. Köstlin, S. 522. s. o. 3. Teil, B. I. 2. a), aa), (2). Ziegler, S. 6.
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meinschaftlichen Ausführung der Tat.148 Entscheidend kam es Ziegler auf die Wechselwirkung an, die durch die Verfolgung des gemeinsamen Zweckes unter den Beteiligten entstehe. Die Komplottanten teilten alle einen gemeinsamen Willen, der streng von einem gleichen, aber jeweils eigenen Zweck jedes Beteiligten unterschieden werden müsse. Somit entstehe ein echter gemeinschaftlicher Wille, der Gesamtwille. Dieser bringe die Erwartung des Beistandes für die spätere Ausführung bei allen hervor und rechtfertige folglich auch die wechselseitige Zurechnung der einzelnen Tatbeiträge.149 Auf Grundlage der Annahme eines echten Gesamtwillens ist es konsequent, wie Ziegler die Existenz eines stillschweigenden Komplottes abzulehnen.150 Denn in einem solchen Fall können zwar alle Beteiligten einen gleichen Zweck verfolgen, mangels Kommunikation kann es sich aber niemals um einen Gesamtwillen handeln. Ausdrücklich wandte sich Ziegler auch gegen die Theorie Feuerbachs, indem er zwar die Möglichkeit einer Entstehung des Gesamtwillens durch gegenseitige Anstiftung einräumte, dies aber keinesfalls als konstitutive Voraussetzung ansah.151 Ein ähnliches Verständnis des Komplottes fand sich bei Hälschner. Auch er ordnete die wechselseitige Anstiftung als mögliche, aber keineswegs notwendige Form des Komplottes ein.152 Ebenso wie Ziegler sah er die Basis der gegenseitigen Zurechnung in der gemeinsamen Absicht der Komplottanten, die durch eine der Tat vorangehende Übereinkunft entstehe.153 Diese gemeinsame Absicht machten sich die Beteiligten durch die Verabredung zu Eigen, wodurch die formelle Zurechnung der einzelnen Tatbeiträge begründet werde.154 Jeder der Komplottanten betrachte die anderen Beteiligten als Gehilfen zur Verwirklichung seiner eigenen Absicht, die gleichzeitig auch die gemeinsame Absicht sei, und werde auch selbst von den anderen als solcher angesehen. Auf diese Weise werde die Zurechnung der einzelnen Tatbeiträge begründet.155 Die Konstruktion eines Gesamtwillens dieser Art leidet allerdings an einem schwerwiegenden Fehler. Vorausgesetzt wird, dass mehrere Personen durch eine Vereinbarung einen gemeinsamen Willen bilden können, der sich nicht bloß als Summe der einzelnen gleichgerichteten Willen der Beteiligten, sondern als eigene, übergeordnete Einheit darstellt. Ein Wille ist aber immer abhängig von dem menschlichen Subjekt, das ihn bildet – er existiert nicht unabhängig von dieser Person. Somit ist der Wille immer auf dieses eine Subjekt beschränkt. Zwar können sich die Willen mehrerer Personen durch eine Einigung gleichen oder auch sum148 149 150 151 152 153 154 155
Ziegler, S. 11. Ziegler, S. 9 ff, 38. Ziegler, S. 8. Ziegler, S. 10. Hälschner, Preußisches Strafrecht, S. 390 f. Hälschner, Preußisches Strafrecht, S. 384. Hälschner, Preußisches Strafrecht, S. 389. Hälschner, Preußisches Strafrecht, S. 392.
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mieren, es bleibt aber auch dann bei der bloßen Summe der einzelnen Willen.156 Einen Gesamtwillen als eigenständige Einheit kann es mangels eines Gesamtsubjekts, das ihn bilden könnte, nicht geben. Berner bejahte hingegen die Existenz eines solchen Gesamtsubjekts. Er ging davon aus, dass sich zunächst im Stadium der Komplottstiftung mehrere einem Verbrechen zugeneigte Personen zu einem Bund zusammenschließen.157 Die Bildung des Gesamtwillens und damit die Vereinigung zu einem „Subject für die einheitlich auszuführende Handlung“158 erfolgte erst anschließend durch die geistige Wechselwirkung der Beratung.159 Auf diese Weise reflektiere schließlich im Stadium der Ausführung jeder Komplottant in seinem Willen den Gesamtwillen und „jedes einzelne Subject erscheine nur als Träger jenes einen Subjectes“.160 Bemerkenswert ist dabei, dass Berner die wechselseitige Anstiftung als das konstituierende Moment des Gesamtwillens anerkannte161. Auf diese Weise sah er darin eine Art mittelbare Ursache der Haftung für die Tatbeiträge der anderen162. Somit nahm er den Gedanken Feuerbachs zwar auf, schwächte ihn aber ab, indem er als eigentlichen Zurechnungsgrund den Gesamtwillen und das Gesamtsubjekt zwischenschaltete. Allerdings erscheint die Aufspaltung des Komplottes in drei unterschiedliche Phasen, insbesondere die Unterteilung in die Komplottstiftung, die nicht notwendig durch eine wechselseitige Anstiftung hervorgebracht werden soll, und die Beratungsphase, die wiederum eine wechselseitige Anstiftung darstellen soll, sehr konstruiert.163 Insbesondere die Annahme eines Gesamtsubjektes muss, wie bereits angedeutet, heftiger Kritik begegnen. Zwar können sich, wie es auch bei der Verabredung der Fall ist, mehrere Personen zu einem gemeinsamen Vorhaben zusammenschließen, und durch deren Übereinstimmung, den gefassten Plan, kann auch eine Zurechnung der darauf basierenden einzelnen Beiträge begründet werden. Es handelt sich dabei aber immer nur um eine Zurechnung der Handlungen einzelner Individuen und nicht um die Entstehung eines Gesamtsubjektes. Würde hingegen der Annahme eines Gesamtsubjektes gefolgt und damit die strafrechtliche Verantwortung begründet, läge darin ein Widerspruch zu dem im deutschen Recht geltenden Grundsatz der Straflosigkeit von Personengesamtheiten.164 Dieser resultiert aus dem Schuldgrundsatz, der von der persönlichen Schuld des Individuums als Grundlage für die strafrechtliche Verantwortung ausgeht. Zwar würde die strafrechtliche Beurteilung nicht die Ver156
Auch gegen eine eigenständige Existenz eines Gesamtwillens: John, S. 25. Berner, Theilnahme, S. 393. 158 Berner, Theilnahme, S. 422. 159 Berner, Theilnahme, S. 423. 160 Berner, Theilnahme, S. 422. 161 Berner, Theilnahme, S. 440. 162 So auch Wehrstedt, S. 25. 163 So auch Wehrstedt, S. 25. Er bejaht eine solche Entwicklung nur bei sehr großen und lange vorbereiteten Komplotten. 164 Frister, S. 28. 157
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einigung als solche treffen, aber nach der Konstruktion des Gesamtsubjektes würde den einzelnen Individuen das „strafrechtlich relevante Verhalten“ einer Gesamtheit zugerechnet. Auch bei juristischen Personen wird jedoch gerade nicht auf die Gesamtheit, also die „fiktive“ Gesamtperson abgestellt, sondern stattdessen auf die persönliche Verantwortung der einzelnen Individuen.165 Eine Zurechnung der Beiträge anderer erfolgt auch hier nur über einen gemeinsamen Plan der einzelnen Personen, nicht aber über die juristische Person als Vereinigung selbst.166 Daraus folgt, dass eine Zurechnung fremden Verhaltens immer nur von einem Individuum zum anderen erfolgen kann, niemals aber vermittelt über eine Personengesamtheit. Auch bei der Mittäterschaft werden Handlungsbeiträge der einzelnen Täter den anderen über den gemeinsamen Tatplan zugerechnet.167 Bei der Versuchsstrafbarkeit wird nach der sog. Gesamtlösung das unmittelbare Ansetzen bereits bejaht, wenn nur einer der Mittäter im Rahmen des Tatplans unmittelbar zu der Tat ansetzt.168 Daraus könnte man schließen, es würde auch hier ein Gesamtsubjekt fingiert, um die strafrechtliche Zuordnung herbei zu führen. Diese Einschätzung übersieht aber, dass auch hier der gemeinsame Tatplan das maßgebliche Zurechnungskriterium darstellt. Es wird kein Gesamtsubjekt kreiert, das selbst als Täter angesehen wird und das eine Zurechnung jeglichen, auch außerhalb des Planes stehenden, Verhaltens bewirkt, sondern es kommt nur dann für alle zum Versuchsbeginn, wenn der Beitrag des Einzelnen mit dem Tatplan übereinstimmt. Folglich bleiben alle Mittäter in der strafrechtlichen Betrachtung einzelne Subjekte, deren Verhalten über den Willenskonsens einander zugerechnet wird. Gegen die Konzeption eines Gesamtsubjektes im Rahmen der Mittäterschaft spricht auch der Wortlaut des § 25 Abs. 2 StGB. Würde man das Gesamtsubjekt bejahen, hätte § 25 Abs. 2 StGB konstitutive Wirkung, eben durch die Kreation des Gesamtsubjekts. „Als Täter“ im Sinne des § 25 Abs. 2 StGB wird jeder Mittäter aber nur dann bestraft, wenn das eigene Verhalten als täterschaftlicher Beitrag angesehen wird. Geht man hingegen von der Existenz eines Gesamtsubjektes aus, könnten alle Beteiligten nur „wie ein Täter“ bestraft werden, da als der eigentliche Täter das Gesamtsubjekt erscheint.169 Es kann also richtigerweise kein Gesamtsubjekt und damit keinen Gesamtwillen geben – die strafrechtliche Zurechnung kann nur über den erzielten Willenskonsens der Beteiligten erfolgen. Dies hat auch v. Bar als Ausgangspunkt seiner Kritik gewählt, der die Annahme eines Gesamtwillens zutreffend als Fiktion bezeichnete.170 Er verwies darauf, dass diese Konstruktion dann versage, wenn einer der Beteiligten von der Übereinkunft zurücktreten sollte. Dies müsste streng genommen zum Untergang des Gesamtwillens führen, was aber bei einem echten Gesamtwillen nicht möglich sei.171 Stattdessen sah 165 166 167 168 169 170 171
Frister, S. 28. So auch bereits John, S. 28. Kühl, AT, S. 621; Fischer, § 25, Rn 11; Frister, S. 336. Fischer, § 22, Rn 21 m.w.N. So auch NK-Schild, § 25, Rn 84. v. Bar, Versuch, S. 87. v. Bar, Versuch, S. 87.
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v. Bar als wesentliches Merkmal des Komplottes die Erwartung gegenseitiger Unterstützung der Verbündeten, wobei sich in der Regel bereits entschlossene Komplottanten zusammenschlössen.172 Als weitere notwendige Voraussetzung für die Einordnung eines Beteiligten als Komplottanten sah er die Mitwirkung bei der Ausführung der Tat. Wer nur bei der Beschlussfassung mitwirke, könne nicht als Urheber angesehen werden, darin liege lediglich eine intellektuelle Beihilfe.173 Somit lehnte also auch v. Bar die Theorie von Feuerbach ab, nach der jedes Komplott auch eine wechselseitige Anstiftung darstellte. 3. Zusammenfassung Die unterschiedlichen Komplotttheorien zeigen, wie weit das Verständnis dieses Begriffes in der Wissenschaft auseinander ging. Sowohl die Theorie der gegenseitigen Anstiftung von Feuerbach als auch die Konstruktionen eines Gesamtwillens oder sogar eines Gesamtsubjekts stießen schon damals zu Recht auf gewichtige Bedenken. Insofern können aus diesen Komplotttheorien, die sich mit dem Komplott als Vorläufer des heutigen Begriffes der Verabredung auseinandersetzten, auch wichtige Schlüsse hinsichtlich der heutigen Bestimmung des Verabredungsbegriffes gezogen werden: Zum einen kann sich zwar auch die heutige Verabredung als gegenseitige Anstiftung darstellen, es handelt sich dabei aber nicht um ein konstitutives Merkmal. Daneben muss auch für die Verabredungsstrafbarkeit gelten, dass sich diese nur auf eine Zurechnung der einzelnen Beiträge an die Beteiligten stützen kann – von der Bildung eines Gesamtwillens der Komplottanten kann hingegen nicht ausgegangen werden.
II. Der heute anerkannte Begriff der Verabredung Im Folgenden sollen ausgehend von der geltenden Gesetzesfassung einzelne Probleme, die sich bei der Variante der Verabredung im Sinne des § 30 Abs. 2, Var. 3 StGB ergeben, untersucht werden. Dabei wird folgende Definition der Verabredung, die sich auch in Schrifttum und Rechtsprechung durchgesetzt hat, zu Grunde gelegt werden: Bei der Verabredung zu einem Verbrechen handelt es sich um die Willenseinigung mindestens zweier Personen174 zur mittäterschaftlichen Begehung eines in seinen Grundzügen im Wesentlichen bestimmten Verbrechens175. Ausgehend von dieser Definition werden im Folgenden die einzelnen Anwendungsschwierigkeiten der Norm jeweils im Kontext desjenigen Untermerkmals er172
v. Bar, Versuch, S. 82. v. Bar, Versuch, S. 85. 174 RGSt 55, 87. 175 LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30, Rn 61; SK-Hoyer, § 30, Rn 46; Maurach, JZ 1961, S. 138; NK-Zaczyk, § 30, Rn 49; Roxin, JA 1979, 169, 170. 173
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läutert, in dessen Rahmen sie sich stellen. Dabei können folgende drei Untermerkmale unterschieden werden: Zunächst muss ein Entschluss von mindestens zwei Personen vorliegen, dieser Entschluss muss sich auf die mittäterschaftliche Begehung einer Tat richten, und schließlich ist erforderlich, dass das Verbrechen bereits hinreichend konkretisiert ist. Für die folgende Bestimmung dieser Teilmerkmale der Verabredung ist es unerlässlich, immer wieder auf den Strafgrund derselben zurückzugreifen. Deshalb soll zunächst kurz erläutert werden, worin dieser in Schrifttum und Rechtsprechung überwiegend gesehen wird. Ob diese angeführten Strafgründe hingegen tatsächlich tragfähig sind, also die Strafbarkeit der Verabredung legitimieren können, ist die zentrale Frage dieser Arbeit, die im vierten Teil untersucht werden wird.176 Für die Auslegung der bestehenden Gesetzesfassung und die dabei auftretenden Auslegungs- bzw. Anwendungsprobleme sollen zunächst diese überwiegend angeführten Strafgründe als Basis vorausgesetzt werden. In Rechtsprechung und Literatur werden zwei unterschiedliche Strafgründe angenommen: Nach der herrschenden Auffassung liegt die erhöhte Gefährlichkeit der Verabredung für ein Rechtsgutsobjekt in einer gesteigerten Willensbindung der Komplottanten, die es jedem Einzelnen erschwere, sich im Zweifelsfall von der Verabredung zu lösen und die Tat doch nicht auszuführen.177 Nach anderer Ansicht besteht die Gefahr eher in dem Kontrollverlust des einzelnen Komplottanten. In dem Fall der Aufgabe eines Einzelnen könnte dieser die anderen Komplottanten nicht mehr von dem Plan abhalten – es werde also durch die Einigung ein Geschehensablauf in Gang gesetzt, der von dem Einzelnen nicht mehr beherrscht werden könne.178 Bei der Auslegung der Variante der Verabredung sind folglich auch diese etwaigen Strafgründe zu berücksichtigen. 1. Die Willenseinigung In erster Linie setzt die Verabredung, wie sich bereits aus dem Wortsinn ableiten lässt, eine Einigung von mindestens zwei Personen voraus. Teilweise wird die Einigung auch als Gesellschaftsvertrag bezeichnet179, wobei dieser jedoch nicht nach zivilrechtlichen Wirksamkeitsmaßstäben beurteilt werden darf.180 An die Entstehung der Einigung werden keine besonderen Anforderungen gestellt, so dass sie aus-
176
s. u. 4. Teil, C. III. 2. Roxin, AT, Band II, S. 287 ff, 303 f; Lackner/Kühl, § 30, Rn 1; BeckOK-Beckemper, § 30, Rn 2; LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30, Rn 3; Jescheck/Weigend, S. 701; BGH, NJW 1957, 1770; Schröder, JuS 1967, 289; SK-Hoyer, § 30, Rn 11; MK-Joecks, § 30, Rn 11, 49; Thalheimer, S. 92. 178 So Schäfer, in: Niederschriften, S. 206 f; Weber, ZStW-Beiheft, 1987, 16. Wohl auch Schönke/Schröder/Heine, § 30, Rn 1. 179 SK-Hoyer, § 30, Rn 46. 180 Ein solcher Vertrag könnte nach zivilrechtlichen Maßstäben wegen § 134 BGB niemals wirksam sein. 177
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drücklich oder konkludent181 und auch zwischen Personen, die sich nicht kennen182, möglich ist. a) Die bedingte Einigung In der Einigung der Komplottanten muss eine feste Vereinbarung zur Begehung der Tat erblickt werden können. Dieses Erfordernis ergibt sich daraus, dass im Zeitraum von 1943 bis 1953 auch die Variante des „Eintritts in ernsthafte Verhandlungen“ unter Strafe gestellt war.183 Aus der bewussten Entscheidung des Gesetzgebers, diese Begehungsform aus der gesetzlichen Fassung herauszunehmen, ist der Schluss zu ziehen, dass solche, die Verabredung erst noch vorbereitende Verhaltensweisen nunmehr straflos sein sollen. Daraus folgt, dass von einer Verabredung erst dann ausgegangen werden kann, wenn objektiv eine feste Vereinbarung vorliegt.184 Dabei sieht es die überwiegende Ansicht als ausreichend an, wenn die Einigung noch an eine Bedingung geknüpft ist, es sich also quasi um eine feste Vereinbarung auf bewusst unsicherer Tatsachengrundlage handele.185 Diese Situation wird herkömmlich unterschieden von derjenigen, in der noch keine endgültige Einigung erzielt wurde, sondern die Komplottanten nur in Verhandlungen stehen. Solche lockeren Absprachen können für die Verabredung aus den eben genannten Gründen nicht ausreichen.186 Diese Unterscheidung wird üblicherweise danach vorgenommen, ob die Einigung selbst oder nur die Ausführung der Tat von einer Bedingung abhängig gemacht wird. Im ersten Fall hänge die endgültige Einigung noch von dem Willen der einzelnen Komplottanten ab187. Sie könnten durch die Herbeiführung des Eintritts der von ihnen selbst abhängigen Bedingung entweder die endgültige Vereinbarung erzielen oder eben nicht. Somit handele es sich um einen bedingten Willen188, also eine bloße Tatgeneigtheit. Von einer äußeren oder objektiven Bedingung hingegen wird dann gesprochen, wenn die Komplottanten die Ausführung des Verbrechens von Umständen abhängig machen, deren Eintritt außerhalb ihres Einflusses liegt.189 In diesem Fall haben sie sich im Rahmen ihrer Einflussmöglichkeiten auf die Tatbegehung geeinigt, es handele sich dann um eine feste Vereinbarung auf bewusst un181
LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30, Rn 60; Maurach, JZ 1961, 137, 139. Nach dem BGH ist auch eine Verabredung zwischen Tätern möglich, die sich nur über Tarnnamen in einem Internetchatforum kennen. Nur wenn der Tatplan vorsieht, dass die Mittäter bei der Ausführung der Tat gleichzeitig am Tatort anwesend sein sollen, sei eine völlige Anonymität ausgeschlossen und die spätere Auflösung müsse Teil des konkreten Tatplans sein; vgl. BGH, 5 StR 581/10. 183 Zu der historischen Entwicklung s. o. 2. Teil. 184 LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30, Rn 62. 185 BGHSt 12, 306, 309 f; SK-Hoyer, § 30, Rn 49. 186 SK-Hoyer, § 30, Rn 49; BGHSt 12, 306, 309 f; LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30, Rn 62. 187 Thalheimer, S. 97. 188 BGHSt, 12, 306, 310. 189 Maurach, JZ 1961, 137, 139; Fieber, S. 61; Lackner/Kühl, § 30, Rn 6. 182
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3. Teil: Der geltende § 30 StGB und seine Auslegung
sicherer Tatsachengrundlage. Dies reicht nach überwiegender Ansicht im Rahmen der Verabredung aus. Für diese Auslegung wird immer wieder die Parallele zur Problematik des Handlungsentschlusses beim Einzeltäter190 gezogen: Denn im Rahmen des Tatentschlusses beim Versuchsdelikt gilt es auch als hinreichend, wenn der Täter für den Fall, dass bestimmte äußere Verhältnisse gegeben sind, die Begehung der Tat fest anvisiert.191 Gegen diese Auslegung muss allerdings der Vorwurf erhoben werden, dass dabei die Begriffe der objektiven Einigung und des subjektiven Tatentschlusses der Komplottanten vielfach vermischt werden. Das Fehlen einer strikten Trennung zwischen diesen beiden Merkmalen begegnet aber gewichtigen Bedenken: Die Einigung stellt ein notwendiges Merkmal des objektiven Tatbestands der Verabredung dar, während der Tatentschluss den bei jedem einzelnen Komplottanten erforderlichen Vorsatz hinsichtlich dieser objektiven Umstände meint. Ausgehend von dieser Unterscheidung zwischen objektiver Einigung und subjektivem Tatentschluss sind aber auch im Fall einer Verabredung, die unter einer Bedingung steht, unterschiedliche Konstellationen zu unterscheiden. Dabei ist zum einen danach zu differenzieren, ob die objektive Einigung der Komplottanten unter einer Bedingung steht oder ob der Tatentschluss des einzelnen Komplottanten bedingt ist – dabei kann es sich dann entweder um einen festen Tatentschluss auf bewusst unsicherer Tatsachengrundlage oder aber nur um eine bloße Tatgeneigtheit handeln. Auch wenn die Fälle einer bedingten objektiven Einigung mit denen eines bedingten subjektiven Tatentschlusses zusammen fallen können, ist dies keineswegs zwingend. Aus diesem Grund ist eine strikte Trennung zwischen dem objektiven und dem subjektiven Tatbestand der Verabredung unbedingt erforderlich, da sich je nachdem, in welchem Teil die Bedingung besteht, auch unterschiedliche Wertungen hinsichtlich der Verabredungsstrafbarkeit ergeben. Im Rahmen einer bedingten objektiven Einigung muss weiter danach differenziert werden, ob diese Bedingung den Akt der Einigung selbst oder nur den Inhalt der Vereinbarung betrifft und ob es sich dabei um eine sog. interne oder externe Bedingung handelt: Von einer sog. internen Bedingung ist auszugehen, wenn der Bedingungseintritt im Einflussbereich aller oder eines Komplottanten selbst liegt. Können die Komplottanten den Bedingungseintritt hingegen nicht beeinflussen, handelt es sich um eine externe Bedingung, die von der herrschenden Meinung als äußere oder objektive Bedingung bezeichnet wird.
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So auch Marxen/Geiger, famos 12/2007, S. 2; Fieber, S. 62. SK-Rudolphi, § 22, Rn 5; Schönke/Schröder/Eser, § 22, Rn 18 m.w.N.; a.A.: Fischer, § 22, Rn 8a. 191
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aa) Der bedingte Akt der Vereinbarung Fraglich ist also, ob eine objektive Einigung im Sinne der Verabredungsstrafbarkeit angenommen werden kann, wenn der Akt der Vereinbarung selbst unter einer internen oder externen Bedingung steht. Für die Konstellation, in der der Akt der Vereinbarung von dem Eintritt einer internen Bedingung abhängt, ist die Beantwortung dieser Frage unproblematisch. Als Beispiel kann der Fall angeführt werden, dass B dem A anbietet, mit ihm einen Raub zu begehen und die Beute zu teilen. Damit gibt A sich aber nicht zufrieden. Er will den Raub nur dann zusammen mit B ausführen, wenn dieser ihm zuvor noch 1000 Euro zahlt. In dieser Konstellation hängt die objektive Einigung über den Raub noch von der Zahlung seitens des B ab. Folglich besteht objektiv auch noch keine Übereinstimmung zwischen den Aussagen der beiden Beteiligten: Während B die Tatbegehung sicher zusagt, macht A seine Mitwirkung noch von der Geldzahlung seitens des B abhängig – bis es zu dieser Zahlung kommt, besteht somit noch kein Konsens zwischen den Beteiligten. Demnach kann aber auch noch keine strafbare Verabredung angenommen werden – es handelt sich lediglich um ernsthafte Verhandlungen über die Tatbegehung, die unbestritten nicht unter die Strafdrohung fallen. Im Ergebnis kann also der herrschenden Auslegung insofern zugestimmt werden, als diese Fälle einer internen Bedingung nicht strafbar sind. Dabei muss aber noch einmal betont werden, dass es in dieser Konstellation um den bedingten Akt der objektiven Einigung geht und nicht – wie von der herrschenden Auslegung angenommen – um eine bloße Tatgeneigtheit der Komplottanten. Zwar ist es möglich, dass in diesen Fällen auch der Tatentschluss der Komplottanten unter einer Bedingung steht und sie deshalb nur tatgeneigt sind. Dies trifft aber nur auf den oder die Komplottanten zu, die den Bedingungseintritt selbst herbeiführen können: So ist in dem hier gewählten Beispiel bei B eine bloße Tatgeneigtheit anzunehmen, solange er die Zahlung nicht fest vorhat, da er durch die Geldzahlung den Bedingungseintritt selbst herbeiführen kann. A hingegen macht seinen festen Tatentschluss von der Zahlung seitens des B abhängig, was nach der üblichen Definition des Tatentschlusses im Versuchsbereich sehr wohl einen festen Tatentschluss darstellt – nämlich einen festen Tatentschluss auf bewusst unsicherer Tatsachengrundlage192. Folglich ist es von entscheidender Bedeutung, ob schon die objektive Einigung oder nur der jeweilige Tatentschluss der Komplottanten unter einer Bedingung steht und deshalb verneint wird: Denn während der Mangel einer objektiven Einigung zu der Straflosigkeit aller Komplottanten führt, wirkt sich der fehlende Tatentschluss nur auf die Strafbarkeit des betreffenden Komplottanten aus. Des Weiteren muss untersucht werden, wie sich eine externe Bedingung des Aktes der Einigung auswirkt, das heisst wie zu entscheiden ist, wenn der Bedingungseintritt außerhalb der Einflussmöglichkeiten der Komplottanten liegt. Ein solcher Fall wäre beispielsweise gegeben, wenn A und B planen, den C auszurauben, falls dieser seine 192
Kühl, AT, S. 440 m.w.N. Wessels/Beulke, S. 223 f; Schönke/Schröder/Eser, § 22, Rn 18.
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bestehenden Schulden nicht bis Ende der ihm gesetzten Frist bezahlt. Diese Konstellation, die üblicherweise als Verabredung auf einer bewusst unsicheren Tatsachengrundlage bezeichnet wird, soll nach der herrschenden Auslegung auch bereits eine strafbare Verabredung darstellen. Begründet wird diese Ansicht mit einem Rückgriff auf die Versuchsstrafbarkeit – auch dabei sei anerkannt, dass ein fester Tatentschluss auf bewusst unsicherer Tatsachengrundlage für die Strafbarkeit ausreiche.193 Dieser Vergleich geht aber fehl, da in der hier in Rede stehenden Konstellation gerade nicht nur das Bestehen des subjektiven Tatentschlusses der einzelnen Komplottanten, sondern bereits das Vorliegen einer objektiven Einigung problematisch ist. Auch hier ist der herrschenden Auslegung also eine unzulässige Vermischung der Ebenen des objektiven und subjektiven Tatbestandes der Verabredung vorzuwerfen. Bei der Verabredung auf einer bewusst unsicheren Tatsachengrundlage liegt bereits eine objektive Einigung der Komplottanten vor. Alle Beteiligten sagen ihre Mitwirkung an einer bestimmten Tat zu und sind sich insofern auch einig. Unter einer Bedingung stehen somit nicht die einzelnen Zusagen der Beteiligten, sondern nur die gemeinsame Ausführung der Tat. Unter Berücksichtigung des Strafgrundes ist es gleichwohl zweifelhaft, ob eine Einigung auf bewusst unsicherer Tatsachengrundlage ausreichen kann, um die Strafbarkeit wegen Verabredung zu einem Verbrechen zu bejahen. Der Strafgrund der Verabredung wird in der erhöhten Gefährlichkeit gesehen, die aus der konspirativen Willensbindung oder dem möglichen Kontrollverlust des Einzelnen resultiere. Unabhängig von der noch zu untersuchenden Tragfähigkeit dieser Strafgründe194 ist schon fraglich, ob sich auch die herkömmliche Annahme der Strafbarkeit der Verabredung auf bewusst unsicherer Tatsachengrundlage mit ihnen vereinbaren lässt. Hinsichtlich des Strafgrundes der erhöhten Willensbindung gilt insofern Folgendes: Wenn sich die Komplottanten, vorbehaltlich des Eintritts bestimmter äußerer Umstände, auf die Tatbegehung einigen, ist die untereinander entstehende Bindung vergleichbar mit derjenigen im Fall eines unbedingten Planes. Die Ungewissheit hinsichtlich des Bedingungseintritts kann daran nichts ändern, da die Bindung untereinander – wenn man sie überhaupt annimmt – durch die versprochenen Beiträge jedes Einzelnen bei der Planung entsteht. Diese Zusagen stehen für sich aber nicht unter einer Bedingung, bedingt ist nur die gemeinsame Ausführung der Tat. Diese soll im Fall des Bedingungseintritts von allen nach Plan begangen oder im Fall des Ausbleibens der Bedingung von allen aufgegeben werden. Folglich bezieht sich die Bedingung nur auf die Begehung der Tat im Ganzen und hat keine Auswirkungen auf die Bindung des Einzelnen durch den gemeinsamen Plan. Für die Frage der eintretenden Willensbindung ist es also ohne Belang, ob es sich um eine bedingte oder eine unbedingte Einigung handelt. Teilweise wird der Strafgrund der Verabredung auch in dem Kontrollverlust des einzelnen Komplottanten gesehen. Dieser stoße mit seiner Zusage zu dem Vorhaben 193 194
Kühl, AT, S. 440 m.w.N. s. u. 4. Teil, C. III. 2.
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einen Geschehensverlauf an, den er anschließend nicht mehr aufhalten könne. Daraus resultiere die erhöhte Gefährlichkeit dieser Handlung.195 Diesbezüglich gilt bei der Verabredung auf bewusst unsicherer Tatsachengrundlage Folgendes: Bejaht man die Gefahr des Kontrollverlustes im Rahmen der Verabredung an sich, besteht diese unabhängig davon, ob die anderen Beteiligten zunächst noch auf den Eintritt bestimmter äußerer Verhältnisse warten müssen oder nicht. Der Einfluss des Aussteigers auf die anderen Komplottanten ist bei einer Einigung unter einer externen Bedingung als genauso groß bzw. gering wie bei einer unbedingten Einigung zu bewerten. Grundsätzlich sind die für die Strafwürdigkeit angeführten Umstände, bejaht man sie überhaupt, also auch bei der Verabredung auf bewusst unsicherer Tatsachengrundlage gegeben. Insofern könnte – wie beim Einzeltäter – damit argumentiert werden, dass die Strafbarkeit nicht von dem äußeren Zufall des Bedingungseintritts abhängig gemacht werden dürfe. Dieser Schluss wäre aber voreilig, da er den entscheidenden Unterschied in der Ausprägung der vermeintlich strafbegründenden Umstände unberücksichtigt lässt. Die angeführten Strafgründe basieren letztlich auf dem Gedanken, dass durch die Bindung bzw. den Kontrollverlust eine erhöhte Gefährlichkeit für das Rechtsgut entstehe. Abgesehen davon, dass schon sehr fraglich ist, ob diese Annahme bei der Verabredung überhaupt zutreffend ist, muss eine solche erhöhte Gefährlichkeit aber jedenfalls bei einer Verabredung auf bewusst unsicherer Tatsachengrundlage verneint werden. Denn der Bedingungseintritt stellt in dieser Konstellation noch ein notwendiges Zwischenziel vor der Tatausführung und damit der möglichen Rechtsgutsverletzung dar. Ob überhaupt und wann die Bedingung eintritt, kann sehr ungewiss sein. So muss eine Bedingung im Stadium der Deliktsvorbereitung als ein wirkliches Hindernis im Hinblick auf die spätere Ausführung des Verbrechens eingeordnet werden, wodurch das Verhalten als gewiss ungefährlich eingestuft werden muss.196 Denn in dem Zeitraum vor dem Bedingungseintritt kann auch die erhöhte Willensbindung oder der Kontrollverlust – falls diese überhaupt eintreten – jedenfalls keine erhöhte Gefährlichkeit der Verabredung herbeiführen. Sollte die Bedingung nicht eintreten, mag zwar eine Willensbindung zwischen den Komplottanten eingetreten sein. Selbst wenn aber die Verabredung bereits als erhöht gefährlich für das Rechtsgut angesehen werden sollte, erlischt diese Gefährlichkeit in dem Moment wieder, in dem sicher ist, dass die Bedingung nicht eintreten wird. Genau genommen war dann auch die Bindung im Hinblick auf das anvisierte Rechtsgut bedeutungslos, da auch diese in dem Moment entfällt, in dem die Bedingung endgültig ausbleibt. Folglich kann wegen der Unsicherheit des Bedingungseintritts bei der Verabredung auf bewusst unsicherer Tatsachengrundlage gerade nicht von einer erhöhten Gefährlichkeit im Vergleich zu anderen straflosen Vorbereitungshandlungen ausgegangen werden. Somit kann festgehalten werden, dass die herrschende Auslegung, nach der die hier in Rede stehende Konstellation 195 Schäfer, in: Niederschriften, S. 206; Schönke/Schröder/Heine, § 30, Rn 1; Weber, ZStW-Beiheft, 1987, 1, 16. 196 NK-Zaczyk, § 30, Rn 51.
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strafbar ist, auch den üblicherweise angeführten Strafgründen der Verabredung widerspricht. Die Konstellationen, in denen der Akt der Einigung selbst unter einer Bedingung steht – sei es unter einer internen oder einer externen –, müssen somit richtigerweise als straflos angesehen werden. bb) Der bedingte Inhalt der Vereinbarung Des Weiteren bleibt noch zu untersuchen, wie es sich auf die Verabredungsstrafbarkeit auswirkt, wenn nur der Inhalt der Einigung unter einer Bedingung steht. Diese Konstellation ist in der Weise denkbar, dass die Komplottanten die Begehung der Tat an sich schon fest vereinbart haben, aber Einzelheiten der Tatausführung noch von einer Bedingung abhängig machen. Dabei muss auch hier zwischen externen und internen Bedingungen differenziert werden. Eine externe Bedingung des Inhalts der Vereinbarung liegt beispielsweise vor, wenn A und B sich festlegen, dass sie den C am nächsten Tag ausrauben werden, wobei sie die Tat auf später verschieben wollen, wenn C nicht allein sein sollte. Auch hier besteht schon, wie bei der soeben diskutierten Konstellation der Verabredung auf bewusst unsicherer Tatsachengrundlage, ein Konsens von A und B über die Tatbegehung. Sie wollen den C auf jeden Fall ausrauben, so dass auch die jeweiligen Zusagen zu dem Vorhaben unbedingt sind. Allein die konkrete Ausführung der Tat steht noch unter der Bedingung, dass die äußeren Umstände auch ihrem Plan entsprechen. Für den Fall, dass dies nicht so sein sollte, soll die Tat aber gleichwohl begangen werden – nur die konkreten Umstände der Tatbegehung werden dann verändert. Insofern handelt es sich bei dieser Konstellation auch um eine alternative Verabredung: Die Komplottanten haben sich fest auf die Tatbegehung geeinigt, wobei sie eine Begehungsvariante unter eine Bedingung gestellt und für den Fall des Ausbleibens der Bedingung zumindest konkludent eine andere Begehungsalternative verabredet haben.197 Es liegt also auch hier objektiv schon eine Einigung vor, die sich von derjenigen im Rahmen der Verabredung auf bewusst unsicherer Tatsachengrundlage insofern unterscheidet, als hier die Tatbegehung von Anfang an sicher ist. Diese Konstellation entspricht somit derjenigen einer unbedingten Verabredung und weist auch von Anfang an eine Gefährlichkeit auf, die mit derjenigen einer unbedingten Verabredung vergleichbar ist. Auch subjektiv ist der Tatentschluss der einzelnen Komplottanten zu bejahen – es liegt insofern ein sog. alternativer Handlungsentschluss vor.198 Somit muss diese Konstellation nach der geltenden Gesetzesfassung als strafbar angesehen werden. Wie im Rahmen der alternativen Verabredung noch eingehend erörtert wird199, bleibt 197 198 199
s. u. 3. Teil, B. II. 4. a). Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben, § 15, Rn 90 f; Kühl, AT, S. 78. s. u. 3. Teil, B. II. 4. a).
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lediglich noch die Frage, ob dann beide Begehungsalternativen als verabredet gelten und demnach auch beide bestraft werden müssen. Eine interne Bedingung des Inhalts der Vereinbarung kann angenommen werden, wenn die Begehung der Tat in der konkreten Begehungsweise beispielsweise davon abhängt, dass einer der Beteiligten bis zu der geplanten Begehung eine Waffe besorgt hat – anderenfalls wollen die Komplottanten die Tat in anderer Weise ausführen. Auch dabei gilt das soeben Gesagte – objektiv liegt eine feste Einigung der Komplottanten vor, da sie die Tat in jedem Fall begehen wollen. In diesem Fall ist allerdings fraglich, ob auch subjektiv ein hinreichender Tatentschluss der Täter besteht. Für die Komplottanten, die keinen Einfluss auf den Eintritt der Bedingung haben, stellt sich diese Bedingung – wie in der vorhergehenden Konstellation – als externe dar, so dass auch bei ihnen ein fester Tatentschluss in Form eines alternativen Handlungsentschlusses anzunehmen ist. Auch der Komplottant, der die Herbeiführung der Bedingung noch selbst in der Hand hat, weist einen hinreichenden Tatentschluss auf: Denn auch er ist fest entschlossen, die Tat zu begehen – Zweifel bestehen bei ihm lediglich noch hinsichtlich der Frage, ob er den Bedingungseintritt herbeiführt und demnach hinsichtlich der bevorzugten Begehungsvariante. Da die Erfüllung der Bedingung und die damit verbundene Begehungsvariante aber gleichzeitig zu dem Ausbleiben der anderen Begehungsvariante führen, handelt es sich auch hier um einen sog. alternativen Handlungsentschluss. Folglich sind die Konstellationen einer internen Bedingung des Inhaltes der Verabredung nach der geltenden Gesetzeslage als strafbar anzusehen. Auch hier stellt sich dann allerdings noch die Frage, ob wegen einer oder beider Begehungsvarianten zu bestrafen ist.200 Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass eine Bedingung, die den Akt der Einigung selbst betrifft, die Strafbarkeit ausschließt, während eine solche, die lediglich den Inhalt der Vereinbarung betrifft, keine Auswirkungen auf die Strafbarkeit hat. Insofern muss aber noch einmal betont werden, dass die herrschende Auslegung den Unterschied zwischen der objektiven Einigung und dem subjektiven Tatentschluss der Komplottanten vernachlässigt. Dies führt zu Ergebnissen, die weder mit dem objektiven Tatbestand der Verabredung noch mit den üblicherweise angeführten Strafgründen derselben in Einklang zu bringen sind. Insofern zeigt sich schon hier, dass die übliche Auslegung der Verbrechensverabredung nicht ohne Widersprüche zu dem üblicherweise angeführten Strafgrund derselben steht. b) Das Zugangserfordernis Des Weiteren stellt sich bei der Verabredung die Frage, ob die Erklärungen der einzelnen Beteiligten den anderen zugegangen sein müssen und, bejahendenfalls, ob dieses Erfordernis hinreichend ist. Insofern ist weitgehend anerkannt, dass allein ein Zugang im Sinne des § 130 BGB, also dass die Erklärung so in den Machtbereich des jeweiligen Empfängers gelangt ist, dass dieser davon Kenntnis nehmen kann, nicht 200
s. u. 3. Teil, B. II. 4. a).
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ausreichen kann.201 Richtigerweise muss zusätzlich noch gefordert werden, dass die Erklärungen auch angenommen wurden.202 Folglich stellt sich der Zugang zwar als notwendige, nicht aber als hinreichende Bedingung dar. Wie noch zu zeigen sein wird, ist die Zugangsproblematik auch bei der Variante des Sich-Bereit-Erklärens stark umstritten und wird dort mit Rückgriff auf den Strafgrund gelöst.203 Bei der Verabredung hingegen ergibt sich bereits aus dem Begriff, dass die gegenseitigen Erklärungen nicht nur zugegangen, sondern auch angenommen worden sein müssen. Denn von einer Verabredung kann nur gesprochen werden, wenn eine Einigung, also ein Willenskonsens, erzielt wurde, der wiederum die gegenseitige Kenntnisnahme der Erklärungen voraussetzt. Insofern besteht für die Begründung des Zugangs- und Annahmeerfordernisses nicht die Notwendigkeit, auf den Strafgrund der Verabredung zurückzugreifen.204 Bei einer Verabredung von mehr als zwei Personen reicht es nach einhelliger Meinung aus, wenn die Erklärung jedes einzelnen wenigstens einem anderen Beteiligten zugegangen ist und dieser die Erklärung angenommen hat.205 Fraglich ist, ob diese kaum in Zweifel gezogene Auslegung zutreffend ist oder nicht stattdessen verlangt werden muss, dass alle Erklärungen allen Beteiligten zukommen und auch von diesen angenommen werden, also ein Konsens aller besteht. Zunächst wird der Wortlaut daraufhin betrachtet, ob sich Anhaltspunkte für eine solche Auslegung erkennen lassen. Das Wort „Verabredung“ bedeutet so viel wie Absprache, Verständigung oder Übereinkunft.206 Man kann vertreten, dass bei der Beteiligung von vier Personen eine Verständigung in diesem Sinne verlangt, dass jeder mit jedem kommuniziert und sich geeinigt haben muss. Diese Auslegung ist aber keineswegs zwingend, da eine Verständigung oder Übereinkunft auch in folgender Weise denkbar ist: Wenn sich von den vier beteiligten Personen jeweils zwei zu einer Untergruppe in der Weise zusammenfassen lassen, dass sie miteinander direkt kommunizieren, reicht es für eine Verständigung aller aus, wenn sich diese zwei Personen jeweils direkt einigen und anschließend jeweils ein Vertreter beider Gruppen einen Konsens mit dem anderen erzielt. Zwar liegt dann keine unmittelbare Verständigung der vier Personen vor, an einer Einigung aller kann aber nicht gezweifelt werden. Allein der Begriff der Verabredung kann also nicht die Annahme rechtfertigen, es müssten alle unmittelbar miteinander in Kontakt getreten sein. Etwas anderes könnte sich aber bei der Berücksichtigung des Strafgrundes ergeben. Dieser wird, wie bereits erwähnt, unter anderem in der Willensbindung erblickt, die durch die Verabredung unter den Beteiligten entsteht. Es wird davon ausgegangen, dass jeder der Komplottanten durch den gemeinsamen Plan stärker an 201 202 203 204 205 206
SK-Hoyer, § 30, Rn 47; NK-Zaczyk, § 30, Rn 50; Thalheimer, S. 97. So auch Thalheimer, S. 97 f; NK-Zaczyk, § 30, Rn 50. s. u. 3. Teil, C. II. 2. So aber: SK-Hoyer, § 30, Rn 47. SK-Hoyer, § 30, Rn 47. Duden – Synonymwörterbuch.
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das Vorhaben gebunden wird, als wenn er als Einzeltäter agieren würde. Diese Annahme begegnet allerdings mehreren Bedenken. So ist bereits zweifelhaft, ob durch die Verabredung überhaupt eine solche Bindung unter den Komplottanten entsteht. Sollte dies zu bejahen sein, ist weiterhin fraglich, ob das Verhalten infolge der Willensbindung eine hinreichende Gefährlichkeit aufweist, um eine Bestrafung zu legitimieren.207 Selbst auf der Grundlage der herrschenden Meinung, nach der die Gefährlichkeit durch die gegenseitige verstärkte Willensbindung begründet wird, ergeben sich aber Zweifel daran, dass es keines Zugangs und keiner Annahme aller Erklärungen an alle anderen bzw. von allen anderen Beteiligten bedürfen soll. Auch wenn grundsätzlich die Entstehung einer Bindung unter den Komplottanten durch die Einigung bejaht werden sollte, muss geprüft werden, ob sie auch unter Beteiligten entstehen kann, die nie unmittelbar miteinander in Kontakt getreten sind, oder ob eine direkte Kommunikation für ihre Bildung erforderlich ist. Die Beantwortung dieser Frage hängt maßgeblich davon ab, worauf die erhöhte Willensbindung zurückgeführt wird. Im Folgenden werden die herkömmlichen Begründungsansätze allein dahingehend überprüft, ob danach auch eine erhöhte Willensbindung ohne unmittelbare Kontaktaufnahme entstehen kann – die grundsätzliche Überprüfung, wie tragfähig diese Begründungsansätze überhaupt sind, erfolgt erst im Rahmen der Auseinandersetzung mit dem Strafgrund der Verabredung.208 Zunächst ist dabei der sog. suggestionspsychologische Ansatz von Letzgus zu nennen, der davon ausgeht, dass sich die erhöhte Willensbindung durch eine wechselseitige Suggestion der Beteiligten ergebe.209 Legt man diesen Ansatz der hier in Rede stehenden Problematik zugrunde, ergibt sich Folgendes: Eine suggestive Beeinflussung hängt – wenn man sie überhaupt bejahen sollte – in ihrer Intensität maßgeblich von der Fühlungnahme der Beteiligten ab.210 Somit setzt eine erhöhte Bindung der Komplottanten infolge einer suggestiven Beeinflussung sogar voraus, dass sie sich räumlich möglichst nahe sind und so eine körperliche Fühlungnahme zwischen ihnen besteht. Folglich kann aber erst recht keine erhöhte Bindung infolge einer suggestiven Beeinflussung entstehen, wenn einige Komplottanten noch nicht einmal unmittelbar mit einander kommunizieren. Ausgehend von diesem suggestionspsychologischen Ansatz müsste also zumindest gefordert werden, dass alle Erklärungen allen Beteiligten zugehen und auch von allen angenommen werden. Teilweise wird die erhöhte Willensbindung der Komplottanten auch auf eine quasi-vertragliche Verpflichtung zurückgeführt, wobei durch die besonderen Verhaltensregeln einer kriminellen Subkultur ein besonderer Motivationsdruck entstehe.211 Danach müsse ein Aussteiger aus einer solchen Verbindung mit starken Repressalien rechnen, so dass er durch diese Bedrohung stärker an seine Zusage und 207 208 209 210 211
s. u. 4. Teil, C. III. 2. s. u. 4. Teil, C. III. 2. b), aa). Letzgus, S. 130. Dazu ausführlich unten 4. Teil, C. III. 2. b), aa). So auch Scherer, S. 27. s. u. 4. Teil, C. III. 2. b), aa).
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damit an das Vorhaben gebunden sei. Legt man diese Begründung der hier diskutierten Zugangs- und Annahmeproblematik zugrunde, stellt sich die Frage, ob solche Verhaltensregeln einer Subkultur – wenn man sie denn überhaupt im Rahmen der Verabredung bejahen sollte – auch in gleicher Weise zwischen Beteiligten bestehen können, die sich nicht kennen212 und auch in keinen unmittelbaren Kontakt miteinander treten. Bei einer kriminellen Subkultur handelt es sich um eine eigene Teilkultur mit eigenen Werten und Normen.213 Eine erfolgreiche Druckausübung würde insofern ein gewisses hierarchisches Verhältnis zwischen den Beteiligten voraussetzen.214 Im Rahmen eines solchen hierarchischen Machtverhältnisses, welches die erhöhte Bindung begründen soll, käme es weniger auf den unmittelbaren Kontakt der Beteiligten an als vielmehr darauf, dass die einzelnen Komplottanten Kenntnis von der Stellung der anderen in der Hierarchie haben. Denn die erhöhte Bindung soll ja daraus resultieren, dass der einzelne für den Fall seines Ausstiegs Drohungen oder andere Machtausübungen seitens der Verbliebenen zu befürchten hat – damit diese Bedrohungen aber eine erhöhte Willensbindung zur Folge haben können, muss der einzelne Komplottant von der stärkeren Machtposition seiner Verbündeten wissen. Geht man also von diesem Erklärungsansatz der erhöhten Willensbindung aus, wäre kein unmittelbarer Kontakt unter allen Beteiligten zu fordern, so dass der herrschenden Auslegung zu folgen wäre. Daneben könnte die erhöhte Willensbindung auch auf einer persönlichen Verbundenheit beruhen.215 Eine persönliche Verbundenheit kann aber schon dem Namen nach nur unter Personen bestehen, die sich nicht nur kennen, sondern auch in einer besonderen Beziehung zu einander stehen. Dabei wird die Bindung in ihrer Intensität zudem danach variieren, welche Art von persönlicher Beziehung zwischen den Beteiligten besteht – ob es sich beispielsweise nur um eine lockere Freundschaft oder ein enges Verwandtschaftsverhältnis handelt. Da also diese Verbundenheit ein solches persönliches Verhältnis der beteiligten Personen voraussetzt, werden diese auch regelmäßig selbst in unmittelbaren Kontakt zu einander treten. Es kann hingegen nicht davon ausgegangen werden, dass im Rahmen einer Vereinbarung aus mehreren Personen eine erhöhte Willensbindung aufgrund einer solchen persönlichen Verbundenheit regelmäßig auch zwischen den Beteiligten entsteht, die keinen unmittelbaren Kontakt zueinander hatten. Folglich wäre auf Grundlage dieses Begründungsansatzes der Zugang aller Erklärungen bei allen und die Annahme derselben von allen Komplottanten zu verlangen. Im Ergebnis lässt sich somit festhalten, dass die herrschende Auslegung hinsichtlich der Zugangsproblematik nur dann überzeugen kann, wenn die angenommene erhöhte Willensbindung auf eine quasi-vertragliche Bindung im Rahmen einer kriminellen Subkultur zurückgeführt werden kann. Falls die erhöhte Willensbindung 212 213 214 215
Vgl. dazu BGH, 5 StR 581/10. Recker, in: Soziologie-Lexikon, S. 661; Schwendter, S. 11. s. u. 4. Teil, C. III. 2. b), aa). s. u. 4. Teil, C. III. 2. b), aa).
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hingegen auf einen der anderen Erklärungsansätze gestützt wird, kann das im Rahmen der herrschenden Auslegung aufgestellte Erfordernis nicht ausreichen – stattdessen müsste dann der Zugang aller Erklärungen bei allen und deren Annahme von allen Komplottanten verlangt werden. Ob die erhöhte Willensbindung überhaupt begründet werden kann und wenn ja mittels welchen Erklärungsansatzes, wird im Rahmen der Untersuchung des Strafgrundes der Verabredung erörtert.216 Fehlt es bei mehreren Beteiligten nur bei einer einzelnen Erklärung an dem erforderlichen Zugang, muss die Verabredung für die anderen trotzdem bejaht werden, während für den einzelnen lediglich eine Strafbarkeit wegen versuchter Anstiftung gem. § 30 Abs. 1 StGB in Betracht kommt.217 Sind hingegen überhaupt nur zwei Personen beteiligt, führt der mangelnde Zugang einer der Erklärungen zur Verneinung einer Verabredung. Stattdessen kann sich derjenige, dessen Erklärung dem anderen bereits zugegangen ist, wegen Sich-Bereit-Erklärens gem. § 30 Abs. 2, Alt. 1 StGB strafbar gemacht haben. Für den anderen bleibt, wie in der vorherigen Konstellation, eine mögliche Strafbarkeit wegen versuchter Anstiftung. c) Die Scheinverabredung Fraglich ist, ob auch dann von einer Willenseinigung und damit von einer Verabredung ausgegangen werden kann, wenn die dazugehörenden Erklärungen nur unter Vorbehalt bzw. zum Schein abgegeben wurden. Darunter sind die Fälle zu verstehen, in denen einer oder mehrere Komplottanten die gesamte Tat gar nicht bis zur Ausführung gelangen lassen oder ihre Beiträge tatsächlich gar nicht erbringen möchten. Dabei ist zwischen einer Abrede von lediglich zwei Personen, von denen einer nur Scheinbeteiligter ist, und einer Vereinbarung, die neben dem Scheinbeteiligten von mindestens zwei Personen ernsthaft getroffen wird, zu differenzieren. Während in der letztgenannten Konstellation als unstreitig angesehen werden kann, dass zwischen den „echten“ Komplottanten eine Verabredung gegeben ist218 und nur der scheinbare Komplottant sich nicht strafbar macht, gehen die Meinungen bei der Beurteilung des erstgenannten Falles auseinander. Es finden sich auch hier Stimmen, die eine Strafbarkeit wegen Verabredung zu einem Verbrechen bejahen wollen, wobei die Ansätze untereinander wiederum stark differieren. Die wohl am weitesten gehende Auffassung bejaht sie für alle Komplottanten einschließlich des Scheinbeteiligten. Begründet wird dies mit der objektiven Gefährlichkeit des konspirativen Tatentschlusses, die nicht dadurch beeinträchtigt werde, dass einer von ihnen nur scheinbar einverstanden sei.219 Etwas anderes gelte nur dann, wenn der scheinbare Mittäter in dem Verbrechensplan eine so gewichtige Rolle einnehme, dass die Tat ohne seine Mitwirkung gar nicht zur Aus216 217 218 219
s. u. 4. Teil, C. III. 2. b), aa). s. u. 3. Teil, C. I. Fieber, S. 63; MK-Joecks, § 30, Rn 59. Letzgus, S. 183.
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führung gelangen könne – dann sei der Tatentschluss aller völlig ungefährlich und damit auch nicht strafwürdig.220 Damit sei dann für keinen der Komplottanten die Modalität der Verabredung zu einem Verbrechen erfüllt. Diese Auslegung führt folglich immer zu einer einheitlichen Beurteilung der Beteiligten: Entweder machen sich alle wegen Verabredung strafbar oder keiner von ihnen. Gegen diese einheitliche Betrachtung der Strafbarkeit aller Beteiligten wendet sich ein anderer, verbreiteter Lösungsansatz. Demzufolge wird die Konstellation, in der die Abrede insgesamt nur von zwei Personen getroffen wurde, nicht anders behandelt als diejenige, in denen mehrere „echte“ Komplottanten beteiligt sind. Folglich machen sich die ernsthaften Komplottanten immer wegen Verabredung strafbar, unabhängig davon, ob es nur ein einzelner oder mehrere sind, während der Scheinbeteiligte nie dieser Strafbarkeit unterfällt.221 Für diese Interpretation wird folgendes methodische Argument angeführt: Der Vorbehalt des Scheinkomplottanten stelle ein rein subjektives Moment dar. Bewirke dies die Verneinung einer Verabredung insgesamt, würde ein subjektives Defizit zur Ablehnung einer objektiven Voraussetzung, nämlich der objektiven Übereinkunft, führen.222 Diese Argumentation kann allerdings nicht überzeugen. Ob es sich bei einem Merkmal um ein objektives oder subjektives handelt, hängt von dem jeweiligen Zusammenhang ab, in dem es relevant wird. So kann ein- und derselbe Umstand im Rahmen der Beurteilung der Strafbarkeit der einen Person ein subjektives Merkmal darstellen, während es im Kontext der Strafbarkeit einer anderen als objektives eingeordnet werden muss. Beispielsweise stellt die Tatsache, dass der Täter einen gewissen Umstand nicht kennt, der den objektiven Tatbestand eines Delikts ausfüllt, im Rahmen der Beurteilung seiner Strafbarkeit ein subjektives Merkmal dar – ihm fehlt insofern der Vorsatz hinsichtlich der Verwirklichung dieses Tatbestandes. Hat hingegen eine zweite Person an seinem Verhalten teilgenommen, stellt das Fehlen dieses, für den Täter subjektiven, Umstandes für den Teilnehmer ein objektives Merkmal dar, da es für die Einordnung seines Verhaltens als strafbare Teilnahme bereits an der vorsätzlichen Haupttat fehlt. Daraus wird deutlich, dass es sich bei der Einordnung in subjektive oder objektive Merkmale um eine immer von dem Kontext abhängende Bewertung handelt. Folglich kann allein daraus nicht abgeleitet werden, dass der subjektive Vorbehalt eines Komplottanten nicht zur Verneinung der objektiven Einigung der anderen führen könne. Des Weiteren wird für diese Auslegung eine Argumentation angeführt, die derjenigen bei der Auslegung von Willenserklärungen im zivilrechtlichen Bereich ähnelt. So wird vertreten, dass die Willensbindung, die als Strafgrund angeführt wird, aus Sicht des ernsthaften Komplottanten auch entstehe, wenn er die Erklärung des anderen nur irrtümlich für ernst gemeint halte. Gehe er nämlich von einer ernst gemeinten Einigung mit dem anderen aus, fühle er sich durch diese Abrede auch dann an 220 221 222
Letzgus, S. 183. Marxen/Geiger, famos 12/2007, S. 5; SK-Hoyer, § 30, Rn 48; Frister, S. 401 f. So auch der Einwand von Marxen/Geiger, famos 12/2007, S. 5.
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den Plan gebunden, wenn der Partner tatsächlich die Tat gar nicht zur Vollendung gelangen lassen wolle.223 Insofern wird, wie bei der Auslegung der Willenserklärungen im Zivilrecht, auf den objektiven Empfängerhorizont abgestellt, wonach es nur darauf ankommt, wie der Adressat der Erklärung diese nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen musste.224 Somit sei eine Bindung seitens des echten Komplottanten und damit auch der Strafgrund gegeben. Folglich müsse die Modalität der Verbrechensverabredung auch dann für den ernsthaften Komplottanten bejaht werden, wenn er sich ausschließlich mit einem Scheinbeteiligten zusammentue. Dieser Argumentation muss allerdings widersprochen werden, denn gerade aus dem üblicherweise angeführten Strafgrund ergibt sich recht eindeutig, dass die Erklärungen mindestens zweier Komplottanten ernst gemeint sein müssen, um eine Verabredung im Sinne des § 30 Abs. 2, Alt. 3 StGB zu bejahen.225 Nur wenn die Beteiligten tatsächlich zur Begehung der Tat bereit sind, kann von einem Willenskonsens gesprochen werden, der möglicherweise zu einer stärkeren Bindung an den Plan und dadurch zu einer erhöhten Gefahr für das Rechtsgut führen kann. Denn der Strafgrund der Verabredung wird ja gerade nicht bereits in einer einseitigen Bindung einer Person gesehen. Stattdessen soll sich die besondere Gefährlichkeit gerade aus der Wechselwirkung der Versprechen der Beteiligten und der daraus resultierenden gegenseitigen Bindung ergeben.226 Somit kann die Abrede zwischen nur einem ernsthaften und einem scheinbaren Komplottanten nicht als Verabredung im Sinne des § 30 Abs. 2, Alt. 3 StGB angesehen werden. Für dieses Ergebnis lassen sich auch folgende Überlegungen anführen: Die Verabredung gilt als vorbereitende Mittäterschaft227. Die Mittäterschaft setzt einen gemeinsamen und auch ernstgemeinten Tatplan mindestens zweier Personen voraus.228 Dieser gemeinsame Tatplan kann insofern als konstitutives Merkmal einer mittäterschaftlichen Begehung angesehen werden. Demnach kann für die Verabredung als Vorbereitung der Mittäterschaft nichts anderes gelten – erforderlich ist also eine ernsthafte Einigung mindestens zweier Personen.229 Gegen diese Argumentation könnte eingewendet werden, dass der ernsthafte Tatplan kein konstitutives Merkmal der Mittäterschaft darstelle und somit daraus auch keine Notwendigkeit einer ernsthaften Einigung für die Verabredungsstrafbarkeit abgeleitet werden könne. So wird teilweise trotz Fehlens eines ernsthaften gemeinsamen Tatplans eine Mittäterschaft bejaht. Bislang wird eine solche vermeintliche Mittäterschaft nur im Rahmen der Versuchsstrafbarkeit diskutiert – nämlich bei der Frage, ob auch das unmittelbare Ansetzen eines scheinbaren Mittäters für den Versuchsbeginn des anderen Mittäters 223
Schönke/Schröder/Heine, § 30, Rn 29. Palandt/Ellenberger, § 133, Rn 9. 225 So auch SK-Hoyer, § 30, Rn 48; NK-Zaczyk, § 30, Rn 50. 226 So auch Thalheimer, S. 99. Ob dieser Strafgrund tatsächlich tragfähig ist, wird anschließend erörtert werden; s. u. 4. Teil, C. III. 2. 227 Busch, S. 119; Fischer, § 30, Rn 12; Roxin, JA 1979, 169, 170. 228 SK-Hoyer, § 25, Rn 148; Fischer, § 30, Rn 12a; Roxin, AT II, S. 78 f m.w.N. 229 So auch Thalheimer, S. 99. 224
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ausreicht. Es geht dabei um den Fall, in dem ein Täter irrtümlich von einem gemeinsamen Tatplan mit einer anderen Person ausgeht und nur dieser vermeintliche Mittäter bereits „unmittelbar zur Tatbestandsverwirklichung angesetzt“ hat. Fraglich ist insofern, ob sich auf Grundlage der Gesamtlösung der untätige „Mittäter“ bereits wegen Versuchs strafbar gemacht hat. Denn nach der Gesamtlösung reicht es für den Versuchsbeginn aller im Rahmen der Mittäterschaft aus, wenn einer unmittelbar zu seinem Tatbeitrag ansetzt.230 Damit würde auch ein vermeintlicher Mittäter ausreichen, um die Strafbarkeit eines anderen herbeizuführen. Der Bundesgerichtshof hat den Versuchsbeginn auch für den untätigen Mittäter schon bejaht.231 Danach handele es sich nach der Vorstellung des echten „Mittäters“ bei dem anderen Beteiligten sehr wohl um einen Mittäter, der auch unmittelbar zu der Tat ansetze. Dass es in Wirklichkeit gar nicht zu einem unmittelbaren Ansetzen komme, entspreche der Situation des untauglichen Versuchs und spreche folglich nicht gegen die Strafbarkeit.232 Diese Auslegung begegnet aber starken Bedenken. Die Zurechnung über § 25 Abs. 2 StGB setzt ein echtes unmittelbares Ansetzen eines Mittäters voraus. Dieses kann dem anderen Mittäter nur dann für seinen Versuchsbeginn angelastet werden, wenn es auch tatsächlich vorliegt. In der angesprochenen Konstellation fehlt es aber bereits an einem unmittelbaren Ansetzen, da der vermeintliche Mittäter ja die Tat gerade nicht ausführen will. Somit bleibt festzuhalten, dass für eine Bestrafung wegen mittäterschaftlicher Begehung immer erforderlich ist, dass mindestens zwei Personen einen ernsthaften gemeinsamen Tatentschluss bilden.233 Folgerichtig fehlt es der Verabredung bereits an der Eigenschaft als Vorbereitung der Mittäterschaft, sollte einer die Erklärung nur zum Schein abgeben. Eine solche Vereinbarung kann lediglich als untauglicher Versuch einer Verabredung eingeordnet werden, der nicht strafbar ist.234 Im Ergebnis setzt eine Verabredung also immer eine ernsthafte Übereinkunft von mindestens zwei Personen voraus, so dass einer allein nicht wegen Verabredung bestraft werden kann.235 Ist ein ernsthafter Konsens von mindestens zwei Personen und damit eine Verabredung gegeben, kann sich eine weitere Person, die sich nur zum Schein mit dem gemeinsamen Plan einverstanden erklärt, wegen versuchter Anstiftung gem. § 30 Abs. 1 StGB strafbar machen. Dies setzt voraus, dass sie davon ausgeht, durch ihre Erklärung den Tatentschluss von mindestens einem der anderen hervorzurufen.236 Eine Strafbarkeit wegen versuchter Anstiftung kommt bei vorhandenem Bestim230
BGHSt 36, 249; BGHSt 40, 299, 301; MK-Joecks, § 25, Rn 226; Fischer, § 25, Rn 11. BGHSt 40, 299, 300 ff. Andererseits besteht auch in der Rechtsprechung hinsichtlich dieser Frage keine Einigkeit, ablehnend nämlich BGHSt, 39, 236, 238. 232 BGHSt 40, 299, 300 ff. 233 Ablehnend auch: BGHSt, 39, 236, 238; Frister, S. 394; Kindhäuser, AT, S. 334 f; Wessels/Beulke, S. 192 f; LK-Hillenkamp, 12. Aufl., § 22, Rn 176. 234 So auch LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30, Rn 63, Fn 72. 235 So auch Thalheimer, S. 99; Fischer, § 30, Rn 12 f; NK-Zazcyk, § 30, Rn 50; Fieber, S. 63 f. 236 Vgl. SK-Hoyer, § 30, Rn 48. 231
B. Die Verabredung
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mungsvorsatz auch bei nur zwei Beteiligten in Betracht, die ihre Erklärungen nicht ernst meinen. Hingegen kann die Variante des Sich-Bereit-Erklärens nach der hier vertretenen Auffassung, wie noch zu zeigen sein wird, von demjenigen, der sich nur zum Schein „verabredet“, nicht erfüllt sein.237 2. Die Vereinbarung mittäterschaftlicher Beiträge Wesentliches Merkmal der Verbrechensverabredung ist die Vereinbarung mittäterschaftlicher Beiträge. Die Komplottanten müssen sich einig sein, dass jeder von ihnen bei der Begehung der Tat wie ein Mittäter mitwirkt. Sie müssen sich zwar nicht vorstellen, dass sie Mittäter sind, aber die geplanten Beiträge müssen sich im Hinblick auf die Bedeutung für die Tat als mittäterschaftliche darstellen.238 Somit fallen Vereinbarungen zwischen einem Anstifter und einem Haupttäter oder solche, bei denen bloße Gehilfenbeiträge versprochen werden, nicht unter die Variante der Verabredung. Wenn sich ein späterer Haupttäter und ein Gehilfe zusammenschließen, bleiben beide straflos, denn die versuchte Beihilfe ist, wie sich im Rückschluss aus dem Wortlaut des § 30 StGB ergibt239, nicht unter Strafe gestellt. Auch der präsumtive Haupttäter bleibt straffrei, da er keine der anderen Varianten des § 30 StGB verwirklicht.240 Da die versuchte Beihilfe also straflos, die Zusage von mittäterschaftlichen Beiträgen hingegen strafbar ist, hängt der Umfang der Verabredungsstrafbarkeit maßgeblich davon ab, wo die Grenzen der mittäterschaftlichen Beteiligung gezogen werden.241 Je nachdem, ob an mittäterschaftliche Beiträge hohe oder geringe Anforderungen gestellt werden, variieren auch die Grenzen des strafbaren Verhaltens im Vorbereitungsstadium. Definiert man den Begriff der mittäterschaftlichen Beiträge in einem engen Sinne, werden viele vereinbarte Handlungen als bloße versuchte Beihilfe und damit straflos einzuordnen sein, während bei einer extensiven Definition des Begriffs der mittäterschaftlichen Beteiligung besonders viele Verhaltensweisen als strafbar eingeordnet werden. Dementsprechend reicht die Tatbestandsvariante der Verabredung mehr oder weniger weit. Um die Frage nach der Reichweite dieser Variante beantworten zu können, muss somit auf die Auslegung des § 25 Abs. 2 StGB zurückgegriffen werden, die allerdings selbst umstritten ist. Aufgrund des begrenzten Umfangs dieser Arbeit muss auf eine umfassende Darstellung der unterschiedlichen Theorien verzichtet werden.242 Stattdessen soll die ständige Rechtsprechung als Ausgangspunkt der weiteren Überlegungen dienen.
237
s. u. 3. Teil, C. II. 1. Marxen/Geiger, famos 12/2007, S. 2; MK-Joecks, § 30, Rn 50. 239 Frister, S. 399; NK-Zaczyk, § 30, Rn 55. 240 SK-Hoyer, § 30, Rn 50. 241 LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30, Rn 72. 242 Eine detaillierte Übersicht zu den einzelnen Ansätzen findet sich bei Schönke/Schröder/ Heine, Vor § 25, Rn 82 ff. 238
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3. Teil: Der geltende § 30 StGB und seine Auslegung
a) Ständige Rechtsprechung zur Mittäterschaft Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erfolgt die Grenzziehung zwischen Mittäterschaft und bloßer Beihilfe danach, ob der Beteiligte die Tat als eigene will oder lediglich eine fremde Tat fördern möchte. Eine mittäterschaftliche Beteiligung setzt somit voraus, dass der Täter seinen Beitrag als Teil einer arbeitsteiligen Gesamtausführung versteht und mit ihm diejenigen seiner Mitverbündeten ergänzen will – genauso, wie er die Beiträge der anderen als Ergänzung seines eigenen versteht.243 Um diese recht unkonkreten Ausführungen für den Einzelfall handhabbar zu machen, hat der Bundesgerichtshof mehrere Kriterien entwickelt, die in einer Gesamtschau zur Festlegung der Beteiligungsform führen sollen. Subjektive und objektive Kriterien werden dabei kombiniert: Einerseits wird auf den Grad des eigenen Interesses am Taterfolg und den Willen zur Tatherrschaft des Betreffenden und andererseits auf den Umfang der Beteiligung und die objektive Tatherrschaft abgestellt.244 Während die ältere Rechtsprechung sehr geringe Anforderungen an den objektiven Tatbeitrag des einzelnen Mittäters stellte245 – so sollte zum Beispiel bereits ein anfeuernder Zuruf eine Mittäterschaft begründen246 – und es somit maßgeblich auf den Täterwillen des Handelnden ankam, wurde diese rein subjektive Betrachtung nach zunehmender Kritik der Literatur durch die Hinzuziehung der objektiven Kriterien aufgegeben. Die in der Lehre überwiegend vertretene Tatherrschaftslehre stellt nämlich allein auf die objektive Tatherrschaft ab, die auch einen hinreichenden objektiven Tatbeitrag des Beteiligten verlangt.247 Vor dem Hintergrund dieser Entwicklung müsste gerade den objektiven Kriterien innerhalb der Gesamtschau starkes Gewicht beigemessen werden. Gleichwohl führt die Methode der Rechtsprechung im Einzelfall zu der Möglichkeit, auch den subjektiven Kriterien eine entscheidende Bedeutung zuzugestehen – wenn die Annahme der Mittäterschaft wünschenswert erscheint. Die Methode der Gesamtschau stellt insofern eine sehr dehnbare und von Fall zu Fall sehr variable Auslegung dar – es bestehen keine festen Gewichtungsregeln, keine strikten Vorgaben hinsichtlich der Frage, wie ausgeprägt ein Kriterium sein muss, um eine Mittäterschaft bejahen zu können. Folglich kann jeweils im Einzelfall – je nach dem gewünschten Ergebnis – entschieden werden, ob eine Mittäterschaft besteht oder nicht. Diese nicht näher konkretisierte Gewichtung führt dazu, dass im Zweifel eben auch ein subjektives Kriterium – zum Beispiel ein als ausreichend erachtetes eigenes Interesse am Taterfolg – ausreichen kann, um die Mittäterschaft anzunehmen248, auch wenn objektiv kein gewichtiger Beitrag vorliegt. Somit führt die Gesamtschau der Rechtsprechung durch ihre Flexibilität zu einer im 243 244 245 246 247 248
BGHSt 28, 346; BGH, StV 1998, 540; BGH, 5 StR 506/09. BGHSt 28, 346; NStZ 1992, 436. MK-Joecks, § 25, Rn 184; BGH, MDR 1955, 244. BGH, MDR 1955, 244. Roxin, JA 1979, 519 ff; SK-Hoyer, § 25, Rn 108 ff m.w.N. So auch Schönke/Schröder/Heine, Vor § 25, Rn 82.
B. Die Verabredung
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Vergleich zu den Tatherrschaftslehren extensiven Auslegung der Mittäterschaft – nämlich jedenfalls zu einer Ausdehnung auf solche Fälle, in denen nur nach subjektiven Kriterien eine Mittäterschaft bejaht werden kann. Grundsätzlich müssen diese Differenzierungskriterien auch für die Bewertung der versprochenen Beiträge innerhalb der Verabredung herangezogen werden. Maßgeblich ist somit auch hier, welchen Umfang der einzelne Beitrag hat und wie hoch das eigene Interesse am Erfolg der Tat ist. Aufgrund des engen Deutungszusammenhangs zwischen der Mittäterschaft und der Verbrechensverabredung führt also die extensive Rechtsprechungspraxis bei der Mittäterschaft auch zu einer Ausdehnung der Verabredungsstrafbarkeit.249 Dies erscheint umso problematischer, als es sich bei der Verabredung an sich schon nur um eine Vorbereitungshandlung handelt, die wegen der grundsätzlichen Straflosigkeit derselben eher restriktiv auszulegen ist. b) Aktuelle Rechtsprechung zur Verbrechensverabredung In diesen Zusammenhang muss auch eine aktuelle Entscheidung des Bundesgerichtshofs gestellt werden, die den subjektiven Kriterien bei der Beurteilung der Qualität der vereinbarten Beiträge das maßgebliche Gewicht beimisst.250 Der Bundesgerichtshof hatte über die Strafbarkeit von zwei Personen, einem Mann und seiner Geliebten, zu entscheiden, die über die Tötung der Ehefrau des Angeklagten verhandelt hatten. Nach dem festgestellten Sachverhalt sollte die Ehefrau umgebracht werden, um eine kostspielige Scheidung zu verhindern. Dabei schlugen beide Beteiligten jeweils einen, von dem Vorschlag des anderen abweichenden, Plan zur Tötung vor, ohne dass sie sich auf eine Begehungsweise einigen konnten. Diese Einigung war nach den Sachverhaltsfeststellungen auch zu dem Zeitpunkt der Aufdeckung des Planes noch nicht erzielt worden. Bei der Beurteilung der Strafbarkeit wegen Verabredung zum Totschlag gem. §§ 212 Abs. 1, 30 Abs. 2, Alt. 3 StGB oder gegebenenfalls sogar zum Mord gem. §§ 211, 30 Abs. 2, Alt. 3 StGB ergaben sich neben der Frage, ob überhaupt bereits eine Einigung der Angeklagten bejaht werden kann, Probleme hinsichtlich der Bestimmtheit des Verbrechens251 und der Vereinbarung mittäterschaftlicher Beiträge. Auch wenn der Bundesgerichtshof sich zu der letztgenannten Frage nur sehr kurz äußert, da die Entscheidung in der Sache dem Landgericht obliegt, macht er seine Einschätzung deutlich. Danach liegt eine mittäterschaftliche Beteiligung aufgrund „der beiderseitigen Tatherrschaft und des hohen gemeinsamen Tatinteresses […] unabhängig vom Gewicht der jeweiligen Tatbeiträge“ nahe.252 Diese Wertung lässt erkennen, dass es auch bei der Verabredungsstrafbarkeit maßgeblich auf das Interesse der Beteiligten am Taterfolg ankommen soll. Der Bundesgerichtshof misst sowohl dem Gewicht der Tatbeiträge als 249 250 251 252
Marxen/Geiger, famos 12/2007, S. 6. BGH, NStZ 2007, 697. s. dazu 3. Teil, B. II. 3. c). BGH, NStZ 2007, 697.
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3. Teil: Der geltende § 30 StGB und seine Auslegung
auch der objektiven Tatherrschaft keine so hohe Bedeutung wie dem subjektiven Interesse zu. Das folgt hinsichtlich des Gewichts der Tatbeiträge unmittelbar aus dem Wortlaut der hier zitierten Passage. In Bezug auf die Tatherrschaft ergibt sich diese Schlussfolgerung aus folgenden Überlegungen: Aufgrund der noch sehr geringen Konkretisierung des vorliegend zu untersuchenden Verbrechensplanes – zweifelhaft ist ja bereits, ob überhaupt eine Einigung bejaht werden kann – ist der Bundesgerichtshof gar nicht in der Lage, die objektive Tatherrschaft zu beurteilen. Diese hängt maßgeblich davon ab, auf was für eine Art der Begehung sich die beiden Angeklagten gegebenenfalls noch verständigt hätten. Da sie sich vorliegend aber gerade nicht auf einen Plan einigen konnten, ist eine Beantwortung der Frage, wer die Tatherrschaft gehabt hätte, gar nicht möglich. Stattdessen kann sich die Einschätzung des Bundesgerichtshofs, dass eine beabsichtigte mittäterschaftliche Begehung bejaht werden müsse, ausschließlich auf das Interesse an der Tat stützen. Denn nur dieses ist nach dem festgestellten Sachverhalt für beide Angeklagten zweifellos zu bejahen. Somit hat der Bundesgerichtshof mit seiner Beurteilung dem subjektiven Interesse am Taterfolg für die Bewertung der mittäterschaftlichen Begehung eine entscheidende Bedeutung zugestanden. Diese Betonung der subjektiven Kriterien führt, wie bereits dargestellt, zu einer Ausweitung der Verabredungsstrafbarkeit. Des Weiteren zeigt diese Entscheidung recht deutlich, dass es für die Frage der Strafbarkeit nicht mehr wesentlich ist, welche Beiträge im Einzelnen für die jeweiligen Komplottanten festgelegt werden und welche Bedeutung diese im Rahmen der Ausführung hätten. Festzuhalten bleibt somit, dass die Tendenz sowohl bei der Auslegung der Mittäterschaft als auch bei der Verabredung dahin geht, das Gewicht bei der Beurteilung auf die subjektiven Merkmale zu verlagern. Dies führt zu einer extensiven Auslegung der Verbrechensverabredung und damit zu einer weitgehenden Vorfeldstrafbarkeit. Um das Ausmaß dieser Entwicklung im Ganzen zu erfassen, ist es erforderlich, auch die aktuelle Rechtsprechung zu den Anforderungen an die Konkretisierung des verabredeten Verbrechens zu berücksichtigen. Diese soll im Folgenden näher untersucht werden. 3. Die Konkretisierung der geplanten Tat Das letzte der drei Untermerkmale der Verabredung verlangt, dass die geplante Tat hinreichend konkretisiert ist. Einigkeit herrscht darüber, dass eine Festlegung der Komplottanten auf alle Einzelheiten nicht verlangt werden kann.253 Andererseits kann aber auch ein unbestimmtes Übereinkommen, irgendwann ein beliebiges Verbrechen zu begehen, nicht ausreichen.254 Somit stellt sich die Frage, wo die Grenze zwischen der straflosen Idee und dem strafbaren Verbrechensplan liegt. Da die Verbrechensverabredung als Vorbereitung der Mittäterschaft qualifiziert wird, liegt es nahe, mit der herrschenden Ansicht in Rechtsprechung und Schrifttum auch für das Problem der erforderlichen Konkretisierung der anvisierten Tat auf die bei der 253 254
BGH, NStZ 2007, 697. So auch NK-Zaczyk, § 30, Rn 52.
B. Die Verabredung
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Mittäterschaft vertretene Auslegung zurückzugreifen.255 Die Anforderungen an die Konkretisierung des gemeinsamen Tatplans im Sinne des § 25 Abs. 2 StGB sind im Einzelnen zwar auch umstritten, insgesamt lässt sich aber eine tendenziell weite Definition des Begriffes feststellen. So ist anerkannt, dass ein stillschweigendes Übereinkommen, das erst während der Tatbegehung geschlossen wird, für die Annahme eines gemeinsamen Tatplans ausreicht.256 Insgesamt erscheint es schwierig, positive Kriterien für das Vorliegen des Tatplans im Sinne des § 25 Abs. 2 StGB zu formulieren, da die Konstellationen, in denen ein solcher bejaht wird, untereinander stark differieren. Stattdessen werden die Anforderungen an den Tatplan oft negativ beschrieben, also aufgezählt, wann ein solcher jedenfalls nicht vorliege. So wird ein gemeinsamer Tatplan immer dann verneint, wenn die Beteiligten untereinander gar keine Kenntnis von dem Handeln des anderen haben oder wenn sie nur jeweils die Situation ausnutzen, aber nicht miteinander tätig werden.257 Ein einseitiges Einverständnis kann für einen gemeinsamen Tatplan ebenso wenig genügen wie die Bestätigung eines solchen Einverständnisses durch den anderen.258 Andererseits reicht es aber nach einhelliger und richtiger Meinung aus, wenn ein einzelner bei der Ausführung der Tat im Sinne des Planes handelt und ihn damit zu einem gemeinsamen macht.259 Deutlichere allgemeingültige Aussagen, wie weit die Tat in dem gemeinsamen Plan konkretisiert sein muss, lassen sich hingegen nicht treffen. Dies resultiert bereits daraus, dass im Rahmen der Mittäterschaft gar nicht gefordert wird, dass der Plan vor der Tatbegehung feststeht.260 Bei einem stillschweigend, während der eigentlichen Tatausführung geschmiedeten Plan liegt aber auf der Hand, dass dieser durch die Begehung selbst in dem Moment konkretisiert wird und dann sehr detailliert ist. Wenn aber selbst ein konkludenter gemeinsamer Tatplan, der während der Ausführung gefasst wird, für die Mittäterschaft ausreicht, dann können an einen schon vor der Ausführung bestehenden Plan erst recht keine höheren Anforderungen hinsichtlich der Konkretisierung gestellt werden. Dies ist bei der Mittäterschaft aber auch nicht zwingend erforderlich, da das strafbegründende Unrecht dabei nicht ausschließlich in diesem Plan zu sehen ist, sondern stattdessen noch die gemeinsame Ausführung der Tat – bzw. im Versuchsstadium zumindest das unmittelbare Ansetzen zu dieser Ausführung – hinzukommen muss. Folglich kann auf eine weitergehende Konkretisierung des Tatplanes verzichtet werden. Bei der Verabredung ist die Situation aber eine andere: Es handelt sich dabei um eine bloße Vorbereitungshandlung, die sich immer auf die zukünftige Begehung eines Verbrechens bezieht und bei der als einziges, möglicherweise strafbares Verhalten die Einigung in Betracht kommt. Es wird nur die Verständigung der Komplottanten über eine später noch zu begehende 255 BGH, NStZ 2007, 697; BGH, StV 1994, 528; SK-Hoyer, § 30, Rn 54; Fieber, S. 69; Thalheimer, S. 106. 256 Roxin, AT II, S. 79; RGSt 8, 42 f; BGHSt, 37, 292. 257 Roxin, AT II, S. 78. 258 BGHSt 6, 248, 249 f; BGH, StV 1998, 129. 259 BGH, StV 1985, 145; MK-Joecks, § 25, Rn 199. 260 MK-Joecks, § 25, Rn 199.
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Tat unter Strafe gestellt – das strafbare Unrecht liegt also ausschließlich in dieser Einigung. Daraus ergibt sich die Frage, ob an diese Einigung höhere Anforderungen hinsichtlich der Konkretisierung gestellt werden müssen oder ob die für die Definition der Mittäterschaft aufgestellten Grundsätze ohne weiteres auf die Verabredung übertragen werden können. a) Verständigung über den Tatbestand Für die Verabredung wird üblicherweise verlangt, dass sich die Komplottanten über die wesentlichen Grundzüge des Verbrechens verständigt haben. Als Mindestvoraussetzung kann also gelten, dass aus der Vereinbarung auf den gesetzlichen Tatbestand geschlossen werden kann und die ungefähren Dimensionen des Unrechts feststehen.261 Die Notwendigkeit, zumindest den Tatbestand erkennen zu können, ergibt sich daraus, dass die Verabredung als Vorbereitungsstrafbarkeit ihren Unrechtsgehalt aus dem Verbrechen bezieht, auf das sie sich richtet. Für sich allein genommen stellt die Einigung kein Unrecht dar, sondern diese Qualität des Verhaltens entsteht erst durch seinen Bezugspunkt, den Straftatbestand des Besonderen Teils des StGB.262 Auch bei der Strafzumessung ist die Verabredung abhängig von dem verabredeten Verbrechen, da ihre Strafe an die Versuchsstrafe desselben angelehnt ist. Folglich muss die Einigung der Komplottanten zumindest soweit fortgeschritten sein, dass ein bestimmtes Delikt erkennbar ist. Fraglich ist, wie sich Ungenauigkeiten in der Planung – die Komplottanten haben über manche Details nicht gesprochen oder diesbezüglich unterschiedliche Vorstellungen – auf die Strafbarkeit auswirken. Insbesondere, wenn sich die Vorstellung der Komplottanten auf die Begehung unterschiedlicher Delikte bezieht, ist zweifelhaft, ob noch von einer hinreichenden Konkretisierung der Tat ausgegangen werden kann. Diese Problematik besteht beispielsweise, wenn A und B einen Supermarkt um die Tageseinnahmen bringen wollen, die Vorstellung des A aber die Begehung eines Raubes gem. § 249 StGB und diejenige des B die einer räuberischen Erpressung gem. § 255 StGB erfasst. Teilweise wird angenommen, dass in diesen Fällen keine hinreichende Konkretisierung der Tat vorliege, da der Tatbestand des Verbrechens nicht eindeutig feststehe und somit auch die Strafbarkeit wegen Verbrechensverabredung entfalle.263 Andere hingegen wollen für die Frage, ob solche Differenzen in den Vorstellungen der Täter relevant sind oder nicht, die gleichen Maßstäbe wie bei der Wahlfeststellung anlegen.264 Danach kommt es darauf an, ob die in Rede stehenden Tatbestände rechtsethisch und psychologisch vergleichbar sind.265 261
MK-Joecks, § 30, Rn 52; Thalheimer, S. 106; LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30, Rn 67. A.A. Fieber, nach dessen Ansicht nicht der gesetzliche Tatbestand feststehen müsse, sondern nur die rechtliche Grundstruktur der geplanten Tat (S. 69 f). 262 So auch Busch, S. 177. 263 MK-Joecks, § 30, Rn 55 ff. 264 Maurach, JZ 1961, 137, 140; Thalheimer, S. 110. 265 Schönke/Schröder/Eser/Hecker, § 1, Rn 99 ff; BGHSt 25, 184.
B. Die Verabredung
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Während sich die rechtsethische Vergleichbarkeit auf die Ähnlichkeit der von den einzelnen Verhaltensweisen verletzten Rechtsgüter bezieht, verlangt die psychologische Vergleichbarkeit eine Ähnlichkeit der Art und Weise der Verhaltensweisen sowie der in der Person des Täters liegenden Umstände.266 Wenn dies auf die nach den Vorstellungen der Komplottanten möglichen Delikte zutreffe und sie einer Wahlfeststellung zugänglich seien, sei eine Verabredung zu bejahen. Erfasse der Plan der Komplottanten hingegen so unterschiedliche Begehungsmöglichkeiten, dass Tatbestände in Betracht kommen, die diese Ähnlichkeit nicht aufweisen, sei die Verabredung zu unkonkret. In dem hier angeführten Beispielsfall läge folglich eine Verabredung vor, da Raub und räuberische Erpressung hinsichtlich des Unrechtsgehalts vergleichbar sind und damit auch einer Wahlfeststellung zugänglich sind. Ob die Grundsätze der Wahlfeststellung auf die hier problematisierte Situation übertragbar sind, hängt davon ab, ob die eine wahlweise Verurteilung rechtfertigenden Gründe auch in der Konstellation der Verabredung gegeben sind. Die Wahlfeststellung setzt die Unmöglichkeit eindeutiger Sachverhaltsaufklärung im Prozess in der Weise voraus, dass zwar eindeutig bewiesen werden kann, dass der Täter sich entweder wegen des einen oder des anderen Delikts strafbar gemacht hat, aber nicht feststellbar ist, welches er tatsächlich begangen hat. In dieser Situation der sog. echten Wahlfeststellung267 besteht ein Interessenwiderstreit zwischen der Rechtssicherheit auf der einen und der Einzelfallgerechtigkeit in Verbindung mit kriminalpolitischen Bedürfnissen auf der anderen Seite.268 Das Rechtsstaatsprinzip, insbesondere in seiner Ausprägung des Grundsatzes „nulla poena sine lege“ in Verbindung mit dem Prozessgrundsatz „in dubio pro reo“, verlangt, dass die Tat, für die die Verurteilung erfolgen soll, eindeutig feststeht.269 Würde dieser Grundsatz ausnahmslos durchgesetzt, müsste in solchen Sachverhaltskonstellationen, die der echten Wahlfeststellung zugrunde liegen, immer ein Freispruch erfolgen. Diese Konsequenz vermag aber nicht zu überzeugen, da feststeht, dass der Täter notwendigerweise eine der Taten begangen haben muss – insofern widerspräche ein umfassender Freispruch sowohl dem Prinzip der Einzelfallgerechtigkeit als auch dem Präventionsgedanken.270 Dieser Widerspruch der Interessen ist richtigerweise so zu lösen, dass unter den bereits genannten, engen Voraussetzungen eine Verurteilung auf mehrdeutiger Tatsachengrundlage – also eine Wahlfeststellung – erfolgt. Diese Lösung ermöglicht einen bestmöglichen Ausgleich der widerstreitenden Interessen – weder die strikte Durchsetzung der Rechtssicherheit, noch die gegenteilige strikte Beachtung der Einzelfallgerechtigkeit können in ihrem Ergebnis überzeugen, da die eine immer zu einem Freispruch, die andere hingegen immer zu einer Verurteilung führen würde. Abgesehen von diesen kaum haltbaren Konsequenzen sind die ge266
Dazu ausführlich: Schönke/Schröder/Eser/Hecker, § 1, Rn 101 ff. Schönke/Schröder/Eser/Hecker, § 1, Rn 61. 268 Schönke/Schröder/Eser/Hecker, § 1, Rn 64; Wessels/Beulke, S. 316 f; BeckOKv. Heintschel-Heinegg, § 1, Rn 44. 269 Schönke/Schröder/Eser/Hecker, § 1, Rn 64; Wessels/Beulke, S. 316. 270 Schönke/Schröder/Eser/Hecker, § 1, Rn 64. 267
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nannten Extrempositionen aber auch schon dogmatisch abzulehnen, da sie jeweils die gegensätzlichen Interessen völlig unberücksichtigt lassen. Bei der strikten Durchsetzung der Rechtssicherheit würden sowohl die präventiven Belange des Strafrechts als auch die materielle Gerechtigkeit vollständig zurücktreten, während bei der gegenteiligen vollständigen Geltung dieser Interessen das Rechtsstaatsprinzip verletzt würde. Folglich kann nur in einem Interessenausgleich ein sowohl dogmatisch als auch vom Ergebnis her überzeugender Ansatz gesehen werden, der in den zur Wahlfeststellung entwickelten Grundsätzen seinen Ausdruck gefunden hat. Fraglich ist, ob diese eine Verurteilung auf mehrdeutiger Tatsachengrundlage legitimierenden Gründe auch bei der hier diskutierten Erscheinungsform der Verabredung vorliegen. Wenn sich dabei ein entsprechender Interessenwiderstreit erkennen lässt, können die für die Wahlfeststellung entwickelten Grundsätze zum Ausgleich dieser gegensätzlichen Interessen auch auf diese Konstellation übertragen werden. Die Situation der Verabredung ist insofern vergleichbar mit der Sachverhaltskonstellation der echten Wahlfeststellung, als auch bei der Verabredung nicht eindeutig bestimmt ist, welcher Tatbestand durch die Tat erfüllt werden soll, weil die einzelnen Komplottanten unterschiedliche Vorstellungen darüber haben. Auch hier kann gegen eine Verurteilung wegen Verbrechensverabredung die Rechtssicherheit eingewendet werden – der konkrete Tatbestand und damit eine bestimmte Tat stehen gerade nicht fest und somit würde eine Verurteilung gegen den Grundsatz „nulla poena sine lege“ verstoßen. Andererseits kann auch hier für eine Verurteilung angeführt werden, dass die Komplottanten sich objektiv geeinigt haben und damit auf jeden Fall eine Einigung zu einer dieser beiden möglichen, in den Vorstellungen der Komplottanten bestehenden, Taten vorliegt. Insofern würde es wiederum der materiellen Gerechtigkeit widersprechen, würden diese Komplottanten nicht bestraft. Somit entspricht der Interessenwiderstreit demjenigen, der der Wahlfeststellung zu Grunde liegt. Folglich können die für die Wahlfeststellung entwickelten Vergleichbarkeitskriterien durchaus für die Bewertung der hinreichenden Konkretisierung im Rahmen der Verabredung herangezogen werden. Eine andere Leitlinie für die Bewertung variierender Vorstellungen stellt Thalheimer auf, indem er auf diejenigen Grundsätze zurückgreift, die entwickelt wurden, um Abweichungen in der Vorstellung des Täters im Vergleich zu dem tatsächlichen Kausalverlauf der ausgeführten Tat zu beurteilen.271 Dabei wird zwischen wesentlichen und unwesentlichen Abweichungen des tatsächlichen vom vorgestellten Kausalverlauf unterschieden. Während unwesentliche Abweichungen den Vorsatz des Täters nicht berühren, führen Wesentliche zu einem Vorsatzausschluss und damit zur Straflosigkeit des Täters hinsichtlich des Vorsatzdelikts.272 Als unwesentlich gelten nach ganz überwiegender Ansicht solche Abweichungen, die sich noch innerhalb der Grenzen des nach allgemeiner Lebenserfahrung Voraussehbaren halten 271
Thalheimer, S. 110 f. BGHSt 38, 32; Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben, § 15, Rn 55; BeckOK-Kudlich, § 15, Rn 5. 272
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und keine andere Bewertung der Tat rechtfertigen.273 Mit der Übertragung dieser Grundsätze auf die Problematik der erforderlichen Konkretisierung stellt Thalheimer eine hypothetische Überlegung an, da es bei der Verabredung ja nicht zur Ausführung der Tat kommt und deshalb kein Vergleich damit möglich ist. Stattdessen müssen die unterschiedlichen Begehungsmöglichkeiten, die von der Einigung umfasst werden, in folgender Weise miteinander verglichen werden: Die Vorstellung des einen Komplottanten wird als diejenige Begehungsform gedacht, die sich die Täter vorgestellt haben, die also von ihrem Vorsatz erfasst ist – in obigem Beispielsfall wäre dies die Vorstellung, die sich auf die Begehung eines Raubes bezieht. Die Vorstellung des anderen Komplottanten hingegen soll als die tatsächliche Ausführung der Tat gedacht werden – in dem Beispielsfall also die Begehung, die sich als Erpressung darstellt. Nach Thalheimers Ansatz müssen der vorgestellte und der als tatsächlich ausgeführt gedachte Ablauf nun verglichen werden, um festzustellen, ob es sich bei den Abweichungen um wesentliche handelt. Trifft dies zu – gehen also die Vorstellungen der Komplottanten über die Tat zu weit auseinander –, kann nicht mehr von einer ausreichenden Konkretisierung der Tat gesprochen werden. Folglich ist dann keine Verabredungsstrafbarkeit anzunehmen. In dem angeführten Beispiel müssten also die Abläufe der Tat, die sich die Komplottanten vorstellen, verglichen werden – der Ablauf, der einen Raub ausmacht mit demjenigen, der sich als Erpressung darstellt. Aufgrund dieses Vergleiches müsste entschieden werden, ob es sich bei den Unterschieden noch um Abweichungen handelt, die nach der allgemeinen Lebenserfahrung vorhersehbar waren und keine andere Bewertung der Tat rechtfertigen. Dies hängt zwar von der genauen Ausgestaltung der Vorstellungen ab, in der Regel wird es sich dabei aber wohl um wesentliche Abweichungen in diesem Sinne handeln. Denn die Abweichungen liegen hier nicht nur in Umständen, auf die die Täter keinen Einfluss haben – wenn doch sind es in der Regel solche, die als unwesentlich bezeichnet werden können –, sondern in den Vorstellungen der einzelnen Komplottanten differiert sogar das tatsächliche Verhalten der Täter. Somit stellt sich der Ansatz Thalheimers als enger dar als die Anwendung der Grundsätze der Wahlfeststellung. Der Rückgriff Thalheimers auf die Grundsätze über die Abweichungen vom Kausalverlauf erscheint sehr erzwungen. Diese wurden für die Situation entwickelt, in der die vom Täter ausgeführte Tat in ihrem Kausalverlauf von seinem Vorsatz abweicht. Sie dienen damit der Bewertung, ob der tatsächliche Ablauf der Tat noch von dem Tätervorsatz erfasst ist. Ist dies zu verneinen, kann auch keine Verurteilung erfolgen. Diese Ausgangsposition ist aber eine ganz andere als die Situation der Verabredung. Für die Frage, ob sich jemand wegen einer Verabredung zu einem Verbrechen strafbar gemacht hat, ist es völlig irrelevant, ob es zu der Tat kommt oder nicht, wie Thalheimer auch selbst zugesteht.274 Im Gegenteil wird die Verwirklichung des Verabredungstatbestands erst dann relevant, wenn es nicht zu der Ausführung der 273 274
Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben, § 15, Rn 55; Fischer, § 16, Rn 7. Thalheimer, S. 111.
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Tat gekommen ist, da sie sonst im Wege der Gesetzeskonkurrenz verdrängt wird. Stattdessen geht es bei der Verabredung gerade um die Frage, wann diese konkret genug ist, um die zukünftige Tat erst zu bestimmen. Somit erscheint es schon vom Ansatz her sehr zweifelhaft, ob diese Grundsätze auf die Verabredung übertragen werden können. Da mit den Grundsätzen über die Wahlfeststellung ein legitimes und auch hinreichendes Kriterium zur Verfügung steht, um den Grad der erforderlichen Konkretisierung, zumindest in Bezug auf die Frage des verabredeten Tatbestands, festzulegen, besteht insofern auch keine Notwendigkeit, einen solch umständlichen und gezwungenen Vergleich vorzunehmen. Die Frage, ob die Unterschiede in den Vorstellungen der Komplottanten so gravierend sind, dass nicht mehr von einer konkreten Verabredung gesprochen werden kann, ist also unter Rückgriff auf die Grundsätze der Wahlfeststellung zu beantworten. Zuletzt muss noch betont werden, dass diese soeben diskutierte Konstellation der variierenden Vorstellungen der Komplottanten nicht mit derjenigen verwechselt werden darf, in der die Komplottanten sich offen nicht auf eine bestimmte Begehung einigen können. In diesem letztgenannten Fall – wenn sich die Komplottanten beispielsweise nicht festlegen können, ob sie einen Raub oder eine räuberische Erpressung begehen wollen – finden die Grundsätze der Wahlfeststellung keine Anwendung. Stattdessen ist in dieser Konstellation schon die objektive Einigung der Komplottanten zu verneinen, da es an zwei inhaltlich übereinstimmenden Erklärungen fehlt. Die Komplottanten stehen lediglich in Verhandlungen über die Tatausführung, was aber noch keine strafbare Verabredung darstellt. b) Erforderliche Konkretisierung des Opfers Als weiteres Problem im Rahmen der Auslegung der Verbrechensverabredung wird die Frage nach der Individualisierung des Opfers diskutiert. Ist es für die Strafbarkeit erforderlich, dass die Komplottanten sich bereits auf das Opfer ihrer Tat festgelegt haben, und muss bejahendenfalls die Identität des Opfers bestimmt sein oder reicht eine Festlegung nach anderen Kriterien aus? In einem ersten Schritt ist folglich zu untersuchen, ob überhaupt eine Festlegung auf das Opfer erforderlich ist, um dann evtl. in einem zweiten Schritt zu klären, wie diese Konkretisierung ausgestaltet sein muss. Die Frage nach dem Erfordernis der Festlegung auf das Tatopfer wird sehr kontrovers beantwortet. Insgesamt sind vier verschiedene Ansätze denkbar, zwei Extrempositionen und zwei vermittelnde Ansichten. Allerdings werden die beiden strengen Ansichten, die entweder immer275 oder aber nie276 eine Konkretisierung verlangen, zu Recht nicht mehr vertreten. Folglich soll sich auch die folgende Untersuchung auf die beiden aktuellen Theorien beschränken, deren Gemeinsamkeit in
275 276
So früher vereinzelt die Rechtsprechung (HansOLG Hamburg, MDR 1948, 368). OLG Köln, NJW 1951, 612 f; Schröder, JuS 1967, 289, 293.
B. Die Verabredung
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der Differenzierung innerhalb der Verabredungen, ihr Unterschied aber in dem angewendeten Differenzierungskriterium liegt. Eine Ansicht differenziert nach der Art des Delikts. Bei Vermögensdelikten komme es nicht auf die Person des Opfers an, so dass dort eine Festlegung desselben entbehrlich sei, während bei Delikten gegen die Person das Unrecht so personengebunden sei, dass die Festlegung des Tatopfers zu den wesentlichen Umständen gehöre. Folglich sei bei diesen Delikten eine genaue Bestimmung des Opfers erforderlich.277 Die andere Ansicht bezweifelt die Tauglichkeit der Deliktsart als Differenzierungskriterium und stellt stattdessen auf den Vorsatz der Komplottanten ab – wenn es ihnen bei der Tat auf die Identität des Opfers ankomme, liege eine Verabredung erst vor, wenn sie sich darauf geeinigt haben. Für den Fall, dass den Komplottanten die Person des Opfers hingegen gleichgültig sei, beispielsweise weil sie einfach irgendeine Frau überfallen wollen, könne diese Festlegung auch nicht für die Strafbarkeit verlangt werden.278 Gegen die Differenzierung nach Deliktsarten lässt sich – mit Thalheimer – einwenden, dass sie ein dem Gerechtigkeitsempfinden zunächst widersprechendes Ergebnis zur Folge hätte: Schließen sich die Komplottanten zusammen, um ein Vermögensdelikt zu begehen, wären sie bereits strafbar, ohne das Opfer ihrer Tat festgelegt zu haben, während dieselben Komplottanten straffrei blieben, falls es sich sogar um ein Tötungsdelikt handelte. Die Verabredung zu Delikten gegen die Person hätte demnach höhere Strafbarkeitsanforderungen als die grundsätzlich weniger schwerwiegende Verabredung zu Vermögensdelikten.279 Tatsächlich widerspricht dieses Ergebnis dem Gerechtigkeitsempfinden allerdings nur dann, wenn sich die Annahme des personengebundenen Unrechts als unzutreffend herausstellen sollte. Sollte diese Prämisse hingegen richtig sein, ergäbe sich daraus, dass die Differenzierung nach Deliktsarten im Gegenteil konsequent und gerecht wäre. Wenn das verwirklichte Unrecht davon abhängt, ob die Person des Opfers feststeht – das Unrecht also bei diesen Delikten personengebunden ist –, würde dies für die hier problematisierte Situation Folgendes bedeuten: Haben die Komplottanten bei diesen Delikten die Person des Opfers noch nicht konkretisiert, würde ein wesentlicher Aspekt des Unrechts fehlen – das Unrecht, für das sie strafrechtlich belangt werden sollen, ist also zu einem großen Teil noch gar nicht verwirklicht. Insofern wäre es also nur folgerichtig und auch gerecht, wenn dann eine strafbare Verabredung mangels Konkretisierung verneint würde. Fraglich ist also, ob die Prämisse, dass es sich bei den Delikten gegen die Person um ein personenbezogenes Unrecht handelt, zutreffend ist. Eine wirkliche Begründung für diese These lässt sich bei ihren Anhängern nicht finden – so stellt bei277 278 279
BayObLG, NJW 54, 1257; Busch, S. 177 f; Maurach, JZ 61, 138, 140. Fieber, S. 71 f; LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30, Rn 68; Thalheimer, S. 112. So auch Thalheimer, S. 112.
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3. Teil: Der geltende § 30 StGB und seine Auslegung
spielsweise Maurach lediglich fest, dass der Angriff bei Delikten gegen die Person personengebunden sei, während bei Verbrechen gegen Vermögenswerte „die Persönlichkeit des Opfers nur der mehr oder minder zufällige Träger des Vermögens“ sei.280 Die Richtigkeit dieser Behauptung erscheint zweifelhaft. Eine Personenbezogenheit des Unrechts würde bedeuten, dass der Unrechtsgehalt der Tat wesentlich davon abhängt, ob die Person des Opfers feststeht. Bei Delikten, die sich nicht gegen die Person, sondern gegen Vermögenswerte richten, soll es hingegen nicht auf die Person des Opfers ankommen. Fraglich ist, woraus sich diese unterschiedliche Einordnung ergeben soll. Zuzugeben ist zwar, dass bei Delikten gegen die Person die Person des Opfers eine größere faktische Bedeutung in der Weise hat, dass in der Regel die Person des Opfers auch feststehen wird. Diese erhöhte Bedeutung erklärt sich aber bereits daraus, dass es sich bei den Delikten gegen die Person um Angriffe handelt, die sich gegen unmittelbare Rechtsgüter der Person, wie körperliche Unversehrtheit, Freiheit oder Leben richten. Somit ist in der Regel auch die Person des Opfers bekannt, weil es dem Täter gerade darauf ankommt, das Rechtsgut einer bestimmten Person zu verletzen. Bei Delikten, die sich gegen Vermögenswerte richten, geht es dem Täter in der Regel nicht um die Person des Opfers, sondern darum, das Tatobjekt zu erhalten – dass dieses natürlich auch einer Person zugeordnet ist und diese dadurch in ihrem Recht verletzt wird, ist in der Regel eher zweitrangig. Aus diesen Unterschieden kann allerdings nicht geschlossen werden, dass das Unrecht bei Delikten gegen die Person personengebunden sei. Denn denkbar sind auch die Fälle, in denen es dem Täter auch bei einem Delikt gegen die Person überhaupt nicht auf die Person des Opfers seiner Tat ankommt. Man denke nur an den Fall eines Täters, der unkontrolliert in eine Menschenmenge schießt oder eine Bombe legt – in diesen Konstellationen stehen die Personen, die zu Opfern werden, nicht fest. Es würde aber niemand daran zweifeln, dass der Täter ein ebenso großes Unrecht verwirklicht hat, wie wenn er gezielt eine Person erschossen hätte. Ebenso gibt es auch Fälle, in denen ein Täter, der einen Diebstahl begeht, diesen nur begeht, um dem Eigentümer zu schaden – die gestohlene Sache hingegen ist ihm vollkommen gleichgültig. Somit können die Unterschiede, die in der Regel zwischen den Deliktsgruppen in Bezug auf die Person des Opfers bestehen, nicht die Bewertung rechtfertigen, es handele sich bei Delikten gegen die Person um ein personenbezogenes Unrecht. Wäre das Unrecht bei diesen Delikten tatsächlich personenbezogen, müsste konsequenterweise auch ein error in persona bei Delikten gegen die Person erheblich sein. Macht nämlich die Person des Opfers einen wesentlichen Teil des Unrechts der Tat aus, würde der Täter im Fall der Verwechslung des Tatopfers ein ganz anderes Unrecht verwirklichen als das, welches er verwirklicht hätte, wenn es sich um die von seinem Vorsatz erfasste Person gehandelt hätte. Diese Konsequenz wollen aber selbst diejenigen nicht ziehen, die die These des personenbezogenen Unrechts befürworten. So nimmt selbst Maurach an, dass ein error in persona wie auch sonst unerheblich 280
Maurach, JZ 1961, 137, 140.
B. Die Verabredung
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sei.281 Diese Bewertung ist zwar im Ergebnis richtig, weil es bei den Delikten gegen die Person nur darauf ankommen kann, ob es sich bei dem Opfer um einen Menschen handelt und der Täter die Verletzung des anvisierten Menschen in seinen Vorsatz aufgenommen hat – sie kann aber auf Grundlage der These, es handele sich um ein personenbezogenes Unrecht, nicht legitimiert werden. Somit lässt sich festhalten, dass es für die Annahme, das bei Delikten gegen die Person verwirklichte Unrecht sei im Gegenteil zu dem bei Delikten gegen Vermögenswerte verwirklichten Unrecht personenbezogen, keine tragfähigen Anhaltspunkte gibt. Folglich kann auch die Differenzierung nach Deliktsarten für die Frage der Strafbarkeit der Verabredung in den Fällen, in denen die Person des Opfers noch nicht bestimmt ist, nicht überzeugen. Andererseits birgt auch die Differenzierung nach dem Vorsatz der Komplottanten folgende Ungereimtheiten: Stellt man darauf ab, ob es den Komplottanten auf die Identität des Opfers ankommt oder nicht, führt die subjektive Vorstellung der Komplottanten dazu, dass unterschiedliche Anforderungen an die objektiv erforderliche Konkretisierung der Tat gestellt werden. Gleichwohl kann diese Auslegung aus folgendem Grund überzeugen: Die Hinzuziehung der subjektiven Vorstellungen für die Beantwortung der Frage, wie stark die Konkretisierung fortgeschritten sein muss, ermöglicht eine Anpassung der Strafbarkeitsvoraussetzungen an die einzelnen Fallkonstellationen. In Fällen, in denen es den Komplottanten selbst nicht auf die Person des Opfers ankommt, ihre kriminelle Energie also ganz unabhängig von der Person des Tatopfers besteht und somit auch ihre Planung gänzlich ohne einen Austausch über diese Frage auskommen kann, besteht keine Notwendigkeit, für die Verabredungsstrafbarkeit eine solche Festlegung zu verlangen. Dies würde nämlich faktisch, wie bereits dargestellt, zu einem Ausschluss der Verabredungsstrafbarkeit führen. In den Fällen hingegen, in denen den Komplottanten die Person ihres Opfers nicht gleichgültig ist, stellt eine noch nicht erfolgte Einigung über dieselbe ein Hindernis dar, so dass sie die Tat nicht vor der Übereinkunft begehen werden. Folglich ist es legitim, in diesen Konstellationen eine Strafbarkeit wegen Verabredung zu einem Verbrechen erst zu bejahen, wenn die Komplottanten auch hinsichtlich der Person des Opfers ihre Planung abgeschlossen haben. Im Ergebnis erscheint es somit sinnvoll, die Erforderlichkeit der Festlegung des Opfers von den Vorstellungen der Komplottanten abhängig zu machen. Daraus ergibt sich auch die Beantwortung der zweiten Frage, wie genau die Konkretisierung des Opfers gestaltet sein muss, ob also die Komplottanten die Identität des Opfers kennen müssen oder eine Festlegung nach anderen Umständen ausreicht. Auch dabei ist folgerichtig auf die Vorstellungen der Komplottanten abzustellen. Kommt es ihnen bei der Planung auf die Identität des Opfers an, wollen sie also beispielsweise eine bestimmte Person des öffentlichen Lebens töten, dann muss auch verlangt werden, dass sie sich schon geeinigt haben, gegen wen genau sich ihre Tat richten soll. Wollen sie hingegen nur die Person töten, die ihnen als erste auf ihrem
281
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3. Teil: Der geltende § 30 StGB und seine Auslegung
Weg begegnet, ist eine Einigung über die Identität nicht erforderlich und die Strafbarkeit scheitert nicht an einer mangelnden Konkretisierung. c) Die Entwicklung der Rechtsprechung zur Konkretisierung Auch bzw. gerade in Bezug auf die Frage der erforderlichen Konkretisierung der Tat hat die bereits erwähnte aktuelle Entscheidung des Bundesgerichtshofs große Bedeutung. In ihr verwirft der Bundesgerichtshof eine Entscheidung des Landgerichts Stade, das die Angeklagten mangels einer ausreichenden Konkretisierung der Tateinzelheiten freigesprochen hatte. Er bemängelt dabei die Anforderungen, die seitens des Landgerichts an die Konkretisierung gestellt wurden.282 Dieses war davon ausgegangen, dass die erforderliche Konkretisierung nur dann gegeben sei, wenn „Ort, Zeit und Art der Ausführung verbindlich festgelegt“ seien.283 Dieser Maßstab ist laut Bundesgerichtshof aber zu eng. Das Gericht führt unter Bezugnahme auf eine frühere Entscheidung aus, dass es an der Konkretisierung lediglich fehle, wenn die Absprache nicht die Annahme rechtfertige, die Angeklagten hätten die Tat als Mittäter begehen wollen.284 Der Bundesgerichtshof sieht sich mit dieser Entscheidung in der Tradition und auf der Linie der von ihm zitierten Entscheidung von 1994.285 Gleichwohl lässt sich aus einem Vergleich der beiden Entscheidungen und der ihnen zugrunde liegenden Sachverhalte erkennen, dass der Bundesgerichtshof die Anforderungen, die er an die Konkretisierung der Verabredung hinsichtlich der Festlegung mittäterschaftlicher Beiträge stellt, herabsetzt. Um diesen Unterschied in den Entscheidungen näher zu erläutern, soll zunächst die Entscheidung von 1994 untersucht werden. aa) Die Grundaussage der Entscheidung aus dem Jahr 1994 In der angesprochenen Entscheidung aus dem Jahr 1994 verneinte der Bundesgerichtshof die ausreichende Konkretisierung der Abrede und kam somit nicht zu einer Strafbarkeit der Angeklagten wegen Verabredung zum Totschlag gem. §§ 212, 30 Abs. 2 StGB. In dem dort zu verhandelnden Fall ging es um vier Angeklagte, die sich nach den Sachverhaltsfeststellungen sicher waren, dass sie das Opfer umbringen wollten, wobei aber mehrere unterschiedliche Begehungsarten im Gespräch waren. Zum Zeitpunkt der Entdeckung waren sie entschlossen, das Opfer zu erschießen, wobei jeder der Angeklagten bereit war, einen erheblichen Tatbeitrag zu leisten. Der Bundesgerichtshof kam in diesem Fall zu dem Ergebnis, dass die Verurteilung der Angeklagten durch das Landgericht Hanau wegen Verabredung zu
282 283 284 285
BGH, NStZ 2007, 697. BGH, NStZ 2007, 697. BGH, NStZ 2007, 697. Marxen/Geiger, famos 12/2007, S. 4.
B. Die Verabredung
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einem Totschlag nicht zutreffend sei.286 Er bemängelte die fehlende Konkretisierung der Tat, da aus den getroffenen Sachverhaltsfeststellungen gerade nicht die Erkenntnis gewonnen werden könne, dass die „Angeklagten überein gekommen seien, eine bestimmte Tat als Mittäter zu begehen“.287 Er bezieht sich zur Begründung dieser Ansicht auf rechtsstaatliche Grundsätze, mit denen es nicht vereinbar sei, wenn eine Verurteilung nur aufgrund vage umschriebener Tatvorwürfe erfolge, da sich der Angeklagte dagegen nicht wirksam verteidigen könne.288 Insbesondere lässt er erkennen, dass es gerade auf die Vereinbarung mittäterschaftlicher Beiträge ankomme. bb) Die aktuelle Rechtsprechung zu der erforderlichen Konkretisierung Der Bundesgerichtshof hat diese frühere Entscheidung in seinem aktuellen Urteil in folgender Weise zitiert: Eine Verabredung sei zu verneinen, wenn die Absprache „nach Ort und Zeit, insbesondere aber hinsichtlich ihres Inhalts – jedenfalls was die vorgesehenen Tatbeiträge betrifft – so wenig konkretisiert war, dass die Annahme, die Angeklagten hätten als Mittäter (und damit nicht nur als Gehilfen) an der Tat mitwirken wollen, keine ausreichende Grundlage hatte“.289 In der Ausgangsentscheidung findet sich allerdings der hier eingefügte Klammerzusatz nicht. Vereinzelt wird aus diesem Unterschied in den Textpassagen folgender Schluss hinsichtlich der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu der Frage der erforderlichen Konkretisierung der Verabredung gezogen: Das zuvor wiedergegebene Zitat könne dahingehend zusammengefasst werden, dass es für die Konkretisierung, jedenfalls im Hinblick auf die mittäterschaftlichen Beiträge der Komplottanten, ausreiche, wenn eine Einigung auf die bloße Erbringung von Gehilfenbeiträgen ausgeschlossen werden kann.290 Demnach sei nicht erforderlich, dass aus der Einigung positiv auf die einzelnen Beiträge der Komplottanten geschlossen werden kann, sondern es genüge bereits die negative Feststellung, dass sie jedenfalls keine Gehilfenbeiträge vereinbart haben. Die Besonderheit dieser Aussage liege darin, dass sie in der die Mindestanforderungen an die Konkretisierung festlegenden Entscheidung aus dem Jahre 1994291 so nicht enthalten sei. Denn aus der dort verwendeten Formulierung lasse sich nicht schließen, dass eine positive Feststellung der mittäterschaftlichen Beiträge entbehrlich sein und stattdessen ein negativer Ausschluss der Vereinbarung von Gehilfenbeiträgen ausreichen solle.292
286 287 288 289 290 291 292
BGH, StV 1994, 528. BGH, StV 1994, 528. BGH, StV 1994, 528. BGH, NStZ 2007, 697. Marxen/Geiger, famos 12/2007, S. 4. BGH, StV 1994, 528. Marxen/Geiger, famos 12/2007, S. 4.
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Dieser Auslegung kann allerdings nicht gefolgt werden, da bereits ihre Prämisse auf einem falschen Verständnis des Verhältnisses zwischen Mittäterschaft und Beihilfe basiert. Danach führt eine Verneinung der Beihilfe aufgrund eines zu gewichtigen Beitrages nicht automatisch zu der Bejahung der Mittäterschaft und umgekehrt. Es wird davon ausgegangen, dass die beiden Teilnahmeformen nicht in einem solchen Exklusivitäts- und Stufenverhältnis stehen, so dass die Verneinung der einen zwangsläufig zu einer Bejahung der jeweils anderen führt. Nur aufgrund dieses Verständnisses macht es einen qualitativen Unterschied, ob die Sachverhaltsfeststellungen „nur“ einen negativen Ausschluss einer Beteiligung als Gehilfe tragen oder ob sie auch den positiven Nachweis einer Vereinbarung mittäterschaftlicher Beiträge ermöglichen. Wenn nämlich für die Feststellung der mittäterschaftlichen Beteiligung mehr erforderlich ist als der bloße negative Ausschluss der Beihilfequalität der Beiträge, kann aus dem Klammerzusatz geschlossen werden, dass die Anforderungen an die Konkretisierung im Vergleich zu der Entscheidung des Jahres 1994 herabgesetzt wurden. Dieses Verständnis des Verhältnisses zwischen den beiden Teilnahmeformen kann aber aus folgenden Gründen nicht überzeugen: Wenn die Feststellung, die Beteiligten seien keine Gehilfen – beispielsweise weil ihre Tatbeiträge von zu hohem Gewicht sind –, nicht automatisch dazu führt, dass stattdessen die Mittäterschaft bejaht werden kann, stellt sich als erstes die Frage, welche Feststellungen für die Annahme dieser Beteiligungsform noch hinzukommen müssen. Des Weiteren führt dieses Verständnis dazu, dass Fälle denkbar werden, in denen diese weiteren notwendigen Feststellungen nicht getroffen werden könnten mit der Folge, dass es sich dann bei den Beteiligten konsequenterweise weder um Gehilfen noch um Mittäter handeln würde. In Ermangelung einer weiteren Teilnahmeform ergäbe sich daraus das untragbare Ergebnis, dass die Betroffenen sich gar nicht strafbar gemacht hätten. Würde in einem solchen Fall dann hingegen doch die Beihilfe bejaht, würde sich darin wiederum nur das Exklusivitätsverhältnis der beiden Beteiligungsformen zeigen. Somit muss das Verhältnis zwischen Beihilfe und Mittäterschaft richtigerweise so verstanden werden, dass die Verneinung der Beihilfe als zu schwache Beteiligungsform automatisch die Bejahung der intensiveren mittäterschaftlichen Beteiligung zur Folge hat. Auch der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs liegt dieses Verständnis des Exklusivitätsverhältnisses zwischen Beihilfe und Mittäterschaft zugrunde.293 Danach ist mit der Feststellung, dass die Beiträge für Gehilfenbeiträge zu gewichtig sind, auch automatisch die Bejahung der Mittäterschaft verbunden – es sind keine weiteren Anforderungen zu stellen. Demzufolge hat aber auch der Klammerzusatz der Entscheidung keine weitere inhaltliche Aussage, als dass eben diese Unterscheidung zwischen Gehilfenbeiträgen und mittäterschaftlichen Beiträgen möglich sein muss – er dient demnach lediglich der Klarstellung. Diese Auslegung ist auch insofern naheliegend, als der Bundesgerichtshof für den Fall, dass er mit dieser Aussage eine bedeutende Änderung im 293 Diese Einschätzung ergibt sich aus den Entscheidungen des BGH zur Abgrenzung zwischen Mittäterschaft und Beihilfe (BGH, NStZ 1985, 165; NStZ-RR 1997, 86; NStZ-RR 1999, 186).
B. Die Verabredung
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Vergleich zu der Entscheidung von 1994 vornehmen wollte, diese Aussage wohl nicht nur in einem Klammerzusatz und ohne weitere Erläuterungen getroffen hätte. Es bleibt somit festzuhalten, dass in dem Klammerzusatz keine Herabsetzung der Anforderungen an die Konkretisierung der Verabredung gesehen werden kann. Gleichwohl lässt sich aber in der aktuellen Entscheidung feststellen, dass der Bundesgerichtshof geringere Anforderungen an die Konkretisierung stellt. Wie bereits festgestellt, wurden zwar die abstrakt formulierten Anforderungen nicht verändert – es bleibt dabei, dass die Vereinbarung mittäterschaftlicher Beiträge erkennbar sein muss, was aber auch durch den Ausschluss einer bloßen Beteiligung als Gehilfen möglich ist. In der aktuellen Entscheidung wurden diese Anforderungen jedoch in tatsächlicher Hinsicht in der Weise herabgesetzt, dass deren Vorliegen im Vergleich zu dem 1994 ergangenen Urteil unter weniger strengen Voraussetzungen angenommen wurde. Damals hat der Bundesgerichtshof eine Verabredung noch aus dem Grunde abgelehnt, dass die Vereinbarung mittäterschaftlicher Beiträge nicht erkennbar gewesen sei – laut Sachverhaltsfeststellungen des LG Hanau waren alle Beteiligten bereit, erhebliche Beiträge zu leisten.294 In der 2007 ergangenen Entscheidung bejahte der Bundesgerichtshof hingegen die Vereinbarung mittäterschaftlicher Beiträge, obwohl die beiden Beteiligten noch gar nicht über die Ausführung der Tat übereingekommen waren. Sie hatten beide einen Vorschlag zur Tatausführung gemacht, sich aber auf keinen geeinigt.295 Selbst wenn diese Varianten eine Begehung beider Beteiligten als Mittäter nahelegten, fand eine Festlegung auf diese Begehungsvarianten gerade noch nicht statt. Es wurde auch nicht festgestellt, dass eine der beiden Vorschläge auf jeden Fall ausgeführt werden solle – der Ablauf der späteren Tat war also noch gänzlich unbestimmt.296 Damit besteht aber zwischen den Sachverhaltsfeststellungen, die dem Urteil von 1994 zugrunde lagen – dass nämlich alle Beteiligten einen erheblichen Beitrag erbringen wollten – und den hier getroffenen Feststellungen kein hinreichender Unterschied in Bezug auf die Konkretisierung, der es rechtfertigen würde, die Einigung in dem einen Fall als ausreichend konkretisiert, in dem anderen hingegen als zu unbestimmt für die Bejahung einer Verabredung anzusehen. Vielmehr ist zu konstatieren, dass jedenfalls für diesen Einzelfall die Anforderungen an die Konkretisierung der Einigung hinsichtlich der Vereinbarung mittäterschaftlicher Beiträge herabgesetzt wurden. Ob dies nur ein Einzelfall bleibt oder sich daraus generell eine weniger strenge Auslegung der Verabredung entwickeln wird, bleibt abzuwarten – eine dahingehende Tendenz ist nun in der Rechtsprechung zumindest angelegt. Dass diese Entwicklung sehr kritisch betrachtet werden muss, ergibt sich aus folgenden Bedenken gegen diese weite Auslegung: Dem Urteil des Bundesgerichtshofes zu Folge steht es der Annahme einer Verabredung nicht entgegen, wenn die einzelnen 294
BGH, StV 1994, 528. Zum Sachverhalt s. o. 3. Teil, B. II. 2. b). 296 Der Bundesgerichtshof interpretiert es hingegen so, dass es nur an einer Festlegung auf die genaue Gelegenheit und die genaue Arbeitsteilung fehlte (BGH, NStZ 2007, 697). 295
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Beiträge der Komplottanten noch gar nicht feststehen. Es reicht aus, wenn eine grobe Übereinkunft der Täter darüber besteht, dass sie alle in irgendeiner Weise zu ähnlichen Anteilen an der Ausführung der Tat teilnehmen wollen. Diese Herabsetzung der Anforderungen hat demnach zur Folge, dass die Strafbarkeit wegen Verbrechensverabredung nur sehr geringe Vorstellungen über die Begehung der Tat voraussetzt und somit weit ausgedehnt wird. Problematisch erscheint insofern auch die notwendige Konsequenz aus dieser Entwicklung: Werden die Anforderungen an die Konkretisierung hinsichtlich der mittäterschaftlichen Beiträge herabgesetzt, bedeutet dies zugleich größere praktische Schwierigkeiten bei der Feststellung, ob sich die Komplottanten zu der Erbringung mittäterschaftlicher Beiträge verabredet haben. Wenn eine genaue Festlegung der einzelnen Tatbeiträge entbehrlich ist, stellt sich die Frage, wie ohne eine solche Bestimmung sicher ausgeschlossen werden können soll, dass nur Gehilfenbeiträge vereinbart wurden. Die Planungen der Beteiligten sind in diesen Fällen noch so ungenau, dass die Feststellung, sie hätten sich auf eine mittäterschaftliche Begehung geeinigt, kaum sicher getroffen werden kann. Auch vor dem Hintergrund des Strafgrundes der Verabredung erscheint die Herabsetzung der Anforderungen an die Konkretisierung und die damit verbundene Ausdehnung der Strafbarkeit sehr problematisch. Es drängt sich die Frage auf, ob eine Verabredung überhaupt schon gefährlich sein kann, wenn die Beteiligten selbst noch gar nicht entschieden haben, wie sie die Tat begehen wollen. In dem der aktuellen Entscheidung des Bundesgerichtshofes zugrunde liegenden Fall erscheint es mehr als zweifelhaft, eine gesteigerte Bindung der beiden Komplottanten an den Plan anzunehmen, obwohl sie sich noch nicht einmal über die Art der Ausführung einigen konnten. Mit dieser Problematik wird sich der zweite Teil dieser Abhandlung näher auseinander setzen. 4. Besondere Verabredungsarten Schließlich soll auf besondere Erscheinungsformen der Verbrechensverabredung eingegangen werden. Die Untersuchung konzentriert sich dabei auf die alternative und die untaugliche Verabredung, da sich gerade bei diesen beiden Konstellationen in Hinblick auf die Frage der Strafwürdigkeit des Verhaltens Zweifel ergeben. a) Die alternative Verabredung Unter dem Stichwort der alternativen Verabredung werden mehrere Konstellationen zusammengefasst, in denen die Komplottanten mindestens zwei unterschiedliche Begehungsarten in ihre Vereinbarung aufnehmen, sie aber nur eine von ihnen sicher begehen werden. Sie behalten sich die spätere Entscheidung darüber, welche Alternative sie tatsächlich ausführen, vor. Dabei sind vier wesentliche Konstellationen zu unterscheiden: Zunächst kann sich die Einigung der Beteiligten auf unterschiedliche Verbrechen im Sinne des § 12 Abs. 1 StGB beziehen.297 Des 297
Thalheimer, S. 113; LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30, Rn 70.
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Weiteren gibt es die Variante, in der sich die Komplottanten auf zwei Begehungsweisen verständigen, von denen sich nur eine auf ein Verbrechen, die andere jedoch auf ein Vergehen richtet.298 Daneben ist die Konstellation denkbar, dass sich die verschiedenen Alternativen auf dasselbe Verbrechen beziehen, allerdings nur eine von ihnen auf eine mittäterschaftliche Begehung, während es sich bei der anderen lediglich um eine Kombination aus Täterschaft und Beihilfe handeln würde.299 Schließlich kann es sich um eine alternative Verabredung in der Weise handeln, dass die Komplottanten mehrere Begehungsweisen eines Verbrechens vereinbaren, wobei aber alle eine mittäterschaftliche Beteiligung vorsehen.300 Des Weiteren muss auch hier zwischen externen und internen Bedingungen differenziert werden. Im Folgenden soll die Frage, ob es sich um strafbare Verabredungen handelt, für alle Konstellationen zunächst auf der Grundlage der herrschenden Auslegung beantwortet werden, um anschließend die hier vertretene Auffassung darzustellen. aa) Alternative zwischen zwei Verbrechen Die Beurteilung der Situation, in der sich der Entschluss der Komplottanten alternativ auf die Begehung zweier Verbrechen richtet, erfolgt in Rechtsprechung und Literatur beinahe einhellig. Danach ist jedes der Verbrechen verabredet.301 Fraglich ist dabei lediglich, wegen welchen Verbrechens bestraft wird bzw. ob eine Bestrafung wegen zweifacher Verbrechensverabredung geboten ist. Überwiegend wird von einer Verurteilung wegen mehrerer Verbrechensverabredungen ausgegangen, die in der Regel in Tateinheit stehen werden.302 Fieber hingegen lehnt eine solche doppelte Verurteilung mit dem Hinweis auf die Ungerechtigkeit dieser Auslegung ab. Die Bestrafung wegen mehrerer Verbrechensverabredungen lasse völlig außer Acht, dass die Komplottanten auf jeden Fall nur eine der beiden möglichen Alternativen tatsächlich zur Ausführung bringen wollten.303 Stattdessen bevorzugt er eine Lösung dieser Frage über die Konkurrenzgrundsätze: Danach soll geprüft werden, welches Delikt im Falle der tatsächlichen Ausführung das andere auf Konkurrenzebene verdrängen würde. Werde eines der geplanten Verbrechen in die Tat umgesetzt, würde nämlich auch die andere vorbereitende Verbrechensverabredung davon konsumiert. Folglich sei nur die Verabredung zu dem schwersten Delikt strafbar. Sollten die verabredeten Delikte hingegen nicht in einem Stufenverhältnis stehen, könne auch keines verdrängt werden – dann seien beide völlig verschieden und damit auch beide 298
Thalheimer, S. 114; LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30, Rn 70. Marxen/Geiger, famos 12/2007, S. 3. 300 Dabei handelt es sich um die schon im Rahmen der bedingten Verabredung diskutierte Konstellation; s. o. 3. Teil, B. II. 1. a), bb). 301 BGH, NJW, 1973, 157; BGHSt 12, 306, 308; NK-Zaczyk, § 30, Rn 53; SK-Hoyer, § 30, Rn 53; LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30, Rn 70. 302 NK-Zaczyk, § 30, Rn 53, 71 f; LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30, Rn 70. 303 Fieber, S. 72 f. 299
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Verabredungen strafbar.304 In diesem Punkt widerspricht er sich somit selbst, da er die doppelte Verurteilung ja eigentlich gänzlich wegen Ungerechtigkeit ablehnt. Für die herrschende Meinung, im Falle der alternativen Verabredung seien alle Varianten als verabredet anzusehen und somit sei auch wegen aller zu verurteilen, lässt sich anführen, dass diese Auslegung, ausgehend von ihrer Prämisse, zumindest für die alternative Verabredung, die unter einer externen Bedingung steht, konsequent ist. Der Annahme, beide Verbrechen seien für sich genommen verabredet, liegt folgender Gedanke zu Grunde: Jede der beiden Alternativen stellt nach der herrschenden Auslegung eine bedingte Verabredung dar – sie unterscheiden sich von anderen bedingten Verabredungen nur dadurch, dass der Bedingungseintritt bei der einen gleichzeitig das Ausbleiben der Bedingung der anderen bedeutet. Nach der herrschenden Konzeption ist eine Verabredung, die unter einer äußeren Bedingung steht, immer strafbar, da die Abhängigkeit des Planes von dem Bedingungseintritt die Entstehung der Gefahr für das Rechtsgut nicht verhindere. Somit ist es nur folgerichtig, jede einzelne dieser Verabredungen für sich bereits als strafbar zu erachten – unabhängig davon, ob die Komplottanten nur eine Tat tatsächlich ausführen wollen. Folglich sind – auf der Basis der herrschenden Meinung – bei einer alternativen Verabredung, die unter einer externen Bedingung steht, beide Alternativen als strafbar zu erachten, so dass eine Bestrafung wegen mehrfacher Verbrechensverabredung nicht zu vermeiden ist. Fraglich ist hingegen, ob diese Beurteilung auch bei einer alternativen Verabredung, die unter einer internen Bedingung steht, zutrifft. Geht man auch hier von einer isolierten Betrachtung der einzelnen Begehungsvarianten aus, ergibt sich, dass jede einzelne Begehungsvariante für sich genommen – auch nach der herrschenden Meinung – nicht strafbar ist. Folglich lässt sich auf diese Weise eine Bestrafung wegen mehrfacher Verbrechensverabredung gerade nicht begründen. Auffällig ist insoweit, dass die herrschende Meinung im Rahmen ihrer Beurteilung der alternativen Verabredung keine Differenzierung zwischen externen und internen Bedingungen vornimmt. bb) Alternative zwischen einem Verbrechen und einem Vergehen § 30 Abs. 2, Alt. 3 StGB setzt bereits nach seinem Wortlaut voraus, dass sich die Verabredung der Komplottanten auf die Begehung einer Tat bezieht, die als Verbrechen im Sinne des § 12 Abs. 1 StGB eingeordnet werden kann. Wenn die Beteiligten hingegen nur ein Vergehen planen, bleibt dies straffrei. In diesen klaren Konstellationen ist die strafrechtliche Beurteilung aufgrund des gesetzlichen Wortlautes sehr einfach. Problematisch wird es, wenn sich die Beteiligten auf einen alternativen Plan verständigen, der in der einen Variante ein Verbrechen und in der anderen lediglich ein Vergehen zum Gegenstand hat.
304
Fieber, S. 73.
B. Die Verabredung
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Nicht zu verwechseln ist diese Konstellation mit derjenigen, in der im Prozess nicht geklärt werden kann, ob sich die Übereinkunft auf die Begehung eines Verbrechens oder eines Vergehens bezogen hat. In diesem Fall ist nach dem Grundsatz „in dubio pro reo“ zu verfahren, wonach zu Gunsten der Angeklagten davon auszugehen ist, dass sich die Verabredung lediglich auf ein Vergehen richtete und damit straflos bleibt.305 Die Frage, ob auch die alternative Verabredung unter die Strafandrohung des § 30 Abs. 2, Alt. 3 StGB fällt, bei der lediglich eine Begehungsmöglichkeit auf ein Verbrechen gerichtet ist, wird von der überwiegenden Ansicht bejaht.306 Denn damit liege zumindest eine Verbrechensverabredung vor. Die Tatsache, dass die Komplottanten noch eine andere Alternative ins Auge gefasst haben, die kein strafrechtliches Unrecht darstellt, ändere nichts an dem Vorliegen einer strafrechtlich relevanten Übereinkunft, so dass diese dann auch strafbar sein müsse.307 Diese Bewertung ist allerdings auch auf Grundlage der herrschenden Meinung nur bei einer externen Bedingung konsequent. Bei einer internen Bedingung müsste hingegen Folgendes gelten: Haben die Beteiligten die Begehung des Verbrechens von einer internen Bedingung abhängig gemacht, liegt, isoliert betrachtet, überhaupt keine strafbare Verabredung vor. Denn auch die Vereinbarung der Begehungsvariante, die sich auf das Verbrechen richtet, ist nicht strafbar, da sie noch unter einer internen Bedingung steht308 und es damit schon an der objektiven Einigung fehlt.309 Folglich kann die hier in Rede stehende Konstellation der alternativen Verabredung auch auf Grundlage der herrschenden Meinung nicht als strafbar angesehen werden, wenn sie unter einer internen Bedingung steht. Dabei sei aber noch einmal darauf hingewiesen, dass im Rahmen der Auseinandersetzung mit der alternativen Verabredung kaum zwischen externen und internen Bedingungen differenziert wird. cc) Alternative zwischen mittäterschaftlicher und anderweitiger Begehung Denkbar ist auch, dass sich die Komplottanten auf zwei unterschiedliche Begehungsweisen desselben Deliktes festlegen, von denen aber nur eine die mittäterschaftliche Beteiligung der Einzelnen erfasst. Bei der anderen Alternative handelt es sich nur um eine Kombination aus Täter- und Gehilfenbeiträgen, die nicht unter die Strafandrohung von § 30 Abs. 2, Alt. 3 StGB fällt. Diese Variante wird bisher kaum gesondert diskutiert – weder in der Rechtsprechung noch in der Literatur. Zieht man aber die herrschende Auslegung bei den anderen beiden Konstellationen heran, lässt sich vermuten, dass diese Variante parallel zu der zweiten gelöst würde. Diesen 305 306 307 308 309
So auch Thalheimer, S. 115; Roxin, JA 1979, 169, 173. BGHSt 12, 306, 308; Frister, S. 401; Thalheimer, S. 115; Roxin, JA 1979, 169, 173. Fieber, S. 73. So wohl auch Thalheimer, S. 115. s. o. 3. Teil, B. II. 1. a), aa).
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3. Teil: Der geltende § 30 StGB und seine Auslegung
beiden ist gemein, dass es sich – solange es sich um eine externe Bedingung handelt –, nur bei einer der in den Entschluss aufgenommenen Begehungsalternativen um eine strafbare Verabredung handelt. Nach der herrschenden Meinung ist auch in einer solchen Kombination einer strafbaren und straflosen Alternative die Strafbarkeit hinsichtlich der strafbaren Variante zu bejahen. Folglich wird auch die hier in Rede stehende Konstellation als strafbare Verbrechensverabredung angesehen werden.310 Handelt es sich hingegen um eine interne Bedingung, ist auch hier noch keine strafbare Verabredung gegeben. Denn bei einer isolierten Betrachtung stellt auch die Begehungsvariante, die sich auf die mittäterschaftliche Begehung richtet, noch keine strafbare Verabredung dar. dd) Alternative zwischen zwei mittäterschaftlichen Begehungsalternativen desselben Verbrechens Genauso wenig wird die Konstellation gesondert diskutiert, in der sich die Komplottanten auf unterschiedliche Begehungsweisen desselben Verbrechens einigen, von denen beide eine mittäterschaftliche Beteiligung vorsehen. Als Beispiel kann hier auf die schon im Rahmen der bedingten Verabredung angeführte Konstellation verwiesen werden311: A und B einigen sich darauf, den C am nächsten Tag auszurauben – falls C nicht allein sein sollte, wollen sie die Tat auf später verschieben. Nach der herrschenden Auslegung müsste diese Konstellation im Fall einer externen Bedingung entsprechend der ersten behandelt werden: So wie dort handelt es sich auch hier – auf der Basis der herrschenden Auslegung – um eine bedingte Verabredung des Verbrechens hinsichtlich der einen Begehungsweise sowie um eine eigenständige, ebenfalls bedingte Verabredung des Verbrechens hinsichtlich der anderen Begehungsweise. Konsequenterweise müssten dann auch hier beide Begehungsalternativen als verabredet angesehen werden, so dass auch hier eine zweifache Bestrafung erfolgen müsste. Handelt es sich hingegen um eine interne Bedingung kann eine solche zweifache Bestrafung nicht gerechtfertigt werden. Denn in diesem Fall wären auch auf Grundlage der herrschenden Meinung beide Begehungsvarianten für sich genommen noch gar nicht strafbar. ee) Einordnung dieser Varianten als Unterformen der bedingten Verabredung Im Folgenden soll gezeigt werden, dass die alternative Verabredung in allen ihren Konstellationen einen bestimmten Unterfall der bedingten Verabredung darstellt und somit auch parallel zu diesem zu behandeln ist – dies führt zu einer von der herrschenden Meinung abweichenden Bewertung der Strafbarkeit. Dabei muss auch hier im Folgenden zwischen den unterschiedlichen Konstellationen differenziert werden. 310 311
So auch Marxen/Geiger, famos 12/2007, S. 3. s. o. 3. Teil, B. II. 1. a), bb).
B. Die Verabredung
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Die erste und letzte Konstellation weisen folgende Gemeinsamkeit auf: Alle in diesem Rahmen vereinbarten Alternativen beziehen sich auf eine Tatbegehung, die zumindest Gegenstand einer strafbaren Verabredung sein kann. Der zweiten und dritten Konstellation ist hingegen gemein, dass sie jeweils nur eine Alternative enthalten, die eine strafbare Verabredung darstellen könnte. Dieser Unterschied ist für die strafrechtliche Beurteilung dieser Konstellationen von ausschlaggebender Bedeutung, so dass die erste und letzte Konstellation sowie die zweite und dritte jeweils zusammenhängend erörtert werden. (1) Alternative mit nur einer möglicherweise strafbaren Begehungsvariante Die Alternative zwischen einem Verbrechen und einem Vergehen sowie diejenige zwischen einer mittäterschaftlichen Beteiligung und einer bloßen Gehilfenbeteiligung müssen auf Grundlage der zu der bedingten Verabredung entwickelten Grundsätze312 wie folgt beurteilt werden: Beide Konstellationen zeichnen sich dadurch aus, dass nur eine der anvisierten Begehungsalternativen überhaupt eine strafbare Verabredung darstellen könnte. Denn sowohl die Verabredung zu einem Vergehen als auch die Vereinbarung bloßer Gehilfenbeiträge fallen nicht unter die Strafdrohung des § 30 Abs. 2 StGB. Diese Begehungsvarianten können also an sich schon keine Strafbarkeit begründen – und zwar auch dann nicht, wenn sie alternativ zu einer möglicherweise strafbaren Begehungsvariante anvisiert werden. Daraus ergibt sich, dass auch für die strafrechtliche Betrachtung dieser alternativen Verabredungen allein auf die jeweilige möglicherweise strafbare Konstellation abzustellen ist. Daneben ist auch bei diesen möglicherweise strafbaren Begehungsvarianten zwischen externen und internen Bedingungen zu unterscheiden. Da vorliegend immer nur eine der anvisierten Begehungsvarianten überhaupt strafbar sein kann, handelt es sich um Konstellationen, in denen der Akt der Einigung selbst unter einer Bedingung steht. Die Komplottanten haben noch nicht fest vereinbart, dass sie in jedem Fall eine strafbare Begehungsvariante ausführen, sondern dies wird gerade von einer bestimmten Bedingung abhängig gemacht. Aus dieser Einordnung ergibt sich, dass, unabhängig von der Art der Bedingung, noch keine strafbare Verabredung angenommen werden kann. Steht nämlich die Einigung hinsichtlich der möglicherweise strafbaren Begehungsvariante unter einer internen Bedingung, liegt schon keine feste Einigung der Beteiligten vor.313 Handelt es sich hingegen um eine externe Bedingung, muss zwar die objektive Einigung der Komplottanten bejaht werden, es fehlt allerdings an einer vergleichbaren Gefährlichkeit dieser Einigung mit derjenigen einer unbedingten Verabredung.314 Folglich muss in diesen Konstellationen richtigerweise eine Strafbarkeit der Verbündeten verneint werden.
312 313 314
s. o. 3. Teil, B. II. 1. a). s. o. 3. Teil, B. II. 1. a), aa). s. o. 3. Teil, B. II. 1. a), aa).
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3. Teil: Der geltende § 30 StGB und seine Auslegung
(2) Alternative mit mehreren möglicherweise strafbaren Begehungsvarianten Anders stellt sich die Situation in der ersten und letzten Konstellation dar. Dort beziehen sich alle Varianten, die von den Komplottanten in Aussicht genommen werden, auf eine möglicherweise strafbare Begehungsweise: Entweder handelt es sich um zwei unterschiedliche Verbrechen oder um ein- und dasselbe Verbrechen, für das aber unterschiedliche Begehungsalternativen vorgesehen sind. Erfasst eine alternative Verabredung nur strafrechtlich relevante Begehungsweisen und stehen diese unter einer Bedingung, enthält die Vereinbarung der Komplottanten die feste Einigung, dass irgendeine möglicherweise strafbare Variante ausgeführt werden soll: Kommt es zu dem Bedingungseintritt, werden die Komplottanten die eine Tat bzw. die eine Begehungsalternative wählen, während sie für den Fall des Ausbleibens der Bedingung die jeweils andere Tat oder die andere Begehungsalternative ausführen wollen. Demnach ist also schon durch diese Vereinbarung sicher, dass sie ein Verbrechen begehen wollen, – lediglich der Inhalt dieser Einigung ist noch unter eine Bedingung gestellt. Wenn lediglich der Inhalt der Einigung bedingt ist, kann – wie schon gezeigt wurde – grundsätzlich auch schon eine strafbare Verabredung angenommen werden.315 Dabei besteht auch kein Unterschied, ob es sich um eine externe oder interne Bedingung handelt, beispielsweise weil sich die Komplottanten noch überlegen wollen, welche Variante sie ausführen werden. Dennoch ist die herrschende Auslegung abzulehnen, nach der in diesen Konstellationen eine doppelte Bestrafung erforderlich ist. Diese geht nämlich von der unzutreffenden Annahme aus, dass bereits beide Begehungsalternativen verabredet sind. Eine solche Verabredung mehrerer Delikte würde voraussetzen, dass entweder mehrere Einigungen bestehen, die sich jeweils auf eines dieser Delikte beziehen, oder dass in einer Einigung gleich mehrere Delikte fest vereinbart werden. Keine dieser Anforderungen ist aber in den hier in Rede stehenden Konstellationen erfüllt: Nach dem bisher Gesagten besteht bei einer solchen alternativen Verabredung nur eine feste objektive Einigung mit einem noch unbestimmten Inhalt. Sie haben sich zwar darauf geeinigt, ein Verbrechen zu begehen – der genaue Inhalt dieser Vereinbarung steht aber noch unter einer externen oder internen Bedingung, so dass sie sich bislang weder auf die eine noch auf die andere Begehungsvariante festgelegt haben. Da also nicht davon ausgegangen werden kann, dass beide Begehungsalternativen schon fest verabredet wurden, kommt auch keine zweifache Bestrafung in Betracht, unabhängig davon, ob es sich um eine externe oder interne Bedingung handelt. Fraglich bleibt indes, ob in allen diesen Fällen überhaupt schon eine strafbare Verabredung anzunehmen ist und, falls eine solche vorliegt, nach welchem Delikt die Komplottanten zu bestrafen wären. Zwar wurde schon festgestellt, dass in diesen Konstellationen eine objektive Einigung der Komplottanten besteht – daneben müsste die Einigung aber auch den sonstigen Anforderungen einer strafbaren Verabredung entsprechen. Da es sich nach dem bisher Gesagten nur um eine einzige Einigung handelt, deren Inhalt noch unter einer Bedingung steht und somit unbe315
s. o. 3. Teil, B. II. 1. a), bb).
B. Die Verabredung
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stimmt ist, könnte hier die hinreichende Konkretisierung der Verabredung problematisch sein. Hinsichtlich der erforderlichen Konkretisierung einer Verabredung wurde bereits festgestellt, dass es sich bei der Festlegung auf ein bestimmtes Delikt um eine notwendige Strafbarkeitsvoraussetzung handelt. Denn die Verabredung orientiert sich in ihrem Strafrahmen an demjenigen des anvisierten Delikts, so dass dieses für eine Bestrafung zwingend feststehen muss.316 In der Konstellation, in der sich die Alternativen nur auf unterschiedliche Begehungsformen eines Deliktes beziehen, bestehen diesbezüglich keine Bedenken. Die Komplottanten sind sich ja sicher, welches Delikt sie begehen werden, so dass auch eine hinreichend konkretisierte Verabredung vorliegt. Somit sind die Komplottanten in diesem Fall wegen Verabredung zu diesem anvisierten Delikt zu bestrafen. Problematischer ist die Frage der hinreichenden Konkretisierung aber dann, wenn sich die Alternativen auf unterschiedliche Verbrechen beziehen – beispielsweise auf einen Raub gem. § 249 StGB und eine räuberische Erpressung gem. § 255 StGB. Diese Frage ist parallel zu derjenigen nach der hinreichenden Konkretisierung in den Fällen divergierender Vorstellungen der Komplottanten über das jeweilige Delikt zu beantworten317– und zwar mittels eines Rückgriffes auf die Grundsätze der Wahlfeststellung. Demnach kommt es für die Strafbarkeit dieser alternativen Verabredung darauf an, ob die alternativ anvisierten Verbrechen rechtsethisch und psychologisch vergleichbar sind. Nur wenn eine solche Vergleichbarkeit zu bejahen ist, kann eine Verurteilung auf mehrdeutiger Tatsachengrundlage erfolgen. Eine solche Verurteilung stellt im Übrigen auch eine sachgerechtere Lösung als die herkömmlich geforderte zweifache Bestrafung dar. Denn in der Verurteilung auf mehrdeutiger Tatsachengrundlage wird auch dem Umstand Rechnung getragen, dass die Komplottanten von Anfang an nur eines dieser Delikte ausführen wollten. Im Zusammenhang mit der Anwendung der Grundsätze der Wahlfeststellung muss noch kurz Folgendes angemerkt werden: Diese hier diskutierte Konstellation der alternativen Verabredung in der Weise, dass die Komplottanten mehrere, aber vergleichbare Delikte anvisieren, muss strikt unterschieden werden von der Konstellation, in der die Komplottanten keine wirklichen Alternativen vereinbaren. Damit sind solche Konstellationen gemeint, in denen sich die Komplottanten einfach nicht auf eine Tatbegehung festlegen können – beispielsweise weil sie sich nicht einigen können, ob sie die Tat so begehen, dass sie sich als Raub, oder doch lieber so, dass sie sich als räuberische Erpressung darstellt, und sich deshalb auch noch nicht festgelegt haben, überhaupt eine Tat zu begehen. Dann finden die Grundsätze der Wahlfeststellung keine Anwendung, sondern es fehlt schon an einer objektiven Einigung. Stattdessen handelt es sich nur um bloße Verhandlungen der Komplottanten, so dass die Strafbarkeit dieser Konstellation schon wegen des Mangels einer objektiven Einigung zu verneinen ist.318 316 317 318
s. o. 3. Teil, B. II. 3. a). s. o. 3. Teil, B. II. 3. a). s. dazu 3. Teil, B. II. 3. a).
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3. Teil: Der geltende § 30 StGB und seine Auslegung
Zuletzt verbleibt noch die Konstellation der alternativen Verabredung, die sich nicht auf rechtsethisch und psychologisch vergleichbare Delikte bezieht – wie beispielsweise bei einer Alternative zwischen einem Raub nach § 249 StGB und einem Mord nach § 211 StGB. Da in einem solchen Fall die Grundsätze der Wahlfeststellung nicht angewendet werden können, fehlt es konsequenterweise auch an einer hinreichenden Konkretisierung der Einigung der Komplottanten. Folglich kann die alternative Verabredung in dieser Konstellation auch nicht strafbar sein. ff) Zusammenfassung Es lässt sich also festhalten, dass die herkömmliche Behandlung der alternativen Verabredung nicht überzeugen kann. Stattdessen muss eine differenziertere Betrachtung erfolgen, nach der die alternative Verabredung lediglich in zwei Konstellationen als strafbar angesehen werden kann: Zum einen ist diejenige alternative Verabredung strafbar, bei der sich die Komplottanten auf ein bestimmtes Delikt festlegen und lediglich die konkrete Begehungsweise noch von einer Bedingung abhängig machen. Zum anderen muss es als strafbar erachtet werden, wenn sich die alternative Vereinbarung auf unterschiedliche Verbrechen bezieht, die rechtsethisch und psychologisch vergleichbar sind. b) Die untaugliche Verabredung Als weitere besondere Erscheinungsform sei die untaugliche Verabredung genannt. Damit sind solche Pläne der Komplottanten gemeint, die von vornherein niemals zu einer Vollendung des Deliktes, sondern lediglich zu einem untauglichen Versuch desselben führen können.319 Es handelt sich also um eine Verabredung zu einem untauglichen Versuch, die streng von einem untauglichen Versuch der Verabredung zu unterscheiden ist. Dieser stellt nämlich nur einen Versuch der Verabredung dar, wobei die Verabredung selbst noch nicht endgültig entstanden ist. Ein solcher Versuch der Verabredung ist aber, wie bereits dargestellt, nicht strafbar.320 Somit kann auch der untaugliche Versuch einer Verabredung nicht unter die Strafandrohung fallen. Zweifelhaft ist hingegen, ob die untaugliche Verabredung unter die geltende Gesetzesfassung fällt und damit strafbar ist. Nach überwiegender Ansicht resultiert die Strafbarkeit der untauglichen Verabredung aus der eingangs des zweiten Absatzes gewählten Formulierung „ebenso wird bestraft“. Diese nimmt unstreitig auf den ersten Absatz des § 30 StGB Bezug. Nach überwiegender Ansicht bezieht sich dieser Verweis nicht nur auf die dort ausgesprochene, an das Verbrechen angelehnte Strafdrohung, sondern auch auf § 30 Abs. 1, S. 3 StGB, der wiederum selbst auf § 23 Abs. 3 StGB verweist. Da sich aus § 23 Abs. 3 StGB die Strafbarkeit des untaugli319 320
NK-Zaczyk, § 30, Rn 58; LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30, Rn 69. s. o. 3. Teil, B. II. 1. a).
B. Die Verabredung
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chen Versuchs ergebe, sei somit auch die untaugliche Verabredung strafbar.321 Die Erfassung der Strafbarkeit der untauglichen Verabredung wird überwiegend kaum kritisch betrachtet. Die Argumentation der Befürworter beschränkt sich dabei weitestgehend auf den Hinweis, dass es für die Strafbarkeit wegen Verbrechensverabredung unerheblich sei, ob sich die Komplottanten auf etwas verständigt haben, das so nie zur Vollendung des Deliktes führen kann, etwa weil das anvisierte Opfer bereits tot ist. Für die Verabredung gelte insofern nichts anderes als für den Versuch – die Untauglichkeit sei folglich ohne Belang.322 Sowohl die Auslegung des Gesetzes als auch die für die Strafbarkeit der untauglichen Verabredung angeführte Argumentation begegnen starken Bedenken. Zunächst ist einzuwenden, dass die herkömmliche Auslegung keineswegs zwingend ist: Zwar kann der Verweis in § 30 Abs. 2 StGB durch die Worte „ebenso wird bestraft“ so ausgelegt werden, dass er sich auch auf § 30 Abs. 1, S. 3 StGB und damit auf § 23 Abs. 3 StGB bezieht. Gleichermaßen könnte sich dieser Verweis in § 30 Abs. 2 StGB aber auch lediglich auf die unmittelbare Strafdrohung des ersten Absatzes beziehen – also auf die Anlehnung des Strafrahmens an denjenigen des in Aussicht genommenen Deliktes sowie auf die obligatorische Strafmilderung. Der Gesetzeswortlaut steht einer restriktiveren Auslegung also nicht im Wege323, so dass die untaugliche Verabredung auch als straflos angesehen werden könnte. Für eine solche restriktivere Auslegung spricht neben dem Ausnahmecharakter des Tatbestandes auch der üblicherweise angeführte Strafgrund der Verbrechensverabredung: Dieser wird in der erhöhten Gefährlichkeit der Verabredung infolge einer gesteigerten Willensbindung oder eines Kontrollverlustes des einzelnen Komplottanten gesehen. In der Konstellation der untauglichen Verabredung steht jedoch von Anfang an fest, dass es zu keiner Gefährdung des anvisierten Rechtsgutsobjekts kommen wird – die Verabredungshandlung ist an sich gänzlich ungefährlich. Somit lässt sich die Strafbarkeit dieser Konstellation mit dem üblicherweise angeführten Strafgrund der Verbrechensverabredung gar nicht vereinbaren.324 Demnach sollte § 30 Abs. 2, Alt. 3 StGB – unabhängig davon, ob die Strafbarkeit der „tauglichen“ Verabredung legitimiert werden kann – zumindest so ausgelegt werden, dass die Erscheinungsform der untauglichen Verabredung nicht unter die Strafdrohung fällt. Da gleichwohl ganz überwiegend von der Strafbarkeit der untauglichen Verabredung ausgegangen wird – und dies auch kaum kritisch betrachtet wird –, muss insofern angenommen werden, dass dem üblicherweise angeführten Strafgrund kein 321
LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30, Rn 69; Thalheimer, S. 118; Schönke/Schröder/Heine, § 30, Rn 8; Roxin, AT II, S. 308. Der BGH nahm die Strafbarkeit der untauglichen Verabredung auch bei § 49a RStGB an (BGHSt 4, 254). 322 LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30, Rn 69. 323 Insofern etwas zu streng NK-Zaczyk, § 30, Rn 58. Er geht davon aus, dass eine solche Auslegung, die die untaugliche Verabredung als straflos ansieht, wegen des Verweises nicht mehr mit dem Gesetz vereinbar wäre. 324 So auch NK-Zaczyk, § 30, Rn 58, 30. Noch auf Grundlage der alten Gesetzesfassung: Letzgus, S. 185 ff.
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3. Teil: Der geltende § 30 StGB und seine Auslegung
objektives, sondern nur ein subjektives Verständnis zugrunde liegt. Demnach müsste die Verabredungshandlung nämlich nicht tatsächlich erhöht gefährlich sein, sondern es würde bereits ausreichen, wenn sich die Komplottanten Umstände vorstellen, bei deren Vorliegen die Verabredung gefährlich wäre. Auf der Basis eines solchen subjektiven Verständnisses des Strafgrundes ließe sich somit in der Tat auch die Strafbarkeit der untauglichen Verabredung mit dem üblicherweise angeführten Strafgrund vereinbaren.
C. Die weiteren Varianten des § 30 StGB Wie bereits angesprochen, sind in § 30 StGB noch drei weitere Begehungsformen unter Strafe gestellt. Sollte für die Verabredung das Ergebnis gefunden werden, dass dieses Verhalten nicht strafwürdig ist, stellt sich auch die Frage, welche Auswirkungen dies auf die Strafwürdigkeit der anderen Varianten hat. Deshalb sollen im Folgenden auch die anderen Varianten des § 30 StGB einer näheren Betrachtung unterzogen werden. Dabei wird mit der versuchten Anstiftung gem. § 30 Abs. 1 StGB begonnen.
I. Die versuchte Anstiftung Die versuchte Anstiftung setzt voraus, dass jemand einen anderen „zu bestimmen versucht, ein Verbrechen zu begehen oder zu ihm anzustiften“. Ihr Anwendungsbereich erstreckt sich auf Fälle, in denen eine Anstiftungshandlung i. S. des § 26 StGB nicht zum Erfolg in der Weise führt, dass das Hauptdelikt bis in das Versuchsstadium gelangt. Die versuchte Anstiftung stellt die Vorstufe zur Anstiftung zum Versuch dar, bei der der Angestiftete bereits unmittelbar i. S. des § 22 StGB zur Tat angesetzt hat. Unter Strafe gestellt ist in § 30 Abs. 1 StGB sowohl die versuchte Anstiftung zu einem Verbrechen als auch die sog. versuchte Kettenanstiftung, bei der der Anstifter einen anderen zu bestimmen versucht, einen Dritten zu einem Verbrechen anzustiften. Der Strafgrund wird dabei überwiegend in dem Kontrollverlust des Anstifters erblickt. Durch sein Verhalten stoße er einen Geschehensablauf an, den er anschließend nicht mehr kontrollieren könne, da die Ausführung des Deliktes nunmehr nur noch von dem Willen des Angestifteten abhänge.325 Das Schaffen eines solch unbeherrschbaren, gefährlichen Kausalverlaufs sei demnach strafwürdig. Ob dies tatsächlich einen ausreichenden Grund für die Bestrafung solcher Vorbereitungshandlungen darstellt, wird im weiteren Verlauf der Arbeit untersucht werden.326 Zunächst sollen auch für die Variante der versuchten Anstiftung einzelne Probleme, die sich bei der Auslegung der geltenden Gesetzesfassung ergeben, erörtert werden.
325 326
BGH, NStZ 1998, 347; SK-Hoyer, § 30, Rn 11; LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30, Rn 3. s. u. 5. Teil, B. I.
C. Die weiteren Varianten des § 30 StGB
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1. Die Ernsthaftigkeit der Erklärung Die Variante der versuchten Anstiftung setzt voraus, dass der Anstifter versucht, den Empfänger zu der Tat zu bestimmen. Kennzeichen der versuchten Anstiftung ist also, dass eine Anstiftungshandlung i. S. des § 26 StGB in irgendeiner Weise scheitert, so dass es nicht zum Versuch des Grunddelikts kommt. Somit kann bei der Auslegung des Merkmals „bestimmen“ i. S. des § 30 Abs. 1 StGB auf diejenige im Rahmen des § 26 StGB zurückgegriffen werden.327 Des Weiteren ist auch bei der versuchten Anstiftung, parallel zur vollendeten nach § 26 StGB, zu fordern, dass der Anstifter den sog. Doppelvorsatz, also sowohl den Bestimmungs- als auch den Tatvollendungsvorsatz, aufweist.328 Der Tatentschluss des Anstifters liegt demnach vor, wenn er sich vorstellt, dass er durch die Bestimmungshandlung den Entschluss des Haupttäters zur Begehung eines Verbrechens hervorruft und sich dieser Entschluss in der tatsächlichen vollendeten Begehung des Verbrechens realisieren wird. Im Rahmen des Tatentschlusses des Anstifters ist insbesondere die Frage viel diskutiert, ob als besonderes subjektives Merkmal noch die Ernsthaftigkeit verlangt werden muss. Diese Diskussion beruht auf der Rechtsprechung des Reichsgerichts, das bei der Auslegung des § 49a RStGB, dem Vorgänger des geltenden § 30 StGB, die Forderung nach der Ernsthaftigkeit der Erklärung aufgestellt hatte.329 Es ist bereits problematisch, dieses Merkmal der Ernsthaftigkeit positiv zu bestimmen – worin genau ist der Unterschied zwischen einem Willen zur Tatausführung und einem ernsthaften Willen zu derselben zu sehen?330 Fraglich ist also, ob der Tatentschluss des Anstifters verneint werden muss, wenn er nicht die Absicht hat, den Haupttäter zu der Tatbegehung zu verleiten. Bei einer versuchten Anstiftung in Form einer Aufforderung sind damit die Fälle gemeint, in denen der vermeintliche Anstifter diese nur zum Schein abgibt. Erfolgt die versuchte Anstiftung auf andere Weise – beispielsweise durch bloßes Informieren über eine Tatgelegenheit, durch einen Ratschlag331 oder das Versprechen eines Geschenkes332 –, bezieht sich diese Problematik auf die Fälle, in denen der Anstifter die Ausführung der Tat durch den Angestifteten nicht beabsichtigt.333 327
LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30, Rn 14; Schönke/Schröder/Heine, § 30, Rn 18. NK-Zaczyk, § 30, Rn 16; MK-Joecks, § 30, Rn 26. 329 RGSt 15, 359, 360. Die gleiche Forderung übernahm auch zunächst der BGH (BGHSt 7, 234, 238). 330 Zu dieser Frage ausführlich Bloy, JZ 1999, 156, 158. 331 BGH, NJW 1951, 666, 667. 332 Schönke/Schröder/Heine, § 30, Rn 18, wonach jede Verursachung des Tatentschlusses durch ein kommunikatives Geschehen ausreicht. 333 Teilweise wird die Frage nach der fehlenden Ernsthaftigkeit insgesamt damit umschrieben, dass das Bestimmungsverhalten nur zum Schein erfolge (Bloy, JZ 1999, 156, 158). Die Verwendung dieser Formulierung erscheint aber nur in der Konstellation passend, in der das Anstiftungsverhalten in einer Aufforderung besteht. Denn nur eine Aufforderung kann „zum Schein abgegeben“ werden – bei allen anderen Begehungsformen der versuchten Anstiftung, wie beispielsweise dem Erteilen eines Rates, passt diese Formulierung hingegen nicht. Viel328
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3. Teil: Der geltende § 30 StGB und seine Auslegung
Die Klärung dieser Frage kann allerdings dahinstehen, da eine über den erforderlichen Doppelvorsatz hinausgehende Ernsthaftigkeit richtigerweise nicht gefordert werden kann. Stattdessen muss auch bei der versuchten Anstiftung der bedingte Vorsatz (dolus eventualis), also die Vorstellung von der Möglichkeit der Tatbestandsverwirklichung334, ausreichen. Es ist notwendig, aber auch hinreichend, dass der Anstifter es für möglich hält, durch seine Handlung den Adressaten zu der Begehung des Verbrechens zu bestimmen.335 Falls der Anstifter seine Äußerung nur zum Schein tätigt oder in den anderen Fällen der versuchten Anstiftung die Ausführung der Tat nicht wirklich will, ändert dies an seinem Vorsatz nichts – solange er davon ausgeht, dass der Adressat die Aufforderung ernst nimmt und durch sie möglicherweise zu der Begehung der Tat motiviert wird. Dies ergibt sich bereits aus § 16 StGB, der für den Vorsatz verlangt, dass der Täter alle Umstände kennt, die zum gesetzlichen Tatbestand gehören. Bei der versuchten Anstiftung sind damit die Umstände gemeint, die den Bestimmungsversuch ausmachen. Der Anstifter muss es für möglich halten, dass der Haupttäter durch seine Erklärung dazu motiviert wird, den Tatentschluss zu fassen. Unerheblich ist hingegen, ob der Erklärende selbst die Ausführung der Tat beabsichtigt. Ein weiteres Argument für die nicht bestehende Notwendigkeit eines zusätzlichen Merkmals der „Ernsthaftigkeit“ führt der Bundesgerichtshof an: Er bezieht sich maßgeblich auf den Vergleich des subjektiven Tatbestandes der versuchten mit demjenigen der vollendeten Anstiftung.336 Bei letzterer ist unbestritten, dass es für eine Strafbarkeit des Anstifters hinreichend ist, wenn er mit dolus eventualis sowohl hinsichtlich seiner Bestimmung des präsumtiven Haupttäters als auch hinsichtlich der späteren Tatbegehung handelt.337 Versuch und Vollendung unterscheiden sich aber nicht im subjektiven Tatbestand. Stattdessen besteht der Mangel des Versuches im Vergleich zur Vollendung in der unvollständigen Verwirklichung des objektiven Tatbestandes, namentlich in dem Ausbleiben des tatbestandlichen Erfolges. Die Auslegung des Vorsatzes im Rahmen der vollendeten Anstiftung muss folglich auch für den Versuch derselben gelten338, so dass dolus eventualis ausreichend ist.
mehr ist in diesen Konstellationen gemeint, dass der vermeintliche Anstifter die Ausführung der Tat nicht ernsthaft will. Die pauschale Verwendung der Formulierung „zum Schein abgeben“ lässt sich wohl daraus erklären, dass die Fälle der Aufforderung auch die Fälle sind, an denen das Kriterium der Ernsthaftigkeit entwickelt wurde. Denn die Rechtsprechung des Reichsgerichts bezog sich damals auf die alte Fassung des § 30 Abs. 1StGB, nämlich den § 49a Abs. 1 RStGB, der seinem Wortlaut nach auch nur die Aufforderung zu einem Verbrechen unter Strafe stellte. 334 LK-Schroeder, 11. Aufl., § 16, Rn 85. 335 BGHSt 44, 99; LK-Roxin, 11. Aufl., § 30, Rn 18; Letzgus, S. 182; Busch, S. 163; Thalheimer, S. 29 f. A.A.: NK-Zaczyk § 30, Rn 17. Er verlangt für den Vorsatz des Anstifters eine qualifizierte Vorsatzform, entweder Absicht (dolus directus 1. Grades) oder Wissentlichkeit (dolus directus 2. Grades). 336 BGHSt 44, 99, 100. 337 BGHSt 44, 99, 100; SK-Hoyer, § 26, Rn 30 m.w.N. 338 BGHSt 44, 99, 100.
C. Die weiteren Varianten des § 30 StGB
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Auch der üblicherweise angeführte Strafgrund der versuchten Anstiftung zwingt nicht zu dem Erfordernis der Ernsthaftigkeit. Dieser wird darin gesehen339, dass der vermeintliche Anstifter einen Kausalverlauf anstoße, den er anschließend aus den Händen gebe und deshalb keine Möglichkeit mehr habe, auf den weiteren Ablauf des Geschehens Einfluss zu nehmen340. Damit schaffe er einen für das Rechtsgut gefährlichen Kausalverlauf, den er nicht mehr beherrschen könne.341 Dieses Verständnis des Strafgrundes geht allerdings nicht von einer objektiven Gefährlichkeit des in Rede stehenden Kausalverlaufs aus. Stattdessen soll es – wie auch bei der Versuchsstrafbarkeit342 – nur auf die subjektive Gefährlichkeit ankommen. Es ist demnach nicht erforderlich, dass das Verhalten tatsächlich, also objektiv, geeignet ist, einen gefährlichen, unkontrollierbaren Kausalverlauf mit der Folge der möglichen Rechtsgutsverletzung herbeizuführen. Vielmehr kommt es nach diesem Verständnis nur darauf an, ob nach der Vorstellung des Anstifters durch sein Verhalten ein unbeherrschbarer Kausalverlauf in Gang gesetzt wird, der möglicherweise zu einer Rechtsgutsverletzung führt.343 Für die Wertung, dass es nach diesem Verständnis des Strafgrundes allein auf die subjektive Gefährlichkeit ankommt, kann die ständige Auslegung des § 30 Abs. 1 StGB herangezogen werden. Danach sind auch untaugliche und misslungene Anstiftungsversuche von der Strafbarkeit erfasst.344 Mit einem untauglichen Anstiftungsversuch ist die Konstellation gemeint, in der der Angestiftete bereits selbst zur Tat entschlossen ist, während ein misslungener Anstiftungsversuch gegeben ist, wenn es dem Anstifter aus anderen Gründen nicht gelingt, den Tatentschluss des Angestifteten hervorzurufen – beispielsweise weil dieser das Begehren sofort ablehnt.345 In beiden Fällen hat der vermeintliche Anstifter objektiv kein gefährliches Geschehen in Gang gesetzt – sein Verhalten hat überhaupt keinen Kausalverlauf in Gang gesetzt. Da auch diese Fälle üblicherweise als strafbare Anstiftungsversuche angesehen werden und damit auch auf den oben genannten Strafgrund gestützt werden, kann es für diesen Strafgrund nur auf die subjektive Gefährlichkeit ankommen. Wird der Strafgrund also in der subjektiven Gefährlichkeit des Anstiftungsverhaltens gesehen, stellt sich die Frage, ob dieser auch dann gegeben ist, wenn der Anstifter nur mit dolus eventualis hinsichtlich der Tatbegehung handelt und sie nicht ernsthaft will. Dabei ist jedoch anzumerken, dass die Intensität des Willens des vermeintlichen Anstifters keinerlei Einfluss auf die Beurteilung der 339
s. o. 3. Teil, C. I. BGHSt 1, 305, 309. 341 SK-Hoyer, § 30, Rn 11. 342 Das ergibt sich aus der Strafbarkeit des untauglichen Versuchs – auch wenn der Versuch objektiv gänzlich ungeeignet ist, das Rechtsgut zu gefährden, ist dieser gem. § 23 Abs. 3 StGB strafbar. 343 Diese Wertung, dass es auf die subjektive Gefährlichkeit ankommt, lässt sich auch aus einer Entscheidung des Bundesgerichtshofes erkennen (BGH, NStZ 1998, 347, 348). 344 Mit der Frage, ob diese Auslegung des geltenden Gesetzes zwingend ist, befasst sich die Arbeit im Folgenden eingehend; s. u. 3. Teil, C. I. 2. 345 s. auch zu den einzelnen Formen der versuchten Anstiftung unten 3. Teil, C. I. 4. 340
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3. Teil: Der geltende § 30 StGB und seine Auslegung
subjektiven Gefährlichkeit seines Verhaltens hat – solange er nur überhaupt die Möglichkeit der Tatausführung in seinen Vorsatz aufnimmt. Denn hinsichtlich der subjektiven Gefährlichkeit kommt es darauf an, dass – beurteilt auf Grundlage der Vorstellung des Anstifters – die Wahrscheinlichkeit besteht, dass der präsumtive Haupttäter die Tat später begehen wird und damit der Anstifter selbst jegliche Kontrolle über diesen Verlauf verloren hat. Die Frage, wie stark das Interesse des Anstifters an der Tatbegehung ist, hat hingegen für die Annahme der subjektiven Gefährlichkeit des Verhaltens keine Bedeutung. Unabhängig davon, wie sehr er die Tat will, hat er ja gerade keinen Einfluss mehr auf die Tatbegehung. In dem Moment, in dem der vermeintliche Anstifter mit der Möglichkeit rechnet, die Tat könne durch den präsumtiven Haupttäter begangen werden – er also dolus eventualis hinsichtlich der Tatausführung hat –, hat er nach seiner Vorstellung einen von ihm unkontrollierbaren Geschehensablauf angestoßen. Folglich besteht in diesem Moment nach dem oben genannten Verständnis die subjektive Gefährlichkeit des Verhaltens, und der üblicherweise angeführte Strafgrund liegt damit vor. Ausgehend von diesem Strafgrund kommt es also nicht darauf an, wie ernsthaft der vermeintliche Anstifter die Tatausführung will – ob der Strafgrund hingegen überhaupt tragfähig ist, bedarf noch einer genaueren Untersuchung.346 Es bleibt somit festzuhalten, dass keine über den dolus eventualis hinausgehende Ernstlichkeit zu verlangen ist.347 2. Die Anstiftungshandlung Das Merkmal des Bestimmens ist wie im Rahmen des § 26 StGB durch jeglichen kommunikativen Akt erfüllt. Es sind keine besonderen Anforderungen an die Bestimmungshandlung zu stellen.348 Fraglich ist allerdings, wo die Strafbarkeitsgrenze des § 30 Abs. 1 StGB zu ziehen ist – in wie weit also die Bestimmungshandlung fortgeschritten sein muss, um von einem Bestimmungsversuch sprechen zu können. Diese Frage ist heftig umstritten. Weitgehende Einigkeit349 besteht darüber, dass es sich bei der versuchten Anstiftung um eine Kombination aus der in § 26 StGB geregelten Anstiftungs- und der in § 22 StGB normierten Versuchsstrafbarkeit handelt. Die versuchte Anstiftung stellt demnach einen Versuch des Bestimmens i. S. des § 26 StGB dar mit der Folge, dass die Vorschriften über den Versuch i. S. des § 22 StGB auch auf diesen Bestimmungsversuch anwendbar sind.350 Im Folgenden sollen zunächst die unterschiedlichen Ausprägungen dieser Theorie, die von der Anwendbarkeit der Versuchsvorschriften auf § 30 Abs. 1 StGB ausgeht, untersucht werden, um anschließend auf grundlegend andere Auslegungsansätze einzugehen. 346
s. u. 5. Teil, B. I. A.A. NK-Zaczyk, § 30, Rn 17, der die Ernstlichkeit so verstanden wissen will, dass nicht dolus eventualis ausreicht, sondern Absicht oder Wissentlichkeit erforderlich sei. 348 NK-Zaczyk, § 30, Rn 13; MK-Joecks, § 30, Rn 32. 349 A.A. NK-Zaczyk, § 30, Rn 12 ff; s. u. 3. Teil, C. I. 2. b). 350 BGHSt 8, 261; LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30, Rn 17; SK-Hoyer, § 30, Rn 32. 347
C. Die weiteren Varianten des § 30 StGB
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a) Die Bestimmung der Strafbarkeitsgrenze des § 30 Abs. 1 StGB anhand von § 22 StGB Die Ansichten darüber, welche konkreten Anforderungen sich aus der grundsätzlichen Anwendbarkeit der Versuchsvorschriften für die objektive Seite des § 30 Abs. 1 StGB ergeben, gehen weit auseinander. Würden die für das unmittelbare Ansetzen gem. § 22 StGB geltenden Grundsätze unverändert auf den Bestimmungsversuch des § 30 Abs. 1 StGB übertragen, müsste es für die versuchte Anstiftung konsequenterweise objektiv bereits ausreichen, wenn der Anstifter eine Handlung vornimmt, die der eigentlichen Bestimmungshandlung unmittelbar vorgelagert ist.351 Gegen diese vollständige Übertragung der Versuchsgrundsätze352 ist richtigerweise aber einzuwenden, dass sie zu einer sehr extensiven Auslegung des § 30 Abs. 1 StGB führt. Aufgrund der Tatsache, dass es sich nur um die Bestrafung von – grundsätzlich straflosen – Vorbereitungshandlungen handelt, muss auf jeden Fall eine restriktivere Auslegung des § 30 Abs. 1 StGB befürwortet werden.353 Auch im Bereich der restriktiveren Ansätze bestehen allerdings starke Unterschiede. Nach einer dieser engeren Auslegungen genügt immerhin schon der Beginn der Bestimmungshandlung, um eine Strafbarkeit wegen versuchter Anstiftung zu bejahen.354 Danach reicht es bei einer Anstiftung unter Anwesenden beispielsweise schon aus, wenn der Anstifter das erste Wort gesprochen oder bei einer Anstiftung unter Abwesenden das erste Wort des Briefes an den Anzustiftenden geschrieben hat. Diese Handlungen können, um in der Versuchsterminologie zu sprechen, als unbeendete Bestimmungsversuche bezeichnet werden.355 Auch wenn in diesem Ansatz eine leichte Modifikation der zu § 22 StGB entwickelten Grundsätze liegt, ist die bestehende Parallele zu den Versuchsvorschriften offensichtlich. Eine umfangreichere Modifikation der Versuchsgrundsätze kann hingegen in den anderen zu § 30 Abs. 1 StGB vertretenen Ansätzen erblickt werden. So ist nach der restriktivsten 351 So die ständige Rechtsprechung zum unmittelbaren Ansetzen im Rahmen des § 22 (BGHSt 26, 201, 203 f; 28, 162, 163). 352 So ausdrücklich nur vertreten von Maurach/Gössel/Zipf, S. 367. 353 So auch Schröder, JuS 1967, 289, 290. 354 Schönke/Schröder/Heine, § 30, Rn 19. 355 Der Vergleich mit der Versuchsterminologie ist nicht ganz stimmig. Denn bei der Frage im Rahmen des § 22, ob ein beendeter oder unbeendeter Versuch vorliegt, kommt es darauf an, wie weit das Verhalten des Täters fortgeschritten ist und ob er nach seiner Vorstellung schon alles Erforderliche getan hat, um den Tatbestand zu verwirklichen. Es geht um eine Grenze innerhalb der Versuchsstrafbarkeit, die unter anderem für die Anforderungen an einen möglichen Rücktritt des Täters relevant wird. Bei der hier in Rede stehenden Problematik geht es hingegen nicht um unterschiedliche Stadien innerhalb des strafbaren Anstiftungsversuchs, sondern es geht vielmehr um die grundsätzliche Frage, wo die Grenze des unbeendeten Anstiftungsversuchs gezogen wird. Es handelt sich also streng genommen um die vorgelagerte Frage, wo die Strafbarkeit des Anstiftungsversuchs – und zwar des unbeendeten – beginnt. Gleichwohl sollen im Folgenden die Begriffe unbeendeter und beendeter Bestimmungsversuch verwendet werden, da sie geeignet sind, das Stadium der Vorbereitungshandlung zu veranschaulichen.
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3. Teil: Der geltende § 30 StGB und seine Auslegung
Auslegung innerhalb der Gruppe derer, die sich auf die Versuchsgrundsätze beziehen, für den Bestimmungsversuch erforderlich, dass der Anstifter seine Bestimmungshandlung vollständig ausgeführt hat und diese Erklärung dem Adressaten auch zugegangen ist. Unter dem Zugang ist insofern der Zugang im zivilrechtlichen Sinne zu verstehen, wonach die Erklärung so in den Machtbereich des Empfängers gelangt sein muss, dass er die Möglichkeit hat, von ihr Kenntnis zu erlangen356 – auf die tatsächliche Kenntnisnahme hingegen kommt es nicht an.357 Auch Roxin befürwortet ausdrücklich die Anwendung der Versuchsvorschriften auf § 30 Abs. 1 StGB, modifiziert diese aber ebenfalls in beträchtlicher Weise. Danach reichen zwar sowohl beendete als auch unbeendete Bestimmungsversuche grundsätzlich aus – erforderlich sei aber zugleich, dass die Anstiftungserklärung in jedem Fall den Herrschaftsbereich des Anstifters verlassen hat.358 Auf diese Weise werden beispielsweise Fälle aus der Strafbarkeit ausgeklammert, in denen der Anstifter mit dem anwesenden Adressaten seiner Erklärung bislang nur über Belangloses gesprochen hat oder im Fall der Anstiftung unter Abwesenden der Brief noch nicht abgeschickt wurde.359 Gleichzeitig bleiben aber Bestimmungsversuche erfasst, in denen der Anstifter zwar schon mit der Bestimmungshandlung begonnen hat, aber nach seiner Vorstellung noch nicht alles Erforderliche getan hat, damit der Angestiftete die Tat begehen kann. Dies kann beispielsweise in der Art gedacht werden, dass der Anstifter dem präsumtiven Haupttäter bereits alle Informationen, wie den Tatort und den Tatzeitpunkt des geplanten Mordes, gegeben hat – bis auf die Identität des Opfers. In einem solchen Fall hat sich der Anstifter der Erklärung bereits entledigt, diese hat seinen Herrschaftsbereich verlassen, gleichwohl liegt ein noch unbeendeter Anstiftungsversuch vor. Denn nach seiner Vorstellung hat der Anstifter noch nicht alles Erforderliche getan, damit der Haupttäter die Tat begehen kann – er geht stattdessen davon aus, dass er diesem zuvor noch die Identität des Opfers mitteilen muss. Eine eingehende Auseinandersetzung mit diesem Ansatz erfolgt im Rahmen der Stellungnahme zu den konkreten Anforderungen an den Beginn des Anstiftungsversuchs.360 b) Die selbstständige Bestimmung der Strafbarkeitsgrenze Während diesen verschiedenen Ansätzen – trotz der unterschiedlich starken Modifizierung – zumindest gemein ist, dass sie eine Anwendung der Versuchs356
Schröder, JuS 1967, 289. Anders wurde der Zugang noch bei der Auslegung des § 49a Abs. 1 RStGB, des Vorgängers des heutigen § 30 StGB, beurteilt. Da wurde teilweise die tatsächliche Kenntnisnahme des Adressaten von der Anstiftungserklärung verlangt. Dies wurde damit begründet, dass der Strafgrund der versuchten Anstiftung in der geistigen Verbindung zwischen Anstifter und Angestiftetem bestehe, die nur entstehen könne, wenn der Adressat auch Kenntnis von der Erklärung habe (Busch, S. 172 ff). 358 LK-Roxin, 11. Aufl., § 30, Rn 17. 359 LK-Roxin, 11. Aufl., § 30, Rn 17. 360 s. u. 3. Teil, C. I. 2. d). 357
C. Die weiteren Varianten des § 30 StGB
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grundsätze aus § 22 StGB auf § 30 Abs. 1 StGB befürworten, gibt es auch Auslegungsansätze, die eine solche Übertragung explizit ablehnen. So fordert Bloy die selbstständige Bestimmung der Strafbarkeitsgrenze des § 30 Abs. 1 StGB, da die Übertragung der Versuchsgrundsätze zu einer „uferlosen Ausweitung“ der versuchten Anstiftung führen würde.361 Stattdessen sei für die Strafbarkeit erforderlich, dass der Anstifter sich seiner Bestimmungshandlung bereits entledigt habe. Ein Zugang bei dem Adressaten im oben genannten Sinne sei hingegen nicht erforderlich.362 Im Ergebnis führt dieser Ansatz dazu, dass nur solche Verhaltensweisen unter die Strafbarkeit gem. § 30 Abs. 1 StGB fallen, die nach der Versuchsterminologie als beendete Bestimmungsversuche bezeichnet werden können.363 Grundsätzliche Bedenken gegen die Anwendung der Versuchsgrundsätze auf die versuchte Anstiftung äußert auch Zaczyk. Seiner Ansicht nach führt diese „grundlose“364 Übertragung dazu, dass nicht mehr die in § 30 StGB unter Strafe gestellten Vorbereitungshandlungen selbst bestraft werden, sondern der Versuch derselben.365 Darin liege eine aus rechtsstaatlichen Gründen nicht tragbare Vorverlagerung der Strafbarkeit der versuchten Anstiftung.366 Stattdessen müsse im Wege einer viel restriktiveren Auslegung des § 30 Abs. 1 StGB ein Bestimmungserfolg der Anstiftungshandlung verlangt werden.367 Danach fielen nur die Fälle unter die Strafandrohung, in denen der Anstifter zumindest den Tatentschluss des Haupttäters hervorgerufen hat. Hingegen seien die Fälle, in denen das Anstiftungsverhalten schon vor diesem Zeitpunkt scheitert, mangels Strafwürdigkeit gerade nicht von § 30 Abs. 1 StGB erfasst.368 Beizupflichten ist Zaczyk jedenfalls hinsichtlich der Wertung, dass in der Anwendung der Versuchsvorschriften eine – je nachdem wie stark sie von den einzelnen Ansätzen modifiziert werden – schwächere oder auch stärkere Ausdehnung der Strafbarkeit der versuchten Anstiftung liegt. Da es sich bei § 30 Abs. 1 StGB um die Bestrafung von Vorbereitungshandlungen handelt – die grundsätzlich straflos sind –, bestehen in der Tat starke Bedenken gegen eine solch extensive Auslegung. In der Forderung nach einem Bestimmungserfolg in Form des Tatentschlusses liegt eine in ihrem Ergebnis sehr begrüßenswerte Restriktion der Strafbarkeit der versuchten Anstiftung. Denn selbst wenn der Strafgrund der versuchten Anstiftung in der Gefährlichkeit des Kontrollverlustes des Anstifters gesehen wird – ob dieser Grund besteht bzw. ob er überhaupt eine Strafbarkeit rechtfertigen kann, wird noch untersucht werden369 – spricht einiges dafür, diese Gefährlichkeit erst zu bejahen, wenn der 361
Bloy, JR 1992, 493, 496. Bloy, JR 1992, 493; Letzgus, S. 40; Kühl, AT, S. 753. 363 Bloy wendet sich allerdings gegen den Begriff des „beendeten Bestimmungsversuchs“ (JR 1992, 493). 364 NK-Zaczyk, § 30, Rn 5. 365 NK-Zaczyk, § 30, Rn 9. 366 NK-Zaczyk, § 30, Rn 5. 367 NK-Zaczyk, § 30, Rn 12. 368 NK-Zaczyk, § 30, Rn 12. 369 s. u. 5. Teil, B. I. 362
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3. Teil: Der geltende § 30 StGB und seine Auslegung
Angestiftete den Tatentschluss gebildet hat. Vor diesem Zeitpunkt mag der Anstifter zwar die Kontrolle über den weiteren Geschehensverlauf verloren haben. Solange der Angestiftete aber noch keinen Tatentschluss gebildet hat, ist zumindest noch fraglich, ob sein Verhalten für das anvisierte Rechtsgut erhöht gefährlich ist. Gleichwohl stellt sich die Frage, ob diese Auslegung – wenn sie auch im Ergebnis sehr wünschenswert wäre – mit der geltenden Gesetzesfassung des § 30 Abs. 1 StGB vereinbar ist. Dies ist zu verneinen. Danach läge ein strafbarer Anstiftungsversuch nämlich nur vor, wenn der Anstifter als Zwischenerfolg zumindest den Tatentschluss des Angestifteten hervorgerufen hat. Aus § 31 Abs. 1 Nr. 1 StGB geht jedoch eindeutig hervor, dass bereits ein Anstiftungsversuch vorliegen kann, wenn der Anstifter noch nicht alles getan hat, was für das Bestimmen des Empfängers erforderlich ist. Denn nur, wenn der Anstifter noch nicht alles Erforderliche getan hat, kann er den Versuch im Sinne des § 31 Abs. 1 Nr. 1 StGB aufgeben. Somit geht das Gesetz eindeutig davon aus, dass auch ein – in der Versuchsterminologie gesprochen – unbeendeter Bestimmungsversuch strafbar ist. Die Forderung Zaczyks nach einem Bestimmungserfolg führt hingegen zu einer ausschließlichen Strafbarkeit beendeter Bestimmungsversuche: Nur, wenn der Anstifter seine Bestimmungshandlung bereits ausgeführt hat, kann er den Tatentschluss des Angestifteten als seinen Erfolg hervorgerufen haben. Folglich ist der von Zaczyk vertretene – wenn auch aufgrund der restriktiven Auslegung des § 30 Abs. 1 StGB grundsätzlich wünschenswerte – Ansatz nicht mit dem geltenden Gesetz vereinbar und somit abzulehnen. Fraglich ist aber, ob Zaczyk zumindest hinsichtlich seiner Kritik an der Übertragung der Versuchsgrundsätze auf § 30 Abs. 1 StGB Recht zu geben ist – dann könnte eine andere restriktive Auslegung gefunden werden – oder ob die herrschende Annahme, es handele sich bei § 30 Abs. 1 StGB um eine Kombination aus Versuchs- und Anstiftungsstrafbarkeit, zutreffend ist. c) Stellungnahme: Die selbstständige Bestimmung der Strafbarkeitsgrenze oder die Anwendung des § 22 StGB Zunächst muss untersucht werden, ob der Wortlaut „versuchen zu bestimmen“ zu der Anwendung der Versuchsvorschriften im Rahmen des § 30 Abs. 1 StGB zwingt. Insofern ist allerdings Zaczyk Recht zu geben, dass allein aus der Verwendung des Begriffes „versuchen“ nicht abgeleitet werden kann, dass sich der Gesetzgeber mit dieser Wortwahl auf den Deliktsversuch i. S. von § 22 StGB beziehen wollte und damit eine Übertragung der Versuchsgrundsätze auf § 30 Abs. 1 StGB bezweckt hat.370 Eine solche Auslegung ist zwar möglich, aber keineswegs zwingend. Denn allein aus der mehrmaligen Verwendung eines Begriffes kann nicht auf eine identische Bedeutung desselben geschlossen werden. Ein im Gesetz verwandter Begriff muss vielmehr immer nach seinem Sinn und Zweck innerhalb des jeweiligen Kontextes ausgelegt werden, in dem er verwendet wird. Für die Frage nach dem Sinn und Zweck der Formulierung „versuchen“ kann zunächst § 30 Abs. 1 StGB selbst un370
NK-Zaczyk, § 30, Rn 4 f.
C. Die weiteren Varianten des § 30 StGB
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tersucht werden. Dieser verweist auch für die Frage der Strafdrohung auf die Vorschriften über den Versuch des Verbrechens. Daraus könnte geschlossen werden, dass insgesamt eine Parallele zwischen § 30 Abs. 1 StGB und dem Deliktsversuch gezogen wird mit der Folge, dass der Begriff „versuchen“ genau so zu verstehen ist wie der Versuch i. S. des § 22 StGB. Zwingend ist diese Auslegung allerdings nicht, da auch der gegenteilige Schluss möglich ist, dass sich der Verweis lediglich auf die Strafdrohung des Deliktsversuchs erstreckt und gerade nicht zu einer Übertragung der Voraussetzungen des Versuchs führen soll. Ein deutlicherer Hinweis auf die Anwendbarkeit der Versuchsvorschriften findet sich bei einer Zusammenschau des § 30 Abs. 1 StGB mit der Rücktrittsvorschrift des § 31 StGB. Diese weist neben ihrer Bezeichnung als Rücktritt in ihrer gesamten Struktur Parallelen zu § 24 StGB, der Rücktrittsvorschrift zum Deliktsversuch, auf. Insbesondere § 31 Abs. 1, Nr. 1 und Abs. 2 StGB ähneln der fast gleich lautenden Regelung des § 24 Abs. 1, S. 1 und S. 2 StGB bis ins Detail. Aus dieser parallelen Gesetzestechnik lässt sich ein Indiz dafür ableiten, dass der Gesetzgeber auch die Vorschrift des § 30 Abs. 1 StGB an den Versuch des Delikts gem. § 22 StGB anlehnen und nicht nur die Rücktrittsmöglichkeiten entsprechend gestalten wollte. Andererseits muss auch hier festgehalten werden, dass dieser Schluss nicht zwingend ist: § 31 StGB weist auch in Abs. 1, Nr. 2 und Nr. 3 StGB ähnliche Parallelen zu § 24 StGB auf, obwohl er sich dort auf die Varianten des § 30 Abs. 2 StGB bezieht. Bei diesen Varianten finden die Versuchsvorschriften aber unbestritten keine Anwendung. Folglich kann in der gefundenen Parallele des § 31 Abs. 1, Nr. 1 und Abs. 2 StGB zu § 24 Abs. 1, S. 1 und S. 2 StGB kein zwingender Beweis für die Anwendbarkeit der Versuchsvorschriften auf § 30 Abs. 1 StGB erblickt werden. Der entscheidende Hinweis dafür, dass § 30 Abs. 1 StGB tatsächlich als eine Kombination aus den Anstiftungs- und Versuchsvorschriften anzusehen ist, findet sich bei einer Betrachtung der historischen Entwicklung der Vorschrift. Der Wortlaut des heutigen § 30 Abs. 1 StGB „zu bestimmen versucht“ wurde im Zuge der Änderung von 1943 eingeführt und 1953 von dem 3. Strafrechtsänderungsgesetz übernommen. Zwar findet sich in den Gesetzesmaterialien zu der 1953 erfolgten Novelle kein Hinweis darauf, ob mit der Übernahme des Wortlautes auch eine Anwendung der Versuchsgrundsätze bezweckt wurde.371 Auch aus der im Vorfeld der Strafrechtsreform von 1975 im Sonderausschuss geführten Diskussion geht nicht eindeutig hervor, ob die Anwendung der Versuchsvorschriften auf die versuchte Anstiftung gewollt war.372 Dem Gesetzgeber waren aber bei der letzten Änderung des § 30 Abs. 1 StGB im Jahre 1975 sowohl die
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Busch, S. 172 ff. So finden sich einerseits Hinweise darauf, dass gerade auch Fälle unter die Vorschrift fallen sollten, in denen die Anstiftungshandlung erfolglos war in der Weise, dass sie keinen Tatentschluss als Zwischenerfolg bei dem Adressaten hervorruft (Sonderausschuss für die Strafrechtsreform, 91. Sitzung, S. 1832). Gleichzeitig wird aber auch an anderer Stelle ausdrücklich gesagt, dass es nicht um die Übertragung der Voraussetzungen des Versuchs gehe, sondern nur um die Anwendung derselben Strafdrohung (Sonderausschuss für die Strafrechtsreform, 91. Sitzung, S. 1835). 372
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3. Teil: Der geltende § 30 StGB und seine Auslegung
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes373 als auch die herrschende Lehre, die eine Anwendung der Versuchsvorschriften annahmen, bekannt. Insofern kann davon ausgegangen werden, dass jedenfalls zu diesem Zeitpunkt eine Änderung vorgenommen worden wäre, wenn nach dem Willen des Gesetzgebers die Versuchsvorschriften nicht auf die versuchte Anstiftung anzuwenden wären.374 Somit muss § 30 Abs. 1 StGB tatsächlich als eine Kombination aus den Anstiftungs- und den Versuchsvorschriften verstanden werden. d) Stellungnahme: Die konkreten Anforderungen an den Bestimmungsversuch Allein aus der Anwendbarkeit der Versuchsgrundsätze ergibt sich aber noch nicht, wo genau die Strafbarkeitsgrenze des § 30 Abs. 1 StGB zu ziehen ist. Zwar könnte daraus geschlossen werden, dass die zu § 22 StGB entwickelten Grundsätze ohne jegliche Modifikation auf die versuchte Anstiftung anzuwenden wären. Diese Auslegung würde aber, wie schon erörtert375, dazu führen, dass bereits ein unmittelbares Ansetzen zu dem Bestimmen i. S. des § 30 Abs. 1 StGB ausreichen würde, um eine Strafbarkeit wegen versuchter Anstiftung zu bejahen. Darin läge eine zu starke Ausdehnung der Strafbarkeit, die nicht mehr nur die eigentlichen Vorbereitungshandlungen erfasst, sondern sogar die Vorbereitung der Vorbereitungshandlung376. Eine so extensive Auslegung ist mit dem Ausnahmecharakter des § 30 StGB nicht zu vereinbaren. Gerade dieser Ausnahmecharakter der Vorschrift und die darin liegende weite Vorverlagerung der Strafbarkeit auf einen Zeitpunkt noch vor dem Versuchsstadium sprechen für eine möglichst restriktive Auslegung.377 Andererseits muss sich eine solche Auslegung gleichwohl mit der Systematik und dem Willen des Gesetzgebers, dass es sich bei § 30 Abs. 1 StGB um eine Kombination aus Versuchs- und Anstiftungsstrafbarkeit handelt, vereinbaren lassen. Letzteres trifft auf den Ansatz nicht zu, der nur beendete Bestimmungsversuche für die Strafbarkeit nach § 30 Abs. 1 StGB ausreichen lässt und zusätzlich noch den Zugang der Erklärung bei dem Empfänger verlangt.378 Denn diese Anforderungen sind nicht mit § 31 Abs. 1 StGB vereinbar, der von der Existenz strafbarer unbeendeter Bestimmungsversuche ausgeht.379 Folglich kann auch dieser Auslegung nicht gefolgt werden. Es muss also eine zwischen diesen beiden Extrempositionen vermittelnde Auslegung gewählt werden, die zum einen eine möglichst restriktive Handhabung des § 30 Abs. 1 StGB ermöglicht, aber andererseits auch mit dem geltenden Gesetz vereinbar ist. Zwei unterschiedliche Ansätze sind insofern denkbar: Entweder lässt man für die Strafbar373 374 375 376 377 378 379
BGHSt 8, 261. So auch LK-Roxin, 11. Aufl., § 30, Rn 16. s. o. 3. Teil, C. I. 2. a). s. o. 3. Teil, C. I. 2. a). s. auch schon oben 3. Teil, C. I. 2. b). So Schröder, JuS 1967, 289. s. o. 3. Teil, C. I. 2. b).
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keitsgrenze den Beginn der Bestimmungshandlung ausreichen380, oder es wird verlangt, dass die Äußerung die Sphäre des Anstifters verlassen haben muss.381 Für die letztgenannte Auslegung spricht die damit verbundene Einschränkung der Strafbarkeit des Anstiftungsversuchs. Wenn nämlich der Beginn der Bestimmungshandlung als ausreichend angesehen würde, wäre jeder unbeendete Bestimmungsversuch strafbar – während nach der Auslegung Roxins dies nur auf diejenigen unbeendeten Bestimmungsversuche zutreffen würde, bei denen sich der Anstifter der Erklärung schon entledigt hat. Dieser Ansatz steht auch mit § 31 StGB in Einklang, da er die grundsätzliche Möglichkeit der Strafbarkeit unbeendeter Bestimmungsversuche bejaht. Gleichzeitig liegt in ihm eine wünschenswerte Restriktion des § 30 Abs. 1 StGB. Fraglich ist allerdings, ob diese Auslegung auch mit dem üblicherweise angeführten Strafgrund der versuchten Anstiftung, den auch Roxin für die Legitimation der Strafbarkeit anführt382, in Einklang steht. Dieser wird in dem Kontrollverlust des Anstifters über den weiteren Verlauf der Tat erblickt, wobei es auf die subjektive Gefährlichkeit des Verhaltens ankommen soll.383 aa) Vereinbarkeit des Ansatzes von Roxin mit dem Strafgrund Fraglich ist also, ob bei den unbeendeten Bestimmungsversuchen, die Roxin erfassen will – also diejenigen, bei denen die Erklärung bereits den Herrschaftsbereich des Anstifters verlassen hat – eine solche subjektive Gefährlichkeit besteht. Dazu soll auf das oben genannte Beispiel zurückgegriffen werden384: Der Anstifter A fordert den präsumtiven Haupttäter B auf, einen Mord zu begehen, und gibt ihm alle für die Ausführung der Tat erforderlichen Informationen, bis auf die Identität des Opfers. Nach seiner Vorstellung hat A noch nicht alles Erforderliche getan, damit B die Tat ausführen kann – ein unbeendeter Bestimmungsversuch ist also gegeben. Wird diese Konstellation auf das Vorliegen des Strafgrundes überprüft, ist die Antwort eindeutig: Beurteilt auf der Grundlage der Vorstellung des Anstifters weist sein bisheriges Verhalten noch keine Gefährlichkeit in dem Sinne auf, dass es einen für ihn unkontrollierbaren Geschehensablauf in Gang gesetzt hat. Er geht davon aus, dass B die Tat erst ausführen kann, wenn er die Identität des Opfers kennt – nach seiner Vorstellung hat A also noch solange die vollständige Kontrolle über das Geschehen bis er B auch diese letzte Information gegeben hat. Folglich fehlt es in dieser Konstellation an der subjektiven Gefährlichkeit – der, auch von Roxin angeführte, Strafgrund ist demnach nicht gegeben. Fraglich ist, ob die Strafbarkeit dieser unbeendeten, aber
380 381 382 383 384
So Schönke/Schröder/Heine, § 30, Rn 19; s. o. 3. Teil, C. I. 2. a). So LK-Roxin, 11. Aufl., § 30, Rn 17; s. o. 3. Teil, C. I. 2. a). LK-Roxin, 11. Aufl., § 30, Rn 17. s. o. 3. Teil, C. I. 1. s. o. 3. Teil, C. I. 2. a).
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3. Teil: Der geltende § 30 StGB und seine Auslegung
schon entäußerten Bestimmungsversuche385 auf andere Weise begründet werden kann. Wie soeben festgestellt, kann die Begründung über die subjektive Gefährlichkeit in Form des Kontrollverlustes nicht überzeugen. Gleichwohl erscheint die Überlegung Roxins, dass der Anstifter auch schon bei einem entäußerten unbeendeten Versuch die Kontrolle über das weitere Geschehen verloren hat, jedenfalls auf Grundlage folgender Überlegungen doch nicht ganz abwegig: Ein Kontrollverlust des Anstifters kann tatsächlich auch bei einem unbeendeten Versuch bejaht werden – nämlich dann, wenn entgegen der Vorstellung des Anstifters der präsumtive Haupttäter schon im Stande ist, die Tat zu begehen. Dazu muss der Ausgangsfall nur wie folgt abgewandelt werden: A hat B die Identität des Mordopfers noch nicht verraten, er weiß aber nicht, dass B sie ohnehin schon kennt – beispielsweise weil er durch einen Dritten Kenntnis von ihr erlangt hat. In dieser Konstellation lässt sich der Gedankengang Roxins insofern nachvollziehen, als bereits in diesem Moment ein Kontrollverlust des Anstifters gegeben ist. Der präsumtive Haupttäter ist schon in der Lage die Tat auszuführen, ohne dass noch weitere Handlungen des Anstifters erforderlich wären. Der Unterschied zu dem behaupteten Strafgrund besteht allerdings darin, dass die Gefährlichkeit in Form des Kontrollverlustes nicht subjektiv aus Sicht des Anstifters, sondern objektiv gegeben ist. Dem Anstifter fehlt hingegen die Kenntnis, dass sein Verhalten bereits objektiv gefährlich ist – ihm fehlt insofern der Vorsatz hinsichtlich der Gefährlichkeit. Somit stellt sich die Frage, ob diese objektive Gefährlichkeit im Hinblick auf die Legitimierung der Strafbarkeit geeignet ist, die fehlende subjektive Gefährlichkeit auszugleichen. Ausgehend von dem üblichen Verständnis, wonach es ausschließlich auf die subjektive Gefährlichkeit ankommt, kann ein solcher Ausgleich grundsätzlich nicht angenommen werden. Denn danach bezieht sich der den Anstifter treffende Schuldvorwurf nur auf die Vornahme einer Handlung, von der er denkt, sie sei gefährlich in Form des Kontrollverlustes. Das Unrecht wird demnach maßgeblich durch die Vorstellung des Anstifters bestimmt – es wird selbst dann bejaht, wenn es sich bei seiner Handlung um eine objektiv vollkommen ungefährliche handelt.386 Daraus lässt sich erkennen, dass es maßgeblich auf den Vorstellungsunwert ankommen soll. Fraglich ist aber, ob es gleichwohl möglich ist, dem Anstifter diese unvorsätzliche Verursachung der objektiven Gefährlichkeit auf Grundlage des üblicherweise angeführten Strafgrundes zuzurechnen. Das würde bedeuten, dass eine Legitimierung der Strafbarkeit der unbeendeten, entäußerten Bestimmungsversuche zumindest immer dann zu bejahen wäre, wenn diese objektiv gefährlich sind. Um eine solche Zurechnung auf Grundlage des überwiegenden – subjektiven – Verständnisses des Strafgrundes zu bejahen, könnte auf die Grundsätze, die zum erfolgsqualifizierten Deliktsversuch entwickelt wurden, zurückgegriffen werden. Unter einem erfolgs385 Roxin spricht zwar nicht von „unbeendeten, entäußerten Bestimmungsversuchen“ – gleichwohl soll dieser Begriff im Folgenden verwendet werden, um die Darstellung anschaulicher zu machen. 386 So wie auch der untaugliche Anstiftungsversuch als strafbar erachtet wird; s. dazu oben 3. Teil, C. I. 1.
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qualifizierten Deliktsversuch ist folgende Konstellation zu verstehen: Der Täter führt allein durch den Versuch eines Grunddelikts eine schwere Folge herbei, die Gegenstand einer entsprechenden Erfolgsqualifikation ist.387 Zur Verdeutlichung soll folgendes Beispiel dienen: X verfolgt Y, um ihn zu verprügeln. Y läuft daraufhin in Panik durch eine Glastür und stirbt an den dabei erlittenen Verletzungen.388 Obwohl das Grunddelikt, die Körperverletzung gem. § 223 Abs. 1 StGB, im Versuchsstadium stecken geblieben ist, ist mit dem Tod die erschwerende Folge des § 227 Abs. 1 StGB (Körperverletzung mit Todesfolge) eingetreten. Da der Täter bezüglich der Verwirklichung der qualifizierenden Folge nicht vorsätzlich, sondern nur fahrlässig gehandelt hat, stellt sich die Frage, ob sie ihm gleichwohl zuzurechnen ist oder es bei der Strafbarkeit wegen Versuchs des Grunddelikts bleibt. Vergleicht man die Struktur der Erscheinungsform des erfolgsqualifizierten Versuchs mit derjenigen der hier diskutierten Konstellation im Rahmen der unbeendeten Anstiftungsversuche, werden folgende Parallelen deutlich: Wenn der Anstifter dem präsumtiven Haupttäter nicht selbst alle für die Ausführung der Tat erforderlichen Informationen gibt, sondern erst noch bestimmte Einzelheiten zurückhält, handelt er nur bezüglich der von ihm selbst offengelegten Informationen vorsätzlich. Hingegen hinsichtlich der noch fehlenden Information und – da er die Vorstellung hat, dass ohne diese die Tat noch nicht begangen werden kann – hinsichtlich der Gefährlichkeit seines Verhaltens handelt er nur fahrlässig. Hinsichtlich der hier diskutierten Frage im Rahmen des Strafgrundes der versuchten Anstiftung bedeutet dies Folgendes: Parallel zu der Konstellation des erfolgsqualifizierten Versuchs könnte auch hier eine Zurechnung der nur fahrlässig verursachten objektiven Gefährlichkeit des angestoßenen Verlaufs im Rahmen des grundsätzlich subjektiv verstandenen Strafgrundes in Betracht gezogen werden. Dazu muss zunächst untersucht werden, ob und mit welcher Begründung es einen strafbaren erfolgsqualifizierten Deliktsversuch geben kann. In einem zweiten Schritt wird die Anwendung dieser Grundsätze auf die hier diskutierte Fallgruppe geprüft. (1) Die Voraussetzungen des strafbaren erfolgsqualifizierten Versuchs Die Frage, ob es einen strafbaren erfolgsqualifizierten Versuch geben kann, wird nicht einheitlich beurteilt. Teilweise wird eine Zurechnung der qualifizierenden Folge allgemein abgelehnt. Danach wird lediglich eine Strafbarkeit wegen des versuchten Grunddelikts angenommen. Zur Begründung wird der Vorsatzmangel in Bezug auf die erschwerende Folge angeführt. Eine Erfolgszurechnung in diesen Fällen widerspräche der Versuchsdogmatik, da es einen unvorsätzlichen Versuch nicht geben könne.389 Gegen diese Auslegung muss allerdings angeführt werden, dass es sich gem. § 11 Abs. 2 StGB bei den erfolgsqualifizierten Delikten um vorsätzliche Delikte
387 388 389
BeckOK-Kudlich, § 18, Rn 17; Lackner/Kühl, § 18, Rn 9 m.w.N. Das Beispiel wurde dem sog. Gubener Hetzjagdfall nachgebildet (BGHSt 48, 34). Hardtung, S. 218.
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3. Teil: Der geltende § 30 StGB und seine Auslegung
handelt.390 Daraus folgt, dass es auch einen strafbaren Versuch derselben gem. § 23 Abs. 1 StGB geben muss, falls es sich bei dem betreffenden Delikt um ein Verbrechen handelt. Da die erfolgsqualifizierten Delikte aber sämtlich als Verbrechen ausgestaltet sind391, ist diese Voraussetzung erfüllt, und somit muss auch der Versuch der erfolgsqualifizierten Delikte strafbar sein. Allein aus der Tatsache, dass es einen strafbaren Versuch der erfolgsqualifizierten Delikte geben muss, resultiert aber nicht zwingend, dass es diesen auch in der Form des erfolgsqualifizierten Versuchs gibt. Es ist nämlich noch eine andere Variante des Versuchs eines erfolgsqualifizierten Delikts denkbar – der sog. Versuch der Erfolgsqualifikation. Darunter wird die Konstellation verstanden, in der der Täter bei dem Versuch oder der Vollendung eines Grunddelikts den Eintritt der schweren Folge mit in seinen Vorsatz aufnimmt, diese aber ausbleibt.392 Die Strafbarkeit dieser Versuchsform der erfolgsqualifizierten Delikte ist weitgehend anerkannt.393 Da also zumindest eine Versuchsvariante der erfolgsqualifizierten Delikte strafbar ist, ergibt sich allein aus dem Erfordernis einer Versuchsstrafbarkeit noch nicht, dass auch die andere Variante – der hier diskutierte erfolgsqualifizierte Versuch – strafbar sein muss. Der entscheidende Unterschied zwischen den beiden Versuchsformen und damit auch der Grund für ihre unterschiedliche rechtliche Beurteilung besteht darin, dass nur die eine ihrer Struktur nach einen „klassischen“ Versuch darstellt, während die andere insofern eine Besonderheit aufweist. Der Versuch der Erfolgsqualifikation ist dadurch gekennzeichnet, dass ein Umstand bei der Ausführung der Tat ausbleibt, den der Täter in seinen Vorsatz aufgenommen hat. Damit verwirklicht er den vollständigen Vorstellungsunwert – sein Vorsatz bezieht sich auf alle Umstände, die den Tatbestand der Erfolgsqualifikation ausmachen. Somit entspricht diese Konstellation in ihrer Struktur dem klassischen Deliktsversuch. Bei dem erfolgsqualifizierten Versuch hingegen erfasst der Vorsatz des Täters gerade nicht den Eintritt der schweren Folge – somit erstreckt er sich nicht auf sämtliche Umstände, die die Tatbestandsmerkmale der Erfolgsqualifikation ausmachen. Auf den ersten Blick fehlt es insofern in dieser Konstellation an dem von der Versuchsstrafbarkeit vorausgesetzten vollständigen Vorstellungsunwert. Daraus könnte man schließen, dass die bloß fahrlässige Verwirklichung der schweren Folge nicht Gegenstand einer Versuchsstrafbarkeit sein kann. Dabei wird aber Folgendes übersehen: Es ist eine wesentliche Eigenschaft der erfolgsqualifizierten Delikte, dass nur hinsichtlich des Grunddelikts Vorsatz, hinsichtlich des Eintritts der qualifizierenden Folge aber nur Fahrlässigkeit verlangt ist. Es ist zwar richtig, dass es nach der derzeitigen Gesetzeslage nur vorsätzliche Versuche gibt – daraus folgt aber nicht, dass es keinen erfolgsqualifizierten Versuch geben kann. Denn wenn die Erfolgsqualifikationen im Ganzen als vorsätzliche Delikte eingeordnet werden (§ 11 Abs. 2 StGB) – obwohl sie nur bezüglich des 390 s. BeckOK-Kudlich, § 18, Rn 17; Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben, § 18, Rn 8 m.w.N. 391 MK-Hardtung, § 18, Rn 63. 392 Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben, § 18, Rn 10; BeckOK-Kudlich, § 18, Rn 17. 393 So auch BeckOK-Kudlich, § 18, Rn 17.2 m.w.N.
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Grunddelikts Vorsatz voraussetzen –, ist es nur konsequent, wenn auch bei der Versuchsstrafbarkeit eines solchen Delikts das Vorsatzerfordernis nur auf das Grunddelikt erstreckt wird. Würde nämlich für die Versuchsstrafbarkeit Vorsatz auch bezüglich der schweren Folge verlangt, hätte die Versuchsstrafbarkeit strengere Anforderungen auf subjektiver Seite als die Vollendungsstrafbarkeit, bei der eben Fahrlässigkeit ausreicht. Das würde aber im Widerspruch zu der sonstigen Versuchssystematik stehen: Das Charakteristikum des Versuchs im Vergleich zu der Vollendungsstrafbarkeit besteht darin, dass der Tatbestand auf objektiver Seite nicht vollständig verwirklicht wurde. Auf subjektiver Seite hingegen ändert sich nichts – dort bestehen bei beiden Deliktsformen die gleichen Voraussetzungen. Bei den erfolgsqualifizierten Delikten ist hinsichtlich der schweren Folge aber nur Fahrlässigkeit erforderlich. Folglich entspricht die nur fahrlässige Herbeiführung der Folge bei einem vorsätzlich versuchten Grunddelikt genau der Struktur eines vollendeten erfolgsqualifizierten Delikts. Somit muss grundsätzlich auch die Strafbarkeit des Versuchs der Erfolgsqualifikation in Form des erfolgsqualifizierten Versuchs bejaht werden. Auch wenn soeben grundsätzlich die Strafbarkeit des erfolgsqualifizierten Versuchs bejaht wurde, stellt sich anschließend für jedes Delikt gesondert die Frage, ob es einen solchen strafbaren Versuch geben kann. Dies hängt davon ab, ob es nach der Struktur des jeweiligen Delikts überhaupt möglich ist, die schwere Folge in fahrlässiger Weise allein durch den Versuch des Grunddelikts herbeizuführen. Muss diese Frage aufgrund der Struktur des einzelnen Tatbestandes verneint werden, ist auch kein erfolgsqualifizierter Versuch dieses Delikts denkbar. Nach überwiegender Ansicht muss deshalb bei der Frage nach der Strafbarkeit des erfolgsqualifizierten Versuchs nach der Struktur des jeweiligen Delikts unterschieden werden. Einen strafbaren erfolgsqualifizierten Versuch kann es richtigerweise nur bei solchen Delikten geben, bei denen der qualifizierende Erfolg mit der tatbestandlichen Handlung und nicht mit dem tatbestandlichen Erfolg des Grunddelikts verknüpft ist.394 Denn nur, wenn schon in der Vornahme der Handlung die spezifische Gefahr des Eintritts der schweren Folge angelegt ist, kann dem Täter der Eintritt dieser Folge auch zugerechnet werden. Wenn hingegen diese Gefahr nicht schon aus der Handlung, sondern erst aus dem Eintritt des tatbestandlichen Erfolges des Grunddelikts resultiert, ist keine Zurechnung der schweren Folge möglich – denn dieser tatbestandliche Erfolg ist ja gerade nicht eingetreten, und somit fehlt es an dem Gefahrverwirklichungszusammenhang.395 Somit kann Folgendes für die Strafbarkeit des erfolgsqualifizierten Versuchs festgehalten werden: Nur wenn sich die spezifische Gefährlichkeit im Hinblick auf den Eintritt der schweren Folge bereits aus der Vornahme der tatbestandlichen 394
Wessels/Beulke, S. 232; Lackner/Kühl, § 18, Rn 9; Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben, § 18, Rn 9. 395 Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben, § 18, Rn 9. Ausführlich dazu auch Roxin, AT II, S. 441 m.w.N.
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3. Teil: Der geltende § 30 StGB und seine Auslegung
Handlung des Grunddelikts ergibt, ist eine Strafbarkeit wegen eines erfolgsqualifizierten Versuchs möglich. Denn in dieser Konstellation hat der Täter schon durch den Versuch des Grunddelikts schuldhaft ein Unrecht verwirklicht, das in zurechenbarer Weise zu dem Eintritt der schweren Folge geführt hat. Folglich ist ihm auch dieses zusätzliche Unrecht vorzuwerfen. (2) Übertragung der Grundsätze auf die Konstellation der unbeendeten, entäußerten Bestimmungsversuche Fraglich ist, ob eine Zurechnung nach diesem Grundsatz, der für die erfolgsqualifizierten Delikte entwickelt wurde, auch bei der hier in Rede stehenden Konstellation erfolgen kann. Dies würde bedeuten, dass die Strafbarkeit der unbeendeten, entäußerten Bestimmungsversuche doch auf Grundlage des herrschenden subjektiven Verständnisses des Strafgrundes begründet werden könnte. Bei der Konstellation des unbeendeten, entäußerten Bestimmungsversuchs, der objektiv bereits zu einem Kontrollverlust des Anstifters führt, können folgende Parallelen zu dem erfolgsqualifizierten Deliktsversuch gesehen werden: Der Anstifter handelt hinsichtlich des bereits vorgenommenen Teils der Bestimmungshandlung vorsätzlich – vergleichbar mit dem Täter eines erfolgsqualifizierten Versuchs, der die tatbestandliche Handlung des Grunddelikts vorsätzlich ausführt. In dem oben genannten Beispiel396 gibt A die Informationen bewusst und willentlich an B weiter. Keinen Vorsatz hat der Anstifter hingegen hinsichtlich des Eintritts der objektiven Gefährlichkeit in Form seines Kontrollverlustes: A geht davon aus, dass B die Tat nicht begehen kann, bevor er ihm die Identität des Opfers mitteilt – somit fehlt ihm gerade die Vorstellung, dass er schon durch sein bisheriges Verhalten die Kontrolle über das weitere Geschehen verloren haben könnte. Auch insofern besteht eine Parallele zu dem erfolgsqualifizierten Versuch: Durch den vorsätzlichen Beginn der Bestimmungshandlung tritt bereits die schwere Folge, der Kontrollverlust, ein. Diesbezüglich handelte der Anstifter aber, wie auch der Täter des erfolgsqualifizierten Versuchs hinsichtlich des Eintritts der schweren Folge, nur fahrlässig. Fraglich ist also, ob dem Anstifter der Eintritt des objektiven Kontrollverlusts auf die gleiche Weise zugerechnet werden kann, wie dem Täter eines erfolgsqualifizierten Versuchs der Eintritt der schweren Folge. Bei Letzterem setzt diese Zurechnung voraus, dass sich die spezifische Gefährlichkeit aus der tatbestandlichen Handlung des Grunddelikts ergibt – dass also zwischen der Handlung und der schweren Folge ein spezifischer Gefahrverwirklichungszusammenhang besteht.397 Übertragen auf die Konstellation des unbeendeten, entäußerten Bestimmungsversuchs bedeutet dies Folgendes: Eine Zurechnung des Eintritts des objektiven Kontrollverlustes ist nach dieser Differenzierung nur möglich, wenn sich die spezifische Gefährlichkeit, dass es zu einem solchen Kontrollverlust kommt, schon aus dem Beginn der Anstiftungshandlung und nicht erst aus deren vollständiger
396 397
s. o. 3. Teil, C. I. 2. d), aa). s. o. 3. Teil, C. I. 2. d), aa), (1).
C. Die weiteren Varianten des § 30 StGB
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Vornahme ergibt.398 Wenn sich nämlich der objektive Kontrollverlust typischerweise aus dem vorsätzlich verwirklichten Teil der Bestimmungshandlung ergibt, hat der Anstifter schon durch den Beginn der Bestimmungshandlung in schuldhafter Weise die Gefahr geschaffen, dass es zu der objektiven Gefährlichkeit kommt. In dem Eintritt der objektiven Gefährlichkeit in Form des Kontrollverlustes würde sich dann nur die Gefahr realisieren, die der Anstifter schon durch seine vorsätzliche Bestimmungshandlung gesetzt hat. Somit wäre ihm dieser „Erfolg“ des Eintritts der objektiven Gefährlichkeit auch zuzurechnen. Fraglich ist also, ob sich die objektive Gefährlichkeit in Form des Kontrollverlustes typischerweise erst aus einer vollständig erbrachten Bestimmungshandlung ergibt oder ob die Entäußerung der Erklärung – unabhängig davon, wie weit sie fortgeschritten ist – an sich schon diese Gefahr in sich trägt. Mit anderen Worten: Besteht die typische Gefahr der Tatausführung schon, wenn der Anstifter mit seiner Erklärung begonnen und sie seine Sphäre verlassen hat, er aber nach seiner Vorstellung selbst noch weitere Handlungen vornehmen muss? Oder ist eine Bestimmungshandlung typischerweise nur dann in dieser Weise gefährlich, wenn der Anstifter sie vollendet hat und nach seiner Vorstellung nichts mehr hinzufügen muss, damit der Haupttäter die Tat begehen kann? Einen Kontrollverlust des Anstifters kann es, wenn überhaupt399, typischerweise erst dann geben, wenn er alles Erforderliche getan hat, damit der präsumtive Haupttäter die Tat begehen kann – also in dem Moment eines beendeten Bestimmungsversuchs. Vor diesem Zeitpunkt hat er das Geschehen regelmäßig – entsprechend seiner Vorstellung – auch tatsächlich noch in der Hand. Wenn der Anstifter nämlich, wie in dem oben genannten Beispiel, noch nicht alle notwendigen Informationen an den Haupttäter weitergegeben oder noch nicht alle seinerseits erforderlichen Handlungen vorgenommen hat, kann der präsumtive Haupttäter die Tat in der Regel noch nicht ausführen. Denn Kennzeichen der Anstiftung ist ja, dass der Anstifter den Haupttäter zu einer bestimmten Tat verleiten will. Aus diesem Grunde ist auch für den Anstiftervorsatz zu verlangen, dass er sich ein individualisiertes Geschehen vorstellt.400 Aus diesem Grunde wird es regelmäßig so sein, dass sich die Zeitpunkte des Eintritts des subjektiven und des objektiven Kontrollverlustes decken. Erst wenn der Anstifter nach seiner Vorstellung alles Er398 Als Vergleichsmaßstab muss die vollständige Vornahme der Bestimmungshandlung herangezogen werden. Denn ein Bestimmungserfolg ist, wie bereits festgestellt, nach der geltenden Gesetzeslage für eine versuchte Anstiftung nicht erforderlich – somit kann auch als Vergleichsmaßstab nicht auf den Bestimmungserfolg abgestellt werden. Stattdessen kommt es auf den sog. beendeten Bestimmungsversuch an. Dieser liegt vor, wenn der Anstifter nach seiner Vorstellung bereits alles Erforderliche getan hat, damit der Haupttäter die Tat begehen kann. In dieser Konstellation ist nach dem üblichen subjektiven Verständnis des Strafgrundes immer ein Kontrollverlust gegeben. Im Folgenden geht es somit um die Frage, ob die objektive Gefährlichkeit in Form des Kontrollverlustes schon in dem Beginn der Bestimmungshandlung oder erst in deren vollständiger Vornahme angelegt ist. 399 Mit dieser grundsätzlichen Frage nach dem Eintritt des Kontrollverlustes befasst sich der 5. Teil der Arbeit (5. Teil, B. I. 1.). 400 MK-Joecks, § 26, Rn 46 m.w.N.
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3. Teil: Der geltende § 30 StGB und seine Auslegung
forderliche getan hat, wird auch der Haupttäter objektiv in der Lage sein, diese vom Anstifter gewünschte Tat auszuführen. Falls es dem Anstifter hingegen nicht auf Einzelheiten der Tat ankommt und er dem Haupttäter nur unwesentliche Details verschwiegen hat, besteht zugleich auch wieder die Situation eines beendeten Bestimmungsversuchs – denn dann hat auch der Anstifter schon die Vorstellung, dass der Haupttäter die Tat begehen könnte. Somit muss festgehalten werden, dass die Gefahr des Eintritts des objektiven Kontrollverlustes noch nicht aus dem Beginn der Bestimmungshandlung, sondern erst aus der vollständigen Vornahme derselben resultiert. Diese Wertung entspricht auch einer anderen üblichen Verwendung des Kriteriums des Kontrollverlustes: Üblicherweise bezeichnet man damit nämlich gerade den Übergang zwischen einem unbeendeten und einem beendeten Deliktsversuch. Erst wenn der Täter nach seiner Vorstellung alles Erforderliche getan hat – also die Kontrolle über das Geschehen verloren hat –, liegt ein beendeter Versuch vor.401 Der Kontrollverlust ist somit ein typisches Merkmal des beendeten und nicht schon des unbeendeten Versuchs. Es lässt sich somit für die versuchte Anstiftung festhalten, dass die Gefahr eines Kontrollverlustes nicht schon in dem Beginn der Bestimmungshandlung, sondern erst in ihrer vollständigen Vornahme angelegt ist. Aus dieser Bewertung ergeben sich folgende Konsequenzen hinsichtlich der von Roxin vertretenen Theorie der unbeendeten entäußerten Bestimmungsversuche: Da die Gefahr des Kontrollverlustes erst aus der vollständigen Vornahme der Bestimmungshandlung resultiert, ist eine Zurechnung der objektiven Gefährlichkeit – parallel zu den Grundsätzen zu dem erfolgsqualifizierten Versuch – auf Basis des grundsätzlich subjektiv verstandenen Strafgrundes nicht möglich. Denn in der hier in Rede stehenden Konstellation der unbeendeten entäußerten Bestimmungsversuche kommt es gar nicht zu einem Abschluss der Bestimmungshandlung. Folglich fehlt es an dem geforderten Gefahrenzusammenhang zwischen der vorgenommenen Handlung und dem objektiven Kontrollverlust, so dass dieser dem Anstifter auch nicht zugerechnet werden kann. Somit kann festgehalten werden, dass die Strafbarkeit der unbeendeten entäußerten Bestimmungsversuche auch dann nicht auf Basis des subjektiv verstandenen Strafgrundes begründet werden kann, wenn es objektiv schon zu einem Kontrollverlust des Anstifters gekommen ist. Das bedeutet zugleich, dass sich der Ansatz Roxins nicht mit dem von ihm selbst angeführten Strafgrund in Einklang bringen lässt: Denn die Strafbarkeit der unbeendeten entäußerten Bestimmungsversuche kann nicht mit der subjektiven Gefährlichkeit in Form des Kontrollverlustes begründet werden. Nur am Rande sei bemerkt, dass die Theorie Roxins aber auch nicht mit einem objektiven Verständnis des Strafgrundes in Einklang steht. Zur Verdeutlichung soll noch einmal der oben gebildete Grundfall der von Roxins Ansicht erfassten Konstellationen betrachtet werden:402 Der Anstifter A fordert den präsumtiven Haupttäter B auf, einen Mord zu begehen, und gibt ihm alle für die Ausführung der Tat erfor401
Rn 14. 402
BGHSt 14, 79; BeckOK-Beckemper, § 22, Rn 36; Kühl, AT, S. 482; Fischer, § 24, s. o. 3. Teil, C. I. 2. a).
C. Die weiteren Varianten des § 30 StGB
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derlichen Informationen, bis auf die Identität des Opfers. B kennt die Identität des Opfers auch tatsächlich nicht. In dieser Konstellation besteht objektiv – wie auch subjektiv – kein Kontrollverlust seitens des A, weil B die Tat nicht ausführen kann, bevor A ihm nicht auch noch die fehlende Information gegeben hat. Somit erscheint es nicht möglich, alle von Roxins Theorie erfassten Bestimmungsversuche mit demselben Strafgrund zu erklären – unabhängig davon, ob dieser Strafgrund des Kontrollverlustes subjektiv oder objektiv verstanden wird. Selbst wenn je nach der in Frage stehenden Konstellation entweder auf ein subjektives oder auf ein objektives Verständnis abgestellt würde – wodurch sich die Theorie aber schon dem Vorwurf der Beliebigkeit aussetzen würde – könnten nicht alle Konstellationen legitimiert werden. Denn in dem gerade aufgezeigten Beispiel besteht der Strafgrund weder objektiv noch subjektiv betrachtet. Folglich kann die von Roxin vertretene Theorie aufgrund ihrer inneren Unstimmigkeiten nicht überzeugen. bb) Konsequenzen für die Strafbarkeitsgrenze des Anstiftungsversuchs Da der Ansatz Roxins nicht überzeugen konnte, muss untersucht werden, ob der alternative Ansatz, nach dem jeder Beginn einer Anstiftungshandlung für einen strafbaren Anstiftungsversuch ausreichen soll, in sich konsequenter ist. Auch hier muss allerdings festgehalten werden, dass mit dem üblicherweise angeführten Strafgrund, der subjektiven Gefährlichkeit in Form des Kontrollverlustes, eine Legitimation aller von dieser Theorie erfassten Konstellationen nicht möglich ist. Denn, wie bereits festgestellt, kann mit dem subjektiven Verständnis des Kontrollverlustes nur die Strafbarkeit beendeter Bestimmungsversuche begründet werden.403 Nur dann, wenn der Anstifter nach seiner Vorstellung schon alles Erforderliche getan hat, damit der präsumtive Haupttäter die Tat ausführen kann, hat er auch die Vorstellung, jegliche Kontrolle über diese Tatausführung verloren zu haben. Somit kann die Strafbarkeit unbeendeter Bestimmungsversuche nicht auf Grundlage der subjektiven Gefährlichkeit angenommen werden. Auch bei diesem Ansatz versagt also der üblicherweise angeführte Strafgrund. Des Weiteren muss auch hier festgestellt werden, dass auch mit der objektiven Gefährlichkeit nicht alle erfassten Konstellationen – also alle unbeendeten und beendeten Bestimmungsversuche – legitimiert werden können. Denn eine solche objektive Gefährlichkeit besteht bei den unbeendeten Bestimmungsversuchen eben nur, wenn eine Divergenz zwischen der Vorstellung des Anstifters und der Realität in der Weise besteht, dass der präsumtive Haupttäter die Tat schon begehen kann, während der Anstifter davon ausgeht, er müsse noch weitere Bestimmungshandlungen vornehmen. Daraus folgt, dass die „klassischen“ Fälle der unbeendeten Bestimmungsversuche, in denen der Anstifter noch nicht alles getan hat und der Haupttäter die Tat 403 Insofern kann auf die Untersuchungen zu der Frage, ob eine etwaige schon eingetretene objektive Gefährlichkeit innerhalb des subjektiven Verständnisses des Strafgrundes zugerechnet werden kann, verwiesen werden; s. o. 3. Teil, C. I. 2. d), aa), (2).
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3. Teil: Der geltende § 30 StGB und seine Auslegung
auch tatsächlich noch nicht begehen kann, gerade nicht mit dem Strafgrund des Kontrollverlustes begründet werden können – unabhängig davon, ob man ihn subjektiv oder objektiv beurteilt. Folglich ist auch diese Theorie in sich nicht stimmig. Somit muss insgesamt festgehalten werden, dass weder der Ansatz Roxins noch derjenige, nach dem alle unbeendeten Anstiftungsversuche unter die Strafbarkeit fallen, überzeugen kann. Aus dem oben Gesagten ergibt sich die Schlussfolgerung, dass – ausgehend von dem subjektiven Verständnis des Strafgrundes in Form des Kontrollverlustes – nur beendete Bestimmungsversuche strafbar sein dürften. Dieses Ergebnis wäre auch insofern wünschenswert, weil darin eine restriktivere Auslegung der Strafbarkeit der versuchten Anstiftung zu sehen ist. Wie bereits dargestellt, ist eine solche Auslegung aber mit dem geltenden Gesetz nicht vereinbar.404 Aus diesen Untersuchungen geht sehr eindeutig hervor, dass sich der üblicherweise angeführte Strafgrund nicht mit dem Gesetz in Einklang bringen lässt. Es gibt keine Möglichkeit, das Gesetz in der Weise auszulegen, dass die unbeendeten Bestimmungsversuche erfasst sind, gleichzeitig aber auch in jeder erfassten Konstellation der Strafgrund in Form des subjektiv beurteilten Kontrollverlustes besteht. Da also keine der vertretenen Theorien wirklich überzeugen kann und das geltende Gesetz eine wünschenswerte Beschränkung auf beendete Bestimmungsversuche nicht zulässt, muss – solange das Gesetz in dieser Form besteht – die restriktivste Auslegung gewählt werden, die mit dem Gesetz zu vereinbaren ist. Die Theorie Roxins stellt im Vergleich zu derjenigen, nach der alle unbeendeten Bestimmungsversuche erfasst sind, eine Restriktion dar, so dass sie einen richtigen Ansatz darstellt. Um aber wenigstens die Fälle aus der Strafbarkeit herauszunehmen, in denen der Strafgrund des Kontrollverlustes weder subjektiv noch objektiv besteht, muss als zusätzliche Einschränkung gefordert werden, dass nur die Konstellationen der unbeendeten entäußerten Bestimmungsversuche von der Strafbarkeit erfasst werden, die zumindest objektiv schon zu einem Kontrollverlust geführt haben. Damit lässt sich zusammenfassend sagen: Aufgrund des geltenden Gesetzes muss für die Strafbarkeit wegen versuchter Anstiftung für unbeendete Bestimmungsversuche zumindest gefordert werden, dass der Anstifter mit seiner Bestimmungshandlung begonnen hat, diese seine Sphäre verlassen hat und dadurch bereits eine objektive Gefährlichkeit in Form des Kontrollverlustes eingetreten ist. Daneben sind auch alle beendeten Bestimmungsversuche nach der geltenden Gesetzeslage von der Strafbarkeit erfasst. Dabei sei aber nochmals betont, dass die momentane Auslegung des Gesetzes in allen vertretenen Varianten in sich unstimmig ist und entweder nicht mit dem Gesetz oder nicht mit dem üblicherweise angeführten Strafgrund zu vereinbaren ist. Diese Situation zeigt ganz deutlich die Notwendigkeit, das System der Vorfeldstrafbarkeit gem. § 30 StGB zu überdenken.
404
s. o. 3. Teil, C. I. 2. b).
C. Die weiteren Varianten des § 30 StGB
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3. Die Bedeutung des Verweises auf § 23 Abs. 3 StGB In § 30 Abs. 1, S. 3 StGB wird auf § 23 Abs. 3 StGB und somit auf die Möglichkeit der Strafmilderung oder des Absehens von Strafe im Fall eines untauglichen Versuchs verwiesen. Aus der Vorschrift des § 23 Abs. 3 StGB lässt sich entnehmen, dass der Gesetzgeber auch den vollkommen untauglichen Deliktsversuch unter Strafe stellen wollte. Durch den Verweis im Rahmen des § 30 Abs. 1 StGB gilt diese Wertung jedenfalls auch für die Untauglichkeit einer versuchten Anstiftung – und nach der herrschenden Auslegung auch für die Untauglichkeit der anderen Varianten des § 30 Abs. 2 StGB. Dabei müssen zwei unterschiedliche Konstellationen unterschieden werden: Es ist denkbar, dass die Vorbereitungshandlung selbst untauglich ist, es handelt sich bei dem Verhalten der Beteiligten lediglich um einen untauglichen Versuch der strafbaren Vorbereitungshandlung. Bei der versuchten Anstiftung liegt eine solche sogenannte untaugliche Anstiftung beispielsweise vor, wenn es sich bei dem Anzustiftenden um einen omnimodo facturus handelt. Dieser ist bereits zu der Tat entschlossen, so dass das Bestimmungsverhalten des Anstifters von vornherein zum Scheitern verurteilt, also untauglich ist. Diese Konstellation muss von derjenigen unterschieden werden, die im Folgenden als versuchte Anstiftung zum untauglichen Deliktsversuch bezeichnet wird. Dabei ist zwar das Bestimmungsverhalten an sich geeignet, den Anzustiftenden zu der Tat zu motivieren, aber die ins Auge gefasste Tat selbst ist unmöglich – beispielsweise, weil das anvisierte Opfer des geplanten Mordes schon tot ist. Im Rahmen der Erörterungen zu der Verabredungsstrafbarkeit wurde festgestellt, dass der Verweis des § 30 Abs. 2 StGB durch die Worte „ebenso wird bestraft“ nach der herrschenden Auslegung auch den Verweis auf § 23 Abs. 3 StGB erfasst. Richtigerweise muss dies aber – auch bei Betrachtung des üblicherweise angeführten Strafgrundes der Verabredung – abgelehnt werden. Der Verweis in § 30 Abs. 2 StGB kann demnach nur so verstanden werden, dass er lediglich die Strafdrohung des § 30 Abs. 1 StGB erfasst – also die Anlehnung des Strafrahmens an denjenigen des Versuchsdelikts sowie die obligatorische Strafmilderung.405 Selbst wenn aber die herrschende Auslegung zugrunde gelegt wird, kann sich der Verweis auf § 23 Abs. 3 StGB zumindest im Rahmen der Verabredung nur auf die in Aussicht genommene Tat beziehen.406 Ob diese Wertung auch für die anderen Varianten des § 30 Abs. 2 StGB übernommen werden kann, wird noch zu untersuchen sein.407 Zumindest für die Verabredung gilt aber, dass ein untaugliches Vorbereitungsverhalten – also ein untauglicher Versuch einer Einigung408 – nicht strafbar sein kann. Fraglich ist allerdings, ob diese Auslegung auch für die versuchte Anstiftung gem. § 30 Abs. 1 StGB übernommen werden kann. Bei dieser Variante ist jedenfalls eindeutig, dass die Unmöglichkeit der in Aussicht genommenen Tat selbst keine 405
s. dazu oben 3. Teil, B. II. 4. b). s. o. 3. Teil, B. II. 4. b). 407 Diese Auseinandersetzung erfolgt im Rahmen der Untersuchung der Echtheit des Erbietens im Rahmen der Variante der Annahme eines Erbietens; s. dazu 3. Teil, C. III. 1. d). 408 s. o. 3. Teil, B. II. 4. b). 406
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3. Teil: Der geltende § 30 StGB und seine Auslegung
Auswirkungen auf die Strafbarkeit des Verhaltens hat. Die versuchte Anstiftung zum untauglichen Deliktsversuch unterfällt der Strafbarkeit. Daneben muss bei der versuchten Anstiftung aber aufgrund der geltenden Gesetzeslage auch das untaugliche Vorbereitungsverhalten – wenn also der Adressat schon von sich aus zur Tat entschlossen ist – als strafbar angesehen werden: Der Verweis auf § 23 Abs. 3 StGB lässt für sich allein genommen nicht den Schluss zu, dass er sich nur auf die Untauglichkeit des in Aussicht genommenen Delikts bezieht. Vielmehr kann unter einem untauglichen Bestimmungsversuch i. S. des § 30 Abs. 1 StGB auch die Konstellation verstanden werden, in der schon das Bestimmungsverhalten des Anstifters nicht geeignet ist, den Adressaten zu der Tat zu motivieren. Auch bei der Variante der Verabredung liegt die restriktivere Auslegung nicht allein in dem Verweis des § 23 Abs. 3 StGB selbst begründet, sondern in der Ablehnung der Strafbarkeit eines Versuchs derselben. Wenn schon die Strafbarkeit eines Versuchs der Verabredung nicht existiert, kann es auch keinen strafbaren untauglichen Versuch derselben geben. Folglich kann der Verweis auf § 23 Abs. 3 StGB für die Verabredung – wenn überhaupt – nur so ausgelegt werden, dass er sich nur auf die Untauglichkeit des späteren Delikts bezieht. Im Unterschied zu der Verabredung ist das strafbare Verhalten bei der versuchten Anstiftung aber ohnehin als Versuch ausgestaltet. Die Strafbarkeit bezieht sich also schon aufgrund des Wortlautes auf den Versuch eines Verhaltens, nämlich des Bestimmens i. S. des § 26 StGB. Wenn es sich bei dem strafbaren Verhalten um einen Versuch handelt, erscheint es nach der Gesetzessystematik konsequent, auch bei dessen Untauglichkeit die Strafbarkeit anzunehmen. Es ist also davon auszugehen, dass sich der Verweis auf § 23 Abs. 3 StGB im Rahmen des § 30 Abs. 1 StGB auch auf dieses Versuchsverhalten selbst bezieht. Des Weiteren kann für diese Auslegung angeführt werden, dass bei der versuchten Anstiftung kein Bestimmungserfolg erforderlich ist. Wenn ein strafbarer Anstiftungsversuch schon bejaht werden muss, wenn der Anstifter sich seiner Erklärung entledigt hat – unabhängig davon, ob sie jemals bei dem Adressaten ankommt oder nicht –, muss dieselbe Bewertung auch dann gelten, wenn die Erklärung den Adressaten zwar erreicht, dieser aber schon vorher zu der Tat entschlossen war. Insofern besteht hinsichtlich der Gefährlichkeit des Anstifterverhaltens kein relevanter Unterschied, da es in keinem Fall eine nennenswerte Gefahr für das Rechtsgut begründet – entweder weil die Erklärung den Adressaten nie erreicht oder weil der Adressat die Tat auch ohne sie begangen hätte. Wie bereits erläutert, lässt die geltende Gesetzesfassung aber hinsichtlich des Bestimmungserfolges keine restriktivere Auslegung zu, so dass konsequenterweise in beiden Konstellationen die Strafbarkeit bejaht werden muss.409 4. Die Erscheinungsformen der versuchten Anstiftung Die Ursachen dafür, dass die Haupttat nicht in das Versuchsstadium gelangt, können unterschiedlicher Art sein. Demzufolge werden verschiedene Formen der 409
Die Frage der Strafwürdigkeit wird im 5. Teil der Arbeit erörtert (5. Teil, B. I.).
C. Die weiteren Varianten des § 30 StGB
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versuchten Anstiftung unterschieden, bei denen die Intensität der Einwirkung des Teilnehmers auf den vermeintlichen Haupttäter variiert. Im Folgenden sollen diese unterschiedlichen Erscheinungsformen kurz dargestellt werden – immer auf der Basis der gerade hergeleiteten Auslegung, nach der für den Bestimmungsversuch zumindest erforderlich ist, dass sich der Anstifter der Erklärung entledigt. Dabei beschränkt sich die Darstellung auf drei unterschiedliche Formen.410 1. Die misslungene Anstiftung: Von einer misslungenen Anstiftung wird gesprochen, wenn es dem Anstifter nicht gelingt, bei dem Adressaten seiner Bestimmungshandlung den Tatentschluss hervorzurufen411 – beispielsweise weil dieser das Begehren des Anstifters sofort zurückweist. 2. Die erfolglose Anstiftung: Bei der erfolglosen Anstiftung kommt es zwar insofern zu einem Erfolg, als der Haupttäter sich zunächst zu der Tat entschließt – die Anstiftung bleibt dennoch im Ergebnis erfolglos, weil das Delikt aus anderen Gründen nicht in das Versuchsstadium eintritt.412 Als typischer Fall kann derjenige angeführt werden, in dem der Haupttäter zwar den Tatentschluss fasst, ihn aber wieder aufgibt, bevor er zu der Ausführung der Tat unmittelbar ansetzt.413 3. Die untaugliche Anstiftung: Unter einer untauglichen Anstiftung wird der Fall verstanden, dass der Haupttäter schon von sich aus zu der Tat entschlossen ist, es sich also um einen omnimodo facturus handelt.414 In diesem Fall kann das Bestimmen durch den vermeintlichen Anstifter nicht mehr erfolgreich sein. Diese Fallkonstellation wird teilweise auch zu den Fällen der misslungenen Anstiftung gezählt, da es auch hier an der Hervorbringung des Tatentschlusses durch den Anstifter fehlt.415
II. Das Sich-bereit-Erklären Bei der ersten Begehungsalternative des § 30 Abs. 2 StGB handelt es sich um das Sich-bereit-Erklären, ein Verbrechen zu begehen oder zu ihm anzustiften. Auch hier kommt sowohl ein Erbieten zur täterschaftlichen Begehung als auch zur Anstiftung eines Dritten in Betracht. Innerhalb der Modalität des Sich-bereit-Erklärens können zwei Untervarianten, nämlich das Sich-Erbieten und die Annahme einer Aufforderung, unterschieden werden.416 Die erste Variante ist dadurch gekennzeichnet, dass 410
Teilweise wird eine noch weitere Aufgliederung befürwortet, vgl. Letzgus, S. 24 ff. LKSchünemann, 12. Aufl., § 30, Rn 13. Eine Übersicht findet sich auch bei Thalheimer, S. 24. 411 Desseker, JA 2005, 549, 551; Geppert, Jura 1997, 546, 547; LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30, Rn 13. 412 Desseker, JA 2005, 549, 551; Geppert, Jura 1997, 546, 547. 413 LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30, Rn 13. 414 Desseker, JA 2005, 549, 551; LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30, Rn 13. 415 So NK-Zaczyk, § 30, Rn 11. 416 SK-Hoyer, § 30, Rn 37; Schröder, JuS 1967, 290, 291; NK-Zaczyk, § 30, Rn 33; Thalheimer, S. 71 f; LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30, Rn 86.
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3. Teil: Der geltende § 30 StGB und seine Auslegung
der Täter die Initiative ergreift, während er bei der Annahme einer Aufforderung nur auf das Tätigwerden eines anderen reagiert.417 Letzgus nimmt noch eine weitere Unterscheidung innerhalb der Untervariante des Sich-Erbietens vor, indem er zwischen einem echten und einem unechten Sich-Erbieten differenziert.418 Ein echtes Sich-Erbieten ist danach gegeben, wenn der Sich-Erbietende noch nicht zu der Begehung der Tat entschlossen ist, sondern die endgültige Entscheidung an eine Bedingung knüpft – und zwar an die Zustimmung des Erklärungsempfängers zur Begehung des Verbrechens. Als Adressat der Erklärung kommt folglich nur eine Person in Betracht, von der der Täter die Billigung seines Vorhabens oder ein eigenes Interesse an der Ausführung des Verbrechens erwartet.419 Unter einem unechten SichErbieten versteht Letzgus den Fall, in dem ein zur Tat fest entschlossener Täter einem anderen die Begehung anbietet, ohne die Ausführung von dessen Zustimmung abhängig zu machen.420 Es handelt sich folglich um einen omnimodo facturus, der seine Pläne lediglich zur Kenntnisnahme oder zum Zwecke der Bekräftigung gegenüber jedermann offen legen könnte. Dieses unechte Sich-Erbieten kann richtigerweise nicht strafbar sein. Auch für die Variante des Sich-bereit-Erklärens besteht aufgrund ihres Ausnahmecharakters die Notwendigkeit einer restriktiven Auslegung.421 Der Strafgrund dieser Variante soll in der gesteigerten Gefährlichkeit des Verhaltens liegen, die auf der zwischen dem Sich-bereit-Erklärenden und dem Adressaten entstehenden Willensbindung basiere.422 Selbst wenn dieser Strafgrund als tragfähig angesehen werden sollte – was noch zu untersuchen sein wird423 –, kann das unechte Sich-Erbieten nicht als strafbar erachtet werden. Es fehlt in dieser Konstellation gerade an der vorausgesetzten Willensbindung zwischen dem Anbietenden und dem Annehmenden, da eine solche Bindung mit der Kundgabe des Vorhabens weder bezweckt noch tatsächlich eingegangen wird.424 Der Sich-Erbietende ist ohnehin schon zu der Ausführung der Tat entschlossen, so dass nicht ersichtlich ist, warum allein durch die Äußerung dieses Vorhabens eine noch stärkere Bindung seinerseits an das Vorhaben eintreten sollte. Fehlt es aber an der erhöhten Willensbindung, ist das Sich-Erbieten für das anvisierte Rechtsgutsobjekt auch nicht gefährlicher als die straflose Vorbereitung eines Einzeltäters.425
417
So auch NK-Zaczyk, § 30, Rn 33. Letzgus, S. 88 ff. 419 Letzgus, S. 88. 420 Letzgus, S. 89. 421 s. schon für die versuchte Anstiftung oben 3. Teil, C. I. 2. a). 422 SK-Hoyer, § 30, Rn 37; Thalheimer, S. 73 ff; LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30, Rn 11; Roxin, JA 1979, 169, 171. 423 s. u. 5. Teil, B. III. 424 LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30, Rn 90. 425 Letzgus, S. 90. So auch LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30, Rn 90; Desseker JA 2005, 549, 552; NK-Zaczyk, § 30, Rn 33; a.A.: Jakobs, AT, S. 770; MK-Joecks, § 30, Rn 41, die auch in einer solchen Erklärung eine faktische Bindung des Erklärenden sehen wollen. 418
C. Die weiteren Varianten des § 30 StGB
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1. Die Ernsthaftigkeit der Erklärungen Auch bei den Varianten des Sich-bereit-Erklärens stellt sich die Frage, wie sich ein geheimer Vorbehalt des Täters auf die Strafbarkeit auswirkt. Beide Modalitäten beruhen, wie bereits angedeutet, auf dem Gedanken, dass der Erklärende durch das Erbieten oder die Annahme der Aufforderung gegenüber dem Adressaten die Verpflichtung eingeht, das Verbrechen tatsächlich zu begehen. Mit der daraus resultierenden Gefährlichkeit der Verhaltensweisen wird gemeinhin die Strafwürdigkeit derselben begründet.426 Ausgehend von der nicht unbestrittenen Prämisse, dass darin tatsächlich ein tauglicher Strafgrund liegt427, ist es folgerichtig, die Ernsthaftigkeit der Erklärung zu fordern – dabei wird überwiegend davon ausgegangen, dass Vorsatz i. S. des dolus eventualis ausreicht.428 Streng genommen muss hier zwischen dem Vorsatz und dem Vorhaben des Täters unterschieden werden. Die subjektive Seite der Variante des Sich-bereit-Erklärens erfasst nämlich genau genommen zwei unterschiedliche Vorstellungen: Zum einen muss der Täter das Delikt als sein Vorhaben ansehen. Er muss die geplante Tat als zukünftige Handlung in Betracht ziehen, also einen entsprechenden Handlungsentschluss haben. Zum anderen muss der Erklärende aber auch den Vorsatz haben, dass das geplante Delikt durchführbar ist. Hinsichtlich dieser Vorstellung reicht dolus eventualis aus: Der Täter muss es für möglich halten, dass das Delikt vollendet werden kann. Dies ergibt sich aus der Überlegung, dass schon bei der Ausführung eines Delikts selbst grundsätzlich nur dolus eventualis erforderlich ist. Für das bloße Sich-bereit-Erklären zu einem solchen Delikt kann in Bezug auf die Durchführbarkeit der Tat kein stärkerer Vorsatz verlangt werden.429 Für ein strafbares Sich-bereit-Erklären ist somit auf subjektiver Seite zum einen der Handlungsentschluss und zum anderen der Vorsatz in Form des dolus eventualis hinsichtlich der Durchführbarkeit der späteren Tat erforderlich. Hingegen liegt kein strafbares Verhalten vor, wenn der Sich-Erbietende bzw. derjenige, der eine Aufforderung annimmt, diese Erklärung nur zum Schein abgibt. Darunter ist die Konstellation zu verstehen, dass der Täter das Delikt nicht als sein Vorhaben in Betracht zieht – es fehlt also an dem Handlungsentschluss hinsichtlich des Vorhabens. Der Täter hält in diesen Fällen die Begehung der Tat nicht als seine zukünftige Handlung für möglich – er erweckt nur einen darauf gerichteten Schein. In dieser Konstellation fehlt es an dem üblicherweise angeführten Strafgrund: Denn Kennzeichen beider Untervarianten des Sich-bereit-Erklärens ist, dass die Kontrolle über das weitere
426
SK-Hoyer, § 30, Rn 37; MK-Joecks, § 30, Rn 40; BT-Drucksache IV/650, S. 154; Thalheimer, S. 75 f; Schröder, JuS1967, 289, 291. 427 Kritisch zumindest hinsichtlich der Variante des Sich-bereit-Erklärens: NK-Zaczyk, § 30, Rn 34; LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30, Rn 12; s. u. 5. Teil, B. III. 428 Thalheimer, S. 79; Fischer, § 30, Rn 10; MK-Joecks, § 30, Rn 42; Schönke/Schröder/ Heine, § 30, Rn 27. 429 Diese Wertung entspricht auch der Versuchsstrafbarkeit, bei der der Täter auch Vollendungsvorsatz haben muss. Auch dabei reicht aber grundsätzlich dolus eventualis aus – der Täter muss also nur für möglich halten, dass die Tat vollendet wird.
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3. Teil: Der geltende § 30 StGB und seine Auslegung
Geschehen bei demjenigen verbleibt, der die Erklärung abgibt.430 Sowohl derjenige, der sich erbietet, ein Verbrechen zu begehen, als auch derjenige, der die gleich gerichtete Aufforderung eines anderen annimmt, hat die Gewalt darüber, ob die Tat tatsächlich ausgeführt wird. Er selbst soll die Tat später begehen. Wenn der Strafgrund nun in der erhöhten Willensbindung und der daraus resultierenden gesteigerten Gefährlichkeit des Verhaltens gesehen wird, gilt Folgendes: Eine solche Willensbindung und die dadurch erhöhte Gefährlichkeit können, wenn überhaupt, nur eintreten, wenn der Erklärende gewillt ist, der Erklärung Taten folgen zu lassen. Folglich muss für beide Untervarianten gefordert werden, dass der Sich-Erbietende bzw. der Annehmende diese Erklärung ernst meint, also die Tat als zukünftiges Verhalten in Betracht zieht.431 Bei der Untervariante der Annahme einer Aufforderung stellt sich noch die Frage, ob die Aufforderung selbst ernst gemeint sein muss. Für die Strafbarkeit des Auffordernden gilt, dass es sich bei der Aufforderung um eine versuchte Anstiftung i. S. des § 30 Abs. 1 StGB handelt.432 Daraus folgt, dass der Anstifter, also hier der Auffordernde, es für möglich halten muss, dass er den Adressaten mit der Erklärung zu der späteren Tatbegehung motiviert.433 Für die Strafbarkeit des Annehmenden hingegen ist es ohne Belang, ob derjenige, der ihn auffordert, seine Erklärung tatsächlich ernst meint oder nicht. Für seine Strafbarkeit kommt es allein darauf an, dass objektiv eine Aufforderung vorliegt. Kaum diskutiert wird hingegen die Frage, ob es für die Strafbarkeit des Annehmenden zumindest erforderlich ist, dass er von der Ernsthaftigkeit der Aufforderung ausgeht. Gemeint ist folgende Fallkonstellation: A fordert den B scherzhaft auf, ein Verbrechen zu begehen. B erkennt zwar, dass A die Erklärung nur zum Schein abgibt, er selbst findet die Idee aber gut und nimmt deshalb die Aufforderung an. Fraglich ist, ob B sich dadurch wegen Annahme einer Aufforderung strafbar gemacht hat. Dies ist zu verneinen. Stattdessen muss gefordert werden, dass der Annehmende – also hier B – von der Ernsthaftigkeit der Aufforderung ausgeht. Auch diese Bewertung ergibt sich aus dem üblicherweise angeführten Strafgrund: Erkennt der Annehmende, dass die Aufforderung nicht ernst gemeint ist, kann nicht angenommen werden, dass er sich gleichwohl von einer solchen scherzhaften Aufforderung stärker an seine Annahme gebunden fühlt, als wenn er gar nicht aufgefordert worden wäre und sich von selbst, also in strafloser Weise, zu der Tat entschlossen hätte. Es fehlt in dieser Konstellation an der erforderlichen Willensbindung und damit der gesteigerten Gefährlichkeit, so dass sie straflos bleiben muss. Bei der Variante des Sich-Erbietens hingegen ist nicht erforderlich, dass der Erbietende davon ausgeht, dass der Empfänger seine Erklärung ernst meint. Das ergibt 430
So auch Thalheimer, S. 78. So auch BGHSt 6, 347; LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30, Rn 87, 92; RGSt 63, 197, 199; SK-Hoyer, § 30, Rn 38; NK-Zaczyk, § 30, Rn 37, 40. 432 LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30, Rn 87. 433 s. o. 3. Teil, C. I. 1. 431
C. Die weiteren Varianten des § 30 StGB
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sich schon daraus, dass es für die Strafbarkeit des Sich-Erbietens gar nicht erforderlich ist, dass der Empfänger dieses annimmt. Folglich kann es nicht auf die Frage ankommen, ob die Annahme ernst gemeint war oder nicht bzw. wie der Erbietende sie verstanden hat. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Erklärende in allen Fällen des Sichbereit-Erklärens sowohl den Handlungsentschluss als auch den Vorsatz haben muss, dass die Tat durchführbar ist. Bei der Untervariante der Annahme einer Aufforderung muss noch hinzukommen, dass er davon ausgeht, dass die Aufforderung selbst ernst gemeint ist. 2. Das Zugangserfordernis Des Weiteren stellt sich bei der Auslegung der Varianten des Sich-bereit-Erklärens die Frage, ob die jeweilige Erklärung dem Adressaten zugegangen sein muss. Auch dazu werden unterschiedliche Ansätze vertreten. Die engste Auffassung verlangt einen mit § 130 BGB vergleichbaren Zugang der Erklärung. Danach muss diese so in den Machtbereich des Empfängers gelangt sein, dass er von ihr Kenntnis erlangen kann.434 Diese Ansicht beruft sich vor allem auf den üblicherweise angeführten Strafgrund des Sich-bereit-Erklärens. Eine Willensbindung, die dem Erklärenden die Aufgabe des Vorhabens erschwere, und daraus folgend eine erhöhte Gefährlichkeit könnten erst entstehen, wenn der Erklärungsempfänger zumindest Kenntnis von dem Angebot bzw. der Annahme erlangt habe.435 Eine extensivere Auslegung begnügt sich mit der bloßen Erklärung des Angebots bzw. der Zusage. Der Zugang beim Erklärungsempfänger sei nicht erforderlich.436 Dafür spricht die Parallele zu der versuchten Anstiftung, da die Untervariante des Sich-Erbietens einen Spezialfall derselben darstellt. Es handelt sich um eine verkürzte Kettenanstiftung, bei der der Erbietende zum Erstanstifter und der Annehmende zum Zweitanstifter wird. Der Unterschied zu einer gewöhnlichen Kettenanstiftung liegt darin, dass im Fall des Sich-Erbietens der Erstanstifter gleichzeitig der spätere Haupttäter sein soll. Folglich sind anders als bei der gewöhnlichen Kettenanstiftung nur zwei anstelle von drei Personen beteiligt. Bei der versuchten Anstiftung reicht es aus, wenn der Anstifter sich seiner Erklärung entäußert hat, der Zugang der Erklärung ist folglich entbehrlich.437 Insofern könnte auch bei der Untervariante des Sich-Erbietens und somit auch bei der gesamten Variante des Sich-bereit-Erklärens auf den Zugang der Erklärung verzichtet werden. Gerade der Unterschied 434 SK-Hoyer, § 30, Rn 39 f; NK-Zaczyk, § 30, Rn 38; Jescheck/Weigend, S. 705; MKJoecks, § 30, Rn 44; OLG Celle, MDR 1991, 174 f. Noch enger ist die Auslegung von Letzgus, S. 175 f. Er verlangt für die Untervariante des Sich-Erbietens auch noch die Annahme des Erbietens durch den Empfänger. Demnach wäre nur ein erfolgreiches Sich-Erbieten strafbar. 435 MK-Joecks, § 30, Rn 44. Zaczyk begründet das Zugangserfordernis damit, dass anderenfalls nur der Versuch eines Sich-bereit-Erklärens erfasst würde (NK-Zaczyk, § 30, Rn 38). 436 Schönke/Schröder/Heine, § 30, Rn 23; Fischer, § 30, Rn 10. 437 s. o. 3. Teil, C. I. 3.
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3. Teil: Der geltende § 30 StGB und seine Auslegung
zwischen der herkömmlichen Kettenanstiftung und dem Sich-Erbieten muss aber zu einer anderen Bewertung führen. Bei ersterer ist der Zugang entbehrlich, weil der Anstifter durch die Abgabe der Erklärung bereits alles Erforderliche getan und somit den Geschehensablauf vollkommen aus der Hand gegeben hat.438 Derjenige hingegen, der sich selbst erbietet, das Verbrechen zu begehen, besitzt noch die vollständige Kontrolle über das Geschehen. So wird als Strafgrund im Fall des Sich-Erbietens auch nicht der Kontrollverlust, der üblicherweise angeführte Strafgrund der versuchten Anstiftung439, sondern die Willensbindung und die damit verbundene erhöhte Gefährlichkeit angeführt. Wenn aber der Strafgrund des Sich-Erbietens in der gesteigerten Bindung des Erklärenden an sein Angebot liegt, kann die Parallele zur versuchten Anstiftung hinsichtlich der Zugangsproblematik nicht ohne weiteres gezogen werden. Allein durch die Abgabe der Erklärung kann eine erhöhte Willensbindung nicht angenommen werden – vielmehr bedarf es dafür zumindest der Vorstellung des Erklärenden, dass der Empfänger von dieser Erklärung Kenntnis erlangt. Nur wenn er davon ausgeht, dass der Empfänger die Erklärung kennt, kann eine erhöhte Bindung an diese Erklärung eintreten. Nach einer von Teilen des Schrifttums befürworteten Differenzierung ist der Zugang nur im Fall des Sich-Erbietens, nicht aber bei der Annahme einer Aufforderung erforderlich.440 Die Unterscheidung basiert auf dem ungleichen Grad der eingetretenen Bindung. Bei der Annahme einer Aufforderung reagiere der Erklärende nur auf die vorhergehende Aufforderung, also die Anstiftung eines anderen. Für die Beantwortung der Frage, ob dadurch eine erhöhte Gefährlichkeit des Verhaltens entstehe, könne es keinen Unterschied machen, ob der Erklärende die Aufforderung nur annehme oder ob die Annahmeerklärung dem Auffordernden auch zugehe.441 Die erforderliche Bindung entstehe allein durch die Bereitschaft des Annehmenden, also in dem Moment, in dem er die Annahme erkläre.442 Die Annahme einer Aufforderung sei folglich schon erhöht gefährlich, da der Begehungswille des Annehmenden nun entstanden sei und der etwaige Zugang seiner Annahmeerklärung bei dem Empfänger darauf keinen Einfluss mehr habe.443 In der Konstellation des Sich-Erbietens hingegen sei die Situation eine andere. In diesem Fall mache der Erbietende die Begehung von der Zustimmung des anderen abhängig. Das bedeute, dass die Bindung frühestens dann bejaht werden könnte, wenn das Angebot dem Adressaten zugegangen ist.444 Bei dieser Differenzierung drängt sich allerdings die Frage auf, warum bereits die Annahme der Aufforderung ohne Kenntnis des Erstanstifters zu einer erhöhten Bindung führen soll. Eine Willensbindung, die geeignet sein soll, den 438 439 440
S. 81. 441 442 443 444
Thalheimer, S. 81; Schönke/Schröder/Heine, § 30, Rn 19 m.w.N. s. o. 3. Teil, C. I. LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30, Rn 88; Schröder, JuS 1967, 289, 291; Thalheimer, Thalheimer, S. 81; LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30, Rn 88. Thalheimer, S. 81. LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30, Rn 92. LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30, Rn 92.
C. Die weiteren Varianten des § 30 StGB
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Annehmenden von der Aufgabe des Vorhabens abzuhalten, kann erst bejaht werden, wenn der Annehmende davon ausgeht, dass sein Gegenüber Kenntnis von der Annahme hat.445 Nur wenn er sich vorstellt, dass der Auffordernde von seiner Zusage weiß, kann er diesem gegenüber verstärkte Hemmungen verspüren, den Plan wieder aufzugeben. Hat er aber die Annahme nur vor sich hin erklärt und nicht damit gerechnet, dass der andere von ihr Kenntnis erlangt, müsste er sich im Falle der Aufgabe des Plans auch nur vor sich selbst rechtfertigen. Er wäre also nicht stärker an die Zusage gebunden – und würde sich auch nicht stärker an sie gebunden fühlen –, als wenn er den Entschluss zur Tatausführung allein gefasst hätte. Aus den vorstehenden Überlegungen ergibt sich folgende Schlussfolgerung: Es kann für ein strafbares Sich-bereit-Erklären auf Grundlage des üblicherweise angeführten Strafgrundes nicht ausreichen, wenn allein auf die Abgabe der Erklärung abgestellt wird. Eine erhöhte Willensbindung setzt immer eine irgendwie geartete Verbindung zu dem Adressaten voraus, welche nicht allein durch die Entäußerung der Erklärung hergestellt werden kann. Andererseits vermag auch die Forderung nach dem objektiven Zugang der Erklärung im Sinne des § 130 BGB nicht zu überzeugen. Diese Wertung ergibt sich, wenn diese Auslegung im Hinblick auf den üblicherweise angeführten Strafgrund der erhöhten Willensbindung überprüft wird. Dabei stellt sich zunächst die Frage, ob der Strafgrund subjektiv oder objektiv verstanden wird: Muss für die Legitimierung der Strafbarkeit objektiv eine erhöhte Willensbindung vorliegen oder reicht es aus, wenn der Erklärende subjektiv davon ausgeht, dass er sich stärker an seine Erklärung gebunden hat? Letzteres ist wie folgt denkbar: Der SichErbietende geht bei der Abgabe seiner Erklärung fest davon aus, dass sie den Adressaten erreichen wird und dieser sie auch annimmt. Aufgrund dieser Vorstellung fühlt er sich dem Adressaten gegenüber verpflichtet und wird so daran gehindert, das Vorhaben wieder aufzugeben – und zwar auch dann, wenn der Empfänger die Erklärung tatsächlich gar nicht bekommen hat und sie deshalb auch nicht annehmen konnte. Unabhängig davon, welches Verständnis dem Strafgrund zugrunde gelegt wird, kann aber die Forderung nach einem objektiven Zugang vergleichbar mit § 130 BGB nicht überzeugen: Versteht man den Strafgrund objektiv, ist ein solcher Zugang nicht hinreichend, versteht man ihn hingegen subjektiv, ist er nicht erforderlich. Wird nämlich eine objektive, also tatsächlich eingetretene, Willensbindung verlangt, muss konsequenterweise nicht nur der Zugang, sondern je nach der Variante des Sich-Bereit-Erklärens zumindest die tatsächliche Kenntnisnahme oder sogar die Annahme der Erklärung seitens des Empfängers gefordert werden. Für die Variante des Sich-Erbietens gilt demnach Folgendes: Eine erhöhte Willensbindung kann objektiv nur entstehen, wenn der Empfänger die Erklärung auch angenommen hat und somit die Verpflichtung zur Ausführung der Tat entstanden ist. Vor diesem Zeitpunkt besteht noch keine engere Verbindung zwischen den Beteiligten. Denn der Zugang im Sinne des § 130 BGB setzt ja nur die Möglichkeit der Kenntnisnahme der Erklärung durch den Empfänger voraus. Wenn der Empfänger die Erklärung tatsächlich aber nie 445
So auch SK-Hoyer, § 30, Rn 40; MK-Joecks, § 30, Rn 44.
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3. Teil: Der geltende § 30 StGB und seine Auslegung
zur Kenntnis nimmt, kann objektiv auch keine erhöhte Bindung des Erklärenden gegenüber diesem Empfänger, der von der Erklärung gar nichts weiß, entstehen. Die Situation ist dann objektiv keine andere als diejenige, in der ein Einzeltäter sein Vorhaben, ein Verbrechen zu begehen, laut ausspricht und diese Äußerung möglicherweise von einem Umstehenden zur Kenntnis genommen wird. Dabei wird richtigerweise auch nicht davon ausgegangen, dass sich der Täter dadurch stärker an seine Erklärung gebunden hat. Für die Annahme, dass die bloße Möglichkeit der Kenntnisnahme durch den Adressaten nicht ausreichen kann, um eine erhöhte Willensbindung zu bejahen, spricht auch der Rückgriff auf die Unterscheidung zwischen einem echtem und einem unechten Sich-Erbieten. Denn strafbar ist nur ein echtes Sich-Erbieten, bei dem der Erklärende die Tatausführung von der Zustimmung des Adressaten abhängig macht. Wenn er hingegen schon von sich aus zu der Tat entschlossen ist, handelt es sich nur um ein unechtes Sich-Erbieten, das straflos ist.446 Diese unterschiedliche Bewertung basiert auch auf dem Strafgrund der Willensbindung. Geht man also davon aus, dass eine solche nur entstehen kann, wenn der Erklärende die Tatausführung von der Zustimmung des Empfängers abhängig macht, gilt Folgendes: Eine objektiv eingetretene Willensbindung kann auch erst in dem Moment bejaht werden, in dem der Empfänger die Erklärung angenommen hat. Denn erst, wenn diese Voraussetzung erfüllt ist, ist der Sich-Erbietende überhaupt bereit, die Tat zu begehen. Die Annahme ist also sogar Voraussetzung dafür, dass der zunächst bedingte Tatentschluss des Erklärenden zu einem Unbedingten erstarkt – dann muss sie erst recht verlangt werden, um von einer objektiv eingetretenen, erhöhten Willensbindung des Sich-Erbietenden an seine Erklärung ausgehen zu können. Somit kann eine objektiv bestehende erhöhte Willensbindung, wenn überhaupt447, nur dann angenommen werden, wenn der Empfänger die Erklärung auch angenommen hat. Für die Variante des Sich-Erbietens muss bei einem objektiv verstandenen Strafgrund konsequenterweise nicht nur der Zugang, sondern die Annahme der Erklärung durch den Empfänger verlangt werden. Demnach wäre also nur ein erfolgreiches SichErbieten strafbar.448 Für die Variante der Annahme einer Aufforderung gilt Folgendes: Eine objektiv erhöhte Willensbindung setzt auch hier nicht nur den Zugang der Erklärung im Sinne des § 130 BGB voraus. Zwar ist bei dieser Variante nicht die Annahme der Erklärung erforderlich, da der Annehmende ja schon weiß, dass der Auffordernde mit der Tatbegehung einverstanden ist – die Initiative zur Tat ging ja von diesem aus. Für eine erhöhte Willensbindung ist aber objektiv erforderlich, dass der Empfänger der Annahmeerklärung, also der Auffordernde, tatsächlich Kenntnis von der Annahmeerklärung erlangt. Weiß dieser nämlich nicht, dass der Annehmende die Aufforderung angenommen hat, ist der Annehmende auch nicht verstärkt an seine Annahmeerklärung und damit an das Vorhaben gebunden. Denn auch hier gilt, dass sich die 446
s. o. 3. Teil, C. II. Es ist überhaupt fraglich, ob dadurch eine erhöhte Willensbindung entstehen kann – diese Frage wird im 5. Teil der Arbeit näher untersucht (5. Teil, B. III.). 448 So auch Letzgus, S. 175 f. 447
C. Die weiteren Varianten des § 30 StGB
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Situation, wenn die Annahmeerklärung den Auffordernden nicht erreicht, objektiv nicht anders darstellt, als wenn ein Einzeltäter sein Vorhaben öffentlich erklärt. Eine Willensbindung gegenüber dem Auffordernden kann also nur angenommen werden, wenn er Kenntnis von der Annahme hat. Folglich muss bei einem objektiven Verständnis des Strafgrundes für die Variante der Annahme einer Aufforderung die tatsächliche Kenntnisnahme der Annahmeerklärung durch den Empfänger verlangt werden. Dieses objektive Verständnis des Strafgrundes würde also für beide Varianten eine begrüßenswerte Restriktion der Strafbarkeit bedeuten. Betrachtet man die erhöhte Willensbindung hingegen rein subjektiv, ist der Zugang der Erklärung im Sinne des § 130 BGB nicht erforderlich. Kommt es nämlich allein auf die Vorstellung des Erklärenden an, ist es ohne Belang, ob die Erklärung dem Adressaten tatsächlich zugegangen oder ob sie auf dem Weg dorthin verloren gegangen ist. Stattdessen kommt es auf die Vorstellung des Erklärenden von den jeweils erforderlichen objektiven Umständen an. Auch hier muss hinsichtlich der einzelnen Voraussetzungen an den Vorsatz (dolus eventualis), parallel zu den Ausführungen zu dem objektiven Verständnis des Strafgrundes, unterschieden werden: Bei der Variante des Sich-Erbietens muss sich der Erklärende somit die Umstände vorstellen, die eine tatsächliche Annahme der Erklärung durch den Empfänger bedeuten würden. Er muss es für möglich halten, dass die Erklärung den Adressaten erreicht und dieser sie annimmt. Nur wenn er bei der Abgabe der Erklärung von diesen Umständen ausgeht, kann er sich – möglicherweise – verstärkt an sein Angebot gebunden fühlen. Wenn er sich hingegen sicher ist, dass der Empfänger die Erklärung zwar lesen, aber entrüstet ablehnen wird, dann fühlt er sich auch nicht in erhöhtem Maße an diese Erklärung gebunden. Bei der Variante der Annahme einer Aufforderung reicht es hingegen aus, wenn der Annehmende die Vorstellung hat, dass seine Erklärung den Auffordernden tatsächlich erreichen und dieser davon Kenntnis erlangen wird. Da ganz überwiegend für das strafbare Sich-Bereit-Erklären keine Annahme durch den Adressaten verlangt wird, liegt der Schluss nahe, dass der Strafgrund der erhöhten Willensbindung ganz überwiegend nicht objektiv, sondern subjektiv verstanden wird. Dies entspricht auch dem Verständnis des Strafgrundes bei der versuchten Anstiftung.449 Davon ausgehend muss, wie soeben festgestellt, konsequenterweise die Vorstellung des Erklärenden maßgeblich sein. Dabei sei noch einmal darauf hingewiesen, dass bislang nur festgestellt wurde, wie die Variante des SichBereit-Erklärens auf Grundlage des üblicherweise angeführten Strafgrundes ausgelegt werden müsste. Die entscheidende Frage ist aber, ob der Strafgrund der erhöhten Willensbindung überhaupt besteht und, bejahendenfalls, ob er geeignet ist, die Bestrafung zu rechtfertigen. Insofern muss auch hier schon angemerkt werden, dass das subjektive Verständnis des Strafgrundes sehr bedenklich erscheint.450 449 450
s. o. 3. Teil, C. I. s. u. 5. Teil, B. III.
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3. Teil: Der geltende § 30 StGB und seine Auslegung
III. Die Annahme des Erbietens Schließlich bestraft § 30 Abs. 2 StGB die Annahme des Erbietens eines anderen, ein Verbrechen zu begehen oder zu ihm anzustiften. Diese Variante unterscheidet sich von der Annahme der Aufforderung im Rahmen des Sich-bereit-Erklärens dadurch, dass der Annehmende hier nicht der spätere Haupttäter der Tat werden soll. Stattdessen fordert er durch die Annahme den Erbietenden dazu auf, die Tat zu begehen bzw. einen Dritten dazu anzustiften. 1. Systematische Einordnung Die Annahme des Erbietens setzt das Erbieten eines anderen voraus. Aufgrund des Gesamtzusammenhangs der Varianten des § 30 Abs. 2 StGB liegt es nahe, zur Auslegung dieses Begriffes grundsätzlich auf das Erbieten i. S. der Untervariante des Sich-bereit-Erklärens zurückzugreifen. Die Annahme des Erbietens kann als entsprechendes Gegenstück des Sich-Erbietens i. S. des § 30 Abs. 2, Alt. 1 StGB angesehen werden.451 Fraglich ist allerdings, ob im Rahmen der Annahme des Erbietens wie auch im Rahmen des § 30 Abs. 2, Alt. 1 StGB ein strafbares, also echtes, SichErbieten vorliegen muss oder ob auch ein unechtes Sich-Erbieten ausreicht. Unmittelbar mit dieser Frage verbunden ist die systematische Einordnung, ob es sich bei der Variante der Annahme des Erbietens um eine modifizierte versuchte Anstiftung oder um eine Pönalisierung psychischer Beihilfehandlungen handelt. a) Einordnung als modifizierter Anstiftungsversuch Verlangt man für die Annahme des Erbietens i. S. des § 30 Abs. 2, Alt. 2 StGB das Vorliegen eines echten Sich-Erbietens, ergeben sich folgende Konsequenzen: Der Sich-Erbietende ist demnach noch nicht zu der Tat entschlossen, sondern sein Tatentschluss steht noch unter der Bedingung der Annahme durch den Adressaten. Folglich stellt sich die Annahme des Erbietens als modifizierte Anstiftung dar, da der Annehmende durch seine Erklärung den Tatentschluss des Sich-Erbietenden erst endgültig hervorbringt.452 Der Unterschied zu der klassischen Variante der versuchten Anstiftung liegt in der Person, von der die Initiative zu der Tat ausgeht. Während im Normalfall der versuchten Anstiftung der Anstifter die Tatbegehung anstößt, indem er den späteren Haupttäter zur Bildung eines Tatentschlusses veranlasst, geht die Aktivität hier von dem späteren Haupttäter selbst aus. Er hat die Tatbegehung schon ins Auge gefasst und der Anstifter, also der Annehmende, muss diesen vagen Plan nur 451
So auch Letzgus, S. 91, der die Variante sogar als notwendige Ergänzung zum Tatbestand des Sich-Erbietens bezeichnet. 452 Busch, S. 188; Schröder JuS 1967, 290; LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30, Rn 94; SKHoyer, § 30, Rn 45. Schönke/Schröder/Heine, § 30, Rn 22. So auch schon das Reichsgericht (RGSt 1, 338, 340). Auch der Bundesgerichtshof geht in BGHSt 10, 388 von dieser Einordnung aus.
C. Die weiteren Varianten des § 30 StGB
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noch zu einem festen Entschluss des Haupttäters steigern. In der Annahme eines unechten Sich-Erbietens, bei dem der Erbietende selbst schon fest zu der Tat entschlossen ist, liegt hingegen keine versuchte Anstiftung – vorausgesetzt, der Annehmende kennt den festen Entschluss des Erbietenden.453 Somit liegt nach diesem Verständnis auch keine strafbare Annahme des Erbietens vor.454 Das Verhalten des Annehmenden kann höchstens als versuchte psychische Beihilfe eingeordnet werden, da es geeignet ist, den Entschluss des Täters zu verstärken. Die versuchte Beihilfe ist nach dieser Ansicht aber insgesamt nicht von § 30 StGB erfasst und deshalb straflos.455 Versteht man also die Variante der Annahme des Erbietens als modifizierte Anstiftung, dient die Aufnahme der Modalität in den Gesetzestext lediglich der Klarstellung: Auch diese atypischen Fälle der versuchten Anstiftung sollen unter die Strafdrohung fallen.456 b) Einordnung als Pönalisierung psychischer Beilhilfehandlungen Wird für die Variante der Annahme des Erbietens hingegen auch ein unechtes Sich-Erbieten als ausreichend angesehen, ergibt sich eine viel extensivere Anwendung des Gesetzes: Demzufolge wäre eine Strafbarkeit nach § 30 Abs. 2, Alt. 2 StGB auch zu bejahen, wenn der Annehmende den Erbietenden in seinem ohnehin schon festen Entschluss bestärkt und auch weiß, dass der Erbietende schon entschlossen ist. Diese Auslegung führt zu einer Pönalisierung psychischer Beihilfehandlungen.457 Genau darin wird teilweise der eigenständige Regelungsgehalt der Variante der Annahme des Erbietens erblickt: Würde die Variante nur als modifizierter Anstiftungsversuch verstanden, wäre sie überflüssig.458
453 Fehlt dem Annehmenden diese Kenntnis und geht er davon aus, dass er den Tatentschluss des Erbietenden erst noch hervorruft, liegt keine Strafbarkeit wegen Annahme des Erbietens nach dieser Auslegung vor, da es an dem strafbaren Sich-Erbieten fehlt. Stattdessen würde dann aber § 30 I eingreifen. 454 NK-Zaczyk, § 30, Rn 46; Busch, S. 189; Schröder, JuS 1967, 287, 290 f; a.A.: SK-Hoyer, § 30, Rn 43, der eine Anstiftung auch gegenüber einem bereits zur Tat Entschlossenen für möglich hält. 455 Busch, S. 188; NK-Zaczyk, § 30, Rn 46. 456 Letzgus, S. 96 f; Dessecker fordert, dass diese Variante aus Gründen der Missverständlichkeit lieber aus dem Gesetz gestrichen werden solle (JA 2005, 549, 552 f). 457 Fischer, § 30, Rn 11; Blei, S. 280 f; Köhler, Michael, S. 546; Jescheck/Weigend, S. 705. 458 Köhler, Michael, S. 546; Dreher, GA 1954, 18. Blei geht sogar noch einen Schritt weiter: Nach seiner Ansicht regelt § 30 Abs. 1 StGB die Fälle der versuchten Anstiftung abschließend, so dass dem § 30 Abs. 2 Alt. 2 StGB als einziger Anwendungsbereich die Fälle der versuchten psychischen Beihilfe verbleiben (S. 280 f). So auch Jescheck/Weigend, S. 705.
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3. Teil: Der geltende § 30 StGB und seine Auslegung
c) Stellungnahme Die Theorie, die den Anwendungsbereich auf die Fälle der psychischen Beihilfe ausdehnt, begegnet allerdings diversen Bedenken. Zunächst könnte dagegen die Forderung nach einer einheitlichen Auslegung im Rahmen des § 30 Abs. 2 StGB angeführt werden. Da für die Untervariante des Sich-Erbietens im Rahmen des Sichbereit-Erklärens der gleiche Begriff verwendet wird, könnte daraus geschlossen werden, dass diese Begriffe identisch ausgelegt werden müssen. Bei § 30 Abs. 2, Alt. 1 StGB ist aber nur das echte Sich-Erbieten strafbar, so dass dann auch für die Variante der Annahme des Erbietens ein solches echtes Sich-Erbieten gefordert werden müsste. Demnach läge in den Fällen der psychischen Beihilfe schon kein taugliches Erbieten vor, das angenommen werden könnte. Anders als Roxin annimmt459, zwingt aber der Wortlaut des Gesetzes nicht zu dieser einheitlichen Auslegung, da das Gesetz selbst den Begriff des Erbietens nur einmal, nämlich in der zweiten Alternative, verwendet. Die Verwendung des Begriffes „Erbieten“ im Rahmen des § 30 Abs. 2, Alt. 1 StGB beruht indes auch nur auf einer Auslegung. Zwar kann aufgrund der Auslegung des Sich-Erbietens befürwortet werden, dass auch bei § 30 Abs. 2, Alt. 2 StGB ein echtes Sich-Erbieten gegeben sein muss – zwingend ist dies aber nicht. Fraglich ist weiterhin, ob in den Fällen, in denen der Erbietende schon selbst fest entschlossen ist und der Annehmende sich dessen bewusst ist, überhaupt noch von einer „Annahme“ des Erbietens gesprochen werden kann. Es handelt sich wohl eher nur um eine Kenntnis- oder Entgegennahme. Denn der Erbietende will die Ausführung in keiner Weise von der Antwort des Annehmenden abhängig machen. Folglich kann das Erbieten auch nicht „angenommen“ werden. Bedeutender ist aber der Verweis auf die grundsätzliche Systematik der Strafbarkeit der versuchten Teilnahme, die ebenfalls gegen die Einbeziehung der versuchten psychischen Beihilfe spricht. Das Gesetz folgt eindeutig der Entscheidung für eine Straflosigkeit der versuchten Beihilfe. Diese Beteiligungsform, die früher in § 30 StGB explizit unter Strafe gestellt war460, wurde bewusst aus dem Tatbestand und damit aus dem Bereich der Strafbarkeit herausgenommen. Insofern erscheint es grob widersprüchlich, wenn nun über die Variante der Annahme des Erbietens ausgerechnet Formen der versuchten psychischen Beihilfe von der Strafdrohung erfasst sein sollten. Die rein psychische Unterstützung ist eine weniger intensive und an sich schon sehr umstrittene Art der Beihilfe. Insofern erscheint es nicht nachvollziehbar, warum ausgerechnet diese Form strafbar sein soll, während die klassischen, intensiveren Beihilfeversuche, wie beispielsweise die erfolglose Bereitstellung von Hilfsmitteln, straflos bleiben sollen. Des Weiteren weist das Verhalten des Annehmenden in den Konstellationen der versuchten psychischen Beihilfe nur eine minimale Gefährlichkeit auf. Ein für das anvisierte Rechtsgutsobjekt gefährliches
459
LK-Roxin, 11. Aufl., § 30, Rn 94. Diese Begehungsvariante wurde durch die Strafrechtsangleichungsverordnung von 1943 eingefügt; s. o. 2. Teil, C. 460
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Verhalten besteht – wenn überhaupt461 – in dem Sich-Erbieten. Allein die Bestätigung oder „Absegnung“ dieses Vorhabens infolge der Annahme können diese Gefährlichkeit nicht nennenswert steigern. Anderenfalls müssten auch sonstige Ratschläge zu einem nie ausgeführten Verbrechen strafbar sein.462 Somit bleibt festzuhalten, dass dieser extensiven Auslegung des § 30 Abs. 2, Alt. 2 StGB nicht gefolgt werden kann. Im Ergebnis ist also der Einordnung der Annahme des Erbietens als modifizierter Anstiftungsversuch zu folgen. d) Rückgriff auf den zugrunde liegenden Strafgrund Die Einordnung der Annahme eines Erbietens als modifizierter Anstiftungsversuch führt also dazu, dass diese Variante ein objektiv bestehendes echtes Sich-Erbieten voraussetzt. Fraglich ist, ob sich dieses Erfordernis auch mit dem üblicherweise angeführten Strafgrund der Variante der Annahme eines Erbietens vereinbaren lässt. Teilweise wird der Strafgrund in der Gefahr erblickt, die dadurch entstehe, dass der Erbietende durch die Beteiligung des anderen stärker an seinen Plan gebunden werde.463 Damit wird der gleiche Strafgrund wie bei der Variante des Sich-BereitErklärens angeführt.464 Eine andere Auslegung sieht den Strafgrund – entsprechend der versuchten Anstiftung – in der Gefährlichkeit des Verhaltens, die durch die Ingangsetzung eines nicht mehr steuerbaren Kausalverlaufs begründet werde.465 Folgt man der Einordnung der Annahme eines Erbietens als modifizierter Anstiftungsversuch, muss auch der Strafgrund, der für die versuchte Anstiftung nach Abs. 1 angeführt wird, für diese Variante gelten. Somit kann der Strafgrund nur in dem Kontrollverlust des Annehmenden gesehen werden – ob dieser tragfähig ist, bedarf hingegen noch einer eingehenderen Untersuchung.466 Da der Strafgrund im Rahmen der versuchten Anstiftung subjektiv verstanden wird467, liegt es sehr nahe, auch dieser Variante ein solches Verständnis desselben zugrunde zu legen. Damit ließe sich aber das soeben aufgestellte Erfordernis eines objektiv bestehenden echten Sich-Erbietens nicht erklären. Wird der Strafgrund nämlich subjektiv verstanden, könnte es im Rahmen der Annahme eines Erbietens lediglich darauf ankommen, ob nach der Vorstellung des Annehmenden ein Kontrollverlust eintritt. Dieser müsste sich also vorstellen, dass der Erbietende die Entscheidung über die Tatbegehung von seiner Annahme abhängig macht, wobei dolus eventualis ausreichend wäre.468 Nach der Vorstellung des Annehmenden würde seine 461 462 463 464 465 466 467 468
s. u. 5. Teil, B. III. So auch Letzgus, S. 92; Busch, S. 189. Thalheimer, S. 12. s. o. 3. Teil, C. II. LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30, Rn 3. s. u. 5. Teil, B. II. s. o. 3. Teil, C. I. 1. Das verlangt auch Hoyer (SK-Hoyer, § 30, Rn 44).
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3. Teil: Der geltende § 30 StGB und seine Auslegung
Annahme dann zu dem festen Tatentschluss des Erbietenden führen. Damit wären in seiner Vorstellung die für einen Kontrollverlust erforderlichen Umstände – falls ein solcher überhaupt eintreten kann469 – gegeben. Auf Grundlage des subjektiven Verständnisses des Strafgrundes wäre es somit unerheblich, ob der Sich-Erbietende tatsächlich schon vor der Annahme zu der Tat entschlossen war. Das Erfordernis des objektiv bestehenden echten Sich-Erbietens lässt sich demnach nur mit einem objektiven Verständnis des Strafgrundes erklären. Verlangt man nämlich den objektiven Eintritt eines Kontrollverlustes, ist auch ein objektiv bestehendes echtes Sich-Erbieten erforderlich. Folglich liegt der herrschenden Auslegung im Rahmen der Variante der Annahme eines Erbietens – zumindest hinsichtlich dieser Auslegungsfrage470 – ein objektives Verständnis des Strafgrundes zugrunde. Eine Art Mittelweg zwischen diesen beiden Auslegungen stellt die Konstruktion Hoyers dar: Danach muss der Annehmende Kenntnis von der Gefährlichkeit seiner Annahme haben471 – er muss also vorsätzlich hinsichtlich der Möglichkeit gehandelt haben, dass sein Verhalten mitursächlich für die Tatausführung durch den Sich-Erbietenden wird.472 Diese Forderung entspricht der Auslegung aufgrund des subjektiv verstandenen Strafgrundes, nach der die Echtheit des Sich-Erbietens nur subjektiv nach der Vorstellung des Annehmenden beurteilt werden darf. Gleichzeitig verlangt Hoyer aber, dass der Erbietende davon ausgeht, dass der Adressat seines Angebots ein Interesse an der Tatbegehung habe. Darin liegt zwar nicht die Forderung nach einem objektiv vorliegenden echten Sich-Erbieten – denn Hoyer verlangt ja gerade nicht, dass der Erbietende tatsächlich noch nicht entschlossen ist. Stattdessen soll der Erbietende aber davon ausgehen müssen, dass der Annehmende ein Interesse an der Tatbegehung hat. Hoyer stellt damit im Vergleich zu dem objektiven Vorliegen eines echten Sich-Erbietens eine abgeschwächte, aber gleichwohl auf der Seite des Erbietenden bestehende Anforderung auf. Er begründet diese Theorie damit, dass auch ein an sich fest zur Tat Entschlossener vor der „Feuerprobe der Situation“ zurückschrecken und dann doch durch die Zusage an den Annehmenden zu der Tat getrieben werden könne.473 Eine zumindest versuchte, möglicherweise sogar erfolgreiche Anstiftung sei also auch gegenüber einem zunächst fest zur Tat Entschlossenen möglich. In diesem abgeschwächten objektiven Erfordernis – wonach der Sich-Erbietende tatsächlich von einem Interesse des Annehmenden an der Tat ausgehen muss – liegt die Inkonsequenz der Theorie Hoyers. Diese Forderung lässt sich nämlich weder mit einem subjektiven noch mit einem objektiven Verständnis des Strafgrundes erklären: Auf Grundlage eines objektiven Verständnisses des Strafgrundes müsste Hoyer mit der herrschenden Auslegung ein objektiv bestehendes echtes Sich-Erbieten verlangen – und nicht nur die Vorstellung des Erbietenden, dass der Anneh469
s. dazu 5. Teil, B. II. Es wird sich noch zeigen, dass diese Wertung nicht für alle Auslegungsfragen im Rahmen der Variante der Annahme eines Erbietens gilt; s. u. 3. Teil, B. III. 2. 471 SK-Hoyer, § 30, Rn 43. 472 SK-Hoyer, § 30, Rn 44. 473 SK-Hoyer, § 30, Rn 43. 470
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mende ein Interesse an der Tat hat. Nach einem subjektiven Verständnis des Strafgrundes käme es hingegen – wie schon erläutert – überhaupt nicht auf die Vorstellung des Erbietenden, sondern allein auf diejenige des Annehmenden an. Folglich kann der Ansatz Hoyers bei Hinzuziehung des üblicherweise angeführten Strafgrundes dieser Variante nicht überzeugen. Im Übrigen kann auch die Wertung Hoyers, die Annahme könne auch eine Bestärkung des schon entschlossenen Haupttäters in dem Moment des Zweifels darstellen, nur als Spekulation bezeichnet werden.474 Es bleibt somit fraglich, ob der herrschenden Auslegung oder derjenigen auf Grundlage des subjektiven Verständnisses des Strafgrundes zu folgen ist. Für letztere spricht, dass das subjektive Verständnis des Strafgrundes mit demjenigen im Rahmen der versuchten Anstiftung übereinstimmen würde – welches konsequenterweise aufgrund der Einordnung der Variante der Annahme eines Erbietens als modifizierter Anstiftungsversuch auch dieser Variante zugrunde gelegt werden müsste. Obwohl die herrschende Auslegung in einem Widerspruch zu dem Verständnis des Strafgrundes im Rahmen der versuchten Anstiftung steht, ist diese einer rein subjektiven Auslegung vorzuziehen: Zum einen stellt sie eine restriktivere Auslegung dar, als wenn schon die bloße Vorstellung des Annehmenden von der Echtheit des Erbietens ausreichen würde – darin wäre ja auch lediglich eine psychische Beihilfe zu sehen. Zum anderen wurde auch schon bei der Verabredung betont475, dass im Rahmen bloßer Vorbereitungsstrafbarkeit ein rein subjektives Verständnis des Strafgrundes noch kritischer zu betrachten ist, als wenn zumindest eine objektive Gefährlichkeit verlangt würde.476 Somit ist das hier zugrunde gelegte objektive Verständnis des Strafgrundes an sich zu begrüßen. Daneben spricht aber noch eine andere grundlegende Überlegung gegen die Annahme, es könne schon die Vorstellung des Annehmenden von einem echten Sich-Erbieten ausreichen. Diese Auslegung führt nämlich im Ergebnis dazu, dass nicht nur die Annahme eines Erbietens, sondern streng genommen auch schon der untaugliche Versuch derselben strafbar ist. Denn nach dem bisher Gesagten setzt die Einordnung dieser Variante als modifizierter Anstiftungsversuch ein objektiv bestehendes echtes Sich-Erbieten voraus. Stellt der Annehmende sich hingegen nur vor, dass ein solches echtes Sich-Erbieten gegeben ist, handelt es sich nur um einen von vornherein untauglichen Versuch der Annahme eines Erbietens. Insofern ist aber schon zweifelhaft, ob der Versuch der Varianten des § 30 Abs. 2 StGB überhaupt von der Strafdrohung erfasst ist. Diese Wertung hängt maßgeblich von der schon diskutierten Frage ab, ob sich der Verweis des § 30 Abs. 2 StGB durch die Worte „ebenso wird bestraft“ auch auf den Verweis des § 30 Abs. 1, S. 3 StGB und damit auf § 23 Abs. 3 StGB erstreckt. Sollte dies verneint werden, kann die Strafdrohung des § 30 Abs. 2 StGB nämlich nur auf die dort genannten Varianten selbst bezogen werden – nicht aber auch auf deren Versuch. Fast einhellig wird aber die grundsätzliche Anwendbarkeit des § 23 Abs. 3 StGB auf § 30 474 475 476
So schon NK-Zaczyk, § 30, Rn 46. s. o. 3. Teil, B. II. 4. b). s. dazu ausführlich unten 5. Teil, A.
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3. Teil: Der geltende § 30 StGB und seine Auslegung
Abs. 2 StGB infolge des Verweises bejaht.477 Umstritten ist lediglich noch, ob sich § 23 Abs. 3 StGB auch auf die Begehungsvarianten selbst oder nur auf die in Aussicht genommene Tat bezieht – ob also auch ein untauglicher Versuch der Annahme eines Erbietens strafbar ist oder nur die Annahme eines Erbietens, welche sich von vornherein auf eine unmögliche Tatbegehung bezieht. Hinsichtlich der grundlegenden Frage der Anwendbarkeit des § 23 Abs. 3 StGB auf die Varianten des § 30 Abs. 2 StGB gilt Folgendes: Es wurde schon im Rahmen der Untersuchung der Verabredungsstrafbarkeit betont, dass die bejahende herrschende Auslegung keineswegs zwingend ist. Stattdessen kann der Verweis in § 30 Abs. 2 StGB auch so verstanden werden, dass er sich allein auf die Strafrahmenregelung des § 30 Abs. 1 StGB bezieht.478 Da aber auch diese Auslegung – zugegebenermaßen – nicht zwingend ist, muss mittels einer umfassenden Betrachtung des Systems der Vorbereitungsstrafbarkeit ermittelt werden, welche von beiden vorzuziehen ist: Für die hier vertretene Auslegung, nach der § 23 Abs. 3 StGB nicht auf die Varianten des § 30 Abs. 2 StGB anzuwenden ist, kann insofern ihr restriktiver Charakter angeführt werden. Da es sich bei der Vorbereitungsstrafbarkeit nach § 30 StGB insgesamt um einen Ausnahmetatbestand handelt, entspricht diese Auslegung der generell erforderlichen, möglichst restriktiven Handhabung desselben. Die herrschende Auslegung führt hingegen zu einem sehr extensiven Verständnis der Vorbereitungsstrafbarkeit. Daneben lässt sich gegen eine Anwendung des § 23 Abs. 3 StGB auf die Begehungsvarianten des § 30 Abs. 2 StGB Folgendes anführen: Die Vorschrift des § 23 Abs. 3 StGB stellt eine Versuchsvorschrift dar, welche den Spezialfall des untauglichen Versuchs regelt. Bei der versuchten Anstiftung gem. § 30 Abs. 1 StGB besteht nun aber an sich schon ein eindeutiger Bezug zu den Versuchsvorschriften, da diese Variante insgesamt als Kombination aus der Anstiftung nach § 26 StGB und dem Versuch nach § 22 StGB aufgefasst wird.479 Im Rahmen der Varianten des § 30 Abs. 2 StGB besteht hingegen keine sachliche Verbindung zu diesen Versuchsregelungen – weder durch den Wortlaut der Varianten noch durch eine Hinzuziehung der allgemeinen Versuchsvorschriften im Rahmen der Auslegung. Demnach erscheint die ausschließliche Anwendung einer solch spezifischen Versuchsregelung auf diese Varianten sachlich nicht gerechtfertigt. Nach dieser Gesamtbetrachtung ist somit die restriktivere Auslegung des Verweises in § 30 Abs. 2 StGB vorzuziehen – § 23 Abs. 3 StGB findet also auf diese Varianten keine Anwendung. Richtigerweise ist damit auch der Versuch dieser Varianten nicht strafbar. Folglich muss auch für eine strafbare Annahme eines Erbietens – insofern wieder in Einklang mit der herrschenden Auslegung – ein objektives echtes Sich-Erbieten verlangt werden. 477 NK-Zaczyk, § 30, Rn 61; LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30, Rn 69; Roxin, AT II, S. 308. Diese Frage der Anwendbarkeit des § 23 Abs. 3 StGB auf die Varianten des § 30 Abs. 2 StGB wird allerdings fast ausschließlich für die Variante der Verabredung diskutiert. Da in diesem Rahmen regelmäßig festgestellt wird, dass § 23 Abs. 3 StGB von dem Verweis in § 30 Abs. 2 StGB erfasst ist, ist davon auszugehen, dass die grundsätzliche Anwendung für alle Varianten bejaht wird. 478 s. o. 3. Teil, B. II. 4. b). 479 s. o. 3. Teil, C. I. 2.
C. Die weiteren Varianten des § 30 StGB
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Bejaht man entgegen den vorstehenden Erörterungen die grundsätzliche Anwendbarkeit des § 23 Abs. 3 StGB auf die Varianten des § 30 Abs. 2 StGB, bleibt dennoch fraglich, ob damit auch der Versuch der einzelnen Varianten strafbar ist. Es ist auffällig, dass es insofern fast durchweg an einer Auseinandersetzung mit dieser Frage fehlt. So wird in der Regel nur im Rahmen der Verabredung ganz allgemein betont, dass sich der Verweis des § 30 Abs. 2 StGB auch auf § 23 Abs. 3 StGB beziehe.480 Für die Variante der Verabredung wird dann zum Teil ausdrücklich festgestellt, dass der Versuch dieser Variante aus historischen Gründen nicht strafbar sein kann.481 Im Rahmen der übrigen Varianten des § 30 Abs. 2 StGB fehlt es hingegen an jeglicher Auseinandersetzung mit der Problematik der Anwendbarkeit des § 23 Abs. 3 StGB.482 Somit ist fraglich, ob die herrschende Auslegung den § 23 Abs. 3 StGB so versteht, dass auch der untaugliche Versuch der Varianten des § 30 Abs. 2 StGB strafbar sein soll. Für ein solches Verständnis der herrschenden Auslegung spricht insofern, dass die Anwendbarkeit des § 23 Abs. 3 StGB im Allgemeinen betont wird, während eine Einschränkung des Geltungsbereichs auf die in Aussicht genommene Tat nur für die Verabredung erfolgt. Folglich ist davon auszugehen, dass nach der herrschenden Auslegung dieser Varianten auch der Versuch derselben strafbar sein soll.483 Jedenfalls wäre aber eine ausdrückliche Auseinandersetzung mit dieser Problematik auch im Rahmen dieser Varianten wünschenswert. Eine solche ausdrückliche Auseinandersetzung findet sich bei Zaczyk. Er nimmt an, dass sich der Verweis des § 23 Abs. 3 StGB bei diesen Varianten – anders als bei der versuchten Anstiftung – nur auf die in Aussicht genommene Tat und nicht auf die Begehungsform selbst beziehe. Er begründet diese Annahme damit, dass ansonsten auch das unmittelbare Ansetzen zu einer Vorbereitungshandlung nach den Vorschriften über den Versuch bestraft würde, was als „ein innerer Widerspruch und notwendig ungerecht“ anzusehen wäre.484 Für diese Auslegung Zaczyks lässt sich auch die Parallele zu der Verbrechensverabredung – der anderen Begehungsform des Abs. 2 – anführen, deren Versuch unbestritten straflos ist.485 Diese Wertung basiert zwar auf der spezifischen historischen Entwicklung der Verabredungsstrafbarkeit, da die Variante des „Eintritts in ernsthafte Verhandlungen“ wieder abgeschafft wurde.486 Gleichwohl lässt sich aus dieser Entwicklung schließen, dass der Gesetzgeber auch den Versuch der übrigen Varianten des § 30 Abs. 2 StGB nicht unter Strafe stellen wollte. Anderenfalls hätte er wohl – im Gegenzug zu der Abschaffung der Strafbarkeit der versuchten Verabredung – diese Strafbarkeit ausdrücklich normiert. Daneben erscheint es nicht sachgerecht, einen Unterschied zwischen der versuchten Verabredung und dem Versuch der anderen Varianten dahingehend zu machen, dass diese 480 481 482 483 484 485 486
LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30, Rn 69; Roxin, AT II, S. 308; Thalheimer, S. 118. Vgl. Roxin, AT II, S. 311. Nur Thalheimer stellt diese ausdrücklich fest (S. 82). So legt auch Zaczyk diese herrschende Auslegung aus (NK-Zaczyk, § 30, Rn 61). NK-Zaczyk, § 30, Rn 60. So im Ergebnis auch Lackner/Kühl, § 30, Rn 7. s. o. 3. Teil, B. II. 4. b). s. dazu 2. Teil, E.
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3. Teil: Der geltende § 30 StGB und seine Auslegung
straflos ist, während die anderen strafbar sein sollen – insofern fehlt es auch an einer sachlichen Begründung dieser Differenzierung außerhalb der geschichtlichen Entwicklung. Daneben lässt sich für diese Auslegung das Bedürfnis einer restriktiven Auslegung im Rahmen des § 30 StGB anführen. Wenn schon die Anwendbarkeit des § 23 Abs. 3 StGB auf die Varianten des § 30 Abs. 2 StGB bejaht wird, würde die Auslegung von Zaczyk zumindest eine ganz uferlose Ausweitung der Strafbarkeit verhindern. Wird der Geltungsbereich des § 23 Abs. 3 StGB für diese Varianten nämlich nicht auf die von ihnen in Bezug genommene Tat beschränkt, würde nicht nur jeder Versuch dieser Varianten wie ein Versuch des Delikts selbst bestraft, sondern dieser Versuch müsste auch noch nicht einmal tauglich sein. Darin ist aber eine gefährliche Vorverlagerung der Strafbarkeit zu sehen, so dass diese Auslegung abzulehnen ist. Die Anwendbarkeit des § 23 Abs. 3 StGB auf § 30 Abs. 2 StGB müsste also – falls man sie überhaupt annehmen sollte – insofern eingeschränkt werden, als sich die Untauglichkeit nur auf die in Aussicht genommene Tat beziehen kann. Auch danach wäre somit der Versuch der Annahme eines Erbietens nicht strafbar mit der Folge, dass auch auf dieser Basis ein objektives echtes Sich-Erbieten zu verlangen wäre. Im Ergebnis bleibt also festzuhalten, dass der herrschenden Auslegung darin zuzustimmen ist, dass eine strafbare Annahme eines Erbietens ein objektiv bestehendes echtes Sich-Erbieten voraussetzt. Zuletzt soll noch kurz auf Folgendes aufmerksam gemacht werden: Auch an dieser Stelle zeigt sich einmal mehr, welche großen Unstimmigkeiten innerhalb der Auslegung der unterschiedlichen Varianten des § 30 StGB bestehen. Die herrschende Auslegung der Variante der Annahme eines Erbietens, nach der objektiv ein echtes Sich-Erbieten erforderlich ist, lässt sich nur mit einem objektiven Verständnis des Strafgrundes begründen. Diese Auslegung ist zwar zutreffend, da sie eine Restriktion der Strafbarkeit bedeutet und auch in Einklang mit der hier vertretenen Ansicht der Straflosigkeit des Versuches dieser Varianten steht. Gleichwohl steht diese Auslegung aber auch in einem deutlichen Widerspruch zu der sonst herrschenden Auslegung dieser Varianten: Zum einen lässt sie sich nicht mit dem subjektiven Verständnis des Strafgrundes der versuchten Anstiftung nach § 30 Abs. 1 StGB vereinbaren. Dies ist deshalb so fragwürdig, da es sich auch bei der Annahme eines Erbietens nach dem herrschenden Verständnis um einen Anstiftungsversuch handelt – sie unterscheide sich von der klassischen Form nur insofern, als die Initiative von dem späteren Haupttäter selbst ausgehe.487 Es besteht somit zum einen kein ersichtlicher Grund, warum der Strafgrund mal objektiv und mal subjektiv verstanden wird – und es fehlt diesbezüglich auch an jeglicher Erklärung, genauer gesagt sogar an jeglicher Auseinandersetzung mit dieser Problematik. Daneben ließe sich diese Auslegung aber auch nicht mit einer uneingeschränkten Anwendbarkeit des § 23 Abs. 3 StGB auf die Varianten des § 30 Abs. 2 StGB vereinbaren. Nun könnte gerade aus diesem Umstand geschlossen werden, dass auch die herrschende Auslegung den Verweis gerade nicht uneingeschränkt versteht, sondern diesen – wie Zaczyk – nur auf die in Aussicht 487
So LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30, Rn 94.
C. Die weiteren Varianten des § 30 StGB
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genommene Tat bezieht. Gegen eine solche Schlussfolgerung spricht aber wiederum, dass diese Variante nicht durchgehend in entsprechender Weise ausgelegt wird – wie sich im Anschluss zeigen wird. Somit zeigt sich einmal mehr, wie inkonsequent die gesamte Handhabung des § 30 StGB ist – allein dies wirft berechtigte Fragen hinsichtlich der gesamten Ausgestaltung der Vorbereitungsstrafbarkeit auf. 2. Die Ernsthaftigkeit der Erklärung Auch bei dieser Variante ist der Umgang mit einer nicht ernst gemeinten Erklärung umstritten. Falls der Annehmende seine Erklärung nicht ernst meint, reicht es auch hier – entsprechend der versuchten Anstiftung – aus, wenn er damit rechnet, seine Annahme könne ernst genommen werden.488 Folglich ist nur dolus eventualis des Annehmenden zu fordern. Weit problematischer ist die Situation, in der schon das Sich-Erbieten nicht ernst gemeint ist, während der Annehmende keine Vorbehalte hat. Nach der Rechtsprechung des Reichsgerichts war die Annahme eines Scheinerbietens nach dem damaligen § 49a Abs. 2, Alt. 2 RStGB nicht strafbar.489 Das Reichsgericht ordnete auch die Variante der Annahme des Erbietens als Spezialfall der versuchten Anstiftung ein. Es ging davon aus, dass „die definitive Bestimmung des Willens des Sich Erbietenden zur Begehung des Verbrechens als das Wesentliche“ der Variante erscheine.490 Davon ausgehend könne ein Scheinerbieten nicht ausreichen, da die Annahme desselben diese endgültige Bestimmung des Willens von vornherein nicht leisten könne. Sowohl die Systematik des Gesetzes als auch der Wille des Gesetzgebers ließen darauf schließen, dass die Annahme des Erbietens das Gegenstück zum Sich-Erbieten bilden sollte. Beim Sich-Erbieten sei aber anerkannt, dass nur das ernst Gemeinte von der Strafdrohung erfasst werden sollte und somit dessen Vorliegen auch bei der Variante der Annahme des Erbietens verlangt werden müsse.491 Dieses Ergebnis wurde weiterhin darauf gestützt, dass auch aus praktischen Erwägungen die Strafbarkeit einer Annahme im Fall eines nur „simulierten“ Erbietens nicht erforderlich sei, da daraus keine Gefährlichkeit resultiere. Derjenige, der nur scheinbar anbiete, ein Verbrechen zu begehen, würde auch bei Annahme seines Angebots die Tat nicht begehen wollen.492 Falls die Annahme hingegen doch zur Bildung eines festen Tatentschlusses des Sich-Erbietenden führe, komme eine Strafbarkeit wegen versuchter Anstiftung, damals gem. § 49a Abs. 1 RStGB wegen Aufforderung zum Verbrechen, in Betracht.493 Diese Rechtsprechung bestätigte das Reichsgericht in einer späteren Entscheidung, in der das Gericht in der Annahme eines Scheinerbietens eine zu geringe Gefahr für das Rechtsgut sah. Die Gefähr488 489 490 491 492 493
LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30, Rn 99; Thalheimer, S. 90; Fischer, § 30, Rn 11. RGSt 1, 338, 340. RGSt 1, 338, 340. RGSt 1, 338, 340. RGSt 1, 338, 341. RGSt 1, 338, 342.
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3. Teil: Der geltende § 30 StGB und seine Auslegung
lichkeit der Annahme sei durch diejenige des Erbietens bedingt – die Annahme bringe keine eigene Gefahr, sondern führe lediglich dazu, dass die bis dahin bedingte Gefahr des Erbietens zu einer unbedingten werde. Wenn aber das Erbieten selbst nicht gefährlich sei, weil es nur zum Schein abgegeben wurde, dann entfalle auch die Gefährlichkeit der Annahme.494 Der Bundesgerichtshof folgt hingegen der Rechtsprechung des Reichsgerichts nicht. Stattdessen lässt er es für die Strafbarkeit gem. § 30 Abs. 2, Alt. 2 StGB ausreichen, wenn der Annehmende nur subjektiv davon ausgeht, dass das Erbieten ernst gemeint ist.495 Zu dieser Wertung gelangt der Bundesgerichtshof über die Heranziehung der Figur des untauglichen Versuchs. Wie beim untauglichen Versuch richte sich der Wille des Annehmenden bei der Annahme eines Scheinerbietens auf ein von vornherein unmögliches Ziel – nämlich die Begehung des angebotenen Verbrechens durch jemanden, der dieses gar nicht zur Tat bringen möchte.496 Des Weiteren wird betont, dass für die Bejahung der Strafbarkeit keine Notwendigkeit einer konkreten Rechtsgutsgefährdung bestehe. Stattdessen sei nur erforderlich, dass der Annehmende seinen Willen, der auf die Begehung des Verbrechens seitens des Sich-Erbietenden gerichtet sei, betätige. Diese Betätigung liege in der Annahme des Erbietens, unabhängig davon, ob dieses ernst gemeint war oder nur zum Schein erklärt wurde.497 Auch sieht der Bundesgerichtshof in der Annahme eines solchen scherzhaften Erbietens die Gefahr, dass der Sich-Erbietende gerade durch sie motiviert werde, doch einen ernsthaften Tatentschluss zu fassen.498 Ausgehend von der Einordnung der Annahme des Erbietens als modifizierte Anstiftung erscheint diese Auslegung konsequent: Auch der untaugliche Anstiftungsversuch – wenn also der Adressat der Anstiftungshandlung schon von sich aus fest entschlossen ist – unterfällt nach der geltenden Gesetzeslage der Strafbarkeit gem. § 30 Abs. 1 StGB.499 Somit könnte es folgerichtig sein, auch bei der modifizierten Anstiftung, also der Annahme des Erbietens, diese Wertung beizubehalten und eine Strafbarkeit des untauglichen Annahmeversuchs zu bejahen. Diese Auslegung entspricht auch – anders als die herrschende Auslegung hinsichtlich der Frage nach dem Vorliegen eines echten SichErbietens – dem subjektiven Verständnis des Strafgrundes, das auch im Rahmen der versuchten Anstiftung zum Tragen kommt. Sie führt dazu, dass nicht nur die An494 RGSt 57, 243, 246. Im Ergebnis wie das Reichsgericht nimmt auch Hoyer an, dass die Annahme eines Scheinerbietens nicht strafbar sein könne (SK-Hoyer, § 30, Rn 41). Er begründet dies allerdings damit, dass der Strafgrund der Variante doch in der gesteigerten Willensbindung liege und eine solche Bindung eben nur entstehen könne, wenn das Erbieten auch ernst gemeint ist. Diese Begründung kann folglich schon deshalb nicht überzeugen, weil sie von dem falschen Strafgrund der Variante ausgeht. 495 BGHSt 10, 388. So auch Schönke/Schröder/Heine, § 30, Rn 24; Lackner/Kühl, § 30, Rn 6; Fischer, § 30, Rn 11; Roxin, AT II, S. 318; Thalheimer, S. 91. 496 BGHSt 10, 388, 390. 497 BGHSt 10, 388, 389 f. 498 BGHSt 10, 388, 389. 499 s. o. 3. Teil, C. I. 3.
D. Das Verhältnis der Varianten untereinander
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nahme eines Erbietens, sondern auch schon der Versuch derselben strafbar ist – denn bei der Annahme eines nicht ernstgemeinten Erbietens kann es sich lediglich um einen untauglichen Annahmeversuch handeln. Insofern wird hier also die Annahme bestätigt, dass die herrschende Auslegung sehr wohl von der Strafbarkeit des Versuchs dieser Varianten ausgeht. Wie schon gesehen, darf der Versuch der Varianten des § 30 Abs. 2 StGB richtigerweise aber nicht als strafbar angesehen werden.500 Daraus ergibt sich, dass diese Auslegung, nach der allein die Vorstellung des Annehmenden hinsichtlich der Ernsthaftigkeit des Sich-Erbietens ausreichen soll, nicht überzeugen kann. Stattdessen ist – wie auch schon vom Reichsgericht gefordert – ein tatsächlich bestehendes ernsthaftes Sich-Erbieten zu verlangen.501 Dies führt auch zu einer einheitlichen Auslegung der Variante der Annahme eines Erbietens: Dieser liegt dann insgesamt ein objektives Verständnis des Strafgrundes zugrunde, so dass sowohl die Echtheit als auch die Ernsthaftigkeit des Erbietens objektiv bestehen müssen. Auch in diesem Zusammenhang fällt die Inkonsequenz der herrschenden Auslegung auf – während für die Echtheit des Erbietens noch das objektive Vorliegen verlangt wurde, soll gleichzeitig aber die bloß subjektiv vorgestellte Ernsthaftigkeit desselben ausreichen. Da also sogar innerhalb einer Variante die Auslegung in keiner Weise stimmig ist, muss sie sich dem Vorwurf der Beliebigkeit aussetzen lassen.
D. Das Verhältnis der Varianten untereinander Nachdem die einzelnen Varianten des § 30 StGB isoliert betrachtet wurden, sollen sie nun zu einander in Beziehung gesetzt werden. Das Verhältnis der Begehungsalternativen untereinander ist für die Tragweite des Ergebnisses der folgenden Untersuchung, die sich mit dem Strafgrund der Verabredung auseinandersetzt, von entscheidender Bedeutung. Sollte sich herausstellen, dass die Strafbarkeit wegen Verbrechensverabredung mangels Strafwürdigkeit nicht legitimierbar ist, drängt sich die Frage nach der Bedeutung dieser Erkenntnis für die übrigen Varianten des § 30 StGB auf. Insbesondere muss geklärt werden, ob die Variante der Verabredung nur deklaratorische Bedeutung hat und das damit unter Strafe gestellte Verhalten auch von den anderen Varianten erfasst wäre. Trifft dies zu, würde allein die Verwerfung der Strafbarkeit wegen Verbrechensverabredung nicht weiterführen, da dasselbe Verhalten gleichwohl nach anderen Varianten des § 30 StGB strafbar wäre. Die Verabredung setzt voraus, dass sich mindestens zwei Personen zu einer mittäterschaftlichen Begehung eines Verbrechens zusammenschließen. Für die Frage nach ihrem Verhältnis zu den anderen Varianten des § 30 StGB kommt es maßgeblich darauf an, wie dieser Entschluss der Beteiligten zustande kommt. Dabei soll zum einfacheren Verständnis auf eine Verabredung von zwei Personen abgestellt werden, wobei die Erkenntnisse genauso Geltung für Vereinbarungen mehrerer Komplot500 501
s. o. 3. Teil, B. II. 1. a). So auch MüKo-Joecks, § 30, Rn 46. Im Ergebnis auch SK-Hoyer, § 30, Rn 41.
160
3. Teil: Der geltende § 30 StGB und seine Auslegung
tanten beanspruchen. Insofern sind drei Möglichkeiten der Bildung des Entschlusses unter den Komplottanten denkbar: die Einigung aufgrund einer wechselseitigen versuchten Anstiftung, durch eine Kombination aus einem Sich-Erbieten und einer Annahme desselben sowie schließlich ein Zusammentreffen von zwei Annahmen einer Aufforderung, der Untervariante des Sich-bereit-Erklärens. Wie bereits dargestellt, ist es möglich, aber keineswegs zwingend502, dass der Entschluss der Komplottanten durch eine gegenseitige versuchte Anstiftung zu Stande kommt. Eine Übereinkunft durch eine wechselseitige Anstiftung ist denkbar, wenn noch keiner der Beteiligten von sich aus zur Begehung des Verbrechens entschlossen ist, sondern jeder erst noch den Entschluss des anderen durch die Beratungen hervorruft. Genauso liegt eine Verabredung durch gegenseitige versuchte Anstiftung vor, wenn zwar beide Beteiligte schon von sich aus entschlossen sind, sich aber jeweils vorstellen, dass sie ihr Gegenüber erst noch dazu bestimmen. In diesen Fällen stellt die Verabredung die speziellere Variante dar, da sie als zusätzliches Merkmal auch noch die Vereinbarung mittäterschaftlicher Beiträge aufweist – die versuchte Anstiftung nach § 30 Abs. 1 StGB verlangt dies nicht. Demzufolge wäre aber das Verhalten der beiden Komplottanten selbst für den Fall der Ablehnung der Strafwürdigkeit der Verbrechensverabredung strafbar – nämlich gem. § 30 Abs. 1 StGB als versuchte Anstiftung. Somit hätten allein die Ablehnung der Strafwürdigkeit der Verbrechensverabredung und eine daraus folgende Gesetzesänderung keine Straflosigkeit der betreffenden tatsächlichen Verhaltensweisen zur Folge. Die zweite Möglichkeit des Zustandekommens der Verabredung liegt in einer Kombination aus einem Sich-Erbieten und der Annahme desselben.503 Will A beispielsweise ein Verbrechen begehen und sich dazu mit B zusammenschließen, würde A jedenfalls die Variante des Sich-Erbietens erfüllen, falls er die Begehung von der Zustimmung des B abhängig macht. B wiederum würde sich der Annahme eines Erbietens schuldig machen. Folglich wäre auch in dieser Konstellation der Verabredung das tatsächliche Verhalten der Komplottanten auch dann strafbar, wenn die Variante der Verabredung nicht unter Strafe gestellt wäre. Auch hier gilt, dass die Variante der Verabredung, solange sie strafbar ist, die Speziellere darstellt, da sie zusätzlich noch die Vereinbarung mittäterschaftlicher Begehung verlangt. Schließlich ist noch eine Verabredung denkbar, bei der beide Komplottanten von sich aus zur Tat entschlossen sind, die Begehung auch nicht von der Zustimmung des anderen abhängig machen und sich ausschließlich aus anderen Gründen zusammenschließen. In dieser Konstellation wäre bei beiden Beteiligten weder die Variante der versuchten Anstiftung noch diejenige des Sich-Erbietens einschlägig: Beide wissen, dass der jeweils andere schon zur Tat entschlossen ist, woran die versuchte Anstiftung scheitert. Keiner von beiden will seine Tatbegehung von der Zustimmung 502 503
s. o. 3. Teil, B. I. 2. So auch Thalheimer, S. 132 f. Letzgus, S. 107.
D. Das Verhältnis der Varianten untereinander
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des anderen abhängig machen, weshalb auch kein Sich-Erbieten gegeben ist.504 Stattdessen erfüllt das Verhalten der Komplottanten die Variante der Annahme einer Aufforderung, als Unterform des Sich-bereit-Erklärens. Jeder nimmt die Aufforderung des anderen, die Tat mit ihm zu begehen, an. Folglich wäre das tatsächliche Verhalten der Beteiligten nach § 30 Abs. 2 StGB, auch ohne die Variante der Verbrechensverabredung, strafbar. Somit lässt sich festhalten, dass, auf welche Weise die Verabredung auch zu Stande kommt, die Komplottanten immer auch andere Varianten des § 30 StGB erfüllen. Die Verabredung stellt folglich zu allen anderen Varianten die speziellere dar, da sie immer noch zusätzlich die Vereinbarung einer mittäterschaftlichen Begehung verlangt. Daraus ergibt sich zugleich, dass es nicht genügen würde, wenn man aus dem Fehlen einer Strafwürdigkeit der Verbrechensverabredung lediglich die Schlussfolgerung ziehen würde, die Verabredungsvariante sollte gestrichen werden. An der Strafbarkeit des in Rede stehenden Verhaltens würde eine solche Streichung nichts ändern, da immer eine der anderen Varianten eingreifen würde. Daher soll im fünften Teil dieser Abhandlung die Strafwürdigkeit der anderen Varianten des § 30 StGB untersucht werden.
504
s. o. 3. Teil, C. II.
4. Teil
Der Strafgrund der Verbrechensverabredung Im Folgenden setzt sich die Arbeit mit der Frage auseinander, ob die Strafbarkeit der Verbrechensverabredung überhaupt legitimiert werden kann. Dabei werden auch die üblicherweise angeführten Strafgründe näher untersucht. Wie bereits erwähnt, wird die Strafbarkeit der Verbrechensverabredung auf zwei unterschiedliche Strafgründe gestützt, die beide von einer erhöhten Gefährlichkeit derselben ausgehen. Diese wird entweder auf eine wechselseitige Willensbindung der Komplottanten oder auf einen Kontrollverlust des einzelnen zurückgeführt. Bevor sich die Arbeit der Frage widmet, ob die angenommene Gefährlichkeit des Verhaltens tatsächlich besteht, muss zunächst untersucht werden, unter welchen Bedingungen Strafe legitimiert werden kann.
A. Die Legitimierung von Strafe Bei der Frage, unter welchen Voraussetzungen Strafe für bestimmtes Verhalten legitimiert werden kann, geht es um den grundsätzlichen Konflikt zwischen der erforderlichen Ordnungsmacht des Staates und der Freiheit der einzelnen Bürger. In einem demokratischen Rechtsstaat geht die Staatsgewalt vom Volk aus – die Macht der staatlichen Organe ist nur eine derivative, also vom Staatsvolk abgeleitete. Strafe darf kein Selbstzweck sein – sie schränkt den Bürger in seiner grundrechtlich gewährleisteten Freiheit ein und bedarf deshalb einer besonderen Rechtfertigung.1
I. Das Unrecht als Grundlage der Strafe Aufgabe des Strafrechts ist der Rechtsgüterschutz2, wobei es immer nur als ultima ratio eingesetzt werden darf3. Eine Rechtsgutsverletzung darf demnach nur mit Strafe bedroht werden, wenn es für das geordnete Zusammenleben in der Gesellschaft erforderlich ist.4 Denn die Strafe stellt auch eine Rechtsgutsbeeinträchtigung für den 1
Hassemer, JuS 1987, 257, 265. Wessels/Beulke, S. 2; Roxin, Grundlagenprobleme, S. 13; Frister, S. 32; v. Liszt, Eduard, ZStW 3 (1883), 1, 21. Umfassend und auch kritisch zu der Lehre des Rechtsgüterschutzes: Amelung, insbes. S. 73 ff. 3 Roxin, Grundlagenprobleme, S. 13. 4 Roxin, Grundlagenprobleme, S. 13; Frister, S. 31 f. 2
A. Die Legitimierung von Strafe
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Täter dar, die sich nur rechtfertigen lässt, wenn sie für den Erhalt der gesellschaftlichen Ordnung unerlässlich ist. Insofern ist der Zweck der Strafe generalpräventiver Art.5 Erforderlich für die Gesellschaft ist die Strafe nur, wenn es keine andere Verfahrensweise gibt, um die Wahrung und Wiederherstellung der Rechtsordnung zu gewährleisten.6 Daraus folgt, dass es, anders als von den absoluten Straftheorien angenommen7, keinen Schuldausgleich um seiner selbst willen geben darf.8 Andererseits können aber auch nicht ausschließlich präventive Zwecke die Strafe legitimieren9, wie es die relativen Straftheorien vertreten10. Ein Ausgleich dieser widerstreitenden Zielsetzungen kann nur insofern erfolgen, als die präventiven Zwecke nur in den Grenzen der persönlichen Schuld verfolgt werden dürfen.11 Das Maß der persönlichen Schuld eines Täters hängt von seinem verwirklichten Unrecht ab. Während der Begriff der Schuld den persönlichen Vorwurf erfasst12, meint der Begriff des Unrechts den Verstoß gegen die Rechtsnorm selbst, der diesen Vorwurf begründet.13 Die Schuld bezieht sich also immer auf das vom Täter verwirklichte Unrecht.14 Nur wenn der Täter unrechtmäßig gehandelt hat, stellt sich anschließend die Frage, ob ihm dieses Unrecht auch persönlich vorwerfbar ist. Wenn also die Schuld den Rahmen bilden soll, in dem die präventiven Zwecke berücksichtigt werden dürfen und sich die Schuld auf das begangene Unrecht bezieht, bilden streng genommen sowohl Unrecht als auch Schuld die Grenzen für die Verfolgung präventiver Zwecke. Strafe setzt somit immer ein begangenes Unrecht voraus – dabei liegt die Funktion des Unrechts aber nicht nur in der Begrenzung der Verfolgung der präventiven Zwecke. Denn dies ließe befürchten, dass die Prävention grundsätzlich im Vordergrund stehen soll, während das Unrecht des Täters nur als Korrektiv berücksichtigt wird. Stattdessen müssen Unrecht und Schuld des Täters die Grundlage der Strafe darstellen.15 Nur wenn und nur soweit Unrecht verwirklicht wurde, darf 5
Ausführlich dazu Roxin, Grundlagenprobleme, S. 16 f. Roxin, Grundlagenprobleme, S. 13. 7 Danach besteht der Zweck der Strafe allein in der Vergeltung, dem Ausgleich der durch die Tat verwirklichten Schuld; vgl. Kant, S. 158; Hegel, § 97. 8 Kritisch zu den absoluten Straftheorien auch Roxin, Grundlagenprobleme, S. 3; Stratenwerth/Kuhlen, S. 5. 9 Zur Kritik an den relativen Straftheorien Roxin, Grundlagenprobleme, S. 6 ff; Stratenwerth/Kuhlen, S. 10 f. 10 Ein Überblick über die einzelnen relativen Straftheorien findet sich bei Frister, S. 18 ff sowie bei Roxin, Grundlagenprobleme, S. 6 ff. 11 Sog. Vereinigungstheorie, vgl. dazu Jescheck/Weigend, S. 75 ff; Roxin, AT I, S. 83 ff. Sie liegt auch dem Verständnis des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 45, 187, 253 f) und des Bundesgerichtshofs (BGHSt 24, 40, 42) zugrunde. Kritisch zu der Vereinigungstheorie: NKHassemer/Neumann, Vor § 1, Rn 287. 12 Sog. normativer Schuldbegriff. Zu der Entwicklung und den Einzelheiten des Schuldbegriffes Stratenwerth/Kuhlen, S. 188 m.w.N. 13 So auch Stratenwerth, SchwZStr 79 (1963), 233, 234. 14 Zielinski, S. 145. 15 So auch Heinrich, ZStW 121 (2009), 95, 129. 6
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4. Teil: Der Strafgrund der Verbrechensverabredung
Strafe verhängt werden, die dann auch präventive Zwecke verfolgen darf bzw. muss. Richtigerweise muss man sich die angeführten Strafzwecke also zweistufig denken: Zunächst ist ein verwirklichtes Unrecht verbunden mit der persönlichen Schuld des Täters erforderlich – wenn es daran fehlt, kann es niemals zu einer Strafe kommen. Erst in einem zweiten Schritt darf die Strafe an präventiven Zwecken ausgerichtet werden. Das schuldhaft verwirklichte Unrecht des Täters wirkt im Verhältnis zur Strafe in doppelter Weise: strafbegründend und -begrenzend. Eine Strafandrohung darf folglich nie überwiegend auf Präventionsgesichtspunkte gestützt werden: Überwiegen muss immer der repressive Charakter der Strafe, nur dann besteht eine hinreichende Rechtfertigung, präventiv durch die Strafe tätig zu werden. Die reine Prävention, die nicht auf ein begangenes Unrecht reagiert – oder auch die überwiegende Prävention, wenn das begangene Unrecht aufgrund seiner zu geringen Intensität eine solche Reaktion nicht zulässt – obliegt in unserem Rechtssystem nicht dem Strafrecht, sondern vielmehr dem Gefahrenabwehrrecht, dem Polizei- und Ordnungsrecht.16 Dies erklärt sich aus den grundgesetzlich garantierten Freiheitsrechten der Bürger: Der Staat darf in diese Freiheitsrechte nur eingreifen, wenn es für die öffentliche Sicherheit und Ordnung erforderlich ist – geht es aber allein um Prävention, ohne Verwirklichung eines Unrechts des Einzelnen, darf der Staat gegen den Bürger nicht mit der Strafe als seinem stärksten Mittel einschreiten. Anderenfalls würde das Strafrecht die Freiheitsrechte des Einzelnen zu stark einschränken, bis hin zu ihrer Missachtung. Der Einzelne würde nicht mehr als Bürger, sondern als Gefahrenquelle angesehen, dessen Verhalten aus Präventionsgesichtspunkten um jeden Preis verhindert werden muss.17 Ein solches „Feindstrafrecht“ ist aber mit unserer Rechtsordnung nicht in Einklang zu bringen.18 Das Wesentliche unseres Strafrechts ist, dass es auf begangenes Unrecht reagiert – es ist repressiv und nicht allein präventiv.19 Folglich ist das entscheidende Moment für die Begründung einer Strafbarkeit das begangene Unrecht. Abgesehen von diesen grundlegenden Überlegungen spricht auch schon der Wortlaut des § 46 StGB dafür, dass die Grundlage der Strafe in dem begangenen Unrecht und der persönlichen Schuld des Täters zu sehen ist. Präventive Gesichtspunkte sind hingegen nur zu „berücksichtigen“. Diese Formulierung macht deutlich, dass ein erhöhtes Gewicht auf der Schuld und damit auf dem Unrecht liegt. Zusammenfassend lässt sich also festhalten, dass das Unrecht die Basis für die Legitimität von Strafe darstellt und Präventionsgesichtspunkte zwar anschließend berücksichtigt werden – sie können diese Basis jedoch nicht ersetzen.20 16
Heinrich, ZStW 121 (2009), 95, 127 f; Fieber, S. 110. So schon Dencker, StV 1988, 262, 263. 18 Die Terminologie des Bürger- und Feindstrafrechts stammt von Jakobs, ZStW 97, 751. 19 Für eine deutlichere Trennung zwischen präventivem Polizei- und repressivem Strafrecht auch Heinrich, ZStW 121 (2009), 95, 127 f. 20 Dencker betont, dass solche feindstrafrechtlichen Regelungen unter ganz außergewöhnlichen Umständen notwendig werden können, aber immer eine Ausnahme bleiben müssen (StV 1988, 262, 266). § 30 StGB sei ein Beispiel für eine solche Regelung, die keine Ausnahme bleibt, sondern zum Grundsatz erklärt wird. 17
A. Die Legitimierung von Strafe
165
II. Die Zusammensetzung des Unrechts Die Grundlage der Strafe muss also in dem durch den Täter begangenen Unrecht liegen. Nicht geklärt ist bislang aber die Frage, was dieses Unrecht ausmacht und ob es graduelle Abstufungen des Unrechts gibt, die für die Begründung von Strafe relevant sind. Heute kann insoweit von der personalen Unrechtslehre ausgegangen werden.21 Nach dem dieser Ausarbeitung zugrunde gelegten dualistischen Unrechtsbegriff22 setzt sich das Unrecht aus einem Erfolgs- und einem Handlungsunwert zusammen23. 1. Der Handlungsunwert Unter dem Handlungsunwert wird die rechtlich missbilligte Willensbetätigung des Täters verstanden.24 Er erfasst somit den Intentionsunwert25, also den betätigten deliktischen Tatentschluss.26 Daraus folgt, dass die Handlung des Täters, soweit es um die Verwirklichung des Handlungsunwertes geht, keine reale Eignung besitzen muss, das in Aussicht genommene Objekt zu gefährden. Vielmehr ist eine dahingehende Vorstellung des Täters ausreichend.27 Folglich wird der vollständige Handlungsunwert bereits durch die Vornahme eines beendeten Versuchs verwirklicht – und zwar selbst dann, wenn es sich um einen untauglichen Versuch handelt.28 Insofern besteht zwischen dem Handlungsunwert eines beendeten Versuchs und der Vollendung des Delikts kein gradueller Unterschied.29 Diese Bewertung ergibt sich daraus, dass sich die Strafnorm aus einer Bestimmungs- und einer Bewertungsnorm zusammensetzt. Die Bestimmungsnorm meint das Verbot eines bestimmten zweckgerichteten Verhaltens, während die Bewertungsnorm das Zuwiderhandeln gegen dieses Verbot als
21
Dazu Roxin, AT I, S. 319 ff. Eine Auseinandersetzung mit den übrigen Ansätzen, die zur Zusammensetzung des Unrechts vertreten werden, kann in diesem Rahmen nicht erfolgen; vgl. zB zum monistischsubjektiven Unrechtsbegriff Kaufmann, Armin, in: Stratenwerth, FS-Welzel, S. 393, 403; Zielinski, S. 134. 23 Gallas, in: Kaufmann, Arthur, FS-Bockelmann, S. 165; Schönke/Schröder/Lenckner/ Eisele, Vor §§ 13 ff, Rn 52/53; Stratenwerth, SchwZStr 79 (1963), 233, 255; Kühl, AT, S. 15; Frister, S. 87. 24 Schönke/Schröder/Lenckner/Eisele, Vor §§ 13 ff, Rn 54. In diesem Begriffsverständnis wird schon deutlich, dass der personalen Unrechtslehre der finale Handlungsbegriff zugrunde liegt. Dieser geht von der Handlung als zweckgerichtetem Handeln aus. Nur solches kann Gegenstand einer Verbotsnorm sein. Dazu auch Kaufmann, Armin, in: Stratenwerth, FS-Welzel, S. 393, 395. Zum finalen Handlungsbegriff grundlegend auch Welzel, ZStW 51 (1931), S. 703. 25 Zu diesem Begriff eingehend Rudolphi, in: Schroeder/ Zipf, FS-Maurach, S. 58, 64 f. 26 Zielinski, S. 144. 27 Schönke/Schröder/Lenckner/Eisele, Vorbem. §§ 13 ff, Rn 56. 28 Vgl. Stratenwerth, SchwZStr 79 (1963), 233, 249; Jescheck/Weigend, S. 240. 29 Stratenwerth, SchwZStr 79 (1963), 233, 248 f. 22
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4. Teil: Der Strafgrund der Verbrechensverabredung
rechtlich missbilligt bewertet.30 Eine Bedeutung als eigenständige Unrechtselemente haben Handlungs- und Erfolgsunwert nur dann, wenn der Handlungsunwert auf die Umstände beschränkt wird, die den Verstoß gegen die Bestimmungsnorm darstellen.31 Da der Handlungsunwert also die verbotswidrige Willensbetätigung bezeichnet32, ist er nur bis zu dem Zeitpunkt des beendeten Versuchs steigerungsfähig.33 Denn mit der vollständigen Vornahme der finalen Handlung wurde bereits in vollem Umfang gegen die Bestimmungsnorm verstoßen mit der Folge, dass auch der Handlungsunwert vollständig verwirklicht ist. Eine graduelle Abstufung ist insofern zwischen einem beendeten Versuch und einem vollendeten Delikt nicht denkbar. Solange aber die final auf die Rechtsgutsverletzung gerichtete Handlung noch nicht vollständig vorgenommen ist, hat auch der Verstoß gegen die Bestimmungsnorm lediglich begonnen. Dem unbeendeten Versuch kommt somit ein geringerer Handlungsunwert34 als dem beendeten Versuch zu.35 Je weiter die Handlung des Täters fortgeschritten ist, desto größer ist der Handlungsunwert.36 2. Der Erfolgsunwert Für die vollständige Verwirklichung des Unrechts muss zu dem Handlungsunwert noch der Erfolgsunwert37 hinzukommen.38 Dieser stellt richtigerweise einen eigenständigen, von dem Handlungsunwert zu trennenden Teil des Unrechts dar39 und wird in der Herbeiführung eines deliktischen Erfolges oder Geschehens erblickt.40 Des 30 Schönke/Schröder/Lenckner/Eisele, Vorbem. §§ 13 ff, Rn 48; Gallas, in: Kaufmann, Arthur, FS-Bockelmann, S. 158 m.w.N. 31 Schönke/Schröder/Lenckner/Eisele, Vor §§ 13 ff, Rn 56; Stratenwerth, SchwZStr 79 (1963), 233, 249; anders Gallas, der den Handlungsunwert als Sinneinheit von subjektiven und objektiven Merkmalen versteht (in: Kaufmann, Arthur, FS-Bockelmann, S. 159 f). 32 Schönke/Schröder/Lenckner/Eisele, Vor §§ 13 ff, Rn 56. 33 Vgl. Stratenwerth, SchwZStr 79 (1963), 233, 249. 34 Der Unwert des unbeendeten Versuchs stellt sich aber auch als Handlungsunwert dar und nicht, wie von Gallas vertreten, lediglich als Handlungsversuchsunwert (in: Kaufmann, Arthur, FS-Bockelmann, S.159). 35 Stratenwerth, SchwZStr 79 (1963), 233, 249 m.w.N. 36 So auch Zielinski, S. 144. Er sieht den Handlungsunwert allerdings als einziges Unrechtselement, so dass dann mit der vollständigen Vornahme der Handlung auch das vollständige Unrecht verwirklicht ist. 37 Teilweise wird dieser auch als Sachverhaltsunwert bezeichnet; vgl. Schönke/Schröder/ Lenckner/Eisele, Vor §§ 13 ff, Rn 52, 57. 38 Gallas, in: Kaufmann, Arthur, FS-Bockelmann, S. 165; Schönke/Schröder/Lenckner/ Eisele, Vor §§ 13 ff, Rn 56; Stratenwerth, SchwZStr 79 (1963), 233, 255; Kühl, AT, S. 15; Frister, S. 87. 39 Gallas, in: Kaufmann, Arthur, FS-Bockelmann, S. 165; Schönke/Schröder/Lenckner/ Eisele, Vor §§ 13 ff, Rn 56; Stratenwerth, SchwZStr 79 (1963), 233, 255; Kühl, AT, S. 15; Frister, S. 87; aA.: Roxin, AT I, S. 321 ff, 327; Hirsch, ZStW 94 (1982), 240, 243 f. Welzel bezeichnet den Erfolgsunwert als „unselbstständiges Moment“ (Strafrecht, S. 62). 40 Schönke/Schröder/Lenckner/Eisele, Vor §§ 13 ff, Rn 52, 57 m.w.N.
B. Anwendung dieser Erkenntnisse auf die Verabredung
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Weiteren muss es sich dabei um die Herbeiführung des tatbestandlichen Erfolges handeln41, also um eine Rechtsgutsverletzung oder eine Rechtsgutsgefährdung.42 Während also der vollständige Handlungsunwert bereits mit dem beendeten Versuch verwirklicht ist, tritt der Erfolgsunwert erst mit der Vollendung des Delikts ein. Das verwirklichte Unrecht steigt somit bei einem Delikt proportional mit der nächsten Deliktsstufe an: Der unbeendete Versuch weist einen geringeren Handlungsunwert auf als der beendete Versuch. Der Handlungsunwert des beendeten Versuchs ist zwar identisch mit dem der Vollendung – bei letzterer ist aber das Gesamtunrecht größer, da zu dem vollständigen Handlungsunwert noch der Erfolgsunwert hinzukommt. Fehlt eine Komponente des Unrechts – wie der Erfolgsunwert beim Versuch –, ist damit auch schon das Bedürfnis nach tatgerechter Strafe gemindert.43
B. Anwendung dieser Erkenntnisse auf die Verabredung Im Folgenden werden diese Grundlagen auf die Verabredungsstrafbarkeit übertragen: Strafe setzt Unrecht und das vollständige Unrecht eines Delikts setzt wiederum sowohl den Handlungs- als auch den Erfolgsunwert voraus. Fraglich ist, ob diese Anforderungen auch bei der Verabredungsstrafbarkeit vorliegen und somit eine Bestrafung rechtfertigen können. Dabei soll mit der Prüfung, ob der Täter einer Verabredung einen Erfolgsunwert verwirklicht, begonnen werden.
I. Der Erfolgsunwert der Verabredung Da der Erfolgsunwert in der Herbeiführung eines tatbestandlichen Erfolges liegt, stellt sich bei der Verabredungsstrafbarkeit die Frage, worin dieser tatbestandliche Erfolg zu sehen ist. Diese Strafbarkeit dient dem Schutz desselben Rechtsgutes wie das von den Komplottanten in Aussicht genommene Delikt. Es existiert kein eigenständiges Rechtsgut der Verabredung. Die Verabredungsstrafbarkeit stellt somit 41 Jescheck/Weigend, S. 240; Gallas, in: Kaufmann, Arthur, FS-Bockelmann, S. 163. Auch Jakobs stellt auf den tatbestandlichen Erfolg ab (AT, S. 164 f). Nach diesem Verständnis des Erfolgsbegriffes im Sinne des Erfolgsunwertes als tatbestandlichen Erfolg kann es bei reinen Tätigkeitsdelikten keinen Erfolgsunwert geben. Teilweise wird der Erfolgsunwert bei Tätigkeitsdelikten hingegen in dem Herbeiführen eines wertwidrigen äußeren Sachverhalts erblickt: Schönke/Schröder/Lenckner/Eisele, Vor §§ 13 ff, Rn 57 m.w.N. 42 Insofern muss betont werden, dass auch eine Rechtsgutsgefährdung schon eine materielle Verschlechterung der Lage des Rechtsguts darstellt. Dazu Binding, Normen, Band I, S. 374. 43 So sieht auch § 23 Abs. 2 StGB eine fakultative Strafmilderung für den Versuch vor. In der Literatur wird vielfach verlangt, dass der Versuch immer geringer bestraft werden sollte als das vollendete Delikt, da der Versuch grundsätzlich weniger schwer wiege als die Vollendung: Schönke/Schröder/Eser, § 23, Rn 9; Stratenwerth/Kuhlen, S. 244. Auch in der Praxis wird die fakultative Strafmilderung zur obligatorischen, da der Versuch fast durchgehend geringer bestraft wird als die Vollendung. Dazu Stratenwerth, SchwZStr 79 (1963), 233, 250.
168
4. Teil: Der Strafgrund der Verbrechensverabredung
kein delictum sui generis dar, sondern eine Vorschrift, die in Abhängigkeit zu dem Verbrechen des Besonderen Teils des StGB steht.44 Diese Abhängigkeit ergibt sich zudem sowohl aus dem unselbstständigen Strafrahmen als auch aus der Stellung im Allgemeinen Teil des StGB.45 Das von der Verabredung unter Strafe gestellte Verhalten liegt zeitlich vor der Versuchsgrenze, weshalb es sich bei der Vorschrift um eine Vorbereitungsstrafbarkeit handelt.46 Schützt die Verabredungsvariante das Rechtsgut des in Aussicht genommenen Deliktes, gilt für die Frage des Erfolgsunwertes Folgendes: Der Erfolgsunwert liegt entweder in der Rechtsgutsverletzung oder in der konkreten Rechtsgutsgefährdung. Allein durch die Verabredung wird das geschützte Rechtsgut aber weder verletzt noch konkret gefährdet. Folglich wird bei der Verabredung – wie auch beim Versuch – kein Erfolgsunwert verwirklicht. Da es auch beim Versuch an dem Erfolgsunwert fehlt, kann allein daraus noch nicht geschlossen werden, dass eine Strafbarkeit nicht legitimiert werden kann – der fehlende Erfolgsunwert könnte durch eine entsprechende Strafmilderung, wie sie auch in § 30 StGB vorgesehen ist, ausgeglichen werden. Es ist also weiterhin zu untersuchen, welchen Handlungsunwert die Verabredung verwirklicht.
II. Der Handlungsunwert der Verabredung Der Handlungsunwert liegt in der Vornahme der final auf die Rechtsgutsverletzung gerichteten Handlung. Vollständig verwirklicht ist der Handlungsunwert beim beendeten Versuch – in diesem Moment hat der Täter die finale Handlung nach seiner Vorstellung vollständig ausgeführt und das Geschehen aus der Hand gegeben. Es wurde bereits festgestellt, dass der Handlungsunwert beim unbeendeten Versuch geringer ist als beim beendeten47, da der Täter der Bestimmungsnorm dabei noch nicht vollständig zuwider gehandelt hat. Das Maß des Handlungsunwertes steigt somit proportional zu dem Fortschritt der Handlung: Je weiter der unbeendete Versuch fortgeschritten ist, desto größer ist auch der verwirklichte Handlungsunwert. Folglich ist der Handlungsunwert bei einem Versuch, bei dem gerade so die Schwelle zum unmittelbaren Ansetzen überschritten wurde – etwa weil der Täter gerade erst mit der Ausführungshandlung begonnen hat –, schon deutlich geringer als bei einem beendeten Versuch. Der Anstieg des Handlungsunwertes mit dem Fortschritt des 44
Baumann/Weber/Mitsch, S. 762; SK-Hoyer, § 30, Rn 12; Jescheck/Weigend, S. 701 f; Kühl, AT, S. 879; LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30, Rn 1; a.A.: Sax, ZStW 90, 927, 957. 45 Schönke/Schröder/Heine, § 30, Rn 2. 46 So auch Fieber, S. 58; MK-Joecks, § 30, Rn 1; LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30, Rn 2a; Fischer, § 30, Rn 2. Teilweise wird hingegen angenommen, dass es sich um Erscheinungsformen der Teilnahme und damit um eine Teilnahmevorschrift handelt: Baumann/Weber/Mitsch, S. 762; Jescheck/Weigend, S. 701 f m.w.N. Selbst wenn dieser Auffassung gefolgt würde, würden sich daraus hier keine Abweichungen ergeben, da es sich auch dann um eine Norm handelt, die in Abhängigkeit zu dem Delikt des Besonderen Teils steht und die sich auf das von diesem geschützte Rechtsgut bezieht. 47 So auch Zielinski, S. 144; Kaufmann, Armin, in: Stratenwerth, FS-Welzel, S. 393, 404.
B. Anwendung dieser Erkenntnisse auf die Verabredung
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Versuchs lässt sich auch damit erklären, dass vor dem Zeitpunkt der Beendigung des finalen Aktes noch nicht mit Sicherheit feststeht, dass es überhaupt zu dem vollständigen Verstoß gegen das der Norm zugrunde liegende Verbot kommen wird – die Handlung kann ja jederzeit noch abgebrochen werden.48 Wegen dieses geringeren Handlungsunwertes wird teilweise für den unbeendeten Versuch auch eine obligatorische Strafmilderung gefordert.49 Für die Verabredungsstrafbarkeit gilt nun Folgendes: Sie bezieht sich als Vorbereitungsstrafbarkeit auf das gleiche Rechtsgut wie der Versuch und das vollendete Delikt. Damit stellt sie eine Deliktstufe noch vor dem unbeendeten Versuch dar – das verbotene Verhalten ist somit bei der Verabredung noch weiter von der Rechtsgutsverletzung entfernt als beim unbeendeten Versuch. Folglich muss der Handlungsunwert bei der Verabredung noch viel geringer sein als beim unbeendeten Versuch. Denn bei der Verabredung wird noch nicht einmal zu der Ausführungshandlung des Deliktes unmittelbar angesetzt, sondern die Komplottanten einigen sich lediglich darauf, eine solche Handlung später einmal vornehmen zu wollen. Daraus ergibt sich Folgendes: Der Handlungsunwert besteht in der Vornahme einer finalen Handlung. Diese Finalität muss sich aus den subjektiven Merkmalen ergeben – der Täter muss also mit der vorgenommenen Handlung die Rechtsgutsverletzung intendieren. Bei dem Tatentschluss und dem unmittelbaren Ansetzen des Versuchstäters ist dieser Zusammenhang eindeutig: Der Täter will mit der vollständigen Vornahme der Handlung das Rechtsgut unmittelbar verletzen. Bei der Verabredung hingegen ist die Einigung nur darauf gerichtet, dass später eine Handlung vorgenommen werden soll, die die Rechtsgutsverletzung herbeiführen soll. Der Vorsatz der Komplottanten ist im Moment der Verabredung also nur mittelbar auf die Verletzung des Rechtsgutes gerichtet – so, wie die Einigung selbst auch nur mittelbar die Verletzung herbeiführen soll.50 Da sich der Vorsatz der Komplottanten für die Strafbarkeit aber zumindest auch auf die spätere Ausführung des Verbrechens erstrecken muss, lässt sich eine Finalität der Einigung zwar nicht gänzlich verneinen, sie ist aber eben nur mittelbar auf die Rechtsgutsverletzung gerichtet. Daraus ergibt sich, dass die Verabredung zwar einen Handlungsunwert aufweist51, dieser aber jedenfalls erheblich geringer ist als bei einem unbeendeten Versuch. Demnach unterscheiden sich Versuch und Vorbereitung danach, wie weit der Handlungsunwert verwirklicht wurde.52 Diese Wertung gilt auch unabhängig von der Schwere des jeweiligen Deliktes: Auch der Versuch eines nicht ganz so schwerwiegenden Deliktes verwirklicht noch 48
Zielinski, S. 144; Kaufmann, Armin, in: Stratenwerth, FS-Welzel, S. 393, 404. Kaufmann, Armin, in: Stratenwerth, FS-Welzel, S. 393, 404. 50 So im Ergebnis auch Fieber, S. 134. 51 A.A.: Hirsch, ZStW 94 (1982), 240, 251. Er geht anscheinend davon aus, dass der Handlungsunwert überhaupt erst mit dem unmittelbaren Ansetzen beginnt. Dann würde er bei der Verabredung auch ganz fehlen. 52 Stratenwerth, SchwZStr 79 (1963), 233, 249; angedeutet auch von Kaufmann, Armin, in: Stratenwerth, FS-Welzel, S. 393, 404. 49
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4. Teil: Der Strafgrund der Verbrechensverabredung
ein größeres Unrecht als eine Verabredung zu einem im Vergleich schwerwiegenderen Delikt. Zwar stellt die Ausführung eines schwerwiegenden Deliktes ein größeres Unrecht als diejenige eines nicht so schwerwiegenden dar – genauso geht auch das geltende Gesetz davon aus, dass der Versuch eines schwerwiegenden Deliktes ein größeres Unrecht als die Vollendung eines nicht so schwerwiegenden Deliktes darstellt. Diese Wertung ergibt sich daraus, dass der Strafrahmen des Versuchs bis auf eine fakultative Strafmilderung nach § 23 Abs. 2 StGB mit demjenigen des vollendeten Deliktes übereinstimmt. Demzufolge wird beispielsweise ein versuchter Totschlag gem. §§ 212 Abs. 1, 22, 23 Abs. 1 StGB höher bestraft als eine vollendete Körperverletzung gem. § 223 StGB. Dementsprechend muss auch der Unrechtsgehalt eines nur versuchten Totschlages höher als derjenige einer vollendeten Körperverletzung eingeschätzt werden. Insofern könnte auch bei der Verabredungsstrafbarkeit aus dem Strafrahmen, der ebenfalls an denjenigen des vollendeten Delikts angepasst ist – aber zumindest eine obligatorische Milderung vorsieht –, eine ähnliche Wertung abgeleitet werden: Es könnte angenommen werden, dass die Verabredung zu einem schwerwiegenden Verbrechen ein größeres Unrecht als der Versuch eines nicht ganz so schwerwiegenden Delikts verwirklicht. Diese Argumentation kann aber – wie auch der im Gesetz vorgesehene Strafrahmen – nicht überzeugen, da sie einen entscheidenden Unterschied zwischen der Verabredung und dem Deliktsversuch vernachlässigt. Die Differenz zwischen dem Unrechtsgehalt eines Versuchs, der sich auf ein schwerwiegendes Delikt bezieht, und der Vollendung eines nicht so schwerwiegenden Deliktes ergibt sich aus folgender Überlegung: Mit der Vollendung wird das vollständige Unrecht eines bestimmten Deliktes verwirklicht, da sowohl der Erfolgsunwert als auch der gesamte Handlungsunwert gegeben sind. Die einzelnen vollendeten Delikte unterscheiden sich somit entsprechend ihrer Schwere auch in ihrem Gesamtunrechtgehalt. Bei einem Versuch wird hingegen ein unterschiedlich großes Unrecht verwirklicht – je nachdem, wie weit die Ausführungshandlung des Täters bereits fortgeschritten ist. Für jeden strafbaren Versuch gilt aber, dass zwar einerseits der Erfolgsunwert fehlt, aber andererseits auch zumindest schon ein nennenswerter Handlungsunwert vorliegt. Denn bei jedem Versuch besteht zumindest der unmittelbar auf die Rechtsgutsverletzung gerichtete Vorsatz des Täters. Der Unrechtsgehalt eines Versuchs hängt somit zum einen von seinem Fortschritt und zum anderen von der Schwere des Delikts ab. Demzufolge verwirklicht der Versuch einen seinem Fortschritt entsprechenden Teil des jeweiligen Gesamtunrechts des Delikts. Dieser Unrechtsgehalt kann so auch größer als derjenige eines vollendeten, dafür aber weniger schwerwiegenden, Deliktes sein. Bei der Verabredung ist die Situation nun aber eine andere: Zwar fehlt es auch hier, wie beim Versuch, am Erfolgsunwert – daneben liegt aber auch noch kein nennenswerter Handlungsunwert vor. So fehlt es vollständig an einer unmittelbar auf die Rechtsgutsverletzung gerichteten Ausführungshandlung und auch der Vorsatz der Komplottanten ist nur mittelbar auf die Rechtsgutsverletzung gerichtet. Folglich verwirklicht eine Verabredung selbst dann, wenn sie sich auf ein schwerwiegendes Delikt bezieht, nur einen sehr geringen Anteil an dem Gesamtunrecht dieses Deliktes. Daraus ergibt sich, dass
B. Anwendung dieser Erkenntnisse auf die Verabredung
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eine solche Verabredung zu einem schwerwiegenden Delikt gleichwohl noch ein geringeres Unrecht als der Versuch eines weniger schwerwiegenden verwirklicht. Der Handlungsunwert der Verabredung ist also so gering, dass sich die Frage stellt, ob dieser allein – da ja auch kein Erfolgsunwert gegeben ist – ausreichen kann, um eine Strafbarkeit zu rechtfertigen. Diese Frage muss, um das Ergebnis vorweg zu nehmen, verneint werden: Strafe darf immer nur ultima ratio sein.53 Daraus folgt, dass nicht jeder Rechtsungehorsam, – der zwar auch immer einen geringen Handlungsunwert enthält –, bestraft werden darf.54 Vielmehr muss auch eine reale Chance einer Rechtsgutsverletzung bestehen55, da das Strafrecht dem Rechtsgüterschutz dient. Strafe setzt Tatunrecht und nicht bloß die „Manifestation eines tatbereiten Willens“ voraus.56 Legt man dies zugrunde, ist die Beurteilung bei der Verabredung eindeutig: Die Verabredung selbst stellt nur einen Rechtsungehorsam dar – ob es im Ergebnis zu einer Rechtsgutsverletzung kommt, hängt noch von einer unüberschaubaren Vielzahl von Faktoren ab – unter anderem von der Vornahme der eigentlich verletzenden, tatbestandlichen Handlung. Die Komplottanten manifestieren mit der Verabredung ihren gemeinsamen Willen, die spätere Tat zu begehen – nicht mehr und nicht weniger. Darin liegt zwar in der Tat ein Handlungsunwert – wie in jedem anderen Rechtsungehorsam auch –, er ist aber zu gering, um die Schwelle vom bloßen Rechtsungehorsam zu einem strafrechtlich relevanten Tatunrecht zu überschreiten. Die Wertung, dass der durch Vorbereitungshandlungen verwirklichte Unrechtsgehalt für eine Rechtfertigung von Strafe zu gering ist, zeigt sich im Übrigen auch in der Entscheidung des Gesetzgebers, diese Vorbereitungshandlungen grundsätzlich straflos zu lassen.57 Etwas anderes kann aber auch für die Verabredung nicht gelten – der dabei verwirklichte Handlungsunwert ist zu gering, um eine Bestrafung zu legitimieren. An dieser Stelle sei noch darauf hingewiesen, dass es nach dem bisher Gesagten umso auffälliger ist, dass in den herkömmlichen Begründungen der Strafbarkeit der Verbrechensverabredung kein Wort über den Handlungsunwert verloren wird.58 Stattdessen wird für den Strafgrund in der Regel nur auf die erhöhte Gefährlichkeit abgestellt. Im Folgenden soll deshalb untersucht werden, ob eine solche erhöhte Gefährlichkeit der Verabredung besteht und ob diese unrechtserhöhend wirkt, so dass die Bestrafung der Verbrechensverabredung doch noch legitimiert werden kann.
53
s. o. 4. Teil, A. I. So auch Hertz, S. 16. 55 So auch Gallas, in: Kaufmann, Arthur, FS-Bockelmann, S. 155, 159; Hirsch, ZStW 94 (1982) 240, 253. 56 Gallas, in: Kaufmann, Arthur, FS-Bockelmann, S. 155, 159. 57 So auch schon Letzgus, S. 120. 58 Nur Zaczyk betont, dass die Strafbarkeit nicht mit dem materialen Unrechtsgehalt aus dem anvisierten Tatbestand erklärt werden kann (NK-Zaczyk, § 30, Rn 7). 54
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4. Teil: Der Strafgrund der Verbrechensverabredung
C. Die Begründungsansätze für eine Rechtfertigung der Verabredungsstrafbarkeit Im Folgenden befasst sich die Arbeit mit verschiedenen Ansätzen, die zu der Rechtfertigung der Strafbarkeit der Verabredung angeführt werden. Dabei geht es um die Frage, ob einer dieser Ansätze geeignet ist, das Unwertdefizit der Verabredung auszugleichen und somit eine Bestrafung zu legitimieren.
I. Die Teilrechtsgütertheorie von Jakobs Den Ausgangspunkt der vorstehenden Überlegungen bildet die Annahme, dass sich die Verabredung als unselbstständige Vorbereitungstat auf das Rechtsgut des in Aussicht genommenen Verbrechens bezieht. Wie gesehen kann auf dieser Basis das begangene Unrecht nicht für eine Rechtfertigung der Strafbarkeit ausreichen, da der Handlungsunwert der Verabredung – verstanden als finaler Angriff auf das Rechtsgut des Hauptdeliktes – zu gering ist. Jakobs stimmt mit dem hier vertretenen Ansatz insofern überein, als solche Vorbereitungshandlungen als Vorbereitungsunrecht nicht legitim kriminalisiert werden können.59 Um aber dennoch eine Strafbarkeit von Vorbereitungshandlungen zu rechtfertigen, wählt er einen anderen Ausgangspunkt – die Vorverlegung der Rechtsgutsverletzung: Indem er die Rechtsgüter der Verletzungsdelikte in mehrere Teilrechtsgüter zerlegt, handelt es sich bei dem Rechtsgut der Verabredung nicht mehr um das Rechtsgut des in Aussicht genommenen Deliktes, sondern um ein vorgezogenes oder flankierendes Rechtsgut desselben. Jakobs geht dabei davon aus, dass das „Unrecht des Verletzungsstadiums in diverses Partialunrecht“ zerlegt werden kann mit der Folge, dass einzelne dieser Unrechtsteile für sich genommen ein selbstständiges Unrecht darstellen.60 Somit könne es auch legitimerweise Delikte geben, die nur ein solches Partialunrecht enthalten – sie verbieten nicht die Verletzung der Hauptnorm, sondern die Überschreitung einer diese Hauptnorm flankierenden Norm. Aufgabe dieser flankierenden Normen sei die Garantie der Geltung der Hauptnorm.61 Die Normgeltung versteht Jakobs in doppelter Hinsicht: zum einen im Verhältnis zwischen der Norm und dem potentiellen Täter, zum anderen aber auch im Verhältnis zwischen der Norm und dem potentiellen Opfer. Diese letztgenannte Beziehung sei gekennzeichnet durch das Normvertrauen – die Bürger als potentielle Opfer vertrauten aufgrund der Norm darauf, dass das von ihr geschützte Rechtsgut nicht verletzt werde.62 Folglich könne die Normgeltung nicht 59 Jakobs, ZStW 97 (1985), 751, 765, 773. Er begründet diese Wertung damit, dass Strafe nur legitim sei, wenn der Bürger zum Täter geworden sei, indem er den Bereich der Privatsphäre verlassen und sich nach außen störend verhalten habe – das sei bei den Varianten des § 30 StGB aber nicht der Fall. 60 Jakobs, ZStW 97 (1985), 751, 774. 61 Jakobs, ZStW 97 (1985), 751, 775. 62 Dazu auch Jakobs, HRRS 2004, 88, 91 sowie HRRS 2006, 289, 291.
C. Begründungsansätze für Rechtfertigung der Verabredungsstrafbarkeit
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nur durch die tatsächliche Verletzung des Rechtsgutes beeinträchtigt werden, sondern schon durch jede Minderung des Normvertrauens des Betroffenen.63 Das Unrecht liege insofern in der Anmaßung des Täters, das Verhältnis zwischen Opfer und Hauptnorm zu gestalten – und nicht wie bei den Verletzungsdelikten dasjenige zwischen Opfer und Rechtsgut.64 Eine solche Verletzung der flankierenden Norm könne auch bei Vorbereitungen eines Deliktes bestehen: Der Täter werde dann nicht deshalb bestraft, weil er ein Verbrechen strafbar vorbereitet, sondern weil er die „kognitive Basis der Normgeltung“ – das Normvertrauen – durch externes Verhalten gestört habe.65 Damit handelt es sich bei der Bestrafung nicht um eine vorgezogene Bestrafung für den Bruch der Hauptnorm, sondern um die Ahndung einer tatsächlich erfolgten Verletzung der flankierenden Norm. Da die flankierende Norm nur ein Partialunrecht enthalte, müsse sich dies in einem notwendig geringeren Strafrahmen im Vergleich zu dem des Verletzungsdeliktes niederschlagen.66 Für die Verabredungsstrafbarkeit gilt nach Jakobs Folgendes: Generell sei eine Bestrafung nur legitim, wenn das Verhalten den internen Bereich des Täters, seine Privatsphäre, verlassen habe.67 Folglich komme eine Strafbarkeit nie in Frage, wenn es um Verabredungen zwischen befreundeten Personen gehe68, da dieses Verhalten immer noch privat sei. Die Privatheit werde aber verlassen, wenn der Täter mit einer anderen Person komplottiere, die ihrerseits gegenüber dem Staat kein Recht auf Privatsphäre habe, wie beispielsweise mit einem Vertreter einer ausländischen Macht.69 In einem solchen Fall sei eine Strafbarkeit legitim. Nach Jakobs ist die Strafbarkeit der Verabredung also legitimiert, da sie bereits eine Verletzung der flankierenden Norm des in Aussicht genommenen Deliktes darstellt – vorausgesetzt, dass das Verhalten den Bereich der Privatsphäre verlassen hat.70 63
Jakobs, ZStW 97 (1985), 751, 775. Jakobs, ZStW 97 (1985), 751, 776. Jakobs steht insgesamt der Lehre des Rechtsgüterschutzes eher kritisch gegenüber und vertritt stattdessen, dass der Zweck des Strafrechts in dem Schutz der Normgeltung liege (AT, S. 44). 65 Jakobs, ZStW 97 (1985), 751, 776. 66 Jakobs, ZStW 97 (1985), 751, 779. Später konkretisiert Jakobs seine Forderung dahingehend, dass bei § 30 StGB eine Höchststrafe von 5 Jahren eingeführt werden sollte – als Ahndung für eine Störung der öffentlichen Sicherheit (HRRS 2006, 289, 297). 67 Jakobs bezeichnet diesen Bereich des Täters, der straffrei bleiben muss, als „interne bürgerliche Sphäre“. In diese Sphäre darf der Staat nicht eingreifen, da er sonst die Subjektstellung des Bürgers beseitigen würde und es sich um ein Feindstrafrecht handeln würde. Folglich müsse auch die „deliktsvorbereitende soziale Beziehung genuin privat (sein) wie jede andere Beziehung und wie sonstiges Verhalten im Innenbereich“ (ZStW 97 (1985), 751, 755 ff). 68 Jakobs, ZStW 97 (1985), 751, 756. 69 Jakobs, ZStW 97 (1985), 751, 776. 70 Später bezeichnet Jakobs § 30 StGB ausdrücklich als feindstrafrechtliche Regelung und stellt fest, dass die damit verbundene Bezugnahme auf die Größe der Gefahr und nicht auf den verwirklichten Normgeltungsschaden der Handlung zwar bei „Terroristen – prinzipiellen Gegnern – angemessen sein mag“. Mit § 30 StGB werde dies aber auch auf die Planung eines jeden Verbrechens übertragen. Darin liege ein „überflüssiges Feindstrafrecht“, das er auch als 64
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4. Teil: Der Strafgrund der Verbrechensverabredung
Auf den ersten Blick scheint die von Jakobs präferierte Aufspaltung der Rechtsgüter geeignet, den von der Verabredung verwirklichten Unwert zu erhöhen. Stellt nämlich nicht mehr das Rechtsgut des in Aussicht genommenen Delikts, sondern ein Teilrechtsgut desselben den Bezugspunkt der finalen Handlung dar, könnte in der Verabredungshandlung selbst schon eine Verletzung dieses Teilrechtsgutes gesehen werden. Dies hätte zur Folge, dass allein durch die Verabredungshandlung nicht nur ein vollständiger Handlungsunwert, sondern auch noch ein Erfolgsunwert verwirklicht würde. Gleichwohl kann dieser Ansatz aus diversen Gründen nicht überzeugen. Zunächst stellt sich die Frage, ob die behauptete Steigerung des Handlungsunwertes auch tatsächlich gegeben ist; denn die Verletzung des Teilrechtsgutes an sich stellt ein deutlich geringeres Unrecht dar als die Verletzung des Hauptrechtsgutes. Insofern ist fraglich, ob bei der Verletzung eines Teilrechtsgutes graduell ein größeres Unrecht verwirklicht wird als bei der Vorbereitung der Verletzung des Hauptrechtsgutes. Des Weiteren ist fraglich, ob es für die Legitimation der Strafbarkeit der Verabredung tatsächlich darauf ankommen kann, ob die Komplottanten befreundet sind oder ob es sich bei einem von ihnen um einen Repräsentanten der Öffentlichkeit handelt. Zwar muss der Ansatz Jakobs insofern Zustimmung erfahren, als er sagt, dass es in einem bürgerlichen Strafrecht einen Privatbereich des Täters gibt, in den der Staat nicht eingreifen darf. Kritisch ist aber die Grenzziehung zwischen diesem internen und jenem externen Bereich zu sehen – es kann dabei nicht darauf ankommen, in welcher Beziehung die einzelnen Personen vorher zueinander standen. Vielmehr müsste entscheidend sein, ob die Komplottanten mit ihrem Vorhaben schon in einer Weise nach außen getreten sind, dass sie die Freiheit anderer tangiert haben71 – dann haben sie die Privatsphäre verlassen –, oder ob sich das Vorhaben noch ausschließlich innerhalb der Gruppe befindet. Die Frage der Grenzziehung kann hier aber dahinstehen, da der Ansatz von Jakobs noch viel grundlegenderen Bedenken begegnet. Diese Bedenken richten sich gegen den Ausgangspunkt seiner Überlegungen – also gegen die grundsätzliche Teilbarkeit der Rechtsgüter sowie die Legitimation der Strafbarkeit von Verstößen gegen sog. flankierende Normen. Zunächst spricht schon die Systematik des Strafgesetzbuches gegen die Aufspaltung der Rechtsgüter mit der Folge, dass auch Vorbereitungshandlungen ein eigenes Teilrechtsgut haben. Das Strafgesetzbuch besteht aus Vorschriften des Allgemeinen und aus solchen des Besonderen Teils. Nur letztere schützen im geltenden Strafrecht aber eigene Rechtsgüter – die Vorschriften des Allgemeinen Teils, wie die Teilnahme-, Vorbereitungs- und Versuchsvorschriften, stehen in einer Abhängigkeit zu diesen Delikten und schützen kein eigenes Rechtsgut. Sie dienen vielmehr dem Schutz des Rechtsgutes des jeweiligen Deliktes, auf das sie sich beziehen. So wurde auch schon für die Verabredung festgestellt, dass es sich dabei nicht um ein eigenständiges Delikt mit einem eigenen Rechtsgut handelt.72 Übel bezeichnet (HRRS 2006, 289, 295). Um diesem Übel entgegen zu wirken, plädiert Jakobs dann auch für eine Strafrahmenobergrenze bei § 30 StGB von 5 Jahren (HRRS 2006, 289, 297). 71 So im Ergebnis auch Fieber, S. 119. 72 s. o. 4. Teil, B. I.
C. Begründungsansätze für Rechtfertigung der Verabredungsstrafbarkeit
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Insofern kann der Annahme Jakobs’, dass die Verabredung ein eigenes Teilrechtsgut schützt, nicht gefolgt werden. Entscheidend ist aber folgende Überlegung: Jakobs geht davon aus, dass alle Hauptnormen von flankierenden Normen begleitet werden und dass diese Normen Teilrechtsgüter des jeweiligen Hauptrechtsgutes schützen. Daraus leitet er ab, dass Verstöße gegen die flankierende Norm schon strafrechtlich relevantes Unrecht in Form einer Rechtsgutsverletzung darstellen. Dieser Ansatz führt – konsequent weiter gedacht – dazu, dass um jeden Tatbestand des Besonderen Teils noch eine Art Schutzwall aus flankierenden Normen und flankierenden Straftatbeständen aufgestellt werden könnte: Bei allen Delikten des Besonderen Teils dürfte demzufolge nicht nur der Versuch strafbar sein, sondern auch jede Vorbereitungshandlung, die den externen Bereich des Täters verlassen hat – auch diejenige eines Alleintäters. Denn die Vornahme der Versuchs- oder Vorbereitungshandlung würde gegen die flankierende Norm verstoßen und damit die Verletzung eines Teilrechtsgutes darstellen. Nach diesem Ansatz wären alle diese Handlungen bereits als Verletzungsunrecht zu bestrafen. Danach wäre es zur Unterstützung der Tatbestände des Besonderen Teils nicht nur möglich, Versuchs- und Vorbereitungshandlungen zu diesen zu bestrafen, sondern denkbar wäre auch die Schaffung selbstständiger Tatbestände. Diese könnten ein bestimmtes Teilrechtsgut des ursprünglichen Delikts, wie den öffentlichen Frieden oder die öffentliche Sicherheit, schützen.73 Werden diese Delikte als Verbrechen ausgestaltet, ist dann wiederum der Weg für die Versuchs- und Vorbereitungsstrafbarkeit eröffnet. Solche Delikte, die eine Art Schutzwall für andere Tatbestände des Besonderen Teils darstellen, finden sich zwar auch schon im geltenden Recht – als Beispiel sei hier § 129a StGB genannt. Denn dieser Tatbestand dient richtigerweise dem Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung74 und setzt mit seinem Schutz schon vor einer Bedrohung der Rechtsgüter der Katalogtaten an. Durch den Verbrechenscharakter der Vorschrift kann sowohl der Versuch (§ 23 Abs. 1 StGB) als auch die Vorbereitung (§ 30 StGB) zu der Bildung einer terroristischen Vereinigung bestraft werden.75 Bei konsequenter Anwendung des Ansatzes von Jakobs müsste die Schaffung solcher „Schutzwalldelikte“ für alle Delikte des Besonderen Teils legitim sein.76 Denn das Normvertrauen der Bürger kann auch 73 Hefendehl spricht in diesem Zusammenhang von einer „intrasystematischen Auflösung des Strafrechts“. Er bezeichnet die öffentliche Sicherheit und den öffentlichen Frieden als scheinbare Rechtsgüter und sieht eine immer größere Entfernung zwischen der Tathandlung und dem „teilweise zur Unkenntlichkeit verschwommenen Rechtsgutsbegriff (StV 2005, 156, 159 f). 74 s. u. 4. Teil, C. II. 2. 75 Besonders fragwürdig ist in diesem Zusammenhang, dass nach § 129a Abs. 2 StGB auch Katalogtaten erfasst werden, die selbst nur ein Vergehen darstellen. Die bloße Gründung einer Vereinigung, die sich auf solche Taten richtet, wird demnach schwerer bestraft als die Begehung der Tat selbst. 76 Jakobs selbst befürwortet diesen Zustand auch nicht, sondern er will diese Delikte auf das sog. Feindstrafrecht beschränken. Dieses sieht er in Ausnahmen als notwendig an, plädiert aber dafür, dass es strikt von dem Bürgerstrafrecht getrennt werde (ZStW 97, (1985), 751, 784).
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4. Teil: Der Strafgrund der Verbrechensverabredung
schon durch leichtere Normverletzungen erschüttert werden. Schon bei § 129a StGB bestehen aber große Bedenken hinsichtlich seiner Legitimation77 – erst recht kann aus seiner Existenz aber keine allgemeine Berechtigung für solche „Schutzwalltatbestände“ abgeleitet werden. Im Ergebnis führt dieser Ansatz also zu einer nahezu unendlich möglichen Vorverlagerung der Strafbarkeit im Vergleich zu den momentan geltenden Straftatbeständen. Überall dort könnten noch weitere Strafnormen geschaffen werden, die immer mehr in die Freiheit des Einzelnen eingreifen würden. Folglich besteht bei dem von Jakobs gewählten Ansatz genau die Gefahr, die er vermeiden wollte – nämlich die Gefahr der uferlosen Einschränkung der Freiheit des Einzelnen durch das Strafrecht.78 Mit Hilfe des Rückgriffes auf Teilrechtsgüter kann die Verabredungsstrafbarkeit folglich nicht legitimiert werden.
II. Rückgriff auf die Begründungsansätze für die abstrakten Gefährdungsdelikte Im Folgenden soll untersucht werden, ob die Begründungsansätze für die abstrakten Gefährdungsdelikte herangezogen werden können, um die Strafbarkeit der Verbrechensverabredung zu legitimieren. Die diversen Begründungsansätze für die Strafbarkeit der abstrakten Gefährdungsdelikte sind allerdings kaum überschaubar und differieren untereinander sehr stark79. Im Rahmen dieser Arbeit kann auf eine Auseinandersetzung mit jenen Ansätzen verzichtet werden, wenn sich herausstellen sollte, dass es schon an einer strukturellen Vergleichbarkeit zwischen den abstrakten Gefährdungsdelikten und der Verbrechensverabredung fehlt – in diesem Fall können nämlich auch bei der Begründung der Strafbarkeit keine Parallelen zwischen den unterschiedlichen Strafnormen gezogen werden. Im Folgenden stellt sich somit die Frage nach der strukturellen Vergleichbarkeit der abstrakten Gefährdungsdelikte einerseits und der Verabredung andererseits. Von einer solchen strukturellen Vergleichbarkeit geht Fieber aus: Er qualifiziert die Verabredung als „quasi-abstraktes Gefährdungsdelikt“80 und stützt dieses Urteil darauf, dass der Tatbestand keine Gefahr als Tatbestandsmerkmal voraussetze. Stattdessen bestehe eine Vermutung seitens des Gesetzgebers, dass bei Erfüllung des Tatbestandes ein Gefahrzustand entstehe.81 Auf den ersten Blick ist Fieber jedenfalls insofern zuzustimmen, als die Verabredungsstrafbarkeit im Vergleich zu den Gefährdungsdelikten am ehesten den abstrakten82 und nicht den konkreten Gefährdungsdelikten nahe steht. Gleichwohl erscheint der Schluss, die Verabredung stelle ein „quasi-abstraktes Gefährdungsde77
s. u. 4. Teil, C. II. 2. So auch Heinrich, ZStW 121 (2009), 95, 97. 79 Eine Übersicht über die einzelnen Theorien findet sich bei Fieber, S. 148 ff m.w.N. 80 Fieber, S. 145. Auch Letzgus vergleicht die Verabredungsstrafbarkeit mit den abstrakten Gefährdungsdelikten (S. 186 f). 81 Fieber, S. 145. 82 So wohl auch NK-Zaczyk, § 30, Rn 7. 78
C. Begründungsansätze für Rechtfertigung der Verabredungsstrafbarkeit
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likt“ dar, etwas voreilig. Um festzustellen, ob die Verabredungsstrafbarkeit tatsächlich strukturell mit einem abstrakten Gefährdungsdelikt vergleichbar ist, muss zwischen unterschiedlichen Arten derselben differenziert werden. Dabei werden zwei Typen von abstrakten Gefährdungsdelikten unterschieden, die für die weitere Untersuchung von Bedeutung sind: Die einen stellen eine unmittelbar gefährliche Handlung unter Strafe, während die anderen vermeintlich nur eine mittelbar oder potentiell gefährliche Handlung bestrafen.83 1. Abstrakte Gefährdungsdelikte, die eine unmittelbar gefährliche Handlung unter Strafe stellen Die Unterschiede zwischen den abstrakten Gefährdungsdelikten, die ein eo ipso gefährliches Verhalten unter Strafe stellen, und der Verabredungsstrafbarkeit liegen auf der Hand: Diese Gruppe der abstrakten Gefährdungsdelikte stellt ein Verhalten unter Strafe, das selbst schon den vollständigen Angriff auf das jeweils geschützte Rechtsgut darstellt und somit unmittelbar gefährlich ist. Beispiele für diese Gefährdungsdelikte stellen die Trunkenheitsfahrt gem. § 316 StGB oder auch die Schwere Brandstiftung gem. § 306a, Abs. 1 StGB84 dar. Das tatbestandliche Verhalten wird als typischerweise gefährlich definiert – weil es generell geeignet ist, störende Wirkungen herbeizuführen85 –; dieses Gefahrurteil ist unabhängig von jedem nachfolgenden deliktischen Verhalten. Genau darin ist der entscheidende Unterschied zu der Verabredungsstrafbarkeit zu sehen. Die für die Strafbarkeit hinreichende Einigung der Komplottanten stellt noch keinen unmittelbaren Angriff auf das geschützte Rechtsgut dar. Dieser Angriff soll vielmehr erst später durch die eigentliche Ausführungshandlung erfolgen – das Gefahrurteil bei der Verabredung ergibt sich erst in Abhängigkeit zu dem später erfolgenden deliktischen Verhalten.86 Da es für die Verabredung als Vorbereitungshandlung also charakteristisch ist, dass das Verhalten selbst noch keinen unmittelbaren Angriff auf das Rechtsgut darstellt – gerade daraus resultieren ja auch die Zweifel hinsichtlich der Strafwürdigkeit eines solchen Verhaltens –, kann somit nicht von einer strukturellen Vergleichbarkeit zwischen der Verabredung und dieser Gruppe der abstrakten Gefährdungsdelikte ausgegangen werden. Folglich können auch die Begründungsansätze dieser Gefährdungsdelikte von vornherein nicht für die Legitimierung der Verabredungsstrafbarkeit herangezogen werden.87
83 84 85 86 87
Diese Unterscheidung trifft Fieber, S. 173 ff. So auch Jakobs, ZStW 97 (1985), 751, 768 f. Schönke/Schröder/Heine, § 306a, Rn 1. Jakobs, ZStW 97 (1985), 751, 768 f. s. u. 4. Teil, C. III. 1. c). So auch Fieber, S. 174.
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4. Teil: Der Strafgrund der Verbrechensverabredung
2. Vorverlagernde abstrakte Gefährdungsdelikte Als Kennzeichen der zweiten Gruppe der abstrakten Gefährdungsdelikte wird angeführt, dass sie ein Verhalten unter Strafe stellen, das selbst noch nicht unmittelbar gefährlich sei, sondern diese Wirkung erst in Verbindung mit einem später nachfolgenden deliktischen Verhalten entfalte.88 Diese Delikte erfassen demnach Handlungen im Vorfeld einer anderen deliktischen Tätigkeit89 – in gewisser Weise auch Vorbereitungen dieser späteren Delikte.90 Als Beispiele für diese Gefährdungsdelikte werden die Bildung krimineller (§ 129 StGB) und terroristischer (§ 129a StGB) Gruppen angeführt.91 Nach Fieber sind diese Delikte strukturell nahezu identisch mit der Verbrechensverabredung – mit dem einzigen Unterschied, dass sie „echte“ Gefährdungsdelikte darstellten.92 Die Einordnung der genannten Delikte als sog. vorverlagernde Gefährdungsdelikte basiert auf dem Gedanken, dass diese Delikte kein eigenes Rechtsgut haben, sondern als Vorfeldtatbestand dem Schutz der Rechtsgüter der Katalogtaten dienen.93 Davon ausgehend, wäre die Struktur dieser Delikte tatsächlich mit derjenigen der Verbrechensverabredung identisch mit der Folge, dass eine Übertragung der Begründungsansätze möglich wäre. Die hier in Rede stehenden Delikte weisen auf den ersten Blick sicherlich gewisse Parallelen zu der Verbrechensverabredung auf – wie auch bei der Verabredung führt bei diesen abstrakten Gefährdungsdelikten erst die Gesamtschau aus dem gegenwärtigen Verhalten und der Befürchtung späterer Deliktbegehung zu dem Gefährlichkeitsurteil.94 Würde man hingegen allein das jetzige Verhalten betrachten, ohne die Absichten der gebildeten Vereinigung zu berücksichtigen, würde keine Gefährlichkeit bejaht und damit auch keine Strafbarkeit. Diese Parallelen können aber nichts daran ändern, dass gleichwohl ein strukturell entscheidender Unterschied zwischen der Verabredung und diesen Gefährdungsdelikten besteht. Während es sich bei letzteren um selbstständige Delikte handelt, stellt die Verabredung nur eine von den Delikten des Besonderen Teils des StGB abhängige Vorbereitungstat dar. Auch wenn dieser Unterschied zunächst sehr formal klingen mag, darf er nicht – wie es Fieber vorzuwerfen ist95 – vernach-
88
Jakobs, ZStW 97 (1985), 751, 769; Fieber, S. 174. So Jakobs, ZStW 97 (1985), 751, 769. 90 So Fieber, S. 174. 91 Fieber, S. 176 f. 92 Fieber, S. 177. 93 Ostendorf, JA 1980, 499, 500; Hefendehl, StV 2005, 156, 160; Rudolphi, in: Frisch/ Schmid, FS-Bruns, S. 315, 317 f. Für § 129 und § 129a Abs. 1 StGB auch SK-Rudolphi/Stein, § 129, Rn 3, § 129a, Rn 6. Zwar äußert sich Fieber zu dem Rechtsgut der Delikte nicht – es ist aber davon auszugehen, dass er diesen Gedanken seiner Argumentation zugrunde legt. Anderenfalls ließe sich seine Aussage, die Verabredung und die §§ 129, 129a seien strukturell nahezu identisch, nicht erklären (S. 177). 94 Fieber, S. 178; Jakobs, ZStW 97 (1985), 751, 771. 95 So erwähnt Fieber diesen Unterschied nur an einer Stelle, ohne dabei weiter auf die sich daraus ergebenden Konsequenzen einzugehen (S. 177). Auch auf die Frage der Rechtsgüter 89
C. Begründungsansätze für Rechtfertigung der Verabredungsstrafbarkeit
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lässigt werden. Denn richtigerweise muss neben der eigenständigen Deliktnatur dieser Gefährdungsdelikte auch ein eigenes Rechtsgut derselben angenommen werden: So dienen §§ 129 und 129a StGB dem Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung sowie als deren Bestandteil auch dem Schutz des öffentlichen Friedens.96 Die entgegengesetzte Ansicht, die Delikte schützten die Rechtsgüter der Katalogtaten, kann aus mehreren Gründen nicht überzeugen. Zunächst sprechen systematische Gründe dafür, dass es sich bei dem Rechtsgut der hier in Rede stehenden Delikte um die öffentliche Ordnung bzw. Sicherheit handelt. Neben der Stellung dieser Straftaten im Abschnitt der „Straftaten gegen die öffentliche Ordnung“ kann dies auch aus einzelnen Absätzen des § 129a StGB hergeleitet werden. So bewirkt § 129a, Abs. 2 StGB, dass im Fall der Bildung einer Vereinigung manche Vergehen des Besonderen Teils wie § 305a oder § 316b StGB zu einem Verbrechen werden. In Zusammenschau mit der systematischen Stellung des Tatbestandes deutet diese Wertung des Gesetzgebers auf Folgendes hin: Er ging davon aus, dass mit dieser Vereinigung ein anderes Rechtsgut unmittelbar bedroht oder verletzt würde als dasjenige des Vergehens des Besonderen Teils – nämlich das Rechtsgut der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. Verstünde man hingegen die Vereinigung als Angriff auf das Rechtsgut des Vergehens, ließe sich die Qualifizierung als Verbrechen verbunden mit dem immensen Anstieg der Strafandrohung97 überhaupt nicht verständlich machen. Denn das Rechtsgut des Vergehens würde durch die Vereinigung weniger gefährdet als durch die Begehung des Vergehens selbst.98 Des Weiteren spricht auch § 129a, Abs. 3 StGB für die Annahme, dass dieser Tatbestand ein eigenständiges Rechtsgut schützt. Dieser Absatz bestraft die Vereinigung auch dann, wenn ihr Zweck in der bloßen Androhung der Katalogtaten liegt. Die bloße Androhung von Straftaten ist aber nicht geeignet, das Rechtsgut des Delikts selbst zu gefährden oder zu verletzen – dabei geht es vielmehr um den Schutz des individuellen Rechtsfriedens, wie es bei der Bedrohung nach § 241 StGB99 der Fall ist, oder des öffentlichen Rechtsfriedens, wie § 126 StGB100 zeigt. So ist davon auszugehen, dass
geht Fieber nicht ein. Wie bereits gesehen, ist davon auszugehen, dass er stillschweigend annimmt, die Delikte schützten die Rechtsgüter der Katalogtaten. 96 Schönke/Schröder/Lenckner/Sternberg-Lieben, § 129, Rn 1; MK-Miebach/Schäfer, § 129, Rn 1, § 129a, Rn 1; Jakobs, ZStW 97 (1985), 751, 774; BGH NJW 1995, 2117; Lackner/ Kühl, § 129, Rn 1; Gössel, JR 83, 118; Hofmann, NStZ 98, 249, 250; LK-Krauß, § 129, Rn 1, § 129a, Rn 1 m.w.N. 97 Bei § 129a Abs. 2 StGB reicht der Strafrahmen von einem bis zehn Jahren Freiheitsstrafe, während beispielsweise § 305a StGB nur einen Strafrahmen von bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe oder Geldstrafe vorsieht. 98 So wird von denjenigen, die davon ausgehen, dass § 129a StGB das Rechtsgut der Katalogtat schützt, dementsprechend darin auch eine „Verletzung des verfassungsrechtlichen Schuldprinzips gesehen“ (SK-Rudolphi/Stein, § 129a, Rn 2). Im Ergebnis wird diese Kritik an § 129a nicht bestritten, wie sich im Folgenden zeigen wird. 99 Schönke/Schröder/Eser, § 241, Rn 2. 100 Lackner/Kühl, § 126, Rn 1.
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4. Teil: Der Strafgrund der Verbrechensverabredung
auch hier der Schutz des öffentlichen Rechtsfriedens beabsichtigt ist.101 Auch § 129a, Abs. 2 StGB spricht dafür, dass es bei § 129a StGB insgesamt um den Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung geht: Dort reicht für die Strafbarkeit nicht der Zweck der Vereinigung aus, die Katalogtaten zu begehen, sondern es muss noch die Intention hinzukommen, dadurch den Staat oder seine Einrichtungen zu beeinträchtigen.102 Die gesamte Systematik und die Tatsache, dass innerhalb eines Tatbestandes regelmäßig ein einheitliches Rechtsgut besteht, legen somit den Schluss nahe, dass diese Wertung auch für § 129a, Abs. 1 StGB gilt und damit § 129a StGB insgesamt das Rechtsgut der öffentlichen Sicherheit und Ordnung schützt. Neben diesen systematischen Gründen kann für die Rechtsgutsfrage der §§ 129, 129a StGB der Rahmenbeschluss des Rates der Europäischen Union zur Terrorismusbekämpfung hinzugezogen werden103, da diese Tatbestände in ihrer geltenden Form auf diesen zurückzuführen sind.104 Der EU-Rahmenbeschluss bestimmt zwar nicht ausdrücklich, dass die von den Mitgliedstaaten geschaffenen Straftatbestände als Rechtsgut die öffentliche Sicherheit bzw. Ordnung schützen müssen. Gleichwohl lässt sich aus dem Kontext herleiten, dass mit dem Ratsbeschluss genau dieser Schutz gewährleistet werden sollte. So ist das Ziel desselben die Bekämpfung des Terrorismus und der organisierten Kriminalität.105 Die national bestimmten Straftaten (die Katalogtaten) sollen als terroristische Taten eingestuft werden, „wenn sie mit dem Ziel begangen werden, die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Landes oder einer internationalen Organisation ernsthaft zu destabilisieren oder zu zerstören“ oder „die Bevölkerung auf schwerwiegende Weise einzuschüchtern“.106 Daraus ergibt sich, dass die Terrorismusbekämpfungsgesetze gerade dazu dienen sollen, Angriffe auf die öffentliche Ordnung und Sicherheit insgesamt zu ahnden und nicht nur einen zusätzlichen Schutz für die einzelnen, durch solche Vereinigungen bedrohten Individualrechtsgüter zu schaffen. Da die nationalen Straftatbestände diesen Ratsbeschluss umsetzen, müssen auch sie diesem Zweck gerecht werden. Folglich müssen die öffentliche Sicherheit und Ordnung und darin eingeschlossen der öffentliche Friede als Rechtsgüter dieser Delikte in ganz Europa angesehen werden.107 Somit lässt sich im Ergebnis festhalten, dass die §§ 129, 129a StGB ein eigenes Rechtsgut schützen. 101
Dies ist für § 129a Abs. 3 StGB auch von der Ansicht, die grundsätzlich ein eigenständiges Rechtsgut ablehnt, anerkannt (SK-Rudolphi/Stein, § 129a, Rn 6). 102 Auch hier wird von der Gegenansicht eingeräumt, dass dieser Absatz zumindest kumulativ neben den Rechtgütern der Katalogtaten auch die Funktionsfähigkeit des Staates schützen soll (vgl. SK-Rudolphi/Stein, § 129a, Rn 6). 103 Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften ABl. EG Nr. L 164/3. 104 §§ 129, 129a StGB wurden durch das Gesetz zur Umsetzung des EU-Rahmenbeschlusses zur Terrorismusbekämpfung vom 22. 12. 2003 geändert. Ausführlich zu der Historie der beiden Tatbestände MK-Miebach/Schäfer, § 129, Rn 10 und § 129a, Rn 6. 105 ABl. EG Nr. L 164/3. 106 ABl. EG Nr. L 164/4. 107 Schönke/Schröder/Lenckner/Sternberg-Lieben, § 129, Rn 1; Fischer, § 129b, Rn 3.
C. Begründungsansätze für Rechtfertigung der Verabredungsstrafbarkeit
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Dann besteht aber auch zwischen den beiden bislang unterschiedenen Gruppen der abstrakten Gefährdungsdelikte kein relevanter struktureller Unterschied mehr: Bei den vorverlagernden Gefährdungsdelikten mag zwar die anfängliche kriminalpolitische Entscheidung über die Strafbarkeit des Verhaltens von der Berücksichtigung zukünftiger Entwicklungen abhängen. Im Fall der §§ 129, 129a StGB handelte es sich dabei um die Wahrscheinlichkeit der zukünftigen Begehung von Straftaten, die aus den kriminellen Zwecken der verbotenen Vereinigung abgeleitet wurde. Gleichwohl geht es bei diesen Delikten – aufgrund der Ausgestaltung als selbstständige Delikte mit eigenem Rechtsgut – um die Gefährlichkeit für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die schon durch die Bildung der Vereinigung und nicht erst durch die spätere Begehung der Katalogtaten entstehen soll. Bereits die Bildung der kriminellen bzw. terroristischen Vereinigung stellt danach einen unmittelbaren Angriff auf dieses Rechtsgut dar mit der Folge, dass bei diesen Delikten – wie auch bei der ersten Gruppe der abstrakten Gefährdungsdelikte – schon mit der tatbestandlichen Handlung ein für das Rechtsgut unmittelbar gefährliches Verhalten ausgeführt wird. Darin liegt dann aber auch der entscheidende Unterschied zu der Verabredungsstrafbarkeit, bei der eben nur ein mittelbarer Angriff auf das geschützte Rechtsgut vorgenommen wird und es damit auch, wenn überhaupt, nur zu einer mittelbaren Gefährdung des Rechtsgutes kommt.108 Somit gilt hier, wie auch bei der ersten Gruppe der abstrakten Gefährdungsdelikte, dass die dafür vorgebrachten Begründungsansätze mangels einer strukturellen Vergleichbarkeit nicht auf die Verbrechensverabredung übertragen werden können.109 Abgesehen davon, dass eine Übertragung der Begründungsansätze der §§ 129, 129a StGB auf die Verbrechensverabredung wegen dieser strukturellen Divergenzen nicht möglich ist, ist die strafrechtliche Begründung dieser beiden Delikte an sich schon zweifelhaft.110 Dabei soll nur kurz auf Folgendes hingewiesen werden: Wie gesehen, muss nach der Systematik und der Historie der Vorschrift die öffentliche Sicherheit bzw. Ordnung als Rechtsgut der §§ 129, 129a StGB angesehen werden. Damit sehen sich die Delikte aber grundsätzlich demselben Vorwurf ausgesetzt, der gegen die Teilrechtsgütertheorie von Jakobs erhoben wurde.111 Denn hier wurden mit den §§ 129, 129a StGB Tatbestände mit einem eigenständigen Rechtsgut geschaffen, die man auch als eine Art Schutzwall für die sonstigen Delikte des Besonderen Teils ansehen könnte. Ja-
108
Zu der Frage der Gefährlichkeit der Verabredungshandlung unten 4. Teil, C. III. 2. Auch Fieber kommt zu diesem Ergebnis, allerdings mit anderer Begründung (S. 178 f): Nach seiner Ansicht besteht der Unterschied zwischen der Verbrechensverabredung und den §§ 129, 129a in dem bei letzteren bestehenden höheren Organisationsgrad. Dieser Unterschied verhindere dann eine Gleichsetzung der Strafvorschriften. 110 Teilweise wird angenommen, diese Diskussion über die Berechtigung der Vorschrift habe sich mit den EU-Vorgaben und wegen einer erhöhten Herausforderung durch die organisierte Kriminalität erledigt (Schönke/Schröder/Lenckner/Sternberg-Lieben, § 129, Rn 1). Laut BVerfGE 17, 155 ist § 129 StGB verfassungsgemäß. Kritisch dazu aber weiterhin: Fieber, S. 178 f; Beck, S. 206 f. 111 s. o. 4. Teil, C. I. 109
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4. Teil: Der Strafgrund der Verbrechensverabredung
kobs bezeichnet diese Delikte denn auch als „Klimaschutzdelikte“.112 Gegen diese Delikte könnte vorgebracht werden, dass sie zwar keine Vorfeldstrafbarkeit im strukturellen Sinn darstellen, indem sie aber ein Rechtsgut wie die öffentliche Sicherheit und Ordnung schützen, praktisch eine solche Vorfeldstrafbarkeit umgehen. Daraus resultiert die Frage, wie groß das dabei verwirklichte Unrecht tatsächlich ist und ob dieses Unrecht ausreicht, um eine Bestrafung in dieser Höhe zu rechtfertigen. Die soeben erörterte Problematik zeigt auch, dass selbst dann keine eindeutigen Schlüsse für die Legitimation der Verabredungsstrafbarkeit gezogen werden könnten, wenn von einer strukturellen Vergleichbarkeit der §§ 129, 129a StGB mit der Verbrechensverabredung ausgegangen würde: Denn die Begründung der §§ 129, 129a StGB ist an sich schon problematisch und kann deshalb auch schwerlich ein Indiz für die Legitimität anderer Strafvorschriften darstellen. Es bleibt somit festzuhalten, dass die Verabredungsstrafbarkeit keinesfalls mit einem Rückgriff auf die Begründungsansätze der abstrakten Gefährdungsdelikte legitimiert werden kann.
III. Die Legitimation der Verabredungsstrafbarkeit durch die besondere Gefährlichkeit Die Strafbarkeit der Verbrechensverabredung wird heute überwiegend mit einer erhöhten Gefährlichkeit des Verhaltens begründet. Auffällig ist, dass dabei regelmäßig mit keinem Wort auf ihren sehr geringen Handlungsunwert eingegangen wird, der ihre Strafbarkeit gerade nicht rechtfertigen kann.113 Davon ausgehend muss der übliche Rückgriff auf die Gefährlichkeit so verstanden werden, dass diese ausnahmsweise strafbegründend wirken könne114 – der geringe Handlungsunwert also durch sie erhöht werde. Ausdrücklich fordert aber nur Letzgus, dass bei einer besonderen Gefährlichkeit von Vorbereitungshandlungen „die präventive Funktion des Strafrechts gegenüber der repressiven eindeutig im Vordergrund stehen“ müsse.115 Im Folgenden wird deshalb zu untersuchen sein, ob diese erhöhte Gefährlichkeit tatsächlich besteht und, bejahendenfalls, ob dadurch der geringe Handlungsunwert der Verabredung erhöht wird. Sollte eine dieser Fragen verneint werden, kann die Strafbarkeit der Verbrechensverabredung nicht legitimiert werden. Zunächst muss also untersucht werden, ob sich die Verabredung tatsächlich durch eine erhöhte Gefährlichkeit auszeichnet. Bei der Begründung dieser Gefährlichkeit werden unterschiedliche Ansätze vertreten. Nach der überwiegenden Ansicht resultiert sie aus
112 113 114
Rn 7). 115
Jakobs, ZStW 97 (1985), 751, 774. s. o. 4. Teil, B. II. So versteht auch Zaczyk die herkömmlich angeführten Strafgründe (NK-Zaczyk, § 30, Letzgus, S. 120.
C. Begründungsansätze für Rechtfertigung der Verabredungsstrafbarkeit
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der gesteigerten Willensbindung der einzelnen Komplottanten.116 Nach anderer Ansicht liegt neben dieser Willensbindung noch ein weiterer Grund für die erhöhte Gefährlichkeit darin, dass der einzelne Komplottant mit seiner Zustimmung die weitere Kontrolle über das Geschehen verliere und damit die Gefahr der Tatbegehung durch die verbliebenen Komplottanten bestehe, selbst wenn einer von der Tat Abstand nimmt.117 Für die Überprüfung der Tragfähigkeit dieser Strafgründe ist zunächst zu klären, was unter einer Gefahr bzw. der Gefährlichkeit eines Verhaltens zu verstehen ist. 1. Der Gefahrbegriff Unter einer Gefahr ist ein Zustand zu verstehen, der bei ungehindertem Fortgang in einen Schaden umzuschlagen droht, bei dem der Eintritt eines Schadens also nahe liegt.118 Nicht ausreichend ist insofern eine rein gedankliche Möglichkeit, sondern erforderlich ist eine „auf festgestellte tatsächliche Umstände gegründete Wahrscheinlichkeit eines schädigenden Ereignisses“.119 Soll dieser von der Rechtsprechung entwickelte Gefahrbegriff120 zur Bestimmung der Gefährlichkeit der Verabredung herangezogen werden, muss Folgendes beachtet werden: Dieser Begriff bezeichnet eine Gefahr im Sinne eines Zustandes – also einen konkreten Gefahrerfolg. Er dient der Bestimmung einer Gefahr als Tatbestandsmerkmal, wie es bei den konkreten Gefährdungsdelikten erforderlich ist. Die Verabredung setzt hingegen gerade keinen Gefahrerfolg des Verhaltens voraus. Die Gefahr ist dort kein Tatbestandsmerkmal, sondern dient vielmehr als Grund für die Bestrafung – insofern ist die Verabredung vergleichbar mit den abstrakten Gefährdungsdelikten. Bei der Verabredungsstrafbarkeit wird also ein Verhalten unter Strafe gestellt, das allgemein als gefährlich angesehen wird.121 Somit besteht der Unterschied zwischen dem soeben dargestellten Gefahrbegriff und der Gefährlichkeit der Verabredung gleich in zweierlei Hinsicht: Der Gefahrbegriff bezieht sich auf eine konkrete Gefahr, während bei der Verabredungsstrafbarkeit eine abstrakte Gefahr angenommen wird. Des Weiteren wird bei der Verabredungsstrafbarkeit auch nicht davon ausgegangen, dass 116 Roxin, AT II, S. 287 ff, 303; Lackner/Kühl, § 30, Rn 1; BeckOK-Beckemper, § 30, Rn 2; LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30, Rn 3; Jescheck/Weigend, S. 701; BGH, NJW 1957, 1770; Schröder, JuS 1967, 289; SK-Hoyer, § 30, Rn 11; MK-Joecks, § 30, Rn 11, 49. 117 So Schäfer, in: Niederschriften, S. 206 f; Weber, ZStW-Beiheft, 1987, 1, 16. Wohl auch Schönke/Schröder/Heine, § 30, Rn 1. 118 BGHSt 18, 271; RGSt 30, 178; RGSt 10, 173. 119 BGHSt 18, 271. Schünemann kritisiert insofern, dass eine Abgrenzung zwischen Möglichkeit und Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts nicht möglich sei (JA 1975, 787, 794). 120 Eine umfassende Auseinandersetzung mit den übrigen vertretenen Gefahrbegriffen ist in diesem Rahmen nicht möglich; vgl. zum normativen Gefahrbegriff zB Schünemann, JA 1975, 787, 796, Wolter, S. 218 ff; zum objektiven Gefahrbegriff Henkel, S. 10 ff, Binding, Normen, Band IV, S. 382 ff. 121 So auch Hoyer, JA 1990, 183, 184; LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30, Rn 3; Lackner/ Kühl, § 30, Rn 1.
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4. Teil: Der Strafgrund der Verbrechensverabredung
ein Gefahrerfolg durch das Verhalten hervorgerufen wird, sondern davon, dass das Verhalten selbst gefährlich ist. Der Gefahrbegriff bezieht sich somit auf einen konkreten Gefahrzustand, während es bei der Verabredungsstrafbarkeit um eine abstrakte Gefährlichkeit des Verhaltens geht. Ob es dennoch – durch Modifikationen des Gefahrbegriffes – möglich ist, diesen Gefahrbegriff auch für die Bestimmung der Gefährlichkeit der Verabredung heranzuziehen, wird im Folgenden zu prüfen sein. a) Der Unterschied zwischen konkreter und abstrakter Gefahr Fraglich ist, in wie weit es für die Bestimmung der abstrakten Gefährlichkeit der Verabredung von Bedeutung ist, dass sich der Gefahrbegriff der Rechtsprechung auf eine konkrete Gefahr bezieht. Der Unterschied zwischen der abstrakten und konkreten Gefahr wurde im Schrifttum bereits umfassend diskutiert122, weshalb sich diese Untersuchung auf die folgende Feststellung beschränkt: Es handelt sich bei der Bestimmung einer Gefahr immer um ein Wahrscheinlichkeitsurteil. Der Unterschied zwischen der konkreten und der abstrakten Gefahr bezieht sich nun auf die bei diesem Wahrscheinlichkeitsurteil zu berücksichtigenden Umstände. Das konkrete Gefahrurteil bezieht alle Umstände des Einzelfalls ein mit der Folge, dass die Gefahr auch nur für diesen einen Fall bejaht wird.123 Bei der abstrakten Gefahr basiert das Wahrscheinlichkeitsurteil hingegen nicht auf einem Einzelfall, sondern auf einer Gruppe von Fällen – dabei wird folglich ein Gefahrurteil gefällt, das einen höheren Abstraktionsgrad als das konkrete Gefahrurteil aufweist.124 In diesem unterschiedlichen Abstraktionsgrad des Wahrscheinlichkeitsurteils ist somit der Unterschied zwischen einer konkreten und einer abstrakten Gefahr zu sehen. Die abstrakte Gefahr zeichnet sich im Gegensatz zu der konkreten Gefahr dadurch aus, dass der von ihr erfasste Einzelfall auch tatsächlich ungefährlich sein kann. Denn die höhere Abstraktion führt zu einer typisierenden Betrachtung, die auch ungefährliche Fälle mit einschließt125 – diese sind aber gleichwohl abstrakt gefährlich. Diese typisierende Betrachtung entspricht auch der Argumentation im Rahmen der üblicherweise angeführten Strafgründe der Verabredung: Es wird nicht angenommen, dass die Verabredung in jedem Einzelfall, sondern eben nur typischerweise gefährlich ist.126 Will man also den Gefahrbegriff der Rechtsprechung auf die behauptete Gefährlichkeit der Verabredung anwenden, muss der Unterschied zwischen der abstrakten und der konkreten Gefahr insofern berücksichtigt werden, als es nur auf die typische Gefährlichkeit der Verabredung ankommen darf.
122
Volz, S. 14 f m.w.N.; Fieber, S. 142 ff. Zum Begriff der abstrakten Gefahr Hoyer, JA 1990, 183 ff. 123 Zieschang, S. 30; Volz, S. 15; Bassenge, S. 61. 124 Volz, S. 15 m. w. N; Bassenge, S. 61. 125 Binding, Normen, Band I, S. 379 f. 126 So Schünemann für alle Varianten des § 30 StGB (LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30, Rn 10). Im Ergebnis so auch Fieber, S. 144.
C. Begründungsansätze für Rechtfertigung der Verabredungsstrafbarkeit
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b) Der Unterschied zwischen einem Gefahrzustand und einem gefährlichen Verhalten Des Weiteren muss zwischen dem Gefahrzustand und der Gefährlichkeit des Verhaltens unterschieden werden. Im ersten Fall stellt sich die Gefahr als Erfolg, also Wirkung eines Verhaltens dar – im zweiten Fall handelt es sich vielmehr um eine Eigenschaft der Handlung selbst. Während sich der Gefahrbegriff der Rechtsprechung eindeutig auf eine Gefahr im Sinne eines Handlungserfolges bezieht, gehen die üblichen Strafbegründungen der Verabredung nicht davon aus, dass durch die Verabredung ein solcher Gefahrzustand verursacht werde.127 Sie sehen die Gefährlichkeit also als Qualität der Verabredungshandlung an. Dabei fällt auf, dass zwar immer wieder die erhöhte Gefährlichkeit der Verabredungshandlung betont wird, gleichzeitig aber nie darauf eingegangen wird, wann ein Verhalten überhaupt als gefährlich anzusehen ist.128 Die Unterscheidung zwischen einer Gefahr und der Gefährlichkeit eines Verhaltens findet sich bei der Diskussion um die Gefährdungsdelikte.129 In diesem Rahmen wird ein Verhalten als gefährlich bezeichnet, wenn es „eine Verletzungsmöglichkeit in sich trägt“130, „einen Zustand bewirkt, in dem die Verletzung von Rechtsgütern wahrscheinlich ist“131 oder dazu führt, dass ein anderer „in den Zustand kommt, in dem er eine Rechtsverletzung zu befürchten hat“132. Aufgrund der Verwandtschaft des Begriffes der Gefährlichkeit eines Verhaltens mit dem Begriff der Gefahr bietet es sich an, die beiden Definitionen einander anzupassen – bzw. die Definition der Gefährlichkeit aus dem Gefahrbegriff der Rechtsprechung abzuleiten. Damit ein Verhalten als gefährlich angesehen werden kann, muss es demnach geeignet sein, eine Verletzung oder einen Gefahrzustand herbeizuführen – also einen Zustand, der bei ungehindertem Fortgang in einen Schaden umzuschlagen droht. Verbindet man diese Definition nun mit der schon für die Verabredung gewonnenen Erkenntnis, dass es sich um eine abstrakte Gefahr handeln muss, ergibt sich Folgendes: Bei der Verabredung geht es nach den üblichen Begründungsansätzen um die abstrakte Gefährlichkeit des Verhaltens.133 Merkmal der abstrakten Gefährlichkeit des Verhaltens ist wiederum, dass die Gefährlichkeit nicht „Attribut der einzelnen 127
Fieber, S. 145. So untersucht beispielsweise Letzgus die Gefährlichkeit der Verabredung ohne zu bestimmen, wann genau ein Verhalten überhaupt als gefährlich anzusehen ist (S. 123 ff). Auch Fieber untersucht zwar die herkömmlichen Gefahrbegriffe, geht aber nicht explizit auf die Gefährlichkeit des Verhaltens ein (S. 136 ff). 129 Demuth, S. 28; Horn, S. 11 f; Hücking, S. 30 ff; Zieschang, S. 25, 29 ff m.w.N. Graul bemängelt dabei, dass die Unterscheidung zwar oft formal vorgenommen werde, sich aber kaum jemand tatsächlich mit der Gefährlichkeit der Handlung auseinandersetze (S. 156). 130 Volz, S. 10 f. 131 Hücking, S. 31. 132 Stübel, Handlungen, S. 236 f. 133 Gedanklich muss davon das konkret gefährliche Verhalten unterschieden werden. Darunter ist nur das im Einzelfall tatsächlich gefährliche Verhalten zu verstehen. Dazu auch Zieschang, S. 28 ff. 128
186
4. Teil: Der Strafgrund der Verbrechensverabredung
Handlung“ ist, sondern als „Eigenschaft einer Handlungsgruppe“ erscheint.134 Dieses Verhalten ist also nur generell oder typischerweise gefährlich – das Verhalten kann im Einzelfall auch tatsächlich ungefährlich sein.135 Da es für die behauptete Gefährlichkeit der Verabredung nur auf die abstrakte Gefährlichkeit ankommt, kann den weiteren Ausführungen folgende Definition zugrunde gelegt werden: Ein Verhalten ist (abstrakt) gefährlich, wenn es typischerweise einen Gefahrzustand herbeiführt, also einen Zustand, der bei ungehindertem Fortgang in einen Schaden umzuschlagen droht. Fraglich ist, wann davon auszugehen ist, dass ein Verhalten einen Gefahrzustand typischerweise herbeiführt. Im Rahmen der Definition der Rechtsprechung für die konkrete Gefahr wurde festgestellt, dass es sich um die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts handeln muss. Der Begriff der Gefährlichkeit des Verhaltens wurde aus diesem Gefahrbegriff entwickelt, so dass auch für die Einordnung eines Verhaltens als gefährlich, ein Wahrscheinlichkeitsurteil gefällt werden muss. Dabei ist auf die Wahrscheinlichkeit abzustellen, mit der das Verhalten zu einem Gefahrzustand führen wird. Richtigerweise muss auch in diesem Zusammenhang verlangt werden, dass nicht nur eine entfernte Möglichkeit, sondern eine gewisse Wahrscheinlichkeit für den Eintritt eines Gefahrzustandes besteht. Dieses Wahrscheinlichkeitsurteil ist, wie bereits gesehen, nicht für jede einzelne Handlung zu fällen, sondern nur für die in Rede stehende Handlungsgruppe. Ausgehend von dieser Überlegung kann auch zwischen verschiedenen Gefährlichkeitsgraden des abstrakt gefährlichen Verhaltens differenziert werden: Je größer die Wahrscheinlichkeit ist, mit der das Verhalten zu einem Gefahrzustand führt, desto größer ist auch der Gefährlichkeitsgrad desselben. Geht es um einen Vergleich mehrerer abstrakt gefährlicher Verhaltensweisen hinsichtlich ihres Gefährlichkeitsgrades, kann jedoch nicht allein auf die jeweilige Wahrscheinlichkeit des Gefahreintritts abgestellt werden. Daneben sind noch andere Aspekte, wie die Bedeutung des bedrohten Rechtsgutes und die Schwere des Angriffes zu berücksichtigen, ob es sich um eine einfache oder schwere Verletzung oder gar eine Vernichtung des Rechtsgutsobjekts handelt. Werden also mehrere Handlungen hinsichtlich ihrer Gefährlichkeit verglichen, muss mit Hilfe einer Gesamtschau aus der Wahrscheinlichkeit des Gefahreintritts und den genannten weiteren Aspekten die Gefährlichere ermittelt werden. Gleichwohl behält der Wahrscheinlichkeitsgrad des Gefahreintritts eine entscheidende Bedeutung: Handelt es sich nämlich um einen schwerwiegenden Angriff für ein sehr bedeutendes Rechtsgut, ist aber die Wahrscheinlichkeit, mit der es zu dem Gefahreintritt kommt, sehr gering, muss auch das Verhalten als gering gefährlich eingeordnet werden. Dieses Verhalten ist dann auch weniger gefährlich als eine Handlung, die zwar ein nicht ganz so gewichtiges Rechtsgut bedroht, aber mit großer Wahrscheinlichkeit zu dem Gefahreintritt führt.
134 135
Binding, Normen, Band I, S. 379. Binding, Normen, Band I, S. 379 f.
C. Begründungsansätze für Rechtfertigung der Verabredungsstrafbarkeit
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Die Frage nach der Gefährlichkeit einer Handlung muss insgesamt aus der Exante-Perspektive beurteilt werden.136 Anders als bei der Beurteilung, ob ein Verhalten einen konkreten Gefahrerfolg herbeigeführt hat137, kann es bei der Frage nach der Gefährlichkeit des Verhaltens nur auf den Zeitpunkt der Vornahme der Handlung ankommen. Denn die Gefährlichkeit des Verhaltens dient als Strafgrund – das Verhalten ist nur deshalb strafbar, weil es als abstrakt gefährlich angesehen wird. Das Verbot einer Handlung muss aber schon vor der Vornahme der Handlung feststehen. Anderenfalls könnte die Bestimmungsfunktion der Norm keine Wirkung entfalten.138 Für die Wissensbasis, aus der das Ex-ante-Urteil zu fällen ist, muss auf einen objektiven Beobachter in der Situation des Handelnden abgestellt werden. Denn die Frage, ob ein Verhalten gefährlich ist, kann nicht von der subjektiven Beurteilung des Handelnden abhängen.139 Zu fragen ist also, ob aus dieser Perspektive ex ante erkennbar war, dass das Verhalten abstrakt gefährlich ist – also typischerweise zu einem Gefahrzustand führt. Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass ein Verhalten abstrakt gefährlich ist, wenn es ex ante betrachtet typischerweise einen Gefahrzustand herbeiführt. Folglich muss auch die bei der Verabredungsstrafbarkeit behauptete Gefährlichkeit ex ante aus dieser Perspektive beurteilt werden. c) Die Gefährlichkeit des angestoßenen Verlaufs Bislang wurde zwischen einem Gefahrzustand – auf den sich die Definition der Rechtsprechung bezieht – und der Gefährlichkeit eines Verhaltens differenziert. Neben diesen beiden unterschiedlichen Ausformungen einer Gefahr kann aber noch ein weiteres Gefahrstadium als Zwischenstadium unterschieden werden: die Gefährlichkeit eines angestoßenen Verlaufs. Fraglich ist, was genau unter der Gefährlichkeit eines angestoßenen Verlaufs zu verstehen ist und ob ihr eine eigenständige Bedeutung neben den beiden anderen Gefahrstadien zukommt. Für die Beantwortung dieser Fragen soll auf eine vergleichbare Unterscheidung von Zieschang zurückgegriffen werden: Er differenziert zwischen dem konkret gefährlichen Verhalten einerseits, dem konkreten Gefahrerfolg andererseits und dazwischen liegend dem konkret gefährlichen Zustand.140 Dabei versteht er unter dem konkret gefährlichen Zustand einen Erfolg des konkret gefährlichen Verhaltens, der sich aber noch nicht als konkreter Gefahrerfolg darstellt.141 Es handele sich somit bei dem konkret gefährlichen Zustand um einen von der Handlung „logisch begrifflich verschiedenen und 136 So auch Zieschang, S. 30 (allerdings für die konkrete Gefährlichkeit eines Verhaltens) und Volz, S. 11. 137 So stellt sich beispielsweise die Perspektive bei dem normativen Gefahrbegriff als eine Kombination aus einer Ex-ante- und einer Ex-post-Perspektive dar; vgl. Wolter, S. 219. 138 So auch Zieschang, S. 30. 139 So auch Schünemann, JA 1975, 787, 794. 140 Zieschang, S. 64 ff. 141 Zieschang, S. 65.
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4. Teil: Der Strafgrund der Verbrechensverabredung
von ihr verursachten Sachverhalt“142. Zieschang versteht den konkreten Gefahrerfolg als Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts. Den konkret gefährlichen Zustand sieht er als einen spezifischen Erfolg des gefährlichen Verhaltens, der dem konkreten Gefahrerfolg vorgelagert ist. Daraus resultiert die Definition des konkret gefährlichen Zustandes als „Wahrscheinlichkeit einer konkreten Gefahr“.143 Da es sich bei dem konkret gefährlichen Zustand um einen Erfolg des gefährlichen Verhaltens handele, könne die Beurteilung desselben erst nach Abschluss des konkret gefährlichen Verhaltens erfolgen.144 Somit besteht nach Zieschang ein konkret gefährlicher Zustand, wenn „nach Abschluß der Tathandlung eine Situation entstanden ist, die den Eintritt einer konkreten Gefahr wahrscheinlich macht“.145 Parallel zu diesem Ansatz Zieschangs kann auch hier zwischen der Gefährlichkeit des Verhaltens, der Gefährlichkeit des angestoßenen Verlaufs und dem Gefahrzustand differenziert werden. Die Gefährlichkeit des angestoßenen Verlaufs erscheint somit auch als Zwischenstadium zwischen der Gefährlichkeit des Verhaltens und dem Gefahrerfolg. So wie bislang auf die abstrakte Gefährlichkeit des Verhaltens abgestellt wurde, soll es im Folgenden auch nur um die abstrakte Gefährlichkeit des angestoßenen Verlaufs gehen.146 Diese Gefährlichkeit des angestoßenen Verlaufs stellt sich – wie auch Zieschang es für den konkret gefährlichen Zustand annimmt – als Erfolg der Handlung dar. Der angestoßene gefährliche Verlauf ist logisch von der Handlung selbst zu trennen – er stellt keine Eigenschaft, sondern vielmehr eine Wirkung derselben dar. Gleichwohl ist er auch noch nicht als Gefahrzustand einzuordnen – die abstrakte Gefährlichkeit des angestoßenen Verlaufs ist nicht gleichbedeutend mit einer konkreten Gefahr für das Rechtsgut. Daraus lässt sich für die Definition der Gefährlichkeit des angestoßenen Verlaufs Folgendes ableiten: Die Gefährlichkeit des angestoßenen Verlaufs kann einerseits als Erfolg der vorgenommenen Handlung angesehen werden. Andererseits ist die Gefährlichkeit auch eine Eigenschaft des Kausalverlaufs selbst. Für die Frage, wann ein Kausalverlauf gefährlich ist, kann die Definition der Gefährlichkeit eines Verhaltens herangezogen werden: Denn hier wie dort handelt es sich bei der Gefährlichkeit um eine Eigenschaft. Ein Kausalverlauf ist somit abstrakt gefährlich, wenn er typischerweise zu einem Gefahrzustand führt. Gegen die hier vorgenommene Differenzierung könnte der Einwand erhoben werden, dass der Gefährlichkeit des angestoßenen Verlaufs im Vergleich zu der Gefährlichkeit des Verhaltens kaum ein eigenständiger Wert zukomme: Wie gesehen, führt die vorgenommene Handlung im Fall der Gefährlichkeit des angestoßenen 142
Zieschang, S. 65. Zieschang, S. 66. 144 Zieschang, S. 67. 145 Zieschang, S. 67. 146 Denn nur diese abstrakte Gefährlichkeit des angestoßenen Verlaufs kann für die Untersuchung der Strafgründe der Verbrechensverabredung von Bedeutung sein. Dazu oben 4. Teil, C. III. 1. a). 143
C. Begründungsansätze für Rechtfertigung der Verabredungsstrafbarkeit
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Verlaufs zwar nicht unmittelbar, aber doch zumindest mittelbar zu dem Gefahrzustand. Denn die Handlung stellt sich als Ursache für den gefährlichen Kausalverlauf dar, und dieser wiederum ist typische Ursache des Gefahrzustandes. Folglich ist auch die Handlung selbst mittelbare Ursache des Gefahrzustandes. Daraus könnte man schließen, dass die Gefährlichkeit des angestoßenen Verlaufs im Ergebnis auch immer eine Gefährlichkeit des Verhaltens ist mit der Folge, dass die Unterscheidung zwischen der Gefährlichkeit des angestoßenen Verlaufs und derjenigen des Verhaltens keine Relevanz besäße. Die Unterscheidung zwischen der Gefährlichkeit des Verhaltens und dem Gefahrzustand wäre somit völlig ausreichend. Diese Beurteilung würde aber einen gewichtigen Unterschied unberücksichtigt lassen: Es handelt sich bei dem Verhalten, das den gefährlichen Kausalverlauf anstößt, eben nur um eine mittelbare Bedingung des Gefahrzustandes. Nach der hier entwickelten Definition ist für die Qualifizierung eines Verhaltens als gefährlich erforderlich, dass die Handlung typischerweise zu einem Gefahrzustand führt.147 Ist die Handlung nun Ursache für einen Kausalverlauf, der seinerseits typischerweise zu einem Gefahrzustand führt, ist für die Gefährlichkeit der Handlung selbst zumindest zu fordern, dass auch sie typischerweise zu dem gefährlichen Kausalverlauf führt. Das Verhalten muss sich also jedenfalls als typische Ursache des Kausalverlaufs darstellen, der seinerseits typischerweise zu einem Gefahrzustand führt. Damit handelt es sich bei dem Verhalten zwar um eine typische mittelbare Ursache des Gefahrzustandes – diese eher schwach ausgeprägte Kausalbeziehung allein kann aber nicht für eine Bewertung als gefährliches Verhalten ausreichen. Aufgrund des dazwischengeschalteten Kausalverlaufs muss zudem noch gefordert werden, dass sich in dem konkreten Gefahrzustand typischerweise gerade das von dem Verhalten gesetzte Risiko verwirklicht. Diese Überlegung entspricht den sonst im Rahmen der Erfolgszurechnung geltenden Grundsätzen.148 Da sich auch der Gefahrzustand insofern als Erfolg der Handlung darstellt, kann die Handlung selbst nur als gefährlich bezeichnet werden, wenn ihr der Gefahrzustand typischerweise zuzurechnen ist. Diese Zurechnung setzt voraus, dass sich in dem letztendlich verursachten Gefahrzustand gerade das von der anfänglichen Handlung gesetzte Risiko verwirklicht.149 Das Erfordernis der Zurechenbarkeit besteht im Übrigen auch bei typischen unmittelbaren Ursachen eines Gefahrzustandes. Aufgrund des unmittelbaren Kausalzusammenhangs sind dabei aber keine Konstellationen denkbar, in denen es an diesem Zusammenhang fehlen könnte, so dass dieses Erfordernis dabei vernachlässigt werden kann. Ein Verhalten, das typischerweise zu einem gefährlichen Kausalverlauf führt, kann somit nur dann als gefährlich bezeichnet werden, wenn sich in dem späteren Gefahrzustand typischerweise auch 147
s. o. 4. Teil, C. III. 1. b). Die Eingrenzung des objektiven Tatbestandes von vorsätzlichen Erfolgsdelikten anhand des Kriteriums der objektiven Zurechnung ist inzwischen weitgehend anerkannt. Dazu Roxin, AT I, S. 371 f; Kühl, AT, S. 35; Wessels/Beulke, S. 64 f; Schönke/Schröder/Lenckner/Eisele, Vor §§ 13 ff, Rn 71 ff. 149 Roxin, AT I, S. 371 f; Schönke/Schröder/Lenckner/Eisele, Vor §§ 13 ff, Rn 92; Stratenwerth/Kuhlen, S. 98; Fischer, Vor § 13, Rn 30. 148
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4. Teil: Der Strafgrund der Verbrechensverabredung
das von dem Verhalten ausgehende Risiko verwirklicht. Handelt es sich hingegen um ein Risiko, das typischerweise erst durch den gefährlichen Kausalverlauf entsteht – beispielsweise durch ein eigenverantwortliches Dazwischentreten eines Dritten150 –, fehlt es an dem erforderlichen Risikozusammenhang. Das Verhalten führt dann zwar typischerweise zu einem gefährlichen Kausalverlauf. Dieser ist aber nicht aus den gleichen Gründen gefährlich wie die Ausgangshandlung. In solchen Fällen kann nicht davon gesprochen werden, dass die Handlung, die lediglich eine mittelbare Ursache des konkreten Gefahrzustands darstellt, selbst abstrakt gefährlich ist. Zusammenfassend lässt sich also Folgendes festhalten: Ein Verhalten, das typischerweise einen Kausalverlauf anstößt, der seinerseits typischerweise zu einem Gefahrzustand führt, ist nur dann selbst gefährlich, wenn ihm dieser Gefahrzustand typischerweise auch zuzurechnen ist. Der Gefahrzustand ist dem Verhalten zuzurechnen, wenn sich in ihm das von dem Verhalten gesetzte Risiko verwirklicht. Bezüglich der Einordnung des Verhaltens als typische Ursache des Kausalverlaufs sowie bei der Frage, ob der Risikozusammenhang typischerweise besteht, gilt das schon im Rahmen der Gefährlichkeit des Verhaltens Gesagte:151 Es muss eine gewisse Wahrscheinlichkeit bestehen, mit der das Verhalten den Kausalverlauf anstoßen wird, eine bloß gedankliche Möglichkeit ist insofern nicht ausreichend. Des Weiteren muss eine solche Wahrscheinlichkeit auch hinsichtlich der Frage bestehen, ob sich das Ausgangsrisiko in dem Gefahrzustand verwirklichen wird. Auch in diesem Zusammenhang können somit unterschiedliche Gefährlichkeitsgrade des Verhaltens ausgemacht werden: Je höher diese beiden erforderlichen Wahrscheinlichkeiten sind, desto gefährlicher ist das Verhalten. Auch in diesem Rahmen gilt, dass bei einem Vergleich zu anderen gefährlichen Verhaltensweisen daneben auch noch die Schwere des Angriffes sowie die Bedeutung des bedrohten Rechtsgutes berücksichtigt werden müssen.152 Nach dem bisher Gesagten ist es durchaus denkbar, dass eine Handlung, die sich als Ursache eines gefährlichen Kausalverlaufs darstellt, gleichwohl nicht selbst als abstrakt gefährlich angesehen werden kann, da sie nicht typischerweise zu dem gefährlichen Verlauf führt oder es an dem erforderlichen typischen Risikozusammenhang fehlt. Die Frage, ob eine Handlung selbst abstrakt gefährlich oder nur Ursache eines gefährlichen Kausalverlaufs ist, hat aber große Bedeutung für die Strafwürdigkeit der Handlung. Eine Handlung, gegen die kein eigener Gefährlichkeitsvorwurf erhoben wird, kann noch weniger strafbegründend wirken als eine gefährliche Handlung. Somit muss diese Unterscheidung zwischen der Gefährlichkeit des Verhaltens und derjenigen des angestoßenen Verlaufs sehr wohl berücksichtigt werden.
150 151 152
Wessels/Beulke, S. 71; Schönke/Schröder/Lenckner/Eisele, Vor §§ 13 ff, Rn 98 m.w.N. s. o. 4. Teil, C. III. 1. b). s. o. 4. Teil, C. III. 1. b).
C. Begründungsansätze für Rechtfertigung der Verabredungsstrafbarkeit
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Zuletzt sei noch kurz auf die erforderliche Perspektive für die Feststellung der Gefährlichkeit hingewiesen: In dem hier gegebenen Zusammenhang geht es um die abstrakte Gefährlichkeit der Handlung bzw. des von ihr angestoßenen Verlaufs. Da diese abstrakte Gefährlichkeit strafbegründend wirken soll, besteht die Notwendigkeit einer Ex-ante-Beurteilung aus der Perspektive eines objektiven Beobachters.153 Sowohl für die Gefährlichkeit des angestoßenen Verlaufs als auch für die Frage, ob die jeweilige tatbestandliche Handlung typischerweise zu einem solchen Verlauf führt, kommt es somit allein auf die Ex-ante-Perspektive zum Zeitpunkt der Vornahme der Handlung an. Auch die Frage nach dem Risikozusammenhang muss aus der Ex-ante-Perspektive beantwortet werden: Maßgeblich ist allein, ob das Verhalten typischerweise mittelbar zu einem ihm zuzurechnenden Gefahrzustand führt. Es kommt nicht darauf an, ob sich das von dem Verhalten gesetzte Risiko tatsächlich in dem Gefahrzustand verwirklicht hat. Im Folgenden werden nun die soeben hergeleiteten Definitionen der Gefährlichkeit des Verhaltens sowie der Gefährlichkeit des angestoßenen Verlaufs auf die üblicherweise angeführten Strafgründe der Verbrechensverabredung übertragen. Beide üblicherweise angeführten Strafgründe gehen davon aus, dass die Verabredungshandlung erhöht gefährlich ist. Fraglich ist aber, ob diese Strafgründe so zu verstehen sind, dass die Verabredungshandlung typischerweise unmittelbar zu einem Gefahrzustand führe – oder ob sie von einer Gefährlichkeit der Einigung vermittelt durch einen angestoßenen gefährlichen Kausalverlauf ausgehen. d) Die Anwendung der Gefahrdefinitionen auf den Strafgrund des Kontrollverlustes Zum einen wird als Strafgrund die erhöhte Gefährlichkeit angeführt, die sich daraus ergebe, dass der Einzelne mit der Verabredung einen Kausalverlauf anstoße, den er anschließend nicht mehr kontrollieren könne.154 Dabei wird die Gefährlichkeit also in dem durch die Verabredung angestoßenen und nicht mehr kontrollierbaren Kausalverlauf erblickt. Gefährlich sei die Einigung deshalb, weil die verbleibenden Komplottanten – für den Fall der Aufgabe des Vorhabens durch einen Beteiligten – die verabredete Tat auch ohne ihn begehen könnten. Bei dem Strafgrund des Kontrollverlustes wird somit nicht von einer Gefährlichkeit der Verabredungshandlung in dem Sinne ausgegangen, dass sie selbst unmittelbar zu einem Gefahrzustand führe. Stattdessen verursache diese typischerweise einen Kausalverlauf, der seinerseits gefährlich sei. Überträgt man die Definition der Gefährlichkeit des angestoßenen Verlaufs und die Voraussetzungen, die für die eigene Gefährlichkeit der dafür ursächlichen Handlung entwickelt wurden, auf diesen Strafgrund, ergibt sich Folgendes: Die Verabredungshandlung wird als erhöht gefährlich angesehen, weil sie typischerweise zu einem unkontrollierbaren Kausalverlauf führe, der seinerseits 153 154
s. o. 4. Teil, C. III. 1. b). Schönke/Schröder/Heine, § 30, Rn 1; Schäfer, in: Niederschriften, S. 206.
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4. Teil: Der Strafgrund der Verbrechensverabredung
typischerweise zu einem der Verabredungshandlung zuzurechnenden Gefahrzustand führe. e) Die Anwendung der Gefahrdefinitionen auf den Strafgrund der erhöhten Willensbindung Zum anderen wird der Strafgrund der Verabredung in der Gefährlichkeit einer erhöhten Willensbindung gesehen. Danach werden die einzelnen Komplottanten stärker an ihre Zusagen gebunden, worin eine verstärkte Bedrohung für das Rechtsgut gesehen wird.155 Nach dem üblichen Verständnis dieses Strafgrundes führt bereits die Zusage des einzelnen Komplottanten zu einer im Vergleich zu einem Einzelentschluss verstärkten Willensbindung, die es dem Einzelnen erschwere, sich von dem gemeinsamen Vorhaben zu lösen. Durch diese Bindung entstehe eine erhöhte Gefahr für das Rechtsgut156, so dass die Verabredungshandlung eine erhöhte Gefährlichkeit aufweise.157 Nach der hier vorgenommenen Differenzierung zwischen der Gefährlichkeit des Verhaltens und der Gefährlichkeit des angestoßenen Verlaufs stellt sich die Frage, welches Verständnis diesem Strafgrund zugrunde liegt: Entscheidend ist somit, ob von einer Gefährlichkeit der Verabredungshandlung ausgegangen wird, weil sie typischerweise unmittelbar zu einem Gefahrzustand führe oder weil sie typischerweise einen gefährlichen Kausalverlauf anstoße, der typischerweise einen ihr zuzurechnenden Gefahrzustand verursache. Die Gefährlichkeit wird damit begründet, dass die Verabredungshandlung durch die verstärkte Bindung den Ausstieg der einzelnen Komplottanten wesentlich erschwere mit der Folge, dass die Tat im weiteren Verlauf tatsächlich ausgeführt werde. Diesem Strafgrund liegt somit das Verständnis zugrunde, dass die Einigung zu einem verstärkten Vorantreiben der Tat infolge des gefestigten kriminellen Willens158 führe. Dieser Verlauf wird als gefährlich angesehen, weil dadurch die Wahrscheinlichkeit der tatsächlichen Ausführung der Tat steige. Folglich wird nicht angenommen, dass die Einigung selbst unmittelbar zu einem Gefahrzustand für das Rechtsgut führe, sondern vielmehr wird auch innerhalb dieses Strafgrundes davon ausgegangen, dass die Verabredungshandlung typischerweise einen gefährlichen Verlauf anstoße. Daraus ergibt sich, dass auch für den Strafgrund der erhöhten Willensbindung auf die Definition der Gefährlichkeit eines Kausalverlaufs sowie auf die Voraussetzungen der eigenen Gefährlichkeit des für diesen Kausalverlauf ursächlichen Verhaltens zurückgegriffen werden kann. Üblicherweise wird also angenommen, dass die Verabredungshandlung durch die erhöhte Willensbindung typischerweise einen Kausalverlauf anstoße, der typischerweise zu einem ihr zuzurechnenden Gefahrzustand führe.
155 156 157 158
LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30, Rn 3; SK-Hoyer, § 30, Rn 11. LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30, Rn 3. BGHSt 44, 91. So Letzgus, S. 125.
C. Begründungsansätze für Rechtfertigung der Verabredungsstrafbarkeit
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f) Zusammenfassung Nach dem soeben Gesagten lässt sich festhalten, dass beide üblicherweise angeführten Strafgründe auf dem Gedanken beruhen, dass die Verabredung erhöht gefährlich sei, weil sie – entweder durch die Willensbindung oder infolge des Kontrollverlustes – einen gefährlichen Kausalverlauf anstoße. Da demnach beide Strafgründe so zu interpretieren sind, dass die Verabredungshandlung selbst nur mittelbar zu dem Gefahrzustand führt, wird im Folgenden die Überprüfung des Risikozusammenhangs zwischen der Verabredungshandlung und dem Gefahrzustand von besonderer Bedeutung sein. 2. Überprüfung der behaupteten Gefährlichkeit der Verabredung Im Folgenden muss untersucht werden, ob die Annahme der Gefährlichkeit der Verabredungshandlung zutreffend ist. Auch bei dieser Überprüfung ist zwischen den beiden angeführten Strafgründen zu differenzieren, wobei mit dem angeführten Strafgrund des Kontrollverlustes begonnen wird. Anschließend wird der Strafgrund der erhöhten Willensbindung untersucht. a) Der Kontrollverlust Teilweise wird die Gefährlichkeit der Verabredungshandlung darin erblickt, dass sie typischerweise einen gefährlichen Kausalverlauf anstoße – also einen Verlauf auslöse, der typischerweise zu einem der Verabredung zuzurechnenden Gefahrzustand führe.159 Diese Annahme enthält zwei Aspekte, die einer kritischen Überprüfung bedürfen. Zunächst ist zu klären, ob die Verabredungshandlung tatsächlich typischerweise zu einem Kontrollverlust des einzelnen Komplottanten führt. Sollte sich diese Annahme als richtig erweisen, ist in einem zweiten Schritt zu fragen, ob die Verabredungshandlung als typische Ursache eines gefährlichen Kausalverlaufs auch selbst schon gefährlich ist und ob bejahendenfalls mit dieser Gefährlichkeit die Strafbarkeit begründet werden kann. aa) Der Eintritt des Kontrollverlustes Die erste Frage bezieht sich auf die tatsächlichen Auswirkungen der Verabredungshandlung. Teilweise wird angenommen, der einzelne Komplottant verliere mit seiner Zustimmung zu dem gemeinsamen Plan typischerweise die weitere Kontrolle über das gemeinsame Vorhaben.160 Falls der Einzelne sich doch noch anders ent159
s. o. 4. Teil, C. III. 1. d). Schäfer, in: Niederschriften, S. 206; Schönke/Schröder/Heine, § 30, Rn 1; Weber, ZStW-Beiheft, 1987, 1, 16. 160
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4. Teil: Der Strafgrund der Verbrechensverabredung
scheide und den Plan für sich wieder aufgebe, habe er gleichwohl durch seine anfängliche Zustimmung die Ursache dafür gesetzt, dass die Übrigen den Plan umsetzen können. Da er diese regelmäßig auch nicht von dem Plan abbringen könne, erleide er typischerweise einen Kontrollverlust, der die erhöhte Strafwürdigkeit im Vergleich zu den Vorbereitungen eines Einzeltäters begründe.161 Denn ein Einzeltäter könne sich selbst jederzeit von seinem Vorhaben lossagen, ohne dass die Gefahr der Ausführung der Tat weiter bestehe.162 Es erscheint allerdings sehr zweifelhaft, ob der Kontrollverlust des Einzelnen tatsächlich eine typische Folge der Verabredung darstellt. Zunächst muss an dieser Stelle bemängelt werden, dass es sich bei der Annahme, der Kontrollverlust sei eine typische Folge der Verabredung, um eine bloße Behauptung handelt – eine fundierte Begründung dieser Aussage lässt sich hingegen nicht finden. Der einzige Erklärungsansatz, der in diese Richtung geht, findet sich bei Letzgus. Er spricht zwar nicht ausdrücklich davon, dass der Verabredung der Strafgrund des Kontrollverlustes zugrunde liegt – stattdessen geht er dort allein auf die erhöhte Willensbindung ein.163 Er versteht aber die Verabredung immer als eine ein- oder gegenseitige Anstiftung164 und nimmt bei der Anstiftung auch einen Kontrollverlust des Anstifters an165. Diesen Kontrollverlust des Anstifters begründet Letzgus mit einem suggestionspsychologischen Ansatz. Unter Suggestion versteht man in der Psychologie „die Beeinflussung des Denkens, Fühlens, Wollens oder Handelns eines anderen Menschen unter Umgehung seiner rationalen Persönlichkeitsanteile auf der Grundlage eines zwischenmenschlichen Grundvollzuges, der zur affektiven Resonanz führt“.166 Danach wirken Menschen durch Suggestion aufeinander ein, was zu einer Steigerung der Bewusstseinsinhalte, verbunden mit einer Schmälerung der Gegenkräfte, führe. Somit komme es zu einer Steigerung des Willens, ein bestimmtes Ziel durchzusetzen.167 Kennzeichen der Suggestion ist somit vor allem die Einwirkung auf das Unterbewusstsein einer Person. Letzgus nimmt nun an, dass sich der Anstifter in den Motivationsprozess des Haupttäters einschalte, wodurch dessen freie Willensbildung beeinträchtigt oder sogar gelenkt werde.168 Die besondere Gefährlichkeit dieser Suggestion sei darin zu sehen, dass dadurch die Kontrollinstanz des Ich-Zentrums des Menschen beeinträchtigt werde, das sich in der bewussten Persönlichkeitsschicht befindet. Folglich funktioniere das Kontrollzentrum nicht mehr ordnungsgemäß, so dass keine oder zumindest weniger Zweifel an dem suggerierten Vorhaben entstehen. 161
Schäfer, in: Niederschriften, S. 206. Dies stellt auch Roxin im Rahmen des Strafgrundes der versuchten Anstiftung fest (JA 1979, 169, 170). 163 Letzgus, S. 126 ff. 164 Letzgus, S. 130. 165 Letzgus, S. 128. 166 Stokvis/Pflanz, S. 6. 167 Letzgus, S. 126 f; Le Bon, S. 17; Wulffen, S. 60. 168 Kritisch zu der suggestiven Beeinflussung bei der Anstiftung Maiwald, ZStW 88, 713, 719. 162
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Der angestiftete Haupttäter könne sich dann wesentlich schlechter von der Tat lösen als ein Alleintäter, dessen Kontrollzentrum nicht beeinträchtigt wurde.169 Für die hier in Rede stehende Begründung des Kontrollverlustes im Rahmen der Verabredung ist Folgendes entscheidend: Letzgus nimmt an, dass sich diese Suggestionswirkung nicht umkehren lasse, so dass der Anstifter die Ausführung der Tat nicht mehr beeinflussen könne. Sein Appell an die Kontrollinstanz des Haupttäters müsse scheitern, da er sie selbst durch die Anstiftungshandlung geschwächt habe.170 Da es sich nach Letzgus bei jeder Verabredung um eine ein- oder gegenseitige Anstiftung handelt, bestehen seiner Ansicht nach bei der Verabredung alle suggestiven Einflüsse, die auch bei der Anstiftung anzunehmen sind.171 Damit geht er auch indirekt von einem Kontrollverlust des Einzelnen im Rahmen der Verabredung aus. Abgesehen davon, dass die Verabredung sich nicht immer als ein- oder gegenseitige Anstiftung darstellt172, ist fraglich, ob mit diesem suggestionspsychologischen Ansatz ein Kontrollverlust eines Anstifters – und möglicherweise eines Komplottanten innerhalb der Verabredung – begründet werden kann. Erhebliche Bedenken bestehen dabei schon gegen die grundsätzliche Annahme einer suggestiven Beeinflussung zwischen Anstifter und Haupttäter. Da diese Frage noch ausführlich im Rahmen der Untersuchung des Strafgrundes der erhöhten Willensbindung erörtert wird173, soll hier nur kurz auf Folgendes hingewiesen werden: Selbst wenn die Annahme der suggestiven Einflussnahme zutreffen sollte, erscheint es nicht plausibel, warum nicht auch eine Umkehrung dieser Einwirkung möglich sein sollte. Ist der Anstifter durch seine Worte oder sein Handeln in der Lage, den Haupttäter suggestiv in Richtung auf das Vorhaben zu lenken, dann müsste er ihn gleichermaßen auch in die entgegengesetzte Richtung der Aufgabe des Vorhabens beeinflussen können. Wird also davon ausgegangen, dass er das Kontrollzentrum des Haupttäters im Wege der Suggestion schwächen kann, müsste er es in gleicher Weise auch wieder stärken können. Folglich kann mit diesem suggestionspsychologischen Ansatz kein Kontrollverlust eines Anstifters erklärt werden. Die gleichen Bedenken gegen diesen Erklärungsansatz bestehen aber bei einer Übertragung desselben auf den angenommenen Kontrollverlust des Einzelnen innerhalb der Verabredung. Folglich kann auch dieser nicht auf diese Weise begründet werden. Abgesehen von diesem indirekten Erklärungsansatz lassen sich keine weiteren Begründungen dafür finden, warum die Verabredung typischerweise zu einem Kontrollverlust führe. Selbst wenn man dennoch annähme, dass die Einigung der Komplottanten zu einem Kontrollverlust des Einzelnen führen könnte, stellt sich die Frage, ob dieser Verlauf als typische Folge der Verabredungshandlung angesehen 169
Letzgus, S. 128. Letzgus, S. 128. 171 Letzgus, S. 130. 172 Stattdessen kann eine Verabredung auch in dem Zusammenschluss bereits entschlossener Täter liegen. Dazu oben 3. Teil, D. 173 s. u. 4. Teil, C. III. 2. b). 170
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4. Teil: Der Strafgrund der Verbrechensverabredung
werden kann. Diese Annahme erscheint schon sehr zweifelhaft, wenn man die unterschiedlichen Arten und Konstellationen möglicher Verabredungen berücksichtigt. Es ist eine Vielzahl von Verabredungen denkbar, die untereinander hinsichtlich der Gruppenstärke, der Art der Zusammensetzung und ihrer Eigendynamik, wie beispielsweise des Grades ihres Zusammenhaltes, stark differieren. Allein eine genauere Betrachtung der unterschiedlichen Gruppenstärke zeigt bereits, dass es kaum möglich ist, die Frage des Kontrollverlustes für alle diese Verabredungsformen pauschal zu beantworten: Handelt es sich beispielsweise um eine Einigung aus mehr als zwei Personen, von denen ein Einzelner aussteigen will, mag der Kontrollverlust dieser Person eher als typische Folge der Einigung angesehen werden, als wenn es sich um eine Verabredung von nur zwei Personen handelt. In der letztgenannten Konstellation besteht eine große Wahrscheinlichkeit, dass im Falle der Aufgabe des einen Beteiligten auch der andere von der Ausführung der Tat absieht. Denn oft dient die gemeinsame Planung der gegenseitigen Bestätigung in dem Vorhaben – diese entfällt aber in dem Moment, in dem einer der beiden sich von dem gemeinsamen Plan löst. Folglich kann schon allein wegen der variierenden Anzahl der Komplottanten keine verlässliche Aussage darüber getroffen werden, ob der Kontrollverlust als typische Folge der Einigung erscheint. Die weiteren, schon genannten Unsicherheiten wie die Eigendynamik einer solchen Gruppe machen eine allgemeine Aussage über den Eintritt eines Kontrollverlustes vollkommen unmöglich. Ein Nachweis desselben wäre allenfalls im Wege umfangreicher empirischer Studien möglich. Dabei stellte sich aber zum einen das Problem der praktischen Durchführung, und zum anderen bliebe auch zweifelhaft, ob sich aus einer solchen Studie wirklich eine Regelmäßigkeit ableiten ließe, ob also irgendeine typische Folge der Verabredung auszumachen wäre. Schon allein wegen dieser Unmöglichkeit eines Nachweises des Eintritts des Kontrollverlustes ist der Strafgrund abzulehnen. Denn die durch den Kontrollverlust angenommene besondere Gefährlichkeit soll das Defizit ausgleichen, das bei der Verabredung im Rahmen der Strafbegründung in Form des sehr geringen Unrechtsgehalts besteht. Soll aber dieser Mangel durch die besondere Gefährlichkeit kompensiert werden, um damit doch zu einer Rechtfertigung der Strafbarkeit zu gelangen, wird wohl zumindest zu fordern sein, dass mit einiger Sicherheit von dieser typischen Gefährlichkeit ausgegangen werden kann. Dies ist bei der Verabredung im Hinblick auf den Strafgrund des Kontrollverlustes aber gerade nicht der Fall. Abgesehen von der Unmöglichkeit des Nachweises eines Kontrollverlustes sprechen aber noch weitere Gründe gegen die Annahme desselben: So setzt die Verabredungsstrafbarkeit als eines ihrer wesentlichen Merkmale voraus, dass die Komplottanten für jeden eine mittäterschaftliche Beteiligung und nicht bloße Gehilfenbeiträge verabreden. Daraus resultiert, dass jedem Beteiligten auch ein gewisses Gewicht für das Gelingen des Vorhabens zukommt. Folglich entsteht durch die Aufgabe eines eingeplanten Mittäters eine Lücke in dem Gesamtplan, was wiederum für die Annahme einer gewissen Kontrolle des Einzelnen über das Gesamtvorhaben spricht. Lässt er die Vereinigung im Stich, fehlt ein wichtiger Teil – und dieser Mangel kann durchaus zu der Aufgabe des Gesamtplanes führen. Insofern lässt sich sagen, dass der einzelne Komplottant durch die anfängliche Einigung einen Einfluss auf
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seine Verbündeten behält. Daneben kann auch schon bezweifelt werden, ob wegen der Vereinbarung mittäterschaftlicher Beiträge überhaupt davon gesprochen werden kann, dass der einzelne Täter Kontrolle über das gesamte Vorhaben hatte, die er dann verlieren könnte. So bemängelt Beck, dass diese einzeltäterbezogene Perspektive schon gar nicht zu der Konspiration passe. Denn ein Vorhaben, das nur von allen gemeinsam ausgeführt werden solle und könne, könne von dem Einzelnen nur schwer aus der Hand gegeben werden.174 Gegen die Annahme des Kontrollverlustes als typische Folge der Verabredung spricht zudem noch eine ganz bestimmte Verabredungsform – nämlich die Einigung mehrerer zuvor schon zur Tat Entschlossener. In diesem Fall kann nicht von einem gefahrsteigernden Kontrollverlust als Folge der Einigung ausgegangen werden, da die Täter die Tat ohnehin auch ohne die Verabredung ausgeführt hätten.175 Es lässt sich also festhalten, dass der Kontrollverlust des einzelnen Komplottanten nicht als typische Folge der Verabredung angesehen oder jedenfalls nicht bewiesen werden kann. Folglich kann dieser auch nicht die Strafbarkeit der Verabredung legitimieren. bb) Die eigene Gefährlichkeit der Verabredungshandlung Obwohl der Kontrollverlust keine typische Folge der Verabredung darstellt, soll noch der Frage nachgegangen werden, ob er anderenfalls geeignet wäre, eine Gefährlichkeit der Verabredungshandlung selbst zu begründen und dadurch deren Strafbarkeit zu rechtfertigen. Im Rahmen des Strafgrundes des Kontrollverlustes wird davon ausgegangen, dass die Verabredungshandlung typischerweise infolge des Kontrollverlustes des Einzelnen einen Kausalverlauf anstoße, der seinerseits typischerweise zu einem der Verabredung zuzurechnenden Gefahrzustand führe.176 Es wurde bereits festgestellt, dass die Handlung als mittelbare Ursache des Gefahrzustandes nur selbst gefährlich ist, wenn sie typischerweise zu dem gefährlichen Verlauf führt und wenn ihr der Gefahrzustand typischerweise auch zuzurechnen ist.177 Ginge man also, entgegen der soeben erfolgten Untersuchung, von dem Kontrollverlust als typischer Folge der Verabredung aus, müsste dieser auch typischerweise zu einem durch die verbliebenen Komplottanten hervorgerufenen Gefahrzustand führen. Dazu müsste eine gewisse Wahrscheinlichkeit bestehen, dass es zu der Tatbegehung durch die verbliebenen Komplottanten kommt.178 Diese Tat der übrigen Komplottanten 174
Beck, S. 205. So auch LK-Roxin, 11. Aufl., § 30, Rn 8. So auch Fieber, S. 173. Er sieht in dieser Konstellation die einzige eigenständige Bedeutung der Verabredung und lehnt davon ausgehend zutreffend den Strafgrund des Kontrollverlustes allein aus diesem Grund ab. Seine Prämisse ist allerdings falsch, da auch in dieser Konstellation zweier zur Tat Entschlossener die Variante der Verabredung nur spezieller gegenüber der Variante der Annahme einer Aufforderung ist. Es wurde schon festgestellt, dass das Verhalten, das eine Verabredung ausmacht, auch immer von den anderen Varianten des § 30 erfasst würde. Dazu oben 3. Teil, D. 176 s. o. 4. Teil, C. III. 1. d). 177 s. o. 4. Teil, C. III. 1. c). 178 s. o. 4. Teil, C. III. 1. b). 175
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4. Teil: Der Strafgrund der Verbrechensverabredung
könnte – immer noch auf der Basis der Annahme des Kontrollverlustes – nur infolge äußerer Umstände oder einer späteren Meinungsänderung der Komplottanten ausbleiben. Insofern spricht einiges für die Annahme einer gewissen Wahrscheinlichkeit der Tatbegehung durch die Verbündeten. Folglich kann festgehalten werden, dass die Verabredungshandlung – wenn der Kontrollverlust bejaht würde – typischerweise zu der weiteren Fortführung der Tat und damit zu dem Gefahrzustand führt. Die Verabredungshandlung ist selbst aber erst dann als gefährlich einzuordnen, wenn ihr dieser Gefahrzustand auch zuzurechnen ist. Die Zurechnung setzt voraus, dass sich in dem möglichen Gefahrzustand das spezifische Risiko der ursprünglichen Verabredung verwirklicht.179 Das von der ursprünglichen Einigung ausgehende Risiko bezieht sich auf die Begehung der verabredeten Tat durch die an der anfänglichen Einigung beteiligten Komplottanten. Fraglich ist, ob sich auch dieses Risiko – oder aber ein neues – in dem von den Verbliebenen hervorgerufenen Gefahrzustand realisiert. Handelt es sich bei dieser Tat um die Verwirklichung eines neuen Risikos, fehlt es am Risikozusammenhang zwischen dem Ausgangsrisiko und dem Gefahrzustand. Damit wäre die Verabredungshandlung zwar eine Ursache des gefährlichen Kausalverlaufs und somit auch eine mittelbare Ursache des Gefahrzustandes, könnte selbst aber nicht als gefährlich qualifiziert werden. Das würde bedeuten, dass sich aus dem vermeintlichen Kontrollverlust keine – geschweige denn eine erhöhte – Gefährlichkeit der Verabredungshandlung ableiten ließe. Entscheidend ist somit, ob sich typischerweise in der später von den übrigen Komplottanten begangenen Tat das Ausgangsrisiko der Verabredungshandlung realisiert. Diese Frage kann zumindest für alle Fälle unproblematisch verneint werden, in denen die verbliebenen Komplottanten die Tat nach dem Ausscheiden des einen Verbündeten verändern, beispielsweise das schon konkretisierte Opfer austauschen.180 Denn die Ausgangsgefahr bezieht sich nur auf das schon anvisierte Rechtsgutsobjekt – greifen die Verbliebenen ein anderes Rechtsgutsobjekt an, schaffen sie damit eine neue Gefahr, die noch nicht in der anfänglichen Verabredung unter Mitwirkung des Aussteigers angelegt war. Ebenso fehlt es an dem erforderlichen Risikozusammenhang, wenn die Komplottanten nach der Aufgabe des einen Beteiligten den Plan nicht mehr wie anfänglich vorgesehen durchführen können, da die Beteiligung des Aussteigers für diese Ausführung notwendig war. Wollen die Komplottanten beispielsweise ihr Opfer mit einer von dem Aussteiger zu besorgenden Schusswaffe töten, handelt es sich um ein neues Risiko, wenn es ihnen aufgrund des Ausstiegs dieses Verbündeten unmöglich ist, an eine Waffe zu gelangen, und ihr Opfer deshalb vergiften. Es handelt sich bei dem verwirklichten Risiko nämlich um dasjenige des Vergiftungstodes und nicht um das ursprünglich gesetzte Risiko des Erschießungstodes. Des Weiteren muss der Risikozusammenhang auch für die Konstellation abgelehnt werden, in der die verbliebenen Komplottanten nach dem Ausstieg eines Verbündeten das gesamte Vorhaben aufgeben und erst anschließend einen neuen, wenn auch auf dieselbe Tat gerichteten 179 180
s. o. 4. Teil, C. III. 1. c). Zu der Frage der erforderlichen Konkretisierung der Verabredung oben 3. Teil, B. II. 3.
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Tatentschluss bilden. Diese Wertung besteht unabhängig davon, ob sich die Aufgabe als unmittelbare Folge des Ausstiegs darstellt oder auf andere Gründe zurückzuführen ist. Es handelt sich bei dem später gefassten Tatentschluss immer um einen neuen mit der Folge, dass auch die später begangene Tat eine neue darstellt.181 Da sich das Ausgangsrisiko auf eine andere Tat bezieht, kann es sich in der neuen Tat nicht realisieren mit der Folge, dass es auch in dieser Konstellation an dem erforderlichen Risikozusammenhang fehlt. Fraglich ist indes, ob ein Risikozusammenhang besteht, wenn die verbliebenen Komplottanten den ursprünglichen Tatentschluss beibehalten und die verabredete Tat – bis auf die fehlende Beteiligung des zuvor ausgestiegenen Verbündeten – entsprechend ausführen. Da sich die Tat gegen das ursprünglich anvisierte Rechtsgutsobjekt richtet und bis auf die Besetzung auch sonst der anfänglichen Einigung entspricht, könnte ein solcher Risikozusammenhang bejaht werden. Allerdings bestehen gegen diese Annahme durchgreifende Bedenken. Eine notwendige Voraussetzung für die Strafbarkeit der Verabredung liegt in der Vereinbarung mittäterschaftlicher Beiträge der Komplottanten. Eine strafbare Verabredung besteht von vornherein nur, wenn sich mindestens zwei Personen darauf einigen, dass sie die Tat in mittäterschaftlicher Weise ausführen. Auch die Strafbarkeit jedes einzelnen Beteiligten hängt davon ab, ob er selbst als Mittäter tätig werden soll. Wer nur einer Beteiligung als Gehilfe zustimmt, erfüllt den Tatbestand der Verbrechensverabredung nicht und bleibt straflos.182 Daraus ergibt sich, dass gerade die Beteiligung an der Tat als Mittäter strafbegründend wirkt – diese setzt aber voraus, dass jeder Komplottant bei der Begehung der Tat einen Beitrag von einigem Gewicht erbringt.183 Somit lässt sich für die Frage des Risikozusammenhangs zwischen der anfänglichen Verabredung und dem später von den Verbliebenen geschaffenen Gefahrzustand Folgendes sagen: Die ursprüngliche Verabredung schafft das Risiko, dass die geplante Tat von sämtlichen an der Verabredung beteiligten Personen in mittäterschaftlicher Weise begangen wird. Gibt einer der Komplottanten das Vorhaben auf, realisiert sich dieses Ausgangsrisiko gar nicht, es geht vielmehr unter, da die Tat gerade nicht von sämtlichen an der Verabredung beteiligten Personen ausgeführt wird. Begehen die verbliebenen Komplottanten diese nun ohne den Aussteiger, entweder allein oder indem sie ihn durch einen neuen Verbündeten ersetzen, handelt es sich um ein neues, von diesen Verbündeten gesetztes Risiko. Die Verbliebenen entscheiden sich eigenverantwortlich, das Vorhaben gegen den Willen ihres früheren Verbündeten auszuführen. Da die Verabredung nur die Personen erfasst, die mittäterschaftliche Beiträge erbringen, liegt in dieser Entscheidung der Verbliebenen konkludent eine neue Verabredung gerichtet auf die Tatbegehung durch sämtliche nun zur Tat bereite Komplottanten. Damit setzen sie ein neues Risiko, das sich nicht 181
In einer solchen Konstellation wird die später begangene Tat auch im Rahmen des § 31 StGB als neue Tat eingeordnet. Dazu Roxin, AT II, S. 326 und auch BGH NStZ 1999, 450. 182 Zu den Anforderungen an die Vereinbarung mittäterschaftlicher Beiträge im Einzelnen oben 3. Teil, B. II. 2. 183 s. o. 3. Teil, B. II. 2.
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4. Teil: Der Strafgrund der Verbrechensverabredung
mehr mit dem Ausgangsrisiko der anfänglichen Verabredung deckt. Insofern kann auf das im Rahmen der objektiven Zurechnung geltende Verantwortungsprinzip zurückgegriffen werden: Danach muss der Einzelne zwar sein Verhalten so ausrichten, dass er selbst keine Rechtsgüter gefährdet – er ist hingegen nicht dafür verantwortlich, dass auch von anderen Personen keine Gefahr ausgeht.184 Setzt also jemand ein bestimmtes Risiko für ein Rechtsgutsobjekt, muss er gleichwohl nicht für eine Gefährdung desselben einstehen, wenn diese Gefährdung auf dem eigenverantwortlichen Handeln eines Dritten beruht. Es fehlt insofern an dem erforderlichen Risikozusammenhang.185 Für die Verabredung bedeutet dies, dass der Einzelne mit seinem Ausstieg das Ausgangsrisiko abwendet. Dies lässt sich mit der essentiellen Bedeutung der Vereinbarung mittäterschaftlicher Beiträge für die Verabredungsstrafbarkeit erklären. Die Strafbarkeit des Einzelnen hängt von seiner mittäterschaftlichen Beteiligung ab – folglich ist es nur konsequent, wenn seine Verantwortung für die verabredete Tat in dem Moment endet, in dem er kein Mittäter und auch sonst kein Teil der Vereinigung mehr ist. Gegen die Annahme, der Einzelne könne sich allein durch seinen Ausstieg von der Verabredung lösen, mag die Regelung des § 31 Abs. 1, Nr. 3, Abs. 2 StGB angeführt werden, die für einen strafbefreienden Rücktritt die Verhinderung der Tat bzw. das ernsthafte Bemühen darum verlangt. Diese Erfolgsabwendungspflicht lässt sich in der Tat nur mit einem Risikozusammenhang zwischen der ursprünglichen Verabredung und der späteren Tat der verbliebenen Komplottanten erklären.186 Die Rücktrittsvorschrift des § 31 StGB entspricht derjenigen des § 24 Abs. 2 StGB, die den strafbefreienden Rücktritt von einem Deliktsversuch mit mehreren Beteiligten regelt. Auch dort ist eine Erfolgsabwendungspflicht als Voraussetzung für die Strafbefreiung eines Einzelnen normiert. Die parallele Ausgestaltung der Rücktrittsvorschriften für den Deliktsversuch einerseits und die Deliktsvorbereitung andererseits kann aber keine Zustimmung finden. Denn die Versuchs- und Vorbereitungsstrafbarkeit unterscheiden sich in so grundlegender Weise, dass auch an den jeweiligen Rücktritt unterschiedlich hohe Anforderungen zu stellen wären: Die Erfolgsabwendungspflicht jedes Einzelnen lässt sich bei einem Versuch mehrerer Beteiligter damit rechtfertigen, dass die Tat schon ins Versuchsstadium eingetreten ist und der Einzelne somit schon Versuchsunrecht verwirklicht hat. Der ihm vorzuwerfende Handlungsunwert ist somit höher als bei der reinen Vorbereitung einer entsprechenden Tat. Insofern ist es legitim, für eine strafbefreiende Wirkung nicht nur seine Aufgabe des Vorhabens, sondern auch die Verhinderung der gesamten Tat bzw. sein Bemühen darum zu verlangen. Die Verabredung der Komplottanten stellt aber weder einen Teil der Tatausführung noch eine dieser unmittelbar vorgelagerte Handlung dar – bis es zu der tatsächlichen Tatbegehung 184 Schönke/Schröder/Lenckner/Eisele, Vor § 13, Rn 101 ff; Stratenwerth/Kuhlen, S. 386 f m.w.N. 185 Stratenwerth/Kuhlen, S. 98; Wessels/Beulke, S. 71 m.w.N. Teilweise wird auch von Gefahrrealisierung gesprochen (Kühl, AT, S. 48 f). 186 Auch Fieber sieht in dieser Vorschrift eine Bestätigung der Annahme des Kontrollverlustes und der daraus folgenden Gefahr der Tatbegehung durch die Verbliebenen (S. 172 f).
C. Begründungsansätze für Rechtfertigung der Verabredungsstrafbarkeit
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kommt, fehlen noch wesentliche Zwischenschritte. Der von dem Einzelnen verwirklichte Handlungsunwert ist, wie gesehen187, sehr gering. Es handelt sich eben erst um die grundsätzlich straflose Vorbereitung einer Straftat. Insofern erscheint es nicht legitim, wenn an einen strafbefreienden Rücktritt in diesem Vorbereitungsstadium ebenso hohe Anforderungen wie an einen Rücktritt im Ausführungsstadium gestellt werden. Folglich überspannt § 31 StGB die Anforderungen an den Rücktritt von der Verbrechensverabredung – diese stehen in keinem angemessenen Verhältnis zu dem tatsächlich begangenen Unrecht eines Komplottanten. Selbst wenn sich also in der weiteren Untersuchung herausstellen sollte, dass die Strafbarkeit der Vorbereitungshandlungen des § 30 StGB legitimiert werden kann, müssten jedenfalls die Anforderungen an einen strafbefreienden Rücktritt an das tatsächlich begangene Unrecht angepasst werden. Da die Regelung des § 31 StGB also an sich schon nicht zu überzeugen vermag, kann sie erst recht nicht als Begründung für den angenommenen Risikozusammenhang zwischen dem Ausgangsrisiko der Verabredung und dem von den verbliebenen Komplottanten herbeigeführten Gefahrzustand herangezogen werden. Folglich kann auch in den Fällen, in denen die Tat zwar entsprechend der Verabredung, aber in anderer Besetzung ausgeführt wird, nicht davon ausgegangen werden, dass sich das ursprünglich gesetzte Risiko in dem späteren Gefahrzustand realisiert. Nach dem bisher Gesagten muss insgesamt der Risikozusammenhang zwischen der ursprünglichen Verabredung und dem von den Verbliebenen herbeigeführten Gefahrzustand abgelehnt werden. Selbst wenn man also von dem regelmäßigen Eintritt eines Kontrollverlust ausginge, würde die Verabredungshandlung nicht typischerweise zu einem ihr zuzurechnenden Gefahrzustand führen. Folglich kann sie auch nicht als gefährliche Handlung, sondern nur als Ursache eines gefährlichen Kausalverlaufs qualifiziert werden. Die Annahme der erhöhten Gefährlichkeit der Verabredung infolge des Kontrollverlustes des Einzelnen ist demnach unzutreffend und kann somit auch nicht strafbegründend wirken. Im Ergebnis muss also festgehalten werden, dass die Strafbarkeit der Verabredung nicht mit einer erhöhten Gefährlichkeit aufgrund eines Kontrollverlustes des einzelnen Komplottanten begründet werden kann. b) Die gesteigerte Willensbindung Überwiegend wird die Strafwürdigkeit der Verabredung mit der erhöhten Gefährlichkeit infolge einer gesteigerten Willensbindung der Komplottanten begründet. Dieser Strafgrund bestehe entweder neben dem soeben erörterten Strafgrund des Kontrollverlustes188 oder, so die herrschende Meinung, als alleiniger Strafgrund.189 Es 187
s. o. 4. Teil, B. II. So Schäfer, in: Niederschriften, S. 206; Schönke/Schröder/Heine, § 30, Rn 1; Weber, ZStW-Beiheft, 1987, 1, 16. 189 Roxin, AT II, S. 287 ff, 303; Lackner/Kühl, § 30, Rn 1; BeckOK-Beckemper, § 30, Rn 2; LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30, Rn 3; Jescheck/Weigend, S. 701; BGH, NJW 1957, 1770; 188
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4. Teil: Der Strafgrund der Verbrechensverabredung
wird also davon ausgegangen, dass die Verabredungshandlung durch die erhöhte Willensbindung der Komplottanten typischerweise einen Kausalverlauf anstoße, der seinerseits typischerweise zu einem der Verabredungshandlung zuzurechnenden Gefahrzustand führe.190 Auch bei diesem Strafgrund ergeben sich parallel zu demjenigen des Kontrollverlustes zwei von einander zu trennende Fragen: Zunächst ist zu untersuchen, ob die Verabredung tatsächlich typischerweise zu einer erhöhten Willensbindung der einzelnen Komplottanten führt. Für den Fall der Annahme einer solchen Willensbindung ist zu prüfen, ob die Verabredungshandlung wirklich selbst gefährlich ist und ob diese Gefährlichkeit eine Strafbarkeit der Verabredung rechtfertigen kann. aa) Der Eintritt der erhöhten Willensbindung Die Gefährlichkeit der Verabredung wird also damit begründet, dass die Einigung der Beteiligten wechselseitig zu einer erhöhten Bindung führe, die es ihnen erschwere, sich von dem gemeinsamen Vorhaben zu lösen.191 Somit sei die Gefahr, dass es tatsächlich zu der Ausführung des Vorhabens komme, größer als bei den Vorbereitungen eines Einzeltäters. Denn dieser könne sich jederzeit von seinem Entschluss lösen, ohne die Entscheidung vor anderen rechtfertigen zu müssen.192 Teilweise wird neben diesem Aspekt der erhöhten Willensbindung zusätzlich darauf abgestellt, dass durch die Zusage des einzelnen Komplottanten auch andere zu der Tat bestimmt würden.193 Zur Begründung der gesteigerten Willensbindung der Komplottanten finden sich – anders als bei dem angeführten Strafgrund des Kontrollverlustes – mehrere, unterschiedliche Ansätze. Zum einen setzt sich Letzgus detailliert mit der Frage einer erhöhten Willensbindung bei einem konspirativen Tatentschluss auseinander.194 Um die gesteigerte Bindung innerhalb eines Komplotts zu erklären, vertritt er einen suggestionspsychologischen Ansatz. Wie schon im Rahmen des Strafgrundes des Kontrollverlustes erörtert,195 geht Letzgus davon aus, dass die Menschen durch Suggestion aufeinander einwirken, wodurch die Bewusstseinsinhalte gesteigert und die Gegenkräfte geschwächt würden.196 Durch diese Einwirkung auf das Unterbewusstsein einer Person werde der Wille, ein bestimmtes Ziel durchzusetzen, gesteigert. Denn im Wege der Suggestion werde die Kontrollinstanz des Ich-Zentrums des Menschen beeinträchtigt, das sich in der bewussten Persönlichkeitsschicht befinde. Folglich funktioniere das Kontrollzentrum nicht mehr Schröder, JuS 1967, 289; SK-Hoyer, § 30, Rn 11; MK-Joecks, § 30, Rn 11, 49; Letzgus, S. 130; Kühl, JuS 1979, 874, 875. 190 s. o. 4. Teil, C. III. 1. e). 191 Thalheimer, S. 14; Roxin, JA 1979, 169, 171; Lackner/Kühl, § 30, Rn 1; LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30, Rn 3. 192 Roxin, AT II, S. 287. 193 So MK-Joecks, § 30, Rn 49; SK-Hoyer, § 30, Rn 11. 194 Letzgus, S. 126 ff. 195 Dazu 4. Teil, C. III. 2. a), aa). 196 Letzgus, S. 126 f; Le Bon, S. 17; Wulffen, S. 60.
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ordnungsgemäß, so dass keine oder zumindest weniger Zweifel an dem suggerierten Vorhaben entstünden.197 Eine solche suggestive Einflussnahme kennzeichne auch das Verhältnis zwischen Anstifter und Haupttäter.198 Ein angestifteter Haupttäter könne sich demnach wesentlich schlechter von der Tat lösen als ein Alleintäter, bei dem niemand die Kontrollwirkung beeinträchtigt habe.199 Letzgus geht auch davon aus, dass sich diese Suggestionswirkung nicht mehr umkehren lasse – mit der Folge, dass der Anstifter selbst die Ausführung der Tat nicht mehr beeinflussen könne, da auch sein Appell an das geschwächte Kontrollzentrum scheitern müsse. Aus diesem Grund sei es auch für einen Dritten schwieriger, den angestifteten Täter von seinem Vorhaben abzubringen.200 In dieser gesteigerten Willensbindung sieht Letzgus eine objektiv erhöhte Gefährlichkeit des Tatentschlusses eines Angestifteten gegenüber demjenigen eines Einzeltäters.201 Da es sich bei der Verabredung seiner Ansicht nach immer um eine ein- oder wechselseitige Anstiftung handelt, würde auch sie zumindest diese erhöhte Bindung sowie diese objektive Gefährlichkeit aufweisen.202 Bei der Verabredung bestehe daneben noch eine wechselseitige Suggestion, die zusätzlich gefahrsteigernd wirke. Dabei komme es zu der sog. „Wir-Bildung“, welche den Beginn der Suggestion innerhalb einer Gruppe darstelle. Dies bedeute, dass die Angehörigen der Gruppe gleiche Vorstellungen und Ziele entwickeln und sich dabei aufeinander abstimmen.203 Innerhalb einer Verabredung komme es infolge der Konspiration somit zu einer gegenseitigen Anpassung der einzelnen Vorstellungen der Komplottanten. Dadurch nehme die Kritik an dem gemeinsamen Vorhaben ab – die Kontrollinstanz des Ich-Zentrums werde beeinträchtigt, wodurch die rationalen Kräfte des Einzelnen zurückgedrängt würden. Der Einzelne fühle sich somit mächtiger und mutiger. Die Beeinflussung und Steigerung innerhalb einer solchen Gruppe sei umso stärker, je enger die körperliche Fühlung der Beteiligten sei. Deshalb sei ein Tatentschluss, der in einer Verabredung zustande komme, noch gefährlicher als ein einseitig suggerierter Tatentschluss des Angestifteten.204 Es wurde schon betont, dass die Einordnung der Verabredung als ein- oder wechselseitige Anstiftung unzutreffend ist.205 Aber auch abgesehen von dieser Annahme kann die Suggestionstheorie nicht überzeugen. Letzgus setzt die gegenseitige suggestive Beeinflussung der Komplottanten als typisches Merkmal der Verbrechensverabredung einfach voraus. Bislang wurden solche Suggestionswirkungen innerhalb einer Verbrechensverabredung aber nicht empirisch belegt – es sei da197
Letzgus, S. 127. Letzgus, S. 127. So auch Less, ZStW 69, 43. 199 Letzgus, S. 128. 200 Letzgus, S. 128. 201 Diese erhöhte Gefährlichkeit sei nur dann nicht gegeben, wenn die Anstiftungshandlung von vornherein zu keinem Tatentschluss des Haupttäters führe (Letzgus, S. 128). 202 Letzgus, S. 130. 203 Letzgus, S. 130. 204 Letzgus, S. 131. 205 s. o. 3. Teil, D. 198
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4. Teil: Der Strafgrund der Verbrechensverabredung
hingestellt, ob es überhaupt möglich wäre, sie empirisch nachzuweisen.206 Insofern bestehen hier die gleichen Bedenken, die auch schon im Rahmen der Erörterung des Kontrollverlustes geäußert wurden.207 Des Weiteren ist fraglich, ob ein allgemeingültiges psychologisches Gesetz existiert, nach dem es generell schwerer ist, sich von einem gemeinsamen Tatentschluss zu lösen.208 Solange kein Nachweis darüber geführt werden kann, muss schon die Prämisse des hier in Rede stehenden Ansatzes bezweifelt werden. Die Annahme einer rein suggestiven Beeinflussung der Komplottanten untereinander widerspricht zudem dem Bild eines rational denkenden Täters. Da es sich bei der Verabredung um die Planung eines Verbrechens handelt, ist davon auszugehen, dass die einzelnen Beteiligten rational das Für und Wider des Vorhabens abwägen.209 Sie werden wohl kaum allein durch ihr Unterbewusstsein zu dem Vorhaben gedrängt, sondern setzen sich mit dem Vorhaben kritisch auseinander und prüfen es auf seine Durchführbarkeit. Erst wenn diese rationale Abwägung zu einem für die Tat positiven Ergebnis führt, werden sie ihm zustimmen. Geht man also davon aus, dass sich die Täter entsprechend ihrer Subjektstellung rational zu der Tatzusage entscheiden, stellt sich der gemeinsame Tatentschluss instabiler als ein Einzelentschluss dar.210 Denn ein Tatentschluss mehrerer ist viel stärker dem „kritischen Kalkül der Tatrealisierung“ ausgesetzt211: Innerhalb einer Gruppe stehen sich immer divergierende Interessen der einzelnen Mitglieder gegenüber – je größer die Gruppe, desto mehr Absichten treffen aufeinander. Zwar mag es zutreffen, dass sich die Einzelnen im Zuge der „Wir-Bildung“ an einander anpassen und in ihren Vorstellungen einander annähern. Diese Entwicklung reicht aber nur bis zu einem bestimmten Grad. Sobald die Vorstellungen zu unterschiedlich sind, kann auch das „Wir-Gefühl“ diese Differenzen nicht mehr ausgleichen oder überbrücken. Gerade bei der Planung eines Verbrechens mehrerer Mittäter ist aber davon auszugehen, dass jeder Einzelne von ihnen ein bestimmtes Interesse an der Tat hat.212 Fällt dieses Interesse bei einem Beteiligten weg oder sind die einzelnen Absichten zu konträr, wird auch die Gruppenbildung nichts daran ändern, dass der Einzelne seinem eigenen Interesse folgt und die Tat aufgibt. Folglich kann nicht von einer erhöhten Willensbindung ausgegangen werden. Daneben ist zu beachten, dass die Intensität der Suggestion von der Fühlungnahme der einzelnen Beteiligten abhängt: Eine suggestive Einwirkung ist in stärkerem Maße möglich, wenn sich die Gruppenmitglieder räumlich nahe sind.213 Ein solcher unmittelbarer Kontakt der Komplottanten wird bei der Strafbarkeit der Verbrechensverabredung aber nicht vorausgesetzt – fraglich ist 206
So auch Maiwald, ZStW 88, 719, 721; Fieber, S. 168. s. o. 4. Teil, B. III. 2. a). 208 LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30, Rn 7; Fieber, S. 168. 209 So auch Beck, S. 205 f. 210 Beck, S. 205 f. 211 Beck, S. 206. 212 So dient das eigene Interesse an der Tat auch im Rahmen der Abgrenzung zwischen Mittäterschaft und Beihilfe als Indiz für die mittäterschaftliche Beteiligung; s. o. 3. Teil, B. II. 2. 213 So auch Scherer, S. 27. 207
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auch, ob sie als typisch für sie bezeichnet werden kann. Dies wird in Zeiten der zunehmenden globalen Vernetzung und der modernen Kommunikation via Internet eher zu verneinen sein. Auch aus diesen Gründen ist im Rahmen der Verabredung nicht von einer suggestiven Beeinflussung der Komplottanten in nennenswertem Umfang und beachtlicher Häufigkeit auszugehen. Des Weiteren muss bei dem suggestionspsychologischen Ansatz noch Folgendes berücksichtigt werden: Wenn man überhaupt von einer wechselseitigen Suggestion ausgehen will, müsste neben einer möglichen Beeinflussung in Richtung der Festigung des Tatentschlusses auch die gegenteilige Einwirkung in Richtung der Aufgabe desselben berücksichtigt werden. Wird nämlich angenommen, dass ein Beteiligter auf das Unterbewusstsein eines anderen in der Weise einwirken kann, dass dieser sich dem gemeinsamen Vorhaben stärker verbunden fühlt, müsste eine solche Einwirkung auch hinsichtlich der Aufgabe des Vorhabens möglich sein. So gibt auch Letzgus zu, dass „mehrere präsumtive Täter auch mehr Bedenken gegen die Durchführung eines Verbrechens vorbringen können (…) und sie diese Bedenken ebenso wie die den Entschluss fördernden Gedanken im Wege gegenseitiger Suggestion einwirken lassen“.214 Zutreffend kommt er auch zu dem Ergebnis, dass ein Tatentschluss mehrerer Mittäter insoweit weniger gefährlich ist als ein durch Anstiftung hervorgerufener Tatentschluss.215 Zugleich sei aber der konspirative Tatentschluss durch die wechselseitige Suggestion in Richtung auf die Tatbegehung gefährlicher als der einseitig durch Anstiftung hervorgerufene Tatentschluss. Folglich führe eine Gesamtbetrachtung dazu, dass beide Arten von Tatentschlüssen hinsichtlich ihrer Strafwürdigkeit gleichgestellt werden müssten.216 Letzgus geht dabei aber von der unzutreffenden Annahme aus, dass sich die Verabredung immer als ein- oder wechselseitige Anstiftung darstellt. Folglich geht auch die Einschätzung fehl, dass die Verabredung jedenfalls immer die Gefährlichkeit der Anstiftung in sich trägt. Zuzustimmen ist ihm dahingehend, dass sich die wechselseitige suggestive Beeinflussung der Komplottanten in Richtung auf die Stärkung des Tatentschlusses und diejenige in Richtung der Aufgabe desselben gegenseitig aufheben. Demzufolge besteht richtigerweise auch keine erhöhte Gefährlichkeit des konspirativen Tatentschlusses im Vergleich zu dem eines Einzeltäters. Aufgrund der suggestiven Einflüsse in Richtung auf die Aufgabe des Tatplanes ist der gemeinsame Tatentschluss sogar als instabiler und damit weniger gefährlich als der Tatentschluss eines Einzeltäters anzusehen. Selbst wenn also dem suggestionspsychologischen Ansatz gefolgt würde, könnte damit keine erhöhte Willensbindung der Komplottanten nachgewiesen werden. Neben der gegenseitigen Suggestion nimmt Letzgus bei Gruppenbildungen wie der Verabredung eine gegenseitige psychische Stärkung der Beteiligten an.217 Diese unterscheide sich von der Suggestion darin, dass sie weder eine körperliche Füh214 215 216 217
Letzgus, S. 131. Letzgus, S. 132. Letzgus, S. 132. Letzgus, S. 132.
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lungnahme der Beteiligten noch eine dauernde Wechselwirkung voraussetze.218 Bei einer Verabredung könne es durch die gegenseitige psychische Stärkung zu einer Steigerung des kriminellen Willens und damit zu einer Steigerung der objektiven Gefährlichkeit kommen, weil jeder der Komplottanten auf die gegenseitige Unterstützung und Rückendeckung vertraue.219 Zutreffend geht Letzgus aber auch davon aus, dass diese psychische Stärkung von der Festigkeit der Organisation und der Planung abhängt.220 Folglich kann bei einer Verabredung von Komplottanten, die schon andere Taten zusammen begangen haben und insofern eine feste Gruppe bilden, eher eine psychische Stärkung angenommen werden. Handelt es sich hingegen um eine erstmalige oder spontane Verabredung, wird eine solche aufgrund der fehlenden Organisation und Planung kaum bestehen. Da die Verabredung tatbestandlich aber keine feste Organisation verlangt, kann die psychische Stärkung nicht als typisches Merkmal der Verabredung angesehen werden. Somit kann die angenommene erhöhte Willensbindung der Komplottanten auch nicht durch eine gegenseitige psychische Stärkung erklärt werden.221 Nach einem objektiven Begründungsansatz resultiert die gesteigerte Willensbindung daraus, dass sich aus der quasi-vertraglichen Verpflichtung ein durch die besonderen Verhaltensregeln einer kriminellen Subkultur gestützter Motivationsdruck ergebe.222 Ein Komplottant, der sich von dem Vorhaben lösen wolle, müsse mit starken Repressalien der übrigen Verbündeten rechnen, da er zu einer Gefahr für diese werden könne.223 Auch gegen diese Annahme bestehen gewichtige Bedenken: Zunächst ist schon sehr zweifelhaft, ob bei einer Verabredung regelmäßig von einer quasi-vertraglichen Verpflichtung ausgegangen werden kann. Denn allein eine Einigung ist noch nicht gleichbedeutend mit einer vertragsähnlichen Bindung. Tatbestandlich setzt die Verabredung keine besonders feste Vereinigung voraus – eine lockere, aber zu diesem Zeitpunkt ernst gemeinte Übereinkunft ist völlig ausreichend. Insofern kann aber nicht von einer quasi-vertraglichen Bindung gesprochen werden. Abgesehen davon kann bei einer Verabredung auch nicht typischerweise von Strukturen einer kriminellen Subkultur ausgegangen werden. Unter einer Subkultur versteht man in der Soziologie eine in sich geschlossene Teilkultur, die sich durch eigene Normen, Verhaltensweisen, Werte, Bedürfnisse und Institutionen von der gesellschaftlich dominierenden Kultur unterscheidet.224 Die Verabredungsstrafbarkeit setzt allerdings tatbestandlich nicht voraus, dass es sich um Verbindungen handelt, die in einer solchen Teilkultur entstanden sind. So ist für eine strafbare 218
Letzgus, S. 132. Letzgus, S. 133. 220 Letzgus, S. 132. 221 Nach Letzgus könnte diese psychische Stärkung eher straferhöhend berücksichtigt werden (S. 134 f). 222 LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30, Rn 10. 223 Roxin, AT II, S. 304. Allerdings lässt auch er die Frage offen, ob allein diese Gründe die Strafbarkeit jeder Verbrechensverabredung kriminalpolitisch rechtfertigen können. 224 Recker, in: Soziologie-Lexikon, S. 661; Schwendter, S. 11. 219
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Verabredung weder erforderlich, dass es sich um schon kriminell orientierte Personen handelt, noch dass diese sich sogar in einer kriminellen Subkultur mit eigenen Werten und Verhaltensregeln bewegen. Vielmehr reicht schon die Einigung Mehrerer auf eine bestimmte Tatbegehung aus – und zwar auch dann, wenn es sich um eine einmalige Verbindung von bisher nicht delinquenten Personen handelt. Somit kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass im Rahmen der Verabredung typischerweise solche Verhaltensmuster krimineller Subkulturen wie eine erhöhte Druckausübung auf Aussteiger oder Ähnliches auftreten.225 Des Weiteren spricht auch die notwendige Vereinbarung mittäterschaftlicher Beiträge im Rahmen der Verabredung gegen die Begründung der Willensbindung mit einer erhöhten Druckausübung durch die anderen Beteiligten.226 Denn eine erfolgreiche Druckausübung auf einzelne Beteiligte setzt entsprechende Machtverhältnisse voraus. Ist die Vereinigung, wie bei der Verabredung schon tatbestandlich vorausgesetzt, durch eine gleichberechtigte Struktur gekennzeichnet, kann nicht davon ausgegangen werden, dass typischerweise auf einen Aussteiger Druck ausgeübt wird.227 Davon abgesehen, hätte auch derjenige, der sich von dem Vorhaben löst, eine gewisse Machtposition gegenüber den verbleibenden Komplottanten – er könnte damit drohen, den Plan zu verraten, und wäre damit einem möglichen Druck der Übrigen nicht wehrlos ausgeliefert. Demnach kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass sich der Einzelne regelmäßig einem etwaigen Druck der anderen beugen würde und so im Ergebnis stärker an seine Zusage gebunden wäre. Folglich ist auch der objektive Ansatz nicht geeignet, eine typische erhöhte Willensbindung der Komplottanten zu begründen. Da die Verabredung nicht typischerweise durch ein Machtverhältnis gekennzeichnet ist, könnte zu überlegen sein, ob die erhöhte Willensbindung auf eine persönliche Verbundenheit der Komplottanten zurückgeführt werden könnte. Diese Begründung findet sich allerdings nicht ausdrücklich – was sich zum einen damit erklären lässt, dass auch diese kaum als typische Konstellation einer Verabredung angesehen werden kann. Eine Einigung zu einem Verbrechen wird eher selten aus einer Freundschaft oder Ähnlichem heraus entstehen – und auch tatbestandlich wird kein enges persönliches Verhältnis der Beteiligten vorausgesetzt. Zum anderen kommt es auch selbst in den Fällen, in denen eine persönliche Verbundenheit besteht, nicht typischerweise zu einer erhöhten Willensbindung. Denn der Eintritt dieser Bindung hängt dann maßgeblich von der Intensität der persönlichen Verbundenheit ab – eine lockere Freundschaft entfaltet eine geringere Bindungswirkung als enge familiäre Bande. Eine erhöhte Willensbindung infolge einer persönlichen Verbundenheit ist somit zwar möglich – sie steht aber hinsichtlich ihrer Intensität in starker Abhängigkeit zu den Umständen des Einzelfalls. Das bedeutet aber auch, dass eine solche Bindung – selbst wenn sie eintritt – auch nicht so stark sein muss, dass sich die Komplottanten nicht mehr davon lösen können. Im Ergebnis kann also die ange225
So auch Fieber, S. 172. Fieber, S. 171. 227 Dagegen Schünemann, der „bedrohliche Folgen“ für den Aussteiger annimmt (LKSchünemann, 12. Aufl., § 30, Fn 29). 226
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nommene erhöhte Willensbindung im Rahmen der Verabredung auch nicht mit einer persönlichen Verbundenheit der Komplottanten begründet werden. Zuletzt bleibt noch ein Vergleich mit einer anderen Kriminalitätsform mehrerer Beteiligter, nämlich der Gruppenkriminalität. Zu dieser existieren – anders als bei der Verbrechensverabredung – auch kriminologische Studien, die sich mit der inneren Dynamik derselben auseinandersetzen. Fraglich ist, ob aus diesen Untersuchungen auch Erkenntnisse für die Verbrechensverabredung gewonnen werden können. Gruppendynamische Prozesse und Wirkungen sind in der Kriminologie insbesondere im Rahmen der Jugend-228, aber auch bei der Erwachsenenkriminalität229 anerkannt. Danach wirkt eine Gruppe in mehrerer Hinsicht verstärkend: Es entstehe zum einen ein Konformitätsdruck, welcher unter den Gruppenmitgliedern zu einer Gleichschaltung von Stimmungen und Emotionen mit der Folge eines gleichartigen Verhaltens führe.230 Daneben komme es zu einer Verstärkerwirkung: Das vorhandene emotionale Potential der Gruppe werde verstärkt, wodurch ein Hang zum Aktionismus entstehe. Dies führe dazu, dass sich häufig Gefühle und Empfindungen „sturzhaft in konkretes, oft auch kriminelles Verhalten“ umsetzen.231 Schließlich wird eine größere Risikobereitschaft in Gruppen angenommen, die daraus resultiere, dass der Einzelne seine individuelle Verantwortung für das Geschehen an die Gruppe abgebe.232 Würden diese gruppendynamischen Prozesse in gleicher Weise bei einer Verbrechensverabredung bestehen, könnte tatsächlich eine erhöhte Willensbindung der Komplottanten angenommen werden. Denn die soeben dargestellten Wirkungen, insbesondere der Konformitätsdruck und die Verstärkerwirkung, könnten bei einem konspirativen Tatentschluss zu einer Minderung der Bedenken des Einzelnen gegen die Tat führen und somit die Gefahr der Tatbegehung steigern. Entscheidend ist somit, ob diese gruppendynamischen Phänomene tatsächlich in gleicher Weise auch bei einer Verabredung auftreten. Gegen diese Annahme spricht, dass sich die Verabredung stark von den Kriminalitätsformen unterscheidet, für die diese gruppendynamischen Prozesse angenommen werden. Die Erkenntnisse über die Jugendkriminalität können nicht auf die Verabredung übertragen werden, da die Jugendkriminalität anerkanntermaßen eine ganz eigene Natur aufweist.233 Die Verabredung stellt aber gerade keine jugendspezifische Kriminalitätsform dar – sie erfasst tatbestandlich nicht nur Einigungen durch Jugendliche, und auch praktisch handelt es sich bei Verabredungen nicht typischerweise um solche jugendlicher Täter. Denn Jugend228
Schwind, § 13. Schumacher, NJW 1980, 1880, 1881. 230 Schumacher, NJW 1980, 1880, 1881. 231 Schumacher, NJW 1980, 1880, 1881. 232 Schumacher, NJW 1980, 1880, 1881. 233 So hat sie Episodencharakter, bezieht sich also nur auf einen bestimmten, begrenzten Lebensabschnitt, und es kommt in der Regel zu einer Spontanbewährung – die Delinquenz im Jugendalter hört also von selbst wieder auf. Daneben zeichnet sich die Jugendkriminalität durch Ubiquität aus, sie ist also sehr weit verbreitet, auch stärker als Erwachsenenkriminalität. Dazu Schwind, S. 69 ff. 229
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kriminalität vollzieht sich überwiegend im Freizeitbereich, welcher bei kriminellen Jugendlichen häufig spontan und ungeplant ist sowie aus dem Augenblick heraus bestimmt wird.234 Folglich ist auch die Jugendkriminalität in der Regel situationsbezogen und spontan235, während es sich bei der Verabredung um Planungskriminalität handelt. Es verbleiben somit die im Rahmen der Erwachsenenkriminalität gewonnenen Erkenntnisse über die Gruppendynamik. Dabei werden die gruppendynamischen Wirkungen auf den emotionalen Kontakt der Gruppenmitglieder zurückgeführt236: „Psycho-affektive Vorgänge“ wie Stimmungen, Emotionen und Affekte der Beteiligten verbinden und verstärken sich danach in einer Gruppe.237 Diese Effekte treten aber nicht in jeder Verbindung gleichermaßen auf, sondern hängen unter anderem von der Organisation, der Dichte oder auch dem Zusammenhalt der Gruppe ab.238 Daneben ist es für die Intensität dieser gruppendynamischen Wirkungen von Bedeutung, in welchem Maße der Zusammenschluss der Beteiligten auf affektiven Kräften beruht. Handelt es sich um eine Vereinigung, in der kognitive, also planende und überlegungsgelenkte Aspekte überwiegen, sind gruppendynamische Wirkungen unwahrscheinlich.239 Bei der Verabredung handelt es sich aber in der Regel nicht um eine spontane, affektiv gesteuerte Übereinkunft mehrerer Personen, die demnach sehr offen für gruppendynamische Wirkungen wäre. Stattdessen stellt sie eine Verbrechensplanung dar, die durch ein rationales und überlegungsmäßiges Vorgehen der Beteiligten gekennzeichnet ist. Folglich sind auch nach diesen gruppendynamischen Erkenntnissen bei einer Verabredung in der Regel keine gruppenverstärkenden Wirkungen zu erwarten. Die angenommene erhöhte Willensbindung kann also auch nicht mit Hilfe der kriminologischen Erkenntnisse zu gruppendynamischen Prozessen erklärt werden. Die vorstehenden Erörterungen zeigen somit, dass die angenommene erhöhte Willensbindung der Komplottanten nicht nachgewiesen werden kann. Folglich kann auch sie keine tragfähige Begründung für die Strafbarkeit der Verbrechensverabredung liefern.
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Meier, S. 161. Meier betont, dass nicht eindeutig geklärt werden kann, ob die spontane Freizeitgestaltung Ursache für oder Konsequenz aus der Kriminalität darstellt – gleichwohl lässt sich sagen, dass diese beiden Faktoren in der Regel zusammentreffen und damit auch die Kriminalität eher eine spontane, als eine lang geplante darstellt. (S. 161). 236 Schumacher, NJW 1980, 1880, 1881. 237 Schumacher, NJW 1980, 1880, 1881. 238 Schumacher, NJW 1980, 1880, 1881. 239 Schumacher, NJW 1980, 1880, 1881. Auch Hartmann geht davon aus, dass solche Wirkungen nur in sprunghaften, konkreten, spontanen Situationen auftreten (MschrKrim 1964, 24, 29). 235
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4. Teil: Der Strafgrund der Verbrechensverabredung
bb) Die hinreichende Gefährlichkeit der Verabredungshandlung Es bleibt die Frage, ob die erhöhte Willensbindung, würde sie bejaht werden, tatsächlich die Strafbarkeit der Verbrechensverabredung rechtfertigen könnte. Dazu müsste die Verabredungshandlung infolge der Willensbindung zunächst tatsächlich selbst erhöht gefährlich sein, und diese Gefährlichkeit müsste eine Strafbarkeit des Verhaltens begründen können. (1) Die eigene Gefährlichkeit der Verabredungshandlung Innerhalb des Strafgrundes der Willensbindung wird davon ausgegangen, dass die Verabredungshandlung selbst gefährlich sei, weil sie infolge der Willensbindung typischerweise zu einem Kausalverlauf führe, der seinerseits typischerweise zu einem der Verabredung zuzurechnenden Gefahrzustand führe.240 Sollte also die erhöhte Willensbindung – entgegen den vorhergehenden Erörterungen – als typische Folge der Verabredungshandlung anzusehen sein, ergäbe sich für die angenommene Gefährlichkeit derselben Folgendes: Die Einigung würde typischerweise durch die erhöhte Willensbindung einen Kausalverlauf anstoßen – nämlich das weitere Fortschreiten der Tat infolge des verfestigten Willens –, der seinerseits typischerweise zu einem Gefahrzustand führen würde. Ginge man von einer solchen erhöhten Bindung der Komplottanten aus, bestünde in der Tat eine nicht geringe Wahrscheinlichkeit, dass es zu der Ausführung des Vorhabens kommen würde. Somit würde diese Willensbindung typischerweise die weitere Vorbereitung, also den Kausalverlauf anstoßen, der seinerseits typischerweise zu der Ausführung der geplanten Tat und damit zu dem Gefahrzustand führen würde. Demzufolge müsste auch die Einigung als typische mittelbare Ursache für den Gefahrzustand angesehen werden. Damit die Verabredungshandlung nun auch selbst als gefährlich qualifiziert werden kann, müsste typischerweise zudem ein Risikozusammenhang zwischen der anfänglichen Einigung der Komplottanten und dem später eintretenden Gefahrzustand bestehen.241 Anders als bei dem vermeintlichen Strafgrund des Kontrollverlustes wäre dieser typische Risikozusammenhang im Rahmen des Strafgrundes der erhöhten Willensbindung zu bejahen. Wie schon im Rahmen der Untersuchung des Kontrollverlustes betont wurde242, ist das anfängliche Risiko der Verabredung auf die Begehung der geplanten Tat durch alle ursprünglichen Komplottanten gerichtet. Infolge der Willensbindung würden die Beteiligten gerade in stärkerem Maße an die Vereinbarung gebunden mit der Folge, dass sie die Tat eben auch gemeinsam in vollständiger Besetzung begehen würden. Kommt es durch den angestoßenen Kausalverlauf – also das weitere Vorantreiben des Vorhabens bis hin zu seiner Ausführung – zu einem Gefahrzustand, wird sich darin somit regelmäßig auch das Ausgangsrisiko verwirklichen. Somit müsste der Risikozusammenhang im Rahmen 240 241 242
s. o. 4. Teil, C. III. 1. e). s. o. 4. Teil, C. III. 1. c). s. o. 4. Teil, C. III. 2. a), bb).
C. Begründungsansätze für Rechtfertigung der Verabredungsstrafbarkeit
211
des Strafgrundes der Willensbindung bejaht werden. Demzufolge wäre die Verabredungshandlung – ausgehend von der Annahme, die Willensbindung sei eine typische Folge der Einigung – tatsächlich auch selbst als gefährlich zu qualifizieren. (2) Die Begründung der Strafbarkeit infolge der Gefährlichkeit Selbst bei Annahme einer solchen Gefährlichkeit der Verabredung bliebe aber zweifelhaft, ob diese die Strafbarkeit der Verbrechensverabredung legitimieren könnte, ob also der Gefährlichkeitsgrad der Verabredung für eine Strafbegründung hinreichend wäre. Um den für eine Strafbegründung erforderlichen Gefährlichkeitsgrad zu ermitteln, wird auf einen Vergleich mit den straflosen Vorbereitungshandlungen eines Einzeltäters zurückgegriffen. Weisen nämlich auch diese Handlungen eine eigene Gefährlichkeit im Sinne der hier entwickelten Definition auf, bedeutet dies für die Strafbegründung durch die Gefährlichkeit einer Handlung Folgendes: Wenn auch straflose Vorbereitungshandlungen gefährlich sind, zeigt dies, dass nicht jede noch so geringe Gefährlichkeit für eine Strafbegründung ausreichen kann. Folglich müsste die Verabredung eine im Vergleich zu den Handlungen eines Einzeltäters erhöhte Gefährlichkeit aufweisen. Dieses Erfordernis einer erhöhten Gefährlichkeit entspricht auch dem üblichen Verständnis der Verbrechensverabredung sowie des gesamten § 30 StGB, die auch von den Befürwortern ihrer Strafbarkeit als Ausnahmeregelungen angesehen werden.243 Es besteht nämlich Einigkeit darüber, dass Vorbereitungshandlungen wie diejenigen eines Einzeltäters grundsätzlich nicht strafwürdig sind.244 Will man also die Gefährlichkeit der Verabredung mit der Gefährlichkeit der Vorbereitungen eines Einzeltäters vergleichen, ist zunächst zu fragen, ob die Handlungen eines Einzeltäters überhaupt selbst als gefährlich angesehen werden können. (a) Die Gefährlichkeit der Vorbereitungen eines Einzeltäters Bei den Vorbereitungen eines Einzeltäters kann es sich – wie auch bei der Verabredung – höchstens um mittelbar gefährliche Verhaltensweisen handeln, welche also typischerweise einen Kausalverlauf anstoßen, der seinerseits typischerweise zu einem der anfänglichen Handlung zuzurechnenden Gefahrzustand führt. Dabei sind im Folgenden unter Vorbereitungen eines Einzeltäters nur solche zu verstehen, die nach außen gerichtete Handlungen darstellen. Der innerlich gebliebene Tatentschluss eines Einzeltäters kann schon deshalb nicht strafbar sein, weil er kein Unrecht verwirklicht. Der Handlungsunwert setzt eine final auf die Rechtsgutsverletzung gerichtete Handlung voraus,245 an der es bereits fehlen würde. Die Bestrafung eines rein innerlich gebliebenen Tatentschlusses würde reines Gesinnungsstrafrecht darstellen, 243
Roxin, AT II, S. 287; Schönke/Schröder/Heine, § 30, Rn 1; MK-Joecks, § 30, Rn 1; BeckOK-Beckemper, § 30, Rn 1. 244 Schönke/Schröder/Heine, § 30, Rn 1; MK-Joecks, § 30, Rn 1; BeckOK-Beckemper, § 30, Rn 1. 245 s. o. 4. Teil, A. II. 1.
212
4. Teil: Der Strafgrund der Verbrechensverabredung
welches mit dem geltenden Tatstrafrecht nicht in Einklang gebracht werden kann. Besorgt sich aber beispielsweise ein Täter eine Waffe für einen späteren Raubüberfall, ist dieses Verhalten hinsichtlich seiner Gefährlichkeit wie folgt zu beurteilen: Die Anschaffung der Waffe führt möglicherweise zu der weiteren Planung und Vorbereitung bis hin zu der Ausführung der Tat. Die Vorbereitungshandlung stößt also einen Verlauf an, der auch möglicherweise zu einem Gefahrzustand führt. Kommt es zu dieser Gefahr für das anvisierte Rechtsgut, würde sich darin auch gerade das von dem Einzeltäter durch den Waffenkauf gesetzte Risiko verwirklichen – dieser Gefahrzustand wäre ihm somit auch zuzurechnen. Fraglich ist allerdings, ob das Verhalten des Einzeltäters nur möglicherweise zu dem Kausalverlauf und dieser wiederum nur möglicherweise zu dem Gefahrzustand führt oder ob diese Entwicklung typisch ist. Nur wenn es sich in beiden Fällen um eine typische Ursache für das weitere Geschehen handelt, kann auch die Vorbereitungshandlung selbst als gefährlich angesehen werden. Die Einordnung des Verhaltens als typische Ursache eines gefährlichen Kausalverlaufs setzt voraus246, dass eine gewisse Wahrscheinlichkeit für diesen Kausalverlauf besteht. Des Weiteren müsste der Kausalverlauf mit einer solchen Wahrscheinlichkeit zu dem Gefahrzustand führen. Würde es hingegen an einem dieser Erfordernisse fehlen, könnte die Vorbereitungshandlung des Einzeltäters nicht als gefährlich eingestuft werden, sondern es würde sich dabei lediglich um eine mögliche Ursache eines gefährlichen Kausalverlaufs handeln.247 Allen Vorbereitungshandlungen eines Einzeltäters ist gemein, dass dieser sich bezüglich seines Vorhabens vor niemandem rechtfertigen muss. Dementsprechend ist er in der weiteren Planung wie auch in der Aufgabe desselben völlig frei. Er kann einen einmal gefassten Tatentschluss folglich, falls er die Tat nicht mehr begehen will, wieder aufgeben, ohne dass ihn eine andere Person davon abhält. Ob die Vorbereitungshandlung eines Einzeltäters zu einem gefährlichen Verlauf und in der Folge auch zu einem Gefahrzustand führt, hängt somit – neben etwaigen äußeren Bedingungen – maßgeblich von dem Willen des Täters selbst ab. Aufgrund der Vielgestaltung der möglichen Pläne, Vorbereitungshandlungen und anvisierten Verbrechen erscheint es kaum möglich, eine verlässliche Aussage darüber zu treffen, in wie vielen Fällen es tatsächlich zu der späteren Tatausführung kommt oder wie häufig das Vorhaben wieder aufgegeben wird. Erschwert wird eine solche Aussage dadurch, dass man oftmals im Nachhinein gar nichts von einem früheren Vorhaben eines Einzeltäters erfährt, falls dieser die Tat noch vor dem Versuchsbeginn wieder aufgibt. Folglich lässt sich nicht verlässlich sagen, wie hoch die Wahrscheinlichkeit der Herbeiführung des Kausalverlaufs und der anschließenden Verursachung des Gefahrzustandes durch den Einzeltäter ist. Genauso wenig lässt sich aber bestimmen, wie hoch die Wahrscheinlichkeit für das Ausbleiben der weiteren Tatplanung und damit des Gefahrzustandes ist. Insofern kann hier nur davon ausgegangen werden, dass die Wahrscheinlichkeit der weiteren Vorbereitung der späteren Tatausführung durch den Einzeltäter genauso groß ist wie diejenige des Ausbleibens dieser Entwicklung. Da 246 247
s. o. 4. Teil, C. III. 1. c). s. o. 4. Teil, C. III. 1. c).
C. Begründungsansätze für Rechtfertigung der Verabredungsstrafbarkeit
213
für die abstrakte Gefährlichkeit einer Handlung aber keine überwiegende, sondern nur eine gewisse Wahrscheinlichkeit des weiteren Verlaufs bis hin zum Eintritt des Gefahrzustandes erforderlich ist, handelt es sich somit auch bei den Vorbereitungen eines Einzeltäters um abstrakt gefährliche Verhaltensweisen. (b) Die Gefährlichkeit der Verabredung im Vergleich zu derjenigen der Vorbereitungen eines Einzeltäters Wenn die Vorbereitungen eines Einzeltäters zwar gefährlich, aber unbestritten straflos sind, müsste in der Verabredung jedenfalls eine im Vergleich zu diesen Vorbereitungen höhere, eben gesteigerte Gefährlichkeit erblickt werden können, um deren Strafbarkeit zu rechtfertigen. Zu untersuchen ist somit, ob die Verabredung, ausgehend von der Annahme einer typischen Willensbindung, tatsächlich eine erhöhte Gefährlichkeit im Vergleich zu den Vorbereitungen eines Einzeltäters aufweist. Bejahendenfalls ist zu fragen, ob diese Differenz in den Gefährlichkeitsgraden die Grenzziehung zwischen strafbaren und straflosen Vorbereitungshandlungen rechtfertigen könnte. Sowohl die Verabredung als auch die Vorbereitungshandlungen eines Einzeltäters sind mittelbar gefährliche Handlungen – also solche, die typischerweise einen Kausalverlauf anstoßen, der seinerseits typischerweise zu einem ihnen zuzurechnenden Gefahrzustand führt. Der einzige im Rahmen der Strafbegründung relevante Unterschied wäre insofern in der bei der Verabredung eintretenden gesteigerten Willensbindung zu sehen. Im Ergebnis ist es also allein diese Konspiration, welche die Strafbarkeit legitimieren soll. Fraglich ist somit, ob die Verabredung wegen der Konspiration im Vergleich zu den Vorbereitungshandlungen eines Einzeltäters erheblich gefährlicher ist. Der Grad der Gefährlichkeit bestimmt sich nach der jeweiligen Wahrscheinlichkeit, mit der das Verhalten zu dem Gefahrzustand führt unter Berücksichtigung der Schwere des Angriffes und der Bedeutung des bedrohten Rechtsguts.248 Die Strafbarkeit der Verabredung setzt voraus, dass es sich bei dem geplanten Delikt um ein Verbrechen handelt. Da es hier um die Frage geht, ob die Verabredung gefährlicher und deshalb strafwürdiger als die Vorbereitungen eines Einzeltäters ist, kann es nur auf den Vergleich mit denjenigen Vorbereitungen eines Einzeltäters ankommen, die sich auch auf ein Verbrechen beziehen. Wenn sich sowohl die Verabredung als auch die Vorbereitungen des Einzeltäters auf Verbrechen beziehen, bestehen insofern zwischen diesen beiden Gruppen keine relevanten Unterschiede hinsichtlich der Schwere des Angriffes und der Bedeutung des bedrohten Rechtsgutes. Folglich kommt es für den Gefährlichkeitsvergleich allein auf den Wahrscheinlichkeitsgrad des Gefahreintrittes bei den jeweiligen Verhaltensweisen an. Bei der Verabredung müsste also die Wahrscheinlichkeit des Eintritts des gefährlichen Verlaufs und des nachfolgenden Gefahrzustands höher als die entsprechende Wahrscheinlichkeit bei den Vorbereitungshandlungen eines Einzeltäters sein. Geht man bei der Verabredung von einer erhöhten Willensbindung der Komplottanten aus, würde eine hohe Wahrscheinlichkeit für die Fortführung des Vorhabens sowie 248
s. o. 4. Teil, C. III. 1. b).
214
4. Teil: Der Strafgrund der Verbrechensverabredung
den Eintritt des Gefahrzustands bestehen. Da sich ein Einzeltäter gegenüber niemandem hinsichtlich seines Planes rechtfertigen muss und demnach auch an niemanden gebunden ist, besteht bei ihm tatsächlich eine höhere Wahrscheinlichkeit der Aufgabe des Vorhabens als bei einer Verabredung. Dies bedeutet, dass die Wahrscheinlichkeit der Tatbegehung bei der Verabredung – ausgehend von der gesteigerten Willensbindung – höher wäre als bei den Vorbereitungen eines Einzeltäters und die Verabredung somit eine höhere abstrakte Gefährlichkeit aufweisen würde. Fraglich bleibt aber, ob diese Differenz in den Gefährlichkeitsgraden auch strafbegründend wirken kann – ob sie also eine grundlegend unterschiedliche strafrechtliche Bewertung des Verhaltens zulässt. Ein Vergleich mit anderen Vorschriften des StGB, in denen konspirative Begehungsformen unter Strafe gestellt werden, lässt gewichtige Zweifel an dieser Eignung aufkommen. Denn bei der Konspiration handelt es sich immer nur um ein strafschärfendes Merkmal249, wie beispielsweise die §§ 224 Abs. 1, Nr. 4, 244, 250, 124 StGB zeigen.250 Dabei werden also Taten, die an sich schon strafbar sind (vgl. beispielsweise §§ 223, 242, 249, 123 StGB), infolge der Konspiration mit einer besonders hohen Strafe belegt. Daraus lässt sich erkennen, dass der Konspiration im System des StGB im Allgemeinen nur strafschärfende, nicht aber strafbegründende Wirkung zukommt. Gegen eine strafbegründende Wirkung der Konspiration spricht auch, dass sie allein noch nicht einmal für die Straferhöhung im Rahmen der soeben genannten Delikte ausreicht. Stattdessen wird dort zusätzlich noch die aktive Betätigung der Konspiration verlangt. So erfordert beispielsweise § 244 Abs. 1, Nr. 2 StGB nicht nur die Begehung eines Diebstahls als Mitglied einer Bande, sondern auch die Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds bei der Tatausführung. Bei der Verabredungsstrafbarkeit fehlt es an einer aktiven Betätigung des gemeinsamen Tatentschlusses – diese ist jedenfalls für die Strafbarkeit tatbestandlich nicht erforderlich. Wenn aber schon für eine straferhöhende Wirkung einer Konspiration verlangt wird, dass diese nicht nur besteht, sondern auch aktiv betätigt wird, kann schwerlich davon ausgegangen werden, dass allein der konspirative Tatentschluss sogar strafbegründend wirken könnte. Selbst wenn aber für die Verabredungsstrafbarkeit neben dem gemeinsamen Tatentschluss noch dessen aktive Betätigung verlangt würde, wäre damit erst die für eine Straferhöhung ausreichende Bedeutung der Konspiration erreicht. Es lässt sich also festhalten, dass eine Strafbegründung allein durch eine Konspiration – handelt es sich auch um eine aktiv betätigte Konspiration – mit dem System des StGB nicht zu vereinbaren ist. Des Weiteren muss noch einmal betont werden, dass es sich bei der Verabredung um eine bloße Deliktsvorbereitung handelt. Wenn die Konspiration schon im Ausführungsstadium nur straferhöhend wirkt, kann sie sich im Vorbereitungsstadium 249
Beck, S. 203 f. Etwas anderes kann nur für die §§ 129, 129a StGB angenommen werden, die aber den gleichen Bedenken hinsichtlich ihrer Legitimation ausgesetzt sind wie § 30 StGB. Dazu oben 4. Teil, C. II. 2. 250
C. Begründungsansätze für Rechtfertigung der Verabredungsstrafbarkeit
215
kaum stärker auswirken. Diese Wertung ergibt sich aus der Bestimmung des Gefährlichkeitsgrades, welcher sich wiederum maßgeblich nach dem Grad der Wahrscheinlichkeit richtet, mit dem ein Verhalten zu einem Gefahrzustand führt.251 Bei der Verabredung handelt es sich – wie bei allen Vorbereitungshandlungen – nur um eine mittelbare Ursache des Gefahrzustandes, die selbst zunächst nur einen gefährlichen Kausalverlauf anstößt, der seinerseits zu dem Gefahrzustand führen kann. Folglich liegen zwischen der anfänglichen Vorbereitungshandlung und dem Gefahrzustand noch mehrere notwendige Bedingungen – also Unsicherheitsfaktoren, ob es überhaupt zu dem Eintritt der konkreten Gefahr kommt. An solchen Unsicherheitsfaktoren fehlt es bei einer Ausführungshandlung, die sich als unmittelbare Ursache eines Gefahrzustandes darstellt. Die Wahrscheinlichkeit des Gefahreintritts ist also bei einer Ausführungshandlung viel größer als bei einer Vorbereitungshandlung mit der Folge, dass sie auch immer einen höheren Gefährlichkeitsgrad aufweist als eine bloße Vorbereitungshandlung. Diese Wertung besteht unabhängig davon, ob sich die Vorbereitungshandlung auf ein schwerwiegenderes Delikt als eine Ausführungshandlung bezieht. Bei einem solchen Gefährlichkeitsvergleich mehrerer Handlungen sind zwar neben der Wahrscheinlichkeit des Gefahreintritts auch die Schwere des Angriffes und die Bedeutung des anvisierten Rechtsgutes zu berücksichtigen.252 Gleichwohl kommt dem Wahrscheinlichkeitsgrad des Gefahreintrittes eine entscheidende Bedeutung zu: Ein Verhalten ist auch dann ungefährlicher als ein anderes, wenn es zwar ein höherwertigeres Rechtsgut angreift, aber die Wahrscheinlichkeit des Gefahreintritts deutlich geringer ist.253 Da aber bei einer Vorbereitungshandlung, unabhängig davon, wie schwerwiegend das geplante Delikt ist, immer noch viele Unsicherheitsfaktoren bis hin zu dem Gefahreintritt bestehen, ist der Wahrscheinlichkeitsgrad des Gefahreintritts immer deutlich geringer als bei einer Ausführungshandlung. Folglich weist die Verabredung im Vergleich zu einer Ausführungshandlung immer eine geringere Gefährlichkeit auf. Dementsprechend wirkt sich auch die Konspiration – wenn man die gefahrsteigernde Wirkung überhaupt annimmt – im Ausführungsstadium stärker aus. In diesem Rahmen steigert sie nämlich eine ohnehin schon große Gefährlichkeit zu einer noch größeren, während sie im Vorbereitungsstadium nur eine an sich schon viel geringere Gefährlichkeit etwas erhöht. Zur Verdeutlichung dient folgendes Beispiel: Begehen drei Personen gemeinschaftlich eine gefährliche Körperverletzung nach § 224 Abs. 1, Nr. 4 StGB, indem sie zusammen auf ihr Opfer losgehen, ist dies bedeutend gefährlicher, als wenn eine Person allein auf das Opfer losgehen würde und sich einer einfachen Körperverletzung gem. § 223 StGB schuldig machen würde. Auch die Tat des Einzeltäters wäre aber an sich schon sehr gefährlich für das betroffene Rechtsgutsobjekt – die aktive Betätigung der Konspiration führt somit zu einer Steigerung einer an sich schon großen Gefährlichkeit des Verhaltens. Verabreden hingegen drei Personen nur, dass sie eine solche gemeinschaftliche Körperverletzung begehen wollen, erhöht 251 252 253
s. o. 4. Teil, C. III. 1. b). s. o. 4. Teil, C. III. 1. b). s. o. 4. Teil, C. III. 1. b).
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4. Teil: Der Strafgrund der Verbrechensverabredung
diese Konspiration zwar auch die Gefährlichkeit des Verhaltens im Vergleich zu dem Entschluss des Einzeltäters. Diese steigt aber nicht in so bedeutendem Maße an wie im Ausführungsstadium, weil es insgesamt noch unsicher ist, ob es überhaupt zu der Tat kommen wird. Folglich wirkt sich die Konspiration im Vorbereitungsstadium insgesamt nicht in gleichem Maße gefahrsteigernd aus wie diejenige, die in einer Ausführungshandlung aktiv betätigt wird. Insofern erscheint es nicht berechtigt, der stärker wirkenden Konspiration im Ausführungsstadium nur straferhöhende Wirkung beizumessen, während sie im Vorbereitungsstadium trotz geringerer Auswirkungen strafbegründend wirken soll. Es muss also festgehalten werden, dass die Konspiration allein nicht strafbegründend wirken kann. Somit kann aber auch die Strafbarkeit der Verbrechensverabredung nicht legitimiert werden. Nach dem soeben Gesagten weist die Verabredungshandlung zwar – geht man von der Willensbindung der Komplottanten aus – eine erhöhte Gefährlichkeit im Vergleich zu den Vorbereitungen eines Einzeltäters auf. Diese Differenz in dem Grad der Gefährlichkeit ist jedoch nicht geeignet, die grundlegende Unterscheidung zwischen straflosen und strafbaren Vorbereitungshandlungen zu begründen. Da allgemein kein Zweifel an der Straflosigkeit der Deliktvorbereitungen eines Einzeltäters besteht, muss diese Wertung konsequenterweise auch für die Verbrechensverabredung gelten. 3. Zusammenfassung Die Verabredung weist somit keine besondere Gefährlichkeit auf, die ihren Unrechtsgehalt erhöht. Folglich kann ihre Strafbarkeit auf keine Weise legitimiert werden: Sieht man die Grundlage der Strafbarkeit eines Verhaltens richtigerweise in dem von ihm verwirklichten Unrecht ist eine Bestrafung der Verabredung aufgrund ihres geringen Unrechtsgehalts nicht möglich.254 Die Verabredungsstrafbarkeit verstößt damit gegen das verfassungsrechtlich normierte Schuldprinzip255. Es lässt sich also festhalten, dass die Verabredung zu einem Verbrechen nicht strafwürdig ist – sie stellt zwar einen Rechtsungehorsam und mit Sicherheit auch ein amoralisches Verhalten256 dar, aber eben nicht mehr. In einem freiheitlichen Rechtsstaat darf aber nicht jeder Rechtsungehorsam bestraft werden – die Strafe muss das letzte Mittel des Staates bleiben. Natürlich ist damit nicht gemeint, dass der Staat tatenlos bei der Verbrechensplanung und -vorbereitung zusehen und auf deren Ausführung warten soll. Die Rechtsordnung muss ihm stattdessen auch die für eine Verhinderung solcher Taten notwendigen Eingriffsbefugnisse einräumen. Abgesehen von diesen grundsätzlichen, verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Strafbarkeit der Verabredung erscheint auch die extensive Auslegung derselben 254
So auch NK-Zaczyk, § 30, Rn 4. Dieses wird aus Art. 1 und Art. 20 GG abgeleitet, vgl. BVerfGE 95, 96, 131; Kühl, AT, S. 324 m.w.N. 256 So auch NK-Zaczyk, § 30, Rn 5. 255
C. Begründungsansätze für Rechtfertigung der Verabredungsstrafbarkeit
217
sehr bedenklich. Sowohl die herkömmliche Strafbegründung als auch die übliche Auslegung des Tatbestandes lassen jeden Zweifel hinsichtlich der Berechtigung dieser Strafbarkeit vermissen. Zwar wird zum Teil eine restriktive Auslegung des gesamten § 30 StGB und damit auch des Tatbestandes der Verbrechensverabredung gefordert257, die konkrete Auslegung und Anwendung desselben spricht aber eine andere Sprache. So werden geringe Anforderungen an die Konkretisierung der Tat gestellt, die untaugliche sowie die bedingte Verabredung werden als strafbar erachtet und zur Feststellung der mittäterschaftlichen Beiträge wird auf das extensive Verständnis im Rahmen der ausgeführten Mittäterschaft zurückgegriffen – um nur ein paar Beispiele zu nennen.258 Dieser Umgang mit der Verabredungsstrafbarkeit zeigt die gerade in der heutigen Zeit steigende Bereitschaft, schon vor der eigentlichen Rechtsgutsverletzung oder -gefährdung mit dem stärksten Mittel des Staates einzugreifen – auch wenn dabei Grundsätze verletzt werden, die ansonsten allgemein anerkannt sind. In diesem Zusammenhang muss noch betont werden, dass nicht nur die Verabredung zu einem Verbrechen nach § 30 Abs. 2, Alt. 1 StGB, sondern sogar auch die Verabredung zu einer Anstiftung zu einem Verbrechen von der Strafandrohung erfasst wird. Damit wird die Strafbarkeit in noch stärkerem Maße von der eigentlichen Tatausführung in das Vorbereitungsstadium verlagert. Denn dieses Verhalten bereitet noch nicht einmal unmittelbar die Begehung eines Verbrechens vor, sondern es handelt sich nur um die Vorbereitung der Anstiftung zu einer solchen Verbrechensbegehung. Wenn aber die Verabredung zu der Begehung eines Verbrechens schon nicht strafwürdig ist, dann muss diese Wertung erst recht für die Verabredung zu einer bloßen Anstiftung zu einem Verbrechen gelten: Denn der Unrechtsgehalt dieses Verhaltens ist noch geringer als bei der Verabredung zu einem Verbrechen, da es einen noch weiter entfernten Rechtsgutsangriff darstellt. Daneben weist die bloße Vorbereitung einer Anstiftung zu einem Verbrechen eine noch geringere Gefährlichkeit auf, da dieses Verhalten noch weiter von der eigentlichen Ausführung der Tat und damit von dem Gefahrzustand entfernt ist. Da also noch weitere Unsicherheitsfaktoren bis zu dem Eintritt der Gefahr bestehen, ist die Wahrscheinlichkeit des Eintritts dieses Gefahrzustandes noch geringer als bei einer Vorbereitung, die sich direkt auf die Begehung des Verbrechens richtet. Folglich liegt in der Bestrafung einer Verabredung zu einer Verbrechensanstiftung eine noch größere Vorverlagerung der Strafbarkeit, die erst recht nicht legitimiert werden kann. Insgesamt stellt die Strafbarkeit der Verbrechensverabredung nach § 30 Abs. 2, Alt. 3 StGB damit einen untragbaren Rechtszustand dar, so dass nur noch die Forderung nach der Aufhebung der Strafbarkeit bleibt. Bis dahin muss dieser Situation zumindest durch eine sehr restriktive Auslegung Rechnung getragen werden.
257 258
Schönke/Schröder/Heine, § 30, Rn 1; MK-Joecks, § 30, Rn 11. Insgesamt zu der Auslegung des Verabredungstatbestandes oben 3. Teil, B. II.
5. Teil
Die Strafgründe der anderen Varianten des § 30 StGB Da das tatsächliche Verhalten, das eine Verbrechensverabredung ausmacht, auch durch die anderen Varianten des § 30 StGB erfasst wird1, bleibt noch die Strafwürdigkeit dieser Varianten zu überprüfen. Dabei kann auf einige schon bei der Verabredung gewonnene Erkenntnisse zurückgegriffen werden, die sich auf alle echten Vorbereitungshandlungen – also auch auf die übrigen Varianten des § 30 StGB – beziehen.
A. Allgemeine Erkenntnisse zu den echten Vorbereitungshandlungen Unter echten Vorbereitungshandlungen sind nur Handlungen zu verstehen, die einen Angriff auf ein Rechtsgut vorbereiten, welches durch ein Delikt des Besonderen Teils geschützt wird. Diese weisen einen sehr geringen Unrechtsgehalt auf: Es fehlt ihnen gänzlich am Erfolgsunwert, da sie tatbestandlich weder eine Verletzung noch eine konkrete Gefährdung des anvisierten Rechtsguts verlangen. Daneben ist aber auch der von ihnen verwirklichte Handlungsunwert sehr gering, da dieser sich nach einer final auf die Rechtsgutsverletzung gerichteten Handlung bestimmt. Eine Vorbereitungshandlung stellt keinen direkten Angriff auf ein Rechtsgut dar – ein solcher wird damit lediglich geplant oder in anderer Weise vorbereitet. Da sich der Vorsatz des Täters auch auf die spätere Vollendung der Tat erstrecken muss, liegt zwar ein mittelbar finales Verhalten vor, welches insofern auch einen gewissen Handlungsunwert verwirklicht, dieser ist aber sehr gering. Das von den Vorbereitungshandlungen verwirklichte Unrecht ist somit zu gering, um die Schwelle von einem bloßen Rechtsungehorsam zu einem strafbaren Verhalten zu überschreiten.2 Die Strafbarkeit der übrigen Varianten des § 30 StGB wird – wie auch bei der Verabredung – mit der erhöhten Gefährlichkeit dieser Verhaltensweisen begründet. Für eine solche Strafbegründung kann aber nicht allein auf eine im Vergleich zu den Vorbereitungen eines Einzeltäters erhöhte Gefährlichkeit abgestellt werden, sondern es wäre ein bestimmtes Mindestmaß an absoluter Gefährlichkeit des Verhaltens zu verlangen.3 1 2 3
s. o. 3. Teil, D. s. o. 4. Teil, B. s. o. 4. Teil, C. III. 2. b), bb), (2), (b).
B. Überprüfung der angeführten Strafgründe
219
Echte Vorbereitungshandlungen weisen aber eine solche hinreichende absolute Gefährlichkeit gerade nicht auf. Denn diese stellen sich – wie schon für die Verabredung festgestellt wurde4 –, immer nur als mittelbare Ursachen eines Gefahrzustandes dar mit der Folge, dass sie, wenn überhaupt, auch nur mittelbar gefährlich sind. Somit besteht nur eine sehr geringe Wahrscheinlichkeit des Gefahreintritts, was gleichbedeutend mit einem sehr geringen Gefährlichkeitsgrad dieser Handlungen ist. Die geringe absolute Gefährlichkeit der in § 30 StGB unter Strafe gestellten Handlungen wird im Übrigen auch selbst von den Befürwortern ihrer Strafbarkeit eingeräumt.5 Echte Vorbereitungshandlungen weisen folglich nur eine so geringe absolute Gefährlichkeit auf, dass eine Rechtfertigung der Strafbarkeit auf dieser Grundlage ohnehin ausscheidet. Allein die bisher getroffenen Feststellungen zeigen also, dass keine Rechtfertigung der Strafbarkeit der Varianten des § 30 StGB möglich ist. Die Bestrafung echter Vorbereitungshandlungen verletzt den Grundsatz des Tatstrafrechts sowie das Schuldprinzip, welche dem geltenden Strafrecht zugrunde liegen. Die Strafbarkeit der echten Vorbereitungshandlungen verstößt gegen verfassungsrechtliche Grundsätze – somit muss schon jetzt neben der Straflosigkeit der Verbrechensverabredung auch diejenige der übrigen Varianten des § 30 StGB gefordert werden. Gleichwohl sollen die übrigen Varianten des § 30 StGB noch dahingehend untersucht werden, ob die angenommene erhöhte Gefährlichkeit im Vergleich zu den Vorbereitungen eines Einzeltäters tatsächlich besteht. Falls sie fehlt, müsste gegen die herkömmlichen Strafbegründungen – wie auch im Rahmen der Verabredung – neben den grundsätzlichen Einwänden auch noch der Vorwurf erhoben werden, dass sie schon in tatsächlicher Hinsicht nicht überzeugen können.
B. Überprüfung der angeführten Strafgründe Bei der Überprüfung der Strafgründe der übrigen Varianten des § 30 StGB ist noch Folgendes zu berücksichtigen: Die Auslegung der Varianten hat gezeigt, dass die angeführten Strafgründe zum Teil bloß subjektiv verstanden werden.6 Dadurch werden auch solche Konstellationen von der Strafbarkeit erfasst, bei denen objektiv gar kein Gefahreintritt möglich ist – wie beispielsweise die untaugliche Anstiftung.7 Eine bloß subjektive Gefährlichkeit kann aber erst recht keine strafbegründende Wirkung entfalten. Die Anforderungen an die Strafbegründung werden schon durch den Rückgriff auf die Gefährlichkeit in unzulässiger Weise herabgesetzt, da es bei den Vorbereitungshandlungen an einem hinreichenden verwirklichten Unrecht sowie an einer hohen absoluten Gefährlichkeit fehlt. Schon die relative Gefährlichkeit, von der 4
s. o. 4. Teil, C. III. 1. c). Schönke/Schröder/Heine, § 30, Rn 1; MK-Joecks, § 30, Rn 3; Schröder, JuS 1967, 290. 6 Für die versuchte Anstiftung oben 3. Teil, C. I. 1.; für das Sich-bereit-Erklären oben 3. Teil, C. II. 2. 7 s. o. 3. Teil, C. I. 3. 5
220
5. Teil: Die Strafgründe der anderen Varianten des § 30 StGB
die herkömmliche Strafbegründung ausgeht, kann deshalb nicht für eine Rechtfertigung der Strafbarkeit ausreichen.8 Wird diese relative Gefährlichkeit aber auch noch subjektiv beurteilt, müsste sie noch nicht einmal tatsächlich, sondern nur in der Vorstellung der Täter vorliegen. Nach dem bisher Gesagten kann der subjektiven relativen Gefährlichkeit damit aber überhaupt keine strafbegründende Wirkung mehr zugesprochen werden. Aus diesem Grund wird der Überprüfung der übrigen Varianten ein objektives Verständnis ihrer herkömmlich angeführten Strafgründe zugrunde gelegt. Es wird also untersucht, ob bei den einzelnen Varianten objektiv tatsächlich von einer erhöhten relativen Gefährlichkeit ausgegangen werden kann. Wird eine solche objektive Gefährlichkeit bejaht, kann damit zwar nicht die Strafbarkeit der Varianten legitimiert werden. Sollte aber, entgegen allen vorstehenden Äußerungen, gleichwohl an der Strafbarkeit festgehalten werden, wäre demnach als Minimalforderung zu verlangen, dass der Auslegung ein objektives Verständnis des Strafgrundes zugrunde gelegt wird. Dies würde im Ergebnis zumindest zu einer restriktiveren Auslegung der Varianten führen. Die Untersuchung der herkömmlich angeführten Strafgründe beginnt mit der versuchten Anstiftung und der Annahme eines Erbietens, da diese beiden Varianten mit dem Kontrollverlust des Handelnden begründet werden. Anschließend widmet sich die Arbeit der Variante des Sich-Bereit-Erklärens, deren Strafgrund – wie bei der Verabredung – in der gesteigerten Willensbindung erblickt wird.
I. Die versuchte Anstiftung Bei der Variante der versuchten Anstiftung gem. § 30 Abs. 1 StGB wird der Strafgrund herkömmlich in dem Kontrollverlust des Anstifters gesehen. Dieser stoße mit seinem Verhalten einen Geschehensverlauf an, den er anschließend nicht mehr beherrschen könne.9 Darin liege die im Vergleich zu den Vorbereitungen eines Einzeltäters erhöhte Gefährlichkeit.10 Es wird also angenommen, dass die Bestimmungshandlung abstrakt gefährlich sei, weil sie typischerweise infolge des Kontrollverlustes einen Kausalverlauf anstoße, der seinerseits typischerweise zu einem ihr zuzurechnenden Gefahrzustand führe.11 Nach dem bisher Gesagten bleibt hier nur zu untersuchen, ob sich der Kontrollverlust tatsächlich als typische Folge der Bestimmungshandlung darstellt und diese deshalb eine höhere eigene Gefährlichkeit als die Vorbereitungshandlungen eines Einzeltäters aufweist. 8
s. o. 4. Teil, C. III. 2. b), bb), (2), (b). So schon Dreher, in: Niederschriften, S. 210; Roxin, AT II, S. 287; BGHSt 1, 305, 309; Geppert, Jura 1997, 546, 547; SK-Hoyer, § 30, Rn 11. Letzgus sieht auch die Gefährlichkeit der versuchten Anstiftung hingegen in der konspirativen Willensbindung, die auch hier durch Suggestion entstehe (S. 127). Kritisch zu der suggestiven Einflussnahme oben 4. Teil, C. III. 2. a), aa). 10 Roxin, AT II, S. 287; Kühl, AT, S. 751; Geppert, Jura 1997, 546, 547. 11 s. o. 4. Teil, C. III. 1. c). 9
B. Überprüfung der angeführten Strafgründe
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1. Eintritt des Kontrollverlustes Zunächst stellt sich also die Frage, ob der Eintritt des Kontrollverlustes als typische Folge der Anstiftungshandlung angesehen werden kann. Auch hier lassen sich kaum Erklärungen für den Eintritt dieses Kontrollverlustes finden. Der einzige vorhandene Begründungsansatz ist der schon im Rahmen der Verabredung dargestellte suggestionspsychologische Ansatz von Letzgus.12 Danach wird der präsumtive Haupttäter von dem Anstifter suggestiv beeinflusst, wodurch das Kontrollzentrum des Haupttäters beeinträchtigt wird. Diese Wirkung könne auch der Anstifter selbst nicht mehr rückgängig machen, so dass er die Kontrolle über das weitere Geschehen verliere.13 Diese Theorie kann aber, wie schon im Rahmen des Strafgrundes der Verabredung festgestellt wurde14, nicht überzeugen. Zum einen kann die suggestive Beeinflussung des Haupttäters durch den Anstifter nicht empirisch belegt werden und zum anderen widerspricht eine solche Annahme der Subjektstellung des einzelnen Täters. Danach würde sich ein angestifteter Täter nämlich nicht rational für die Tatbegehung entscheiden, sondern unterbewusst dazu getrieben. Stattdessen ist aber davon auszugehen, dass ein Haupttäter nach einer Aufforderung zu einer bestimmten Tat durch einen Anstifter zunächst das Für und Wider abwägen wird, bevor er sich mit dem Vorhaben einverstanden erklärt.15 Sollte aber dennoch dem Ansatz von Letzgus gefolgt werden, ließe sich nicht erklären, warum der Anstifter den Haupttäter nur in Richtung der Tatbegehung, nicht aber auch in Richtung der Tataufgabe beeinflussen können soll. Geht man nämlich davon aus, dass die Entscheidung des Haupttäters unterbewusst durch die Suggestion seitens des Anstifters gesteuert wird, müsste diese Beeinflussung genauso auch in die andere Richtung möglich sein. Dann würde der Anstifter aber gerade keinen Kontrollverlust erleiden, sondern sämtliche Einflussmöglichkeiten auf den Haupttäter behalten.16 Der angenommene Kontrollverlust des Anstifters lässt sich somit jedenfalls nicht mit dem suggestionspsychologischen Ansatz von Letzgus begründen. Fraglich ist, ob der Kontrollverlust dennoch als typische Folge der Anstiftungshandlung im Rahmen des § 30 Abs. 1 StGB angesehen werden kann. Für die Beantwortung dieser Frage sollen die im Rahmen der herkömmlichen Auslegung des § 30 Abs. 1 StGB unterschiedenen Konstellationen überprüft werden – die misslungene, die erfolglose und die untaugliche Anstiftung.17 Eine misslungene Anstiftung bezeichnet den Fall, in dem es dem Anstifter schon nicht gelingt, bei dem Adressaten seiner Bestimmungshandlung den Tatentschluss zu der von ihm ge-
12 13 14 15 16 17
s. o. 4. Teil C. III. 2. a), aa) und b), aa). Letzgus, S. 127 f. s. o. 4. Teil, C. III. 2. b). s. o. 4. Teil, C. III. 2. b). s. o. 4. Teil, C. III. 2. a), aa). s. o. 3. Teil, C. I. 4.
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5. Teil: Die Strafgründe der anderen Varianten des § 30 StGB
wünschten Tat hervorzurufen18 – beispielsweise, weil der Adressat das Begehren des Anstifters sofort zurückweist. Die Wertung, ob dabei typischerweise ein Kontrollverlust des Anstifters eintritt, ist eindeutig: Ein Kontrollverlust des Anstifters kann schon deshalb nicht angenommen werden, da ein solcher eine anfänglich bestehende Kontrolle desselben voraussetzt. Wenn es aber gar nicht erst zu einem Tatentschluss des Haupttäters infolge der Bestimmungshandlung kommt, fehlt es von vornherein an der Kontrolle des Anstifters über das weitere Tatgeschehen. Bei der Konstellation der misslungenen Anstiftung kann also nicht von einem Kontrollverlust des Anstifters ausgegangen werden. Ebenso eindeutig fällt die Beurteilung bei der untauglichen Anstiftung aus: Damit ist die Konstellation gemeint, in der der Haupttäter schon von sich aus zu der Tat entschlossen ist, es sich also um einen omnimodo facturus handelt.19 In diesen Fällen steht von vornherein fest, dass das Bestimmen durch den vermeintlichen Anstifter nicht mehr erfolgreich sein kann.20 Somit fehlt es auch hier an einer zunächst bestehenden Kontrolle des Anstifters über den weiteren Geschehensverlauf – da der Haupttäter schon von sich aus zu der Tat entschlossen war, hatte der Anstifter von Anfang an keine Einflussmöglichkeit auf ihn. Folglich kann auch hier kein Kontrollverlust des Anstifters angenommen werden. Es verbleibt somit nur noch die Konstellation der erfolglosen Anstiftung. Dabei kommt es zwar zunächst zu einem Bestimmungserfolg des Anstifters – der Haupttäter bildet einen entsprechenden Tatentschluss –, das Delikt gelangt aber aus anderen Gründen nicht in das Versuchsstadium.21 In diesen Fällen könnte am ehesten ein Kontrollverlust des Anstifters infolge der Bestimmungshandlung eintreten. Da der präsumtive Haupttäter zunächst einen Tatentschluss bildet, wäre es denkbar, dass der Anstifter ab diesem Zeitpunkt die Kontrolle über das weitere Geschehen verliert und dementsprechend den Haupttäter nicht mehr von dem Vorhaben abbringen kann. Für eine solche Annahme spricht, dass die Anstiftung von Anfang an auf die alleinige Ausführung der Tat durch den präsumtiven Haupttäter gerichtet ist. Anders als bei der Verabredung ist gerade nicht geplant, dass der Anstifter auch noch einen Beitrag bei der späteren Tatausführung erbringt. Für die Beurteilung, ob infolge der Bestimmungshandlung typischerweise ein Kontrollverlust des Anstifters eintritt, ist es von maßgeblicher Bedeutung, bei wem das Interesse an der anvisierten Tat liegt. Je nachdem, ob dieses eher bei dem Anstifter oder eher bei dem präsumtiven Haupttäter zu sehen ist, ergeben sich unterschiedliche Wertungen hinsichtlich des Eintritts eines Kontrollverlustes. Da sich aber keine gesicherten Aussagen darüber finden lassen22, 18
Desseker, JA 2005, 549, 551; Geppert, Jura 1997, 546, 547; LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30, Rn 13. 19 Desseker, JA 2005, 549, 551; LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30, Rn 13. 20 So NK-Zaczyk, § 30, Rn 11. 21 Desseker, JA 2005, 549, 551; Geppert, Jura 1997, 546, 547. 22 Im Rahmen des üblicherweise angeführten Strafgrundes des Kontrollverlustes fehlt es an jeglicher Auseinandersetzung mit dieser Frage.
B. Überprüfung der angeführten Strafgründe
223
bei wem das Interesse an der Tat besteht, müssen im Folgenden alle denkbaren Konstellationen dahingehend untersucht werden, welche Konsequenzen sich daraus für die Frage des Eintritts des Kontrollverlustes ergeben. Oftmals wird das maßgebliche Tatinteresse im Rahmen der Anstiftung bei dem Anstifter liegen: Er gibt den Anstoß zu einer von ihm gewünschten Tat, die er nicht selbst ausführen kann oder will. Der von ihm bestimmte Haupttäter lässt sich aus einem bestimmten Grund auf das Vorhaben ein – sei es, weil der Anstifter ihm einen Vorteil verspricht, sei es, weil er ihm aus einer persönlichen Verbundenheit einen Gefallen erbringen möchte. Eher selten wird der Anstifter hingegen ein eigenes Interesse des präsumtiven Haupttäters an der Tat ausnutzen oder fördern. Begeht der Haupttäter die Tat aber vornehmlich, weil er sich davon einen Vorteil seitens des Anstifters verspricht, wirkt sich eine Meinungsänderung des Anstifters in der Regel auch auf den Haupttäter aus. Wenn der Anstifter nämlich die Tat nicht mehr will, zieht er auch sein Angebot zurück, wodurch für den Haupttäter der Grund für die Tatbegehung entfällt. Somit behält der Anstifter praktisch gesehen auch die Kontrolle über das weitere Geschehen. Sagt der Angestiftete die Tat aus einer persönlichen Verbundenheit heraus zu, ist der Kontrollverlust des Anstifters noch eindeutiger abzulehnen. Da nämlich der Haupttäter die Tat nur dem Anstifter zuliebe ausführen wollte, wird er von ihr absehen, sobald der Anstifter sie nicht mehr will. Die versuchte Anstiftung setzt tatbestandlich – wie auch die Verabredung – weder eine kriminelle Subkultur noch ein hierarchisches Verhältnis zwischen den Beteiligten voraus. Folglich kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass sich der Haupttäter typischerweise durch eine Drohung oder eine Druckausübung seitens des Anstifters zu der Tat bestimmen lässt. Selbst wenn dies aber im Einzelfall der Grund für den Tatentschluss des Haupttäters sein sollte, kann auch in dieser Konstellation gerade kein Kontrollverlust des Anstifters angenommen werden. Denn in dem Moment, in dem er selbst die Tat nicht mehr will, wird er auch seine Drohung nicht mehr aufrecht erhalten mit der Folge, dass auch der Haupttäter seinen Tatentschluss aufgeben wird. Es verbleiben noch die Konstellationen, in denen der Haupttäter doch ein eigenes Interesse an der Tat hat und gleichwohl noch angestiftet wird. Dabei ist zum einen denkbar, dass der Haupttäter die Tat zwar selbst will, aber noch einen letzten Anstoß benötigt – etwa weil er sich noch unsicher ist. Wenn sich der Haupttäter erst durch die Unterstützung des Anstifters zu der Tat entschließt, ist sehr zweifelhaft, ob er an diesem Entschluss auch dann noch festhalten würde, wenn der Anstifter ihn wieder davon abbringen will. Wahrscheinlicher ist, dass er sich erneut von diesem beeinflussen lassen würde mit der Folge, dass er auch den Tatentschluss wieder aufgeben würde. Somit kann auch hier kein Kontrollverlust des Anstifters festgestellt werden. Zum anderen ist möglich, dass der Anstifter dem Haupttäter erst die Möglichkeit der Tat eröffnet – beispielsweise in dem er ihm eine für die Tat notwendige Information gibt, an die der Haupttäter sonst nicht gelangen könnte. Insofern erscheint es sehr wahrscheinlich, dass der Haupttäter die Tat auch entgegen einer späteren Meinungsänderung des Anstifters begehen würde. Nur in dieser Konstellation kann also regelmäßig von einem Kontrollverlust des Anstifters ausgegangen werden.
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5. Teil: Die Strafgründe der anderen Varianten des § 30 StGB
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es bei der erfolglosen Anstiftung zwar möglicherweise zu einem Kontrollverlust kommt, eine typische Folge der Bestimmungshandlung kann darin aber nicht gesehen werden. Da auch bei der misslungenen und der untauglichen Anstiftung kein Kontrollverlust des Anstifters angenommen werden kann, kann dieser bei keiner der drei Anstiftungskonstellationen als typische Folge angesehen werden. Folglich kommt auch keine restriktivere Auslegung des § 30 Abs. 1 StGB in Frage. Der üblicherweise angeführte Strafgrund kann somit insgesamt auch in tatsächlicher Hinsicht nicht überzeugen.
2. Die eigene Gefährlichkeit des Bestimmungsversuchs Für die erfolglose Anstiftung soll gleichwohl noch untersucht werden, ob sie – ausgehend von dem Kontrollverlust als typische Folge der Bestimmungshandlung – tatsächlich selbst gefährlich wäre. Auch wenn die herkömmliche Strafbegründung auf die subjektive Gefährlichkeit abstellt, kann es im Rahmen der Rechtfertigung einer Strafbarkeit, wenn überhaupt, nur um die objektive Gefährlichkeit gehen.23 Aus diesem Grund wird auch hier die objektive Gefährlichkeit der Bestimmungshandlung untersucht – immer auf der Basis der Annahme eines Kontrollverlustes. Da für die misslungene und die untaugliche Anstiftung nicht bestritten werden kann, dass objektiv kein Kontrollverlust des Anstifters eintreten kann, bedarf die Frage nach der objektiven Gefährlichkeit für diese Varianten keiner Erwähnung mehr. Ein Bestimmungsversuch kann nur eine mittelbar gefährliche Handlung darstellen – also eine Handlung, die typischerweise infolge des Kontrollverlustes zu einem Kausalverlauf führt, der seinerseits typischerweise einen ihr zuzurechnenden Gefahrzustand hervorruft.24 Würde also der Kontrollverlust als typische Folge der Bestimmungshandlung angesehen, müsste infolge dessen auch typischerweise ein gefährlicher Kausalverlauf angestoßen werden. Ein solcher läge in dem weiteren Vorantreiben der Tat durch den Haupttäter bis hin zu der Tatausführung. Die Bestimmungshandlung müsste also wegen des Kontrollverlustes typischerweise, also mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit25, dazu führen, dass der Haupttäter die Tat bis zu ihrer Ausführung vorantreibt. In dem Moment, in dem der Anstifter seine Bestimmungshandlung vollzogen und somit die Kontrolle über das weitere Vorhaben verloren hat, liegt die Ausführung der Tat und damit die Herbeiführung des Gefahrzustandes allein bei dem Haupttäter. Legt man auch hier die denkbaren Konstellationen der erfolglosen Anstiftung zugrunde, ergibt sich Folgendes: Die Annahme eines Kontrollverlustes des Anstifters bedeutet, dass sich der Haupttäter nicht von einer Meinungsänderung des Anstifters beeinflussen lassen würde. Hat der Haupttäter ein eigenes Interesse an der Tat, besteht insofern eine hohe Wahrscheinlichkeit für die Tatbegehung. Denn diese könnte, wenn er sich auch nicht durch 23 24 25
s. o. 5. Teil, B. s. o. 4. Teil, C. III. 1. c). s. o. 4. Teil, C. III. 1. c).
B. Überprüfung der angeführten Strafgründe
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die Aufgabe des Anstifters verunsichern lässt, nur noch aufgrund von äußeren Umständen oder einer doch noch spontan eintretenden, aber unwahrscheinlichen Meinungsänderung unterbleiben. Wenn der Haupttäter kein eigenes Interesse an der Tat hat, ist fraglich, wie wahrscheinlich die Ausführung der Tat ist. Auch hier gilt, dass die Tat entweder wegen äußerer Umstände oder infolge einer Meinungsänderung des Haupttäters unterbleiben könnte. Die Wahrscheinlichkeit einer Meinungsänderung ist bei einem Täter, der kein eigenes Interesse an der Tat hat, sehr viel höher als bei einem, bei dem ein solches eigenes Interesse besteht. Folglich muss insofern von einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit der Aufgabe des Tatentschlusses durch den angestifteten Haupttäter ausgegangen werden. Es lässt sich allerdings keine verlässliche Aussage darüber treffen, welche dieser beiden Konstellationen zahlenmäßig überwiegt – ob also typischerweise ein eigenes Interesse an der Tat bei dem Anstifter besteht oder nicht. Folglich muss insgesamt betrachtet von einer ebenso großen Wahrscheinlichkeit der Tatbegehung wie derjenigen der Aufgabe des Tatentschlusses ausgegangen werden. Darin liegt jedenfalls eine gewisse Wahrscheinlichkeit, die für die Einordnung dieses Verlaufs als typische Folge der Bestimmungshandlung hinreichend ist. Somit führt die erfolglose Anstiftung – immer auf der Basis der Annahme des Kontrollverlustes als typische Folge derselben – typischerweise zu einem gefährlichen Kausalverlauf und somit zu dem Gefahrzustand. Dieser Gefahrzustand müsste der Bestimmungshandlung auch typischerweise zuzurechnen sein – in ihm müsste sich also gerade das von dem Anstifter gesetzte Risiko verwirklichen. Auch dieses Erfordernis wäre hier gegeben, da in der Anstiftungshandlung ja gerade angelegt ist, dass ein anderer die Tat begeht. In dem Moment der Tatausführung durch den präsumtiven Haupttäter verwirklicht sich genau das von der Bestimmungshandlung gesetzte Ausgangsrisiko. Folglich wäre der erforderliche Risikozusammenhang zu bejahen mit der Folge, dass die Bestimmungshandlung, geht man von dem Kontrollverlust als typische Folge derselben aus, auch selbst gefährlich wäre.
3. Die Gefährlichkeit des Bestimmungsversuchs im Vergleich zu derjenigen der Vorbereitungen eines Einzeltäters Zuletzt bleibt noch die Annahme im Rahmen der üblichen Strafbegründung zu überprüfen, dass die Gefährlichkeit der Bestimmungshandlung im Vergleich zu den Vorbereitungen eines Einzeltäters deutlich erhöht ist. Da auch die Vorbereitungshandlungen eines Einzeltäters nur mittelbar gefährlich sein können26, bestünde der einzige Unterschied zwischen diesen und der Bestimmungshandlung eines Anstifters in dem angenommenen Kontrollverlust desselben. Zweifelhaft ist aber, ob dieser allein eine erhöhte Gefährlichkeit der Bestimmungshandlung im Vergleich zu den Vorbereitungen eines Einzeltäters bewirken könnte. Der Grad der Gefährlichkeit eines Verhaltens bemisst sich, wie schon gesehen, nach der Wahrscheinlichkeit, mit 26
s. o. 4. Teil, C. III. 2. b), bb), (2), (a).
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5. Teil: Die Strafgründe der anderen Varianten des § 30 StGB
der es zu einer konkreten Gefahr führt.27 Folglich müsste die Wahrscheinlichkeit, dass es bei einer angestifteten Tat infolge des Kontrollverlustes des Anstifters zu dem Gefahrzustand kommt, größer als die Wahrscheinlichkeit des Gefahreintritts bei den Vorbereitungen eines Einzeltäters sein. Geht man davon aus, dass sich der Kontrollverlust als typische Folge der Bestimmungshandlung darstellt, würde diese typischerweise zu dem gefährlichen Verlauf, also der weiteren Vorbereitung der Tat durch den Haupttäter führen. Die Wahrscheinlichkeit, dass es infolge des Kontrollverlustes zu einem Gefahreintritt kommt, ist nach dem soeben Gesagten aber lediglich genauso hoch wie die Wahrscheinlichkeit des Ausbleibens desselben.28 Bei den Vorbereitungen eines Einzeltäters hängt das weitere Vorantreiben der Tat bis zu ihrer Ausführung maßgeblich von dem Willen des Täters selbst ab – auch hier ist davon auszugehen, dass sich die Wahrscheinlichkeit beider Verläufe die Waage hält.29 Somit ist aber die Wahrscheinlichkeit des Gefahreintritts bei dem Bestimmungsversuch lediglich genauso hoch wie die entsprechende bei den Vorbereitungen eines Einzeltäters. Dies hat zur Folge, dass diese Handlungen einen identischen Gefährlichkeitsgrad aufweisen. Somit lässt sich festhalten, dass die herkömmliche Strafbegründung selbst bei Annahme eines Kontrollverlustes fehlgehen würde, da es an der behaupteten erhöhten Gefährlichkeit des Bestimmungsversuchs im Vergleich zu den Vorbereitungen eines Einzeltäters fehlt. Folglich kann auch der Strafgrund des Kontrollverlustes für die versuchte Anstiftung schon in tatsächlicher Hinsicht nicht überzeugen.
II. Die Annahme eines Erbietens Die Variante der Annahme eines Erbietens gem. § 30 Abs. 2, Alt. 2 StGB beruht nach herkömmlicher Ansicht ebenfalls auf dem Strafgrund des Kontrollverlustes – derjenige, der das Erbieten eines Anderen, ein Verbrechen zu begehen, annimmt, stoße einen Kausalverlauf an, den er anschließend nicht mehr steuern könne.30 1. Eintritt des Kontrollverlustes als typische Folge Auch bei dieser Variante ist fraglich, ob der angenommene Kontrollverlust des Annehmenden tatsächlich typischerweise eintritt. Die Annahme eines Erbietens stellt eine modifizierte versuchte Anstiftung dar, mit dem Unterschied, dass hier die Initiative für das Vorhaben von dem späteren Haupttäter selbst ausgeht.31 Demzufolge setzt sie ein echtes Sich-Erbieten voraus – der Erbietende muss also die Tatbegehung
27 28 29 30 31
s. o. 4. Teil, C. III. 1. b). s. o. 5. Teil, B. I. 2. s. o. 4. Teil, C. III. 2. b), bb), (2), (a). Geppert, Jura 1997, 546, 547; Roxin, AT II, S. 287 m.w.N. s. o. 3. Teil, C. III. 1.
B. Überprüfung der angeführten Strafgründe
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von der Annahme abhängig machen.32 Nach der herrschenden Auslegung dieser Variante ist dafür ein objektiv bestehendes echtes Sich-Erbieten erforderlich, eine entsprechende Vorstellung des Annehmenden reicht hingegen nicht aus.33 Diese Wertung legt ein objektives Verständnis des Strafgrundes nahe. Gleichzeitig wird aber auch die Annahme eines Scheinerbietens als strafbar erachtet34, was wiederum für ein subjektives Verständnis des Strafgrundes spricht. Bestätigt wird diese letztgenannte Annahme durch die Einordnung dieser Variante als Unterform der versuchten Anstiftung, da auch dort der gleiche Strafgrund subjektiv aufgefasst wird.35 Diese Frage nach dem Verständnis des Strafgrundes kann hier aber dahinstehen, da, wie schon erörtert36, ein subjektives Verständnis die Strafbarkeit echter Vorbereitungshandlungen ohnehin nicht legitimieren kann. Folglich wird auch diese Variante im Folgenden dahingehend überprüft, ob der angenommene Strafgrund – objektiv betrachtet – tatsächlich vorliegt. Die Annahme eines Erbietens müsste also typischerweise zu einem Kontrollverlust des Annehmenden führen. Da der Erbietende die Ausführung der Tat von der Annahme des anderen abhängig machen muss, handelt es sich um eine erfolglose Anstiftung: Durch seine Annahme ruft der Handelnde bei dem Erbietenden zunächst den Tatentschluss hervor, die Tat gelangt aber aus anderen Gründen nicht in das Versuchsstadium. Folglich kann auch für die Frage nach dem Eintritt des Kontrollverlustes auf das zu der erfolglosen Anstiftung Gesagte zurückgegriffen werden. Der Annehmende stellt sich insofern als Anstifter dar, während es sich bei dem Erbietenden um den angestifteten Haupttäter handelt. Auch hier kommt es für die Frage nach dem Eintritt des Kontrollverlustes maßgeblich auf die Interessenverteilung zwischen den Beteiligten an. Folglich sind die möglichen Konstellationen dahingehend zu untersuchen, welche Konsequenzen sich daraus hinsichtlich des Kontrollverlustes des Anstifters ergeben. Parallel zu der erfolglosen Anstiftung ist davon auszugehen, dass das Interesse an der Tat oftmals bei dem Annehmenden, also dem Anstifter, liegen wird. Der Erbietende wird von diesem Interesse des Annehmenden wissen oder es zumindest vermuten und ihm deshalb die Ausführung der Tat anbieten. Er selbst wird in der Regel kein eigenes Interesse an der Tat haben, da er die Ausführung anderenfalls eher nicht von der Annahme abhängig machen würde. Stattdessen wird er die Tat aus einer persönlichen Verbundenheit heraus oder für eine entsprechende Gegenleistung anbieten. Daraus folgt, dass auch der Erbietende die Tat in dem Fall einer Meinungsänderung des Annehmenden aufgeben würde, da insofern sein Tatmotiv entfiele. Folglich behält der Annehmende die Kontrolle über das weitere Geschehen – mit seiner Aufgabe des Vorhabens kann er auch den Haupttäter zu der Aufgabe des Vorhabens veranlassen. Ebenfalls denkbar ist, dass auch der Erbietende, also der spätere Haupttäter, ein eigenes Interesse an der Tat hat, sich aber ohne die Zustimmung des Annehmenden nicht zu der Ausführung 32 33 34 35 36
s. o. 3. Teil, C. III. 1. s. o. 3. Teil, C. III. 1. s. o. 3. Teil, C. III. 2. s. o. 3. Teil, C. III. 1. d). s. o. 5. Teil, B.
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5. Teil: Die Strafgründe der anderen Varianten des § 30 StGB
entschließen kann. Insofern muss auch hier angenommen werden, dass der Rückzug des Annehmenden in der Regel zu einer erneuten Verunsicherung des Erbietenden und damit zu der Aufgabe der Tat führen wird. Eher unwahrscheinlich ist, dass der Haupttäter zwar ein eigenes Interesse an der Tat hat, ihm aber noch eine dem Annehmenden zugängliche Information für die Begehung fehlt. Dabei würde der Haupttäter die Tat aber in der Regel unabhängig von einer Meinungsänderung des Annehmenden fortführen, so dass nur hier ein Kontrollverlust des Annehmenden angenommen werden könnte. Insgesamt lässt sich damit auch für die Variante der Annahme eines Erbietens festhalten, dass diese nicht typischerweise zu einem Kontrollverlust des Annehmenden führt. Somit kann auch dieser Strafgrund schon in tatsächlicher Hinsicht nicht überzeugen. 2. Die eigene Gefährlichkeit der Annahme eines Erbietens Auch im Übrigen kann auf die Ausführungen im Rahmen der versuchten Anstiftung verwiesen werden: Würde also, entgegen der vorstehenden Erörterungen, ein Kontrollverlust als typische Folge der Annahme bejaht, wäre diese Handlung zwar selbst gefährlich – aber im Vergleich zu den Vorbereitungen eines Einzeltäters nicht in erhöhtem Maße. Die Wahrscheinlichkeit der Tatbegehung durch den Erbietenden wäre nämlich auch hier nicht höher als die entsprechende Wahrscheinlichkeit bei den Vorbereitungshandlungen eines Einzeltäters. Folglich weist die Annahme eines Erbietens – anders als in der üblichen Strafbegründung angenommen – keine erhöhte Gefährlichkeit im Vergleich zu den Vorbereitungen eines Einzeltäters auf. Somit kann auch die Strafbarkeit der Annahme eines Erbietens aus diversen Gründen nicht mit dem herkömmlich angeführten Strafgrund des Kontrollverlustes legitimiert werden.
III. Das Sich-Bereit-Erklären Die Strafwürdigkeit der Variante des Sich-Bereit-Erklärens gem. § 30 Abs. 2, Alt. 1 StGB wird, wie auch diejenige der Verbrechensverabredung, mit der gesteigerten Willensbindung der Beteiligten begründet.37 Bei der weiteren Untersuchung dieses Strafgrundes muss zwischen den beiden Untervarianten, dem Sich-Erbieten und der Annahme einer Aufforderung, differenziert werden. 1. Das Sich-Erbieten Bei der Untervariante des Sich-Erbietens handelt es sich um eine verkürzte Kettenanstiftung, wobei der Unterschied zu dem Normalfall einer Kettenanstiftung 37 Roxin, AT II, S. 287; BT-Drucks. V/4095, 12; MK-Joecks, § 30, Rn 40; Schönke/ Schröder/Heine, § 30, Rn 22.
B. Überprüfung der angeführten Strafgründe
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darin zu sehen ist, dass der Erstanstifter und der spätere Haupttäter personengleich sind.38 Da hier also der Erstanstifter das Geschehen völlig in der Hand behält, wird für den Strafgrund nicht auf den Kontrollverlust des Anstifters abgestellt. Stattdessen wird der Strafgrund darin erblickt, dass sich der Erbietende infolge der gesteigerten Willensbindung nicht mehr von seinem Tatentschluss lösen könne.39 a) Der Eintritt der gesteigerten Willensbindung Zunächst muss untersucht werden, ob es tatsächlich typischerweise zu einer erhöhten Willensbindung des Sich-Erbietenden kommt. Für die Begründung des Eintrittes dieser Bindung werden ähnliche Ansätze wie für die angenommene Willensbindung im Rahmen der Verabredung vertreten. Letzgus sieht demnach auch hier eine suggestive Beeinflussung des Haupttäters durch den Letztanstifter. Der Adressat des Erbietens wirke durch seine Annahme suggestiv auf den Erstanstifter bzw. den Haupttäter ein mit der Folge, dass dieser sich nicht mehr von seinem Entschluss lösen könne.40 Schon im Rahmen der Verabredung wurde festgestellt, dass dieser suggestionspsychologische Ansatz nicht geeignet ist, den Eintritt einer erhöhten Willensbindung zu begründen. Diese Wertung gilt in gleicher Weise für die Variante des Sich-Erbietens. Insofern kann auf die Argumentation im Rahmen der Verabredung verwiesen werden.41 Somit kann die angenommene erhöhte Willensbindung jedenfalls nicht mit dem suggestionspsychologischen Ansatz begründet werden. Allerdings führt auch Letzgus diese Begründung nur für den Fall eines echten Sich-Erbietens an.42 Darunter ist die Konstellation zu verstehen, in der der Erbietende die Bildung seines Tatentschlusses von der Annahme seines Angebots durch den Adressaten abhängig macht. Handelt es sich bei dem Erbietenden hingegen um einen omnimodo facturus, der das Vorhaben nur zur Kenntnisnahme des Adressaten offenbart, lehnt Letzgus eine erhöhte Willensbindung ab.43 Die Konstellation des unechten Sich-Erbietens wird somit zu Recht auch von den Befürwortern der Strafbarkeit der anderen Varianten des § 30 StGB überwiegend als nicht strafwürdig angesehen.44 Denn von einer erhöhten Willensbindung kann eindeutig nicht ausgegangen werden, wenn der Sich-Erbietende schon fest entschlossen ist, die Tat zu
38
s. o. 3. Teil, C. II. 2. LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30, Rn 3; Thalheimer, S. 73 ff; MK-Joecks, § 30, Rn 40; Schönke/Schröder/Heine, § 30, Rn 22. 40 Letzgus, S. 175. 41 s. o. 4. Teil, C. III. 2. b), aa). 42 Letzgus, S. 175. 43 Letzgus, S. 89 f, 127. 44 So auch Thalheimer, S. 77; LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30, Rn 12; Dessecker, JA 2005, 549, 552; NK-Zaczyk, § 30, Rn 33. Für eine Strafwürdigkeit hingegen MK-Joecks, § 30, Rn 41 und Jakobs, AT, S. 770. 39
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5. Teil: Die Strafgründe der anderen Varianten des § 30 StGB
begehen.45 Die Strafwürdigkeit dieser Konstellation lässt sich auch gerade im Vergleich zu den Vorbereitungen eines Einzeltäters nicht begründen. Denn ein unechtes Sich-Erbieten ist im Ergebnis nichts anderes als die Kundgabe eines eigenen festen Tatentschlusses – ein solcher ist aber unstreitig nicht strafwürdig.46 Fraglich bleibt aber, ob bei einem echten Sich-Erbieten typischerweise eine erhöhte Willensbindung eintritt. Zur Begründung dieser Bindung wird darauf abgestellt, dass jedes Versprechen den Erklärenden binde und er im Falle einer Aufgabe des Planes mit schwerwiegenden Konsequenzen seitens des Adressaten rechnen müsse.47 Um zu überprüfen, ob es bei einem Sich-Erbieten typischerweise zu einer erhöhten Willensbindung kommt, sind auch hier die möglichen Fallkonstellationen näher zu betrachten. Zum einen ist dabei das erfolglose Sich-Erbieten zu nennen, bei welchem der Sich-Erbietende zwar seine Entscheidung über die Tat von der Annahme des Adressaten abhängig macht, es aber von vornherein zu keiner Annahme kommt.48 So war es auch bei dem historischen Anlass für die Einführung der Strafbarkeit von Vorbereitungshandlungen: Duchesne bot dem Erzbischof von Paris erfolglos die Ermordung des deutschen Reichskanzlers Bismarck an.49 Tatbestandlich verlangt die Variante des Sich-Bereit-Erklärens keinen Erfolg in Form einer Annahme desselben durch den Adressaten. Demnach wird überwiegend auch das erfolglose Erbieten als strafbar erachtet, wobei teilweise die Abgabe desselben als ausreichend erachtet50 und teilweise der Zugang desselben beim Erklärungsempfänger verlangt wird.51 Überprüft man diese Konstellation nun hinsichtlich der angenommenen gesteigerten Willensbindung, ergibt sich Folgendes: Unabhängig davon, ob nur die Abgabe oder auch der Zugang des Angebots verlangt wird, kann bei einem erfolglosen Erbieten keine erhöhte Willensbindung eintreten. Der Eintritt einer solchen Bindung ist überhaupt nur möglich, wenn das Angebot auch tatsächlich angenommen wurde.52 Denn bei dem echten Sich-Erbieten hängt die Bildung des Tatentschlusses des Erbietenden noch von der Annahme des Angebots durch den Adressaten ab. Ohne eine Annahme des Erbietens fehlt es aber schon an einem festen Tatentschluss mit der Folge, dass erst recht noch keine gesteigerte Bindung an diesen Entschluss eintreten kann. Folglich kann es bei einem erfolglosen Sich-Erbieten gar nicht zu einer ge-
45 Anders Jakobs, der sogar für möglich hält, dass diese Bindung stärker als eine mehrseitige Bindung ist (AT, S. 770). 46 So auch Thalheimer, S. 77. 47 Thalheimer, S. 74. Er beruft sich dabei aber zu Unrecht auf Schünemann – dieser sieht diese Bindung bei der Variante des Sich-Erbietens nämlich gerade nicht (LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30, Rn 12). 48 s. o. 3. Teil, C. II. 2. 49 s. o. 2. Teil, A. I. 50 Schönke/Schröder/Heine, § 30, Rn 23; Fischer, § 30, Rn 10. 51 SK-Hoyer, § 30, Rn 39 ff; NK-Zaczyk, § 30, Rn 38; Jescheck/Weigend, S. 705; MKJoecks, § 30, Rn 44. 52 Dazu schon 3. Teil, C. II. 2.
B. Überprüfung der angeführten Strafgründe
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steigerten Willensbindung kommen.53 Aus diesem Grund wird die Variante des erfolglosen Erbietens auch teilweise von den Befürwortern des § 30 StGB als nicht strafwürdig angesehen.54 Die meisten Zweifel hinsichtlich der Strafwürdigkeit bestehen heute also ausgerechnet bei der Fallkonstellation, die als Anlass für die Einführung der Strafbarkeit von Vorbereitungshandlungen diente. Dies legt den Verdacht nahe, dass zumindest die Strafbarkeit dieser Variante – wenn nicht sogar der gesamte § 30 StGB – schon damals durch einen Einzelfall geprägt war und sich auch nur wegen dieses historischen Auslösers bis heute gehalten hat.55 Aber auch bei einem erfolgreichen Sich-Erbieten – wenn es also zu einer Annahme des Angebots kommt – bleibt zweifelhaft, ob von einer erhöhten Willensbindung des Erbietenden ausgegangen werden kann. Bei einem Sich-Erbieten wird das Interesse an der Tat regelmäßig nicht bei dem Erbietenden, sondern bei dem Annehmenden liegen. Der Erbietende wird dem Adressaten die Ausführung einer bestimmten Tat anbieten, da er von einem Interesse desselben an dieser weiß bzw. ein solches vermutet.56 Fraglich ist, aus welcher Motivation heraus der Erbietende die Tatbegehung anbietet. Zum einen kann es sein, dass der Erbietende eine Gegenleistung für die Tatbegehung verlangt. Insofern nutzt er das Interesse des anderen an einer Tat, die dieser nicht selbst ausführen kann oder will, für seine Zwecke aus. Auch hier kann wieder das historische Beispiel herangezogen werden: Das Interesse von Duchesne richtete sich nur auf die große Geldsumme, die er für die Ausführung verlangte, während er wusste, dass der Erzbischof ein Interesse an dem Tod von Bismarck haben würde.57 Richtet sich das eigentliche Interesse des Erbietenden auf eine für die Tatbegehung zugesagte Gegenleistung, ergibt sich für die Frage der erhöhten Willensbindung des Erbietenden Folgendes: Will sich der Erbietende von seinem Vorhaben lösen, beispielsweise weil ihm die Ausführung doch zu gefährlich ist, könnte sich die versprochene Gegenleistung tatsächlich dahingehend auswirken, dass er dennoch an der Tat festhält. Damit wäre die erhöhte Willensbindung infolge des Erbietens zu bejahen. Zweifelhaft bleibt aber, ob diese Bindung durch die Gegenleistung als typisch angesehen werden kann. Die Bindungskraft der versprochenen Gegenleistung hängt von den Umständen des Einzelfalls ab – sie variiert, je nachdem welchen Wert diese Gegenleistung hat und wie wichtig sie für den Erbietenden ist. Selbst wenn also eine Gegenleistung vereinbart wurde, resultiert daraus nicht zwingend eine erhöhte Bindung des Erbietenden an seinen Tatentschluss. Des Weiteren verlangt die Variante des Sich-Bereit-Erklärens und damit auch ihre Un53 So auch LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30, Rn 12. Thalheimer fordert gleichwohl die Strafbarkeit des erfolglosen Erbietens – aus kriminalpolitischen Gründen (S. 76). 54 LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30, Rn 12; Roxin, AT II, S. 289. Bedenken äußerte auch schon v. Steemann bei den Beratungen zu der Gesetzesnovelle, als die Variante des SichErbietens und seine Annahme in das Gesetz aufgenommen wurden (GS 28 (1876), S. 267 ff). 55 Für die Variante des Sich-Erbietens so auch LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30, Rn 12 und auch Letzgus, S. 176. 56 Dazu schon oben im Rahmen der Variante der Annahme eines Erbietens 5. Teil, B. II. 1. 57 s. o. 2. Teil, A. I.
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5. Teil: Die Strafgründe der anderen Varianten des § 30 StGB
tervariante des Sich-Erbietens tatbestandlich keine Gegenleistung für das Angebot mehr.58 Folglich lässt sich festhalten, dass eine erhöhte Bindung des Sich-Erbietenden an den Tatentschluss zwar möglicherweise eintreten kann, wenn ihm für die Tatbegehung eine Gegenleistung versprochen wurde – eine typische Folge des Sich-Erbietens kann darin aber nicht erblickt werden. Zum anderen ist es denkbar, dass das Angebot der Tatbegehung aus einer persönlichen Verbundenheit des Erbietenden mit dem Adressaten resultiert. Diese persönliche Verbindung müsste demnach typischerweise eine stärkere Willensbindung des Erbietenden als im Falle eines selbstständig und unabhängig gefassten Tatentschlusses bewirken. Zunächst ist auch hier schon fraglich, ob eine solche Motivation als typisch für die Variante des Sich-Erbietens angesehen werden kann. Denn zum einen verlangt der Tatbestand des Sich-Bereit-Erklärens keine besondere persönliche Beziehung zwischen dem Erbietenden und dem Erklärungsadressaten. Zum anderen wird ein Erbieten zu einer Verbrechensbegehung wohl kaum typischerweise unter sich nahestehenden Personen als Freundschafts- oder Verwandtschaftsdienst erfolgen. Kommt es aber dennoch zu einem persönlich motivierten Erbieten, gilt das schon im Rahmen der Verabredung Gesagte:59 Zwar ist es denkbar, dass aus einer persönlichen Verbundenheit heraus eine erhöhte Bindung an das Vorhaben entsteht – die Intensität dieser Bindung hängt aber in hohem Maße von den Einzelfallumständen ab. So wird eine solche bei einem engen familiären Verhältnis eher als bei einem Gefallen unter Freunden zu bejahen sein. Eine erhöhte Willensbindung des Erbietenden infolge einer persönlichen Verbindung ist somit zwar möglich, sie stellt aber keine typische Folge eines Erbietens dar. Des Weiteren muss bei der Variante des Sich-Erbietens beachtet werden, dass eine solche persönliche Bindung jedenfalls auch nur einseitig bestehen könnte. Schon im Rahmen der Verabredung wurde aber festgestellt, dass selbst eine gegenseitige persönliche Verbundenheit nicht zwangsläufig eine so deutlich erhöhte Willensbindung der Beteiligten zur Folge haben muss, dass diese sich nicht mehr von dem Tatentschluss lösen können. Wenn aber schon bei einer gegenseitigen Übereinkunft nicht unbedingt eine solche Bindung eintritt, kann dies erst recht nicht bei einer einseitigen persönlichen Bindung angenommen werden. Folglich kann auch bei einem persönlich motivierten Erbieten nicht von einer erhöhten Willensbindung als typischer Folge desselben ausgegangen werden. Teilweise wird die erhöhte Willensbindung damit begründet, dass sich der Erbietende, indem er seinen Tatentschluss von der Zustimmung des Adressaten abhängig mache, der psychischen Tatherrschaft entledige. Damit setze er sich dem 58
In der ursprünglichen Gesetzesfassung von 1876 wurde für die Strafbarkeit des mündlichen Erbietens verlangt, dass es an eine „Gewährung von Vorteilen irgendeiner Art“ geknüpft war. Dazu oben 2. Teil, A. II. Selbst da galt dieses zusätzliche Erfordernis aber schon nur für das mündliche Erbieten und aus der Gesetzesänderung ergibt sich, dass nun ganz auf eine Gegenleistung verzichtet wird. 59 s. o. 4. Teil, C. III. 2. b), aa).
B. Überprüfung der angeführten Strafgründe
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psychischen Druck des Adressaten hinsichtlich der Tatbegehung aus.60 Die psychische Tatherrschaft kann dem Annehmenden aber nur dann zugeordnet werden, wenn davon ausgegangen wird, dass sich der Erbietende dem Willen des Adressaten allein durch sein Angebot völlig ausliefert. Diese Annahme lässt sich aber, ähnlich wie die Suggestionstheorie von Letzgus, nicht mit der Subjektstellung des Täters vereinbaren: Der Erbietende wird das Für und Wider der Tatbegehung rational überdenken, bevor er sie einem anderen anbietet.61 In dem Moment des Angebots ergibt er sich dann aber nicht völlig dem Willen des Annehmenden – stattdessen kann er die Tatbegehung auch weiterhin rational und kritisch überdenken. Die Tatherrschaft verbleibt in der Variante des Sich-Erbietenden ja gerade bei dem Erbietenden – dies gilt aber nicht nur für die physische, sondern auch für die psychische. Deshalb kann nicht ohne Weiteres von einer psychischen Druckausübung des Adressaten auf den Erbietenden ausgegangen werden. Dafür wäre eine gewisse Machtposition des Adressaten gegenüber dem Erbietenden erforderlich, welche wiederum ein gewisses hierarchisches Verhältnis zwischen den beiden Beteiligten voraussetzen würde. Dieses Machtverhältnis besteht jedenfalls nicht in der angenommenen psychischen Tatherrschaft des Annehmenden, und auch tatbestandlich wird keine sonstige hierarchische Struktur zwischen den Beteiligten vorausgesetzt. Das Sich-Erbieten findet auch – wie die Verabredung62 – nicht regelmäßig im Umfeld einer kriminellen Subkultur statt, so dass typischerweise keine Machtposition des Annehmenden bestehen wird. Die erhöhte Willensbindung kann somit selbst bei einem erfolgreichen Erbieten nicht bewiesen werden mit der Folge, dass sie für das gesamte Sich-Erbieten abzulehnen ist.63 Folglich geht auch der herkömmlich für die Untervariante des SichErbietens angeführte Strafgrund schon in tatsächlicher Hinsicht fehl. b) Die eigene Gefährlichkeit des Sich-Erbietens Auch hier soll gleichwohl noch untersucht werden, ob das erfolgreiche Sich-Erbieten, ausgehend von der erhöhten Willensbindung, eine eigene Gefährlichkeit aufweist. Da es bei einem erfolglosen Sich-Erbieten objektiv nicht zu einer erhöhten Willensbindung kommen kann, bleibt diese Konstellation bei der folgenden Erörterung unberücksichtigt. Das Sich-Erbieten müsste somit typischerweise infolge der erhöhten Willensbindung einen gefährlichen Verlauf anstoßen, der seinerseits typischerweise zu einem der Handlung zuzurechnenden Gefahrzustand führt.64 Der gefährliche Kausalverlauf ist in dem weiteren Vorantreiben des Vorhabens bis hin zu der Tatausführung durch den Erbietenden zu sehen. Würde die erhöhte Willensbindung 60
Thalheimer, S. 76. Auch Beck nimmt an, dass sich ein Täter allgemein eher rational zu der Tat entschließt und rational beeinflusst wird (S. 205 f). Allgemein gegen eine suggestive Beeinflussung auch LK-Roxin, 11. Aufl., § 30, Rn 7. 62 s. o. 4. Teil, C. III. 2. b), aa). 63 So auch LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30, Rn 12. 64 s. o. 4. Teil, C. III. 1. c). 61
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5. Teil: Die Strafgründe der anderen Varianten des § 30 StGB
bejaht, könnte sich der Erbietende von seinem einmal gefassten Tatentschluss nicht mehr lösen mit der Folge, dass er das Vorhaben weiter vorantreiben würde. Dieser Kausalverlauf würde typischerweise – immer ausgehend von der erhöhten Willensbindung – zu der Tatausführung und somit zu einem Gefahrzustand für das anvisierte Rechtsgutsobjekt führen. Auch der erforderliche Risikozusammenhang zwischen dem Erbieten und dem Gefahrzustand wäre zu bejahen, da das Angebot von Anfang an auf die alleinige Tatbegehung durch den Erbietenden angelegt war. Somit würde sich in der späteren Tatausführung des Erbietenden gerade das von ihm ursprünglich gesetzte Risiko verwirklichen. Demnach wäre die herkömmliche Strafbegründung insofern zutreffend, als das Sich-Erbieten bei Annahme einer erhöhten Willensbindung objektiv gefährlich wäre. c) Die Gefährlichkeit des Sich-Erbietens im Vergleich zu derjenigen der Vorbereitungen eines Einzeltäters Bei einem Vergleich der Gefährlichkeit des Sich-Erbietens mit der Gefährlichkeit etwaiger Vorbereitungen eines Einzeltäters ergibt sich Folgendes: Wie schon gesehen, bemisst sich der Gefährlichkeitsgrad eines Verhaltens nach dem Wahrscheinlichkeitsgrad, mit dem es zu dem Gefahreintritt kommt.65 Nimmt man eine erhöhte Willensbindung des Erbietenden an, würde eine hohe Wahrscheinlichkeit für die Fortführung des Vorhabens sowie den Eintritt des Gefahrzustands bestehen, da die Tat nur noch infolge äußerer Umstände unterbleiben könnte. Bei den Vorbereitungen eines Einzeltäters ist hingegen die Wahrscheinlichkeit der Aufgabe des Vorhabens genauso groß wie diejenige der Ausführung der Tat.66 Folglich weist das Sich-Erbieten – immer noch auf der Basis der Annahme der erhöhten Willensbindung – tatsächlich einen im Vergleich zu den Vorbereitungen eines Einzeltäters erhöhten Gefährlichkeitsgrad auf. Insofern ist die übliche Strafbegründung also konsequent. Gleichwohl bestehen im Rahmen dieses Strafgrundes neben der unzutreffenden Prämisse noch weitere Bedenken. Im Ergebnis wirkt bei der Variante des Sich-Erbietens allein die angenommene erhöhte Willensbindung strafbegründend. Sie allein unterscheidet das Sich-Erbieten von einer straflosen Bekanntgabe eines Tatvorhabens durch einen Einzeltäter. Diese Willensbindung würde – wie bei der Verabredung – infolge des konspirativen Austausches von zwei Personen über ein Vorhaben entstehen. Schon im Rahmen der Verabredung wurde aber betont, dass eine strafbegründende Wirkung einer Konspiration dem System des Strafgesetzbuches widerspricht.67 Noch bedenklicher ist diese strafbegründende Wirkung bei der Untervariante des Sich-Erbietens aber deshalb, weil es sich hier bei der erhöhten Willensbindung um eine Konspiration viel geringeren Ausmaßes als bei der Verabredung handelt. Denn bei einem Sich-Erbieten liegt ja noch nicht einmal, wie bei der Verabredung, eine gegenseitige, sondern lediglich eine einseitige Bindung vor. Wenn 65 66 67
s. o. 4. Teil, C. III. 1. b). s. o. 4. Teil, C. III. 2. b), bb), (2), (a). s. o. 4. Teil, C. III. 2. b), bb), (2), (b).
B. Überprüfung der angeführten Strafgründe
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aber schon eine gegenseitige Willensbindung allein nicht strafbegründend wirken kann, muss diese Wertung erst recht für eine bloß einseitige Bindung gelten. Folglich kann auch der üblicherweise angeführte Strafgrund der Variante des Sich-Erbietens gleich aus mehreren Gründen nicht überzeugen. 2. Die Annahme einer Aufforderung Auch bei der Untervariante der Annahme einer Aufforderung geht die übliche Strafbegründung von einer gesteigerten Willensbindung des Annehmenden aus.68 a) Der Eintritt der erhöhten Willensbindung Bei dieser Untervariante wird derjenige bestraft, der sich zunächst zu einem Verbrechen anstiften lässt – also wer die Aufforderung eines anderen, eine bestimmte Tat zu begehen, annimmt. Fraglich ist, ob der Annehmende dabei regelmäßig verstärkt an seine Annahme und damit an seinen Tatentschluss gebunden wird. Zwar trifft es zu, dass der Willenskonsens bei dieser Untervariante immer besteht, während er bei der Untervariante des Sich-Erbietens auch gänzlich fehlen kann.69 Dies bedeutet indes noch nicht, dass der Annehmende auch typischerweise stärker an diesen als an einen selbstständig gefassten Tatentschluss gebunden ist. Für die Strafbarkeit der Annahme der Aufforderung wird ganz überwiegend nicht verlangt, dass der Anstifter Kenntnis von der Annahme seiner Aufforderung durch den Angestifteten erlangt.70 Das bedeutet, dass es auch in gleicher Weise strafbar ist, wenn der Angestiftete zwar die Aufforderung annimmt, der Auffordernde selbst aber nie etwas davon erfährt. Erlangt aber der Anstifter keine Kenntnis von der Annahme, ist der präsumtive Haupttäter auch objektiv nicht in stärkerem Maße an diese gebunden, als wenn er die Aufforderung nie angenommen hätte. Unabhängig davon, worauf man die erhöhte Willensbindung zurückführen möchte – sei es auf eine quasi-vertragliche, eine persönliche Bindung oder auf eine mögliche Druckausübung auf den Annehmenden seitens des Auffordernden –, setzt sie zumindest voraus, dass alle Beteiligten Kenntnis von der Annahme haben. Denn eine Druckausübung des Auffordernden auf den Annehmenden ist überhaupt nur denkbar, wenn der Anstifter zunächst von der Annahme seines Vorschlages wusste. So verhält es sich auch mit den beiden anderen möglichen Ursachen der erhöhten Bindung: Sowohl vertragsähnliche als auch persönliche Bindungen, die geeignet sein sollen, den Haupttäter an das Vorhaben zu binden, setzen voraus, dass der Auffordernde zunächst davon ausgeht, dass der Annehmende die Tat tatsächlich begehen wird. Erklärt der präsumtive Haupttäter die Annahme nur vor sich hin, ohne dass es zu einer Kenntnisnahme des Auffordernden kommt, ist er praktisch nicht stärker an diese Zusage gebunden, als wenn er den 68 69 70
Vgl. Thalheimer, S. 76; Schönke/Schröder/Heine, § 30, Rn 22; Roxin, AT II, S. 287, 289. LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30, Rn 12; Thalheimer, S. 76. s. o. 3. Teil, C. II. 2.
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5. Teil: Die Strafgründe der anderen Varianten des § 30 StGB
Entschluss zu der Tat von sich aus gefasst hätte. Fehlt es also an der Kenntnis der Annahmeerklärung seitens des Anstifters, kann auch die angenommene erhöhte Willensbindung jedenfalls nicht eintreten. Selbst wenn der Anstifter Kenntnis von der Annahme hat, bleibt zweifelhaft, ob es regelmäßig zu einer erhöhten Willensbindung kommt. Wie schon im Rahmen der versuchten Anstiftung festgestellt71, liegt das maßgebliche Interesse an der Tat oftmals beim Anstifter – hier also dem Auffordernden – und nicht bei dem präsumtiven Haupttäter – dem Annehmenden. Dieser wird in der Regel von dem Anstifter mit einer Gegenleistung oder auf andere Weise dazu motiviert, die gewünschte Tat auszuführen. Wie schon gesehen, behält der Anstifter deshalb auch in dem Fall, dass er selbst die Tat nicht mehr will, die Kontrolle über den Annehmenden.72 Dieser lässt sich nämlich insofern von der Meinungsänderung des Anstifters beeinflussen, als auch er die Tat dann regelmäßig aufgeben wird. Folglich ist also auch der Annehmende an den Anstifter gebunden. Fraglich ist aber, ob diese Bindung auch in gleicher Weise in der anderen Richtung besteht, da im Rahmen der Strafbegründung der Annahme einer Aufforderung die gegenteilige Situation von Bedeutung ist: Während der Anstifter weiter an der Tat festhält, ist es nun der Angestiftete, der sich von dem Tatentschluss lösen möchte. In dieser Konstellation ist fraglich, ob der Angestiftete wegen der Zusage an den Auffordernden in stärkerem Maße an seinen Tatentschluss gebunden ist, als wenn er diesen allein gefasst hätte. Geht man wieder von dem Interesse des Angestifteten aus, ergibt sich Folgendes: Wenn die Annahme auf einer versprochenen Gegenleistung beruhte, hängt die Frage nach der erhöhten Willensbindung des Annehmenden von den Umständen des Einzelfalls ab. Die Bindungswirkung der Gegenleistung variiert danach, wie groß die Bedenken des präsumtiven Haupttäters gegen die Tatausführung im Vergleich zu dem versprochenen Vorteil sind und wie sehr dieser auf die versprochene Gegenleistung angewiesen ist.73 Dabei ist in der Tat denkbar, dass diese für den präsumtiven Haupttäter so bedeutend ist, dass er trotz seiner Bedenken an dem Vorhaben festhält. Gerade weil der Annehmende kein eigenes Interesse an dieser Tat hat, erscheint es aber zweifelhaft, ob typischerweise eine so starke Bindungswirkung von der Gegenleistung ausgehen wird. In der Regel wird es sich bei der Gegenleistung um finanzielle Vorteile handeln – und nicht um so spezifische, dass deren Leistung von der Person dieses einen Anstifters abhängt. Folglich kann der Annehmende eine vergleichbare Gegenleistung auch noch auf andere Weise erlangen, was ihm die Aufgabe dieses konkreten Tatentschlusses erleichtert. Somit kann nicht davon ausgegangen werden, dass eine versprochene Gegenleistung typischerweise zu einer erhöhten Willensbindung des Annehmenden führt. Beruht die Zusage des Annehmenden hingegen nicht auf einer versprochenen Gegenleistung, also einer quasivertraglichen Bindung, sondern eher auf einer persönlichen Verbundenheit mit dem Anstifter, ist eine erhöhte Bindung eher wahrscheinlich. Nimmt der präsumtive 71
s. o. 5. Teil, B. I. 1. s. o. 5. Teil, B. I. 1. 73 Hier gilt das zu der Variante des Sich-Erbietens Gesagte entsprechend, vgl. oben 5. Teil, B. II. 1. 72
B. Überprüfung der angeführten Strafgründe
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Haupttäter die Aufforderung des Anstifters nämlich allein aufgrund einer bestehenden Freundschaft oder Ähnlichem an, wird er in der Regel so lange an der Tat festhalten, wie auch das Interesse des Anstifters daran besteht. Im Fall einer persönlichen Verbundenheit kann also regelmäßig von einer erhöhten Willensbindung ausgegangen werden. Allerdings können diese Fälle nicht als typische Konstellation der Variante der Annahme einer Aufforderung angesehen werden – wie auch bei den übrigen Varianten wird ein solches persönliches Verhältnis nämlich tatbestandlich nicht verlangt. Daneben ist auch nicht davon auszugehen, dass die Annahme einer Aufforderung zu einem Verbrechen typischerweise unter Freunden oder Verwandten erfolgt. Hinsichtlich einer möglichen Druckausübung des Anstifters gegenüber dem Annehmenden gilt das bereits im Rahmen der Verabredung und der Untervariante des Sich-Erbietens Gesagte:74 Eine Machtausübung würde ein gewisses hierarchisches Verhältnis zwischen den Beteiligten voraussetzen – ein solches wird aber tatbestandlich auch bei der hier in Rede stehenden Untervariante nicht vorausgesetzt und kann auch regelmäßig nicht angenommen werden. Eine stärkere Bindung des Haupttäters an seinen Tatentschluss infolge einer Druckausübung seitens des Anstifters kann also typischerweise nicht angenommen werden. Im Ergebnis lässt sich somit festhalten, dass der Eintritt einer erhöhten Willensbindung zwar möglich ist – sie kann aber nicht als typische Folge der Annahme einer Aufforderung angesehen werden. b) Die eigene Gefährlichkeit der Annahme einer Aufforderung Sollte die erhöhte Willensbindung des Haupttäters dennoch als typische Folge der Annahme angesehen werden, müsste nach der üblichen Strafbegründung daraus auch die erhöhte Gefährlichkeit der Annahme resultieren. Die Handlung müsste also typischerweise infolge der erhöhten Willensbindung einen Kausalverlauf anstoßen, der seinerseits typischerweise zu einem ihr zuzurechnenden Gefahrzustand führt.75 Insofern kann auf die Untersuchungen zu der Untervariante des Sich-Erbietens zurückgegriffen werden:76 Sollte die Willensbindung bejaht werden, würde der Annehmende typischerweise die Tat bis zu ihrer Ausführung vorantreiben und damit einen gefährlichen Kausalverlauf anstoßen. Der so entstehende Gefahrzustand wäre der Annahme auch zuzurechnen, da diese von Anfang an die alleinige Tatbegehung durch den Annehmenden vorsah – in dem Gefahrzustand würde sich somit gerade das von der Annahme ausgehende Risiko verwirklichen. Folglich ist diese Strafbegründung – wenn man die Willensbindung überhaupt bejahen sollte – zumindest in sich stimmig, da die Annahme der Aufforderung zu einem Verbrechen dann selbst gefährlich wäre.
74 Zu der Verabredung oben 4. Teil, C. III. 2. b), aa) und zu dem Sich-Erbieten oben 5. Teil, B. II. 1. 75 s. o. 4. Teil, C. III. 1. c). 76 s. o. 5. Teil, B. II. 2.
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5. Teil: Die Strafgründe der anderen Varianten des § 30 StGB
c) Die Gefährlichkeit der Annahme einer Aufforderung im Vergleich zu derjenigen der Vorbereitungen eines Einzeltäters Auch hier kann auf die Ausführungen im Rahmen der Untervariante des SichErbietens verwiesen werden:77 Nimmt man die erhöhte Willensbindung an, wäre die Annahme einer Aufforderung zu einem Verbrechen tatsächlich gefährlicher als die Vorbereitungen eines Einzeltäters. Folglich ist die Strafbegründung auch insofern konsequent. Gleichwohl muss auch hier – neben der fehlgehenden Prämisse des Eintritts der Willensbindung – betont werden, dass die Gefährlichkeit der Annahmehandlung im Vergleich zu derjenigen der Verabredung noch geringer wäre: Selbst wenn nämlich die erhöhte Willensbindung bejaht werden sollte, könnte jedenfalls nicht bestritten werden, dass diese im Vergleich zu der angenommenen Bindung bei der Verabredung weniger intensiv wäre.78 Denn bei der Annahme einer Aufforderung wäre eine solche Bindung immer nur einseitig. Da aber schon eine gegenseitige Bindung, wie sich im Rahmen der Untersuchung der Verabredung gezeigt hat79, allein nicht strafbegründend wirken kann, kann diese Wirkung bei einer einseitigen erst recht nicht bejaht werden. Im Ergebnis kann der Strafgrund der erhöhten Willensbindung somit auch bei der Untervariante der Annahme einer Aufforderung gleich aus mehreren Gründen nicht überzeugen. 3. Ergebnis für die Strafwürdigkeit des Sich-Bereit-Erklärens Somit ist auch der Strafgrund, der üblicherweise für die Variante des Sich-BereitErklärens angeführt wird, nicht tragfähig. Richtigerweise muss demnach die Forderung nach der Straflosigkeit, die zum Teil für die Untervariante des erfolglosen Sich-Erbietens erhoben wird, auf die gesamte Variante des Sich-Bereit-Erklärens erstreckt werden.
IV. Zusammenfassung Es lässt sich somit festhalten, dass auch die Strafbarkeit der weiteren Varianten des § 30 StGB nicht legitimiert werden kann. Zuletzt muss hier – wie bei der Verabredung80 – noch auf Folgendes hingewiesen werden: Die Varianten des § 30 StGB erfassen nicht nur, wie bislang diskutiert, die jeweiligen Vorbereitungshandlungen, wenn diese sich direkt auf die Begehung eines Verbrechens beziehen – wie beispielsweise das Sich-Bereit-Erklären zu einem Verbrechen. Daneben sind diese 77 78 79 80
s. o. 5. Teil, B. II. 2. So auch LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30, Rn 12. s. o. 4. Teil, C. III. 2. b), bb), (2), (b). s. o. 4. Teil, C. III. 3.
B. Überprüfung der angeführten Strafgründe
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Handlungen sogar dann noch strafbar, wenn sie sich nur auf die Anstiftung zu einem Verbrechen richten – wie beispielsweise das Sich-Bereit-Erklären zu einer Anstiftung zu einem Verbrechen. Darin liegt eine noch weitergehende Vorverlagerung der Strafbarkeit: Erfasst werden nicht nur Verhaltensweisen, die die Begehung eines Verbrechens vorbereiten, sondern sogar solche, die nur eine Vorbereitung der Anstiftung zu einer Verbrechensbegehung darstellen. Insofern kann auf das zu der Verabredung Gesagte verwiesen werden – diese Vorbereitungen können erst recht kein Strafunrecht darstellen.81 De lege ferenda ist somit auch die Straflosigkeit der übrigen Varianten und damit die Aufhebung der gesamten Vorbereitungsstrafbarkeit gem. § 30 StGB zu fordern.
81
s. o. 4. Teil, C. III. 3.
6. Teil
Ergebnis und kritischer Ausblick Die Vorbereitungsstrafbarkeit gem. § 30 StGB weist nicht nur im Rahmen der Auslegung viele Probleme und Widersprüche auf, sondern genügt auch schon vom Grundsatz her nicht den Anforderungen unseres rechtsstaatlichen Strafrechts. So drängt sich der Eindruck auf, dass die Strafbarkeit dieser Vorbereitungshandlungen, die zu Lasten des elementaren Schuldprinzips und des Grundsatzes des Tatstrafrechts geht, rein kriminalpolitisch motiviert ist. Besonders auffällig ist insofern, dass der geringe Unrechtsgehalt dieser Handlungen kaum problematisiert wird. Allgemein kann in der Strafgesetzgebung die besorgniserregende Tendenz ausgemacht werden, dass zunehmend vorverlagernde Straftatbestände geschaffen werden.1 Diese Entwicklung zeigt sich besonders im Bereich der Bekämpfung terroristischer Straftaten durch die Tatbestände der Bildung krimineller bzw. terroristischer Vereinigungen gem. §§ 129, 129a StGB sowie in dem neuen Tatbestand der Vorbereitungen einer Gewalttat gem. § 89a StGB.2 Auch wenn ein modernes Strafrecht nicht gänzlich ohne Regelungen auskommen kann, die schon im Vorfeld der Rechtsgutsverletzung eingreifen, müssen diese doch auch immer auf ein hinreichendes begangenes Unrecht zurückzuführen sein. Des Weiteren müssen solche Vorschriften in einem rechtsstaatlichen Strafrecht eine Ausnahme bleiben3 und somit auch als Ausnahmetatbestände ausgestaltet und ausgelegt werden. Diesem Anspruch kann aber jedenfalls der geltende § 30 StGB nicht genügen: Schon allein die systematische Einordnung als Vorschrift des Allgemeinen Teils mit der Folge, dass sie auf alle Verbrechen des Besonderen Teils anwendbar ist, zeigt den fehlenden Ausnahmecharakter. Bestätigt wird diese Wertung noch durch die extensive Auslegung der Vorschrift. In diesem Zusammenhang muss auch noch einmal betont werden, dass dieser Tatbestand nicht nur Verbrechensplanungen terroristischer Art oder solche im Rahmen einer organisierten Kriminalität erfasst, sondern auch Vorbereitungen von bisher rechtstreuen Bürgern. Insofern besteht aber eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass diese Personen die Tat gar nicht bis zu ihrer Ausführung gelangen lassen. Ein rechtsstaatliches Strafrecht müsste aber gerade von der prinzipiellen Rechtstreue 1
Diese Entwicklung besteht schon seit den 70er Jahren und hat sich seitdem noch verstärkt. So auch Dencker, StV 1998, 262, 264. 2 Dieser wurde durch das „Gesetz zur Verfolgung der Vorbereitung von schweren staatsgefährdenden Gewalttaten“ vom 30. 7. 2009 in das StGB eingefügt. 3 Dencker, StV 1988, 262, 266.
6. Teil: Ergebnis und kritischer Ausblick
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seiner Bürger ausgehen – und dürfte nicht wie bei § 30 StGB allein aus der Vorbereitung einer Tat auch deren Begehung vermuten.4 Da also sowohl die Verabredungs- als auch die gesamte Vorbereitungsstrafbarkeit aus § 30 StGB in unserem rechtsstaatlichen Strafrecht nicht legitimiert werden kann, ist ihre Aufhebung zu fordern – dies wäre im Übrigen auch ein richtiges Zeichen hinsichtlich der Grenzen der immer stärkeren Vorverlagerung der Strafbarkeit.
4
So auch NK-Zaczyk, § 30, Rn 7.
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168
Einzeltäter 194, 202, 213, 218, 225, 230, 234, 238 – Vorbereitungen 211 Erfolgsstrafrecht 31 ernsthafte Verhandlungen 32, 75, 155 Gefahr 183 – abstrakte 184 – konkrete 183 f. Gefährdungsdelikte 177, 185 – abstrakte 176 f. – konkrete 183 – vorverlagernde 176, 181 Gefährdungsstrafrecht 31 Gefahrerfolg 183 Gefährlichkeit 18, 79, 119, 185, 224, 228, 238 – abstrakte 184 – als Strafgrund 211 – der Annahme einer Aufforderung 237 – der Verabredung 74, 171, 182, 191, 193, 197, 201, 210 – der versuchten Anstiftung 220 – des angestoßenen Verlaufs 187 – des konspirativen Tatentschlusses 85 – des Sich-Erbietens 234
– des Teilnahmeverhaltens 60 – erhöhte 185, 228 – objektive 128, 133 – subjektive 119, 134 Gefährlichkeitsgrad 186, 211, 214, 219, 226 – des Sich-Erbietens 234 Gefahrzustand 184 f., 197, 210, 215, 220, 225 f., 233 – bei der Annahme einer Aufforderung 237 – beim Sich-Erbieten 234 Gegenleistung – bei der Annahme einer Aufforderung 236 – beim Sich-Erbieten 231 – des Annehmenden 227 Handlungsunrecht 41 Handlungsunwert 165 – bei Vorbereitungen eines Einzeltäters 211 – der Verabredung 168, 170 Komplott 38 – als wechselseitige Anstiftung 39 – Gesamtwille 69 Komplotttheorien 38, 73 Kontrollverlust – bei der Annahme eines Erbietens 151, 226 f. – bei der Verabredung 74, 78, 115, 193, 195 – bei der versuchten Anstiftung 116, 133, 220, 224 – beim unbeendeten Anstiftungsversuch 128 Legitimation der Strafbarkeit 174 Mittäterschaft, Konkretisierung omnimodo facturus
29, 36, 135, 92
49, 137, 222, 229
252
Stichwortverzeichnis
Partialunrecht 172 persönliche Verbundenheit bei der Verabredung 84, 207 Rechtsgutsgefährdung 167 Rechtsgutsverletzung 31, 162, 167 – Vorverlegung 172 Scheinerbieten 157, 227 Schutzwalldelikte 175 Sich-Bereit-Erklären 147, 228, 238 Strafandrohung 23, 30, 47, 164 Strafgrund – Auslegung 115, 156 – der Annahme einer Aufforderung 142, 238 – der Annahme eines Erbietens 151, 226, 228 – der Teilnahme 42 – der Verabredung 74, 81, 115, 171, 191, 196, 201 – der versuchten Anstiftung 116, 127, 136, 220, 224 – des Sich-Bereit-Erklärens 140 – des Sich-Erbietens 144, 229, 233 Strafmilderung 32, 115, 169 Strafwürdigkeit 34, 190, 205 – der Verabredung 177, 194, 201 – des erfolglosen Erbietens 231 – des Sich-Bereit-Erklärens 228 Suggestion 83, 194, 202, 221 Suggestionstheorie 233 Tatentschluss 44, 67 – bedingt 76 – bei der Verabredung 199, 203 – beim Sich-Erbieten 230 – Definition 41 – des Anstifters 117 – des Einzeltäters 211 – hervorrufen 49 – konspirativer 205, 214 Teilnahmetheorie 29, 37 Unrecht 41, 163, 167, 240 – bei der Mittäterschaft 93 – bei der Verabredung 94, 170, 216
– bei Vorbereitungshandlungen 218 – personengebunden 99 f. – Zurechnung 42 f. Unrechtsbegriff, dualistischer 165 Unrechtslehre, personale 165 Unrechtsvereinbarung 57 Verabredung 29 – alternative 80, 106 – bedingte 75 – Definition 73 – Konkretisierung 93, 101 – untaugliche 114 f. – unter Vorbehalt 85 – vorbereitende Mittäterschaft 87, 89 – Zugang 81 Verschwörung 39 Versuch – beendet 134 – der Erfolgsqualifikation 130 – der Varianten 155 – der Verabredung 88, 114 – erfolgsqualifiziert 129 – Handlungsunwert 165 – Mittäterschaft 88 – Unrechtsgehalt 47, 166 versuchte Anstiftung 116, 120, 126, 137, 220 Vollendung, Unrechtsgehalt 165 Vorbereitungshandlung 21 – echte 218 – eines Einzeltäters 211 f. – Gefährlichkeit 215 – Unrechtsgehalt 171 Vorbereitungstheorie 29 Vorfeldstrafbarkeit 31, 35, 92, 136, 182 Wahlfeststellung 95 Willensbindung 209 – Begründung 202 – bei der Annahme einer Aufforderung 142, 146, 235 – bei der Verabredung 78, 82, 115, 192, 201, 208 – beim Sich-bereit-Erklären 140, 142, 228 – beim Sich-Erbieten 144, 229, 231 Willensstrafrecht 32