Der Schutz Des Arbeitnehmers Vor Betriebsbedingter Kundigung: Die Wirksamkeit Des Geltenden Individualrechtlichen Kundigungschutzes Und Uberlegungen ... (Hamburger Rechtsstudien) (German Edition) 3428046730, 9783428046737


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German Pages 201 [157] Year 1980

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Der Schutz Des Arbeitnehmers Vor Betriebsbedingter Kundigung: Die Wirksamkeit Des Geltenden Individualrechtlichen Kundigungschutzes Und Uberlegungen ... (Hamburger Rechtsstudien) (German Edition)
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GEORG JARZEMBOWSKI

Fehlerhafte Organakte nach deutschem und amerikanischem Aktienrecht

Hamburger Rechtsstudien herausgegeben von Mitgliedern des Fachbereichs Rechtswissenschaft der Universität Hamburg Heft 71

Fehlerhafte Organakte nach deutschem und amerikanischem Aktienrecht unter besonderer Berücksichtigung des Instituts des de facto officer

Von

Dr. Georg Jarzembowski

DUNCKER &

HUMBLOT / BERLIN

Alle Rechte vorbehalten & Humblot, Berl!n 41 Gedruckt 1982 bei Berliner Buchdruckerei Union GmbH., Berlin 61 Printed in Germany

© 1982 Duncker

ISBN 3 428 04673 0

Meinen Eltern

Vorwort Diese Arbeit ist durch ein Promotionsstipendium der Konrad-.Adenauer-Stiftung gefördert worden. Die Materialsammlung ist ermöglicht worden durch die freundliche Unterstützung der Bibliotheken des Seminares für ausländisches und internationales Privat- und Prozeßrecht der Universität Hamburg, des Max-Planck-Institutes für ausländisches und internationales Privatrecht und der Law School der University of Pennsylvania in Philadelphia. Die Arbeit ist im Jahre 1978 dem Fachbereich Rechtswissenschaft I der Universität Harnburg als Dissertation vorgelegt worden. Für die stets wohlwollende Förderung möchte ich meinem verehrten Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Herbert Bernstein, herzlich danken. Hamburg, im August 1981

Georg J arzembowski

Inhaltsverzeichnis Einleitung: Aufgabenstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

13

Erstes Kapitel: Vergleichende Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

15

A. Überblick über die Strukturen der Aktiengesellschaft und der U.S.corporation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

15

I. Die Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

15

1. Die Stellung der Organe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

15 a) Der Vorstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 b) Der Aufsichtsrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 c) Die Hautpversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31

2. Die faktische Macht der Organe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 a) Der Vorstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 b) Der Aufsichtsrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 c) Die Hautpversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 li. Die U.S .- corporation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

•18

1. Die Stellung der Organe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

a) Der board of directors . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Das shareholders' meeting . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

50 51 59

2. Die faktische Macht der Organe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der board of directors . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Das shareholders' meeting . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

67 68 74

111. Ein Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

78

1. Derboar d of directors im Verhältnis zum Vorstand und zum

Aufsichtsr at sowie zur Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Zuständigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die faktische Macht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

78 78 80

10

Inhaltsverzeichnis 2. Das shareholders' meeting im Verhältnis zur Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 a) Die Zuständigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 b) Die faktische Macht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82

B. Fehlerhafte Organakte nach deutschem Aktienrecht . . . . . . . . . . . . . . . .

84

I. Die Organakte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

84

1. Die Beschlüsse und Wahlen der Hauptversammlung . . . . . . . . 2. Die Beschlüsse und Wahlen des Aufsichtsrates . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Beschlüsse des Vorstandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

85 85 85

II. Die Fehlerhaftigkeit der Organakte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

85

1. Die Fehler der Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Fehler des Aufsichtsrates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Fehler des Vorstandes ........ .. . ·. .............. . . . . . . . .

87 92 94

III. Die Geltendmachung der Fehlerhaftigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

95

1. Die fehlerhaften 2. Die fehlerhaften Das Institut des 3. Die fehlerhaften

Organakte der Hauptversammlung . . . . . . . . 96 Organakte des Aufsichtsrates ... .. .... .. . .. 101 faktischen Vorstandsmitgliedes . . . . . . . . . . . . 102 Organakte des Vorstandes ............ . .. . 105

IV. Die Grundsätze bei der Behandlung fehlerhafter Organakte . . . . 106 1. Die wesentlichen Grundsätze für die Behandlung der fehler-

haften und sonstigen Organakte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 2. Die Auswirkungen der Fehlerhaftigkeit von Organakten auf zwischenzeitliche Handlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 C. Fehlerhafte Organaide nach U.S.-corporation law ................. . . . 110 I. Die Organakte .......................... .. .............. . . .. . . 110 1. Die Beschlüsse und Wahlen des shareholders' meeting .. . ... 111

2. Die Beschlüsse des board of directors

111

II. Die Fehlerhaftigkeit der Organakte . . .... . . ... ..... . ..... .. . . . . 111 1. Die Fehler des shareholders' meeting . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112

2. Die Fehler des board of directors . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115

Inhaltsverzeichnis III. Die Geltendmachung der Fehlerhaftigkeit

11

116

1. Die fehlerhaften Organakte des shareholders' meeting . . . . . . 117

Das Institut des de facto officer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 2. Die fehlerhaften Organakte des board of directors . . . . . . . . . . 127 IV. Die Grundsätze bei der Behandlung fehlerhafter Organakte . . . . 128 1. Die wesentlichen Grundsätze für die Behandlung der fehler-

haften und sonstigen Organakte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129

2. Die Auswirkungen der Fehlerbartigkeit von Organakten auf zwischenzeitliche Handlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 Zwei,tes Kapitel: Vergleichende Analyse .............................. .. 132 I. Die Organakte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 II. Die Regelungen der fehlerhaften Organakte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 III. Die Fehlerhaftigkeit der Organakte ...... . . . ....... . ..... .. .. .. 133 IV. Die Geltendmachung der Fehlerbartigkeit ......... . ..... .. ..... 134 V. Die Einschränkungen der Geltendmachung ............... . .. .. 135 VI. Die Besonderheiten des faktischen Vorstandsmitgliedes und des de facto officer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 VII. Die faktischen Möglichkeiten der Geltendmachung der Fehlerhartigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 1. Die fehlerhaften Organakte des Vorstandes und des Aufsichts-

rates im Verhältnis zu denen des board of directors . ... . . .. 139

2. Die fehlerhaften Organakte der Ha uptversammlung im Verhältnis zu den en des shareholders' meeting .... ... . . . ... . .. 145

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153

Einleitung: Aufgabenstellung Diese Arbeit soll die fehlerhaften Organakte nach deutschem Aktienrecht und nach U.S.-corporation law rechtsvergleichend darstellen und analysieren. Einen Schwerpunkt soll hierbei die Untersuchung des Institutes des de facto officer bilden. Innerhalb der vergleichenden Darstellung soll zunächst zum besseren Verständnis der Organakte dem Leser ein Überblick über ·die Strukturen der Aktiengesellschaft und der U.S.-corporation vermittelt werden. In diesem Abschnitt sollen jeweils einerseits die rechtliche Stellung der Organe zueinander sowie andererseits die faktische Macht der Organe untereinander dargestellt werden. Sodann sollen der board of directors im Verhältnis zum Vorstand und zum Aufsichtsrat sowie zur Hauptversammlung und das shareholders' meeting im Verhältnis zur Hauptversammlung verglichen werden, und zwar sowohl in Hinblick auf ihre Zuständigkeiten als auch auf ihre faktische Macht. Die vergleichende Darstellung soll fortgesetzt werden mit der Darstellung der fehlerhaften Organakte nach deutschem Aktienrecht. In diesem Abschnitt sollen die Fehlerhaftigkeit der Organakte der verschiedenen Organe, die Geltendmachung der Fehlerhaftigkeit sowie die Einschränkungen bei der Geltendmachung im einzelnen behandelt werden. Hierbei soll auch das von der Rechtsprechung entwickelte Institut des faktischen Vorstandsmitgliedes beschrieben und erläutert werden. Zum Abschluß der vergleichenden Darstellung sollen entsprechend dem deutschrechtlichen Abschnitt die fehlerhaften Organakte nach U.S.-corporation law betrachtet werden. In diesem Abschnitt soll das ebenfalls von der Rechtsprechung entwickelte Institut ·des de facto officer eingehend untersucht werden. Dabei sollen der Ursprung, die Begründung und die einzelnen Voraussetzungen für den de facto officer sowie die Wirkungen der Anerkennung als de facto officer erläutert werden. In diesem Zusammenhang sind zwei Fragen zu untersuchen und zu erörtern, und zwar erstens welche Bedeutung das Argument, Handlungen eines de facto officer können nicht unter Berufung auf die fehlerhafte Stellung desselben inzidenter angegriffen werden (no collateral attack), bei der Geltendmachung der Fehlerhaftigkeit von Organakten besitzt und zweitens inwieweit ein de facto officer auch im Innenverhältnis der corporation anerkannt werden kann.

14

Einleitung

In der abschließenden vergleichenden Analyse dieser Arbeit sollen rechtsvergleichend einige Grundsätze über die Behandlung der fehlerhaften Organakte nach deutschem und amerikanischem Aktienrecht herausgearbeitet werden. Hierbei sollen insbesondere vergleichende Erkenntnisse über die Institute des faktischen Vorstandsmitgliedes und des de facto officer gewonnen werden. Ferner sollen vergleichende Grundsätze über die faktischen Möglichkeiten der Geltendmachung der Fehlerhaftigkeit von Organakten erstellt wer-den. Zum Abschluß der Aufgabenstellung und als Einleitung für die Behandlung der fehlerhaften Organakte sei Fleteher in Volume 2 § 428 auf Seite 286 zitiert: "A corporation is, after all, but a human concern, and, like natural persons, is often bound by conduct which has not followed the beaten path of technical formality."

Erstes Kapitel

Vergleichende Darstellung A. Tiherblick über die Strukturen der Aktiengesellschaft und der U. S.-corporation I. Die Aktiengesellschaft

Die Aktiengesellschaft soll im folgenden gemäß dem Aktiengesetz in der Fassung vom 14. Dezember 1976, also unter Berücksichtigung des Gesetzes über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer (MitbestG) vom 4. Mai 1976, betrachtet wevden. I. Die Stellung der Organe

Das Aktiengesetz schreibt als notwendige Organe der Aktiengesellschaft neben den Abschlußprüfern1 den Vorstand, den Aufsichtsrat und die Hauptversammlung vor2 • Die Zuständigkeiten dieser Organe sowie ihr Verhältnis untereinander we11den durch die Verfassung der Aktiengesellschaft ebenfalls gesetzlich geregelt3 • Andere Gremien als diese gesetzlichen Organe, wie etwa ein Beirat, können durch Satzungsbestimmungen geschaffen werden'. Derartigen Einrichtungen dürfen allerdings nur beratende Funktionen zugebilligt werden, da die Entscheidungsbefugnisse innerhalb der Aktiengesellschaft durch das Aktiengesetz allein den genannten gesetzlichen Organen zugewiesen sind5 • Im folgenden sollen nun die Aufgaben der 1 Zur Organstellung mit dem Hinweis auf eine dem Aufsichtsrat gleichende Tätigkeit siehe Baumbach/Rueck § 163 Anm. 4, vgl. auch Godwin/Wilhelmi § 76 Anm. 2. Auf die Stellung der Abschlußprüfer sowie auf deren Rechte und Pflichten soll im weiteren nicht näher eingegangen werden. Alle Paragraphen ohne Gesetzesangabe sind solche des Aktiengesetzes. 2 Siehe das Aktiengesetz, Erstes Buch, Vierter Teil, §§ 76- 147. 3 Siehe Haberlandt in Möhring/Schwartz S. 88. 4 Siehe als Argument für die Zulässigkeit den § 160 Abs. 3 Ziffer 8: "die Gesamtbezüge (...) der Mitglieder des Vorstands, des Aufsichtsrates und eines Beirates oder einer ähnlichen Einrichtung ..."; vgl. auch Godin/Wilhelmi § 76 Anm. 2 und § 95 Anm. 2, Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 95 Anm. 7; zum Beirat siehe auch Huppert S. 47 f. 6 Siehe Rowedder in Möhring/Schwartz S. 159, vgl. auch Godin/Wilhelmi § 76 Anm. 2.

16

1. Kapitel: Vergleichende Darstellung

drei Organe Vorstand, Aufsichtsrat und Hauptversammlung im einzelnen näher untersucht werden. a) Der Vorstand

Der Vorstand einer Aktiengesellschaft hat gemäߧ 76 Abs. 1 ·die Aufgabe, die Gesellschaft eigenverantwortlich zu leiten. Diese Leitungsfunktion wird als mehr als nur die begriffliche Zusammenfassung der Aufgabe der nach innen gerichteten Geschäftsführung gemäß § 77 Abs. 1 und der Aufgabe der nach außen gerichteten Vertretung gemäß § 78 Abs.1 zu verstehen sein6• Abgesehen von einzelnen Beschränkungen zugunsten des Aufsichtsrates und der Hauptversammlung ist der Vorstand über die Geschäftsführung hinaus etwa für die langfristige Planung der Produktion und der Finanzierung, also für die langfristige Geschäftspolitik verantwortlich. Der Leitungsauftrag weist somit dem Vorstand die Unternehmerfunktion für die Aktiengesellschaft zu7 • Diese Aufgabe hat der Vorstand in eigener Verantwortung zu erfüllen. Der Vorstand ist also keinem anderen Organ unterstellt 8 • Hiermit ist insbesondere festgestellt, daß der Vorstand seine Befugnisse und Obliegenheiten nicht etwa aus einer "Bevollmächtigung" seitens des Aufsichtsrates und/oder der Haupversammlung ableitet9 • Der Vorstand ist vielmehr selbständiger Verwaltungsträger und somit Organ der Aktiengesellschaft. Wenn das neue Aktien,gesetz von 1965 für die Leitung der Gesellschaft durch den Vorstand keine Gemeinwohlklausel, wie dies in § 70 Abs. 1 AktG 1937 noch enthalten war10 , expressis verbis aufstellt, so ist doch auch heute davon auszugehen, daß der Vorstand die Belange der Allgemeinheit, des Unternehmens, der Aktionäre und der Arbeitnehmer in angemessener Weise zu berücksichtigen hat11• Inwieweit hierbei eine Gleichwertigkeit sämtlicher Interessen gefordert werden kann12 oder inwieweit die Belange der Allgemeinheit generell als 6 Vgl. Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 76 Anm. 2 (mit den dortigen Hinweisen weiterer wesentlicher Aufgaben). 7 Vgl. Godin/Wilhelmi § 76 Anm. 2. 8 Vgl. Haberlandtin Möhring/Schwartz S. 65. 9 Vgl. Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 76 Anm.l. 10 Vgl. § 70 Abs. 1 AktG 1937: "Der Vorstand hat unter eigener Verantwortung die Gesellschaft so zu leiten, wie das Wohl des Betriebs und seiner Gefolgschaft und der gemeine Nutzen von Volk und Reich es fordern." 11 Siehe hierzu Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 76 Anm. 9 - 12, Godin/Wilhelmi § 76 Anm. 5 - 7 sowie Leo "Die Rechtsstellung des Vorstandes der Aktiengesellschaft nach dem Regierungsentwurf eines neuen Aktiengesetzes" Die Aktiengesellschaft 1960, 261 ff. 1 2 Vgl. Godin/Wilhelmi § 76 Anm. 6.

A. Überblick über die Strukturen der Aktiengesellschaft

17

höherwertig als die Einzelinteressen angesehen werden müssen13, zeigt eine Problematik auf, die nur im konkreten Einzelfall aufgedeckt und gelöst werden kann. Die Zahl der Mitglieder des Vorstandes einer Aktiengesellschaft ist in Abs. 2 des § 76, die persönlichen Voraussetzungen der Mitglieder in Abs. 3 des § 76 geregeW'. Für die Mitgliederzahl ergibt sich hiernach, daß der Vorstand generell aus einer oder aus mehreren Personen bestehen kann, daß aber in ·Hinblick auf die Arbeitslast und die große Verantwortung der Vorstand bei einer Gesellschaft mit einem Grundkapital von mehr als ·drei Millionen Deutsche Mark aus mindestens zwei Personen bestehen muß, falls die Satzung der Gesellschaft nichts anderes bestimmt1". Da in jedem Fall die Bestellung eines Arbeitsdirektors bei Mitbestimmungsgesellschaften von dieser Regelung gemäß § 76 Abs. 2 Satz 3 unberührt bleibt, wäre bei einer Satzungsbestimmung eines Einmannvorstandes auch bei einer derartigen Aktiengesellschaft allein die Bestellung eines Arbeitsdirektors als Vorstand zu1ässig16, aber angesichts seiner Funktion als Arbeitnehmer-Interessenvertreter wenig sinnvoll. Die Leitungsfunktion der Aktiengesellschaft nimmt der Vorstand im Innenverhältnis der Gesellschaft vor allem durch die Geschäftsführung wahr. In der Geschäftsführung ist der Vorstand allerdings gemäß § 82 Abs. 2 Beschränkungen unterworfen, die ihm im Rahmen des Aktiengesetzes durch Satzung, Aufsichtsrat, Hauptversammlung und die Geschäftsordnungen auferlegt werden17• Die wichtigste Beschränkung des Vorstandes in der Geschäftsführung, deren Maßnahmen kraft der zwingenden Vorschrift des § 76 Abs. 1 allein von ihm ausgeführt werden18, ergibt sich aus § 111 Abs. 4 Satz 2, wonach die Satzung der Gesellschaft oder der Aufsichtsrat bestimmen kann, daß für die Vornahme bestimmter Arten von Geschäften der Vorstand der Zustimmung des Aufsichtsrates bedarf. Diese Regelung Vgl. Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 76 Anm. 9. Zum letzteren siehe etwa Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 76 Anm.15- 17. 15 Vgl. hierzu Haberlandt in Möhring/Schwartz S. 84 f., Godin/Wilhelmi § 76 Anm. 10. Hierbei genügt die Bestellung eines stellvertr. Vorstandsmitgliedes als zweiter Person, siehe Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 76 Anm.l3. 16 Vgl. Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 76 Anm.l4, a. A. Baumbach/ Hueck § 76 Anm.10, Godin/Wilhelmi § 76 Anm.11. 17 Vgl. hierzu Godin/Wilhelmi § 82 Anm. 7- 10, Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 82 Anm. 12 - 18, ferner Haberlandt in Möhring/Schwartz S. 96. 18 Siehe Godin/Wilhelmi § 111 Anm. 5 sowie den Gesetzeswortlaut des§ 111 Abs. 4 Satz 1: "Maßnahmen der Geschäftsführung können dem Aufsichtsrat nicht übertragen werden." 13

14

2 Jarzembowskl

1. Kapitel: Vergleichende Darstellung

18

ist im Zusammenhang mit der Überwachungsfunktion des Aufsichtsrates in der Gesellschaft zu sehen19, wenn sie auch darüber hinaus für Geschäfte, die durch ihren Gegenstand, ihren Umfang oder ihr Risiko von besonderer Bedeutung für die Gesellschaft sind20 , dem Aufsichtsrat ein gewisses Teilnahmerecht an der Geschäftsführung einräumt. Der Kreis der zustimmungsbedürftigen Geschäfte darf allerdings nicht so weit ausgedehnt werden, daß fast alle Handlungen und Beschlüsse des Vorstandes der Zustimmung durch den Au~sichtsrat bedürfen21 • Denn dies würde gegen die gesetzlich normierte Funktion des Vorstandes als eigenverantwortliches geschäftsführendes Organ der Aktiengesellschaft verstoßen. Die Arten von Geschäften, für die die Satzung oder der Aufsichtsrat die Zustimmung des letzteren zur Geschäftsführung des Vorstandes bestimmen können, können daher beispielsweise Veräußerungen von Grundstücken, die Errichtung oder Aufhebung von Zweigniederlassungen oder Produktionsstätten sowie Investitionen oder Kreditaufnahme von besonderem Ausmaße sein22 • Verweigert der Aufsichtsrat bei einem derartigen Geschäft seine Zustimmung, wobei diese Entscheidung als eine reine Ermessensfrage zu beurteilen ist23, so kann der Vorstand gemäß § 111 Abs. 4 Satz 3 i. V. m. § 121 Abs. 1 eine Hauptversammlung einberufen, deren mit drei Viertel der abgegebenen Stimmen erfolgten Zustimmung die verweigerte Zustimmung des Aufsichtsrates überwinden würde. Diese Regelung gilt auch für Aktiengesellschaften, auf die die Mitbestimmungsgesetze Anwendung finden24 • Somit ist es dem Vorstand juristisch möglich, gegen eine Entscheidung des mitbestimmten Aufsichtsrates die letztgültige Entscheidung der nichtmitbestimmten Hauptversammlung anzurufen, wobei allerdings das Erfordernis der qualifizierten Mehrheit in der Hauptversammlung als Ausgleich zu berücksichtigen ist. Die Geschäftsführung einer Aktiengesellschaft steht bei einem mehrgliedrigen Vorstand gemäߧ 77 Abs.1 sämtlichen Vorstandsmitgliedern nur gemeinschaftlich zu, sofern die Satzung der Gesellschaft oder die Geschäftsordnung des Vorstandes nichts anderes bestimmt2 s. Diese Vgl. Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 111 Anm. 14. Vgl. Baumbach/Rueck § 111 Anm.11, Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 111 Anm. 15. 21 Vgl. Haberlandt in Möhring/Schwartz S. 97. Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 111 Anm.15. 22 Vgl. Haberlandtin Möhring/Schwartz S. 97. 23 Vgl. Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 111 Anm. 14. 24 Vgl. Godin/Wilhelmi § 111 Anm. 1 und 5, ferner Meyer-Landrut in Großkomm. AktG Einleitung zu § 111; zum parlamentarischen Streit hierüber siehe Kropff Aktiengesetz, Textausgabe mit Begründung des Regierungsentwurfs, Bericht des Rechtsausschusses, etc. Düsseldorf 1965 S. 155 f. 19

20

A. Überblick über die Strukturen der Aktiengesellschaft

19

grundsätzliche Gesamtgeschäftsführungsbefugnis bedeutet andererseits, daß jedes Vorstandsmitglied ein Vetorecht gegen Vorstandsbeschlußvorlagen besitzt28 • Ferner existieren - unabhängig von den Möglichkeiten der Abweichung vom Prinzip der Gesamtgeschäftsführung sogenannte "Mindestzuständigkeiten" 27 des Gesamtvorstandes, die ihm weder durch Satzung noch durch Beschlüsse des Aufsichtsrates entzogen werden können. Zu diesen unabänderlichen Zuständigkeiten des Gesamtvorstandes gehören u. a. die Buchführung gemäß § 91 und die Aufstellung des Jahresabschlusses unddes Geschäftsberichtes gemäߧ 14828 • Von diesem Grundsatz der Gesamtgeschäftsführung kann durch Satzung oder Geschäftsordnung im wesentlichen in zweierleiweise abgewichen werden: 1. durch -die Einführung von Mehrheitsentscheiden im Vorstand und 2. durch die Geschäftsverteilung unter den Mitgliedern des Vorstandes29 • Bei der Einführung des Mehrheitsentscheides mit einer einfachen oder in bestimmten Fällen mit einer qualifizierten Stimmenmehrheit ist zu berücksichtigen, daß bei Meinungsverschiedenheiten im Vorstand ein Alleinentscheidungsrecht des Vorstandsvorsitzenden, der, sofern die Satzung hierzu nichts aussagt, vom Aufsichtsrat gemäß § 84 Abs. 2 ernannt werden kann30, gemäß § 77 Abs. 1 Satz 2 nicht mehr zulässig ist31• Allerdings kann die Satzung ·der Gesellschaft oder die Geschäftsordnung des Vorstandes vorsehen, daß bei Stimmengleichheit im Vorstand die Stimme des Vorstandsvorsitzenden den Ausschlag gibt (Stichentscheid) 32• Ferner kann in gleicher Weise festgelegt werden, daß im Rahmen einer Geschäftsverteilung jeweils ein oder mehrere Mitglieder des Vorstandes für ein bestimmtes Gebiet die alleinige Geschäftsführungsbefugnis besitzen sollen (etwa die kaufmännische oder die technische Leitung, der Arbeitsdirektor, die Leitung einer Zweigniederlassung) 33• Damit werden die übrigen Vorstandsmitglieder von der selbständigen Geschäftsführung in diesem Bereich ausgeschlossen und haften grund25 Für ein Muster einer Geschäftsordnung siehe Möhring/Schwartz/Rowedder/Haberlandt S. 325, vgl. ferner für weitere Hinweise Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 77 Anm. 6. 2 6 Vgl. Godin/Wilhelmi § 77 Anm. 2. 27 Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 77 Anm. 2. 28 Siehe weitere Hinweise bei Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 77 Anm.2. 29 Siehe für einen knappen Überblick Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 77 Anm.3. 30 Vgl. Haberlandt in Möhring/Schwartz S. 88, Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 77 Anm. 4. 31 Siehe hierzu Baumbach/Rueck § 77 Anm. 5, Godin/Wilhelmi § 77 Anm. 1. 32 Vgl. Haberlandtin Möhring/Schwartz S. 88, Godin/Wilhelmi § 77 Anm. 4. 33 Vgl. Baumbach/Rueck § 77 Anm. 2.

1. Kapitel: Vergleichende Darstellung

20

sätzlich nicht für die dort getroffenen Handlungen34. Jedoch können sie sich nicht der Mitverantwortung für die ihnen entzogenen Gebiete entledigen. Die übrigen Vorstandsmitglieder haften also in jedem Fall für ein Auswahlverschulden und für ein Verschulden bei der gegenseitigen Überwachung, aus letzterer Pflicht ergibt sich ein Widerspruchsrecht auch gegen Handlungen in dem Bereich eines anderen Vorstandsmitgliedes35. Neben der Geschäftsführung ist die wichtigste Aufgabe des Vorstandes die Vertretung der Aktiengesellschaft. Von einigen Ausnahmen abgesehen36 , ist allein der Vorstand gemäß § 78 Abs. 1 berechtigt, die Gesellschaft gerichtlich und außergerichtlich zu vertreten. Diese Organstellung des Vorstandes als gesetzlicher Vertreter der Aktiengesellschaft37 ist gemäß § 82 Abs. 1 - von den gesetzlichen Beschränkungen abgesehen - im Gegensatz zur Geschäftsführung weder beschränkt noch beschränkbar38• Der Vorstand ist also einerseits für die außergerichtliche Vertretung der Gesellschaft etwa für den Behördenverkehr sowie für den gesamten privaten Geschäftsverkehr zuständig39• In gerichtlichen Angelegenheiten ist .der Vorstand andererseits der gesetzliche Vertreter der Aktiengesellschaft i. S. d. §51 ZP0 40. Die Vorstandsmitglieder werden nicht als Zeugen, sondern als Partei in Gerichtsstreitigkeiten der Gesellschaft vernommen41 , Zur Vertretung der Aktiengesellschaft sind, sofern die Satzung keine andere Regelung vorsieht, gemäß § 78 Abs. 2 nur alle Vorstandsmitglieder gemeinschaftlich befugt. Dieser Grundsatz der Gesamtvertretung gilt allerdings gemäß § 78 Abs. 2 Satz 2 sowie Abs. 3 Satz 3 nicht für die Entgegennahme von Willenserklärungen, für die sogenannte Vgl. Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 77 Anm. 3 und 9. Vgl. Haberlandt in Möhring/Schwartz S. 77, Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 77 Anm. 3. 36 Vgl. insbesondere für den Aufsichtsrat§ 112 (Vertretung gegenüber den Vorstandsmitgliedern), § 246 Abs. 2 sowie § 249 Abs. 1 (gemeinsame Vertretung durch den Vorstand und den Aufsichtsrat bei Anfechtungs-, bzw. Nichtigkeitsklagen) und für die Hauptversammlung § 113 (Vergütung der Aufsichtsratsmitglieder) sowie § 147 Abs. 3 (Geltendmachung von Ersatzansprüchen gegen Gründer, Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder), siehe für weitere Hinweise Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 82 Anm. 2. 37 Vgl. § 26 BGB. 38 Vgl. im einzelnen Haberlandt in Möhring/Schwartz S. 95, Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 77 Anm. 1 sowie Godin/Wilhelmi § 82 Anm. 3 - 6, Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 82 Anm. 1-11. 39 Vgl. Godin/Wilhelmi § 78 Anm. 3, Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 78 Anm. 2. 40 Für die Ausnahmen vgl. Fußnote 36. 4t Vgl. Baumbach/Hueck § 78 Anm. 3, Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 78 Anm. 2. 34

35

A. Überblick über die Strukturen der Aktiengesellschaft

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passive Stellvertretung42 • Willenserklärungen gegenüber der Gesellschaft können also gegenüber einem einzelnen ordentlichen oder stellvertretenden Vorstandsmitglied oder gegenüber einem einzelnen gesamtvertretungsberechtigten Prokuristen abgegeben werden. Die Gesamtvertretung der Aktiengesellschaft durch alle Vorstandsmitglieder ist, obgleich sie nach dem Aktiengesetz die Regel ist, in der Praxis wohl eher die Ausnahme43 • Ein Abweichen von der gesetzlichen Gesamtvertretung ist gemäß § 78 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 durch die Satzung der Gesellschaft oder gemäß § 78 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. Abs. 3 Satz 1 und 2 durch Beschluß des Aufsichtsrates oder i. V. m. § 107 Abs. 3 durch Beschluß eines Ausschusses ·des Aufsichtrates44 in folgender Weise möglich: 1. die Einzelvertretung .durch einzelne oder alle Vorstandsmitglieder, 2. die Gesamtvertretung durch mehrere Vorstandsmitglieder gemeinsam oder 3. die Gesamtvertretung durch einzelne Vorstandsmitglieder gemeinsam mit einem Prokuristen45 • Bei der Gesamtvertretung durch einzelne Vorstandsmitglieder mit einem Prokuristen (sogenannte unechte Gesamtvertretung46) ist zu beachten, daß der Prokurist hierbei nicht als Vertreter eines Vorstandsmitgliedes, sondern in eigener Verantwortung als Vertreter der Gesellschaft im Rahmen der gesetzlichen Vertretungsmacht des Vorstandes handeit4 7 • Allerdings ist auch in einem solchen Fall nicht der Prokurist, sondern allein das Vorstandsmitglied gesetzlicher Vertreter der Aktiengesellschaft48 • Außerdem kann die Vertretungsbefugnis gemäß § 78 Abs. 4 für bestimmte Geschäfte oder bestimmte Arten von Geschäften durch Ermächtigung seitens gesamtvertretungsbefugter Vorstandsmitglieder, auch in Gemeinschaft mit einem gesamtvertretungsbefugten Prokuristen, an einzelne Vorstandsmitglieder zur alleinigen Ausübung übertragen werden. Bei einer derartigen Ermächtigung handelt es sich nicht um eine Vollmachtserteilung, sondern um eine Erweiterung der Befugnis, die gesetzliche Vertretungsmacht des Vorstandes auszuüben49 • u Vgl. Godin/Wilhelmi § 78 Anm. 6, Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 78 Anm. 15. 43 Vgl. Godin/Wilhelmi § 78 Anm. 2. 44 Vgl. im einzelnen hierzu Haberlandtin Möhring/Schwartz S. 93 ff. 45 Vgl. Baumbach/Rueck § 78 Anm. 9-12, Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 78 Anm. 5 - 9. 46 Vgl. Godin/Wilhelmi § 78 Anm. 7, der dort angesichts des moralischen Übergewichts des Vorstandsmitgliedes über den Prokuristen von einer abgeschwächten Einzelvertretung spricht. 47 Vgl. Haberlandtin Möhring/Schwartz S. 94, Godin/Wilhelmi § 78 Anm. 7. 48 Vgl. Godin/Wilhelmi § 78 Anm. 7, Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 78 Anm.9. 49 Vgl. Godin/Wilhelmi § 78 Anm. 9, Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 78 Anm. 17, die beide zu Recht aus der Organstellung der Vorstandsmit-

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1. Kapitel: Vergleichende Darstellung

Daher wird andererseits eine Ermächtigung eines gesamtvertretungsbefugten Prokuristen zur alleinigen Vornahme von bestimmten Geschäften als echte rechtsgeschäftliche Bevollmächtigung anzusehen sein, da auch ein solcher Prokurist nicht gesetzlicher Vertreter .der Aktiengesellschaft sein kann50• Schließlich sind noch zwei Aufgabenbereiche der Geschäftsführung des Vorstandes hervorzuheben, die das Aktiengesetz ausdrücklich als Pflichten des Vorstandes im einzelnen vorschreibt51 : 1. die Pflicht zur Vorbereitung und Ausführung von Hauptversammlungsbeschlüssen gemäß § 83 sowie 2 . .die Bel'ichtspflicht an den Aufsichtsrat gemäß § 90. Diese beiden Vorschriften regeln den Geschäftsverkehr zwischen dem Vorstand und den weiteren Organen Aufsichtsrat und Hauptversammlung, wenn sich auch das Verhältnis dieser drei Organe zueinander zwingend aus dem Aktiengesetz ergibt52• Gemäß § 83 Abs.l ist der Vorstand auf Verlangen der Hauptversammlung verpflichtet, in .die Zuständigkeit der Hauptversammlung fallende Maßnahmen und der Zustimmung der Hauptversammlung bedürftige Verträge vorzubereiten53• Wenn der Absatz 2 des § 83 ausdrücklich festlegt, daß der Vorstand rechtmäßige Beschlüsse der Hauptversammlung auszuführen hat, so ist dies eine Selbstverständlichkeit, die sich bereits aus den gesetzlich normierten Beziehungen der Organe der Aktiengesellschaft herleiten läßt54• Die Berichtspflicht des Vorstandes an den Aufsichtsrat gemäß § 90 Abs. 1 und 2 sowie das Recht des Aufsichtsrates, zusätzliche Berichte vom Vorstand gemäߧ 90 Abs. 3 verlangen zu können, die weder durch die Satzung eingeschränkt noch ausgeschlossen werden können55, sollen dem Aufsichtsrat rechtzeitig umfassende Informationen verschaffen, damit dieser seine Aufgabe als Überwachungsorgan erfüllen kann66 • Unabhängig von den detaillierten Regelungen des§ 90 über .die Spezifizierungen und Terminierungen der Berichte ergibt sich die grundsätzliche Verpflichtung des Vorstandes zur Unterrichtung und Auskunftsglieder heraus eine rechtsgeschäftliche Bevollmächtigung eines Vorstandsmitgliedes durch organschaftliehen Akt einzelner Vorstandsmitglieder begrifflich ausschließen. so Vgl. Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 78 Anm.16. 51 Vgl. Godin/Wilhelmi § 83 Anm. 1. 52 Vgl. Haberlandtin Möhring/Schwartz S. 98. 53 Vgl. hierzu Baumbach/Hueck § 83 Anm. 2 - 5, Godin/Wilhelmi § 83 Anm. 1 - 4, Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 83 Anm. 1 - 4. 54 Vgl. Godin/Wilhelmi § 83 Anm. 5, Meyer-Landrut in Großkomm. AktG Einleitung zu§ 83. 55 Vgl. Haberlandtin Möhring/Schwartz S. 98. 66 Vgl. Haberlandtin Möhring/Schwartz S. 98, Godin/Wilhelmi § 90 Anm. 1, siehe ferner Meyer-Landrut in Großkomm. AktG Einleitung zu § 90.

A. Überblick über die Strukturen der Aktiengesellschaft

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erteilung an den Aufsichtsrat ebenso aus der gesetzlichen Zuordnung dieser Organe zueinander. Die Vorschriften der §§ 83 und 90 regeln also ausdrücklich Besonderheiten der Geschäftsführung des Vorstandes, die dafür sorgen sollen, daß die weiteren Organe der Aktiengesellschaft Aufsichtsrat und Hauptversammlung die ihnen gesetzlich zugewiesenen Aufgaben im Verhältnis aller drei Organe untereinander erfüllen können. b) Der Aufsichtsrat

Dem Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft obliegt es als Hauptaufgabe, gemäß § 111 Abs.1 die Geschäftsführung zu überwachen57• Maßnahmen der Geschäftsführung dürfen ihm gemäß § 111 Abs. 4 Satz 1 grundsätzlich nicht übertragen wel.'den. Daher ist die Funktion des Aufsichtsrates am besten als die eines "Kontrollorgans" 58 zu bezeichnen59• Daneben hat der Aufsichtsrat u. a. die Aufgaben der Bestellung und Abberufung des Vorstandes sowie der Abschlüsse der Anstellungsverträge der einzelnen Vorstandsmitglieder60 , die als geschäftsführende Maßnahmen im weiteren Sinne bezeichnet werden könnten61 • Schließlich vertritt der Aufsichtsrat die Gesellschaft in Einzelfällen nach außen, so bei der Vertretung gegenüber den Vorstandsmitgliedern gemäß § 112 und gemeinsam mit dem Vorstand bei Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen gemäß den §§ 246 Abs. 2, 249 Abs. 1, 251 Abs. 3, 254 Abs. 2, 255 Abs. 3 und 257 Abs. 2. Gemäß § 95 Satz 1 und 4 besteht der Aufsichtsrat aus mindestens drei Mitgliedern und höchstens aus neun Mitgliedern bei Gesellschaften bis zu drei Millionen DM Grundkapital, höchstens aus 15 Mitgliedern bei Gesellschaften von mehr als drei Millionen DM Grundkapital und höchstens aus 21 Mitgliedern bei Gesellschaften von mehr als 20 Millionen DM Grundkapital. Wegen der grundsätzlichen Drittelbeteiligung der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat gemäß § 76 Abs.1 BetrVG 195262 muß die Zahl der Aufsichtsratsmitglieder gemäß § 95 Satz 2 durch drei teilbar sein63 • Gemäß § 95 Satz 5 bleiben die abweichenden 57 Für eine Aufzählung weiterer wesentlicher Aufgaben siehe den § 107 Abs. 3 Satz 2, der die dem Gesamtaufsichtsrat vorbehaltenen entscheidenden Befugnisse des Aufsichtsrates nennt. 58 Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 95 Anm. 1. 59 Vgl. Rowedder in Möhring/Schwartz S. 105, Godin/Wilhelmi § 111 Anm. 2, Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 111 Anm.1- 3. ao Vgl. die§§ 84, 86- 89. 81 Vgl. Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 95 Anm.l. 62 Die §§ 76- 77 a, 81, 85 und 87 des BetrVG vom 11. 10. 1952 gelten auch weiterhin nach der Einführung des neuen BetrVG vom 15. 1. 1972 gemäß § 129 Abs. 1 BetrVG 1972. 63 Vgl. Baumbach/Hueck § 95 Anm. 3, Godin/Wilhelmi § 95 Anm. 3.

1. Kapitel: Vergleichende Darstellung

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Vorschriften über die Zahl der Aufsichtsratsmitglieder nach dem Mitbestimmungsgesetz64, nach dem Montan-Mitbestimmungsgesetz65 und nach dem Mitbestimmungsergänzungsgesetz66 unberührt67. Ersatzmitglieder für ·den Aufsichtsrat werden bei der Höchstzahl nicht mitgerechnet, da sie erst als Mitglied des Aufsichtsrates tätig werden dürfen, wenn das entsprechende bisherige Mitglied vor Ablauf seiner Amtszeit wegfällt68. Stellvertretende Aufsichtsratsmitglieder dürfen gemäß § 101 Abs. 3 Satz 1 nicht bestellt werden. Die Zusammensetzung des Aufsichtsrates ist durch die Vorschrift des § 96 Abs. 1 geregelt, die fünf Grundtypen vorsieht69 • 1. Der Aufsichtsrat bei Gesellschaften, die in der Regel mehr als 2 000 Arbeitnehmer beschäftigen, auf die nicht die Mitbestimmungsregelungen nach dem Montao-Mitbestimmungsgesetz oder nach dem Mitbestimmun§sergänzungsgesetz anzuwenden sind, die nicht "Tendenzunternehmen" sind und die somit der Mitbestimmung des Mitbestimmungsgesetzes gemäß § 1 MitbestG unterliegen, besteht gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 Ziffer 1 bis 3 MitbestG bei dem 12 Mitglieder großen Aufsichtsrat aus 6 Aktionärsvertretern und 6 Arbeitnehmervertretern, bei dem 16 Mitglieder großen Aufsichtsrat aus 8 Aktionärsvertretern und 8 Arbeitnehmervertretern und bei dem 20 Mitglieder großen Aufsichtsrat aus 10 Aktionärsvertretern und 10 Arbeitnehmervertretern. Während die Aktionärsvertreter von der Hauptversammlung .gemäß § 119 Abs. 1 Ziffer 1 gewählt werden, werden die Arbeitnehmervertreter nach einem gesonderten Verfahren gemäß den §§ 9 ff. MitbestG bestimmt. Hierzu ist grundsätzlich festzustellen, daß gemäß § 9 MitbestG die Arbeitnehmervertreter unmittelbar oder durch Wahlmänner gewählt werden, daß gemäß § 7 Abs. 2 MitbestG zwei, bzw. drei Arbeitnehmervertreter Vertreter von Gewerkschaften sein müssen und daß gemäß den §§ 15 und 18 MitbestG die Arbeitnehmervertreter aus dem Unternehmen entsprechend dem Verhältnis der Arbeiter, der Angestellten und der leitenden Angestellten im Unternehmen, und zwar zumindest jeweils mit einem Vertreter jeder Gruppe gewählt werden müssen. 12, 16 oder 20 Mitglieder gemäß § 7 Abs. 1 MitbestG. 11, 15 oder 21 Mitglieder gemäß den§§ 4, 9 Abs. 1 und 9 Abs. 2 MontanMitbestG. 66 15 oder 21 Mitglieder gemäß den §§ 5 Abs. 1 und 12 MitbestErgG. 67 Vgl. hierzu Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 95 Anm. 5. 88 Siehe hierzu § 101 Abs. 3 Sätze 2 - 4, vgl. ferner Godin/Wilhelmi § 95 Anm. 4, Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 95 Anm. 2. 69 Zur Vertretung des Faktors Arbeit in den anderen EG-Staaten und in den EG-Vorschlägen siehe Pieter Sanders Die Entscheidungsstruktur des Unternehmens ZGR 1978 S. 405 ff. mit den dortigen Verweisungen. 64

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2. Der Aufsichtsrat bei Gesellschaften, die als Unternehmen ·des Bergbaus öder der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie mit in der Regel mehr als 1 000 Arbeitnehmern oder als "Einheitsgesellschaften" 70 der paritätischen Mitbestimmung des Montan-Mitbestimmungsgesetzes .gemäß § 1 Montan-MitbestG unterliegen, setzt sich bei dem 11 Mitglieder großen Aufsichtsrat gemäß § 4 Abs. 1 Montan-MitbestG ,aus 4 Aktionärsvertretern, 4 Arbeitnehmervertretern und 3 "weiteren" Mitgliedern zusammen71 • Ein "weiteres" Mitglied wird von den Aktionären, ein anderes "weiteres" Mitglied von den Arbeitnehmern vorgeschlagen, während der sogenannte "elfte Mann" der Zustimmung einer qualifizierten Mehrheit der Aktionärs- und der Arbeitnehmervertreter bedarf, um ebenfalls von der Hauptversammlung gemäß § 119 Abs. 1 Ziffer 1 gewählt zu werden72• 3. Der Aufsichtsrat bei Gesellschaften, die ohne selbst Unternehmen des Bergbaus oder der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie zu sein, solche jedoch im Sinne des § 1 Abs. 2 MitbestErgG beherrschen73 und somit der Mitbestimmung des Mitbestimmungsergänzungsgesetzes (sogenannte Holding-Novelle) gemäߧ 1 MitbestEr.gG unterliegen, besteht bei dem 15 Mitglieder großen Aufsichtsrat gemäß § 5 Abs. 1 MitbestErgG aus 7 Aktionärsvertretern, 7 Arbeitnehmervertretern und einem "weiteren" Mitglied74 • Während die Aktionärsvertreter auch in diesem Fall von der Hauptversammlung gemäß § 119 Abs. 1 Ziffer 1 gewählt werden, werden die Arbeitnehmervertreter in einem völlig gesonderten Verfahren besHmmt, und zwar vier durch die Arbeitnehmer der Betriebe des Konzernes und drei durch die Spitzenorganisationen der im 70 Im Sinne des Gesetzes Nr. 27 der Alliierten Hohen Kommission vom 16. 5. 1950 (Amtsblatt S. 299). 71 Für den 15- oder 21köpfigen Aufsichtsrat gilt dies Verhältnis gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2 und gemäß § 9 Abs. 2 Satz 2 Montan-MitbestG entsprechend. Der Zusammensetzung des Aufsichtsrates nach dem Montan-Mitbestimmungsgesetz unterlagen 1969 gemäß dem Bericht der Sachverständigenkommission zur Auswertung der bisherigen Erfahrungen bei der Mitbestimmung (Mitbestimmungskommission) über .,Mitbestimmung im Unternehmen" (Bundestagsdrucksache VI/334, S. 11) 56 Unternehmen (Bergbau 32, Eisen- und Stahlerzeugung 19, atypische Obergesellschaften 5). 72 Siehe für das komplizierte Vorschlags- und Wahlverfahren insb. die §§ 4- 6 sowie § 8 Montan-MitbestG sowie die entsprechenden Kommentare, vgl. ferner Rowedder in Möhring/Schwartz S. 108, Baumbach/Hueck Schlußanhang II, Godin/Wilhelmi § 96 Anm. 5, Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 96 Anm. 5. 73 Für die weiteren Voraussetzungen siehe insb. die §§ 2 und 3 MitbestErgG. 74 Für den 21köpfigen Aufsichtsrat gilt das Verhältnis gemäß § 12 Satz 2 MitbestErgG entsprechend. Der Zusammensetzung des Aufsichtsrates nach dem Mitbestimmungsergänzungsgesetz unterlagen 1969 gemäß dem Bericht der Mitbestimmungskommission (siehe Fußnote 71) 3 Unternehmen (typische Obergesellschaften).

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1. Kapitel: Vergleichende Darstellung

Konzernunternehmen vertretenen Gewerkschaften75 • Für die Wahl des "weiteren" Mitgliedes gelten die Vorschriften über den "elften Mann" gemäߧ 5 Abs. 3 MitbestErgG entsprechend. 4. Der Aufsichtsrat bei Gesellschaften, die weder den Mitbestimmungsgesetzen unterliegen noch Familiengesellschaften mit weniger als 500 Arbeitnehmern sind (siehe § 76 Abs. 6 BetrVG 1952), setzt sich gemäß § 76 Abs.1 BetrVG 1952 zu einem Drittel aus Vertretern der Arbeitnehmer zusammen. Dies Drittel der Aufsichtsratsmitglieder wird in einem besonderen Verfahren nach dem Betriebsverfassungsgesetz gewählf75 , während die weiteren zwei Drittel als Aktionärsvertreter normalerweise von der Hauptversammlung gemäß § 119 Abs. 1 Ziffer 1 gewählt werden. 5. Der Aufsichtsrat besteht bei den übrigen Gesellschaften - sofern also weder das Betriebsverfassungsgesetz noch die Mitbestimmungsgesetze Anwendung finden- allein aus Aktionärsvertretern77. Dies gilt hauptsächlich in drei Fällen78. Erstens gemäß § 30 Abs. 2 für den von Gründern zu bestellenden Aufsichtsrat, soweit keine Sacheinlage oder Sachübernahme erfolgt79. Zweitens gemäß § 76 Abs. 6 BetrVG 1952 für den Aufsichtsrat einer Gesellschaft, die mit weniger als 500 Beschäftigten als eine Familiengesellschaft i. S. d. Satzes 2 des § 76 Abs. 6 BetrVG 1952 zu klassifizieren ist80. Sowie drittens gemäß § 81 Abs. 1 und 2 BetrVG 1952 für den Aufsichtsrat eines sogenannten Tendenzbetriebes, also eines Betriebes, der politischen, gewerkschaftlichen, konfessionellen, karitativen, erzieherischen, wissenschaftlichen, künstlerischen oder ähnlichen Bestimmungen dient, sowie - unbeschadet der Rechtsform - einer karitativen oder erzieherischen Einrichtung einer Religionsgemeinschaft81. 75 Siehe hierzu im einzelnen insb. die §§ 6 und 7 MitbestErgG sowie die entsprechenden Kommentare, vgl. ferner Rowedder in Möhring/Schwartz S.l08, Baumbach/Rueck Schlußanhang II, Godin/Wilhelmi § 96 Anm. 6, MeyerLandrut in Großkomm. AktG § 96 Anm. 6. 76 Vgl. insb. die Absätze 2- 5 des § 76 BetrVG 1952, siehe ferner Baumbach/Rueck Anhang nach § 96. 77 Vgl. hierzu auch Baumbach/Rueck Anhang nach § 96 Anm. 8- 10, Godin/ Wilhelmi § 96 Anm. 3 und 7, Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 96 Anm. 7. 78 Für die Frage der Freistellung von Arbeitnehmerbeteiligung im Aufsichtsrat bei Unternehmen der Luftfahrt siehe jeweils m. w. N. Baumbach/ Hueck Anhang nach§ 96 Anm. 8 (bejahend), Godin/Wilhelmi § 96 Anm. 3 (bejahend) und Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 96 Anm. 7 (3) (verneinend); für die Unternehmen der Seeschiffahrt siehe die gleichen Hinweise, aber auch den § 34 des (neuen) MitbestG. 79 Siehe für den letzteren Fall § 31. 80 Vgl. hierzu Baumbach/Rueck Anhang nach§ 96 Anm. 9, Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 96 Anm. 7 (2 a). 81 Vgl. hierzu Baumbach/Rueck Anhang nach § 96 Anm. 8, Meyer-Landrut in Groß komm. AktG § 96 Anm. 7 (2 b).

A. überblick über die Strukturen der Aktiengesellschaft

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Wenn auch bei der Zusammensetzung des Aufsichtsrates das Aktiengesetz zwischen Aktionärsvertreter und Arbeitnehmervertreter unterscheidet, so hat dies doch keine Bedeutung für ihre Tätigkeit als Aufsichtsratsmitglieder. Alle Mitglieder des Aufsichtsrates haben die gleichen Pflichten und Rechte82 • Auch die Arbeitnehmervertreter und die "weiteren" Mitglieder gemäß den Mitbestimmungsgesetzen üben ihr Amt unabhängig aus und sind an Weisungen weder ihrer Wählerschaft noch ihrer Verbände .gebunden83• Wenn auch die Arbeitnehmervertreter in besonderer Weise die Interessen der Beschäftigten durchsetzen wollen, so haben sie sich bei ihrer Tätigkeit als Aufsichtsratsmitglied in erster Linie nach den Belangen der Gesellschaft zu richten84 • Im Falle eines Streikes als der offensten Form einer Interessenkollision wird die passive Teilnahme der Arbeitnehmervertreter an einem legitimen Streik als zulässig erachtet werden müssen, während eine aktive Beteiligung an einem legitimen Streik sowie jede Beteiligung an einem sogenannten Wilden Streik aus der Treuepflicht der Aufsichtsratsmitglieder gegenüber dem Unternehmen abgelehnt werden muß 85• Die Vorschrift des § 107 über die Innere Ordnung des Aufsichtsrates bestimmt im wesentlichen nur, daß gemäß Abs. 1 der Aufsichtsrat aus seiner Mitte einen Vorsitzenden und mindestens einen Stellvertreter zu wählen hat86 und daß gemäß Abs. 3 der Aufsichtsrat ebenfalls aus seiner Mitte heraus einen oder mehrere Ausschüsse berufen kann. Nähere Bestimmungen hierzu können durch die Satzung der Gesellschaft sowie durch die Geschäftsordnung des Aufsichtsrates, die dieser auch ohne ausdrückliche satzungsmäßige Ermächtigung sich selbst geben darf87, getroffen we11den. 82 Vgl. Baumbach/Hueck Anhang nach § 96 Anm. 35, Godin/Wilhelmi § 96 Anm. 2, ferner auch Meyer-Landrut in Großkomm. AktG Einleitung zu § 107. 83 Vgl. Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 96 Anm. 1 sowie Raiser ZGR 1978 S. 399 ff. (auch vertragliche Weisungsbefugnisse und Sanktionen sind unzulässig). 84 Vgl. Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 96 Anm. 1. 85 Vgl. Baumbach/Hueck Anhang nach § 96 Anm. 35, Meyer-Landrut m. w. N., zur Treuepflicht der Aufsichtsratsmitglieder allgemein siehe die §§ 116, 93 Abs. 1, vgl. ferner Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 111 Anm. 5. 86 Auch für den Fall, daß keine Wahl des Vorsitzenden im Aufsichtsrat zustandekommt, wird seine Wahl durch die Hauptversammlung als das den Aufsichtsrat bestellende Organ wegen der ausdrücklichen Vorschrift des § 107 Abs. 1 abgelehnt werden müssen. Rowedder in Möhring/Schwartz S. 139, Godin/Wilhelmi § 107 Anm. 3, Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 107 Anm. 1, a. A. Baumbach/Hueck § 107 Anm. 7; siehe ferner in diesem Zusammenhang § 27 Abs. 2 MitbestG. 87 Vgl. Rowedder in Möhring/Schwartz S. 139, Baumbach/Hueck § 107 Anm. 6, Godin/Wilhelmi § 107 Anm. 9, Meyer-Landrut in Großkomm. AktG Einleitung sowie Anm. 19 zu § 107, für ein Muster einer Geschäftsordnung siehe Möhring/Schwartz/RIJwedder/Haberlandt S . 329.

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1. Kapitel: Vergleichende Darstellung

Im Gegensatz zum Einstimmigkeitsprinzip beim Vorstand gilt für Wahlen und Beschlüsse des Aufsichtsrates der Grundsatz der einfachen Mehrheit, von dem durch die Geschäftsordnung insbesondere wegen der Beteiligung der Arbeitnehmervertreter nicht abgewichen werden darf88• Allerdings kann durch Satzung oder Geschäftsordnung im Fall der Stimmengleichheit der Stichentscheid für den Aufsichtsratsvorsitzenden vorgesehen werden89 • Gemäß § 107 Abs. 3 Satz 2 dürfen den möglichen Aufsichtsratsausschüssen bestimmte dort aufgezählte Aufgaben - die sogenannten "handelsrechtlichen Mindestbefugnisse"go nicht zur Beschlußfassung überwiesen werden91 . Mit dieser Regelung ist ebenfalls, da das Aktiengesetz kein Anrecht der Arbeitnehmervertreter auf eine bestimmte zahlenmäßige Vertretung in den Ausschüssen vorsieht, die durch § 96 bestimmte zahlenmäßige Beteiligung der Arbeitnehmervertreter an den wichtigsten Entscheidungen des Aufsichtsrates gesichert92 • Die Überwachung der Geschäftsführung nimmt der Aufsichtsrat als "zentrale Aufgabe" 93 in erster Linie durch die Kontrolle der gesamten Tätigkeit des Vorstandes wahr94 • Soweit die Geschäftsführung Angestellten anvertraut ist, besteht die Überwachungspflicht auch ihnen gegenüber, allerdings muß sich der Aufsichtsrat- als Kontrollorganmit eventuellen Beanstandungen an den Vorstand- als Geschäftsführungsorgan- wenden und darf also keine Anweisungen an die ja dem Vorstand unterstellten Angestellten erteilen9~. Der Umfang der Überwachung wird sich in der Regel nicht bis in die Nachprüfung von Einzelfragen erstrecken. Vielmehr hat sich der Aufsichtsrat mit den in § 90 Abs. 1 aufgezählten Fragen, wie etwa der beabsichtigten Geschäftspolitik oder den Gang der Geschäfte zu befassen und von daher die Geschäftsführung des Vorstandes zu kontrollieren96. Hierbei hat der Aufsichtsrat als Gegenstand nicht nur die 88 Vgl. Godin/Wilhelmi § 107 Anm. 9 (b), Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 107 Anm. 19, für die Beschlußfähigkeit siehe § 108 sowie ferner die §§ 28 und 29 Abs. 2 Satz 2 MitbestG. 89 Vgl. Rowedder in Möhring/Schwartz S. 141, Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 107 Anm. 19; siehe hierzu auch § 29 MitbestG. , 9 Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 107 Anm. 16. n Vgl. hierzu auch im einzelnen Rowedder in Möhring/Schwartz S. 151 ff., Godin/Wilhelmi § 107 Anm. 8, Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 107 Anm.16. 92 Vgl. Godin/Wilhelmi § 107 Anm. 1, Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 107 Anm. 13. 93 Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 111 Anm. 2. 94 Vgl. Rowedder in Möhring/Schwartz S . 105, Baumbach/Hueck § 111 Anm. 5; siehe ferner die§§ 111 Abs. 2 und 90. 95 Vgl. Godin/Wilhelmi § 111 Anm. 2, Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 111 Anm. 2 und 11. 96 Vgl. Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 111 Anm. 2.

A. Überblick über die Strukturen der Aktiengesellschaft

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Rechtmäßigkeit, sondern auch die Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit der Geschäftsführung zu prüfen97 • Doch ergibt sich aus der gesetzlichen Aufgabenteilung zwischen Vorstand und Aufsichtsrat, daß sich letzterer bei reinen Ermessensentscheidungen des Vorstandes in Angelegenheiten der Geschäftsführung nicht einmischen darf. Der Aufsichtsrat darf nur gegen Fehler der Geschäftsführung einschreiten und darf also nicht die Leitung .der Gesellschaft selbst übernehmen98 • Bei unüberbrückbaren Meinungsverschiedenheiten über die Geschäftsführung kann sich der Aufsichtsrat nicht direkt durchsetzen99• Denn die Geschäftsführung obliegt nun einmal allein dem Vorstand. Der Aufsichtsrat kann nur indirekt versuchen, über den Bericht an die Hauptversammlung gemäß § 171 Abs. 2 oder durch die Einberufung der Hauptversammlung gemäß § 111 Abs. 3 Druck auf den Vorstand auszuüben100. Äußerstenfalls bleibt dem Aufsichtsrat nur die Möglichkeit der Reaktion bei der Neubestellung der Vorstandsmitglieder oder durch deren Abberufung101 • Da die Kontrolle der Geschäftsführung die entscheidende Funktion des Aufsichtsrates ist, obliegt sie dem Gesamtaufsichtsrat und kann auch nicht durch Satzungsbestimmung auf einzelne Mitglieder oder auf einen Ausschuß übertragen werden102 . Doch kann die Durchführung der Überwachung einzelnen Mitgliedern des Aufsichtsrates ebenso anvertraut werden, wie dies für das Prüfungsrecht der Bücher der Gesellschaft und dergleichen gemäß § 111 Abs. 2 Satz 2 ausdrücklich gesetzlich vorgesehen ist103 . Dennoch bleibt die Überwachung der Geschäftsführung auch in diesem Fall in der Gesamtverantwortung aller Aufsichtsratsmitglieder. Neben der Kontrolle der Geschäftsführung ist die wichtigste Aufgabe des Aufsichtsrates die Bestellung und Abberufung des Vorstandes sowie das Abschließen der Anstellungsverträge mit den Vorstandsmitgliedern104. Während für die Bestellung der Vorstandsmitglieder gemäß § 84 Abs.1 und deren Abberufung gemäߧ 84 Abs. 3, die einseitige nach 97

Vgl. Baumbach/Hueck § 111 Anm. 5, Meyer-Landrut in Großkomm. AktG

§ 111 Anm. 3.

98 Vgl. Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 111 Anm. 3, über die Möglichkeit des Aufsichtsrates, sich über die satzungsmäßige oder eigene Bestimmung von zustimmungspflichtigen Geschäften gemäß § 111 Abs. 4 Satz 2 die Mitentscheidung über eine beschränkte Geschäftsführung zu sichern. 99 Vgl. Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 111 Anm. 9. too Siehe aber § 119 Abs. 2. 101 Siehe aber für den Widerruf der Bestellung das Erfordernis eines wichtigen Grundes gemäß § 84 Abs. 3 Satz 1. 102 Vgl. Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 111 Anm. 4. 103 Vgl. Godin/Wilhelmi § 111 Anm. 3, Baumbach/Hueck § 111 Anm. 6. 104 Vgl. Rowedder in Möhring/Schwartz S. 156, für die Bestellung und Abberufung der Vorstandsmitglieder bei Gesellschaften, die dem Mitbestim-

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1. Kapitei: Vergieichende Darstellung

außen gerichtete Organakte sind105, das Handeln des Gesamtaufsichtsrates notwendig ist106, kann die Befugnis, Anstellungsverträge, die normale zweiseitige Rechtsgeschäfte in Gestalt schuldrechtlicher Verträge sind107, abzuschließen, zu ändern oder aufzulösen, einem Aufsichtsratsausschuß übertragen werden108• Der Aufsichtsrat darf die Vorstandsmitglieder gemäß § 84 Abs. 1 Satz 1 höchstens auf fünf Jahre bestellen. Zwar ist eine Wiederbestellung gemäß § 84 Abs. 1 Satz 2 zulässig, doch rdarf eine erneute Bestellung über eine 5-Jahres-Periode hinaus gemäß § 84 Abs. 1 Satz 3 frühestens ein Jahr vor Ablauf derselben erfolgen. Mit diesen zwingenden Regelungen will das Gesetz err€ichen, daß der Aufsichtsrat nie länger als fünf Jahre an die Mitglieder des Vorstandes gebunden ist109, zumal eine Abberufung der Vorstandsmitglieder nur unter strengen Voraussetzungen möglich ist. Dies gilt auch für den Vorsitzenden des Vorstandes, falls der Aufsichtsrat von seiner Befugnis gemäß § 84 Abs. 2, b€i einem mehrgliedrigen Vorstand einen Vorstandsvorsitzenden ernennen zu können, Gebrauch gemacht hat110• Der Widerruf der Bestellung eines Vorstandsmitgliedes oder der Ernennung eines Vorstandsvorsitz.enden ist dem Aufsichtsrat .gemäß § 84 Abs. 3 Satz 1 nur bei Vorliegen eines wicht~gen Grundes möglich. Dieses zwingende strenge Erfol'ldernis soll die Unabhängi.g keit und Eigenverantwortlichkeit des Vorstandes bei .der Leitung der Gesellschaft sichern111 • Als Beispiele für wichttge Widerrufsgründe nennt das Gesetz in § 84 Abs. 3 Satz 2 grobe Pflichtverletzung, Unfähigkeit zur ordnungsmäßigen Geschäftsführung und Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung, sofern er nicht .aus evident unsachlichen Gründen erfolgt ist. Allgemeine Grundsätze für ·die Bestimmung eines wichtigen Grundes lassen sich nicht aufstellen, es wird vielmehr auf den Einzelmungsgesetz unterliegen, siehe § 31 MitbestG, für die Bestellung und Abberufung des Arbeitsdirektors bei den den Mitbestimmungsgesetzen unterliegenden Gesellschaften siehe § 84 Abs. 4 sowie § 33 MitbestG, § 12 und § 13 Montan-MitbestG und § 13 MitbestErgG. 105 Vgl. Godin/Wilhelmi § 84 Anm. 4, Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 84 Anm. l. 106 Siehe § 107 Abs. 3 Satz 2, vgl. ferner Haberlandt in Möhring/Schwartz S. 66, Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 84 Anm. 2. 107 Vgl. Godin/Wilhelmi § 84 Anm. 3 und 9, Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 84 Anm. 1. 108 Vgl. Haberlandt in Möhring/Schwartz S. 69, Godin/Wilhelmi § 84 Anm. 8, Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 84 Anm. 5. 109 Vgl. Baumbach/Hueck § 84 Arun. 5, Meyer-Landrut in Großkomm. AktG §84 Anm.9. 110 Vgl. Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 84 Anm. 60. 111 Vgl. Baumbach/Hueck § 84 Anm. 16, Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 84 Anm. 30.

A. Überbli.:!k Über die Strukturen der Aktiengesellschaft

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fall abgestellt werden müssen112• Wird ein Widerruf der Bestellung oder der Ernennung ausgesprochen, so ist er gemäß § 84 Abs. 3 Satz 4 sofort und so lange wirksam, bis seine eventuelle Unwirksamkeit rechtskräftig festgestellt worden ist. Für die Anstellungsverträge mit den Vorstandsmitgliedern, die gemäß § 84 Abs. 1 Satz 5 den Grundsätzen des § 84 Abs. 1 entsprechen müssen113, hat der Gesamtaufsichtsrat oder der zuständige AufsichtsratsausschuB die Regelungen des § 86 über die Gewinnbeteiligung, des § 87 über die Bezüge, des § 88 über das Wettbewerbsverbot und des § 89 über die Kreditgewährung zu berücksichtigen114• Von der Ausnahme eines Auftragsverhältnisses i. S. d. §§ 662 ff. BGB bei einem unentgeltlich tätigen Vorstandsmitglied abgesehen, werden die Anstellungsverträge in der Regel als Dienstverträge, die eine Geschäftsbesorgung zum Gegenstand haben, i. S. d. §§ 611 ff., 675 BGB zu werten sein115 • Die allgemeinen für das Arbeitsverhältnis entwickelten Grundsätze finden nicht ohne weiteres Anwendung118, da es sich bei den Dienstverträgen um Verträge mit selbständig Tätigen handelt, denn die Vorstandsmitglieder befinden sich aufgrund ihrer Stellung innerhalb der Aktiengesellschaft in keinem sozialen Abhängigkeitsverhältnis und sind auch nicht weisungsgebunden. c) Die Hauptversammlung

Die Hauptversammlung als Versammlung ausschließlich der Aktionäre, durch die diese gemäß § 118 Abs. 1 in der Regel ihre Rechte in den Angelegenheiten der Gesellschaft ausüben117, entscheidet im wesentlichen über den verfassungsmäßigen Aufbau der Gesellschaft, über ihre Kapitalgrundlage, über die Bestellung und Abberufung der Mitglieder des Aufsichtsrates118, über :die Verwendung des Bilanzgewinns sowie subsidiär über die Feststellung .des Jahresabschlusses119• 112 Für eine weitere beispielhafte Aufzählung möglicher Widerrufsgründe siehe Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 84 Anm. 32, vgl. ferner Haberlandt in Möhring/Schwartz S. 82 ff., Godin/Wilhelmi § 84 Anm. 13. 113 Vgl. auch Godin/Wilhelmi § 84 Anm. 3. 114 Vgl. Haberlandtin Möhring/Schwartz S. 69. 115 Vgl. Godin/Wilhelmi § 84 Anm. 9, Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 84 Anm.15. 116 Siehe hierzu im einzelnen Baumbach/Rueck § 84 Anm. 8, Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 84 Anm. 15 und 16. 117 Für eine Aufzählung der Ausnahmen, in denen einzelne oder Minderheiten von Aktionären ihre Rechte außerhalb der Hauptversammlung wahrnehmen, siehe Baumbach/Rueck § 118 Anm. 9, Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 118 Anm. 7. 118 Sofern nicht einzelne Aufsichtsratsmitglieder gemäß den Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes 1952 oder der Mitbestimmungsgesetze entsandt oder gewählt werden.

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1. Kapitel: Vergleichende Darstellung

Wegen der Zuständigkeit für diese grundlegenden Entscheidungen kann die Hauptversammlung als oberstes Organ der Aktiengesellschaft bezeichnet werden120, obwohl im Grundsatz das Aktiengesetz die Vertretung der Gesellschaft und deren Geschäftsführung dem Vorstand ausschließlich und die Überwachung der Geschäftsführung .dem Aufsichtsrat ausschließlich zuweist und diese Organe diesbezüglich eine unentziehbare alleinige Zuständigkeit besitzen121 • Doch kann die Hauptversammlung indirekt auf die Geschäftsführung der Gesellschaft einwirken, so etwa durch die Wahl eines Aufsichtsrates, der wiederum für die Wahl des Vorstandes zuständig ist, oder durch einen Beschluß zur Änderung der Kapitalgrundlage, der die Investitionspolitik des Vorstandes entscheidend beeinflussen kann122• Direkt kann die Hauptversammlung über Fragen der Geschäftsführung nur entscheiden, wenn der Vorstand dies gemäß § 119 Abs. 2 oder bei einer vom Aufsichtsrat verweigerten Zustimmung zu einem zustimmungsbedürftigen Geschäft 119 Vgl. Meyer-Landrut in Großkomm. AktG Vorbemerkung zum Vierten Abschnitt des Vierten Teils und § 119 Anm. 2; zu den weiteren Zuständigkeiten der Hauptversammlung zählen: 1. die Entlastung der Verwaltungsträger (§§ 119 Abs. 1 Ziffer 3, 120 Abs. 1), 2. die Bestellung der Abschlußprüfer (§§ 119 Abs. 1 Ziffer 4, 163 Abs. 1), 3. die Bestellung von Prüfern von Vorgängen bei der Gründung oder der Geschäftsführung (Sonderprüfer) §§ 119 Abs. 1 Ziffer 7, 142 Abs. 1), 4. die Auflösung der Gesellschaft (§§ 119 Abs. 1 Ziffer 8, 262 Abs. 1 Ziffer 2) sowie die Fortsetzung der aufgelösten Gesellschaft (§ 274 Abs. 1), 5. die Geltendmachung und der Verzicht auf Ersatzansprüche gegen die Verwaltungsträger und die Gründer (§ 147 Abs. 1), 6. die Zustimmung zu Unternehmensverträgen (§§ 293 Abs. 1, 271 Abs. 1 und 272 Abs. 1), 7. die Eingliederung (§§ 319 Abs. 1 und 320 Abs. 1), 8. die Verschmelzung (§§ 340 Abs. 1, 353 Abs. 2, 354 Abs. 2, 355 Abs. 2 und 357 Abs. 2), 9. die Vermögensübertragung (§§ 359 Abs. 2, 360 Abs. 2 und 361 Abs. 1), 10. die Umwandlung (§§ 362 Abs. 2, 369 Abs. 1). Vgl. hierzu Haberlandt in Möhring/Schwartz S. 164, Godin/Wilhelmi § 119 Anm.2 und3. 120 vgl. Baumbach/Rueck § 118 Anm. 6, Meyer-Landrut in Großkomm. AktG Vorbemerkung zum Vierten Abschnitt des Vierten Teils, siehe ferner Godin/Wilhelmi § 118 Anm. 2 ("mittelbar das oberste"). 121 Vgl. Godin/Wilhelmi § 119 Anm. 1. 122 Vgl. Godin/Wilhelmi § 119 Anm. 1, Meyer-Landrut in Großkomm. AktG Vorbemerkung zum Vierten Abschnitt des Vierten Teils.

A. Überblick uber die Strukturen der Aktiengesellschaft

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dies gemäß § 111 Abs. 4 Satz 3 verlangt123• Wie diese Beispiele zeigen, ist die Hauptversammlung im Gegensatz zu den Organen Vorstand und Aufsichtsrat "nicht ständig" 124 tätig, sondern nimmt ihre Aufgaben nur in den gesetzlich oder satzungsmäßig ausdrücklich vorgesehenen Fällen125 durch Beschlüsse ordentlicher und außerordentlicher Versammlungen wahr128• Die Beschlüsse der Hauptversammlung127 werden von den Aktionären nach dem Grundsatz der Stimmenmehrheit gefaßt, wobei das Stimmrecht sich nicht nach der Anzahl der Anteilseigner, sondern gemäß § 134 Abs. 1 Satz 1 nach den Aktiennennbeträgen der einzelnen Aktionäre richtet. Da im Grundsatz gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 jede Aktie Stimmrecht gewährt128, entfällt auf jede Aktie zumindest eine Stimme129• Sind Aktien zu verschiedenen Nennbeträgen ausgegeben, so gewähren Aktien mit dem niedrigsten Nennwert jeweils eine Stimme und Aktien mit höheren Nennwerten jeweils eine entsprechende StimmenzahP 30• Von diesem Grundsatz der Gleichbehandlung aller Aktien beim Stimmrecht kann in Einzelfällen abgewichen werden: 1. bei Aktien mit Mehrstimmrecht, die vor dem Irrkrafttreten des Aktiengesetzes geschaffen und beibehalten worden sind131 oder die gemäß § 12 Abs. 2 Satz 2 von .der obersten Landesbehöi'de ausnahmsweise zugelassen worden sind132, und 2. bei einer Anzahl von Aktien, die einem Aktionär gehören und die durch eine satzungsmäßige Bestimmung eines Höchstbetrages und/oder von A!bstufungen gemäß § 134 Abs. 1 Satz 2 in ihrem 123 Für Einzelheiten siehe Baumbach/Rueck § 119 Anm. 9 und § 111 Anm. 12, Godin/Wilhelmi § 119 Anm. 6 und § 111 Anm. 5, Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 119 Anm. 7- 10. m Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 118 Anm. 4. 125 Vgl. § 119 Abs. 1, für zwei Muster einer Satzung siehe Möhring/ Schwartz/Rowedder/Haberlandt S. 312 und S. 317. 128 Für die Unterscheidung der ordentlichen und der außerordentlichen Hauptversammlung siehe Haberlandt in Möhring/Schwartz S. 169 f. 127 Zu denen als Unterfall wie der § 119 Abs. 1 zeigt - auch die von der Hauptversammlung auszuführenden Wahlen gehören (für die Mehrheitserfordernisse bei Wahlen siehe die weiteren Ausführungen). 128 Gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 können Vorzugsaktien als Aktien ohne Stimmrecht ausgegeben werden, siehe hierzu auch die§§ 139- 141. 129 Für den Sonderfall noch nicht voll eingezahlter Aktien siehe die Regelungen des § 134 Abs. 2 Sätze 2 - 6, vgl. ferner Haberlandt in Möhring/ Schwartz S. 195, Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 134 Anm. 20 - 26. 130 Vgl. Haberlandt in Möhring/Schwartz S. 193 f., Godin/Wilhelmi § 134 Anm. 2, Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 134 Anm. 12, diese Regelung gilt auch für Vorzugsaktien in den Fällen der§§ 140 und 141. 131 Siehe § 5 EGAktG vom 6. Sept. 1965 sowie § 12 Abs. 2 Satz 1, vgl. ferner Baumbach/Rueck § 12 Anm. 3, 4 und 6. 132 Vgl. Haberlandt in Möhring/Schwartz S. 196, Baumbach/Rueck § 12 Anm.5.

3 Jarzembowski

] . Kapitel: Vergleichendebarstellung

Stimmrecht beschränkt worden sind183• In beiden Fällen kann die Satzung der Gesellschaft die Stimmrechtserhöhung oder Beschränkung allgemein oder nur für bestimmte Beschlußfassungen vorschreiben, etwa für Wahlen, Satzungsänderungen oder .den Auflösungsbeschluß134 • Neben diesen be~den Sonderfällen ist noch der gesetzliche Stimmrechtsausschluß wegen Interessenkonflikts gemäß den Vorschriften des § 136 Abs. 1 und 2 sowie des § 142 Abs.1 Sätze 2 und 3 zu nennen135• Die Ausübung des Stimmrechtes steht grundsätzlich dem Inhaber des Aktienrechtes zu, bei Namensaktionen also demjenigen, der gemäß § 67 Abs. 2 auf.grund der Eintragung ins Aktienbuch der Gesellschaft als Aktionär gilt, und bei Inhaberaktien gemäߧ 793 Abs.1 BGB also demjenigen, der die Urkunde innehat1 ~6 • Der Inhaber des Aktienrechtes kann gemäß § 134 Abs. 3 Satz 1 sein Stimmrecht aber auch durch einen Bevollmächtigten ausüben lassen137• Nach schriftlicher Vollmachtserteilung kann ebenfalls ein Kreditinstitut138 das Stimmrecht gemäß § 135 Abs. 1 Satz 1 für den Rechtsinhaber wahrnehmen, und zwar bei Inhaberaktien gemäß § 135 Abs. 4 Satz 1 unter Benennung des Aktionärs in dessen Namen oder gemäß § 135 Abs. 4 Satz 2 im Namen dessen, den es angeht139• Dieses Depotstimmrecht der Banken, das besonders bei großen Publikumsgesellschaften von entscheidender Bedeutung sein kann und dessen Regelung lange umstritten war140, ist in den elf Absätzen des § 135 sehr detailliert gesetzlich ,g eregelt. Dabei ist besonders zu vermerken, daß die Depotbanken, denen gemäß § 128 eine umfassende Mitteilungspflicht gegenüber den Aktionären obliegt, gegebenenfalls gemäß § 135 Abs.10 zur Stimmrechtsausübung verpflichtet sind141 • 133 Siehe hierzu § 134 Abs. 1 Sätze 3 - 5, vgl. ferner Haberlandt in Möhring/ Schwartz S. 197 ff., Baumbach/Hueck § 134 Anm. 8 - 10, Godin/Wilhelmi § 134 Anm. 3, Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 134 Anm. 14- 16 und 19. 134 Vgl. Haberlandt in Möhring/Schwartz S. 197, Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 134 Anm.I4. 135 Vgl. im einzelnen hierzu Haberlandt in Möhring/Schwarz S. 203 f., Godin/Wilhelmi § 136 Anm. 2- 5 und § 142 Anm. 4, Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 136 Anm. 2- 10 und 13 -15 und§ 142 Anm. 6 und 7. 138 Vgl. Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 134 Anm. 4. 137 Siehe § 134 Abs. 3 Sätze 2 und 3, siehe ferner Haberlandt in Möhring/ Schwartz S. 183 f., Godin/Wilhelmi § 134 Anm. 7. 138 Oder gemäß § 135 Abs. 9 Satz 1 Gleichgestellte: eine Aktionärsvereinigung oder ein Geschäftsleiter oder Angestellter eines Kreditinstitutes oder ein geschäftsmäßiger Vertreter, vgl. hierzu Godin/Wilhelmi § 135 Anm. 10, Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 135 Anm. 2 - 4. 139 Für Namensaktien siehe § 135 Abs. 7 Satz 1. 140 Siehe mit weiteren Hinweisen Baumbach/Hueck § 135 Anm. 1 - 3, Godin/Wilhelmi § 135 Anm. I, Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 135 Anm. 1. 141 Vgl. Haberlandt in Möhring/Schwartz S . 186, Godin/Wilhelmi § 135 Anm. 11, Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 135 Anm. 32- 34.

A. Überblick über die Strukturen der Aktiengesellschaft

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Durch Ausübung der Stimmrechte der Aktionäre werden die Beschlüsse der Hauptversammlung herbeigeführt, wobei gemäß § 133 Abs. 1 die Mehrheit der abgegebenen Stimmen - vom Gesetz als einfache Stimmenmehrheit bezeichnet - grundsätzlich erforderlich, aber auch .ausreichend ist, sofern das Gesetz oder die Satzung der Gesellschaft nicht daneben eine .größere Mehrheit oder sonstige Erfol'ldernisse vorschreibt142• Hierunter sind im wesentlichen einerseits höhere Stimmenmehrheiten sowie andererseits bestimmte Kapitalmehrheiten zu verstehen143• Zu einem Auseinanderfallen von Stimmen- und Kapitalmehrheiten kann es beim Vorhandensein von Mehrstimmaktien und von abgestuften oder Höchstbetragsaktien kommen144 • In bestimmten Fällen wie etwa bei der Bestellung von Sonderprüfern gemäß § 142 Abs. 1 Satz 1 schreibt das Gesetz aber zwingend nur die einfache Stimmenmehrheit vor145• Als besondere gesetzliche Mehrheitserfordernisse kommen u. a . folgende in Betracht: 1. eine einfache Stimmenmehrheit und eine Dreiviertelmehrheit des bei der Beschlußfassung vertretenen Grundkapitals wie etwa bei einer Satzungsänderung über den Gegenstand des Unternehmens gemäß § 179 Abs. 2, 2. eine Dreiviertel-Stimmenmehrheit bei der Zustimmung zu einem Vorstandsgeschäft gemäß § 111 Abs. 4 Sätze 4 und 5 und 3. eine einfache Stimmenmehrheit, der nicht eine Minderheit von einem Zehntel des Grundkapitals widersprechen darf, wie etwa bei einem Verzicht auf Ersatzansprüche gegen Verwaltungsträger gemäß den §§ 93 Abs. 4 Satz 3 oder 116146 • Die Möglichkeit, durch Satzungsbestimmung besondere Mehrheitserfordernisse zu erleichtern oder zu erschweren, ist jeweils im Einzelfall an der Vorschrift zu prüfen147. Für Wahlen etwa der Aufsichtsratsmitglieder oder der Abschlußprüfer kann die Satzung der Gesellschaft .gemäß § 133 Abs. 2 von dem 142 Auch die Satzung kann von dem gesetzlichen Erfordernis, daß Beschlüsse stets der einfachen Mehrheit bedürfen, nicht abgehen. Vgl. Baumbach/Rueck § 133 Anm. 3, Godin/Wilhelmi § 133 Anm. 4, siehe aber die gesetzliche Ausnahme des § 5 Abs. 2 Satz 2 EGAktG für die Beschränkung oder Beseitigung von Mehrstimmrechten, vgl. hierzu auch Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 133 Anm. 7. 143 Vgl. im einzelnen Haberlandt in Möhring/Schwartz S. 205 ff., Godin/ Wilhelmi § 133 Anm. 4, Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 133 Anm. 4. 144 Vgl. Haberlandt in Möhring/Schwartz S. 206, Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 133 Anm. 1. 145 Für weitere Hinweise siehe Haberlandt in Möhring/Schwartz S. 208, Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 133 Anm. 8. 148 Für weitere Hinweise siehe Haberlandt in Möhring/Schwartz S. 207 ff., Godin/Wilhelmi § 133 Anm. 4, Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 133

Anm.7. 147

Vgl. Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 133 Anm. 8- 10.

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1. Kapitel: Vergleichende Darstellung

Grundsatz der einfachen Stimmenmehrheit abweichen, so daß beispielsweise eine relative Stimmenmehrheit, also die größte Zahl oder abgegebenen Stimmen, ausreicht148• Die Einführung der Verhältniswahl etwa für die Aufsichtsratsmitglieder .ist in den Beratungen des Aktiengesetzes ausdrücklich abgelehnt worden und ist, da das Verhältniswahlrecht wegen der Möglichkeit, die Aktionärsmehrheit auszuschalten, im Widerspruch zu den Grundprinzipien des Aktienrechtes steht, als unzulässig zu betrachten149 • Mit der Bestellung der Aufsichtsratsmitglieder nimmt die Hauptversammlung eine ihrer wichtigsten Aufgaben wahr150• Dies .geschieht gemäß § 101 Abs.1 Satz 1 durch Wahl der Aktionärsvertreter als Beschluß der Hauptversammlung15\ sofern die Mitglieder in den Aufsichtsrat nicht entsandt oder als Arbeitnehmervertreter nach den Vorschriften des Mitbestimmungsgesetzes, des Mitbestimmungsergänzungsgesetzes oder des Betriebsverfassungsgesetzes 1952 gewählt werden152. Für die Wahl der Arbeitnehmervertreter gemäß dem MontaoMitbestimmungsgesetz ist das Verfahren der Vorschriften der§§ 6 und 8 Montan-MitbestG - wie dies § 101 Abs. 1 Satz 2 ausdrücklich erwähnt -anzuwenden. Die Wahl der Aufsichtsratsmitglieder durch die Hauptversammlung ist ein einseitiger Organakt153, durch dessen Annahme gegenüber der Gesellschaft der Kandidat das Mandat erwirbtm. Mit der Annahme wird ein Anstellungsverhältnis der Aufsichtsratsmitglieder mit der Gesellschaft be.gründet155, das im Gegensatz zum Anstellungsvertrag der Vorstandsmitglieder nicht als Auftrag oder als Dienstvertrag mit Geschäftsbesorgung, sondern am besten als Vertrag eigener 148 Vgl. Baumbach/Hueck § 133 Anm. 4, Godin/Wilhelmi § 133 Anm. 5, Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 133 Anm. 14. 149 Vgl. Rowedder in Möhring/Schwartz S. 121, Godin/Wilhelmi § 133 Anm. 5, Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 133 Anm. 15 (mit dem Hinweis, daß das Verhältniswahlrecht für die Wahl von Beiratsmitgliedern wohl zulässig sei). Siehe aber auch das Entsendungsrecht in den Aufsichtsrat gemäß § 101 Abs. 2. 1 5° Vgl. Rowedder in Möhring/Schwartz S. 121. 1 51 Siehe § 119 Abs. 1, vgl. Baumbach/Hueck § 101 Anm. 5, Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 101 Anm. 1. 152 Siehe als Ausnahmen ferner die Bestellung der ersten Aufsichtsratsmitglieder durch die Gründer gemäß den §§ 30 und 31 sowie die gerichtliche Bestellung gemäß § 104. 15 3 Vgl. Godin/Wilhelmi § 101 Anm. 2, Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 101 Anm. 6. m Vgl. Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 101 Anm. 5, für die persönlichen Voraussetzungen der Wählbarkeit eines Kandidaten siehe § 100 sowie für die grundsätzliche Unvereinbarkeit der Zugehörigkeit zum Vorstand und zum Aufsichtsrat siehe § 105. 155 Für die Regelung des Anstellungsverhältnisses sind auch die §§ 113 (Vergütung), 114 (Verträge außerhalb der Aufsichtsratstätigkeit) und 115 (Kreditgewährung) zu berücksichtigen.

A. Überblick über die Strukturen der Aktiengesellschaft

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Art zu bezeichnen ist156• Die Aufsichtsratsmitglieder haben ebenfalls keinen Auftraggeber oder Dienstherrn, der ihnen Weisungen erteilen kann, ihre Obliegenheiten und Verantwortlichkeiten ·ergeben sich vielmehr direkt aus dem Gesetz oder aus der Satzung. Bis zu einem Drittel der Aktionärsvertreter im Aufsichtsrat können - sofern die Satzung der Gesellschaft dies bestimmt157 - gemäß § 101 Abs. 2 von bestimmten Aktionären oder von den Inhabern bestimmter Aktien in den Aufsichtsrat entsandt werden158• Für die entsandten Aufsichtsratsmitglieder gelten dieselben Voraussetzungen sowie dieselben Rechte und Pflichten wie für die gewählten159• Wenn rdie Entsendungsberechtigten den entsandten Mitgliedern auch allgemeine Richtlinien erteilen dürfen, so sind diese jedoch ebenfalls an Weisungen nicht gebunden und haben im Konfliktfall den Belangen der Aktiengesellschaft vor den Belangen des Entsendungsberechtigten - auch etwa einer Gemeinde bei einem gemischtwirtschaftlichen kommunalen Versorgungsbetrieb-den Vorrang zu geben160• Die Tätigkeit der Aufsichtsratsmitglieder endet in der Regel mit dem Ablauf der Amtszeit, die im Höchstfall gemäß § 102 Abs. 1 für alle Mitglieder praktisch fünf Jahre dauern kann101 • Neben den weiteren Beendigungsgründen des Wegfalls der persönlichen Voraussetzungen sowie der Amtsniederlegung162 ist noch der der Abberufung der Aufsichtsratsmitglieder nach den Vorschriften des § 103 und den der entsprechenden Paragraphen des Betriebsverfassungsgesetzes 1952 und der Mitbestimmungsgesetze zu nennen163 • Die Aktionärsvertreter im Auf156 Vgl. Godin/Wilhelmi § 101 Anm. 2, Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 101 Anm. 6, a. A. Baumbach/Rueck § 101 Anm. 7. 157 Für Beispiele entsprechender Satzungsbestimmungen dieses "einzigen gesetzlichen Falles eines echten Sonderrechtes" (Godin/Wilhelmi § 101 Anm. 3) siehe Rowedder in Möhring/Schwartz S. 126 ff. 158 Vgl. im einzelnen Baumbach/Rueck § 101 Anm. 8- 13, Godin/Wilhelmi § 101 Anm. 3, Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 101 Anm. 10 und 12 - 16, siehe daneben das Entsendungsrecht für Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat gemäß § 7 MitbestErgG. 159 Vgl. Rowedder in Möhring/Schwartz S. 131, Baumbach/Rueck § 101 Anm. 13, Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 101 Anm. 18. 160 Vgl. Rowedder in Möhring/Schwartz S. 131 f., Godin/Wilhelmi § 101 Anm. 3, Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 101 Anm. 18 sowie Raiser ZGR

1978

s. 400 ff.

Vgl. Rowedder in Möhring/Schwartz S. 123, siehe aber für den ersten Aufsichtsrat nach Gründung § 30 Abs. 3, für die Möglichkeit, durch Satzung oder Wahlbeschluß kürzere und unterschiedliche Amtsperioden zu bestimmen, siehe Godin/Wilhelmi § 102 Anm. 2, Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 102 Anm. 2, 4 und 5. 162 Vgl. Baumbach/Rueck § 102 Anm. 4, Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 102 Anm. 6. 163 Für einen Überblick über die letzteren siehe Godin/Wilhelmi § 103 Anm. 5-7, Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 103 Anm. 11 sowie Abs. 4 des§ 103 und ferner die§§ 23 und 24 MitbestG. 161

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1. Kapitel: Vergleichende Darstellung

sichtsr.at, die ohne Bindung an einen Wahlvorschlag gewählt worden sind, können gemäß § 103 Abs. 1 durch Beschluß der Hauptversammlung in der Regel mit einer Dreiviertel-Stimmenmehrheit jederzeit nach freiem Ermessen abberufen werden164 , während die entsandten Aktionärsvertreter gemäß § 103 Abs. 2 ebenfalls jederzeit und nach freiem Ermessen von dem Entsendungsberechtigten abberufen und ersetzt oder bei Wegfall der Voraussetzungen für das Entsendungsrecht durch Beschluß der Hauptversammlung abberufen werden können165 • Durch diese letzteren Regelungen der Abberufung hat die Hauptversammlung für die Aktionärsvertreter im Aufsichtsrat die Möglichkeit, sich den Aufsichtsrat als Kontrollorgan ihres Vertrauens186 zu erhalten und nicht nur als solches zu schaffen. Neben der Bestellung des Aufsichtsrates kann die Hauptversammlung im wesentlichen nur durch Entscheidungen über den verfassungsmäßigen Aufbau der Gesellschaft und ihre Kapitalgrundlage Einfluß auf die Gesellschaft .ausüben. Für derartige Entscheidungen wie Satzungsänderungen gemäß den §§ 179- 181 sowie Maßnahmen der Kapitalbeschaffung gemäß den §§ 182- 221 und der Kapitalherabsetzung gemäß den §§ 222 - 240 als Unterfälle von Satzungsänderungen187 ist die Hauptversammlung ausschließlich zuständig168• Auch kann die Gültigkeit derartiger Hauptversammlungsbeschlüsse nicht von der Zustimmung Dritter abhängig gemacht werden169, da aus dem Verständnis des Gesellschaftsrechtes heraus die Versammlung d er Aktionäre in ihren Beschlüssen frei von Einwirkungen von Nichtaktionären sein muß170• Die Befugnis, Satzungsänderungen, die nur die Fassung betreffen, - auch unechte oder formelle Satzungsbestimmungen ge164 Vgl. Baumbach/Hueck § 103 Anm. 3 und 4; Godin/Wilhelmi § 103 Anm. 2, Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 103 Anm. 1 und 2. 165 Vgl. Baumbach/Hueck § 103 Anm. 5 und 6, Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 103 Anm. 5 und 6, Godin/Wilhelmi § 103 Anm. 3 (die eine Selbstbeschränkung des Entsendungsberechtigten bezüglich der jederzeitigen Abberufungsmöglichkeit für zulässig erachten). 166 Vgl. Rowedder in Möhring/Schwartz S. 121. 167 Daher finden die allgemeinen Bestimmungen der §§ 179- 181 gegebenenfalls ergänzend auf diese Maßnahmen Anwendung. Vgl. Godin/Wilhelmi § 182 Anm. 1 und § 222 Anm. 2. 168 Siehe auch § 119 Abs. 1 Ziffern 5 und 6, für eine Aufzählung der gesetzlichen Ausnahmen siehe Wiedemann in Großkomm. AktG § 179 Anm. 5, vgl. ferner Baumbach/Hueck § 179 Anm. 4, § 182 Anm. 2 und § 222 Anm. 2, Wiedemann in Großkomm. AktG § 179 Anm. 4, § 182 Anm. 3 und Schilling in Großkomm. AktG § 222 Anm. 5 und 6. 169 Siehe aber für die Zustimmungserfordernisse der betroffenen Aktionäre bei Eingriffen in Sonderrechte oder in unentziehbare Rechte die Hinweise bei Wiedemann in Großkomm. AktG § 179 Anm. 8. 170 Vgl. Godin/Wilhelmi § 179 Anm. 3, Wiedemann in Großkomm. AktG § 179 Anm.4.

A. Überblick über die Strukturen der Aktiengesellschaft

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nannt171 - zu beschließen, kann die Hauptversammlung gemäß § 179 Abs. 1 Satz 2 jedoch an den Aufsichtsrat delegieren. Als weitere besonders wichtige Zuständigkeit der Hauptversammlung ist neben der Bestellung des Aufsichtsrates und den Satzungsänderungen die ausschließliche Zuständigkeit für die Verwendung des Bilanzgewinnes .gemäß § 174 Abs. 1 Satz 1 zu nennen172• Allerdings ist die Hauptversammlung gemäß § 174 Abs. 1 Satz 2 an den festgestellten Jahresabschluß gebunden. Die Feststellung ·des Jahresabschlusses geschieht grundsätzlich gemäß § 172 Satz 1 durch den Aufsichtsrat173, indem dieser den vom Vorstand vorgelegten Jahresabschluß billigt. Der Vorstand und der Aufsichtsrat können sich gemäß derselben Vorschrift aber auch einigen, die Feststellung freiwillig der Hauptversammlung zu überlassen, die nun subsidiär gemäß § 173 Abs. 1 einen Feststellungsbeschluß faßt 174• Hat der Aufsichtsrat den Jahresabschluß des Vorstandes nicht gebilligt, so steht der Hauptversammlung die Feststellung des Jahresabschlusses aufgrund ·des § 173 Abs. 1 zu. In diesem Fall besitzt die Hauptversammlung also ebenfalls eine .,subsidiäre Zuständigkeit"m. Sind sich Vorstand und Aufsichtsrat über den Jahresabschluß aber einig, so hat die Hauptversammlung keine Möglichkeit, auf seine Feststellung einzuwirken. Somit sind der Hauptversammlung in ihrer ausschließlichen Zuständigkeit, über die Verwendung des Bilanzgewinnes zu beschließen, Grenzen gesetzt. 2. Die faktische Macht der Organe

Wenn auch das Aktiengesetz die Rechte und Pflichten der Organe der Aktiengesellschaft und ihre Beziehungen untereinander- wie oben im einzelnen dargelegt - gesetzlich detailliert bestimmt, so bleibt dennoch genügend Raum, die Befugnisse des Vorstandes, des Aufsichtsrates und der Hauptversammlung und die Machtverhältnisse untereinander in 171 Vgl. Wiedemann in Großkomm. AktG § 179 Anm.2, der dort Abgrenzungskriterien und Beispiele für echte und unechte Satzungsänderungen nennt. 172 Siehe auch die Regelungen über die Verwendung des Jahresüberschusses in § 58, vgl. ferner Baumbach/Rueck § 174 Anm. 2, Godin/Wilhelmi § 174 Anm. 1, Brönner in Großkomm. AktG § 174 Anm. 1. 173 Vgl. Brönner in Großkomm. AktG Einleitung vor § 172 Anm. 1, Godin/ Wilhelmi § 172 Anm. 2 (Überschrift: .,Feststellung durch die Verwaltung"). 174 Vgl. Brönner in Großkomm. AktG § 173 Anm. 2. 175 Brönner in Großkomm. AktG § 173 Anm. 2 (der in beiden Fällen wegen der grundsätzlichen Zuständigkeit der Verwaltung auch von einer derivativen Kompetenz der Hauptversammlung spricht), für Hinweise auf weitere besondere Fälle der Zuständigkeit der Hauptversammlung für die Feststellung des Jahresabschlusses siehe Baumbach/Rueck § 173 Anm. 3, Godin/Wilhelmi § 173 Anm. 2, Brönner in Großkomm. AktG § 173 Anm. 2.

1. Kapitel: Vergleichende Darstellung

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der Praxis den jeweiligen Bedürfnissen und Interessen der einzelnen Aktiengesellschaft gemäß zu gestalten176• Diese unterschiedlichen Ausgestaltungen der Form, die sich u. a. aus der Größe, dem Gegenstand und der Geschichte der Gesellschaft ergeben können177 und die den gesetzlichen Bestimmungen im Zweifel stets in der Wirklichkeit durch Formalhandlungen genügen können178, sollen in diesem Abschnitt näher untersucht werden. Die tatsächliche Machtverteilung in der Aktiengesellschaft wird ihrerseits wiederum Aufschluß über die "Wahrheit der Form" 179 geben. Bei der nachfoLgenden Untersuchung über die faktische Macht der Organe soll grundsätzlich unterschieden werden zwischen großen Publikumsgesellschaften, bei denen sich das Aktienkapital vorwiegend im Streubesitz befindet, und Gesellschaften mit konzentriertem oder gar hochkonzentriertem Aktienbesitz, bei denen ·a lso das Aktienkapital in den Händen eines oder weniger Mehrheits- oder Großaktionäre zu finden ist180• Auf die Besonderheiten, die sich bei Unternehmenszusammenschlüssen und bei Familiengesellschaften ergeben, kann hier nicht eingegangen werden181 •

a) Der Vorstand Aufgrund der umfangreichen Befugnisse, die das Aktiengesetz dem Vorstand zuweist182, kann insbesondere wegen der eigenverantwortlichen Leitungsbefugnis über die Gesellschaft von der gesetzlich normierten Macht oder gar Allmachtdes Vorstandes ausgegangen werden183• Diese Macht des Vorstandes ist grundsätzlich auch in der Wirklichkeit des Wirtschaftslebens .anzutreffen und ist im Grundsatz auf ein sachliches Funktionsprinzip der Kapitalgesellschaft zurückzuführen184 • Für den Erfolg oder Mißerfolg der Aktiengesellschaft als WirtschaftsunterVgl. Herkenrath S. 129, Werth S. 39, siehe ferner Mestmäcker S. 95. Vgl. Herkenrath S. 130. 178 Vgl. Werth S. 40. 179 Schilling S. 159; vgl. das Vorwort von Huppert für seine Arbeit "Recht und Wirklichkeit der Aktiengesellschaft" (die allerdings in ihrer Einschränkung aus der Sicht der Kleinaktionäre - S. 5 -zu sehen ist). 180 Siehe die Unterscheidung, die Werth auf S. 54 für die Auswertung seiner Enquete trifft, vgl. ferner den Hinweis bei der DJT-Studienkommission auf S. 70 sowie die Unterscheidung der Mitbestimmungskommission auf S. 32, für Zahlenmaterial zu den großen Publikumsgesellschaften siehe Roth S. 188 ff. sowie Huppert S. 98 ff. und S. 10 (ebenda sowie auf S. 119 mit dem Hinweis, daß die Zahl der Aktiengesellschaften rückläufig ist). 181 Siehe hierzu etwa Wiesenhöfer S. 131- 147, Werth S. 101 f. 182 Siehe oben 1. a). 183 Vgl. Gessler S. 343, ebenso Herkenrath S. 42. 184 Vgl. schon die DJT-Studienkommission S. 76, siehe ferner Wiethölter S. 337 (Macht der Verwaltung). 176

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A. Überblick über die Strukturen der Aktiengesellschaft

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nehmen kommt es entschei-dend auf die leitende Tätigkeit der Unternehmensspitze an185 . Diese Leitungstätigkeit, die so unterschiedliche Aufgaben wie die Erarbeitung der Geschäftspolitik, die KooDdination der Einzelbereiche und die Vertretung des Unternehmens nach außen umfaßt188, nimmt generell der Vorstand, dessen Mitglieder sich im Gegensatz etwa zu den Mitgliedern des Aufsichtsrates vollberuflich mit diesen Aufgaben beschäftigen187, als der "eigentliche Träger der Leitungs- und Organisationsgewalt" 188 wahr. Bei den Gesellschaften mit konzentriertem Aktienbesitz ist noch eine teilweise sehr starke Abhängigkeit vom Aufsichtsrat festzustellen, da hier der oder die Mehrheits- oder Großaktionäre über ihre Position im Aufsichtsrat den Vorstand kontrollieren und gar in Einzelfragen Anweisungen .geben189. Die Mehrheits- oder Großaktionäre üben ihren Einfluß etwa mittels in die Tiefe gehender Überwachung190 und mittels umfangreicher Vorbehalte bei der Geschäftsführung zugunsten des Aufsichtsrates durch das Instrument der zustimmungsbedürftigen Geschäfte191 aus. Bei diesen Gesellschaften entscheiden die Mehrheits- oder Großaktionäre über den Aufsichtsrat noch tatsächlich über die Berufung der Vorstandsmitglieder192, bestimmen in der Überzahl die Geschäftspolitik des Unternehmens103, ja nehmen über die gesetzlich normierte Zuständigkeitsordnung hinaus in mehr oder minder starkem Umfang direkt an der Geschäftsführung teil104 . Umgekehrt läßt sich aber feststellen, daß bei diesen Gesellschaften die Machtmöglichkeiten des Vorstandes wegen der engagierten Tätigkeit des Aufsichtsrates nicht zu einer Allmacht des Vorstandes realisiert werden. Bei den großen Publikumsgesellschaften, bei denen das Aktienkapital sich vorwiegend im Streubesitz befindet, bewirken die heterogene Zusammensetzung der Aktionärsgruppe und ihre unterschiedlichen Interessen eine "innere Schwäche der Eigentümergruppe" 195 , so daß der 185 Vgl. Herkenrath S. 14 f. 186 Für eine Aufstellung der Einzelfunktionen der Gesamtfunktion der Leitung siehe Herkenrath S. 18 ff. 1s1 Vgl. auch Werth S. 95 und S. 101. 188 Mitbestimmungskommission S. 104, vgl. auch S. 99 und S. 102. 189 Vgl. Wiesenhöfer S. 131, der auf S. 132 den Ausnahmefall beschreibt, in dem die Mehrheits- oder Großaktionäre direkt Mitglieder des Vorstandes sind; siehe ferner Werth S. 67 und S. 99, Wiethölter S. 294. 190 Vgl. im einzelnen Werth S. 60, S. 63, S. 67 und S. 68. 191 Vgl. im einzelnen Werth S. 71, siehe ferner Wiethölter S. 294. 192 Vgl. Mitbestimmungskommission S. 48 f. 103 Vgl. Werth S. 88. 104 Vgl. Werth S. 103, siehe auch S. 99 sowie Huppert S. 40 und 50. 195 Herkenrath S. 42, siehe auch die Seiten 38 ff. (Analyse der Aktionärsinteressen und Verhaltensweisen).

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1. Kapitel: Vergleichende Darstellung

Vorstand in der Regel die Machtmöglichkeiten des Aktiengesetzes voll ausschöpfen und u. U. schließlich den Aufsichtsrat beherrschen kann106• Wenn auch in diesen Gesellschaften die Banken vermöge ihres Depotstimmrechtes in der Hauptversammlung und vermöge eventuell von ihnen geleisteter Fremdfinanzierung des Unternehmens durchaus entscheidend Einfluß auf die Gesellschaft ·ausüben können197, so ist doch grundsätzlich von der "autonomen Stellung" 198 des Vorstandes in der Gesellschaft bei den Publikumsgesellschaften auszugehen. Diese autonome Stellung des Vorstandes bei den großen Aktiengesellschaften im Streubesitz ist u. a. daran erkennbar, daß vielfach die amtierenden Vorstandsmitglieder die Kandidaten für die neu zu besetzenden Vorstandspositionen selbst vorschlagen, diese vorgeschlagenen Kandidaten sich häufig aus dem Führungsnachwuchs desselben Unternehmens rekrutieren und der Aufsichtsrat sie in einem reinen Formalakt bestellt199• Mit dieser Bestellung des Vorstandes durch den Vorstand nach den "Grundsätzen der Kooptation" 200 wird aber auch die eigenständige Vorherrschaft des Vorstandes fortlaufend verstärkt und dem Aufsichtsrat die wichtige Möglichkeit, über die Bestellung der Vorstandsmitglieder Einfluß auch auf die Geschäftspolitik der Gesellschaft zu nehmen201 , entzogen. Die gesetzlichen Funktionen des Aufsichtsrates wevden ferner insbesondere bei den Gesellschaften, die der paritätischen Mitbestimmung unterliegen, teilweise dadurch beeinträchtigt, daß der Vorstand vor den Sitzungen des Aufsichtsrates Vorbesprechungen mit den Arbeitnehmervertretern im Aufsichtsrat führt und sich dabei der Zustimmung dieser Aufsichtsratsmitglieder zu versichern sucht202 • Gelingt es dem Vorstand, die Arbeitnehmervertreter zu einer einheitlichen zustimmenden Haltung gegenüber seinen Vorschlägen zu gewinnen, so ist die Wahrscheinlichkeit gering, daß im Aufsichtsrat diese Pläne umfassend und kontrovers von allen Mitgliedern diskutiert werden. Eine derartige Praxis der Vorabstimmung des Vorstandes mit den Arbeitnehmervertretern stärkt weiter die Stellung des Vorstandes gegenüber dem Aufsichtsrat203 • 196 Vgl. DJT-Studienkommission S. 30, Steinmann S. 30 f., Wiesenhöfer S. 132, siehe ferner Werth S. 99, Wiethölter S. 294. 197 Vgl. Wiesenhöfer S. 132, Werth S. 99 f., siehe auch Mestmäcker S. 92 ff. sowie Dietrich S. 20. 198 Herkenrath S. 43, siehe ferner Steinmann S. 35, Mestmäcker S. 92. 199 Vgl. Mitbestimmungskommission S. 48, Huppert S. 49 f., Roth S. 325, SchillingS. 162 f., Wiesenhöfer S. 41, Mestmäcker S. 91. 200 Mitbestimmungskommission S. 48, SchillingS. 162. 201 Vgl. Mitbestimmungskommission S. 32. 202 Vgl. Mitbestimmungskommission S. 36 f. 203 Vgl. Mitbestimmungskommission S. 36.

A. Überblick über die Strukturen der Aktiengesellschaft

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Das Machtverhältnis zwischen dem Vorstand und dem Aufsichtsrat hängt auch bei den großen Publikumsgesellschaften durchaus von der Persönlichkeit .der einzelnen Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder ab 204. In der einen Gesellschaft holt sich der Vorstand etwa sicherheitshalber ständig die Billigung des Aufsichtsrates ein, während in der anderen Gesellschaft der Vorstand den Aufsichtsrat zu überspielen versucht205. Generell läßt sich jedoch für die großen Publikumsgesellschaften im Streubesitz feststellen, daß in der Wirklichkeit die gesetzlichen Einflußmöglichkeiten des Aufsichtsrates nicht ausgeschöpft werden206 und daß statt dessen der Vorstand die Möglichkeiten, die Gesellschaft autonom zu führen, weidlich praktiziert. b) Der Aufsichtsrat

Die tatsächlichen Aufgaben und die tatsächliche Macht des Aufsichtsrates im Verhältnis zu den anderen Organen sind ebenso wie die des Vorstandes von unterschiedlicher Art und wechselndem Gewicht; und zwar je nachdem, ob es sich um den Aufsichtsrat einer Gesellschaft mit konzentriertem Aktienbesitz, bei der der oder die Mehrheits- oder Großaktionäre die Hauptversammlung und damit den Aufsichtsrat beherrschen, oder um den einer Publikumsgesellschaft im Streubesitz handelt, bei der der Aktienbesitz der einzelnen Aktionäre für eine Beherrschung oder auch nur entscheidende Beeinflussung der Hauptversammlung und damit des Aufsichtsrates zu gering ist207 Wenn auch generell die Kontrolltätigkeit die Hauptaufgabe des Aufsichtsrates bleibt208, so treten doch daneben .die Aufgaben ·der Beratung des Vorstandes und der Mitentscheidung über die Geschäftsführung der Gesellschaft209. Der Aufsichtsrat bei den Gesellschaften mit konzentriertem Aktienbesitz begnügt sich in der Regel allel"dings nicht mit einer beratenden Tätigkeit für den Vorstand, sondern nimmt neben der reinen Kontrolltätigkeit210 häufig direkt am Entscheidungsprozeß über die Geschäfts204 Vgl. Werth S. 101 und S. 104, Wiesenhöfer S. 132, siehe ferner Herkenrath S. 92 und S. 134. 2os Vgl. Wiesenhöfer S. 132. 206 Vgl. Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 95 Anm. 1, siehe ferner Werth S. 68, S. 69, S. 88 und S. 99. 207 Vgl. Mitbestimmungskommission S. 32, Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 95 Anm. 1, siehe ferner Mestmäcker S. 95. 2os vgl. Herkenrath S. 101, siehe aber auch Pflüger S. 71 ff. 209 Vgl. Mitbestimmungskommission S. 32, Schilling S. 163, Wiesenhöfer S. 38, Werth S. 95 ff. und S. 103, siehe ferner Herkenrath S. 130, Mestmäcker S. 96, Pflüger S. 73 f. 210 Siehe oben 2. a).

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1. Kapitel: Vergleichende Darstellung

führungder Gesellschaft teil 211 • Die Mitwirkung des Aufsichtsrates kann bei diesen Gesellschaften ein derartiges Maß erreichen, daß in einer kleinen, aber beträchtlichen Anzahl der Fälle die Geschäftsführung der Gesellschaft in einer gemeinsamen Leitung durch den Vorstand und den Aufsichtsrat mit einem Übergewicht des Aufsichtsrates -b esteht212 • Dennoch ist festzustellen, daß bei den Gesellschaften mit konzentriertem Aktienbesitz, auch wenn der Aufsichtsrat eine eindeutige Vormachtstellung innehält, dieser nie die Leitung des Unternehmens übernimmt, sondern sich mit der Kontroll- und Mitwirkungsfunktion zufrieden gibt 213 • Bei den großen Publikumsgesellschaften nimmt der Aufsichtsrat im geringsten Maße an der Geschäftsführung des Unternehmens teil 214 , vielmehr übt er neben der Kontrolltätigkeit, die allerdings im Falle eines starken Bankeneinflusses qua Depotstimmrecht von seiten der Banken-Vertreter im Aufsichtsrat beträchtlich sein kann, primär eine beratende Funktion gegenüber dem Vorstand aus215 • Die generell schwache Stellung der Aktionäre, die eben bei diesen Gesellschaften im Streubesitz über keinen entscheidenden Einfluß auf die Hauptversammlung und damit auf die Zusammensetzung des Aufsichtsrates verfügen, führt letztlich .dazu, -daß selbst die Kontrollfunktion des Aufsichtsrates nur schwach durch diesen wahrgenommen wird216 • Die Schwäche der Aktionärsgruppe erlaubt es dem Vorstand bei den Publikumsgesellschaften in der Praxis, die Mitglieder des Aufsichtsrates häufig auf seinen Vorschlag nach dem Kooptationsprinzip bestellen zu lassen oder doch zumindest entscheidenden Einfluß auf die Bestellung durch die Hauptversammlung zu nehmen217 • Dabei wird davon ausgegangen, daß die Aktionärsvertreter im Aufsichtsrat - in der Regel am Aktienbesitz ohnehin überhaupt nicht oder nur gering beteiligt - nicht als typische Gruppenvertreter, sondern vielmehr als Berater für die Gesellschaft und als Verbindungspersonen zu anderen Unternehmen und zu staatlichen Institutionen tätig sein sollen218• Daher werden zu Aufsichtsratsmitgliedern etwa ehemalige Vorstandsmit211 Vgl. DJT-Studienkommission S. 77, Mitbestimmungskommission S. 32, siehe ferner Wiethölter S. 294. 212 Vgl. Werth S. 98 f. sowie Huppert S. 40. 213 Vgl. Werth S. 99 und S. 104, siehe ferner Herkenrath S. 132. 214 Vgl. im einzelnen Werth S. 71, S. 88 und S. 98 f. 215 Vgl. Mitbestimmungskommission S. 32, Schilling S. 163, siehe ferner Wiesenhöfer S. 71. 216 Vgl. DJT-Studienkommission S. 30, siehe ferner Werth S. 68, S. 69 und s. 99. 217·• Vgl. Schilling S. 163, DJT-Studienkommission S. 30, Huppert S. 40, Mitbestimmungskommission S. 32. 218 Vgl. Mitbestimmungskommission S. 32 f., siehe ferner Herkenrath S. 101.

A. Überblick über die Strukturen der Aktiengesellschaft

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glieder, Bankdirektoren, Vertreter anderer Industriezweige, Vertreter von Behörden oder Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens vorgeschlagen und ·bestellt219 • Diese Personengruppen sollen nicht nur ihre Sachkunde und ihre beruflichen Erfahrungen in die Beratung mit dem Vorstand einbringen, sie sollen vielmehr auch nützliche Verbindungen in der Wirtschaft, zu den Behörden und Ministerien und in der Politik schaffen oder doch zumindest als "Aushängeschilder" der Repräsentation der Gesellschaft dienen220 • Aus dieser Situation heraus ist es verständlich, wenn der Aufsichtsrat bei diesen Gesellschaften als "Herrschafts- oder Hilfsorgan der Verwaltung" 221 bezeichnet wird. In jedem Fall ist der Aufsichtsrat mit seiner normalen Mehrheit der Aktionärsvertreter nicht primäres Vertretungsorgan für die Anteilseigner. Die Beratung des Vorstandes als die entscheidende Aufgabe des Aufsichtsrates bei den Publikumsgesellschaften im Streubesitz kann weiterhin den Effekt einer Selbstkontrolle des Vorstandes bewirken222 • Denn durch die Notwendigkeit, seine Ideen und Pläne dem Aufsichtsrat zur Beratung vorlegen und begründen zu müssen, wird der Vorstand gezwungen, sich selbst noch einmal Rechenschaft über seine Tätigkeiten und Planungen abzulegen. Inwieweit nun die Selbstkontrolle des Vorstandes oder die Kontrolle durch .den Aufsichtsrat von größerem Gewicht ist, hängt nicht zuletzt wiederum von .der Persönlichkeit der Aufsichtsratsmitglieder, insbesondere des Aufsichtsratsvorsitzenden ab223 • Gerade der Aufsichtsratsvorsitzende als Repräsentant und Vertreter des Aufsichtsratskollegiums hat die Möglichkeit, durch seine geschäftsordnungsmäßigen Befugnisse und durch seinen beständigen Kontakt zum Vorstand das Verhältnis zwischen Vorstand und Aufsichtsrat entscheidend zu beeinflussen. Grundsätzlich ist dennoch festzuhalten, daß der Aufsichtsrat bei den großen Publikumsgesellschaften im Streubesitz neben einer unterschiedlich starken Kontrollfunktion hauptsächlich seine Aufgabe in der Beratung des Vorstandes sieht und daß ·daher der Aufsichtsrat im Verhältnis zu dem autonomen Vorstand eine schwache Stellung besitzt224 • 219 Vgl. Wiesenhöfer S. 38 und 73, zu den Bankenvertretern siehe Mitbestimmungskommission S. 33 und S. 124, Dietrich S. 20, Mestmäcker S. 92, Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 95 Anm. 1, Wiesenhöfer S. 74. 220 Vgl. Mitbestimmungskommission S. 32 f., Wiesenhöfer S. 38 und S. 71 ff., Herkenrath S. 21, Pflüger S. 75. 221 Mestmäcker S. 96, vgl. Wiesenhöfer S. 208, siehe auch Pflüger S. 75. 222 Vgl. Mestmäcker S. 96, Herkenrath S. 100. 223 Vgl. Herkenrath S. 92 und S. 134, Werth S. 101 sowie Roth S. 314 f.; siehe ferner Mitbestimmungskommission S. 38 f. (Aufsichtsratspräsidium). 224 Vgl. Werth S. 99, Wiesenhöfer S. 71. Inwieweit bei den großen Publikumsgesellschaften, die dem neuen Mitbestimmungsgesetz von 1976 unterliegen, die Arbeitnehmer-Vertreter im Aufsichtsrat ihre praktisch nur dort vorhandenen faktischen Möglichkeiten zur Kontrolle und zur Mitentschei-

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1. Kapitel: Vergleichende Darstellung c) Die Hauptversammlung

Die Bezeichnung der Hauptversammlung als "oberstes Organ" der Aktiengesellschaft findet generell in der Wirklichkeit des Wirtschaftslebens keinerlei Rechtfertigung225 • Wenn auch neben der eigenverantwortlichen Leitung der Gesellschaft durch den Vorstand und neben der eigenen Kontrollaufgabe des Aufsichtsrates die Hauptversammlung gesetzlich zugewiesene und unentziehbare Entscheidungsbefugnisse über die Grundfragen der Gesellschaft und insbesondere die Zuständigkeit für die Bestellung des Aufsichtsrates besitzt226 , so gibt doch in der Realität der tatsächliche Einfluß der einzelnen Organe und seiner Mitglieder und nicht die formale Zuständigkeitsordnung der Organe den Ausschlag für die faktischen Machtverhältnisse innerhalb der Gesellschaft. Die Realität zeigt nun, daß die Hauptversammlung als eigenständiges Organ in der Regel keine Macht ausübt, sondern vielmehr nur das Wirkungsfeld darstellt, auf dem der Vorstand, die Klein- und Großaktionäre und die weiteren Beteiligten ihre jeweilige Macht mitoder gegeneinander einsetzen227• Bei den Gesellschaften mit konzentriertem Aktienbesitz mag die gesetzliche Vorstellung von der Hauptversammlung als direktes Vertretungsorgan der Aktionäre, die dort ihre Angelegenheiten der Gesellschaft regeln, noch in der Praxis anzutreffen sein228 • Solange nämlich der Kreis der Anteilseigner noch überschaubar ist und diese die notwendige Sachkunde besitzen, wird es möglich sein, die Belange der Gesellschaft untereinander zu diskutieren und zu entscheiden. Auch die Befugnis der Hauptversammlung, die Mitglieder des Aufsichtsrates durch die Gruppe der Aktionäre zu bestellen, läßt sich aus denselben Gründen rechtfertigen. Möglicherweise ist aber in der Realität auch bei diesen Gesellschaften die Hauptversammlung nur ein Wirkungsfeld, hier nämlich das Wirkungsfeld des oder der Mehrheits- oder Großaktionäre. Diese lassen sich und Vertraute in den Aufsichtsrat wählen, bestimmen von dort aus die Leitung der Gesellschaft, legen die gesetzlich geforderten Entscheidungen für die Hauptversammlung dieser vor und lassen dann mit ihrer Mehrheit oder ihrem entscheidenden Einfluß darüber beschließen. dung ebenda ausspielen werden und somit dem Aufsichtsrat ein stärkeres Gewicht bei diesen Gesellschaften verleihen werden, wird erst die Zukunft zeigen können. 225 Vgl. Gessler S. 345, Steinmann S. 296, Wiethölter S. 92, siehe ferner Wiesenhöfer S. 8 ff. 228 Vgl. Herkenrath S. 101, siehe im einzelnen oben 1. c). 227 Vgl. Wiethölter S. 92 f., vgl. auch Huppert S. 20 ff. 228 Vgl. Meyer-Landrut in Großkomm. AktG Vorbemerkung zum Vierten Abschnitt des Vierten Teils.

A. Überblick über die Strukturen der Aktiengesellschaft

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Für die Hauptversammlung bei den großen Publikumsgesellschaften im Streubesitz gilt es festzuhalten, daß hier die direkte Verknüpfung zwischen den "Eigentümer"-Rechten der Anteilseigner und der Unternehmensführung nicht mehr existiert229 • Die Möglichkeiten der Hauptversammlung, als Organ ihren Anteil an den Regelungen innerhalb der Gesellschaft in der Praxis wahrzunehmen, hängen letztlich ebenfalls davon ab, inwieweit die Aktionäre in der Lage und willens sind, ihre Interessen in der Gesellschaft zu vertreten. Schon allein die teilweise in die Tausende gehende Zahl der Aktionäre230 erschwert die Bildung eines einheitlichen Willens zur konsequenten Einflußnahme auf die Gesellschaftsführung in der Hauptversammlung. Ferner sind d ie verschiedenen Typen der Aktionäre mit ihren unterschiedlichen Interessen zu berücksichtigen, etwa der "Unternehmeraktionär", der über seinen Aktienbesitz direkten Einfluß auf die Unternehmensführung nehmen will, oder der "Anlageaktionär", der primär an einer guten Rendite interessiert ist, oder der "Spekulationsaktionär", der nur das Steigen und Fallen der Aktienkurse ausnutzen will 231 • Im Gegensatz zu den Unternehmeraktionären - meist Großaktionäre - verfügen die Anlage- und Spekulationsaktionäre - meist Kleinaktionäre232 - häufig nicht über die notwendige Sachkunde, um die immer komplizierter werdenden Unternehmerischen Entscheidungen der .einzelnen Gesellschaft beurteilen zu können233 • · Neben dem geringen Unternehmerischen Interesse und der fehlenden Sachkunde wivd die Möglichkeit der Einflußnahme auf die Hauptversammlung für den Kleinaktionär noch dadurch begrenzt, daß der Aktienbesitz bei den großen Publikumsgesellschaften immer stärker der "Institutionalisierung" 234 unterliegt. Ein erheblicher Anteil des Aktienbesitzes, der um die 50 %-Grenze liegt, befindet sich nicht mehr in den Händen von Einzelaktionär en, sondern gehört anderen Gesellschaften im Wege des Schachtelbesitzes, auch etwa Versicherungsgesellschaften oder Banken, sowie im Dauerbesitz dem Bund, den Ländern oder den Gemeinden235 • Diese Entwicklung ihrerseits entmutigt den Vgl. Wiethölter S. 315. Vgl. Wiethölter S. 317 ff., siehe auch Meyer-Landrut in Großkomm. AktG Vorbemerkung zum Vierten Abschnitt des Vierten Teils. 231 Siehe für diese und weitere Unterteilungen der Aktionäre im einzelnen Herkenrath S. 38 ff., siehe ferner Wiethölter S. 316. 232 In diesem Zusammenhang sei angemerkt, daß auch Roth für sein Buch den Blickwinkel "des ,Kleinkapitalisten', des kleinen Sparers, der eine sachund ertragswertbezogene Kapitalanlage sucht", gewählt hat (ebenda S. 9). 233 Vgl. DJT-Studienkommission S. 64, Gessler S. 345, Huppert S. 52 ff., Werth S. 106, Wiesenhöfer S. 172. 234 Herkenrath S. 40. 235 Vgl. Herkenrath S. 41 sowie Huppert S. 53 f., 74, 104, 107, siehe hierzu auch das Beispiel bei Wiethölter S. 318. 229

230

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i. Kapitel: Vergieichende Darstellung

kleinen Einzelaktionär, sein Aktionärsrecht in der Hauptversammlung wahrzunehmen. Auch aus diesem Grunde überläßt er es häufig seiner Bank, sein Stimmrecht in der Hauptversammlung mittels des Depotstimmrechtes auszuüben. Diese Praxis führt nun wiederum dazu, den Trend zur institutionalen Wahrnehmung des Aktionärsrechtes in der Hauptversammlung zu verstärken238 • Die Erfahrungen bei den großen Publikumsgesellschaften im Streubesitz zeigen, daß deren Hauptversammlungen nicht mehr als Aktionärsversammlungen237, sondern vielmehr als "Aktionärsvertreterversammlungen"238 fungieren. Die Banken, die beherrschenden Gesellschaften und einzelne Großaktionäre, die in der Regel bereits im Aufsichtsrat eine beherrschende Stellung innehaben, üben in der Hauptversammlung den entscheidenden Einfluß aus239 , wobei die Beschlüsse der Hauptversammlung mehr einen formalen Charakter besitzen240 • Die Hauptversammlung "regiert nicht, sie registriert" 241 • Die Hauptversammlung stellt also keinen eigenständigen Machtfaktor im Verhältnis zum Vorstand und zum Aufsichtsrat dar, sondern bildet die Plattform für die Machtausübung des Vorstandes sowie des Aufsichtsrates mit den dort vertretenen Großaktionären und institutionalen Aktienbesitzern.

II. Die U.S.-corporation Zum Zwecke des Vergleiches mit der deutschen Aktiengesellschaft soll für die Vereinigten Staaten das Recht der stock corporation herangezogen werden, da die stock corporation der Aktiengesellschaft im Wesen am nächsten kommt1• Der Begriff der corporation allein umfaßt als Oberbegriff die verschiedensten Rechtsgebilde von juristischen Personen des öffentlichen Rechts (public und public service corporations) bis zu solchen des Privatrechts (non-business und business [moneyed und industrial] corporations) sowie von Gesellschaften auf personeller Basis (non-stock corporations) bis zu solchen auf Kapitalbasis (stock 236 Vgl. Herkenrath S. 41, siehe ferner Wiethölter S. 330, der die Problematik des Depotstimmrechtes der Banken auf den Seiten 322 ff. ausführlich darstellt, zu diesem Thema siehe ebenfalls Gessler S. 348, Huppert S. 76 ff., und 111 ff. (Depotstatistik), Mestmäcker S. 92 ff. sowie Roth S. 191 ff. und 308 ff. 237 Siehe den Vorschlag Roths, das Aktienstimmrecht abzuschaffen und statt dessen ein "Treuhandmodell" als Alternative zur Publikumsaktiengesellschaft zu schaffen (insbes. die Seiten 206 ff. und 314); siehe hierzu mit Recht ablehnend Rittner RabelsZ 1975 S. 569 ff. 238 Meyer-Landrut in Großkomm. AktG Vorbemerkung zum Vierten Abschnitt des Vierten Teils. 2so Vgl. Herkenrath S. 42. 24o Vgl. beispielsweise Werth S. 91. 2 41 Wiethölter S. 337. 1 Vgl. Löw S. 30 Fußnote 12, Schmey S. 31, Trumpier S. 41.

A. Überblick über die Strukturen der Aktiengesellschaft

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corporations) 2 • Nach diesem Hinweis wir·d der Einfachheit halber im folgenden nur der Ausdruck "corporation" für das U.S.-Gegenstück zur Aktiengesellschaft verwandt werden3 • Die Erstellung eines Überblickes über die Grundstrukturen der corporation wird sowohl für die faktischen als auch bereits für die rechtlichen Verhältnisse dadurch erschwert, daß es einerseits aufgrund der Zuständigkeit der Einzelstaaten für das Recht der corporation4 kein einheitliches U.S.-Recht auf diesem Sektor ,gibt5 • Vielmehr existieren nebeneinander 54 Rechtskreise 8 mit zum Teil sehr unterschiedlich geprägten Rechtssystemen wie etwa dem "liberalen" , corporationsfreundlichen Recht des Staates Delaware7 oder .dem "fortschrittlichen", Einzelaktionärs-freundlichen Recht des Staates California8 • Auch die Bestrebungen zur Rechtsvereinheitlichung etwa mit Hilfe von ModellAktiengesetzentwürfen zuletzt der amerikanischen Anwaltschaft9 haben die entscheidenden Unterschiede nicht wesentlich beeinflussen können 10 • Andererseits sind auch innerhalb ein und desselben Rechtskreises die faktischen wie eben auch die rechtlichen Ausgestaltungen der corporation sehr wohl unterschiedlich, denn diese ergeben sich aus einem 2 Vgl. Herkenrath S. 32, Schmey S. 21, vgl. auch Falkenhausen AG 1959, S. 186; siehe für mögliche Untergliederungsschemata Escher S. 10 f., Herkenrath S. 32, Schmey S. 21 ff., Trumpier S. 29 ff.; siehe bei Trumpier auf S. 25 die Begriffskombinationsmöglichkeit der "private business industrial stock corporation". 3 Für die Vergleichbarkeit der close (oder closely held) corporation mit der deutschen GmbH siehe Kronstein S. 477, Mestmäcker S. 53, Wiethölter S. 195 (vergleichbar auch mit einer Familien-AG oder einer offenen Handelsgesellschaft mit beschränkter Haftung); siehe ferner zur close corporation Lattin S. 394 ff., Model Bus. Corp. Act Ann., Band 1, S. 756 ff. sowie die rechtsvergleichende Untersuchung von Immenga. 4 Vgl. Escher S. 1, Falkenhausen AG 1959 S. 186, Herkenrath S. 31, Wietbälter S. 152; siehe aber Art I Section 8 der U.S.-Constitution ("interstate commerce clause") und die einzelnen entsprechenden Bundesgesetze wie der (u. a. das Anlagepublikum schützende) Securities and Exchange Act von 1934, vgl. Escher S. 6, Wiethölter S. 152, 161 ff. 5 Vgl. Falkenhausen AG 1959 S. 186, Herkenrath S. 31. 8 50 Bundesstaaten, 3 U.S.-Territorien und der District of Columbia, siehe hierzu Escher S. 1, Falkenhausen AG 1959 S. 186, Herkenrath S. 30. 7 Vgl. Wiethölter S. 156 und 185; siehe ferner "Law for Sale: A Study of the Delaware Corporation Law" 117 U. of P. L. R. 861 (1969), Conard S. 631 ff. sowie das interessante Buch einer Nader's Study Group, Phelan/Pozen, "The Company State" New York 1973, Chapter 7, insbes. S. 163 ff. ; mehr als die Hälfte der 100 größten U.S.-corporations sowie etwa ein Drittel aller an der New York Stock Exchange geführten corporations haben ihren Sitz in Delaware, vgl. Nader in Nader/Green S. 72, Phelan/Pozen S. 171. 8 Vgl. Wiethölter S. 156 und 185; siehe hierzu auch Ballantine S. 445 f. 9 Siehe den Model Business Corporation Act in der geänderten Fassung von 1969. 10 Vgl. zur Geschichte und Kritik der Rechtsvereinheitlichung Escher S. 2 f. und 10, Wiethölter S. 153 ff.

4 Jarzeml,10wski

1. Kapitel: Vergleichende Darstellung

50

komplexen Zusammenspiel der gestaltenden Faktoren der Einzelstaatverfassung, des Aktiengesetzes (häufig nur als Rahmengesetz11), der charter12, der by-laws13 und .des Gewohnheitsrechtes14 .15 Dennoch ist es möglich, über die Unterschiede im einzelnen Rechtskreis und unter denselben hinweg einheitliche Grundlinien der U.S.-corporation aufzuzeigen16, zumal alle Rechtskreise auf demselben aus England übernommenen und fortentwickelten Recht aufbauen17 • In diesem Sinne und mit all den vorstehenden Einschränkungen soll versucht werden, die rechtliche und die faktische Stellung der Organe in der U.S.-corporation darzustellen. 1. Die Stellung der Organe

Die U.S.-corporation besitzt die zwei "Funktionsträger" 18 : das shareholders' meeting als Aktionärsversammlung und den board of directors als "Verwaltungsinstanz" 19.20 Diese beiden Funktionsträger können als Organe der corporation bezeichnet werden21 , wenn dies auch bei Betrachtung des Theorienstreites um das Wesen und den Aufbau der corporation unter Gesichtspunkten der Dogmatik bezweifelt werden mag22 . Nach der Fiktionstheorie23 handelt etwa der board of directors nicht als 11

Vgl. Wiethölter S. 175, siehe auch Falkenhausen AG 1959 S. 187.

12 Auch "certificate I articles of incorporation" genannt. 13 Die by-laws sind mehr als eine Geschäftsordnung der corporation, sie

regeln zumeist ebenfalls die inneren Verhältnisse der corporation wie etwa die Rechte und Pflichten oder die Wahl des board of directors. Vgl. Herkenrath S. 33, Wiethölter S. 186 f. (Letzterer bezeichnet auf S. 187 die charter [das Außenverhältnis betreffend] und die by-laws [das Innenverhältnis betreffend] zusammen als "Satzung der Gesellschaft".) 14 Insbesondere für die Rechte und Pflichten der Aktionäre und der Organe der corporation, vgl. Falkenhausen AG 1959 S. 187, siehe ferner Conard 71 Mich. L. R. 648 ff. 15 Vgl. Herkenrath S. 32 f., Wiethölter S. 176, zu der Frage, welche sonstigen Laws neben dem Corporate Law Einfluß auf die einzelne corporation haben, siehe Conard 71 Mich. L. R. 621, 623. 16 Vgl. Herkenrath S. 31, Wiethölter S. 185. 17 Vgl. Falkenhausen AG 1959 S. 186. 18 Escher S. 12. 19 Wiethölter S. 184. 20 Vgl. Escher S. 12 f., Falkenhausen AG 1959 S. 189, Schmey S. 277, vgl. auch Herkenrath S. 56; siehe für die Aufgaben und Stellung der Wirtschaftsprüfer (certified public accountant- C PA) Herkenrath S. 52 f . und 94 sowie Czech Die Haftung des Wirtschaftsprüfers und des C.P.A. gegenüber Dritten Dissertation Harnburg 1977. 21 So die überwiegende Klassifizierung in der deutschsprachigen Literatur, siehe Escher S. 18 f. und 101, Falkenhausen AG 1959 S. 189, Herkenrath S. 47 und 55 f., Schmey S. 277, Trumpier S. 91, vgl. auch Mestmäcker S. 41 ("organschaftliche" Vertretungsmacht des board) und 42, a . A. Wiethölter S. 199. 22 Vgl. Wiethölter S. 196 ff. 23 Vgl. Ballantine S. 119 ff., siehe hierzu Wiethölter S. 196 ff.

A. Überblick über die Strukturen der Aktiengesellschaft

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Organ (corporation can da no act24) noch als Vertreter (keine Weisungsgebundenheit25), sondern als "Verwalter kraft gesetzlichen Amtes" 26 , während nach der Vertragstheorie 27 die board-Mitglieder ebenfalls direkt keine Vertreter oder Treuhänder sind28, sondern der board den body of shareholders repräsentiert 29 und somit als "Verwalter kraft rechtsgeschäftlicher Delegation durch die Aktionäre" 30 bezeichnet werden kann31 . Ebenso kann nach diesen Theorien die Organ-Eigenschaft des shareholders' meeting bestritten werden32. Für den Zweck der Rechtsvergleichung können aber und sollen hier der board of directors und das shareholders' meeting, deren jeweils eigenständige Funktion innerhalb der corporation im folgenden näher dargestellt wird, als Organe der corporation klassifiziert werden. a) Der board of directors

Der board of directors ist ausschließlich zuständig, "to manage" die gewöhnlichen Angelegenheiten der corporation33. Der Begriff des managementumfaßt hierbei sowohl einerseits die Geschäftsführung der corporation und andererseits deren Vertretung als auch die Kontrolle der Geschäftsleitung34 . Um all diese Aufgaben zu erfüllen, bedient sich der board of directors der officers, für deren Auswahl und Kontrolle er ebenfalls zuständig ist35. Somit übt der board of directors in der 2 • Ballantine S. 119. 2s Vgl. Ballantine S. 121. 2s Wiethölter S. 198. 27 Vgl. Stevens S. 43 ff., zum 3fachen Vertragsverhältnis der charter (Vertrag Staat - corporation, Vertrag corporation - shareholders, Vertrag der shareholders untereinander) siehe auch Lattin S. 570. 28 Vgl. Stevens S. 647. 29 Vgl. Stevens S. 647 und 650. 3o Wiethölter S. 199. 31 Vgl. Stevens 648, siehe hierzu Wiethölter S. 198 f., siehe zum Theorienstreit auch Model Bus. Corp. Act Ann., Band 1, S. 753 f. 32 Vgl. Wiethölter S. 199, siehe im einzelnen Ballantine S. 390 f. und auch S. 123 sowie Stevens S. 535 ff. 33 Vgl. Ballantine S. 119, Lattin S. 242, Stevens S. 646 sowie § 35 Model Bus. Corp. Act und Model Bus. Corp. Act Ann., Band 1, S. 760 f., zu der Problematik, in wessen Interesse der board of directors, bzw. die corporation handeln soll, siehe Berle/Means S. 247 ff. ("Corporate Powers as Powers in Trust") und S. 352 ff. und Werner ("Management, Stock Market and Corporate Reform: Berle and Means Reconsidered") 77 Colum. L. R. 388, insbes. 408 ff. und 414 ff. sowie ferner dieneueren Beiträge Henning in Nader/Green S. 151 ff., Chamberlain insbes. S. 201 ff. ("The Limits of Corporate Responsibity") und Phelan/Pozen S. 368 ff. 34 Vgl. Escher S. 17, Falkenhausen AG 1959 S. 189, Herkenrath S. 48, siehe für eine Einzelaufzählung Ballantine S. 119 ff. 35 Vgl. Ballantine S. 120 und 132, Lattin S. 243, Löw S. 41 und 43, Model Bus. Corp. Act Ann., Band 1, S. 752, siehe für die Berufung von officers § 50

4•

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1. Kapitel: Vergleichende Darstellung

corporation die Gesamtheit der Funktionen aus, die bei der Aktiengesellschaft von den beiden Organen Vorstand und Aufsichtsrat wahrgenommen werden36 • Der board of directors hat gewöhnlich eine Mindestanzahl von drei Mitgliedern37 • Die persönlichen Voraussetzungen für die board-Mitglieder, insbesondere die Anforderungen an Wohnsitz und Aktienbesitz sind sehr unterschiedlich geregelt38• Eine gesetzlich vorgeschriebene Vertretung von Arbeitnehmern im board of directors - etwa vergleichbar mit den Mitbestimmungsregelungen für den Aufsichtsrat der deutschen Aktiengesellschaft - ist dem amerikanischen Recht fremd und daher nicht vorhanden39 • Sofern nicht die charter, die by-laws oder ein Aktionärsbeschluß etwas anderes bestimmen, erhalten die boardMitglieder grundsätzlich keine Vergütung für ihre Tätigkeit40 . Sind sie aber gleichzeitig als officer bei der corporation angestellt, so bekommen sie in dieser Eigenschaft ihre Gehälter, Gewinnbeteiligungen und dergleichen41. Der board of directors kann grundsätzlich einen Beschluß nur in einer gemeinsamen Sitzung fassen 42 , sofern nicht ausnahmsweise etwa die charter oder die by-laws eine einstimmige Beschlußfassung im schriftlichen Verfahren ausdrücklich zulassen43 • Zur Beschlußfassung des boards of directors ist die Anwesenheit eines quorum der Mitglieder erforderlich, das grundsätzlich durch die Mehrheit der Mitglieder des gesamten boards gebildet wird44 • Soweit wiederum nichts anderes bestimmt ist, ist die Mehrheit dieser beschlußfähigen Anzahl berechtigt, Beschlüsse für die corporation zu fassen 45 • und für deren Abberufung§ 51 Model Bus. Corp. Act sowie die entsprechenden Anmerkungen in Model Bus. Corp. Act Ann., Band 2, S. 89 ff. und 119 ff. 36 Vgl. Falkenhausen AG 1959 S. 189, Herkenrath S. 47, Trumpier S. 91. 37 Vgl. Hallstein S. 287 Fußnote 169, Herkenrath S. 61, Lattin S. 240, Schmey S. 280, Trumpier S. 93, Wiethölter S. 187 ff., Model Bus. Corp. Act Ann., Band 1, S. 778 ff. sowie § 36 Model Bus. Corp. Act. 38 Vgl. Stevens S. 735 ff., Model Bus. Corp. Act Ann., Band 1, S. 761 f. 39 Vgl. Falkenhausen AG 1959 S. 189, vgl. auch Herkenrath S. 61, Mestmäcker S. 44. 40 Vgl. Escher S. 32, Hallstein S. 302, Mestmäcker S. 42, Stevens S. 753, Trumpier S. 94. 41 Vgl. Herkenrath S. 61, Lattin S. 241, Schmey S. 283. 42 Vgl. Ballant~ne S. 123 f., Stevens S. 656 f ., für die allgemeinen Voraussetzungen einer gewöhnlichen oder außergewöhnlichen Sitzung siehe Ballantine S. 127 ff., Lattin S. 244 ff. Stevens S. 746 ff., Model Bus. Corp. Act Ann., Band 1, S. 872. 43 Siehe im einzelnen Ballantine S. 125 ff., Lattin S. 248, Model Bus. Corp. Act Ann., Band 1, S. 882 ff. 44 Vgl. Ballantine S. 130, Lattin S. 246 ff., Stevens S. 750, Mode Bus. Corp. Act Ann., Band 1, S. 826 ff. 45 Vgl. Ballantine S. 131, Lattin S. 246, Stevens S. 751, Model Bus. Corp. Act Ann., Band 1, S. 826 ff.

A. Überblick über die Strukturen der Aktiengesellschaft

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Grundsätzlich kann der board of directors nur durch sein Gesamthandeln wirksam für die corporation tätig werden48 • Allerdings kann der boar.d Aufgaben zur selbständigen Erledigung auch delegieren47 , und zwar an einzelne Ausschüsse, an einzelne directors sowie an einzelne Nicht-directors48 • Die Grenzen der Delegation finden sich einerseits dort, wo der board of directors all seine Befugnisse etwa an einen Ausschuß abtreten wollte 49 , und andererseits bei den grundlegenden und daher nicht delegierbaren Befugnissen des boards, also beispielsweise bei der Dividendenfestsetzung oder der Änderung der by-laws50 • Auch für die übertragbaren Befugnisse trifft in jedem Fall den Gesamtboard die Pflicht zur Überwachung und die Gesamtverantwortung51 • Aufgrund seiner Geschäftsleitungsbefugnis ernennt gewöhnlich, sofern sich dies Recht nicht die shareholders ganz oder teilweise vorbehalten haben52 , der board of directors für die Geschäftsführung und Vertretung der corporation officers53, und zwar in der Regel einen president, einen oder mehrere vice presidents, einen secretary und einen treasurer54 • Diese officers werden häufig aus der Mitte der directors gewähUS 5 • Der president of the corporation56 muß in einzelnen Staaten 46 Vgl. Falkenhausen AG 1959 S. 189, Herkenrath S. 54, Mestmäcker S. 42, Schmey S. 280, Trumpier S. 81. 47 Vgl. Herkenrath S. 55, Mestmäcker S. 50, Lattin S. 251, Trumpier S. 92. 48 Vgl. Ballantine S. 132, Herkenrath S. 59, Stevens S. 654 f. 49 Vgl. Ballantine S. 136, Herkenrath S. 59 f., Schmey S. 281. 50 Vgl. Mestmäker S. 51, Lattin S. 251, siehe den Hinweis bei Wiethölter S. 187 sowie die Einzelaufzählung in Model Bus. Corp. Act Ann., Band 1, S. 862 f .; siehe zum Versuch einer generellen Unterscheidung zwischen ministerial duties (übertragbar) und discretionary powers (nicht oder nur eingeschränkt übertragbar) Escher S. 24 f., Hallstein S. 300, Mestmäcker S. 51, Schmey S. 281, Stevens S. 655 Fußnote 20. 51 Vgl. Ballantine S. 136, Escher S. 25, Herkenrath S. 60, Lattin S. 251, Schmey S. 281 sowie den letzten Satz des § 42 Model Bus. Corp. Act. 52 Vgl. Model Bus. Corp. Act Ann., Band 2, S. 92 und 95 sowie den Hinweis bei Wiethölter S. 189. 53 Vgl. Herkenrath S. 59, Lattin S. 243, Mestmäcker S. 50, Trumpier S. 101, §50 Model Bus. Corp. Act; siehe auch Falkenhausen AG 1959 S. 189, für die Unterscheidung der officers (verfassungsmäßig berufene Vertreter, auch leitende Angestellte oder management genannt - Herkenrath S. 59, Mestmäcker S. 50) und der gewöhnlichen employees siehe Herkenrath S. 61, Trumpier S. 100 f. 54 Vgl. Ballantine S. 137, Lattin S. 256, § 50 Model Bus. Corp. Act, für detailliertere Darstellungen der Aufgaben der einzelnen officers siehe Falkenhausen S. 189, Lattin S. 256 ff., Trumpier S. 101 f . sowie auch Herkenrath S. 61 f., Model Bus. Corp. Act Ann., Band 2, S. 97 ff., zu der Funktion des Controller siehe Herkenrath S. 117 ff. 55 Vgl. Falkenhausen AG 1959 S. 189, Hallstein S. 299, Trumpier S. 101. 56 Dessen Amt Falkenhausen AG 1959 auf S. 189 als Unternehmensleiter mit dem eines Vorstandsvorsitzenden vergleicht,

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1. Kapitel: Vergleichende Darstellung

Mitglied des board of directors sein57 und ist häufig gleichzeitig der chairman of the board58• Der president ist in der Regel - ob nun aufgrund der charter, der by-laws, eines Beschlusses des gesamten boards oder stillschweigender Duldung - berechtigt, allein zu handeln, insbesondere die corporation nach außen zu vertreten59 • Da der board of directors das einzige Organ ist, das gewöhnlich für die corporation handelt, kann der board grundsätzlich alle Handlungen vornehmen, die der corporation selbst zugebilligt werden60 • Die Grenzen des Handeins für die einzelne corporation, die insbesondere bei der Vertretung durch den board of directors gegenüber Dritten deutlich werden, wurden früher hauptsächlich durch die Anwendung der Ultravires-Lehre gefunden. Nach dieser zum Teil unklaren und uneinheitlichen Lehre61 werden Handlungen der corporation über die Zweckbestimmung der corporation hinaus62 , die durch die charter gegenüber Dritten und gegenüber dem Staat definiert und festgelegt wil'd63 , grundsätzlich entweder wegen fehlender Handlungsfähigkeit der corporation als unheilbar unwirksam oder wegen fehlender Vertretungsmacht des board of directors als schwebend unwirksam betrachtet64 • Diese Ultravires-Lehre hat aber immer mehr an Bedeutung bei der Feststellung der Handlungsgrenzen in der Literatur und in der Rechtsprechung verloren65 • 57 Vgl. Falkenhausen AG 1959 S. 189 und den Hinweis bei Wiethölter S. 189 sowie Model Bus. Corp. Act Ann., Band 2, S. 92 und 96. 58 Vgl. Löw S. 42 f., Stevens S. 768, Trumpier S. 101 sowie auch Herkenrath S. 61. 59 vgl. Ballantine S. 137, Mestmäcker S. 50, Stevens S. 767 ff., Model Bus. Corp. Act Ann., Band 2, S. 90 f.; siehe zur Problematik einer neueren Auffassung, daß der president - unabhängig von dem Grundsatz der Gesamtleitung des board of directors - aufgrund seines Amtes als president Einzelhandelsbefugnis besitzt, Herkenrath S. 61 f ., Lattin S. 256 ff., Trumpier S. 101, Model Bus. Corp. Act Ann., Band 2, S. 100 ff. 60 Vgl. Herkenrath S. 50, Trumpier S. 95, Model Bus. Corp. Act Ann., Band 1, S. 279. 61 Vgl. Ballantine S. 241, Falkenhausen AG 1959 S. 187, Hallstein S. 72, Herkenrath S. 76. 62 Falkenhausen spricht vom "Gegenstand des Unternehmens" (AG 1959 s. 187). 63 Siehe hierzu Escher S. 79, Schmey S. 487. 64 Die erstere Auffassung ist von den Gerichten des Bundes und einiger Einzelstaaten, die zweite von den Gerichten der Mehrzahl der Einzelstaaten entwickelt worden. Vgl. im einzelnen Ballantine S. 240 ff., insbes. 242 ff., Escher S. 80 ff., Falkenhausen AG 1959 S. 187 f., Herkenrath S. 49 f., Lattin S. 223 ff. und 231 ff., Stevens S. 292 ff., insbes. 295 f., Trumpier S. 96; siehe aber § 7 Model Bus. Corp. Act als Lösungsversuch zur ultra vires-Problematik, der in Anlehnung an die Rechtsprechung entstanden ist. 65 Vgl. Ballantine S. 111, Falkenhausen AG 1959 S. 188, Herkenrath S. 50, Kronstein S. 480, Lattin S. 238, Wiethölter S. 179.

A. Überblick über die Strukturen der Aktiengesellschaft

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Nach einer neueren Lehre, die bereits Eingang in neuere Aktiengesetze einzelner Bundesstaaten gefunden hat 66 , ist zwischen .der capacity der corporation, die als Handlungsfähigkeit ·der corporation wie die natürlicher Personen nicht begrenzt ist, und der authority der corporation, die als Handlungsvollmacht sich im Umfang nach der Zweckbestimmung der charter der jeweiligen corporation richtet87 , zu unterscheiden68. Da der Zweck der corporation häufig durch eine umfangreiche Aufzählung der Gegenstände des Unternehmens bestimmt wird oder der Zweck der corporation nach der gesetzlichen Möglichkeit einer Reihe von Einzelstaatengesetzen generell mit der Aussage "for any lawful (business) purpose" 69 umschrieben wird70 , ist der Rahmen, in dem der board of directors für die corporation Handlungen vornehmen darf oder gegenüber Dritten zumindest vornehmen kann, sehr weit zu ziehen. Generell ist also festzustellen, daß die Grenzen für das Handeln der corporation die Handlungsmöglichkeiten des board of directors nur im geringen Maße beschränken71 • Zu ·den einzelnen Aufgaben .des board of directors gehört die Vertretung der corporation72 , für die nur der board als einziges Organ zuständig ise3. So ist also der board of directors berechtigt, im Rahmen der gewöhnlichen Geschäfte alle Arten von Verträgen abzuschließen, beispielsweise auch Kaufverträge über Grundstücke und dergleichen74 • Abgesehen von der Zweckbestimmung des Unternehmens ist hierbei allerdings zu beachten, daß grundlegendere Entscheidungen, wie etwa der Verkauf von Anlagen, der einer Liquidation der corporation gleich66 Vgl. Ballantine S. 264 f., Escher S. 89, Herkenrath S. 49, Stevens S.1021 ff., Trumpier S. 96; siehe hierzu auch Model Bus. Corp. Act Ann., Band 1, S. 279 ff. 67 Siehe zum Begriff der "powers" Ballantine S. 221 und 245, Lattin S. 203 ff., Stevens S. 225 f. 68 Vgl. Escher S. 88, Hallstein S. 72, Herkenrath S. 49, Lattin S. 236 ff., Trumpier S. 96, Model Bus. Corp. Act Ann., Band 1, S. 277 ff., vgl. auch Stevens S. 224 ff.; für den Begriff der relativen Handlungsfähigkeit siehe Escher s. 74 ff. s& Vgl. § 3 Model Bus. Corp. Act. 70 Vgl. Escher S. 78, Falkenhausen AG 195!:1 S. 188, Lattin S. 201 und 217 f., Model Bus. Corp. Act Ann., Band 1, S. 58 ff., siehe auch Ballantine S. 221 ff. 71 Siehe hierzu Ballantine S. 263 f., Herkenrath S. 50, Lattin S. 238. 72 Vgl. Escher S. 28 und 49 f., Herkenrath S. 48, Mestmäcker S. 50, TrumpIer S. 95, vgl. auch Falkenhausen AG 1959 S. 189; übrigens trifft das amerikanische Recht etwa in den Aktiengesetzen keine Unterscheidung zwischen Vertretung und Geschäftsführung, vgl. Herkenrath S. 76. 73 Vgl. Escher S. 28 und 50. 74 Vgl. Ballantine S. 224 ff., Escher S. 50 f., Lattin S. 215, Stevens S. 238 ff. sowie auch 243 ff.; siehe ebenfalls die Aufzählung der general powers einer corporation in § 4 Model Bus. Corp. Act sowie die Anmerkungen in Model Bus. Corp. Act Ann., Band 1, S. 76 und 100 ff.; zu der Problematik von Schenkungen der corporation an Dritte siehe Ballantine S. 228 ff., Escher S. 53 f., Lattin S. 209 ff., Stevens S. 248 ff., Model Bus. Corp. Act Ann., Band 1, S. 169 ff.

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1. Kapitel: Vergleichende Darstellung

käme, .der Zustimmung des shareholders' meeting bedürfen73 • Während der board of directors in der Regel etwa Anteile anderer corporations kaufen kann76, sind teilweise erheblich einschränkende Sonderregelungen für den Erwerb von Anteilen der eigenen corporation vorhanden77 • Ferner ist der board of directors für die gerichtliche Vertretung der corporation zuständig, wenn diese klagt oder verklagt wird7s. Als weitere Aufgabe obliegt dem board of directors ohne jede nähere gesetzliche Bestimmung aus dem Grundauftrag des management der corporation heraus die Geschäftsführung der corporation79, und zwar zunächst im Sinne der Wahrnehmung der laufenden Geschäfte der corporation. Im Rahmen der Zweckbestimmung der corporation und unter der generellen Beschränkung auf die gewöhnlichen Angelegenheiten der corporationso handelt der board hier nach seinem eigenen Ermessens'. Ob der board of directors die Geschäftsführung selbst ausführt82 oder die Erledigung der laufenden Geschäftsführung einem Ausschuß oder einzelnen officers überträgt und diese in ihrer Tätigkeit allein überwacht 83 , ist für die ausschließliches• Zuständigkeit des board of directors für die Geschäftsführung der laufenden Angelegenheiten unerheblich. Ferner sei an dieser Stelle im Rahmen der allgemeinen Aufgaben des board of directors neben der Pflicht zur Buchführungs5 noch die Zuständigkeit des board of directors zur Einberufung und Vorbereitung des shareholders' meeting genannt 86 . 75 Vgl. Escher S. 51 und 52 f. (Verpfändung von Gesellschaftseigentum), vgl. auch § 79 Model Bus. Corp. Act sowie Model Bus Corp. Act Ann., Band 2,

s. 416 ff.

76 Vgl. Stevens S. 267 ff., siehe aber auch Ballantine S. 236 ff., Lattin S. 216, vgl. auch Model Bus. Corp. Act Ann., Band 1, S. 121 ff. 77 Vgl. Escher S. 51 f., Lattin S. 207, Stevens S. 275 ff. 7s Vgl. Lattin S. 215, Stevens S. 228, vgl. auch Model Bus. Corp. Act Ann., Band 1, S. 86 ff. 79 Vgl. Escher S. 54, Herkenrath S. 50, Löw S. 40, vgl. auch Lattin S. 242 f., Mestmäcker S. 41. so Vgl. Herkenrath S. 51, Mestmäcker S. 41, vgl. auch Trumpier S. 95. SI Vgl. Ballantine S. 119 f., Escher S. 28, Stevens S. 646 und 650 f. sowie auch Herkenrath S. 55. s2 Wie dies bei kleinen und Familien-corporation wohl noch möglich ist und auch praktiziert wird, vgl. hierzu Escher S. 56 f. sa Vgl. Escher S. 55, Herkenrath S. 59, Mestmäcker S. 41 sowie aber auch S. 50 (wo Mestmäcker wohl nur die große corporation betrachtet), vgl. auch Schmey S. 278. 84 Vgl. Ballantine S. 119, Herkenrath S. 50, Stevens S. 650. 85 Vgl. Escher S. 45 ff. (siehe dort auch die Verantwortlichkeiten für die notwendigen Registrierungen seitens der corporation, siehe hierzu auch Trumpier S. 105 f.). s6 Vgl. Ballantine S. 391 f., Escher S. 41 f., Lattin S. 360, Trumpier S. 103 und 105, vgl. auch Stevens S. 538.

A. Überblick über die Strukturen der Aktiengesellschaft

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Grundsätzlich ist der board of directors über die Geschäftsführung der laufenden Angelegenheiten hinaus für die Bestimmung und Umsetzung der Geschäftspolitik der corporation zuständig87. Gemäß dieser Policy-making-Aufgabe ist der board also berechtigt wie verpflichtet, etwa Richtlinien für die Beziehungen zu den Gewerkschaften festzulegen sowie die langfristigen Planungen des Unternehmens für die Produktions-, Investitions- und Finanzierungspolitik vorzunehmen88. Alle Handlungen des board of directors finden aber in ·diesem Bereich ihre Grenzen dort, wo fundamentale Änderungen in der Art oder der Organisation der corporation erfolgen würden89 . Wie ebenfalls aus dem Grundauftrag des board of directors zur umfassenden Geschäftsführung der corporation heraus verständlich 90 , liegt die alleinige Zuständigkeit für die Bilanzaufstellung, die Gewinn- und Verlustrechnung sowie für die Dividendenerklärung beim board of directors91 . Wenn der board auch grundsätzlich nach freiem Ermessen zu entscheiden hat, ob und wenn ja, wie hohe Dividenden ausgeschüttet werden92, so ist er hierbei neben möglichen Bestimmungen der charter oder der by-laws der corporation an die im einzelnen sehr unterschiedlichen Vorschriften der Einzelstaatengesetze03 gebunden, die zum Schutze der Aktionäre und der Gläubiger der corporation insbesondere die Gewinn- und Verlustberechnung regeln94 . Klagen von Aktionären gegen den board auf Ausschüttung von Dividenden sind zwar nach den Regeln des equity law möglich, aber im allgemeinen wenig aussichtsreich95. Auch wenn in einzelnen Bundesstaaten den Aktionären gesetzlich ein Anspruch auf eine Dividende ausdrücklich zugesprochen wird96 , 87 88 89 00 91

Vgl. Escher S. 58 f., Lattin S. 242, Mestmäcker S. 41. Vgl. Ballantine S. 121, Lattin S. 243. Vgl. Ballantine S. 120, Mestmäcker S. 41. Vgl. Schmey S. 292, Stevens S. 444. Vgl. Falkenhausen AG 1959 S. 190 und 212, Hallstein S. 297, Herkenrath S. 52, Lattin S. 243, Löw S. 41 , Mestmäcker S. 42, Schmey S. 292 f., Trumpier S. 74, vgl. auch § 45 Model Bus. Corp. Act sowie § 46 und Model Bus. Corp. Act Ann., Band 1, S. 938 ff.; siehe zu den Formen der Gewinnausschüttung Ballantine S. 562 ff., Stevens S. 454 ff. 92 Vgl. Ballantine S. 550, Falkenhausen AG 1959 S. 212, Herkenrath S. 53, Lattin S. 533, Stevens S. 444 f ., vgl. auch Löw S. 93, Trumpier S. 74 sowie Model Bus. Corp. Act Ann., Band 1, S. 889. 93 Vgl. Model Bus. Corp. Act Ann., Band 1, S. 892 ff., vgl. auch Trumpier

s. 77 ff.

94 Vgl. Ballantine S. 570 ff., Escher S. 42 ff., Lattin S. 541 ff., Stevens S. 446 ff. 05 Vgl. Ballantine S. 556 f., aber auch 551, Escher S. 44, vgl. auch Herkenrath S. 53 f . sowie Lattin S. 533 und 535 f. , siehe den interessanten Aufsatz von William S. Stewart "Judicial Review of Dividend Policy in Suits by Minority Shareholders" 12 Am. Bus. L. J. 43 (1974). 96 Vgl. Ballantine S. 555 f. , vgl. auch Escher S. 44.

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1. Kapitel: Vergleichende Darstellung

so bleibt doch auch in diesem Fall die Zuständigkeit für die Dividendenerklärung beim board of directors. Zu den wichtigsten Einzelaufgaben des board of directors gehört ferner seine allerdings zumeist bedingte Zuständigkeit für die Aufstellung oder Änderung der by-laws der corporation, mittels derer der board hauptsächlich die innere Organisation des Unternehmens eigenständig gestalten kann97 • Wenn auch die Aufstellung der ersten by-laws wohl primär den Gründern oder den shareholders und erst dann dem board of directors zufällt98, so besteht im allgemeinen für die Änderung der by-laws entweder eine ausdrückliche vorrangige Zuständigkeit für die Shareholders oder eine gemeinsame Zuständigkeit für ·die Shareholders und den board of directors99 • In diesem Fall kann entweder durch die charter der corporation oder durch ihre by-laws selbst oder durch einen Beschluß der Shareholders die Aufgabe der Änderungen der by-laws dem board of directors allein zugestanden werden100 • Der board of directors hat neben den Funktionen d er Vertretung der corporation sowie der umfassenden Geschäftsführung von .der Wahrnehmung der laufenden Angelegenheiten bis zur Bestimmung der Geschäftspolitik einschließlich der Bilanz-, Gewinn- und Dividendenerklärung und der Gestaltung der by-laws der corporation schließlich die Aufgabe der Kontrolle der Geschäftsleitung, sofern er sie als Organ nicht selbst ausübt 101 • Je mehr also der board von der Möglichkeit Gebrauch macht, seine Aufgaben an einen oder mehrere Ausschüsse und/ oder officers zu delegieren102 , und als Gremium zu einem mehr oder weniger großen Teil aus outside directors besteht, die der corporation nur in beratender Funktion dienen103, um so mehr hat der board of directors als Organ etwa durch Einzel- und Gesamtuntersuchungen104 das management der corporation zu überwachen. Zu einem wesent97 Vgl. Herkenrath S. 51; zur Geschichte, zum Inhalt und zu den Grenzen der by-laws siehe Ballantine S. 63, Lattin S. 400 ff., Mestmäcker S. 43, Model Bus. Corp. Act Ann., Band 1, S . 552 ff. und 559 ff. 98 Vgl. Ballantine S. 64, Falkenhausen AG 1959 S. 187, Lattin S. 400, Mestmäcker S. 43, den Hinweis bei Wiethölter S. 189, Model Bus. Corp. Act Ann., Band 1, S. 556 f.; siehe aber auch Model Bus. Corp. Act Ann., Band 1, S. 555 f . sowie den Vorschlag des§ 27 Model Bus. Corp. Act. 99 Vgl. Ballantine S. 63 f., den Hinweis bei Wiethölter S . 188 und 191, Model Bus. Corp. Act Ann., Band 1, S . 557 ff.; siehe aber auch Model Bus. Corp. Act Ann., Band 1, S . 557 (3 a). 100 Vgl. Herkenrath S. 51 sowie 77 f., Schmey S. 288, vgl. auch Falkenhausen AG 1959 S. 187, Lattin S. 400, Mestmäcker S. 43. 101 Vgl. Falkenhausen AG 1959 S. 189, Herkenrath S. 74 sowie 59, Lattin S. 243 sowie 239, Mestmäcker S. 42, vgl. auch Escher S. 62. 102 Siehe oben die Ausführungen am Anfang dieses Abschnitts. 103 Vgl. Escher S. 58, Mestmäcker S. 42, vgl. auch Schmey S. 278. 104 Vgl. Escher S. 63.

A. Überblick über die Strukturen.der Aktiengesellschaft

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liehen Teil wird der boarod of directors bereits durch die Überwachung und nötigenfalls Abberufung der officers der corporation105, für deren Auswahl und Ernennung er im allgemeinen zuständig ist 106 , dieser Kontrollaufgabe gerecht. b) Das shareholders' meeting

Die Shareholders nehmen ihre Rechte und Pflichten in ·der Regel in ihrer Versammlung, dem shareholders' meeting, wahr107, das für die Wahl des board of directors sowie für grundlegende Entscheidungen etwa über die Struktur der corporation oder deren Kapitalaufbau zuständig ist 108 • Da das shareholders' meeting weder für die Bilanz-, Gewinn- und Dividendenerklärung zuständig ist109 noch direkt beispielsweise über gesetzlich zustimmungspflichtige Geschäfte des board of directors sich in die Geschäftsleitung der corporation einschalten kann110, besitzt das shareholders' meeting als regelmäßige Aufgabe nur die Wahl der Mitglieder des board of directors111 , mit deren Hilfe sowie mittels der Möglichkeit zu ·dessen Abberufung das shareholders' meeting allerdings versuchen kann, indirekt auf .die Geschäftsleitung der corporation Einfluß zu nehmen112 • Da in der corporation kein Organ eigens zur Kontrolle .der Geschäftsleitung existiert und das shareholders' meeting als gewöhnlich alljähr105 Für die Abberufung der officers ist der board of directors im allgemeinen auch ohne ausdrückliche gesetzliche Vorschrift oder Bestimmung der corporation als zuständig und wohl auch ohne Grund als berechtigt zu betrachten, vgl. Ballantine S. 436, Mestmäcker S. 50, Stevens S. 761 und 766, Model Bus. Corp. Act Ann., Band 2, S. 119 und 122, vgl. aber auch Trumpier S. 101; siehe ferner für die einzelnen gesetzlichen Vorschriften Model Bus. Corp. Act Ann., Band 2, S. 120 ff. 108 Siehe oben die Ausführungen am Anfang dieses Abschnitts. 107 Vgl. Wiethölter S. 193, Trumpier S. 102 f. 108 Vgl. Escher S. 40, Lattin S. 343, Wiethölter S. 194; für eine nähere Aufzählung der Zuständigkeiten des shareholders' meeting siehe Schmey S. 295 sowie Turnpier S. 103: neben der Wahl des board of directors die Beschlußfassung über außerordentliche Angelegenheiten wie 1. Änderung der charter 2. gegebenenfalls Änderung der by-laws 3. Änderung der Höhe des Kapitals 4. Schaffung neuer Aktiengattungen 5. Verkauf sämtlicher Aktien 6. Verschmelzung der corponition 7. Auflösung der corporation; . für die Möglichkeit, daß der board . of directors auch von bondholders und errtployees gewählt werden kann, siehe Berle/Meims S. 220. 1oo Siehe oben II. 1. a). 110 Vgl. Escher S. 40, Herkenrath S. 77, Wiethölter S. 194. 111 Vgl. Schmey S. 293. 112 Vgl. Lattin S. 343, Löw S. 46 f., vgl. auch Mestmäcker S. 52 ff.

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1. Kapitel: Vergleichende Darstellung

lieh zusammentretende Versammlung für die ständige Überwachung des board of directors zu schwerfällig sein mag113, sei in diesem Zusammenhang auf die Kontrollmöglichkeiten des Einzelaktionärs gegenüber der corporation11\ insbesondere auf seine Klagmöglichkeiten hingewiesen. Neben der Klage aus eigenem Recht ist im amerikanischen Recht die Möglichkeit des Einzelaktionärs immer umfassender und wichtiger geworden, gegen den board of directors, gegen einzelne directors oder auch gegen Dritte an Stelle der Gesellschaft115 , also aus abgeleitetem Recht Klage (derivative action116) zu erheben 117 • Von diesen Einwirkungsmöglichkeiten des Einzelaktionärs abgesehen, üben die shareholders ihre Befugnisse als Gesamtheit im shareholders' meeting aus, sofern sie nicht alle einstimmig ausdrücklich oder konkludent einem schriftlichen Verfahren zustimmen und in diesem einen einstimmigen Beschluß fassen 118• Bei den shareholders' meetings ist zwischen der ordentlichen Versammlung, die als alljährliche gewöhnlicherweise annual meeting genannt wird und deren hauptsächliche Funktion in der Wahl des board of directors oder einzelner directors liegt119, und der außerordentlichen Versammlung, die meist special meeting genannt wird, zu der ausdrücklich und unter Angabe des oder der Tagesordnungsgegenstände eingeladen werden muß 120 und die in der Regel vom board of directors oder teilweise auch vom president der corporation oder von einer Minderheit von shareholders einberufen werden kann121 , zu unterscheiden122 • ua Vgl. Schmey S. 433.

114 Zum Recht etwa auf Einsicht in die Bücher der corporation siehe Ballantine S. 376 ff., Falkenhausen AG 1959 S. 213, Herkenrath S. 81 ff., Lattin S. 344 ff., Stevens S. 487 ff. sowie Model Bus. Corp. Act Ann., Band 2, S. 127 ff. 115 Vgl. Wiethölter S. 203 Fußnote 102. 116 Siehe auch den Ausdruck derivative suit. 117 Zur derivative action siehe Ballantine S . 333 ff., Falkenhausen AG 1959 S. 213 f ., Lattin S. 410 ff., Löw S. 94 f., Schmey S. 431 und 433 ff. ("der starke organschaftliehe Charakter seiner [des Einzelaktionärs - der Verf.] Stellung als Kläger" S. 433), Stevens S. 783 ff., Wiethölter S. 200 ff., Model Bus. Corp. Act Ann., Band 2, S. 30 ff. sowie insbes. Pflüger S. 28 ff. und Schurtman/Walter S. 96 ff. 118 Vgl. Ballantine S . 390 f., Stevens S. 535 ff., Trumpier S. 103, Wiethölter s. 193. 119 Vgl. Ballantine S. 391, Model Bus. Corp. Act Ann., Band 1, S. 583, vgl. auch Stevens S. 538, Trumpier S. 103. 1 20 Vgl. Lattin S. 360, Stevens S. 536 und 538 f. 121 Vgl. Ballantine S. 392, Model Bus. Corp. Act Ann., Band 1, S. 586 f. und 589 f ., vgl. auch § 28 Model Bus. Corp. Act. 122 Für diese Unterscheidung sowie für die generellen und spezifischen Modalitäten der Einberufung von shareholders' meetings siehe Ballantine S. 391 ff., Lattin S. 360 f ., Stevens S. 538 ff., Trumpier S. 103 ff., Wiethölter S. 193 f. sowie Model Bus. Corp. Act Ann., Band 1, S. 584 ff.

A. Überblick über die Strukturen der Aktiengesellschaft

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Für die Beschlußfassung im shareho1ders' meeting ist wegen der sehr unterschiedlichen Regelungsmöglichkeiten des Stimmrechtes die Stirnrnrechtswertigkeit der einzelnen shares, die vorwiegend als Namensaktien vorkommen123 und deren Wert als Anteile nicht mit einem Geldbetrag angegeben werden muß' 2', genau zu beachten. Nach dem common law gilt zwar der Grundsatz "one man - one vote" 125 , doch richtet sich das Stimmrecht im heutigen amerikanischen Aktienrecht vielmehr nach dem Grundsatz "one share- one vote" 126 • Daneben gibt es jedoch durch die Schaffung unterschiedlicher Aktiengattungen127 die Möglichkeit, in der RegeP 28 sowohl shares ohne Stimmrecht als auch solche mit Mehrfachstimmrecht auszugeben129 • Im shareholders' meeting kann das Stimmrecht bei der Beschlußfassung durch den shareholder persönlich oder durch einen Bevollmächtigten ausgeübt werden130• Die shares, die sich im Eigenbesitz der corporation befinden (treasury shares131), sind nicht stimmberechtigt132 • Unter anderem wegen der Größe der USA und der breiten Streuung des dortigen Aktienbesitzes sowie wegen der Notwendigkeit, eine beschlußfähige Anzahl von shares vertreten zu haben133 , wird von der Bevollmächtigung durch die Erteilung einer Stimmrechtsvollmachtsurkunde (proxy134) großer Gebrauch gemacht135 • Im Normalfall wird der 123 Vgl. Falkenhausen AG 1959 S. 188, Herkenrath S. 30 und 96, Trumpier S . 86, vgl. auch Schmey S. 297 sowie § 23 Model Bus. Corp. Act und Model Bus. Corp. Act Ann., Band 1, S . 489 und 494. 124 Vgl. Falkenhausen AG 1959 S. 188, Schmey S. 55 f., Trumpier S. 195; für die Definition eines share siehe Ballantine S. 465, Lattin S. 463, Schmey S. 56 sowie § 2 d Model Bus. Corp. Act; für die Frage nach einem Mindestnennwert siehe Falkenhausen S. 188, aber auch Model Bus. Corp. Act Ann., Band 1, S. 415; zu der Möglichkeit von nennwertlosen Aktien siehe Ballantine S. 473 ff., Lattin S. 489 ff., Trumpier S. 14 f., Model Bus. Corp. Act Ann., Band 1, S. 413 ff. 125 Vgl. Lattin S. 353, Trumpier S . 107, vgl. auch Stevens S. 519. 126 Vgl. Falkenhausen AG 1959 S. 212, Herkenrath S. 96, Stevens S. 519, Trumpier S. 73 und 108. 127 Vgl. § 16 Model Bus. Corp. Act sowie Model Bus. Corp. Act Ann., Band 1, S. 382 ff. 128 Vgl. Lattin S. 353, Stevens S. 520, Model Bus. Corp. Act Ann., Band 1, S. 656 und 387. 129 Vgl. Falkenhausen AG 1959 S. 188 und 212, Herkenrath S. 96, Schmey S. 313 f. und 326, Stevens S. 520 f., Trumpier S. 73 f. sowie Model Bus. Corp. Act Ann., Band 1, S. 654 f. 130 Vgl. Ballantine S . 397, Falkenhausen AG 1959 S. 212, Herkenrath S. 97, Schmey S. 299, Stevens S. 532, Trumpier S. 108 f., Model Bus. Corp. Act Ann., Band 1, S. 670 sowie§ 33 (3) Model Bus. Corp. Act. 131 Für die im einzelnen unterschiedlichen Definitionen siehe Model Bus. Corp. Act Ann., Band 1, S. 48 ff. 132 Vgl. Lattin S. 358 f., Stevens S. 528 f., Trumpier S. 74 und 107, Model Bus. Corp. Act Ann., Band 1, S . 662 ff. sowie § 33 (2) Model Bus. Corp. Act. 13 3 Vgl. Lattin S. 365, Stevens S. 560, Trumpier S. 109. 134 Der Ausdruck proxy bedeutet sowohl die Stimmrechtsvollmacht als auch die Vollmachtsurkunde als auch der Stimmrechtsbevollmächtigte. Siehe

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1. Kapitel: Vergleichende Darstellung

board of directors selbst oder mittels eines von ihm eingesetzten proxy committee die einzelnen Shareholders anschreiben und um die Bevollmächtigung zur Stimmrechtsausübung bittenm. Aber natürlich können ebenfalls einzelne oder Minderheitsgruppen von Shareholders die anderen shareholders um eine Bevollmächtigung ihrerseits ersuchen und werden dies in einem Kampf um die Kontrolle der corporation auch tun137• Auch für den Fall eines solchen proxy fight 138 hat der board of directors der Opposition Einsicht etwa in die Namens- und Anschriftenlisten aller Shareholders zu gewähren139 , und zwar bei den corporations, deren Anteile an den nationalen Börsen gehandelt werden, insbesondere aufgrund der sehr spezifizierten Bestimmungen der Bundesbörsenaufsichtsbehörde, Securities and Exchange Commission (SE C) 140• Um sich die Kontrolle der corporation kontinuierlich sichern und eine bestimmte Geschäftspolitik für einen längeren Zeitraum durchsetzen zu können, haben die shareholdersdie Möglichkeiten, entweder Stirnrnrechtsvereinbarungen (voting agreements) zu treffen oder Stimmrechtstreuhandverhältnisse (voting trusts) zu begründen oder sich solchen anzuschließen141 • Im Falle eines voting agreements verpflichten sich mehrere shareholders, ihr Stimmrecht beispielsweise nach Mehrheitsbeschlußfassung untereinander gemeinsam auszuüben142 • Die Einhaltung derartiger Stimmrechtsabsprachen ist mit Wirkung für das Abstimmungsergebnis im shareholders' meeting der corporation einklagbar143 • Im Falle eines voting trust übertragen die beteiligten shareholders Lattin S. 365 und dort die Fußnote 80 sowie Ballantine S. 407; zu den einzelnen und sehr detaillierten Regelungen der Vollmachtserteilung siehe Ballantine S. 407 ff., Herkenrath S. 97 f., Lattin S. 367 ff., Schmey S. 300, Stevens S. 532 ff., Trumpier S. 109, Model Bus. Corp. Act Ann., Band 1, S. 670 ff. 135 Vgl. Herkenrath S. 98, Lattin S. 365. 136 Vgl. Ballantine S. 412, Escher S. 41, Eisenberg 83 Harv. L. R. 1491, Herkenrath S. 98, Löw S. 41, Trumpier S. 109. 137 Vgl. Falkenhausen AG 1959 S. 212, Herkenrath S. 98 siehe hierzu die hervorragende Darstellung Eisenbergs in Access to the Corporate Proxy Machinery 83 Harv. L. R. 1489. 138 Siehe das Beispiel bei Escher S. 42 Fußnote 5 und das bei Falkenhausen AG 1959 S. 212. 139 Vgl. Falkenhausen AG 1959 S. 212 sowie auch Lattin S. 366. 140 Zu den Aufgaben und Befugnissen der S E C sowie zu ihrer Entstehungsgeschichte siehe Ballantine S. 413 ff., Escher S. 42, Lattin S. 369 ff., Stevens S. 562 f., Trumpier S; 109 sowie insbesondere Wiethölter S. 161 ff. 141 Vgl. Ballantine S. 417 und 429, Lattin S. 384, Schmey S. 307 f . und 310 f., Stevens S. 545, Trumpier S. 100; für einen Überblick über verschiedene mögliche Arten von voting trustssiehe Schmey S. 314 ff. und 323 ff. 142 Vgl. Lattin S. 379, Stevens S. 545 f., Trumpier S. 110; für die Wirksamkeitsvoraussetzungenvon voting. agreementssiehe Ballantine S. 419 ff., Lattin

s. 379 ff.

143 Vgl. Falkenhausen AG .1959 S. 212,. Model Bus. Corp. Act Ann., Band 1, S. 737 sowie § 34 (2) Model Bus. Corp; Act, vgl. auch Lattin S. 381.

A. Überblick über die Strukturen der Aktiengesellschaft

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ge,gen Übernahme von Zertifikaten des voting trust ihre Anteile zur Stimmrechtsausübung im Rahmen einer Vereinbarung auf diesen und besitzen alsdann kein eigenes Stimmrecht mehr144 , während die anderen shareholder-Rechte wie etwa das auf Einsicht in die Bücher der corporation bei -dem einzelnen shareholder verbleiben145• Die Treuhänder eines derartigen voting trustsind für die Dauer der Vereinbarung zwar gehalten, nach dieser das Stimmrecht auszuüben, jedoch sind sie hierbei von Weisungen der shareholders unabhängig 148 • Während als Voraussetzung für eine wirksame Beschlußfassung im sharehoJ.ders' meeting nach dem common Iaw bereits die Anwesenheit von zwei shareholders ausreicht147 , ist in der Regel im heutigen amerikanischen Aktienrecht entweder gemäß dem Aktiengesetz des Einzelstaates oder gemäß der charter oder der by-laws der corporation eine größere beschlußfähige Anzahl (quorum) erforderlich, die gewöhnlich bei der Anwesenheit, inklusive der Vertretung durch proxy, der Mehrheit der Stimmrechte gegeben ist 148 • Hierbei ist zu beachten, daß die treasury shares für die Berechnung des quorums nicht mitgezählt werden dürfen 149 und daß ferner teilweise geringere Anforderungen an das quarum für die Wahl des board of directors festgesetzt werden150 • Sofern die Beschlußfähigkeit des shareholders' meeting vorliegt, kann das shareholders' meeting gültige Beschlüsse fassen, wofür in der Regel die Mehrheit der abgegebenen Stimmen erforderlich und auch ausreichend ist151 • Für außerordentliche Entscheidungen wie etwa die Ände144 Vgl. Ballantine, S. 431, Lattin S. 382, Stevens S. 546, Trumpier S. 110, Model Bus. Corp. Act Ann., Band 1, S. 731 ff. sowie § 34 (1), Model Bus. Corp. Act; für die strengen Wirksamkeitsvoraussetzungen von voting trusts siehe Ballantine S. 425 ff., Schmey S. 315 ff., Stevens S. 545 und 549 ff., Trumpier S. 111; für die Widerrufbarkeit der Stimmrechtsübertragung siehe Lattin S. 384 und 387, Stevens S. 546 ff. 145 Vgl. Falkenhausen AG 1959 S. 212, Schmey S. 315, Trumpier S. 110, vgl. aber auch Ballantine S. 431; zum Anspruch auf Dividendenauszahlung siehe einerseits Ballantine S. 431, Schmey S. 315, Stevens S. 546 und andererseits Lattin S. 382. 146 Vgl. Falkenhausen AG 1959 S. 212, Lattin S. 382, Stevens S. 547 f. 147 Vgl. Ballantine S. 395, Lattin S. 361, a. A. Trumpier S. 112 (ein shareholder genügt); vgl. auch Wiethölter S. 194, Model Bus. Corp. Act Ann., Band 1, S. 643. 148 Vgl. Ballantine S. 395, Lattin S. 361 ff., Stevens S. 541, Trumpier S. 112 f., Model Bus. Corp. Act Ann., Band 1, S. 641 sowie § 32 (1st sentence) Model Bus. Corp. Act; für einzelne gesetzliche Vorschriften über ein Mindestquorum von einem Drittel oder einem Viertel siehe Model Bus. Corp. Act Ann., Band 1, S. 642 f. 149 Vgl. Trumpier S. 113, vgl. auch Model Bus. Corp. Act Ann., Band 1, s. 641. 15o Vgl. Trumpier S. 113, Wiethölter S. 195. 151 Vgl. Ballantine S. 395, Stevens S. 543 sowie § 32 (2nd sentence) Model Bus. Corp. Act; zu der Frage der Mehrheit nach Köpfen siehe Ballantine S. 396 f., Stevens S. 543 f.

1. Kapitel: Vergleichende Darstellung

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rung der charter oder die Verschmelzung der corporation - für diese beiden war nach dem common law ·die Zustimmung aller shareholders notwendig152 - bestimmen die Aktiengesetze einzelner Bundesstaaten, die charters oder auch die by-laws ·der corporations vielfach qualifizierte Mehrheiten wie etwa eine Zweidrittelmehrheit153 • Das shareholders' meetingnimmt seine wichtigste Befugnis .durch die Wahl des board of directors wahr154 • Diese Wahl im shareholders' meeting erfolgt grundsätzlich nach einem der beiden folgenden Verfahren: entweder durch Mehrheitsabstimmung, in der Regel mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen 155 , oder durch Abstimmung nach dem System des cumulative voting (eine Art Proportionalitäts-156 oder Verhältniswahlsystem157), das in einigen Bundesstaaten durch Verfassung oder Gesetz sogar zwingend vorgeschrieben wird158 • Nach dem System des cumulative voting hat jeder shareholder pro Stimmrecht so viele Stimmen, wie directors für den board zu wählen sind, und kann diese Stimmen bei der Abstimmung entweder einzeln bis zur Anzahl der zu wählenden directors auf die Kandidaten verteilen oder kumulativ auf einen oder mehrere Kandidaten konzentrieren159 • Durch dieses cumulative voting hat also eine Minderheit der shareholders ·die Möglichkeit, eine Minderheit von Kandidaten für den board of directors durchzubringen160• Diese Möglichkeit, eine Minderheitenvertretung im board zu erreichen, kann allerdings u. a. dadurch erschwert oder gar unmöglich gemacht werden, daß eine Stufenwahl für den board of directors - etwa in drei oder vier Stufen die alljährliche Wahl von zwei oder drei directors mit mehrjähriger, überlappender Amtszeit Vgl. Ballantine S. 643, Stevens S. 566, Trumpier S. 114 und 121. Vgl. Lattin S. 365, Stevens S. 566, Trumpier S. 114 f . sowie Model Bus. Corp. Act Ann., Band 1, S. 649 f . mit den dortigen Verweisungen. 154 Vgl. Falkenhausen AG 1959 S. 190, Herkenrath S. 96, Löw S. 46 f. 155 Vgl. Falkenhausen AG 1959 S. 190, Mestmäcker S. 44, Trumpier S. 93 sowie den Hinweis bei Wiethölter S. 190, vgl. auch Ballantine S. 404, Escher s. 15. 156 Siehe zu diesem Ausdruck Herkenrath S. 96, Mestmäcker S. 44, siehe auch Kronstein S. 483 ("eine Art von Proporzstimmrecht"). 157 Siehe zu diesem Ausdruck Falkenhausen AG 1959 S. 190, Schmey S. 305. 158 Vgl. Ballantine S. 406, Escher S. 34, Falkenhausen AG 1959 S. 190, Lattin S. 374, Mestmäcker S. 44 f., Stevens S. 530; für eine genaue Aufstellung der Staaten mit zwingender Vorschrift siehe Model Bus. Corp. Act Ann., Band 1, S. 691. 159 Vgl. Ballantine S. 404, Lattin S. 354 und 376 f., Löw S. 48, Mestmäcker S. 44, Schmey S. 305, Trumpier S. 108, Model Bus. Corp. Act Ann., Band 1, s. 689. 180 Vgl. Escher S. 30, Falkenhausen AG 1959 S. 190, Lattin S. 375, Mestmäcker S. 44, Stevens S. 530; für Literaturhinweise zur Bewertung des cumulative voting siehe Model Bus. Corp. Act Ann., Band 1, S. 700 ff.; zu der Möglichkeit, daß eine Minderheit von shareholders eine Mehrheit im board of directors erringt, siehe Ballantine, S. 404 f ., Lattin S. 378 f., Stevens S. 531. 152·

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von der Mehrheit der shareholders eingeführt wird, bei der dann eine Minderheit geringere Chancen für genügend Stimmen zur Wahl eigener Kandidaten besitzt181 • Bei den in der Regel jährlich stattfindenden Wahlen für den board of directors werden entweder alle oder nur jeweils ein Teil der directors gewähJt1 62. Die Amtsdauer, die in jedem Fall im einzelnen durch Gesetz oder durch die charteroder die by-laws festgesetzt wird163, liegt im Falle einer Stufenwahl des board gewöhnlich bei drei bis fünf Jahren164. Während es für die directors neben der Wahl durch das Shareholders' meeting keines besonderen Anstellungsvertrages bedarf, wird allerdings mit den directors, die daneben als officer für die corporation tätig sein wollen, über diese Tätigkeit ein derartiger Vertrag abgeschlossen165, für den grundsätzlich der Gesamt-board zuständig ist166 . Wird in der Zeit zwischen den regulären board-Wahlen der Posten eines director frei, so ist in der Regel der übrige Gesamt-board berechtigt, diesen im Wege der Kooptation neu zu besetzen167• Sofern durch Gesetz des Einzelstaates oder durch die charter oder die by-laws der corporation nichts anderes bestimmt ist, können die shareholders die Abberufung des board of directors oder einzelner directors wegen ihrer eigenständigen Stellung im corporation-Aufbau without cause (ohne Grund) weder mit Mehrheit noch einstimmig herbeiführen168. Nach dem common law können ferner aber die shareholders directors for cause (nach deutscher Terminologie etwa: aus wichtigem Grund) jederzeit abberufen160 . Im heutigen amerikanischen Aktienrecht ermöglichen Gesetz, charter oder by-laws zumeist, daß das shareholders' meeting den board of directors oder einzelne directors mit Mehrheit m Vgl. Ballantine S. 404, Lattin S. 377, Mestmäcker S. 45, Stevens S. 531; zu der Zulässigkeit von Stufenwahlen beim cumulative voting siehe Lattin S. 377 f., Mestmäcker S. 45 f. sowie Dietrich S. 339 ff. 162 Vgl. Stevens S. 763, Wiethölter S. 194 sowie den Hinweis auf S. 187; vgl. auch Escher S. 34, Trumpier S. 103. 163 Vgl. Ballantine S. 434, Herkenrath S. 61, Trumpier S. 93; für gesetzliche Vorschriften zur Amtsdauer siehe Model Bus. Corp. Act Ann., Band 1, S. 782 f. 164 Vgl. Herkenrath S. 61, Schmey S. 283, Trumpier S. 93 f. sowie den Hinweis bei Wiethölter S. 189. 165 Vgl. Herkenrath S. 61, Schmey S. 283, vgl. auch Lattin S. 265. 166 Vgl. hierzu Ballantine S. 190, Lattin S. 265 f., Trumpier S. 94 f. 167 Vgl. Herkenrath S. 61, Model Bus. Corp. Act Ann., Band 1, S. 777; für die gesetzlichen Vorschriften, inklusive der Ausnahmen siehe Model Bus. Corp. Act Ann., Band 1, S. 801 ff. 168 Vgl. Ballantine S. 434, Lattin S. 239 und 241, Mestmäcker S. 47, Schmey S. 283 f., vgl. auch Herkenrath S. 60, Stevens S. 763 f. 169 Vgl. Escher S. 36, Schmey S. 284 f., Stevens S. 761 ff., Trumpier S. 94; zu den weiteren Möglichkeiten der Abberufung durch Gerichtsurteil siehe Ballantine S. 437 ff., Herkenrath S. 60, Lattin S. 408 f., Mestmäcker S. 48, den Hinweis bei Wiethölter S. 187, Model Bus. Corp. Act Ann., Band 1, S. 814 ff. 5 Jarzembowski

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1. Kapitel: Vergleichende Darstellung

aus wichtigem Grund, ja teilweise sogar ohne Grund abwählen kann170• Gerade die Möglichkeit der Abberufung nach Belieben gibt dem shareholders' meeting die Chance, eine wegen dieser Sanktionsmöglichkeit echte Kontrollfunktion .gegenüber dem board of directors auszuüben171 • Neben der Wahl und gegebenenfalls der Abwahl des board of .directors oder einzelner directors ist das shareholders' meeting für die Beschlußfassung über die grundlegenden Entscheidungen in Hinblick auf deren Struktur und Kapitalaufbau zuständig172, die allerdings im normalen Unternehmensablauf der corporation fast bedeutungslos sind173• Nach common law erfol'derten Änderungen der charter sowie anderer fundamentaler Regelungen der corporation die Zustimmung aller shareholders174, sofern Änderungen wegen des dreifachen Vertragsverhältnisses corporation-Staat, corporation-shareholders, und shareholders untereinander- überhaupt zulässig sind115• Gemäß ausdrücklicher Bestimmungen in den Aktiengesetzen der Einzelstaaten oder der charters oder der by-laws der einzelnen corporations trifft das shareholders' meeting im heutigen amerikanischen Aktienrecht in der Regel Beschlüsse über derartige außerordentliche Angelegenheiten entweder mit einer qualifizierten Mehrheit, etwa einer Zweidrittelmehrheit, oder gar mit einfacher Mehrheit176• Zur Wirksamkeit derartiger Beschlüsse des shareholders' meeting, etwa im Falle einer Verschmelzung durch Aufnahme (merger) oder durch Neubildung (consolidation) 177, ist ferner zumeist die Zustimmung des board of direc170 Vgl. Ballantine S. 434 f., Falkenhausen AG 1959 S. 190, Lattin S. 239 und 241 f., Mestmäcker S. 47, Stevens S. 763 f., den Hinweis bei Wiethölter S. 189, Model Bus. Corp. Act Ann., Band 1, S. 813 ff. sowie § 39 Model Bus. Corp. Act; zum Problem der Abberufung von directors, die nach dem System des cumulative voting gewählt worden sind, durch Mehrheitsabstimmung siehe Ballantine S. 436, Escher S. 36, Löw S. 49, Stevens S. 765, Model Bus. Corp. Act Ann., Band 1, S. 812 ff. 171 Vgl. Ballantine S. 435, vgl. auch Model Bus. Corp. Act Ann., Band 1, s. 813. 172 Vgl. Ballantine S. 120 und 375, Lattin S. 570, Schmey S. 426, Trumpier S. 103, vgl. auch Mestmäcker S. 41. 11a Vgl. Schmey S. 295. 174 Vgl. Ballantine S. 643, Lattin S. 573, Stevens S. 566, Trumpier S. 114. 175 Siehe hierzu sowie zur Theorie der vested rights (wohlerworbenen Rechte) der shareholder Ballantine S. 644 ff., Lattin S. 570 ff., insb. 583 ff., Stevens S. 574 ff. 178 Für die gesetzlich erforderlichen Mehrheiten bei der Änderung der charter siehe Model Bus. Corp. Act Ann., Band 2, S. 255 ff.; zur Möglichkeit, Satzungsänderungen im schriftlichen Verfahren bei einstimmigem Votum herbeizuführen, siehe Ballantine S. 643, Model Bus. Corp. Act Ann., Band 2, 5. 257. m Für die gesetzlich erforderlichen Mehrheiten in diesen beiden Fällen siehe Model Bus. Corp. Act Ann., Band 2, S. 366 ff.

A. Überblick über die Strukturen der Aktiengesellschaft

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tors erforderlich178 • Daher kann bei diesen Änderungen grundsätzlich von der Notwendigkeit einer "concurrent authorization" 179 (übereinstimmenden Ermächtigung) seitens des shareholders' meeting und des board of directors gesprochen werden. Ein derartiges übereinstimmendes Zusammenwirken wird in der Regel ebenfalls für die Änderung der charter vorgeschrieben180, so daß das shareholders' meeting nicht selbständig die charter abzuändern vermag. Ferner ist in diesem Zusammenhang zu beachten, daß selbst für die Änderung wichtiger Regelungen der Verfassung der corporation häufig nicht einmal die charter selbst verändert zu werden braucht. Denn viele entscheidende Regelungen in der Organisation der corporation sind in den by-laws festgelegt18\ die in einzelnen Staaten und corporations der boar.d of directors entweder gemeinsam mit dem shareholders' meeting oder gar allein zu ändern befugt ist182. 2. Die faktische Macht der Organe

Ebenso wie bei der Aktiengesellschaft183 muß für die Untersuchung der faktischen Macht der Organe in der corporation zwischen den corporations mit konzentrierten oder hochkonzentrierten shareholdings, bei denen also eine kleine Anzahl von shareho1ders als Mehrheits- oder Großaktionäre die shares besitzen184, und den großen corporations, bei denen sich die shares im Streubesitz einer großen Anzahl von shareholders befinden185, unterschieden werden188. Die großen corporations in den USA stellen zwar nur eine geringe Anzahl all der corporations dar187, besitzen aber den Löwenanteil der Vermögenswerte aller cor178 Vgl. Lattin S. 613, vgl. auch Falkenhausen AG 1959 S. 190 sowie die §§ 71, 72 und 73 Model Bus. Corp. Act. 110 Ballantine S. 120. 180 Vgl. Ballantine S. 643, Herkenrath S. 95 sowie die Hinweise bei Wiethölter auf den Seiten 188, 189 und 191, vgl. auch §59 Model Bus. Corp. Act;

für die Zuständigkeiten bezüglich Änderungen der charter, die nur die Form betreffen, siehe Model Bus. Corp. Act Ann., Band 2, S. 292. 181 Vgl. Falkenhausen AG 1959 S. 187 sowie auch Herkenrath S. 95, siehe aber auch Ballantine S. 440. 1s2 Siehe oben II. 1. a) a. E. 183 Siehe oben I. 2. 184 Siehe den Begriff der "privately held corporation" bei Eisenberg 57 Cal. L. R . 6. 185 Siehe den Begriff der "publicly held corporation" bei Eisenberg 57 Cal. L. R. 6. 186 Siehe eine ähnliche Entscheidung bei Escher zwischen Klein- oder Familiengesellschaften (S. 56 f.) und mittleren und großen Gesellschaften (S. 58 ff.). 187 Vgl. Dahl in Nader/Green S. 10 (dort "large" corporations die 200 bis 500 größten nonfinancial corporations); siehe ferner Conard 63 Cal. L. R. 440, 446.

s•

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1. Kapitel: Vergleichende Darstellung

porations188 und befinden sich überwiegend im Streubesitz einer großen Zahl von shareholders189 • Die meisten corporations haben andererseits nur geringe Zahlen von shareholders190 und ebenfalls nur einen geringen Anteil an den Vermögenswerten aller corporations191 • a) Derboard of directors Derboard of directors, dem für diese Arbeit der Begriff des "management" gleichgestellt werden solP 92 , ist aufgrund seiner umfassenden Befugnisse193 nicht nur die "oberste und originäre Verwaltungsinstanz"19\ sondern der eigentliche Machtträger der corporation195• Die Macht oder gar die Allmacht des board of directors ergibt sich neben seiner Zuständigkeit für die Geschäftsführung, Vertretung und Kontrolle der Geschäftsleitung insbesondere aus seiner Zuständigkeit für die Unternehmerischen Entscheidungen der corporation sowie aus seiner - teilweise eingeschränkten - Zuständigkeit für die by-laws 188 1971 waren die corporations mit Vermögenswerten von 250 Millionen Dollar und mehr nur 0,1% aller corporations, besaßen aber 59,9% aller Vermögenswerte, vgl. Statistical Abstract S. 483, vgl. auch Conard 63 Cal. L. R. 440, 442, 449 und 462; zur wirtschaftlichen Macht der größten corporations siehe beispielsweise Mueller in Nader/Green S. 114. 189 Vgl. Eisenberg 57 Cal. L. R . 41 (7 500 publicly held corporations gegenüber 1,2 Millionen privately held corporations), Falkenhausen AG 1959 S. 215 und AG 1960 S. 91, Berle/Means S. 52; siehe die für 1971 mit 1,7 Millionen angegebene Zahl aller corporations im Statistical Abstract S. 483; siehe ferner Eisenberg 57 Cal. L. R. 40 (1969), der bei Abzug der financial institutions und der wholly-owned subsidiares auf die Zahl 1,2 Millionen kommt; siehe die für 1971 mit 30,8 Millionen angegebene Zahl aller shareholders im Statistkai AbstractS. 466; siehe hierzu Note 12 in Nader/Green S. 268 f. (General Motors - 1,3 Millionen shareholders, Standard Oil - ca. 800 000 Shareholders, etc.) sowie schon Berle/Means S. 47 ff. 190 Vgl. Eisenberg 57 Cal. L. R . 41 (1,2 Millionen corporations haben zwischen 10 und 300 shareholders), vgl. auch Conard 63 Cal. L. R. 440, 459 ("1. Over 90 percent of corporations have 10 or less Shareholders ...") und 462. 191 1971 stellten die corporations mit Vermögenswerten unter 100 000 Dollar 58,2% aller corporations dar, besaßen aber nur 1,1% der Vermögenswerte aller corporations (sowie die corporations mit Vermögenswerten bis zu 1 Million Dollar - 93,7% aller corporations - mit 7,5% aller Vermögenswerte). Vgl. Statistical Abstract S. 483. 192 So auch Eisenberg 57 Cal. L. R. 4 Fußnote 2 und Fleteher Vol. 2 § 665 S. 831 ("The general management and control of the business of a corporation is ordinarily vested by charter, general law or by-laws in the board of directors ...); a. A. Berle/Means S. 220 und 231, die zummanagementneben dem board of directors die senior officers dazuzählen; siehe auch Kronstein S. 480 f. (management = Aktivverwaltung); zum Verhältnis des board of directors und der officers siehe oben Il. 1. a) sowie Lattin S. 239 und 243; zum Begriff des "control" siehe Bruns S. 18, Berle/Means S. 233 ff. 193 Siehe oben li. 1. a). 194 Wiethölter S. 184; vgl. Ballantine S. 119 ("The supreme and original authority in matters of regular business management"). 195 Vgl. Bruns S. 7, Mestmäcker S. 41, Schmey S. 279 und 433; siehe auch Escher S. 17, Kronstein S. 456, Lattin S. 239, Löw 39 f.

A. Überblick über die Strukturen der Aktiengesellschaft

69

und damit für die innere Gestaltung der corporation196, die ihm insgesamt also per Gesetz bereits eine überragende und unabhängige Stellung in der corporation zuweisen197• Diese Stellung des board of directors mag noch dadurch als unterstrichen angesehen werden, daß in einem Zweifelsfall bei der Abgrenzung der Befugnisse des board of directors und des shareholders' meetingeine Vermutung zugunsten des board of directors besteht198• Bei den corporations mit konzentrierten oder hochkonzentrierten Shareholdings ist zunächst bei den shareholders nicht von dem Typ des "average shareholder", wie er bei den großen Publikumsgesellschaften etwa als Kleinaktionär vorzufinden ist, sondern von dem des Mehrheits- oder Großaktionärs auszugehen, der mit Hilfe seines Shareholdings seine Unternehmerischen Ziele in der corporation durchsetzen will199 • Diese Shareholders werden daher ihre Interessen durch die direkte Mitwirkung im board of directors wahrnehmen200 , indem sie entweder als inside directors~01 selbst officer-Positionen einnehmen202 oder zumindest als outside directors alle grundlegenden Fragen im board selbst mitentscheiden und die laufende Geschäftsführung der officers im board mitüberwachen203 • Bei diesen corporations wird also der board of directors die Macht in der corporation ausüben, die letztlich allerdings als shareholder Macht zu klassifizieren ist204 • 196

Vgl. Mestmäcker S. 42 und 43 f.; siehe auch Lattin S. 242 f., Schmey

s. 279 f.

197 Vgl. Herkenrath S. 55 f., Mestmäcker S. 41, Löw S. 40, Wiethölter S. 183 f.; siehe auch Eisenberg 57 Cal. L. R. 5 f.; zu den Treupflichten des board of directors siehe etwa Berle/Means S. 221 ff. und 247 ff. (Corporate Powers as Powers in Trust), Immenga S. 180 ff. ; siehe ferner Chamberlain insb. S. 201 ff., Phelan/Pozen S. 368 ff. 198 Vgl. Bruns S. 7, Falkenhausen AG 1959 S. 190, Schmey S. 287 Fußnote 28, Wiethölter S. 192. 1D9 Zum "average shareholder" siehe Eisenberg 57 Cal. L. R. 44 ff. 2oo Vgl. Eisenberg 57 Cal. L. R. 14. 201 Zu der Unterscheidung von inside und outside directors siehe grundlegend Herkenrath S. 103 ff. sowie Escher S. 58. ! 02 Siehe den Hinweis bei Herkenrath S. 107, daß bei den kleineren Gesellschaften die inside boards überwiegen; siehe die Möglichkeit, daß der Mehrheits- oder Großaktionär zugleich Mitglied des board of directors und der president der corporation ist, vgl. hierzu Escher S. 56; siehe den Hinweis bei Eisenberg 63 Cal. L. R. 375, 376: "... typically managed directly by ownermanagers, ...". 203 Siehe den Hinweis bei Herkenrath S. 104, daß eine Untersuchung über outside directors ergab, daß die Mehrheit dieser directors wegen ihrer Shareholdings in den board of directors gewählt worden war; siehe ferner den Hinweis bei Falkenhausen AG 1960 S. 125, daß bei diesen Gesellschaften eine gute Zusammenarbeit zwischen den directors der Mehrheits- oder Großaktionäre und den durch das cumulative voting gewählten directors der Minderheitsaktionäre entstehen kann; vgl. auch Löw S. 48, Mestmäcker S. 47. 204 Zum Begriff des "shareholder control" siehe Bruns S. 18 f., siehe ferner zu den Begriffen "Control through almost complete Ownership", "Majority

70

1. Kapitel: Vergleichende Darstellung

Bei den großen corporations im Streubesitz wird ebenfalls vom board of directors die faktische Macht in der corporation wahrgenommen, die hier jedoch eine Herrschaft des management selbst ist205 • Diese Herrschaft des boavd of directors wird insbesondere durch das proxy-System erreicht und abgesichert206 , das mit dazu führt, daß der board of directors bei diesen corporations auch als ein self-perpetuating body bezeichnet werden kann207 • Das proxy-System als wichtigstes Machtmittel des board of directors erhält seine Bedeutung bei diesen großen corporations dadurch, daß die einzelnen shareholders mit ihren kleinen shareholdings die Reise zum Ort des shareholders' meeting der Kosten wegen scheuen, zumal ihnen ferner im Regelfall für die Entscheidungen die Fachkenntnisse fehlen würden208• Der board of directors nutzt nun die Möglichkeiten und läßt Stimmrechtsbevollmächtigungen verbunden mit e~genen Sachvorschlägen und Vorschlägen zur eigenen Wiederwahl oder zur Wahl von neuen boavd members, die er nach den "Grundsätzen der Kooptation" bestimmt hat, durch ein von ihm eingesetztes Komitee einwerben209 • Die Kosten für diese zumindest teilweise eigennützigen proxy-Aktionen sowie für die Maßnahmen zur Selbstdarstellung kann der board of directors auch noch aus dem Gesellschaftsvermögen finanzieren210 • Die durch das proxy-System begründete Machtstellung des board of directors wird noch dadurch verstärkt, daß in der . Realität eine Abberufung des board auch wegen der Streuung der Shareholdings und der damit verbundenen schwierigen Aktivierung einer Mehrheit kaum möglich ist211 • Abgesehen von dem Fall eines proxy fight212 kann die Machtstellung eines etablierten board of directors noch durch das System des cumulative voting eingeschränkt werden. Denn mittels dieses besonderen Control", "Control through a Legal Device" und "Minority Control" siehe Berle/Means S. 70 ff. 205 Zum Begriff des "management control" siehe Berle/Means S. 84 ff., Bruns S. 20, Chamberlain S. 182; siehe den Hinweis bei Eisenberg 63 Cal. L. R. 375, 376: " ... typically managed by the top executives." 208 Vgl. Eisenberg 83 Harv. L. R. 1490, Emerson/Latcham S. 4, Falkenhausen AG 1960, S. 92, vgl. auch Chamberlain S. 181, Lattin S. 365, Löw S. 41. 207 Vgl. Berle/Means S. 87 und 246, Dahl in Nader/Green S. 12 f ., Henning in Nader/Green S. 168, Herkenrath S. 98; Escher (S. 41) spricht von "einem sich selbst erneuernden Verwaltungsrate". Besser ist wohl die Übersetzung "ein sich selbst immerwährend fortsetzendes Gremium". 208 Vgl. Chamberlain S. 181, Escher S. 41, Falkenhausen AG 1960 S. 92. 209 Vgl. Berle/Means S. 245, Chamberlain S. 181 f., Emerson/Latcham S. 4, Falkenhausen AG 1960 S. 92, Lattin S. 365. 210 Vgl. Emerson/Latcham S. 4, Kronstein S. 498, Lattin S. 365 sowie Eisenberg 83 Harv. L. R. 1491 (siehe ebenda den Ausdruck "corporate proxy machinery" und dessen Erläuterung). 211 Vgl. hierzu Herkenrath S. 78, vgl. auch Escher S. 17, Schmey S. 285 ff. 212 Siehe oben II. 1. b).

A. Überblick über die Strukturen der Aktiengesellschaft

71

Wahlsystems zum board of directors können neue, unabhängige Kandidaten zu directors gewählt werden, die als "watch dogs" 213 für Shareholders im board of directors tätig werden könnenm. Je größer ·die corporations im Streubesitz werden, um so mehr verschiebt sich das Verhältnis der überwiegend mit inside directors besetzten boavds zu den überwiegend mit outside directors besetzten boards zugunsten der letzteren, obschon es einzelne sehr bekannte Gegenbeispiele gibt215 • Dennoch wird die Machtstellung des engeren management, der inside directors also, hierdurch wohl nicht verändert. Denn die inside directors haben, da sie als officers bei der corporation angestellt sind und somit ständig für diese tätig sind, größere Kenntnisse über die corporation und können daher eine aktivere Rolle im board of directors spielen216 • Während die outside directors primär als - zum Teil schon fast berufsmäßige- Berater, als Verbindungspersonen etwa zu den shareholders, zu anderen Unternehmen und zu Banken oder als "Aushängeschilder" gegenüber der Öffentlichkeit gewählt werden217 und als nicht ständig an der Geschäftsleitung Mitwirkende nicht die umfassenden Informationen über die corporation besitzen218. Aus der Aufgabenstellung der outside directors heraus ist es verständlich, wenn teilweise von ihnen .gesagt wird, daß sie zum Nicht-Handeln in den boavd of directors hineingewählt werden210 • Die Machtstellung des engeren management wird häufig bei den großen corporations im Streubesitz noch dadurch verstärkt und auch sichtbar, daß eine Machtverlagerung vom Gesamt-board auf Ausschüsse220, vornehmlich auf ein executive committee erfolgt221 , das sich ausschließlich oder hauptsächlich aus inside directors konstituiert222. In 213 Lattin S. 354. 214 Vgl. Kronstein S. 483. 215 Vgl. Herkenrath S. 106 f., vgl. aber auch Kronstein S. 482. 216 Vgl. Herkenrath S. 104, vgl. auch Escher S. 58, Mestmäcker S. 42; siehe auch Eisenberg 63 Cal. L. R. 375, 376, der in seiner Aussage noch einen Schritt weitergeht, indem er erklärt: "... most of the powers supposedly vested in the board of directors are actually vested in the executives.". 217 Vgl. Herkenrath S. 105 f. und 109 f., Mestmäcker S. 42. 21s Vgl. Herkenrath S. 106. 210 Vgl. Flynn in Nader/Green S. 99; in diesem Sinn wohl auch Escher S. 58 ("untätiger [dummy] Verwaltungsrat"), Townsend in Nader/Green

s. 257 f.

220 Zu der Vielfalt der möglichen Ausschüsse (so auch Escher S. 26) und zu deren Aufgaben siehe Herkenrath S. 124 ff.; siehe auch das Schaubild der DuPont Company Organization bei Phelan/Pozen S. 22 und 23 (obwohl diese corporation eine privately held one ist). 221 Vgl. Herkenrath S. 127, Löw S. 44; vgl. auch Lattin S. 252. 222 Vgl. Escher S. 26, Herkenrath S. 109, Löw S. 44, vgl. auch Mestmäcker

s. 52.

72

1. Kapitel:

Vergleichende Darstellung

dem executive committee wird der president der corporation- sofern er gleichzeitig Mitglied des board of directors und des executive committee ist - aufgrund seiner Funktion als höchster leitender Angestellter und der sich daraus ergebenen Kenntnisse eine bedeutende Stellung einnehmen223 • Das executive committee nimmt zwischen den Sitzungen des Gesamt-board dessen Befugnisse wahr, trifft sich etwa wöchentlich, führt die laufenden Geschäfte der corporation und bereitet für den Gesamt-board Vorschläge für die grundlegenden Entscheidungen vor, für deren Annahme im Gesamt-board wegen der schwächeren Stellung der hinzuzuziehenden outside directors gute Chancen bestehen224 • So ist es nicht verwunderlich, wenn gerade bei den ganz großen corporations davon gesprochen wird, daß derartige Ausschüsse aktiver und einflußreicher seien als die jeweiligen Gesamt-boards225 • Sofern ein board of directors durch das System des cumulative voting unabhängige directors hineingewählt erhalten hat, ist es den etablierten directors übrigens leicht möglich, diese unbequemen directors von einer echten Mitwirkung bei der Leitung der corporation im wesentlichen auszuschließen, indem sie die unabhängigen directors beispielsweise nicht in das executive committee hineinwählen226 • Neben einem executive committee bilden die boards of directors oft noch ein meist gewichtiges finance committee227 • Dies finance committee besteht aber andererseits wegen seiner Zuständigkeiten, etwa Kapitalerhöhungen vorzubereiten, neben inside directors auch aus outside directors, nämlich aus den outside directors, die entweder als Vertreter von Banken oder als Verbindungspersonen zu Finanzkreisen in den board of directors hineingewählt wurden und die insbesondere im finance committee ihre Berater- und Verbindungsfunktionen wahrnehmen sollen228• Gerade auch bei den großen corporations im Streubesitz ergibt sich die Machtstellung des board of directors ferner aus seiner Zuständigkeit für die Änderung der by-laws und für die Vorbereitung und Verwirklichung der grundlegenden Entscheidungen über die Struktur und den Kapitalaufbau der corporation. Zwar liegt die Zuständigkeit für die grundlegenden Entscheidungen wie etwa Kapitalerhöhungen oder 223 Vgl. Herkenrath S. 128 f.; zur Stellung des president in der corporation siehe Herkenrath S. 120 ff., siehe auch Phelan/Pozen S. 22 und 23 (Dort ist zum Beispiel Mr. McCoy sowohl Mitglied des Gesamt-board als auch Vorsitzender des executive committee als auch Mitglied des finance committee als auch president der corporation.). 224 Vgl. Herkenrath S. 124 und 127, Lattin S. 252 f., Phelan/Pozen S. 25, vgl. auch Ballantine S. 135. 225 Vgl. Lattin S. 252; siehe auch Eisenberg 63 Cal. L. R. 375, 377. 226 Vgl. Falkenhausen AG 1960 S. 124. 227 Vgl. Phelan/Pozen S. 25, vgl. auch Ballantine S. 133, Trumpier S. 92. 22s Vgl. Herkenrath S. 125.

A. Überblick über die Strukturen der Aktiengesellschaft

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Änderungen der charter grundsätzlich bei dem shareholders' meeting, doch erwächst die Macht des board of directors, sofern nicht sogar seine Zustimmung erforderlich ist, bereits daraus, daß er im Regelfall vorweg entscheidet, ob und wenn ja mit welchem Inhalt der board of directors derartige Entscheidungen dem shareholders' meeting zur Abstimmung vorschlägF 29 • Mittels seiner zumeist kaum eingeschränkten Zuständigkeit für die Änderung der by-laws230 hat der board of directors die Möglichkeit, so wichtige Fragen wie die des Stimmrechtes im board, der Einsetzung von Ausschüssen, der Übertragung von shares oder auch der Grenzen für das Informationsrecht der shareholders allein zu bestimmen231. Insbesondere dieses Recht, das es ermöglicht, die Rechtsverhältnisse innerhalb der corporation entscheidend zu ändern, ist zu einer neuen und wichtigen Machtquelle für das management gerade bei diesen großen corporations geworden232 • In dem board of directors bei den großen corporations im Streubesitz kann - einmal abgesehen von der eventuellen Überwachungsmöglichkeit durch die directors, die durch das cumulative voting in den board hineingewählt worden sind, - eine Kontrolle des engeren management durch die outside directors ausgeübt werden233 • Die outside directors, deren Aufgaben einerseits in der Beratung der corporation und andererseits in der Überwachung der laufenden Geschäftsleitung zwischen den Sitzungen des (Gesamt-)board liegen234 , können die Kontrolltätigkeit allerdings nur insoweit wahrnehmen, als sie sich bemühen, einen Einblick in die meist komplizierten Angelegenheiten der jeweiligen großen corporation zu gewinnen, und nur insoweit, als ihnen die inside directors den Einblick auch tatsächlich gewähren235 • Hierbei ist .das Engagement für die Überwachungstätigkeit und dessen Erfolg letztlich entscheidend von der Persönlichkeit des jeweiligen outside director abhängig236. Generell mag erwartet werden können, daß die Verpflichtung der inside directors, alle Angelegenheiten den outside directors im Siehe oben li. 1. b) a. E., siehe ferner Eisenberg 57 Cal. L. R. 62 ff. Siehe oben 11. 1. a) a. E. 231 Vgl. Herkenrath S. 51 f., Mestmäcker S. 43 f. 232 Vgl. Herkenrath S. 51, Mestmäcker S. 43 und 44. 233 Vgl. Herkenrath S. 105. 23~ Vgl. Werner 77 Colum. L. R. 411 f. 235 Vgl. Escher, S. 63; siehe auch in diesem Zusammenhang Eisenberg (63 Cal. L. R. 375, 403), der dort fordert, daß der board of directors durch die Wahl unabhängiger directors unabhängig von den executives gestellt werden soll - so soll auch die proxy machinery ausschließlich in die Hände der unabhängigen directors gelegt werden (S. 408) - und daß einem solchen board die notwendigen und objektiven Informationen gesichert werden müssen (siehe die Bedeutung unabhängiger Rechnungsprüfer und Rechnungsprüferausschüsse [S. 427 ff.]). 2 36 Vgl. Herkenrath S. 128. 229

230

1. Kapitel: Vergleichende Darstellung

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board zur endgültigen Beschlußfassung oder zur Unterrichtung vorzulegen, und die Möglichkeit der outside directors, alle Fragen zum management der corporation stellen zu können, zu einer Art Selbstkontrolle der inside directors führen 237 •

b) Das shareholders' meeting Das shareholders' meeting wird grundsätzlich in der juristisch-dogmatischen Betrachtung im Verhältnis der Gleichordnung zum board of directors238, in der Betrachtung der tatsächlichen Verhältnisse in der corporation jedoch im Verhältnis der Unterordnung zum board of directors zu sehen sein230 • Denn während juristisch zwar beide Organe wegen der ihnen jeweils unmittelbar aus dem Gesetz zugeordneten Rechte und Pflichten als gleichberechtigt gewertet werden240 , so ergeben in der Wirklichkeit in der Regel einerseits die umfassenden Befugnisse des board of directors, dessen Informationsvorsprung, dessen Initiativmöglichkeit und dessen Herrschaft über die proxy machinery und andererseits die strukturelle Ohnmacht des shareholders' meeting insbesondere bezüglich der Abberufung des board of directors ein eindeutiges Übergewicht des board of directors241 • Letztlich erscheint das shareholders' meeting auch wegen seiner geringen Kontrollmöglichkeiten gegenüber dem board of directors als ein Organ, dem die Entscheidungen des board of directors lediglich zur Billigung vorgelegt werden242 • Bei den corporations mit konzentrierten oder hochkonzentrierten shareholdings, in denen ja die shareholders in der Regel unternehmerische Ziele verfolgen243, ist zwischen zwei Erscheinungsformen der faktischen Macht des shareholders' meeting zu unterscheiden244 • In den corporations, in denen die Mehrheits- oder Groß-shareholders selbst entweder als inside oder als outside directors im board of directors vertreten sind245 , üben diese dort ihren Einfluß aus, so daß hier der allgemeine Grundsatz gilt, daß das shareholders' meeting letztlich nur m Vgl. Herkenrath S. 109.

Vgl. Escher S. 16 f., Schmey S. 284, vgl. auch Wiethölter S. 205. Siehe hierzu Berle/Means S. 277 ff., vgl. auch Herkenrath S. 101. 240 Vgl. Escher S. 15, Herkenrath S. 56, vgl. auch Schmey S. 279; a. A. wohl Stevens, der aufgrund des Repräsentationsgedankens von einer Unterordnung des board of directors unter das shareholders' meeting ausgehen müßte, vgl. Stevens S. 647 und 650; siehe hierzu Escher S. 16 f . 241 Vgl. Escher S.17 und 101, Schmey S. 279, 285 und 433, vgl. auch Eisenberg 57 Cal. L. R. 180 f., Herkenrath S. 55 f., Immenga S. 189, Mestmäcker S. 52. 242 Vgl. Wiethölter S. 182. 243 Siehe oben II. 2. a). 244 Zu dem weiteren Fall des Alleinaktionärs siehe Mestmäcker S. 58 f. 2 4 5 Siehe oben li. 2. a). 238 230

A . überblick über die Strukturen der Aktiengesellschaft

75

zur Ratifizierung der bereits im board of directors getroffenen Entscheidungen dient. In den corporations aber, in denen sich die Mehrheitsoder Groß-shareholders nicht in den board of directors haben hineinwählen lassen, ist - sofern sie nicht ihre Macht allein informell durchsetzen - der allgemeine Grundsatz ausnahmsweise aufgehoben. Denn in diesem Fall sind die Mehrheits- oder Groß-shareholders gezwungen, ihren Einfluß und ihre Kontrolltätigkeit gegenüber dem board of directors im shareholders' meeting auszuüben, so daß das shareholders' meeting ein eigenes Gewicht in den .grundsätzlichen Entscheidungen der corporation sowie durch die Kontrolle des board of directors indirekt auf die Leitung der corporation entwickeln kann246 • Bei den corporations im Streubesitz ist die faktische Ohnmacht der shareholders im shareholders' meeting am stärksten247 • Denn aufgrund ihrer großen Anzahl, ihrer zumeist nicht Unternehmerischen Interessen, ihrer geringen Sachkenntnisse und ihrer unzureichenden lnformierung sind die Shareholders als Gruppe in der Regel nicht in der Lage und/ oder willens, eigene Vorstellungen im shareholders' meeting vorzubringen und durchzusetzen oder eine wirksame Kontrolle gegenüber dem board of directors auszuüben, zumal das proxy system fast ausnahmslos dem board of directors zugute kommt248 • Bei diesen großen corporations im Streubesitz ist nämlich die faktische Trennung von "Eigentümer"-Rechten und Verfügungsmacht am stärksten vollzogen249 • Die shareholders fühlen sich einerseits gar nicht als Eigentümer mit den vollen Rechten und Pflichten, sondern sehen ihre shareholdings als Anlage- oder Spekulationsvermögen250 • Andererseits verfügen diese shareholders auch gar nicht über die erforderliche Sachkunde, um tatsächlich eine effektive Kontrolle des board of directors durchführen zu können251 • Selbst wenn die shareholders ihre Kon246 Zu den weitergehenden Möglichkeiten des direkten Einwirkens der Shareholders auf das management der corporation, wie etwa durch Stimmrechtsvereinbarungen, insb. bei der close corporation, siehe Immenga S. 47 ff., Mestmäcker S. 53 ff. 247 Siehe andererseits zu den Möglichkeiten der einzelnen Shareholders im Falle eines tender offer ("Übernahmeangebot"), über die Kontrollausübung über eine derartige corporation mitzuentscheiden, die Dissertation von Dietrich, insb. S. 371 ff. (zur Unterscheidung von intra-firm und inter-firm offers siehe die Seiten 26 f.; zur typischen Funktion des tender offer siehe S. 28: faktische Kontrollerlangung und Unternehmenszusammenschluß). 24 8 Vgl. Bruns S. 20, Falkenhausen AG 1960 S. 92, Lattin S. 365, vgl. auch Herkenrath S. 101 f. und Roth S. 175 ff.; siehe ferner Berle/Means S. 138 ff. (The Weakening of Control by Stockholders over the Direction of the Enterprise). 249 Siehe hierzu Berle/Means S. 66 ff. und 277 ff. 2 • 0 Vgl. Flynn in Nader/Green S. 105; siehe auch Berle/Means S. 66 und Werner 77 Colum. L. R. 392 ff. 2st Vgl. Chamberlain S. 181.

1. Kapitel: Vergleichende Darstellung

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trollfunktiongegenüber dem board of directors mit dessen Verfügungsmacht über die corporation ausüben wollten, so würden doch in der Regel die große Anzahl der shareholdersm, deren räumliche Streuung und deren daraus folgende schwere Mobilisierbarkeit eine einheitliche Willensbildung erschweren oder gar unmöglich machen253 • Aus diesen Gründen ist es auch nicht verwunderlich, wenn die shareho1ders aus dem shareholders' meeting heraus einerseits eigene Vorschläge für grundsätzliche Entscheidungen wie etwa eine Kapitalerhöhung gar nicht entwickeln und andererseits die vom board of directors vorgelegten Entscheidungsvorschläge kaum auf ihre Zweckmäßigkeit überprüfen können. Zur gemeinsamen Willensbildung der shareholders im oder für das shareholders' meetingsind bei diesen großen corporations zwar generell drei Möglichkeiten gegeben: das System des cumulative voting, voting agreements oder trusts und das proxy system. Doch scheiden die ersteren beiden wohl von vornherein bei diesen corporations aus. Denn bei der großen Anzahl der shareholders und deren geringer Mobilisierbarkeit müßte sich bei dem für eine Minderheit gedachten System des cumulative voting schon eine beträchtliche Zahl von Minderheitsshareholders zusammenfinden 254 und würden andererseits voting agreements und trusts umfangreiche und daher wohl kaum realisierbare Vorbereitungen seitens der shareholders voraussetzen205 • Als einziges wirksames Mittel zur Willensbildung der shareholders für das shareholders' meetingkäme also nur noch das proxy system in Betracht. Das proxy system, das zusammen mit den S E C-Regeln des Bundes und entsprechenden Landesregeln etwa über die Veröffentlichungspflichten der Kandidaten- und Sachvorschlä.ge für das shareholders' meeting und über die diesbezüglichen Rechte des einzelnen shareholder gegenüber dem board of directors 256 gesehen werden muß, soll eine shareholder democracy für die corporation sicherstellen257 • Siehe oben Fußnote 189. Vgl. Chamberlain S. 181, Flynn in Nader/Green S. 105. 254 Siehe hierzu Mestmäcker S. 46. 255 Siehe hierzu Berle/Means S. 77 ff. 256 Für diese Regeln und deren Wirksamkeit siehe oben 11. 1. b) sowie Falkenhausen AG 1960 S. 92 f., Flynn in Nader/Green S. 97 f., Henning in Nader/Green S. 160 ff., Kronstein S. 506 ff. sowie Eisenberg 83 Harv. L. R. 1489 ff., der dort insbesondere die Möglichkeiten der shareholders, sich der proxy machinery zu bedienen, aufzeigt. 257 Siehe das Buch Shareholder Democracy von Emerson und Latcham, insb. S. 9 ff. und 145 ff. sowie Falkenhausen AG 1960 S. 91 ff.; siehe hierzu auch das Zitat bei Eisenberg 83 Harv. L. R. 1494: " ... the solicitation of proxies is today the stockholders' meeting.". Siehe in diesem Zusammenhang auch den besonderen Fall des tender offer bei Dietrich S. 20 sowie zum Verhältnis von tender offer und proxy fight Dietrich S. 33, 36 ff. und 2 52 253

89 ff.

A. Überblick Über die Strukturen der Aktiengesellschaft

77

Die Wirklichkeit zeigt allerdings, daß dies umfassende proxy system generell vom board of directors beherrscht und ausgenutzt wird 2" 8 • In den wenigen Fällen, in denen einzelne Sachentscheidungen des shareholders' meeting gegen den Widerstand des board of directors durchgesetzt werden sollten oder in denen Außenseiter den board of directors ablösen wollten, sind wegen der hohen und zumindest zunächst vorzustreckenden Kosten und des hohen Zeitaufwandes diese, zumindest die wenigen erfolgreichen proxy fights von einflußreichen Wirtschaftspersönlichkeiten oder Gruppen, nicht jedoch von dem average shareholder unternommen worden259 • Insgesamt werden das umfassende proxy system als Mittel zur shareholder democracy und der Gedanke der shareholder democracy als solcher wohl eher als realitätsfremd zu bezeichnen sein260 • Gleichwohl sind die durch das proxy system bedingten Publizitätspflichten der corporation als positiv hervorzuheben, da diese zu einer Selbstbeschränkung des board of directors und zu einer Kontrolle des board of directors durch die Öffentlichkeit führen können261 • Eine weitere Möglichkeit, die Interessen der shareholders gegenüber denen des board of directors im shareholders' meeting zu vertreten und durchzusetzen, liegt bei den institutionellen shareholders. Denn diese (Versicherungs- und Investment-Gesellschaften, Pension- und Mutual Funds, Sparkassen und Banken sowie von Banken verwaltete private trusts und dergleichen) besitzen wahrscheinlich ca. 40- 50% der shares dieser großen corporations im Streubesitz262 und wären somit in der Lage, sowohl die Sach- als auch die Personalentscheidungen im shareholders' meeting entscheidend zu beeinflussen. Da aber diese institutionellen Shareholders ihre shareholdings in der Regel wohl primär als Anlagen betrachten und keine Zeit und/oder kein Interesse haben, sich intensiv mit der Situation der einzelnen corporation zu beschäftigen oder sich mit der corporation im Geschäftsverkehr befinden263 , üben diese shareholders ihr Stimmrecht im shareholders' meeting generell zugunsten der Vorschläge des board of directors aus264 • Je größer allerSiehe oben li. 2. a). Siehe hierzu Escher S. 42, Falkenhausen AG 1959 S. 212 f., Kronstein S. 508; siehe ferner Berle/Means S. 80 ff.; siehe aber auch Eisenberg 57 Cal. 2;s 259

L. R . 55 ff.

260 Vgl. Chamberlain S. 196 f., Dahl in Nader/Green S. 15, Falkenhausen AG 1960 S. 125 f., Henning in Nader/Green S. 160, vgl. auch Wiethölter S. 205, Emerson/Latcham S. 91. 261 Vgl. Chamberlain S. 197, Falkenhausen AG 1960 S. 125 f. 202 Vgl. Eisenberg 57 Cal. L. R. 46 f. und 53, Flynn in Nader/Green S. 101, vgl. auch Chamberlain S. 183, Herkenrath S. 41, Kronstein S. 457. 263 Vgl. Eisenberg 57 Cal. L. R. 49 f., Kronstein S. 500 f. 264 Vgl. Kronstein S. 499 f., Roth S. 183 sowie auch Eisenberg 57 Cal. L. R. 52; zu der Rolle der nonfinancial und nonprofit institutional shareholders

78

1. Kapitel: Vergleichende Darstellung

dings das shareholding an der einzelnen corporation wird und je schwieriger dies gegebenenfalls an der Börse zu verkaufen ist, desto mehr mögen sich die institutionellen shareholders gezwungen sehen, wenn auch weniger in Personal-, so doch zumindest in Sachentscheidungen der einzelnen corporation ihren Einfluß gegenüber dem board of directors durchzusetzen285 • Grundsätzlich bildet also das shareholders' meeting keinen eigenständigen Machtfaktor in der corporation, sondern fungiert im wesentlichen aufgrund des proxy system als eine board of directors-Vertreter-Versammlung zur Ratifizierung der in board of directors getroffenen, dem shareholders' meeting aber formell zustehenden Entscheidungen. So bleibt gerade in der großen corporation im Streubesitz dem average wie dem institutionellen shareholder bei der Unzufriedenheit mit dem board of directors letztlich als Ausweg nur die "Wall Street Rule": "If you don't like the management sell your shares." 268

ßl. Ein Vergleich Nachdem die Stellung der Organe in der Aktiengesellschaft und in der U.S.-corporation und deren faktische Macht jeweils detailliert dargestellt worden sind, soll nunmehr der Versuch eines Vergleiches der Organe der U.S.-corporation mit denen der Aktiengesellschaft sowohl hinsichtlich ihrer Zuständigkeiten als auch hinsichtlich ihrer faktischen Macht unternommen werden. 1. Derboard ot directors im Verhältnis zum Vorstand und zum Aufsichtsrat sowie zur Hauptversammlung a) Die Zuständigkeiten

Die Zuständigkeiten des board of directors umfassen alle Zuständigkeiten sowohl des Vorstandes als auch des Aufsichtsrates und darüber hinaus noch teilweise Zuständigkeiten der Hauptversammlung1 • (z. B. der von Universitäten und Kirchen verwalteten trusts) und ihrem möglichen Engagement im shareholders' meeting zugunsten sozialer und politischer Ziele siehe Chamberlain S. 184 und 193 f. sowie Henning in Nader/ Green S. 166 sowie 162 ff. 285 Vgl. Eisenberg 57 Cal. L. R. 52 f. 286 Vgl. Chamberlain S. 183, Eisenberg 57 Cal. L. R. 49, Emerson/Latcham S. 151; siehe aber auch die erweiterte Wall Street Rule bei Emerson/Latcham S. vii: "If you don't like the management sell your stock, provided you can get a fair price. If you can't, do something about the situation." Zum Verhältnis von corporation und securities market siehe die überblickartigen Ausführungen von Werner mit weiteren Verweisungen in 77 Colum. L. R. 390 ff. 1 Vgl. Falkenhausen AG 1959 S. 189, Schmey S. 287, Wiethölter S. 185 Fußnote 33, vgl. auch Herkenrath S. 74 ff. und 90 ff. und 99 ff.

A. Überblick über die Strukturen der Aktiengesellschaft

79

Der board of directors hat die Zuständigkeit zur Leitung der corporation, aus der sich u. a. die Vertretung der corporation nach außen und die Geschäftsführung im Inneren ergeben, und zwar letztere sowohl im Sinne der Wahrnehmung der laufenden Geschäfte der corporation als auch im Sinne der Bestimmung und Umsetzung der Geschäftspolitik für die corporation. Diese Aufgaben nehmen in der Aktiengesellschaft primär der Vorstand als Leitungsorgan, teilweise aber auch der Aufsichtsrat wahr. So bestimmt ·der Aufsichtsrat insbesondere letztlich die Geschäftspolitik der Aktiengesellschaft und kann sich über das Institut der zustimmungsbedürftigen Geschäfte teilweise die Geschäftsführung vorbehalten. Der board of directors hat ferner ·die Aufgabe, die laufende Geschäftsführung zu überwachen. Dieser Kontrollfunktion soll der board of directors - sofern er sich ganz oder hauptsächlich aus inside directors zusammensetzt - im Wege der gegenseitigen Unterrichtung und Überwachung im Gesamtboard, also in einer Art Selbstkontrolle, oder/und- sofern er sich zu einem großen Teil oder überwiegend aus outside directors zusammensetzt - im Wege der Überwachung der officers der corporation, also in der Kontrolle der leitenden Angestellten, nachkommen. In der Aktiengesellschaft übt die Kontrollfunktion nach dem normativen Leitbild der Aufsichtsrat aus. Der board of directors bestellt aus seiner Mitte und/oder aus dem Kreise Dritter die officers der corporation und kann sie wieder abberufen. Die entsprechende Zuständigkeit steht in der Aktiengesellschaft dem Aufsichtsrat in der Bestellung des Vorstandes und in derwegen dessen eigenständiger Organstellung weitgehend eingeschränkten- Abberufung desselben zu. Der board of directors besitzt zudem die Zuständigkeit, den Jahresabschluß der corporation zu erstellen und nach eigenem Ermessen die Gewinnverwendung, also insbesondere die Dividendenausschüttung zu bestimmen. In der Aktiengesellschaft liegt die Feststellung des Jahresabschlusses grundsätzlich beim Aufsichtsrat, indem dieser den vom Vorstand aufgestellten Abschluß billigt, und die Entscheidung über die Gewinnverwendung bei der Hauptversammlung. Der board of directors hat in der Regel außerdem eine gemeinsame und teilweise eine - zumeist bedingt - eigene Zuständigkeit für die grundsätzlichen Entscheidungen über die Struktur und den Kapitalaufbau der corporation. So bedürfen zumeist die Entscheidungen über die Änderung der charter sowie des Kapitalaufbaus sowohl der Zustimmung des shareholders' meeting als auch der des board of ·directors. Ferner kann der board of directors häufig die by-laws der corporation, die wesentliche Inhalte der Struktur der corporation regeln, selbständig

80

1. Kapitel: Vergleichende Darstellung

ändern. Derartige Entscheidungen über die Struktur und den Kapitalaufbau der Aktiengesellschaft liegen in der Aktiengesellschaft formal in der ausschließlichen Zuständigkeit der Hauptversammlung. b) Die faktische Macht

Die faktische Macht des board of directors in der corporation ist im Vergleich zum Vorstand und zum Aufsichtsrat in der Aktiengesellschaft noch größer als deren faktische Machtpositionen zusammen2 , wie dies bereits die aufgeführten - teilweise auch der Hauptversammlung entsprechenden - Zuständigkeiten des board of directors anzeigen. Denn der board of directors übt als ein Organ noch umfassender und uneingeschränkter die autonome Leitungsfunktion wie die des Vorstandes und die Kontrollfunktion wie die des Aufsichtsrates aus, da ihm kein eigenständiges Kontrollorgan wie der Aufsichtsrat gegenübersteht und da das shareholders' meeting wesentlich eingeschränktere Befugnisse und eine noch geringere faktische Macht als die Hauptversammlung in der Aktiengesellschaft besitzt3 • Somit ist der board of directors der einzige und vom shareholders' meeting kaum kontrollierbare und kaum absetzbare Machtträger in der corporation. Diese Machtstellung des board of directors gilt sowohl für die corporations mit konzentrierten oder hochkonzentrierten shareholdings als auch für die großen corporations im Streubesitz, wenn auch der Ursprung der faktischen Macht unterschiedlich ist, wie gleich noch dargelegt werden soll. Im übrigen sei darauf hingewiesen, daß die Mitbestimmungsregelungen des deutschen Aktienrechts für .den hier vorzunehmenden Vergleich der Stellung und der faktischen Macht der Organe untereinander in der corporation und in der Aktiengesellschaft im wesentlichen unberücksichtigt bleiben können, zumal dem U.S.-corporation law zudem derartige Regelungen fremd sind4 • Bei den corporations mit konzentrierten oder hochkonzentrierten shareholdings besitzt der board of directors seine Machtposition aus den Gründen, daß die Mehrheits- oder Groß-shareholders entweder in eigener Person oder durch Vertraute inside oder outside director-Positionen im board wahrnehmen und so im board of directors ihren Einfluß ausüben, ohne daß ein Gegengewicht oder eine Kontrolle durch das -von denselben Personen kontrollierte - shareholders' meeting denkbar ist. Bei den Aktiengesellschaften mit konzentriertem oder hochVgl. Herkenrath S. 139. Vgl. Schmey S. 433, vgl. auch Herkenrath S. 100 f. 4 Vgl. Falkenhausen AG 1959 S. 189; siehe aber auch den dortigen Hinweis auf die Rolle der von Gewerkschaften geführten Pensionsfonds; vgl. auch Herkenrath S. 46. 2

3

A. Überbllck uber die S'trukturen der Aktiengesellschaft

!H

konzentriertem Aktienbesitz beeinflussen die Mehrheits- oder Großaktionäre über ihre Positionen im Aufsitmtsrat mit dessen Kontroll~ una Mitwirkungsmöglichkeiten zwar ebenfalls entscheidend die Leitang .des Unternehmens, sprich den Vorstand der Aktiengesellschaft. D'ennoclr behält der Vorstand aufgrundseiner ihm gesetzlich zwingend vorbehaltenen Eigenverantwortlichkeit für die Leitung der Aktiengesellschaft ein Eigengewicht gegenüber dem Aufsichtsrat, wenn auch entsprechend der Situation in der corporation die Hauptversammlung von denselben Mehrheits- oder Großaktionären kontrolliert wird. Bei den großen corporations im Streubesitz ist ebenfalls ·der board of directors der entscheidende Machtfaktor in der corporation, doch stellt er sich hier als Herrschaft des management, genauer gesagt der inside directors dar. Die Gründe hierfür liegen in der strukturellen Schwäche der shareholders als Gruppe, in der Verwaltung und Beherrschung des proxy system durch den board of directors und in der sich daraus ergebenen Möglichkeit des board of directors, seine weitere Zusammensetzung nach den Grundsätzen der Kooptation selbst zu bestimmen. Sofern sich der board of directors zu einem großen Teil oder überwiegend aus outside directors zusammensetzt, kann sich allerdings eine faktische Machtverlagerung aus dem Gesamtboard auf einzelne committees mit den inside directors, insbesondere mit dem president der corporation vollziehen5 • In einer derartigen Situation kann eine Zweiteilung zwischen dem Gesamtboard, in dem die hinzugezogenen outside directors nicht das management kontrollieren, sondern primär beraten, und den inside directors entstehen, die ohne Gegengewicht die faktische Macht in der corporation ausüben6 • Bei den großen Aktiengesellschaften im Streubesitz herrscht wegen der inneren Schwäche der Aktionärsgruppe ebenfalls das management, sprich hier der Vorstand7 , der gleichfalls die Grundsätze der Kooptation für seine eigene weitere Zusammensetzung und teilweise sogar für die Zusammensetzung des Aufsichtsrates anwendet, dessen Aufgabe bei diesen Gesellschaften ebenso wie im Falle eines outsider board of directors - häufig primär in der Beratung des Vorstandes liegt. Der autonome Vorstand bei diesen Gesellschaften kann allerdings durch den Aufsichtsrat sowohl Unterstützung erlangen als auch einer gewissen Kontrolle unterworfen werden, so etwa durch dessen Arbeitnehmer-Vertreter der Mitbestimmungsregelungen oder durch dessen Banken-Vertreter. Denn insbesondere die Banken können aufgrundihrer Aktionärs-Vertreterfunktion unter Anwendung des Depotstimmrechtes in der Hauptversammlung s Vgl. Herkenrath S. 141 f. Vgl. Herkenrath S. 140. 7 Vgl. Herkenrath S. 42, aber auch S . 80. 6

6 Jarzembowsk!

1. Kapitel:

82

Vergleichende Darstellung

und damit auch im Aufsichtsrat einen kontrollierenden Einfluß gegenüber dem Vorstand .gewinnen. 2. Das shareholders' meeting im Verhältnis zur Hauptversammlung

a) Die Zuständigkeiten Die Zuständigkeiten des shareholders' meeting sind zwar in einem Bereich weitgehender, insgesamt aber geringer als die der Hauptversammlung8. Das shareholders' meeting besitzt die Zuständigkeit, die Mitglieder des board of directors zu wählen und diese - teilweise unter einfachen Voraussetzungen- wieder abzuberufen, und kann somit einen direkten Eingriff auf die Leitung der corporation vornehmen. Im Gegensatz dazu hat die Hauptversammlung nur die Zuständigkeit, die Mitglieder des Aufsichtsrates - und dies wegen der Mitbestimmungsregelungen auch nur teilweise - zu wählen und diese - unter erschwerten Voraussetzungen - wieder abzuberufen. Eine direkte Eingriffsmöglichkeit gegenüber dem Vorstand als Leitungsorgan der Aktiengese11schaft ist - außer im Fa11e der Anrufung durch den Vorstand - der Hauptversammlung also nicht möglich. Das shareholders' meeting hat zwar ferner grundsätzlich die Zuständigkeit für die grundlegenden Entscheidungen über die Struktur und den Kapitalaufbau der corporation. Doch ist hierbei zu berücksichtigen, daß das shareholders' meeting diese Zuständigkeit häufig mit der Zuständigkeit des board of directors teilen muß, daß es die Zuständigkeit für die Gewinnausschüttung nicht besitzt und daß seine Zuständigkeit für die Änderung der by-laws teilweise beschränkt oder ganz aufgehoben ist. Demgegenüber besitzt die Hauptversammlung die ausschließliche Zuständigkeit für a11e grundlegenden Entscheidungen der Aktiengese11schaft, inklusive der Dividendenausschüttung, und zudem eine subsidiäre Zuständigkeit für den Jahresabschluß.

b) Die faktische Macht Die faktische Macht des shareholders' meetingist im Vergleich zu der der Hauptversammlung noch geringer9 , da in der Wirklichkeit der board of directors noch mehr Macht in der corporation als der Vorstand und der Aufsichtsrat zusammen in der Aktiengese11schaft an sich gezogen hat und da in der Wirklichkeit die Kontro11möglichkeiten des shareholders' meeting gegenüber dem board of directors noch geringer 8 Vgl. Herkenrath S. 94 ff. Vgl. Herkenrath S. 101 f., Schmey S. 433.

1

A. Überblick Über die Strukturen der Aktiengesellschart

S3

als die entsprechenden der Hauptversammlung sind. Genausowenig wie die Hauptversammlung faktisch das oberste Organ in der Aktiengesellschaft ist, ist das shareholders' meeting faktisch ein gleichberechtigtes Organ in der corporation. Beide Organe bilden vielmehr nur Wirkungsfelder, auf denen beispielsweise Mehrheits- oder Groß-shareholders oder Aktionäre, Banken oder management-Vertreter ihre Macht ausüben oder ihre bereits getroffenen Entscheidungen ratifizieren lassen, auf denen sich aber nicht etwa eine shareholder democracy oder Aktionärsdemokratie vollzieht. Generell jedenfalls stellen weder das shareholders' meeting noch die Hauptversammlung einen eigenständigen Machtfaktor gegenüber den anderen Organen dar. Bei den corporations mit konzentrierten oder hochkonzentrierten shareholdings ist es ausnahmsweise denkbar, daß die Mehrheits- oder Groß-shareholders ihre Macht im shareholders' meeting ausüben, soweit sie nicht wie wohl normalerweise hierfür den board of directors vorziehen. Diese Ausnahmesituation, in der das shareholders' meeting einen eigenständigen Machtfaktor bildet, ist auch entsprechend für die Hauptversammlung vorstellbar, wenngleich auch in der Aktiengesellschaft die Mehrheits- oder Großaktionäre wohl eher ihren Einfluß über Positionen im Aufsichtsrat anwenden. Bei den großen corporations im Streubesitz bewirken die große Anzahl der shareholders, deren geringes unternehmerisches Interesse und Sachkunde sowie deren daraus folgende schwierige Mobilisierbarkeit, daß das - faktisch vom board of directors vorgenommene - Einziehen der proxies in der Regel bereits das Zusammentreten des shareholders' meetingpraktisch überflüssig werden läßt10• In der Wirklichkeit schränken auch die institutionellen shareholders die Macht des board of directors ebenfalls im shareholders' meeting zumeist nicht ein. Ganz so ohnmächtig ist - trotz einer ähnlichen Ausgangslage - die Hauptversammlung bei den großen Aktiengesellschaften im Streubesitz nicht. Denn bei diesen Gesellschaften üben die Banken als Verwalter des Depotstimmrechtes und sonstige institutionellen Aktionäre in der Hauptversammlung ihr Gewicht etwa bei der Wahl des Aufsichtsrates aus, um von dessen Mitgliedschaft aus auch weiterhin Einfluß auf den Vorstand der Aktiengesellschaft nehmen zu können.

10

e•

Vgl. Eisenberg 83 Harv. L. R. 1494.

ß. Fehlerhafte Organakte nach deutschem Aktienrecht Für die Darstellung und Behandlung der fehlerhaften Organakte nach deutschem Aktienrecht soll umgekehrt wie im vorhergehenden Abschnitt von der Hauptversammlung über den Aufsichtsrat zum Vorstand vorgegangen werden, da für die Hauptversammlung die Behandlung ihrer fehlerhaften Organakte im Aktiengesetz expressis verbis abschließend geregelt ist und hieraus Rückschlüsse für die Behandlung der fehlerhaften Organakte für den Aufsichtsrat und für den Vorstand gezogen werden können.

I. Die Organakte Die Organe der Aktiengesellschaft können grundsätzlich nur korporativ handeln, indem sie durch Beschluß ihren Willen äußern1 • Auch die Wahlen seitens der Hauptversammlung und des Aufsichtsrates erfolgen durch Beschluß2, sollen aber u . a. wegen ihrer Bedeutung für die innergesellschaftlichen Beziehungen der Organe untereinander in der vorliegenden Arbeit gesondert dargestellt und behandelt werden. Die Beschlüsse und Wahlen der Organe werden hier gemeinsam unter dem Oberbegriff des Organaktes gefaßt. Inwieweit die Organe der Aktiengesellschaft aufgrund ihrer Zuständigkeiten Beschlüsse fassen und Wahlen durchführen können, ist bereits oben unter "A. I. 1." im einzelnen dargelegt worden. Im folgenden sollen die einzelnen Möglichkeiten der Beschlüsse und Wahlen noch einmal kurz und hauptsächlich nur insoweit angeführt wevden, als die Behandlung der Fehlerhaftigkeit solcher Akte unterschiedlichen Regelungen unterliegt.

1 Für die Hauptversammlung siehe etwa Schäfer S. 3, Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 119 Anm. 11 und 13; für den Aufsichtsrat siehe etwa Scheuffler S. 4 (bedenke, daß diese Dissertation aus dem Jahre 1962 stammt), Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 108 Anm.l; für den Vorstand siehe etwa Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 77 Anm. 4. 2 Für die Hauptversammlung siehe etwa Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 101 Anm. 1, vgl. auch Schäfer S. 17 und 66; für den Aufsichtsrat siehe etwa Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 84 Anm. 2.

B. Fehlerhafte Organakte nach deutschemAktienrecht

85

1. Die Beschlüsse und Wahlen derHauptversaJ:IUDlung

Die Hauptversammlung faßt Beschlüsse über die grundlegenden Angelegenheiten der Aktiengesellschaft, irisbesondere über deren Satzung und deren Kapitalaufbau3 • Besonders erwähnt seien hier zudem die Beschlüsse über die Verwendung des Bilanzgewinnes, über eine Kapitalerhöhung gegen Einlagen sowie über den Jahresabschluß. Die Hauptversammlung wählt die Mitglieder des Aufsichtsrates, sofern sie nicht in den Aufsichtsrat entsandt werden oder nach Mitbestimmungsgesetzen oder dem Betriebsverfassungsgesetz in den Aufsichtsrat zu wählen sind4 • 2. Die Beschlüsse und Wahlen des Aufsichtsrates

Der Aufsichtsrat faßt Beschlüsse hauptsächlich bezüglich der Überwachung der Geschäftsführung sowie auch bezüglich des J ahresabschlusses5. Der Aufsichtsrat wählt die Mitglieder des Vorstandes 8 • 3. Die Beschlüsse des Vorstandes

Der Vorstand faßt Beschlüsse hauptsächlich bezüglich der Leitung der Gesellschaft sowie auch bezüglich des Jahresabschlusses7 •

II. Die Fehlerhaftigkeit der Organakte Als fehlerhafte Organakte nach deutschem Aktienrecht sollen hier die Organakte verstanden werden, die einen Mangel aufweisen, der die Gültigkeit des Organaktes beeinträchtigt. Hierbei sind grundsätzlich im deutschen Recht von der Rechtsfolgewirkung her zwei Arten der Fehlerhaftigkeit zu unterscheiden1 : 3 Siehe oben A. I. 1. c), siehe ferner Schäfer S. 3 ff. • Siehe oben A. I. 1. c) (dort auch die AbberufungsmögliChkeiten der Aufsichtsratsmitglieder) sowie ferner Rummel S. 4 ff.; für die weiteren Wahlen durch die Hauptversammlung siehe A. I. Fußnote 119. 5 Siehe oben A. I. 1. b) sowie A. I. 1. a) (zustimmungspflichtige Geschäfte des Vorstandes); siehe ferner Scheuffler S. 54 ff. 8 Siehe oben A. I. 1. b) (dort auch die Abberufungsmöglichkeiten der Vorstandsmitglieder sowie die Hinweise für den Arbeitsdirektor bei den Mitbestimmungsgesellschaften und für die Vorstandsmitglieder bei den Gesellschaften, die dem Mitbestimmungsgesetz unterliegen). 7 Siehe oben A. I. 1. a) (dort auch die Ausführungen bezüglich Vorbereitung und Ausführung von Hauptversammlungsbeschlüssen und Berichte an den Aufsichtsrat). 1 Für die Hauptversammlung siehe Rummel S. 16, Schäfer S. 20, Schilling in Großkomm. AktG § 241 Anm. 2; für Minderheitsverlangen und Sonder-

86

1. Kapitel: Vergleichende Darstellung

Nichtige Organakte, die in der Regel wegen der Schwere des Verstoßes gegen formelle oder materielle Vorschriften ipso iure von Anfang an und grundsätzlich dauernd wirkungslos sind2 , und anfechtbare Organakte, die trotz des ihnen anhaftenden Fehlers zunächst vollwirksam sind und erst durch ein einer Anfechtungsklage stattgebendes Urteil für unwirksam erklärt werden3 • Daneben seien hier noch die folgenden Arten von Organakten erwähnt4: Ordnungswidrige Organakte; dies sind solche, deren Mangel einen Verstoß gegen eine bloße Ovdnungsvorschrift beinhaltet und die deshalb vollwirksam sind5 • Schwebend unwirksame Organakte; dies sind solche, die zwar keinen Fehler aufweisen, für deren Wirksam-Werden aber noch etwas, z. B. eine staatliche Genehmigung hinzukommen muß 6 • Schließlich Nicht- und Scheinorganakte; dies sind solche, die nicht von einem zuständigen Gesellschaftsorgan gefaßt werden und die deshalb keinerlei Wirkung erzeugen können, im ersten Fall etwa, wenn Aktionäre einer Gesellschaft außerhalb einer Hauptversammlung sich schriftlich äußern, und im zweiten Fall etwa, wenn Nichtaktionäre in einer Versammlung einen Beschluß fassen7 • Im folgenden sollen nun die Fehler der einzelnen Organe, die zu fehlerhaften Organakten führen, dargestellt werden. Die Fehler der Hauptversammlung können dem Aktiengesetz entnommen werden, da das Aktiengesetz eine abschließende Regelung für die Behandlung der beschlüsse der Hauptversammlung siehe Schäfer S. 18 f., Schilling in Großkomm. AktG § 241 Anm. 6; fehlerhafte Organakte des Aufsichtsrates und des Vorstandes sind allerdings grundsätzlich nichtig, siehe hierzu Scheuffler S. 8 und 10 sowie 45, Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 108 Anm. 6, MeyerLandrut in Großkomm. AktG § 78 Anm. 23, aber auch Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 84 Anm. 17 ff. 2 Für die Hauptversammlung siehe Rummel S. 16, Schäfer S. 20 f., Schilling in Großkomm. AktG § 241 Anm, 2; für den Aufsichtsrat siehe Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 108 Anm. 7. 3 Für die Hauptversammlung siehe Rummel S; 16, Schäfer S. 21 f., Schilling in Großkomm. AktG § 241 Anm. 2. 4 Für die weiteren Begriffe der unvollständigen und beschränkt unwirksamen Organakte siehe Schilling in Groß komm. AktG § 241 Anm. 3. s Für die Hauptversammlung siehe Rummel S. 18 f.; für den Aufsichtsrat siehe Scheuffler S. 9 f., Meyer~Landrut in Großkomm. AktG § 108 Anm. 7. 8 Für die Hauptversammlung siehe Schäfer S. 22 f., Schilling in Großkomm. AktG § 241 Anm. 3; siehe auch RummelS. 16 f. 7 Für die Hauptversammlung siehe Rummel S. 17 f., Schäfer S. 16, Schilling in Großkomm. AktG § 241 Anm. 4; für den Aufsichtsrat siehe Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 108 Anm. 7; auch für die Feststellung der Wirkungslosigkeit der Nicht- und Scheinorganakte der Hauptversammlung bedarf es nicht der besonderen Regelungen des Aktiengesetzes, vgl. die ersteren Zitate.

B. Fehlerhafte Organakte nach deutschem Aktienrecht

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fehlerhaften Organakte der Hauptversammlung enthält8 • Die Fehler des Aufsichtsrates und des Vorstandes sind hingegen allein aus den Vorschriften des Vereinsrechtes im Bürgerlichen Gesetzbuch zu erkennen, da das Aktiengesetz generell keine Regelung für die Behandlung der fehlerhaften Organakte dieser beiden Organe bereitstellt und deshalb einzelne Vorschriften aus dem Vereinsrecht des Bürgerlichen Gesetzbuches entsprechend anzuwenden sind9 • 1. Die Fehler der Hauptversammlung

Die Fehler bei Beschlüssen der Hauptversammlung führen ebenso wie bei deren Wahlen entweder zur Nichtigkeit oder zur Anfechtbarkeit der Organakte. Die Nichtigkeit der fehlerhaften Beschlüsse folgt aus besonders schweren formellen oder materiellen Gesetzesverstößen sowie aus einem rechtskräftigen, einer Anfechtungsklage stattgebenden UrteiP 0 oder aus einer aufgrund einer rechtskräftigen Entscheidung erfolgten Löschung im Handelsregister11 gemäß den abschließenden Regelungen des Aktiengesetzes12• Als die besonders schweren formellen Fehler, die also das Zustandekommen oder die Voraussetzungen des Fortbestandes der Organakte betreffen13, seien hier genannt14 : 1. wesentliche Einberufungsmängel, indem etwa Unbefugte die Hauptversammlung einberufen oder indem etwa bestimmte Modalitäten der Hauptversammlung nicht bekanntgegeben werden, es sei denn, es hätte eine Vollversammlung der Aktionäre stattgefunden15 ; 8 Vgl. hierzu Schilling in Großkomm. AktG § 241 Anm. 2 und 10 sowie § 243 Anm. 2; vgl. auch Rummel S. 1 f., Schäfer S. 17 sowie Scheuffler S. 4. 9 Vgl. Scheuffler S. 4 und 8, Godin/Wilhelmi § 1 Anm. 2, Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 1 Anm. 4, § 77 Anm. 5 sowie § 108 Anm. 1 und 6. 10 Siehe § 241 Ziffer 5; vgl. hierzu Schäfer S. 63, Schilling in Großkomm. AktG § 241 Anm. 26. 11 Siehe § 241 Ziffer 6; vgl. hierzu Schäfer S. 64, Schilling in Großkomm. AktG § 241 Anm. 27 bis 31. 12 Vgl. Schäfer S. 23 f., Baumbach/Hueck Überblick vor§ 241 Anm. 2 und 3 sowie § 241 Anm. 2, Godin/Wilhelmi § 241 Anm. 2, Schilling in Großkomm. AktG § 241 Anm. 2. 13 Vgl. SchäferS. 24, Godin/Wilhelmi § 241 Anm. 2. 14 Siehe in diesem Zusammenhang auch die Fälle der Nichtigkeit infolge nicht erfolgter Eintragung im Handelsregister bei bestimmten Kapitalveränderungen, die §§ 241 i. V. m. 217 Abs. 2, 288 Abs. 2, 234 Abs. 3 und 235 Abs. 2. Die dort angeführten Organakte sind dogmatisch wohl richtiger als schwebend unwirksam zu bezeichnen, die mangels Eintragung innerhalb der Fristen dauernd unwirksam werden. Vgl. hierzu Schäfer S. 34 ff., insb. S. 35 sowie Godin/Wilhelmi § 241 Anm. 2. 15 Siehe § 241 Ziffer 1 i. V. m. § 121 Abs. 2 und 3; vgl. hierzu Schäfer S. 24 ff., Schilling in Großkomm. AktG § 241 Anm. 12 - 14 und 16.

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1. Kapitel: Vergleichende Darstellung

2. wesentliche Beurkundungsmängel, indem etwa ein Beschluß gar nicht oder nicht unter Einhaltung bestimmter Erfordernisse beurkundet wird16 • Als die besonders schweren materiellen Fehler, die also den Inhalt der Organakte betreffen17, seien hier aufgeführt: 1. inhaltliche Unvereinbarkeit mit dem Wesen der Aktiengesellschaft oder inhaltliche Verletzung von Vorschriften, die ausschließlich oder überwiegend dem Schutze der Gläubiger oder sonstiger öffentlicher Interessen dienen, indem etwa die Befugnisse der Organe der Aktiengesellschaft anders als im Aktiengesetz vorgeschrieben abgegrenzt werden oder indem etwa eine Gewinnausschüttung unter Verletzung des Gläubigerschutzes vorgenommen wird18 ;

2. inhaltliche Verstöße gegen die guten Sitten, indem etwa ein Beschluß einen nicht anfechtungsberechtigten Dritten unter Verletzung des Anstandsgefühls aller billig und gerecht Denkenden schädigt19 ; 3. inhaltliche Unvereinbarkeit bei einer bedingten Kapitalerhöhung, indem ein entgegenstehender Beschluß gefaßt wird20 ; 4. inhaltliche Unvereinbarkeit bei einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln, indem ein entgegenstehender Beschluß gefaßt wird21 • Die Nichtigkeit der fehlerhaften Beschlüsse ergibt sich zudem noch bei bestimmten Mängeln der zwei folgenden besonderen Hauptversammlungsbeschlüsse. Ein Beschluß über die Verwendung des Bilanzgewinnes kann ferner noch den Fehler aufweisen, daß die Feststellung des Jahresabschlusses, auf dem er beruht, nichtig ist22 • Für die Fehler 18 Siehe § 241 Ziffer 2 i. V. m. § 130 Abs. 1, 2 und 4; vgl. hierzu Schäfer S. 30 ff., Schilling in Großkomm. AktG § 241 Anm. 15 und 16. 17 Vgl. Schäfer S. 24, Godin/Wilhelmi § 241 Anm. 2. 18 Siehe § 241 Ziffer 3; vgl. hierzu Schäfer S. 46 ff., Schilling in Großkomm. AktG § 241 Anm. 17 - 22; zu den Ausnahmen im Recht der verbundenen Unternehmen siehe die §§ 291 ff., vgl. hierzu Schäfer S. 51 ff., Schilling in Großkomm. AktG § 241 Anm. 23. 19 Siehe § 241 Ziffer 4; vgl. hierzu Schäfer S. 53 ff., Schilling in Großkomm. AktG § 241 Anm. 24 und 25 (siehe bei beiden auch die dortigen Hinweise auf die wegen des verfolgten Zweckes oder wegen der Art des Zustandekommens begründete Sittenwidrigkeit, die allein zur Anfechtbarkeit der Organakte führt). 20 Siehe § 241 i. V. m. § 192 Abs. 4; vgl. hierzu Schäfer S. 39 f., Schilling in Großkomm. AktG § 192 Anm. 14. 21 Siehe § 241 i. V. m. § 212; vgl. hierzu Schäfer S. 40 ff., Schilling in Großkomm. AktG § 212 Anm. 2. 22 Siehe§ 253 Abs. 1 Satz 1; vgl. hierzu Schilling in Großkomm. AktG § 253 Anm. 1 und 2; siehe in diesem Zusammenhang auch den Fall der Nichtigkeit infolge nicht rechtzeitig erteilten Bestätigungsvermerkes, § 173 Abs. 3 Satz 4, vgl. Baumbach/Rueck § 173 Anm. 6, Godin/Wilhelmi § 173 Anm. 4.

B. FehlerhafteOrganakte nach deutschem Aktienrecht

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beim festgestellten Jahresabschluß enthält das Aktiengesetz eine besondere abschließende detaillierte Aufzählung23 • Die Anfechtbarkeit der fehlerhaften Beschlüsse folgt aus allen anderen als die Nichtigkeit begründenden formellen oder materiellen Fehlern, und zwar nicht nur aus solchen, die - wie bei der Nichtigkeit - Gesetzesvorschriften, sondern auch aus solchen, die Satzungsvorschriften verletzen, sofern diese nicht bloße Ordnungsvorschriften sind 24 • Hierbei geht das Gesetz von ·der Kausalität der Verletzung für den Beschluß aus, so daß andererseits eine Anfechtung ausgeschlossen ist, wenn die Gesetzes- oder Satzungsverletzung offensichtlich oder nachweisbar ohne Einfluß auf den Organakt gewesen ist25 • In diesem Zusammenhang sei die Anfechtung der Stimmabgabe eines Aktionärs aufgrund eines Willensmangels oder eines sonstigen Mangels, z. B. mangelnder Geschäftsfähigkeit erwähnt, die unter bestimmten Umständen zur Anfechtbarkeit des Organaktes führen kann26 • Als Beispiele für Fehler, die aufgrund dieses allgemeinen Anfechtungstatbestandes zur Anfechtbarkeit der Beschlüsse führen, seien hier genannt: 1. Verstöße gegen satzungsmäßig geforderte Einberufungsregularien, indem etwa eine Hauptversammlung an einen anderen als in der Satzung bestimmten Ort einberufen wird27 ; 2. Verstöße gegen gesetzlich oder satzungsmäßig geforderte Mehrheitsverhältnisse, indem etwa ein Kapitalerhöhungsbeschluß-ohne die erforderliche qualifizierte Mehrheit erlangt zu haben - für zustandegekommen erklärt wird 28 ; 23 Siehe § 256; vgl. hierzu die entsprechenden Anmerkungen bei Godin/ Wilhelmi und bei Schilling in Großkomm. AktG. 24 Siehe § 243 Abs. 1; vgl. hierzu Schäfer S. 83, Godin/Wilhelmi § 243 Anm. 2, Schilling in Großkomm. AktG § 243 Anm. 4- 9; für den Anfechtungsausschluß des § 243 Abs. 3 bei nicht erfolgter Weitergabe der Mitteilungen durch Kreditinstitute und Aktionärsvereinigungen siehe Schäfer S. 84, Schilling in Großkomm. AktG § 243 Anm. 26 und 27 (mit dem dortigen Hinweis auf§ 135). 25 Vgl. Schäfer S. 84 f., Schilling in Großkomm. AktG § 243 Anm. 10; siehe in diesem Zusammenhang die Unerheblichkeit einer Erklärung, eine Auskunftsverweigerung habe die Beschlußfassung nicht beeinflußt, § 243 Abs. 4; vgl. hierzu Schäfer S. 85 ff., Schilling in Großkomm. AktG § 243 Anm. 11 und 12 (mit dem dortigen Hinweis auf§ 132). 26 Siehe hierzu Schäfer S. 107 ff., Baumbach/Rueck § 243 Anm. 12, Godin/ Wilhelmi §119 Anm. 10, Schilling in Großkomm. AktG § 243 Anm. 15 (teilweise a. A. Barz in Großkomm. AktG § 119 Anm. 15 - ebenda mit dem Hinweis, daß ein derartiger Fall wohl nur selten vorkommen wird); siehe ferner Soergel/Schultze-v. Lasaulx § 32 Anm. 19 und 27. 27 Vgl. hierzu Baumbach/Rueck § 243 Anm. 7, Schilling in Großkomm. AktG § 241 Anm. 13. 2 s Vgl. hierzu Godin/Wilhelmi § 243 Anm. 2, Schilling in Großkomm. AktG § 243 Anm.8.

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1. Kapitel: Vergleichende Darstellung

3. Verstöße gegen die guten Sitten aufgrund des verfolgten Zweckes oder des Zustandekommens des Beschlusses, indem etwa die Mehrheit mit ihrer Stimmacht unter gröblicher Verletzung der Interessen der Minderheit einen Beschluß faßt oder indem etwa eine Aktionärsgruppe durch Stimmenkauf oder durch Täuschung der anderen Aktionäre einen Beschluß durchsetzt29 • Als einen zusätzlichen Fehler aufgrund eines besonderen Anfechtungstatbestandes nennt das Gesetz das Streben eines Aktionärs nach einem Sondervorteil, wenn also ein Aktionär bei einem Beschluß durch Ausübung seines Stimmrechtes Sondervorteile für sich oder einen Dritten, z. B. eine verdeckte Gewinnausschüttung, zu erreichen sucht und der Beschluß geeignet ist, diesem Streben zu dienen30• Eine derartig begründete Anfechtung ist jedoch ausgeschlossen, wenn der Beschluß gleichzeitig den anderen Aktionären einen angemessenen Ausgleich für ihren Schaden gewährt31 • Die Anfechtbarkeit der fehlerhaften Beschlüsse bei den besonderen Hauptversammlungsbeschlüssen wird im Gesetz einerseits für die Organakte über die Verwendung des Bilanzgewinnes und über eine Kapitalerhöhung gegen Einlagen erweitert32 und andererseits für die Organakte über die Feststellung des Jahresabschlusses eingeschränkt33 • Die Nichtigkeit der fehlerhaften Wahlen34 ergibt sich ebenfalls aus den abschließenden Regelungen des Aktiengesetzes 35 • Das Gesetz nennt 29 Vgl. hierzu Schäfer S. 56 ff., Godin/Wilhelmi § 243 Anm. 2, Schilling in Großkomm. AktG § 241 Anm. 24 und § 243 Anm.17- 20 (siehe dort auch die Grundsätze der Gesellschaftstreue und der gleichmäßigen Behandlung der Aktionäre). 30 Siehe§ 243 Abs. 2 Satz 1; vgl. hierzu SchäferS. 95 f. (siehe auch S. 90 ff.), Godin/Wilhelmi § 243 Anm. 3, Schilling in Großkomm. AktG § 243 Anm. 21 (der diese Vorschrift als Sondertatbestand innerhalb des umfassenden Anfechtungstatbestandes der Verletzung der Gesellschaftstreue oder des Mißbrauches der Mehrheitsmacht sieht). 31 Siehe § 243 Abs. 2 Satz 2; vgl. hierzu Schäfer S. 99 ff., Schilling in Großkomm. AktG § 243 Anm. 22 und 23; zu den Besonderheiten im Recht der verbundenen Unternehmen siehe die§§ 291 ff., vgl. hierzu SchäferS. 96 ff., Godin/ Wilhelmi § 243 Anm. 3, Schilling in Großkomm. AktG § 243 Anm. 24. 32 Siehe die §§ 254 und 255; vgl. hierzu die entsprechenden Anmerkungen bei Godin/Wilhelmi und bei Schilling in Großkomm. AktG sowie Schäfer S. 101 f. und 104 ff. (zu § 255). 33 Siehe § 257; vgl. hierzu die entsprechenden Anmerkungen bei Godin/ Wilhelmi und bei Schilling in Großkomm. AktG. 34 Für die Behandlung der fehlerhaften Wahlen der Aufsichtsratsmitglieder, die nicht von der Hauptversammlung gewählt werden, siehe etwa für die entsandten Aufsichtsratsmitglieder Rummel S. 7, für die Aufsichtsratsmitglieder nach dem Mitbestimmungsgesetz den§ 22 MitbestG sowie den§ 21 MitbestG, für die Aufsichtsratsmitglieder nach dem Mitbestimmungsergänzungsgesetz den § 8 Abs. 2 MitbestErgG sowie Rummel S. 14, für die Aufsichtsratsmitglieder nach dem Betriebsverfassungsgesetz 1952 Rummel S. 8 sowie den § 124 BetrVG (1972).

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neben drei der allgemeinen Nichtigkeitsgründe-die wesentlichen Einberufungs- und Beurkundungsmängel sowie die Nichtigkeit aufgrund einer Anfechtung36 - die vier folgenden besonderen Fehlerquellen: 1. Verstöße gegen die gesetzlichen Vorschriften über die Feststellung der Zusammensetzung des Aufsichtsrates37 ;

2. Verstöße gegen bindende Wahlvorschläge durch Wahl einer nicht vorgeschlagenen Person38 ; 3. Verstöße gegen die gesetzliche Höchstzahl der Aufsichtsratsmitglieder39; 4. Verstöße gegen bestimmte persönliche Voraussetzungen für Aufsichtsratsmitglieder40. Die Anfechtbarkeit der fehlerhaften Wahlen41 folgt ebenso wie bei den fehlerhaften Beschlüssen aus allen anderen als die Nichtigkeit begründenden Verstößen gegen formelle oder materielle Gesetzes- und auch Satzungsvorschriften, sofern diese nicht bloße Ordnungsvorschriften darstellen42 • Als Beispiele für Fehler aufgrund dieses allgemeinen Anfechtungstatbestandes seien hier angeführt43 : 35 Siehe § 250 Abs. 1; vgl. hierzu Rummel S. 20, Schäfer S. 67; Godin/Wilhelmi § 250 Anm. 1, Schilling in Großkomm. AktG § 250 Anm. 7 und 8. 36 Siehe oben die Ausführungen am Anfang dieses Abschnitts; vgl. hierzu auch Rummel S. 20 f., Schäfer S. 67, Schilling in Großkomm. AktG § 250 Anm.2. 37 Siehe § 250 Abs. 1 Ziffer 1; vgl. hierzu Rummel S. 21 f., Schäfer S. 67 f., Schilling in Großkomm. AktG § 250 Anm. 3. 38 Siehe § 250 Abs. 1 Ziffer 2; vgl. hierzu Rummel S. 10 f., 12 f., 15 sowie 26 ff., Schäfer S. 68 ff., Schilling in Großkomm. AktG § 250 Anm. 4. 30 Siehe § 250 Abs. 1 Ziffer 3; vgl. hierzu Rummel S. 28 ff., Schäfer S. 70 ff., Schilling in Großkomm. AktG § 250 Anm. 5. 40 Siehe § 250 Abs. 1 Ziffer 4; vgl. hierzu Rummel S. 30 ff., Schäfer S. 72 ff., Schilling in Großkomm. AktG § 250 Anm. 6. 41 Siehe oben die Fußnote 34. 42 Siehe § 251 Abs. 1 Satz 1; vgl. hierzu Rummel S. 48 f., Schäfer S. 102 f.; zu der Frage der Kausalität der Verletzung für die Wahl und der Anfechtung einer Stimmabgabe aufgrund eines Willensmangels oder eines sonstigen Mangels, z. B. mangelnder Geschäftsfähigkeit siehe oben die Ausführungen am Anfang dieses Abschnitts; für die gesetzlich normierte Anwendbarkeit des§ 243 Abs. 4 siehe§ 250 Abs. 1 Satz 3; zu der allgemeinen Auffassung, daß der Anfechtungsausschluß des § 243 Abs. 3 auch hier Anwendung finden müsse und daß dessen Aufnahme in § 250 Abs. 1 nur aufgrund eines Redaktionsversehens unterblieben sein könne, siehe Rummel S. 56 f., Schäfer S. 103, Godin/Wilhelmi § 251 Anm. 2, Schilling in Großkomm. AktG § 251 Anm. 2; zu der umstrittenen Anwendbarkeit des besonderen Anfechtungstatbestandes des § 243 Abs. 2 (Streben nach einem Sondervorteil) siehe bejahend Rummel S. 57 ff., verneinend Schäfer S. 103 f., Godin/Wilhelmi § 251 Anm. 2, Schilling in Großkomm. AktG § 251 Anm. 3 (siehe dort aber auch den Hinweis auf eine mögliche Verletzung der Gesellschaftstreue oder auf einen möglichen Mehrheitsmißbrauch).

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1. Kapitel: Vergleichende Darstellung

1. Verstöße gegen gesetzlich oder satzungsmäßig geforderte Mehrheitsverhältnisse, indem etwa die Wahl eines Aktionärsvertreters in den Aufsichtsrat- ohne die erforderliche Mehrheit erhalten zu habenfür zustandegekommen erklärt wird,

2. Verstöße gegen die guten Sittenaufgrund des Zustandekommens der Wahl, indem etwa eine Mehrheit für die Wahl eines Aktionärsvertreters in den Aufsichtsrat durch Täuschung von Aktionären erreicht wird. Zu einem zusätzlichen Fehler aufgrund eines besonderen Anfechtungstatbestandes erklärt das Gesetz den Fall, daß der Wahlvorschlag, an den die Hauptversammlung gebunden ist, gesetzeswidrig zustandegekommen ist, indem etwa bei der Aufstellung der Kandidaten gegen wesentliche Vorschriften der Wahlordnungen verstoßen worden ist44 • 2. Die Fehler des Aufsichtsrates

Die Fehler bei Beschlüssen des Aufsichtsrates bewirken grundsätzlich sogleich die Nichtigkeit der Organakte45 • Die mildere Folge der Fehlerhaftigkeit in Form der Anfechtbarkeit ist aufgrund fehlender spezialgesetzlicher Regelung und der daraus folgenden Anwendung der bürgerlich-rechtlichen Vereinsvorschriften nicht gegeben46 In diesem Zusammenhang sei die Anfechtung der Stimmabgabe eines Aufsichtsratsmitgliedes aufgrund eines Willensmangels oder eines sonstigen Mangels, z. B. mangelnder Geschäftsfähigkeit erwähnt, die unter Umständen zur Nichtigkeit des Organaktes führen kann47 • Die Nichtigkeit der fehlerhaften Beschlüsse folgt also aus allen Verstößen gegen formelle oder materielle Gesetzes- oder Satzungsvor43 Vgl. etwa Schilling in Großkomm. AktG § 251 Anm. 2 mit den dortigen Verweisungen; in diesem Zusammenhang sei erwähnt, daß eine Wahl für einen Aufsichtsrat, dessen Zusammensetzung zwar materiell-rechtlich falsch ist, aber gemäß den Verfahrensvorschriften der§§ 96 Abs. 2, 97 Abs. 2 Satz 1 und 98 Abs. 4 zustandegelwmmen ist, auch nicht anfechtbar ist, vgl. Godin/ Wilhelmi § 251 Anm. 2, Schilling in Großkomm AktG § 251 Anm. 2. 44 Siehe § 251 Abs. 1 Satz 2; vgl. hierzu Rummel S. 49 ff., Schäfer S. 102, Schilling in Großkomm. AktG § 251 Anm. 4. 45 Für Nachweise siehe oben Fußnote 1 sowie ferner Godin/Wilhelmi § 108 Anm.2. 46 Vgl. hierzu Scheuffler S. 45, Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 108 Anm. 6; siehe aber auch die interessanten Überlegungen von Schmidt zur Nichtigkeit und Anfechtbarkeit von Vereinsbeschlüssen AG 1977 S. 249 ff. 47 Siehe Godin/Wilhelmi § 108 Anm. 2 (ebenda mit dem Hinweis, daß hier häufig ein Irrtum über den Inhalt der Stimmabgabe [auch durch Mißverständnis des Antrages] und ein Irrtum im Beweggrund [wenn durch Täuschung erzeugt] in Frage kommt), Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 108 Anm. 8 sowie auch Scheuffler S. 29.

B. Fehlerhafte Organakte nach deutschem Aktienrecht

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schriften, sofern diese keine bloßen Ordnungsvorschriften sind48 • Als Beispiele für Fehler seien hier angeführt: 1. Verstöße gegen gesetzlich oder satzungsmäßig geforderte Einberufungsregularien, indem etwa ein Mitglied des Aufsichtsrates nicht eingeladen wird oder indem etwa Unbefugte die Sitzung des Aufsichtsrates einberufen oder indem etwa die Tagesordnung nicht oder nicht ausreichend bekanntgegeben wird, es sei denn alle Aufsichtsratsmitglieder seien erschienen, bzw. erhöben keinen Widerspruch49 ; 2. Verstöße gegen gesetzlich oder satzungsmäßig geforderte Abstimmungsregularien, indem etwa ein nicht beschlußfähiger Aufsichtsrat einen Beschluß faßt 50 oder indem etwa ein Aufsichtsrat einen Beschluß für zustandegekommen erklärt, obwohl die erforderliche Stimmenmehrheit nicht erreicht worden ist51 oder indem etwa die erforderliche Stimmenmehrheit aufgrund nichtiger oder angefochtener Stimmabgabe eines oder mehrerer Aufsichtsratsmitglieder nicht mehr vorhanden ist52 ; 3. Verstöße gegen die gesetzlichen Zuständigkeitenregelungen für die Organe der Aktiengesellschaft, indem etwa ein Ausschuß des Aufsichtsrates über eine nicht delegierbare Aufgabe des Aufsichtsrates entscheidet53 oder indem etwa der Aufsichtsrat über die zulässigen Mitwirkungsmöglichkeiten mittels der zustimmungspflichtigen Geschäfte hinaus Maßnahmen der Geschäftsführung beschließt54 • 48 Vgl. hierzu Scheuffler S. 9 f. und 54, Godin/Wilhelmi § 108 Anm. 2, MeyerLandrut in Großkomm. AktG § 108 Anm. 3, 6 und 7. 49 Vgl. hierzu Scheuffler S. 10 ff., Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 108 Anm. 7 und 2. 50 Siehe auch § 108 Abs. 2; vgl. hierzu Scheuffler S. 21 ff. (bedenke erneut, daß diese Dissertation aus dem Jahre 1962 stammt), Godin/Wilhelmi § 108 Anm. 3, Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 108 Anm. 7 und 9 ff. 51 Vgl. hierzu Scheuffler S . 40 f ., Godin/Wilhelmi § 108 Anm. 2, MeyerLandrut in Großkomm. AktG § 108 Anm. 7 und 3; für die Frage der Stimmberechtigung siehe Scheuffler S. 25 ff., Meyer-Landrut in Groß komm. AktG § 108 Anm. 5; für die Wirkung der Teilnahme Unbefugter an der Beschlußfassung siehe Scheuffler S. 27 und 34, Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 108 Anm. 7; für die schriftliche Stimmabgabe siehe § 108 Abs. 3 sowie ferner Godin/Wilhelmi § 108 Anm. 4, Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 108 Anm. 14 und 15; für die Formen der Beschlußfassung siehe § 108 Abs. 4 sowie ferner Scheuffler S. 35 ff., Godin/Wilhelmi § 108 Anm. 5, Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 108 Anm. 4 und 16; für die Sonderprobleme der Beschlußfähigkeit und der Mehrheitserfordernisse in Zusammenhang mit § 15 MitbestErgG siehe Scheuffler S. 50 ff., Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 111 Anm. 13; siehe in diesem Zusammenhang auch neuerdings den§ 32 MitbestG. 52 Siehe die Zitate der Fußnote 47. 53 Siehe hierzu § 107 Abs. 3 Satz 2 sowie ferner Scheuffler S. 54 ff., MeyerLandrut in Großkomm. AktG § 107 Anm. 16. 54 Siehe hierzu§ 111 Abs. 4 sowie ferner Scheuffler S. 58 ff. , Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 111 Anm. 13- 16.

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1. Kapitel: Vergleichende Darstellung

Neben diesen allgemeinen Nichtigkeitsgründen aufgrund bürgerlichrechtlicher Vorschriften ist für die Beschlüsse des Aufsichtsrates bezüglich des festgestellten Jahresabschlusses eine besondere detaillierte Regelung des Aktiengesetzes zu beachten55 • Die Fehler bei den Wahlen des Aufsichtsrates zum Vorstand können -da die Wahlen ihrer Rechtsnatur nach ebenfalls Beschlüsse sind56 grundsätzlich dieselben wie bei den Beschlüssen des Aufsichtsrates sein und führen ebenso zur Nichtigkeit57 • Neben den Fehlern bezüglich der Einberufungs- und der Abstimmungsregularien seien hier Verstöße gegen gesetzliche Bestimmungen der Bestellung des Vorstandes genannt, indem etwa ein Aufsichtsratsausschuß die Vorstandsmitglieder wählt oder indem etwadie Vorstandsmitglieder für einen längeren Zeitraum als fünf Jahre gewählt werden58 • 3. Die Fehler des Vorstandes

Für die Fehler bei Beschlüssen des Vorstandes gelten die gleichen Grundsätze wie bei denen des Aufsichtsrates59 sowie ferner ebenfalls eine besondere aktienrechtliche Regelung für fehlerhafte Beschlüsse bezüglich des festgestellten Jahresabschlusses60 • Die Nichtigkeit als Folge der Fehlerhaftigkeit der Beschlüsse ergibt sich also auch hier grundsätzlich aus allen formellen und materiellen Gesetzes- und Satzungsverstößen, solange die Vorschriften keinen bloßen Ordnungscharakter beinhalten61 • Als Beispiele für Fehler seien hier angeführt: 1. Verstöße gegen gesetzlich oder satzungsmäßig geforderte Einberufungsregularien, indem etwa nicht alle Vorstandsmitglieder zu der Vorstandssitzung geladen werden62 ; 55 Siehe § 256; vgl. hierzu die entsprechenden Anmerkungen bei Godin/ Wilhelmi und bei Schilling in Großkomm. AktG. 56 Vgl. Godin/Wilhelmi § 84 Anm. 4, Meyer-Landrut in Großkomm. AktG §84 Anm.2. " 7 Siehe oben B. Il. 2. (Eine besondere Relevanz nichtiger oder angefochtener Stimmabgabe von Aufsichtsratsmitgliedern bei Vorstandswahlen ergibt sich aus den Kommentierungen nicht, siehe oben die entsprechenden Anmerkungen bei Godin/Wilhelmi und Meyer-Landrut in Großkomm. AktG.) 58 Vgl. Baumbach/Hueck § 84 Anm. 4 und 5, Godin/Wilhelmi § 84 Anm. 4 und 5, Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 84 Anm. 2, 9 und 17; vgl. auch BGHZ 41, 282, 285 f. (keine wirksame Bestellung durch stillschweigende Billigung oder durch schlüssiges Verhalten des Aufsichtsrates). 59 Siehe oben B. II. 2. 60 Siehe § 256; vgl. hierzu die entsprechenden Anmerkungen bei Godin/ Wilhelmi und bei Schilling in Großkomm. AktG. 61 Beachte beim Vorstand auch besonders die möglichen Geschäftsordnungen ; siehe§ 77 Abs. 2; vgl. hierzu Godin/Wilhelmi § 77 Anm. 7- 11, MeyerLandrut in Großkomm. AktG § 77 Anm. 6- 10.

B. Fehlerhafte Organakte nach deutschem Aktienrecht

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2. Verstöße gegen gesetzlich oder satzungsmäßig geforderte Abstimmungsregularien63, indem etwa in einer nicht außerordentlichen Situation ein nicht beschlußfähiger Vorstand einen Beschluß faßt 6 ' oder indem etwa ein Vorstand unter Mißachtung einer möglichen Gesamtgeschäftsführungsregelung einen Beschluß trotz fehlender Einstimmigkeit für zustandegekommen erklärt65 oder indem etwa einzelne Vorstandsmitglieder unter Mißachtung einer möglichen Gesamtvertretungsregelung mehrerer Vorstandsmitglieder einen Beschluß trotzversagter Zustimmung eines dieser Vorstandsmitglieder für zustandegekommen erklären66 ;

3. Verstöße gegen die gesetzlichen Zuständigkeitenregelungen für die Organe der Aktiengesellschaft, indem etwa bei einem mehrgliedrigen Vorstand einem einzelnen Vorstandsmitglied unter Ausschaltung der allgemeinen Überwachungspflicht des Gesamtvorstandes die alleinige Befugnis zur Geschäftsführung der Gesellschaft übertragen wird67 oder indem etwa Vorstandsmitglieder Beschlüsse zur Vertretung der Gesellschaft gegenüber anderen Vorstandsmitgliedern fassen 68 •

111. Die Geltendmachung der Fehlerhaftigkeit Im folgenden sollen die jeweiligen Voraussetzungen und Wirkungen der Geltendmachung der Fehlerhaftigkeit für die Organakte der einzelnen Organe der Aktiengesellschaft dargestellt werden sowie jeweils vorweg die möglichen Einschränkungen und Ausschlüsse deren Geltendmachung wie etwa durch die Bestätigung oder Heilung der fehlerhaften 62 Vgl. hierzu Godin/Wilhelmi § 77 Anm. 5, Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 77 Anm. 5. 63 Für die . Möglichkeit fehlender Stimmenmehrheit aufgrund nichtiger oder angefochtener Stimmabgabe eines oder mehrerer Vorstandsmitglieder siehe Soergel/Schultze-v. Lasaulx § 28 Anm. 2 und 5 und § 32 Anm. 27 und vergleiche die entsprechenden Ausführungen unter B. 11. 2.; für die Bedeutung eines derartigen Falles bemerke die fehlenden Kommentierungen etwa bei Godin/Wilhelmi § 77 Anm. 1-5 und Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 77 Anm. 5. 64 Vgl. hierzu Godin/Wilhelmi § 77 Anm. 5, Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 77 Anm. 5. 65 Vgl. hierzu Godin/Wilhelmi § 77 Anm. 2 sowie 3 und 4, Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 77 Anm. 2 sowie 3 und 4. 66 Vgl. hierzu Godin/Wilhelmi § 78 Anm. 5 sowie 4, 7 und 8, Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 78 Anm. 6 sowie 3, 5, 7 - 10 und 12 - 14. 67 Vgl. hierzu Baumbach/Hueck § 77 Anm. 3, Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 77 Anm. 2. 68 Siehe § 112; vgl. hierzu Godin/Wilhelmi § 78 Anm. 3 und § 112 Anm. 2, Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 78 Anm. 2, § 82 Anm. 2 und § 112 Anm. 1.

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1. Kapitel : Vergleichende Darsteliung

Organakte. Für die Hauptversammlung sind diese Regelungen den abschließenden Vorschriften des Aktiengesetzes zu entnehmen, für den Aufsichtsrat und den Vorstand sind aufgrund der generell fehlenden Regelung durch das Aktienrecht die allgemeinen Rechtsvorschriften und Rechtsgedanken entsprechend anzuwenden1 • 1. Die fehlerhaften Organakte der Hauptversammlung

Die Geltendmachung der Nichtigkeit fehlerhafter Beschlüsse ist einerseits etwa bei fehlerhafter Beurkundung aufgrund der Heilung durch Eintragung in das Handelsregister absolut ausgeschlossen2 und andererseits in weiteren Fällen von Beschlüssen, die in das Handelsregister eingetragen werden müssen, aufgrund der Heilung durch Eintragung in das Handelsregister sowie Ablauf einer Dreijahresfrist insoweit relativ ausgeschlossen, als der Registerrichter auch nach Ablauf der Dreijahresfrist fehlerhafte Beschlüsse noch von Amts wegen löschen kann3 • Die Heilung bewirkt die Beseitigung des Fehlers ex tune auf den Zeitpunkt der Beschlußfassung4 • Die Nichtigkeit fehlerhafter Beschlüsse kann grundsätzlich von jedermann jederzeit in jeder Weise, also auch durch eine Klage eines Dritten auf Feststellung der Nichtigkeit gemäß § 256 ZPO oder in Form einer Einrede gegenüber einer Leistungsklage geltend gemacht werden5• Für 1 Siehe oben B. I I. sowie Scheuffler S. 45 ff. und 65, Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 108 Anm. 8. 2 Siehe § 242 Abs. 1; vgl. hierzu Schäfer S. 80 sowie 76 ff., Godin/Wilhelmi § 242 Anm. 2, Schilling in Großkomm. AktG § 242 Anm. 1 und 2; für die Heilungsmöglichkeiten der Nichtigkeit bei einem Beschluß über die Verwendung des Bilanzgewinnes siehe § 253 Abs. 1 Satz 2, vgl. hierzu Schilling in Großkomm. AktG § 253 Anm. 3; für die Heilungsmöglichkeiten der Nichtigkeit bei einem festgestellten Jahresabschluß siehe § 256 Abs. 6, vgl. hierzu Schilling in Großkomm. AktG § 256 Anm. 18 - 20. 3 Siehe § 242 Abs. 2; vgl. hierzu Schäfer S. 80 ff. (insb. zum absoluten Ausschluß der Nichtigkeit bei Einberufungsmängeln S. 81), Godin/Wilhelmi § 242 Anm. 2, 3 und 5, Schilling in Großkomm. AktG § 242 Anm. 1, 3-6 und 8 -10; zur Möglichkeit der Anfechtung siehe Godin/Wilhelmi § 242 Anm. 4, Schilling in Großkomm. AktG § 242 Anm. 1 und 3; für die entsprechende Anwendung des § 242 Abs. 2 bei bestimmten Beschlüssen über Kapitalerhöhung~n und Herabsetzungen siehe § 242 Abs. 3, vgl. hierzu Godin/Wilhelmi § 242 Anm. 1, Schilling in Großkomm. AktG § 242 Anm. 11 und 12 sowie insb. SchäferS. 82; für die sinngemäße Anwendung des § 242 Abs. 2 bei unvollständigen und schwebend unwirksamen Beschlüssen siehe Schilling in Großkomm. AktG § 242 Anm. 7, a. A. Godin/Wilhelmi § 242 Anm. 1. 4 Vgl. SchäferS. 78, Schilling in Großkomm. AktG § 242 Anm. 1; eine mögliche Neuvornahme fehlerhafter Beschlüsse - so insbesondere bei Beschlüs-' sen, die nicht in das Handelsregister eingetragen werden müssen oder können - , wirkt stets nur ex nunc für die Zukunft, vgl. Schäfer S. 78, Schilling in Großkomm. AktG § 242 Anm. 1 und 13. 5 Vgl. Schäfer S. 147, Godin/Wilhelmi § 249 Anm. 1 und 5, Schilling in Großkomm. AktG § 249 Anm. 1, 2 und 10; siehe auch § 249 Abs. 1 Satz 2; für

B. Fehlerhafte Organakte nach deutschem Aktienrecht

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die Feststellungsklage eines Aktionärs, des Vorstandes oder eines Mitgliedes des Vorstandes oder ·des Aufsichtsrates enthält das Aktiengesetz die besonderen Regelungen der Nichtigkeitsklage0 • Das stattgebende Urteil einer derartigen Nichtigkeitsklage wirkt für und gegen all diese Personen sowie auch gegenüber dem Registerrichter7 • Die Geltendmachung der Anfechtbarkeit fehlerhafter Beschlüsse ist einerseits aufgrund des Ablaufes der Anfechtungsfrist8 und andererseits aufgrund der Bestätigung des anfechtbaren Beschlusses ausgeschlossen9. Letzterer Ausschluß der Geltendmachung ist gegeben, sofern die Hauptversammlung den anfechtbaren Beschluß durch einen neuen - fehlerfreien - Beschluß bestätigt und dieser Bestätigungsbeschluß entweder nicht angefochten worden ist oder dessen Anfechtung r~chts­ kräftig zurückgewiesen worden ist10• Die Bestätigung heilt den Fehler ebenfalls ex tunc11 , jedoch kann bei Vorliegen eines rechtlichen Interesses mittels einer Anfechtung festgestellt werden, daß der anfechtbare Beschluß für die Zeit bis zur Bestätigung nichtig war12• den Beschluß über die Verwendung des Bilanzgewinnes siehe Schilling in Großkomm. AktG § 253 Anm. 4; für den Beschluß über den festgestellten Jahresabschluß siehe Schilling in Großkomm. AktG § 256 Anm. 20; für die normale Feststellungsklage eines Dritten ist ein Feststellungsinteresse nachzuweisen, vgl. Schilling in Großkomm. AktG § 249 Anm. 2. 0 Siehe § 249 Abs. 1 Satz 1; vgl. hierzu Schäfer S. 152 sowie 147 ff., Godin/ Wilhelmi § 249 Anm. 4; Schilling in Großkomm. AktG § 249 Anm. 2 - 6 und 8; für die entsprechende Anwendung des § 249 bei Beschlüssen über die Verwendung des Bilanzgewinnes siehe § 253 Abs. 2; für die entsprechende Anwendung des § 249 beim festgestellten Jahresabschluß siehe § 256 Abs. 7; für die Nichtigkeitsklage ist der Nachweis eines Feststellungsinteresses aufgrund der Stellung des Personenkreises zur Gesellschaft nicht erforderlich, vgl. Godin/Wilhelmi § 249 Anm. 2, Schilling in Großkomm. AktG § 249 Anm. 3 und4. 7 Siehe § 249 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 248; vgl. hierzu Schilling in Großkomm. AktG § 249 Anm. 7 und 9; zur Urteilswirkung gegenüber Dritten siehe Schmidt JZ 1977 S. 769, Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 249 Anm. 7, Godin/Wilhelmi § 249 Anm. 4 (teilweise abweichend). 8 Vgl. Godin/Wilhelmi § 246 Anm. 2, Schilling in Großkomm. AktG § 246 Anm. 2 bis 4; siehe§ 246 Abs. 1. 9 Siehe § 244 Satz 1; vgl. Schäfer S. 118 sowie 110 ff., Godin/Wilhelmi § 244 Anm. 3, Schilling in Großkomm. AktG § 244 Anm. 2. 10 Vgl. Schäfer S. 118 ff., Godin/Wilhelmi § 244 Anm. 2, Schilling in Großkomm. AktG § 244 Anm. 3 und 4; für eine differenzierende Darstellung des bestätigenden Beschlusses siehe Schmidt JZ 1977 S. 773 ff.; für die entsprechende Anwendung des § 244 bei Beschlüssen über die Verwendung des Bilanzgewinnes siehe § 254 Abs. 2 Satz 1; für die entsprechende Anwendung des § 244 bei Beschlüssen über eine Kapitalerhöhung gegen Einlagen siehe § 255 Abs. 3; für die entsprechende Anwendung des § 244 beim festgestellten Jahresabschluß siehe§ 257 Abs. 2 Satz 1. 11 Vgl. Godin/Wilhelmi § 244 Anm. 3, Schilling in Großkomm. AktG § 244 Anm. 2 und 5; vgl. auch Schäfer S. 122 f. 12 Siehe § 244 Satz 2; vgl. hierzu Godin/Wilhelmi § 244 Anm. 1 und 3, Schilling in Großkomm. AktG § 244 Anm. 6 sowie zur Problematik des "rechtlichen Interesses" Schmidt JZ 1977 S. 776 f.; vgl. auch Schäfer S. 123 f . 7 Jarzembowski

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1. Kapitel: Vergleichende Darstellung

Die Anfechtbarkeit fehlerhafter Beschlüsse kann nur von den Aktionären13, vom Vorstand sowie von den Mitgliedern des Vorstandes und des Aufsichtsrates teilweise nur unter bestimmten Voraussetzungen mittels einer im Aktiengesetz besonders geregelten Anfechtungsklage innerhalb einer Ausschlußfrist von einem Monat nach der Beschlußfassung geltend gemacht werden14 • Anfechtungsbefugt sind grundsätzlich also nur jeder in der Hauptversammlung erschienene Aktionär, sofern er dort gegen den Beschluß Widerspruch zur Niederschrift erklärt hat15 , jeder in der Hauptversammlung nicht erschienene Aktionär, sofern er dort zu Unrecht nicht zugelassen worden ist oder sofern die Hauptversammlung nicht ordnungsgemäß einberufen worden ist oder sofern der Gegenstand der Beschlußfassung nicht ordnungsgemäß bekanntgemacht worden ist16, ferner im Falle einer Anfechtung wegen des Strebens nach einem Sondervorteil generell jeder Aktionär17, stets der Vorstand18 sowie jedes Mitglied des Vorstandes und des Aufsichtsrates, sofern durch die Ausführung des Beschlusses Mitglieder des Vorstandes oder des Aufsichtsrates eine strafbare Handlung oder eine Ord13 Zur generellen Anfechtungsbefugnis eines Aktionärs siehe Godin/Wilhelmi § 245 Anm. 2, Schilling in Großkomm. AktG § 245 Anm. 3 - 6; zur entgeltlichen Ablösung von Anfechtungsrechten siehe den gleichlautenden, teilweise der h. L. widersprechenden Aufsatz von Lutter, der wegen des öffentlichen Interesses an der Anfechtung als Verbandskontrolle durch justizförmiges Verfahren (S. 349 und 357 f.) Sonderzahlungen der Gesellschaft an einen Aktionär zur Aufgabe seiner Anfechtungsklage für unzulässig hält (insb. S. 353 ff., 361 und 363 ff.) und der, falls derartige Leistungen nicht zurückgewährt werden, jedem nicht begünstigten Aktionär einen Anspruch auf materielle Gleichbehandlung zuspricht (insb. S. 365 f ., 369 und 372); siehe aber auch den Anhang 9 bei Huppert "Kann Opposition sich bezahlt machen?". 14 Siehe die §§ 245- 248 mit der besonderen Streitwertregelung in § 247; vgl. hierzu die entsprechenden Anmerkungen bei Godin/Wilhelmi und bei Schilling in Großkomm. AktG sowie Schäfer S . 124 ff.; zur starren Unterscheidung zwischen Nichtigkeits- und Anfechtungsklage siehe differenzierend Schmidt AG 1977 S. 205 ff. sowie 244 ff.; zur Identität des Streitgegenstandes im Anfechtungs- und Nichtigkeitsprozeß siehe Schmidt JZ 1977 S. 769 f.; zum Verhältnis des Streitgegenstandes und der Anfechtungsgründe siehe Schmidt JZ 1977 S. 770 f.; für die entsprechende Anwendung dieser Vorschriften bei Beschlüssen über die Verwendung des Bilanzgewinnes siehe § 254 Abs. 2; für die entsprechende Anwendung dieser Vorschriften bei Beschlüssen über eine Kapitalerhöhung gegen Einlagen siehe § 255 Abs. 3; für die entsprechende Anwendung dieser Vorschriften beim festgestellten Jahresabschluß siehe § 257 Abs. 2. 15 Vgl. Godin/Wilhelmi § 245 Anm. 3, Schilling in Großkomm. AktG § 245 Anm. 7 und 8 (ebenda mit dem Hinweis, daß der Widerspruch wegen eines Willensmangels unterblieben sein kann, a. A . Barz in Großkomm. AktG § 119 Anm. 15, Godin/Wilhelmi § 119 Anm. 10). 1e Vgl. Godin/Wilhelmi § 245 Anm. 4, Schilling in Großkomm. AktG § 245 Anm.9 -12. 17 Vgl. Godin/Wilhelmi § 245 Anm. 2, Schilling in Großkomm. AktG § 245 Anm.13. 18 Vgl. Godin/Wilhelmi § 245 Anm. 5, Schilling in Großkomm. AktG § 245 Anm.14-17.

B. Fehlerhafte Organakte nach deutschem Aktienrecht

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nungswidrigkeit begehen oder diese ersatzpflichtig werden würden19• Das einer Anfechtungsklage stattgebende Urteil wirkt für und gegen alle Aktionäre und alle Mitglieder des Vorstandes und des Aufsichtsrates20 und erklärt den Beschluß mit ex tune-Wirkung für nichtig21 • Eine Heilung der Nichtigkeit fehlerhafter Wahlen und damit ein Ausschluß der Geltendmachung der Nichtigkeit ist nicht möglich, da einerseits eine besondere Regelung oder Verweisung für eine Heilung nichtiger Wahlen in dem Abschnitt des Aktiengesetzes bezüglich der Nichtigkeit bestimmter Hauptversammlungsbeschlüsse fehlt und wegen dieses besonderen Abschnittes ein Zurückgreifen auf die allgemeinen Regelungen über die Heilung nichtiger Beschlüsse unzulässig ist und da andererseits aus der Tatsache heraus, daß Wahlen nicht in das Handelsregister eingetragen werden müssen, eine Heilung aufgrund des allgemeinen Heilungsgedankens auch nicht möglich wäre22 • Für die Geltendmachung der Nichtigkeit fehlerhafter Wahlen gilt grundsätzlich das oben für die Geltendmachung der Nichtigkeit fehlerhafter Beschlüsse Ausgeführte entsprechend23 • Zur Nichtigkeitsklage gegen fehlerhafte Wahlen sind zusätzlich die Organe der Arbeitnehmer, also die Betriebsräte, die Gewerkschaften und deren Spitzenorganisationen, befugt2 \ und das Nichtigkeitsurteil, das die Nichtigkeit der Wahl eines Aufsichtsratsmitgliedes durch die Hauptversammlung fest19 Vgl. Godin/Wilhelmi § 245 Anm. 6, Schilling in Großkomm. AktG § 245 Anm.18. 20 Vgl. Schäfer S. 142, Godin/Wilhelmi § 248 Anm. 2 und 3, Schilling in Großkomm. AktG § 248 Anm. 3 (ebenda auch zur Frage einer positiven Feststellung durch das Anfechtungsurteil, vgl. auch Schäfer S. 140 f., Godin/Wilhelmi § 248 Anm. 2); zur Urteilswirkung gegenüber Dritten siehe Schäfer S. 143 f., Godin/Wilhelmi § 248 Anm. 3, Schilling in Großkomm. AktG § 248 Anm.5 und 6. 21 Siehe auch § 241 Ziffer 5; vgl. Schäfer S . 141, Godin/Wilhelmi § 248 Anm. 3, Schilling in Großkomm. AktG § 248 Anm. 4 (ebenda auch zur Urteilswirkung für die Zeit bis zur Rechtskraft). 22 Vgl. Schäfer S. 82 f., Godin/Wilhelmi § 242 Anm. 1, Schilling in Großkomm. AktG § 242 Anm. 13. 23 Siehe§ 250 Abs. 3 und § 252 Abs. 1; siehe ferner Rummel S. 41 und 46 f., Godin/Wilhelmi § 250 Anm. 1 und 4, Schilling in Großkomm. AktG § 250 Anm.l. 24 Siehe § 250 Abs. 3 sowie die besondere Regelung der Parteifähigkeit der Organe der Arbeitnehmer in § 250 Abs. 2, vgl. zum letzteren Rummel S. 40; vgl. allgemein Rummel S. 41 ff., Schilling in Großkomm. AktG § 250 Anm. 9, vgl. auch Godin/Wilhelmi § 250 Anm. 3; zur Frage eines besonderen Nachweises eines Feststellungsinteresses für die Organe der Arbeitnehmer bei einer Nichtigkeitsklage gegen die Wahl eines Aktionärsvertreters oder eines sonstigen von der Hauptversammlung allein gewählten Aufsichtsratsmitgliedes siehe einerseits Rummel S. 43 ff. und andererseits Godin/Wilhelmi § 250 Anm. 3, Schilling in Großkomm. AktG § 250 Anm. 10, vgl. auch Schäfer S.153.

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1. Kapitel: Vergleichende Darstellung

stellt, wirkt für und gegen diesen erweiterten Kreis sowie für und gegen alle Arbeitnehmer der betroffenen Gesellschaften25 • Die Geltendmachung der Anfechtbarkeit fehlerhafter Wahlen ist ebenfalls wie bei anfechtbaren Beschlüssen einerseits aufgrund des Ablaufes der Anfechtungsfrist und andererseits aufgrund der Bestätigung der anfechtbaren Wahl ausgeschlossen26 • Für die Geltendmachung der Anfechtbarkeit fehlerhafter Wahlen gelten generell die oben aufgezeigten Regelungen für die anfechtbaren Beschlüsse mit den folgenden Besonderheiten entsprechend27 • Der Kreis der Anfechtungsberechtigten ist einerseits eingeschränkt, da nur die Aktionäre unter den genannten Voraussetzungen und der Vorstand anfechtungsbefugt sind28, und andererseits erweitert, da zusätzlich die Organe der Arbeitnehmer und jedes Aufsichtsratsmitglied bezüglich einer Wahl, zu der sie vorschlags- oder beratungsberechtigt sind, anfechtungsbefugt sind29 • Das Anfechtungsurteil, das die Wahl eines Aufsichtsratsmitgliedes durch die Hauptversammlung für nichtig erklärt, wirkt für und gegen alle Aktionäre und alle Mitglieder des Vorstandes und des Aufsichtsrates sowie gegebenenfalls für und gegen alle anfechtungsberechtigten Organe der Arbeitnehmer30 und besitzt wohl auch ex tunc-Wirkung31 •

25 Siehe § 252 Abs. 1; vgl. hierzu Rummel S. 46, Schilling in Großkomm. AktG § 252 Anm. 1 und 2. 26 Siehe § 251 Abs. 3 i. V. m. § 246 und § 251 Abs. 1 Satz 3 i. V. m . § 244; vgl. Godin/Wilhelmi § 251 Anm. 4 sowie Rummel S. 53 ff. (ebenda mit dem Hinweis, daß eine Bestätigung im Falle des § 251 Abs. 1 Satz 2 nicht möglich sei). 27 Siehe § 251 Abs. 2 und 3 und § 252 Abs. 2; siehe ferner Rummel S. 71 f., Godin/Wilhelmi § 251 Anm. 4, Schilling in Großkomm. AktG § 251 Anm. 1 und 7. 28 Siehe § 251 Abs. 2 Satz 1; vgl. hierzu Rummel S. 69 f., Godin/Wilhelmi § 251 Anm. 3, Schilling in Großkomm. AktG § 251 Anm. 6; zu der Frage der Anwendbarkeit des § 243 Abs. 2 als Anfechtungsgrund auch für Wahlen siehe oben B. II. Fußnote 42 sowie zusätzlich einerseits Rummel S. 69 und andererseits Schilling in Großkomm. AktG § 251 Anm. 3. 29 Siehe § 251 Abs. 2 Satz 2 und 3; vgl. hierzu Rummel S. 70 f., Godin/Wilhelmi § 251 Anm. 1 und 3, Schilling in Großkomm. AktG § 251 Anm. 6. 30 Siehe § 252 Abs. 2; vgl. hierzu Rummel S. 73 f., Godin/Wilhelmi Anm. zu § 252, Schilling in Großkomm. AktG § 252 Anm. 4. 31 Vgl. Rummel S. 74 ff. (aus Gründen der Gesetzessystematik unter besonderem Hinweis auf § 244 Satz 2), Scheuffler S. 27, Godin/Wilhelmi § 252 Anm. 3; a. A. Schilling in Großkomm. AktG § 252 Anm. 5 (aus Gründen der Rechtssicherheit unter Hinweis auf die h. M. zur Anfechtbarkeit von Wahlen zum Betriebsrat) sowie Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 101 Anm. 23.

B. Fehlerhafte Organakte nach deutschem Aktienrecht

2. Die

f'~hlerhaften

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Organakte des Aufsichtsrates

Eine Heilung der Nichtigkeit fehlerhafter Beschlüsse ist außer in dem besonderen, aktiengesetzlichen Fall des festgestellten Jahresabschlusses32 wegen im übrigen fehlender aktiengesetzlicher Regelungen grundsätzlich nicht möglich33 . Allerdings ist die Geltendmachung nichtiger Beschlüsse durch die allgemeinen Rechtsgrundsätze eingeschränkt34 . Als allgemeine Rechtsgrundsätze seien hier angeführt: 1. fehlende Kausalität des Fehlers für die Beschlußfassung, sofern also der Fehler ohne Einfluß auf das Zustandekommen des Beschlusses gewesen ist35 ; 2. Verzicht auf die Geltendmachung der Verletzung von Verfahrens-

vorschriften, sofern also die Aufsichtsratsmitglieder sich auf die Verstöße gegen Formvorschriften nicht berufen wollen36 ;

3. Verstoß gegen Treu und Glauben gemäß § 242 BGB in der Form der Verwirkung als Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung, sofern also in illoyaler Weise verspätet die Nichtigkeit eines Beschlusses geltend gemacht werden soll, obwohl aus den Umständen des Einzelfalles heraus hiermit nicht mehr gerechnet werden konnte37 ; 4. Verstoß gegen Treu und Glauben gemäß § 242 BGB insbesondere als sonstiger Fall der unzulässigen Rechtsausübung, sofern also die Berufung auf die Nichtigkeit eines Beschlusses im Einzelfall insbesondere gegen die Treuepflicht der Aufsichtsratsmitglieder verstößt38.

Die Geltendmachung der Nichtigkeit ist ferner durch eine fehlerfreie Neuvornahme des nichtigen Beschlusses- auch Bestätigung genanntmit ex nunc-Wirkung für die Zukunft eingeschränkt38• 32 Siehe § 256 Abs. 6; vgl. hierzu Godin/Wilhelmi § 256 Anm. 12 sowie 1, Schilling in Großkomm. AktG § 256 Anm. 18 und 19. 33 Vgl. Scheuffler S. 48 f., Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 108 Anm.6 und 8. 3 4 In diesem Zusammenhang sei noch einmal auf die bloßen Ordnungswidrigkeiten hingewiesen, die die Wirksamkeit der Beschlüsse nicht beeinträchtigen, siehe oben B. II. sowie ferner Godin/Wilhelmi § 108 Anm. 2, Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 108 Anm. 6. 35 Vgl. BGHZ 12, 327, 332, Scheuffler S. 46, Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 108 Anm. 7. 36 Vgl. Scheuffler S. 46 ff., Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 108 Anm.7. 37 Vgl. Scheuffler S. 48 f., vgl. auch Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 108 Anm. 7; zur Verwirkung allgemein siehe Soergel/Knopp § 242 Anm. 281 ff., Staudinger/Weber § 242 Anm. D 561 ff. 38 Vgl. Scheuffler S. 49 f.; zur unzulässigen Rechtsausübung allgemein siehe Soergel/Knopp § 242 Anm. 166 ff., Staudinger/Weber § 242 Anm. D 19 ff. (siehe auch D 152).

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1. Kapitel: Vergleichende Darstellung

Die Nichtigkeit fehlerhafter Beschlüsse kann grundsätzlich von jedermann jederzeit in jeder Weise geltend gemacht werden40 • Da das Aktiengesetz - abgesehen von dem Fall des fehlerhaften festgestellten Jahresabschlusses«~- hier eine besondere Nichtigkeitsklage für Aktionäre und Organmitglieder nicht enthält, müssen gegebenenfalls auch die Mitglieder des Aufsichtsrates und des Vorstandes sowie die Aktionäre eine Feststellungsklage gemäߧ 256 ZPO erheben42 • Das Feststellungsurteil, das die Nichtigkeit des fehlerhaften Beschlusses feststellt, wirkt allerdings mangels anderweitiger gesetzlicher Regelung nur zwischen den Parteien'3 • Die Nichtigkeit fehlerhafter Wahlen kann einerseits ebenfalls aus den oben genannten Gründen nicht geheilt werden und ist andererseits ebenfalls in ihrer Geltendmachung auch durch die oben genannten allgemeinen Rechtsgrundsätze eingeschränkt44 • Die Geltendmachung der Nichtigkeit fehlerhafter Wahlen ist ferner durch das Institut des faktischen Vorstandsmitgliedes45 eingeschränkt. Das Institut des faktischen Vorstandsmitgliedes

Das faktische Vorstandsmitglied ist nämlich- unabhängig von der Schutzwirkung des § 15 HGB zugunsten Dritter - zunächst aus dem Grundsatz von Treu und Glauben aufgrund der entsprechenden Anwendung der Grundsätze der Duldungsvollmacht und der Anscheinsvollmacht wie ein ordentlich bestelltes Vorstandsmitglied zu behan39 Siehe hierzu Hartmann in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann § 256 Anm.5. 40 Vgl. Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 108 Anm. 8, Soergel/Schultzev. Lasaulx § 32 Anm. 35; in diesem Zusammenhang sei erneut auf die Möglichkeit der Anfechtung der Stimmabgabe eines Aufsichtsratsmitgliedes aufgrund eines Willensmangels oder eines sonstigen Mangels, z. B. mangelnder Geschäftsfähigkeit hingewiesen, siehe oben B. Il. 2. sowie ferner Godin/Wilhelmi § 108 Anm. 2, Soergel/Schultze-v. Lasaulx § 32 Anm. 31 sowie Anm. 27. 41 Siehe § 256 Abs. 7 i. V. m. § 249; vgl. hierzu Schilling in Großkomm. AktG § 256 Anm. 20, Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 108 Anm. 8. 42 Vgl. Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 108 Anm. 8, Soergel/Schultzev. Lasaulx § 32 Anm. 36, Staudinger/Coing § 32 Anm. 22; für das Feststellungsinteresse siehe Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 108 Anm. 8 sowie allgemein Hartmann in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann § 256 Anm. 3 und 5. 43 Vgl. Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 108 Anm. 8, StaudingerI Coing § 32 Anm. 22 ("entsprechend allgemeinen prozessualen Grundsätzen"), a. A. Soergel/Schultze-v. Lasaulx § 32 Anm. 36 ("zur Vermeidung unlösbarer Verwirrung"). 44 Siehe oben die Ausführungen am Anfang dieses Abschnitts. 45 Siehe den Ausdruck "tatsächlicher Vorstand" in BGHSt. 21, 101, 103 und 104; siehe ferner den vergleichbaren Ausdruck "De-facto-Vertreter" bei Staudinger/Coing § 167 Anm. 9 a und 9 f.

B. Fehlerhafte Organakte nach deutschem Aktienrecht

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deln46 • Hiervon getrennt, aber .dennoch zur Verdeutlichung der Problematik ist das fehlerhafte Anstellungsverhältnis eines Vorstandsmitgliedes zu betrachten, auf das die Grundsätze des faktischen Arbeitsverhältnisses entsprechende Anwendung finden47• Die Grundsätze der Duldungsvollmacht und der Anscheinsvollmacht sind von der Rechtsprechung und der Literatur aus der Notwendigkeit des Schutzes des Geschäftsverkehrs entwickelt worden, und zwar sowohl im Interesse des Dritten als auch im Interesse der Rechtssicherheit allgemein48 • Die Abgrenzung der Duldungs-und Anscheinsvollmacht ist in der Literatur allerdings umstritten. Einerseits wird unterschieden zwischen der Vollmachtkraft Duldung im Sinne einer Willensäußerung durch schlüssiges Verhalten und der Vollmacht kraft Rechtsscheins im Sinne einer Vertrauenshaftungkraft schlüssigen Verhaltens, wobei die Duldung des Verhaltens des De-Facto-Vertreters durch den Geschäftsherrn beachtlich sein kann49 • Andererseits wird in der Bezeichnung unterschieden zwischen der stillschweigenden Vollmacht im Sinne einer rechtsgeschäftlich konkludent erteilten Vollmacht und einer umfassenden Rechtsscheinsvollmacht, zu der sowohl die Duldungs- als auch die Anscheinsvollmacht gehören50 • Die analoge Anwendung der Grundsätze über die Duldungs- und Anscheinsvollmacht auf den Fall des fehlerhaft bestellten Vorstandsmitgliedes ergab sich für die Rechtsprechung und die Literatur aus der entsprechenden Notwendigkeit, Vertrauensschutz für den Geschäftsverkehr und allgemein Rechtssicherheit herbeizuführen sowie konkret die Interessen des Dritten und der Aktiengesellschaft zu wahren51• 48 Vgl. BGHSt. 3, 32, 37 f. (für die GmbH); BGHSt. 21, 101, 104; vgl. auch BGHZ 47, 341, 343; vgl. schon RGSt. 16, 269, 271 (für die eingetr. Genossenschaft); RGSt. 64, 81, 84 f.; vgl. ferner Baumbach/Hueck § 84 Anm. 7, MeyerLandrut in Großkomm. AktG § 84 Anm. 18 Und 19, Schilling in Großkomm. AktG § 248 Anm. 6; siehe auch die Ausführungen bei Rummel S. 84 ff. (mit Hinweisen auf die Grenzen der WirksamkeitS. 86 f. und 89). 47 Vgl. BGHZ 41, 282, 287 f.; Veith DB 1965, 807, 808 und 809 f.; auch Gerlach AG 1965, 251, 254 (für die Anwendung der Grundsätze über die Duldungs-und Anscheinsvollmacht), 255 f. und 258; Baumbach/Hueck § 84 Anm. 7, Godin/Wilhelmi § 84 Anm. 9, Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 84 Anm. 22 und 23; das faktische Vorstandsmitglied hat grundsätzlich einen Anspruch auf die entsprechenden Bezüge und Versorgungsansprüche. Derartige geleistete Beträge können grundsätzlich auch nicht zurückgefordert werden, vgl. BGHZ 41, 282, 288 ff.; auch BGHZ 47, 341, 343, vgl. auch MeyerLandrut in Großkomm. AktG § 84 Anm. 24 und 25. 4 s Vgl. Staudinger/Coing § 167 Anm. 9-9 d und 90 bis 9 s sowie Soergel/ Schultze-v. Lasaulx § 167 Anm. 17 - 21 (ebenda kritisch zur Dreiteilung dieser Grundsätze in der Rechtsprechung des BGH) und 32 - 36. 4 9 Vgl. Staudinger/Coing § 167 Anm. 9 e - 9 n. 50 Vgl. Soergel/Schultze-v. Lasaulx § 167 Anm. 22- 30. 51 Vgl. Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 84 Anm. 18 und 19, Schilling in Großkomm. AktG § 248 Anm. 6; vgl. ferner Soergel/Schultze-v. Lasaulx

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1. Kapitel:

Vergleichende Darstellung

Hierbei galt es zwei Besonderheiten zu berücksichtigen, und zwar daß erstens eine stillschweigende Bestellung eines Vorstandsmitgliedes durch schlüssiges Verhalten nicht möglich ist, da die Organe der Aktiengesellschaft nur durch einen ausdrücklichen Beschluß ihren Willen äußern können52, und daß zweitens eine Lösung nicht nur für das Außenverhältnis, sondern auch für das Innenverhältnis der am Gesellschaftslehen Beteiligten zu finden war. Demgemäß hat die entsprechende Anwendung für die zwei unterschiedlichen Fallkonstellationen aus dem Grundsatz von Treu und Glauben zu den folgenden zwei Lösungen geführt: I. Im Verhältnis der Aktionäre und Organmitglieder- also im Innenverhältnis - wird die Anerkennung des faktischen Vorstandsmitgliedes aus der Duldung seitens der Aktiengesellschaft, d. h. aus deren rechtserheblichem Wissen oder gar Einverständnis, abgeleitet und soll einen gerechten Ausgleich zwischen den Interessen der Gesellschaft und der Beteiligten herbeiführen53•

2. Im Verhältnis zur Öffentlichkeit und zu Dritten- also im Außenverhältnis - wird die Anerkennung des faktischen Vorstandsmitgliedes aus dem Anschein einer rechtmäßigen Vorstandstätigkeit begründet, für den die Aktiengesellschaft die Verantwortung trägt, und soll den Vertrauensschutz für den Geschäftsverkehr sichern und insbesondere den Dritten schützen54 • Als Voraussetzungen für die Anerkennung als faktisches Vorstandsmitglied sind im einzelnen grundsätzlich zu nennen: I. ein Wahlakt als solcher, auch ein früherer, wenn etwa eine erneute Bestellung nach Ablauf der früheren Bestellungsfrist unterblieben ist und/oder die - sich hieraus normalerweise ergebende - faktische Innehabung der Stellung eines Vorstandsmitgliedes55 ,

2. die Tätigkeit als Vorstandsmitglied für die Aktiengesellschaft58, und § 167 Anm. 37- 39 (ebenda auch für die - umstrittene - Anwendbarkeit ebenfalls bei juristischen Personen des öffentlichen Rechtes), Staudinger/ Coing § 167 Anm. 9 t und 10- 10 d (ebenfalls für den Vorrang des Grundsatzes von Treu und Glauben im rechtsgeschäftliehen Verkehr); vgl. auch BGHZ 41, 282, 287 f. 62 Siehe beispielsweise BGHZ 41, 282, 286; BGHZ 47, 341, 343. 63 Vgl. BGHSt. 3, 33, 37 ff.; BGHSt. 21, 101, 103 ff.; BGHZ 41, 182, 287. 54 Vgl. hierzu BGHZ 47, 341, 343. 55 Vgl. BGHSt. 3, 32, 37 f. (für die GmbH); auch BGHZ 47, 341, 343; die Voraussetzung des Wahlaktes ist entbehrlich, vgl. BGHSt. 21, 101, 105 ff., vgl. auch Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 84 Anm. 18. 56 Vgl. BGHSt. 21, 101, 104 f.; vgl. auch BGHZ 47, 341, 343.

B . Fehlerhafte Organakte nach deutschem Aktienrecht

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3. einerseits im Innenverhältnis die Duldung der faktischen Vorstandstätigkeit seitens des Aufsichtsrates, solange zumindest ein Aufsichtsratsmitglied hiervon Kenntnis hat und solange kein Widerspruch oder keine Klage erhoben wird57 , oder andererseits im Außenverhältnis der durch das Verhalten der Aktiengesellschaft gerechtfertigte Anschein einer rechtmäßigen Vorstandstätigkeit bei einem Dritten, solange dieser keine Kenntnis von der Fehlerhaftigkeit der Bestellung hat58• Für die Geltendmachung der Nichtigkeit fehlerhafter Wahlen gelten generell die oben aufgezeigten Regelungen für die nichtigen Beschlüsse59 entsprechend mit der Besonderheit, daß das Feststellungsurteil, das die Nichtigkeit ·der fehlerhaften Wahl eines faktischen Vorstandsmitgliedes feststellt, aus den Gründen, daß hier Regelungen des Aktiengesetzes anders als bei der fehlerhaften Wahl eines Aufsichtsratsmitgliedes nicht bedacht werden müssen und daß so die - wegen der größeren Auswirkung des Vorstandes- gesteigerte Notwendigkeit zur Rechtssicherheit berücksichtigt werden kann, erstens gegenüber allen am Gesellschaftsleben Beteiligten und zweitens nur mit ex nunc-Wirkung für die Zukunft wirkt 80• 3. Die fehlerhaften Organakte des Vorstandes

Die Nichtigkeit fehlerhafter Beschlüsse kann- abgesehen von dem Fall des fehlerhaften festgestellten Jahresabschlusses61 - ebenso wie bei den nichtigen Beschlüssen des Aufsichtsrates aus den oben genannten Gründen grundsätzlich nicht geheilt werden und ist andererseits ebenfalls in ihrer Geltendmachung auch durch die oben genannten allgemeinen Rechtsgrundsätze eingeschränkt62• Die Geltendmachung der nichtigen Beschlüsse bezüglich der Vertretung der Aktiengesellschaft gegenüber Dritten ist ferner durch die aktiengesetzliche Regelung der -von den gesetzlichen Beschränkungen abgesehen63 - tinbeschränk57 Vgl. BGHSt. 3, 32, 37 f.; BGHSt. 21, 101, 104 f.; vgl. Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 84 Anm. 17 und 18 sowie Fußnote 48. 58 Vgl. hierzu Gerlach AG 1965, 251, 254 (für den Anstellungsvertrag) und Fußnote 48 sowie ferner BGHZ 13, 16 ff. und Soergel/Schultze-v. Lasaulx § 167 Anm. 29 (Grundsätzlich zerstört nur Kenntnis den Rechtsschein.), hier a. A. Staudinger/Coing § 167 Anm. 91 (für Gutgläubigkeit). 59 Siehe oben die Ausführungen am Anfang dieses Abschnitts. 60 Siehe hierzu die Zitate der Fußnote 43 und der Fußnote 31 sowie ferner BGB-RGRK-Denecke § 32 Anm. 9. 61 Siehe § 256 Abs. 6; vgl. hierzu die Zitate der Fußnote 32. 62 Siehe oben B. 111. 2. 63 Für eine Aufzählung und Abgrenzung der Beschränkungen siehe MeyerLandrut in Großkomm. AktG § 82 Anm. 2 - 6 sowie auch Godin/Wilhelmi §82 Anm.4.

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1. Kapitel: Vergleichende Darstellung

barkeit der gesetzlichen Vertretungsbefugnis des Vorstandes eingeschränkt64. Fehlerhafte Beschlüsse des Vorstandes bezogen auf Rechtsgeschäfte und Rechtsstreitigkeiten mit Dritten - auch über den satzungsmäßigen Zweck und Gegenstand der Gesellschaft hinaus65 haben also diesen gegenüber grundsätzlich volle Wirksamkeit88• Für die Geltendmachung der Nichtigkeit fehlerhafter Beschlüsse gelten generell die oben für die nichtigen Beschlüsse des Aufsichtsrates aufgezeigten Regelungen87 entsprechend.

IV. Die Grundsätze bei der Behandlung fehlerhafter Organakte In einem kurzen Übel.'blick sollen zunächst die wesentlichen Grundsätze für die Behandlung der fehlerhaften und sonstigen Organakte zusammengefaßt werden. Sodann sollen die Auswirkungen der Fehlerhaftigkeit von Organakten auf die zwischenzeitliehen Handlungen der Organe dargestellt werden. 1. Die wesentlichen Grundsätze für die Behandlung der fehlerhaften und sonstigen Organakte

Das deutsche Aktienrecht kennt neben den fehlerhaften - nichtigen oder anfechtbaren - Organakten noch die ordnungswidrigen Organakte, die schwebend unwirksamen Organakte und die Nicht- und Scheinorganakte. Die fehlerhaften Organakte der Hauptversammlung werden durch besondere aktiengesetzliche Vorschriften, die fehlerhaften Organakte 64 Siehe § 82 Abs.l; vgl. hierzu Godin/Wilhelmi § 82 Anm. 3, Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 82 Anm. l mit dem dortigen Hinweis auf den Unterschied zwischen dem "rechtlichen Können" (gesetzliche Vertretungsmacht) und dem "rechtlichen Dürfen" (Vertretungsmacht mit internen Beschränkungen); siehe aber auch die Beschränkbarkelt der Vertretungsmacht in gesellschaftlichen Angelegenheiten, also etwa beim Einfordern von Stammeinlagen gegenüber Aktionären, vgl. hierzu Godin/Wilhelmi § 82 Anm. 3, Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 82 Anm. 10; siehe außerdem § 82 Abs. 2 mit der Möglichkeit der Beschränkungen im Rahmen der Gesellschaft bezüglich der Geschäftsführung und damit auch bezüglich der Ausübung der Vertretungsmacht, vgl. hierzu Godin/Wilhelmi § 82 Anm. 4 und 7- 9, MeyerLandrut in Großkomm. Akt§ 82 Anm. 1, 12 sowie 13- 18. 65 Vgl. Godin/Wilhelmi § 82 Anm. 2, Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 82 Anm. 3 sowie Einleitung zu § 82 mit dem dortigen Hinweis, daß das deutsche Aktienrecht bewußt auf die Übernahme der Ultra-vires-Lehre verzichtet habe. 66 Die Kenntnis des Dritten von den internen Beschränkungen ist grundsätzlich unbeachtlich, außer im Falle der Kollusion oder eines sonstigen schweren Mißbrauches, vgl. Godin/Wilhelmi § 82 Anm. 4, Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 82 Anm. 8. 67 Siehe oben B. III. 2. (mit dem hier ebenfalls geltenden Hinweis auf den Fall des fehlerhaften festgestellten Jahresabschlusses).

B. Fehlerhafte Organakte nach deutschem Aktienrecht

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des Aufsichtsrates und des Vorstandes grundsätzlich wegen fehlender aktiengesetzlicher Vorschriften durch Vereinsvorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches und die allgemeinen Rechtsgrundsätze geregelt. Die Fehlerhaftigkeit von Organakten der Hauptversammlung führt aufgrund besonderer aktiengesetzlicher Regelungen entweder - bei besonders schweren formellen oder materiellen Fehlern - zur Nichtigkeit oder ansonsten zur Anfechtbarkeit, die Fehlerhaftigkeit von Organakten des Aufsichtsrates und des Vorstandes führt grundsätzlich wegen fehlender aktiengesetzlicher Regelungen allein zur Nichtigkeit. Die fehlerhaften Beschlüsse der Hauptversammlung können in bestimmten Fällen aufgrund besonderer aktiengesetzlicher Regelungen mit extunc-Wirkung geheilt, bzw. bestätigt werden; die nichtigen Wahlen der Hauptversammlung können zwar nicht geheilt, die anfechtbaren aber bestätigt werden. Die fehlerhaften Organakte des Aufsichtsrates und des Vorstandes können grundsätzlich wegen fehlender aktiengesetzlicher Regelungen nicht geheilt werden, sind in ihrer Geltendmachung jedoch durch die allgemeinen Rechtsgrundsätze und im Fall einer fehlerhaften Wahl seitens des Aufsichtsrates durch das Institut des faktischen Vorstandsmitgliedes sowie im Fall einer fehlerhaften Vertretung seitens des Vorstandes durch dessen gesetzliche Vertretungsbefugnis eingeschränkt. Die Nichtigkeit der Organakte kann grundsätzlich von jedermann jederzeit in jeder Weise geltend gemacht werden\ für die Nichtigkeit der Organakte der Hauptversammlung enthält das Aktiengesetz für die am Gesellschaftsleben Beteiligten eine besondere Nichtigkeitsklage. Die Anfechtbarkeit der Organakte der Hauptversammlung kann nur von bestimmten am Gesellschaftsleben Beteiligten und nur mit einer besonderen Anfechtungsklage geltend gemacht werden. 2. Die Auswirkungen der Fehlerhaftigkeit von Organakten auf zwischenzeitliche Handlungen

Bei der Darstellung der Auswirkungen der Fehlerhaftigkeit von Organakten, insbesondere durch ein die Nichtigkeit feststellendes oder erklärendes Urteil, auf die zwischenzeitliehen Handlungen soll auch für die Beziehungen gegenüber Dritten zwischen dem körperschaftsrechtlichen und dem schuldrechtlichen Bereich unterschieden werden, da grundsätzlich im körperschaftsrechtlichen Bereich die Interessen der Gesellschaft an der Durchsetzung der wahren Rechtslage vor den Interessen eines Dritten- unabhängig von dessen gutem Glauben- und im schuldrechtlichen Bereich die Interessen des Dritten an der Rechts1 Siehe aber für die Besonderheiten beim faktischen Vorstandsmitglied oben B. III. 2. a. E.

108

1. Kapitel: Vergleichende Darstellung

sicherheit vor den Interessen der Gesellschaft besonders zu berücksichtigen sind2 • Die Nichtigkeitsfeststellung und Erklärung eines fehlerhaften Beschlusses der Hauptversammlung führen bei körperschaftsrechtlichen Angelegenheiten mit ex tune-Wirkung auch zur Nichtigkeit der zwischenzeitliehen Handlungen, und zwar auch gegenüber Dritten, so etwa bei der Aktienausgabe aufgrund einer fehlerhaften Kapitalerhöhung3 • Auswirkungen eines fehlerhaften Beschlusses der Hauptversammlung im schuldrechtlichen Bereich sind nicht ersichtlich, da die Hauptversammlung nur im Innenverhältnis der Gesellschaft tätig werden kann4 • Die Nichtigkeitsfeststellung ebenso wie die Nichtigkeitserklärungs einer fehlerhaften Wahl des Aufsichtsrates durch die Hauptversammlung führen aus Gründen der Gesetzessystematik ebenfalls grundsätzlich bei körperschaftsrechtlichen Angelegenheiten mit ex tune-Wirkung zur Nichtigkeit der zwischenzeitliehen Handlungen des Aufsichtsrates, so etwa bei Vertretungshandlungen gegenüber Vorstandsmitgliedern6 , jedoch nicht für den Fall der Bestellung des Vorstandes, denn die fehlerhaft bestellten Vorstandsmitglieder sind aufgrund des Institutes des faktischen Vorstandsmitgliedes zunächst wie ordentlich bestellte Vorstandsmitglieder zu behandeln und deren Handlungen sind daher nach innen und nach außen rechtswirksam7 • Die Nichtigkeitsfeststellung eines fehlerhaften Beschlusses des Aufsichtsrates führt ebenfalls bei körperschaftsrechtlichen Angelegenheiten mit ex tune-Wirkung zur Nichtigkeit der zwischenzeitliehen Handlungen, so etwa in dem oben bereits genannten Fall der Vertretungshandlungen gemäß § 112, jedoch generell nicht im schuldrechtlichen Bereich wie etwa bei einer fehlerhaften Zustimmung des Aufsichtsrates i. S. d . § 111 Abs. 4, da auch hier die Handlung nur im Innenverhältnis der Gesellschaft Bedeutung hat und es - abgesehen von einer möglichen Kollusion- auf den guten Glauben des Dritten nicht ankommt8 • 2 Vgl. hierzu Schäfer S. 143 f., Schilling in Großkomm. AktG § 248 Anm. 5 und 6 und § 249 Anm. 7, wohl auch Godin/Wilhelmi § 248 Anm. 3, vgl. auch Baumbach/Hueck § 241 Anm. 3, aber teilweise a. A . § 248 Anm. 6. 3 Vgl. Schäfer S. 143 f. und 151 f., Schilling in Großkomm. AktG § 248 Anm. 5 und § 249 Anm. 7, wohl auch Godin/Wilhelmi § 248 Anm. 3, aber andererseits § 249 Anm. 4, teilweise auch a. A. Baumbach/Hueck § 248 Anm. 6. 4 Vgl. SchäferS. 3, Schilling in Großkomm. AktG § 248 Anm. 6. 5 Hier a. A. Godin/Wilhelmi § 248 Anm. 3, Scllilling in Großkomm. AktG § 252 Anm. 5, siehe aber oben B. III. 1. Fußnote 31. 6 Vgl. Scheuffler S. 27, Schilling in Großkomm. AktG § 252 Anm. 3 sowie Rummel S. 76 f. (einschränkend - u . a. für Gutglaubensschutz zugunsten des Dritten S. 83 und 85 ff. sowie 88 f.). 7 Vgl. Schilling in Großkomm. AktG § 248 Anm. 6 (unabhängig vom guten Glauben des Dritten) und § 252 Anm. 3 sowie Rummel S. 84 ff. 8 Vgl. Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 111 Anm.16.

B. Fehlerhafte Organakte nach deutschem Aktienrecht

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Die Nichtigkeitsfeststellung einer fehlerhaften Wahl des Vorstandes durch den Aufsichtsrat kann aufgrund des Institutes des faktischen Vorstandsmitgliedes grundsätzlich keine ex tune-Wirkung zeitigen9 • Die Nichtigkeitsfeststellung eines fehlerhaften Beschlusses des Vorstandes führt ebenfalls bei körperschaftsrechtlichen Angelegenheiten zur Nichtigkeit der zwischenzeitliehen Handlungen, so etwa bei der Aufforderung zur Einzahlung der Einlagen10, jedoch nicht im schuldrechtlichen Bereich, da hier grundsätzlich die gesetzliche Vertretungsmacht des Vorstandes den Dritten - abgesehen von einer möglichen Kollusion- schützt11 •

Siehe oben B. III. 2. a. E. Nicht aber allein wegen der Teilnahme eines faktischen Vorstandsmitgliedes, vgl. oben B. III. 2. 11 Siehe oben B. III. 3. 9

10

C. Fehlerhafte Organakte nach U.S.-corporation law Die Behandlung der fehlerhaften Organakte nach U.S.-corporation law ist generell weder in gesetzlichen Vorschriften systematisch geregelt noch in der Literatur systematisch beschrieben, so daß deren Darstellung im folgenden aus gesetzlichen Einzelbestimmungen, aus Einzelfallgerichtsentscheidungen sowie aus Kommentar- und Literaturanmerkungen systematisch - mit den gebotenen Einschränkungen1 zusammengestellt wird2 • Diese Zusammenstellung soll entsprechend dem vorigen Abschnitt in der Reihenfolge shareholders' meeting board of directors erfolgen.

I. Die Organakte Auch im U.S.-corporation law können die Organe der U.S.-corporation8 grundsätzlich nur - in Sitzungen - korporativ durch Beschlußfassung ihren Willen äußern und auch grundsätzlich nur so Wahlen vollziehen~. Wegen der Bedeutung der innergesellschaftlichen Wahlen sollen auch hier die Beschlüsse und die Wahlen, die auch in diesem Abschnitt unter dem Oberbegriff des Organaktes zusammengefallt werden sollen, generell getrennt behandelt werden. Für die detaillierte Darstellung der Zuständigkeiten der Organe in der corporation wird auf den obigen Unterabschnitt "A. II. 1." verwiesen. An dieser Stelle sollen nur noch einmal skizzenartig die hauptsächlichen Möglichkeiten der Beschlüsse und Wahlen der beiden Organe aufgezeigt werden. Siehe oben A. II. Siehe als Hilfsmittel insbesondere den Model Business Corporation Act und Fleteher's Cyclopedia of the Law of Private Corporations; siehe ferner beispielsweise die corporation laws einzelner Bundesstaaten so für California in West's Ann. Cal. Codes Vol. 24 und 25 (siehe insbes. das neue, 1977 in Kraft getretene General Corporation Law), für Delaware in Del. Code Ann. Vol. 4 Title 8 mit dem besonderen 1968 Cumulative Supplementary Pamphlet (siehe das neue, 1967 in Kraft getretene General Corporation Law) und für New York in McKinney's Consolidated Laws of N. Y. Ann. Bock 6 (Business Cerporation Law- 2 Bände) und Bock 37 (Not-For-Profit Corporation Law). 3 Zum Begriff des Organs in der U.S.-corporation siehe oben A. II. 1. ' Für das shareholders' meeting siehe oben A. II. 1. b) sowie ferner Fleteher Vol. 5 §§ 1996 f. S. 3 ff.; für den board of directors siehe oben A. II. 1. a) sowie ferner Fleteher Vol. 2 § 391 f. S. 227 ff. 1

2

C. Fehlerhafte Organakte nach U.S.-corporation law

111

1. Die Beschlüsse und Wahlen des shareholders' meeting

Das shareholders' rneeting faßt Beschlüsse über die grundlegenden Angelegenheiten der corporation, hauptsächlich über die charter und den Kapitalaufbau6 • Das shareholders' rneeting wählt grundsätzlich die Mitglieder des board of directors 6• 2. Die Besehlüsse des board of directors

Der board of directors faßt alle Beschlüsse zum management der corporation, also von der Vertretung der corporation über die laufende Geschäftsführung und die Bestimmung der Geschäftspolitik einschließlich der Gewinn- und Dividendenerklärung bis zur Gestaltung der by-laws der corporation sowie bis zur Auswahl und Kontrolle der officers der corporation7 • 11. Die Fehlerhaftigkeit der Organakte Der Begriff der fehlerhaften Organakte ist im U.S.-corporation law weiter als im deutschen Aktienrecht zu fassen und die Abgrenzungen der verschiedenen Arten der Fehlerhaftigkeit sind nur schwer und nur im Grundsatz zu ziehen. Die fehlerhaften Organakte, denen also ein Mangel anhaftet, der die Gültigkeit des Organaktes beeinträchtigt, können generell in zwei Arten unterteilt werden1 : Void ("nichtige") acts sind solche, die einen besonders schweren Fehler aufweisen und die deshalb gar keine Wirksamkeit oder nur unter ganz engen Voraussetzungen Wirksamkeit erlangen können2 ; hierunter fallen - im U.S.-corporation law - auch die Nicht- und Scheinorganakte, wenn also etwa Shareholders - ohne daß eine besondere Regelung besteht - außerhalb einer Sitzung einzeln einem Be6 Siehe oben A. II. 1. b) sowie ferner Fleteher Vol. 13 § 5717 S. 20 f. mit den dortigen Verweisungen. 6 Siehe oben A. li. 1. b) (dort auch die Abberufungsmöglichkeiten der Mitglieder des board of directors) sowie ferner Fleteher Vol. 2 §§ 283 ff. S. 62 ff. und §§ 351 ff. S. 150 ff. (removal). 7 Siehe oben A. II. 1. a) sowie ferner Fleteher Vol. 2 insbesondere §§ 505 ff. S. 527 ff. (powers of directors) sowie §§ 553 ff. S. 601 ff. (powers of president, vice-president, secretary and treasurer). 1 Für das shareholders'meeting siehe etwa Fleteher Vol. 5 § 2024 S. 111; für den board of directors siehe etwa Fleteher Val. 2 § 428 S. 288 f. 2 Für das shareholders' meeting siehe etwa Fleteher Vol. 5 § 2024 S. 112 sowie § 2005 S. 40 (out of state meeting entgegen ausdrücklicher Vorschrift); für den board of directors siehe etwa Fleteher Vol. 2 § 428 S. 287 sowie § 429 S. 290 f. (action is ultra vires or fraudulent).

112

1. Kapitel: Vergleichende Darsteilung

schluß zustimmen (Nichtorganakt) 3 oder wenn ein unbefugter shareholder eine Sitzung einberuft und dort - ohne daß der Fehler aufgehoben wird- ein Beschluß gefaßt wird (Scheinorganakt) 4 • Voidable ("anfechtbare") acts sind solche, die einen sonstigen Fehler aufweisen und die zunächst als wirksam betrachtet werden und auch leicht "ratifiziert", also durch Genehmigung geheilt, werden können5 • In diesem Zusammenhang sei zudem darauf hingewiesen, daß bei ein und demselben Fehler der Beschluß in einem Staat oder Territorium als void und in dem anderen als voidable eingestuft werden kann6 • Neben diesen fehlerhaften Organakten kennt auch das U.S.-corporation law Organakte, deren Fehler merely irregular ("ordnungswidrig") sind oder anders ausgedrückt deren Fehler merely directory provisions ("Sollvorschriften") verletzen und die deshalb ungeachtet des betreffenden Mangels voll wirksam sind7• Ferner sind im U.S.-corporation law ebenfalls schwebend unwirksame oder noch nicht vollständige Organakte möglich, so beispielsweise im Fall des notwendigen übereinstimmenden Zusammenwirkens von shareholders' meeting und board of directors, sofern zunächst nur ein Organ etwa die Änderung der charter beschlossen hat und der entsprechende Beschluß des zweiten Organs noch aussteht8• Im folgenden sollen die verschiedenen Fehlerquellen bei den Organakten des shareholders' meeting und des board of directors gemäß der soeben aufgezeigten Unterteilung in void und voidable acts - mit all den erforderlichen Einschränkungen- systematisch dargestellt werden. 1. Die Fehler des shareholders' meeting

Die fehlerhaften Organakte des shareholders' meetingwerden ebenso wie die des board of directors nicht starr entsprechend ihren Verstößen gegen Gesetz, charteroder by-laws, sondern vielmehr entsprechend den 3 Vgl. Fleteher Val. 5 § 1996 S. 4 f., § 1996.1 S. 9; vgl. für den board of directors Fleteher Val. 2 § 392 S. 227 ff. (mit ausführlicher Begründung). 4 Vgl. Fleteher Vol. 5 § 1999 S. 19; vgl. für den board of directors Fleteher Vol. 2 § 392 S. 228 sowie § 428 S. 287. 5 Für das shareholders' meeting siehe etwa Fleteher Val. 5 § 2011 S. 64; für den board of directors siehe etwa Fleteher Vol. 2 § 428 S. 288 f . sowie § 429 s. 290. 6 Siehe § 41 Model Bus. Corp. Act sowie Model Bus. Corp. Act Ann., Band 1, S. 843 f. und 848 f . 7 Siehe etwa Fleteher Vol. 5 § 2024 S. 111 sowie § 31 Model Bus. Corp. Act und Model Bus. Corp. Act Ann., Band 1, S. 632 und 637 f. 8 Siehe oben A. li. 1. b).

C. Fehlerhafte Organakte nach U.S.-corporation law

113

praktischen Bedürfnissen behandeW. Demgemäß sind Fehler meistens dann unbeachtlich10, wenn alle shareholders anwesend sind und dem Verfahren zustimmen11 , wenn keine grundlegenden Rechte der Shareholders durch den Fehler betroffen sind12 oder wenn die mit einem Willensmangel oder einem sonstigen Mangel behaftete Stimmabgabe eines shareholder nicht kausal für den Beschluß ist13• Als weitere Beispiele für Fehler, die in der Regel dazu führen, daß ein Beschluß void ist, seien hier aufgezeigt: 1. Beschlußfassung in einem shareholders' meeting an einem anderen Ort als dem, an den einberufen worden ist14 ; 2. Beschlußfassung in einem special meeting, ohne daß hierzu besonders mit einer Tagesordnung einberufen worden ist15 ; 3. Beschlußfassung in einem shareholders' meeting außerhalb des Heimatstaates der corporation, sofern dies ausdrücklich verboten ist16 ; 4. Beschlußfassung ohne das erforderliche quorum17 ; 5. Beschlußfassung ohne die erforderliche Mehrheit18 oder bei bestimmten sonstigen Verfahrensfehlern19, so auch bei ausschlaggebender fehlerhafter Stimmberechtigung mitstimmender shareholders20 ; 9 Vgl. Fleteher Vol. 5 § 2024 S. 111 sowie Vol. 2 § 428 S. 286 (siehe dort: "A corporation is, after all, but a human concern, and, like natural persons, is often bound by conduct which has not followed the beaten path of technical formality. If the governing body, the directors, act for the corporation, the result must be governed, not by the degree of formality observed, but by the practical and legal effect of such action."). 10 Zu den bloßen "Ordnungswidrigkeiten" siehe oben C. II. 11 Vgl. Fleteher Vol. 5 § 2024 S. 111 ff.; vgl. auch Lattin S. 363, Stevens S. 535 und 539. 12 Vgl. Fleteher Vol. 5 § 2024 S. 111 und§ 2005 S. 39 f. 13 Vgl. Fleteher Vol. 5 § 2024 S. 112. 14 Vgl. Fleteher Vol. 5 § 2002 S. 31; vgl. auch Ballantine S. 394. ta Vgl. Fleteher Vol. 5 § 1997 S. 12 sowie auch Stevens S. 536 und 538; vgl. auch Fleteher Vol. 5 § 1999 S. 19, § 2009 S. 55 f., § 2016 S. 91. 16 Vgl. Fleteher Vol. 5 § 2005 S. 40 und § 2003 S. 32 ff.; vgl. auch Ballantine S. 394, Lattin S. 364, Stevens S. 536 und 540. 17 Vgl. Fleteher Vol. 5 § 2013 S. 74 ff. und § 2024 S. 112; vgl. auch Ballantine S. 395; für fehlerhafte proxies siehe Fleteher Vol. 5 § 2013 S. 77. 18 Vgl. Fleteher Vol. 5 § 2020 S. 102 f.; zur grundsätzlich wirksamen Stimmabgabe interessierter shareholders siehe Fleteher Vol. 5 § 2031 S. 140 sowie Ballantine S. 401 f.; zur Stimmabgabe von proxies siehe Fleteher Vol. 5 § 2024 S. 112, § 2049.1 S. 202 f., § 2050 S. 203 f. § 2063 S. 262 f. (fehlerhafte proxies) sowie Falkenhausen AG 1960 S. 94 (rechtswidrig erteilte proxy bleibt rechtswirksam), Lattin S. 365 ff., Trumpier S. 110. 19 Vgl. hierzu Fleteher Vol. 5 § 2015 S. 86 ff. (adjourments and postponements), § 2017 S. 92 ff. (methods of voting, etc.), § 2018 S. 97 f. (inspectors or tellers), § 2022 S. 108 f. (rival meetings). 20 Zur Stimmberechtigung siehe Fleteher Vol. 5 § 2027 S. 127 ff. sowie Ballantine S. 397 ff. und 402 f. (treasury share) und Lattin S. 355 ff.; zu voting

S Jarzembowskl

1. Kapitel: Vergleichende Darstellung

114

6. Beschlußfassung aufgrundarglistigen oder unbilligen Verhaltens21 • Als Beispiele für sonstige Fehler, die einen Beschluß generell nur voidable werden lassen, seien hier genannt: sonstige Einberufungsmängel, es sei denn, alle shareholders seien anwesend und stimmten dem Verfahren zu22, so etwa eine Einberufung zu einer unvorschriftsmäßigen Zeit oder an einen unvorschriftsmäßigen Ort, insbesondere an einen Ort außerhalb des Heimatstaates23 oder eine Einberufung mit fehlerhafter Tagesordnung24 Die soeben aufgezeigten Fehlerquellen für die Beschlüsse des shareholders' meeting gelten - von einigen Besonderheiten abgesehen generell auch für die Wahlen des shareholders' meeting25 . Als Beispiele für zusätzliche Fehlermöglichkeiten bei den Wahlen des shareholders' meeting für den board of directors seien hier angeführt: 1. Verstöße gegen Vorschriften über die Höchstzahl der Mitglieder des board of directors26 ;

2. Verstöße gegen Vorschriften über bestimmte persönliche Wählbarkeitsvoraussetzungen der Mitglieder des board of directors27 , insbesondere über eine erforderliche Eigenschaft als shareholder28 ; 3. Verstöße gegen Vorschriften über das Wahlverfahren des cumulative voting29 • agreements siehe Fleteher Vol. 5 § 2067 S. 296 f.; zu voting trusts siehe Fleteher Vol. 5 § 2095 S. 393 f. 21 Vgl. Fleteher Vol. 5 § 2024 S. 112; vgl. auch Fleteher Vol. 5 § 2008 S. 51 (arglistige Unterdrückung einer notice) und Ballantine S. 402 (fraud of the rights of the minority). 22 Vgl. Fleteher Vol. 5 § 1997 S. 10 ff., § 1999 S. 19 und § 2005 S. 39 f.; vgl. auch Ballantine S. 393, Stevens S. 539. 2 3 Vgl. Fleteher Vol. 5 § 2005 S. 40 und § 2003 S. 32 ff. 24 Vgl. Fleteher Vol. 5 § 2013 S. 74 ff. und§ 2024 S. 112; zur Frage der Tagesordnung bei extraordinary business siehe Fleteher Vol. 5 § 2009 S. 55 f. und § 2016 S. 91 f. ; zu den S E C-rules siehe Fleteher Vol. 5 § 2009.1 S. 60 f. 25 Vgl. Fleteher Vol. 2 § 288 S. 72 ff., insbesondere S. 74 sowie Vol. 5 § 2049 S. 201; vgl. ferner Fleteher Vol. 2 § 292 S. 78 f. (siehe ebenda den Hinweis auf eine arglistige Täuschung bei der Stimmabgabe eines oder mehrerer shareholders, die bei vorliegender Kausalität für eine Wahl zu deren Fehlerhaftigkeit führt - S. 78). 28 Vgl. Fleteher Vol. 2 § 291 S. 77 f. 21 Vgl. Fleteher Vol. 2 § 297 S. 86 f., § 307 S. 96 f. (residence or citizenship), § 312

s. 99 f .

2B Vgl. Fleteher Vol. 2 § 297 S. 86, § 299 S. 88 ff., § 300 S. 91 ff.- § 304 S. 95; zum Verlust dieser Wählbarkeitsvoraussetzungen siehe Fleteher Vol. 2 § 305 S. 95 f. und § 341 S. 134 ff.

C. Fehlerhafte Organakte nach U.S.-corporation law

115

2. Die Fehler des board of directors

Die Organakte des board of directors unterliegen grundsätzlich denselben Regeln wie die des shareholders' meeting, so daß auch die Fehlerquellen - mit den folgenden Besonderheiten - mehr oder weniger dieselben wie die des shareholders' meeting sind30• Als Fehler, die einen Beschluß grundsätzlich void werden lassen, seien hier demgemäß beispielhaft aufgezeigt: 1. Beschlußfassung außerhalb einer Sitzung des board of directors, obgleich hier vielfältige Ausnahmeregelungen möglich sind31 ;

2. schwere EinberufungsmängeP2, so etwa wenn nicht alle Mitglieder des board of directors zu einer Sondersitzung geladen werden, obschon ebenfalls hier Ausnahmen beispielsweise wegen besonderer Dringlichkeit möglich sind33 ; 3. Beschlußfassung ohne das erforderliche quorum34 ; 4. Beschlußfassung ohne die erforderliche Mehrheit85, wobei grundsätzlich nur die persönlich abgegebenen Stimmen der Mitglieder des board of directors gezählt werden dürfen88 ; 5. Beschlußfassung über einen Gegenstand jenseits der Zweckbestimmung der corporation (ultra vires act oder act beyond the authorityP7 ; 29 Vgl. Fleteher Vol. 5 § 2049 S. 201 f. ferner§ 2048 S. 189 ff., § 2048.1 S. 197 f., § 2048.2 s. 199 f., § 2048.3 s. 201. 30 Vgl. Fleteher Vol. 2 § 391 8 ..227 sowie § 428 S. 286 ff.; siehe oben C. II. 1. 31 Vgl. Fleteher Vol. 2 § 392 S. 227 ff., Ballantine S. 123 ff., Escher S. 23, Mestmäcker S. 49, Lattin S. 248, Stevens S. 656 ff.; zu den Ausnahmen siehe Fleteher Vol. 2 § 393 S. 234 ff. - § 397 S. 242 f., Ballantine S. 125 ff., Escher S. 20 f., Lattin S. 248 ff., Stevens S. 659 ff. 32 Vgl. Fleteher Vol. 2 § 402 S. 247, § 403 S. 248 ff. (outside the state), § 404 S. 252 sowie Ballantine S. 127 ff., Stevens S. 747 f. 83 Vgl. Fleteher Vol. 2 § 404 S. 251, § 406 S. 254 ff., § 408 S. 258 f. (emergency), § 409 S. 259, § 410 S. 260- § 413 S. 264, § 414 S. 265 sowie Escher S. 22; vgl. aber auch Lattin S. 244 f. 34 Vgl. Fleteher Vol. 2 § 419 S . 271 ff. - § 423 S. 278 sowie § 426.1 S. 285. 35 Vgl. Fleteher Vol. 2 § 425 S. 278 ff. und § 426 S. 283 ff.; vgl. auch Lattin S. 250. 38 Vgl. Fleteher Vol. 2 § 427 S. 286, Ballantine S. 131, Escher S. 22, Stevens S. 746 und 752. 87 Vgl. Fleteher Vol. 7 insbesondere § 3399 S. 563 ff., § 3400 S. 565 ff., § 3439 S. 596 ff., § 3440 S. 598 f. sowie Ballantine S. 241 f., Falkenhausen AG 1959 S. 187 f., Kronstein S. 479 f., Lattin S. 223 f. und 231, Stevens S. 295, Trumpier S. 96, Model Bus. Corp. Act Ann., Band 1, S . 278 f.; zur Ultra-vires-Lehre und der neueren Lehre über capacity und authority der corporation und ihren teilweise unterschiedlichen Auswirkungen siehe oben A. 11. 1. a) mit den dortigen Nachweisen sowie Fleteher Vol. 7 chapter 40 (ultra vires) und chapter 41 (illegal or prohibited contracts).

1. Kapitel: Vergleichende Darstellung

116

6. Verstöße gegen Zuständigkeitstegelungen oder Einzelbestimmungen bei der Aus- und Abwahl der officers der corporation38 • Als Fehler, bei denen ein Beschluß generell nur voidable ist, seien hier angeführt: 1. sonstige Einberufungs- oder Verfahrensmängel, es sei denn, alle shareholdersseien anwesend und stimmten dem Verfahren zu39 ;

2. Verstöße gegen das quorum-Erfordernis, sofern etwa hierfür die Stimme eines Mitgliedes des board of directors mit Interessenkollision ausschlaggebend ist40 ; 3. Verstöße gegen Mehrheitserfordernisse, sofern etwa hierfür. die Stimme eines Mitgliedes des board of directors mit Interessenkollision ausschlaggebend ist41 •

111. Die Geltendmachung der Fehlerhaftigkeit Für das US-Recht soll versucht werden, einerseits Grundsätze für die jeweiligen Voraussetzungen und Wirkungen der Geltendmachung der Fehlerhaftigkeit für die Beschlüsse und Wahlen der einzelnen Organe aufzuzeigen und andererseits jeweils vorweg Grundsätze für die Einschränkungen und Ausschlüsse der Geltendmachung darzutun. Bei diesen Bemühungen ist zu berücksichtigen, daß auch das Prozeßrecht in den USA keineswegs einheitlich ist\ daß es keine zweifelsfreie Unterscheidung zwischen Feststellungs- und Gestaltungsurteilen kennt2 und daß je nach Einzelstaat und je nach Art des fehlerhaften Organaktes die Rechtsinstitute des common law quo warranto, mandamus oder suit in equity oder mögliche gesetzliche Verfahrensvorschriften zur Anwendung kommen können3 • Ferner sei darauf hingewiesen, daß die 38

§ 357

Vgl. Fleteher Vol. 2 etwa § 285 S. 64 ff., § 513 S. 551 ff., § 514 S. 553 ff.,

s. 168 ff.

Vgl. Fleteher Vol. 2 § 411 S. 260 ff., § 412 S . 262 ff., § 416 S. 267; zu den Einzelheiten der Einberufungs- und sonstigen Regularien siehe Fleteher Vol. 2 § 398 S . 243- § 410 S. 260, § 414 S. 264- § 418 S. 268 ff. 40 Vgl. Fleteher Vol. 2 § 426 S. 280 ff., § 428 S. 888 f. sowie § 419 S. 273; vgl. auch Ballantine S. 176, Escher S. 23, Mestmäcker S. 49, Stevens S. 671 ff. 41 Vgl. Fleteher Vol. 2 § 426 S. 282 ff. sowie § 428 S. 888 f. ; vgl. auch Mestmäcker S. 49. 1 Vgl. Engelmann-Pilger S. 20 (dort auch mit dem Hinweis auf die Federal Rules of Civil Procedure [für die Bundesgerichte] und auf die ,.beiden fortschrittlichsten einzelstaatlichen Prozeßordnungen": New York Civil Practive Law and Rules und California Code of Civil Procedure). 2 Vgl. Engelmann-Pilger S. 29 sowie S. 25 ff. und 128 ff. (,.In Rem-Urteile"). 3 Für das shareholders' meeting siehe Fleteher Vol. 5 § 2068 S. 299 sowie §§ 2069 ff. S. 299 ff.; für den board of directors siehe etwa Fleteher Vol. 2 §§ 364 ff. S. 183 ff. (title of office). 39

C. Fehlerhafte Organakte nach U.S.-corporation law

117

jeweils anzuwendenden Regeln bezüglich der Geltendmachung der Fehlerhaftigkeit in der Literatur häufig ganz unsystematisch bei den Darstellungen der einzelnen Fehler der Organakte angeführt werden. 1. Die fehlerhaften Organakte des shareholders' meeting

Die Geltendmachung der Fehlerhaftigkeit von Beschlüssen ist in der Regel durch die folgenden allgemeinen Rechtsgrundsätze eingeschränkt4 : 1. fehlende Kausalität des Fehlers für die Beschlußfassung, sofern also der Fehler ohne Einfluß auf ·das Zustandekommen des Beschlusses gewesen ist 5 ;

2. Verzicht auf die Geltendmachung von Verfahrensfehlern, sofern also die Shareholders sich auf Verstöße gegen Einberufungs- oder sonstige Verfahrensvorschriften nicht berufen wo11en6 ; 3. Verwirkung der Geltendmachung durch Duldung der Fehlerhaftigkeit, sofern also ein shareholder an der Beschlußfassung teilnimmt, ohne Widerspruch gegen die Fehlerhaftigkeit zu erheben7 • Ferner kann die Geltendmachung fehlerhafter Beschlüsse auch durch ratification ausgeschlossen sein, die sowohl durch ausdrückliche Bestätigung des Beschlusses als auch durch acquiescence (stillschweigende Genehmigung oder Duldung) herbeigeführt werden kann8 • Die ratification bestimmter schwerer void acts, so der Nicht- und Scheinorganakte sowie der illegal (prohibited by statute or against public policy) und fraudulent acts, wird grundsätzlich wohl unzulässig sein9 • Die Fehlerhaftigkeit der Beschlüsse wird in der Regel mittels eines suit in equity geltend zu machen sein10• Klagebefugt sind grundsätzlich Siehe schon oben C. II. 1. Vgl. Fleteher Val. 5 § 2044 S. 180, § 2063 S. 263, § 2011 S. 63 f. 8 Vgl. Fleteher Vol. 5 § 2024 S. 113, § 2063 S. 263, § 1999 S. 19, § 2011 S. 63. 7 Vgl. Fleteher Val. 5 § 2024 S. 113, § 2044 S. 180 f., § 2063 S. 263, § 2005 S. 40, § 1999 s. 19, § 2011 s. 64. 8 Vgl. Fleteher Vol. 5 § 2063 S. 263 (fehlerhafte Stimmabgabe), § 2024 S. 113 (acts at an invalid meeting), § 1999 S. 19 (fehlerhafte calling), § 2011 S. 64 (fehlerhafte notice); sowie Vol. 13 § 5795 S. 96 mit den dortigen Verweisungen; zum Erfordernis der Kenntnis der Fehlerhaftigkeit siehe Fleteher Vol. 5 § 2063 S. 263; vgl. auch Fleteher Vol. 5 § 2011 S. 65 (fehlerhafte ratification). 9 Vgl. Fleteher Vol. 5 § 1999 S. 19 (Einberufung durch unbefugten shareholder-Scheinorganakt) sowie Vol. 13 § 5795 S. 96 mit den dortigen Verweisungen; vgl. hierzu Fleteher Vol. 2 § 429 S. 290 f. und 294 sowie § 764 S. 1082 ff. (siehe dort auch die Möglichkeit, bestimmte schwere void acts durch einstimmigen Beschluß zu ratifizieren). 10 Vgl. Fleteher Vol. 5 § 2068 S. 299, § 2070 S. 301 f.; zum Rechtsinstitut der injunction ("einstweilige Verfügung") siehe Fleteher Vol. 5 § 2071 S. 306, § 2072 S. 309 ff; zur gerichtlichen Einklagbarkeit von voting agreements und dergleichen für die einzelne Abstimmung siehe Fleteher etwa Vol. 5 § 2067 s. 296 f., § 2095 s. 393 f. 4

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1. Kapitel: Vergleichende Darstellung

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nur die Shareholders und die corporation, und auch diese nur beim Nachweis eines Rechtsschutzbedürfnisses11 • Das obsiegende Urteil aufgrundeiner derartigen Klage wird generell nur die Unwirksamkeit des Beschlusses feststellen12, kann jedoch im Einzelfall gegebenenfalls weitere Anordnungen treffen13• Ein derartiges Urteil wird in der Sachentscheidung grundsätzlich inter omnes wirken14• Die Geltendmachung der Fehlerhaftigkeit von Wahlen ist ebenfalls durch die soeben aufgezeigten allgemeinen Rechtsgrundsätze sowie durch ratification eingeschränkt15 • Insbesondere ist die Einschränkung der Geltendmachung durch das Institut des de facto officer18 von großer Bedeutung. Das Institut des de facto officer

Das durch einen fehlerhaften Organakt gewählte Mitglied des board of directors - der Hauptanwendungsfall des Institutes des de facto officer17 und im folgenden stets nur de facto officer genannt - ist nämlich grundsätzlich zunächst wie ein ordentlich gewählter director zu behandeln18• Obschon an dieser Stelle der Arbeit systematisch nur der de facto officer im Zusammenhang mit einer Wahl des shareholders' meeting betrachtet werden dürfte, soll hier auch der de facto officer, 11 Vgl. Fleteher Vol. 5 § 2068 S. 299, § 2070 S. 301 f .; vgl. auch Fleteher Vol. 5 § 2072 S. 309; eine Klage kann im Einzelfall als verspätet/verwirkt zurückgewiesen werden, vgl. Fleteher Vol. 5 § 2070 S. 301; zur Klagebefugnis eines betroffenen Dritten siehe Fleteher etwa Vol. 5 § 2024 S. 112 (115); zu der Möglichkeit, daß sich ebenfalls eine derivative action eines shareholder etwa bei einem außergerichtlichen Vergleich mit der corporation finanziell für diesen bezahlt machen kann, siehe Schurtman/Walter S. 98. 12 Vgl. Fleteher Vol. 5 § 2070 S. 301 f.; vgl. auch Engelmann-Pilger S. 27. 13 Vgl. Fleteher Vol. 5 § 2070 S. 302. 14 Vgl. Engelmann-Pilger S . 27 f. und 130 ff. sowie S. 136 ff. (zum Schutz betroffener Dritter, insbes. zur Due-process-clause) ; vgl. auch Ehrenzweig s. 79 ff. 15 Siehe oben S. 169 sowie ferner auch Fleteher Vol. 5 § 2005 S. 40 f., § 2011 S. 69, § 2024 S. 111 ff., § 2044 S. 180 ff., § 2049 S. 201 f., § 2063 S. 262 ff. und Vol. 2 § 291 77 f ., § 293 80, § 312 99 f. 16 Vgl. Fleteher Vol. 2 §§ 372 ff. S. 200 ff., Ballantine S. 148 ff., Cook Vol. 4 § 713 S. 2933 ff., Lattin S. 263 ff., Stevens S. 742 ff. sowie ferner 19 American Jurisprudence 2 d §§ 1100 ff. S . 543 ff., 19 Corpus Juris Secundum §§ 739 f. 76 ff. 17 Vgl. Fleteher Vol. 2 § 372 S. 200, Ballantine S. 148; das Institut des de facto officer ist aufgrund ihrer eigenständigen Stellung in der corporation auch auf die officers der corporation, nicht aber auf deren employees anzuwenden, vgl. Fleteher Vol. 2 § 380 S. 215 (dort der Fall eines de facto president); zur Abgrenzung der Mitglieder des board of directors zu den officers und zu den employees siehe oben A. li. 1. a). 18 Vgl. Fleteher Vol. 2 § 380 S. 214 f. mit den dortigen Verweisungen, Ballantine S. 148 f., Escher S. 38 f., Stevens S. 742 sowie beispielsweise Consumers' Salt Co. v. Riggins 282 P. 954 ff. (S. C. of Cal. 1929).

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der im Wege der Kooptation aus einem fehlerhaften Organakt des board of directors hervorgegangen ist, mitbehandelt werden, da die US-Rechtsprechung und Literatur zwischen diesen beiden Arten des de facto officer nicht unterscheidet19• Zunächst sollen der Ursprung des Institutes des de facto officer sowie dessen Entwicklung dargestellt werden. Dem Institut des de facto officer liegen die allgemeinen Grundsätze einer de facto Doktrin zugrunde20 , die erstens die Anerkennung fehlerhafter Regierungen, zweitens die Anerkennung fehlerhafter öffentlicher und privater corporations und drittens die Anerkennung der Handlungen fehlerhaft gewählter oder bestellter officers zu regeln versucht21 • Diese de facto Doktrin ist aus der Notwendigkeit entstanden, einerseits die Öffentlichkeit und Dritte vor dem Erfor-dernis zu schützen, stets zunächst den Rechtstitel der Regierungen, der corporations oder deren officers zu erkunden, und andererseits die Regierungen, die corporations und deren officers vor der Verpflichtung zu bewahren, stets zunächst ihren Rechtstitel nachzuweisen oder inzidente Angriffe hiergegen abzuwehren22 • Die de facto Doktrin soll letztlich dem Ziel dienen, im Fall der Ausübung möglicherweise oder tatsächlich fehlerhafter Befugnisse die Öffentlichkeit sowie die einzelnen Bürger, bzw. Rechtsparteien vor Unsicherheit und Verwirrung zu schützen und Gerechtigkeit und Rechtssicherheit zu schaffen23 • In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, daß die Anwendung dieser allgemeinen Grundsätze auf fehlerhafte corporations aufgrund der Besonderheiten des US-Gründungsrechtes für corporations zu dem eigenständigen Institut der de facto corporation geführt hat24 • Hierbei ist in der Literatur nicht unumstritten, ob der gute Glaube good faith oder bona fides genannt - als ein notwendiges Element dieses Institutes zu werten ist oder nicht25 • 19 Vgl. State v. Carroll 38 Conn. 449 ff. (S. C. of Conn. 1871), In re George Ringler & Co. 97 N. E. 593 ff. (C. A. of N. Y. 1912); vgl. auch Ballantine S. 149, Lattin S. 264, Stevens S. 744 f. 20 Vgl. Constantineau S. 4 f., Escher S. 37. 21 Vgl. Constantineau S. 3 ff. 22 Vgl. Constantineau S. 5 ff. ; vgl. auch State v. Carroll 38 Conn. 449, 467. 23 Vgl. Constantineau S. 4 und 5 f. 24 Vgl. Baruch S. 1 und 3 sowie Fußnote 2 auf Seite 7 mit dem dortigen Hinweis, daß eine Analogie zum Prinzip des de facto officer nur schwerlich ersichtlich sei, sowie Bodungen S. 313 f.; zur de facto corporation siehe auch Ballantine S. 68 ff., Lattin S. 183 ff., Stevens S. 135 ff., Trumpier S. 41 f. 25 Bejahend Bodungen S. 319, 321 f. und 329 f. mit dem dortigen Hinweis, daß andererseits das deutsche Recht aufgrund des § 15 HGB das Erfordernis des guten Glaubens nicht kennt, sowie Ballantine S. 77, Lattin S. 184 f., Stevens S. 146 ff. ("no agreement as to what constitutes a bona fide . .." S. 146), Trumpier S. 42; verneinend Baruch S. 38 ff. (insb. S. 41 f.).

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1. Kapitel: Vergleichende Darstellung

Der Ursprung des Institutes des de facto officer liegt im Bereich des public officer28 • So behandelt auch der leading case 27 State v. Carroll den Fall eines judge de facto und verweist in seinen grundlegenden Entscheidungsgründen u. a. auf die englischen Fälle des Abbe of Fountaine (1431) sowie der kings de facto (1461) aus den Zeiten der Wars of the Roses 28 • Wenn auch der public officer im Vergleich zum private officer29 aus Gründen des öffentlichen Interesses - hier der öffentlichen Rechtssicherheit - eine dringendere Notwendigkeit zur Anerkennung eines ·de facto officer begründet30, so anerkennt die Rechtsprechung und die Literatur - von wenigen Ausnahmen abgesehen - auch den private de facto officer und macht grundsätzlich zwischen diesen beiden Arten des de facto officer keinen Unterschied31 • Der de facto officer in der corporation wird also etwa in Herbst v. Held32 unter Zitieren von State v. Carroll "upon the principles of policy and justice" entsprechend den Grundsätzen .der de facto Doktrin mit "justice and necessities of society" begründet33• Diese oft zitierte "public policy" für den de facto officer ist jedoch bei den zwei unterschiedlichen Fallkonstellationen für die corporation aus zwei unterschiedlichen Argumentationsketten abzuleiten: 1. Bei Handlungen gegenüber der Öffentlichkeit und Dritten - also im Außenverhältnis - folgt die Notwendigkeit zur Anerkennung eines de facto officer aus der apparent authority des officer - Anschein - 34 und soll Rechtssicherheit und Gerechtigkeit verwirk28 Vgl. Fleteher Vol. 2 § 372 f. S. 200 ff., 6 Nat. Corp. Rep. 372 (1893) sowie Constantineau S. 13 ff.; siehe hierzu auch den Fall eines constable de facto Petersilea v. Stone 119 Mass. 465 ff. (S. J. C. of Mass. 1876). 27 Constantineau S. 15. 28 Vgl. 38 Conn. 449, 458 f.; vgl. hierzu Constantineau S. 9 f., Fleteher Vol. 2 § 373 S. 203 und § 384 S. 221. 29 Bemerke, daß der Begriff des private officer wohl im Vergleich zu dem des public officer - als Träger eines öffentlichen Amtes - entstanden ist und daß daher der Begriff des private officer grundsätzlich das Mitglied des board of directors - als Träger eines Amtes in der corporation - meint; zur Anwendbarkeit des de facto officer auf die officers der corporation siehe oben die Fußnote 17. 30 Vgl. Richards v. Farmers' & Mechanics' Institute of Northampton County 26 A. 210, 211 (S. C. of Penna. 1893). 31 Vgl. Constantineau S. 5, Fleteher Vol. 2 § 372 S. 201 f. und § 373 S. 202 mit den dortigen Verweisungen; vgl. auch Ballantine S. 150 (differenzierend). 32 190 N. W. 153 ff. (S. C. of Iowa 1922). 33 Vgl. 190 N. W. 153, 154 f.; vgl. auch Carpenter v. Clark 185 N. W. 868, 870 f. (S. C. of Mich. 1921), In re George Ringler & Co. 97 N. E. 593, 597 ff. sowie Fleteher Vol. 2 § 372 S. 200. 34 Vgl. In re George Ringler & Co. 97 N. E. 593, 597, Moses v. Tompkins 4 So. 763, 767 (S. C. of Alabama 1888); vgl. schon State v. Carroll 38 Conn. 449, 457 und 470; siehe auch Ballantine S. 150.

C. Fehlerhafte Organakte nach U.S.-corporation law

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liehen, und zwar hier im Sinne des Schutzes Dritter als Unterfall eines allgemeinen Prinzipes von Treu und Glauben35 • 2. Bei Handlungen gegenüber der corporation und den shareholders - also im Innenverhältnis - ergibt sich diese Notwendigkeit aus der acquiescence gegenüber dem officer - Duldung - 36 und soll ebenfalls Rechtssicherheit und Gerechtigkeit schaffen, und zwar hier als besonderen Anwendungsfall des allgemeinen Prinzipes von Treu und Glauben bezogen auf die innergesellschaftlichen Verhältnisse37. Für diese letztere Fallkonstellation leugnet die Alabama rule - siehe Moses v. Tompkins - als beachtliche Mindermeinung38 zwar die Anwendungsmöglichkeit der Doktrin des de facto officer39 , anerkennt aber wohl inhaltlich in den Entscheidungsgründen ihrer Grundsatzentscheidung diese Lösungsmöglichkeit40 • Nachdem der Ursprung und die Begründung für das Institut des de facto officer dargelegt wor:den sind, sollen nunmehr die einzelnen Voraussetzungen für die Anerkennung als de facto officer aufgezeigt werden. Hierbei werden gleichzeitig die Grenzen der Anwendbarkeit der Regeln über den de facto officer, z. B. im Falle eines usurper41 er35

Vgl. Consumers' Salt Co. v. Riggins 282 P . 954, 956, In re George Ringler

& Co. 97 N. E. 593, 597, Moses v. Tompkins 4 So. 763, 767; vgl. schon State

v. Carroll 38 Conn. 449, 467 und 471 f.; siehe auch Escher S. 37, Fleteher Vol. 2 § 383 S. 218 ff. mit dem dortigen Hinweis auf das principle of estoppel (S. 220) sowie 6 Nat. Corp. Rep. 429 (1893) (auf diesen Fall beschränkend); zur Abgrenzung des de facto Argumentes gegenüber dem principle of estoppel, die sich rechtstheoretisch wohl gegenseitig ausschließen, siehe beispielsweise für die de facto corporation Baruch S. 17 ff. (22), 46 f. und 49 f. sowie Bodungen s. 322 f. 36 Vgl. Herbst v. Held 190 N. W. 153, 155; vgl. auch Blair v. Bishop's Restaurants 217 P . 2 d 161, 163 f. (S. C. of Oklahoma 1950) (de facto secretarytreasurer), In re Bankers Trust 403 F. 2 d 16, 20 f. (U. S. C. A. 7th Circ. 1968) (de facto trustees). 37 Vgl. Herbst v. Held 190 N. W. 153, 155; vgl. auch Ohio and Mississippi Railroad Co. v. McPherson 35 Mo. 13, 27 f. (S. C. of Missouri 1864), Nelson v. Northland Life Ins. Co. 266 N. W. 857, 861 (S. C. of Minn. 1936), State v. Kylmanen 231 N. W. 197, 199 (S. C. of Minn. 1930); siehe auch Ballantine S. 150, Cook Vol. 1 S. 2273, sowie Fleteher Vol. 2 § 386 S. 222 und 224 (siehe Cumulative Supplement); siehe aber auch teilweise ablehnend Stevens S. 744 ff. 38 Vgl. Escher S. 39 sowie Fleteher Vol. 2 § 386 S. 222. 39 Vgl. Moses v. Tompkins 4 So. 763, 764 (the de facto rule "is not applicable as between the directors and the shareholders") und 767 (.,The acts of officers de facto are only valid when third persans have rights and interests to be protected."); vgl. auch Schwab v. Frisco Min. & Mill. Co. 60 P. 940 942 (S. C. of Utah 1900), Stratton-Massachusetts Gold Mines Co. v. Davis 111 N. E. 375, 377 f. (S. J. C. of Mass. 1916). 40 Vgl. Moses v. Tompkins 4 So. 763, 767, Schwab v. Frisco Min. & Mill. Co. 60 P . 940, 942; vgl. auch Fleteher Vol. 2 § 386 S. 223. 41 Auch intruder genannt, vgl. Waterman v. Chicago & I. R. Co. 29 N. E. 689, 691 und 692 (S. C. of Ill. 1892) (president), Fleteher Vol. 2 § 374 S. 204 ff.;

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1. Kapitel: Vergleichende Darstellung

sichtlich werden42 • Es sei ferner angemerkt, daß sofern ein Gericht feststellt, ein director sei "at least a de facto officer, if not a de jure officer", das Gericht sich eventuell nur eine eingehendere Prüfung ersparen will und eine exakte rechtliche Würdigung des Falles möglicherweise einende jure Status für den director ergeben würde43 • Die Voraussetzungen für die Anerkennung als de facto officer sind in den zwei unterschiedlichen Fallkonstellationen teilweise gleich - siehe die Voraussetzungen 1. und 2. - und teilweise unterschiedlich- siehe die Voraussetzung 3. -: 1. ein Wahl- oder Bestellungsakt4 \ der teilweise als notwendiges Element gewertet wird45 ,

so zumindest ein früherer Akt im Fall des Ablaufens einer Amtszeit (hold over)46 , und/oder allein die faktische Innehabung der Stellung eines director47 • Als typische Fehlerquellen bei einer Wahl oder Bestellung, bei denen ein rde facto officer anerkannt worden ist, seien hier genannt: a) Einberufungs- oder sonstige Verfahrensfehler48 , so etwa eine Wahl oder Bestellung außerhalb des Staates49 ; vgl. schon Petersilea v. Stone 119 Mass. 465, 467 ("usurper or intruder" has no color of title to the office). 42 Eine allgemeine Regel, daß bei void acts im Sinne besonders schwerer Fehler im Gegensatz zu irregular acts ein de facto officer nicht anerkannt werden kann, läßt sich nicht aufstellen, vgl. Fleteher Vol. 2 § 376 S. 208 ff. mit den dortigen Verweisungen sowie unten bei den Einzelbeispielen, in denen ein de facto officer angenommen worden ist. 43 Vgl. etwa Fleteher Vol. 2 § 375 S. 208 mit den dortigen Verweisungen. 44 Vgl. Consumers' Salt Co. v. Riggins 282 P. 954, 955 f., Moses v. Tompkins 4 So. 763, 766; vgl. schon State v. Carroll 38 Conn. 449, 471 f.; vgl. auch Fleteher Vol. 2 § 374 S. 204 und § 376 S. 208. 45 Vgl. Moses v. Tompkins 4 So. 763, 766, Franco-Texan Land Co. v. Laigle 59 Tex. 339, 344 (S. C. of Texas 1883); vgl. auch 6 Nat. Corp. Rep. 372. 48 Vgl. Baker v. Smith 102 A. 721, 725 ff. (S. C. of R. I. 1918), Doehler v. Lansdon 298 P. 200, 204 (S. C. of Oregon 1931); vgl. auch Fleteher Vol. 2 § 375 S. 208 und § 344 S. 137 ff. 47 Vgl. Herbst v. Held 190 N. W. 153, 154 f., Welker v. Anheuser-Busch Brewing Ass'n 114 N. W. 745, 746 (S. C. of Minn. 1908); vgl. schon State v. Carroll 38 Conn. 449, 471 sowie Petersilea v. Stone 119 Mass. 465, 469; vgl. auch Fleteher Vol. 2 § 374 S. 206 f. (siehe dort auch Indizien für die faktische Innehabung, z. B. Besitz der Gesellschaftsbücher). 48 Vgl. Nelson v. Northland Life Ins. Co. 266 N. W. 857, 861; vgl. schon State v. Carroll 38 Conn. 449, 472; vgl. aucQ. Fleteher Vol. 2 § 376 S. 208 ff. 49 Vgl. Ohio & Mississippi Railroad Co. v. McPherson 35 Mo. 13, 27 f.; vgl. auch Fleteher Vol. 2 § 376 S. 209 f.; a. A. Franco-Texan Land Co. v. Laigle 59 Tex. 339, 344 (Organakt void - im Gegensatz zu irregular), Stroh v. Odom 225 S. W. 2 d 626, 629 (Tex. Civ. App. 1950).

C. Fehlerhafte Organakte nach U.S.-corporation law

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b) Verstöße gegen Wählbarkeitsvoraussetzungen50 , so etwa gegen eine erforderliche Eigenschaft als shareholder51 ; c) Verstöße gegen Regelungen über die Höchstzahl der directors52 ; d) Beschlußfassung ohne das erforderliche quarum oder ohne die erfor-derliche Mehrheit53 • 2. die Tätigkeit als director für die corporation5~ und 3. a) im Verhältnis gegenüber der Öffentlichkeit und Dritten: die apparent authority des director55 , solange der Dritte keine Kenntnis von der Fehlerhaftigkeit der Wahl oder Bestellung des director hat56 • Da keine Erkundigungspflicht für den Dritten besteht, kann auch nicht der gute Glaube (im Sinne fahrlässiger Unkenntnis) des 50 Vgl. Copper Belle Mining Co. v. Costello 100 P. 807, 810 (S. C. of Arizona 1909); vgl. schon State v. Carroll 38 Conn. 449, 471 f.; vgl. auch Fleteher Vol. 2 § 377 S. 211 ff. sowie § 378 S. 213; a. A. In re Newcomb 18 N. Y. S. 16 ff. (S. C. of Cattarangus County 1891) (fehlerhafter Wahlgang und Neuwahlen). 51 Vgl. San Jose Savings Bank v. Sierra Lumber Co. 63 Cal. 179, 180 ff. (S. C. of Cal. 1883), Beardsley v. Johnson 23 N. E. 380, 381 (C. A. of N. Y. 1890). 52 Vgl. Chandler v. Hart 119 P. 516, 522 f. (S. C. of Cal. 1911), McWhirter v. Washington Royalties Co. 152 A. 220, 222 f. (C. of Chancery of Dei. 1930); siehe aber andererseits die allgemeine Regel, daß überhaupt ein de jure office vorhanden sein muß, vgl. Cohen v. Miller 68 A. 2 d 421, 424 (Sup. C. of N. J. 1949) (ein Fall von usurpers aufgrundfehlerhafter Gründungsvorgänge); vgl. allgemein Fleteher Vol. 2 § 376 S. 213 f. mit den dortigen Verweisungen. 53 Vgl. Baggot v. Turner 58 P. 212, 213 f. (S. C. of Washington 1899), Consumers' Salt Co. v. Riggins 282 P. 954, 954 ff. 54 Vgl. Waterman v. Chicago & I. R. Co. 29 N. E. 689, 691 f., In re Campeil County Hardware Co. 15 F. 2 d 78, 81 f. (D. C., E. D. Tenn. 1924); vgl. schon Umatilla Water User' Ass'n v. Irvin 108 P. 1016, 1020 f. (S. C. of Oregon 1910); vgl. auch Fleteher Vol. 2 § 374 S. 206. 55 Siehe auch die häufig, ähnlich benutzte zusammengezogene Formulierung der Voraussetzungen des de facto officer: "in actual possession of an office, u n d e r c 1 a i m a n d c o 1 o r of an election or appointment, and ... in the exercise of its functions" Waterman v. Chicago & I. R. Co. 29 N. E. 689, 691 (Sperrung des Verf. zur Verdeutlichung dieser Fußnote), vgl. Moses v . Tompkins 4 So. 763, 766; vgl. allgemein Consumers' Salt Co. v. Riggins 282 P. 954, 955 f., In re Bankers Trust 403 F. 2 d 16, 20 ("color of right or title mercely means" authority derived from an election or appointment, however irregular or informal, so that the incumbent be not a mere volunteer") (Zitat Fletcher); vgl. schon State v. Carroll 38 Conn. 449, 457 ("officers having the apparent authority to act"); vgl. auch Fleteher Val. 2 § 374 S. 204 ff. 56 Vgl. Orr Water Ditch Co. v. Reno Water Co. 30 P. 695, 696 (S. C. of Nevada 1882) ("nor where all parties interested have knowledge"), Groveland Imp. Co. v. Farmers' Supply Co. 65 P. 529, 530 (S. C. of Washington 1901) ("without knowledge of their true character"), Carpenter v. Clark 185 N. W. 868, 870 f., Stratton-Massachusetts Gold Mines Co. v. Davis 111 N. E. 375, 377; vgl. schon State v. Carroll 38 Conn. 449, 467; vgl. auch Fleteher Vol. 2 § 385 S. 222 sowie § 341 S. 136.

1. Kapitel: Vergleichende Darstellung

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Dritten gefordert werden; allein die tatsächliche Kenntnis zerstört den Rechtsschein57 ; oder b) im Verhältnis gegenüber der corporation und den shareholders: die acquiescence gegenüber dem director seitens der shareholders bei einer Wahl und seitens der anderen directors bei einer Bestellung58, solange diese Kenntnis von der Fehlerhaftigkeit der Wahl bzw. Bestellung haben und keinen Widerspruch oder keine Klage erheben59 • Sofern die Voraussetzungen für die Anerkennung als de facto officer vorliegen, zeitigt die Anerkennung die folgenden Wirkungen: 1. Zunächst ist ein de facto officer grundsätzlich wie ein ordentlich gewählter bzw. bestellter director zu behandeln60 • 2. Ein de facto officer hat also grundsätzlich die gleichen Befugnisse und Pflichten wie ein de jure director61 , also auch gegenüber den shareholders62 • 57 Siehe die Zitate der vorherigen Fußnote; a. A. Escher S. 39 (für Gutgläubigkeit - ohne Begründung). 58 Vgl. Blair v. Bishop's Restaurants 217 P. 2 d 161, 163, Consumers' Salt Co. v. Riggins 282 P. 954, 955 f., Nelson v. Northland Life Ins. Co. 266 N. W. 857, 861, Independence Lead Mines Cod. v. Kingsbury 175 F. 2 d 983, 986 (U. S. C. A. 9th Circ. 1949); vgl. auch Fleteher Vol. 2 § 386 S. 222; a. A. - gegen die Anwendung der Doktrin des de facto officer - die Alabama rule: Moses v. Tompkins 4 So. 763, 767 (siehe dort aber auch die Aussage: "lf persans ... in Opposition to the will of a majority of the stockholders, they are mere usurpers"), Schwab v. Frisco Min. & Mill. Co. 60 P. 940, 942 (siehe dort aber auch die Aussagen: "These who usurp the duty of directors, without the acquiescence, knowledge, or against the wishes of the stockholders, are not officers." "The acts of de facto officers are valid only when third parties have rights and interests involved, or when other parties have acquiesced in the acts of such officers, or have by their acts have become estopped from disputing such authority."); vgl. auch People's Mutual Ins. Co. v. Wescott 80 Mass. 440, 441 f. (S. J. C. of Mass. 1860) (wohl keine acquiescence - schwere Fehler- usurpers). 59 Vgl. American Concrete Units Co. v. National Stone-Tile Corp. 1 P. 2 d 1084, 1085 (D. C. of App., Cal. 1931), Blair v. Bishop's Restaurants 217 P. 2 d 161, 163, Consumers' Salt Co. v. Riggins 282 P. 954, 956, Independence Lead Mines Co. v. Kingsbury 175 F. 2 d 983, 986; vgl. auch Stratton-Massachusetts Gold Mines Co. v. Davis 111 N. E. 375, 377 f. (controversy between rival boards of directors). 60 Siehe oben die Ausführungen am Anfang dieses Abschnitts. 61 Vgl. Blair v. Bishop's Restaurants 217 P. 2 d 161, 164, Consumers' Salt Co. v . Riggins 282 P. 954, 956, Ellis v. N. C. Institution for the Deaf, Dumb and Blind 68 N. C. 423, 427 (S. C. of N. C. 1873); vgl. auch Fleteher Vol. 2 § 380 S. 214 f. sowie § 379 S. 214; für Haftungsfragen siehe Fleteher Vol. 2 § 390 S. 226 f. mit den dortigen Verweisungen (so beispielsweise Martin v. Miller 57 N. W. 2 d 878, 884 (S. C. of Mich. 1953) sowie Vol. 5 § 2144 S. 562 mit den dortigen Verweisungen.

C. Fehlerhafte Organakte nach U.S.-corporation law

125

Umstritten ist jedoch besonders die Frage, ob sofern de facto officers einen neuen director bestellen, letzterer ein de jure director so die logische Konsequenz des Grundsatzes - 63 oder ebenfalls nur ein de facto officer ist64 • In diesem Zusammenhang sei angemerkt, daß ein de facto officer grundsätzlich auch - sofern er etwa neben seiner Eigenschaft als director noch als officer der corporation tätig ist - einen Anspruch auf Bezüge, Versorgungsansprüche und dergleichen hat65 • 3. Die Stellung eines de facto officer kann durch Dritte überhaupt nicht inzidenter- beispielsweise in einem Rechtsstreit über Handlungen .der corporation oder der directors unter Berufung auf eine fehlerhafte Wahl oder Bestellung - angegriffen wevden (no collateral attack) 66 • Die Stellung eines de facto officer kann durch die corporation und die shareholders in einem Rechtsstreit über gewöhnliche Hand62 Siehe für Einberufung eines shareholders' meeting Sherwood v. Wallin 99 P. 191, 193 (S. C. of Cal. 1908), Moon v. Moon Motor Car Co. 151 A. 298, 299 (C. of Chancery of Dei. 1930), vgl. auch Nelson v. Northland Life Ins. Co. 266 N. W. 857, 861 (Zitat); siehe für reorganization petition In re Bankers Trust 403 F. 2 d 16, 21; siehe für Einforderung von Einlagen und dergleichen Johnson v . Crawfordsville Railroad Co. 11 Ind. 280, 284 (S. C. of Ind. 1858), Penobscot & Kennebec Railroad Co. v. Dunn 39 Me. 587, 599 (S. J. C. of Maine 1855); vgl. auch State v. Bornefeld 44 Mo. 154, 159 (S. C. of Missouri 1869) (removal of a secretary by a de facto board) sowie Fleteher Vol. 2 § 386 S. 222 f. und Vol. 4 § 1803 S. 595 f.; a. A. - in logischer Konsequenz der Ablehnung der Doktrin des de facto officer im Innenverhältnis - die Alabama rule, vgl. Stratton-Massachusetts Gold Mines Co. v. Davis 111 N. E. 375, 377 f. mit den dortigen Verweisungen. 63 Vgl. Consumers' Salt Co. v. Riggins 282 P . 954, 956 (für agent und Subordinate officer); vgl. schon State v. Harris 3 Ark. 570, 578 (S. C. of Arkansas 1840); vgl. auch Fleteher Vol. 2 § 381 S. 216 sowie § 383 S. 220 (für den Fall eines officer). u Vgl. In re George Hingier & Co. 97 N. E. 593, 598 (wohl aus Furcht vor Mißbrauch der Grundregel - siehe S. 599). 63 Vgl. Hess v. Kismet State Bank 189 P. 919, 920 (S. C. of Kansas 1920) (bank cashier), U. S. Cast Iran Pipe & Faundry Co. v. Henry Vogt Mach. Co. 206 S. W. 806, 813 (C. A. of Kentucky 1918) (receiver); vgl. auch Waterman v. Chicago & I. R. Co. 29 N. E. 689, 692 (kein Anspruch, da mere intruder - siehe dort die allgemeine Aussage: kein Anspruch wenn "another has the real right") sowie Fleteher Vol. 5 § 2144 S. 562 und Vol. 2 § 382 S. 217 f. (ebenda aber ohne Begründung einschränkend - beachte auch den Hinweis auf Mortgage Land Inv. Co. v. McMaine 215 N. E. 192, 196 [S. C. of Minn. 1927] mit der allgemeinen Aussage: "But de facto officers cannot invoke the aid of their own acts as de facto officers to promote their individual interests.") 68 Vgl. American Concrete Units Co. v. National Stone-Tile Corp. 1 P . 2 d /1084, 1085 ("So long as de facto officers ... their title to office cannot be impeached collaterally."), Mechanics Nat. Bank of Newark v. Burnet Mfg. Co. 32 N. J. Eq. 236, 238 (C. of Chancery of N. J . 1880); vgl. auch StrattonMassachusetts Gold Mines Co. v. Davis 111 N. E. 375, 377 sowie Fleteher Vol. 2 § 371 S. 199 f. und § 387 S. 224 f.

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1. Kapitel: Vergleichende Darstellung

lungen ebenfalls nicht inzidenter angegriffen werden (no collateral attack) 67 , anders jedoch in einem Rechtsstreit über Ansprüche, die im direkten Zusammenhang mit der Rechtmäßigkeit der Wahl oder Bestellung stehen - beispielsweise in einem Rechtsstreit über die Bezüge eines de facto officer - (collateral attack) 68 sowie in einem Rechtsstreit, in dem der Rechtstitel des de facto officer direkt angegriffen wird (direct attack or proceeding)89 • Bei der Geltendmachung fehlerhafter Wahlen kann die Hechtmäßigkeit einer Wahl bzw. Bestellung eines director grundsätzlich nur mit Hilfe eines besonderen quo warranto - Verfahrens oder statt dessen, bzw. ergänzend oder daneben mit Hilfe eines besonderen Verfahrens aufgrund spezieller Einzelstaatengesetze überprüft werden70 • Im Einzelfall kann die Geltendmachung fehlerhafter Wahlen auch mittels eines suit in equity erfolgen, und zwar insbesondere sofern ein court of equity bereits aufgrund anderer Streitpunkte wie Betrug oder Schädigung des Gesellschaftsvermögens zuständig ist11 • Antrags- bzw. 61 Vgl. Consumers' Salt Co. v. Riggins 282 P. 954, 956 (siehe auf Seite 955 auch das Zitat "But after he is allowed to become a de facto director, his title to office cannot be attacked collaterally."), Ohio & Mississippi Railroad Co. v. McPherson 35 Mo. 13, 28 ("they became directors de facto, and their authority to act ... could not be questioned by ... a collateral suit."), Young v. Schenk 116 P. 588, 589 (S. C. of Washington 1911) ("They are ... officers de facto, and their title to the offices cannot be impeached collaterally."); vgl. auch Stevens S. 744 ff. (abwägend); a. A. für die Alabama rule: Moses v. Tompkins 4 So. 763, 767 f. ("their authority may be called in question by a stockholder whenever such acts are destructive or affect his proprietary rights" - bedenke aber, daß es sich hierbei um einen besonderen equity suit zur Vermeidung der Schädigung der Gesellschaft handelt); vgl. auch Schwab v. Frisco Min. & Mill. Co. 60 P. 940, 942 (mit der Anmerkung: "when the court [of equity- der Verf.] has jurisdiction for one purpose, and the right and authority of certain persons, as officers, collaterally appear, it will inquire into and determine such questions."). es Vgl. Waterman v. Chicago & I. R. Co. 29 N. E. 689, 692 ("when a person brings an action . . . for recovery of a salary . . ., he neccessarily puts his title to the office in issue."); vgl. auch Fleteher Vol. 2 § 387 S. 225. 69 Vgl. Consumers' Salt Co. v. Riggins 282 P. 954, 956 ("Until he is ousted in a direct proceeding he was a director de facto."); vgl. auch Mortgage Land Inv. Co. v. McMains 215 N. E. 192, 196 (mit der - wohl zu weit gehenden Begründung: "Indeed the doctrine of de facto officer is applicable when third persans are involved and not in case of direct attack as is here involved.") sowie In re George Ringler & Co. 97 N. E. 593, 598 ("direct proceeding"). 70 Vgl. Fleteher Val. 5 § 2068 S. 299, § 2069 S. 299, § 2073 S. 316 ff. (mit den dortigen Verweisungen auf die teilweise unterschiedlichen statutes insbesondere der Staaten California, Delaware, New Jersey und New York) sowie Vol. 2 § 365 S. 183 ff., § 366 S. 187 ff. (siehe in diesem Zusammenhang als Ausnahme das Rechtsinstitut des mandamus ["Anordnung"]), § 369 S. 192 ff. (statutory remedies); vgl. auch Escher S. 34 ff. 71 Vgl. Fleteher Vol. 5 § 2070 S. 301 f. mit den dortigen Verweisungen sowie Val. 2 § 367 S. 189 ff. und § 368 S. 191 f.; siehe auch oben Fußnote 10 (ebenda auch mit den Verweisungen auf das Rechtsinstitut der injunction).

C. Fehlerhafte Organakte nach U.S.-corporation law

127

klagebefugt sind grundsätzlich neben dem Staat nur die corporation, die shareholders und die directors sowie der durch die Fehlerhaftigkeit der Wahl bzw. Bestellung Beschwerte72 , wobei insbesondere der letztere ein Rechtsschutzbedürfnis nachzuweisen haf3 • Die Gerichtsentscheidung kann neben der Absetzung des oder der directors (ousting) auch sonstige erforderliche Anordnungen enthalten7• und wirkt grundsätzlich inter omnes75. Das ousting eines de facto officer wirkt aus Gründen der Rechtssicherheit nur ex nunc für die ZukunfF6 • 2. Die fehlerhaften Organakte des board of directors

Die Geltendmachung der Fehlerhaftigkeit von Beschlüssen des board of directors ist ebenso wie die der Fehlerhaftigkeit von Beschlüssen des shareholders' meeting durch die allgemeinen Rechtsgrundsätze wie fehlende Kausalität, Verzicht und Verwirkung eingeschränkf7. Ferner wird bei einer fehlerhaften Bestellung eines director durch .den board of directors - etwa bei der Besetzung einer Vakanz im board of directors zwischen den Wahlen des shareholders' meeting - die Geltendmachung der Fehlerhaftigkeit durch das Institut des de facto officer begrenzF8 • Die Fehlerhaftigkeit eines Beschlusses kann weiterhin grundsätzlich nicht im Fall der Vertretung der corporation gegenüber Dritten geltend gemacht werden, sofern der Beschluß ins Stadium der Ausführung gelangt ist und der Dritte keine Kenntnis von der Fehlerhaftigkeit hat79, es sei denn, Grundsätze über ultra vires/beyond the authority acts oder über illegal or prohibited contracts schlössen die Einschränkung der Geltendmachung der Fehlerhaftigkeit aus80 • 72 Vgl. Fleteher Vol. 5 § 2073 S. 316 f. sowie Vol. 2 § 365 S. 184 ff. und § 369 S. 196 f.; siehe schon Baggot v. Turner 58 P. 212, 214 sowie Ohio & Mississippi Railroad Co. v. McPherson 35 Mo. 13, 28. 73 Vgl. Fleteher Vol. 5 § 2073 S. 317 f. 74 Vgl. Fleteher Vol. 5 § 2070 S. 302, § 2073 S. 318 sowie Vol. 2 § 365 S. 184, § 369 s. 195 f., § 370 s. 197 f., § 388 s. 225. 75 Vgl. Fleteher Vol. 2 § 365 S. 187 sowie Fußnote 14. 76 Vgl. Fleteher Vol. 2 § 374 S. 207; siehe schon Mechanics Nat. Bank of Newark v. Burnet Mfg. Co. 32 N . J. Eq. 236, 238, Mining Co. v. Anglo-Californian Bank 104 U. S. 192, 196 (S. C. of U. S. 1881). 77 Vgl. Fleteher Vol. 2 § 429 S. 293, § 412 S. 262 ff. sowie § 391 S. 227; siehe oben für das shareholders' meeting C. III. 1. 78 Siehe oben C. 111. 1. 79 Vgl. Fleteher Vol. 2 § 430 S. 294 ff. mit den dortigen Verweisungen. 80 Vgl. Fleteher Vol. 7 chap. 40, z. B . § 3467 S. 624 f. und chap. 41, z. B. § 3603 f. S. 750 f. sowie ferner Fleteher Vol. 2 § 511 S. 550 f. (directors' acts in excess of corporate powers), § 445 S. 339 (officers' authority in ultra vires transactions); siehe in diesem Zusammenhang auch Fleteher Vol. 2 § 449 ff. S. 340 ff. (officers' apparent powers) sowie § 784 S. 1168 (ratification as creating apparent power); siehe fernerEscher S. 86 ff.

128

1. Kapitel: Vergleichende Darstellung

Die Geltendmachung der Fehlerhaftigkeit von Beschlüssen kann ferner durch ratification ausgeschlossen sein81 , die sowohl ausdrücklich oder konkludent als auch durch acquiescence erfolgen kann82 • Im Falle fehlender Zuständigkeit des board of directors kann die ratification nur durch das shareholders' meeting geschehen83• Die ratification hat grundsätzlich - sofern nicht Rechte Dritter berührt werden - ex tune- Wirkung84 • Bestimmte schwere void acts, so ultra vires, illegal (im engeren Sinne) oder fraudulent acts, können generell nicht "ratifiziert" werden85• Die Fehlerhaftigkeit von Beschlüssen des board of directors ist generell wie bei der Fehlerhaftigkeit von Beschlüssen des shareholders' meeting geltend zu machen, und zwar sind grundsätzlich nur die shareholders und die directors klagebefugt88 • Für die Geltendmachung einer fehlerhaften Bestellung eines directors kann hier auf die oben aufgezeigten Grundsätze zum de facto officer verwiesen werden87•

IV. Die Grundsätze bei der Behandlung fehlerhafter Organakte

Ebenso wie bei den fehlerhaften Organakten nach deutschem Aktienrecht sollen auch hier zunächst die wesentlichen Grundsätze für die fehlerhaften Organakte nach U.S.-corporation law kurz skizziert werden und anschließend die Auswirkungen der Fehlerhaftigkeit von Organakten auf zwischenzeitliche Handlungen aufgezeigt werden.

81 Vgl. Fleteher Vol. 2 § 428 S. 287 ff., § 429 S. 289 ff.; vgl. auch Fleteher Vol. 2 § 393 S. 235 f.; siehe auch Fleteher Vol. 2 § 750 ff. S. 103 ff. (ratification and estoppel - bedenke aber, daß dieser Abschnitt sich hauptsächlich mit der ratification von Handlungen Einzelner befaßt), so etwa § 762 S. 1071 ff. 82 Vgl. Fleteher Vol. 2 § 429 S. 293 f.; vgl. auch Fleteher Vol. 2 § 762 S. 1073 ff., § 764 S. 1084 ff., § 773 S. 1139; zum Erfordernis der Kenntnis der Fehlerbartigkeit insbesondere bei acquiescence siehe Fleteher Vol. 2 § 769 S. 1100 ff. sowie allgemein§ 756 ff. S. 1049 ff. 83 Vgl. Fleteher Vol. 2 § 429 S. 291 f. ; vgl. auch Fleteher Vol. 2 § 397 S. 242 f. sowie § 764 S. 1078 ff., § 770 S. 111 (durch acquiescence). 84 Vgl. Fleteher Vol. 2 § 429 S. 289 f.; vgl. auch Fleteher Vol. 2 § 782 S. 1160 und 1163. 85 Vgl. Fleteher Vol. 2 § 429 S. 290 f.; vgl. auch Fleteher Vol. 2 § 752 S. 1044 f. sowie § 764 S. 1082 f. und 1086 f. 86 Siehe oben C. III. 1. sowie Fleteher Vol. 2 § 428 S. 287 f. (mit dem dortigen Hinweis auf die mögliche Klagebefugnis von creditors); vgl. auch Fleteher Vol. 2 § 433 S. 298 ff. (presumptions and burden of proof). 87 Siehe oben C. III. 1. a. E.

C. Fehlerhafte Organakte nach U.S.-corporation law

129

1. Die wesentlichen Grundsätze für die Behandlung der fehlerhaften und sonstigen Organakte

Neben "ordnungswidrigen" und schwebend unwirksamen Organakten enthält das U.S.-corporation law als fehlerhafte Organakte sowohl für das shareholders' meeting als auch für den board of directors void und voidable acts, deren Abgrenzung schwierig und nur im Grundsatz möglich ist. Die Nicht- und Scheinorganakte zählen zu den void acts. Die Behandlung der fehlerhaften Organakte sowohl des shareholders' meeting als auch des board of directors ist nicht generell gesetzlich geregelt, sondern ergibt sich aus einzelnen Gesetzesbestimmungen sowie aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen, die aus Einzelfallgerichtsentscheidungen abgeleitet werden können. Die Fehlerquellen und die Geltendmachung der Fehlerhaftigkeit unterliegen beim shareholders' meeting und beim board of directors weitgehend den gleichen Regeln. Die Geltendmachung der Fehlerhaftigkeit der Organakte ist generell eingeschränkt durch allgemeine Rechtsgrundsätze sowie bei Beschlüssen des board of directors im Fall der Vertretung gegebenenfalls durch den Grundsatz des Schutzes Dritter und bei einer fehlerhaften Wahl oder Bestellung eines director durch das Institut des de facto officer. Das Institut des de facto officer findet Anwendung sowohl gegenüber der Öffentlichkeit und Dritten - hier aufgrund der apparant authority- als auch gegenüber der corporation und den shareholders - hier aufgrund der acquiescence. Die Anerkennung als de facto officer hat im übrigen zur Folge, daß seitens der Öffentlichkeit und Dritter in jedem Fall und seitens der corporation und der shareholders grundsätzlich no collateral attack möglich ist. Die Geltendmachung der Fehlerhaftigkeit der Organakte ist ferner durch ratification ausgeschlossen, die auch durch acquiescence erfolgen kann. Die ratification zeitigt - sofern Rechte Dritter nicht berührt werden - ex tunc-Wirkung. Eine ratification ist allerdings bei bestimmten schweren void acts generell nicht möglich. Die Fehlerhaftigkeit der Organakte kann grundsätzlich nur durch die corporation, die directors und die shareholders geltend gemacht werden. Die Stellung eines de facto officer kann in der Regel überdies nur mittels eines qua warranto - Verfahrens oder eines von entsprechenden besonderen gesetzlichen Vorschriften .geregelten Verfahrens angegriffen werden, und dies auch nur mit ex nunc-Wirkung.

9 Jarzembowskl

1. Kapitel:

130

Vergleichende Darstellung

2. Die Auswirkungen der Fehlerhaftigkeit von Organakten auf zwischenzeitliche Handlungen

Für das Aufzeigen der Auswirkungen der Fehlerhaftigkeit von Organakten auf zwischenzeitliche Handlungen soll entsprechend den fehlerhaften Organakten nach deutschem Aktienrecht unterschieden werden zwischen dem körperschaftsrechliehen Bereich und dem schuldrechtlichen Bereich. Denn im körperschaftsrechtlichen Bereich hat grundsätzlich das Gebot der Durchsetzung der wahren Rechtslage Vorrang, während im schuldrechtlichen Bereich, zumindest sofern der fehlerhafte Beschluß ins Stadium der Ausführung gelangt ist, der Schutz Dritter Vorrang genießt. Bei fehlerhaften Organakten des shareholders' meeting im körperschaftsrechtlichen Bereich führt die Geltendmachung der Fehlerhaftigkeit grundsätzlich zur Unwirksamkeit der daraufhin erfolgten Handlungen wie etwa bei einer Kapitalveränderung innerhalb der corporation1. Anders jedoch im schuldrechtlichen Bereich, sofern der Beschluß wie etwa ein merger/consolidation-Beschluß bereits ins Stadium der Ausführung gelangt ist, da in diesem Fall - abgesehen von einer möglichen Kollusion - der Schutz Dritter die Geltendmachung der Fehlerhaftigkeit des Organaktes begrenzt2 , es sei denn, die Grundsätze über ultra vires/beyond the authority acts und dergleichen stünden dem entgegen3 • Bei fehlerhaften Wahlen des shareholders' meeting kann im Falle eines de facto officer allerdings ausnahmsweise die Geltendmachung der Fehlerhaftigkeit der Wahl nicht die Unwirksamkeit der zwischenzeitlichen Handlungen bewirken, da aufgrund des Institutes des de facto officer derartige directors zunächst wie de jure directors behandelt werden und somit deren Handlungen grundsätzlich nach außen wie ebenfalls nach innen rechtswirksam sind4 • Die fehlerhaften Organakte des board of ·directors führen ebenfalls in der Regel im körperschaftsrechtlichen Bereich zur Unwirksamkeit der zwischenzeitliehen Handlungen, es sei denn, das Institut des de facto officer etwa im Falle einer fehlerhaften Bestellung eines director durch den boavd of directors fände hier ebenfalls entsprechende Anwendung5. Im schuldrechtlichen Bereich kann die Geltendmachung der Fehlerhaftigkeit des Organaktes ebenfalls generell die Wirksamkeit

4

Siehe beispielsweise Fleteher Vol. 11 §§ 5144 ff. S. 207 ff. Siehe beispielsweise Fleteher Vol. 15 §§ 7145 ff. S. 233 ff. Siehe die Hinweise unter C. III. 2. Siehe oben C. III. 1. sowie ferner Fleteher Vol. 2 § 383 S. 218 ff. und § 386

5

Siehe C. III. 1.

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3

s. 222 ff.

C. Fehlerhafte Organakte nach U.S.-corporation law

131

zwischenzeitlicher Handlungen nicht aufheben, da auch hier mit den Einschränkungen einer möglichen Kollusion sowie der Grundsätze über die ultra vires/beyond the authority acts und dergleichen grundsätzlich der Schutz Dritter die Rückwirkung der Fehlerhaftigkeit einschränkt6 •

6

g•

Siehe oben C. 111. 2.

Zweites Kapitel

Vergleichende Analyse Nach der Darstellung der fehlerhaften Organakte nach deutschem Aktienrecht und nach U.S.-corporation law soll nunmehr eine vergleichende Analyse über die Behandlung der fehlerhaften Organakte in einigen Grundsätzen erstellt werden. Hierbei sollen die Besonderheiten, die sich aus den Instituten des faktischen Vorstandsmitgliedes und des de facto officer ergeben, gesondert behandelt werden. Ferner sollen rechtsvergleichend Grundsätze über die faktischen Möglichkeiten der Geltendmachung der Fehlerhaftigkeit von Organakten im Aktienrecht und im corporation law herausgearbeitet werden.

I. Die Organakte Die Organe der Aktiengesellschaft wie der corporation können grundsätzlich nur korporativ und dies in der Regel nur in einer Sitzung durch Beschluß ihren Willen äußern; .dies gilt auch für Wahlen. Beschlüsse und Wahlen sollen unter dem Oberbegriff der Organakte gefaßt werden1• Für die Beschlußfassung insbesondere des Vorstandes sowie des board of directors gibt es aus Gründen der Erleichterung des Entscheidungsprozesses sowie aus Gründen der inneren Organisation der Gesellschaften zahlreiche Ausnahmeregelungen2 • So können einzelne Vorstandsmitglieder, bzw. directors berechtigt sein, anstelle des Organs Entscheidungen bezüglich der Geschäftsführung und der Vertretung für die Gesellschaft bzw. corporation zu treffen. Im U.S.-corporation law können darüber hinaus u. U. auch officers der corporation, insbesondere deren president, die nicht zugleich Mitglieder des board of directors sind, berechtigt sein, selbständig Handlungen für ·die corporation vorzunehmen3 •

1 2

3

Siehe oben die Seiten 84 und 110. Siehe oben die Seiten 18 ff. und 52. Siehe oben die Seiten 53 f.

III. Die Fehlerbartigkeit der Organakte

133

II. Die Regelungen der fehlerhaften Organakte Gesetzliche Regelungen für die fehlerhaften Organakte enthält das Aktienrecht im Aktiengesetz nur für die Organakte der Hauptversammlung und für wenige Sonderfälle des Aufsichtsrates und des Vorstandes, während das corporation law von wenigen besonderen gesetzlichen Vorschriften in einzelnen Staaten abgesehen keine gesetzlichen Regelungen für die Organakte des shareholders' meeting und des board of directors kennt1 • Die fehlerhaften Organakte sowohl des Aufsichtsrates als auch des Vorstandes werden wegen generell fehlender gesetzlicher Vorschriften analog den Vorschriften des Vereinsrechtes des Bürgerlichen Gesetzbuches und ferner gemäß den allgemeinen Rechtsvorschriften und Rechtsgrundsätzen behandelt2 • Die fehlerhaften Organakte sowohl des shareholders' meeting als auch des board of directors werden generell wegen ebenfalls fehlender gesetzlicher Vorschriften allein durch die allgemeinen Rechtsvorschriften und Rechtsgedanken, die insbesondere aus Einzelfallgerichtsentscheidungen zu entnehmen sind, geregeJt3. Die allgemeinen Rechtsvorschriften und Rechtsgrundsätze im Aktienrecht sowie im corporation law, die die fehlerhaften Organakte des Aufsichtsrates und des Vorstandes bzw. des shareholders' meetingund des board of directors regeln, sind trotz einiger Unterschiede bei der Behandlung dieser fehlerhaften Organakte ähnliche, wie bereits im vorigen Kapitel aufgezeigt worden ist und wie im folgenden noch einmal deutlich wird.

111. Die Fehlerhaftigkeit der Organakte Das deutsche Recht kennt als fehlerhafte Organakte einerseits im Aktiengesetz für die Hauptversammlung1 hauptsächlich bei schweren formellen und materiellen Gesetzesverstößen nichtige Organakte sowie bei allen anderen formellen und materiellen Verstößen gegen Gesetzes- oder Satzungsvorschriften anfechtbare Organakte und andererseits entsprechend den Vorschriften des Vereinsrechtes für den Aufsichtsrat und den Vorstand bei allen Gesetzes- oder Satzungsverstößen allein nichtige Organakte2 • Das corporation law unterscheidet zwar sowohl für d as shareholders' meeting als auch für den board of directors in void und voidable acts, 1 2

3

1 2

Siehe oben die Seiten 86 f. , 95 f., 106 f., 110 und 129. Siehe oben die Seiten 87, 95 f. und 106 f. Siehe oben die Seiten 110, 116 f. und 129. Sowie für einige Sonderfälle des Aufsichtsrates und des Vorstandes. Siehe oben die Seiten 85 f. und 107.

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2. Kapitel: Vergleichende Analyse

doch ist die Trennungslinie fließend und nur im Grundsatz zu ziehen3 • In der Tendenz ist wohl festzuhalten, daß in der Praxis der Rechtsstreitigkeiten die void acts vorherrschen, die ähnlich den fehlerhaften ( = nichtigen) Organakten des Aufsichtsrates und des Vorstandes bei fast allen Verstößen gegen formelle oder materielle Gesetzes-, charteroder by-laws-Vorschriften entstehen können. Somit kann für die Fehlerquellen und für die in der Rechtswirklichkeit primär vorkommende Art der Fehlerhaftigkeit festgestellt werden, daß die Fehlerhaftigkeit der Organakte bei dem Aufsichtsrat und Vorstand sowie die bei dem shareholders' meeting und board of directors ähnlich behandelt werden, wie auch die Einschränkung bei der Geltendmachung der fehlerhaften Akte dieser Organe noch verdeutlichen wel"den. Bei allen Organen der . Aktiengesellschaft sind neben den fehlerhaften Organakten Nicht- und .Scheinorganakte möglich, die auch für die Hauptversammlung nicht gesetzlich geregelt sind und die keinerlei Wirksamkeit erlangen können'. Die Nicht- und Scheinorganakte in der corporation fallen zwar unter den Begriff der void acts, werden aber insofern ähnlich wie im deutschen Recht behandelt, als sie wie auch andere bestimmte schwere void acts ""'- hierzu gehören etwa die illegal (im Sinne von prohobited by statute or against public policyj und fraudulent acts sowie die ultra vires/beyond the authority acts - in der Regel nicht "ratifiziert" werden können5 • Ferner kennen das Aktienrecht und das corporation law die zwei weiteren vergleichbaren Arten der Organakte: die ordnungswidrigen Organakte und die schwebend unwirksamen Organakte6 • IV. Die Geltendmacb.ung der Fehlerbartigkeit Im Aktienrecht ist neben wenigen Sonderfällen für den Aufsichtsrat und den Vorstand allein die Geltendmachung der fehlerhaften Organakte der Hauptversammlung spezialgesetzlich im Aktiengesetz geregelt, und zwar für die nichtigen Organakte durch eine Feststellungsklage und für die anfechtbaren Organakte durch eine Gestaltungsklage1. Die Anfechtbarkeit kann nur mittels einer besonderen Klage und nur von einem bestimmten am Gesellschaftsleben beteiligten Personenkreis, die Nichtigkeit hingegen auch über deren besondere a Siehe oben die Seiten 111 f . und 129. 4 Siehe oben die Seiten 86 und 106. 5 Siehe oben die Seiten 111 f., 117, 128 und 129. 6 Siehe oben die Seiten 86, 106 sowie 112, 129. 1 Siehe oben die Seiten 96 ff.

V. Die Einschränkungen der Geltendmachung

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Klage hinaus grundsätzlich von jedermann jederzeit und in jeder Weise geltend gemacht werden2 • Die Nichtigkeit der Organakte des Aufsichtsrates und des Vorstandes, für deren Geltendmachung der Fehlerhaftigkeit wegen generell fehlender spezialgesetzlicher Regelungen die allgemeinen Rechtsvorschriften und Rechtsgedanken anzuwenden sind, kann im Grundsatz ebenfalls von jedermann jederzeit und in jeder Weise vorgebracht werden3 • Da bei einem Rechtsstreit hierüber in der Regel das Gericht angerufen werden wird, ist für eine Feststellungsklage auf das allgemeine Prozeßrecht zurückzugreifen4 • Weil aber für die allgemeine Feststellungsklage das Vorliegen eines Feststellungsinteresses erforderlich ist, wird in der Regel die Geltendmachung der fehlerhaften Organakte des Aufsichtsrates und des Vorstandes auf den Kreis der am Gesellschaftsleben beteiligten Personen beschränkt sein. Im corpor.ation law ist ebenfalls die Geltendmachung der fehlerhaften Organakte sowohl des shareholders' meeting als auch des board of directors grundsätzlich spezialgesetzlich nicht geregelt, so daß die allgemeinen Rechtsvorschriften und Rechtsgrundsätze zur Anwendung gelangen5 • Gemäß dem jeweiligen allgemeinen Prozeßrecht wird die Fehlerhaftigkeit der void wie der voidable acts wegen des Erfordernisses eines Rechtsschutzbedürfnisses ebenfalls wie im deutschen Recht in der Regel nur von den am Gesellschaftsleben beteiligten Personen geltend gemacht werden können6 •

V. Die Einschränkungen der Geltendmachung Das deutsche Recht enthält im Aktiengesetz - abgesehen von wenigen Sonderfällen für den Aufsichtsrat und den Vorstand -nur besondere Regelungen für die Hauptversammlung bezüglich teilweiser Heilungsmöglichkeiten für nichtige Beschlüsse sowie der Möglichkeiten der Bestätigung und der Unanfechtbarkeit durch Fristablauf für anfechtbare Beschlüsse und Wahlen1• Die Geltendmachung der fehlerhaften Organakte des Aufsichtsrates und des Vorstandes ist wegen fehlender gesetzlicher Regelungen allein durch die allgemeinen Rechtsgrundsätze wie fehlende Kausalität, Verzicht oder Verwirkung sowie im Fall der Vertretung gegenüber Drit2

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Siehe oben die Seiten 96 f., 98, 99 f. und 107. Siehe oben die Seiten 102, 105, 106 und 107. Siehe oben die Seiten 102, 105 und 106. Siehe oben die Seiten 110, 116 f., 128 und 129. Siehe oben die Seiten 117 f., 128 und 129. Siehe oben die Seiten 95 f., 97, 99, 100 und 107.

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2. Kapitel: Vergleichende Analyse

ten durch den Vorstand ferner durch dessen gesetzliche Vertretungsbefugnis eingeschränkt2 • Das corporation law kennt generell keine gesetzlichen Regelungen für die Einschränkungen der Geltendmachung der Fehlerhaftigkeit. Somit kann sowohl für das shareholders' meeting als auch für den board of directors die Geltendmachung der fehlerhaften Organakte allein ebenfalls durch die allgemeinen Rechtsgrundsätze wie fehlende Kausalität, Verzicht oder Verwirkung sowie im Fall der Vertretung gegenüber Dritten durch den Grundsatz des Schutzes Dritter, sofern dem aber nicht Grundsätze über ultra vires/beyond the authority acts entgegenstehen, und zusätzlich durch ratification, die allgemein auch durch acquiescence erfolgen kann und die allerdings bei den bestimmten schweren vo1d acts in der Regel nicht möglich ist, ausgeschlossen sein3• Somit kann für die Einschränkungen bei der Geltendmachung der Fehlerhaftigkeit von Organakten festgehalten werden, daß sowohl für den Aufsichtsrat und den Vorstand als auch für das shareholders' meeting und den board of directors mangels gesetzlicher Regelungen in beiden Rechtsol.'ldnungen die ähnlichen einschränkenden allgemeinen Rechtsgrundsätze wie fehlende Kausalität, Verzicht oder Verwirkung angewandt werden. Bei fehlerhaften Organakten des Vorstandes und des board of directors wioo die Geltendmachung der Fehlerhaftigkeit ferner durch den Grundsatz ·des Schutzes Dritter begrenzt, wobei aber das Aktienrecht von der grundsätzlich unbeschränkbaren gesetzlichen Vertretungsbefugnis des Vorstandes ausgeht, während im corporation law die Grundsätze über ultra vires/beyond the authority acts wiederum den Grundsatz des Schutzes Dritter einschränken.

VI. Die Besonderheiten des faktischen Vorstandsmitgliedes und des de facto officer Die Institute des faktischen Vorstandsmitgliedes und des de facto officer sind wegen jeweils nicht vorhandener gesetzlicher Regelung von der Rechtsprechung aus der Notwendigkeit der Rechtswirklichkeit entwickelt worden. Denn die Rechtswirklichkeit hat sowohl im deutschen Aktienrecht als auch noch stärker im U.S.-corporation law das Bedürfnis gezeigt, auch für den Fall einer fehlerhaften Wahl bzw. Bestellung eines Vorstandsmitgliedes oder eines Mitgliedes des board of directors Rechtssicherheit und Einzelfallgerechtigkeit zu gewähren und hierbei einen gerechten Ausgleich zwischen den Interessen der 2 3

Siehe oben die Seiten 101, 102, 105 f. und 107. Siehe oben die Seiten 117, 118, 127 f. und 129.

VI. Die Besonderheiten des faktischen Vorstandsmitgliedes

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Gesellschaft, bzw. corporation und denen der am Gesellschaftsleben beteiligten Personen oder denen Dritter, die im Geschäftsverkehr mit der Gesellschaft stehen, vorzunehmen1 • Das deutsche Recht hat zur Regelung des Falles eines faktischen Vorstandsmitgliedes auf die Grundsätze der Rechtsprechung über die Duldungsvollmacht und die Anscheinsvollmacht zurückgegriffen2 , während das amerikanische Recht für die Behandlung des Falles eines de facto officer die Grundsätze ihrer Rechtsprechung und damit auch der früheren englischen Rechtsprechung über eine allgemeine DeFacto-Doktrin entsprechend angewandt hat3 , die für diesen Fall letztlich auf den Grundsätzen der acquiescence und der apparent authority beruhen4 • So ähneln sich denn die Lösungen der beiden Rechtsordnungen bezüglich der beiden vergleichbaren Institute des faktischen Vorstandsmitgliedes und des de facto officer weitgehend. Zunächst ist für die Anerkennung sowohl eines faktischen Vorstandsmitgliedes als auch eines de facto officer generell erforderlich, daß erstens ein Wahlakt für ein Vorstandsmitglied bzw. für einen director - wenn auch ein fehlerhafter - überhaupt stattgefunden hat oder zumindest eine Person die faktische Stellung eines Vorstandsmitgliedes bzw. director innehat und daß zweitens diese Person die entsprechende Tätigkeit für die Gesellschaft bzw. corporation tatsächlich ausübt5 • Sodann ist im Außenverhältnis die Anerkennung als faktisches Vorstandsmitglied bzw. de facto officer generell erst erforderlich als auch berechtigt, wenn bei einem Dritten, der mit der Gesellschaft, bzw. corporation in Geschäftsverkehr tritt, der Anschein einer rechtmäßigen Tätigkeit als Vorstandsmitglied bzw. director gerechtfertigt ist. In diesem Fall haftet also die Gesellschaft bzw. corporation für den von ihr herbeigeführten oder geduldeten Anschein. Dieser Anschein wird sowohl im Aktienrecht als auch im corporation law grundsätzlich erst durch die Kenntnis des Dritten über die Fehlerhaftigkeit beseitigt6 • Im Innenverhältnis ist die Anerkennung als faktisches Vorstandsmitglied bzw. de facto officer grundsätzlich erst dann erforderlich als auch berechtigt, wenn die Gesellschaft, bzw. corporation die tatsächliche Tätigkeit als Vorstandsmitglied, bzw. director wissentlich duldet 1 2

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Siehe oben die Seiten 103 f. und 120 f. Siehe oben die Seiten 102 f . Siehe oben die Seiten 119 f. Siehe oben die Seiten 120 f. Siehe oben die Seiten 104 und 122 f. Siehe oben die Seiten 105 und 123 f.

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2. Kapitel : Vergleichende Analyse

oder gar damit einverstanden .ist. In diesem Fall ist die Gesellschaft, bzw. corporation aufgrund ihrer Duldung gebunden. Diese Duldung wird sowohl im Aktienrecht als auch im corporation law erst durch Widerspruch oder Klage seitens der Gesellschaft aufgehoben7 • Die Stellung eines faktischen Vorstandsmitgliedes ist im deutschen Recht gerichtlich mit der allgemeinen Feststellungsklage anzugreifen, während im corporation law in der Regel besondere Verfahrensregelungen wie etwa das quo warranto-Verfahren für einen de facto officer zur Anwendung kommen8 • Generell werden aber in beiden Rechtsordnungen nur die am Gesellschaftsleben beteiligten Personen das jeweilige gerichtliche Verfahren betreiben können, nicht aber Dritte und diese schon gar nicht inzidenter (no collateral attack) 9 • Ferner wird in beiden Rechtsordnungen die gerichtliche Entscheidung, die die Fehlerhaftigkeit der Stellung eines Vorstandsmitgliedes bzw. director feststellt, grundsätzlich aus Gründen der Rechtssicherheit wohl gegenüber allen am Gesellschaftsleben Beteiligten und nur ex nunc fürdie Zukunft wirken10 • Da sowohl das faktische Vorstandsmitglied als auch der de facto officer zunächst wie ein ordentlich gewähltes, bzw. bestelltes Vorstandsmitglied, bzw. director zu behandeln sind, sind auch ihre Handlungen im Außenverhältnis gegenüber Dritten wie auch grundsätzlich im Innenverhältnis gegenüber den am Gesellschaftsleben Beteiligten rechtswirksam11 •

Vll. Die faktischen Möglichkeiten der Geltendmachung der Fehlerhaftigkeit · Nachdem die juristischen Möglichkeiten der Geltendmachung der Fehlerhaftigkeit von Organakten der Aktiengesellschaft und der corporation rechtsvergleichend analysiert worden sind, ist nunmehr zu untersuchen, inwieweit die am Gesellschaftsleben Beteiligten, also hauptsächlich .die Aktionäre, bzw. die shareholders und die Organe Aufsichtsrat und Vorstand, bzw. board of directors sowie deren Mitglieder, in der Rechtswirklichkeit die faktischen Möglichkeiten für die Geltendmachung der Fehlerhaftigkeit besitzen. Denn rechtspolitisch ist zu überprüfen, inwieweit die gesetzlich in den be~den Rechtsordnungen vorgehaltenen Regelungen den Bedürfnissen der Beteiligten 7 8 9 10

11

Siehe oben die Seiten 104 f . und 123 f. Siehe oben die Seiten 105, 126 f., 128 und 129. Siehe oben die Seiten 105, 125 ff., 128 und 129. Siehe oben die Seiten 105, 127, 128 und 129. Siehe oben die Seiten 102 f., 108, 118, 124 und 130.

VII. Die faktischen Möglichkeiten der Geltendmachung

139

genügen. Dies um so mehr, als ein öffentliches Interesse an dem ausgeübten Anfechtungsrecht als Verbandskontrolle durch die Betroffenen gesehen werden kann, was zumindest für die großen Publikumsgesellschaften im Streubesitz aufgrund ihrer Bedeutung für Wirtschaft und Gesellschaft anzuerkennen ist. Aus diesen Gründen sollen im folgenden die Bachregeln des Aktienrechtes und des corporation law im Vergleich und in Beziehung zu den jeweiligen Machtverhältnissen zwischen den Organen und innerhalb der Organe untersucht und trotz der mannigfaltigen Konstellationsmöglichkeiten einige vergleichende Grundsätze herausgearbeitet werden. Für den letzteren Zweck kann auf den Abschnitt "Überblick über die Strukturen der Aktiengesellschaft und der U.S.-corporation" in der Vergleichenden Darstellung zurückgegriffen werden. 1. Die fehlerhaften Organakte des Vorstandes und des Aufsichtsrates im Verhältnis zu denen des board of directors

Bei den corporations mit konzentrierten oder hochkonzentrierten shareholdings1 wird die Fehlerhaftigkeit von Organakten des board of directors in der Regel von den Mehrheits- oder Groß-shareholders, sofern sie auch directors sind, oder von ihren Vertrauten im board in der Regel intern im board of directors geregelt. Denn diese Shareholders waren entweder selbst an der Beschlußfassung d er Organakte als directors beteiligt oder haben sich über die Organakte des board of directors informieren lassen, haben die Sachkunde, die Fehlerhaftigkeit zu erkennen, und die faktische Macht im board of directors, Änderungen der fehlerhaften Organakte durchzusetzen oder diese Organakte zu "ratifizieren". Allein die directors, die zugleich Minderheits-shareholders oder deren Vertraute sind, oder sonstige Minderheits-shareholders, sofern letztere überhaupt von der Möglichkeit der Fehlerhaftigkeit Kenntnis erlangen, werden ein Interesse haben, gegen fehlerhafte Organakte des board of directors gerichtlich vorzugehen. Die nötige Sachkunde für das Erkennen der Fehlerhaftigkeit wird bei diesen directors bzw. shareholders grundsätzlich unterstellt werden können, da bei diesem Typ der corporation sich wohl primär unternehmerisch-interessierte Personen beteiligen werden. Zwar sind die Sachregeln für die Geltendmachung im corpor.ation law fast unübersichtlich, doch erleichtert andererseits das equity law diesen directors bzw. shareholders die faktische Möglichkeit, gerichtlich gegen die Fehlerhaftigkeit von Organakten des board of directors vorzugehen. Die Geltendmachung der 1

Siehe oben die Seiten 69 und 74 f.

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2. Kapitel: Vergleichende Analyse

Fehlerhaftigkeit durch die Minderheits-directors bzw. shareholders können die Mehrheits- oder Groß-shareholders allerdings insoweit abwenden bzw. unterlaufen, als sie die fehlerhaften Organakte des board of directors - sofern sie nicht besondere schwere void acts sind - im boavd of directors oder im shareholders' meeting mit ihrer jeweiligen Mehrheit "ratifizieren" können. Bei den Gesellschaften mit konzentriertem oder hochkonzentriertem Aktienbesitz 2 wird die Fehlerhaftigkeit von Organakten des Vorstandes generell intern im Vorstand geregelt, und zwar entweder durch die Vorstandsmitglieder selbst oder indirekt durch die Mehrheits- oder Großaktionäre oder deren Vertraute im Aufsichtsvat, von denen faktisch alle Vorstandsmitglieder abhängig sind. Sollten \nämlich die Vorstandsmitglieder uneins über die Rechtmäßigkeit eines Vorstandsbeschlusses sein, so werden sie kaum das Gericht anrufen, sondern diese Frage - sofern sie sich nicht doch noch intern über die Handhabung des fehlerhaften Organaktes einigen - dem Aufsichtsrat offiziell oder inoffiziell vortragen, in dem die Mehrheits- oder Großaktionäre die Regelung der Fehlerhaftigkeit bestimmen werden. Dies gilt entsprechend, wenn die Mehrheits- oder Großaktionäre oder deren Vertraute ansonsten von einem fehlerhaften Organakt des Vorstandes Kenntnis erlangen. Sofern Minderheitsaktionäre über einen Sitz oder einen Vertrauten im Aufsichtsrat oder ansonsten Kenntnis von der Fehlerhaftigkeit eines Organaktes des Vorstandes erlangen, werden sie gegebenenfalls ebenfalls zunächst versuchen, durch den Aufsichtsvat die Handhabung des fehlerhaften Organaktes regeln zu lassen, und nur - falls dies nicht in ihrem Sinne gelingt - die Rechtmäßigkeit des Organaktes gerichtlich überprüfen lassen. Ebenfalls bei ·diesen Minderheits-Aufsichtsratsmitgliedern bzw. Aktionären wird die Sachkunde für das Erkennen der Fehlerhaftigkeit und der rechtlichen Möglichkeiten zu deren Geltendmachung unterstellt werden können. Eine derartige Geltendmachung der Fehlerhaftigkeit eines Vorstandsorganaktes kann auch in der deutschen Rechtswirklichkeit durch die Mehrheits- und Großaktionäre abgewandt bzw. unterlaufen werden, indem sie direkt oder über den Aufsichtsrat offiziell oder inoffiziell den Vorstand zur Beseitigung der Fehlerhaftigkeit anhalten. Bei diesen Gesellschaften regelt der Aufsichtsrat, genauer gesagt die Mehrheits- oder Großaktionäre unter sich, die fehlerhaften Organakte ·des Aufsichtsrates ebenfalls intern, also hier im Aufsichtsrat. Selbst wenn der Vorstand oder einzelne Vorstandsmitglieder die Fehlerhaftigkeit von Organakten des Aufsichtsrates erkennen sollten, 2

Siehe oben die Seiten 41, 43 f. und 46.

VII. Die faktischen Möglichkeiten der Geltendmachung

141

so werden sie - von gravierenden Fällen, evtl. der eigenen Abberufung abgesehen- kaum das Gericht, sondern vielmehr den Aufsichtsrat selbst anrufen, da sie von den Mehrheits- oder Großaktionären im Zweifel wieder berufen werden wollen oder doch zumindest auf eine gute Kooperation angewiesen sind. Andererseits werden jedoch wohl auch die Mehrheits- oder Großaktionäre Bedenken des Vorstandes gegen die Rechtmäßi-gkeit eines Organaktes des Aufsichtsrates nicht einfach übergehen, weil auch bei diesen Gesellschaften der Vorstand eine eigenständige Position innehat und seine eigene Verantwortung für die Gesellschaft nicht ohne weiteres völlig beiseite legen kann. Wiederum werden es also die Minderheits-Aufsichtsratsmitglieder bzw. Aktionäre sein, die bereit und gegebenenfalls eben gezwungen sind, die Fehlerhaftigkeit von Organakten des Aufsichtsrates gerichtlich geltend zu machen, wozu sie auch in der Regel aufgrund ihrer Bachkunde imstande sein werden. Allerdings ist auch in diesem Fall zu berücksichtigen, daß sich durch die gerichtliche Feststellung der Nichtigkeit eines Organaktes des Aufsichtsrates die Mehrheitsverhältnisse in der Gesellschaft generell nicht ändern werden und daß die Mehrheits- oder Großaktionäre mit der gleichen Mehrheit sodann möglicherweise einen anderen, fehlerfreien, aber in der Sache doch ihren Interessen genügenden Organakt fassen we11den. Bei den großen corporations im Streubesitz3 wird die Fehlerhaftigkeit von Organakten des board of directors generell ebenfalls im board of directors gehandhabt werden, hier allerdings durch den board of directors selbst im Sinne des autonomen management. Sofern dem board of directors ein engeres management sowie outstde directors angehören, können letztere aus ihrer Berater- und in der Wirklichkeit wohl eingeschränkten Kontrollfunktion die Beseitigung der Fehlerhaftigkeit verlangen. Da diese outside directors in d er Regel aber vom engerenmanagementdurch das shareholders' meetingberufen werden, werden die outside directors - falls ihren Anregungen nicht nachgekommen wird -wohl nur in äußerst gravierenden Fällen das Gericht anrufen. Allein die unabhängigen directors, die etwa mittels des cumulative voting als watch dogs in den board of directors hineingewählt worden sind, werden bei fehlerhaften Organakten des board of directors - falls eine Regelung der Fehlerhaftigkeit in ihrem Sinne im board of directors nicht erfolgt - gegebenenfalls gerichtlich gegen die Fehlerhaftigkeit vorgehen. Diese directors werden auch wohl im Gegensatz zu den average shareholders, die bereits im Regelfall gar 3

Siehe oben die Seiten 70 ff. und 75 ff.

142

2. Kapitel: Vergleichende Analyse

keine Kenntnis von einer möglichen Fehlerhaftigkeit eines Organaktes des board of directors erlangen werden, über die Sachkunde zur faktischen Geltendmachung verfügen, zumal sie ja zur Kontrolle des engeren management in den board of directors hineingewählt worden sind. Auch für diesen Fall ist zu beachten, daß die Geltendmachung der Fehlerhaftigkeit eines Organaktes des board of directors möglicherweise durch r.atification im board of directors oder im shareholders' meeting, das generell ebenfalls vom engeren management mittels des proxy system kontrolliert wird, abgewandt bzw. unterlaufen werden kann. Bei den großen Publikumsgesellschaften im Streubesitz4 werden die fehlerhaften Organakte des Vorstandes in der Regel ebenfalls im Vorstand von diesem allein oder im Zusammenwirken mit einflußreichen Aufsichtsratsmitgliedern wie etwa den Banken-Vertretern oder möglicherweise den Arbeitnehmer-Vertretern geregelt werden. Wenn einzelne Vorstandsmitglieder Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit eines Organaktes bekommen sollten, so werden sie versuchen, die Unterstützung .dieser Aufsichtsratsmitglieder zu erhalten und sodann auf den Gesamtvorstand im Sinne der Behebung der Fehlerhaftigkeit einzuwirken. Sollten einzelne Aufsichtsratsmitglieder Kenntnis von der Fehlerhaftigkeit eines Organaktes des Vorstandes erlangen, so werden sie ebenfalls kaum das Gericht anrufen, sondern intern auf den Vorstand einzuwirken versuchen. In diesem Fall wi.rd sich der bei diesen Gesellschaften grundsätzlich autonome Vorstand über die Bedenken der normalen Aufsichtsratsmitglieder, die ja von ihm teilweise selbst vorgeschlagen worden sind und als seine Berater und nicht als seine Kontrolleure tätig sein sollen, leichter hinwegsetzen können als über die einflußreicher Aufsichtsratsmitglieder, die auch bei diesen Gesellschaften über ein eigenes Gewicht verfügen und ein eigenes Interesse an einer beratenden Überwachung gegenüber dem Vorstand haben und daher auch am ehesten von der Möglichkeit eines fehlerhaften Organaktes Kenntnis erlangen werden. Kleinaktionäre werden bei diesen Gesellschaften - zumal sie generell nicht im Aufsichtsrat vertreten sein werden - erst gar nicht von der möglichen Fehlerhaftigkeit eines Organaktes des Vorstandes erfahren und, falls doch, gerichtlich gegen den fehlerhaften Organakt vorgehen müssen, sofern sie hierfür überhaupt die erfo.rderlichen Kenntnisse und Interessen haben. In einem derartigen Fall wird allerdings zu berücksichtigen sein, daß sodann die Fehlerhaftigkeit vom Vorstand aus eigenem Antrieb oder auf Ratschlag der einflußreichen Aufsichtsratsmitglieder behoben werden kann und daß ferner der 4

Siehe oben die Seiten 41 ff., 44 f . und 47 f .

VII. Die faktischen MÖglichkeiten der Geltendmachung

143

Kleinaktionär im Einzelfall Schwierigkeiten haben mag, sein Feststeilungsinteresse für die Klage nachzuweisen. Bei diesen Gesellschaften wird die Fehlerhaftigkeit von Organakten des Aufsichtsrates ebenfalls intern, hier im Aufsichtsrat selbst, und zwar von den Aufsichtsratsmitgliedern eigenständig oder auf Veranlassung des Vorstandes gehandhabt werden. Denn der bei diesen Gesellschaften grundsätzlich mächtige Vorstand wird ein Interesse haben, daß die Fehlerhaftigkeit von Organakten des Aufsichtsrates beseitigt wird oder daß zumindest doch nicht das Gericht für die internen Angelegenheiten "seiner" Gesellschaft angerufen wird. Die vom Vorstand vorgeschlagenen und von der Hauptversammlung formal gewählten Aufsichtsratsmitglieder werden in diesem Sinne mit dem Vorstand mehr oder weniger freiwillig zusammenarbeiten. Allein die einflußreichen Aufsichtsratsmitglieder wie etwa die Banken-Vertreter oder die möglichen Arbeitnehmer-Vertreter hätten das Gewicht, das Standvermögen und die Kenntnisse, die Fehlerhaftigkeit von derartigen Organakten gerichtlich geltend zu machen. Doch werden auch sie in der Regel wohl eher innerhalb der Gesellschaft eine Regelung suchen und diese auch vom Vorstand erhalten. Wiederum werden es Kleinaktionäre sein, die - sofern sie überhaupt von der Fehlerhaftigkeit von Organakten des Aufsichtsrates Kenntnis erlangen und dadurch betroffen sind - ein Interesse am Anrufen des Gerichtes zur Durchsetzung ihrer Interessen haben werden, soweit sie nicht vor oder nach Klagerhebung einen Ausgleich mit der Gesellschaft anstreben und erreichen. Somit kann für die fehlerhaften Organakte des Vorstandes und des Aufsichtsrates im Verhältnis zu denen des board of directors folgendes festgestellt werden: Angesichts der Machtstrukturen innerhalb der Aktiengesellschaft und der corporation werden sowohl bei den Gesellschaften bzw. corporations mit konzentriertem oder hochkonzentriertem Aktienbesitz bzw. Shareholdings als auch bei denen im Streubesitz die Organmitglieder sowie die Aktionäre bzw. sharehoJders die Fehlerhaftigkeit von Organakten generell intern regeln und kein Interesse haben, die gerichtlichen Möglichkeiten der Geltendmachung in Anspruch zu nehmen. Je nach Art der Gesellschaft bzw. corporation und je nach Organakt werden allerdings die Beteiligten unterschiedliche Gewichte in die internen Entscheidungsprozesse einbringen. In der Aktiengesellschaft bewirkt die Zweiteilung in Vorstand und Aufsichtsrat einerseits größere Möglichkeiten der Fehlerhaftigkeit, aber andererseits möglicherweise auch ein effektiveres System der checks and balances, als

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2. Kapitel: Vergleichende Analyse

dies selbst bei der corporation mit einer faktischen Zweiteilung in inside directors und outside directors der Fall sein wird. Die hauptsächlich betroffenen Organmitglieder und die Mehrheitsoder Großaktionäre bzw. shareholders sowie möglicherweise ebenfalls die Minderheits- oder Einzelaktionäre bzw. shareholders werden die faktische Möglichkeit haben, von einer Fehlerhaftigkeit von Organakten Kenntnis zu erlangen, sowie ferner das Wissen besitzen, um die Fehlerhaftigkeit gerichtlich geltend zu machen. Sollte dies bei Minderheits- oder Einzelaktionären nicht der Fall sein, so ist dies wohl primär nicht eine Frage der Anfechtungsregeln, sondern der Informationsmöglichkeit€n und des Informationsinteresses. Abhilfe - auch gerade im Sinne einer aktiven Gleichbehandlung aller Aktionäre bzw. Shareholders -könnte hier generell nur eine Pflicht der Organe Vorstand, Aufsichtsrat und boar·d of directors schaffen, alle Aktionäre bzw. shareholders über ihre sämtlichen Organakte stets in Kenntnis zu setzen. Eine derartige umfassende Informationspflicht erscheint - unabhängig von möglichen Verschwiegenheitspflichten- bereits aus der Aufgabenstellung der Organe untereinander, aber auch aus dem Gesichtspunkt des unvorstellbaren Arbeits- und Kostenaufwandes wenig sinnvoll und unangemessen. Die Bachregeln für die Geltendmachung der Fehlerhaftigkeit von Organakten des boal'd of directors sind zwa r trotz allgemeiner Rechtsgrundsätze fast unübersichtlich. Doch sind weder generell entsprechende gesetzliche Regelungen in den einzelnen Staaten und Territorien zu erwarten, wie dies aus dem Verständnis des amerikanischen Rechtssystems heraus erklärlich ist, noch systematische Annäherungen der allgemeinen Rechtsvorschriften und Rechtsgrundsätze, wie dies aus den bisherigen Bemühungen um eine Rechtsvereinheitlichung des corporation law abzusehen ist. Da andel'erseits aber das amerikanische Recht aus der Tradition des equity law in der Regel stets einem Rechtssuchenden einen Weg zur gerichtlichen Klärung tatsächlich oder vermeintlich erlittenen Unrechts gewährt, ist es verständlich, wenn im corporation law kein Bedürfnis für Regelungen bezüglich der Geltendmachung der Fehlerhaftigkeit von Organakten des board of directors besteht5 • Die Sachregeln für die Geltendmachung der Fehlerhaftigkeit von Organakten des Vorstandes und des Aufsichtsrates sind zwar ebenfalls generell nicht kodifiziert, doch sind diese weitgehender als im amerikanischen Recht durch die Vorschriften des Vereinsrechtes im Bürger5 Siehe auch C. II. Fußnote 9 (Fletcher über den board of directors: ". .. the result must be governed, not by the degree of formality observed, but by the practical and legal effect of such action.")

VII. Die faktischen Möglichkeiten der Geltendmachung

145

liehen Gesetzbuch und durch das systematische deutsche Prozeßrecht sowie durch die allgemeinen Rechtsgrundsätze faktisch festgelegt. Da zudem eine neue Aktienrecht-Heform gegenwärtig nicht in Aussicht steht, ist mit einer gesetzlichen Regelung der fehlerhaften Organakte des Vorstandes und des Aufsichtsrates nicht zu rechnen und besteht insoweit ebenfalls kein Bedürfnis6 • 2. Die fehlerhaften Organakte der Hauptversammlung im Verhältnis zu denen des shareholders' meeting

Bei den corporations mit konzentrierten oder hochkonzentrierten shareho1dings7 wird die Fehlerhaftigkeit von Organakten des shareholders' meeting in der Regel von den Mehrheits- oder Groß-shareholders selbst intern geregelt werden, und zwar bei beiden möglichen Erscheinungsformen der faktischen Macht des shareholders' meeting. Sofern ausnahmsweise die Mehrheits- und Groß-shareholders nicht Mitglieder des board of directors sind, üben sie ihre Macht im shareho1ders' meeting selbst auch, so daß sie bei fehlerhaften Akten dieses Organs die Sachkunde für das Erkennen der Fehlerhaftigkeit sowie den Einfluß haben, Änderungen der fehlerhaften Organakte durchzusetzen oder diese zu "ratifizieren". Sollte bei einem derartigen shareholders' meeting der board of directors die Fehlerhaftigkeit entdecken, so wird er generell wohl zwar bei den Mehrheits- oder Groß-shareholders vorstellig werden, aber sich aufgrund seiner Abhängigkeit von diesen shareholders in der Regel deren Entsche1dungen akzeptieren. Sollten andererseits die Mehrheits- oder Groß-shareholders selbst Mitglieder des board of directors sein, so hat das shareholdens' meeting selbst keine Macht und daher wer.den es auch in diesem Fall die Mehrheits- oder Groß-shar·e holders sein, die eine Regelung der fehlerhaften Organakte des shareholders' meeting intern, formal im shareholders' meeting, durchsetzen werden. Allein die Minderheits-shareholders werden ein Interesse an der gerichtlichen Geltendmachung der Fehlerhafti.gkeit derartiger Organ8 Siehe auch Scheuffler S. 65, der eine gesetzliche Regelung für die Beschlußfassung des Aufsichtsrates "vom praktischen Bedürfnis her" verneint, da fehlerhafte Organakte selten Gegenstand eines Rechtsstreits seien, die bisherigen gesetzlichen Bestimmungen trotz ihrer Lückenhaftigkeit sich bewährt hätten, die Erfüllung der Aufgaben durch den Aufsichtsrat durch möglichst wenige Vorschriften beengt sein sollte, die erforderlichen Maßnahmen bei einem Verfahrensverstoß den Aufsichtsratsmitgliedern aufgrund deren Qualifikation selbst überlassen bleiben sollten und im übrigen die unterschiedlichen Verhältnisse bei den Gesellschaften unterschiedliche Anforderungen an das Beschlußverfahren ergäben, denen die bisherige Behandlung durch die Gesellschaften und die Rechtsprechung besser gerecht würde als eine ins einzelne gehende gesetzliche Regelung. 7 Siehe oben die Seiten 74 f. und 69.

10 Jarzembowskl

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2. Kapitel: Vergleichende Analyse

akte haben, sofern eine entsprechende interne Lösung der Fehlerhaftigkeit nicht in ihrem Sinne erfolgt oder von vorneherein für sie als aussichtslos erscheint. Diese shareholders werden am shareholders' meeting in der Regel teilnehmen, somit von der Fehlerhaftigkeit Kenntnis erlangen können und auch die Sachkunde und das Interesse haben, die Fehlerhaftigkeit gerichtlich geltend zu machen. Eine derartige gerichtliche Geltendmachung kann jedoch bei diesen Gesellschaften durch eine mögliche ratification der fehlerhaften Organakte durch das shareholders' meeting, in dem ja die Mehrheits- oder Groß-shareholders das ausschlaggebende Gewicht haben, abgewandt bzw. unterlaufen werden. Bei den Gesellschaften mit konzentriertem oder hochkonzentriertem Aktienbesitz8 werden die fehlerhaften Organakte der Hauptversammlung wie die der entsprechenden corporations intern von den Mehrheits- oder Großaktionären geregelt werden. Und dies ebenfalls bei beiden auch hier möglichen Erscheinungsformen der faktischen Macht der Hauptversammlung, ganz gleich also, ob ·die Mehrheits- oder Großaktionäre nun allein in der Hauptversammlung Mitglied sind oder ob sie sich als Mitglied in den Aufsichtsrat haben wählen lassen und dort primär ihren Einfluß ausüben. Allerdings kann es bei diesen Gesellschaften der Vorstand sein, der aus seiner eigenen Verantwortung für die Leitung der Gesellschaft heraus eigenständig bei den Mehrheitsoder Großaktionären auf die Beseitigung der Fehlerhaftigkeit von Organakten der Hauptversammlung drängen wird. Doch werden dem Vorstand Grenzen für die Intensität seiner Bemühungen dadurch gesetzt sein, daß er über den Aufsichtsrat letztlich von den Mehrheitsoder Großaktionären in seiner beruflichen Existenz abhängig ist. Wiederum werden es wie bei den entsprechenden corporations nur die Minderheitsaktionäre sein, die die Sachkunde und das Interesse an einer gerichtlichen Geltendmachung der Fehlerhaftigkeit haben werden. Doch auch hier ist anzumerken, daß die gerichtliche Feststellung der Fehlerhaftigkeit von Organakten der Hauptversammlung an den Machtverhältnissen in der Hauptversammlung in der Regel nichts ändern wil'd und daß somit die Mehrheits- oder Großaktionäre gegebenenfalls weiterhin in der Lage sein werden, neben einer eventuellen Bestätigung einen anderen, fehlerfreien, und an ihren Interessen ausgerichteten Organakt zu fassen. Bei den großen corporations im Streubesitz9 wird die Fehlerhaftigkeit von Organakten des shareholders' meeting generell vom board of 8 9

Siehe oben die Seiten 46 sowie 43 f. und 41. Siehe oben die Seiten 75 ff. sowie 70 ff.

VII. Die faktischen Möglichkeiten der Geltendmachung

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directors, gegebenenfalls sogar vom engeren management, intern gehandhabt, da das shareholoders' meeting selbst keinen Machtfaktor in der corporation darstellt, sondern zudem vom board of directors aufgrund des proxy system kontrolliert und geführt wird. Allenfalls werden unabhängige outsLde directors oder die Vertreter der institutionellen sharehoLders im board of directors oder im shareholders' meetingüber die Bachkunde und das Gewicht verfügen, um die Beseitigung von fehlerhaUen Organakten des shareholders' meeting verlangen zu können. Generell we~den doch auch diese eine interne Lösung anstreben und nur in gr.avierenden Fällen das Gericht anrufen. Die average shareholders bei diesen Publikumsgesellschaften werden in der Regel erst gar nicht zu dem shareholders' meeting anreisen und, falls sie es doch täten, möglicherweise nicht über das Sachwissen verfügen, um eine mögliche Fehierhaftigkeit von Organakten zu erkennen, und, falls sie dennoch Kenntnis von der Fehlerhaftigkeit erlangten, g·enerell die Kosten und den Ärger scheuen, gegebenenfalls gegen den bei diesen Gesellschaften mächtigen board of directors gerichtlich vorzugehen. Möglicherweise werden aber engagierte Einzel-shareholders oder Gruppen, die in Opposition zum management stehen, den Weg der gerichtlichen Geltendmachung der Fehlerhaftigkeit beschreiten, hierbei aber eventuell gleichzeitig einen außergerichtlichen Vergleich mit dem board of directors anstreben und erreichen. Letzteres um so mehr, als möglicherweise der boavd of directors mittels einer ratification des fehlerhaften Organaktes im shareholders' meeting die Klage gegenstandslos werden lassen kann. Bei den großen Publikumsgesellschaften im Streubesitz 10 werden der Vorstand und der Aufsichtsrat, hier wohl primär nur die einflußreichen Aufsichtsratsmitglieder wie die Vertreter der Banken und der institutionellen Aktionäre sowie möglicherweise die ArbeitnehmerVertreter, die Fehlerhaftigkeit von Organakten der Hauptversammlung intern regeln. Denn sowohl die Vorstandsmitglieder als auch in der Regel die Aufsichtsratsmitglieder werden über die Fehlerhaftigkeit sogleich Kenntnis erlangen und im Zusammenwirken miteinander zu beseitigen interessiert sein. Die Hauptversammlung bildet nämlich für sie nur die - gesetzlich vorgeschriebene - Plattform für Entscheidungen. Die Entscheidungen selbst werden vom Vorstand sowie von den einflußreichen Aufsichtsratsmitgliedern außerhalb der Hauptversammlung im Zusammenwirken miteinander getroffen. Sollte ein Einv·erständnis zwischen ihnen zur Beseitigung der Fehlerhaftigkeit in gravierenden Fällen niCht gefunden werden können, so werden all diese Organpersonen die erforderlichen Kenntnisse besitzen, um die .s 10 Siehe oben die Seiten 47 f . sowie 44 f. und 41 f. 10•

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2. Kapitel: Vergleichende Analyse

Fehlerhaftigkeit von Organakten der Hauptversammlung gegebenenfalls gerichtlich geltend zu machen. Ebenfalls bei den deutschen Publikumsgesellschaften werden es die Kleinaktionäre sein, die aufgrund ihrer Interessenlage allerdings zumeist gar nicht erst die Hauptversammlung besuchen werden und die -sofern sie doch an der Hauptversammlung teilnehmen- möglicherweise von der Fehlerhaftigkeit von Organakten aufgrund ihrer fehlenden Sachkunde nichts erfahren werden. Sollten Kleinaktionäre dennoch über die erforderliche Kenntnis und das erforderliche Sachwissen verfügen, so werden sie wie auch oppositionelle Aktionärsgruppierungen das Gericht anrufen müssen, und wenn möglicherweise auch nur um letztlich eine ebenfalls ihren Interessen gerecht werdende Regelung der Fehlerhaftigkeit oder einen Ausgleich seitens des Vorstandes und des Aufsichtsrates erreichen zu können. Denn auch hier ist anzumerken, daß der Vorstand und die einflußreichen Aufsichtsratsmitglieder die fehlerhaften Organakte eventuell immer noch bestätigen oder durch andere, fehlerfreie, und ihren Interessen gemäße Organakte ersetzen lassen können. Somit kann für die fehlerhaften Organakte der Hauptversammlung im Verhältnis zu denen des shareholders' meeting folgendes festgehalten werden: Die faktischen Möglichkeiten der Geltendmachung der Fehlerhaftigkeit sind je nach Art der corporation bzw. Gesellschaft unterschiedlich zu beurteilen. Bei den corporations mit konzentrierten oder hochkonzentrierten Shareholdings sowie bei den Gesellschaften mit konzentriertem oder hochkonzentriertem Aktienbesitz nehmen neben den Organmitgliedern in der Regel alle Shareholders bzw. Aktionäre an dem shareholders' meeting bzw. der Hauptversammlung teil, haben die Sachkunde, die Fehlerhaftigkeit von deren Organakten zu entdecken, sowie das Sachwissen, um die Fehlerhaftigkeit gegebenenfalls gerichtlich geltend zu machen. Angesichts der Machtverhältnisse in diesen corporations bzw. Gesellschaften werden jedoch die Organmitglieder sowie die Mehrheits- oder Groß-shareholders bzw. Aktionäre die Fehlerhaftigkeit dieser Organakte generell intern regeln und kein Interesse haben, das Gericht zur Geltendmachung der Fehlerhaftigkeit anzurufen. Die Minderheits-shareholders bzw. Aktionäre werden allerdings - sofern sie eine interne Beseitigung der Fehlerhaftigkeit von Organakten des shareholders' meeting bzw. der Hauptversammlung in ihrem Sinne sowie einen entsprechenden Ausgleich nicht erreichen - gezwungen sein, gerichtliche Schritte gegen diese fehlerhaften Organakte einzuleiten. Die gerichtliche Geltendmachung der Fehlerhaftigkeit

VII. Die faktischen Möglichkeiten der Geltendmachung

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kann aber insoweit ins Leere gehen, als die Mehrheits- oder Großshareholders möglicherweise die fehlenhaften Organakte "ratifizieren" bzw. bestätigen oder zumindest mit ihrer Mehrheit durch andere, ihren Interessen gerecht werdende Organakte ersetzen können. Bei den großen corporations im Streubesitz werden der board of directors und die einflußreichen shareholders wie auch der Vorstand und die einflußreichen Aufsichtsratsmitglieder bei den großen Gesellschaften im Streubesitz an dem shareholders' meeting bzw. der Hauptversammlung teilnehmen, die Fehlerhaftigkeit deren Organakte erkennen können und über das Sachwissen verfügen, die Fehlerhaftigkeit gerichtlich geltend zu machen. Doch all diese Organmitglieder und shareholders bzw. Aktionäre haben in der Regel kein Interesse, die gerichtliche Möglichkeit der Geltendmachung der Fehlerhaftigkeit in Anspruch zu nehmen, sondern werden - abgesehen von äußerst gravierenden Fällen- die fehlerhaften Organakte intern handhaben. Demgegenüber werden die average shareholders bzw. Kleinaktionäre generell an dem shareholders' meeting bzw. der Hauptversammlung gar nicht teilnehmen und von der möglichen Fehlerhaftigkeit deren Organakte gar keine Kenntnis erlangen. Die wenigen, die teilnehmen und/oder ansonsten die Fehlerhaftigkeit von Organakten bemerken, weDden entweder möglicherweise nicht über das Sachwissen verfügen, die Fehlerhaftigkeit gerichtlich geltend zu machen, oder die Kosten und den Ärger eines Rechtsstreites gegen den bei diesen Gesellschaften mächtigen board of directors bzw. Vorstand scheuen. Sollten sie dennoch eine gerichtliche Entscheidung suchen, müssen sie noch die Möglichkeit in Betracht ziehen, daß ihrem Vorgehen durch den board of directors bzw. Vorstand und den einflußreichen shareholders bzw. Aktionären mittels einer eventuellen ratification bzw. Bestätigung oder einen entsprechenden anderen, fehlerfreien, Organakt letztlich der Boden entzogen wird. Die Sachregeln für die Geltendmachung der Fehlerhaftigkeit von Organakten des shareholders' meeting sind zwar ebenso wie die für den board of directors aufgrund der allein vorhandenen allgemeinen Rechtsvorschriften und Rechtsgrundsätze fast unübersichtlich, genügen in der Rechtswirklichkeit aber generell den Bedürfnissen aller Beteiligten bei den corporations mit konzentrierten oder hochkonzentrierten shareholdings sowie denen des board of directors und die einflußreichen shareholders bei den großen corporations im Streubesitz. Allein die average shareholders bei letzteren corporations sind aus den oben genannten Gründen faktisch nicht in der Lage, die Fehlerhaftigkeit von Organakten des shareholders' meeting zu entdecken und/oder gerichtlich geltend zu machen.

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2. Kapitel: Vergleichende Analyse

Im deutschen Recht sind dieSachregeln für die Geltendmachung der Fehlerhaftigkeit von Organakten der Hauptversammlung detailliert gesetzlich geregelt und befriedigen ebenfalls in der Regel die Bedürfnisse aller Beteiligten bei den Gesellschaften mit konzentriertem oder hochkonzentriertem Aktienbesitz sowie die .des Vorstandes und der einflußreichen Aufsichtsratsmitglieder bei den Gesellschaften im Streubesitz. In der deutschen Rechtswirklichkeit sind es ebenso wie in der amerikanischen die Kleinaktionäre bei letzteren Gesellschaften, denen die gerichtliche Geltendmachung der Fehlerhaftigkeit von Organakten der Hauptversammlung in der Regel faktisch nicht möglich ist. Da im corporation law aus den oben genannten Gründen Regelungen hier zugunsten dieser average shareholders gegenwärtig nicht zu erwarten sind, soll hier untersucht werden, ob besondere Regelungen zugunsten dieser Kleinaktionäre für die faktische Geltendmachung der Fehlerhaftigkeit von Organakten ·der Hauptversammlung ersichtlich und angemessen sind. Zunächst sind die Sachregeln verbessernde Regelungen wie Verlängerung der Anfechtungsfristen und Ermäßigung oder Übernahme der mit einer Klage gegenwärtig noch verbundenen Kosten in Betracht zu ziehen. Gegen derartige Maßnahmen kann sogleich eingewandt werden, daß einerseits etwa eine Fristverlängerung eine im Verhältnis zu den möglichen begründet erhobenen Klagen unangemessene Unsicherheit für das Leben der einzelnen Gesellschaften sowie der Wirtschaft insgesamt mit sich bringen würde und daß andererseits etwa eine Ermäßigung oder ein Erlaß des Kostenrisikos eine unbegründete Prozeßlawine seitens querulatorischer Kleinaktionäre zu Lasten der Gesellschaften oder des Staates hervorrufen würde. Ferner würden selbst derartige Maßnahmen den Kleinaktionären bei ihren generell geringen persönlichen Vorteilsaussichten in der Regel nicht den persönlichen Ärger und Arbeitsaufwand für das Anrufen des Gerichts ersetzen können. Weiterhin ist zu fragen, ob derartige, die Klagerhebung erleichternde Regelungen überhaupt das Hauptproblem bei den großen Gesellschaften wirksam angehen können, nämlich das fehlende Interesse der Kleinaktionäre an der Hauptversammlung. Denn letztlich könnte nur ihre Teilnahme an der Hauptversammlung ihnen die Möglichkeit geben, die Fehlerhaftigkeit der Entscheidungen der Hauptversammlung zu entdecken. In der amerikanischen Rechtswirklichkeit hat das Einziehen der proxies bei diesen Gesellschaften die Beschlußfassung im shareholders' meeting praktisch überflüssig werden lassen und auch die umfangreichen SE C-Rules und die entsprechenden Landesrules haben nicht

VII. Die faktischen Möglichkeiten der Geltendmachung

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zur tatsächlichen Beteiligung der average shareholders an den Entscheidungen :des shareholders' meeting geführt. Das shareholders' meeting ist das Wirkungsfeld anderer geblieben. Eine shareholders democracy ist nicht im entferntesten erkennbar geworden. Auch die deutsche Rechtswirklichkeit zeigt eine ähnliche Situation. Die Neuregelungen des Depotstimmrechtes der Banken hat nicht eine stärkere tatsächliche Beteiligung der Kleinaktionäre an den Entscheidungen der Hauptversammlung bewirkt; die Hauptversammlung ist ebenfalls das Wirkungsfeld geblieben, auf dem andere als die Kleinaktionäre die ohnehin nicht sehr zahlreichen Abstimmungen der Hauptversammlung bestimmen. Eine Aktionärsdemokratie findet nicht statt. So ist es denn auch nicht verwunderlich, wenn die Kleinaktionäre weiterhin den Hauptversammlungen zumeist fernbleiben. Selbst wenn trotz des generell nicht vorhandenen und nicht weckbaren Interesses der normalen Kleinaktionäre an den Hauptversammlungen Sonderregelungen für die wenigen interessierten Kleinaktionäre überlegenswert sein können, so ergäben sich doch ferner schwierige Abgrenzungsfragen für den Einzelfall, nämlich was ist eine große Publikumsgesellschaft im Streubesitz und was ist ein Kleinaktionär. In Anbetracht all der soeben aufgezeigten Probleme erscheinen die Sachregeln verbessernde Regelungen zugunsten der Kleinaktionäre wenig erfolgversprechend und daher aus der Gesamtschau der Aktienrechtswirklichkeit nicht erforderlich, zumal sie an den Machtverhältnissen innerhalb dieser Gesellschaften letztlich nichts zu ändern vermöchten. Ferner sind zugunsten der Kleinaktionäre Änderungen des Sachregel-Systems für diese Gesellschaften wie etwa das Treuhandmodell von Roth oder etwa die Schaffung eines staatlichen Aufsichtsamtes für diese Gesellschaften in die Überlegungen einzubeziehen. Das Treuhandmodell für die großen Publikumsgesellschaften mit der Beseitigung des Aktienstimmrechtes und der Ersetzung durch eine treuhänderische Bindung des management und durch eine Kontrollorganisation auf zwei Ebenen, der unternehmensinternen und der gesamtwirtschaftlichen11, ist sicherlich zunächst eine bestechende Idee, deren Erörterung im einzelnen hier nicht geführt werden kann. Unabhängig von den Fragen, ob ein derartiges Modell zur WahP 2 aufgrund der tatsächlichen oder vermeintlichen Interessen der Kleinaktionäre und der sonstigen an der Publikumsgesellschaft Beteiligten sich überhaupt durchsetzen könnte und wie sich die Publikumsaktiengesellschaft als 11 Siehe hierzu schon oben A. I. Fußnote 237; siehe ferner das Minimalmodell bei Roth auf den Seiten 331 f., einer dessen Paten der amerikanische voting trust sein soll, siehe zum voting trust oben A. II. 1. b) und 2. b). 12 Siehe Roth S. 208, vgl. hierzu Rittner RabelsZ 1975 S. 572.

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2. Kapitel: Vergleichende Analyse

solche in der Rechtswirklichkeit denn fixieren ließe13, erscheint für die Rechtswirklichkeit fraglich, wie die treuhänderische Bindung des management aussehen soll und wie die zwei Kontrollebenen faktisch arbeiten sollen. Eine Verbesserung der Durchsetzung der Interessen der Kleinaktionäre bei der Geltendmachung fehlerhafter Organakte der Hauptversammlung ist durch eine derartige Lösung zumindest gegenwärtig nicht erkennbar. Ebenfalls der Gedanke, alle Organakte der Hauptversammlung einer behördlichen oder richterlichen Instanz (etwa ein "Aktienamt")u zur Überprüfung vorlegen zu lassen, erscheint bereits aus der Relation des erforderlichen Aufwandes für die Gesellschaften und den Staat zu dem möglichen Erfolg für die Kleinaktionäre sowie aus der stets berechtigten Furcht vor staatlicher Bürokratie nicht weiter verfolgenswert. Nach all diesen Überlegungen bleibt nichts anderes übrig, als für den Augenblick festzuhalten, daß die Sachregeln für die Geltendmachung der Fehlerhaftigkeit von Organakten der Hauptversammlung insoweit, als sie die Kleinaktionäre bei den großen Gesellschaften im Streubesitz betreffen, grundsätzlich unvollkommen sind. Dennoch sind sie auch für diese Aktionäre dieser Art der Gesellschaften von Vorteil, da die bloße Existenz der Regeln den Vorstand und die einflußreichen Aufsichtsratsmitglieder zur Selbstkontrolle und zur Höflichkeit gegenüber den Kleinaktionären anhält und da die Regeln im Einzelfall die gerichtliche Geltendmachung der Fehlerhaftigkeit auCh durch einen Kleinaktionär ermöglichen und/oder einen - berechtigten oder unberechtigten- Ausgleich oder Vorteil für den wachsamen und aktiven Kleinaktionär mit sich bringen können. Zu guter Letzt bleibt für diesen Fall wegen des berechtigten öffentlichen Interesses an den großen Gesellschaften im Streubesitz zu hoffen, daß die Vorstandsmitglieder und die einflußreichen Aufsichtsratsmitglieder auch angesichts der faktischen Machtverhältnisse bei diesen Gesellschaften und ihrer eigenen Interessen ihre zumindest moralische Verantwortung für eine faire Regelung der fehlerhaften Organakte der Hauptversammlung unter Berücksichtigung der Belange aller Aktionäre, der Arbeitnehmer, des Unternehmens und der Allgemeinheit erkennen und wahrnehmen oder daß letzteres Ziel aufgrund eines faktischen Systems der checks und balances aus dem Neben- und Gegeneinander der einzelnen Vorstandsmitglieder und der einzelnen einflußreichen Aufsichtsratsmitglieder erreicht wird. Vgl. Rittner RabelsZ 1975 S. 573 f. Siehe für ein derartiges Amt mit anderen Aufgaben Huppert S. 17 und 150 (selbst ablehnend). 13

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