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German Pages 102 [132] Year 1960
P A P A C O N S T A N D I N O U • S C H U T Z DES A U S Ü B E N D E N K Ü N S T L E R S
Schriftenreihe der UFITA A r c h i v f ü r U r h e b e r - , Film-, F u n k - u n d Herausgegeben
H e f t 17 Theaterrecht
v o n Dr. j u r . G e o r g R o e b e r , M ü n c h e n
Dr.iur. H E L E N A P A P A C O N S T A N D I N O U , Athen
SCHUTZ DES AUSÜBENDEN KUNSTLERS Z u r Kritik des geltenden Rechts und der Reformvorschläge
Vorrede von Dr. iur. E R N S T E H I R S C H o. Professor an der Freien Universität Berlin
VERLAG
FÜR
BADEN-BADEN
ANGEWANDTE 1960
WISSENSCHAFTEN
Druck: Bintz- und Dohany-Druck, Offenbach/Main. © 1960 by Verlag f ü r angewandte Wissenschaften GmbH., Baden-Baden, Hardstr. lc. P r i n t e d in Germany. — Alle Rechte, insbesondere die der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil dieses Buches darf in irgendeiner Form, durch Druck, Photokopie, Mikrofilm oder irgendein anderes Verfahren, ohne vorherige schriftliche Zustimmung des Verlages reproduziert werden. All rights reserved including those of translations into foreign languages. No part of this issue may be reproduced in any form, by print, photoprint, microfilm, or any other means, without written permission f r o m the publishers.
VORREDE I. Das schöne Privileg, der Erstlingsschrift eines Schülers ein Geleitwort voranstellen zu dürfen, um Autor und Werk bei der Fachwelt einzuführen, gibt mir zugleich die erwünschte Gelegenheit, für diese bereits vor Jahresfrist mit dem Erscheinen der Entwürfe des Bundesjustizministeriums zur Urheberrechtsform abgeschlossene Monographie über den Schutz des ausübenden Künstlers den zeitlichen und sachlichen Anschluß an den heutigen Stand der Meinungen und Auseinandersetzungen über diese in der Zwischenzeit theoretisch und praktisch besonders eingehend behandelte Frage herbeizuführen. Dies scheint fnir ein nobile officium zu sein, und zwar nicht nur gegenüber dem Herausgeber dieser Schriftenreihe, dem Verlag und dem Leser, die bei einem aktuellen Thema auch eine aktuelle Unterrichtung verlangen können, sondern vor allem auch gegenüber der Verfasserin, deren Leistung nicht der naheliegenden Gefahr') ausgesetzt werden darf, als „durch neue Literatur und Rechtsprechung überholt" mit einer Handbewegung abgetan und als Makulatur betrachtet zu werden. Dies wäre ein großes Unrecht gegenüber der Arbeit einer ausländischen Juristin, welche den ihr durch ein Stipendium der Alexander-von-Humboldt-Stiftung ermöglichten Studienaufenthalt einem Problem gewidmet hat, das, „von der Parteien Gunst und Haß verwirrt" und durch deren bald mit offenem, bald mit geschlossenem Visier kämpfende Vertreter jeweils mehr oder weniger einseitig dargestellt, einer „unbestochenen, von Vorurteilen freien", rein wissenschaftlichen Untersuchung bedurfte. Dieses Bedürfnis ist trotz der vier Grundsatzentscheidungen des 1. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 31. Mai 1960 bestehen geblieben; denn sie betreffen nur einige, wenn auch wichtige Teilfragen des gesamten Problems 2). Hiervon abgesehen, ist mit diesen Urteilen weder theoretisch noch praktisch das letzte Wort gesprochen. Einmal ist ein anderes höchstes Gericht, das an Ansehen, Qualität und Sachverstand dem Bundesgerichts1) Vgl. als warnendes Beispiel für eine derartige Möglichkeit die Beurteilung der besonders durch ihre Dokumentation wertvollen Schrift von Voss: Autor, Interpret, Schallkonserve und Konsument; Beilage, zum. SeptemberHeft 1959 des „Orchester": einmal durch Erich Schulze in UFITA Bd. 31 (1960) S. 128 zweitletzter Absatz und ferner in den ersten Absätzen des Aufsatzes von Günther G e n t z : Interpretation und Phonogramm, in GRUR 1960 S. 73 2) Die amtlichen Leitsätze dieser vier Entscheidungen, veröffentlicht mit Entscheidung in UFITA Bd. 32 (1960) S. 200 f f . und NJW 1960, 2043 f f . , lauten: Leitsatz zum Urt. I ZR 53/58 (Künstlerlizenz bei öffentlicher Wiedergabe von Schallplatten): Das fiktive Bearbeiterurheberrecht an einer Schallvorrichtung im Sinne von § 2 Abs. 2 LitUG umfaßt auch die. ausschließliche Befugnis zur öffentlichen Aufführung, öffentliche Musikdarbietungen in Gaststätten mittels Tonträger (Schallplatten, Tonbänder usw.) bedürfen deshalb der Erlaubnis der Hersteller der Tonträger, wenn die ausübenden Künstler, deren Wiedergabeleistung auf dem Tonträger festgelegt ist, diesen ihr Aufführungsrecht aus § 2 Abs. 2, § 11 LitUG übertragen haben.
hof gewiß nicht nachsteht, nämlich das schweizerische Bundesgericht erst vor kurzem zu einer gegenteiligen Entscheidung gekommen, obwohl es in einer früheren Entscheidung aus Art. 4 Abs. 2 des schweizerischen URG, einem „Abkömmling" des § 2 Abs. 2 des deutschen LitUG, zugunsten des ausübenden Künstlers für dessen Darbietung ein Urheberrecht abgeleitet hatte. Das schweizerische Bundesgericht hat diese Auffassung unter Hinweis auf das zwischenzeitlich erwachsene Schrifttum, die jüngsten ausländischen Gesetze und die Entwürfe zu internationalen Konventionen aufgegeben und klargestellt, daß die fragliche Bestimmung lediglich den Schutz der Hersteller von Schallplatten, Musikdosen und ähnlichen Instrumenten gegen unlauteren Wettbewerb bezweckt3). Wenn der Bundesgerichtshof im Gegensatz zu dieser ihm wohl bekannt gewesenen neuen Entscheidung des schweizerischen Bundesgerichts den ausübenden Künstlern — angefangen beim Dirigenten und Solisten Leitsatz zum Urt. I ZR 87/58 (Künstlerlizenz bei öffentlicher Wiedergabe von Rundfunksendungen): Die öffentliche Hörbarmachung von Rundfunkmusik in Gaststätten bedarf der Erlaubnis der ausübenden Künstler, deren Wiedergabeleistung dargeboten wird. Dies gilt sowohl für Tonträger- wie für Direktübertragungen (sog. Livesendungen). Leitsatz zum Urt. I ZR 64/58 (Rundfunksendung „Figaros Hochzeit"): Die Tonbandaufnahme einer Opernaufführung zu Zwecken der Rundfunksendung bedarf grundsätzlich der Einwilligung jedes einzelnen bei der Aufführung unmittelbar mitwirkenden ausübenden Künstlers. Soweit die Orchesterleistung in Frage steht, ist im Zweifel der Orchestervorstand berechtigt, dieses Zustimmungsrecht für die einzelnen Orchestermitgliede.r wahrzunehmen. Orchestermitglieder, die bei Theater- oder Orchesterunternehmen der öffentlichen Hand fest angestellt sind, sind, wenn es vertraglichen Regelung fehlt, in der Regel auf an einer ausdrücklichen Grund ihres Dienstvertrages verpflichtet, Tonbandaufnahmen von Aufführungen durch Sendeunternehmen und deren Verwertung für Rundfunksendungen gegen Zahlung einer angemessenen Sondervergütung seitens ihres Arbeitgebers zu dulden. Leitsatz zum Urt. 1 ZR 71/58 (Orchester): Werden Orchesterdarbietungen erlaubterweise auf einem Tonträger festgelegt, so wird originärer Träger des Bearbeiterurheberrechts an dem Tonträger neben dem Dirigenten und etwaigen Solisten jedes einzelne Orchestermitglied. Wer zur Wahrnehmung dieses Rechtes befugt ist, richtet sich, falls ausdrückliche Abmachungen fehlen, nach dem sozialen Gefüge des Orchesters. Besteht das Orchester aus freiberuflich tätigen Musikern, die sich nur gelegentlich mit wechselndem Mitgliederbestand unter einem bestimmten künstlerischen und kaufmännischen Leiter für Direktübertragungen im Rundfunk zusammenfinden, so ist den Umständen des Einzelfalles zu entnehmen, ob dieser Leiter zur Wahrnehmung des Rechtes der einzelnen Orchestermitglieder befugt ist, über die Festlegung ihrer Leistung auf Tonträger zu Sendezwecken zu entscheiden, und Ob ihm die Orchestermitglieder ihre Rechte aus § 2 Abs. 2 LitUG an den Tonträgern, soweit Wiederholungssendungen des Rundfunks in Frage stehen, zur Auswertung für eigene Rechnung oder nur zur treuhänderischen Verwaltung für Rechnung aller Mitwirkenden übertragen haben. 3) Französischer Originalwortlaut dieses Urteils vom 8. 12. 1959 in DA 1960 S. 74 bis 76; nichtamtliche deutsche Ubersetzung in UFITA Bd. 31 (1960) S. 119 f f .
4) — für bis zum letzten Orchestermitglied die mit seinem Einverständnis auf Schallplatten festgelegten Leistungen ein fiktives BearbeiterUrheberrecht nach § 2 Abs. 2 LitUG5), für nicht auf Schallträger festgelegte Leistungen ein absolutes Erlaubnisund Verbietungsrecht für deren öffentliche Wiedergabe aus den Gesichtspunkten des Persönlichkeitsschutzes, des Sittenverstoßes wegen „Schmarotzens" an fremder Leistung und des unlauteren Wettbewerbs") zuerkannt hat, so zwingt eine Analyse zu einer scharfen Trennung zwischen der in den Entscheidungsgründen vorgebrachten Begründung und dem wirklichen Grund dieser Urteile, wobei die Frage der Angemessenheit des Ergebnisses dahingestellt bleiben kann.
Die Begründungen So fällt vor allem Abs. 2 LitUG mit
sind — vorsichtig ausgedrückt auf, daß das sehr umfangreiche Stillschweigen übergangen ist7).
— recht Schrifttum Wer die
eigenartig. zu § 2 Rechtspre-
4) In dem Urteil I ZR 87/58 heißt es unter ausdrücklichen Hinweisen auf die drei anderen Entscheidungen wörtlich: „Bei Orchesterdarbietungen ist originärer Träger dieses Bearbeiter-Urheberrechts an der Schallvorrichtung neben dem Dirigenten und etwaigen Solisten jedes einzelne Orchestermitglied, das an der festgelegten Darbietung mitgewirkt hat.. . Dieses Ausschließlichkeitsrecht umfaßt auch die Befugnis, über die Nutzung der Schallvorrichtung zu öffentlichen Aufführungen zu bestimmen." 5) Wörtliches Zitat aus I ZR 87/58: „Soweit für die Rundfunksendung Tonträger benutzt werden, .. .ist es nur eine zwangsläufige Folge der in § 2 Abs. 2 LitUG vorgesehenen Gleichstellung . . . , daß die.. . veranstalteten öffentlichen Rundfunkdarbietungen nicht nur der Erlaubnis des Komponisten. . . sondern auch derjenigen Interpreten bedürfen, deren Wiedergabeleistungen auf den für die Sendung benutzten Tonträger festgelegt ist. Da entgegen der vom Reichsgericht vertretenen Ansicht in der Sendeerlaubnis nicht zugleich auch die Freigabe des Sendegutes für eine gewerbliche Nutzung zu öffentlichen Aufführungen einbeschlossen ist, den Werkschöpfern deshalb zu Recht bereits seit 1954 auf Grund des zwischen der GEMA und der Vereinigung der Musikveranstalter abge. schlossenen Tarifvertrags Aufführungsgebühren zufließen, muß das gleiche auch für die Inhaber der Bearbeiter-Urheberrechte an den Schallvorrichtungen gelten, die erlaubterweise für die fraglichen Rundfunksendungen benutzt werden." 6) Wörtliche Zitate aus I ZR 64/58: „Das persönlichkeitsrechtliche Schutzbedürfnis jedes auch nur an einer Gruppenleistung mitwirkenden Künstlers gegen eine ungenehmigte Verwertung der gemeinsamen Darbietung ergibt sich schon daraus, daß die Qualität der Darbietung abhängig sein ihres Wirkungsbereichs .. . ." kann von der Kenntnis „Es stellt eine sittenwidrige Vermögensschädigung dar (§ 826 BGB), eine fremde Leistung, die üblicherweise nur gegen Zahlung einer angemessenen Vergütung erbracht wird, sich kostenlos unter Zuhilfenahme der technischen Errungenschaften zunutze zu machen, die, es dem Leistenden verwehren, Wirkungsbereich und Art der Auswertung seiner Leistung in tatsächlicher Beziehung zu beherrschen und durch entsprechende Verträge auch Dritten gegenüber rechtswirksam abzugrenzen. Soweit nicht gestattete gewerbliche Nutzungen der Leistung in Frage stehen, liegt zugleich auch ein Verstoß gegen die Grundsätze des lauteren Wettbewerbs (§ 1 UWG) vor. Es widerspricht dem Anstandsgefühl des verständigen Gewerbetreibenden, Leistungen Dritter, die erfahrungsgemäß nur gegen eine angemessene Vergütung zur Verfügung gestellt werden, sich ohne Erlaubnis des Leistenden anzueignen und kostenlos zur Förderung des eigenen gewerblichen Gewinnstrebens auszunutzen." 7) Lediglich in dem Urteil I ZR 64/58 wird, ganz am Rande, die Schrift von T r oll er : „Jurisprudenz auf dem Holzweg" angeführt, ohne daß dazu
chung des Bundesverfassungsgerichts und der oberen Bundesgerichte regelmäßig verfolgt und die Bemühungen um kritische Verwertung und Berücksichtigung des gesamten jeweils einschlägigen Schrifttums immer wieder mit Genugtuung zur Kenntnis nimmt, wird aus dieser von der üblichen so besonders stark abweichenden Art und Weise der Begründung bestimmte Schlüsse ziehen dürfen. Auffällig ist ferner, daß die Entwürfe zur Reform des Urheberrechts und die entsprechenden Bemühungen im internationalen Rahmen nur dann positiv berücksichtigt werden, wenn sie in der Linie der getroffenen Entscheidungen liegen, dagegen als de lege lata unerheblich bezeichnet werden, wenn das Gegenteil der Fall ist8). aber „im Grundsatz Stellung" genommen wird. In der Entscheidung I ZR 87/58 wird nur das die Lautsprecherentscheidung des Reichsgerichts ablehnende Schrifttum zitiert, weil der Senat von dieser Entscheidung abzuweichen für geboten hielt. Im übrigen aber vermißt der Leser jeden Hinweis darauf, daß die vom BGH berührten Fragen im deutschen und ausländischen Schrifttum eingehend behandelt worden sind. 8) So heißt es einerseits in I ZR 64/58: „In Erkenntnis der Notwendigkeit einer klaren Regelung sehen die einschlägigen Gesetzesentwürfe für die Zukunft Bestimmungen darüber vor, wer die den einzelnen Mitwirkenden zustehenden Rechte in deren Namen ausüben und wahrnahmen darf. Erwogen wird insbesondere die Ermächtigung einer oder mehrerer von der Mehrheit der Beteiligten bestimmter Personen, namentlich des Orchestervorstandes (vgl. § 79 des Referentenentwurfes 1954, § 87 des Ministerialentwurfes 1959; s. ferner Rom-Entwurf Art. 5 und Monaco-Entwurf Art. 2 Die internationale Regelung des Abs. 8, abgedruckt bei Möhring/Elsässer. Rechts der ausübenden Künstler und andere sog. Nachbarrechte). So heißt es in der Amtlichen Begründung zu § 87 des Ministerialentwurfes, daß sich der einzelne bei Ensemble-Aufführungen im Interesse der Gesamtheit der Mitwirkenden gewisse Beschränkungen gefallen lassen müsse und und Erleichterung des Rechtsverkehrs in diesen daß auch Rechtssicherheit Fällen eine einheitliche Wahrnehmung der Rechte aller Mitwirkenden durch wenige Repräsentanten des Ensembles erforderten. Diese gesetzgeberischen Bestrebungen stehen im Einklang mit allgemeinen Rechtsgrundsätzen, die dann heranzuziehen sind, wenn aus der besonderen Rechtsform des Orchesters oder aus einschlägigen Regelungen in der Orchestersatzung nichts herzuleiten ist." Und ferner in I ZR 87/58: „Die ,Aufführung' eines Tonkunstwerkes setzt voraus, daß Töne hörbar gemacht werden. Die Rundfunksendung als solche ist aber von der Hörbarmachung der Töne beim Empfang der Sendung zu unterscheiden. Ihr für die urheberrechtliche Betrachtungsweise bedeutsames Element liegt in dem Ausstrahlen der Wellen. Infolge dieser Besonderheit... ist der Senat in Übereinstimmung mit der Behandlung, die das Senderecht in Art. 11 bis der Rom- sowie der Brüsseler Fassung der Revidierten Berner Ubereinkunft.... und in neuen ausländischen Urhebergesetzen sowie den deutschen Entwürfen zur Urheberrechtsreform gefunden hat, der Auffassung, daß es sich bei der Rundfunksendung um eine Nutzung eigener Art von Urhebergut handelt, die im Wege einer erweiterten Gesetzesanalogie in die gemäß § 11 LitUG dem Urheber ohne Rücksicht auf das Erscheinen des Werkes eingeräumten Ausschließlichkeitsrechte einzubeziehen ist." Dagegen heißt es in I ZR 53/58: „Aus diesem Grunde gehen auch die Bestrebungen der ausübenden Künstler seit geraumer Zeit dahin, auf internationaler Basis eine Konvention zu erreichen, die ihnen ein Aufführungsrecht in allen der Konvention angeschlossenen Staaten an den mit ihrer Einwilligung hergestellten Tonträgern gewährleistet, mögen diese auch mit ihrer Einwilligung in den freien Handel gelangt sein. Ob diese Bestrebungen de lege ferenda berechtigt sind oder ob dem etwa widersprechende Interessen der Werkschöpfer es zweckmäßig erscheinen lassen, die Rechte der ausübenden Künstler für diese Nutzungen ihrer Leistung auf eine angemessene Vergütung zu be-
Auffällig ist schließlich die Unbekümmertheit in der Auswahl und im Wechsel der Argumentierungsmethoden: bald Bindung an das Gesetz, von dem abzuweichen das Gericht nicht berechtigt sei"), bald völlige Nichtberücksichtigung des klaren Wortlauts desselben Gesetzes10), n bald Auslegung aus der Entstehung einer Bestimmung ), bald nach der schränken, wie dies der deutsche Ministerialentwurf zum Urheberrechtsgesetz vorsieht (vgl. Entwurf § 84), ist hier nicht zu erörtern. Für die gegenwärtige Gesetzeslage in der Bundesrepublik, die nach dem eindeutigen Wortlaut des § 2 Abs. 2 LitUG dem ausübenden Künstler einen urheberrechtlich ausgestalteten Schutz an seiner fixierten Leistung zubilligt, genügt es festzuhalten, daß auch vom Blickpunkt der Interessenlage des ausübenden Künstlers aus diese geltende. Regelung der Einbeziehung des Aufführungsrechtes in diesen Schutz nicht entgegensteht. . . Ob den dargelegten Interessen der ausübenden Künstler nur durch die Zuerkennung eines Ausschließlichkeitsrechtes in Ansehung öffentlicher Aufführungen oder etwa auch durch die Einräumung bloßer Vergütungsansprüche in ausreichender Weise vom Gesetzgeber Rechnung getragen werden kann, ist eine Frage, die der Urheberrechtsform vorbehalten bleiben muß." 9) Vgl. außer dem in Anm. 14 wiedergebenen Zitat aus I ZR 53/58 über die "eng" auszulegende Ausnahmevorschrift • des § 22a folgendes Zitat aus I ZR 64/58: „Dem ausübenden Künstler (steht) unabhängig davon, ob und gegebenenfalls welcher künstlerische Wert seiner Wiedergabeleistung beizumessen ist, das Recht zu, darüber zu entscheiden, ob seine unmittelbare Darbietung eines Werkes der Literatur oder Tonkunst auf einem Tonträger festgehalten werden darf. . . , bedenklich erscheint, wenn das Berufungsgericht dieses Ergebnis aus einem sog. „Leistungsschutzrecht" des ausübenden Künstlers. . . herleiten will, ohne die rechtlichen Grundlagen dieses Leistungsschutzes nach geltendem Recht näher zu erörtern... Solange eine solche Sonderregelung nicht Gesetz geworden ist, bedarf es der Prüfung, ob und inwieweit die als Leistungsschutzrechte geltend gemachten Ansprüche, nach der gegenwärtigen Gesetzeslage begründet sind (Sperrungen von mir)." Wörtliches Zitat aus I ZR 53/58: „Denn sieht das Gesetz... insoweit urheberrechtlich ausgestaltete Ausschließlichkeitsrechte vor. . ., so ist der Richter hieran gebunden, weil es dem Gesetzgeber freisteht, auch durch eine solche Regelung den dargelegten Interessen Schutz zu gewähren." 10) Vgl. außer dem in Anm. 8 wiedergeg&benen Zitat aus I ZR 87/58 über eine erweiterte Gesetzesanalogie folgendes wörtliche Zitat aus I ZR 53/58: „Wenn aber ein zur Entscheidung stehender Interessenkonflikt bei Erlaß des Gesetzes noch nicht ins Auge gefaßt werden konnte, weil er erst durch Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse nach diesem Zeitpunkt in Erscheinung getreten ist, so muß auch gegenüber einem sprachlich eindeutigen Gesetzeswortlaut eine Auslegung nach dem Sinn und Zweck des Gesetzes Platz greifen (BGHZ 2, 176, 184; 11, 135; 17, 266, 278). 11) Wörtliches Zitat aus I ZR 53/58: „Durch die uneingeschränkte Gleichstellung der Schallvorrichtung mit einer Werkbearbeitung sollte aber gerade sichergestellt werden, daß Inhalt und Umfang der hiernach an der Schallvorrichtung bestehenden Befugnisse sich völlig mit denen an einer Werkbear.beitung decken. Dies erhellt eindeutig aus der Begründung zum Entwurf des Gesetzes zur Ausführung der Revidierten Berner Ubereinkunft vom 13. November 1908 (Verhandlungen des Reichstags XII. Legislaturperiode. II. Session Bd. 275 Nr. 341 S. 1793), in der es heißt: „. . ." Wörtliches Zitat aus I ZR 71/58: „Man glaubte aber, einen solchen Schutz auch im Rahmen des Urheberrechtes verwirklichen zu können, wenn man ihn in der Person des ausübenden Künstlers entstehen ließ, weil seine Wiedergabe eines Werkes der Literatur oder Tonkunst eine individuelle Leistung darstelle und des-
Interessenlagen); was in einem Urteil als tragender grund besonders herausgestellt wird, wird in anderen oder weniger erheblich eingeschränkt13).
EntscheidungsUrteilen mehr
halb im Fall ihrer Festlegung auf einer Schallvorrichtung einer Werkbearbeitung gleichgeachtet werden könne. In der Begründung der Gesetzesnovelle von 1910, durch die § 2 Abs. 2 in das Gesetz eingefügt wurde, heißt es: ... 12) Wörtliches Zitat aus I ZR 64/58: „Aufführung oder Vortrag eines Werkes der Literatur oder Tonkunst sind dhne körperliche Festlegung vergänglich. Sie sind nicht nur an die Zeit ihrer Darbietung, sondern auch an den Raum, in dem sie stattfinden, gebunden, soweit sie nicht mittels technischer Hilfsmittel über diesen Raum, den sie ihrer natürlichen Tonstärke nach zu füllen vermögen, ausgestrahlt werden. Sie haben, soweit eine Festlegung ausscheidet, kein den Schaffensvorgang überdauerndes ,Leistungsergebnis' zum Ziel, das ohne weitere Inanspruchnahme des ausübenden Künstlers von Dritten genutzt werden könnte. Aufführung oder Vortrag sind als solche nicht wiederholbar, sondern höchstens durch erneute Leistung nachvollziehbar. Andererseits besteht vielfach selbst bei demjenigen Hörerkreis, der bereits in den Genuß der fraglichen Leistung kam, ein Bedürfnis, diesen Genuß zu wiederholen. Der ausübende Künstler aber ist. wenn sichergestellt ist. daß seine Darbietungen nur denjenigen Kreis erreichen, für den er sie bestimmt hat, in der Lage, die Nachfrage nach einer erneuten Darbietung dieser Leistung dadurch für sich auszunutzen, daß er sich hierzu nur gegen Zahlung einer angemessenen Vergütung bereit findet. Die Möglichkeit, die Höhe der Vergütung von der jeweiligen Reichweite seiner Leistung abhängig zu machen, wird dem ausübenden Künstler jedoch genommen, wenn er es hinnehmen müßte, daß sein Vertragspartner oder gar Dritte, zu denen er in keinem Vertragsverhältnis steht, seine Leistungen, die üblicherweise honoriert werden, ohne ihm ein Entgelt zu zahlen, einem sehr viel umfassenderen Kreis zugänglich machen, als er selbst es bei der Darbietung gewollt hat und bei Ausbedingung der Vergütung für diese Darbietung in Betracht ziehen konnte. Dies würde nicht nur einen Eingriff in persönlichkeitsrechtliche, sondern auch in wirtschaftliche Interessen des ausübenden Künstlers bedeuten, weil damit das Gleichgew'cht zwischen Leistung und Gegenleistung gestört wird, das normalerweise Veitragsgrundlage ist. Das gleiche Problem stellt sich bei allen stofflich nicht gebundenen, ihrer Natur nach vergänglichen Darbietungen, bei denen eine Nachfrage nach ihrer Wiederholung besteht, wie beispielsweise l^ei Darbietungen von Artisten oder Sportlern. Ihrer eigenmächtigen Ausnutzung außerhalb des vertraglich vorgesehenen Rahmens, der in der Regel für die Höhe des Leistungsentgeltes maßgebend ist. stehen nicht nur persönlichkeitsrechtliche, sondern auch allgemein bürgerlichrechtlirhe Grundsätze entgegen . . ." Vgl. ferner das in Anm. 13 wiedergegebene Zitat aus I ZR 53/58. 13) Wörtliche Zitate: Aus I ZR 71/58: „Der Gesetzgeber, der mit § 2 Abs. 2 LitUG in erster Linie nicht einen Schutz der ausübenden Künstler, sondern der Tonträgerindustrie gegen eine unbefugte Nachbildung ihrer Erzeugnisse anstrebte, war sich im klaren darüber, daß es insoweit in Wahrheit um ein Anliegen des gewerblichen Rechtsschutzes oder des unerlaubten Wettbewerbs ging (vgl. Entwurfsbegründung zu Art. 1 Nr. 2)"; aus I ZR 87/58: „Dieses Ergebnis aber wäre unvereinbar mit dem Schutzgedanken des § 2 Abs. 2 LitUG, der vor allem die Tonträgerhersteller vor unbefugten Vervielfältigungen sichern wollte"; aus I ZR 53/58: „Wenn auch davon auszugehen ist, daß Anlaß für die fragliche Gesetzesbestimmung das Bestreben bildete, die Industrie mechanischer Musikinstrumente gegen unbefugte Nachbildungen zu schützen, und diese Industrie bei Erlaß dieser Bestimmung nach dem damaligen Stand der Technik für
Der wirkliche Grund, der in den Entscheidungsgründen nur ganz kurz berührt wird, scheint mir ein anderer zu sein: Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs sah sich als Gefangener seiner eigenen Rechtsprechung, mit der er — entgegen dem klaren Wortlaut der §§ 1 und 22a LitUG — die elektroakustische Wiedergabe von der Aufführungsfreiheit des § 22a ausgenommen und damit auch diese Art der Werknutzung als für den Urheber monopolisiert erklärt hatteli). Wollte der Senat hieran festhalten, so mußte er, wie er es selbst in dem Urteil I ZR 53/58 formuliert hat, „prüfen, ob nach dem Sinn und Zweck des § 2 Abs. 2 LitUG die Gleichstellung der Rechte des ausübenden Künstlers an der Schallvorrichtung mit den Rechten eines Werkbearbeiters auch für diesen vom Gesetzgeber nicht berücksichtigten neuartigen Sachverhalt zu gelten hat oder ob insoweit eine einschränkende Auslegung des § 2 Abs. 2 LitUG geboten ist". Der Senat entschied im ersteren Sinne '5). Die Begründung entspricht der im sog. „Grundig"Urteilw) ausführlich entwickelten Auffassung, die in dem Urteil I ZR 53/58 in dem Satz zusammengefaßt ist „Auch für das fiktive Bearbeiter-Urheberrecht gilt der allgemeine Leitgedanke, den die Rechtsprechung für den eigentlichen Werkschöpfungsschutz anerkannt hat, daß nämlich der Urheber tunlichst überall da, wo aus seinem Geisteswerk ein wirtschaftlicher Nutzen gezogen wird, daran zu beteiligen ist." Diese Begründung eine Aufführungsfreiheit mechanischer Musikdarbietungen eingetreten ist, so muß doch der Veränderung der Interessenlage Rechnung getragen werden, die für die Tonträgerindustrie dadurch eingetreten ist, daß die Technik neue Möglichkeiten erschlossen hat. Tonträger für öffentliche Musikdarbietungen zu benutzen, die nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats dem Aufführungsrecht der Werkschöpfer unterliegen. Damit aber hat sich der Standpunkt der Tonträgerindustrie zur Aufführungsfreiheit mechanischer Musikdarbietungen grundlegend geändert. Ob diese Interessenlage es rechtfertigt, der Tonträgerindustrie im Gegensatz zur gegenwärtigen Gesetzeslage ein originäres, nicht von den ausübenden Künstlern abgeleitetes Aufführungsrecht zu gewähren, steht hier nicht zur Erörterung. Es ist vielmehr nur eine Klarstellung geboten, daß es dem Schutzgedanken des § 2 Abs. 2 LitUG, soweit diese Vorschrift mittelbar im Interesse der Schallplattenihersteller ergangen ist. nicht zuwiderläuft, wenn entsprechend dem Gesetzeswortlaut eine Gleichstellung der Rechte an der Schallvorrichtung, mit denen an einer Werkbearbeitung im Sinne von § 2 Abs. 1 LitUG hinsichtlich des Aufführungsrechtes auch angenommen wird." 14) Wörtliches Zitat aus I ZR 53/58: „Der erkennende Senat ist in der Entscheidung vom 6. November 1953 unter Berücksichtigung der dem Urheberrecht zugrunde liegenden Wertentscheidungen zu dem Ergebnis gelangt, daß öffentliche Musikdarbietungen, die sich der heute üblichen elektroakustischen Wiedergabetechnik bedienen, der Erlaubnis der Werkschöpfer bedürfen, weil solche Musikaufführungen nicht durch die eng auszulegende Ausnahmevorschrift des § 22a LitUG gedeckt sind." 15) Wörtliches Zitat aus I ZR 53/58: „Aus der Gesetzessystematik kann hiernach nur in Übereinstimmung mit dem Berufungsgericht gefolgert werden, daß in allen Fällen, in denen der Ausnahmetatbestand des § 22a LitUG nicht eingreift, dies in gleicher Weise für den Werkschöpfer wie für den ausübenden Künstler zu gelten hat, soweit ihm gemäß § 2 Abs. 2 LitUG ein fiktives Bearbeiterurheberrecht an seiner auf einem Tonträger festgehaltenen Leistung zusteht." 16) BGHZ 17/266 = UFITA Bd. 20 (1959) S. 314.
beruht auf einer Verwechslung des rechtsphilosophisch zureichenden Grundes für die Anerkennung eines Herrschaftsrechts des Urhebers am Werk mit der rechtspolitischen Frage nach Art und Umfang der hieraus fließenden rechtlichen Befugnisse 11). Sie bedeutet zugleich nach meiner Meinung einen verfassungsrechtlich unzulässigen Übergriff der Rechtsprechung auf das ihrer Zuständigkeit entzogene Gebiet der Rechtsetzung laJ. Diese lediglich auf § 2 Abs. 2 LitUG ausgerichtete Begründung, welche die Anerkennung eines unmittelbar in der Person des ausübenden Künstlers entstehenden Urheberrechts allein auf die Fixierung des Vortrags auf einen Tonträger stützt, versagte aber hinsichtlich der nicht fixierten Leistung des ausübenden Künstlers. Hier mußte der Senat, um keine für den juristischen Laien unverständliche Differenzierung zwischen fixierten und nichtfixierten Leistungen aufkommen zu lassen, auf eine urheberrechtliche Argumentation verzichten und mit Rücksicht auf ein jedenfalls äußerlich einheitliches Ergebnis 19) seine Zuflucht zu den Generalklauseln des Persönlichkeitsschutzes, des Sittenverstoßes und des unlauteren Wettbewerbs nehmen. Was zu diesem Begründungsversuch zu sagen ist, wird unten an passender Stelle nachgeholt Hier kam es mir nur darauf an, den wirklichen tieferen Grund für die vier Urteile herauszuarbeiten, der für die oben hervorgehobene und mit Beispielen belegte Eigenartigkeit der Begründung wohl verantwortlich gemacht werden darf. In diesem Zusammenhang sei schließlich noch ein allgemeines Bedenken wiederholt, nämlich die Neigung des BGH, die in Art. 20 GG niedergelegten und durch keine Verfassungsänderung antastbaren Grundsätze der Trennung der Gewalten und der Bindung der Rechtsprechung an Gesetz und Recht dadurch illusorisch' zu machen, daß der gesetzlichen Regelung bedürftige und deshalb allein der Zuständigkeit des Gesetzgebers zugewiesene Fragen der richterlichen Zuständigkeit selbst dann noch unterworfen werden, wenn sie bereits seit Jahren den Gegenstand einer in Vorbereitung befindlichen umfangreichen und grundlegenden Gesetzesreform bilden. Man kann in dem vorliegenden Falle noch nicht. die rechtsphilosophische Frage nach dem Vgl. über die Notwendigkeit, zureichenden Grund für die Anerkennung von Urheberrechten, die rechtsFrage nach der politische. Frage nach deren Umfang, die rechtsdogmatische Stellung dieser Rechte im System des positiven Rechts und schließlich die rechtstechnische Frage nach der zweckmäßigen Terminologie scharf voneinander zu trennen, meine Schrift: Das neue Urheberrechtsgesetz der Türkei (Schriftenreihe der UF1TA Heft 4 (1957) S. 21 ff.). 18) Ich habe diese Bedenken bereits vor zwei Jahren in meinem Referat: „Urheberrecht und verwandte Rechte" in: Aktuelles Filmrecht, Schriftenreihe der UFITA Heft 11 S. 15 und 16 geäußert und begründet und darf vor allem auch auf die dortigen Anmerkungen Nr. 13 und 14 verweisen. 19) Ich sage „äußerlich einheitlich", weil das urheberrechtliche Ausschließlichkeitsrecht nach der ausdrücklichen Formulierung des § 1 LitUG und der dieses Gesetz ergänzenden internationalen rechtlichen Bestimmungen nach Inhalt, Umfang, Art, Zeit und Ort gesetzlich begrenzt ist. während diese für das Urheberrecht seit jeher überall in der Welt für ununtbehrlich gehaltenen gesetzlichen Einschränkungen weder für das Persönlichkeitsrecht noch für das Wettbewerbsrecht gelten.
17)
einmal argumentieren, ein Gesetz habe allgemeine Geltung für jeden, auf den der gesetzliche Tatbestand zutreffe, während ein Urteil doch nur „inter partes" wirke. Dies eben ist das Gefährliche dieses Verfahrens, daß ein sogenannter „Musterprozeß" zwar äußerlich im Namen zweier Einzelrechtssubjekte, in Wirklichkeit aber im Interesse ganzer Gruppen und Verbände geführt und von diesen auch finanziert wird, weil die in der konkreten „Einzelsache" ergehende Entscheidung des höchsten Gerichts zwar nicht rechtlich, aber faktisch präjudizielle Wirkung auf alle gleichliegenden Fälle äußert, also ebenso generell wirkt wie ein entsprechendes Gesetz. Hat ein derartiges Urteil dann noch die weitere Folge, daß nicht so sehr der unterlegene Teil, sondern im wirtschaftlichen Endergebnis ganz andere, am Prozeß überhaupt nicht beteiligte Rechtsgenossen die „Zeche" zu zahlen haben — wie dies hier der Fall ist, da die den Künstlern zugesprochenen Tantiemen nicht zu Lasten der Urheber und der GEMA, sondern zu Lasten der gesamten „Verbraucherschaft" gehen20) —, so übt faktisch das oberste Gericht die ausschließlich dem verfassungsmäßigen Gesetzgeber zustehenden Rechtsmacht aus, die geltende Rechtsund Güterverteilungsordnung mit bindender Wirkung für und gegen alle zu ändern. Mit Recht wirft Friedrich21) anläßlich eines Urteils des Bundesfinanzhofs, das über den klaren Wortlaut des Gesetzes hinaus eine zusätzliche steuerliche Belastung für den Steuerpflichtigen schafft, die Frage auf, ob der BFH Richter oder Gesetzgeber sei, eine Frage, die, wie man sieht, auch hinsichtlich des BGH gestellt werden muß, zumal auch hier der klare Wortlaut der einschlägigen Gesetze (jeweils § 1 LitUG und KSchG) Rechte nur „nach Maßgabe dieses Gesetzes" gewährt. Die zunehmende Macht der Verbände birgt bereits für sich allein schon schwere Gefahren für die freiheitliche demokratische GrundOrdnung. Erhalten die auf dem Wege der Gesetzgebung noch nicht realisierten und u. U. nicht realisierbaren Forderungen wirtschaftlicher Verbände auf dem Wege über die Rechtsprechung das richterliche Plazet, dann hat der verfassungsmäßige Gesetzgeber insoweit ausgespielt. Durch nichts kann die Gefährlichkeit des vom 1. Zivilsenats des BGH mit seiner Entscheidungspraxis eingeschlagenen und durch die vier neuen Grundsatzurteile fortgesetzten Wegs besser illustriert werden als durch den unmittelbar nach Erlaß dieser Urteile veröffentlichten Aufruf der vor kurzem gegründeten „Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten" (GVL) an alle Gastwirte und Musikveranstalter, unverzüglich bis spätestens 15. Juli eine sogenannte Künstlerlizenz für die öffentliche Wiedergabe von Rundfunk, Fernseh- und Schallplattenmusik Aufführung zu beantragen, da ohne eine derartige Lizenz deren weitere rechtswidrig sei. Als die Interessenvertretungen des Hotel- und Gaststättengewerbes und der Musikveranstalter ihren Mitgliedern jedoch öffentlich davon abrieten, entsprechende Lizenzanträge zu stellen, sah 20) Vgl. hierzu auch Carl Haensel: Aufführung-, Vortrag-, Weitergabe, in UFITA Bd. 28 (1959 II) S. 1. ff., 149 f f . (186) 21) In „Der Betrieb" 1960 S. 705
Rundfunk-
die GVL hierin „eine öffentliche Aufforderung zum Ungehorsam gegen die bestehende Rechtsordnung", das heißt ein Vergehen nach § 110 StGB!™) Man wird unter diesen Umständen allen Anlaß haben, sowohl bei der Reformgesetzgebung wie auch anläßlich der Ratifikationen der in Vorbereitung befindlichen internationalen Abkommen darauf hinzuweisen, daß weder die Regierung noch die gesetzgeberischen Körperschaften des Bundes in ihrer Entschließungsfreiheit durch die fraglichen Urteile behindert sind, selbst wenn, was zu erwarten stehtn), die Interessenten behaupten sollten, durch die fraglichen Entscheidungen ihre wohlerworbenen Rechte und damit ihr unentziehbares Eigentum nach Art. 14 GG anerkannt bekommen zu haben. Denn materielle Rechtskraft im juristischen Sinne können diese Urteile nur, wie gesagt, inter partes wirken, und von einem durch Gerichtsgebrauch sanktionierten objektiven Rechtssatz kann in Anbetracht des außerhalb des Kreises der unmittelbaren Interessenten laut gewordenen sehr lebhaften Widerspruchs keine Rede sein. Deshalb ist es auch jetzt noch gerechtfertigt, die vorliegende Monoder Öffentlichkeit zugänglich zu machen; denn Fräulein graphie Dr. Helena Papaconstandinou hat sich ihrer Aufgabe in vorbildlicher Weise entledigt. Der Leser darf sich getrost der Führung einer Autorin überlassen, die ihn sine ira et studio über die Entwicklung und den Stand der Meinungen zu den Fragen unterrichtet, ob, inwieweit und in welcher Weise die Darbietungen der ausübenden Künstler unter Berücksichtigung der heute bei uns herrschenden wirtschaftlichen, rechtspolitischen und sozialen Verhältnisse rechtsschutzbedürftig, rechtsschutzwürdig und rechtsschutzfähig sind. Eine objektive Darstellung dieser Probleme und der dazu geäußerten Ansichten entbindet nicht von eigener Stellungnahme und Wertung. Und deshalb läßt die Verfasserin mit voller Absicht den Leser von Anfang an nicht im unklaren über Herkunft und Art des von ihr angelegten Bewertungsmaßstabes: Aristoteles und seine auf das Verhältnis der Leistungen des „Dichters" und des „Schauspielers" ausdrücklich bezogene Lehre der rechten Mitte. Dieser die Verschiedenheit des Werts der Personen berücksichtigende Gleichheitsgrundsatz der justitia distri22) Siehe den Bericht der Frankfurter Allgemeinen Zeitung: „Keine Einigung nach geltendem deutschen Recht, Stuttgart-Köln 1960 S. 42/43: 23) Vgl. folgende Passagen aus der Schrift von H. H. von Rauscher auf Weeg: Das Aufführungsrecht der Interpreten und Schallplattenhersteller nach geltendem deutschen Recht, Stuttgart-Köln 1960 S. 42/43: „Wenn der Gesetzgeber Urheberrechtsschutz für Aufnahmen künstlerischer Darbietungen gewähren wollte, und wie dargelegt gewährt hat, so wird zu bedenken sein, daß die unterschiedliche Behandlung von Urhebern nicht nur eine Diskriminierung im Sinne eines Verstoßes gegen den verfassungsrechtlich niedergelegten Gleichheitsgrundsatz, sondern auch eine Enteignung des Rechtsinhabers darstellt (Art. 3, 14 Grundgesetz). Ein Ausschließlichkeitsrecht, das dem einen Urheber durch die Rechtsprechung zur wirtschaftlichen Auswertung zugewiesen wurde, kann nicht dem anderen gegenüber, dem „Auch-Urheber", verneint oder entzogen werden, ohne daß in die durch die Verfassung garantierten Rechte eingegriffen wird."
butiva, dem ausübenden Künstler zu geben, was des Künstlers ist, ohne seine Leistung im Verhältnis zu derjenigen des Urhebers über zubewerten, zieht sich wie ein roter Faden durch die ganze Arbeit. Deshalb dürfte es nicht unangebracht sein, mit dem gleichen Maßstab zu prüfen, inwieweit die Ergebnisse der Monographie durch die im Laufe der letztvergangenen zwölf Monate veröffentlichten Äußerungen der Theorie, der Gesetzgebung und Rechtsprechung berührt werden, welche von der mittlerweile in ihre griechische Heimat zurückgekehrten Verfasserin nicht berücksichtigt werden konnten. II. 1. Zur Frage des allgemeinen Persönlichkeitrechts, das gelegentlich als Grundlage für die Anerkennung eines Schutzrechts des ausübenden Künstlers an seiner Darbietung vorgeschlagen worden ist, Hegt, abgesehen von den dürftigen Bemerkungen von D e n e c Ic e 24) über die Anerkennung eines allgemeinen Persönlichkeitsrechts vor allem die ausführliche Darstellung von Nipperdey25) vor. Nach ihm ist das allgemeine Persönlichkeitsrecht ein Recht auf Achtung und Schutz der Menschenwürde, auf Respektierung der Persönlichkeit, ein Grundrecht im Sinne der Verfassung und ein subjektives Recht im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB, das seinem Inhalt nach nicht abschließend festgelegt werden könne. Es sei ein „Muttergrundrecht", ein „Quellrecht", aus dem die einzelnen konkreten Persönlichkeitsrechte abzuleiten seien und auf das in Ermangelung eines bereits konkretisierten Persönlichkeitsrechts zur werden könne, wobei Entwicklung eines neuen stets zurückgegriffen keineswegs eine gewohnheitsrechtsähnliche Geltung zu verlangen sei. Deshalb seien auch die besonderen Bestimmungen des bisherigen Rechts, durch die außer anderen auch die Urheberrechte gegen Verletzungen geschützt werden, nicht bedeutungslos geworden; sie hätten vielmehr eine Erweiterung erfahren, da ein Persönlichkeitsschutz auch sonst in Betracht kommen könnte. Über die naheliegende Frage, inwieweit der ausübende Künstler aus diesem allgemeinen Persönlichkeitsrecht für seine Darbietung Rechte herleiten könne, enthält der Aufsatz aber keinerlei Ausführungen. Auch Siebert2ß), der sich mit dem Persönlichkeitsrecht näher befaßt und als seinen Inhalt die rechtlich anerkannte und geschützte Entfaltung derjenigen Werte, Eigenschaften und Kräfte bezeichnet, welche die Menschenwürde, Individualität und schöpferische Leistung der einzelnen Person begründen und darstellen, zieht hieraus keine Folgerungen hinsichtlich der Schutzwürdigkeit der Leistung des ausübenden Künstlers. Dieser Sachverhalt wird noch nicht einmal erwähnt, auch nicht anläßlich der Behandlung des Urheberrechts, das wird. unter „die sonstigen einzelnen Persönlichkeitsrechte" eingereiht 24) Im Kommentar von Reichsgerichtsräten und Bundesrichtern zum BGB 11. Aufl. Bd. 1, 1. Teil Berlin 1959 Anm. 1 u. 2 vor § 1 25) „Allgemeines Persönlichkeitsrecht" in XJFITA Bd. 30. (1959) 1 f f . 26) Persönlichkeitsrecht, Namensrecht, Zeichenrecht; Erläuterungen zu § 12 BGB. Sonderdruck aus Soergel-Siebert, BGB 9. Aufl. Stuttgart 1959, vor allem Anm. 1
Dazu wird nur ausgeführt, jedes Urheberrecht an Werken der Literatur und der Tonkunst sowie an Werken der bildenden Künste und der Photographie enthalte ein Persönlichkeitsrecht, mindestens einen persönlichkeitsrechtlichen Bestandteil'"). Um so erstaunlicher ist die Auffassung des BGH, daß bereits aus persönlichkeitsrechtlichen Erwägungen jedem ausübenden Künstler unabhängig von dem Rang seiner künstlerischen Leistung und ohne Rücksicht Gruppenleistung darauf, ob seine Leistung mehr oder weniger in einer aufgeht, im Grundsatz das Recht zustehe, über Art und Umfang der Verwertung seiner Leistung selbst zu entscheiden, insbesondere Tonbandaufnahmen zu Sendezwecken sowie die Verwendung ungenehmigter Tonbandaufnahmen für Rundfunksendungen zu untersagen. Es ist hier nicht der Ort, die für diese Auffassung ins Feld geführten Argumente im einzelnen wiederzugeben, zu analysieren und kritisch zu würdigen. Wer die diesbezüglichen Teile der Begründung der vier Urteile liest, wird mit Schrecken zugeben müssen, daß die von Gramm28) befürchtete Gefahr 27) Wenn S i e b e r t (a. a. O. Anm. 17) unter Hinweis auf mein in Anm. 18 zitiertes Referat behauptet, ich sei gegen (Fettdruck im Original) die persönlichkeitsrechtliche Auffassung des droit moral, so ist dies ein mir unbegreifliches Mißverständnis. Ich habe mich a. a. O. aus drei Gründen gegen den Ausdruck „Urheberpersönlichkeitsrecht" gewandt und hierbei die rein persönlichkeitsrechtliche Auffassung des Urheberrechts als solches und die Zusammenfassung der als Inhalt des droit moral allein in Frage kommenden drei Befugnisse des Urhebers unter dem besonderen Rechtsbegriff „Urheberpersönlichkeitsrecht" beanstandet. Daß diese drei Befugsind und nisse auch nach meiner Meinung Emanationen der Persönlichkeit als persönlichkeitsrechtliche Befugnisse qualifiziert werden können, kann für die Leser sowohl meines Referates wie auch meiner sonstigen dort angegebenen Schriften nicht zweifelhaft sein. Auch Troller kommt völlig unabhängig von mir und offensichtlich ohne Kenntnis meiner Ausführungen in seiner kürzlich auch als Heft 16 der Schriftenreihe der UFITA erschienenen Abhandlung: „Bedenken zum Urheberpersönlichkeitsrecht" (UFITA Bd. 28 [1959 II] S. 257 f f . ) zu dem Ergebnis (S. 297): „daß das Ur. heberpersönlichkeitsrecht weder als Begriff noch als juristische Konstruktion ins Urheberrecht hineinpaßt". Für Nipperdey ist das Urheberpersönlichkeitsrecht dagegen ein Persönlichkeitsrecht besonderer Art, das verzichtbar, übertragbar und von begrenzter Dauer sei (vgl. den in Anm. 25 zitierten Aufsatz S. 20). Über das Verhältnis des Urheberrechts und des Leistungsschutzrechts des ausübenden Künstlers zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht vgl. auch den Aufsatz von Schiefler in GR UR 1960 S. 156 f f . , welcher vor allem im Hinblick auf die beabsichtigte Neufassung von Art. 33a EGBGB durch das sog. Ehrenschutzgesetz ausführt, daß die beiden erwähnten Rechte auch dem Schutz persönlicher Interessen dienten und insoweit im Verhältnis zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht eine, Spezialregelung darstellten, die diesem vorgehe. Ansprüche aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht, die aus einer Verletzung nicht typischerweise durch das Urheberrecht oder Leistungsschutzrecht geschützter persönlicher Interessen erwachsen, blieben unberührt. Nach dieser wohl richtigen Abgrenzung wäre zwar nicht das Ergebnis, aber die Begründung des Urteils des OLG München vom 7. 8. 58 (UFITA Bd. 28 [1959 II] S. 342 f f . ) unrichtig, wonach es eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts — richtiger wäre: des Leistungsschutzrechtes — eines Schauspielers bildet, wenn der von dem Schauspieler in einem Tonfilm gespielten Rolle durch Nachsynchronisation in der gleichen Sprache die Stimme eines anderen unterlegt wird. 28) Bei P alandt: Bürgerliches Gesetzbuch 19. Aufl. Anm. 6 i zu § 823; vgl. hierzu die beschwichtigende Besprechung von Bundesrichter N a st el s k i in: NJW 1960/1709.
einer „uferlosen Ausweitung" des Begriffs eines allgemeinen Persönlichkeitsrechts vom I. Zivilsenat des BGH nicht etwa eingedämmt, sondern erheblich erhöht und das für den Schutz höchst persönlicher immateriller Werte bestimmte Recht zum Vorwand und Vorspann eindeutig materieller Interessen degradiert worden ist. Abgesehen hiervon besteht die weitere Gefahr, daß nun auf alle Tatbestände, die durch gesetzliche Bestimmungen oder die rechtsetzende Rechtsprechung des BGH urheberrechtlichen Schutz genießen, zugleich auch die Rechtsätze über das allgemeine Persönlichkeitsrecht zur Anwendung kommen2i). Dies aber widerspricht dem Grundsatz der Spezialität und diskreditiert die gesamte urheberrechtliche Gesetzgebung: „Die besondere Ausgestaltung und die Begrenzung der Urheber- und leistungsrechtlichen Befugnisse, die nach dem neuen Urheberrechtsgesetz noch wesentlich verfeinert werden sollen, beruhen auf sorgfältigster Interessenabwägung und dürfen nicht auf dem Umweg über den allgemeinen Persönlichkeitsschutz, der anders gestaltet ist und die Beschränkungen in dieser Form nicht kennt, umgangen werden können" 30). Gleichwertig mit der Begründung aus dem Persönlichkeitsrecht glaubt der BGH, seine Entscheidung auch aus dem Gesichtspunkt des § 826 BGB und des § 1 UWG rechtfertigen zu können. Die hierfür gegebene Begründung31) spricht gegen sich selbst. Dies gilt sowohl für die rein tat29) In dem Urteil I ZR 64/58 findet sich der verräterische Satz: „Ob diese (sc. aus dem Persönlichkeitsrecht) abgeleiteten Ansprüche auf eine entsprechende Anwendung von § 2 Abs. 2 LitUG gestützt werden können ... , kann bei dieser Sachlage dahinstehen." 30) Drucksache 1237 des Deutschen Bundestages, 3. Wahlperiode: Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des zivilrechtlichen Persönlichkeitsund Ehrenschutzes S. 30 — UFITA Bd. 29 (1959) S. 94; vgl. hierzu auch den in Anm. 27 berührten Aufsatz von Schief ler. 31) Wörtliches Zitat aus I ZR 87/58: „Bei der öffentlichen Darbietung von Rundfunksendungen, beispielsweise in Gaststätten, handelt es sich um eine, vom privaten Rundfunkempfang, für den der ausübende Künstler nach seinen Abmachungen mit den Rundfunkanstalten seine Leistung allein zur Verfügung gestellt hat, wesensverschiedene Nutzungsart, die sehr viel weitreichender als der Rundfunkempfang im privaten Bereich in die Interessen des ausübenden Künstlers eingreift, und zwar sowohl in persönlichkeitsrechtlicher wie in vermögensrechtlicher Beziehung . .. Zwar kann in der Regel kaum angenommen werden, daß er zur persönlichen Leistung herangezogen würde, falls die öffentliche Hörbarmachung der Rundfunksendung unterbleiben müßte, weil er seine Zustimmung versagt oder diese von der Zahlung einer angemessenen Vergütung abhängig macht. Nach der Lebenserfahrung ist aber angesichts der stetig wachsenden Nachfrage nach mechanischen Musikdarbietungen anzunehmen, daß dann an die Stelle der strittigen Rundfunkdarbietungen Schallplatten oder Tonbandaufführungen treten würden, für die, aufgrund von § 2 Abis. 2 LitUG Aufführungsgebühren auch an den ausübenden Künstler zu zahlen sind, und zwar unabhängig davon, ob diese Tonträger über Plattenspieler oder über eine, Rundfunkanlage öffentlich hörbar gemacht werden (vgl. Urteil des Senats vom 31. Mai 1960 — I ZR 53/58 — Künstlerlizenz bei öffentlicher Wiedergabe von Schallplatten). Es widerspricht aber den guten Sitten des lauteren Wettbewerbs (§ 1 UWG) und stellt eine sittenwidrige Vermögensbeschädigung dar (§ 826 BGB), eine fremde Leistung, die erfahrungsgemäß nur gegen eine angemessene Vergütung erbracht wird, kostenlos zur Förderung des eigenen gewerblichen Gewinnstrebens auszunutzen und hierdurch dem Leistenden einen wirtschaftlichen Schaden zuzufügen, weil ihm auf diese Weise ein Entgelt für
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bestandsmäßig durch kein tertium comparationis zu rechtfertigende Gleichsetzung der öffentlichen Hörbarmachung einer erlaubterweise durchgeführten Rundfunksendung mit dem unerlaubten Nachpressen von Schallplatten wie für den ehrenrührigen Vorwurf einer sittenwidrigen, also ethisch verwerflichen Handlungsweise der Angehörigen eines großen Berufskreises. Zu einem derartigen harten Unwerturteil besteht um so weniger Veranlassung, als, wie in der Begründung des Urteils an anderer Stelle ausgeführt wird, das Reichsgericht in seiner bekannten Lautsprecherentscheidung (RGZ 136/377) die öffentliche, gewerblichen Zwekken dienende Lautsprecherwiedergabe erlaubterweise durchgeführter Rundfunksendungen noch nicht einmal an eine Erlaubnis der Urheber der gesendeten Werke zu binden für richtig hielt. Auch wenn der erkennende Senat im November 1953 (BGHZ 11/135 auf S. 149) gegen diese Entscheidung Bedenken erhob, so ist er doch erst jetzt klar und deutlich von ihr abgewichen. Erst jetzt könnte also, wenn überhaupt, von einem „Schmarotzen" im Sinne des § 826 BGB und des § 1 UWG die Rede sein. Wobei ich ganz dahingestellt sein lasse, ob das fragliche, nach zahlreichen ausländischen Gesetzen zulässige Verhalten gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden oder „eines verständigen Gewerbetreibenden" verstößt. Denn die Auffassung eines einzelnen Volksteils, auf die sich der Senat — sei es zu Recht, sei es zu Unrecht — beruft, reicht für die Feststellung eines Sittengesetzes nicht aus 3la). Wie 3,t>) mit Recht das Bundesverwaltungsgericht feststellt, können beim Bestehen abweichender Anschauungen über eine Frage von Sitte und Anstand die Träger der einen Anschauung Andersdenkenden nicht schlechthin die Verständigkeit oder billige oder gerechte Denkart absprechen. Der Mangel einer Leistungsäquivalenz allein ist aber, wie sich aus § 138 Abs. 2 BGB ergibt, jedenfalls für den Vorwurf der Sittenwidrigkeit nicht ausreichend. seine etwaige persönliche Heranziehung oder aber für die Benutzung von Tonträgern entgeht, auf die seine Leistung übertragen worden ist. Die besonderen Umstände, die zu der unentgeltlichen und ungenehmigten Ausnutzung fremder Arbeit in der Regel hinzutreten müssen, um sie unerlaubt zu machen, liegen hier darin, daß die Leistungen der ausübenden Künstler nicht etwa „nachgebildet", sondern unmittelbar „angefaßt" und unverändert als Vorspann zur Steigerung der eigenen Erwerbschancen verwendet werden, indem sie mit Hilfe des Rundfunkempfangsgerätes aus dem Äther entnommen werden. Hierzu aber sind die Beklagten überhaupt nur deshalb in der Lage, weil die Errungenschaften der Technik die ausübenden Künstler weitgehend der Möglichkeit beraubt haben, Wirkungsbereich und Art der Ausnutzung ihrer Leistung in tatsächlicher Beziehung zu beherrschen und rechtlich durch entsprechende Verträge auch Dritten gegenüber wirksam abzugrenzen. Aus ähnlichen Erwägungen, aus denen das Reichsgericht bereits am 7. April 1910, also bevor § 2 Abs. 2 LitUG in das Urhebergesetz eingefügt wurde, in dem Nachpressen von Schallplatten einen Verstoß gegen § 826 BGB erblickt hat (RGZ 73, 294). muß auch im Streitfall den Zedenten der Klägerin aus dem Gesichtspunkt des „Schmarotzens" an fremder Leistung ein Unterlassungsanspruch gegen die Beklagten auch insoweit zugebilligt werden, als die öffentliche Hörbarmachung von Direktsendungen des Rundfunks in Frage steht (vgl. auch Urteil des Senats vom 31. Mai 1960 — I ZR 64/58 — Rundfunksendung „Figaros Hochzeit"). 31a) So ausdrücklich BVerfG E 6/389 (434). 31b) FamRZ 1960/233.
2. Die kürzlich erschienenen Werke zum gesamten Immaterialgüterrecht von T r oll er32) und zum Urheberund Verlagsrecht von U Im e r33) behandeln die Rechtslage der ausübenden Künstler ex professo. Ausgehend von der Ästhetik des Philosophen Nicolai. H artmann, „skizziert"3i) Troller ohne neue Argumente seine in früheren Veröffentlichungen ausführlicher vorgetragene und von Fräulein Papaconstandinou in Kapitel II § 1 ihrer Monographie dargestellte und kritisch beleuchtete These, daß die Leistung des schöpferischen Interpreten als wirkliche, nicht nur als fingierte Bearbeitung des urheberrechtlich geschützten Werks auch ihrerseits selbst ein echtes, nicht nur fingiertes Werk der Literatur und Tonkunst im Sinne des Urheberrechts sei und echte Urheberrechte entstehen lasse, während hiervon die sog. nichtschöpferischen Interpreten, insbesondere die Mitglieder eines Orchesters, Chors, vielleicht sogar -Sänger oder Schauspieler, ausgeschlossen seien. Während Wenzel Goldbaum, „une grande figure du droit 35), in der d'auteur et un grand humaniste" Rezension von Trollers Werk sehr sarkastisch meint, daß nach Troller der Schöpfer des Werks im „künstlerischen Gemenge der Hunderte und Tausende ,Carmen' - u. a. — Vollender verschwände":tli), macht neuerdings Peter37) auf die rechtlichen Konsequenzen der auch von unserer Autorin abgelehnten und vom BGH im Urteil I ZR 64/58 nur beiläufig erwähnten Trollerschen Theorie aufmerksam: Mit der nationalen Anerkennung eines echten Bearbeiter-Urheberrechtsschutzes wäre entsprechend „der in der Berner Übereinkunft und im Welturheberrechtsabkommen verankerten Inländergleichbehandlung gleichzeitig der Weg für die internationale Anerkennung automatisch gegeben, und die Schallplattenhersteller und die Rundfunkanstalten könnten tatsächlich einen gegen Dritte wirksamen Schutz dadurch erlangen, daß sie — wie die Verleger oder andere ausschließliche Werknutzer — die entsprechenden ausschließlichen Rechte vom schöpferischen Interpreten erwerben... Die schöpferische Interpretenleistung wäre also nicht nur gegen die Festhaltung der persönlichen Leistung auf Bild-, Schalloder Bildtonträger und gegen die Vervielfältigung, Verbreitung, Hörrundfunkund Fernsehsendung sowie öffentliche Wiedergabe dieser Vorrichtungen geschützt, sondern auch gegen alle diese Tatbestände, wenn ein anderer Interpret diese Leistung vollkommen oder teilweise kopiert, wenn also ein Sänger sich anhand der Schallplatte eines anderen Sängers dessen Auffassung, Phrasierung, Tongebung zu eigen macht 32) A l o i s Trailer: Immaterialgüterrecht. Patent-, Marken-, Urheber-, Muster- und Modell-Wettbewerbsrecht Bd. I 2. völlig neu bearbeitete Auflage des Werks: Der schweizerische gewerbliche Rechtsschutz. Basel und Stuttgart 1959, insbesondere S. 442 f f . 33) E u g e n Ulmer: Lehrbuch des Urheberund Verlagsrechts, 2. Aufl., Berlin-Göttingen-Heidelberg 1960, insbesondere §§ 96 bis 99 S. 427 bis 446 34) So ausdrücklich a. a. O. S. 442 35) Wie er im Nekrolog in der August-Nummer von DA 1960 (244) genannt wird 36) UFITA Bd. 31 (1960) S. 252 f f . (253) 37) W il h e l m Peter: Die Entwicklung der Leistungsschutzrechte im Spiegel des neueren Schrifttums, in GRUR AJT 1960 S. 176 f f . (185)
und sie weiter verwertet. Der Bearbeiterschutz des schöpferischen Interpreten würde also auch nicht vor der Verfilmung oder Fernsehfestlegung (Ambex-Verfahren) haltmachen und, da keinerlei Übertragungsbeschränkung besteht, regelmäßig vom Schallplattenhersteller, Filmproduzenten oder Fernsehsender erworben werden, so daß nun einerseits anstelle von Vergütungsansprüchen bis zur letzten Zweithandverwertung absolut wirkende Verbotsrechte entstünden, die eine wirkliche Dornenhecke gegenüber der Allgemeinheit aufrichteten, andererseits aber durch die Enthaltungspflicht des schöpferischen Interpreten als Bearbeiter des Werks eine ewige Werkexklusivität begründet würde, der zufolge das Werk in der gleichen oder ähnlichen Auffassung sogar vom Künstler selbst niemals mehr ohne Zustimmung des Exklusivverwerters aufgeführt, gesendet, festgehalten oder sonstwie verwertet werden dürfte." Im Gegensatz zu Troller reiht U Im er in seinem nunmehr in zweiter Auflage vorliegenden, bekannten grundlegenden Lehrbuch den Rechtsschutz der ausübenden Künstler, der Hersteller von Tonträgern und der Sendegesellschaften in die Gruppe der sog. „verwandten Schutzrechte" ein. Seine lehrbuchmäßige Darstellung entspricht seiner im Jahre 1957 erschienenen Monographie, mit der sich Fräulein Papaconstandinou ausführlich auseinandergesetzt hat. 3. Den unmittelbaren Anlaß für die Aktualität des von Fräulein Papaconstandinou behandelten Themas bildet der Kampf zwischen den Urhebern bzw. ihren Organisationen mit den Verbänden der ausübenden Künstler und den Schallplattenherstellern um Bedeutung, Tragweite und Grenzen des sog. fiktiven Bearbeiter-Urheberrechts des ausübenden Künstlers nach § 2 Abs. 2 LitUG. Diesem Interessentenkampf verdanken wir eine Fülle von Publikationen, die im Gewände wissenschaftlicher Abhandlungen38) z. T. nur als Streitschriften mit Zweckargumenten zugunsten oder zuungunsten der einen oder der anderen Seite zu qualidie vor allem der Vorbereifizieren sind. Diese Kategorie von Schriften, tung der mittlerweile ergangenen und oben erwähnten vier Grundsatzentscheidungen des BGH zu dienen bestimmt waren, ist während der hier zu berücksichtigenden Berichtszeit durch weitere Veröffentlichungen bereichert worden. B ü c h e n39) kommt, ausgehend von der „schöpferischen Idee" im Recht, auf Grund von historischen und rechtsvergleichenden Betrachtungen zu dem Ergebnis, daß das fiktive Bearbeiter-Urheberrecht des § 2 Abs. 2 LitUG nur die sich aus den §§ 12 Abs. 2 Nr. 5, 14 Nr. 4, 22 und 22a LitUG ergebenden Befugnisse, also nur die Fixierung eines Vortrags durch ausübende Künstler auf Tonträger, deren Vervielfältigung, gewerbsmäßige Verbreitung und öffentliche Aufführung, im Rahmen des §22a, nicht aber ihre Sendung und öffentliche Auf führung mittels Lautspre38) Vgl. hierzu auch P e t e r a. a. O. S. 180, 183 39) R o b e r t Buchen: Leistungsschutz und Urheberrecht, eine Untersuchung über Umfang und Grenzen des § 2 Abs. 2 LUG im Hinblick auf Tonträger (Dissertation Köln 1959)
eher oder elektromagnetischer Übertragung von Plattenspielern oder Tonbandgeräten auf Lautsprecher umfasse, auch lediglich einen Vergütungsanspruch gewähre, soweit es sich um die Vervielfältigung und gewerbsmäßige Verbreitung handele. Im übrigen unterstehe es der gesetzlichen Lizenz des § 22a LitUG ohne Vergütungsanspruch; Nutzungsarten, die nicht von § 22a LitUG erfaßt werden, stünden auch außerhalb der sog. Rechte aus § 2 Abs. 2 LitUG. Dies müsse selbst dann angenommen werden, wenn man ein weitergehendes Recht der Schallplattenhersteller unterstelle, weil der in zahlreichen Vorschriften des BGB zum Ausdruck gekommene allgemeine Rechtsgrundsatz: „nemo subrogat contra se" dem Hersteller von Tonträgern verwehre, die durch die Zwangslizenz des § 22 in Verbindung mit § 2 Abs. 2 LitUG gewonnene Befugnis zum Nachteil des Werkurhebers geltend zu machen. Die Schallplattenindustrie setze sich durch die Geltendmachung von Befugnissen, die über den geschilderten Rahmen hinausgehen, nicht nur in Gegensatz zu den Interessen des Werkurhebers, sondern zum Ziuecke des Urheberrechtsschutzes überhaupt und auch zu ihrer eigenen wirtschaftlichen Tätigkeit, die zu einem wesentlichen Teil auch auf Verbreitung der Tonträger zur Sendung durch Rundfunk und öffentliche Aufführung außerhalb des von § 22a LitUG erfaßten Rahmens gerichtet sei. Demgegenüber vertreten Hermann Voss10) und H. H. von Rauscher auf Weeg") den gegenteiligen Standpunkt als Wortführer der von ihnen vertretenen Interessenverbände. Sie sehen ihre Aufgabe vor allem in dem Nachweis, daß auch die Interpreten „Urheber" im Sinne des Gesetzes seien. Ihre Polemik richtet sich dementsprechend vor allem gegen die von der Internationalen Gesellschaft für Urheberrecht e. V. (INTERGU) veröffentlichten Gutachten und Stellungnahmen bekannter Juristen, die unter dem gemeinsamen Schlachtruf des „Leistungsschutzes" einen „Eroberungsfeldzug" zu Lasten der Interpreten und Schallplattenhersteller zwecks Einschränkung der gesetzlich normierten Ausschließlichkeitsrechte der besagten Interessengruppen und einen „Präventivfeldzug" zwecks Verhinderung jeder künftigen Normierung eines Ausschließlichkeitsrechts führten. Ebenfalls dem Standpunkt der ausübenden Künstler gerecht zu werden, bemühen sich, allerdings ohne polemische Schärfe, Menthai2), welcher den Interpreten als Schöpfer eines Werks der Zweiten Hand anerkannt sehen möchte, und 43), welcher Samson eine Stärkung der Rechte des ausübenden Künstlers in Anbetracht der heutigen wirtschaftlichen und technischen Verhältnisse vor allem deswegen für gerechtfertigt ansieht, weil „seine künstlerische Leistung nicht mehr wie Schall und Rauch verfliegt, sondern wie ein Druckwerk für alle Zukunft fixiert werden kann". Durch die Fixierung werde schon äußerlich die Schöpfung des Verfassers mit der nachschaffenden künstlerischen Leistung des Interpreten verbunden 40) In der in Anm. 1 genannten Schrift 41) Vgl. die in Anm. 23 zitierte, Schrift 42) In EBU-Revue 1959 S. 32 f f . 43) Die Grenzen des Quasi-Urheberrechts LUG, in GRUR i960 S. 174 f f .
der ausübenden
Künstler nach § 2
,und gleichgestellt, wobei es unwesentlich sei, ob die Hörbarmachung auf mechanisch- oder elektroakustischem Wege erfolge. Wertskalen seien für die urheberrechtliche Betrachtung unbrauchbar, weil unser Urheberrecht es nur auf die individuelle Werkschöpfung abstelle und ihren Wert und Grad unberücksichtigt lasse und lassen müsse. Schließlich — last not least — kommt auch Blomey er i4) zu dem Ergebnis, daß die Gleichstellung von Künstler und Bearbeiter in § 2 Abs. 2 LitUG sich auch auf das Aufführungsrecht beziehe. Er geht in Übereinstimmung mit Ulmer mit Recht von der Feststellung aus, daß die Novelle zum LitUG von 1910 über das Aufführungsrecht des Künstlers keine Entscheidung getroffen habe, daß vielmehr das ganze Problem erst aufgetaucht sei, als die Rechtsprechung die elektroakustische Wiedergabe von der Aufführungsfreiheit des § 22a ausgenommen und damit auch diese Art der Werknutzung für tantiemepflichtig zugunsten des Urhebers erklärt habe. Die zur Rechtfertigung dieses Ergebnisses vom BGH gegebene Begründung läßt sich wie alle derartigen „juristischen" Begründungen gewiß auch auf die Leistung des ausübenden Künstlers anwenden, wenn man sie generell als „Bearbeitung" und demgemäß als „urheberrechtsfähiges Werk" qualifiziert. Blomey er—im Banne der Ästhetik Nicolai Hartmanns und der entsprechenden Theorie Trollers —• hält eine derartige Qualifizierung für angemessen, obwohl er selbst ausdrücklich die „dem modernen Juristen so selbstverständliche" Feststellung t r i f f t , daß die zweimal verwendete Fiktion wie jede Fiktion die Möglichkeit offenläßt, daß das Gesetz die ersichtlicherweise als verschieden angenommenen Sachverhalte nicht nach jeder erdenklichen Hinsicht gleich bewerten w ollt e4S). Hierbei wird noch nicht einmal ein Unterschied zwischen dem „schöpferischen" und dem „nichtschöpferischen" Künstler im Sinne Trollers anerkanntie), auf der anderen Seite aber besonders hervorgehoben, daß nur der fixierte Vortrag als Bearbeitung, d. h. als urheberrechtsfähiges Werk geschützt werde, nicht dagegen der Vortrag als solcher. „Das Gesetz kann... nur an den fixierten Vortrag anknüpfen und kann ihn immer nur gegen eine Aufführung schützen, die durch Abspielen der Platte, also auf technischem Wege geschieht""). Aber gerade der Umstand, daß der Gesetzgeber es auch anders hätte machen können und gewiß auch anders gemacht hätte, wenn er nicht das Wettbewerbsinteresse des Plattenherstellers an der von ihm hergestellten Fixierung, sondern das Urheberinteresse des ausübenden Künstlers an seinem Vortrag hätte schützen wollen, kann doch wohl um so weniger bestritten werden, als die Möglichkeit, auch nicht fixierte echte Bearbeitungen von Sprach- und Musikwerken urheberrechtlich zu schützen, bereits im Jahre war. Man muß dogmatisch 1910 eine anerkannte „Selbstverständlichkeit" 44) Der Urheberrechtsschutz für den ausübenden Tonkünstler nach deutschem Recht. Stuttgart-Köln 1960 45) A. a. O. S. 11 (Sperrungen von mir). 46) A. a. O. S. 42 Anm. 101 47) A. a. O. S. 45; Sperrungen nach dem Original
zwischen zwei einander ausschließenden Lösungen wählen: entweder ist das für die Anerkennung des Bearbeiterurheberrechts Wesentliche die schöpferische und deshalb urheberrechtsähnliche Leistung des Künstlers; dann ist die Fixierung gleichgültig. Oder man sieht das Wesentliche in der Fixierung; dann ist das durch die Herstellung der Platte geschaffene Industrieerzeugnis das des Rechtsschutzes bedürftige wertvolle Objekt, mit der Folge, daß für den Umfang des fingierten Bearbeiterurheberrechts des ausübenden Künstlers unmittelbar nicht dessen eigene Interessen, sondern diejenigen des Plattenherstellers entscheidend sind. Der BGH hat für die Anwendbarkeit des § 2 Abs. 2 LitUG das Kriterium der „schöpferischen" oder „nachschaffenden" Leistung ausdrücklich für unerheblich erklärt und dieses Ergebnis vor allem mit einer Interpretation der im Gesetz und seiner Begründung gebrauchten AusLeistung", „individuelle drücke „persönlicher Vortrag", „künstlerische Leistung" zu rechtfertigen versucht. Diese Wortinterpretationen sind alles andere als überzeugend: So wird z. B. im Urteil I ZR 71/58 ausgeführt: „Danach ist der Gesetzgeber ersichtlich davon ausgegangen, daß die Voraussetzung der Übertragung eines Werkes auf Tonträger durch einen „persönlichen Vortrag" im Sinne dieser Gesetzesbestimmung stets (von mir gesperrt) gegeben sei, wenn der Tonträger die unmittelbare Wiedergabeleistung eines ausübenden Künstlers festhält." Die Gesetzesbegründung dagegen lautet: „Ein solcher Schutz läßt sich jedenfalls insoweit, als er sich auf einen persönlichen Vortrag des Werkes gründet, ohne Zwang im Rahmen des Urheberrechts verwirklichen. Denn die individuelle Leistung, die in dem persönlichen Vortrag liegt, kann, wie sie durch das Herstellen einer Vorrichtung festgelegt ist, sehr wohl einer Bearbeitung des literarischen oder musikalischen Werkes gleichgeachtet werden" (Sperrungen von mir). Das heißt doch wohl, wenn man sich an die Regeln der Logik und is) Grammatik hält: Nicht stets und unbedingt, sondern restriktiv nur unter der Bedingung, daß in dem „persönlichen Vortrag" eine „individuelle Leistung" liegt, kann die Fixierung des Vortrags eines literarischen oder musikalischen Werks einer ebenfalls als entsprechendes Werk qualifizierbaren Bearbeitung gleichgeachtet werden. Unter „individueller Leistung" konnte die amtliche Begründung zu einem Urheberrechtsgesetz im Jahre 1910 nur dasjenige Merkmal verstehen, das in allen einschlägigen internationalen Abkommen, nationalen Gesetzen und Entwürfen in entsprechender Formulierung zum Ausdruck kam und auch heute kommt nämlich die Eigentümlichkeit, die besondere Note als bestimmendes subjektives Moment für die Abgrenzung der geschützten „Werke" von irgendwelchen Erzeugnissen, 48) Siehe: Der Große Duden, Grammatik, der deutschen Sprache. Nr. 149 a. 49) Vgl. hierzu §§ 1 und 2 des Entwurfs des Bundes Justizministeriums über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte und die Begründungen zu diesen Bestimmungen.
die jedermann schlecht und recht hervorbringen kann. An die Stelle dieses sachlich und logisch zutreffenden Gedankenganges der Begründung von 1910 wird im Urteil I ZR 71/58 dem Gesetzgeber von 1910 die Absurdität einer Tautologie zugetraut, die in Wahrheit nur die Folge einer dem erkennenden Senat sicherlich selbst nicht bewußt gewordenen Begriffsvertauschung ist: „Dem steht nicht entgegen, daß in der Gesetzesbegründung von der „individuellen Leistung" gesprochen wird, die in dem persönlichen Vortrag liegt. Denn wie der Senat in seinem Urteil vom 31. Mai 1960 — I ZR 64/58 (Rundfunksendung „Figaros Hochzeit") näher dargelegt hat, ist jede lautliche Wiedergabe eines Tonkunstwerkes, gleichgültig, ob das Werk durch die menschliche Stimme oder das Spielen eines Instrumentes zum Erklingen kommt, mit der Person des sie vermittelnden Künstlers unlösbar verbunden, da sie von seinen höchstpersönlichen Eigenschaften und Fähigkeiten abhängig ist. Die Wiedergabeleistung eines ausübenden Künstlers gehört somit seiner in ihrer Eigenart einmaligen Individualsphäre an und ist deshalb stets zwangsläufig eine ,individuelle' Leistung." Diese auch für die Wiedergabeleistung eines Konservatoriumsschülers oder eines Dilettanten oder eines schreienden Säuglings zutreffende Deduktion verwendet das Wort „individuell" im Sinne von „persönlich" d. h. eine konkrete Person individualisierend und kennzeichnend, während in der angeführten Stelle der Gesetzesbegründung mit „individuell" nach dem Zusammenhang nur die Eigenschaft einer Leistung, ihre sich von anderen Leistungen abhebende Individualität, d. h. Eigenart gemeint sein kann. Auch der weitere Hinweis des BGH auf den in Satz 2 der fraglichen Vorschrift gebrauchten Ausdruck „künstlerische Leistung" geht fehl, weil der hier gemeinte Gegensatz die bloß „mechanische" Leistung darstellt, was für die Auslegung der Ausdrücke „persönlicher Vortrag" und „individuelle Leistung" unerheblich ist. Schließlich das letzte Argument des BGH im Urteil I ZR 71/58: „Gerade weil die Wiedergabeleistung des ausübenden Künstlers in der Regel keine eigentümliche Schöpfung darstellt, wird die Gleichstellung der auf einem Tonträger festgelegten Leistung mit einer Werkbearbeitung in Rechtsprechung und Schrifttum zu Recht als eine „Fiktion" gekennzeichnet. Von einer Fiktion kann nur gesprochen werden, wenn an ungleiche Tatbestände nach dem Willen des Gesetzgebers gleiche Rechtsfolgen geknüpft werden." Daß auch dieser Begründungsversuch unhaltbar ist, ergibt sich bereits aus folgenden Sätzen der Gesetzesbegründung von 1910: „Inhalt und Umfang der hiernach begründeten urheberrechtlichen Befugnisse sowie die Dauer des Schutzes und die Folgen einer Verletzung ergeben sich ohne weiteres daraus, daß der Vortragende in Ansehung der den Vortrag fixierenden Vorrichtung in der gleichen Weise geschützt wird wie der Bearbeiter eines Werkes in Ansehung seiner Bearbeitung (§ 2 Satz 2 des Gesetzes vom 19, Juni 1901); daß das Originalwerk als solches geschützt
sei, ist für den Schutz der Bearbeitung nicht erforderlich." (Verhandlung des Reichstages XII. Legislaturperiode II. Session Bd. 275 S. 1793)." Die Fiktion bezieht sich m. a. W. auf die Gleichsetzung von (materieller) Vorrichtung mit dem (immateriellen) Werk, nicht dagegen auf die Voraussetzungen, unter denen die „Vorrichtung" einem „Werk" urheberrechtlich gleichgestellt wird5,1). 4. Die bisher erschienenen veröffentlichten Äußerungen zu den Ministerialentwürfen zur deutschen Urheberrechtsreform beschäftigen sich z. T. auch mit der vorgeschlagenen Neuregelung des Schutzes der ausübenden Künstler, wonach zwar das fingierte Bearbeiter-Urheberrecht beseitigt, statt dessen aber ein besonderes Leistungsschutzrecht als sog. „verwandtes" Schutzrecht anerkannt werden soll. Hiergegen wendet sich vor allem Riedel51), der mit der gleichen Begründung wie unsere Autorin (vgl. Kap. II § 3) keinen ausreichenden Anlaß sieht, den Künstlern neben ihren schuldrechtlichen Ansprüchen als Arbeitnehmer oder selbständige Unternehmer und ihren Schutzansprüchen aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht „noch weitgehend... einen Anteil an den Werknutzungsrechten zu sichern". Jedenfalls sollte, man aber, wenn man mit Rücksicht' auf die internationale Entwicklung eine Regelung treffen zu müssen glaube, den Umfang des Schutzkreises des Leistungsschutzrechtes nicht zu weit ausdehnen, jedenfalls den Leistungsschutz für Orchester-, Chor- und Bühnenaufführungen streichen, da dazu kein Bedürfnis bestehe. Im Gegensatz zu dieser Auffassung bejaht Neumann-Duesb e r g52) zwar ein Bedürfnis für absolute Schutzrechte, aber nur insoweit, als auf vertraglicher Grundlage kein Schutz gefunden werden kann. Aber er bestreitet eine Verwandtschaft von Urheberrecht und Leistungsschutzrechten und hält deshalb die Mitregelung der letzteren in einem Urheberrechtsgesetz für verfehlt. Der für die Abgrenzung der Belange der Urheber und der ausübenden Künstler gewählte Ausgangspunkt einer Höherwertigkeit der Leistungen des Urhebers gegenüber derjenigen des Interpreten sei falsch. Die Abwägung müsse unter Be50) Dies kommt im Urteil I ZR 53/58 auch klar zum Ausdruck: „Gegenstand dieses Schutzes bildet aber die Schallvorrichtung nicht etwa in ihrer Eigenschaft als stoffliches Erzeugnis, sondern allein als Träger der Wiedergabeleistung des ,,vortragenden" Künstlers. Dies folgt zwangsläufig daraus, daß der Gesetzgeber nur in dem individuellen Element, das jeder Wiedergabeleistung anhaftet, die Rechtfertigung für die Zuerkennung eines urheberrechtlich ausgestalteten Schutzes erblickt und dementsprechend nicht den Hersteller des Tonträgers — den Schallplattenfabrikanten —, sondern den ausübenden Künstler einem Werkbearbeiter gleichgestellt und seiner Person die Bearbeitungsurheberrechte zugeordnet hat." Im Widerspruch hierzu heißt es allerdings einige Seiten später unter Verweisung auf das Urteil I ZR 71/58: „Der Schutz aus § 2 Abs. 2 LitUG aber greift unabhängig davon ein, ob die festgelegte Wiedergabeleistung die für den Werkbegriff im urheberrechtlichen Sinn maßgebende Voraussetzung einer eigenschöpferischen Prägung erfüllt." 51) Grundfragen der Urheberrechtsreform, in GRUR 1960 S. 216 f f . 52) Die „verwandten Schutzrechte" im Urheberrechtsgesetzentwurf 1959 (UFITA Bd. 31 [1960] S. 162 f f . )
rücksichtigung der praktischen Bedürfnisse erfolgen, ohne daß dem Urheber a priori der Vorrang eingeräumt werden dürfe. Es gehe in Wahrheit allein darum, den Urheber bei der wirtschaftlichen Verwertung nicht durch Leistungsschutzrechte über Gebühr zu beeinträchtigen. Jedenfalls genüge für die ausübenden Künstler ein Vergütungsanspruch gegen den Tonträgerbenutzer, da insoweit auch ein besonderes Erlaubnis- und Verbietungsrecht des Urhebers selbst überflüssig sei, wenn die Zwangslizenz wegfalle. Auch solle man eine uferlose Ausweitung des Persönlichkeitsrechts zum Schutze kommerzieller Interessen des Künstlers vermeiden. Ähnlich reserviert ist die von einem Arbeitsausschuß der Internationalen Gesellschaft für Urheberrecht53) ausgearbeitete Stellungnahme zu den Ministerialentwürfen5i). Die Schutzwürdigkeit der ausübenden Künstler wird zwar anerkannt, doch soll der Schutz auf die unmittelbare Leistung beschränkt werden, was die Gewährung eines Vergütungsanspruchs bei Verwendung von Ton- und Bildträgern für die Sendung nicht ausschließe. Doch soll der im § 84 ME vorgesehene Vergütungsanspruch für Vorträge und Aufführungen, die öffentlich mit Tonträgern veranstaltet werden, gestrichen werden, und zwar u. a. deshalb, weil hierdurch die „unheilvolle Verquickung von Urheberrechten und Leistungsschutzrechten" fortgesetzt werde und die vorgeschlagene Regelung eine ungleiche und damit ungerechte Behandlung der Musiker und der darstellenden Künstler bedeute, denen man einen Vergütungsanspruch bei der öffentlichen Wiedergabe von Bildträgern ausdrücklich verweigere. Auch der in § 91 ME vorgesehene Anspruch der Schallplattenindustrie auf Beteiligung an dem Vergütungsanspruch des ausübenden Künstlers wird folgerichtig abgelehnt. Mit der Regelung des Entwurfs scheint G ent z5i) im wesentlichen einverstanden zu sein, der lediglich eine Abänderung der §§ 82 und 85 ME fordert, kraft deren im Sinne der Zulässigkeit von Exklusivitätsklauseln ein Künstler dasselbe Werk eine bestimmte Anzahl von Jahren nicht durch einen anderen Schallplattenhersteller aufnehmen lassen darf, ja sogar weitergehend sich selbst für eine längere Zeit an einen bestimmten Schallplattenhersteller bindet. Die Begründung lautet wörtlich, daß „Rechte, die ihrem Wesen nach nur exklusiv verwertet werden können, sich nicht für Verwertungsgesellschaften eignen50). III. Im letzten Teil ihrer Arbeit (Kap. IV §§ 3 bis 6) behandelt unsere Autorin die auf zwischenstaatlicher Ebene unternommenen Versuche, zu 53) Bestehend aus den Herren Hubmann, Hermann, Overrath, Richartz, Schulze, Süss, Hirsch-Ballin. 54) Stellungnahme zu den Entwürfen des Bundesjustizministeriums zur Urheberrechtsreform mit einer synoptischen Darstellung des geltenden Rechts, der beiden BJM-Entwürfe, des Entwurfs Schulze und des Entwurfs des Ministeriums für Kultur in Ost-Berlin. Bd. 16 der Schriftenreihe der INTERGU Berlin 1960 55) In dem in Anm. 1 zitierten Aufsatz 56) Im Original (S. 76) gesperrt
einem, internationalen Schutz der ausübenden Künstler zu gelangen. Sie kommt zu dem Schluß, daß — wenn man schon die Notwendigkeit solcher Entwürfe nicht überhaupt aus grundsätzlichen Erwägungen ablehnt — nur die Zusammenarbeit zwischen Berner Union, Unesco und Internationalem Arbeitsamt zu einer Konvention führen könne, die weniger einseitig als die zwei vorliegenden Entwürfe, nämlich der sog. Monaco-Entwurf und der sog. JAA-Entwurf, wäre und die Aussicht hätte, von der Mehrzahl der Staaten ratifiziert zu werden. Dieser Gedanke ist mittlerweile seiner Verwirklichung wesentlich näher gerückt: In München tagten in der Zeit vom 12. bis 17. Oktober 1959 die vereinigten Ausschüsse der Berner Union und der Unesco, die sich u. a. auch mit dem Rechtsschutz der Interpreten befaßten und die gemeinsam mit dem Internationalen Arbeitsamt fortgeführten Bemühungen um die Vorbereitung eines einheitlichen internationalen Abkommens über die „Nachbarrechte" auf der Basis der beiden Entwürfe, aber ohne an sie gebunden zu sein, begrüßten In der Zeit vom 9. bis 21. Mai 1960 tagte dann im Haag ein von den drei erwähnten internationalen Organisationen zusammenberufenes Expertenkomitee, an dessen Sitzungen auch die Vertreter der internationalen Dachorganisationen der Interessenverbände mit beratender Stimme teilnahmen^). Das Ergebnis dieser Beratungen war ein aus siebzehn Artikeln bestehender „Entwurf eines internationalen Abkommens über den Schutz der ausübenden Künstler, der Hersteller von Schallträgern und der Rundfunkanstalten"59), der ebenso wie der erläuternde Bericht von W all a c e 60), der als rapporteur general fungierte, einstimmig angenommen wurde. Hier ist nicht der Ort zu einer Analyse, aber es verdient hervorgehoben zu werden, daß trotz der einstimmigen Annahme ein Teil der Experten den Entwurf zu weitgehend fand, um vor allem außerhalb Europas die Zustimmung möglichst vieler Staaten zu finden. Es wurde deshalb der Vorschlag gemacht61), diejenigen Bestimmungen des Entwurfs, welche die Staaten lediglich zur Gewährung eines inländergleichen Schutzes verpflichten, in einen Teil A und alle übrigen Bestimmungen in einen Teil B zu verweisen, um möglichst vielen Staaten den Beitritt wenigstens zum Teil A zu ermöglichen. Dieser Vorschlag wurde aber abgelehnt, da der Text des Entwurfs bereits einen Kompromiß darstelle und keinen sehr hohen Schutz iure conventionis vorsehe. Darüber wird man verschiedener Meinung sein tatsächlichen Verhältnisse in den einzelnen Staaten
können, zumal der Welt sehr
die ver-
57) Vgl. DA 1959 S. 206 ff., 210, 215 58) Einzelheiten und Dokumente siehe in DA 1960, S. 109 bis 124, 137 bis 161, Teilnehmerliste S. 181 bis 184 59) Französischer und englischer Text in DA 1960, S. 162 bis 166, spanischer Text S. 187 bis 189 60) Französischer und englischer Text in DA 1960, S. 167 bis 180, spanischer Text S. 190 bis 196 61) Französischer und englischer Text dieses Vorschlags in DA 1960, S. 184 bis 186, spanischer Text S. 198, 199
schieden liegen und selbst die Interessen einer und derselben Interessentengruppe zum Teil von Land zu Land andersartig, ja einander entgegengesetzt sind. Die weitere Diskussion bis zum formellen Abschluß eines entsprechenden Internationalen Abkommens, der Inhalt eines derartigen Abkommens und vor allem schließlich die Anzahl und Bedeutung der ohne oder mit Vorbehalten ratifizierenden Staaten bleiben abzuwarten, da insoweit nicht so sehr die wissenschaftlich theoretischen Erkenntnisse und Erwägungen als vielmehr die tatsächlichen Machtverhältnisse bestimmend sind. Als schönes Beispiel hierfür sei darauf hingewiesen, daß mittlerweile die in dem besprochenen Entwurf mitberücksichtigten Rundfunkanstalten der Eurovision-Länder unter Federführung des Europarats sich selbständig gemacht haben und nicht bloß zu dem Entwurf eines Abkommens über den Schutz von Fernsehsendungen, sondern bereits zu einem echten Staatsvertrag gekommen sind, der am 22. Juni 1960 zur Unterzeichnung aufgelegt und bisher ohne Vorbehalt der Ratifikation für Frankreich, mit Vorbehalt der Ratifikation außer für die Bundesrepublik noch für Dänemark, Griechenland, Groß-Britannien, Irland, Italien und die Türkei gezeichnet wurde. Mit Recht macht Peter*2) auf die Gefahr aufmerksam, welche das Inkrafttreten dieses Abkommens für die nationale und internationale Anerkennung der Rechte der ausübenden Künstler mit sich bringen kann. Denn die Rundfunkanstalten der Eurovision-Länder, für die jede, auch die bescheidenste Anerkennung von Leistungsschutzrechten mit einer Belastung verbunden wäre, können mit allen ihnen „durch die nahen Beziehungen zu den einzelnen Regierungen zu Gebote stehenden Mitteln das Abkommen über den gemeinsamen Schutz der ausübenden Künstler und der Schallplattenhersteller zu verhindern suchen"63). Derartige Bedenken zu zerstreuen, ist offenbar der Zweck der Erklärung gewesen, die der Vertreter der Bundesregierung bei der Zeichnung abgegeben hat, daß nämUrheberrechtslich das Abkommen nicht vor Abschluß der deutschen reform ratifiziert werden könne und daß selbst im Falle der Ratifizierung von einigen der in Art. 3 des Abkommens vorgesehenen Vorbehalte Gebrauch gemacht werden würde si). Wie auch dieses Beispiel zeigt, ist die Entwicklung des Rechtsgebietes, das den Gegenstand dieser Monographie bildet, noch immer in vollem Fluß. Ein Staatsvertrag, ein Konventionsentwurf, ein höchstrichterliches Urteil mögen für den Augenblick Epoche machen, im Laufe des Geschehens sind sie nur Episoden eines weit umfangreicheren sozialen Prozesses, in dem auch diese Schrift ihren Platz finden wird. Berlin-Wannsee,
den 25. August 1960 Dr. iur. Ernst E. Hirsch, o. Professor der Rechte an der Freien Unversität
Berlin
62) Vgl. die in Anm. 37 zitierte Abhandlung S. 186 63) Zu dem gleichen Thema vgl. auch, Frieberger: Der Europarat als Gesetzgeber des Urheberrechts (UFITA Bd. 31, 1960, S. 64 f f . ) 64) Vgl. DA 1960 S. 244
INHALTSVERZEICHNIS Abkürzungen
3
I. Kapitel § 1 § 2 § 3 § 4 § 5
Problemstellung Begriffe Träger des Leistungsschutzes Umfang des Personenkreises der Schutzberechtigten Umfang des Schutzes Schutz der beim Film mitwirkenden Personen . . .
II. Kapitel § 1
Rechtsnatur des Schutzes Schutz der Leistung des ausübenden Künstlers im Rahmen des Urheberrechts Schutz der Leistung des ausübenden Künstlers im Rahmen des Arbeitsrechts Neuartiger „Leistungsschutz" mit „besonderen Befugnissen"
§ 2 § 3 III. Kapitel
Seite
5 8 14 17 19
27 33 43
Geltendes Recht 1. A b s c h n i t t
Rechte des ausübenden Künstlers gemäß § 2 Abs. 2 LitUG § 1 Analyse des § 2 Abs. 2 LitUG § 2 Kritik des § 2 Abs. 2 LitUG § 3 Analoge Anwendung — Umfang des § 2 Abs. 2 LitUG § 4 Auslegung des § 22a im Zusammenhang mit § 2 Abs. 2 LitUG § 5 Aufführungsrecht des fiktiven Bearbeiters des § 2 Abs. 2 LitUG § 6 Senderecht des fiktiven Bearbeiters des § 2 Abs. 2 LitUG § 7 Recht zur Lautsprecherwiedergabe des fiktiven Bearbeiters § 8 Das Überspielen von Schallplatten auf Magnettonbänder zum persönlichen Gebrauch und die Rechte des fiktiven Bearbeiters nach § 2 Abs. 2 LitUG im Zusammenhang mit § 15 Abs. 2 LitUG § 9 Zeitlicher Umfang des Leistungsschutzes
46 48 50 54 58 62 68
69 73
2. A b s c h n i t t
§ 10 § 11
Möglichkeit eines Schutzes der Leistung des ausübenden Künstlers auf Rechtsgebieten außerhalb des LitUG Schutz des ausübenden Künstlers durch die Bestimmungen über Persönlichkeitsrecht Schutz des ausübenden Künstlers durch andere Bestimmungen im Rahmen des BGB
74 76 1
§ 12 § 13 IV. Kapitel
Schutz des ausübenden Künstlers durch die Bestimmungen über ungerechtfertigte Bereicherung . . . Möglichkeiten eines Schutzes des ausübenden Künstlers außerhalb des BGB
78 79
Das sogenannte an das Urheberrecht „angrenzende Recht" 1. A b s c h n i t t
§ 1 § 2
Deutsche Reformentwürfe Zur Geschichte der nationalen Entwürfe Referentenentwurf (1954) und Mindsterialentwurf (1959) I. „Ausschließliches" Recht des ausübenden Künstlers II. Recht auf angemessene Vergütung des ausübenden Künstlers III. Andere diesbezügliche Bestimmungen . . . . IV. Schutz der beim Film tätigen Personen . . . . V. Schlußbetrachtung zu den beiden Entwürfen .
80 82 83 85 87 88 90
2. A b s c h n i t t § 3 § 4 § 5
§ 6
§ 7
2
Internationale Entwürfe Zur Geschichte der Entwürfe auf internationaler Ebene Rom-Entwurf Monaco-Entwurf I. Grundlagen des Monaco-Entwurfes II. Schutz der unmittelbaren Leistung des ausübenden Künstlers III. Schutz der körperlich festgelegten Leistung des ausübenden Künstlers IV. Schutzdauer V. „Kleine Ausnahme" von den Rechten des ausübenden Künstlers VI. Bemerkung zum Monaco-Entwurf I.A.A.-Entwurf (Genfer Entwurf) I. Grundlagen des I.A.A.-Entwurfes, Vergleich zum Monaco-Entwurf II. Ausnahme der Rechte des ausübenden Künstlers III. Schutzdauer Schlußbetrachtung
91 93 94 94 95 96 96 97 97 99 100 102 102 102
ABKÜRZUNGEN Arch. Funk
Archiv für Funkrecht, Berlin
BGB
Bürgerliches Gesetzbuch
BGH
Bundesgerichtshof (Entscheidungen in Zivilsachen)
BUe
Berner Ubereinkunft
Copyright Bulletin
UNESCO Copyright Bulletin du Droit d'Auteur
Droit d'Auteur
Organe Officiel du Bureau de l'Union Internationale pour la Protection des Oeuvres Littéraires et Artistiques, Berne
FIAPF
Fédération Internationale des Associations Production de Film
GEMA
Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte
GG
Grundgesetz
GRUR
Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, Zeitschrift der Deutschen Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht, Weinheim
GRUR/AIT
Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht (wie vorstehend), Auslands- und internationaler Teil
HORECA
Union Internationale d'Organisations Nationales d'Hôteliers, Restaurateurs et Cafetiers
I.A.A.-Entwurf
Entwurf des Internationalen Arbeitsamtes
JR
Juristische Rundschau
JW
Juristische Wochenschrift
KSchG
de
Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie vom 9. Januar 1907 in der Fassung des Gesetzes vom 22. Mai 1910 Landgericht
LG
3
LitUG:
Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der Literatur und der Tonkunst vom 19. Juni 1901 in der Fassung des Gesetzes zur Ausführung der Revidierten Berner Übereinkunft zum Schutze von Werken der Literatur und Kunst vom 22. Mai 1910
ME
Ministerialentwurf, Entwurf des Bundesjustizministeriums zur Urheberrechtsreform, Köln 1959
NJW
Neue Juristische Wochenschrift, München und Berlin
OLG
Oberlandesgericht
RBÜ
Revidierte Berner Übereinkunft
RE
Referentenentwurf zur Urheberrechtsreform, Bonn 1954. Veröffentlicht durch das Bundesjustizministerium
RG
Reichsgericht (Entscheidungen in Zivilsachen)
RIDA
Revue Internationale du Droit d'Auteur, Paris
Ride
Revue Internationale de l'Electricité
RJM-Entwurf
Entwurf eines Gesetzes über das Urheberrecht an Werken der Literatur, der Kunst und der Photographie, Berlin 1932, veröffentlicht durch das Reichs Justizministerium
Schulze, Entscheidungs- Rechtsprechung zum Urheberrecht, Sammlung Schweiz. Mitt.
Schweizerische Mitteilungen über gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht
UFITA
Archiv f ü r Urheber-, Film- und Theaterrecht, seit 1954: Archiv f ü r Urheber-, Film-, Funkund Theaterrecht, München
UNESCO Copyright Bulletin:
Devoted to the Study of Comparative Copyright Law, Paris 1949
UER
Union Européenne de Radiodiffusion
UnlWG
Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb
ZPO
Zivilprozeßordnung
4
KAPITEL I PROBLEMSTELLUNG "7a (ol
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„Bei einem öffentlichen Kunstwettstreit bekommen die Schauspieler in der Regel den Preis, und genauso wie in unseren Tagen dort (auf der Bühne) die Schauspieler mehr als die Dichter gelten, findet dasselbe ebenfalls durch die Schuld des verderbten öffentlichen Geistes auch in den politischen Wettkämpfen statt." ARISTOTELES: A R S R H E T O R I K A 3, 1 (1403 1)
Wir finden, daß der Satz des alten Philosophen auch heute nichts von seiner Aktualität eingebüßt hat. Wir müssen nur, um den Satz den heutigen Verhältnissen anzupassen, hinzufügen, daß es nicht n u r die "[io%driQ iocv rwv Tiohxei&v" (die Schuld des verdorbenen öffentlichen Geistes), sondern hauptsächlich die Schuld der verschiedenen Interessentengruppen ist, die unter dem Vorwand einer technischen „Umwälzung" die Leistung des ausübenden Künstlers überbewerten. Zweck und Aufgabe der vorliegenden Arbeit ist es, zu prüfen, wie weit unter Berücksichtigung der heute herrschenden wirtschaftlichen, rechtspolitischen und sozialen Verhältnisse eine Notwendigkeit besteht, die Leistung des ausübenden Künstlers zu schützen und wie weit der Schutz an Hand des heute in Deutschland geltenden Rechtes und der Entwürfe auf nationaler und internationaler Ebene gewährt wird. § 1. Begriffe Es besteht ein Problem des Schutzes der Interpretationsleistung des ausübenden Künstlers. Die Erörterung des Rechtsschutzes des ausübenden Künstlers auf der Urheberrechtskonferenz in Rom im J a h r e 1928 hatte eine eingehende Behandlung dieser Frage im Schrifttum zur Folge. Seit dieser Zeit hat die Entwicklung der 3 — Schriftenreihe 17
5
Technik eine „Umwälzung" verursacht, die zugleich wirtschaftlicher, sozialer und politischer Natur ist. Durch diese technischen Möglichkeiten ist die unmittelbar erbrachte Leistung des ausübenden Künstlers nicht mehr „fugitive" '), sondern sie kann festgelegt und wiederholt verwertet werden. Während heute Einigkeit über das Bedürfnis eines solchen Schutzes besteht, gehen die Meinungen darüber auseinander, ob dem ausübenden Künstler für seine Leistung ein Urheberrecht einzuräumen sei oder nicht. Mit dieser Frage setzen wir uns im folgenden Kapitel eingehend auseinander. Zuerst wollen wir aber versuchen zu erklären, was wir unter dem Begriff des „ausübenden Künstlers" und seiner „Leistung" verstehen. B e s t i m m u n g des B e g r i f f e s : „Ausübender Künstler" Im literarischen Sprachgebrauch finden sich die folgenden B e zeichnungen: reproduzierender Künstler, nachschaffender Künstler, darstellender Künstler, ausführender Künstler, aufführender Künstler, wiedergebender Künstler und Interpret je nach der Stellungnahme des Schreibenden zu der Frage. Wir bleiben bei der Bezeichnung „ausübender Künstler", da sie die üblichste und die farbloseste ist. Der ausübende Künstler interpretiert ein Werk, das in der Regel nicht sein eigenes ist. Er macht durch seine Wiedergabe das Werk dem Publikum zugänglich und wahrnehmbar. Die Wiedergabeleistung des ausübenden Künstlers wirkt sich also an einem fremden Werk der Literatur oder der Tonkunst in einer für das Auge und für das Ohr wahrnehmbaren Weise aus. Wir gelangen also zu folgender Definition: Ausübender Künstler ist derjenige, der ein fremdes Werk der Literatur oder Tonkunst im Sinne und Geist des Urhebers durch seine künstlerische Persönlichkeit in Ton oder Bild wiedergibt. Bei der Analyse der gegebenen Definition treten folgende wichtige Elemente in den Vordergrund: a) Der ausübende Künstler g i b t ein Werk der Tonkunst oder der Literatur w i e d e r . Seine Genialität beschränkt sich auf eine Exekution des „Gregebenen"; er ergänzt nicht Fehlendes, er erscheint nicht selbständig und produzierend. b) Er gibt ein f r e m d e s L i t e r a t u r wieder.
Werk
der
Tonkunst
S c h o r r o , La protection de l'artiste interprète, 1952, S. 5. 6
oder
der
c) E r g i b t e s i m S i n n e u n d G e i s t d e s Urhebers wieder. D e r ausübende K ü n s t l e r m u ß sich ganz d e m Charakter des Werkes u n t e r w e r f e n u n d nur ein gehorchendes Organ sein 2 ). d) D u r c h s e i n e k ü n s t l e r i s c h e P e r s ö n l i c h k e i t . Der a u s ü b e n d e K ü n s t l e r gibt eine künstlerische Interpretation des Werkes, bei der auch s e i n e ganze Persönlichkeit zum Ausdruck u n d zur G e l t u n g k o m m t . Die W i e d e r g a b e soll eine künstlerische sein 3), eine eigenpersönliche, eine Leistung v o n e i g e n e m persönlichem Gepräge 4). Bestimmung
des Begriffes:
„Leistung"
D a r u n t e r ist die Interpretation eines Werkes der Tonkunst oder der Literatur zu verstehen. Sie ist n i e m a l s ein G e i s t e s w e r k i m S i n n e des Urheberrechts. Durch eine solche L e i s t u n g w i r d nichts N e u e s geschaffen, sondern ein schon vollständiges Werk akustisch oder optisch w a h r n e h m b a r gemacht 5 ). Weitere Einzelheiten darüber i m Kapitel II. 2 ) Vgl. H e g e l , Ästhetik, Berlin 1955, S. 1064: „ . . . In dieser Rücksicht hat der Dichter das Recht, vom Schauspieler zu fordern, daß er sich, ohne von dem Seinigen hinzuzutun, ganz in die gegebene Rolle hineindenke und sie so ausführe, wie der Dichter sie konzipiert und poetisch ausgestaltet hat. Der Schauspieler soll gleichsam das Instrument sein, auf welchem der Autor spielt, ein Schwamm, der alle Farben aufnimmt und unverändert wiedergibt; A l a i n , Préliminares à l'esthétique, llième édlit.: "Le chanteur témoigne comme il faut là-dessus, car, dès qu'il manque à la modestie (page 105) si peu que ce soit, le son devient cri et offense les oreilles; . . . " ; S t r e u l i , Gelegenheitsschriften zu den sog. Nachbarrechten, 1958, S. 69; "Lorsque l'auteur suit sa vocation, il 'crée', il fait naître quelque chose qui n'existait pas auparavant. Par contre, le travail de l'exécutant ou de l'interprète des oeuvres littéraires et artistiques va dans une toute autre direction. Ceux-ci doivent "rendre sensible" d'une manière aussi fidèle que possible, la forme qu'a su donner à des faits, à son idée ou à sa vision, l'auteur qu'il l'a créée" Vgl. d i e r s . daselbst S. 70: "si on suit la logique de ceux qui qualifient d'oeuvre littéraire et artistique l'exécution ou l'interprétation, on arrive fatalement à la constatation suivante: ilsaccordent à une action (interprétation) un droit non pas parce que cette action est méritoire mais parce que'elle est contraire au véritable mérite: la fidélité de l'oeuvre. Plus l'artiste exécutant ou interprète ajouterait à l'oeuvre des éléments créateurs, plus l'artiste la "déformerait", plus il y aurait de raison pour le reconnaître digne de protection"! 3 ) E l s t e r , in UFITA Bd. 14 (1941) S. 72; vgl. H o f f m a n n in UFITA Bd. 9 (1936) S. 266. *) Vgl. M a r w i t z in UFITA Bd. 5 (1932) S. 508. 5 ) Vgl. M a r w i t z in UFITA Bd. 3 (1930) S. 299; E l s t e r in UFITA Bd. 3 (1930) S. 574; H o f f m a n n in GRUR 1932, 44; C a s e l l i in GRUR 1938, 1, 71; d e S a n c t i s in UFITA Bd. 20 (1955) S. 22, 34; H i r s c h in UFITA Bd. 26 (1958) S. 7 und Aktuelles Filmrecht, Heft 11 der Schriftenreihe der UFITA, Baden-Baden, 1958; U l m e r , Urheber- und Verlagsrecht, 1951, S. 317, 319; v o n E r f f a in GRUR 1952, 334; H a e n s e l , 'Leistungsschutz oder Normalvertrag, 1954, S. 25ff.; G o l d b a u m , Schöpfung oder Leistung, 1957; S c h u l z e — T o u r n i e r — B u c h e n , Leistungsschutz, Bd. 5 der Schriftenreihe der Internationalen Gesellschaft f ü r Urheberrecht, 1958, S. 11; S c h u l z e , Rechtsprechung zum Urheberrecht (Entscheidungssammlung), BGHZ 3; N i p p e r d e y , Der Leistungsschutz des ausübenden Künstlers, Bd. 10 der Schriftenreihe der Internationalen Gesellschaft für Urheberrecht, 1959, S. 6; H u b m a n n , Der Schutz dfes ausübenden Künstlers nach geltendem Recht in Bd. 9 der Schriftenreihe der Internationalen Gesellschaft f ü r Urheberrecht, 1959,
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Nachdem w i r die Definition des ausübenden Künstlers zu geben versucht haben, gehen w i r von dieser Definition aus zur Bestimm u n g des „Leistungsschutzes". Leistungsschutz des ausübenden Künstlers ist der Schutz gegen die u n e r l a u b t e V e r w e r t u n g (Ausbeutung), die V e r ä n d e r u n g und Verstümmelung der von ihm erbrachten Leistung ö). § 2. Träger des Leistungsschutzes Träger dieses Schutzes sind Personen, die ihrer typischen k ü n s t lerischen Aufgabe gemäß als ausübende Künstler bezeichnet w e r den können. Die gesamte Literatur ist sich einig über diesen Schutz, wenn es sich u m die Filmschauspieler und die auf der B ü h n e Tätigen, die Musiker, Sänger, Dirigenten, Regisseure und die Solisten handelt. Wie steht es aber mit Chor und Orchester? Wem ist in solchen Fällen der Leistungsschutz einzuräumen? D ü r f e n wir f e r n e r in den Kreis der „Leistungsschutzberechtigten" Athleten, Boxer, Taschenspieler, Akrobaten einschließen? Bei der Beantwort u n g dieser Fragen beschränken wir uns zunächst einmal auf die auf der Bühne und beim R u n d f u n k tätigen Personen. Die bei der Herstellung des Films tätigen Personen w e r d e n uns später beschäftigen. A) Die Schauspieler, Musiker, Sänger, Dirigenten und Solisten erbringen eine selbständige persönliche Leistung bei der I n t e r pretation von Geisteswerken. Der Bühnenregisseur — im Gegensatz zum Filmregisseur, der das Filmwerk mitschafft —• gestaltet die in dem Werk vorhandenen B e m e r k u n g e n des Autors. Den Bühnenregisseur sehen Marwitz-Möhring als „Gehilfen des Dichters" an und sprechen ihm eine persönliche Leistung ab 7). S. 24; N e u m a n n - D u e s b e r g , Rechtsschutz der Leistung des ausübenden Künstlers in Bd. 9 der Schriftenreihe der Internationalen Gesellschaft für Urheberrecht, 1959, S. 57, 108; L i e r m a n n , Die Stellung der §§ 2 Abs. 2, 22 und 22a LUG im Rahmen der rechtsstaatlichen Ordnung in Bd. 11 der Schriftenreihe der Internationalen Gesellschaft für Urheberrecht, 1959, S. 38; O v e r a t h , Urheber und Interpret in der Musik in Bd. 11 der Schriftenreihe der Internationalen Gesellschaft für Urheberrecht, 1959, S. 44; S ü s s , Das Recht der ausübenden Künstler, der Schallplattenhersteller und des Rundfunks in Bd. 11 der Schriftenreihe der Internationalen Gesellschaft für Urheberrecht, 1959, S. 61; W a w r e t z k o , Leistungsschutz des ausübenden Künstlers in arbeitsrechtlicher Sicht in Bd. 11 der Schriftenreihe der Internationalen Gesellschaft für Urheberrecht, 1959, S. 75; M ö h r i n g , Die internationale Regelung des Rechts der ausübenden Künstler und anderer sogenannter Nachbarrec^ite, Bd. 6 der Schriftenreihe der Internationalen Gesellschaft für Urheberrecht, 1958, S. 18; M o l l in Schweiz. Mitt. 1952, S. 73. 6 ) Vgl. N i p p e r d e y , oaO. S. 7. 7 ) M a r w i t z - M ö h r i n g , Das Urheberrecht an Werken der Literatur und der Tonkunst in Deutschland, Kommentar, 1929, S. 44; RG 107/64, das den Regisseur generell als „Gehilfen des Dichters" bezeichnet hat; G o l d b a u m , Urheberrecht und Urhebervertragsrecht, Kommentar, 2. Aufl., 1927, S. 237. 8
Dieser Ansicht ist nicht zuzustimmen. Wenn es sich um eine wirklich schöpferische Inszenierung handelt, ist dem Regisseur ein Leistungsschutz zu gewähren 8). Man muß unserer Meinung nach nachprüfen, „ob im gegebenen Falle der Regisseur eine eigenschöpferische Zusatzleistung zu dem Schriftwerk vollbracht hat" 9), und nicht einfach fragen, ob „dem" Regisseur als Vertreter einer Berufskategorie ein Schutz zuzubilligen ist. Es fragt sich, ob der Schutzanspruch an der Inszenierung dem Regisseur zusteht oder aber der Theaterleitung, bei der durch einen Dienstvertrag (im Sinne des § 611 BGB) der Regisseur tätig ist. Richtiger scheint die Meinung, daß die Theaterleitung den originär in der Person des Regisseurs entstandenen Schutzanspruch auf dem Weg stillschweigender Übertragung erwirbt 1 0 ). B) Die Ansichten im Schrifttum gehen völlig auseinander bei der Beantwortung der Frage, wem beim Chor und Orchester der Leistungsschutz zuzusprechen ist. Sind etwa auch die Chor- und Orchestermitglieder an einem solchen Schutz beteiligt, oder ist er ihnen zu versagen? Um de lege lata die Frage zu beantworten, zitieren wir die entsprechende Vorschrift nur insoweit, als wir sie jetzt brauchen. § 2 Abs. 2 LitUG: „Wird ein Werk der Literatur oder der Tonkunst durch einen persönlichen Vortrag auf Vorrichtungen f ü r Instrumente übertragen, die der mechanischen Wiedergabe f ü r das Gehör dienen, so steht die auf diese Weise hergestellte Vorrichtung einer Bearbeitung des Werkes gleich." Mit Recht meinen Marwitz-Möhringn), daß die ganze Schwierigkeit bei der Interpretation dieser Vorschrift in den Worten „durch einen persönlichen Vortrag" liegt. Sie verstehen darunter: geschützt wird der Vortragende im Gegensatz zum Besteller oder Veranlasser des Vortrages. Sie setzen das „Persönliche" nicht in einen Gegensatz zum „Gemeinsamen". Darum sprechen sie die Chor- und Orchestermitglieder und den Dirigenten als Miturheber gem. § 6 LitUG an. Dieselbe Meinung vertritt auch Schulzew). 8 ) Vgl. P i n n e r , World Copyright, Bd. IV, S. 105: „In any case individfual, creative scenery constitutes an artistic work capable of Copyright"; Entsch. BOSchG in UFITA B. 16 (1943) S. 148. 9 ) Vgl. E l s t e r in UFITA Bd. 2 (1929) S. 276. 10 ) Wie das H a e g e r in NJW 1959, 658 für den Filmregisseur nur mit dem Unterschied annimmt, daß die Übertragung ausdrücklich vereinbart wurde. ") Das Urheberrecht an Werken der Literatur und der Tonkunst in Deutschland. Kommentar, 1929, S. 46, 47. 12 ) aaO. S. 49, 51.
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13 Neumann-Duesberg ) will gem. § 2 Abs. 2 LitUG alle Mitwirkenden als Schutzberechtigte wissen, indem er die künstlerische Leistung als Kriterium für das Entstehen des Quasi-Bearbeiterrechtes verneint 14 ). Diese Meinung wird ferner von Runge vertreten 15): Jedes Orchestermitglied habe bei der Aufführung seines Orchesters eine künstlerische Leistung zu vollbringen. Jeder Musiker also (Pianist, Flötist, Cellist) habe ein originäres Bearbeiterurheberrecht. Eine Vertretung des ganzen Orchesters nach außen durch den Dirigenten oder Leiter sei im Gesetz nicht vorgesehen. von Erffa16) schließt sich dieser Ansicht an. Die Mitglieder des Chors und des Orchesters sind ihrer Meinung nach nicht Instrumente, „auf denen der Dirigent spielt" "), sondern „Persönlichkeiten, mit denen der Dirigent zusammenwirkt".
HubmannI8) schlägt einen mittleren Weg ein. Da es sich um eine Gemeinschaftsleistung handelt, erkennt er ein Leistungsschutzrecht aller Mitwirkenden zusammen an; aber nach außen legitimiert er je nachdem den Vorstand, Dirigenten oder Spielleiter als Repräsentanten. Das LG 19 ) und das KG Berlin 20 )-gehen davon aus, daß es nach dem Wortlaut und Zweck der Vorschrift des § 2 Abs. 2 LitUG nicht auf die künstlerische Bewertung des Dirigenten und Orchesters entscheidend ankommt. Darum genüge nicht nur die Zustimmung des Dirigenten. Das KG Berlin räumte jedem der 100 Mitglieder des Berliner Orchesters ein Verbotsrecht für Rundfunkaufnahmen und Rundfunksendungen ein, für die das Orchester „eingesetzt" wird. Dies folge — meint das KG — aus einem sog. Leistungsschutzrecht oder aus der entsprechenden Anwendung des Grundgedankens der Vorschrift des § 2 Abs. 2 LitUG. Zu dieser Entscheidung sei vorläufig bemerkt, daß es a) de lege lata keinen allgemeinen Leistungsschutz des aus13
> aaO. S. 70. ) Vgl. ders. (Anm. 2) aaO. S. 71: „Der Kreis der aus § 2 Abs. 2 LUG Berechtigten ist also nur dann richtig bestimmt, wenn man ihm alle Künstler zuordnet, deren Leistung auf einem Tonträger festgehalten wird", in GRUR 1951, 26. I0 ) in GRUR 1952, 338. 17 ) B a u m in GRUR 1951, 372. 16 ) Das Recht des schöpferischen Geistes, 1954, S. 180. 19 ) Entsch. vom 8. Juli 1957 ibei S t r a s c h n o v , Protection Internationale des Droits voisins, 1958, S. 77, 89; weiter bei W a w r e t z k o , aaO. S. 87, bei S c h u l z e , aaO. S. 50. 20 ) Entsch. vom 21. März 1958 in Verbandsnachrichten der Deutschen Orchestervereinigung in der DAG, Mai 1958, S. 2; weiter S c h u l z e , Entscheidungssammlung, KGZ 25. I4
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übenden Künstlers gibt 2 1 , b) daß der Grundgedanke des § 2 Abs. 2 LitUG der Schutz „der mechanischen Vorrichtungen" und nicht der Schutz der „Leistung" des Vortragenden ist. (Im Kapitel III der vorliegenden Arbeit setzen wir uns eingehend mit dieser Frage auseinander.) c) Wohin ein solches Urteil führen kann, zeigt uns die Mitteilung, die in der „Zeit", Ausgabe vom 5. Juni 1959, S. 7 erschienen ist, und zwar unter dem Titel: „Gesetzlich geschützter Paukenschlag": „Durch die Berliner und einige andere Musterprozesse mutig geworden, hat das Darmstädter Orchester dem Theater, dem es verpflichtet ist, einen Bärendienst erwiesen. Es hat an den Süddeutschen Rundfunk f ü r Schwetzingen Honorarforderungen gestellt, die nicht erfüllt werden können. So blieb der .König Hirsch' ein lokales Ereignis und hätte doch als Darmstädter Leistung über die Schwetzinger Festspiele internationale Resonanz finden können". Der Verfasser (Johannes Jacobi) fährt fort: „Man darf gespannt sein, wie weit es die Orchester, die ein tarifrechtlicher Staat f ü r sich im Theaterstaate geworden sind, noch treiben werden mit der Strapazierung eines Paragraphen im Urheberrecht, der 1910 zum gewerblichen Schütz der Schallplattenindustrie als „fiktives Bearbeiter-Urheberrecht" des Interpreten geschaffen worden ist". Der größere Teil der Literatur spricht mit reicher und überzeugender Argumentation den Chor- und Orchestermitgliedern ein Leistungsschutzrecht ab. Pakuscher 2ä) stützt seine Meinung auf die Notwendigkeit der Rechtssicherheit des Verkehrs, die gefährdet werden würde, wollte man jedem einzelnen Chor- oder Orchestermitglied ein Leistungsschutzrecht einräumen. Ein weiteres Argument trägt nach Ansicht von Haensel23) der Wortlaut des Gesetzes selber in sich („Wird ein W e r k . . . durch e i n e n persönlichen V o r t r a g . . . " ) . Das Argument aber erscheint nicht überzeugend; wir glauben nicht, daß der Gesetzgeber das Wort „einen" in diesem Sinn besonders hervorheben wollte, so daß das Leistungsschutzrecht des e i n e n das Leistungsschutzrecht eines evtl. mitwirkenden anderen ausschließen würde. Überzeugender stellen sich folgende Argumente von Haensel dar 2 4 ): nämlich das der Rechtssicherheit im Verkehr und das der Ersetzbarkeit der Chor21 ) Vgl. U l m e r , Urheber- und Verlagsrecht, S. 319; M o l l Mitt. 1952, S. 82 ff.; M a r w i t z i n UFITA Bd. 3 (1930) S. 299 ff. 22 ) in GRUR 1951, 303, 23 ) in GRUR 1955, 186. 24 ) aaO. S. 189.
in Schweiz.
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und Orchestermitglieder (Ersetzbarkeit, die das Gesamtergebnis nicht beeinträchtigen kann), obwohl das letztere Argument, objektiv gesehen, kein Kriterium darstellt. Als einziger Inhaber des Bearbeiterurheberrechts wird auch von Baum25) der Dirigent angesprochen. Die Chor- und Orchestermitglieder seien gezwungen, sich seiner Auffassung völlig unterzuordnen. Es könne nicht zweifelhaft sein, daß es stets der Dirigent und nur er sei, dessen „persönliche Auffassung in dem Vortrag sich auspräge" 26). Diesen Standpunkt vertritt auch Troller 27). Dirigenten und Solisten seien als Vollender eines Werkes den Urhebern von Werken zweiter Hand gleichzustellen. Das Orchester und der Chor seien vielstimmige Instrumente unterschiedlicher Qualität, auf denen die Dirigenten spielten und von denen die Solisten begleitet würden. Ihre Aufgabe sei es, den Weisungen des Dirigenten nach Möglichkeit zu gehorchen und dem Werk schönste Klänge zu leihen 28). Es ist sehr wichtig, zu wissen, ob man in jedem Chor- oder Orchestermitglied einen Bearbeiter im Sinne des § 2 Abs. 2 LitUG sehen darf oder nicht. Aus der erwähnten Literatur ergeben sich beachtliche Argumente für beide Standpunkte. Es scheint aber, daß musiktheoretische, urheberrechtliche und rechtssystematische Argumente verlangen, daß dem Chor- oder Orchestermitglied ein Leistungsschutz versagt wird. 25
) in GRUR 1951, 373. -a) A l l f e l d , Das Urheberrecht an Werken der Literatur und d e r Tonkunst. Kommentar, 1928, S. 72. 2; ) in Droit d'Auteur, 1956, S. 27 ff., vgl. Jurisprudenz auf dem Holzweg S. 72, 94. 2S ) Vgl. Urteil OiLG München vom 23. J a n u a r 1958 in S t r a s c h n o v , P r o tection Internationale des Droits Voisins, S. 78 und in N e u m a n n D u e s b e r g , aaO. S. 71; S t r a s c h n o v , Le Droit d'Auteur et les Droits connexes en Radiodiffusion, 1948, S. 38: „II est généralement admis que le chef de l'ensemble est considéré comme mandataire de ses collègues"; S c h u l z e , Entscheidungssammlung, OLGZ 18: „Zur Begründung des f i k tiven Bearbeiterurheberrechts nach § 2 Abs. 2 LUG ist nicht eine Leistung schlechthin und nicht d e r bloße Vortrag, sondern n u r persönlicher Vortrag, der sich als individuelle geistige Leistung darstellt, geeignet. Das an der T o n b a n d a u f n a h m e einer Orchesteraufführung nach § 2 Abs. 2 entstandene fiktive Bearbeiterurheberrecht wächst dem Dirigenten zu, weil es seine p e r sönliche Auffassung ist, die sich in dem Vortrag ausprägt"; vgl. f e r n e r die Regelung des Österr. UrhG. § 66 Abs. 2 und die Regelung des Türkischen UrhG; H i r s c h , Das neue Urheberrechtsgesetz der Türkei, Heft 4 d e r Schriftenreihe der UFITA, 1957, S. 112, dort Art. 80, 81. Vgl. Entsch. Bühnenoberschiedsgericht F r a n k f u r t vom 7. J u n i 1957 bei S c h u l z e , Entscheidungssammlung, SchG. 1: „Auf Grund des fiktiven Bearbeiterurheberrechts des vortragenden Künstlers nach § 2 Abs. 2 LUG kann jedenfalls f ü r das Mitglied eines Bühnenchors kein ¡Leistungsschutzrecht a n e r k a n n t werden. Der Chorsänger aber hat, weil die Auswirkung seiner künstlerischen Tätigkeit über den Rahmen der vertraglich übernommenen Leistung hinausgeht, f ü r diese Sonderleistung Anspruch auf eine angemessene Sondervergütung". 12
Wo kämen wir sonst hin, wenn das Ergebnis einer Gesamtleistung von dem Belieben eines einzelnen — u. U. schikanösen 29) — Mitspielers abhinge? 30). Eine Orchesteraufführung ist keine „Summe addierter Einzeldarstellungen". Wenn wir jedem einzelnen Chor- oder Orchestermitglied ein Bearbeiterurheberrecht gem. §. 2 Abs. 2 LitUG gewähren, sollten wir konsequenterweise dieses Recht in seinem ganzen Umfang verstehen. Ein solches Recht umfaßt ein Einwilligungsrecht, ein Nennungsrecht und ein Wahrungsrecht. Pianist, Cellist, Pauker und Flötist würden also dadurch ermächtigt, eine A u f f ü h rung zu verhindern und berechtigt, bei einer Radiosendung und darüber hinaus bei jeder weiteren denkbaren Wiedergabe ihrer Leistung die Nennung ihres Namens zu verlangen. Dieses Ergebnis aber wäre zu weitgehend. Die Chor- und Orchestermitglieder können die Wahrung ihrer Interessen durch besondere Normen, durch Vereinbarungen über die Verteilung der Wiederholungsgebühren oder durch die Bestimmungen über Geschäftsführung mit oder ohne Auftrag erreichen. Die deutschen Entwürfe von 1932 und 1939 sprechen als einzigen Vertreter und Schutzberechtigten den Leiter an. Der internationale Rom-Entwurf versteht unter dem Begriff „ausübender Künstler 1 ' auch Orchestermusiker, Chorsänger usw. Nach dem Rom-Entwurf gehört das Orchestermitglied zu den ausübenden Künstlern (Art. 1). Der deutsche Referentenentwurf von 19543I) hat dieses Problem in § 79 folgenderweise geregelt: I. 1) Bei einer Chor- oder Orchesteraufführung im Falle der Lautsprecherwiedergabe (Art. 73), im Falle einer Funksendung (74 Abs. 1 — nicht auch Art. 74 Abs. 2 —) und im Falle einer Bild- oder Tonträgeraufnahme dieser A u f f ü h r u n g genügt die Einwilligung des Dirigenten oder Vorstandes. 2) Bei einer Bühnenaufführung f ü r dieselben Verwertungen genügt die Einwilligung des künstlerischen Spielleiters. II. Bei Aufführungen, die im Betrieb eines Erwerbsunternehmens stattfinden, bedarf es außerdem der Einwilligung des Unternehmers. 2
») H a e n s e 1 in GRUR 1955/189. ) Hierin aber sieht das KG Berlin (Entsch. v. 21. März 1958) in Verbandsnachrichten der Deutschen Orchestervereinigung in der DAG, S. 6) kein erhebliches Argument; in einem solchen Fall der willkürlichen Verweigerung der Einwilligung eines Orchestermitgliedes wäre es Sache der anderen Mitglieder, auf Erteilung der Zustimmung zu klagen, da ein Urteil nach § 894 ZPO die fehlende Zustimmung ersetzen würde (vgl. Referentenentwurf eines Urheberrechtsgesetzes, 1954, Begründung S. 199 f.). 31 ) Siehe Begründung zum Referentenentwurf (RE) S. 32, 199. 30
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Dieser Vorschrift zufolge hat das Chor- bzw. Orchestermitglied kein Verbotsrecht, wenn der Dirigent z. B. seine Sendeerlaubnis gegeben hat. Es hat einen Entschädigungsanspruch, den es für sich allein geltend machen kann. Die Rechte entstehen bei jedem einzelnen, nur daß die Ausübung dieser Rechte auf den Dirigenten und Vorstand übertragen ist. Der RE kam zu dieser Lösung aus Rücksicht auf die Rechtssicherheit des Verkehrs 32 ). Der ME (§ 87) stimmt mit dem RE überein. In einem zweiten Absatz ergänzt er die Regelung des RE, indem er auch die Ausübung und Geltendmachung anderer Rechte als des Einwilligungsrechts berücksichtigt. Dieselbe Grundlösung wird auch im IAA-Entwurf von 1956 in § 5 gegeben. § 5 sieht eine gemeinschaftliche Ausübung der Erlaubnisrechte (beispielsweise durch den Impressario, den Orchesterleiter, den Sekretär einer Chorvereinigung) der ausübenden Künstler gem. der innerstaatlichen Rechtsordnung vor 3 3 ). Der Monaco-Entwurf dagegen überläßt dem nationalen Gesetzgeber völlig die Aufgabe, eine Regelung darüber zu treffen. § 2 Abs. 8: „Jeder Vertragsstaat hat durch seine innere Gesetzgebung die Art und Weise zu regeln, wie die ausübenden Künstler ihre Rechte ausüben, wenn mehrere von ihnen an der Darbietung desselben Werkes mitwirken 34 )." Der Monaco-Entwurf ermächtigt die Vertragsstaaten, selbst die Regelung über Gruppendarbietungen zu treffen (er verpflichtet sie nicht). Der IAA-Entwurf dagegen sieht iuri conventionis eine gemeinschaftliche Ausübung vor, und den Vertragsstaaten überläßt er nur die Aufgabe, die Person zu zeigen, die im Namen der interessierten Künstler das Recht der Bewilligung ausüben wird. Die Regelung des IAA-Entwurfs wird im Schrifttum vorgezogen 35 ). § 3. Umfang des Personenkreises der Schutzberechtigten Der den ausübenden Künstlern zukommende Schutz soll ihnen nur dann zustehen, wenn sie ein Werk „der Literatur oder Tonkunst" vortragen oder aufführen. Dürfen wir diesen Schutz also auf Personen erstrecken, die nicht Vorträge oder Aufführungen eines solchen „Werkes" darbieten, wie Boxer, Clowns, Akrobaten, ) RE Begründung S. 199. ) § 5 I.A.A.-Entwurf (UFITA Bd. 24 [1957] S. 375): „Im Falle einer Ensembledarbietung werden die in § 4 vorgesehenen Erlaubnisrechte von den ausübenden Künstlern gemeinschaftlich gemäß der innerstaatlichen Rechtsordnung ausgeübt". 34) UFITA Bd. 24 (1958) S. 382; bei U l m e r , Rechtsschutz des ausübenden Künstlers, der Hersteller von Tonträgern und] der Sendegesellschaften, 1957, S. 46. 35 ) Vgl. S t r a s c h n o v , Protection Internationale des Droits Voisins, S. 90. 32 33
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Athleten usw.? Hubmann36) vertritt, indem er sich auf eine Kammergerichtsentscheidung 37) über einen Boxkampf bezieht, die Meinung, es bestehe bei einer solchen sportlichen Leistung etwas, das „geistige Bedürfnisse" der Menschen befriedigt, und die unbefugte Verfilmung des Boxkampfes sowie die Vorführung des Filmes bedeute eine Aneignung des geistigen Erzeugnisses der beiden Boxer, das weiter dem Geist der Filmtheaterbesucher wieder dargeboten und von ihnen genossen werde. Es mag dahingestellt bleiben, ob es sich hier um die Befriedigung „geistiger Bedürfnisse" oder um die Befriedigung gewisser animalischer Instinkte handelt. Auch wenn bei der A u f f ü h r u n g des Boxkampfes beide Boxer mit letzter geistiger Konzentration sich der Kampfregeln bedienen, wird der Kampf als solcher doch nicht zu einem Werk der Literatur oder Tonkunst. Deshalb hat das KG Berlin in seiner Entscheidung vom 19. Februar 1952 den Schutz gegen ungenehmigte Filmaufnahmen eines Boxkampfes f ü r eine Wochenschau aus dem Gesichtspunkt des Urheberrechts mit Recht abgelehnt. Interessant ist die Anmerkung von Ulmer 38) zu dieser Entscheidung. Ulmer sieht in einer solchen Verfilmung eine Rechtsverletzung im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB und meint, man solle in solchen Fällen das vermögensrechtliche Interesse der Boxer im Sinne des § 22 KSchG anerkennen. Es scheint weiter, daß Ulmer de lege ferenda auch dem Sportveranstalter einen Leistungsschutz einräumen will. Solange wir aber keinen solchen Schutz haben, meint er, müssen wir aus den Bestimmungen des geltenden Rechtes einen Schutz ableiten können, und zwar aus § 22 KSchG ein Recht am eigenen Bild und aus § 823 Abs. 1 BGB ein Recht am Unternehmen als „sonstiges" Recht. Die Anwendung des § 823 Abs. 1 BGB scheint jedoch bedenklich. Ein sonstiges Recht im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB würde eine wirtschaftliche Einrichtung von Dauer voraussetzen, d. h. einen eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb 3 9 ). Eine Box Veranstaltung aber fällt nicht unter den Begriff einer derartigen Einrichtung. Das Argument von Ulmer könnte höchstens zugunsten eines Veranstalters in Frage kommen. Die bei solchen Zirkus-, Varieté-, Sportveranstaltungen auftretenden Boxer, Clowns, Athleten, Akrobaten usw. sind aber durchaus im Rahmen des UnlWG zu schützen. 36
) Das Recht des schöpferischen Geistes, S. 161, Anm. 9. ) UFITA Bd. 20 (1955) S. 199 = S c h u l z e , Entscheidungssammlung, KGZ 4 = GRUR 1952, 533. Siehe dazu H a r m s e n in GRUR 1952, 500 ff. 3S ) bei S c h u l z e , Entscheidungssammlung, Anm. zu KGZ 4. 39 ) P a 1 a n d t , Bürgerliches Gesetzbuch. Kommentar, 18. Aufl. § 823, 6. 37
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Die Notwendigkeit, ihnen einen Leistungsschutz zu gewähren, der allein den Personen vorbehalten ist, die ein Werk der „Tonkunst" oder der „Literatur" vortragen, ist somit nicht ersichtlich. Das bedeutet nicht etwa eine Schmälerung der Léistung von Athleten, Varieté-Nummern usw. 40 ). Wir wollen lediglich diese Leistung im Rahmen des UWG und der §§ 823 ff. BGB genügend geschützt wissen 41). Der Referentenentwurf von 1954 4") spricht solchen Darbietungen, die nicht Vorträge und Aufführungen eines „Werkes" der Tonkunst oder Literatur sind, einen Leistungsschutz ab 43). Auch der Ministerialentwurf 1959 sieht von einer Erweiterung des Schutzes auf Zirkus- und Varietévorführungen ab 44). Im Rom-Entwurf steht nicht zur Erörterung, ob auch der Artist (im Sinne des Zirkus- oder Varieté-Artisten) den Leistungsschutz beanspruchen kann. Der IAA-Entwurf spricht im Art. 1 von „Werken". Die Beibehaltung des Wortes „Werken" im künftigen Gesetz würde bedeuten, daß Varietékünstler, Sportler usw. ausgeschlossen werden, und umgekehrt gäbe es beim Fortfall des Wortes „Werke" keine Beschränkung mehr, so daß Tennis-, Fußballspieler, Athleten, Clowns geschützt würden. Die Frage, ob das Wort „Werke" beibehalten oder gestrichen werden soll, wurde offen gelassen 45 ). Straschnov 4C) befürwortet die Beibehaltung des Wortes und macht auf den Nachteil aufmerksam, den das Fortlassen des Wortes „Werke" insofern mit sich bringen würde, als der Schutz auf Personen ausgedehnt würde, die gar nicht zu schützen sind. Möhring ") dagegen meint, arbeits- und persönlichkeitsrechtlich bestehe kein 40 ) Vgl. A l a i n , Système des Beaux Arts, 1920, S. 58: „ . . . comment (chez les acrobates) la beauté selon une formule célèbre résulte de l'accord de l'imagination et de l'entendement en leur libre jeu . . . acrobate plus d'une fois et bon acteur de vraie tragedie". 41 ) Vgl. in Droit d'Auteur, 1955, S. 135: „ . . . il y a même des décisions qui reconnaissent une protection similaire aux athlètes en faisant également appel aux principes de la Concurrence déloyale"; über die Regelung dieses Schutzes in USA siehe GRUR 1958, S. 117: „Der Schutz solcher Darbietungen erfolgt nicht unter dem Gesichtspunkt eines Copyright, sondern unter den Auspizien eines ,right of Publicity'. Man erkennt dem Künstler in solchen Fällen ein ,kind of common law property' zu". «) RE Begründung S. 193. 45 ) R u n g e in UFITA Bd. 19 (1955) S. 57 sieht hier eine Inkonsequenz des Gesetzgebers. Im Fall des Leistungsschutzes des Herstellers von Tonträgern sieht der Gesetzgeber von dem Erfordernis der „Werkswiedergabe" ab und schützt Schallplatten auch, welche z. B. Tierstimmen wiedergeben (Begründung zum RE S. 203). So müßte er auch bei Varieté-Nummern von der Wiedergabe eines „Werkes" absehen und ihnen einen Leistungsschutz einräumen. 44 ) Entwürfe des Bundes Justizministeriums zur Urheberrechtsreform, Verlag Bundesanzeiger, Köln. Dort Begründung S. 69. «) UFITA Bd. 24 (1957) S. 372, Fußnote 3. 46 ) Protection Internationale des Droits Voisins, 1958, S. 87. 47 ) aaO. S. 80, 70.
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Unterschied zwischen den Künstlern, die solche „Werke" darbieten, und anderen. Dieser „nachbarrechtliche" Anklang sei systemwidrig und zu streichen. Der Monaco-Entwurf stellt fest, daß in Art. 2 Abs. 7 unter „Darbietung" die Darbietung eines Werkes der Literatur oder Tonkunst zu verstehen ist. Alle anderen Darbietungen (von Sportlern, Berufsboxern usw.) sind also aus der Regelung des Monaco-Entwurfes ausgeschlossen 48). § 4. Umfang des Schutzes An die Leistung des ausübenden Künstlers knüpfen sich mannigfaltige materielle und ideell-persönliche Interessen des Interpretierenden. Diese Interessen sind mehr oder weniger eines rechtlichen Schutzes würdig. Das Bedürfnis eines Schutzes taucht auf, wenn das „wettbewerbliche" Moment da ist, d. h. wenn die Leistung zur „Ware" gemacht wird (Fixierung der Leistung auf eine Vorrichtung, auf ein Tonband usw.). Diese „Ware" ist nicht nur ein „Werkexemplar", sondern auch ein „Leistungsexemplar". Der ausübende Künstler muß folglich gegen unlautere Ausbeutung dieses Leistungsexemplares geschützt werden. Er muß weiter gegen die unlautere Ausbeutung seiner unmittelbar erbrachten Leistung (direkten Leistung) geschützt werden. Eine solche Ausbeutung liegt z. B. vor, wenn seine unmittelbar erbrachte Leistung im Konzertsaal oder im Rundfunkstudio festgehalten wird und davon Schallplatten angefertigt werden 49). Die ideell-persönlichen umschließen:
Interessen
des ausübenden
Künstlers
1) a) das Recht, sich jeder Wiedergabe seiner Leistung oder jedem Verkauf der Tonträger, auf denen seine Leistung fixiert wurde, zu widersetzen, wenn die Wiedergabe geeignet ist, seinen künstlerischen Ruf zu schädigen; b) das Recht, jeden Zusatz oder jede Verstümmelung zu untersagen, wenn Zusatz oder Verstümmelung einen schädlichen Einfluß auf den kommerziellen Wert der Leistung und die künftigen Beschäftigungschancen haben könnten. Das Bedürfnis eines solchen Schutzes fehlt verständlicherweise bei einer direkten Leistung (z. B. im Konzertsaal). Es liegt jedoch 48 ) Nach H i r s c h : gleiche Regelung im neuen Urheberrechtsgesetz der Türkei, in UFITA Bd. 22 (1956) S. 147, 257, dort S. 207 ider Art. 81: „Wenn der Vortrag, die Vorführung oder Aufführung von Werken der Musik, der Wissenschaft oder der Literatur. . .". (Entsprechend H i r s c h in Heft 4 der Schriftenreihe der UFITA). 49 ) Vgl. F u r t w ä n g l e r - Fall in Droit d'Auteur 1957, S. 88; G i e s e k i n g - Fall in Droit d'Auteur 1957, S. 219.
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vor, wenn die Leistung durch technische Einrichtungen aufgenommen oder wiedergegeben wird 50). 2) Ein Namensrecht. Darunter ist zu verstehen: a) ein Schutz gegen Namensmißbrauch b) ein Anspruch auf Namensnennung c) ein Anspruch auf Unterlassung der Namensnennung zu a) Ohne Einwilligung des ausübenden Künstlers darf die Nennung seines Namens oder Pseudonyms auf Schall- oder Bildträger nicht erfolgen 61 ). In einer vorläufigen Entscheidung, sog. Ordonnance de Référé, erklärt der Präsident des Tribunal de la Seine: „L'artiste exécutant sans qu'il y ait lieu de rechercher s'il bénéfice d'un droit de propriété littéraire et artistique a le droit de s'opposer à ce qu'il soit fait usage de son nom sans son autorisation" 52). zu b) Der ausübende Künstler kann verlangen, daß sein Name oder Pseudonym auf dem Ton- oder Bildträger vermerkt wird oder daß bei direkter Leistung sein Name auf dem Programm steht oder durch den Rundfunk angegeben wird. Ferner kann er verlangen, daß bei einer Rundfunksendung die Mitteilung erfolgt, ob eine Originalinterpretation oder eine auf mechanische Vorrichtungen fixierte Leistung gesendet wird. zu c) Der ausübende Künstler hat einen Anspruch auf Unterlassung der Namensnennung, wenn der Bild- oder Tonträger seine Interpretation mangelhaft wiedergibt oder wenn durch die Leistung eines anderen eine Veränderung seiner Leistung vorliegt (wie z. B. bei Synchronisierung eines Filmes). 3) Jedoch keinen Anspruch auf Schutz gegen die Nachahmung der charakteristischen Merkmale seiner Leistung. Es ist schwer zu verstehen, wie etwas so Subtiles wie eine persönliche Interpretation überhaupt imitiert werden kann. Die völlige 50 ) Vgl. S c h o r r o , aaO., S. 12: „Le droit du contrôle technique contenu dans le droit moral"; M a r w i t z in UFITA Bd. 3 (1930) S. 307. 51 ) Vgl. F u r t w ä n g l e r - F a l l in Droit d'Auteur 1957, S. 88 und in Schweiz. Mitt. 1955, 156, ferner GRUR AIT 1957, 373. Die Klage vor den französischen Gerichten wurde auf das Namensrecht gegründet, das durch unerlaubte kommerzielle Auswertung verletzt worden sei. Das Tribunal de la Seine erkannte in der Entscheidung vom 4. Januar 1956 jedem ausübenden Künstler das Recht zu, über die kommerzielle Auswertung seines Namens zu entscheidien. 52 ) Oronnance du 19 décembre 1953 du Tribunal de la Seine in Droit d'Auteur 1955, S. 18.
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Kopie der Leistung durch einen zweiten Interpreten wäre unmöglich, die Manier aber, der Stil, die Auffassung können nachgeahmt werden. Für einen Schutz gegen eine Nachahmung des Stils besteht kein Bedürfnis, weil diese den ausübenden Künstler in seinen Rechten nicht beeinträchtigt. Außerdem würde ein solcher Anspruch des ausübenden Künstlers „ein Monopol an einer künstlerischen Auffassung" bedeuten, was zur Folge hätte, daß niemand sich die Art und Weise der Interpretation eines Geisteswerkes, den Stil eines speziellen Interpreten zu eigen machen dürfte. Die Kultur aber lebt davon, „daß der eine dem anderen nacheifert, und das Recht hat keinen Anlaß, solchem Streben unbedingt einen Riegel vorzuschieben"53). Hier liegt der große Unterschied zwischen Leistungsschutz und Urheberrechtsschutz. Dem Leistungsschutz ist der Tatbestand des Plagiats nicht bekannt. Der Leistungsschutz ist ein Schutz des ausübenden Künstlers gegen Ausnützung seiner eigenen Leistung, nicht aber Schutz gegen Erbringung solcher oder ähnlicher Leistung. De.r Schauspieler darf also in Manier und Auffassung einem Kollegen möglichst nahe kommen. Nur wenn zu der Nachahmung ein Namensmißbrauch tritt, hat der betroffene ausübende Künstler einen Anspruch auf Schutz aus dem Namensrecht54). Troller55) vergleicht die Auffassung und Manier des ausübenden Künstlers mit dem Stil eines Malers, der ebenfalls urheberrechtlich frei ist. Das common law gewährt ebenfalls keinen Schutz gegen die Nachahmung des Stils des ausübenden Künstlers. Bei Nachahmung von Stimme, Bewegungen und Gesten eines ausübenden Künstlers wird in schwerwiegenden Fällen eine Klage wegen unlauteren Wettbewerbs Erfolg haben 56). § 5. Schutz der beim Film mitwirkenden Personen Das geltende Recht enthält keine besondere Regelung für Filmwerke. Durch die Novelle vom 22. Mai 1910 wurde aber klar63) M o l l in Schweiz. Mitt. 1952, 82; E l s t e r in Arch. Funk Bd. 6 (1933) S. 82, d e r s . in UFITA Bd. 3 (1930) S. 579. 54 ) Vgl. U l m e r , Urheber- und Verlagsrecht, S. 319: „Nur wenn weitere Umstände hinzutreten, kann eine sittenwidrige Wettbewerbshandlung vorliegen. So steht es beispielsweise, wenn die nachahmende Leistung zu Verwechslungen führt". 55) In Schweiz. Mitt. 1955, 156. 56 ) in GRUR 1958, 118; vgl. Droit d'Auteur 1955, S. 137: „un autre aspect de la reproduction — copying — d'une exécution enregistrée ou non se présente dans le cas ou un exécutant imite le ,style' ou la .manière' d'un autre exécutant. Aux Etats-Unis, les tribunaux ont exprimé des doutes quant à la nécessité d'empêcher de telles imitations, sauf quand l'imitateur essaye de faire croire qu'il est lui même l'artiste dont il emprunte le style".
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gestellt, daß die Verfilmung von Sprachwerken eine Bearbeitung ist und daß sie der Zustimmung des Verfassers bedarf, gern § 12 Abs. 2 Z 6 LitUG. Da wir uns im Rahmen dieser Arbeit nur mit dem ausübenden Künstler beschäftigen, lassen wir das „Filmwerk" als solches und die zahlreichen Personen, die gewerblich bei der Herstellung des Filmwerkes tätig sind, außer Betracht. Die Personen, die durch ihre Beiträge künstlerischer, technischer und organisatorischer Art einen Anspruch auf Leistungsschutz haben könnten, sind: a) der Filmregisseur b) der Filmhersteller (Unternehmer — Filmproduzent) c) der Filmdarsteller. Da die anderen Mitwirkenden (Schnittmeister, Kostümzeichner, Beleuchter) entweder rein gewerblich tätig sind " ) oder nach KSchG geschützt werden ää ), versuchen wir, uns mit den verschiedenen Meinungen auseinander zu setzen, die die drei erwähnten, bei der Filmherstellung tätigen Personen betreffen, und den ihnen gewährten Schutz de lege lata und le lege ferenda zu kommentieren, a) Der Filmregisseur ist die spezialisierte Person, die das im Drehbuch niedergelegte Werk Szene für Szene erstehen läßt. (Es kann aber sein, daß der Filmregisseur selbst das Drehbuch verfaßt.) Er ist der „Verwirklicher" des Filmmanuskriptes, und zwar schöpferisch-künstlerischer Art. Das in Worten Beschriebene gibt er in Bildern wieder. Das Filmwerk, das entsteht, ist ein neues Kunstwerk, das durch seine individuelle geistige, schöpferische Tätigkeit geschaffen wird. Der Filmregisseur vollzieht die Umformung des Drehbuches in die optische Kunst und „formt den Gedankeninhalt durch gestellte Bilder", wodurch die urheberrechtlich bedeutsame innere Form des Film Werkes zustande kommt 59 ). In der Rechtslehre wird der Regisseur nach der überwiegenden Meinung als der „eigentliche Filmschöpfer" betrachtet 60 ). Trollércl) und « ) Vgl. R o e b e r in UFITA Bd. 16 (1943) S. 389. § 1 KSchG für den Schutz des Kameramannes; vgl. U 1 m e r , Urheberund Verlagsrecht, S. 134; H u b m a n n , Das Recht des schöpferischen Geistes, 1954, S. 171. 5!l) Vgl. BGH vom 21. April 1953 in NJW 1953, 259. 60 ) Vgl. W e r h a h n in GRUR 1954, 18; H a e n s e l , Leistungsschutz oder Normalvertrag, 1954; H a e g e r in NJW 1959, S. 658: „Zum Inhalt (S. 93) des Vertrages (Regievertrages) gehört auch die Übertragung der beim Regisseur entstehenden Urheber- und Verwertungsrechte auf den Filmhersteller. Seiner Rechtsnatur nach ist er ein urheberrechtlicher Nutzungsvertrag eigener Art". 61 ) in Schweiz. Mitt. 1953, S. 163. 58 )
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Ulmer62) sprechen sich für Miturheberschaft zwischen Drehbuchverfasser und Regisseur aus. Nach Ulmer ist der Regisseur Miturheber auf der Ebene eines anderen Werkschaffens. Er räumt dem Regisseur eine „ergänzende Autorenfunktion" ein. Nur in diesem Sinn erkennt ihn Ulmer zusammen mit dem Drehbuchverfasser (bzw. dem Komponisten) als Filmurheber an 63). Die Meinung, daß der Regisseur eine Urheberschaft am Film hat, vertrat auch die frühere Rechtsprechung in Frankreich. In der Entscheidung des Tribunal Civil de la Seine vom 7. April 1949 64 ) und der Cour d'Appel von Paris vom 14. Juni 1950 65) wird dem Regisseur die Urheberschaft am Film zuerkannt. Jedoch geht die neuere französische Rechtsprechung 66) in Übereinstimmung mit dem neuen Gesetz vom 11. 3. 1957 davon aus, daß das Filmwerk „un oeuvre de collaboration" ist und das Urheberrecht am Filmwerk den „créateurs intellectuels" gehört, d. h. denjenigen natürlichen Personen, die durch ihre schöpferische Tätigkeit das Filmwerk zustande bringen 07). Das neue französische Urheberrechtsgesetz hat darauf verzichtet, eine definitive Liste dieser „coauteurs intellectuels" des Filmkwerkes aufzustellen, so daß neben den in Art. 14 Genann62 ) in GRUR 1955, 522: „Persönlich glaube ich nach reiflicher Überlegung, daß wir angesichts der Verhältnisse der Praxis der Lage am besten mit einer Vermutung für eine schöpferische Mitwirkung des Regisseurs gerecht werden . . . Prinzipiel kommt die Autorenfunktion dem Drehbuchverfasser zu; die Autorenfunktion des Regisseurs ist nur eine ergänzende. Das rechtliche Verhältnis zwischen beiden ist dabei nach allgemeinen Regeln zu bestimmen. Es kann der Fall der Miturheberschaft oder der Fall der Bearbeitung vorliegen. 83 ) in GRUR 1955, 525. U l m e r aber selbst hatte früher (Urheber- und Verlagsrecht, S. 321) die Ansicht vertreten, die Leistungen des Regisseurs ließen wegen ihrer grundsätzlich nicht selbständigen Verwertbarkeit nur ein Leistungsschutzrecht entstehen, wie im Fall der ausübenden Künstler. Auch von anderen (S u t e r m e i s t e r , Das Urheberrecht am Film, S. 34), wurde die Meinung vertreten, der Regisseur erbringe keine schöpferische Leistung, er übersetze nur das Drehbuch ins Bildliche und sei der „Gehilfe" des Drehbuchautors. Daher habe er keinen Anspruch auf Anerkennung eines Urheberrechts. «4) Gaz. Pal. 1949, Bd. 1, S. 253. s5) Droit d'Auteur 1951, S. 132: „Le metteur en scène avoué comme tel intervient au cœur même de l'œuvre cinématografique . . . il participe essentiellement à la création artistique du film . . .". Be ) Entscheidung der Cour d'Appel von Paris vom 18. April 1956 in der Übersetzung von H i r s c h in UFITA Bd. 25 (1958) S. 106; Bemerkungen zu dieser Entscheidung von H i r s c h in UFITA Bd. 25, 1958) S. 5. 0? ) Bemerkungen zu dieser Regelung: H i r s c h in UFITA Bd. 25 (1958) S. 13 und D e s b o i s in GRUR AIT 1957, 61.
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ten, welche bis zum Beweis des Gegenteiles als Miturheber zu gelten haben, noch weitere als Miturheber nach allgemeinen urheberrechtlichen Kriterien in Frage kommen, welche dann freilich ihre schöpferische Leistung im einzelnen jeweils beweisen müssen. So hat der Gesetzgeber in Wahrheit das Problem, wer die Urheber des Filmwerkes sind, nicht gelöst. In jedem einzelnen Fall ist hierbei vom Richter zu entscheiden. Der RE hat im § 93 k r a f t einer Fiktion aus praktischen und wirtschaftlichen Notwendigkeiten die Urheberschaft am Filmwerk dem Produzenten eingeräumt und dem Regisseur abgesprochen. Dem letzteren gewährt er nur ein „droit moral" 6S), indem er davon ausgesetzt, daß der Regisseur das Recht hat, eine Entstellung oder eine andere Beeinträchtigung seiner Leistung zu verbieten, die geeignet ist, sein Ansehen oder seinen Ruf zu gefährden. Der Ministerialentwurf weicht im § 94 von dieser einfachen Regelung ab. Er nähert sich mehr der französischen Lösung. Er verzichtet — wie das neue französische Urheberrechtsgesetz — auf eine abschließende Regelung dieser Frage, nämlich der Urheberschaft am Filmwerk und überläßt es dem Richter, nach den allgemeinen urheberrechtlichen Kriterien des § 6 zu entscheiden, wer im gegebenen Fall schöpferisch tätig war. Im Gegensatz zum französischen Gesetz bietet der Ministerialentwurf keine Liste von Mitwirkenden, die bis zum Beweis des Gegenteils als Miturheber gelten sollen. Die Lösung des RE, die das finanzielle Risiko des Filmproduzenten in den Vordergrund stellt, hat in der Literatur viel Beifall gefunden 6 9 ). Sie scheint uns auch aus praktischen und wirtschaftlichen Erwägungen den Vorzug vor dem Ministerialentwurf zu verdienen. Es fragt sich aber trotzdem, ob sich nicht eine mittlere Lösung zwischen den beiden Extremen (RE Ministerialentwurf) finden läßt, eine Lösung, die dahin gehen würde, die Interessen auch eines kleinen Kreises schöpferisch am Filmwerk tätiger Personen zu berücksichtigen, wobei man aber zum Zweck der Rechtssicherheit diesen Personenkreis g e n e r e l l und s c h a r f abgrenzen müßte. «") Art. 96 RE, vgl. Begründung S. 223. liS ) H i r s c h in UFITA Bd. 26 (1958) S. 17; H o f f m a n n , JW 28, 1188, JW 29, 1179: G o l d b a u m , Urheberrecht und Urhebervertragsrecht, 1927, S. 43; R u s z k o w s k i in UFITA Bd. 9 (1936) S. 168. 22
Der Monaco-Entwurf schließt in Art. 6 ausdrücklich eine solche Auslegung seiner Bestimmungen aus, die die Anwendung dieser Vorschriften auch auf Filmwerke ermöglichen würde""). Der Monaco-Entwurf sieht weder Mindestschutz noch Verpflichtung zur Inländerbehandlung vor. Der IAA-Entwurf enthält keine Bestimmung darüber. b) Der Filmproduzent ist die natürliche oder juristische Person, die die finanziellen Mittel zur Herstellung des Filmes zur Verfügung stellt und das ganze Risiko trägt. Er ist organisatorisch und technisch tätig und finanziert die Herstellung. Obwohl er rein technisch und organisatorisch tätig ist und nicht schöpferisch, spricht ihm eine große Anzahl von Autoren ein Urheberrecht am Filmwerk zu, weil gerade er das gewaltige Risiko übernimmt. Hoff mann 71) und Schumann 72) billigen dem Filmproduzenten ein originäres Urheberrecht am Film zu mit der Begründung, der Filmproduzent sei geistig tätig, Regisseur und Drehbuchverfasser wirken als Hilfspersonen unschöpferisch bei ihm. Hoffmann73) will ferner im Film eine Ähnlichkeit mit der Betriebserfindung sehen. Der Schwerpunkt der Arbeit liege bei der Herstellung eines Filmes beim Unternehmer. Alle einzelnen Tätigkeiten und Leistungen finden unter seiner Leitung statt. Goldbaumu) und Hirsch7ä) betrachten das Risko, das der Filmproduzent übernimmt, als das Entscheidende für die Zubilligung eines Urheberrechts am Film. Ein Urheberrecht am Filmwerk wird dem Filmproduzenten ferner von einer großen Anzahl von Autoren zugebilligt 76 ). T0) Art. 6: „Keine Bestimmung dieses Abkommens darf in einer Weise ausgelegt werden, als sei sie auf eine Vervielfältigung oder irgendeine Verwendung eines Filmwerkes oder eines anderen Bild- oder Bildtonträgers etwa mittels optischer Vorführung, Rundfunksendung oder eines sonstigen Verfahrens anzuwenden". 71 ) in J W 1929, 1181. 72 ) Die Urheberschaft am Tonfilm, 1935, S. 77. 73 ) Ein deutsches Urheberrechtsgesetz, 1933, S. 32. 74 ) Urheberrecht und Urhebervertragsrecht, 1927, S. 388, neuerdings in der Schrift „Lateinamerikas urheberrechtliche Gesetzgebung", UFITA-Schriftenreihe Heft 12 (1959), S. 37, 45 f. 75 ) Das neue Urheberrechtsgesetz der Türkei in UFITA-Schriftenreihe Heft 4 (1957) S. 41 ff.; d e r s . in UFITA Bd. 26 (1958), S. 17. Vgl. ähnliche Regelung im (neuen) englischen Copyright Act 1956, Art. 13 Abs. 1. 76 ) Vgl. R o e b e r in UFITA Bd. 22 (1956) S. 1 und „Die Urheberschaft am Film", Heft 3 der Schriftenreihe der UFITA, Baden-Baden 1956; P f e n n i g ,
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Die Rechtsprechung sieht den Filmproduzenten als Inhaber eines derivativen Rechtes am Filmwerk an 77 ). „Im Zweifel ist der Hersteller des Filmes als der Träger des Urheberrechtes anzusehen" 78). Das OLG Frankfurt geht in seiner Entscheidung vom 4. Oktober 1951 79) davon aus, daß als Urheber im Sinne des § 15a KSchG in aller Regel der Hersteller des Filmwerkes anzusehen ist, weil die geistig-schöpferischen Kräfte für ihn und in seinem Auftrag tätig werden und er die Zusammenarbeit der verschiedenen Beteiligten herbeiführt und ermöglicht, deren Ergebnis der fertige Film ist. Diese Ansicht ist vielfach auf Widerstand gestoßen. Die Unternehmereigenschaft könne keinesfalls das Urheberrecht am Filmwerk begründen. Die Einzelleistungen seien geistig-schöpferischer Art, während der Filmproduzent rein organisatorisch tätig sei 80 ). Als weiteres Argument gegen die Urheberschaft des Filmproduzenten am Filmwerk wird vorgebracht, daß der Unternehmer gewöhnlich eine juristische Person sei und als solche nicht Träger urheberrechtlicher Befugnisse sein könne 81). Dieses letzte Argument aber wurde in der Literatur überzeugend abgelehnt 82 ). Film- und Urheberrechtsreform in Zeitschrift der Akademie f ü r deutsches Recht, 1935, S. 826; Bericht der FIAPF in Droit d'Auteur 1954, S. 81 ff.; Memorandum der UER über Kinematographie und Urheberrecht 1954, S. 81 ff. " ) RG in JW 1926, 558. 7S ) RGZ 106, 363. '») in GRUR 1952, 434 = UFITA Bd. 22 (1956) S. 111 ff. 80 ) Vgl. H a e n s e l , Normalvertrag oder Leistungsschutz S. 94; R e i m e r , Vergleichende Darstellung der geltenden deutschen Gesetzestexte . . . 1950, S. 11; U l m e t , Urheber- und Verlagsrecht S. 133; d e r s . in GRUR 1952, 9; R u n g e , Urheber- unidl Verlagsrecht S. 264, 268. 81 ) Vgl. D e s b o i s , Le Droit d'Auteur, 1950 nr., 163;Urt. der Cour d'Appel von Paris vom 14. April 1950 in Droit d'Auteur, 1951, S. 132. Das Berufungsgericht hat ausdrücklich erklärt, daß der Filmproduzent, besonders wenn er eine Kapitalgesellschaft ist, kein schöpferisches Werk erbringen kann; ferner D e s b o i s , Le Droit d'Auteur, 1950, nr. 163, S. 193; „le mode de calcul de la durée du monopole, qui se réfère à la durée d'une vie humaine, conduira à reconnaître aux personnes morales un droit exclusif d'une longueur, inaccoutumée puisque la longévité d'une société, d'une association, d'une administration investie de la personnalité juridique n'a aucune commune mesure avec celle dl'une génération". S2 ) Vgl. H i r s c h in UFITA Bd. 26 (1958) S. 17; H o f f m a n n — Entwurf 1933; R u s z k o w s k i in UFITA Bd. 9 (1936) S. 170; OLG Frankfurt in UFITA Bd. 22 (1956) S. 417; H a e g e r in UFITA-Schriftenreihe Heft 9 (1958) S. 78; H u b m a n n , Das Recht des schöpferischen Geistes S. 185. 24
Ulmer83) spricht von einem Filmschutzrecht (Leistungsschutzrecht) des Filmherstellers. Darunter versteht er das Recht, den Film zu vervielfältigen, zu verbreiten und öffentlich vorzuführen sowie ihn durch Funk oder Fernsehen zu senden. Ein Recht auf Namensnennung in Verbindung mit der Auswertung des Filmes wird dem Hersteller nicht zugestanden. Er hat ein Verbotsrecht gegen Entstellung und Verstümmelung des Filmes (nur wenn die Leistung im Film betroffen ist) und einen Schutz gegen Entnahmen. Von den Gesetzesentwürfen billigt der Hoffmann-Entwurf dem Filmhersteller ein originäres Urheberrecht zu. Der Entwurf des RJM von 1932 und der Entwurf der Akademie für deutsches Recht von 1939 gewährten dem Filmhersteller ein Werknutzungsrecht am Film kraft Gesetzes. Die Frage aber des Filmurhebers wurde offen gelassen. Der RE von 1954 bestimmt in § 93 Abs. 1 den Filmhersteller als den Urheber eines Filmwerkes in Form einer gesetzlichen Fiktion. Er erkennt jedoch dabei an, daß der Filmhersteller nicht der wirkliche Urheber ist; praktische und wirtschaftliche Notwendigkeit aber führten dazu, ihn als Urheber zu schützen 84). In der Regel ist der Filmproduzent rein organisatorisch tätig. Es kann aber sein, daß er auch filmschöpferisch tätig wird. Nur in diesem Fall wäre es unserer Meinung nach berechtigt, ihm die Urheberschaft am Filmwerk zuzusprechen. Die bloße Finanzierung der Filmherstellung und die reine organisatorische Tätigkeit rechtfertigen eine solche Begünstigung des Filmproduzenten dem Regisseur gegenüber nicht85). c) Der Filmschauspieler: Nur wenige Autoren vertreten den Standpunkt, der Schauspieler habe ein Miturheberrecht am Film 86 ). Die herrschende 8S)
in G-RUR 1952, 8, 11; d e r s . in G R U R 1955, 525. RE Begründung S. 221; vgl. H u b m a n n a. M. in Urheber- und Verlagsrecht, 1959, S. 93, 111. 85) Vgl. P i n n e r , World Copyright, Bd. 1 S. 731; „No copyright can be claimed by the producer, if he performs a purely organizing work. Where he collaborates in a creative way and makes a contribution essential from the copyright point of view, he must be deemed a co-author"; W e r h a h n in U F I T A Bd. 19 (1955) S. 194; D i e n s t a g - E l s t e r , Handbuch dies deutschen Theater-, Film-, Musik- und Artistenrechts, 1932, S. 109; R u n g e , Urheber- und Verlagsrecht S. 266. 84)
86) F a g g , Urheberschaft und Urheberrecht am Film, 1928, S. 37; H i r s c h B a 11 i n in GRUR, A I T 1954, 83.
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M e i n u n g dagegen versagt ihm ein U r h e b e r - oder M i t u r h e b e r recht am F i l m w e r k 8 7 ) . F ü r den Filmschauspieler gilt das, w a s f ü r den Darsteller auf der B ü h n e gesagt w u r d e . Der Filmdarsteller ist nicht schöpferisch tätig. A m Film, m e h r noch als auf der Bühne, ist er das Ausdrucksmittel, das vom Regisseur geleitet u n d g e f ä r b t wird. A n der V e r w e r t u n g des F i l m w e r k e s k a n n er kein Recht b e a n spruchen. Es steht i h m natürlich ein persönlichkeitsrechtliches Widerspruchsrecht zu, w e n n seine Leistungen v e r s t ü m m e l t oder m i n d e r w e r t i g wiedergegeben w e r d e n u n d dadurch seine E h r e oder sein Ruf geschädigt w e r d e n , wie auch ein Namensrecht, d. h. das Recht zu verlangen, daß sein N a m e auf dem Bild oder Schallträger angegeben wird 8 8 ). Der RE g e w ä h r t dem F i l m d a r s t e l l e r einen Leistungsschutz 89). D e r F i l m d a r s t e l l e r h a t kein Recht am F i l m w e r k . Seine Rechtsstellung k a n n keine a n d e r e sein als die der Schauspieler bei der A u f f ü h r u n g eines D r a m a s oder einer Oper, die auf einen Bild- oder T o n t r ä g e r ü b e r t r a g e n wird. H i e r f ü r steht dem ausü b e n d e n K ü n s t l e r aber nach der Regelung des E n t w u r f e s kein Urheberrecht, sondern n u r ein Leistungsschutzrecht (§ 73 ff.) zu. Die a u s ü b e n d e n K ü n s t l e r können, soweit es sich u m die im Film f e s t g e h a l t e n e Darstellung handelt, gegen eine Entstellung des F i l m w e r k e s Verbietungsrechte geltend machen (§ 97). Ein A n s p r u c h auf V e r g ü t u n g , falls das F i l m w e r k gesendet wird, an dessen H e r s t e l l u n g der a u s ü b e n d e K ü n s t l e r m i t g e w i r k t hat, steht i h m nicht zu (§ 99). Die S e n d u n g oder Vorf ü h r u n g eines Filmes ist kein Ersatz f ü r eine T h e a t e r a u f f ü h rung. Die M i t w i r k u n g der a u s ü b e n d e n K ü n s t l e r beim F i l m w e r k sowie die S e n d u n g u n d V o r f ü h r u n g dieses F i l m w e r k e s engen nicht die Möglichkeit ein, bei T h e a t e r a u f f ü h r u n g e n m i t z u w i r k e n 90). Ulmer s t i m m t dieser Regelung zu 9 1 ). ") Vgl. U l m e t in GRUR 1952, 11: neben dem Schutzrecht des Unternehmers an der Gesamtleistung steht den ausübenden Künstlern auch ein Schutzrecht an ihrer eigenen Leistung zu. Dieses Schutzrecht des ausübenden Künstlers soll nur insoweit zurücktreten, als die Verwertung des Filmes in Frage steht"; d e r s . in Urheber- und Verlagsrecht S. 97, 319; H i r s c h in UFITA Bd. 26 (1958) S. 18; T r o l l e r in Schweiz. Mitt 1953, S. 163. 88 ) Vgl. U l m e r in GRUR 1952, 12; P i n n e r , World Copyright, Bd. 1 S. 731; „Moreover the performing artist can insist on the omission of such parts of the film as prejudice his reputation"; S. 727: „The only element of copyright granted to them is a droit moral". 89 ) §§ 93, 97, 99 RE, vgl. Begründung S. 218. 90 ) RE Begründung S. 226. 91 ) in GRUR 1955, 524. 26
KAPITEL II RECHTSNATUB
DES
SCHUTZES
„Der schöpferische Interpret ist ein Widerspruch in sich" ').
Voraussetzung für die Einräumung eines Urheberrechtes ist die Schaffung eines Geisteswerkes der Tonkunst oder der Literatur (§ 1 LitUG). Unter Geisteswerk wird „die auf individueller Tätigkeit beruhende Verkörperung eines Gedankens" verstanden 2 ): die in einer bestimmten Form festgelegte Geistestätigkeit 3 ). Das Geisteswerk soll ferner einen ethischen („Erbauung", LitUG § 1), ausbildenden („Belehrung", LitUG § 1) oder ästhetischen Inhalt („Unterhaltung", LitUG § 1) haben. Das. Geisteswerk wird durch die Leistung des ausübenden Künstlers akustisch oder optisch wahrnehmbar gemacht. Bei der Ausgestaltung des Schutzes dieser „Leistung" fragt es sich, ob der ausübende Künstler seinen Schutz in Form eines ausschließlichen Rechts erhalten soll oder lediglich in Form einer Forderung auf eine angemessene Vergütung. Mit anderen Worten: es fragt sich, ob die Tätigkeit des ausübenden Künstlers, die Leistung, die er ausübt, ebenso wesentlich ist wie das vorgetragene Werk selbst, so daß ohne seinen Beitrag das Werk unvollkommen ist, oder ob er einfach als Mitteilungsmittel, als Mittel der Reproduktion des Werkes interveniert und sich seine Darstellung in der bloßen Wiedergabe des Werkes erschöpft. Im Schrifttum wurden drei grundverschiedene Auffassungen entwickelt: Die eine spricht dem ausübenden Künstler für seine Leistung ein Urheberrecht zu. Die gegenteilige geht von reinen arbeitsrechtlichen Betrachtungen aus. Die dritte verneint einen Urheberschutz des ausübenden Künstlers, will ihm aber besondere Befugnisse einräumen, d. h. einen „besonderen Leistungsschutz". § 1. Schutz der Leistung des ausübenden Künstlers im Rahmen des Urheberrechts Nur von wenigen Autoren wird ein Urheberrecht an der künstlerischen Darstellung befürwortet. Sie versuchen, ihre Ansicht mit folgenden Erwägungen zu begründen: ») P f i t z n e r , Werk und Wiedergabe, 1929, S. 20. Berner Appellationsgericht in UFITA Bd. 14 (1941) S. 261. s) M a r w i t z - M ö h r i n g , Das Urheberrecht an Werken der Literatur und der Tonkunst in Deutschland. Kommentar 1929, S. 11, Anm. 10. 2)
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Die Leistung des ausübenden Künstlers sei keineswegs eine bloße Wiedergabe des Werkes, vielmehr übe der Künstler eine eigene schöpferische Tätigkeit aus und bringe ein neues, selbständiges Werk hervor. Das Geisteswerk der Literatur oder Tonkunst entstehe erst mit der Darstellung; daher sei das Werk, wie es vom Buchautor der Öffentlichkeit übergeben werde, nur ein „Torso", den der ausübende Künstler vollende 4 ). Das Werk werde durch den ausübenden Künstler aus der Welt des Scheins in die des Seins erhoben 5 ). Cahn-Speyer6) sieht die schöpferische Leistung des ausübenden Künstlers nicht lediglich „in dem Unterschied zwischen dem, was an Vorstellungen sinnlicher Art beim Lesen zustande kommt, und dem, was der Künstler darbietet", sondern vielmehr in „der gestaltenden Auswahl unter den unendlichen Möglichkeiten des Inhalts, die in dem vorzutragenden Werke gefunden werden können". Dieser Meinung schließt sich auch Troller7) an. Dem ausübenden Künstler seien die Wahl der Tempi, der Tonstärke usw. überlassen, weil dem Komponisten die Symbole d a f ü r fehlen, diese Feinheiten dem Interpreten bekanntzugeben. Diesen in der Niederschrift verlorengegangenen Teil des Werkes müsse der Interpret aus seinem Geist und aus sich heraus ergänzen. Auf Grund der lückenhaften Mitteilungsform sei das Werk geistg noch nicht vollendet und werde erst durch die Leistung des ausübenden Musikers ergänzt und schöpferisch gestaltet. Darum spricht Troller unter dem Einfluß von Hartmann8) den ausübenden Musiker als „Miturheber" an 9). Dagegen sei vorläufig angeführt, was Musiktheoretiker oder überhaupt Kunsttheoretiker zu dieser Frage sagen. „Die Komponisten haben gelernt, denen, die es lesen können, die feinsten Feinheiten der Tonhöhe, des Rhythmus, des Tempos, der Artikulation usw. mitzuteilen, so daß ein ausgebildeter ausübender Künstler innerhalb der Grenzen seiner Technik diese Dinge vom Blatt wiedergeben kann mit einer überraschend engen Annäherung an das, was der Komponist in seiner Vorstellung gehört hat." 10 ). 4 ) C a h n - S p e y e r in UFITA Bd. 4 (1931) S. 368; d e r s . in UFITA Bd. 5 (1932) S. 342. 5 ) H o f f m a n n in GRUR 1927, 70; vgl. S m o s c h e w e r in GRUR 1927, 52. «) in UFITA Bd. 4 (1931) S. 380. 7 ) in Schweiz. Mitt. 1955, S. 137; Jurisprudenz auf dem Holzweg, 1959, S. 86. 8 ) Ästhetik, 1953, S. 108. ») in Schweiz. Mitt. 1955, S. 151; vgl. Droit d'Auteur, 1956, S. 27. 10 ) R o g e r S e s s i o n s , The musical experience of Composer, performer, listener S. 71: „They — the composers — have learned to convey to those capable of reading in the finest subleties of pitch, of rythm, of tempo, articulation etc. so that an accomplished performer can within the limits
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Insofern sind also die „unendlichen Möglichkeiten" der Interpretation eines Musikstückes nicht vorhanden. „Die Aufgabe des ausübenden Musikers ist es, mittels seiner Vorstellungskraft, die dem Text des Komponisten innewohnende ,musical gesture' zu entdecken und sie dann, seinen Fähigkeiten entsprechend, wiederzugeben. Wenn er die Absichten des Komponisten, so gut er dazu in der Lage ist, entdeckt hat, muß er sich der Aufgabe widmen, sie mit tiefster Überzeugung wiederzugeben. Ohne Treue ist eine Aufführung falsch, ohne Überzeugung ist sie leblos, mit anderen Worten, sie ist kaum Musik" "). Genau so getreu soll auch die Wiedergabe eines Werkes der Literatur sein. Die Aufgabe des ausübenden Künstlers besteht hier darin, sich in die Seele der Rolle zu vertiefen und unter den gegebenen Umständen so zu handeln, wie es vom Dichter und vom Regisseur verlangt wird. Auf das Argument, daß der ausübende Künstler seine Leistung als solche nicht „objektivieren" könne, antwortet Cahn-Speyer mit einem Vergleich zwischen ausübendem Künstler und Maler, der einen in der Wirklichkeit gegebenen Gegenstand malt. Bei seinem Bild könne man nicht isolieren, was dem gegebenen Gegenstand angehöre und was er von sich dazu getan habe 12 ). Zu diesem Vergleich läßt sich folgendes sagen: Es macht einen großen Unterschied, ob man das „Gegebene" in der Natur oder in dem Werk einer schöpferischen menschlichen Tätigkeit findet. Im ersten Falle ist man frei, das „Gegebene" nach Gefühl und persönlichem Empfinden wiederzugeben, so daß das „Gegebene" in dem neuen Werk überhaupt nicht mehr erkennbar sein kann. Eine „Isolierung" der Leistung ist unmöglich, weil sie gerade darin besteht, das von dem schöpferisch tätigen Geiste „Gegebene" treu wiederzugeben, ohne etwas dazu tun zu dürfen. of his technique reproduce these things at sight with a startingly close approximation to what the composer has heardl in his imagination"; vgl. Robert H a a s , zitdert bei S c h u l z e in der Schrift „Leistungsschutz" von S c h u l z e - T o u r n i e r - B i i c h e n , S. 12. " ) R o g e r S e s s i o n s , aaO. S. 78: „It is his task to apply his imagination to discovering the ,musical gestures' inherent in the composers text and then to reproducing them according to his own l i g h t s , . . . having discovered as well as he can the composer's intentions, he must then apply himself to the task of reproducing them with the utmost conviction . . . without fidelity a performance is false, without conviction it is lifeless, in other words, it is hardly music". 12 ) in UFITA Bd. 4 (1931) S. 382; vgl. ferner H I R S C H - B a l l i n i n UFITA Bd. 18 (1954) S. 319 ff. 29
Die Meinung, der ausübende Künstler sei schöpferisch wurde vielfach in der französischen Literatur vertreten 1 3 ).
tätig,
Hoffmann 14) und Elster 15) w o l l e n dem ausübenden Künstler ein ausschließliches Verwertungsrecht einräumen, indem sie im Gegensatz zu Caselli16) betonen, daß ein solches Ausschließlichkeitsrecht des ausübenden Künstlers das Ausschließlichkeitsrecht des Urhebers nicht berühren würde. (Näheres über diesen wissenschaftlichen Streit im § 2 dieses Kapitels, w o auch die Lehre Casellis analysiert wird.) Es scheint aber, daß Elster früher dem ausübenden Künstler einen bloßen Leistungsschutz zubilligte, den er de lege lata schon für gegeben hielt 1 7 ). Zu der vorstehenden A u f f a s s u n g läßt sich folgendes sagen: Würde das Werk nur als „Torso" betrachtet, käme man zu dem Ergebnis, daß das Werk bei der A u f f ü h r u n g ein anderes Werk sei als das gleiche Werk in der Niederschrift. Dieses kann aber nicht aus der Realität hergeleitet werden. Ferner würde jede neue A u f f ü h r u n g eines und desselben Werkes ein neues Urheberrecht am Werk entstehen lassen. Der ausübende Künstler aber kann höchstens einen Schutz seiner Leistung genießen, aber kein Urheberrecht am Werk in seiner Aufführungsform. Die Leistung des ausübenden Künstlers setzt immer ein Werk der Literatur oder Tonkunst voraus. Ein Werk ohne Leistung des 13 ) Vgl. O s t e r t a g in Droit d'Auteur 1939, S. 63: „Néanmoins un droit absolu au profit de l'exécutant se justifie, avec une protection analogue à celle des autres droits sur les biens immatériels, parce que l'interprétation de l'exécutant constitue un élément important de culture, élément, que l'humanité a le plus grand intérêt à favoriser".; V i l l a l o n g a in Arch. Funk Bd. 1 (1928) S. 605; H o m b u r g , Le droit d'interpretation des acteurs et des artistes exécutants, S. 61, 95; d e r s . in UFITA Bd. 1 (1928) S. 289, 290: „L'artiste qui donne ainsi la vie à une œuvre, n'est-il-pas un créateur au sens le plus élevé du mot? — Ne trouvons-nous pas dans la langue populaire le mot „création" pour désigner la composition d'un nouveau rôle par un acteur?"; D e s b o i s , La propriété littéraire et artistique, 1953, S. 152; S a v a t i e r , Le droit de l'art et des lettres, 1953, S. 138: c'est seulement par son (de l'artiste) incarnation qu'achèvera de se créer la pièce"; S c h r a m m , Die schöpferische Leistung, S. 56: „Es bedeutet eine Verengung und fast eine Verunglimpfung, wenn man die schöpferische Leistung des Menschen auf die Erzeugung eines Werkes beschränkt und nicht auch etwa die Interpretation eines Werkes von Beethoven durch Furtwängler als schöpferische Leistung behandelt". 14) UFITA Bd. 12 (1939) S. 96. 15 ) in UFITA Bd. 14 (1941) S. 65. 10 ) in UFITA Bd. 11 (1938) S. 1, 71. 17 ) in UFITA Bd. 3 (1930) S. 578: „Er (der ausübende Künstler) gibt nur, was in nuce oder ovo schon vorhanden i s t . . .". „Und selbst, wenn dieser vollendete Ausdruck erst durch Intuition, Fleiß und Einfühlen anerkannt wird und den Dichter oder Komponisten selbst überrascht, es war dennoch in dem Werke enthalten, sonst könnte es ja nicht herausgeholt werden . . . " .
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ausübenden Künstlers ist wohl vor stellbar 18). Eine Leistung aber des ausübenden Künstlers ohne ein „gegebenes" W e r k der Tonkunst oder L i t e r a t u r ist unvorstellbar, weil die Leistung selbst kein W e r k ist, nur an einem W e r k erbracht werden kann. Hierauf wird erwidert, daß die Übersetzung auch ein W e r k voraussetzt, das die conditio sine qua non der Übersetzung ist 1 9 ). Trotzdem wird der Übersetzer als Urheber angesprochen. Dem ist folgendes entgegenzuhalten: Während die Übersetzung den gesetzlichen Tatbestand des „Werkschaffens" erfüllt (§ 2 Abs. 1 LitUG), erfüllt die Leistung des ausübenden Künstlers als solche an einem Geisteswerk die allgemeinen Voraussetzungen nicht, die seine Tätigkeit als schöpferisch, sein Erzeugnis zum W e r k qualifizieren könnten. Seiner Leistung fehlen die Elemente des „Geisteswerkes", das urheberrechtlich geschützt wird. Die Aufführung eines Werkes eines anderen Urhebers ist eben nur die eigenpersönliche Darstellung eines Werkes eines anderen Urhebers. Der Interpret ist kein selbstschaffender, sondern nur wiedergebender Künstler 2 0 ). Seine Leistung ist als solche kein „greifbares Ergebnis"; sie ist einer selbständigen Existenz — losgelöst von ihrem T r ä g e r — nicht fähig, sondern sie vergeht zugleich mit ihrer Entstehung 2 1 ). Auch wenn sie mechanisch festgelegt wird, ist die Leistung als solche nicht „urheberrechtsfähig", weil sie durch ihre Festlegung nicht „objektiviert" werden kann 2 2 ). Es fehlen also bei der Leistung des ausübenden Künstlers die Merkmale des „Geisteswerkes" als Gegenstand des urheberrechtlichen Schutzes; es fehlt ihr die zum „ O b j e k t " gestaltete individuelle Geistestätigkeit mit einer belehrenden, erbauenden oder ästhetischen sozialen Funktion (diese Funktion entspricht der „Erbauung", „Belehrung" und „Unterhaltung" des § 1 Abs. 1 LitUG) 2 3 ). Wenn die Leistung des ausübenden Künstlers keine „Werkschöpfung" ist, ist sie dann lediglich ein natürliches Ausdrucksmittel, das das „Werk" dem Publikum zugänglich macht? 18 ) „Die Wirkung der Tragödie wird nämlich auch ohne öffentliche Aufführung und ohne Schauspieler e r r e i c h t " : s o A r i s t o t e l e s , Über die Dichtkunst, Leipzig 1921, S. 14. 19 ) Droit d'Auteur 1938, S. 126: „Le traducteur est par rapport à l'auteur original, dans une dépendance très analogue à celle de l'interprète. Pas de traduction possible sans œuvre préexistante". 20 ) Vgl. H u b m a n n , Das Recht des schöpferischen Geistes, S. 33. 21) L i o n in GRUR 1927, 296. 22 ) S m o s c h e w e r in GRUR 1927, 51. 23 ) M a r w i t z - M ö h r i n g , Das Urheberrecht an Werken der Literatur und der Tonkunst in Deutschland, 1929, Kommentar S. 20, Anm. 19.
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Der ausübende Künstler ist kein bloßes „Ausdrucksmittel". Er wiederholt nicht mechanisch das vorgeschriebene Werk, sondern er interpretiert und belebt seelenvoll das Werk im Sinne und Geiste des Werkschöpfers. Er stellt das Werk nach eigener Einfühlung in den Geist des Dichters dar. Die Arbeit des ausübenden Künstlers am Werk verlangt Begabung, technisches Können, intuitives Eindringen, persönliches Empfinden und Fleiß. Der ausübende Künstler formt nicht halb Geformtes zu Ende 24). Er stellt das „Vollendete" dar, und kreiert am besten, indem er den intellektuell oder intuitiv erspürten Inhalt des Werkes treu wiedergibt. Daß diese Interpretation von hohem künstlerischem Wert sein kann, ist nicht zu bezweifeln; deshalb wird sie aber nicht zur Werkschöpfung. Sie ist immer eine künstlerische Darstellung, eine Wiedergabe des Werkes. Und die Leistung des ausübenden Künstlers ist keine „werkschöpferische" Leistung, sondern eine eigenpersönliche künstlerische Leistung an der Wiedergabe des Werkes. „Der ausübende Künstler gibt n u r etwas wieder, was immanent im Werk enthalten ist." Er schafft „Geisteswerte", aber nicht „Geisteswerke" 25). Selbst Goethe, als er mit dem Theater näher in Berührung kam, sprach nicht mehr .von den „Ehrwürdigen, die uns die Stimme der Natur ans Herz legen", sondern legte 26 ) dem Theaterdirektor Serlo folgende Klage über die Schauspieler in den Mund: „Jeder ist sehr wohl zufrieden, eine schöne, lobenswürdige, brillante Rolle zu übernehmen, selten tut einer mehr, als sich mit Selbstgefälligkeit an die Stelle des Helden zu setzen, ohne sich im mindesten zu bekümmern, ob ihn auch jemand d a f ü r halten werde. Aber mit Lebhaftigkeit zu umfassen, was sich der Autor beim Stück gedacht hat, was man vori seiner Individualität hingeben müsse, um einer Rolle g e n u g z u t u n . . . ist wenigen gegeben. Diese innere Stärke des Geistes, wodurch ganz allein der Zuschauer getäuscht wird, diese erlogene Wahrheit, die ganz allein Wirkung hervorbringt, wodurch ganz allein die Illusion erzielt wird, wer hat davon einen Begriff?" Der BGH selbst bekennt sich in seiner Entscheidung vom 21. November 1952 27) zu folgender Grundüberlegung: Der ausübende Künstler, der ein Schrift- oder Tonwerk wiedergibt, ist nicht Schöpfer eines Werkes. Ihm steht ein echter Urheberrechtsschutz ") !5 ) 26 ) 27 ) 32
H a r t m a n n , Ästhetik S. 109. E l s t e r in GRUR 1927, 46. G o e t h e , Wilhelm Meisters Lehrjahre, Goldmann-Verlag 1959, S. 248. BGHZ 8, 90 = S c h u l z e , Entscheidungssammlung, BGHZ 3.
in der Regel nicht zu. Dieser Auffassung schließt sich heute fast das ganze Schrifttum an 2S ). § 2. Schutz der Leistung des ausübenden Künstlers im Rahmen des Arbeitsrechts Die Meinung, daß dem ausübenden Künstler ein Ausschließlichkeitsrecht zugebilligt werden müsse, wird hauptsächlich von den italienischen Autoren Caselli29) und de Pirro 30) angegriffen. Caselli spricht dem ausübenden Künstler ein ausschließliches Recht ab, indem er von drei Hauptargumenten ausgeht: a) Er erblickt in der Leistung des ausübenden Künstlers n i c h t m e h r als ein gewöhnliches Arbeitsergebnis. Darum will er den Schutz des ausübenden Künstlers in einem Anspruch auf angemessene Vergütung bei manchen Verwertungen statuieren. b) Ferner spricht er von der Unmöglichkeit des „Nebeneinanderstehens" von zwei Ausschließlichkeitsrechten, weil augenscheinlich „das nicht mehr ein ausschließliches Recht sein kann, was mit einem anderen geteilt wird." c) Schließlich spricht er vom „Blockieren" des ausschließlichen Rechtes des Werkschöpfers, wenn auch dem ausübenden Künstler ein ausschließliches Recht in Gestalt eines Verbotsrechts eingeräumt würde. Das Verbotsrecht des ausübenden Künstlers, z. B. im Falle einer Funksendung oder Übertragung würde den Werkschöpfern ihre Tantiemen entziehen. Diesem letzten Argument stimmen de Pirro31) und von deutscher Seite Roeber32) und Nipperdey 33) zu. 28 ) H a e n s e 1, Normalvertrag oder Leistung, S. 12; U 1 m e r , U r h e b e r und Verlagsrecht, 1951, S. 317; H i r s c h in UFITA Bd. 26 (1958) S. 18; K o h 1 e r , Urheberrecht, 1907, S. 136; R u n g e , U r h e b e r - und Verlagsrecht, 1948, S. 341; v o n E r f f a in GRUR 1952, 335; d e S a n c t i s in UFITA Bd. 20 (1955) S. 22; C a s e l l i in UFITA Bd. 11 (1938) S. 1, 71; V o g e l in GRUR 1953, 199; G o l d b a u m , Schöpfung oder Leistung, 1957, S. 25, S c h u l z e in der Schrift „Leistungsschutz" von S c h u l z e - T o u r n i e r B ü c h e n , S. 15, B ü c h e n , aaO. S. 77; M o l l in Schweiz. Mitt. 1952, S. 72; P f i t z n e r , Werk und Wiedergabe S. 20; d e B o o r in UFITA Bd. 13 (1940) S. 185; RE Begründung S. 190; M ü l l e r in „GEMA und die U r h e b e r rechtsreform", S. 85, M a r w i t z in UFITA Bd. 3 (1930) S. 299/302; N i p p e r d e y , Der Leistungsschutz des ausübenden Künstlers, S. 40. 29 ) in UFITA Bd. 11 (1938) S. 1, 71. 3Ü ) in UFITA Bd. 15 (1942) S. 160. 31 ) in UFITA Bd. 15 (1942) S. 160. 32 ) in UFITA Bd. 11 (1938) S. 244: „Wenn der Urheber die öffentliche A u f f ü h r u n g seines Werkes d e r Tonkunst erlaubt, k a n n diese A u f f ü h r u n g nicht dadurch u n t e r b u n d e n werden, daß ein anderer als der ausschließlich berechtigte Urheber ein Recht an d e r A u f f ü h r u n g geltend macht, sei es an d e r A u f f ü h r u n g des Werkes, sei es an d e r Aufführungsleistung, sei es an der A u f f ü h r u n g des Schallträgers, der Aufführungsleistung und aufgeführtes Werk zusammen festhält. Es w ä r e ein Eingriff in die Ausschließlichkeit des Urheberrechts, w e n n der ausübende Künstler erklärt, er versage die öffentliche Aufführung". 33 ) aaO. S. 44; vgl. auch B o g s c h - F i s h e r in Droit d'Auteur 1955, S. 135.
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Caselli3i) greift die Regelung des RJM-Entwurfes von 1932 (§§ 57 bis 59), die inzwischen in Österreich geltendes Recht geworden ist, an und kommt zu dem Ergebnis, es handele sich um einen reinen Arbeitsvertrag zwischen dem Träger des Urheberrechts und dem ausübenden Künstler, wobei aus einem solchen Vertrag auf Seiten des Arbeitnehmers kein Verfügungsrecht über das Ergebnis seiner Arbeitsleistung entstehen könne. Von deutscher Seite wurde aber Caselli erwidert, daß das „Nebeneinanderstehen" von zwei ausschließlichen Rechten sehr wohl möglich sei, weil das ausschließliche Recht des Urhebers sich auf das Werk bezieht und das ausschließliche Recht des ausübenden Künstlers auf seine Leistung. Diese Meinung wurde von Hoff mann :i5j und de Boor38) vertreten. Ulmer37 schloß sich ebenfalls dieser Meinung an. Indem aber Hoffmann davon ausgeht, daß die beiden ausschließlichen Rechte sich auf verschiedene Gegenstände beziehen (Werkleistung) geht de Boor3S) davon aus, daß der Begriff „ausschließliches Recht" in Deutschland eine engere Bedeutung hat. Ein ausschließliches Recht bedeute einen Schutzbereich, von dem der Berechtigte jeden Eingriff Dritter abwehren könne (absolutes Recht). Damit, daß ein Recht ausschließliches Recht heiße, sei also über Inhalt und Grenzen des Schutzbereiches gar nichts gesagt; es sei deshalb kein logischer Widerspruch, wenn sich zwei ausschließliche Rechte auf ein und denselben Gegenstand beziehen (Eigentum — Nießbrauch). Elster 39 ) spricht auch von zwei „verschiedenen Gebieten", die auf „nicht übereinstimmenden Ebenen" liegen, selbst wenn jedes der beiden Rechte ein ausschließliches ist 40 ). Das dritte Argument Casellis, ein ausschließliches Recht des ausübenden Künstlers würde das Recht des Werkschöpfers „blockieren", wurde im deutschen Schrifttum übernommen und überzeugend weiterentwickelt. Roeber 41) stellt — schon 1938 — bei der Gestaltung des Schutzes des ausübenden Künstlers zwei Forderungen auf: 34
) in UFITA Bd. 11 (1938) S. 76. 55) in UFITA Bd. 12 (1939) S. 102; vgl. S e i 11 e r in UFITA Bd. 11 (1938) S. 259. 36 ) in Droit -diAuteur 1940, S. 112; in UFITA Bd. 13 (1940) S. 185. 37 ) Urheber- und Verlagsrecht S. 318; d e r s . Der Rechtsschutz des ausübenden Künstlers, S. 24. 36 ) in UFITA Bd. 13 (1940) S. 188. 39 ) in UFITA Bd. 14 (1941) S. 66. 40 ) Vgl. H u b m a n n , Das Recht des schöpferischen Geistes S. 178; d e r s . aber a. M. in: Der Schutz des ausübenden Künstlers S. 24. 41 ) in UFITA Bd. 11 (1938) S. 241 f. 34
1) Schutzberechtigung entsprechend dem Schutzbedürfnis, 2) keine Beeinträchtigung des Urheberrechtsschutzes am Werke der Tonkunst oder Literatur. Eine solche Beeinträchtigung wäre auf zweierlei Weise möglich: mittelbar dadurch, daß der ausübende Künstler rechtlich besser gestellt wäre als der Urheber; unmittelbar dadurch, daß dem ausübenden Künstler Rechte zuerkannt werden, die in das Recht des Urhebers eingreifen. Dieser zweite Fall liege gerade dann vor, wenn dem ausübenden Künstler ein ausschließliches Recht gewährt wird. Die Tatsache allein, daß die beiden ausschließlichen Rechte in ihrem Gegenstand verschieden und theoretisch getrennt sind, schließt die Konflikte in der Praxis nicht aus 42). Ferner schildern Möhring43), Nipperdey44) und Haensel45) die für den Urheber schädlichen Folgen, die ein Ausschließlichkeitsrecht des ausübenden Künstlers nach sich ziehen würde, und stimmen Caselli zu. Ein großer Teil 4C ) des deutschen Schrifttums will aber in dem „Nebeneinanderbestehen" von zwei ausschließlichen Rechten keinen Konflikt dieser beiden Rechte, sondern eine bloße Konkurrenz sehen. Daß der ausübende Künstler die öffentliche Aufführung untersagen könne, sei kein Eingriff in die Ausschließlichkeit des Urheberrechts, weil der ausübende Künstler nicht das „öffentliche Aufführen des Werkes", das er wiedergegeben habe, untersagen könne, sondern lediglich die Aufführung in der von ihm persönlich geprägten Wiedergabe 47 ). Mit anderen Worten: der ausübende Künstler kann nicht die öffentliche Wiedergabe des (von ihm einmal) interpretierten Werkes schlechthin untersagen, sondern nur die öffentliche Wiedergabe mittels seiner eigenen Interpretation. Die Untersagung richtet sich also gegen die öffentliche Aufführung seiner eigenen Interpretaion und nicht gegen die Aufführung des Werkes schlechthin, das einmal von ihm interpretiert wurde. Die Ausschließlichkeit des Schutzes einer Leistung schließt keine 42 ) M e n t h a in UFITA Bd. 25 (1958) S. 42; vgl. Droit d'Auteur 1938, S. 117: „Si deux droits privatifs existent sur deux choses distinctes pour l'esprit, mais pratiquement confonidlues de telle sorte que la seconde ne peut se manifester que conjointement avec la première, les titulaires de ceux deux droits exclusifs pourront se contrecarrer et plus spécialement, le titulaire du second droit pourra, s'il le veut, rendre inopérante une autorisation donnée par le titulaire du premier droit; vgl. S t r a u s s in UFITA Bd. 22 (1956) S. 142; vgl. RE Begründung S. 192. " ) Die Internationale Regelung des Rechts der ausübenden Künstler S. 44. 44 ) Der Leistungsschutz des ausübenden Künstlers S. 44. Leistungsschutz oder Normalvertrag S. 48. 46 ) de B o o r in UFITA Bd. 13 (1940) S. 185; d e r s . in Droit d'Auteur 1940, S. 112; vgl. U1 m e r , Der Rechtsschutz der ausübenden Künstler, der Hersteller von Tonträgern und der Sendegesellschaften, 1957, S. 24; H o f f m a n n in UFITA Bd. 12 (1939) S. 101; E l s t e r in UFITA Bd. 14 (1941) S. 66. 47 ) H o f f m a n n in UFITA Bd. 12 (1939) S. 101.
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andere Leistung an dem gleichen Werk des Urhebers aus. Damit sind wir zu Ulmers Argumentation gekommen 48). Das ausschließliche Recht des ausübenden Künstlers, auf Grund dessen er die Sendung oder Aufführung verbieten kann, „blockiere" nicht das Recht des Urhebers. Wenn auch einzelne Künstler ein Verbot der Aufnahme der Sendüng aussprächen, würden sich doch andere Künstler bereitfinden, bei der Aufnahme der Sendung mitzuwirken, und daher sei eine wesentliche Beeinträchtigung der Verwertung der Werke durch ein Verbotsrecht der Künstler nicht zu befürchten 49). Ulmer ist nur insofern zuzustimmen, als es sich bei einer Darstellung um zwei verschiedene Schutzobjekte handelt: um das Werk und die Leistung, die das Werk wahrnehmbar macht. Da aber die Leistung als solche nicht „objektiviert" werden kann und nur als Leistung am Werk vorstellbar ist, würde ein ausschließliches Recht an der Leistung — die das Werk enthält — doch in Widerspruch zum ausschließlichen Recht des Urhebers am Werk geraten. Das Argument von Ulmer, daß das Werk (oder die Interessen des Urhebers am Werk) durch das Aufführungsverbot des ausübenden Künstlers nicht blockiert wird, weil nämlich andere ausübende Künstler bereit sind, das Werk aufzuführen, räumt nicht den Konflikt zwischen beiden ausschließlichen Rechten aus, der gerade darin besteht, daß in dem b e s t i m m t e n F a l l durch das Verbotsrecht des bestimmten konkreten ausübenden Künstlers das ausschließliche Recht des Urhebers paralysiert wird. Es spielt überhaupt keine Rolle, daß alle anderen ausübenden Künstler sich für eine neue Aufführung des Werkes zur Verfügung stellen. Sie selbst könnten auch von ihrem ausschließlichen Recht Gebrauch machen oder sich aus Korpsgeist n i ch t zur Verfügung stellen. Der Konflikt besteht schon in den verschiedenen Interessen des Urhebers und des ausübenden Künstlers. Indem der Urheber sich jede Aufführung wünscht, weil sie ihm Tantiemen bringt, zieht der ausübende Künstler dagegen ein „Engagement" für eine LifeSendung der bloßen Wiedergabe seiner festgelegten Leistung vor. Darum würde ein Verbotsrecht des ausübenden Künstlers jede weitere Nutzungsmöglichkeit der konkreten Darstellung des Werkes unmöglich, oder von hohen Ansprüchen abhängig machen. Demgegenüber scheint sich die von Caselli vertretene und von einem großen Teil der Literatur heute begrüßte Ansicht durchzusetzen, daß die Leistung des ausübenden Künstlers ihren Schutz ) U1 m e r , Der Rechtsschutz der ausübenden Künstler usw. S. 24. 49) Vgl. d e B o o r in UFITA Bd. 13 (1940) S. 185; E 1 s t e r in UFITA Bdi. 14 (1941) S. 66. 48
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im Rahmen des Arbeitsrechts und nicht im Rahmen des Urheberrechts finden soll. Die Leistung des ausübenden Künstlers kann Gegenstand eines Arbeitsvertrages sein. Sie besitzt einen wirtschaftlichen Wert, der je nach den Verwendungsbedingungen schwanken kann. Diesen wirtschaftlichen Wert der Leistung des ausübenden Künstlers kann man innerhalb des Arbeitsvertrages schützen. Während also die ausübenden Künstler sich auf ihre kulturelle, schöpferische, soziale Funktion und auf die Verschlechterung ihrer wirtschaftlichen Lage berufen, um ein ausschließliches Recht zu erlangen und die Benutzungsmöglichkeit ihrer Leistung von ihrer Zustimmung abhängig zu machen, will ein großer Teil des Schrifttums sie im Rahmen des Arbeitsrechts geschützt wissen, indem man das „schöpferische" Element der Leistung verneint und genügend durch Tatsachen beweist, daß die technische Entwicklung die wirtschaftlichen Verhältnisse der ausübenden Künstler nicht verschlechtert hat 50 ). Der Schutz der Leistung des ausübenden Künstlers kann im Rahmen des Arbeitsrechtes durch Abschluß von Tarifverträgen und Einzelverträgen gewährleistet werden (z. B. wenn ein Solist oder Dirigent, ohne in einem festen Arbeitsvertragsverhältnis zu dem Unternehmer zu stehen, für einen Abend engagiert wird). Beim Abschluß eines solchen Vertrages kann der ausübende Künstler genau umreißen, in welchem Umfang seine Leistung ver50 ) Vgl. M ö h r i n g , aaO. S. 52; H o r e c a : Ansicht zu d e n sog. N a c h b a r rechten z u m U r h e b e r r e c h t , a d r e s s i e r t a n die UNESCO: „Der M u s i k v e r b r a u c h ist in den letzten J a h r e n i m m e n s gestiegen, so daß in einer Vielzahl von B e t r i e b e n , die f r ü h e r k e i n e Musik a u f f ü h r e n ließen, h e u t e mechanische Musik durch Radio oder T o n t r ä g e r zu h ö r e n ist. Von e i n e r V e r d r ä n g u n g d e r l e b e n d e n Musik in gastgewerblichen B e t r i e b e n k a n n somit keine Rede sein". (Kopie v o m 16. März 1959, S. 6); S t r e u l i , Gelegenheitsschriften S. 62; vgl. S c h u l z e , aaO. S. 30; vgl. G o l d b ä u m , Schöpfung oder Leistung S. 9; A l l a i n , P r é l i m i n a i r e s à l ' e s t h é t i q u e S. 159: „Les musiciens se voient d é j à d e v a n t des salles vides et d'insaisissables l a r r o n s r e c o m p o s a n t la m u s i q u e à t o u t e distance d ' a p r è s des v a r i a t i o n s c o r r e s p o n d a n t e s du champ électrom a g n é t i q u e . Ces c r a i n t e s sont chimériques. P e u de gens f e r m e n t les y e u x d e v a n t l'orchestre, p r e s q u e tous d é s i r e n t voir en m ê m e t e m p s qu'ils e n t e n dent, et r a p p o r t e r l ' a t t a q u e du cor a u m o u v e m e n t et à l ' e f f o r t de l'homme"; R o g e r S e s s i o n s , T h e musical e x p e r i e n c e S. 70: „Wir k ö n n e n n u r so lange eine S c h a l l p l a t t e n a u f n a h m e a n h ö r e n u n d dabei großen G e n u ß e m p f i n den, als sie u n s in h o h e m Maße u n b e k a n n t ist. Sie v e r l i e r t jedoch in dem Augenblick I n t e r e s s e f ü r uns, in d e m w i r uns b e w u ß t w e r d e n , d a ß es sich u m g e n a u e Wiederholung, • u m mechanische Reproduktion, handelt. ("We can listen to a recording and d e r i v e a m a x i m u m of p l e a s u r e f r o m it just as long as it r e m a i n s to a degree infamiliar. It ceases to h a v e interest f o r us, h o w e v e r , t h e instant w e become a w a r e of t h e f a c t of literal repetition of mechanical reproduction"); a. M. v o n E r f f a in GRUR 1952, 334: „Die T o n t r ä g e r k ö n n ten auch den K o n z e r t s a a l e r o b e r n " ; vgl. Droit d'Auteur, 1939, S. 8: ,,Si donc on laissait les e x é c u t a n t s se d é f e n d r e avec la seule a r m e du c o n t r a t de travail, ils se t r o u v e r a i e n t g r a v e m e n t menacés, et p a r la crise économique et p a r l'évolution de la technique m o d e r n e " .
5 — Schriftenreihe 17
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wertet werden darf 5 1 ). Aus diesem Grunde ist auf den Sinn der arbeitsrechtlichen Bestimmungen und ihrer Möglichkeiten f ü r den von uns verlangten Schutz des ausübenden Künstlers näher einzugehen. Unter Arbeitsrecht versteht man alle Gesetze und Vorschriften, welche das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer regeln 53 ). Das Arbeitsrecht im engeren Sinne umfaßt nur das Recht der abhängigen Arbeit 5 4 ). Quellen f ü r den Schutz des ausübenden Künstlers im Rahmen des Arbeitsrechts könnten sein: I. gesetzliche Bestimmungen (hauptsächlich §§611 bis 630 BGB), II. Tarifverträge (kollektive Arbeitsverträge), III. Einzelverträge. I. Das BGB enthält Vorschriften, die f ü r alle Arbeitsverhältnisse Geltung beanspruchen. In Frage kommen hauptsächlich die Vorschriften über Dienstvertrag, §§ 611 bis 630 BGB, gegebenenfalls auch die Vorschriften über Werkvertrag, §§ 631 ff., wenn z. B. ein Dirigent sich verpflichtet, f ü r ein einmaliges Gastspiel zu musizieren 55 ). § 611 BGB nimmt keine Rüsckicht auf die Art der zu leistenden Arbeit; sie kann selbständige oder abhängige Arbeit sein 5S ). Ein Bühnenarbeitsvertrag ist ein echter Dienstvertrag im Sinne des § 611 BGB 57). Die Unübertragbarkeit des Dienstverhältnisses (§ 613 BGB) wendet das Bühnenoberschiedsgericht 56 ) auch auf Bühnenbeschäftigungsverhältnisse an, wenn der Anspruch auf Leistung auf einen anderen Unternehmer ohne die Zustimmung des zur Leistung verpflichteten Mitglieds übertragen wird. Für die Mitwirkung in Vorstellungen, die aus dem Theater z. B. durch Fernsehen übertragen werden, ist eine Sondervergütung, falls eine entsprechende Vereinbarung fehlt, nach § 612 BGB zu ersetzen 58 ). 51 ) Vgl. N e u m a n n - D u e s b e r g , Rechtsschutz der Leistung des ausübenden Künstlers S. 57/67; S c h u l z e , aaO. S. 35, 42, 51, 57; d e r s . , Recht und Unrecht, S. 527/56; N i p p e r d e y , aaO. S. 59; M ö h r i n g , aaO. S. 53; vgl. W a w r e t z k o , aaO. S. 77; S ü s s , aaO. S. 73; O v e r a t h , aaO. S. 45; d e r s . in Gema-Nachrichten, Nr. 42/1959 S. 4; H a e n s e l , Leistungsschutz oder Normalvertrag S. 108; K o p s e h in UFITA Bd. 20 (1955) S. 283; B a u m in GRUR 1952, 561; d e r s. in GRUR AIT 1953, 214. 53 ) B o b r o w s k i , Arbeitsrecht 2. Aufl., 1954, S. 1. M ) H a e n s e l , [Leistungsschutz oder Normalvertrag S. 32; vgl. N i k i s c h , Arbeitsrecht, 2. Aufl., S. 1. «) Vgl. N i k i s c h , aaO. S. 211 56 ) N i k i s c h , aaO. S. 105. 57 ) Vgl. W a w r e t z k o , aaO. S. 77. 58 ) Siehe bei R i e p e n h a u s e n , Das Arbeitsrecht der Bühne. 2. Aufl. (1956) S. 16. 69 ) Vgl. N i p p e r d e y , aaO. S. 60.
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II. Tarifverträge: Bei einem einzelnen Arbeitsvertrag oder Dienstvertrag stehen sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer als Einzelpersonen gegenüber. Der Tarifvertrag wirkt aber zwischen einer oder mehreren Gewerkschaften einerseits und einem oder mehreren Arbeitgebern andererseits. Er regelt die Rechte und Pflichten der Tarif Vertragsparteien (schuldrechtlicher Teil) und enthält Rechtsnormen, die den Inhalt, den Abschluß und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen, sowie betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen ordnen können (normativer Teil 60 ). F ü r den ausübenden Künstler kennen wir folgende Tarifverträge: a) Normalvertrag (NV) zwischen dem Deutschen Bühnenverein und der Genossenschaft Deutscher Bühnenangehöriger (vom 1. Mai 1924 mit den Änderungen vom 20. J a n u a r 1933, 14. Oktober 1948, 30. April 1955, 15. September 1955). Dieser Normalvertrag enthält die folgende Bestimmung des § 3 Abs. 4: „Für die Mitwirkung in Vorstellungen, die aus dem Theater durch den Rundfunk oder Fernsprecher übertragen werden, sowie f ü r die Mitwirkung bei EnsembleDarbietungen des Theaters, die aus dem Senderaum durch Rundfunk übertragen werden, ist neben dem Gehalt eine angemessene Vergütung im Dienstvertrag zu vereinbaren 61)." b) Tarifvertrag zwischen dem Deutschen Bühnenverein und dem deutschen Gewerkschaftsbund — Deutscher Musikverband 6 2 ). § 4 Abs. 3 lautet: „Wegen der Mitwirkung bei einer Aufführung, die durch den Rundfunk übertragen oder auf Schallplatten, Tonband oder dergl. aufgenommen wird, bedarf es einer besonderen schriftlichen Vereinbarung mit dem Musiker. Dies gilt nicht f ü r Reportagesendungen." c) Tarifordnung f ü r die Deutschen Kulturorchester vom 30. März 1938 (T.O..K)63), deren § 4 lautet: 1) „Die Verpflichtung des Musikers erstreckt sich — vorbehaltlich abweichender Vereinbarungen im Anstellungsvertrag — auf die Mitwirkung bei allen Veranstaltungen des Orchesters, soweit die Tätigkeit dem Musiker aus künstlerischen Gründen zugemutet werden kann. 0°) B o b r o w s k i , aaO. S. 557. 61 ) bei R i e p e n h a u s e n , Arbeitsrecht der Bühne, 1956, S. 129, 225, 278; N i k i s c h , Arbeitsrecht, Bd. II S. 252; S c h u l z e , aaO. S. 57; H a e n s e l , Normalvertrag oder Leistumgsschutz S. 110; N i p p e r d e y , aaO. S. 60. 62 ) bei N i p p e r d e y , aaO. S. 61; S c h u l z e , aaO. S. 57. 83 ) bei H a e n s e l , aaO. S. 111. 39
2) Die Verpflichtung umfaßt auch die Mitwirkung bei Bühnenmusik — darunter im Rahmen der Zumutbarkeit auch die Mitwirkung bei ernst zu wertender Musik auf der Szene und im Kostüm — sowie bei auswärtigen Gastspielen des Orchesters. 3) Die Musiker übernehmen ohne besondere Vergütung in angemessenen Grenzen Vertretungen, und Tätigkeiten, die sonst von anderen auch höher besoldeten Musikern ausgeübt werden." Diese Vorschrift regelt die Verpflichtungen der Orchestermitglieder bezüglich ihrer Tätigkeit in der Oper und bei Konzertaufführungen. Eine Verpflichtung zur Duldung einer Fixierung der Musikaufführung kann aus dieser Vorschrift nicht hergeleitet werden. d) Tarifordnung (T.O.) 64
für
Filmschaffende
vom
19. August
1943
e) Rundfunk-Tarifvertrag für Radio Bremen vom 9. Mai 1953 °5): „Urheber- und Leistungsschutzrechte, welche der Arbeitnehmer in Erfüllung seiner dienstlichen Verpflichtungen erwirbt, sind durch das auf Grund" des Anstellungsvertrages gezahlte Entgelt abgegolten. Die unter Mitwirkung fest angestellten Musiker des Radio-Bremen-Orchesters hergestellten Tonträger können von Radio Bremen für Rundfunkzwecke im In- und Ausland ohne zusätzliche Vergütung verwendet werden." f) Tarifvertrag für den NWDR vom 9. Oktober 1954 86). III. Einzel Verträge: „Verträge auf Arbeitsleistung" 67). Durch Einzelverträge kann der ausübende Künstler genau festlegen, welche Vergütung ihm zu zahlen ist, und in welchem Umfang der Veranstalter oder Unternehmer seine Leistung verwerten darf. Natürlich werden immer die Tarifverträge bevorzugt, weil der einzelne ausübende Künstler gegenüber dem stärkeren Unternehmer seine Ansprüche nicht allein durchsetzen kann. In der Regel werden nur Solisten und Dirigenten auf Grund eines Einzelvertrages engagiert. Auch das Internationale Arbeitsamt hat sich in Genf schon «i) s5) ««J °7) 40
Reichsarbeitsblatt 1943, IV S. 628 ff. bei H a e n s e l , aaO. S. 114; N i p p e r d e y , aaO. S. 55. bei N i p p e r d e y , aaO. S. 56. H i r s c h , Einführung in das bürgerliche Vermögensrecht, 1956, S. 131.
seit 1938 68) mit dem Schutz des ausübenden Künstlers befaßt und folgende Grundsätze aufgestellt 6 9 ): a) Das Schutzrecht des ausübenden Künstlers besteht nur vorbehaltlich des ausschließlichen Rechtes des Originalurhebers. b) Der ausübende Künstler hat ein droit moral auf Nennung seines Namens bei allen Wiedergaben seiner Leistungen. c) Der ausübende Künstler hat einen Anspruch auf Sondervergütung gegen seinen Dienstherren, wenn die Aufführung, bei der er mitwirkt, durch Rundfunk gesendet wird, auch wenn der Dienstvertrag darüber nichts enthält. Ergebnis: Für alle möglichen wirtschaftlichen Verwertungen der Leistung des ausübenden Künstlers tritt die vertragliche Regelung ein. Durch Einzel- oder Kollektivverträge können alle Rechtsprobleme geregelt werden, die z. B. im Zusammenhang mit der Übertragung und Verbreitung einer ortsgebundenen Darstellung eines ausübenden Künstlers entstehen. Die Forderungen und Ansprüche der ausübenden Künstler können mit Hilfe arbeitsrechtlicher Lösungen in gerechter Weise dem Grad der künstlerischen Leistung gemäß befriedigt werden. Ein großer Teil des Schrifttums ist sich heute darüber einig 70). Hiergegen wird aber eingewendet 71 ), der Schutz des ausübenden Künstlers habe vermögensrechtliche und persönlichkeitsrechtliche Bestandteile. Diese letzteren seien im wesentlichen Gegenstand des Leistungsschutzes, wohingegen das Arbeitsrecht keine persönlichkeitsrechtlichen Bestimmungen enthielte. Ein bloß arbeitsrechtlicher Anspruch würde zu einer Minderung der Rechte der ausübenden Künstler führen, besonders ihres Persönlichkeitsrechtes. Außerdem setze das Arbeitsrecht ein Arbeitsverhältnis von Arbeitgeber und Arbeitnehmer voraus. Es gebe aber auch ausübende Künstler, die auf eigenes Risiko Aufführungen veranstalteten. Ferner sei der Schutz durch das Arbeitsrecht unvollständig, da dieses nur die vertraglichen Beziehungen zwischen Arbeitgeber ) in Droit d'Auteur 1939, S. 8. ) in Droit d'Auteur 1939, S. 35. ) Vgl. S ü s s , aaO. S. 73; T r o l l e r , Jurisprudenz auf dem Holzweg S. 53 ff.; W a w r e t z k o , aaO. S. 88; O v e r a t h , aaO. S. 45 und in GemaNachrichten Nr. 42/1959 S. 4; N e u m a n n - D u e s b e r g , aaO. S. 58; M ö h r i n g , aaO. S. 53; H a e n s e l , aaO. S. 118; R i e p e n h a u s e n in UFITA Bd. 24 (1957) S. 27. 71 ) Vgl. S c h o r r o , La protection de l'artiste exécutant; d u P a s q u i e r in UFITA Bd. 14 (1941) S. 169; d e B o.o r in Droit d'Auteur 1941, S. 125; d e r s. in Droit d'Auteur 1939, S. 36; d e r s. in UFITA Bd. 13 (1940) S. 186. es
69
7tl
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und Arbeitnehmer regele. Aber gerade in dem Fall, daß solche vertraglichen Beziehungen zwischen dem Unternehmer und dem ausübenden Künstler nicht bestehen, sei die Notwendigkeit eines Schutzes ganz offenbar (z. B. wenn ein Konzert durch den Rundfunk gesendet werde, ohne daß der ausübende Künstler benachrichtigt worden sei). Hierzu sei bemerkt, daß heute nach dem Inkrafttreten des neuen GG ein allgemeines Persönlichkeitsrecht anerkannt wird. Dieses Persönlichkeitsrecht gehört zu den „sonstigen Rechten" des § 823 Abs. 1 B G B 72). Eine schuldhafte widerrechtliche Verletzung verpflichtet zum Schadenersatz. Für diese Fälle, für die die Gegner der Anwendung des Arbeitsrechtes Bedenken haben (d. h. für die Fälle, wo die ideellen Interessen des ausübenden Künstlers in Gefahr sind), greifen die Bestimmungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes ein, und beim Ersatz des ideellen Schadens steht dem ausübenden Künstler § 847 B G B zu. Von großer Bedeutung ist hier die Entscheidung des BGH vom 14. Februar 1958 ,3 ). Sie besagt folgendes: „Begründet die schuldhafte Entziehung der körperlichen Freiheit einen Anspruch auf Ersatz des ideellen Schadens, so ist kein sachlicher Grund ersichtlich, der es hindern könnte, die im § 847 B G B getroffene Regelung im Wege der Analogie auch auf solche Eingriffe zu erstrecken, die das Recht der freien Willensbetätigung verletzen, zumal auch bei dieser Freiheitsberaubung im Geistigen in gleicher Weise wie bei der körperlichen Freiheitsberaubung in der Regel eine Naturalherstellung ausgeschlossen ist. Bei Beeinträchtigungen der vorliegenden Art, durch die in den natürlichen Herrschafts- und Freiheitsraum des Einzelnen unter schuldhafter Verletzung seines Persönlichkeitsrechtes eingegriffen wird, kann der nach dem Grundgesetz gebotene wirksame Rechtsschutz, solange es an einer gesetzlichen Sonderregelung fehlt, tatsächlich nur durch ihre Einbeziehung in die in § 847 B G B angeführten Verletzungstatbestände erzielt werden, weil ihre Schadensfolgen auf Grund der Natur des angegriffenen Rechtsgutes zwangsläufig in erster Linie auf immateriellem Gebiet liegen." Ein Eingriff in den „Freiheitsraum" des ausübenden Künstlers liegt aber vor, wenn z. B. seine Life-Sendung ohne seine Zustim) Einzelheiten unten, Kap. III § 10. ) BGHZ 26, 349 = UFITA Bd. 25 (1958) S. 452 = dungssammlung, BGHZ 43, S. 11. 72
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42
Schulze,
Entschei-
m u n g festgelegt wird. § 847 BGB findet also hier A n w e n d u n g wie auch § 823 BGB (Näheres im Kapitel III). Die vorstehenden Untersuchungen enthalten lediglich den Versuch, klarzumachen, daß die ideellen Interessen des ausübenden Künstlers durch das heute geltende Recht berücksichtigt w e r d e n und daß gegen die A n w e n d u n g arbeitsrechtlicher Bestimmungen keine Bedenken erhoben werden können. § 3. Neuartiger „Leistungsschutz" mit „besonderen" Befugnissen Eine dritte Meinung verneint die „Urheberrechtsfähigkeit" der Leistung des ausübenden Künstlers als solche, will dem ausübenden Künstler aber besondere Befugnisse gewähren. Sie sieht den Raum, in dem der Leistungsschutz zu ermitteln ist, zwischen Urheberrecht auf der einen und bloßem Arbeitsrecht auf der anderen Seite, da die Leistung des ausübenden Künstlers künstlerische Geistestätigkeit enthält, ihr aber das Merkmal der „Werkschöpfung" fehlt. Die Leistung des ausübenden Künstlers ist schutzwürdig und schutzbedürftig, aber ihr Schutz ist nicht in das Urheberrecht einzuordnen. Er ist seinem Wesen nach „Leistungsschutz", der aber in manchen P u n k t e n ähnliche Ausgestalt u n g wie das Urheberrecht e r f a h r e n soll 74 ). Dieser Leistungsschutz solle mit Verbotsrechten ausgestattet werden, damit die Ausbeutung der Leistung des ausübenden Künstlers verhindert w e r d e n könne. Im Anschluß hieran ist verschiedentlich im Schrifttum ein „Leistungsschutz" des ausübenden Künstlers schon de lege lata, teils bejaht, teils verneint worden (Näheres im III. Kapitel). Die Autoren, die de lege lata einen Leistungsschutz schon als gegeben sehen, verweisen auf die allgemeinen Vorschriften ü b e r Wettbew e r b s - und persönlichkeitsrechtlichen Schutz. Ulmer dagegen sieht in diesen Bestimmungen eine notwendige „vorläufige Lösung", an deren Stelle im k ü n f t i g e n Recht ein „besonderes Leistungsschutzrecht" treten m u ß , 5 ) . Das Schutzrecht, dessen der ausübende K ü n s t l e r bedarf, müsse ähnlich wie das Urheberrecht vermögensrechtliche und persönlichkeitsrechtliche Elemente enthalten. In seiner Tragweite müsse es aber hinter dem Urheberrecht zurückbleiben 76). Die ausübenden Künstler m ü ß t e n dagegen geschützt 74
) B u s s m a n n in GRUR AJT 1957, 56. ) Urheber- und Verlagsrecht S. 321. 76 ) aaO. S. 320.
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werden, daß ihre Wiedergabe ohne ihre Zustimmung auf Lichtbildern oder Schallträgern festgehalten oder durch Rundfunk, Lautsprecher oder andere technische Mittel weiter übertragen werde 77 ). Die Notwendigkeit, de lege ferenda einen „besonderen Leistungsschutz" zu statuieren, betont Ulmer auch in seiner Anmerkung zu der Entscheidung des KG vom 19. Februar 1952 78). Gegen einen solchen, mit ausschließlichen Befugnissen ausgestatteten, „neuartigen Leistungsschutz" sprechen Haensel"), Hirsch sc ), Möhring 81 ) und andere 82 ). Es gelingt ihnen, die gegenteilige Meinung zu widerlegen. Kein Leistungsschutz könne aus dem Nichts gezaubert werden 83 ). Der „neuartige Leistungsschutz" werde entweder auf Kosten des Urhebers (Konflikt zwischen einem ausschließenden Recht des Urhebers) oder dann auf Kosten der Allgemeinheit begründet (zusätzliche Belastung durch neue Tantiemen). Außerdem käme man zu dem Absurdum, daß gerade diejenigen, deren Mission es ist, die Kultur zu propagieren und sie der Allgemeinheit zugänglich zu machen, in der Lage wären, die Verbreitungsmöglichkeiten der Kultur zu verringern. Man lasse das Urheberrecht in seinem bisherigen Bestand, beseitige die mißglückte Konstruktion des § 2 Abs. 2 LUG und verweise die angemessene Entlohnung der vortragenden Künstler, soweit sie fest angestellt sind, auf die arbeitsrechtlichen Vereinbarungen 84). " ) aaO. S. 319. 78 ) in S c h u l z e , Entscheidungssammlung, KGZ 4 S. 16; vgl. v o n Erffa in GRUR 1952, 334; H o f f m a n n in UFITA Bd. 12 (1939) S. 100; d e B o o r in Droit d'Auteur, 1940, S. 112. 79 ) Leistungsschutz oder Normalvertrag S. 119/132. 80 ) in UFITA Bd. 26 (1958) S. 7: „Die Leistungen ausübender und reproduzierender Künstler als Rechtsgüter zu monopolisieren und auf diesem Umweg sogar längst frei gewordene Werke erneut unter einen gewissen Monopolschutz zu stellen, dürfte somit schon aus diesen Gründen unwahrscheinlich sein". 81 )
aaO. S. 39 ff. Vgl. G o l d b a u m , Schöpfung oder Leistung S. 25 ff.: „Ein derartig ausgestalteter Schutz des ausübenden Künstlers würde meiner Meinung nach für den Urheber bedeuten: ,Ote-toi que je m'y mette' . . ."; S c h u l z e , Recht und Unrecht S. 56; N i p p e r d e y , aaO. S. 39. 83 ) H a e n s e l , Leistungsschutz oder Normalvertrag S. 132. 84 ) H a e n s e l , aaO. S. 118; d e r s. in UFITA Bd. 19 (1955) S. 22; V o i g t l ä n d e r - E l s t e r - K l e i n e , „Die Gesetze betreffend das Urheberrecht an Werken der Literatur und der Tonkunst. 4. Aufl. 1952, S. 5/6: „Leistungen, . . . sofern sie schutzwürdig sind, können nicht Gegenstand des Urheberschutzes sein. Ihr Schutz beruht in erster Linie auf Wettbewerbs-, nicht 82 )
44
Ergebnis:
Das
des ausübenden einem
Bedürfnis Künstlers
allgemeinen
eines existiert
besonderen
Leistungsschutzes
nicht. M a n k a n n heute
Persönlichkeitsrecht,
wie
es
im
GG
von
ausge-
staltet ist, ausgehen, um den Schutz der ideellen Interessen
der
ausübenden K ü n s t l e r aus den B e s t i m m u n g e n des B G B herzuleiten. Dieser Schutz k a n n vielleicht mit leistet w e r d e n 8 5 ) . folg gegen sichert
86
jede
Damit
wäre
ungewünschte
einer S t r a f v o r s c h r i f t
der ausübende Ausbeutung
Künstler
seiner
gewährmit
Er-
Leistung
ge-
). Die gewünschte Nutzung seiner L e i s t u n g könnte er im
R a h m e n der T a r i f - oder N o r m a l v e r t r ä g e festlegen. urheberrechtlichen Gesichtspunkten"; R u n g e , Urheber- und Verlagsrecht S. 31: „Das Leistungsschutzrecht . . . schützt nur die Leistung wettbewerblich gegen unerlaubte Nutzung"; S c h u l z e , Recht und Unrecht S. 56: „Beim ausübenden Künstler soll nicht eine schöpferische, sondern eine nachschaffende Leistung vor Ausbeutung geschützt werden. Das Problem läßt sich dann aber nicht im Urheberrecht, sondern ausschließlich im Arbeitsrecht lösen"; H u b m a n n , Urheber- und Verlagsrecht S. 58: „Eine besonders enge Verbindung besteht zwischen Arbeitsrecht und Leistungsschutz, soweit es sich um die Leistungen von Arbeitnehmern handelt, wie es meist bei den ausübenden Künstlern dter Fall ist. Im geltenden Recht wird allerdings diese Verwandtschaft kaum berücksichtigt, sondern der iLeistungsschutz ist in Analogie zum Urheberrecht ausgestaltet". 85) H a e n s e l , aaO. S. 65. 8C) Erwähnenswert ist die Regelung des Dramatic and Musical Performers Protection Act of 1958, der am 23. August 1958 in Kraft getreten ist. Er beschränkt sich — wie übrigens auch der Protection Act von 1925 — n u r a u f S t r a f b e s t i m m u n g e n , dehnt aber den Schutz der Leistung des ausübenden Künstlers aus, indem er — im Gegensatz zum Protection Act von 1925 — nicht nur die unerlaubte Aufnahme der Leistung des ausübenden Künstlers auf Tonträger, sondern auch die Aufnahme auf Filme und die unmittelbare Funksendung der Vorträge und Aufführungen als verboten und strafbar erklärt.
Nach Art. 1 des neuen Performer's Protection Act ist die unmittelbare oder mittelbare Aufnahme von Vorträgen und Aufführungen auf Tonträger verboten und strafbar, wenn sie ohne schriftliche Einwilligung des ausübenden Künstlers erfolgt, wie auch die weitere wirtschaftliche Verwertung eines solchen rechtswidrig hergestellten Tonträgers. Nach Art. 2 ist die mittelbare oder unmittelbare Aufnahme einer Interpretation oder Aufführung eines musikalischen oder dramatischen Werkes auf Filmen ohne die schriftliche Zustimmung des ausübenden Künstlers verboten sowie auch die wirtschaftliche Verwertung eines solchen rechtswidrig hergestellten Filmes. Nach Art. 3 ist die Funksendung der unmittelbaren Vorträge oder Aufführungen (nicht die Funksendung durch Tonträger oder Filme) eines dramatischen oder musikalischen Werkes ohne die schriftliche Einwilligung des ausübenden Künstlers verboten. In allen drei Fällen räumt das Gesetz den ausübenden Künstlern k e i n C o p y r i g h t an ihrer Leistung ein. Das Copyright an Tonaufnahmen bleibt dem Tonträgerhersteller vorbehalten (Art. 12 Copyright Act 1956), das Copyright an Filmen dem Filmproduzenten („maker" Art. 13 Copyright Act), das Copyright an Fernseh- und Hörfunksendungen der BBC und der I.T.A., also der Organisation, die diese Sendungen vornimmt (Art. 14). 45
KAPITEL III GELTENDES 1.
RECHT
ABSCHNITT
Welche Rechte hat der ausübende Künstler gemäß § 2 Abs. 2 LitUG? § 1. Analyse des § 2 Abs. 2 LitUG § 2 Abs. 1: „Urheber eines Werkes ist dessen Verfasser. Bei einer Übersetzung gilt der Übersetzer, bei einer sonstigen Bearbeitung der Bearbeiter als Urheber." § 2 Abs. 2: „Wird ein Werk der Literatur oder der Tonkunst durch einen persönlichen Vortrag auf Vorrichtungen für Instrumente übertragen, die der mechanischen Wiedergabe für das Gehör dienen, so steht die auf diese Weise hergestellte Vorrichtung einer Bearbeitung des Werkes g l e i c h . . . Im Falle des Satz 1 gilt der Vortragende . . . als Bearbeiter." Es handelt sich in dieser Vorschrift um eine doppelte Fiktion. § 2 Abs. 2: Der Vortragende „gilt als Bearbeiter", § 2 Abs. 1: Der Bearbeiter „gilt" als Urheber. Demnach wird der ausübende Künstler durch § 2 Abs. 2 zum fiktiven Bearbeiterurheber nur, wenn sein Vortrag (eines Werkes der Literatur oder Tonkunst) fixiert wird, und zwar auf Vorrichtungen, die der Wiedergabe für das Gehör dienen, und diese auf mechanische Vorrichtungen festgehaltene Wiedergabe wird immer im Wege der Fiktion einer Bearbeitung gleichgestellt. Zu dieser Bestimmung sind folgende Bemerkungen zu machen: a) Auf Grund dieser doppelten Fiktion wird dem ausübenden Künstler ein Quasi-Urheberrecht an dem T o n t r ä g e r eingeräumt. Ein Schutz an Bildträgern wird ihm aber nicht eingeräumt '). b) § 2 Abs. 2 setzt voraus, daß die Festhaltung des Vortrages- des ausübenden Künstlers m i t s e i n e m W i l l e n erfolgt. Diese Bestimmung findet also keine Anwendung, wenn die Festhaltung auf einer Wiedergabevorrichtung ohne die EinVgl. N i p p e r d e y , aaO. S. 7; N e u m a n n - D u e s b e r g , H u b m a n n , aaO. S. 12. 46
aaO. S. 69;
willigung des Künstlers erfolgt 2 ). § 2 Abs. 2 gewährt diesem Fall dem ausübenden Künstler keinen Schutz 3 ).
in
c) Der Schutz dieser Bestimmung entsteht mit der Entstehung der „Vorrichtung". Also entsteht der bearbeiterurheberrechtliche Schutz frühestens mit der Herstellung der mechanischen Vorrichtung 4). d) N i c h t d i e L e i s t u n g des ausübenden Künstlers als solche, sondern die „mechanische Wiedergabevorrichtung für das Gehör" wird einer Bearbeitung des Werkes gleichgestellt. Schutzgegenstand ist also die Vorrichtung, und das Recht entsteht in der Hand des Künstlers 5 ). Nach dem Sinn der Vorschrift aber erlangt der Hersteller der Vorrichtung dieses Recht als abgeleitetes Recht 6 ). Das in der Person des ausübenden Künstlers mit der Herstellung der Vorrichtung bei ihr entstandene Bearbeiterrecht geht auf die Schallplattenhersteller über. Nach dem Zweck dieser Vorschrift sollte die Industrie und nicht der ausübende Künstler geschützt werden, nicht die Leistung, sondern das Leistungsschutzergebnis, d. h., die Vorrichtungen der mechanischen Wiedergabe, die für das Gehör dienen '). 2 ) Vgl. U l m e r , U r h e b e r - und Verlagsrecht S. 320; v o n E r f f a in GRUR 1952, 335; N e u m a n n - D u e s b e r g , aaO. S. 69. 3 ) Vgl. Urt. K G Berlin vom 21. März 1958 in S c h u l z e , Entscheidungssammlung, KGZ 25: „Die ohne oder gegen den Willen des Vortragenden erfolgte Festhaltung des Vortrages, z. B. der Aufführung, ist keine Urheberrechtsverletzung"; S ü s s , aaO. S. 54. «) Vgl. N i p p e r d e y , aaO. S. 8; A l l f e l d , Komm. S. 78, Anm. 8; OLG Celle in GRUR 1956, 337; v o n E r f f a in GRUR 1952, 334: „Der nicht fixierte Vortrag wird durch § 2 Abs. 2 nicht geschützt"; KGZ 25 bei S c h u l z e , Entscheidungssammlung: „ . . . denn diese Vorschrift (§ 2 Abs. 2) bezieht sich n u r auf die Rechtslage hinsichtlich der bereits hergestellten Schallvorrichtungen"; vgl. aber BGHZ 17, 270 = UFITA Bd. 20 (1955) S. 314, wo der BGH meint, nach dem Sinn des § 2 Abs. 2 liege es nahe, auch die ungenehmigte E r s t a u f n a h m e des Vortrages oder die A u f f ü h r u n g eines Werkes auf Vorrichtungen zur mechanischen Wiedergabe einer Bearbeitung des Werkes gleichzustellen. 5 ) Durch die Fiktion des § 2 Abs. 2 ist ersichtlich, bei welchem der an der Herstellung der Vorrichtung beteiligten Personen die Schutzrechte zur Entstehung kommen. Anders ist es bei § 4 Abs. 2 des Schweizerischen URG, der eine Nachahmung des § 2 Abs. 2 ist. Man wird als originären Rechtsträger entweder den ausübenden Künstler oder den Hersteller der mechanischen Vorrichtung oder beide zusammen bezeichnen. 6 ) Das RG in RGZ 153,8 geht daher davon aus, daß regelmäßig eine stillschweigende Übertragung des Bearbeiter-Urheberrechtes des ausübenden Künstlers auf den Schallplattenhersteller anzunehmen ist. Vgl. R u n g e , U r h e b e r - und Verlagsrecht S. 343: „Somit entsteht in der Person des ausübenden Künstlers ein fiktives sog. Quasi-Urheberrecht, das jedoch durch Vereinbarungen mit dem Unternehmer, der den Vortrag oder die A u f f ü h r u n g veranstaltet, regelmäßig auf diesen übergeht. Nicht die ausübenden Künstler, sondern die Schallplattenindustrie hat den Abs. 2 des § 2 durchgesetzt." ') Vgl. E l s t e r in UFITA Bd. 3 (1930) S. 580; S ü s s , aaO. S. 53; N i p p e r d e y , aaO. S. 7; U l m e r , Urheber- und Verlagsrecht S. 316; N e u m a n n - D u e s b e r g , aaO. S. 70; H u b m a n n , aaO. S. 32; B ü c h e n , aaO. S. 81; v o n E r f f a in GRUR 1952, 33; RIDA 1955, Bd. 6 S. 193 ff.;
47
Um den § 2 Abs. 2 LitUG verständlicher zu machen, sei seine Geschichte erwähnt: Der Gesetzgeber von 1901 hatte gar nicht daran gedacht, bei der Anerkennung eines ausschließlichen Rechtes des Urhebers an mechanischen Bearbeitungen gleichzeitig ein abgeleitetes Urheberrecht an diesen Bearbeitungen entstehen zu lassen. Der Berliner Text der „Revidierten Berner Übereinkunft" zum Schutze von Werken der Literatur und Kunst (1908) sicherte den Urhebern von Werken der Musik das ausschließliche Recht, die Übertragung ihrer Werke auf Tonträger zu erlauben. Die durch das Gesetz vom 22. Mai 1910 zur Ausführung der RBUe dem LitUG eingefügten Vorschriften, welche sich auf Instrumente zur mechanischen Wiedergabe für das Gehör beziehen (§ 2 Abs. 2, § 12 Abs. 2, Ziff. 5, § 22 a bis c LitUG) sollten also die Hersteller gegen unbefugte Nachbildung ihrer „oft mit großen Kosten" erworbenen Vorrichtungen schützen. Sie wollten ferner diesen Schutz der Schallplattenindustrie, der eigentlich nach Zweck und Inhalt dem gewerblichen Rechtsschutz angehört, urheberrechtlich regeln 8 ). Um dieses Ziel zu erreichen, mußte man den Weg über den ausübenden Künstler nehmen, da die Herstellung von Schallplatten nun einmal keine schöpferische Leistung ist, die mit Mitteln des Urheberrechts unmittelbar zu erfassen gewesen wäre *). Das geschah in der Art, daß die mechanische Vorrichtung einer Bearbeitung des Werkes gleichgestellt wurde und der ausübende Künstler wie ein Bearbeiter angesehen wurde. Der Hersteller aber jener Vorrichtungen bekam vertraglich diese Bearbeiterbefugnisse von dem Vortragenden als abgeleitete Rechte. All dies ist lediglich geschehen, um einen gewerblichen Rechtsschutz in das LitUG hineinzutragen. § 2. Kritik dieser Bestimmung a) Im Widerspruch zur Regel „Auetor est quem opus demonstrat" gewährt § 2 Abs. 2 urheberrechtlichen Schutz auch Personen, die nur literarische oder musikalische Werke auf mechanische Instrumente übertragen. Ihre Tätigkeit ist eine rein wiederS t r a s c h n o v , Protection Internationale des Droits Voisins S. 77; U 1 m e r, Der Rechtsschutz der ausübenden Künstler usw. S. 17; V o i g t l ä n d e r E l s t e r - K l e i n e , aaO. S. 42: „Das Bearbeiterurheberrecht, das der Schallplattenhersteller ausdrücklich oder stillschweigend von dem vortragenden Künstler erwirbt, hat diese festgelegte Wiedergabe zum Gegenstand". 8 ) Vgl. RGZ 153, 21; Urt. L G Berlin vom 27. März 1928 in UFITA Bd 1 (1928) S. 461. Das Urteil betont, daß nach § 2 Abs. 2 LITUG „nicht die schöpferische Tätigkeit geschützt wird, sondern die Bearbeitung, das Werk selbst, also das körperlich greifbare, mechanische Produkt einer Tätigkeit. 9 ) S ü s s , aaO. S. 15. 48
gebende und keine werkschöpferische. Wohl erfordert sie künstlerische und technische Fähigkeiten, ist aber keine Werkschöpfung. Ein tatsächlich ausübender Künstler wird hier als ein fiktiver Urheber angesprochen. „Der persönliche Vortrag eines Sängers, eines Rezitators, eines Geigers, stempelt keineswegs zum Urheber (als Bearbeiter) des Werkes und gibt ihm keine anderen Ansprüche oder Befugnisse als die, welche ihm aus einem etwaigen Arbeitsvertrag mit dem Unternehmer erwachsen. Sobald aber der Betreffende vor eine vom Unternehmer errichtete und in Betrieb gesetzte Aufnahmeapparatur tritt und „auszuüben" beginnt, wandelt er sich zum Urheber des Werkes; denn als Bearbeiter ist er nach § 2 Abs. 2 Urheber" 10). „Das Urheberrecht, als Regelung einer bestimmten Beziehung zwischen dem Urheber (dem Gebenden) und den Werkmittlern, d. h. denjenigen, welche das Werk — erlaubt oder unerlaubt —• in irgendeiner Weise reproduzieren, wird zerstört, wenn man dem Wiedergebenden die Befugnisse des Gebenden, des Urhebers einräumt." "). b) Die „Vorrichtung" des § 2 Abs. 2 ist ferner keine Bearbeitung im Sinne des § 2 Abs. 1 12 ). Eine echte Bearbeitung im Sinne des § 2 Abs. 1 verlangt begrifflich, daß an dem Originalwerk irgendwelche Veränderungen vorgenommen werden. Die echte Bearbeitung kann niemals mit dem Originalwerk identisch sein 13 ). Es handelt sich also hier um eine Vervielfältigung im Sinne des § 15 LitUG 14). 10
) G o l d b a u m , Schöpfung oder Leistung S. 37. ) H i r s c h , Grundsatzreferat, gehalten auf der Münchener Tagung des Instituts f ü r Filmrecht, in UFITA Bd. 26 (1958) S. 18 und in „Aktuelles Filmrecht", Heft 11 der Schriftenreihe der UFITA, 1958, S. 25. 12 ) Vgl. RIDA 1955, Bd. 6 S. 193 ff.; H u b m a n n , U r h e b e r - und Verlagsrecht S. 98. 13 ) E l s t e r in UFITA Bd. 3 (1930) S. 576: „Eine Bearbeitung muß das Eigenschöpferische a u f d e r s e l b e n E b e n e wie das Originalwerk bieten, also beim Schriftwerk durch Schriftswerkschaffen, beim Musikstück durch musikalisch-komponierendes Schaffen usw. Bloße künstlerische Betätigung d a r a n ist keine Bearbeitung, wenn sie nur der vollendeten Wiedergabe des Werkes dient, also auf einer anderen Ebene liegt als das werkschöpferische Gestalten"; B ü c h e n , aaO. S. 77: „Diese A r t der Wiedergabe ist indes keine B e a r b e i t u n g ' , sondern eben n u r Wiedergabe, also ,Aufführung', eine Art der Werknutzung ohne Änderung von Form und Inhalt. Denn .Bearbeitung' verlangt eine Änderung von Form oder Inhalt". 14 ) Vgl. G o l d b a u m in UFITA Bd. 26 (1958) S. 276; d e r s , Schöpfung oder 'Leistung S. 37: „Vollkommen ruiniert wird d e r Begriff d e r Vervielfältigung. Im Rahmen des § 2 Abs. 2 gibt es keine Werkstücke, keine Exemplare, keine Kopien, keine Vervielfältigung. J e d e Vorrichtung steht einer Bearbeitung gleich, der Bearbeiter ist Urheber — Satz 2 des § 2 Abs. 1 — tausendfacher Urheber unter Umständen!" Vgl. Art. 13 Abs. 2 RBU., in welchem die Schallplatte als Exemplar des auf sie übertragenen Werkes bezeichnet wird. u
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Es ist ein großer Fehler, das körperlich greifbare Erzeugnis einer Tätigkeit als Bearbeitung zu bezeichnen. Es widerspricht der Regel, daß Urheberrechte nur f ü r Werke im Sinne des Werkbegriffes in § 1 LitUG eingeräumt werden. Die Vorrichtung des § 2 Abs. 2 ist eine bloße Vervielfältigung, die Verkörperung des unveränderten Werkes durch Herstellung von einem oder mehreren Vervielfältigungsstücken, und der Bearbeiter des § 2 Abs. 2 erwirbt durch Herstellung der Vorrichtung keine urheberrechtlichen Befugnisse. c) Durch § 2 Abs. 2 LitUG werden die Industrieprodukte, die „Vorrichtungen", und nicht die Leistungen der vortragenden Künstler geschützt. Es ist nicht zu bezweifeln, daß die Herstellung guter Schallplatten f ü r Tonwerke ein großes Maß von künstlerischem Verständnis und Arbeit erfordert; aber es ist trotzdem zu bemängeln, daß durch die Bestimmung des § 2 Abs. 2 LitUG der Schutz eines Industriezweiges f ü r seine gewerblichen Erzeugnisse urheberrechtlich gestaltet wurde. E r g e b n i s : Die Bestimmung des § 2 Abs. 2 LitUG ist dogmatisch verfehlt und unvollständig. Sie stattet den ausübenden Künstler, wenn er ein Werk der Literatur oder Tonkunst auf Vorrichtungen, die f ü r das Gehör dienen, vorträgt, mit urheberrechtlichen Befugnissen aus, läßt ihn aber völlig schutzlos in allen anderen Fällen, wo er seine künstlerische Tätigkeit erbringt. So ist sie nicht in der Lage, das Vertretungsrecht des Künstlers f ü r den Fall einer ohne sein Wissen oder gegen seinen Willen hergestellten Aufnahme einzuschließen. Die Frage, ob es überhaupt nach geltendem Recht einen Leistungsschutz gibt, dürfen wir nicht beantworten, bevor wir alle bezüglichen Bestimmungen innerhalb und außerhalb des LitUG interpretiert haben. § 3. Analoge Anwendung — Umfang des § 2 Abs. 2 LitUG Nach dieser Feststellung müssen wir prüfen: a) ob die Möglichkeit besteht, den nach § 2 Abs. 2 LitUG dem ausübenden Künstler an der Vorrichtung gewährten Bearbeiterurheberrechtsschutz auf die ausübenden Künstler bei Film, Rundfunk, Fernsehen, auf der Bühne und im Konzertsaal zu erweitern oder die Bestimmung des § 2 Abs. 2 LitUG analog anzuwenden; b) ob das auf die Vorrichtung dem ausübenden Künstler eingeräumte Schutzrecht außer dem Vervielfältigungsrecht und Ver50
breitungsrecht (§ 11 Abs. 1 LitUG) auch das Senderecht und Aufführungsrecht einschließt ( § 1 1 Abs. 2 LitUG). Der Standpunkt, daß § 2 Abs. 2 LitUG analog oder erweiternd anwendbar ist, ist abzulehnen. § 2 Abs. 2 hat einen stark ausgeprägten Ausnahmecharakter. Er macht den tatsächlich ausübenden Künstler zum Bearbeiterurheber, nicht um die Leistung selbst des ausübenden Künstlers zu schützen, sondern um der Industrie einen Schutz gegen „unberechtigte Nachbildung" ihrer Vorrichtungen zu gewähren. Die Motive dieser Bestimmung waren, die Vorrichtung zu schützen und nicht dem ausübenden Künstler auf seine Leistung ein Schutzrecht einzuräumen, dessen extensive Auslegung uns dazu führen würde, dem ausübenden Künstler überhaupt einen Leistungsschutz zu gewähren, d. h. auch in den Fällen, wo die Bestimmung des § 2 Abs. LitUG einen solchen Schutz versagt, wie z. B. bei der Festlegung eines Vortrages auf einer Vorrichtung ohne den Willen des Vortragenden 15). Marwitz lehnt die Möglichkeit einer analogen Anwendung des § 2 Abs. 2 LitUG ab, indem er schreibt: „Daß der Gesetzgeber es für nötig befand, in diesem Einzelfall dem ausübenden Künstler ausdrücklich ein Urheberrecht zu gewähren, beweist, daß nach seiner Auffassung ein derartiges Recht im allgemeinen durch das Gesetz nicht gegeben ist. Da das LitUG nur „Werke" schützt und die „Leistungen" des ausübenden Künstlers nicht als Werke ansieht, diese Leistungen also nicht seiner Zuständigkeit unterwirft, ist zu prüfen, ob und in welchem Umfange sie durch andere Gesetze geschützt sind 16)." Schulze 17) und Ulmer 18) vertreten dieselbe Meinung. Die Bestimmung des § 2 Abs. 2 LitUG ist also eine Ausnahmebestimmung und als solche nur auf die Tatbestände anzuwenden, für die sie ausschließlich gemacht wurde; eine andere Auslegung würde dazu führen, daß tatsächlich alle ausübenden Künstler urheberrechtlich geschützt werden. Inwieweit wir allgemeine Bestimmungen heranziehen können, um dem ausübenden. Künstler den Schutz zu gewähren, den § 2 Abs. 2 LitUG versagt, werden wir später prüfen. 15 ) Vgl. dagegen C a h n - S p e y e r in Allg. Musik-Zeitung 1926 S. 80: Er sieht keinen Unterschied zwischen der Leistung des ausübenden Künstlers auf dem Konzertpodium und der Leistung des ausübenden Künstlers bei der Schallplattenbesprechung. 16 ) M a r w i t z in UFITA Bd. 3 (1930) S. 299 ff. " ) S c h u l z e , aaO. S. 36. 18) U1 m e r , Urheber- und Verlagsrecht S. 320.
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Es ist unbestritten, daß § 2 Abs. 2 LitUG dem ausübenden Künstler folgende Befugnisse einräumt: 1. Der ausübende Künstler hat das Recht, den gem. § 2 Abs. 2 LitUG hergestellten Tonträger zu vervielfältigen (§ 11 Abs. 1; Vervielfältigungsrecht). 2. Er hat das Recht, den gem. § 2 Abs. 2 LitUG hergestellten Tonträger gewerbsmäßig zu verbreiten (§ 11 Abs. 1: Verbreitungsrecht). Dagegen ist sehr strittig, ob der ausübende Künstler auch das öffentliche Aufführungsrecht sowie die Sendebefugnis hat (§ 11 Abs. 2). Allein nach dem Wortlaut des § 2 Abs. 2 LitUG im Vergleich mit § 11 Abs. 2 scheint es, daß der ausübende Künstler (Bearbeiterurheber) auch die ausschließliche Befugnis hat, das Werk öffentlich aufzuführen. Aber das Recht des fiktiven Urhebers, das der § 2 Abs. 2 LitUG gewährt, kann auf keinen Fall weiter gehen als das Recht des echten Urhebers selbst 19 ). Hier gerade taucht die Frage auf, inwieweit wir die Beschränkungen, die f ü r das Recht des Urhebers gelten, auch auf das Recht des fiktiven Bearbeiters anwenden dürfen. Es handelt sich hier um die Bestimmungen der §§ 22, 22a LitUG. Die ausschließlichen Befugnisse des Urhebers erstrecken sich auch auf die Bearbeitungen seines Werkes (§ 12 Abs. 1 LitUG). Bearbeitung aber ist auch gem. § 2 Abs. 2 LitUG die Übertragung des Werkes durch persönlichen Vortrag „auf Vorrichtungen f ü r Instrumente, die der mechanischen Wiedergabe f ü r das Gehör dienen". Ein Dritter also ist zu solcher Verwertung des Werkes nur dann berechtigt, wenn der Urheber sie ihm erlaubt. Der Dritte aber kann bei Werken der Tonkunst unter gewissen Voraussetzungen die Erlaubnis der Vervielfältigung gegen angemessene Vergütung erzwingen, und zwar, wenn der Urheber des Tonkunstwerkes einem anderen bereits gestattet hat, es zum Zwecke der mechanischen Wiedergabe gewerbsmäßig zu vervielfältigen und das Werk erschienen ist (§ 22 Abs. 1 LitUG). Ferner (§ 22a Abs. 1 S. 1) kann er Vorrichtungen, die auf Grund einer Zwangslizenz hergestellt sind, ohne eine weitere Erlaubnis zu öffentlichen Aufführungen benutzen. Dies gilt auch f ü r Fälle, in denen der Urheber freiwillig einem anderen die Erlaubnis erteilt, das Werk zum Zwecke der mechanischen Wiedergabe zu vervielfältigen (§ 22a Abs. 2 LitUG). «) Vgl. N i p p e r d e y aaO. S. 24: „Das durch § 2 Abs. 2 LitUG neu geschaffene fiktive Bearbeiterrecht wurde jedoch nicht als selbständiges Recht neben das Urheberrecht des Werkschöpfers gestellt, sondern . . . als von diesem abhängiges Recht geschaffen . . ." 52
Die Bestimmung des § 22a LitUG ist aus wirtschaftspolitischen Gründen 1910 in das LitUG eingefügt worden. Die Zwangslizenz (§ 22 LitUG) wurde eingefügt, wie es in der amtlichen Begründung heißt (S. 1791), „zum Schutze gegen die Gefahr der Bildung von Monopolen und die hieraus f ü r die allgemeinen Interessen drohende Schädigung". Zwar sprechen die beiden Bestimmungen §§ 22, 22a nur vom Urheber; f ü r eine Zwangslizenz gegenüber dem Bearbeiter und dem fiktiven Bearbeiter bestand damals kein Bedürfnis. Heute wird der § 22a LitUG aber auch auf das Recht des ausübenden Künstlers (fiktiven Bearbeiters) angewendet, und zwar mit der Begründung, es bestehe kein Anlaß, den nur fiktiven Bearbeiter besser zu stellen als den echten werkschöpferisch tätigen. Freilich enthält diese Bestimmung eine Ausnahme, eine Ausnahme aber gegenüber allen Inhabern urheberrechtlicher Befugnisse, zu denen auch der Bearbeiterurheber des § 2 Abs. 2 LitUG gehört. Dafür spricht auch die Überlegung, daß sonst die in § 22a LitUG gewährte Aufführungsfreiheit durch die Anerkennung eines Aufführungsrechtes des fiktiven Bearbeiters utopisch gemacht werden könnte 2 0 ). Die Bestimmung des § 22a LitUG hätte keinen Inhalt mehr, wenn der Erwerber des Tonwerkes zwar keine Erlaubnis des Werkurhebers, wohl aber eine des fiktiven Bearbeiters einzuholen hätte. Diese Meinung vertritt auch das Kammergericht Berlin in seinem Urteil vom 4. Februar 1958 21): „Das fiktive Bearbeiterurheberrecht des ausübenden Künstlers nach § 2 Abs. 2 S. 1 und 3 LitUG umfaßt das Recht der öffentlichen A u f f ü h r u n g des Tonträgers in allen Fällen, in denen der Ausnahmetatbestand des § 22a LitUG nicht vorliegt." Genauso wie dem Originalurheber steht dem fiktiven Bearbeiter bei öffentlichen Aufführungen ein selbständiges Verbietungsrecht zu. Soweit aber der Tatbestand des § 22a gegeben ist, bedarf man f ü r die öffentliche Aufführung keiner weiteren Erlaubnis, und zwar weder des Originalurhebers noch des fiktiven Bearbeiters. Dürfen wir aber dem Sinn und Zweck des Gesetzes folgend überhaupt von einer Gleichstellung des Urheberrechtes mit dem aus § 2 Abs. 2 LitUG begründeten Recht sprechen? Der Gesetzgeber hatte im J a h r e 1910 keine Vorstellung von Rundfunk, Tonfilm, Magnetophonverfahren, elektroakustischer Wiedergabe usw. Er wollte auf Grund der ihm bekannten Technik die Industrie im Rahmen des Urheberrechtes schützen, und zwar die 20
) Vgl. H o f f m a n n in GRUR 1932, 47 und 568. ) bei S c h u l z e , Entscheidungssammlung, KGZ 24; vgl. M a r w i t z M ö h r i n g , Komm. 1929, S. 201, Anm. 1; G o l d b a u m , Komm. 1927, S. 94. 21
6 — Schriftenreihe 17
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Vorrichtung gegen „unberechtigte Nachbildung". Es handelt sich hier um eine „Ausnahmebestimmung", die nur auf die Tatbestände anzuwenden ist, für die sie ausdrücklich gemacht wurde 22 ). Indem also der Gesetzgeber dem Werkschöpfer — Urheber — das Verbreitungs-, Vervielfältigungs- und das öffentliche Aufführungsrecht gab mit der Einschränkung des Ausnahmetatbestandes des § 22a LitUG, gab er dem fiktiven Bearbeiter des § 2 Abs. 2 LitUG von vornherein als Ausnahmerecht lediglich das Verbreitungs- und Vervielfältigungsrecht auf die gem. § 2 Abs. 2 LitUG hergestellte Vorrichtung und nicht das Aufführungsrecht dazu, denn der Gesetzgeber konnte 1910 gar nicht daran gedacht haben. Die Vorrichtung und nicht die Leistung war das Schutzobjekt des § 2 Abs. 2 LitUG. Daraus ergibt sich aber, daß die Vorrichtung als solche nur gegen unberechtigte oder unerlaubte Vervielfältigung und Verbreitung geschützt werden kann, nicht aber gegen Aufführung, weil sie überhaupt nicht „aufgeführt", sondern nur zur „öffentlichen Aufführung" benutzt werden kann 23). Nach dem Sinn und Zweck also, den der Gesetzgeber verfolgte, kann man darauf schließen, daß er eine Gleichstellung zwischen Werkschöpfer und fiktivem Bearbeiter nur hinsichtlich des Vervielfältigungs- und Verbreitungsrechts gewollt hat, weil nur insoweit die Industrie schutzbedürftig erschien. Die Erweiterung der Rechte der Schallplattenhersteller (auf dem Wege über den Bearbeiter) hätte daher der besonderen Begründung bedurft 2 4 ). Die Frage, ob der ausübende Künstler ein Aufführungs- und Senderecht auf die gem. § 2 Abs. 2 LitUG hergestellte Vorrichtung hat, ist aber nur dann zu beantworten, wenn zuvor die durch die neue Rechtsprechung und das Schrifttum gegebene Bedeutung aller anderen sich darauf beziehenden Bestimmungen geklärt ist. § 4. Auslegung des § 22a LitUG im Zusammenhang mit § 2 Abs. 2 LitUG „Vorrichtungen, die auf Grund einer gem. § 22 erteilten Erlaubnis hergestellt sind, dürfen mit der im § 22 Abs. 1 Satz 2 festgesetzten Beschränkung ohne eine weitere Erlaubnis zu öffentlichen Aufführungen benutzt werden. Hat der Urheber vor oder nach dem Inkrafttreten dieser Vorschrift die ausschließliche Befugnis zur Aufführung einem anderen übertragen, so hat er dem anderen einen angemessenen Teil der Vergütung auszuzahlen. ) Vgl. S c h u l z e , aaO. S. 39; N i p p e r d e y , aaO. S. 24. ) Vgl. N i p p e r d e y , aaO. S. 26. 24 ) Vgl. N i p p e r d e y , aaO. S. 30; B ü c h e n , aaO. S. 80. 22 23
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Die Vorschriften des Abs. 1 finden auch dann Anwendung, wenn der Urheber freiwillig einem anderen die Erlaubnis erteilt, das Werk zum Zwecke der mechanischen Wiedergabe zu vervielfältigen." Aus dieser Vorschrift des § 22a LitUG im Zusammenhang mit § 22 LitUG ergibt sich, daß Vorrichtungen, die auf Grund einer gem. § 22 LitUG oder § 22a Abs. 2 LitUG erteilten Erlaubnis des Urhebers hergestellt sind, ohne eine weitere Erlaubnis zu öffentlichen Aufführungen gebraucht werden dürfen. Die öffentliche Aufführung also eines Werkes, das auf einer gem. § 2 Abs. 2 LitUG hergestellten Vorrichtung fixiert ist, bedarf weder der Erlaubnis des Urhebers noch der Erlaubnis des ausübenden Künstlers, wenn die Voraussetzungen des § 22a LitUG gegeben sind. Die neue Rechtsprechung aber geht davon aus, daß die öffentliche Aufführung des § 22a LitUG eine enge Bedeutung hat, welche der Gesetzgeber beim Erlaß der Novelle 1910 der damaligen Entwicklung der Technik gemäß im Auge hatte. Die im § 22a LitUG gemeinte öffentliche Aufführung umschließt Sendungen, öffentliche Aufführungen mittels Lautsprecher von Schallplatten n i c h t . Von wesentlicher Bedeutung ist in diesem Zusammenhang der Standpunkt, den der BGH in seiner Entscheidung vom 6. November 1953 einnimmt 2 5 ): „Eine enge Auslegung des § 22a LitUG ist schon nach dem das ganze Urheberrecht beherrschenden Leitgedanken geboten, d e n U r h e b e r t u n l i c h s t an dem w i r t s c h a f t l i c h e n N u t z e n zu b e t e i l i g e n , d e r a u s s e i n e m W e r k g e z o g e n w i r d." Insoweit ist dieser Leitsatz von Bedeutung, obwohl er den Urheber betrifft, da er öfter auch zugunsten des ausübenden Künstlers gewirkt hat 2 6 ). Von großer Bedeutung ist ferner ein weiterer Leitsatz, den der BGH in seiner Rechtsprechung (aaO.) geprägt hat: „Die öffentliche Wiedergabe von Schallplatten auf dem elektro-akustischen Übertragungsweg erfüllt nicht den urheberrechtlichen Tatbestand der öffentlichen Aufführung im Sinne der Ausnahmebestimmung des § 22a LitUG, weil diese neuartige Wiedergabetechnik ihrer Natur nach eine ganz andersartige und weitergehende wirtschaftliche Ausbeutung von Schallvorrichtungen ermöglicht, als sie der Gesetzgeber bei Festlegung der Aufführungsfreiheit in § 22a LitUG in Betracht ziehen konnte." ) S c h u l z e , Entscheidungssammlung, BGHZ 4. ) Vgl. RGZ 153, 23, Entsch. vom 4. November 1936: „Dieser Grundsatz ist auch zugunsten des Bearbeiters anzuwenden, er kommt also den Schallplattenherstellern, die ihre Befugnisse von ihm ableiten, ebenfalls zustatten." 25 26
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Das RG 2 7 ) spricht auch von dem Ausnahmecharakter dieser B e stimmung und von der Notwendigkeit einer engen Auslegung 28 ). Neumann-Duesberg befürwortet diese enge Auslegung des § 22a LitUG zugunsten des Urhebers 29) —, und zwar auch mit der B e gründung, daß die öffentliche Wiedergabe von Schallplatten auf dem elektro-akustischen Übertragungsweg den urheberrechtlichen Tatbestand der öffentlichen Aufführung im Sinne der Ausnahmebestimmung des § 22a LitUG nicht erfülle. Wiedergabevorrichtungen, wie sie heute durchweg gebraucht werden, seien also nicht erlaubnisfrei; sie bedürften der Zustimmung des Komponisten des fixierten Werkes. (Daß er eine solche enge Auslegung zugunsten auch des fiktiven Bearbeiters nicht anerkennt, wird weiter erwähnt.) Hubmann30) stellt dagegen fest, daß Vorrichtungen, die auf Grund einer gem. § 22 oder 22a LitUG erteilten Erlaubnis des Urhebers hergestellt sind, ohne weitere Erlaubnis zur öffentlichen Aufführung benutzt werden dürfen. Für eine enge Interpretation des § 22a LitUG zugunsten des Urhebers sprechen sich weiterhin aus Elster 31), Liermann 32), Süss 33), Nipperdey " ) und Ulmer 35). Zwei Hauptargumente bestehen für eine enge Auslegung des § 22a LitUG. Man geht erstens von dem im Urheberrecht aufgestellten Leitgedanken aus, den Urheber tunlichst an dem wirtschaftlichen Nutzen zu beteiligen, der aus seinem Werk gezogen wird, und berücksichtigt zweitens den Ausnahmecharakter des § 22a LitUG. Während also „öffentliche Aufführung" im Sinne des § 11 LitUG umfassende Bedeutung habe und eine solche durch Lautsprecher und Rundfunksendung in sich schließe, habe die Ausnahmevorschrift des § 22a LitUG nur die enge Bedeutung und schließe nicht die neuartige Wiedergabetechnik in sich ein. Dieser Meinung schließen wir uns nicht an. Dem ersten Argument läßt sich entgegenhalten, daß der Forderung, den Urheber i m m e r am Gewinn zu beteiligen, schon aus rechtspolitischen Gründen der 27)
RGZ 153, 23. Vgl. v o n E r f f a i n GRUR 1951, 230: „Rundfunk, Tonfilm, Lautsprecher sind Erfindungen, die 1910 noch unbekannt waren. Die Rechtsprechung hat dennoch Wege gefunden, die Urheber davor zu schützen, daß diese Schöpfungen der Technik den Schöpfern der Literatur und Kunst zum Verhängnis geworden sind". 29) N e u m a n n - D u e s b e r g , aaO. S. 76. 3. 28 (1959) S. 372 ff. = S c h u l z e , Entscheidungssammlung. SchG 2. 87 ) in GRUR 1932. 44; vgl. R o e b e r in Arch. Funk Bd. 5 (1932) S. 63; O s t e r r i e t h in GRUR 1925, 266; N e u m a n n in GRUR 1957, 583.
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erachtet die A u f f ü h r u n g allein durch die lautliche Wiedergabe eines Tonkunstwerkes als gegeben. Da die A u f f ü h r u n g eines Werkes der Tonkunst sich nur an das Ohr, nicht an das Auge wendet, muß auch die Aufführung, die durch technische Mittel einem unbegrenzten Personenkreis zugänglich gemacht wird, als A u f f ü h r u n g angesprochen werden. Daß das Merkmal der „räumlichen Zusammenfassung" der Zuhörer wie auch die soziale Relation zwischen Wiedergebendem und Publikum bei der Sendung fehlen, spielt hier keine Rolle 88 ). e) I s t die Rundfunksendung ein persönlicher V o r t r a g i m S i n n e d e s § 1 1 A b s . 3 LitUG? Man hat diese Frage teils bejaht 8 9 ), zum größeren Teil aber verneint 90 ). Gem. § 11 Abs. 3 LitUG hat der Urheber eines Schriftwerkes, solange nicht das Werk erschienen ist, die ausschließliche Befugnis, das Werk „öffentlich vorzutragen". Wenn also schon das Werk erschienen ist, kann jeder das Werk frei „öffentlich vortragen". Die Untersuchung, ob die Wiedergabe durch den Rundfunk unter den Begriff des öffentlichen Vortrages unterzuordnen ist, hat auszugehen von der Prüfung, ob der nach § 11 Abs. 3 LitUG festgelegte Begriff der „Öffentlichkeit" beim Rundfunk gegeben ist. Diese Frage ist zu bejahen. Zwar richtet sich die Darbietung der Sendegesellschaft nur an die Personen, die ein Empfangsgerät besitzen, aber jeder ist frei, ein solches Gerät zu erwerben. Der Begriff „Öffentlichkeit" ist also vorhanden 9 1 ). Der „Vortrag" ist eine Art der Mitteilung des Inhalts eines Schriftwerkes durch einen einzelnen 92) an andere durch das Mittel der menschlichen Sprache 93). Der öffentliche Vortrag aber im Sinne des § 11 Abs. 3 LitUG wendet sich tasächlich an einen begrenzten Kreis von Zuhörern. Anders aber wendet sich die Wiedergabe durch den Rundfunk an eine fast unbegrenzte Zahl von Hörern. Außer diesem Unterschied der beiden Arten von Vorträgen, der die räumlichen Voraussetzungen betrifft, setzt der Vortrag im Sinne des § 11 Abs. 3 LitUG einen persönlichen Kontakt zwischen Vortragendem und Hörern voraus 94). S8 ) a. M. S t r a s c h n o v , Droit d'Auteur et les droits connexes en radiodiffusion, 1948, S. 24 und T o u r n i e r in RIDA 1955, Bd. 9, S. 62. 89 ) H o f f m a n n in GRUR 1925, 71; d e r s . in JR 1925, 609. 9 °) E l s t e r in GRUR 1925, 185; RGZ 113, 420; G o l d b a u m , Komm. 1927, S. 142. 91 ) S t e i n b e r g , Urheberrecht und Rundfunk, 1926, S. 21. •2) E l s t e r in GRUR 1928, 145. 93 ) K o h 1 e r , Urheberrecht an Schriftwerken und Verlagsrecht, 1907, S. 183. 94 ) Vgl. RGZ 113, 421; M a r w i t z - M ö h r i n g , Komm. 1929, § 11, Anm. 35.
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Aus diesen Gründen ergibt sich, daß die Wiedergabe durch den Rundfunk etwas anderes ist als der öffentliche Vortrag im Sinne des § 11 Abs. 3 LitUG. Man kommt demzufolge zu dem Ergebnis: Die rundfunkmäßige Wiedergabe ist keine „Bearbeitung" (§ 2 Abs. 2, § 12 Abs. 2 Nr. 5 LitUG), kein „öffentlicher Vortrag" (§ 11 Abs. 3 LitUG), keine „Vervielfältigung" (§ 11 Abs. 1 LitUG), keine „gewerbsmäßige Verbreitung" (§ 11 Abs. 1 LitUG). Sie ist vielmehr als „Werknutzung eigener Art" zu betrachten, und sie ist getrennt von allen anderen Benutzungen zu behandeln. Diese Betrachtungsweise kennzeichnet heute auch den Standpunkt des größten Teils der Literatur 9 5 ). Wie schon gesehen, erfüllt die Benutzung von Tonträgern zu Rundfunksendungen nicht den urheberrechtlichen Tatbestand der Vervielfältigung oder Verbreitung. (Wir sprechen hier nur von Verbreitung und Vervielfältigung, da wir vorher dem ausübenden Künstler nur ein Vervielfältigungs- und Verbreitungsrecht gewährt haben.) Nach dieser Feststellung gilt hier, was oben für das Aufführungsrecht gesagt worden ist. Die fiktive Gleichstellung des Quasi-Bearbeiters mit dem Urheber ist nicht uneingeschränkt. Das Bedürfnis eines Schutzes des ausübenden Künstlers im Fall der Rundfunksendung nach einer von ihm bespielten Vorrichtung erkennen wir an, die Notwendigkeit aber, diesen Schutz urheberrechtlich zu gestalten, sehen wir nicht ein. Er ist auf vertraglicher Ebene zu statuieren. Man kann dem ausübenden Künstler einen Vergütungsanspruch einräumen. Diese Lösung wurde auf internationaler Ebene im Samaden-Entwurf, auf nationaler Ebene im Referentenentwurf gegeben. § 74 RefE gibt dem ausübenden Künstler bei Benutzung des Tonträgers zur öffentlichen Aufführung oder Sendung lediglich einen Anspruch auf angemessene Vergütung, dagegen kein Verbietungsrecht. Vorzuziehen ist aber die von dem französischen Rundfunk getroffene Lösung: Der Tonträgerhersteller rechnet beim Vertragsschluß mit dem ausübenden Künstler mit 95 ) Vgl. H i r s c h , Das neue Urheberrechtsgesetz der Türkei, Schriftenreihe der UFITA, Heft 4 (1957), S. 76; U l m e r , Urheber- und Verlagsrecht S. 152: „Die Sendung durch Rundfunk ist daher im Verhältnis zu Vortrag, Aufführung und Vorführung nicht nur ein malus, sondern ein aliud . Sie ist eine besondere Form der unkörperlichen Wiedergabe, die nicht unter die Begriffe unserer Gesetze fällt. Es liegt vielmehr eine Lücke vor, die durch Analogie zu schließen ist"; Vereinbartes Schiedsgericht in UFITA Bd. 28 (1959) S. 372 = S c h u l z e , Entscheidungssammlung, SchG 2 spricht von einer „Werknutzung eigener Art, die weder unter den Aufführungs-, noch unter den Verbreitlingsbegriff fällt, und von einer Gesetzeslücke, idie im Wege erweiternder Analogie zu schließen ist; M ö h r i n g bei S c h u l z e , Entscheidungssammlung, Anm. zum RGZ 5 S. 14, 15; d e r s . in der Festschrift für Heinrich Lehmann, 1956, S. 621; S ü s s , aaO. S. 59; N i p p e r d e y , aaO. S. 49; B u s s m a n n in Magnettongeräte und Urheberrecht (Gema-Rechtsgutachten), 1952, S. 118.
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einer eventuellen Benutzung des Tonträgers zur Rundfunksendung, und er (der Tonträgerhersteller) gewährt dem ausübenden Künstler eine zusätzliche Vergütung 96). Zu einer Versagung eines Senderechts des ausübenden Künstlers führen uns außerdem die folgenden Überlegungen: Gerade die Sendung einer Schallplatte unter Angabe des Orchesters dient dazu, sie bekannt zu machen. Es stimmt nicht, daß durch Schallplattenmusiksendungen die Neigung des Publikums, Schallplatten zu kaufen, verringert wird. Die Sendung ist heute eine Art von unentgeltlicher Reklame, die das Publikum zum Kauf einer Schallpatte anreizt. Außerdem würde die Zuerkennung eines Senderechtes zur Folge haben, daß der ausübende Künstler in der Lage wäre, die Benutzung des Tonträgers zur Sendung zu verbieten, und zwar gegebenenfalls auch eines Tonträgers, dessen geistiger Inhalt schon Gemeingut geworden ist, weil die Schutzfrist schon abgelaufen war. Ferner würde eine eventuelle Zuerkennung eines Senderechtes die nur bei der Schallplattenindustrie tätigen ausübenden Künstler begünstigen, also gerade diejenigen, die diesen Schutz am wenigsten brauchen. Sie würde aber nicht der anderen großen Masse von ausübenden Künstlern zugute kommen, die vielleicht durch die technische Entwicklung geschädigt wurden 97). § 7. Lautsprecherwiedergabe Es bleibt abschließend zu prüfen, ob die Verwendung eines Lautsprechers zu gewerblichen Zwecken (z. B. in einem öffentlichen Lokal) eine besondere Handlung darstellt. Das RG 98) sieht in seiner Entscheidung vom 11. Juni 1932 in der Lautsprecherdarbietung keine neue Verbreitung. Infolgedessen habe der ausübende Künstler kein Verbotsrecht. Durch Lautsprecher finde eine Verbreiterung des Hörerkreises, aber keine neue selbständige Verbreitung des Werkes statt 9 9 ). Ulmer10l>) ist anderer Meinung. In durch Lautsprecherwiedergabe gesendeter Musik sieht er einen neuen Akt der öffentlichen Wiedergabe, der genehmigungsbedürftig sei 101 ). Dieser Meinung ist nicht zuzustimmen. Die Rundfunksendung ist 96 ) Vgl. S t r a s c h n o v , Droits d'Auteurs et droits connexes en radiodiffusion, 1948, S. 59. 97 ) Vgl. H u b m a n n , Urheber- und Verlagsrecht, S. 44. 98 ) RGZ 136, 377 = S c h u l z e , Entscheidungssammlung, RGZ 2 und Droit d'Auteur 1933, S. 57. 99 ) Vgl. auch Urteil des LG Düsseldorf vom 9. Mai 1957. Es wurde aber vom OLG Düsseldorf abgeändert vgl. S t r a s c h n o v , Protection Internationale des Droits Voisins, 1958, S. 77. 10°) Urheber- und Verlagsrecht, S. 152; d e r s ., Der Rechtsschutz der ausübenden Künstler usw. S. 69. ioi) vgl. auch R u n g e , Urheber- und Verlagsrecht S. 95.
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von vornherein zur Kenntnisübermittlung f ü r einen theoretisch unbegrenzten Hörerkreis bestimmt 102 ). Auch das Argument, daß der Lautsprecher in einem Lokal die Kapelle ersetzt, kann nicht berücksichtigt werden. Nicht der Lautsprecher, sondern das Empfangsgerät des Rundfunks als solches ist der Ersatz der Kapelle. Der Besitzer aber eines solchen Gerätes bezahlt der Rundfunkgesellschaft seine Abgabe. Die rechtmäßig erfolgende Sendung der Leistung des ausübenden Künstlers kann also mittels Lautsprecher wahrnehmbar gemacht werden, ohne daß dem ausübenden Künstler weitere Ansprüche erwachsen. § 8. Das Überspielen von Schallplatten auf Magnettonbänder zum persönlichen Gebrauch und die Rechte des fiktiven Bearbeiters nach § 2 Abs. 2 LitUG im Zusammenhang mit § 15 Abs. 2 LitUG Nach § 11 Abs. 1 LitUG hat der Urheber die ausschließliche Befugnis, das Werk zu vervielfältigen, gewerbsmäßig zu verbreiten usw. Nach § 15 Abs. 1 LitUG ist die Vervielfältigung unzulässig ohne Einwilligung des Urhebers. Nach § 15 Abs. 2 LitUG ist die Vervielfältigung aber erlaubt, wenn sie zum persönlichen Gebrauch erfolgt und nicht den Zweck hat, aus dem Werk eine Einnahme zu erzielen. Es ist also zu fragen, ob die von § 15 Abs. 2 LitUG dem Urheber gesetzte Schranke auch f ü r den fiktiven Bearbeiter des § 2 Abs. 2 anzunehmen ist, so daß auch er im Rahmen des § 15 Abs. 2 LitUG gewisse Benutzungen dulden muß. Diese Bestimmung (§ 15 Abs. 2 LitUG) ist auch auf den fiktiven Bearbeiter anwendbar. Im Rahmen des § 15 Abs. 2 LitUG stehen freie Werknutzung auf der einen und freie Leistungsnutzung auf der anderen Seite, und bei gewerblicher Verwertung einer solchen Aufnahme stehen Urheberrechte des eigentlichen Schöpfers des Werkes auf der einen Seite, Leistungsschutzrechte des ausübenden Künstlers (eventuell auch eigene Rechte des Rundfunks an der Sendung, wenn es sich um seine Sendung handelt) auf der anderen. Obwohl § 15 Abs. 2 LitUG seinem Wortlaut nach ohne Einschränkung jede Vervielfältigung, die nur f ü r den persönlichen Gebrauch bestimmt ist, f ü r zulässig hält, ist der BGH 103) in seiner Entscheidung vom 18. Mai 1955 auf Grund einer engen Auslegung dieser Bestimmung zu dem Ergebnis gekommen, daß Tonbandaufnahmen nicht in den Anwendungsbereich dieser Bestimmung fallen (§ 15 Abs. 2 LitUG), da es sich hier um eine Ausnahme102) v g l . Entscheidung vom 19. Oktober 1931 in Revue Internationale de l'électricité, 1931, S. 340, Nr. 32; P i n n e r , World Copyright, Bd. 3 S. 468: „Public rendering by loudspeaker is free". 103 ) BGHZ 17, 266 = UFITA Bd. 20 (1955) S. 314 = S c h u l z e , Entscheidungssammlung, BGHZ 15.
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bestimmung handelt, die für ganz andere Zwecke gedacht ist 104 ). Die Vervielfältigung mittels Tonbandes, auch wenn sie zum persönlichen Gebrauch geschieht, ist erlaubnisbedürftig. Zum selben Ergebnis kam der BGH auch zugunsten der Schallplattenhersteller, die die Bearbeiterurheberrechte der ausübenden Künstler durch Übertragung erwerben 105). Durch das Überspielen von Schallplatten auf ein Magnettonband werde in die der Schallplattenindustrie von dem ausübenden Künstler übertragenen Bearbeiterurheberrechte (§ 2 Abs. 2 LitUG) auch dann in unzulässiger Weise eingegriffen, wenn die Magnettonaufnahmen nur persönlichen Gebrauchszwecken dienen. Hier taucht dasselbe Problem wie bei § 22a LitUG auf: nämlich, ob wir bei der Auslegung der Bestimmung des § 15 Abs. 2 LitUG die Tatsache berücksichtigen sollen, daß diese Bestimmung infolge der technischen Entwicklung heute einen Sachverhalt bekommen hat, der vom Gesetzgeber aus unvorhersehbar war, und sie als Ausnahmebestimmung eng auslegen sollen. Ein großer Teil der Literatur hat die Meinung vertreten, daß § 15 Abs. 2 LitUG nicht anwendbar ist, und zwar mit der B e gründung, es handele sich hier um eine Ausnahmebestimmung, die nach Sinn und Zweck ihrer damaligen Fassung und der damaligen Vervielfältigungstechnik zu verstehen ist 106 ). Ferner wurde zur Stützung dieser Auffassung angeführt, daß die Überspielung eines Tonbandes nicht den Tatbestand des § 15 Abs. 2 LitUG erfülle, sondern sie sei eine Bearbeitung im Sinne von § 12 Abs. 2 Nr. 5 LitUG und als solche bedürfe sie der Erlaubnis des Urhebers 10?). Gegen die erste Begründung wird angeführt, keinesfalls könne man ein in Kraft befindliches Gesetz aus Rücksicht auf eine Veränderung des Standes der Technik gegenüber dem Verkündungs104) vgl. S c h u l z e , Entscheiidlungssammlung, LGZ 25; KGZ 9: Urteile der Vorinstanzen der „Grundig"-Entscheidung (dort BGHZ 15): „Bandaufnahmen privater Benutzer stellen daher nicht Vervielfältigungen zum persönlichei) Gebrauch im Sinne des § 15 Abs. 2 LitUG, sondern Vervielfältigungen, die nach § 15 Abs. 1 LitUG ohne Erlaubnis des Urhebers unzulässig sind, dar. 105) UFITA Bd. 20 (1955) S. 335 = S c h u l z e , Entscheidungssammlung, BGHZ 16. 106) vgl. B e n k a r d , Magnettongeräte und Urheberrecht (Gema-Rechtsgutachten), S. 51. Ebendort: M ö h r i n g , S. 85, 86; d e B o o r , S. 94, 104; ders. in GRUR 1954, 440. Vgl. d e B o o r (de lege ferenda) in GRUR 1954, 442, wo er meint ,daß der RE schwerste Einbrüche in das Vervielfältigungsrecht bringt. lo?) vgl. R u n g e , Magnettongeräte und Urheberrecht (Gema-Rechtsgutachten), S. 63, 67; G e n t z in GRUR 1952, 496; B a u m , Magnettongeräte und Urheberrecht (Gema-Rechtsgutachten), S. 20ff.; N e u m a n n in GRUR 1957, 588: Dieser sieht sogar die Gefahr, daß der Tonbandgerätbenutzer zum „Selbstvervielfältiger" wird, zum „Hersteller von Tonträgern", da das Tonbandgerät keine bloße Neuheit ist, die „für eine angemessene private Benutzung bestimmt ist". Dem ausübenden Künstler aber räumt er einen Vergütungs-, keinen Unterlassungsanspruch ein. 70
Zeitpunkt einfach beiseite schieben oder in sein Gegenteil verkehren 108). Gegen die zweite Begründung, das Überspielen sei Bearbeitung im Sinne des § 2 Abs. 2 und § 12 Abs. 2 LitUG spricht die Entscheidung des BGH vom 21. November 1952: „Das Überspielen von Schallplatten auf Vervielfältigung (i. S. von § 11 Abs. 1 LitUG) der Festlegung des Werkes auf Bearbeitung (§ 12 Abs. 2 Nr. 5 LitUG)
Magnetophon stellt eine LitUG und § 15 Abs. 2 Schallplatten, nicht eine dar."
Diese Auffassung wird ferner von einem großen Teil des Schrifttums vertreten 1 0 9 ). Bearbeitung im Sinne des § 2 Abs. 2 und § 12 Abs. 2 Nr. 5 LitUG ist das Überspielen vom Tonband nicht. Die echte Bearbeitung setzt am Original Veränderungen voraus. Die Tonbandaufnahme ist aber identisch mit dem Originalwerk. Außerdem verlangt § 2 Abs. 2 LitUG „persönlichen Vortrag", ein Element, das beim Überspielen eines Tonbandes fehlt. Eine Ausnahme vom Vervielfältigungsrecht des Urhebers (und des fiktiven Bearbeiters) ist die Bestimmung des § 15 Abs. 2 LitUG nicht. Sie ist die natürliche Begrenzung dieses Rechtes zugunsten der privaten Sphäre. „Nicht dieser zweite Absatz (des § 15 LitUG) enthält also die eng auszulegende Ausnahmebestimmung, sondern der erste Absatz ist das von der Freiheit der „Kunst" ausgenommene Urheberprivileg 110)." Die Forderung nach enger Auslegung und der Gesichtspunkt, daß neue Verwertungsarten dem Urheber vorbehalten bleiben sollen, könne also keine Berücksichtigung finden. Bei neu auftretenden Nutzungsmöglichkeiten muß dem G e s e t z g e b e r die Entscheidung vorbehalten bleiben, inwieweit die neuen Nutzungsmöglichkeiten dem Urheber zufließen sollen, denn es kann nicht Aufgabe 108) vgl, M e d i g e r in GRUR 1951, 384; R e i m e r , Magnettongeräte und Urheberrecht (Gema-Rechtsgutachteni, S. 15, 53; B u s s m a n n , Magnettongeräte und Urheberrecht (Gema-Rechtsgutachten), S. 109; A u e r s w a l d , Magnettongeräte und Urheberrecht (Gema-Rechtsgutachten), S. 153; v o n E r f f a in GRUR 1951, 228; dieselbe aber, de lege ferenda, S. 229: das neue Urheberrechtsgesetz Bestimmungen zum Schutze der Urheber vorsehen muß, wonach künftig Aufnahmen geschützter Werke auf Magnetophon, auch zu privatem Gebrauch nur mit Einwilligung der Urheber zulässig sind." >»») BGHZ 8, 88 und in GRUR 1953, 140; vgl. M e d i g e r ' in GRUR 1951, 382; B u s s m a n n , Magnettongeräte und Urheberrecht (Gema-Rechtsgutachten), S. 119 ff.; H i r s c h , Das neue Urheberrechtsgesetz der Türkei, Schriftenreihe der UFITA, Heft 4 (1957), S. 74; H e f e r m e h l in UFITA Bd. 24 (1957) S. 73; H a e n s e l , Leistungsschutz oder Normalvertrag S. 61; H u b m a n n , Der Schutz des ausübenden Künstlers nach geltendem Recht S. 38; vgl. RE § 47, „Einschränkungen des V e r v i e l f ä l t i g u n g s r e c h t s in bestimmten Fällen". no ) H a e n s e l , Leistungsschutz oder Normalvertrag S. 63. 71
des Richters sein, rechtspolitische Entscheidungen zu treffen, wie es die Einbeziehung technischer Neuerungen bedeutet" m ) . Die Forderungen der in Frage kommenden Personengruppen, der Urheber und ausübenden Künstler (gegebenenfalls auch Sendegesellschaften beim Überspielen einer Rundfunksendung auf das Magnettonband und Tonträgerhersteller beim Überspielen einer Schallplatte auf das Tonband) sind nicht nur theoretisch unbegründet, sondern praktisch auch undurchführbar. Wenn die Selbstvervielfältigung durch Tonbandgeräte lizenzpflk'htig wäre, dann kämen drei Gebührenzahler in Frage: der Produzent, der Zwischenhändler und der Erwerber. Wenn die Produzenten Gebühren zahlten, schlösse dies auch diejenigen Apparate ein, die f ü r andere Zwecke als f ü r die Aufnahme von Werken der Literatur oder Tonkunst, wie z. B. in einer Schule zum Lernen einer fremden Sprache, gebraucht werden. Ferner schlösse es auch diejenigen Fälle ein, bei denen Werke aufgenommen werden, deren Schutzfrist abgelaufen ist. Denselben Einwänden wäre auch die zweite Lösung ausgesetzt, d. h., wenn der Zwischenhändler Gebühren zahlte. Es bleibt die dritte Möglichkeit, die Erhebung der Gebühren bei dem Erwerber des Tonbandgerätes. Eine wirksame Kontrolle in der privaten Sphäre ist aber fast unmöglich. Der RE gibt in § 47 die Privataufnahme auf Magnetband frei l l z ). Der IAA-Entwurf gewährt im Art. 4 dem ausübenden Künstler n u r iure conventionis das Recht zu erlauben: a) die Aufnahme zu kommerziellen Zwecken oder f ü r eine öffentliche Wiedergabe, b) die Rundfunksendung und die wie immer bewirkte Aufnahme f ü r die Rundfunksendung, c) jede öffentliche Wiedergabe. Der private Gebrauch bleibt außerhalb des Anwendungsbereiches des IAA-Entwurfes. Der Monaco-Entwurf überläßt in Art. 2 Abs. 6a dem nationalen Gesetzgeber die Regelung. „Jeder Vertragsstaat ist berechtigt, in folgenden Fällen Ausnahmen von dem den ausübenden Künstlern gewährten Schutz vorzusehen a) falls es sich um eine Festhaltung oder eine Vervielfältigung zum privaten Gebrauch handelt." m ) H i r s c h , Standpunkt vertreten in der Diskussion bei der urheberrechtlichen Arbeitssitzung in Berlin am 11. Oktober 1957 in GRUR AJT 1958, 22. 112 ) RE S. 21 und S. 151.
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§ 9. Der zeitliche Umfang des Leistungsschutzes Beim Urheberrecht umfaßt die Schutzdauer die Lebenszeit des Urhebers, und ihre Befristung fängt mit seinem Tod an. Beim Leistungsschutz des ausübenden Künstlers wird entweder der Zeitpunkt des Erbringens der Leistung (Österreichisches Urheberrechtsgesetz § 67) oder der Zeitpunkt des Erscheinens oder der Veröffentlichung (Entw. Hoffmann § 45 III) der Exemplare als Ausgangspunkt f ü r die Befristung bezeichnet. Das Österreichische URG sieht in § 67 Abs. 1 eine Schutzfrist von 30 Jahren nach Erbringung der Leistung vor. Elster 113) schlägt f ü r eine internationale Konvention eine Minimalschutzfrist von 20 Jahren vor. Der RE gewährt in § 78 dem ausübenden Künstler eine Schutzfrist von 25 Jahren, wobei Ausgangspunkt die Aufnahme des Vortrags oder der Auff ü h r u n g auf den Bild- oder Tonträger ist. Ähnliche Regelung trifft auch der ME. 2. ABSCHNITT Möglichkeit eines Schutzes der Leistung des ausübenden Künstlers auf Rechtsgebieten außerhalb des LitUG Das LitUG erkennt nur dem bei der Schallplattenindustrie tätigen ausübenden Künstler einen Quasi-Urheberschutz zu. Dieser Schutz aber kann, wie oben schon ausgeführt, keine entsprechende Anwendung auf die beim Rundfunk, Film, auf der Bühne oder im Konzertsaale tätigen ausübenden Künstler finden. Daß der ausübende Künstler nach geltendem Recht ein allgemeines Urheberrecht an seiner Darstellung genieße, kann kaum behauptet werden 114). Es wird aber versucht, aus der Fassung des § 2 Abs. 2 LitUG f ü r den ausübenden Künstler ein allgemeines Recht herzuleiten, das kein Urheberrecht ist, wohl aber ein „quasi-urheberrechtliches Leistungsschutzrecht". Diese Meinung wird von Elster 115) vertreten. Elster stimmt Marwitzu6) in dem Punkte zu, daß der ausübende Künstler kein Urheber ist; aber im Gegensatz zu Marwitz will er „das richtig verstandene Leistungsschutzrecht des ausübenden Künstlers schon nach geltendem Recht f ü r gegeben erachten". Es gibt seiner Meinung nach doch ein Leistungsschutzrecht, das kein volles Urheberrecht ist. Von derselben Meinung geht auch das KG Berlin in seiner Entscheidung vom 21. März 1958 aus U7). " « ) in UFITA Bd. 14 (1941) S. 71. U4 ) Vgl. BGHZ 8, 88 = S c h u l z e , Entscheidungssammlung, BGHZ 3: „Ihm (dem ausübenden Künstler) steht ein echter Urheberrechtsschutz in der Regel nicht zu." >15) in GRUR 1927, 42 und in UFITA Bd. 3 (1930) S. 575. 116 ) in UFITA BdL 3 (1930) S. 299. m ) in „Verbandsnachrichten der Deutschen Orchestervereinigung in der DAG", Mal 1958, S. 2: „Dies folgt aus einem sog. Leistungsschutzrecht oder aus der entsprechenden Anwendung des Grundgedankens der Vorschrift des § 2 II des Gesetzes." 73
Im Schrifttum wird heute überwiegend das Bestehen eines Leistungsschutzes des ausübenden Künstlers bejaht. Marwitz118) und Ulmer u9 ) von dem Gedanken ausgehend, daß die Vorschriften des § 826 BGB und § 1 UnlWG nicht ausreichend sind, sprechen von einem persönlichkeitsrechtlichen Schutz 120). Ein Schutzbedürfnis des ausübenden Künstlers liegt in zwei Fällen vor: 1. wenn die Leistung des ausübenden Künstlers ohne seine Zustimmung zur „Ware" gemacht wird (Übertragung der Darstellung des ausübenden Künstlers auf Vorrichtungen), und 2. wenn die von dem ausübenden Künstler erbrachte persönliche Darstellung durch Rundfunk oder Lautsprecher in einem weiteren Hörerkreis wahrnehmbar wird. Diese Erweiterung des Zuhörerkeises soll nämlich einen neuen Akt der Verwertung darstellen. Da, wie oben dargetan, aus der Sonderbestimmung des § 2 Abs. 2 LitUG ein Leistungsschutz nicht abzuleiten ist 121 ), müssen wir untersuchen, ob der ausübende Künstler durch allgemeine Bestimmungen geschützt werden kann. § 10. Schutz des ausübenden Künstlers durch die Bestimmungen über Persönlichkeitsrecht Vor dem Inkrafttreten des GG kannte das deutsche Recht kein allgemeines Persönlichkeitsrecht 122 ). Die Lehre 123 ) und das RG 124 ) hatten die Annahme eines allgemeinen Persönlichkeitsrechts abgelehnt. Nur einzelne Bestimmungen konnten in Frage kommen (§ 12, § 823, § 824 BGB, § 14 UnlWG usw.) § 12 BGB, der dem Schutz des Namens dient, gibt nur ein negatives Untersagungsrecht. Mit dieser Bestimmung kann aber der ausübende Künstler nicht fordern, daß er auf der bespielten Schallplatte genannt wird. §§ 824 BGB, 14 UnlWG gewähren allgemein einen Schutz gegen kreditschädigende Tatsachenbehauptungen. Eine neue Situation wurde aber durch den Erlaß des GG geschaffen. Nach Art. 1 Abs. 1 GG ist die Würde des Menschen unantastbar, 118 ) 119 ) 120
in UFITA Bd. 3 (1930) S. 301, 314. Urheber- und Verlagsrecht S. 320. ) U l m e r — de lege ferenda aber — sieht