Der moderierte Vertrag: Habilitationsschrift 9783161599897, 9783161600883, 3161599896

Es gibt drei Wege, einen Konflikt zu lösen: durch Urteil, Vertrag oder Vermittlung. Dem am Ende der Vermittlung stehende

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German Pages 651 [686] Year 2023

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Table of contents :
Cover
Titel
Vorwort
Inhaltsübersicht
Inhaltsverzeichnis
Hinweis zu Abkürzungen
A. Einleitung
I. Begriff der Moderation
II. Begriff des (zivilrechtlichen) Konflikts
1. Gegensatz
2. Rolle der Kommunikation
3. Verhandelnd zum Vertrag
4. Das Zivilrechtliche des Konflikts
III. Gang der Darstellung
B. Der moderierte Vertrag des zivilrechtlichen Konflikts
I. Mediator
1. Der Mediatorvertrag
a) Die Moderation des Mediators
b) Aussagen des MedG
c) Die Tätigkeit des Mediators
2. Charakteristika der Mediation
a) Freiwilligkeit
b) Neutralität und Unabhängigkeit
aa) Neutralität vs. Allparteilichkeit
bb) Neutralität
cc) Unabhängigkeit
dd) Realisierung von Neutralität und Unabhängigkeit
c) Vertraulichkeit
d) Realisierung der Vertraulichkeit
3. Haftung
a) Haftungsgrund
b) Schaden
4. Der moderierte Vertrag in der Mediation
5. Mediator und moderierter Vertrag
a) Motivation des Gesetzgebers
b) Eingriff in die Kommunikation
c) Interesse des Mediators
6. Mediator als Moderator
II. Güterichter
1. Die Einsetzung des Güterichters
2. Die Moderation des Güterichters
a) Aussagen des § 278 Abs. 5 ZPO
aa) Gesetzgebungsgeschichte
bb) Mediation vs. Methodenvielfalt
(1) Mediation
(2) Methodenvielfalt
b) Die güterichterliche Tätigkeit
aa) Transparenz
bb) Ausrichtung am Parteiinteresse
cc) Lösungsvorschläge
3. Mediator – Güterichter – Richter
a) Güterichter und Mediator
b) Güterichter und Richter
c) Kristallisationspunkt Einzelgespräch
4. Charakteristika des Verfahrens vor dem Güterichter
a) Freiwilligkeit
b) Neutralität und Unabhängigkeit
aa) Erfordernis von Neutralität und Unabhängigkeit
bb) Realisierung von Neutralität und Unabhängigkeit
cc) Unabhängigkeit aus Richtersicht
c) Vertraulichkeit
d) Realisierung der Vertraulichkeit
aa) Gerichtsakte
(1) Kein Eingang in die Prozessakte
(2) Kein Ausgang aus der Prozessakte
(a) Einsichtnahme durch die Parteien
(b) Einsichtnahme durch Dritte
bb) Vorbringen im späteren Prozess
(1) Aussage des Güterichters
(a) Amtsverschwiegenheit
(b) Aussagegenehmigung
(c) Anzeigepflicht von Straftaten
(d) Ausreichender Schutz der Vertraulichkeit
(2) Aussage der Parteien
(a) Vertraulichkeitsabrede
(b) Wirkung der Vertraulichkeitsabrede
(c) Beweisverwertung
5. Haftung
a) Haftungsgrund
aa) Vertrag
bb) Amtspflichtverletzung
(1) Beamter
(2) Verletzung einer Amtspflicht
cc) Privilegierung
(1) § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB
(2) § 839 Abs. 2 BGB
(3) Haftungsprivilegierung der Richter
(4) Haftungsprivilegierung der Güterichter
b) Schaden
6. Der moderierte Vertrag im Verfahren vor dem Güterichter
7. Güterichter und moderierter Vertrag
a) Protokollierung
b) Ne ultra petita
c) Kräfteparität
aa) Tätigkeit
bb) Ergebnis
cc) Gemeinsamer Ausgangspunkt: Kräfteungleichgewicht
d) Herkunft des Ungleichgewichts
aa) Gründe für die Imparität
bb) Kein Grund zum Eingreifen
e) Eingriff in die Kommunikation
f) Interesse des Güterichters
8. Güterichter als Moderator
III. Prozessrichter
1. Einsetzung des Prozessrichters
2. Die Moderation des Prozessrichters
a) Die Aussagen der ZPO
aa) § 139 ZPO
(1) Kräftegleichgewicht
(2) Grenze der Unparteilichkeit
bb) § 278 ZPO
(1) „unter freier Würdigung aller Umstände“
(2) Ziel: gütliche Einigung
b) Die Tätigkeit des Prozessrichters
aa) Entscheidungsbezogene Vermittlung
bb) Mediativer Ansatz
cc) Mischformen
3. Charakteristika der Güteverhandlung
a) Freiwilligkeit
aa) Verfahrensbeginn
bb) Verfahrensbeendigung
b) Neutralität und Unabhängigkeit
aa) Auswirkung auf die Prozessleitung
bb) Bedeutung für die Vermittlungstätigkeit
cc) Kristallisationspunkt Einzelgespräch
dd) Realisierung der Neutralität bzw. Unbefangenheit
(1) Klagerücknahme durch Kläger
(2) Reaktionsmöglichkeiten des Beklagten
c) Vertraulichkeit
aa) Reichweite des Öffentlichkeitsgrundsatzes
bb) Dritte
cc) Prozessrichter
dd) Parteien
4. Haftung
a) Amtspflichtverletzung
b) Privilegierung
aa) Spruchrichterprivileg
bb) Verweisungsprivileg und allgemeine Haftungsprivilegierung
cc) Schaden
5. Der moderierte Vertrag in der Verhandlung vor dem Prozessrichter
a) Moderierter Vertrag und Prozessvergleich im Sinne von § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO
aa) Moderierter Vertrag als Vergleich
bb) Vergleich als moderierter Vertrag
b) Moderierter Vertrag statt Vergleich
c) Verhältnis von Vergleich und Urteil
6. Prozessrichter und moderierter Vertrag
a) Gesetzesbindung bei Vermittlungstätigkeit
b) Streitiges Verfahren
aa) Unzulässige Klage
bb) Unschlüssige Klage
cc) Ne ultra petita
c) Materielles Vertragsrecht
aa) Manipulation durch Autorität
bb) Druckausübung
cc) Kräftegleichgewicht
d) Insbesondere: Vergleichsvorschlag
aa) Zulässigkeit
bb) Rechtsbindung
cc) Orientierung am streitigen Verfahren
dd) Materielles Vertragsrecht
e) Die Protokollierung des moderierten Vertrags
aa) Voraussetzungen für die Protokollierung
bb) Folgen der Protokollierung
(1) § 127a BGB
(a) Voraussetzungen
(b) Gesetzgeberische Intention
(c) „Gesamtbereinigung strittiger Rechtsverhältnisse“
(d) Grundgedanken der §§ 296, 495 Abs. 2 ZPO
(e) Richterrechtlicher Ursprung
(2) Folgen der Folgen: Gilt das BeurkG, insbesondere § 17 BeurkG?
(a) Entsprechende Anwendung
(b) Hinreichende Vergleichbarkeit
(c) Person
(d) Vermittlungssituation
(e) Vergleichbare Situation bei richterlicher Verhandlung?
(f) Beschränkung wegen des Schutzzwecks
(g) Beschränkung der Übertragung auf Fälle der notwendigen Beurkundung?
(3) Sachnähere Lösung durch § 2 Abs. 6 MedG?
(4) Geltung für den Güterichter
(5) „Gerichtlicher Vergleich“
(a) … im Sinne des § 925 Abs. 1 Satz 3 BGB
(b) … im Sinne des § 14 Abs. 1 Nr. 8 TzBfG
(c) … im Sinne des § 3 Satz 2 MiLoG
(d) … im Sinne des § 9 Satz 1 AEntG
(6) § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO/ § 795a ZPO
(7) Andere Verfahrensordnungen
(8) Weitere Vorschriften
f) § 278 Abs. 6 ZPO: „besonderer Vertragsschluss“ und „besondere Protokollierung“
aa) „Besonderer Vertragsschluss“ gemäß § 278 Abs. 6 Satz 1 Alt. 2 ZPO
(1) § 278 Abs. 6 Satz 1 Alt. 2 ZPO als Vertragsschluss durch Zustimmung zu Vertragstext
(a) Antrag/Annahme
(b) Zustimmung zum Vertragstext
(c) § 278 Abs. 6 Satz 1 Alt. 2 ZPO als Vertragsschluss durch Zustimmung
(2) Funktion des Richters
(3) Übertragbarkeit auf alle moderierten Verträge?
bb) „Besondere Protokollierung“ gemäß § 278 Abs. 6 Satz 1 Alt. 1 ZPO
(1) § 278 Abs. 6 Satz 1 Alt. 1 ZPO als möglicher Fall sich kreuzender Angebote
(a) Kreuzende Angebote
(b) Zwischenergebnis
(2) Funktion des Richters
(3) Notwendige Differenzierung
cc) Gilt § 127a BGB?
(1) Unmittelbare Anwendung
(2) Planwidrige Regelungslücke
(3) Vergleichbarkeit der Interessenlage
(a) Besonderer Vertragsschluss
(b) Besondere Protokollierung
(c) Zwischenergebnis/Auflösung der Diskrepanz
dd) Gilt § 126 BGB?
ee) Gilt § 127 BGB?
ff) Gilt das BeurkG, insbesondere § 17 BeurkG?
gg) Gilt § 925 Abs. 1 Satz 3 BGB?
hh) Arbeitsrechtliche Vorschriften
(1) Gilt § 14 Abs. 1 Nr. 8 TzBfG?
(2) Bedeutung für die Moderation
(3) Gilt § 3 Satz 2 MiLoG bzw. § 9 Satz 1 AEntG?
ii) §§ 794 ZPO/795a ZPO
g) Die anderen Prozessordnungen
aa) Vertragsschluss
bb) Ergänzende Anwendung von § 278 Abs. 6 ZPO
cc) Notarielle Beurkundung und Schriftform
h) Güterichter und § 278 Abs. 6 ZPO
i) Besonders angeordnete Funktion: die Sicherung von Drittinteressen
aa) §§ 18 KapMuG und § 611 ZPO: der genehmigte Vergleich
(1) Musterverfahren in kapitalmarktrechtlichen Streitigkeiten
(2) Musterfeststellungsklage
(3) Angemessenheit
bb) § 156 Abs. 2 FamFG: der gebilligte Vergleich
cc) § 214a FamFG: der bestätigte Vergleich
dd) § 19 LwVfG: der genehmigte bzw. nicht beanstandete Vergleich
(1) Genehmigungserfordernis
(2) Beanstandungsmöglichkeit
(3) Richterliche Funktion
7. Interesse
8. Der Richter als Moderator
IV. Gerichtsvollzieher
1. Die Einsetzung des Gerichtsvollziehers
2. Die Moderation des Gerichtsvollziehers
a) Die Aussagen der ZPO
b) Die Tätigkeit des Gerichtsvollziehers
3. Charakteristika des Verfahrens vor dem Gerichtsvollzieher
a) Freiwilligkeit
aa) Durchführung der Zwangsvollstreckung
bb) Beteiligung des Gerichtsvollziehers
cc) Parteivereinbarung
b) Neutralität und Unabhängigkeit
c) Vertraulichkeit
4. Haftung
a) Rechtsstellung
b) Amtshaftung
c) Erinnerung
5. Der moderierte Vertrag im Verfahren vor dem Gerichtsvollzieher
a) Zahlungsaufschub und Ratenzahlung
b) Weitere moderierte Verträge, insb. Besicherung des Gläubigers
aa) Besicherung des Gläubigers
bb) Schuldneranreize
6. Gerichtsvollzieher und moderierter Vertrag
a) Funktion im Rahmen der Widerspruchslösung
aa) Prüfungskompetenz
bb) Mitwirkung am Vertragsschluss im engeren Sinne
b) Rechtliche Qualifizierung der übrigen Vermittlungstätigkeit
c) Weitere Mitwirkung
aa) Leistungsentgegennahme
bb) Treuhänder
7. Gerichtsvollzieher als Moderator
C. Der moderierte Vertrag – Definition
I. Moderator
1. Tätigkeit des Moderators: die Moderation
2. Unabhängigkeit und Neutralität
3. Freiwilligkeit
a) Verhältnis der Parteien zum Moderator
b) Die Freiwilligkeit des moderierten Vertrags
4. Interesse am Vertragsschluss
5. Nicht verbindend: Vertraulichkeit
II. Der moderierte Vertrag
1. Der Moderator als der beteiligte Unbeteiligte
a) Der Unbeteiligte
b) Der beteiligte Unbeteiligte
2. Definition
3. Der moderierte Vertrag in der Evolution des Rechts
a) Zur Evolution des Rechts
b) Der moderierte Vertrag und reflexives Recht
aa) Ausgangspunkt
bb) Reaktion
cc) Juristische Perspektive
c) Folgen
D. Weitere moderierte Verträge
I. Bedeutung und Konkretisierung
1. Das Verbraucherstreitbeilegungsverfahren
a) Der Streitmittler
aa) Qualifikation des Streitmittlers
bb) Tätigkeit des Streitmittlers
cc) Verbraucherschlichtungsstelle
b) Streitmittler vs. Verbraucherschlichtungsstelle
c) Einsatz des Streitmittlers über die Streitschlichtungsstelle
d) Verhältnis der Parteien zur Schlichtungsstelle
e) Die Tätigkeit des Streitmittlers
aa) Richtlinie
bb) VSBG
cc) Mediation und Schlichtung
(1) Mediation
(2) Schlichtung
(3) (Weitere) Aussagen des VSBG
(a) Die Verfahrensordnung, § 5 VSBG
(b) Rechtliches Gehör, § 17 VSBG
f) Charakteristika der Verbraucherschlichtung
aa) Freiwilligkeit
bb) Unabhängigkeit und Unparteilichkeit
cc) Realisierung von Neutralität und Unabhängigkeit
dd) Haftung
ee) Der moderierte Vertrag des Streitmittlers
(1) Streitmittler und moderierter Vertrag
(2) Rechtliche Einordnung des Schlichtungsvorschlags
(3) Vorgaben des § 19 VSBG
(a) Tatsachengrundlage
(b) Rechtsbindung
(c) Standort
(d) Die Vorschrift des § 19 Abs. 1 Satz 3 VSBG und das Prinzip der informierten Autonomie
(e) Die Grenze
(f) Folgen der informierten Autonomie
(g) Kritik an den Qualifikationsvorgaben
(4) Vertragsschluss
ff) Interesse
g) Streitbeilegung als Moderation
2. Täter-Opfer-Ausgleich
a) Der Moderator
b) Die Moderation
aa) Charakteristika
bb) Vertraulichkeit
cc) Neutralität
dd) Freiwilligkeit
(1) Freiwilligkeit des Täters
(2) Freiwilligkeit des Opfers
c) Der moderierte Vertrag
d) Das Interesse der Ausgleichsstelle
e) Die Ausgleichstelle als Moderator
3. Beratung nach § 17 Abs. 2 SGB VIII
a) Einsatz des Jugendamts
b) Die Moderation des Jugendamts
c) Der moderierte Vertrag
aa) Inhalt des Konzepts
bb) Der gerichtlich gebilligte Vergleich
cc) Charakteristika des Verfahrens
(1) Freiwilligkeit
(2) Neutralität und Unabhängigkeit
(3) Vertraulichkeit
d) Das Jugendamt als Moderator
4. Gütlicher Ausgleich der Einigungsstelle nach dem UWG
a) Die Einigungsstelle
b) Die Moderation der Einigungsstelle
aa) Die Aussagen des UWG
bb) Charakteristika des Verfahrens vor der Einigungsstelle
(1) Freiwilligkeit
(a) Freiwilligkeit zum Verfahren
(b) Freiwilligkeit im Verfahren
(2) Unabhängigkeit und Neutralität
c) Interesse
d) Haftung
e) Der moderierte Vertrag
aa) Vertragstyp – Vergleich
bb) Zwangsvollstreckung
cc) Einigungsstelle als Moderator
II. Vermittlung und Moderation
1. Vermittlung durch die Bundesagentur für Arbeit
a) § 35 SGB III
b) § 112 Abs. 2 Satz 1 BetrVG
aa) Ausgangssituation
bb) Interessenausgleich
cc) Sozialplan
dd) Moderation
ee) Freiwilligkeit und ihre Dimensionen
(1) Betriebspartner
(2) Vermittler
(3) Die Arbeitsagentur als Vermittler
2. Notarielle Vermittlung
a) Notar und vorsorgende Rechtspflege
aa) Die beurkundende Tätigkeit des Notars
bb) Die notartypische Moderation: „Der neutrale Entwurf“
cc) Die Kardinalspflichten des Notars
(1) Klärung des Sachverhalts
(2) Erforschung des wahren Willens
(3) Belehrung über die rechtliche Tragweite
(4) Wiedergabe der Erklärungen
dd) Notar und moderierter Vertrag
ee) Soziale Bedeutung der Notarstätigkeit
ff) Unterschied zum Richter
gg) Unterschied zur Moderation
hh) Der Notar und die vorsorgende Rechtspflege
b) Der moderierende Notar
aa) Ausgangslage
bb) Einsetzung des Notars
cc) Die Moderation des Notars
(1) § 363 FamFG: Vermittlung
(2) § 366 FamFG: vorbereitende Vereinbarungen
(3) § 368 FamFG: Auseinandersetzungsplan
dd) Charakteristika des Verfahrens
(1) Freiwilligkeit
(2) Das Säumnisverfahren
(3) Weitere Dimensionen der Freiwilligkeit der Parteien
(4) Unabhängigkeit und Neutralität
ee) Der moderierte Vertrag des Notars
(1) Vorbereitende Vereinbarung und Auseinandersetzungsplan
(a) Vorbereitende Vereinbarung
(b) Auseinandersetzungsplan
(2) Beurkundung und Bestätigung
(a) Beurkundung
(b) Bestätigung
(3) Kompetenzen des Moderators
(a) Beurkundung
(b) Bestätigung
(4) Weitere anwendbare Vorschriften: BeurkG vs. FamFG
(5) Haftung
ff) Interesse des Notars
gg) Der Notar als Moderator
3. Maklerische Vermittlung
a) Ausgangssituation
b) Einsatz des Maklers: Alleinauftrag
c) Die Moderation des Maklers
aa) § 652 BGB: Nachweis vs. Vermittlung
bb) Nachweis
cc) Vermittlung
dd) Doppeltätigkeit
ee) Der Handelsmakler
d) Charakteristika der Moderation
aa) Unabhängigkeit und Neutralität
(1) Preisverhandlung
(2) Unparteilichkeit und Vertragsgestaltung
(3) Aufklärungs- vs. Verschwiegenheitspflicht
(4) Weitere Dimension der Aufklärungspflicht
bb) Freiwilligkeit
e) Haftung
f) Der moderierte Vertrag
g) Interesse
h) Makler als Moderator
III. Abgrenzung und Zusammenfassung
1. Abgrenzung
a) Schlichtung
b) Schiedsverfahren
c) Schiedsgutachten
2. Zusammenfassung
a) Moderator
aa) Vermittlungstätigkeit
bb) Einigungshilfen
cc) Unabhängigkeit und Neutralität
dd) Interesse
ee) Freiwilligkeit
b) Der moderierte Vertrag
aa) Der moderierte Vertrag
bb) Rechtssoziologische Bedeutung
E. Die Legitimation des moderierten Vertrags
I. Die Legitimation des Urteils durch Verfahren
1. Die heimliche Theorie des Verfahrens
2. Voraussetzungen für die heimliche Theorie des Verfahrens
a) Öffentlichkeit
b) Verfahrensgerechtigkeit, insb. richterliche Neutralität und Unabhängigkeit
c) Absicherung dieser Legitimation
3. Legitimation des Urteils durch Richtigkeitschance
a) Kritik
b) Legitimation durch Richtigkeitschance
aa) Richtigkeit
bb) Chance
c) Voraussetzungen
4. Legitimation durch subjektive Verfahrensgerechtigkeit
a) Voraussetzung der Legitimation
b) Absicherung dieser Legitimation
5. Zum Verhältnis der Ansätze
II. Die Legitimation des Vertrags durch Verfahren
1. Legitimation durch Selbstbestimmung
a) Konsequenz: stat pro ratione voluntas
b) Voraussetzungen
2. Legitimation durch Richtigkeitsgewähr
a) Legitimation durch Verhandeln
b) Voraussetzungen
3. Zum Verhältnis der Ansätze
4. Absicherung der Legitimation
III. Die Legitimation des moderierten Vertrags
1. Die gesteigerte Legitimation
2. Grundlagen der gesteigerten Legitimation des moderierten Vertrags
a) Öffentlichkeit
b) Subjektive Verfahrens- und Vertragsgerechtigkeit
c) Verstärkung der Richtigkeitsgewähr
d) Heimliche Theorie des Verfahrens/Garant der Selbstbestimmung
3. Gefahren
4. Voraussetzungen und deren Absicherung
F. Absicherung der gesteigerten Legitimation
I. Legitimation und Vertragstypus, § 779 BGB
1. Der moderierte Vertrag als Vergleich
a) Streit oder Ungewissheit
aa) Streit
bb) Ungewissheit
b) Rechtsverhältnis
c) Gegenseitiges Nachgeben
aa) Bereitschaft zur Moderation als Nachgeben
bb) Gegenseitigkeit
d) Zwischenergebnis
2. Unwirksamkeitsgrund als Schutz vor Manipulation
a) Sachverhalt entspricht nicht den Tatsachen
b) Streit oder Ungewissheit wäre bei Kenntnis der Sachlage nicht entstanden
3. Ergebnis: Vergleich
II. Täuschen und Drohen, § 123 BGB
1. Täuschung
a) Täuschung durch Unterlassen (Verschweigen)
b) Die Täuschung durch den Nicht-Vertragspartner
c) Dritter im Sinne des § 123 Abs. 2 BGB
aa) Ausgangssituation
bb) Herkunft und Folge
cc) Dritter bzw. Nicht-Dritter
(1) Rechtsprechung
(2) Literatur
(3) Nicht-Dritter als Erfüllungsgehilfe
(4) Nicht-Dritter als Lagerzugehöriger
(5) Nicht-Dritter als Unbeteiligter
(6) Nicht-Dritter aus neuer Perspektive
(7) Kombinationen
dd) Moderator als Dritter
(1) Makler
(2) Makler als Nicht-Dritter
(3) Makler als Dritter
ee) Moderator als Dritter – Anwendung des § 123 Abs. 2 BGB
(1) Empfangsbedürftigkeit
(2) Kenntnis bzw. fahrlässige Unkenntnis
d) Anfechtung bei Täuschung durch den Moderator
e) Zwischenergebnis
f) Doppeltäuschung
2. Drohung
a) Drohung durch Dritte
aa) Einschränkungen bei der Drohung durch Dritte
bb) Verletzung von Schutzobliegenheiten
cc) Weitere Einschränkungen/subjektive Voraussetzungen der Drohung
dd) Finalität
b) Drohung
aa) Warnung/Hinweis
bb) Überrumpelung und Zeitdruck
cc) Drohung mit einem künftigen Übel
dd) Subjektiver Tatbestand der Drohung
ee) Widerrechtlichkeit der Drohung
(1) Strafrechtliche Wertung
(2) Zivilrechtliche Bestimmung
(a) Mittel
(b) Zweck
(c) Zweck-Mittel-Relation
(d) Konnexität
(3) Vorstellung des Drohenden/subjektive Seite der Rechtswidrigkeit
(4) Doppeldrohung
3. Ergebnis
4. Die juristische Mehrdimensionalität
a) Das Verhältnis zwischen Moderator und Partei
b) Verhältnis zwischen den Parteien
III. Verhandelnd zum moderierten Vertrag, § 311 Abs. 2 BGB
1. Bedeutung für den moderierten Vertrag
a) Warum § 311 Abs. 2 und nicht Abs. 3?
b) Schutz vor Manipulation
aa) Interesse
bb) Rechtsfolge
c) Verortung
d) Anwendbarkeit
e) Perspektive
2. Vorgaben für die Vertragsverhandlung
a) Überrumpelung
b) Arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge
3. Das Gebot fairen Verhandelns
a) Rechtlicher Standort
b) Inhalt des Gebots
c) Betriebsverfassungsrechtliche Annäherung
d) Privatautonomer/vertragstheoretischer Ansatz
aa) Die erste Dimension: die Selbstbestimmung im Sinne der Privatautonomie eines Vertragspartners
(1) Unangemessenheit der Vereinbarung
(a) Vertragsgerechtigkeit
(b) Ergebnis
(2) Strukturelle Unterlegenheit
(a) Die Richtigkeitsgewähr des Vertragsschlusses
(b) Ergebnis
(3) Fallgruppen der Imparität
(a) Personenbedingte Imparität
(b) Situationsbedingte Imparität
(c) Summa
bb) Die zweite Dimension: It takes two to tango
(1) Vertragsfreiheit vs. Vertragsgerechtigkeit
(2) Vertragsfreiheit vs. Selbstbestimmung vs. Vertragsgerechtigkeit
(3) Folgerungen für das Gebot der fairen Verhandlung
cc) Die dritte Dimension: der beteiligte Unbeteiligte als Garant der Selbstbestimmung
e) Undue influence
aa) Begriff und Zweck der undue influence
bb) Der Ansatz „undue influence“
cc) Die Einteilung in Kategorien
(1) Class 1: actual undue influence
(2) Class 2: presumend undue influence
(3) Class 2A: special relationship
(4) Class 2B: Evidential undue influence: other cases established on the facts
dd) Ziel und Inhalt der Vermutungsregel
(1) Manifest disadvantage
(2) Explicable by relationship
(3) Gegenbeweis
(4) Zwischenfazit
ee) Kriterienkatalog
(1) Zusammenwirken der Kriterien
(2) Kriterienkatalog in Deutschland
(3) OLG Hamm: Unwirksamkeit des Erbteilverzichts
(4) Folgerungen
(5) Undue influence im trilateralen Verhältnis
(6) Dreidimensionale undue influence
(7) Übertragung auf die Situation der Moderation
(8) Undue influence und Legitimation durch Moderation
ff) Das Gebot des fairen Verhandelns
f) Ergebnis zu § 311 Abs. 2 BGB
IV. Geschäftsgrundlage und Legitimation, § 313 BGB
1. „Umstände oder Vorstellungen, die zur Grundlage des Vertrages geworden sind“
2. Objektive vs. subjektive Geschäftsgrundlage
3. Schwerwiegende Veränderungen
4. Kein oder anderer Vertragsschluss bei vorhergesehener Veränderung
5. Unzumutbarkeit des Festhaltens am Vertrag
a) Äquivalenzstörung
b) Zweckstörung
c) Zurechenbarkeit
d) Vorhersehbarkeit
e) Risikoverteilung
aa) Vertragliche Risikoübernahme
bb) Gesetzliche Risikoverteilung
f) Wertungsgrundlage und Richtigkeitsgewähr
aa) Vertragsmechanismus und Wertungsgrundlage
bb) Vertragsmechanismus und Wertungsmomente
cc) Folge des Vertragsmechanismus: Richtigkeit
dd) Fehlen bei Moderation
ee) Fehlen der Wertungsgrundlage
ff) Rückausnahme: Erheblichkeit und Verkehrssicherheit
gg) Zwischenfazit
g) Gerechtigkeit
aa) Die Gerechtigkeiten
bb) Die austeilende Gerechtigkeit
cc) Gerechtigkeit als Fairness
dd) Gerechtigkeit als Fairness und Moderation
ee) Die ausgleichende Gerechtigkeit
ff) Der Moderator und der Schlichter
gg) Zwischenergebnis Gerechtigkeit
h) Öffentliche Interessen
6. Ergebnis Geschäftsgrundlage
V. Missbrauchskontrolle und moderierter Vertrag, §§ 138, 242 BGB
1. Bedeutung der Moderation für die Selbstbestimmung
a) Machtmissbrauch
b) Kollusion
c) Missbrauch der Vertretungsmacht
d) Machtmissbrauch und Moderation
2. Übertragbarkeit
a) Vergleichbarkeit des Verhaltens
b) Untreue
c) Rechtlich-situative Vergleichbarkeit
d) Rechtsgutorientierung
e) Ergebnis
f) Konfliktlösungsmonopol
3. Sittenwidrigkeit
4. Die verwerfliche Gesinnung und ihre Vermutung
a) Die verwerfliche Gesinnung
b) Verwerfliche Gesinnung und Moderation
c) Die Vermutung und ihre Widerlegbarkeit
d) Dogmatische Grundlage
e) Funktionsweise
5. Bedeutung für die Moderation
a) Kritik
b) Gegenargumentation
c) Bedeutung für die Moderation
d) Verwerfliche Gesinnung
e) Vermutungsregelung
VI. Rechtliche Absicherung der gesteigerten Legitimation
G. Das Bewegliche System des moderierten Vertrags
I. Das Bewegliche System
1. Die drei Thesen des Beweglichen Systems
a) Pluralitätsthese
b) Abstufbarkeitsthese
c) Abwägungsthese
2. Die Elemente des Beweglichen Systems
a) Bewegliche Systeme
b) Das Bewegliche System des Normalvertrags
aa) Privatautonomie
bb) Verkehrssicherheit
cc) Äquivalenz
dd) Stehen zum gegebenen Wort
c) Kritik und Ergänzungen
aa) Öffentliche Interessen
bb) Wettbewerbsprinzip
cc) Sozialstaatsprinzip
dd) Funktionsweise
3. Zur Funktionsweise des Beweglichen Systems
a) Abwägung
b) Abwägungsregeln
aa) Das elastische Band
bb) Orientierung an der Rechtsfolge
cc) Von Röhren und Sandhaufen
(1) Sandhaufentheorem
(2) Kommunizierende Röhren
(3) Wechselseitige Beeinflussung
4. Kriterien eines guten Verhandlungsergebnisses
a) Zu den Kriterien
aa) Vernünftig
bb) Effizient und beziehungsverbessernd
b) Zum Verhältnis der Kriterien
c) Übertragbarkeit auf den moderierten Vertrag
II. Das Bewegliche System des moderierten Vertrags
1. Zu den einzelnen Elementen
a) Informierte und anerkennende Privatautonomie
b) Information
c) Anerkennung
d) Neutralität/Unabhängigkeit des Moderators
aa) Tätigkeit des Moderators
(1) Wechselwirkungen
(2) Garant der Selbstbestimmung
(3) Interesse des Moderators
bb) Erhöhte Legitimation
cc) Inhalt und Abstufbarkeit
2. Zur Funktionsweise des Beweglichen Systems des moderierten Vertrags
III. Vorschlag einer gesetzlichen Normierung des moderierten Vertrags
1. Inhalt der Vorschrift
a) Bisher
b) Vorschlag
2. Begründung
a) Allgemein
b) Besonders
aa) „Zuhilfenahme“
bb) „neutralen und unabhängigen Moderators“
cc) „so kann jeder Teil vom Vertrag zurücktreten“
dd) „die bei einem Richter die Ablehnung im Sinne des § 42 der Zivilprozessordnung begründen würden“
(1) Der Schutz der Neutralität und Unabhängigkeit
(2) Besorgnis der Befangenheit – Verfahren
(3) Besorgnis der Befangenheit – Prüfungsmaßstab und Funktionsweise
(4) Besorgnis der Befangenheit – Keine weitere Beweiserleichterung
(5) Glaubhaftmachung
(a) Beweiserhebung
(b) Beweismaß
(c) Zweck: Geschwindigkeit
ee) „Dies gilt nicht, wenn der Teil die konkreten Umstände kannte oder hätte kennen müssen.“
H. Schluss
I. Der moderierte Vertrag als Rechtsphänomen
1. Moderation
a) Neutralität als Grenze
b) Der Moderator als Garant der Selbstbestimmung
c) Vorwirkung
d) Einigungshilfen
2. Das Interesse des Moderators
II. Die gesteigerte Legitimation des moderierten Vertrags
1. Öffentlichkeit
2. Subjektive Verfahrens- und Vertragsgerechtigkeit
3. Verstärkung der Richtigkeitsgewähr
4. Garant der Selbstbestimmung
III. Absicherung der Legitimation
1. Keine ausreichende Absicherung der gesteigerten Legitimation
2. Folge der fehlenden Absicherung
IV. Das Bewegliche System des moderierten Vertrags
1. Informierte und anerkennende Autonomie
a) Information
b) Anerkennende Autonomie
2. Neutralität/Unabhängigkeit des Moderators
Literaturverzeichnis
Sachregister
Recommend Papers

Der moderierte Vertrag: Habilitationsschrift
 9783161599897, 9783161600883, 3161599896

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JUS PRIVATUM Beiträge zum Privatrecht Band 249

Tim Husemann

Der moderierte Vertrag

Mohr Siebeck

Tim Husemann, geboren 1980; Studium der Rechtswissenschaft in Osnabrück; Promotion und Habilitation an der Ruhr-Universität Bochum; Professurvertretung an der Universität Duisburg-Essen; derzeit Akademischer Rat a. Z. an der Universität Bochum. orcid.org/0000-0002-7706-0576

Gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft – 462268963. ISBN  978-3-16-159989-7 / eISBN 978-3-16-160088-3 DOI 10.1628/978-3-16-160088-3 ISSN  0940-9610 / eISSN 2568-8472 (Jus Privatum) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National­ bibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2021 Mohr Siebeck Tübingen. www.mohrsiebeck.com Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für die Verbreitung, Vervielfältigung, Über­ setzung und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Gulde Druck in Tübingen aus der Stempel Garamond gesetzt und auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt. Es wurde von der Buchbinderei Spinner in Ottersweier gebunden. Printed in Germany.

meinem lieben Großvater

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2019/2020 von der Juristischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum als Habilitationsschrift angenommen. Für die Veröffentlichung wurde sie auf den Stand von Dezember 2020 gebracht. Der erste Dank gilt meinem akademischen Lehrer, Prof. Dr. Jacob Joussen, dem ich für vieles Dank schulde, insbesondere aber für das in mich gesetzte Vertrauen. Prof. Dr. Klaus Schreiber hat mich auf meinem wissenschaftlichen Weg begleitet, dafür und für die schnelle Begutachtung dieser Arbeit danke ich ihm herzlich. Ich habe jedes Wort dieses Buches in meinem Büro an der Ruhr-Universität in Bochum geschrieben, weil ich mich dort immer sehr wohl gefühlt habe. Das hat nur einen Grund: Kolleginnen und Kollegen, die eine Atmosphäre kreiert haben, in der es sich gut arbeiten ließ und die mich ertragen haben, wenn ich trotzdem nicht arbeiten konnte oder wollte. Das werde ich Euch nicht vergessen. Danke. Mein erster Anruf galt ihm. Nach meinem geglückten Habilitationsvortrag am 10. Juni 2020 habe ich mich sofort gemeldet. Es war einer der letzten klaren Tage meines Großvaters, dessen Kräfte schwanden. Er war nicht selbst am Telefon, aber sein Zuruf durch das Zimmer genügte, um zu wissen, wie stolz er war. Dabei hätte er nicht mal rufen müssen, ich wusste es längst. Mit dem Stolz, den wohl nur empfinden kann, wer selbst in den Nachkriegsjahren gar keine Berufswahl hatte, begleitete er meinen Weg. Erst zum Gymnasium, dann zur Universität. Oft ließ er mich wissen, wie stolz er auf mein Abitur, den Studienabschluss und die Promotion war. Dass jetzt die Habilitation in Sicht war, bereitete ihm große Freude, wo es sonst viel Grund zur Sorge gab. Wenn alles geschafft war, wollte er zusammen mit meiner Großmutter eine große Party ausrichten. Jetzt ist alles geschafft. Aber mein lieber Opa hat die Veröffentlichung dieses Buches nicht mehr erlebt. Aber das heißt ja nicht, dass ich hier nicht von ihm erzählen könnte. Ich habe viel von ihm gelernt. Mein Großvater war Teil einer Familie, die man sich ja bekanntlich nicht aussucht, die ich mir aber so ausgesucht hätte. Meine herzlichen Großmütter, meine lieben Eltern, die beste kleine Schwester und mein guter Schwager sind mir Heimat und Basis für alles, was ich je geschafft habe.

VIII

Vorwort

Einige Menschen mehr verdienen hier Erwähnung. Weil sie mir in der Zeit, in der ich dieses Buch geschrieben habe, wertvolle Helfer und tolle Freunde waren. Weder Autor noch Buch wären möglich ohne Euch. Unter Freunden zählen keine Titel, nicht mal Nachnamen. Ich danke von Herzen: Ana Cristina, Anne-Katrin, Katharina, Nina-Annette, Alex, Andre, Darren, Kaffer, Manuel sowie Jakob und Ulrich. Der Deutschen Forschungsgemeinschaft danke ich für die Übernahme der Druckkosten. Bochum, im Frühjahr 2021

T.H.

Inhaltsübersicht Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII Inhaltsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XV Hinweis zu Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . X XXIV

A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 I. Begriff der Moderation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 II. Begriff des (zivilrechtlichen) Konflikts . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 1. Gegensatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 2. Rolle der Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 3. Verhandelnd zum Vertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 4. Das Zivilrechtliche des Konflikts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 III. Gang der Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8

B. Der moderierte Vertrag des zivilrechtlichen Konflikts . . . . . . 9 I. Mediator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 1. Der Mediatorvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 2. Charakteristika der Mediation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 3. Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 4. Der moderierte Vertrag in der Mediation . . . . . . . . . . . . . . 32 5. Mediator und moderierter Vertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 6. Mediator als Moderator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 II. Güterichter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 1. Die Einsetzung des Güterichters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 2. Die Moderation des Güterichters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 3. Mediator – Güterichter – Richter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 4. Charakteristika des Verfahrens vor dem Güterichter . . . . . . . 56 5. Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 6. Der moderierte Vertrag im Verfahren vor dem Güterichter . . . 87 7. Güterichter und moderierter Vertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 8. Güterichter als Moderator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 III. Prozessrichter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 1. Einsetzung des Prozessrichters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 2. Die Moderation des Prozessrichters . . . . . . . . . . . . . . . . . 102

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Inhaltsübersicht

3. Charakteristika der Güteverhandlung . . . . . . . . . . . . . . . . 117 4. Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 5. Der moderierte Vertrag in der Verhandlung vor dem Prozessrichter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 6. Prozessrichter und moderierter Vertrag . . . . . . . . . . . . . . . 136 7. Interesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 8. Der Richter als Moderator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 IV. Gerichtsvollzieher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 1. Die Einsetzung des Gerichtsvollziehers . . . . . . . . . . . . . . . 236 2. Die Moderation des Gerichtsvollziehers . . . . . . . . . . . . . . . 236 3. Charakteristika des Verfahrens vor dem Gerichtsvollzieher . . . 240 4. Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 5. Der moderierte Vertrag im Verfahren vor dem Gerichtsvollzieher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 6. Gerichtsvollzieher und moderierter Vertrag . . . . . . . . . . . . 253 7. Gerichtsvollzieher als Moderator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260

C. Der moderierte Vertrag – Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 I. Moderator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 1. Tätigkeit des Moderators: die Moderation . . . . . . . . . . . . . . 262 2. Unabhängigkeit und Neutralität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 3. Freiwilligkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 4. Interesse am Vertragsschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 5. Nicht verbindend: Vertraulichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 II. Der moderierte Vertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 1. Der Moderator als der beteiligte Unbeteiligte . . . . . . . . . . . . 268 2. Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 3. Der moderierte Vertrag in der Evolution des Rechts . . . . . . . . 270

D. Weitere moderierte Verträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 I. Bedeutung und Konkretisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 1. Das Verbraucherstreitbeilegungsverfahren . . . . . . . . . . . . . 277 2. Täter-Opfer-Ausgleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 3. Beratung nach §  17 Abs.  2 SGB VIII . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 4. Gütlicher Ausgleich der Einigungsstelle nach dem UWG . . . . 327 II. Vermittlung und Moderation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 1. Vermittlung durch die Bundesagentur für Arbeit . . . . . . . . . 338 2. Notarielle Vermittlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344 3. Maklerische Vermittlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371 III. Abgrenzung und Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 386 1. Abgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 386

Inhaltsübersicht

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2. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 390

E. Die Legitimation des moderierten Vertrags . . . . . . . . . . . . . 396 I. Die Legitimation des Urteils durch Verfahren . . . . . . . . . . . . . 397 1. Die heimliche Theorie des Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . 398 2. Voraussetzungen für die heimliche Theorie des Verfahrens . . . 398 3. Legitimation des Urteils durch Richtigkeitschance . . . . . . . . 401 4. Legitimation durch subjektive Verfahrensgerechtigkeit . . . . . . 403 5. Zum Verhältnis der Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 405 II. Die Legitimation des Vertrags durch Verfahren . . . . . . . . . . . . 406 1. Legitimation durch Selbstbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . 406 2. Legitimation durch Richtigkeitsgewähr . . . . . . . . . . . . . . . 408 3. Zum Verhältnis der Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 409 4. Absicherung der Legitimation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 410 III. Die Legitimation des moderierten Vertrags . . . . . . . . . . . . . . . 411 1. Die gesteigerte Legitimation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 411 2. Grundlagen der gesteigerten Legitimation des moderierten Vertrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 412 3. Gefahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 419 4. Voraussetzungen und deren Absicherung . . . . . . . . . . . . . . 420

F. Absicherung der gesteigerten Legitimation . . . . . . . . . . . . . . 421 I. Legitimation und Vertragstypus, §  779 BGB . . . . . . . . . . . . . . 422 1. Der moderierte Vertrag als Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . 422 2. Unwirksamkeitsgrund als Schutz vor Manipulation . . . . . . . . 429 3. Ergebnis: Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 431 II. Täuschen und Drohen, §  123 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 432 1. Täuschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 433 2. Drohung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 447 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 466 4. Die juristische Mehrdimensionalität . . . . . . . . . . . . . . . . . 467 III. Verhandelnd zum moderierten Vertrag, §  311 Abs.  2 BGB . . . . . . 469 1. Bedeutung für den moderierten Vertrag . . . . . . . . . . . . . . . 469 2. Vorgaben für die Vertragsverhandlung . . . . . . . . . . . . . . . . 474 3. Das Gebot fairen Verhandelns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 478 IV. Geschäftsgrundlage und Legitimation, §  313 BGB . . . . . . . . . . 519 1. „Umstände oder Vorstellungen, die zur Grundlage des Vertrages geworden sind“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 520 2. Objektive vs. subjektive Geschäftsgrundlage . . . . . . . . . . . . 522 3. Schwerwiegende Veränderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 523

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Inhaltsübersicht

4. Kein oder anderer Vertragsschluss bei vorhergesehener Veränderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 524 5. Unzumutbarkeit des Festhaltens am Vertrag . . . . . . . . . . . . 524 6. Ergebnis Geschäftsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 547 V. Missbrauchskontrolle und moderierter Vertrag, §§  138, 242 BGB . . 548 1. Bedeutung der Moderation für die Selbstbestimmung . . . . . . . 548 2. Übertragbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 554 3. Sittenwidrigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 557 4. Die verwerfliche Gesinnung und ihre Vermutung . . . . . . . . . 559 5. Bedeutung für die Moderation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 561 VI. Rechtliche Absicherung der gesteigerten Legitimation . . . . . . . . 564

G. Das Bewegliche System des moderierten Vertrags . . . . . . . . . 566 I. Das Bewegliche System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 567 1. Die drei Thesen des Beweglichen Systems . . . . . . . . . . . . . 568 2. Die Elemente des Beweglichen Systems . . . . . . . . . . . . . . . 569 3. Zur Funktionsweise des Beweglichen Systems . . . . . . . . . . . 579 4. Kriterien eines guten Verhandlungsergebnisses . . . . . . . . . . . 584 II. Das Bewegliche System des moderierten Vertrags . . . . . . . . . . . 586 1. Zu den einzelnen Elementen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 587 2. Zur Funktionsweise des Beweglichen Systems des moderierten Vertrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 592 III. Vorschlag einer gesetzlichen Normierung des moderierten Vertrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 592 1. Inhalt der Vorschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 593 2. Begründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 593

H. Schluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 602 I. Der moderierte Vertrag als Rechtsphänomen . . . . . . . . . . . . . . 602 1. Moderation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 602 2. Das Interesse des Moderators . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 606 II. Die gesteigerte Legitimation des moderierten Vertrags . . . . . . . . 606 1. Öffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 607 2. Subjektive Verfahrens- und Vertragsgerechtigkeit . . . . . . . . . 607 3. Verstärkung der Richtigkeitsgewähr . . . . . . . . . . . . . . . . . 608 4. Garant der Selbstbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 609 III. Absicherung der Legitimation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 609 1. Keine ausreichende Absicherung der gesteigerten Legitimation . 610 2. Folge der fehlenden Absicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 611

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IV. Das Bewegliche System des moderierten Vertrags . . . . . . . . . . . 611 1. Informierte und anerkennende Autonomie . . . . . . . . . . . . . 612 2. Neutralität/Unabhängigkeit des Moderators . . . . . . . . . . . . 613

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 615 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 645

Inhaltsverzeichnis Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII Inhaltsübersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX Hinweis zu Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . X XXIV

A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 I. Begriff der Moderation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 II. Begriff des (zivilrechtlichen) Konflikts . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 1. Gegensatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 2. Rolle der Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 3. Verhandelnd zum Vertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 4. Das Zivilrechtliche des Konflikts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 III. Gang der Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8

B. Der moderierte Vertrag des zivilrechtlichen Konflikts . . . . . . 9 I. Mediator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 1. Der Mediatorvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 a) Die Moderation des Mediators . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 b) Aussagen des MedG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 c) Die Tätigkeit des Mediators . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13

2. Charakteristika der Mediation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 a) Freiwilligkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 b) Neutralität und Unabhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 aa) Neutralität vs. Allparteilichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 bb) Neutralität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 cc) Unabhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 dd) Realisierung von Neutralität und Unabhängigkeit . . . . . . 25 c) Vertraulichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 d) Realisierung der Vertraulichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28

3. Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 a) Haftungsgrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 b) Schaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32

4. Der moderierte Vertrag in der Mediation . . . . . . . . . . . . . . 32

XVI

Inhaltsverzeichnis

5. Mediator und moderierter Vertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 a) Motivation des Gesetzgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 b) Eingriff in die Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 c) Interesse des Mediators . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38

6. Mediator als Moderator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 II. Güterichter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 1. Die Einsetzung des Güterichters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 2. Die Moderation des Güterichters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 a) Aussagen des §  278 Abs.  5 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 aa) Gesetzgebungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 bb) Mediation vs. Methodenvielfalt . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 (1) Mediation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 (2) Methodenvielfalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 b) Die güterichterliche Tätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 aa) Transparenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 bb) Ausrichtung am Parteiinteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 cc) Lösungsvorschläge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51

3. Mediator – Güterichter – Richter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 a) Güterichter und Mediator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 b) Güterichter und Richter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 c) Kristallisationspunkt Einzelgespräch . . . . . . . . . . . . . . . . 54

4. Charakteristika des Verfahrens vor dem Güterichter . . . . . . . 56 a) Freiwilligkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 b) Neutralität und Unabhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 aa) Erfordernis von Neutralität und Unabhängigkeit . . . . . . 58 bb) Realisierung von Neutralität und Unabhängigkeit . . . . . . 59 cc) Unabhängigkeit aus Richtersicht . . . . . . . . . . . . . . . . 61 c) Vertraulichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 d) Realisierung der Vertraulichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 aa) Gerichtsakte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 (1) Kein Eingang in die Prozessakte . . . . . . . . . . . . . . 64 (2) Kein Ausgang aus der Prozessakte . . . . . . . . . . . . . 66 (a) Einsichtnahme durch die Parteien . . . . . . . . . . . 67 (b) Einsichtnahme durch Dritte . . . . . . . . . . . . . . 68 bb) Vorbringen im späteren Prozess . . . . . . . . . . . . . . . . 70 (1) Aussage des Güterichters . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 (a) Amtsverschwiegenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 (b) Aussagegenehmigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 (c) Anzeigepflicht von Straftaten . . . . . . . . . . . . . 74 (d) Ausreichender Schutz der Vertraulichkeit . . . . . . . 76 (2) Aussage der Parteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 (a) Vertraulichkeitsabrede . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 (b) Wirkung der Vertraulichkeitsabrede . . . . . . . . . . 78 (c) Beweisverwertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80

Inhaltsverzeichnis

XVII

5. Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 a) Haftungsgrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 aa) Vertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 bb) Amtspflichtverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 (1) Beamter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 (2) Verletzung einer Amtspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . 82 cc) Privilegierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 (1) §  839 Abs.  1 Satz 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 (2) §  839 Abs.  2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 (3) Haftungsprivilegierung der Richter . . . . . . . . . . . . 84 (4) Haftungsprivilegierung der Güterichter . . . . . . . . . . 86 b) Schaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87

6. Der moderierte Vertrag im Verfahren vor dem Güterichter . . . 87 7. Güterichter und moderierter Vertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 a) Protokollierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 b) Ne ultra petita . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 c) Kräfteparität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 aa) Tätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 bb) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 cc) Gemeinsamer Ausgangspunkt: Kräfteungleichgewicht . . . 91 d) Herkunft des Ungleichgewichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 aa) Gründe für die Imparität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 bb) Kein Grund zum Eingreifen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 e) Eingriff in die Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 f) Interesse des Güterichters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94

8. Güterichter als Moderator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 III. Prozessrichter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 1. Einsetzung des Prozessrichters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 2. Die Moderation des Prozessrichters . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 a) Die Aussagen der ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 aa) §  139 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 (1) Kräftegleichgewicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 (2) Grenze der Unparteilichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . 109 bb) §  278 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 (1) „unter freier Würdigung aller Umstände“ . . . . . . . . . 112 (2) Ziel: gütliche Einigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 b) Die Tätigkeit des Prozessrichters . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 aa) Entscheidungsbezogene Vermittlung . . . . . . . . . . . . . 115 bb) Mediativer Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 cc) Mischformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116

3. Charakteristika der Güteverhandlung . . . . . . . . . . . . . . . . 117 a) Freiwilligkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 aa) Verfahrensbeginn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 bb) Verfahrensbeendigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119

XVIII

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b) Neutralität und Unabhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 aa) Auswirkung auf die Prozessleitung . . . . . . . . . . . . . . 121 bb) Bedeutung für die Vermittlungstätigkeit . . . . . . . . . . . . 121 cc) Kristallisationspunkt Einzelgespräch . . . . . . . . . . . . . 122 dd) Realisierung der Neutralität bzw. Unbefangenheit . . . . . . 122 (1) Klagerücknahme durch Kläger . . . . . . . . . . . . . . . 123 (2) Reaktionsmöglichkeiten des Beklagten . . . . . . . . . . 125 c) Vertraulichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 aa) Reichweite des Öffentlichkeitsgrundsatzes . . . . . . . . . . 126 bb) Dritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 cc) Prozessrichter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 dd) Parteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129

4. Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 a) Amtspflichtverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 b) Privilegierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 aa) Spruchrichterprivileg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 bb) Verweisungsprivileg und allgemeine Haftungsprivilegierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 cc) Schaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132

5. Der moderierte Vertrag in der Verhandlung vor dem Prozessrichter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 a) Moderierter Vertrag und Prozessvergleich im Sinne von §  794 Abs.  1 Nr.  1 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 aa) Moderierter Vertrag als Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . 133 bb) Vergleich als moderierter Vertrag . . . . . . . . . . . . . . . . 134 b) Moderierter Vertrag statt Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 c) Verhältnis von Vergleich und Urteil . . . . . . . . . . . . . . . . . 135

6. Prozessrichter und moderierter Vertrag . . . . . . . . . . . . . . . 136 a) Gesetzesbindung bei Vermittlungstätigkeit . . . . . . . . . . . . 137 b) Streitiges Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 aa) Unzulässige Klage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 bb) Unschlüssige Klage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 cc) Ne ultra petita . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 c) Materielles Vertragsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 aa) Manipulation durch Autorität . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 bb) Druckausübung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 cc) Kräftegleichgewicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 d) Insbesondere: Vergleichsvorschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 aa) Zulässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 bb) Rechtsbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 cc) Orientierung am streitigen Verfahren . . . . . . . . . . . . . 146 dd) Materielles Vertragsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 e) Die Protokollierung des moderierten Vertrags . . . . . . . . . . . 148 aa) Voraussetzungen für die Protokollierung . . . . . . . . . . . 149 bb) Folgen der Protokollierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151

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XIX

(1) §  127a BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 (a) Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 (b) Gesetzgeberische Intention . . . . . . . . . . . . . . . 153 (c) „Gesamtbereinigung strittiger Rechtsverhältnisse“ . 154 (d) Grundgedanken der §§  296, 495 Abs.  2 ZPO . . . . . 154 (e) Richterrechtlicher Ursprung . . . . . . . . . . . . . . 155 (2) Folgen der Folgen: Gilt das BeurkG, insbesondere §  17 BeurkG? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 (a) Entsprechende Anwendung . . . . . . . . . . . . . . . 159 (b) Hinreichende Vergleichbarkeit . . . . . . . . . . . . . 160 (c) Person . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 (d) Vermittlungssituation . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 (e) Vergleichbare Situation bei richterlicher Verhandlung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 (f) Beschränkung wegen des Schutzzwecks . . . . . . . 165 (g) Beschränkung der Übertragung auf Fälle der notwendigen Beurkundung? . . . . . . . . . . . . . . 166 (3) Sachnähere Lösung durch §  2 Abs.  6 MedG? . . . . . . . 167 (4) Geltung für den Güterichter . . . . . . . . . . . . . . . . 167 (5) „Gerichtlicher Vergleich“ … . . . . . . . . . . . . . . . . 168 (a) … im Sinne des §  925 Abs.  1 Satz 3 BGB . . . . . . . 168 (b) … im Sinne des §  14 Abs.  1 Nr.  8 TzBfG . . . . . . . . 169 (c) … im Sinne des §  3 Satz 2 MiLoG . . . . . . . . . . . 172 (d) … im Sinne des §  9 Satz 1 AEntG . . . . . . . . . . . 173 (6) §  794 Abs.  1 Nr.  1 ZPO/ §  795a ZPO . . . . . . . . . . . . 174 (7) Andere Verfahrensordnungen . . . . . . . . . . . . . . . 177 (8) Weitere Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 f) §  278 Abs.  6 ZPO: „besonderer Vertragsschluss“ und „besondere Protokollierung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 aa) „Besonderer Vertragsschluss“ gemäß §  278 Abs.  6 Satz 1 Alt.  2 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 (1) §  278 Abs.  6 Satz 1 Alt.  2 ZPO als Vertragsschluss durch Zustimmung zu Vertragstext . . . . . . . . . . . . 179 (a) Antrag/Annahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 (b) Zustimmung zum Vertragstext . . . . . . . . . . . . . 179 (c) §  278 Abs.  6 Satz 1 Alt.  2 ZPO als Vertragsschluss durch Zustimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 (2) Funktion des Richters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 (3) Übertragbarkeit auf alle moderierten Verträge? . . . . . 182 bb) „Besondere Protokollierung“ gemäß §  278 Abs.  6 Satz 1 Alt.  1 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 (1) §  278 Abs.  6 Satz 1 Alt.  1 ZPO als möglicher Fall sich kreuzender Angebote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 (a) Kreuzende Angebote . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 (b) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 (2) Funktion des Richters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188

XX

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(3) Notwendige Differenzierung . . . . . . . . . . . . . . . . 188 cc) Gilt §  127a BGB? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 (1) Unmittelbare Anwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 (2) Planwidrige Regelungslücke . . . . . . . . . . . . . . . . 190 (3) Vergleichbarkeit der Interessenlage . . . . . . . . . . . . 191 (a) Besonderer Vertragsschluss . . . . . . . . . . . . . . . 193 (b) Besondere Protokollierung . . . . . . . . . . . . . . . 193 (c) Zwischenergebnis/Auflösung der Diskrepanz . . . . 194 dd) Gilt §  126 BGB? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 ee) Gilt §  127 BGB? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 ff) Gilt das BeurkG, insbesondere §  17 BeurkG? . . . . . . . . . 200 gg) Gilt §  925 Abs.  1 Satz 3 BGB? . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 hh) Arbeitsrechtliche Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 (1) Gilt §  14 Abs.  1 Nr.  8 TzBfG? . . . . . . . . . . . . . . . . 204 (2) Bedeutung für die Moderation . . . . . . . . . . . . . . . 209 (3) Gilt §  3 Satz 2 MiLoG bzw. §  9 Satz 1 AEntG? . . . . . . 210 ii) §§  794 ZPO/795a ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 g) Die anderen Prozessordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 aa) Vertragsschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 bb) Ergänzende Anwendung von §  278 Abs.  6 ZPO . . . . . . . . 215 cc) Notarielle Beurkundung und Schriftform . . . . . . . . . . . 218 h) Güterichter und §  278 Abs.  6 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 i) Besonders angeordnete Funktion: die Sicherung von Drittinteressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 aa) §§  18 KapMuG und §  611 ZPO: der genehmigte Vergleich . . 220 (1) Musterverfahren in kapitalmarktrechtlichen Streitigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 (2) Musterfeststellungsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 (3) Angemessenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 bb) §  156 Abs.  2 FamFG: der gebilligte Vergleich . . . . . . . . . 225 cc) §  214a FamFG: der bestätigte Vergleich . . . . . . . . . . . . 226 dd) §  19 LwVfG: der genehmigte bzw. nicht beanstandete Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 (1) Genehmigungserfordernis . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 (2) Beanstandungsmöglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 (3) Richterliche Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230

7. Interesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 8. Der Richter als Moderator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 IV. Gerichtsvollzieher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 1. Die Einsetzung des Gerichtsvollziehers . . . . . . . . . . . . . . . 236 2. Die Moderation des Gerichtsvollziehers . . . . . . . . . . . . . . . 236 a) Die Aussagen der ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 b) Die Tätigkeit des Gerichtsvollziehers . . . . . . . . . . . . . . . . 238

3. Charakteristika des Verfahrens vor dem Gerichtsvollzieher . . . 240

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a) Freiwilligkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 aa) Durchführung der Zwangsvollstreckung . . . . . . . . . . . 241 bb) Beteiligung des Gerichtsvollziehers . . . . . . . . . . . . . . 242 cc) Parteivereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 b) Neutralität und Unabhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 c) Vertraulichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245

4. Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 a) Rechtsstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 b) Amtshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 c) Erinnerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247

5. Der moderierte Vertrag im Verfahren vor dem Gerichtsvollzieher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 a) Zahlungsaufschub und Ratenzahlung . . . . . . . . . . . . . . . . 248 b) Weitere moderierte Verträge, insb. Besicherung des Gläubigers . 251 aa) Besicherung des Gläubigers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 bb) Schuldneranreize . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252

6. Gerichtsvollzieher und moderierter Vertrag . . . . . . . . . . . . 253 a) Funktion im Rahmen der Widerspruchslösung . . . . . . . . . . 253 aa) Prüfungskompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 bb) Mitwirkung am Vertragsschluss im engeren Sinne . . . . . . 255 b) Rechtliche Qualifizierung der übrigen Vermittlungstätigkeit . . 258 c) Weitere Mitwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 aa) Leistungsentgegennahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 bb) Treuhänder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259

7. Gerichtsvollzieher als Moderator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260

C. Der moderierte Vertrag – Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 I. Moderator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 1. Tätigkeit des Moderators: die Moderation . . . . . . . . . . . . . . 262 2. Unabhängigkeit und Neutralität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 3. Freiwilligkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 a) Verhältnis der Parteien zum Moderator . . . . . . . . . . . . . . . 264 b) Die Freiwilligkeit des moderierten Vertrags . . . . . . . . . . . . 266

4. Interesse am Vertragsschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 5. Nicht verbindend: Vertraulichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 II. Der moderierte Vertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 1. Der Moderator als der beteiligte Unbeteiligte . . . . . . . . . . . . 268 a) Der Unbeteiligte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 b) Der beteiligte Unbeteiligte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269

2. Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 3. Der moderierte Vertrag in der Evolution des Rechts . . . . . . . . 270

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a) Zur Evolution des Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 b) Der moderierte Vertrag und reflexives Recht . . . . . . . . . . . . 271 aa) Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 bb) Reaktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 cc) Juristische Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 c) Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274

D. Weitere moderierte Verträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 I. Bedeutung und Konkretisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 1. Das Verbraucherstreitbeilegungsverfahren . . . . . . . . . . . . . 277 a) Der Streitmittler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 aa) Qualifikation des Streitmittlers . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 bb) Tätigkeit des Streitmittlers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 cc) Verbraucherschlichtungsstelle . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 b) Streitmittler vs. Verbraucherschlichtungsstelle . . . . . . . . . . . 282 c) Einsatz des Streitmittlers über die Streitschlichtungsstelle . . . . 283 d) Verhältnis der Parteien zur Schlichtungsstelle . . . . . . . . . . . 283 e) Die Tätigkeit des Streitmittlers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 aa) Richtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 bb) VSBG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 cc) Mediation und Schlichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 (1) Mediation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 (2) Schlichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 (3) (Weitere) Aussagen des VSBG . . . . . . . . . . . . . . . 287 (a) Die Verfahrensordnung, §  5 VSBG . . . . . . . . . . . 287 (b) Rechtliches Gehör, §  17 VSBG . . . . . . . . . . . . . 288 f) Charakteristika der Verbraucherschlichtung . . . . . . . . . . . . 289 aa) Freiwilligkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 bb) Unabhängigkeit und Unparteilichkeit . . . . . . . . . . . . . 292 cc) Realisierung von Neutralität und Unabhängigkeit . . . . . . 293 dd) Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 ee) Der moderierte Vertrag des Streitmittlers . . . . . . . . . . . 295 (1) Streitmittler und moderierter Vertrag . . . . . . . . . . . 295 (2) Rechtliche Einordnung des Schlichtungsvorschlags . . . 296 (3) Vorgaben des §  19 VSBG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 (a) Tatsachengrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 (b) Rechtsbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 (c) Standort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 (d) Die Vorschrift des §  19 Abs.  1 Satz 3 VSBG und das Prinzip der informierten Autonomie . . . . . . . . . 300 (e) Die Grenze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 (f) Folgen der informierten Autonomie . . . . . . . . . . 302 (g) Kritik an den Qualifikationsvorgaben . . . . . . . . . 303 (4) Vertragsschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 ff) Interesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305

Inhaltsverzeichnis

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g) Streitbeilegung als Moderation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306

2. Täter-Opfer-Ausgleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 a) Der Moderator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310 b) Die Moderation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 aa) Charakteristika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 bb) Vertraulichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 cc) Neutralität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 dd) Freiwilligkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 (1) Freiwilligkeit des Täters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 (2) Freiwilligkeit des Opfers . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 c) Der moderierte Vertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 d) Das Interesse der Ausgleichsstelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 e) Die Ausgleichstelle als Moderator . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317

3. Beratung nach §  17 Abs.  2 SGB VIII . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 a) Einsatz des Jugendamts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318 b) Die Moderation des Jugendamts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 c) Der moderierte Vertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 aa) Inhalt des Konzepts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322 bb) Der gerichtlich gebilligte Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . 322 cc) Charakteristika des Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 (1) Freiwilligkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 (2) Neutralität und Unabhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . 324 (3) Vertraulichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 d) Das Jugendamt als Moderator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326

4. Gütlicher Ausgleich der Einigungsstelle nach dem UWG . . . . 327 a) Die Einigungsstelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 b) Die Moderation der Einigungsstelle . . . . . . . . . . . . . . . . . 328 aa) Die Aussagen des UWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329 bb) Charakteristika des Verfahrens vor der Einigungsstelle . . . 330 (1) Freiwilligkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 (a) Freiwilligkeit zum Verfahren . . . . . . . . . . . . . . 331 (b) Freiwilligkeit im Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . 332 (2) Unabhängigkeit und Neutralität . . . . . . . . . . . . . . 333 c) Interesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 d) Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334 e) Der moderierte Vertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335 aa) Vertragstyp – Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335 bb) Zwangsvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336 cc) Einigungsstelle als Moderator . . . . . . . . . . . . . . . . . 337

II. Vermittlung und Moderation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 1. Vermittlung durch die Bundesagentur für Arbeit . . . . . . . . . 338 a) §  35 SGB III . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 b) §  112 Abs.  2 Satz 1 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339 aa) Ausgangssituation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340

XXIV

Inhaltsverzeichnis

bb) Interessenausgleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340 cc) Sozialplan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341 dd) Moderation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341 ee) Freiwilligkeit und ihre Dimensionen . . . . . . . . . . . . . . 343 (1) Betriebspartner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343 (2) Vermittler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343 (3) Die Arbeitsagentur als Vermittler . . . . . . . . . . . . . 344

2. Notarielle Vermittlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344 a) Notar und vorsorgende Rechtspflege . . . . . . . . . . . . . . . . 344 aa) Die beurkundende Tätigkeit des Notars . . . . . . . . . . . . 345 bb) Die notartypische Moderation: „Der neutrale Entwurf“ . . 346 cc) Die Kardinalspflichten des Notars . . . . . . . . . . . . . . . 347 (1) Klärung des Sachverhalts . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347 (2) Erforschung des wahren Willens . . . . . . . . . . . . . . 348 (3) Belehrung über die rechtliche Tragweite . . . . . . . . . 348 (4) Wiedergabe der Erklärungen . . . . . . . . . . . . . . . . 348 dd) Notar und moderierter Vertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . 349 ee) Soziale Bedeutung der Notarstätigkeit . . . . . . . . . . . . . 350 ff) Unterschied zum Richter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351 gg) Unterschied zur Moderation . . . . . . . . . . . . . . . . . . 352 hh) Der Notar und die vorsorgende Rechtspflege . . . . . . . . . 352 b) Der moderierende Notar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 352 aa) Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 353 bb) Einsetzung des Notars . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354 cc) Die Moderation des Notars . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354 (1) §  363 FamFG: Vermittlung . . . . . . . . . . . . . . . . . 354 (2) §  366 FamFG: vorbereitende Vereinbarungen . . . . . . . 356 (3) §  368 FamFG: Auseinandersetzungsplan . . . . . . . . . 356 dd) Charakteristika des Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . 357 (1) Freiwilligkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357 (2) Das Säumnisverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357 (3) Weitere Dimensionen der Freiwilligkeit der Parteien . . 360 (4) Unabhängigkeit und Neutralität . . . . . . . . . . . . . . 360 ee) Der moderierte Vertrag des Notars . . . . . . . . . . . . . . . 361 (1) Vorbereitende Vereinbarung und Auseinandersetzungsplan . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361 (a) Vorbereitende Vereinbarung . . . . . . . . . . . . . . 362 (b) Auseinandersetzungsplan . . . . . . . . . . . . . . . . 363 (2) Beurkundung und Bestätigung . . . . . . . . . . . . . . . 364 (a) Beurkundung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364 (b) Bestätigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365 (3) Kompetenzen des Moderators . . . . . . . . . . . . . . . 366 (a) Beurkundung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 366 (b) Bestätigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 366 (4) Weitere anwendbare Vorschriften: BeurkG vs. FamFG . 367 (5) Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369

Inhaltsverzeichnis

XXV

ff) Interesse des Notars . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369 gg) Der Notar als Moderator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 370

3. Maklerische Vermittlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371 a) Ausgangssituation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371 b) Einsatz des Maklers: Alleinauftrag . . . . . . . . . . . . . . . . . 372 c) Die Moderation des Maklers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 373 aa) §  652 BGB: Nachweis vs. Vermittlung . . . . . . . . . . . . . 374 bb) Nachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 374 cc) Vermittlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 374 dd) Doppeltätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375 ee) Der Handelsmakler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 377 d) Charakteristika der Moderation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 378 aa) Unabhängigkeit und Neutralität . . . . . . . . . . . . . . . . 378 (1) Preisverhandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 379 (2) Unparteilichkeit und Vertragsgestaltung . . . . . . . . . 380 (3) Aufklärungs- vs. Verschwiegenheitspflicht . . . . . . . . 381 (4) Weitere Dimension der Aufklärungspflicht . . . . . . . . 381 bb) Freiwilligkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 382 e) Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 382 f) Der moderierte Vertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383 g) Interesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 384 h) Makler als Moderator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 385

III. Abgrenzung und Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 386 1. Abgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 386 a) Schlichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 386 b) Schiedsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 388 c) Schiedsgutachten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 388

2. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 390 a) Moderator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 390 aa) Vermittlungstätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 391 bb) Einigungshilfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 391 cc) Unabhängigkeit und Neutralität . . . . . . . . . . . . . . . . 392 dd) Interesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 393 ee) Freiwilligkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 394 b) Der moderierte Vertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 394 aa) Der moderierte Vertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 394 bb) Rechtssoziologische Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . 395

E. Die Legitimation des moderierten Vertrags . . . . . . . . . . . . . 396 I. Die Legitimation des Urteils durch Verfahren . . . . . . . . . . . . . 397 1. Die heimliche Theorie des Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . 398 2. Voraussetzungen für die heimliche Theorie des Verfahrens . . . 398 a) Öffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 399

XXVI

Inhaltsverzeichnis

b) Verfahrensgerechtigkeit, insb. richterliche Neutralität und Unabhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 399 c) Absicherung dieser Legitimation . . . . . . . . . . . . . . . . . . 400

3. Legitimation des Urteils durch Richtigkeitschance . . . . . . . . 401 a) Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 401 b) Legitimation durch Richtigkeitschance . . . . . . . . . . . . . . . 402 aa) Richtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 402 bb) Chance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 402 c) Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 403

4. Legitimation durch subjektive Verfahrensgerechtigkeit . . . . . . 403 a) Voraussetzung der Legitimation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 404 b) Absicherung dieser Legitimation . . . . . . . . . . . . . . . . . . 405

5. Zum Verhältnis der Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 405 II. Die Legitimation des Vertrags durch Verfahren . . . . . . . . . . . . 406 1. Legitimation durch Selbstbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . 406 a) Konsequenz: stat pro ratione voluntas . . . . . . . . . . . . . . . 407 b) Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 407

2. Legitimation durch Richtigkeitsgewähr . . . . . . . . . . . . . . . 408 a) Legitimation durch Verhandeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 408 b) Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 409

3. Zum Verhältnis der Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 409 4. Absicherung der Legitimation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 410 III. Die Legitimation des moderierten Vertrags . . . . . . . . . . . . . . . 411 1. Die gesteigerte Legitimation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 411 2. Grundlagen der gesteigerten Legitimation des moderierten Vertrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 412 a) Öffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 413 b) Subjektive Verfahrens- und Vertragsgerechtigkeit . . . . . . . . . 414 c) Verstärkung der Richtigkeitsgewähr . . . . . . . . . . . . . . . . 415 d) Heimliche Theorie des Verfahrens/Garant der Selbstbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 416

3. Gefahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 419 4. Voraussetzungen und deren Absicherung . . . . . . . . . . . . . . 420

F. Absicherung der gesteigerten Legitimation . . . . . . . . . . . . . . 421 I. Legitimation und Vertragstypus, §  779 BGB . . . . . . . . . . . . . . 422 1. Der moderierte Vertrag als Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . 422 a) Streit oder Ungewissheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 423 aa) Streit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 423 bb) Ungewissheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 423 b) Rechtsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 424

Inhaltsverzeichnis

XXVII

c) Gegenseitiges Nachgeben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 424 aa) Bereitschaft zur Moderation als Nachgeben . . . . . . . . . . 426 bb) Gegenseitigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 428 d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 429

2. Unwirksamkeitsgrund als Schutz vor Manipulation . . . . . . . . 429 a) Sachverhalt entspricht nicht den Tatsachen . . . . . . . . . . . . . 430 b) Streit oder Ungewissheit wäre bei Kenntnis der Sachlage nicht entstanden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 430

3. Ergebnis: Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 431 II. Täuschen und Drohen, §  123 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 432 1. Täuschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 433 a) Täuschung durch Unterlassen (Verschweigen) . . . . . . . . . . . 434 b) Die Täuschung durch den Nicht-Vertragspartner . . . . . . . . . 435 c) Dritter im Sinne des §  123 Abs.  2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . 436 aa) Ausgangssituation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 436 bb) Herkunft und Folge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 436 cc) Dritter bzw. Nicht-Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 437 (1) Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 438 (2) Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 438 (3) Nicht-Dritter als Erfüllungsgehilfe . . . . . . . . . . . . 438 (4) Nicht-Dritter als Lagerzugehöriger . . . . . . . . . . . . 439 (5) Nicht-Dritter als Unbeteiligter . . . . . . . . . . . . . . . 439 (6) Nicht-Dritter aus neuer Perspektive . . . . . . . . . . . . 440 (7) Kombinationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 440 dd) Moderator als Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 440 (1) Makler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 441 (2) Makler als Nicht-Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . . . 441 (3) Makler als Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 441 ee) Moderator als Dritter – Anwendung des §  123 Abs.  2 BGB . 442 (1) Empfangsbedürftigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 442 (2) Kenntnis bzw. fahrlässige Unkenntnis . . . . . . . . . . . 444 d) Anfechtung bei Täuschung durch den Moderator . . . . . . . . . 444 e) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 446 f) Doppeltäuschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 446

2. Drohung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 447 a) Drohung durch Dritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 447 aa) Einschränkungen bei der Drohung durch Dritte . . . . . . . 447 bb) Verletzung von Schutzobliegenheiten . . . . . . . . . . . . . 448 cc) Weitere Einschränkungen/subjektive Voraussetzungen der Drohung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 450 dd) Finalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 450 b) Drohung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 450 aa) Warnung/Hinweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 451 bb) Überrumpelung und Zeitdruck . . . . . . . . . . . . . . . . . 454

XXVIII

Inhaltsverzeichnis

cc) Drohung mit einem künftigen Übel . . . . . . . . . . . . . . 455 dd) Subjektiver Tatbestand der Drohung . . . . . . . . . . . . . . 456 ee) Widerrechtlichkeit der Drohung . . . . . . . . . . . . . . . . 457 (1) Strafrechtliche Wertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 457 (2) Zivilrechtliche Bestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . 459 (a) Mittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 459 (b) Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 462 (c) Zweck-Mittel-Relation . . . . . . . . . . . . . . . . . 464 (d) Konnexität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 464 (3) Vorstellung des Drohenden/subjektive Seite der Rechtswidrigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 466 (4) Doppeldrohung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 466

3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 466 4. Die juristische Mehrdimensionalität . . . . . . . . . . . . . . . . . 467 a) Das Verhältnis zwischen Moderator und Partei . . . . . . . . . . 467 b) Verhältnis zwischen den Parteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . 468

III. Verhandelnd zum moderierten Vertrag, §  311 Abs.  2 BGB . . . . . . 469 1. Bedeutung für den moderierten Vertrag . . . . . . . . . . . . . . . 469 a) Warum §  311 Abs.  2 und nicht Abs.  3? . . . . . . . . . . . . . . . . 470 b) Schutz vor Manipulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 471 aa) Interesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 471 bb) Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 471 c) Verortung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 472 d) Anwendbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 473 e) Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 474

2. Vorgaben für die Vertragsverhandlung . . . . . . . . . . . . . . . . 474 a) Überrumpelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 475 b) Arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge . . . . . . . . . . . . . . . 476

3. Das Gebot fairen Verhandelns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 478 a) Rechtlicher Standort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 478 b) Inhalt des Gebots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 479 c) Betriebsverfassungsrechtliche Annäherung . . . . . . . . . . . . 480 d) Privatautonomer/vertragstheoretischer Ansatz . . . . . . . . . . 481 aa) Die erste Dimension: die Selbstbestimmung im Sinne der Privatautonomie eines Vertragspartners . . . . . . . . . . 482 (1) Unangemessenheit der Vereinbarung . . . . . . . . . . . 483 (a) Vertragsgerechtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 484 (b) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 484 (2) Strukturelle Unterlegenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . 484 (a) Die Richtigkeitsgewähr des Vertragsschlusses . . . . 485 (b) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 485 (3) Fallgruppen der Imparität . . . . . . . . . . . . . . . . . . 486 (a) Personenbedingte Imparität . . . . . . . . . . . . . . 487 (b) Situationsbedingte Imparität . . . . . . . . . . . . . . 488

Inhaltsverzeichnis

XXIX

(c) Summa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 489 bb) Die zweite Dimension: It takes two to tango . . . . . . . . . 490 (1) Vertragsfreiheit vs. Vertragsgerechtigkeit . . . . . . . . . 490 (2) Vertragsfreiheit vs. Selbstbestimmung vs. Vertragsgerechtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 491 (3) Folgerungen für das Gebot der fairen Verhandlung . . . 491 cc) Die dritte Dimension: der beteiligte Unbeteiligte als Garant der Selbstbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 492 e) Undue influence . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 493 aa) Begriff und Zweck der undue influence . . . . . . . . . . . . 495 bb) Der Ansatz „undue influence“ . . . . . . . . . . . . . . . . . 496 cc) Die Einteilung in Kategorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . 497 (1) Class 1: actual undue influence . . . . . . . . . . . . . . . 498 (2) Class 2: presumend undue influence . . . . . . . . . . . . 499 (3) Class 2A: special relationship . . . . . . . . . . . . . . . . 500 (4) Class 2B: Evidential undue influence: other cases established on the facts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 501 dd) Ziel und Inhalt der Vermutungsregel . . . . . . . . . . . . . . 502 (1) Manifest disadvantage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 503 (2) Explicable by relationship . . . . . . . . . . . . . . . . . . 504 (3) Gegenbeweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 505 (4) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 506 ee) Kriterienkatalog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 506 (1) Zusammenwirken der Kriterien . . . . . . . . . . . . . . 508 (2) Kriterienkatalog in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . 509 (3) OLG Hamm: Unwirksamkeit des Erbteilverzichts . . . 509 (4) Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 510 (5) Undue influence im trilateralen Verhältnis . . . . . . . . 512 (6) Dreidimensionale undue influence . . . . . . . . . . . . . 513 (7) Übertragung auf die Situation der Moderation . . . . . . 516 (8) Undue influence und Legitimation durch Moderation . . 517 ff) Das Gebot des fairen Verhandelns . . . . . . . . . . . . . . . 518 f) Ergebnis zu §  311 Abs.  2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 518

IV. Geschäftsgrundlage und Legitimation, §  313 BGB . . . . . . . . . . 519 1. „Umstände oder Vorstellungen, die zur Grundlage des Vertrages geworden sind“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 520 2. Objektive vs. subjektive Geschäftsgrundlage . . . . . . . . . . . . 522 3. Schwerwiegende Veränderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 523 4. Kein oder anderer Vertragsschluss bei vorhergesehener Veränderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 524 5. Unzumutbarkeit des Festhaltens am Vertrag . . . . . . . . . . . . 524 a) Äquivalenzstörung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 525 b) Zweckstörung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 525 c) Zurechenbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 526

XXX

Inhaltsverzeichnis

d) Vorhersehbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 526 e) Risikoverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 527 aa) Vertragliche Risikoübernahme . . . . . . . . . . . . . . . . . 528 bb) Gesetzliche Risikoverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 530 f) Wertungsgrundlage und Richtigkeitsgewähr . . . . . . . . . . . . 532 aa) Vertragsmechanismus und Wertungsgrundlage . . . . . . . . 532 bb) Vertragsmechanismus und Wertungsmomente . . . . . . . . 533 cc) Folge des Vertragsmechanismus: Richtigkeit . . . . . . . . . 534 dd) Fehlen bei Moderation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 534 ee) Fehlen der Wertungsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . 536 ff) Rückausnahme: Erheblichkeit und Verkehrssicherheit . . . . 536 gg) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 537 g) Gerechtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 537 aa) Die Gerechtigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 538 bb) Die austeilende Gerechtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 538 cc) Gerechtigkeit als Fairness . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 539 dd) Gerechtigkeit als Fairness und Moderation . . . . . . . . . . 540 ee) Die ausgleichende Gerechtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . 542 ff) Der Moderator und der Schlichter . . . . . . . . . . . . . . . 543 gg) Zwischenergebnis Gerechtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . 545 h) Öffentliche Interessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 546

6. Ergebnis Geschäftsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 547 V. Missbrauchskontrolle und moderierter Vertrag, §§  138, 242 BGB . 548 1. Bedeutung der Moderation für die Selbstbestimmung . . . . . . . 548 a) Machtmissbrauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 550 b) Kollusion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 550 c) Missbrauch der Vertretungsmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 551 d) Machtmissbrauch und Moderation . . . . . . . . . . . . . . . . . 553

2. Übertragbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 554 a) Vergleichbarkeit des Verhaltens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 554 b) Untreue . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 554 c) Rechtlich-situative Vergleichbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 555 d) Rechtsgutorientierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 556 e) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 556 f) Konfliktlösungsmonopol . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 556

3. Sittenwidrigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 557 4. Die verwerfliche Gesinnung und ihre Vermutung . . . . . . . . . 559 a) Die verwerfliche Gesinnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 559 b) Verwerfliche Gesinnung und Moderation . . . . . . . . . . . . . 559 c) Die Vermutung und ihre Widerlegbarkeit . . . . . . . . . . . . . 560 d) Dogmatische Grundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 560 e) Funktionsweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 560

5. Bedeutung für die Moderation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 561 a) Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 561

Inhaltsverzeichnis

XXXI

b) Gegenargumentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 562 c) Bedeutung für die Moderation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 563 d) Verwerfliche Gesinnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 563 e) Vermutungsregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 563

VI. Rechtliche Absicherung der gesteigerten Legitimation . . . . . . . . 564

G. Das Bewegliche System des moderierten Vertrags . . . . . . . . . 566 I. Das Bewegliche System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 567 1. Die drei Thesen des Beweglichen Systems . . . . . . . . . . . . . 568 a) Pluralitätsthese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 568 b) Abstufbarkeitsthese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 569 c) Abwägungsthese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 569

2. Die Elemente des Beweglichen Systems . . . . . . . . . . . . . . . 569 a) Bewegliche Systeme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 570 b) Das Bewegliche System des Normalvertrags . . . . . . . . . . . . 572 aa) Privatautonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 574 bb) Verkehrssicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 574 cc) Äquivalenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 575 dd) Stehen zum gegebenen Wort . . . . . . . . . . . . . . . . . . 576 c) Kritik und Ergänzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 577 aa) Öffentliche Interessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 577 bb) Wettbewerbsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 577 cc) Sozialstaatsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 578 dd) Funktionsweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 578

3. Zur Funktionsweise des Beweglichen Systems . . . . . . . . . . . 579 a) Abwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 579 b) Abwägungsregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 580 aa) Das elastische Band . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 580 bb) Orientierung an der Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . 581 cc) Von Röhren und Sandhaufen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 581 (1) Sandhaufentheorem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 581 (2) Kommunizierende Röhren . . . . . . . . . . . . . . . . . 583 (3) Wechselseitige Beeinflussung . . . . . . . . . . . . . . . . 584

4. Kriterien eines guten Verhandlungsergebnisses . . . . . . . . . . . 584 a) Zu den Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 585 aa) Vernünftig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 585 bb) Effizient und beziehungsverbessernd . . . . . . . . . . . . . 585 b) Zum Verhältnis der Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 585 c) Übertragbarkeit auf den moderierten Vertrag . . . . . . . . . . . 586

II. Das Bewegliche System des moderierten Vertrags . . . . . . . . . . . 586 1. Zu den einzelnen Elementen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 587 a) Informierte und anerkennende Privatautonomie . . . . . . . . . 588 b) Information . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 588

XXXII

Inhaltsverzeichnis

c) Anerkennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 589 d) Neutralität/Unabhängigkeit des Moderators . . . . . . . . . . . . 589 aa) Tätigkeit des Moderators . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 589 (1) Wechselwirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 590 (2) Garant der Selbstbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . 590 (3) Interesse des Moderators . . . . . . . . . . . . . . . . . . 590 bb) Erhöhte Legitimation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 590 cc) Inhalt und Abstufbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 591

2. Zur Funktionsweise des Beweglichen Systems des moderierten Vertrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 592 III. Vorschlag einer gesetzlichen Normierung des moderierten Vertrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 592 1. Inhalt der Vorschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 593 a) Bisher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 593 b) Vorschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 593

2. Begründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 593 a) Allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 593 b) Besonders . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 595 aa) „Zuhilfenahme“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 595 bb) „neutralen und unabhängigen Moderators“ . . . . . . . . . . 595 cc) „so kann jeder Teil vom Vertrag zurücktreten“ . . . . . . . . 596 dd) „die bei einem Richter die Ablehnung im Sinne des §  42 der Zivilprozessordnung begründen würden“ . . . . . . . . 596 (1) Der Schutz der Neutralität und Unabhängigkeit . . . . . 597 (2) Besorgnis der Befangenheit – Verfahren . . . . . . . . . . 597 (3) Besorgnis der Befangenheit – Prüfungsmaßstab und Funktionsweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 597 (4) Besorgnis der Befangenheit – Keine weitere Beweiserleichterung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 599 (5) Glaubhaftmachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 599 (a) Beweiserhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 600 (b) Beweismaß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 600 (c) Zweck: Geschwindigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . 600 ee) „Dies gilt nicht, wenn der Teil die konkreten Umstände kannte oder hätte kennen müssen.“ . . . . . . . . . . . . . . . 601

H. Schluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 602 I. Der moderierte Vertrag als Rechtsphänomen . . . . . . . . . . . . . . 602 1. Moderation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 602 a) Neutralität als Grenze . . . . . . . . . . . . . . . b) Der Moderator als Garant der Selbstbestimmung c) Vorwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Einigungshilfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . 603 . . . . . . . . . 603 . . . . . . . . . 604 . . . . . . . . . 604

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XXXIII

2. Das Interesse des Moderators . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 606 II. Die gesteigerte Legitimation des moderierten Vertrags . . . . . . . . 606 1. Öffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 607 2. Subjektive Verfahrens- und Vertragsgerechtigkeit . . . . . . . . . 607 3. Verstärkung der Richtigkeitsgewähr . . . . . . . . . . . . . . . . . 608 4. Garant der Selbstbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 609 III. Absicherung der Legitimation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 609 1. Keine ausreichende Absicherung der gesteigerten Legitimation . 610 2. Folge der fehlenden Absicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 611 IV. Das Bewegliche System des moderierten Vertrags . . . . . . . . . . . 611 1. Informierte und anerkennende Autonomie . . . . . . . . . . . . . 612 a) Information . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 612 b) Anerkennende Autonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 613

2. Neutralität/Unabhängigkeit des Moderators . . . . . . . . . . . . 613

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 615 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 645

Hinweis zu Abkürzungen Hinsichtlich der verwendeten Abkürzungen wird verwiesen auf Kirchner, Hildebert (Begr.): Abkürzungsverzeichnis der Rechtsprache, 9. Auflage, Berlin 2018

A. Einleitung Streiten ist out – Vertragen ist in. Das gilt heute mehr denn je. Die einvernehmliche Beilegung von Konflikten gewinnt rechtsübergreifend an Bedeutung.1 Wohl auch, weil sie durch das BVerfG geadelt wurde: „Eine zunächst streitige Problemlage durch eine einverständliche Lösung zu bewältigen, ist auch in einem Rechtsstaat grundsätzlich vorzugswürdig gegenüber einer richterlichen Strei­ tentscheidung.“2

Streitigkeiten nicht erst durch den Richterspruch entscheiden zu lassen, kann aus vielen Gründen sinnvoll sein. Konflikte verbrauchen finanzielle, zeitliche und ge­ sundheitliche Ressourcen.3 Das zeigt ein Blick in den Bereich außerhalb des Rechts: Konflikte verlaufen dynamisch in bestimmten, typischen Eskalationsstufen.4 In Konflikten ist die Eskalationssteuerung defizitär, Entscheidungen sind nur noch ein­ geschränkt rational. Die Wahrnehmung des jeweils anderen ist mit zunehmender Eskalation immer stärker verzerrt, die eigene Position wird verabsolutiert, Kommu­ nikation findet kaum noch statt und ist gestört.5 Mit anderen Worten: Wenn ein Konflikt eskaliert, leidet das Urteilsvermögen. 6 Neurobiologen berichten, dass mit zunehmender Eskalation die archaischen Bereiche des Gehirns das Kommando übernehmen. Diese kennen nur drei Verhaltensweisen: Angriff, Flucht oder Tot­ stellen.7 Keine dieser drei Optionen hilft weiter, wenn es darum geht, einen Konflikt einvernehmlich zu beenden. Gerichtsverfahren sind ein Eckpfeiler des Rechtsstaats und sichern durch den Schutz subjektiver Rechte den Rechtsfrieden. 8 Aber gerade

1  „Mediation, ADR (Alternative Dispute Resolution), Schlichtungsstellen, Ombudsstellen und Verbraucherstreitbeilegung haben in den letzten Jahren eine Konjunktur sondergleichen erlebt.“ Wolf, NJW 2015, 1656. 2  BVerfG v. 14.02.2007 – 1 BvR 1351/01, NJW-RR, 2007, 1073, 1074; zitiert u. a. von Unberath, in: Fischer/Unberath, Das neue Mediationsgesetz, S.  1, 10; und Eckstein, JuS 2014, 698. 3  Eckstein, JuS 2014, 698; nach Röhl, Rechtssoziologie, S.  479, wirken Konflikte auf den ersten Blick nur destruktiv, weil sie Unsicherheit schaffen, Werte vernichten und unproduktive Kosten verursachen. 4  Greger, in: Greger/Unberath/Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, Einl. Rn.  52. 5  Greger, in: Greger/Unberath/Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, Einl. Rn.  52. 6  Unberath, in: Fischer/Unberath, Das neue Mediationsgesetz, S.  1, 8. 7  Die Aussage des Neurobiologen Gerald Hüther ist wiedergegeben in ZEIT Wissen, Nr.  1, De­ zember 2013, Januar 2014, Dossier „Schwelende Konflikte“ von Caroline Schmidt, S.  54 ff., hier S.  58; ausf. zu den sogenannten destruktiven Konfliktwirkungen vgl. Weigel, Konfliktmanagement in der öffentlichen Verwaltung des aktivierenden Staates mit Transaktionsanalyse und transakti­ onsanalytisch fundierter Mediation, S.  60 ff. 8 Vgl. Risse, ZKM 2015, 75.

2

A. Einleitung

Gerichtsverfahren bewirken regelmäßig die weitere Eskalation des Konflikts,9 wes­ halb kontradiktorische Verfahren aktuell auch nur noch als Ultima Ratio der Kon­ fliktlösung gelten.10 In vielen Situationen und unterschiedlichen Rechtsgebieten werden den streiten­ den Personen daher immer häufiger Personen zur Seite gestellt, die beim Vertragen helfen sollen. Die rechtliche Bedeutung dieser Personen, die im Fortgang dieser Untersuchung „Moderator“ genannt werden, und besonders das Ergebnis (auch) ihrer Tätigkeit, der sogenannte „moderierte Vertrag“, der diesem Werk seinen Namen gibt, sind Gegen­ stand dieser Untersuchung. Aus der Perspektive des Rechts und hier besonders aus dem Blickwinkel des moderierten Vertrags als Ergebnis eines besonderen Moderati­ onsprozesses werden verschiedene Verfahren, die diesem Typus entsprechen, darge­ stellt und analysiert, auch und besonders im Hinblick auf verwandte Verfahren. Das geschieht, um eine Definition des moderierten Vertrags zu liefern, die rechtliche Be­ deutung aufzuzeigen und die Parameter, die das Bewegliche System des moderierten Vertrags beschreiben, herauszuarbeiten.

I. Begriff der Moderation Der Begriff der Moderation bzw. des Moderators ist – jedenfalls für den rechtswis­ senschaftlichen Bereich – nicht fest definiert, was insbesondere auch daran liegt, dass er durch den Gesetzgeber im Rahmen der Regelungen zur alternativen Konfliktlö­ sung keine Verwendung gefunden hat.11 Dementsprechend wird der Begriff teilweise synonym zur bloßen Diskussionsführung,12 teilweise auch synonym zur Mediati­ on13 verwandt. Vorliegend wird er als erster Ansatz für die nähere Beschreibung des Untersuchungsgegenstandes gewählt. Mit dem Begriff der Moderation lässt sich nämlich die im Rahmen der alternativen Konfliktlösung häufig vorkommende Situ­ ation beschreiben, die einerseits viele dieser neuen Verfahren verbindet und gleich­ zeitig noch nicht Gegenstand rechtswissenschaftlicher Betrachtung gewesen ist: das Zustandekommen eines Vertrags unter Beteiligung eines moderierenden Dritten. Nimmt man die Herkunft des Begriffs der Moderation, das lateinische Wort „mo­ deratio“ als Ausgangspunkt für eine begriffliche Annäherung, so ließe sich die Mo­ deration sowohl als „Regelung“ oder „Lenkung“, auch als „Mäßigung“ beschrei­ ben.14 Mit diesen Übersetzungen lässt sich bereits einiges an Klarheit gewinnen. So wurde eingangs schon beschrieben, dass mit zunehmender Eskalation des Konflikts die Kommunikation leidet. Die dann notwendige Hilfe besteht zunächst auch darin, 9 Vgl.

Greger, in: Greger/Unberath/Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, Einl. Rn.  3 f. Greger, in: Greger/Unberath/Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, Einl. Rn.  4. 11  Seifert, Moderation und Konfliktklärung, S.  35 setzt etwas die Begriffe Mediation und Mode­ ration gleich. 12  Rohde, AiB 2004, 165. 13  Seifert, Moderation und Konfliktklärung, S.  35; auch Thole, ZZP 127 (2014), 339, 341 spricht von einer häufig vorkommenden untechnischen Verwendung des Begriffs der Mediation. 14  Feldmann, Formen der alternativen Konfliktbeilegung im Spektrum, S.  34. 10 

I. Begriff der Moderation

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überhaupt erst mal eine Kommunikation zu vermitteln. Diese Vermittlung besteht dann eben in der Regelung und Lenkung des Gesprächs der Konfliktparteien.15 Die Beschreibung lässt sich durch den Begriff der Mäßigung noch ergänzen. Demzufolge ist die Moderation ein Verfahren, das die Kommunikation zwischen den Parteien unter der Beteiligung eines Dritten mäßigt, d. h. strukturiert und überschaubar hält.16 Der Moderator soll für alle Konfliktparteien gleichermaßen die Hebamme klarer Gedanken sein.17 Die Moderation lässt sich dabei zwischen der bloßen Ge­ sprächsleitung einerseits und der Mediation18 andererseits einordnen. Die bloße Gesprächsleitung kann weniger umfassen als die Moderation.19 Sie be­ inhaltet insbesondere nicht das Steuern bzw. die Strukturierung des Kommunikati­ onsprozesses20 hin zu einem von allen Teilnehmern der Diskussion getragenen Er­ gebnis.21 Das zu erreichen, stellt demgegenüber eine Aufgabe des Moderators dar, dessen wesentliche Eigenschaften zunächst in der Neutralität gegenüber dem Kon­ fliktthema sowie den Teilnehmern zu sehen ist. Diese Neutralitätsanforderung soll zur Folge haben, dass er nicht Partei ergreifen, sich keine Meinung zu eigen machen, alle Beiträge gleichwertig gelten zu lassen, niemanden zu bevorzugen, alle einzubin­ den, niemandem Recht oder Unrecht zu geben und nicht zu bewerten habe.22 Hier­ bei handelt es sich um Anforderungen, die in dieser Schärfe an eine Diskussionslei­ tung nicht zu stellen sind. Das dürfte ebenfalls für die aktive Gestaltung des Kom­ munikationsprozesses – ggf. unter Zuhilfenahme von Moderationstools23 – gelten, die von einer bloßen Diskussionsführung, anders als bei der Moderation, ebenfalls nicht erwartet wird.24 Stellt die Moderation damit ein „Mehr“ gegenüber der Gesprächsleitung dar,25 so beinhaltet sie weniger als die Mediation im Sinne des MedG. Die Mediation ist im Vergleich zur Moderation ein qualifizierteres Verfahren, 26 das über die Moderation hinaus weitere Ansätze zur Konfliktlösung enthält.27 So kann der Mediator in Absprache mit den Parteien einen eher moderierenden Media­ tionsstil wählen.28 Er ist hierauf jedoch nicht beschränkt, sondern kann demgegen­ über auch eine evaluierende Vorgehensweise wählen oder transformativ auf die Be­ teiligten einwirken.29 Berücksichtigt man ferner, dass die Mediation in einem Pha­ 15  Kracht/Rüssel, JA 2003, 725, 727 sprechen etwa von Steuerung der Kommunikation; Eckstein, JuS 2014, 698 von Kommunikationsüberbrückung. 16  Kracht/Rüssel, JA 2003, 725, 727. 17  Dieses Bild verwendet Klebert/Schrader/Straub, Moderationsmethode, S.  8 . 18  Zur Mediation siehe sogleich im Anschluss unter B.I. 19  Sperling/Wasseveld-Reinhold, Moderation, S.  8 . 20  Feldmann, Formen der alternativen Konfliktbeilegung im Spektrum, S.  34, mit Verweis auf Redlich, Konfliktmoderation in Gruppen, S.  36. 21  Sperling/Wasseveld-Reinhold, Moderation, S.  9. 22  Sperling/Wasseveld-Reinhold, Moderation, S.  12. 23  Dazu siehe etwa Sperling/Wasseveld-Reinhold, Moderation, S.  33 ff. 24  Sperling/Wasseveld-Reinhold, Moderation, S.  13. 25  Sperling/Wasseveld-Reinhold, Moderation, S.  9. 26  Greger, ZKM 2014, 140. 27  Siehe dazu später mehr unter B.I.1. 28  Man spricht dann von „facialitive mediation“, vgl. Behet, SchiedAZ 2007, 49. 29  Greger, in: Greger/Unberath/Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, §  1 MedG Rn.  5.

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A. Einleitung

senmodell ablaufen soll,30 so ist zu konstatieren, dass die Moderation gegenüber der Mediation das erheblich offener gestaltete Verfahren 31 mit einem geringeren Intensi­ tätsgrad ist,32 da vergleichbare Moderationsphasen nicht existieren. Neben der Einordnung zwischen Diskussionsführung und Mediation lässt sich für den Begriff der Moderation in Bezug auf diese Untersuchung zweierlei festhal­ ten. Der Person des Moderators geht es erstens darum, die – auch durch den Konflikt beeinträchtigte – Kommunikation wieder zu ermöglichen bzw. zu verbessern. Diese Tätigkeit als Kommunikationsmittler ist kein Selbstzweck. Sie dient – zweitens – nämlich dem Ziel, dass die Parteien ihren Konflikt durch eine einverständliche Rege­ lung lösen.33 Diese Lösung liegt aber dann in den Händen der Parteien.34 Die Tätig­ keit des Moderators ist auf die Hilfe bei der Kommunikation beschränkt. Er hat weder eine Entscheidungsgewalt noch schlägt er stets eine Lösung des Konflikts von sich aus vor.35 Es deutet sich an, dass der zwischen den Empfängern der Moderati­ onsleistung bestehende Konflikt eine zentrale Position bei der Beschreibung der Ausgangslage einnimmt.

II. Begriff des (zivilrechtlichen) Konflikts Das lässt sich schon mit dem Umstand belegen, dass die Moderationsleistung, wie sie soeben definiert wurde, gerade nicht um ihrer selbst willen, sondern regelmäßig auf­ grund eines zwischen den Parteien bestehenden Konflikts in Anspruch genommen wird. Dabei kann und soll es im Rahmen dieser Untersuchung nicht darum gehen, den Konfliktbegriff (erneut) zu bestimmen.36 Es sollen lediglich einige Aspekte vor­ ab thematisiert und ihre Bedeutung festgelegt werden. Hierzu gehören der soge­ nannte Gegensatz, der zwischen den am Konflikt beteiligten Akteuren besteht, ebenso wie die Rolle der Kommunikation und die – vorübergehende – Beschränkung auf zivilrechtliche Konflikte. Zum Konfliktbegriff existiert ein weites Meinungs­ spektrum, das von der Forderung einer bloßen Uneinigkeit bis hin zu Ansichten reicht, die dezidierte Verhaltensmuster verlangen, um zur Annahme eines Konflikts zu gelangen.37

30 

Vgl. hierzu nur Kracht/Rüssel, JA 2003, 725, 729; Eckstein, JuS 2014, 698, 699 f. Dürschke/Mayer-Metzner, SGb 2015, 69, 72. 32 So Greger, ZKM 2014, 140. 33  So auch Dürschke/Mayer-Metzner, SGb 2015, 69, 72 im Hinblick auf die Moderation des Gü­ terichters. 34  Greger, ZKM 2014, 140 formuliert, dass die Moderation nicht lösungs-, sondern lediglich ver­ fahrensbezogen sei. 35  Eckstein, JuS 2014, 698; nach Kracht/Rüssel, JA 2003, 725, 727 kommt dem Moderator zwar Verfahrensmacht zu, jedoch keine Gestaltungs- bzw. Ergebnismacht. 36  Zu den Darstellungen eines sozialen Konfliktes vgl. auch Glasl, Konflikmanagement – Ein Handbuch für Führungskräfte 2004, S.  14 ff.; Röhl, Rechtssoziologie – ein Lehrbuch, S.  4 43 ff. 37 So zutreffend Schmeing, Konfliktmanagement in Familienunternehmen, S.   30, siehe dort, S.  31 ff. auch für eine ausführlichere Darstellung zum Konfliktbegriff; zur großen Differenz der vielen verschiedenen Ansätze siehe auch Fleindl/Haumer, Der Prozessvergleich, Kap.  6 Rn.  29. 31 

II. Begriff des (zivilrechtlichen) Konflikts

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Für diese Untersuchung lässt sich der Begriff des Konflikts ganz allgemein be­ schreiben als Uneinigkeit oder Gegensätzlichkeit von Ideen, Zielen oder Interessen.38

1. Gegensatz Dieser hier als Gegensatz bezeichnete Faktor39 ist für den Konfliktbegriff im Sinne dieser Untersuchung von zentraler Bedeutung. Das wird deutlich, wenn man den Gegensatz vom bloßen Unterschied40 bzw. einer Differenz41 abgrenzt. Unterschiede bzw. Differenzen lösen – anders als Gegensätze – bei den Betroffenen nicht den Wunsch bzw. Willen nach Veränderung der Situation aus.42 Das gilt eben nur für Gegensätze, deren Charakteristikum gerade ist, dass ein bzw. mehrere Betroffene den Status quo nicht beibehalten möchten oder können, also eine Veränderung der Situation anstreben.43 Nur wenn dies der Fall ist, liegt ein Konflikt vor. Bloße Unter­ schiede oder Differenzen bilden nicht die Grundlage für einen Konflikt,44 der des­ halb auch definiert wird als eine „Interaktion zwischen Aktoren (Individuen, Grup­ pen, Organisationen usw.), wobei wenigstens ein Aktor eine Differenz bzw. Unver­ einbarkeit im Wahrnehmen und im Denken bzw. Vorstellen, Fühlen und im Wollen mit dem anderen Aktor in der Art erlebt, dass beim Verwirklichen dessen, was der andere Aktor denkt, fühlt oder will, eine Beeinträchtigung durch einen anderen Ak­ tor (bzw. mehrere) erfolge.“45 Diese Definition bedeutet negativ ausgedrückt, dass es nicht ausreicht, wenn zwei Parteien unterschiedliche Vorstellungen, Wahrnehmun­ gen oder Interessen haben. Es muss immer noch die Komponente der subjektiven Beeinträchtigung durch die andere Seite hinzukommen.46 Diese störende Eigen­ schaft des Gegensatzes dürfte dann auch der Antrieb für eine – oder mehrere – Be­ troffene sein, die Lösung des Konflikts mit Hilfe der Moderation zu finden. Weil diese aber gerade in der Kommunikationsmittlung besteht, ist zudem zu klären, wel­ che Funktion der Kommunikation im Konflikt an sich beizumessen ist. 38 

Siehe die Darstellung bei Glasl, in: Trenczek/Berning/Lenz, Mediation und Konfliktmanage­ ment, Kap.  2 Rn.  1; in diese Richtung ebenfalls Röhl, Rechtssoziologie, S.  488. 39  In Anlehnung an Weigel, Konfliktmanagement in der öffentlichen Verwaltung des aktivieren­ den Staates mit Transaktionsanalyse und transaktionsanalytisch fundierter Mediation, S.  47, der Begriff ist jedoch nicht abschließend und eindeutig besetzt; Luhmann, Soziale Systeme, S.  530 spricht in ähnlichem Zusammenhang etwa von Widerspruch. 40  So die Bezeichnung bei Weigel, Konfliktmanagement in der öffentlichen Verwaltung des akti­ vierenden Staates mit Transaktionsanalyse und transaktionsanalytisch fundierter Mediation, S.  47. 41  So die Bezeichnung bei Glasl, in: Trenczek/Berning/Lenz, Mediation und Konfliktmanage­ ment, Kap.  2 Rn.  1. 42  Vgl. auch Neupert, JuS 2020, 1097, 1098: Alleine kann man nicht streiten. 43  Weigel, Konfliktmanagement in der öffentlichen Verwaltung des aktivierenden Staates mit Transaktionsanalyse und transaktionsanalytisch fundierter Mediation, S.  49. 44  Weigel, Konfliktmanagement in der öffentlichen Verwaltung des aktivierenden Staates mit Transaktionsanalyse und transaktionsanalytisch fundierter Mediation, S.  47. 45  Glasl, in: Trenczek/Berning/Lenz, Mediation und Konfliktmanagement, Kap.  2 Rn.  2. 46  Marx, Mediation und Konfliktmanagement in der Sozialen Arbeit, S.  15; Weigel, Konfliktma­ nagement in der öffentlichen Verwaltung des aktivierenden Staates mit Transaktionsanalyse und transaktionsanalytisch fundierter Mediation, S.  47 möchte in seiner Definition demgegenüber eher auf die (auch nur gedachte) Abhängigkeit von der anderen Seite abstellen.

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A. Einleitung

2. Rolle der Kommunikation Luhmann stellt in seiner Definition des Konfliktbegriffs maßgeblich auf die Kom­ munikation ab, weil von Konflikten immer dann zu sprechen sei, wenn einer Kom­ munikation widersprochen, d. h. ein Widerspruch kommuniziert wird.47 Ein Kon­ flikt verlange zwei einander widersprechende Kommunikationen.48 Damit ist es die Kommunikation des Gegensatzes, die diesen von einem bloßen Interessengegensatz oder einer Widerspruchsklage unterscheiden und zu einem Konflikt machen soll.49 Unabhängig davon, welcher genauen Begriffsbildung man hier folgt oder gar Luhmann in seiner Annahme, Konflikte seien Kommunikationsprozesse,50 zustimmt, ist jedoch festzuhalten, dass Konflikte jedenfalls nicht das Versagen von Kommuni­ kation sind, weil Kommunikation in diesem Sinne nicht scheitern kann, da sie für sich weder gut noch schlecht ist.51 Eine Lösung des Konflikts durch eine Kommuni­ kation mittels bzw. mithilfe eines Moderators ist deswegen nicht schon begrifflich ausgeschlossen, im Gegenteil. Die Funktion des Moderators ist – auch – die eines Vermittlers im Konflikt. Denn das Vermitteln wird definiert als jede Tätigkeit eines Dritten, die darauf abzielt, Verhandlungen zwischen den Streitenden in Gang zu bringen, zu fördern und zu lenken, um auf diesem Wege den Streit zu beenden.52

3. Verhandelnd zum Vertrag Ein Interessenkonflikt53 wird typischerweise auf dem Verhandlungswege gelöst und endet in der juristischen Form des Vertrags.54 Dabei kennen die Vorschriften des BGB keine Besonderheiten für den Abschluss von Verträgen im Konflikt.55 Dies ist schon deshalb bemerkenswert, weil es sich bei der vertraglichen Konfliktlösung um die Situation eines bilateralen Monopols handelt.56 Man kann sich nämlich nicht aus­ suchen, mit wem man zur Konfliktbeendigung kontrahiert. Dass die Vertragsfreiheit aber nur bei einem ausreichend existierenden Wettbewerb voll funktioniert, davon war man schon bei Erlass des BGB überzeugt.57 Fehlt es im Konflikt also an Wettbe­ werb einerseits, so kommt andererseits der Moderator hinzu – jeweils im Vergleich zum „bilateralen Normalvertrag“. Auch in Bezug auf die Einschaltung von Dritten in Konflikten bestanden gesetzliche Vorgaben lange nur, sofern es um eine Rechtsbe­ 47 

Luhmann, Soziale Systeme, S.  530. Luhmann, Soziale Systeme, S.  530. 49 Vgl. Luhmann, Soziale Systeme, S.  531. 50  Luhmann, Soziale Systeme, S.  530. 51  So auch Weigel, Konflikmanagement in der öffentlichen Verwaltung des aktivierenden Staates mit Transaktionsanalyse und transaktionsanalytisch fundierter Mediation, S.  48. 52  Raiser, Grundlagen der Rechtssoziologie, S.  287; Röhl, Rechtssoziologie, S.  512; ähnlich Eckhoff, in: Hirsch/Rehbinder, Studien und Materialien zur Rechtssoziologie, S.  243, 255. 53  Im Übrigen lässt sich mit Röhl, Rechtssoziologie, S.  504 zwischen vier Formen des Konfliktes trennen; zu den Möglichkeiten der Differenzierung unterschiedlicher Konflikttypen vgl. Raiser, Grundlagen der Rechtssoziologie, S.  279 ff. 54  Röhl, Rechtssoziologie, S.  497; Löhner, Die freiwillige Streitschlichtung vor Gütestellen, S.  8 . 55  Breidenbach, Mediation, S.  210. 56  So zutreffend Wendenburg, KritV 2015, 33, 38. 57  Wendenburg, KritV 2015, 33, 38. 48 

II. Begriff des (zivilrechtlichen) Konflikts

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ratung oder eine Entscheidung des Dritten ging.58 Das gilt ebenso für die Verhand­ lungen, die die wichtigste Möglichkeit der zweiseitigen Konfliktlösung darstellen.59 Sie finden – mangels juristischer Vorgaben – im Schatten des Rechts statt. 60 Der Verhandlungsbegriff lässt sich für diese Untersuchung zunächst fassen als die auf eine Einigung abzielende Kommunikation zwischen zwei oder mehreren Partei­ en, deren Interessen sich teilweise gleichen, teilweise aber auch konträr oder unter­ schiedlich ausfallen können. 61 Diese Definition nimmt schon die Interessen der be­ troffenen Personen in den Blick. Bei rationalen Verhandlungen62 wird der Horizont des Rechts überschritten. 63 Das geschieht, in dem nicht nur auf der Basis von durch­ zusetzenden oder abzuwehrenden Anspruchsgrundlagen argumentiert wird, son­ dern zentraler danach gesucht wird, welche Lösung den Interessen aller Beteiligten möglichst gerecht wird. 64 Am Ende einer solchen Verhandlung steht dann – soweit sie erfolgreich ist – eine Einigung in der rechtlichen Form eines Vertrags.

4. Das Zivilrechtliche des Konflikts Auf diese Gemengelage trifft die vorliegende Untersuchung, die im folgenden ersten Teil – zunächst – den moderierten Vertrag des zivilrechtlichen Konflikts betrachtet. Gemeint ist damit nicht, dass der Konflikt einzig eine privatrechtliche Komponente hat. Gemeint ist damit lediglich, dass das Zivilrecht eine Aussage zum Thema des Konflikts enthält. Dieser Umstand ist den Akteuren bekannt, wobei gerade keine Einigkeit im Hinblick auf den Inhalt der Aussage des Gesetzes bestehen muss. Da­ mit ist eine erste Beschränkung verbunden, denn nicht alle Konflikte finden eine Antwort im Recht. 65 Für die Konflikte, zu denen Antworten im Recht existieren, hält dabei nicht das Privatrecht allein Antworten auf mögliche Konflikte bereit; die­ se bestehen – auch unter Beteiligung des Staates – und vor dem Hintergrund von straf- bzw. öffentlich-rechtlichen Normen. 66 Um allerdings die Bedeutung des mo­ derierten Vertrags orientiert am klassischen Ablauf einer zivilrechtlichen Auseinan­ dersetzung darstellen zu können, wird für den ersten Teil die Untersuchung auf das Privatrecht beschränkt.

58 

Breidenbach, Mediation, S.  211. Röhl, Rechtssoziologie, S.  511. 60 So Röhl, Rechtssoziologie, S.  514; nach Haft, in: FS Söllner, S.  391, 392, wird der Verhand­ lungsbegriff eher mit einer Art Verkäuferschulung verbunden, der einer ernsthaften Betrachtung durch die Rechtswissenschaft nicht wert wäre. 61  Löhner, Die freiwillige Streitschlichtung vor Gütestellen, S.  8 . 62  Zu den Verhandlungen auf und den Geschichten des Basars in Abgrenzung zum rationalen Verhandeln vgl. Haft, in: FS Söllner, S.  391, 395. 63  So formuliert Haft, in: FS Söllner, S.  391, 392. 64  Haft, in: FS Söllner, S.  391, 392. 65  Breidenbach, Mediation, S.  46; zur Ver- bzw. Entrechtlichung von Konflikten vgl. ders. Medi­ ation, S.  50 f.; vgl. auch Neupert, JuS 2020, 1097 ff. 66  Vgl. nur Weigel, Konfliktmanagement in der öffentlichen Verwaltung des aktivierenden Staa­ tes mit Transaktionsanalyse und transaktionsanalytisch fundierter Mediation. 59 

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A. Einleitung

III. Gang der Darstellung Damit ist für den Gang der Darstellung schon eine erste Weichenstellung vorgenom­ men: Um vor dem Hintergrund des geschilderten Verständnisses der Begriffe von Moderation und Konflikt dem Phänomen des moderierten Vertrags näher zu kom­ men, wird zunächst der Untersuchungsgegenstand weiter bestimmt. Das soll nicht aus heiterem Himmel geschehen. Zunächst werden einige der rechtlichen Konstella­ tionen beschrieben, die zur Entstehung eines moderierten Vertrags führen können. Dabei wird sich am klassisch-typischen Ablauf einer zivilrechtlichen Auseinander­ setzung orientiert, beginnend bei der vorgerichtlichen Kommunikation und endend beim Einsatz des Gerichtsvollziehers zur Durchsetzung eines titulierten Anspruchs. Die Analyse startet jeweils mit einer Betrachtung der Person des Moderators, genau­ er: seiner Tätigkeit, die ihn zum Moderator macht. Im Hinblick auf die Tätigkeit werden rechtliche Vorgaben untersucht und Charakteristika entwickelt. Darüber hinaus wird analysiert, wie sich eine ggf. existierende haftungsrechtliche Absiche­ rung auf den Inhalt der Tätigkeit auswirkt. Mit dem Perspektivwechsel vom Mode­ rator zum moderierten Vertrag wird dann jeweils untersucht, was diesen kennzeich­ net und welche Funktion dem Moderator diesbezüglich zukommt. Die Gelegenheit soll auch genutzt werden, die existierenden Probleme und Unklarheiten innerhalb der einzelnen Konstellationen herauszustellen und – vergleichend – zu beleuchten. Auf die Darstellung der (praxis-)relevanten Fälle des moderierten Vertrags folgt dann – als Vorarbeit zur näheren Betrachtung – eine genauere Definition des Unter­ suchungsgegenstands. Auf die Definition und ihre Merkmale aufbauend kann das bestehende Recht da­ raufhin untersucht werden, ob es bereits Lösungen für die in der Konstellation des moderierten Vertrags existierenden Probleme anbietet. Das gilt auch für die Nor­ men, die nicht unmittelbar für diese Konstellation geschaffen worden sind, deren normative Grundlage doch – im Hinblick auf die zuvor erarbeitete Definition des moderierten Vertrags – ausreichend vergleichbar ist. Schnell wird sich zeigen, dass eine Betrachtung des Moderators ohne die Untersuchung des moderierten Vertrags nicht sinnvoll ist, mehr noch: Die vertragsrechtlichen Thematiken des moderierten Vertrags hängen mit der Position des Moderators und den ihn treffenden Pflichten eng zusammen. Trotzdem ist die Unterscheidung zwischen der Person des Modera­ tors und dessen Tätigkeitsergebnis, dem moderierten Vertrag, sinnvoll für die Annä­ herung an beide Begrifflichkeiten und das Erarbeiten einer Definition. Dass eine solche Definition und die damit verbundene Schöpfung einer neuen juristischen Be­ grifflichkeit überhaupt notwendig sind, wird im Anschluss an die Definition mit der gesteigerten Legitimation des moderierten Vertrags und der rechtlichen Reaktion hierauf zu belegen sein. Diese Legitimation basiert auf einer anderen dogmatischen Grundlage als die des Normalvertrags. Dies wird deutlich am Beweglichen System des moderierten Vertrags, das dessen Fundament der rechtlichen Gültigkeit in Ab­ grenzung zum Normalvertrag erklärt und als Basis für einen Vorschlag zur Ergän­ zung des geltenden Rechts dient.

B. Der moderierte Vertrag des zivilrechtlichen Konflikts Legt man das eingangs geschilderte Verständnis der Moderation zugrunde, so exis­ tieren sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht eine ganze Reihe von Moderatoren. Ziel der folgenden Betrachtung ist es, eine Untersuchungsgrundlage zu schaffen und dabei aufzuzeigen, dass es sich lohnt, die Kategorie des – hier sogenannten – mo­ derierten Vertrags im Rahmen der Diskussion um die zum Teil neuen Modelle der alternativen Konfliktlösung1 näher zu betrachten, anstatt sich auf ein Verfahren zu konzentrieren.2 Gleichzeitig wird schnell klar werden, dass an verschiedenen Stellen des Rechts – alt und neu, zentral bzw. eher versteckt – Konstellationen existieren, die die Situation eines moderierten Vertrags beschreiben.

I. Mediator Anknüpfend an die „Vermittlung“ der Kommunikation durch den Moderator ist zu­ nächst der bereits angesprochene Mediator zu nennen.3 Auch die lateinische Her­ kunft des Wortes, der zufolge auch der Mediator als Vermittler zu verstehen ist,4 legt eine Betrachtung des Mediators nahe. Unter Bezugnahme des Gesetzgebers5 auf die eingangs zitierte Rechtsprechung des BVerfG wurde 2012 durch das Gesetz zur Förderung der Mediation und anderer

1 Alternative oder außergerichtliche Konfliktlösung wird definiert als Streitbeilegung unter Heranziehung eines neutralen Dritten, der den Einigungsversuch der Parteien in einem struktu­ rierten Prozess unterstützt, vgl. Ring, ZAP 2016, 623, 624; wegen des geringen tatsächlichen Erfolgs der alternativen Konfliktlösung schlägt Greger, ZKM 2017, 213 vor, von „autonomer Konfliktlö­ sung“ zu sprechen. 2  Dies ist nach Eberl-Borges, ErbR 2017, 590, 596 gerade in Deutschland häufig der Fall, hier fände eine verengte Diskussion statt, die zu oft allein auf das Mediationsverfahren konzentriert sei. Dies liegt auch am zu weiten, d. h. Fehlgebrauch, des Mediationsbegriffs, vgl. Prütting, MDR 2016, 965. 3  Es gibt auch eine Form der Verhandlungslösung, die als „Mediation ohne Mediator“ beschrie­ ben und als „Collaborative law“ bezeichnet wird. Dort soll gerade ohne die Hilfe einer Vermitt­ lungsperson eine Konfliktlösung gefunden werden vgl. die Darstellung bei Engel, Collaborative Law, passim. 4  „Mediation heißt Vermittlung“, Nistler, JuS 2010, 685. 5  BT-Drs. 17/5335, S.  11; zur Anhörung des MedG im BT vgl. auch Paul, ZKM 2011, 119 ff.

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B. Der moderierte Vertrag des zivilrechtlichen Konflikts

Formen der außergerichtlichen Konfliktbeilegung6 das MedG7 geschaffen,8 auch, um die Europäische Mediationsrichtline 2008/52/EG9 ins deutsche Recht umzusetzen.10 Sowohl die Mediation an sich als auch der Begriff des Mediators sind in §  1 MedG legal definiert.11 Die Vorschrift lautet: „§  1 Begriffsbestimmungen (1) Mediation ist ein vertrauliches und strukturiertes Verfahren, bei dem Parteien mithilfe eines oder mehrerer Mediatoren freiwillig und eigenverantwortlich eine einvernehmliche Bei­ legung ihres Konflikts anstreben. (2) Ein Mediator ist eine unabhängige und neutrale Person ohne Entscheidungsbefugnis, die die Parteien durch die Mediation führt.“

Die Definition der Mediation in §  1 Abs.  1 MedG liefert keinen klar konturierten Begriff.12 Die ungenauen Konturen setzen sich bei der Beschreibung des Mediators in §  1 Abs.  2 MedG fort.13 Die Vorschrift ist, auch vor dem Hintergrund der erstma­ ligen gesetzlichen Normierung, bewusst zurückhaltend formuliert und umschreibt kein klar umrissenes Berufsbild.14 Auch nach dem Erlass des MedG ist der Mediator kein geregelter Beruf und keine geschützte Bezeichnung.15 Insbesondere enthält §  1 MedG keine Verbotsnorm.16 Es gibt weiterhin kein gesetzliches Berufsbild für Me­ diatoren und dementsprechend auch keine Zulassungsvoraussetzungen für die Aus­ übung dieser Tätigkeit.17 Auch nach dem Erlass des MedG bleibt die Mediation im Kern schuldvertraglich bestimmt. Dabei sind innerhalb des Mediationsverfahrens drei Verträge zu unter­ scheiden: Mediationsabrede, Mediatorvertrag und Abschlussvereinbarung.18 Die Mediationsabrede ist eine vertragliche Vereinbarung der Parteien dahingehend, dass 6 

BGBl. I 2012, S.  1577. Hier wird die Abkürzung „MedG“ verwendet, die im Gegensatz zu „MediationsG“ ihren Na­ men auch verdient. 8  Ausführlich zur Entstehung des Gesetzes vgl. Zeitlmann, Alternative Konfliktlösung durch den Güterichter in der Sozialgerichtsbarkeit, S.  27 ff.; kritisch im Hinblick auf dessen tatsächlichen Erfolg, Greger, ZKM 2017, 213, zum philosophisch-historischen Hintergrund der Mediation: Duss-von Werdt, homo mediator. 9  Zur Entstehungeschichte der Mediationsrichtlinie vgl. Löhner, Die freiwillige Streitschlich­ tung vor Gütestellen, S.  24 f. 10 Vgl. BT-Drs. 17/5335, S.   1; zum Gesetzgebungsverfahren siehe auch die Darstellung bei Schmidbauer, ZKM 2012, 88 ff.; zur Umsetzung durch das Mediationsgesetz vergleiche Löhner, Die freiwillige Streitschlichtung vor Gütestellen, S.  35 f. 11  Härtling, in: Fischer/Unberath, Das neue Mediationsgesetz, S.  143; zum Fehlgebrauch des Be­ griffs vgl. Greger, ZKM 2015, 172. 12 Vgl. Greger, in: Greger/Unberath/Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, Einl. Rn.  34; dies gilt auch für die im UN-Übereinkommen zur internationalen Durchsetzung von Me­ diationsvergleichen gewählte Definition, vgl. hierzu Alexander, ZKM 2019, 161, 162 13  Vgl. auch HK-ZPO/Saenger, §  278a Rn.  6; Ahrens, NJW 2012, 2465, 2466. 14  Fritz, in: Fritz/Pielsticker, Mediationsgesetz, §  1 Rn.  33. 15  Greger, in: Greger/Unberath/Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, §  1 MedG Rn.  82. 16  Greger, ZKM 2012, 36. 17  Greger, ZKM 2012, 36. 18  Greger, in: Greger/Unberath/Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, §   1 MedG Rn.  131 ff.; Handbuch Mediation/Prütting, §  46 Rn.  3. 7 

I. Mediator

11

eine Mediation überhaupt stattfinden soll.19 Für die hiesige Untersuchung ist diese Abrede nur insoweit von Bedeutung, als dass sie überhaupt zur Mediations- und Moderationssituation führt. Von größerem Interesse sind der Mediatorvertrag und die Abschlussvereinbarung.

1. Der Mediatorvertrag Der Vertrag zwischen den Konfliktparteien und dem Mediator, der die Pflichten des Mediators gegenüber den Parteien – und vice versa – festlegt, wird überwiegend 20 Mediatorvertrag genannt.21 Aufgrund seines Inhalts wird der Mediatorvertrag als Grundgesetz der Mediation bezeichnet.22 Um welchen Vertragstyp es sich dabei genau handelt, ist umstritten.23 Häufig wird der Mediatorvertrag als entgeltliche Geschäftsbesorgung in Form eines Dienstver­ trags eingeordnet.24 Fehlt der für eine Geschäftsbesorgung im Sinne des §  675 Abs.  1 BGB erforderliche Vermögensbezug, so soll jedenfalls bei der entgeltlichen Tätigkeit ein Dienstvertrag im Sinne des §  611 BGB vorliegen, andernfalls ein Auftrag gemäß §  662 BGB.25 Dafür spricht, dass der Mediator keinen Erfolg der Mediation, etwa im Sinne eines Übereinkommens zwischen den streitenden Parteien, schuldet, sondern nur eine pflichtgemäße Handlung. Ihrer Struktur nach ähnelt die Pflicht des Medi­ ators damit der des Arztes oder des Prozessvertreters, da sie wie diese nicht erfolgs­ bezogen ist und der Mediator nur zur Tätigkeit de lege artis verpflichtet ist.26 Aus­ nahmsweise soll der Mediatorvertrag einen Geschäftsbesorgungsvertrag mit Werk­ vertragscharakter beinhalten (§§  675, 631 ff. BGB), wenn die Mediatortätigkeit auch die Herstellung einer Expertise beinhaltet.27 Der Vertrag mit einem anwaltlichen Mediator wurde vom BGH als mehrseitiger Anwaltsdienstvertrag im Sinne der §§  611 Abs.  1, 675 Abs.  1 BGB eingeordnet.28 Jedenfalls dürfte es sich bei der Media­ tion um eine höchstpersönliche Tätigkeit handeln.29 19 

Greger, in: Greger/Unberath/Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, §   1 MedG Rn.  142, vgl. dort auch die Nachweise zur umstrittenen Rechtsnatur; sowie Unberath, in: Fischer/ Unberath, Das neue Mediationsgesetz, S.  47, 54; das Muster einer Mediationsvereinbarung findet sich bei Schwarz, ZKM 2008, 111 ff. 20  Als Überbegriff für diese Verträge hat Friedrich, Die Konsensvereinbarung im Zivilrecht, S.  83, den Begriff der Konsensvereinbarung vorgeschlagen, der sich jedoch nicht durchgesetzt hat. 21  Handbuch Mediation/Prütting, §  46 Rn.  14; Handbuch Mediation/Hess, §  43 Rn.  34. 22  Handbuch Mediation/Kracht, §  12 Rn.  71. 23  Vgl. die Ausführungen hierzu bei Unberath, in: Fischer/Unberath, Das neue Mediationsge­ setz, S.  47, 56; Handbuch Mediation/Hess, §  43 Rn.  21 m. w. N. 24  Unberath, in: Fischer/Unberath, Das neue Mediationsgesetz, S.   47, 57 m. w. N.; Handbuch Mediation/Prütting, §  46 Rn.  15; Handbuch Mediation/Hess, §  43 Rn.  8. 25  Handbuch Mediation/Prütting, §  46 Rn.  15. 26  Greger, in: Greger/Unberath/Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, §  2 MedG Rn.  63. 27  Handbuch Mediation/Hess, §  43 Rn.  31. 28  BGH v. 21.09.2017 – IX ZR 34/17, NJW 2017, 3442; wenn der Anwalt es übernehme, einver­ nehmlich rechtliche Vorschläge zu entwickeln, bestimme sich die Haftung dann regelmäßig nach den Maßstäben der Anwaltshaftung. 29  Ahrens, NJW 2012, 2465, 2467¸ Greger, in: Greger/Unberath/Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, §  2 MedG Rn.  61.

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B. Der moderierte Vertrag des zivilrechtlichen Konflikts

Über die Frage der rechtlichen Einordnung des Mediatorvertrags hinaus geht die Frage danach, was in ihm regelmäßig vereinbart wird bzw. werden soll. Aufgrund der konturlosen Vorgabe des MedG in Form des „Führens“, soll der Mediatorvertrag auch dazu dienen, den Ablauf des Mediationsverfahrens zu präzisieren, was durch Leistungsbeschreibungen geschehen soll.30 Hinzukommen etwa auch Fragen der Vergütung des Mediators.31 a) Die Moderation des Mediators Das leitet über zur Frage nach der Tätigkeit des Mediators. Schon jetzt lässt sich festhalten, dass nicht jede Person, die Verhandlungen begleitet, auch Mediator ist.32 Die Mediation stellt vielmehr eine qualifizierte Form der moderierenden Lösungs­ hilfe dar,33 sie wird in der Regel nicht bei primären Vertragsverhandlungen einge­ setzt, sondern erst, wenn daraus ein Konflikt entstanden ist.34 b) Aussagen des MedG Diese Annahme, dass es bei der Tätigkeit des Mediators aber auch um die moderative Kommunikationsmittlung mit dem Ziel einer Einigung zwischen den Parteien geht, findet eine erste Stütze in §  2 Abs.  3 Satz 2 MedG. Die Vorschrift lautet: „Er (der Mediator)35 fördert die Kommunikation der Parteien und gewährleistet, dass die Par­ teien in angemessener und fairer Weise in die Mediation eingebunden sind.“

Hinzu kommt die bereits eingangs wiedergegebene Feststellung im Rahmen des §  2 Abs.  2 MedG, demzufolge der Mediator die Parteien – im Unterschied zur bloßen Verhandlungsmoderation – durch die Mediation „führt“.36 Der Mediator betreibt also eine aktive Verfahrensleitung.37 Der Begriff des Führens, der vom Gesetz ver­ wendet wird, stellt klar, dass der Mediator die Verantwortung für den Prozess, für das Gelingen des Verfahrens trägt. Führen bedeutet dabei, für eine gelingende Kom­ munikation zwischen den Parteien zu sorgen und diese zielgerichtet durch das Ver­ fahren zu geleiten.38 Der Begriff der Führung in §  2 Abs.  2 Satz 1 MedG wird durch §  5 Abs.  1 Satz 1 MedG insoweit ergänzt, als es dort heißt, dass der Mediator die Parteien in sachkundiger Weise durch die Mediation führen soll.39 30 

Handbuch Mediation/Hess, §  43 Rn.  30, 34. habe der Mediator auch aus Gründen der Verfahrensgerechtigkeit hinzuwirken, vgl. Unberath, ZKM 2011, 4, 6. 32  Unberath, ZKM 2011, 4, 5. 33  Greger, ZKM 2014, 140. 34  Ganner, ÖJZ 2003, 710, 712. 35  Eingefügt durch Verfasser. 36  Greger, in: Greger/Unberath/Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, §   1 MedG Rn.  43. 37  Greger, in: Greger/Unberath/Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, §   1 MedG Rn.  43. 38  Fritz, in: Fritz/Pielsticker, Mediationsgesetz, §  1 Rn.  45. 39  Fritz, in: Fritz/Pielsticker, Mediationsgesetz, §  1 Rn.  47; zu den Techniken des Führens siehe Greger, in: Greger/Unberath/Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, §  1 MedG Rn.  45. 31  Hierzu

I. Mediator

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Wie aber der Mediator die Parteien führt und deren Kommunikation fördert, er­ gibt sich aus dem MedG nicht.40 Das MedG ist eher das Berufsgesetz der Mediato­ ren41 und regelt in erster Linie einheitliche rechtliche Fundamente für das neue Be­ rufsfeld der Mediation.42 Die Mediation selbst ist jedoch kein klar strukturiertes und in sich gefestigtes Verfahren der Streitschlichtung.43 Nach wie vor gilt im Rahmen der Mediation der Grundsatz der Privatautonomie,44 d. h. für den Inhalt der Media­ tionsleistung ist der Auftrag entscheidend, den der Mediator von den Parteien er­ hält.45 Die Formlosigkeit des Mediationsverfahrens wird als Stärke und Schwäche zugleich eingeschätzt, da das Verfahren in besonderer Weise offen stehe für die Be­ dürfnisse der Parteien einerseits, andererseits aber auch für Missbräuche.46 c) Die Tätigkeit des Mediators Den Parteien bleibt damit im Rahmen des Mediatorvertrags, den sie mit dem Medi­ ator schließen, vorbehalten, dessen genaue Mediationsleistung festzulegen, d. h. Technik und Verfahren näher zu bestimmen. Da Regeln zur Vorgehensweise not­ wendig sind, um überhaupt wieder Kommunikation zu ermöglichen, gehört das Ver­ einbaren von Verfahrensregeln zu den wichtigsten Aufgaben des Mediators.47 In des­ sen Beteiligung am späteren Verfahren liegt dann die eigentliche Bedeutung des Me­ diationsverfahrens.48 Diese Tätigkeit49 lässt sich nicht von vornherein eindeutig festlegen, sondern kann verschiedene Formen und Methoden der Streitbeilegung umfassen.50 Ist einerseits gesetzlich nicht bestimmt, welches Verfahren zur Wieder­ herstellung bzw. Verbesserung der Kommunikation zwischen den Parteien genutzt wird, so zeichnet sich die Mediation – im Gegensatz zur Moderation – dadurch aus, dass der Mediator (irgend-)ein Verfahren zur Kommunikationsförderung nutzt.51 40 

Vgl. auch Soffner, Mediation im Sozialrecht, S.  101. Henssler/Deckenbrock, DB 2012, 159, 160. 42  Prütting, AnwBl. 2012, 204, 205; Ahrens, NJW 2012, 2465. 43  Behet, SchiedsAZ 2007, 49. 44  BT-Drs. 17/5335, S.  15; die Bedeutung dieses Grundsatzes betont auch Soffner, Mediation im Sozialrecht, S.  125. 45  Greger, in: Greger/Unberath/Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, §   1 MedG Rn.  11. 46  Hager, Konflikt und Konsens, S.  79. 47  Handbuch Mediation/Kracht, §  12 Rn.  76. 48  Greger, in: Greger/Unberath/Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, §   2 MedG Rn.  4 4. 49 Nach Kaltenborn, Streitvermeidung und Streitbeilegung im Verwaltungsrecht, S.  107, trägt der Mediator nicht erst durch seine Tätigkeit, sondern schon durch seine bloße Anwesenheit dazu bei, dass die Parteien keine überzogenen Forderungen aufstellen. 50  Handbuch Mediation/Hess, §  43 Rn.  2 ; Greger, in: Greger/Unberath/Steffek, Recht der alter­ nativen Konfliktlösung, §  1 MedG Rn.  5. 51  Eckstein, JuS 2014, 698, 699; zur Frage, ob das sogenannte „Shuttle-Verfahren“ eine Mediation im Sinne des MedG darstellt vgl. etwa auch die Darstellung der Streitigkeit bei Masser/Engewald/ Scharpf/Ziekow, Evaluierung des Mediationsgesetzes, BT-Drs. 18/13178, S.  28. In den USA wurde dies für eine vom Mediator so bezeichnete „Kissinger-style shuttle diplomacy“ diskussionslos als Mediation eingeordnet, von Vitalis-Valchine vs. Valchine, 793 So. 2d 1094, 1096–97 (Fla. Dist. Ct. App.  2001) S.  1096. 41 

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B. Der moderierte Vertrag des zivilrechtlichen Konflikts

Verschiedene Mediationsmodelle stehen dabei zur Verfügung. Die zwei wichtigs­ ten Ansätze im deutschsprachigen Raum sind zum einen vom sogenannten Har­vardKonzept52 inspirierte Werke,53 zum anderen die Mediation auf der Basis der Gerech­ tigkeitspsychologie. Die Praxis ist zudem reich an methodischen Varianten bzw. Ergänzungen54 dieser Modelle.55 Die Weite an Methoden, die sich unter den Begriff der Mediation fassen lassen, wird deutlich durch das sogenannte Riskin-Raster (Riskin Grid), welches die ver­ schiedenen Mediationsstile unter anderem nach ihrer Eingriffstiefe in die Kommuni­ kation der Medianden teilt.56 Weil Riskin auf eine genauere Definition des Mediati­ onsbegriffs bewusst verzichten möchte57 und sein Raster jede erdenkliche streitsch­ lichtende Tätigkeit eines Dritten erfasst,58 ist diese Systematisierung kritisiert worden.59 Sie ist jedoch ebenso wenig Gesetz geworden, wie das konkretere Har­ vard-Konzept. 60 Für die juristische Interpretation ist interessant, dass das Harvard-Konzept zent­ ral auf dem Perspektivwechsel der Teilnehmer basiert, d. h. das Hineinschlüpfen in die Situation des Gegenübers. 61 Diese Methode hat ihre gedankliche Stütze in der sogenannten „Goldenen Regel“, dem elementarsten Gesetz allen Rechts schlecht­ hin,62 das vom Einzelnen fordert, sich anderen gegenüber so zu verhalten, wie man selbst behandelt werden möchte. 63 Die Parteien sollen also ihre Erwartungen an die Verwirklichung der eigenen Bedürfnisse spiegelbildlich auf ihren jeweiligen Ver­ handlungspartner übertragen und das eigene Verhalten daran ausrichten. 64 52 

Fisher/Ury/Patton, Getting to yes. Auf das Harvard-Prinzip allein stellen Kracht/Rüssel, JA 2003, 725 ab; auch Nistler, JuS 2010, 685, 686 stellt darauf ab; ebenso Löhner, Die freiwillige Streitschlichtung vor Gütestellen, S.  14. 54  Zur systemischen Mediation vgl. Gruber, ZKM 2008, 71. 55  Unberath, ZKM 2011, 4; siehe auch Trenczek, ZKM 2016, 230. 56  Der Riskin-Grid im Hinblick auf die Mediationstechniken findet sich auf Riskin, Understan­ ding Mediators’ Orientations, Strategies, and Techniques: A Grid for the Perplexed, 1 Harv. Negot. L. Rev. 7 (1996), 35. 57  Er meint, es sei schlicht zu spät, vgl. Riskin, Understanding Mediators’ Orientations, Strate­ gies, and Techniques: A Grid for the Perplexed, 1 Harv. Negot. L. Rev. 7 (1996), 13: „It is too late for commentators or mediation organizations to tell practitioners who are widely recognized as medi­ ators that they are not, in the same sense that it is too late for the Pizza Association of Naples, Italy to tell Domino’s that its product is not the genuine article.“ 58  Siehe auch die Darstellung bei Soffner, Mediation im Sozialrecht, S.  61. 59  Hierzu siehe etwa Kovach/Love, Mapping Mediation: The Risks of Riskin’s Grid, 3 Harv. Negot Law Review. 71 (1988), 75 ff. 60  Soffner, Mediation im Sozialrecht, S.  61; Kritisch zum Harvard Konzept Riskin, Understan­ ding Mediators’ Orientations, Strategies, and Techniques: A Grid for the Perplexed, 1 Harv. Negot. L. Rev. 7 (1996), 20: „Although Fisher, Ury and Patton tell us to ‚separate the people from the pro­ blem,‘ sometimes the people are the problem.“ Deren Antwort: Patton, in: Moffitt/Bordone, The handbook of dispute resolution, S.  279, 298: […] That you can separate the behaviour from the per­ sons’s character and address the behaviour side-by-side, which has the advantage of assuming in a potentially self-fulfilling way that others are capable of changing their behavior. 61  Wendland, in: Kriegel-Schmidt, Mediation als Wissenschaftszweig, S.  131, 133 f. 62  Fechner, Rechtsphilosophie, S.  101. 63  Tob. 4, 15; Mt. 7, 12; Luk 6, 31. 64  Wendland, in: Kriegel-Schmidt, Mediation als Wissenschaftszweig, S.  131, 133 f. 53 

I. Mediator

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Das Harvard-Konzept wurde ursprünglich für die bilaterale Situation entwickelt und erlangte unter dem englischen Titel „getting to yes“65 Bekanntheit. Es beinhaltet – sehr verkürzt ausgedrückt – weder weiches noch hartes, sondern sachgerechtes66 bzw. sachbezogenes, d. h. kooperatives Verhandeln. 67 In diesem Zusammenhang wird das kooperative Verhandeln oft als win-win und das kompetitive Verhandeln oft als win-lose bezeichnet. 68 Für die Anwendung im Rahmen der Mediation wird es auf die Situation mit einem Dritten übertragen und mit zwei weiteren Erfolgsfakto­ ren kombiniert: der Zukunfts- und Ergebnisorientiertheit der Mediation. 69 Die Vorgehensweise des Mediators lässt sich nicht nur anhand ihrer dogmatischen Grundlage grob kategorisieren, sondern auch die tatsächliche Herangehensweise des Mediators lässt sich grundsätzlich systematisieren. So kann der Mediator in der sogenannten faciliativen Weise vorgehen, der zufolge er den Verhandlungsprozess nach den Grundsätzen des Harvard-Konzepts mode­ riert.70 Der Mediator ist jedoch – wie schon angesprochen – nicht auf die Beeinflussung durch Moderation begrenzt. Er kann darüber hinaus transformativ auf die Konflik­ tregulierung einwirken, d. h. mit einem gefühls- und bedürfnisorientierten Ansatz die Fähigkeit der Parteien zur Selbsterkenntnis und zum wechselseitigen Verstehen weckend sowie evaluativ, d. h. die Lösungssuche mit eigenen Vorschlägen fördernd, vorgehen.71 Er hat die Wahl zwischen unterschiedlich intensiven Eingriffsmöglich­ keiten.72 Noch grundsätzlicher lässt sich zwischen aktiver und passiver Mediation73 oder den vier idealtypischen Rollen des Mediators (Sachmoderation, umfassende Moderation, Sachbeurteilung und umfassende Beurteilung)74 trennen. Gemeinsam ist den Ansätzen, dass sie die Aufmerksamkeit der Parteien weg von ihren rechtlichen Positionen und hin zu ihren Interessen lenken wollen.75 Dabei sol­ len die unterschiedlichen Interessen nicht gleichgeschaltet werden, sondern ihre Ak­ zeptanz soll Grundlage der gemeinsam erarbeiteten und für die Zukunft tragfähigen Vereinbarung sein.76 Auf diese Weise sollen „win-win-Lösungen“ ermöglicht wer­ den, weil die interessenbasierte Herangehensweise eine „Kuchenvergrößerung“ er­ laubt, wie das – viel zitierte – Beispiel des Streits um eine Orange deutlich macht. 65 

Fisher/Ury/Patton, Getting to yes. Ponschab, ZKM 2014, 4, 6. 67  „Principled negotiation“ im Original, vgl. Fisher/Ury/Patton, Das Harvard Konzept, S.  21; zu den Kernaussagen des Harvard-Konzepts vgl. auch die Darstellung bei Steffek, in: Greger/Unbe­ rath/Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, Einl. Rn.  53 f. 68  Ponschab, ZKM 2014, 4, 6; Nistler, JuS 2010, 685, 687. 69  Kracht/Rüssel, JA 2003, 725, 726. 70  Greger, in: Greger/Unberath/Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, §  1 MedG Rn.  5. 71  Greger, in: Greger/Unberath/Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, §  1 MedG Rn.  5; Tochtermann, Die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Mediators, S.  6 4; vgl. zu wissenschaft­ lich-psychologischen Techniken für Mediatoren auch Fischer/Fleckenstein/Fischer, ZKM 2014, 142. 72  Haft, in: FS Söllner, S.  391, 398. 73  Etwa bei Handbuch Mediation/Kracht, §  12 Rn.  102. 74  Wendland, Mediation und Zivilprozess, S.  533 mit Verweis auf den sogenannten Riskin-Grid nach Leonhard Riskin. 75  Kaspar, NJW 2015, 1642; vgl. auch Nistler, JuS 2010, 685, 687. 76  Wolf, NJW 2015, 1656, 1659. 66 

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B. Der moderierte Vertrag des zivilrechtlichen Konflikts

Machen beide Kontrahenten in rechtlicher Hinsicht ein Verwertungsrecht an der ganzen Orange geltend, kann eine Analyse der Interessen zeigen, dass der eine Saft aus der Orange pressen will, der andere die Schale zum Kuchenbacken braucht. Eine konsensuale Lösung wird so schnell möglich.77 Schon die Möglichkeit, dass beide Parteien Saft pressen wollen, zeigt aber auch, dass der Erfolg sich nicht immer so leicht im Wege einer Vergrößerung des Kuchens herstellen lässt. Wohl auch aufgrund der großen Unterschiedlichkeit an Streitfällen und Streitpar­ teien sind die Einwirkungsmöglichkeiten, die dem Mediator zur Herbeiführung des Konsenses zwischen den Parteien dienen, höchst vielfältig und subtil.78 Gemein ist den unterschiedlichen Phänomenen und Methoden,79 die sich allesamt als Mediation bezeichnen lassen,80 dass der Mediator die Parteien bei der Verhandlungsführung unterstützen soll, um letztendlich einen erfolgreichen Abschluss der Verhandlungen zu ermöglichen.81 Das Spektrum reicht von der reinen Unterstützung der Parteien bei den Verhandlungen im Sinne einer Ermöglichung von Kommunikation (Mode­ rationsmodell) über eine Bewertung des Tatsachenvortrags durch den Mediator (evaluative Mediation) bis hin zur Ausarbeitung eines – unverbindlichen – Entschei­ dungsvorschlags.82 Was seinen Vorteil in der Möglichkeit der Teilnehmer hat, im Mediatorvertrag das für ihre Situation passendste Verfahren zu wählen, birgt seinen Nachteil in der Unsicherheit darüber, welche Regelungen von Mediatoren konkret zu beachten sind.83 Bei den unterschiedlichen Möglichkeiten, die dem Mediator zur Kommunikati­ onsförderung zur Verfügung stehen, ist jedoch zu bedenken, dass diese kein Selbst­ zweck ist. Damit in Verbindung ist die Forderung Unberaths zu sehen, demzufolge angesichts des Reichtums an Methoden das zugrunde liegende Prinzip der Mediati­ on nicht aus den Augen verloren werden dürfe. Dieses Prinzip liegt in der Autonomie der Parteien. Die zu vereinbarenden Mindeststandards des Verfahrens dienen dem Ziel, diese Autonomie zu gewährleisten.84 Mediation verwirklicht die Selbstverant­ wortung der Parteien für die Lösung ihres Konflikts.85 Autonomie bedeutet Unab­ hängigkeit von der Bestimmung der Willkür durch andere und zugleich Freiheit zur 77 Vgl.

Kaspar, NJW 2015, 1642. Handbuch Mediation/Hess, §  43 Rn.  46, Stubbe, BB 2001, 685 ff. 79  Zu den Phasen einer Mediation vgl. Handbuch Mediation/Hess, §  43, Rn.  46, Stubbe, BB 2001, 685 ff.; Greger/Weber, MDR-Sonderheft 2012 „Das neue Güterichterverfahren“, 1, 15 f. 80  Handbuch Mediation/Hess, §  43 Rn.  2 ; zu den unterschiedlichen Methoden vgl. auch Hager, Konflikt und Konsens, S.  68 ff.; Greger, in: Greger/Unberath/Steffek, Recht der alternativen Kon­ fliktlösung, §  1 MedG Rn.  11; Thole, ZZP 127 (2014), 339, 342 spricht von einer damit einhergehen­ den begrifflichen Unschärfe der Mediation. 81  Feldmann, Formen der alternativen Konfliktbeilegung im Spektrum, S.  38. 82  Handbuch Mediation/Hess, §  43 Rn.  13. 83  Unberath, ZKM 2011, 4, der auf die daraus resultierenden Probleme für die Weiterentwick­ lung der Mediation hinweist. 84  Greger, in: Greger/Unberath/Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, §   2 MedG Rn.  59. 85 Wie Berkel, ZKM 2015, 4 betont, ist die Existenz eines Konflikts keine notwendige Voraus­ setzung für die Mediation, vielmehr reicht das Vorhandensein von Interessengegensätzen und Eini­ gungsbereitschaft aus. 78 

I. Mediator

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Selbstregulierung. 86 Die zentrale Aufgabe des Mediators besteht somit darin, die Parteien bei der Ausübung ihrer Selbstverantwortung zu unterstützen, also die Ent­ scheidungsgrundlage der Parteien zu verbessern87 und den Parteien dabei zu helfen, eine gemeinsame Lösung zu finden, wie auch immer diese konkret aussieht.88 Hager vermutet sogar, dass es der Zuwachs an Autonomie sei, der die Beliebtheit der Ver­ handlungslösung erklärt.89 Unabhängig davon, welche Vorgehensweise die Parteien des Mediatorvertrags90 wählen;91 dem Mediator kommt jedenfalls im Hinblick auf das Verfahren eine zen­ trale Rolle zu, was ihn zum Herren des Mediationsverfahrens macht.92 Es hat sich nicht nur gezeigt, dass die Mediation jedenfalls auch eine Moderation im Sinne einer Kommunikationsverbesserung zur Ermöglichung einer Einigung be­ inhaltet. Es zeigen sich auch jetzt schon Unterschiede zu anderen Formen der alter­ nativen Konfliktlösung. Im Schiedsverfahren oder der Schlichtung geben die Strei­ tenden die Entscheidung an eine übergeordnete Stelle.93 Bei der Mediation bleibt die Lösungskompetenz in den Händen der Verhandlungspartner,94 denn ohne besonde­ re Vereinbarung ist der Mediator nicht zu einem Schlichterspruch ermächtigt.95 Der Mediator ist im Gegensatz zum Schiedsrichter, dem Schiedsgutachter und dem Schlichter nicht einer im Ergebnis „objektiv besten“ Lösung verpflichtet.96 Der Me­ diator muss lediglich die Entscheidungsgrundlage der Parteien verbessern, während diese die Entscheidung zu verantworten haben. Zwar bleibt die konkrete Ausgestaltung des Mediationsverfahrens den Parteien sowie dem Mediator überlassen,97 trotzdem gibt es eine Reihe von Regelungsschwer­ punkten,98 die regelmäßig vereinbart werden.

2. Charakteristika der Mediation Neben der Methodenvielfalt, die dem Mediator zur Verbesserung der Kommunika­ tion zwischen den Parteien zur Verfügung steht, existieren weitere als Pflichten,99

86 

Unberath, ZKM 2011, 4. Greger, in: Greger/Unberath/Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, §   2 MedG Rn.  59; Unberath, ZKM 2011, 4, 5 sieht hierin den Mehrwert der Mediation. 88  Unberath, ZKM 2011, 4, 5. 89  Hager, Konflikt und Konsens, S.  41, 42. 90  D. h. die Medianten sowie der Mediator. 91  Dies sei Aufgabe der Parteien, vgl. Handbuch Mediation/Hess, §  43 Rn.  35. 92  So etwa die Bezeichnung bei Hager, Konflikt und Konsens, S.  76. 93  Kracht/Rüssel, JA 2003, 725, 728. 94  Kracht/Rüssel, JA 2003, 725, 728; so auch die Vorstellung des Gesetzgebers des MedG, BTDrs. 17/5335, S.  14. 95  Unberath, ZKM 2011, 4, 6. 96  Unberath, ZKM 2011, 4, 5. 97  Pielsticker, in: Fritz/Pielsticker, Mediationsgesetz, §  2 Rn.  88; Handbuch Mediation/Hess, §  43 Rn.  35. 98  Vgl. hierzu auch Handbuch Mediation/Hess, §  43 Rn.  14. 99  So die Bezeichnung bei Unberath, ZKM 2011, 4, 6. 87 

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B. Der moderierte Vertrag des zivilrechtlichen Konflikts

Verhaltensstandards,100 Prinzipien,101 Grundsätze102 bzw. Charakteristika bezeich­ nete Eigenschaften des Mediationsverfahrens, die auch im MedG Erwähnung gefun­ den haben.103 Der Mediator gilt nicht nur als Garant dieser Prinzipien, die Beachtung dieser Charakteristika bietet auch die Gewähr dafür, dass nach Abschluss des Medi­ ationsverfahrens eine dauerhafte Befriedung der Parteien erreicht wird.104 a) Freiwilligkeit Dies gilt schon für das Charakteristikum der Freiwilligkeit, in dessen Zusammen­ hang häufig zudem die Eigenverantwortlichkeit bzw. die Privatautonomie der Par­ teien gesondert betont wird.105 Jedenfalls hat die Freiwilligkeit für die Moderation eine herausgehobene Bedeutung, wie schon aus dem Umstand deutlich wird, dass sie als zentrales Definitionsmerkmal in §  1 Abs.  1 MedG aufgenommen wurde.106 Art.  3 lit.  a) der MediationRL spricht insofern davon, dass es im Rahmen der Mediation darum ginge, dass die Parteien auf freiwilliger Basis selbst versuchen, zu einer Ver­ einbarung über die Beilegung ihrer Streitigkeiten zu kommen.107 Für die vorliegende Untersuchung sind zunächst zwei Formen der Freiwilligkeit hervorzuheben. Zunächst ist die Freiwilligkeit der Parteien im Sinne des §  1 Abs.  1 MedG zu nen­ nen, die die freie Entscheidung darüber beinhaltet, überhaupt ein Mediationsverfah­ ren zu beginnen. Die Teilnahme an der Mediation ist stets für beide Seiten freiwillig. Die Bedeutung dieses Umstands wird auch sichtbar dadurch, dass der Mediator die­ se Freiwilligkeit sicherzustellen hat.108 Entscheiden sich die Parteien für den Abschluss einer Mediationsvereinbarung und damit die Aufnahme eines Mediationsverfahrens, dann endet damit nicht ihre Freiwilligkeit, im Gegenteil. (Zwischen-)Ziel des Mediationsverfahrens ist es, die Autonomie der Parteien zu stärken und auf diesem Wege eine Konfliktlösung zu erreichen.109

100 

So die Bezeichnung bei Hager, Konflikt und Konsens, S.  80 ff. So die Bezeichnung bei Röthemeyer, Mediation, Rn.  24 ff. und Greger/Weber, MDR-Sonder­ heft 2012 „Das neue Güterichterverfahren“, 1, 14, die die Eigenverantwortlichkeit als prägendes Merkmal der Parteien bei der Festlegung des Lösungsweges bezeichnen. 102 So die Bezeichnung von Handbuch Mediation/Kracht, §  12 Rn.  98; Wenzel, Iustitia ohne Schwert – Die neuere Entwicklung der außergerichtlichen und gerichtsbezogenen Mediation in Deutschland, S.  7 ff. 103  Eine ausführlichere Darstellung der Grundsätze der Mediation findet sich bei Wenzel, Iusti­ tia ohne Schwert – Die neuere Entwicklung der außergerichtlichen und gerichtsbezogenen Media­ tion in Deutschland, S.  7 ff. 104  Handbuch Mediation/Kracht, §  12 Rn.  98. 105  Röthemeyer, Mediation, Rn.  24 ff.; Löhner, Die freiwillige Streitschlichtung vor Gütestellen, S.  189. 106 HK-MedG/Gläßer, §  2 Rn.  94; Steiner, in: Eidenmüller/Wagner, Handbuch Mediation, Kap.  8 Rn.  25. 107  Darauf weist auch Thole, ZZP 127 (2014), 339, 341 hin. 108  Hierauf weist auch Kaspar, NJW 2015, 1642 hin. 109 Vgl. Hacke, in: Eidenmüller/Wagner, Mediationsrecht, Kap.  3 Rn.  74. 101 

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Dass diese Autonomie der Parteien auch während des Verfahrens der zentrale Be­ zugspunkt ist,110 wird unter anderem daran deutlich, dass die Parteien nicht an ihre ursprünglich getroffene Mediationsvereinbarung gebunden sind, sie können diese vielmehr – in Absprache mit dem Mediator – jederzeit einvernehmlich ändern111 und etwa einen anderen Mediationsansatz wählen. Doch nicht nur eine einvernehmliche Änderung der Mediationsvereinbarung ist möglich. §  2 Abs.  5 MedG stellt – und auch das ist ein wesentlicher Aspekt des Prinzips der Freiwilligkeit der Mediation – klar, dass das Prinzip pacta sunt servanda für die Mediationsvereinbarung nur sehr eingeschränkt112 gilt. Die darin vereinbarte Teilnahme bzw. Durchführung einer Mediation kann nämlich sowohl von den Parteien selbst (vgl. §  2 Abs.  5 Satz 1 MedG) als auch vom Mediator (vgl. §  2 Abs.  5 Satz 2 MedG) jederzeit, d. h. zu jedem Zeitpunkt und in jeder Mediationsphase,113 abgebrochen werden. Für die Beendi­ gung durch die Parteien gilt, dass jede Partei für sich, unabhängig vom Willen der anderen Partei(en) die Mediation beenden kann.114 Hierzu – und auch hier zeigt sich die Freiwilligkeit ihres Mitwirkens115 – ist weder die Nennung noch das Vorliegen von Gründen notwendig.116 Dies gilt für den Mediator so nicht,117 d. h. seine Leis­ tungspflicht, die sich aus dem Mediatorvertrag ergibt, steht nicht allein zu seiner Disposition. Die fehlende Freiwilligkeit bei einer der Parteien stellt für den Mediator einen Grund bzw. eine Pflicht dar, die Mediation wegen der fehlenden Möglichkeit der ei­ genverantwortlichen Kommunikation aufseiten einer Partei im Sinne des §  2 Abs.  5 MedG zu beenden.118 Eigenverantwortlich meint in diesem Zusammenhang „selbst­ bestimmt“ bzw. „geschäftsfähig“, verlangt daher nur die Abwesenheit von gravieren­ den körperlichen oder psychischen Beeinträchtigungen, die dazu führen, dass eine oder beide Parteien faktisch oder rechtlich nicht frei für sich selbst und ihre eigenen Interessen sprechen können.119 Dies bedeutet dann jedoch auch, dass der Inhalt des Begriffs der Eigenverantwortlichkeit im Sinne des §  2 Abs.  5 MedG mit dem im Sinne des §  1 Abs.  1 MedG übereinstimmt,120 auch wenn dort die Formulierung freiwillig und eigenverantwortlich gewählt wird. Aus diesem Grund wird formuliert, dass die Eigenverantwortlichkeit zusammen mit der Freiwilligkeit lediglich einen Grundsatz der Parteiautonomie bilden.121 110 

Eidenmüller, in: Eidenmüller/Wagner, Mediationsrecht, Kap.  5 Rn.  6 spricht von einem von der Eigenverantwortlichkeit und Parteiautonomie der Konfliktparteien getragenen Verfahren. 111  Handbuch Mediation/Hess, §  43 Rn.  35. 112  Etwas anderes gilt für darin getroffene Abreden zum Honorar des Mediators. 113 HK-MedG/Gläßer, §  2 Rn.  196. 114 HK-MedG/Gläßer, §  2 Rn.  208 ff. 115  BT-Drs. 17/5335, S.  15. 116 HK-MedG/Gläßer, §  2 Rn.  197. 117  Zu den möglichen Gründen des Mediators vgl. HK-MedG/Gläßer, §  2 Rn.  208 ff. 118 HK-MedG/Gläßer, §  2 Rn.  211. 119  Soffner, Mediation im Sozialrecht, S.  123. 120  Soffner, Mediation im Sozialrecht, S.  123. 121 Von Soffner, Mediation im Sozialrecht, S.  123; vgl auch BT-Drs. 17/5335, S.  14: „Das Erforder­ nis der Eigenverantwortlichkeit unterstreicht die Bedeutung der Autonomie der Parteien in der Mediation.“

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B. Der moderierte Vertrag des zivilrechtlichen Konflikts

An der notwendigen Freiwilligkeit fehlt es unter anderem dann, wenn zwischen den Parteien ein starkes Machtgefälle besteht,122 d. h., wenn eine der Parteien so stark ist, dass sie die Bedingungen der Verhandlungen diktieren kann.123 Über die bisher genannten zwei Formen der Freiwilligkeit hinaus, die auch im MedG ihren Ausdruck gefunden haben, ist eine weitere Dimension der Freiwillig­ keit zu nennen. Die Parteien können nicht nur kein Verfahren starten bzw. die Me­ diation abbrechen und infolgedessen ihren Konflikt ungelöst lassen. Ihnen ist es durch die Existenz des Mediationsverfahrens auch nicht genommen, Verhandlungen ohne die Beteiligung eines Mediators (fort-)zuführen und so ganz im Sinne der Grundannahme, dass die Verhandlung die Mutter aller Konfliktlösungen ist,124 den Streit ohne die Beteiligung eines Mediators beizulegen. Es bedarf damit keines mo­ derierenden Mediators, um einen Vertrag zu schließen. Dies ist eine dritte Dimensi­ on der Freiwilligkeit. b) Neutralität und Unabhängigkeit Zwei weitere Charakteristika der Mediation haben ihren Ausdruck ebenfalls bereits in §  1 MedG gefunden. In Absatz 2 der Vorschrift wird der Mediator als unabhängi­ ge und neutrale Person beschrieben. Beide Grundprinzipien werden zwar vom Ge­ setz in einem Atemzug genannt, setzen aber bei einem unterschiedlichen Punkt an. Während die Neutralität eher das Verhältnis des Mediators zum sowie im Verfahren beschreibt, liegt der Bezugspunkt der Unabhängigkeit im Verhältnis des Mediators zu den Parteien selbst.125 Gerade weil die genaue Vorgehensweise des Mediators nicht gesetzlich festgelegt ist, wird diesen persönlichen Eigenschaften eine große Be­ deutung beigemessen.126 aa) Neutralität vs. Allparteilichkeit Im Hinblick auf die verfahrensbezogene Verhaltenspflicht des Mediators wird zum Teil der Begriff der Neutralität durch den der Allparteilichkeit ersetzt.127 Weil der Mediator den Gegenbeweis für die biblische Weisheit128 erbringen solle, dass nie­ mand Diener zweier Herren sein kann.129 Oder, weil der Mediator im Verfahren eine Autorität darstelle, die auf ihrer Allparteilichkeit gegenüber den Konfliktparteien, der Fachkompetenz sowie Persönlichkeit und Charisma beruhe.130 122 HK-MedG/Gläßer,

§  2 Rn.  211, Handbuch Mediation/Kracht, §  12 Rn.  100. Handbuch Mediation/Kracht, §  12 Rn.  100. 124  Ponschab, ZKM 2014, 4. 125  BT-Drs. 17/5335, S.  14; zustimmend Greger, in: Greger/Unberath/Steffek, Recht der alterna­ tiven Konfliktlösung, §  3 MedG Rn.  3; Beckmann, ZKM 2013, 51, 52. 126  Unberath, ZKM 2011, 4, 6. 127  Handbuch Mediation/Kracht, §  13 Rn.  24; HK-MedG/Gläßer, §  2 Rn.  111. 128  Gemeint ist: „Niemand kann zwei Herren dienen: Entweder er wird den einen hassen und den andern lieben, oder er wird an dem einen hängen und den andern verachten.“ Matthäus 6, Vers 24. 129  Schreiber, obligatorische Beratung und Mediation, S.  97. 130  Trenczek, ZKM 2016, 230; nach Tochtermann, Die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Mediators, S.  28 reflektiert der Begriff die besondere Verfahrensrolle des Mediators. 123 

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Der Begriff der Allparteilichkeit beschreibt ursprünglich eine (familien-)131 bzw. systemisch132 therapeutische Haltung dahingehend, dass der Therapeut für alle Be­ teiligten gleichermaßen Partei ergreift und sich mit allen Seiten innerhalb des Bezie­ hungsgeflechts identifizieren kann.133 In Bezug auf das Mediationsverfahren wird zum Teil angenommen, dass der Be­ griff der Allparteilichkeit daher über den Begriff der Neutralität hinausginge und diese deshalb nur Teil der Allparteilichkeit sei, weil der allparteiliche Mediator auch Partei ergreifen solle: nicht inhaltlich, aber für das Verfahren als solches.134 Durch die Verwendung des Begriffs der Allparteilichkeit soll eine aktivere, beiden Seiten zugewandte Grundeinstellung des Mediators beschrieben werden, während mit der Nutzung des Begriffs der Neutralität der Eindruck kühler Distanziertheit135 bzw. richterlicher emotionaler Abstinenz einherginge.136 Letztlich soll der allparteiliche Mediator nach dieser Konzeption aktiver sein als der neutrale Mediator, der sich – vermeintlich – rein passiv verhält und sich weniger in den Mediationsprozess ein­ bringt.137 Im Ergebnis ist jedoch festzustellen, dass beide Begriffe dasselbe meinen: Die An­ forderungen an das unparteiische Verhalten und an die Haltung des „neutralen“ bzw. „allparteilichen“ Mediators sind dieselben.138 Allein aus der Bezeichnung als neutra­ ler Mediator folgt auch nicht automatisch, dass dieser in seiner Verfahrensführung zurückhaltender und passiver agiert als ein allparteilicher Mediator. Dass der Begriff „Neutralität“ an dieser Stelle auch eine aktive Verfahrensführung beinhalten kann, ergibt sich aus der Funktion des Mediators und des Mediationsverfahrens139 und ins­ besondere aus der zwischen den Parteien näher festgelegten Verfahrensform. Es gibt daher keinen triftigen Grund, von der Bezeichnung, die auch der Gesetz­ geber gewählt hat, abzuweichen und die verfahrensbezogene Neutralität nicht auch als solche zu benennen.140

131 So

Beckmann, ZKM 2013, 51; Andreasson, ZKM 2017, 99, 100. Seehausen, ZKM 2009, 110. 133  Beckmann, ZKM 2013, 51; wegen der semantischen Schwachstelle des Wortes „allparteilich“ schlägt Andreasson den Begriff „multiperspektivisch“ vor, vgl. Andreasson, ZKM 2017, 99, 102. 134  Vgl. die Darstellung bei Beckmann, ZKM 2013, 51, 52. 135 Vgl. Kaspar, NJW 2015, 1642. 136 Vgl. Greger, in: Greger/Unberath/Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, §  3 MedG Rn.  38 unter Verweis auf Mähler/Mähler, in: Haft/von Schlieffen, Handbuch Mediation, §  19 Rn.  47. 137 Vgl. Beckmann, ZKM 2013, 51, 52. 138  Beckmann, ZKM 2013, 51, 53. 139  Beckmann, ZKM 2013, 51, 53. 140  So im Ergebnis auch Pieksticker, in: Fritz/Pielsticker, Mediationsgesetz, §  2 Rn.  27. 132 So

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bb) Neutralität Die Neutralitätspflicht, die die Hauptquelle der Autorität des Mediators darstelle,141 wird regelmäßig bei der Aufzählung des Pflichtenkataloges des Mediators genannt142 bzw. zu dessen Grundlagen gezählt.143 Von der Neutralität gehe eine wichtige Wir­ kung auf die Teilnehmer der Mediation aus.144 Einerseits wird die hohe Bedeutung der Neutralität betont,145 anderseits aber auch festgehalten, der Grundsatz sei so ein­ fach wie aussageschwach146 bzw. lediglich ein ideales Konstrukt, dessen Einhaltung kaum werde gelingen können.147 Nach der Gesetzesbegründung148 soll die Neutralität den Mediator vor allem zu einer unparteilichen Verhandlungsführung und zur Gleichbehandlung der Parteien verpflichten.149 Das bedeute etwa, dafür zu sorgen, dass alle Informationen an sämt­ liche Parteien gleichermaßen weitergegeben werden und diese am Fachwissen der Mediatorinnen und Mediatoren in gleicher Weise teilhaben.150 Beim Mediator hat die Neutralität – anders als beim Richter151 – keine statusrecht­ liche, sondern lediglich vertragsrechtliche Bedeutung.152 Die Neutralität hängt maß­ geblich von der mit den Parteien geschlossenen Vereinbarung, d. h. dem Mediator­ vertrag ab.153 Eine fehlende Neutralität des Mediators äußert sich erst in den Ent­ scheidungen, die der Mediator während des Mediationsverfahrens trifft.154 Dabei ist 141  So auch die Gesetzesbegründung BT-Drs. 17/5335, S.  14 mit Verweis auf Handbuch Mediati­ on/Kracht, §  12 Rn.  10, Breidenbach, Mediation, S.  145; nach Greger, in: Greger/Unberath/Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, §  3 MedG Rn.  37 handelt es sich bei der Wahrung der Neu­ tralität um eine essentielle, fundamentale Pflicht des Mediators; vgl. auch Hager, Konflikt und Kon­ sens, S.  113; auch Beckmann, ZKM 2013, 51 betont die von der Neutralität ausgehende Wirkung auf die Teilnehmer der Mediation. 142 Neben Handbuch Mediation/Prütting, §   46 Rn.  43 von Handbuch Mediation/Kracht, §  12 Rn.  76; Tochtermann, in: Fischer/Unberath, Das neue Mediationsgesetz, S.  113, 118; Hager, Kon­ flikt und Konsens, S.  80 ff.; zu weiteren möglichen Pflichten des Mediators aus dem Mediationsver­ trag vgl. Greger, in: Greger/Unberath/Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, §  2 MedG Rn.  105 ff. 143  Handbuch Mediation/Kracht, §  12 Rn.  9. 144  Beckmann, ZKM 2013, 51; HK-MedG/Gläßer, §  2 Rn.  113. 145  Pielsticker, in: Fritz/Pielsticker, Mediationsgesetz, §  2 Rn.  23 spricht von einem wesentlichen Grundprinzip der Mediation. 146  Handbuch Mediation/Kracht, §  12 Rn.  15, mit Verweis auf Breidenbach, Mediation, S.  170. 147  Trenczek, ZKM 2016, 230, 231. 148  BT-Drs. 17/5335, S.  14. 149  Unparteilichkeit und Gleichbehandlung werden auch hervorgehoben von Greger, in: Greger/ Unberath/Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, §  3 MedG Rn.  38 unter Verweis auf Mähler/Mähler, in: Haft/von Schlieffen, Handbuch Mediation, §  19 Rn.  47; Handbuch Mediation/Hess, §  43 Rn.  52, der zudem die Vermeidung jeglicher persönlichen Voreingenommenheit nennt. 150  BT-Drs. 17/5335, S.  14. 151  Zur richterlichen Neutralität vgl. unten unter B.III.3.b. 152  Greger, in: Greger/Unberath/Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, §   3 MedG Rn.  37. 153  Pielsticker, in: Fritz/Pielsticker, Mediationsgesetz, §  2 Rn.  23. 154  Handbuch Mediation/Kracht, §  12 Rn.  19; a. A. wohl Greger, in: Greger/Unberath/Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, §  3 Rn.  38, der von einer Beeinträchtigung der Neutralität schon ausgeht, wenn es zu Spannungen kommt, die beim Mediator gefühlsmäßige Reaktionen aus­ lösen.

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der Begriff der Entscheidung so weit zu fassen, dass auch eine Nicht-Entscheidung darunter fällt.155 Die Wahrung der Neutralität besteht dann in der Einhaltung des Entscheidungsmaßstabs, den der Mediatorvertrag vorgibt bzw. vorgeben sollte.156 Darüber hinaus verlangt die Neutralitätspflicht, dass der Mediator kein eigenes Inte­ resse am Ergebnis der Mediation haben darf. Andernfalls läge der Verdacht nahe, dass er die Parteien in eine bestimmte Richtung lenkt, um das von ihm favorisierte Ergebnis zu erzielen.157 Dem schon oben bei dem Begriff der Allparteilichkeit ange­ sprochenen Umstand, dass die Mediation eine aktive(re) Rolle des Mediators voraus­ setzt, trägt die ergänzend zu nennende Regelung des §  2 Abs.  3 MedG Rechnung, derzufolge der Mediator allen Parteien gleichermaßen verpflichtet ist.158 Dies bedeu­ tet vor dem Hintergrund seiner zugewandten Rolle, dass er die Parteien gleichmäßig unterstützt.159 cc) Unabhängigkeit Zentrales Charakteristikum der Mediation ist darüber hinaus die personenbezoge­ ne160 Unabhängigkeit, die §  1 Abs.  2 MedG bei der Definition des Moderators eben­ falls anspricht.161 Anders als die Neutralität, die im Wesentlichen von den Vereinba­ rungen der Parteien bestimmt wird, lässt sich die Unabhängigkeit objektiv bestim­ men.162 Sie hat zwei Bezugspunkte: Der Mediator muss sowohl zu den Parteien als auch zum Gegenstand des Mediationsverfahrens eine persönliche Unabhängigkeit aufweisen.163 An der Unabhängigkeit zu den Parteien fehlt es zunächst, wenn der Mediator eine personelle Nähebeziehung zu einer Partei, insbesondere in Form der Verwandt­ schaft164 oder Freundschaft führt165 oder – als anderes Extrem – mit einer Partei verfeindet ist. Eine finanzielle bzw. wirtschaftliche Abhängigkeit schließt, wie der Name schon sagt, eine Unabhängigkeit ebenfalls aus.166 Der Mediator darf – zusam­ mengefasst – nicht berufs- oder interessenmäßig im Lager einer Partei stehen.167 Da­ ran anknüpfend benennen §  3 Abs.  2 und 3 MedG konkrete Ausschlussgründe. Zum Teil wird auch eine Übernahme der richterlichen Ausschlussgründe erwogen.168 155 

Handbuch Mediation/Kracht, §  12 Rn.  19. Handbuch Mediation/Kracht, §  12 Rn.  22 ff. 157  Beckmann, ZKM 2013, 51, 53. 158  Hierauf weisen Kaspar, NJW 2015, 1642 und HK-MedG/Hagel, §  1 Rn.  23 hin. 159 HK-MedG/Gläßer, §  2 Rn.  113. 160  BT-Drs. 17/5335, S.  14; siehe auch Handbuch Mediation/Kracht, §  12 Rn.  25, 31. 161  Ausführlich zur Unabhängigkeit des Mediators vgl. auch Tochtermann, Die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Mediators, S.  10 ff. 162  Pielsticker, in: Fritz/Pielsticker, Mediationsgesetz, §  2 Rn.  23. 163 HK-MedG/Hagel, §  1 Rn.  2 2 164  Greger, in: Greger/Unberath/Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, §   3 MedG Rn.  14. 165 HK-MedG/Hagel, §  1 Rn.  2 2. 166 HK-MedG/Hagel, §  1 Rn.  2 2. 167  BT-Drs. 17/5335, S.  14. 168  Handbuch Mediation/Kracht, §  12 Rn.  37. 156 

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Mit Blick auf den Mediationskontext ist im Rahmen dieser Untersuchung der Um­ stand bedeutsamer, dass es an einer Unabhängigkeit des Mediators auch dann fehlt, wenn dieser nicht weisungsfrei handeln kann.169 Eine Weisungsabhängigkeit kann sich dabei aus den verschiedensten Gründen ergeben;170 auch der Mediatorvertrag kann zu einem Weisungsrecht der Parteien gegenüber dem Mediator führen. Hierbei ist, im Hinblick auf die Frage, ob dadurch die Unabhängigkeit des Mediators beein­ trächtigt ist, zwischen zwei Konstellationen zu trennen. Kommt nur einer171 Partei ein Weisungsrecht zu, so liegt darin eine Beeinträchtigung der Unabhängigkeit des Mediators. Demgegenüber ist die Unabhängigkeit, die ihren Bezugspunkt ja gerade bei den Parteien hat, nicht beeinträchtigt, wenn das Weisungsrecht den Parteien nur gemeinsam zusteht. Können diese das Direktionsrecht einzig gemeinsam ausüben, ist die Unabhängigkeit des Mediators nicht gefährdet, weil genau genommen ja nicht die Unabhängigkeit des Mediators an sich erreicht, sondern nur verhindert werden soll, dass der Mediator einer Partei näher steht als der anderen. Daher ist Ausgangspunkt der Forderung einer Unabhängigkeit des Mediators die Überlegung, dass die Parteien darauf vertrauen sollen, dass der Mediator die Ver­ handlungen frei von Bindungen sowohl gegenüber einer Partei als auch dem Ver­ handlungsgegenstand zu einem Ergebnis führt.172 Der Mediator darf kein eigenes Interesse an einem bestimmten Konfliktausgang haben.173 Neben der persönlichen Unabhängigkeit von den Parteien darf der Mediator auch keine zu starken Bindungen in Bezug auf die Verfahrensgegenstände der Mediation aufweisen.174 Der Gesetzgeber nennt hier als Beispiel den Fall, dass der Mediator das Grundstück, über dessen Verwertung die Parteien streiten, für sich selbst erwerben möchte.175 Auch ein anderweitig gelagertes Interesse am Ausgang der Mediation soll die Un­ abhängigkeit des Mediators beeinträchtigen. Dies soll nach Greger etwa dann gelten, wenn der Mediator unter psychischen Erfolgsdruck im Hinblick auf den Abschluss einer Vereinbarung stehe.176 Bedenklich sei daher, wenn der Mediator im Dienst ei­ ner Institution177 stehe, die von ihm eine bestimmte Einigungsquote erwartet oder Einigungen besonders honoriert. Gleiches gelte für die Vereinbarung eines Er­ folgshonorars. Die Tätigkeit des Mediators müsse ergebnisneutral sein; ob und wie die Parteien sich einigen wollen, müsse ihnen überlassen bleiben. Jeder Druck auf die Beteiligten, der über ein Aufzeigen der Einigungsalternative hinausgehe, sei mit dem 169 

Meyer/Schweitzer, NZA 2013, 546; Handbuch Mediation/Hess, §  43 Rn.  51. Vgl. die Übersicht bei HK-MedG/Hagel, §  1 Rn.  22. 171  Bzw., im Falle von mehr als zwei Teilnehmern, nicht allen. 172  Greger, in: Greger/Unberath/Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, §   3 MedG Rn.  9. 173  Trenczek, ZKM 2016, 230, 231. 174  BT-Drs. 17/5335, S.  14; so auch Greger, in: Greger/Unberath/Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, §  3 MedG Rn.  19. 175  BT-Drs. 17/5335, S.  14; dieses Beispiel nennt auch HK-MedG/Hagel, §  1 Rn.  2 2. 176  Greger, in: Greger/Unberath/Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, §   3 MedG Rn.  20. 177  Zu denken wäre etwa an eine (Rechtsschutz-)Versicherung. 170 

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Wesen der Mediation nicht zu vereinbaren.178 Zur Vereinbarung eines Erfolgshono­ rars merkt Unberath an, dass dieses den Mediator dazu verleiten könne, die Parteien auch in einer unangemessenen Situation zum Vergleichsschluss zu verleiten. Es emp­ fehle sich daher nicht.179 dd) Realisierung von Neutralität und Unabhängigkeit Neben der Kenntnis um die Forderung nach Neutralität und Unabhängigkeit ist deren Realisierung von Interesse. Auch hier zeigt sich der zentrale Aspekt der Medi­ ation: die autonome Entscheidung der Parteien. Die Regelungen zur Unabhängigkeit und Neutralität des Mediators unterscheiden sich auch in der Realisierung des Schut­ zes von den für Richter, Schiedsrichter und gerichtliche Sachverständige geltenden Vorschriften.180 Das MedG konstruiert zum Schutz von Neutralität und Unabhängigkeit eine dreistufige Vorgehensweise. Liegt im Hinblick auf die Neutralität bzw. die Unabhängigkeit ein Defizit vor, so verlangt das MedG vom Mediator zunächst, dass er diese Umstände den Parteien offenbart, vgl. §  3 Abs.  1 MedG. Es ist dann, wie sich aus §  3 Abs.  1 Satz 2 MedG er­ gibt, der Einschätzung durch die Parteien überlassen, ob diese die Mediation trotz­ dem durchführen wollen.181 Bis zu deren Entscheidung trifft den Mediator ein Tätig­ keitsverbot. Dieses Verbot unterliegt jedoch der Disposition der Parteien, d. h. der Mediator darf trotz Vorliegens solcher Umstände dann tätig werden, wenn beide Parteien zustimmen.182 Hier zeigt sich, dass die Unabhängigkeit und Neutralität in­ sofern keine konstitutiven Merkmale der Mediation sind,183 weil die Parteien – aber nur gemeinsam – darauf verzichten können. Denn die Mediation wird von deren Privatautonomie getragen. Darüber hinaus kann der Mediator – auch für ihn gilt die Vertragsfreiheit im Hinblick auf den Mediatorvertrag – von sich aus eine Mediation ablehnen.184 Insbesondere befreit die Zustimmung der Parteien den Mediator nicht von der eingehenden Prüfung, ob er den Anforderungen an seine Rolle, auch und besonders im Hinblick auf Unabhängigkeit und Neutralität, gerecht werden kann.185 178  Greger, in: Greger/Unberath/Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, §   3 MedG Rn.  20. 179  Unberath, ZKM 2011, 4, 5. 180  Greger, in: Greger/Unberath/Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, §   3 MedG Rn.  4. 181  Greger, in: Greger/Unberath, Recht der alternativen Konflliktlösung, §  3 MedG Rn.  28. 182 HK-MedG/Goltermann, §  3 Rn.  18. 183  Greger, in: Greger/Unberath/Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, §   1 MedG Rn.  54. 184  Greger, in: Greger/Unberath/Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, §   3 MedG Rn.  4. 185 HK-MedG/Goltermann, §  3 Rn.  21 unter Hinweis auf Nr.  2.1 des europäischen Verhaltens­ kodex für Mediatoren, der folgenden Wortlaut hat: „Der Mediator darf seine Tätigkeit nicht wahr­ nehmen, bzw. wenn er sie bereits aufgenommen hat, nicht fortsetzen, bevor er nicht alle Umstände, die seine Unabhängigkeit beeinträchtigen oder zu Interessenkonflikten führen könnten, offenge­ legt hat. Die Offenlegungspflicht besteht im Mediationsprozess zu jeder Zeit. Solche Umstände sind eine persönliche oder geschäftliche Beziehung zu einer Partei, ein finanzielles oder sonstiges

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Die in §  3 Abs.  1 MedG enthaltene allgemeine Vorschrift wird durch die besonde­ ren Tätigkeitsverbote in §  3 Abs.  2 bis 4 MedG ergänzt. Diese beziehen sich auf Fall­ gestaltungen, die dem Gesetzgeber besonders geeignet erscheinen, die Unabhängig­ keit und Neutralität des Mediators zu beeinträchtigen. Der Gesetzgeber hat hierbei ausdrücklich den Zweck verfolgt, das für die Anwaltschaft geltende Verbot der wi­ derstreitenden Interessen auf andere Grundberufe auszudehnen.186 §  3 Abs.  2 MedG enthält dabei – im Gegensatz zu den übrigen Regelungen der Vorschrift – ein absolutes Tätigkeitsverbot, das die Parteien auch nicht durch eine gemeinsame Verabredung beseitigen können; ihre Parteiautonomie wird insoweit eingeschränkt.187 Der Gesetzgeber geht davon aus, dass die Unabhängigkeit und Neutralität in besonderem Maße gefährdet sind, wenn der Mediator vor, während oder nach der Mediation in derselben Sache für eine Partei tätig wird.188 Das Verbot bezieht sich sowohl auf seine Tätigkeit als Mediator als auch auf eine Interessenver­ tretung, die der Mediator in seinem Grundberuf, d. h. etwa als Rechtsanwalt,189 vor­ genommen hat. Parteivertretung und Mediation in einer Person in derselben Sache schließen sich gegenseitig zwingend aus.190 Dass die Vorschrift des §  3 Abs.  2 MedG als Grundberuf wohl vor allem die anwaltliche Tätigkeit vor Augen hatte, zeigt sich auch daran, dass durch §  3 Abs.  3 MedG die Tätigkeitsverbote des §  3 Abs.  2 MedG in Anlehnung an die §§  45 Abs.  3 BRAO, 3 Abs.  2 BORA auf berufliche Kooperationen in Form von Berufsausübungs- und Bürogemeinschaften erstreckt werden. Im Un­ terschied zu §  3 Abs.  2 MedG sind diese Tätigkeitsverbote jedoch dispositiv.191 Im Hinblick auf eine fehlende Unabhängigkeit, z. B. infolge eines bestehenden Verwandtschaftsverhältnisses des Mediators zu einer Partei, kann der Mediator – je nach Lage des Falles – durchaus noch mit der Zustimmung der Parteien rechnen. In Bezug zur Neutralität stellt sich die Systematik des MedG allerdings als unzu­ reichend dar, da der Mediator erstens schon von sich aus nicht wird (weiter-) arbeiten wollen, wenn er selbst Zweifel an seiner Neutralität hat. Zweitens wird er abgesehen davon auch nicht damit rechnen können, dass die Parteien ihn trotz der evtl. fehlen­ den Fähigkeit, das Verfahren angemessen und fair192 gegenüber beiden Parteien zu führen, mit der Mediationsaufgabe betrauen wollen.

direktes Interesse am Ergebnis der Mediation oder eine anderweitige Tätigkeit des Mediators oder eines Mitarbeiters seiner Firma für eine der Parteien. In solchen Fällen darf der Mediator die Medi­ ationstätigkeit nur wahrnehmen bzw. fortsetzen, wenn er sicher ist, dass er die Aufgabe vollkom­ men unabhängig und objektiv durchführen kann, sodass die vollkommene Unparteilichkeit ge­ währleistet ist und wenn die Parteien ausdrücklich zustimmen.“ Wiedergegeben bei Beckmann, ZKM 2013, 51, 53. 186  BT-Drs. 17/5335, S.  17, siehe auch HK-MedG/Goltermann, §  3 Rn.  2 2. 187  Dies ist laut HK-MedG/Goltermann, §  3 Rn.  24 und Wagner, ZKM 2012, 110, 112 sachge­ recht. 188 HK-MedG/Goltermann, §  3 Rn.  23. 189 Auch Kaspar, NJW 2015, 1642 wählt dieses Beispiel. 190 HK-MedG/Goltermann, §  3 Rn.  23. 191 HK-MedG/Goltermann, §  3 Rn.  30. 192  So die Wortwahl in §  2 Abs.  3 MedG.

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c) Vertraulichkeit Die Vertraulichkeit ist ein weiteres Charakteristikum der Mediation. Basis für die Forderung nach einem vertraulichen Mediationsverfahren ist die Überlegung, dass fruchtbares Verhandeln zur Konfliktlösung nur gedeihen kann, wenn sich daran kei­ ne negativen Konsequenzen knüpfen.193 Die Vertraulichkeit der Verhandlungen gilt daher als eine der zentralen Voraussetzungen für den Erfolg der Mediation194 bzw. wird als wesentlicher Vorteil gegenüber einem gerichtlichen Verfahren angesehen.195 Vertraulichkeit bedeutet dabei zunächst, dass die Mediation unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfindet.196 Die Parteien können zwar etwas anderes vereinbaren, „werden und sollten dies aber nicht tun.“197 In einem weiteren Sinne wird unter dem Aspekt der Vertraulichkeit auch die Er­ wartung verstanden, dass alle Beteiligten außerhalb des Mediationsverfahrens Still­ schweigen über dessen Inhalte bewahren und im Falle des Scheiterns gegenüber der Öffentlichkeit, aber auch in einem nachfolgenden Gerichts- oder Schiedsverfahren auf die Einführung von Informationen aus der Mediation verzichten.198 Dies gelte besonders für die Tatsachen, die nicht die Partei selbst in das Verfahren eingebracht hat, sondern die das Verhalten der Gegenpartei und des Mediators betreffen.199 Ge­ rade die Aussicht, dass der Mediator im Streitfall als Zeuge auftreten und in einer für die Position einer Partei nachteiligen Weise aussagen könnte, untergrabe die Rolle des Mediators als vertrauenswürdige und neutrale Mittelsperson.200 Mediationsver­ fahren, die unter dem Damoklesschwert einer nachträglichen Aufklärung des Ge­ richts über Inhalt und Ablauf stehen, hätten daher wenig Aussicht auf einen gütli­ chen Abschluss,201 denn: Der Umstand, dass Tatsachen aus einem Mediationsverfah­ ren im Fall des Scheiterns möglicherweise dann dem mit dem Fall befassten Gericht oder Schiedsgericht zur Kenntnis gebracht werden, wirft seine Schatten voraus.202

193 

Hager, Konflikt und Konsens, S.  117. Wagner, in: Fischer/Unberath, Das neue Mediationsgesetz, S.  89; ders., ZKM 2011, 164; Pielsticker, in: Fritz/Pielsticker, Mediationsgesetz, §  2 Rn.  37 spricht von einem wesentlichen Pfeiler; Eckstein benennt den möglichen Bruch der Vertraulichkeit als Argument, die Mediation nicht als Verfahren zu wählen; Eckstein, JuS 2014, 698, 701; Schekahn, JR 2013, 53, 56 spricht von einem ganz entscheidenden, wenn nicht dem entscheidenden Aspekt der Mediation. 195 MünchKommFamFG/Ulrici, §  4 MedG Rn.  1. 196  Wagner, in: Fischer/Unberath, Das neue Mediationsgesetz, S.  89; Cremer, Die Vertraulich­ keit der Mediation, S.  28; Wagner, ZKM 2011, 164; HK-MedG/Goltermann, §  4 Rn.  2. 197  Wagner, in: Fischer/Unberath, Das neue Mediationsgesetz, S.  89. 198  Handbuch Mediation/Hartmann, §  4 4 Rn.  4 ff.; Wagner, in: Fischer/Unberath, Das neue Me­ diationsgesetz, S.  89. 199  Zwischen diesen Tatsachenkategorien trennt Wagner, in: Fischer/Unberath, Das neue Medi­ ationsgesetz, S.  9 0. 200  Wagner, in: Fischer/Unberath, Das neue Mediationsgesetz, S.  91. 201  Wagner, in: Fischer/Unberath, Das neue Mediationsgesetz, S.  92. 202  Wagner, ZKM 2011, 164; Oldenbruch, Die Vertraulichkeit im Mediationsverfahren, S.  183, nennt die Vertraulichkeit aus sehr ähnlichen Erwägungen sogar eines der wichtigsten Grundprin­ zipien der Mediation. 194 

28

B. Der moderierte Vertrag des zivilrechtlichen Konflikts

d) Realisierung der Vertraulichkeit Die Vertraulichkeit im weiteren Sinne, d. h. der Schutz vor Weitergabe von Informa­ tionen aus dem Mediationsverfahren durch die Beteiligten, wird auf zwei Wegen geschützt. Das MedG selbst widmet sich in seinem §  4 dem Thema der Vertraulich­ keit und regelt dort eine allgemeine Verschwiegenheitspflicht des Mediators und der von ihm in das Mediationsverfahren eingebundenen Personen, also der Hilfsperso­ nen des Mediators, etwa dessen Bürokräfte.203 Beim Schutz der Vertraulichkeit ist der deutsche Gesetzgeber einen Schritt über die in Art.  7 Abs.  1 der Mediationsrichtlinie enthaltenen europäischen Vorgaben hi­ nausgegangen, die lediglich ein Zeugnisverweigerungsrecht des Mediators for­ dern.204 §  4 MedG enthält demgegenüber eine Verschwiegenheitspflicht des Medi­ ators.205 Die Vorschrift stellt, wie vom Gesetzgeber vorgesehen,206 eine gesetzliche Regelung im Sinne des §  383 Abs.  1 Nr.  6 ZPO dar.207 Mit der Folge, dass dem Medi­ ator im Zivilprozess und in allen Prozessen, deren Verfahrensordnungen auf die ZPO verweisen, ein Zeugnisverweigerungsrecht zukommt.208 Hierzu gehören das ArbGG in §  46 Abs.  2, das FamFG in §  29 Abs.  2 und die VwGO in §  98.209 Es exis­ tiert damit jedoch lediglich ein Zeugnisverweigerungsrecht, keine Pflicht; der Medi­ ator ist prozessrechtlich nicht daran gehindert, trotzdem auszusagen.210 Kein Zeugnisverweigerungsrecht besteht für den Strafprozess, da §  53 StPO nicht auf die ZPO verweist, sondern an klar definierte Berufsbilder anknüpft, zu denen der Mediator nicht zählt.211 Neben dieser Lücke im Rahmen der Vertraulichkeit, die besonders bei der Mode­ ration im Rahmen des Täter-Opfer-Ausgleichs212 virulent wird, weist die Vorschrift des §  4 MedG eine noch größere Lücke im Rahmen der Realisierung der Vertraulich­ keit auf. Denn die Regelung nennt als Normadressaten lediglich den Mediator, nicht aber die Mediationsteilnehmer.213 §  4 MedG hindert die Parteien nicht daran, schrift­ liche Unterlagen wie z. B. Einigungsvorschläge der Gegenseite oder des Mediators im Fall des Scheiterns in den späteren Rechtsstreit einzuführen.214 Für den Anreiz, konstruktiv an einem Mediationsverfahren teilzunehmen, ist diese Aussicht mindes­

203 HK-MedG/Goltermann,

§  4 Rn.  20. Wagner, in: Fischer/Unberath, Das neue Mediationsgesetz, S.  95; HK-MedG/Goltermann, §  4 Rn.  5. 205  Wagner, ZKM 2011, 164, 165; HK-MedG/Goltermann, §  4 Rn.  5. 206  BT-Drs. 17/5335, S.  11. 207  Wagner, in: Fischer/Unberath, Das neue Mediationsgesetz, S.  94; MünchKommFamFG/Ulrici, §  4 MedG Rn.  1; HK-ZPO/Eichele, §  383 Rn.  11. 208 HK-MedG/Goltermann, §  4 Rn.  9. 209 HK-MedG/Goltermann, §  4 Rn.  9. 210  Dies kritisiert Thole, ZZP 127 (2014), 339, 363. 211 HK-MedG/Goltermann, §  4 Rn.  12. 212  Dazu siehe dann unten unter D.I.2. 213  VG Minden v. 17.02.2017 – 2 K 608/15, BeckRS 2017, 102924; dies kritisiert Thole, ZZP 127 (2014), 339, 363. 214  Wagner, in: Fischer/Unberath, Das neue Mediationsgesetz, S.  99. 204 

I. Mediator

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tens so schädlich, wie es ein fehlendes Zeugnisverweigerungsrecht des Mediators gewesen wäre.215 Um die Vertraulichkeit des Mediationsverfahrens umfangreich(er) zu realisieren, wird den Parteien – auch vom Gesetzgeber216 – empfohlen, in die Mediationsverein­ barung eine Regelung217 dahingehend aufzunehmen, dass Tatsachen und Dokumen­ te im Falle des Scheiterns eines Mediationsverfahrens nicht in einen späteren Rechts­ streit eingeführt werden dürfen.218 Dass ein solcher vertraglicher Beweismittelver­ zicht zulässig ist, lässt sich im Wege eines Erst-Recht-Schlusses aus dem Umstand begründen, dass nach der ständigen Rechtsprechung des BGH sogar Klageverzichts­ verträge zulässig sind 219 und auch im deutschen Recht Vereinbarungen zur Vertrau­ lichkeit, d. h. sogenannte Beweismittelverträge, grundsätzlich anerkannt werden.220 Nicht nur der Abschluss einer solchen Vereinbarung wird empfohlen, sondern auch, die getroffene Verschwiegenheitsverpflichtung mit einer Vertragsstrafe abzusi­ chern, die in ihrer Höhe dem durch den Bruch der Vereinbarung evtl. drohenden Schaden entspricht.221

3. Haftung Der drohende Schaden leitet über zu den Fragen der Haftung des Mediators. a) Haftungsgrund „Man mag bei Mediatoren noch diskutieren, wofür sie überhaupt haften können, wenn sie doch ‚nur‘ Gespräche strukturieren.“222

Mit Blick auf das MedG ist dabei zunächst festzuhalten, dass die Haftung des Medi­ ators vom Gesetzgeber nicht explizit geregelt worden ist und auch an anderer Stelle keine spezielle Anspruchsgrundlage für die Haftung des Mediators existiert.223 Die Schadensersatzpflicht kann sich daher nur aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen erge­

215 

Wagner, in: Fischer/Unberath, Das neue Mediationsgesetz, S.  99. BT-Drs. 17/5335, S.  17. 217  Thole, ZZP 127 (2014), 339, 363; eine Musterformulierung findet sich bei Wagner ZKM 2011, 164. 218  Wagner, in: Fischer/Unberath, Das neue Mediationsgesetz, S.  102; HK-MedG/Goltermann, §  4 Rn.  22. 219  Wagner, in: Fischer/Unberath, Das neue Mediationsgesetz, S.  102 mit Verweis auf BGH v. 21.12.2005 – VIII ZR 108/04, NJW-RR 2006, 632, 635. 220  Hierauf weist zu Recht hin: Hager, Konflikt und Konsens, S.  118 mit Verweis auf Wagner, Prozessverträge, S.  683, 687, Fn.  384; 221  Friedrich, MDR 2004, 481, 485; HK-MedG/Goltermann, §  4 Rn.  26. 222  Hartung, Anm. zu BGH v. 21.09.2017 – IX ZR 34/17, NJW 2017, 3442, 3444; für die USA wurde diese Aussage empirisch verifiziert, ein Ergebnis der dortigen Untersuchung: „As other au­ thors have observed, the chance of a mediator being successfully sued is remote.“, vgl. Coben/ Thompson, Disputing Irony: A Systematic Look at Litigation about Mediation, 11 Harv. Negot. L. Rev. 43 (2006) S.  95. 223  Handbuch Mediation/Prütting, §  46 Rn.  16. 216 

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B. Der moderierte Vertrag des zivilrechtlichen Konflikts

ben.224 Unwahrscheinlich erscheint dabei eine deliktische Haftung des Mediators, weil diese eine Verletzung absoluter Rechtsgüter voraussetzt.225 Damit kommt §  280 BGB als Vorschrift für die Haftung des Mediators eine zen­ trale Rolle zu. Damit einher geht eine wichtige Feststellung: Mediatorhaftung ist die vertragliche Haftung für Pflichtverletzungen.226 Zwei Punkte sind dabei hervorzuheben. Erstens: Die vertragliche Grundlage für die Haftung bildet nicht die Abschlussvereinbarung oder die Mediationsvereinba­ rung, sondern der Mediatorvertrag, den der Mediator mit den Parteien schließt.227 Zweitens muss dann eben eine Pflicht dieses Mediatorvertrags – schuldhaft 228 – verletzt worden sein, um den Tatbestand des §  280 Abs.  1 BGB zu realisieren. Welche Pflichten den Mediator treffen und ob er diese verletzt hat, dürfte regelmä­ ßig nur schwer festzustellen sein. Das mag noch nicht zu sehr für die Verletzung von Informations- oder Verschwiegenheitspflichten gelten, sofern diese im Mediatorver­ trag vereinbart worden sind,229 oder für den Fall, in dem der Mediator das Recht falsch anwendet. Macht er, weil dies etwa mit den Parteien ausnahmsweise so verein­ bart ist, den Medianden einen Vorschlag, bei dem er die rechtliche Lage falsch dar­ stellt, verstößt er gegen eine vertragliche Pflicht.230 Hier kommt bei einer Verletzung ggf. eine Haftung nach §§  280 Abs.  1, 241 Abs.  2 BGB in Betracht.231 Sehr viel schwieriger wird die Beurteilung bei der Frage, ob der Mediator seine Hauptleistungspflichten im Sinne des §  241 Abs.  1 BGB verletzt hat. Hauptleistungs­ pflicht des Mediators ist zunächst die Durchführung des Mediationsverfahrens de lege artis.232 Diesbezüglich nimmt das MedG zwar Konkretisierungen vor. Diese helfen jedoch letztlich nicht weiter, da es am Ende auf die Abmachungen im Medi­ atorvertrag ankommt. Diesbezüglich dann einen Verstoß festzustellen, ist schwierig. Die oben angesprochene Methodenvielfalt, auf die der Mediator bei seiner Modera­ tion zurückgreifen kann, findet hier ihre Kehrseite.233 Das MedG äußert sich in §  2 Abs.  3 Satz 2 zur Leistung des Mediators, dort heißt es: „Er fördert die Kommunikation der Parteien und gewährleistet, dass die Parteien in angemes­ sener und fairer Weise in die Mediation eingebunden sind.“

224 

Handbuch Mediation/Prütting, §  46 Rn.  16; Handbuch Mediation/Hess, §  43 Rn.  38. Handbuch Mediation/Hess, §  43 Rn.  38. 226  Jost, in: Fischer/Unberath, Das neue Mediationsgesetz, S.  123, 134; Handbuch Mediation/ Prütting, §  46 Rn.  18; Tochtermann, in: Fischer/Unberath, Das neue Mediationsgesetz, S.  113, 118; Brieske, in: Henssler/Koch, Mediation in der Anwaltspraxis, §  12 Rn.  49; Gläßer, ZKM 2018, 81. 227  Hager, Konflikt und Konsens, S.  124; BGH v. 21.09.2017 – IX ZR 34/17, NJW 2017, 3442, 3443, dazu siehe auch Riehm, ZKM 2019, 120 ff. 228  Im Sinne des Vertretenmüssens des §  280 Abs.  1 Satz 2 BGB; vgl. Staudinger/Schwarze, BGB, §  280 Rn. D 6. 229 Auch die Vertraulichkeit ist dispositiv, vgl. Tochtermann, in Fischer/Unberath, Das neue Mediationsgesetz, S.  113, 118. 230  Loritz, FS Stürner, 327, 329. 231  Jost, in: Haft/Schlieffen, Handbuch Mediation, §  29 Rn. 5. 232  Gläßer, ZKM 2018, 81, 82. 233  Vgl. insoweit auch Unberath, ZKM 2011, 4; Gläßer, ZKM 2018, 81, 82. 225 

I. Mediator

31

Die unterschiedlichen Möglichkeiten der Kommunikationsförderung sind bereits angesprochen worden. Auch durch die Ergänzung um die Gewährleistungen im zweiten Halbsatz der wiedergegebenen Vorschrift, die der Mediator zu besorgen hat, wird dessen Aufgabenbeschreibung nicht konkreter. Der Mediator soll den Parteien dabei die Überwachung der vereinbarten Verfahrensregeln schulden.234 Darüber hi­ naus soll der Mediator möglichst zielführend auf die Parteien einwirken und nach bestem Wissen und Gewissen alles in seiner Macht stehende tun, um die gesetzten Ziele der Angemessenheit und Fairness zu erreichen.235 Ob aber der Mediator dieser Pflicht ausreichend nachkommt oder sie im Sinne des §  280 Abs.  1 BGB verletzt, ist regelmäßig nur schwer festzustellen, da die exakten Beschreibungen dessen, was vom Mediator verlangt werden kann, fehlen.236 Die Fle­ xibilität im Rahmen der Konfliktvermittlung stellt gerade ein Charakteristikum so­ wie einen Vorteil des Mediationsverfahrens dar, der sich aber als Nachteil erweist, wenn es um die Frage der Festsetzung der genauen Leistungspflichten des Mediators geht. Es gibt innerhalb des Mediationsverfahrens keine festen Normen oder abstrak­ ten Oberbegriffe, aus denen man das richtige Tun in der einzelnen Situation genau bestimmen könnte.237 Eine Pflichtverletzung des Mediators ist daher nur schwer festzustellen 238 bzw. zu beweisen 239, besonders dann, wenn sie sich auf den Kern der Mediatorleistung, d. h. die Kommunikationsförderung bezieht und nicht in einer – ggf. noch etwas leichter festzustellenden – Verletzung einer Verschwiegenheitspflicht besteht.240 Für das Vorliegen von Pflichtverletzungen gibt es (noch) keine allgemein­ gültigen Regeln.241 Doch selbst wenn die Pflichtverletzung nachgewiesen werden sollte, müssten die Parteien dann noch darlegen, dass sie sich bei ordnungsgemäßem Verhalten des Me­ diators anders verhalten hätten 242 und insbesondere der Abschluss eines Vergleichs zur Streitbeilegung allein aufgrund des Verhaltens des Mediators gescheitert ist.243 Ließe sich die Pflichtverletzung feststellen, ginge damit keinesfalls automatisch eine Haftung einher, denn die Feststellung eines kausalen Schadens ist nicht minder schwierig.

234 

Pielsticker, in: Fritz/Pielsticker, Mediationsgesetz, §  2 Rn.  9 0. §  2 Rn.  136. 236  Hager, Konflikt und Konsens, S.  125, der (S.  124) darauf hinweist, dass selbst in einem pro­ zessfreudigen Land wie den USA nur wenige Fälle der Mediatorhaftung existieren würden. 237  Handbuch Mediation/Kracht, §  12 Rn.  2. 238  Handbuch Mediation/Prütting, §  46 Rn.  43. 239  Gläßer, ZKM 2018, 81, 83. 240  Vgl. auch Brieske, in: Henssler/Koch, Mediation in der Anwaltspraxis, §  12 Rn.  33. 241  Handbuch Mediation/Prütting, §  46 Rn.  48 mit Verweis auf Brieske, in: Henssler/Koch, Me­ diation in der Anwaltspraxis §  9 Rn.  31 f. 242  Handbuch Mediation/Prütting, §  46 Rn.  48 mit Verweis auf Brieske, in: Henssler/Koch, Me­ diation in der Anwaltspraxis §  9 Rn.  31 f. 243  Vgl. die ausführliche Darstellung bei Brieske, in: Henssler/Koch, Mediation in der Anwalts­ praxis, §  12 Rn.  32. 235 HK-MedG/Gläßer,

32

B. Der moderierte Vertrag des zivilrechtlichen Konflikts

b) Schaden Die Feststellung eines ersatzfähigen Schadens wird regelmäßig auch bei einer erwie­ senen Pflichtverletzung durch den Mediator erhebliche Schwierigkeiten bereiten.244 Dabei ist Ausgangspunkt der Überlegungen, dass für den Fall, in dem der Media­ tor seine (Kern-) Pflichten zurechenbar durch Schlechtleistung verletzt, er im Sinne der Differenzhypothese verpflichtet ist, die Parteien so zu stellen, wie sie ohne seine Pflichtverletzung stünden.245 An dieser Stelle kommt abermals ein Charakteristi­ kum der Mediation zum Tragen, das einen Vorteil der Mediation an sich darstellt, aber der Feststellung eines Schadens im Wege steht. Die durch die Mediation gewollt betonte Autonomie der Parteien unterbricht den notwendigen Kausalzusammen­ hang zwischen Pflichtverletzung und Schaden. Denn trotz der Pflichtverletzung des Mediators liegt der Abschluss des Vergleichs nach wie vor in den Händen der Partei­ en.246 Den Wert eines hypothetischen Vergleichs, worin auch immer dieser konkret bestehen könnte, wird man in der Regel nicht als kausalen Schaden ansetzen können. Denn bei pflichtgemäßer Leistung des Mediators schuldet dieser ebenfalls – wie dar­ gestellt – keinen Erfolg im Sinne einer konkreten Einigung.247 Selbst wenn der Konflikt später durch Richterspruch statt Mediation gelöst wird, erscheint einem die Annahme eines Schadens nicht ohne Weiteres möglich, wie Jost mit Blick auf die Folgen einer abgebrochenen Mediation anspricht: Wird eine Medi­ ation wegen des regelwidrigen Verhaltens des Mediators abgebrochen, so gewährt der stattdessen geführte Prozess möglicherweise in vollem Umfang Recht und die Parteien bekommen das, was ihnen zusteht.248 Dann fehlt es jedoch am Schaden. Unberath erkennt in der fehlenden Justiziabilität der Mediatorpflichten eine wei­ tergreifende Problematik, weil so auch die Rechte der Parteien in Gefahr gerieten.249

4. Der moderierte Vertrag in der Mediation Der moderierte Vertrag im Rahmen der Mediation ist nicht der soeben im Rahmen der Haftungsfragen häufiger angesprochene Mediatorvertrag, sondern die Ab­ schlussvereinbarung, die zwischen den Parteien (ganz) zum Schluss eines erfolgrei­ chen 250 Mediationsverfahrens getroffen wird. Die Abschlussvereinbarung stellt die zeitlich letzte Übereinkunft der Mediationsteilnehmer dar. Der Gesetzgeber unter­ scheidet diesbezüglich in §  2 Abs.  6 MedG zwischen drei verschiedenen Begriffen. Als Einigung wird der Zustand bezeichnet, in dem die Parteien eine Lösung für ih­ 244  Gläßer, ZKM 2018, 81, 83¸ vgl. auch auch Greger, in: Greger/Unberath/Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, §  2 MedG Rn.  215. 245 Vgl. Greger, in: Greger/Unberath/Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, §  2 MedG Rn.  98. 246  Unberath, ZKM 2011, 4, 7. 247  Greger, in: Greger/Unberath/Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, §   2 MedG Rn.  56; Brieske, in: Henssler/Koch, Mediation in der Anwaltspraxis, §  12 Rn.  32. 248  Jost, in: Fischer/Unberath, Das neue Mediationsgesetz, S.  123, 126. 249  Unberath, ZKM 2011, 4. 250  So die Einschätzung von Unberath, in: Fischer/Unberath, Das neue Mediationsgesetz, S.  47, 52; Handbuch Mediation/Hess, §  43 Rn.  8 , 20.

I. Mediator

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ren Konflikt gefunden haben. Vereinbarung meint dann die bindende Regelung der Punkte, über die eine Einigung erzielt wurde. Als Abschlussvereinbarung wird schließlich deren schriftliche Fixierung verstanden.251 Allerdings existiert im Hin­ blick auf den Abschluss der Mediation kein konstitutives Schriftformgebot.252 So­ wohl bei der Einigung und der Vereinbarung als auch bei der Abschlussvereinbarung handelt es sich um einen Vertrag,253 in dem zwischen den Teilnehmern der Mediation festgehalten wird, wie der Konflikt beendet wurde und wie die Parteien in Zukunft miteinander umgehen werden.254 Parteien der Abschlussvereinbarung sind regelmä­ ßig nur die Medianden.255 Diese Abschlussvereinbarung wird regelmäßig als Ver­ gleich im Sinne des §  779 BGB eingeordnet, 256 der – aufgrund der vom Mediations­ verfahren beabsichtigten Stärkung der Autonomie der Parteien – uneingeschränkt der staatlichen Kontrolle im Hinblick auf die Zurechenbarkeit des darin erklärten Willens unterworfen sei.257 Der Mediationsvergleich unterliege den allgemeinen Grenzen der Vertragsfreiheit, 258 was dann eben auch bedeutet, dass die Gestaltungs­ freiheit durch deren allgemeine Grenzen, wie den Nichtigkeits-, Anfechtbarkeitsund Vertragsaufhebungsgründen eine Begrenzung erfährt.259

5. Mediator und moderierter Vertrag Ist die Abschlussvereinbarung also ein zivilrechtlicher Vertrag wie jeder andere? Dieser Schluss liegt zunächst nahe, zumal der Mediator nicht einmal Vertragspartei wird, sofern er nicht – ausnahmsweise – im Rahmen der Abschlussvereinbarung etwa mit der Umsetzung oder Überwachung der darin festgehaltenen Ergebnisse betraut wird. Legt man weiterhin eine bilaterale Konfliktsituation zugrunde, so han­ delt es sich bei der durch die Parteien geschlossenen Abschlussvereinbarung um ei­ nen zweiseitigen Vertrag, auf den die Vorschriften des BGB, insbesondere die §§  145 ff. BGB ebenso wie die §§  104 ff. BGB auf die für den Vertragsschluss notwen­ digen Willenserklärungen der Parteien Anwendung finden. Durch die bisherigen Ausführungen ist deutlich geworden, dass die Abschlussver­ einbarung im Hinblick auf ihr Zustandekommen eine Besonderheit aufweist: Ohne später Vertragspartei zu werden, nimmt der Mediator auf die Vereinbarung durch Beseitigung von Einigungshindernissen in aller Regel entscheidenden Einfluss.260 251 

Zu den verschiedenen Bezeichnungen HK-MedG/Gläßer, §  2 Rn.  244. §  2 Rn.  302. 253  Handbuch Mediation/Hess, §  43 Rn.  1. 254  Handbuch Mediation/Kracht, §  12 Rn.  81; zu möglichen Inhalten siehe auch die Übersicht bei HK-MedG/Gläßer, §  2 Rn.  247 ff. 255 So Unberath, in: Fischer/Unberath, Das neue Mediationsgesetz, S.  47, 52; HK-MedG/Gläßer, §  2 Rn.  251. 256 Etwa von Handbuch Mediation/Hess, §  43 Rn.  58; Unberath, ZKM 2011, 4; Ganner, ÖJZ 2003, 710, 712. 257  Unberath, ZKM 2011, 4. 258 So Unberath, ZKM 2011, 4, 5. 259  Hager, Konflikt und Konsens, S.  122. 260  So auch Unberath, in: Fischer/Unberath, Das neue Mediationsgesetz, S.  47, 52. 252 HK-MedG/Gläßer,

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B. Der moderierte Vertrag des zivilrechtlichen Konflikts

Dass der Tätigkeit des Mediators für die Abschlussvereinbarung eine Bedeutung zukommt, findet im MedG seinen Ausdruck, dort heißt es in §  2 Abs.  6: „Der Mediator wirkt im Falle einer Einigung darauf hin, dass die Parteien die Vereinbarung in Kenntnis der Sachlage treffen und ihren Inhalt verstehen. Er hat die Parteien, die ohne fachliche Beratung an der Mediation teilnehmen, auf die Möglichkeit hinzuweisen, die Ver­ einbarung bei Bedarf durch externe Berater überprüfen zu lassen. Mit Zustimmung der Par­ teien kann die erzielte Einigung in einer Abschlussvereinbarung dokumentiert werden.“

Der Mediator soll – dies ist aus der Verwendung des Verbes „hinwirken“ zu schlie­ ßen – dazu verpflichtet sein, proaktiv die notwendige Kenntnis und das erforderliche Verständnis der Parteien herzustellen.261 Das bedeutet auch, dass der Mediator die zentralen Inhalte und Grundlagen – ähnlich wie ein Notar – ggf. laienverständlich erläutern muss.262 Dieses Gebot erfüllt keinen Selbstzweck. Vielmehr soll durch den Mediator sichergestellt werden, dass die Parteien eine autonome, d. h. selbstbestimm­ te Entscheidung treffen und das Mediationsergebnis materiell dem Prinzip der Selbstbestimmtheit entspricht, 263 was eben verlangt, dass die Mitwirkung der Partei­ en an der Abschlussvereinbarung freiwillig, also unbeeinflusst von Irrtum und Zwang, erfolgt.264 Das setzt einen ausreichenden Informationsstand der Parteien vo­ raus.265 a) Motivation des Gesetzgebers Warum ist dem Gesetzgeber so an der Informiertheit der Parteien und einer darauf basierenden autonomen Entscheidung gelegen, dass er auch dem Mediator insoweit Pflichten auferlegt? Es existieren zwei Hinweise auf die Motive des Gesetzgebers, die hinter der skiz­ zierten Schaffung der Mediatorpflichten stehen. Einen ersten Hinweis liefern die Gesetzesmaterialien selbst. In der Begründung zu §  2 Abs.  6 Satz 1 MedG wird im Regierungsentwurf ausgeführt, dass die Media­ toren durch diese Vorschrift verpflichtet würden, sich zu vergewissern, dass die Par­ teien eine Vereinbarung in Kenntnis der Sachlage treffen und ihren Inhalt verste­ hen.266 Damit wird nahezu nur der Gesetzeswortlaut wiederholt; im Referentenent­ wurf war zudem noch das Verb „vergewissern“ im Gesetzestext verwendet worden;

261 HK-MedG/Gläßer, §  2 Rn.  283; vgl. insoweit auch schon Handbuch Mediation/Kracht, §  12 Rn.  73, auf den auch der Gesetzgeber Bezug nimmt, BT-Drs. 17/5335, S.  15. 262 HK-MedG/Gläßer, §  2 Rn.  283. 263 MünchKommFamFG/Ulrici, §  2 MedG Rn.  29. 264 Vgl. Greger, in: Greger/Unberath/Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, §  2 MedG Rn.  30 ff.; dies gilt ebenso für die us-amerikanische Mediation: „Parties have every right to agree to a settlement that others might find unfair, but the law contemplates some integrity in the bargaining or mediation process. When fraudulent material statements induce a party to agree, the agreement should not be enforced in the name of self-determination or in the name of freedom to contract“, so Coben/Thompson, Disputing Irony: A Systematic Look at Litigation about Mediation, 11 Harv. Negot. L. Rev. 43 (2006) S.  80. 265 HK-MedG/Gläßer, §  2 Rn.  243. 266  BT-Drs. 17/5335, S.  15.

I. Mediator

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dies wurde im Regierungsentwurf zugunsten des aktiveren 267 „Hinwirken“ ersetzt. In der Begründung blieb das „Vergewissern“ erhalten. Auf die Wiederholung des Gesetzestextes folgt in der Gesetzesbegründung jedoch der Verweis auf die Empfeh­ lungen des Ministerkomitees des Europarats an die Mitgliedstaaten über die Media­ tion in Zivilsachen.268 Die in der Gesetzesbegründung angesprochene Passage der Empfehlungen des Ministerkomitees lautet: „Der Mediator sollte unparteiisch und unabhängig handeln und während dem Mediationsver­ fahren für die Einhaltung des Grundsatzes der Waffengleichheit sorgen. Er ist nicht befugt, den Parteien eine Lösung aufzuzwingen.“269

Legt man dies zugrunde, ging es dem Gesetzgeber durch die Schaffung der genann­ ten Regelung und der damit einhergehenden Sicherung der Autonomie der Parteien darum, die Parteien vor einer unangemessenen Beeinflussung durch den Mediator ebenso zu bewahren wie durch eine überlegene Partei, wie die Erwähnung des Grundsatzes der Waffengleichheit deutlich macht. Ein solches Kräfteungleichge­ wicht zwischen den Mediationsteilnehmern, das Auswirkungen auf das Pflichten­ programm des Mediators hat, findet sich auch in Punkt 3.1 des europäischen Verhal­ tenskodex für Mediatoren. Dieser wurde weder vom Gesetzgeber erwähnt noch ist er rechtsverbindlich; der genannte Kodex formuliert einleitend, dass er Grundsätze statuiere, zu deren Einhaltung sich einzelne Mediatoren freiwillig und eigenverant­ wortlich entschließen können.270 Die einschlägige Passage des europäischen Verhaltenskodex für Mediatoren 271 lau­ tet: „Der Mediator leitet das Verfahren in angemessener Weise und berücksichtigt die jeweiligen Umstände des Falls, einschließlich einer ungleichen Machtverteilung und des Rechtsstaats­ prinzips, eventueller Wünsche der Parteien und der Notwendigkeit einer raschen Streitbeile­ gung.“

Diesem Kodex zufolge soll der Mediator die mögliche ungleiche Kräfteverteilung also „berücksichtigen“. Mit Blick auf die Abschlussvereinbarung, deren Autonomie zu sichern sei, folgert Unberath hieraus, dass der überparteiliche Mediator die Medi­ 267 

Im Vergleich zum reaktiven „Vergewissern“, so die Einschätzung von HK-MedG/Gläßer, §  2 Rn.  282. 268  Die entsprechende Passage lautet wörtlich: „§  2 Absatz 6 Satz 1 MediationsG verpflichtet die Mediatorinnen und Mediatoren, sich zu vergewissern, dass die Parteien eine Vereinbarung in Kenntnis der Sachlage treffen und ihren Inhalt verstehen (vgl. Nummer IV.12. der Empfehlung R (2002) 12 des Ministerkomitees des Europarats an die Mitgliedstaaten über die Mediation in Zivil­ sachen, www.egmr.org/minkom/ch/rec2002-12.pdf)“, vgl. BT-Drs 17/5335, S.  15 (Die dort genann­ te Fundstelle der Empfehlung des Ministerkomitees ist unzutreffend, die Empfehlung zur Mediati­ on findet sich unter www.egmr.org/minkom/ch/rec2002-10.pdf, zuletzt abgerufen am 01.10.2019). 269  Empfehlung Rec (2002) 10 des Ministerkomitees an die Mitgliedstaaten über die Mediation in Zivilsachen, abrufbar unter www.egmr.org/minkom/ch/rec2002-10.pdf, zuletzt abgerufen am 05.11.2020. 270  Siehe die englische Version in ZKM 2004, 148 ff. 271 Abrufbar unter: https://www.bmev.de/fileadmin/_migrated/content_uploads/code_of_con duct_de_02.pdf, zuletzt abgerufen am 05.11.2020.

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B. Der moderierte Vertrag des zivilrechtlichen Konflikts

ation abbrechen müsse, wenn er erkennt, dass eine Partei – etwa aufgrund einer un­ terlegenen Machtposition – zu autonomen Entscheidungen im Rechtssinne nicht imstande ist.272 Im Hinblick auf die Abschlussvereinbarung und die Sicherung des Kräftegleich­ gewichts kommt dem Mediator also eine – auch vom Gesetzgeber gewollte – wichti­ ge Funktion zu. Darüber hinaus bzw. auch damit in Verbindung steht das weitere Motiv des Ge­ setzgebers für die Schaffung des §  2 Abs.  6 MedG in der dargestellten Form. Den Hinweis hierauf liefert der Wortlaut der Vorschrift, wie Gläßer richtig vermutet.273 Die Verwendung der Formulierung „Kenntnis der Sachlage“ erinnert an den Text der Vorschrift des §  779 Abs.  1 BGB,274 die einen besonderen Unwirksamkeitstatbe­ stand normiert, bei dessen Vorliegen der Vergleichsvertrag, der in Absatz 1 Satz 1 per Klammerdefinition definiert wird,275 von vornherein nichtig ist.276 Das ist gerade dann der Fall, wenn der nach dem Inhalt des Vertrags als feststehend zugrunde ge­ legte Sachverhalt der Wirklichkeit nicht entspricht und der Streit oder die Ungewiss­ heit bei Kenntnis der Sachlage nicht entstanden sein würde.277 Diese Unwirksamkeit der Abschlussvereinbarung gemäß §  779 Abs.  1 BGB kann der Mediator dadurch verhindern, dass er – wie es §  2 Abs.  6 MedG von ihm verlangt – darauf hinwirkt, dass die Parteien die Vereinbarung in Kenntnis der (richtigen) Sachlage treffen. Damit verfolgt die Vorschrift auch das Ziel, die Wirksamkeit der von den Parteien getroffenen Vereinbarung zu sichern.278 Dies findet auch in §  2 Abs.  6 Satz 2 MedG seinen Ausdruck, da der Gesetzgeber unter der Überprüfung durch externe Berater grundsätzlich die rechtliche Kontrolle durch einen Rechtsanwalt versteht und nur je nach Einzelfall eine Beratung durch andere Experten.279 b) Eingriff in die Kommunikation Ist damit bisher festgestellt, dass dem Mediator auch im Hinblick auf die Abschluss­ vereinbarung Aufgaben zufallen, so bleiben jedoch Unklarheiten bei der Antwort auf die Frage, wie er diese realisieren soll. Als extremste bzw. letzte Möglichkeit bleibt dem Mediator – wie schon angesprochen – die Mediation abzubrechen. Dies kann er nach §  2 Abs.  5 MedG insbesondere dann, wenn er der Auffassung ist, dass 272 

Unberath, ZKM 2011, 4, 6. §  2 Rn.  273. 274  Die Vorschrift lautet: Ein Vertrag, durch den der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis im Wege gegenseitigen Nachgebens beseitigt wird (Vergleich), ist un­ wirksam, wenn der nach dem Inhalt des Vertrags als feststehend zugrunde gelegte Sachverhalt der Wirklichkeit nicht entspricht und der Streit oder die Ungewissheit bei Kenntnis der Sachlage nicht entstanden sein würde. 275  Zur Definition des Vergleichs vgl. die Ausführungen unten unter F.I.1. 276 Staudinger/Marburger, BGB, §  7 79 Rn.  69. 277 BeckOK-BGB/Fischer, §  7 79 Rn.  42. 278  Dies vermutet auch HK-MedG/Gläßer, §   2 Rn.  273; vgl. auch Brieske, in: Henssler/Koch, Mediation in der Anwaltspraxis, §  12 Rn.  25, der eine Prüfungspflicht dahingehend annimmt, ob eine Vereinbarung erzielt werden kann, die gesetzeskonform ist. 279  Genannt werden technische Sachverständige, eine Wirtschaftsprüfung oder eine psychologi­ sche Beratung, vgl. BT-Drs. 17/5335, S.  17. 273 HK-MedG/Gläßer,

I. Mediator

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eine eigenverantwortliche Kommunikation oder eine Einigung der Parteien nicht zu erwarten ist. An dieser Stelle schließt sich ein Kreis zwischen den Aufgaben des Mediators im Hinblick auf die Abschlussvereinbarung und seinen Möglichkeiten, die Mediation zu beenden. Denn an der notwendigen Freiwilligkeit der Parteien fehlt es ja gerade dann, wenn zwischen ihnen ein starkes Machtgefälle besteht,280 d. h., wenn eine der Parteien so stark ist, dass sie die Bedingungen der Verhandlungen diktieren kann.281 Mit dem Abbruch der Mediation ist aber nur die letzte Möglichkeit des Mediators beschrieben, seinen Aufgaben im Hinblick auf die Abschlussvereinbarung nachzu­ kommen. Regelmäßig wird sein Bestreben darin liegen müssen, nicht die „Reißleine“ des §  2 Abs.  5 Satz 2 MedG zu ziehen, sondern durch seine Mediationstätigkeit so zu steuern, dass beide Parteien verantwortlich kommunizieren und auf diesem Wege eine Abschlussvereinbarung treffen, die ihren Konflikt wirksam beendet. Dazu muss er dann aber in die Kommunikation der Parteien eingreifen.282 Wie und wann aber der Mediator verpflichtet ist, von sich aus in die Kommunika­ tion einzugreifen, ist nicht geregelt.283 Abhängen dürfte diese Pflicht zunächst von der gewählten Art der Mediation. Soll der Mediator etwa bloß einen faciliativen bzw. passiven Mediationsstil anwenden, dürfte diese Pflicht weniger ausgeprägt sein 284 als etwa im Falle der evaluierenden bzw. aktiven Mediation, in deren Rahmen der Medi­ ator Verantwortung für das Mediationsergebnis übernimmt und daher Einfluss auf den Kreis der Beteiligten bei einer Mediation nehmen kann und auch inhaltliche Vorschläge einbringen soll.285 Was allerdings – unabhängig von der gewählten Mediationsart – stets im Interesse der Parteien sowie des Mediators286 liegen dürfte, ist der Abschluss einer rechtlich wirksamen und damit fortgeltenden Abschlussvereinbarung, da nur diese den Kon­ flikt sicher und dauerhaft beendet. Damit sind es die Grenzen der Wirksamkeit der Abschlussvereinbarung, die eine Handlungspflicht des Mediators beschreiben. So soll eine Interventionspflicht nach Tochtermann dann – aber auch erst dann – bestehen, wenn das gefundene Ergebnis die Grenze der §§  138 bzw. 123 BGB über­ schreitet.287 Die Pflicht zur Einwirkung auf die Kommunikation soll jedoch auf Fäl­ le beschränkt sein, die sich evident als sittenwidrige, strafbare oder anfechtbare Handlung darstellen 288 und eine Interventionspflicht selbst für den Fall ausscheiden soll, in dem die Parteien den Sachverhalt falsch beurteilen.289 Es sind jedenfalls die 280 HK-MedG/Gläßer, §   2 Rn.  211, Handbuch Mediation/Kracht, §  12 Rn.  100; Ganner, ÖJZ 2003, 710, 713. 281  Handbuch Mediation/Kracht, §  12 Rn.  100. 282  Der Machtausgleich soll nach Ganner, ÖJZ 2003, 710, 712, geschehen durch die Person des Mediators, durch die Verfahrensstruktur sowie durch mediative Techniken. 283  Tochtermann, in: Fischer/Unberath, Das neue Mediationsgesetz, S.  113, 119. 284  Handbuch Mediation/Kracht, §  12 Rn.  103. 285  So Handbuch Mediation/Kracht, §  12 Rn.  110; vgl. Pielsticker, in: Fritz/Pielsticker, Mediati­ onsgesetz, §  2 Rn.  30. 286  Zum Interesse des Mediators vgl. sogleich unten unter B.I.5.c). 287  Tochtermann, in: Fischer/Unberath, Das neue Mediationsgesetz, S.  113, 120. 288 So Tochtermann, in: Fischer/Unberath, Das neue Mediationsgesetz, S.  113, 121. 289  Tochtermann, in: Fischer/Unberath, Das neue Mediationsgesetz, S.  113, 120.

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B. Der moderierte Vertrag des zivilrechtlichen Konflikts

Regelungen, die die Wirksamkeit des moderierten Vertrags beeinträchtigen können, die gleichzeitig einen Eingriff des Mediators fordern, insbesondere im Hinblick auf die Folgen möglicher Willensdefizite für den Bestand der Abschlussvereinbarung.290 Gleichzeitig findet die Interventionspflicht des Mediators eine Grenze in dessen Neutralitätspflicht. Denn eine notwendige Intervention mag durch das Interesse an einer wirksamen Abschlussvereinbarung gedeckt sein. Demgegenüber kann eine nicht notwendige Intervention, etwa weil kein rechtlich relevantes Willensdefizit be­ steht, nicht als „objektiv“ und „neutral“ gewertet werden und daher die Neutrali­ tätspflicht des Mediators verletzen.291 Hier kann es dann zwischen den genannten Grundsätzen der Mediation zu Zielkonflikten kommen.292 Außerhalb des materiellen Zivilrechts wird das RDG zu Recht als Grenze für nichtanwaltliche Mediatoren bezeichnet, sofern es um die rechtliche Beratung in Be­ zug auf die Abschlussvereinbarung geht.293 Die Beachtung der Neutralität durch den Mediator, die seinen möglichen Inter­ ventionen zugunsten der „schwachen“ Partei Grenzen setzt, kann ihrerseits aller­ dings auch nicht losgelöst von der Abschlussvereinbarung als moderiertem Vertrag gesehen werden. Wie oben dargestellt, bezeichnet die Neutralität eine Verhaltensan­ forderung des Mediators im Verfahren, wohingegen die persönlichen Voraussetzun­ gen vom MedG mit dem Begriff der Unabhängigkeit belegt wurden. Die Neutralität als verfahrensbezogene Pflicht spielt daher für das Ergebnis der Mediation eine Rol­ le, da insoweit formuliert wird, dass Verfahrensgerechtigkeit Ergebnisgerechtigkeit erzeuge.294 Der moderierte Vertrag als Abschluss des Verfahrens erlangt somit eine Bedeu­ tung schon für die Zeit vor seinem Abschluss. Seine Wirkungen und die ihn betref­ fenden Wertungen entfalten ihre Wirkung schon im Rahmen der Mediationsver­ handlungen. c) Interesse des Mediators Schon dargelegt wurde, dass der Mediator regelmäßig nicht Vertragspartner der Ab­ schlussvereinbarung ist. Diese wird vielmehr nur zwischen den Medianden geschlos­ sen. Auch schuldet er aus dem Mediatorvertrag keinen Erfolg dahingehend, erfolg­ reich den Konflikt hin zu einer Abschlussvereinbarung zu vermitteln. Diese Um­ stände sorgen jedoch nicht dafür, dass zwischen Mediator und Abschlussvereinbarung kein fassbares Verhältnis bestehen würde. Zwei grundlegende Ausgangssituationen lassen sich für die Mediation festhalten.

290  Vgl. auch Unberath, ZKM 2011, 4, 6, der auf die Notwendigkeit eines rechtlich relevanten Willensdefizits hinweist. 291  Unberath, ZKM 2011, 4, 6; auf die zu beachtende Neutralitätspflicht weist auch Münch­ KommFamFG/Ulrici, §  2 MedG Rn.  29 hin. 292  Unberath, in: Greger/Unberath/Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, §  2 MedG Rn.  47 nennt darüber hinaus die Vertraulichkeit als Grundsatz, der im Zielkonflikt besteht. 293 MünchKommFamFG/Ulrici, §  2 MedG Rn.  29. 294  Handbuch Mediation/Hess, §  43 Rn.  47 mit Verweis auf Hager, Konflikt und Konsens, S.  82.

I. Mediator

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Erstens: Der Mediator hat kein Interesse an einem bestimmten Inhalt der Ab­ schlussvereinbarung. Das ließe sich schon aus dem Umstand folgern, dass er nicht Vertragspartei wird, ihn also auch keine Pflichten treffen. Noch deutlicher wird dies, wenn man sich noch einmal das grundlegende Anliegen der Mediation vor Augen führt. Die Autonomie der Parteien soll gestärkt werden, damit diese auf Basis ihrer Verhandlungen in der Mediation eine eigene Lösung ihres Konflikts erarbeiten können. Es muss daher der von den Parteien erarbeitete Vertragsinhalt sein, der zur Beendigung des Konflikts führt. Zweitens: Auch wenn der Mediator kein Interesse an einem bestimmten Inhalt der Abschlussvereinbarung hat, so hat er ein Interesse daran, dass eine Abschlussverein­ barung – gleich welchen Inhalts – geschlossen wird. An diesem Interesse ändert auch der Umstand nichts, dass auch der Mediator, wie oben dargestellt, in den Fällen des §  2 Abs.  5 Satz 2 MedG dazu berechtigt ist, die Mediation abzubrechen. Vielmehr ist der Abbruch der Mediation ohne Einigung die nicht angestrebte Ausnahme. Ziel der Mediation ist es, eine Einigung herbeizufüh­ ren.295 Eine Mediation gilt dann als erfolgreich, wenn eine Abschlussvereinbarung – gleich welchen Inhalts – getroffen wurde.296 Auch wenn der Mediator deren Vermitt­ lung nicht als Erfolg aus dem Mediatorvertrag schuldet, so wird er doch ein Interes­ se daran haben, seine eigene Vermittlungsleistung so vorzunehmen, dass diese erfolgreich ist. Plastisch wird dies anhand eines US-amerikanischen Falles,297 in dem eine Partei nach beendeter Mediation rügte, sie sei vom Mediator zur Unterschrift der Abschlussvereinbarung mit den Worten gedrängt worden, dass sie andernfalls „would ruin [the mediator’s] record of being always able to settle the case.“298 Dies gilt auch, wenn kein Erfolgshonorar vereinbart worden ist, 299 dessen Existenz aber­ mals zeigt, dass ein Interesse des Mediators am Abschluss einer Vereinbarung be­ steht, welche dann evtl. sogar noch gefördert werden soll. Eine solche Vereinbarung eines Erfolgshonorars brächte den Mediator zudem (noch) näher in die Richtung ei­ nes Maklers.

6. Mediator als Moderator Zusammenfassend lässt sich nach der Betrachtung der Konfliktvermittlung durch den Mediator zunächst festhalten, dass die Mediation durch den Mediator eine Mo­ deration im Sinne dieser Untersuchung darstellt, wie dies auch schon eingangs bei der Begriffsklärung der Moderation angeklungen ist. Mediation ist eine Art des Ver­ handlungsmanagements durch Dritte ohne Entscheidungskompetenz.300 Im Vorder­ 295 

Unberath, ZKM 2011, 4, 5. Unberath, in: Fischer/Unberath, Das neue Mediationsgesetz, S.  47, 52. 297  Patterson vs. Taylor 969 P.2d 1106, 1110 (Wash. Ct. App.  1999). 298  Siehe auch die Wiedergabe bei Coben/Thompson, Disputing Irony: A Systematic Look at Litigation about Mediation, 11 Harv. Negot. L. Rev. 43 (2006) S.  97. 299  Unberath, ZKM 2011, 4, 5, der die Vereinbarung eines Erfolgshonorars jedoch nicht emp­ fiehlt. 300  Greger/Weber, MDR-Sonderheft 2012 „Das neue Güterichterverfahren“, 1, 14. 296 

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B. Der moderierte Vertrag des zivilrechtlichen Konflikts

grund steht das eher rechtsferne Bestreben, den Parteien zum Abschluss einer eige­ nen Vereinbarung zu verhelfen, indem man sich auf deren Interessen und nicht auf die rechtliche Einschätzung der Situation konzentriert.301 Die Moderation beinhaltet demgegenüber ein Weniger als die Mediation. Die Mo­ deration stellt als Oberbegriff die Kommunikationsmittlung durch einen unabhän­ gigen Dritten dar. Dies geschieht auch bei der Mediation, wie oben dargelegt und insbesondere auch aus der Vorschrift in §  2 Abs.  3 Satz 2302 MedG deutlich wird.303 Das rechtfertigt es, die Mediation als Moderation im Sinne dieser Untersuchung ein­ zustufen.304 Die Mediation lässt sich noch genauer beschreiben. Neben den genann­ ten Charakteristika ist hier auch der Umstand zu nennen, dass dem Mediator zwar kein Verfahren zur Konfliktmittlung vorgegeben ist, er jedoch – auch insoweit wei­ tergehend als die Moderation – jedenfalls ein Verfahren in Absprache mit den Partei­ en wählt, d. h. nicht versucht, die Kommunikation zwischen den Parteien irgendwie zu vermitteln. Der moderierte Vertrag im Sinne dieser Untersuchung besteht dann in der soge­ nannten Abschlussvereinbarung, die die Parteien zum Schluss des Mediationsver­ fahrens treffen sollen. Dass der Mediator ein Interesse an dieser Abschlussvereinba­ rung hat, also auch bei ihm eine gewisse Motivation im Hinblick auf den Vertrags­ schluss vorliegt, konnte nachgewiesen werden. Die Fragen der unzulässigen Druckausübung durch den Mediator einerseits sowie andererseits dessen Interventi­ onspflicht hängen damit zusammen. Von diesen Fragen nicht weit entfernt sind dann die der Haftung des Mediators bei Pflichtverletzungen sowie damit einhergehende Probleme. Die Abschlussvereinbarung stellt einen Vertrag im Sinne der §§  145 ff. BGB dar, infolge der Beteiligung des Moderators ergeben sich jedoch Besonderheiten. Gleich­ falls wirken die für den Vertrag geltenden Regelungen – so viel ist bereits deutlich geworden – auch auf die vor dem Vertragsschluss stattfindenden Verhandlungen ein und prägen diese, auch und besonders im Hinblick auf die Charakteristika der Me­ diation sowie die den Mediator treffenden Pflichten.

II. Güterichter Der Mediator ist nicht der einzige Kommunikationsmittler, der beim Vertrags­ schluss helfen soll. Auch der durch das bereits angesprochene Gesetz zur Förderung der Mediation und anderer Verfahren der außergerichtlichen Streitbeilegung305 ge­ schaffene Güterichter fällt in die Kategorie eines Moderators im Sinne dieser Unter­ 301 

Thole, ZZP 127 (2014), 339, 341. Die Vorschrift lautet: Er fördert die Kommunikation der Parteien und gewährleistet, dass die Parteien in angemessener und fairer Weise in die Mediation eingebunden sind. 303  Pielsticker, in: Fritz/Pielsticker, Mediationsgesetz, §  2 Rn.  86. 304 Auch Drosdeck, in: Lukas/Dahl/Drosdeck, Konfliktlösung im Arbeitsleben, Rn.  121 spricht im Rahmen der Tätigkeitsbeschreibung u. a. von Moderation. 305  BGBl. I 2012, 1577 ff. 302 

II. Güterichter

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suchung. Diese „innergerichtliche Moderation“ hat ihre Kodifikation in §  278 Abs.  5 ZPO gefunden, der parallel zur Implementierung des MedG306 wie folgt gefasst wurde: „Das Gericht kann die Parteien für die Güteverhandlung sowie für weitere Güteversuche vor einen hierfür bestimmten und nicht entscheidungsbefugten Richter (Güterichter) verweisen. Der Güterichter kann alle Methoden der Konfliktbeilegung einschließlich der Mediation ein­ setzen.“307

Die schwierigsten Kontroversen im Gesetzgebungsprozess308 betrafen die gericht­ sinterne Mediation und das Güterichtermodell.309 Die Fronten des von Kehrtwen­ dungen 310 geprägten Verfahrens311 waren keine parteipolitischen, sondern verliefen zwischen Justiz und Anwaltschaft.312 Ursprünglich sah der Gesetzentwurf die ge­ richtsinterne Mediation vor.313 Diese wurde nach der Befassung im Rechtsausschuss durch das Modell des Güterichters ersetzt.314 Das hatte für Anwälte und freiberufli­ che Mediatoren den Vorteil, dass staatliche, d. h. richterliche, Konkurrenz auf diesem Wege ausgeschaltet wurde,315 denn der Güterichter sollte sich in der Vorstellung des Rechtsausschusses nicht der Techniken der Mediation bedienen können. Praktisch wurde die gerichtsinterne Mediation damit durch dieses Modell entfernt.316 Erst die Anrufung des Vermittlungsausschusses durch den Bundesrat führte dazu, dass die gerichtsinterne Mediation wieder Eingang ins Gesetz fand.317 Unter anderem die Be­ zeichnung „Güterichter“ wurde jedoch beibehalten; das nunmehr Gesetz gewordene 306 Das Gesetz zur Förderung der Mediation und anderer Verfahren der außergerichtlichen Streitbeilegung ist ein sogenanntes Artikelgesetz, das Mediationsgesetz war Gegenstand des Art.  1, die Änderung der ZPO Gegenstand des Art.  2. 307  In den Fachgerichtsbarkeiten existiert dieses Verfahren ebenfalls, vgl. Fritz/Krabbe, NVwZ 2013, 29, 30; sowie für das Arbeitsgericht §  54 Abs.  6 ArbGG sowie §  36 Abs.  5 FamFG für die frei­ willige Gerichtsbarkeit. 308 Zum Gang des Gesetzgebungsverfahrens vgl. Ahrens, NJW 2012, 2465, 2467 ff.; Ortloff, NVwZ 2012, 1057; Duve, ZKM 2012, 108; Hartmann, MDR 2012, 941; Röthemeyer, ZKM 2012, 116; Hölzer, ZKM 2012, 119; Wagner, ZKM 2012, 110; Schreiber, BJ 2012, 337; vgl. auch direkt BTDrs. 17/5335; 17/8058; 17/8680; 17/10102. 309  Ahrens, NJW 2012, 2465, 2467; laut Schobel, ZKM 2012, 6 war die Einfühurng des Güterich­ ters „heiß umstritten“; ausführlich zur Entstehung des Güterichters vgl. auch Zeitlmann, Alterna­ tive Konfliktlösung durch den Güterichter in der Sozialgerichtsbarkeit, S.  27 ff.; sowie Friedrich, SGb 2012, 705. 310  Thole spricht von einem Zickzackkurs im Gesetzgebungsverfahren, vgl. Thole, ZZP 127 (2014), 339, 343. 311  Ahrens, NJW 2012, 2465. 312  So weisen Henssler/Deckenbrock, DB 2012, 159, 161, darauf hin, dass vier der fünf Berichter­ statter sowie der Vorsitzende des mit dem Gesetzentwurf befassten Rechtsausschusses aktive oder ehemalige Rechtsanwälte waren. 313  BT-Drs. 17/5335, S.  1. 314  Greger/Gottwald, ZKM 2016, 84, 87. 315  So auch die Einschätzung bei: Henssler/Deckenbrock, DB 2012, 159, 161; die als Zwischenfa­ zit nach der Befassung des Rechtsauschusses festhalten, die gerichtsinterne Mediation sei ihrem Erfolg zum Opfer gefallen, Henssler/Deckenbrock, DB 2012, 159, 162. 316  So etwa Horstmeier, Das neue Mediationsgesetz, Rn.  13; vgl. BT-Drs. 17/8058, S.  1; zum Ver­ lauf im Rechtsausschuss siehe auch Henssler/Deckenbrock, DB 2012, 159, 161. 317  Greger/Weber, MDR-Sonderheft 2012 „Das neue Güterichterverfahren“, 1, 3; Schobel, ZKM 2012, 6.

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B. Der moderierte Vertrag des zivilrechtlichen Konflikts

Güterichtermodell stellt somit letztlich einen rechtspolitischen Kompromiss318 dar, der nach langem und zähem justizpolitischem Ringen 319 zustande gekommen ist.320 Neben einigen positiven Kritiken 321 – seiner Entsehungeschichte zum Trotz – stößt das Güterichtermodell in seinen ersten Jahren nur auf eine geringe Akzeptanz.322 Wer früher also, etwa im Rahmen von Modellprojekten, gerichtlicher Mediator, Mediationsrichter oder Richtermediator genannt wurde, heißt nunmehr Güterich­ ter.323 Wohl auch seiner Entstehungsgeschichte als Ergebnis eines Kompromisses geschuldet, kommt dem Güterichter eine funktionale Stellung zwischen Mediator und Richter zu.324

1. Die Einsetzung des Güterichters Ein erster Unterschied zum Mediator zeigt sich schon im Hinblick darauf, wie die Parteien und der Güterichter als Konfliktmittler zueinanderfinden. Da es sich um eine gerichtsinterne Moderation handelt, setzt die Inanspruchnahme des Güte­ richters als Konfliktmittler eine anhängige Klage voraus. Denn zur Einsetzung des Güterichters bedarf es – wie schon der Wortlaut von §  278 Abs.  5 Satz 1 ZPO deut­ lich macht – zunächst eines regulären, will heißen: entscheidungsbefugten Richters, der mit der Sache dem Geschäftsverteilungsplan des Gerichts zufolge befasst ist. Diesem zuständigen Richter bieten sich im Hinblick auf die alternative Konflikt­ lösung drei Möglichkeiten.325 Er kann den Parteien eine Mediation oder ein anderes Verfahren der außergerichtlichen Konfliktlösung vorschlagen, wie der zeitgleich mit §  278 Abs.  5 ZPO eingeführte §  278a ZPO festlegt. Darüber hinaus kann er die Par­ teien gemäß §  278 Abs.  5 Satz 1 ZPO an einen Güterichter verweisen. Letztlich kann er aber auch das Verfahren selbst durchführen und – vgl. §  278 Abs.  1 ZPO – auf eine gütliche Beilegung des Rechtsstreits hinwirken.

318 

Ahrens, NJW 2012, 2465. Ahrens, NJW 2012, 2465. 320 Zur rechtswissenschaftlichen Diskussion um den Güterichter vgl. Hess, ZZP 124 (2011), 137 ff.; Prütting, ZZP 124 (2011), 163. 321  Vgl. die Stellungnahmen zum gesamten Gesetz durch Hess, in: Fischer/Unberath/Hess, Das neue Mediationsgesetz, S.  17, 27; Ahrens, NJW 2012, 2465, 2471; Schmidbauer, ZKM 2012, 88, 91 bezeichnet das Güterichtermodell als „Geniestreich.“; Natter/Wesche, DRiZ 2018, 388, 389 als „sinnvolle Ergänzung des Streitschlichtungsangebots“; Sochart, PuR 2016, 109 von einer „guten Alternative“. 322  Schlehe, ZKM 2017, 61, 63; vgl. auch Greger, ZKM 2017, 4; zu den möglichen Ursachen für eine fehlende Nutzung siehe auch Greger, MDR 2017, 1107 ff.; zur Umsetzung des Güterichtermo­ dells in der Praxis inkl. Empirie Löer, ZKM 2014, 41 ff.; einen Vorschlag zur Steigerung der Attrak­ tivität durch Veränderung des Kostenrechts macht Köhler, ZKM 2020, 145 ff. 323  Ahrens, NJW 2012, 2465, 2467. 324  Ahrens, NJW 2012, 2465, 2469; Schreiber, BJ 2012, 337 spricht von einer Chimäre aus Media­ tor und Richter; nach Windau, jM 2019, 52, 58 stellt das Güterichterverfahren eher einen Fremdkör­ per im System der vorhandenen Verfahrensordnungen dar und fügt sich darin nur mit erheblichen Friktionen ein. 325 Vgl. Henssler/Deckenbrock, DB 2012, 159, 162. 319 

II. Güterichter

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Das bedeutet auch, dass der Prozessrichter stets vor dem Güterichter mit dem Konflikt in Berührung kommt.326 Entscheidet er sich für eine Verweisung an den Güterichter, so macht §  278 Abs.  5 Satz 1 ZPO zwei weitere Umstände deutlich. Die Parteien, nicht das Verfahren, wer­ den an den dafür bestimmten Güterichter verwiesen.327 Die Person des Güterichters ergibt sich dabei aus dem Geschäftsverteilungsplan; anders als bei der Mediation können die Parteien diesen nicht auswählen.328 Der Prozessrichter bleibt Herr des Verfahrens,329 denn der Rechtsstreit bleibt beim Prozessgericht anhängig und wird lediglich in Gestalt der ausgelagerten Güteverhandlung fortgeführt.330 Der Güterichter ist mit dem Prozessrichter nicht identisch.331 Nach der Klammer­ definition in §  278 Abs.  5 Satz 1 ZPO handelt es sich vielmehr um einen für (weitere) Güteversuche bestimmten, aber nicht entscheidungsbefugten Richter.332 Das Verfahren vor dem Güterichter ist fakultativ, d. h. es zeichnet sich durch das ungeschriebene Merkmal der „Freiwilligkeit“ aus.333 Ob diese Freiwilligkeit dazu führt, dass das Gericht die Parteien erst an den Güterichter verweist, wenn diese zugestimmt haben, wird unterschiedlich beurteilt.334 Beantworten lässt sich diese Frage nicht allein mit einem Blick auf den Gesetzestext des §  278 Abs.  5 ZPO, der nach keinem Einverständnis verlangt. Erforderlich ist vielmehr der Blick auf das in der Güteverhandlung geltende Charakteristikum der Freiwilligkeit, welches eben auch dazu führt, dass beide Parteien die Güteverhandlung jederzeit ohne die Angabe von Gründen abbrechen können,335 auch gleich zu Beginn der Güteverhandlung. Aus Sicht des Richters ist die Einholung des Einverständnisses der Parteien daher nicht gesetzlich vorgeschrieben,336 sondern „nur“ sinnvoll.337 Eine Partei, die von vornherein eine gütliche Einigung ablehnt, wird die Güteverhandlung sofort schei­ tern lassen und zum Verfahren vor dem Prozessrichter zurückkehren. Eine Zustimmung ist auch nicht aus Sicht der Parteien zu fordern, da mit der Ver­ weisung keine inhaltlichen, prozessualen oder kostenrechtlichen Nachteile einher­ 326 

Deshalb treten auch die (rechtlichen) Fragen, die im Rahmen dieser Untersuchung von Inte­ resse sind, zunächst dort auf und werden deshalb auch im Rahmen dieser Analyse dort betrachtet. 327  Greger/Weber, MDR-Sonderheft 2012 „Das neue Güterichterverfahren“, 1, 5; so auch Steiner, in: Eidenmüller/Wagner, Handbuch Mediation, Kap.  8 Rn.  41 mit Hinweis auf den Gesetzes­ wortlaut. 328  Greger, in: FS Unberath, S.  111, 118. 329  Greger/Weber, MDR-Sonderheft 2012 „Das neue Güterichterverfahren“, 1, 10. 330  Greger/Weber, MDR-Sonderheft 2012 „Das neue Güterichterverfahren“, 1, 10. 331 Zu diesen drei Möglichkeiten der gütlichen Streitbeilegung: BeckOK-ZPO/Bacher, §  278a Rn.  1. 332  Siehe auch Ahrens, NJW 2012, 2465, 2469. 333  So formulieren Fritz/Krabbe, NVwZ 2013, 29, 30; siehe dazu genauer unten unter B.II.4.a). 334  Gegen ein Zustimmungserfordernis: Greger/Weber, MDR-Sonderheft 2012 „Das neue Güte­ richterverfahren“, 1, 10; Steiner, in: Eidenmüller/Wagner, Handbuch Mediation, Kap.  8 Rn.  69; Eidenmüller, JZ 2015, 539, 544; für eine Verweisungsmöglichkeit erst nach Einverständnis: Ortloff, NVwZ 2012, 1057, 1060. 335  Greger, in: Zöller, ZPO, §  278 Rn.  31. 336  So im Ergebnis und mit ausführlicher Begründung Sonnenberg, ZKM 2020, 189, 190. 337  So im Ergebnis wohl auch Greger/Weber, MDR-Sonderheft 2012 „Das neue Güterichterver­ fahren“, 1, 10.

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B. Der moderierte Vertrag des zivilrechtlichen Konflikts

gehen.338 Ein solcher Nachteil lässt sich auch nicht aus einem drohenden Ordnungs­ geld folgern, das einer Partei bei Fernbleiben von der Güteverhandlung drohen könnte. Zwar wird zurecht darauf hingewiesen,339 dass die Güteverhandlung des §  278 Abs.  5 ZPO weiterhin ein Teil der Güteverhandlung des §  278 Abs.  2 ZPO ist. Das hat aber nicht zur Folge, dass der Güterichter gemäß §  278 Abs.  3 ZPO auch das persönliche Erscheinen der Parteien anordnen soll.340 Dies hätte zur Konsequenz, dass die Parteien dieser Anordnung zur Vermeidung eines Ordnungsgeldes Folge leisten müssten. Bleibt eine Partei der Verhandlung vor dem Güterichter fern, droht ihr auch kein Versäumnisurteil. Die Güteverhandlung vor dem Güterichter ist zwar eine solche im Sinne des §  278 Abs.  2, 3 ZPO. Das folgt aus dem Wortlaut der Vor­ schrift des §  278 Abs.  5 ZPO, demzufolge das Gericht die Parteien „für die Gütever­ handlung“ vor einen Güterichter verweisen. Anders als der Prozessrichter kann der Güterichter aber nicht an die Güte- die mündliche Verhandlung im Sinne des §  279 Abs.  1 ZPO anschließen. Denn er darf diese nicht leiten, sondern – so wieder der Wortlaut von §  278 Abs.  5 ZPO – ist zuständig für „die Güteverhandlung und für weitere Güteversuche.“ Die das Güteverfahren charakterisierende Freiwilligkeit entfaltet ihre Wirkung schon vor dem tatsächlichen Beginn der Verhandlung vor dem Güterichter. Der Gü­ terichter wird – anders als der Prozessrichter – den Parteien einen Terminvorschlag unterbreiten und gemeinsam absprechen und nicht gemäß §§  272, 216 ZPO einen Termin festlegen und das persönliche Erscheinen anordnen.341 Gerade weil das Ver­ fahren freiwillig ist, lädt der Güterichter die Parteien nicht vor, sondern lädt sie – in­ formell – zur Verhandlung ein.342 Damit fehlt es beim Güteverfahren vor dem Güte­ richter im Sinne des §  278 Abs.  5 ZPO schon an einer Ladung, die aber für die Ver­ hängung eines Ordnungsgeldes bei einem Verstoß gegen die Anordnung des persönlichen Erscheinens nach §  141 Abs.  3 Satz 3 ZPO notwendig ist. Selbst wenn ein Güterichter – unter Verkennung der aus dem Charakteristikum der Freiwilligkeit für seine Einsetzung folgenden Wirkungen – eine Güteverhand­ lung terminiert und die Parteien unter Beachtung der Voraussetzungen des §  141 ZPO hierzu persönlich lädt, würde ein Ordnungsgeld am fehlenden Verschulden der ferngebliebenen Partei scheitern. Denn der Umstand, dass es sich bei der Gütever­ handlung im Sinne des §  278 Abs.  5 ZPO – im Gegensatz zur Güteverhandlung nach §  278 Abs.  2 ZPO343 – um eine von Beginn an fakultative Verhandlung handelt, ent­ schuldigt das Fernbleiben der Partei, die wegen des hohen Stellenwertes ihrer Frei­ willigkeit nicht einmal gezwungen werden kann, überhaupt zur Güteverhandlung zu erscheinen.344 Insofern kann der Kritik, dass es das Gesetz mit dem Freiwillig­

338 

So auch Steiner, in: Eidenmüller/Wagner, Handbuch Mediation, Kap.  8 Rn.  104. Thole, ZZP 127 (2014), 339, 354. 340  A.A. wohl Thole, ZZP 127 (2014), 339, 354. 341  Fritz/Krabbe, NVwZ 2013, 29, 30. 342  Greger/Weber, MDR-Sonderheft 2012 „Das neue Güterichterverfahren“, 1, 11. 343  Dazu siehe unten B.III.2.a).bb). 344  So im Ergebnis, aber ohne Begründung Thole, ZZP 127 (2014), 339, 354 f. 339 Von

II. Güterichter

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keitspostulat nicht ernst meine,345 unter Zugrundelegung des hiesigen Normver­ ständnisses nicht gefolgt werden. Durch die Betonung der Freiwilligkeit bereits bei Einsetzung des Güterichters zeigt sich eine erste Nähe zur Mediation und zur Tätigkeit des Mediators. Gleichzei­ tig wird aber auch ein Unterschied zur Mediation und eine Nähe zum Prozessrichter deutlich. Denn der Güterichter wird – anders als der Mediator – nicht auf vertragli­ cher Grundlage tätig, sondern in Ausübung seiner Richterfunktion.346 Diese umfasst auch die Arbeit als Güterichter als „andere Aufgabe“ im Sinne von §  4 Abs.  2 Nr.  2 DRiG.347

2. Die Moderation des Güterichters Sind die (Prozess-) Parteien an den Güterichter verwiesen, soll dieser möglichst – so lässt sich §  278 Abs.  5 Satz 2 ZPO entnehmen – den zwischen den Parteien bestehen­ den Konflikt beenden. Da dieser mit der Einreichung der Klage bei Gericht durch (mindestens) eine Partei schon eine gewisse Eskalation erfahren hat, dürfte dies re­ gelmäßig nicht so einfach sein, selbst wenn betont wird, dass Fingerspitzengefühl, Einfühlungsvermögen, Sachverstand und Menschenkenntnis auch beim Güterichter Wunder wirken könnten.348 Für die Bemühungen des Güterichters, den Konflikt zu beenden, d. h. die vermeintliche Moderation im Sinne dieser Untersuchung, ist es daher von Interesse, welche gesetzliche Vorgaben im Hinblick auf die Durchführung der Güteverhandlung bestehen. Die diesbezüglichen Aussagen des Gesetzgebers be­ schränken sich auf die oben wiedergegebene Vorschrift des §  278 Abs.  5 ZPO, die als Ergebnis ausgiebiger Diskussion im Gesetzgebungsverfahren festhält, dass der Gü­ terichter „alle Methoden der Konfliktbeilegung einschließlich der Mediation“ an­ wenden kann. a) Aussagen des §  278 Abs.  5 ZPO Damit liegt zwar eine Tätigkeitsbeschreibung des Güterichters vor, die allerdings aufgrund ihrer allgemein gehaltenen Formulierung und der Gesetzgebungsgeschich­ te Anlass zu Kontroversen gibt.349 aa) Gesetzgebungsgeschichte Das im Hinblick auf den Güterichter ereignisreiche Gesetzgebungsverfahren ist be­ reits angesprochen worden. Dabei gibt schon der Name – Gesetz zur Förderung der Mediation und anderer Verfahren der außergerichtlichen350 Streitbeilegung – dessen 345 

So aber Thole, ZZP 127 (2014), 339, 355. Greger/Weber, MDR-Sonderheft 2012 „Das neue Güterichterverfahren“, 1, 28. 347  Steiner, in: Eidenmüller/Wagner, Handbuch Mediation, Kap.  8 Rn.  39; Sonnenberg, Der Gü­ terichter im Arbeitsrecht, S.  80. 348 Von Greger, in: Zöller, ZPO, 32.  Aufl. 2018, §  278 Rn.  45. 349  Die Vorschrift stellt nach Windau, jM 2019, 52, 53 eine Verweisung ins „dogmatische Dun­ kel“ dar. 350  Hervorhebung durch Verfasser. 346 

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B. Der moderierte Vertrag des zivilrechtlichen Konflikts

inhaltlichen Schwerpunkt sowie die wesentliche Zielsetzung vor. Mit dem Gesetz sollte, veranlasst durch die Mediationsrichtlinie der EU, vor allem die außergericht­ liche Konfliktbeilegung gefördert werden.351 So sollten Anreize für eine einverständ­ liche Streitbeilegung geschaffen werden, „um die Konfliktlösung zu beschleunigen, den Rechtsfrieden nachhaltig zu fördern und die staatlichen Gerichte zu entlas­ ten.“352 Vor dem Hintergrund der außergerichtlichen Mediation ist der zwischen Anwaltschaft und Justiz entstandene Streit zum Güterichter zu sehen, der unter der Prämisse stand, dass, je stärker die innergerichtliche Mediation, die es in Modellpro­ jekten bereits gab,353 ausgestaltet wird oder bleibt, desto geringer die Stärkung der außergerichtlichen Mediation ausfällt. Die Extrempositionen liegen daher in der gänzlichen Abschaffung der innergerichtliche Mediation einerseits bzw. in der Gleichsetzung von gerichtsinterner Mediation mit der Tätigkeit der außergerichtli­ chen Mediatoren andererseits. Letztere war noch Inhalt des Regierungsentwurfs.354 Anders als dort vorgesehen, sollte letztlich die gerichtsinterne Mediation aber nicht mit der Tätigkeit der außergerichtlichen Mediatoren gleichgesetzt und den Vor­ schriften des MedG unterworfen, sondern als eine im Verfahrensrecht verankerte, spezielle richterliche Funktion definiert werden. Das Gesetz ersetzt daher die Rich­ termediation begrifflich durch das neue Güterichterverfahren,355 auch um die außer­ gerichtlichen Mediatoren zu „beruhigen“.356 Der Begriff des Güterichters soll den Beruf und die Aufgabe des Richters mehr in den Vordergrund rücken. Demgegen­ über handelt es sich bei einem „Richtermediator“ um einen Mediator, der auch Rich­ ter ist.357 Führt man sich diesen rechtspolitischen Hintergrund der Regelung des §  278 Abs.  5 ZPO vor Augen, dann lassen sich die Differenzen, die im Hinblick auf die konkretere Ausgestaltung der Tätigkeit des Güterichters bestehen, besser nachvoll­ ziehen. bb) Mediation vs. Methodenvielfalt Bei der Interpretation der Vorschrift im Hinblick auf die Tätigkeit des Güterichters lässt sich eine Aufteilung in zwei Lager feststellen.358 Für die einen ist der Güterich­ ter mit dem Mediator gleichzusetzen, für die anderen ist es gerade die dem Güterich­ ter zugestandene Methodenvielfalt, die es zu betonen und anzuwenden gelte.359 351  Greger/Weber, MDR-Sonderheft 2012 „Das neue Güterichterverfahren“, 1, 3; Henssler/Deckenbrock, DB 2012, 159. 352  Greger/Weber, MDR-Sonderheft 2012 „Das neue Güterichterverfahren“, 1, 3. 353  Zu diesen Modellprojekten vgl. v. Olehusen, DRiZ 2003, 396 f.; Spindler, ZKM 2007, 97 ff. 354  BT-Drs. 17/5335. 355  Greger/Weber, MDR-Sonderheft 2012 „Das neue Güterichterverfahren“, 1, 4; Greger/Gottwald, ZKM 2016, 84, 87. 356  Steiner, in: Eidenmüller/Wagner, Handbuch Mediation, Kap.  8 Rn.  43. 357  Assmann, MDR 2016, 1303, 1305. 358  So auch die Einschätzung von Fritz, ZKM 2015, 10. 359  Eine (bloße) Übersicht über den Streit, ob die Verfahren vor dem Güterichter in den Anwen­ dungsbereich des Mediationsgesetzes fallen und der ob der Güterichter die Definitionsmerkmale des „Mediators“ in §  1 Abs.  2 MedG erfüllt, findet sich bei Masser/Engewald/Scharpf/Ziekow, Eva­

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(1) Mediation Für diejenigen, die den Güterichter als innergerichtlichen Mediator sehen wollen, dient die etwas anderes nahelegende Formulierung lediglich der Beruhigung außer­ gerichtlicher Mediatoren,360 bzw. ist eine bedauerliche Unschärfe des Gesetzes, die das Ergebnis eines von unterschiedlichen Lobbygruppen geprägten Gesetzgebungs­ verfahrens sei.361 §  278 Abs.  5 ZPO spreche darüber hinaus von Methode, dabei sei Mediation eigentlich ein Verfahren.362 Insbesondere gebe §  278 Abs.  5 ZPO keine Auskunft darüber, welche Methoden der Konfliktbereinigung neben der Mediation eingesetzt werden sollen.363 Verfahren, die eine rechtliche Bewertung des Konflikts und Lösungsvorschläge des Güterichters voraussetzen, seien mit der gerichtlichen Praxis nicht zu vereinbaren, weshalb weder das Schiedsgutachtenverfahren noch das Schlichtungsverfahren dem Güterichter als Verfahren im Sinne des §  278 Abs.  5 ZPO zur Auswahl stünden.364 Für die Bereitschaft des Prozessrichters, die Parteien gemäß §  278 Abs.  5 Satz 1 ZPO an einen Güterichter zu verweisen, sei es zudem notwendig, dass dieser inhaltlich und prozedural ein anderes Angebot mache, wozu der Verzicht auf ein evaluierendes Verfahren, welches auch rechtliche Bewertungen einschließen kann, gehöre.365 Deshalb käme nur eine interessenbasierte Mediation in Betracht,366 zu der sich die Güterichter im Interesse der alternativen Konfliktlösung bekennen sollten. Eine solche Mediation würde zwar formal nicht den Regeln des Mediations­ gesetzes unterfallen,367 könne aber nach denselben Verfahrensregeln durchgeführt werden.368 (2) Methodenvielfalt Weil die Anhänger einer reinen Mediation innerhalb des Güteverfahrens eher auf die erfolgreichen Modellprojekte denn auf das Gesetzgebungsverfahren abstellen, wird ihnen entgegengehalten, dass zwar die meisten Modellprojekte das Verfahren der Mediation bevorzugten, aber nicht einmal im Pionierland Niedersachsen eine aus­ schließliche Festlegung auf die gerichtliche Mediation beabsichtigt gewesen sei.369 Darüber hinaus sprechen eben gerade der Wortlaut sowie der Gang des Gesetzge­ bungsverfahrens für eine Methodenvielfalt.

luierung des Mediationsgesetzes, BT-Drs. 18/13178, S.  28; bei Goldack, SchAZtg 2019, 226 finden sich Praxisbeispiele für das Vorgehen im Wege der Mediation. 360 So Steiner, in: Eidenmüller/Wagner, Handbuch Mediation, Kap.  8 Rn.  43. 361  Klamt/Moltmann-Willisch, ZKM 2015, 7, 8. 362  Klamt/Moltmann-Willisch, ZKM 2015, 7, 8. 363  Klamt/Moltmann-Willisch, ZKM 2015, 7. 364  Klamt/Moltmann-Willisch, ZKM 2015, 7, 8. 365  Klamt/Moltmann-Willisch, ZKM 2015, 7, 8, 9. 366  Klamt/Moltmann-Willisch, ZKM 2015, 7, 9. 367  Ahrens, NJW 2012, 2465, 2469 f.; Francken, NZA 2012, 249, 251; a. A. Friedrich, SGb 2012, 705, 708. 368 BeckOK-ZPO/Bacher, §  278 Rn.  25; Thole, in: Stein/Jonas, ZPO, §  278 Rn.  75; a. A. Assmann, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, §  278 Rn.  75. 369  Fritz, ZKM 2015, 10, 11.

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Vor dem Hintergrund der erprobten gerichtlichen Mediationsprojekte hatte der Gesetzgeber eine gerichtliche Mediation zunächst favorisiert. Diese wurde dann zu­ gunsten eines Güterichtermodells, dessen Verlauf auch rechtliche Bewertungen und Vorschläge umfassen kann, gestrichen.370 Nachdem der Bundesrat sich zugunsten der gerichtsinternen Mediation ausgesprochen hatte,371 ist im Rahmen des Vermitt­ lungsausschusses – als Kompromiss – festgehalten worden, dass dem Güterichter eine breite Palette an Konfliktbeilegungsverfahren zur Verfügung stehen soll.372 Mit der Regelung hat der Gesetzgeber aber weder geregelt, dass die Mediation das aus­ schließlich einzusetzende Verfahren ist, noch dass der Güterichter keine Mediation einsetzen darf.373 Dass der Güterichter den Parteien viele Verfahren inkl. einer Mi­ schung aus diesen Verfahrensarten anbieten können soll,374 wird besonders bei einem Blick in die Gesetzgebungsmaterialien deutlich.375 Der Gesetzgeber hat diese The­ matik gesehen, und im Zusammenhang mit der Aufnahme des Güterichtermodells formuliert: „Die in der gerichtsinternen Mediation entwickelten mediativen und streitschlichtenden Kompetenzen können im Rahmen der Güterichtertätigkeit weiter genutzt und fortentwickelt werden. Ein Güterichter ist zwar kein Mediator, er kann in einer Güteverhandlung jedoch zahlreiche Methoden und Techniken der Mediation einsetzen, mit denen insbesondere der Sinn der Parteien für ihre Verantwortlichkeit und ihre Autonomie sowie die Bereitschaft, sich aufeinander einzulassen, gefördert werden sollen. Zu derartigen Methoden und Techniken gehören etwa das sogenannte aktive Zuhören, die Widerspiegelung von Erklärungen und Bot­ schaften der Parteien in deeskalierender Weise, die Umwandlung von Beschwerden in verhan­ delbare Themen, die Technik des offenen Fragens, die Erarbeitung von Fairnesskriterien zur Lösung des Konflikts sowie die Entwicklung von realisierbaren Probe- und Teillösungen.“376

Im Hinblick auf die Benutzung des Begriffs „Mediation“ wird deutlich, dass dieser im Rahmen des §  278 Abs.  5 ZPO nicht identisch ist mit dem des §  1 Abs.  1 MedG.377 Im MedG wird ein Verfahren beschrieben, in der ZPO soll dem Güterichter ermög­ licht werden, auch die Vermittlungsmethoden eines Mediators einzusetzen. Das führt dann jedoch nicht dazu, dass man von einem Mediationsverfahren sprechen kann.378 Zweck der Vorschrift des §  278 Abs.  5 ZPO ist die Konfliktbeilegung. Wie auch aus der oben wiedergegebenen Passage der Gesetzgebungsmaterialien deutlich wird, ist es dieser Zweck, der die Methodik des Güterichters eröffnet und begrenzt.379 370 

So auch Fritz, ZKM 2015, 10, 11. das Ziel und die Begründung zur Anrufung des Vermittlungsausschusses, BT-Drs. 17/8680, S.  1 ff. 372  Fritz, ZKM 2015, 10, 11. 373  So formuliert auch Fritz, ZKM 2015, 10, 11. 374  Fritz, ZKM 2015, 10, 12. 375 A.A. Steffek, ZKM 2017, 183, der die Nennung der anderen Verfahren neben der Mediation als inhaltsleere Platzhalter bezeichnet. 376  BT-Drs. 17/8058, S.  17 f. 377 A.A. Friedrich, SGb 2012, 705, 708. 378  Assmann, MDR 2016, 1303, 1304. 379  So auch Greger, in: Zöller, 32.  Aufl. 2018, ZPO, §  278 Rn.  4 4. 371 Vgl.

II. Güterichter

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Eröffnet, weil die Möglichkeiten des Güterichters fast unerschöpflich 380 sind, wenn man sich die vielen kleinen Einzelmaßnahmen vor Augen führt, die der Ge­ setzgeber in seiner nicht abschließenden Aufzählung genannt hat. Deutlich wird in diesem Zusammenhang auch, dass sich der Güterichter in der Vorstellung des Ge­ setzgebers nicht für ein festes Verfahren entscheiden muss, sondern sich der Instru­ mente aus verschiedenen Verfahren der Konfliktvermeidung bedienen kann, auch und gerade den aufgezählten Mechanismen aus der Mediation.381 Damit ist dann aber eben keine Festlegung auf ein komplettes Mediationsverfahren verbunden,382 wenn­ gleich dies ebenfalls möglich wäre.383 Im Hinblick auf das Ziel der Konfliktbeilegung sollte der Güterichter seine Freiheit der Methodenwahl im Interesse aller Beteiligten und der Justiz voll ausschöpfen.384 Begrenzt wird die Methodenwahl ebenfalls durch den Zweck, oder besser formu­ liert: das Ziel der Konfliktbeilegung. Denn der Güterichter sollte sich eben dann gegen eine Methode entscheiden, wenn mit deren Hilfe eine wirksame Konfliktbeen­ digung nicht erreicht werden kann.385 So setzt die Anwendung des Mediationsver­ fahrens wegen seiner Fokussierung auf die Autonomie der Parteien gerade voraus, dass die Beteiligten zu einer autonomen, eigenverantwortlichen Konfliktlösung be­ reit und in der Lage sind.386 Dem können ungleiche Verhandlungsstärke und Kom­ munikationsfähigkeit bzw. innere oder äußere Abhängigkeiten jedoch entgegenste­ hen,387 was dazu führt, dass der Güterichter das Ziel der Konfliktbeilegung auf die­ sem Weg nicht (mehr) erreichen kann. Dann sollte er auf andere Methoden setzen, etwa eher im Wege eines schlichtenden Ansatzes, einen Lösungsvorschlag zu unter­ breiten oder sich von den Parteien zur Leistungsbestimmung im Sinne von §  317 BGB ermächtigen zu lassen bzw. bloß Vergleichsverhandlungen zu moderieren,388 jeweils mit dem Ziel, auf diesem Wege den Konflikt zu beenden.389 b) Die güterichterliche Tätigkeit Da nach der (auch) hier vertretenen Auffassung im Hinblick auf die Moderationstä­ tigkeit aus §  278 Abs.  5 Satz 2 ZPO vor allem die Methodenfreiheit des Güterichters 380  So formuliert Greger, in: Zöller, 32.  Aufl. 2018, ZPO, §  278 Rn.  4 4; im Ergebnis ebenso Assmann, MDR 2016, 1303, 1305. 381  Für solche Mischformen sprechen sich auch Dürschke/Mayer-Metzner, SGb 2015, 69, 72 aus. 382  Dürschke/Mayer-Metzner, SGb 2015, 69, 72 sprechen sich darüber hinaus auch auf Basis ihrer praktischen Erfahrungen gegen eine „Mediation gemäß der Lehre“ aus und plädieren für eine ein­ zelfallorientierte Anwendung nur einzelner Elemente. 383  Franken, NZA 2015, 641, 642. 384  Greger/Weber, MDR-Sonderheft 2012 „Das neue Güterichterverfahren“, 1, 21; auch Steiner betont, dass die Wahl der Methodik vom Einzelfall abhängen sollte, Steiner, in: Eidenmüller/Wag­ ner, Handbuch Mediation, Kap.  8 Rn.  33; Sonnenberg, Der Güterichter im Arbeitsrecht, S.  49. 385  So am Beispiel Mediation bzw. Moderation Dürschke/Mayer-Metzner, SGb 2015, 69, 72. 386  Greger, MDR 2014, 993, 994. 387  Greger, MDR 2014, 993, 994. 388  Greger, MDR 2014, 993, 994; zum Unterschied zwischen Moderation und Mediation beim Güterichter am Bayerischen Landessozialgericht Dürschke/Mayer-Metzner, SGb 2015, 69, 72. 389  Eine Methode, die nicht diesem Ziel dient, kann von §  278 Abs.  5 ZPO nicht gedeckt sein, Dürschke/Mayer-Metzner, SGb 2015, 69, 72.

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folgt, ist damit zunächst im Hinblick auf eine nähere Spezifizierung der Tätigkeit des Güterichters kein Erkenntnisgewinn verbunden. Diese Einschätzung wird zudem genährt durch die Aussage, dass Fingerspitzengefühl, Einfühlungsvermögen, Sach­ verstand und Menschenkenntnis beim Güterichter Wunder wirken könnten 390 und die Vermittlungstätigkeit des Güterichters im Wesentlichen in der Anwendung effi­ zienter Kommunikationsmethoden bestehe,391 die der Güterichter bei Bedarf auch innerhalb eines Verfahrens wechseln kann.392 Über die – vor allem durch die historische Entwicklung der innergerichtlichen alternativen Konfliktbeilegung verursachte – Uneinigkeit im Hinblick auf die grund­ sätzliche Ausrichtung der Tätigkeit des Güterichters hinaus gibt es jedoch eine Reihe von Tätigkeitsbeschreibungen zur Konfliktbeilegung durch den Güterichter, die sich vor allem an dessen Verhältnis zum Mediator einerseits und zum Prozessrichter an­ dererseits orientieren. Hierzu gehören die vom Güterichter geforderte Transparenz in der Vorgehensweise, die Ausrichtung eben dieser Vorgehensweise am Interesse der Parteien sowie der Umstand, dass dies auch beinhalten kann, konkrete Lösungs­ vorschläge zu unterbreiten. aa) Transparenz Anknüpfend an die Freiheit bei der Methodenwahl wird zur Verhandlung vor dem Güterichter festgehalten, dass diese vom Grundsatz der Methodenklarheit bei Me­ thodenvielfalt geprägt sein solle.393 Die Möglichkeit des Güterichters, die ihm zuste­ hende Methodenvielfalt im Interesse der Konfliktbeilegung auszuschöpfen, geht mit der Forderung nach einer Transparenz gegenüber den Parteien einher.394 Diese For­ derung wird auch im Hinblick auf den Wechsel der Methode bzw. die Wahl einer Mischform formuliert.395 Gerade in solchen Fällen sei die Methodenklarheit durch entsprechende Informationen an die Parteien zu wahren.396 Der Gesetzeswortlaut des §  278 Abs.  5 ZPO gibt keinen Hinweis auf eine derartige Informationspflicht des Güterichters. Anders als beim Mediator lässt sich eine solche Pflicht auch nicht vertraglich begründen, da es an einem „Güterichtervertrag“ als Pendant zum Mediatorvertrag, aus dem eine solche Pflicht folgen könnte, gerade fehlt. Folgen kann eine solche Pflicht für den Güterichter also nur mittelbar aus dem noch näher zu betrachtenden 397 Prinzip der Freiwilligkeit,398 dem auch im Verfahren vor dem Güterichter eine große Bedeutung zukommt. Die Partei(en), die sich durch 390 

Greger, in: Zöller, ZPO, 32.  Aufl. 2018, §  278 Rn.  45. Greger/Weber, MDR-Sonderheft 2012 „Das neue Güterichterverfahren“, 1, 15. 392  Thole, ZZP 127 (2014), 339, 356; Greger, in: Greger/Unberath/Steffek, Recht der altenativen Konfliktlösung, Teil E Alternative Konfliktlösung und Gerichtsverfahren, Rn.  160. 393  Diese Formel stammt von Fritz/Krabbe, NVwZ 2013, 29, 30. 394  Diese Forderung stammt von Greger/Weber, MDR-Sonderheft 2012 „Das neue Güterichter­ verfahren“, 1, 16; Dürschke/Mayer-Metzner, SGb 2015, 69. 395  Dürschke/Mayer-Metzner, SGb 2015, 69, 72; Greger/Weber, MDR-Sonderheft 2012 „Das neue Güterichterverfahren“, 1, 21. 396  Dürschke/Mayer-Metzner, SGb 2015, 69, 72. 397  Siehe unten unter B.II.4.a). 398  So auch Fritz/Krabbe, NVwZ 2013, 29, 30. 391 

II. Güterichter

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den Güterichter zu schlecht über dessen Vorgehensweise informiert fühlen, können das Verfahren – infolge der Freiwilligkeit – jederzeit abbrechen bzw. mit dem Ab­ bruch drohen, wenn der Güterichter nicht (genauer) über die von ihm anvisierte Me­ thode informiert. Diese mittelbare Durchsetzung der Information über die Methode bedeutet damit auch, dass mit der geforderten Methodenklarheit kein direkter Infor­ mationsanspruch der Parteien des Güterichterverfahrens korrespondiert. bb) Ausrichtung am Parteiinteresse Die Ausrichtung der güterichterlichen Tätigkeit auf das Parteiinteresse wird auch im Rahmen der Frage ihrer Informiertheit diskutiert. Ganz allgemein soll sich die Ver­ handlungsleitung des Güterichters im Sinne des Ansatzes im Mediationsverfahren eher an den Interessen der Parteien ausrichten und sich nur an der tatsächlichen Rechtslage bzw. an dem vermeintlichen Prozessausgang orientieren, wenn die Partei­ en dies übereinstimmend verlangen.399 So erlaubt die bereits erwähnte Autonomie den Parteien, den Güterichter zu bitten, eine bestimmte Rechtsfrage verbindlich zu beantworten oder einen konkreten Vergleichsvorschlag zu unterbreiten, bzw. räumt ihnen sogar die Möglichkeit ein, sich seinem Diktum in Form eines Schiedsspruchs zu unterwerfen.400 cc) Lösungsvorschläge Das leitet über zu einem weiteren Inhalt der güterichterlichen Tätigkeit. Durch die Betonung des Umstandes, dass der Güterichter den Parteien auch Lösungsvorschlä­ ge unterbreiten kann,401 wird deutlich, dass es sich beim Güterichter – im Gegensatz zum Mediator – um einen stets juristisch ausgebildeten Konfliktmittler handelt. Vor dem Hintergrund, dass der Gesetzgeber sich nicht für eine reine innergerichtliche Mediation entschieden, sondern die Position des Güterichters geschaffen habe, sei damit auch verbunden, dass der Güterichter den Parteien Vergleichsvorschläge un­ terbreiten und dabei seine richterliche Autorität einsetzen kann,402 was jeweils einer klassischen Mediation widersprechen würde,403 für die einvernehmliche Prozessbe­ endigung – so hätten Modellprojekte gezeigt – jedoch oft förderlich sei.404 Der Gesetzgeber hat hierzu ausdrücklich formuliert: „Während ein Richter in seiner Eigenschaft als gerichtsinterner Mediator sich jeder rechtli­ chen Bewertung zu enthalten hat und keinen Lösungsvorschlag machen sollte, kann der Gü­ terichter u. a. rechtliche Bewertungen vornehmen und den Parteien Lösungen für den Kon­ flikt vorschlagen.“405 399  Greger/Weber, MDR-Sonderheft 2012 „Das neue Güterichterverfahren“, 1, 28; Steiner, in: Eidenmüller/Wagner, Handbuch Mediation, Kap.  8 Rn.  5 mit Verweis auf Fisher/Ury/Patton, S.  31, und Haft, Verhandeln. Die Alternative zum Rechtstreit 1992, S.  20. 400  Steiner, in: Eidenmüller/Wagner, Handbuch Mediation, Kap.  8 Rn.  73. 401  Etwa von Greger/Weber, MDR-Sonderheft 2012 „Das neue Güterichterverfahren“, 1, 4. 402  Steiner, in: Eidenmüller/Wagner, Handbuch Mediation, Kap.  8 Rn.  43. 403 MünchKommZPO/Prütting, §  278 Rn.  29. 404  Greger/Weber, MDR-Sonderheft 2012 „Das neue Güterichterverfahren“, 1, 4. 405  BT-Drs. 17/8058, S.  17.

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B. Der moderierte Vertrag des zivilrechtlichen Konflikts

Dabei bleibt auch bei den Vergleichsvorschlägen des Güterichters dessen Nähe zum Mediator erhalten. Denn während sich die Lösungsvorschläge des Prozessrichters – ohne dass dies zwingend notwendig wäre – in aller Regel am Streitgegenstand und den Prozessaussichten orientieren,406 kann der Güterichter aufgrund seiner Ausrich­ tung an den Interessen der Parteien Vorschläge präsentieren, die den wirklichen Be­ dürfnissen der Parteien näher kommen und somit größere Akzeptanz finden.407 Lö­ sungsvorschläge, die sich demgegenüber allein oder überwiegend an der Rechtslage orientieren, werden allerdings kritisch beurteilt, weil im Falle des Scheiterns der Güteverhandlung der dann zur Entscheidung berufene Prozessrichter die Rechtslage anders als der Güterichter beurteilen könnte.408 Wie jeder Richter ist auch der Güterichter Recht und Gesetz unterworfen nach Artt.  20 Abs.  3, 97 Abs.  1 GG, §  25 DRiG. Demzufolge kann er keinen Lösunsgvor­ schlag unterbreiten, der gegen Recht und Gesetz verstoßen würde.

3. Mediator – Güterichter – Richter Die bisherigen Ausführungen haben schon die dogmatische Verortung des Güterich­ ters zwischen Mediator einerseits und Prozessrichter andererseits anklingen lassen. Die Position und damit verbunden die Tätigkeit des Güterichters lässt sich über das Vorgesagte hinaus noch näher erfassen durch Abgrenzung zum Mediator einerseits und zum Prozessrichter andererseits. a) Güterichter und Mediator Allein durch die Einführung des neuen Begriffs „Güterichter“ wird deutlich, dass dieser kein Mediator409 im Sinne des MedG410 bzw. der europäischen Mediations­ richtlinie411 ist, weshalb diese Vorschriften auf diesen keine Anwendung finden.412 Der Gesetzgeber selbst hat den Unterschied allerdings vornehmlich in der Bezeich­ nung gesehen, und gerade nicht im Inhalt seiner Tätigkeit, die ihm eben trotzdem ermöglichen solle, Methoden und Techniken der Mediation anzuwenden.413 Zentral ist die Entscheidungsfreiheit, die dem Güterichter hinsichtlich Technik und Metho­ de zugebilligt wird. Darin unterscheidet sich der Güterichter vom außergerichtli­ chen Mediator, der sich den Parteien gegenüber vertraglich verpflichtet, eine Media­ tion durchzuführen, d. h. ein Verfahren, das in §  1 MedG definiert ist.414 Allerdings 406  So die Einschätzung von Greger/Weber, MDR-Sonderheft 2012 „Das neue Güterichterver­ fahren“, 1, 15. 407  Greger/Weber, MDR-Sonderheft 2012 „Das neue Güterichterverfahren“, 1, 15. 408 So Steiner, in: Eidenmüller/Wagner, Handbuch Mediation, Kap.  8 Rn.  43. 409  So explizit BT-Drs. 17/8058, S.  17: „Ein Güterichter ist zwar kein Mediator, (…)“. 410 HK-ZPO/Saenger, §  278 Rn.  20; Greger/Weber, MDR-Sonderheft 2012 „Das neue Güterich­ terverfahren“, 1, 14.; HK-MedG/Goltermann, §  3 Rn.  5 mit vielen weiteren Nachweisen. 411  Greger, in: Zöller, ZPO, 32.  Aufl. 2018, §  278 Rn.  26. 412  Ahrens, NJW 2012, 2465, 2469 f.; Francken, NZA 2012, 836, 839; HK-ZPO/Saenger, §  278 Rn.  20; Francken, NZA 12, 836, 839; Fischer, FuR 2018, 461, 462. 413  BT-Drs. 17/8058, S.  17. 414  Greger/Weber, MDR-Sonderheft 2012 „Das neue Güterichterverfahren“, 1, 13.

II. Güterichter

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hat schon die Betrachtung oben gezeigt, dass der Mediationsbegriff keine Festlegung auf ein fest definiertes Verfahren beinhaltet. Demgegenüber erstreckt sich die richterliche Weisungsfreiheit auch auf die Wahl der Methode.415 Auch an dieser Stelle ist die Freiwilligkeit des Verfahrens die einzige Möglichkeit für die Parteien, Einfluss auf die Wahl der Methode zu nehmen, denn die Parteien können zwar das Verfahren vor dem Güterichter an sich abbrechen, aber keinen Einfluss auf dessen Methode nehmen. Dies ist den Medianden – jedenfalls gemeinsam – im Rahmen des Mediatorvertrags indes möglich.416 b) Güterichter und Richter Es ist die schlichte Wahl der Begrifflichkeit „Güterichter“, welche die dogmatische Nähe des Güterichters zum Richter beschreibt. Mit der in Rede stehenden Tätigkeit des Güterichters wurde eine richterliche Geschäftsaufgabe417 geschaffen, die zwar keine Aufgabe der rechtsprechenden Gewalt im Sinne des §  4 Abs.  1 DRiG darstellt, wegen der Zuweisung in §  278 Abs.  5 ZPO aber als andere richterliche Aufgabe im Sinne des §  4 Abs.  2 Nr.  2 DRiG einzuordnen ist.418 Deswegen gelten für den Güte­ richter anstelle des MedG das DRiG und, soweit anwendbar und in Bezug genom­ men, die beamtenrechtlichen Vorschriften.419 Diese statusrechtliche Nähe des Güte­ richters zum Richter wird außerdem dadurch deutlich, dass dem Güterichter – wie dem Prozessrichter und anders als dem Mediator – die Prozessakten vorliegen.420 Da sich die Prozessakten also beim Güterichter befinden, soll dieser auch die Ausgabe von Abschriften an die Gegenseite verfügen und durch seine Geschäftsstelle erledi­ gen lassen können.421 Aber die Annäherung der Position des Güterichters erfährt eine klare Begren­ zung. Zwar ist der Güterichter Gericht im Sinne des §  794 Abs.  1 Nr.  1 ZPO,422 ihm fehlt jedoch das, um in den Worten des Gesetzgebers zu sprechen: Kernelement der Rechtsprechung,423 nämlich die Kompetenz, den Streit zu entscheiden.424 Diese feh­ lende Entscheidungsbefugnis gilt nicht nur für die Entscheidung in der Sache, son­ dern auch für solche im Hinblick auf prozessuale Fristen oder etwa die Frage der Gewährung von Prozesskostenhilfe oder Streitwertfestsetzung.425 Im Hinblick auf den Streitwert ist evtl. nur der Erhöhungsbetrag durch den Güterichter festzusetzen, 415  Ahrens, NJW 2012, 2465, 2469; Tochtermann, in: Fischer/Unberath, Das neue Mediationsge­ setz, S.  113, 117. 416  Eine einseitige Weisung muss demgegenüber ausgeschlossen sein, vgl. oben unter B.I.1. 417  Schobel, ZKM 2012, 191; Greger, in: Zöller, ZPO, §  278 Rn.  26. 418  Thole, ZZP 127 (2014), 339, 345, Wagner, RabelsZ 74 (2010), 794, 815; Steiner, in: Eidenmüller/ Wagner, Handbuch Mediation, Kap.  8 Rn.  39; Sonnenberg, Der Güterichter im Arbeitsrecht, S.  80. 419  Steiner, in: Eidenmüller/Wagner, Handbuch Mediation, Kap.  8 Rn.  40. 420  Möltmann-Willisch, in: Haft/Schlieffen, Handbuch Mediation, §  51 Rn.  21. 421  Steiner, in: Eidenmüller/Wagner, Handbuch Mediation, Kap.  8 Rn.  108. 422  Paulus, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, §  794 Rn.  20. 423  So auch BT-Drs. 17/5335, S.  14 im ersten Gesetzentwurf, der noch die innergerichtliche Me­ diation vorsah, die aber auch keine Entscheidung durch den innergerichtlichen Mediator vorsah. 424  Steiner, in: Eidenmüller/Wagner, Handbuch Mediation, Kap.  8 Rn.  135. 425  Greger, in: Zöller, ZPO, §  278 Rn.  26a.

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B. Der moderierte Vertrag des zivilrechtlichen Konflikts

weil lediglich er den Mehrwert des Vergleichs beurteilen kann.426 Die Einschrän­ kung der Entscheidungsfreiheit gilt nicht im Hinblick auf die oben angesprochene richterliche Unabhängigkeit für die Wahl der Methode. Kurzgefasst ist der Güterichter damit Richter, jedoch ohne zu entscheiden.427 Dass dies keinen gänzlichen Bruch mit der gesetzlichen Vorstellung von der Tätigkeit ei­ nes Richters darstellt, wird daran deutlich, dass auch zu dessen Aufgabe gemäß §  278 Abs.  1 ZPO das Bemühen um einen Vergleich gehört.428 Es ist diese fehlende Entscheidungskompetenz, die den Güterichter wieder näher an den Mediator heranführt, weil sie dem Güterichter vor dem Hintergrund seiner Aufgabe, den Parteien dabei zu helfen, den Konflikt gütlich beizulegen, entzogen wurde. Der Prozessrichter ist bei einem Scheitern der Verhandlungen zur Entschei­ dung aufgerufen. Dieser Umstand ist den Beteiligten auch bewusst, weshalb die gü­ terichterliche Verhandlung im Gericht in Rolle und Person von der Rolle des Streitrichters getrennt wurde.429 Bis hierher lässt sich festhalten, dass die Position des Güterichters im Hinblick auf dessen Status eher dem des Prozessrichters ähnelt, allerdings ohne dessen Entschei­ dungsbefugnis. Im Hinblick auf die Tätigkeit ähnelt sie eher der interessenbasierten Vermittlungstätigkeit des Mediators, hier allerdings erweitert um eine Entschei­ dungsfreiheit im Hinblick auf die Wahl der Methode. Diese (Zwischen-)Stellung und die daraus folgenden Konsequenzen lassen sich an der Frage beleuchten, ob es dem Güterichter möglich sein soll, mit den Parteien ver­ trauliche Einzelgespräche zu führen. c) Kristallisationspunkt Einzelgespräch Knüpft man bei der Beantwortung dieser Frage an die statusrechtliche Nähe zum Prozessrichter an, so ist zunächst festzuhalten, dass diesem das vertrauliche Ge­ spräch mit nur einer Partei schon wegen des Grundsatzes auf rechtliches Gehör ge­ mäß Art.  103 Abs.  1 GG verwehrt ist.430 Gilt das Grundrecht431 auch für das Verfah­

426 

Greger, in: Zöller, ZPO, §  278 Rn.  33. Steiner, in: Eidenmüller/Wagner, Handbuch Mediation, Kap.  8 Rn.  38 mit Verweis auf BGH Dienstgericht des Bundes, BGH v. 09.03.1967 – RiZ (R) 2/66, BGHZ 47, 275, 287. 428  So auch Steiner, in: Eidenmüller/Wagner, Handbuch Mediation, Kap.  8 Rn.  38 mit Verweis auf BGH Dienstgericht des Bundes, BGH v. 09.03.1967 – RiZ (R) 2/66, BGHZ 47, 275, 287. 429  So auch Steiner, in: Eidenmüller/Wagner, Handbuch Mediation, Kap.  8 Rn.  7. 430  Greger/Weber, MDR-Sonderheft 2012 „Das neue Güterichterverfahren“, 1, 15; Rechtliches Gehör i. S. d. Artikel 103 Absatz 1 GG ist das Recht einer Partei, über den Vortrag der Gegenpartei, sonstiger Beteiligter und die Beweisaufnahme in Kenntnis gesetzt zu werden, Gelegenheit zu erhal­ ten, sich dazu sowie zu allen für eine Bewertung des Konfliktes relevanten tatsächlichen und recht­ lichen Aspekten zu äußern und schließlich die Pflicht des Gerichts, die Äußerung zur Kenntnis zu nehmen und bei der Entscheidungsfindung zu berücksichtigen, vgl. Greger, in: Greger/Unberath/ Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, §  2 MedG Rn.  145 mit Verweis auf BVerfG v. 09.07.1980 – 2 BvR 701/80, BVerfGE 55, 1, 6. 431  So die Einordnung bei BVerfG v. 29.06.1965 – 1 BvR 289/62, BVerfGE 19, 93, 99. 427 

II. Güterichter

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ren vor dem Güterichter, wäre diesem die Möglichkeit des Einzelgesprächs somit auch zu verwehren.432 Die Umstände, die in der obigen Darstellung den Güterichter wieder eher dem Mediator annähern, sprechen hier jedoch dafür, diesem – in bestimmten Fällen – die­ se Möglichkeit zu gewähren. Zunächst findet der Grundsatz des rechtlichen Gehörs bei allen Verfahren An­ wendung, bei denen ein neutraler Dritter eine abschließende, objektive Bewertung des Konflikts vornehmen soll,433 d. h. eine Entscheidung trifft, die rechtliche Bin­ dungen auslöst.434 Es hängt somit stark vom Verfahren ab, das es zu beurteilen gilt. An der objektiven Beurteilung kann – nicht muss – es bei der güterichterlichen Tä­ tigkeit fehlen. Nämlich dann, wenn der Güterichter – was regelmäßig der Fall sein wird – seine fehlende Entscheidungskompetenz nicht durch eine Abmachung mit den Parteien, die ihn zu einer Entscheidung, etwa im Rahmen eines Schiedsspruchs oder einer Leistungsbestimmung im Sinne des §  317 BGB ermächtigt, ausgleicht, sondern im Rahmen seiner Verhandlungsführung auf ein Mediationsverfahren zu­ rückgreift. Da der Mediator gerade keine objektive Bewertung des Konflikts vor­ nimmt, muss er auch kein rechtliches Gehör gewähren.435 Für die in Rede stehende Zulässigkeit von Einzelgesprächen bedeutet das im Ergebnis, dass diese Frage, da sie einen starken Bezug zum Verfahren aufweist, davon abhängig gemacht werden muss, welchen Weg der Konfliktvermittlung der Güterichter wählt. Entscheidet er sich für die Anwendung eines Mediationsverfahrens, schließt dies auch die eben im Mediati­ onsverfahren existierende Möglichkeit des vertraulichen Einzelgesprächs ein.436 Al­ lerdings sollte dann die aus §  2 Abs.  3 Satz 3 MedG folgende Regelung, wonach der Mediator getrennte Gespräche nur im allseitigen Einverständnis führen kann, ent­ sprechend auch für den Güterichter gelten.437 Auch deshalb, weil die Parteien im güterichterlichen Verfahren einen nach §  794 Abs.  1 Nr.  1 ZPO vollstreckbaren Ver­ gleich schließen können. Das Postulat des Einverständnisses der Parteien führt zur Rechtfertigung des Ein­ zelgesprächs durch die autonome Entscheidung der Parteien, weil diese die Möglich­ keit haben, ihre Bedenken gegen mögliche Einzelgespräche zu äußern bzw. im Ex­ tremfall – innerhalb der Mediation ebenso wie im Verfahren vor dem Güterichter – 432 

Thole, ZZP 127 (2014), 339, 352, Fn.  72 sieht Einzelgespräche durch den Güterichter daher auch kritisch. 433  Greger, in: Greger/Unberath/Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, §   2 MedG Rn.  145. 434  Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, Art.  103 Rn.  6a. 435  Greger, in: Greger/Unberath/Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, §   2 MedG Rn.  146; a. A. Prütting, MDR 2016, 965, 967. 436  So im Ergebnis auch Greger/Weber, MDR-Sonderheft 2012 „Das neue Güterichterverfah­ ren“, 1, 15; Thole, ZZP 127 (2014), 339, 352, Fn.  72; zu den Vor- und Nachteilen der Einzelgespräche siehe Fritz/Klenk, ZKM 2016, 164. 437  So formuliert für das arbeitsgerichtliche Güterichterverfahren Franken, NZA 2015, 641, 643; siehe auch Kloppenburg/Tautphäus, in: Düwell/Lipke, ArbGG, §  54 Rn.  86; ErfK/Koch, ArbGG, §  54 Rn.  11; GK-ArbGG/Schütz, §  54 Rn.  88; Germelmann, in: Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, §  54 Rn.  9 ff.; Schwab/Weth/Nause, ArbGG, §  54 Rn.  93; a. A. Prütting, in: Germelmann/ Matthes/Prütting, ebda., §  54 a Rn.  19.

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B. Der moderierte Vertrag des zivilrechtlichen Konflikts

das Verfahren zu beenden.438 Vor dem Hintergrund, dass die Parteien im Einzelgespräch eher bereit sind, über ihre Interessen, Vorstellungen und Ziele offen zu sprechen,439 sollte dieses Mittel dem Güterichterverfahren, das sich ja gerade ver­ stärkt an den Interessen der Parteien ausrichten soll, nicht pauschal entzogen sein, sondern im Rahmen einer Mediation innerhalb des Güterichterverfahrens genutzt werden können, solange dies nicht heimlich geschieht.440 Für den Fall, dass im Güterichterverfahren keine „reine“ Mediation, sondern eine Mischform zur Anwendung kommt, bleiben Einzelgespräche solange möglich, wie der Güterichter etwa lediglich einzelne Elemente aus der Mediation heranzieht. Kommen Elemente aus Verfahren hinzu, die ihn zu einer Beurteilung ermächtigen, sind vertrauliche Einzelgespräche wegen der Notwendigkeit, rechtliches Gehör zu gewähren, nicht mehr möglich. Hier eine klare Abgrenzung vorzunehmen, sollte dem Güterichter, der Volljurist ist und darüber hinaus regelmäßig einschlägige Fort­ bildungen besucht haben dürfte, möglich sein.

4. Charakteristika des Verfahrens vor dem Güterichter Schon im Rahmen der bisherigen Ausführungen zum Verfahren vor dem Güterich­ ter ist deutlich geworden, dass auch diese Verfahren von einer großen Bandbreite an Möglichkeiten in Bezug auf die tatsächliche Ausgestaltung geprägt sind. Trotzdem lassen sich diesbezüglich einige Charakteristika erfassen, die auch schon für das Me­ diationsverfahren galten. Gemeinsam mit der Neutralität des Mediators sind es die Freiwilligkeit und Neutralität, die das Verfahren der Mediation kennzeichnen und denen in §§  1 Abs.  1 und 3, 4 MedG Rechnung getragen wird.441 Diese Anforderun­ gen gelten auch für die Verhandlung vor dem Güterichter.442 a) Freiwilligkeit Betrachtet man das Verfahren chronologisch, wird deutlich, dass die Freiwilligkeit zu jedem Zeitpunkt ihre Wirkung entfaltet. Bereits bei der Einsetzung des Güterichters als Kommunikationsmittler ist dem Charakteristikum der Freiwilligkeit nach der hier vertretenen Auffassung durch das Ausbleiben einer Ladung zum Verhandlungstermin zugunsten einer informellen Terminabsprache vor dem Güterichter Rechnung zu tragen. Dies bedeutet eben auch den Verzicht auf die Anordnung des persönlichen Erscheinens sowie auf die Mög­ lichkeit, ein Ordnungsgeld zu verhängen. Wie im Rahmen der Ausführungen zur Einsetzung des Güterichters dargestellt wurde, würde beides dem Wesen der Frei­

438 

Vgl. hierzu auch HK-MedG/Gläßer, §  2 Rn.  143. Franken, NZA 2015, 641, 643. 440 So auch Steiner, in: Eidenmüller/Wagner, Handbuch Mediation, Kap.   8 Rn.  77; so wie im Ergebnis wohl auch Thole, ZZP 127 (2014), 339, 352, Fn.  72; und Greger/Weber, MDR-Sonderheft 2012 „Das neue Güterichterverfahren“, 1, 15. 441  Steiner, in: Eidenmüller/Wagner, Handbuch Mediation, Kap.  8 Rn.  68. 442  Steiner, in: Eidenmüller/Wagner, Handbuch Mediation, Kap.  8 Rn.  68. 439 

II. Güterichter

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willigkeit widersprechen.443 Das Gericht ist jedoch nicht gehindert, die Parteien zur Beschäftigung mit der Möglichkeit, die Dienste des Güterichters in Anspruch zu nehmen, anzuhalten.444 Die Information über diese Prozessalternative beeinträchtigt nicht die Freiwilligkeit. Die Parteien müssen das Verfahren nicht nur freiwillig beginnen, sondern es auch freiwillig bestreiten. Das bedeutet, dass der Freiwilligkeit auch im Hinblick auf die Methode der Konfliktvermittlung eine herausgehobene Bedeutung zukommt. An­ ders als die Parteien des Mediationsverfahrens können die Parteien des Güterichter­ verfahrens keinen direkten Einfluss auf die Methode nehmen. Sie können aber über den Umweg der Freiwilligkeit die Gestaltung der Güteverhandlung beeinflussen. Denn wie bei der Mediation ist es gerade der zentrale Ausdruck der Freiwilligkeit, dass die Parteien die Verhandlung jederzeit ohne die Nennung von Gründen abbre­ chen können. Dies ermöglicht ihnen – allein oder gemeinsam – mit dem Abbruch der Verhandlung zu drohen, wenn sie mit der Vorgehensweise des Güterichters nicht einverstanden sind.445 Dieser Weg ist infolge der statusrechtlichen Stellung des Gü­ terichters aber auch der einzige, um auf die Verhandlungsführung Einfluss zu neh­ men. Das gilt für die Wahl der Methode an sich, hat sich aber exemplarisch auch bei der Information über die Verhandlungsmethode446 sowie der Möglichkeit des Güte­ richters, Einzelgespräche zu führen, gezeigt. Das Erfordernis der Freiwilligkeit bleibt schließlich prägend auch für den Schluss der Verhandlung. Die Prozessparteien haben grundsätzlich einen Anspruch darauf, dass der Richter ihren Streit nach Recht und Gesetz entscheidet.447 Die Teilnahme am Güterichterverfahren ist freiwillig und kann von den Parteien jederzeit ohne die Angabe von Gründen beendet werden.448 Auch der Güterichter kann das Verfahren jederzeit beenden. Nämlich dann, wenn er das mit §  278 Abs.  5 ZPO verbundene Ziel der gütlichen Konfliktbeilegung nicht mehr erreichen kann. Aber auch für die gütliche Streitbeilegung durch die Parteien gilt es, deren Freiwil­ ligkeit zu berücksichtigen. Schließen die Parteien einen Vertrag etwa in Form eines Vergleichs, der regelt, wie ihr Konflikt beigelegt werden soll, ist auch dabei zu beach­ ten, dass sich – wie im Zivilprozess – im Güterichterverfahren die das materielle Recht bestimmende, in Art.  2 Abs.  1 GG verbriefte, Privatautonomie fortsetzt.449 Dies hat für die Beendigung des Verfahrens im Vergleichswege zur Folge, dass die Parteien diesen Vertrag – wie jeden anderen Vertrag – freiwillig im Rahmen ihrer Privatautonomie schließen müssen, da er das Verfahren ansonsten nicht wirksam beendet. Das wirkt zurück auf die Verhandlungsleitung des Güterichters, dessen Ziel 443 

Vgl. oben unter B.II.1. Greger/Weber, MDR-Sonderheft 2012 „Das neue Güterichterverfahren“, 1, 4. 445  In diese Richtung formulieren auch Fritz/Krabbe, NVwZ 2013, 29, 30. 446  Die unter dem Begriff der Methodenklarheit oben dargestellt wurde unter B.II.2.b).aa). 447  Greger/Weber, MDR-Sonderheft 2012 „Das neue Güterichterverfahren“, 1, 4; zur Ausnahme des obligatorischen Schlichtungsverfahrens vgl. unten unter D.III.2. 448  Greger, in: Zöller, ZPO, §  278 Rn.  31; Greger/Weber, MDR-Sonderheft 2012 „Das neue Gü­ terichterverfahren“, 1, 20; Steiner, in: Eidenmüller/Wagner, Handbuch Mediation, Kap.  8 Rn.  69. 449  Steiner, in: Eidenmüller/Wagner, Handbuch Mediation, Kap.  8 Rn.  25. 444 

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B. Der moderierte Vertrag des zivilrechtlichen Konflikts

zwar die gütliche Streitbeilegung ist; die Erzeugung jeglichen Vergleichsdrucks ist jedoch mit der Privatautonomie der Parteien nicht vereinbar.450 Wie die Beispiele der Methodenklarheit und der Einzelgespräche gezeigt haben, wird die Freiwilligkeit der Parteien durch Informationen im Hinblick auf die metho­ dische Vorgehensweise nicht beeinträchtigt – ein Gedanke, der auch auf die Frage des zulässigen Verhaltens durch den Güterichter übertragen wird. Gerade weil Selbst­ verantwortung auch Informiertheit voraussetze, werde die Autonomie dann nicht beeinträchtigt, wenn der Güterichter den Beteiligten lediglich die sogenannte Nicht­ einigungsalternative vor Augen führt, d. h. klar macht, welche Folgen an die Fortset­ zung des Prozesses mit allen Belastungen und Eventualitäten im konkreten Fall ge­ knüpft sind.451 b) Neutralität und Unabhängigkeit Die herausgehobene Bedeutung der Freiwilligkeit wird darüber hinaus auch inner­ halb des weiteren Charakteristikums des Verfahrens vor dem Güterichter, der Neu­ tralität, deutlich. Insbesondere die aus der Freiwilligkeit resultierende Möglichkeit, das Verfahren jederzeit abzubrechen, hat – als Folge einer möglichen Störung der Neutralität – eine besondere Bedeutung, die auch innerhalb dieses Charakteristi­ kums die rechtliche Stellung des Güterichters zwischen Prozessrichter im Sinne der ZPO und Mediator im Sinne des MedG verdeutlicht. Denn das Erfordernis der Neutralität bzw. Unabhängigkeit entstammt dem Rich­ ter­status des Güterichters; die Reaktion auf ein Fehlen von Neutralität bzw. Unab­ hängigkeit ist dann allerdings eher im Sinne des Mediationsverfahrens zu lösen. aa) Erfordernis von Neutralität und Unabhängigkeit Das MedG betont in §  1 Abs.  2 und §  3 die Bedeutung der Neutralität,452 findet aber – wie dargestellt – auf den Güterichter keine Anwendung. Die Pflicht zur Neutralität bzw. Unabhängigkeit ergibt sich für ihn vielmehr aus den Vorschriften der §§  41 ff. ZPO. Diese sind auf den Güterichter ebenso anwend­ bar wie auf den Prozessrichter,453 da unter Richter im Sinne des §  1 DRiG der Berufs­ richter sowie der ehrenamtliche Richter zu verstehen ist.454 Wie oben bereits darge­ stellt, gehört die güterichterliche Tätigkeit zu den Aufgaben eines Berufsrichters nach §  4 Abs.  2 Nr.  2 DRiG. Die Vorschriften der ZPO sprechen allerdings im Hinblick auf den Richter weder von Neutralität noch Unabhängigkeit.455 Die Regelung des §  41 ZPO, die den Richter bei der Verwirklichung eines ihrer Tatbestände von der Amtsführung ebenso aus­ 450 

Greger/Weber, MDR-Sonderheft 2012 „Das neue Güterichterverfahren“, 1, 4. Greger/Weber, MDR-Sonderheft 2012 „Das neue Güterichterverfahren“, 1, 4. 452  Steiner, in: Eidenmüller/Wagner, Handbuch Mediation, Kap.  8 Rn.  4 4. 453  So im Ergebnis auch Greger/Weber, MDR-Sonderheft 2012, „Das neue Güterichterverfah­ ren“, 1, 5; Ahrens, NJW 2012 2465, 2470; Greger, in: Zöller, 32.  Aufl. 2018, ZPO, §  278 Rn.  48. 454  Heinrich, in: Musielak/Voit, ZPO, §  41 Rn.  4; Greger, ZKM 2017, 4. 455  Der Begriff Unabhängigkeit findet nur in §  1036 ZPO in Hinblick auf die mögliche Ableh­ nung eines Schiedsrichters Verwendung. 451 

II. Güterichter

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schließt wie die Ablehnungsmöglichkeit der §§  42 ff. ZPO, dienen aber der Wahrung der Unparteilichkeit und Neutralität des Richters.456 Die einzelnen Ausschlussgründe des §  41 ZPO, die auf das Verhältnis des Richters zu einer Partei oder zum Streitgegenstand abzielen, dienen eher einer Unabhängig­ keit des Richters im Sinne des oben zur Mediation festgehaltenen Verständnisses. Dass den Richter darüber hinaus auch eine verfahrensbezogene Neutralitätspflicht im Sinne des MedG trifft, wird durch die Regelung des §  42 Abs.  2 ZPO verdeutlicht, die den Parteien die Möglichkeit gibt, den Richter wegen der Besorgnis der Befan­ genheit abzulehnen. Anders als die Ausschließungsgründe nach §  41 ZPO hat der Gesetzgeber die Voraussetzungen, unter denen ein Richter wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden kann, nur in sehr groben Zügen umrissen.457 Die Besorgnis, der Richter werde parteiisch (= unsachlich) entscheiden, kann sich einmal aus besonderen Beziehungen ergeben, in denen der Richter zu den Beteiligten des konkreten Verfahrens oder zum Gegenstand des Streits steht, zum anderen aus be­ stimmten Handlungen des Richters außerhalb oder innerhalb des Verfahrens,458 etwa in seiner Ausdrucksweise in den Verhandlungen.459 Hierin liegt die rechtliche Basis für die Forderung, dass der Güterichter beim Umgang mit den Beteiligten auf die Wahrung seiner Neutralität zu achten habe und etwa seine Aufmerksamkeit grundsätzlich beiden Seiten gleichermaßen zukommen müsse, d. h. etwa, dass er mit allen Beteiligten ungefähr gleich lang und intensiv sprechen solle. Vom einverständ­ lichen Einzelgespräch abgesehen soll er es vermeiden, außerhalb der gemeinsamen Sitzung mit einer Partei allein zu sprechen,460 da ansonsten die andere Partei Anlass zu Zweifeln an der Unbefangenheit des Güterichters haben könnte. bb) Realisierung von Neutralität und Unabhängigkeit Die §§  41 ff. ZPO postulieren nicht lediglich die Neutralität des Richters, sondern sichern diese auch. Liegt ein in §  41 ZPO beschriebener Umstand vor, so ist der Richter kraft Gesetzes an jeder weiteren Tätigkeit gehindert, ohne dass es einer förmlichen Entscheidung bedarf.461 Bei Zweifeln über das Vorliegen des Tatbestands entscheidet gemäß §  45 Abs.  1 ZPO das Gericht, dem der betroffene Richter ange­ hört,462 durch Beschluss, vgl. §  46 Abs.  1 ZPO. Dies gilt auch für den Fall, dass eine Partei ein Ablehnungsgesuch wegen Befangenheit des Güterichters im Sinne des §  42 ZPO stellt. Die Neutralität und Unabhängigkeit des Güterichters wird somit durch die Vorschriften der ZPO zunächst in gleicher Weise geschützt wie die des Prozess­ 456 BeckOK-ZPO/Vossler,

§  41 Rn.  1-1.2 auch m. w. N. zur verfassungsrechtlichen Verankerung. BeckOK-ZPO/Vossler, §  42 Rn.  5; vgl. auch Tauber, Der befangene Zivilrichter, passim. 458  Bork, in: Stein/Jonas, ZPO, §  42 Rn.  14; MünchKommZPO/Stackmann, §  42 Rn.  7; vgl. zu den Fallgruppen, in denen Besorgnis zur Befangenheit besteht Gerken, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, §  42 Rn.  6 ff. 459  Vgl. die Beispiele bei BLAH, ZPO, §  42 Rn.  17 und 19. 460  Greger/Weber, MDR-Sonderheft 2012 „Das neue Güterichterverfahren“, 1, 11. 461  Bork, in: Stein/Jonas, ZPO, §  41 Rn.  1; Gerken, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, §  41 Rn.  18; BeckOK-ZPO/Vossler, §  41 Rn.  14. 462  Bork, in: Stein/Jonas, ZPO, §   45 Rn.  1; Gerken, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, §  45 Rn.  1; BeckOK-ZPO/Vossler, §  41 Rn.  14. 457  Vgl.

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richters. Die besondere Bedeutung der Freiwilligkeit, die in der Mediation ebenso wie im Güterichterverfahren gilt, hat jedoch zur Folge, dass der durch die ZPO ge­ währleistete Schutzmechanismus im Güterichterverfahren keine praktische Rele­ vanz entfaltet.463 Denn die Parteien haben – wegen der Bedeutung ihrer Freiwilligkeit – zu jedem Zeitpunkt des Güteverfahrens die Möglichkeit, dieses ohne die Nennung von Grün­ den zu beenden. Sie können dies, ohne sich an das in der ZPO vorgesehene Verfahren halten zu müssen, auch dann tun, wenn ihrer Ansicht nach die Neutralität bzw. Un­ abhängigkeit des Güterichters nicht in ausreichendem Maße gewährleistet ist. Der Umstand, dass das Charakteristikum der Freiwilligkeit in der soeben be­ schriebenen Art und Weise in die Systematik der ZPO zur Sicherung der richterli­ chen Neutralität hineinwirkt, muss aber nicht bedeuten, die §§  41 ff. ZPO entgegen ihrem Wortlaut nicht anzuwenden.464 Dies gilt schon deshalb, weil sich die rechtlich verbindliche Notwendigkeit der güterichterlichen Neutralität nur aus diesen Vor­ schriften entnehmen lässt und ein weiterer Sicherungsmechanismus, der ebenfalls auch im Mediationsverfahren Anwendung findet, nur aus der Anwendung der §§  41 ff. ZPO folgt: Aus §  48 ZPO ergibt sich, dass es auch Aufgabe des Richters ist, auf die eigene Neutralität zu achten. Den Richter trifft die Amtspflicht, eine sogenannte Selbstab­ lehnung anzuzeigen, wenn seiner Meinung nach ein Ausschlussgrund vorliegt oder aus Sicht einer vernünftigen Partei ein Ablehnungsgrund gegeben sein könnte.465 Anders als beim Mediator466 besteht die Informationspflicht des Güterichters nicht lediglich gegenüber den Parteien,467 sondern auch gegenüber dem zur Entscheidung über die Ablehnung zuständigen Gericht im Sinne des §  45 Abs.  1 ZPO.468 So bleiben die Vorschriften der §§  41 ff. ZPO auch in ihrer Rechtsfolge anwend­ bar,469 allerdings ohne, dass einer Partei hierdurch die Möglichkeit genommen wür­ de, das Güterichterverfahren zu beenden. Hält eine Partei den Güterichter für befan­ gen, so kann sie entweder das Verfahren ganz beenden, ein neues Güteverfahren vor einem anderen Güterichter kommt dann nur zustande, wenn die Gegenseite zu­ stimmt und das Gericht bereit ist, einen weiteren Güterichter zu benennen.470 Die Partei kann aber auch im Wege des §  42 ZPO vorgehen und ein Ablehnungsgesuch formulieren,471 mit der Folge, dass – bei Erfolg – der Güterichter nach den Vorgaben der Geschäftsverteilung des Gerichts ersetzt wird. 463  Insoweit auch die Einschätzung von Steiner, in: Eidenmüller/Wagner, Handbuch Mediation, Kap.  8 Rn.  4 4; Greger/Weber, MDR-Sonderheft 2012 „Das neue Güterichterverfahren“, 1, 5. 464  So aber Steiner, in: Eidenmüller/Wagner, Handbuch Mediation, Kap.  8 Rn.  4 4 ohne weitere Begründung. 465  Bork, in: Stein/Jonas, ZPO, §  48 Rn.  1; vgl. Gerken, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, §  48 Rn.  5; MünchKommZPO/Stackmann, §  48 Rn.  3. 466  Vgl. hierzu oben unter B.I.2.b).dd). 467 MünchKommZPO/Stackmann, §  48 Rn.  4. 468  Heinrich, in: Musielak/Voit, ZPO, §  48 Rn.  2 ; MünchKommZPO/Stackmann, §  48 Rn.  2. 469  So auch Greger, in: Zöller, 32.  Aufl. 2018, ZPO, §  278 Rn.  48. 470 So Steiner, in: Eidenmüller/Wagner, Handbuch Mediation, Kap.  8 Rn.  4 4. 471 A.A. Greger/Weber, MDR-Sonderheft 2012 „Das neue Güterichterverfahren“, 1, 5, die wohl davon ausgehen, dass die Möglichkeit des Abbruchs das Verfahren der ZPO ersetzt.

II. Güterichter

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cc) Unabhängigkeit aus Richtersicht In Verbindung mit der Befangenheit ist auch die richterliche Unabhängigkeit anzu­ sprechen, die ihren Schutz nicht zugunsten der Konfliktparteien, sondern zugunsten des Richters selbst entfaltet. Sie ist von der bisher erörterten Neutralität bzw. Unab­ hängigkeit zu trennen, da sie eine andere Zielrichtung verfolgt472 und demzufolge für diese Untersuchung von nachrangiger Bedeutung ist. Ging es bei der bisher in Rede stehenden Unabhängigkeit des Richters um die Notwendigkeit, dass dieser keiner Partei näher stehen soll als der anderen, so geht es bei der richterlichen Unabhängig­ keit des Art.  97 Abs.  1 GG, der ein grundrechtsgleiches Recht enthält, das auch für Güterichter gilt,473 um die Vermeidung einer Einmischung von außen, die im Sinne einer notwendigen Gewaltenteilung in einem demokratischen Rechtsstaat zu sehen ist. Der Schutz der richterlichen Unabhängigkeit, den §  1 GVG noch auf das Gericht als Institution erweitert, umfasst sowohl die sachliche Unabhängigkeit (Art.  97 Abs.  1 GG) als auch die persönliche Unabhängigkeit (Art.  97 Abs.  2 GG).474 Wäh­ rend die persönliche Unabhängigkeit insbesondere erfordert, dass einen Richter im Beruf oder außerberuflich wegen seiner rechtsprechenden Tätigkeit keine Nachteile drohen oder treffen, die geeignet sind, seine sachliche Unabhängigkeit infrage zu stellen,475 zielt diese sachliche Unabhängigkeit darauf ab, dass die Richter bei der Anwendung des Rechts frei sind und insbesondere keinen Weisungen unterliegen.476 Nur im Hinblick auf diese Weisungsfreiheit entfaltet die richterliche Unabhängigkeit auch eine Wirkung im Hinblick auf die Untersuchung des moderierten Vertrags. Da der Richter in jeder Hinsicht von Weisungen frei sein muss, gilt dies auch für Wei­ sungen durch die Konfliktparteien, weshalb diese – auch infolge der richterlichen Unabhängigkeit477 – anders als im Rahmen der Mediation auch nicht gemeinsam auf die Methode der Konfliktmittlung einwirken können. c) Vertraulichkeit Die Vertraulichkeit wird wie bei der Mediation auch zu den Charakteristika des Ver­ fahrens vor dem Güterichter gezählt, aus vergleichbaren, eher rechtsfernen Gründen. Eine Vermittlung durch den Güterichter setzt, je nachdem, welche Technik er kon­ kret zugrunde legt, regelmäßig auf eine Offenheit des Gesprächs. Mittelbar ist eine solche Offenheit, in der die Parteien ihre Interessen äußern und kreativ Lösungsvor­ 472  Die §§  41 ff. ZPO dienen dem Grundsatz des gesetzlichen Richters i. S. d. Artikel 101 Absatz 1 Satz 2 GG, der mit der notwendigen Distanz gehalten ist, unparteiisch und unparteilich erschei­ nend das Recht zu erkennen und ein faires Verfahren zu gewähren, vgl. Heinrich, in: Musielak/Voit, ZPO, §  42 Rn.  1. 473  Zum Begriff des Richters im Sinne des Art.  97 Abs.  1 GG vgl. BeckOK-GG/Morgenthaler, Art.  97 Rn.  1 sowie BVerfG v. 09.11.1955 – 1 BvL 13/52, BVerfGE 4, 331, 344; BVerfG v. 11.6.1969 – 2 BvR 518/66, BVerfGE 26, 186, 201; BVerfG v. 08.06.1971 – 2 BvL 17/70, BVerfGE 31, 137, 140 f. 474 MünchKommZPO/Zimmermann, GVG, §  1 Rn.  2 2. 475 BeckOK-GG/Morgenthaler, Art.  97 Rn.  14 mit Verweis auf BVerfG v. 25.02.1964 – 2 BvR 411/61, BVerfGE 17, 252, 259 f. 476 BeckOK-GG/Morgenthaler, Art.   97 Rn.  4 mit Verweis auf BVerfG v. 17.12.1953 – 1 BvR 335/51, BVerfGE 3, 213, 224. 477  So auch Greger/Weber, MDR-Sonderheft 2012 „Das neue Güterichterverfahren“, 1, 5.

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schläge erarbeiten, leichter zu erreichen, wenn die Parteien während der Verhand­ lung vor dem Güterichter davon ausgehen können, dass ihre Äußerungen weder in dem Moment noch später durch den Güterichter bzw. die Gegenseite zu ihrem Nachteil verwendet werden können. Das Charakteristikum der Vertraulichkeit lässt sich somit mittelbar begründen. Die Vertraulichkeit der Verhandlungen ist wichtig für die Offenheit des Gesprächs,478 diese Offenheit des Gesprächs ist ihrerseits wich­ tig für den Erfolg der Vermittlung durch den Güterichter. Im Hinblick auf das Erfordernis der Vertraulichkeit selbst lässt sich wiederum479 trennen zwischen der Vertraulichkeit im Moment der Verhandlung selbst und der „vorwirkenden Vertraulichkeit“. Die Vertraulichkeit im Moment der Verhandlung meint den Schutz des Verhan­ delns an sich, also dem Austausch der Positionen, vor einer ungerechtfertigten Kenntnismöglichkeit durch Dritte. Die „vorwirkende Vertraulichkeit“ ist zu verste­ hen in dem Sinne, dass die Parteien schon während der Verhandlung offen ihre Posi­ tionen austauschen können ohne Gefahr zu laufen, dass der Güterichter bzw. die Gegenseite, die diese Informationen im Rahmen der Güteverhandlung notwendiger­ weise bekommen, diese später – schlimmstenfalls wohl im Rahmen eines späteren Prozesses – äußern. Beide Dimensionen der Vertraulichkeit sind für die Offenheit des Gesprächs not­ wendig und rechtlich zu schützen. Diesbezüglich existieren ebenso Parallelen zur Vorgehensweise im Hinblick auf die rechtliche Realisierung der Vertraulichkeit in­ nerhalb der Mediation wie auch Unterschiede, die sich mit der Richtereigenschaft des Güterrichters erklären lassen. d) Realisierung der Vertraulichkeit Beginnt man die Betrachtung bei den unmittelbar an die Durchführung der Ver­ handlung anknüpfenden, die Vertraulichkeit schützenden Maßnahmen, dann ist zu­ nächst ein ebenso banales wie eindeutiges Instrument zu nennen: Die Existenz des Güterichters, der sich in seiner Person gerade von der des Streitrichters unterschei­ det. Schon dieser Unterschied in der Person des Verhandlungsleiters soll für eine größere Offenheit des Gesprächs sorgen480 und verhindern, dass in der Gütever­ handlung getätigte Aussagen nicht „automatisch“ Eingang in das streitige Verfahren finden. Die auf diesem Wege erreichte Vertraulichkeit war einer der Hauptgründe die für Schaffung des Güterichters.481 Neben dieser Personendifferenz ist für die Vertraulichkeit zunächst zentral, dass die Verhandlung vor dem Güterichter nicht öffentlich ist,482 da der Güterichter nicht

478  Greger, in: Zöller, ZPO, §  278 Rn.  30; Greger/Weber, MDR-Sonderheft 2012 „Das neue Gü­ terichterverfahren“, 1, 12. 479  Wie auch schon oben bei der Vertraulichkeit im Rahmen der Mediation. 480  Darauf weist auch Wagner, in: Fischer/Unberath, Das neue Mediationsgesetz, S.  91 hin. 481  Greger, in: Zöller, ZPO, §  278 Rn.  30. 482  Greger/Weber, MDR-Sonderheft 2012 „Das neue Güterichterverfahren“, 1, 5; Greger, in: Zöller, 32.  Aufl. 2018, ZPO, §  278 Rn.  46; Windau, jM 2019, 52, 55.

II. Güterichter

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das erkennende Gericht im Sinne des §  169 GVG ist.483 Hierbei handelt es sich nur um das Gericht, d. h. ggf. auch den Einzelrichter, das bzw. der die Entscheidung in der Hauptsache trifft.484 Damit ist im Hinblick auf das bereits angesprochene Mediationsverfahren zu­ nächst eine große Ähnlichkeit festzustellen, denn auch hier ist die Personendifferenz und fehlende Öffentlichkeit im Hinblick auf die Mediationssitzung charakteristisch. Ein für die Vertraulichkeit bedeutsamer Unterschied ergibt sich dann aus der Rich­ tereigenschaft des Güterichters und der daraus folgenden Aktenführungspflicht. aa) Gerichtsakte Dass bei Gericht überhaupt Akten geführt werden müssen, ergibt sich aus der ZPO nicht unmittelbar; die entsprechenden Vorschriften der ZPO setzen die Existenz ei­ ner Prozessakte vielmehr voraus.485 Die Pflicht, dass das Gericht, genauer gesagt: die Geschäftsstelle486 eine Akte führt, ist Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips487 und Voraussetzung für die Gewährung rechtlichen Gehörs.488 Dies umfasst auch, dass den Parteien Einsicht in sämtliche Dokumente gewährt werden muss, auf die das Gericht seine Entscheidung stützt,489 was eben voraussetzt, dass die Schriftsätze ge­ sammelt werden. Die konkrete Pflicht, dass – und damit verbunden: wie – eine Akte zu führen ist, ergibt sich aus den nahezu wortgleichen Verwaltungsvorschriften der Länder, den sogenannten490 Aktenordnungen.491 Aus den darin, meist identisch ge­ fassten, Regelungen (§  8a)492 wird darüber hinaus deutlich, dass auch das Güterich­ 483  Steiner, in: Eidenmüller/Wagner, Handbuch Mediation, Kap.  8 Rn.  78; Friedrich, SGb 2012, 705, 707; Windau, jM 2019, 52, 55. 484 MünchKommZPO/Zimmermann, GVG, §  169 Rn.  18. 485 BeckOK-ZPO/Bacher, §  299 Rn.  5; Leipold, in: Stein/Jonas, ZPO, §  299 Rn.  4 scheint die Ak­ tenführungspflicht aus einer Gesamtschau der Vorschriften der §§  80 Abs.  1; 160a Abs.  3, 184 Abs.  2, 299a, 541, 565, 706 Abs.  1 ZPO zu schließen; Assmann, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, §  299 Rn.  11 begründet die Aktenführungspflicht nicht weiter. 486 Vgl. Assmann, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, §  299 Rn.  11. 487  So für die Akten der Verwaltung vgl. nur Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art.  19 Abs.  4 Rn.  255. 488  Im Hinblick auf die hier in Rede stehenden Gerichtsakten Wassermann, DRiZ 1984, 425, 428. 489 HK-ZPO/Saenger, §  299 Rn.  1. 490  Diese Bezeichnung wird nicht in allen Ländern so verwandt, dies ist etwa in Bayern der Fall, vgl. „Aktenordnung (AktO) für die Geschäftsstellen der Gerichte der ordentlichen Gerichtsbarkeit und der Staatsanwaltschaften“ vom 13.12.1983, BayJMBl 1984, S.  13; demgegenüber jedoch „Anwei­ sungen für die Verwaltung des Schriftguts bei den Geschäftsstellen der Gerichte und Staatsanwalt­ schaften des Landes Nordrhein-Westfalen“ AV d. JM v. 27. April 1967 (1454 – I B. 49) – JMBl. NW S.  109 –, zuletzt geändert durch AV d. JM v. 6. November 2015 (1454 – I. 404) – JMBl. NRW S.  378 – (Fassung ab 01.01.2016). 491  Hierauf weisen auch Greger, in: Zöller, ZPO, §  299 Rn.  1; Leipold, in: Stein/Jonas, ZPO, §  299 Rn.  4; BeckOK-ZPO/Bacher, §  299 Rn.  5 hin. 492  §  8a der Aktenordnung in Nordrhein-Westfalen lautet: „(1) Verfahren vor der Güterichterin oder dem Güterichter nach §  278 Abs.  5 ZPO oder §  36 Abs.  5 FamFG werden ebenfalls unter dem Registerzeichen AR mit dem Zusatz G (Liste 3a) erfasst. Für die Jahreszahl des Jahrgangs bei dem Aktenzeichen ist das Datum maßgeblich, an dem die Verweisung vor die Güterichterin oder den Güterichter erfolgt ist oder bei Güteverfahren in Ver­ bundlösungen das Verfahren auf der zentralen Geschäftsstelle eingegangen ist. Ist eine Güterichter­

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B. Der moderierte Vertrag des zivilrechtlichen Konflikts

terverfahren von der Aktenführungspflicht erfasst ist; im Hinblick auf das vormals existente gerichtliche Mediationsverfahren, das insoweit mit den Güterichterverfah­ ren vergleichbar ist, wurde bereits entschieden, dass die Mediationsakten Prozessak­ ten im Sinne der ZPO sind.493 In die Prozessakten kann der Güterichter auch ohne die Zustimmung der Parteien Einsicht nehmen.494 Sensibler und relevanter sind jedoch die Informationen, die von den Parteien im Rahmen der Güteverhandlung preisgegeben werden. Durch die Existenz der Akte ist die Vertraulichkeit stärker gefährdet, da auf die­ sem Wege evtl. sensible Informationen aus der Güteverhandlung überhaupt erst ein­ mal festgehalten werden und so dem Vergessen entzogen werden. Der Schutz der Vertraulichkeit kann an zwei Punkten ansetzen: Informationen aus dem Güterich­ terverfahren können erstens gar nicht erst Eingang in die Prozessakte finden bzw. zweitens diese dann später nur schwer wieder verlassen. (1) Kein Eingang in die Prozessakte Mit der bloßen Existenz einer Akte allein muss nicht notwendigerweise einherge­ hen, dass diese auch sensible Informationen enthält. Es zeigt sich hier und auch spä­ ter eine Wechselwirkung der Vertraulichkeit mit der Freiwilligkeit der Parteien. Denn: Die Vertraulichkeit soll einerseits die auf der Freiwilligkeit aufbauende Ver­ handlung unterstützen; gleichzeitig ist es die Autonomie der Parteien, die diesen im geschäftsstelle nicht eingerichtet, ist das Datum des Verweisungsbeschlusses maßgeblich. Im Regis­ ter des Herkunftsverfahrens ist das Aktenzeichen des Güterichterverfahrens in der Spalte Bemer­ kungen zu vermerken; im Güterichterverfahren ist das Aktenzeichen des Herkunftsverfahrens zu erfassen. Bei Terminen vor der Güterichterin oder dem Güterichter sind zusätzlich die für die Kos­ tenberechnung relevanten Angaben auf dem Aktenumschlag bzw. dem Aktenvorblatt zu vermer­ ken, insbesondere Ort, Beginn und Ende der Verhandlung sowie die Teilnehmerinnen und Teilneh­ mer, soweit sie nicht aus dem Akteninhalt ersichtlich sind. Auf Protokollen ist unter dem Akten­ zeichen des Güterichterverfahrens auch das Aktenzeichen des Herkunftsverfahrens und das Herkunftsgericht anzugeben. (2) Mit den Schriftstücken und Unterlagen in Güterichterverfahren werden Blattsammlungen angelegt. Die Akten des Güterichterverfahrens sind bis zum Abschluss des Güterichterverfahrens separat und ohne Einsichtsmöglichkeit für Dritte aufzubewahren. Schriftstücke und Unterlagen, die im Rahmen eines Güterichterverfahrens von den Parteien, den Beteiligten oder der Güterichte­ rin bzw. dem Güterichter als vertraulich bezeichnet werden, werden in einem besonderen Um­ schlag aufbewahrt, auf dem Aktenzeichen, Einsender, Inhalt und eine eventuelle Rückgabe zu ver­ merken sind. (3) Ein Güterichterverfahren ist abgeschlossen, wenn eine Mitteilung über die Beendigung des Rechtsstreits (z. B. Abschluss eines Vergleichs oder einer Vereinbarung über die Rücknahme der Klage) durch den Güterichter oder eine sonstige Rückgabe zum Herkunftsverfahren erfolgt ist. Das als vertraulich bezeichnete Schriftgut ist an den Einsender zurückzugeben oder zu vernichten, es sei denn, die Parteien oder die Beteiligten haben eine andere Vereinbarung getroffen. Das in der Akte oder Blattsammlung verbleibende Schriftgut ist an das Prozessgericht zurückzugeben und bei den Akten des Herkunftsverfahrens aufzubewahren.“ Der Text ist abrufbar unter: https://www.justiz.nrw.de/BS/gesetze_und_verordnungen/akto/ index.php (zuletzt abgerufen am 09.11.2020); eine wortidentische Regelung besteht z. B. in Bayern, vgl.: https://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/BayAktO?AspxAutoDetectCookie Support=1 (zuletzt abgerufen am 09.11.2020). 493  Vom OLG München v. 20.05.2009 – 9 VA 5/09, MDR 2009, 1065. 494  BT-Drs. 17/8058, S.  17; Friedrich, SGb 2012, 705, 707.

II. Güterichter

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Verfahren vor dem Güterichter eine Einflussnahme auf die Vertraulichkeit gestattet. So haben die Parteien zunächst die Möglichkeit, im Verfahren vor dem Güterichter auf die schriftliche Fixierung ihrer Position im Rahmen eines – zu den Akten zu reichenden – Schriftsatzes zu verzichten und diese stattdessen nur mündlich in der Güteverhandlung vorzutragen. Damit ist zwar noch nicht ausgeschlossen, dass diese Information Eingang in die Akten findet, etwa wenn der Güterichter über die Sitzung ein – zu den Akten zu nehmendes – Protokoll anfertigt. Jedoch besitzen die Parteien auch an dieser Stelle eine große Einflussmöglichkeit, denn nach §  159 Abs.  2 Satz 2 ZPO wird ein Proto­ koll über die Güteverhandlung nur geführt, wenn beide Parteien das wünschen.495 Diese Vorschrift soll – nach der expliziten Vorstellung des Gesetzgebers496 – die Ver­ traulichkeit der Güteverhandlung schützen.497 Die Regelung des §  159 Abs.  2 Satz 2 ZPO ist dabei nicht die einzige, die speziell die Vertraulichkeit der Güteverhandlung schützen soll. Die Regelungen der AktO, die zum Güterichterverfahren erlassen wurden, enthalten im Hinblick auf einen in­ nerhalb des Güteverfahrens zu den Akten gereichten Schriftsatz ein weiteres Instru­ ment, wie sich aus §  8a Abs.  2 Satz 3 sowie §  8a Abs.  3 Satz 2 AktO ergibt. Die ent­ sprechenden Passagen haben folgenden Wortlaut: „Schriftstücke und Unterlagen, die im Rahmen eines Güterichterverfahrens von den Parteien, den Beteiligten oder der Güterichterin bzw. dem Güterichter als vertraulich bezeichnet wer­ den, werden in einem besonderen Umschlag aufbewahrt, auf dem Aktenzeichen, Einsender, Inhalt und eine eventuelle Rückgabe zu vermerken sind.498 […] Das als vertraulich bezeichne­ te Schriftgut ist an den Einsender zurückzugeben oder zu vernichten, es sei denn, die Parteien oder die Beteiligten haben eine andere Vereinbarung getroffen.“499

Damit wurde die Anregung, für den Schriftverkehr des güterichterlichen Verfah­ rens ein Sonderheft anzulegen,500 nicht nur aufgegriffen, sondern auch um die Mög­ lichkeit erweitert, Schriftstücke als vertraulich zu bezeichnen. Dies führt dazu, dass diese keine dauerhafte Aufnahme in die Akte finden, da sie nach Abschluss des Ver­ fahrens entweder – vorbehaltlich einer freiwilligen Entscheidung durch die Parteien – zurückgegeben oder vernichtet werden. Bei entsprechender Kennzeichnung ent­ spricht diese Vorgehensweise dann auch den Grundsätzen guter Aktenführung.501 Trotzdem wird man die Kennzeichnung als vertraulich nur dann empfehlen kön­ nen, wenn die schriftliche Fixierung für den Fortgang der Verhandlung notwendig ist, insbesondere wenn auch der Prozessgegner eine Abschrift des Schriftsatzes er­

495  Auf

die Vorschrift weisen auch MünchKommZPO/Prütting, §  278 Rn.  27; BeckOK-ZPO/ Bacher, §  278 Rn.  29 hin. 496  BT-Drs. 17/8058, S.  21. 497 HK-ZPO/Wöstmann, §  159 Rn.  4. 498  §  8a Abs.  2 Satz 3. 499  §  8a Abs.  3 Satz 2. 500  Dies empfehlen Greger/Weber, MDR-Sonderheft 2012 „Das neue Güterichterverfahren“, 1, 10. 501  A.A., wohl in Unkenntnis des §  8a AktO, Steiner, in: Eidenmüller/Wagner, Handbuch Medi­ ation, Kap.  8 Rn.  115.

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B. Der moderierte Vertrag des zivilrechtlichen Konflikts

halten hat, die – bei Fehlen einer entsprechenden Vereinbarung – dem späteren Zu­ griff entzogen ist. (2) Kein Ausgang aus der Prozessakte In Bezug auf den mit der Existenz der Akte in Zusammenhang stehenden Schutz der Vertraulichkeit gibt es neben den angesprochenen Instrumenten, die verhindern sol­ len, dass sensible Informationen Eingang in die Akte finden, ergänzend die Möglich­ keit, zu verhindern, dass der Akteninhalt nach der Beendigung des güterichterlichen Verfahrens bekannt wird. Um hier einen weitestgehenden Schutz zu erreichen, wird zum Teil vorgeschlagen, die Akte des güterichterlichen Verfahrens von der Prozessakte zu trennen,502 weil diese so dem Zugriff entzogen sei.503 Während eine Trennung der Akten im Hinblick von Streit- und güterichterlichem Verfahren bereits in §  2 Abs.  2 Satz 2 der AktO zum Ausdruck kommt,504 führt dies allerdings nicht dazu, dass die Akten des güte­ richterlichen Verfahrens vor einer Einsichtnahme durch die Parteien oder Dritte ge­ schützt wären. Dies liegt daran, dass auch die Akte des güterichterlichen Verfahrens eine Prozessakte im Sinne des §  299 Abs.  1 bzw. 2 ZPO darstellt,505 mit der Folge ei­ nes Rechts auf Akteneinsicht unter den dort genannten Voraussetzungen. Ein sol­ ches Verständnis des Begriffs der Prozessakte im Sinne des §  299 ZPO ist zwar nicht notwendig vor dem Hintergrund des Anspruchs auf rechtliches Gehör, da keine der in der güterichterlichen Akte enthaltenen Informationen jemals Grundlage einer richterlichen Entscheidung werden.506 Es sind dann aber zwei systematische Argumente, die dafür sprechen, die Akten des güterichterlichen Verfahrens zu den Prozessakten im Sinne des §  299 ZPO zu zählen. Innerhalb der Norm des §  299 ZPO sind in Abs.  4 diejenigen Schriftstücke bezeichnet, die ausnahmsweise nicht zu den Prozessakten zählen.507 Unterlagen, die aus dem Verfahren vor dem Güterichter stammen, werden hier nicht genannt, wes­ halb es gerechtfertigt ist, diese im Wege eines Umkehrschlusses zu den Prozessakten zu zählen. Ein weiterer Grund ist in der Systematik des Vertraulichkeitsschutzes selbst zu sehen. Wie das OLG München in seiner Entscheidung zum Einsichtsrecht in die damals noch existierende Mediationsakte insoweit festhielt, reicht der Vertrau­ lichkeitsgrundsatz nicht so weit, auch den Teilnehmern der Mediation ein Aktenein­ sichtsrecht pauschal zu verweigern.508 Dies wird zum Teil jedoch unter Hinweis auf den internen Vertraulichkeitsschutz gefordert, der das Verbot beinhalte, der Gegen­ 502  Steiner, in: Eidenmüller/Wagner, Handbuch Mediation, Kap.   8 Rn.   112; Greger/Weber, MDR-Sonder­heft 2012 „Das neue Güterichterverfahren“, 1, 10. 503  Greger/Weber, MDR-Sonderheft 2012 „Das neue Güterichterverfahren“, 1, 10. 504 Der entsprechende Satz lautet: „Die Akten des Güterichterverfahrens sind bis zum Ab­ schluss des Güterichterverfahrens separat und ohne Einsichtsmöglichkeit für Dritte aufzubewah­ ren“. 505  So im Ergebnis auch Wagner, in: Fischer/Unberath, Das neue Mediationsgesetz, S.  99; OLG München v. 20.05.2009 – 9 VA 5/09, MDR 2009, 1065; dazu Kurzweil, ZZP 123 (2010), 77. 506  Insoweit richtig Kurzweil, ZZP 123 (2010), 77, 80. 507  Greger, in: Zöller, ZPO, §  299 Rn.  4. 508  OLG München v. 20.05.2009 – 9 VA 5/09, MDR 2009, 1065.

II. Güterichter

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partei Informationen zu offenbaren, die der Mediator mit der ausdrücklichen Zusa­ ge, diese vertraulich zu behandeln, etwa im Rahmen eines Einzelgesprächs, erhalten hat.509 Die Kommunikation des Güterichters mit nur einer Partei wurde schon oben im Rahmen der Befassung mit den Anforderungen an eine neutrale Verhandlungs­ führung erörtert. Schon an dieser Stelle wurde die Bedeutung einer Verfahrensab­ sprache aller am Verfahren Beteiligten im Umgang mit diesem Instrument erwähnt, da ansonsten bereits die Neutralität des Güterichters infrage stehen kann. Im Rah­ men einer Absprache über das Führen von solchen Einzelgesprächen ist notwendi­ gerweise auch deren besondere Vertraulichkeit zu vereinbaren, da ansonsten ein Ein­ zelgespräch überhaupt nicht notwendig wäre. Die Frage eines möglichen gesetzlichen Akteneinsichtsrechts ist damit nicht das richtige Instrument, um diese Vertraulichkeit zu schützen, sondern die ohnehin not­ wendige Absprache im Hinblick auf die ausnahmsweise anzustrebende Kommuni­ kation mit nur einer Partei. Darüber hinaus gilt, dass bei einer richtigen Anwendung der Vorschrift des §  299 ZPO Rechtsfolgen im Hinblick auf die Gewährung eines Einsichtsrechts entstehen, die dem Vertraulichkeitsschutz ausreichend Rechnung tragen. Entsprechend der Überlegung,510 dass der Grundsatz der Vertraulichkeit notwen­ digerweise zwischen Verfahrensbeteiligten511 und der Informationsweitergabe an Dritte512 trennen muss, unterscheidet auch die Vorschrift des §  299 ZPO zwischen der Gewährung von Akteneinsicht an die Verfahrensbeteiligten (Abs.  1) und der von Dritten beantragten Akteneinsicht (Abs.  2). (a) Einsichtnahme durch die Parteien §  299 Abs.  1 ZPO bestimmt, dass die Parteien die Prozessakten einsehen und sich aus ihnen durch die Geschäftsstelle Ausfertigungen, Auszüge und Abschriften erteilen lassen können. Voraussetzung des Akteneinsichtsrechts ist damit lediglich die Parteieigenschaft. Eine Einschränkung des Akteneinsichtsrechts aufgrund einer Interessenabwägung ist, anders als im Rahmen des §  299 Abs.  2 ZPO, nicht möglich,513 aber vor allem zum Vertraulichkeitsschutz im Rahmen des güterichterlichen Verfahrens nicht geboten. Dies wird deutlich, wenn man sich die Aktenführung, wie sie in §  8a AktO geregelt ist, vor Augen führt und zudem die Möglichkeit und Notwendigkeit der Parteiab­ sprachen zur Realisierung des Vertraulichkeitsschutzes beachtet. Nach den Vorgaben des §  8a AktO werden die Akten, die das Verfahren betreffen, so geführt, dass sie während des laufenden Güterichterverfahrens separat und ohne Einsichtsmöglichkeit für Dritte aufbewahrt werden (§  8a Abs.  2 Satz 2 AktO). Nach Abschluss des güterichterlichen Verfahrens werden die Akten zu denen des Haupt­ 509 So

Kurzweil, ZZP 123, 77, 81. auch der Entscheidung des OLG München v. 20.05.2009 – 9 VA 5/09, MDR 2009, 1065 zugrunde liegt. 511  Die sogenannte interne Vertraulichkeit, vgl. Kurzweil, ZZP 123 (2010), 77, 81. 512  Die sogenannte externe Vertraulichkeit, vgl. Kurzweil, ZZP 123 (2010), 77, 81. 513 HK-ZPO/Saenger, §  299 Rn.  6; Prütting, ZZP 106, 427, 456; a. A. Wagner, ZZP 108, 193, 218. 510  Die

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verfahrens genommen (§  8a Abs.  3 Satz 3 AktO). Aber gerade ohne die zuvor von den Parteien als besonders vertraulich gekennzeichneten Schriftsätze, die entweder zu­ rückgegeben oder vernichtet werden. Damit bleiben nur die nicht als vertraulich ge­ kennzeichneten Schriftstücke, ein ggf. übereinstimmend geführtes Protokoll sowie entweder ein Vergleichstext oder der Hinweis des Güterichters über das Scheitern der Güteverhandlung in den Unterlagen, die zur Prozessakte gelangen. Nach Ab­ schluss der Güteverhandlung erstreckt sich das Akteneinsichtsrecht der Parteien da­ mit im Hinblick auf das güterichterliche Verfahren nur auf Unterlagen, die das bloße Verfahrensergebnis ohne Begründung514 beinhalten bzw. mit dem Willen der Partei­ en zur Akte gelangt sind. Dadurch wird die Vertraulichkeit nicht gefährdet. Für die Zeit des laufenden Verfahrens gilt darüber hinaus das, was schon zur Kom­ munikation des Güterichters mit nur einer Partei gesagt wurde: Diese muss schon vor dem Hintergrund der Neutralität des Güterichters auf einer Vereinbarung mit den Parteien beruhen, die dann auch notwendigerweise den Umgang mit den Informati­ onen aus dieser Einzelkommunikation beinhalten muss. Letztlich ist im Hinblick auf diese Vertraulichkeit auch weniger die Kenntnis der Gegenseite von entsprechenden Informationen entscheidend, da ein wesentliches Erfolgskriterium die Offenheit ist – insbesondere gegenüber der anderen Partei. Für die Realisierung dieser Vertraulich­ keit ist es also nicht Ziel, die Kenntnisnahme von Informationen durch die Gegensei­ te zu verhindern, sondern auszuschließen, dass diese die Informationen, etwa bei einem gescheiterten Güteverfahren, gegen die sich offenbarende Partei verwendet. Das gelingt allerdings nicht durch die Beschränkung des Akteneinsichtsrechts, son­ dern durch eine Beschränkung des möglichen Vorbringens im späteren Prozess. Was soeben im Hinblick auf die notwendige Offenheit gegenüber der Gegenseite im Rahmen des güterichterlichen Verfahrens gesagt wurde, gilt nur für das Verhält­ nis der Parteien untereinander und nicht im Verhältnis zu Dritten. Auch hier sind die Ergebnisse, die sich über die nicht auf das güterichterliche Verfahren abgestimmte Vorschrift des §  299 Abs.  2 ZPO erreichen lassen, interessengerecht und garantieren einen guten Vertraulichkeitsschutz. (b) Einsichtnahme durch Dritte Die Möglichkeit der Akteneinsicht durch Dritte knüpft §  299 Abs.  2 ZPO an zwei alternative Voraussetzungen: Entweder beide Parteien stimmen der Einsichtnahme zu oder der Dritte kann ein rechtliches Interesse geltend machen. Damit liegt der Vertraulichkeitsschutz zunächst wieder in den Händen der Partei­ en; erneut zeigt sich die Wechselwirkung mit der Parteiautonomie. Die Parteien kön­ nen über den Schutz der in der Akte enthaltenen Informationen disponieren. Darüber hinaus ist eine Einsichtnahme durch Dritte aber auch ohne die Zustim­ mung der Parteien möglich, wenn diese ein rechtliches Interesse glaubhaft machen können.515 514 

Steiner, in: Eidenmüller/Wagner, Handbuch Mediation, Kap.  8 Rn.  97. Im Sinne des §  294 ZPO; vgl. zum näheren Verfahren der Glaubhaftmachung MünchKomm­ ZPO/Prütting, §  294 Rn.  12. 515 

II. Güterichter

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Es setzt ein auf Rechtsnormen beruhendes oder durch solche geregeltes, gegen­ wärtig bestehendes Verhältnis einer Person zu einer anderen Person oder zu einer Sache voraus.516 Diese Definition deckt sich mit der des Rechtsverhältnisses.517 Ein ausreichendes Interesse besteht demnach dann, wenn die erstrebte Kenntnis des In­ halts der Akten zur Verfolgung von Rechten oder zur Abwehr von Ansprüchen er­ forderlich ist. Diese Rechte oder Ansprüche müssen aber einen rechtlichen Bezug zum Gegenstand des Verfahrens aufweisen, in dem Akteneinsicht begehrt wird.518 Bloße wirtschaftliche oder gesellschaftliche Interessen reichen nicht aus, ebenso we­ nig bloße Neugier am Prozessgeschehen.519 Schon vor dem Hintergrund dieser An­ forderungen dürfte es einem Dritten regelmäßig schwer fallen, Tatsachen glaubhaft zu machen, die sein rechtliches Interesse an den Aufzeichnungen zum güterichterli­ chen Verfahren belegen.520 Die angemessene Lösung des Akteneinsichtsrechts auch im Hinblick auf das güterichterliche Verfahren liegt nicht in der Antwort auf die Frage, ob ein Rechtsverhältnis vorliegt oder nicht, sondern in dem Umstand, dass der für die Entscheidung zuständige Gerichtsvorstand,521 sofern er ein rechtliches Inte­ resse bejaht hat,522 ein Ermessen hinsichtlich der Entscheidung über die Gewährung der Einsicht hat.523 Im Rahmen dieser Entscheidung sind die Interessen der Prozess­ parteien an der Vertraulichkeit, die verfassungsrechtlich durch das Recht auf infor­ mationelle Selbstbestimmung geschützt sind, zu berücksichtigen. Je größer das Schutzbedürfnis der Parteien ist, umso höhere Anforderungen sind an das Interesse des Antragstellers zu stellen und umgekehrt.524 Im Rahmen dieser Ermessensent­ scheidung ist für das in Rede stehende Einsichtnahmebegehren in Verfahrensakten, die auch Unterlagen zu güterichterlichen Verfahren beinhalten, von besonderer Be­ deutung, dass mit der Notwendigkeit einer Ermessensentscheidung auch die Mög­ lichkeit besteht, die Einsicht nur für einen Teil der Akte zu gewähren. So ist eine vollständige Akteneinsicht dann nicht erforderlich, wenn dem rechtlichen Interesse des Antragsstellers dadurch hinreichend Rechnung getragen werden kann, dass ihm nur Teile der Akte zur Einsicht vorgelegt werden.525 Mit Blick auf die vor dem Hin­ tergrund der informationellen Selbstbestimmung der Parteien besonders schützens­ werten Informationen aus dem güterichterlichen Verfahren dürfte es regelmäßig an­ gemessen sein, die Unterlagen des Güterichterverfahrens einer Einsichtnahme zu 516 

BGH v. 22.01.1952 – IV ZB 82/51, BGHZ 4, 323, 325; OLG Hamm v. 28.08.1996 – 15 VA 5/96, NJW-RR 1997, 1489. 517  So auch Zuck, NJW 2010, 2913. 518  OLG Frankfurt a. M. v. 23.07.2008 – 20 VA 3/08, BeckRS 2008, 26308. 519 MünchKommZPO/Prütting, §  299 Rn.  21; Greger, in: Zöller, ZPO, §  299 Rn.  6a. 520  Steiner, in: Eidenmüller/Wagner, Handbuch Mediation, Kap.  8 Rn.  114; glaubt, dass dieses rechtliche Interesse nie vorliegt. 521  Mit dem Vorstand des Gerichts meint die Vorschrift des §  299 ZPO den Behördenleiter des Gerichts, vgl. MünchKommZPO/Prütting, §  299 Rn.  24. 522 Auch im Falle der Zustimmung beider Parteien steht dem Gericht ein Ermessen zu, vgl. BLAH, ZPO, §  299 Rn.  24. 523 BeckOK-ZPO/Bacher, §  299 Rn.  32; Zuck, NJW 2010, 2913, 2916; KG v. 09.01.1976 – 1 VA 4/75, MDR 1976, 585; NJW 1988, 1738; 1989, 534; BLAH, ZPO, §  299 Rn.  24. 524  OLG Schleswig v. 29.07.2008 – 12 Va 1/08, NJW-RR 2009, 63, 64. 525  vgl. dazu BGH v. 27.06.2007 – X ZR 56/05, BeckRS 2007, 11166.

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B. Der moderierte Vertrag des zivilrechtlichen Konflikts

entziehen und nur den Teil der „normalen“ Prozessakte freizugeben. Fälle, in denen ein Dritter ein rechtliches Interesse an den persönlichen Ausführungen zu hinter den rechtlichen Ansprüchen stehenden Interessen der Parteien glaubhaft machen kann, dürften so gut wie gar nicht vorkommen. Somit scheitert eine Freigabe derjenigen Aktenteile, die das güterichterliche Verfahren betreffen, an der vorzunehmenden In­ teressenabwägung.526 Mit Blick auf den Mediator ist bezüglich des Akteneinsichtsrechts ein Unterschied festzuhalten. Anders als beim Güterichter besteht dort – sofern die Parteien keine abweichende Vereinbarung im Mediatorvertrag treffen – kein Recht für die Parteien, Einsicht in die vom Mediator angelegte Handakte zu nehmen.527 Diese Situation stellt sich beim Güterichter im Grundsatz anders dar, da hier den Parteien per Gesetz ein Einsichtsrecht zusteht; dem Charakteristikum der Vertraulichkeit wird – wie aufgezeigt – trotzdem Rechnung getragen. Für das Einsichtsrecht durch Dritte er­ gibt sich dann ein faktischer Gleichlauf. Rechtlich besteht es im Mediationsverfahren nicht, im güterichterlichen Verfahren existiert wohl lediglich die theoretische Mög­ lichkeit eines Einsichtsrechts. Entscheidender für den Schutz der Vertraulichkeit ist – entgegen einem ersten Be­ griffsverständnis – auch nicht der Schutz vor Informationserlangung, sondern zu verhindern, dass diese Informationen später zum Nachteil der Parteien in einem Ge­ richtsverfahren verwendet werden können. Eine Gefahr, die durch eine Aussage des Güterichters ebenso realisiert werden kann wie durch die Gegenseite, da beide not­ wendigerweise Zugang zu den vertraulichen Informationen eines güterichterlichen Verfahrens haben. bb) Vorbringen im späteren Prozess Eine Indiskretion von Güterichter bzw. Gegenpartei kann für den Betroffenen in vielerlei Hinsicht ärgerlich sein. Hier gibt es – man denke an eher „unjuristische“ Informationen aus dem zwischenmenschlichen Bereich – viele rechtsferne Bereiche, die sich nicht bzw. nur schwer erfassen lassen. Auch rechtlich relevant wird die Weitergabe von Informationen aus dem Verfah­ ren vor dem Güterichter, sofern diese innerhalb eines anschließenden Gerichtsver­ fahrens geschieht. Die hier gefundenen bzw. noch zu findenden Lösungen lassen sich dann auch für eine Weitergabe von Informationen außerhalb eines Gerichtsverfah­ rens fruchtbar machen. (1) Aussage des Güterichters Der Vertraulichkeitsschutz konzentriert sich zwangsläufig auf diejenigen, von denen aufgrund ihrer notwendigen Kenntnis von den Verfahrensinhalten die größte Ge­ fahr für eine Verletzung des Vertraulichkeitsschutzes ausgeht. Neben der Gegenpar­

526  527 

I.E. anders wohl Wagner, in: Fischer/Unberath, Das neue Mediationsgesetz, S.  99. Wagner, in: Fischer/Unberath, Das neue Mediationsgesetz, S.  99.

II. Güterichter

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tei hat eben auch der Güterichter notwendigerweise Kenntnis vom Ablauf der Güte­ verhandlung und kann Einsicht in die komplette Gerichtsakte nehmen.528 (a) Amtsverschwiegenheit Der Schutz vor ungewünschten Aussagen des Güterichters setzt – im Unterschied zum Mediator – bei der Richterstellung des Güterichters an.529 Für den Richter gel­ ten nach §  46 DRiG vorbehaltlich einer anderen Regelung im DRiG die Vorschriften für Bundesbeamte entsprechend. Da §  43 DRiG lediglich das Gebot der Amtsver­ schwiegenheit für den richtertypischen Fall der Wahrung des Beratungs- und Ab­ stimmungsgeheimnisses bekräftigt,530 gelten zusätzlich die die Verschwiegenheits­ pflicht beinhaltenden Regelungen der §§  67, 68 BBG.531 Gemäß §  67 Abs.  1 BBG ha­ ben Beamte über die ihnen bei ihrer amtlichen Tätigkeit532 bekannt gewordenen dienstlichen Angelegenheiten Verschwiegenheit zu bewahren. Die Verschwiegen­ heitspflicht gilt gegenüber jedermann 533 und beinhaltet – wie §  67 Abs.  3 BBG klar­ stellt – auch das Verbot, vor Gericht oder außergerichtlich auszusagen oder Erklä­ rungen abzugeben.534 (b) Aussagegenehmigung Das Aussageverbot gilt nur ausnahmsweise dann nicht, wenn der Dienstvorgesetzte eine Genehmigung erteilt hat.535 Solange die Aussagegenehmigung nicht erteilt ist, besitzt der Beamte bzw. (Güte-)Richter ein Zeugnisverweigerungsrecht sowohl für den Zivilprozess (§  376 ZPO) 536 als auch für den Strafprozess (§  54 StPO).537 528 

BT-Drucks. 17/8058 S.  17; HK-ZPO/Saenger, §  278 Rn.  20. Teil wird gerade befürchtet, dass sich die Parteien dem Güterichter wegen dessen Amtsträgerstellung nicht ausreichend öffnen; vgl. Horstmeier, Das neue Mediationsgesetz, Rn.  130 mit Verweis auf Horndasch, ZFE 2011, 84, 85. 530  Staats, in: Staats, DRiG, §  43 Rn.  1; a. A. wohl Steiner, in: Eidenmüller/Wagner, Handbuch Mediation, Kap.  8 Rn.  80, der die Verschwiegenheitsverpflichtung auf §  43 DRiG stützt. 531  Staats, in: Staats, DRiG, §  46 Rn.  27; Greger/Weber, MDR-Sonderheft 2012 „Das neue Güte­ richterverfahren“, 1, 12. Die Vorschriften des BeamtStG finden entgegen der Auffassung von Steiner, in: Eidenmüller/Wagner, Handbuch Mediation, Kap.  8 Rn.  82 keine Anwendung, da diese das Statusrecht der Beamtinnen und Beamten der Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände etc. re­ gelt, während §  46 DRiG jedoch gerade auf die Regelungen betreffend die Bundesbeamten verweist. 532  Oder bei Gelegenheit. 533  Peters/Grunewald/Lösch, in: Lenders/Peters/Weber/Grunewald/Lösch, Das Dienstrecht des Bundes, §  67 BBG, Rn.  717; Lenders/Peters/Weber, Das neue Dienstrecht des Bundes, Hand­ buch für die Praxis, Rn.  525. 534  Peters/Grunewald/Lösch, in: Lenders/Peters/Weber/Grunewald/Lösch, Das Dienstrecht des Bundes, §  67 BBG, Rn.  722. 535  Steiner, in: Eidenmüller/Wagner, Handbuch Mediation, Kap.  8 Rn.  82 mit Verweis auf Rinnert, in: Gläßer/Schröter, Gerichtliche Mediation, S.  65. 536 Nach Huber, in: Musielak/Voit, ZPO, §  383 Rn.  6; soll das Zeugnisverweigerungsrecht aus §  383 ZPO folgen. 537  Battis, in: Battis, BBG, §  68 Rn.  3; a. A. Steiner, in: Eidenmüller/Wagner, Handbuch Mediati­ on, Kap.  8 Rn.  80, der ausführt, für den Strafprozess würde eine Regelung zum Zeugnisverweige­ rungsrecht nicht existieren, so auch Greger/Weber, MDR-Sonderheft 2012 „Das neue Güterichter­ verfahren“, 1, 20; vgl. aber BeckOK-StPO/Huber, §  54 Rn.  12. 529 Zum

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B. Der moderierte Vertrag des zivilrechtlichen Konflikts

Die Aussagegenehmigung ist vom Prozessgericht bzw. von dem Prozessbeteilig­ ten, der sich auf die Aussage des Güterichters berufen will, zu beantragen.538 Die Vorgaben für die Entscheidung über diesen Antrag enthält §  68 BBG, dessen Abs.  1 zufolge die Genehmigung, als Zeugin oder Zeuge auszusagen, nur versagt werden darf, wenn die Aussage dem Wohle des Bundes oder eines deutschen Landes Nach­ teile bereiten oder die Erfüllung öffentlicher Aufgaben ernstlich gefährden oder er­ heblich erschweren würde. Auch an dieser Stelle gilt es – wie schon bei der Untersuchung des §  299 ZPO – zu klären, ob sich im Rahmen der Anwendung ein Ergebnis finden lässt, das den Be­ dürfnissen des güterichterlichen Verfahrens, welches bei der Schaffung der Vor­ schrift noch nicht existierte,539 gerecht wird. Eine Lösung wie dort, die auf der not­ wendigen Ermessensentscheidung des Gerichtsvorstands basierte, ist hier nicht möglich. Wenn die Voraussetzungen des §  68 Abs.  1 BBG nicht vorliegen, kommt dem Dienstherrn kein Ermessen zu. Die Genehmigung muss dann erteilt werden.540 Da die Aussage eines Güterichters dem Wohle des Bundes oder eines deutschen Landes regelmäßig keine Nachteile bereiten wird, ist für die hiesige Fallkonstellation zu überprüfen, ob die Aussage des Güterichters dazu führt, dass die Erfüllung öf­ fentlicher Aufgaben ernstlich gefährdet oder erheblich erschwert würde. Dies würde nach §  68 Abs.  1 BBG ebenfalls eine Versagung der Aussagegenehmigung erlauben. Bei der konkreten Entscheidung über die Aussagegenehmigung muss jeweils eine Abwägung vorgenommen werden. Diese Notwendigkeit folgt nicht aus einem Er­ messen auf Rechtsfolgenseite, sondern aus der Anwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffs auf Seite des Tatbestands.541 Auch wenn die Abwägung im konkreten Fall beantworten muss, ob eine ernstli­ che Gefährdung vorliegt, lassen sich die in der Abwägung zu berücksichtigenden Positionen abstrakt benennen. Vor deutschen Gerichten gilt grundsätzlich eine Aussagepflicht, von der nur aus­ nahmsweise befreit wird. Diese verfahrensrechtlich vorgeschriebene Aussagepflicht dient ganz allgemein der Wahrheitsfindung.542 Für die anzustellende Abwägung hat der Gesetzgeber schon eine Grundtendenz vorgegeben und dem Interesse an der Wahrheitsfindung das größere Gewicht beigemessen,543 wie etwa durch die Formu­ lierung des §  68 BBG deutlich wird, der davon ausgeht, dass eine Aussagegenehmi­ gung grundsätzlich zu erteilen und nur ausnahmsweise zu versagen ist. Entsprechend hoch sind die Anforderungen an die Umstände, die vorliegen müs­ sen, um ausnahmsweise eine Aussagegenehmigung zu verweigern. Diese Anforde­ rungen im Hinblick auf die Nachteile sind durch die Rechtsprechung noch dahin verschärft worden, dass nur erhebliche Nachteile eine Aussageverweigerung recht­

538 

Battis, in: Battis, BBG §  68 Rn.  3. Die Vorschriften der §§  67, 68 BBG wurden mit Wirkung vom 12.02.2009 eingeführt. 540  Battis, Bundesbeamtengesetz, BBG, §  68 Rn.  4. 541  Kugele, in: Kugele, BBG – Kommentar zum Bundesbeamtengesetz, §  68 Rn.  6 . 542  Kugele, in: Kugele, BBG – Kommentar zum Bundesbeamtengesetz, §  68 Rn.  5. 543  Kugele, in: Kugele, BBG – Kommentar zum Bundesbeamtengesetz, §  68 Rn.  5. 539 

II. Güterichter

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fertigen.544 Der Gesetzgeber hat die Voraussetzungen für Landesbeamte in §  37 Abs.  4 BeamtStG dementsprechend formuliert.545 Im Rahmen der Abwägung wird dem Güterichter eine Aussage dann zu versagen sein, wenn die zukünftige Erfüllung der Aufgabe einer Behörde erschwert würde. Bei der güterichterlichen Tätigkeit im Sinne der §§  278 Abs.  5 ZPO, 4 Abs.  2 Nr.  2 DRiG handelt sich um eine öffentliche Aufgabe. Mit Blick auf die besondere Bedeu­ tung der Vertraulichkeit im Rahmen des Güterichterverfahrens wird daher formu­ liert, dass ein weiteres Funktionieren des Güterichtermodells ernstlich infrage ge­ stellt würde, wenn der Güterichter später vor Gericht aussagen müsste.546 Deshalb sei die Aussagegenehmigung regelmäßig zu versagen.547 Dieser Argumentation lässt sich folgen, zumal sich noch weitere systematische Überlegungen anstellen lassen, die diese Position stützen: So ist im Rahmen der Abwägung zwar die grundsätzliche Entscheidung des Ge­ setzgebers für die verfahrensrechtlich gebotene Aussagepflicht zu beachten. Ebenso ist jedoch zu berücksichtigen, dass die einzelnen Verfahrensgesetze die Beachtung der Amtsverschwiegenheit ausdrücklich vorsehen, u. a. §  98 VwGO, §  54 StPO, §  376 Abs.  1 ZPO.548 Selbst das Verfahrensrecht, das die Aussagepflicht begründet, kennt also auch deren evtl. notwendige Beschränkung aus dem Grund der Amtsverschwie­ genheit. Die Annahme einer Aussageverweigerung lässt sich zudem mit dem Sinn und Zweck der beamtenrechtlichen Verschwiegenheitspflicht begründen. Diese dient ei­ ner rechtsstaatlich einwandfrei, zuverlässig und unparteiisch arbeitenden öffentli­ chen Verwaltung.549 Was schon für jeden Beamten allgemein gilt, entfaltet bei der Tätigkeit des Güterichters eine besondere Bedeutung, da dem Schutz der Vertrau­ lichkeit, wie oben aufgezeigt, eine herausgehobene Stellung im Rahmen des Güte­ richterverfahrens zukommt. Notwendig bleibt eine sorgfältige Abwägung der im Widerstreit stehenden verfassungsrechtlichen Rechtsgüter unter Berücksichtigung des gesamten konkreten Sachverhalts.550 Vor dem Hintergrund der in jede Abwä­ gung einzubeziehenden abstrakten Wertungen des Gesetzgebers ist jedoch anzuneh­ men, dass im Falle der Aussagegenehmigung eines Güterichters eine Umkehr des Regel-Ausnahme-Verhältnisses vorliegt und die Aussagegenehmigung regelmäßig 544 

Peters/Grunewald/Lösch, in: Lenders/Peters/Weber/Grunewald/Lösch, Das Dienstrecht des Bundes, §  67 BBG, Rn.  725; Lenders/Peters/Weber, Das neue Dienstrecht des Bundes, Hand­ buch für die Praxis, Rn.  532. 545  §  37 Abs.  4 BeamtStG: „erhebliche Nachteile“ vgl. BT-Drs. 16/4027, S.  32; hierauf weisen auch Peters/Grunewald/Lösch, in: Lenders/Peters/Weber/Grunewald/Lösch, Das Dienstrecht des Bun­ des, §  67 BBG, Rn.  725 hin. 546  Steiner, in: Eidenmüller/Wagner, Handbuch Mediation, Kap.  8 Rn.  82 mit Verweis auf Rinnert, in: Gläßer/Schröter, Gerichtliche Mediation, S.  65. 547  Steiner, in: Eidenmüller/Wagner, Handbuch Mediation, Kap.  8 Rn.  82 mit Verweis auf Rinnert, in: Gläßer/Schröter, Gerichtliche Mediation, S.  65. 548 Aufzählung bei Kugele, in: Kugele, BBG – Kommentar zum Bundesbeamtengesetz, §   68 Rn.  3. 549  Kugele, in: Kugele, BBG – Kommentar zum Bundesbeamtengesetz, §  67 Rn.  2 ; BVerwG v. 25.11.1982 – 2 C 19/80, NJW 1983, 2343; BVerwG v. 24.06.1982 – 2 C 91/81, BVerwGE 66, 39, 42. 550  Kugele, in: Kugele, BBG – Kommentar zum Bundesbeamtengesetz, §  68 Rn.  3.

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B. Der moderierte Vertrag des zivilrechtlichen Konflikts

zu verweigern ist, sofern nicht besondere Umstände des Einzelfalls vorliegen, die – ausnahmsweise – eine andere Wertung zulassen.551 (c) Anzeigepflicht von Straftaten Die soeben vorgeschlagene Vorgehensweise führt nicht zu einem übertriebenen Schutz der Vertraulichkeit mit der Folge, dass die richterliche Güteverhandlung der ideale Ort zur Verabredung von Straftaten wird. Auch dies liegt abermals an der Richterstellung sowie an existierenden Mitteilungspflichten. Wie bereits angesprochen ist der Güterichter, wie jeder Richter, gemäß Artt.  20 Abs.  3, 97 Abs.  1 GG, §  25 DRiG Recht und Gesetz unterworfen und deshalb auch verpflichtet, auf eine Lösung hinzuwirken, die sich im Rahmen der Gesetze bewegt. Dies ist dann nicht der Fall, wenn die Parteien strafbare Handlungen verabreden wollen oder eine Partei mittels Vertrag eine Straftat zum Nachteil der anderen bege­ hen will. Die Güteverhandlung ist dann ebenfalls gescheitert und durch den Güte­ richter zu beenden.552 Das gilt auch für nicht vorsätzlich handelnde Parteien, wenn diese nach einem Hinweis des Gerichts an ihrem Kurs festhalten wollen.553 Darüber hinaus gelten die spezifischen Anzeigepflichten des §  116 AO, wonach u. a. Gerichte Tatsachen, die sie dienstlich erfahren und die auf eine Steuerstraftat schließen lassen, den zuständigen Finanzbehörden mitzuteilen haben. §  6 SubvG, demzufolge u. a. Gerichte Tatsachen, die sie dienstlich erfahren und die den Verdacht eines Subventionsbetrugs begründen, den Strafverfolgungsbehörden mitzuteilen ha­ ben, gilt auch für den Güterichter.554 Daneben gelten für den Güterichter jedoch keine weiteren Anzeigepflichten, die das Gebot der Vertraulichkeit einschränken. Dies gilt auch vor dem Hintergrund der Regelung des §  183 GVG, die verlangt, dass das Gericht, sofern in der Sitzung eine Straftat begangen wird, den Tatbestand festzustellen und der zuständigen Behörde das darüber aufgenommene Protokoll mitzuteilen hat. Auf die Regelung des §  183 GVG nimmt auch die Anordnung über die Mitteilung in Zivilsachen 555 in ihrem zweiten Teil, I Nr.  6 Bezug.556 Diese Mittei­ 551  So auch Steiner, in: Eidenmüller/Wagner, Handbuch Mediation, Kap.  8 Rn.  82 mit Verweis auf Rinnert, in: Gläßer/Schröter, Gerichtliche Mediation, S.  65. 552  So im Ergebnis auch Greger/Weber, MDR-Sonderheft 2012 „Das neue Güterichterverfah­ ren“, 1, 20; Steiner, in: Eidenmüller/Wagner, Handbuch Mediation, Kap.  8 Rn.  47. 553  Wobei das Ausbleiben des Hinweises keinen direkten Einfluss auf die Strafbarkeit hat, allen­ falls strafmildernd berücksichtigt werden kann, vgl. Steiner, in: Eidenmüller/Wagner, Handbuch Mediation, Kap.  8 Rn.  47. 554  Greger/Weber, MDR-Sonderheft 2012 „Das neue Güterichterverfahren“, 1, 20; Henssler/Deckenbrock, DB 2012, 159, 165. 555  Neufassung der Anordnung über die Mitteilungen in Zivilsachen vom 29.04.1998, zuletzt geändert durch 3. Änderung v. 15. September 2014 (BAnz AT 29.09.2014 B1), siehe http://www. verwaltungsvorschriften-im-internet.de/bsvwvbund_29041998_14301R57212002.htm (zuletzt ab­ gerufen am 09.11.2020). 556  Dort heißt es wörtlich: Mitteilungen über in der Sitzung begangene Straftaten (1) Mitzuteilen ist das Protokoll, das zur Feststellung des Tatbestands einer in einer Sitzung be­ gangenen Straftat aufgenommen worden ist (§  183 GVG). (2) Die Mitteilungen sind von der Richterin oder dem Richter zu veranlassen.

II. Güterichter

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lungspflicht gilt für den Güterichter jedoch nicht.557 Mit der Sitzung gemäß §  183 GVG ist mindestens die Verhandlung vor dem erkennenden Gericht im Sinne des §  169 GVG gemeint.558 Insofern wurde schon oben im Rahmen der Frage der Öffent­ lichkeit der Verhandlung vor dem Güterichter festgestellt, dass die Verhandlung vor diesem nicht dazu zählt. Der Begriff der Sitzung soll allerdings weiter zu verstehen sein als der der Verhandlung. Jeweils vor dem Hintergrund des Zwecks der Sitzungs­ polizei wird der Begriff der Verhandlung in räumlicher559 und zeitlicher560 Hinsicht erweitert. Dies geschieht jeweils durch ein Begriffsverständnis, das vom Sinn und Zweck der Sitzungspolizei geprägt ist.561 Die Sitzungspolizei obliegt gemäß §  176 GVG dem Vorsitzenden und hat der Vor­ schrift zufolge die Aufrechterhaltung der Ordnung zum Gegenstand. Diese Siche­ rung der äußeren Ordnung des Verhandlungsverlaufs dient dazu, die Voraussetzun­ gen für eine ruhige, ernsthafte und eine sachliche Prüfung und Erörterung des Streitgegenstands zu schaffen.562 Dieser Zweck rechtfertigt es aber nicht, das Ver­ ständnis des Begriffs der Sitzung auch auf die Verhandlung vor dem Güterichter auszuweiten. Täte man dies und würde man die Güteverhandlung als Sitzung im Sinne der §§  176 ff. GVG einstufen, so hätte der Güterichter zur Aufrechterhaltung der Ordnung die Möglichkeit, die Parteien563 aus dem Sitzungszimmer zu entfernen bzw. in Ordnungshaft zu nehmen (vgl. näher §  177 GVG) sowie ein Ordnungsgeld zu verhängen (vgl. näher §  178 GVG). Diese Instrumente sind notwendig, um den ordnungsgemäßen Ablauf einer Verhandlung garantieren zu können. Aber nur, wenn eine Verhandlung stattfinden muss. Dies gilt – von Ausnahmen abgesehen – für die Hauptverhandlung im Strafprozess gemäß §§  226 ff. StPO und die mündliche Verhandlung gemäß §  128 Abs.  1 ZPO. Das gilt aber gerade nicht für die Verhand­ lung vor dem Güterichter gemäß §  278 Abs.  5 ZPO. Denn diese Verhandlung muss nicht stattfinden, sie kann. Es besteht – als eine wesentliche Ausprägung des Charak­ teristikums der Freiwilligkeit – die Möglichkeit für die Parteien, die Güteverhand­ lung jederzeit ohne Weiteres zu beenden. Vor diesem Hintergrund sind die mit der Sitzungspolizei einhergehenden Instrumente für einen Güterichter nicht zielfüh­ rend. Weder die Entfernung aus dem Sitzungszimmer noch die Verhängung eines Ordnungsgeldes sind zielführend vor dem Hintergrund der Freiwilligkeit des güte­ (3) Sie sind zu richten an die zuständige Staatsanwaltschaft und, falls sofort gerichtliche Unter­ suchungshandlungen vorzunehmen sind oder eine festgenommene Person der Richterin oder dem Richter vorzuführen ist, auch an das zuständige Amtsgericht. 557 A.A. Steiner, in: Eidenmüller/Wagner, Mediationsrecht, Kap.  8 Rn.  27. 558  Schilken, Gerichtsverfassungsrecht, Rn.  2 21; Kissel/Mayer, GVG, §  176 Rn.  8; RG v. 03.10.1913 – II 809/13, RGSt 47, 322. 559  Kissel/Mayer, GVG, §  176 Rn.  10; MünchKommZPO/Zimmermann, GVG, §  176 Rn.  5; Schilken, Gerichtsverfassungsrecht, Rn.  222. 560  Kissel/Mayer, GVG, §  176 Rn.  9; MünchKommZPO/Zimmermann, GVG, §  176 Rn.  6 . 561  Für §  183 GVG fordert Kissel/Mayer, GVG, §  183 Rn.  2 explizit eine teleologische Auslegung des Sitzungsbegriffs. 562 MünchKommZPO/Zimmermann, GVG, §  176 Rn.  1; BVerfG v. 06.02.1979 – 2 BvR 154/78, BVerfGE 50, 234. 563  Die übrigen Adressaten kommen schon wegen der Nichtöffentlichkeit der Verhandlung nicht in Betracht.

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B. Der moderierte Vertrag des zivilrechtlichen Konflikts

richterlichen Verfahrens. Bevor der Güterichter in die Nähe des Einsatzes dieser In­ strumente kommt, ist eine Güteverhandlung längst gescheitert. Eine Erstreckung des Begriffs der Sitzung auf die Güteverhandlung vor dem Gü­ terichter ist daher vor dem Hintergrund des Sinns und Zwecks der sitzungspolizei­ lichen Befugnisse gerade nicht angezeigt. Dies führt dann dazu, dass den Güterichter keine Anzeigepflicht von Straftaten gemäß §  187 GVG trifft, weil seine Verhandlung keine Sitzung im Sinne der Vorschrift darstellt; auch die oben genannte Regelung der Mitteilungen in Zivilsachen 564 erfasst den Güterichter damit nicht.565 Da somit die Ausnahme des §  187 GVG nicht greift,566 gilt für den Güterichter der Grundsatz, wonach die Verfolgung der Straftaten gemäß §  152 StPO der Staatsan­ waltschaft obliegt und den Richter keine Verfolgungspflicht trifft.567 (d) Ausreichender Schutz der Vertraulichkeit Im Hinblick auf den Schutz vor einer ungewollten Aussage durch den Güterichter lässt sich zum Vertraulichkeitsschutz entsprechend das formulieren, was schon zum Akteneinsichtsrecht gesagt werden konnte. Die Anwendung der einschlägigen Normen erlaubt die angemessene Berücksich­ tigung der herausgehobenen Bedeutung des Vertraulichkeitsschutzes im Rahmen der güterichterlichen Verhandlung. Angemessen deshalb, weil einerseits die für den Erfolg der Vermittlungsbemühungen notwendige Vertraulichkeit durch die vorge­ stellten Regelungen zu erreichen ist, ohne dass dies andererseits dazu führen würde, dass die Güteverhandlung wegen eines übertriebenen Vertraulichkeitsschutzes zu einem rechtsfreien Raum würde. Ausreichend ist der vorgestellte Vertraulichkeitsschutz auch, obwohl dem Güte­ richter in prozessualer Hinsicht „nur“ ein Zeugnisverweigerungsrecht zusteht. Da dieses Zeugnisverweigerungsrecht nach der hiesigen Vorstellung – unter anderem – aus §  376 ZPO und nicht lediglich aus §  383 Abs.  1 Nr.  6 ZPO568 folgt, liegt diesem die aus dem Richteramt herrührende Pflicht zur Amtsverschwiegenheit zugrunde, wel­ che die Befürchtung relativiert, der Güterichter habe zwar das Recht, aber nicht die Pflicht, sein Zeugnis zu verweigern.569 Aus diesem Grund ist dann der Forderung nicht näher zu treten, eine solche Pflicht des Güterichters sei vertraglich zu begrün­ den.570 Unabhängig von der Frage, ob die Richterstellung des Güterichters eine sol­ che Abmachung mit den Parteien überhaupt erlaubt,571 ist sie nicht notwendig, da §  46 DRiG in Verbindung mit §  67 BBG eine Verschwiegenheitspflicht statuiert. 564 

Sogenannte MiZi. Steiner, in: Eidenmüller/Wagner, Handbuch Mediation, Kap.  8 Rn.  47. 566  A.A. im Ergebnis HK-ZPO/Saenger, §  278 Rn.  20. 567  Zu diesem Grundsatz Kissel/Mayer, GVG, §  183 Rn.  1. 568  Vgl. insoweit Huber, in: Musielak/Voit, ZPO, §  383 Rn.  6; Foerste, in: Musielak/Voit, ZPO, §  278 Rn.  15a. 569  Huber, in: Musielak/Voit, ZPO, §  383 Rn.  6; auf diesen Umstand weist auch Foerste, in: Mu­ sielak/Voit, ZPO, §  278 Rn.  15a hin. 570  Dies schlägt Huber, in: Musielak/Voit, ZPO, §  383 Rn.  6 vor. 571  Was vor der Unabhängigkeit des Güterichters von den Parteien zu verneinen wäre; so im Ergebnis auch Steiner, in: Eidenmüller/Wagner, Handbuch Mediation, Kap.  8 Rn.  83. 565 A.A.

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(2) Aussage der Parteien Von größerer Bedeutung für den Schutz der Vertraulichkeit ist es jedoch, zu verhin­ dern, dass die Gegenpartei vertrauliche Informationen zu ihren Gunsten nutzt. Im Falle einer gescheiterten Verhandlung vor dem Güterichter kann die Partei z. B. ein Interesse daran haben, Informationen aus der Güteverhandlung in den streitigen Prozess einzubringen. Auch im Rahmen der Vertraulichkeit zeigt sich die systematische Stellung des gü­ terichterlichen Verfahrens zwischen dem Mediationsverfahren einerseits und dem streitigen Zivilprozess andererseits. War der Schutz der Vertraulichkeit der Güteverhandlung im Hinblick auf eine spätere Aussage des Güterichters noch durch dessen Richterstatus geprägt, ist der Schutz im Hinblick auf eine spätere Nutzung der vertraulichen Informationen durch die Gegenpartei mit dem des Mediationsverfahrens zu vergleichen. Dies liegt zunächst an dem schlichten Umstand, dass im Hinblick auf den in Rede stehenden Vertraulichkeitsschutz keine gesetzlichen Vorgaben existieren, sondern sich diese – wie beim Mediationsverfahren572 – allein auf die Person des Moderators konzentrieren. Die Parteien müssen und können zum Schutz der Vertraulichkeit selbst tätig wer­ den. Sie müssen, weil es an gesetzlichen Schutzmechanismen eben fehlt.573 Sie kön­ nen, weil – wie oben gezeigt – auch das Verfahren selbst vom Charakteristikum der Freiwilligkeit geprägt ist. (a) Vertraulichkeitsabrede Für die Wahrung der Vertraulichkeit durch die Parteien bedarf es einer vertraglichen Verpflichtung.574 Dabei handelt es sich – auch575 – um einen Prozessvertrag,576 der seine Legitimation – wie jeder Vertrag – aus dem Einvernehmen der Parteien er­ hält.577 Der Güterichter kann bzw. sollte eine solche Vereinbarung anregen, wird aber nicht Partei einer solchen. Eine Vertraulichkeitsabrede, die auch ihn selbst er­ fasst, wäre mit seinem Richterstatus nicht vereinbar.578 Je nachdem, wie die Vertraulichkeitsabrede formuliert ist, kann sie zunächst eine Vertragsstrafenabrede in Form einer Geldzahlungspflicht etwa für den Fall vorse­ 572 

Vgl. oben unter B.I.2.c). im Gesetzgebungsverfahren seitens der bayerischen Landesregierung vorgeschlagene Beweisthemenverbot ist nicht Gesetz geworden, vgl. hierzu die Darstellung bei Sonnenberg, Der Güterichter im Arbeitsrecht, S.  303. 574  Steiner, in: Eidenmüller/Wagner, Handbuch Mediation, Kap.   8 Rn.   83; Greger/Weber, MDR-Sonderheft 2012 „Das neue Güterichterverfahren“, 1, 12, siehe dort auch den Formulierungs­ vorschlag für eine solche Vereinbarung. 575  Die Vertragsstrafenabrede in Bezug auf einen Verstoß gegen ein Stillschweigen im Hinblick auf jede, auch ausserprozessuale, Äußerung, stellt mangels Prozessbezug keinen Prozessvertrag dar. 576  Greger, in: Zöller, ZPO, §  278 Rn.  30a; hierzu insgesamt vgl. Wagner, Prozeßverträge, passim; Franken, NZA 2015, 641, 643. 577  Häsemeyer, ZZP 118 (2005), 265, 295. 578  Steiner, in: Eidenmüller/Wagner, Handbuch Mediation, Kap.  8 Rn.  83. 573 Das

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hen, dass gegen die Vereinbarung, über den Inhalt der Güteverhandlung Stillschwie­ gen zu bewahren, verstoßen wird.579 Eine dahin gehende Vereinbarung stellt den effektivsten Schutz der Vertraulichkeit im Hinblick auf spätere Stellungnahmen der Gegenpartei außerhalb eines Gerichtsverfahrens dar. Im Hinblick auf den Fortgang des streitigen Verfahrens oder einen späteren Zivil­ rechtsstreit zwischen den Parteien ist diesen eine Verabredung zu empfehlen, die vor dem Hintergrund der zivilprozessualen Regelungen zwei Ansatzpunkte hat: den Vortrag und den Beweisantritt. Die Parteien sollten sich also gegenseitig schon dazu verpflichten, auf den Vortrag von Tatsachen, die ihnen im güterichterlichen Verfahren bekannt geworden sind, zu verzichten. Darüber hinaus sollten sie sich versichern, weder den Güterichter noch die Gegenpartei oder einen anderen Teilnehmer der Güteverhandlung als Zeugen in einem späteren Verfahren zu benennen. (b) Wirkung der Vertraulichkeitsabrede Die drei skizzierten Teile der Vertraulichkeitsabrede zielen auf unterschiedliche An­ satzpunkte. Das Vertragsstrafeversprechen ist dabei losgelöst von den Regelungen im Hinblick auf einen späteren Zivilprozess zu sehen. Der Verstoß gegen eine Vertraulichkeitsab­ rede führt zwar gemäß §  280 Abs.  1 BGB zu einer Schadensersatzpflicht, jedoch wird nicht aus jeder ärgerlichen Indiskretion ein berechenbarer Schaden entstehen. Inso­ weit erscheint vor dem Sinn und Zweck der Vertragsstrafenabrede, eine nähere Scha­ densbestimmung obsolet zu machen, vgl. §  340 Abs.  1 BGB580 , eine entsprechende Formulierung im Rahmen einer Vertraulichkeitsvereinbarung sinnvoll. Darüber hinaus entfaltet eine Vertraulichkeitsabrede in ihrem prozessvertragli­ chen Teil im Hinblick auf einen späteren Zivilprozess eine zweistufige Wirkung. Zu­ nächst muss die Vereinbarung bereits beim Vortrag der Parteien ansetzen. Hierzu ist zunächst zu konstatieren, dass der Zivilprozess kein Sachvortragsverwertungsver­ bot kennt.581 Nähme man ein solches Verbot an, so läge es in der Hand des Richters, zu beurtei­ len, ob ein Tatsachenvortrag einer Partei verwertbar wäre. Dies würde allerdings den Grundprinzipien der Dispositions- und Verhandlungsmaxime diametral entgegen­ stehen.582 Neben dem Umstand, dass der Zivilprozess kein Sachvortragsverwertungsverbot kennt, ist für die hier zu untersuchende Situation das zivilprozessuale Wahrheitsge­ bot gemäß §  138 ZPO maßgeblich. 579  Vgl. die Formulierung bei Greger/Weber, MDR-Sonderheft 2012 „Das neue Güterichterver­ fahren“, 1, 12. 580  Vgl. hierzu nur Joussen, SchuldR AT, Rn.  211. 581  Ahrens, Der Beweis im Zivilprozess, Kap.  6 Rn.  29 m. w. N.; zum Sachvortragverwertungs­ verbot bei heimlichen Videoaufzeichnungen, die dem Kündigungsgrund belegen sollen, vgl. Schreiber, ZZP 122 (2009), 227 ff.; a. A. OLG Karlsruhe v. 25.02.2000 – 10 U 221/99, NJW 2000, 1577. 582  Vgl. hierzu die ausführliche und zutreffende Argumentation bei Heinemann, MDR 2001, 137, 140.

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Beides zusammen könnte die Partei, die der Indiskretion der Gegenpartei ausge­ setzt ist, in ein unlösbares Dilemma bringen. Bestreitet sie den Tatsachenvortrag, den die Gegenpartei entgegen der Vertraulichkeitsabrede vorbringt, verstößt sie gegen die Wahrheitspflicht des §  138 Abs.  1 ZPO, wenn die vorgetragenen Tatsachen zu­ treffend sind, die Gegenpartei diesbezüglich jedoch Vertraulichkeit zugesagt hatte. Wer wissend gegen die zivilprozessuale Wahrheitspflicht verstößt, kann sich wegen (versuchten) Prozessbetrugs gemäß §  263 Abs.  1 StGB strafbar machen. Bestreitet die Partei die vorgebrachten Tatsachen nicht, so gelten sie als zugestan­ den. Das hat zur Folge, dass das Gericht bezüglich dieser Tatsachen gar keinen Be­ weis mehr erheben darf, sodass ein etwaiges Beweisverwertungsverbot erst gar nicht zum Tragen kommt. Da es ein Sachvortragsverwertungsverbot im Zivilprozess nicht gibt,583 müsste das Gericht den zugestandenen Sachverhalt seiner Entscheidungsfin­ dung zugrunde legen. Vor dem Hintergrund dieses Dilemmas ist die Wirkweise der Prozessabrede im Hinblick auf das Vortragsverbot zu sehen.584 Diese führt dazu, dass der Prozessgeg­ ner einerseits nicht zum Vortrag Stellung nehmen muss und dieser andererseits gera­ de nicht als zugestanden gilt.585 Diese Folge entspricht der eines Sachvortragsverwer­ tungsverbots, wenn man in diesem Zusammenhang eine teleologische Reduktion der Geständnisfiktion annimmt.586 Die bei einem Sachvortragsverwertungsverbot ent­ standenen Tatsachen sind jedoch regelmäßig rechtswidrig erlangt worden, während die Parteien im Fall der Vertraulichkeitsabrede über die Verwertung dieser Tatsachen disponiert haben. Für die hier in Rede stehende Konstellation wird die Geständnis­ fiktion verhindert, indem die Partei auf das Vorbringen des Gegners nur mit dem Hinweis auf die Vertraulichkeitsabrede reagiert. Dass die Vertraulichkeitsabrede eine solch unmittelbare prozessuale Wirkung ent­ falten kann,587 hat seine Grundlage in der Dispositions- bzw. Verhandlungsmaxime, die sich auch in Form von Prozessverträgen verwirklichen kann, ohne dass es einer besonderen prozessrechtlichen Regelung im Hinblick auf Prozessverträge bedarf.588 Die Dispositionsmaxime beinhaltet aber auch, dass die Parteien bindende Abspra­ chen dahingehend treffen können, ob Tatsachen vorgetragen werden können oder nicht. Eine wirksame Absprache führt dann zu der oben beschriebenen Wirkung, da die Parteien damit unmittelbar über ihr Vortragsrecht im Rahmen des Beibringungs­ grundsatzes verfügen.589 Die Wahrheitspflicht des §  138 Abs.  1 BGB steht dem nicht entgegen, weil sie nur die arglistige Prozessführung zulasten des Gegners, nicht aber 583 

Ahrens, Der Beweis im Zivilprozess, Kap.  6 Rn.  29 m. w. N. Wirkung von Prozessverträgen und zu den verschiedenen Ansätzen diesbezgl. vgl. MünchKommZPO/Rauscher, Einl. Rn.  464 ff. 585  Zur Wirkung dieses Prozessvertrages vgl. Franken, NZA 2015, 641, 643 und zur Wirkung des Prozessvertrages an sich Häsemeyer, ZZP 118 (2005), 265, 310. 586 So Schreiber, ZZP 122 (2009), 227, 241 f. 587  Häsemeyer, ZZP 118 (2005), 265, 308; die Notwendigkeit, erst auf diese Prozessabsprachen hinweisen zu müssen, ändert nichts an der Unmittelbarkeit, vgl. Häsemeyer, ZZP 118 (2005), 265, 308. 588  Häsemeyer, ZZP 118 (2005), 265, 295; siehe auch S.  305. 589  So auch für Prozessverträge allgemein Häsemeyer, ZZP 118 (2005), 265, 312. 584 Zur

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einverständliche Dispositionen der Parteien verhindern will.590 Da diese Möglichkeit der Verabredung aber auf dem Beibringungsgrundsatz und der Dispositionsmaxime fußt, kann sie nur dort eine Wirkung entfalten, wo diese gilt. Das heißt, die Parteiab­ sprache gilt nicht, wenn statt des Beibringungs- der Untersuchungsgrundsatz gilt, also insbesondere im Strafprozess.591 (c) Beweisverwertung Ein dritter Teil der Vertraulichkeitsabrede betrifft dann die Beweiserhebung im Zi­ vilprozess. Das Verbot, den Güterichter oder alle übrigen Teilnehmer der Gütever­ handlung als Zeugen zu benennen, verfolgt zwei Ziele: Einerseits soll es nicht mög­ lich sein, den Vortrag, der abredewidrig vorgetragen wurde, zu beweisen, anderer­ seits soll verhindert werden, dass ein zulässiger Vortrag mittels unerlaubtem, weil nur aus der Güteverhandlung herrührendem, Mittel bewiesen wird. Dies lässt sich durch ein vertragliches Beweiserhebungsverbot erreichen. Bietet die Gegenpartei entgegen ihrer Zusicherung in der Vertraulichkeitsabrede einen ent­ sprechenden Beweis an, lässt sich durch einen Hinweis auf die Abrede erreichen, dass das Gericht diesem Beweisangebot nicht nachgeht;592 mit dem Ergebnis, dass die Gegenpartei, wenn sie keinen zulässigen Beweis anbieten kann, den Beweis der strei­ tigen Tatsache schuldig bleibt. Auch diese Beweismittelverträge beruhen auf der Ver­ handlungsmaxime und sind daher zulässig, soweit die Verhandlungsmaxime gilt.593 Das heißt, Verträge im Hinblick auf mögliche Beweismittel bzw. zur Beweislast kön­ nen geschlossen werden, jedoch z. B. keine Beweiswürdigungsverträge.594 Die hier vorgestellte Konstellation beinhaltet eine – zulässige – Abrede im Hinblick auf ein Beweismittel, solange es sich auf einen Prozess bezieht, in dem nicht der Amtser­ mittlungsgrundsatz gilt.595

5. Haftung Wie auch innerhalb der Betrachtung des Mediators stellt sich nach einem ersten Blick auf die Tätigkeit des Güterichters die Frage nach dessen Haftung bzw., wenn man aus Sicht der Parteien formuliert, nach deren Möglichkeit, einen Schaden, den sie infolge eines Verhaltens des Güterichters erlitten haben, ersetzt zu bekommen.

590 

Wagner, Prozeßverträge, S.  708, der zudem zu Recht darauf hinweist, dass kollusives Zusam­ menwirken der Parteien wegen der inter-partes-Wirkung des Urteils nur in wenigen Ausnahmefäl­ len möglich ist, die mit Hilfe des Verbots rechtsmißbräuchlichen Verhaltens in den Griff zu bekom­ men sind. 591  Hartmann, in: Haft/von Schlieffen, Handbuch Mediation, §  4 4 Rn.  37. 592  Die Partei hat verbindlich über ihr Beweisrecht prozessrechtlich verfügt, vgl. Häsemeyer, ZZP 118 (2005), 265, 308. 593  Wagner, Prozeßverträge, S.  709; Häsemeyer, ZZP 118 (2005), 265, 306. 594  Häsemeyer, ZZP 118 (2005), 265, 306. 595  Hartmann, in: Haft/von Schlieffen, Handbuch Mediation, §  4 4 Rn.  37.

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a) Haftungsgrund Schon beim Haftungsgrund zeigt sich im Vergleich zum Güterichter ein wesentli­ cher Unterschied, der seine Ursache im Richterstatus des Güterichters hat. aa) Vertrag Zur Haftung des Mediators war noch festgehalten worden, dass diese als vertragliche Haftung eine solche für Pflichtverletzungen aus dem Mediatorvertrag darstellt, es also für die Prüfung des Haftungsgrundes maßgeblich auf die Feststellung einer Pflichtverletzung ankommt. Dieser Ansatz lässt sich auf den Güterichter nicht über­ tragen. Denn der Güterichter schließt mit den Parteien keinen Vertrag.596 Es fehlt damit an einem für die Haftung nach §  280 Abs.  1 BGB notwendigen Schuldverhält­ nis. Ist die Vermittlungstätigkeit des Güterichters also insofern mit der des Medi­ ators vergleichbar, als dem Güterichter durch §  278 Abs.  5 ZPO explizit die Möglich­ keit eingeräumt wird, auch das Verfahren der Mediation zu nutzen, so steht das hin­ ter der Tätigkeit des Güterichters existierende Haftungsregime auf anderen Füßen. Auch an dieser Stelle zeigt sich die Zwischenstellung des Güterichters, denn die Haftung ist – anders als beim Mediator – keine Haftung für Vertragspflichtverlet­ zungen, sondern folgt den allgemeinen Grundsätzen für Amtspflichtverletzungen.597 bb) Amtspflichtverletzung Anspruchsgrundlage für den Ersatz des aus einer Amtspflichtverletzung entstehen­ den Schadens ist Art.  34 Satz 1 GG i. V. m. §  839 Abs.  1 Satz 1 BGB. Dabei stellt §  839 Abs.  1 Satz 1 BGB die – hier besonders interessierende – Haftungsbegründung dar, während Art.  34 Satz 1 GG eine historisch zu erklärende598 Haftungsüberleitung auf den Staat beinhaltet.599 §  839 Abs.  1 Satz 1 BGB verlangt, dass ein Beamter vorsätz­ lich oder fahrlässig eine ihm gegenüber einem Dritten obliegende Amtspflicht ver­ letzt. (1) Beamter Im Hinblick auf die Anspruchsvoraussetzungen ist zunächst festzuhalten, dass der Güterichter einen Beamten im haftungsrechtlichen Sinne darstellt. 600 Nach dem bei der Schaffung des BGB601 vorherrschenden Begriffsverständnis zum Beamten ge­ hört hierzu ohne Rücksicht auf ihre staatsrechtliche Qualifikation jede Person, die 596  Greger, in: Zöller, ZPO, §  278 Rn.  26; Steiner, in: Eidenmüller/Wagner, Handbuch Mediati­ on, Kap.  8 Rn.  89. 597  Ahrens, NJW 2012, 2465, 2470. 598  Vgl. dazu Voßkuhle/Kaiser, JuS 2015, 1076. 599  Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art.  34 Rn.  1, 11. 600  So im Ergebnis auch Steiner, in: Eidenmüller/Wagner, Handbuch Mediation, Kap.  8 Rn.  89; Greger/Weber, MDR-Sonderheft 2012 „Das neue Güterichterverfahren“, 1, 29. 601 Zur unterschiedlichen Entwicklung des staatsrechtlichen und des hier einschlägigen haf­ tungsrechtlichen Beamtenbegriffs vgl. MünchKommBGB/Papier/Shirvani, §  839 Rn.  129 ff.

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von einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft „mit öffentlicher Gewalt umkleidet“ wurde. 602 (2) Verletzung einer Amtspflicht Für die Haftung ist weiterhin notwendig, dass der Güterichter eine drittbezogene603 Amtspflicht verletzt. Für die Frage, welche Amtspflichten den Güterichter treffen, kann man bei dessen Amtseid ansetzen, der sich aus §  38 Abs.  1 DRiG ergibt: „Ich schwöre, das Richteramt getreu dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland und getreu dem Gesetz auszuüben, nach bestem Wissen und Gewissen ohne Ansehen der Per­ son zu urteilen und nur der Wahrheit und Gerechtigkeit zu dienen, so wahr mir Gott helfe.“

Aus dem Text des Richtereids lässt sich folgern, dass sich die allgemein für jeder­ mann geltende Verpflichtung, sich gesetzestreu zu verhalten, für den Richter, soweit es sich um amtsbezogenes Verhalten handelt, zur Amtspflicht erhöht.604 Mit Blick auf die bisherige Darstellung ist eine Amtspflichtverletzung dann anzunehmen, wenn der Güterichter gegen seine Verschwiegenheitspflicht verstößt. 605 Insofern lässt sich eine Vergleichbarkeit zum Mediator feststellen, dessen Verstoß gegen die Vertraulichkeit der Mediation als Pflichtverletzung des Mediatorvertrags ebenfalls einen Schadensersatzanspruch begründen dürfte. Die Verletzung der Vertraulichkeit durch den Mediator bzw. Güterichter findet außerhalb der Güteverhandlung bzw. Mediationssitzung statt. Nimmt man aber die Tätigkeit des Güterichters innerhalb der Güteverhandlung in den Blick, so bietet sich ein ebenfalls mit der Situation im Rahmen der Mediation vergleichbares Bild. Die nur sehr vage Tätigkeitsbeschreibung des Güterichters im Hinblick auf die Konfliktvermittlung bietet diesem einerseits ein breites Spektrum an Methoden bzw. Verfahren, auf die er zurückgreifen kann. Andererseits geht mit diesem Gewinn an Handlungsoptionen ein Verlust an zivilrechtlicher Absicherung einher, da die Amtspflichten des Güterichters im Hinblick auf die genaue Ausgestal­ tung der Güteverhandlung insbesondere durch §  278 Abs.  5 ZPO nicht konkret be­ schrieben sind. Die Feststellung, dass die Amtspflichten des Güterichters im Zusam­ menhang mit einer Güteverhandlung im Kern denselben Inhalt wie die vertraglichen Pflichten des außergerichtlichen Mediators haben, 606 muss im Hinblick auf die Gel­ tendmachung von Schadensersatzansprüchen um den Befund ergänzt werden, dass eine Verletzung der Pflichten sich nur in Extremfällen607 feststellen lassen wird. 602 

Vgl. RG v. 27.09.1940 – III 3/40, RGZ 165, 91, 99; RG v. 23.09.1938 – III 20/38, RGZ 159, 235, 236 f.; RG v. 21.10.1927 – III 59/27, RGZ 118, 241, 242; RG v. 03.11.1922 – III 201/22, RGZ 105, 334, 335; wiedergegeben bei BeckOGK/Dörr, BGB, §  839 Rn.  40; siehe auch BGH v. 21.06.1951 – III ZR 134/50, BGHZ 2, 350, 353. 603  Zur notwendigen Drittbezogenheit der Amtspflicht siehe Staudinger/Wöstmann, BGB, §  839 Rn.  168. 604  Vgl. Staudinger/Wöstmann, BGB, §  839 Rn.  117. 605 BeckOGK/Dörr, BGB, §  839 Rn.  138, 169. 606 So Steiner, in: Eidenmüller/Wagner, Handbuch Mediation, Kap.  8 Rn.  89. 607  Wie z. B. der Drohung durch den Güterichter.

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Auch wenn der Ausgangspunkt des Schadensersatzanspruchs aufgrund der unter­ schiedlichen Anspruchsgrundlagen ein anderer ist, zeichnet sich im Ergebnis inso­ fern ein Gleichlauf ab, der aber durch die mögliche Privilegierung der Haftung für den Güterichter unterbrochen werden könnte. cc) Privilegierung Es kommen gleich drei mögliche Formen der Privilegierung in Betracht. Erstens das Verweisungsprivileg des §  839 Abs.  1 Satz 2 BGB, zweitens das Spruchrichterprivileg des §  839 Abs.  2 BGB sowie drittens die zur richterlichen Haftung vom BGH da­ rüber hinaus entwickelte Haftungsprivilegierung. (1) §  839 Abs.  1 Satz 2 BGB Für den Güterichter gilt, anders als für den Mediator, das Verweisungsprivileg608 des §  839 Abs.  1 Satz 2 BGB,609 dem zufolge der Beamte bzw. nach Art.  34 Satz 1 GG der Staat oder die Körperschaft, in deren Dienst er steht, für den Fall, dass dem Beamten Fahrlässigkeit zur Last gelegt werden kann, nur dann in Anspruch genommen wer­ den kann, wenn der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag. Das heißt, dass für den Fall, in dem der Schaden nicht allein aufgrund der verübten Amts­ pflichtverletzung des Güterichters entstanden ist, sondern auch aufgrund des Ver­ haltens anderer Schädiger, der Geschädigte von Gesetzes wegen610 darauf verwiesen wird, diese andere Ersatzmöglichkeit in Anspruch zu nehmen. 611 Für die hier in Rede stehenden Fälle bedeutet dies, dass die Haftung des Güterich­ ters beispielsweise dann entfällt, wenn ein Rechtsanwalt bei dem Vergleichsabschluss ebenfalls pflichtwidrig gehandelt hat. 612 Da ansonsten aber eher wenige Fälle in dieser Art denkbar sind, dürfte die Abwei­ chung der Haftung im Vergleich zum Güterichter eher gering sein. (2) §  839 Abs.  2 BGB Größer wären demgegenüber die Auswirkungen, käme dem Güterichter das soge­ nannte Spruchrichterprivileg des §  839 Abs.  2 BGB zu Gute, das im Falle von Rich­ terunrecht Schadenersatzansprüche weitgehend ausschließt. 613 Denn für amts­ pflichtwidriges Verhalten wird nur gehaftet, wenn die Pflichtverletzung in einer Straftat besteht. 614 Diese weitreichende Haftungsbeschränkung wird aber schon dem 608  Die Bezeichnung Verweisungsprivileg ist zwar gängig, aber sprachlich zugegebenermaßen etwas ungenau und sollte, wie Staudinger/Wöstmann, BGB, §  839 Rn.  259 richtigerweise anführt, eher Subsidiaritätsklausel heißen. 609  So auch Greger/Weber, MDR-Sonderheft 2012 „Das neue Güterichterverfahren“, 1, 29. 610  D.h. ohne, dass es einer Einrede bedürfte. 611 BeckOGK/Dörr, BGB, §  839 Rn.  637. 612  Greger/Weber, MDR-Sonderheft 2012 „Das neue Güterichterverfahren“, 1, 29 mit Verweis auf Rakete-Dombek, NJW 2012, 1689, 1692. 613 BeckOK-BGB/Reinert, §  839 Rn.  105; kritisch zum Spruchrichterprivileg Loritz, in: FS Stür­ ner, 327, 338. 614 BeckOGK/Dörr, BGB, §  839 Rn.  666.

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Wortlaut zufolge auf Amtspflichtverletzungen begrenzt, die „bei dem Urteil in einer Rechtssache“ begangen werden. Gegenstand des Spruchrichterprivilegs ist daher nicht allgemein die Person des Richters und seine Amtsausübung insgesamt, sondern lediglich der Richterspruch. 615 Unter „Urteil in einer Rechtssache“ im Sinne des §  839 Abs.  2 BGB ist allerdings nicht allein das Urteil im rein prozesstechnischen Sinn als instanzbeendende Ent­ scheidung zu verstehen. 616 Das Haftungsprivileg soll auch richterliche Maßnahmen erfassen, die darauf gerichtet sind, die Grundlagen für die Sachentscheidung zu ge­ winnen, unabhängig davon, ob sie in Urteils- oder Beschlussform ergehen, z. B. Be­ weisbeschlüsse, Beweiserhebungen, Verlesen von Strafregisterauszügen und behörd­ lichen Auskünften. 617 Mit Blick auf den Zweck der Vorschrift des §  838 Abs.  2 BGB, dem mittelbaren Schutz der Rechtskraft zu dienen, und damit verbunden auch der Gewährleistung von Rechtsfrieden und Rechtssicherheit, 618 wird konsequenterweise auch vertreten, dass es maßgeblich darauf ankäme, ob die Entscheidung fähig ist, in formelle und materielle Rechtskraft zu erwachsen. 619 Auch dieses über den Wortlaut hinausgehende Begriffsverständnis führt nicht dazu, dass die Tätigkeit des Güterichters vom Tatbestand des §  839 Abs.  2 BGB er­ fasst ist. Die güterichterliche Vermittlungstätigkeit in der Güteverhandlung dient nämlich nicht dazu, eine Sachentscheidung vorzubereiten, sondern hat das Ziel, den Konflikt einvernehmlich, also ohne Urteil, beizulegen. Das Spruchrichterprivileg kommt damit dem Güterichter für seine Vermittlungstätigkeit nicht zu Gute.620 In­ sofern bleibt es bei einem Gleichlauf zwischen Mediator und Güterichter. (3) Haftungsprivilegierung der Richter Die Tätigkeit des Richters wird aber im Hinblick auf die aus ihr folgenden Konse­ quenzen über die Vorschrift des §  839 Abs.  2 BGB hinaus durch die vom BGH ent­ wickelte allgemeine Beschränkung der Amtshaftung für Richter privilegiert. Deren Anwendungsbereich erstreckt sich auf alle Bereiche richterlicher Tätigkeit außerhalb des Richterspruchprivilegs. 621

615 BeckOGK/Dörr,

BGB, §  839 Rn.  666. §  839 Rn.  107; zur historischen Entwicklung des Begriffsverständ­ nisses Staudinger/Wöstmann, BGB, §  839 Rn.  323. 617 BGH v. 04.11.2010 − III ZR 32/10, BGHZ 187, 286; Staudinger/Wöstmann, BGB, §   839 Rn.  325. 618  So nach ausführlicher Untersuchung Zantis, Das Richterspruchprivileg in nationaler und ge­ meinschaftsrechtlicher Sicht, S.  52; siehe hierzu und in diesem Sinne bereits Schneider, AcP (Bd.  91), 1901, 209, 232. 619  Zantis, Das Richterspruchprivileg in nationaler und gemeinschaftsrechtlicher Sicht, S.  9 0. 620  So auch Ahrens, NJW 2012, 2465, 2470; BT-Drs. 17/5335, S.  14; Horstmeier, Das neue Media­ tionsgesetz, Rn.  427; Handbuch Mediation/Hess, §  43 Rn.  38; Greger/Weber, MDR-Sonderheft 2012 „Das neue Güterichterverfahren“, 1, 29. 621 Staudinger/Wöstmann, BGB, §  839 Rn.  655; BeckOK-BGB/Reinert, §  839 Rn.  108; BGH v. 04.11.2010 – III ZR 32/10, BGHZ 187, 286 ff. Rn.  14; dazu bejahend BVerfG v. 22.08.2013 – 1 BvR 1067/12, BeckRS 2013, 56344. 616 BeckOK-BGB/Reinert,

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Ihr dogmatisches Fundament hat diese Haftungsbeschränkung, ähnlich wie die gesetzlich explizit normierte des §  839 Abs.  2 BGB,622 in dem verfassungsrechtlichen Grundsatz richterlicher Unabhängigkeit. 623 Die in Art.  97 GG verankerte richterli­ che Unabhängigkeit soll diese nicht lediglich vor Eingriffen durch die Legislative bzw. Exekutive schützen, sondern gilt auch gegenüber der rechtsprechenden Gewalt selbst. 624 Mit Blick auf die rechtliche Beurteilung des Falles durch den Richter wird in diesem Zusammenhang formuliert, dass es Richtern aufgrund ihrer Unabhängig­ keit stets möglich sein muss, einer Entscheidung die eigene Rechtsauffassung zu­ grunde zu legen. 625 Übertragen auf die prozessualen Verfügungen des Richters be­ deutet dies, dass er auch hier – im Rahmen des Prozessrechts, an das er gebunden ist – nach seiner Vorstellung den Ablauf des Prozesses gestalten kann.626 Deutlich wird dies beispielhaft durch die Möglichkeit, einen frühen ersten Termin zur Verhand­ lung gemäß §  275 ZPO zu bestimmen – oder nicht. Erleidet nun eine Partei durch die prozessleitenden Maßnahmen des Richters – etwa weil diese den Prozess zeitlich verlängert haben – einen Schaden, so kann sie diesen grundsätzlich im Wege der Amtshaftung geltend machen. 627 Bei der dann an­ zustellenden Beantwortung der Frage, ob eine Amtspflichtverletzung vorliegt, ist aber gerade vor dem Hintergrund der Bedeutung und Wirkweise der richterlichen Unabhängigkeit im Sinne des Art.  97 GG das richterliche Verhalten nur auf seine Vertretbarkeit hin zu überprüfen. 628 Diese darf nur verneint werden, wenn bei voller Würdigung auch der Belange einer funktionstüchtigen Rechtspflege das Verhalten des Richters nicht mehr verständlich ist. 629 Mit dem vom BVerfG gebilligten630 Abstellen auf den Maßstab der Vertretbarkeit lässt sich auch der Schuldvorwurf, der dem Richter gemacht werden kann, fassen. Wenn die Maßnahme vertretbar war, dann kann – auch wenn andere Gerichte seine (Rechts-) Auffassung nicht teilen – ein Schuldvorwurf nicht hergeleitet werden. 631 Diese Verbindung zwischen Amtspflichtverletzung und Schuldvorwurf wird der dogmatischen Verankerung der Haftungsprivilegierung eher gerecht als eine, in frü­ 622 BeckOGK/Dörr,

BGB, §  839 Rn.  672. v. 04.11.2010 – III ZR 32/10, BGHZ 187, 286 ff. Rn.  14; Staudinger/Wöstmann, BGB, §  839 Rn.  655; BeckOGK/Dörr, BGB, §  839 Rn.  672; BeckOK-BGB/Reinert, §  839 Rn.  108. 624  Hillgruber, in: Maunz/Dürig, GG, Art.  97 Rn.  94; Detterbeck, in: Sachs, GG, Art.  97 Rn.  14. 625  Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Art.  97 Rn.  41. 626  Die sachgerechte Führung eines Prozesses – abgesehen von zwingenden gesetzlichen Vorga­ ben – wird in das Ermessen der verantwortlichen Richter gestellt (vgl. BVerfG v. 16.12.1980 – 2 BvR 419/80, BVerfGE 55, 349, 369. 627  So etwa im Fall BGH v. 04.11.2010 − III ZR 32/10, BGHZ 187, 286 ff. 628  BGH v. 04.11.2010 − III ZR 32/10, BGHZ 187, 286 ff.; zustimmend BVerfG v. 22.08.2013 – 1 BvR 1067/12, BeckRS 2013, 56344; siehe auch BGH v. 21.07.2005 – III ZR 21/05, BeckRS 2005, 09404; BGH v. 21.12.2005 – III ZA 5/05, BeckRS 2006, 00486. 629  BGH v. 29.04.1993 – III ZR 3/92, BGHZ 122, 268 ff. Rn.  20; BGH v. 04.11.2010 – III ZR 32/10, BGHZ 187, 286 ff. Rn.  14; so auch im Hinblick auf die Vertretbarkeit des Handelns des StA BGH v. 27.09.1990 – III ZR 314/89, BeckRS 1990, 31065143; BGH v. 21.04.1988 – III ZR 255/86, BeckRS 1989, 98459. 630  BVerfG v. 22.08.2013 – 1 BvR 1067/12, BeckRS 2013, 56344. 631  So auch Rinne/Schlick, NJW 2005, 3541, 3547. 623  BGH

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B. Der moderierte Vertrag des zivilrechtlichen Konflikts

heren Entscheidungen des BGH632 vorgenommene, pauschale Erhöhung des Ver­ schuldensmaßstabs auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit, da letzte die richterliche Unabhängigkeit überhöhen würde. Wenn man sich vor Augen führt, welche Anfor­ derungen an ein grob fahrlässiges Verhalten gestellt werden, würde dies im Ergebnis zu einem Freibrief für nachlässiges Verhalten führen, der aber nicht von der richter­ lichen Unabhängigkeit gedeckt sein kann. 633 (4) Haftungsprivilegierung der Güterichter Welche Konsequenzen ergeben sich aus der soeben skizzierten Haftungsprivilegie­ rung für den Güterichter? Wie schon im Rahmen der Vertraulichkeit angesprochen wurde, gilt die richterliche Unabhängigkeit auch für den Güterichter, dessen Tätig­ keit zudem eine richterliche Aufgabe im Sinne des §  4 Abs.  2 Nr.  2 DRiG darstellt. Wenn also die prozessleitenden Maßnahmen des entscheidungsbefugten Richters von der richterlichen Haftungsprivilegierung erfasst sind, dann muss dies konse­ quenterweise auch für die Maßnahmen gelten, die ein Güterichter im Rahmen des güterichterlichen Verfahrens trifft. 634 Andernfalls würde man eine Differenzierung vornehmen, die sich nicht begründen lässt. Dies wird deutlich, wenn man sich vor Augen führt, dass sowohl der Güterichter als auch der Prozessrichter – jeweils in den durch sie geleiteten Verhandlungen – eine identische Maßnahme treffen können. Wie bereits ausgeführt, besitzt der Güterich­ ter ein breites Spektrum an möglichen Maßnahmen, die er zur Konfliktlösung ein­ setzen kann und Ermessen in Bezug auf deren Auswahl. Damit ist es ihm aber nicht benommen, auch auf Maßnahmen zu setzen, die auch der Prozessrichter in seiner Güteverhandlung anwenden könnte. Käme dem Güterichter dann nicht ebenso die in Rede stehende Haftungsprivilegierung zu Gute, würde die identische Maßnahme einmal unter die Haftungsprivilegierung fallen – und einmal nicht. Gründe, einen solchen Unterschied in der Bewertung vorzunehmen, sind nicht ersichtlich. Das gilt auch deshalb, weil dem Prozessrichter für die Maßnahmen, die mit der Urteilsfin­ dung und -vorbereitung zusammenhängen, die noch weitere Privilegierung des §  839 Abs.  2 BGB zu Gute kommt. Diesem markanten Unterschied wird also auch in der Haftung Rechnung getragen, ohne dass es einer Differenzierung im Rahmen der richterlichen Haftungsprivilegierung bedürfe. Damit folgt aus der Anwendung der Haftungsprivilegierung auf den Güterichter eine erste allgemeine Beschreibung der Anforderungen, die an dessen Tätigkeit zu stellen sind: Die Maßnahmen, die der Güterichter zur Konfliktmittlung trifft, müs­ sen vertretbar sein. Überträgt man die Voraussetzungen, die an die Vertretbarkeit des richterlichen Handelns gestellt werden, auf die Tätigkeit des Güterichters, dann ist die Vertretbarkeit dann zu verneinen, wenn bei voller Würdigung auch der Belan­

632 

Vgl. BGH v. 03.07.2003 – III ZR 326/02, BGHZ 155, 306, 309 f. Dies betont auch BeckOGK/Dörr, BGB, §  839 Rn.  672. 634  So im Ergebnis auch Steiner, in: Eidenmüller/Wagner, Handbuch Mediation, Kap.  8 Rn.  89. 633 

II. Güterichter

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ge eines funktionsfähigen güterichterlichen Verfahrens das güterichterichterliche Verhalten nicht mehr verständlich ist. 635 Hiermit ist – anders als im Rahmen der Untersuchung zum Mediator – zumindest eine erste Mindestanforderung an das Verhalten des Güterichters formuliert. Die Vertretbarkeit der güterichterlichen Maßnahmen stellt dabei einerseits eine eher schwammige Anforderung dar, lässt sich aber andererseits mit den wenigen gesetzli­ chen Vorgaben und dem Freiraum, den der Güterichter insoweit genießt, vereinba­ ren. b) Schaden Wenn der Güterichter für ein nicht vertretbares Handeln haften soll, so muss seine Maßnahme einen ersatzfähigen Schaden bei mindestens einer Partei hervorrufen. Hier stellen sich die Probleme, die sich auch schon beim Mediator gestellt haben: Die Autonomie der Parteien unterbricht den notwendigen Kausalzusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Schaden. 636 Denn unabhängig davon, ob der Güte­ richter in vertretbarer Weise vermittelt oder nicht, liegt letztlich die Frage, ob ein Vergleich geschlossen wird, in den Händen der Parteien. Brechen die Parteien bzw. eine Partei die Verhandlungen vor dem Güterichter we­ gen dessen fehlerhaften Verhaltens ab, so wird das Gerichtsverfahren, dessen Teil das Güteverfahren ist,637 streitig weitergeführt und die Parteien bekommen am Ende das, was ihnen nach Lage des Rechts zusteht. 638 Dies dürfte auch für Schäden gelten, die allein infolge der fehlerhaften Tätigkeit des Güterichters deshalb entstanden sind, weil der Prozess verspätet abgeschlossen wurde. Die Partei, die den Prozess gewinnt, wird in diesem Rahmen auch die Verzö­ gerungsschäden ersetzt bekommen, im naheliegendsten Fall im Wege der Verzugs­ zinsen. Das bringt dann eine auf den ersten Blick interessante Konstellation mit sich: Die unterlegene Partei könnte einen Teil des Verzögerungsschadens, den sie ersetzen muss, beim Güterichter geltend machen. Denn insofern ist ein Schaden entstanden. Die Frage der fehlenden Ursächlichkeit ist damit aber nicht geklärt.

6. Der moderierte Vertrag im Verfahren vor dem Güterichter Bisher konnte – anders als im Mediationsverfahren – festgestellt werden, dass der Güterichter mit den Parteien keinen Vertrag über den Ablauf des Verfahrens schließt. Das heißt aber gerade nicht, dass es an einem Vertrag innerhalb des Verfahrens vor 635  BGH v. 29.04.1993 – III ZR 3/92, BGHZ 122, 268 ff. Rn.  20; BGH v. 04.11.2010 – III ZR 32/10, BGHZ 187, 286 ff. Rn.  14; so auch im Hinblick auf die Vertretbarkeit des Handelns des StA BGH v. 27.09.1990 – III ZR 314/89, BeckRS 1990, 31065143; BGH v. 21.04.1988 – III ZR 255/86, NJW 1989, 96. 636  Vergleiche zur Mediation Unberath, ZKM 2011, 4, 7. 637  Thole, in: Stein/Jonas, ZPO, §  278 Rn.  7; BeckOK-ZPO/Bacher, §  278 Rn.  34. 638 Dieses Problem hatte Jost, in: Fischer/Unberath, Das neue Mediationsgesetz, S.   123, 126 schon zur Mediation angesprochen.

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B. Der moderierte Vertrag des zivilrechtlichen Konflikts

dem Güterichter fehlt. Denn auch hier gilt: Kommen die Parteien zu einer Einigung, die ihren Konflikt beendet, dann schließen sie in diesem Sinne einen Vertrag. Im Hinblick auf die Rechtsnatur des Vertrags ist zunächst das festzuhalten, was auch schon zur Abschlussvereinbarung im Rahmen der Mediation gesagt wurde. 639 Es handelt sich um einen zivilrechtlichen Vertrag, an den die allgemeinen Wirksam­ keitsvoraussetzungen zu stellen sind. Hierbei kann es sich um einen Vergleich im Sinne des §  779 BGB handeln. 640 Darüber hinaus ist im Rahmen des güterichterlichen Verfahrens zu beachten, dass dieses ja – anders als im Fall der außergerichtlichen Mediation641 – stets vor dem Hintergrund einer anhängigen Klage durchgeführt wird. Anders als durch die Ver­ weisung durch den Prozessrichter gelangen die Parteien nicht in die Vermittlung durch den Güterichter. Aus diesem Grund ist im Rahmen des güterichterlichen Ver­ fahrens auch über den noch anhängigen Prozess zu disponieren. Dabei gilt als unbestritten,642 dass vor dem Güterichter ein Prozessvergleich abge­ schlossen werden kann.643 Voraussetzung dafür ist naturgemäß, dass der Vertrag, den die Parteien schließen, nicht nur einen Vergleich im Sinne des §  779 BGB dar­ stellt, sondern auch die Voraussetzungen eines Prozessvergleichs erfüllt.644 Die Par­ teien haben aber auch die Möglichkeit, sich im Rahmen der Güteverhandlung über den Konflikt zu verständigen, um daraufhin den zwischen ihnen anhängigen Pro­ zess übereinstimmend für erledigt zu erklären.645 Dann liegt in der Verständigung nach wie vor ein moderierter Vertrag.

7. Güterichter und moderierter Vertrag Der Hinweis auf den Prozessvergleich leitet über zu der Frage, welche Rolle dem Güterichter in Bezug auf den Prozessvergleich zukommt. Hier zeigen sich zunächst Unterschiede im Vergleich zu der Rolle des Mediators, die sowohl auf die Anhängig­ keit eines Zivilprozesses als auch auf die Richterstellung des Güterichters zurückzu­ führen sind. a) Protokollierung Wenn die Parteien einen Vergleich schließen, haben Sie die Möglichkeit, diesen durch den Güterichter als Prozessvergleich protokollieren zu lassen, 646 was dann zur Been­ digung des Rechtsstreites und gemäß §  794 Abs.  1 Nr.  1 ZPO zu einem Vollstre­ 639 

Vgl. dazu oben unter B.I.4. Greger/Weber, MDR-Sonderheft 2012 „Das neue Güterichterverfahren“, 1, 23 zu Recht betont. 641  Die Mediation ist natürlich auch während eines anhängigen Verfahrens möglich, vgl. nur §  278a ZPO. 642  So die Einschätzung von Thole, ZZP 127 (2014), 339, 349. 643  Thole, ZZP 127 (2014), 339, 349. 644  Zu diesen Voraussetzungen siehe nur Lackmann, in: Musielak/Voit, ZPO, §  794 Rn.  4 ff. 645  Darauf weist Thole, ZZP 127 (2014), 339, 352 hin. 646  BT-Drs. 17/8058, S.  17; Assmann, MDR 2016, 1303, 1306. 640 Wie

II. Güterichter

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ckungstitel führt. 647 Diese Protokollierungspflicht folgt nicht nur aus dem überein­ stimmenden Willen der Parteien gemäß §  159 Abs.  2 ZPO, sondern auch aus §  160 Abs.  3 Nr.  1 ZPO.648 Die Anforderungen an die Protokollierung richten sich nach §§  159 Abs.  1, 160, 161a ZPO.649 Das güterichterliche Protokoll ersetzt dabei eben­ falls nach §  127a BGB eine ansonsten notwendige Form. 650 Der Güterichter hat also aufgrund seiner Stellung als Richter die Möglichkeit, einen Vollstreckungstitel zu schaffen, denn als solcher dient der protokollierte Vergleich gemäß §  794 Abs.  1 Nr.  1 ZPO. Dies führt zu der Frage, ob mit dem Mehr an Möglichkeiten auch ein Mehr an Pflichten einhergeht. b) Ne ultra petita Der aus dem römischen Zivilprozessrecht stammende Grundsatz ist Ausdruck der bereits angesprochenen Dispositionsmaxime, 651 die vom Kläger verlangt, durch die eigene Formulierung einer Rechtsbehauptung das Prüfungsprogramm des Gerichts zu bestimmen. 652 Für das Gericht bedeutet dies nach §  308 Abs.  1 Satz 1 ZPO, dass es nicht befugt ist, einer Partei etwas zuzusprechen, was diese nicht beantragt hat. Zum Teil wird vertreten, dass auch der Güterichter bei seinem Vermittlungsver­ such nicht über §  308 ZPO hinausgehen dürfe. 653 Wenn man sich vom Güterichter erhoffe, ein Urteil oder gar eines weiteren Prozesses zu vermeiden, müsse §  308 ZPO zurückhaltend geprüft werden, 654 denn der Grundsatz ne ultra petita gelte nicht nur vor dem erkennenden Prozessgericht, sondern erst Recht vor dem Güterichter. 655 Dem ist nicht zuzustimmen. Für einen Erst-Recht-Schluss fehlt es schon am not­ wendigen Ausgangspunkt. Denn §  308 Abs.  1 Satz 1 ZPO findet im Sinne einer Be­ grenzung auf die dort ggf. gestellten Anträge auch auf die Vermittlungsversuche durch den Prozessrichter keine Anwendung. In einem gewöhnlichen Prozess darf der entscheidungsbefugte Richter auch einen Vergleich protokollieren, der über das ursprünglich Geforderte hinausgeht, ohne damit gegen §  308 ZPO oder den dahinter stehenden Rechtsgedanken zu verstoßen. 656 Denn schon die grundsätzliche Stoß­ richtung dieser Vorschrift ist eine andere. Wie der Wortlaut von §  308 Abs.  1 Satz 1 ZPO verdeutlicht, soll es dem Gericht verwehrt werden, etwas zuzusprechen, was nicht beantragt worden ist. Im Falle eines Prozessvergleichs spricht das Gericht aber gerade gar nichts zu; vielmehr schließen die Parteien einen Vertrag, in dem sie sich 647  Greger, in: Zöller, ZPO, §  278 Rn.  26a; Assmann, MDR 2016, 1303, 1306; Nistler, JuS 2010, 685, 688; der Güterichter ist „Gericht“ im Sinne des §  794 Abs.  1 Nr.  1 ZPO, vgl. Paulus, in: Wie­czo­ rek/Schütze, ZPO, §  794 Rn.  20. 648  Steiner, in: Eidenmüller/Wagner, Handbuch Mediation, Kap.  8 Rn.  118. 649  Steiner, in: Eidenmüller/Wagner, Handbuch Mediation, Kap.  8 Rn.  118. 650  Greger/Weber, MDR-Sonderheft 2012 „Das neue Güterichterverfahren“, 1, 25. 651 HK-ZPO/Saenger, §  308 Rn.  1; Musielak, in: Musielak/Voit, ZPO, §  308 Rn.  1. 652  Althammer, in: Stein/Jonas, ZPO, §  308 Rn.  2 ; Rensen, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, §  308 Rn.  1; BeckOK-ZPO/Elzer, §  308 Rn.  1. 653  Vertreten von Hartmann, MDR 2012, 941, 942; BLAH, ZPO, §  278 Rn.  45. 654 Wie Greger, in: Zöller, ZPO, 32.  Aufl. 2018, §  278 Rn.  45 vorsichtig formuliert. 655  Greger, in: Zöller, ZPO, 32.  Aufl. 2018, §  278 Rn.  45. 656  So auch Thole, ZZP 127 (2014), 339, 352.

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B. Der moderierte Vertrag des zivilrechtlichen Konflikts

gewissermaßen gegenseitig etwas zusprechen. Diesen Fall erfasst §  308 Abs.  1 Satz 1 ZPO aber schon seinem Wortlaut nach nicht, sodass weder eine Anwendung auf die Vergleiche vor dem Prozess- noch vor dem Güterichter in Betracht kommt. Vermutlich haben aber diejenigen, die eine Anwendbarkeit des §  308 Abs.  1 Satz 1 ZPO auch für das güterichterliche Verfahren annehmen wollen, ein reales Problem vor Augen. Die richterliche Mediation ist nicht kostenlos. Auch wenn das Güterichterverfah­ ren Bestandteil des Prozesses ist und keine zusätzliche Gerichtsgebühr auslöst, so hat die Klage an sich ja schon Kosten ausgelöst, über deren Aufteilung sich die Par­ teien mit der Gegenseite im Rahmen der Abschlussvereinbarung einigen sollten.657 Die Höhe der Gerichtskosten bemisst sich gemäß §  3 Abs.  1 GKG grundsätzlich nach dem Streitwert. Dementsprechend ist die Vermittlungsleistung durch den Gü­ terichter günstiger bei einem geringeren Streitwert und teurer bei einem höheren Streitwert. Vor diesem Hintergrund könnte eine Partei nur einen Teil der zwischen den Par­ teien im Streit stehenden Forderung gerichtlich geltend machen, um sich dann aber im güterichterlichen Verfahren auf einen allumfassenden Vergleich zu einigen. Das ist aber kein Fall, der über §  308 Abs.  1 Satz 1 ZPO zu lösen wäre, denn das Kosten­ recht selbst sieht diese Möglichkeit und die Reaktion hierauf vor. Nach Nr.  1900 KVGKG fällt eine 0,25-Gebühr an, soweit ein Vergleich über nicht gerichtlich anhängi­ ge Gegenstände geschlossen wird. Damit trägt das Kostenrecht selbst dieser Situati­ on Rechnung. Mit Blick auf den Zweck des Güteverfahrens, eine gütliche Einigung herbeizufüh­ ren und so den Prozess zu beenden, sollte im Hinblick auf einen möglichen Vertrags­ inhalt großzügig umgegangen werden. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass auch im streitigen Prozess ein Vergleichsschluss, der über den Klageantrag hin­ ausgeht, möglich ist. 658 c) Kräfteparität Bei der entsprechenden Betrachtung zur Rolle des Mediators ist, ausgehend von §  2 Abs.  6 MedG, im Hinblick auf die Abschlussvereinbarung dessen Verantwortlich­ keit bei einer ungleichen Kräfteverteilung zwischen den Medianden herausgearbeitet worden. In Zuge dessen wurde auch auf Punkt 3.1 des Verhaltenskodex für Mediato­ ren Bezug genommen. 659 Weder das MedG noch der Verhaltenskodex für Mediato­ ren finden auf den Güterichter direkte Anwendung. Unter Rückgriff auf Punkt 3.1 des europäischen Verhaltenskodex für Mediatoren formuliert Tochtermann, dass jedenfalls der Güterichter verpflichtet wäre, sicherzu­ stellen, dass die Parteien über die wesentlichen rechtlichen Aspekte des Konflikts hinreichend informiert sind und auf dieser Grundlage ihre privatautonome Ver­

657 

Vgl. auch Thole, ZZP 127 (2014) 339, 361. Diese Argumente finden sich auch bei Thole, ZZP 127 (2014), 339, 351. 659  Siehe ausführlich hierzu oben unter B.I.5.a). 658 

II. Güterichter

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handlungslösung erarbeiten. 660 Ob der Verhaltenskodex und die genannte Passage für die Begründung von Verhaltenspflichten des Güterichters herangezogen werden können, erscheint deshalb problematisch, weil der genannte Verhaltenskodex einlei­ tend gerade formuliert, dass er Grundsätze statuiere, zu deren Einhaltung sich ein­ zelne Mediatoren freiwillig und eigenverantwortlich entschließen können. 661 Im Hinblick auf die Tätigkeit des Güterichters fehlt es zum einen an einer diesbezügli­ chen Verpflichtung, zum anderen stellt die Mediation gerade nur eine der möglichen Methoden dar, derer sich der Güterichter zur Konfliktschlichtung bedienen kann. Setzt man auch an dieser Stelle bei der Richtereigenschaft des Güterichters an, so gilt zunächst, dass dieser – wie jeder Richter – Recht und Gesetz unterworfen ist. Die Frage, inwieweit diese Bindung an Recht und Gesetz nur auf die Tätigkeit des Güte­ richters Bezug nimmt, oder auch auf das Ergebnis der Tätigkeit, den moderierten Vertrag, ausstrahlt, wird auf den ersten Blick unterschiedlich beurteilt. aa) Tätigkeit Mit Blick auf den Umstand, dass eine Mediation eher an den hinter dem Konflikt stehenden Interessen der Parteien orientiert ist als an der Rechtslage, wird vertreten, dass den Güterichter trotz der Bindung an Recht und Gesetz nicht die Verantwort­ lichkeit für eine „gerechte“ Lösung treffe. 662 Denn es sei nicht Sache des Güterich­ ters, die Interessen der Parteien zu kennen bzw. sie zu definieren. Das käme andern­ falls einer Bevormundung durch den Güterichter gleich. 663 bb) Ergebnis Demgegenüber wird explizit formuliert, dass es Aufgabe des Güterichters sei, durch seine Verhandlungsführung auf ein faires und gerechtes Ergebnis hinzuwirken. 664 Ein ungerechtes, unfaires oder gar gesetzwidriges, d. h. verbotenes, Ergebnis dürfe der Güterichter nicht unterstützen, auch wenn eine oder beide Seiten dies wün­ schen. 665 cc) Gemeinsamer Ausgangspunkt: Kräfteungleichgewicht Die dargestellten Ansätze sind nur vermeintlich unterschiedlich, denn sie wählen, was die Tätigkeit des Güterichters im Hinblick auf den moderierten Vertrag angeht, als Ausgangspunkt jeweils ein bestehendes Kräfteungleichgewicht zwischen den Konfliktparteien. Auch diejenigen, die auf ein faires Ergebnis des güterichterlichen Verfahrens ab­ stellen, stützen ihre Forderung nach einer neutralen und ausgleichenden Verhand­ 660 

Tochtermann, in: Fischer/Unberath, Das neue Mediationsgesetz, S.  113, 117. (zuletzt abgerufen am 03.10.2019). 662  Steiner, in: Eidenmüller/Wagner, Handbuch Mediation, Kap.  8 Rn.  49. 663  Steiner, in: Eidenmüller/Wagner, Handbuch Mediation, Kap.  8 Rn.  49. 664  Greger/Weber, MDR-Sonderheft 2012 „Das neue Güterichterverfahren“, 1, 19. 665  Greger/Weber, MDR-Sonderheft 2012 „Das neue Güterichterverfahren“, 1, 5. 661  http://ec.europa.eu/civiljustice/adr/adr_ec_code_conduct_de.pdf

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B. Der moderierte Vertrag des zivilrechtlichen Konflikts

lungsführung durch den Güterichter auf dessen Erkenntnis, dass eine Partei aus psy­ chischer oder intellektueller Unterlegenheit oder wegen einer persönlichen oder wirtschaftlichen Abhängigkeit von der anderen Partei nicht in der Lage ist, mit glei­ cher Verhandlungsstärke eine autonome Lösung mitzugestalten.666 Auch diejenigen, die wegen der Bedeutung der Parteiinteressen eine Verantwortlichkeit des Güterich­ ters für das Ergebnis (eigentlich) ablehnen wollen, stellen aber fest, dass der Güte­ richter ein Garant für Fairness sei und auf ein bei den Parteien bestehendes Un­ gleichgewicht reagieren müsse. 667 Dies leitet über zu zwei weiteren Fragen: Was kennzeichnet dieses Ungleichge­ wicht? Mit welchen Ansätzen kann der Güterichter auf diese Kräfteimparität reagie­ ren? d) Herkunft des Ungleichgewichts Bisher wurde ein – wie auch immer zu kennzeichnender – Eingriff in die Kommuni­ kation durch den Güterichter gefordert, ohne näher zu beschreiben, welche Umstän­ de genau den Güterichter dazu veranlassen sollen, ein Kräfteungleichgewicht auszu­ gleichen. Bei der Beschreibung dessen, was die Unterlegenheit einer Partei ausmacht, ist ein Umstand hervorzuheben, der für den Fall des güterichterlichen Verfahrens gerade keine Unterlegenheit begründen soll. aa) Gründe für die Imparität Grob systematisieren lassen sich die im einschlägigen Schrifttum genannten Gründe für die Unterlegenheit in solche, die in der unterlegenen Person selbst beheimatet sind, sowie in andere, die dem Verhältnis zur Gegenpartei entstammen. Erstere wer­ den mit Unerfahrenheit, intellektuellen Defiziten und Informationslücken668 bzw. psychischer oder intellektueller Unterlegenheit669 und Leichtfertigkeit670 beschrie­ ben. In diesem Zusammenhang kann auch die Gefahr genannt werden, dass wegen der Konzentration auf die Interessen der Parteien etwa zwingende Verbraucher­ schutzvorschriften zugunsten der schwächeren Partei nicht zur Anwendung kom­ men. 671 Letztere werden mit persönlicher oder wirtschaftlicher Abhängigkeit672 bzw. innerer oder äußerer Abhängigkeit673 beschrieben. Ob durch die Verwendung dieser Begrifflichkeiten – auch für den Güterichter – an Klarheit gewonnen wurde, soll zunächst dahingestellt bleiben. Das dürfte am ehes­ 666 

Greger/Weber, MDR-Sonderheft 2012 „Das neue Güterichterverfahren“, 1, 19. Steiner, in: Eidenmüller/Wagner, Handbuch Mediation, Kap.  8 Rn.  50 mit Verweis auf Duve/ Eidenmüller/Hacke, Mediation in der Wirtschaft, S.  223 ff. 668 Von Steiner, in: Eidenmüller/Wagner, Handbuch Mediation, Kap.  8 Rn.  50 mit Verweis auf Duve/Eidenmüller/Hacke, Mediation in der Wirtschaft, S.  223 ff. 669  Greger/Weber, MDR-Sonderheft 2012 „Das neue Güterichterverfahren“, 1, 19. 670  Greger/Weber, MDR-Sonderheft 2012 „Das neue Güterichterverfahren“, 1, 5. 671  Roth, JZ 2013, 637, 643. 672  Greger/Weber, MDR-Sonderheft 2012 „Das neue Güterichterverfahren“, 1, 19. 673  Greger, MDR 2014, 993, 994. 667 

II. Güterichter

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ten noch für die Formulierung des Grundes für die Vermeidung der Imparität gelten: Diese kann einer auf freie Selbstbestimmung zielenden Verhandlung entgegenste­ hen. 674 bb) Kein Grund zum Eingreifen Vor dem Hintergrund dieses Ziels lässt sich auch ein erstes Verständnis für die Nen­ nung eines Unterlegenheitsgrundes aufbringen, der den Güterichter nicht zu ausglei­ chenden Maßnahmen zwingen soll. Dabei geht es um die schlechtere Nichteini­ gungsalternative einer Partei. Bei der Prüfung der Nichteinigungsalternative handelt es sich um eine typische Maßnahme des Mediators, welche die Parteien dazu veran­ lassen soll, sich jeweils zu verdeutlichen, was die Alternative zur gütlichen Einigung, d. h. insbesondere die Fortführung des Rechtsstreits, für die eigene Situation bedeu­ tet. Diese Nichteinigungsalternative kann für die eine Partei schlechter sein als für die andere. Dies kann auf die Verhandlung dergestalt zurückwirken, dass die – infol­ ge der schlechteren Nichteinigungsalternative – schwächere Partei bei der Kompro­ missfindung zu größeren Zugeständnissen gezwungen ist. Obwohl diese Partei dann schwächer ist als die andere, soll dies gerade kein Grund für den Güterichter sein, zu ihren Gunsten einzugreifen. 675 e) Eingriff in die Kommunikation Neben der Frage des „Ob“ stellt sich dann die Frage des „Wie“. Das heißt, erkennt der Güterichter ein Machtungleichgewicht, steht er vor der Frage, welche Maßnah­ men ihm zur Verfügung stehen, um dieses Ungleichgewicht zu beseitigen. Deren Eingriffsintensität schwankt sehr und es herrscht auch insoweit keine Einigkeit. Zum Teil wird gefordert, der Güterichter solle lediglich auf ein geordnetes Verfah­ ren achten. Es solle jedoch keine Interventionspflicht zugunsten einer Partei geben, die den Güterichter zu einer Vaterfigur mache. Die Interventionspflicht dürfe jeden­ falls nicht über das hinausgehen, was der Streitrichter in der Güteverhandlung äu­ ßern dürfte. 676 Damit wird ein Eingriff des Güterichters in die Kommunikation abgelehnt bzw. als Grenze der Vergleich mit den – noch näher zu betrachtenden – Möglichkeiten des Streitrichters herangezogen. Darüber hinaus existiert aber auch die Vorstellung, der Güterichter könne im Rahmen seiner nicht näher beschriebenen Moderation durch eine „neutrale und aus­ gleichende Verhandlungsführung“677 auf eine Ungleichgewichtslage „reagieren“678 . Als Grenze dieser Maßnahmen wird einerseits die durch den Güterichter zu wahren­ 674 

Greger, MDR 2014, 993, 994. Steiner, in: Eidenmüller/Wagner, Handbuch Mediation, Kap.  8 Rn.  50 mit Verweis auf Duve/ Eidenmüller/Hacke, Mediation in der Wirtschaft, S.  223 ff. 676  Thole, ZZP 127 (2014), 339, 358. 677  So die Wortwahl bei Greger/Weber, MDR-Sonderheft 2012 „Das neue Güterichterverfah­ ren“, 1, 19. 678  So die Wortwahl bei Steiner, in: Eidenmüller/Wagner, Handbuch Mediation, Kap.  8 Rn.  50 mit Verweis auf Duve/Eidenmüller/Hacke, Mediation in der Wirtschaft, S.  223 ff. 675 

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B. Der moderierte Vertrag des zivilrechtlichen Konflikts

de Neutralität genannt, 679 anderseits aber auch ein Vergleich nicht mit dem Prozess­ richter, sondern mit dem Mediator angestellt und festgehalten, dass die Anforderun­ gen an den Güterichter nicht strenger seien als an den Mediator. Besteht für den Güterichter keine Möglichkeit, die – vermutlich eher nur geringe – Unterlegenheit einer Partei innerhalb der Mediation auszugleichen, dann steht als etwas schwererer Eingriff in die Kommunikation die Möglichkeit zur Verfügung, der schwächeren Partei nahezulegen, die beabsichtigte Einigung einer anwaltlichen Prüfung zu unterziehen. 680 Damit ist der Güterichter aber noch nicht am Ende seiner Möglichkeiten. Für den Fall, dass er zunächst versucht hat, den Konflikt mit den Mitteln der Mediation zu lösen, besteht für ihn auch die Möglichkeit, ein anderes Verfahren zu wählen.681 Diesbezüglich werden in diesem Zusammenhang die Schlichtung, 682 die Evaluati­ on,683 die Leistungsbestimmung684 sowie die bloße Moderation von Vergleichsver­ handlungen genannt. 685 Mit Ausnahme der Moderation weisen diese Verfahren an­ ders als die Mediation einen stärkeren Bezug zu den rechtlichen Vorgaben auf und nehmen damit Rücksicht auf den Einwand, dass bei der Abkehr von der Rechtslage hin zu den Interessen die Gefahr besteht, dass etwa zwingende Verbraucherschutz­ vorschriften außer Acht gelassen werden.686 Letztlich bleibt dem Güterichter als Möglichkeit, um auf ein Kräfteungleichge­ wicht zu reagieren, die Güteverhandlung ganz zu beenden. 687 f) Interesse des Güterichters Die Rolle des Güterichters im Hinblick auf die Vereinbarung, die durch die Parteien im Falle seiner erfolgreichen Vermittlung abgeschlossen wird, konnte bereits ein we­ nig beleuchtet werden. Dabei kam aber noch nicht zum Ausdruck, welches Interesse der Güterichter selbst im Hinblick auf die Abschlussvereinbarung hat. Insofern las­

679 Von

Greger/Weber, MDR-Sonderheft 2012 „Das neue Güterichterverfahren“, 1, 19. Greger/Weber, MDR-Sonderheft 2012 „Das neue Güterichterverfahren“, 1, 5, 19. 681  Ohne auf ein mögliches Kräfteungleichgewicht zu rekurrieren, formuliert Fritz, ZKM 2015, 10, 12: „Wenn es angezeigt erscheint, eine Mediation, wenn es erforderlich ist, eine Schlichtung, wenn es ausreicht, eine Moderation, wenn es sinnvoll ist, eine Kombination der verschiedenen Ver­ fahren.“ 682  Bei der Schlichtung unterbreitet der Güterichter den Parteien einen unverbindlichen, aber für ihre Verständigungsbereitschaft und eventuelle Weiterverhandlung förderlichen Lösungsvor­ schlag, Greger, MDR 2014, 993, 994. 683  Bei der Evaluation nimmt der Güterichter nach einer summarischen Prüfung des beiderseiti­ gen Parteivorbringens eine unverbindliche, nicht präjudizielle Bewertung der Prozessaussichten vor, Greger, MDR 2014, 993, 994. 684 Bei der Leistungsbestimmung betrauen die Parteien den Güterichter mit einer materiellrecht­lich verbindlichen Billigkeitsentscheidung nach §  317 BGB, Greger, MDR 2014, 993, 994. 685 Von Greger, MDR 2014, 993, 994; siehe auch Fritz, ZKM 2015, 10, 12. 686  Roth, JZ 2013, 637, 643. 687  Steiner, in: Eidenmüller/Wagner, Handbuch Mediation, Kap.  8 Rn.  50 mit Verweis auf Duve/ Eidenmüller/Hacke, Mediation in der Wirtschaft, S.  223 ff.; Greger/Weber, MDR-Sonderheft 2012 „Das neue Güterichterverfahren“, 1, 19. 680 

II. Güterichter

95

sen sich viele der Feststellungen, die schon zum Mediator getroffen worden sind, wiederholen. Der Güterichter schuldet den Konfliktparteien keinen Erfolg im Sinne einer er­ folgreichen Vermittlung; er schuldet ihnen nicht einmal – anders als der Mediator im Falle einer dahingehenden Vereinbarung im Mediatorvertrag – ein bestimmtes Ver­ fahren der Konfliktvermittlung. Der Güterichter hat kein Interesse an einem bestimmten Inhalt der Abschlussver­ einbarung. Dies gilt für den Fall, dass er zur Vermittlung die Mediation wählt, aus den oben zum Mediator genannten Gründen. Aber auch bei den übrigen Verfahren, in denen der Güterichter etwa einen Vorschlag zur Konfliktlösung macht, geht das Interesse des Güterichters dahin, den Parteien einen Vorschlag zu machen, der von diesen ak­ zeptiert wird, nicht aber einen Vorschlag durchzusetzen, der seinem Interesse an der Konfliktlösung entspricht. Das wird deutlich, wenn man sich das tatsächlich existierende Interesse des Güte­ richters an einem moderierten Vertrag vor Augen führt: Wie der Mediator hat der Güterichter kein Interesse an einem bestimmten Inhalt der Abschlussvereinbarung, aber er hat ein Interesse daran, dass eine Abschlussvereinbarung – gleich welchen Inhalts – geschlossen wird. Denn Ziel des güterichterlichen Verfahrens ist die Beilegung des Konflikts, wie sich bereits aus dem Wortlaut des §  278 Abs.  5 Satz 2 ZPO ergibt, demzufolge der Güterichter alle Methoden der Konfliktbeilegung einsetzen kann. Die ihm zur Ver­ fügung stehenden Methoden sind damit per Gesetz all diejenigen, die das Ziel der Konfliktbeilegung fördern. Der Konflikt wird regelmäßig durch eine Absprache, die einen zivilrechtlichen Vertrag darstellt, beigelegt, unabhängig davon, ob diese dann auch die Voraussetzungen eines (Prozess-)vergleichs erfüllt. Mit dem Ziel der Kon­ fliktbeilegung einher geht das Ziel, ein Urteil im anhängigen Prozess sowie weitere Verfahren zwischen den Parteien zu vermeiden. 688 Dieses Ziel des güterichterlichen Verfahrens muss dabei der Güterichter vor Augen haben, der das güterichterliche Verfahren als richterliche Geschäftsaufgabe689 ausführt. Will er diese Aufgabe, die Teil seiner richterlichen Tätigkeit ist, erfolgreich ausüben, muss er Wert auf die Kon­ fliktbeendigung durch eine Übereinkunft der Parteien legen. 690 Sein Interesse an die­ ser Übereinkunft ist dabei im Sinne einer guten Erledigung der ihm übertragenen Aufgabe zu sehen. Ein darüber hinausgehendes finanzielles Interesse besteht nicht, denn die Tätigkeit des Güterichters ist als Teil seiner Dienstpflichten bereits mit ab­ gegolten. 691

688 

Vgl. auch bei Thole, ZZP 127 (2014), 339, 351. Schobel, ZKM 2012, 6, 7. 690  Die Tätigkeit gilt dann als erfolgreich, wenn es zu einem Vertragsschluss gekommen ist, vgl. Unberath, in: Fischer/Unberath, Das neue Mediationsgesetz, S.  47, 52. 691  Greger, in: Zöller, ZPO, 32.  Aufl. 2018, §  278 Rn.  4 4. 689 

96

B. Der moderierte Vertrag des zivilrechtlichen Konflikts

8. Güterichter als Moderator Zusammenfassend lässt sich an dieser Stelle zunächst festhalten, dass die Leitung der Güteverhandlung durch den Güterichter eine Moderation im Sinne dieser Untersu­ chung darstellt. Zentral ist das Bestreben, den zwischen den Parteien bestehenden Konflikt zur Vermeidung eines Urteils und/oder eines weiteren Prozesses zu been­ den. Die Moderation beinhaltet gegenüber der Tätigkeit des Güterichters regelmäßig ein Weniger,692 jedenfalls liegt in der Tätigkeit des Güterichters jedoch die Kommu­ nikationsmittlung durch einen unabhängigen Dritten, sodass die eingangs vorge­ stellten Merkmale einer Moderation vorliegen. Damit lässt sich das Verfahren vor dem Güterichter als Moderation im Sinne dieser Untersuchung einstufen. Die Tätigkeit des Güterichters lässt sich noch genauer beschreiben. Neben den genannten Charakteristika, die für den Mediator ebenso gelten, ist zusätzlich her­ vorzuheben, dass dem Güterichter zwar kein Verfahren zur Konfliktmittlung vorge­ geben ist, er jedoch – auch insoweit weitergehend als die Moderation – jedenfalls bewusst ein Verfahren wählt. Das ergibt sich schon aus dem Gesetzeswortlaut des §  278 Abs.  5 Satz 2 ZPO, demzufolge der Güterichter alle Methoden zur Konfliktbei­ legung einsetzen kann. Damit kommt aber auch zum Ausdruck, dass vom Güterich­ ter erwartet wird, dass er überhaupt eine Methode einsetzt in dem Sinne, dass er strukturiert auf die eigenverantwortliche Konfliktbeilegung der Parteien hin­ wirkt. 693 Seine Handlung muss im Sinne der Rechtsprechung „vertretbar“ sein, d. h., sie ist nur dann nicht vertretbar, wenn bei voller Würdigung auch der Belange eines funktionsfähigen güterichterlichen Verfahrens das güterichterliche Verhalten nicht mehr verständlich ist. Eine weitere Grenze der Maßnahmen des Güterichters ist die Neutralität – wie beim Mediator. Der moderierte Vertrag im Sinne dieser Untersuchung besteht dann in der Rege­ lung, die die Parteien im Falle eines (teilweise) erfolgreichen güterichterlichen Ver­ fahrens treffen, evtl. auch um den zwischen ihnen anhängigen Rechtsstreit zu been­ den. Den Güterichter treffen im Hinblick auf diesen Vertrag einerseits Pflichten, andererseits liegt es auch in seinem Interesse, dass ein solcher Vertrag geschlossen wird. Es bestehen zur Rechtsfigur des Güterichters einige dogmatische (Detail-)Fragen, die in der Praxis beherrschbar, aber ungelöst sind.694 Dies gilt besonders im Hinblick auf die Verhaltensanforderungen, die an den Güterichter gestellt werden, und seine Haftung im Falle einer Schlechtleistung.

692 

Dafür spricht auch die Aussage Fritz, der im Hinblick auf die Wahl der Vorgehensweise u. a. ausführt, dass der Güterichter eine Mediation wähle, wenn dies angezeigt sei, aber eine Moderation wählen könne, wenn diese ausreichend sei, Fritz, ZKM 2015, 10, 12. 693  Foerste, in: Musielak/Voit, ZPO, §  278 Rn.  15a. 694  So auch die Einschätzung von Thole, ZZP 127 (2014), 339, 359.

III. Prozessrichter

97

III. Prozessrichter Auch der Prozessrichter, dessen Rolle eigentlich für die konservative Streitschlich­ tung durch Urteil steht, kann als Vermittler eines moderierten Vertrags in Betracht kommen.

1. Einsetzung des Prozessrichters Die erste Berührung mit dem Konflikt folgt aus der Einreichung der Klageschrift695 durch eine der Parteien. Mit ebenjener Klageschrift wird der Zivilprozess gestartet, den Ihering in seiner gleichnamigen Schrift als „Kampf ums Recht“ bezeichnet hat und als Quintessenz seines Beitrags festhielt: „Das Preisgeben eines verletzten Rechts ist ein Akt der Feigheit, der der Person zur Unehre und dem Gemeinwesen zum größten Schaden gereicht; der Kampf ums Recht ist ein Akt der ethischen Selbsterhaltung, eine Pflicht gegen sich selbst und die Gemeinschaft.“696

Die Vorstellung, wonach der Zivilprozess einen legalen und geregelten Kampf der Parteien um ein streitiges Privatrecht darstellt, den man nicht vermeiden, sondern ausfechten soll,697 prägte die wenige Jahre später verabschiedete CPO nachhaltig und lag ihr von Beginn an als Leitidee zugrunde.698 Bei einem solchen Prozesskrieg kommt dem Richter lediglich die Rolle einer formellen Aufsicht zu. 699 Diese Funktionsbeschreibung trifft auf das Richterbild, das die aktuelle ZPO zeichnet, nicht mehr zu. Die Geschichte der Änderungen der ZPO ist eine Geschich­ te von Bemühungen um einen einfacheren, reibungsloseren und damit auch kostenund personalschonenderen Prozessablauf.700 In diesem Zusammenhang taucht die Möglichkeit der richterlichen Schlichtung im Rahmen einer Güteverhandlung schon früh in der Rechtsgeschichte auf. Deswegen ist die aktuelle Rollenbeschreibung, die die ZPO im Hinblick auf den entscheidungsbefugten Richter vornimmt, eine andere. Schon in Bezug auf das Ur­ teilsverfahren ist an die Stelle des Prozesskrieges ein im Idealfall von praktischer Vernunft, Chancengleichheit und Fairness getragenes Verfahren getreten.701 Für die­ se Untersuchung ist der Wandel in der Aufgabenbeschreibung, die dem Richter be­ sonders zu Beginn des Verfahrens zufällt, von Bedeutung. Der Auftrag, die Parteien bei einer gütlichen Prozessbeendigung zu unterstützen, wurde in der ZPO im Laufe der Zeit702 zunehmend deutlicher ausgeformt, bis er durch die Einführung der obli­ 695 

696 

71.

697 

Die anderen Möglichkeiten, etwa infolge des Mahnverfahrens, werden hier ausgeblendet. Ihering, Der Kampf ums Recht, 1872, S.  14; wiedergegeben auch bei Althammer, JZ 2006, 69,

Katzenmeier, ZZP 115 (2002), 51, 64. Katzenmeier, ZZP 115 (2002), 51, 82; Althammer, JZ 2006, 69, 71. 699  Katzenmeier, ZZP 115 (2002), 51, 82. 700  Katzenmeier, ZZP 115 (2002); 51, 55. 701  Katzenmeier, ZZP 115 (2002), 51, 82. 702  Zur historischen Verwurzelung des Gütegedankens in der deutschen Richtertradition Greger, in: GS Unberath, S.  111, 112. 698 

98

B. Der moderierte Vertrag des zivilrechtlichen Konflikts

gatorischen Güteverhandlung in §  278 Abs.  2 ZPO und schließlich des Güterichter­ verfahrens in §  278 Abs.  5 ZPO seine institutionelle Verankerung erfuhr.703 Die Re­ gelung des §  278a ZPO erlaubt es zudem, das Verfahren ruhen zu lassen, wenn die Parteien sich für eine Mediation oder ein anderes Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung entscheiden. Durch diese Regelungen, so wird zum Teil vertreten, werde der Richter zum Case-Manager, der die Parteien bei der Suche nach dem besten Verfahren beraten müs­ se.704 Noch weitergehend wird formuliert, dass es aufgrund der genannten Vor­ schriften nunmehr die Prozessmaxime der angemessenen Streitbehandlung gebe, die vom Prozessrichter eine Diagnose im Hinblick auf das für die Lösung des Konflikts beste Verfahren verlangt.705 Die gütliche Einigung mit ihrer Befriedungsfunktion ist zwar als Verfahrenszweck anzuerkennen, sie beherrscht das Verfahren aber nicht allein.706 Unabhängig davon, welche Bezeichnung bzw. rechtliche Einordnung man im Hinblick auf die aktuelle Rolle des Prozessrichters wählt, lässt sich festzuhalten, dass der Zivilrichter, der mit der Sache befasst ist, neben der Entscheidung durch Urteil im Hinblick auf die alternative Konfliktlösung drei Möglichkeiten hat:707 Er kann den Parteien eine Mediation oder ein anderes Verfahren der außergerichtlichen Kon­ fliktlösung vorschlagen oder die Parteien an einen Güterichter verweisen. Er kann aber auch das Verfahren selbst durchführen und – vgl. §  278 Abs.  1 ZPO – auf eine gütliche Beilegung des Rechtsstreits hinwirken.708 Für die Einsetzung des Prozessrichters als Moderator bedeutet dies, dass er sich – im Unterschied zum Mediator und Güterichter – gewissermaßen selbst einsetzt. Dies wird deutlich, wenn man sich die Situation der Parteien zu Beginn der in Rede stehenden Verfahren der alternativen Streitschlichtung näher vor Augen führt. Dem­ entsprechend lässt sich709 zwischen fakultativen, semi-obligatorischen und obligato­ rischen Verfahren unterscheiden. Die bisher vorgestellten Verfahren der Mediation und des güterichterlichen Verfahrens sind für die Parteien fakultativ, d. h., sie können auf Anregung des Prozessrichters, aber nur mit Zustimmung der Parteien begonnen werden. Was für die Moderation des Mediators, unabhängig ob während oder ganz losgelöst von einem Prozess, und für den Güterichter gilt, lässt sich auf den Prozess­ richter nicht übertragen. Dessen Vermittlungstätigkeit wird zu Recht als semi-obli­ gatorisches Verfahren bezeichnet, weil von der Güteverhandlung abgesehen werden 703 

Greger, MDR 2014, 993. Steiner, in: Eidenmüller/Wagner, Handbuch Mediation, Kap.  8 Rn.  53; im englischen Recht gibt es das sogenannten active case management durch den Richter, das zu einem kooperativen Verfahrensablauf beitragen soll, vgl. hierzu die Darstellung bei Althammer, JZ 2006, 69. 705  Fritz, ZKM 2015, 10, 12; etwas kritischer Wolf, ZZP 1976, 260, 283; der die gütliche Einigung mit ihrer Befriedungsfunktion zwar als Verfahrenszweck anerkennt, aber auch festhält, dass sie das Verfahren nicht allein beherrsche. 706  Wolf, ZZP 89 (1976), 260, 283. 707 Vgl. Henssler/Deckenbrock, DB 2012, 159, 162. 708 Laut Natter/Wesche, DRiZ 2018, 388, 389 hätten nicht wenige Richter auf die Neufassung des §  278 Abs.  5 ZPO mit dem Kommentar reagiert, Vergleichsverhandlungen könne man auch selbst durchführen. 709 Nach Fritz/Krabbe, NVwZ 2013, 29. 704 

III. Prozessrichter

99

kann, wenn gemäß §  278 Abs.  2 Satz 1 Hs.  1 ZPO bereits ein Einigungsversuch vor einer außergerichtlichen Gütestelle stattgefunden hat oder die Güteverhandlung be­ reits erkennbar aussichtslos erscheint.710 Für die Einsetzung des Prozessrichters als Moderator bedeutet dies, dass dieser sich dann selbst einsetzen kann, weil das Gesetz den Parteien nicht freistellt, die Moderationstätigkeit des Güterichters in Anspruch zu nehmen, wenn nicht einer der Ausnahmetatbestände greift. Die klagende Partei, die sich an das Gericht in der Erwartung eines Urteils gewandt hat, kann somit dem Mediator und dem Güterichter als Moderator entgehen, nicht aber dem Richter. Noch deutlicher wird dies, wenn man sich von der ordentlichen Gerichtsbarkeit dem arbeitsgerichtlichen Verfahren zuwendet. Dort ist die Güteverhandlung sogar obli­ gatorisch,711 d. h., §  54 ArbGG sieht nicht die Möglichkeiten des §  278 Abs.  2 ZPO vor, ausnahmsweise von einer Güteverhandlung abzusehen.712 Aus der Sicht des Richters ist damit für die eigene Vorgehensweise ebenfalls eine erste Richtschnur verbunden. Die Verweisung an den Güterichter sowie das Ru­ hendstellen des Verfahrens wegen des Versuchs einer außergerichtlichen Konfliktlö­ sung gelingt nur mit dem Einverständnis der Parteien. Dem Richter bleibt hier bloß, den Parteien diese Verfahren vorzuschlagen. Lehnen die Parteien eine alternative Konfliktlösung von vornherein ab, muss der Richter regelmäßig selbst einen Güte­ versuch unternehmen. Die Frage, wie sehr der Richter im Rahmen der von ihm geleiteten Güteverhand­ lung auf die Parteien zwecks Vergleichsschlusses einwirken kann bzw. soll, ist Teil seiner Tätigkeit als Moderator im Sinne dieser Untersuchung. Davon zu trennen ist die Frage, wie intensiv der Richter im Rahmen seines Verfahrensmanagements auf ein Verfahren der alternativen Streitschlichtung hinweisen kann. Schon jetzt lässt sich festhalten, dass sich keine klaren und allgemeingültigen Ver­ haltensvorgaben an den Richter formulieren lassen, sondern eine Einschätzung des Einzelfalls durch den Richter vonnöten ist. Dabei liegt die Vermutung nicht fern, dass die Einschätzung des Richters, ob ein Konflikt für die alternative Konfliktlö­ sung durch außergerichtlichen Mediator oder Güterichter geeignet ist, auch von des­ sen persönlicher Einstellung zur alternativen Konfliktlösung abhängt. Es finden sich auch in der wissenschaftlichen Literatur Stimmen, die entweder betonen, dass es dem Prozessrichter vor dem Hintergrund der aktuellen Fassung der ZPO in erster Linie obliege, die Parteien zu einer einvernehmlichen Lösung ihrer Streitigkeit zu bewegen,713 oder solche, die hervorheben, dass sich im Urteil die Leitbildfunktion des Privatrechts verwirkliche und jede Gesellschaftstheorie, die den Kompromiss der autorativen Normverwirklichung grundsätzlich vorziehe, bereits im Ansatz ver­ fehlt erscheine.714 Wenn auch keine genaue Verhaltensvorgabe formuliert werden kann, so erscheint es vor diesem Hintergrund notwendig, eine Grenzziehung in zwei 710 

Fritz/Krabbe, NVwZ 2013, 29. Fritz/Krabbe, NVwZ 2013, 29, 30. 712 Zu den tatsächlichen Unterschieden in den Inhalten der Güteverhandlungen vgl. Greger, MDR 2014, 993, 997. 713  So etwa Greger, MDR 2014, 993. 714  Katzenmeier, ZZP, 115 (2002), 51, 92. 711 

100

B. Der moderierte Vertrag des zivilrechtlichen Konflikts

Richtungen vorzunehmen. Einerseits muss deutlich werden, dass die ZPO vom Richter die Förderung der alternativen Konfliktlösung durchaus verlangt, anderer­ seits darf niemand durch den Prozessrichter in die anderen Verfahren gezwungen werden. Eine Grenze des richterlichen Bemühens stellt die Freiwilligkeit der Partei­ en im Hinblick auf die Durchführung der Mediation bzw. des güterichterlichen Ver­ fahrens dar. Da diese auch für den Abschluss des moderierten Vertrags berücksich­ tigt werden muss, lassen sich die diesbezüglichen Grenzen dann auch auf die hier in Rede stehende Tätigkeit des Güterichters übertragen. Wegen der Notwendigkeit der Grenzziehung in zwei Richtungen lässt sich an die­ ser Stelle auf die zwei Prinzipien zurückgreifen, die das Verhältnis von Gerichtsver­ fahren zu alternativer Konfliktlösung beherrschen715 und die jeweils – ganz im Sinne einer zweiseitigen Grenzbeschreibung – für bzw. gegen eine Entscheidung durch Urteil sprechen. Gegen eine richterliche Entscheidung und für eine Empfehlung der alternativen Konfliktlösung durch die Parteien spricht das auch im Hinblick auf die staatliche Konfliktregelung geltende Ultima-Ratio-Prinzip.716 Die Anrufung der staatlichen Gerichte zur Urteilsfällung soll nur dann in Anspruch genommen werden, wenn eine einverständliche Lösung zwischen den Beteiligten nicht möglich ist. Dieses letztlich aus dem Subsidiaritätsprinzip abzuleitende Gebot findet in der modernen Gesetzgebung und der höchstrichterlichen Rechtsprechung zunehmend Beach­ tung,717 wie nicht zuletzt aus der eingangs dieser Untersuchung zitierten Rechtspre­ chung des BVerfG deutlich wird, nach der es grundsätzlich gegenüber einer richter­ lichen Streitentscheidung vorzugswürdig ist, eine streitige Problemlage durch ein­ vernehmliche Lösung zu bewältigen.718 Das Ultima-Ratio-Prinzip findet in den Vorschriften der ZPO seinen Ausdruck z. B. in §  93 ZPO, der entgegen den Grund­ sätzen des Kostenrechts den Prozessgewinner die Kosten des Rechtsstreits tragen lässt, wenn der Beklagte den klageweise geltend gemachten Anspruch sofort aner­ kennt und durch sein Verhalten keinen Anlass zur Klageerhebung gegeben hat.719 Der Anspruchsinhaber soll also angehalten werden, sich zunächst an den Anspruchs­ gegner zu wenden; die Vorschrift dient – wie das Ultima-Ratio-Prinzip an sich – dazu, Prozesse zu vermeiden und die Gerichte zu entlasten.720 Wird der Rechtsstreit durch eine gütliche Einigung erledigt, erhofft man sich neben der aktuellen Kosten­ ersparnis auch eine prozessverhütende Wirkung für die Zukunft, was mit einer noch erheblicheren Entlastungsfunktion für die Gerichte verbunden wäre.721

715 Vgl.

Stürner, JR 1979, 133, 135. Bruns, Zivilprozessrecht, §  1 Rn.  1 ff. 717  Stürner, JR 1979, 133, 135. 718  BVerfG v. 14.12.2007 – 1 BvR 1351/01, BeckRS 2007, 21755; zitiert u. a. von Unberath, in: Fi­ scher/Unberath, Das neue Mediationsgesetz, S.  1, 10; und Eckstein, JuS 2014, 698; vgl. auch schon Strecker, DRiZ 1983, 97, 102: „Der Rechtsstreit ist nur eine von vielen Möglichkeiten, Konflikte auszutragen, und nur selten die beste”. 719  Zu den genannten Voraussetzungen vgl. nur MünchKommZPO/Schulz, §  93 Rn.  6 ff. 720 MünchKommZPO/Schulz, §  93 Rn.  1; Flockenhaus, in: Musielak/Voit, ZPO, §  93 Rn.  1. 721 MünchKommZPO/Prütting, §  278 Rn.  2. 716 Vgl.

III. Prozessrichter

101

Das Ultima-Ratio-Prinzip und das damit verbundene Verlangen gegenüber dem Anspruchsinhaber hat im Rechtsstaat aber wiederum Grenzen. Die Funktion, die in früheren Zeiten der Selbsthilfe zukam, übernimmt im modernen Staat der Zivilpro­ zess.722 Der Anspruchsinhaber soll damit gerade nicht angehalten werden, seinen An­ spruch selbst durchzusetzen; ihm steht stattdessen der Zivilprozess zur Verfügung. Dementsprechend reicht es zur Verhinderung der Kostenfolge von §  93 ZPO auch aus, wenn der Kläger den Anspruch vorprozessual gegenüber dem späteren Beklag­ ten geltend macht und dieser nicht oder ablehnend reagiert.723 Weitergehende Maßnahmen muss und darf der Kläger nicht ergreifen, vielmehr garantiert ihm der Rechtsstaat das Mittel zur Durchsetzung seiner Forderung. Der Justizgewährleistungsanspruch, der genau diese Garantie beschreibt,724 stellt dann auch das für diese Untersuchung hervorzuhebende Prinzip dar, das die dem UltimaRa­tio-Prinzip gegenüberliegende Grenze beschreibt. Der Prozessrichter ist als staatliches Organ der Rechtspflege gemäß Art.  92 GG mit rechtsprechender Gewalt betraut und gemäß Art.  20 Abs.  3 GG an Gesetz und Recht gebunden. Dieser Verfassungsauftrag und die Gesetzesbindung setzen der schlichtenden Funktion notwendigerweise Grenzen,725 da der Richter sich nicht durch allzu intensives Werben für ein Verfahren der alternativen Streitschlichtung seiner eigentlichen Aufgabe entziehen darf, deren Wahrnehmung den Parteien aus Art.  2 Abs.  1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip garantiert wird.726 Dieser Justizgewährleistungsanspruch727 beinhaltet und garantiert auch den Zugang zu Gerichten, wenngleich Einschränkungen zulässig sind, etwa durch die Festset­ zung von Gebühren für die Inanspruchnahme des Gerichts.728 Unzumutbaren Er­ schwerungen des Zugangs zu den Gerichten steht der Justizgewährleistungsan­ spruch jedoch entgegen.729 Für den Richter gilt somit einerseits, dass er gehalten ist, den Parteien die Möglich­ keit der gütlichen Streitbeilegung anzutragen, da diese auch in einem Rechtsstaat, wie das BVerfG explizit festhält, einer Entscheidung durch Urteil vorzuziehen ist.730 Insofern gilt, dass der Rechtsstreit nur eine von vielen Möglichkeiten ist, Konflikte auszutragen, und nur selten die Beste.731 Andererseits verbietet es der Justizgewähr­ leistungsanspruch, den Parteien den Zugang zu einer richterlichen Streitentschei­ 722  Bruns, Zivilprozessrecht, §  1 Rn.  1; abgesehen vom geringfügigen Rest in §§  2 27 ff., 562b, 859, 904, 962 BGB. 723  Vgl. BeckOK-ZPO/Jaspersen, §  93 Rn.  2. 724 HK-ZPO/Saenger, Einführung Rn.  9; Vollkommer, in: Zöller, ZPO, Einl. Rn.  30 ff. 725  So schon Stürner, JR 1979, 133, 135. 726  BVerfG v. 30.04.2003 – 1 PBvU 1/02, BVerfGE 107, 395, 406 f.; für öffentlich-rechtliche Strei­ tigkeiten hat der Justizgewährleistungsanspruch seine Grundlage in §  19 Abs.  4 GG. 727  Zu dessen weiteren Dimensionen vgl. etwa Voßkuhle/Kaiser, JuS 2014, 312 ff. 728  BVerfG v. 12.02.1992 – 1 BvL 1/89, BVerfGE 85, 337. 729  BVerfG v. 11.06.1980 – 1 PBvU 1/79, BVerfGE 54, 277, 292 f.; BVerfG v. 14.05.1985 – 1 BvR 370/84, BverfGE 69, 381 ff., 385; BVerfG v. 12.02.1992 – 1 BvL 1/89, BVerfGE 85, 337, 345 ff.; BVerfG v. 02.03.1993 – 1 BvR 249/92, BVerfGE 88, 118, 124 f. 730  BVerfG v. 14.12.2007 – 1 BvR 1351/01, BeckRS 2007, 21755. 731  So schon Strecker, DRiZ 1983, 97, 102.

102

B. Der moderierte Vertrag des zivilrechtlichen Konflikts

dung unzumutbar zu machen. Damit stellt die Unzumutbarkeit hier eine weitere Grenze der Tätigkeit des Prozessrichters dar, wenn es darum geht, ein Verfahren der alternativen Streitschlichtung zu bewerben. Neben den aus den genannten Prinzipien zu folgernden „harten“ Grenzen werden auch eine Reihe weicher Kriterien genannt, die den Prozessrichter bei der Suche nach dem besten Verfahren zur Konfliktlösung unterstützen sollen. Die Beständigkeit der Streitentscheidung ist an dieser Stelle als Kriterium zu nennen und kann sowohl für das eine oder andere Verfahren sprechen, denn das Gerichtsverfahren erfüllt seine Aufgabe nur sinnvoll, wenn die Streitbeilegung beständig ist.732 Dies kann dann für eine vergleichsweise Regelung sprechen, wenn aufgrund deren Flexibilität und der Möglichkeit, nicht rechtshängige Streitpunkte und dritte Personen in eine Ver­ gleichsregelung mit einzubeziehen,733 eine größere Beständigkeit zu erwarten ist. Das kann auch deshalb gelten, weil im Verhandlungswege auch die Versöhnung der Parteien eher erreicht werden kann,734 was in der Folge eine höhere Beständigkeit erwarten ließe. Dies kann aber auch für einen Urteilsspruch gelten, der zwar nur Informationen berücksichtigt, die im Entscheidungsprogramm vorgesehen sind,735 jedoch als richterliches Machtwort einen Konflikt längerfristig beenden kann, wenn es etwa um die Klärung einer zwischen den Parteien streitigen Rechtsfrage geht.736

2. Die Moderation des Prozessrichters Schon deutlich geworden ist, dass richterliches Handeln durch die Urteilstätigkeit nur unzureichend erfasst wird.737 Offen ist aber bisher, wie genau die Tätigkeit des Prozessrichters im Rahmen der von ihm geleiteten Güteverhandlung aussieht bzw. an welchen Vorgaben er sich orientieren kann. Allgemeine Hinweise wurden früh formuliert,738 denen zufolge das Friedenstiften eine Kunst darstelle,739 die noch schwieriger sei als die diejenige, das Recht zu finden. Alles hänge von der Persönlichkeit des Richters ab. Nur ein Richter, der ein gütiges und friedfertiges Herzen habe, könne das notwendige Vergleichsklima schaffen.740 Der erfolgreich vermittelnde Prozessrichter würde sich neben der Aktenkenntnis vor allem durch Gelassenheit, Offenheit, Ehrlichkeit741 sowie Höflichkeit und Ver­ bindlichkeit742 auszeichnen. Neben der Hervorhebung der richterlichen Tugenden wird andererseits festgehalten, dass das Gericht nicht die Möglichkeiten der in­ 732 

Wolf, ZZP 89 (1976), 260, 290. Thole, in: Stein/Jonas, ZPO, §  278 Rn.  12; Assmann, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, §  278 Rn.  3; MünchKommZPO/Prütting, §  278 Rn.  2. 734  Hager, Konflikt und Konsens, S.  45, 136. 735  Freund, DRiZ 1979, 72, 74. 736 So etwa Unberath, in: Greger/Unberath/Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, MedG Einl. Rn.  111. 737  So auch schon Freund, DRiZ 1979, 72. 738 Von Weber, DRiZ 1957, 236. 739  Von der Vergleichsverhandlung als Kunst spricht auch Fischer, FA 2012, 354, 356. 740  Weber, DRiZ 1957, 236. 741  Schneider, JuS 1976, 145. 742  Struck, JuS 1975, 762, 767. 733 

III. Prozessrichter

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nerpsychischen Konfliktlösung wie ein Psychotherapeut bei einer eingehenden Psy­ choanalyse besitze und kein Sozialarzt sei.743 Der Richter müsse nicht in jeder Situa­ tion eine „Lammsgeduld“ aufbringen.744 Weder diese negative Abgrenzung noch die Beschreibung von Tugenden hilft wei­ ter, wenn es darum geht, die Tätigkeit des Prozessrichters näher zu bestimmen. Dies lässt sich daraus folgern, dass im Kern das, was etwa Höflichkeit und Verbindlichkeit beinhaltet, nicht mit Blick auf den Prozessrichter näher beschrieben wurde. Fast noch pauschaler ist die Feststellung, es bedürfe zum Vergleichsschluss regelmäßig einer aktiven Vermittlerrolle und eines sachgerechten Verhandlungsstils des Ge­ richts.745 Zumindest Weber geht an dieser Stelle einen Schritt weiter, indem er versucht, den Verhandlungsstil des Gerichts näher zu beschreiben, und hierbei zunächst zwischen dem autoritären, dem Laisser-faire und dem freiheitlich-demokratischen Stil unter­ scheidet.746 Typisch für den autoritären Führungsstil seien strikte Anordnungen, die der Erreichung eines selbstgesetzten Ziels dienten.747 Vergleichsverhandlungen bei diesem Stil würden häufig eingeleitet durch den Vergleichsvorschlag des Gerichts.748 Als Laisser-faire-Stil sei eine Führungshaltung zu verstehen, die weitestgehend pas­ siv nachgiebig alles geschehen lasse, was die Parteien initiieren. Eine Konfliktlösung sei vor Gericht auf diesem Wege nicht zu erreichen.749 Der freiheitlich-demokrati­ sche Stil stünde zwischen diesen beiden Stilen und ziele darauf ab, die Gruppenmit­ glieder zur aktiven Mitarbeit bei den entstehenden Problemen zu bewegen. Die güt­ liche Beilegung soll durch Eigeninitiative der Parteien erreicht werden. Dies sei da­ her besonders wichtig, weil diese Eigeninitiave die beste Voraussetzung dafür sei, dass die Parteien im Rahmen der Vergleichsverhandlungen die Konfliktursachen bearbeiten können.750 Dazu sei es notwendig, dass die Parteien weder von der Ge­ genseite noch vom Richter unterbrochen werden.751 Jedoch gebe der Richter kraft seiner Sachkompetenz Hilfestellung dadurch, dass er die Parteien aufgrund der An­ hörung über die von ihm beabsichtigte Entscheidung klar und deutlich informiert.752 In die gleiche Richtung zielt auch der Hinweis, der Richter könne z. B. durch aus­ führliche Gegenüberstellung der Vorteile des Prozessvergleichs und der Nachteile der weiteren Prozessführung die Parteien zu überzeugen versuchen.753 Wenn darü­ ber hinaus darauf hingewiesen wird, dass es auch im Rahmen der Güteverhandlung möglich sei, Interessengegensätze sozial verträglich auszugleichen,754 drängt sich die 743 

Gottwald, ZZP 95 (1982), 245, 257. Taubner, Der befangene Zivilrichter, S.  114. 745  Gottwald, ZZP 95 (1982), 245, 256. 746  Weber, DRiZ 1978, 166. 747  Weber, DRiZ 1978, 166. 748  Weber, DRiZ 1978, 166, 167. 749  Weber, DRiZ 1978, 166, 167. 750  Freund, DRiZ 1979, 166, 167. 751  Freund, DRiZ 1979, 166, 168. 752 Hierdurch übe der Richter beratende Justizgewährung im Gegensatz zur entscheidenden Justizgewährung aus, Freund, DRiZ 1979, 166, 167. 753  Wolf, ZZP 89 (1976), 260, 262. 754  Fischer, FA 2012, 354, 356. 744 

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Frage auf, ob – auch in der Verhandlung vor dem Prozessrichter – im Wege der Me­ diation vorgegangen wird bzw. werden kann. Denn gerade die Betonung der Eigen­ verantwortlichkeit sowie der Akzent auf den Interessen der Parteien konnten als zentrale Aspekte der Konfliktmittlung im Wege der Mediation herausgearbeitet werden. Findet auch in der Güteverhandlung das Konzept der Mediation Anwendung, das auch darin besteht, den engen Rahmen des juristischen Anspruchdenkens zu verlas­ sen und so die Zahl der Lösungsoptionen zu vergrößern?755 Obwohl keine genaue Tätigkeitsbeschreibung des Prozessrichters vorliegt, wird jedenfalls zur Frage, ob die Tätigkeit des Prozessrichters als Mediation einzustufen ist, Stellung bezogen. Und zwar dahingehend, dass die Güteverhandlung im Sinne des §  278 Abs.  2, 3 ZPO mit den Modellen der alternativen Streitbeilegung nichts gemein und die „echte“ Mediation vor dem Güterichter ihren Platz habe.756 Unab­ hängig davon, auf welche Art und Weise der Richter moderiere, liege in dem Anstre­ ben eines Vergleichs innerhalb eines Gerichtsprozesses aber keine Mediation.757 Auch in der Praxis sei eine Trennung zwischen Güteverhandlung und mündlicher Verhandlung oft nicht wahrnehmbar. Auch die in der Güteverhandlung stattfinden­ den Vergleichsgespräche liefen vielfach nicht anders ab als in der mündlichen Ver­ handlung, d. h. bauten also regelmäßig auf den vom Richter geäußerten Einschätzun­ gen der Sach- und Rechtslage sowie den daraus folgenden Prozessaussichten auf und führten bestenfalls zu Kompromisslösungen im Wege gegenseitigen Nachgebens. Eine vertiefte Konfliktbearbeitung, ein wertschöpfendes Entwickeln prozessunab­ hängiger Lösungsoptionen, fände selten statt.758 In rechtlicher Hinsicht wird beim Vergleich des gesamten Gerichtsverfahrens mit der Mediation hervorgehoben, dass beide zwar die Verfahrensqualität verbinde, aber die autorative Entscheidung des Rechtsstreits eine Fremdbestimmung der Parteien darstelle, während durch die schlichte Unterstützung der Parteien bei der Erzielung eines Ergebnisses durch den Mediator gerade deren Selbstbestimmung an Bedeutung gewinne.759 Was für den Vergleich des Gerichtsverfahrens mit dem Mediationsver­ fahren Geltung beanspruchen kann, muss damit aber für die Güteverhandlung als Teil des Gerichtsverfahrens nicht automatisch gelten. Im Rahmen der Betrachtung der die Güteverhandlung regelnden Normen gilt es damit herauszufinden, ob diese die darin vorgesehene Tätigkeit des Prozessrichters näher regeln oder ihr zumindest Grenzen setzen bzw., ob sich eine Antwort auf die Frage entnehmen lässt, ob auch dem Prozessrichter im Wege der Güteverhandlung eine Vorgehensweise im Wege der Mediation möglich ist. Gibt es gesetzliche Vorgaben an das Verhalten des Prozess­ richters im Rahmen der Vergleichsverhandlungen oder fehlen diese,760 anders als im

755 So

Katzenmeier, ZZP 115 (2002), 51, 70. Windel, in: FS Gerhardt, S.  1093, 1096. 757  Horstmeier, Das neue Mediationsgesetz, Rn.  421 m. w. N. 758  Greger, MDR 2014, 993, 997. 759  Handbuch Mediation/Hess, §  43 Rn.  2 2 f. 760  So MünchKommZPO/Prütting, §  278 Rn.  1. 756 

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Hinblick auf das streitige Verfahren, nahezu ganz,761 weil sich Regeln für die kom­ plexe Verhandlungssituation nicht aufstellen lassen?762 a) Die Aussagen der ZPO Für die Analyse der gesetzlichen Vorgaben werden die Normen, welche die Gütever­ handlung vor den ordentlichen Zivilgerichten regeln, näher betrachtet. Wissend, dass es auch in den Fachgerichtsbarkeiten Güteverhandlungen und Regelungen hier­ zu gibt, die nicht bloß eine Verweisung auf die Vorschriften der ZPO beinhalten. Prominentestes Beispiel ist §  54 ArbGG, der die obligatorische Güteverhandlung763 vor den Arbeitsgerichten regelt, die dort764 Teil der mündlichen Verhandlung ist, wie sich bereits aus dem Wortlaut der Norm im Vergleich zu §  278 Abs.  2 Hs.  2 ZPO er­ gibt.765 Zur seit jeher im arbeitsgerichtlichen Verfahren verankerten Güteverhandlung hat Kahn-Freund früh formuliert, dass diese zu juristischen Überlegungen im herge­ brachten Sinn wenig Veranlassung gebe.766 Unter Rückgriff auf die Ansicht des Ge­ setzgebers hielt er zunächst fest, dass das Güteverfahren eine doppelte Funktion habe, nämlich die Funktion der Stoffsammlung und die Funktion der Prozesspro­ phylaxe.767 Die Funktion der Stoffsammlung sei vor dem Hintergrund der Prozessbeschleu­ nigung geboten, die ihrerseits notwendig sei, weil der Arbeitnehmer ansonsten zu lange einkommenslos dastehe. In dem Gütetermin, der dem streitigen Verfahren vo­ rausgehe, könnten der geplante Streitstoff durch das Gericht zusammengefasst wer­ den, alle notwendigen Parteibehauptungen bereits erfolgen und ebenso alle notwen­ dig werdenden Beweise durch die Partei angetragen werden.768 Die Belastung, der der Arbeitnehmer ausgesetzt ist, besteht heute nicht mehr in dem Umfang wie An­ fang der 1930er Jahre; die Vorbereitung der streitigen Verhandlung wird als weiterer Zweck des Güteverfahrens jedoch nach wie vor genannt.769 Zentraler ist heute die damals von Kahn-Freund als Prozessprophylaxe bezeichne­ te Funktion, in deren Zusammenhang Kahn-Freund für den Arbeitsgerichtsprozess formuliert hat, dass es vorbei sei mit der Überschätzung des subjektiven Rechts, mit dem „Kampf ums Recht“ als der hauptsächlichen Funktion des Zivilprozesses. Als Funktionär des sozialen Wohlfahrtstaates sei es nunmehr die vornehme Aufgabe des 761 So

Wolf, ZZP 89 (1976), 260. Struck, JuS 1975, 762, 767. 763 HK-ArbGG/Hohmann, §  5 4 Rn.  1. 764  Die Güteverhandlung vor den ordentlichen Zivilgerichten ist nicht Teil der mündlichen Ver­ handlung, BeckOK-ZPO/Bacher, §  278 Rn.  2; HK-ZPO/Saenger, §  278 Rn.  12. 765  §  5 4 Abs.  1 Satz 1 ArbGG lautet: „Die mündliche Verhandlung beginnt mit einer Verhand­ lung vor dem Vorsitzenden zum Zwecke der gütlichen Einigung der Parteien (Güteverhandlung).“ Demgegenüber lautet §  278 Abs.  2 HS 1 ZPO: „Der mündlichen Verhandlung geht zum Zwecke der gütlichen Beilegung des Rechtsstreits eine Güteverhandlung voraus (…).“ 766  Kahn-Freund, JW 1930, 388. 767  Kahn-Freund, JW 1930, 388. 768  Kahn-Freund, JW 1930, 388, 389. 769  Etwa von BeckOK-ArbR/Hamacher, ArbGG, §  5 4 Rn.  2b. 762 So

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B. Der moderierte Vertrag des zivilrechtlichen Konflikts

Zivilrichters, Schäden, die durch Streitfälle entstehen können, zu beseitigen, anstatt subjektive Rechte durchzusetzen.770 Der Prozess habe nicht mehr eine reine Ent­ scheidungsfunktion, sondern eine Wohlfahrtsfunktion, bei der das Gericht nicht still sitzend den Vortrag der Parteien entgegenzunehmen und sich die Beweise dar­ bringen zu lassen habe, sondern bei der es alternativ einzugreifen habe, um die Par­ teien vor Schande zu bewahren und etwa eingetretenen Schaden zu beseitigen. Manchmal könne das beste Mittel hierzu das Urteil sein; häufig seien andere Mittel besser.771 Parallelen zu der schon angesprochenen Entwicklung der ZPO sind zu erkennen, weshalb auf die Erkenntnisse des arbeitsgerichtlichen Güteverfahrens an den jewei­ ligen Stellen zurückgegriffen werden soll. Weder die VwGO, die FGO noch das SGG kennen den Begriff der Güteverhandlung. Gemäß §  173 VwGO, §  202 SGG, §  155 FGO gelten die Vorschriften der ZPO unter expliziter Nennung des güterich­ terlichen Verfahrens (§  278 Abs.  5 ZPO) sowie der Möglichkeit der außergerichtli­ chen Konfliktschlichtung (§  278a ZPO) entsprechend, soweit die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten eine Anwendung nicht ausschließen. In den Verfahren nach dem FamFG gelten die Vorschriften der ZPO über die Gütever­ handlung, mit Ausnahme der Verfahren in Ehesachen, vgl. §  113 Abs.  4 Nr.  4 FamFG. Das SGB IX verpflichtet das Integrationsamt im Rahmen des Zustimmungsverfah­ rens betreffend die Kündigung des Arbeitsvertrags eines schwerbehinderten Men­ schen dazu, in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Einigung hinzuwirken. Die Regelung greift den Gedanken des §  278 Abs.  1 ZPO auf,772 enthält dann jedoch, anders als die zivilprozessuale Vorschrift, keine Vorgaben zu einer Güteverhandlung oder sonstigen Gestaltung der Vermittlung. Für die weitere Untersuchung ist zunächst die banale Feststellung zentral, dass sich das, was eine Güteverhandlung ist, aus den Normen ergibt, die sie jeweils re­ geln.773 Auch die Güteverhandlung unterliegt als Teil des laufenden Verfahrens der Notwendigkeit, justizförmig abzulaufen.774 Versteht man das Erfordernis der Justiz­ förmigkeit775 nicht bloß urteilsbezogen,776 sondern als Postulat an den Normgeber für die Schaffung von Mindeststandards im Prozessrecht,777 wird deutlich, warum zunächst die Normen der ZPO den Rahmen festlegen müssen, innerhalb dessen ge­ gebenenfalls die Erkenntnisse außerrechtlicher Verhandlungslehren nutzbar ge­ macht werden können.778 770 

Kahn-Freund, JW 1930, 388, 390. Kahn-Freund, JW 1930, 388, 390 772  Neumann, in: Neumann/Pahlen/Greiner/Winkler/Jabben, SGB IX, §  170 Rn.  2 2; Cramer/ Ritz/F.-W. Dopatka, SGB IX, §  87 Rn.  15. 773  Windel, in: FS Gerhardt, S.  1093, 1097. 774  Windel, in: FS Gerhardt, S.  1093, 1097. 775  Zur fehlenden Konturierung des Begriffs vgl. nur Rieß, in: Löwe/Rosenberg, StPO, Einl. Abschnitt G Rn.  20. 776  Wie hier auch Windel, Der Interventionsgrund des §  66 Abs.  1 ZPO als Prozessführungsbe­ fugnis, S.  40 f. 777  Rieß, in: Löwe/Rosenberg, StPO, Einl. Abschnitt G Rn.  2 2. 778  So im Ergebnis auch Windel, in: FS Gerhardt, S.  1093, 1098; ebenso Thole, ZZP 127 (2014), 339, 346. 771 

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aa) §  139 ZPO Verhaltensanforderungen an den Richter ergeben sich zunächst aus der Regelung des §  139 ZPO, die im ersten Titel des dritten Abschnitts der ZPO, also im Rahmen der Regelungen zur mündlichen Verhandlung, verortet ist und ihrer amtlichen Über­ schrift zufolge die materielle Prozessleitung zum Gegenstand hat. §  139 ZPO gilt damit in und außerhalb der mündlichen Verhandlung, im schriftlichen Verfahren und bei freigestellter mündlicher Verhandlung.779 Für die hier primär in Rede ste­ hende Güteverhandlung existiert seit 01.01.2002 die Vorschrift des §  278 Abs.  2 ZPO, deren Satz 1 zufolge der streitigen mündlichen Verhandlung zum Zwecke der gütli­ chen Beilegung des Rechtsstreits eine obligatorische Güteverhandlung vorauszuge­ hen hat.780 §  139 Abs.  1 ZPO gilt für die mündliche Verhandlung, zu der die Gütever­ handlung gerade nicht gehört,781 sodass §  278 Abs.  2 ZPO der Regelung im Hinblick auf die Güteverhandlung vorgeht. Für die hiesige Untersuchung lässt sich die Vorschrift des §  139 ZPO allerdings insofern nicht ganz ausklammern. Denn der Prozessrichter muss gemäß §  278 Abs.  1 ZPO in jeder Lage des Verfahrens, also auch und gerade im Rahmen der mündlichen Verhandlung, auf die gütliche Beilegung des Rechtsstreits bedacht sein.782 Der wesentliche Unterschied zwischen den beiden in Rede stehenden Normen liegt damit in der Zielsetzung, die mit den Verhaltensanforderungen an den Prozess­ richter jeweils verbunden ist. Durch die von §  278 Abs.  2 ZPO geforderte Erörterung soll vor allem eine einvernehmliche Lösung zwischen den Parteien erreicht wer­ den.783 Eine vergleichbare Zielorientierung kennt §  139 ZPO trotz §  278 Abs.  1 ZPO nicht,784 denn diese Vorschrift regelt die materielle Leitung des Prozesses, welche auf die Entscheidung durch das Gericht ausgerichtet ist. Was also im Rahmen des §  139 ZPO allein im Hinblick auf die urteilsvorbereiten­ de Tätigkeit des Richters diskutiert wird,785 kann hier ausgeblendet werden. Dies gilt etwa für die Frage, ob der Richter zum Vortrag neuer Klagegründe oder Einwendun­ gen auffordern oder die Verjährungseinrede ins Spiel bringen darf.786 Von Interesse sind demgegenüber die von §  139 ZPO ausgehenden Vorgaben, die (auch) die vermit­ telnde Tätigkeit erfassen. Geht man vom ursprünglichen, schlagwortartig als „Kampf ums Recht“ zu be­ schreibenden, Zuschnitt des Zivilprozesses aus, so kann mit Blick auf die damit ver­ bundene Betonung der Verhandlungsmaxime die Vorschrift des §  139 ZPO nur als eine eklatante Verletzung der Parteiherrschaft empfunden werden.787 Das Verständ­ 779 

Stadler, in: Musielak/Voit, ZPO, §  139 Rn.  3. §  278 Rn.  19. 781  Siehe insoweit schon oben unter B.II.2.a); so auch BLAH, ZPO, §  278 Rn.  3. 782  In diesem Sinne auch Brei, JR 2017, 495, 498. 783  Prütting, in: Prütting/Gehrlein, ZPO, §  139 Rn.  4. 784  Prütting, in: Prütting/Gehrlein, ZPO, §  139 Rn.  4. 785  Vgl. etwa Röhl, DRiZ 1983, 90, 104 im Hinblick auf die Tätigkeit des Richters in Zusammen­ hang mit den fehlenden Erfolgsaussichten der Klage. 786  Hierzu etwa Stürner, DRiZ 1976, 202, 205. 787  So auch Wassermann, Der soziale Zivilprozess, S.  99 f.; a. A. Stürner, in: FS Frisch, S.  187, 202, 780 MünchKommZPO/Prütting,

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nis der Rolle des Richters hat insoweit jedoch eine Wandlung durchlaufen,788 die auch durch die Wertungen des später in Kraft getretenen Grundgesetzes und des darin enthaltenen Sozialstaatsprinzips beeinflusst worden ist.789 Die Wandlung in der allgemeinen Haltung zur Frage der richterlichen Aktivität wird daher auch im Rahmen der Thematik eines modernen liberalen Zivilprozesses diskutiert.790 Einigkeit herrscht insoweit, als dass dem Richter heute eine aktive Rolle beigemes­ sen wird, die über die bloße Entgegennahme des Parteivortrags hinausgeht.791 Diese aktive Rolle wird dann zum Teil als materielle Prozessleitung in Form der Verfah­ rensmoderation792 im Rahmen eines dialogischen Zivilprozesses793 bis hin zu einer im Zivilprozess bestehenden Arbeitsgemeinschaft, die zwischen Parteien und Rich­ ter bestünde,794 beschrieben. Diese Bezeichnungen verdeutlichen beispielhaft, welche Bandbreite an Vorstel­ lungen im Hinblick auf die konkrete Ausgestaltung der materiellen richterlichen Prozessleitung heute besteht. So unterschiedlich die einzelnen Auffassungen gerade sind, so ähnlich sind die jeweiligen Grenzen, die einerseits die Notwendigkeit der richterlichen Aktivität beschreiben und anderseits deren Beschränkung verlangen. Dabei lässt sich die erste Grenze mit dem Terminus „Kräftegleichgewicht“ und die zweite mit dem der „Bewahrung der Unparteilichkeit“ belegen. Die von beiden aus­ gehenden Wertungen sind bei der Auslegung des §  139 ZPO zu beachten;795 es herrscht jedoch nur ein „schmaler Grat“796 auf dem sich das Gericht bewegen muss, wenn es die Anforderungen des §  139 ZPO erfüllen will. (1) Kräftegleichgewicht Die hier schlagwortartig gewählte Bezeichnung „Kräfteungleichgewicht“ soll die von unterschiedlicher Seite in verschiedener Ausprägung und auf wechselnder dog­ matischer Basis geforderte Tätigkeit des Richters erfassen, die – um Gerechtigkeit bemüht – vor dem Hintergrund einer zwischen den Parteien bestehenden Ungleich­ heit ausgeübt wird. Drei unterschiedliche Ansätze im Hinblick auf die Begrifflichkeit sowie ihre Be­ gründung seien an dieser Stelle genannt.797 der auch in einem adverbialen System davon ausgeht, dass beide Parteien optimal informiert sein müssen und auch der Richter im Zweifel hierfür Sorge zu tragen habe. 788  Vgl. die ausführliche Darstellung bei Wassermann, Der soziale Zivilprozess, S.  49 ff. 789 Hierzu Wassermann, Der soziale Zivilprozess, S.  76 ff. 790  Etwa von Gaier, NJW 2013, 2871, 2872; Stürner, in: FS Frisch, S.  187 ff. 791  Gaier, NJW 2013, 2871, 2872, unter Hinweis auf die amtliche Begründung zum Entwurf des 2002 in Kraft getretenen Zivilprozessreformgesetzes (ZPO-RG), BT-Drs. 14/4722, S.  77. 792  Stürner, ZZP 2010, 147, 153. 793  Stürner, in: FS Frisch, S.  187, 203; ders., ZZP 123 (2010), 147 ff. 794 So Wassermann, Der soziale Zivilprozess, S.  97. 795  Zierl, NJW 2002, 2695. 796  Der Ausdruck stammt von Stadler, in: Musielak/Voit, ZPO, §  139 Rn.  5; wird ebenso benutzt von Taubner, Der befangene Zivilrichter, S.  112 und BeckOK-ZPO/von Selle, §  139 Rn.  8. 797  Stürner, in: FS Frisch, S.  187, 202 bemüht darüber hinaus den etwas wagen Gedanken der Solidarität dazu, um vom Richter zu verlangen, dass er das von einer Partei klar erkennbar verfolg­ te Recht nicht sehenden Auges an ihren leicht behebbaren Informationsdefiziten scheitern lässt.

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Unter Verweis auf die Rechtsprechung des BVerfG798 wird zunächst ausgeführt, das Gericht habe die Waffengleichheit 799 zwischen den Parteien zu wahren, was letztlich aus dem Rechtsstaatsgebot und dem allgemeinen Gleichheitssatz zu folgern sei.800 Ebenfalls unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BVerfG801 wird vom Ge­ richt darüber hinaus verlangt, im Rahmen der Prozessleitung darauf zu achten, dass die Parteien auf Augenhöhe miteinander streiten können. Begründet wird dies mit den Vorgaben, die das BVerfG in genanntem Judikat für das materielle Vertragsrecht entwickelt hat. Inner- wie außerhalb des Prozesses genüge formale Gleichheit nicht, ein angemessener Interessenausgleich könne nur im Fall eines annähernd ausgewo­ genen Kräfteverhältnisses erfolgen, da Dispositions- und Beibringungsgrundsatz nichts anderes als die Fortsetzung der Privatautonomie im Streitverfahren sind. 802 Letztlich wird auch der Einfluss des Sozialstaatsprinzips zur Formulierung des Postulats geltend gemacht, nämlich dass das Gericht im Rahmen seiner Verhand­ lungsführung zur Herstellung von Chancengleichheit die Aufgabe zukomme, Kom­ pensation zu betreiben.803 Mit der Forderung an ein aktives Verhalten geht jedoch nicht die Schilderung des­ sen einher, was genau vom Richter zu verlangen sei.804 (2) Grenze der Unparteilichkeit Dies gilt entsprechend auch für die – bildlich gesprochen – gegenüberliegende Gren­ ze, bei der nur negativ das Verhalten zu beschreiben ist, welches §  139 ZPO gerade nicht deckt. Insofern herrscht Einigkeit, dass die vom Richter zu wahrende Unpar­ teilichkeit bzw. Neutralität Grenze seines Engagements im Rahmen der materiellen Prozessleitung ist.805 Gemäß §  42 Abs.  2 ZPO führt das begründete Misstrauen in die Unparteilichkeit des Richters dazu, dass er wegen des Besorgnisses der Befangenheit abgelehnt werden kann. Andererseits kann eine nach §  139 ZPO notwendige Aufklä­ rung nie die Besorgnis der Befangenheit begründen.806 Das veranschaulicht den be­ reits angesprochenen schmalen Grat, auf dem sich der Richter bewegt. Noch deutli­ cher wird die enge Verzahnung zwischen den jeweiligen Begrenzungen der richterli­ chen Aktivität, wenn man die – ebenfalls rudimentäre – Schilderung des Verhaltens 798 

BVerfG v. 25.07.1979 – 2 BvR 878/74, BVerfGE 52, 131, 156 f. Von Waffengleichheit spricht auch MünchKommZPO/Fritsche, §  139 Rn.  2. 800  Kern, in: Stein/Jonas, ZPO, §   139 Rn.  20 ff.; Stadler, in: Musielak/Voit, ZPO, §  139 Rn.  5; BeckOK-ZPO/von Selle, §  139 Rn.  8. 801  BVerfG v. 19.10.1993 – 1 BvR 567/89, BVerfGE 89, 214. 802 So Gaier, NJW 2013, 2871, 2872. 803  Hierzu vgl. Darstellung Wassermann, Der soziale Zivilprozess, S.  155 ff. 804  So verlangt etwa Wassermann, Der soziale Zivilprozess, S.  155 ff. eine „Kompensation“, ohne zu schildern, wie diese von statten gehen soll. 805  Zierl, NJW 2002, 2695; BeckOK-ZPO/von Selle, §  139 Rn.  8; Stadler, in: Musielak/Voit, ZPO, §  139 Rn.  5; Zeiss/Schreiber, ZPO, Rn.  182; BGH v. 06.06.1977 – III ZR 53/75, BeckRS 1977, 31116415; OLG Rostock v. 21.07.2000 – 3 U 94/99, NJW-RR 2002, 576; BLAH, ZPO, §  39 Rn.  3; MünchKommZPO/Fritsche, §  139 Rn.  8; Stürner, Die richterliche Aufklärung im Zivilprozess, Rn.  22; Brei, JR 2017, 495, 497. 806  Stadler, in: Musielak/Voit, ZPO, §  139 Rn.  5. 799 

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betrachtet, das gerade einen Verstoß gegen die Unparteilichkeit darstellt. Kriterium hierfür ist die Gleichbehandlung der Parteien, die er verletzt, wenn er, ohne Stütze im Verfahrensrecht, den gleichen Abstand807 zu den Parteien aufgibt und sich zum Berater einer Seite macht. 808 Wann der Richter das Gleichbehandlungskriterium verletzt, lässt sich vor dem Hintergrund der Anforderungen, die die hier so bezeichnete Grenze des „Kräfte­ gleichgewichts“ an sein Verhalten stellt, nur schwer sagen. Denn es gehört gerade zu den klassischen Anforderungen an die prozessuale Gleichbehandlung, die unter­ schiedliche wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, persönliche Kenntnisse und indivi­ duelle Fertigkeiten, d. h. die „strukturelle Unterlegenheit einer Partei“ auszugleichen und einen Streit „auf Augenhöhe“ zu gewährleisten.809 bb) §  278 ZPO Dass die soeben für die mündliche Verhandlung entwickelten Grenzen auch für die durch den Prozessrichter geleitete Güteverhandlung von Bedeutung sein können, obwohl diese gemäß §  278 Abs.  1 ZPO gerade nicht Teil der mündlichen Verhand­ lung ist, lässt sich mit einem tatsächlichen und einem systematischen Argument be­ gründen. Denn in tatsächlicher Hinsicht ist es im ordentlichen Zivilprozess mitunter schwierig, zwischen der von §  139 ZPO geregelten mündlichen Verhandlung und der §  278 Abs.  2 ZPO unterfallenden Güteverhandlung zu trennen. Anders als im Ar­ beitsgerichtsprozess findet die Güteverhandlung nicht im Rahmen eines gesonderten Termins vor einem unterschiedlich besetzten Gericht statt,810 sondern regelmäßig im selben Termin wie die mündliche Verhandlung. Sie erscheint häufig als bloßes Durch­ gangsstadium zur kontradiktorischen Abwicklung des Rechtsstreits, d. h., finden dort etwa Vergleichsgespräche statt, dann laufen diese regelmäßig nicht anders ab als in der mündlichen Verhandlung. Das wiederum bedeutet, dass diese auf den vom Richter geäußerten Einschätzungen zur Sach- und Rechtslage und den damit ver­ bundenen Prozessaussichten aufbauen.811 Tatsächlich wird also schwer zu beurteilen sein, ob das Verhalten des Richters an den Voraussetzungen des §  139 oder §  278 ZPO zu messen ist. Dieses Problem wird entschärft durch den Umstand, dass sich die Vorschrift des §  278 Abs.  2 Satz 2 ZPO, die die Verhaltensanforderungen an den Richter in der Gü­ teverhandlung formuliert, weitgehend mit §  139 Abs.  1 Satz 1 ZPO deckt.812 Damit 807  Der

270.

BGH spricht von Äquidistanz, vgl. BGH v. 02.10.2003 – V ZB 22/03, BGHZ 156, 269,

808  BGH v. 02.10.2003 – V ZB 22/03, BGHZ 156, 269, 270; BeckOK-ZPO/von Selle, §  139 Rn.  8 spricht von verbotener Parteinahme. 809  Kern, in: Stein/Jonas, ZPO, §   139 Rn.  21; Stadler, in: Musielak/Voit, ZPO, §  139 Rn.  5; BeckOK-ZPO/von Selle, §  139 Rn.  8.1. 810  Gemäß §  5 4 ArbGG findet die Güteverhandlung im Rahmen der mündlichen Verhandlung, aber allein vor dem Vorsitzendem statt. 811  Greger, MDR 2014, 993, 997. 812  So auch MünchKommZPO/Prütting, §  278 Rn.  27; §  278 Abs.  2 Satz 2 ZPO lautet: Das Ge­ richt hat in der Güteverhandlung den Sach- und Streitstand mit den Parteien unter freier Würdi­

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gilt aber eben für die Güteverhandlung auch, was schon im Hinblick auf die mündli­ che Verhandlung festgehalten wurde: Die Vorgaben des Gesetzgebers zum Verhalten des Richters sind leerformelhaft813 bzw. konzeptlos.814 Dies wird durch den Um­ stand, dass die Regelungen, die sich auf die mündliche Verhandlung beziehen, die Güteverhandlung nicht erfassen, nur verschlimmert. 815 Wenn zum Teil versucht wird, die Vorschrift unmittelbar durch Rückgriff auf Be­ griffe wie „Rechtssicherheit“, „Gerechtigkeit“, „Einigung mit sanfter Gewalt“ und „Abwägen“ zu erhellen,816 ist damit wenig an Erkenntnisgewinn verbunden. Nichts spricht demgegenüber gegen die Übertragung der Grenzen, die auch schon zu §  139 ZPO formuliert wurden. Das heißt, die Herstellung bzw. Beibehaltung des Kräftegleichgewichts kann eine Tätigkeit des Richters auch in der Güteverhandlung erfordern, die Bewahrung seiner Unparteilichkeit diese begrenzen. Eine Tätigkeit, die durch §  278 Abs.  2 Satz 2 ZPO gedeckt ist, kann nicht die Besorgnis der Befan­ genheit begründen. Innerhalb der Grenzen, oder – um im oben gemalten Bild zu bleiben – auf dem schmalen Grat, den diese dem Richter für sein Handeln lassen, bewegt sich der Pro­ zessrichter, wenn er nach den Grundsätzen des Harvard-Konzepts vermittelt, d. h., sich an den Prinzipien des kooperativen Verhandelns und der Mediation orientiert.817 Aber auch auf andere Weise kann er die Grenzen einhalten, denn auch für die Tätig­ keit des Prozessrichters im Rahmen der Güteverhandlung wird im Hinblick auf sei­ ne Moderationsmethode formuliert, dass die Gestaltungsmöglichkeiten nahezu un­ erschöpflich seien. 818 Weil auch damit aber keine fixe Beschreibung einhergeht, ist eine weitere Konkre­ tisierung notwendig, insbesondere, da ein durch wirksame Klageerhebung begrün­ deter Prozess in justizförmiger Weise befördert werden muss.819 Zur näheren Bestimmung des Inhalts der Vorschrift kann man auf dessen Vorläu­ fermodelle abstellen, an die der Gesetzgeber mit §  278 Abs.  2 ZPO anknüpfen will. Hier sind die ehemals in und außerhalb der ZPO verankerten Regelungen zur Schlichtung im ordentlichen Zivilprozess einerseits und dem arbeitsgerichtlichen Güteverfahren andererseits zu nennen. 820 Insbesondere für den Teil der Norm des §  278 Abs.  2 ZPO, der von §  139 ZPO abweicht, ist eine weitere inhaltliche Klärung notwendig und nicht unumstritten. gung aller Umstände zu erörtern und, soweit erforderlich, Fragen zu stellen. §  139 Abs.  1 Satz 1 ZPO lautet: Das Gericht hat das Sach- und Streitverhältnis, soweit erforderlich, mit den Parteien nach der tatsächlichen und rechtlichen Seite zu erörtern und Fragen zu stellen. 813 MünchKommZPO/Prütting, §  278 Rn.  27. 814  Windel, in: FS Gerhardt, S.  1093, 1099. 815  Einen Umstand, den der Gesetzgeber laut Windel, in: FS Gerhardt, S.  1093, 1099 nicht gese­ hen hat. 816  So schildert dies Windel, in: FS Gerhardt, S.  1093, 1094. 817  Greger, MDR 2014, 993, 997; vgl. auch MünchKommZPO/Prütting, §  278 Rn.  26, der eine Beachtung der Interessenlage fordert. 818  Greger, MDR 2014, 993, 997. 819  Windel, in: FS Gerhardt, S.  1093, 1100. 820 MünchKommZPO/Prütting, §  278 Rn.  19; Windel, in: FS Gerhardt, S.  1093, 1095.

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Über den Wortlaut des §  139 ZPO hinausgehend regelt §  278 Abs.  2 Satz 2 ZPO, dass der Richter den Sach- und Streitstand „unter freier Würdigung aller Umstände“ mit den Parteien zu erörtern habe. (1) „unter freier Würdigung aller Umstände“ Die Formulierung entstammt dem Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Zivilpro­ zesses und diente ausweislich der Gesetzesbegründung dazu, klarzustellen, „dass das Gericht zu Beweiserhebungen in diesem Prozessstadium nicht verpflichtet ist.“821 Aus dieser Formulierung wird zum Teil geschlossen, dass nach der Vorstellung des Gesetzgebers der Richter in der Güteverhandlung nicht zu Beweiserhebungen verpflichtet, wohl aber berechtigt sei.822 Ebenso wird vertreten, dass eine informelle Befragung präsenter Zeugen ebenso statthaft sei wie die Einsichtnahme von Urkun­ den oder die Inaugenscheinnahme von Gegenständen.823 Andere folgern aus der For­ mulierung „freie Würdigung“, dass eine Beweisaufnahme im Rahmen der Gütever­ handlung nicht in Betracht kommt. Demgegenüber wird die Möglichkeit der Be­ weisaufnahme im Güteverfahren auch gänzlich abgelehnt. 824 Eine solche Ablehnung lässt sich zunächst mit der Verhandlungsmaxime begrün­ den und mit dem damit einhergehenden Beibringungsgrundsatz. Eine durch den Richter im Rahmen der Güteverhandlung vorgenommene Sachverhaltsaufklärung, die auf dessen Initiative zurückgeht, lässt sich damit nicht in Einklang bringen. 825 Die Güteverhandlung ist keine mündliche Verhandlung. Der Tatsachenvortrag und gegebenenfalls das Bestreiten erfolgen aber erst in der evtl. auf die Güteverhandlung folgenden mündlichen Verhandlung. 826 Die für die mündliche Verhandlung gelten­ den Regelungen sehen dann konsequenterweise auch Regelungen zur Beweiserhe­ bung durch das Gericht in §§  142 ff. ZPO vor. (2) Ziel: gütliche Einigung Dass im Rahmen der Güteverhandlung eine Beweiserhebung in Sinne der §§  355 ff. ZPO weder stattfinden kann noch soll, lässt sich darüber hinaus auch aus dem Zweck der Güteverhandlung folgern. Die Güteverhandlung dient der Erfüllung der richter­ lichen Pflicht, 827 die §  278 Abs.  1 ZPO formuliert und der zufolge der Richter auf eine gütliche Beilegung des Rechtsstreits bedacht sein soll. Um die gütliche Einigung als Möglichkeit der Prozessbeendigung zu stärken, hat der Gesetzgeber die Gütever­ handlung in der heutigen Form geschaffen. 828 Die Tätigkeit des Richters in der Gü­ 821 

BT-Drs. 14/4722, S.  83. Windel, in: FS Gerhardt, S.  1093, 1107 f. 823  Greger, in: Zöller, ZPO, §  278 Rn.  15; eindeutig für eine Beweisaufnahme im damaligen ar­ beitsgerichtlichen Güteverfahren ist Kahn-Freund, JW 1930, 388, 391. 824  Windel, in: FS Gerhardt, S.  1093, 1108; wohl auch Foerste, NJW 2001, 3103, 3104 f. 825  Siehe hierzu auch Windel, in: FS Gerhardt, S.  1093, 1109. 826  Leipold, in: Stein/Jonas, ZPO, §  278 Rn.  47. 827 Wie sich aus der Verwendung des Wortes „soll“ ergibt, vgl. MünchKommZPO/Prütting, §  278 Rn.  9. 828  Vgl. hierzu die Darstellung bei Foerste, NJW 2001, 3103. 822 

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teverhandlung dient damit dem Zweck, eine gütliche Einigung zwischen den Partei­ en zu fördern.829 Das wird darüber hinaus durch den Umstand deutlich, dass die Güteverhandlung bei persönlicher Anwesenheit der Parteien stattfinden soll, vgl. §  278 Abs.  3 ZPO. Im Rahmen der persönlichen Anhörung, die §  278 Abs.  2 Satz 3 ZPO verlangt, soll auch deren Vergleichsbereitschaft ausgelotet werden.830 Aus den Ausführungen, die der Gesetzgeber im Zusammenhang mit der Anhörung der Par­ teien macht, lässt sich zudem entnehmen, wie er sich die Rolle des Richters im Rah­ men der Güteverhandlung vorstellt: „Die Güteverhandlung (…) soll in persönlicher Anwesenheit der Parteien stattfinden. Dies gibt dem Gericht die Gelegenheit, den Sachverhalt durch Befragung der Parteien umfassend aufzuklären und dadurch ein solides Fundament für einen begründeten Vergleichsvorschlag zu schaffen“. 831 Diese Aussage lässt für diese Untersuchung zunächst zwei wichtige Rückschlüsse zu. Der Gesetzgeber sieht erstens den Vergleichsvorschlag seitens des Gerichts als eine Maßnahme an, die dieses zur gütlichen Beilegung des Rechtsstreits treffen kann. Darüber hinaus soll dieser Vergleichsvorschlag auf einem festen Fundament stehen, d. h. solide begründet werden. In diesem Zusammenhang ist dann die in §  278 Abs.  2 Satz 2 ZPO enthaltene Wen­ dung „unter freier Würdigung aller Umstände“ zu sehen. Der Richter soll sich in der Güteverhandlung u. a. durch die Befragung der Parteien in die Lage versetzen, einen begründeten Vergleichsvorschlag abzugeben. Dies geschieht „unter freier Würdi­ gung aller Umstände“, d. h. ohne notwendige Beweiserhebung, wie der Gesetzgeber ausdrücklich festhält. Man könnte auf die Idee kommen, dass ein völlig ausermittel­ ter bzw. bewiesener Sachverhalt dem Richter die beste Grundlage für einen Vergleich liefert. Aber das möchte die ZPO an dieser Stelle nicht. Die Güteverhandlung ist auf den Vergleichsvorschlag und nicht auf das Urteil fokussiert. Die hierfür notwendi­ gen Tatsachen, die das Gericht benötigt, weichen in Inhalt und notwendigem Über­ zeugungsgrad voneinander ab. So kann für einen Vergleichsvorschlag die Ermittlung der in dem Rechtsstreit jeweils entgegenstehenden Interessen ausreichend und not­ wendig sein, die für eine Entscheidung per Urteil keine Rolle spielen würde. Gleich­ zeitig ist der Richter aber gerade nicht angehalten, Beweis über eine später entschei­ dungserhebliche Tatsache zu erheben. Hat das Gericht etwa in der Güteverhandlung geklärt, dass eine Tatsache zwischen den Parteien umstritten ist, genügt es vielmehr, dass das Gericht dann einen Vergleichsvorschlag macht, welcher z. B. spätere Be­ weisschwierigkeiten oder die Kosten der Beweiserhebung832 berücksichtigt. So ist dann auch die Aussage des Gesetzgebers zu verstehen, dass das Gericht im Rahmen der Güteverhandlung zu Beweiserhebungen nicht verpflichtet sei. 833 Damit soll gera­ de nicht zum Ausdruck kommen, dass das Gericht hierzu berechtigt sei, sondern nur dem Eindruck vorgebeugt werden, dass das Gericht Beweis erheben müsse bzw. 829  Thole, in: Stein/Jonas, ZPO, §  278 Rn.  1; BeckOK-ZPO/Bacher, §  278 Rn.  1; vgl. Assmann, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, §  278 Rn.  2 ff. 830  Foerste, NJW 2001, 3103, 3105. 831  BT-Drs. 14/4722, S.  62. 832  Z. B. durch Sachverständigengutachten. 833  BT-Drs. 14/4722, S.  83.

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könne834, um einen Vergleichsvorschlag abzugeben. Eine abschließende rechtliche Wertung wird von dem Richter zu diesem Zeitpunkt nicht verlangt.835 Auch diejeni­ gen, die eine Beweiserhebung für möglich halten, verneinen eine spätere Verwertbar­ keit im Prozess, wenn etwa bei der Vernehmung präsenter Zeugen die Regeln zur Beweiserhebung nicht eingehalten wurden. 836 Trennt man anhand der unterschiedlichen Zielsetzung aber auch begrifflich zwi­ schen der im späteren Prozess evtl. notwendigen Beweiserhebung zu den zwischen den Parteien umstrittenen Tatsachen und der Gewinnung der für einen Vergleichs­ vorschlag notwendigen Informationen,837 so zeigt sich, dass auch dann kein Bruch mit dem Beibringungsgrundsatz des Zivilprozesses zu befürchten ist, weil eine Be­ weiserhebung über streitige Tatsachen, die im Rahmen eines Urteils berücksichtigt werden könnten, innerhalb der Güteverhandlung weder notwendig noch von Ge­ setzgeber vorgesehen wäre. Im Gegenteil: Eine Beweiserhebung im Sinne der §§  355 ff. ZPO darf in der Güteverhandlung nicht stattfinden. Sie ist dem streitigen Verfahrensabschnitt vorbehalten.838 b) Die Tätigkeit des Prozessrichters Bei den geringen gesetzlichen Vorgaben nimmt es kaum Wunder, dass es seit Länge­ rem Bemühungen gibt, auf Basis von strukturellen Überlegungen praktische Anwei­ sungen für Vergleichsverhandlungen aufzustellen, 839 wenngleich man mit Blick auf die Gesetzeslage wohl von vornherein wird festhalten müssen, dass sich stringente Methoden und zwingende Regeln nicht werden formulieren lassen. 840 Frühe, sehr allgemein gehaltene Überlegungen stellten mehr gut gemeinte Rat­ schläge denn realistische Verhaltensanweisungen dar. Dies gilt etwa für die Feststel­ lung, dass der Humor des Richters unbezahlbar sei, weil er die Stimmung lockere und ein Vergleichsklima schaffe. 841 Allerdings – und damit zeigt sich die fehlende Verallgemeinerungsfähigkeit – sei Humor bei ernsten und folgenschweren Prozessen fehl am Platze. 842 Blendet man diese Ratschläge an den Prozessrichter aus, lassen sich die übrigen Verhaltensanweisungen in zwei Gruppen einteilen. Solche, die bei der Vermittlung 834  So jedoch Wolf, in: Gottwald/Hutmacher/Röhl/Strempel, Der Prozessvergleich, 1983, S.  160 mit der informatorsichen Beweisaufnahme. 835  Thole, in: Stein/Jonas, ZPO, §  278 Rn.  33; MünchKommZPO/Prütting, §  278 Rn.  27. 836  Greger, in: Zöller, ZPO, §  278 Rn.  15; Assmann, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, §  278 Rn.  50. 837 Was regelmäßig eben nicht geschieht; siehe jedoch Wolf, in: Gottwald/Hutmacher/Röhl/ Strempel, Der Prozessvergleich, 1983, S.  160, der für eine „informatorische Beweisaufnahme“ plä­ diert. 838  So auch BLAH, ZPO, §  278 Rn.  2 2. 839  Gottwald/Haft, Verhandeln und Vergleichen als juristische Fertigkeiten, 2.  Aufl. 1993; Wolf, in: Gottwald/Hutmacher/Röhl/Strempel, Der Prozessvergleich, 1983, S.  209 ff.; Schellhammer, Rn.  710 ff.; AK-ZPO/Röhl, §  279 Rn.  8 ff.; Weber, DRiZ 1957, 236; Struck, JuS 1975, 762; Schneider, JuS 1976, 145; Weber, DRiZ 1978, 166; Stürner, JR 1979, 133; Spangenberg, MDR 1992, 332; Hendel, AnwBl. 1997, 509; Treffer, MDR 1999, 520. 840  So auch MünchKommZPO/Prütting, §  278 Rn.  5 4. 841  Weber, DRiZ 1957, 236, 237. 842  Weber, DRiZ 1957, 236, 237.

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des Prozessrichters auch vor Augen haben, dass dieser für den Fall des Nichtzustan­ dekommens einer gütlichen Einigung den Rechtsstreit im Urteilswege entscheiden kann, werden hier als „entscheidungsbezogene Vermittlung“ bezeichnet. Und sol­ che, die nicht das später eventuell zu fällende Urteil in den Blick nehmen, sondern die Rolle des vermittelnden Prozessrichters eher in die Richtung eines Mediators, also im Sinne eines hier so bezeichneten „mediativen Ansatzes“, definieren. aa) Entscheidungsbezogene Vermittlung Zu der entscheidungsbezogenen Vermittlung lassen sich diejenigen Ansätze zählen, die davon ausgehen, dass Vergleichsvorschlag und Güteverhandlungen sich immer auf und aus der vorhandenen Sach- und Rechtslage entwickeln müssen,843 etwa in­ dem der Richter offen zu verstehen gibt, wie er relevante normative Faktoren bewer­ tet.844 Mit dieser Orientierung an den Prozessaussichten845 geht dann auch regelmä­ ßig eine in den Vergleichsverhandlungen vor Gericht regelmäßig846 praktizierte Ver­ handlungsmethode einher, nämlich die des sogenannten kompetitiven Verhandelns. Die Verhandlungsmethode kennzeichnet sich dadurch, dass die Parteien mit Maxi­ malpositionen in die Verhandlung gehen, die sie in Form von wechselseitigen Kon­ zessionen einander annähern, bis sie eine beiderseits akzeptable Kompromisslösung gefunden haben. 847 Es sei keine Aufgabe des Richters, den hinter dem Rechtsstreit liegenden Konflikt zu lösen; diese sei das Ziel eines Mediationsverfahrens. Denn das Mediationsverfahren stelle ein Zukunftskonzept dar, welches – anders als die Güte­ verhandlung – den Blick nicht in die Vergangenheit richte. 848 bb) Mediativer Ansatz Dem kompetitiven Verhandeln gegenüber steht das sogenannte kooperative Verhan­ deln. Grundlage dieses Verhandlungsmodells ist das bereits erwähnte HarvardKon­zept. Die Verhandlungsform der Mediation baut u. a. auf diesem Konzept auf und versucht, den Parteien durch kompetente und verantwortungsvolle Anleitung dabei zu helfen, eine Einigung auf Basis ihrer Interessen zu finden. 849 Im Rahmen dieses hier sogenannten mediativen Ansatzes soll das Augenmerk des Prozessrich­ ters nicht auf die Rechtslage, sondern auf die hinter der Klage stehenden Interessen der Parteien gelenkt werden, um unter Stärkung der Parteiautonomie diese bei der selbstständigen Lösung zu unterstützen. Aufgrund der Betonung dieser zwei – vor allem auch die Mediation kennzeichnende – Elemente wird dieser Ansatz als media­ 843 

So MünchKommZPO/Prütting, §  278 Rn.  54. Freund, DRiZ 1979, 74, 77. 845  Strecker, DRiZ 1983, 97, 99, und Greger/Weber, MDR-Sonderheft 2012 „Das neue Güterich­ terverfahren“, 1, 14 gehen davon aus, dass sich die Lösungsvorschläge in Wirklichkeit daran orien­ tieren. 846  Greger/Weber, MDR-Sonderheft 2012 „Das neue Güterichterverfahren“, 1, 14 gehen davon aus, dass diese Verhandlungsmethode dort ständig praktiziert wird. 847  Greger/Weber, MDR-Sonderheft 2012 „Das neue Güterichterverfahren“, 1, 14. 848  Assmann, MDR 2016, 1303, 1306. 849  Greger/Weber, MDR-Sonderheft 2012 „Das neue Güterichterverfahren“, 1, 15. 844 

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tiv bezeichnet. Die vermittelnde Tätigkeit des Prozessrichters wurde schon früh ins Auge gefasst, etwa mit der Forderung, dass der Richter zuerst die Genese und Struktur des Konflikts primär danach differenzieren müsse, ob es sich um einen personenbezogenen Konflikt handelt oder nicht. 850 Auch die Förderung der Eigen­ initiative der Parteien wurde schon früh angesprochen, wenn herausgestellt wurde, dass es wichtig sei, dass man die Parteien selbst Vorschläge machen lasse, wie sie sich die Lösung des Konflikts vorstellen851 und sie darauf hinweise, dass der Sieger des Prozesses oft des Sieges nicht froh werde, weil Feindschaften, Strafanzeigen und ähnliche Dinge nachfolgen. 852 Darüber hinaus wurden im Hinblick auf das Zustan­ dekommen des Prozessvergleichs mit der Trennung von Sach- und Beziehungsebe­ ne,853 dem Ausloten der Gewinnmaximierung für beide Seiten854 und dem Denken in Nichteinigungsalternativen855 sowie der Trennung von rechtlichen und wirt­ schaftlichen Blickwinkeln856 schon Elemente beschrieben, die heute für das Media­ tionsverfahren typisch sind. 857 Auch vor diesem Hintergrund ist die Feststellung, dass die deutsche Prozesskultur eine weitreichende richterliche Vergleichskultur mit mediativen Zügen entwickelt hat, 858 nicht überraschend. Gleichwohl wird wohl zu Recht betont, dass sich eine Mediation bzw. eine an ihren Grundsätzen ausgerichtete Güteverhandlung grundle­ gend von der mündlichen Verhandlung und dem Vergleichsgespräch beim Prozessge­ richt unterscheide, 859 eben weil dort häufig der kompetitive Verhandlungsstil unter Berücksichtigung der Prozessaussichten Anwendung findet. Überholt ist, gerade mit Blick auf die Möglichkeit der außergerichtlichen Streitbei­ legung und der Verweisung an den Güterichter, die frühe Kritik an der vermitteln­ den Tätigkeit des Richters, die dann nicht vorgenommen werden sollte, wenn grund­ sätzliche rechtliche Fragen auf dem Spiel stünden, da insofern das Interesse der All­ gemeinheit an der Entscheidung dem Interesse der Parteien am Güteverfahren vorginge.860 cc) Mischformen Letztlich bleibt zu erwähnen, dass sich die hier gebildeten Kategorien nicht gegensei­ tig ausschließen, sondern einzelne Elemente durch den Prozessrichter auch kumula­ tiv angewendet werden können, was sich etwa dann zeigt, wenn eine Kommentie­ 850 So

Freund, DRiZ 1981, 221, 222. Weber, DRiZ 1957, 236, 237. 852  Weber, DRiZ 1957, 236, 237. 853  Gottwald/Treuer, Vergleichspraxis, S.  25. 854  Darunter fallen Taktiken zur Vergrößerung des Kuchens, Austausch- und Ausgleichstakti­ ken, sogenannte Brückentaktiken, Gottwald/Treuer, Vergleichspraxis, S.  29. 855 Vgl. Gottwald/Treuer, Vergleichspraxis, S.  32. 856  Wie es Gottwald/Treuer, Vergleichspraxis, S.  20 in ihrem Beispielsfall tun. 857  Siehe oben unter B.I.1.a). 858 So Stürner, in: FS Frisch, S.  187, 204; vgl. auch Langer, Die Funktion des Prozessvergleichs im Zivilprozessrecht, S.  109. 859  Greger/Weber, MDR-Sonderheft 2012 „Das neue Güterichterverfahren“, 1, 8. 860  So noch Kahn-Freund, JW 1930, 388, 391. 851 

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rung sowohl die Orientierung an der Rechtslage als auch die Notwendigkeit des Herausarbeitens der hinter den Positionen der Parteien bestehenden Interessenlage unterstreicht. 861

3. Charakteristika der Güteverhandlung Es bleibt zu klären, ob die Charakteristika, die zur Mediation und zum Verfahren vor dem Güterichter herausgearbeitet wurden, auch im Hinblick auf die Vermittlung durch den Prozessrichter Geltung beanspruchen können. a) Freiwilligkeit Im Hinblick auf das zentrale Merkmal der Freiwilligkeit lässt sich zwischen der Frei­ willigkeit im Zusammenhang mit dem Beginn des Verfahrens der gütlichen Eini­ gung und derjenigen im Hinblick auf den Verfahrensabschluss unterscheiden. aa) Verfahrensbeginn Ob eine Güteverhandlung überhaupt stattfindet, steht nicht – wie bei der Mediation – im Ermessen der Parteien. Wie bereits festgehalten, lässt sich die vor den ordentli­ chen Zivilgerichten stattfindende Güteverhandlung insoweit zunächst als semi-obli­ gatorisch kennzeichnen, da sie grundsätzlich stattzufinden hat und nur dann nicht durchzuführen ist, wenn bereits ein Einigungsversuch vor einer außergerichtlichen Gütestelle stattgefunden hat oder die Güteverhandlung erkennbar aussichtslos er­ scheint. Beide Ausnahmen ändern im Ergebnis – aus Sicht der Parteien, für die das Charakteristikum ja gilt – nichts an der fehlenden Freiwilligkeit im Hinblick auf den Verfahrensbeginn. Hat bereits ein erfolgloser Einigungsversuch vor einer außergerichtlichen Güte­ stelle stattgefunden, muss das Gericht nicht einen erneuten Versuch unternehmen. Aus Sicht der Parteien bedeutet diese Ausnahme letztlich nur, dass sie eine Gütever­ handlung nur durch eine Güteverhandlung vermeiden können. Dies führt nicht zu einer Freiwilligkeit im Hinblick auf den Verfahrensbeginn, insbesondere, wenn man berücksichtigt, dass vor allem die Fälle erfasst werden sollen, nach denen die Parteien nach §  15a EGZPO in Verbindung mit einer landesrechtlichen Vorschrift zwingend einen Güteversuch vor Klageerhebung unternehmen müssen. 862 In diesen Fällen wird also nur ein doppelter Zwang zur Güteverhandlung verhindert. Auch das Merkmal der fehlenden Aussichtslosigkeit der Güteverhandlung führt aus Sicht der Parteien nicht zu einer Freiwilligkeit im Hinblick auf den Verfahrens­ beginn. Denn es obliegt der Einschätzung des Gerichts, ob eine Güteverhandlung aussichtslos ist.863 Auch wenn beide Parteien übereinstimmend eine Güteverhand­ 861 

So MünchKommZPO/Prütting, §  278 Rn.  54. Thole, in: Stein/Jonas, ZPO, §  278 Rn.  19; Assmann, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, §  278 Rn.  32; BeckOK-ZPO/Bacher, §  278 Rn.  4. 863  Thole, in: Stein/Jonas, ZPO, §  278 Rn.  24; vgl. Assmann, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, §  278 Rn.  7; BeckOK-ZPO/Bacher, §  278 Rn.  5. 862 

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lung für aussichtslos erklären, ist das Gericht durch die Vorschrift des §  278 Abs.  2 Alt.  1 ZPO nicht gezwungen, auf die Güteverhandlung zu verzichten. Die Gütever­ handlung ist insbesondere wegen dieser Gesetzesformulierung, die ihre Durchfüh­ rung in das Ermessen des Gerichts stellt, nicht von der Zustimmung der Parteien abhängig.864 Die fehlende Freiwilligkeit zu Verfahrensbeginn wird neben der Möglichkeit des Gerichts, die Güteverhandlung einseitig anzuordnen, evtl. auch dadurch vertieft, dass der Prozessrichter darüber hinaus gemäß §  278 Abs.  3 ZPO das persönliche Er­ scheinen der Parteien anordnen soll und ein Nichtbefolgen dieser Anordnung gemäß §§  278 Abs.  3 Satz 2, 141 Abs.  3 Satz 1 ZPO die Festsetzung eines Ordnungsgeldes zur Folge haben kann. Allerdings wird gerade im Hinblick auf die mögliche Verhän­ gung eines Ordnungsgeldes festgehalten, dass die Güteverhandlung nicht zur Sank­ tion mutieren dürfe. 865 Weil Ordnungsgelder die Sachaufklärung fördern und keinen Vergleichsdruck erzeugen sollen, 866 scheiden sie aus, wenn infolge des Ausbleibens der Partei keine Sachaufklärung erschwert wird. Die Partei kann – und dies gilt ge­ mäß §§  278 Abs.  3 Satz 2, 141 Abs.  2 Satz 2 ZPO sowohl für die Güteverhandlung als auch gemäß §  141 Abs.  2 Satz 2 ZPO direkt für die mündliche Verhandlung – der Verhängung eines Ordnungsgeldes aber entgehen, wenn sie einen bevollmächtigten Vertreter entsendet, der sowohl den Sachverhalt erhellen kann als auch über die not­ wendige Bevollmächtigung verfügt, um einen Prozessvergleich zu schließen. Inso­ weit vertieft die Anordnung des persönlichen Erscheinens die fehlende Freiwilligkeit im Hinblick auf den Verfahrensbeginn nicht noch zusätzlich, da es der Partei im Ergebnis unbenommen bleibt, das persönliche Erscheinen durch die Entsendung ei­ nes Vertreters zu umgehen. Dass aber überhaupt jemand erscheinen muss, verdeut­ licht die fehlende Freiwilligkeit zu Verfahrensbeginn. Das zum persönlichen Erscheinen Gesagte kann entsprechend auch für die Frage eines Versäumnisurteils formuliert werden. Ein solches ist, im Unterschied zur Situ­ ation beim Güterichter, im Falle des Fernbleibens von der Güteverhandlung vor dem Prozessrichter möglich. Denn dieser soll gemäß §  279 Abs.  1 ZPO im Falle des Fern­ bleibens einer Partei die mündliche Verhandlung unmittelbar an die Güteverhand­ lung anschließen. Auch dieser Umstand schränkt die Freiwilligkeit ein. Vor diesem Hintergrund wurde der Richter als Zwangsberater kritisiert, weil ihn das Gesetz zuweise. Wenn aber die Wahl der gütlichen Lösung Freiheitsrecht sei, dann müsse sich die Partei in diesem Freiheitsraum ihren Berater und Therapeuten selbst wählen können.867

864 BeckOK-ZPO/Bacher,

§  278 Rn.  5; kritisch zu dieser Entscheidung des Gesetzgebers Kauffmann, MDR 2004, 1035, 1039. 865  Kauffmann, MDR 2004, 1035, 1038; Foerste, NJW 2001, 3103 f. 866  KG Berlin v. 27.06.2002 – 8 W 139/02. 867  Stürner, JR 1979, 133, 136.

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bb) Verfahrensbeendigung Im Hinblick auf die Verfahrensbeendigung kommt die Freiheit der Parteien dann wieder umfangreicher zum Tragen. Es ist die Privatautonomie der Parteien, welche die dogmatische Grundlage für eine einvernehmliche Prozessbeendigung im Ver­ gleichswege bietet und die in prozessualer Hinsicht durch die Dispositionsmaxime ergänzt wird.868 Insofern gilt auch an dieser Stelle das, was schon für die Überein­ kunft im Rahmen der Mediation bzw. güterichterlichen Vereinbarung gegolten hat: Der freie Wille der Parteien trägt die gütliche Einigung und sein Vorliegen muss bei allem richterlichen Engagement immer gesichert sein. 869 Aus diesem Grund soll das überlegene psychologische Know-how nur dann in den Dienst sachgerechter Ver­ handlungsführung gestellt werden, wenn es die Parteien zur eigenen Willensbildung anregt, 870 weil das Engagement des Richters auch vor dem Hintergrund der Ver­ handlungs- und Dispositionsmaxime allein in der Förderung der Parteiaktivität be­ stehen soll. Der Richter lässt den Parteien ein Maximum an Freiheit, ohne sie ihrer Freiheit hilflos zu überlassen.871 Die notwendige Freiheit des Willens werde durch den Richter dann gefährdet, wenn dieser manipuliere872 oder seine Autorität nutze, um Druck auf die Parteien auszuüben,873 bzw. Zwangsmittel einsetze, um ein gütliches Ergebnis um jeden Preis zu erreichen. 874 In positiver Hinsicht wird die Bedeutung der Informiertheit der Parteien für deren freie Willensbildung herausgestellt. Hierzu gehört, wenn man dem entscheidungsbe­ zogenen Vermittlungsansatz folgen möchte, die Information über alle wesentlichen rechtlichen und tatsächlichen Aspekte des Falles inklusive eines Vorschlags, wie eine gütliche Einigung aussehen könnte. 875 b) Neutralität und Unabhängigkeit Wie schon im Rahmen der Erörterung des Güterichters angesprochen, folgt die Pflicht zur Neutralität bzw. Unabhängigkeit des Prozessrichters aus §§  41 ff. ZPO, die für den Prozessrichter geschaffen wurden. Er nimmt zunächst die originären Aufgaben der rechtsprechenden Gewalt nach §  4 Abs.  1 DRiG wahr. §  38 Abs.  1 DRiG enthält den Eid, den der Richter vor Beginn der Amtsaus­ übung876 leisten muss: „Ich schwöre, das Richteramt getreu dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland und getreu dem Gesetz auszuüben, nach bestem Wissen und Gewissen ohne Ansehen der 868 MünchKommZPO/Prütting,

§  278 Rn.  12; Weber, DRiZ 1979, 166, 167; Stürner, DRiZ 1976, 202, 204. 869 Vgl. Stürner, DRiZ 1976, 202, 203. 870  Stürner, JR 1979, 133, 136. 871  Stürner, Die richterliche Aufklärung im Zivilprozess, Rn.  46. 872  Röhl, DRiZ 1983, 90, 104. 873  Stürner, JR 1979, 133, 135 f. 874 MünchKommZPO/Prütting, §  278 Rn.  5 4. 875  Stürner, JR 1979, 133, 136. 876  Staats, DRiG, §  38 Rn.  3.

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Person zu urteilen und nur der Wahrheit und Gerechtigkeit zu dienen, so wahr mir Gott helfe.“

Inhaltlich benennt die Eidesformel in geraffter Form die Hauptpflichten des Rich­ ters, vor allem im Hinblick auf seine innere Unabhängigkeit, 877 die ihre Grundlage in §  25 DRiG hat und zurückgeht auf die fast878 wortgleiche Vorschrift des Art.  97 Abs.  1 GG.879 Diese enthält allerdings nicht die einzige verfassungsrechtliche Vorgabe an den Richter. Nach der gefestigten Rechtsprechung des BVerfG880 enthält die Garantie des gesetzlichen Richters des Art.  101 Abs.  1 Satz 2 GG einen materiellen Gewährleis­ tungsinhalt dahingehend, dass den Richter die Pflicht zu Neutralität und Distanz gegenüber den Verfahrensbeteiligten trifft. Was folgt aus den auch schon für den Güterichter formulierten Anforderungen der Neutralität und Unabhängigkeit für die Tätigkeit des Prozessrichters als Vermittler? Dass gerade diese Postulate an den Richter eine wesentliche Grenze seiner Ver­ mittlungstätigkeit darstellen, wurde schon angesprochen. Im Hinblick auf das rich­ terliche Neutralitätsgebot wird festgehalten, dass dem Richter insofern ein klassi­ scher Rollenkonflikt geradezu aufoktroyiert werde.881 Daher sei die Lösung des Ur­ konflikts zwischen richterlicher Beratung und richterlicher Neutralität das eigentliche Kernproblem bei der Bestimmung des Umfangs und der Grenzen richter­ licher Aktivität. 882 Mit Blick auf die gebotene Unabhängigkeit und Neutralität des Richters werden zunächst auch für dessen Vermittlungstätigkeit Verhaltensweisen formuliert, die die Grenzen der geforderten Neutralität und Unparteilichkeit überschreiten. Häufig werden allerdings nur so eklatante Verstöße beschrieben, dass damit ein Erkenntnis­ gewinn für das Anliegen dieser Untersuchung nicht verbunden ist. Das gilt etwa für den Hinweis, dass sich die Besorgnis der Befangenheit aus der Art der Verfahrensführung des Richters ergeben kann, wenn diese auf eine willkür­ liche Benachteiligung oder Bevorzugung einer Partei schließen lasse. 883 Ein willkür­ liches Verhalten des Richters liege zudem vor, wenn dieser sich zum Anwalt einer Partei mache, einseitige Ratschläge und Empfehlungen erteile oder die Ausübung von Parteirechten behindere. 884 In jedem Falle müsse er vermeiden, den Anschein zu

877 

Staats, DRiG, §  25 Rn.  1. §  25 DRiG wird vom Richter in der Einzahl gesprochen, im GG ist dagegen von „Die Richter“ die Rede; Art.  97 Abs.  1 GG lautet: „Die Richter sind unabhängig und nur dem Gesetze unterworfen.“ 879  Staats, DRiG, §  25 Rn.  1. 880  So das Gericht selbst: BVerfG v. 20.07.2007 – 1 BvR 2228/06, BeckRS 2007, 25568. 881  Stürner, Die richterliche Aufklärung im Zivilprozess, Rn.  19; Stürner, JR 1979, 133, 136. 882  Stürner, Die richterliche Aufklärung im Zivilprozess, Rn.  19. 883  Was laut Conrad, MDR 2015, 1048, 1049 etwa dann der Fall sei, wenn es an der Bereitschaft des Richters fehle, schriftliches oder mündliches Parteivorbringen zur Kenntnis zu nehmen bzw. wenn sich der Richter pauschal und einseitig die Argumentation einer Partei zu eigen mache, ohne sich ausreichend mit den Argumenten der Gegenseite auseinanderzusetzen. 884  Conrad, MDR 2015, 1048, 1050. 878  In

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erwecken, als ob er mit einer Partei sympathisiere885 und jeden äußeren Schein der Voreingenommenheit vermeiden. 886 aa) Auswirkung auf die Prozessleitung Im Hinblick auf die materielle Prozessleitung wird formuliert, dass der Prozessrich­ ter – gerade vor dem Hintergrund des Neutralitätsgebots – die Parteien nicht zu grundsätzlich neuen Aktivitäten anleiten dürfe. Die Grenze des richterlichen Verhal­ tens liege damit zwischen der Erkenntnis des im Prozess zum Ausdruck kommenden Parteiwillens einerseits und der Umformung dieses Willens andererseits. 887 Auf Ba­ sis dieser Grenzziehung lässt sich das erlaubte richterliche Verhalten auch durch drei Funktionen beschreiben. 888 Der Richter kann mehrdeutiges Prozessverhalten klar­ stellen (Klarstellungsfunktion); er kann den Parteiwillen in die prozessual beste Form bringen (Transformationsfunktion) und er kann die Partei über den richterli­ chen Meinungsstand informieren, um ihr sachgerechte Reaktionen zu ermöglichen (Verständigungsfunktion). 889 bb) Bedeutung für die Vermittlungstätigkeit Während die erstgenannten Funktionen auf die urteilsvorbereitende Tätigkeit des Prozessrichters rekurrieren, leitet die Verständigungsfunktion über zu den im Rah­ men der richterlichen Vermittlungstätigkeit zulässigen Verhaltensweisen. Weil sich die Besorgnis der Befangenheit nicht nur aus Umständen ergeben kann, die in der mündlichen Verhandlung selbst stattgefunden haben, muss auch insofern gelten, dass in der Güteverhandlung nichts geschehen darf, was den Richter befangen ma­ chen könnte. 890 Die richterliche Neutralität zielt konstant auf denselben Inhalt, los­ gelöst davon, ob der Richter vermittelnd oder entscheidend tätig wird. 891 Aber auch aus den Vorgaben der Neutralität lassen sich keine eindeutigen Vorga­ ben an das Verhalten des Richters fassen. Die Offenlegung der vorläufigen rechtli­ chen Einschätzung des Gerichts stellt zwar, in Übereinstimmung mit dem, was oben zum sogenannten kompetitiven Verhandeln und zur Verständigungsfunktion des Richters gesagt wurde, keinen Befangenheitsgrund dar. 892

885 

Weber, DRiZ 1957, 236. Conrad, MDR 2015, 1048. 887  Stürner, Die richterliche Aufklärung im Zivilprozess, Rn.  24. 888 Vgl. Stürner, Die richterliche Aufklärung im Zivilprozess, Rn.  25 mit Verweis auf Spohr, Die richterliche Aufklärungspflicht (§  139 ZPO) im Zivilprozess, S.  56 ff.; S.  69 ff.; S.  152 ff. 889  Stürner, Die richterliche Aufklärung im Zivilprozess, Rn.  25 mit Verweis auf Spohr, Die rich­ terliche Aufklärungspflicht (§  139 ZPO) im Zivilprozess, S.  56 ff.; S.  69 ff.; S.  152 ff. 890  So formuliert Stürner, Die richterliche Aufklärung im Zivilprozess, Rn.  98 im Hinblick auf die richterliche Schlichtung; Stürner, DRiZ 1976, 202, 205: Die Wahl zwischen der korrekten Erfül­ lung richterlicher Pflichten und der voll befriedigenden Erfüllung der Vermittlerrolle muss zu Gunsten der richterlichen Pflichten ausfallen, so, dass jede aufklärende Vermittlungsaktivität den Grenzen richterlicher Aufklärungsbefugnis unterliegt. 891  Wolf, ZZP 1976, 260, 274. 892  OLG Frankfurt v. 19.07.1976 – 21 W 15/76, NJW 1976, 2025. 886 

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Weil aber die richterliche Neutralität auch eine gewisse Distanz verlange,893 sollen Fragen zur Vergleichsmotivation, die im vorgetragenen Streitstoff nicht ohnehin ent­ halten sind oder außerrechtliche Kategorien betreffen und damit die Persönlichkeits­ sphäre einer Partei ungebeten offenlegen, laut Stürner besser unterbleiben.894 Dem­ gegenüber äußert Wolf, die Neutralität des Schlichters und Vermittlers zeige sich gerade darin, dass er die Interessen beider Parteien sachlich würdige.895 cc) Kristallisationspunkt Einzelgespräch Die unklaren Rückschlüsse im Hinblick auf das richterliche Verhalten setzen sich bei der Frage der Möglichkeit eines Einzelgesprächs fort. Ist es dem Prozessrichter allein aufgrund der Anforderungen von Neutralität und Unbefangenheit benommen, un­ geachtet der konkreten Fallsituation, ein Einzelgespräch mit nur einer Partei zu füh­ ren? Die Frage wird unterschiedlich beantwortet.896 Auch wenn zum Teil die Vorga­ be formuliert wird, die Einzelgespräche seien wenn, dann mit Vorsicht zu führen, so muss für den entscheidungsbefugten Richter für alles, was die Erörterung einer möglichen gütlichen Verfahrensbeendigung betrifft, gelten, dass er alles zu vermei­ den hat, was den Anschein der Befangenheit begründen könnte. Dazu gehört auch das Führen von Einzelgesprächen. dd) Realisierung der Neutralität bzw. Unbefangenheit Im Hinblick auf die Realisierung der Neutralität bzw. Unbefangenheit des Prozess­ richters gilt zunächst das im Hinblick auf den Güterichter Gesagte. Zur Sicherung des Anspruchs auf den unparteiisch und neutral agierenden gesetzlichen Richter sieht die ZPO neben den gesetzlichen Ausschließungsgründen, die den Richter ge­ mäß §  41 Ziff.  7 ZPO von seinem Richteramt ausschließen, wenn er an einem Medi­ ationsverfahren897 mitgewirkt hat, das Ablehnungsverfahren wegen der Besorgnis der Befangenheit vor. 898 Die Möglichkeiten der ZPO wurden im Hinblick auf den Güterichter noch durch die aus dem Charakteristikum der Freiwilligkeit folgende Möglichkeit ergänzt, das Güteverfahren abzubrechen und sich auf diesem Wege vom Güterichter zu lösen, ohne den formellen Weg über die Ablehnung wegen der Besorgnis der Befangenheit beschreiten zu müssen. Diese Möglichkeit gilt – hier zeigt sich die notwendigerweise existierende Be­ schränkung der Freiwilligkeit im Gerichtsverfahren – nur eingeschränkt. Im Media­ tionsverfahren sowie im Termin vor dem Güterichter können die Parteien den Ver­ such der gütlichen Einigung vor dem Prozessrichter jederzeit und vor allem ohne 893 Vgl.

Stürner, Die richterliche Aufklärung im Zivilprozess, Rn.  95. Stürner, JR 1979, 133, 136. 895  Wolf, ZZP 1976, 260, 273. 896  Für Unzulässigkeit des Einzelgesprächs etwa: Stürner, JR 1979, 133, 137; Stürner, Die richter­ liche Aufklärung im Zivilprozess, Rn.  46; Hager, Konflikt und Konsens S.  115; für eine grundsätz­ liche Möglichkeit: Siemon, MDR 2003, 61, 63; Greger, in: Zöller, ZPO, §  278 Rn.  5. 897  Oder einem anderen Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung. 898  Conrad, MDR 2015, 1048. 894 

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Begründung abbrechen, wenn sie mit der Vermittlungstätigkeit des Moderators nicht einverstanden sind. (1) Klagerücknahme durch Kläger Nur für den Kläger ergibt sich – allerdings theoretisch899 – die Möglichkeit, eine mit dem Verfahren vor dem Güterichter vergleichbare Situation herzustellen. Er kann nämlich gemäß §  269 Abs.  1 ZPO die Klage ohne Einwilligung des Beklagten bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung zurücknehmen. Diese Vorgabe hält der Kläger dann ein, wenn er die Klage im Rahmen der Güteverhandlung zurücknimmt, die gemäß §  278 Abs.  2 Satz 1 ZPO gerade vor der mündlichen Verhandlung stattfin­ den soll. Die Rücknahme der Klage in der Güteverhandlung ist grundsätzlich mög­ lich, eine richterliche Protokollierung steht dem ansonsten notwendigen Schriftsatz (§  269 Abs.  2 Satz 2 ZPO) gleich.900 Die Klagerücknahme steht dann einer erneuten Geltendmachung des Anspruchs nicht entgegen,901 wenn der Anspruch nicht etwa von zwischenzeitlich abgelaufenen Geltendmachungsfristen erfasst902 bzw. verjährt ist.903 Der Kläger könnte dann, so­ fern die Regeln zur örtlichen Zuständigkeit904 dies erlauben, die Klage an einem an­ deren Gericht oder – sofern dies nicht möglich ist – an demselben Gericht in der Hoffnung auf die Zuteilung eines anderen Richters einreichen. Im Ergebnis hätte dann zumindest der Kläger nahezu einen Gleichlauf mit der Situation, die auch beim güterichterlichen Verfahren gilt, erreicht. Wäre aber eine solche Vorgehensweise des Klägers, dem etwa die seitens des Pro­ zessrichters in der Güteverhandlung geäußerten Prozessaussichten nicht zusagen und der sich von einem anderen Richter eine andere Leitung der Güteverhandlung und eine unterschiedliche Beurteilung der Rechtslage erhofft, durch seine Dispositi­ onsfreiheit gedeckt? Oder stellt dies eine rechtsmissbräuchliche Umgehung der §§  42 ff. ZPO dar, die gerade regeln sollen, unter welchen Voraussetzungen ein Rich­ ter abgelehnt werden kann? Für die Annahme eines rechtsmissbräuchlichen Vorgehens spricht die Existenz eines prozessualen Missbrauchsverbots dahingehend, dass prozessuale Befugnisse nicht für verfahrensfremde Zwecke missbraucht werden dürfen905 und insbesondere schikanöse Prozesshandlungen mit Treu und Glauben unvereinbar sein können.906 899  Wegen der mit der Klagerücknahme und der erneuten Erhebung einhergehenden Kosten für den Kläger wird dieses hier vorgestellte Modell wohl nur eine theoretische Option sein. 900 BeckOK-ZPO/Bacher, §  278 Rn.  13; Greger, in: Zöller, ZPO, §  278 Rn.  13. 901  Thole, in: Stein/Jonas, ZPO, §   269 Rn.  41; Assmann, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, §  269 Rn.  7; BeckOK-ZPO/Bacher, §  269 Vor Rn.  1. 902  Zu arbeitsrechtlichen Ausschlussfristen vgl. Husemann, NZA-RR 2011, 337. 903  Denn auch die materiellrechtlichen Wirkungen der Klageerhebung entfallen, vgl. HK-ZPO/ Saenger, §  269 Rn.  31. 904  §§  12 ff. ZPO. 905  Vollkommer, in: Zöller, ZPO, Einl. Rn.  41; BGH v. 19.12.2001 – VIII ZR 282/00, BGHZ 149, 323; BGH v. 10.05.2007 – V ZB 83/06, BGHZ 172, 222; BGH v. 20.05.2014 – VI ZB 9/13, NJW 2014, 2285. 906  Brehm, in: Stein/Jonas, ZPO, Vor §  1 Rn.  233.

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In der Entscheidung über einen Prozesskostenhilfeantrag hat das LAG Nürnberg907 die Rechtsverfolgung im Falle einer erneuten Klageerhebung nach Klagerücknahme als mutwillig im Sinne des §  114 Abs.  2 ZPO eingestuft. Nach der in der Vorschrift enthaltenen Legaldefinition ist eine Rechtsverfolgung mutwillig, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Um­ stände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht. Auch einer rechtsmissbräuchlichen Rechtsverfolgung soll mithilfe des Erfordernisses der fehlenden Mutwilligkeit die Unterstützung mittels Prozesskostenhilfe versagt werden.908 Das LAG Nürnberg selbst hatte aber festgehalten, dass eine erneute Klageerhebung nicht als mutwillig anzusehen sei, wenn es nachvollziehbare und billigenswerte Gründe für ein solches prozessuales Vorgehen gebe.909 Diese Einschränkung weist die Richtung, in die der hier in Rede stehende Fall zu entscheiden ist. Denn das angesprochene Missbrauchs­ verbot schließt prozesstaktisches Vorgehen nicht notwendigerweise aus.910 Dass eine solche Vorgehensweise durch die Dispositionsfreiheit des Klägers gedeckt ist, darauf weist insbesondere die Existenz des §  269 Abs.  6 ZPO hin, der für den Fall der erneu­ ten Klageerhebung regelt, dass der Beklagte dann, d. h. im zweiten Prozess, die Ein­ lassung solange verweigern kann, bis die Kosten des ersten erstattet sind.911 Diese Regelung lässt auch für die hier interessierende Fallkonstellation zwei Rück­ schlüsse zu: Die ZPO erlaubt erstens die erneute Klageerhebung nach der vorherigen Rücknahme. Zweitens gibt sie dem Beklagten zwar nicht die Möglichkeit, dies zu verhindern, sie verlangt vom Kläger jedoch, zunächst die Kosten des Vorprozesses zu begleichen. Der Gesetzgeber hat also eine Lösung für die Fälle der Klagerücknah­ me vorgesehen. Der Kläger muss infolge seiner Klagerücknahme die Kosten des ers­ ten Prozesses tragen, vgl. §  269 Abs.  3 ZPO. Bis dies geschehen ist, kann der Beklag­ te gemäß §  269 Abs.  6 ZPO den Fortgang eines zweiten Prozesses verhindern. Damit anerkennt die ZPO aber die erneute Klageerhebung nach vorhergehender Rücknah­ me als Akt der Dispositionsfreiheit, der nicht verboten ist, aber dessen Kosten bei dem Kläger verbleiben. In diese Argumentation fügt sich dann auch die oben angesprochene Entschei­ dung des LAG Nürnberg ein. Da eine solche Vorgehensweise die geschilderte Kos­ tenfolge zeitigt, ist sie zwar nicht rechtsmissbräuchlich, aber mutwillig im Sinne des Prozesskostenhilferechts, da die Allgemeinheit diese Vorgehensweise nicht – oder eben nur bei Vorliegen besonderer Gründe – finanzieren muss. Dies gilt im Hinblick auf die Gewährung von Prozesskostenhilfe im Rahmen der Verfahren innerhalb der Arbeitsgerichtsbarkeit zudem, weil hier der Kläger infolge seiner Klagerücknahme nicht die Kosten der Gegenseite tragen muss, vgl. §  12a ArbGG,912 was die Kostenar­ 907 

LAG Nürnberg v. 15.08.2011 – 4 Ta 112/11, juris. Vgl. MünchKommZPO/Wache, §  114 Rn.  83; Bork, in: Stein/Jonas, ZPO, §  114 Rn.  27. 909  LAG Nürnberg v. 15.08.2011 – 4 Ta 112/11, juris. 910  Vollkommer, in: Zöller, ZPO, Einl. Rn.  41. 911  Foerste, in: Musielak/Voit, ZPO, §  269 Rn.  18. 912  §  12a Abs.  1 Satz 1 ArbGG lautet: „In Urteilsverfahren des ersten Rechtszugs besteht kein Anspruch der obsiegenden Partei auf Entschädigung wegen Zeitversäumnis und auf Erstattung der Kosten für die Zuziehung eines Prozeßbevollmächtigten oder Beistands“. 908 

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gumentation etwas entschärft. Übrig bleiben insofern die Kosten des eigenen Rechts­ beistandes, die der Kläger zu tragen hat. Damit steht dem Kläger, der Zweifel an der Neutralität bzw. Unabhängigkeit des Prozessrichters in der Güteverhandlung hegt, die Möglichkeit der Klagerücknahme und der erneuten Klageerhebung rein rechtlich zu, wenngleich die damit einherge­ hende Kostenfolge diesem taktischen Vorgehen seinen praktischen Reiz nimmt. Ist die Situation des Klägers im Hinblick auf die beeinträchtigte Neutralität bzw. Unabhängigkeit des Vermittlers damit, vom Standpunkt seiner rechtlichen Möglich­ keiten her betrachtet, mit der der Konfliktparteien im Rahmen des Moderationsver­ fahrens sowie innerhalb des Verfahrens vor dem Güterichter vergleichbar, unter­ scheidet sich die Situation des Beklagten an dieser Stelle von der der Teilnehmer der zuvor besprochenen Moderationssituationen. (2) Reaktionsmöglichkeiten des Beklagten Es ist gerade Wesen und notwendiger Inhalt des staatlichen Gewaltmonopols, dass die Führung eines Zivilprozesses nicht vom Willen des Beklagten abhängig ist. An­ sonsten würde die Durchsetzung eines privatrechtlichen Anspruchs mit den Mitteln des Staates scheitern. Deshalb steht eine Vorgehensweise, die mit der soeben für den Kläger geschilderten Klagerücknahme vergleichbar ist, für den Beklagten nicht zur Verfügung. Ist der Beklagte mit der Vermittlung des Prozessrichters in der Gütever­ handlung nicht einverstanden und hegt er Zweifel an dessen Unabhängigkeit und/ oder seiner neutralen Verhandlungsführung, bleibt ihm lediglich eine Vorgehenswei­ se nach den §§  42 ff. ZPO, wenn er den Wechsel des Richters erreichen will. Die Gü­ teverhandlung allein kann er – mit der Folge einer streitigen Fortführung des Pro­ zesses – demgegenüber allein und ohne Begründung abbrechen. Ist er sich – etwa, weil beide mit der Vermittlungstätigkeit des Prozessrichters nicht einverstanden sind – mit dem Kläger insoweit einig, können beide zusammen den Prozessrichter zumin­ dest als Vermittler ersetzen und eine Vermittlung durch einen externen Mediator 913 bzw. einen Güterichter 914 anstreben. In die entgegengesetzte Richtung nähert sich die Bedeutung der Freiwilligkeit im Hinblick auf eine Reaktion auf eine mögliche Beeinträchtigung wieder den zuvor genannten Verfahrenskonstellationen an: Denn die Parteien können die Besorgnis der Befangenheit geltend machen, sie müssen es aber nicht. Dies zeigt der Heilungs­ tatbestand des §  43 ZPO,915 der dazu führt, dass die Partei ihr Ablehnungsrecht ver­ liert und ein zu spät erhobener Befangenheitsantrag als unbegründet zurückgewie­ sen wird.916 Damit wird aber auch deutlich, dass die Parteien – von den gesetzlichen Ausschlussgründen des §  41 ZPO und der Möglichkeit der richterlichen Selbstanzei­ 913 

Vgl. §  278a ZPO. Vgl. §  278 Abs.  5 ZPO. 915  BGH v. 16.01.2014 – XII ZB 377/12, NJW-RR 2014, 382, Rn.  21; BGH v. 07.12.2005 – XII ZR 94/03, BGHZ 165, 223, 227. 916 BeckOK-ZPO/Vossler, §  43 Rn.  2 ; a. A. Heinrich, in: Musielak/Voit, ZPO, §  43 Rn.  1, wonach §  43 Ausfluss der allgemeinen Prozessförderungspflicht ist, die zur Unzulässigkeit des verspäteten Ablehnungsersuchens führen soll. 914 

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ge nach §  48 ZPO abgesehen – nicht nur aus Versehen, sondern auch bewusst auf ei­ nen Befangenheitsantrag verzichten können. c) Vertraulichkeit Im Hinblick auf die Vertraulichkeit ergibt sich abermals ein von den Ergebnissen der bisher geschilderten Verfahren differentes Bild, was naturgemäß an der Bedeutung der Öffentlichkeit für den Zivilprozess in einem Rechtsstaat liegt, der keine Geheim­ justiz kennt.917 Dieser im Zivilprozess geltende Grundsatz entfaltet Wirkungen auf die Frage der Vertraulichkeit der Verhandlungen zur gütlichen Streitbeilegung. Das gilt für jede der bisher vorgestellten Dimensionen des Vertrauensschutzes, d. h. sowohl gegen­ über Dritten, als auch durch die Parteien und durch den Prozessrichter. Um aber die Auswirkungen dieses für den Zivilprozess geltenden Öffentlichkeits­ grundsatzes für das hier zu betrachtende Charakteristikum der Vertraulichkeit in seinen unterschiedlichen Dimensionen bzw. Zielgruppen analysieren zu können, ist zunächst zu untersuchen, wie weit der Grundsatz der Öffentlichkeit des streitigen Zivilprozesses geht und wo demgegenüber der Grundsatz der Vertraulichkeit be­ ginnt. aa) Reichweite des Öffentlichkeitsgrundsatzes Eine zentrale Vorfrage für die Untersuchung der Vertraulichkeit ist diejenige da­ nach, ob die Güteverhandlung im Sinne des §  278 Abs.  2 ZPO vor dem Prozessrichter öffentlich ist oder nicht. Ausgangspunkt ist die Regelung des §  169 Satz 1 GVG, der zufolge die Verhandlung vor dem erkennenden Gericht einschließlich der Verkün­ dung der Urteile und Beschlüsse öffentlich ist. Dass von dieser Regelung die Verhandlung vor dem Güterichter nicht erfasst ist, weil es sich bei diesem nicht um das „erkennende Gericht“ im Sinne des §  169 GVG handelt, wurde bereits oben festgehalten.918 Die Güteverhandlung des §  278 Abs.  2 ZPO findet jedoch vor dem zur Entscheidung in der Hauptsache berufenen und da­ mit dem erkennenden Gericht im Sinne des §  169 GVG statt.919 Aus diesem Grund wird die Güteverhandlung vor dem Prozessrichter – anders als jene vor dem Güte­ richter – auch zum Teil als Verhandlung im Sinne des §  169 Satz 1 GVG eingestuft mit der Folge, dass diese öffentlich stattfinden muss.920 Eine eindeutige Positionierung des Gesetzgebers dahingehend, ob er im Hinblick auf die Öffentlichkeit die Güteverhandlungen vor dem Güterichter anders als die vor dem Prozessrichter behandeln will, liegt nicht vor. Bei der Schaffung des Güterich­ 917 Vgl.

Katzenmeier, ZZP (115) 2002, 51, 73. Siehe unter B.II.4.d). 919  Erkennendes Gericht ist, bezogen auf zivilrechtliche Streitigkeiten, dasjenige Gericht, das in einer streitigen Angelegenheit die Entscheidung in der Hauptsache trifft (§  309 ZPO), so etwa: MünchKommZPO/Zimmermann, GVG, §  169 Rn.  18. 920  Thole, in: Stein/Jonas, ZPO, §   278 Rn.  28; Assmann, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, §  278 Rn.  56; BeckOK-ZPO/Bacher, §  278 Rn.  10. 918 

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termodells wurde parallel dazu die Protokollierungspflicht hinsichtlich der dortigen Verhandlung durch die Einführung des §  159 Abs.  2 Satz 2 ZPO gelockert, jedoch geschah dies lediglich mit Blick auf die Güteverhandlung, da der Prozessrichter ja ohnehin – unabhängig von einer Protokollierung – als Leiter „seiner“ Güteverhand­ lung Kenntnis von deren Inhalt hatte. Der Gesetzgeber wollte im Hinblick auf das Güterichtermodell vielmehr die Vertraulichkeit des Gesprächs auch vor dem Prozess­ richter absichern.921 Diese Absicherung ist allerdings sinnlos, wenn der Prozessrich­ ter die Güteverhandlung führt. §  169 Satz 1 GVG postuliert die Öffentlichkeit für Verhandlungen vor dem erken­ nenden Gericht. In der Kommentierung wird zunächst klargestellt, dass im Hinblick auf den Zivilprozess die mündliche Verhandlung im Sinne des §  128 Abs.  1 ZPO ge­ meint sei,922 wozu die Güteverhandlung – wie schon oben festgehalten wurde923 – schon dem Wortlaut des §  278 Abs.  2 ZPO nach nicht gehört. Dies würde gegen eine notwendige Öffentlichkeit der Güteverhandlung sprechen, was allerdings im Ergeb­ nis zu einer etwas merkwürdig anmutenden Unterscheidung im Hinblick auf die Arbeitsgerichtsbarkeit führen würde, in der die Güteverhandlung als Teil der münd­ lichen Verhandlung924 stets öffentlich abgehalten werden muss. Auch der Rückzug auf den Zweck des Öffentlichkeitsgebots bringt keine endgül­ tige Klärung der Frage, ob eine Öffentlichkeit der Güteverhandlung geboten ist oder nicht. Zweck der Öffentlichkeit der Verhandlung ist die Kontrolle der staatlichen Machtausübung des Gerichts sowie die Stärkung der richterlichen Unabhängig­ keit.925 Legt man nun zugrunde, dass die staatliche Machtausübung vor allem durch das Fällen eines notfalls mit Zwangsmitteln durchsetzbaren Urteils geschieht, ist die Öf­ fentlichkeit zur Kontrolle bei allen gerichtlichen Maßnahmen notwendig und gebo­ ten, auf denen ein späteres Urteil basieren kann, weshalb die Beweisaufnahme unter den Verhandlungsbegriff des §  169 Satz 1 GVG fällt.926 Eine Beweisaufnahme soll jedoch nach der hier vertretenen Auffassung927 gerade nicht im Gütetermin stattfin­ den, womit die Öffentlichkeit der Verhandlung nicht erforderlich wäre. Das bedeutet noch nicht, dass der Richter sein Urteil nicht auch auf den Inhalt der Güteverhand­ lungen stützen kann. Dies wäre wiederum dann der Fall, wenn die Güteverhandlung zu den Verhandlungen im Sinne des §  286 Abs.  1 Satz 1 ZPO gehören würde, deren gesamten Inhalt der Richter seiner Entscheidung zugrunde legen kann. Neben dem 921 Vgl. Greger, in: Zöller, ZPO, §  278 Rn.  30: Vertraulichkeit ist einer der Hauptgründe für die Einführung des Güterichtermodells. 922  Kissel/Mayer, GVG, §  169 Rn.  9; MünchKommZPO/Zimmermann, GVG, §  169 Rn.  11. 923  Vgl. oben unter B.III.2a)bb). 924  Vgl. Wortlaut des §  5 4 Abs.  1 Satz 1 ArbGG: Die mündliche Verhandlung beginnt mit einer Verhandlung vor dem Vorsitzenden zum Zwecke der gütlichen Einigung der Parteien (Gütever­ handlung). 925  EGMR v. 08.12.1983 – 3/1982/49/78, EuGHRZ 1985, 548; BGH v. 20.01.1953 – 1 StR 626/52, BGHSt 3, 387; OLG Köln v. 07.11.1984 – 16 U 102/84, NJW-RR 1986, 560, 561; Erdsieck, NJW 1960, 1048; MünchKommZPO/Zimmermann, GVG, §  169 Rn.  1; Schilken, Gerichtsverfassungsrecht, Rn.  155. 926  RGZ 157, 341, 343; MünchKommZPO/Zimmermann, GVG, §  169 Rn.  15. 927  Siehe dazu oben unter B.III.2.a).bb).

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zudem in §  286 ZPO erwähnten Ergebnis einer Beweisaufnahme gehört zum „Inhalt der Verhandlungen“ im Sinne der Vorschrift auch der gesamte Parteivortrag ein­ schließlich eines etwaigen Wechsels der Äußerungen.928 Insoweit könnte ein Urteil auch auf den Eindrücken basieren, die der Richter in der Güteverhandlung gewon­ nen hat, d. h., der Verhandlungsbegriff des §  286 Abs.  1 ZPO wäre nicht bloß als mündliche Verhandlung zu verstehen.929 Dagegen spricht aber die Vorstellung des Gesetzgebers, der im Gesetzgebungsver­ fahren zur Schaffung der Güteverhandlung festgehalten hat: „Der damit künftig be­ reits im frühen Prozessstadium der Güteverhandlung zu gewinnende Erkenntnisge­ winn wird regelmäßig auch bei einer streitigen Weiterführung des Prozesses nutz­ bringend sein.“930 Damit wird auch der Gesetzgeber davon ausgegangen sein, dass der Richter die aus der Güteverhandlung gewonnenen Erkenntnisse und Eindrücke seiner Würdigung des Falles zugrunde legen kann.931 Wenn aber das Urteil evtl. auch auf Erkenntnis­ sen, die der Richter in der von ihm geleiteten Güteverhandlung gewonnen hat, basie­ ren kann, dann gebietet es der Kontrollzweck des Grundsatzes der Öffentlichkeit, dass diese Güteverhandlung öffentlich stattfindet. Neben den rechtlichen Erwägungen, die hier zudem dazu führen, eine öffentliche Güteverhandlung anzunehmen, ist es auch der schon angesprochene tatsächliche Umstand, nach dem in der Praxis das Ende der Güte- und der Beginn der streitigen Verhandlung häufig nicht zu trennen sind. Genau dazwischen hätte aber die Grenze zwischen einer nichtöffentlichen Güteverhandlung und einer jedenfalls öffentlichen mündlichen Verhandlung gelegen. Auf Basis der Feststellung, dass die Güteverhandlung vor dem Prozessrichter öf­ fentlich stattfinden muss, können jetzt auch die im Rahmen der vorherigen Darstel­ lungen herausgearbeiteten unterschiedlichen Dimensionen des Vertraulichkeits­ schutzes angesprochen werden. bb) Dritte Für den Vertraulichkeitsschutz gegenüber Dritten ist die Frage der Öffentlichkeit der Güteverhandlung zentral. Ein Schutz der Vertraulichkeit scheidet aus, wenn Dritten die Anwesenheit während der Güteverhandlung gestattet ist. cc) Prozessrichter Dass den Parteien ein richterlicher Vermittler zur Verfügung steht, der nicht über ihren Fall entscheidet, war eine entscheidende Motivation bei der Schaffung des Gü­ 928 BeckOK-ZPO/Bacher, §  286 Rn.  6 mit Verweis auf BGH v. 12.12.2001 – X ZR 141/00, NJW 2002, 1276, 1277. 929 BeckOK-ZPO/Bacher, §  286 Rn.  6 und MünchKommZPO/Prütting, §  286 Rn.  8 sprechen in diesem Zusammenhang jedoch nur von mündlicher Verhandlung. 930  BT-Drs. 14/4722, S.  156. 931 So auch die Interpretation des Gesetzgebers bei Foerste, in: Musielak/Voit, ZPO, §   278 Rn.  12; im Ergebnis ebenso Greger, in: Zöller, ZPO, §  278 Rn.  18; Greger, DStR 2005, 479, 480.

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terichtermodells. Durch die personale Trennung sollten die Parteien leichter dazu angehalten werden, Zugeständnisse zu machen und auf Vergleichsangebote des Me­ diators oder der Gegenseite einzugehen.932 Daher war dort die Frage von wesentli­ cher Bedeutung, welche Informationen der Prozessrichter über die Güteverhand­ lung enthält. Vertraulichkeit ist wichtig für die Offenheit des Gesprächs, einen der Hauptgründe für die Einführung des Güterichters.933 Diese Frage stellt sich dann nicht, wenn die Verhandlung durch den Prozessrichter geleitet wird. Das gilt losge­ löst davon, ob die Sitzung öffentlich stattfindet oder nicht. dd) Parteien Die Parteien waren schon im Rahmen des Mediationsverfahrens sowie innerhalb des Güteverfahrens auf das eigene Engagement in Form einer Vertraulichkeitsabrede an­ gewiesen, wenn es darum ging, zu verhindern, dass der Gegner Informationen, die er in der Verhandlung gewonnen hat, in den späteren streitigen Prozess einführt. Das ist bei der öffentlichen Güteverhandlung nicht anders. Eine Rechtsnorm, die dem Gegner den Vortrag von Tatsachen verbietet, die er in der Güteverhandlung erfahren hat, existiert nicht.934 Etwas Dementsprechendes zu vereinbaren hat schon wegen der Öffentlichkeit der Verhandlung keinen Sinn. Dass dem Vertrauensschutz in der gerichtlichen Güteverhandlung Grenzen ge­ setzt sind, ist nicht ohne Kritik geblieben.935 Dem Gesetzgeber ist das seit der Ein­ führung des Mediationsgesetzes und des Güterichtermodells bekannt – und mehr noch: Er nimmt es in Kauf. Dies kommt in der Aussage zum Ausdruck, dass für den Fall, dass die Parteien einen weitergehenden Vertrauensschutz wünschten, diese die Möglichkeit hätten, ein Mediationsverfahren durchzuführen.936

4. Haftung Bei der Frage, wie der Prozessrichter für seine Verfehlungen in der Güteverhandlung haftet, lässt sich vieles, wenngleich nicht alles von den Ausführungen bezüglich des Güterichters übertragen, weil auch dessen Haftung schon von seiner Amtsträgerei­ genschaft beeinflusst war. Wie beim Güterichter, so handelt es sich auch beim Pro­ zessrichter nicht um eine vertragliche Haftung, sondern wenn, dann um eine delik­ tische, deren Voraussetzung gemäß §  839 Abs.  1 BGB ebenfalls eine Amtspflichtver­ letzung ist.

932 

Wagner, in: Fischer/Unberath, Das neue Mediationsgesetz, S.  91. Greger, in: Zöller, ZPO, §  278 Rn.  30. 934  Greger, DStR 2005, 479, 480. 935 Nach Greger, DStR 2005, 479, 480 ist die fehlende Vertraulichkeit ein Manko der Gütever­ handlung. 936  BT-Drs. 17/8058, S.  21. 933 

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B. Der moderierte Vertrag des zivilrechtlichen Konflikts

a) Amtspflichtverletzung Insofern lässt sich wieder das Bild zeichnen, das auch schon für die Haftung des Mediators bzw. des Güterichters entworfen wurde. Im Hinblick auf das Verhalten des Prozessrichters in der Güteverhandlung werden die Grenzen des Erlaubten nur sehr vage beschrieben, was dem Prozessrichter eine breite Möglichkeit an Hand­ lungsoptionen sichert, allerdings – und dies ist die zuvor schon angesprochene ande­ re Seite der Medaille – einen Verlust an zivilrechtlicher Absicherung bedeutet. Da sich eben eine Amtspflichtverletzung, die in einem Gesetzesverstoß zu erblicken wäre, vor dem Hintergrund des ungenauen Inhalts des Gesetzes nur schwer fassen lässt, ist der Schluss gerechtfertigt, dass sich eine Verletzung der richterlichen Pflich­ ten wohl nur in Extremfällen wird feststellen lassen. b) Privilegierung Hinzu kommt auch beim Prozessrichter937 die Privilegierung der Haftung, die im Ergebnis mit derjenigen des Güterichters übereinstimmt, was bedeutet, dass sowohl das Verweisungsprivileg des §  839 Abs.  1 Satz 2 BGB greift als auch dem entschei­ dungsbefugten Richter die allgemeine richterrechtliche Haftungsprivilegierung zu Gute kommt, nicht jedoch das sogenannte Spruchrichterprivileg des §  839 Abs.  2 BGB. aa) Spruchrichterprivileg Der Wortlaut des Spruchrichterprivilegs deutet auch beim Prozessrichter nicht auf eine Privilegierung hin, da §  839 Abs.  2 Satz 1 BGB von einem Urteil in einer Rechts­ sache spricht und es bei der vermittelnden Tätigkeit in der Güteverhandlung gerade nicht darum geht, ein Urteil zu treffen oder vorzubereiten, d. h. auch die sogenann­ ten „urteilsvertretenden Erkenntnisse“,938 die ebenfalls unter §  839 Abs.  2 BGB fal­ len, bei der Vermittlungstätigkeit des Richters nicht einschlägig sind. Dies legt den Schluss nahe, die vermittelnde Tätigkeit ebenso wenig unter die Privilegierung zu fassen wie die Tätigkeit des Güterichters. Trotzdem wird vertreten, gerade dies zu tun. Das wird zum Teil begründet mit dem Hinweis auf den Unterschied zwischen der Kautelarjurisprudenz, die sich mit der Vertragsgestaltung beschäftige und den Rechtsanwälten und Notaren vorbehalten sei, und der Dezisionsjurisprudenz, die sich mit der Entscheidung streitiger Fälle beschäftige und Aufgabe der Richter sei. Es sei aber eben nicht Aufgabe des Richters, sich in der mündlichen Verhandlung vor­ sorgend mit der Vertragsgestaltung zu beschäftigen. Die Protokollierung eines Ver­ gleichs durch das Gericht muss wegen der Funktion als Prozesshandlung, nach der 937 

Ähnlich wie beim Güterichter, aber anders als beim Mediator. §  839 Rn.  325; Dietrich, ZZP 2007, 444, 454; die Reich­ weite des Tatbestandsmerkmals „Urteil“ war schon bei den Vorarbeiten zum BGB umstritten: vgl. Mugdan, Bd.  II 1396–1403; zur Entstehung siehe ebenfalls Loritz, in: FS Stürner, S.  327, 333; Breuer, Staatshaftung für judikatives Unrecht, S.  101 ff. 938 MünchKommBGB/Papier/Shirvani,

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der Vergleich als materiell-rechtlicher Vertrag zur Streitbeendigung führt, deshalb richterliche Tätigkeit und demzufolge vom Spruchrichterprivileg erfasst sein.939 Dabei wird jedoch verkannt, dass es vorliegend nicht um die Abgrenzung von richterlichen und nichtrichterlichen Aufgaben geht, sondern um die im Wortlaut des §  839 Abs.  2 BGB seit jeher angelegte Unterscheidung, ob die Amtspflichtverletzung „bei dem Urteil einer Rechtssache“ oder anderweitig geschieht. Dass dem Richter auch und besonders durch die Änderungen der ZPO heute Aufgaben zugeschrieben werden, die er zum Zeitpunkt der Schaffung des §  839 Abs.  2 BGB noch nicht hatte, ist unbestritten. Damit kann dann aber keine – vom Gesetzgeber eben nicht vorgese­ hene – stillschweigende Erweiterung des Spruchrichterprivilegs einhergehen. Daran ändert auch der vermeintliche Wertungswiderspruch nichts, der hiermit einhergeht und ebenfalls für die Kritik am Spruchrichterprivileg als nicht mehr zeitgemäß her­ angezogen wird.940 Nähme man dem beratenden Richter die Privilegierung, so wür­ de er dann stärker haften, wenn die Parteien das letzte Wort haben und wäre infolge der Anwendbarkeit des Spruchrichterprivilegs dann mehr geschützt, wenn die Par­ teien, etwa bei einem Urteil, gar keine unmittelbare Mitverantwortung für das Er­ gebnis tragen.941 Gerade weil die Parteien beim moderierten Vertrag eine Mitverant­ wortung tragen, wird das richterliche Haftungsrisiko reduziert, was dann nicht der Fall ist, wenn der Richter – alleine – ein Urteil verantworten muss. Dem Prozessver­ gleich fehlt die entscheidungsähnliche Natur, die für eine Anwendung des Privilegs erforderlich ist.942 Damit bleibt es auch im Hinblick auf den Prozessrichter bei einer Nichtanwendbarkeit des Spruchrichterprivilegs auf dessen Vermittlungstätigkeit. bb) Verweisungsprivileg und allgemeine Haftungsprivilegierung Unabhängig von der Frage der Einschlägigkeit des Spruchrichterprivilegs wird eine Haftung des beratenden Richters häufig am hohen Verschuldensmaßstab scheitern, der von der Rechtsprechung für die Richterhaftung gefordert wird. Auch außerhalb der Anwendbarkeit des Spruchrichterprivilegs soll infolge der richterlichen Unab­ hängigkeit ein Verschulden nur bei besonders groben Verstößen in Betracht kom­ men. Dem BGH zufolge gilt – wie schon bei der richterlichen Tätigkeit des Güterich­ ters festgehalten – bei der Rechtsanwendung und Gesetzesauslegung des Richters, dass eine Haftung nur bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit in Betracht kommt.943 Diese allgemeine Haftungsprivilegierung findet auf alle richterlichen Tätigkeiten 939  Rakete-Dombek, NJW 2012, 1689, 1692; im Ergebnis auch für eine Ausweitung des Spruch­ richterprivilegs OLG Bremen v. 21.07.1999 – 1 U 130/98, NJW-RR 2001, 1036. 940  Dietrich, ZZP 2007, 444, 458 äußert, dies sei nicht der Fall. 941  Dietrich, ZZP 2007, 444, 456: Es ist nicht einsichtig, dass für hoheitliche Entscheidungen nicht gehaftet werden soll, im Bereich von Vergleichen, in denen das hoheitliche Element zurück­ tritt und den Parteien selbst das letzte Wort zukommt, aber doch. 942  So formuliert auch Schramm, Richterliche Pflichten und Haftung beim Prozessvergleich der ZPO, S.  141 der zur Begründung seiner Position allerdings auf die fehlende Rechtskraft des Ver­ gleichs abstellt. 943  BGH v. 03.07.2003 – III ZR 326/02, BGHZ 155, 306; so auch BGH v. 21.07.2005 – III ZR 21/05, BeckRS 2005, 9404.

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B. Der moderierte Vertrag des zivilrechtlichen Konflikts

Anwendung, die außerhalb des Richterspruchprivilegs liegen.944 Bei der Übertra­ gung der Anforderungen auf den richterlichen Rat zum Abschluss eines Vergleichs wird dann dementsprechend zum Teil geschlossen, dass selbst der unrichtige Rat nicht zu einer Haftung führen würde.945 cc) Schaden Auch im Hinblick auf die Benennung eines möglichen Schadens setzen sich die aus der Darstellung zum Güterichter bekannten Probleme fort. Das, was dort im Hin­ blick auf die Schwierigkeit, einen Schaden zu beziffern, gesagt wurde, gilt für den Prozessrichter noch unmittelbarer. Wenn die Güteverhandlung abgebrochen wird, entscheidet der Richter allein unter rechtlichen Gesichtspunkten, ob dem Kläger der geltend gemachte Anspruch zusteht.946 Da der Schaden sich aber eben auch rechtlich begründen lassen muss, stellt das Fehlen einer gütlichen Einigung für sich genom­ men jedenfalls keinen ersatzfähigen Schaden dar. Auch die Geltendmachung eines Verzögerungsschadens, der etwa der später ob­ siegenden Partei durch die von dem Prozessrichter verlängerte Güteverhandlung entstanden ist, dürfte schon an der fehlenden Widerrechtlichkeit seiner Handlungen scheitern, weil §  278 Abs.  1 ZPO eine ausgleichende Tätigkeit vom Richter gerade verlangt. Das spiegelt sich auch im Erfordernis der unangemessen langen Verfahrensdauer wider, die vorliegen muss, wenn einer der Prozessbeteiligten einen Schadensersatzoder Entschädigungsanspruch nach den Vorschriften der §§  198 ff. GVG geltend ma­ chen will, die der deutsche Gesetzgeber in Folge der Rechtsprechung des EGMR947 eingeführt hat.948 Ob ein Gerichtsverfahren unangemessen lange dauert, bestimmt sich nach den maßgeblichen Umständen des Einzelfalls und insbesondere der Pro­ zessleitung des Ausgangsgerichts,949 die dann vor der gesetzlichen Wertung nicht als unangemessen zu werten sein dürfte, wenn der Prozessrichter einen geringen Anlass für das Führen von Vergleichsverhandlungen sieht. Das kommt auch darin zum Aus­ druck, dass die Güteverhandlung jedenfalls dann ihr Ende findet, wenn ein Prozess­ beteiligter die nach §  198 Abs.  3 Satz 1 GVG für eine Entschädigung notwendige Verzögerungsrüge erhebt, weil damit verbunden auch der fehlende Wille, sich zu ei­ nigen, zum Ausdruck käme. Insofern gilt für den Prozessrichter auch das, was für den Güterichter und den Mediator festzustellen war: Ein Schaden dürfte regelmäßig nur sehr schwer zu bezif­ fern sein. 944 Staudinger/Wöstmann,

BGB, §  839 Rn.  655; BeckOK-BGB/Reinert, §  839 Rn.  108; BGH v. 04.11.2010 – III ZR 32/10, BGHZ 187, 286 ff. Rn.  14; dazu bejahend BVerfG v. 22.08.2013 – 1 BvR 1067/12, BeckRS 2013, 56344. 945  Dietrich, ZZP 2007, 444, 456, zumal das dringende Anraten für sich genommen auch nichts für einen Fall der Haftung wegen einer Straftat hergebe. 946  Wenn wir hier vom prozessualen „Grundfall“ der Leistungsklage ausgehen. 947  Namentlich EGMR v. 02.09.2010 – Nr.  46344/06, NJW 2010, 3355 Rn.  59 ff. 948  Zu Schadensersatz und Entschädigung bei überlangen Gerichtsverfahren vgl. Schlick, WM 2016, 485 ff. 949 BeckOK-GVG/Graf, GVG, §  198 Rn.  7.

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5. Der moderierte Vertrag in der Verhandlung vor dem Prozessrichter Wenn die Vermittlungstätigkeit des Prozessrichters erfolgreich war, muss nicht ge­ zwungenermaßen ein Prozessvergleich zwischen den Parteien die Folge sein. Das Ziel von §  278 Abs.  1 ZPO wird durch jede Form nichtstreitiger Einigung der Partei­ en erreicht, die sich letztlich neben einem Vergleich auch in einer Klage- oder Rechts­ mittelrücknahme, in einer Erledigungserklärung, einem Anerkenntnis oder Verzicht usw. ausdrücken kann.950 Dass hierbei trotz fehlenden Vergleichs aber trotzdem eine auch durch die Vermittlungstätigkeit des Prozessrichters hervorgebrachte Überein­ kunft zwischen den Parteien im Sinne eines moderierten Vertrags vorliegt, zeigt sich auch, wenn man diesen einen Vollstreckungstitel darstellenden Vergleich im Sinne des §  794 Abs.  1 Nr.  1 ZPO gegenüberstellt. a) Moderierter Vertrag und Prozessvergleich im Sinne von §  794 Abs.  1 Nr.  1 ZPO Die Frage, ob ein moderierter Vertrag im Sinne dieser Untersuchung einen Vergleich im Sinne des §  794 Abs.  1 Nr.  1 ZPO darstellt, ist dahingehend zu beantworten, dass dies der Fall sein kann und häufig auch sein wird, aber nicht muss. Ohne der noch folgenden Definition des moderierten Vertrags vorzugreifen, lässt sich bereits an dieser Stelle festhalten, dass der Begriff des moderierten Vertrags in seiner Reichweite über den Begriff des Vergleichs als Tatbestandsvoraussetzung im Sinne des §  794 Abs.  1 Nr.  1 ZPO hinaus geht. D. h., es ist möglich, einen moderier­ ten Vertrag zu schließen, der nicht die Voraussetzungen des §  794 Abs.  1 Nr.  1 ZPO erfüllt. Andererseits ist jeder Vergleich im Sinne des §  794 Abs.  1 Nr.  1 ZPO ein mo­ derierter Vertrag im Sinne dieser Untersuchung. aa) Moderierter Vertrag als Vergleich Sind die Ausgleichsbemühungen des Prozessrichters erfolgreich, dann können die Parteien in Ausübung ihrer Befugnis zur privatautonomen Regelung in materiellrecht­licher Hinsicht und vor dem Hintergrund der Dispositionsbefugnis in verfah­ rensrechtlicher Hinsicht den Prozess durch Vertrag beenden.951 Ein Vergleich im Sinne des §  794 Abs.  1 Nr.  1 ZPO erfasst beide Ebenen und unterliegt daher sowohl prozessualen Wirksamkeitsvoraussetzungen,952 bei deren Vorliegen der Prozess wirksam beendet wird,953 als auch materiell-rechtlichen Voraussetzungen, die einer­ seits aus den allgemeinen Wirksamkeitsvoraussetzungen des Bürgerlichen Rechts bestehen und andererseits aus dem Erfordernis des gegenseitigen Nachgebens, das sich aus der materiellen Regelung des Vergleichs in §  779 BGB ergibt. Um einen Ver­ gleich im Sinne des §  794 Abs.  1 Nr.  1 ZPO darzustellen, muss die Verabredung der Parteien sowohl die prozessualen als auch die materiellen Voraussetzungen erfül­ 950 MünchKommZPO/Prütting,

§  278 Rn.  3; so auch schon Kahn-Freund, JW 1930, 388, 390 f. Paulus, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, §  794 Rn.  3 ff.; BeckOK-ZPO/Hoffmann, §  794 Rn.  1. 952 BeckOK-ZPO/Hoffmann, §  794 Rn.  3 ff. 953  Paulus, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, §   794 Rn.  5; BeckOK-ZPO/Hoffmann, §  794 Rn.  14; Zeiss/Schreiber, ZPO Rn.  509. 951 

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B. Der moderierte Vertrag des zivilrechtlichen Konflikts

len.954 Damit ist aber nicht ausgeschlossen, dass die Parteien auch nur eine bloße prozessuale Absprache treffen, die einen moderierten Vertrag darstellt, aber mangels materiell-rechtlicher Komponente nicht zu einem Vergleich im Sinne des §  794 Abs.  1 Nr.  1 ZPO führt.955 Auch die umgekehrte Vorgehensweise ist möglich: Die Parteien können sich mate­ riell-rechtlich einigen, ohne den Prozess deswegen notwendigerweise prozessual durch Vergleich beenden zu müssen; der Kläger kann sich z. B. in der Vereinbarung auch verpflichten, die Klage zurückzunehmen.956 In beiden Konstellationen liegt zwar ein moderierter Vertrag vor, es fehlt aber an den notwendigen Voraussetzungen, um einen Vergleich im Sinne des §  794 Abs.  1 Nr.  1 ZPO zu bejahen. Auf die praktisch bedeutungslose Frage,957 ab wann ein gegenseitiges Nachgeben vorliegt,958 kommt es daher an dieser Stelle nicht an. bb) Vergleich als moderierter Vertrag Wie der Prozessrichter beim Vertragsschluss mitwirkt, konnte gesetzlich nicht näher gefasst werden. Für die Annahme eines moderierten Vertrags kann daher keine kon­ krete Beteiligung gefordert werden, sondern nur überhaupt eine. Eine Mitwirkung des Gerichts wird aber bei der Annahme eines Vergleichs im Sinne des §  794 Abs.  1 Nr.  1 ZPO gerade vorausgesetzt, andernfalls liegt ein außergerichtlicher Vergleich vor, der nicht unter §  794 Abs.  1 Nr.  1 ZPO fällt.959 b) Moderierter Vertrag statt Vergleich Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass nicht erst seit Kurzem angeregt wird, den Begriff des Vergleichs nicht ausschließlich im Sinne des §  794 Abs.  1 Nr.  1 ZPO zu belegen. Dementsprechend soll der Vergleichsbegriff nicht auf denjenigen nach §  794 Abs.  1 Nr.  1 ZPO beschränkt sein, sondern alle Formen der Beendigung des gerichtlichen Verfahrens erfassen, bei denen (1.) unter Mitwirkung des Richters (2.) der zwischen den Parteien bestehende Konflikt ganz oder teilweise (3.) im Ein­ vernehmen mit den Parteien (4.) geregelt wird.960 Schon damals wurde zugestanden, dass die Mitwirkung des Richters dabei ganz unterschiedlich ausgestaltet sein kann.961 Damit wurde versucht, den Begriff des Vergleichs auch anderweitig zu fas­ sen, d. h. in Richtung dessen, was hier unter dem moderierten Vertrag verstanden wird. Nämlich als die zivilrechtliche Einigung, die die Parteien – mit wie auch immer 954 BeckOK-ZPO/Hoffmann,

§  794 Rn.  25.1.; Geimer, in: Zöller, ZPO, §  794 Rn.  3. BeckOK-ZPO/Hoffmann, §  794 Rn.  25.1; MünchKommZPO/Wolfsteiner, §  794 Rn.  15. 956  Vgl. BGH v. 18.12.1963 – IV ZR 263/63, BGHZ 41, 3. 957  Es reicht ein ganz geringfügiges Nachgeben, das etwa auch darin liegen soll, dass der Kläger für den Fall der faktischen Übereinstimmung von Klageforderung und Vergleichsinhalt darauf ver­ zichtet, ein Urteil zu erhalten, vgl. BeckOK-ZPO/Hoffmann, §  794 Rn.  25.2. 958  Vgl. dazu BeckOGK/Hoffmann, BGB, §  7 79 Rn.  2 ff. 959  Münzberg, in: Stein/Jonas ZPO, §  794 Rn.  3; MünchKommZPO/Wolfssteiner, §  794 Rn.  5. 960  Freund, DRiZ 1979, 72, 75. 961  Freund, DRiZ 1979, 72, 75. 955  Vgl.

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gearteter Hilfe des Prozessrichters – treffen. Diese wird regelmäßig und häufig in der praktisch bedeutsamsten Form des Prozessvergleichs erzielt werden,962 der sowohl materiell-rechtliche als auch prozessuale Konsequenzen hat.963 c) Verhältnis von Vergleich und Urteil Die eingangs dieser Untersuchung zitierte Auffassung des BVerfG, nach der die güt­ liche Streitbeilegung einem Urteil grundsätzlich vorzugswürdig ist, wurde schon viel früher dergestalt geäußert, dass in der Zivilrechtspflege ein Vergleich einem Ur­ teil vorzuziehen sei. Das Gericht möge noch so sorgfältig entschieden haben, das Urteil bleibe nur „ein nach bestem Vermögen gezielter Wurf nach Gerechtigkeit“,964 weil sich ein Urteil immer zwischen schwarz und weiß entscheiden müsse, eine billi­ ge Entscheidung aber häufig im Kontinuum der Übergänge liege.965 Dies leitet über zu dem Argument, das auch heute noch genannt wird, wenn es darum geht, die Vor­ zugswürdigkeit des Vergleichs im Sinne einer qualitativ höherwertigen Konfliktlö­ sung zu begründen.966 Die Überlegenheit des Vergleichs wird dann in der Überwin­ dung des „Binären Schematismus von Recht und Unrecht“967 gesehen, der in man­ chen Fällen keine gerechte Lösung garantieren könne.968 Eine Streitbeilegung durch Vergleich ist eben dort vorteilhaft, wo das Gesetz eine Alles-oder-Nichts-Entschei­ dung vorsieht, obwohl der zu beurteilende Lebenssachverhalt differenzierter be­ schaffen ist und nach einer abgestuften Entscheidung verlangen würde.969 Wenn die Parteien ihre Konfliktlösung selbst regelten, dann könnten sie das Ergebnis nach ihren eigenen Gerechtigkeitsvorstellungen ausrichten. Nicht das Gesetz bestimme die für die Konfliktlösung relevanten Kriterien, sondern die Parteien selbst entschie­ den, was wichtig ist.970 Es ist diese Flexibilität, die als Vorteil des Vergleichs heraus­ gehoben wird. Die Parteien kommen schneller zu einem Ergebnis und können – so­ 962  Die praktische Bedeutung hebt auch Schneider, JuS 1976, 145 hervor; ebenso etwa Strecker, DRiZ 1983, 97, 99. 963  Dies gilt unabhängig davon, ob man der Vorstellung von einer „Doppelnatur“ des Prozess­ vergleichs folgt oder von einem Rechtsgeschäft mit Doppeltatbestand ausgeht; vgl. nur die Darstel­ lung der für diese Untersuchung nicht relevanten Streitigkeit bei BeckOK-ZPO/Hoffmann, §  794 Rn.  1, 1.1. 964  Weber, DRiZ 1957, 236. 965  Weber, DRiZ 1957, 236. 966  Was nach Katzenmeier, ZZP (115) 2002, 51, 73 vor allem deshalb notwendig sei, damit diese Alternative gewählt werde. 967 Die Formulierung stammt von Luhmann, Rechtssoziologie, 1972, S.   177; in diesem Sinne auch Mähler/Mähler, in: Dieter/Montana/Schulze, Gerechtigkeit im Konfliktmanagement und in der Mediation, S.  9, 16: Dem Kampf – auch um das Recht – liegt die Struktur von Entweder/Oder zugrunde. Tertium non datur. 968  Stürner, DRiZ 1976, 202, 203; N.N. NJW 1957, 131 spricht von der ungerechten Härte des Rechts. 969  Strecker, DRiZ 1983, 97, 100; Struck, JuS 1975, 762, 763 spricht in diesem Zusammenhang von der Gerechtigkeitsfunktion des Vergleichs, die dort zum Tragen komme, wo eine „Ganz oder Gar­ nicht-Entscheidung“ unangemessen erscheinen würde; Arndt, NJW 1967, 1585, spricht in diesem Zusammenhang von der „Strenge“ des Gesetzes, deren Anwendung es manchmal zu vermeiden gelte. 970  Katzenmeier, ZZP 115 (2002), 51, 73.

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fern sie über den Vergleichsgegenstand verfügen können – Rechtsfolgen schaffen, die das Gesetz nicht vorsieht971 bzw. sogenannte Paketlösungen kreieren.972 Es existieren eine ganze Reihe weiterer Überlegungen zur Vorzugswürdigkeit des Vergleichs, von spieltheorethischen Überlegungen, nach denen der staatliche Prozess ein Nullsummenspiel darstelle, weil der Gewinn des einen stets identisch mit dem Verlust des anderen sei,973 bis hin zur Betonung des Umstands, dass durch den Ver­ gleich das weitere (Prozess-)Risiko beschränkt werde,974 denn der Vergleich beende den Prozess ein für alle Mal – ein Rechtsmittel gebe es dann nicht mehr.975 Weil es im Rahmen dieser Untersuchung nicht darum geht, eine abstrakte Rangfolge der Pro­ zessbeendigungsvarianten aus Sicht der Parteien vorzunehmen oder die Vor- 976 bzw. Nachteile977 eines Vergleichsschlusses gegenüber einem Urteil zu erörtern,978 sei in diesem Zusammenhang nur noch erwähnt, dass ein Vergleich nicht ausschließlich und immer als abstrakt vorzugswürdig angesehen wurde. Vielmehr wird zum Teil auch die Gleichwertigkeit979 bzw. der Umstand betont, dass der Vergleichsschluss ein echtes Aliud zum Urteil sei,980 wobei es aber an der Prozessordnung des Vergleichs fehle.981 Zurecht wird betont, dass ein Vergleich nicht um jeden Preis geschlossen werden müsse. Offene Rechtsfragen sollten nicht auf Dauer unentschieden bleiben, vor allem wenn vergleichbare Streitpunkte zwischen den Parteien in der Zukunft wieder auftreten können.982

6. Prozessrichter und moderierter Vertrag Wie lässt sich die Rolle des Prozessrichters im Hinblick auf diesen hier sogenannten moderierten Vertrag näher fassen? Gleich zu Beginn lässt sich eine ambivalente Fest­ stellung treffen. Schon früh wurde es als eine „bedeutsame Aufgabe“ des Richters eingestuft, den Parteien bei dem Abschluss eines Prozessvergleichs Hilfe zu leis­ ten983 bzw. die Initiative zur Herbeiführung eines Vergleichs zu ergreifen.984 Demge­ genüber steht jedoch der schon aus der obigen Untersuchung zu §§  139, 278 ZPO zu folgernde Befund, dass den umfangreichen Verhaltensanweisungen, die dem Richter 971 

Treffer, MDR 1999, 520. auch eine Ausweitung des Streitbewältigungsgegenstandes beinhalten können, Katzenmeier, ZZP 115 (2002), 51, 74. 973  Katzenmeier, ZZP 115 (2002), 51, 63; Haft, in: FS Söllner, S.  391, 397. 974  Struck, JuS 1975, 762 ff. 975  Salje, DRiZ 1994, 285, 288. 976  Siehe dazu Wolf, ZZP 1976, 260, 262. 977  Siehe dazu auch Wolf, ZZP 1976, 260, 264. 978  Strecker, DRiZ 1983, 97, 98 trennt darüber hinaus nach Fallgestaltungen, die sich besser durch Vergleich lösen lassen. 979 MünchKommZPO/Prütting, §  278 Rn.  3. 980  Freund, DRiZ 1981, 221, 222. 981  Freund, DRiZ 1981, 221, 222; in diesem Sinne auch Wolf, in: Gottwald/Hutmacher/Röhl/ Strempel, Der Prozessvergleich, S.  153, mit der Forderung der „Gleichheit vor dem Prozessver­ gleich“. 982 So Treffer, MDR 1999, 520, 521. 983  Cohn, JZ 1959, 463. 984  Cohn, JZ 1959, 463. 972  Die

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für das streitige Verfahren durch Gesetz und Anleitungsbücher gegeben werden, kei­ ne nur annähernd vergleichbaren Verhaltensmaßstäbe für Vergleichsverhandlungen gegenüberstehen.985 In Bezug auf den moderierten Vertrag bedeutet dies, dass der Richter mit der Frage, in welchen Fällen und zu welchem Zeitpunkt und mit welchen Zielen ein Vertragsschluss anzuregen oder gar anzustreben ist, weitgehend allein ge­ lassen wird.986 Beiden Aussagen, der Bedeutung des Vergleichsschlusses einerseits und den zurückhaltenden Vorgaben andererseits, wird man in der Allgemeinheit ih­ rer Formulierung zustimmen können; zu klären bleibt jedoch, insbesondere in Be­ zug auf die Tätigkeit des Prozessrichters mit Blick auf den moderierten Vertrag, wel­ che Regelungen – evtl. auch nur mittelbar – Anwendung finden. a) Gesetzesbindung bei Vermittlungstätigkeit Die Frage des „Alleinlassens“ des Prozessrichters stellt sich bei dessen Tätigkeit im Hinblick auf den Abschluss des moderierten Vertrags erstmals in Bezug auf seine Gesetzesbindung. Diese wird gerade im Hinblick auf den Vergleichsschluss aufge­ worfen,987 weil dort die Privatautonomie, die den Vergleichsschluss trägt,988 allein Geltung beanspruchen könnte mit der Folge, dass der Richter Zweckmäßigkeitser­ wägungen den Vorzug vor Billigkeitserwägungen geben könnte.989 Die Frage zu stellen, heißt, sie zu verneinen.990 Unabhängig davon, dass diese eventuell keine befriedigenden inhaltlichen Vorgaben machen, konnte bereits gezeigt werden, dass auch im Hinblick auf die Vermittlungstätigkeit des Prozessrichters ver­ fahrensrechtliche Vorgaben bestehen, die dieser beachten muss. Das aus dem Rich­ ter­status folgende Gebot der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit sei an dieser Stel­ le genannt. Mit Blick auf den Vergleichsschluss werden neben dem Neutralitätsgebot991 zu­ dem drei Überlegungen herangezogen, aus denen sich die Rechtsbindung des Pro­ zessrichters auch bei seiner Tätigkeit hinsichtlich des Vergleichsschlusses ergibt. Zum einen muss ein Vorschlag des Gerichts die den Parteien durch die Parteiautono­ mie gezogenen Grenzen einhalten,992 weil ein Vertrag, der dagegen verstößt, materi­ ell-rechtlich unwirksam und damit ungeeignet wäre, den Konflikt zwischen den Parteien gütlich beizulegen, was aber gerade Ziel der richterlichen Tätigkeit ist, vgl. §  278 Abs.  1 ZPO. Darüber hinaus ist es der Justizgewährungsanspruch, der der richterlichen Ver­ mittlungstätigkeit Grenzen setzt.993 Denn dem Einzelnen steht – auch für Zivilsa­ chen – der im Rechtsstaatsprinzip verankerte Anspruch zu, dass der Staat seine 985 

So explizit auch Wolf, ZZP 1976, 260. So ebenfalls Wolf, ZZP 1976, 260, 261. 987 Von Strecker, DRiZ 1983, 90, 103. 988  Brugger/Ziegler, NJW-Spezial 2011, 114. 989  So fragt auch Wolf, ZZP 1976, 260, 271. 990  So im Ergebnis auch Wolf, in: Gottwald/Hutmacher/Röhl/Strempel, Der Prozessvergleich, S.  153. 991  Wolf, ZZP, 1976, 260, 274. 992  So formuliert Wolf, ZZP, 1976, 260, 272. 993  Wolf, ZZP, 1976, 260, 274. 986 

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Rechte gewährleistet, weshalb er Gerichte mit der Bitte um staatliche Durchsetzung seiner Ansprüche anrufen können muss. Ein starkes Engagement des Richters zu­ gunsten eines Vergleichs könnte diesen Anspruch in ungerechtfertigter Weise erheb­ lich verkürzen. Letztlich wird allein die Tatsache für eine Gesetzesbindung ausreichend sein, dass auch die Vermittlungstätigkeit des Richters als solche eine richterliche Tätigkeit im Sinne der beratenden Justizgewährung darstellt, die aber eben auch der Rechtsbin­ dung nach Art.  20 Abs.  3 GG unterliegt.994 Vor dem Hintergrund der „nur“ beraten­ den Justizgewährung wird995 eine Parallele zur Verwaltungstätigkeit gezogen, wo die Leistungsverwaltung zwar nicht in derselben Weise wie die Eingriffsverwaltung vom Prinzip der Gesetzmäßigkeit beherrscht wird, aber als Ausübung von Staatsge­ walt nicht losgelöst vom Gesetz tätig werden kann, sondern den Vorrang des Geset­ zes und grundlegende Rechtsprinzipien zu beachten hat. Bejaht man also eine Gesetzesbindung auch im Hinblick auf die Tätigkeit des Pro­ zessrichters bezüglich des Abschlusses des moderierten Vertrags, leitet dies über zu einer möglichen näheren Spezifizierung der gesetzlichen Vorgaben. Dabei lassen sich zwei Ansatzpunkte herauskristallisieren. Neben dem materiellen Vertragsrecht (des moderierten Vertrags), das Auswirkungen auf die Vermittlungstätigkeit des Richters entfalten soll, wird auch der (hypothetische) Verlauf des streitigen Verfahrens als Ausgangspunkt für eine Begrenzung des richterlichen Verhaltens genutzt. b) Streitiges Verfahren Der Blick auf das streitige Verfahren beinhaltet in concreto die Frage, ob sich aus dem Umstand, dass die Klage an sich unzulässig bzw. unschlüssig ist, Rückschlüsse auf einen zulässigen Vertragsinhalt ergeben. Dies gilt ebenso für die auch schon oben im Rahmen der Erörterung zum Güterichter angestrengte Überlegung,996 ob der Vertragsinhalt über das hinausgehen darf, was der Kläger im Rahmen seines Klage­ antrags begehrt hat. aa) Unzulässige Klage Zu Beginn steht die Frage, wie sich der Prozessrichter im Falle der Unzulässigkeit der Klage im Hinblick auf die Vermittlung eines moderierten Vertrags, insbesondere mit Blick auf die vor der mündlichen Verhandlung stattfindende Güteverhandlung zu verhalten hat. Aus dem Umstand, dass die Güteverhandlung der mündlichen Verhandlung vor­ ausgeht, folgt für eine unzulässige Klage, dass die – zunächst fehlende – Zuständig­ keit des Gerichts nicht durch rügelose Verhandlung begründet werden kann, da dies

994  Insofern findet die notwendige Justizförmigkeit hier ihren Ausdruck, vgl. Windel, in: FS Gerhardt, S.  1093, 1100 und die Darstellung oben unter B.III.2. 995 Von Wolf, ZZP, 1976, 260, 273. 996  Vgl. oben unter B.II.7.b).

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gemäß §  39 ZPO erstmals in der auf die Güteverhandlung folgenden mündlichen Verhandlung geschehen kann.997 Darüber hinaus ist der Beklagte auch (noch) nicht mit den übrigen verzichtbaren Zulässigkeitsrügen998 ausgeschlossen, da die mündliche Verhandlung, die vom Tat­ bestand des §  282 Abs.  3 ZPO vorausgesetzt wird, zum Zeitpunkt der Güteverhand­ lung noch nicht stattgefunden hat. Aus der Unanwendbarkeit der skizzierten, die Zulässigkeit betreffenden Regelun­ gen, die erst zu einem späteren Prozesszeitpunkt ansetzen, sollte allerdings nicht der Schluss gezogen werden, die Güteverhandlung sei völlig losgelöst von einer mögli­ chen Unzulässigkeit durchzuführen. Das zeigt sich, wenn man das angestrebte Er­ gebnis der Güteverhandlung, den hier sogenannten moderierten Vertrag, näher in den Blick nimmt.999 Ziel der Güteverhandlung ist die gütliche Streitbeilegung, die ihrerseits wiederum regelmäßig im Wege eines (moderierten) Vertrags vollzogen wird. Denn ein unwirksamer Vertrag gibt den Parteien Steine statt Brot. Ihr Konflikt wird durch ihn, wenn überhaupt, nur vorübergehend gelöst. Blickt man aus Sicht des erhofften Ergebnisses auf die Güteverhandlung, d. h. nimmt die Perspektive dieser Untersuchung ein, so muss der Prozessrichter die Hin­ dernisse, die dem Abschluss eines materiell (!) wirksamen Vertrags entgegenstehen, von vornherein beachten. Denn die materielle Wirksamkeit der gefundenen Über­ einkunft entscheidet über die Beilegung des Konflikts. Die prozessuale Zulässigkeit ist insoweit unerheblich. Das würde für die – schon abgelehnte – gänzliche Bedeutungslosigkeit prozessua­ ler Zulässigkeitsnormen sprechen. Dass dies nicht der Fall ist, liegt an der partiellen Kongruenz zwischen Partei- und Rechtsfähigkeit sowie Prozess- und Geschäftsfä­ higkeit.1000 Dort, wo es an der Rechts- bzw. Geschäftsfähigkeit einer Partei fehlt, ist der erfolgreiche Abschluss der Güteverhandlung ausgeschlossen. Dieser Umstand macht die Verhandlung sinnlos, was der Prozessrichter sofort ansprechen darf und im Sinne der Prozessökonomie auch muss. Nach der hier vertretenen Auffassung geschieht dies jedoch nur wegen der Unmöglichkeit, einen materiell-rechtlich wirk­ samen Vergleich zu schließen.1001 Dies hat die wenig praxisrelevante Folge, dass der Richter eine Verhandlung auch im Falle eines nur beschränkt geschäftsfähigen Ver­ handlungspartners durchführen kann. Das wäre bei einem Abstellen allein auf die Prozessfähigkeit nicht möglich, da es dort – wie sich aus §  52 ZPO ergibt – keine beschränkte Prozessführungsbefugnis gibt.1002 Die Bedeutung von Prozess- und 997 MünchKommZPO/Patzina,

§  39 Rn.  4. solchen Zulässigkeitsvoraussetzungen, die das Gericht nicht von Amts wegen prüft, sondern die nur dann berücksichtigt werden, wenn der Beklagte sich rechtzeitig (§  282 Abs.  3 ZPO) auf sie beruft, BeckOK-ZPO/Bacher, §  253 Rn.  18; vgl. die Übersicht über diese Voraussetzungen bei BeckOK-ZPO/Bacher, §  253 Rn.  18.1. 999  Dies macht auch Windel, in: FS Gerhardt, S.  1093, 1104. 1000  Siehe hierzu die Darstellung bei Wagner, Prozessverträge, S.  280 ff. 1001 Wie hier im Ergebnis Wagner, Prozessverträge, S.   284; a. A. (für den Prozessvergleich) Münzberg, in: Stein/Jonas, ZPO, §  794 Rn.  23, der eine Parteifähigkeit verlangt; Paulus, in: Wieczo­ rek/Schütze, ZPO, §  794 Rn. 1002 BeckOK-ZPO/Hübsch, §  52 Rn.  4; Weth, in: Musielak/Voit, ZPO, §  52 Rn.  4. 998 D.h.

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Parteifähigkeit folgt also nur aus der inhaltlich größtenteils existierenden Kongru­ enz mit materiell-rechtlichen Vorgaben des BGB. Dafür spricht der an dieser Stelle gewählte Blick aus der Perspektive des moderierten Vertrags. Für die übrigen Fälle gebietet es die Prozessökonomie, dass das Gericht im Rah­ men der Erörterung des Streitstands auf diejenigen Zulässigkeitsmängel hinweist, die es von Amts wegen zu berücksichtigen hat, sofern dies nicht ohnehin schon durch schriftlichen Hinweis des Gerichts geschehen ist. Andernfalls könnte sich der Kläger die Vermittlungstätigkeit des Richters „erschleichen“ und dem Beklagten würde suggeriert, im Falle eines Scheiterns der Güteverhandlung sei mit dem Fortgang des Prozesses zu rechnen. Das ist vor dem Hintergrund der Parteiautonomie, die die Güteverhandlung tragen soll, nicht zulässig. Deshalb erscheint es interessengerecht, unter dem Begriff des Streitstands im Sinne des §  278 Abs.  2 ZPO, den das Gericht mit den Parteien in der Güteverhandlung erörtern soll, auch diejenigen Zulässig­ keitsvoraussetzungen zu fassen, die von Amts wegen zu prüfen und nachholbar sind bzw. auf die materiell-rechtliche Wirksamkeit des moderierten Vertrags keine Aus­ wirkungen haben. Dann bleibt den Parteien insofern die Möglichkeit „sehenden Au­ ges“1003 d. h. in Wahrnehmung ihrer Privatautonomie, ihren Konflikt trotz einer feh­ lenden prozessualen Zulässigkeitsvoraussetzung zu lösen.1004 bb) Unschlüssige Klage Die zur Unzulässigkeit der Klage angestellten Überlegungen lassen sich auch für den Fall fruchtbar machen, dass die Klage zwar zulässig ist, das in der Klageschrift ent­ haltene Klägervorbringen den geltend gemachten Anspruch allerdings nicht trägt, d. h. die Klage unschlüssig ist. Die folgenden Erwägungen gelten auch für den bereits betrachteten Güterichter. Sie stellen sich jedoch zuerst beim Prozessrichter, weil dieser gemäß §  278 Abs.  5 ZPO erst an einen Güterichter verweisen muss, damit dieser mit der Problematik in Berührung kommt. Insofern wird zunächst vertreten, dass ein Richter im Falle einer unschlüssigen Klage dem von vornherein unberechtigten Anspruch auch nicht teilweise durch Ver­ gleich zur Durchsetzung verhelfen dürfe, sondern jegliche Initiative zum Abschluss eines Prozessvergleichs unterlassen müsse1005 bzw. die Partei im Rahmen von §  139 ZPO lediglich auf die absolute Aussichtslosigkeit hinzuweisen habe, wenn die Klage unter keinen Umständen erfolgreich sein könne.1006 Konsequenterweise dürfte der Prozessrichter dann auch nicht an den Güterichter verweisen, die schlüssige Darle­ gung eines Anspruchs wäre demnach eine Eintrittskarte für die (güte-) richterliche Vermittlung. 1003 So

Windel, in: FS Gerhardt, S.  1093, 1105. Windel, in: FS Gerhardt, S.  1093, 1104; auch nach Foerste, in: Musielak/Voit, ZPO, §  278 Rn.  10 schließt der Verdacht auf die Unzulässigkeit der Klage weitergehende Erörterungen nicht aus; ebenso Strecker, DRiZ 1983, 90, 104. 1005 So Wolf, ZZP 1976, 260, 276, der selbst hiervon allerdings bei schwierig zu beurteilenden Rechtsfragen eine Ausnahme macht, siehe Wolf, ZZP 1976, 260, 276, Fn.  59. 1006  Röhl, DRiZ 1983, 90, 104. 1004 

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Der dargestellte Ansatz wird zu Recht schon wegen seines fehlenden Praxisbezugs kritisiert. Die Frage, ob eine Klage unschlüssig ist, lässt sich vom erstinstanzlichen Richter häufig zum Zeitpunkt der Güteverhandlung nicht abschließend klären. Selbst wenn sich der erstinstanzliche Richter hierzu in der Lage sieht, ist damit noch nicht festgehalten, ob sich die Berufungs- oder Revisionsinstanz dieser Meinung an­ schließt. Auch unabhängig davon, ob der Kläger in der Lage ist, durch weiteren Vor­ trag seinen Anspruch schlüssig zu begründen, kann die gütliche Einigung für den Beklagten einen Mehrwert darstellen, wenn dadurch der Konflikt, welcher der un­ schlüssigen Klage zugrunde liegt, bereinigt werden kann.1007 Weil im Hinblick auf das Klagebegehren häufig nicht ausgeschlossen werden kann, dass ein ergänzender Vortrag das Begehren begründen kann, ist das Gericht auch in diesem Falle befugt, Vergleichsgespräche anzuregen.1008 Denn insbesondere besteht dort die Möglichkeit, einen wirksamen moderierten Vertrag zu schließen. Die fehlende Schlüssigkeit schwächt dann in den Vergleichsverhandlungen ledig­ lich die Position des Klägers, sollten diese wie regelmäßig – siehe oben – auch mit Blick auf die Prozessaussichten bzw. die rechtliche Einschätzung des Richters ge­ führt werden. Denn in diesem Zusammenhang muss der Richter dann auf die fehlen­ de Schlüssigkeit hinweisen. Anders als im Fall des Zulässigkeitsmangels müsste er dies nur in dem – wohl nur in der Theorie existierenden Fall – nicht, in dem die Parteien im Rahmen der Vergleichsgespräche von vornherein den durch die Klage gesetzen Rahmen verlassen und sich auf die Lösung des Konflikts konzentrieren, ohne hierbei die rechtliche Situation und die entsprechende Einschätzung des Rich­ ters berücksichtigen zu wollen. cc) Ne ultra petita Schon im Rahmen der entsprechenden Untersuchung zum Güterichter wurde fest­ gehalten, dass der Grundsatz ne ultra petita für die Vermittlungsversuche des Pro­ zessrichters nicht gilt. §  308 Abs.  1 Satz 1 ZPO soll verhindern, dass dem Kläger durch das Gericht etwas zugesprochen wird, was dieser nicht beantragt hat. Weil aber das Gericht im Rahmen eines Vergleichs nichts zuspricht, verstößt die Erweite­ rung des Vergleichsinhalts1009 nicht gegen §  308 Abs.  1 Satz 1 ZPO. Davon zu trennen ist die Frage, ob der Richter zur Protokollierung eines über den Streitgegenstand hinausgehenden Vergleichs verpflichtet ist.1010

1007 Vgl.

Schneider, JurBüro, 1977, 146, 149, der ebenfalls in diese Richtung argumentiert. So auch Strecker, DRiZ 1983, 90, 104. 1009  Struck, JuS 1975, 762, 766 nennt das arbeitsrechtliche Beispiel der Einbeziehung sämtlicher Ansprüche des Arbeitnehmers in einen Abfindungsvergleich im Rahmen des Kündigungsschutz­ prozesses. 1010  Vgl. BGH v. 03.08.2011 − XII ZB 153/10, BGHZ 191, 1; Rakete-Dombek, NJW 2012, 1689; verneinend Fleindl/Haumer, Der Prozessvergleich, Kap.  5 Rn.  6; zur Frage der Protokollierung sie­ he unten unter B.II.6.f). 1008 

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c) Materielles Vertragsrecht Neben der Orientierung am Prozessrecht fällt auf, dass auch das materielle Vertrags­ recht bemüht wird, um eine Beschränkung des Verhaltens des Prozessrichters zu beschreiben. Als Ausgangspunkt für die diesbezüglichen Überlegungen kann der Umstand die­ nen, dass der Prozessvergleich seine dogmatische materiell-rechtliche Grundlage in der Privatautonomie der Prozessparteien hat.1011 Deswegen wird eine richterliche Vermittlungstätigkeit dann kritisch beäugt, wenn diese die dogmatische Basis des Vergleichs zu beeinträchtigen droht. aa) Manipulation durch Autorität Zunächst wird eine Beeinträchtigung der notwendigen Selbstbestimmung unter der Überschrift der „Manipulation durch Autorität“ diskutiert.1012 Zwei Gruppen lassen sich darunter fassen. Einerseits die „Manipulation durch ei­ gene Autorität“, in deren Rahmen der Richter die Parteien durch die eigene Autorität zum Vergleichsschluss zu bestimmen versucht. Der Einsatz der richterlichen Autorität wurde schon früh kritisch beäugt, da das Gericht stets mit der Autorität dessen spreche, der zur Entscheidung berufen sei. Bedenklich sei, wenn diese Autorität nun nicht dazu benutzt werde, keine Entschei­ dung zu treffen, sondern eine Entscheidung zu vermeiden.1013 Dann liege ein Befug­ nismissbrauch1014 vor, denn der Richter, der richten solle, schlichte.1015 Für den Ein­ satz einer wie auch immer näher zu beschreibenden Autorität gilt das, was bis dato allgemein zur Tätigkeit des vermittelnden Prozessrichters festgehalten wurde. Insbe­ sondere aus dem Neutralitäts- und Unabhängigkeitsgebot ergeben sich – erste – Grenzen auch für den Einsatz der richterlichen Autorität, was etwa zur Folge haben soll, dass sich der schlichtende Richter nicht zum Ratgeber der Parteien aufschwin­ gen solle, da er sich ansonsten infolge des daraus resultierenden Rollenkonflikts an der Grenze der Befangenheit bewege.1016 Manipulation kann aber auch durch „fremde Autorität“ erfolgen,1017 und zwar dergestalt, dass der Prozessrichter auf Gerichtsentscheidungen oder wissenschaftli­ che Literatur verweist, um mit dieser fremden Autorität die Vergleichsverhandlun­ gen zu steuern. Zentral für die Beurteilung dieses Verhaltens soll dann sein, ob die Inbezugnahmen inhaltlich richtig wiedergegeben sind und deren rechtliche Quintes­ senz für den Fall der Parteien von Relevanz ist.1018 Letztlich führt diese Herange­ hensweise zu der Feststellung, dass der Richter informieren, aber nicht manipulieren 1011 

Brugger/Ziegler, NJW-Spezial 2011, 114. Wolf, in: Gottwald/Hutmacher/Röhl/Strempel, Der Prozessvergleich, S.  153. 1013  Cohn, JZ 1959, 463. 1014  Cohn, JZ 1959, 463 spricht von détournement de pouvoir. 1015  Cohn, JZ 1959, 463. 1016  Stürner, JR 1979, 133, 136. 1017 Vgl. Gottwald/Treuer, Vergleichspraxis, S.  8 0. 1018  Gottwald/Treuer, Vergleichspraxis, S.  79. 1012 Auch

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solle.1019 Wobei Ersteres eben dann vorliegt, wenn die rechtliche Einschätzung der in Bezug genommenen fremden Autorität für die rechtliche Lösung des Konflikts der Parteien von Bedeutung ist, und Letzteres, wenn nicht.1020 Die zutreffende Erörte­ rung der Vor- und Nachteile eines Vergleichsschlusses im Sinne einer Kosten-Nut­ zen-Analyse fällt dann in den erlaubten Bereich der Information,1021 der verlassen wird, wenn der Richter die Nachteile des Vergleichs verharmlost oder gar ver­ schweigt. Dementsprechend würde der Richter seine Informationsaufgabe dann ver­ kennen, wenn er etwa in der Verhandlung die Summe ohne Zinsen nenne, um die betroffene Partei auf diese Weise zu überrumpeln.1022 bb) Druckausübung Wird die Manipulation offensichtlicher, spricht man von einer Druckausübung des Vermittlers, die aus einer ganzen Reihe von Gründen unerwünscht ist. Ein Vergleich, der nicht letztlich auf den freien Willen der Parteien zurückgehe, sei ein Unglück und mache dem Richter, der ihn aufgezwungen hat, Unehre.1023 Damit sind schon zwei Gründe, warum eine Druckausübung nicht stattfinden solle, angesprochen: Hervorzuheben ist der notwendige freie Wille der Vertragspar­ teien, der die hier vorgenommene Kategorisierung im Rahmen der Orientierung an das materielle Vertragsrecht rechtfertigt. Auch die letztlich fehlende Zielerreichung, nämlich die Herstellung eines dauerhaften Rechtsfriedens, wird für die Notwendig­ keit des Fehlens richterlicher Druckausübung ins Feld geführt, weil auf diese Weise letztlich fast das Gegenteil einer gütlichen Beilegung des Streits erreicht werde, näm­ lich tiefe Unzufriedenheit mit einem nachträglich als doch zu unbefriedigend emp­ fundenen Richtervorschlag.1024 Letztlich dürfe der Druck des Gerichts, eine gütliche Einigung zu treffen, nicht dazu führen, dass den Parteien der Weg zu einer Beweis­ aufnahme und/oder streitigen Entscheidung versperrt werde,1025 womit auch an die­ ser Stelle die Bedeutung des Justizgewährungsanspruchs angesprochen wird. Dass es an einer unzulässigen Druckausübung durch den Richter fehlen muss, wird auf vielfältige Art und Weise begründet. Mit der rechtlichen Begründung geht allerdings nicht die Beschreibung der Verhaltensweisen einher, die vor diesem Hin­ tergrund unerwünscht sind. Die diesbezüglich bestehenden Schwierigkeiten werden deutlich an der Verwendung bildhafter Ausdrücke. Es wird etwa gefordert, dass Ge­ richt solle den Parteien nicht wie lahmen Eseln zureden.1026 In diesem Zusammen­ hang wird zudem häufig das Schlagwort, nach dem das Gericht informieren, aber

1019 

Gottwald/Treuer, Vergleichspraxis, S.  81; Stürner, JR 1979, 133, 138. Für eine Orientierung an der Rechtslage auch MünchKommZPO/Prütting, §  278 Rn.  12. 1021  So ist Gottwald, ZZP 95 (1982), 245, 256 zu verstehen. 1022  Stürner, DRiZ 1976, 202, 204. 1023  Weber, DRiZ 1957, 236, 237. 1024  BLAH, ZPO, §  278 Rn.  7; zustimmend Zierl, NJW 2002, 2695. 1025  Leipold, in: Stein/Jonas, ZPO, §  278 Rn.  4. 1026  BLAH, ZPO, §  278 Rn.  8 . 1020 

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nicht manipulieren solle,1027 verwendet. Wann aber noch Information und ab wann Manipulation vorliegt, wird – wenn überhaupt – nur rudimentär beschrieben. cc) Kräftegleichgewicht Zuletzt lassen sich unter die Kategorie der Orientierung am materiellen Vertrags­ recht diejenigen Ansätze fassen, die eine Tätigkeit des vermittelnden Prozessrichters an der Notwendigkeit eines hinreichenden Kräftegleichgewichts ausrichten, das zwischen den Parteien bestehen müsse. Weil andernfalls das Verhandeln in ein Dik­ tat umschlagen könnte, bedürfe das Verfahren zur Erzielung von gemeinverträgli­ chen Lösungen einer gleichen Verhandlungsmacht.1028 Fehlt diese, stellt eine Eini­ gung eher einen Rechtsverzicht des Schwächeren denn eine Ausübung der freien Selbstbestimmung dar,1029 weil Verfahrensbeteiligte, die sich unterlegen fühlen, Ge­ fahr liefen, voreilig zuzustimmen.1030 In solchen Fällen solle es erforderlich sein, dass sich der Richter dem Schwächeren zuerst zuwendet, ihm hilft oder sogar für ihn Partei ergreift.1031 Auf diese Weise verhindere er, dass zwischen den Parteien ein un­ gerechter Ausgleich entsteht, weil eine ungleiche Verhandlungsstärke in den Kom­ promiss mit einfließen würde.1032 Was zur Herstellung gleicher Verhandlungsstärke notwendig ist, stellt dann wohl – um den oben geschilderten Ansatz hierher zu über­ tragen – eine zulässige Information und eben keine Manipulation dar. Denn nur die informierte Partei kann sich in Freiheit entscheiden.1033 d) Insbesondere: Vergleichsvorschlag Im Hinblick auf die prozessrichterliche Tätigkeit wird zur richterlichen Information auch der Vorschlag gezählt, wie eine gütliche Einigung aussehen könnte,1034 z. T. wird der Vergleichsvorschlag als „Herzstück“ der Vergleichsverhandlung bezeich­ net,1035 wobei das Gericht über den bloßen Vorschlag hinaus diesen häufig auch be­ gründen müsse, weil die Parteien diesen nur annehmen, wenn gewichtige Gründe für die vom Gericht vorgeschlagene Lösung sprechen.1036

1027 

Stürner, DRiZ 1976, 202, 204. Katzenmeier, ZZP 115, 2002, 51, 84. 1029 So Katzenmeier, ZZP 115, 2002, 51, 84, der diese Gefahr besonders bei typischen Machtun­ gleichgewichten, etwa im Arbeits-, Miet- oder Verbraucherrecht sieht, weshalb es auf diesem Gebiet besondere Schutzgesetze gibt, deren Untergrabung es zu vermeiden gelte, was wiederum nur durch eine gerichtliche Entscheidung zu sichern sei. 1030  Spangenberg, MDR 1992, 332, 333. 1031  Spangenberg, MDR 1992, 332, 333 am Beispiel einer Sorgerechtsvereinbarung, in der der Richter „Partei ergreift“ für das Kindeswohl. 1032  Wolf, ZZP 89 (1976), 260, 270. 1033  Stürner, JR 1979, 133, 136. 1034  Stürner, JR 1979, 133, 136; Heck, Zs. für. Rechtssoz. 2016, 58, 76: „Manchmal schafft ein Vorschlag das Luxusproblem aus der Welt, dass keine rationale Lösung zu finden ist, weil so viele infrage kommen.“ 1035  Von Gottwald/Treuer, Vergleichspraxis, S.  42. 1036  Cohn, JZ 1959, 463. 1028 

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aa) Zulässigkeit Trotz der Bedeutung des Vergleichsvorschlags könnten Zweifel an der grundsätzli­ chen Zulässigkeit von Vertragsempfehlungen durch das Prozessgericht aufkommen, die ausgehen vom Bericht des Rechtsausschusses über seine Befassung mit dem Ent­ wurf eines Gesetzes zur Förderung der Mediation und anderer Verfahren der außer­ gerichtlichen Konfliktbeilegung.1037 Im Zusammenhang mit der Schaffung des Gü­ terichterkonzepts heißt es dort, dass ein Richter sich jeder rechtlichen Bewertung zu enthalten habe und keinen Lösungsvorschlag machen sollte, der Güterichter demge­ genüber u. a. rechtliche Bewertungen vornehmen und den Parteien Lösungen für den Konflikt vorschlagen könne.1038 Die Aussage wird zunächst schon dadurch entschärft, dass sie im Rahmen der Abgrenzung der richterlichen Streitschlichtung zur (außergerichtlichen) Mediation getätigt und auch auf die Schwierigkeiten abgestellt wurde, die vor Erlass des MedG und den damit einhergehenden Änderungen in der ZPO für die richterlichen Me­ diatoren bestanden. Aus ihr kann jedenfalls nicht die Unzulässigkeit der Abgabe ei­ nes Vergleichsvorschlags gefolgert werden, weil die ZPO von einer anderen Verfah­ rensvorstellung beherrscht wird, wie sich zunächst aus der schon angesprochenen Regelung des §  278 Abs.  1 ZPO ergibt, aber zudem auch aus dem klaren Wortlaut des §  278 Abs.  6 Satz 1 Alt.  2 ZPO, in dem explizit geregelt ist, dass ein gerichtlicher Ver­ gleich auch dadurch geschlossen werden kann, dass die Parteien einen schriftlichen Vergleichsvorschlag des Gerichts annehmen. Wie sich aus der norminternen Syste­ matik ergibt, meint „Gericht“ den entscheidungsbefugten Spruchkörper; der Güte­ richter wird in §  278 Abs.  5 ZPO gerade als etwas hiervon Abweichendes definiert. Damit bleibt es auch nach Erlass des Gesetzes zur Förderung der Mediation und anderer Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung dabei, dass das Prozess­ gericht in Erfüllung seiner Verpflichtung nach §  278 Abs.  1 ZPO unter anderem dazu befugt ist, einen Vergleichsvorschlag abzugeben. Dies gilt nach §  278 Abs.  6 ZPO sogar im schriftlichen Verfahren außerhalb der mündlichen Verhandlung und erst recht für die Güteverhandlung im Sinne des §  278 Abs.  2 ZPO. Im Übrigen wiederholen sich auch mit Blick auf einen richterlichen Vergleichsvor­ schlag die Themen, die schon die Vertragsvermittlung durch den Prozessrichter an sich beherrscht haben. bb) Rechtsbindung Das gilt zunächst für die Frage, ob und wenn ja welcher Rechtsbindung ein Ver­ gleichsvorschlag unterliegt. Bei dem „Ob“ der Rechtsbindung wird im Hinblick auf den Vergleichsvorschlag besonders berücksichtigt, dass zum Zeitpunkt des Vorschlags die für eine spätere 1037 

Der Bericht und die Beschlussempfehlung sind Gegenstand der BT-Drs. 17/8058. BT-Drs. 17/8058, S.  17: „Die Passage im Wortlaut: Während ein Richter in seiner Eigenschaft als gerichtsinterner Mediator sich jeder rechtlichen Bewertung zu enthalten hat und keinen Lö­ sungsvorschlag machen sollte, kann der Güterichter u. a. rechtliche Bewertungen vornehmen und den Parteien Lösungen für den Konflikt vorschlagen.“ 1038 

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Entscheidung relevanten Tatsachen noch nicht endgültig feststehen.1039 Deshalb müsse der Richter seinen Vergleichsvorschlag nur mit der bei vorläufiger Prüfung erkennbaren wahrscheinlichen Rechtslage in Übereinstimmung bringen.1040 Dies beinhalte, dass der Vorschlag „gerecht“ und „nicht willkürlich“ sein dürfe.1041 Etwas konkreter als das Abstellen auf das Gerechtigkeitspostulat bzw. das Willkürverbot ist der Ansatz, der vom Richter aufgrund seiner Bindung an Rechtsprinzipien ver­ lange, dass dieser sich bei seinem Vergleichsvorschlag zunächst an den rechtlichen Interessen der Parteien orientieren müsse. Seien diese in etwa gleich zu gewichten, müsse sich der Vorschlag an der Wahrscheinlichkeit ihres Bestehens ausrichten.1042 Dies stellt letzten Endes aber auch nur eine komplizierte Formulierung für die For­ derung dar, dass sich der Vergleichsvorschlag grundsätzlich an den Prozessaussich­ ten orientieren muss. Allerdings soll der Wahrscheinlichkeitsgrad des Prozessge­ winns mit den andererseits zu beeinträchtigenden Interessen korrelieren, was zum Beispiel bei Wohnraummietverträgen bedeute, dass der Richter einen Räumungsver­ gleich nur vorschlagen solle, wenn der Kündigungsgrund mit großer Wahrschein­ lichkeit gegeben sei.1043 Zum Vergleichsvorschlag und dessen Rechtsbindung wird auch vertreten, dass diese nur insoweit bestehe, als der Richter im Rahmen der Begründung seines Ver­ gleichsvorschlags lediglich seine Einschätzung der Rechtslage mitzuteilen habe. Ins­ besondere ist dem Richter nach diesem Verständnis nicht verboten, einen von der Rechtslage abweichenden Vorschlag zu unterbreiten, sofern er diese Abweichung begründet.1044 Nicht nur in diesem Zusammenhang kann der Prozessrichter von der Einhaltung verfahrensrechtlicher Vorschriften allein in dem Rahmen befreit werden, in dem die Parteien auf deren Befolgung wirksam verzichten können.1045 cc) Orientierung am streitigen Verfahren Neben der Forderung, dass die Begründung des Vergleichsvorschlags stets auf die prozessuale Rechtslage einzugehen habe,1046 wird auch der Ansatz formuliert, dass die Frage, ob der Richter einen Vergleichsvorschlag abgeben könne, davon abhängen solle, ob in materiell-rechtlicher Hinsicht die Möglichkeit besteht, einen Prozessver­ 1039 

Etwa bei Wolf, ZZP 89 (1976), 260, 275. Wolf, ZZP 89 (1976), 260, 275; so auch Gottwald, ZZP 95 (1984), 245, 257, der von der „wahr­ scheinlichen Rechtslage“ spricht. 1041 So Gottwald, ZZP 95 (1984), 245, 257. 1042  Siehe hierzu Wolf, ZZP 89 (1976), 260, 279 und Wolf, in: Gottwald/Hutmacher/Röhl/Strem­ pel, Der Prozessvergleich, S.  154, wo er von einer Berücksichtigung der bei den Parteien gegebenen Umständen spricht. 1043 So Wolf, ZZP 89 (1976), 260, 280, 281, der neben den Wohnraummietverträgen das Arbeits­ verhältnis als besonders von diesem Postulat betroffen identifiziert. 1044  Strecker, DRiZ 1983, 90, 103; a. A. Wolf, in: Gottwald/Hutmacher/Röhl/Strempel, Der Pro­ zessvergleich, S.  155, der ein solches Vorgehen eher bei den nach §  111 Abs.  2 ArbGG bei der Hand­ werkskammer gebildeten Güteausschüssen für Rechtsstreitigkeiten im Rahmen von Ausbildungs­ verhältnissen verortet. 1045  Wolf, in: Gottwald/Hutmacher/Röhl/Strempel, Der Prozessvergleich, S.  157. 1046  Gottwald/Treuer, Vergleichspraxis, S.  43, allerdings, ohne diese Forderung zu begründen. 1040 

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gleich zu schließen.1047 Weil der Vergleich gemäß §  779 BGB eine zumindest subjek­ tive Ungewissheit voraussetze, sei diese Unsicherheit dann nicht mehr gegeben, wenn der Richter bei klarer Tatsachenlage nur noch entscheiden müsse, ob er „Ja“ oder „Nein“ sagt. Weil der Richter den Parteien seine Einschätzung der Rechtslage mitteilen müsse,1048 wäre ein Vergleichsvorschlag in dieser Situation ein (Rechtsfor­ men-)Missbrauch, weil es bei den „Alles-oder-Nichts“- Entscheidungen an der not­ wendigen Unsicherheit fehle. Damit sei der Weg für einen Vergleichsvorschlag aber auch nach diesem Ansatz dann offen, wenn entweder eine entscheidungserhebliche Tatsache umstritten ist,1049 bzw. das Gericht nicht nur „Ja“ oder „Nein“ entscheiden kann, sondern – wie im Fall der Zuerkennung von Schmerzensgeld – auch die Mög­ lichkeit von Zwischenlösungen hat. Weil es dann an der Voraussehbarkeit der Ge­ richtsentscheidung fehle, bestehe die für §  779 BGB notwendige Ungewissheit.1050 Dieser Ansatz ist nicht ohne – berechtigte – Kritik geblieben, die vor allem an der Prämisse ansetzt, dass bei unstreitiger Tatsachenlage die für einen Vergleich notwen­ dige rechtliche Unsicherheit1051 für einen Vergleichsschluss fehle. Aus der richterli­ chen Praxis wurde insofern formuliert, es sei lebensfremd, davon auszugehen, dass sich die Rechtslage in den skizzierten Fällen stets eindeutig beurteilen lasse; häufig seien die rechtlichen Würdigungen, die zur Beurteilung angestellt werden müssten, fragwürdig.1052 Subsumtionen werden insbesondere dann unsicher und nicht vorher­ sehbar sein, wenn der Tatbestand der streitentscheidenden Norm einen unbestimm­ ten Rechtsbegriff aufweist. Ist dies der Fall, kann trotz unstreitiger Tatsachenbasis und „Ja-oder-Nein“-Konstellation eine Unsicherheit existieren. Das gilt zudem, wenn man berücksichtigt, dass zu vielen rechtlichen Voraussetzungen unterschiedli­ che Auffassungen in Rechtsprechung und Lehre bestehen.1053 Jedenfalls deswegen verbleibt es bei einer Unsicherheit, weil zwar der Prozessrichter seine rechtliche Ein­ schätzung kommunizieren kann, es aber aufgrund der dargestellten Faktoren jeden­ falls bleibt, ob sich das Rechtsmittelgericht der Auffassung der ersten Instanz an­ schließt,1054 was auch unter ökonomischen Gesichtspunkten für den Abschluss eines Vergleichs sprechen kann.1055 Auch die Orientierung an den Prozessaussichten ist als Kriterium bezüglich des Vergleichsvorschlags durch das Gericht Gegenstand der Diskussion. Neben dem Hinweis auf die Sinnhaftigkeit der konkreten rechtlichen Analyse und der damit verbundenen Prozessaussichten im Vergleichsgespräch,1056 spielen die Prozessaus­ sichten für den Vergleichsvorschlag vor allem dann eine Rolle, wenn der Vorschlag 1047 

So lässt sich der Ansatz von Salje, DRiZ 1994, 285, 290 zusammenfassen. Die Verpflichtung, die Rechtslage mitzuteilen, folge aus seiner Stellung im Prozess und sei­ ner Fürsorgepflicht gegenüber den Parteien, vgl. Salje, DRiZ 1994, 285, 290. 1049  Salje, DRiZ 1994, 285, 291. 1050  Salje, DRiZ 1994, 285, 290. 1051  Im Falle einer „Alles-oder-nichts-Entscheidung“. 1052  Herr, DRiZ 1994, 418, 419. 1053  Darauf weist Mohr, DRiZ 1994, 420 zu Recht hin. 1054  So auch Lempp, DRiZ 1994, 422, 423. 1055  Strecker, DRiZ 1983, 97, 99. 1056  Stürner, DRiZ 1976, 202, 205. 1048 

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B. Der moderierte Vertrag des zivilrechtlichen Konflikts

zwar nicht in der Form, aber in Bezug auf den Inhalt dem Urteil ähnelt.1057 Diese inhaltliche Annäherung wird mit dem Zusammenspiel von gerichtlichem Vergleichs­ vorschlag und der Information über die rechtliche Einschätzung des Falles begrün­ det. Ist die Rechtslage – etwa nach der Beweisaufnahme oder bei unstreitigem Tatbe­ stand – relativ klar, wird die gütliche Einigung schon deshalb dem später zu fällen­ den Rechtsspruch weithin entsprechen müssen, weil die informierten Parteien sonst nicht einverstanden seien.1058 Im Wege dieser Zusammenschau der notwendigerweise richtigen Information über die Rechtslage durch den Richter einerseits und der Dispositionsbefugnis der Parteien andererseits, löst sich im Wege der praktischen Betrachtung die theoretische Frage nach der Bindung des vermittelnden Richters an das materielle Zivilrecht. Wenn die Rechtslage in der Beurteilung des Richters eindeutig ist, muss er die Par­ teien auch wahrheitsgemäß informieren. Vor dem Hintergrund ihrer Dispositions­ befugnis sind die Parteien jedoch ermächtigt, eine von der materiellen Rechtslage abweichende Regelung zu treffen, wenn diese z. B. ihren Interessen mehr dient. Der Richter ist dann nicht verpflichtet, einen solchen moderierten Vertrag zu verhindern, solange dieser von den Parteien in ausreichender Kenntnis der maßgeblichen Um­ stände getroffen wird. dd) Materielles Vertragsrecht Auch eine Orientierung am materiellen Vertragsrecht im Sinne der hier gewählten Kategorisierung wiederholt sich an dieser Stelle im Hinblick auf den Vergleichsvor­ schlag durch den Richter wieder. Dies kommt darin zum Ausdruck, dass zwar gefor­ dert wird, der Richter müsse versuchen, die Parteien von seinem Vorschlag zu über­ zeugen, weshalb er auch auf die Belastungen, die mit der Fortführung des Verfahrens einhergehen, hinweisen dürfe. Er dürfe aber keinen unzulässigen Druck auf die Par­ teien ausüben, um sich das Abfassen des Urteils zu ersparen.1059 Damit ist die not­ wendige Selbstbestimmung der Parteien angesprochen, in deren Rahmen sich der richterliche Vergleichsvorschlag bewegen müsse.1060 e) Die Protokollierung des moderierten Vertrags Mit Blick auf das Verhältnis des Prozessrichters zum moderierten Vertrag nimmt die Protokollierung eine besondere Rolle ein, weil hier dem Prozessrichter eine gesetz­ lich geregelte Tätigkeit zukommt, die für den moderierten Vertrag eine große Bedeu­ tung entfaltet, wenngleich auch dieser Bereich von rechtlichen Unklarheiten geprägt ist. Obwohl es sich „nur“ um die vermeintlich unspektakuläre Protokollierung der Vereinbarung über die gütliche Streitbeilegung handelt, lassen sich an dieser Stelle Rückschlüsse auf die zu untersuchende Tätigkeit des Prozessrichters in Bezug auf den moderierten Vertrag ziehen. Das gilt zunächst vor dem Hintergrund der Rechts­ 1057 

Auf die Existenz solcher Vorschläge weist schon Cohn, JZ 1959, 463 hin. Stürner, JR 1979, 133, 136. 1059  Gottwald, ZZP 95 (1984), 245, 257. 1060 Wie Stürner, DRiZ 1976, 202, 204 explizit anspricht. 1058 So

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wirkungen, die mit der Protokollierung des Vergleichs einhergehen, und darüber hinaus im Rahmen der vergleichenden Betrachtung der „besonderen Protokollie­ rung“1061 im Sinne des §  278 Abs.  6 ZPO. aa) Voraussetzungen für die Protokollierung Zunächst sind schon die Voraussetzungen einer Protokollierung umstritten; an die­ ser Stelle wiederholt sich die – in dieser Untersuchung unter der Überschrift „ne ul­ tra petita“ bereits angesprochene – Problematik der inhaltlichen Reichweite eines möglichen Prozessvergleichs. Während von der gemäß §  308 Abs.  1 ZPO geltenden Bindung an die Parteianträge keine inhaltliche Beschränkung des Vergleichsinhalts ausgeht, wird dies vor dem Hintergrund der mit der Protokollierung des Prozessver­ gleichs verbundenen materiell-rechtlichen Regelungen erneut diskutiert. Ausgehen lässt sich auch an dieser Stelle1062 zunächst von der Feststellung, dass die Parteien jedenfalls insoweit einen Anspruch auf die Protokollierung besitzen, als sie den Streitgegenstand des Verfahrens zumindest teilweise regeln. Dies folgt schon aus dem Rechtsgewährungsanspruch der Parteien gegenüber dem Gericht.1063 Dass der Vergleich grundsätzlich zu protokollieren ist, gilt zudem gemäß §  160 Abs.  3 Nr.  1 ZPO.1064 Auch der Güterichter hat kraft seiner Richterstellung die Möglichkeit, ei­ nen prozessbeendigenden und vollstreckbaren Prozessvergleich zu beurkunden (§  794 Abs.  1 Nr.  1 ZPO).1065 Weil die ordnungsgemäße gerichtliche Protokollierung gemäß §  127a BGB die an­ sonsten notwendige notarielle Beurkundung ersetzt, stellt sich die Frage, ob es den Prozessparteien möglich sein soll, Erklärungen, die nicht unmittelbar mit dem Streitgegenstand zu tun haben, in den Prozessvergleich mitaufzunehmen, was regel­ mäßig dann von den Parteien erwünscht ist, wenn ansonsten die notarielle Beurkun­ dung der Willenserklärung notwendig ist, die weitere Kosten mit sich bringt.1066 Wenn sich dem Prozessrichter diese Situation stellt, gerät er in einen Zielkonflikt. Denn er muss zunächst berücksichtigen, dass §  127a BGB keine Regel, sondern eine Ausnahme formuliert. Mit dem gleichzeitig1067 geschaffenen BeurkG – vgl. dessen §  1 Abs.  1 – hat der Gesetzgeber festgehalten, dass für Beurkundungen grundsätzlich der Notar zuständig ist und eben nicht der Richter.1068 Die Konsequenz dieser Kom­ petenzverteilung wäre, dass der Richter nur diejenigen Absprachen protokolliert, die innerhalb der Grenzen des Streitgegenstands bleiben. 1061 

Die keine Protokollierung im Sinne des §  167 ZPO ist, vgl. dazu unten unter B.III.6.f).bb). Wie auch bei der Diskussion zu §  308 Abs.  1 ZPO. 1063  BGH v. 03.08.2011 – XII ZB 153/10, BGHZ 191, 1 ff.; Rakete-Dombek, NJW 2012, 1689; im Ergebnis auch Greger/Weber, MDR-Sonderheft 2012 „Das neue Güterichterverfahren“, 1, 21. 1064  Roth, in: Stein/Jonas, ZPO, §   160 Rn.  14; vgl. Smid, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, §  160 Rn.  24 f.; MünchKommZPO/Fritsche, §  160 Rn.  4. 1065  Greger/Weber, MDR-Sonderheft 2012 „Das neue Güterichterverfahren“, 1, 21. 1066  Dies wird gerade mit Blick auf die Wirkung des §  127a BGB verneint, vgl. Fleindl/Haumer, Der Prozessvergleich, Kap.  5 Rn.  6. 1067  §  127a BGB wurde durch das Gesetz vom 28.08.1969 (vgl. BGBl I 1969, S.  1522) parallel zum BeurkG eingeführt. 1068  BGH v. 03.08.2011 – XII ZB 153/10, BGHZ 191, 1 ff. 1062 

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B. Der moderierte Vertrag des zivilrechtlichen Konflikts

Dem steht jedoch die ebenfalls vom Gesetzgeber formulierte Zielvorgabe des §  278 Abs.  1 ZPO entgegen, wonach das Gericht in jeder Lage des Verfahrens auf eine güt­ liche Beilegung des Rechtsstreits oder einzelner Streitpunkte bedacht sein soll. Zur Erreichung dieses Ziels könnte es sinnvoll sein, den Parteien die Erstreckung des Vergleichstexts auf evtl. unstrittige, aber zu beurkundende Inhalte anzubieten. Auf diesem Wege ließe sich dann – etwa im Wege der gesparten Notarkosten – eine für den Verhandlungserfolg oftmals wertvolle Kuchenvergrößerung erreichen, die es dem Richter einfacher machen würde, an das Ziel der gütlichen Streitbeilegung zu gelangen. Schnell wird deutlich, dass sich beide Ziele unversöhnlich gegenüberstehen, d. h. die komplette Zuerkennung des Einen den gänzlichen Verzicht auf das Andere be­ deuten würde. Insofern wundert es nicht, dass sich der BGH in seiner einschlägigen Entscheidung für einen Mittelweg entschieden hat. Ob das Gericht einen Vergleich, der über den Streitgegenstand hinausgeht, proto­ kolliert, soll in dessen pflichtgemäßem Ermessen stehen.1069 Im Rahmen dessen, was das Gericht bei seiner Ermessensentscheidung zu berücksichtigen hat, sind dann ins­ besondere die beiden geschilderten, sich grundsätzlich entgegenstehenden Regelun­ gen und der jeweils damit verbundene Sinn und Zweck zu berücksichtigen. Im Sinne der notwendigen Begrenzung und Abgrenzung zur Tätigkeit des Notars soll der Richter jedenfalls nur Einigungen protokollieren, die evtl. nicht vom Streit­ gegenstand erfasst sind, mit diesem aber in einem inneren Zusammenhang stehen.1070 Dies zeigt, dass der BGH von der gesetzlichen Vorgabe ausgehen möchte, wonach Beurkundungen grundsätzlich den Notaren übertragen sind. Er anerkennt aber auch, dass die gütliche Beilegung des Rechtsstreits eine umfas­ sendere Einigung notwendig machen könne, woraus dann auch eine weitergehende Protokollierung folgt. Im Hinblick auf die vor diesem Hintergrund mögliche Proto­ kollierung eines inhaltlich erweiterten Vergleichs, formuliert das Gericht mit Blick auf die grundsätzliche Notarzuständigkeit drei Beschränkungen, die das jeweilige Gericht im Rahmen seiner Ermessensentscheidung berücksichtigen müsse. Hierzu gehört zunächst, dass nicht jede erweiterte gütliche Einigung auch stets eine Proto­ kollierung erfordert.1071 Vielmehr kann beispielsweise die nach §  925 Abs.  1 BGB zur Grundstücksübertragung notwendige Auflassung auch später noch vor einem Notar erklärt werden, wenn man sich im gerichtlichen Vergleich darauf verständigt, so vor­ zugehen. Darüber hinaus hält der BGH fest, dass allein das Interesse, einen kosten­ günstigeren Weg als den der notariellen Beurkundung zu wählen, nicht durch §  278 Abs.  1 ZPO geschützt sei,1072 weshalb eine erweiterte Protokollierung allein aus die­ sem Grund ausscheide. Für diese Untersuchung außerdem von Bedeutung ist die letzte Vorgabe, die der BGH für die Ermessensausübung macht: Im Rahmen des 1069 

BGH v. 03.08.2011 – XII ZB 153/10, BGHZ 191, 1 ff. BGH v. 03.08.2011 – XII ZB 153/10, BGHZ 191, 1; so auch Greger/Weber, MDR-Sonderheft 2012 „Das neue Güterichterverfahren“, 1, 25; zum inneren Zusammenhang siehe Staudinger/Hertel, BGB, §  127a Rn.  14 f.; Soergel/Hefermehl, BGB, §  127a Rn.  1. 1071  BGH v. 03.08.2011 – XII ZB 153/10, BGHZ 191, 1. 1072  BGH v. 03.08.2011 – XII ZB 153/10, BGHZ 191, 1. 1070 

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pflichtgemäßen Ermessens habe das angerufene Gericht zugleich zu prüfen, ob es den für das zu protokollierende Rechtsgeschäft notwendigen Belehrungs- und Mit­ teilungspflichten genügen könne.1073 Kann es diesen Pflichten nicht genügen, soll eine Protokollierung ebenfalls ausscheiden. Da auch der Güterichter den Vergleich aufgrund seiner Richterstellung protokollieren kann, gelten die Problematik und die zur Lösung angestellten Erwägungen ebenso für das Verhalten des Prozessrich­ ters.1074 bb) Folgen der Protokollierung Eine erste Folge der Protokollierung der gütlichen Einigung liegt, wie in der Ver­ schriftlichung allgemein, in der leichteren Beweisbarkeit, sollte es später zum Streit um den Inhalt der Einigung kommen. Für den Inhalt des gerichtlichen Protokolls gilt zunächst nichts anderes als für Urkunden allgemein. Die beweisbelastete Partei kann das gerichtliche Protokoll im Wege des Urkundsbeweises vorlegen. Regelmäßig wird von dem, was im gerichtlichen Protokoll enthalten ist, eine große Beweiskraft ausgehen. Grundsätzlich nimmt dieser Urkundsbeweis allerdings teil an der freien richterlichen Beweiswürdigung und dem Prozessgegner ist unbenommen, den Ge­ genbeweis zu erbringen. Etwas anderes gilt gemäß §  165 ZPO für den Beweis der für die Verhandlung vor­ geschriebenen Förmlichkeiten. Ihr Vorliegen oder Fehlen wird einzig durch das Pro­ tokoll bewiesen. Diese Beweiskraft kann der Gegner nur durch den Nachweis ent­ kräften, dass es sich bei dem Protokoll um eine Fälschung handelt.1075 Ob der Ver­ gleichstext von dieser formellen Erhöhung der Beweiskraft erfasst wird, beurteilen Rechtsprechung1076 und Literatur1077 unterschiedlich. Für diese Untersuchung genügt der Hinweis auf die mit der Verschriftlichung ein­ hergehende Schaffung einer Urkunde, sodass die Einschlägigkeit des §  165 ZPO hier nicht wesentlich ist. Der Wortlaut der Vorschrift, der bewusst nicht den ganzen Pro­ tokollinhalt, sondern nur die Förmlichkeiten erfassen will, legt allerdings nahe, den Vergleichsinhalt nicht hierunter zu fassen, zumal zu den Förmlichkeiten alle Hand­ lungen zählen, die der Einhaltung der Grundsätze der Gerichtsverfassung und des äußeren Hergangs des Verfahrens dienen, wie etwa die in §  160 Abs.  1 ZPO enthalte­ nen Angaben über die Öffentlichkeit der Verhandlung.1078 Viel spricht dafür, deswe­ 1073  BGH v. 03.08.2011 – XII ZB 153/10, BGHZ 191, 1 ff.; so auch Greger/Weber, MDR-Sonder­ heft 2012 „Das neue Güterichterverfahren“, 1, 26, nach denen es sich hier um die Pflichten nach §  17 ff. BeurkG handele. 1074  Vgl. insoweit Greger/Weber, MDR-Sonderheft 2012 „Das neue Güterichterverfahren“, 1, 26 mit Verweis auf BGH v. 03.08.2011 – XII ZB 153/10, BGHZ 191, 1. 1075  Dies setzt eine wissentlich falsche Beurkundung voraus, siehe BGH v. 08.12.1993 – XII ZR 133/92, NJW-RR 94, 386 oder eine nachträgliche Verfälschung, HK-ZPO/Wöstmann, §  165 Rn.  2. 1076  Dafür: LSG Brandenburg v. 22.05.2002 – L 3 KN 43/01, BeckRS 2002, 31402044; dagegen: OLG Dresden v. 09.02.1998 – 17 U 267/97, Rn.  4 – juris; BGH v. 18.06.1999 – V ZR 40/98, BGHZ 142, 84 ff. 1077  Dagegen BLAH, ZPO, §  165 Rn.  5; Roth, in: Stein/Jonas, ZPO, §  165 Rn.  11. 1078  Roth, in: Stein/Jonas, ZPO, §   165 Rn.  9; vgl. Smid, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, §  165 Rn.  6 ff.; BeckOK-ZPO/Wendtland, §  165 Rn.  3 f.

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gen den Text des Vergleichs zum Inhalt der Verhandlung zu zählen,1079 der aber kei­ ne Förmlichkeit darstellt und deswegen von §  165 ZPO nicht erfasst ist.1080 (1) §  127a BGB Eine zentrale Folge der Protokollierung folgt aus §  127a BGB, demzufolge die nota­ rielle Beurkundung bei einem gerichtlichen Vergleich durch die Protokollierung der Erklärungen ersetzt werden kann. Eine Vorschrift, die sowohl für die Prozessrichter als auch für die Güterichter Bedeutung entfaltet.1081 (a) Voraussetzungen Die Vorschrift verlangt, dass die Erklärungen in ein Protokoll aufgenommen wer­ den, das nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung errichtet worden ist, d. h. die Vorschriften der §§  159 ff. ZPO beachtet. Darüber hinaus verlangt die Vorschrift, dass es sich um einen „gerichtlichen Vergleich“ handelt, in dessen Rahmen die form­ bedürftigen Erklärungen protokolliert werden. Der insofern notwendige Prozess­ vergleich1082 verlangt einerseits, dass die protokollierten Vereinbarungen innerhalb eines anhängigen Verfahrens getroffen wurden, etwa, aber nicht notwendigerweise, um dieses ganz oder teilweise zu beenden.1083 §  127a BGB gilt nicht im Rahmen eines Anwaltsvergleichs nach §  796a Abs.  1 ZPO und auch nicht für einen Vergleich, der vor einer Gütestelle abgeschlossen wird.1084 Der Prozessvergleich muss neben den prozessualen Anforderungen, die insbeson­ dere in der ordnungsgemäßen Protokollierung liegen, auch die materiell-rechtlichen Anforderungen erfüllen, die an seine Wirksamkeit gestellt werden, womit nach noch herrschender Meinung1085 etwa das aus §  779 BGB zu folgernde Erfordernis des ge­ genseitigen Nachgebens zu fordern ist.1086 Liegen diese Voraussetzungen vor, ersetzt die Aufnahme in ein gerichtliches Pro­ tokoll die ansonsten notwendige Beurkundung, für die grundsätzlich gemäß §§  1, 56 BeurkG nur die Notare zuständig sind.1087 Warum macht der Gesetzgeber von die­ sem Grundsatz zugunsten des gerichtlichen Protokolls eine Ausnahme?

1079  So im Ergebnis auch BGH v. 18.06.1999 – V ZR 40/98, BGHZ 142, 84 ff.; Roth, in: Stein/ Jonas, ZPO, §  165 Rn.  11. 1080  Roth, in: Stein/Jonas, ZPO, §  165 Rn.  11; BeckOK-ZPO/Wendtland, §  165 Rn.  5. 1081  Greger/Weber, MDR-Sonderheft 2012 „Das neue Güterichterverfahren“, 1, 25. 1082  Der Begriff Prozessvergleich wird im Rahmen des §  127a BGB synonym zum Begriff des „gerichtlichen Vergleichs“ verwendet, vgl. BeckOK-BGB/Wendtland, §  127a Rn.  3; Staudinger/ Hertel, BGB, §  127a Rn.  16. 1083 Staudinger/Hertel, BGB, §  127a Rn.  14. 1084  Zempel, NJW 2015, 2859, 2860. 1085  So die Einschätzung von Staudinger/Hertel, BGB, §  127a Rn.  14, der diese aber zu Recht ablehnt, weil es systematisch widersprüchlich ist, die Einhaltung einer Formvorschrift davon ab­ hängig zu machen, ob beide Prozessparteien inhaltlich nachgegeben haben. 1086  Zum gegenseitigen Nachgeben vgl. etwa. Palandt/Sprau, §  7 79 Rn.  9 f. 1087 Palandt/Ellenberger, §  128 Rn.  1; Zempel, NJW 2015, 2859.

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(b) Gesetzgeberische Intention Die Vorschrift des §  127a BGB wurde 1969 auf das Betreiben des Bundesrats hin im Rahmen der Schaffung des BeurkG in das BGB eingefügt. Zur Begründung wurde innerhalb des Gesetzgebungsverfahrens mit Blick auf den bereits vorliegenden Ent­ wurf des BeurkG ausgeführt: „In der Begründung des Entwurfs ist zu §  1 Abs.  1 (Seite 16) ausgeführt, daß die Protokollie­ rung eines gerichtlichen Vergleichs nicht unter das Beurkundungsgesetz fällt. Dies trifft un­ eingeschränkt nur zu, soweit es sich um den Beurkundungsvorgang selbst handelt. Zweifel­ haft ist jedoch, ob dies auch für die von der Rechtsprechung (RGZ 165, 161/162; BGHZ 14, 381/391) entwickelte Regel gilt, daß der gerichtliche Vergleich jede andere Form ersetzt. Die Zweifel könnten darauf gestützt werden, daß an die Stelle der „gerichtlichen oder notariellen Beurkundung“ nur noch die „notarielle Beurkundung“ tritt; zudem könnte aus §  925 Abs.  1 Satz 3 BGB ein nicht beabsichtigter Umkehrschluß gezogen werden. Für die Beibehaltung der von der Rechtsprechung entwickelten Regel besteht eine zwingende Notwendigkeit; sie er­ möglicht in vielen Fällen erst eine Gesamtbereinigung strittiger Rechtsverhältnisse im Prozeß und entspricht dem Grundgedanken der §§  296, 495 Abs.  2 ZPO.“1088

Ausgangspunkt für die Schaffung der Vorschrift des §  127a BGB war damit die Be­ fürchtung, dem BGB wäre ansonsten die Aussage zu entnehmen, nach der eine zuvor schon richterrechtlich geltende Ersetzung der Beurkundung durch Protokollierung nicht mehr möglich sei. Diese Sorge basierte auf dem Umstand, dass bei der Schaf­ fung des BeurkG auch der Satz 2 in §  925 Abs.  1 BGB dahingehend geändert wurde, dass zur Entgegennahme der Auflassung jedenfalls jeder Notar zuständig sei.1089 Die Regelung des §  925 Abs.  1 BGB lautet: „Die zur Übertragung des Eigentums an einem Grundstück nach §  873 erforderliche Eini­ gung des Veräußerers und des Erwerbers (Auflassung) muss bei gleichzeitiger Anwesenheit beider Teile vor einer zuständigen Stelle erklärt werden. Zur Entgegennahme der Auflassung ist, unbeschadet der Zuständigkeit weiterer Stellen, jeder Notar zuständig. Eine Auflassung kann auch in einem gerichtlichen Vergleich oder in einem rechtskräftig bestätigten Insolvenz­ plan erklärt werden.“

Aus der Aussage der Sätze 2 und 3 könnte man im Umkehrschluss folgern, dass eine Ersetzung der notariellen Beurkundung an anderer Stelle eben nicht möglich sei. Dieser möglichen Schlussfolgerung wollte der Gesetzgeber durch die explizit anders lautende Regelung des §  127a BGB entgegentreten, um zu verhindern, dass die sei­ nerzeit bereits richterrechtlich existierende Regelung, die heute im §  127a BGB ent­ halten ist, „aus Versehen“ abgeschafft wird. Das zu vermeiden, so wird aus den wie­ dergegebenen gesetzgeberischen Erwägungen ebenfalls deutlich, erschien dem Ge­ setzgeber aus zwei Gründen erstrebenswert. Die Ersetzung der notariellen Beurkundung durch die gerichtliche Protokollie­ rung ermögliche erstens erst die Gesamtbereinigung strittiger Rechtsverhältnisse; zweitens entspräche die Ersetzung der Beurkundung durch die Protokollierung dem Grundgedanken der §§  296, 495 Abs.  2 ZPO. 1088  1089 

BT-Drs. 5/3282, S.  51. Vgl. BGBl I 1969, S.  1522.

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(c) „Gesamtbereinigung strittiger Rechtsverhältnisse“ Die Formulierung, dass die Regelung des §  127a BGB die „Gesamtbereinigung strit­ tiger Rechtsverhältnisse“ ermögliche, bringt den hinter der Regelung stehenden Ge­ danken der Verfahrensökonomie zum Ausdruck,1090 weil eben die von der Recht­ sprechung entwickelte Regelung erst ermöglicht, einen Konflikt im Vergleichswege gänzlich beizulegen, was insbesondere die Inanspruchnahme von weiteren staatli­ chen Ressourcen verhindert, etwa durch Folgeprozesse oder wegen der sonst not­ wendigen notariellen Beurkundung.1091 (d) Grundgedanken der §§  296, 495 Abs.  2 ZPO Die Prozessökonomie war jedoch nicht die einzige Überlegung, auf die der Gesetz­ geber seinerzeit die Schaffung des §  127a BGB stützte, vielmehr benannte er zum Beleg der Sinnhaftigkeit der Regelung auch den Grundgedanken der §§  296, 495 Abs.  2 BGB.1092 Hierbei ist zunächst zu beachten, dass §  296 ZPO zur Zeit der Entstehung des Beurkundungsgesetzes – 1969 – nicht den heutigen Regelungsinhalt in Form der möglichen Zurückweisung verspäteten Vorbringens zur Umsetzung des zivilprozes­ sualen Beschleunigungsgrundsatzes1093 hatte. Die Vorschrift ist durch das Gesetz vom 03.12.19761094 neu gefasst worden. Die Regelung des §  296 ZPO hatte zu dem Zeitpunkt, als der Gesetzgeber des Beurkundungsgesetzes auf sie Bezug nahm, fol­ genden Wortlaut: „Das Gericht kann in jeder Lage des Verfahrens die gütliche Beilegung des Rechtsstreits oder einzelner Streitpunkte versuchen oder die Parteien zum Zwecke des Sühneversuchs vor einen beauftragten oder ersuchten Richter verweisen. Zum Zwecke des Sühneversuchs kann das persönliche Erscheinen der Parteien angeordnet werden. Wird das Erscheinen angeordnet, so gelten die Vorschriften des §  141 Abs.  2.“

Die Vorschrift des §  495 Abs.  2 ZPO hatte ihrerseits zum Zeitpunkt der Inbezugnah­ me durch den Gesetzgeber des Beurkundungsgesetzes folgenden Inhalt:1095 „Der Richter soll in jeder Lage des Verfahrens auf die gütliche Einigung hinwirken.“

Die Vorschrift galt für den Einzelrichter, der auf eine gütliche Einigung hinwirken „soll“, während das Kollegialgericht dies nach der vom Gesetzgeber des Beurkun­ 1090  Diesen Schluss zieht auch Schramm, Richterliche Pflichten und Haftung beim Prozessver­ gleich der ZPO, S.  93 mit Verweis auf BT-Drs. 5/3282, S.  51; ebenso Staudinger/Hertel, §  127a BGB Rn.  2. 1091  Der Notar übt ein öffentliches Amt aus, vgl. §  1 BNotO. 1092  Dies bleibt gemeinhin unberücksichtigt, vgl. Schramm, Richterliche Pflichten und Haftung beim Prozessvergleich der ZPO, S.  93 ff.; Staudinger/Hertel, §  127a BGB Rn.  2 ff. 1093  Thole, in: Stein/Jonas, ZPO, §  296 Rn.  1; BeckOK-ZPO/Bacher, §  296 Rn.  1. 1094  BGBl. I 1976, S.  3281. 1095  Aktuell verfügt §  495 ZPO nur über einen Absatz: „Für das Verfahren vor den Amtsgerich­ ten gelten die Vorschriften über das Verfahren vor den Landgerichten, soweit nicht aus den allge­ meinen Vorschriften des Buches 1, aus den nachfolgenden besonderen Bestimmungen und aus der Verfassung der Amtsgerichte sich Abweichungen ergeben“.

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dungsgesetzes nicht in Bezug genommenen Regelung des §  349 ZPO lediglich „kann“ bzw. konnte. Ein Unterschied, der praktisch keine Bedeutung hatte.1096 In der zeit­ genössischen Kommentierung zur Vorschrift des §  495 Abs.  2 ZPO wird auf den (sei­ nerzeitigen) §  296 ZPO verwiesen1097 sowie im Hinblick auf die hier interessierende Position des Richters lediglich darauf, dass der Versuch einer Einigung nicht in einen Zwang ausarten dürfe.1098 Was aber ist der Grundgedanke, der diesen Vorschriften1099 zugrunde lag und auf den sich der Gesetzgeber stützte? Die Vorschriften in ihrer damaligen Form bestär­ ken den Wert der gütlichen Streitbeilegung an sich, d. h. der Grundgedanke dürfte auch damals schon in die Richtung gegangen sein, die das BVerfG später dann im Sinne einer grundsätzlichen Vorzugswürdigkeit der einvernehmlichen Konfliktlö­ sung gegenüber einer richterlichen Streitentscheidung beschrieben hat.1100 Dies be­ deutet dann aber auch, dass die Aufnahme der Regelung des §  127a BGB auf der Er­ wägung basierte, dass man die gütliche Einigung nicht im Wege einer Verkürzung ihrer Regelungsmöglichkeiten entwerten wollte. Der Schaffung des §  127a BGB liegen damit sowohl die Stärkung der Prozessöko­ nomie als auch die Bedeutung der gütlichen Einigung zugrunde. Da die Regelung allerdings ihrerseits gar kein neues Recht schaffen, sondern nur das bestehende Rich­ terrecht verschriftlichen wollte, bleibt letztlich zu fragen, worin der ursprüngliche Grund für die Entstehung des Norminhalts liegt. (e) Richterrechtlicher Ursprung Die Drucksache selbst nennt in Bezug auf die seitens der Rechtsprechung entwickel­ te Regel zwei Urteilsstellen: RGZ 165, 161/162 sowie BGHZ 14, 381/391.1101 Der BGH führt im angesprochenen Urteil lediglich aus, dass der zum Zeitpunkt der Entscheidung bereits existierende Grundsatz des Reichsgerichts nicht durch vor­ herige Änderungen der ZPO außer Kraft gesetzt worden sei. Die Rechtsprechung des RG wird nicht durch Zitate belegt, es wird allerdings auf zwei Literaturstellen Bezug genommen:1102 Keidel1103 beschäftigt sich in seinem Beitrag weniger mit der Ersetzung der Beur­ kundung durch die Protokollierung an sich als mit der Frage, ob diese auch bei einem Vergleich vor dem Landwirtschaftsgericht gelten solle, was er im Ergebnis bejaht. Er begründet dies damit, dass durch die Protokollierung vor dem Landwirtschaftsge­ richt der gesetzgeberische Zweck der Formvorschriften ebenfalls – ohne deren Ein­ 1096 

Stephan, in: Zöller, ZPO, 10.  Aufl. 1968, §  296 Rn.  2. ZPO, 16.  Aufl. 1972, §  495 Rn.  2; Stephan, in: Zöller, ZPO, 10.  Aufl. 1968, §  495 Rn.  2. 1098  Stephan, in: Zöller, ZPO, 10.  Aufl. 1968, §  495 unter 2), mit Hinweis auf §  123 BGB und die Entscheidung des BGH v. 13.10.1965 – VIII ZR 152/63, NJW 1966, 2399. 1099  D.h. §§  296, 495 Abs.  2 ZPO. 1100  BT-Drs. 5/3282, S.  51. 1101  Vgl. BT-Drs. 5/3282, S.  51, oben im Wortlaut wiedergegeben. 1102  Vgl. BGH v. 05.10.1954 – V BLw 25/54, BGHZ 14, 381, 391; Keidel, DNotZ 1952, 103, 106 und Hesse, DRW 1940, 1034, 1037. 1103  Keidel, DNotZ 1952, 103, 106. 1097  Thomas/Putzo,

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B. Der moderierte Vertrag des zivilrechtlichen Konflikts

haltung – erreicht werde.1104 Diese Überlegung sei auch die Stütze für den vom RG entwickelten Rechtssatz, dass die Protokollierung die Beurkundung ersetze.1105 Hesse,1106 dessen Beitrag ebenfalls in Bezug genommen wird, beschäftigt sich auch eher mit der Reichweite der bereits existierenden richterrechtlichen Regelung, äußert in diesem Zusammenhang jedoch, dass bei einem gerichtlichen Vergleich regelmäßig auch der gesetzgeberische Zweck der Formvorschriften, den Handelnden vor Über­ eilung zu schützen und den Vertragsinhalt urkundlich sicherzustellen, erreicht werde.1107 Das in den Gesetzesmaterialien zum BeurkG ebenfalls benannte Urteil des RG vom 08. November 19401108 begründet die Gleichstellung von Protokollierung und Beurkundung ebenfalls nicht, sondern hält lediglich fest, dass es „anerkannten Rech­ tens“ sei, dass ein im Erkenntnisverfahren abgeschlossener, in der vorgeschriebenen Form niedergeschriebener Vergleich einem gerichtlich oder notariell beurkundeten Vertrag in der Form gleichstehe. Belegt wird diese Aussage mit dem Verweis auf sechs vorhergehende Entscheidungen des RG.1109 Von Interesse ist für diese Untersu­ chung die zeitlich erste Entscheidung des RG vom 17. Mai 1901,1110 in dem das RG die Gleichsetzung von Protokollierung und Beurkundung begründet: „Weiter ergibt sich daraus, dass die Zivilprozessordnung den nach ihren Vorschriften beur­ kundeten gerichtlichen Vergleich mit den Wirkungen des vollstreckbaren Urteils ausstattet, auch die Folge, dass die Vorschriften des bürgerlichen Rechts über die Form gewisser Verträge (…) den gerichtlichen Vergleich nicht berühren, vorausgesetzt immer, dass die getroffene Ver­ einbarung einen integrierenden Bestandteil des beiderseitigen Nachgebens selbst bildet, nicht etwa nur gelegentlich, vielleicht mit der Absicht, die Vorschriften des bürgerlichen Rechts zu umgehen, mit beigefügt worden ist. So war der Rechtszustand vor Einführung des bürgerli­ chen Gesetzbuches, und es kann sich nur noch fragen, ob das BGB hieran etwas geändert hat. Diese Frage ist aber zu verneinen. (….) Indem die Civilprozeßordnung in den erwähnten §§  160, 162, 163 (früher §§  146, 148, 149) die Art und Weise regelt, wie ein bei der gerichtlichen Verhandlung eines Rechtsstreites zustande gekommener Vergleich zu beurkunden ist, und in §  794 (früher §  702) aus Vergleichen, welche nach Erhebung der Klage vor einem deutschen Gericht abgeschlossen sind, die Zwangsvoll­ streckung zulässt, bringt sie zum Ausdruck, dass die Aufgabe des Prozessrichters nicht ledig­ lich in der Erlassung von Urteilen besteht, sondern dass dieselbe sich auch auf die Beurkun­ dung von Vergleichen erstreckt, welche vor dem Prozessgerichte (…) über den Gegenstand des Rechtsstandes zustande kommen, sowie, dass der so beurkundete gerichtliche Vergleich in seiner Wirkung dem Urteile im Wesentlichen gleichsteht.“1111

1104 

Keidel, DNotZ 1952, 103, 106. Keidel, DNotZ 1952, 103, 106. 1106  Hesse, DRW 1940, 1034, 1037. 1107  Hesse, DRW 1940, 1034, 1037. 1108  RG v. 08.11.1940 – VII 40/40, RGZ 165, 161. 1109  Namentlich RG v. 17.05.1901 – VII 102/01, RGZ 48, 183; RG v. 17.09.1906 – VI 612/05, RGZ 64, 82, 85; RG v. 04.05.1911 – VI 143/10, RGZ 76, 191, 194; RG v. 27.11.1933 – VI 241/33, RGZ 142, 303, 306; RG v. 04.01.1934 – VI 384/33, RGZ 143, 100, 102; RG v. 07.01.1935 – VI 443/34, RGZ 146, 300, 304. 1110  RG v. 17.05.1901 – VII 102/01, RGZ 48, 183. 1111  RG v. 17.05.1901 – VII 102/01, RGZ 48, 183. 1105 

III. Prozessrichter

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Die Erwägungen, die dem Regelungsinhalt des §  127a BGB zugrunde liegen, lassen sich also zurückführen auf die pragmatische Erwägung des RG, der zufolge auch nach Schaffung des BGB der Prozessvergleich nicht an Bedeutung verlieren sollte, weil die Aufgabe des Prozessrichters eben nicht nur im Erlass von Urteilen, sondern auch in der „Beurkundung“ von Prozessvergleichen zu sehen sei. Um diese Gleich­ wertigkeit zu erhalten, war es nur folgerichtig, dass das RG dem Vergleich keine neuen, zusätzlichen materiell-rechtlichen Wirksamkeitsvoraussetzungen wie die no­ tarielle Beurkundung auferlegen wollte. Nachdem dieser Rechtsgedanke einmal for­ muliert war, bezog sich die spätere Auseinandersetzung darauf, ihn nicht abzuschaf­ fen. Der BGH hat die Fortgeltung der Rechtsprechung des Reichsgerichts zwar selbst nicht ausführlich begründet, die in diesem Zusammenhang genannten Litera­ turstellen äußern jedoch erstmals, dass der Zweck der Beurkundung auch durch die Aufnahme der Erklärungen in ein richterliches Protokoll erreicht würde. Hesse sieht diesen Zweck im Schutz vor und in der urkundlichen Sicherstellung des Vertragsin­ halts. Im Rahmen der Schaffung des BeurkG musste sich der Gesetzgeber selbst mit der Weitergeltung des Richterrechts beschäftigen, das zu diesem Zeitpunkt fast 70 Jahre bestand. Sowohl die Prozessökonomie als auch die Bedeutung der gütlichen Einigung an sich haben dann den Gesetzgeber bewogen, nunmehr für die explizite Regelung in §  127a BGB zu sorgen, um die richterrechtliche Regelung nicht aus Ver­ sehen abzuschaffen. (2) Folgen der Folgen: Gilt das BeurkG, insbesondere §  17 BeurkG? Nähert man sich – wie soeben geschehen – der Vorschrift des §  127a BGB mit Blick auf die historische Herkunft des Regelungsinhalts an, so lässt sich die Diskussion um die Geltung des §  17 BeurkG auch für die richterliche Beratung besser einordnen.1112 Die Regelung des §  17 BeurkG enthält als „Magna Charta“ des Notarrechts1113 die den Notar bei seiner Tätigkeit treffenden Prüfungs- und Belehrungspflichten. Mit Blick auf die Historie wird gefordert,1114 die dem BeurkG und der dazu ergan­ genen Rechtsprechung und des zugehörigen Schrifttums zu entnehmenden Konkre­ tisierungen zu den Pflichten des Notars als Anhaltspunkte heranzuziehen, um auch den Inhalt der notwendigen Aufklärung durch den Richter näher zu bestimmen. Begründet wird die Heranziehung des für den Notar geltenden Rechts eben unter Verweis auf die Rechtshistorie, denn bis zum Inkrafttreten des BeurkG hatte nicht der Notar die alleinige Beurkundungskompetenz,1115 sondern auch der Richter.1116 Zu diesem Zeitpunkt galt nicht nur die richterrechtlich entwickelte Gleichstellung in den Tätigkeitsfolgen von Richter und Notar, die seit dem Beurkundungsgesetz ihren

1112 Zur Diskussion vgl. nur die Darstellung des Meinungsstands bei Schramm, Richterliche Pflichten und Haftung beim Prozessvergleich der ZPO, S.  9 0 f. 1113  Vgl. nur Wolf, in: FS Rechberger, S.  719. 1114  Namentlich von Dietrich, ZZP 2007, 443, 449 f. 1115  Wie dies heute der Fall ist, vgl. §§  1, 56 BeurkG. 1116  Dietrich, ZZP 2007, 443, 450.

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B. Der moderierte Vertrag des zivilrechtlichen Konflikts

Ausdruck in §  127a BGB findet,1117 sondern der BGH hat den Richtern auch die glei­ chen Pflichten wie dem Notar zugewiesen:1118 „Zutreffend geht das Oberlandesgericht davon aus, dass dem einen Vertrag über ein Grund­ stück beurkundenden Richter die gleichen Pflichten gegenüber den Beteiligten obliegen wie einem Notar in einem solchen Falle1119, und dass deshalb die für den Pflichtenkreis eines be­ urkundenden Notars geltenden Rechtsgrundsätze in gleicher Weise auch auf den beurkunden­ den Richter anzuwenden sind.“1120

Der BGH verweist in seiner Entscheidung selbst wiederum auf ein Judikat des RG aus dem Jahr 1931,1121 in dem ebenfalls bereits festgestellt wurde: „Der beurkundende Richter hat, wie der Notar, bei und vor der Beurkundung zunächst den wirklichen Willen der Beteiligten zu erforschen und festzustellen.“

Damit lässt sich zunächst festhalten, dass nicht nur der Regelungsinhalt des §  127a BGB einen richterrechtlichen Vorläufer hatte, sondern dass auch die Übertragung der Notarpflichten auf den Richter eine lange richterrechtliche Geschichte vorwei­ sen kann. Die Schaffung des §  127a BGB basiert – wie oben aufgezeigt – auf dem Umstand, die als sinnvoll erachtete Gleichstellung in den Beurkundungsfolgen von Richter und Notar nicht „aus Versehen“ abzuschaffen, sondern aufrecht erhalten zu wollen. Auch wenn der Gesetzgeber dann parallel nicht auch die Übertragung der Notarpflichten auf den Richter formuliert hat – eine mit §  17 BeurkG vergleichbare Vorschrift fehlt im für den Richter geltenden Prozessrecht – so kann hieraus nicht geschlussfolgert werden, dass lediglich die richterrechtliche Regelung im Hinblick auf die Beurkundungsfolgen weiter gelten sollte. Vielmehr lief die Übertragung der Anforderungen nicht Gefahr, durch das BeurkG abgeschafft zu werden. Es genügte also insoweit, die Abschaffung der Folgen der richterlichen Beurkundung durch die Schaffung des §  127a BGB zu verhindern, um auch die richterrechtliche Weitergel­ tung der Übertragung der Verhaltensanforderungen zu erreichen. Eine solche Inter­ pretation liegt jedenfalls näher als die Vermutung, der Gesetzgeber habe diese Über­ tragung durch Schweigen abgeschafft, weil er sie – anders als §  127a BGB – nicht normierte. Eine Normierung war im Unterschied zu §  127a BGB nicht notwendig, dieser öffnete vielmehr die Tür für eine Weitergeltung auch der Verhaltensanforde­ rung, die schon zuvor durch die Rechtsprechung entwickelt worden war. Insofern lassen sich auch diejenigen Äußerungen von Gesetzgeber und Rechtspre­ chung besser einordnen, die zunächst jeweils – ohne dies auch nur ansatzweise zu begründen – von Prüf- und Beratungspflichten des Gerichts bei der Vermittlung ei­ nes Vergleichs ausgehen. Im Zusammenhang mit der Schaffung des §  278 Abs.  6 ZPO, der eine besondere Form des Vergleichsschlusses ermöglichen soll, der nicht die Anwesenheit der Par­ teien erfordert, äußert der Gesetzgeber, dass im schriftlichen Vergleichsverfahren 1117 

Siehe insoweit die Darstellung oben B.III.6.e).bb).(1). Dietrich, ZZP 2007, 443, 450. 1119  RG v. 03.07.1931 – III 303/30, HRR 1932 Nr.  120. 1120  BGH v. 01.04.1963 – III ZR 224/61, DRiZ 1963, 233. 1121  RG v. 03.07.1931 – III 303/30, HRR 1932, Nr.  120. 1118 

III. Prozessrichter

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grundsätzlich dieselben gerichtlichen Prüfungskompetenzen bestünden wie bei ei­ nem protokollierten Vergleich.1122 Weder wird an dieser Stelle begründet, warum diese Prüfungskompetenzen bei einem gerichtlichen Vergleich bestehen, noch wird erörtert, wie diese genau aussehen könnten. Auch die Rechtsprechung äußert sich zunächst nur beiläufig und setzt vielmehr voraus, dass dem Richter Prüfkompetenzen zukommen.1123 Lediglich im Rahmen der bereits angesprochenen Entscheidung des BGH zur Reichweite der Protokollie­ rungsmöglichkeit hält dieser fest, dass der Richter bei der Entscheidung, ob er einen inhaltlich über das Klagebegehren hinausgehenden Vergleich protokolliere, die Fra­ ge berücksichtigen müsse, ob er den gesetzlichen Mitteilungs-, und Belehrungs­ pflichten nachkommen könne.1124 Diese würden, so sich ihr Zweck nicht anderweitig erreichen ließe, auch bei der Protokollierung eines gerichtlichen Vergleichs gelten.1125 Im Rahmen der Entscheidung, ob der Beschlussvergleich nach §  276 Abs.  6 ZPO die Voraussetzungen des §  127a BGB erfülle,1126 hat der BGH nunmehr allerdings festgehalten: „Die Pflichten, die das Gericht im Rahmen der Vergleichsprotokollierung treffen, bestimmen sich daher nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung. Weitergehende Belehrungspflich­ ten, wie sie §  17 BeurkG für die notarielle Beurkundung vorsieht, bestehen im Rahmen einer Vergleichsprotokollierung allenfalls, wenn das Gericht darüber entscheidet, ob es Vereinba­ rungen der Beteiligten protokollieren will, die über den Streitgegenstand hinausgehen (vgl. Senatsbeschluss BGHZ 191, 1 = FamRZ 2011, 1572 Rn.  19 ff.). Beinhaltet der Vergleich hinge­ gen lediglich Regelungen in Bezug auf den Streitgegenstand, prüft das Gericht nur, ob der unterbreitete Vergleich nicht gegen die guten Sitten, gesetzliche Verbote oder die öffentliche Ordnung verstößt. Dieselbe Prüfungskompetenz obliegt dem Gericht auch im Zuge der Fest­ stellung des Zustandekommens des Vergleichs im Verfahren nach §  278 Abs.  6 ZPO.“1127

(a) Entsprechende Anwendung Wenn man aber die vom BeurkG, namentlich dessen §  17, formulierten Anforderun­ gen – entgegen der aktuellen BGH-Rechtsprechung – auf den Richter übertragen möchte, bedarf es dazu mehr als des bloßen Hinweises, dass eine solche Übertragung stattfindet. Vielmehr wird man zunächst konstatieren müssen, dass eine unmittelba­ re Anwendung der Notarpflichten auf die richterliche Vermittlungstätigkeit weder vom Wortlaut des §  127a BGB1128 noch von dem des §  17 BeurkG gedeckt ist. Insbe­ sondere fehlt ein Verweis auf die Vorschrift des BeurkG innerhalb des §  127a BGB 1122 

BT-Drs. 15/3482, S.  16, 17. dieser Hinsicht ist der Auffassung von Schramm, Richterliche Pflichten und Haftung beim Prozessvergleich der ZPO, S.  91, derzufolge eine intensive Auseinandersetzung mit der The­ matik hat in der Rechtsprechung noch nicht stattgefunden habe, nur im Hinblick auf die aktuelle, insb. nach Erlass des BeurkG zuzustimmen. 1124  BGH v. 03.08.2011 – XII ZB 153/10, BGHZ, 191, 1, 7. 1125  BGH v. 03.08.2011 – XII ZB 153/10, BGHZ, 191, 1, 7. 1126  Dazu später unten unter B.III.6.e).bb).(1). 1127  BGH v. 01.02.2017 – XII ZB 71/16, BGHZ 214, 45 ff. Rn.  39. 1128 So auch Schramm, Richterliche Pflichten und Haftung beim Prozessvergleich der ZPO, S.  93. 1123  In

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B. Der moderierte Vertrag des zivilrechtlichen Konflikts

bzw. der Vorschriften der ZPO, etwa in §  278 Abs.  2 ZPO.1129 Das wäre auch deshalb so fernliegend nicht, weil sich daneben eine Reihe von Vorschriften der ZPO finden lassen, deren Inhalt mit Regelungen des BeurkG korrespondiert. Dies ist etwa der Fall bei §  160 ZPO und §  9 BeurkG.1130 Eine §  17 BeurkG entsprechende Vorschrift fehlt im Prozessrecht allerdings,1131 sodass insoweit von einer Lückenhaftigkeit aus­ zugehen ist. Die Entstehungsgeschichte des §  127a BGB legt den Schluss nahe, dass diese Lücke auch gesetzgeberisch nicht gewünscht, sondern planwidrig ist. Denn der Gesetzge­ ber wollte ursprünglich keine Regelung zur richterlichen Vergleichsvermittlung auf­ nehmen, sondern es bei der Geltung der richterrechtlichen Grundsätze, nach denen der protokollierte Vergleich erstens die notarielle Beurkundung ersetzt und zweitens die für den Notar geltenden Pflichten dann auch für den Richter gelten. Nur der erste Grundsatz ist Gesetz geworden, weil ansonsten seine Abschaffung drohte. Der Gesetzgeber hätte aber beide Grundsätze gesetzlich gefasst, wenn er eine insoweit vollständige Regelung angestrebt hätte. Damit ist die Planwidrigkeit zu bejahen. (b) Hinreichende Vergleichbarkeit Zur Beantwortung der Frage, ob eine ausreichende Vergleichbarkeit zwischen der richterlichen Vermittlung und der notariellen Beurkundung besteht, lässt sich an zwei Punkten ansetzen, nämlich sowohl bei der Person des Vermittelnden, d. h. bei Richter und Notar, als auch bei der Vermittlungssituation an sich. (c) Person Allein aus dem Umstand, dass beide Vermittler, d. h. Notar und Prozessrichter, ein öffentliches Amt bekleiden1132 und das BVerfG1133 auf die Nähe des Notars zum öf­ fentlichen Dienst hinweist, folgt noch keine hinreichende Vergleichbarkeit.1134 Be­ achtenswert ist allerdings der Umstand, dass auch der Notar gemäß §  14 BNotO nicht Vertreter einer Partei, sondern unabhängiger und unparteiischer Betreuer der Beteiligten ist. Diese Eigenschaften hat er mit dem Richter ebenso gemein wie den Zielkonflikt, der zwischen der Verpflichtung zur Neutralität und dem vom Notar gemäß §  17 Abs.  1 Satz 2 BeurkG verlangten Schutz des unerfahrenen und unge­ wandten Vertragspartners vor Benachteiligung liegt. Insofern besteht – nimmt man die Perspektive des Vermittelnden ein – eine Vergleichbarkeit zwischen Richter und Notar insofern, als dass eine Übertragung der für den Notar geltenden Grundsätze nicht ausscheidet; allein begründen lässt sie sich hiermit allerdings nicht.

1129 

Schramm, Richterliche Pflichten und Haftung beim Prozessvergleich der ZPO, S.  93. Dieses Beispiel schildert Wolf, in: FS Rechberger, S.  719, 720. 1131  Wolf, in: FS Rechberger, S.  719, 720; Rakete-Dombek, NJW 2012, 1689, 1691. 1132  Für den Notar folgt dies aus §  1 BNotO. 1133  BVerfG v. 05.05.1964 – 1 BvL 8/62, BVerfGE 17, 371, 379. 1134  So aber Dietrich, ZZP 2007, 443, 449. 1130 

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(d) Vermittlungssituation Konzentriert man sich im Hinblick auf die hinreichende Vergleichbarkeit darüber hinaus auf die Vermittlungssituation bei Notar bzw. Gericht, so ist zunächst zu fra­ gen, warum den Notar überhaupt die im BeurkG festgehaltenen Pflichten treffen. Daran anschließend lässt sich dann beurteilen, ob auch die Vergleichssituation vor Gericht eine vergleichbare Ausgangslage bietet, die Anlass für eine Übertragung der Rechtsprechung sein könnte. §  17 BeurkG beinhaltet das Kernstück der notariellen Pflichten bei einer Beurkun­ dung,1135 sodass an dieser Stelle auch der Sinn und Zweck der Beurkundung an sich in den Blick genommen werden kann. Der Zweck der notariellen Beurkundung erschöpft sich nicht in der Warn- bzw. Beweisfunktion,1136 die ja schon als Zweck für die Schriftform angeführt wird.1137 Die notarielle Beurkundung dient darüber hinaus dem Schutz vor Übereilung1138 und der damit in Zusammenhang zu sehenden rechtlichen Beratung und Betreuung der Beteiligten durch einen unabhängigen Sachverständigen,1139 wie sich insbesonde­ re aus §  17 Abs.  1 BeurkG ergibt. Die darin zudem enthaltene Pflicht zur Willenser­ forschung dient der gesicherten Wirkung des Rechtsgeschäfts, die voraussetzt, dass tatsächlicher Wille und objektive Erklärungsbedeutung übereinstimmen. Die Ur­ kunde soll letztlich den wahren Willen der Beteiligten wiedergeben.1140 Indem die notarielle Beurkundung Information und Belehrung, insbesondere im Interesse der unerfahrenen Partei, sicherstellt, dient die notarielle Beurkundung letztlich auch dem Schutz der Privatautonomie.1141 Der Schutz der unerfahrenen Partei hat dabei im Rahmen der notariellen Beurkundung an Bedeutung gewonnen, wie sich an zwei Beispielen verdeutlichen lässt.

1135  Schramm, Richterliche Pflichten und Haftung beim Prozessvergleich der ZPO, S.  89; Wolf, in: FS Rechberger, S.  719. 1136  Knauer/Wolf, NJW 2004, 2857, 2859; BeckOGK/Regler, BeurkG, §  17 Rn.  1. 1137  Zum Sinn und Zweck des Schriftformerfordernisses an sich vgl. MünchKommBGB/Einsele, §  126 Rn.  1. 1138  Wolf, in: FS Rechberger, S.  719, 725. 1139  Knauer/Wolf, NJW 2004, 2857, 2859. 1140  Schramm, Richterliche Pflichten und Haftung beim Prozessvergleich der ZPO, S.  89. 1141  Wolf, in: FS Rechberger, S.  719, 727; Schramm, Richterliche Pflichten und Haftung beim Pro­ zessvergleich der ZPO, S.  9 0 spricht darüber hinaus von der Gültigkeits- und Richtigkeitsgewähr als Teil der notariellen Beratungsfunktion; v. Jhering, Geist des römischen Rechts auf den verschie­ denen Stufen seiner Entwicklung, 2. Teil, 2. Abt., 5.  Aufl. 1898, 471 äußerte in diesem Zusammen­ hang: „Die Form ist die geschworene Feindin der Willkür, die Zwillingsschwester der Freiheit. Denn die Form hält der Verlockung der Freiheit zur Zügellosigkeit das Gegengewicht, sie lenkt die Freiheitssubstanz in feste Bahnen, daß sie sich nicht zerstreue, verlaufe, sie kräftigt sie nach innen, schützt sie nach außen. Feste Formen sind die Schule der Zucht und Ordnung und damit der Frei­ heit selber und eine Schutzwehr gegen äußere Angriffe, – sie lassen sich nur brechen, nicht biegen.“

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B. Der moderierte Vertrag des zivilrechtlichen Konflikts

Die Vorschrift des §  17 Abs.  2a BeurkG1142 ist erst 2002 eingeführt worden1143 und bezweckt eine Effektuierung des Verbraucherschutzes durch Verfahren.1144 Infolge der Neuregelung wird die Position des Notars als Verbraucherschützer weiter her­ vorgehoben. Dem Notar wird die Verantwortung für das Verfahren übertragen.1145 Dabei wird der Verbraucher als der durch das Beurkundungsverfahren stets zu schüt­ zende Vertragsteil identifiziert, unabhängig davon, ob der konkrete Verbraucher tat­ sächlich „unerfahren“ oder „ungewandt“ ist, wie es §  17 Abs.  1 BeurkG verlangt.1146 Aber nicht nur in den Vorschriften des BeurkG wird die stärkere Akzentuierung im Hinblick auf den Schutz einer vermeintlich schwächeren Vertragspartei deutlich. Auch für §  311b Abs.  1 BGB ist eine stärkere Fokussierung auf den Schutzgedanken festzustellen,1147 der auch hier allerdings nicht als einziger Beurkundungszweck an­ zusehen ist.1148 Die Vorläuferregelung des §  313 BGB erfasste in ihrer Ursprungsver­ sion aus dem Jahr 1900 lediglich die Willenserklärung des Grundstücksveräußerers, weil nur dessen Position als schutzbedürftig eingeschätzt wurde. Das änderte sich erst 1973, als der Gesetzgeber die Notwendigkeit der Beurkundung auf den ganzen Vertrag erstreckte.1149 Dies geschah vor dem Hintergrund, dass der Gesetzgeber nunmehr den Käufer – anders als bei Schaffung des BGB – als schutzwürdig identi­ fizierte. Denn die tatsächliche Entwicklung des Grundstückmarkts mit einem be­ sonders in Ballungsgebieten knappen Angebot hatte u. a. dazu geführt, dass die Grundstücksverkäufer von den Erwerbern eine einseitige Erwerbsverpflichtung ver­ langten, ohne selbst eine Verpflichtung einzugehen. Für den Fall der Nichterfüllung solcher Verpflichtungen ließen sich die Veräußerer zudem Vertragsstrafen oder Bear­ beitungsgebühren versprechen.1150 Diese Veräußerungspraxis wurde durch den Ge­ 1142  Absatz

2a lautet: Der Notar soll das Beurkundungsverfahren so gestalten, daß die Einhal­ tung der Pflichten nach den Absätzen 1 und 2 gewährleistet ist. Bei Verbraucherverträgen soll der Notar darauf hinwirken, dass 1. die rechtsgeschäftlichen Erklärungen des Verbrauchers von diesem persönlich oder durch eine Vertrauensperson vor dem Notar abgegeben werden und 2. der Verbraucher ausreichend Gelegenheit erhält, sich vorab mit dem Gegenstand der Beurkun­ dung auseinanderzusetzen; bei Verbraucherverträgen, die der Beurkundungspflicht nach §  311b Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs unterliegen, soll dem Verbraucher der beabsichtigte Text des Rechtsgeschäfts vom beurkundenden Notar oder einem Notar, mit dem sich der beurkundende Notar zur gemeinsamen Berufsausübung verbunden hat, zur Verfügung gestellt werden. Dies soll im Regelfall zwei Wochen vor der Beurkundung erfolgen. Wird diese Frist unter­ schritten, sollen die Gründe hierfür in der Niederschrift angegeben werden. Weitere Amtspflichten des Notars bleiben unberührt. 1143  Durch OLGVertrÄndG v. 23.07.2002, BGBl. I 2002, S.  2850. 1144 BeckOGK/Regler, BeurkG, §  17 Rn.  154. 1145  Regler, MittBayNot 2017, 115, 118. 1146 BeckOGK/Regler, BeurkG, §  17 Rn.  155. 1147  Dies weist Schramm, Richterliche Pflichten und Haftung beim Prozessvergleich der ZPO, S.  96. zutreffend nach. 1148  Vorrangig geht es auch hier um den Schutz vor Übereilung und den Hinweis auf die beson­ dere Bedeutung des Rechtsgeschäfts; hierzu sowie zu den weiteren Schutzzwecken siehe Beck­ OGK/Schreindorfer, §  311b Rn.  9. 1149  BGBl. I 1973, S.  501. 1150  Siehe BT-Drs. 7/63, S.  5; siehe auch die Darstellung bei Schramm, Richterliche Pflichten und Haftung beim Prozessvergleich der ZPO, S.  98 f.

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setzgeber als für die Erwerbsinteressenten besonders ungünstig identifiziert und deshalb zum Schutz der Käufer die notarielle Beurkundung auch auf deren Erklä­ rung erstreckt, weil es erforderlich sei, diese durch eine neutrale Person über die rechtliche Tragweite ihres Rechtsgeschäfts aufklären zu lassen.1151 (e) Vergleichbare Situation bei richterlicher Verhandlung? Für die Übertragung der Notarpflichten auf den richterlichen Vermittler müsste sich eine Situation beschreiben lassen, die ebenfalls eine Aufklärung und Information durch einen neutralen Dritten, d. h. den die Verhandlung leitenden Richter, erforder­ lich macht. Anders als bei den Regelungen, die die notarielle Beurkundung anord­ nen, kann sich hier die Aufklärungspflicht nicht aus der Zielrichtung einer vergleich­ baren Norm ergeben, weil es eine Regelung, die ein gerichtliches Verfahren im Sinne einer Wirksamkeitsvoraussetzung anordnet, schlichtweg nicht gibt. Die Notwendigkeit des besonderen Schutzes einer Partei kann sich daher nur aus der Verhandlungssituation selbst ergeben und nicht aus der vorgelagerten Gefähr­ dungslage, die – wie beim Notar – zum Einsatz des Richters als neutrale Person führen. In diese Ausgangsüberlegung fügt sich der Ansatz von Wolf ein, der für die Situa­ tion der Güteverhandlung abstrakt eine besondere Gefährdung für die Privatautono­ mie identifiziert, der mit der Übertragung der Notarpflichten auf den Richter zu begegnen sei.1152 Denn nicht jeder Abschluss eines Prozessvergleichs ließe sich mit der privatautonomen Konfliktregelung gleichsetzen, weil die Bedingungen für eine funktionierende Vertragsfreiheit in der gerichtlichen Verhandlungssituation nicht gleichermaßen gegeben seien. Für eine funktionierende Vertragsfreiheit bedürfe es einer marktwirtschaftlichen Wettbewerbsordnung sowie der prozeduralen Absicherung der Vertragsfreiheit, ins­ besondere durch Widerrufs- und Anfechtungsmöglichkeiten, die eine fehlerfreie Willensbildung ermöglichen sollen.1153 Hierzu gehörten auch die meisten Formvor­ schriften, die die Betroffenen vor leichtsinnigen oder übereilten Erklärungen schüt­ zen bzw. bei der notariellen Beurkundung die rechtliche Beratung (§  17 BeurkG) si­ cherstellen.1154 Darüber hinaus werde versucht, die Privatautonomie durch eine Ein­ schränkung der inhaltlichen Gestaltungsfreiheit zugunsten der unterlegenen Vertragspartei zu garantieren. Letztlich sei auch die Garantie der staatlichen Durch­ setzung von privatautonom getroffenen Vereinbarungen notwendig, damit der Selbstbestimmung durch Vertrag die Selbstbindung im Vertrag folge.1155 Zwei dieser Instrumente seien in der gerichtlichen Güteverhandlung beeinträch­ tigt: Die Parteien des Rechtsstreits könnten sich ihren Vertragspartner nicht mehr frei aussuchen, sondern sich nur mit dem Prozessgegner vergleichen; deswegen fehle 1151 

BT-Drs. 7/63, S.  5. Wolf, in: FS Rechberger, S.  719, 724; dem schließt sich Schramm, Richterliche Pflichten und Haftung beim Prozessvergleich der ZPO, S.  99, an. 1153  Wolf, in: FS Rechberger, S.  719, 722. 1154  Wolf, in: FS Rechberger, S.  719, 722. 1155  Wolf, in: FS Rechberger, S.  719, 722 f. 1152 

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B. Der moderierte Vertrag des zivilrechtlichen Konflikts

es an dem für die Sicherung der Vertragsfreiheit notwendigen Wettbewerb.1156 Au­ ßerdem gefährde die gütliche Einigung die Durchsetzung der notwendigen staatli­ chen Garantie einer ggf. getroffenen ursprünglichen Vereinbarung.1157 Neue Nahrung bekommt der Ansatz von Wolf durch den dieser Untersuchung zugrunde liegenden Blickwinkel. Denn die Situation in der Güteverhandlung lässt sich – so viel ist bereits deutlich geworden – mit der Situation in der Mediationsver­ handlung vergleichen. Es existiert keine vollständige Übereinstimmung, aber auch der Mediator ist etwa als neutraler Dritter für die Vermittlung zuständig und erfährt diesbezüglich nur geringere rechtliche Vorgaben. Hervorzuheben ist in diesem Zu­ sammenhang der Umstand, dass der Gesetzgeber des MedG die Vorschrift des §  2 Abs.  6 MedG geschaffen hat, der zufolge der Mediator im Falle einer Einigung da­ rauf hinzuwirken habe, dass die Parteien die Vereinbarung in Kenntnis der Sachlage treffen und ihren Inhalt verstehen.1158 Betrachtet man die Gesetzesbegründung zu dieser Norm des MedG genauer, so wird deutlich, dass der Gesetzgeber diese an die Notarspflichten erinnernde Norm geschaffen hat, weil er es für notwendig ansah, im Rahmen der Mediation die Waf­ fengleichheit der Parteien besonders zu schützen. In der Gesetzesbegründung heißt es: „§  2 Absatz 6 Satz 1 MediationsG verpflichtet die Mediatorinnen und Mediatoren, sich zu vergewissern, dass die Parteien eine Vereinbarung in Kenntnis der Sachlage treffen und ihren Inhalt verstehen (vgl. Nummer IV.12. der Empfehlung R (2002) 12 des Ministerkomitees des Europarats an die Mitgliedstaaten über die Mediation in Zivilsachen, www.egmr.org/min kom/ch/rec2002-12.pdf).“

Hier ist der Hinweis auf die Empfehlung des Ministerrats von Bedeutung.1159 Die von der Gesetzesbegründung in Bezug genommene Nummer IV.12 lautet: „Der Mediator sollte unparteiisch und unabhängig handeln und während dem Mediationsver­ fahren für die Einhaltung des Grundsatzes der Waffengleichheit sorgen. Er ist nicht befugt, den Parteien eine Lösung aufzuzwingen.“1160

Durch diese Inbezugnahme wird letztlich eines deutlich: Der Gesetzgeber hat für die Mediationsverhandlung einen Schutz der Waffengleichheit für besonders not­ 1156 

Wolf, in: FS Rechberger, S.  719, 723. Wolf, in: FS Rechberger, S.  719, 724. 1158  Vgl. insoweit auch schon Handbuch Mediation/Kracht, §  12 Rn.  73, auf den auch der Gesetz­ geber Bezug nimmt, BT-Drs. 17/5335, S.  15. Die schon oben unter B.I.4. näher erörterte Vorschrift des §  2 Abs.  6 MedG hat den Wortlaut: „Der Mediator wirkt im Falle einer Einigung darauf hin, dass die Parteien die Vereinbarung in Kenntnis der Sachlage treffen und ihren Inhalt verstehen. Er hat die Parteien, die ohne fachliche Beratung an der Mediation teilnehmen, auf die Möglichkeit hinzuweisen, die Vereinbarung bei Bedarf durch externe Berater überprüfen zu lassen. Mit Zustim­ mung der Parteien kann die erzielte Einigung in einer Abschlussvereinbarung dokumentiert wer­ den.“ 1159  Wenngleich die angegebene Empfehlung über die Mediation in Zivilsachen unter dem ange­ gebenen Link nicht zu finden ist, sondern die Empfehlung zur demokratischen Bildung. 1160  Empfehlung Rec (2002) 10 des Ministerkomitees an die Mitgliedstaaten über die Mediation in Zivilsachen, abzurufen unter: www.egmr.org/minkom/ch/rec2002-10.pdf, (zuletzt abgerufen am 12.11.2020). 1157 

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wendig erachtet und diesen versucht zu realisieren, indem er dem Mediator dem No­ tar ähnelnde Pflichten auferlegt, um sicherzustellen, dass die Parteien eine autonome, d. h. selbstbestimmte Entscheidung treffen und das Mediationsergebnis so materiell dem Prinzip der Selbstbestimmtheit entspricht.1161 Dies spricht letztlich dafür, auch dem Richter, der eine Vergleichsverhandlung führt, derartige Pflichten aufzubürden. Das wird noch deutlicher, wenn man berücksichtigt, dass die hier im Hinblick auf den Prozessrichter angestellten Überlegungen auch für den Güterichter gelten, da die Ausgangsfrage der Protokollierung des Vergleichs diesen ebenso trifft.1162 Der Güterichter kann aber noch eher durch den Einsatz der Mediation, die in §  278 Abs.  5 ZPO explizit genannt wird, eine Situation schaffen, die mit der außergerichtlichen Mediation vergleichbar ist. Auf Basis dieser Argumentation zur Schaffung von Verhaltenspflichten des Rich­ ters beim Notar ist in zweierlei Hinsicht eine Beschränkung der Übertragung zu diskutieren. Dies gilt zum einen vor dem Hintergrund des Sinns und Zwecks der Übertragung und zum anderen mit Blick auf den Umstand, dass der Notar regelmä­ ßig nur dann hinzugezogen wird, wenn eine notarielle Beurkundung Wirksamkeits­ voraussetzung ist. (f) Beschränkung wegen des Schutzzwecks Nach der hiesigen Darstellung ist es gerade der Schutzzweck der notariellen Beur­ kundung, der eine Übertragung der an den Notar gerichteten Verhaltenspflichten auf den Richter rechtfertigt. Vor diesem Hintergrund besteht unter den Befürwor­ tern der Übertragung, einschließlich des BGH,1163 Einigkeit insoweit, als dass eine Übertragung der Notarpflichten auf den Richter dann nicht notwendig sein soll, wenn sich der erhoffte Schutz der schwächeren Partei ohnehin auf anderem Wege erreichen lässt.1164 Das soll namentlich dann der Fall sein, wenn die anwaltlich ver­ tretene Partei das Gericht von den Belehrungspflichten freistellt, weil dem Schutzzweck bereits durch die anwaltliche Beratung genügt ist.1165 Dass es einerseits Aufgabe des Rechtsanwalts ist, die von ihm vertretene Partei auch im Sinne eines konfliktentschärfenden Vergleichsabschlusses zu beraten, ergibt sich ebenso aus der Berufsordnung wie die Pflicht des Anwalts, seinen Mandanten vor dem Abschluss eines für ihn unvorteilhaften, weil aus einer Position der Verhandlungsschwäche ge­ schlossenen, Vergleichs zu bewahren. §  1 Abs.  3 BORA1166 spricht insoweit davon, dass der Rechtsanwalt den Mandanten vor Rechtsverlusten zu bewahren und kon­ fliktvermeidend und streitschlichtend zu begleiten habe.1167 1161 MünchKommFamFG/Ulrici,

§  2 MedG, Rn.  29. Greger/Weber, MDR-Sonderheft 2012 „Das neue Güterichterverfahren“, 1, 26. 1163  BGH v. 03.08.2011 – XII ZB 153/10, BGHZ 191, 1 ff. 1164 Staudinger/Hertel, BGB, §  127a Rn.  32. 1165  BGH v. 03.08.2011 – XII ZB 153/10, BGHZ 191, 1 ff.; mit Verweis auf Staudinger/Hertel, (2004), BGB, §  127a Rn.  33. 1166  Auf die Vorschrift weist auch Treffer, MDR 1999, 520 gerade im Hinblick auf den Prozess­ vergleich hin. 1167  §  1 Abs.  3 BORA lautet: „Als unabhängiger Berater und Vertreter in allen Rechtsangelegen­ heiten hat der Rechtsanwalt seine Mandanten vor Rechtsverlusten zu schützen, rechtsgestaltend, 1162 

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B. Der moderierte Vertrag des zivilrechtlichen Konflikts

Es zeigt sich an dieser Stelle zudem eine interessante Parallele zur Mediation: Dort soll der Mediator im Rahmen seiner Aufklärung auf die Heranziehung eines Rechts­ beistands hinwirken, wie der soeben angesprochene §  2 Abs.  6 MedG verdeutlicht, dessen Satz 2 lautet: „Er [der Mediator] hat die Parteien, die ohne fachliche Beratung an der Mediation teilnehmen, auf die Möglichkeit hinzuweisen, die Vereinbarung bei Bedarf durch externe Berater überprüfen zu lassen.“ Die Formulierung „externe Be­ rater“ hat dabei vor allem die Überprüfung durch einen Rechtsanwalt vor Augen.1168 Auch diese Parallele spricht dafür, die Pflichten des Richters dann abzusenken, wenn die Parteien anwaltlich vertreten sind. Da dies selbst in den Prozessen, in denen kein Vertretungszwang herrscht, d. h. infolge der Regelung des §  78 ZPO insbesondere in den Prozessen vor den Amtsge­ richten1169, tatsächlich jedoch häufig der Fall ist, führt diese Ausnahme zu einer Um­ kehrung des Regel-Ausnahme-Verhältnisses. (g) Beschränkung der Übertragung auf Fälle der notwendigen Beurkundung? Basierend auf der Überlegung, dass der Notar regelmäßig von den Parteien nur an­ gerufen wird, wenn eine Vorschrift wie beispielsweise §  311b BGB die notarielle Be­ urkundung als Wirksamkeitsvoraussetzung verlangt, könnte man die entsprechende Anwendung auf die Fälle der richterlichen Protokollierung auf die Verträge be­ schränken, die einen ansonsten durch einen Notar zu protokollierenden Inhalt auf­ weisen, d. h. insbesondere in den Anwendungsbereich des §  127a BGB fallen.1170 Dies erscheint zunächst auch deswegen naheliegend, weil es gerade die Vorschrift des §  127a BGB ist, die den juristischen Kontakt zwischen der notariellen Beurkundung und der richterlichen Protokollierung herstellt. Es sind zwei Überlegungen, die gegen eine Beschränkung der Übertragung aus eben diesem Grund sprechen. Zunächst differenziert schon der Anwendungsbereich des §  17 BeurkG nicht danach, ob eine notarielle Beurkundung zwingende Wirk­ samkeitsvoraussetzung ist oder die Parteien die notarielle Beurkundung aus anderen Gründen, d. h. ohne gesetzliche Intention anstreben.1171 Die Verhaltensanforderun­ gen des BeurkG gelten für den Notar, wenn dieser als Notar tätig wird. Eine Be­ schränkung auf die Fälle der notwendigen Beurkundung fehlt also in der Herkunfts­ norm des §  17 BeurkG. Darüber hinaus legt der hier vertretene Grund der Übertragung nahe, diese inso­ fern nicht zu beschränken. Der notwendige Schutz entstammt im Falle der richter­ lichen Verhandlung nicht – wie etwa im Falle des §  311b BGB für die notarielle Beur­ kundung – eines der Verhandlung vorgelagerten Umstands, sondern der Verhand­ konfliktvermeidend und streitschlichtend zu begleiten, vor Fehlentscheidungen durch Gerichte und Behörden zu bewahren und gegen verfassungswidrige Beeinträchtigung und staatliche Macht­ überschreitung zu sichern.“ 1168  Pielsticker, in: Fritz/Pielsticker, Mediationsgesetz, §  2 MedG Rn.  132. 1169 BeckOK-ZPO/Piekenbrock, §  78 Rn.  23. 1170  Diese Frage wirft zu Recht Schramm, Richterliche Pflichten und Haftung bei einem Pro­ zessvergleich der ZPO, S.  99 auf. 1171 BeckOGK/Regler, BeurkG, §  17 Rn.  3.

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lung selbst. Die Gefährdung der Privatautonomie, und dies lässt der vergleichende Blick auf die Mediation deutlich werden, existiert allerdings stets und vor allem un­ abhängig davon, ob der moderierte Vertrag etwas beinhaltet, das der notariellen Be­ urkundung bedarf. Aus den genannten Gründen ist eine Übertragung der Notarpflichten auf den Richter nicht auf die Fälle der notwendigen Beurkundung zu beschränken.1172 (3) Sachnähere Lösung durch §  2 Abs.  6 MedG? Wenn man, wie vorliegend geschehen, die Übertragung der Verhaltensgrundsätze aus dem BeurkG auf den Richter nicht nur auf Fälle beschränkt, in denen der Ver­ gleich zu protokollierende Tatsachen enthält, sondern auf jede gerichtliche Ver­ gleichsverhandlung, dann stellt §  2 Abs.  6 MedG bzw. dessen analoge Anwendung auf den Richter auch nicht die sachnähere Lösung dar, die einem Rückgriff auf das BeurkG entgegenstehen würde. Der Konflikt wird ohnehin entschärft durch die Tatsache, dass die Beratungs- und Hinweispflichten, unabhängig von ihrer Herkunft, beide auf den Schutz der Privat­ autonomie durch Information der Parteien zielen. Der Rückgriff auf die Norm des MedG wird insbesondere durch die Vergleichbarkeit der Verhandlungsführung von Güterichter und Mediator nahegelegt. Für die Übernahme der Pflichten aus dem BeurkG streiten zwei Argumente, die nicht an der Art der Verhandlungsführung, sondern an deren Ergebnis und an der Person des Vermittlers ansetzen. Nicht nur §  127a BGB bringt die rechtliche Gleichwertigkeit der vor Notar bzw. Richter ge­ schlossenen Verträge zum Ausdruck, sondern auch §  794 Abs.  1 Nr.  5 ZPO, der – bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen1173 – sowohl beim Notar als auch vor Ge­ richt die wirksame Vollstreckungsunterwerfung ermöglicht. Dies alles gilt so nicht für den moderierten Vertrag der Mediation. Notar, Richter und Mediator haben die Unabhängigkeit und Neutralität gemein. Richter und Notar darüber hinaus die Eigenschaft des Volljuristen, der das BeurkG in seinen Pflichten Rechnung trägt, das MedG konsequenterweise nicht, da die Befä­ higung zum Richteramt keine Voraussetzung für das Mediatorenamt darstellt. (4) Geltung für den Güterichter Auch das durch den Güterichter erstellte Protokoll ersetzt die notarielle Beurkun­ dung gemäß §  127a BGB. Dieses Ergebnis wurde schon bei der obigen Betrachtung des Güterichters als Moderator im Sinne dieser Untersuchung festgehalten. Begrün­ den lässt sich dies mit den nunmehr angestellten Erwägungen zum Prozessrichter, die keinen Anlass zur Annahme gegeben haben, dass das güterichterliche Protokoll nicht den Anforderungen des §  127a BGB genüge, da dieses ebenfalls nach den Vor­ schriften der ZPO zustande kommt. 1172  Wie hier Schramm, Richterliche Pflichten und Haftung bei einem Prozessvergleich der ZPO, S.  100. 1173  Müller, in: Kindl/Meller-Hannich/Wolf, Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung, §  794 ZPO Rn.  37.

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Auch die Übertragung der Notarpflichten bei der Beurkundung lässt sich mit den soeben zum Prozessrichter angestellten Erwägungen begründen, denn die Vermitt­ lungssituation beim Güterichter ist ebenso geeignet, entsprechende Gefährdungen zu kreieren, wie die Situation, die in der (Güte-)verhandlung vor dem Prozessrichter besteht. Dass entsprechende Aufklärungspflichten anzunehmen sind, lässt sich für den Güterichter noch eher mit dem Umstand begründen, dass auch das MedG mit §  2 Abs.  6 MedG eine Norm kennt, die an die bestehenden Notarpflichten erinnert und der zufolge der Mediator darauf hinzuwirken hat, dass die Parteien eine Vereinba­ rung in Kenntnis der Sachlage treffen und ihren Inhalt verstehen, was als Aufforde­ rung zur Schaffung von Waffengleichheit verstanden wurde. Da die Vorschrift des §  127a BGB die rechtliche Gleichwertigkeit von notarieller Beurkundung und ge­ richtlich protokolliertem Vergleich zum Ausdruck bringt, liegt auch für den Güte­ richter eine sachnähere Lösung nicht in der entsprechenden Anwendung des §  2 Abs.  6 MedG, zumal die Mediation nur eines der Verfahren ist, die der Güterichter anwenden kann. (5) „Gerichtlicher Vergleich“ … Neben der zentralen Folge des §  127a BGB, der zufolge der gerichtliche, d. h. proto­ kollierte Vergleich die notarielle Beurkundung ersetzt, existieren noch weitere Vor­ schriften, die an das Vorliegen eines gerichtlichen Vergleichs ebenfalls gesonderte Folgen knüpfen bzw. die wie §  127a BGB einen „gerichtlichen Vergleich“ als Tatbe­ standsmerkmal verlangen.1174 Auf diese wird jetzt ein kurzer Blick geworfen. Das geschieht mit dem Ziel, zu bestimmen, wann ein Vergleich „gerichtlich“ im Sinne der jeweiligen Vorschrift ist bzw. wann nicht. (a) … im Sinne des §  925 Abs.  1 Satz 3 BGB Bereits angesprochen wurde die Vorschrift des §  925 Abs.  1 Satz 3 BGB, der zufolge die Auflassung auch in einem gerichtlichen Vergleich erklärt werden kann und dann nicht, wie von §  925 Abs.  1 Satz 2 BGB eigentlich vorgesehen, vor einem Notar abge­ geben werden muss. Mit dem Formzwang, den das Gesetz auf diesem Weg an eine wirksame Auflas­ sung knüpft, sind diverse Ziele verbunden. Neben der auch schon im Formerforder­ nis des §  311b BGB beinhalteten Warn-, Belehrungs- und Beweisfunktion1175 dient die Formvorschrift der Auflassung auch öffentlichen Zwecken.1176 Denn die Erklä­ rung der Auflassung vor einer zuständigen Stelle verhindert, dass Unklarheiten, Zweifel und Irrtümer verbleiben. Sie verringert das Risiko, dass es zu einer Diver­ 1174  Die Formulierung „gerichtlicher Vergleich“ ist auch in weiteren materiell-rechtlichen Rege­ lungen enthalten, die aber für die hiesige Betrachtung keine Rolle spielen, weil im Rahmen der Anwendung bzw. Interpretation der Norm die Frage der Mitwirkung des Gerichts nicht themati­ siert wird, dies gilt etwa für die Vorschrift des §  21 Deutsche-Welle Gesetz und §  314 Abs.  1 Nr.  7 KAGB. 1175  Vgl. nur BeckOGK/Weber, BGB, §  925 Rn.  9 f, 61. 1176 Vgl. Einsele, DNotZ 1996, 835 (852); Köbl, DNotZ 1983, 207 (211); Staudinger/Pfeifer/Diehn, §  925 Rn.  75.

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genz zwischen materieller Rechtslage und Grundbucheintragung kommt1177 und fördert damit auch die materielle Richtigkeitsgewähr1178 und so die Publizität und Verlässlichkeit des Grundbuchs.1179 Diese Ziele sollen zunächst durch die Erklärung der Auflassung vor einem Notar erreicht werden.1180 Bei der gerichtlichen Protokollierung wird dies ebenfalls er­ reicht, insbesondere das Ziel, zweifelsfreie Unterlagen für die Grundbucheintragung zu schaffen.1181 Hierzu ist es notwendig, dass das Gericht1182 den Vergleich, der die Erklärung der Auflassung enthält, protokolliert.1183 Deswegen verlangt die Vor­ schrift des §  925 Abs.  1 Satz 3 BGB in Übereinstimmung mit dem auch ansonsten identischen Vergleichsbegriff des §  127a BGB1184 , dass eine Protokollierung durch den Richter vorgenommen wird.1185 Auch die im Vergleich mit §  127a BGB spezielle­ re Vorschrift des §  925 Abs.  1 Satz 3 BGB verdeutlicht, dass die Ersetzung der nota­ riellen Beurkundung durch das richterliche Protokoll deswegen angeordnet wird, weil der Gesetzgeber dem Richter zutraut, die Aufgaben zu erfüllen, die eigentlich dem Notar überantwortet sind. (b) … im Sinne des §  14 Abs.  1 Nr.  8 TzBfG In §  14 Abs.  1 Nr.  8 TzBfG wird die grundsätzlich unzulässige1186 Befristung des Ar­ beitsvertrags für den Fall durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt, wenn die Be­ fristung auf einem gerichtlichen Vergleich beruht. Bei der Frage, was unter einem gerichtlichen Vergleich im Sinne der Vorschrift zu verstehen ist, sollte man sich zunächst vergegenwärtigen, dass die Regelung erst seit dem 01.01.2001 gilt, wie das gesamte TzBfG.1187 Die Zeit davor war geprägt durch den Beschluss des Großen Senats des BAG vom 12.10.1960,1188 in dem das Gericht festgestellt hat, dass die Befristung eines Arbeits­

1177 

Mugdan, Motive III, S.  314. BGB, §  925 Rn.  9: Kanzleiter, DNotZ 1994, 275 (283); Pajunk, Die Beur­ kundung als materielles Formerfordernis der Auflassung, S.  94 ff.; vgl. bereits Staudinger/Kober (1926), §  925 I. 1179 BeckOGK/Weber, BGB, §  925 Rn.  9. 1180 BeckOGK/Weber, BGB, §  925 Rn.  9 f, 61. 1181 BeckOGK/Weber, BGB, §  925 Rn.  9 f, 64. 1182  Zur Frage, welches Gericht zur Protokollierung des Vergleichs zuständig ist, vgl. Walchs­ höfer, NJW 1973, 1102. 1183 BeckOGK/Weber, BGB, §  925 Rn.  9 f, 64; Staudinger/Pfeifer/Diehn, BGB, §  925 Rn.  82 mit Verweis auf Keidel, DNotZ 1952, 103; Demharter, §  20 GBO Rn.  16. 1184  Für eine Begriffsidentität auch: Artz, in: Erman, BGB, §  925 Rn.  21. 1185 BeckOK-BGB/Grün, §  925 Rn.  20. 1186  Das auf unbestimmte Zeit eingegangene Arbeitsverhältnis ist in der Praxis des Arbeitslebens das weitaus häufigere und aus Sicht des Gesetzgebers die sozialpolitisch erwünschte Form des Ar­ beitsverhältnisses, vgl. nur Schaub/Koch, ArbR-Hdb, §  37 Rn.  1 mit Verweis auf BT-Drs. 14/4374, S.  12. 1187  BGBl. I 2000, S.  1966 ff. 1188  BAG v. 12.10.1960 – 3 AZR 65/59, AP BGB §  620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr.  16. 1178 BeckOGK/Weber,

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vertrags rechtswirksam sei, es sei denn, bei Abschluss des Vertrags fehlte es an einem sachlichen Grund für die Befristung.1189 Im Hinblick auf die Vereinbarung einer Befristung des Arbeitsverhältnisses in ei­ nem Vergleich hat das BAG schon vor Erlass des TzBfG einen sachlichen Grund er­ kannt, der die Befristung rechtfertigt. Dabei hat es jedoch nicht auf die Beteiligung des Gerichts beim Vergleichsschluss abgestellt, sondern auf das Vorliegen eines Ver­ gleichs im Sinne des §   779 BGB, wie insbesondere in der Entscheidung vom 22.02.19841190 deutlich wird. Darin heißt es: „Der tragende Grund dafür, dass das BAG sowohl den gerichtlichen als auch den außerge­ richtlichen Vergleich als sachlichen Befristungsgrund anerkannt hat, liegt in einem typischen Wesensmerkmal des Vergleichs, der Beendigung eines Streits durch gegenseitiges Nachgeben. Auch der Arbeitnehmer genießt Vertragsfreiheit. Selbst wenn er an einem unbefristeten Arbeitsverhältnis interessiert ist, wäre deshalb eine Befristung, mit der er sich im Arbeitsver­ trag einverstanden erklärt, an sich wirksam. Sowohl bei der Einstellung als auch bei der Ver­ längerung eines befristeten Arbeitsvertrages ist es dem Arbeitnehmer jedoch in der Regel unzumutbar, auf seinem Interesse an unbefristeter Einstellung oder unbefristeter Verlänge­ rung zu bestehen, weil der Arbeitgeber ihn dann häufig überhaupt nicht einstellen oder den Vertrag überhaupt nicht verlängern würde. Dieser Zwangslage trägt die Befristungsrechtspre­ chung Rechnung: Nur bei Vorliegen eines sachlichen Grundes für die Befristung und ihre Dauer muss sich der Arbeitnehmer daran festhalten lassen, er habe sich selbst mit der Befris­ tung einverstanden erklärt.“ Besteht dagegen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber bereits ein offener Streit über die Frage des Vorliegens eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses oder die Wirksamkeit der Be­ fristung eines Arbeitsverhältnisses […], so bedarf der Arbeitnehmer dieses Schutzes nicht mehr. Ebenso wie er auf die von ihm eingenommene Rechtsposition verzichten kann, indem er es überhaupt unterlässt, zu Gericht zu gehen, kann er sich über diese Rechtsposition mit dem Arbeitgeber vergleichen; dies jedenfalls bei vergleichsweiser Zubilligung des Arbeitneh­ merstatus. Das gegenseitige Nachgeben ist dann der sachliche Grund, der die Annahme einer Umgehung des zwingenden Kündigungsrechts ausschließt.“1191

Im Hinblick auf die Möglichkeit, eine Befristung mittels Vergleichs rechtswirksam zu vereinbaren, hat das BAG seinerzeit zwei auch für diese Untersuchung wichtige Punkte festgehalten. Erstens muss ein Vergleich im Sinne des §  779 BGB vorliegen. Zweitens ist es unerheblich, ob dieser im Rahmen des Gerichtsverfahrens durch das Gericht zu Protokoll genommen wird, oder, ob es sich um einen außergerichtlichen Vergleich handelt, auf den sich die Parteien ohne die Mithilfe des Gerichts geeinigt haben.1192 Die erste Voraussetzung besteht nach wie vor. Das heißt, die Vorschrift des §  14 Abs.  1 Nr.  8 TzBfG setzt auch im Verständnis der Rechtsprechung voraus, dass sich die Parteien im Wege des gegenseitigen Nachgebens auf die Befristung geeinigt ha­

1189  Hierzu und zur vorangehenden Rspr. insgesamt vgl. Dörner, Der befristete Arbeitsvertrag, Rn.  8 ff. 1190  BAG v. 22.02.1984 – 7 AZR 435/82, BAGE 45, 160. 1191  BAG v. 22.02.1984 – 7 AZR 435/82, BAGE 45, 160. 1192  Von einer zulässigen Befristung mittels außergerichtlichen Vergleichs ging auch schon BAG v. 04.03.1980 – 6 AZR 323/78, AP BGB §  620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr.  53 aus.

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ben.1193 Ausgangspunkt darf dabei nicht irgendeine Meinungsverschiedenheit sein, sondern – ganz im Sinne der frühen Rechtsprechung des BAG – der Streit über den Bestand oder Fortbestand des Arbeitsverhältnisses.1194 Befristungsvergleiche, die vor einem anderen Hintergrund geschlossen worden sind, sollen eine Befristung nach §  14 Abs.  1 Nr.  8 TzBfG nicht rechtfertigen können.1195 Wegen dieser inhaltli­ chen Verengung ist der Vergleichsbegriff nicht gleichzusetzen mit demjenigen im Sinne des §  794 Abs.  1 Nr.  1 ZPO.1196 Ob auch nach dem Erlass des TzBfG ein außergerichtlicher Vergleich die Befris­ tung rechtfertigen kann, ist umstritten. Die ursprüngliche dogmatische Grundlage verlangte lediglich das gegenseitige Nachgeben als Rechtfertigung für die Befristung, was in der Konsequenz keine Un­ terscheidung zwischen einem außer- bzw. innergerichtlichen Vergleich erfordern würde, welche die frühe Rechtsprechung des BAG dann auch nicht vorgenommen hat.1197 Der Gesetzgeber hat im Zuge der Schaffung des §  14 Abs.  1 Nr.  8 TzBfG jedoch die Gesetzesformulierung „gerichtlicher Vergleich“ gewählt und darüber hinaus festge­ halten: „Die Vereinbarung der Befristung eines Arbeitsvertrages im Rahmen eines gerichtlichen Ver­ gleichs (Nummer 8) ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ein sachlich rechtfertigender Befristungsgrund. Durch die Vereinbarung eines befristeten Ar­ beitsvertrages kann ein Rechtsstreit über eine vorausgegangene Kündigung, die Wirksamkeit einer Befristung oder eine sonstige Bestandsstreitigkeit beendet werden. Die Mitwirkung des Gerichts an dem Vergleich bietet hinreichende Gewähr für die Wahrung der Schutzinteressen des Arbeitnehmers.“1198

Macht der Gesetzgeber damit die Tür zu für den außergerichtlichen Vergleich? Da­ von gehen heute ein Großteil der Literatur1199 und auch das BAG in seiner aktuellen Rechtsprechung aus.1200 Die Gegenansicht1201 geht ebenfalls nicht davon aus, dass der außergerichtliche Vergleich unter §  14 Abs.  1 Nr.  8 TzBfG falle, sondern möchte diesen, sofern die von der früheren Rechtsprechung formulierten Voraussetzungen vorliegen, als unbenannten Sachgrund zur Rechtfertigung der Befristung heranzie­ hen. Dies ginge deshalb, weil aus der ausdrücklichen Anerkennung des gerichtlichen

1193  BAG v. 14.01.2015 – 7 AZR 2/14, AP TzBfG §  14 Nr.  126; BAG v. 23.11.2006 – 6 AZR 394/06, BAGE 120, 251. 1194 BeckOK-ArbR/Bayreuther, TzBfG, §   14 Rn.  76; BAG v. 13.06.2007 – 7 AZR 287/06, AP Nr.  7 zu §  17 TzBfG. 1195 Vgl. Meinel, in: Meinel/Heyn/Herms, TzBfG, §  14 Rn.  209. 1196 ErfK/Müller-Glöge, TzBfG, §  14 Rn.  7 7. 1197  BAG v. 22.02.1984 – 7 AZR 435/82, BAGE 45, 160; zuletzt BAG v. 22.10.2003 – 7 AZR 666/02, AP BGB §  620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr.  255. 1198  BT-Drs. 14/4374, S.  19. 1199  Meinel, in: Heyn/Herms/Meinel, TzBfG, §  14 Rn.  211; HK-TzBfG/Boecken, §  14 Rn.  124; BeckOK-ArbR/Bayreuther, TzBfG, §  14 Rn.  77. 1200  BAG v. 15.02.2012 – 7 AZR 734/10, AP TzBfG §  14 Nr.  95. 1201  Namentlich Staudinger/Preis, BGB, §  620 Rn.  164 ff.

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Vergleichs im Umkehrschluss nicht zu folgern sei, dass der außergerichtliche Ver­ gleich nicht mehr anzuerkennen wäre.1202 An dieser Stelle ist zunächst festzuhalten, dass das Vorliegen eines gerichtlichen Vergleichs im Sinne des §  14 Abs.  1 Nr.  8 TzBfG die Mitwirkung des Gerichts ver­ langt, die in einer „irgendwie gearteten Befristungskontrolle“ besteht.1203 Denn der Wortlaut der Vorschrift sowie die Gesetzgebungsgeschichte weisen klar darauf hin, dass die Befristung nicht mehr allein aufgrund des Vergleichscharakters1204 des Ver­ trages, sondern zusätzlich,1205 wenn nicht gar wesentlich1206 , wegen der Mitwirkung des Gerichts möglich sein soll.1207 (c) … im Sinne des §  3 Satz 2 MiLoG Das MiLoG gewährt dem Arbeitnehmer in §  1 Abs.  1 MiLoG einen Anspruch auf Zahlung eines Arbeitsentgelts in Höhe des Mindestlohns durch den Arbeitgeber.1208 Um sicherzustellen, dass der Anspruch auf Mindestlohn nicht durch missbräuchli­ che Konstruktionen umgangen werden kann,1209 wird in §  3 MiLoG geregelt, dass Vereinbarungen insoweit unwirksam sind, als sie den Anspruch auf Mindestlohn unterschreiten oder seine Geltendmachung beschränken oder ausschließen. Auf be­ reits entstandene Ansprüche soll der Arbeitnehmer nur im Rahmen eines gerichtli­ chen Vergleichs verzichten können, wie §  3 Satz 2 MiLoG klarstellt. Zur Schaffung der Vorschrift des §  3 Satz 2 MiLoG hat der Gesetzgeber geäußert: „Zulässig ist ein Verzicht im Wege des gerichtlichen Vergleichs, weil dieser einen ausreichen­ den Schutz der Arbeitnehmerin und des Arbeitnehmers vor einem ungerechtfertigten Verlust des Mindestlohnanspruchs sicherstellt.“1210

Mit Blick auf die dem Gericht zugedachte Schutzfunktion sollen nur Vergleiche da­ runterfallen, die in einem anhängigen Gerichtsverfahren geschlossen werden1211, da­ mit sind – auch vor dem Hintergrund des eindeutigen Wortlauts1212 – außergerichtli­ che Vergleiche ausgeschlossen.1213 Als gerichtlicher Vergleich im Sinne der Vorschrift 1202 Staudinger/Preis, BGB, §  620 Rn.  164; im Ergebnis a. A. mit guter Begründung Dörner, Der befristete Arbeitsvertrag, Rn.  265; KR/Lipke, TzBfG, §  14 Rn.  345. 1203 So Dörner, Der befristete Arbeitsvertrag, Rn.  265. 1204  Zur Kritik an dieser dogmatischen Grundlage siehe nur Dörner, Der befristete Arbeitsver­ trag, Rn.  265. 1205  So eher Boecken, in: HK-TzBfG, §  14 Rn.  121. 1206  So eher Meinel, in: Heyn/Herms/Meinel, TzBfG, §  14 Rn.  211. 1207  So im Ergebnis auch ErfK/Müller-Glöge, TzBfG, §  14 Rn.  7 7; Dörner, Der befristete Ar­ beitsvertrag, Rn.  263. 1208  Zur Frage des Anspruchscharakters und der daraus folgenden Anspruchskumulation mit dem vertraglichen Anspruch vgl. nur Sagan/Witschen, jM 2014, 372, 374. 1209  BT-Drs. 18/1558, S.  35. 1210  BT-Drs. 18/1558, S.  35. 1211  Trümner, in: Düwell/Schubert, MiLoG, §  3 Rn.  48; Lakies, MiLoG, §  3 Rn.  13. 1212  Auf den Wortlaut weist etwa Trümner, in: Düwell/Schubert, MiLoG, §  3 Rn.  48 hin. 1213 Vgl. Riechert/Nimmerjahn, MiLoG, §  39; Schaub/Vogelsang, ArbR-Hdb, §  66 Rn.  43; Greiner, in: Thüsing, MiLoG, §  3 Rn.  16; die umstrittene Frage, ob die Vorschrift im Wege der teleolo­ gischen Reduktion nicht auf Tatsachenvergleiche anzuwenden ist, ist für die hiesige Untersuchung

III. Prozessrichter

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des §  3 MiLoG dient somit jedenfalls1214 der in der Güteverhandlung (auch des Güte­ richters) ausgehandelte und nach den Vorschriften der ZPO1215 ordnungsgemäß pro­ tokollierte Vergleich,1216 da auf diesem Weg die – nicht näher beschriebene – schüt­ zende Tätigkeit des Gerichts zugunsten des Arbeitnehmers ausgeübt werden kann. (d) … im Sinne des §  9 Satz 1 AEntG Was soeben im Hinblick auf §  3 Satz 2 MiLoG festgehalten wurde, wurde bereits für die Reglung des §  9 Satz 1 AEntG diskutiert. Dort ist geregelt, dass ein Verzicht auf das in §  8 AEntG geregelte Mindestentgelt nur durch gerichtlichen Vergleich zulässig ist. Bei Schaffung des §  9 Satz 1 AEntG hat der Gesetzgeber festgehalten: „Der Verzicht durch einen gerichtlichen Vergleich wird ausdrücklich zugelassen, da dieser einen hinreichenden Schutz sicherstellt.“1217

Aus dem Zusammenhang ergibt sich, dass es dem Gesetzgeber auch hier schon um den Schutz des Arbeitnehmers ging, den er in der vorhergehenden Erläuterung zu §  9 AEntG bereits angesprochen hatte.1218 Für die Frage des gerichtlichen Vergleichs im Sinne des §  9 Satz 1 AEntG bedeutet dies auch an dieser Stelle, dass ein außergerichtlicher Vergleich keinen wirksamen Verzicht auf ein Mindestentgelt beinhalten kann,1219 sondern immer ein anhängiges Gerichtsverfahren voraussetzt,1220 da die gerichtliche Mitwirkung sicherstellen soll, dass die Mindestarbeitsbedingungen nicht entschädigungslos abbedungen wer­ den.1221 Den bis hierher geschilderten arbeitsrechtlichen Regelungen,1222 die jeweils an das Vorhandensein eines gerichtlichen Vergleichs anknüpfen, ist gemein, dass es jeweils um eine vom gesetzlichen Grundsatz abweichende Regelung geht, die die Arbeits­ nicht von Relevanz, dafür Riechert/Nimmerjahn, MiLoG, §  3 Rn.  5; dagegen HWK/Sittard, §  3 MiLoG Rn.  6. 1214  Zur Frage der nach §  278 ZPO geschlossenen Vergleiche siehe sogleich unten unter B.II.6.f). 1215  Die auch im für die Frage des Mindestlohns relevanteren Arbeitsgerichtsverfahrens nach §  46 Abs.  2 ArbGG anwesend sind, vgl. Germelmann, in: Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, §  46 Rn.  9. 1216 BeckOK-ArbR/Hilgenstock, MiLoG, §  3 Rn.  27. 1217  BR-Drs. 542/08, S.  19. 1218  Die entsprechende Passage lautet: „Die Regelung enthält Sicherungen zum Schutz des An­ spruchs der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen auf das Mindestentgelt nach §  8. Der Zweck von tarifvertraglichen Mindestentgelten würde unterlaufen, wenn der Anspruch durch Verzicht, Ver­ wirkung oder den Ablauf von Ausschlussfristen untergehen könnte.“ Vgl. BR-Drs. 542/08, S.  19. Auf den Schutz des Arbeitnehmers stellt auch ab: HK-ArbR/Mayer, AEntG, §  9 Rn.  1; zur auch hier diskutierten Frage, ob auch der Tatsachenvergleich unter diese Regelung fällt, vgl. Thüsing, in: Thü­ sing, MiLoG/AEntG, §  9 AEntG Rn.  5. 1219  Thüsing, in: Thüsing, MiLoG/AEntG, §  9 AEntG Rn.  5; Lakies, in: Däubler, TVG, Anh. 3 zu §  5 TVG: §  9 AEntG Rn.  5. 1220  Lakies, in: Däubler, TVG, Anh. 3 zu §  5 TVG: §  9 AEntG Rn.  5; ErfK/Schlachter, AEntG, §  9 Rn.  1. 1221  So ErfK/Schlachter, AEntG, §  9 Rn.  1. 1222  D.h. §  14 Abs.  1 Nr.  8 TzBfG, §  3 Satz 2 MiLoG, §  9 Satz 1 AEntG.

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B. Der moderierte Vertrag des zivilrechtlichen Konflikts

vertragsparteien nicht „allein“, sondern nur im Rahmen eines gerichtlichen Ver­ gleichs vereinbaren können. Inhaltlich geht es stets um eine Vereinbarung, die sich für den Arbeitnehmer ungünstig auswirkt; er soll deshalb nur in einem gerichtlichen Vergleich auf etwas verzichten können. Denn die modifizierte Regelung bleibt in­ haltlich stets hinter dem zurück, was dem Arbeitnehmer nach Lage des ihn schüt­ zenden Arbeitsrechts eigentlich zusteht. (6) §  794 Abs.  1 Nr.  1 ZPO/ §  795a ZPO Der Ersatz einer eventuell notwendigen notariellen Beurkundung oder der Schutz des Arbeitnehmers sind nicht die einzigen Rechtsfolgen, die die richterliche Tätigkeit im Hinblick auf den moderierten Vertrag zeitigen kann. Das Verhältnis des mode­ rierten Vertrags zum Vergleich im Sinne des §  794 Abs.  1 Nr.  1 ZPO wurde oben bereits erörtert. Für die an dieser Stelle interessierende Frage der Bedeutung der rich­ terlichen Tätigkeit in Bezug auf den moderierten Vertrag ist hervorzuheben, dass §  794 Abs.  1 Nr.  1 ZPO nicht nur das Vorliegen eines Vergleichs verlangt, sondern eines Vergleichs, der vor einem deutschen Gericht geschlossen wurde. Es müssen also sowohl die materiellen Voraussetzungen des Vergleichsschlusses, als auch die prozessualen Anforderungen erfüllt sein, sodass der Vergleich von den Parteien in der mündlichen Verhandlung erklärt und vom Gericht ordnungsgemäß protokolliert wird, er ist also gemäß §  160 Abs.  3 Nr.  1 ZPO im Protokoll festzustellen. Das Proto­ koll muss gemäß §  162 ZPO vorgelesen, zur Durchsicht vorgelegt oder vorgespielt und von den Parteien genehmigt werden.1223 Auch für die Vollstreckbarkeit ist also die Mitwirkung des Moderators notwendig, was in der Konsequenz bedeutet, dass ein sogenannter außergerichtlicher Vergleich, d. h. ein materiell-rechtlich wirksamer Vertrag, der aber die eben geschilderten Voraussetzungen nicht erfüllt, keinen Voll­ streckungstitel gemäß §  794 Abs.  1 Nr.  1 ZPO darstellt.1224 Die Parteien haben dann die Möglichkeit, nach §  278 Abs.  6 ZPO vorzugehen, sofern ein Rechtsstreit zwi­ schen Ihnen anhängig ist und sie sich bisher bloß außergerichtlich verständigt ha­ ben.1225 Fehlt es aber an einem anhängigen Verfahren über den Vergleichsgegenstand zwi­ schen den Parteien, dann bleibt für sie die Möglichkeit, im Wege des §  795a ZPO zu verfahren, um einen gerichtlichen Vollstreckungstitel zu erhalten. Die Regelung soll die außergerichtliche Erledigung von Rechtsstreitigkeiten fördern und dadurch eine Entlastung der Gerichte bewirken, indem sie die Erlangung eines Vollstreckungsti­ tels1226 auch für Ansprüche aus Anwaltsvergleichen ermöglicht. Der Anwaltsver­ gleich im Sinne des §  795a ZPO setzt im Unterschied zum Prozessvergleich des §  794 1223 HK-ZPO/Kindl,

§  794 Rn.  11; Zeiss/Schreiber, ZPO, Rn.  516. §  794 Rn.  33; vgl. Paulus, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, §  794

1224 BeckOK-ZPO/Hoffmann,

Rn.  29 ff. 1225  Müller, in: Kindl/Meller-Hannich/Wolf, Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung, §  794 ZPO Rn.  16; zur Bedeutung der Regelung des §  278 Abs.  6 ZPO im Rahmen dieser Untersuchung siehe noch unten unter B.III.6.f). 1226  Den dann der zu erlassende Gerichtsbeschluss darstellt, vgl. §  794 Abs.  1 Nr.  4b und §  796b ZPO.

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Abs.  1 Nr.  1 ZPO kein anhängiges Verfahren voraus, sondern verlangt u. a.,1227 dass Rechtsanwälte die Vergleichsurkunde unterzeichnet haben1228 und sich der Schuld­ ner in dieser Vergleichsurkunde der sofortigen Zwangsvollstreckung unterwirft.1229 Auf Antrag und nach Anhörung des Gegners kann das Gericht, das für die gericht­ liche Geltendmachung des zu vollstreckenden Anspruchs zuständig wäre, durch Be­ schluss die Vollstreckbarkeitserklärung vornehmen, vgl. §  796b ZPO. Dieser Be­ schluss stellt dann gemäß §  794 Abs.  1 Nr.  4b ZPO einen Vollstreckungstitel dar. Im Rahmen dieser Entscheidung prüft das Gericht gemäß §  796a ZPO jedenfalls,1230 ob der Vergleich unwirksam ist oder gegen die öffentliche Ordnung verstößt und lehnt bejahendenfalls eine Vollstreckbarkeitserklärung ab. Damit muss das Gericht die materiell-rechtliche Wirksamkeit des Vergleichs überprüfen. Der Verweis auf die öf­ fentliche Ordnung hat darüber hinaus keine eigenständige Bedeutung.1231 Aus dem Blickwinkel dieser Untersuchung stellen sich dann zwei Fragen: Lassen sich die Prüfpflichten, die das Gericht bei einem Anwaltsvergleich treffen, auch auf die Vermittlung eines Prozessvergleichs übertragen? Wenn das Gericht bei einem Vergleich, an dem Rechtsanwälte mitgewirkt haben, trotzdem eine Prüfpflicht hat, kann dann die Übertragung der oben dargestellten Pflichten aus dem BeurkG1232 in Fällen begrenzt werden, in denen die Prozessparteien von Rechtsanwälten vertreten werden? Die erste Frage wird man aufgrund der fehlenden Vergleichbarkeit der beiden Konstellationen verneinen müssen. Denn es bestehen bei der Vergleichsvermittlung zwischen Richter einerseits und Rechtsanwalt andererseits erhebliche Unterschiede, da die Richter zu einer neutralen Tätigkeit verpflichtet sind, die Rechtsanwälte dem­ gegenüber nur zur Vertretung der Interessen ihrer Mandantschaft.1233 Die Aus­ gangslage zwischen einem im Rahmen der Güteverhandlung geschlossenen Ver­ gleich, der bei Anwesenheit des Richters und ggf. durch seine Tätigkeit vermittelt wurde, ist eine andere als im Falle eines Vertrags, der zwischen Rechtsanwälten mit Blick auf die jeweiligen Interessen der eigenen Mandantschaft ausgehandelt wurde. Wenn dieser Vertrag auf seine formelle und materielle Wirksamkeit hin geprüft wird, bevor die sich aus ihm ergebenden Ansprüche im Wege der Zwangsvollstreckung durchgesetzt werden können, dann ist hierin auch die nachvollziehbare Motivation des Staates zu erkennen, einem Anspruch, der nicht auf dem Boden der Rechtsord­ nung fußt, nicht noch mit staatlicher Macht zur Durchsetzung zu verhelfen. Eine Übertragung dieser Prüfungskompetenz scheidet damit aus, sie hätte aber auch im Falle eines Übergangs keinen Erkenntnisfortschritt für diese Untersuchung ge­ bracht. Denn das Erfordernis, einen rechtlich wirksamen moderierten Vertrag zu 1227  Zu den Anforderungen an einen Anwaltsvergleich siehe insb. Veeser, Der vollstreckbare An­ waltsvergleich, S.  48 ff. 1228 MünchKommZPO/Wolfsteiner, §  796a Rn.  7. 1229 MünchKommZPO/Wolfsteiner, §  796a Rn.  4. 1230  Der genaue Inhalt der Prüfpflicht ist umstritten, vgl. Schramm, Richterliche Pflichten und Haftung beim Prozessvergleich der ZPO, S.  66. 1231 BeckOK-ZPO/Hoffmann, §  796a Rn.  13; Geimer, in: Zöller, ZPO, §  796a Rn.  21. 1232  Siehe oben unter B.III.6.e).bb).(2). 1233  Dies betont auch Geimer, in: Zöller, ZPO, §  796a Rn.  2.

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B. Der moderierte Vertrag des zivilrechtlichen Konflikts

schließen, galt für den Moderator auch schon nach den bisherigen Feststellungen. Das folgt aus seinem Ziel, den Konflikt zwischen den Parteien wirksam zu beenden; im Falle von Güterichter und Richter ergibt sich dies zusätzlich aus der Bindung an Recht und Gesetz nach Art.  20 Abs.  3 GG. Die Betrachtung des §  796a ZPO lenkt den Blick auf einen weiteren Umstand, der für diese Betrachtung von Bedeutung ist. Der Gesetzgeber traut auch dem Vergleich, der unter der Beteiligung von Anwälten zustande gekommen ist, nicht bedingungs­ los und unterstellt ihn einer Ergebniskontrolle durch das Gericht, die seit jeher in den Vorschriften über die Vollstreckbarkeitserklärung von Anwaltsvergleichen ent­ halten ist.1234 Das bedeutet für die im Rahmen der Übertragung der aus dem BeurkG stammenden Pflichten und insbesondere deren Beschränkung im Falle der anwaltli­ chen Vertretung der Parteien, dass die Kontrolle auch vor dem Hintergrund des Schutzzwecks nicht wieder auf „Null“ reduziert werden kann. Ob eine Einigung auf dem Boden des Rechts getroffen wurde, wird mithin stets überprüft. Ein weiterer Aspekt der Vollstreckbarkeitserklärung des Anwaltsvergleichs ver­ dient hier Beachtung, weil er ebenfalls für die Übertragung der Notarpflichten auf den Richter von Bedeutung ist. Aus §  796c ZPO ergibt sich, dass – bei entsprechen­ der Zustimmung durch die Parteien1235 – die Vollstreckbarkeitserklärung des An­ waltsvergleichs auch durch einen Notar vorgenommen werden kann. Das Verfahren unterscheidet sich nicht von der Vollstreckbarkeitserklärung des Prozessgerichts, weshalb auch auf die Tätigkeit des Notars die Vorschriften des BeurkG insoweit1236 keine Anwendung finden sollen.1237 Für die Übertragung der Notarpflichten auf die richterliche Vermittlungstätigkeit lassen sich damit zwei Feststellungen verbinden. Zunächst gelten nicht einmal für den Notar die Pflichten, die ihn im Rahmen seiner Kerntätigkeit treffen. Dieser Um­ stand verdeutlicht, dass zwischen der Entscheidung über die Vollstreckbarkeitser­ klärung und der Vermittlungstätigkeit, die insbesondere eine Anwesenheit bei der Abgabe der Willenserklärungen vorsieht, ein tatsächlicher Unterschied besteht, der an dieser Stelle nochmals seinen Ausdruck gefunden hat. Darüber hinaus findet so aber auch die hier geforderte Übertragung der aus dem BeurkG stammenden Notar­ pflichten weitere Unterstützung. Denn durch die Schaffung des §  796c ZPO verdeut­ licht der Gesetzgeber erneut, dass er der Person des Richters und des Notars, sofern es nicht um die Streitentscheidung geht, im Hinblick auf deren Rolle innerhalb der Stärkung der gütlichen Streitbeilegung1238 eine ähnliche Position zugedacht hat. Das spricht dann eben auch für die hier vertretene Angleichung der Pflichten, die diesen im Rahmen der Vermittlung des Vertragsschlusses zukommt. 1234 Zur Vorgängervorschrift des §   1044b ZPO vgl. BT-Drs. 11/8283, S.  45, die später in das 8. Buch der ZPO, d. h. an ihren heutigen Standort in §  796a ZPO verlagert wurde, vgl. BT-Drs. 13/5274, S.  29. 1235  Voit, in: Musielak/Voit, ZPO, §  796c Rn.  2. 1236  D.h. für das Verfahren über die Entscheidung eines Antrags auf Erlass einer Vollstreckbar­ keitserklärung gemäß §  796c ZPO. 1237 BeckOK-ZPO/Hoffmann, §  796c Rn.  3; Geimer, in: Zöller, ZPO §  796c Rn.  1. 1238  Hierzu dienen die Vorschriften der §§  796a ff. ZPO.

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(7) Andere Verfahrensordnungen Der gerichtliche Vergleich ist über die ZPO hinaus in allen Verfahrensordnungen anerkannt mit Ausnahme der FGO.1239 Für den gerichtlichen Vergleich gilt auch in Verfahren nach dem FamFG und im Rahmen des Arbeitsgerichts-, Sozialgerichtsund Verwaltungsgerichtsprozesses, was schon zum Zivilprozess festgehalten wurde. Der Prozessvergleich muss wie im Zivilprozess zu seiner Wirksamkeit sowohl pro­ zessuale, als auch materiell-rechtliche Anforderungen erfüllen.1240 Für die Verglei­ che, die im Rahmen der Verwaltungs- bzw. Sozialgerichtsbarkeit geschlossen wer­ den, wird in materiell-rechtlicher Hinsicht zusätzlich verlangt, dass der Vergleich die Anforderungen erfüllt, die an einen öffentlich-rechtlichen Vertrag im Sinne der §§  54 ff. VwVfG1241 bzw. §§  53 ff. SGB X gestellt werden. Dabei ist in §  55 VwVfG und in §  54 SGB X eine materiell-rechtliche Regelung zum öffentlichen Vergleich enthal­ ten, die durch eine Vorschrift in der jeweiligen Prozessordnung (§  106 VwGO; §  101 SGG) um die Notwendigkeit ergänzt wird, dass die Parteien über den Vergleichsge­ genstand verfügen können, was regelmäßig – aber nicht nur – bei behördlichen Er­ messensentscheidungen der Fall ist.1242 Das Erfordernis der Verfügungsmöglichkeit über den Vergleichsgegenstand findet sich auch in §  36 Abs.  1 FamFG.1243 Im Hinblick auf die hier interessierende Tätigkeit des Richters ist auch für die übrigen Verfahrensordnungen1244 das festzuhalten, was auch schon Ergebnis der Be­ trachtungen zu §  794 Abs.  1 Nr.  1 ZPO war. Aus einem gerichtlichen Vergleich lässt sich die Zwangsvollstreckung betreiben, wie sich aus §§  85 Abs.  1 ArbGG, 199 Abs.  1 Nr.  3 SGG, 168 Abs.  1 Nr.  3 VwGO, 86 Abs.  1 Nr.  2 FamFG1245 ergibt. Dies setzt – vorbehaltlich der sogleich zu erörternden „besonderen“ Vergleichsschlüsse – stets die Mitwirkung des moderierenden Richters in Gestalt einer ordnungsgemäßen Proto­ kollierung des Vergleichs voraus.1246 Außergerichtliche Vergleiche dienen ebenso wenig als Vollstreckungstitel wie im Rahmen des Zivilprozesses, wobei im Rahmen des Arbeitsgerichtsprozesses die Vollstreckbarkeitserklärung nur durch einen Notar möglich ist.1247 1239 

Rn.  3.

Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, §  101 SGG Rn.  1a; HK-SGG/Roller, §  101

1240  Vgl. für die Arbeitsgerichtsbarkeit: LAG Hamm v. 03.02.2010 – 10 Ta 537/09, BeckRS 2010, 67339; für die Sozialgerichtsbarkeit: HK-SGG/Roller, §  101 Rn.  3; Für die Verwaltungsgerichtsbar­ keit: Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, §  106 Rn.  10. 1241  Bzw. die jeweils einschlägigen Verwaltungsverfahrensgesetze der Länder. 1242  Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, §   101 SGG Rn.   7a; vgl. auch BeckOKVwGO/Brüning, §  106 Rn.  11 f. 1243  Zum Verfügungsbegriff in §  36 Abs.  1 FamFG vgl. Schmidt, Der Vergleich im FamFG-Ver­ fahren, S.  46 ff. 1244  Mit Ausnahme der FGO. 1245  Zur Besonderheit des gerichtlich gebilligten Vergleichs siehe unten unter D.I.3.c).bb). 1246 Für die Sozialgerichtsbarkeit: Haupt/Wehrhahn, in: Fichte/Jüttner, §   101 Rn.  9; BSG v. 28.11.2002 – B 7 AL 26/02 R, BeckRS 2003, 40162; für die Verwaltungsgerichtsbarkeit Schenke, in: Kopp/Schenke VwGO §  106 Rn.  10; für die freiwillige Gerichtsbarkeit folgt dies unmittelbar aus §  36 Abs.  2 FamFG; im Arbeitsgerichtsverfahren aus §  54 Abs.  3 ArbGG. 1247 §   62 Abs.  2 ArbGG verweist auch auf die §§  796 ff. ZPO, vgl. BeckOK-ArbR/Hamacher, ArbGG, §  62 Rn.  34.

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(8) Weitere Vorschriften Ohne für diese Untersuchung weitere Erkenntnischancen zu bieten, ist der „gericht­ liche Vergleich“ Tatbestandsmerkmal einiger kostenrechtlicher Vorschriften,1248 die aber jeweils an die Existenz eines gerichtlichen Vergleichs im Sinne der jeweiligen Prozessordnung anknüpfen.1249 f) §  278 Abs.  6 ZPO: „besonderer Vertragsschluss“ und „besondere Protokollierung“ Die Mitwirkung des Richters und dessen Folgen für den moderierten Vertrag er­ schöpfen sich nicht in den bis dato erörterten Vorschriften. Die Regelung des §  278 Abs.  6 Satz 1 ZPO enthält darüber hinaus zwei weitere Tätigkeiten des Prozessrich­ ters in Bezug auf den moderierten Vertrag. Diese werden hier mit „besonderer Ver­ tragsschluss“ und „besondere Protokollierung“ überschrieben. Beide Alternativen verbindet, neben ihrem Erfolg in der Praxis,1250 dass der Vergleich allein im Wege des schriftlichen Verfahrens geschlossen wird, an dessen Ende das Gericht gemäß §  278 Abs.  6 Satz 2 ZPO das jeweilige Zustandekommen des Prozessvergleichs durch einen Beschluss feststellt, der die zur Verfahrensbeendigung notwendige prozessuale Handlung darstellt.1251 Beide Beendigungsalternativen werden daher auch als soge­ nannter „Beschlussvergleich“ bezeichnet.1252 Wegen der Blickrichtung, den diese Untersuchung einnimmt, interessieren jedoch weniger die Gemeinsamkeiten als die Unterschiede zwischen den in §  278 Abs.  6 ZPO enthaltenen Alternativen. aa) „Besonderer Vertragsschluss“ gemäß §  278 Abs.  6 Satz 1 Alt.  2 ZPO Als „besonderer Vertragsschluss“ wird hier die in §  278 Abs.  6 Satz 1 Alt.  2 ZPO be­ schriebene Vorgehensweise des Vergleichsschlusses beschrieben, nach der ein Ver­ gleich auch zustande kommt, wenn die Parteien einen schriftlichen Vergleichsvor­ schlag des Gerichts durch Schriftsatz gegenüber dem Gericht annehmen. Ausgehend von der Grundkonstellation des in der mündlichen (Güte-)Verhand­ lung geschlossenen Vergleichs, stellt nicht nur die prozessuale Beendigung des Ver­ fahrens eine Besonderheit dar, sondern auch die materiell-rechtliche Seite des Ver­ gleichs. Auch im Rahmen des §  278 Abs.  6 Satz 1 Alt.  2 ZPO wird in materiell-recht­ licher Hinsicht ein Vergleichsvertrag im Sinne des §  779 BGB geschlossen.1253 Aber die Art des Vertragsschlusses weicht nicht nur von der Grundkonstellation des Ab­ schlusses eines Vergleichs im Rahmen der Güteverhandlung ab, sondern von der Grundform des Vertragsschlusses an sich.

1248 

Namentlich §  22 GKG; §  21 FamGKG; §  22 Abs.  2 GNotKG; §  195 SGG. ist beispielsweise in §  22 GKG der gerichtliche Vergleich im Sinne des §  794 Abs.  1 Nr.  1 ZPO gemeint, vgl. BeckOK-KostenR/Semmelbeck, §  22 GKG Rn.  55; §  195 SGG bezieht sich auf einen Vergleich im Sinne des §  101 SGG, vgl. Schmidt, in: Fichte/ Jüttner, §  195 SGG Rn.  2. 1250  Darauf weisen Deckenbrock/Dötsch, MDR 2006, 1325 und Siemon, NJW 2011, 426 hin. 1251  Foerste, in: Musielak/Voit, ZPO, §  278 Rn.  16; MünchKommZPO/Prütting, §  278 Rn.  4 4. 1252  Im Gegensatz zum protokollierten Prozessvergleich, vgl. Cordes, MDR 2016, 64, 65. 1253 MünchKommBGB/Habersack, §  7 79 Rn.  70. 1249  So

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(1) §  278 Abs.  6 Satz 1 Alt.  2 ZPO als Vertragsschluss durch Zustimmung zu Vertragstext Die Vorschrift des §  278 Abs.  6 Satz 1 Alt.  2 ZPO ist der Gesetz gewordene Beleg dafür, dass ein Vertrag nicht nur im Wege von korrespondierenden Willenserklärun­ gen in Form von Angebot und Annahme, sondern auch dadurch zustande kommen kann, dass beide Parteien ihre Zustimmung zu einem bereits existierenden Vertrags­ text erteilen. Das wurde bereits wie lange vor der Geltung des §  278 Abs.  6 ZPO am Beispiel der von einem Dritten entworfenen Vertragsurkunde, die von beiden Kon­ trahenten unterzeichnet wird, vertreten.1254 Dies und die besondere Rolle des Richters werden deutlich, wenn man die unter­ schiedlichen Wege des Vertragsschlusses gegenüberstellt.1255 Ausgangspunkt ist hier­ bei die Überzeugung, dass der Konsens den Vertrag zustande bringt.1256 Wie dieser Konsens zwischen den Vertragspartnern erreicht werden soll, ist aber im BGB nicht ausdrücklich geregelt.1257 (a) Antrag/Annahme Eine Möglichkeit, den notwendigen Konsens zu erzielen, ist der im BGB gedanklich zugrunde gelegte Weg des sukzessiven Vertragsschlusses über Angebot und Annah­ me.1258 Bei diesem zweistufigen Vorgang ist jeder Einzelakt einem der Kontrahenten allein zugewiesen: Das Angebot muss den gesamten Vertragstext beinhalten, d. h., der Antragende setzt den Inhalt des Vertrags fest, währenddessen der andere Teil über den Abschluss des Vertrags entscheidet.1259 Dieser Vorgehensweise liegt ein ar­ beitsteiliges Konzept zugrunde, das zur Vereinfachung und Beschleunigung des Vertragsabschlusses die vollständige inhaltliche Ausarbeitung des Vertrags beim An­ tragenden konzentriert und dem Gegenüber nur noch die Möglichkeit gibt, auf den Antrag mit Ja oder Nein zu antworten.1260 (b) Zustimmung zum Vertragstext Beim Vertragsschluss im Wege der Zustimmung zu einem Vertragstext wird diese arbeitsteilige Vorgehensweise durchbrochen. Hier besteht der erste Teil des Gesamt­ vorgangs darin, dass sich die Kontrahenten gemeinsam auf den Vertragsinhalt ver­ ständigen.1261 Losgelöst von der Vorschrift des §  278 Abs.  6 ZPO wurde hierbei be­ reits festgehalten, dass es für diesen Akt des Gesamtvorgangs nicht notwendig ist, dass die Parteien selbst den Inhalt des Vertrags erarbeiten, sie können sich auch einen 1254  Namentlich

von Flume, BGB AT Bd.  II, §  34/2; ebenfalls Leenen, in: FS Prölss, S.  153, 163; Staudinger/Bork, Vor §§  145–156 Rn.  38; zur historischen Entwicklung der rechtlichen Erfassung des Vertragsschlusses vgl. Schmidt, Der Vertragsschluss, S.  8 ff. 1255 Von Leenen, AcP 188 (1988), 381, 395 ff. 1256  Leenen, in: FS Prölss, S.  153. 1257  Leenen, in: FS Prölss, S.  153. 1258 NK-BGB/Schulze, Vor §§  145–157 Rn.  17; PWW/Brinkmann, BGB, Vor §§  145 ff. Rn.  40. 1259  Leenen, AcP 188 (1988), 381, 395 f. 1260  Leenen, AcP 188 (1988), 381, 395 f. 1261  Leenen, AcP 188 (1988), 381, 399.

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von einem Dritten vorgeschlagenen Text zu eigen machen,1262 der etwa von einem Notar oder auch dem Verwalter einer Wohnungseigentümergemeinschaft stammen kann.1263 Wenn dieser erste Schritt – unabhängig, ob von den Parteien oder einem Dritten – vollzogen ist, dann liegt ein Entwurf vor, der dann von den Kontrahenten – wiede­ rum gemeinsam – in Geltung gesetzt wird. Für diese In-Geltung-Setzung hält Leenen zwei wichtige Aspekte fest. Die gemeinsame In-Geltung-Setzung setzt nicht das zeitgleiche Vorgehen voraus,1264 d. h. die Zustimmungserklärungen können getrennt voneinander und durchaus in zeitlichem Abstand abgegeben werden. Sie können je­ doch auch zeitgleich abgegeben werden.1265 Anders als beim sukzessiven Antrag/An­ nahme-Verfahren ist aber eine Erklärung aller Vertragspartner notwendig, weil nicht allein die Annahmeerklärung eines Vertragspartners die In-Geltung-Setzung be­ wirkt. Der Unterschied zum „gängigen“ Verfahren im Wege der Annahme eines An­ trags wird deutlich. Hier besteht keine arbeitsteilige Vorgehensweise, sondern beim Vertragsschluss im Wege der Zustimmung zu einem Vertragstext ist jeder Einzelakt des zweistufigen Gesamtvorgangs allen Kontrahenten gemeinsam zugewiesen.1266 (c) §  278 Abs.  6 Satz 1 Alt.  2 ZPO als Vertragsschluss durch Zustimmung Die Gegenüberstellung der beiden Möglichkeiten des Vertragsschlusses zeigt, dass in §  278 Abs.  6 Satz 1 Alt.  2 ZPO der Weg, einen Vertrag im Wege der Zustimmung zu einem Vertragstext zu schließen, gesetzlich normiert wurde. Legt der Richter einen Vergleichsvorschlag vor, dem die Parteien jeweils schriftlich zustimmen können, um einerseits den Prozess zu beenden und andererseits gleichzeitig auch den (Vergleichs-) Vertrag zu schließen, so ist darin ein Vertragsschluss im Wege der Zustimmung zu einem Vertragstext zu sehen. Denn der Entwurf des Vertragstextes stammt – wie soeben beschrieben – von einem Dritten und die In-Geltung-Setzung des Vertrags erfolgt dann durch die Parteien gemeinsam. Damit zeigt §  278 Abs.  6 Satz 1 Alt.  2 ZPO zunächst auf, dass es nicht nur den Weg über Angebot und Annahme gibt, um den für den Vertrag notwendigen Konsens herzustellen. §  278 Abs.  6 Satz 1 Alt.  2 ZPO ist vielmehr die Gesetz gewordene Möglichkeit, den Vertrag auch auf anderem Wege zu schließen. (2) Funktion des Richters Die Funktion des Richters geht über die schon angesprochene Zuarbeit in Form des Entwurfs des Vertragstextes, die an sich schon nicht zu unterschätzen ist,1267 noch hinaus. Die soeben beschriebene In-Geltung-Setzung des Vertrags geschieht durch 1262 

Leenen, AcP 188 (1988), 381, 399 f.; Staudinger/Bork, Vorbemerkungen zu §§  145–156 Rn.  36. Merle, in: FS Wenzel, S.  251, 252. 1264  „Gemeinsam“ heißt dabei nicht „zeitgleich“, Leenen, AcP 188 (1988), 381, 400. 1265  Auch dann ist nach Palandt/Ellenberger, BGB, §  145 Rn.  6 ein Vertragsschluss möglich. 1266  Leenen, AcP 188 (1988), 381, 399 f.; Siemon, NJW 2011 426, 430 geht für den Fall des §  278 ZPO davon aus, dass beide Parteien Angebot und Annahme gleichzeitig abgeben. 1267  Siemon, NJW 2011, 426 spricht davon, dass der Richter die Parteien zur Einigung führt. 1263 

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die jeweilige Willenserklärung der Parteien, die diese naturgemäß auch gegenüber ihrem zukünftigen Vertragspartner abgeben können. In diesem Fall ist der Weg zum Vertragsschluss im Wege von Angebot und Annahme allerdings nicht mehr weit, weil die zeitlich erste Erklärung als Angebot, das sich im Hinblick auf den Vertrags­ inhalt den Vertragsentwurf des Dritten zu eigen macht, verstanden werden kann. Die zweite Erklärung des Einverständnisses mit dem Vertragsentwurf könnte dann als Annahme dieses Angebots gesehen werden.1268 In diesem Fall hätten die Parteien zwar den Inhalt des Vertrags nicht selbstständig erarbeitet, die In-Geltung-Setzung findet jedoch auch in dem für den Vertragsschluss im Wege des Angebot-Annah­ me-Verfahrens typischen zweistufigen Verfahren statt, wenn die Erklärungen zur In-Geltung-Setzung nicht (zufällig) zeitgleich erfolgen. Für die Besonderheit des Vertragsschlusses im Wege der Zustimmung zu einem Vertragsentwurf ist die Funktion des Richters zentral. Denn ihm kommt nicht nur die schon beschriebene Rolle im Rahmen der Vertragsgestaltung zu, sondern er wirkt auch im Hinblick auf die In-Geltung-Setzung des Vertrags mit. Adressat der Willenserklärungen, die für die In-Geltung-Setzung notwendig sind, ist – anders als beim Vertragsschluss mittels Angebot und Annahme – nicht die jeweils andere Ver­ tragspartei, sondern der Richter.1269 §  278 Abs.  6 Satz 1 ZPO bestimmt explizit, dass die Parteien den Vergleichsvorschlag durch Schriftsatz gegenüber dem Gericht an­ nehmen. Die Empfangszuständigkeit für die Willenserklärung liegt damit beim Ge­ richt, weshalb zum Teil auch von einer amtsempfangsbedürftigen Willenserklärung nach §  130 Abs.  3 BGB ausgegangen wird.1270 Zwar lässt sich das Gericht hier als Behörde im Sinne des §  130 Abs.  3 BGB verstehen,1271 ganz exakt erfasst wird die vorliegende Konstellation von der Vorschrift jedoch nicht, da die sogenannten amts­ empfangsbedürftigen Willenserklärungen beschrieben werden als einseitige Willens­ erklärungen, deren Folgen nicht oder nicht nur bestimmte Personen betreffen und deren Bedeutung den Zwang zur Erklärung gegenüber einer Behörde rechtfertigt.1272 Das gilt für die auf den Vergleichsschluss zielende Willenserklärung nicht. Wichtig ist, festzuhalten, dass der Vertrag zustande kommt, wenn beide Schrift­ sätze beim Gericht vorliegen, und nicht erst beim Vertragspartner. Ist das der Fall, ist materiell-rechtlich ein Vergleichsvertrag geschlossen. Um das Verfahren auch in pro­ zessualer Hinsicht zu beenden, stellt der Richter das Zustandekommen des Ver­ gleichs gemäß §  278 Abs.  6 Satz 2 ZPO fest. Auch dies geschieht bzw. kann gesche­ hen, ohne dass die Gegenseite Kenntnis vom Schriftsatz des Vertragspartners be­ kommen hat. Dies wird besonders dadurch deutlich, dass das Gericht in der Praxis den Schriftsatz des Vertragspartners häufig zusammen mit dem das Zustandekom­ men des Vergleichs feststellenden Beschluss in einer Postsendung versendet. 1268 Wenngleich Huber für die Konstellation des konkludenten Vertragsschlusses zu Recht da­ rauf hinweist, dass es vielfach nicht möglich, wohl aber sinnlos und irreführend sein kann, danach zu suchen, welches Einzelstück aus dem Mosaik des Parteiverhaltens nun das Angebot, welches die Annahme darstellt, vgl. Huber, RabelsZ 43 (1979), 413, 445. 1269  So auch Foerste, in Anm. zu BGH v. 14.07.2015 – VI ZR 326/14, JZ 2015, 1059. 1270  Siemon, NJW 2011, 426, 430. 1271  Insoweit richtig Siemon, NJW 2011, 426, 430. 1272 BeckOGK/Gomille, BGB, §  130 Rn.  125; MünchKommBGB/Einsele, §  130 Rn.  4 4.

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Besonders durch diese Funktion des Richters im Rahmen des §  278 Abs.  6 Alt.  2 ZPO wird deutlich, dass dort ein Weg des Vertragsschlusses normiert ist, der von dem im BGB geregelten Fall des Antrag/Annahme-Verfahrens abweicht. (3) Übertragbarkeit auf alle moderierten Verträge? Die Möglichkeit, einen Vertrag gemäß §  278 Abs.  6 Alt.  2 ZPO auf die genannte Wei­ se zu schließen, existiert für den streitigen Zivilprozess ebenso wie für das Verfahren vor dem Güterichter, für das die Vorschrift gleichermaßen gilt.1273 Für diese Untersuchung ist es darüber hinaus von Interesse, ob diese Möglichkeit des Vertragsschlusses auch dort besteht, wo §  278 Abs.  6 Alt.  2 ZPO keine Anwen­ dung findet, d. h. etwa in einem Mediationsverfahren, in dem die Parteien sich einen Lösungsvorschlag des Mediators erbeten. Dass es möglich ist, einen Vertragstext von einem Dritten erarbeiten zu lassen, bedarf keiner Erörterung. Wie bereits oben an­ gesprochen, besteht auch im Antrag/Annahme-Verfahren für den Antragenden die Möglichkeit, im Hinblick auf den Inhalt seines Angebots auf den von einem Dritten entworfenen Vertragstext Bezug zu nehmen. Die von Dritten entworfenen Allgemei­ nen Geschäftsbedingungen seien hier nur als praxisrelevantes Beispiel genannt.1274 Bedeutsam ist aber, ob die Parteien auch die für diesen Weg des Vertragsschlusses wichtige Modifizierungen dahingehend vornehmen können, dass der Vertrag mit dem Zugang der Zustimmungserklärungen beim Mediator geschlossen wird. Wie aufgezeigt, liegt in diesem Umstand die wesentliche Besonderheit des Vertrags­ schlusses im Sinne der Zustimmung zu einem Vertragsentwurf. Es spricht alles dafür, dass das BGB den Parteien diese Möglichkeit lässt. Darauf könnte zunächst die Vorschrift des §  151 Satz 1 BGB hindeuten, die – im Rahmen des Antrag/Annahme-Verfahrens – einen Vertrag auch ohne Zugang der Annahmeer­ klärung entstehen lässt, wenn der Antragende auf einen solchen Zugang verzichtet. Schon früh wurde durch das RG1275 vertreten, dass ein Anwendungsfall des §  151 Satz 1 BGB auch vorliegt, wenn sich der Antragende mit der Erklärung gegenüber einem Dritten einverstanden erklärt.1276 Das spricht zunächst für eine Nähe zum Vertragsschluss durch die Zustimmung zu einem Vertragsentwurf. Wesentlicher Unterschied ist jedoch, dass es sich bei kei­ ner der Willenserklärungen, die sich mit dem Vertragsentwurf einverstanden erklä­ ren, um eine Annahme im Sinne des §  151 Satz 1 BGB handelt. Denn eine Annah­ meerklärung nimmt auf das Angebot des Vertragspartners Bezug, d. h. die Annahme ist die Zustimmung zu der Schließung des Vertrags, wie ihn das Angebot vor­ 1273 

Foerste, in: Musielak/Voit, ZPO, §  278 Rn.  16. die Existenz einer AGB wesentliche Merkmal der vorformulierten Vertragsbedingung ist es unerheblich, ob der Verwender die Klausel persönlich formuliert hat BeckOGK/LehmannRichter, BGB §  305 Rn.  111, mit Verweis auf BGH v. 20.01.2016 – VIII ZR 26/15, NJW 2016, 1230, Rn.  24; BGH v. 17.02.2010 – VIII ZR 67/09, BGHZ 184, 259; Pfeiffer, in: Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, Rn.  14. 1275  RG v. 20.05.1930 – III 289/29, RGZ 129, 109, 113. 1276  Heute h. M. vgl. nur MünchKommBGB/Busche, §  151 Rn.  7; BeckOGK/Möslein, BGB, §  151 Rn.  16. 1274  Für

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schlägt1277 und auch deswegen kein selbstständiges einseitiges Rechtsgeschäft, son­ dern ein Teil des Rechtsgeschäfts des Vertrags.1278 Bei den Willenserklärungen, die im Wege der Zustimmung zum Vertragstext ergehen, fehlt es an dieser Bezugnahme. Denn die Erklärung, auf die sich die Willenserklärung der Parteien bezieht, stammt in Form des Vertragsentwurfes nicht von einem Vertragspartner, sondern vom mo­ derierenden Dritten, im gesetzlich geregelten Fall des §  278 Abs.  6 Satz 1 Alt.  2 ZPO ist dies der moderierende Richter. Dessen Vergleichsvorschlag hat darüber hinaus nicht einmal die Qualität einer Willenserklärung. Denn der vorschlagende Modera­ tor bezweckt mit seinem Vergleichsvorschlag nicht die Herbeiführung eines rechtli­ chen Erfolges, der deswegen Eintritt, weil er – von ihm selbst – gewollt ist.1279 Der moderierende Dritte hat zwar ein eigenes Interesse daran, dass der Vertrag zwischen den Parteien geschlossen wird,1280 er will den Erfolg jedoch nicht in der für die Wil­ lenserklärung notwendigen Weise, weil es ihm nicht um die Änderung der eigenen rechtlichen Position, sondern um einen Vertrag zwischen Dritten geht, dessen Teil der Moderator gerade nicht werden möchte. Dies mag zwar auch für einen Stellver­ treter gelten, anders als dieser – der eine eigene Willenserklärung formuliert – über­ lässt der vorschlagende Dritte die Entscheidung, ob ein Vertrag zustande kommt, allein den beiden Vertragsparteien. Doch auch wenn die Regelung des §  151 Satz 1 BGB aus diesem Grund auf die hier in Rede stehende Konstellation keine unmittelbare Anwendung findet, lässt sich trotzdem festhalten, dass es den Parteien möglich ist, ein dem §  278 Abs.  6 Satz 1 Alt.  2 ZPO vergleichbares Verfahren auch außerhalb des Anwendungsbereichs der Vorschrift zu vereinbaren. Man wird – nach Schaffung des §  278 Abs.  6 ZPO mehr denn je – davon ausgehen können, dass die Vertragsfreiheit der Parteien nicht nur die Vertragsbegründungs­ freiheit („Ob“) sowie die Vertragsgestaltungsfreiheit („Was“) beinhaltet, sondern sich darüber hinaus darauf erstreckt, wie Parteien den für den Vertrag notwendigen Konsens finden wollen. Sie können sich nicht nur – gemeinsam – für den Einsatz ei­ nes Vermittlers1281 entscheiden, sondern auch die Art und Weise festlegen, wie genau sie den Vertrag schließen. Denn entscheidend für die Vertragsbindung ist nicht die Technik des Vertragsschlusses, sondern der Konsens der Parteien als deren Resul­ tat.1282 Eine ausdrückliche Regelung, wie dieser Konsens zu erzielen ist, fehlt im BGB.1283 Eine im ersten Entwurf enthaltene Regelung dahingehend, dass der Vertrag dadurch geschlossen werde, dass sich die Parteien ihren übereinstimmenden Willen gegenseitig erklären,1284 wurde von der zweiten Kommission als überflüssig angese­ 1277 

Flume, BGB AT Bd.  II, S.  635; sie nimmt das Angebot mit einem „Ja“ in sich auf, so NKBGB/Schulze, Vor §§  145–157 Rn.  17. 1278  Flume, BGB AT Bd.  II, S.  6 49. 1279  Zur Definition der Willenserklärung vgl. Motive I, S.  126. 1280  Zum Interesse des Richters vgl. noch näher unten unter B.III.7. 1281  Etwa eines Mediators. 1282 Staudinger/Bork, Vor §§  145–156 Rn.  36; PWW/Brinkmann, BGB, Vor §§  145 ff. Rn.  40. 1283  Leenen, in: FS Prölss, 153; NK-BGB/Schulze, Vor §§  145–157 Rn.  17. 1284  §  7 7 des ersten Entwurfs des BGB lautete: „Zur Schließung eines Vertrages wird erfordert, dass die Vertragsschließenden ihren übereinstimmenden Willen sich gegenseitig erklären.“

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hen und wieder gestrichen.1285 Damit obliegt es auch den Parteien selbst, den Weg zum Konsens festzulegen. Die §§  145 ff. BGB regeln nur eine Möglichkeit, einen Ver­ trag zu schließen,1286 sind aber dispositiv.1287 Ein Vertrag kann durch jedes Verhalten geschlossen werden, das den gemeinsamen Willen beider Seiten, eine rechtsgeschäft­ liche Regelung zu treffen, zum Ausdruck bringt oder doch zumindest von beiden Seiten übereinstimmend als Ausdruck eines solchen Willens verstanden wird.1288 Damit haben auch die Parteien eines moderierten Vertrags die Möglichkeit, den Moderator mit einem Vergleichsentwurf zu beauftragen und zu vereinbaren, dass das Zustandekommen des moderierten Vertrags allein von dem gegenüber einem Dritten zu äußernden Einverständnis abhängig gemacht werden soll. bb) „Besondere Protokollierung“ gemäß §  278 Abs.  6 Satz 1 Alt.  1 ZPO Vom „besonderen Vertragsschluss“ gemäß §  278 Abs.  6 Satz 1 Alt.  2 ZPO zu trennen ist die hier sogenannte „besondere Protokollierung“ gemäß §  278 Abs.  6 Satz 1 Alt.  1 ZPO. Der Terminus der „besonderen Protokollierung“ wurde gewählt, weil dem Richter im Vergleich zur zweiten Alternative eher die Rolle eines bloßen Protokol­ lanten zuzufallen scheint. Zwar handelt es sich auch im Falle des §  278 Abs.  6 Satz 1 Alt.  1 ZPO um einen sogenannten Beschlussvergleich, weil der Richter dessen Zu­ standekommen durch Beschluss gemäß §  278 Abs.  6 Satz 2 ZPO feststellt, weshalb auch keine Protokollierung im engeren Sinne, sondern eine „besondere Protokollie­ rung“ vorliegt. Denn der Beschluss ergeht, nachdem die Parteien selbst dem Gericht einen schriftlichen Vergleichsvorschlag unterbreitet haben. (1) §  278 Abs.  6 Satz 1 Alt.  1 ZPO als möglicher Fall sich kreuzender Angebote Auch in dieser Tatbestandsalternative ist eine besondere Form des Vertragsschlusses zu sehen. Im Gesetz selbst ist – etwas ungenau – lediglich davon die Rede, dass die Parteien dem Gericht einen Vergleichsvorschlag unterbreiten. Die Parteien wollen damit nicht das Gericht als möglichen Vertragspartner gewinnen, sondern einen Be­ schluss im Sinne des §  278 Abs.  6 Satz 2 ZPO erwirken, insbesondere um den anhän­ gigen Rechtsstreit zu beenden und die Vollstreckbarkeit des Vergleichs zu erreichen. Hier interessiert die Frage, wie die Parteien den Vergleichsvertrag schließen. Drei Konstellationen sind dabei voneinander zu trennen. Zunächst ist es möglich, dass sich die Parteien im Rahmen von außergerichtlichen, bilateralen Verhandlungen bereits auf einen Vergleich verständigt haben und jetzt nur noch das Verfahren über §  278 Abs.  6 Satz 1 Alt.  1 ZPO wählen, um den Prozess im Wege des Prozessvergleichs zu beenden.1289 Dann existieren im Hinblick auf den 1285  Vgl. die ausführlichere Darstellung bei Staudinger/Bork, Vor §§  145–156 Rn.  36; und Leenen, in: FS Prölss, S.  153. 1286  Huber, RabelsZ 43 (1979), 413, 446 spricht in diesem Zusammenhang vom fragmentarischen Charakter des BGB. 1287 PWW/Brinkmann, BGB, Vor §§  145 ff. Rn.  40. 1288  Leenen, in: FS Prölss, S.  153. 1289  Vgl. auch MünchKommZPO/Prütting, §  278 Rn.  55; Siemon, NJW 2011, 426.

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Modus des Vertragsschlusses regelmäßig keine Besonderheiten, insbesondere gelten die §§  145 ff. BGB. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, dass sich die Parteien nicht außergericht­ lich geeinigt haben, sondern lediglich eine Partei einen Vergleichsvorschlag beim Ge­ richt einreicht. Dann ist es Aufgabe des Gerichts, diesen Vergleichsvorschlag der Gegenseite zuzuleiten. Diese kann den Vorschlag dann durch Schriftsatz gegenüber dem Gericht annehmen.1290 Das hat dann sowohl den Abschluss eines materi­ ell-rechtlichen Vertrags als auch den eines Prozessvertrags zur Folge. Abgesehen von der durch §  151 BGB gedeckten1291 Modifizierung, dass die Annahme des Angebots nicht dem Antragenden, d. h. der Partei, die den Vergleichsvorschlag einreicht, son­ dern dem Gericht gegenüber zu erklären ist, ergeben sich im Hinblick auf den Ver­ tragsschluss keine Besonderheiten. Das ist bei der dritten Konstellation, die im Rahmen des §  278 Abs.  6 Satz 1 Alt.  1 ZPO zu betrachten ist, anders. Es können beispielsweise außergerichtliche Verhand­ lungen zwischen den Parteien stattgefunden haben, die aber noch nicht zu einem Ende gekommen sind. Auf Basis dieser Verhandlungen reichen dann beide Prozess­ parteien zeitgleich einen identischen Vergleichsvorschlag ein. Dann stellen sich zwei Fragen: Ist durch die Einreichung zweier identischer Vergleichsvorschläge ein wirk­ samer Prozessvergleich geschlossen oder müssen beide Parteien zusätzlich ihre schriftsätzliche Zustimmung erteilen? Diese Frage ist besonders für das Gericht von Bedeutung, dem sich auch die zweite Frage stellt: Kann das Gericht in einer solchen Konstellation einen Feststellungsbeschluss nach §  278 Abs.  6 Satz 2 ZPO erlassen? Weil das Gericht im Rahmen seiner Prüfung, ob ein solcher Beschluss zu erlassen ist, auch kontrolliert, ob eine vollständige Einigung über den gesamten Vergleichsinhalt vorliegt,1292 ist die erste Frage nach dem Zustandekommen des Prozessvergleichs auch entscheidend für das richtige Verhalten des Gerichts. (a) Kreuzende Angebote Das gleichzeitige Einreichen von zwei identischen Vergleichsvorschlägen erinnert dabei an das seit Langem zum Vertragsschluss unter dem Schlagwort der sich kreu­ zenden Angebote diskutierte Problem.1293 Bei den sich kreuzenden Offerten handelt es sich um zwei unabhängig voneinander zustande gekommene Angebote, die sich zufällig decken.1294 Ein Unterschied zur Grundkonstellation liegt darin, dass im Fall des §  278 Abs.  6 Satz 1 Alt.  1 ZPO nicht der zukünftige Vertragspartner Empfänger des Angebots ist, sondern der Richter. Für die Situation der außerhalb eines Rechtsstreits abgegebenen, sich kreuzenden Angebote ist umstritten, ob allein in Folge zweier wirksamer Angebote ein Vertrag 1290 BeckOK-ZPO/Bacher, §   278 Rn.  36; vgl. Assmann, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, §  278 Rn.  84. 1291  Vgl. MünchKommBGB/Busche, §  151 Rn.  7; BeckOGK/Möslein, BGB, §  151 Rn.  16. 1292  Thole, in: Stein/Jonas, ZPO, §   278 Rn.  90; Assmann, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, §  278 Rn.  9 0; BeckOK-ZPO/Bacher, §  278 Rn.  37. 1293  Vgl. grundsätzlich hierzu Neumayer, in: FS Otto Riese, S.  309 ff. 1294  Honsell/Holz-Dahrenstaedt, JuS 1986, 969.

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geschlossen wird.1295 Neumayer bejaht dies im Wesentlichen auf der Basis von zwei Überlegungen: Im Rahmen einer Deutung des hinter dem Angebot bzw. der Annahme stehenden Willens stellt er im Hinblick auf die Annahme – an der es im Fall der sich kreuzenden Angebote fehlt – fest, dass der Wille des Annehmenden weiter reiche als der des An­ tragenden. Denn er wolle nicht nur sich selbst verpflichten, sondern auch durch seine Erklärung die Verpflichtung des Vertragspartners herbeiführen.1296 Demgegenüber wolle der Antragende zwar die Bindung an den Vertragsschluss, er kann sie aber durch eigene Willenserklärung nicht herbeiführen.1297 Dies spricht noch gegen eine Entbehrlichkeit der Annahme, jedoch bringt die Ermittlung des hinter dem Antrag stehenden Willens ein erstes Argument für die Bejahung eines Vertragsschlusses bei sich kreuzenden Anträgen. Der Antrag drücke ein zweifaches Wollen aus. Zunächst wolle der Antragssteller (unbedingt) für eine Weile an seinen Antrag gebunden sein.1298 Darüber hinaus wolle er – bedingt durch den korrespondierenden Willen des Annehmenden – seine Bindung an das angetragene Geschäft. Diese letztere Bin­ dung trete aber ein, sobald auch der andere jenen (gleichermaßen bedingten) Willen angezeigt habe.1299 Liegt dieser Gegenwille vor, könne der im Angebot erklärte Wil­ le bindend werden, auch, weil man den Willen der antragstellenden Partei dahin ver­ stehen könne, dass jedes Angebot auch die Bereitschaft beinhalte, ein identisches Gegenangebot zu akzeptieren.1300 Neumayer stützt seine Bejahung des Vertragsschlusses noch auf eine weitere Überlegung, die in ähnlicher Form auch im Rahmen dieser Untersuchung schon an­ geklungen ist. Es geht um den Umstand, dass die Freiheit der Parteien auch umfasst, den genauen Modus der Konsenserzielung festzulegen. In diesem Zusammenhang hält Neumayer fest, dass ein Vertragsschluss teilweise sogar bei fehlendem oder man­ gelhaftem Willen konstruiert werde. Dann müsse erst recht für die dann verhältnis­ mäßig geringere Abweichung im Wege der sich kreuzenden Angebote ein Vertrag wirksam zustande kommen. Beim Vertragsschluss komme es allein auf die intendier­ te Gegenseitigkeit und Kongruenz der sich kreuzenden Erklärungen an, alles andere sei entbehrlicher Ballast.1301 Mit diesen Argumenten lässt sich außerhalb des Anwendungsbereichs des §  278 Abs.  6 Satz 1 Alt.  1 ZPO ein Vertragsschluss bei sich kreuzenden Angeboten beja­ hen. Wie eingangs angesprochen, ist für die Frage des Vertragsschlusses im Rahmen des §  278 Abs.  6 Satz 1 Alt.  1 ZPO zusätzlich die in der Beteiligung des Richters be­ stehende Besonderheit zu beachten. Diese führt zunächst dazu, dass eine besondere Form der sich kreuzenden Angebote gegeben ist. Anders als im bis dato untersuch­ 1295  Ein Überblick über den historischen Meinungsstand findet sich bei Neumayer, in: FS Otto Riese, S.  309, 311 ff.; siehe auch Honsell/Holz-Dahrenstaedt, JuS 1986, 969; aktuell einen Vertrags­ schluss ablehnend Soergel/Wolf, BGB, §  145 Rn.  24. 1296  Neumayer, in: FS Otto Riese, S.  309, 318. 1297  Neumayer, in: FS Otto Riese, S.  309, 318. 1298  Neumayer, in: FS Otto Riese, S.  309, 319. 1299  Neumayer, in: FS Otto Riese, S.  309, 319. 1300  Neumayer, in: FS Otto Riese, S.  309, 320. 1301  Neumayer, in: FS Otto Riese, S.  309, 323.

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ten Grundfall erwartet das Gegenüber bei Abgabe seiner Willenserklärung in Form des Vergleichsvorschlags keine Reaktion in Form der Annahme der Gegenseite. Vielmehr liegt hier der Fall so, dass jede Partei, die den Vergleichsentwurf einsendet, nicht damit rechnet, selbst noch mal eine Reaktion zu erhalten, sondern nur noch auf die Übersendung der Beschlussausfertigung des Gerichts wartet, die den zwischen­ zeitlich geschlossenen Vergleich feststellt. Die Reaktion, die die Partei hier erwartet, geht also vom moderierenden Richter aus und nicht von der Gegenseite. Das ändert nichts an der Notwendigkeit eines Vertragsschlusses, wohl aber an der Schutzwür­ digkeit der Partei, die den Vergleichsvorschlag einsendet. Denn der mit diesem An­ gebot einhergehende Wille ist zudem mit einem Auftrag an den Richter verbunden: Finde heraus, ob die Gegenseite diesem Vorschlag zustimmt und falls ja, erlasse den Beschlussvergleich. Die den Vergleichsvorschlag einsendende Partei rechnet nicht mit einer Annah­ meerklärung, die sich ggf. einem kreuzenden Angebot entnehmen lässt, sondern legt die Beurteilung, ob ein Vertrag zustande gekommen ist, in die Hände des Richters. Dessen Aufgabe ist es, zu ermitteln, ob eine ausreichende Willensübereinstimmung vorliegt. Dazu wird er regelmäßig den Vergleichsvorschlag der einen Seite der ande­ ren zuleiten. Erhält er aber vorher von dieser einen wortgleichen Vergleichsvorschlag, sollte es dem Richter unbenommen sein, auch auf diesem Wege den übereinstimmen­ den Wunsch der Parteien ermitteln zu können. Denn nach der hier angestellten Deu­ tung ist mit der Übersendung des Vergleichsvorschlags an den Richter jeweils der Auftrag verbunden, herauszufinden, ob die Gegenseite diesem zustimmt und beja­ hendenfalls den Beschluss nach §  278 Abs.  6 Satz 2 ZPO zu erlassen. Im Falle sich kreuzender Vergleichsvorschläge würde die erneute Nachfrage des Gerichts bei den Parteien zunächst auch deshalb als eine bloße Förmelei erscheinen, weil diese eben selbst gar nicht mehr von einer weiteren Nachfrage vor Abschluss des Vergleichsver­ trags ausgehen. Beiden ist klar, dass der Vertragsschluss allein vom Verhalten der Gegenseite abhängt. Insofern gelten Neumayers Ausführungen zur Ermittlung des hinter dem Angebot stehenden Willens auch zu dieser Stelle. Ganz wesentlich ist aber die zweite Komponente, die auch bei der Betrachtung der sich außerhalb des Prozesses kreuzenden Offerten schon angeklungen ist. Die Par­ teien haben es in der Hand, auch den Modus ihres Vertragsschlusses abweichend von den Regelungen in §§  145 ff. BGB zu gestalten. Das beinhaltet eben auch, das Vorge­ hen über §  278 Abs.  6 Satz 1 Alt.  1 ZPO zu wählen, d. h. einen Vergleichsvorschlag einzureichen und dem Richter die Ermittlung und Beurteilung zu übertragen, ob die Gegenseite diesen als Prozessvergleich akzeptiert. (b) Zwischenergebnis Für die diesbezüglich aufgeworfenen Fragen bedeutet das: Im Falle sich kreuzender Vergleichsvorschläge kommt ein Prozessvergleich zustande, wenn diese sich inhalt­ lich decken. Die zweite Frage nach dem richtigen Verhalten des Richters lässt sich dahingehend beantworten, dass er im Falle von identischen Vergleichsvorschlägen gehalten ist, den Beschluss nach §  278 Abs.  6 Satz 2 ZPO zu erlassen – und zwar ohne Rücksprache mit den Parteien.

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(2) Funktion des Richters Die Antwort auf die zweite Frage leitet über zur Funktion des Richters beim Ver­ tragsschluss im Wege des §  278 Abs.  6 Satz 1 Alt.  1 ZPO. Diese unterscheidet sich von der nach der zweiten Tatbestandsalternative, weil der Richter hier nicht als „Ver­ tragsdesigner“ tätig wird. Betrachtet man die unterschiedlichen Konstellationen des möglichen Vertragsschlusses im Rahmen dieser Tatbestandsalternative, so fällt auf, dass dem Richter auch „nur“ die Rolle des Erklärungsempfängers und „besonderen Protokollanten“ zukommen kann. Dies ist dann der Fall, wenn die Parteien den Ver­ trag durch aufeinander Bezug nehmende Schriftsätze, die sie gegenüber dem Gericht abgeben, schließen und der Richter dann das Zustandekommen des Vergleichs durch Beschluss feststellt, der – deswegen „besonderer Protokollant“ – kein Protokoll im engeren Sinne darstellt. Die Aufgabe, festzustellen, ob ein Prozessvergleich zustande gekommen ist, ge­ winnt im Fall der sich kreuzenden Vergleichsvorschläge, die nicht aufeinander Bezug nehmen, an Bedeutung. Auch dann erlässt der Richter jedoch, wenn er einen hinrei­ chenden Parteiwillen identifizieren kann, den Beschluss nach §  278 Abs.  6 Satz 2 ZPO. In diesem Zusammenhang fällt ihm nach dem Willen des Gesetzgebers zudem die Prüfungskompetenz dahingehend zu, ob der Vergleich gegen die öffentliche Ordnung verstößt.1302 (3) Notwendige Differenzierung Im Zusammenhang mit dem moderierten Vertrag sind zwei Beteiligungsformen des Richters mit Blick auf die Ausrichtung der hiesigen Untersuchung besonders be­ trachtenswert. Denn die inhaltliche Tätigkeit des Richters wird einmal gegenüber der Einwirkungsmöglichkeit im Rahmen der Güteverhandlung gesteigert und ein anderes Mal stark zurückgedrängt. Während die Parteien im Falle der besonderen Protokollierung den Vergleichsvor­ schlag ohne die Einwirkung des Richters formulieren können, kann der Richter sei­ nen Vergleichsvorschlag im Rahmen des besonderen Vertragsschlusses positionie­ ren, ohne – wie sonst in der Güteverhandlung – seinerseits der Einwirkung durch die Parteien ausgesetzt zu sein. In Hinblick auf den Vergleichsvorschlag (nicht den endgültigen Vergleich!) haben also einmal die Parteien und ein anderes Mal der Richter freie Hand. Eine Unter­ scheidung, die für den hiesigen Untersuchungsansatz von zentraler Bedeutung ist, weshalb bei der Darstellung der sich aus einem Beschlussvergleich ergebenden Fol­ gen ggf. zwischen den unterschiedlichen Möglichkeiten des Zustandekommens zu trennen ist. cc) Gilt §  127a BGB? Viele der im Hinblick auf die richterliche Mitwirkung im Rahmen des §  278 Abs.  6 ZPO noch zu besprechenden Themen manifestieren sich in der Frage, ob ein Be­ 1302 

BT-Drs. 15/999, S.  17.

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schlussvergleich ebenso wie ein protokollierter Vergleich die notarielle Beurkun­ dung ersetzt.1303 Mit anderen Worten: Gilt die Vorschrift des §  127a BGB auch für die sogenannten Beschlussvergleiche nach §  278 Abs.  6 Satz 2 ZPO? (1) Unmittelbare Anwendung Man wird zwar dem Gesetzgeber attestieren können, dass er eine weitestmögliche Gleichstellung des Beschlussvergleichs mit dem protokollierten Vergleich erreichen wollte, was etwa an der Vorschrift des §  794 Abs.  1 Nr.  1 ZPO deutlich wird, die beide prozessualen Vergleichsvarianten zu vollwertigen Vollstreckungstiteln erklärt. Auf identische Weise werden der protokollierte Prozessvergleich und der Beschluss­ vergleich auch im Verbraucherkreditrecht gemäß §  491 Abs.  4 BGB auf eine Stufe gestellt.1304 Der Vergleich zwischen §  491 Abs.  4 BGB und §  127a BGB macht die Ausgangs­ problematik deutlich. Während für das Verbraucherdarlehensrecht eine Formulie­ rung gewählt wurde, die expressis verbis von Verträgen spricht, die „in ein nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung errichtetes gerichtliches Protokoll aufgenom­ men oder 1305 durch einen gerichtlichen Beschluss über das Zustandekommen und den Inhalt eines zwischen den Parteien geschlossenen Vergleichs festgestellt sind“, fehlt es in §  127a BGB an einer Erweiterung, die auch den Beschlussvergleich mitum­ fasst, weil die notarielle Beurkundung nicht für die Fälle des Abschlusses eines Pro­ zessvergleichs, sondern im Fall der Aufnahme der Erklärungen in ein „nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung errichtetes Protokoll“ ersetzt wird. An einem Protokoll fehlt es in den Fällen des §  278 Abs.  6 ZPO, sodass der Wortlaut des §  127a BGB den Beschlussvergleich nicht erfasst.1306 Weil der Gesetzgeber des §  127a BGB auf das Protokoll und die Einhaltung der diesbezüglichen Vorschriften der ZPO abgestellt hat, kann auch vor dem Hinter­ grund des Telos der Verfahrensökonomie1307 keine Erweiterung auf den Beschluss­ vergleich angenommen werden, zumal das BGB an anderer Stelle – in §  491 Abs.  4 BGB – eine erweiternde Formulierung aufgenommen hat, an der es in §  127a BGB gerade fehlt. Wenn man eine unmittelbare Anwendung des §  127a BGB auf den Beschlussver­ gleich nach §  278 Abs.  6 Satz 2 ZPO ablehnt,1308 bleibt die Frage zu beantworten, ob eine analoge Anwendung der Vorschrift in Betracht zu ziehen ist. Das setzt – wie stets bei der Beurteilung, ob eine Analogie möglich ist – eine planwidrige Regelungs­ 1303 

Die Frage ist umstritten, dafür etwa OLG Celle v. 14.06.2013 – 4 W 65/13, NJW 2013, 2979 mit Besprechung von Zimmer, NJW 2013, 3280; dagegen BAG v. 23.11.2006 – 6 AZR 394/06, BAGE 120, 251. 1304  Hierauf weist Cordes, MDR 2016, 64, 67 hin. 1305  Hervorhebung durch Verf. 1306  Wolf, in: FS Rechberger, S.  719, 729; BAG v. 23.11.2006 – 6 AZR 394/06, BAGE 120, 251, Cordes, MDR 2016, 64, 66; BGH v. 01.02.2017 – XII ZB 71/16, BGHZ 214, 45 ff. 1307  Zum Telos des §  127a BGB siehe nur Staudinger/Hertel, BGB, §  127a Rn.  2. 1308  Vgl. etwa Schramm, Richterliche Pflichten und Haftung beim Prozessvergleich der ZPO, S.  101.

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lücke und eine Vergleichbarkeit der Interessenlage voraus.1309 Ob diese Vorausset­ zungen für die hier in Rede stehende Fallkonstellation erfüllt sind, ist im Ergebnis umstritten,1310 wobei eine überwiegende Auffassung in der Literatur eine analoge Anwendung ablehnt,1311 der BGH diese jedoch bejaht.1312 (2) Planwidrige Regelungslücke Dass eine Regelungslücke besteht, ist eine noch verhältnismäßig leicht zu beantwor­ tende Frage.1313 Denn der Gesetzgeber hat es bisher versäumt, eine eindeutige Aussa­ ge dahingehend zu treffen, ob er auch den Beschlussvergleich als ausreichend ansieht, um die notarielle Form zu wahren. Weil der Beschlussvergleich in §  278 Abs.  6 ZPO aber nach der Regelung des §  127a BGB geschaffen wurde,1314 stellt sich die Frage, ob der Gesetzgeber bewusst keine Änderung an §  127a BGB vorgenommen hat, oder ob diese Gesetzeslücke planwidrig ist im Sinne der Voraussetzungen einer Analogie. Eine solche Planwidrigkeit ist im Ergebnis zu bejahen.1315 Dagegen spricht zwar zu­ nächst der Umstand, dass der Beschlussvergleich zeitlich nach der Regelung des §  127a BGB eingeführt wurde, der Gesetzgeber aber im Zuge einiger Gesetzesnovel­ len1316 die Möglichkeit ungenutzt ließ, §  127a BGB an die durch §  278 Abs.  6 ZPO geschaffene Situation anzupassen. Die jeweiligen Gesetzesbegründungen zeigen aber, dass der Gesetzgeber in keinem Fall an eine Anpassung des §  127a BGB gedacht hat,1317 weil sowohl bei Schaffung der ersten als auch der zweiten Variante des §  278 Abs.  6 Satz 1 ZPO den Parteien stets nur ein „Protokollierungstermin“ erspart wer­

1309  Zu den allgemeinen Voraussetzungen für eine Analogie vgl. nur Möllers, Juristische Metho­ denlehre, S.  235 ff. 1310  Für eine entsprechende Anwendung: HK-BGB/Dörner, §  127a Rn.  2 ; Jauernig/Mansel, BGB, §  127a Rn.  2; siehe auch BAG v. 23.11.2006 – 6 AZR 394/06, BAGE 120, 251; abwägend Deckenbrock/Dötsch, MDR 2006, 1325 ff. 1311  Cordes, MDR 2016, 64, 65 mit Verweis auf OLG Brandenburg v. 09.10.2007 – 10 UF 123/07, FamRZ 2008, 1192; OLG Düsseldorf v. 28.08.2006 – I-3 Wx 137/06, NJW-RR 2006, 1609; differen­ zierend OLG Celle v. 14.06.2013 – 4 W 65/13, MDR 2013, 982; Greger, in: Zöller, ZPO, §  278 Rn.  35; Foerste, in: Musielak/Voit, ZPO, §  278 Rn.  18a; kritisch Foerste, NJW 2001, 3103, 3105; Geisler, in: Prütting/Gehrlein, ZPO, §  278 Rn.  20; Zimmer, NJW 2013, 3280, 3282; Konutsch, ZJS 2011, 21 ff.; Knauer/Wolf, NJW 2004, 2857, 2859; Schreiber, JURA 2012, 23 f.; kritisch ebenfalls Münch­ KommBGB/Einsele, §  127a Rn.  4. 1312  BGH v. 01.02.2017 – XII ZB 71/16, BGHZ 214, 45 ff., dem folgend Schneider, NZFam 2020, 475. 1313  Eine Regelungslücke bejaht auch BAG v. 23.11.2006 – 6 AZR 394/06, BAGE 120, 251; eben­ so Schramm, Richterliche Pflichten und Haftung beim Prozessvergleich der ZPO, S.  101. 1314  §  127a BGB wurde 1969 durch das BeurkG in das BGB eingefügt, vgl. BGBl I 1969 S.  1513, demgegenüber wurde der Beschlussvergleich durch die Gesetze vom 27.07.2001 (BGBl. I S.  1887) eingeführt. 1315  BAG v. 23.11.2006 – 6 AZR 394/06, BAGE 120, 251; BGH v. 01.02.2017 – XII ZB 71/16, BGHZ 214, 45 ff. 1316  Cordes, MDR 2016, 64, 67 nennt hier das Gesetz zur Reform des Zivilprozesses im Jahr 2001 (ZPO-RG), das Justizmodernisierungsgesetz 2004 (JuMoG), oder das Schuldrechtsmodernisie­ rungsgesetz 2002 (SMG). 1317  Vgl. hierzu die genaue Darstellung Cordes, MDR 2016, 64, 67; in diesem Sinne auch BGH v. 01.02.2017 – XII ZB 71/16, BGHZ 214, 45 ff.

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den sollte.1318 Dies lässt den Schluss zu, dass dem Gesetzgeber das Anwendungspro­ blem betreffend §  127a BGB nicht bewusst gewesen ist.1319 Das gilt auch deshalb – wie das BAG1320 zu Recht ausführt –, weil es schon vor der Einführung des §  127a BGB gewohnheitsrechtlich anerkannt war, dass die Aufnahme von Erklärungen in einen gerichtlichen Vergleich jede andere für das betreffende Rechtsgeschäft vorge­ schriebene Form ersetzt1321 und bei materiell-rechtlicher Formbedürftigkeit der Er­ klärung die prozessrechtliche Form wahrt.1322 Daher wäre eine Klarstellung wün­ schenswert gewesen, ob der Gesetzgeber insofern den Beschlussvergleich dem pro­ tokollierten Vergleich gleichstellen wollte, zumal in der Gesetzbegründung von identischen Wirkungen die Rede ist.1323 (3) Vergleichbarkeit der Interessenlage Geht man also von einer planwidrigen Regelungslücke aus, gelangt man zur Unter­ suchung der Vergleichbarkeit der Interessenlagen. Im Hinblick auf diese Vergleichbarkeit wird formuliert, dass es für die Beurtei­ lung, ob eben eine solche vorliegt, denknotwendig erforderlich ist, die beiden zu betrachtenden Interessenlagen hinreichend konkret zu beschreiben.1324 Mit Blick auf die Ausführungen im Rahmen dieser Untersuchung wird man zu­ nächst festhalten können, dass schon die richterliche Funktion bei der Vermittlung und Protokollierung eines Vergleichs nicht vollends geklärt ist, sodass die sichere Basis dafür fehlt, die richterliche Tätigkeit zu vergleichen, auf die es für eine Ver­ gleichbarkeit der Interessenlagen zentral ankommen wird.1325 Daher könnte es im hiesigen Fall bereits an der Vergleichsgrundlage fehlen. Dies leitet über zur Frage danach, welche Interessenlage überhaupt zu vergleichen ist. Auch an dieser Stelle ist dem BAG insoweit zuzustimmen, als es nicht darum gehen kann, die Situation des Beschlussvergleichs mit derjenigen der notariellen Be­ urkundung zu vergleichen. Denn die notarielle Beurkundung ist nicht die Vorgabe bzw. Anforderung des §  127a BGB, sondern die Ersetzung eben dieser notariellen Beurkundung ist die Rechtsfolge der Vorschrift. Die Voraussetzung ist bei §  127a BGB die Aufnahme in ein nach den Vorschriften der ZPO zustande gekommenes Protokoll. Für eine Analogie muss die Situation der Protokollierung des Vergleichs

1318 

Vgl. auch die Darstellung bei Deckenbrock/Dötsch, MDR 2006, 1325, 1326. So auch Cordes, MDR 2016, 64, 67; auch Deckenbrock/Dötsch, MDR 2006, 1325, 1326 gehen von einem Redaktionsversehen des Gesetzgebers aus. 1320  BAG v. 23.11.2006 – 6 AZR 394/06, BAGE 120, 251. 1321  Vgl. insoweit auch schon die Darstellung oben unter B.III.6.e).bb). 1322  Vgl. hierzu schon BGH v. 05.10.1954 – V BLw 25/54, BGHZ 14, 381; BGH v. 28.06.1961 – V ZR 29/60, BGHZ 35, 309; Palandt/Heinrichs, §  127a BGB Rn.  1. 1323  So auch BAG v. 23.11.2006 – 6 AZR 394/06, BAGE 120, 251 mit Verweis auf BT-Drs. 14/4722, S.  82. 1324  Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S.  381. 1325  Hierauf weisen Knauer/Wolf, NJW 2004, 2857, 2859 hin, zustimmend Deckenbrock/Dötsch, MDR 2006, 1325, 1327. 1319 

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durch den Richter mit der Situation des Beschlussvergleichs vergleichbar sein.1326 Dabei ist auch hier die schon oben getroffene Feststellung von Bedeutung, wonach nicht das Protokoll, sondern die Mitwirkung des Gerichts den gerichtlichen Ver­ gleich ausmacht.1327 Wie diese Mitwirkung des Gerichts im Grundfall des §  127a BGB aussehen muss, wurde im Rahmen dieser Untersuchung bereits im Hinblick auf die Übertragung der für den Notar geltenden Prüf- und Beratungspflichten untersucht.1328 Die histo­ rische Annäherung an die Vorschrift des §  127a BGB hat dabei gezeigt, dass dem Richter seit jeher notarähnliche Prüf- und Beratungspflichten auferlegt wurden und auch aus heutiger Sicht die dahinterstehende Intention des Schutzes der Privatauto­ nomie durch Information der (schwächeren) Partei für eine solche Übertragung streitet, sofern sich der Schutz nicht auf sonstige Weise – durch die Beratung von anderer Seite – erreichen lässt. Für die Untersuchung der Vergleichbarkeit der Protokollierung im Rahmen der mündlichen Verhandlung und dem Vergleichsschluss im schriftlichen Verfahren sind damit zwei Fragen zu beantworten. Gelten die Prüf- und Beratungspflichten auch im schriftlichen Verfahren? Kann der Richter diesen Pflichten nachkommen? Wer – wie auch hier geschehen – dem Richter für den Grundfall der Protokollie­ rung solche Pflichten auferlegt, der wird diese – mit den identischen Gründen – auch für den Vergleichsschluss nach §  278 Abs.  6 ZPO fordern müssen, wenn dieser die notarielle Beurkundung ersetzen soll. Denn es besteht kein Anlass für die Annahme, dass die Privatautonomie der vermeintlich schwächeren Partei in den Fällen des schriftlichen Vergleichsschlusses weniger schützenswert ist. Davon geht wohl auch der Gesetzgeber aus, wenn er festhält: „Grundsätzlich bestehen im schriftlichen Vergleichsverfahren dieselben gerichtlichen Prü­ fungskompetenzen wie bei einem protokollierten Vergleich.“1329

Infolgedessen ist im Schrifttum weitgehend unumstritten, dass den Richter auch im Falle des §  278 Abs.  6 ZPO Belehrungsspflichten treffen,1330 sofern entsprechende Pflichten auch für den Grundfall der Protokollierung angenommen wurden.1331 Der BGH lehnt eine solche Verpflichtung ab.1332 Problematisch ist damit – an dieser Stelle – nicht, ob den Richter entsprechende Pflichten treffen,1333 sondern, ob dieser im schriftlichen Verfahren in der Lage ist, diesen auch ausreichend nachzukommen.1334 1326  BGH v. 01.02.2017 – XII ZB 71/16, BGHZ 214, 45 ff.; in diesem Sinne auch BAG v. 23.11.2006 – 6 AZR 394/06, BAGE 120, 251; sowie Cordes, MDR 2016, 64, 67. 1327  BAG v. 23.11.2006 – 6 AZR 394/06, BAGE 120, 251 unter Hinweis auf Kuckuk, ArbRB 2006, 61, 63. 1328  Siehe oben unter B.III.6.e).(2). 1329  BT-Drs. 15/3482, S.  16. 1330 Von einer Beratungspflicht gehen aus: BeckOK/Wendtland, BGB, §   127a Rn.  4; Münch­ KommBGB/Einsele, §  127a Rn.  4; Deckenbrock/Dötsch, MDR 2006, 1325, 1327. 1331  A.A. etwa Cordes, MDR 2016, 64, 68, der §  17 BeurkG in keinem Fall anwenden will. 1332  BGH v. 01.02.2017 – XII ZB 71/16, BGHZ 214, 45 ff. 1333  Siehe dazu schon unter B.III.6.e).bb).(2). 1334  Nach MünchKommBGB/Einsele, §  127a Rn.  4 ist dies „zweifelhaft“.

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Bei der Beantwortung dieser – zweiten – Frage muss danach unterschieden wer­ den, ob der Richter eher aktiv gestaltend am Vergleich mitwirkt oder nur als passive Urkundsperson einen von den Parteien selbst ausgehandelten Vergleich entgegen­ nimmt.1335 Das heißt, es ist zwischen den zwei möglichen Tatbestandsalternativen zu unterscheiden: dem hier sogenannten „besonderen Vertragsschluss“ und der hier so bezeichneten „besonderen Protokollierung“. Für beide Alternativen lässt sich darüber hinaus noch festhalten, dass eine Beleh­ rung nicht schon an der fehlenden mündlichen Verhandlung scheitern muss.1336 (a) Besonderer Vertragsschluss Im Hinblick auf die zweite Tatbestandsalternative wird vertreten, dass eine Beleh­ rung durch das Gericht eben mit der Übersendung des Vergleichsvorschlags möglich sei, der in diesem Fall vom Gericht stamme, was das Gericht zudem in die Lage ver­ setze, auch bei seinem Entwurf auf eine ggf. besondere Situation Rücksicht zu neh­ men.1337 Dies führt im Ergebnis dann konsequenterweise dazu, dass eine entspre­ chende Anwendung des §  127a BGB auf die Fälle des §  278 Abs.  6 Satz 1 Alt.  2 ZPO gefordert wird.1338 (b) Besondere Protokollierung Vor dem Hintergrund dieser Ausführungen überrascht es nicht, dass eine Vergleich­ barkeit für die erste Tatbestandsalternative infrage gestellt wird, weil der Richter im Falle eines von den Parteien initiierten Vergleichsvorschlags nicht mehr die Möglich­ keit hätte, seinen Belehrungspflichten nachzukommen.1339 Die genauere Betrachtung der verschiedenen Möglichkeiten des Vertragsschlusses im Rahmen des §  278 Abs.  6 Satz 1 Alt.  1 ZPO hat jedoch gezeigt, dass es drei mögli­ che Wege gibt, den Vergleichsvertrag zu schließen. Zunächst im Wege des über den Richter kommunizierten Angebots und der darauf ebenfalls über den Richter zuge­ stellten Annahme sowie zweitens im Wege des Sonderfalls der sich kreuzenden An­ gebote.1340 Es ist aber auch möglich, dass sich die Parteien im Rahmen von außerge­ richtlichen, bilateralen Verhandlungen bereits auf einen Vergleich verständigt haben und jetzt nur noch das Verfahren über §  278 Abs.  6 Satz 1 Alt 1 ZPO wählen, um den Prozess im Wege des Prozessvergleichs zu beenden.1341 In diesem Fall ist dann der Vergleichsvertrag zwischen den Parteien außergericht­ lich schon geschlossen, bevor der Richter überhaupt Kenntnis davon erhält. Damit 1335 

Diese Unterscheidung hat Wolf, ZZP 1976, 260, 275 schon lange vor Entstehen der Vorschrift des §  276 Abs.  6 ZPO gefordert. 1336  Wolf, in: FS Rechberger, S.  719, 729. 1337  Vgl. etwa Cordes, MDR 2016, 64, 67; Wolf, in: FS Rechberger, S.  719, 730; Arnold, in: Erman, BGB, §  127a Rn.  5; Knauer/Wolf, NJW 2004, 2857, 2859. 1338  Deckenbrock/Dötsch, MDR 2006, 1325, 1328 formulieren, dass zumindest im Fall eines rich­ terlichen Vergleichsvorschlags über eine Analogie nachzudenken sei. 1339  Wolf, in: FS Rechberger, S.  719, 729. 1340  Vgl. hierzu näher die Darstellung oben unter B.III.6.f).bb).(1). 1341  Vgl. auch MünchKommZPO/Prütting, §  278 Rn.  55.

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besteht für ihn dann keine Möglichkeit mehr, seinen Aufklärungs- und Hinweis­ pflichten nachzukommen.1342 Denn diese kann er zum Schutz der Selbstbestimmung der Parteien sinnlogischerweise nur vor Vertragsschluss ausüben. Diese Möglichkeit hat der Richter aber dann nicht mehr, wenn der Vertrag bereits geschlossen ist. Für die hier in Rede stehende Frage der entsprechenden Anwendung des §  127a BGB auf den Beschlussvergleich müsste diese fehlende Beratungsmöglichkeit dann konsequenterweise zu einer Ablehnung der Vergleichbarkeit führen mit der Folge, dass ein Beschlussvergleich nach §  278 Abs.  6 Satz 1 Alt.  1 ZPO nicht dazu geeignet ist, die notarielle Beurkundung zu ersetzen.1343 (c) Zwischenergebnis/Auflösung der Diskrepanz Insgesamt würde dies bedeuten, dass es für die Frage, ob ein Beschlussvergleich die notarielle Beurkundung ersetzt, darauf ankommt, ob dieser im Wege der ersten oder zweiten Alternative des §  278 Abs.  6 Satz 1 ZPO zustande gekommen ist.1344 Diese Uneinheitlichkeit erscheint schon beim ersten Hinsehen unglücklich, sodass sich die Frage nach einer Auflösung stellt.1345 An dieser Stelle lässt sich ein Erst-Recht-Schluss zum schiedsgerichtlichen Ver­ gleich ins Spiel bringen:1346 Auf den Vergleich kann auf Antrag der Parteien gemäß §  1053 Abs.  1 Satz 2 ZPO ein Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut folgen. Die­ ser ersetzt nach §  1053 Abs.  3 ZPO die notarielle Beurkundung. Das müsste dann – erst Recht – für jeden gerichtlichen Vergleich gelten, weil auch dem Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut ein Vergleichsschluss zugrunde liegt, der außerhalb des Verfahrens ohne die Mitwirkung des Schiedsrichters geschlossen werden kann.1347 Dieses auf den ersten Blick überzeugende Argument wird jedoch abgeschwächt durch den der Vorschrift des §  1053 Abs.  3 ZPO zu Grunde liegenden Gedanken des Gesetzgebers, lediglich die schon bestehende herrschende Meinung zu kodifizieren, der zufolge die auf den Prozessvergleich vor einem staatlichen Gericht zugeschnitte­ ne Regelung des §  127a BGB auf den schiedsrichterlichen Vergleich entsprechend an­ zuwenden war.1348 Wie §  127a BGB verfolgt auch die schiedsverfahrensrechtliche Parallelvorschrift den Zweck, die Verfahrensökonomie zu fördern, indem den Par­ teien die einvernehmliche Beilegung des Streits auch insoweit ohne bürokratische

1342 A.A. Schramm, Richterliche Pflichten und Haftung beim Prozessvergleich der ZPO, S.  104 f., der davon ausgeht, dass das Gericht bei beiden Alternativen eine Funktion erfüllen könne, die mit der Rolle des Gerichts bei der Protokollierung vergleichbar ist. 1343  So auch Wolf, in: FS Rechberger, S.  719, 729. 1344  Diese Konsequenz zieht vor allem auch Wolf, in: FS Rechberger, S.  719, 729, auch Deckenbrock/Dötsch, MDR 2006, 1325, 1328 deuten diese an. 1345  Eine unterschiedliche Behandlung lehnt auch der BGH ab, allerdings mit der Folge, §  127a BGB auf beide Konstellationen des Beschlussvergleichs anzuwenden, vgl. BGH v. 01.02.2017 – XII ZB 71/16, BGHZ 214, 45 ff. 1346  Die Überlegung stammt von Cordes, MDR 2016, 64, 67; auch Schramm, Richterliche Pflich­ ten und Haftung beim Prozessvergleich der ZPO, S.  101 stellt einen solchen Gedanken an. 1347  Vgl. MünchKommZPO/Münch, §  1053 Rn.  57. 1348  Schroeter, SchiedsVZ 2006, 298, 300 mit Verweis auf BR-Drs. 211/96, S.  170.

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Hürden ermöglicht wird, wenn formbedürftige Geschäfte betroffen sind.1349 Schon diese Entstehungsgeschichte streitet dafür, die Vorschrift des §  1053 Abs.  3 ZPO aus dem Blickwinkel des §  127a BGB zu interpretieren – und nicht andersherum. Dieser Gedanke wird noch unterstützt durch den Umstand, dass die Schaffung der Rege­ lung des §  1053 Abs.  3 ZPO aus der Perspektive des §  127a BGB in dogmatischer Hinsicht kritisiert wird, weil Schiedsrichter – anders als staatliche Richter – nicht Inhaber eines vom Staat übertragenen Amts sind.1350 Da sie deswegen über die Rege­ lung des §  127a BGB hinausgeht, wird gefordert, §  1053 Abs.  3 ZPO eng auszule­ gen.1351 Dann kann sie aber nicht gleichzeitig herangezogen werden, um eine weite Anwendung des §  127a BGB zu begründen. Die Diskrepanz zwischen beiden Alternativen des §  278 Abs.  6 Satz 1 ZPO ist aber vor einem anderen Hintergrund notwendigerweise aufzulösen, nämlich um mit Blick auf die praktische Bedeutung der Vorschrift eine ausreichende Rechtssicherheit zu erlangen. Basis dafür ist nach der hier vertretenen Auffassung eine bis dato noch nicht ange­ stellte Überlegung, die diese praktische Bedeutung der Vorschrift berücksichtigt. Ausgangspunkt ist die schlichte, aber wesentliche Tatsache, dass es dem Text des Beschlusses, den der Richter nach §  278 Abs.  6 Satz 2 ZPO erlässt, nicht notwendi­ gerweise zu entnehmen ist, ob in ihm ein Vergleich festgestellt wird, der im Wege der ersten oder der zweiten Alternative des Satzes 1 zustande gekommen ist. Die Vorschrift des §   278 Abs.   6 ZPO verlangt eine solche Nennung im Be­ schlusstext nicht. Darüber hinaus enthält auch der Textvorschlag im von der nord­ rhein-westfälischen Justiz verwendeten Computerprogramm in seiner Grundein­ stellung lediglich die Formulierung „wird festgestellt, dass zwischen den Parteien folgender Vergleich zustande gekommen ist.“ Nur durch die – nicht notwendige – weitere Angabe kann eine Formulierung gewählt werden, die erkennen lässt, nach welcher Tatbestandsalternative der Vergleich geschlossen worden ist.1352 Auch in den gängigen Mustertexten zum Zivilprozess wird im Muster für einen Beschluss nach §  278 Abs.  6 Satz 2 ZPO gerade nicht danach unterschieden, nach welcher Alternative des §  278 Abs.  6 Satz 1 ZPO der Vergleich zustande gekommen ist. Stattdessen wird lediglich empfohlen, den Beschluss mit der Formulierung „Es wird festgestellt, dass folgender Vergleich zwischen den Parteien zustande gekom­ men ist“ einzuleiten.1353 1349 

Schroeter, SchiedsVZ 2006, 298, 300. Greimer, in: Zöller, ZPO, §  1053 Rn.  7; HK-ZPO/Saenger, §  1053 Rn.  6 . 1351 HK-ZPO/Saenger, §  1053 Rn.  6; Greimer, in: Zöller, ZPO, §  1053 Rn.  7; BeckOK-ZPO/Wilske/Markert, §  1053 Rn.  17; zu den tatsächlichen Problemen einer solchen engen Auslegung siehe Schroeter, SchiedsVZ 2006, 298, 300 ff. 1352  Es werden die Formulierungen „dass die Parteien den gerichtlichen Vergleichsvorschlag im Protokoll vom [Datum] angenommen haben“ bzw. „dass auf den Vorschlag des Gerichts vom [Ein­ gabeDatum.dk] durch Annahme der klägerischen Partei im Schriftsatz vom (…) und der beklagten Partei im Schriftsatz vom (..)“ bzw. dass die Parteien dem Gericht einen schriftlichen Vergleichsvor­ schlag unterbreitet haben, die klägerische Partei im Schriftsatz vom (…) und die beklagte Partei im Schriftsatz vom (…)“ vorgeschlagen. 1353  Tempel/Theimer, Mustertexte zum Zivilprozess, Band II, Muster 233, S.  393. 1350 

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Wenn es aber an einer solchen Erkennbarkeit fehlt, sollte – insbesondere mit Blick auf die Rechtssicherheit – in der Wirkung nicht zwischen den Tatbestandsalternati­ ven unterschieden werden, da insbesondere Dritte – z. B. das Grundbuchamt – nie sicher beurteilen können, nach welcher Alternative der Vergleich geschlossen wurde und ob die darin enthaltenen Erklärungen den Anforderungen der notariellen Beur­ kundung entsprechen. Das macht eine einheitliche Handhabung notwendig. Diese sollte dann in der feh­ lenden Anwendung des §  127a BGB liegen, da ansonsten eine praktisch relevante Möglichkeit geschaffen würde, die notarielle Beurkundung zu ersetzen, ohne dass ein neutraler Dritter vor Abgabe der Willenserklärung die Möglichkeit zur Beleh­ rung bzw. Information gehabt hätte. Diese Mitwirkung des Richters ist es jedoch, die einen Prozessvergleich ausmacht, der – in seiner ursprünglichen Form – die nota­ rielle Beurkundung ersetzen soll.1354 Der ohne den Richter zustande gekommene außergerichtliche Vergleich soll diese Wirkungen gerade nicht haben. Das muss dann, wenn man wie hier eine einheitliche Beantwortung der Frage fordert, auch für den Beschlussvergleich nach §  278 Abs.  6 ZPO gelten. dd) Gilt §  126 BGB? Die Frage, die sich im Anschluss an die Betrachtung des §  127a BGB unmittelbar stellt, ist die nach der Geltung des §  126 BGB. Dabei ist es weniger die Geltung der Vorschrift, die es zu betrachten gilt, sondern, weil die Regelung die Anforderungen der Schriftlichkeit formuliert, die Frage, ob ein Beschlussvergleich diese Vorausset­ zungen erfüllt und, wenn schon nicht die notarielle Beurkundung ersetzt werden kann, doch wenigstens solche Vereinbarungen in einem Beschlussvergleich getroffen werden können, die notwendigerweise schriftlich getroffen werden müssen. Weil so­ wohl arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge gemäß §  623 BGB als auch die Vereinba­ rung einer Befristung des Arbeitsvertrags gemäß §  14 Abs.  4 TzBfG schriftlich ge­ schlossen werden müssen, ist diese Frage von großer praktischer Relevanz (auch, aber nicht nur) im Arbeitsrecht.1355 Das BAG hat sich insofern zur Frage geäußert, ob ein Vergleich, der auf Vorschlag des Gerichts geschlossen wird, das Schriftformgebot des §  14 Abs.  4 TzBfG erfüllt und diese Frage mithilfe einer analogen Anwendung des §  127a BGB bejaht. Diese Frage führt dann infolge der Regelung des §  126 Abs.  4 BGB zur Erfüllung der Vor­ aussetzungen, die an die Schriftform gestellt werden.1356 Denn die Vorschrift des §  126 Abs.  4 BGB ordnet an, dass die notarielle Beurkundung die schriftliche Form ersetzt. Dieser Umweg über die Anwendung der Vorschrift des §  127a BGB zur Erfüllung eines Schriftformgebots ist nach der hier vertretenen Auffassung nicht möglich, da 1354 

A.A. BGH v. 01.02.2017 – XII ZB 71/16, BGHZ 214, 45 ff., der nur darauf abstellt, dass ein prozessrechtlich ordnungsgemäßer Vergleich zustande gekommen ist. 1355  Hierauf weisen auch Deckenbrock/Dötsch, MDR 2006, 1325, 1326 hin. 1356  BAG v. 23.11.2006 – 6 AZR 394/06, BAGE 120, 251, vgl. auch die dort genannten Stellung­ nahmen aus dem Schrifttum.

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sich im Interesse der Rechtssicherheit für eine Einheitlichkeit in der Anwendung entschieden wurde, die in einer fehlenden analogen Heranziehung des §  127a BGB besteht. Dieser Umweg ist aber – ebenfalls nach hiesiger Auffassung – nicht notwendig.1357 Mit einem an Sinn und Zweck der Vorschrift des §  126 BGB ausgerichteten Verständ­ nis lässt sich auch vertreten, dass ein Beschlussvergleich ein gesetzliches Schriftform­ erfordernis1358 wahrt. Dies ist ein Ergebnis, dass sich auch mit dem Sinn und Zweck des Beschlussver­ gleichs in Einklang bringen lässt, der den Parteien eine echte Alternative zum proto­ kollierten Vergleich innerhalb der mündlichen Verhandlung schaffen und ihnen ei­ nen „Protokollierungstermin“ ersparen sollte. Das gelänge für eine Vielzahl von Verfahren nicht, wenn der Beschlussvergleich nicht das Schriftformgebot erfüllt. Auch sprechen die Argumente, die oben gegen eine Anwendung des §  127a BGB ins Feld geführt wurden, nicht gegen eine Erfüllung des Schriftformgebots, denn eine Belehrung bzw. Information durch einen neutralen Dritten ist bei der Schriftform, anders als bei der notariellen Beurkundung, gerade nicht vorgesehen. Ihr mögliches Fehlen kann damit – anders als bei §  127a BGB – auch nicht dazu führen, dem Be­ schlussvergleich die Schriftlichkeit abzusprechen. Vielmehr wird man davon ausgehen können, dass auch durch das Verfahren, das in dem Beschlussvergleich endet, den Anforderungen des §  126 Abs.  2 BGB entspro­ chen wird. Die Vorschrift verlangt, sofern der ganze Vertrag vom Schriftformerfordernis er­ fasst wird1359, dass die Unterzeichnung der Parteien auf derselben Urkunde erfolgen muss. Führt man sich an dieser Stelle die Art und Weise des Vertragsschlusses im Rah­ men des §  278 Abs.  6 ZPO erneut vor Augen, so wird deutlich, dass es an dieser Voraussetzung fehlen könnte, denn der Vertrag wird durch – nicht mal notwendiger­ weise aufeinander Bezug nehmende1360 – Schriftsätze geschlossen, die zu einem fest­ stellenden Beschluss des Richters führen. Dieser Beschluss wird allerdings nur vom Richter und nicht von den Prozessparteien unterzeichnet. Es fehlt damit an der ei­ genhändigen Unterschrift der Parteien im Sinne des §  126 Abs.  1 BGB, um den Be­ schluss im Sinne des §  278 Abs.  6 Satz 2 ZPO als einheitliche Vertragsurkunde einzu­ stufen. Eigenhändig unterschrieben – es reicht auch die Unterschrift eines Vertreters – sind nur die Schriftsätze, mit denen die Parteien einen eigenen Vergleichsvorschlag einreichen oder ihre Zustimmung zum Vergleichsvorschlag des Gerichts oder zu dem der Gegenseite signalisieren. 1357 A.A. Deckenbrock/Dötsch, MDR 2006, 1325, 1326, die eine direkte Erfüllung des Schrift­ formgebotes nach §  126 Abs.  2 BGB ablehnen. 1358  Für die rechtsgeschäftlich vereinbarten Schriftformerfordernisse gilt §  127 BGB, Arnold, in: Erman BGB, §  126 Rn.  1, siehe dazu sogleich unten unter B.III.6.f.ee). 1359  Andernfalls stellt sich die Problematik der Erfüllung des Schriftformgebotes für die hier in Rede stehenden Fälle nicht. 1360  Siehe oben die Darstellung zur Thematik der sich kreuzenden Angebote unter B.III.6.f).bb).

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B. Der moderierte Vertrag des zivilrechtlichen Konflikts

Hier scheint es auf den ersten Blick an der für die Schriftlichkeit des Vertrags not­ wendigen Voraussetzung zu fehlen, der zufolge die Unterzeichnung auf derselben Urkunde erfolgen muss. Die Interpretation des Urkundenbegriffs wurde aber durch die Rechtsprechung im Laufe der Zeit immer weiter gefasst. Zunächst muss es sich zwar um dieselbe Ur­ kunde handeln, die Parteien müssen diese aber nicht zur selben Zeit oder am selben Ort unterzeichnen.1361 Das kommt dem einem Beschlussvergleich zu Grunde liegen­ den Verfahren zu Gute, da es an der gleichzeitigen Unterzeichnung fehlt. Entscheidend ist jedoch, ob durch das Verfahren des Beschlussvergleichs den An­ forderungen an eine einheitliche Urkunde ausreichend Rechnung getragen wird. Auch an dieser Stelle kommt dem Abschluss des Vergleichs im schriftlichen Verfah­ ren die sogenannte „Auflockerungsrechtsprechung“ entgegen, die den Begriff der einheitlichen Urkunde im Sinne der praktischen Anforderungen an die Einhaltung des Schriftformgebots „aufgelockert“ hat.1362 Für diese Frage ist es entscheidend, ob eine einheitliche Urkunde auch aus mehre­ ren Blättern (hier Schriftsätzen) bestehen kann, die dann in der Gerichtsakte zu einer Urkunde zusammengefügt werden. Schon das RG hat das Vorliegen einer einheit­ lichen Urkunde dann bejaht, wenn mehrere Blätter zu einer einheitlichen Urkunde im Rechtssinn zusammengefasst werden.1363 Zwei Briefe und ein Protokoll, die dann in dieselbe gerichtliche Pflegschaftsakte gelangten, stellten nach Ansicht des RG eine einheitliche Urkunde dar.1364 Auch nach der aktuellen Rechtsprechung des BGH kann eine Urkunde aus meh­ reren Blättern bestehen. In diesem Fall muss sich aus der Urkunde deren Einheitlich­ keit ergeben. Diese erfordert nicht zwingend eine körperliche Verbindung der ein­ zelnen Blätter der Urkunde, ausreichend ist vielmehr auch, wenn sich die Einheit der Urkunde aus fortlaufender Paginierung, fortlaufender Nummerierung der einzelnen Bestimmungen, einheitlicher grafischer Gestaltung oder dem inhaltlichen Zusam­ menhang des Textes ergibt.1365 Berücksichtigt man nun, dass die oben näher skizzierten Schriftsätze ebenso Teil der Gerichtsakte werden wie der den Vergleichsschluss feststellende Beschluss, dann erscheint es interessen- und sachgerecht, diese als einheitliche Urkunde zu sehen, die zur Erfüllung des Schriftformgebotes führt. Eine ausreichende Verbindung der ein­ zelnen Seiten dürfte durch die Heftung in der Gerichtsakte, deren Paginierung sowie die Bezugnahme auf die Parteischriftsätze im Beschluss nach §  278 Abs.  6 Satz 2 1361  Junker, in: Herberger/Martinek/Rüßmann u. a., jurisPK-BGB, §  126 Rn.  72 mit Verweis auf LG Berlin v. 12.01.2011 – 29 O 199/10, Grundeigentum 2011, 754 ff. 1362  Zur Auflockerungsrechtsprechung, die auch und besonders für die Vorschrift des §  550 BGB von Bedeutung ist, vgl. BeckOGK/Dittert, BGB, §  550 Rn.  71 f.; allgemein MünchKommBGB/Einsele, §  126 Rn.  8 f. 1363  RG v. 21.06.1932 – VII 467/31, RGZ 136, 422, 425; vgl. auch RG v. 21.06.1929 – II 35/29, RGZ 125, 156, 159. 1364  RG v. 20.09.1935 – VII 101/35, RGZ 148, 349. 1365  Sog. Auflockerungsrechtsprechung, siehe Darstellung bei MünchKommBGB/Einsele, §  126 Rn.  8; vgl. auch BGH v. 18.12.2002 – XII ZR 253/01, NJW 2003, 1248; so auch Arnold, in: Erman, BGB, §  126 Rn.  5; BeckOK-BGB/Wendtland, §  126 Rn.  5.

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ZPO gewährleistet sein.1366 Nimmt man eine Erfüllung des Schriftformerfordernis­ ses auf die beschriebene Weise an, würde zudem keine der Funktionen gesetzlicher Schriftformerfordernisse, die in Übereilungsschutz, Klarheit, Beweissicherung, staatlicher Kontrolle oder allgemeinem Schutz des Rechtsverkehrs gesehen wer­ den,1367 gefährdet. Diese dürften durch ein Vorgehen im Rahmen des §  278 Abs.  6 ZPO, welches stets das Abfassen eines Schriftstücks an das Gericht verlangt, wohl ebenso geschützt werden wie durch die außerhalb eines Gerichtsverfahrens stattfin­ dende Unterschrift der Parteien auf demselben Dokument. Auf diesem Wege kann ein Beschlussvergleich ein gesetzliches Schriftformerfor­ dernis nach §  126 Abs.  2 Satz 1 BGB erfüllen. Im oben beschriebenen Fall der sich kreuzenden Angebote kann dem Schriftform­ gebot zudem im Wege der zweiten Möglichkeit des §  126 BGB,1368 d. h. §  126 Abs.  2 Satz 2 BGB entsprochen werden. Enthalten beide Schriftsätze, die ja dem anderen Teil zugestellt werden, den Vergleichsinhalt, so ließe sich auch vertreten, dass die dortige Voraussetzung, die bei mehreren gleichlautenden Urkunden die Unterzeich­ nung der für die andere Partei bestimmten Urkunde ausreichen lässt, erfüllt ist. Ließe man im Sinne der oben skizzierten Rechtsprechung darüber hinaus die Be­ zugnahme auf den Vergleichsvorschlag des Gerichts bzw. der Gegenseite, die in dem den Vergleich annehmenden Vorschlag enthalten ist, für eine Urkundeneigenschaft ausreichen, so lägen auch nach §  126 Abs.  2 Satz 2 BGB die Voraussetzungen, die an die Erfüllung eines Schriftformgebotes gestellt werden, in jedem Fall vor. ee) Gilt §  127 BGB? Die Vorschrift des §  126 BGB bestimmt die Voraussetzungen für die Einhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Schriftform. Für die rechtsgeschäftlich vereinbarte Schriftform gilt §  127 BGB.1369 Die Vorschrift enthält eine Auslegungsregel dahinge­ hend, dass im Fall von Zweifeln bei der Auslegung des Rechtsgeschäfts davon auszu­ gehen ist, dass ein Schriftformerfordernis vereinbart werden sollte, das dem gesetz­ lichen entspricht, mit der Folge, dass auch die hierfür geltenden Regelungen (s. o.) Anwendung finden.1370

1366  Eine solche wird im Textvorschlag im von der nordrhein-westfälischen Justiz verwendeten Computerprogramm ausdrücklich vorgeschlagen, die entsprechenden Formulierungsvorschläge lauten: „dass auf den Vorschlag des Gerichts vom [Datum] durch Annahme der klägerischen Partei im Schriftsatz vom (…) und der beklagten Partei im Schriftsatz vom (…)“ bzw. dass die Parteien dem Gericht einen schriftlichen Vergleichsvorschlag unterbreitet haben, die klägerische Partei im Schriftsatz vom (…) und die beklagte Partei im Schriftsatz vom (…)“. 1367 Staudinger/Hertel, BGB, §  126 Rn.  67 ff. 1368  Zu den verschiedenen Möglichkeiten siehe Junker, in: Herberger/Martinek/Rüßmann u. a., jurisPK-BGB, §  126 Rn.  65. 1369  Arnold, in: Erman, BGB, §  126 Rn.  1. 1370  Junker, in: Herberger/Martinek/Rüßmann u. a., jurisPK-BGB, §  127 Rn.  7.

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B. Der moderierte Vertrag des zivilrechtlichen Konflikts

ff) Gilt das BeurkG, insbesondere §  17 BeurkG? Mit der Betrachtung des §  127a BGB im Hinblick auf den in der Gerichtsverhand­ lung geschlossenen Vergleich schloss sich dort die Frage an, ob aus der Folge des §  127a BGB, der die Notwendigkeit der notariellen Beurkundung ersetzt, die Über­ tragung der für den Notar geltenden Pflichten zu folgern ist. Die entsprechende An­ wendung der Vorschriften des BeurkG wurde begründet mit dem Sinn und Zweck der notariellen Beurkundung, nachdem eine historische Annäherung an die Rege­ lung des §  127a BGB gezeigt hatte, dass von deren Geltung sowohl der Richter als auch der Notar erfasst wurden. Die notarielle Beurkundung verfolgt auch den Zweck, den vermeintlich Schwächeren zu schützen und die Parteien vor einem über­ eilten Abschluss des Rechtsgeschäfts zu bewahren. Hierbei hat sich gezeigt, dass diese Gefahren gerade in einer gerichtlichen Güteverhandlung bestehen, was zudem durch einen vergleichenden Blick auf die Situation und Regelung in bzw. zur Media­ tionsverhandlung bestätigt werden konnte.1371 An dieser Stelle ist nun konsequenterweise zu klären, ob den Richter auch bei Abschluss eines Prozessvergleichs nach §  278 Abs.  6 ZPO entsprechende Pflichten treffen.1372 Es sind drei Überlegungen, die gegen eine Übertragung der Notarpflich­ ten auch an dieser Stelle sprechen. Folgt man der hier vertretenen Auffassung zur Anwendung des §  127a BGB auf den Beschlussvergleich nach §  278 Abs.  6 Satz 2 ZPO, so fehlt es infolgedessen, dass der Beschlussvergleich die notarielle Beurkundung nicht ersetzt, am Anknüpfungs­ punkt; dieser hatte mit Blick auf den protokollierten Prozessvergleich noch zur Fra­ ge der Übertragung der Notarpflichten geführt. Denn die Vorschrift des §  127a BGB stellt den Prozessvergleich mit der notariellen Beurkundung gleich. Wenn dies aber im Hinblick auf den Beschlussvergleich nicht geschieht, fehlt es schon an einer ver­ gleichbaren Basis, auf der die Überlegungen für eine Übertragung fußen könnten. Darüber zeigen die näheren Betrachtungen zur Art und Weise, wie der Vergleichs­ vertrag im Rahmen des §  278 Abs.  6 ZPO geschlossen wird, dass der Richter im Fal­ le einer Übertragung der Notarpflichten in eine prekäre Lage versetzt würde. Denn er hat gar nicht die Möglichkeit, diesen immer nachzukommen. Im Wege des §  278 Abs.  6 ZPO besteht für die Parteien die Möglichkeit, sich außergerichtlich bereits zu einigen, ohne dass der Richter vor Vertragsschluss die Gelegenheit gehabt hätte, sei­ nen Beratungspflichten nachzukommen. Dem Richter also vorvertragliche Bera­ tungspflichten aufzubürden, die er nicht in jedem Fall erfüllen kann, erscheint wenig sinnvoll. Das schwerwiegendste Argument dürfte jedoch in der Tatsache zu sehen sein, dass es im Fall des Vertragsschlusses nach §  278 Abs.  6 ZPO an einer mit der Güte- bzw. Mediationsverhandlung vergleichbaren (Gefährdungs-)Situation fehlt, die im Hin­ blick auf die gerichtliche Güteverhandlung gerade zu einer Übertragung der Notar­ pflichten geführt hatte. Anders als in diesen Fällen findet der Vertragsschluss im Wege des §  278 Abs.  6 ZPO im schriftlichen Verfahren, d. h. außerhalb der Verhand­ 1371 

1372 

Vgl. hierzu näher oben unter B.III.6.e).bb.(3). Bejahend LAG Niedersachsen v. 05.11.2013 – 1 Sa 489/13, BeckRS 2014, 65222.

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lung im Gerichtssaal statt, die gerade einen Schutz vor dem übereilten und unüber­ legten Abschluss eines Vergleichsvertrags erforderlich machte, den (auch) die notari­ ellen Beratungspflichten bezwecken. Ein solcher Schutz ist aber dann nicht notwen­ dig, wenn die Parteien durch das Erfodernis, einen zustimmenden Schriftsatz an das Gericht zu verfassen, vor einer übereilten Zustimmung geschützt werden. Rein sys­ temisch wird also durch den Vertragsschluss, wie er in §  278 Abs.  6 ZPO vorgesehen ist, typischerweise keine Situation erzeugt, die Beratungspflichten notwendig macht. Ansonsten müsste jeder Vertrag, den eine Partei schriftlich einer anderen anträgt und dem diese dann schriftlich zustimmt, unter den Vorbehalt der Beratung durch einen unabhängigen Dritten gestellt werden. Dass dies generell weder sinnvoll noch notwendig ist, wird zudem dadurch belegt, dass etwa das frühere Widerrufsrecht für Fernabsatzverträge auch nicht jeden Vertrag erfassen wollte, der unter Nutzung von Fernkommunikationsmitteln geschlossen wurde, sondern nur solche, die im Wege eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems erfol­ gen, vgl. §  312c Abs.  1 BGB a. F.1373 Hierzu gehört der Weg des §  278 Abs.  6 ZPO nicht. Auch diese Kontrollüberlegung zeigt damit, dass eine Übertragung der Notar­ pflichten nicht angezeigt ist, weil die Situation des Vertragsschlusses eine solche ty­ pischerweise nicht erfordert. Das heißt nicht, dass den Richter im Rahmen des Beschlusses keine Pflichten tref­ fen. Diese folgen aber nicht aus seiner Stellung als Moderator eines Vertrags, sondern eines Richters, der einen Beschluss fasst. Konsequenterweise hat schon der Gesetz­ geber insoweit nicht Belehrungs- oder Hinweispflichten statuiert, sondern von Prüf­ pflichten gesprochen, die dem Richter nicht vor, sondern erst nach dem Vertrags­ schluss treffen: „Im Zuge dessen obliegt dem Gericht die Prüfung, ob der unterbreitete Vergleich wirksam abgeschlossen worden ist, also insbesondere nicht gegen die guten Sitten oder ein gesetzliches Verbot verstößt. Da durch die Mitwirkung des Gerichts eine Gewähr dafür bestehen soll, dass der Vergleich nicht der öffentlichen Ordnung widerspricht, erstreckt sich die Prüfungskom­ petenz des Gerichts auch auf diesen Gesichtspunkt.“1374

Die vom Gesetzgeber insofern angesprochene Mitwirkung des Gerichts setzt erst beim schon feststehenden Vertragsinhalt an und beginnt mit der Frage, ob sich die Parteien wirksam auf einen Vertrag geeinigt haben.1375 Sie findet ihre Fortsetzung in der Frage, ob dieser Vertragsinhalt weder gegen die guten Sitten, ein gesetzliches Verbot, noch die öffentliche Ordnung verstößt. Andernfalls wäre es dem Richter schon aufgrund seiner Stellung verwehrt, die Feststellung eines wirksamen Vertrags­ schlusses in einem gerichtlichen Beschluss festzustellen.1376 1373  Die Überlegung gilt auch für das aktuell geltende Widerrufsrecht für außerhalb von Ge­ schäftsräumen geschlossenen Verträgen, vgl. §§  312 ff. BGB. 1374  BT-Drs. 15/3482, S.  17. 1375  D.h., ob beide dem Vergleichsvorschlag zugestimmt haben, Knauer/Wolf, NJW 2004, 2857, 2859. 1376  Knauer/Wolf, NJW 2004, 2857, 2859 sprechen von Minimalanforderungen, die der Richter zu überprüfen habe.

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B. Der moderierte Vertrag des zivilrechtlichen Konflikts

Insofern spricht auch der Umstand, dass der Gesetzgeber in gleichem Zusammen­ hang festgehalten hat, dass im schriftlichen Vergleichsverfahren grundsätzlich die­ selben gerichtlichen Prüfungskompetenzen gelten wie bei einem protokollierten Vergleich1377 nicht dagegen, für den protokollierten Vergleich von gerichtlichen Be­ ratungspflichten auszugehen und für den Beschlussvergleich nicht. Denn auch der Gesetzgeber spricht hier von Prüf- und nicht von vor dem Vertragsschluss ansetzen­ den Belehrungspflichten. Die nachvertraglichen Prüfpflichten entfalten ihre Wir­ kung vorab jedoch schon dahingehend, als der Richter beim Abfassen seines Ver­ gleichsvorschlags darauf zu achten hat, dass dieser einer späteren Überprüfung im Falle der Annahme durch die Parteien auch standhält.1378 Infolge der fehlenden Übertragung der Notarpflichten ist auch die oben1379 ange­ stellte Frage hinfällig, ob nicht die Vorgaben des §  2 Abs.  6 MedG eine sachnähere Lösung darstellen. gg) Gilt §  925 Abs.  1 Satz 3 BGB? Schon bei der Betrachtung des protokollierten Prozessvergleichs hat die Analyse des §  925 Abs.  1 Satz 3 BGB gezeigt, dass die im Vergleich mit §  127a BGB speziellere Vorschrift des §  925 Abs.  1 Satz 3 BGB die Erklärung der Auflassung in einem ge­ richtlichen Vergleich deswegen anordnet, weil der Gesetzgeber dem Richter zutraut, die Aufgaben zu erfüllen, die eigentlich dem Notar überantwortet sind.1380 Ausgehend von dieser Feststellung lässt sich der Frage näher treten, ob die Rege­ lung des §  925 Abs.  1 Satz 3 BGB auch gerichtliche Vergleiche, die im schriftlichen Verfahren nach §  278 Abs.  6 ZPO geschlossen werden, erfasst. Dies hätte zur Folge, dass auch in diesen Beschlussvergleichen wirksam die Auflassung erklärt werden könnte. Die Frage wird mehrheitlich verneint mit dem schlichten Hinweis auf die Rege­ lung des §  925 Abs.  1 Satz 1 BGB, die verlangt, dass die Auflassung bei gleichzeitiger Anwesenheit beider Teile erklärt werden muss.1381 An einer solchen gleichzeitigen Anwesenheit fehlt es gerade, wenn ein Vergleich im schriftlichen Verfahren geschlos­ sen wird. Wenn man aber einen Beschlussvergleich hier als ausreichend ansehen möchte, dann muss §  925 Abs.  1 Satz 3 BGB nicht nur eine Ausnahme von der grund­ sätzlichen Zuständigkeit des Notars für die Entgegennahme der Parteierklärungen zur Auflassung sein, sondern ebenfalls von der Notwendigkeit der gleichzeitigen Anwesenheit befreien.1382 Das ist der Fall für die ebenfalls dort geregelte Ausnahme, die eine Auflassung auch in einem rechtskräftig bestätigten Insolvenzplan erlaubt. Für den gerichtlichen Vergleich gilt dies indes nicht. Weder die Entstehungsgeschich­ te noch der schon eingangs angesprochene Umstand, dass dem Richter die Ausübung 1377 

BT-Drs. 15/3482, S.  17. Knauer/Wolf, NJW 2004, 2857, 2859. 1379  Unter B.III.6.e).bb).(3). 1380  Vgl. oben unter B.III.6.e).bb).(5)(a). 1381 A.A. Trappe, ZfIR 2018, 302, 305. 1382  So Jauernig/Berger, BGB, §  925 Rn.  13; a. A. explizit OLG Düsseldorf v. 28.08.2006 – I-3 Wx 137/06, NJW-RR 2006, 1609. 1378 

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der wesentlichen Notarfunktionen zugetraut werden, sprechen für eine Übertra­ gung der Vorschrift. Die historische Betrachtung zeigt, dass eine Auflassung ursprünglich nur vor dem Grundbuchamt erklärt werden konnte. Mit diesem System des offenen Grundbuchs sollte im Interesse des Rechtsverkehrs sichergestellt werden, dass der Vertragswille der Beteiligten mit dem Inhalt des Grundbuchs im Einklang steht.1383 Der Grund­ satz des offenen Grundbuchs wurde 1934 aufgegeben.1384 In der Folge wurde Nota­ ren und später – in Reaktion auf die in der Praxis schon bestehende Ansicht – auch den Gerichten zugestanden, in gerichtlichen Vergleichen Auflassungserklärungen entgegenzunehmen;1385 eine Regelung, die dann letztlich 1953 im BGB in §  925 Abs.  1 Satz 3 aufgenommen wurde.1386 Stets ging es bei dieser historischen Entwicklung jedoch nur um die Frage, wer für die Entgegennahme der Erklärungen zuständig ist. Auch wenn es ursprünglich um die gleichzeitige Anwesenheit vor dem Grund­ buchamt ging:1387 Dass mit der Verschiebung der Kompetenz vom Grundbuchamt auf den Richter bzw. Notar auch das Erfordernis der gleichzeitigen Anwesenheit gelockert werden sollte, dafür gibt es keinen Beleg. Auch der mit dem Formzwang der Auflassungserklärung verbundene Zweck, zu verhindern, dass Unklarheiten, Zweifel und Irrtümer verbleiben und so das Risiko zu verringern, dass es zu einer Divergenz zwischen materieller Rechtslage und Grundbucheintragung kommt, streitet nicht dafür, vom Erfordernis der Anwesen­ heit abzuweichen. Vielmehr erlaubt nur diese Anwesenheit der zuständigen Stelle, auf eventuelle Ungereimtheiten unmittelbar hinzuweisen.1388 Da diese Anwesenheit bei einem Vergleich, der im schriftlichen Verfahren ge­ schlossen wird, nicht vorliegt, fällt der Beschlussvergleich nicht unter den Tatbe­ stand des §  925 Abs.  1 Satz 3 BGB, mit der Folge, dass in ihm nicht wirksam die Auflassung erklärt werden kann.1389 hh) Arbeitsrechtliche Vorschriften Die Bedeutung des Vergleichs, genauer: des Prozessvergleichs für das Arbeitsrecht wegen der Erwähnung in arbeitsrechtlichen Vorschriften, ist oben bereits angespro­ chen worden, weshalb auch insofern die Frage zu stellen ist, ob der Beschlussver­

1383 

Walchshöfer, NJW 1973, 1103, 1104. §  1 der Verordnung über Auflassungen, landesrechtliche Gebühren und Mündel­ sicherheit vom 11.05.1934, vgl. die Darstellung bei Walchshöfer, NJW 1973, 1103, 1104. 1385  Durch §  1 der 2. Auflassungsverordnung, vgl. Walchshöfer, NJW 1973, 1103, 1104. 1386  Durch Art.  3 Nr.  1 des Gesetzes zur Wiederherstellung der Gesetzeseinheit auf dem Gebiet des bürgerlichen Rechts vom 05.03.1953, BGBl. I 1953, S.  33; vgl. auch insoweit die Darstellung bei Walchshöfer, NJW 1973, 1103, 1104. 1387  Darauf stellt Trappe, ZfIR 2018, 302, 304 ab. 1388  So auch Böttcher, NJW 2016, 844, 845. 1389  So im Ergebnis auch OLG Düsseldorf v. 28.08.2006 – I-3 Wx 137/06, NJW-RR 2006, 1609, 1610; Arnold, in: Erman, BGB, §  127a Rn.  5; OLG Jena v. 03.11.2014 – 3 W 452/14, NotBZ 2015, 49; Staudinger/Pfeifer/Diehn, BGB, §  925 Rn.  83d; Meikel/Böttcher, §  20 GBO Rn.  72 m. w. N.; Beck­ OGK/Weber, BGB, §  925 Rn.  78; MünchKommBGB/Kanzleiter, §  925 Rn.  15. 1384 Durch

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gleich gemäß §  278 Abs.  6 ZPO als „gerichtlicher Vergleich“ im Sinne der Tatbe­ standsvoraussetzungen der arbeitsrechtlichen Vorschriften einzuordnen ist. (1) Gilt §  14 Abs.  1 Nr.  8 TzBfG? Von besonderem Interesse für den Blickwinkel dieser Untersuchung ist dabei die rechtswissenschaftliche Debatte zu §  14 Abs.  1 Nr.  8 TzBfG. Die Vorschrift liefert einen Sachgrund für die Befristung eines Arbeitsvertrags, wenn diese Befristung auf einem „gerichtlichen Vergleich“ beruht. Die Frage, ob ein Vergleich, der im schrift­ lichen Verfahren zustande gekommen ist, einen wirksamen Sachgrund darstellt, ist umstritten und wird von der Rechtsprechung des BAG differenziert beantwortet; es unterscheidet dabei zwischen den beiden Alternativen des §  278 Abs.  6 ZPO. Im Hinblick auf die (heute) in §  278 Abs.  6 Satz 1 Alt.  2 ZPO geregelte Alternative des hier sogenannten „besonderen Vertragsschlusses“ hat das BAG bereits 2006 fest­ gehalten, dass in dem Fall, in dem die Parteien einen schriftlichen Vergleichsvor­ schlag des Gerichts annehmen, die Voraussetzungen des §  14 Abs.  1 Nr.  8 TzBfG eingehalten werden.1390 Gleichzeitig hat der Sechste Senat die Frage, ob dies auch für einen Vergleich gelte, der auf dem Vorschlag einer Partei beruht, ausdrücklich offen­ gelassen.1391 Der Siebte Senat hat dann 2012 eine höchstrichterliche Klärung dieser Frage herbeigeführt und festgehalten, dass ein nach §  278 Abs.  6 Satz 1 Alt.  1 ZPO festgestellter Vergleich keinen „gerichtlichen Vergleich“ im Sinne des §  14 Abs.  1 Satz 2 Nr.  8 TzBfG darstellt, der geeignet ist, die Befristung eines Arbeitsvertrags zu rechtfertigen.1392 Dies ist Ergebnis der Auslegung der Vorschrift durch das BAG, wobei es zentral auf den Sinn und Zweck des §  14 Abs.  1 Satz 2 Nr.  8 TzBfG abstellt, den es unter Rekurs auf die Gesetzgebungsmaterialien dahingehend bestimmt, dass der Gesetzgeber den gerichtlichen Vergleich deshalb als Sachgrund für eine Befris­ tung anerkannt habe, weil das Gericht die Möglichkeit und Obliegenheit habe, beim Abschluss des Vergleichs darauf hinzuwirken, dass bei dessen Inhalt – auch unter Berücksichtigung der Prozessaussichten in dem beigelegten Rechtsstreit – die Schutzinteressen des Arbeitnehmers berücksichtigt werden. Im Fall des §  278 Abs.  6 Satz 1 Alt 1 ZPO sei der gerichtliche Beitrag von vornherein auf eine Feststellungs­ funktion beschränkt. Zwischen den Alternativen des schriftlichen Vergleichsschlus­ ses nach §  278 Abs.  6 Satz 1 ZPO bestehe ein struktureller Unterschied, denn die Möglichkeit des Gerichts, auf den Inhalt des Vergleichs unter Berücksichtigung der Schutzinteressen des Arbeitnehmers Einfluss zu nehmen, sei bei §  278 Abs.  6 Satz 1 Alt.  1 ZPO schon durch die Verfahrensgestaltung begrenzt.1393

1390  BAG v. 23.11.2006 – 6 AZR 394/06, BAGE 120, 251; zuletzt nochmal bestätigt in BAG v. 14.01.2015 – 7 AZR 2/14, AP TzBfG §  14 Nr.  126. 1391  BAG v. 23.11.2006 – 6 AZR 394/06, BAGE 120, 251, Rn.  56: „Ob auch ein Vergleich nach §  278 Abs.  6 Satz 1 1. Alt. ZPO nF ein gerichtlicher Vergleich in diesem Sinne ist, muss hier nicht entschieden werden.“ 1392  BAG v. 15.02.2012 – 7 AZR 734/10, BAGE 140, 368; a. A. Bohlen, Die arbeitsvertragliche Befristung mittels eines gerichtlichen Vergleichs, S.  57; Schnelle, NZA, 2018, 1445, 1446. 1393  BAG v. 15.02.2012 – 7 AZR 734/10, BAGE 140, 368 ff., Rn.  25.

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Die Funktion, die das BAG dem Gericht im Rahmen des „gerichtlichen Ver­ gleichs“ im Sinne des §  14 Abs.  1 Satz 2 Nr.  8 TzBfG zugedenkt, wird als „Moderato­ renrolle“ bzw. „Wächteramt“1394 oder „verantwortlicher Beitrag“1395 beschrieben. Denn das Gericht soll als neutrale Instanz sicherstellen, dass die nur ausnahmsweise zulässige Befristung eines Arbeitsvertrags, der im „Normalfall“ unbefristet sein soll, erlaubt ist. Sinn und Zweck des §  14 Abs.  1 Satz 2 Nr.  8 TzBfG sind also darin zu er­ blicken, dass der Richter ein „Auge“ auf die Befristungsabrede hat.1396 Weil das Ge­ richt im Fall des §  278 Abs.  6 Satz 1 Alt 1 ZPO nur noch als Protokollant fungiert, „wirkt“ es nicht mehr ausreichend „mit“ und kann seine Wächterrolle nicht ausrei­ chend wahrnehmen.1397 Diese Unterscheidung zwischen den beiden Tatbestandsvarianten des §  278 Abs.  6 Satz 1 ZPO findet eine Stütze in den bisherigen Ausführungen dieser Untersuchung, ist allerdings nicht ohne Kritik geblieben. Namentlich das LAG Niedersachsen hat die seitens des BAG vorgenommenen Differenzierungen kritisiert und Anhänger in der Literatur gefunden.1398 Das LAG Niedersachsen stützt seine abweichende Meinung ebenfalls auf den Ge­ setzeszweck und die Frage der Mitwirkung des Gerichts. Im Hinblick auf das Ge­ setzestelos stellt es dabei allerdings nicht auf den des §  14 Abs.  1 Satz 2 Nr.  8 TzBfG, sondern auf den Zweck des später geschaffenen §  278 Abs.  6 ZPO n. F. ab, der eben darin besteht, dass „auch der von den Parteien unterbreitete Vergleichsvorschlag zum Gegenstand des gerichtlichen Vergleichs werden kann“.1399 Eine Unterschei­ dung zwischen den beiden Alternativen sei daher mit der gesetzgeberischen Intenti­ on nicht zu vereinbaren. Auch im Hinblick auf die Mitwirkung des Gerichts beim Vergleichsschluss entwickelt das LAG Niedersachsen einen anderen Schwerpunkt. Es sieht infolgedessen die Beteiligungsmöglichkeit des Gerichts beim Vergleich nach §  278 Abs.  6 Satz 1 Alt.  1 ZPO nicht über Gebühr eingeschränkt, weil das Gericht bei Übernahme einer von den Parteien abgestimmten Einigung zur Feststellung ei­ nes gerichtlichen Vergleichs gehalten sei, vor seiner Beurkundung, mit der bedeutsa­ me Pflichten übernommen oder auch Rechte aufgegeben werden, die darin festge­ legten Pflichten zu prüfen und die Parteien entsprechend §  17 Abs.  2 BeurkG zu be­ lehren.1400 In seiner auf das Urteil des LAG Niedersachsen hin ergangenen Revisionsent­ scheidung hat das BAG zum zweiten Mal zu der Thematik Stellung genommen und 1394 

Die Bezeichnungen stammen von Joussen, in: GS Unberath, 241, 250. Bader/Jörchel, NZA 2016, 1105, 1107. 1396  Joussen, in: GS Unberath, 241, 250. 1397  Joussen, in: GS Unberath, 241, 250. 1398 ErfK/Müller-Glöge, TzBfG, §  14 Rn.  7 7 spricht z. B. von gewichtigen Argumenten, die das LAG Niedersachsen habe; Joussen, Anmerkung zu LAGE §  14 TzBfG Nr.  79 nennt die Argumenta­ tion des LAG Niedersachsen „gut begründet“; auch das LAG Sachsen-Anhalt verweigerte dem BAG hier die Gefolgschaft, siehe LAG Sachsen-Anhalt v. 26.02.2015 – 3 Sa 318/13, BeckRS 2016, 73521. 1399  So die wörtliche Zitierung aus BT-Drs. 15/3482, S.  17 in LAG Niedersachsen v. 05.11.2013 – 1 Sa 489/13, BeckRS 2014, 65222. 1400  LAG Niedersachsen v. 05.11.2013 – 1 Sa 489/13, BeckRS 2014, 65222. 1395 

206

B. Der moderierte Vertrag des zivilrechtlichen Konflikts

ist seiner ursprünglich eingeschlagenen Linie treu geblieben. Dabei hat es dem LAG Niedersachsen zugestanden, dass der Wortlaut der Vorschrift, die lediglich von ei­ nem gerichtlichen Vergleich spricht, keine Differenzierung nahelegt.1401 Zentrales Argument für die Unterscheidung zwischen den beiden Tatbestandsalternativen ist wie schon in der ersten Entscheidung der Umstand, dass der Gesetzgeber den ge­ richtlichen Vergleich deshalb als Sachgrund für eine Befristung anerkannt habe, weil das Gericht die Möglichkeit und die Obliegenheit hat, beim Abschluss des Vergleichs darauf hinzuwirken, dass bei dessen Inhalt – auch unter Berücksichtigung der Pro­ zessaussichten in dem beigelegten Rechtsstreit – die Schutzinteressen des Arbeitneh­ mers berücksichtigt werden.1402 Es gebe auch keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Gesetzgeber von diesem Erfordernis durch die Schaffung des §  278 Abs.  6 ZPO ab­ gerückt sei. Zudem gebiete auch das Unionsrecht diese Unterscheidung, denn in der Mitwirkung des Gerichts sei eine europarechtlich notwendige Maßnahme zu erbli­ cken, den Missbrauch durch aufeinanderfolgende Befristungen zu vermeiden.1403 In zwei weiteren Entscheidungen hat das BAG dann seine Argumentation ergänzt. Ein nach §  278 Abs.  6 ZPO zustande gekommener Vergleich erfülle die Vorausset­ zungen eines gerichtlichen Vergleichs im Sinne des §  14 Abs.  1 Nr.  8 TzBfG nur dann, wenn das Gericht am Vergleich verantwortlich mitwirke.1404 Der gerichtliche Ver­ gleich unterliege keiner weiteren Befristungskontrolle. Deren Funktion erfülle das Arbeitsgericht durch seine ordnungsgemäße Mitwirkung beim Zustandekommen des Vergleichs.1405 Diese – jetzt wieder als „verantwortliche Mitwirkung“ bezeichne­ te – Funktion erfülle das Gericht durch seinen eigenen Vergleichsvorschlag, weshalb Vergleiche, die nach §  278 Abs.  6 Satz 1 Alt.  2 ZPO zustande gekommen sind, den Anforderungen des §  14 Abs.  1 Nr.  8 TzBfG genügten.1406 Im Rahmen des §  278 Abs.  6 Satz 1 Alt.  2 ZPO wirke das Gericht dann regelmäßig nicht verantwortlich mit, denn der gerichtliche Beitrag sei in diesem Fall lediglich auf eine Feststellungs­ funktion beschränkt.1407 Dies gelte nur dann nicht, so das BAG, wenn sich das Ge­ richt den Vergleichsvorschlag einer Partei zu eigen mache.1408 Damit stehen sich im Wesentlichen zwei Argumentationsstränge gegenüber. Ge­ gen eine Differenzierung wird vorgebracht, dass diese sich weder aus dem Wortlaut des §  14 TzBfG noch aus dem Sinn und Zweck des später geschaffenen §  278 ZPO ergebe. Für eine Differenzierung wird demgegenüber auf die vom Gesetzgeber bei der Schaffung des Befristungsgrundes vorgesehene Mitwirkung des Gerichts abge­ stellt, die auch dazu diene, eine europarechtlich gebotene Missbrauchsprävention zu betreiben. 1401  Auf

hin.

1402 

den Wortlaut weist etwa auch Meinel, in: Meinel/Heyn/Herms, TzBfG, §  14 Rn.  209

BAG v. 14.01.2015 – 7 AZR 2/14, AP TzBfG §  14 Nr.  126, Rn.  27. BAG v. 14.01.2015 – 7 AZR 2/14, AP TzBfG §  14 Nr.  126. 1404  BAG v. 08.06.2016 – 7 AZR 339/14, AP TzBfG §  14 Nr.  141; BAG v. 21.03.2017 – 7 AZR 369/15, AP TzBfG §  14 Nr.  154, Rn.  14. 1405  BAG v. 08.06.2016 – 7 AZR 339/14, AP TzBfG §  14 Nr.  141, Rn.  15. 1406  BAG v. 21.03.2017 – 7 AZR 369/15, AP TzBfG §  14 Nr.  154, Rn.  16 m. w. N. 1407  BAG v. 08.06.2016 – 7 AZR 339/14, AP TzBfG §  14 Nr.  141, Rn.  18. 1408  BAG v. 08.06.2016 – 7 AZR 339/14, AP TzBfG §  14 Nr.  141, Rn.  24. 1403 

III. Prozessrichter

207

Bei der Schaffung des §  14 Abs.  1 Satz 2 Nr.  8 TzBfG hat der Gesetzgeber die Mit­ wirkung des Gerichts als zentral für die Wahrung der Schutzinteressen der Arbeit­ nehmer angesehen,1409 ohne andererseits bei der Schaffung des §  278 Abs.  6 Satz 1 Alt.  1 ZPO einen Vergleich „zweiter Klasse“ schaffen zu wollen, der die Anforde­ rungen an einen gerichtlichen Vergleich nicht erfüllt.1410 Beide Bezugnahmen auf die jeweiligen Absichten des Gesetzgebers sind zutreffend. Die Argumentationskraft der Bezugnahme auf die zuletzt genannten Gesetzesmaterialien wird jedoch durch den Umstand etwas gemindert, dass der Gesetzgeber an gleicher Stelle gerade auch die schon oben angesprochenen Prüfpflichten im Hinblick auf einen Vergleich nach §  278 Abs.  6 Satz 1 Alt.  1 ZPO eingeht, die erst bei der Frage des Vertragsschlusses ansetzten und nicht schon bei vor dem Vertragsschluss liegenden Beratungs- und Hinweispflichten.1411 Es sind zudem auch die Erkenntnisse der bisherigen Untersuchung, die für eine Differenzierung im Sinne der Rechtsprechung des BAG sprechen. Die bisherige Untersuchung hat gezeigt, dass – anders als es das LAG Niedersach­ sen in seiner Entscheidung vertreten hat – die Belehrungspflichten aus dem BeurkG keine entsprechende Anwendung auf die Tätigkeit des Richters beim Vergleichs­ schluss nach §  278 Abs.  6 Satz 1 Alt 1 ZPO finden.1412 Damit fehlt dem Richter dann aber gerade die Möglichkeit, seine Moderatorenrolle bzw. sein Wächteramt zuguns­ ten des Arbeitnehmers im Wege der Belehrungspflichten nach §  17 Abs.  2 BeurkG wahrzunehmen.1413 Fällt dem Gericht – ausnahmsweise – die Möglichkeit zu, seine „verantwortliche Mitwirkung“ vorzunehmen, dann soll, nämlich wenn es sich den Entwurf einer Partei zu eigen macht, auch konsequenterweise1414 ein gerichtlicher Vergleich im Sinne des §  14 Abs.  1 Nr.  8 TzBfG vorliegen. Die Überlegungen, die im Rahmen von §  127a BGB noch gegen eine Differen­ zierung zwischen den Tatbestandsalternativen gesprochen haben, sind nicht auf die Situation des §  14 Abs.  1 Satz 2 Nr.  8 TzBfG zu übertragen, was gleichzeitig auch bedeutet, dass die Vorwürfe dahingehend, dass die vom BAG gefundene Lösung pra­xis­untauglich sei,1415 nicht verfangen. 1409  BT-Drs. 14/4374, S.  19: „Die Mitwirkung des Gerichts an dem Vergleich bietet hinreichende Gewähr für die Wahrung der Schutzinteressen des Arbeitnehmers.“ 1410  BT-Drs. 15/3482, S.  17: „Der Gesetzentwurf ergänzt deshalb §  278 Abs.  6 ZPO dahin, dass auch der von den Parteien unterbreitete Vergleichsvorschlag zum Gegenstand des gerichtlichen Vergleichs werden kann.“ 1411  BT-Drs. 15/3482, S.  17: „Im Zuge dessen obliegt dem Gericht die Prüfung, ob der unterbrei­ tete Vergleich wirksam abgeschlossen worden ist, also insb. nicht gegen die guten Sitten oder ein gesetzliches Verbot verstößt. Da durch die Mitwirkung des Gerichts eine Gewähr dafür bestehen soll, dass der Vergleich nicht der öffentlichen Ordnung widerspricht, erstreckt sich die Prüfungs­ kompetenz des Gerichts auch auf diesen Gesichtspunkt.“ 1412  Auf dieser Basis argumentieren auch Maschmann/Lotz, Anm. zu AP TzBfG §  14 Nr.  154. 1413  So hatte jedoch das LAG Niedersachsen v. 05.11.2013 – 1 Sa 489/13, BeckRS 2014, 65222 gerade argumentiert. 1414  Maschmann/Lotz, Anm. zu AP TzBfG §  14 Nr.  154 kritisieren diese Ausnahme demgegen­ über als „Spitzfindigkeit“. 1415 So Joussen, in: GS Unberath, S.  241, 251; Leuchten, FA 2012, 324, 326; BeckOK-ArbR/Bayreuther, TzBfG, §  14 Rn.  76.

208

B. Der moderierte Vertrag des zivilrechtlichen Konflikts

Es war im Rahmen der Betrachtung des §  127a BGB gerade die sich aus der fehlen­ den Erkennbarkeit im Hinblick darauf, nach welcher Alternative des §  278 Abs.  6 Satz 1 ZPO der dem Beschluss zugrunde liegende Vergleichsvertrag geschlossen wurde, ergebende Rechtsunsicherheit, die gegen eine Differenzierung sprach. Weil es für Dritte nicht erkennbar ist, ob die in einem Beschlussvergleich enthaltenen Er­ klärungen den Anforderungen an eine notarielle Beurkundung entsprechen, hatte dies vor dem Sinn und Zweck der notariellen Beurkundung, die auch einen Dritt­ schutz zugunsten des Rechtsverkehrs entfalten soll,1416 dazu geführt, dass eine Dif­ ferenzierung abgelehnt wurde. Diese Argumentation lässt sich auf die Situation des §  14 Abs.  1 Satz 2 Nr.  8 TzBfG nicht übertragen. Denn weder der Sinn und Zweck des Befristungsschutzes noch ein anderer Umstand, wie eine geringere Praxistauglichkeit, sprechen dafür, dass sich aus dem Beschluss nach §  278 Abs.  6 Satz 2 ZPO unmittelbar ergeben muss, ob die darin enthaltene Befristung wirksam vereinbart worden ist oder nicht. Anders als die Zielsetzung der notariellen Beurkundung verfolgt die Regelung des §  14 TzBfG, im Zusammenhang mit der Vorschrift des §  620 Abs.  3 BGB, das Ziel, dass ein Arbeitsverhältnis grundsätzlich unbefristet und nur ausnahmsweise, etwa bei Vorliegen der in §  14 TzBfG enthaltenen Voraussetzungen, befristet abgeschlos­ sen werden kann. Dahinter stehen zwar beschäftigungspolitische Erwägungen zur Gestaltung des Arbeitsmarkts an sich; die konkrete Notwendigkeit der Rechtferti­ gung einer Befristung dient jedoch dem Schutz des einzelnen Arbeitnehmers.1417 Da­ mit soll die Vorschrift des §  14 TzBfG aber – anders als die notarielle Beurkundung – eine bilaterale Wirkung entfalten. Eine solche setzt dann allerdings nicht voraus, dass auch für Dritte erkennbar ist, auf welchem Wege des §  278 Abs.  6 Satz 1 ZPO der Vergleich geschlossen worden ist. Darüber hinaus wurde oben bereits allgemein festgestellt, dass durch den Ver­ gleichsschluss im Wege des §  278 Abs.  6 ZPO das Schriftformerfordernis gewahrt wird, welches für die Befristungsabrede gemäß §  14 Abs.  4 TzBfG gilt.1418 Ob der die Befristung rechtfertigende Sachgrund im Sinne des §  14 Abs.  1 TzBfG tatsächlich vorliegt, muss sich allerdings aus der Vereinbarung nicht ergeben. Um diese Frage des Vorliegens des die Befristung rechtfertigenden Sachgrundes geht es aber bei der Thematik, ob die Voraussetzungen vorliegen, die §  14 Abs.  1 Satz 2 Nr.  8 TzBfG an einen gerichtlichen Vergleich knüpft. Für den Sachgrund des §  14 Abs.  1 Nr.  8 TzBfG gilt aber das, was auch für die übrigen Sachgründe gilt: Ihr Vorliegen muss sich nicht aus der Befristungsvereinbarung selbst ergeben. Diese muss nicht einmal angeben, welcher Sachgrund die Befristung rechtfertigen soll.1419 Vielmehr muss im Streitfall der Arbeitgeber beweisen, dass diese Voraussetzungen des die Befristung rechtferti­ 1416 

Siehe hierzu im Ganzen unter D.II.2. 14/4374, S.  1: „Es sind gesetzliche Regelungen zu treffen, die den Schutz befristet beschäftigter Arbeitnehmer vor Diskriminierung gewährleisten, die Aufeinanderfolge befristeter Arbeitsverträge einschränken und die Chancen befristet beschäftigter Arbeitnehmer auf eine Dau­ erbeschäftigung verbessern.“ 1418  So auch im Ergebnis, aber mit anderer, auf die Anwendung des §  127a BGB abstellender Be­ gründung BAG v. 23.11.2006 – 6 AZR 394/06, BAGE 120, 251 ff. 1419  Schlachter, in: Laux/Schlachter, TzBfG, §  14 Rn.  20. 1417  BT-Drs.

III. Prozessrichter

209

genden Sachgrundes zum Zeitpunkt, als die Befristung des Arbeitsvertrags verein­ bart wurde, vorliegen bzw. vorlagen.1420 Dass auch im Hinblick auf den Sachgrund des §  14 Abs.  1 Satz 2 Nr.  8 TzBfG keine anderen Anforderungen gelten, ergibt sich zudem aus folgender, explizit für den Sachgrund des gerichtlichen Vergleichs gelten­ den Überlegung. Denn im Rahmen des §  14 Abs.  1 Nr.  8 TzBfG gehen nicht nur vom Tatbestandsmerkmal „gerichtlich“ Anforderungen aus. Auch an das Vorliegen des „Vergleichs“ werden vom BAG über die Notwendigkeit eines bloßen Vertragsschlus­ ses hinausgehende Anforderungen geknüpft. Der Rechtsprechung des Siebten Senats zufolge setzt der Sachgrund neben der hier schon besprochenen Mitwirkung des Ge­ richts das Bestehen eines offenen Streits der Parteien über den Fortbestand des zwi­ schen ihnen bestehenden Arbeitsverhältnisses voraus.1421 Dafür sei es erforderlich, dass die Parteien gegensätzliche Rechtsstandpunkte darüber eingenommen haben, ob bzw. wie lange zwischen ihnen ein Arbeitsverhältnis besteht. Insbesondere müsse der Arbeitnehmer nachdrücklich seine Rechtsposition vertreten und gegenüber dem Arbeitgeber geltend gemacht haben. Der Arbeitgeber müsse es daraufhin abgelehnt haben, den Arbeitnehmer entsprechend seiner Forderung zu beschäftigen.1422 Auch durch diese Voraussetzung soll eine missbräuchliche Ausnutzung des nach §  14 Abs.  1 Satz 2 Nr.  8 TzBfG eröffneten Sachgrundes verhindert werden.1423 Damit kommt es aber eben für die Wirksamkeit der Befristung nicht allein auf die „Gerichtlichkeit“ des Vergleichs an. Dies führt im Ergebnis dazu, dass man der Ur­ kunde, in der der Beschlussvergleich ausgefertigt ist, ohnehin nicht ansehen kann, ob darin wirksam ein befristetes Arbeitsverhältnis vereinbart worden ist. Dann führt es aber auch nicht zu einer geringeren Praxistauglichkeit, wenn der Arbeitgeber nicht nur die Erfüllung des Tatbestandsmerkmals „Vergleich“ im Sinne der soeben skiz­ zierten Rechtsprechung beweisen muss, sondern auch die des „gerichtlich“ im Sinne einer ausreichenden Mitwirkungsmöglichkeit des Gerichts, die eben nur bei einem Vergleich gegeben ist, der im Wege des §  278 Abs.  6 Satz 1 Alt.  2 ZPO geschlossen worden ist.1424 (2) Bedeutung für die Moderation Aus den Ausführungen zur Frage, ob ein Beschlussvergleich die Anforderungen an einen „gerichtlichen Vergleich“ im Sinne des §  14 Abs.  1 Satz 2 Nr.  8 TzBfG erfüllt, lassen sich einige Erkenntnisse für die innerhalb dieser Untersuchung interessieren­ de Moderationssituation festhalten.

1420 

Schlachter, in: Laux/Schlachter, TzBfG, §  14 Rn.  20; HK-TzBfG/Boecken, §  14 Rn.  142. BAG v. 14.01.2015 – 7 AZR 2/14, AP TzBfG §  14 Nr.  126; BAG v. 08.06.2016 – 7 AZR 339/14, AP TzBfG §  14 Nr.  141; BAG v. 21.03.2017 – 7 AZR 369/15, AP TzBfG §  14 Nr.  154, Rn.  14. 1422  BAG v. 14.01.2015 – 7 AZR 2/14, AP TzBfG §  14 Nr.  126; vgl. auch HK-TzBfG/Boecken, §  14 Rn.  121. 1423  Bader/Jörchel, NZA 2016, 1105, 1107. 1424  Was konsequenterweise auch dann der Fall ist, wenn sich das Gericht einen Vergleichsvor­ schlag der Parteien zu eigen macht, d. h. diesen dann den Parteien zur Annahme vorlegt, vgl. auch Bader/Jörchel, NZA 2016, 1105, 1107; BeckOK-ArbR/Bayreuther, TzBfG, §  14 Rn.  76. 1421 

210

B. Der moderierte Vertrag des zivilrechtlichen Konflikts

Der schon oben in einem anderen Zusammenhang festgehaltene Befund, dass ein Vergleich dann gerichtlich ist, wenn ein Richter vor dem Vertragsschluss daran mit­ wirkt, wurde durch die Betrachtung des §  14 Abs.  1 Satz 2 Nr.  8 TzBfG erneut bestä­ tigt. Ausreichend für einen gerichtlichen Vergleich ist es auch hier nicht, dass dieser „irgendwie“ innerhalb eines Gerichtsverfahrens geschlossen wird, sondern das Ge­ richt die Möglichkeit hat, „verantwortlich mitzuwirken“, wie das BAG es ausdrückt. Wie aber dieser Beitrag des Gerichts aussehen soll, dies lässt sich an dieser Stelle ebenfalls festhalten, bleibt unklar.1425 Insofern besteht auch hierbei eine Diskrepanz zwischen der Forderung nach einer Beteiligung des Richters auf der einen Seite und der genauen Beschreibung, wie diese dann aussehen soll, auf der anderen. Die Tätig­ keit des Moderators wird vielmehr wortschöpferisch umschrieben.1426 Ein Phäno­ men, das sich schon wiederholt feststellen ließ. (3) Gilt §  3 Satz 2 MiLoG bzw. §  9 Satz 1 AEntG? Die zur Frage, ob und wenn ja welcher Beschlussvergleich die Anforderungen an einen gerichtlichen Vergleich im Sinne des §  14 Abs.  1 Satz 2 Nr.  8 TzBfG erfüllt, angestellten Erwägungen können auf die entsprechende Untersuchung des §  3 Satz 2 MiLoG bzw. §  9 Satz 1 AEntG übertragen werden. Die Vorschriften erlauben im Wege eines „gerichtlichen Vergleichs“ den Verzicht auf den gesetzlichen Mindest­ lohn nach §  1 Abs.  1 MiLoG1427 bzw. auf das Mindestentgelt nach §  8 AEntG.1428 Der Streit, ob ein Beschlussvergleich nach §  278 Abs.  6 Satz 2 ZPO die jeweiligen Voraussetzungen erfüllt, wird unter den gleichen Vorzeichen geführt wie zu §  14 Abs.  1 Satz 2 Nr.  8 TzBfG und wie dort insofern unterschiedlich beantwortet, als dass zunächst einhellig angenommen wird, dass ein Vergleich, der auf Vorschlag des Gerichts geschlossen wird, jedenfalls die Tatbestandsvoraussetzung erfüllt.1429 Unei­ nigkeit besteht jedoch im Hinblick auf die Frage, ob dies auch für den Vergleich gilt, der auf Vorschlag der Parteien geschlossen wird.1430 Für die Beantwortung dieser Frage aus dem Blickwinkel der hiesigen Untersu­ chung kann auf die obigen Ausführungen zu §  14 Abs.  1 Satz 2 TzBfG Bezug genom­ men werden.1431 Dies liegt vor allem daran, dass der Gesetzgeber sowohl in Bezug

1425 

Darauf weist auch Joussen, in: GS Unberath 241, 252 hin. Joussen, in: GS Unberath 241, 250 und Bader/Jörchel, NZA 2016, 1105, 1107. 1427  Dies regelt §  3 Satz 2 MiLoG. 1428  Dies regelt §  9 Satz 1 AEntG. 1429  Vgl. nur Lakies, AuR 2014, 360, 363; ErfK/Franzen, MiLoG, §  3 Rn.  5; BeckOK-ArbR/Hilgenstock, MiLoG, §  3 Rn.  29; Schaub/Vogelsang, ArbR-Hdb, §  66 Rn.  43. 1430  Diese Frage bejahend: Riechert/Nimmerjahn, MiLoG, §  3 Rn.  40; HWK/Sittard, §  3 MiLoG Rn.  6; ErfK/Franzen, MiLoG §  3 Rn.  5; BeckOK-ArbR/Hilgenstock, MiLoG §  3 Rn.  30; vernei­ nend: Lakies, MiLoG, §  3 Rn.  14; Trümmer, in: Düwell/Schubert, MiLoG, §  3 Rn.  53. 1431  Ganz allgemein gehen auch Lakies, MiLoG, §  3 Rn.  13 und Thüsing, in: Thüsing, MiLoG und AEntG, §  9 AEntG Rn.  3 von einer jeweiligen Vergleichbarkeit der Regelungen mit §  14 Abs.  1 Nr.  8 TzBfG aus; auch BeckOK-ArbR/Hilgenstock, MiLoG, §  3 Rn.  30 zieht die zum TzBfG ergan­ gene Rechtsprechung heran. 1426 Vgl.

III. Prozessrichter

211

auf §  3 Satz 2 MiLoG1432 als auch auf §  9 Satz 1 AEntG1433 festgehalten hat, dass ein gerichtlicher Vergleich deshalb den Verzicht erlaube, weil ein gerichtlicher Vergleich den notwendigen Schutz des Arbeitnehmers vor einem ungerechtfertigten An­ spruchsverlust sicherstelle. Diesen Schutz, den der Gesetzgeber zugunsten des Arbeitnehmers durch das Er­ fordernis der „Gerichtlichkeit“ des Vergleichs vorgesehen hat, kann das Gericht aber nur dann realisieren, wenn es seiner dazu ggf. notwendigen Handlung vor Vertrags­ schluss nachkommen kann. Wie die Betrachtung des §  14 Abs.  1 Satz 2 Nr.  8 TzBfG gezeigt hat, reichen die Prüfpflichten, die dem Gericht vor Erlass des Beschlusses verbleiben, nicht aus, selbst wenn diese auch die Kontrolle, ob die Schutzpflichten des Arbeitnehmers ausreichend berücksichtigt sind, beinhalten.1434 Auch die Tatsache, dass dem Gesetzgeber des MiLoG die zu §  14 Abs.  1 TzBfG geführte Diskussion bekannt gewesen sein musste,1435 ändert am hier gefundenen Ergebnis nichts, denn er hat, ohne sich zur Vergleichsmöglichkeit des §  278 ZPO zu äußern, festgehalten, dass der Schutz des Arbeitnehmers die zentrale Motivation für die „Gerichtlichkeit“ des Vergleichs war. ii) §§  794 ZPO/795a ZPO Der Beschlussvergleich nach §  278 Abs.  6 ZPO hat mit dem Vergleich, der in der mündlichen Verhandlung protokolliert wird, gemein, dass er nach §  794 Abs.  1 Nr.  1 ZPO als Vollstreckungstitel dienen kann, da beide – wie von der Vorschrift voraus­ gesetzt – dazu geeignet sind, den zwischen den Parteien bestehenden Rechtsstreit ganz oder teilweise zu beenden.1436 Vollstreckungstitel ist dabei nicht das Protokoll, sondern der Beschluss im Sinne von §  278 Abs.  6 Satz 2 ZPO.1437 Bei der Betrachtung der Vollstreckbarkeit des in der mündlichen Verhandlung ge­ schlossenen und protokollierten Vergleichs hatte der gegenüberstellende Blick auf den Anwaltsvergleich und dessen Voraussetzungen der Vollstreckbarkeit nach §  796a ZPO gezeigt, dass der Gesetzgeber dem Vergleich, der unter der Beteiligung von Anwälten entstanden ist, nicht in gleichem Maße traut wie einem solchen, der unter Beteiligung des Gerichts zustande gekommen ist und ihn daher einer Ergebniskon­ trolle durch das Gericht unterstellt, die seit jeher in den Vorschriften über die Voll­ streckbarkeitserklärung von Anwaltsvergleichen enthalten war.1438

1432  BT-Drs. 18/1558, S.  35: „Zulässig ist ein Verzicht im Wege des gerichtlichen Vergleichs, weil dieser einen ausreichenden Schutz der Arbeitnehmerin und des Arbeitnehmers vor einem unge­ rechtfertigten Verlust des Mindestlohnanspruchs sicherstellt“. 1433  BR-Drs. 542/08, S.  19: „Der Verzicht durch einen gerichtlichen Vergleich wird ausdrücklich zugelassen, da dieser einen hinreichenden Schutz sicherstellt“. 1434  Dies vertreten Riechert/Nimmerjahn, MiLoG, §  3 Rn.  42. 1435 So Riechert/Nimmerjahn, MiLoG, §  3 Rn.  41. 1436  BLAH, ZPO, §  794 Rn.  3. 1437  Joussen, in: GS Unberath, 241, 246; MünchKommZPO/Wolfsteiner, §  794 Rn.  92. 1438 Zur Vorgängervorschrift des §   1044b ZPO vgl. BT-Drs. 11/8283, S.  45, die später in das 8. Buch der ZPO, d. h. an ihren heutigen Standort in §  796a ZPO verlagert wurde, vgl. BT-Drs. 13/5274, S.  29.

212

B. Der moderierte Vertrag des zivilrechtlichen Konflikts

Dies wirft im Hinblick auf den an dieser Stelle in Rede stehenden Beschlussver­ gleich die Frage auf, ob nicht auch bei dessen Vollstreckbarkeit zwischen den beiden Alternativen des §  278 Abs.  6 Satz 1 ZPO zu trennen ist, die, wie sich gezeigt hat, im Wege einer unterschiedlichen Intensität der Mitwirkung durch das Gericht zustande kommen. Die Frage lässt sich – erneut mit einem Blick auf die Vorschrift des §  796a Abs.  3 ZPO – verneinen. Die Vollstreckbarkeitserklärung eines Anwaltsvergleichs, der ohne Mitwirkung des Gerichts außergerichtlich geschlossen wurde, stellt der Ge­ setzgeber unter die Bedingung, dass der Vergleich weder unwirksam ist noch gegen die öffentliche Ordnung verstößt. Damit obliegt dem Gericht insofern auch eine in­ haltliche Prüfung des Vergleichs, die es nach Vertragsschluss vornimmt. Es lehnt die Ausfertigung einer Vollstreckbarkeitserklärung ab, wenn der Vergleichsvertrag nicht wirksam geschlossen wurde oder z. B. gegen §§  134, 138, 242 BGB verstößt.1439 Diese Form der nachvertraglichen Überprüfung des Vergleichs hat der Gesetzge­ ber aber auch beim Erlass des Beschlusses im Sinne des §  278 Abs.  6 Satz 2 ZPO konstruiert. Wie die Ausführungen oben gezeigt haben, kontrolliert das Gericht, bevor es den feststellenden Beschluss erlässt, ob der Vergleich wirksam geschlossen worden ist und nicht gegen die genannten Normen verstößt.1440 Konstatiert man zu­ dem, dass dem Verweis auf die öffentliche Ordnung im Rahmen des §  796a ZPO keine eigenständige Bedeutung zugemessen wird,1441 so lässt sich für die hiesige Un­ tersuchung festhalten, dass der Gesetzgeber im Hinblick auf die Vollstreckbarkeits­ erklärung von Vergleichen, an denen das Gericht nicht vor Abschluss des Vertrags beteiligt war, eine in den Anforderungen identische Prüfung statuiert hat. Für den Anwaltsvergleich ist dies über §  796a Abs.  3 ZPO und der damit verbundenen Mög­ lichkeit des Gerichts, die Vollstreckbarkeitserklärung abzulehnen, geschehen. Für den Vergleich im schriftlichen Verfahren, der nach §  278 Abs.  6 Satz 1 Alt.  1 ZPO auf Vorschlag der Parteien geschlossen wird, wird diese Prüfung durch die Vorausset­ zungen realisiert, die an den Erlass des Beschlusses nach §  278 Abs.  6 Satz 2 ZPO als Vollstreckungstitel geknüpft werden. Damit spricht in vollstreckungsrechtlicher Hinsicht nichts dagegen, die Voll­ streckbarkeit jedes Beschlussvergleichs nach §  278 Abs.  6 ZPO gemäß §  794 Abs.  1 Nr.  1 ZPO anzunehmen. g) Die anderen Prozessordnungen Wie schon im Hinblick auf den protokollierten Prozessvergleich geschehen,1442 soll auch an dieser Stelle der Blick auf die übrigen Prozessordnungen geworfen werden, um herauszufinden, ob dort eine mit §  278 Abs.  6 ZPO vergleichbare Situation vor­ zufinden ist. 1439 

Müller, in: Kindl/Meller-Hannich/Wolf, Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung, §  796a ZPO Rn.  11. 1440  Vgl. hierzu schon die Ausführungen oben unter B.III.6.f). 1441 BeckOK-ZPO/Hoffmann, §  796a Rn.  13; Geimer, in: Zöller, ZPO, §  796a Rn.  21. 1442  Siehe oben unter B.III.6.e).

III. Prozessrichter

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Am größten ist die Vergleichbarkeit dabei in Bezug auf das arbeitsgerichtliche Ur­ teilsverfahren, wo §  278 Abs.  6 ZPO infolge der Inbezugnahme in §  46 Abs.  2 ArbGG ebenfalls gilt.1443 Dies wurde auch schon durch die obigen Betrachtungen zu den ar­ beitsrechtlichen Regelungen der §§  14 TzBfG, 3 MiloG und 9 AEntG belegt, denn bei der dortigen Diskussion ging es jeweils um Beschlussvergleiche, die im arbeitsge­ richtlichen Verfahren geschlossen worden waren.1444 Auch für das Arbeitsgerichts­ verfahren wird davon ausgegangen, dass sich die Parteien außergerichtlich bereits auf einen Vergleich geeinigt haben und diesen dann im Wege des Beschlusses nach §  278 Abs.  6 Satz 2 ZPO „protokollieren“ möchten,1445 was die obige Annahme und die damit einhergehende fehlende Einwirkungsmöglichkeit des Richters vor Vertrags­ schluss stützt. Etwas geringer ist die Vergleichbarkeit im Hinblick auf das Verfahren vor der frei­ willigen Gerichtsbarkeit. Hier erlaubt §  36 Abs.  3 FamFG, dass ein Vergleich auch schriftlich entsprechend §  278 Abs.  6 ZPO geschlossen werden kann. Allerdings nur, soweit dies nach §  36 Abs.  1 Satz 1 FamFG zulässig ist. Die bereits oben angespro­ chene Vorschrift verlangt, dass die Parteien über den Vergleichsgegenstand verfügen können. Dieses Erfordernis der Verfügungsmöglichkeit postulieren auch die Rege­ lungen der §§  101 SGG sowie 106 VwGO, ohne ihrerseits wie §  36 FamFG auf §  278 Abs.  6 ZPO Bezug zu nehmen. Beide Vorschriften sehen die Möglichkeit vor, einen Vergleich im schriftlichen Verfahren zu schließen; beide bleiben jedoch inhaltlich hinter §  278 Abs.  6 ZPO zurück. Sowohl in §  106 Satz 2 VwGO als auch in §  101 Abs.  1 Satz 2 SGG heißt es: „Ein gerichtlicher Vergleich kann auch dadurch geschlossen werden, dass die Beteiligten einen in der Form eines Beschlusses ergangenen Vorschlag des Gerichts, des Vorsitzenden oder des Berichterstatters schriftlich gegenüber dem Gericht annehmen.“

Damit existiert zunächst nach beiden Verfahrensarten die Möglichkeit, einen Ver­ gleich im schriftlichen Verfahren zu schließen. Die Vorschriften weichen jedoch – sofern für diese Untersuchung von Bedeutung – in zweifacher Hinsicht von der Re­ gelung des §  278 Abs.  6 ZPO ab. Zunächst fällt auf, dass der Beschluss nicht als der den Vergleichsschluss feststel­ lende Gerichtsbeschluss am Ende des Verfahrens steht, sondern bereits der gerichtli­ che Vergleichsvorschlag in der Form eines Beschlusses gefasst werden soll. Damit einher geht die Erkenntnis, dass die Vorschriften nicht beide Möglichkeiten der Ge­ richtsbeteiligung, die §  278 Abs.  6 ZPO aufweist, anführen, sondern lediglich die Möglichkeit regeln, einen Vergleich auf Vorschlag des Gerichts zu schließen. An beiden Punkten lässt sich auch mit Blick auf die Stoßrichtung dieser Arbeit ansetzen. Das gilt zunächst im Hinblick auf den vom Gericht stammenden Ver­ gleichsvorschlag als Beschluss in Bezug auf die Frage, wie die Parteien in materiell­ 1443 

Pfitzer/Ahmad, in: Natter/Groß, ArbGG, §  46 Rn.  40; Germelmann, in: Germelmann/Mat­ thes/Prütting, ArbGG, §  46 Rn.  16. 1444  Siehe die Darstellung oben und insb. BAG v. 23.11.2006 – 6 AZR 394/06, BAGE 120, 251 ff.; BAG v. 14.01.2015 – 7 AZR 2/14, AP TzBfG §  14 Nr.  126. 1445 Vgl. Pfitzer/Ahmad, in: Natter/Groß, ArbGG, §  46 Rn.  40.

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rechtlicher Hinsicht dann den Vergleichsvertrag schließen. Sowie weiterhin mit Blick auf den Umstand, dass die Regelungen inhaltlich jeweils hinter §  278 Abs.  6 ZPO zurückbleiben, dahingehend, ob diese über die allgemeinen Bezugnahmen auf die ZPO in §§  202 SGG und 173 VwGO ergänzend Anwendung findet. aa) Vertragsschluss Die Situation des Vertragsschlusses ist zunächst mit der Alternative des §  278 Abs.  6 ZPO vergleichbar, in der der Richter den Parteien einen schriftlichen Vergleichsvor­ schlag unterbreitet. Für den materiellen Vertragsschluss, d. h. die Herstellung des Konsenses zwischen den Vertragsparteien, ist es unerheblich, ob der Vorschlag im Kleid einer prozessualen Verfügung oder im Beschlusswege daherkommt. Aber die Beteiligung des Richters dergestalt, dass die Zustimmungserklärungen zu seinem Vergleichsvorschlag ihm gegenüber abzugeben und nicht an die zukünftige Ver­ tragspartei zu adressieren sind, hat auch im Rahmen der verwaltungs- bzw. sozial­ rechtlichen Literatur zur Notwendigkeit geführt, über die dogmatische Erfassung des Vertragsschlusses nachzudenken. Die auch für den sozialrechtlichen1446 und ver­ waltungsrechtlichen Vertrag1447 geltenden Vorschriften der §§  145 ff. BGB sehen den Vertragsschluss im Wege von Angebot und Annahme, jedoch nicht unter der Betei­ ligung eines Dritten, wie von §§  101 Abs.  1 Satz 2 SGG bzw. 106 Satz 2 VwGO be­ stimmt, vor. Auch zu diesen Regelungen wird eine Einordnung in das dogmatische Schema von Angebot und Annahme in der Form vertreten, dass in der ersten bei Gericht einge­ henden Annahmeerklärung das konkludente Vertragsangebot liege und die zweite Annahmeerklärung die Vertragsannahme darstelle. Der besonderen Rolle des Rich­ ters als Adressat der Erklärung wird dadurch Rechnung getragen, dass die Parteien zugleich auf den Zugang von Angebot und Annahme verzichteten und deshalb die Erklärungen mit dem Eingang bei Gericht gültig seien.1448 Wie schon im Zusammen­ hang mit §  278 Abs.  6 ZPO erörtert, fehlt es in dieser Konstruktion an der in der Grundversion des Vertragsschlusses nach §§  145 ff. BGB vorgesehen Bezugnahme der Annahmeerklärung auf das Angebot.1449 Denn auch nach diesem Erklärungsan­ satz nimmt die Annahme auf den gerichtlichen Vorschlagsbeschluss Bezug und nicht auf das Angebot des Prozessgegners. Vorzugswürdig ist daher die auch an dieser Stelle vertretene Ansicht, nach der die Regelungen einen besonderen, von der Grundvorstellung des BGB abweichenden Weg darstellen, einen Vertrag zu schließen.1450

1446 

Gemäß §  61 SGB X. Gemäß §  62 VwVfG. 1448  Lüke, NJW 1994, 233, 235; Stelkens, NVwZ 1991, 209, 216; offen gelassen von Hahn, NZS 2014, 368, 369. 1449  Vgl. oben unter B.III.6.f). und insbesondere Flume, BGB AT Bd.  II, S.  635; sie nehme das Angebot mit einem “Ja” in sich auf, so NK-BGB/Schulze, Vor §§  145–157 Rn.  17. 1450  Ortloff, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  106 Rn.  36. 1447 

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bb) Ergänzende Anwendung von §  278 Abs.  6 ZPO Eine weitere für diese Untersuchung interessierende Frage bleibt infolge des Wort­ lauts der Vorschriften offen. Da eben keine inhaltlich komplette Übernahme der Vorschrift des §  278 Abs.  6 ZPO in die verwaltungs- bzw. sozialgerichtliche Prozess­ ordnung stattgefunden hat, ist jeweils zu klären, ob diese Vorschrift über die allge­ meinen Inbezugnahmen der ZPO in §  173 VwGO bzw. §  202 SGG hinaus ergänzend Anwendung finden kann. Die Frage war schon vor Erlass der jeweiligen Regelungen in §§  101 Abs.  1 Satz 2 SGG bzw. 106 Satz 2 VwGO umstritten und dem Gesetzgeber schwebte ausweislich beider Gesetzesbegründungen vor, diese Frage durch die Auf­ nahme der entsprechenden Vorschriften zu klären.1451 Das ist ihm nicht gelungen.1452 Auch aktuell wird die Ansicht vertreten, die Regelungen seien abschließend1453 bzw. sie seien dies eben nicht.1454 Beide Meinungen finden Argumente im Wortlaut der Vorschrift und streiten sich im Wesentlichen1455 um den Bezugspunkt der gesetzlichen Aussage, dass ein Ver­ gleich „auch“ geschlossen werden könne im Wege des schriftlichen Verfahrens nach richterlichem Vergleichsbeschluss. Bezieht sich dieses auch auf den jeweils im Satz zuvor geregelten Prozessvergleich, der seitens des Sozial- bzw. Verwaltungsgerichts protokolliert wird, dann wäre die prozessuale Regelung zum Verwaltungsprozess jeweils abschließend und infolgedessen kein Platz für eine ergänzende Anwendung des §  278 Abs.  6 ZPO. Es besteht aber zudem die Möglichkeit, dieses „auch“ in dem Sinne zu verstehen, dass durch die in §  106 Satz 2 VwGO bzw. §  101 Abs.  1 Satz 2 SGG enthaltene Rege­ lung nur eine weitere, auch im Verhältnis zu §  278 Abs.  6 ZPO zusätzliche Möglich­ keit des Vergleichsschlusses geregelt werden sollte, was die weitere Anwendung1456 des §  278 Abs.  6 ZPO erlauben würde. An dieser Stelle wird nicht diesen Erwägungen weiterer Raum gegeben,1457 viel­ mehr soll die Problematik aus der für diese Untersuchung interessierenden Rolle des Richters beim Vergleichsschluss betrachtet werden. Ließe man die ergänzende An­ wendung des §  278 Abs.  6 ZPO zu, würde dies bedeuten, den Parteien die Möglich­ keit zu geben, einen Prozessvergleich ohne die Möglichkeit des Gerichts, vor Ver­ tragsschluss Einfluss zu nehmen, zu schließen. Denn eine solche Möglichkeit besteht 1451 

In Bezug auf §  101 Abs.  1 Satz 1 SGG: BR-Drs. 811/12, S.  6 4; in Bezug auf §  106 S.  2 VwGO: BT-Drs. 11/7030 S.  29. 1452  Wohl auch, weil das BSG die Frage offen ließ, vgl. BSG v. 29.08.2019– B 14 AS 43/18 R, BSGE 129, 72 ff, Rn.  15. 1453 So LSG Nordrhein-Westfalen v. 26.08.2013 – L 20 SO 50/12, BeckRS 2013, 71883; LSG Sachsen v. 09.12.2010 – L 6 AS 438/10, NZS 2011, 796, 798; a. A. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/ Keller/Leitherer, SGG, §  101 Rn.  9. 1454 So LSG Sachsen v. 09.12.2010 – L 6 AS 438/10, NZS 2011, S.   796, 798; SG Duisburg v. 26.09.2008 – S 10 R 156/06, BeckRS 2008, 57160; ablehnend gegenüber dem Spezialitätsargument etwa SG Dresden v. 30.01.2012 – S 40 AS 219/11, nv. 1455  Eine genauere Darstellung des Meinungsstreites findet sich insofern unter Hahn, NZA 2014, 365, 372. 1456  Zur Anwendung vor Erlass des §  101 SGG vgl. BSG v. 12.12.2013 – B 4 AS 17/13 R, SozR 4-1500, §  192 Nr.  2, SozR 4-1300, §  4 4 Nr.  27. 1457  Hierzu ausführlich Schmitt, NZS 2020, 644, 650.

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wie aufgezeigt im Zivilprozess nach §  278 Abs.  6 Satz 1 Alt.  1 ZPO. Will man für die Verwaltungs- und Sozialgerichtsbarkeit eine abweichende Vorgehensweise rechtfer­ tigen, müsste sich der Grund hierzu konsequenterweise aus den Besonderheiten der Prozessordnungen der Fachgerichtsbarkeiten ergeben. Und eben dies lässt sich hier annehmen. Denn die in Rede stehenden Regelungen zum Prozessvergleich sehen je­ weils vor, dass ein solcher nur geschlossen werden darf, soweit die Parteien über den Gegenstand der Klage verfügen können.1458 Diese Verfügungsbefugnis ist vor allem dann zu thematisieren, wenn ein Ho­ heitsträger am Verfahren beteiligt ist, weil Privatpersonen über ihre subjektiven Rechte regelmäßig frei verfügen können.1459 Die von den Trägern der öffentlichen Gewalt zu verlangende Verfügungsbefugnis folgt demgegenüber nicht aus subjekti­ ven Rechten, sondern aus Kompetenzen und lässt sich in zwei Dimensionen erfassen. Zunächst ist nur die formell zuständige Behörde berechtigt, über den Vergleichsge­ genstand zu verfügen.1460 Aus materiell-rechtlichen Gründen fehlt der Behörde die Verfügungsbefugnis, wenn Abreden über den Vergleichsgegenstand gesetzlich un­ tersagt sind.1461 Das bedeutet insbesondere, dass der Prozessvergleich sich in den Grenzen, die dem öffentlich-rechtlichen Vertrag nach §§  54 ff. VwVfG bzw. dem §§  53 ff. SGB X gesetzt sind, bewegen muss.1462 Welche Rolle dem Richter im Hinblick auf die Einhaltung dieser Verfügungsbe­ fugnis zukommt, ist weder Thema in der sozial- noch in der verwaltungsgerichtli­ chen Kommentarliteratur. Die Frage der richterlichen Rolle im Hinblick auf die Vergleichstätigkeit lässt sich in die nach dem „ob“ und die nach dem „wie“ unterteilen. Zunächst ist also zu klä­ ren, ob dem Gericht überhaupt eine Funktion mit Blick auf die Verfügungsbefugnis zukommt und wenn ja, wie es diese ausüben soll. Dass dem Gericht gar keine Rolle hinsichtlich der Einhaltung der Verfügungsbe­ fugnis zukommt, wird sich schon vor dem Hintergrund der Rolle der Gerichtsbar­ keit annehmen lassen, die sowohl im Rechtsschutz des Einzelnen als auch in der (Sozial-)Verwaltungskontrolle zur Wahrung des objektiven Rechts besteht. Mit die­ ser Grundfunktion erscheint es unvereinbar, dass das Gericht beim Abschluss eines Prozessvergleichs mitwirkt, den insbesondere die Verwaltung so, nach geltendem Recht, nicht hätte schließen dürfen. Die wichtige Kontrollfunktion der Fachge­ richtsbarkeit würde damit zu sehr eingeschränkt.1463 Auch die mit der Einführung der schriftlichen Vergleichsmöglichkeit bezweckte Verfahrensbeschleunigung1464 spricht für eine grundsätzliche Mitwirkungspflicht des Richters in Bezug auf die 1458 

Die Einschränkung findet sich jeweils in §  101 Abs.  1 Satz 2 SGG und 106 Satz 2 VwGO. Dolderer, in: Sodan/Ziekow, VwGO, §  106 Rn.  40. 1460  Dolderer, in: Sodan/Ziekow, VwGO, §  106 Rn.  42 mit Verweis auf BVerwG v. 28.03.1962 – V C 100/61, BVerwGE 14, 103, 105; Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, §  106 Rn.  13. 1461  Dolderer, in: Sodan/Ziekow, VwGO, §   106 Rn.  43; Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, §  106 Rn.  12. 1462  Dolderer, in: Sodan/Ziekow, VwGO, §   106 Rn.  43; Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, §  106 Rn.  12; Roller, in: Lüdtke, VwGO, §  101 Rn.  13. 1463  Schröder, Prozessvergleich, S.  152. 1464  Vgl. BR-Drs. 811/12, S.  6 4. 1459 

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Verfügungsbefugnis der Parteien. Wenn das Gericht Vergleiche anerkennen würde, die trotz einer fehlenden Verfügungsbefugnis geschlossen wurden, wären diese auf­ grund ihrer latenten Rechtswidrigkeit Grundlage und Ausgangspunkt für eine wei­ tere und erneute Beschäftigung der Gerichte.1465 Damit wäre das Gegenteil dessen erreicht, was mit der Einführung der schriftlichen Vergleichsmöglichkeit bezweckt wurde. Entscheidend für den hier in Rede stehenden Zusammenhang ist jedoch, wie das Gericht die Einhaltung der Grenzen der Verfügungsbefugnis realisieren soll. Wenn eine nachvertragliche Kontrolle ausreichte, spräche dies nicht gegen die ergänzende Anwendung des §  278 Abs.  6 ZPO, weil der dort vorgesehene feststellende Beschluss eine nachvertragliche Überprüfung des zwischen den Parteien geschlossenen Ver­ trags stets erlaubt. Die richterliche Einflussnahmemöglichkeit auf die Parteien vor dem Vertragsschluss wird durch das Verfahren des §  278 Abs.  6 ZPO eben nicht in jeden Fall garantiert. Reicht es also aus, wenn der Richter erst nach dem materiell-rechtlichen Vertrags­ schluss erstmals „Zugriff“ auf den Vertragsinhalt bekommt? Man wird diese Frage verneinen müssen.1466 Begründen lässt sich dies mit einem vergleichenden Blick auf den außergerichtlichen Vergleich. Denn es bleibt den Parteien zu jeder Zeit unbe­ nommen, sich außergerichtlich zu einigen und im Wege der Klagerücknahme das Verfahren zu beenden. Wenn man im Hinblick auf die Mitwirkung des Richters hier erst nach dem Vergleichsschluss ansetzt, dann bestünde der einzige Unterschied zwischen einem außergerichtlichen Vergleich und dem Prozessvergleich in dessen Vollstreckbarkeit. Denn die Entscheidung des Richters, dem Vergleich die prozes­ suale Anerkennung zu verweigern, beseitigt nicht den außergerichtlich bereits ge­ schlossenen Vergleichsvertrag, selbst wenn dieser unter Gesetzesverstoß zustande gekommen ist. Im Gegenteil: Dieser latent rechtswidrige Vergleich birgt die beson­ dere Gefahr in sich, dass die Gerichtsbarkeit seinetwegen erneut angerufen wird. Das zu verhindern, ist gerade ein Ziel der Möglichkeit des Vergleichsschlusses im schriftlichen Verfahren und der damit verbundenen Förderung der Prozessökono­ mie. Dieses gesetzliche Ziel spricht also dafür, eine gerichtliche Pflicht dahingehend anzunehmen, im Falle eines Vergleichsvorschlags, an dessen Wirksamkeit Zweifel bestehen, auf das Zustandekommen eines wirksamen Prozessvergleichs hinzuwir­ ken.1467 Dafür spricht auch die von der ordentlichen Gerichtsbarkeit abweichende Kontrollfunktion der Sozial- und Verwaltungsgerichtsbarkeit gegenüber den staatli­ chen Behörden, da die Gerichte so auf ein rechtmäßiges Verwaltungshandeln hin­ wirken können und sich die Behörde nicht der gerichtlichen Kontrolle durch die Wahl des Vergleichsweges entziehen kann.1468 Geht man aber von einer derartigen Pflicht der Sozial- bzw. Verwaltungsrichter aus, so ist ihnen – spiegelbildlich – auch 1465  Schramm, Richterliche Pflichten und Haftung beim Prozessvergleich, S.  85 mit Verweis auf Schröder, Prozessvergleich, S.  152. 1466  So auch im Ergebnis Schramm, Richterliche Pflichten und Haftung beim Prozessvergleich der ZPO, S.  86. 1467  Schramm, Richterliche Pflichten und Haftung beim Prozessvergleich der ZPO, S.  86. 1468  Schramm, Richterliche Pflichten und Haftung beim Prozessvergleich der ZPO, S.  86.

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die Möglichkeit einzuräumen, dieser Pflicht nachzukommen. Dies spricht dann letztlich dafür, auf eine zusätzliche Heranziehung des §  278 Abs.  6 ZPO innerhalb des verwaltungs- bzw. sozialgerichtlichen Verfahrens zu verzichten und die Rege­ lungen der §§  101 Abs.  1 Satz 2 SGG und 106 Satz 2 VwGO als abschließende Son­ derregelungen zu betrachten. Getragen wird dieses Ergebnis auch durch einen genaueren Blick auf die jeweiligen Gesetzesbegründungen. In der Begründung zum zuerst eingeführten §  106 Satz 2 VwGO heißt es, dass die Streitfrage geklärt werden solle, ob ein Vergleich durch Annahme eines gerichtlichen Vergleichsvorschlags zustande kommen kann. Das soll dadurch geschehen, dass nunmehr ein Vergleichsschluss durch Schriftsatzwechsel ermöglicht werde, soweit1469 ein entsprechender, in Beschlussform ergangener Vor­ schlag des Gerichts vorausgegangen ist.1470 Diese Formulierung deutet auf den Wunsch des Gesetzgebers hin, die Möglichkeit des schriftlichen Vergleichsschlusses auf eben diese eine, nunmehr in §  106 Satz 2 VwGO geregelte, Vorgehensweise zu beschränken.1471 In der Gesetzesbegründung zur später erlassenen Vorschrift des §  101 Abs.  1 Satz 2 SGG wird explizit geäußert, dass diese §  106 Satz 2 VwGO ent­ sprechen solle.1472 cc) Notarielle Beurkundung und Schriftform Die Entscheidung, §  278 Abs.  6 ZPO nicht zusätzlich im sozial- bzw. verwaltungs­ rechtlichen Verfahren anzuwenden, hat Konsequenzen für die Frage, ob der Prozess­ vergleich nach §  101 Abs.  1 Satz 2 SGG bzw. §  106 Satz 2 VwGO über eine entspre­ chende Anwendung der Vorschrift des §  127a BGB die notarielle Beurkundung er­ setzt. Zur Lösung dieser Frage lässt sich auf die Ausführungen und Überlegungen, die oben zur Anwendung des §  127a BGB auf die Vergleiche im Sinne des §  278 Abs.  6 Satz 2 ZPO angestrengt wurden, Bezug nehmen. Dies gilt zunächst, weil eine direk­ te Anwendung wegen des Wortlauts des §  127a BGB, der auf die Protokollierung abstellt, ausscheidet.1473 Allerdings ist gerade wegen der Konzentration auf die Mög­ lichkeit, den Prozessvergleich nach dem Vorschlag des Richters abzuschließen, der Grund entfallen, der im Rahmen der obigen Betrachtung des §  127a BGB gegen eine entsprechende Anwendung der Vorschrift auf die Fälle des Beschlussvergleichs sprach. Denn durch die Beschränkung auf die in §§  101 Abs.  1 Satz 2 SGG bzw. 106 Satz 2 VwGO geregelte Möglichkeit, einen Vergleich im schriftlichen Verfahren zu schließen, besteht für den Richter stets die Möglichkeit, etwa im Rahmen eines er­ gänzenden Hinweises bei Erlass des Beschlusses, eine der notariellen Beurkundung ausreichend vergleichbare Situation zu schaffen.1474 Das zeigen die obigen Ausfüh­ rungen zu §  278 Abs.  6 ZPO. 1469 

Hervorhebung durch Verf. BT-Drs. 11/7030, S.  29. 1471 Ebenso Schmitt, NZS 2020, 649, 651. 1472  BR-Drs. 811/12, S.  6 4. 1473  Insofern zutreffend im Hinblick auf §  106 Satz 2 VwGO: Stelkens, NVwZ 1991, 209, 216. 1474  A.A. diesbezüglich und deswegen eine Anwendung des §  127a BGB auf die Konstellation des §  106 S.  2 VwGO ablehnend Schenke, in: Schenke/Kopp, VwGO, §  106 Rn.  24; Stelkens, NVwZ 1470 

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h) Güterichter und §  278 Abs.  6 ZPO Abschließend zu der Betrachtung des §  278 Abs.  6 ZPO ist im Rahmen dieser Unter­ suchung noch der Frage nachzugehen, ob die Möglichkeit des Vergleichsschlusses auch im Verfahren vor dem Güterichter besteht. Beantworten lässt sich dies anhand der Feststellung, ob der Güterichter auch in der Lage ist, den Vergleich feststellenden Beschluss nach §  278 Abs.  6 Satz 2 ZPO zu erlassen. Diese Frage wird in der Litera­ tur unterschiedlich beantwortet.1475 Im Ergebnis wird man die Zuständigkeit des Güterichters verneinen müssen.1476 Schon im Wortlaut des Gesetzes finden sich keine Anhaltspunkte für eine entspre­ chende Kompetenz, denn der Güterichter wird in §  278 Abs.  5 ZPO als für weitere Güteversuche bestimmter, nicht entscheidungsbefugter Richter beschrieben und de­ finiert. Demgegenüber ist in §  278 Abs.  6 ZPO nur vom „Gericht“ die Rede, welches das Zustandekommen des Vergleichs feststellt. Als eben solches bezeichnet der Ge­ setzgeber in §  278 Abs.  5 ZPO auch den Zuständigen für die Verweisung an den Gü­ terichter, sodass hier eine unterschiedliche Bedeutung vorliegt. Schwerer wiegen dürfte der Umstand, dass der Gesetzgeber ausweislich der Legal­ definition des §  278 Abs.  5 ZPO die Position des Güterichters einzig als die eines Vermittlers, der gerade keine Entscheidungsbefugnis besitzt, ausgestaltet hat.1477 Wie die obigen Ausführungen zu §  278 Abs.  6 ZPO jedoch gezeigt haben, geht mit der Kompetenz, den Beschluss im Sinne des §  278 Abs.  6 Satz 2 ZPO zu erlassen, sehr wohl eine Entscheidungsbefugnis einher. Diese hat der Gesetzgeber dem Güterich­ ter nicht zugebilligt. Letztlich geben auch die Gesetzesmaterialien zu §  278 Abs.  6 ZPO keinen Hinweis darauf, dass auch der Güterichter zum Erlass des Beschlusses nach §  278 Abs.  6 Satz 2 ZPO befugt sein sollte.1478 Letztlich dürfte die Praxisrelevanz dieser Frage von überschaubarer Bedeutung sein. Denn das Verfahren vor dem Güterichter, dies zeigt schon der Hinweis auf die dort mögliche Mediation, soll auf eine Verhandlung bei persönlicher Anwesenheit der Parteien ausgerichtet sein. Das Gericht wird das Verfahren, wenn ein Vergleich (im schriftlichen Verfahren) möglich erscheint, schon nicht an den Güterichter ver­ weisen, sondern diesen direkt anstreben. Wenn zwar nicht in, aber nach der Ver­ handlung beim Güterichter ein Vergleich noch außergerichtlich geschlossen wird und die Parteien möchten, dass der anhängige Prozess im Wege des §  278 Abs.  6 ZPO beendet wird, so besteht keinen Grund gegen die Annahme, dass hierfür dann auch der Prozessrichter zuständig ist. Schließlich stellt der Beschluss das Mittel dar, den gesamten Prozess und nicht bloß das Verfahren vor dem Güterichter zu beenden. 1991, 209, 216; Lüke, NJW 1994, 233, 235; im Ergebnis eine Anwendung des §  127a BGB ebenfalls ablehnend Bamberger, in: Wysk, VwGO, §  106 Rn.  27. 1475 Dafür: Greger, in: Zöller, ZPO, §  278 Rn.  32; dagegen: Künzl, MDR 2016, 952, 955. 1476 A.A. Greger/Weber, MDR-Sonderheft 2012 „Das neue Güterichterverfahren“, 1, 23; Greger, in: Greger/Unberath/Steffek, Teil E. Alternative Konfliktlösung und Gerichtsverfahren, Rn.  179; Fritz, in: Fritz/Pielstricker, ZPO, §  278 Rn.  17; Löer, in: Klowait/Gläßer, Mediationsgesetz, §  278 ZPO Rn.  17; Schneider, NZFam 2020, 475. 1477  Darauf weist in diesem Zusammenhang auch BeckOK-ZPO/Bacher, §  278 Rn.  31 hin. 1478  Vgl. BT-Drs. 15/3482, S.  17.

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B. Der moderierte Vertrag des zivilrechtlichen Konflikts

i) Besonders angeordnete Funktion: die Sicherung von Drittinteressen Der deutsche Zivilprozess ist ein Zweiparteienprozess, der als das Verfahren eines Klägers gegen einen Beklagten konzipiert ist.1479 Diese Bilateralität gilt nicht absolut. Mit der Haupt- und Nebenintervention sowie der Streitverkündung bestehen für Dritte Möglichkeiten, sich am Rechtsstreit zu beteiligen. Auch der moderierte Vertrag, der in einem bilateralen Prozess geschlossen wird, kann eine Bedeutung für Personen entfalten, die weder Vertragspartei noch – wie der Richter – an dessen Zustandekommen beteiligt sind. Sind deren Interessen betroffen, dann fällt dem moderierenden Richter regelmäßig die Aufgabe zu, diese Interessen Dritter zu sichern. Wo dies angeordnet ist und wie diese Sicherung der Drittinteres­ sen vonstattengeht, soll im Folgenden beleuchtet werden. aa) §§  18 KapMuG und §  611 ZPO: der genehmigte Vergleich Drittinteressen sind zunächst in den Verfahren des kollektiven Rechtsschutzes be­ troffen. Dies gilt sowohl für die Musterfeststellungsklage, als auch für ihren „älteren Bruder“1480 , das Musterverfahren in kapitalmarktrechtlichen Streitigkeiten. (1) Musterverfahren in kapitalmarktrechtlichen Streitigkeiten Das Gesetz über Musterverfahren in kapitalmarktrechtlichen Streitigkeiten (Kapi­ talanleger-Musterverfahrensgesetz – KapMuG) wurde erstmals 2005 beschlossen, dann evaluiert und zum Teil neu gefasst.1481 Das aktuell geltende Gesetz ist am 01.11.2012 in Kraft getreten1482 und beinhaltet – im Gegensatz zu vorher – verein­ fachte Regelungen zur gütlichen Streitbeilegung.1483 Das KapMuG statuiert die Möglichkeit, ein Musterverfahren zur konzentrierten Erledigung verallgemeine­ rungsfähiger Rechtsfragen auf dem Gebiet des Kapitalmarktrechts zu führen.1484 Grundidee des Gesetzes ist es dabei, vor dem OLG ein Musterverfahren zu führen, in dem die für alle Klagen zentralen rechtlichen und tatsächlichen Fragen bindend entschieden werden.1485 Auf diesem Weg soll die Justiz entlastet1486 und für eine ein­ heitliche Rechtsprechung gesorgt werden.1487 Dazu schafft das KapMuG ein Verfah­ ren, das vom Zwei-Parteien-System und der Inter-Partes-Wirkung der Rechtskraft des Zivilprozesses abweicht. Und zwar zugunsten einer Musterklage, die seitens ei­ nes Musterklägers geführt wird und die in einem Musterbescheid endet, der die Ge­ richte aller Kläger bindet,1488 deren eigene Prozesse mit Blick auf das Musterverfah­ 1479 

Prütting, ZIP 2020, 197, 199. Kähler, ZIP 2020, 293, der zudem die amerikanische Class Action als deren „ungeliebte Mutter“ bezeichnet. 1481  Söhner, ZIP 2013, 7. 1482  BGBl. I 2012, S.  2182. 1483  Söhner, ZIP 2013, 7. 1484  Söhner, ZIP 2013, 7. 1485  Smid/Mohr, DZWIR 2013, 343, 352. 1486  BT-Drs. 15/5091, S.  17. 1487  Smid/Mohr, DZWIR 2013, 343, 344 mit Verweis auf BT-Drs. 15/5091, S.  36. 1488  Vgl. §  2 2 Satz 1 KapMuG. 1480 So

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ren ausgesetzt wurden und die hieran als Beigeladene nach §  9 Abs.  1 Nr.  3 KapMuG teilgenommen haben.1489 Für diese Untersuchung von Interesse ist die in §§  17, 18 KapMuG geregelte Mög­ lichkeit, das Verfahren im Wege der gütlichen Einigung durch Vergleich zu beenden. Nach §  17 Satz 1 KapMuG können der Musterkläger und die Musterbeklagten einen gerichtlichen Vergleich dadurch schließen, dass sie dem Gericht einen schriftlichen Vergleichsvorschlag zur Beendigung des Musterverfahrens und der Ausgangsver­ fahren unterbreiten oder einen schriftlichen Vergleichsvorschlag des Gerichts durch Schriftsatz gegenüber dem Gericht annehmen. Weil die Beigeladenen im streitigen Verfahren gemäß §  14 Satz 2 KapMuG berechtigt sind, Angriffs- oder Verteidigungs­ mittel geltend zu machen und alle Prozesshandlungen wirksam vorzunehmen, so­ weit sie sich nicht in Widerspruch zum Musterkläger stellen, musste ihre Position auch bei der gütlichen Verfahrensbeendigung Berücksichtigung finden. Dies wird schon durch §  17 Abs.  1 Satz 2 KapMuG deutlich, wonach den Beigeladenen die Ge­ legenheit zur Stellungnahme zu geben ist. Darüber hinaus hat der Gesetzgeber zwei weitere Sicherungsmechanismen eingebaut, welche die Interessen der Beigeladenen beim Vergleichsschluss im Musterverfahren sichern sollen. Zunächst wird der Vergleich gemäß §  17 Abs.  1 Satz 3 KapMuG nur wirksam, wenn weniger als 30 Prozent der Beigeladenen ihren Austritt aus dem Vergleich er­ klären. Jedem Beigeladenen steht gemäß §  19 Abs.  2 KapMuG binnen eines Monats nach Zustellung des Vergleichs die Möglichkeit zu einem Austritt zu, der ohne Be­ gründung gegenüber dem Gericht zu erklären ist.1490 Machen 30 Prozent oder mehr von diesem Recht Gebrauch, entfaltet der Vergleich auch für die Übrigen keine Wirksamkeit. Der Vergleich muss zunächst aber – und das ist für die hiesige Untersuchung zen­ tral – durch das Gericht des Musterverfahrens genehmigt werden.1491 Genehmigt das Gericht den Vergleich, wird der Vergleich für alle Musterkläger und Musterbeklag­ ten verbindlich.1492 Nach §  18 KapMuG genehmigt das Gericht den Vergleich, wenn es ihn unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes des Musterver­ fahrens und des Ergebnisses der Anhörung der Beigeladenen als angemessene gütli­ che Beilegung der ausgesetzten Rechtsstreitigkeiten1493 erachtet. Im Rahmen dieser gerichtlichen Ermessensentscheidung1494 ist der Schutz der Interessen der Beigelade­ nen zentral. Das Gericht soll sicherstellen, dass es sich um ein für alle Seiten ausge­

1489  Als Beigeladene nehmen all die Kläger am Musterverfahren teil, die nicht Musterkläger sind, siehe §  9 Abs.  3 KapMuG. 1490  Der Gesetzgeber hat diesem Modell dem vorher geltenden Zustimmungserfordernis aller Beigeladenen vorgezogen, weil dieses in der Praxis faktisch nicht umzusetzen war, vgl. BT-Drs. 17/8799, S.  14. 1491  Es handelt sich bei dem Vergleich laut Gesetzgeber um einen Vertrag mit Genehmigungsvor­ behalt, BT-Drs. 17/8799, S.  24. 1492  Smid/Mohr, DZWIR 2013, 343, 349. 1493  Hierbei handelt es sich um die Ausgangsverfahren der einzelnen Kläger, die jetzt neben dem Musterkläger Beigeladene des Hauptverfahrens sind. 1494  BT-Drs. 17/8799, S.  24.

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wogenes und faires Ergebnis handelt.1495 Dies geht so weit, dass das Gericht einem Vergleich, den es selbst vorgeschlagen hat, die Genehmigung verweigern kann, wenn die Beigeladenen erhebliche Bedenken äußern.1496 Neben dem Umstand, dass hier das Gericht die Drittinteressen sichern soll, ver­ dient auch der Umstand Erwähnung, dass der Gesetzgeber selbst von einer „Vorwir­ kung“ der gerichtlichen Ermessenserwägungen ausgeht. Bevor das Gericht seine Genehmigung verweigert, soll es nämlich darauf hinweisen, unter welchen Umstän­ den es eine Genehmigung in Aussicht stellen kann.1497 Die erst nach dem Vertrags­ schluss ansetzende Prüfpflicht entfaltet auch Wirkung auf die von dem Gericht zu erwartende Vermittlungsleistung vor Vertragsschluss. (2) Musterfeststellungsklage Das KapMuG wurde seinerzeit geschaffen für die 17.000 Kläger gegen die Tele­ kom.1498 Sein Anwendungsbereich beschränkt sich nach §  1 Abs.  1 KapMuG auf Schadensersatzansprüche wegen unrichtiger Kapitalmarktinformationen und wegen der Verwendung solcher unrichtiger Informationen oder der Unterlassung gebotener Aufklärung sowie auf Erfüllungsansprüche aus Wertpapier-Erwerbsverträgen.1499 Anlass für die Musterfeststellungsklage war ebenfalls ein einzelner Fall, der soge­ nannte Dieselskandal bei Volkswagen.1500 Um den vielen geschädigten Verbrauchern ein gemeinsames Vorgehen zu ermöglichen und deren rationales Desinteresse an der Geltendmachung ihres Schadensersatzanspruchs zu überwinden, wurde mit der Musterfeststellungsklage zum 01.11.20181501 ein Instrument geschaffen, dessen An­ wendungsbereich weiter reicht als der des KapMuG.1502 Klägerin ist eine Verbrau­ cherzentrale, ein Verbraucherverband oder eine sonstige qualifizierte Einrichtung i. S. d. §  606 Abs.  1 ZPO. Deren Ziel ist es, tatsächliche und/oder rechtliche Tatbe­ standsmerkmale, die den Anspruch der Verbraucher gegen das Unternehmen stüt­ zen, gerichtlich feststellen zu lassen.1503 Geschädigte Verbraucher haben die Mög­ lichkeit, ihre Ansprüche nach §  608 ZPO zur Eintragung in das Klageregister anzu­ melden. Gemäß §  613 Abs.  1 ZPO hat diese Anmeldung zur Folge, dass das Urteil, welches auf die Musterfeststellungsklage hin ergeht, später das Gericht bindet, das über den konkreten Anspruch des Verbrauchers entscheidet, soweit dessen Entschei­ dung die Feststellungsziele und den Lebenssachverhalt der Musterfeststellungsklage betrifft.1504 Im Musterfeststellungsverfahren selbst erhalten die Verbraucher nicht die Stellung von Beigeladenen, wie dies in §  9 Abs.  1 Nr.  3, Abs.  3 KapMuG für die 1495 

BT-Drs. 17/8799, S.  14 f. BT-Drs. 17/8799, S.  24. 1497  BT-Drs. 17/8799, S.  25. 1498  Prütting, ZIP 2020, 197, 199. 1499  Prütting, ZIP 2020, 197, 199. 1500  BeckOK ZPO/Lutz §  606 Rn.  1. 1501  Vgl. BeckOK ZPO/Lutz, §  606 Rn.  2. 1502  Prütting, ZIP 2020, 197, 200; Kähler, ZIP 2020, 293. 1503  Prütting, ZIP 2020, 197, 200. 1504  Windau, jM 2019, 404. 1496 

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dort beteiligten Verbraucher noch vorgesehen ist. Mehr noch: §  610 Abs.  4 ZPO schließt eine Nebenintervention des Verbrauchers explizit aus.1505 Auch der kollektive Rechtsschutz der Musterfeststellungsklage ist – mehr noch als der Individualrechtsschutz – auf einen Vergleich angelegt.1506 Das für die Musterkla­ ge zuständige Gericht soll einen solchen Vergleich aktiv anregen und moderieren.1507 Damit auch ein Vergleich den Konflikt erfolgreich befrieden kann, hat der Gesetzge­ ber diesen nach §  611 Abs.  1 ZPO mit einer Bindungswirkung gegenüber den ange­ meldeten Verbrauchern ausgestattet.1508 Diese sind aber weder am Verfahren noch an dessen Zustandekommen beteiligt. Anders als im KapMuG fehlt es an einer notwen­ digen Anhörung der Verbraucher. Daher wurden zwei Schutzmechanismen instal­ liert, die dem Schutz der Interessen der Verbraucher insgesamt bzw. deren Einzelin­ teresse dienen sollen. Die angemeldeten Verbraucher haben nach §  611 Abs.  4 Satz 2 ZPO die Möglich­ keit, innerhalb einer Frist von einem Monat den Austritt aus dem Vergleich zu erklä­ ren. Auch die Beigeladenen nach dem KapMuG können nach §  19 Abs.  2 KapMuG den Austritt erklären. Dieser Austritt hat dann zur Folge, dass der Vergleich für den Verbraucher keine Wirkung mehr entfaltet.1509 Der Vergleich wird darüber hinaus insgesamt nur wirksam, wenn weniger als 30 Prozent der angemeldeten Verbrau­ cher1510 ihren Austritt aus dem Vergleich erklären, vgl. §  611 Abs.  5 Satz 1 ZPO bzw. §  17 Abs.  1 Satz 3 KapMuG. Diese Austrittsmöglichkeit als Schutzmechanismus zu bezeichnen, stellt bei nähe­ rem Hinsehen einen Etikettenschwindel dar. Durch die grundsätzlich angenomme­ ne Bindungswirkung des Verbrauchers an den Vertrag, wie sie in §  611 Abs.  1 ZPO vorgesehen ist, liegt vielmehr ein weiterer Fall des „besonderen Vertragsschlusses“ vor, der von demjenigen, der bei der Betrachtung des §  278 Abs.  6 ZPO dargestellt wurde, abweicht. Im Interesse einer gütlichen Erledigung des Rechtstreits werden die ansonsten für den Vertragsschluss geltenden Regelungen ins Gegenteil verkehrt. Der Verbraucher wird nicht Vertragspartei, wenn er diesem zustimmt, sondern wenn er nicht austritt. Seinem Schweigen kommt damit ein Erklärungswert zu. Auf diesem Weg wird eine als „Einigungshilfe“ zu bezeichnende Maßnahme des Rechts getrof­ fen, die sich auch schon bei §  278 Abs.  6 ZPO beobachten ließ und dazu dient, den Abschluss des moderierten Vertrages zu erleichtern. Im Fall des Musterfeststellungs­ prozesses geschieht dies bereits durch den schlichten Umstand, dass nur die Verbrau­ cher, die den Vertrag nicht wollen, aktiv werden müssen. Darüber hinaus lässt sich im Rahmen des §  611 ZPO ein weiteres Phänomen beob­ achten, das sich – wie die Einigungshilfe – noch häufiger wird beobachten lassen. Bei der Sicherung der Drittinteressen, womit im Fall der Musterfeststellungsklage die 1505 Vgl.

Magnus, NJW 2019, 3177, 3178. Kähler, ZIP 2020, 293; vgl. Beckmann/Waßmuth, WM 2019, 89, 90; HK-MFKG/Röthemeyer, §  611 ZPO, Rn.  2. 1507  Gsell/Meller-Hannich/Stadler, NJW-aktuell 05/2016, 14, 15. 1508  BT-Drs. 19/2439, S.  17. 1509  Beckmann/Waßmuth, WM 2019, 89, 90. 1510  Bzw. Beigeladenen. 1506 

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der angemeldeten Verbraucher gemeint sind,1511 muss der Richter den Vergleich ge­ nehmigen, §  611 Abs.  3 Satz 1 ZPO. Nach §  611 Abs.  3 Satz 2 ZPO genehmigt das Gericht den Vergleich, „wenn es ihn unter Berücksichtigung des bisherigen Sachund Streitstandes als angemessene gütliche Beilegung des Streits oder der Ungewiss­ heit über die angemeldeten Ansprüche oder Rechtsverhältnisse erachtet.“ (3) Angemessenheit Die Regelung wurde derjenigen des §  18 KapMuG nachempfunden.1512 Diese expli­ zite gesetzliche Anordnung verdeutlicht, dass vom Gericht hier eine intensivere Prü­ fung, die insbesondere die Angemessenheit des Vertragsinhalts zum Gegenstand hat, verlangt wird, als dies bei einem Prozessvergleich, der nach §  278 Abs.  6 Satz 1 Alt.  1 ZPO von den Parteien vorgeschlagen wurde, der Fall ist.1513 Die Formulierung, der zufolge das Gericht den Sach- und Streitstand zu berück­ sichtigen hat, stammt aus §  91a ZPO.1514 Dort entscheidet das Gericht über die Kos­ tenverteilung nach einer beidseitigen Erledigungserklärung. Nach §  91a Abs.  4 ZPO entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen, was sogar eine Beweiserhebung zuließe. Weil es daran bei §  611 Abs.  3 ZPO fehlt, rückt die Rechtslage in den Mittel­ punkt, wie sie sich dem Gericht zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Genehmi­ gung des Vergleichs darstellt.1515 Welche Leitlinien lassen sich für die Prüfung der Angemessenheit darüber hinaus formulieren? Bei der Beantwortung dieser Frage ist zu berücksichtigen, dass es die Interessen der Verbraucher sind, die das Gericht bei seiner Entscheidung zu schützen hat. Denn die übrigen Beteiligten brauchen keinen Sicherungsmechanismus, der an die Stelle ihrer privatautonomen Entscheidung tritt. Insbesondere wird der beklagte Unter­ nehmer einen Vergleich nur schließen, wenn er ihm selbst als angemessene Lösung erscheint oder andernfalls auf eine gütliche Streitbeilegung verzichten.1516 Einen wichtigen Ansatzpunkt stellt die Gegenüberstellung von Vergleichsinhalt und hypothetischer Entscheidung dar. Wenn der Vergleich in einem frühen Verfah­ rensstadium geschlossen wird, gestaltet sich dies allerdings schwierig, denn: Es bleibt Spekulation, wie Sachverständigengutachten ausfielen, die man nicht einholt, oder was Zeugen aussagten, die man nicht anhört.1517 Trotzdem werden die Chancen und Risiken, die bei einer hypothetischen Fortführung des Verfahrens bestehen, eine ge­ wisse Orientierung geben.1518 Dies gilt auch für die ergänzenden Ausführungen,

1511  BeckOK ZPO/Augenhofer, §  611 Rn.  8; HK-MFKG/Röthemeyer, §  611 ZPO, Rn.  34; Stadler, in: Musielak/Voit, ZPO §  611 Rn.  9; Beckmann/Waßmuth, WM 2019, 89, 90. 1512  Stadler, in: Musielak/Voit, ZPO §  611 Rn.  9. 1513  So auch Beckmann/Waßmuth, WM 2019, 89, 90. 1514 HK-MFKG/Röthemeyer, §  611 ZPO, Rn.  26. 1515 HK-MFKG/Röthemeyer, §  611 ZPO, Rn.  26; a. A. Magnus, NJW 2019, 3177, 3179. 1516  So auch Beckmann/Waßmuth, WM 2019, 89, 91. 1517  So formuliert Kähler, ZIP 2020, 293, 295. 1518  Kähler, ZIP 2020, 293, 295.

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welche die Parteien ergänzend zum bloßen Vergleichstext gegenüber dem Gericht machen können und wohl auch sollten.1519 Für diese Untersuchung sind im Zusammenhang mit der Angemessenheitsprü­ fung nach §  611 Abs.  3 ZPO zwei Punkte hervorzuheben. Dazu gehört zunächst die Forderung, nicht nur die materielle, sondern auch die formelle Angemessenheit einzubeziehen.1520 Gemeint ist damit, auch das Verfahren in den Blick zu nehmen, in dem die alternative Lösung gefunden wird. Dementspre­ chend könne auch die Art der Verhandlungsführung ein Grund für die Beanstan­ dung der formellen Angemessenheit sein. Das sei z. B dann der Fall, wenn die Ver­ gleichsverhandlungen durch große Ungleichheit geprägt waren. Es wäre etwa prob­ lematisch, wenn der klagende Verbraucherverband in den Vergleichsverhandlungen nicht durch Rechtsanwälte repräsentiert war und deswegen die dort getroffenen Ver­ einbarungen aus Laiensicht beurteilen musste.1521 Diese Bedeutung, die dem moderierenden Richter in Bezug auf den Verhand­ lungsprozess und später auch im Hinblick auf den Vertrag zukommt, wird sich als ein zentrales Phänomen des moderierten Vertrages beschreiben lassen. Das gilt besonders wegen der hier so bezeichneten „Vorwirkung“, die bereits zu §  18 KapMuG durch den Gesetzgeber formuliert und auch im Rahmen der Angemes­ senheitsprüfung des §  611 Abs.  3 ZPO beschrieben wurde. Mit dieser „Vorwirkung“ ist die evtl. sogar bedeutendste Wirkung der Angemessenheitsprüfung gemeint. Die­ se liegt in der Überlegung, dass das Bewusstsein des Richters, den Vergleich am Ende genehmigen zu müssen, Einfluss hat auf die Rolle und das Selbstverständnis des Richters bei den Vergleichsverhandlungen. Der Richter antizipiere seine Genehmi­ gungsverantwortung, d. h. er unterstütze von vornherein nur solche Vergleiche, die er genehmigen würde.1522 bb) §  156 Abs.  2 FamFG: der gebilligte Vergleich Nicht nur die Genehmigung eines Vergleichs durch das Gericht ist möglich, sondern auch die Billigung als Vergleich. Diese Möglichkeit sieht §  156 Abs.  2 FamFG für eine einvernehmlich gefundene Regelung über den Umgang oder die Herausgabe des Kindes vor. Haben die Beteiligten eine solche Regelung gefunden, können sie diese als Vergleich aufnehmen lassen, wenn das Gericht die Regelung billigt. Zwei schon zuvor angesprochene und für diese Untersuchung interessante Punkte finden sich an dieser Stelle wieder. Zunächst lässt der Gesetzeswortlaut lediglich die Möglichkeit zu, die einvernehmliche Regelung als Vergleich anerkennen zu lassen. Dies liegt daran, dass weder Umgangsrecht noch Kindesherausgabe disponibel sind und deshalb über diese Verfahrensgegenstände ein Vergleich nach §  36 Abs.  1 Satz 1 FamFG nicht geschlossen werden kann.1523 Die Notwendigkeit der bestehenden 1519 

BeckOK ZPO/Augenhofer, ZPO, §  611 Rn.  8b; Beckmann/Waßmuth, WM 2019, 89, 91. Kähler, ZIP 2020, 293, 297. 1521  Kähler, ZIP 2020, 293, 297. 1522 HK-MFKG/Röthemeyer, §  611 ZPO, Rn.  24. 1523  Döll, in: Johannsen/Henrich/Althammer, Familienrecht, §   156 FamFG Rn.  9; BeckOKFamFG/Schlünder, §  156 Rn.  8. 1520 

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Verfügungsbefugnis besteht gemäß §  36 Abs.  1 FamFG ebenso wie in den Verfahren der Sozial- und Verwaltungsgerichtsbarkeit nach §§  101 Abs.  1 SGG bzw. 106 Satz 1 VwGO. Darüber hinaus folgt das Gesetz auch an dieser Stelle dem Postulat, dass, sofern Drittinteressen betroffen sind, eine richterliche Kontrolle vorzusehen ist.1524 Nach §  156 Abs.  2 Satz 2 FamFG billigt das Gericht die Umgangsregelung, wenn sie dem Kindeswohl nicht widerspricht, d. h., es nimmt eine sogenannte negative Kindes­ wohlprüfung vor.1525 Die Vereinbarkeit mit dem Kindeswohl hat damit zentrale Be­ deutung für die Übereinkunft. Das gilt aber auch umgekehrt: Dieser Vergleich stellt den seitens des Gesetzgebers im Sinne einer anzustrebenden einvernehmlichen Kon­ fliktlösung favorisierten Abschluss des gerichtlichen Verfahrens dar.1526 Dies ver­ deutlicht der Inhalt der Regelung des §  156 Abs.  1 FamFG, der vom Gericht im Falle von Kindschaftssachen1527 verlangt, in jeder Lage des Verfahrens auf ein Einverneh­ men der Beteiligten hinzuwirken, wenn dies dem Kindeswohl nicht widerspricht. Es soll zudem auf die Möglichkeiten der Inanspruchnahme einer Beratung durch die Kinder- und Jugendhilfe hinweisen, die – ebenfalls als Moderator im Sinne dieser Untersuchung1528 – bei der Erarbeitung eines einvernehmlichen Konzepts behilflich ist. Der gesetzgeberische Wunsch nach einer einvernehmlichen Lösung zugunsten des Kindes hat sogar dazu geführt, dass das Gericht anordnen kann, dass die Eltern an einer solchen Beratung oder an einem Informationsgespräch über die Möglichkei­ ten der alternativen Konfliktforschung1529 teilnehmen. Für die Vermittlungsleistung des Richters entfalten die Drittinteressen auch hier die schon oben zur Musterfeststellungsklage und zum KapMuG angesprochene re­ flexive (Vor-)Wirkung. Der Richter muss bei seiner Tätigkeit auf eine Regelung hin­ wirken, die als Vergleich anzuerkennen wäre, d. h. dem Kindeswohl nicht zuwider­ läuft. cc) §  214a FamFG: der bestätigte Vergleich Nur teilweise in einer Reihe mit der Vorschrift des §  156 Abs.  2 FamFG steht die Vorschrift des §  214a FamFG, die durch das sogenannte Stalking-Gesetz1530 einge­ führt wurde.1531 Sie lautet: „Schließen die Beteiligten einen Vergleich, hat das Gericht diesen zu bestätigen, soweit es selbst eine entsprechende Maßnahme nach §  1 Absatz 1 des Gewaltschutzgesetzes, auch in 1524 

Formuliert von Hager, Konflikt und Konsens, S.  122. §  156 Rn.  4. 1526  Heilmann, NJW 2012, 887, 889. 1527  Die die elterliche Sorge bei Trennung und Scheidung, den Aufenthalt des Kindes, das Um­ gangsrecht oder die Herausgabe des Kindes betreffen. 1528  Dazu siehe unten unter D.I.3. 1529  Einschließlich der in §  156 Abs.  1 Satz 3 explizit genannten Mediation. 1530  Eigentlich Gesetz zur Verbesserung des Schutzes gegen Nachstellungen v. 01.03.2017, BGBl. I 2017, S.  386. 1531  Cirullies/Cirullies, FamRZ 2017, 493; kritisch zur Regelung: Cirullies, in: Bork/Jacoby/ Schwab, FamFG, §  214a Rn.  13. 1525 HK-Familienverfahrensrecht/Völker/Clausius,

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Verbindung mit §  1 Absatz 2 Satz 1 des Gewaltschutzgesetzes, hätte anordnen können. Die Bestätigung des Gerichts ist nicht anfechtbar.“

Schon der Ausgangspunkt ist hervorhebenswert: Die Beteiligten schließen den Ver­ gleich, obwohl dieser in Gewaltschutzsachen eigentlich unerwünscht ist, wie sich an der Regelung des §  36 Abs.  1 Satz 2 FamFG verdeutlichen lässt. Der Richter soll nämlich stets auf eine gütliche Einigung hinwirken – außer in Gewaltschutzsachen. Die theoretische Vorstellung des Gesetzgebers wurde von der Wirklichkeit einge­ holt. Auch bei Gewaltschutzsachen steht in 30 % der Fälle am Ende nicht eine Sachentscheidung, sondern ein Vergleich.1532 Denn der Abschluss eines solchen Ver­ gleichs, dies sieht auch der Gesetzgeber inzwischen so,1533 kann auch bei den proble­ matischen Gewaltschutzsachen sinnvoll sein. Durch den von ihm mitgetragenen Vergleich könne der Täter besser dazu angehalten werden, die darin gegebenen Zu­ sagen auch einzuhalten.1534 Tat er dies nicht, so bestand bisher eine Strafbarkeits-1535 bzw. Schutzlücke.1536 Denn bis dato war nur der Verstoß gegen eine gerichtliche Gewaltschutzanordnung strafbewehrt.1537 Der Verstoß gegen eine durch Vergleich geregelte Unterlassungs­ verpflichtung war es nicht. Diese Lücke schließt §  241a FamFG zusammen mit einer Erweiterung des Straftatbestands der Regelung des §  4 GewSchG. Nach §  4 Satz 1 Nr.  2 GewSchG wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wer einer Verpflichtung aus einem Vergleich zuwiderhandelt, soweit der Vergleich nach §  214a S.  1 FamFG gerichtlich bestätigt worden ist.1538 Diese strafrechtliche Komponente ist – anders als bei §  156 Abs.  2 FamFG – auch der einzige Hintergrund des familiengerichtlichen Engagements. Denn Vergleiche sind nach §  36 FamFG grundsätzlich mit ihrem Abschluss wirksam. Voraussetzung ist allerdings, dass die Parteien über den Gegenstand des Verfahrens verfügen kön­ nen. Diese Dispositionsbefugnis besteht in Gewaltschutzsachen,1539 in den Fällen des Kindesumgangs besteht sie – siehe oben – demgegenüber nicht. Dieser Umstand hat Konsequenzen für die Wirkung des gerichtlichen Bestäti­ gungsbeschlusses nach §  241a FamFG. Anders als im Rahmen des §  156 Abs.  2 Fam­ FG ist die Bestätigung nicht notwendig für die Wirksamkeit des Vergleichs.1540 Sie ist lediglich notwendig für dessen Strafbewehrung. Denn es wäre verfassungsrechtlich

1532  Krumm, FamRB 2017, 153; nach Cirullies/Cirullies, FamRZ 2017, 493, 497 ist der Abschluss eines Vergleichs in der Praxis gang und gäbe. 1533  BT-Drs. 18/9946, S.  13 ff. 1534  Haußleitner, FamFG §  241a Rn.  1; Cirullies/Cirullies, FamRZ 2017, 493, 497; Brilla/Weiß, jM 2018, 10, 11. 1535  Cirullies, in: Bork/Jacoby/Schwab, FamFG, §  214a Rn.  1. 1536  Lorenz, in: Zöller, ZPO, §  214a FamFG Rn.  1. 1537  Schneider, MDR 2017, 1213, 1216. 1538  Schneider, MDR 2017, 1213, 1216. 1539  Cirullies, in: Bork/Jacoby/Schwab, FamFG, §  214a Rn.  4. 1540  Neumann, in: Prütting/Helms, FamFG, §  214a Rn.  6 .

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bedenklich, wenn die Parteien selbst entscheiden könnten, welches Verhalten mit Strafe1541 bedroht sein soll.1542 Dieser strafrechtliche Hintergrund prägt auch den Maßstab, den das Familienge­ richt im Rahmen der Prüfung, ob es einen Vergleich bestätigt, beachten muss. Das Gesetz selbst spricht davon, dass der Vergleich dann zu bestätigen sei, wenn das Ge­ richt die darin enthaltene Maßnahme selbst hätte anordnen können. Das Gericht muss für eine Bestätigung vier Fragen bejahen: Hat die verletzte Person – erstens – einen Antrag gestellt? Liegt – zweitens – eine Tathandlung im Sinne des §  1 Abs.  1 Satz 1 oder Abs.  2 Satz 1 GewSchG vor? Ist die vom Täter übernommene Verpflich­ tung – drittens – bestimmt im Sinne von §  4 GewSchG? Ist sie – viertens – verhältnis­ mäßig, d. h. etwa zeitlich befristet?1543 In der Gesamtschau der Vorschriften der §§  36 Abs.  1 Satz 2 FamFG einerseits und 214a FamFG andererseits zeigt sich – zum wiederholten Male – die stetig steigende Bedeutung des moderierten Vertrags. Im Falle des §  214a FamFG war es die tatsäch­ liche Entwicklung, die – wie so häufig – eine Gesetzesänderung notwendig gemacht hat. Auch infolge der Neupositionierung des Gesetzgebers gegenüber dem Vergleich als Lösungsinstrument in Gewaltschutzsachen war es notwendig geworden, den Vergleich von seinem Makel der fehlenden Strafbewehrung zu befreien und – mithil­ fe des §  214a FamFG – dafür zu sorgen, dass er als alternativer Verfahrensabschluss ernsthaft in Betracht kommt.1544 Für den Familienrichter entstehen infolge der Vorschrift des §  214a FamFG bereits zum Teil bekannte „Vorwirkungen“. Denn er benötigt wohl besonderes Verhand­ lungsgeschick, wenn er einen Vergleich vermittelt, den er eigentlich gar nicht vermit­ teln soll, und innerhalb der Verhandlungen einerseits die Einschätzung zu einer möglichen Bestätigung geben soll, ohne sich andererseits einem Befangenheitsantrag auszusetzen.1545 Denn die Neutralitätsanforderungen stellen auch in dieser Konstel­ lation die Grenze der möglichen Moderationsleistungen dar. dd) §  19 LwVfG: der genehmigte bzw. nicht beanstandete Vergleich Eine weitere gesetzlich besonders angeordnete Sicherung von Drittinteressen ver­ dient es, an dieser Stelle erwähnt zu werden. Neben dem im KapMuG und in §  611 ZPO verankerten Genehmigungsvorbehalt existiert eine weitere Form der Geneh­ migung eines gerichtlichen Vergleichs zur Sicherung von Drittinteressen, die jedoch in ihrer Funktionsweise von den bisher geschilderten Mechanismen abweicht. Das Gesetz über das gerichtliche Verfahren in Landwirtschaftssachen (LwVfG) beinhaltet in seinem §  19 dabei keinen Genehmigungsvorbehalt, sondern eine Ge­

1541  Die Strafandrohung des §  4 GewSchG beträgt Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geld­ strafe. 1542  Cirullies, in: Bork/Jacoby/Schwab, FamFG, §  214a Rn.  4; Brilla/Weiß, jM 2018, 10, 11. 1543  Cirullies, in: Bork/Jacoby/Schwab, FamFG, §   214a Rn.  7; Neumann, in: Prütting/Helms, FamFG, §  214a Rn.  4; Musielak/Borth/Borth/Grandel, FamFG §  214a Rn.  2. 1544  So auch Cirullies/Cirullies, FamRZ 2017, 493, 497. 1545  Brilla/Weiß, jM 2018, 10, 11, 14.

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nehmigungsmöglichkeit des Gerichts, das anstelle der sonst zuständigen Behörde über die Sicherung der Drittinteressen entscheiden kann. Die Vorschrift des §  19 LwVfG lautet: „Enthält ein gerichtlicher Vergleich Bestimmungen über die Veräußerung, Belastung oder Verpachtung von Grundstücken, so kann das Gericht auf Antrag anstelle der sonst zuständi­ gen Behörde darüber entscheiden, ob diese Bestimmungen nach den Vorschriften über den Verkehr mit land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücken genehmigt oder nach den Vor­ schriften des Landpachtverkehrsgesetzes beanstandet werden.“

Die Vorschrift erlaubt dem Gericht somit, je nach Inhalt des Vergleichs Entscheidun­ gen zu treffen, die ursprünglich der jeweils zuständigen Behörde überlassen sind. Sie nimmt sowohl Bezug auf das Genehmigungserfordernis nach §  2 Abs.  1 in Verbin­ dung mit §  1 des Gesetzes über Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur und zur Sicherung land- und forstwirtschaftlicher Betriebe (Grundstückverkehrsge­ setz – GrdstVG) als auch auf die Beanstandungsmöglichkeit nach §  4 des Landpacht­ verkehrsgesetzes (LPachtVG). (1) Genehmigungserfordernis §  19 LwVfG kommt zunächst Bedeutung in Fällen zu, in denen die Beteiligten einen bestehenden Streit durch einen gerichtlichen Vergleich beilegen wollen und dabei im Rahmen des Vergleichs Grundstücksgeschäfte abgeschlossen werden sollen, die ei­ ner behördlichen Genehmigung nach dem GrdStVG bedürfen.1546 Das ist z. B. dann der Fall, wenn eine Abfindung nach §  12 HöfeO verlangt wird und die Beteiligten sich dahingehend vergleichen, statt des Geldbetrages ein Grundstück zu übereig­ nen.1547 Diese Übereignung eines landwirtschaftlichen Grundstückes bedarf nach §  2 Abs.  1 in Verbindung mit §  1 GrdstVG der Genehmigung durch die zuständige Behörde. Die Genehmigungspflicht des GrdstVG bezweckt, wie schon der Name des Ge­ setzes sagt, die Verbesserung der Agrarstruktur, indem versucht wird, lebensfähige landwirtschaftliche Betriebe geschlossen zu erhalten sowie die durch die Flurberei­ nigung verbesserte Besitzordnung zu sichern und schließlich ausbaufähige landwirt­ schaftliche Klein- und Grenzbetriebe zu vergrößern.1548 Das Gesetz lenkt den Grundstücksverkehr jedoch nicht aktiv, sondern kann nur den Abschluss von Kauf­ verträgen verhindern, die eine Verschlechterung des Status quo zur Folge hätten.1549

1546  Ernst, Gesetz über das gerichtliche Verfahren in Landwirtschaftssachen (LwVfG), §   19 Rn.  16. 1547  Ernst, Gesetz über das gerichtliche Verfahren in Landwirtschaftssachen (LwVfG), §   19 Rn.  16. 1548  Haegele, Die Beschränkungen im Grundstücksverkehr, S.   53 Rn.  51; Ehrenforth, Reichs­ siedlungsgesetz und Grundstückverkehrsgesetz, Kommentar, Teil B, Einführung, S.  78; Pelka, Das Grundstückverkehrsgesetz, S.  5. 1549  Ehrenforth, Reichssiedlungsgesetz und Grundstückverkehrsgesetz, Kommentar, Teil B, Einführung, S.  78; Haegele, Die Beschränkungen im Grundstücksverkehr, S.  53 Rn.  51.

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(2) Beanstandungsmöglichkeit Wenn das Grundstück im Rahmen des gerichtlichen Vergleichs nicht veräußert, son­ dern hierüber ein Landpachtvertrag1550 im Sinne des §  585 BGB geschlossen wird, dann besteht zwar kein Genehmigungserfordernis, aber gemäß §  4 in Verbindung mit §  1 LPachtVG die Möglichkeit, den Landpachtvertrag unter den in §  4 LPachtVG genannten Gründen im Wege eines Beanstandungsbescheids gemäß §  7 LPachtVG zu beanstanden. Dies kann letztlich1551 gemäß §  7 Abs.  2 Satz 2 LPachtVG dazu füh­ ren, dass der Landpachtvertrag als aufgehoben gilt. Die Beanstandungsgründe des §  4 LPachtVG haben das gemeinsame Ziel, uner­ wünschte agrarpolitische Entwicklungen, insb. unerwünschte Verdrängungser­ scheinungen und Preisentwicklungen zu verhindern und die Agrarstruktur zu ver­ bessern.1552 (3) Richterliche Funktion Die durch die jeweilige Behörde zu schützenden Drittinteressen lassen sich – anders als in den beiden zuvor geschilderten Beispielen – nicht einer konkreten Person bzw. Personengruppe zuordnen, sondern haben ihren Bezugspunkt im Interesse der All­ gemeinheit an einer funktionierenden Agrarwirtschaft. Auch die gerichtliche Sicherung dieses Drittinteresses weicht in seiner Funktions­ weise von den zuvor beschriebenen Beispielen ab. Denn das landwirtschaftliche Grundstücksrecht weist die Entscheidung über die Genehmigung bzw. Beanstan­ dung grundsätzlich den Behörden zu. Das Gericht kann – nicht muss – nur anstelle der Behörden entscheiden. Der Grund hierfür liegt nach der amtlichen Begründung1553 darin, dass der Ab­ schluss von Vergleichen vor den Landwirtschaftsgerichten dadurch gefördert werden sollte, dass die Gerichte den Beteiligten schon während der Vergleichsverhandlungen in Aussicht stellen können, eine im Vergleich enthaltene Vereinbarung, die etwa der Genehmigung nach dem GrdstVG1554 bedürfe, werde nach Maßgabe der Bestim­ mungen des GrdstVG genehmigt werden.1555 Diese Förderung der gütlichen Eini­ gung sollte aber nicht mit dem Schutz der Interessen der Allgemeinheit einhergehen, weshalb das Gericht auf Antrag die behördliche Prüfung wahrnimmt. Unabhängig davon, ob die Parteien dies wünschen oder nicht, wird auch diese gerichtliche Aufgabe Auswirkungen auf die Tätigkeit des Gerichts bei der Vermitt­ lung eines Vergleichs haben. Es wird im Sinne der Förderung einer gütlichen Eini­ gung darauf bedacht sein müssen, einen Vergleich zu vermitteln, der genehmigungs­ 1550 

Zu Wesen und Inhalt des Landpachtvertrages vgl. nur BeckOGK/Wiese, BGB §  585 Rn.  21 ff. genauen Ablauf des Beanstandungsverfahrens vgl. Nomos-BR/Klein-Blenkers, §  7 LPachtVG Rn.  2 ff. 1552 Nomos-BR/Klein-Blenkers, §  4 LPachtVG Rn.  2 , mit Verweis auf BT-Drs. 10/508, S.  6 . 1553  BT-Drs. 1/3819, S.  27. 1554  Oder einer Anzeige nach dem LandPachtVG, vgl. Ernst, Gesetz über das gerichtliche Ver­ fahren in Landwirtschaftssachen (LwVfG), §  19 Rn.  2. 1555  Ernst, Gesetz über das gerichtliche Verfahren in Landwirtschaftssachen (LwVG), §  19 Rn.  2. 1551 Zum

III. Prozessrichter

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fähig ist bzw. nicht beanstandet wird. Die Kompetenz, dies zu beurteilen, muss das Gericht wegen der Möglichkeit, hierüber zu entscheiden, ohnehin besitzen.

7. Interesse Wie schon im Hinblick auf den Mediator und den Güterichter, wird auch an dieser Stelle zum Schluss der Betrachtung des (Prozess-)Richters als Moderator im Sinne dieser Untersuchung ein Blick auf dessen Interesse in Bezug auf den hier so bezeich­ neten moderierten Vertrag geworfen. Dabei kann es nicht um das konkrete Interesse eines einzelnen Richters in jeder sich denkbaren Situation gehen. Vielmehr wird an dieser Stelle, wie auch schon zuvor, ein systemisches und rechtlich unterfüttertes Interesse untersucht. Zwei Gesichtspunkte sind dabei auch für die hinter dem Vermittlungsbemühen des Richters stehenden Beweggründe zentral. Der Richter hat zunächst kein Interesse an einem bestimmten Inhalt des durch ihn vermittelten Prozessvergleichs. Auch die ihn zum Teil treffenden Prüfpflichten ge­ ben keinen bestimmten Inhalt vor, sondern setzen nur Leitplanken, innerhalb derer sich die Einigung der Parteien befinden muss. Dieser Spielraum wird verengt, wenn der Richter Drittinteressen zu berücksichtigen hat oder eine beteiligte Behörde ihre Verfügungsbefugnis beachten muss.1556 Er ist jedoch – wenn der Vergleich etwa „nur“ nicht gegen die §§  134, 138, 242 BGB verstoßen darf – regelmäßig sehr weit. In jedem Fall verbleibt den Parteien ein weiter Bereich, innerhalb dessen sich ihre Eini­ gung bewegen kann. Wo genau sich die Parteien – etwa hinsichtlich der Festlegung eines Preises – einigen, ist nicht vom Interesse des Richters erfasst. Damit kann auch für den Richter festgestellt werden, dass seine vermittelnde Tätigkeit nicht auf den Abschluss eines konkreten Vertragsinhalts gerichtet ist. Trotzdem lässt sich auch für den Richter nicht festhalten, dass er am Vertrags­ schluss durch die von ihm beratenen Parteien gar kein Interesse habe. Dieses besteht zwar nicht hinsichtlich eines konkreten Vertragsinhalts, jedoch im Hinblick darauf, dass die Parteien einen moderierten Vertrag im Sinne dieser Untersuchung schließen. Anders als die bisher betrachteten Moderatoren, d. h. Mediator und Güterichter, ist die erfolgreiche Vermittlung eines Prozessvergleichs für den Richter nicht die ein­ zige Möglichkeit, dem zwischen den Parteien bestehenden Konflikt zu begegnen. Er hat gerade auch die Möglichkeit, ein Urteil zu fällen. Deswegen verdient an dieser Stelle der Umstand nähere Betrachtung, warum ein Richter trotz der Möglichkeit eines Urteilsspruchs ein Interesse an einer gütlichen Beilegung des Verfahrens hat, mit dem er betraut ist. Als ein wesentlicher Punkt, warum allein aus Richtersicht die Vermittlung eines Vergleichs der Abfassung eines Urteils vorzuziehen sei, wird häufig die damit ver­ bundene geringere Arbeitsbelastung genannt.1557 Vor dem Hintergrund der hohen 1556 Vgl. Steiner, in: Eidenmüller/Wagner, Handbuch Mediation, Kap.  8 Rn.  27: Den Parteien im Verwaltungsgerichtsverfahren sind jedoch engere Grenzen gezogen als im Zivilverfahren. Sie erge­ ben sich aus dem Vorbehalt des Gesetzes: Eine Behörde darf sich nicht rechtswidrig verhalten. 1557  Schramm, Richterliche Pflichten und Haftung beim Prozessvergleich der ZPO, S.  28; Salje,

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B. Der moderierte Vertrag des zivilrechtlichen Konflikts

Anzahl an Fällen, mit denen ein Richter regelmäßig betraut sei, bestehe ein Interesse daran, möglichst viele Fälle zeitsparend durch Vergleich zu erledigen. Dies habe in der Richterschaft dazu geführt, dass besonders vergleichsfreudige Kollegen spöt­ tisch als „Vergleichsrichter“ bzw. „Drückeberger“ bezeichnet1558 werden bzw. von einer kapazitätsgesteuerten Gerechtigkeit1559 gesprochen wird. Dieser schon früh geäußerten Meinung1560 ist vonseiten der Richterschaft mit dem Hinweis entgegen­ getreten worden, dass der Richter zum Teil auf die Vorbereitung der Güteverhand­ lung wesentlich mehr Zeit aufwenden müsse als auf das Diktat einer streitigen Ent­ scheidung.1561 Zudem seien die wesentlichen Ziele, die Richter mit Vergleichsvor­ schlägen verfolgten, die Befriedigung der Parteien, ihre Entlastung von psychischem Druck und die Einsparung von Kosten.1562 Schon die heute geltende Rechtslage nimmt den Richtern die Notwendigkeit, sich für eine Vergleichsbemühung zu rechtfertigen, bzw. entzieht der geäußerten Kritik die Grundlage. In §  278 Abs.  1 ZPO ist mittlerweile explizit festgehalten, dass das Gericht in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Beilegung des Rechtsstreits oder einzelner Streitpunkte bedacht sein soll; eine Regelung, die ganz im Sinne der eingangs zitier­ ten Rechtsprechung des BVerfG steht.1563 Zusätzlich erwähnen Gesetzgeber1564 und Literatur1565 als positives Ergebnis der Güteverhandlung nur den Abschluss eines Prozessvergleichs.1566 Damit besteht auch für das Interesse des Richters am Abschluss eines Vergleichs eine rechtliche Grundlage. Mehr noch: Auch im Hinblick auf seine Tätigkeit kann von einer erfolgreichen Ausübung dann ausgegangen werden, wenn unter seiner Mithilfe ein Gerichtsverfahren im Wege des Prozessvergleichs beendet wird.1567 Eine Feststellung, die ebenfalls schon hinsichtlich des Güterichters und Mediators getrof­ fen wurde. Von der Frage nach dem bestehenden Interesse zu trennen ist die Frage, welche (rechtlichen) Konsequenzen daraus im Hinblick auf eine (unzulässige) Druckaus­ übung seitens des Richters zu ziehen sind. Diese Frage wird zwar naheliegenderwei­ se häufig in Zusammenhang mit dem Interesse des Richters am Vertragsschluss an­

DRiZ 1994, 285, 287; Struck, JuS 1975, 763, 764; Strecker, DRiZ 1983, 97; Gottwald, ZZP 95 (1984), 245, 257; Egli, Vergleichsdruck im Zivilprozess, S.  43; in diese Richtung auch Riemer, ArbR Aktuell 2019, 61, 64. 1558  So schildert dies Stürner, DRiZ 1976, 202. 1559 Vgl. Salje, DRiZ 1994, 285 ff. 1560  Findet sich auch bei Strecker, DRiZ 1983, 97. 1561  Schneider, JuS 1976, 145. 1562  Lempp, DRiZ 1994, 422, 423. 1563  BVerfG v. 14.02.2007 – 1 BvR 1351/01, NJW-RR, 2007, 1073 ff. 1564  BT-Drs. 14/4722, S.  83, S.  147 f. 1565 Thomas/Putzo-Reichold, §  278 Rn.  10 ff. 1566  Windel, in: FS Gerhardt, S.  1093, 1105. 1567  Egli, Vergleichsdruck im Zivilprozess, S.  4 4 sieht insofern auch ein sich wandelndes Berufs­ verständnis.

III. Prozessrichter

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gesprochen,1568 an dieser Stelle soll jedoch lediglich festgehalten werden, dass der Richter ein Interesse am Vertragsschluss hat und – innerhalb noch zu beschreibender Grenzen – auch haben darf.

8. Der Richter als Moderator Zusammenfassend lässt sich nach der Betrachtung des Richters als Moderator fest­ halten, dass auch die Tätigkeit des Prozessrichters – insbesondere in der von ihm geleiteten Güteverhandlung – eine Moderation im Sinne dieser Untersuchung dar­ stellen kann. Der richterlichen Moderationstätigkeit wurde ein großer Raum ge­ währt. Das ist angemessen, weil erstens die meisten moderierten Verträge wohl in­ folge der richterlichen Moderation geschlossen werden und zweitens gerade die Tä­ tigkeit des Richters im Rahmen der Analyse der rechtlichen Vorgaben zur alternativen Streitschlichtung ausgeblendet wird. Zur erfolgreichen Vermittlung kann sich der Richter verschiedener Techniken – bis hin zu mediativen Ansätzen – bedienen, ohne dass eine vollständige Überein­ stimmung mit dem Mediationsverfahren erreicht werden wird. Die richterliche Tätigkeit besteht nach den Vorstellungen der heutigen ZPO nicht mehr in der bloßen Urteilstätigkeit. Im Hinblick auf den Inhalt seiner Bemühungen, den Prozess nicht durch Urteil, sondern durch einen Prozessvergleich zu beenden, finden sich – wenn überhaupt – pauschale Aussagen und Leerformeln. Auch die aus den Vorgaben der ZPO in den §§  139 bzw. 278 Abs.  1 ZPO gewonnenen Grenzbe­ schreibungen in Form der Wahrung des Kräftegleichgewichts bei gleichzeitiger Be­ achtung der Unparteilichkeit, die ihrerseits eine grundsätzliche Gleichbehandlung der Parteien verlangt, liefern keine hinreichende Aufklärung. Vom Richter scheint insofern eine Quadratur des Kreises verlangt zu werden. Einigkeit herrscht wenigs­ tens insofern, als dass die vom Richter zu wahrende Unparteilichkeit bzw. Neutrali­ tät eine Grenze seines Engagements innerhalb der materiellen Prozessleitung dar­ stellt. Die richterlichen Neutralitätsvorgaben zielen dabei konstant auf denselben Inhalt, losgelöst davon, ob der Richter vermittelnd oder entscheidend tätig wird. Lenkt man den Blick auf das Ergebnis der richterlichen Bemühungen, so lässt sich festhalten, dass der moderierte Vertrag im Sinne dieser Untersuchung regelmäßig in der Gestalt des Prozessvergleichs daherkommen wird. Die Einnahme dieses Blick­ winkels brachte auch für die Position des Moderators einige Erkenntnisse mit sich, ohne jedoch die bezeichnete Schwierigkeit bei der näheren Beschreibung seiner Tä­ tigkeit auflösen zu können. Die nähere Betrachtung des §  127a BGB hat den Blick auf die Übertragung der Notarpflichten auf den Richter gelenkt und einen ersten Ansatz zur Präzision der richterlichen Verhaltenspflichten geliefert. Er lässt sich einerseits für eine Übertra­ gung der ursprünglich für den Notar geltenden Pflichten des §  17 BeurkG plädieren, 1568  Etwa von Salje, DRiZ 1994, 285, 288; in diese Richtung auch BLAH, ZPO, §  278 Rn.  7; Gottwald, ZZP 95 (1984), 245, 257.

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B. Der moderierte Vertrag des zivilrechtlichen Konflikts

andererseits aber auch festhalten, dass diese – wie die aus dem MedG stammenden Beratungs- und Hinweispflichten – stets unabhängig von ihrer Herkunft auf den Schutz der Privatautonomie durch Information der Parteien abzielen. Dieser Gedan­ ke hat letztlich auch dazu geführt, die Vorschrift des §  127a BGB nicht auf Vergleiche anzuwenden, die im Wege des §  276 Abs.  6 ZPO zustande gekommen sind. Die Untersuchung einer ganzen Reihe materiell-rechtlicher Regelungen hat erge­ ben, dass sich die „Gerichtlichkeit“ eines Vergleichs, sofern diese als Tatbestands­ merkmal gefordert ist, nur aus der Mitwirkung des Gerichts vor Vertragsschluss herleiten lässt. Sie liegt nicht schon dann vor, wenn ein Gerichtsverfahren anhängig ist. Wie diese Mitwirkung dann aber genau auszusehen hat, ergibt sich aus den Vor­ schriften nicht. Beispielhaft sei erinnert an §  14 Abs.  1 Satz 2 Nr.  8 TzBfG. Dort wird seitens der Rechtsprechung für den „gerichtlichen Vergleich“ im Sinne des Tatbe­ stands verlangt, dass das Gericht „verantworlich mitwirkt“. Gerade diese besondere Mitwirkung spricht jedoch dafür, die Möglichkeit des Abschlusses eines Vergleichs in den Fachgerichtsbarkeiten auf die in den dortigen Prozessordnungen geregelte Möglichkeit, einen Vergleich nur nach gerichtlichem Vorschlag zu schließen, zu beschränken und die Vorschrift des §  278 Abs.  6 ZPO nicht ergänzend heranzuziehen. Im Rahmen des schriftlichen Vergleichsverfahrens, auch dies zeigt die Analyse des §  278 Abs.  6 ZPO, kommt dem Richter zudem im Hinblick auf den materiell-rechtlichen Vorgang des Vertragsschlusses eine wichtige Funktion zu. Das gilt vor allem bei dem Vergleichsschluss im Sinne des §  278 Abs.  6 Satz 1 Alt.  2 ZPO. Die Parteien schließen hier den Vertrag im Wege der Zustimmung zu einem Vertragstext, den der Richter entworfen hat. Er nimmt darüber hinaus die Willens­ erklärungen, die den Konsens abweichend vom im BGB geregelten Weg herbeifüh­ ren, in Empfang. Anders als vom BGB vorgesehen, geschieht der Vertragsschluss ebenfalls in den Fällen des §  278 Abs.  6 Satz 1 Alt.  2 ZPO, wenn beide Parteien gleichzeitig einen identischen Vertragsentwurf zu Gericht reichen. Hier trifft den Richter eine Prüf­ pflicht dahingehend, den Konsens zwischen den Parteien festzustellen. Wenn durch den (moderierten) Vertrag Drittinteressen berührt werden, dann – so war die Forderung aus der Forschung zur Konfliktlösung1569 – müssen diese einer richterlichen Kontrolle unterzogen werden. Der Gesetzgeber ist diesem Postulat nachgekommen und hat etwa die Genehmigung nach §  611 ZPO und §  18 KapMuG, die Billigung bzw. die Bestätigung nach dem FamFG und die Beanstandungsmög­ lichkeit nach dem LPachtVG geschaffen. Allen Konstellationen gemein ist, dass dem Richter auferlegte besondere Prüfpflichten ihre „Vorwirkung“ auch auf dessen Mo­ derationstätigkeit vor Vertragsschluss entfalten. Denn von diesem wird – wie in den jeweiligen Gesetzesmaterialien teilweise explizit formuliert – erwartet, dass er kei­ nen Vergleich vorschlägt, der später seiner eigenen Überprüfung nicht standhalten würde. Die untersuchten Beispiele zeigen, dass die Vorschriften, die eigentlich erst eine Überprüfung des geschlossenen Vertrags vorsehen, eine „Vorwirkung“ entfal­ 1569 

Formuliert von Hager, Konflikt und Konsens, S.  122.

IV. Gerichtsvollzieher

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ten auf den Inhalt der Moderationstätigkeit. Es sind damit die allgemeinen Vertrags­ normen des BGB, die auch vor diesem Hintergrund eine genauere Analyse im Ver­ lauf dieser Untersuchung verdienen. Das – auch gesetzlich belegbare – Interesse des Richters am Abschluss des mode­ rierten Vertrags kann auf die kurze Formel gebracht werden, dass er kein Interesse an einem besonderen Vertragsinhalt, jedoch am Abschluss eines moderierten Ver­ trags hat. Es bestehen hinsichtlich der moderierenden Tätigkeit einige dogmatisch ungelöste Fragen bezüglich einer genauen Beschreibung der Verhaltensanforderungen, die an den Richter zu stellen sind und in bezug auf die mit Blick auf die aus einem Verstoß folgenden Konsequenzen insbesondere hinsichtlich seiner Haftung. Die schon zum Güterichter formulierten Probleme setzen sich hier fort.

IV. Gerichtsvollzieher Wenn die Lösung des zivilrechtlichen Konflikts weder im Wege einer vor- bzw. au­ ßergerichtlichen Moderation gelingt und auch die Vermittlungsbemühungen nicht von Erfolg gekrönt sind, dann steht regelmäßig ein Urteil am vermeintlichen Ende des Konflikts. Mit dem Urteil durch den Prozessrichter könnte auch die Möglichkeit zur Moderation ein Ende finden; schließlich soll der Urteilsspruch, der etwa den streitigen Anspruch zwischen den Parteien klärt, das Ende der darauf bezogenen Auseinandersetzung bedeuten. Die heutige Rechtsordnung sieht auch nach dem Ende des Erkenntnisverfahrens die Notwendigkeit, in bestimmten Konstellationen einen Moderator zu installieren, wie die nun folgende Betrachtung des Gerichtsvoll­ ziehers eben als Moderator im Sinne dieser Untersuchung zeigen wird. Denn nicht nur die Vorstellung vom Prozessrichter unterliegt einem Wandel. Auch das Bild der Vollstreckungsorgane, insbesondere das des Gerichtsvollziehers, ändert sich vom ausführenden Organ eines formalisierten Vollstreckungszugriffs hin zu einem Organwalter mit beratender, gestaltender und unter Umständen auch sozialer Kompetenz.1570 Auch eine gewisse Sozialarbeiterkomponente sei bei richtig verstandener Ausübung der Gerichtsvollziehertätigkeit unvermeidlich.1571 Aus dem Wandel des Rollenverständnisses folgt die Betonung ausgleichender, informativer und beratender Funktionen,1572 die in der Einsetzung des Gerichtsvollziehers als Moderator im Sinne dieser Untersuchung ihren (gesetzlichen) Niederschlag gefun­ den haben.

1570 

Bruns, DGVZ 2010, 24, 27; Bauer/Stürner/Bruns, Zwangsvollstreckungsrecht, Rn.  4.5 f. Baur/Stürner/Bruns, Zwangsvollstreckungsrecht, Rn.  4.6. m. w. N. 1572  Baur/Stürner/Bruns, Zwangsvollstreckungsrecht, Rn.  4.6. 1571 

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B. Der moderierte Vertrag des zivilrechtlichen Konflikts

1. Die Einsetzung des Gerichtsvollziehers Im Rahmen der Einsetzung des Gerichtsvollziehers als Moderator ist der erste große Unterschied zu den bisherigen Moderatoren zu erblicken. Dies liegt zunächst in dem Umstand begründet, dass der Gerichtsvollzieher erst nach Abschluss des Erkennt­ nisverfahrens tätig wird – sowohl in seiner Funktion als Vollstreckungsorgan im engeren bzw. ursprünglichen Sinne als auch als Moderator. Aber nicht nur der Ab­ schluss des Erkenntnisverfahrens ist Voraussetzung. Des Weiteren muss ein Titel mit vollstreckungsfähigem Inhalt vorliegen, woran es z. B. fehlt, wenn das Prozessge­ richt die (Zahlungs-)Klage des Anspruchstellers abgewiesen hat. Gewinnt der Klä­ ger aber seinen Prozess und verurteilt das Gericht den beklagten Schuldner zur Zah­ lung, dann ist der Weg zur Moderation des Gerichtsvollziehers nicht mehr weit, wenn der Schuldner nicht bereits auf das Urteil hin leistet und sich der Gläubiger für eine Zwangsvollstreckung in körperliche Sachen gemäß §  808 ff. ZPO entscheidet. Denn dafür ist gemäß §  753 ZPO der Gerichtsvollzieher zuständig, während für die Zwangsvollstreckung in Forderungen das Vollstreckungsgericht zuständig ist, vgl. §  828 ZPO. Es bedarf in jedem Fall – auch für den Versuch einer gütlichen Erledi­ gung – eines Antrags des Gläubigers auf Durchführung der Zwangsvollstreckung,1573 denn der Gläubiger ist Herr des Vollstreckungsverfahrens.1574

2. Die Moderation des Gerichtsvollziehers Vor dem Hintergrund dieser Einsetzung als Moderator des Konflikts unterscheidet sich auch die Ausgangslage, die sich dem Gerichtsvollzieher zu Beginn seiner Mode­ rationstätigkeit stellt. Denn eigentlich bedarf es infolge des ergangenen Urteils kei­ ner Unterstützung bei der Schaffung einer Regelung, welche die Frage einer An­ spruchsinhaberschaft zwischen den Parteien klärt.1575 Die Existenz einer solchen Regelung schließt aber nicht aus, dass (auch) ein Interessenausgleich im Rahmen des Zwangsvollstreckungsverfahrens stattfindet. Es gelten jedoch andere Vorzeichen als im Erkenntnisverfahren. Im Vollstreckungsverfahren ist nicht zu klären, welche An­ sprüche dem Gläubiger zustehen, sondern, wie er seine titulierten Ansprüche durch­ setzen kann.1576 Diese Thematik stellt sich seltener bei einem Schuldner, der leisten kann, aber nicht will. Auf diese Situation ist allerdings die Einzelzwangsvollstre­ ckung zugeschnitten, allein, weil sie in ihrer Grundausrichtung auch nur so sinnvoll ist.1577 Der Gerichtsvollzieher trifft aber heute nicht mehr lediglich leistungsunwillige, aber -fähige, sondern häufig vermögenslose Schuldner an, denen es gerade an der Leistungsfähigkeit fehlt.1578 Gegen einen solchen Schuldner sind Bemühungen um eine gütliche Erledigung für den Gläubiger der einzige Weg, doch noch einträgliche 1573 

Hergenröder, DGVZ 2012, 105, 110. BT-Drs. 16/13432, S.  43. 1575  Schwörer, DGVZ 2011, 77 f. 1576  Schwörer, DGVZ 2011, 77 f. 1577  Becker-Eberhard, DGVZ 2016, 163, 165. 1578  Schwörer, DGVZ 2011, 77, 78; Becker-Eberhard, DGVZ 2016, 163, 165. 1574 

IV. Gerichtsvollzieher

237

Ergebnisse zu erzielen, denn nur so lässt sich der Schuldner dazu bewegen – etwa um seine Eintragung ins Schuldnerverzeichnis zu vermeiden1579 – selbst unpfändbares Vermögen zur Gläubigerbefriedigung einzusetzen oder sonst vermehrte Anstren­ gungen zu unternehmen.1580 Es ist wohl diese häufig geänderte Ausgangslage in der Zwangsvollstreckung, die zum Einzug der gütlichen Erledigung in das Vollstre­ ckungsrecht führte1581 und die der Grund dafür ist, warum dem Güteversuch erheb­ liches Potenzial1582 und eine mit dem Erkenntnisverfahren vergleichbare Bedeutung zugemessen wird.1583 Hier wie dort wird vom Moderator Kreativität ebenso ver­ langt1584 wie die Berücksichtigung von Vorstellungen und Vorschlägen der Parteien. Letzteres bedeutet dann auch, einerseits den Schuldner zu befragen, was er wie und wann leisten könnte und andererseits mit dem Gläubiger zu erörtern, womit er sich zufriedengeben würde.1585 Diese Vorzeichen sind es, die den Hintergrund für die Betrachtung der Aussagen des Gesetzgebers zur Moderation des Gerichtsvollziehers bilden. a) Die Aussagen der ZPO Die Regelung zur gütlichen Erledigung in der Zwangsvollstreckung findet sich heu­ te1586 in §  802b ZPO. Die Vorschrift lautet: „Der Gerichtsvollzieher soll in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Erledigung be­ dacht sein.“

Auf die Vorschrift des §  802b ZPO verweist §  802a ZPO, der die Grundsätze der Vollstreckung und die Regelbefugnisse des Gerichtsvollziehers beinhaltet. §  802a Abs.  1 ZPO schreibt den Grundsatz der effektiven Vollstreckung gesetzlich fest1587 und bestimmt hierzu, dass der Gerichtsvollzieher auf eine zügige, vollständige und kostensparende Beitreibung von Geldforderungen hinwirkt. Hierzu beschreibt §  802a Abs.  2 ZPO die dem Gerichtsvollzieher aufgrund des Vollstreckungsauftrags sowie der Übergabe des Vollstreckungstitels zustehenden Standardbefugnisse1588 und verweist an erster Stelle auf den Versuch der gütlichen Erledigung im Sinne des §  802b ZPO. Der Gesetzgeber verfolgte bei Schaffung der Vorschrift des §  802a ZPO zunächst das Ziel, die bis dato in der ZPO an unterschiedlichen Stellen zu findenden Regelun­ 1579 

Zum Schuldnerverzeichnis vgl. Hergenröder, DGVZ 2017, 119 ff. Becker-Eberhard, DGVZ 2016, 163, 165. 1581  Durch die 2. Zwangsvollstreckungsnovelle 1999, vgl. Becker-Eberhard, DGZV 2016, 163. 1582 Vgl. Voit, in: Musielak/Voit, ZPO, §  8 02b Rn.  1. 1583  Schwörer, DGVZ 2011, 77, 78. 1584  Schwörer, DGVZ 2011, 77, 78. 1585  Becker-Eberhard, DGVZ 2016, 163, 168. 1586  Früher fanden sich die Regelungen zur gütlichen Erledigung in §§  8 06b, 813a und 900 Abs.  3 ZPO. 1587  Sternal, in: Kindl/Meller-Hannich/Wolf, Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung, §  8 02a ZPO Rn.  1. 1588  Sternal, in: Kindl/Meller-Hannich/Wolf, Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung, §  8 02a ZPO Rn.  1. 1580 

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B. Der moderierte Vertrag des zivilrechtlichen Konflikts

gen zur gütlichen Erledigung zusammenzufassen und entsprechend ihrer großen praktischen Bedeutung den Vorschriften zur Vollstreckung von Geldforderungen als Leitlinie voranzustellen.1589 Gelten soll dieser Grundsatz für alle Abschnitte der Zwangsvollstreckung, d. h. von der Beantragung der Abnahme der Vermögensaus­ kunft bis zur Eintragung des Schuldners in das Schuldnerverzeichnis.1590 Im Hin­ blick auf den Inhalt der vermittelnden Tätigkeit des Gerichtsvollziehers fehlt es an einer expliziten Aussage des Gesetzgebers, der lediglich in einem Klammerzusatz auf die für das Erkenntnisverfahren geltende Vorschrift des §  278 Abs.  1 ZPO ver­ weist.1591 Dass der Gesetzgeber insofern eine Anleihe bei der für die Moderation des Prozessrichters geltenden Regelung des §  278 Abs.  1 ZPO1592 genommen hat, macht auch der Wortlaut der Vorschrift deutlich, der, abgesehen vom Normadressaten, identisch ist.1593 Zwar wird der Einordnung des Gütegedankens als Leitlinie des Vollstreckungs­ verfahrens positiv beurteilt,1594 allerdings wird die in der Vorschrift angelegte Gleichstellung mit dem Erkenntnisverfahren kritisiert. Die Auferlegung gericht­ sähnlicher Pflichten sei auch deshalb problematisch, weil die rechtskräftige Entschei­ dung des Rechtsstreits kraft Verfassungsrechts den Gerichten vorbehalten sei. Zu­ dem könnte die Verpflichtung, auf eine gütliche Erledigung bedacht zu sein, den Gerichtsvollzieher unter Umständen nicht nur überfordern, sondern das Risiko des Übergriffs in genuin richterliche Zuständigkeit mit sich bringen.1595 Die Annähe­ rung an das Richteramt wird auch vor dem Hintergrund kritisiert, dass – anders als im Erkenntnisverfahren – im Vollstreckungsverfahren nur eingeschränkte Kon­ trollmöglichkeiten bestünden, weil das Verfahren nichtöffentlich stattfinde und die Abreden und Vereinbarungen mit dem einzelnen Schuldner im mehr oder weniger privaten Raum erfolgten.1596 b) Die Tätigkeit des Gerichtsvollziehers Wenn sich damit die ohnehin nur marginal für den Richter existierenden Vorausset­ zungen nicht einmal ohne Weiteres auf die Moderationstätigkeit des Gerichtsvollzie­ hers übertragen lassen, bleibt an dieser Stelle zu fragen, welche Vorgaben für dessen Versuch, eine gütliche Einigung zu erzielen, zu formulieren sind.

1589 

BT-Drs. 16/10069, S.  24. BT-Drs. 16/10069, S.  24. 1591  […] „(vgl. auch §  278 Abs.  1 ZPO für das Erkenntnisverfahren), BT-Drs. 16/10069, S.  24. 1592  §  278 Abs.  1 ZPO: „Das Gericht soll in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Beilegung des Rechtsstreits oder einzelner Streitpunkte bedacht sein.“ 1593 Auch Bruns, DGVZ 2010, 24, 28, geht von einer Nachbildung der Norm aus; ebenso Münch­ KommZPO/Forbringer, §  802b Rn.  1, 3. 1594  Becker-Eberhard, DGVZ 2016, 163, 165; Hergenröder, DGVZ 2012, 105, 106 spricht von Leitprinzip; BeckOK-ZPO/Fleck, §  802b Rn.  1 vom Vorrang der einvernehmlichen Konfliktrege­ lung auch in der Zwangsvollstreckung. 1595 So Bruns, DGVZ 2010, 24, 28. 1596 MünchKommZPO/Forbringer, §  8 02b Rn.  3. 1590 

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Dass sich auch hierzu im Gesetz, d. h. weder in §  802b Abs.  1 ZPO noch in den ergänzenden Regelungen der §§  68 GVGA1597 und 27 GVO1598 , genaue Vorgaben fin­ 1597  §  68 GVGA (in allen Bundesländern einheitlich geltende Geschäftsanweisung für Gerichts­ vollzieher) lautet: (1) Der Gerichtsvollzieher soll in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Erledigung bedacht sein. Hat der Gläubiger seine Einwilligung zu der Einräumung einer Zahlungsfrist oder der Til­ gung durch Teilleistungen (Ratenzahlung) von Bedingungen abhängig gemacht, ist der Gerichts­ vollzieher daran gebunden. Setzt der Gerichtsvollzieher nach §  802b Absatz 2 Satz 2 ZPO einen Ratenzahlungsplan fest, belehrt er den Schuldner darüber, dass der Plan hinfällig wird und der damit verbundene Vollstreckungsaufschub endet, sobald der Gläubiger widerspricht und der Ge­ richtsvollzieher den Schuldner, nachdem der Gläubiger widersprochen hat, über dessen Wider­ spruch unterrichtet hat oder sobald der Schuldner mit einer festgesetzten Zahlung ganz oder teil­ weise länger als zwei Wochen in Rückstand gerät (§  802b Absatz 3 Satz 2 und 3 ZPO). Die Tilgungs­ frist soll in der Regel zwölf Monate nicht übersteigen; in Einzelfällen kann der Gerichtsvollzieher nach pflichtgemäßem Ermessen eine längere Frist bestimmen. Die Frist beginnt mit der Mitteilung des gewährten Aufschubs an den Schuldner. (2) Bestimmt der Gerichtsvollzieher unter den Voraussetzungen des §  802b Absatz 2 ZPO und des Absatzes 1 eine Zahlungsfrist oder setzt er einen Ratenzahlungsplan fest, hat er 1. die konkreten Zahlungstermine, 2. die Höhe der Zahlungen oder Teilzahlungen, 3. den Zahlungsweg, 4. die Gründe, die der Schuldner zur Glaubhaftmachung der Erfüllung der Vereinbarung vor­ bringt, sowie 5. die erfolgte Belehrung über die in §  802b Absatz 3 Satz 2 und 3 ZPO getroffenen Regelungen zu protokollieren. Der Gerichtsvollzieher hat die Gründe, aus denen er die Einräumung einer Zahlungsfrist oder die Einziehung von Raten ablehnt, ebenfalls zu protokollieren. Der Gerichts­ vollzieher hat dem Gläubiger unverzüglich eine Abschrift des Zahlungsplans zu übermitteln und dabei auf den Vollstreckungsaufschub sowie auf die Möglichkeit des unverzüglichen Widerspruchs hinzuweisen. (3) Widerspricht der Gläubiger unverzüglich dem Zahlungsplan, teilt der Gerichtsvollzieher dies dem Schuldner mit und setzt die Vollstreckung entsprechend den Anträgen des Gläubigers fort. Wendet sich der Gläubiger lediglich gegen die Ausgestaltung (zum Beispiel die Höhe, die Zahlungs­ termine) der durch den Gerichtsvollzieher festgesetzten Teilzahlungsbestimmungen, liegt kein Wi­ derspruch vor. In diesem Fall ändert der Gerichtsvollzieher die Teilzahlungsbestimmungen nach den Auflagen des Gläubigers und unterrichtet den Schuldner. (4) Hat der Gerichtsvollzieher mit dem Schuldner eine Ratenzahlungsvereinbarung getroffen oder eine Zahlungsfrist vereinbart und gehen in dem Zeitraum, innerhalb dessen die Forderung getilgt sein soll, Vollstreckungsaufträge weiterer Gläubiger ein, steht dies dem Abschluss weiterer Ratenzahlungsvereinbarungen oder der Einräumung von Zahlungsfristen nicht entgegen, sofern der Vorschlag des Schuldners die gesetzlichen Voraussetzungen für eine gütliche Erledigung in je­ der einzelnen weiteren Vollstreckungsangelegenheit erfüllt. Der Schuldner hat in diesem Fall für jede Angelegenheit seine Leistungsfähigkeit und -bereitschaft glaubhaft darzulegen. Der Gerichts­ vollzieher wägt dann die zumutbaren Möglichkeiten des Schuldners und das Interesse des Auftrag­ gebers an einer auch teilweisen alsbaldigen Befriedigung ab. Kommt danach eine gütliche Erledi­ gung nicht in Betracht, verfährt der Gerichtsvollzieher nach Absatz 3. (5) Für jeden einzelnen Auftraggeber hat der Gerichtsvollzieher einen gesonderten Ratenzah­ lungsplan zu erstellen. Das gilt auch, wenn mehrere Vollstreckungsaufträge gleichzeitig gegen einen Schuldner eingehen. Die Erstellung eines Gesamtratenzahlungsplans bei mehreren, gleichzeitig vorliegenden Aufträgen ist zulässig. §  802b Absatz 3 ZPO gilt für jeden einzelnen Gläubiger. 1598  §  27 GVO (Gerichtsvollzieherordnung) lautet: Gewährt der Gläubiger oder der Gerichtsvollzieher dem Schuldner eine Frist von unbestimmter Dauer oder von mehr als zwölf Monaten oder mehrere aufeinander folgende Fristen von zusammen mehr als zwölf Monaten, so bleiben die getroffenen Vollstreckungsmaßnahmen zwar bestehen, für die Akten- und Buchführung des Gerichtsvollziehers gilt der Auftrag als büromäßig erledigt (Ru­

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B. Der moderierte Vertrag des zivilrechtlichen Konflikts

den, dürfte vor dem Hintergrund der bisherigen Untersuchung nicht mehr überra­ schen. Kern der an den Gerichtsvollzieher im Hinblick auf sein Bemühen um eine gütli­ che Einigung formulierten Vorgaben ist das ihm eingeräumte Ermessen. Dieses be­ steht zunächst nicht hinsichtlich des „Ob“ des Versuchs der gütlichen Erledigung, vielmehr kann er vom Gläubiger auch einzig damit beauftragt werden, eine einver­ nehmliche Lösung herbeizuführen.1599 „Wie“ der Gerichtsvollzieher aber den für die Einigung zwischen dem Vollstre­ ckungsgläubiger und Vollstreckungsschuldner notwendigen Konsens vermitteln soll, liegt dann in seinem pflichtgemäßen Ermessen.1600 §  802b ZPO lässt dem Ge­ richtsvollzieher eine Reihe von Gestaltungsmöglichkeiten,1601 bei denen er jedoch das Gläubigerinteresse mit dem Schuldnerinteresse abwägen muss.1602 Das bedeutet dann bezogen auf den Schuldner einerseits, dass der Gerichtsvollzieher zunächst versuchen soll, diesen zur freiwilligen Leistung anzuhalten, er andererseits aber auf die Folgen einer Nichteinigung (etwa der zwangsweise durchzusetzenden Pfändung) hinweisen kann.1603 Allerdings wird ebenfalls auf den Umstand hingewiesen, dass mit der Einräumung eines Ermessens auch die Gefahr einhergeht, dass Erwägungen zum Tragen kommen, die nicht von der Sache, sondern von persönlichen Umständen und Anschauungen geprägt sind.1604 Neben der Einräumung eines Ermessensspielraums zielt auch die gütliche Erledi­ gung des Gerichtsvollziehers darauf ab, zu einer einvernehmlichen Lösung zu gelan­ gen, welche typischerweise durch Verhandeln erzielt wird.1605 Diese zu unterstützen und zu fördern ist dann Aufgabe des Gerichtsvollziehers. Denn dem Gerichtsvoll­ zieher kommt durch die Vorschrift des §  802b ZPO die Rolle eines Vermittlers zwi­ schen Gläubiger und Schuldner zu, womit er sich – auch um Justizressourcen zu schonen1606 – vom ursprünglichen Bild des „schneidigen Vollstreckers“ entfernt.1607

3. Charakteristika des Verfahrens vor dem Gerichtsvollzieher Schon die Vermittlung im Rahmen der Zwangsvollstreckung lässt es lohnenswert erscheinen, zu erörtern, inwieweit die Charakteristika, die im Hinblick auf die bis­ hen des Vollstreckungsauftrags). Der Gerichtsvollzieher gibt dem Gläubiger den Schuldtitel und die sonstigen ihm übergebenen Urkunden zurück. Er setzt die Vollstreckung nur auf besonderen An­ trag des Gläubigers fort. Sind die Pfandstücke nicht im Gewahrsam des Schuldners belassen wor­ den, so ruht der Auftrag erst dann, wenn ihre weitere Aufbewahrung durch eine Einigung der Be­ teiligten oder durch eine gerichtliche Anordnung geregelt ist. 1599  Hergenröder, DGVZ 2012, 105, 108. 1600  Hergenröder, DGVZ 2012, 105, 108 mit Verweis auf BeckOK-ZPO/Fleck, §  8 06b Rn.  2 ; MünchKommZPO/Forbringer, §  802b Rn.  2 spricht von Ermessens- und Beurteilungsspielraum. 1601  Schwörer, DGVZ 2011, 77, 78; MünchKommZPO/Forbringer, §  8 02b Rn.  2. 1602  BLAH, ZPO, §  8 02b Rn.  4. 1603 HK-ZPO/Kemper, §  8 02b Rn.  4. 1604 MünchKommZPO/Forbringer, §  8 02b Rn.  2. 1605  Becker-Eberhard, DGVZ 2016, 163, 164. 1606 BeckOK-ZPO/Fleck, §  8 02b Rn.  1. 1607  Becker-Eberhard, DGVZ 2016, 163, 168.

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her dargestellten Moderationssituationen untersucht worden sind, auch für das vom Gerichtsvollzieher anzustellende Vermittlungsverfahren Geltung beanspruchen. a) Freiwilligkeit Zur Beantwortung der Frage, ob auch das Vermittlungsverfahren von der Freiwillig­ keit der Konfliktparteien getragen ist, sind zunächst drei Bezugspunkte der Freiwil­ ligkeit zu unterscheiden: die Durchführung der Zwangsvollstreckung, die Beteili­ gung des Gerichtsvollziehers sowie die zwischen den Parteien getroffene Vereinba­ rung. aa) Durchführung der Zwangsvollstreckung Was schon für das streitige Klageverfahren vor dem Hintergrund der grundgesetzli­ chen Rechtschutzgarantie formuliert wurde, muss in gleicher Weise auch für das Zwangsvollstreckungsverfahren gelten. Dessen Durchführung darf weder vom Wil­ len des Beklagten noch von der Zustimmung des Vollstreckungsgläubigers abhän­ gen. Andernfalls würde der Staat keinen Weg zur Anspruchsdurchsetzung bereit­ stellen, was aber gerade – etwa als Kehrseite des Gewaltmonopols – notwendig ist. Für die Durchführung des Vollstreckungsverfahrens gilt daher, dass der Gläubi­ ger Beginn, Art und Ausmaß des Vollstreckungszugriffs bestimmt und insoweit „Herr des Verfahrens“ ist.1608 Diese Gläubigerdisposition über die Zwangsvollstre­ ckung stand auch bei der Förderung der gütlichen Erledigung nicht zur freien Dis­ position des Gesetzgebers, sondern wird schon von Verfassungs wegen als besondere Ausprägung der Rechtsschutzgarantie und zur Gewährleistung der Privatautonomie verlangt.1609 Bevor der Gerichtsvollzieher – und sei es auch lediglich zur Vermittlung einer gütlichen Erledigung – tätig wird, bedarf es eines Antrags des Gläubigers auf Durch­ führung der Zwangsvollstreckung.1610 Infolge der gesetzlichen Systematik braucht der Gläubiger in seinem Antrag den Gerichtsvollzieher nicht explizit zum Bemühen um eine gütliche Erledigung aufzufordern. Diese Pflicht trifft ihn automatisch bei einem Antrag, in dem der Gläubiger die gütliche Erledigung nicht ganz ausgeschlos­ sen hat.1611 Dieses Regel-Ausnahme Verhältnis ändert nichts an der grundsätzlichen Gläubigerdisposition über die Zwangsvollstreckung, zeigt aber, welche Bedeutung der Vermittlung durch den Gerichtsvollzieher seitens des Gesetzgebers beigemessen wird.1612

1608 

Vgl. zuletzt BT-Drs. 16/13432, S.  43. Bruns, DGVZ 2010, 24, 26. 1610  Hergenröder, DGVZ 2012, 105, 110. 1611  Sturm, JurBüro 2012, 624, 625; HK-ZPO/Kemper, §  8 02a Rn.  5. 1612  Hersterberg/Mathey, JurBüro 2016, 230, 232 wollen das Dispositionsrecht der Gläubiger im Rahmen der gütlichen Einigung eingeschränken und den Gerichtsvollziehern bei der Gestaltung des Verfahrens mehr Freiheit eingeräumen. 1609 

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B. Der moderierte Vertrag des zivilrechtlichen Konflikts

bb) Beteiligung des Gerichtsvollziehers Im Hinblick auf die Freiwilligkeit bei der Beteiligung des Gerichtsvollziehers als Vermittler ergibt sich, im Vergleich zu den bisherigen Moderatoren, ein neues Bild. Denn der Einsatz des Gerichtsvollziehers als Vermittler geschieht nicht gänzlich freiwillig wie bei der Beteiligung des Mediators bzw. – nach der hier vertretenen Auffassung – des Güterichters und auch nicht semi-obligatorisch wie in Bezug auf die Inanspruchnahme der Vermittlungsleistung des Prozessrichters. Auch der Gläu­ biger als Herr des Vollstreckungsverfahrens kann sich nicht einen ihm genehmen Gerichtsvollzieher aussuchen, sondern muss sich an den örtlich zuständigen Ge­ richtsvollzieher wenden.1613 Der Vollstreckungsschuldner wird seinerseits nicht verhindern können, im Rah­ men des Besuchs des Gerichtsvollziehers zumindest auf die Möglichkeit einer gütli­ chen Erledigung angesprochen zu werden. Dies gilt umso mehr, wenn man auch die freiwillige Leistung, zu der der Gerichtsvollzieher den Schuldner stets zunächst an­ halten soll,1614 zur gütlichen Erledigung zählt. Aber auch im Hinblick auf den Vollstreckungsgläubiger wird vertreten, dass das an den Gerichtsvollzieher gerichtete Gebot, auf eine gütliche Einigung hinzuwir­ ken, nicht zur Disposition des Gläubigers stehe, da es unter anderem dem Zweck diene, Justizressourcen zu schonen.1615 Für die Frage nach der Freiwilligkeit in Bezug auf die Beteiligung des Gerichts­ vollziehers als Vermittler lässt sich aber im Ergebnis formulieren, was auch schon zum Güterichter festgehalten werden konnte: Das Gesetz sieht jeweils keine explizi­ te Freiwilligkeit im Hinblick auf ihr Tätigwerden als Vermittler vor. Da jedoch das Ergebnis – d. h. bei der Vermittlung durch den Güterichter etwa der Prozessvergleich – von der Autonomie der Parteien getragen sein muss, wirkt diese insofern auch auf die Beteiligung des Gerichtsvollziehers vor, als dessen Bemühungen von vornherein keinen Sinn machen, wenn eine Partei eine gütliche Einigung ausschließt. Diese „Vorwirkung“ der Parteiautonomie auf den Beginn des Vermittlungsverfah­ rens lässt sich auf den hier in Rede stehenden Fall des Gerichtsvollziehers übertra­ gen. Denn auch für seine Vermittlungsbemühungen gilt: Ob diese im Sinne des Ab­ schlusses einer Vereinbarung zur gütlichen Erledigung der Zwangsvollstreckung erfolgreich sind, hängt allein vom Willen der Parteien, d. h. von Vollstreckungs­ schuldner und Vollstreckungsgläubiger ab. Damit mag zwar in der gesetzlichen Sys­ tematik die Freiwilligkeit mit Blick auf den Beginn der Vermittlungsbemühungen keine explizite Berücksichtigung gefunden haben. Dieser Befund entschärft sich je­ doch durch den Umstand, dass eine (weitere) Vermittlung völlig sinnlos ist, wenn eine Partei nicht einigungsbereit ist, eben weil gegen deren Willen eine gütliche Erle­ digung nicht möglich ist.

1613 

Brox/Walker, Zwangsvollstreckungsrecht, Rn.  12. §  802b Rn.  4. 1615 BeckOK-ZPO/Fleck, §  8 02b Rn.  1. 1614 HK-ZPO/Kemper,

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cc) Parteivereinbarung Zur Vorwirkung der für die Parteivereinbarung geltenden Parteiautonomie auf die Durchführung der Vermittlung ist auch die dem Vollstreckungsgläubiger einge­ räumte Möglichkeit zu zählen, schon im Zusammenhang mit dem Vollstreckungsan­ trag Vorgaben im Hinblick auf die Möglichkeiten der gütlichen Erledigung zu for­ mulieren1616 bzw. diese ganz auszuschließen.1617 Dass aber die Prämisse der bisherigen Ausführungen, die Geltung der Parteiherr­ schaft auch für die gütliche Erledigung,1618 tatsächlich gilt, bedarf vor dem Hinter­ grund der gesetzlichen Systematik des §  802b Abs.  2 ZPO der weiteren Erörterung. Dem Gerichtsvollzieher wird hier – anders als den bisherigen Moderatoren – eine weitergehende Kompetenz im Wege der sogenannten Widerspruchslösung einge­ räumt. Diese schränkt allerdings im Ergebnis nicht die Parteiautonomie ein, sondern trägt lediglich dem Umstand Rechnung, dass die Vermittlung des Güterichters nicht bei gleichzeitiger Anwesenheit der Parteien stattfindet. Nach §  802b ZPO kann der Gerichtsvollzieher im Rahmen seiner Vermittlungen um eine gütliche Erledigung der Zwangsvollstreckung eine Zahlungsfrist einräumen oder eine Tilgung durch Teilleistungen (Ratenzahlung) gestatten, sofern der Schuld­ ner glaubhaft darlegt, die in der Vereinbarung mit dem Gerichtsvollzieher getroffe­ nen Zahlungen nach Höhe und Zeitpunkt erbringen zu können. In diesem Fall wird der Autonomie des Vollstreckungsgläubigers insoweit Rechnung getragen, als er nach der Gesetzesformulierung explizit die Möglichkeit hat, den Abschluss einer Zahlungsvereinbarung auszuschließen. Hat er von dieser Möglichkeit keinen Ge­ brauch gemacht, so kann der Gerichtsvollzieher dem Schuldner die Verbindlichkeit einer entsprechenden Absprache in Aussicht stellen, was sicherlich dessen Bereit­ schaft zum Abschluss erhöhen dürfte. Denn der Gläubiger muss dann einer solchen Absprache nicht mehr zustimmen. Seine Autonomie beschränkt sich trotzdem nicht auf die Möglichkeit, die in §  802b Abs.  2 ZPO enthaltene Ratenzahlungsmöglichkeit von vornherein auszuschließen. Nach §  802b Abs.  3 ZPO kann er dem Zahlungsplan bzw. Vollstreckungsaufschub, den der Gerichtsvollzieher mit dem Schuldner ausge­ handelt hat, unverzüglich nachdem er vom Gerichtsvollzieher hierüber informiert wurde, widersprechen. Gravierende Folge des Widerspruchs ist das sofortige Ende des Vollstreckungsaufschubs, der entsprechend §  802b Abs.  2 Satz 2 ZPO durch die Festsetzung des Zahlungsplans ausgelöst wurde.1619 Für die Freiwilligkeit des Vollstreckungsgläubigers in Bezug auf den Abschluss einer Vereinbarung zur gütlichen Erledigung der Zwangsvollstreckung gilt somit, dass diese für jegliche Übereinkunft vorliegen muss. Lediglich für den Abschluss einer Zahlungsvereinbarung, die nicht die einzige mögliche Übereinkunft dar­ stellt,1620 gilt die zur Förderung der gütlichen Erledigung geschaffene Widerspruchs­ 1616 

Sturm, JurBüro 2012, 624, 625; Hergenröder, DGVZ 2012, 105, 112. Sturm, JurBüro 2012, 624, 625; HK-ZPO/Kemper, §  802a Rn.  8. 1618  Dies nimmt etwa Hergenröder, DGVZ 2012, 105, 108 an. 1619  Hergenröder, DGVZ 2012, 105, 114. 1620  Siehe hierzu näher bei der Betrachtung des moderierten Vertrages des Gerichtsvollziehers. 1617 

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lösung. Diese führt im Ergebnis allerdings nicht dazu, dass eine solche Vereinbarung nicht mehr von der Autonomie des Vollstreckungsgläubigers getragen wäre.1621 Für den Vollstreckungsschuldner gilt ebenfalls, dass der Abschluss einer Verein­ barung von seinem Willen abhängt. Dass der Schuldner sich im Falle einer Weige­ rung ggf. der zwangsweisen Beitreibung der titulierten Forderung ausgesetzt sieht, ändert an der Freiwilligkeit nichts, da der Vollstreckungsschuldner sich auch ent­ scheiden kann, der Vollstreckung Fortgang zu gewähren. Dies etwa, weil er infolge der ihn erfassenden Schutzvorschriften weiß, dass diese nicht zur Befriedigung des Vollstreckungsgläubigers führen kann und ihn daher weniger hart trifft als der Ab­ schluss einer Vereinbarung, in der er sich zu Zahlungen verpflichtet, die der Gläubi­ ger im Wege der Zwangsvollstreckung ansonsten gar nicht beitreiben könnte. §  802b Abs.  1 ZPO ordnet an, dass der Gerichtsvollzieher in jeder Lage des Ver­ fahrens auf eine gütliche Erledigung bedacht sein soll. Das bedeutet, dass der Ge­ richtsvollzieher zunächst versuchen soll, den Schuldner zur freiwilligen Leistung anzuhalten, bevor er eine Pfändung vornimmt. Dass er dabei auf den Zwangscharak­ ter der Einziehung und die negativen Folgen einer Weigerung des Schuldners hin­ weist, ändert am gütlichen Charakter der Vollziehung nichts.1622 b) Neutralität und Unabhängigkeit Auch wenn der Gerichtsvollzieher im Auftrag des Vollstreckungsgläubigers zur Beitreibung seiner Forderung tätig wird, steht er nicht im Lager des Anspruchsinha­ bers, sondern ist bei Vorliegen der Gründe des §  155 Abs.  1 GVG,1623 die im Wesent­ lichen denen der §  41 Nr.  1 bis 3 ZPO entsprechen,1624 von der Ausübung seines Am­ tes kraft Gesetzes ausgeschlossen. Damit wird die Unabhängigkeit des Gerichtsvoll­ ziehers vergleichbar mit der eines Richters abgesichert. Eine Absicherung der Neutralität im Hinblick auf die Vermittlungstätigkeit, wie sie beim Richter durch die Möglichkeit der Ablehnung wegen des Besorgnisses der Befangenheit besteht, ist demgegenüber beim Gerichtsvollzieher nicht vorgese­ hen.1625 Die für Richter und Rechtspfleger geltenden Ablehnungsvorschriften (§  42 ZPO, §  10 RPflG) sind nicht entsprechend anwendbar.1626 Dies überrascht insofern, als dass von Gerichtsvollziehern einerseits verlangt wird, die Interessen beider Parteien im Rahmen der Vermittlungsbemühungen zu berücksichtigen, den Parteien aber kein mit der richterlichen Vergleichstätigkeit ver­ gleichbares Werkzeug an die Hand gegeben wird, wenn dieser seine Vermittlungstä­ tigkeit nicht entsprechend ausübt.

1621 

Schwörer, DGVZ 2011, 77, 78. §  802b Rn.  4. 1623  Hierauf verweist auch §  2 GVGA. 1624  Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, Zwangsvollstreckungsrecht, §  25 Rn.  79. 1625  Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, Zwangsvollstreckungsrecht, §   25 Rn.   79; Brox/Walker, Zwangsvollstreckungsrecht, Rn.  12. 1626  Brox/Walker, Zwangsvollstreckungsrecht, Rn.  12. 1622 HK-ZPO/Kemper,

IV. Gerichtsvollzieher

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c) Vertraulichkeit Anders als das Gerichtsverfahren findet die Zwangsvollstreckung – und mit ihr auch die Vermittlung des Gerichtsvollziehers – außerhalb der Öffentlichkeit statt. Regel­ mäßig vermittelt der Gerichtsvollzieher auch nicht bei gleichzeitiger Anwesenheit beider Parteien, sondern kommuniziert mit beiden jeweils getrennt und nacheinan­ der. Auch um die Parteien vom Ergebnis seiner Vermittlungsbemühungen mit der Gegenseite unterrichten zu können,1627 protokolliert der Gerichtsvollzieher deren Ergebnis,1628 ebenso wie die im Wege der gütlichen Erledigung seitens des Schuld­ ners abzugebenden Erklärungen zur Zahlungsfähigkeit.1629 Das gemäß §  762 ZPO vom Gerichtsvollzieher zu erstellende Protokoll ist Teil der Akten des Gerichtsvoll­ ziehers. Einsichtsrecht in diese Akten haben gemäß §  760 ZPO alle am Vollstre­ ckungsverfahren beteiligten Personen, wozu neben dem Gläubiger und dem Schuld­ ner Dritte nur gehören, wenn sie in eigenen Rechten betroffen sind.1630 Die Akten­ einsicht für Dritte kann – je nach Umfang der Betroffenheit – auf einzelne Aktenteile beschränkt sein.1631 Sonstige Dritte haben gemäß §  299 Abs.  2 ZPO nur dann ein Einsichtsrecht, wenn sie ein rechtliches Interesse glaubhaft machen kön­ nen.1632 Insofern gilt das, was schon oben zum allgemeinen Akteneinsichtsrecht ge­ sagt wurde: Dass Dritte ein rechtliches Interesse an einer Kenntnis der Vereinbarun­ gen zur gütlichen Erledigung der Zwangsvollstreckung darlegen können, erscheint eher fernliegend.

4. Haftung Auch bei der Vermittlung durch den Gerichtsvollzieher stellt sich – wie bei den üb­ rigen bisher betrachteten Moderatoren – die Frage nach seiner Haftung im Falle ei­ 1627  Neben der Unterrichtung dient das Protokoll außerdem als Grundlage für die Kontrolle des Gerichtsvollziehers, vgl. MünchKommZPO/Heßler, §  762 Rn.  1. 1628  Im Hinblick auf die Einräumung einer Zahlungsfrist bzw. die Verabredung eines Ratenzah­ lungsplans regelt §  68 Abs.  2 GVGA: Bestimmt der Gerichtsvollzieher unter den Voraussetzungen des §  802b Absatz 2 ZPO und des Absatzes 1 eine Zahlungsfrist oder setzt er einen Ratenzahlungs­ plan fest, hat er 1. die konkreten Zahlungstermine, 2. die Höhe der Zahlungen oder Teilzahlungen, 3. den Zahlungsweg, 4. die Gründe, die der Schuldner zur Glaubhaftmachung der Erfüllung der Vereinbarung vor­ bringt, sowie 5. die erfolgte Belehrung über die in §  802b Absatz 3 Satz 2 und 3 ZPO getroffenen Regelungen zu protokollieren. Der Gerichtsvollzieher hat die Gründe, aus denen er die Einräumung einer Zah­ lungsfrist oder die Einziehung von Raten ablehnt, ebenfalls zu protokollieren. 1629  Insofern regelt §  63 Abs.  1 Satz 4 GVGA: Die zur Vollstreckungshandlung gehörenden Auf­ forderungen und Mitteilungen des Gerichtsvollziehers und die Erklärungen des Schuldners oder eines anderen Beteiligten sind vollständig in das Protokoll aufzunehmen (zum Beispiel das Vor­ bringen des Schuldners zur glaubhaften Darlegung seiner Ratenzahlungsfähigkeit nach §  802b ZPO). 1630  Lackmann, in: Musielak/Voit, ZPO, §  760 Rn.  3. 1631 BeckOK-ZPO/Ulrici, §  760 Rn.  1. 1632 HK-ZPO/Kindl, §  762 Rn.  1.

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ner nicht ordnungsgemäßen Vornahme der Vermittlungsleistung. Die Haftung hängt dabei zunächst zentral ab von der Rechtsstellung des Gerichtsvollziehers und dem daraus folgenden rechtlichen Verhältnis zu den Empfängern seiner Vermitt­ lungsleistung, nämlich Vollstreckungsgläubiger und Vollstreckungsschuldner. Im Vollstreckungsverfahren steht den Parteien mit der Erinnerung nach §  766 ZPO zu­ dem eine weitere Möglichkeit zu, auf – vermeintliche – Fehler des Gerichtsvollzie­ hers zu reagieren, die ebenfalls betrachtet werden soll, wenngleich es dabei nicht um eine „Haftung“ des Gerichtsvollziehers im engeren Sinne geht. a) Rechtsstellung Die organisationsrechtliche Stellung des Gerichtsvollziehers ist durch den Bundes­ gesetzgeber nur durch die Grundsatzbestimmung des §  154 GVG geregelt wor­ den,1633 die allerdings klarstellt, dass die Gerichtsvollzieher Beamte im statusrechtli­ chen Sinne sein müssen.1634 Nach den Beamtengesetzen und aus den einheitlichen Gerichtsvollzieherordnungen der Länder ergibt sich dann die jeweils konkrete Rechtsstellung des Gerichtsvollziehers, der – soweit von Interesse – Beamter im staats- und haftungsrechtlichen Sinn ist.1635 Damit einher geht die Feststellung, dass zwischen dem Gerichtsvollzieher und den Beteiligten kein privatrechtliches, sondern ein öffentlich-rechtliches Rechtsverhält­ nis besteht, wie auch zu den übrigen Organen der Zwangsvollstreckung. Zwar spricht die ZPO an unterschiedlichen Stellen1636 vom Auftrag, den der Gläubiger dem Ge­ richtsvollzieher zur Durchführung der Zwangsvollstreckung erteile, damit ist aber kein Vertrag im Sinne von §  662 BGB, sondern der zum Tätigwerden des Gerichts­ vollziehers notwendige prozessuale Antrag gemeint.1637 b) Amtshaftung Für die Frage der Haftung bedeutet dies, dass im Falle einer schuldhaften Amts­ pflichtverletzung seitens des Gerichtsvollziehers, sofern die Voraussetzungen von Art.  34 GG, §  839 BGB vorliegen, eine Schadensersatzpflicht des Staates in Frage kommt.1638 Eine Amtshaftung kommt etwa dann in Betracht, wenn der Gerichts­ vollzieher eine Zahlungsvereinbarung mit dem Gläubiger abschliesst, obwohl dieser eine solche zuvor, d. h. in Verbindung mit der Beauftragung des Gerichtsvollziehers, explizit ausgeschlossen hatte.1639 Ansonsten stellen sich in der praktischen Anwendung aber jene Probleme, die schon von der Betrachtung der übrigen Moderatoren bekannt sind: Wenn die Ver­ 1633 

Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, Zwangsvollstreckungsrecht, §  25 Rn.  9. GVG, §  154 Rn.  1. 1635  Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, Zwangsvollstreckungsrecht, §   25 Rn.   15; Brox/Walker, Zwangsvollstreckungsrecht, Rn.  12; zur Diskussion um eine Reform des Gerichtsvollzieherwesens siehe dort Brox/Walker, Zwangsvollstreckungsrecht, Rn.  12. 1636  §§  753 bzw. 766 Abs.  2 ZPO. 1637  Brox/Walker, Zwangsvollstreckungsrecht, Rn.  12. 1638  Brox/Walker, Zwangsvollstreckungsrecht, Rn.  12. 1639  OLG Stuttgart v. 14.01.2019 – 8 W 275/18, DGVZ 2019, 66, 67. 1634 MünchKommZPO/Zimmermann,

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mittlungsleistung des Gerichtsvollziehers gesetzlich wenig bis gar nicht beschrieben ist, dürfte sich auch nur schwer feststellen lassen, ob dieser – schuldhaft – hiergegen verstoßen hat. Daran ändert auch der Umstand wenig, dass die Nichtbeachtung der Geschäftsanweisung für Gerichtsvollzieher (GVGA) ebenfalls zu einer Amtshaf­ tung des Gerichtsvollziehers führen kann,1640 weil auch darin keine konkreten Vor­ gaben bzgl. der Durchführung des Vermittlungsverfahrens enthalten sind. Auch die bisherigen Überlegungen zum Schaden lassen sich fortführen. Scheitert die gütliche Erledigung, findet die weitere Zwangsvollstreckung der Forderung statt, wie von Gesetzes wegen vorgesehen. Damit stellt die Alternative zum Schei­ tern der Verhandlungen kein Unrecht dar, dass den Ersatz eines Schadens rechtferti­ gen würde. Dies ließe sich nur dann anders beurteilen, wenn der Gläubiger z. B. nachweist, dass der Schuldner bei einer ordnungsgemäßen Bemühung des Gerichts­ vollziehers um eine gütliche Erledigung zu einer Verabredung bereit gewesen wäre, die dem Gläubiger zur Realisierung seiner Forderung verholfen hätte, die bei der weiteren Durchführung der Zwangsvollstreckung an den Schuldnerschutzvor­ schriften scheitert. Im Hinblick auf die Vorfrage der nicht ordnungsgemäßen Durchführung der Zwangsvollstreckung lohnt an dieser Stelle eine genaue Betrachtung des den Betei­ ligten in der Zwangsvollstreckung zustehenden Rechtsmittels bei Verstößen des Ge­ richtsvollziehers gegen das von ihm zu beobachtende Verfahren, der Erinnerung im Sinne des §  766 ZPO. c) Erinnerung Im Hinblick auf die hier interessierende gütliche Erledigung der Zwangsvollstre­ ckung folgt aus dem zwischen dem Gläubiger und dem Gerichtsvollzieher bestehen­ den Rechtsverhältnis, dass der Gläubiger keinen zivilrechtlichen Anspruch gegen den Gerichtsvollzieher dahingehend hat, dass dieser die gütliche Erledigung ver­ sucht.1641 Er kann jedoch das entsprechende Unterlassen des Gerichtsvollziehers beim Vollstreckungsgericht im Wege der Erinnerung nach §  766 Abs.  2 ZPO rü­ gen.1642 Gibt es aber daneben die Möglichkeit, die zwar durchgeführte, aber nicht im Sinne einer oder mehrerer Parteien betriebene Vermittlung durch den Gerichtsvollzieher zu rügen? Zwar unterliegt auch ein etwaiges Ermessen des Gerichtsvollziehers der richterlichen Nachprüfung,1643 die Vorgaben der ZPO selbst sind zu wenig konkret, als dass ein Verstoß des Gerichtsvollziehers hiergegen tatsächlich infrage käme. Ein Verstoß gegen die GVGA kann zwar eine Amtspflichtverletzung, jedoch keine Erin­ nerung begründen.1644 Soweit im Rahmen des §  766 ZPO nicht nur die Rechtmäßig­ 1640 

Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, Zwangsvollstreckungsrecht, §  25 Rn.  11. Brox/Walker, Zwangsvollstreckungsrecht, Rn.  12. 1642  Hergenröder, DGVZ 2012, 105, 108; Brox/Walker, Zwangsvollstreckungsrecht, Rn.  12. 1643  Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, Zwangsvollstreckungsrecht, §  25 Rn.  12. 1644  Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, Zwangsvollstreckungsrecht, §  25 Rn.  12; Stöber, in: Zöller, ZPO, §  766 Rn.  11; OLG Hamm v. 17.09.1976 – 14 W 51/75, DGVZ 1977, 40, 41; OLG Oldenburg v. 1641 

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B. Der moderierte Vertrag des zivilrechtlichen Konflikts

keit, sondern auch die Zweckmäßigkeit einer Kontrolle unterliegt, können die dies­ bezüglichen Vorschriften der GVGA nur eine Orientierungsrichtlinie geben.1645 Dass der Gerichtsvollzieher bei seiner Tätigkeit die Interessen beider zu berück­ sichtigen hat, wird losgelöst von der gütlichen Erledigung in §  58 GVGA festgehal­ ten.1646 Eine Interessenabwägung im Hinblick auf die gütliche Erledigung im Wege eines Zahlungsplans bzw. einer Zahlungsvereinbarung sehen die Geschäftsanwei­ sungen in §  68 Abs.  4 GVGA für den Fall vor, dass innerhalb der Zahlungsfrist bzw. während der laufenden Ratenzahlungsvereinbarung Vollstreckungsaufträge weite­ rer Gläubiger eingehen. In diesem Fall fordert §  68 Abs.  4 Satz 3 GVGA den Ge­ richtsvollzieher auf, die zumutbaren Möglichkeiten des Schuldners mit dem Interes­ se des Auftraggebers an einer (teilweisen) alsbaldigen Befriedigung abzuwägen. Insofern können in den GVGA Anhaltspunkte enthalten sein, die Anlass zur be­ rechtigten Kritik an der Vermittlungsleistung geben; eine genaue Vorgabe für die Vermittlung im engeren Sinne enthalten diese jedoch ebenso wenig.

5. Der moderierte Vertrag im Verfahren vor dem Gerichtsvollzieher Die Vermittlungstätigkeit des Gerichtsvollziehers hat den Abschluss einer Vereinba­ rung zum Ziel, d. h. eines moderierten Vertrags im Sinne dieser Untersuchung. Auch die gütliche Erledigung unterliegt der Parteiherrschaft. Deshalb tritt die gütliche Er­ ledigung auch dann ein, wenn beide Parteien darüber einig sind, dass der Anspruch des Gläubigers durch eine bestimmte Leistung, die auch vom Inhalt des Titels abwei­ chen kann, erfüllt wird.1647 Diese hat, so regelt es die Vorschrift des §  802b Abs.  1 ZPO, auch in der Zwangsvollstreckung Vorrang.1648 Anders als die bisher zur Mode­ ration bzw. deren Ergebnis betrachteten Vorschriften, beschreibt §  802b ZPO zwei mögliche Wege zur einvernehmlichen Beilegung des Konflikts in der Zwangsvoll­ streckung. a) Zahlungsaufschub und Ratenzahlung Die Regelung des §  802b Abs.  2 ZPO lautet:

14.06.1988 2 W 14/88, JurBüro 1989, 261 f.; Gleußner, DGVZ 1994, 145, 147; a. A. Kaminski, Die GVGA als Prüfungsmaßstab im Erinnerungsverfahren, S.  56 ff. 1645  Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, Zwangsvollstreckungsrecht, §  25 Rn.  12. 1646  §  58 GVGA lautet: (1) Bei der Zwangsvollstreckung wahrt der Gerichtsvollzieher neben dem Interesse des Gläubi­ gers auch das des Schuldners, soweit dies ohne Gefährdung des Erfolgs der Zwangsvollstreckung geschehen kann. Er vermeidet jede unnötige Schädigung oder Ehrenkränkung des Schuldners und die Erregung überflüssigen Aufsehens. Er ist darauf bedacht, dass nur die unbedingt notwendigen Kosten und Aufwendungen entstehen. (2) Auf etwaige Wünsche des Gläubigers oder des Schuldners hinsichtlich der Ausführung der Zwangsvollstreckung nimmt der Gerichtsvollzieher Rücksicht, soweit es ohne überflüssige Kosten und Schwierigkeiten und ohne Beeinträchtigung des Zwecks der Vollstreckung geschehen kann. 1647  Hergenröder, DGVZ 2012, 105, 108. 1648 BeckOK-ZPO/Fleck, §  8 02b Rn.  1.

IV. Gerichtsvollzieher

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„Hat der Gläubiger eine Zahlungsvereinbarung nicht ausgeschlossen, so kann der Gerichts­ vollzieher dem Schuldner eine Zahlungsfrist einräumen oder eine Tilgung durch Teilleistun­ gen (Ratenzahlung) gestatten, sofern der Schuldner glaubhaft darlegt, die nach Höhe und Zeitpunkt festzusetzenden Zahlungen erbringen zu können. Soweit ein Zahlungsplan nach Satz 1 festgesetzt wird, ist die Vollstreckung aufgeschoben. Die Tilgung soll binnen zwölf Monaten abgeschlossen sein.“

Im Gesetzesentwurf war begrifflich zunächst eine Stundungsbewilligung vorgese­ hen, die in materiell-rechtlicher Hinsicht in der Einräumung einer Zahlungsfrist oder der Ratenzahlung besteht und die verfahrensrechtlich zu einem Vollstreckungs­ aufschub führen sollte.1649 Infolge der Beschäftigung im Rechtsausschuss wurde der Begriff der „Stundungsbewilligung“ dann durch den der „Zahlungsvereinbarung“ ersetzt.1650 Dies geschah, um Missverständnisse zu vermeiden, die infolge der Ver­ wendung des materiell-rechtlich geprägten Begriffs der Stundung befürchtet wur­ den. Eine Zahlungsvereinbarung im Sinne des §  802b Abs.  2 ZPO soll – im Gegen­ satz zur Stundung – keine materiell-rechtlichen Folgen entfalten, insbesondere kei­ nen Einfluss auf Fälligkeit und Verzug des geltend gemachten Anspruchs haben.1651 Dies lenkt den Blick auf die Rechtsnatur der in §  802b Abs.  2 ZPO vorgesehenen Zahlungsvereinbarungen in Form des Zahlungsaufschubs sowie der Ratenzahlung, die als historischer Ursprung der gütlichen Erledigung der Zwangsvollstreckung be­ zeichnet werden.1652 In Übereinstimmung mit den wiedergegebenen Aussagen in den Gesetzgebungs­ materialien und der vor Schaffung des §  802b ZPO existierenden Rechtslage, werden diese Vereinbarungen als rein vollstreckungsrechtliche Abreden zwischen Gläubiger und Schuldner charakterisiert,1653 die keine materiell-rechtlichen Konsequenzen ha­ ben.1654 Denn Gegenstand des Vertrags soll lediglich die Beschränkung der Vollstre­ ckung sein, die aufgrund der schon angesprochenen Parteiherrschaft eben auch in­ nerhalb des Vollstreckungsverfahrens vereinbart werden kann.1655 Der Abschluss einer Zahlungsvereinbarung hängt auch nicht davon ab, ob pfändbare Habe vorhan­ den ist.1656 Wie für jeden Vertrag bedarf es auch für die Zahlungsvereinbarungen im Sinne des §  802b ZPO eines Konsenses zwischen den Vertragsparteien. Wie dieser erzielt wird, lässt sich der Vorschrift allerdings nicht entnehmen. Für die Vertragserklärung des Gläubigers gilt die gesetzlich geschaffene Wider­ spruchslösung, innerhalb derer auch dem moderierenden Gerichtsvollzieher eine Funktion zufällt1657 und die zur Vermutung der Zustimmung des Gläubigers führt, 1649 

BT-Drs. 16/10069, S.  24. BT-Drs. 16/13432, S.  43. 1651  BT-Drs. 16/13432, S.  42. 1652  Schwörer, DGVZ 2011, 77, 78. 1653  Schwörer, DGVZ 2011, 77, 79; Hergenröder, DGVZ 2012, 129, 133; Stöber, in: Zöller, ZPO, §  802b Rn.  11; Becker-Eberhard, DGVZ 2016, 163, 167. 1654  Becker-Eberhard, DGVZ 2016, 163, 167 m. w. N.; zu den Vorteilen einer solchen Zahlungs­ vereinbarung für beide Parteien vgl. ausführlich Hergenröder, DGVZ 2012, 105, 110. 1655  Schwörer, DGVZ 2011, 77, 79. 1656  Keller, in: Keller, Handbuch Zwangsvollstreckungsrecht, Kap.  2 Rn.  61. 1657  Dazu sogleich unten unter B.IV.6.a). 1650 

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B. Der moderierte Vertrag des zivilrechtlichen Konflikts

sofern dieser die gütliche Erledigung nicht von vornherein ausschließt oder der Gläubiger nach Unterrichtung durch den Gerichtsvollzieher der Vereinbarung nicht widerspricht.1658 Das in §  802b Abs.  2 und 3 ZPO geregelte Verfahren stellt also im Hinblick auf die Willenserklärung des Gläubigers eine weitere1659 gesetzliche Aus­ nahme zum allgemeinen Grundsatz dar, nachdem das bloße Schweigen keine Wil­ lenserklärung darstellen kann.1660 Schweigt der Gläubiger sowohl bei Erteilung des Vollstreckungsauftrags als auch nach der Unterrichtung durch den Gerichtsvoll­ zieher, so fingiert das Gesetz seine für den Vertragsschluss notwendige Willenser­ klärung. Eine entsprechende Regelung für die notwendige Zustimmung des Schuldners enthält §  802b ZPO nicht, dessen Vertragserklärung lässt sich schwieriger bestim­ men.1661 In der Vorschrift ist jedoch geregelt, dass der Schuldner, um überhaupt mit dem Gerichtsvollzieher eine Zahlungsvereinbarung treffen zu können, diesem ge­ genüber glaubhaft darlegen muss, dass er die Zahlungsverpflichtungen, die in der Zahlungsvereinbarung verabredet werden, wird erfüllen können. Der Schuldner muss also darlegen, dass er zur Vertragserfüllung im Stande ist. An dieser Stelle liegt es nicht fern, von der Erklärung des Schuldners, eine Leistung erbringen zu können, auf den Willen zu schließen, den Vertrag, der eine solche Leistungspflicht erst be­ gründen würde, auch abschließen zu wollen.1662 Denn es existiert kein Grund, war­ um ein Schuldner ansonsten eine solche Erklärung abgeben sollte. Bevor die Rolle des moderierenden Gerichtsvollziehers im Hinblick auf den Ab­ schluss der Zahlungsvereinbarung näher betrachtet wird,1663 bleibt die Frage zu klä­ ren, ob neben der Zahlungsvereinbarung noch weitere Abschlüsse im Sinne eines moderierten Vertrags möglich oder ob die in §  802b Abs.  2 ZPO geregelten Zah­ lungsvereinbarungen abschließend zu verstehen sind. Regelmäßig wird sich die gütliche Erledigung in den Maßnahmen, die in der Vor­ schrift genannt sind, erschöpfen,1664 auch, weil sich die Widerspruchslösung nur auf diese Maßnahmen bezieht und der Gerichtsvollzieher aus eigener Kompetenz keine materiell-rechtlichen Maßnahmen mit dem Schuldner dahingehend vereinbaren kann, dass der Gläubiger deren Wirksamkeit nur durch seinen unverzüglichen Wi­ derspruch verhindern kann.1665 Das heißt aber nicht, dass der Gerichtsvollzieher nicht auch erfolgreich auf den Abschluss anderslautender Vereinbarungen hinwirken kann. Mithin stellen die in §  802b Abs.  2 ZPO genannten Zahlungsvereinbarungen nicht die einzige Möglich­

1658 

Schwörer, DGVZ 2011, 77, 79. Siehe bereits die Darstellung zu §  611 ZPO und §  18 KapMuG oben unter B.III.6.i).aa). 1660  Zu diesem Grundsatz vgl. nur Köhler, BGB AT, §  6 Rn.  5, zu den übrigen Ausnahmen dort unter Rn.  6 . 1661  Schwörer, DGVZ 2011, 77, 79. 1662  So im Ergebnis auch Schwörer, DGVZ 2011, 77, 79. 1663  Vgl. unten unter B.IV.6.a). 1664 BeckOK-ZPO/Fleck, §  8 02b Rn.  2 ; OLG Düsseldorf v. 14.07.2016 – I-10 W 97/16, NJW-RR 2016, 1278. 1665  Vgl. OLG Düsseldorf v. 14.07.2016 – I-10 W 97/16, NJW-RR 2016, 1278. 1659 

IV. Gerichtsvollzieher

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keit dar, die Zwangsvollstreckung gütlich zu erledigen.1666 Dies folgt schon aus der oben bereits erörterten Parteiautonomie, die für das Verfahren der Zwangsvollstre­ ckung ebenso gilt. Insofern sind neben der eingangs erwähnten Übereinkunft dahin­ gehend, was der Schuldner abweichend vom Titelinhalt zur Tilgung der Schuld leis­ ten kann, Modifikationen der gesetzlichen Varianten möglich oder – diese ggf. er­ gänzend – eine Vereinbarung zur Schaffung von Sicherheiten für den Gläubiger einerseits bzw. zur Erzeugung von Anreizen für den Schuldner, seiner Zahlungs­ pflicht tatsächlich nachzukommen, andererseits.1667 Hierbei handelt es sich dann nicht mehr um bloße prozessuale Abreden, sondern um materiell-rechtliche Verträge zwischen den Parteien. b) Weitere moderierte Verträge, insb. Besicherung des Gläubigers Dass der Vereinbarung von materiell-rechtlichen Verträgen trotz der fehlenden Er­ wähnung in §  802b Abs.  2 ZPO eine praktische Bedeutung zukommen kann, wird deutlich, wenn man den Blickwinkel des Vollstreckungsgläubigers einnimmt, der einer Zahlungsvereinbarung und der damit verbundenen Erleichterung für den Schuldner vor allem deswegen zustimmt, um die Tilgung seiner Forderung zu reali­ sieren. Scheitert die Zahlungsvereinbarung, etwa weil der Schuldner nicht rechtzei­ tig leistet – vgl. §  802b Abs.  3 Satz 3 ZPO –, dann besteht für den Gläubiger die Ge­ fahr, im Hinblick auf die Realisierung seiner Forderung schlechter dazustehen als zum Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung. Denn die Liquidität des Schuld­ ners kann sich durch dessen zwischenzeitliche Verfügungen oder durch den Zugriff anderer Gläubiger verschlechtert haben.1668 Deswegen wird der Gläubiger häufig neben dem Abschluss einer Zahlungsverein­ barung Interesse an einer parallelen Absicherung seiner Forderung haben. aa) Besicherung des Gläubigers Das macht nicht automatisch den Abschluss eines materiell-rechtlichen Vertrags nö­ tig, vielmehr besteht auch die Möglichkeit, das Schuldnervermögen zu pfänden, ohne dies anschließend zu verwerten.1669 Die Pfändung von Schuldnervermögen stellt nicht immer – auch aus Sicht des Gläubigers – das optimale Sicherungsmittel dar.1670 Das gilt etwa im Fall der avisier­ ten Pfändung von Betriebsmitteln, die der Schuldner gerade benötigt, um das zu er­ wirtschaften, was er zur Schuldentilgung benötigt.1671 Selbst der Verzicht auf die Wegnahme, den die Anbringung eines Pfandsiegels gemäß §  808 Abs.  2 ZPO ermög­ licht, löst das Problem nicht vollständig,1672 weil das per Siegel gepfändete Objekt 1666  Hergenröder, DGVZ 2012, 129; Mroß, DGVZ 2010, 181, 182; Becker-Eberhard, DGVZ 2016, 163, 167; a. A. wohl Sturm, JurBüro 2012, 624, 625. 1667  Hergenröder, DGVZ 2012, 129. 1668  Schwörer, DGVZ 2011, 77, 80. 1669  Hergenröder, DGVZ 2012, 129. 1670  Schwörer, DGVZ 2011, 77, 80. 1671  Hergenröder, DGVZ 2012, 129, 130; Schwörer, DGVZ 2011, 77, 81. 1672 Vgl. Schwörer, DGVZ 2011, 77, 81; Hergenröder, DGVZ 2012, 129, 130.

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B. Der moderierte Vertrag des zivilrechtlichen Konflikts

zerstört werden könnte bzw. sich schon die Anbringung des Pfandsiegels negativ auf den Erwerb des Schuldners auswirkt.1673 Aus diesem Grund solle der Gerichtsvollzieher zur Sicherung der Forderung nicht nur die Pfändung, sondern stets auch eine rechtsgeschäftliche Lösung in Betracht ziehen.1674 Hierbei kommt namentlich die Vereinbarung einer Sicherungsübereig­ nung bzw. -abtretung zwischen dem Vollstreckungsgläubiger und dem Schuldner in Betracht,1675 die zur Refinanzierung besser geeignet sind. Das findet auch in der grö­ ßeren Bedeutung der Sicherungsübereignung gegenüber dem Pfandrecht in der Pra­ xis seinen Niederschlag.1676 Diese Sicherheiten sind allerdings auf rechtsgeschäftlichem Wege durch den über­ einstimmenden Willen von Gläubiger und Schuldner zu begründen.1677 Dies setzt – anders als im Fall der Zahlungsvereinbarung – jedoch die entsprechenden Willenser­ klärungen der Parteien voraus, insbesondere gilt das Schweigen des Gläubigers nicht als Zustimmung zu einer solchen Vereinbarung.1678 Neben der Sicherungsübereignung, die eine Alternative zur Pfändung von Mobi­ lien darstellt, kann auf rechtsgeschäftlichem Weg auch die verdeckte Zession verein­ bart werden, die gegenüber der offenen Forderungspfändung etwa dann Vorteile bringt, wenn der Schuldner Arbeitnehmer ist. Denn Arbeitnehmer sehen sich im Falle der offenen Pfändung ihres Vergütungsanspruchs häufig mit negativen Konse­ quenzen auseinandergesetzt, angefangen von Bearbeitungsgebühren bis hin zur Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses, insbesondere dann, wenn dieses nicht vom Schutz des KSchG erfasst ist.1679 bb) Schuldneranreize Neben der rechtsgeschäftlichen Vereinbarung von Sicherheiten zugunsten des Gläu­ bigers, die insbesondere auch eine Zahlungsabrede flankieren können, besteht für die Parteien auch die Möglichkeit, zur (teilweisen) Realisierung des Gläubigeranspruchs Zahlungsanreize für den Schuldner zu vereinbaren. Diese können zum Beispiel ei­ nen Teilerlass der Schuld vorsehen, wenn der Schuldner sich erfolgreich um eine Schuldentilgung bemüht. Solche Vereinbarungen – die nicht erst im Rahmen der Zwangsvollstreckung getroffen werden können – werden als „Rennfahrer“-, „LasVegas“ oder „Monte-Carlo-Klausel“ bezeichnet.1680 Sie stellen einen gemäß §  397 Abs.  1 BGB rechtlich zulässigen Erlassvertrag im Hinblick auf einen Teil der Forde­ rung dar,1681 der unter der Bedingung geschlossen wird, dass der Schuldner einen Großteil der Forderung rechtzeitig und ordnungsgemäß erfüllt. 1673 

Hergenröder, DGVZ 2012, 129, 130; vgl. auch Schwörer, DGVZ 2011, 77, 81. Dies fordert Schwörer, DGVZ 2011, 77, 81. 1675  Hergenröder, DGVZ 2012, 129, 131; Schwörer, DGVZ 2011, 77, 80. 1676  Hergenröder, DGVZ 2012, 129, 131. 1677  Schwörer, DGVZ 2011, 77, 82; Hergenröder, DGVZ 2012, 129, 130; Becker-Eberhard, DGVZ 2016, 163, 167. 1678  Hergenröder, DGVZ 2012, 129, 133. 1679  Hergenröder, DGVZ 2012, 129, 131. 1680  Hergenröder, DGVZ 2012, 129, 132. 1681  Hergenröder, DGVZ 2012, 129, 132. 1674 

IV. Gerichtsvollzieher

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Der Gläubiger kann darüber hinaus dem Schuldner die Forderung (teilweise) stunden, mit der Folge, dass dieser die Forderung ganz zahlen muss,1682 aber im Un­ terschied zur Zahlungsvereinbarung im Sinne des §  802b Abs.  2 ZPO für die Zeit der Stundung keine weiteren Verzugszinsen anfallen, da die Fälligkeit der Forderung hinausgeschoben wird.1683 Die erwähnten Regelungsmöglichkeiten sind nicht ab­ schließend, insbesondere dürften zudem inhaltlich alle Vereinbarungen in Betracht kommen, die in einem Schuldenbereinigungsplan enthalten sein können.1684 Damit kann auch ein Gerichtsvollzieher einen moderierten Vertrag vermitteln.

6. Gerichtsvollzieher und moderierter Vertrag Dem Gerichtsvollzieher kommen in Bezug auf „seinen“ moderierten Vertrag Funk­ tionen zu, die zum Teil schon von den bisher betrachteten Moderatoren bekannt sind. Darüber hinaus bestehen aber auch neue Funktionsbeschreibungen. Hierbei hat schon die Betrachtung des moderierten Vertrags gezeigt, dass es sinnvoll ist, zwi­ schen der Funktion des Gerichtsvollziehers im Hinblick auf den Abschluss einer Zahlungsvereinbarung nach §  802b Abs.  2 ZPO und der im Rahmen einer (dieser ggf. auch ergänzenden) materiell-rechtlichen Vereinbarung zu trennen. a) Funktion im Rahmen der Widerspruchslösung Der Abschluss einer Zahlungsvereinbarung im Sinne des §  802b Abs.  2 ZPO ist ge­ kennzeichnet durch die sogenannte Widerspruchslösung, in deren Rahmen dem Ge­ richtsvollzieher eine bedeutende Rolle zukommt. Neben der oben bereits angesprochenen Vorschrift des §  802b Abs.  2 ZPO, die es dem Gerichtsvollzieher ermöglicht, dem Schuldner eine Zahlungsfrist einzuräumen oder eine Ratenzahlung zu gestatten, sofern der Schuldner glaubhaft darlegt, diese nach Höhe und Zeitpunkt festzusetzenden Zahlungen erbringen zu können, findet die Funktion des Gerichtsvollziehers ihren Ausdruck in §  802b Abs.  3 ZPO. Die Vorschrift lautet: „Der Gerichtsvollzieher unterrichtet den Gläubiger unverzüglich über den gemäß Absatz 2 festgesetzten Zahlungsplan und den Vollstreckungsaufschub. Widerspricht der Gläubiger un­ verzüglich, so wird der Zahlungsplan mit der Unterrichtung des Schuldners hinfällig; zu­ gleich endet der Vollstreckungsaufschub. Dieselben Wirkungen treten ein, wenn der Schuld­ ner mit einer festgesetzten Zahlung ganz oder teilweise länger als zwei Wochen in Rückstand gerät.“

Damit fallen dem Gerichtsvollzieher im Rahmen der Widerspruchslösung zwei we­ sentliche Aufgaben zu. Er muss einerseits die Darlegung zur Zahlungsfähigkeit des Gläubigers beurteilen (§  802b Abs.  2 ZPO) und andererseits den Gläubiger über den Abschluss einer Zahlungsvereinbarung unterrichten (§  802b Abs.  3 ZPO). 1682 

Hergenröder, DGVZ 2012, 105, 112. §  271 Rn.  14. 1684  Hierauf weist Becker-Eberhard, DGVZ 2016, 163, 167 hin. 1683 BeckOK-BGB/Lorenz,

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B. Der moderierte Vertrag des zivilrechtlichen Konflikts

aa) Prüfungskompetenz Noch bevor dem Gerichtsvollzieher die Aufgabe zufällt, die Darlegung der Zah­ lungsfähigkeit des Schuldners zu beurteilen, muss er zunächst sicherstellen, dass der Gläubiger – auf Basis seiner Gläubigerautonomie – die gütliche Einigung im Voll­ streckungsauftrag nicht von vornherein ausgeschlossen hat. Ist dies nicht der Fall, kann er dem Schuldner den Abschluss einer Zahlungsvereinbarung vorschlagen. Das allerdings nur, wenn der Schuldner dem Gerichtsvollzieher gegenüber seine Zah­ lungsfähigkeit glaubhaft dargelegt hat. Die den Gläubigerwillen fingierende Widerspruchslösung erfährt also eine Ein­ schränkung dergestalt, dass der Gerichtsvollzieher den Weg über die vermutete Zu­ stimmung des Gläubigers nur gehen darf, wenn er sich selbst der ausreichenden Zah­ lungsfähigkeit des Schuldners im Hinblick auf die in der anvisierten Zahlungsverein­ barung zu übernehmenden Zahlungsverpflichtungen versichert hat. Damit wird dem Interesse des Gläubigers Rechnung getragen, der – davon geht der Gesetzgeber zumindest pauschal aus – dann keine Zahlungsvereinbarung wird tref­ fen wollen, wenn schon absehbar ist, dass der Schuldner diese nicht wird erfüllen können. Damit wird die Prüfung, ob sich ein Vertragsschluss auch im Hinblick auf die (Liquidität der) Person des Vertragspartners lohnt, durch die Vorschrift des §  802b Abs.  2 Satz 1 ZPO vom vertragsschließenden Gläubiger auf die Person des Gerichtsvollziehers (vor)verlagert. Dieser soll – unter freier Würdigung und Aus­ klammerung der förmlichen Beweisregeln der ZPO1685 – selbst und ohne Rückkop­ pelung mit dem Gläubiger beurteilen, ob er von einer ausreichenden Zahlungsfähig­ keit des Schuldners ausgeht. Bejaht der Gerichtsvollzieher dies, so trifft er mit dem Schuldner die Zahlungsvereinbarung, die dann nach der hiesigen Auffassung durch das Schweigen des Gläubigers auf die Unterrichtung zustande kommt. Neben der sogleich noch auszudefinierenden Rolle im Hinblick auf die Herstellung des Kon­ senses trifft den Gerichtsvollzieher also eine materielle Prüfpflicht. Das wird kriti­ siert, da eine solche Prüfpflicht im System der Zwangsvollstreckung grundsätzlich eben den Gerichten vorbehalten sei.1686 Dabei erscheint es jedoch beachtenswert, dass dem Gerichtsvollzieher weniger eine gerichtsähnliche Prüfungskompetenz übertragen wird, sondern mehr die seitens des Vertragspartners typischerweise an­ zustellende Liquiditätsprüfung, was auch durch die Aussage gestützt wird, dass das Tilgungsangebot des Schuldners an den Gerichtsvollzieher nach §§  133, 157, 242 BGB auszulegen sei.1687 Die Prüfungskompetenz wird dem vertragsschließenden Gläubiger jedoch nicht entzogen, wie die Betrachtung der weiteren Funktionen des Gerichtsvollziehers im Rahmen der Vereinbarung des moderierten Vertrags zeigen wird.

1685 

Vgl. BT-Drs. 16/10069, S.  24. Bruns, DGVZ 2010, 24, 28. 1687 So Hergenröder, DGVZ 2012, 105, 111. 1686 

IV. Gerichtsvollzieher

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bb) Mitwirkung am Vertragsschluss im engeren Sinne Ausgangspunkt der weiteren Betrachtung bleibt auch hier, dass nicht der Gerichts­ vollzieher Vertragspartner wird, sondern die Zahlungsvereinbarung zwischen dem Vollstreckungsgläubiger und dem Vollstreckungsschuldner zustande kommt. Die Mitwirkung des moderierenden Gerichtsvollziehers führt aber dazu, dass auch an dieser Stelle von dem in §§  145 ff. BGB vorgesehenen Weg der Herstellung des für den Vertragsschluss notwendigen Konsens über Angebot und Annahme abgewichen wird. Wie schon im Rahmen des §  278 Abs.  6 ZPO1688 , wird auch im Rahmen des §  802b ZPO nicht auf das Vorliegen der zur Erzielung des Konsenses notwendigen Parteier­ klärungen verzichtet, d. h., der Gerichtsvollzieher kann aus eigener Kompetenz kei­ ne materiell-rechtlichen Vereinbarungen treffen.1689 Es wird jedoch – wie schon bei der Regelung des Erkenntnisverfahrens – der Adressat der Parteivereinbarungen modifiziert. Nicht der zukünftige Vertragspartner ist Empfänger der empfangsbe­ dürftigen Willenserklärung, sondern diese sind dem Gerichtsvollzieher gegenüber abzugeben und entfalten im Falle der Erklärung des Schuldners ihre Wirksamkeit mit dem Zugang beim Gerichtsvollzieher. Betrachtet man den Vorgang zum Abschluss der Zahlungsvereinbarung chronolo­ gisch, dann ist die erste Erklärung im Auftrag des Gläubigers an den Gerichtsvoll­ zieher zu sehen. Denn mit dem Auftrag wird – aufgrund der Regelung des §  802a Abs.  2 Nr.  1 ZPO – dem Gerichtsvollzieher auch die Befugnis erteilt, die gütliche Erledigung der Sache im Sinne des §  802b ZPO zu versuchen, sofern der Gläubiger diese nicht ausschließt oder begrenzt. Schweigt der Gläubiger und erteilt den Vollstreckungsauftrag pauschal, so ist in diesem partiellen Schweigen bereits eine wichtige Erklärung zu sehen, die allerdings noch keinen unmittelbaren Bezug zum Vertragsabschluss vorweist. Durch dieses Schweigen wird der Gerichtsvollzieher lediglich bevollmächtigt, im Wege der Wi­ derspruchslösung vorzugehen. Ist der Gerichtsvollzieher infolgedessen Stellvertreter des Gläubigers, wie zum Teil vertreten wird?1690 Er ist es nicht. Denn durch den Vollstreckungsauftrag wird der Gerichtsvollzieher nicht zum Abschluss einer Vereinbarung mit dem Vollstre­ ckungsschuldner in der Form bevollmächtigt, dass die seitens des Gerichtsvollzie­ hers abgegebene Erklärung unmittelbar für und gegen den vertretenen Gläubiger wirkt, was aber zur Annahme einer Stellvertretung im engeren Sinne gerade notwen­ dig wäre. Allein durch den Vollstreckungsauftrag wird der Gerichtsvollzieher nicht hinreichend ermächtigt, da deren Wirksamkeit infolge der Regelung des §  802b Abs.  2 ZPO unter dem Vorbehalt des fehlenden Widerspruchs steht. Die in §  802b ZPO gewählte Konstellation entspricht insofern eher der Erteilung einer Verhand­ lungsvollmacht, die im Vollstreckungsauftrag enthalten ist. Eine solche führt aber für die sogenannten Geschäftsvermittler bzw. Verhandlungsgehilfen nicht zur Ein­ 1688 

Siehe auch bei §  18 KapMuG und §  611 ZPO, dazu unter B.III.6.i).aa). Voit, in: Musielak/Voit, ZPO, §  802b Rn.  2. 1690 Von Schwörer, DGVZ 2011, 77, 82. 1689 Vgl.

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B. Der moderierte Vertrag des zivilrechtlichen Konflikts

ordnung als Stellvertreter im Sinne der §§  164 ff. BGB.1691 Sie ist ein rechtliches Ele­ ment zur Einigungserleichterung. Die Erteilung der Verhandlungsvollmacht ist jedoch auch für die hier in Rede ste­ hende Rolle des Gerichtsvollziehers im Hinblick auf den Abschluss des moderierten Vertrags von Bedeutung, denn sie bringt für den Gerichtsvollzieher zwei Aufgaben bzw. Kompetenzen mit sich. Zunächst soll der Gerichtsvollzieher – insofern mehr als ein bloßer Bote – nicht nur eine Willenserklärung des Gläubigers überbringen, sondern eine Zahlungsvereinbarung mit dem Gläubiger verhandeln. Dies bedeutet eben, dass er dem Gläubiger einen fertig ausgehandelten Vertrag präsentieren soll, ohne dass er vorher von diesem notwendigerweise1692 mit einer konkreten Vorgabe ausgestattet wurde. Die Position des Gerichtsvollziehers lässt sich dogmatisch damit zwischen dem Boten einerseits, demgegenüber er über einen eigenen Verhandlungs­ auftrag und der damit verbundenen selbst zu formulierenden Willenserklärung ver­ fügt, und dem Stellvertreter andererseits einordnen, demgegenüber es dem Gerichts­ vollzieher an der Möglichkeit fehlt, den Vertretenen durch seine Willenserklärung bereits fest vertraglich zu binden. Mit dieser Position des Gerichtsvollziehers geht neben der Freiheit hinsichtlich des Abschlusses, den er dem Gläubiger präsentiert, eine weitere Besonderheit einher. Für den Vertragsschluss der Zahlungsvereinbarung, also des moderierten Vertrags im Sinne dieser Untersuchung, kommt dem Gerichtsvollzieher in Bezug auf die seitens des Vollstreckungsschuldners notwendigerweise abzugebende Willenserklärung eine wesentliche Funktion zu. Denn diese ist nicht, wie in den Regelungen des BGB zum Vertragsschluss vorge­ sehen, dem Vertragspartner gegenüber abzugeben, sondern gegenüber dem Gerichts­ vollzieher, der nach der gesetzlichen Vorstellung mit dem Vollstreckungsschuldner eine Zahlungsvereinbarung abschließen soll. Dies wird durch die Formulierung in §  802b ZPO deutlich, wonach der Gerichtsvollzieher – und nicht der Gläubiger – eine Zahlungsfrist einräumt oder eine Tilgung gestattet. Das geht nur, wenn der Ge­ richtsvollzieher erstens mit dem Schuldner verhandelt und zweitens Empfänger des­ sen Willenserklärung ist. Nur, wenn die Willenserklärung des Schuldners schon durch Zugang beim Gerichtsvollzieher wirksam wird, kann dieser – wie es §  802b Abs.  3 Satz 1 ZPO vorsieht – den Gläubiger über einen festgesetzten Zahlungsplan und Vollstreckungsaufschub unterrichten. Andernfalls könnte er bloß – wie ein Bote – das noch nicht verbindliche Angebot des Schuldners weiterleiten. Dass die Willens­ erklärung des Schuldners aber schon mit Zugang beim moderierenden Gerichtsvoll­ zieher wirksam wird, belegt auch der Umstand, dass lediglich der Gläubiger seinen Widerspruch zum Vertrag erklären kann, vom Schuldner allerdings keine weitere Handlung verlangt wird. Mit dem möglichen Widerspruch des Gläubigers verhält es sich dann spiegelbild­ lich. Aufgabe des Gerichtsvollziehers ist es zunächst, den Gläubiger über den Ab­ schluss eines Zahlungsplans oder eines Zahlungsaufschubs – und nicht bloß über ein 1691 Staudinger/Schilken, 1692 

BGB, Vor §§  164 Rn.  93 ff.; MünchKommBGB/Schubert, §  164 Rn.  65. Infolge der Gläubigerautonomie ist dies jedoch möglich, s. o.

IV. Gerichtsvollzieher

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dahin gehendes Angebot des Schuldners – zu unterrichten. Ein Auftrag, der regel­ mäßig auch den Stellvertreter oder den Boten trifft. Besonders an der Position des Gerichtsvollziehers ist weniger die Existenz dieses Unterrichtungsgebots als die auf dieser Information des Gläubigers basierende Möglichkeit des Widerspruchs. Dabei kommt die angesprochene Spiegelbildlichkeit in dem Umstand zum Aus­ druck, dass nicht der Schuldner Adressat des Widerspruchs ist, sondern – wie schon im Hinblick auf die Erklärung des Schuldners – der Gerichtsvollzieher.1693 Von der Willenserklärung des Schuldners unterscheidet sich der Widerspruch des Gläubigers nicht in seiner Qualität als Willenserklärung, infolgedessen er auch ge­ mäß §§  133, 157 BGB auszulegen ist.1694 Für das Zustandekommen der Zahlungsver­ einbarung ist – und insofern liegt ein gravierender Unterschied vor – allerdings nicht das Vorhandensein dieser Willenserklärung notwendig, sondern ihr Fehlen. Die Vorschrift enthält daher einen gesetzlich geregelten Fall des Schweigens als Annah­ meerklärung; weil die Zustimmung des Gläubigers im Rahmen der Widerspruchs­ lösung vermutet wird.1695 Ein insoweit vergleichbarer Fall existiert etwa bei der An­ nahme eines Schuldenbereinigungsplans nach §  308 Abs.  1 InsO im Rahmen des so­ genannten Verbraucherinsolvenzverfahrens. Hier stellt das Gericht nach §  308 Abs.  1 Satz 1 InsO die Annahme des Schuldenbereinigungsplans fest, sofern kein Gläubi­ ger Einwendungen erhoben hat. Bei den Gläubigern, von denen keine Antwort vor­ liegt, wird das Einverständnis zum Schuldnereinigungsplan nach §  307 Abs.  2 InsO – unter weiteren Voraussetzungen1696 – fingiert, d. h. das Schweigen gilt dann als Zu­ stimmung.1697 Diese Fiktion der Zustimmung ließ sich ebenfalls schon bei den Massenverfahren nach dem KapMuG sowie der Musterfeststellungsklage nach §§  606 ff. ZPO feststel­ len. In beiden Fällen wirkte ein geschlossener Vergleich auch für und gegen die nur als Dritte beteiligten Verbraucher, wenn diese nicht aktiv ihren Austritt erklärten. Dieser Austritt ist dann ebenfalls nicht gegenüber dem beklagten Unternehmer, son­ dern gegenüber dem Gericht vorzunehmen und wird mit dem Zugang dort wirksam. Macht im Fall des §  802b ZPO der Gläubiger von seinem Widerspruchsrecht Ge­ brauch, unterrichtet der Gerichtsvollzieher – insofern wiederum spiegelbildlich – den Schuldner. Erst mit dieser Unterrichtung werden Zahlungsplan und Vollstre­ ckungsaufschub hinfällig. Seine Wirkung entfaltet der Widerspruch also erst, wenn er dem Gerichtsvollzieher gegenüber abgegeben ist und dieser den Schuldner ent­ sprechend informiert hat. Die Position des Gerichtsvollziehers, die zwischen Boten und Stellvertreter ange­ siedelt wurde, lässt sich mit der Figur des Verhandlungsgehilfen nicht vollends erfas­ sen. Denn kennzeichnend für den Gerichtsvollzieher ist gerade, dass er – obwohl er im Auftrag des Vollstreckungsgläubigers zur Beitreibung seiner Forderung tätig 1693 

Hergenröder, DGVZ 2012, 105, 113. Hergenröder, DGVZ 2012, 105, 113. 1695  Schwörer, DGVZ 2011, 77, 78; Sturm, JurBüro 2012, 624, 625. 1696  Hierzu siehe MünchKommInsO/Ott/Vuia, §  307 Rn.  11; Waltenberger, in: Kayser/Thole, Heidelberger Kommentar zur Insolvenzordnung, §  307 Zustellung an die Gläubiger, Rn.  12 1697 BeckOK-InsO/Savini, §  307 Rn.  20; Braun, in: Buck, InsO, §  307 Rn.  14. 1694 

258

B. Der moderierte Vertrag des zivilrechtlichen Konflikts

wird – nicht im Lager des Anspruchsinhabers steht.1698 Das gilt für den einseitig beauftragten Verhandlungsgehilfen nicht, der insofern der Sphäre seines Auftragge­ bers zugerechnet wird; mit der Folge, dass dieser für ein Verschulden des Verhand­ lungsgehilfen gemäß §§  280 Abs.  1, 311 Abs.  2 BGB haften kann.1699 Eine entspre­ chende Haftung des Gläubigers für ein Verhalten des Gerichtsvollziehers wird dem­ gegenüber abgelehnt.1700 Das lässt sich mit dessen Unabhängigkeit, infolgedessen er nicht wie ein typischer Verhandlungsgehilfe dem Lager einer Partei zugerechnet werden kann, begründen. b) Rechtliche Qualifizierung der übrigen Vermittlungstätigkeit Die mögliche Vermittlungstätigkeit des Gerichtsvollziehers, so viel ist schon deut­ lich geworden, beschränkt sich nicht auf die Vermittlung einer in §  802b Abs.  2 ZPO genannten Zahlungsvereinbarung. Die dort für das Zustandekommen geregelten Be­ sonderheiten gelten aber nur für die dort genannten Verträge zum Zahlungsaufschub und zur Ratenzahlungsvereinbarung. Das heißt, alle übrigen Maßnahmen müssen nach den allgemeinen Regeln über Verträge geschlossen werden,1701 sie setzen somit mindestens konkludente Willenserklärungen voraus. Ein bloßes Schweigen reicht nicht.1702 Auch die soeben dargestellten Modifikationen, die §  802b Abs.  2 und 3 ZPO im Hinblick auf den Zugang der Willenserklärung trifft, gelten für diese Ver­ einbarungen nicht, sodass es grundsätzlich des Zugangs der Erklärung beim Ver­ tragspartner bedarf.1703 Die Parteien des Zwangsvollstreckungsverfahrens sind allerdings frei, im Rahmen ihrer Privatautonomie den Gerichtsvollzieher auf unterschiedliche Art und Weise in das Verfahren zur Herstellung des Konsenses einzubeziehen. Für den Vollstre­ ckungsgläubiger besteht zunächst die Möglichkeit, den Gerichtsvollzieher als Stell­ vertreter einzusetzen. Hierzu ist jedoch eine über den Vollstreckungsauftrag hinaus­ gehende rechtsgeschäftliche Einräumung der Vertretungsmacht notwendig, da diese dem Gerichtsvollzieher nicht schon nach §  802b ZPO zusteht.1704 Weil der Vollstre­ ckungsgläubiger dann konsequenterweise auch für ein schuldhaftes Fehlverhalten des Gerichtsvollziehers haften würde,1705 wird der Gerichtsvollzieher im Regelfall deshalb bei der Vermittlung rechtsgeschäftlicher Vereinbarungen zwischen den Par­ teien nicht als Vertreter tätig,1706 sondern nur als Bote.1707 Demgegenüber ist es aus Sicht des Vollstreckungsschuldners möglich, dass dieser den Gerichtsvollzieher im Rahmen der Formulierung der Vereinbarung ermächtigt, 1698 

Vgl. hierzu die Darstellung oben unter B.IV.3.b. Vgl. MünchKommBGB/Schubert, §  164 Rn.  66. 1700  Brox/Walker, Zwangsvollstreckungsrecht, Rn.  12. 1701  Becker-Eberhard, DGVZ 2016, 163, 167; Hergenröder, DGVZ 2012, 129, 133; Keller, in: Kel­ ler, Handbuch Zwangsvollstreckungsrecht, Kap.  2 Rn.  60. 1702  Hergenröder, DGVZ 2012, 129, 133. 1703  Hergenröder, DGVZ 2012, 129, 133. 1704  Schwörer, DGVZ 2011, 77, 82 f. 1705 Vgl. Brox/Walker, Zwangsvollstreckungsrecht, Rn.  12. 1706  Brox/Walker, Zwangsvollstreckungsrecht, Rn.  12. 1707  Schwörer, DGVZ 2011, 77, 83. 1699 

IV. Gerichtsvollzieher

259

die Zustimmungserklärung des Gläubigers entgegenzunehmen.1708 Dann würde der Gerichtsvollzieher zunächst als Bote des Vollstreckungsschuldners tätig, indem er dessen Angebot in Form des Vertragstextes dem Gläubiger vorlegt. Dass mit dessen Zustimmung gegenüber dem Gerichtsvollzieher dann der Vertrag wirksam geschlos­ sen wird, liegt in dem Umstand begründet, dass die Parteien, wie schon die insofern vergleichbare Situation bei der Betrachtung des §  278 Abs.  6 ZPO gezeigt hat, be­ rechtigt sind, Modifikationen des in §§  145 ff. BGB vorgesehenen Verfahrens zum Abschluss eines Vertrags vorzunehmen. Damit verbunden ist – nicht nur, aber vor allem –, auf den Zugang der Willenserklärung bei den Parteien zugunsten eines sol­ chen beim Gerichtsvollzieher zu verzichten. Die insoweit zur Moderationstätigkeit des Richters im Rahmen von §  278 Abs.  6 ZPO angestellten Überlegungen gelten an dieser Stelle entsprechend, auch, weil – hier wie dort – jeweils eine Vermittlung zwi­ schen abwesenden Parteien stattfindet, die sich nicht persönlich in der Güteverhand­ lung gegenübersitzen. c) Weitere Mitwirkung Die Mitwirkung des Gerichtsvollziehers beschränkt sich nicht auf die dargestellte Vermittlungstätigkeit. Mit seiner besonderen Funktion als Organ der Zwangsvoll­ streckung gehen weitere Tätigkeiten einher, von denen die Leistungsentgegennahme und die Treuhänderschaft mit der Vermittlungsfunktion in Zusammenhang stehen. aa) Leistungsentgegennahme Der Gerichtsvollzieher wirkt – natürlich auch bei Fehlen einer Vereinbarung zwi­ schen den Parteien des Vollstreckungsverfahrens – auf der Erfüllungsebene mit, in­ dem er Leistungen des Schuldners entgegennimmt und an den Gläubiger weiterlei­ tet.1709 Weil die Entgegennahme von Zahlungen dem gesetzlichen Leitbild des Ge­ richtsvollziehers entspricht,1710 ist er – im Unterschied zu den anderen Moderatoren – auch nach Abschluss einer durch ihn vermittelten Vereinbarung bei deren Einhal­ tung und Umsetzung involviert. bb) Treuhänder Auch die Einsetzung als Treuhänder steht mit der Moderationstätigkeit in Zusam­ menhang und ist – wie die Leistungsentgegennahme – als Tätigkeit zur Umsetzung der vermittelten Vereinbarung zu sehen. Der Gerichstvollzieher kann auf Basis einer vertraglichen Vereinbarung zwischen ihm und beiden Parteien als Treuhänder eingesetzt werden.1711 Die Ausgestaltung

1708 

Hergenröder, DGVZ 2012, 129, 133. Schwörer, DGVZ 2011, 77, 82. 1710  Hergenröder, DGVZ 2012, 129, 134. 1711  Schwörer, DGVZ 2011, 77, 83; Hergenröder, DGVZ 2012, 129, 134. 1709 

260

B. Der moderierte Vertrag des zivilrechtlichen Konflikts

des Treuhandverhältnisses ist dann1712 rein privatrechtlich1713 und kommt insbeson­ dere in Betracht, wenn der Vollstreckungsschuldner als Sicherungsgeber dem Voll­ streckungsgläubiger als Sicherungsnehmer nicht vertraut.1714 In diesem Fall kann sich der Gerichtsvollzieher als Treuhänder zur Verfügung stellen,1715 um den Ab­ schluss der Vollstreckungsvereinbarung zwischen den Parteien zu ermöglichen, die etwa neben einer Zahlungsvereinbarung das Stellen von Sicherheiten beinhaltet.

7. Gerichtsvollzieher als Moderator Zusammenfassend bleibt zu sagen, dass sich der Gesetzgeber bei der Schaffung des §  802b ZPO an der Regelung des §  278 Abs.  1 ZPO orientiert hat, welche die gütliche Erledigung im Rahmen des Erkenntnisverfahrens regelt. Die Tätigkeiten weisen insofern Parallelen auf, unterscheiden sich allerdings vor dem Hintergrund der mit der Moderationstätigkeit verfolgten Zielsetzung. Macht die gütliche Erledigung des Erkenntnisverfahrens die richterliche Entscheidung ent­ behrlich, folgt der Abschluss einer Vereinbarung im Rahmen des Vollstreckungsver­ fahrens erst auf den Spruch des Richters. Hier bietet sie dem Gläubiger die oft einzi­ ge Möglichkeit, vom Schuldner, von dem ansonsten zwangsweise nichts beizutreiben ist, überhaupt noch Leistungen zu erhalten.1716 Damit verbunden zeigt sich ein wei­ terer Unterschied, der zur Kritik an der Inbezugnahme des §  278 ZPO durch den Gesetzgeber geführt hat. Scheitert der Güteversuch im Erkenntnisverfahren, steht dem Richter das Urteil als Instrument zur Verfügung, um Rechtsfrieden zu stiften. Misslingt die Vermittlung des Gerichtsvollziehers, scheitert seine weitere Tätigkeit nicht selten an der Vermögenslosigkeit des Schuldners.1717 Das unterscheidet die Tä­ tigkeit des Gerichtsvollziehers von der des Richters. Verbindend ist demgegenüber, dass auch die vermittelnde Tätigkeit des Güterich­ ters darauf abzielt, zu einer einvernehmlichen Lösung zu gelangen. Um diese zu för­ dern, wurden einige besondere rechtliche Instrumente geschaffen. Zunächst soll der Gerichtsvollzieher selbst eine Zahlungsvereinbarung mit dem Gläubiger verhandeln. Die ihm rechtlich hierzu eingeräumte Position lässt sich dog­ matisch zwischen Boten und Stellvertreter einordnen, ohne dabei der eines Verhand­ lungsgehilfen zu entsprechen. Vom Boten trennt ihn der Umstand, dass der Ge­ richtsvollzieher einen eigenen Verhandlungsauftrag besitzt; vom Stellvertreter, dass es ihm an der Möglichkeit fehlt, den Vertretenen durch seine Willenserklärung zu binden. Vom Verhandlungsgehilfen unterscheidet sich der Gerichtvollzieher, weil er, anders als dieser, keinem Lager zuzurechnen ist.

1712  Im Unterschied zum grundsätzlichen Verhältnis zwischen dem Gerichtsvollzieher und den Vollstreckungsparteien, vgl. oben unter B.IV.3. 1713  Hergenröder, DGVZ 2012, 129, 135. 1714  Hergenröder, DGVZ 2012, 129, 134. 1715  Er muss es jedoch nicht, vgl. Hergenröder, DGVZ 2012, 129, 135. 1716  Becker-Eberhard, DGVZ 2016, 163, 165. 1717  Becker-Eberhard, DGVZ 2016, 163, 165.

IV. Gerichtsvollzieher

261

Darüber hinaus existiert eine die Einigung zwischen den Parteien erleichternde Widerspruchslösung, innerhalb derer dem Gerichtsvollzieher zwei bedeutsame Funktionen zukommen, die sich mit Prüfungskompetenz und Empfangszuständig­ keit betiteln lassen. Der Gerichtsvollzieher soll die Zahlungsfähigkeit des Schuldners einschätzen. Eine solche materielle Prüfungskompetenz wird dem Gerichtsvollzieher im Rahmen seiner Tätigkeit als Organ der Zwangsvollstreckung ansonsten nicht zugesprochen. Eine weitere Besonderheit, die mit der Moderation des Gerichtsvollziehers einher­ ging, ist in der Empfangszuständigkeit für die Willenserklärung des Vollstreckungs­ schuldners zu sehen, die zum Abschluss des moderierten Vertrags führt. Denn diese ist nicht gegenüber dem Vollstreckungsgläubiger abzugeben, sondern entfaltet ihre Wirksamkeit mit dem Zugang beim Gerichtsvollzieher. Mit dieser bereits aus der Vorschrift des §  278 Abs.  6 ZPO bekannten Verlagerung der Empfangszuständigkeit auf den Moderator enden die Besonderheiten im Hin­ blick auf den Vertragsschluss nicht. Zur Vereinfachung des Verfahrens und Förde­ rung der konsensualen Konfliktbeilegung im Vollstreckungsverfahren ist darüber hinaus in §  802b Abs.  3 Satz 1 ZPO ein gesetzlicher Fall des Schweigens als Zustim­ mung geregelt, denn die Annahmeerklärung des Gläubigers wird im Rahmen der dort verankerten Widerspruchslösung vermutet.

C. Der moderierte Vertrag – Definition Jetzt wird eine genauere Definition des Untersuchungsgegenstands vorgenommen, die bei der Moderation ansetzt und dann den moderierten Vertrag ins Auge fasst. Auf Basis dieser Definition können dann weitere Konstellationen von sogenannten moderierten Verträgen betrachtet bzw. auch solche ausgeschlossen werden, die nicht darunter fallen.

I. Moderator Fünf Bereichen kommt eine Bedeutung für die Definition zu.

1. Tätigkeit des Moderators: die Moderation Mediator, Güterichter, Prozessrichter und Gerichtsvollzieher haben gemeinsam, dass sie innerhalb der näher betrachteten Situationen zwischen den Konfliktparteien moderieren. Moderation lässt sich beschreiben als ein Verfahren, das die Kommuni­ kation zwischen den Parteien unter der Beteiligung eines Dritten fördert, d. h. unter anderem strukturiert und überschaubar hält. Aufgabe des Moderators ist es, die Kommunikation zwischen den Konfliktparteien so zu beeinflussen, dass diese zu­ nächst überhaupt erst stattfindet und dann den Abschluss einer Einigung erlaubt. Diese Voraussetzung erfüllen die vier hier in den Blick genommen Tätigkeiten je­ weils. Mediator, Güterichter und Prozessrichter sowie Gerichtsvollzieher haben das gemeinsame Ziel, die Kommunikation zwischen den Konfliktparteien so zu fördern, dass eine den Konflikt beendende Vereinbarung zwischen ihnen zustande kommt. Insofern lässt sich in Bezug auf die jeweiligen Tätigkeiten von einer Moderation im Sinne dieser Untersuchung sprechen. Noch eine weitere Gemeinsamkeit lässt sich für die Tätigkeit der Moderatoren festhalten. So klar einerseits seine vermittelnde Funktion ist, so unklar ist die Art und Weise der Ausübung. Wie genau der Moderator jeweils seine Moderation voll­ zieht, ist nicht näher erfasst bzw. ihm überlassen. Allein innerhalb der Mediation gibt es mehrere Verfahren im engeren Sinne, zwischen denen gewählt werden kann. Auch der Güterichter kann diese Wahl selbst treffen und auch im Hinblick auf den Inhalt der Vermittlungstätigkeit des Prozessrichters bestehen keine Regelungen. Das gilt auch für die Tätigkeit des Gerichtsvollziehers, die lediglich beide Interessen, d. h. sowohl die vom Vollstreckungsgläubiger als auch die vom Vollstreckungsschuldner, ausreichend berücksichtigen muss. Vor diesem Hintergrund ist die Aussage zu se­

I. Moderator

263

hen, wonach sich eine gesetzliche Regelung der Vermittlung nicht mit den Wesen der autonomen Konfliktlösung vertrage.1 Auf die Methodik des Lösungsprozesses, dies hat die bisherige Untersuchung gezeigt, trifft diese Annahme jedenfalls zu.2 Auch die jeweiligen haftungsrechtlichen Vorschriften erlauben keinen Rückschluss, der zur Konkretisierung der Moderationstätigkeit beträgt. Die Analyse der (güte-)rich­ terlichen Haftungsprivilegierung brachte lediglich die geringe Erkenntnis, dass die Maßnahmen, die der Güterichter zur Konfliktmittlung trifft, vertretbar sein müs­ sen. Die Analyse der Verantwortlichkeit der einzelnen Moderatoren, im Wege eines Schadensersatzes für die eigene schlechte Moderationsleistung zu haften, führte die Folgen der fehlenden inhaltlichen Konkretisierung der Moderationsleistung vor Au­ gen. Diese Folgen zeigen sich insbesondere daran, dass auf eine schlechte Moderation regelmäßig deswegen kein Schadensersatzanspruch folgt, weil diese entweder schon nicht festzustellen ist oder kein ersatzfähiger Schaden entsteht. Mit der Feststellung, dass die Tätigkeit der Moderatoren nicht näher geregelt wird bzw. werden kann, geht auch deshalb die steigende Bedeutung der Vorschriften ein­ her, die nicht die Art und Weise der Moderation, aber den moderierten Vertrag in den Fokus nehmen. Wenn an die vorvertragliche Beteiligung des Moderators Folgen für den Vertrag geknüpft werden, so galt und gilt es zu berücksichtigen, welche Aus­ wirkungen dies auf die Moderationstätigkeit hat. Auf diesem Wege werden erstmals der Tätigkeit des Moderators – bildlich gespro­ chen – Leitplanken gesetzt, wenn es bspw. darum geht, dass er einen zivilrechtlich wirksamen Vertrag vermitteln oder die Anforderungen, die an einen „gerichtlichen Vergleich“ gestellt werden, erfüllen muss. Leitplanken, und diese Erkenntnis ist hervorzuheben, bilden darüber hinaus die beiden weiteren Charakteristika der Moderation, die Neutralität und Unparteilich­ keit einerseits sowie die notwendige Freiwilligkeit der Parteien andererseits.

2. Unabhängigkeit und Neutralität Die Charakteristika der Unabhängigkeit und Neutralität wurden schon dem Mode­ rator an sich zugeschrieben; sie verbinden auch die weiter im Rahmen dieser Unter­ suchung in Betracht genommenen Vermittler. Sie wirken auf den Vertragsschluss ein bzw. auf diesen hin, sind jedoch „lagerfrei“, d. h. sie stehen keiner Partei näher als der anderen. Das ergibt sich für die Mediation schon aus §  3 Abs.  2 MedG, wenngleich diese zur gemeinsamen Parteidisposition steht. Der Güte- und entscheidungsbefugte Richter ist, wie der Gerichtsvollzieher, qua Amt unparteiisch. Ein Umstand, der sie von vielen Dritten, die am Zustandekommen eines Schuldverhältnisses beteiligt sind, unterscheidet. Man denke nur an den Stellvertreter, den Makler oder den Dritten im Sinne des §  311 Abs.  3 BGB.3

1 

Diese Annahme schildert Greger, ZKM 2017, 213. Vgl. hierzu Greger, ZKM 2017, 213. 3  Für §  311 BGB: Staudinger/Feldmann/Löwisch, BGB, §  311 Rn.  167. 2 

264

C. Der moderierte Vertrag – Definition

Die Unparteilichkeit und Neutralität wirkt im Hinblick auf den Inhalt der Mode­ rationstätigkeit zusammen mit der notwendigen Freiwilligkeit des Moderationsver­ fahrens. Hierzu lassen sich zwei Regeln formulieren: 1. Was der Sicherung der notwendigen Freiwilligkeit dient, verstößt nicht gegen die Pflicht zur Neutralität und Unabhängigkeit. 2. Was gegen die Neutralität verstoßen würde, kann vom Moderator nicht zum Schutz der Freiwilligkeit verlangt werden.

3. Freiwilligkeit Damit ist die Freiwilligkeit angesprochen, die immer im Rahmen der bisherigen Be­ trachtung wieder Erwähnung fand. Einerseits als typisches Charakteristikum der alternativen Konfliktlösung, andererseits als die für den Vertragsschluss notwendige Selbstbestimmung. Es lässt sich unterscheiden zwischen dem Verhältnis der Ver­ tragsparteien zum Moderator und der Bedeutung, die der Freiwilligkeit, die zum Abschluss des moderierten Vertrags führt, im Hinblick auf das vorhergehende Ver­ fahren zukommt. a) Verhältnis der Parteien zum Moderator Die Inanspruchnahme des Moderators ist in dreifacher Hinsicht freiwillig, d. h., der Moderator muss erstens gar nicht erst an den Verhandlungen beteiligt werden, diese Verhandlungen können zweitens jederzeit beendet bzw. drittens auch ohne den Mo­ derator zu einem Abschluss geführt werden. Dies gilt für die Mediation gemäß §  2 Abs.  5 MedG, wonach die Parteien die Medi­ ation jederzeit beenden können.4 Die Güteverhandlungen vor dem Güterichter kön­ nen von jeder Partei jederzeit für gescheitert erklärt bzw. der Rechtsstreit auf Basis einer außergerichtlichen Einigung beendet werden. Der Prozessrichter muss zwar nicht aufgrund einer gesetzlichen Vorschrift das Einverständnis der Parteien mit ih­ rer Verweisung einholen. Vor dem Hintergrund, dass die den Parteien zuzustehende Autonomie aber jedenfalls beinhaltet, die Güteverhandlung sofort für gescheitert zu erklären, ist die Einholung des Einverständnisses der Parteien daher nicht gesetzlich vorgeschrieben, sondern – aus Sicht des Prozessrichters – „nur“ sinnvoll.5 Die Frei­ willigkeit im Hinblick auf den Umstand, den Moderator gar nicht erst an den Ver­ handlungen zu beteiligen, erfährt damit eine leichte Einschränkung im Vergleich zum Mediator. Während die Autonomie der Parteien mit Blick auf die Durchführung bzw. Been­ digung der Verhandlungen auch für die Moderation des Prozessrichters gilt, ist für dessen Einsetzung als Moderator eine weitere Einschränkung der Freiwilligkeit vor­ zunehmen. Dessen Moderation wird zu Recht als semi-obligatorisches Verfahren 4  Zum Freiwilligkeitsprinzip i.R.d. alternativen Konfliktlösung vgl. Greger, in: Greger/Unbe­ rath/Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, Teil D: Systematische Darstellung, Rn.  69. 5  So im Ergebnis wohl auch Greger/Weber, MDR-Sonderheft 2012 „Das neue Güterichterver­ fahren“, 1, 10.

I. Moderator

265

bezeichnet, weil von der Güteverhandlung abgesehen werden kann, wenn gemäß §  278 Abs.  2 Satz 1 Hs.  1 ZPO bereits ein Einigungsversuch vor einer außergerichtli­ chen Gütestelle stattgefunden hat oder die Güteverhandlung bereits erkennbar aus­ sichtslos erscheint. 6 Für die Einsetzung des Prozessrichters als Moderator bedeutet dies, dass dieser sich quasi selbst einsetzen kann, weil das Gesetz den Parteien nicht freistellt, die Moderationstätigkeit des Güterichters in Anspruch zu nehmen, wenn nicht einer der Ausnahmetatbestände greift. Im Hinblick auf die Freiwilligkeit bei der Beteiligung des Gerichtsvollziehers lässt sich partiell ein anderes Bild zeichnen. Denn bei der Einsetzung des Gerichtsvollzie­ hers als Moderator konnte festgehalten werden, dass sich der Vollstreckungsgläubi­ ger seinerseits keinen ihm genehmen Gerichtsvollzieher aussuchen kann und der Schuldner jedenfalls nicht verhindern kann, vom Gerichtsvollzieher nach den Mög­ lichkeiten für eine gütliche Erledigung der Zwangsvollstreckung befragt zu werden. Das Gesetz sieht insoweit – wie schon beim Güterichter – keine explizite Freiwillig­ keit im Hinblick auf das Tätigwerden als Vermittler vor. Allerdings gilt auch für jede Vereinbarung der Parteien im Vollstreckungsverfahren, dass diese von ihrer Privat­ autonomie getragen sein muss. Wie schon im Gerichtsverfahren, entfaltet diese auch bei der Moderation des Gerichtsvollziehers eine Vorwirkung auf den Beginn des Vermittlungsverfahrens. Die Freiwilligkeit des Verhandlungsbeginns mag zwar kei­ ne Stütze im Gesetz gefunden haben. Jedoch wird dieser Befund durch den Umstand entschärft, dass eine (weitere) Vermittlung völlig sinnlos ist, wenn eine Partei nicht einigungsbereit ist, eben weil gegen deren Willen eine gütliche Erledigung nicht möglich ist. Es bleibt damit bei der für alle Moderationssituationen feststehenden Freiwillig­ keit dahingehend, dass beide Parteien jeweils die (weitere) Verhandlung unter Betei­ ligung des Moderators jederzeit abbrechen bzw. eben eine das Moderationsverfahren beendende Vereinbarung nur auf Basis ihrer Privatautonomie schließen können. An dieser Form der Freiwilligkeit – die in jedem der bis dato geschilderten Mode­ rationsverfahren einzuhalten ist – ändert auch die Tatsache nichts, dass ein mögliches Urteil, das etwa einen zwischen den Konfliktparteien streitigen Anspruch bestätigt oder negiert, im Falle der Mediation „weiter entfernt“ ist als im Rahmen der Vermitt­ lung durch den Prozessrichter, bei deren Scheitern die gerichtliche Entscheidung un­ mittelbar droht. Allen Situationen gemeinsam ist der bereits bestehende Konflikt. Bei jedem Kon­ flikt droht – als Folge der rechtsstaatlichen Rechtsschutzgarantie –, dass (mindes­ tens) eine Seite ihr Recht mittels Urteilsspruchs durchzusetzen sucht. Dieses Damo­ klesschwert hängt über jedem zivilrechtlichen Konflikt. Nur hängt es bei der Medi­ ation höher, tiefer beim Verfahren vor dem Güterichter und am tiefsten bei der Vermittlung durch den Prozessrichter. Denn während die Option des Richterspruchs dem Mediator und dem Güterichter infolge der expliziten Aussage der sie betreffen­ den Regelungen in §  1 Abs.  2 MedG bzw. §  278 Abs.  5 ZPO gerade fehlt, steht sie dem Prozessrichter zu. Diese drohende Option des Richterspruchs kann die Parteien in 6 

Fritz/Krabbe, NVwZ 2013, 29.

266

C. Der moderierte Vertrag – Definition

ihrer Entscheidung im Hinblick auf die gütliche Streitbeilegung – mehr oder weniger – beeinflussen. Das ändert aber nichts daran, dass die Parteien die Vereinbarung je­ weils auf Basis ihrer Privatautonomie schließen. Denn die Beachtung der Freiwillig­ keit verlangt nicht – um ein weiteres Bild zu bemühen – die Einhaltung einer punk­ tuellen Vorgabe. Notwendig für die Einhaltung der Privatautonomie ist es, dass die Freiwilligkeit vielmehr einen Bereich, der durch die Grenzen der Selbstbestimmung beschrieben wird, nicht verlässt. Dies schließt nicht aus, dass die jeweilige Entschei­ dung von der Selbstbestimmung der Parteien gedeckt ist, da diese nicht verlangt, dass sie ohne die Beeinflussung bzw. Berücksichtigung äußerer Umstände, zu denen auch die Alternative eines streitigen Gerichtsentscheids gehören kann, zustande kommt. Da die Moderation des Gerichtsvollziehers ohnehin erst nach Beendigung des Er­ kenntnisverfahrens infrage kommt, stellt sich dort die soeben angesprochene Proble­ matik so nicht. b) Die Freiwilligkeit des moderierten Vertrags Der Abschluss eines privatrechtlichen Vertrags, welcher der moderierte Vertrag ist, erfordert eine privatautonome Entscheidung. Gegenstand der bisherigen und vor al­ lem der folgenden Ausführungen wird die Bedeutung der autonomen Entscheidung sein, welche die Parteien am Schluss der Moderation treffen. Es wird deutlich wer­ den, dass die für eine wirksame Willenserklärung notwendige Selbstbestimmung eine „Vorwirkung“ im Hinblick auf den Inhalt der Moderation entfaltet. Mehr noch: Weil diese „Vorwirkung“ zusammen mit der Freiwilligkeit, die im Verfahren gilt, wiederum ihre Konsequenzen auf die Autonomie beim moderierten Vertrag hat, lässt sich diese abweichend vom Normalvertrag beschreiben. Dabei wird die ohnehin notwendige Autonomie ergänzt um die Attribute der Informiertheit (mit Blick auf die Tätigkeit des Moderators) und der Anerkennung (im Verhältnis der Parteien zueinander). Die Anerkennung der privatautonomen Entscheidung der an­ deren Vertragspartei folgt aus der Bereitschaft, an der Moderation, die in einen Ver­ trag münden soll, teilzunehmen. Die zentrale Bedeutung der Information, die aus der Tätigkeit des Moderatoren für die Parteien folgt, wurde im Rahmen der bisheri­ gen Betrachtung an unterschiedlichen Stellen deutlich. Nach §  2 Abs.  6 Satz 1 MedG wirkt etwa der Mediator im Falle einer Einigung darauf hin, dass die Parteien die Vereinbarung in Kenntnis der Sachlage treffen und ihren Inhalt verstehen. Der Pro­ zessrichter soll, so wird es schlagwortartig zu seiner Leitung der Vergleichsverhand­ lungen formuliert, informieren, aber nicht manipulieren. Diese Thesen der Informiertheit und Anerkennung weiter zu belegen, wird eben­ falls Gegenstand der weiteren Ausführungen sein.

4. Interesse am Vertragsschluss Das Interesse des Moderators am Vertragsschluss speist sich nicht aus einer Sphäre der Parteien. Dies wäre nicht vereinbar mit dessen bereits erörterter Unparteilich­ keit. Es besteht auch keine Verbindlichkeit des Moderators im Sinne einer bestehen­

I. Moderator

267

den Schuld gegenüber den Parteien, im zwischen ihnen herrschenden Konflikt er­ folgreich zu vermitteln, d. h. den Abschluss einer friedensstiftenden Vereinbarung zu ermöglichen. M. a. W.: Der Moderator schuldet keinen Vertragsschluss. Trotzdem hat der Moderator ein systemisches, durch Rechtsnormen belegtes Inte­ resse daran, dass zwischen den Parteien ein Vertrag, d. h. ein moderierter Vertrag, geschlossen wird. Dieses Interesse speist sich aus dem Willen des Moderators, seine Tätigkeit gut und erfolgreich im Sinne der gesetzlichen Vorgaben auszuüben, was jeweils dann der Fall ist, wenn die Parteien einen Vertrag zur Konfliktbeendigung schließen. Dies gilt für den Mediator, weil die Mediation dann als erfolgreich gilt, wenn zwi­ schen den teilnehmenden Parteien eine Abschlussvereinbarung getroffen wird. Ähn­ liches gilt für den Güterichter. Der Richter an sich soll – vgl. §  278 Abs.  1 ZPO – zu jedem Zeitpunkt des Verfahrens auf eine gütliche Streitbeilegung bedacht sein. Den Gerichtsvollzieher trifft eine vergleichbare Verpflichtung nach §  802b Abs.  1 ZPO. Das Interesse des Moderators ist zunächst nur grundsätzlich auf den Abschluss des Vertrags gerichtet und hat keinen konkreten Inhalt des (moderierten) Vertrags vor Augen.7 Die Mediation ist erfolgreich, wenn die Parteien eine Abschlussverein­ barung getroffen haben, unabhängig zu welchen Bedingungen. Das Verfahren der Zahlungsklage ist im Vergleichswege beendet, unabhängig davon, ob der Beklagte dem Kläger etwa 25, 50 oder 75 % seines ursprünglich begehrten Betrags erhält. Wenn es ein Interesse des Moderators am Vertragsinhalt gibt, dann entstammt dieses Interesse nicht unmittelbar dessen Sphäre und keinesfalls der Sphäre der Par­ teien. Vielmehr sind es die Drittinteressen, etwa des betroffenen Kindes bzw. der Allgemeinheit, die der Moderator mitberücksichtigen oder sich ggf. zu eigen machen soll. Aufgrund der dargestellten Untersuchungsergebnisse kann zudem davon ausge­ gangen werden, dass Richter ein großes Eigeninteresse daran haben, den Prozess durch Vergleich zu beenden. 8 Ausschlaggebend ist, dass Vergleiche weniger Auf­ wand verursachen, wobei die anfallenden Pendenzen anders gar nicht bewältigt wer­ den könnten.9 Hinzu kommt, dass Vergleichsförderung für Richter die attraktivere Tätigkeit darstellt als die Streitentscheidung durch Urteil.10 Auch für den Gerichts­ vollzieher dürfte der Abschluss einer Zahlungsvereinbarung mit einer geringeren Arbeitsbelastung verbunden sein als die mühsame Durchsetzung der Forderung etwa im Wege der Pfändung und Verwertung. Diese Annahme wird auch durch den Umstand belegt, dass die Förderung der gütlichen Einigung in der Zwangsvollstre­ ckung auch vor dem Hintergrund geschieht, Justizressourcen zu schonen.11

7 

Für die Mediation formuliert des explizit Beckmann, ZKM 2013, 51, 53. Egli, Vergleichsdruck im Zivilprozess: eine rechtstatsächliche Untersuchung, S.  46. 9  Vgl. auch Vidmar, ZfRSoz 1993, 35, 36. 10  Egli, Vergleichsdruck im Zivilprozess: eine rechtstatsächliche Untersuchung, S.   46; ebenso Ehlke, Das Wirkungsprivileg des Vergleichsvertrages, S.  28; kritisch zum reinen Vorwurf der Ur­ teilsvermeidung jedoch Fleindl/Haumer, Der Prozessvergleich, Kap.  2 Rn.  25 ff. 11 BeckOK-ZPO/Fleck, §  8 02b Rn.  1. 8 

268

C. Der moderierte Vertrag – Definition

5. Nicht verbindend: Vertraulichkeit Kein Definitionsmerkmal ist die Vertraulichkeit der moderierten Verhandlung. Wie die Betrachtung gezeigt hat, liegt diese bei den Moderatoren in unterschiedlicher Ausprägung vor. Selbst für das Mediationsverfahren ist die Vertraulichkeit nicht konstitutiv.12 Viel­ mehr soll die Vereinbarung der Vertraulichkeit13 dazu dienen, ein der Vergleichsbe­ reitschaft zuträglicheres offenes Gesprächsklima zu schaffen.14 Dieses Klima ist eine Voraussetzung insbesondere für den hier sogenannten konsensualen Verhandlungs­ stil, der wohl auch deshalb eher sein zu Hause in der Mediation bzw. der güterichter­ lichen Verhandlung hat. In der Verhandlung vor dem Prozessrichter kommt eher der an den Prozessaussichten orientierte kompetitive Verhandlungsstil zum Zuge. Dass dies aber weder rechtlich zwingend ist, noch tatsächlich so stattfinden muss, wird auch durch den Umstand belegt, dass die Gerichtsverhandlung zwar öffentlich ist, in der Regel allerdings ohne Zuhörer stattfindet.15 Die Untersuchung hat darüber hinaus gezeigt, dass die Vertraulichkeit, dort, wo sie „gesichert“ werden soll, stets vor einem Bruch durch den Moderator geschützt wird. Die tatsächliche Gefahr droht jedoch durch die Verhandlungspartner. Insofern besteht allerdings kein Schutz. Einen solchen wird es – dies wird die Untersuchung noch zeigen – auch nicht geben können, da die Vertragspartner regelmäßig nicht auf die Möglichkeit werden verzichten können und wollen, sich und ihren Vertrags­ schluss gegenüber der Öffentlichkeit zu erklären.

II. Der moderierte Vertrag Vor der eigentlichen Definition wird das Verhältnis des Moderators zum moderier­ ten Vertrag beschrieben.

1. Der Moderator als der beteiligte Unbeteiligte Dieses Verhältnis lässt sich – und die weitere Untersuchung wird das noch bestätigen – am besten mit dem Begriff des beteiligten Unbeteiligten erfassen.16

12  Greger, in: Greger/Unberath/Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, §   1 MedG Rn.  52; ebenso Beck, Mediation und Vertraulichkeit, S.  93, derzufolge es kein absolutes Bedürfnis für eine Vertraulichkeit in der Mediation gebe. 13 Vgl. das Formulierungsbeispiel einer allgemeinen Vertraulichkeitsabrede unter Greger, in: Greger/Unberath/Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, Teil E: Alternative Konfliktlö­ sung und Gerichtsverfahren, Rn.  147. 14  Katzenmeier, ZZP (115) 2002, 51, 73; Greger/Weber, MDR-Sonderheft 2012 „Das neue Güte­ richterverfahren“, 1, 12. 15  Wassermann, Der soziale Zivilprozess, S.  83. 16  Der Ausdruck stammt von Heck, ZfRSoz 2016, 58 geht ursprünglich wohl auf Luhmann, Legitimation durch Verfahren, S.  121 ff. zurück.

II. Der moderierte Vertrag

269

a) Der Unbeteiligte Eine ebenso zentrale wie banale Feststellung liegt zunächst darin, dass es – anders als zuvor angenommen17 – einen Dritten gibt, der einerseits keinem der am Vertrags­ schluss Beteiligten zuzuordnen, d. h. am Vertrag selbst unbeteiligt ist, dessen Stel­ lung sich anderseits jedoch gerade dadurch auszeichnet, dass er am Zustandekom­ men des Vertrags, also am Vertragsschluss, beteiligt ist. Unbeteiligt ist der Moderator, weil er, wie hier schon mit den Mitteln der Rechts­ wissenschaft beschrieben wurde, „lagerfrei“ ist. Für die Einordnung als Unbeteilig­ ter reicht es insofern aus, wenn der Moderator eine Äquidistanz zu den Parteien hält. Dies ist einerseits der Fall, wenn er den Parteien gleich fernsteht, er ihnen also als Fremder begegnet,18 bzw. eben keinem Lager zugehörig ist. Für die Unbeteiligung reiche es – so wird darüber hinaus vertreten – auch aus, wenn der Moderator beiden Seiten gleich nahe stehe.19 Dritte wie der Moderator sind im Konflikt unbeteiligt, weil und solange sie unabhängig, unparteiisch, neutral oder schlicht indifferent sind.20 Dass diese Beschreibung auf den Moderator zutrifft, hat die bisherige Unter­ suchung gezeigt. b) Der beteiligte Unbeteiligte Neben diese – rechtlich bedeutsame – fehlende Zugehörigkeit zur Sphäre einer der Vertragsparteien tritt die Erkenntnis, dass die Beschreibung des moderierenden Dritten nicht enden kann mit der fehlenden Beteiligung. Denn dieser fehlenden Be­ teiligung am Vertrag steht eine auch rechtlich sehr relevante Beteiligung am Ver­ tragsschluss gegenüber, die sich aus der Funktion des Moderators im Rahmen der Vertragsverhandlungen speist und von der besonderen Interessensituation beherrscht wird. Insofern ist nicht relevant, welche Vermittlungstechnik zum Einsatz kommt. Der Beitrag des Dritten zur Konfliktlösung liegt zunächst und vor allem in seiner Anwe­ senheit und erst dann in dem Umstand, dass sich der Moderator aktiv um die Kom­ munikation bemüht. Das passt insofern ins bisher gezeichnete Bild, wonach genaue­ re Vorgaben im Hinblick auf die Vermittlung dem Gesetz ohnehin nicht zu entneh­ men sind. Nach der Auffassung von Heck setzt „die Anwesenheit eines nahezu unbeteiligten Dritten […] die Trennung von Sache und Person, die Repräsentation von Normen, Verbindlichkeit der Beiträge, die Entschleunigung und Selektivität des Widersprechens in Gang, was die Selbstdistanzierung und Selbstzensur der Parteien beflügelt. Unter diesen Umständen beschleicht so manche Partei das Gefühl, die an­ dere Seite sei doch ganz vernünftig.“21 17 Vgl. Raab, Austauschverträge mit Drittbeteiligung, der den Dritten entweder der Schuldner, oder der Gläubigersphäre zuordnen will. 18  So die Bezeichnung bei Heck, ZfRSoz 2016, 58, 61. 19  Heck, ZfRSoz 2016, 58, 61; dass die bloße Anwesenheit eines Dritten Folgen für die Kon­ fliktlösung zeitigt, konnte die Soziologie belegen, vgl. Heck, ZfRSoz 2016, 58, 60. 20  So formuliert Heck, ZfRSoz 2016, 58, 61. 21  Heck, ZfRSoz 2016, 58, 73.

270

C. Der moderierte Vertrag – Definition

2. Definition Der moderierte Vertrag ist das Ergebnis (auch) der Tätigkeit des Moderators. Diese Tätigkeit muss damit sinnlogischerweise vor dem Vertragsschluss stattfinden. Zwar ist die Tätigkeit des Moderators für den Vertragsschluss von Bedeutung, Vertrags­ partei des moderierten Vertrags wird der Moderator jedoch nicht. Die insofern notwendigen Willenserklärungen geben lediglich die Parteien ab, was unter anderem auch verlangt, dass den Parteien ausreichend Privatautonomie einge­ räumt wird, sei es durch die Gegenpartei, sei es durch den Moderator. Es ist diese für den Vertragsschluss allgemein geltende Privatautonomie, die den Parteien ermög­ licht, auch von den Vorgaben der §§  145 ff. BGB abweichende Wege zum Abschluss des Vertrags vorzusehen. Bei der Beteiligung eines Moderators sind zwei Modifika­ tionen hervorhebenswert. Dies ist zum einen die Möglichkeit, dass die Parteien die Zustimmung zu einem Vertragstext geben, der vom Moderator entworfen wurde. Zum anderen können sie das grundsätzlich bestehende Zugangserfordernis etwa da­ hingehend modifizieren, dass es nicht eines Zugangs beim Vertragspartner, sondern beim Moderator bedarf. Neben dieser Annäherung über die Moderationstätigkeit bzw. mithilfe des Ver­ tragsrechts des BGB lässt sich der moderierte Vertrag einordnen als eines von drei (!) zentralen Instrumenten der Streitbeilegung. Sämtliche Verfahren, von der direkten Streitbeilegung am Gartenzaun bis hin zur Anrufung des BVerfG lassen sich in drei Verfahren gliedern, die sich nach dem Grad der Privatautonomie bei der Entscheidungsfindung unterscheiden und schlagwort­ artig mit Verhandeln, Vermitteln und Richten zu erfassen sind.22 Das Ergebnis der Verhandlung ist der Vertrag. Sowohl der Vertrag als auch die vorgehende Verhand­ lung waren und sind Gegenstand ausführlicher Forschung. Dies gilt auch für den Urteilsspruch und den vorhergehenden Prozess. Für den dritten Weg der Streitbeile­ gung gilt dies nicht. Zwar sind die verschiedenen Arten und Wege, im Konfliktfalle zu vermitteln, Gegenstand unterschiedlicher Forschung in verschiedenen Diszipli­ nen. Das geschieht aber regelmäßig losgelöst vom Ergebnis, dessen Stellenwert nicht geringer ist als der von Urteil oder Vertrag und der dieser Untersuchung seinen Na­ men gibt: Der moderierte Vertrag.

3. Der moderierte Vertrag in der Evolution des Rechts Blendet man für diese Untersuchung einen Moment lang aus, dass die Rechtswissen­ schaft sich klassischerweise mit Normen und die Soziologie demgegenüber mit Fak­ ten zu befassen hat,23 dann lässt sich das verstärkte Aufkommen des moderierten Vertrags in die Evolution des Rechts einordnen. 22 

Vgl. nur Wendland, Mediation und Zivilprozess, S.  198. zur klassischen Arbeitsteilung zwischen den Gebieten Luhmann, ZfRSoz 1999, 1. Die Rechtssoziologie hat die Funktion, Juristen und Nichtjuristen über jene gesellschaftlichen Bedin­ gungen des normativen Handelns zu informieren, welche über die rein juristische Sicht hinausge­ hen, so die Definition bei Stegmaier, in: Krüper, Grundlagen des Rechts, §  3 Rn.  3. 23 So

II. Der moderierte Vertrag

271

a) Zur Evolution des Rechts Ehrlich hat 1913 im Hinblick auf die Evolution des Rechts formuliert: „Es ist klar, dass dieser nie rastenden Entwicklung des gesellschaftlichen Rechts gegenüber das starre und unbewegliche staatliche Recht nur zu oft im Rückstande bleibt. Das Recht, wie es auch sein mag, ist stets eine Form der Herrschaft des Toten über den Lebenden: […]“24

Jede Rechtsentwicklung beruhe auf gesellschaftlicher Entwicklung und alle gesell­ schaftliche Entwicklung bestehe darin, dass sich die Menschen und ihre Verhältnisse im Laufe der Zeit ändern.25 Veränderungen, die in der Gesellschaft festzustellen sind, schlagen sich erst mit erheblicher Verzögerung im Recht nieder. Das BGB war schon zur Zeit seiner Ent­ stehung veraltet.26 Für diese zeitliche Differenz wurde der Begriff des cultural lag geprägt, der dann vorliegt, wenn von zwei miteinander in Wechselbeziehungen ste­ henden Kulturelementen das eine sich früher oder stärker verändert als das andere und dadurch das zwischen ihnen bisher vorhandene Gleichgewicht stört.27 Auf die Annahme, dass es eine Evolution des Rechts gibt, folgt die Frage nach einer mögli­ chen Beschreibung der aktuellen Rechtsentwicklungen, die – für diese Untersuchung interessant – mit Mediatisierung und Prozeduralisierung überschrieben wurden.28 Das Aufkommen des moderierten Vertrags fügt sich hier perfekt ein. Teubner hat dann u. a. im Hinblick auf die Entwicklung des Rechts den Begriff des „reflexiven Rechts“ eingeführt. b) Der moderierte Vertrag und reflexives Recht In sozialwissenschaftlicher Hinsicht lässt sich das häufigere Vorkommen des mode­ rierten Vertrags als eine Stärkung des sogenannten reflexiven Rechts werten, das als Instrument politischer Steuerung helfen soll, auf die Wandlung der gesellschaftli­ chen Gegebenheiten zu reagieren.29 Die mit dem Einsatz von reflexivem Recht ein­ hergehende Stärkung der „regulierten Autonomie“ erlaubt dem Rechtssystem, zu „lernen“, d. h. sich aus sich selbst heraus fortzuentwickeln. aa) Ausgangspunkt Als Ausgangspunkt kann die Beobachtung reichen, dass Staat und Recht immer we­ niger in der Lage sind, komplexe Demokratien zu steuern.30 Das Recht ist als Steue­ rungsinstrument auf hierarchisch strukturierte Gesellschaften eingestellt, in denen Staat und Politik das Steuerungszentrum der Gesellschaft bilden.31 Moderne Wohl­ 24  Ehrlich, Soziologie des Rechts, 4.  Aufl. 1989, S.  339; der zitierte Satz endet wie folgt: „so hat Herbert Spencer die berühmten Worte Goethes in seine Sprache übersetzt.“ 25  Ehrlich, Soziologie des Rechts, 4.  Aufl. 1989, S.  336. 26  Röhl, Rechtssoziologie, S.  571. 27  Ogburn, Die Theorie des Social Lag, S.  328, in: Deitzel, Sozialer Wandel, 1972. 28  Vgl. hierzu die Darstellung bei Röhl, Rechtssoziologie, S.  601. 29  Weshalb dessen Nutzung bereits früh gefordert wurde, vgl. Teubner/Wilke, ZfRSoz 1984, 4. 30  Teubner/Wilke, ZfRSoz 1984, 4, 8. 31  Teubner/Wilke, ZfRSoz 1984, 4.

272

C. Der moderierte Vertrag – Definition

standsgesellschaften entsprechen diesem Bild nicht mehr, sie sind nach einem geflü­ gelten Wort „Gesellschaften ohne Spitze und ohne Zentrum“32 , weil sie sich in prin­ zipiell gleichgeordnete, selbstreferenzielle und eigendynamische Teilsysteme33 glie­ dern, die eine zentrale politische Steuerung erschweren.34 Ein Wandel, der sich auch im Vertragsrecht beschreiben lässt: Die ursprüngliche Version des BGB entsprach den Vorstellungen der seinerzeitigen Gesellschaft und deren Konzept eines unreglementierten Warenaustauschs, dessen alleiniges Steue­ rungsmoment die freie Konkurrenz der Marktteilnehmer sein sollte. Deswegen wur­ de (und wird) nicht nach den Ergebnissen der Tauschakte gefragt, sondern lediglich dafür gesorgt, dass die Voraussetzungen für die Gewährleistung des Marktsystems funktionieren, m. a. W.: die unsichtbare Hand im Sinne Adam Smith’ ihr Werk tun kann.35 Dieses Primat der bürgerlichen Autonomie fand sich auch in der Ausgestal­ tung des Zivilprozesses als Konfliktlösungsmechanismus wieder, denn der freie Bür­ ger sollte auch vor Gericht seine Geschicke selbst bestimmen und einen Kampf ums Recht gegen einen ebenbürtigen Kontrahenten ausfechten.36 Insofern lässt sich eine wachsende Komplexität feststellen, die sich auf der Meta­ ebene durch die Existenz vieler Teilsysteme auszeichnet. Das Recht als eigenes Teil­ system 37 reagiert auf die wachsende Komplexität mit einer massiven Normprodukti­ on. Diese führt – im Sinne der Theorie von der Selbstreflexivität des Rechts – zum Erhalt des Rechtssystems, weil sich das Rechtssystem die Probleme, die zu seinem Erhalt und seiner Weiterentwicklung notwendig sind, selbst schafft. „Es ordnet an, daß nur eine begrenzte Menge von Wein subventionsfähig ist, und löst damit Folge­ probleme aus, die ihrerseits wieder als Rechtsprobleme in das Rechtssystem einge­ speist werden.“38 Darüber hinaus verhindert ein solcher Normativismus das Entste­ hen eines „lernenden Rechts“, denn es werden verschiedene Problemlösungen nicht in ihren Konsequenzen verglichen, keine kritischen Erfahrungen gemacht, bzw. Er­ fahrungen aus verschiedenen Rechtsbereichen werden nicht gegenübergestellt.39 Das Fehlen einer Folgenkontrolle und die diesbezügliche Kritik bezieht sich dabei auf eine Betrachtung dessen, was über die Grenzen des Rechtssystems hinausgeht. Der Vorwurf lautet dahingehend, dass das Folgenproblem durch das System internali­ siert werde, weil nur diejenigen Folgen berücksichtigt werden, die für zukünftige Entscheidungen des Rechtssystems – nicht aber darüber hinaus – Bedeutung entfal­ 32 

Luhmann, Politsiche Theorie im Wohlfahrtstaat, S.  22. Wirtschaft, Technologie, Wissenschaft, Erziehungssystem, Militär oder Kunst, vgl. Teubner/Wilke, ZfRSoz 1984, 4, 15. 34  Teubner/Wilke, ZfRSoz 1984, 4. 35  Schmidt, JZ 1980, 153, 154. 36  Schmidt, JZ 1980, 153, 155. 37 Vgl. Luhmann, ZfRSoz 1996, 1, 3; zentral hier: Teubner, Recht als autopoietisches System, S.  87, der das Rechtssystem in seiner modernen Gestalt als ein autopoietisches System zweiter Ord­ nung einstuft, das innerhalb der Gesellschaft als autopoietisches Kommunikationssystem existiert; siehe auch dort unter S.  36 sowie zur Kritik an der Autopoiese; vgl. im Sinne Teubners insofern auch Luhmann, ZfRSoz 1996, 1, 12. 38  So das Beispiel von Luhmann, ZfRSoz 1996, 1, 12. 39  Teubner/Wilke, ZfRSoz 1984, 4, 25 mit Bezugnahme auf Luhmann 1970: „Evolution des Rechts“ S.  19. 33 Z. B.:

II. Der moderierte Vertrag

273

ten. Dies zeige sich daran, dass Juristen eher zwischen verschiedenen Möglichkeiten der Entscheidung differenzieren als Folgen und Folgesfolgen zu berücksichtigen. „Die Möglichkeiten, drei Monate, sechs Monate, neun Monate Gefängnis zu verhän­ gen, schließen sich aus; ihre Folgen dagegen nicht und nicht in jeder Hinsicht“.40 bb) Reaktion Der Internalisierung der Folgenthematik durch das juristische System einerseits so­ wie die schwierige Steuerbarkeit einzelner Systeme moderner Gesellschaften ande­ rerseits soll durch die Stärkung dessen, was als „reflexives Recht“ bezeichnet wird, begegnet werden. Gemeint ist damit ein Steuerungsprinzip, das zwischen dem ziel­ gerichteten Einwirken auf die Rahmenbedingungen im Sinne einer sogenannten Kontextsteuerung und einer Teilsystemautonomie vermitteln will.41 Daraus folgt eine Stoßrichtung, aus der sich die Relevanz für die hiesige Untersuchung ergibt: Reflexives Recht zielt auf (sogenannte) regulierte Autonomie.42 Es soll innerhalb der Teilsysteme integrative Mechanismen für Verfahren und Organisation bereitstellen, die ihre Eigendynamik respektieren, ihnen aber zugleich jene gesellschaftlichen Re­ striktionen auferlegt, die aus den Bedingungen des Zusammenspiels aller Teile als Kontextregeln für jedes einzelne Teil folgen.43 Diese regulierte Autonomie erlaubt dem jeweiligen Sozialsystem, sich im Sinne eines „Lernens“ teilweise selbst zu regu­ lieren.44 cc) Juristische Perspektive Wieder lässt sich der Gedanke – diesmal derjenige der regulierten Autonomie – am Beispiel des Vertragsrechts konkreter, d. h. hier: juristischer fassen. Mit der schon eingangs festgehaltenen Erkenntnis der Fortentwicklung und insbe­ sondere Pluralisierung der Gesellschaft geht der Befund einher, dass sich durchaus unterschiedliche Vorstellungen von der inhaltlichen Angemessenheit der Tauschbe­ ziehungen entwickeln können, was die Legitimation für die einheitlichen Festlegun­ gen infrage stellt.45 Die (juristische) Antwort darauf besteht in einer Reduzierung dessen, was das Rechtssystem in seiner Kommunikation ausmacht: Die binäre Co­ dierung im Sinne von Recht und Unrecht,46 die in Bezug auf die Beantwortung von (Fall-) Fragen zu einem Ja/Nein-Rigorismus führt. Diesen gilt es zumindest teilwei­ se durch ein flexibleres Reaktionsprogramm zu ersetzen, das eine Lösungsvielfalt 40 

Luhmann, Rechtssystem und Rechtsdogmatik, S.  40. Auf der Basis der Verschränkung der Systemtheorie Luhmanns und der Theorie des kommu­ nikativen Handelns von Habermas, vgl. Lauber, Paritätische Vertragsfreiheit durch reflexiven Dis­ kriminierungsschutz, S.  168. 42  Lauber, Paritätische Vertragsfreiheit durch reflexiven Diskriminierungsschutz, S.  168; Teubner/Wilke, ZfRSoz 1984, 4. 43  Teubner/Wilke, ZfRSoz 1984, 4, 7; Lauber, Paritätische Vertragsfreiheit durch reflexiven Dis­ kriminierungsschutz, S.  168. 44  Teubner/Wilke, ZfRSoz 1984, 4, 24. 45  Schmidt, JZ 1980, 153, 158. 46  Vgl. näher etwa Luhmann, ZfRSoz 1999, 1, 6; Röhl, Rechtssoziologie, S.  431 f. 41 

274

C. Der moderierte Vertrag – Definition

bereithält, die unterschiedliche Problemsichten besser einfängt.47 Es sind dabei die schon als moderierter Vertrag eingeordneten Prozessvergleiche, die diesen Wunsch, dem Binarismus des materiellen Rechts auszuweichen, deutlich werden lassen.48 Ge­ fordert wird – ganz im Sinne des reflexiven Rechts – eine Sozialautonomie, die die geschilderten Defizite durch eine Prozeduralisierung bekämpfen soll. In diesem Zu­ sammenhang bedeute Sozialautonomie, die Fremdbestimmung zu ersetzen durch die eigene Dispositionsfreiheit, die zuvor jedoch eine informatorische (soziale) Soli­ darität erfahre.49 Bleibt man beim Beispiel des Prozessvergleichs, obliegt dem Ge­ richt im Rahmen der Sozialautonomie „die Herstellung des Autonomie-Klimas, das ohne seine Mitwirkung im allgemeinen Warenverkehr gerade nicht vorhanden ist, aber es beschränkt sich auf diese Moderatorenrolle, kompensiert also im ihm mögli­ chen Ausmaß die Voraussetzungen autonomer Gestaltung, ohne deren inhaltliche Ausfüllung hoheitlich zu fixieren.“50 Bei der Moderatorentätigkeit geht es also um die Förderung der Autonomie, die – insoweit schließt sich der Kreis – im Sinne eines reflexiven Elements nicht nur zu Gunsten der Förderung der Autonomie des Einzelnen, sondern im Sinne einer ver­ antwortlichen Vertragsfreiheit im Plural gedacht werden kann. Sie könne auf das Rechtsgewissen des Einzelnen einwirken und ihn dazu anhalten, nicht nur die eigene Vertragsfreiheit, sondern auch die Autonomie des Gegenübers anzuerkennen.51 Die­ se Anerkennung der Autonomie des Gegenübers bietet den ersten Ansatz, die beson­ dere Autonomie, die im Rahmen des moderierten Vertrags bestenfalls vorliegt, näher zu beschreiben. c) Folgen Weitet man die Perspektive erneut hin zu einem generalisierenden Ansatz, so können mit der Stärkung des reflexiven Rechts durch das erhöhte Vorkommen des moderier­ ten Vertrags Folgen einhergehen, die – aus der ex-ante Perspektive – bereits beschrie­ ben worden sind. Erstens führt eine Verankerung von reflexiven Elementen dazu, dass sich die Fä­ higkeit des Rechtssystems, zu lernen, erhöht. Zweitens – und für diese Untersuchung zentraler – bleibt aber auch bei einer Betrachtung des Phänomens aus dem Blickwin­ kel der Sozialwissenschaft die Feststellung, dass bei den reflexiven Elementen des Rechts gerade die Beschreibung dahingehend schwierig ist, welche Kontextvorgaben gemacht werden sollen bzw. welche nicht. Die Möglichkeit des „Lernens“ wird erreicht durch die Chance der Folgenberück­ sichtigung, die – wie oben dargestellt – im klassischen Rechtssystem nicht existiert. Die Berücksichtigung von – über das Rechtssystem hinaus existenten – Konsequen­ zen hat seine Ursache in der Überwindung des binären Schematismus, der das ur­ 47 

Schmidt, JZ 1980, 153, 158. Schmidt, JZ 1980, 153, 158. 49  Schmidt, JZ 1980, 153, 159. 50  Schmidt, JZ 1980, 153, 159. 51  Lauber, Paritätische Vertragsfreiheit durch reflexiven Diskriminierungsschutz, S.  33. 48 

II. Der moderierte Vertrag

275

sprüngliche Rechtssystem kennzeichnet und der bei Konfliktlösungen im Wege des moderierten Vertrags gerade nicht gilt. Die ursprünglichen Rechtsformen sollten einfache, in der Mehrheit bipolare Kon­ flikte regulieren, hauptsächlich auf der individuellen Ebene.52 Dass dies in der Form von Fällen geschieht, sichert zudem die Wiederholung der Entscheidung in gleichen oder ähnlichen Fällen – und in diesem Sinne Gerechtigkeit.53 Ein solcher Entschei­ dungsprozess kann aber aus den Auswirkungen der Entscheidungen nicht lernen, d. h. Folgen nicht berücksichtigen.54 Bei der autonomen Entscheidung ist dies – weil die Parteien nicht an den binären Schematismus gebunden sind – allerdings möglich. In dieser Konstellation finde der Staat dann eine neue Rolle: vom hoheitlichen Sou­ verän mit hierarchischem Führungsanspruch zum Primus inter Pares, vom unpartei­ lichen Dritten zum engagierten Beteiligten.55 Aus juristischer Sicht sind die beiden letzten Begriffspaare allerdings nicht im Sin­ ne einer Gegensätzlichkeit zu verstehen, dies hat die bisherige Untersuchung gezeigt. Die Wandlung des staatlichen Parts im triadischen Verfahren vollzieht sich vielmehr vom unparteilichen Dritten hin zum – darüber hinaus und ergänzend – engagierten Beteiligten, der sich bereits als beteiligter Unbeteiligter beschreiben ließ. Eine neue Rolle, deren juristische Einkleidung Herausforderungen birgt, wie die hiesige Betrachtung schon aufzeigen konnte und die darüber hinaus auch aus Sicht derer existiert, die sich für mehr reflexive Elemente im Recht aussprechen. Denn re­ flexives Recht bedeutet, im Konfliktfall eine Vielzahl und Auswahl an Lösungsmög­ lichkeiten zuzulassen, allerdings gleichzeitig durch prozedurale Vorgaben und fest­ gelegte Sanktionen Orientierungspunkte und Grenzvorgaben zu schaffen. Damit das Ineinandergreifen von Selbstverpflichtung und staatlicher Kontrolle funktionie­ re, müsse der Gesetzgeber einen Rahmen schaffen, in dem Spielraum für die einzel­ nen Akteure ist, der jedoch nicht alles dem Zufall überlässt.56 Das angemessene Ver­ hältnis zwischen autonomer Selbstorganisation und gesellschaftlicher Kontextvor­ gabe gilt es allerdings noch zu suchen,57 die Ausgestaltung der Regulation der Selbstregulation wird auch an dieser Stelle eher als unerledigte Aufgabe formuliert.58

52 

Teubner/Wilke, ZfRSoz 1984, 4, 11. Luhmann, Rechtssystem und Rechtsdogmatik, S.  37. 54  Ausführlich siehe nur Luhmann, Rechtssystem und Rechtsdogmatik, S.  38 ff. 55  Willke, Entzauberung des Staates, Überlegungen zu einer sozietalen Steuerungstheorie, S.  131. 56  Lauber, Paritätische Vertragsfreiheit durch reflexiven Diskriminierungsschutz, S.  168; Teubner/Wilke, ZfRSoz 1984, 4, 5. 57 So Teubner/Wilke, ZfRSoz 1984, 4, 13. 58  Lauber, Paritätische Vertragsfreiheit durch reflexiven Diskriminierungsschutz, S.  187. 53 

D. Weitere moderierte Verträge Die bisherige Betrachtung hat den moderierten Vertrag anhand des typisiert-genera­ lisierten Verlaufs eines zivilrechtlichen Konflikts beleuchtet, angefangen bei der au­ ßergerichtlichen Mediation bis hin zur auf das Erkenntnisverfahren folgenden Mo­ deration durch den Gerichtsvollzieher. Es konnte aufgezeigt werden, dass die Ver­ tragsvermittlung zu jedem Zeitpunkt des zivilrechtlichen Konflikts an Bedeutung gewonnen hat und die einvernehmliche Streitbeilegung mehr und mehr Einzug ins (Zivil-)Recht gehalten hat. Diese Feststellung muss nicht auf das Privatrecht be­ schränkt bleiben. Es sind darüber hinaus noch eine ganze Reihe weiterer Konstellationen denkbar, die sich in die Reihe der oben genannten einfügen und ebenfalls das Zustandekom­ men eines moderierten Vertrags beschreiben. Das gilt zunächst für diejenigen Ver­ träge, die nicht vor den Zivilgerichten, sondern den Verwaltungs- oder Sozialgerich­ ten sowie den – bereits angesprochenen – Arbeitsgerichten geschlossen werden.1 Auch andere Verfahrensordnungen sehen die Möglichkeit der außergerichtlichen Einigung vor. Die Regelung in §  54a ArbGG entspricht im Wesentlichen §  278a ZPO; sie ist auch im Beschlussverfahren anwendbar (§  80 Abs.  2 Satz 1 ArbGG).2 Gerade bei Kündigungsschutzprozessen vor den Arbeitsgerichten ist der Abschluss eines (Abfindungs-)Vergleichs in der Praxis nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Für verwaltungs-, sozial- und finanzgerichtliche Verfahren gilt: In §§  173 Satz 1 VwGO, 202 Satz 1 SGG und §  155 FGO wird ausdrücklich auf §  278a ZPO verwiesen, sodass das Gericht dort ebenfalls die Möglichkeit hat, auf eine außergerichtliche Konfliktlö­ sung hinzuwirken. Mit der Beschreibung dieser außerhalb des Zivilprozesses verankerten Regelungen zum moderierten Vertrag wird bereits das erste Anliegen dieses Kapitels in den Blick gerückt. Anders als der Titel vermuten lässt, wird es im Folgenden nicht lediglich darum gehen, weitere Konstellationen moderierter Verträge aufzuzählen. Die hier vertretene These geht vielmehr gerade dahin, dass deren Vorkommen längst ein Maß erreicht hat, das den Umfang einer solchen Untersuchung sprengen würde. Für den Erkenntnisgewinn wäre eine bloße Aneinanderreihung zudem wenig einträglich. Deswegen verfolgt die Darstellung in diesem Kapitel, das auf die erste Definition des moderierten Vertrags folgt, im Wesentlichen drei Ziele, die sich in der Gliederung niederschlagen: Im ersten Teil, der mit „Bedeutung und Konkretisierung“ über­ 1 

Die FGO kennt keine Regelung zum Vergleich. Greger, in: Greger/Unberath/Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, MedG Teil E. Alternative Konfliktlösung und Gerichtsverfahren, Rn.  75. 2 

I. Bedeutung und Konkretisierung

277

schrieben ist, wird die Bedeutung des Rechtsphänomens „moderierter Vertrag“ an­ hand ausgewählter Beispiele seines Vorkommens außerhalb des klassischen zivil­ rechtlichen Konflikts verdeutlicht. Die Auswahl wurde dabei vor dem Hintergrund eines weiteren Erkenntnisgewinns für diese Untersuchung getroffen, der es erlaubt, die bisher ermittelten definitorischen Merkmale zu bestätigen oder zu konkretisie­ ren. Die Definition des moderierten Vertrags ist auch Gegenstand des zweiten Teils, der mit „Vermittlung und Moderation“ bezeichnet wurde. Auch hier verfolgt die Darstellung wiederum zwei Ziele: Anhand der Analyse des Rechtsbegriffs der Ver­ mittlung wird einerseits aufgezeigt, dass der Vermittlungsbegriff inhaltlich bereits belegt ist und deswegen die Einführung des Moderationsbegriffs notwendig ist. An­ dererseits werden die Vorgaben, die im Hinblick auf die Vermittlung bestehen, auf ihre Übertragbarkeit auf die Situation des moderierten Vertrags hin untersucht. Auch der dritte und letzte Teil dieses Kapitels dient zwei Zwecken. Eine weitere Konturierung der Definition des moderierten Vertrags wird zunächst durch die er­ gänzende Benennung von Verfahren, die einen moderierten Vertrags beschreiben bzw. dies gerade nicht tun, erreicht. Dieser Teil und das gesamte Kapitel enden dann in einer Zusammenfassung der bis dahin erzielten Ergebnisse.

I. Bedeutung und Konkretisierung Zur Unterstreichung der Bedeutung und zur weiteren Konkretisierung des Begriffs des moderierten Vertrags schlägt die Untersuchung nun einen weiten Bogen. Den „klassischen“ zivilrechtlichen Konflikt verlassend, welcher als Grundlage für die erste Begriffsbildung diente, wendet sie sich nunmehr solchen moderierten Verträ­ gen zu, die sich nicht unmittelbar aufdrängen, wenn man sich der Thematik nähert. Nach der Analyse der relativ neuen Verbraucherstreitbeilegung nach dem VSBG ver­ lässt die Untersuchung das Privatrecht, um moderierte Verträge im Strafrecht (im Rahmen des sogenannten Täter-Opfer-Ausgleichs) sowie im Sozialrecht (bei der Be­ ratung seitens des Jugendamts nach §  17 Abs.  2 SGB VIII) zu betrachten, um dann mit der Analyse der Einigungsstelle nach dem UWG zu enden.

1. Das Verbraucherstreitbeilegungsverfahren Das im VSBG festgehaltene Verfahren beschreibt das Zustandekommen eines mode­ rierten Vertrags und unterstreicht damit zugleich dessen steigende rechtliche Bedeu­ tung. Das VSBG, welches der Umsetzung der RL 2013/11/EU dient,3 trat am 01.04.2016 in Kraft.4 3 

Greger, in: Greger/Unberath/Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, §  1 VSBG Rn.  1; Wiese/Hörnig, ZKM 2016, 58; Ring, ZAP 2016, 623; Hakenberg, EWS 2016, 312, 314. 4  Greger, MDR 2016, 365; Prütting, MDR 2016, 965, 966; Braun, VuR 2019, 130 kritisiert, dass die Verbraucherstreitbeilegung als Instrument noch sehr unbekannt sei; Steffek, ZKM 2017, 183, 184 sieht im VSBG einen wichtigen Schritt zur Etablierung der alternativen Konfliktlösung; Aust,

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D. Weitere moderierte Verträge

Eine Betrachtung des Verfahrens nach dem VSBG ließe sich nahezu an die Stelle einer Zusammenfassung des bisher Erarbeiteten stellen, weil das Verfahren Gemein­ samkeiten mit den bis hierher untersuchten Wegen zum Abschluss eines moderierten Vertrags aufweist. Weil es hier Parallelen nicht bloß mit einem, sondern mit mehre­ ren Verfahren gibt, spricht dies auch für die Blickrichtung dieser Untersuchung und die Notwendigkeit, die Konstellation des moderierten Vertrags näher zu betrachten. a) Der Streitmittler Die Figur des Streitmittlers ist neu im deutschen Recht.5 Durch §  6 Abs.  1 Satz 1 VSBG wird sie definiert als die Person der Verbraucherschlichtungsstelle, die mit der außergerichtlichen Streitbeilegung betraut und für die unparteiische und faire Ver­ fahrensführung verantwortlich ist. 6 Gesetzgebungsgeschichtlich nimmt die Einführung der Figur ihren Anfang im Recht der Europäischen Union und dem Erlass der Richtlinie über alternative Streit­ beilegung in Verbraucherangelegenheiten (RL 2013/11/EU) vom 21.05.2013. Auslöser für die Schaffung der Richtlinie war der unzureichende und zugleich ungleiche Vollzug des europäischen Verbraucherrechts in vielen EU-Mitgliedstaa­ ten, weil der gerichtliche Rechtsschutz besonders aus Verbrauchersicht zu teuer, zu langsam und zu wenig vorhersehbar war bzw. ist.7 Weil die Verbraucher das mit dem Gerichtsprozess einhergehende Kostenrisiko scheuen, hat sich für dieses Phänomen der Begriff der rationalen Apathie des Verbrauchers, sein Recht vor Gericht zu ver­ folgen, eingebürgert.8 Diesem Problem soll durch die Gewährung eines Zugangs zu einer einfachen, ef­ fizienten, schnellen und kostengünstigen Möglichkeiten der Beilegung inländischer und grenzübergreifender Streitigkeiten begegnet werden.9 Der Verbraucher soll sich kostenlos an eine neutrale Stelle wenden können, die das Verfahren schnell und ein­ fach durchführt und darauf hinwirkt, den Streit ohne die Hinzuziehung öffentlicher Stellen, insb. Gerichte zu beenden.10 Auf diesem Wege soll nicht nur das Verbrau­ cherschutzniveau gehoben, sondern langfristig soll infolge des Vertrauens in die effi­ MietRB 2016, 336, 339 glaubt, dass es geraume Zeit dauern werde, bis das Verbraucherstreitbeile­ gungsverfahren in der Rechtswirklichkeit angekommen ist. Zu den für diese Untersuchung unbe­ deutenden Gesetzesänderungen, die zum 01.01.2020 in Kraft getreten sind, vgl. nur Thole, ZKM 2020, 4 ff. und Greger, MDR 2020, 65 ff. 5  Prütting, MDR 2016, 965, 966; nach Steffek, ZKM 2017, 183, 184 war das VSBG der nächste gesetzgeberische Meilenstein der Entwicklung der Konfliktlösungsverfahren in Deutschland; nach Greger, VuR 2019, 43 haben sich die Erwartungen an das neue Verfahren jedoch nicht erfüllt; ähn­ lich Roder, ZKM 2018, 200, 201, der festhält, dass die Entwicklung der Schlichtungszahlen im Be­ reich der allgemeinen Verbraucherschlichtung nicht zufrieden stellen kann. 6 HK-VSBG/Röthemeyer, §  6 Rn.  4, krit. zur Definition Fries, in: Althammer/Meller-Hannich, VSBG, §  6 Rn.  13. 7  Hess, JZ 2015, 548; Martinek, ZVertriebsR 2016, 343, 344. 8  Tonner, ZKM 2015, 132. 9  Vgl. RL 2013/11/EU, Erwg. 4; so auch Martinek, ZVertriebsR 2016, 343, 344. 10  Vgl. Art.  1 Satz 1 RL 2013/11/EU: Der Zweck dieser Richtlinie ist es, durch das Erreichen ei­ nes hohen Verbraucherschutzniveaus zum reibungslosen Funktionieren des Binnenmarkts beizu­ tragen, indem dafür gesorgt wird, dass Verbraucher auf freiwilliger Basis Beschwerden gegen Un­

I. Bedeutung und Konkretisierung

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ziente Konfliktbeilegung auch der grenzüberschreitende Handel mit Verbraucherbe­ teiligung gestärkt werden.11 Auf dem letzten Aspekt basiert ganz zentral die Kompe­ tenztaktik12 der EU, der zwar für nationale Prozesse die Gesetzgebungskompetenz fehlt, die die Richtlinie jedoch – nicht kritiklos13 – auf die Binnenmarktkompetenz aus Art.  114 AEUV gestützt hat,14 eben weil durch die Verbraucherschlichtung auch der grenzüberschreitende Verbraucherverkehr gestärkt werden soll.15 Zwar ist der Begriff des Streitmittlers neu, in Deutschland gab und gibt es aller­ dings schon seit Langem eine große Anzahl von Verfahren der alternativen Streitbei­ legung.16 Die Aufgabe des deutschen Gesetzgebers bestand daher darin, ein Gesetz zu schaffen, dass einerseits die Vorgaben der Richtlinie erfüllt und andererseits den bereits existierenden Stellen die Möglichkeit lässt, ebenfalls als Verbraucherschlich­ tungsstelle im Sinne des VSBG tätig zu werden.17 Dabei weist das VSBG keine exklu­ siven Regelungen auf, d. h., keine der zuvor bestehenden Schlichtungsstellen muss sich als Verbraucherschlichtungsstelle anerkennen lassen, und die Parteien sind nicht an diese gebunden, sondern können auch andere Schlichtungsstellen um eine Ver­ mittlung ersuchen.18 Die bestehende deutsche Schlichtungskultur19 soll damit durch das VSBG mini­ malinvasiv in die aus dem europäischen Recht kommende Systematik der alternati­ ven Konfliktlösung für Verbraucher überführt werden.20 Das VSBG selbst wird – in seiner Gesamtheit – unterschiedlich beurteilt. Neben der auch hier kritisierten Gesetzgebungskompetenz des Bundes21 wird zum Teil kri­ tisiert, dass es dem Gesetz um die Institutionalisierung einer „Zweitjudikative“ für den Bereich des Verbrauchervertragsrechts gehe, 22 jedenfalls habe das Gesetz das Potenzial, die Streitbeilegungskultur für eben diesen Bereich deutlich zu verän­ dern.23 Die Veränderung, unabhängig wie man sich rechtspolitisch dazu stellen ternehmer bei Stellen einreichen können, die unabhängige, unparteiische, transparente, effektive, schnelle und faire AS-Verfahren anbieten; siehe auch Greger, MDR 2016, 365. 11  Gössl, NJW 2016, 838. 12  Der Ausdruck stammt von HK-VSBG/Röthemeyer, §  1 Rn.  16. 13  Eidenmüller/Engel, ZIP 2013, 1704, 1709. 14 HK-VSBG/Röthemeyer, §  1 Rn.  16. 15  Vgl. Erwägungsgrund 2 der RL 2013/11/EU; Meller-Hannich, in: Althammer/Meller-Han­ nich, VSBG, §  1 Rn.  2 nennt es das wichtigste Ziel. 16  Zu den Phasen der Rechtsentwicklung im Bereich der alternativen Konfliktschlichtung vgl. etwa Prütting, AnwBl 2016, 190 f.; zur in Deutschland vor Erlass des VSBG bestehenden Situation vgl. Niewisch-Lennartz, ZKM 2015, 136; zur Geschichte der Ombudsleute vgl. Lorenz, VersR 2004, 541. 17  Hakenberg, EWS 2016, 312, 313. 18  Greger, in: Greger/Unberath/Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, §  1 VSBG Rn.  2. 19 Vgl. Berlin, ZKM 2015, 26. 20  Die Formulierung stammt von Niewisch-Lennartz, ZKM 2015, 136, 138. 21  Vergleiche die Darstellung bei Engel, NJW 2015, 1633, 1634. 22  Zieger/Smirra, MMR 2016, 291; kritisch insoweit Eidenmüller/Engel, ZIP 2013, 1704, 1710; zur grds. Kritik an der Verbraucherstreitschlichtung vgl. auch Martinek, ZVertriebsR 2016, 343, 345. 23  Gössl, NJW 2016, 838; eher positiv äußert sich Prütting, AnwBl 2016, 190; zur tatsächlichen eher bescheidenen Entwicklung und den Ursachen hierfür vgl. Roder, ZKM 2018, 200, 204.

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D. Weitere moderierte Verträge

möchte,24 ist mit der Schaffung eines weiteren Verfahrens verbunden, das im Ab­ schluss eines moderierten Vertrags enden soll, wie die folgende Darstellung zeigen wird. aa) Qualifikation des Streitmittlers Nähert man sich dem Verfahren, wie bisher, aus der Sicht des Moderators an, so ist neben dessen soeben angesprochener Definition in §  6 Abs.  1 VSBG die notwendige Qualifikation zu betrachten, die in §  6 Abs.  2 VSBG gefordert wird. Nach dem ersten Satz der Vorschrift muss der Streitmittler über Rechtskenntnisse, insbesondere im Verbraucherrecht, sowie das Fachwissen und die Fähigkeiten verfü­ gen, die für die Beilegung von Streitigkeiten in der Zuständigkeit der Verbrau­ cherschlichtungsstelle erforderlich sind. Die Vorschrift setzt die Vorgaben der Richt­ linie 2013/11/EU um.25 Bei den Anforderungen im ersten Satz der Vorschrift bleibt das VSBG jedoch nicht stehen. Dem zweiten Satz des §  6 Abs.  2 VSBG zufolge muss der Streitmittler die Befähigung zum Richteramt besitzen oder zertifizierter Media­ tor sein. Diese Qualifikationsanforderung, die ohne eine den Gesetzesmaterialien zu ent­ nehmende Begründung auf die Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses des Bundestags zurückgeht, 26 ist von der Richtlinie nicht gefordert.27 Der Verweis auf die mögliche Qualifikation als zertifizierter Mediator lief lange leer, weil es bei Inkrafttreten des VSBG noch keine wirksame Regelung der Media­ torenausbildung gab.28 Mit Inkrafttreten der Verordnung über die Aus- und Fortbil­ dung von Mediatoren (ZMediatAusbV) am 01.09.2017 besteht ab diesem Zeitpunkt die Befugnis, sich als zertifizierter Mediator zu bezeichnen und auf diesem Wege auch als Streitmittler im Sinne des VSBG tätig zu werden.29 Darüber hinaus steht die Streitmittlertätigkeit nur Volljuristen offen. Das Postulat der Volljuristeneigenschaft durch §  6 Abs.  2 Satz 2 VSBG wird unter­ schiedlich beurteilt und bildet einen Schwerpunkt in der wissenschaftlichen Diskus­ sion. Wesentliches Vorbringen der Kritiker ist, dass durch diese Qualifikationsan­ forderung zu viele von der Streitmittlertätigkeit ausgeschlossen würden.30 Die Be­ fürworter der Forderung einer Volljuristeneigenschaft 31 begründen ihre Haltung damit, dass eine entsprechende Qualifikation des Streitmittlers die Qualität und vor allem die Akzeptanz der Parteien in die Verbraucherschlichtung fördere,32 weil die 24 

Siehe hierzu die fundierte Kritik von Wendland, KritV 2016, 302 ff. Greger, in: Greger/Unberath/Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, §  6 VSBG Rn.  6. 26  Vgl. BT-Drs. 18/6904, S.  71, so auch Greger, in: Greger/Unberath/Steffek, Recht der alternati­ ven Konfliktlösung, §  6 VSBG Rn.  6. 27  Martinek, ZVertriebsR 2016, 343, 346.l. 28 Vgl. Hakenberg, EWS 2016, 312, 314. 29 HK-VSBG/Röthemeyer, §  4 Rn.  15, hierzu kritisch Wendland, KritV 2016, 302, 312; Fries, in: Althammer/Meller-Hannich, VSBG, §  6 Rn.  25. 30  Greger, in: Greger/Unberath/Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, §  6 VSBG Rn.  6 , kritisch auch Hakenberg, EWS 2016, 312, 314. 31 Etwa Eidenmüller/Engel, ZIP 2013, 1704, 1710; ebenso Gsell, ZZP 2015, 189, 194. 32  Wiese/Hörnig, ZKM 2016, 56, 58. 25 

I. Bedeutung und Konkretisierung

281

Parteien den Ausführungen des Streitmittlers Vertrauen schenkten.33 Belegen ließe sich dies durch das gute Image der bestehenden Schlichtungsstellen, welches darauf zurückzuführen sei, dass dort Volljuristen entschieden.34 Letztlich ist die Qualifikation, die §  6 Abs.  2 VSBG aktuell fordert, zu kritisie­ ren.35 Um dies deutlich zu machen, ist die Tätigkeit des Streitmittlers näher zu be­ leuchten. bb) Tätigkeit des Streitmittlers Anders als der Mediator in der Konstellation des MedG wird der Streitmittler nicht direkt für die Parteien tätig, sondern besetzt seinerseits – wie sich aus der schon an­ gesprochenen Legaldefinition des §  6 Abs.  1 Satz 1 VSBG ergibt – die Verbrau­ cherschlichtungsstelle. cc) Verbraucherschlichtungsstelle Als Verbraucherschlichtungsstelle dürfen sich grundsätzlich nur eingetragene Verei­ ne bezeichnen, vgl. §  3 VSBG,36 denen durch Gesetz oder durch Anerkennung der Status einer ebensolchen Verbraucherschlichtungsstelle verliehen wurde. Dies folgt aus der Legaldefinition des insofern gesetzlich geschützten Begriffs37 des §  2 Abs.  1 VSBG. Damit einher geht der Umstand, dass alle andere Stellen sich nicht als Ver­ braucherschlichtungsstelle bezeichnen dürfen, wie §  2 Abs.  2 VSBG konsequenter­ weise festhält. Aus dem ersten Teil der Legaldefinition in §  2 Abs.  1 Nr.  1 VSBG sowie aus der zentralen Anerkennungsvoraussetzung in §  4 VSBG ergibt sich darüber hinaus, dass die Verbraucherschlichtungsstelle eine Einrichtung ist, die die Beilegung von Strei­ tigkeiten aus einem Verbrauchervertrag nach §  310 Abs.  3 BGB auf Antrag des Ver­ brauchers betreibt.38 Diesem Umstand verdankt die Verbraucherschlichtungsstelle ihren Namen. Das bedeutet allerdings nicht, dass die Schlichtungsstelle ihren Tätig­ keitsbereich entsprechend beschränken müsste. Im Zusammenhang mit der ange­ sprochenen Einbettung der Verbraucherschlichtungsstelle ins bestehende System der außergerichtlichen Streitbeilegung sind die Konfliktbeilegungsstellen nicht daran gehindert, Konfliktlösungsverfahren auch über die Verbraucherangelegenheiten hi­ naus anzubieten.39 In der Praxis ist es jedoch regelmäßig der Verbraucher, der das 33 

Berlin, ZKM 2015, 26, 29. Tonner, ZKM, 2015, 132, 134. 35  So auch überzeugend Fries, in: Althammer/Meller-Hannich, VSBG §  6 Rn.  26. 36  Für behördliche Verbraucherschlichtungsstellen gilt §  3 VSBG gemäß §  28 VSBG nur sinnge­ mäß, weshalb insofern die Organisationsform abweichen kann, zu den möglichen Organisations­ formen vgl. Greger, in: Greger/Unberath/Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, §  1 VSBG Rn.  12. 37  Hakenberg, EWS 2016, 312, 313. 38  Greger, in: Greger/Unberath/Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, §  4 VSBG Rn.  1; HK-VSBG/Steike, §  4 Rn.  3; zu möglichen Zuständigkeitsbegrenzungen bzw. Erweiterungen vgl. Rn.  12 und 17; ebenso die Darstellung bei Wiese/Hörnig, ZKM 2016, 56, 58. 39  Greger, MDR, 2016, 365, 366. 34 

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D. Weitere moderierte Verträge

Vermittlungsverfahren in einer Auseinandersetzung mit einem Unternehmer an­ strengt.40 Dies geschieht bzw. soll regelmäßig vor einer allgemeinen Verbraucherschlich­ tungsstelle geschehen. Als solche bezeichnen sich gemäß §  4 VSBG Stellen, die ihre Zuständigkeit nicht – wie die besonderen Schlichtungsstellen – auf bestimmte Wirt­ schaftsbereiche, Vertragstypen oder Unternehmer beschränken. Da bereits vor Er­ lass des VSBG besondere Verbraucherschlichtungsstellen aufgrund branchenspezifi­ scher Regelungen existierten, sichert der Gesetzgeber mittels §  4 Abs.  2 Satz 2 Nr.  2 VSBG deren Vorrang vor der Zuständigkeit der „Allgemeinen Verbraucherschlich­ tungsstelle“ in der Weise ab, dass er den Allgemeinen Verbraucherschlichtungsstel­ len die Zuständigkeit für Streitigkeiten entzieht, für deren Beilegung besondere Schlichtungsstellen existieren. Für die ebenfalls bestehenden behördlichen Schlich­ tungsstellen,41 zu denen auch die bei Kammern eingerichteten Verbraucherschlich­ tungsstellen gehören, ordnet §  28 VSBG die entsprechende Anwendung der für diese Untersuchung zentralen Vorschriften des VSBG an.42 Dies gilt auch für die vom VSBG so bezeichnete Universalschlichtungsstelle nach §§  29 ff. VSBG,43 die wohl besser Auffangschlichtungsstelle geheißen hätte,44 weil der Gesetzgeber mit ihrer Einrichtung den Vorgaben der Richtlinie nach einer lückenlosen Schlichtungsland­ schaft nachkommt. Für das Anliegen dieser Arbeit ist es ausreichend, die Betrachtung auf die Allge­ meinen Verbraucherschlichtungsstellen zu konzentrieren. b) Streitmittler vs. Verbraucherschlichtungsstelle Für diese Verbraucherschlichtungsstellen im Sinne des §  2 VSBG und die dort tätigen Streitmittler im Sinne des §  6 VSBG gilt das VSBG.45 Schon die bloße Gegenüberstellung der beiden Begrifflichkeiten ruft Verwunde­ rung hervor. Warum wird in der Verbraucherschlichtungsstelle nicht ein Schlichter tätig oder warum wird der Streitmittler nicht für eine Verbraucherstreitbeilegungs­ stelle tätig? Die Fragen suggerieren schon, dass es dem Gesetzgeber wohl möglich gewesen wäre, eine Klarstellung vorzunehmen.46 Letztlich ist es die Bezeichnung des 40 

Hakenberg, EWS 2016, 312, 313. Einzelnen handelt es sich dabei um §  191f BRAO (Schlichtungsstelle der Rechtsanwalt­ schaft), §  14 UKlaG (Schlichtungsstelle nach dem UKlaG), §  111b EnWG (Schlichtungsstelle nach dem EnWG), §  214 VVG (Schlichtungsstelle nach dem VVG), §  18 PostG (Schlichtungsstelle nach dem PostG), §  47a TKG (Schlichtungsstelle nach dem TKG), §  8 EU-Fahrgastrechte-Kraftomni­ bus-Gesetz, §  37 Eisenbahn-Verkehrsordnung, §  6 EU-Fahrgastrechte-Schiffahr-Gesetz, §  57 Luft­ VG bzw. §  1 LuftverkehrsschlichtungsVO; die Aufstellung stammt von Ring, Das neue Verbrau­ cherstreitbeilegungsgesetz in der anwaltlichen Praxis, §  2 Rn.  76; vgl. auch die Übersicht bei HKVSBG/Roder, §  5 Rn.  10. 42  Namentlich der Vorschriften über die Zuständigkeit, die Verfahrensordnung sowie den Streit­ mittler und seine Tätigkeit, vgl. HK-VSBG/Röthemeyer, §  28 Rn.  6. 43 HK-VSBG/Röthemeyer, §  29 Rn.  12. 44 Vgl. hierzu HK-VSBG/Röthemeyer, §  29 Rn.  2 ff.; Liepin, in: Althammer/Meller-Hannich, VSBG, §  29 Rn.  8 ff. 45  Greger, in: Greger/Unberath/Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, §  1 VSBG Rn.  2. 46  In diese Richtung äußert sich auch Henkel, AuA 2016, 274. 41  Im

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Streitmittlers, die dem Anliegen des VSBG, wie noch zu zeigen sein wird, sehr viel eher entspricht.47 Diese wird als Oberbegriff für eine Tätigkeit als Schiedsrichter, Schlichter oder Mediator verwendet.48 Für die Bezeichnung dieser zentralen Figur der Verbraucherschlichtung49 hat der Gesetzgeber zur Vermeidung von Verwechs­ lungen darauf verzichtet, einen der schon besetzten Begriffe zu verwenden.50 Was beim Streitmittler gelang, funktionierte bei der Bezeichnung der Konfliktlö­ sungsstelle nicht. Obwohl dem Gesetzgeber die uneinheitliche Bezeichnungsweise und die damit einhergehende Unsicherheit durchaus bewusst war,51 entschied er sich, die Streitbeilegungsstellen des VSBG – im Wege eines untechnischen Gebrauchs des Begriffs der „Schlichtung“ als allgemeine Bezeichnung für die einvernehmliche Streitbeilegung52 – als Schlichtungsstellen zu bezeichnen. Eine gesetzgeberische Ent­ scheidung zugunsten eines Schlichtungsverfahrens im engeren Sinne53 ist damit je­ doch nicht verbunden. c) Einsatz des Streitmittlers über die Streitschlichtungsstelle Dies zeigt auch die nähere Betrachtung der Tätigkeit des Streitmittlers innerhalb des Verfahrens vor der Verbraucherschlichtungsstelle. Ein solches Verfahren startet überhaupt erst auf Antrag einer Konfliktpartei, aus eigener Kompetenz kann die Verbrauchschlichtungsstelle nicht tätig werden.54 Nach §  4 VSBG ist der Verbraucher stets antragsbefugt, in der Verfahrensordnung kann die Verbraucherschlichtungs­ stelle zudem auch Unternehmern ein entsprechendes Antragsrecht zubilligen.55 d) Verhältnis der Parteien zur Schlichtungsstelle Der Begriff Antrag ist dabei¸ wenn man – wie hier – von der behördlichen Verbrau­ cherschlichtungsstelle absieht, in seinem zivilrechtlichen Verständnis zu verstehen, denn bei den Verbraucherstreitschlichtungsstellen handelt es sich um rein privat­ rechtlich organisierte Formen der Streitbeilegung.56 Dies hat zur Folge, dass spätes­ tens mit der Entscheidung der Schlichtungsstelle, den Schlichtungsantrag nicht aus den in §  14 VSBG bzw. in der Verfahrensordnung genannten Gründen abzulehnen, und der Erklärung des Antragsgegners, an der Schlichtung teilzunehmen, ein drei­ seitiges privatrechtliches Rechtsverhältnis zwischen der Schlichtungsstelle und den Parteien entsteht, das – wie schon bei der Mediation – am ehesten Züge eines Dienst­ vertrags im Sinne von §  611 BGB aufweist.57 Anders als bei der Mediation schließt 47 

Kritsich zum Begriff der Verbraucherschlichtungsstelle auch Greger, MDR 2016, 365. Althammer, in: Schmidt-Kessel, Alternative Streitschlichtung, S.  117, 118. 49 HK-VSBG/Röthemeyer, §  4 Rn.  1. 50 HK-VSBG/Röthemeyer, §  4 Rn.  2. 51  Vgl. BT-Drs. 18/5089, S.  36. 52  BT-Drs. 18/5089, S.  41. 53  Zur Schlichtung im engeren Sinne vgl. die Darstellung unten unter D.III.1. 54  Greger, in: Greger/Unberath/Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, §  14 VSBG Rn.  1; Greger, in: Greger/Unberath/Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, §  14 VSBG Rn.  2. 55  Hakenberg, EWS 2016, 312, 315. 56  Prütting, MDR 2016, 965, 966. 57  Roder, in: Roder/Röthemeyer/Braun, VSBG, §  5 Rn.  188. 48 

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D. Weitere moderierte Verträge

aber nicht der Streitmittler als notwendigerweise natürliche Person58 selbst diesen Vertrag, sondern die Verbraucherschlichtungsstelle schließt mit den Parteien einen Vermittlungsvertrag,59 dessen Bestandteil auch die bei der Schlichtungsstelle gelten­ de Verfahrensordnung ist. 60 e) Die Tätigkeit des Streitmittlers Maßgebend für die Tätigkeit des Streitmittlers sind damit der Vertrag und die über ihn einbezogene Verfahrensordnung. Es bleibt daher zu klären, welche gesetzlichen Konkretisierungen im Hinblick auf die Tätigkeit und damit verbundene Vorgaben für den Vermittlungsvertrag bzw. die Verfahrensordnung existieren. aa) Richtlinie In Verbindung mit der Zweckfestsetzung in Art.  1 Satz 1 RL 2013/11/EU wird fest­ gehalten, dass die Erhöhung des Verbraucherschutzniveaus als Zwischenziel zur Stärkung des Binnenmarkts dadurch erreicht werden soll, dass Stellen geschaffen werden, die unabhängige, unparteiische, transparente, effektive, schnelle und faire Konfliktlösungsverfahren anbieten. 61 Über das Postulieren dieser Grundsätzlichkeiten62 hinaus enthält die Richtlinie keine weiteren, das Vermittlungsverfahren konkretisierenden Vorgaben. 63 Nicht nur in der Tätigkeitsbeschreibung bzgl. des Vermittlers hält sich der Richt­ linientext zurück, auch im Hinblick auf die ganz grundsätzliche Wahl des Verfah­ rens und der damit verbundenen Stellung des unparteiischen Dritten lässt die RL 2013/11/EU den Mitgliedsstaaten eine größtmögliche Freiheit. Sie benennt keine konkreten Verfahren, sondern unterscheidet die in Betracht kommenden funktional nach der dem Vermittler eingeräumten Befugnis.64 Die Richtlinie erlaubt hier, dass der Vermittler in einem strukturierten Prozess die Parteien bei der Suche nach einer Einigung unterstützt, ihnen eine Lösung vorschlägt oder sogar über den Streit ver­ bindlich entscheidet. 65 Hinzu kommt, dass der 21. Erwägungsgrund eine Kombina­ tion der erfassten Methoden ausdrücklich vorsieht. 66 58 HK-VSBG/Röthemeyer, 59 Vgl.

§  4 Rn.  4. Greger, in: Greger/Unberath/Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, §  15 VSBG

Rn.  6. 60 Vgl. Greger, in: Greger/Unberath/Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, §  15 VSBG Rn.  6; Roder, in: Roder/Röthemeyer/Braun, VSBG, §  5 Rn.  25. 61  Art.  1 Satz 1 RL 2013/11/EU. 62  Der Transparenz (Art.  7 RL), der Effektivität (Art.  8 RL) und der Fairness (Art.  9 RL). 63  Stürner, in: Schmidt-Kessel, Alternative Streitschlichtung, S.   87, 90; Wiese/Hörnig, ZKM 2016, 56. 64  Berlin, ZKM 2015, 26, 27. 65  So interpretiert der Gesetzgeber die möglichen Verfahren, die er als Mediation/Vermittlung, Schlichtung, Schiedsverfahren bezeichnet, vgl. BT-Drs. 18/5089, S.  37; ebenso Berlin, ZKM 2015, 26, 27, der für die möglichen Verfahren die Bezeichnungen Einigungsverfahren, Vorschlagsverfah­ ren, Entscheidungsverfahren wählt. 66  Berlin, ZKM 2015, 26, 27; der 21. Erwähnungsgrund der RL 2013/11/EU lautet: „Innerhalb der Union und auch innerhalb der Mitgliedstaaten gibt es ebenso sehr unterschiedliche AS-Verfah­ ren. Dies können Verfahren sein, mit denen eine AS-Stelle die Parteien mit dem Ziel zusammen­

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bb) VSBG Die allgemeingehaltenen Vorgaben der Richtlinie werden auch im Zusammenhang mit der Umsetzung wieder aufgegriffen; die Verbraucherschlichtungsstelle soll eine kompetente, unabhängige, effiziente und faire Konfliktlösung gewährleisten. 67 Auch hinsichtlich der Methodik und des Verfahrens bei der Verbraucherschlich­ tungsstelle wird das VSBG nur in einer Hinsicht konkreter als die Richtlinie. 68 Nach dem VSBG sollen die Schlichtungsstellen die Streitbeilegung als Schlichtung, Medi­ ation oder im Wege eines anderen Verfahrens durchführen können. Das Gesetz schließt nach §  5 Abs.  2 VSBG lediglich Verfahren aus, bei denen Verbrauchern eine Lösung auferlegt wird. 69 Eine weitere positive Entscheidung zugunsten eines Kon­ fliktlösungsmodells wurde im Wege der Umsetzung nicht getroffen.70 Das bedeutet, dass jede Stelle ihr Verfahren unterschiedlich einrichten kann;71 mit der Folge, dass das VSBG eine Schlichtungsstelle erlaubt, die nicht schlichtet, sondern eine Mediati­ on72 oder ein anderes Verfahren der Konfliktlösung anbietet.73 Deswegen ist der gewählte Begriff der Schlichtungsstelle, wie schon angedeutet, zu kritisieren. In begrifflicher Hinsicht erfasst der Begriff des Streitmittlers sehr viel eher die vom VSBG beabsichtigten (fehlenden) Festlegungen, vor allem, wenn man konstatiert, dass dieser als Oberbegriff für eine ganze Reihe von Streitbeilegungs­ verfahren verwendet wird.74 cc) Mediation und Schlichtung Damit lässt das Gesetz die Art und Weise, wie Streitigkeiten beizulegen sind, wei­ testgehend offen. Trotzdem spricht das VSBG zwei mögliche Verfahren explizit an: Einerseits die Mediation, für die nach §  18 VSBG ergänzend die Vorschriften des Mediationsgesetzes gelten, andererseits die Schlichtung im eigentlichen Sinne, bei der der Streitmittler einen Vorschlag zur Beilegung der Streitigkeit unterbreitet, für den §  19 VSBG weitere Regelungen enthält.75

bringt, sie zu einer gütlichen Einigung zu veranlassen, oder Verfahren, mit denen eine AS-Stelle eine Lösung vorschlägt, oder Verfahren, mit denen eine AS-Stelle eine Lösung auferlegt. Es kann sich auch um eine Kombination von zwei oder mehr derartigen Verfahren handeln. Diese Richtlinie sollte die Gestalt der AS-Verfahren in den Mitgliedstaaten unberührt lassen.“ 67  Greger, MDR, 2016, 365; Wiese/Hörnig, ZKM 2016, 56. 68  A.A. HK-VSBG/Röthemeyer, §  1 Rn.  50, der keine Konkretisierung erkennen kann. 69  BT-Drs. 18/5089, S.  41. 70  Berlin, ZKM 2015, 26; Steffek, ZKM 2017, 183, 184; Hakenberg, EWS 2016, 312, 314; Prütting, in: Althammer/Meller-Hannich, VSBG, §  19 Rn.  4. 71  Prütting, AnwBl 2016, 190, 191. 72  Henkel, AuA 2016, 274; Greger, MDR, 2016, 365. 73  Ring, ZAP 2016, 623, 628. 74  Althammer, in: Schmidt-Kessel, Alternative Streitschlichtung, S.  117, 118. 75  Wiese/Hörnig, ZKM 2016, 56, 58.

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(1) Mediation In §  18 VSBG wird zunächst im Hinblick auf die Mediation klargestellt, dass für den Fall, dass der Streitmittler eine Mediation durchführt, die Vorschriften des MedG ergänzend anzuwenden sind, allerdings mit Ausnahme des §  2 Abs.  1 MedG. Führt der Streitmittler nach der Verfahrensordnung der Verbraucherschlichtungs­ stelle eine Mediation durch, so sind die Vorschriften des Mediationsgesetzes mit Ausnahme des §  2 Abs.  1 des MedG ergänzend anzuwenden. Damit fallen auch Me­ diationsverfahren unter die Geltung des VSBG,76 mit den zu Beginn dieser Untersu­ chung dargestellten Konsequenzen für den Mediator als Moderator und den durch ihn vermittelten moderierten Vertrag. Die Regelung des §  18 VSBG hebt lediglich die Geltung des §  2 Abs.  1 MedG im Verfahren vor der Verbraucherschlichtungsstelle auf. Der Vorschrift zufolge wählen die Parteien den Mediator aus. Durch §  18 VSBG soll klargestellt werden, dass sich die Parteien im Wege der Mediatorenauswahl nicht über die Zuständigkeit der Verbraucherschlichtungsstellen hinwegsetzen können und die Verbraucherschlichtungsstellen den Parteien nicht mehrere möglich Media­ toren zur Wahl stellen müssen, wenngleich ihnen dies auch nicht durch §  18 VSBG untersagt wird.77 (2) Schlichtung Die Schlichtung erfährt ihre Erwähnung in §  19 VSBG, der Vorgaben im Hinblick auf den vom Streitmittler erstellten Schlichtungsvorschlag enthält. Aus diesem Rege­ lungsthema der Norm lässt sich der Unterschied zwischen den Verfahren der Medi­ ation und denen der Schlichtung erfassen. Im Mediationsverfahren soll die Eigenver­ antwortlichkeit der Parteien weiter gehen als beim Schlichtungsverfahren, was sich auch darin zeigen soll, dass der Mediator – regelmäßig – anders als der Schlichter gerade keinen Lösungsvorschlag unterbreitet.78 Dass der Schlichter einen solchen erstellt, verdeutlich schon die Existenz der mit „Schlichtungsvorschlag“ überschrie­ benen Vorschrift des §  19 VSBG. Diese unterschiedliche Zielrichtung hat Auswir­ kungen auf die Vermittlungstätigkeit: Der Mediator ist eher für den Prozess verant­ wortlich, nicht für das Ergebnis, der Schlichter hingegen ist auf das Ergebnis orien­ tiert, er leitet es mit Blick auf seine Aufgabe, am Ende einen Vorschlag zu unterbreiten.79 Auch der Schlichter kann und soll jedoch, bevor er den Schlichter­ spruch erstellt, wie der Richter nach §  278 Abs.  1 ZPO, auf eine gütliche Streitbeile­ gung ohne förmliche Entscheidung hinwirken.80 Das VSBG legt sich nicht explizit auf ein Verfahren fest, benennt sogar zwei mög­ liche Verfahren explizit. Das Gesetz lässt allerdings – und nur insoweit ist dann auch

76  Hakenberg, EWS 2016, 312, 315, zum Verhältnis der Mediations- zur ADR-Richtlinie vgl. HK-VSBG/Röthemeyer, §  18 Rn.  8. 77 HK-VSBG/Röthemeyer, §  18 Rn.  13. 78  Ring, Das neue Verbraucherstreitbeilegungsgesetz in der anwaltlichen Praxis, §  2 Rn.  291. 79 HK-VSBG/Röthemeyer, §  18 Rn.  4. 80  Dies fordert Greger, VuR 2019, 43, 48.

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die Bezeichnung als Verbraucherschlichtungsstelle nachvollziehbar81 – eine Präfe­ renz zugunsten der Schlichtung als das übliche Verfahren der Verbraucherstreitbei­ legung erkennen.82 Dies lässt sich mit dem Umstand erklären, dass sowohl das VSBG als auch die Richtlinie 2013/11/EU davon ausgehen, dass das Verfahren in erster Li­ nie schriftlich,83 weil online,84 durchgeführt wird. Deutlich wird dies an der Vor­ schrift des §  17 Abs.  2 VSBG, die eben davon ausgeht, dass das Streitbeilegungsver­ fahren grundsätzlich schriftlich abgewickelt wird, die für eine Mediation notwendi­ ge mündliche Verhandlung aber zulässt, wenn die Parteien einverstanden sind. 85 Mit der Präferenz für eine im schriftlich Verfahren durchgeführte Schlichtung geht dann die – insofern richtige – Feststellung einher, dass ein solches Verfahren für die Behe­ bung von Konflikten größerer Bedeutung und insbesondere für das gemeinsame Er­ arbeiten konsensualer Lösungen nicht geeignet sei.86 (3) (Weitere) Aussagen des VSBG Auch wenn sich das VSBG bei der Formulierung von konkreten Anforderungen an das Verfahren der Konfliktlösung zurückhält, bedeutet dies nicht, dass die Grund­ annahme, nach der jedes Verfahren Regeln brauche, 87 für die Verfahren nach dem VSBG nicht gilt. Und auch in Bezug auf die Verfahren vor den Verbraucherschlich­ tungsstellen wird formuliert, dass Verfahrensregeln die Richtigkeit der Entschei­ dung fördern sowie ihr Zustandekommen überhaupt garantieren.88 Die Kommuni­ kation zwischen den Parteien werde durch die Verfahrensregeln kanalisiert. Diese dienten zugleich dem Schutz prozessualer Positionen, was bei den Verbrauchern, die der an der Schlichtung nach dem VSBG beteiligt sind, regelmäßig von besonderer Bedeutung sei.89 (a) Die Verfahrensordnung, §  5 VSBG Das VSBG überlässt aber die Festlegung des genauen Verfahrens der Verbrauchersch­ lichtungsstelle, die sich, wie sich aus §  5 Abs.  1 VSBG ergibt, eine Verfahrensordnung geben muss.90 Ohne eine solche kommt eine Anerkennung als Verbraucherschlich­ 81  Wenn man nicht dem vom Gesetzgeber gewählten untechnischen Gebrauch des Schlichtungs­ begriffs näher treten will, vgl. BT-Drs. 18/5089, S.  41. 82  Berlin, ZKM 2015 26, 28; Tonner, ZKM 2015, 132, 133; Hakenberg, EWS 2016, 312, 315. 83  Stadler, ZZP 2015, 165, 181. 84  Hakenberg, EWS 2016, 312, 315; vgl. etwa online-schlichter.de und die diesbezgl. Darstellung bei Braun, in: Schmidt-Kessel, Alternative Streitschlichtung, S.  35 ff. 85  Greger, in: Greger/Unberath/Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, §   17 VSBG Rn.  1. 86  Greger, MDR, 2016, 365, 370. 87  Stürner, in: Schmidt-Kessel, Alternative Streitschlichtung, S.  87, 88 mit Verweis auf Luhmann, Legitimation durch Verfahren, 4.  Aufl. 1997, S.  12. 88  Stürner, in: Schmidt-Kessel, Alternative Streitschlichtung, S.  87, 88 mit Verweis auf Luhmann, Legitimation durch Verfahren, 4.  Aufl. 1997, S.  12. 89  Stürner, in: Schmidt-Kessel, Alternative Streitschlichtung, S.  87, 89. 90  Röthemeyer, in: Roder/Röthemeyer/Braun, §  5 Rn.  3; Prütting, MDR 2016, 965, 966; Ring, ZAP 2016, 623, 627.

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tungsstelle nicht in Betracht.91 Wie sich aber aus der bisherigen Betrachtung des VSBG ergibt, besteht bei der genauen Ausgestaltung eine große Freiheit.92 Das VSBG verlangt in positiver Hinsicht nur, dass das Konfliktlösungsverfahren inkl. der Ein­ zelheiten der Durchführung geregelt wird (§  5 Abs.  1 Satz 2 VSBG) und schließt in negativer Hinsicht nur aus, ein Verfahren festzulegen, dass dem Verbraucher eine verbindliche Lösung auferlegt bzw. sein Recht ausschließt, gerichtlichen Rechts­ schutz in Anspruch zu nehmen (§  5 Abs.  2 VSBG). Die Freiheit, die den Schlichtungsstellen im Hinblick auf die Ausgestaltung der Verfahrensordnung gegeben wird, beinhaltet dann, wie sich auch aus §  18 VSBG er­ gibt, sich für ein Verfahren der Mediation zu entscheiden93 oder ein (schriftliches) Schlichtungsverfahren ggf. online94 anzubieten. Neben der Entscheidung für eines der genannten oder ein gänzlich anderes Verfahren besteht zudem die Möglichkeit, verschiedene Verfahren hintereinanderzuschalten.95 Eine solche Hintereinander­ schaltung verschiedener Modelle ist sogar in der Richtlinie vorgesehen und wird auch für die deutsche Schlichtung empfohlen.96 Durch die Möglichkeit, die Verfah­ ren zu mischen, besteht für die Schlichtungsstelle eine nahezu unbeschränkte An­ zahl an möglichen Verfahrensgestaltungen, mit anderen Worten: Es gibt keinen Nu­ merus clausus der Verfahrensarten.97 Die fehlende Konkretisierung der Tätigkeit des Streitmittlers ist für den Blickwinkel dieser Untersuchung sicher zu bedauern. Dies folgt aber nicht erst aus der Vermischung oder Hintereinanderschaltung von ver­ schiedenen Verfahren. Die Ursache liegt vielmehr darin, dass bereits mit den Begriff­ lichkeiten etwa der Mediation oder der Schlichtung keine konkrete Festlegung ein­ hergeht, weil auch zu diesen Verfahren, wie etwa die Betrachtung der Mediation ge­ zeigt hat, vieles ungeklärt ist und eine saubere Abgrenzung schon vor diesen Hintergrund gar nicht möglich ist. (b) Rechtliches Gehör, §  17 VSBG Die mit „Rechtliches Gehör“ überschriebene Vorschrift des §  17 VSBG hat ihren Ursprung in Art.  9 Abs.  1a) der RL 2013/11/EU,98 demzufolge die Mitgliedsstaaten dafür sorgen müssen, dass die Parteien die Möglichkeit haben, innerhalb einer ange­ messenen Frist ihre Meinung zu äußern, von der Alternative-Streitbeilegung-Stelle die von der Gegenpartei vorgebrachten Argumente, Beweise, Unterlagen und Fakten sowie etwaige Feststellungen und Gutachten von Experten zu erhalten und hierzu Stellung nehmen zu können. 91 

Greger, in: Greger/Unberath/Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, §  5 VSBG Rn.  1. Greger, in: Greger/Unberath/Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, §  5 VSBG Rn.  2. 93  In der Praxis findet ein Einsatz von reiner Mediation nicht statt, so Hörl/Weiser, ZKM 2019, 231, 232. 94  Z. B. online-schlichter.de, vgl. hierzu die Darstellung bei Braun, in: Schmidt-Kessel, Alterna­ tive Streitschlichtung, S.  35 ff. 95  Röthemeyer, in: Roder/Röthemeyer/Braun, VSBG, §  2 Rn.  27. 96  Berlin, ZKM 2015, 26, 27. 97  Röthemeyer, in: Roder/Röthemeyer/Braun, VSBG, §   2 Rn.  26; in diesem Sinne auch Hörl/ Weiser, ZKM 2019, 231. 98 HK-VSBG/Borowski, §  17 VSBG Rn.  1. 92 

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Um diese Vorgabe umzusetzen, wurde in §  17 Abs.  1 Satz 1 VSBG festgelegt, dass die Parteien rechtliches Gehör erhalten und Tatsachen und Bewertungen vorbringen können. Hierbei kann die Verbraucherschlichtungsstelle nach Satz 2 der Vorschrift den Parteien eine angemessene Frist zur Stellungnahme setzen, die in der Regel (Satz 3) drei Wochen betragen soll. Deutlich wird auch, dass es sich bei dem Postulat nicht um die Einräumung eines rechtlichen Gehörs in Sinne des Art.  103 Abs.  1 GG handelt, schon allein deshalb, weil der Streitmittler keine verbindliche Entscheidung trifft99 und sich die grundge­ setzliche Vorschrift nur an Gerichte wendet.100 Der Gesetzgeber bleibt also auch an dieser Stelle seiner unglücklichen Wahl der Begrifflichkeiten treu. Da er es zudem unterlässt, die Anforderungen an die Beweismittel oder die Wahrheitspflicht etwa durch eine Inbezugnahme der Vorschriften der ZPO näher zu konkretisieren,101 und auch die diskutierten Ähnlichkeiten zu dem in Art.  6 Abs.  1 und Art.  47 GRCh ent­ haltenen Recht auf ein faires Verfahren102 keine Konkretisierung bringen, weil auch diese nur bei der Schaffung staatlicher Verfahren zu berücksichtigen sind,103 bleibt es insoweit der Verfahrensordnung überlassen, für entsprechende Regelungen zu sor­ gen.104 f) Charakteristika der Verbraucherschlichtung Auch wenn damit viel in den Händen der Verbraucherschlichtungsstelle liegt, gilt hiervon unabhängig, dass die Charakteristika, die in Bezug auf das Verfahren zum Abschluss eines moderierten Vertrags bestimmt wurden, auch bei der Verbraucher­ streitbeilegung nach dem VSBG erfüllt sind und sowohl die Freiwilligkeit als auch die Neutralität und Unabhängigkeit des moderierenden Streitmittlers durch gesetz­ liche Vorgaben abgesichert werden.105 Denn obwohl, bzw.: gerade weil die verfas­ sungsrechtlichen bzw. grundrechtlichen Verfahrensgarantien für die Verbraucher­ streitbeilegung mangels Gerichtseigenschaft nicht gelten, bedarf es einer Festsetzung dieser Verfahrensgrundsätze vor dem Hintergrund, dass erstens der Staat durch die Notwendigkeit der Anerkennung der Schlichtungsstellen eine Verantwortung dafür übernimmt, dass auch dort rechtsstaatliche Grundsätze eingehalten werden und – zweitens – nur ein Verfahren, dass über entsprechende Grundsätze verfügt, eine ent­ sprechende Akzeptanz im Hinblick auf seine Durchführung bzw. sein Ergebnis bei den (zukünftigen) Teilnehmern erzielen kann.106 Eine Akzeptanz, die aufgrund der 99  Greger, in: Greger/Unberath/Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, §   17 VSBG Rn.  2. 100 HK-VSBG/Borowski, §  17 VSBG, Rn.  2 ; a. A. wohl Stürner, in: Schmidt-Kessel, Alternative Streitschlichtung, S.  87, 91, der davon ausgeht, dass der Grundsatz der Fairness dem des rechtlichen Gehörs entspricht. 101  Vgl. HK-VSBG/Borowski, §  17 Rn.  4 ff. 102  Stürner, in: Schmidt-Kessel, Alternative Streitschlichtung, S.  87, 90. 103 Vgl. Stadler, ZZP 2015, 165, 166. 104 HK-VSBG/Borowski, §  17 Rn.  12. 105  Gössl, NJW 2016, 838, 840; zur notwendigen Unabhängigkeit und Unparteilichkeit vgl. auch BT-Drs. 18/5089, S.  38. 106  Stadler, ZZP 2015, 165, 167.

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das Verfahren beherrschenden Freiwilligkeit notwendig ist, aber durch ihre Existenz auch gefördert wird. aa) Freiwilligkeit Denn auch in Bezug auf das VSBG formuliert der Gesetzgeber, dass die einvernehm­ liche Konfliktbeilegung ihre Grundlage in der Privatautonomie finde und die Vor­ teile des Verfahrens sich nur dann voll entfalten könnten, wenn die Parteien freiwil­ lig an diesem Verfahren teilnähmen. Wer sich zudem freiwillig auf eine einvernehm­ liche Lösung einlasse, werde diese respektieren.107 Damit sind auch in Bezug auf das Verbraucherstreitbeilegungsverfahren zwei der drei Dimensionen der Freiwilligkeit angesprochen, die das Vorhandensein eines mo­ derierten Vertrags begründen. Neben der Freiwilligkeit im Hinblick auf das Verfah­ ren und den Abschluss besteht auch für die Parteien der Verbraucherschlichtung die Möglichkeit, sich ohne die Beteiligung eines Streitmittlers zu einigen.108 Dies bedeutet, dass die Durchführung des Verfahrens nach dem VSBG von der Bereitschaft beider Parteien abhängt. Der regelmäßig beteiligte Verbraucher kann die Durchführung eines entsprechenden Verfahrens beantragen, aber auch sofort ge­ richtlichen Rechtsschutz in Anspruch nehmen. Zusätzlich abgesichert wird diese Möglichkeit des Verbrauchers durch §  309 Satz 1 Nr.  14 BGB. Danach ist eine Be­ stimmung in AGB unwirksam, wonach der andere Vertragsteil seine Ansprüche ge­ gen den Verwender gerichtlich nur geltend machen darf, nachdem er eine gütliche Einigung in einem Verfahren zur außergerichtlichen Streitbeilegung versucht hat. Zu den Verfahren der außergerichtlichen Streitbeilegung zählt auch und besonders das Verfahren vor der Verbraucherschlichtungsstelle.109 Auch der Antragsgegner ist nicht zur Teilnahme an einem Verfahren gezwungen; vielmehr hängt dessen Durchführung auch von seiner Bereitschaft zur Teilnahme ab.110 Die von einer Freiwilligkeit in Bezug auf das Verfahren ebenfalls erfasste Möglich­ keit, dieses jederzeit zu beenden, findet ihren Ausdruck in der diesbezüglichen Re­ gelung des §  15 Abs.  1 VSBG, derzufolge das Streitbeilegungsverfahren endet, wenn der Antragsteller seinen Antrag zurücknimmt oder der weiteren Durchführung des Verfahrens widerspricht. Letzteres ist schon dann der Fall, wenn der Antragsteller zum Ausdruck bringt, dass er keine Fortführung des Verfahrens mehr wünscht.111 Eine entsprechende Regelung für den Antragsgegner sieht §  15 Abs.  2 VSBG vor, d. h., auch er kann das Verfahren jederzeit beenden, indem er mitteilt, dass er nicht zur Teilnahme oder Fortführung bereit ist.112 Wie schon in Bezug auf den Verfah­ 107 

BT-Drs. 18/5089, S.  40. In diesem Sinne Greger, MDR 2016, 366. 109  Gössl, NJW 2016, 839; Zieger/Smirra, MMR 2016, 291, 292. 110  Roder, in: Roder/Röthemeyer/Braun, VSBG, §  5 Rn.  15; Greger, MDR, 2016, 365, 366. 111  Greger, in: Greger/Unberath/Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, §   15 VSBG Rn.  2. 112  Greger, in: Greger/Unberath/Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, §   15 VSBG Rn.  3. 108 

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rensbeginn formuliert, gilt dies für den Antragsgegner nur grundsätzlich. Ein Un­ ternehmer, der sich aufgrund seiner Mitgliedschaft im Trägerverein einer Schlich­ tungsstelle zur Teilnahme am Schlichtungsverfahren verpflichtet hat, kann eine Teil­ nahme dann nicht mehr grundlos ablehnen.113 Dieser Umstand schließt jedoch die Freiwilligkeit des Verfahrens nicht aus, vielmehr wird die Entscheidung des Unter­ nehmers zur freiwilligen Teilnahme vom konkreten Verfahren getrennt. Die Grund­ entscheidung, eine entsprechende vorgelagerte Verpflichtung einzugehen, bleibt aber freiwillig. Die Vorschrift des §  15 Abs.  3 VSBG sichert den Antragsgegner weiter ab. Denn trotz bestehender Teilnahmepflicht können beide Parteien,114 aber insbesonde­ re der sich zuvor selbst verpflichtende Unternehmer,115 das Verfahren beenden, wenn dieses an einem erheblichen Verfahrensmangel leidet. Entlarvend im Hinblick auf die fehlende Festlegung des Konfliktlösungsmodells ist der Umstand, dass weder die Literatur noch der Gesetzgeber selbst etwas dazu verlauten lassen, was einen erheblichen Verfahrensmangel im Sinne des §  15 VSBG darstellt. Die Gesetzesbegründung spricht vielmehr von einer bloßen Klarstellung und nimmt auf Art.  9 Abs.  2a) der Richtlinie Bezug.116 Dort ist allerdings das Recht der Parteien geregelt, das Verfahren in jedem Stadium abzubrechen, wenn sie die Durchführung oder den Ablauf des Verfahrens für unbefriedigend erachten. Diese Vorgabe findet ihre Umsetzung jedoch mehr in den ersten Absätzen des §  15 VSBG und weniger in dessen Absatz 3. Korrespondierend zur Möglichkeit, das Verfahren freiwillig und jederzeit ohne eine Einigung zu beenden, können sich die Parteien auch stets auf eine einvernehm­ liche Beilegung des Konflikts einigen. Diese Zustimmung zur Konfliktbeilegung des Verbrauchers muss stets zum Schluss des Verfahrens eingeholt werden. Denn §  5 Abs.  2 VSBG verbietet Verfahren, die dem Verbraucher eine verbindliche Lösung auferlegen.117 Das heißt aber auch, dass es möglich ist, im Rahmen der Verfahrens­ ordnung ein Verfahren zu wählen, das einen für den Unternehmer verbindlichen Schlichtungsspruch vorsieht,118 bspw. für Schlichtungssprüche bis zu einer gewissen Wertgrenze.119 In rechtsdogmatischer Hinsicht verpflichtet sich der Antragsgegner gegenüber der anderen Vertragspartei zur Erfüllung des Schlichterspruchs, wenn er einer Verfahrensordnung zustimmt, die ein entsprechendes Vorgehen beschreibt.120 Damit wird dann aber auch deutlich, dass an dieser Stelle die die Freiwilligkeit ga­ rantierende Entscheidung des Unternehmers vorverlagert, aber nicht gänzlich ausge­ schlossen wird. Denn der Unternehmer kann frei entscheiden, ob er sich einem ent­ sprechenden Verfahren unterwerfen will oder nur zu einem anderen oder gar keinem 113 

Greger, in: Greger/Unberath/Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, §  2 VSBG Rn.  4. §  16 Rn.  13. 115  Greger, in: Greger/Unberath/Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, §   15 VSBG Rn.  5. 116  BT-Drs. 18/5089, S.  62. 117  Greger, in: Greger/Unberath/Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, §  5 VSBG Rn.  3. 118 HK-VSBG/Steike, §  5 Rn.  13. 119  Dieses Modell wird regelmäßig in der Praxis gewählt, vgl. HK-VSBG/Steike, §  5 Rn.  13. 120  Greger, in: Greger/Unberath/Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, §   5 VSBG Rn.  4. 114 HK-VSBG/Borowski,

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Verfahren bereit ist. Denn das VSBG begründet keine Exklusivität der Verbraucher­ streitbeilegung.121 Für die Verbrauchervermittlungsstelle gilt jedoch, sobald sie sich mit den Parteien auf die Durchführung eines Verfahrens geeinigt hat: pacta sunt servanda. Das heißt, die Vermittlungsstelle kann das Verfahren nur durch Kündigung des Vermittlungs­ vertrags aus wichtigem Grund (§  626 BGB) beenden.122 bb) Unabhängigkeit und Unparteilichkeit Auch das zweite Charakteristikum der Moderation, die Unabhängigkeit und die neutrale Verhandlungsführung, sind für die Figur des Streitmittlers zentral. Unabhängigkeit sowie Unparteilichkeit in der Verhandlungsführung haben ihre Grundlage in der Richtlinie RL 2013/11/EU, die in ihrem Art.  6 fordert, dass die mit der Streitschlichtung betrauten Personen unabhängig und unparteiisch sein müssen, in ähnlicher Weise, wie dies auch beim staatlichen Richter der Fall sein muss.123 In der Folge enthält §  7 Abs.  1 Satz 1 VSBG eine Regelung im Hinblick auf die Stel­ lung des Streitmittlers, der unabhängig sein muss und an Weisungen nicht gebunden sein darf. In Bezug auf seine Vermittlungstätigkeit postuliert §  7 Abs.  1 Satz 2 VSBG, dass der Streitmittler Gewähr für eine unparteiische Streitbeilegung bieten muss. Diese Merkmale stimmen mit denjenigen der Unabhängigkeit und Neutralität in §  3 MedG überein,124 die schon Gegenstand dieser Untersuchung waren. Im Hinblick auf die persönliche Unabhängigkeit besteht für den Streitmittler die Besonderheit, dass diese – wie beim Richter oder Mediator – gegenüber den Parteien bestehen muss, zusätzlich aber auch gegenüber dem Träger der Verbraucherschlich­ tungsstelle, für die der Streitmittler tätig ist.125 Dort, wo der Richter also von staatlichen Einflüssen abgeschirmt sein muss, soll der Streitmittler – auch nach Vorstellung des europäischen Gesetzgebers – vor einer Einmischung durch die Verbraucherschlichtungsstelle geschützt sein.126 Eine mit dem Richter auch insoweit vergleichbare Unabhängigkeit besteht jedoch deswegen nicht, weil sich die Weisungsfreiheit nur auf die Vermittlungsfreiheit selbst bezieht und sich nicht darüber hinaus auf die äußeren Bedingungen seiner Tätigkeit er­ streckt.127 121 

122 

Greger, MDR, 2016, 365, 366. Greger, in: Greger/Unberath/Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, §  15 VSBG

Rn.  6. 123  Stadler, ZZP 2015, 165, 169; Art.  6 Abs.  1 Satz 1 RL 2013/11/EU lautet: Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass die mit AS betrauten natürlichen Personen über das erforderliche Fachwissen verfügen und unabhängig und unparteiisch sind; zweifelnd Althammer, in: Althammer/MellerHannich, VSBG, §  7 Rn.  3. 124  Greger, in: Greger/Unberath/Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, §  7 VSBG Rn.  1. 125  Greger, in: Greger/Unberath/Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, §   7 VSBG Rn.  1. 126  Stadler, ZZP 2015, 165, 169; Althammer, in: Schmidt-Kessel, Alternative Streitschlichtung, S.  117, 123. 127  Greger, in: Greger/Unberath/Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, §   7 VSBG Rn.  1.

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Hinsichtlich der neutralen Ausübung der Vermittlungstätigkeit des Streitmittlers wird insbesondere dessen Pflicht zur Unparteilichkeit als Grenze seiner Vermitt­ lungsbemühungen beschrieben, ganz so, wie dies auch schon für den Zivilrichter und dessen von §  139 ZPO gedeckte Verhaltensweisen formuliert wurde. Der Streit­ mittler soll dann von den Parteien ergänzenden Vortrag oder Unterlagen einfordern können: Solange er dies ausgewogen handhabt, sei dadurch – wie im Zivilprozess – das Neutralitätsgebot nicht verletzt und das Vorgehen von der Grundidee des §  139 ZPO gedeckt.128 Andererseits würde der Streitmittler seine Pflicht zur Neutralität verletzten, wenn er versuchen würde, eine ggf. bestehende strukturelle Unterlegen­ heit des Verbrauchers nach Maßgabe eines „sozialen Zivilprozesses“ auszugleichen, weil dies nicht vom Grundgedanken des §  139 ZPO gedeckt sei.129 Während also die Anforderung an die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Streitmittlers ähnlich den Vorgaben des MedG formuliert sind, dient – wie auch beim staatlichen Richter – die Unparteilichkeit als (eine) Grenze der im Rahmen der Ver­ mittlungsbemühungen zulässigen Verhaltensweisen. Gerade so, wie dies auch schon bei der Vermittlungsleistung des Richters formuliert wurde. Dass der Streitmittler Verbindungen auch zum Mediator aufweist, zeigt sich, wenn man die gesetzlichen Vorgaben zur Realisierung von Neutralität und Unabhängigkeit näher betrachtet. cc) Realisierung von Neutralität und Unabhängigkeit Die Unabhängigkeit des Streitmittlers soll zunächst durch einige Abstands- und Tä­ tigkeitsverbote gesichert und gestärkt werden.130 Der Streitmittler darf zum Beispiel in den letzten drei Jahren vor seiner Bestellung nicht für einen Unternehmer, der sich zur Teilnahme an Streitbeilegungsverfahren der Verbraucherschlichtungsstelle ver­ pflichtet hat, tätig gewesen sein.131 Darüber hinaus müssen Vereine, die von einem Unternehmer oder einem Verbraucherverband finanziert werden, gemäß §  3 VSBG einen gesonderten Haushalt für die Trägerschaft der Verbraucherschlichtungsstelle vorsehen.132 Neben diesen, den Besonderheiten der Situation bei der Verbraucherschlichtung Rechnung tragenden Vorschriften zeigt sich die Nähe zum Verfahren der Mediation in den Maßnahmen zur Sicherung von Neutralität und Unabhängigkeit, die in §  7 Abs.  3 und 4 VSBG enthalten sind. Dem Streitmittler wird hier die Pflicht auferlegt, dem Träger der Verbraucherschlichtungsstelle (Abs.  3) sowie den Parteien (Abs.  4) Umstände zu offenbaren, die seine Unabhängigkeit oder Unparteilichkeit beein­ trächtigen können.133 Die Regelung des §  7 Abs.  4 Satz 1 VSBG ist dabei gerade ange­ 128 

Stadler, ZZP 2015, 165, 183 f. Althammer, in: Schmidt-Kessel, Alternative Streitschlichtung, S.  117, 138 f. 130  Greger, in: Greger/Unberath/Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, §   7 VSBG Rn.  9. 131  Vgl. §  6 Abs.  3 Satz 1 Nr.  1 Alt.  1; zu den weiteren Vorkehrungen im Einzelnen vgl. Röthemeyer, in Roder/Röthermeyer/Braun, VSBG, §  4 Rn.  50 ff.; siehe auch Hakenberg, EWS 2016, 312, 314. 132  Greger, in: Greger/Unberath/Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, §  3 VSBG Rn.  3. 133  Röthemeyer, in: Roder/Röthemeyer/Braun, VSBG, §  4 Rn.  71; Althammer, in: Althammer/ Meller-Hannich, VSBG, §  7 Rn.  25. 129 

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lehnt an die Vorschrift des §  3 Abs.  1 MedG.134 Auch die Möglichkeit, dass die Par­ teien dieses auflösend bedingte Tätigkeitsverbot gemäß §  7 Abs.  4 Satz 2 VSBG da­ durch beseitigen können, dass sie einer Tätigkeit des Streitmittlers in Kenntnis des die Befangenheitstendenz aufweisenden Zustands zustimmen, findet sich entspre­ chend in §  3 Abs.  1 Satz 2 MedG verankert. Insoweit gilt auch für den Streitmittler, dass von ihm Offenheit und Transparenz gefordert wird und die Parteien vor dem Hintergrund ihrer Parteiautonomie wissen müssten, worauf sie sich einlassen.135 dd) Haftung Die zentralen Feststellungen, die bisher für die Haftung des Moderators getroffen wurden, lassen sich auch für die Haftung des Streitmittlers treffen. Infolgedessen, dass die Tätigkeit des Streitmittlers auf einem Vertrag beruht, den die Parteien mit der Verbraucherschlichtungsstelle geschlossen haben, wird auch dessen Haftung bzw. diejenige der Verbraucherschlichtungsstelle vertragsrechtlich begründet. Auch hier ist für die Haftungsfrage zentral, ob eine schuldhafte Pflicht­ verletzung des Streitmittlers vorliegt,136 die der Verbraucherschlichtungsstelle ge­ mäß §  278 Abs.  1 BGB zuzurechnen ist,137 wenn der Streitmittler als Erfüllungsge­ hilfe bzw. gemäß §  31 BGB als verfassungsmäßig berufener Vertreter des die Ver­ braucherschlichtungsstelle tragenden Vereins auftritt.138 Ebenso wenig wie beim Mediator kommt dabei eine Inanspruchnahme des soge­ nannten Richterprivilegs in Betracht, weil der Streitmittler höchstens einen Vor­ schlag macht, keineswegs jedoch eine Entscheidung trifft.139 Bei der Frage, ob eine Pflichtverletzung vorliegt, zeigen sich dann die Probleme, die sich auch schon bei der Betrachtung der übrigen Moderatoren feststellen ließen. Ein Verstoß des Streitmittlers gegen die ihm aus dem Gesetz bzw. der jeweils Ver­ tragsbestandteil werdenden Verfahrensordnung folgenden Pflichten dürfte im Hin­ blick auf die konkrete Vermittlungsleistung nur sehr schwer festzustellen sein, weil es an einer genauen Tätigkeitsbeschreibung fehlt und diese – das hat die Untersu­ chung der Mediation verdeutlicht – etwa auch nicht mit der Festlegung auf ein Medi­ ationsverfahren einhergeht. In Bezug auf die Haftung ergeben sich zwei Besonderheiten für den Streitmittler. Zunächst kommt eine Haftung der Verbraucherschlichtungsstelle in Betracht, wenn diese weder einen Mediator noch einen Volljuristen als Streitmittler einsetzt und damit gegen die Anforderungen des §  6 VSBG verstößt.140 Darüber hinaus kann der Streitmittler, wenn er gemäß §  19 VSBG einen Schlich­ tungsvorschlag unterbreitet, der mangelhaft ist, eine Haftung nach §  280 Abs.  1 BGB 134 

Ring, Das neue Verbraucherstreitbeilegungsgesetz in der anwaltlichen Praxis, §  2 Rn.  197. So auch Stadler, ZZP 2015, 165, 170. 136  Hirsch, ZKM 2015, 141, 143. 137  So etwa Ring, ZAP 2016, 623, 630. 138  Hirsch, ZKM 2015, 141, 143. 139  So auch Hirsch, ZKM 2015, 141, 143. 140  Greger, in: Greger/Unberath/Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, §   6 VSBG Rn.  8. 135 

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begründen.141 Nimmt er bei dessen Erstellung das besondere Vertrauen der Parteien in Anspruch, kann auch der Streitmittler selbst haften,142 weil dann gemäß §  311 Abs.  3 BGB ein eigenes Schuldverhältnis des Streitmittlers mit den Parteien entste­ hen kann. Außerdem kann eine Haftung des Streitmittlers in Betracht kommen, wenn dieser bei der Begründung seines Schlichtungsvorschlags eine unzutreffende Rechtsauffas­ sung angegeben hat und die Parteien bzw. eine Partei deswegen zustimmt, was sie bei richtiger Wiedergabe der Rechtslage nicht getan hätte.143 Für alle Haftungsansprüche gilt jedoch, dass der Nachweis eines bezifferbaren Schadens in vielen Fällen äußerst schwerfallen dürfte.144 ee) Der moderierte Vertrag des Streitmittlers Fehlt es auch an einer genauen Festlegung des Mittels, so ist das Ziel der Tätigkeit des Streitmittlers klar. Das Streitbeilegungsverfahren ist auf den Abschluss einer materi­ ell-rechtlichen Einigung zwischen den Teilnehmern ausgerichtet.145 Regelmäßig wird es sich dabei um einen Vergleich im Sinne des §  779 BGB handeln,146 wobei im Hinblick auf den Vertragstypus des moderierten Vertrags geäußert wird, dass dessen Festlegung nur insofern von Bedeutung sei, als §  781 BGB für ein konstitutives Schuldanerkenntnis die Schriftform vorschreibe.147 Auch die Tätigkeit des moderierenden Streitmittlers ist damit auf den Abschluss eines zivilrechtlichen Vertrags gerichtet, mithin eines moderierten Vertrags. (1) Streitmittler und moderierter Vertrag Zur Rolle und Funktion des Streitmittlers in Bezug auf diesen moderierten Vertrag verdient die Vorschrift des §  19 VSBG Beachtung, die nähere Vorgaben zum Schlich­ tungsvorschlag des Streitmittlers enthält. Die Vorschrift steht in engem systematischen Zusammenhang mit der Vorschrift des §  18 VSBG, der für den Fall, dass die Verbraucherschlichtungsstelle ein Mediati­ onsverfahren anbietet, die Geltung des Mediationsgesetzes anordnet. Ähnlich verhält es sich auch im Hinblick auf die Anwendbarkeit des §  19 VSBG. Die Regelung verlangt nicht, dass der Streitmittler in jedem Fall einen Schlichtungs­ vorschlag äußert. Vielmehr knüpft schon der Wortlaut der Norm daran an,148 ob die 141  Ring, Das neue Verbraucherstreitbeilegungsgesetz in der anwaltlichen Praxis, §   2 Rn.  310; Ring, ZAP 2016, 623, 630. 142  Ring, ZAP 2016, 623, 630. 143 Vgl. Hirsch, ZKM 2015, 141, 143. 144 Vgl. Gössl, NJW 2016, 838, 839. 145  Ring, ZAP 2016, 623, 628; vgl. auch Stürner, in: Schmidt-Kessel, Alternative Streitschlich­ tung, S.  87, 91; Martinek, ZVertriebsR 2016, 343, 344. 146  Ring, ZAP 2016, 623, 628; vgl. auch Stürner, in: Schmidt-Kessel, Alternative Streitschlich­ tung, S.  87, 91; HK-VSBG/Röthemeyer, VSBG, §  19 Rn.  63. 147  Röthemeyer, in: Roder/Röthemeyer/Braun, VSBG, §  6 Rn.  68. 148  §  19 Abs.  1 Satz 1 VSBG: Hat der Streitmittler nach der Verfahrensordnung den Parteien ei­ nen Vorschlag zur Beilegung der Streitigkeit (Schlichtungsvorschlag) zu unterbreiten, so beruht dieser auf der sich aus dem Streitbeilegungsverfahren ergebenden Sachlage.

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Verfahrensordnung der Schlichtungsstelle vorsieht, dass der Streitmittler einen Schlichtungsvorschlag unterbreiten soll.149 Das bedeutet zunächst, dass dieser die Vorlage eines solchen Vorschlags auch nur dann schuldet, wenn die Verfahrensord­ nung dies vorsieht.150 Nur in diesem Fall gelten dann auch die Vorgaben des §  19 VSBG. Das klingt mit Blick auf den Anwendungsbereich der Norm einfacher, als es ist. Denn dem Wortlaut zufolge ist die Norm damit nicht anwendbar auf Vorschläge, die der Streitmittler abgibt, ohne dass die Verfahrensordnung diese vorsehen würde. Dies gilt auch für Vorschläge, die der Streitmittler zum Beispiel im Rahmen einer in der Verfahrensordnung vorgesehenen Mediation abgibt. Dass dies durchaus vor­ kommen kann und auch vom Mediationsverfahren gedeckt ist, hat die Betrachtung der Mediation gezeigt. Dass diese aber nicht von §  19 VSBG erfasst werden sollen, erscheint auf den ersten Blick merkwürdig, erklärt sich aber mit dem Unterschied zwischen dem Vorschlag innerhalb der Mediation einerseits und dem in §  19 VSBG geregelten Vorschlag bzw. dem dort gewählten Ansatzpunkt andererseits. Denn der Vorschlag des Mediators oder eines Dritten in einem eher mit der Medi­ ation zu vergleichenden Verfahren erfolgt regelmäßig situativ. Demgegenüber ist der Schlichtungsvorschlag innerhalb eines Schlichtungsverfahrens im engeren Sinne Schlussstein des hierauf gerichteten Verfahrens und von vornherein als dessen zent­ raler Teil vorgesehen.151 Vor diesem Hintergrund ist die Vorschrift des §  19 VSBG in ihrem Anwendungs­ bereich zu verstehen. Der Gesetzgeber hat nicht auf die Festlegung eines bestimmten Verfahrens abgestellt, sondern nur auf den Umstand, ob dieses von vornherein – weil eben in der Verfahrensordnung so vorgesehen – auf die Abgabe eines Einigungsvor­ schlags durch den Streitmittler ausgerichtet ist.152 Wenn dem so ist, gilt insoweit die Vorschrift des §  19 VSBG. Für alle anderen Vorschläge gilt §  19 VSBG nicht. (2) Rechtliche Einordnung des Schlichtungsvorschlags Es ist gerade der Begriff des Vorschlags, der auch für die rechtliche Einordnung zen­ tral ist. Denn er wird vom Gesetzgeber im Rahmen der Klammerdefinition des §  19 VSBG sowohl bei der Begrifflichkeit (Schlichtungsvorschlag) als auch bei der Defi­ nition als Vorschlag zur Beilegung einer Streitigkeit verwandt. Mit der Eigenschaft als Vorschlag geht vor allen Dingen dessen Unverbindlichkeit einher.153 Dies hat er gemein mit dem in §  278 Abs.  6 ZPO erwähnten richterlichen Vergleichsvorschlag, weshalb er diesen in Sachen Aufgabe und Stellung am ehesten entspricht.154 Im Un­ 149  Durch diese Festlegung erhalte das Verfahren eine typische, auch psychologisch fundierte Prägung, HK-VSBG/Röthemeyer, §  19 Rn.  8. 150  Greger, in: Greger/Unberath/Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, §   19 VSBG Rn.  1. 151  Röthemeyer, in: Roder/Röthemeyer/Braun, VSBG, §  6 Rn.  1. 152 HK-VSBG/Röthemeyer, VSBG, §  19 Rn.  7. 153  Greger, in: Greger/Unberath/Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, §   19 VSBG Rn.  1. 154  Röthemeyer, in: Roder/Röthemeyer/Braun, VSBG, §  6 Rn.  4 4.

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terschied zum richterlichen Vergleichsvorschlag ist der Schlichtungsvorschlag im Sinne des §  19 VSBG formalisierter, was auch damit zusammenhängen dürfte, dass der Schlichtungsvorschlag gewissermaßen das letzte Wort des Schlichters ist. Anders als beim Gerichtsverfahren endet danach das Verfahren vor der Verbraucherschlich­ tungsstelle in jedem Fall.155 Wenn beide Parteien dem Vorschlag zustimmen, endet es mit der einvernehmlichen Beilegung des Konflikts, andernfalls mit der Mitteilung seitens des Streitmittlers gemäß §  21 Abs.  1 VSBG, dass das Streitbeilegungsverfah­ ren gescheitert ist.156 Mit dieser Stellung als Verfahrensabschluss geht der Schlich­ tungsvorschlag damit über eine bloße Entwicklung von möglichen Optionen hinaus, bleibt jedoch – allein wegen der fehlenden Verbindlichkeit – hinter dem Urteil zu­ rück, der Streitmittler übt also insoweit weniger Macht aus als der Richter.157 (3) Vorgaben des §  19 VSBG Die Vorschrift des §  19 Abs.  1 VSBG formuliert hinsichtlich des Schlichtungsvor­ schlags zwei Anforderungen. Er muss auf der Sachlage beruhen, die sich aus dem Streitbeilegungsverfahren ergibt, und am geltenden Recht ausgerichtet sein und ins­ besondere zwingende Verbraucherschutzgesetze beachten.158 (a) Tatsachengrundlage Die unproblematischere der beiden Vorgaben bezieht sich auf die Zugrundelegung der Tatsachengrundlage, die sich aus der Durchführung des Streitbeilegungsverfah­ rens ergibt. Entscheidend ist hier der Sachverhalt, wie er sich dem Streitmittler auf­ grund des – in der Regel schriftlichen – Vorbringens der Parteien darstellt.159 Der Streitmittler muss den Sachverhalt nicht von sich aus – wie bei einer Amtsermittlung – ermitteln.160 Eine Beweiserhebung ist zwar nicht per se ausgeschlossen, d. h., sie kann in der Verfahrensordnung vorgesehen werden.161 Sie dürfte allerdings dem Grundansatz der Streitschlichtung, eine schnelle und kostengünstige Konfliktlö­ sungsmöglichkeit zu bieten, nicht entsprechen. Der Schlichtungsvorschlag kann da­ mit auch auf Basis eines nicht komplett feststehenden Sachverhalts formuliert wer­ den. Hierzu kann der Streitmittler etwa die plausiblere oder vermutlich leichter zu beweisende Tatsache zugrunde legen und später im Prozess auftretende Beweisrisi­ ken gewichten.162

155 

Röthemeyer, in: Roder/Röthemeyer/Braun, VSBG, §  6 Rn.  45. §  21 Rn.  4. 157  Röthemeyer, in: Roder/Röthemeyer/Braun, VSBG, §  6 Rn.  1. 158  Kramme, in: Schmidt-Kessel, Alternative Streitschlichtung, S.  141, 144. 159  Greger, in: Greger/Unberath/Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, §   19 VSBG Rn.  3. 160  Ring, Das neue Verbraucherstreitbeilegungsgesetz in der anwaltlichen Praxis, §  2 Rn.  307 mit Verweis auf BT-Drs. 18/5089, S.  62; HK-VSBG/Röthemeyer, VSBG, §  19 Rn.  20. 161  Prütting, in: Althammer/Meller-Hannich, VSBG, §  19 Rn.  8 . 162  Greger, in: Greger/Unberath/Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, §   19 VSBG Rn.  4. 156 HK-VSBG/Borowski,

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D. Weitere moderierte Verträge

Diesbezüglich ist die in §  19 Abs.  1 Satz 3 VSBG enthaltene Begründungspflicht von zentraler Bedeutung. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers soll die Begrün­ dung des Schlichtungsvorschlags den Parteien eine fundierte Entscheidung über die Annahme bzw. Ablehnung des Vorschlags ermöglichen. Sie soll so formuliert sein, dass sie einer rechtsunkundigen Partei eine verständliche Entscheidungsgrundlage bietet.163 Im Hinblick auf die der Schlichtungsentscheidung zugrunde gelegte Sach­ lage muss die Begründung dann auch Ausführungen zu dem ungeklärten Sachver­ halt bzw. zu den insofern vom Streitmittler angestellten Prognosen erhalten. (b) Rechtsbindung (Noch) komplizierter als die Frage der vom Streitmittler bei der Erstellung seines Schlichtungsvorschlags zu berücksichtigenden Tatsachengrundlage ist die seiner Rechtsbindung. Die europäische Grundlage der Verbraucherschlichtung verlangt in Art.  11 Abs.  1 RL 2013/11/EU zwar die Rechtmäßigkeit der Lösung und postuliert, sicherzustellen, dass der Verbraucher nicht den Schutz verliert, der ihm durch das zwingende Verbraucherrecht gewährt wird. Diese Anforderungen gelten allerdings nur für solche Verfahren, die dem Verbraucher eine Lösung zwingend auferlegen. Das heißt, nur für solche, die zwar von der europarechtlichen Vorgabe zugelassen, vom deutschen Gesetzgeber aber nicht umgesetzt worden sind. Die Konzentration der Rechtsmäßigkeitsanforderungen innerhalb der Richtlinie auf diejenigen Verfah­ ren, die dem Verbraucher eine verbindliche Entscheidung auferlegen, hat ihr die Kri­ tik eingebracht, sie wolle den Verbraucherschutz über ein zwar einfach zugängliches, aber nicht rechtsorientiertes Verfahren gewährleisten.164 Der deutsche Gesetzgeber hat sich zwar gegen die Schaffung eines Verfahrens ent­ schieden, dass dem Verbraucher eine verbindliche Lösung auferlegt. Im Hinblick auf die Erstellung des Schlichtungsvorschlags durch den Streitmittler legt er diesem je­ doch eine – gewisse – Rechtsbindung auf, denn in §  19 Abs.  1 Satz 2 VSBG wird for­ muliert: „Der Schlichtungsvorschlag soll am geltenden Recht ausgerichtet sein und soll insbesondere die zwingenden Verbraucherschutzgesetze beachten.“

Schon durch den Wortlaut wird deutlich, dass der Streitmittler diese Vorgabe nur dann beachten muss, wenn er sich in der Verfahrensordnung zum Verfassen eines solchen Schlichtungsvorschlags verpflichtet. Führt der Streitmittler das Streitbeile­ gungsverfahren als Mediation durch, gelten diese Anforderungen nicht.165 Ihre Gel­ tung wäre bei einem maßgeblich an den Interessen der Parteien ausgerichteten Medi­ ationsverfahren zudem systemwidrig.166 Die wiedergegebene Vorschrift des §  19 Abs.  1 Satz 2 VSBG fand sich zunächst nicht im Gesetzestext selbst, sondern lediglich in der Begründung des Referenten­ 163 

BT-Drs. 18/5089, S.  63. Eidenmüller/Engel, ZIP 2013, 1704, 1709. 165  Ring, Das neue Verbraucherstreitbeilegungsgesetz (VSBG) in der anwaltlichen Praxis, §   2 Rn.  318. 166  Hirsch, ZKM 2015, 141, 142. 164 Vgl.

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entwurfs wieder. Von dort ist sie in den Gesetzestext übernommen worden, versehen mit der Einschränkung, dass der Streitmittler das Recht nicht beachten „muss“, son­ dern lediglich „soll“.167 Dabei hat nicht nur die Abfassung als Soll-Vorschrift dem Gesetzgeber Kritik ein­ gebracht,168 auch die Unterscheidung zwischen „ausrichten“ im Hinblick auf das gel­ tende Recht und „beachten“ hinsichtlich der zwingenden Verbraucherschutzgesetze ist kritisiert worden, weil die sprachliche Differenz zwischen den Verben nicht zu einem praktisch umsetzbaren Unterschied in der Arbeit des Streitmittlers führe.169 Zudem bleibe unklar, welches Maß an Rechtstreue das Gesetz vom Streitmittler bei der Abfassung des Schlichtungsvorschlags verlange.170 Nähert man sich der Norm zunächst im Wege der Wortlautanalyse, so wird man der geäußerten Kritik durchaus nähertreten können. Zwar lässt sich aus der vom Gesetzgeber gewählten Formulierung zunächst auf eine gewisse Handlungsfreiheit des Streitmittlers schließen. Denn erstens ist „sich am Recht auszurichten“ weniger als „Recht anzuwenden“ und zweitens ist „soll“ weniger als „muss“.171 Aber schon die genauere Betrachtung des Charakters als „Soll-Vorschrift“ führt in eine Sackgasse. Denn eine solche – vornehmlich im öffentlichen Recht verwandte – Formulierung bedeutet für die Behörde, dass sie die in der Norm enthaltene An­ weisung regelmäßig umsetzen muss und nur in Ausnahmefällen nicht. Da es der Vorschrift des §  19 VSBG um die Grundsätze für die Erstellung sämtlicher Schlich­ tungsvorschläge geht, lässt sich dieser Gedanke hier nicht übertragen.172 (c) Standort Einen ersten Schritt in Richtung einer Annäherung bringt der Vergleich des Schlich­ tungsvorschlags mit den Maßnahmen des Zivilrichters im Urteilsverfahren nach der ZPO. Würde man den Schlichtungsvorschlag als Urteilsäquivalent verstehen, weil man die Autorenschaft des Streitmittlers als neutralen Dritten betont, müsste man die Rechtsbindung eher eng fassen.173 Eine Rechtsbindung müsste zudem bei einer mit einem Urteil vergleichbaren Verbindlichkeit angenommen werden, was etwa beim Versicherungsobmann der Fall ist, der bei seiner bindenden Entscheidung an Recht und Gesetz gebunden ist.174

167  Vgl. die Darstellung bei HK-VSBG/Röthemeyer, §  19 Rn.  27; Prütting, in: Althammer/Mel­ ler-Hannich, VSBG, §  19 Rn.  13 kommt dieser Tatsache nur geringe Bedeutung zu. 168  Engel, NJW 2015, 1633, 1636 äußert etwa, die Anforderungen seien „diffus“; HK-VSBG/ Röthemeyer, §  19 Rn.  28 spricht von unklaren und vagen Formulierungen; Martinek, ZVertriebsR 2016, 343, 348 nennt die Vorschrift unbefriedigend. 169 HK-VSBG/Röthemeyer, §  19 Rn.  31. 170  Gsell, ZZP 2015, 189, 207; so auch Gössl, NJW 2016, 838, 841 im Hinblick auf das „Ausrichten am Recht“. 171  So auch Hakenberg, EWS 2016, 312, 314. 172  So im Ergebnis auch HK-VSBG/Röthemeyer, §  19 Rn.  33. 173  Kramme, in: Schmidt-Kessel, Alternative Streitschlichtung, S.  141, 144. 174  Hirsch, ZKM 2015, 141, 142.

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Wie schon dargelegt, fehlt es dem Schlichtungsvorschlag des Streitmittlers nach dem VSBG an dieser Verbindlichkeit, weshalb der Schlichtungsvorschlag insoweit nicht mit dem Urteil vergleichbar ist.175 Versteht man ihn aber – wie ebenfalls bereits ausgeführt – als Äquivalent zum Vergleichsvorschlag des Gerichts, so geht damit die Möglichkeit einher, die Sach- und Rechtslage zugunsten einer stärkeren Berücksich­ tigung der die Parteien leitenden Interessen zurückzudrängen.176 Die Rechtslage ist bei einem solchen Verständnis eher Orientierungshilfe.177 (d) Die Vorschrift des §  19 Abs.  1 Satz 3 VSBG und das Prinzip der informierten Autonomie Ein letzter und für diese Untersuchung wichtiger Schritt der Vertiefung des Norm­ verständnisses lässt sich letztlich mit Hilfe der Gesetzesmaterialien sowie der Vor­ schrift des §  19 Abs.  1 Satz 3 VSBG gehen.178 Im Hinblick auf die die Gesetzesbindung des Streitmittlers regelnde Vorschrift des §  19 Abs.  1 Satz 2 VSBG formuliert der Gesetzgeber: „Der Schlichter ist dabei nicht in derselben Weise rechtlich gebunden wie ein Gericht, das eine für beide Parteien verbindliche Entscheidung trifft. Denn er macht lediglich einen Vorschlag, über dessen Annahme die Parteien grundsätzlich frei entscheiden. Er kann insbesondere einen Vergleich vorschlagen, der sich jedoch an der Sach- und Rechtslage orientieren muss.179“

Diese Aussage lässt im Hinblick auf die Gesetzesbindung eine Präferenz des Gesetz­ gebers für ein Verständnis der Rechtsbindung erkennen, das eher in Richtung dessen geht, das auch bei einem richterlichen Vergleichsvorschlag gilt. Offen bleibt zu­ nächst, was der Gesetzgeber unter der Orientierung an der Sach- und Rechtslage versteht. Insofern hilft es weiter, die Vorschrift des §  19 Abs.  1 Satz 3 VSBG in die Betrachtung mit einzubeziehen. Sie lautet: „Der Schlichtungsvorschlag ist mit einer Begründung zu versehen, aus der sich der zugrunde gelegte Sachverhalt und die rechtliche Bewertung des Streitmittlers ergeben.“

Auch bei dieser Regelung ist es sinnvoll, sich die diesbezügliche Aussage des Gesetz­ gebers zu vergegenwärtigen: „Der Schlichtungsvorschlag muss mit einer Begründung versehen werden, die Teil des Schlichtungsvorschlags ist. Die Begründung ist notwendig, um den Parteien eine fundierte 175  Greger, in: Greger/Unberath/Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, §   19 VSBG Rn.  5 hält zudem eine Rechtsanwendung, wie sie das richterliche Urteil verlangt, für sinnwidrig, da dies eine ganz andere Form der Tatsachenklärung verlange und der Verhinderung interessengerech­ ter Kulanzlösungen im Wege stehe. Dies erscheint jedoch eher vom Ergebnis her gedacht. 176  Kramme, in: Schmidt-Kessel, Alternative Streitschlichtung, S.   141, 144; in diese Richtung auch Greger, in: Greger/Unberath/Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, §  19 VSBG Rn.  6; Niewisch-Lennartz, ZKM 2015, 136, 139. 177  Greger, in: Greger/Unberath/Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, §   19 VSBG Rn.  6. 178 A.A. Kramme, in: Schmidt-Kessel, Alternative Streitschlichtung, S.  141, 151, der davon aus­ geht, dass weder RL noch Gesetzgebungsmaterialien ergiebig seien und deswegen auf die Parteiin­ teressen abstellen möchte. 179  BT-Drs. 18/5089, S.  63.

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Entscheidung über die Annahme zu ermöglichen. Sie muss insbesondere erkennen lassen, welche tatsächlichen und rechtlichen Überlegungen den Streitmittler bewogen haben, seinen Schlichtungsvorschlag zu machen. Ziel ist es, auch einer rechtsunkundigen Partei eine ver­ ständliche Entscheidungsgrundlage dafür zu geben, ob sie den Vorschlag annehmen will.“

Vor diesem Hintergrund der Vorschriften, die nicht isoliert betrachtet werden kön­ nen,180 ließ sich das sogenannte Prinzip der informierten Autonomie entwickeln,181 das die Vorgaben des VSBG treffend beschreibt. Dabei ist zunächst festzuhalten, dass eine mit dem Richter bei der Urteilsfindung vergleichbare Gesetzesbindung nicht besteht. Dafür spricht neben dem bisher Ge­ nannten zusätzlich, dass der Gesetzgeber selbst in der Gesetzesbegründung den Ver­ braucherschlichtungsstellen zugesteht, in ihrer Schlichtungsordnung eine strengere Gesetzesbindung vorzusehen.182 Eine solche Aussage wäre widersinnig, wenn der Gesetzgeber dies einerseits formulieren und andererseits von einer solchen Gesetzes­ bindung schon allein auf Basis des VSBG ausgehen würde. Das Recht ist aber bei der Abfassung des Schlichtungsvorschlags nicht gänzlich außen vor. Die Fassung als „Soll“-Vorschrift sorgt vielmehr dafür, dass dem Streit­ mittler ein weiter Spielraum zusteht, innerhalb dessen er seinen Vorschlag entwi­ ckeln kann.183 Dass das Recht dabei – wie vom Gesetzgeber vorgesehen – Orientie­ rungspunkt ist, wird auch durch den Begründungszwang des §  19 Abs.  1 Satz 3 VSBG erreicht. Die Regelung des §  19 Abs.  1 Satz 2 VSBG verdeutlicht, dass der Ge­ setzgeber dem Streitmittler keine alleine am Recht auszurichtende Tätigkeit vor­ schreiben wollte, sondern verlangt, dass dieser in seiner Begründung auch rechtliche Überlegungen anstellt. Weil – wie auch der Gesetzgeber betont – es die Parteien sind, die letztlich über die Annahme des Vorschlags entscheiden, dient die Begrün­ dung des Schlichtungsvorschlags dazu, den Parteien eine fundierte Entscheidung dahingehend zu ermöglichen, ob sie den Schlichtungsvorschlag annehmen möchten oder nicht. An dieser Stelle verlangt das Prinzip der informierten Autonomie, dass die Partei­ en vollständig, transparent und verständlich informiert werden.184 In Bezug auf die Rechtslage bedeutet dies, dass sich der Streitmittler mit ihr in der Begründung des Schlichtungsvorschlags befassen muss. Weicht der Schlichtungsvorschlag davon ab, muss er die alternative Rechtslage darstellen. Er kann im Sinne einer Risikoanalyse erläutern, wie er zu diesem Schlichtungsvorschlag gekommen ist und dabei den Par­ teien vor Augen führen, welchen Verlauf ein Gerichtsverfahren nehmen könnte,185 ggf. inklusive der Einschätzung der Beweislage.186 Dieses Prinzip der informierten 180 Auch Wiese/Hörnig, ZKM 2016, 56, 60 schildern den Hintergrund der Regelungen in dieser gemeinsamen Betrachtungsweise. 181  Es stammt von Niewisch-Lennartz, ZKM 2015, 136, 139; Wendland, KritV 2016, 302, 312 spricht in diesem Zusammenhang von der Verantwortung des Streitmittlers gegenüber den Partei­ en, ihnen eine hinreichend informierte und damit erst tatsächlich privatautonome Entscheidung zu ermöglichen. 182  Vgl. BT-Drs. 18/5089, S.  63. 183 HK-VSBG/Röthemeyer, §  19 Rn.  33. 184  Niewisch-Lennartz, ZKM 2015, 136, 139. 185  Niewisch-Lennartz, ZKM 2015, 136, 139. 186  Tonner, ZKM 2015, 132, 135.

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Autonomie187 verlangt jedoch nicht, dass der Streitmittler den Sachverhalt aufklärt und den Fall hypothetisch entscheidet. Um den Parteien eine informierte Entschei­ dung zu ermöglichen, muss die rechtliche Dimension des Streitfalls in der Begrün­ dung abgebildet werden, nicht aber notwendig in seinem Inhalt.188 Mit diesem Be­ gründungsaufwand geht, so wird zu Recht formuliert, ein gestiegener Arbeitsauf­ wand für den Streitmittler ebenso einher wie eine gewisse Annäherung an die Tätigkeit des instanzgerichtlichen Richters im Rahmen der Güteverhandlung,189 mit dessen Tätigkeit die des Streitmittlers, der einen Schlichtungsvorschlag unterbreitet, am ehesten übereinstimmt.190 (e) Die Grenze Das Recht ist nicht nur Orientierungspunkt oder Benchmark191 bei der Handlung des Streitmittlers; es zieht dessen Tätigkeit auch eine – wenngleich weite – Grenze. Denn der Vorschlag darf nicht gegen zwingendes Recht verstoßen, mithin darf der Streitmittler keine Lösung empfehlen, die gegen ein gesetzliches Verbot oder die gu­ ten Sitten verstößt.192 Ziel des Streitmittlers ist die gütliche Beilegung des Konflikts. Dies gelingt nur bei Abschluss eines wirksamen Vertrags, weshalb der Streitmittler nur solche Vorschläge unterbreiten darf, die diese Voraussetzung erfüllen.193 (f) Folgen der informierten Autonomie Folgt man wie hier dem Prinzip der informierten Autonomie, so lässt sich mit dessen Hilfe auch die Frage beantworten, ob die Vorschriften des Verbraucherrechts auch beim Abschluss des durch den Streitmittler moderierten Vertrags zu beachten sind, was zum Teil allein mit dem Hinweis auf den Umstand bejaht wird, dass regelmäßig ein Vertrag zwischen Verbraucher und Unternehmer geschlossen würde.194 Dies ist dann zutreffend, wenn man unter „Beachtung“ die Berücksichtigung des Verbrau­ cherschutzrechts durch den Streitmittler bei der Erstellung des Schlichtungsvor­ schlags und die Auseinandersetzung im Rahmen der Begründung des Schlichtungs­ vorschlags versteht. Das ist gerade notwendig, um die Informiertheit der Parteien im Sinne der informierten Autonomie zu erreichen. Die Einhaltung des Prinzips der informierten Autonomie lässt dann allerdings die Schutzbedürftigkeit des Verbrau­ chers entfallen,195 die der ursprüngliche Geltungsgrund der auf ihn bezogenen Rege­ lungen ist und ermöglicht es den Parteien der Verbraucherschlichtung damit, die 187 

Diese Bezeichnung verwendet auch HK-VSBG/Röthemeyer, §  19 Rn.  33. Ring, Das neue Verbraucherstreitbeilegungsgesetz in der anwaltlichen Praxis, §  2 Rn.  310; HK-VSBG/Röthemeyer, §  19 Rn.  33. 189  Tonner, ZKM 2015, 132, 135. 190 HK-VSBG/Röthemeyer, §  19 Rn.  34. 191  So die Wortwahl bei HK-VSBG/Röthemeyer, §  19 Rn.  47. 192  Greger, in: Greger/Unberath/Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, §   19 VSBG Rn.  6 193 HK-VSBG/Röthemeyer, §  19 Rn.  40. 194  Greger, in: Greger/Unberath/Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, Teil D Rn.  409. 195 HK-VSBG/Röthemeyer, §  19 Rn.  8 0. 188 

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Rechtsfolgen im Vergleich mit dem, was das Verbraucherrecht vorsieht, zu modifi­ zieren.196 Denn dem infolge der Anwendung des Prinzips der informierten Autonomie voll informierten Verbraucher sollte es nicht verwehrt sein, anstelle der Reparatur, auf die er nach Lage des Rechts einen Anspruch hätte, einen Gutschein bzw. einen Ra­ batt auf das Produkt der neuesten technischen Generation zu akzeptieren.197 Die Teilnahme des Streitmittlers am Vertragsschluss sorgt dafür, dass die strukturelle Unterlegenheit des Verbrauchers, die ansonsten die Existenz der den Verbraucher schützenden Vorschriften rechtfertigt, weder aus der Situation des Vertragsschlusses noch aufgrund der persönlichen Überlegenheit des Unternehmers folgt. Weil der Schutzzweck insofern im Rahmen des – durch den Streitmittler richtig begründeten – Schlichtungsvorschlags entfällt, würde es sogar der grundgesetzlich geschützten Privatautonomie des Verbrauchers widersprechen, wenn man ihm unter Verweis auf die Verbraucherschutzvorschriften den Abschluss eines entsprechenden Vertrags verwehren würde.198 (g) Kritik an den Qualifikationsvorgaben Vor dem Hintergrund der Informationen zur Rechtslage, die der Streitmittler nach dem Prinzip der informierten Autonomie den Parteien zukommen lassen muss, ist auch die zentrale und einzig zutreffende Kritik an den Qualifikationsvorgaben des §  6 VSBG zu sehen, die bereits oben199 näher betrachtet wurden. Problematisch ist nicht die alternativ notwendige Qualifikation als zertifizierter Mediator einerseits oder als Volljurist andererseits. Zu Recht wird kritisiert, dass diese Qualifikations­ vorgaben nicht verfahrensscharf ausgebildet sind.200 Daher ist der zertifizierte Mediator nicht auf die Mediation beschränkt, sondern darf auch sonst jedes andere Verfahren einschließlich Schlichtung durchführen und ist mithin auch zu einem Schlichtungsvorschlag befugt, der immerhin die Darstel­ lung der Rechtslage in der Begründung erfordert.201 (4) Vertragsschluss Auch für den Streitmittler gilt, was schon zum Moderator an sich festgestellt werden konnte. In Bezug auf den materiell-rechtlichen Vertragsschluss kommt dem Streit­ mittler eine Bedeutung zu, die sich – anders als bisher – an einer Regelung des VSBG festmachen lässt. Diese lässt jedoch – und insoweit liegt dann wieder Übereinstim­ mung zu den bisherigen Moderationssituationen vor – eine fehlende Sensibilität er­

196  So auch Greger, in: Greger/Unberath/Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, §   19 VSBG Rn.  6 . 197 HK-VSBG/Röthemeyer, §  19 Rn.  79. 198  Vgl. insoweit auch HK-VSBG/Röthemeyer, §  19 Rn.  79. 199  Unter D.I.1.e). 200  So formuliert Röthemeyer, in: Roder/Röthemeyer/Braun, VSBG, §  4 Rn.  9. 201  Röthemeyer, in: Roder/Röthemeyer/Braun, VSBG, §  4 Rn.  9.

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kennen für den Prozess zur Herstellung des dem Vertrag zu Grunde liegenden Kon­ senses. Nach §  19 Abs.  3 Satz 1 VSBG unterrichtet die Verbraucherschlichtungsstelle die Parteien mit der Übermittlung des Schlichtungsvorschlags über die rechtlichen Fol­ gen einer Annahme des Vorschlags und darüber, dass der Vorschlag von dem Ergeb­ nis eines gerichtlichen Verfahrens abweichen kann. Die Schlichtungsstelle weist nach §  19 Abs.  3 Satz 2 VSBG auf die Möglichkeit hin, den Vorschlag nicht anzunehmen und stattdessen die Gerichte anzurufen. Außerdem setzt sie den Parteien gemäß §  19 Abs.  3 Satz 3 VSBG eine angemessene Frist zur Annahme des Vorschlags. Die Information über die Tatsache, dass der Schlichtungsvorschlag im Ergebnis von dem, was am Ende eines streitigen Gerichtsverfahrens steht, abweichen kann, sowie der Hinweis auf die Möglichkeiten der Annahme bzw. Nichtannahme und der unmittelbar daraus folgenden Konsequenzen sind zu den Informationen seitens des Streitmittlers zu zählen, die dieser im Zusammenhang mit dem Prinzip der infor­ mierten Autonomie wird geben müssen. Demgegenüber sind die Tatsachen, dass der Streitmittler den Parteien den Schlichtungsvorschlag übermittelt (S.  1) sowie den Parteien eine angemessene Frist zur Annahme des Vorschlags setzt, für den materi­ ell-rechtlichen Vertragsschluss relevant. Dieser vollzieht sich abermals nicht in den Wegen von Angebot und Annahme, wie sie in §§  145 ff. BGB beschrieben sind. Die Herstellung des den Vertrag legitimierenden Konsenses geschieht letztlich auf dem Weg, der hier auch schon im Rahmen der Betrachtung des §  278 Abs.  6 ZPO unter dem Stichwort „besonderer Vertragsschluss“ ermittelt werden konnte. Übertragen auf die hiesige Situation bedeutet dies, dass die Parteien mit Abschluss des Vertrags über die Konfliktvermittlung, der – wie oben bereits ausgeführt – auch die Einigung über die Zugrundelegung der Verfahrensordnung beinhaltet, einen vom BGB abweichenden Weg zur Herstellung des vertraglichen Konsenses verein­ baren, wobei die Funktion des Streitmittlers mit der oben beschriebenen, des den Vergleich vorschlagenden Richters übereinstimmt. Auszugehen ist bei der Analyse von dem Umstand, dass die Parteien ihre jeweilige dem Schlichtungsvorschlag zustimmende Erklärung nicht gegenüber der anderen Vertragspartei, sondern gegenüber dem Streitmittler abzugeben haben und diese mit dem Zugang beim Streitmittler wirksam werden.202 Das ergibt sich nicht allein aus §  19 VSBG, jedoch aus §  21 VSBG, demzufolge die Streitbeilegungsstelle den Parteien das Ergebnis des Streitbeilegungsverfahrens mitteilt, was nicht notwendig wäre, wenn die Erklärung ihre Wirksamkeit erst mit Zugang beim anderen Vertragsteil entfalten würde.203 Dieser Umstand hindert noch nicht daran, den Mechanismus des Vertragsschlus­ ses bei Abgabe eines Schlichtungsvorschlags unter den von §§  145 ff. BGB vorgesehe­ nen Weg von Angebot und Annahme zu fassen. Die Einstufung des Streitmittlers als Empfangsvertreter für beide Seiten nach §  164 Abs.  3 BGB, die auf Basis des §  19 Abs.  3 VSBG in Verbindung mit der konkreten Verfahrensordnung und dem der 202  203 

Röthemeyer, in: Roder/Röthemeyer/Braun, VSBG, §  6 Rn.  60. Röthemeyer, in: Roder/Röthemeyer/Braun, VSBG, §  6 Rn.  61.

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Vermittlung zu Grunde liegenden Vermittlungsvertrags läge, würde dazu führen, dass sich die Parteierklärungen in das Angebot/Annahme-Schema pressen ließen.204 Dabei werden jedoch zwei Dinge übersehen: Weil der Streitmittler im Rahmen dieser Konstruktion von beiden Seiten als Ver­ treter bestellt wird, reicht es nicht aus, die Einräumung einer entsprechenden Vertre­ tungsmacht anzunehmen, darüber hinaus müssten die Parteien den Streitmittler auch vom Verbot der Mehrfachvertretung nach §  181 Alt.  2 BGB befreien. Die Ge­ stattung, für beide Seiten als Vertreter tätig zu werden, kann auch konkludent erfol­ gen und ließe sich dann unter die Zustimmung zur Verfahrensordnung fassen; eine Beachtung und Diskussion wäre diese Vorschrift jedoch schon wert. Schwerer wiegt aber der Umstand, dass der Streitmittler nicht nur Empfänger der Willenserklärungen ist, sondern dass es gerade seine Aufgabe war, den Vertragstext zu entwerfen. Damit gibt er zwar keine Willenserklärung ab, die Information, auf die die Willenserklärung der Parteien Bezug nimmt, stammt allerdings von ihm und nicht von der Gegenseite. Damit ließe sich die zeitlich erste Willenserklärung noch als Angebot deuten, die zweite stellt dann aber keine Annahme dar,205 eben weil sie nicht auf das Angebot, sondern auf den Vertragsentwurf des Streitmittlers Bezug nimmt. Damit bleibt es auch im Hinblick auf den Streitmittler bei der Feststellung, dass dessen Beteiligung auch auf die Art und Weise des materiell-rechtlichen Vertrags­ schlusses eine Rolle spielt, weil vom üblichen Weg zur Herstellung des Konsenses abgewichen wird. Ganz ähnlich der Art und Weise, die sich auch schon für den Pro­ zessrichter feststellen ließ. ff) Interesse Letztlich lässt sich auch das Interesse des Streitmittlers in der Weise beschreiben, die auch für den Moderator an sich gewählt worden ist. Der Streitmittler hat ein Interes­ se daran, dass zwischen den Parteien eine gütliche Einigung erzielt wird.206 Ohne, dass dieses Interesse mitumfassen würde, wie genau diese Einigung aussieht. Das Interesse des Streitmittlers dahingehend, dass überhaupt eine Einigung zustande kommt, speist sich aus dem Ziel der Richtlinie 2013/11/EU, insbesondere dem Ver­ braucher eine einfache, effiziente, schnelle und kostengünstige Möglichkeit der Streitbeilegung anzubieten.207 Der Streit wird aber nur beigelegt, wenn die Parteien sich über die Art und Weise, den Konflikt beizulegen, einigen. Dies verlangt aber gerade einen Vertragsschluss, woraufhin die Tätigkeit des Streitmittlers abzielt. Wie eine solche Einigung dann aber en détail aussieht, ist nicht vom Interesse des Streit­ mittlers umfasst, auch nicht für den Fall, dass er einen Schlichtungsvorschlag nach 204  Vor diesem Hintergrund vertreten Greger, in: Greger/Unberath/Steffek, Recht der alternati­ ven Konfliktlösung, §  19 VSBG Rn.  10; HK-VSBG/Röthemeyer, §  19 Rn.  64, dass der Vertrags­ schluss auf diesem Wege geschehe. 205  So aber HK-VSBG/Röthemeyer, §  19 Rn.  65. 206 Auch Wendland, KritV 2016, 302, 318 geht davon aus, dass der Streitmittler typischerweise an einer Einigung interessiert sei. 207  Vgl. Erwg. 4 der RL 2013/11/EU.

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D. Weitere moderierte Verträge

§  19 VSBG unterbreitet. Bei dessen Inhalt wird er sich orientieren am (Verbraucher-) Recht, am möglichen Prozessausgang für den Fall einer fehlenden Einigung und an der Beweisbarkeit von zwischen den Parteien evtl. zugänglichen Tatsachen. Vor dem Hintergrund seines Interesses an einer erfolgreichen Streitbeilegung wird er sich je­ doch vor allem an den vermeintlichen Interessen der Parteien 208 ausrichten und den Inhalt des Schlichtungsvorschlags an der Abschlusswahrscheinlichkeit orientieren, d. h., der Streitmittler formuliert den Schlichtungsvorschlag so, dass beide Parteien ihm möglichst zustimmen können. g) Streitbeilegung als Moderation In mehrfacher Hinsicht kann die Analyse des VSBG als Zusammenfassung, Bestäti­ gung und Erweiterung der bisher erzielten Erkenntnisse begriffen werden. Die Qualifikation des Streitmittlers, wie sie vom VSBG zurzeit gefordert wird, nimmt mit dem Mediator bzw. dem Volljuristen die zwei auch bisher zentral (abge­ sehen vom Gerichtsvollzieher) analysierten Berufsgruppen in Bezug. Insofern ist es nicht überraschend, dass im Hinblick auf den Inhalt der Vermitt­ lungstätigkeit kein Erkenntnisgewinn zu verzeichnen ist. Das VSBG erlaubt explizit jedes Verfahren und schließt nur solche aus, bei denen Verbrauchern eine Lösung auferlegt wird. In der Konsequenz ist es möglich, Schlichtungsstellen nach dem VSBG einzurichten, die nicht schlichten. Dies führt zur Kritik an der Bezeichnung als Schlichtungsstelle. Die Wortwahl ist nur insofern zu erklären, als dass eine ge­ setzgeberische Präferenz zugunsten der Schlichtung als das übliche Verfahren der Verbraucherstreitschlichtung zu erkennen ist. Denn sowohl die zugrundeliegende Richtlinie als auch das VSBG gehen davon aus, dass die Verfahren vor der Schlich­ tungsstelle regelmäßig schriftlich durchgeführt werden. Unabhängig von der konkreten Verfahrensgestaltung, sieht auch das VSBG die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Streitmittlers vor. In diesem Zusammen­ hang gibt es zwei hervorzuhebende Verbindungen zu den bereits betrachteten Mode­ rationssituationen. Zunächst sind die Neutralitätsanforderungen des Streitmittlers so ausgestaltet wie die Merkmale der Unabhängigkeit und der Neutralität in §  3 MedG, die für den Me­ diator gelten. Auch die Sicherung dieser Vorgaben funktioniert auf dem schon durch das MedG beschrittenen Weg. Die Parteien erhalten bei Kenntnis von Umständen, welche die Neutralität belasten, die Möglichkeit, den Streitmittler trotzdem zu be­ auftragen. Das heißt aber auch, dass vom Streitmittler hier Offenheit und Transpa­ renz gefordert werden, weil die Parteien vor dem Hintergrund ihrer Parteiautono­ mie wissen müssen, worauf sie sich einlassen. Darüber hinaus wird – wie schon bei der richterlichen Vermittlung festgehalten wurde – die an den Streitmittler gerichtete Pflicht zur Unparteilichkeit als Grenze seiner Vermittlungsbemühungen beschrieben, ganz in dem Sinne der aus §  139 ZPO entwickelten Grundidee. 208  Deren Interessen schildert abstrakt Berlin, Alternative Streitbeilegung in Verbraucherkon­ flikten, S.  146 ff.

I. Bedeutung und Konkretisierung

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Im Hinblick auf den moderierten Vertrag ist zunächst die Erkenntnis wichtig, dass das Streitbeilegungsverfahren auf den Abschluss einer materiell-rechtlichen Ei­ nigung zwischen den Teilnehmern ausgerichtet ist. Auch zum moderierten Vertrag im Sinne des Streitbelegungsverfahrens konnte bereits Festgestelltes bestätigt wer­ den. Zu unterstreichen sind die in der Analyse des Vertragsschlusses sowie des Schlichtungsvorschlags gefundenen Ergebnisse. Auch für den Streitmittler gilt, was schon zu den Moderatoren an sich festgestellt werden konnte. In Bezug auf den materiell-rechtlichen Vertragsschluss kommt dem Streitmittler eine Bedeutung zu, die sich, anders als bisher, an einer Regelung des VSBG festmachen lässt. Diese lässt jedoch – und insoweit liegt dann wieder Überein­ stimmung zu den bisherigen Moderationssituationen vor – eine fehlende Sensibilität für den Prozess zur Herstellung des dem Vertrag zu Grunde liegenden Konsenses erkennen. Denn dies geschieht letztlich auf dem Weg, der auch schon im Rahmen der Be­ trachtung des §  278 Abs.  6 ZPO unter dem Stichwort „besonderer Vertragsschluss“ ermittelt werden konnte. Das hängt zunächst mit der Tatsache zusammen, dass der Streitmittler den Partei­ en einen von ihm gefertigten Schlichtungsvorschlag unterbreitet. In der Folge ist dann der Umstand zu beachten, dass die Parteien ihre jeweilige dem Schlichtungs­ vorschlag zustimmende Erklärung nicht gegenüber der anderen Vertragspartei, son­ dern gegenüber dem Streitmittler abzugeben haben und diese mit dem Zugang beim Streitmittler wirksam werden. Der Streitmittler gibt damit zwar keine Willenserklä­ rung ab. Die Information, auf die die Willenserklärung der Parteien Bezug nimmt, stammt jedoch von ihm und nicht von der Gegenseite. Damit ließe sich die zeitlich erste Willenserklärung noch als Angebot deuten, die zweite stellt dann aber keine Annahme dar, weil sie nicht auf das Angebot, sondern auf den Vertragsentwurf des Streitmittlers Bezug nimmt. Damit bleibt es im Hinblick auf den Streitmittler bei der Feststellung, dass dessen Beteiligung für den materiell-rechtlichen Vertragsschluss eine Rolle spielt, weil vom üblichen Weg zur Herstellung des Konsenses abgewichen wird. Ganz ähnlich der Art und Weise, die sich auch schon für den Prozessrichter feststellen ließ. Für den Schlichtungsvorschlag ist vor allem der zweite Teil des Wortes zu beto­ nen, denn als Vorschlag ist dieser für die Parteien zunächst unverbindlich und daher vergleichbar mit dem bereits analysierten richterlichen Vergleichsvorschlag in §  278 Abs.  6 ZPO. Im Rahmen der Analyse der zum Schlichtungsvorschlag bestehenden gesetzlichen Vorgaben konnte das Prinzip der informierten Autonomie entwickelt werden. Weil es die Parteien sind, die letztlich über die Annahme des Vorschlags entscheiden, dient die vom VSBG geforderte Begründung des Schlichtungsvorschlags dazu, den Parteien eine fundierte Entscheidung dahingehend zu ermöglichen, ob sie den Schlichtungsvorschlag annehmen möchten. Obwohl die Notwendigkeit der Vorschlagsbegründung nur im VSBG verankert ist, lassen sich auch hier Parallelen ziehen. Insofern wird formuliert, dass mit der Begründung des Schlichtungsvorschlags eine Annäherung an die Tätigkeit des Rich­

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ters im Rahmen der Güteverhandlung einhergehe, weil die Vermittlung des Richters und die des einen Schlichtungsvorschlag unterbreitenden Streitmittlers am ehesten übereinstimme.209 Damit erlangt das Prinzip der informierten Autonomie eine Be­ deutung über die Streitbeilegungsverfahren hinaus. Infolge der bisher aufgezeigten Parallelen gilt dies zudem nicht allein für die richterliche Vermittlung, sondern für den moderierten Vertrag an sich. Dabei ist allerdings die rechtliche Verankerung, da diese explizit lediglich im VSBG enthalten ist, im Laufe der weiteren Untersuchung herauszuarbeiten.

2. Täter-Opfer-Ausgleich Auch das Strafverfahren kennt einen moderierten Vertrag, der an dieser Stelle unter dem Stichwort „Täter-Opfer-Ausgleich“ erörtert werden soll, um auf diesem Wege auch das Strafverfahren in den Blick zu nehmen und die Bedeutung des moderierten Vertrags über den zivilrechtlichen Grundkonflikt hinaus zu verdeutlichen. Gesetzlich geregelt wird der Täter-Opfer Ausgleich zunächst durch die prozes­ suale Grundnorm 210 des §  155a StPO:211 „Die Staatsanwaltschaft und das Gericht sollen in jedem Stadium des Verfahrens die Möglich­ keiten prüfen, einen Ausgleich zwischen Beschuldigtem und Verletztem zu erreichen. In ge­ eigneten Fällen sollen sie darauf hinwirken. Gegen den ausdrücklichen Willen des Verletzten darf die Eignung nicht angenommen werden.“

Materiellrechtlich ist der Täter-Opfer-Ausgleich in §  46a StGB verankert.212 Die Vorschrift lautet: „Hat der Täter 1. in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Aus­ gleich), seine Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wiedergutgemacht oder deren Wieder­ gutmachung ernsthaft erstrebt oder 2. in einem Fall, in welchem die Schadenswiedergutmachung von ihm erhebliche persönli­ che Leistungen oder persönlichen Verzicht erfordert hat, das Opfer ganz oder zum überwie­ genden Teil entschädigt, so kann das Gericht die Strafe nach §  49 Abs.  1 mildern oder, wenn keine höhere Strafe als Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bis zu dreihundert­ sechzig Tagessätzen verwirkt ist, von Strafe absehen.“

Der Vorschrift zufolge kann der Täter also bei einem erfolgten Täter-Opfer-Aus­ gleich im Sinne des §  46a Nr.  1 StGB213 auf eine mildere Bestrafung durch das Gericht 209 Vgl. Ring, Das neue Verbraucherstreitbeilegungsgesetz in der anwaltlichen Praxis, §   2 Rn.  310; HK-VSBG/Röthemeyer, §  19 Rn.  33; Tonner, ZKM 2015, 132, 135. 210  So lautet de Bezeichnung durch BGH v. 19.12.2002 – 1 StR 405/02, BGHSt 48, 134 ff.; auf diese Vorschrift weist auch Püschel, StraFO 2006, 261 hin, auch Pfeiffer, StPO, §  155a Rn.  2; Karls­ ruherKomm-StPO/Diemer, §  155a Rn.  2 sprechen von Grundnorm. 211  Diese wird ergänzt durch die Vorschrift des §  155b StPO zum bereichsspezifischen Daten­ schutz, BeckOK StPO/Monka, §  155b Rn.  1. 212  Zur Entstehungsgeschichte des §  46a StGB: Kasperek, Zur Auslegung und Anwendung des §  46a StGB, S.  3 ff. 213 Zum Unterschied zwischen TOA und bloßer Wiedergutmachung i.  S. d. §  46a StGB vgl. Kilchling, NStZ 1996, 309.

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hoffen. Findet der Ausgleich bereits im Ermittlungsverfahren statt,214 kann dessen Folge sogar die Verfahrenseinstellung nach §  153a Abs.  1 Nr.  5 StPO sein.215 Für die vorliegende Untersuchung ist weniger die strafrechtliche Rechtsfolge in Form von Strafmaßreduktion oder Verfahrenseinstellung von Bedeutung216 als das Zustandekommen des Ausgleichs zwischen Täter und Opfer in Gestalt der soge­ nannten Ausgleichsvereinbarung.217 Die Lektüre von §  46a StGB zeigt zunächst, dass der Gesetzgeber nicht allein den Täter-Opfer-Ausgleich als mögliche Form der strafrechtlichen Wiedergutmachung kennt (Nr.  1), sondern auch die Schadenswiedergutmachung (Nr.  2).218 Durch beide Begriffe wird ein Ergebnis beschrieben, unterschiedliche Verfahrenskategorien be­ stimmen beide nicht.219 Eine trennscharfe Abgrenzung zwischen Täter-Opfer-Aus­ gleich und Schadenswiedergutmachung ist wohl nicht möglich, 220 jedenfalls ist nach wie vor umstritten, wie eine solche Abgrenzung erfolgen sollte.221 Ursache hierfür dürfte sein, dass die Übergänge zwischen den beiden Formen der Übereinkunft in der Praxis häufig fließend sind, etwa weil die Vereinbarung eines Täter-Opfer-Aus­ gleichs auch Elemente der Schadenswiedergutmachung aufweisen kann.222 Für das Anliegen dieser Untersuchung ist es nicht notwendig, eine genaue Diffe­ renzierung herauszuarbeiten. Vielmehr genügt es, sich die Schwerpunkte der einzel­ nen Vereinbarungstypen vor Augen zu halten. Inhaltlich zielt die Schadenswiedergutmachung auf einen zivilrechtlichen Aus­ gleich der Folgen der Tat ab, dessen konkrete Ausgestaltung dann Gegenstand der Verhandlungen zwischen Täter und Opfer sind. Der Verhandlungsgegenstand ist damit im Vergleich zum Täter-Opfer-Ausgleich enger gefasst und zugleich stark von zivilrechtlichen Vorgaben geprägt.223 Der Täter-Opfer-Ausgleich ist demgegenüber nicht (nur) ausgleichsorientiert, sondern nimmt auch die Schuld des Täters und die diesbezügliche Auseinandersetzung in den Blick, die deswegen in einem stärkeren Maße das personale Element der Kommunikation sowie das auf einen individuellen Ausgleich gerichtete Bemühen verlangt.224 Der Täter-Opfer-Ausgleich enthält auch das Element der Schadenswiedergutma­ chung. Darüber hinaus sind weitere strafrechtstypische Elemente im Hinblick auf 214  §  155a StPO: Die Staatsanwaltschaft und das Gericht sollen in jedem Stadium des Verfahrens die Möglichkeiten prüfen, einen Ausgleich zwischen Beschuldigtem und Verletztem zu erreichen. (Hervorhebung durch den Verfasser). 215  BGH v. 19.12.2002 – 1 StR 405/02, BGHSt 48, 134, 138; Hochmann/Bewersdorff, SchlHA 2019, 60. 216  Kritisch dazu Meier, JZ 2015, 488, weil sich ein Konzept, in dessen Mittelpunkt nicht Un­ rechtsbewältigung, sondern Konfliktbewältigung stehe nur schwer zu integrieren sei. 217  Zum hier ausgeblendeten Täter-Opfer-Ausgleich im Rahmen des Strafvollzugs vgl. SchluppHauck/Hartmann/Mayer/Kilchling, in: Kriegel-Schmidt, Mediation als Wissenschaftszweig, S.  273 ff. 218 Vgl. Kaspar, NJW 2015, 1642, 1643. 219  Kaspar, NJW 2015, 1642, 1645. 220 MünchKommStGB/Maier, §  46a Rn.  10. 221  So die Einschätzung der Diskussion von Kaspar, NJW 2015, 1642, 1643. 222  Kaspar, NJW 2015, 1642, 1643. 223  Kaspar, NJW 2015, 1642, 1645. 224 BeckOK-StGB/von Heintschel-Heinegg, §  46a Rn.  9.

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D. Weitere moderierte Verträge

die Schuld des Täters Teil der Vereinbarung, die – wohl auch deswegen – stärker Gegenstand von rechtswissenschaftlicher Diskussion und Rechtsprechung war und ist.225 Die Analyse der Schadenswiedergutmachung wird, weil ebenfalls Teil des Tä­ ter-Opfer-Ausgleichs, damit nicht vernachlässigt und Erkenntnisgewinne für die hiesige Untersuchung durch diese Herangehensweise nicht verhindert. a) Der Moderator Demgegenüber ist es aber für diese Arbeit gerade notwendig, den Moderator eines möglichen Ausgleichs zu benennen. In diesem Zusammenhang sind zwei Vorgaben des BGH hervorzuheben: Im Hinblick auf die Vermittlung des Ausgleichs zwischen Täter und Opfer hat der BGH erstens festgehalten, dass der Wortlaut der Vorschrift des §  46a StGB nicht notwendigerweise die Vermittlung durch einen Dritten voraussetzt,226 obwohl es in der Gesetzesbegründung zu §  46a StGB demgegenüber heißt, dass die Lösung des der Tat zu Grunde liegenden Gesamtkonflikts „unter Anleitung eines Dritten“ an­ zustreben sei.227 Letztlich besteht damit nach Ansicht des BGH tatsächlich kein Zwang, den Täter-Opfer-Ausgleich von einem Dritten vermitteln zu lassen. Diese Vorgehensweise stellt jedoch den Normalfall 228 bzw. das Leitbild 229 des Täter-Op­ fer-Ausgleichs im Sinne des §  46a StGB dar. Die Vermittlung eines neutralen Dritten soll jedenfalls in Konstellationen wünschenswert sein, in denen ein soziales Macht­ gefälle zwischen den Beteiligten bestehe und eine anwaltliche Vertretung diese Dys­ balance nicht ausgleiche.230 Der Vermittler solle im Verfahren ein gewisses Macht­ gleichgewicht herstellen.231 Darüber hinaus ist eine zweite Vorgabe des BGH wesentlich für die diese Unter­ suchung: Das Gericht verlangt zwar nicht ausdrücklich und in jedem Fall einen Ver­ mittler, postuliert in genau diesem Zusammenhang jedoch, dass ein kommunikativer Prozess zwischen Täter und Opfer stattfinden solle, der auf einen umfassenden Aus­ gleich der durch die Tat verursachten Folgen gerichtet sein müsse.232 Aus dem Vorgesagten ergibt sich dann die Einschlägigkeit für die hiesige Untersu­ chung. Wird ein Dritter daran beteiligt, dann muss es diesem notwendigerweise auch um die Ermöglichung einer Kommunikation zwischen den Beteiligten gehen, um diese Voraussetzung eines Täter-Opfer-Ausgleichs zu erfüllen. Das wird deutlich, wenn man berücksichtigt, dass der kommunikative Prozess zwischen Täter und Op­ 225 

So auch die Einschätzung von Kaspar, NJW 2015, 1642, 1645. BGH v. 19.12.2002 – 1 StR 405/02, BGHSt 48, 134, 138; siehe auch Meier, JZ 2015, 488, 490. 227  Püschel, StraFO 2006, 261, 262, unter Hinweis auf BT-Drs. 12/6853, S.  2 2. 228 BMJ/Rössner/Klaus, TOA, S.  49, 50 unter Hinwies auf die Gesetzesbegründung. 229 BMJ/Rössner/Klaus, TOA, S.  49, 70. 230  Püschel, StraFO 2006, 261, 262, unter Hinweis auf Kasparek, Zur Auslegung und Anwen­ dung des §  46a StGB, S.  43. 231  Michaelis, JA 2005, 828, 831. 232  BGH v. 19.12.2002 – 1 StR 405/02, BGHSt 48, 134 ff.; vgl. auch Michaelis, JA 2005, 828, 831 mit Verweis auf BGH v. 18.11.1999 – 4 StR 435/99, BeckRS 1999, 30082875; BGH v. 22.08.2001 – 1 StR 333/01, BeckRS 2001, 7930; BGH v. 26.08.2003 – 1 StR 174/03, BeckRS 2003, 7974; so auch BeckOK-StPO/Monka, §  155b Rn.  4. 226 

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fer keine persönliche Begegnung erfordert, sondern die Einschaltung eines Vermitt­ lers ausreicht.233 Auf der anderen Seite kommt ein Täter-Opfer-Ausgleich bei opfer­ losen Delikten nicht in Betracht, da eine Kommunikation nicht erreicht werden kann.234 Mit der Durchführung des Täter-Opfer-Ausgleichs als Vermittler werden die so­ genannten Ausgleichsstellen beauftragt. Das können öffentliche Stellen sein, wie zum Beispiel die Jugend- und Erwachsenengerichtshilfen oder soziale Dienste des Strafvollzugs, aber auch nicht-öffentliche Stellen, wie etwa private Vereine, Schieds­ leute oder Einrichtungen, die auf die Durchführung des Täter-Opfer-Ausgleichs oder auf Konfliktberatung spezialisiert sind.235 Als Vermittler kommt darüber hin­ aus auch der Verteidiger in Betracht.236 b) Die Moderation Auch für die gesetzlichen Vorgaben zum Inhalt der Moderation gilt das, was schon zu den bisher beleuchteten Konstellationen des moderierten Vertrags festgehalten wurde: Gesetzliche Vorgaben fehlen. Der Gesetzgeber hat mit dem Täter-Op­ fer-Ausgleich kein Verfahren beschrieben, sondern lediglich dessen Ergebnis, an das dann näher geregelte strafrechtliche Folgen geknüpft werden können.237 Der Weg zu diesem Ergebnis ist den Parteien weitgehend freigestellt.238 Damit ist auch für das Verhältnis zwischen Täter-Opfer-Ausgleich und Mediation das Notwendige festge­ halten. Täter-Opfer-Ausgleich und Mediation sind nicht deckungsgleich.239 Ein Tä­ ter-Opfer-Ausgleich kann das Ergebnis einer Mediation sein, kann aber auch auf anderem Wege vereinbart werden.240 Für die strafrechtlichen Folgen ist das Ergebnis von Bedeutung, nicht das Verfahren. Dies hat auch der Gesetzgeber so gesehen, der den Täter-Opfer-Ausgleich explizit vom Anwendungsbereich des MedG ausnehmen wollte, weil es sich dabei um eine gesetzlich geregelte Spezialmaterie handele.241

233 MünchKommStGB/Maier, §   46a Rn.  29; NK-StGB/Streng, §  46a Rn.  12; Stree/Kinzig, in: Schönke/Schröder, StGB, §  46a Rn.  2 mit Verweis auf BGH v. 31.05.2002 – 2 StR 73/02, NJW 2002, 3265. 234  Michaelis, JA 2005, 828. 235 BeckOK-StPO/Monka, §  155b Rn.  2 ; zu den möglichen Ausgleichstellen vgl. auch Michaelis, JA 2005, 828, 831; SK-StPO/Weßlau/Deiters, §  155b Rn.  2; die zuständige Ausgleichsstelle lässt sich im Internet unter toa-servicebüro.de ermitteln. 236 Hierzu Püschel, StraFO 2006, 261 ff., der allerdings beklagt, dass der TOA in der Strafvertei­ digerliteratur keinen Raum fände, StraFO 2006, 261. 237  Hartmann, in: Dölling/Jehle, Täter, Taten, Opfer, 2013, 252, 255 f.; Trenczek, in: ders. u. a., Mediation und Konfliktmanagement, Kap.  5.16 Rn.  2. 238  Kaspar, NJW 2015, 1642, 1644. 239  Kaspar, NJW 2015, 1642, 1644; Hartmann/Steengrafe, TOA-Infodienst 43/2012, 27 f.; Tren­ czek, ZKM 2016, 4, 5; Hartmann/Trencek, NJW 2016, 325, 327. 240  Kaspar/Weiler/Schlickum, Der Täter-Opfer-Ausgleich, 55 ff. 241  BT-Drs. 17/5335, S.  11; so auch Kaspar, NJW 2015, 1642, 1645.

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aa) Charakteristika Trotzdem liegen auch bei einem mithilfe einer Ausgleichsstelle geschlossenen TäterOpfer-Ausgleich die Charakteristika vor, die hier als wesentlich für den Typus des moderierten Vertrags angenommen wurden. Diese weisen allerdings vor dem Hin­ tergrund der abweichenden Situation, die im Verhältnis zwischen Täter und Opfer besteht, einigen Besonderheiten auf. bb) Vertraulichkeit Die schon für den moderierten Vertrag als nicht verbindendes Kriterium herausgear­ beitete Anforderung an die Vertraulichkeit der Verhandlungen bereitet auch im Hin­ blick auf die im Vorfeld eines Täter-Opfer-Ausgleichs notwendige Kommunikation Probleme. Denn selbst wenn Täter und Opfer an einer Mediation teilnähmen, fehlte es dem Mediator an einem Zeugnisverweigerungsrecht für den (späteren) Strafpro­ zess, in dem über die strafrechtlichen Folgen für den Täter verhandelt wird.242 cc) Neutralität Im Hinblick auf die notwendige Neutralität des Vermittlers243 sind es die aus der besonderen Situation von Täter und Opfer herrührenden Umstände, die eine Verlet­ zung der Neutralität des Moderators durch zu starke Parteinahme mit dem Opfer begründen können.244 Es sind darüber hinaus die oben genannten Ausgleichsstellen, die eine Neutralität eher garantieren als der Verteidiger des Täters, der jedenfalls am Abschluss einer Vereinbarung, die seinem Mandanten im späteren Strafprozess zu­ gutekommen kann, interessiert ist. dd) Freiwilligkeit Die bei der Neutralität soeben angesprochene besondere Grundkonstellation, die dem Verhältnis zwischen Täter und Opfer zugrunde liegt, findet auch und vor allem bei der Frage der notwendigen Freiwilligkeit ihren Ausdruck. Aufgrund der Regelung des §  46a Nr.  1 StGB unterliegt die Ausgleichsvereinba­ rung nicht nur einer zivilgerichtlichen Kontrolle, sondern auch einer strafrichterli­ chen. Das Strafgericht muss überprüfen, ob die Ausgleichsvereinbarung die Anfor­ derungen des §  46a Nr.  1 StGB erfüllt, um für den Täter zu einer Strafmilderung zu führen. Besonderheiten gelten sowohl für die Position des Täters als auch im Hin­ blick auf die des Opfers.

242  Horstmeier, Das neue Mediationsgesetz, Rn.  116; hierzu siehe Püschel, StraFO 2006, 261, 262; Walther, ZRP 1997, 395 ff.; BMJ/Rössner/Klaus, TOA, S.  49, 75 ff.; diese Problematik spricht etwa auch KarlsruherKommStPO/Diemer, §  155a Rn.  24 an. 243  Die Notwendigkeit der Neutralität im Rahmen des Täter-Opfer-Ausgleichs betont Messner, in: Dieter/Montana/Schulze, Gerechtigkeit im Konfliktmanagement und in der Mediation, S.  93. 244  Kaspar, NJW 2015, 1642, 1644; Albrecht, in: FS Schüler-Springorum, S.  81, 84.

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(1) Freiwilligkeit des Täters Hinsichtlich der freiwilligen Teilnahme an einer Verhandlung im Hinblick auf die Position des Täters wird bereits eine Einschränkung aus dem Umstand gefolgert, dass das gegen ihn laufende Ermittlungs- bzw. Strafverfahren Druck zugunsten ei­ ner Verhandlungsbereitschaft erzeugen würde. Das ein gerichtliches Verfahren Ein­ fluss auf die Motivation zur Teilnahme hat, führt aber nicht zu einer insoweit fehlen­ den Freiwilligkeit, solange der Täter die Entscheidung treffen kann, ob er an der Vermittlung teilnimmt oder nicht.245 Schon an dieser Stelle lassen sich die Überle­ gungen, die bereits zur Freiwilligkeit in Bezug auf ein drohendes Zivilverfahren an­ gestellt wurden, 246 fruchtbar machen. Auf die hier in Rede stehende Situation über­ tragen bedeutet dies, dass der Umstand, dass das Strafverfahren für den Täter als drohendes Damoklesschwert über der Verhandlung hängt, nicht zu einer unzulässi­ gen Einschränkung seiner Autonomie führt. Denn dem Täter bleibt es unter Inkauf­ nahme der strafrechtlichen Folgen überlassen, an einer Vermittlung teilzunehmen oder diese von vornherein abzulehnen. Die Freiwilligkeit des Täters im Hinblick auf den Verfahrensbeginn wird jedoch ausgeschaltet, wenn die Regelung des §  10 Abs.  1 Nr.  7 JGG zur Anwendung kommt. Der Jugendrichter kann dem jugendlichen Straftäter247 die Weisung auferlegen, „sich zu bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich)“. Hier fehlt es im Hinblick auf den Verfahrensbeginn dann an einer Entscheidungsfreiheit des Täters.248 Nicht aber in Bezug auf den möglichen Abschluss einer Vereinbarung, die in jedem Fall auch von seinem Willen getragen werden muss. Die Weisung erfüllt der jugendliche Täter nämlich schon dann, wenn er sich im Rahmen der Teilnahme an Gesprächen be­ müht, einen Ausgleich herbeizuführen, unabhängig davon, ob dieser zustande kommt oder nicht.249 Wohl auch wegen dieser schon oben angesprochenen „Vorwir­ kung“ der Freiwilligkeit in Bezug auf den Abschluss einer Vereinbarung wird von dieser Weisungsmöglichkeit in der Praxis fast nie Gebrauch gemacht.250 Betrachtet man den möglichen Abschluss einer Vereinbarung, dann folgen aus den strafrechtlichen Regelungen keine unzulässigen Beschränkungen. Hatte der BGH zunächst gefordert, dass der erfolgreiche Täter-Opfer-Ausgleich bei Gewaltdelikten regelmäßig ein Geständnis voraussetze,251 formuliert er inzwi­ schen insofern vorsichtiger, als dass ein umfassendes Geständnis nicht in jedem Falle unabdingbare Voraussetzung für die Anwendung des §  46a Nr.  1 StGB sei. Ausnah­ 245 

Kaspar, NJW 2015, 1642, 1644. Siehe oben unter C.I.3.a). 247  Zum genauen Anwendungsbereich der Vorschrift vgl. BeckOK-JGG/Nehring, §  10 Rn.  4. 248 Für Greger, ZKM 2015, 172, 175 fehlt es an der Freiwilligkeit; Röthemeyer, ZKM 2016, 151, 152 will lediglich zwischen Initial- und Durchführungsdruck unterscheiden. 249 BeckOK-JGG/Nehring, §   10 Rn.  46; zum Ganzen siehe auch Eisenberg/Kölbel, JGG, §  10 Rn.  27. 250 Zur Einschätzung der praktischen Relevanz vgl. Kaspar, NJW 2015, 1642, 1644; nach BeckOK-JGG/Nehring, §  10 Rn.  4 4 bestehen durchgreifende Zweifel an der Erziehungseignung der Weisung, sofern der jugendliche Täter nicht seine Zustimmung zur Teilnahme an der Maßnahme erteilt. 251  BGH v. 19.12.2002 – 1 StR 405/02, BGHSt 48, 134 ff. 246 

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men seien vielmehr möglich, namentlich nach einem gelungenen, auf einem kommu­ nikativen Prozess beruhenden Ausgleich mit dem Opfer.252 Daher wird vertreten, dass allgemeingültige Anforderungen an das Einlassungsverhalten nicht gestellt werden könnten; vielmehr seien die Umstände im Einzelfall entscheidend. Es kom­ me darauf an, ob der Täter den Geschädigten als Opfer der Tat respektiert und er­ kennen lässt, dass er für seine Taten die Verantwortung übernimmt.253 Auch der zur Tat schweigende Täter kann somit in Ausgleichsbemühungen einbezogen werden.254 Voraussetzung ist lediglich, dass er in Bezug auf die Ausgleichsvereinbarung freiwil­ lig handelt. Unter Freiwilligkeit der Wiedergutmachung ist im Rahmen des §  46a StGB nur zu verstehen, dass diese nicht von den übrigen Verfahrensbeteiligten er­ zwungen, sondern vom Täter aufgrund eigener Entscheidung geleistet wird.255 Die Motive für diese Entscheidung sind dabei irrelevant.256 Tatsächlich ist die (wirkliche) Freiwilligkeit in Bezug auf den Abschluss der Vereinbarung aufgrund des staatsan­ waltschaftlichen Ermittlungsverfahrens aufseiten des Täters eingeschränkt,257 nicht jedoch beseitigt. Die zu erhoffende positive Berücksichtigung einer getroffenen Ab­ schlussvereinbarung ist Motivation für einen Abschluss, aber keine unzulässige Be­ schränkung der Freiwilligkeit. Insofern besteht die Besonderheit, dass der Staat zwar nicht unmittelbar am Ausgleichsverfahren beteiligt ist, dieses als Träger des öffentli­ chen Strafanspruchs aber beeinflusst.258 Für den Täter besteht ein gewisses Vorleis­ tungsrisiko, denn er weiß bei Abschluss des Täter-Opfer-Ausgleichs nicht, ob und wie das Strafgericht diesen honoriert.259 Darin wird man aber schon deswegen keine unzumutbare Belastung erblicken können, weil von einer Ausgleichsvereinbarung jedenfalls kein negativer Effekt für die Strafzumessung zu erwarten ist.260 (2) Freiwilligkeit des Opfers Für das Opfer ist schon die alleinige Teilnahme am Täter-Opfer-Ausgleich freiwil­ lig.261 Besonderheiten existieren zudem zur Frage, welchen Maßstab das Gericht bei der Bewertung der Wiedergutmachungsleistung des Täters anzulegen hat.262 252 

BGH v. 25.06.2008 – 2 StR 217/08, BeckRS 2008, 14055. §  46a Rn.  32. 254  BGH v. 19.12.2002 – 1 StR 405/02, BGHSt 48, 134 ff. 255  Kasperek, Zur Auslegung und Anwendung des §  46a StGB, S.  39 mit Verweis auf Meier, JuS 1996, 440; Hirsch, ZStW 102 (1990), 549 bezeichnet die Freiwilligkeit unter dem Druck eines Straf­ verfahrens als relative Freiwilligkeit. Die Regelungen zum Täter-Opfer-Ausgleich stellen eine Ein­ schränkung des Freiwilligkeitsprinzips im Sinne des MedG dar, vgl. Horstmeier, Das neue Media­ tionsgesetz, Rn.  135. 256  Kasperek, Zur Auslegung und Anwendung des §   46a StGB, S.  39; Meier, GA 1999, 1, 6; Kilchling, NStZ 1996, 313. 257  Michaelis, JA 2005, 828, 832. 258  Kaspar, NJW 2015, 1642, 1645. 259  Kaspar, NJW 2015, 1642, 1645. 260  Kaspar, NJW 2015, 1642, 1645 geht sogar davon aus, dass der Täter stets mit einem positiven Effekt rechnen kann. 261 KarlsruherKommStPO/Diemer, §  155a Rn.  17; vgl. auch den Wortlaut von §  46a StGB. 262  Siehe hierzu die Darstellung der Meinungen bei Kasperek, Zur Auslegung und Anwendung des §  46a StGB, S.  31 ff. 253 MünchKommStGB/Maier,

I. Bedeutung und Konkretisierung

315

M. a. W.: Welche Rolle spielt hier die Sicht des Opfers oder wie weit reicht dessen Autonomie? Grundsätzlich wird zunächst verlangt, dass das Opfer die Leistungen des Täters als friedensstiftenden Ausgleich akzeptiert.263 Daran könnte es zum Beispiel dann fehlen, wenn das Opfer der Ausgleichsvereinbarung nur deshalb zustimmt, weil es fürchtet, sonst keine Zahlungen vom Täter zu erhalten.264 Demgegenüber ist – für den Fall, dass das Opfer den Ausgleich als friedensstiftend akzeptiert – ebenso fraglich, inwieweit dessen Autonomie reicht. Zum Teil wird vertreten, der Täter-Opfer-Ausgleich sei autonome Friedensstif­ tung, was bedeute, dass sich die vom Opfer zu fordernde Leistung nicht anhand des erlittenen Schadens bestimmen ließe.265 Das Opfer könne auch eine bloße Entschul­ digung akzeptieren.266 Es werden aber auch Ansätze vertreten, welche die Opferautonomie einschränken. Die Wiedergutmachungsleistung müsse die Tat zumindest zum überwiegenden Teil ausgeglichen oder insoweit ernsthaft angestrebt haben. Ein geringerer Teil reiche selbst dann nicht aus, wenn das Opfer sich damit zufrieden gegeben habe.267 In der aktuelleren Kommentierung wird demgegenüber vertreten, dass ein geringerer Teil aufgrund des Wortlauts dann ausreiche, wenn der Täter die Wiedergutmachung ernsthaft erstrebt habe.268 Damit wird anstelle der Opferautonomie die Täterabsicht in den Blick genommen. Nach Kühl269 sollen objektive Faktoren gelten, wenn er for­ muliert, dass es jedenfalls nicht ausreiche, wenn der Täter den Schaden vollständig oder überwiegend ausgleiche; hinzukommen müsse eine besondere Leistung des Tä­ ters.270 Mit dieser Vorgehensweise wird die Opferautonomie ebenfalls beschnitten. Einen weiteren Ansatz, der an dieser Stelle aufgegriffen werden soll, liefern Horn/ Wolters, die zwar die Einschätzung des Opfers bei der Frage der Schadenswiedergut­ machung berücksichtigen wollen, jedoch nur, soweit diese auch dem objektiven Ur­ teil eines vernünftigen Dritten entspräche.271 Brauns plädiert für eine differenzierte­ re Beurteilung des Wiedergutmachungsvorgangs, losgelöst von der (zivilrechtlichen) Schadenshöhe. Er führt die Begriffe „Erfolgswert“ und „Handlungswert“ der Wie­ dergutmachungsleistung des Täters ein.272 Während die bisherigen Fragen der Aus­ 263 BGH v. 31.05.2002 – 2 StR 73/02, NJW 2002, 3264; Stree/Kinzig, in: Schönke/Schröder, StGB, §  46a Rn.  2. 264  Vgl. Fall bei Püschel, StraFO 2006, 261, 268. 265 BMJ/Rössner/Klaus, TOA, S.  49, 51; mit Hinweis auf die Meinungen bei Stree, in: Schönke/ Schröder, StGB, §  46a Rn.  3 und Heger, in: Lackner/Kühl, StGB, §  46a Rn.  2. 266 BMJ/Rössner/Klaus, TOA, S.   49, 51; auch Kasperek, Zur Auslegung und Anwendung des §  46a StGB, S.  32 plädiert für die Maßgeblichkeit der Abschlussvereinbarung, weil diese aus dem Autonomieprinzip der Parteien folge. 267  Stree, in: Schönke/Schröder, StGB, 25.  Aufl. 1997, §  46a Rn.  3. 268  Stree/Kinzig, in: Schönke/Schröder, StGB, §  46a Rn.  3. 269  Kühl, StGB, §  46a Rn.  2 ; auch schon vertreten von Lackner, in: Lackner/Kühl, StGB, §  46a Rn.  2. 270  An der genannten Stelle finden sich auch weitere Hinweise zu dieser Diskussion. 271 SK-StGB/Wolters, §   46a StGB Rn.  3 mit Verweis auf OLG Bamberg v. 19.09.2006 – 3 Ss 106/05, NStZ-RR 2007, 37, 38. 272 Vgl. Brauns, Die Wiedergutmachung der Folgen der Straftat durch den Täter, S.  311.

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D. Weitere moderierte Verträge

gleichsleistung des Täters unter dem Aspekt des „Erfolgswertes“ beurteilt werden sollen,273 sollen die näheren Modalitäten des Verhaltens, mit dem der Täter die Fol­ gen der Tat wiedergutmacht, als Handlungswert in die Bewertung einbezogen wer­ den.274 Aber diese bereits eingangs angesprochene soziale Autonomie275 erfährt nicht nur eine Begrenzung „nach unten“, sondern auch „nach oben“: Ein Angebot, das höher ist als die geschuldete Leistung, soll im Rahmen des Freiwilligkeitsprinzips nur vom Täter ausgehen können.276 Entsprechende Forderungen des Opfers sind vor dem Hintergrund des drohenden Strafverfahrens unzulässig, in krassen Fällen auch als Nötigung/Erpressung strafrechtlich relevant.277 Das zeigt, dass auch die Perspektive des Opfers für die spätere strafrechtliche Be­ urteilung von Bedeutung ist. Für die zivilrechtliche Bedeutung ist allerdings allein entscheidend, ob die mit dem Täter getroffene Vereinbarung vom Willen des Opfers getragen ist. c) Der moderierte Vertrag Ziel der Auseinandersetzung, die zwischen Täter und Opfer mithilfe der Ausgleichs­ stelle stattfindet, ist eine faire, beide Seiten zufriedenstellende Vereinbarung über einen Schadensausgleich.278 Die vom Täter zu erbringenden Leistungen müssen Ergebnis einer Verabredung von Täter und Opfer sein.279 Diese Verabredung, die sogenannte Ausgleichsverein­ barung, stellt (auch) ein Rechtsgeschäft im Sinne des Zivilrechts dar, 280 verbunden mit den diesbezüglich an die Wirksamkeit geknüpften Anforderungen. Der Leis­ tungsgegenstand steht dabei frei zur Disposition der Beteiligten.281 Die Ausgleichsvereinbarungen sind dabei so vielfältig wie das Leben selbst.282 Ne­ ben der Entschuldigung des Täters sind Vereinbarungen zu Schadensersatz sowie Schmerzensgeld die häufigsten Inhalte.283 Diese Leistungen des Täters müssen nicht ohne Gegenleistung des Opfers blei­ ben.284 Es ist zum Beispiel möglich, dass das Opfer zusichert, von einem Zeugnisver­ 273  Zum Erfolgswert vgl. Brauns, Die Wiedergutmachung der Folgen der Straftat durch den Tä­ ter, S.  202 f. 274 Vgl. Brauns, Die Wiedergutmachung der Folgen der Straftat durch den Täter, S.  214. 275  Michaelis, JA 2005, 828, 829. 276 BMJ/Rössner/Klaus, TOA, S.  49, 51. 277 BMJ/Rössner/Klaus, TOA, S.  49, 51. 278  So formuliert für die Mediation im Rahmen des TOA Messner, in: Dieter/Montana/Schulze, Gerechtigkeit im Konfliktmanagement und in der Mediation, S.  93. 279 BMJ/Rössner/Klaus, TOA, S.  49, 50. 280  So formuliert Püschel, StraFO 2006, 261, 268; ebenfalls Hochmann/Bewersdorff, SchlHA 2019, 60. 281 BMJ/Rössner/Klaus, TOA, S.  49, 51. 282  Püschel, StraFO 2006, 261, 266. 283  Vgl. auch Schaubild: Täter-Opfer-Ausgleich in der Entwicklung, Hrsg. vom BMJ, S.  91 f. 284  Siehe Liste der möglichen Angebote und zulässigen Gegenleistungen bei Püschel, StraFO 2006, 261, 266 f.

I. Bedeutung und Konkretisierung

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weigerungsrecht Gebrauch zu machen oder eine Strafanzeige zu unterlassen bzw. einen Strafantrag nicht zu stellen oder zurückzunehmen.285 Das Konzept des Täter-Opfer-Ausgleichs soll staatlicher Gewalt gesellschaftliche Regelungsressourcen zur Seite stellen, indem Schadenswiedergutmachung und Ver­ söhnung der Bestrafung vorgezogen werden, weil insbesondere das Strafgericht die­ se strafmildernd berücksichtigt. Damit erhalten die Beteiligten ein Stück soziale Au­ tonomie.286 d) Das Interesse der Ausgleichsstelle Damit das funktioniert, müssen die Parteien, d. h. Täter und Opfer, eine Überein­ kunft erzielen. Eine Ausgleichsstelle, die ihrer Rolle im System des Täter-OpferAus­gleichs gerecht werden will, muss also ein Interesse daran haben, dass eine solche Ausgleichsvereinbarung geschlossen wird. Dass sie dabei auf die besondere Situation Rücksicht nehmen und dabei insbesondere auf die Position der Parteien achten muss, ändert an der Zielrichtung ihrer Tätigkeit nichts.287 e) Die Ausgleichstelle als Moderator Vermitteln die Ausgleichsstellen erfolgreich eine Ausgleichvereinbarung zwischen Täter und Opfer, liegt hierin regelmäßig ein moderierter Vertrag im Sinne dieser Untersuchung. Die herausgearbeiteten Kriterien des moderierten Vertrags sind auch im Verfahren der Ausgleichsstelle zu bejahen, was vor allem die rechtsgebietsübergreifende Bedeu­ tung des Untersuchungsthemas verdeutlicht. Darüber hinaus ist auch für den Tä­ ter-Opfer-Ausgleich zu konstatieren, dass es an einer positiven Regelung im Hin­ blick auf den Inhalt der Moderationstätigkeit fehlt und nicht einmal die ohnehin weiten Vorgaben des MedG finden auf die Arbeit der Ausgleichsstelle Anwendung. Wenn überhaupt, dann sind es die speziellen Regelungen zur Ausgleichsvereinba­ rung bzw. deren Folgen, die eine Vorwirkung auf die Moderationstätigkeit entfalten.

3. Beratung nach §  17 Abs.  2 SGB VIII Das Jugendamt 288 ist ein weiterer Moderator, dessen Tätigkeit und der aus ihr folgen­ de vermittelte Vertrag an dieser Stelle Erwähnung finden soll. Im Kern geht es um die aus der Beendigung des Zusammenlebens der (Ehe-) Partner folgenden Konsequen­ zen, die diese – sofern gemeinsame Kinder vorhanden sind – mit Unterstützung des Jugendamts einvernehmlich regeln sollen. Die hier ausgesuchte und im Folgenden kurz vorgestellte Konstellation bildet nur eine von mehreren im Rahmen einer Tren­ nung und/oder Scheidung existierenden Situationen ab, die unter die Kategorie des moderierten Vertrags fallen. Auch in Verfahren nach dem FamFG ist das Hinwirken 285 

Püschel, StraFO 2006, 261, 263. Michaelis, JA 2005, 828, 829. 287  Im Ergebnis ebenso Greger, ZKM 2015, 172, 175. 288  Bzw. dessen beauftragte Stellen und deren Sozialarbeiter. 286 

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D. Weitere moderierte Verträge

des Gerichts auf eine einvernehmliche Lösung gewollt, vgl. §  156 FamFG. Gleichzei­ tig ist auch die Teilnahme an einer (Voll-) Mediation seitens der trennungswilligen Ehepartner möglich und seitens des Gesetzgebers erwünscht, an deren Ende dann eine Abschlussvereinbarung steht, die sich – bestenfalls – zu allen aus der Trennung resultierenden Fragen verhält.289 Da diese Konstellationen jedoch bereits auf den ersten Blick viel gemein haben mit den schon oben dargestellten Eigenschaften der Mediation, soll hier eine besondere Situation herausgegriffen werden. Diese zeigt die Bedeutung, die das Interesse des Moderators am Vertragsschluss für dessen Neutralität hat. Die Konstellation weicht einerseits von der Vorherigen in vielerlei Hinsicht ab; andererseits beschreibt sie – wie zu zeigen sein wird – ebenfalls einen moderierten Vertrag. Untersucht werden soll die Beteiligung des Jugendamts an der Entwicklung einer einvernehmlichen Lö­ sung im Hinblick auf die elterliche Sorge sowie den Umgang im Trennungsfall. Diese außergerichtliche Tätigkeit des Jugendamts basiert auf §  17 Abs.  2 SGB VIII. Die Vorschrift lautet: „Im Fall der Trennung und Scheidung sind Eltern unter angemessener Beteiligung des betrof­ fenen Kindes oder Jugendlichen bei der Entwicklung eines einvernehmlichen Konzepts für die Wahrnehmung der elterlichen Sorge und der elterlichen Verantwortung zu unterstützen; dieses Konzept kann auch als Grundlage für einen Vergleich oder eine gerichtliche Entschei­ dung im familiengerichtlichen Verfahren dienen.“

Die Vorschrift entspricht dem Gedanken der einvernehmlichen Konfliktlösung in Kindschaftssachen,290 der auch durch die Regelungen des FamFG eine weitere Stütze gefunden hat. Der Vorschrift des §  17 Abs.  2 SGB VIII zufolge sollen die Eltern aktiv bei der Entwicklung einer außergerichtlichen Konfliktlösung unterstützt werden, denn familiäre Konflikte sind ohne Mitwirkung der Betroffenen nicht adäquat lös­ bar.291 a) Einsatz des Jugendamts Um die einvernehmliche Lösung eines Konflikts zu fördern, der auch ein Kind be­ trifft, hat der Gesetzgeber eine Reihe von Informationssträngen installiert. Diese sorgen dafür, dass entweder das Jugendamt von einem Konflikt erfährt oder die El­ tern Kenntnis von der Beratungsmöglichkeit erhalten, 292 auf die sie ihrerseits einen Rechtsanspruch haben.293 Aus der Sicht des moderierenden Jugendamts gilt jedoch: Erweisen sich die Eltern als beratungsresistent, kann das Jugendamt ihnen seine Un­ terstützung nicht aufzwingen.294 Schon die Beteiligung des Jugendamts ist damit freiwillig. 289  Zu den unterschiedlichen Moderatoren und deren Professionen vgl. MünchKommFamFG/ Schumann, §  156 Rn.  9. 290  Vogel, FamRZ 2010, 1870. 291  So schon Freund, DRiZ 1979, 72, 73. 292  Etwa durch Hinweis des Gerichts, §  156 Abs.  1 Satz 2 FamFG, vgl. MünchKommFamFG/ Schumann, §  156 Rn.  10. 293 MünchKommFamFG/Schumann, §  156 Rn.  10; Wiesner/Struck, SGB VIII, §  17 Rn.  29. 294  Kunkel, in: LPK-SGB VIII, §  17 Rn.  21.

I. Bedeutung und Konkretisierung

319

b) Die Moderation des Jugendamts Die oben wiedergegebene Regelung des §  17 Abs.  2 SGB VIII spricht von einer „Un­ terstützung“, die das Jugendamt zu leisten habe, während der erste Absatz der Vor­ schrift lediglich von „Beratung“ spricht. Vor diesem Hintergrund wird zunächst festgehalten, dass Unterstützung mehr sei als Beratung295 und eine „aktive Mithilfe“ darstelle.296 Die Unterstützung seitens des Jugendamts erfüllt häufig die Kriterien der Media­ tion,297 was dazu führt, dass dann die Prinzipien des MedG gelten sollen.298 Die Me­ diation wird von einigen als Verfahren angesehen, welches für einvernehmliche Re­ gelungen das Mittel der Wahl darstelle.299 Der Einsatz der Mediation an dieser Stelle wird zum Teil auch kritisch gesehen, weil diese von einem Machtgleichgewicht zwi­ schen den Partner ausgehe. Dieses sei aber zwischen Männern und Frauen häufig weder ökonomisch noch soziokulturell gegeben.300 Neben der Mediation können auch familientherapeutische Ansätze,301 gruppendynamische und psychoanalytische Verfahren zum Einsatz kommen.302 Letztlich soll die Beratung auf das System Fami­ lie ausgerichtet sein und sich an der konkreten Problemlage und dem Verhalten der Parteien orientieren 303 sowie eine angemessene Beteiligung des betroffenen Kindes an der Konfliktlösung vorsehen.304 Die Beratung über Fragen der elterlichen Sorge muss über die psychosoziale Un­ terstützung hinaus stets die rechtlichen Rahmenbedingungen im Blick haben und ist daher auch Rechtsberatung.305 Das gilt zunächst für die – nahe liegenden – rechtli­ chen Fragen der elterlichen Sorge nach §§  1626 ff. BGB. Diese stehen allerdings auch im Trennungsfall beiden Elternteilen gleichzeitig zu und können grundsätzlich 306 nur durch Richterspruch übertragen werden.307 Mit der Frage der elterlichen Sorge in Zusammenhang steht das Umgangsrecht sowie aufgrund der Regelung des §  1612 Abs.  2 BGB das Unterhaltsrecht. Die Regelung ist Ausfluss der Personensorge; die

295 

Telscher, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, §  17 Rn.  106. Telscher, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, §  17 Rn.  107. 297  Davon geht auch Greger, in: Greger/Unberath/Steffek, Recht der alternativen Konfliktlö­ sung, Teil D: Systematische Darstellung, Rn.  346 298 MünchKommFamFG/Schumann, §  156 Rn.  11. 299  Tammen/Trenczek, in: FK-SGB VIII, §  17 Rn.  17. 300 Wiesner/Struck, SGB VIII, §   17 Rn.  31 mit Verweis auf Werner-Schneider, FPR 1996, 25; Telscher, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, §  17 Rn.  114 sieht zusätzlich das Machtungleich­ gewicht beeinträchtigt, wenn Mütter aufgrund der Doktrin „Kinder gehören zur Mutter“ keine Einschränkung ihrer Machtposition befürchten müssen. 301  So z. B. die „kleine Familienkonferenz“, vgl. Lägler, ZKM 2016, 137, 302 Wiesner/Struck, SGB VIII, §  17 Rn.  30. 303 Wiesner/Struck, SGB VIII, §  17 Rn.  29. 304 MünchKommFamFG/Schumann, §  156 Rn.  11. 305 Jung/Jurgeleit, SGB VIII, §  17 Rn.  7; BeckOK-SozR/Winkler, SGB VIII, §  17 Rn.  14; Wies­ ner/Struck, SGB VIII, §  17 Rn.  32. 306  Hier nicht relevante Ausnahmen finden sich in §  1626a BGB. 307 Kemper/Schreiber/Völker/Clausius, HK-Familienverfahrensrecht, §  156 Rn.  4. 296 

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D. Weitere moderierte Verträge

Eltern können ausnahmsweise308 bestimmen, Naturalunterhalt zu leisten.309 Üben die Eltern das Sorgerecht nach der Trennung gemeinsam aus, müssen sie einverständ­ lich oder mithilfe des Familiengerichts nach §  1628 BGB eine Regelung treffen.310 Dem nicht sorgeberechtigten Elternteil steht ein solches Bestimmungsrecht – mit Ausnahme von §  1612 Abs.  2 Satz 3 BGB – nicht zu.311 Das heißt, er ist dann bar­ unterhaltspflichtig. Die Rechtsberatung umfasst somit auch Fragen des Unterhalts.312 Ziel der Beratung gemäß §  17 Abs.  2 SGB VIII ist die Entwicklung eines einver­ nehmlichen Konzepts für die Wahrnehmung der elterlichen Sorge und der elterli­ chen Verantwortung. Ziel ist es damit, in Ergänzung313 der gerichtlichen Regelung des §  156 FamFG sowie der Beteiligung der Jugendhilfe am Gerichtsverfahren nach §§  50 ff. SGB VIII, eine einvernehmliche Lösung zwischen den Parteien zu errei­ chen.314 Eine empirische Untersuchung hat ergeben, dass der abwesende Elternteil dann stärker im Leben des Kindes involviert bleibt, wenn die Erwachsenen die Scheidungsfolgen in einer Mediation ausgehandelt haben.315 Insofern deckt sich die Motivation zunächst mit denen der vorigen Moderatoren, überhaupt einen Abschluss zu erzielen. Im Hinblick auf die Tätigkeit des Jugendamts als Moderator ist die Situation aller­ dings mehrpoliger. Dies findet schon im Gesetzestext seinen Ausdruck, der eine an­ gemessene Beteiligung des Kindes fordert. Das Jugendamt wird hier im Sinne des Art.  6 Abs.  2 Satz 2 GG zur Wahrnehmung des staatlichen Wächteramtes tätig.316 Auch dieses Tätigwerden verlangt bei familiären Konflikten, vorrangig den Aus­ gleich zwischen den Rechtspositionen der Eltern anzustreben.317 Die einvernehmli­ che Lösung soll damit letztlich auch einem Dritten, dem Kind, zugutekommen und dessen nacheheliche Beziehung zu seinen Eltern sichern.318 Das kommt auch darin zum Ausdruck, dass die mangelnde Bereitschaft zur Beratung als ein Indiz für eine nicht sachgerechte Wahrnehmung elterlicher Sorge und damit als fehlende Erzie­ hungseignung angesehen wird319 und seitens des später evtl. beteiligten Gerichts ein Faktor bei der Kindeswohlprüfung ist.320

308  Grundsätzlich gilt die Rentenzahlungspflicht, vgl. Staudinger/Klinkhammer, BGB, §   1612 Rn.  22. 309 Staudinger/Engler, BGB, §  1612 Rn.  63. 310 BeckOK-BGB/Reinken, §  1612 Rn.  10; Schwab, FamR, Rn.  812. 311 Staudinger/Engler, BGB, §  1612 Rn.  63; Schwab, FamR, Rn.  879. 312 Wiesner/Struck, SGB VIII, §  17 Rn.  32. 313  Proksch, JAmt 2010, 215, 219. 314  Proksch, JAmt 2010, 215, 217. 315 Vgl. Bernhardt, ZKM 2015, 68. 316  Proksch, JAmt 2010, 215, 216. 317  Proksch, JAmt 2010, 215, 216. 318  Proksch, JAmt 2010, 215, 217. 319 Jung/Jurgeleit, SGB VIII, §  17 Rn.  92. 320  Kunkel, in: LPK-SGB VIII, §  17 Rn.  11.

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c) Der moderierte Vertrag Schaut man sich darüber hinaus den moderierten Vertrag im Sinne der hiesigen Un­ tersuchung an, dann stellt sich zunächst die Frage, ob es sich dabei überhaupt um einen Vertrag im Sinne des BGB handelt, denn es ist zunächst tatsächlich fraglich, ob die Parteien eine Willenserklärung im Sinne des BGB abgeben, d. h. unmittelbar eine Rechtswirkung herbeiführen möchten.321 Das lässt sich mit Blick auf den Inhalt des Konzepts, die Frage der Wahrnehmung der elterlichen Sorge, anzweifeln: Für den (Normal-)Fall, dass beide Elternteile die Sorge gemeinsam ausüben, wird für den Innenbereich der Abstimmung und dem Verhalten gegenüber dem Kind seit jeher davon ausgegangen, dass lediglich tatsäch­ liche Handlungen vorliegen.322 Sind die Eltern sich im Rahmen der elterlichen Sorge uneins, so verpflichtet sie §  1627 Satz 2 BGB zum Einigungsversuch. Kommt es dann zur Einigung, ist auch die Rechtsnatur dieses gegenseitigen Einvernehmens unge­ klärt.323 Das alles gilt allerdings nur für die Fragen des Sorgerechts an sich. Dass es sich beim Konzept im Rahmen des §  17 Abs.  2 SGB VIII um eine vertragliche Vereinba­ rung handelt, soll anhand der folgenden Überlegungen kurz dargelegt werden. Entscheidend ist die Frage der Bindungswirkung. Ob ein einmal zwischen Eltern erzieltes Einvernehmen eine Bindungswirkung nach sich zieht, ist umstritten und wird mehrheitlich abgelehnt.324 Für das einvernehmliche Konzept, das im Rahmen des §  17 Abs.  2 SGB VIII entsteht, dürfte jedoch etwas anderes gelten. Denn hier handelt es sich um trennungswillige Vertragspartner, denen aufgrund der stattgefun­ denen oder anstehenden Trennung daran gelegen ist, verbindliche Lösungen zu erar­ beiten. Dies wiederum liegt in zwei Umständen begründet: Zum einen werden die Partner deswegen eine verbindliche Vereinbarung anstreben, weil Verstöße gerade nicht folgenlos bleiben sollen. Denn bei getrennt lebenden Eltern kann eine Pflicht­ verletzung Anlass für die Einleitung eines Verfahrens nach §  1671 BGB sein.325 Des­ sen Folge kann dann die gerichtliche Übertragung der Alleinsorge auf eines der El­ ternteile sein.326 Deutlich wird die Bindungswirkung zudem, wenn man sich die Funktion des Konzepts vor Augen führt. Es soll, ganz im Sinne der vom Gesetzgeber präferierten einvernehmlichen Konfliktlösung, entweder eine gerichtliche Auseinandersetzung vermeiden oder als Grundlage für eine richterliche Entscheidung dienen. Beides spricht für eine verbindliche Lösung durch die Parteien, deren Existenz im Zweifel eine richterliche Entscheidung ersetzen oder als deren Vorlage dienen soll. Da sich die Parteien insofern regelmäßig rechtlich verbindlich auf ein Sorgerechtskonzept einigen wollen, ist von einem Vertragsschluss im Sinne des BGB auszugehen. Umso 321  Zur näheren Definition siehe etwa BGH v. 17.10.2000 – X ZR 97/99, BGHZ 145, 343, Rn.  17 m. w. N. 322  Siebert, NJW 1955, 1. 323 Staudinger/Lettmaier, BGB, §  1627 Rn.  31. 324 Staudinger/Lettmaier, BGB, §  1627 Rn.  33, mit Nachweisen auch zur Gegenansicht. 325 Staudinger/Lettmaier, BGB, §  1627 Rn.  39. 326 Staudinger/Lettmaier, BGB, §  1627 Rn.  39.

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D. Weitere moderierte Verträge

mehr ist dies der Fall, wenn auch Fragen der Unterhaltszahlung Gegenstand der Ei­ nigung sind. aa) Inhalt des Konzepts Das führt zu der grundsätzlichen Frage nach dem möglichen Inhalt eines Konzepts im Sinne des §  17 Abs.  2 SGB VIII. Im Hinblick auf die zentrale Frage nach der elterlichen Sorge ist festzuhalten, dass den Eltern hier ein großer Gestaltungsspielraum vorgegeben ist. Kein Sorgerechts­ modell wird präferiert, d. h., vorrangiges Ziel der Vorschrift ist es nicht, die Eltern zur Wahl eines bestimmten Modells zu veranlassen, sondern ihnen Wege aufzuzei­ gen, wie sie ihrer nach Trennung und Scheidung fortbestehenden Elternverantwor­ tung im Einzelfall am besten gerecht werden können.327 Inhaltliche Vorgaben für die Gestaltung des Sorgerechtskonzepts ergeben sich allein aus dem rechtlichen Rah­ men, der durch die Regelungen des BGB vorgegeben ist.328 Die einvernehmliche Entscheidung hat wegen der Elternautonomie Vorrang vor der gerichtlichen Entscheidung.329 Allen Eltern, die die elterliche Sorge gemeinsam ausüben, steht ein Gestaltungsvorrang zu, der familiengerichtlich nur überprüft wird, soweit durch die privatautonome Gestaltung elterlicher Sorge eine Gefährdung des Kindeswohls zu befürchten ist.330 Denn: Der Schutz des Kindes hat eindeutig Vorrang vor der Elternautonomie.331 bb) Der gerichtlich gebilligte Vergleich Diese zuletzt getroffene Aussage wird noch einmal deutlich am gerichtlich gebillig­ ten Vergleich im Sinne des §  156 Abs.  2 FamFG.332 Mit diesem Konstrukt wird dem allgemein zum Vergleich formulierten Postulat Rechnung getragen, dass bei Betrof­ fenheit von Drittinteressen eine richterliche Kontrolle vorzusehen sei.333 Der gericht­ lich gebilligte Vergleich stellt den seitens des Gesetzgebers im Sinne einer anzustre­ benden einvernehmlichen Konfliktlösung favorisierten Abschluss des gerichtlichen Verfahrens dar.334 Zu diesem gerichtlichen Verfahren muss es jedoch bei Trennung bzw. Scheidung der Eltern nicht zwangsläufig kommen. Das Familiengericht ent­ scheidet nur dann über die elterliche Sorge, wenn ein Elternteil einen Antrag auf Alleinsorge stellt. Die Frage der elterlichen Sorge steht nicht mehr im Zwangsver­

327 Wiesner/Struck,

SGB VIII, §  17 Rn.  36. SGB VIII, §  17 Rn.  94. 329  Kunkel, in: LPK-SGB VIII, §  17 Rn.  11; Tammen/Trenczek, in: FK-SGB VIII, §  17 Rn.  43. 330 Jung/Jurgeleit, SGB VIII, §  17 Rn.  1. 331  Vogel, FamRZ 2010, 1870. 332 Die Funktion des Gerichts war bereits Gegenstand der Erörterung, siehe oben unter B. III.6.i)bb). 333  Hager, Konflikt und Konsens, S.  122. 334  Heilmann, NJW 2012, 887, 889; der gerichtlich gebilligte Vergleich ist auch tatsächlich eine der häufigsten Verfahrenserledigungen bei Umgangsstreitigkeiten, vgl. Will, ZKM 2018, 134, 136. 328 Jung/Jurgeleit,

I. Bedeutung und Konkretisierung

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bund mit der Scheidung.335 Wird kein Antrag gestellt, dauert die gemeinsame Sorge kraft Gesetzes fort.336 Kommt es zum gerichtlichen Verfahren, können die Parteien die Regelungen be­ treffend den Kindesumgang und die Kindesherausgabe, die sie im Konzept gemäß §  17 Abs.  2 SGB VIII erarbeitet haben, als Vergleich billigen lassen. Besonderheiten zu den bisher vorgestellten Vergleichen vor Gericht bestehen insoweit, als dass das Konzept lediglich als Vergleich gebilligt wird, sowie darüber hinaus eben von einer Billigung des Gerichts abhängig ist.337 Das Konzept kann nur als Vergleich anerkannt werden, weil weder Umgangsrecht noch Kindesherausgabe disponibel sind und deshalb über diese Verfahrensgegen­ stände ein Vergleich nach §  36 Abs.  1 Satz 1 FamFG nicht geschlossen werden kann.338 Gemäß §  156 Abs.  2 Satz 2 FamFG nimmt das Gericht, bevor es den Vergleich billigt, eine sogenannte negative Kindeswohlprüfung vor, d. h. es billigt eine Um­ gangsprüfung, wenn sie dem Kindeswohl nicht widerspricht.339 Insofern wird also das von den Eltern mithilfe des Jugendamts erarbeitete Konzept einer inhaltlichen Prüfung durch das Gericht unterzogen. Dieser Umstand dürfte reflexiv auf das Ver­ halten und die Vermittlung des Jugendamts wirken: Diesem dürfte und muss als Teil der öffentlichen Verwaltung daran gelegen sein, ein einvernehmliches Konzept erar­ beiten zu lassen, dass der gerichtlichen Kontrolle standhält. cc) Charakteristika des Verfahrens Die Charakteristika des Verfahrens, wie sie in Bezug auf den moderierten Vertrag herausgearbeitet wurden, liegen vor. Diese Besonderheiten rühren aus dem Umstand her, dass das Jugendamt das einvernehmliche Konzept nicht um seiner selbst willen vermittelt, sondern weil damit die Hoffnung verbunden ist, dem von der Trennung betroffenen Kind am besten zu dienen. Weil eine freiwillig getroffene Regelung die größten Chancen hat, auch tatsächlich umgesetzt zu werden. (1) Freiwilligkeit Für die Freiwilligkeit der Elternteile bedeutet dies zunächst, dass eine Vermittlung durch das Jugendamt schon nur gestartet wird, wenn sich beide damit einverstanden erklären. Insofern gilt die Freiwilligkeit schon für den Einsatz des Moderators. An­ dererseits erfährt die Parteiautonomie eine Begrenzung, die allerdings nicht aus der Moderation folgt, sondern aus dem Inhalt der zu schließenden Übereinkunft. Der Kinderschutz hat Vorrang vor der Elternautonomie.340 Das Kindeswohl begrenzt 335 

Muscheler, Familienrecht, Rn.  595. SGB VIII, §  17 Rn.  23, 37. 337  Vgl. zu beidem §  156 Abs.  2 FamFG. 338  Döll, in: Johannsen/Henrich/Althammer, Familienrecht, §  156 FamFG Rn.  9; BeckOK-Fam­ FG/Schlünder, §  156 Rn.  8. 339 Kemper/Schreiber/Völker/Clausius, HK-Familienverfahrensrecht, §  156 Rn.  4. 340  Vogel, FamRZ 2010, 1870. 336 Wiesner/Struck,

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D. Weitere moderierte Verträge

damit die Regelungsmöglichkeiten der Eltern, ändert aber nichts an der grundsätzli­ chen Voraussetzung, dass das einvernehmliche (!) Konzept vom Willen der Eltern getragen sein muss. (2) Neutralität und Unabhängigkeit Im Rahmen der Definition des moderierten Vertrags wurde das besondere Interesse des Moderators behandelt, der zwar kein Interesse an einem bestimmten Vertrags­ schluss, jedoch ein Interesse an irgendeinem Vertragsschluss hat. Am Beispiel der Unterstützung des Jugendamts lässt sich dieser Gedanke – wie unter einem Brenn­ glas – verdeutlichen und darüber hinaus die Bedeutung des Interesses des Modera­ tors auf die Neutralität seiner Vermittlung veranschaulichen. Als Brennglas wirkt dabei die Verpflichtung des Jugendamts zur Berücksichti­ gung des Kindeswohls, welche die Situation, die beim Moderator besteht, noch ver­ stärkt. Denn bisher wurde das Interesse des Moderators, überhaupt einen Vertrag zu schließen, durch dessen – teilweise gesetzlich beschriebenes – Ziel, den Konflikt auf diesem Wege zu lösen, gespeist. In dem hier in Rede stehenden Fall liegt die Situation anders. Das Interesse des Moderators, überhaupt einen Vertrag zu schließen, wird verstärkt durch die Verpflichtung des Jugendamts auf das Kindeswohl. Dieses Kin­ deswohl wird zum eigentlichen Interesse des Jugendamts und heizt auf diesem Wege dessen Motivation, irgendeinen Vertragsschluss zu erreichen, weiter an. Denn es gilt, dass eine einvernehmliche Regelung – gleich welchen Inhalts – dem Kindeswohl grundsätzlich eher gerecht wird als eine gerichtliche Entscheidung. Auf diesem Wege wird das Interesse des Kindes, das im Kindeswohl341 zum Ausdruck kommt, zum Interesse des moderierenden Jugendamts. Es intensiviert das beim Moderator ohne­ hin bestehende Interesse am Vertragsschluss. Diese Verstärkung der bei der Moderation ohnehin bestehenden Konstellation legt darüber hinaus die problematischen Auswirkungen offen, die das Interesse des Mo­ derators an irgendeinem Vertragsschluss auf dessen neutrale Vermittlung haben kann. Denn die bisherige Analyse hat einerseits gezeigt, dass die Moderation des Ju­ gendamts, die in §  17 Abs.  2 SGB VIII als Unterstützung beschrieben wird, auch und vor allem im Wege der Mediation erfolgen soll. Damit geht dann – wie bei den ande­ ren in Rede stehenden Vermittlungsansätzen – die für den Mediator in §§  1 Abs.  2; 3 MedG geregelte Pflicht einher, neutral zu vermitteln.342 Diese Neutralität wird aber gefährdet durch das Interesse des Moderators am Kindeswohl. Denn obwohl einer­ seits die neutrale Unterstützung des Jugendamts gefordert wird, wird andererseits auch festgehalten, dass es bei der gesetzlich als Normalfall vorgesehenen, gemeinsa­ men elterlichen Sorge im Sinne des §  1627 BGB nicht um einen Selbstzweck gehe. Erscheine nach der Trennung aufgrund massiver Partnerschaftsgewalt in der Bezie­ hung die Begründung der alleinigen elterlichen Sorge im Interesse des Wohls des 341 Zum unbestimmten Rechtsbegriff des Kindeswohl vgl. etwa MünchKommBGB/Olzen, §  1696 Rn.  26. 342  Tammen/Trencek, in: FK-SGB VIII, §  17 Rn.  46.

I. Bedeutung und Konkretisierung

325

Kindes geboten, werde selbstverständlich (!) auch die Beratung und Unterstützung nicht auf eine Beibehaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge gerichtet sein.343 In einem solchen Fall liegt aber keine neutrale Vermittlung mehr vor. Denn diese ver­ langt, keine eigenen Interessen, nicht die jeweiligen Einzelinteressen der Parteien oder Drittinteressen wahrzunehmen.344 Wenn das Jugendamt also in der beschriebe­ nen Weise im Sinne des Kindeswohls vermittelt, dann geschieht dies nicht neutral, etwa im Sinne der Vorgaben des MedG. Dieser Zusammenhang zwischen dem Inte­ resse des Moderators und seiner Neutralität wird bisher jedoch nicht thematisiert. Das wiegt umso schwerer, weil auch die Angebote, die das MedG enthält, keine überzeugende Lösung ermöglichen. Denn das MedG verlangt, vgl. §  3 Abs.  1 Satz 1 MedG, zunächst vom Mediator die Offenlegung aller Umstände, die seine Neutrali­ tät beeinträchtigen können. Er darf dann gemäß §  3 Abs.  1 Satz 2 MedG nur tätig werden, wenn die Parteien dem ausdrücklich zustimmen. Eine solche Lösung, die maßgeblich auf der Parteiautonomie der Eltern beruht, erscheint auf den ersten Blick auch für das Jugendamt möglich. Das Jugendamt könnte in den entsprechenden Situ­ ationen die Eltern bzw. das betroffene Elternteil darauf hinweisen, dass das Kindes­ wohl den Einsatz etwa für die Alleinsorge eines Elternteils verlange und die Unter­ stützung insoweit nicht neutral sei. Dann könnten die ehemaligen (Ehe-)Partner trotzdem – vermeintlich im Sinne des §  3 Abs.  1 Satz 2 MedG – der Vermittlung zu­ stimmen. Dies entspricht allerdings nicht der Idee, die dem Zusammenspiel von Par­ teiautonomie und Neutralität zugrunde liegt, das auch schon im Rahmen der Defi­ nition des moderierten Vertrags angesprochen wurde. Denn die Parteien sollen zwar eine Vermittlung erlauben können, obwohl Umstände vorliegen, die gegen eine sol­ che neutrale Vermittlung sprechen. Wenn die Parteien, etwa im Sinne des §  3 Abs.  1 Satz 2 MedG, der Tätigkeit des Moderators zustimmen, bedeutet dies, dass sie eine Vermittlung trotz der vorliegenden Umstände erlauben. Diese Vermittlung muss dann jedoch trotzdem neutral stattfinden. Mit anderen Worten: Die Zustimmung erlaubt keine nicht neutrale Vermittlung. Eine solche liegt im Fall des Jugendamts aber gerade vor. (3) Vertraulichkeit Kommt eine Mediation zum Einsatz, so ist im Hinblick auf die durch das Jugendamt als Mediator zu gewährende Vertraulichkeit die Regelung des §  4 Satz 2 Nr.  2 MedG erwähnenswert. Diese gestattet dem Mediator die Offenlegung aus vorrangigen Gründen der öffentlichen Ordnung, wozu das Gesetz selbst die Kindeswohlgefähr­ dung zählt. Hierbei handelt es sich um eine typische Tatsache, die einen Rechtsstaat zur Handlung zwingt und die insofern nicht von der Verschwiegenheitspflicht um­ fasst ist.345 343 

Schindler, in: Münder/Wiesner/Meysen, Handbuch KJHR, Kap.  3.2. Rn.  17; Kunkel/Pattar, in: LPK-SGB VIII, §  17 Rn.  15 spricht davon, dass in solchen Fällen das Konzept der alleinigen Sorge erörtert werden müsse. 344 MünchKommFamFG/Ulrici, MedG, §  1 Rn.  9. 345  Wagner, in: Fischer/Unberath, Das neue Mediationsgesetz, S.  93.

326

D. Weitere moderierte Verträge

d) Das Jugendamt als Moderator Die Konstellation, in der Eltern sich mithilfe des Jugendamts über das weitere Vor­ gehen in Bezug auf ein 346 gemeinsames Kind einigen, weicht in tatsächlicher Hin­ sicht immens von dem bisher Dargestellten ab. Trotzdem gibt es hinreichend Ge­ meinsamkeiten, die es rechtfertigen, je nach Lage des Einzelfalls auch hier von einem moderierten Vertrag bzw. einem Moderator im Sinne dieser Untersuchung zu spre­ chen. Die Tätigkeit des Jugendamts besteht – auch – darin, eine Kommunikation zwi­ schen den ehemaligen Partnern zu mitteln. Dies verdeutlicht das Ziel, ein einver­ nehmliches Konzept zu entwickeln, welches ohne Kommunikation schlichtweg nicht möglich wäre. Auch im Hinblick auf die Motivation bestehen sowohl Gemein­ samkeiten als auch Unterschiede zu den bisherigen Moderatoren. Zunächst ist dem Jugendamt daran gelegen, dem gesetzgeberischen Wunsch nach einvernehmlichen Lösungen zu entsprechen und überhaupt eine Einigung zu erzielen. Anders als im Fall der bis dato betrachteten Moderatoren rührt diese Motivation aus Drittinteres­ sen, die zu schützen sind. Denn das Jugendamt muss zusätzlich darauf achten, dass die Interessen des Kindes bei der Entscheidung gewahrt bleiben. Diese Konstellation verdeutlichte die auch bei der Moderation an sich bestehende Problematik. Die Be­ rücksichtigung eigener oder Interessen Dritter schließt eine neutrale Vermittlung aus. Im Hinblick auf den moderierten Vertrag existieren ebenfalls sowohl Parallelen als auch Unterschiede. Die Untersuchung zum vor dem Richter geschlossenen Vergleich hat etwa gezeigt, dass dieser auf der Privatautonomie basiert. Diese den Parteien eingeräumte Freiheit kennt jedoch Grenzen. Ein gerichtlicher Vergleichsvertrag darf nicht gegen die – die Vertragsfreiheit beschränkenden – Regelungen der §§  134, 138 BGB verstoßen. Diese Grenzen gelten auch für das einvernehmliche Konzept im Sinne des §  17 Abs.  2 SGB VIII. Denn das einvernehmliche Konzept basiert auf der Elternautonomie, die den Eltern erlaubt, die erzieherischen Angelegenheiten in eigener Verantwortung wahr­ zunehmen. Diese Elternautonomie wird nicht grenzenlos gewährleistet. Sie findet ihre Grenzen nicht (erst)347 in §§  134, 138 BGB, sondern im Kindeswohl. Beide Gren­ zen entstammen grundgesetzlichen Wertungen. Die Elternautonomie, die aus Art.  6 Abs.  2 Satz 1 GG folgt, ebenso wie die Grenze des Kindeswohls, das zu überwachen dem Staat durch Art.  6 Abs.  2 Satz 2 GG auferlegt wird. Diese Funktion des Mode­ rators stammt damit aus dem Grundgesetz selbst und hat auch Auswirkungen auf seine Moderation. Es zeigt sich damit erneut, dass die Regelungen zum Vertrag die Moderation be­ stimmen.

346  347 

Oder mehrere gemeinsame Kinder. Was gegen die guten Sitten verstößt, dürfte auch das Kindeswohl gefährden.

I. Bedeutung und Konkretisierung

327

4. Gütlicher Ausgleich der Einigungsstelle nach dem UWG Auch bei der Einigungsstelle im Sinne des §  15 UWG kann von einem Verfahren zum Abschluss eines moderierten Vertrags gesprochen werden. In wettbewerbs­ rechtlicher Hinsicht stellt die Anrufung der Einigungsstelle neben der Abmahnung eine zweite Möglichkeit dar, einen Konflikt außergerichtlich zu klären.348 a) Die Einigungsstelle Die Einigungsstelle nach dem UWG wird in §  15 Abs.  1 UWG nicht vollends legal definiert, weil auch die vor der Klammer gegebene Beschreibung diese Begrifflich­ keit verwendet, dabei jedoch anordnet, dass die Landesregierungen bei den Indust­ rie- und Handelskammern Einigungsstellen zur Beilegung von bürgerlichen Rechts­ streitigkeiten errichten, in denen ein Anspruch auf Grund des UWG geltend ge­ macht wird. Die Tätigkeit dieser Einigungsstellen ist nicht neu, sie geht vielmehr – unter der damaligen Bezeichnung als „Einigungsamt“ – auf das Jahr 1932 zurück.349 Die frü­ here Bezeichnung und heutige Andockung an die Industrie- und Handelskam­ mern 350 zeigt, dass es sich bei den Einigungsstellen im Sinne des UWG nicht um privatrechtliche Schlichtungsstellen handelt, sondern um Träger öffentlicher Ver­ waltung,351 weshalb sie zu Recht als Behörde eingestuft wird.352 Die bei den Industrie- und Handelskammern gebildeten Einigungsstellen sind be­ hördliche und unabhängige Gütestellen und in der Folge weder als Gericht noch als Schiedsgericht und ebenso wenig als Gütestelle im Sinne des §  794 Abs.  1 ZPO ein­ zuordnen.353 Mit den staatlichen Gerichten verbindet die Einigungsstellen, dass sie als staatli­ che, dauerhaft bestehende Einrichtungen angelegt sind und durch staatlichen Akt gebildet werden.354 Im Gegensatz zum Gericht fehlt der Einigungsstelle jedoch die für die Rechtsprechung auch nach der Definition des Bundesverfassungsgerichts355 zentrale Fähigkeit, über den Streitfall verbindlich entscheiden zu können.356 Die fehlende Kompetenz, den Streit zu entscheiden, schließt auch eine Einord­ nung als Schiedsgericht aus.357 Hinzu kommt, dass die Einigungsstelle nicht – wie das Schiedsgericht – aufgrund eines mit den Parteien abgeschlossenen Vertrags tätig

348 

Ottofülling, WRP 2006, 410. Retzer/Tolkmitt, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, §  15 Rn.  1. 350  Zum Recht der Industrie- und Handelskammern vgl. Rosenkranz, Jura 2009, 597 ff. 351  Retzer/Tolkmitt, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, §  15 Rn.  4. 352 GK-UWG/Nippe, §  15 Rn.  43. 353 MünchKommLauterkeitsR/Ottofülling, §  15 UWG Rn.  10; ders. WRP 206, 410. 354 GK-UWG/Nippe, §  15 Rn.  38. 355  Vgl. BVerfG v. 05.12.2000 – 2 BvF 1/00, BVerfGE 103, 111, 137. 356  Retzer/Tolkmitt, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, §  15 Rn.  4; OLG Frank­ furt v. 12.05.1987 – 6 W 52/87, GRUR 1988, 150; Ottofülling, WRP 2006, 410, 411; GK-UWG/ Nippe, §  15 Rn.  38. 357 GK-UWG/Nippe, §  15 Rn.  41. 349 

328

D. Weitere moderierte Verträge

wird,358 sondern ihren gesetzlichen Auftrag in einem gesetzlich festgelegten Verfah­ ren erfüllt.359 Die Parteien können jedoch die Mitglieder der Einigungsstelle360 als Schiedsrichter einsetzen, was dann aber zur Folge hat, dass kein Einigungsstellen­ verfahren im Sinne des §  15 UWG, sondern eben ein Schiedsverfahren durchgeführt wird.361 Für die Einordnung als Gütestelle im Sinne des §  794 Abs.  1 Nr.  1 ZPO bzw. ge­ mäß §  15a EGZPO fehlt es an einer Einrichtung der Einigungsstellen durch die Lan­ desverwaltung,362 deren Anerkennung eine privatrechtliche Tätigkeit zugrunde liegt. Mit den Gütestellen verbindet die Einigungsstelle im Sinne des §  15 UWG das Ziel ihrer Tätigkeit, nämlich die gütliche Einigung über den Streitfall herbeizuführen.363 Weil hier einerseits der Tätigkeitsschwerpunkt liegt und andererseits der Einigungs­ stelle die Entscheidungskompetenz fehlt, wird in der Abgrenzung zum Mediator auch lediglich – und rechtlich irrelevant – festgehalten, dass im Rahmen der Media­ tion mehr die Person des Mediators im Vordergrund stehe, weniger jedoch die Insti­ tution.364 b) Die Moderation der Einigungsstelle Obwohl also das Ziel darin besteht, eine gütliche Einigung herbeizuführen, wird das Verfahren vor den Einigungsstellen mit dem Gerichtsverfahren verglichen.365 Das lässt sich mit den Qualifikationsanforderungen erklären, die das UWG an den Vor­ sitzenden der Einigungsstelle stellt. Nach §  15 Abs.  2 Satz 1 UWG sind diese mit ei­ ner vorsitzenden Person 366 zu besetzen, welche die Befähigung zum Richteramt hat. Wie das VSBG verlangt also auch das UWG die Volljuristeneigenschaft, ohne darü­ ber hinaus zertifizierte Mediatoren als Vorsitzende der Einigungsstelle zu akzeptie­ ren. In §  15 Abs.  2 Satz 3 UWG ist demgegenüber geregelt, dass die vorsitzende Per­ son auf dem Gebiet des Wettbewerbsrechts erfahren sein soll. Es handelt sich jedoch um eine Sollvorschrift, d. h., auch eine im Wettbewerbsrecht unerfahrene Person kann den Vorsitz der Einigungsstelle übernehmen. Allerdings wird dies als wenig zweckmäßig eingestuft, da die Einigungsstelle pragmatisch mit den Parteien kon­ struktive Problemlösungen erarbeiten solle.367 358 

Retzer/Tolkmitt, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, §  15 Rn.  4; GK-UWG/ Nippe, §  15 Rn.  43. 359 GK-UWG/Nippe, §  15 Rn.  41. 360  Da Schiedsrichter nur natürliche Personen sein können, kommt eine Einigungsstelle als sol­ che nicht in Betracht, da die Einigungsstelle selbst Behörde ist. Als Schiedsrichter kommen allen­ falls die Mitglieder der Einigungsstelle in Betracht, hierauf weist zu Recht GK-UWG/Nippe, §  15 Rn.  43 hin. 361  Retzer/Tolkmitt, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, §  15 Rn.  4; Ottofülling, WRP 2006, 410, 411. 362  Retzer/Tolkmitt, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, §  15 Rn.  5. 363  Retzer/Tolkmitt, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, §  15 Rn.  4. 364  So GK-UWG/Nippe, §  15 Rn.  48. 365 GK-UWG/Nippe, §  15 Rn.  38. 366  Zu den Beisitzern vgl. GK-UWG/Nippe, §  15 Rn.  83 ff. 367  Ottofülling, WRP 2006, 410, 412; GK-UWG/Nippe, §  15 Rn.  70.

I. Bedeutung und Konkretisierung

329

aa) Die Aussagen des UWG Die geforderten juristischen Fähigkeiten erklären sich zusätzlich aus der Kompe­ tenz, die §  15 Abs.  8 UWG der Einigungsstelle verleiht und die bisher keinem Mode­ rator im Sinne dieser Untersuchung zugestanden wurde. Der Regelung zufolge kann die Einigungsstelle, wenn sie den geltend gemachten Anspruch von vornherein für unbegründet oder sich selbst für unzuständig erachtet, die Einleitung von Eini­ gungsverhandlungen ablehnen. Um aber prüfen zu können, ob der geltend gemachte Anspruch evtl. unbegründet ist, bedarf es eben der juristischen Fähigkeiten, die – insofern konsequent – das UWG vom Vorsitzenden der Einigungsstelle fordert. Die­ se Konsequenz zwischen Qualifikationsanforderung und Vermittlungsleistung lässt das VSBG demgegenüber gerade vermissen.368 Darüber hinaus gilt für die Aussagen des UWG zur Vermittlungsleistung des mo­ derierenden Einigungsstellenvorsitzenden, was für die bisherigen Moderatoren bis­ her festgehalten werden konnte. Konkrete gesetzliche Vorgaben, wie er das Ziel der Übereinkunft zwischen den Parteien erreichen soll, finden sich auch im UWG nicht. Die Vorschriften in §  15 Abs.  5 bis 9 UWG regeln das Einigungsstellenverfahren in seinen Grundzügen.369 §  15 Abs.  6 Satz 1 UWG formuliert dabei ausdrücklich das Ziel der Tätigkeit der Einigungsstelle, die der Regelung zufolge einen gütlichen Aus­ gleich anzustreben hat. Im zweiten Satz des §  15 Abs.  6 UWG wird der Einigungs­ stelle dazu ein – dem Leser dieser Untersuchung schon als „Einigungshilfe“ bekann­ tes – Werkzeug an die Hand gegeben, denn die Einigungsstelle kann den Parteien einen schriftlichen, mit Gründen versehenen Einigungsvorschlag machen. Weitere Vorgaben zum Einigungsvorschlag, wie sie etwa in §  19 VSBG für den Schlichtungs­ vorschlag des Streitmittlers enthalten sind, existieren im UWG nicht.370 Dies gilt auch für Vorgaben über den Ablauf der mündlichen Verhandlung, die im UWG ebenfalls fehlen.371 Das UWG stellt jedoch nicht die einzige mögliche Rechtsquelle dar. §  15 Abs.  11 UWG ermächtigt die Landesregierungen, durch Rechtsverordnun­ gen die zur Durchführung der vorstehenden Bestimmungen und zur Regelung des Verfahrens vor den Einigungsstellen erforderlichen Vorschriften zu erlassen.372 Die­ se in den einzelnen Ländern daraufhin erlassenen Verfahrensvorschriften stimmen weitgehend überein und weichen nur im Detail voneinander ab.373 Die Durchfüh­ rungsverordnungen regeln etwa übereinstimmend die Nichtöffentlichkeit der Ver­ handlung374 und nehmen darüber hinaus im Hinblick auf die genauere Verfah­ rensausgestaltung auf die Vorschriften der ZPO Bezug.375 In Bezug auf die formale Verhandlungsleitung verweisen sämtliche Durchführungsverordnungen auf §  136 368 

Vgl. die Darstellung oben unter D.I.1.e). Ottofülling, WRP 2006, 410, 416. 370  §  16 Abs.  6 Satz 3 UWG sieht lediglich die wettbewerbsrechtsspezifische Möglichkeit vor, den Einigungsvorschlag sowie die Begründung zu veröffentlichen, sofern die Parteien dem zustimmen. 371  Retzer/Tolkmitt, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, §  15 Rn.  32. 372  Die Durchführungsverordnungen sind abgedruckt bei MünchKommLauterkeitsR/Ottofülling, §  15 UWG Rn.  155. 373  Ottofülling, WRP 2006, 410, 416. 374  Retzer/Tolkmitt, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, §  15 Rn.  32. 375  Ottofülling, WRP 2006, 410, 416. 369 

330

D. Weitere moderierte Verträge

ZPO.376 Überträgt man den Regelungsinhalt des §  136 ZPO auf das Einigungsstel­ lenverfahren, so lässt sich daraus – nur – folgern, dass dem Vorsitzenden die formale Verhandlungsleitung obliegt,377 d. h., er eröffnet, leitet378 und schließt379 die Ver­ handlung und er erteilt das Wort – auch den Beisitzern der Einigungsstelle auf deren Verlangen.380 Im Hinblick auf die sachliche Verfahrensleitung wird geäußert, dass der Streitfall mit dem Ziel der gütlichen Einigung zu erörtern sei, hierbei jedoch die Grundsätze von Objektivität und Neutralität einzuhalten seien,381 was eben auch bedeute, den Parteien die Gelegenheit zu geben, ihren Standpunkt darzulegen bzw. eigene Eini­ gungsvorschläge zu formulieren. Anderseits sind die Parteien aber auch nicht ver­ pflichtet, eine Einlassung abzugeben.382 Weil weder §  15 UWG noch die Durchfüh­ rungsgesetze der Länder eine dahingehende Vorschrift bzw. Inbezugnahme der ent­ sprechenden Vorschriften der ZPO vorsehen, findet eine Beweisaufnahme im Rahmen des Einigungsstellenverfahrens nicht statt.383 Damit bleibt es auch hinsichtlich der Vermittlungstätigkeit des Vorsitzenden der Einigungsstelle bei der Feststellung, die im Rahmen dieser Untersuchung schon häu­ figer getroffen wurde: Die gesetzlichen Vorgaben im Hinblick auf die konkreten Maßnahmen zur Vermittlung eines Vertragsschlusses sind auch im Rahmen des Ei­ nigungsstellenverfahrens marginal. Vor dem Hintergrund, dass das Verfahren nur unvollständig geregelt ist, wird angeregt, die bestehenden Lücken durch einen Rück­ griff auf die Vorschriften der ZPO zu schließen. Weil es sich beim Einigungsstellen­ verfahren gerade um ein Güte- und nicht um ein kontradiktorisches Verfahren han­ delt, wird die Anlehnung an die ZPO zu Recht auf die dortigen Vorschriften betref­ fend das Güteverfahren reduziert.384 So erfolgversprechend dieser Ansatz auf den ersten Blick ist, so sehr haben die im Rahmen dieser Untersuchung angestellten Be­ trachtungen gezeigt, dass auch innerhalb des zivilprozessualen Güteverfahrens nur sehr wenige Vorgaben bestehen, die zu einer Aufhellung des Inhaltes der Vermitt­ lungstätigkeit beitragen. bb) Charakteristika des Verfahrens vor der Einigungsstelle Die für das Verfahren eines moderierten Vertrags herausgearbeiteten Charakteristi­ ka bestehen auch im Hinblick auf das Einigungsstellenverfahren auf Basis des §  15 UWG.

376 GK-UWG/Nippe, §  15 Rn.  208 sowie die Nennung der einzelnen Verweisungsvorschriften in

Fn.  671. 377 GK-UWG/Nippe, §  15 Rn.  208. 378  Vgl. §  136 Abs.  1 ZPO. 379  Vgl. §  136 Abs.  3 ZPO. 380  Vgl. §  136 Abs.  2 ZPO. 381 GK-UWG/Nippe, §  15 Rn.  209. 382 GK-UWG/Nippe, §  15 Rn.  210. 383 GK-UWG/Nippe, §  15 Rn.  211. 384  Retzer/Tolkmitt, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, §  15 Rn.  18.

I. Bedeutung und Konkretisierung

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(1) Freiwilligkeit Die Freiwilligkeit der Parteien besteht in dem Maße, wie es im Rahmen dieser Un­ tersuchung für einen moderierten Vertrag gefordert wird. Sie wird an unterschiedli­ cher Stelle beschränkt, jedoch nicht ausgeschlossen. Die Inanspruchnahme der Einigungsstelle ist in dreifacher Hinsicht freiwillig, d. h., sie muss erstens gar nicht erst an den Verhandlungen beteiligt werden, diese Verhandlungen können zweitens jederzeit beendet bzw. drittens auch ohne die Eini­ gungsstelle zu einem Abschluss geführt werden. Auch der Abschluss des den Kon­ flikt beendenden Vertrags basiert allein auf einer freiwilligen Entscheidung der Par­ teien. Eingeschränkt, aber nicht abgeschafft, wird beim Einigungsstellenverfahren im Sinne des §  15 UWG sowohl die Freiwilligkeit zum Verfahren als auch die Freiwil­ ligkeit im Verfahren. (a) Freiwilligkeit zum Verfahren Die Freiwilligkeit zum Verfahren, d. h. die Entscheidung darüber, ein Verfahren vor der Einigungsstelle überhaupt erst zu beginnen, wird zunächst durch die Vorschrift des §  15 Abs.  3 UWG abgesichert, die sicherstellt, dass die Einigungsstelle nicht von Amts wegen, sondern nur auf einen entsprechenden Antrag hin tätig wird.385 Die freiwillige Teilnahme des Antragsgegners wird durch den Umstand garantiert, dass die Durchführung des Verfahrens grundsätzlich von dessen Zustimmung abhängt. Nur im Falle von Wettbewerbshandlungen, die den geschäftlichen Verkehr mit dem letzten Verbraucher betreffen, also deren Interessen berühren, bedarf es keiner Zu­ stimmung,386 sodass in den Fällen mit Verbraucherbezug, ähnlich wie im Rahmen des VSBG, die Freiwilligkeit zum Verfahren eingeschränkt ist. Diese Beschränkung der Freiwilligkeit gilt in diesen Fällen, in denen die Wettbe­ werbshandlungen Verbraucher betreffen, auch noch nach Klageerhebung. Nach §  15 Abs.  10 Satz 1 UWG kann das Gericht – allerdings nur auf Antrag einer der Parteien – diesen aufgeben, zur Erzielung eines gütlichen Ausgleichs die Einigungsstelle an­ zurufen.387 Für die Zeit des laufenden Einigungsstellenverfahrens ist zudem die Erhebung ei­ ner Klage grundsätzlich unzulässig,388 sodass eine klagewillige Partei erst gehalten ist, das Ende des Einigungsstellenverfahrens herbeizuführen, ein Nebeneinander von Einigungsstellen- und Gerichtsverfahren wird auf diesem Wege vermieden. 385 

Retzer/Tolkmitt, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, §  15 Rn.  19. Retzer/Tolkmitt, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, §  15 Rn.  19; Köhler, in: Bornkamm/Feddersen, UWG, §  15 Rn.  15. 387  Retzer/Tolkmitt, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, §   15 Rn.  41; in diesen Fällen darf die Einigungsstelle die Einleitung von Verhandlungen nicht ablehnen, auch nicht wg. vermeintlicher Unzuständigkeit, vgl. Ottofülling, WRP 2006, 410, 416. 388  Zu den einzelnen, für diese Untersuchung nicht näher relevanten Konstellationen, deren Be­ handlung zum Teil umstritten ist, vgl. die Darstellung bei MünchKommLauterkeitsR/Ottofülling, §  15 UWG Rn.  135 ff. 386 

332

D. Weitere moderierte Verträge

(b) Freiwilligkeit im Verfahren Auch die Freiwilligkeit der Parteien, im Hinblick auf eine Teilnahme an der Ver­ handlung zur Erzielung einer gütlichen Einigung, kann im Rahmen der Durchfüh­ rung des Einigungsstellenverfahrens beschränkt werden. Dies hat seine Ursache da­ rin, dass der Vorsitzende der Einigungsstelle nach §  15 Abs.  5 Satz 1 UWG ermäch­ tigt ist, das persönliche Erscheinen der Parteien anzuordnen und die Einigungsstelle gemäß §  15 Abs.  5 Satz 2 UWG gegen eine unentschuldigt ausbleibende Partei ein Ordnungsgeld festsetzen kann. Mit dem Charakter der Norm als „Kannvorschrift“ geht einher, dass die Einigungsstelle sowohl bei der Frage, ob ein Ordnungsgeld fest­ gesetzt wird, als auch im Hinblick auf dessen Höhe nach pflichtgemäßem Ermessen entscheiden muss.389 Ob eine fehlerfreie Ermessensausübung der Einigungsstelle er­ laubt, ein Ordnungsgeld gegen die Partei festzusetzen, die ihr Fehlen zwar nicht entschuldigt,390 aber zuvor auf ihre fehlende Einigungsbereitschaft hingewiesen hat, ist in der Literatur umstritten.391 Zur Lösung wird ein vergleichender Blick auf die Vorschriften der ZPO angestrebt, die dem Gericht erlauben, zur Güteverhandlung zu laden, gleichzeitig aber auch die Notwendigkeit der obligatorischen Gütever­ handlung entfallen lassen, wenn diese erkennbar aussichtslos erscheint, vgl. §  278 Abs.  2 Satz 1 Alt.  2 ZPO.392 Diese Gedanken können mit den bisherigen Ergebnissen der Untersuchung noch unterfüttert werden. Denn die Betrachtung des im Rahmen der Vermittlungsleistung durch den Notar existierenden Säumnisverfahrens, das – bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen – die fehlende Zustimmungser­ klärung fingiert, hat gezeigt, dass die durch rechtliche Regelungen untermauerte Förderung der Teilnahmebereitschaft der Parteien an der Verhandlung ein auch in anderen Moderationssituationen existierendes Mittel ist, um das Ziel, die letztlich freiwillige Einigung der Parteien herbeizuführen, zu erreichen. Vor diesem Hinter­ grund erscheint die vorgeschlagene vermittelnde Lösung393 im Hinblick auf das Ver­ fahren nach §  15 UWG vorzugswürdig. Dort, wo eine Partei bereits vor der Ladung mitgeteilt hat, nicht (mehr) einigungsbereit zu sein, ist die Verhängung eines Ord­ nungsgeldes unangemessen. Da jedoch – und diese Erkenntnis verbindet wiederum alle Moderationssituationen – auch in Bezug auf das Verfahren des §  15 UWG geäu­ ßert wird, dass es nicht selten vorkomme, dass eine zu Beginn der mündlichen Ver­ handlung nicht einigungsbereite Partei an deren Ende einem Vergleichsschluss zu­ stimmt, sollte der Einigungsstelle dort die Möglichkeit verbleiben, eine Teilnahme an der mündlichen Verhandlung zu erzwingen, wenn sie aufgrund der ihr vorliegen­ den Erkenntnisse der Ansicht ist, evtl. bestehende Einigungshindernisse überwin­ 389 

Retzer/Tolkmitt, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, §  15 Rn.  28. Zu den möglichen Entschuldigungsgründen zählen nur persönliche Gründe, die verhindern, dass die geladene Partei in der Lage ist, am Termin teilzunehmen, d. h. Krankheit, Urlaub oder Ähnliches, vgl. MünchKommLauterkeitsR/Ottofülling, §  15 UWG Rn.  92. 391  Zum Teil wird hierin ein Ermessensfehlgebrauch der Einigungsstelle gesehen, Köhler/Bornkamm, §  15 Rn.  19; a. A. Teplitzky, Kap.  42 Rn.  18, zur vermittelnden Ansicht vgl. Ottofülling, WRP 2006, 410, 420. 392  Vgl. die Darstellung bei Retzer/Tolkmitt, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, §  15 Rn.  28. 393 MünchKommLauterkeitsR/Ottofülling, §  15 UWG Rn.  92. 390 

I. Bedeutung und Konkretisierung

333

den zu können. Eine Verbindung der Betrachtung der Freiwilligkeit zum und der Freiwilligkeit im Verfahren ist insoweit angezeigt. Einer Partei, die ein Einigungs­ stellenverfahren beantragt oder einer beantragten Durchführung zugestimmt hat, ist die Teilnahme an einer mündlichen Verhandlung auch dann zuzumuten, wenn ihre Einigungsbereitschaft zwischenzeitlich gesunken ist. Liegt demgegenüber ein Fall vor, indem das Verfahren ohne die Zustimmung der zu keinem Zeitpunkt auch nur verhandlungsbereiten Partei in Gang gesetzt wurde, so sollte dieser Partei auch kein Ordnungsgeld aufgebürdet werden, wenn sie der mündlichen Verhandlung un­ ter Hinweis auf ihre fehlende Kompromissbereitschaft fernbleibt.394 Für das Zustandekommen des moderierten Vertrags bleibt schon an dieser Stelle nur festzuhalten, dass die Entscheidung hierüber ganz allein bei den beteiligten Par­ teien liegt. (2) Unabhängigkeit und Neutralität Die nötige Unabhängigkeit und Neutralität, die auch in der Vermittlung durch die Einigungsstelle zu wahren sind, finden in §  15 UWG keine unmittelbare Grundlage. Dass es auch im Verfahren vor der Einigungsstelle um eine – wie von der Moderation gefordert – unabhängige und neutrale Unterstützung beider Seiten beim Erzielen einer einvernehmlichen Lösung geht, ergibt sich aus der Inbezugnahme der Vor­ schriften der §§  41 bis 43 sowie 44 Abs.  2 bis 4 ZPO, die in §  15 Abs.  2 Satz 6 UWG enthalten ist. Die einzelnen Mitglieder der Einigungsstelle, nicht die Einigungsstelle insgesamt, können also unter den Gründen, die auch für den Zivilrichter gelten, we­ gen des Besorgnisses der Befangenheit von einer Tätigkeit ausgeschlossen sein.395 Die Neutralität und Unabhängigkeit wird demzufolge im Rahmen des Einigungsstellen­ verfahrens in der gleichen Art und Weise gesichert, wie dies auch schon bei der Mo­ deration durch den Güterichter und durch den Prozessrichter der Fall war. Teilweise wird gefordert, die Einigungsstelle solle unter Wahrung der Neutralität und Objektivität seiner Tätigkeit nachkommen.396 Mit der Ergänzung um den nicht näher erläuterten Begriff der Objektivität ist jedoch kein Erkenntnisgewinn verbun­ den, weil jede subjektive, d. h. gegen die geforderte Objektivität verstoßende Heran­ gehensweise, unabhängig davon, was genau hierunter zu fassen ist, jedenfalls die Besorgnis der Befangenheit begründen würde. Denn die neutrale Vermittlung ver­ langt jedenfalls, keine subjektiven Interessen einer Partei oder der Einigungsstelle zu berücksichtigen. c) Interesse Dies lenkt den Blick auf das Interesse des Moderators. Auch hier gilt das, was schon für die vorhergehenden Moderatoren festgestellt werden konnte. Die Mitglieder der 394 

A.A. LG Regensburg v. 26.09.2019 – 3 HK T 300/19, n.v. Retzer/Tolkmitt, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, §  15 Rn.  11; Ottofülling, WRP 2006, 410, 414. 396  Etwa von MünchKommLauterkeitsR/Ottofülling, §  15 UWG Rn.  100; ders., WRP 2006, 410, 414; Retzer/Tolkmitt, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, §  15 Rn.  32. 395 

334

D. Weitere moderierte Verträge

Einigungsstelle haben kein Interesse an einem konkreten Inhalt des Vertrags, über den sich die Parteien zum Abschluss des Einigungsverfahrens einigen sollen. Aber die Einigungsstelle hat ein – rechtlich unterfüttertes – Interesse daran, dass ein mo­ derierter Vertrag geschlossen wird. Dies ergibt sich im Gegensatz zu anderen Mode­ rationssituationen schon relativ eindeutig aus dem Gesetz, das in §  15 Abs.  6 Satz 1 UWG festhält: „Die Einigungsstelle hat einen gütlichen Ausgleich anzustreben.“

Da dieser gütliche Ausgleich im Abschluss eines Vertrags zwischen den Parteien liegt, ist das Ziel des Verfahrens erreicht, wenn die Parteien einen Vergleich schlie­ ßen.397 d) Haftung Die Nähe der Einigungsstelle zur richterlichen Tätigkeit wurde schon im Hinblick auf die Absicherung der Unabhängigkeit und Neutralität der Mitglieder der Eini­ gungsstelle festgestellt. Auch in Bezug auf die Haftung der Einigungsstelle bzw. ih­ rer Mitglieder lässt sich diese Feststellung wiederholen. Dabei ist zunächst zu konstatieren, dass, obwohl die nähere Ausübung der Ver­ mittlungstätigkeit nicht gesetzlich beschrieben ist, einige Pflichtverletzungen be­ schrieben werden, die einen Haftungsgrund darstellen können. Hierzu gehören die pflichtwidrige Verweigerung der Einleitung von Einigungsverhandlungen, die Ver­ zögerung der Ausübung des Amtes, die Verletzung der Verschwiegenheitspflicht sowie Entscheidungen, die nicht in ordnungsgemäßer Besetzung getroffen wurden, oder die Beschlussfassung durch die vorsitzende Person entgegen der Stimmenmehr­ heit der übrigen Mitglieder der Einigungsstelle.398 Bei diesen Pflichtverletzungen handelt es sich nicht um Vertragspflichtverletzun­ gen im Sinne des §  280 Abs.  1 BGB, sondern um Amtspflichtverletzungen im Sinne des §  839 BGB, denn die Einigungsstellen sind – dies zeigt schon die bereits ange­ sprochene Möglichkeit, Ordnungsgelder zu verhängen – Träger hoheitlicher Befug­ nisse,399 d. h., die Mitglieder der Einigungsstelle sind Beamte im Sinne des §  839 BGB.400 Da sie aber kein Urteil in einer Rechtssache fällen, kommt das sogenannte Spruchrichterprivileg – wie auch in Bezug auf die übrigen Moderatoren – nicht zur Anwendung.401 In Bezug auf die Haftung für eine fehlerhafte Vermittlungsleistung im engeren Sinne gilt, dass diese zudem einen nachweisbaren Schaden voraussetzt. Die Schwie­ rigkeit, diesen zu benennen und zu beziffern besteht im Rahmen des UWG in ähn­ licher Weise wie bei den bisher betrachteten Moderatoren auch. 397 

So formuliert ausdrücklich GK-UWG/Nippe, §  15 Rn.  220. Diese Beispiele stammen von MünchKommLauterkeitsR/Ottofülling, §  15 UWG Rn.  154. 399  Sosnitza, in: Ohly/Sosnitza, UWG, §   15 Rn.  2; Köhler, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, §  15 Rn.  10. 400  Zum insofern geltenden Beamtenbegriff vgl. die Darstellung oben unter B.II.5.bb). 401 MünchKommLauterkeitsR/Ottofülling, §  15 UWG Rn.  153. 398 

I. Bedeutung und Konkretisierung

335

e) Der moderierte Vertrag Im Hinblick auf das Zustandekommen gilt auch hier das, was bisher zum moderier­ ten Vertrag festgehalten wurde. Notwendig ist der Konsens beider Parteien über die einvernehmliche Lösung des Konflikts. Dieser muss im Rahmen des Einigungsstel­ lenverfahrens notwendigerweise innerhalb der mündlichen Verhandlung geschlos­ sen werden, weil eine entsprechende Anwendung von §  278 Abs.  6 ZPO infolge der fehlenden Inbezugnahme der Vorschrift durch das UWG bzw. der Landesverord­ nungen nicht in Betracht kommt.402 Im Hinblick auf die gütliche Beendigung des Verfahrens durch eine vertragliche Übereinkunft zwischen den Parteien enthält das UWG eine Regelung in §  15 Abs.  7 UWG, die lautet: „Kommt ein Vergleich zustande, so muss er in einem besonderen Schriftstück niedergelegt und unter Angabe des Tages seines Zustandekommens von den Mitgliedern der Einigungs­ stelle, welche in der Verhandlung mitgewirkt haben, sowie von den Parteien unterschrieben werden. Aus einem vor der Einigungsstelle geschlossenen Vergleich findet die Zwangsvoll­ streckung statt; §  797a der Zivilprozessordnung ist entsprechend anzuwenden.“

Durch den Inhalt der Regelung wird deutlich, dass die Beendigung durch Vergleich die bedeutsamste Art der Beendigung des Einigungsstellenverfahrens darstellt, weil dann das in §  15 Abs.  6 Satz 1 UWG festgelegte Ziel des Verfahrens, auf einen gütli­ chen Ausgleich hinzuwirken, erreicht ist.403 aa) Vertragstyp – Vergleich Auffallend ist jedoch, dass die Vorschrift des §  15 Abs.  7 UWG die evtl. von den Par­ teien getroffene Einigung als Vergleich bezeichnet, für den sie im ersten Satz die Verschriftlichung und Unterschrift durch alle Beteiligten postuliert und im zweiten Satz anordnet, dass aus einem solchen Vergleich die Zwangsvollstreckung stattfinde. Neben dem unumstrittenen Umstand, ob die Einigungsstelle schon aufgrund ih­ rer Funktion als Träger öffentlicher Gewalt daran gehindert ist, einen sittenwidrigen oder gegen ein gesetzliches Verbot verstoßenden Vertrag zu protokollieren, drängen sich bei der Betrachtung des §  17 Abs.  7 UWG zwei Fragen auf. Zunächst weckt die generelle Bezeichnung als Vergleich Aufmerksamkeit. Möchte die Vorschrift alle Ei­ nigungen, die vor der Einigungsstelle getroffen werden, darunter fassen; mit der Fol­ ge, dass das Formgebot auch für alle gilt? Oder soll unter einem Vergleich im Sinne des §  15 Abs.  7 UWG nur das zu fassen sein, was unter einem Vergleich im Sinne des §  779 BGB zu fassen ist? Die Beantwortung dieser Frage hat dann auch Auswirkung auf die zweite Frage dahingehend, welche Vereinbarungen von der Anordnung der Zwangsvollstreckung nach Satz 2 der Vorschrift erfasst werden. Ob der Vergleichsbegriff des §  15 UWG mit dem des §  779 BGB übereinstimmt, wird uneinheitlich beantwortet.

402 

Retzer/Tolkmitt, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, §  15 Rn.  35. §  15 Rn.  220.

403 GK-UWG/Nippe,

336

D. Weitere moderierte Verträge

Mit Blick auf das weite Begriffsverständnis des BGH, demzufolge das von §  779 BGB geforderte gegenseitige Nachgeben auch bei einem nur geringen Entgegenkom­ men der einen Seite anzunehmen sei,404 wird eine Begriffsidentität bejaht, weil so vermieden werde, in Zusammenhang mit §  15 Abs.  7 UWG von einem Vergleich ei­ gener Art zu sprechen, was eben vor dem Hintergrund der begrifflichen Weite des bürgerlich-rechtlichen Vergleichsbegriffs auch nicht notwendig sei.405 Diesem Ansatz wird vor dem Hintergrund der wettbewerbsrechtlichen Besonder­ heiten widersprochen. Denn auch mit Blick auf dieses sehr weite Begriffsverständnis existieren im Rahmen der wettbewerbsrechtlichen Auseinandersetzung Konstellati­ onen der einvernehmlichen gütlichen Streitbeilegung, die sich nicht unter den Ver­ gleichsbegriff des BGB fassen lassen. Es dürfte etwa dann kein Vergleich im Sinne des §  779 BGB vorliegen, wenn der Schuldner sich im Rahmen der Einigungsver­ handlungen in dem vom Gläubiger geforderten Umfang zur Unterlassung verpflich­ tet.406 Würde man aber diese Einigung nicht unter den Vergleichsbegriff des §  15 UWG fassen, hätte dies zur Folge, dass dann auch das Formgebot des §  15 Abs.  7 Satz 1 UWG für diese Einigung nicht gelten würde. Die Verhinderung von zwei unter­ schiedlichen Vergleichsbegriffen würde demgegenüber einen Gleichlauf dergestalt bedeuten, dass alle gütlichen Einigungen von der Vorschrift des §  15 Abs.  7 UWG erfasst werden. Das wiederum kann gerade nicht gewollt sein, weil weder die Be­ weis- noch die Warnfunktion eine Begründung dafür liefert, zwischen den verschie­ denen Einigungstypen im Hinblick auf deren Verschriftlichung zu differenzieren. Damit ist es infolge der Wortwahl des Gesetzgebers im Rahmen von §  15 UWG in Kauf zu nehmen, dass keine Identität zwischen den Vergleichsbegriffen des UWG und des BGB besteht, andernfalls würde eine – noch weniger wünschenswerte – Un­ terscheidung zwischen den möglichen Formen der vertraglichen Beendigung des Ei­ nigungsstellenverfahrens entstehen.407 bb) Zwangsvollstreckung Dieser Vergleichsbegriff, der jeden vor der Einigungsstelle geschlossenen Vertrag er­ fasst, gilt auch für den zweiten Satz der Vorschrift des §  15 Abs.  7 UWG, die die Zwangsvollstreckung aus „einem vor der Einigungsstelle geschlossenen Vergleich“ anordnet. Es besteht insofern kein Anlass, zwischen den Vergleichsbegriffen inner­ halb des §  15 Abs.  7 UWG zu unterscheiden, zumal auch die Bezugnahme auf die Vorschrift des §  797a ZPO nicht darauf abzielt, den dortigen Vergleichsbegriff zu 404  Vgl. etwa BGH v. 01.03.2005 – VIII ZB 54/04, BeckRS 2005, 03246 wonach ein Vergleich im Sinne des §  779 BGB auch dann vorliegt, wenn sich der Beklagte zur Zahlung der von ihm nicht bestrittenen Klageforderung in vom Kläger eingeräumten Raten verpflichtet und die Kosten des Rechtsstreits einschließlich derer des Vergleichs übernimmt. 405  Mees, in: Fezer/Büscher/Obergfell, UWG, §  15 Rn.  75. 406 GK-UWG/Nippe, §  15 Rn.  2 23 407  So im Ergebnis auch Ottofülling, WRP 2006, 410, 422 f.; Retzer/Tolkmitt, in: Harte-Baven­ damm/Henning-Bodewig, UWG, §  15 Rn.  35; Köhler, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, §  15 Rn.  26.

II. Vermittlung und Moderation

337

importieren, sondern die Zuständigkeit für die Erteilung der Vollstreckungsklausel zu regeln.408 Wie bereits bei der Analyse der Freiwilligkeit festgehalten, bleibt es den Parteien unbenommen, auch außerhalb der Verhandlung vor der Einigungsstelle einen den Konflikt beendenden Vertrag zu schließen, der die Voraussetzungen eines Vergleichs nach §  779 BGB erfüllt. Dieser Vergleich ist dann aber kein Vollstreckungstitel nach §  15 Abs.  7 UWG,409 weil er nicht infolge der Moderation durch die Einigungsstelle geschlossen wurde, d. h. kein „vor der Einigungsstelle“ geschlossener Vergleich im Sinne der Vorschrift ist. cc) Einigungsstelle als Moderator Was nach der Betrachtung der Einigungsstelle nach dem UWG bleibt, ist zunächst die Feststellung, dass auch in diesem Fall ein moderierter Vertrag geschlossen wird. Für den Inhalt der Moderationstätigkeit ist erneut kein Erkenntnisgewinn zu ver­ zeichnen, weil direkte Vorgaben fehlen und die Pflichtverletzungen, die beschrieben werden, für eine Pauschalisierung nicht taugen. Das dürfte nicht gelten für die Mög­ lichkeit, einen Einigungsvorschlag zu machen. Dieses Instrument gilt hier ebenso wie bei den zuvor beschriebenen Situationen. Darüber hinaus sind zwei Punkte hervorzuheben. Die Neutralität, die auch an dieser Stelle wesentlich ist, wird geschützt wie dieje­ nige des Richters. Das bedeutet, dass die einzelnen Mitglieder der Einigungsstelle aus den Gründen, die auch für den Zivilrichter gelten, wegen des Besorgnisses der Befangenheit von der Tätigkeit ausgeschlossen sind. Das auf einen wie auch immer gearteten Vertragsschluss fokussierte Interesse der Einigungsstelle ergibt sich sehr deutlich aus §  15 Abs.  6 Satz 1 UWG.

II. Vermittlung und Moderation Die Analyse der vier Moderationskonstellationen konnte die Bedeutung des mode­ rierten Vertrags veranschaulichen, die ursprünglich gewählte Definition bestätigen sowie insbesondere die bestehende Interessenlage des Moderators und ihre Konse­ quenz für dessen Neutralität verdeutlichten. Jetzt wird der Blickwinkel etwas verän­ dert. Dabei wird das Ziel, die Definition zu schärfen, nicht aufgegeben, sondern aus der Perspektive des Vermittlungsbegriffs weiter verfolgt. Dass dieser in der juristi­ schen Fachsprache bereits belegt ist, hat schon die Untersuchung des Verbraucher­ streitverfahrens gezeigt.

408  409 

Köhler, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, §  15 Rn.  26. So auch Retzer/Tolkmitt, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, §  15 Rn.  35.

338

D. Weitere moderierte Verträge

1. Vermittlung durch die Bundesagentur für Arbeit In diese Kerbe schlägt auch die Betrachtung der Bundesagentur für Arbeit, deren Kerntätigkeit allgemein als „Vermittlung“ beschrieben wird, und dies nicht nur in der juristischen Fachsprache. Das Beispiel der Bundesagentur für Arbeit lässt sich vor allem dazu nutzen, um aufzuzeigen, dass es in der rechtlichen Fachsprache gera­ de keinen einheitlichen Vermittlungsbegriff gibt, weshalb mit dieser Untersuchung der Begriff des moderierten Vertrags eingeführt werden soll. Bei der Vermittlung durch die Bundesagentur für Arbeit ist vor diesem Hinter­ grund zu unterscheiden zwischen der Vermittlungstätigkeit im Sinne des §  35 SGB III und der im Sinne des §  112 Abs.  2 Satz 1 BetrVG. a) §  35 SGB III In §  35 Abs.  1 Satz 2 SGB III ist der Vermittlungsbegriff des Arbeitsförderungsrechts legal definiert. Der Vorschrift zufolge umfasst die Vermittlung alle Tätigkeiten, die darauf gerichtet sind, Ausbildungssuchende mit Arbeitgebern zur Begründung eines Ausbildungsverhältnisses und Arbeitsuchende mit Arbeitgebern zur Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses zusammenzuführen. Im Rahmen ihrer Tätigkeit schuldet die Bundesagentur bloß Vermittlungsbemü­ hungen und keinen Vermittlungserfolg.410 Auf diesen Vermittlungserfolg sind die Bemühungen jedoch auszurichten, er besteht in einer optimalen Übereinstimmung von Angebot- und Nachfrageprofil.411 Nähert man sich dem arbeitsförderungsrecht­ lichen Vermittlungsbegriff vom moderierten Vertrag aus kommend an, so spricht dessen Zielsetzung, die in der Zusammenführung von Marktteilnehmern besteht, eher gegen eine Moderation und für eine dogmatische Verortung in der Nähe des maklerrechtlichen Vermittlungsbegriffs. Denn es ist gerade Kern der noch näher zu betrachtenden maklerischen Tätigkeit, im Sinne einer funktionierenden Marktwirt­ schaft das Aufeinandertreffen von Angebot und Annahme zu ermöglichen. Hier wird die Aufgabe des Maklers eingeordnet, der die Planlosigkeit überwinden, Infor­ mationen zusammenziehen und so das Aufeinandertreffen von Angebot und Nach­ frage ermöglichen soll.412 Der Makler schafft eine Verbindung zwischen Anbieter und Nachfragendem, welche die erste Ursache für den Vertragsschluss setzt, aber eben nicht die letzte. Der Makler bietet Vertragsgelegenheiten und keine Verträge.413 Unter diese Vorgaben lässt sich die Tätigkeit der Bundesagentur für Arbeit fassen, deren Aufgabe vor allem darin besteht, dem Arbeitssuchenden den passenden Ar­ beitgeber und vice versa zuzuführen. Dass diese Vermittlungstätigkeit der Bundes­ agentur für Arbeit keine Moderation im Sinne dieser Untersuchung darstellt, über­ rascht nicht.

410 Brand/Brand,

SGB III, §  35 Rn.  5; LSG Baden-Württemberg v. 28.01.2011 – L 8 AL 3586/10, BeckRS 2011, 68543. 411 BeckOK-SozR/Schmidt, SGB III, §  35 Rn.  8 . 412  Knieper, NJW 1970, 1293, 1295. 413  Siehe hierzu die weitere Analyse des Maklers unter D.II.3.

II. Vermittlung und Moderation

339

Nähert man sich dem Vermittlungsbegriff des Rechts der Arbeitsförderung nicht vom moderierten Vertrag aus, sondern aus der Perspektive des Maklerrechts, fallen eher die Differenzen ins Auge, die zwischen diesen Vermittlungsansätzen bestehen. Diese haben ihre Ursache in der weit gefassten Legaldefinition des §  35 Abs.  1 Satz 2 SGB III, die nicht zwischen der im Maklerrecht angelegten Differenzierung zwi­ schen dem Nachweis- und dem Vermittlungsmakler unterscheidet.414 Erkennbar wird dies an der Vorschrift des §  296 SGB III, die besondere, die allgemeinen Vor­ schriften der §§  652 ff. BGB ergänzende, Regelungen zum besonderen Maklervertrag des Arbeitsvermittlers enthält. Weil für den Arbeitsvermittler der weite Vermitt­ lungsbegriff des SGB III gilt,415 war die Regelung des §  296 Abs.  1 Satz 2 SGB III notwendig, um klarzustellen, dass der Arbeitsvermittler einen Anspruch auf Vergü­ tung erst beim Zustandekommen eines Arbeitsvertrags hat. Andernfalls hätte schon der bloße Nachweis den Vergütungsanspruch ausgelöst. Mit der Kenntnis um diese Differenzierung kann es für diese Untersuchung je­ doch dabei bleiben, die Vermittlung der Bundesagentur als maklerähnlich zu klassi­ fizieren. Weil es damit einen einheitlichen Vermittlungsbegriff nicht gibt, ist auf den Begriff der Moderation abzustellen. Mit der Einschätzung dieser Tätigkeit als mak­ lerähnliche Vermittlung lässt sich aber nicht festhalten, dass die Bundesagentur für Arbeit nicht als Moderator tätig werden könnte. Sie wird es, und zwar nicht im Rahmen des Arbeitsförderungsrechts, sondern im Rahmen des §  112 Abs.  2 Satz 1 BetrVG. b) §  112 Abs.  2 Satz 1 BetrVG Die betriebsverfassungsrechtliche Vorschrift des §  112 Abs.  2 Satz 1 BetrVG steht im Zusammenhang mit dem Verfahren vor der (betriebsverfassungsrechtlichen) Eini­ gungsstelle, welches als Konfliktlösungsmechanismus installiert wurde, wenn sich die Betriebspartner416 nicht auf eine Betriebsvereinbarung einigen können. Für den Fall, dass sich die Betriebspartner nicht auf einen Interessenausgleich bzw. Sozial­ plan einigen können, besteht – anders als in den übrigen Fällen der Betriebsvereinba­ rungen – für beide Parteien die fakultative Möglichkeit, die Bundesagentur für Ar­ beit als Vermittler anzurufen. Dieses Moderationsverfahren ist dem Verfahren vor der Einigungsstelle – nur in den Fällen des Interessenausgleichs bzw. Sozialplans – vorgeschaltet und stellt, für diese Untersuchung interessant, ein Moderationsverfah­ ren dar. Die Vorschrift des §  112 Abs.  2 Satz 1 BetrVG lautet: „Kommt ein Interessenausgleich über die geplante Betriebsänderung oder eine Einigung über den Sozialplan nicht zustande, so können der Unternehmer oder der Betriebsrat den Vorstand der Bundesagentur für Arbeit um Vermittlung ersuchen, der Vorstand kann die Aufgabe auf andere Bedienstete der Bundesagentur für Arbeit übertragen.“

414 

Dehner, NJW 2002, 3747, 3749; Rademacker, SGb 2008, 178, 180. Rademacker, SGb 2008, 178, 180; Dehner, NJW 2002, 3747, 3749 Fn.  12. 416  Das sind Betriebsrat und Arbeitgeber. 415 

340

D. Weitere moderierte Verträge

aa) Ausgangssituation Die Ausgangssituation wird in der Vorschrift des §  112 Abs.  2 Satz 1 BetrVG selbst angesprochen. Die Bundesagentur für Arbeit tritt überhaupt erst auf den Plan, wenn ein Interessenausgleich über die geplante Betriebsänderung oder eine Einigung über den Sozialplan nicht zustande kommt. Der gesamte Prozess beginnt somit bei einer Betriebsänderung. Von Bedeutung ist dabei nicht jede Änderung des Betriebs, son­ dern nur solche im Sinne des §  111 BetrVG. Das Gesetz sieht dort keine feste Defini­ tion des Begriffs der Betriebsänderung vor, sondern stellt lediglich darauf ab, ob und in welchem Umfang eine nach der Betriebsgröße gestaffelte Zahl von Arbeitnehmern durch unternehmerische Maßnahmen nachteilig betroffen werden.417 Dies verdeut­ licht die mitbestimmungsrechtliche Relevanz, die darüber hinaus durch die Aufzäh­ lung in §  111 Satz 3 BetrVG deutlich wird, wonach etwa Einschränkung und Stillle­ gung (Nr.  1) bzw. die Verlegung (Nr.  2) des ganzen Betriebs oder von wesentlichen Betriebsteilen oder die Einführung grundlegend neuer Arbeitsmethoden und Ferti­ gungsverfahren (Nr.  5) als Betriebsänderung gelten. Liegt eine Betriebsänderung vor, so bestehen für den Betriebsrat zwei unter­ schiedliche Beteiligungsrechte im Hinblick auf zwei verschiedene betriebsverfas­ sungsrechtliche Instrumente. bb) Interessenausgleich In Bezug auf den Interessenausgleich steht dem Betriebsrat ein – eher schwaches – Mitwirkungsrecht zu.418 Als Interessenausgleich bezeichnet das BetrVG in §  112 Abs.  1 Satz 1 die Einigung über die geplante Betriebsänderung. Das heißt, dass durch den Interessenausgleich die Modalitäten der Betriebsänderung geregelt werden, also insbesondere ob, wann und wie die Änderung durchgeführt werden soll.419 Beim Interessenausgleich handelt es sich nicht um eine Betriebsvereinbarung, sondern um eine kollektive Vereinbarung besonderer Art. Durch den Interessenausgleich wird ein kollektivrechtliches Schuldverhältnis begründet, welches insbesondere den Ar­ beitgeber bindet, die Betriebsänderung in der im Interessenausgleich vorgesehenen Art und Weise durchzuführen.420 Sowohl die besondere Rechtsnatur des Interessen­ ausgleichs als auch das bloße Mitwirkungsrecht des Betriebsrats haben ihr dogmati­ sches Fundament in dem Verfahren, welches für das Zustandekommen vorgesehen ist. Das BetrVG setzt an die erste Stelle bilaterale Verhandlungen zwischen den Be­ triebspartnern. Dies wird deutlich durch die bereits wiedergegebene Formulierung des §  112 Abs.  2 Satz 1 BetrVG, wonach die Bundesagentur für Arbeit erst auf den Plan tritt, wenn ein Interessenausgleich nicht zustande gekommen ist – durch direk­ te Verhandlungen. Die Besonderheit des Interessenausgleichs zeigt sich, wenn die Vermittlung durch die Bundesagentur scheitert oder auf deren fehlende Beteiligung hin. Anders als im Fall einer Betriebsvereinbarung kann der Betriebsrat einen Inter­ 417 Richardi/Annuß,

BetrVG, §  111 Rn.  39. BetrVG, §  111 Rn.  4. 419  Fitting, BetrVG, §§  112, 112a Rn.  13. 420  Fitting, BetrVG §§  112, 112a Rn.  4 4. 418 Richardi/Annuß,

II. Vermittlung und Moderation

341

essenausgleich dann nicht durch einen Spruch der Einigungsstelle erzwingen. Ein Interessenausgleich kommt freiwillig zustande oder gar nicht. Trotzdem besteht für den Betriebsrat ein Mitwirkungsrecht. Denn die Vorschrift des §  113 BetrVG „si­ chert“ den Interessenausgleich in zweierlei Hinsicht. Die existente Vereinbarung wird geschützt, indem die Regelung in §  113 Abs.  1 und 2 BetrVG ein Abweichen des Unternehmers von seinen Zusagen im Interessen­ ausgleich sanktioniert. In Absatz 3 – und dies ist hier von Bedeutung – wird die Geltung der ersten beiden Absätze auch für den Fall angeordnet, dass der Unterneh­ mer eine Betriebsänderung gar nicht erst versucht hat. „Versuchen“ bedeutet, dass vom Arbeitgeber verlangt wird, von sich aus die Einigungsstelle anzurufen und bis zu einer Feststellung des Scheiterns der Verhandlungen mit dem Betriebsrat zu ver­ handeln.421 Die Einigungsstelle stellt dann aber eben nur das Scheitern der Verhand­ lungen fest und schafft nicht selbst ein Ergebnis. cc) Sozialplan Genau dies geschieht jedoch am Ende des Verfahrens zum Sozialplan. Sind die Be­ triebspartner zu keiner Einigung gekommen, kann die Einigungsstelle einen solchen Sozialplan mittels Spruchs und Stimmenmehrheit selbst schaffen. Startpunkt für das Sozialplanverfahren ist dabei – wie beim Interessenausgleich – die vom Arbeitgeber anvisierte Betriebsänderung. Der Begriff des Sozialplans ist legal definiert in §  112 Abs.  1 Satz 2 BetrVG. Sein Inhalt baut denklogisch auf dem Inhalt des Interessenaus­ gleichs auf, denn der Sozialplan wird beschrieben als eine Einigung über den Aus­ gleich oder die Milderung der wirtschaftlichen Nachteile, die den Arbeitnehmern infolge der geplanten Betriebsänderung entstehen. Zentral für das Verfahren zum und die Wirkung des Sozialplan(s) ist die Feststellung in §  112 Abs.  1 Satz 3 BetrVG: „Der Sozialplan hat die Wirkung einer Betriebsvereinbarung.“ Infolgedessen wird der Sozialplan als Betriebsvereinbarung besonderer Art beschrieben.422 Damit geht einher, dass Sozialpläne wegen ihrer Vergleichbarkeit mit Betriebsvereinbarungen wie Tarifverträge auszulegen sind.423 Zentraler für diese Untersuchung ist dagegen, dass Sozialpläne wie Betriebsvereinbarungen im Wege eines Vertragsschlusses zwi­ schen Arbeitgeber und Betriebsrat zustande kommen.424 dd) Moderation Die Vermittlung der Bundesagentur für Arbeit findet also auf freiwillige Anrufung seitens des Betriebsrats oder des Arbeitgebers statt zu einem Zeitpunkt, in dem die bilateralen Verhandlungen zu keinem Ergebnis geführt haben. Wenn in diesem Zu­ sammenhang von der Bundesagentur für Arbeit die Rede ist, dann meint dies nicht 421  BAG v. 18.12.1984 – 1 AZR 176/82, AP BetrVG 1972 §  113 Nr.  11; BAG v. 07.11.2017 – 1 AZR 186/16, AP BetrVG 1972 §  113 Nr.  59; ErfK/Kania, BetrVG, §  113 Rn.  8. 422 GK-BetrVG/Oetker, §  112 Rn.  160. 423  Fitting, BetrVG, §  112, 112a Rn.  175. 424 Schaub/Koch, ArbR-Hdb, §  231 Rn.  6; Kreitner, in: Küttner, Personalbuch, Betriebsvereinba­ rung, Rn.  17.

342

D. Weitere moderierte Verträge

den im Gesetz angesprochenen Vorstand persönlich. Dieser hat die in §  112 Abs.  2 Satz 2 BetrVG vorgesehene Möglichkeit, die Aufgabe auf andere Bedienstete zu übertragen, genutzt und diese an die Regionaldirektionen inkl. der dortigen weiteren Delegationsmöglichkeit auf Bedienstete der lokalen Agenturen übertragen.425 Damit hat das Gesetz eine gewisse Vorstellung entwickelt, wer die Vermittlung vornehmen soll. Wie die Vermittlung abzulaufen hat, dazu enthält das Gesetz keine Vorgaben.426 Daraus wird gefolgert, dass die Gestaltung des Vermittlungsverfahrens dem freien Ermessen des Vermittlers unterliege, ohne dass in der einschlägigen Lite­ ratur oder Rechtsprechung jedoch konkrete Methoden der Vermittlung angespro­ chen werden.427 Die einzige Frage, die in diesem Zusammenhang diskutiert wird, ist diejenige des Vermittlers in Bezug auf einen Einigungsvorschlag, d. h. auf die Möglichkeit, den konkreten Inhalt eines Sozialplans vorzuschlagen. Diese Diskussion wird verständ­ licher in Kenntnis der oben geschilderten Unterschiede zwischen Interessenaus­ gleich und Sozialplan, insbesondere zur Anrufung der Einigungsstelle nach einem Scheitern der Vermittlung. Insofern ist einhellig anerkannt, dass der Vermittler der Bundesagentur den Par­ teien einen Einigungsvorschlag – sowohl in Bezug auf den Interessenausgleich als auch den Sozialplan428 – vorlegen darf, der eben ein Vorschlag, d. h. unverbindlich ist.429 Streit kommt auf zu der Frage, ob die Parteien den Vermittler der Bundesagentur auch zu einer bindenden Entscheidung ermächtigen können. Auf Basis von Privatautonomie und Handlungsfreiheit – dies hat die bisherige Un­ tersuchung bereits gezeigt – muss die Frage lauten, warum die Parteien dies dem Vermittler nicht anvertrauen sollten. Darauf basierend sind es erstens die Argumen­ te derer, die eine entsprechende Möglichkeit ablehnen,430 die näher zu betrachten und zu entkräften sind.431 Zweitens kann gegen die Möglichkeit, den Vermittler mit der Entscheidung zu betrauen, deswegen nicht ins Feld geführt werden, das Gesetz räu­ me den Parteien diese Möglichkeit im Vermittlungsverfahren – anders als an anderer Stelle432 – gerade nicht ein.433 Dass eine Entscheidung durch den Vermittler sich nicht 425  Durch den Vorstandsbeschluss Nr.  53/2004 vom 23.08.2004, vgl. Fitting, BetrVG, §  112, 112a Rn.  30. 426  Kleinebrink, FA 2001, 165, 168. 427  Vgl. HWK/Hohenstatt/Willemsen, §  112 BetrVG Rn.  18. 428  Dass hiervon beides umfasst sein muss, folgt aus dem Ziel der Vermittlung, ist aber in den nachfolgenden Zitaten so nicht herausgestellt. 429  Preis/Bender, in: Wlotzke/Preis/Kreft, BetrVG, §§  112, 112a Rn.  10; HWK/Hohenstatt/Willemsen, §  112 BetrVG Rn.  18; Kleinebrink, FA 2001, 165, 169; Bauer, in: Heinrich, Unternehmens­ sanierung im Fokus der Arbeits- und Insolvenzrechtspraxis, S.  135, 151. 430  Ablehnend auch HWGNRH/Hess, BetrVG, §  112 Rn.  471 mit der etwas abenteuerlichen Be­ gründung, dass der Vorstand der BA den Parteien keinen bindenden Vorschlag machen kann, wes­ halb er auch im Voraus nicht ermächtigt werden könne, eine bindende Entscheidung zu treffen. 431  Für die Möglichkeit, den Vermittler der Bundesagentur zu einer bindenden Entscheidung ermächtigen zu können: Richardi/Annuß, BetrVG, §  112 Rn.  222 m. w. N.; HWK/Hohenstatt/Willemsen, §  112 BetrVG Rn.  18. 432  In §  76 Abs.  6 Satz 2 BetrVG. 433  So aber Kleinebrink, FA 2001, 165, 168.

II. Vermittlung und Moderation

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unter den in §  112 Abs.  2 Satz 1 BetrVG verwendeten Begriff der „Vermittlung“ fas­ sen lässt, ist ebenso zutreffend wie die Tatsache, dass das BetrVG eine derartige Ent­ scheidungskompetenz nur der Einigungsstelle einräumt.434 Das heißt aber eben nicht, dass die Betriebspartner nicht einen eigenen Weg zur Beilegung von Konflik­ ten finden können, weil es keine diesbezüglichen Verbote gibt. Dieser rein theoreti­ sche Streit zeigt unabhängig vom Ergebnis deutlich, dass eine genauere Vorstellung von der konkreten Vermittlungstätigkeit nicht existiert. Ein Befund, der schon wie­ derholt getroffen wurde. Dies gilt auch für die Dimensionen der Freiwilligkeit, die es im Interesse dieser Untersuchung kurz zu betrachten gilt. ee) Freiwilligkeit und ihre Dimensionen (1) Betriebspartner Dass die Betriebspartner frei sind, im Rahmen des Vermittlungsverfahrens einen In­ teressenausgleich und einen Sozialplan zu schließen, ist schon herausgestellt worden. Diese Einigung kommt im Wege des Vertragsschlusses zustande, was ihre Bedeu­ tung für die vorliegende Untersuchung rechtfertigt, auch wenn weder Interessenaus­ gleich noch Sozialplan „typische“ Verträge im Sinne des BGB darstellen. Freiwillig ist – für beide – die Hinzuziehung des Vermittlers der Arbeitsagentur.435 Beide Parteien können auch direkt die Einigungsstelle anrufen436 oder einvernehm­ lich eine andere Person mit der Vermittlung beauftragen.437 Für die Vermittlung sei­ tens der Bundesagentur gilt allein, dass hier eine Anrufung durch einen der Betriebs­ partner möglich ist. Auch wenn sich der andere Teil – trotz des Gebots der vertrau­ ensvollen Zusammenarbeit – nicht auf den Vermittlungsversuch einlassen muss.438 Für den Arbeitgeber gilt eine gewisse Einschränkung: Denn er kann nicht sofort die seitens des Betriebsrats initiierte Vermittlung abbrechen, wenn er sich nicht dem Vorwurf aussetzen möchte, er habe die Erzielung eines Nachteilsausgleichs nicht versucht. Diesen Vorwurf wird er aber mit Blick auf die Regelung des §  113 Abs.  3 BetrVG vermeiden wollen. (2) Vermittler Der Vermittler der Bundesagentur handelt demgegenüber nicht freiwillig, sondern muss aufgrund der gesetzlichen Aufgabenzuweisung tätig werden,439 vergleichbar etwa mit dem Prozessrichter oder Gerichtsvollzieher. Dass der Gesetzgeber gerade die Vermittlung durch die Arbeitsagentur vorsieht, kann nicht an dort ggf. bestehen­ den Fähigkeiten in Bezug auf die Vermittlung liegen, denn das Gesetz enthält keine Ausführungen im Hinblick auf den Inhalt der vermittlerischen Tätigkeit. Die Hin­ 434 

Preis/Bender, in: Wlotzke/Preis/Kreft, BetrVG, §§  112, 112a Rn.  10. BetrVG, §  112 Rn.  5; Richardi/Annuß, BetrVG, §  112 Rn.  219. 436 BeckOK-ArbR/Besgen, BetrVG, §  112 Rn.  5; Richardi/Annuß, BetrVG, §  112 Rn.  219. 437  Fitting, BetrVG, §§  112, 112a Rn.  29. 438  Kleinebrink, FA 2001, 165, 167. 439 Richardi/Annuß, BetrVG, §  112 Rn.  2 21. 435 BeckOK-ArbR/Besgen,

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D. Weitere moderierte Verträge

zuziehung der Bundesagentur für Arbeit geschieht vielmehr vor dem Hintergrund ihrer Kenntnisse über die Verhältnisse am Arbeitsmarkt und die nach dem Arbeits­ förderungsrecht möglichen arbeitsmarktpolitischen Hilfestellungen, d. h. Umschu­ lungs- und Fortbildungsmaßnahmen und deren Finanzierung.440 Im Rahmen der Vermittlung können seitens der Arbeitsagentur zudem die Beratungsleistungen er­ bracht werden, die z. B. Voraussetzung sind für eine spätere Beantragung von Trans­ ferkurzarbeitergeld, vgl. §  111 Abs.  1 Satz 1 Nr.  4 SGB III. (3) Die Arbeitsagentur als Vermittler Wenn die Agentur für Arbeit im Sinne des §  35 Abs.  1 SGB III vermittelt, dann liegt hierin eher eine Vermittlung im Sinne einer maklerähnlichen Tätigkeit als eine Mo­ deration. Die Nutzung des Vermittlungsbegriffs an dieser Stelle spricht dagegen, ihn in dieser Untersuchung erneut zu verwenden. Deshalb soll es nicht der vermittelte, sondern der moderierte Vertrag heißen. Wenn die Bundesagentur für Arbeit vermittelnd im Sinne von moderierend vor­ geht, dann fehlt es – wie stets – an gesetzlichen Vorgaben in Bezug zu dieser Tätig­ keit.

2. Notarielle Vermittlung Nachdem die Regelung des §  17 BeurkG, die unmittelbar für den Notar gilt, wegen ihrer analogen Anwendung auf die Vergleichsprotokollierung durch den Richter schon erörtert wurde, soll an dieser Stelle die Moderationstätigkeit des Notars Ge­ genstand der Betrachtung sein. a) Notar und vorsorgende Rechtspflege Nach §  1 BNotO werden Notare als unabhängige Träger eines öffentlichen Amtes für die Beurkundung von Rechtsvorgängen und anderen Aufgaben auf dem Gebiet der vorsorgenden Rechtspflege bestellt. Die Kerntätigkeit eines Notars besteht in der Beurkundung von Willenserklärun­ gen.441 Eng damit verbunden sind die Erstellung sowie die Abwicklung der zu beur­ kundenden Verträge, weshalb der Notar als Vertragsjurist oder Kautelarjurist be­ zeichnet wird.442 Gerade mit dieser Tätigkeit soll der Notar der vorsorgenden Rechtspflege dienen, worunter diejenige staatliche Daseinsvorsorge zu verstehen ist, die durch Mitwir­ kung bei der Gestaltung und Sicherung privater Rechtsverhältnisse die schutzwerten rechtlichen Interessen des Einzelnen fördert. Dies geschieht, indem vor allem ihrer künftigen Verletzung vorgebeugt wird. Zugleich dient der Notar der vorsorgenden 440  So

der Gesetzgeber bei der erstmaligen gesetzlichen Verankerung des seinerzeitigen Präsi­ denten des Landesarbeitsamtes, vgl. BT-Drs. 6/1786, S.  55; vgl. auch HWGNRH/Hess, BetrVG, §  112 Rn.  468; Richardi/Annuß, BetrVG, §  112 Rn.  212. 441  Bremkamp, in: BeckNotar-HdB, §  32 Rn.  3. 442  Keim, MittBayNot 1994, 2; siehe auch Flume, DNotZ-Sonderheft 1969, 30, 35.

II. Vermittlung und Moderation

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Rechtspflege auch dadurch, dass er die Interessen anderer und der Allgemeinheit betreut und letztlich auf diese Weise der Gerechtigkeit, der Rechtssicherheit und dem Rechtsfrieden dient.443 Die vorsorgende Rechtspflege zielt damit darauf ab, die Ein­ haltung der Zivilrechtsordnung durch geeignete Präventionsmaßnahmen zu ge­ währleisten444 und im Interesse des Einzelnen, aber auch im Gemeinwohlinteresse, Konflikte zu vermeiden.445 aa) Die beurkundende Tätigkeit des Notars Ist durch die Zuschreibung des Notars als Organ der vorsorgenden Rechtspflege damit die zukunftsorientierte, präventive Blickrichtung seiner Tätigkeit herausge­ stellt, bleibt darüber hinaus von Interesse, wie der Notar diesem Ziel durch seine beurkundende Tätigkeit dienen soll. Die vom Zivilrecht geforderte Form der notariellen Beurkundung legt faktisch446 die Zuständigkeitsbereiche des Notars fest,447 denn aufgrund der notwendigen Beur­ kundung finden z. B. die Vertragspartner eines Grundstückskaufvertrags ihren Weg zum Notar. Es sind damit auch die Wertungen, die hinter den Formvorschriften des Zivilrechts stehen, die die Funktionen der notariellen Tätigkeit vorgeben.448 Dass dem Ziel nicht durch die tatsächliche Beurkundung im Sinne eines Siegelset­ zens Rechnung getragen werden kann, versteht sich zunächst von selbst. Das Erfor­ dernis der notariellen Form soll vielmehr die darüber hinausgehende Mitwirkung des Notars sicherstellen, die ihrerseits in der Prüfung und Belehrung liegt.449 Grund­ annahme für die notarielle Tätigkeit im Rahmen der vorsorgenden Rechtspflege ist, dass spätere Konflikte zwischen den Beteiligten dann unwahrscheinlicher sind, wenn deren tatsächlicher Wille so seinen Niederschlag im Vertrag gefunden hat, dass der angestrebte rechtliche Erfolg erreicht wird und den Beteiligten die evtl. auch erst später auftretenden weiteren rechtlichen Folgen des Vertragsschlusses schon frühzei­ tig bekannt sind. In Übereinstimmung mit den bis hierher festgehaltenen Kenntnissen ist es das vom Notar zu schaffende Ergebnis, welches seine Wirkung bereits im Vorhinein ent­ faltet. Ziel des Notars ist die vollkommene Urkunde.450 „Unter vollkommenen Urkunden sind solche zu verstehen, bei deren Fertigung die Beteiligten über die Tragweite ihrer Erklärungen aufgeklärt, auf rechtliche Bedenken aufmerksam ge­ macht, ihr wirklicher Wille erforschst und durch zweckentsprechende Rechtsbelehrung auf

443 

Baumann, MittRhNotK 1996, 1, 3; Sikora, Der Notar im sozialen Rechtsstaat, S.  122. Baumann, MittRhNotK 1996, 1, 3; Sikora, Der Notar im sozialen Rechtsstaat, S.  123. 445  Bremkamp, in: BeckNotar-HdB, §  32 Rn.  3. 446  Damit ist keine Beschreibung der Befugnisse des Notars verbunden, Baumann, MittRhNotK 1996, 1, 11. 447  Baumann, MittRhNotK 1996, 1, 11. 448  Baumann, MittRhNotK 1996, 1, 11. 449  Winkler, BeurkG, §  17 Rn.  1. 450  Heute wird zum Teil von einer perfekten Urkunde gesprochen, vgl. Löwer, DNotZ 2011, 424, 430. 444 

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D. Weitere moderierte Verträge

dessen einwandfreie rechtliche Festlegung hingewirkt worden ist. Eine solche Urkunde ist das Rückgrat des Rechts- und Wirtschaftsverkehrs.“451

Sie bildet dieses Rückgrat auch deswegen, weil ihr Inhalt vor Gericht einen so hohen Beweiswert hat, dass Prozesse wegen der eindeutigen Beweislage gar nicht erst ange­ strengt werden.452 bb) Die notartypische Moderation: „Der neutrale Entwurf“ Vor dem Hintergrund der vollkommenen Urkunde ist die hier sogenannte notarsty­ pische Moderation zu sehen, also die Tätigkeit, die dem Ergebnis erstens geschuldet und diesem zweitens im Verhandlungsprozess vorgelagert ist. Dabei handelt sich um die Vorlage eines vom Notar gefertigten, sogenannten neutralen Entwurfs des zwi­ schen den Parteien zu schließenden Vertrags. Die Herstellung eines solchen Ver­ tragsentwurfs ist – anders als beim Schlichter – nicht definitorisches Merkmal der Notartätigkeit. Trotzdem beginnt die zum Teil auch vermittelnde Tätigkeit des No­ tars453 mit der Übersendung eines neutralen Vertragsentwurfs.454 Ein solcher Vertragsentwurf hat Auswirkungen auf die Verhandlungen: Keine Partei ist im Vorteil, weil sie den Vertragstext entwirft. Zudem startet die Verhand­ lung mit einem Vorschlag, den der Notar als typischerweise interessengerechte Lö­ sung verfasst hat. Das führt dazu, dass die Parteien nur sehr viel schwerer überzoge­ ne Forderungen stellen können.455 Das hier so bezeichnete notarstypische Verfahren der Vermittlung ist jedoch nicht auf den Notar begrenzt. Diese Methode der Vermittlung wird vielmehr unter dem Begriff des „Ein-Text-Verfahrens“ im Rahmen des Harvard-Konzepts beschrieben, das u. a. der Mediation zugrunde liegt. Es zeigt sich an dieser Stelle erneut, dass die Art und Weise der Vermittlung kein Kriterium darstellt, welches zur Abgrenzung oder Begriffsbildung taugt. Das „Ein-Text-Verfahren“ wird als ein Vorgehen definiert, dessen Vorteil darin läge, dass der Vermittler auf diesem Wege die Menschen von den Problemen trennen und die Diskussion auf Interessen und Optionen lenken könne. Im Wege des „EinText-Verfahrens“ könne der Dritte darüber hinaus unparteiische Grundlagen für die Lösung von Differenzen vorschlagen. Er könne das Ausdenken von Lösungsvor­ schlägen von den Entscheidungen abtrennen, die Anzahl der für die Übereinkunft notwendigen Entscheidungsvorgänge reduzieren und beiden Parteien zum Verständ­ nis der Folgen aus der jeweiligen Entscheidung verhelfen.456 Der Prozess wird verein­ facht, was in der Folge den Parteien erleichtern soll, eine Entscheidung zu treffen.457 451 

Oberned, DNotV 1925, 383, 384; hierauf stellt auch Eue, in: FS Schippel, S.  599, 606. Baumann, MittRhNotK 1996, 1, 20 f. 453  Zu den Parallelen zwischen der Notarstätigkeit und den Vermittlunsgtechniken der Media­ tion vgl. etwa Walz, DNotZ 2003, 164, 168. 454  Walz, DNotZ 2003, 164, 165; zum ebenfalls notartypischen „settlement event“ siehe dort unter S.  178. 455  Walz, DNotZ 2003, 164, 165. 456  Fisher/Ury/Patton, Das Harvard-Konzept, S.  170. 457  Fisher/Ury/Patton, Das Harvard-Konzept, S.  172. 452 Vgl.

II. Vermittlung und Moderation

347

Nimmt man wieder die Perspektive des Notars ein und berücksichtigt zudem, dass Fremdentwürfe den Aufwand und das Haftungsrisiko des Notars erhöhen,458 wird deutlich, warum dieser selbst einen Urkundenentwurf vorlegt, der bei Annah­ me durch die Parteien eine vollkommene Urkunde darstellt. Der Gesetzgeber selbst hat die Vorlage eines Vertragsentwurfes nicht zu den Kar­ dinalspflichten des Notars erhoben. Dass der Gesetzgeber dennoch vom Vertrags­ entwurf durch den Notar ausgeht, zeigt sich an der Regelung des §  17 Abs.  2a Satz 2 Nr.  2 BeurkG, demzufolge der Vertragsentwurf in den dort genannten Konstellatio­ nen dem Verbraucher grundsätzlich zwei Wochen vor der Beurkundung zur Verfü­ gung gestellt werden soll. Bezogen sich die Vorschriften des BeurkG bislang einzig auf den Akt der Beurkundung, nimmt §  17 Abs.  2a Satz 2 Nr.  2 BeurkG den Ver­ tragsentwurf und seine Bedeutung für die Verhandlung in den Blick. cc) Die Kardinalspflichten des Notars Vor dem Hintergrund der präventiven und in die Zukunft gerichteten Ausrichtung der notariellen Beurkundungstätigkeit sind die sogenannten vier Kardinalspflichten des §  17 BeurkG zu sehen, die der Notar bei seiner Tätigkeit zu beachten hat und die – im Sinne der Tätigkeit des Notars als Organ der vorsorgenden Rechtspflege – der präventiven Einhaltung der Zivilrechtsordnung und der späteren Konfliktvermei­ dung dienen. Die zentralen Pflichten, die der Notar bei der Beurkundung zu beachten hat, be­ stehen in der Erforschung des Willens der Beteiligten, der Klärung des Sachverhalts, der Belehrung über die rechtliche Tragweite sowie der klaren und unzweideutigen Wiedergabe der Erklärungen in der Niederschrift.459 (1) Klärung des Sachverhalts Damit der Notar überhaupt seiner Beratungs- und Belehrungspflicht nachkommen kann, muss er den zu regelnden Sachverhalt kennen.460 Der Notar muss alle für das Rechtsgeschäft relevanten Umstände in seine Überlegungen einbeziehen, um ein rechtswirksames Geschäft herbeizuführen,461 das dem wahren Willen der Beteilig­ ten entspricht.462 Weil es seine Aufgabe ist, ein vertragliches Rechtsverhältnis für die Zukunft zu gestalten, muss der Notar als Vertragsgestalter auch mögliche Sachver­ haltsentwicklungen prognostizieren und ihre rechtlichen Folgen im Vertrag festle­ gen.463

458 

Walz, DNotZ 2003, 164, 165. BeurkG, §  17 Rn.  22 ff. 460 BeckOGK/Regler, BeurkG §  17 Rn.  26; Winkler, BeurkG, §  17 Rn.  213. 461  Keim, MittBayNot 1994, 2, 4. 462 BeckOGK/Regler, BeurkG §  17 Rn.  23; Winkler, BeurkG, §  17 Rn.  213. 463  Kordel, BRJ 2009, 80, 81. 459 BeckOGK/Regler,

348

D. Weitere moderierte Verträge

(2) Erforschung des wahren Willens Um zukünftige Konflikte zu vermeiden, soll der Notar die Erklärungen der Betei­ ligten so abfassen, dass der wahre Wille darin seinen Niederschlag findet, d. h. die niedergeschriebene Erklärung ein Spiegelbild des tatsächlich Gewollten ist.464 Hier­ zu muss der Notar den wahren Willen der Beteiligten erforschen,465 der dann die Richtschnur seines Handelns ist.466 Für die Gestaltung des Vertrags folgt aus der Pflicht zur Willenserforschung auch die Notwendigkeit, unter mehreren in Betracht kommenden Möglichkeiten der rechtlichen Gestaltung diejenige aufzuzeigen, die die geringste Gefahr aufweist, dass ein Beteiligter bei der späteren Durchführung geschädigt wird.467 (3) Belehrung über die rechtliche Tragweite Der Notar soll sich nicht nur selbst ein Bild machen über den Sachverhalt und den Willen der Beteiligten, sondern selbst auch Informationen liefern. Die zur Vermei­ dung von zukünftigen Konflikten notwendige Übereinstimmung zwischen dem er­ klärten Willen der Parteien und dem erstrebten rechtlichen Erfolg soll durch eine entsprechende Belehrung des Notars über die rechtliche Tragweite des Geschäfts erfasst werden. Hierzu muss der Notar notwendigerweise zunächst die Rechtslage prüfen, um die Parteien anschließend belehren zu können über die Voraussetzungen einerseits, von denen der Erfolg des beabsichtigten Rechtsgeschäfts abhängt, und andererseits über die unmittelbaren Rechtsfolgen dieses Rechtsgeschäfts.468 Die no­ tarielle Belehrung wird umso wichtiger, je komplexer die rechtliche Regelung ist und je stärker die Rechtsvorstellungen der Beteiligten hiervon abweichen.469 Weil der Notar den Beteiligten nicht nur die wirksame Beurkundung, sondern auch das wirksame Rechtsgeschäft schuldet,470 verpflichtet ihn §  17 Abs.  2 BeurkG zu einer Wirksamkeitskontrolle, sodass mit dem Notar eine Wirksamkeitskont­ rollinstanz vorgeschaltet ist.471 Entsprechende Zweifel soll der Notar dann nach §  17 Abs.  2 BeurkG ebenso mit den Parteien erörtern wie Bedenken dahingehend, ob das angestrebte Geschäft dem wahren Willen der Beteiligten entspricht. (4) Wiedergabe der Erklärungen Vor diesem Hintergrund bezweckt die Pflicht, die Erklärungen der Parteien klar und unzweideutig in der Niederschrift wiederzugeben, nicht, deren ursprünglichen Wortlaut zu erhalten. Vielmehr soll der Wille der Beteiligten mithilfe des Notars so 464 

Keim, MittBayNot 1994, 2, 4; BeckOGK/Regler, BeurkG, §  17 Rn.  23; Haug/Zimmermann/ Zimmermann, Die Amtshaftung des Notars, Rn.  473; kritisch dazu Wolfssteiner, DNotZ 2020, 455 ff. 465 BeckOGK/Regler, BeurkG, §  17 Rn.  23. 466  Keim, MittBayNot 1994, 2 f. 467  Winkler, BeurkG, §  17 Rn.  206. 468 BeckOGK/Regler, BeurkG, §  17 Rn.  32. 469  Winkler, BeurkG, §  17 Rn.  219. 470  Baumann, MittRhNotK 1996, 1, 21 mit Verweis auf Feyock, DNotZ 1952, 254. 471  Keim, MittBayNot 1994, 2, 4.

II. Vermittlung und Moderation

349

formuliert werden, dass er auf den gewollten rechtlichen Erfolg gerichtet ist.472 Der Notar ist also angehalten, hier die rechtliche Fachsprache zu verwenden473 und die Aussagen der Beteiligten entsprechend zu übersetzen. Durch die Benutzung von be­ währten Formeln und Fachtermini wird Rechtssicherheit erzeugt, weil der Bedeu­ tungsgehalt dieser Formulierungen klar ist.474 dd) Notar und moderierter Vertrag Neben der eingangs zitierten vollkommenen Urkunde wird „moderner“ formuliert, dass es Ziel des Notars sein müsse, eine „perfekte Urkunde“ zu erhalten,475 deren Definitionsmerkmale sich aber im Wesentlichen mit denen der vollkommenen Ur­ kunde decken. Zur Erinnerung: Perfekt ist eine Urkunde, die nach Belehrung über mögliche Ri­ siken dem Willen beider Parteien entspricht und nicht gegen zwingendes Recht ver­ stößt. Darüber hinaus soll durch die Beteiligung des Notars sichergestellt sein, dass unerfahrene und rechtlich ungewandte Personen nicht benachteiligt werden,476 wie es §  17 Abs.  1 Satz 2 BeurkG verlangt. Damit wird aber auch deutlich, dass der Notar seine Tätigkeit im Spannungsver­ hältnis zwischen Vertragsfreiheit und Vertragsgerechtigkeit wahrnimmt. Ihm fällt insoweit auch die staatliche Aufgabe zu, die Vertragsfreiheit dahingehend zu kon­ trollieren, ob sie im Rahmen des dem Gerechtigkeitsideal entsprechenden privatau­ tonom ausgehandelten Vertrags ausgeübt wurde und die Beurkundung eben dann zu versagen, wenn ein Beteiligter zur rechtsgeschäftlichen Willensbildung nicht fähig ist oder dazu gezwungen wurde.477 Durch diese Mitwirkung des Notars wird, wie früh formuliert wurde,478 eine ma­ teriale Richtigkeitsgewähr für die beurkundungspflichtigen Geschäfte angestrebt. Denn für die beurkundungspflichtigen Geschäfte wird der Grundsatz der Privatau­ tonomie nicht aufgehoben, weil allein die Vertragspartner über die Rechtsgestaltung entscheiden. Die Mitwirkung des Notars soll jedoch gewährleisten, dass die Parteien ihre Entscheidung in vollem Wissen über die Konsequenzen treffen. Dieses Wissen ist ihnen – wenn es fehlt – durch den Notar zur Verfügung zu stellen.479 Diese Vor­ gehensweise schränkt die Privatautonomie nicht ein, sondern soll sie garantieren. Denn durch die Mitwirkung des Notars wird der mit dem Grundsatz der Privatau­ tonomie einhergehenden Gefahr der unrichtigen Rechtsgestaltung aus Rechtsunver­ stand begegnet.480 Der Notar, und dies verdeutliche den Zwang zur Objektivität und Neutralität, sei in diesem Sinne nicht Berater der Beteiligten, sondern Berater des 472 BeckOGK/Regler,

BeurkG, §  17 Rn.  101. BeurkG, §  17 Rn.  101. 474  Keim, MittBayNot 1994, 2, 4; vgl. Eue, in: FS Schippel, S.  599, 610. 475  Löwer, DNotZ 2011, 424, 430 m. w. N. 476  Löwer, DNotZ 2011, 424, 430. 477  Baumann, MittRhNotK 1996, 1, 18. 478 Von Flume, DNotZ-Sonderheft 1969, 30, 34. 479  Flume, DNotZ-Sonderheft 1969, 30, 35. 480  So formuliert Flume, DNotZ-Sonderheft 1969, 30, 35, der von einem besonders geglückten Kunstgriff gerade zur Aufrechterhaltung des Grundsatzes der Privatautonomie spricht. 473 BeckOGK/Regler,

350

D. Weitere moderierte Verträge

Geschäfts.481 Diese Überlegung findet sich dann wieder in dem oben schon ange­ sprochenen Ziel des Notars, eine perfekte Urkunde herzustellen. Insofern ist der Notar einem richtigen und in diesem Sinne gerechten Interessen­ ausgleich verpflichtet, der spätere Konflikte unwahrscheinlicher macht. Diese gerin­ gere Wahrscheinlichkeit hat ihre Ursache, wie oben schon angedeutet wurde, in der großen legitimatorischen Wirkung der notariellen Urkunde, die in formeller Hin­ sicht auch auf den beweisrechtlichen Vorschriften der ZPO basiert. Für diese Untersuchung ist die materielle Basis der Legitimation des notariell be­ urkundeten Vertrags von zentraler Bedeutung. Die Beteiligung des Notars, genauer: seine Beratung, verfolgt in erster Linie das Ziel, die Vertragsparteien in die Lage zu versetzen, ihren Willen und ihre Interessen zur Geltung zu bringen. Mit dieser un­ parteiischen Betreuung schafft der Notar damit die Voraussetzung für das Funktio­ nieren des Vertragsmechanismus, der gerade ein willentliches Handeln voraussetzt. Weil der Notar also das Funktionieren des Vertragsmechanismus garantiert, steigt auch – zurecht – die Legitimation des notariell beurkundeten Vertrags.482 Er spielt daher eine andere Rolle als ein sonstiger Rechtsberater, weil es ihm nicht gestattet ist, nur die Interessenwahrung des Auftraggebers im Auge zu haben.483 Er muss vielmehr versuchen, ein Gleichgewicht zwischen den Vertragsparteien zu errei­ chen, soweit dies von rechtlicher Information und der Kenntnis rechtlicher Gestal­ tungsmöglichkeiten abhängt, was aber nicht die wirtschaftliche Angemessenheit einschließt.484 ee) Soziale Bedeutung der Notarstätigkeit Dass sich schon die Kerntätigkeit des Notars nicht in einer bloßen formalistischen Tätigkeit erschöpft, zeigt sich an der in Rede stehenden Pflicht, darauf zu achten, dass Unerfahrene nicht benachteiligt werden. Denn die Rechtsordnung, deren Ein­ haltung der Notar durch seine Tätigkeit präventiv dienen soll, wird nicht nur durch das Rechtsstaatsprinzip, sondern auch durch die grundgesetzliche Vorgabe der Artt.  20 Abs.  1, 28 Abs.  1 GG geprägt, wonach es sich um einen sozialen Rechtsstaat handeln soll, der auch durch die vorsorgende Tätigkeit des Notars zu sichern ist. Das Sozialstaatsprinzip verpflichtet den Staat, eine sozial gerechte Ordnung zu schaffen, die jedem Mitglied der Gesellschaft die ihm nach Leistungen und Fähigkeiten zu­ kommende wirtschaftliche oder kulturelle Teilhabe garantiert. Damit obliegt dem Staat auch insoweit die Fürsorgepflicht, eine sozial gerechte Ordnung zu gewährleis­ ten, deren Verwirklichung auch die vorsorgende Rechtspflege dient.485 Für die Tätigkeit des Notars bedeutet dies, dass er gehalten ist, die Nachteile zu verhindern, die eine vorbehaltlos angewandte Privatautonomie mit sich bringt.486 Der Vertrag ist als Instrument freiheitlicher Selbstbestimmung des Bürgers einerseits 481 

Flume, DNotZ-Sonderheft 1969, 30, 35. Eue, in: FS Schippel, S.  599, 609. 483  Keim, MittBayNot 1994, 2, 4. 484  Kordel, BRJ 2009, 80, 81. 485  Baumann, MittRhNotK 1996, 1, 21. 486  Bremkamp, in: BeckNotar-HdB, §  32 Rn.  3. 482 Vgl.

II. Vermittlung und Moderation

351

Motor einer effektiven, freiheitlichen Wirtschaftsordnung. Er kann jedoch anderer­ seits – vor allem bei Ausübung wirtschaftlicher Macht – zum freiheitsbeschränken­ den Instrument werden. Letzteres zu verhindern, ist Aufgabe des Notars.487 Wäh­ rend im Arbeits- oder Mietrecht eine Beeinträchtigung der Vertragsgerechtigkeit durch die strukturelle Überlegenheit eines Vertragspartners droht, stammt die Be­ drohung des gerechten Ausgleichs im Rahmen der Bereiche, die Gegenstände nota­ rieller Beurkundung sind, aus dem Unterschieben unbilliger Nebenbestimmungen, insbesondere durch eine einseitige Verlagerung von Vertragsrisiken. Gerade hier spielt die Geschäftserfahrenheit eine große Rolle und es ist Aufgabe des Notars, durch Aufklärung der Beteiligten über alle Nebenfolgen und Risiken eine angemes­ sene Regelung herbeizuführen.488 Diese Komponente der Notarstätigkeit wurde im Laufe der Zeit immer stärker betont, womit ein erster Bedeutungswandel beschrie­ ben ist.489 Die Schaffung der besonderen Notarspflichten bei Verbraucherverträgen in §  17 Abs.  2a Sätze 2 und 3 BeurkG ist an dieser Stelle ebenfalls zu nennen.490 Die soziale, ausgleichende Tätigkeit des Notars findet ihre Grenzen in dessen Ver­ pflichtung zur Unparteilichkeit. Eine Formulierung, die auch schon bei der Tätigkeit des Richters getroffen wurde. Für die in Rede stehende Konstellation gilt, dass der Notar nicht aus Mitgefühl oder sozialem Engagement zum einseitigen Berater des sozial Schwächeren werden darf.491 ff) Unterschied zum Richter Der Notar ist – wie der Richter – unabhängig und unparteilich, gemäß §  14 Abs.  1 Satz 2 BNotO ist die Unparteilichkeit als Amtspflicht normiert.492 Unabhängig und neutral ist auch der Moderator im Sinne dieser Untersuchung. Der Unterschied zwi­ schen der hier skizzierten Kerntätigkeit des Notars und der des Richters besteht je­ doch in der grundsätzlichen Ausgangslage und Denkrichtung, die der Tätigkeit zu­ grunde liegt. Der Richter hat einen in der Vergangenheit liegenden Lebenssachver­ halt zu ermitteln. Der vertragsgestaltende Notar muss sowohl bereits Geschehenes als auch künftige Ereignisse, nämlich die Pläne und Ziele der Beteiligten, erfragen und berücksichtigen.493 Weil die vorsorgende Rechtspflege ausnahmslos der Streit­ vermeidung dient, kann die notarielle Tätigkeit zudem die Streitentscheidung nicht beinhalten.494

487 

Baumann, MittRhNotK 1996, 1, 21. Keim, Das notarielle Beurkundungsverfahren, 1989, S.  37; ders., MittBayNot 1994, 2, 4. 489  Baumann, MittRhNotK 1996, 1, 21 formuliert insofern: „Der Verständniswandel reicht vom Notar als Urkundsperson ohne Belehrungspflichten bis zum Betreuer mit Beurkundungsberechti­ gung“. 490  Zur Entstehungsgeschichte vgl. BeckOGK/Regler, BeurkG, §  17 Rn.  152 f. 491  Baumann, MittRhNotK 1996, 1, 23. 492  Baumann, MittRhNotK 1996, 1, 7. 493  Keim, MittBayNot 1994, 2, 3. 494 BeckOK-BNotO/Bracker, §  1 Rn.  6 . 488 

352

D. Weitere moderierte Verträge

gg) Unterschied zur Moderation Es ist die zukunftsbezogene Streitvermeidung, die den Unterschied zwischen der hier dargestellten Kerntätigkeit des Notars und der Tätigkeit des Moderators im Sin­ ne dieser Untersuchung ausmacht. Denn der Notar orientiert sich bei seiner Arbeit nicht an bereits eingetretenen Krisensituationen, sondern an „normalen“ Vorgängen. Der Konfliktfall ist (noch) nicht eingetreten.495 Der grundsätzliche Konsens existiert bereits, es geht um die rechtliche Umsetzung und die Aufgabe, zukünftige Konflikte zu vermeiden. Die Tätigkeit des Moderators ist jedoch vielmehr darauf gerichtet, ei­ nen zum Vertragsschluss notwendigen Konsens zwischen den Parteien zu vermit­ teln, der im Unterschied zur Situation, die der Notar vorfindet, nicht besteht. Dies wird nicht zuletzt dadurch deutlich, dass eben die Vermittlung zwischen den Partei­ en nicht zu einer (Kardinal-)Pflicht des Notars gezählt wird. hh) Der Notar und die vorsorgende Rechtspflege Die Tätigkeit des Notars basiert auf der Annahme, dass sich Streit in vertragsrecht­ lichen Verhältnissen immer dann vermeiden lässt, wenn die Beteiligten eines Ver­ trags von Anfang an ihre Beziehung auf eine gesunde Grundlage stellen. Deswegen biete die Einschaltung des Notars im Vorfeld eines Vertragsabschlusses die beste Gewähr dafür, dass die Vertragsdurchführung frei bleibt von Unklarheiten und da­ raus gegebenenfalls erwachsenden Konflikten.496 Die Streitvermeidung ist die ideale Form der Rechtsfriedensgewährung,497 – die wirksame und rechtmäßige notarielle Urkunde trägt damit einen erheblichen Teil zur Konfliktprophylaxe und damit auch zur Schaffung von Rechtsfrieden bei.498 b) Der moderierende Notar Wenn die Kerntätigkeit des Notars damit eher auf die Streitvermeidung als auf die Konfliktbeilegung gerichtet ist, bedeutet dies nicht, dass der Notar nicht auch als Moderator im Sinne dieser Untersuchung, d. h. etwa zur Vermittlung eines Konsen­ ses zwischen den späteren Parteien, tätig wird. Dem Notaramt wird ganz allgemein auch eine Streitbeilegungsfunktion zugeschrieben, etwa wenn der Notar als unpar­ teiischer Rechtssachverständiger um eine neutrale Auslegung von Vertragspassagen gebeten wird.499 Gerade aufgrund seiner Unparteilichkeit sei der Notar der geeigne­ te Rechtsberater, um eine Streitbeilegung im Vertragswege zu vermitteln.500 Vor diesem Hintergrund erscheint es naheliegend, dass infolge des Gesetzes zur Übertragung von Aufgaben im Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit auf Nota­

495 

Keim, MittBayNot 1994, 2, 3; im Vergleich zum Mediator siehe auch Kordel, BRJ 2009, 80, 81. Wilke, MittBayNot 1998, 1, 4. 497  Wilke, MittBayNot 1998, 1, 9. 498  Keim, MittBayNot 1994, 2, 4; Wilke, MittBayNot 1998, 1, 9. 499  Baumann, MittRhNotK 1996, 1, 22. 500  Baumann, MittRhNotK 1996, 1, 22. 496 

II. Vermittlung und Moderation

353

re501 nicht mehr das Nachlassgericht, sondern eben die Notare zuständig sind für die Vermittlung der Auseinandersetzung.502 Dies gilt erstens im Hinblick auf die Aus­ einandersetzung eines Nachlasses bei einer Erbengemeinschaft sowie zweitens des Gesamtguts, das auf Grund einer ehelichen,503 lebenspartnerschaftlichen 504 oder fortgesetzten Gütergemeinschaft505 besteht.506 Das hierzu in §§  363 ff. FamFG nie­ dergelegte Verfahren, dessen praktische Relevanz allerdings als gering eingestuft wird,507 beschreibt eine (weitere) Moderationstätigkeit des Notars. aa) Ausgangslage Wenn der Erblasser mehrere Erben hinterlässt, wird der Nachlass gemeinschaftli­ ches Vermögen der Erben; es entsteht kraft Gesetzes eine Erbengemeinschaft, vgl. §§  1922, 2032 BGB,508 die nicht glücklich geregelt ist.509 Die Erbengemeinschaft kann unbegrenzt bestehen; allerdings kann jeder grundsätzlich 510 jederzeit die Auseinan­ dersetzung verlangen (§  2042 Abs.  1 BGB).511 Unter der Auseinandersetzung versteht man die Aufhebung der Erbengemeinschaft in der gesetzlich vorgeschriebenen oder zugelassenen Weise.512 Die Art der Auseinandersetzung ist in §§  2046 ff. BGB geregelt. Dabei gibt es unter anderem die folgenden Möglichkeiten: gütliche Einigung zwischen den Erben, An­ trag auf Teilungsversteigerung eines Grundstücks gemäß §  180 GVG, Erhebung ei­ ner Erbteilungsklage, gerichtliche Zuweisung eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebs, Auseinandersetzung durch Testamentsvollstrecker sowie die hier in Rede stehende Vermittlung der Auseinandersetzung durch einen Notar.513 Die Auseinandersetzung von Erbengemeinschaften ist häufig eine delikate Ange­ legenheit. Unterschiedlichste Positionen und Interessen treffen aufeinander und er­ 501  Gesetz zur Übertragung von Aufgaben im Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit auf No­ tare (NotAufgÜbG) v. 26.06.2013, BGBl. I 2013, S.  1800. 502  Abweichend begründet §  1 Abs.  2 LwVG für das Zuweisungsverfahren nach §§  13 ff. Grdst­ VG eine sachliche Zuständigkeit des Landwirtschaftsgerichts beim Amtsgericht, vgl. BeckOK-Fam­ FG/Schlögel, §  363 Rn.  6; hierzu siehe auch Zimmermann, in: Keidel, FamFG, §  363 Rn.  75. 503  Nach §§  1415 ff. BGB. 504  Nach §  7 LPartG. 505  Nach §§  1483 ff. BGB. 506  Zur Übertragung der Aufgaben des Nachlassgerichts auf den Notar durch das Gesetz zur Übertragung von Aufgaben im Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit auf Notare vgl. Preuß, DNotZ 2013, 740, 744. 507 BeckOK-FamFG/Schlögel, §  363 Rn.  3; MünchKommFamFG/Grziwotz, §  363 Rn.  4; Ihrig, MittBayNot 2012, 366 spricht von einem unverdienten Schattendasein, Muscheler, Erbrecht, Rn.  3931, kritisiert das Vermittlungsverfahren dagegen als ineffektiv, zu Reformüberlegungen vgl. die Darstellung bei MünchKommFamFG/Grziwotz, §  363 Rn.  4. 508  Zimmermann, NotBZ 2013, 335, 336; BeckOK-FamFG/Schlögel, §  363 Rn.  1; MünchKomm­ FamFG/Grziwotz, §  363 Rn.  1. 509  Zimmermann, NotBZ 2013, 335, 336; BeckOK-FamFG/Schlögel, §  363 Rn.  1; MünchKomm­ FamFG/Grziwotz, §  363 Rn.  1. 510  Vorbehaltlich der Ausnahmefälle in §  2042 mit §  749, §§  2043–2045 BGB. 511  Zimmermann, NotBZ 2013, 335, 336. 512  Muscheler, Erbrecht, Rn.  3926. 513  Zimmermann, NotBZ 2013, 335, 336; vgl. auch BeckOK-FamFG/Schlögel, §  363 Rn.  2 ; zur materiellrechtlichen Ausgangslage vgl. auch Zimmermann, in: Keidel, FamFG, §  363 Rn.  2 ff.

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D. Weitere moderierte Verträge

halten durch familiäre Verbundenheit zusätzlich eine emotionale Färbung.514 Ähnli­ che Schwierigkeiten bereitet die Auseinandersetzung eines Gesamtguts, das auf Grund einer ehelichen, lebenspartnerschaftlichen oder einer fortgesetzten Güterge­ meinschaft besteht.515 Das in den §§  363 ff. FamFG geregelte Verfahren soll einen Mittelweg zwischen der privaten Einigung und der Anrufung des Gerichts anbieten.516 Den Beteiligten soll durch einen sachverständigen und neutralen Dritten dabei geholfen werden, zu einer Auseinandersetzung zu kommen.517 bb) Einsetzung des Notars Das Vermittlungsverfahren vor dem Notar wird auf Antrag eröffnet.518 Antragsbe­ rechtigt sind nach §  363 Abs.  2 FamFG jeder Miterbe, der Erwerber eines Erbteils sowie derjenige, welchem ein Pfandrecht oder ein Nießbrauch an einem Erbteil zu­ steht sowie die Ehegatten bzw. Lebenspartner bzw. deren Erben.519 Der Antrag soll nach §  363 Abs.  3 FamFG die Beteiligten und die Teilungsmasse bezeichnen.520 Weil ursprünglich das Nachlassgericht für die Vermittlung zuständig war, gelten für den Antrag als Verfahrenshandlung die allgemeinen Voraussetzungen nach §§  1 ff. Fam­ FG, die über §  492 Abs.  1 FamFG auch bei der notariellen Vermittlung weiterhin Anwendung finden.521 cc) Die Moderation des Notars In Bezug auf die genaue Moderationstätigkeit des Notars nach §§  363 ff. FamFG sind drei Vorschriften näher zu betrachten. Die Normierung der Vermittlungsaufgabe in §  363 Abs.  1 FamFG einerseits sowie das gesetzlich vorgesehene zweistufige Vermitt­ lungsverfahren, dessen erste Stufe in §  366 FamFG und dessen zweite Stufe in §  368 FamFG ihren gesetzlichen Niederschlag gefunden hat.522 (1) §  363 FamFG: Vermittlung Nach §  363 FamFG „hat der Notar (…) die Auseinandersetzung zwischen den Betei­ ligten zu vermitteln (…).“

514 

Ihrig, MittBayNot 2012, 353.

515 MünchKommFamFG/Grziwotz,

§  373 Rn.  1. Eberl-Borges, ErbR 2017, 590 spielt das Verfahren in der Praxis kaum eine Rolle. 517 BeckOK-FamFG/Schlögel, §  363 Rn.  3; Ihrig, MittBayNot 2012, 353. 518  Ihrig, MittBayNot 2012, 358. 519  Zur genauen Antragsberechtigung siehe BeckOK-FamFG/Schlögel, §  373 Rn.  11 ff.; Zimmermann, in: Keidel, FamFG, §  373 Rn.  12. 520  Zum Inhalt des Antrags siehe Zimmermann, NotBZ 2013, 335, 337; vgl. auch Ihrig, MittBay­ Not 2012, 358. 521 BeckOK-FamFG/Schlögel, §  363 Rn.  9; zu den weiteren Antragsvoraussetzungen vgl. Harders, in: Bumiller/Harders/Schwamb, FamFG, §  363 Rn.  1 ff. 522 Zum Ablauf des Verfahrens siehe auch Eberl-Borges, ErbR 2017, 590, 593; Kutschmann, RNotZ 2019, 301 ff. 516 Nach

II. Vermittlung und Moderation

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Aus dieser gesetzlichen Aufgabenzuteilung, die eben in der Vermittlung liegen soll, wird zunächst – in negativer Hinsicht – gefolgert, dass der Notar zur verbindli­ chen Entscheidung über die Auseinandersetzung weder berufen noch befugt ist,523 sondern nur eine vermittelnde und beurkundende Funktion habe.524 Insofern ihm die Vermittlung einer gütlichen Einigung nicht gelingt, ist das Verfahren vor dem Notar auszusetzen und der Streit im Prozessweg auszutragen.525 In positiver Hin­ sicht wird das, was unter der Vermittlungstätigkeit nach §  363 FamFG zu verstehen ist, beschrieben als „vermittelnde sachverständige Anleitung zwecks Herbeiführung einer einvernehmlichen Erbauseinandersetzung“526 , die ein aktives Handeln erforde­ re, bei dem sich der Notar aller Möglichkeiten der Verhandlungstechnik und Media­ tion bedienen könne,527 indem er sich z. B. an den Prinzipien des Harvard-Konzepts orientiere.528 Der Notar sei zu keinem bestimmten Vorgehen verpflichtet,529 er solle sich lediglich bemühen, eine Einigung der Beteiligten herbeizuführen.530 Das durch die Regelung geschaffene Vermittlungsverfahren stelle eine Art Vertragshilfe seitens des Notars dar.531 Damit ist im Hinblick auf die nähere Vermittlungstätigkeit zunächst kein Er­ kenntnisgewinn zu erzielen, vielmehr werden auch dem Notar – wie den Moderato­ ren insgesamt – gesetzlich keine Vorgaben zum genauen Inhalt der Vermittlungstä­ tigkeit gemacht. Den Regelungen zum notariellen Vermittlungsverfahren ist jedoch zu entnehmen, dass sich das Verfahren grundsätzlich in zwei Verfahrensabschnitte gliedern soll. Der erste Verfahrensabschnitt findet seine Regelung in §  366 FamFG. Die dort gere­ gelten rein vorbereitenden Maßnahmen bzw. Vereinbarungen sollen die Basis schaf­ fen für die eigentliche Auseinandersetzung.532 Diese soll dann im Rahmen des zwei­ ten Verfahrensabschnitts auf Grundlage eines Auseinandersetzungsplans stattfin­ den, der in §  368 FamFG geregelt ist. Tatsächlich muss diese Zweigliedrigkeit des Verfahrens nicht immer durchgehalten werden. Insbesondere können die Übergänge zwischen den einzelnen Verfahrensschritten fließend sein, wenn etwa im ersten Ter­

523  Ihrig, MittBayNot 2012, 353, 354; Fröhler, in: Prütting/Helms, FamFG, §   363 Rn.   35; BeckOK-FamFG/Schlögel, §  363 Rn.  3; Harders, in: Bumiller/Harders/Schwamb, FamFG, §  363 Rn.  6; Zimmermann, in: Keidel, FamFG, §  363 Rn.  17. 524 BeckOK-FamFG/Schlögel, §  363 Rn.  4; Zimmermann, in: Keidel, FamFG, §  363 Rn.  17. 525 BeckOK-FamFG/Schlögel, §  363 Rn.  4; Zimmermann, in: Keidel, FamFG, §  363 Rn.  17. 526 So Fröhler, in: Prütting/Helms, FamFG, §  363 Rn.  35; sehr ähnlich auch MünchKommFam­ FG/Grziwotz, §  363 Rn.  2, der von einer sachverständigen Anleitung zur Herbeiführung einer ein­ vernehmlichen Lösung spricht. 527  Ihrig, MittBayNot 2012, 353, 354; von Mediation spricht in diesem Zusammenhang auch Kroiß, in: Burandt/Rojahn, ErbR, FamFG, §  363 Rn.  1. 528  Eberl-Borges, ErbR 2017, 590, 595. 529  Ihrig, MittBayNot 2012, 353, 360. 530  Zimmermann, in: Keidel, FamFG, §  363 Rn.  17. 531  Zimmermann, in: Keidel, FamFG, §  363 Rn.  1. 532 BeckOK-FamFG/Schlögel, §  366 Rn.  1; Harders, in: Bumiller/Harders/Schwamb, FamFG, §  366 Rn.  1; MünchKommFamFG/Grziwotz, §  366 Rn.  1.

356

D. Weitere moderierte Verträge

min nicht nur eine Einigung über vorbereitende Maßnahmen, sondern schon ein Konsens über die endgültige Auseinandersetzung erzielt wird.533 (2) §  366 FamFG: vorbereitende Vereinbarungen Die Vorschrift des §  366 FamFG regelt ihrer Überschrift zufolge „außergerichtliche Vereinbarungen“. Damit hat das Gesetz eine missverständliche Überschrift ge­ wählt.534 Zum einen, weil seit der Verlagerung der Zuständigkeit für die Vermittlung der Auseinandersetzung auf die Notare535 jede dort getroffene Vereinbarung „außer­ gerichtlich“ ist. Zum anderen, weil seit jeher nicht solche Vereinbarungen gemeint sind, die außerhalb des Vermittlungsverfahrens zustande gekommen sind, sondern solche, die vor der eigentlichen Auseinandersetzung liegen, unabhängig davon, ob sie innerhalb oder außerhalb des Vermittlungsverfahrens getroffen wurden.536 Deswe­ gen trifft der Begriff der vorbereitenden Vereinbarungen sehr viel besser zu. Hierzu zählen bei der Erbengemeinschaft insbesondere die vollständige Erfassung der Akti­ va und Passiva des Nachlasses, Vereinbarungen über die Schätzung und die Art der Teilung einzelner Nachlassgegenstände, Vereinbarungen über die Art des Verkaufs, die Bezeichnung der Nachlassgegenstände, aus denen Nachlassverbindlichkeiten zu berichtigen oder die zu diesem Zweck zurückbehalten sind, die Feststellung von Ge­ genstand und Wert der unter Abkömmlingen zur Ausgleichung zu bringenden Zu­ wendungen, die Übernahme von Nachlassverbindlichkeiten durch einzelne Erben sowie Feststellung gegenseitiger Ansprüche der Nachlassmasse und der einzelnen Miterben.537 Nicht zu den vorbereitenden Vereinbarungen zählen solche, die sich schon dazu verhalten, was jeder Miterbe538 erhalten soll, denn diese betreffen schon die Teilung selbst und können deswegen nicht mehr vorbereitend sein.539 Die vorbe­ reitenden Vereinbarungen treffen die Beteiligten auf Basis ihrer eigenen Vorstellun­ gen, der Notar kann diesbezüglich Anregungen oder Vorschläge abgeben.540 (3) §  368 FamFG: Auseinandersetzungsplan Nach §  368 Abs.  1 Satz 1 FamFG hat der Notar, sobald nach Lage der Sache die Aus­ einandersetzung stattfinden kann, einen Auseinandersetzungsplan anzufertigen. Die dem Notar gesetzlich zugewiesene Aufgabe liegt damit in der Vermittlung im 533 BeckOK-FamFG/Schlögel, §  366 Rn.  1; Harders, in: Bumiller/Harders/Schwamb, FamFG, §  366 Rn.  1; MünchKommFamFG/Grziwotz, §  366 Rn.  1. 534  Ihrig, MittBayNot 2012, 353, 361. 535  Durch das Gesetz zur Übertragung von Aufgaben im Bereich der freiwilligen Gerichtsbar­ keit auf Notare (NotAufgÜbG) v. 26.06.2013, BGBl. I 2013, S.  1800. 536  Ihrig, MittBayNot 2012, 353, 361. 537 BeckOK-FamFG/Schlögel, §  366 Rn.  2 ; vgl. auch Bumiller/Harders, in: Bumiller/Harders/ Schwamb, FamFG, §  366 Rn.  3; sowie Zimmermann, in: Keidel, FamFG, §  366 Rn.  5 ff.; siehe auch die Auflistung bei Zimmermann, NotBZ 2013, 335, 339; im Falle der Auseinandersetzung einer Gütergemeinschaft beziehen sich die vorbereitenden Vereinbarungen dann nicht auf den Nachlass, sondern auf das Gesamtgut. 538  Bzw. Mitglied der Gütergemeinschaft. 539 BeckOK-FamFG/Schlögel, §  366 Rn.  3. 540  Zimmermann, in: Keidel, FamFG, §  368 Rn.  12.

II. Vermittlung und Moderation

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Sinne der Moderation sowie der Anfertigung eines Auseinandersetzungsplans.541 Die Regelung knüpft an die vorbereitenden Vereinbarungen im Sinne des §  366 Fam­ FG an,542 der Auseinandersetzungsplan steht damit nicht am Anfang des Verfahrens, sondern ist das Ergebnis der Verhandlungen.543 Zwar ist der Auseinandersetzungs­ plan schon dem Gesetzeswortlaut nach grundsätzlich vom Notar anzufertigen,544 er kann sich jedoch auch einen Plan, den die Beteiligten vorgelegt haben, zu Eigen ma­ chen.545 Seiner Rechtsnatur nach – und dies leitet über zum Verfahrenscharakteristi­ kum der Freiwilligkeit – ist der Auseinandersetzungsplan des Notars kein Beschluss, sondern ein (Vergleichs-)Vorschlag, den die Beteiligten annehmen oder ablehnen können.546 dd) Charakteristika des Verfahrens Damit ist im Hinblick auf das Charakteristikum der Freiwilligkeit schon festgehal­ ten, dass es die Autonomie der Parteien ist, die die dogmatische Grundlage für die Einigung über die Auseinandersetzung im Wege des seitens des Notars erstellten Auseinandersetzungsplans darstellt. Liegt das Vermittlungsverfahren insoweit ganz auf der Linie der bisher untersuch­ ten Moderationsverfahren, enthält dies im Hinblick auf die Herstellung des Konsen­ ses eine bisher nicht gekannte Neuerung, die die Einigung vereinfachen soll und daher lohnt, näher betrachtet zu werden. (1) Freiwilligkeit Der Notar ist bloßer Vermittler und kann selbst keine Einigung herbeiführen, son­ dern muss bei Streitpunkten das Verfahren gemäß §  370 FamFG aussetzen.547 Um eine gütliche Einigung zu ermöglichen und dem Notar die Möglichkeit zu geben, die Beteiligten mittelbar zum Erscheinen im Verhandlungstermin zu zwingen, sieht das FamFG für die Vermittlung durch den Notar ein besonderes Säumnisverfahren vor, das die Autonomie der Beteiligten zugunsten einer Förderung der gütlichen Eini­ gung beschränkt, aber nicht aufhebt. (2) Das Säumnisverfahren Das hier zu besprechende Säumnisverfahren ist schon deswegen nicht mit dem in §§  330 ff. ZPO verankerten Verfahren identisch, weil an dessen Ende kein kontradik­ torisches (Versäumnis-)Urteil steht; ebenso wenig wird der Betroffene mit einer Pro­ 541 Vgl. Ihrig, MittBayNot 2012, 353, 354, der nicht von Moderation, sondern von Mediation spricht. 542 BeckOK-FamFG/Schlögel, §  368 Rn.  1. 543  Ihrig, MittBayNot 2012, 353, 354. 544  Kroiß, in: Burandt/Rojahn, ErbR, FamFG, §  368 Rn.  1; Zimmermann, in: Keidel, FamFG, §  368 Rn.  5. 545  Kroiß, in: Burandt/Rojahn, ErbR, FamFG, §  368 Rn.  1. 546 BeckOK-FamFG/Schlögel, §  368 Rn.  1; Zimmermann, in: Keidel, FamFG, §  368 Rn.  7. 547 BeckOK-FamFG/Schlögel, §  370 Rn.  1.

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D. Weitere moderierte Verträge

zesshandlung ausgeschlossen, wie es §  230 ZPO als allgemeine Versäumnisfolge vor­ sieht. In rechtsdogmatischer Hinsicht folgt aus dem im FamFG verankerten Verfah­ ren vielmehr die vermutete Zustimmung zu einem Vertragsentwurf, sodass – mit Blick auf den bloßen Vermittlungscharakter der §§  363 ff. FamFG – vertragsdogma­ tisch von einem weiteren 548 Fall auszugehen ist, in dem das bloße Schweigen einen Erklärungswert bekommt. Vor diesem Hintergrund ist es zutreffend, das hier in Rede stehende Verfahren nur als „eine Art Säumnisverfahren“ zu bezeichnen;549 weil es durch den Verweis in §  368 Abs.  3, 4 FamFG sowohl im Hinblick auf die vorbereitende Vereinbarung als auch auf den Auseinandersetzungsplan angewandt wird, ist es zudem gerechtfertigt, von einem „doppelten Säumnisverfahren“ zu sprechen.550 Ermöglicht wird das Verfahren, weil der Notar nicht nur Vermittler ist, sondern die Rolle des Gerichts übernommen hat und aufgrund einer Art Beleihung teilweise hoheitlich handelt.551 Damit verbunden ist unter anderem der Umstand, dass der No­ tar einen Termin zur Verhandlung mit den Parteien nicht bloß abstimmt, sondern gemäß §  365 Abs.  1 Satz 1 FamFG den Antragsteller und die übrigen Beteiligten zu einem Verhandlungstermin lädt. Diese ordnungsgemäße Ladung und die in ihr ge­ mäß §  365 Abs.  2 FamFG enthaltenen Hinweise in Bezug auf das Ausbleiben eines Beteiligten im Verhandlungstermin dienen vor allem der Möglichkeit, das Säumnis­ verfahren durchführen zu können.552 Sowohl für die Verhandlung über vorbereiten­ de Vereinbarungen553 als auch über den Auseinandersetzungsplan554 gilt: Bleiben nur einzelne (von mehreren) Beteiligten im Termin aus, findet die Verhandlung trotzdem statt. Einigen sich die anwesenden Beteiligten, dann wird deren Vereinbarung vom Notar beurkundet. Der Widerspruch nur eines Erschienenen verhindert das Zustan­ dekommen einer Einigung,555 eine Mehrheitsentscheidung ist nicht möglich.556 Ist nur ein Beteiligter im Verhandlungstermin erschienen, so kann er alleine nichts vereinbaren, jedoch Vorschläge unterbreiten, die dann vom Notar beurkundet wer­ den.557 Stimmen die übrigen Beteiligten nicht von sich aus dem Inhalt der Urkunde zu, dann wird die Urkunde, welche die Vereinbarung bzw. Vorschläge in Bezug auf vorbereitende Vereinbarungen 558 oder den Auseinandersetzungsplan 559 enthält, den der Verhandlung ferngebliebenen Beteiligten bekannt gegeben. Gleichzeitig muss der Notar die Ferngebliebenen gemäß §  366 Abs.  3 Satz 2 FamFG auf ihre weiteren Handlungsoptionen hinweisen. 548 

Zu den übrigen Fällen vgl. Brox/Walker, BGB AT, §  4 Rn.  23. Wie dies etwa Zimmermann, NotBZ 2013, 335 macht. 550  Vgl. BeckOK-FamFG/Schlögel, §  368 Rn.  7. 551  Zimmermann, NotBZ 2013, 335, 336. 552 BeckOK-FamFG/Schlögel, §  365 Rn.  6; MünchKommFamFG/Grziwotz, §  365 Rn.  9. 553  Dazu vgl. nur die Darstellung bei Zimmermann, NotBZ 2013, 335, 340. 554  Dazu vgl. nur die Darstellung bei Ihrig, MittBayNot 2012, 353, 362. 555  Zimmermann, NotBZ 2013, 335, 340; Ihrig, MittBayNot 2012, 353, 362. 556  Zimmermann, NotBZ 2013, 335, 341. 557  Zimmermann, NotBZ 2013, 335, 340. 558  Die entsprechende Regelung findet sich in §  366 Abs.  3 FamFG. 559  Die Regelung des §  368 FamFG über den Auseinandersetzungsplan enthält in Abs.  2 Satz 1 einen Verweis auf §  366 Abs.  3 FamFG. 549 

II. Vermittlung und Moderation

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Schweigen diese innerhalb einer vom Notar gesetzten Frist, dann wird ihr Einver­ ständnis mit der vorbereitenden Vereinbarung angenommen. Dies kann der Beteilig­ te nur verhindern, wenn er binnen der Frist die Anberaumung eines neuen Termins beantragt, zu dem er dann allerdings auch unbedingt erscheinen muss, weil die Zu­ stimmungsfiktion auch beim erneuten unentschuldigten560 Fehlen greift.561 Gilt sei­ ne Zustimmung einmal als erteilt, kann der Säumige diese nur noch mit der Geltend­ machung von Verfahrensfehlern angreifen.562 Damit existiert nach der ersten ver­ säumten Verhandlung nur die einmalige Möglichkeit, diese zu wiederholen. Insoweit zeigt sich an dieser Stelle eine Parallele zum Verfahren beim Erlass eines (zweiten) Versäumnisurteils nach §  345 ZPO. Auf der einen Seite führt das hier skizzierte Säumnisverfahren dazu, dass, bei ei­ nem Schweigen der übrigen Beteiligten, die Vorschläge nur eines einzelnen durch die Säumnisfolgen zu rechtskräftigen Vereinbarungen erhoben werden können.563 Das kann das Zustandekommen von Einigungen erleichtern, nimmt diesen jedoch nicht die dogmatische Grundlage der Parteiautonomie. Denn die Beteiligten werden durch das Säumnisverfahren nur mittelbar gezwungen, Stellung zu beziehen und an mindestens einer Verhandlung teilzunehmen.564 Insofern wird ihre Freiwilligkeit in Bezug auf die Teilnahme am Vermittlungsverfahren beschnitten. Um das Zustande­ kommen einer Vereinbarung zu verhindern, reicht es allerdings aus, dieser in der Verhandlung – auch ohne die Angabe von Gründen – zu widersprechen.565 Ein dort erklärter Widerspruch kann nicht mithilfe des Säumnisverfahrens überwunden wer­ den, sondern nur durch einen Zivilprozess.566 Liegt also im Hinblick auf die Teilnahme an der Vermittlungsverhandlung inso­ fern keine Freiwilligkeit vor, besteht diese in Bezug auf den Fortgang des Vermitt­ lungsverfahrens, weil dieses durch einen Widerspruch sofort beendet werden kann ebenso wie im Hinblick auf die vorbereitende Vereinbarung und den Auseinander­ setzungsplan, weil diese – dies wurde schon an vorhergehender Stelle dieser Unter­ suchung deutlich – nicht durch die gesetzliche Verankerung eines weiteren Falls von Schweigen als Zustimmung verhindert wird. Darüber hinaus ist festzuhalten, dass hier – wie schon beim Prozessrichter – eine andere als die im BGB vorgesehene Art und Weise besteht, einen Vertrag zu schlie­ ßen. Dies hängt maßgeblich damit zusammen, dass ein Dritter am Vertragsschluss beteiligt ist.

560  Ist ein Beteiligter ohne sein Verschulden verhindert, die Anberaumung eines neuen Termins rechtzeitig zu beantragen oder in dem neuen Termin zu erscheinen, gelten gemäß §  367 FamFG die Vorschriften über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§§  17, 18 und 19 Abs.  1 FamFG) ent­ sprechend. 561  Ihrig, MittBayNot 2012, 353, 362; BeckOK-FamFG/Schlögel, §  366 Rn.  19; MünchKomm­ FamFG/Grziwotz, §  366 Rn.  25. 562  Kutschmann, RNotZ 2019, 301, 313. 563  Zimmermann, NotBZ 2013, 335, 340. 564 BeckOK-FamFG/Schlögel, §  366 Rn.  16. 565 MünchKommFamFG/Grziwotz, §  366 Rn.  8 . 566  Zimmermann, NotBZ 2013, 335, 340.

360

D. Weitere moderierte Verträge

(3) Weitere Dimensionen der Freiwilligkeit der Parteien Ist das Vermittlungsverfahren einmal gestartet, dann wird die Freiwilligkeit der Teilnahme daran infolge des skizzierten Säumnisverfahrens beschränkt; dies gilt für den Antragsteller und die übrigen Beteiligten gleichermaßen.567 Derjenige, der keine Vermittlung möchte, muss also dafür Sorge tragen, dass er bei einem angesetzten Termin nicht säumig ist.568 Diese Beschränkung greift allerdings erst, wenn die Durchführung des Vermitt­ lungsverfahrens überhaupt beantragt wurde, was wiederum – wie bei den übrigen Konstellationen der Moderation – nicht zwingend notwendig ist. Weder für die Aus­ einandersetzung der Erben- noch der Gütergemeinschaft existiert die rechtliche Notwendigkeit, den Notar zu beteiligen. Vielmehr können sich die Betroffenen auch ohne die Mitwirkung des Notars wirksam einigen und auch jederzeit während des Verfahrens auf dessen weitere Mitwirkung verzichten.569 Aus der Perspektive des Notars ist zu ergänzen, dass die Vermittlung von Nach­ lass- und Gesamtgutsauseinandersetzungen gemäß §  20 Abs.  1 Satz 2 BNotO zur Amtstätigkeit der Notare gehört. Die Vorschrift wurde im Zuge der Übertragung der Vermittlungsaufgabe vom Gericht auf die Notare ebenfalls angepasst.570 Der zu­ ständige571 Notar kann sich also nicht freiwillig aussuchen, ob er die Vermittlung übernimmt, solange er zuständig und der Antrag zulässig ist. Die reine Vermitt­ lungsleistung ist jedoch – wie bei den übrigen Moderatoren zuvor – nicht auf einen Erfolg gerichtet, sondern der Notar soll sich lediglich bemühen und versuchen, eine Einigung herbeizuführen.572 Kommt eine Einigung zustande, ist der Notar ver­ pflichtet, diese zu bestätigen und zu beurkunden.573 (4) Unabhängigkeit und Neutralität In §  1 BNotO ist verankert, dass der Notar als unabhängiger Träger eines öffentli­ chen Amtes fungiert. Diese Unabhängigkeit gilt sowohl gegenüber dem Staat als auch gegenüber den am notariellen Rechtsgeschäft beteiligten Personen.574 Die Un­ abhängigkeit gegenüber den Parteien 575 wird konkretisiert durch die Aussage des §  14 Abs.  1 Satz 2 BNotO, demzufolge der Notar nicht der Vertreter einer Partei ist, sondern unabhängiger und unparteiischer Betreuer der Beteiligten. Infolgedessen ist er an einer Beurkundung (nach §  3 BeurkG) oder sonstigen Amtstätigkeit (dann gilt 567 

Dies ergibt sich aus §  365 Abs.  1 FamFG. Vgl. MünchKommFamFG/Grziwotz, §  366 Rn.  4. 569  Zimmermann, NotBZ 2013, 335, 340; Kutschmann, RNotZ 2019, 301, 302. 570  Durch Art.  3 des Gesetzes zur Übertragung von Aufgaben im Bereich der freiwilligen Ge­ richtsbarkeit auf Notare, hierzu siehe auch Preuß, DNotZ 2013, 740, 744 f. 571  Die örtliche Zuständigkeit richtet sich nach §  344 Abs.  4a FamFG für die Vermittlung der Auseinandersetzung des Nachlasses, für die Auseinandersetzung des Gesamtgutes einer Güterge­ meinschaft nach §  344 Abs.  5 FamFG. 572  Zimmermann, in: Keidel, FamFG, §  363 Rn.  17. 573 BeckOK-FamFG/Schlögel, §  370 Rn.  7; Zimmermann, in: Keidel, FamFG, §  363 Rn.  17. 574 BeckOK-BNotO/Bracker §  1 Rn.  33 ff. 575 Zur hier nicht zentralen Unabhängigkeit gegenüber den staatlichen Institutionen vgl. BeckOK-BNotO/Bracker, §  1 Rn.  34 f. 568 

II. Vermittlung und Moderation

361

§  3 BeurkG gemäß §  16 Abs.  1 BeurkG entsprechend) gehindert, wenn ein im Gesetz näher beschriebenes Näheverhältnis zu einer Partei besteht. Er kann von sich selbst 576 bzw. durch die Parteien wegen Befangenheit abgelehnt werden. Über die eine Befan­ genheit begründenden Umstände hat der Notar die Parteien zu belehren, vgl. §  3 Abs.  2 und 3 BeurkG. Für die hier besonders interessierende Tätigkeit als Vermittler gilt jedoch eine Be­ sonderheit, die sich mit der historischen Entwicklung des Vermittlungsverfahrens erklären lässt. Denn mit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Übertragung von Auf­ gaben im Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit auf Notare577 zum 01.09.2013 wur­ de die Zuständigkeit für dieses Verfahren auf die Notare übertragen, ohne sonstige verfahrensrechtliche Änderungen vorzunehmen.578 Das kommt auch durch die im Zuge dessen neu geschaffene Regelung579 des §  492 FamFG zum Ausdruck, dessen Abs.  1 Satz 1 die Geltung der Vorschriften des FamFG anordnet, die bis dato für das vermittelnde Amtsgericht galten. Damit gelten die Vorschriften der §§  1–110 FamFG im Falle der Vermittlungstätigkeit auch für die Notare.580 Schon für das zuvor zuständige Nachlassgericht galt allerdings, dass dies als neu­ traler Dritter zur Vermittlung tätig wird,581 weshalb der Notar im Rahmen seiner Vermittlungstätigkeit nicht nach §  16 Abs.  2 BNotO, sondern nach §  6 FamFG abge­ lehnt werden kann. Diese Vorschrift, die auf die entsprechenden Vorschriften der ZPO verweist, galt zuvor für das vermittelnde Nachlassgericht und gilt nunmehr wegen §  492 Abs.  1 Satz 1 FamFG für den Notar, der als Vermittler im Rahmen des Verfahrens nach §  363 FamFG tätig wird.582 Dies unterstreicht die Bedeutung der Neutralitätspflicht für die Vermittlung. ee) Der moderierte Vertrag des Notars Nachdem die Charakteristika des Moderationsverfahrens vorliegen,583 steht es nun­ mehr an, das Ergebnis der Vermittlungsbemühungen des Notars, den moderierten Vertrag, hervorzuheben und die weiteren Funktionen des moderierenden Notars diesbezüglich weiter zu beschreiben. (1) Vorbereitende Vereinbarung und Auseinandersetzungsplan Im Verfahren nach den §§  363 ff. FamFG liegt nicht ein, sondern liegen zwei mode­ rierte Verträge vor, die infolge der Vermittlung durch den Notar zustande kommen können: eine sogenannte vorbereitende Vereinbarung einerseits und der Auseinan­ dersetzungsplan andererseits. Im Hinblick auf die Mitwirkung des Notars bei diesen 576 

Vgl. §  16 Abs.  2 BNotO. Zum 01.09.2013, BGBl. I 2013, S.  1800. 578 BeckOK-FamFG/Schlögel, §  363 Vor Rn.  1. 579 BeckOK-FamFG/Schlögel, §  492 Rn.  3. 580  Zimmermann, NotBZ 2013, 335, 336. 581 BeckOK-FamFG/Schlögel, §  363 Vor Rn.  1; Ihrig, MittBayNot 2012, 353. 582  Zimmermann, NotBZ 2013, 335, 337. 583 Die Vertraulichkeit der Verhandlungen wurde als nicht zentrales Charakteristikum defi­ niert, weshalb sie hier ausgeblendet wurde. 577 

362

D. Weitere moderierte Verträge

beiden vorbereitenden Verträgen geht das Gesetz von einer unterschiedlichen Inten­ sität der Mitwirkung des Notars aus, die infolgedessen differenziert ausfallen kann, aber nicht muss. (a) Vorbereitende Vereinbarung In Bezug auf die vorbereitende Vereinbarung formuliert §  366 Abs.  1 Satz 1 FamFG: „Treffen die erschienenen Beteiligten vor der Auseinandersetzung eine Vereinbarung, insbe­ sondere über die Art der Teilung, hat der Notar die Vereinbarung zu beurkunden.“

Die Vereinbarungen sollen also nach eigenem Gutdünken der Beteiligten geschlos­ sen werden. Schon an dieser Stelle ist es aber als Teil der notariellen Vermittlung auch möglich, dass der Notar diesbezüglich Anregungen oder Vorschläge abgibt.584 Die vorbereitenden Vereinbarungen dienen schon ihrem Inhalt nach nicht als end­ gültige Erreichung des von den Beteiligten angestrebten Ziels. Die Qualität als (mo­ derierter) Vertrag folgt aber daraus, dass sich die Beteiligten – erstens – auf eine sol­ che Vereinbarung einigen müssen;585 sie muss also von deren Willen, der auch über das Säumnisverfahren fingiert werden kann, getragen sein. An der fehlenden Zu­ stimmung nur eines Beteiligten scheitert die Vereinbarung, die – zweitens – im Falle ihres Abschlusses die Verbindlichkeit einer vertraglichen Vereinbarung erlangt. Die­ se Verbindlichkeit der vorbereitenden Vereinbarung folgt allerdings nicht allein aus der Einigung der Parteien, sondern benötigt für die Rechtskraft den Bestätigungsbe­ schluss des Notars, den dieser in Bezug auf die vorbereitende Vereinbarung fasst. Erst wenn dieser rechtskräftig ist, erlangt, dies ordnet §  371 Abs.  1 FamFG an, die vorbereitende Vereinbarung die Verbindlichkeit einer vertraglichen Vereinbarung. Diese gesetzliche Konstruktion hindert nicht daran, bereits in Bezug auf die vorbe­ reitende Vereinbarung von einem moderierten Vertrag auszugehen, was einerseits durch die Tatsache belegt wird, dass in einfach gelagerten Fällen auf einen solchen Beschluss verzichtet werden kann. Vor allem das Telos des Beschlusses an sich spricht andererseits für einen Vertragsschluss. Denn dieser Bestätigungsbeschluss dient le­ diglich dem Zweck, eine anfechtbare Entscheidung zu schaffen, die in Rechtskraft erwachsen und als Vollstreckungsgrundlage dienen kann.586 Der Notar soll hier le­ diglich – auch und besonders vor dem Hintergrund des Säumnisverfahrens – die Einhaltung der Verfahrensregeln überprüfen.587 Der Beschluss ist also insofern ver­ gleichbar mit dem Beschluss nach §  278 Abs.  6 Satz 2 ZPO.588 Hier kommt dem No­ tar eine ähnliche Rolle zu wie dem vermittelnden Richter, ohne dass die Vertrags­ qualität zu verneinen wäre. Die Parteien können die vorbereitende Vereinbarung nur gemeinsam wieder än­ dern. Ansonsten ist auch der Notar bei der Aufstellung des Auseinandersetzungs­ 584 

Zimmermann, in: Keidel, FamFG, §  368 Rn.  12. Harders, in: Bumiller/Harders/Schwamb, FamFG, §  366 Rn.  4. 586 BeckOK-FamFG/Schlögel, §  366 Rn.  2 2. 587 BeckOK-FamFG/Schlögel, §  366 Rn.  2 2. 588  Hierzu vgl. die Darstellung oben unter B.II.6.f). 585 

II. Vermittlung und Moderation

363

plans an sie gebunden.589 Der Umstand, dass das Zustandekommen dieses Auseinan­ dersetzungsplans wiederum vom Willen der Beteiligten abhängt, ändert nichts an der Qualität als Vertrag, eben weil dieser schon selbst verbindliche und ggf. voll­ streckbare Regelungen enthält. Vertragsdogmatisch wird sich die vorbereitende Vereinbarung dabei weder als Vor- noch als Prozessvertrag einordnen lassen. Denn die Parteien verpflichten sich in einer vorbereitenden Vereinbarung nicht, beim Aushandeln noch offener Vertrags­ bedingungen mitzuwirken bzw. ein zum Abschluss des Hauptvertrags, der hier in der Auseinandersetzung zu sehen wäre, geeignetes Angebot abzugeben oder ein ent­ sprechendes Angebot der Gegenseite anzunehmen.590 Die Parteien können einen Auseinandersetzungsplan ablehnen, den der Notar auf Basis der vorbereitenden Vereinbarung geschlossen hat. Weil der Notar aber gerade anhand der vorbereitenden Vereinbarungen den Auseinandersetzungsplan erstellen soll, haben diese inhaltlich einen materiell-rechtlichen Bezug. Die Parteien modifi­ zieren darin keine Verfahrensregeln oder disponieren über prozessuale Befugnis­ se,591 sodass vor diesem Hintergrund auch eine Einordnung als Prozessvertrag aus­ scheidet. (b) Auseinandersetzungsplan Bei der Tätigkeit des Notars im Hinblick auf den Auseinandersetzungsplan wählt das Gesetz einen im Vergleich zu den vorbereitenden Maßnahmen genau umgekehr­ ten Ansatz. Wie schon aus der Formulierung des §  368 Abs.  1 Satz 1 FamFG deutlich wird, demzufolge der Notar einen Auseinandersetzungsplan anzufertigen hat, so­ bald nach Lage der Sache eine Auseinandersetzung stattfinden kann,592 ist die Auf­ stellung des Plans grundsätzlich Aufgabe des Notars.593 Er kann sich jedoch auch den Vorschlag eines Beteiligten zu eigen machen, daran hindert ihn die gesetzliche Formulierung nicht.594 In rechtsdogmatischer Hinsicht handelt es sich bei dem Aus­ einandersetzungsplan des Notars – auch hier zeigt sich eine Parallele zu §  278 Abs.  6 ZPO – um einen Vorschlag, der als Grundlage für die vertragliche Auseinanderset­ zung dienen soll.595 Das oben bereits als notarstypische Moderation bezeichnete „Ein-Text-Verfahren“ ist hier Gesetz geworden. Bei der Erstellung dieses Vorschlags kann sich der Notar nicht allein am eigenen Gutdünken oder den Prozessaussichten ausrichten. Er ist in dreierlei Hinsicht ge­ bunden. Er muss die Teilungsanordnungen des Erblassers und die von ihm angeord­ neten Vermächtnisse und Auflagen ebenso einhalten wie die nach §  366 FamFG ge­ 589 BeckOK-FamFG/Schlögel,

§  368 Rn.  3. Zur Definition des Vorvertrages Armbrüster, in: Erman, BGB, Vor §  145 Rn.  49. 591  So zum Prozessvertrag vgl. Wagner, Prozessverträge, S.  46. 592  Die Vorschrift lautet im Wortlaut: Sobald nach Lage der Sache die Auseinandersetzung statt­ finden kann, hat der Notar einen Auseinandersetzungsplan anzufertigen. 593  Kroiß, in: Burandt/Rojahn, ErbR, FamFG §  368 Rn.  1; Zimmermann, in: Keidel, FamFG, §  368 Rn.  5. 594  Kroiß, in: Burandt/Rojahn, ErbR, FamFG, §  368 Rn.  1; Zimmermann, NotBZ 2013, 335, 341. 595 BeckOK-FamFG/Schlögel, §  368 Rn.  1. 590 

364

D. Weitere moderierte Verträge

troffenen vorbereitenden Vereinbarungen sowie die gesetzlichen Regeln über die Erbauseinandersetzung.596 Eine weitere inhaltliche Vorgabe ist dem Gesetz nicht zu entnehmen. Der Notar muss insofern lediglich das, was zur Teilungsmasse gehört, den einzelnen Beteiligten zuordnen.597 Auch im Hinblick auf die (Erb-)Auseinandersetzungsvereinbarung ist deren Rechtsnatur als Vertrag nicht gänzlich unumstritten; vereinzelt wurde auch eine mögliche Einordnung als Beschluss diskutiert.598 Aus dem Blickwinkel der bisheri­ gen Ergebnisse ist diesbezüglich festzuhalten, dass der Umstand, dass die Zustim­ mungserklärung nicht gegenüber dem zukünftigen Vertragspartner abzugeben ist, nicht gegen die Einordnung als Vertrag spricht. Vielmehr ist es gerade beim Zustan­ dekommen vieler moderierter Verträge charakteristisch, dass das Zugangserforder­ nis bzw. der Weg zur Herstellung des Konsenses modifiziert wird. Dies allein kann damit nicht gegen die Einordnung als Vertrag sprechen; ebenso wenig wie der Um­ stand, dass bei der Auseinandersetzungsvereinbarung kein Mehrheitsprinzip gilt, gegen die Einordnung als Beschluss spricht.599 Dass zwischen den Beteiligten des Auseinandersetzungsvertrags eine gewollte600 bzw. evtl. ungewollte601 Gemein­ schaft besteht, schließt nicht aus, diese durch Vertrag auseinanderzusetzen. Hiervon geht zunächst das Gesetz in §  1822 Nr.  2 BGB aus602 und dies entspricht auch dem schon angesprochenen Verständnis zu §  368 FamFG, dass der vom Notar gefertigte Plan einen (Vergleichs-)Vorschlag darstellt. 603 (2) Beurkundung und Bestätigung Die Tätigkeit des moderierenden Notars in Bezug auf die moderierten Verträge er­ schöpft sich nicht in der Vermittlung und der Anfertigung von Einigungsvorschlä­ gen, sondern geht sowohl im Hinblick auf die vorbereitende Vereinbarung als auch auf den Auseinandersetzungsplan darüber hinaus. Dabei fällt dem Notar im Hin­ blick auf beide Verträge die Aufgabe der Beurkundung einerseits und die der Bestä­ tigung andererseits zu. (a) Beurkundung §  366 Abs.  1 Satz 1 FamFG ordnet die Beurkundung einer vorbereitenden Vereinba­ rung, §  368 Abs.  1 Satz 2 FamFG die des Auseinandersetzungsplans an. Die Beur­ 596 

Zimmermann, NotBZ 2013, 335, 341; BeckOK-FamFG/Schlögel, §  368 Rn.  3. Ihrig, MittBayNot 2012, 353, 354; zum typsichen Inhalt eines Auseinandersetzungsplans vgl. Zimmermann, NotBZ 2013, 335, 341; BeckOK-FamFG/Schlögel, §  368 Rn.  3. 598  Eberl-Borges, Die Erbauseindersetzung, S.  94, allerdings ohne sich im Ergebnis für das ein oder andere festzulegen. 599  Insoweit zutreffend Eberl-Borges, Die Erbauseinandersetzung, S.  89. 600  Im Fall der Gütergemeinschaft. 601  Im Fall der Erbengemeinschaft. 602  Und ebenfalls die ganz h. M., vgl. BGH v. 31.10.1962 – V ZR 24/61, BGHZ 38, 187; Beck­ OGK/Rißmann/Szalai, BGB, §  2042 Rn.  23 m. w. N. 603  Zimmerman, in: Keidel, FamFG, §  368 Rn.  7; allerdings ist auch die – hier nicht interessieren­ de – Einordnung, welcher Vertragstypus vorliegt, umstritten, vgl. hierzu die Darstellung bei Eberl-Borges, Die Erbauseinandersetzung, S.  71. 597 

II. Vermittlung und Moderation

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kundung verlangt dabei zunächst, die gefundene Übereinkunft zu Protokoll zu neh­ men. 604 Nach welchen Vorschriften sich der Beurkundungsvorgang darüber hinaus richtet, war schon zu der Zeit umstritten, als die Vermittlung der Auseinanderset­ zung noch gerichtliche Aufgabe war. Rein praktische Bedeutung kam dieser Frage schon deswegen zu, weil ein Vorgehen nach den §§  160 ff. ZPO im Gegensatz zu ei­ ner Beurkundung unter Anwendung des BeurkG keine Unterschrift der Parteien erfordert. Weil nunmehr der Notar für die Beurkundung zuständig ist, wird sich diese auch nach dem für den Notar geltenden BeurkG richten. Dieses enthält die für den Notar geltenden und auf ihn zugeschnittenen Verfahrensregelungen, 605 die auch auf Beur­ kundungen Anwendung finden, die nicht gesetzlich vorgeschrieben sind. 606 Hier eine Trennung dergestalt vorzunehmen, dass der Notar für die Beurkundung, die er bei bzw. im Anschluss an eine Vermittlung vorgenommen hat, ein abweichendes Re­ gelungswerk zu berücksichtigen hat, ist weder angezeigt noch durch den Gesetzge­ ber verlangt. Dieser ging schon zur Zeit der Zuständigkeit der Gerichte für die bloße Niederschrift noch verbliebener Streitpunkte nach §  370 FamFG davon aus, dass sich die Form dieses Protokolls nach den Vorschriften des BeurkG richte. 607 Dies muss dann erst recht gelten, wenn erstens nunmehr die Notare zuständig sind und es sich zweitens um die Beurkundung der zwischen den Parteien erzielten Einigung han­ delt. (b) Bestätigung Der Notar muss nicht nur beurkunden. Die durch alle Beteiligten in der Verhand­ lung geschlossene oder im Wege des Säumnisverfahrens zustande gekommene Ver­ einbarung muss durch den Notar darüber hinaus bestätigt werden. 608 Diese Bestätigung erfolgt, wie sich aus §  372 Abs.  2 FamFG ergibt, durch Be­ schluss. 609 Durch diesen Bestätigungsbeschluss unterscheidet sich die notarielle Ver­ mittlung auf den ersten Blick von den anderen Verfahren der Moderation, die im Rahmen dieser Untersuchung bereits betrachtet wurden. Denn der Bestätigungsbe­ schluss suggeriert, dass die Parteien erstens eine entsprechende Vereinbarung nicht ohne den moderierenden Notar schließen könnten und zweitens, dass diesem im Rahmen des Beschlusserlasses eine umfangreiche Prüfungskompetenz im Hinblick auf den Inhalt des moderierten Vertrags zufiele. Beides ist nicht der Fall. Wenn sich die Parteien ohne Notar oder Gericht über vorbereitende Regelungen zu einer Erbteilung oder zur Auseinandersetzung der Gütergemeinschaft einigen, 604 

Zimmermann, in: Keidel, FamFG, §  366 Rn.  12. §  366 Rn.  13; Zimmermann, in: Keidel, FamFG, §  366 Rn.  36. 606 Vgl. Gößl, in: Beck-OGK, BeurkG, §  1 Rn.  6 . 607  Vgl. BT-Drs. 16/6308, S.  284. 608 Für die vorbereitende Vereinbarung folgt dies aus §   366 Abs.  2, 4 FamFG, vgl. hierzu BeckOK-FamFG/Schlögel, §  366 Rn.  21; für den Auseinandersetzungsplan nach §  368 Abs.  1 Satz 2, Abs.  2 FamFG. 609  Harders, in: Bumiller/Harders/Schwamb, FamFG, §  366 Rn.  15; BeckOK-FamFG/Schlögel, §  366 Rn.  22; Zimmermann, in: Keidel, FamFG, §  366 Rn.  13. 605 BeckOK-FamFG/Schlögel,

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D. Weitere moderierte Verträge

dann benötigen sie hierzu keine Bestätigung durch den Notar oder eine andere staat­ liche Stelle. Es bleibt bei der im Rahmen der Freiwilligkeit getroffenen Feststellung, dass es den Parteien nicht verwehrt ist, eine entsprechende Vereinbarung auch ohne eine Beteiligung des moderierenden Notars zu treffen. 610 Gleichwohl ist der Bestätigungsbeschluss nicht funktionslos. Er dient dem alleini­ gen Zweck, eine anfechtbare, rechtskraftfähige Entscheidung zu schaffen, die darü­ ber hinaus auch Vollstreckungsgrundlage sein kann. Insofern existieren einige Parallelen zwischen dem Bestätigungsbeschluss nach dem notariellen Vermittlungsverfahren des FamFG und dem bereits besprochenen Beschluss nach §  278 Abs.  6 Satz 2 ZPO, der dem Beschlussvergleich seinen Namen gibt. Parallelen, die sich auch bei der schon angesprochenen Prüfungskompetenz des Notars wiederfinden. (3) Kompetenzen des Moderators Die hier zu betrachtenten Kompetenzen setzen dabei nicht erst am Erlass des Bestä­ tigungsbeschlusses, sondern bereits an der Beurkundung an. (a) Beurkundung Der Notar kann die Beurkundung nicht verweigern, weil sie ihm unbillig erscheint. Ihm steht insoweit kein inhaltliches Prüfrecht zu. Infolge der Anwendung des Be­ urkG auf die Beurkundung der moderierenden Verträge im Rahmen der notariellen Vermittlung darf der Notar keine Vereinbarung beurkunden, die gegen die guten Sitten oder ein gesetzliches Verbot verstößt bzw. mit der erkennbar unerlaubte und unredliche Zwecke verfolgt werden, vgl. §  4 BeurkG. 611 Damit geht die insofern un­ ausgesprochene Feststellung dahingehend einher, dass die Parteien überhaupt eine Vereinbarung getroffen, d. h. einen Konsens erzielt haben. (b) Bestätigung Diese Prüfungskompetenz wird in inhaltlicher Hinsicht auch nicht im Zusammen­ hang mit dem Erlass des Bestätigungsbeschlusses erweitert, sie gilt hier lediglich in gleichem Umfang wie bei der Beurkundung,612 es findet insbesondere keine Prüfung der Zweckmäßigkeit der Vereinbarung statt. 613 Hinzu kommt – sowohl für den Bestätigungsbeschluss in Bezug auf den Ausein­ andersetzungsplan als auch in Bezug auf die vorbereitenden Vereinbarungen614 – die Prüfungskompetenz des Notars im Hinblick auf die Einhaltung der Verfahrensre­

610 

Zimmermann, in: Keidel, FamFG, §  366 Rn.  13. §  366 Rn.  14. 612  Vgl. BeckOK-FamFG/Schlögel, §  366 Rn.  2 2; Zimmermann, in: Keidel, FamFG, §  366 Rn.  71. 613  Harders, in: Bumiller/Harders/Schwamb, FamFG, §   366 Rn.   15; MünchKommFamFG/ Grziwotz, §  366 Rn.  30; Zimmermann, in: Keidel, FamFG, §  366 Rn.  73. 614 Für beide gelten die gleichen Voraussetzungen, so etwa Harders, in: Bumiller/Harders/ Schwamb, FamFG, §  368 Rn.  4. 611 BeckOK-FamFG/Schlögel,

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geln. 615 Das heißt, die Prüfungskompetenz des Notars vor Erlass des Bestätigungs­ beschlusses erfasst insbesondere auch die Frage, ob alle formellen Verfahrensvoraus­ setzungen gegeben waren, was insbesondere für die form- und fristgerechten Ladun­ gen gilt und die Ordnungsgemäßheit des Säumnisverfahrens, wenn durch dies die Zustimmung eines oder mehrerer Beteiligter fingiert wird.616 Ansonsten ersetzt der Notar durch den Bestätigungsbeschluss keine sonst erforderlichen gerichtlichen oder behördlichen Genehmigungen. 617 (4) Weitere anwendbare Vorschriften: BeurkG vs. FamFG Anknüpfend an die Beurkundung und Bestätigung durch den Notar stellt sich die Frage nach der Anwendung weiterer Vorschriften. Nachdem die Beurkundung im engeren Sinne, d. h. die Frage der Fixierung der Willenserklärungen und bspw. die Notwendigkeit der Unterschrift durch die Parteien im Sinne des BeurkG gelöst wur­ den,618 ist gerade aus dem Blickwinkel dieser Untersuchung von Bedeutung, ob auch die namentlich aus §  17 BeurkG folgenden Pflichten auch für den nach dem FamFG moderierenden Notar greifen. Diese Frage lässt sich aus zwei Perspektiven betrachten: Zum einen wird vertreten, dass sich der vormalige Streit, ob das BeurkG in Teilen Anwendung finden soll, infolge der Verlagerung auf den Notar erledigt habe, das BeurkG sei als die auf den Notar zugeschnittene Verfahrensregelung uneinge­ schränkt anwendbar. 619 Allerdings enthält die schon angesprochene Vorschrift des §  492 Abs.  1 Satz 1 FamFG gerade, um Schwierigkeiten in der Rechtsanwendung zu vermeiden, 620 eine Regelung dahingehend, dass die vormals für das Amtsgericht geltenden Vorschriften entsprechend auf die Tätigkeit des Notars anzuwenden sind. Damit sollen die Vor­ schriften der §§  1–110 FamFG entsprechend für die Notarstätigkeit gelten, vorrangig gegenüber den Bestimmungen des BeurkG. 621 Die bisherigen Ausführungen zur Kerntätigkeit des Notars einerseits und zur Tä­ tigkeit in der Vermittlung andererseits legen eine Beantwortung der Frage im Sinne eines Sowohl-als-auch nahe. Dies liegt an dem Umstand, dass beide Regelungen ers­ tens an unterschiedlichen Tätigkeiten des Notars ansetzen und sich zweitens inhalt­ lich nicht ausschließen. Die Regelungen des FamFG greifen, weil der Notar – über seine Kernfunktion in der vorsorgenden Rechtspflege hinaus – eine weitere Tätigkeit wahrnimmt. Sie knüp­ fen an den Umstand an, dass der Notar diese Rolle von den Gerichten übernommen hat.

615 

Zimmermann, NotBZ 2013, 335, 340; Kutschmann, RNotZ 2019, 301, 314. Zimmermann, in: Keidel, FamFG, §  366 Rn.  71 617  Zimmermann, in: Keidel, FamFG, §  366 Rn.  13. 618  Siehe oben unter B.III.6.e).(2).(g). 619 BeckOK-FamFG/Schlögel, §  366 Rn.  13. 620  BT-Drs. 17/1469, S.  2 2. 621  Zimmermann, NotBZ 2013, 335, 336; a. A. Ihrig, MittBayNot 2012, 353, 356. 616 

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D. Weitere moderierte Verträge

Diese Mitwirkung des Notars geschieht nicht aufgrund einer zivilrechtlichen Formanforderung, sondern im Wege des Vermittlungsverfahrens, dass die Parteien freiwillig wählen, d. h., sie können sich auch ohne die Beteiligung des Notars wirk­ sam über die Auseinandersetzung verständigen. Das geht bei der zivilrechtlich ange­ ordneten Form gerade nicht. Auch ist die Rolle des Notars als Vermittler im Sinne des FamFG anders als die, die ihm im Rahmen der vorsorgenden Rechtspflege i. e. S. zugerechnet wird. Deshalb ist es konsequent, hier wegen der vermittelnden Tätig­ keit auf die gesetzlich angeordnete Fortgeltung der Regelungen des FamFG zu ver­ weisen. Allerdings ist mit den zur Kerntätigkeit des Notars angestellten Überlegungen davon auszugehen, dass den Notar insbesondere die dort vorgestellten Kardinals­ pflichten des §  17 BeurkG treffen. Denn die Beteiligung des Notars besteht nicht allein in der Vermittlung zur Über­ windung eines Konflikts. Vielmehr wurde die Möglichkeit, ein Verfahren nach §  363 ff. FamFG anzustrengen, für die Beteiligten auch geschaffen, wenn sie über die Auseinandersetzung noch nicht in Streit geraten sind, aber Hilfe dabei brauchen, evtl. komplizierte Erben- bzw. Gütergemeinschaften auseinanderzusetzen. Der No­ tar soll als im Erb- und Familienrecht sachkundiger Berater auch dabei helfen, einen Auseinandersetzungsplan zu erstellen, der Konflikte in der Zukunft unwahrschein­ lich macht. Vor diesem Hintergrund hat, bei einer Beurkundung eben dieses Ausei­ nandersetzungsplans oder der darauf bezogenen Vereinbarungen, auch die Beach­ tung der Pflichten nach §  17 BeurkG, die der vorsorgenden Rechtspflege dienen, ih­ ren Sinn. Sie knüpft an dem Umstand an, dass der Notar eben nicht nur vermittelt, sondern auch beurkundet. Für diese Fälle gelten die Vorschriften des BeurkG. Diese Parallelität in der Anwendung ist nur möglich, weil sich die Regelungen nicht inhaltlich ausschließen. Denn ihre Geltung setzt zwar an unterschiedlichen notariellen Tätigkeiten an, der Beurkundung einerseits und der Vermittlung ande­ rerseits. Die oben dargestellten Kardinalspflichten des Notars beziehen sich aber nicht lediglich auf den Beurkundungsvorgang im engeren Sinne, sondern knüpfen an die vor Beurkundung stattfindende Beratung an, die sich dann aber gerade mit der Vermittlungstätigkeit überschneidet. Im Hinblick auf Letztere können allerdings nur §  28 Abs.  1 Satz 1 FamFG Vorgaben entnommen werden. Die dort geregelte Ver­ fahrensleitung verlangt, dass das Gericht, bzw. hier in der entsprechenden Anwen­ dung: der Notar, darauf hinwirkt, dass die Beteiligten sich rechtzeitig über alle er­ heblichen Tatsachen erklären und ungenügende tatsächliche Angaben ergänzen. Die Norm ist der schon betrachteten Vorschrift des §  139 ZPO nachgebildet.622 Die Hin­ wirkungspflicht ist – anders als im Rahmen der ZPO – nicht nur Ausfluss des Grund­ satzes eines fairen Verfahrens und des Anspruchs auf rechtliches Gehör, sondern auch Ausdruck der Amtsermittlungspflicht des Gerichts. 623 Dabei hat der Gesetzge­ 622 MünchKommFamFG/Ulrici, §  28 Rn.  2 ; BeckOK-FamFG/Burschel, §  28 Rn.  2 ; Strenal, in: Keidel, FamFG, §  28 Rn.  1. 623 MünchKommFamFG/Ulrici, §   28 Rn.  2 mit Verweis auf amtl. Begr. zum FamFG, BTDrucks. 16/6308, S.  187.

II. Vermittlung und Moderation

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ber bewusst eine nur allgemein gehaltene Regelung gewählt, um dem Gericht eine flexible Verfahrensleitung zu ermöglichen. 624 Die Hinwirkungspflicht, die etwa verlangt, ein unklares Vorbringen im Sachvor­ trag aufzuklären und auf Widersprüche hinzuweisen,625 hat dabei die identische Stoßrichtung wie die oben bereits angesprochene Pflicht des Notars nach §  17 Be­ urkG, den der Beurkundung zu Grunde liegenden Sachverhalt aufzuklären. Somit gelten für den vermittelnden Notar sowohl die Vorschriften des FamFG als auch des BeurkG. (5) Haftung Zu trennen ist zwischen der Tätigkeit als Vermittler und der als beurkundender, den Vertragstext entwerfender, Notar. Im Hinblick auf Letztere trifft den Notar die Amtspflicht, dass der Plan den Anordnungen des Erblassers sowie den gesetzlichen Vorschriften entspricht und vollziehbar ist. Verstößt er hiergegen, kommt eine Haf­ tung des Notars wegen einer Amtspflichtverletzung gemäß §  19 BNotO in Be­ tracht. 626 Insofern gelten die zur „klassischen“ Amtshaftung des Notars entwickel­ ten Maßstäbe. Etwas anderes gilt jedoch im Hinblick auf das Vermittlungsverfahren. Wie schon bei den bisher angesprochenen Moderatoren fehlt es an einer klaren gesetzlichen Re­ gelung mit Blick auf den Inhalt dessen, was die Moderationsleistung ausmacht. Da­ mit einher geht dann spiegelbildlich eine fehlende Haftung, weil insofern dann auch keine Pflichtverletzung festgestellt werden kann. ff) Interesse des Notars Das Interesse des die Auseinandersetzung moderierenden Notars ist in seiner Grundausrichtung wieder identisch mit der schon herausgestellten Interessenlage des Moderatoren im Sinne dieser Untersuchung. Der Notar wird nicht Partner des moderierten Vertrags. Er hat deswegen auch kein Interesse daran, dass eine vorbereitende Vereinbarung und/oder eine Auseinan­ dersetzung mit einem bestimmten Inhalt geschlossen werden. Auch seine Prüfungs­ kompetenz geht, wie dargestellt, nicht in diese Richtung. Wie der Moderator im Sin­ ne dieser Untersuchung schuldet der moderierende Notar den Beteiligten keine er­ folgreiche Vermittlung im Sinne des Abschlusses eines Auseinandersetzungsplans. Er hat aber ein Interesse daran, dass ein solcher – gleich welchen konkreten Inhalts – geschlossen wird. Neben dem Umstand, dass das Zustandekommen eines Auseinandersetzungs­ plans der vom Gesetz vorgesehene und präferierte Abschluss des Verfahrens nach

624 BeckOK-FamFG/Burschel, §  28 Rn.  2 ; Strenal, in: Keidel, FamFG, §  28 Rn.  1 jeweils mit Ver­ weis auf BT-Drs. 16/6308, 187. 625  Borth/Grandel, in: Musielak/Borth, FamFG, §  28 Rn.  2. 626  Zimmermann, in: Keidel, FamFG, §  368 Rn.  12.

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D. Weitere moderierte Verträge

§§  363 ff. FamFG ist,627 sind es auch die für den Notar geltenden Kostenregelungen, die diesem Interesse entsprechen. Denn das Verfahren ist nicht gebührenpriviligiert.628 Das Kostenverzeichnis als Anlage 1 zum GNotKG weist in seinem Abschnitt 9, Nrn.  23900–23903, die dem Notar zustehenden Gebühren für die Durchführung des Vermittlungsverfahrens aus. Danach steht dem Notar für die Durchführung des Vermittlungsverfahrens eine sechsfache Verfahrensgebühr zu, vgl. GNotKG KVH Nr.  23900. Diese nach dem Geschäftswert629 zu berechnende Gebühr halbiert sich nach GNotKG KVH Nr.  23903 auf den dreifachen Satz, wenn das Verfahren nach Eintritt in die Verhand­ lung ohne Bestätigung der Auseinandersetzung abgeschlossen wird. Das bedeutet für den Notar, der im Rahmen der Verhandlung seine Moderation vorgenommen hat, dass er eine doppelt so hohe Gebühr bekommt, wenn er erfolgreich einen Aus­ einandersetzungsplan vermittelt und bestätigt. Fehlt es dagegen an einer Bestätigung durch den Notar, ist die Gebühr, die er für seine Tätigkeit zu erhalten hat,630 signifi­ kant geringer. Ein Bestätigungsbeschluss kommt aber vor allen Dingen dann nicht in Frage, wenn es an einer Einigung der Parteien fehlt, die der Notar bestätigen könnte. Damit drückt auch das Gebührenrecht aus, was hier schon für die Person des Mode­ rators an sich festgehalten wurde. Der Notar hat kein Interesse an einer besonderen Ausgestaltung des Auseinandersetzungsplans. Kommt aber kein Auseinanderset­ zungsplan zustande, reduziert sich sein Honorar massiv, weshalb er schon deshalb ein Interesse daran hat, dass überhaupt ein Vertrag geschlossen wird. gg) Der Notar als Moderator Bereits im Hinblick auf die Tätigkeit des Notars im Rahmen der vorsorgenden Rechtspflege zeigte sich, dass auch dessen Tätigkeit moderationstypische Elemente enthält: Das sogenannte „Ein-Text-Verfahren“, das sowohl in der Mediation bekannt ist und seine Regelung in §  278 ZPO erfahren hat, entspricht dem Urkundsentwurf des Notars. Die sogenannten Kardinalspflichten des Notars sind (z. T.) auf die Zeit vor Ver­ tragsschluss gemünzt und stellen damit eine seltene Regelung zur Moderationstätig­ keit dar. Besonders hervorzuheben ist an dieser Stelle ebenfalls die Funktion, die dem Notar im Hinblick auf die Parteiautonomie zugestanden wird. Die Vermittlung der Auseinandersetzung durch den Notar nach §§  363 ff. FamFG erfüllt die Vorgaben, die im Rahmen dieser Untersuchung an die Moderation und ihr Ergebnis, den moderierten Vertrag, gestellt wurden. Er soll den Vertragsschluss zwischen den Parteien vermitteln, ohne aber gesetzli­ che Vorgaben dahingehend zu erhalten, wie konkret er diese Tätigkeit ausüben soll. Nicht nur dieser Umstand verbindet ihn mit den übrigen Moderatoren, auch die Tat­ 627  Deswegen wird es auch als „Vertragshilfe“ bezeichnet, vgl. Zimmermann, in: Keidel, Fam­ FG, §  363 Rn.  1. 628 BeckOGK/Rißmann/Szalai, BGB, §  2042 Rn.  28. 629  Zu dessen Berechnung vgl. §  118a GNotKG. 630  Die Kosten des Vermittlungsverfahrens sind aus dem Nachlass zu tragen, vgl. MünchKomm­ FamFG/Grziwotz, FamFG, §  363 Rn.  42 f.

II. Vermittlung und Moderation

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sache, dass er seine Vermittlungstätigkeit im Spannungsverhältnis zwischen Ver­ tragsfreiheit und Vertragsgerechtigkeit wahrnimmt. Denn er soll die Beurkundung einer Vereinbarung – unabhängig ob sie von ihm vermittelt wurde oder nicht – dann versagen, wenn sie nicht auf dem Boden der Privatautonomie geschlossen wurde, d. h. ein Beteiligter seinen Willen nicht ausreichend frei bilden konnte. Gegenpol der Pflicht, die Willensbildung des vermeintlich schwächeren Vertragsteils zu garantie­ ren, ist die Unparteilichkeit des Notars, die dieser während seiner Moderation zu wahren hat und die seinen Einsatz zugunsten einer Partei begrenzt. Die Vermittlungsbemühungen des Notars erfahren eine Unterstützung durch das in §§  363 ff. FamFG geregelte Säumnisverfahren, dass die Herstellung des Konsenses zwischen den Beteiligten modifiziert und die Beteiligten so mittelbar zwingt, an der Verhandlung teilzunehmen. Auf diesem Weg soll es gerade bei indifferenten oder passiven Miterben erleichtert werden, zu einer Einigung zu gelangen, 631 was einen Vorteil gegenüber einer Erbteilungsklage darstellt. 632

3. Maklerische Vermittlung Ausgangspunkt für die Überlegungen zum moderierten Vertrag war, dass dieser – seinem lateinischen Wortursprung entsprechend – die wegen eines Konflikts zwi­ schen den Parteien beeinträchtigte Kommunikation ermöglichen soll. Die Kommu­ nikation muss allerdings nicht notwendigerweise infolge des Konflikts gelitten ha­ ben, damit es eines Moderators bedarf. Das hat schon die Betrachtung des Notars gezeigt. Die Regelungen zum Maklervertrag zeigen in eine ähnliche Richtung. Noch mehr Gemeinsamkeiten zur Ausgangssituation beim Notar sind zu erken­ nen, wenn man sich vor Augen führt, dass es den einen Maklervertrag so nicht gibt, sondern vielmehr eine ganze Reihe verschiedener Ausgestaltungen existieren. 633 Je nachdem, welche Variation der Maklertätigkeit vorliegt, besteht eine mehr oder we­ niger starke Vergleichbarkeit zur Moderation. Für die hiesige Untersuchung werden daher die möglichen Weichenstellungen so vorgenommen und nachgezeichnet, dass sich eine Form der Maklertätigkeit beschreiben lässt, die der Konstellation des mo­ derierten Vertrags am nächsten kommt. a) Ausgangssituation Die §§  652 bis 656 BGB enthalten Vorschriften zum Zivilmakler, die jedoch – auch vor dem Hintergrund der volkswirtschaftlichen Bedeutung und Funktion der Mak­ lertätigkeit – eine nur rudimentäre gesetzliche Regelung darstellen,634 mit der Folge,

631 MünchKommFamFG/Grziwotz,

§  363 Rn.  42 f. Zu weiteren Vorteilen des Verfahrens vgl. MünchKommFamFG/Grziwotz, §  363 Rn.  48. 633  Zum dogmatischen Streit, ob der Maklervertrag eher einen Kaufvertrag oder einen – wie auch immer näher definierten – Geschäftsbesorgungsvertrag darstellt vgl. nur Staudinger/Arnold, Vor §§  652 Rn.  4 ff. 634  Knieper, NJW 1970, 1293; Weishaupt, JuS 2003, 1166; Althammer, JA 2006, 594. 632 

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D. Weitere moderierte Verträge

dass das Maklerrecht maßgeblich durch die Rechtsprechung entwickelt und geprägt wurde. 635 Den Vorschriften lässt sich dennoch eine gesetzliche Grundvorstellung im Sinne eines Leitbilds zum Maklervertrag entnehmen. Die Regelungen des BGB636 gehen als Normalfall vom Abschluss eines einseitig verpflichtenden Maklervertrags aus. 637 Dabei verpflichtet sich die Partei, die den Makler beauftragt, zur Zahlung einer Ver­ gütung unter der aufschiebenden Bedingung, dass der Makler den gewünschten Vertragsabschluss herbeiführt. 638 Der Makler kann damit die Provision nur im Fall der erfolgreichen Vermittlung vereinnahmen, ihn trifft andererseits aber auch nicht die Pflicht, überhaupt in der Angelegenheit tätig zu werden. 639 Grundvorstellung des Gesetzgebers ist darüber hinaus, dass der Makler selbst nicht mit beiden, sondern nur einer Partei des von ihm vermittelten Hauptvertrags eine entsprechende Vereinbarung getroffen hat. 640 Das BGB stellt sich den Makler grundsätzlich als den Wahrer der Interessen einer Vertragspartei vor. 641 Damit wird schon deutlich, dass die rechtliche Situation, die der Maklerbeschäfti­ gung nach dem gesetzlichen Leitbild zugrunde liegt, erheblich von der Konstellation abweicht, die bei der Moderation vorliegt. Das gilt im Hinblick auf den mit dem Makler geschlossenen Vertrag in zweifacher Hinsicht: Zum einen besteht ein solcher Maklervertrag nur mit einem Teil, zum anderen weicht der Inhalt, will heißen: die fehlende Verpflichtung des Maklers in Bezug auf den Vertragsabschluss tätig zu wer­ den, von der Situation ab, die bei der Moderation existiert. Eine Abweichung der Parteien vom Leitbild des Maklervertrags ist jedoch mög­ lich, mit der Folge, dass dieser sich der Moderationssituation annähern lässt. Näm­ lich dann, wenn ein sogenannter Alleinauftrag des Maklers vorliegt, der zudem mit beiden Parteien geschlossen wird, d. h. eine sogenannte Doppeltätigkeit des Maklers beinhaltet, die ihrerseits wiederum auf die Vermittlung gerichtet sein muss. b) Einsatz des Maklers: Alleinauftrag Es liegt zunächst im System der Wettbewerbswirtschaft begründet, dass der Auf­ traggeber mehrere Makler beschäftigen kann, um auf diese Weise den Markt zu er­ weitern, was – weil Angebot und Nachfrage ihrem Umfang nach steigen – die Chan­ ce erhöht, einen tauschgerechten Vertrag zu schließen. 642 Die Beschäftigung mehrerer Makler liegt damit zwar im grundsätzlichen Interes­ se des Auftraggebers, nicht aber im Interesse des Maklers. Auch aus diesem Grund hat der Alleinauftrag des Maklers die praktisch wichtigste Bedeutung bei der Ge­ 635 

Roth, in: Baumbach/Hopt, HGB, §  93 Rn.  1. Zum spezielleren Handelsmakler des HGB vgl. sogleich unten unter D.II.3.c).ee). 637 Staudinger/Arnold, Vor §§  652 ff. Rn.  1; Weishaupt, JuS 2003, 1166. 638 Staudinger/Arnold, Vor §§  652 ff. Rn.  1. 639  Weishaupt, JuS 2003, 1166. 640  BGH v. 02.07.1986 – IVa ZR 246/84, NJW-RR 1986, 1496; Schwerdtner/Hamm, Maklerrecht, Rn.  892. 641  Schmidt, Handelsrecht, §  26 Rn.  11. 642  Knieper, NJW 1970, 1293, 1295. 636 

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staltung der Maklerverträge; er wurde letztlich (auch) entwickelt, um – aus Sicht des Maklers – Konkurrenten auszuschalten und die mögliche Vergütung zu erhö­ hen. 643 Im Unterschied zum normalen Maklervertrag verzichtet der Auftraggeber beim Alleinauftrag für die Dauer der Beauftragung darauf, weitere Makler zu beschäfti­ gen,644 gleichzeitig verpflichtet sich der Makler zum Tätigwerden für den Auftragge­ ber. Der Provisionsanspruch kann davon abhängig bleiben, dass der Makler seine Leistung erbracht hat und der Hauptvertrag zustande gekommen ist,645 wenngleich sich der Makler auch zur Tätigkeit unmittelbar gegen eine Tätigkeitsvergütung ver­ pflichten kann. 646 Der Alleinauftrag gleicht damit die Situation des Maklers an die des Moderators an, der tätig werden muss und gleichzeitig sein Interesse am Abschluss des Haupt­ vertrags behält. Auch durch den Alleinauftrag besteht allerdings nur die vertragliche Beziehung zu einer der Parteien des Hauptvertrags, sodass insofern nach wie vor ein signifikanter Unterschied zur Moderation besteht, der sich – wie die nähere Betrach­ tung der Tätigkeit des Maklers zeigen wird – weiter reduzieren lässt. c) Die Moderation des Maklers Die Tätigkeit des Maklers lässt sich – wie schon angedeutet – zunächst vor dem Hin­ tergrund ihrer volkswirtschaftlichen Bedeutung erfassen. Voraussetzung einer funktionierenden freien Wirtschaftsordnung ist, dass Angebot und Nachfrage auf einem Markt aufeinandertreffen. Die Aufgabe des Maklers wird insofern darin gese­ hen, die Planlosigkeit zu überwinden, Informationen zusammenzuziehen und so das Aufeinandertreffen von Angebot und Nachfrage zu ermöglichen. 647 Durch die Verbindung, die der Makler zwischen Anbieter und Nachfragendem schafft, wird lediglich die erste Ursache für den Vertragsabschluss gesetzt, nicht aber der Vertrag selbst. Das heißt, die für die funktionierende Wirtschaftsordnung ebenfalls existen­ zielle Vertragsfreiheit der Parteien wird durch den Maklereinsatz nicht berührt.648 Die bei den Parteien verbleibende Autonomie lenkt den Blick auf die Moderation. Die tatsächliche Nähe zur Moderatorentätigkeit wird deutlich, wenn man sich vor Augen führt, dass der Makler im Rahmen seiner Moderatorentätigkeit Einfluss auf die Vertragsgestaltung nehmen649 und sogar Vertragsentwürfe liefern kann, ohne ge­

643 

Knieper, NJW 1970, 1293,1297. Nach MünchKommBGB/Roth, §  652 Rn.  236 ist dieses Verbot, weitere Makler zu beauftra­ gen, typusprägend für den Alleinauftrag. Ein – für die hiesige Situation nicht relevanter – qualifi­ zierter Alleinauftrag liegt vor, wenn sich der Maklerkunde während des Bestehens des Auftrags verpflichtet, auch für solche Geschäfte Maklerprovision zu zahlen, die ohne Zutun des Maklers zustande gekommen sind, vgl. MünchKommBGB/Roth, §  652 Rn.  236. 645 Palandt/Sprau, BGB, §  652 Rn.  8 0, zu den Voraussetzungen des Provisionsanspruchs vgl. Pa­ landt/Sprau, BGB, §  652 Rn.  22 ff.; Staudinger/Arnold, BGB, Vor §§  652 Rn.  11. 646  Vgl. die Darstellung Staudinger/Arnold, BGB, Vor §§  652 Rn.  14. 647  Knieper, NJW 1970, 1293, 1295. 648  Knieper, NJW 1970, 1293, 1295. 649 Staudinger/Arnold, Vor §§  652 Rn.  1. 644 

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gen das Rechtsberatungsgesetz zu verstoßen.650 Die vermittelnde Tätigkeit des Rich­ ters im Rahmen der Vergleichsverhandlungen wird vor diesem Hintergrund auch als maklerähnliche Unterstützung bezeichnet. 651 aa) §  652 BGB: Nachweis vs. Vermittlung Ausgehend von der gesetzlichen Regelung des §  652 Abs.  1 Satz 1 BGB lässt sich bei der näheren Beschreibung der Tätigkeit des Maklers zwischen dem Nachweis zur Gelegenheit zum Abschluss eines Vertrags einerseits und der Vermittlung eines Ver­ trags andererseits unterscheiden. bb) Nachweis Der Makler, der den Nachweis zur Abschlussgelegenheit erbringen möchte, muss dem Auftraggeber eine diesem bis dahin unbekannte konkrete und substanziierte Möglichkeit zum Vertragsschluss benennen, die den Wünschen des Auftraggebers entspricht und die diesen in die Lage versetzen, in konkrete Verhandlungen mit dem potenziellen Vertragspartner über den erstrebten Hauptvertrag einzutreten. 652 Der Schwerpunkt der Tätigkeit des Nachweismaklers liegt also in der Information seines Auftraggebers. 653 Diese Tätigkeit verfügt über eine große volkswirtschaftliche Be­ deutung, sie hat jedoch mit der Moderationstätigkeit wenig bis keine Gemeinsam­ keit. Zwar lässt sich die Tätigkeit des Moderators – auch wegen der jeweils geringen gesetzlichen Vorgaben – nur schwer erfassen, ihr liegt aber stets das Anliegen zu­ grunde, zwischen zwei zuvor feststehenden Parteien einen Vertragsschluss herbei­ zuführen. Schwerpunkt der Aufgabe des Moderators ist es, bestehende Unstimmig­ keiten zwischen den Parteien auszuräumen und nicht, einen Vertragspartner zu su­ chen, bei dem wenig bis kein Dissens im Rahmen der Vertragsverhandlungen zu erwarten ist. Für die hiesige Untersuchung kann insofern nur die vermittelnde Tätigkeit von Interesse sein. cc) Vermittlung Der Makler, der sich gegenüber seinem Auftraggeber zur Vermittlung verpflichtet hat, muss unmittelbar oder mittelbar auf den Willensentschluss des vorgesehenen Vertragspartners einwirken, mit dem Zwischenziel, dessen Abschlussbereitschaft zu erhöhen und letztlich für ein Zustandekommen des Hauptvertrags zu sorgen. Unter Vermittlung ist das bewusste und zweckgerichtete Herbeiführen oder Fördern der Abschlussbereitschaft des künftigen Vertragspartners zu verstehen. 654 Dass auch der 650 Staudinger/Arnold,

Vor §§  652 Rn.  1. Deckenbrock/Dötsch, MDR 2006, 1325, 1327. 652  BGH v. 16.12.2004 – III ZR 119/04, BGHZ 161, 349 ff., Rn.  14; Fischer, in: Erman, BGB, §  652 Rn.  12. 653 Staudinger/Arnold, BGB, §  653 Rn.  30 654  Vgl. BGH v. 17.04.1997 – III ZR 182/96, NJW-RR 1997, 884; OLG Saarbrücken v. 17.09.2015 – 4 U 131/14, NJW-RR 2016, 58, Rn.  28; Staudinger/Arnold, BGB, §  653 Rn.  42. 651 

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Vermittlungsmakler dabei grundsätzlich auf der Seite seines (einen) Auftraggebers steht, wird daran deutlich, dass für die Vermittlung zwar verlangt wird, dass der Makler mit beiden Seiten verhandelt,655 aber im Sinne seines Auftraggebers auf des­ sen Gegenseite einwirken soll, um dort die Abschlussbereitschaft zu erhöhen. 656 Damit rückt der vermittelnde Makler im Hinblick auf seine Tätigkeit zwar näher an den Moderator. Der Umstand, dass auch der Vermittlungsmakler grundsätzlich nur den Interessen einer Partei verpflichtet ist, stellt jedoch nach wie vor einen zen­ tralen und gravierenden Unterschied zur Moderationstätigkeit dar. Allerdings ist auch insoweit eine Abweichung vom gesetzlichen Leitbild der einseitigen Interessen­ vertretung zugunsten eines Tätigwerdens für beide Parteien des Hauptvertrags mög­ lich. Das ist dann der Fall, wenn eine sogenannte Doppeltätigkeit des Maklers vor­ liegt. dd) Doppeltätigkeit Eine solche ist dann gegeben, wenn der Makler je einen Maklervertrag mit beiden Parteien des abzuschließenden Hauptvertrags abgeschlossen hat657 und/oder deren Interessen in gleichem Maße vertritt. 658 In einem solchen Fall der Doppeltätigkeit fehlt es an der Zugehörigkeit zu nur einem Lager, die grundsätzlich einer Vergleich­ barkeit mit der bei der Moderation bestehenden Situation im Wege steht. Ob und unter welchen Voraussetzungen eine solche Doppeltätigkeit dem Zivil­ makler erlaubt ist, der grundsätzlich zur einseitigen Interessenverfolgung eingesetzt wird, ist seit Inkrafttreten des BGB umstritten.659 Anerkannt ist jedoch, dass ein Vertragsschluss mit beiden Parteien des Hauptvertrags zwar nicht dem Leitbild des Zivilmaklers nach §§  652 ff. BGB entspricht, aber deswegen nicht ausgeschlossen ist,660 auch nicht bei Vorliegen eines Alleinauftrags. 661 Im Hinblick auf die Anforde­ rungen, die an die Zulässigkeit der Doppeltätigkeit gestellt werden, wird zunächst zwischen den unterschiedlichen Tätigkeitsformen des Maklers unterschieden. Wird der Makler gegenüber beiden Vertragsparteien lediglich als Nachweismakler tätig, so stellt dies zwar die unproblematischste Form der Doppeltätigkeit dar, weil ein Interessenwiderstreit nicht vorliegt. 662 Sie bleibt dennoch, weil die Nachweistä­ tigkeit fern der Moderation ist, für diese Untersuchung uninteressant.

655 BGH v. 17.04.1997 – III ZR 182/96, NJW-RR 1997, 884; Fischer, in: Erman, BGB, §   652 Rn.  17. 656  Althammer, JA 2006, 594; vgl. Fischer, in: Erman, BGB, §  652 Rn.  17. 657 OLG Düsseldorf v. 07.11.1997 – 7 U 36-97, NJW-RR 1998, 1207 ff.; Schwerdtner/Hamm, Maklerrecht, Rn.  877; Fischer, in: Erman, BGB, §  654 Rn.  2. 658  Fischer, in: Erman, BGB, §  654 Rn.  2 ; OLG Düsseldorf v. 07.11.1997 – 7 U 36/97, NJW-RR 1998, 1207 ff. 659  Schwerdtner/Hamm, Maklerrecht, Rn.  877; zur Historie siehe dort unter Rn.  883. 660  Mäschle, Maklerrecht, Stichwort Doppeltätigkeit, S.   51; zur allgemeinen Zulässigkeit vgl. nur: BGH v. 26.03.1998 – III ZR 206/97, NJW-RR 1998, 992, 993. 661  Roth, in: Baumbach/Hopt, HGB, §  93 Rn.  33. 662  Mäschle, Maklerrecht, Stichwort Doppeltätigkeit, S.  51.

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Grundsätzlich zulässig ist auch, dass der Makler für die eine Seite als Vermitt­ lungsmakler und für die andere Seite als Nachweismakler tätig wird. 663 Auch diese Konstellation kommt allerdings der Moderationssituation nicht hinreichend nahe, da diese eine Kommunikationsmittlung gegenüber beiden Parteien voraussetzt, wo­ ran es aber fehlt, wenn die Tätigkeit des Maklers gegenüber einer Partei sich darin erschöpft, diesen lediglich über einen passenden Vertragspartner zu informieren. Damit ist es die im Rahmen der Doppeltätigkeit des Maklers kritischste Konstel­ lation, die der Moderation am nächsten kommt. Diese liegt dann vor, wenn der Mak­ler beiden Parteien gegenüber als Vermittlungsmakler tätig wird. Hier kann der Makler schnell in einen Interessenkonflikt geraten, weil er als Vermittlungsmakler beiden Auftraggebern verpflichtet ist, in deren jeweiligem Interesse auf die Gegen­ seite einzuwirken. Wenn der einen der Preis zu hoch, dem anderen der Preis zu nied­ rig ist, kann der Vermittlungsmakler seinen beiden Vertragspflichten kaum bzw. gar nicht gerecht werden. 664 Auch eine Tätigkeit als Vermittlungsmakler für beide Seiten ist nicht grundsätzlich verboten, sondern dann zulässig, wenn beiden Parteien dem Makler diese Doppeltä­ tigkeit gestattet haben bzw. diese eindeutig erkennbar war und es zudem im Einzel­ fall keinen konkreten Interessenkonflikt gibt. 665 Ein solcher liegt etwa dann vor, wenn der Makler einer Partei gegenüber als „Vertrauensmakler“ tätig wird666 und dann nicht, wenn er sich darauf beschränkt, als „ehrlicher Makler” zwischen ihren Interessen zu vermitteln. 667 Der sogenannte „ehrliche Makler“ lenkt den Blick schon in Richtung der den – für beide Seiten tätigen – Makler treffenden Aufklärungs­ pflichten, die ein besonderes Charakteristikum der Tätigkeit des Doppelmaklers darstellen. 668 Der Vertrauensmakler ist demgegenüber Interessenvertreter einer Sei­ te669 in dem Sinne, dass der Auftraggeber die gesamte Verhandlungsführung in die Hände des Maklers gelegt hat und daher nicht mehr selbst zum Schutz bzw. zur Durchsetzung der eigenen Position tätig werden möchte. Er darf daher davon ausge­ hen, dass er selbst keine Tätigkeit mehr zu entfalten braucht, um seinen Vorteil bei den Verhandlungen zu wahren. 670 Gleichzeitig darf der Auftraggeber bei einer sol­ chen Gestaltung des Auftrags davon ausgehen, dass der Makler als Vertrauensmann 663  BGH v. 16.01.1970 – IV ZR 1162/68, NJW 1970, 1075 ff.; Mäschle, Maklerrecht, Stichwort Doppeltätigkeit, S.  51; vgl. BGH v. 16.01.1970 – IV ZR 1162/68, NJW 1970, 1075; OLG Frankfurt v. 19.06.1972 – 18 U 162/71, MDR 1973, 407; OLG Dresden v. 15.04.1994 – 9 U 1412/93, NJW-RR 1994, 885; zur Zulässigkeit der verschiedenen Konstellationen vgl. auch Fischer, in: Erman, BGB, §  654 Rn.  2. 664  Das Beispiel stammt von Mäschle, Maklerrecht, Stichwort Doppeltätigkeit, S.  51; vgl. auch Kleikamp, Doppeltätigkeit des Zivilmaklers, S.  80. 665  BGH v. 26.03.1998 – III ZR 206/97, NJW-RR 1998, 992; Mäschle, Maklerrecht, Stichwort Doppeltätigkeit, S.  52. 666  BGH v. 26.03.1998 – III ZR 206/97, NJW-RR 1998, 992; OLG Köln v. 11.03.2003 – 24 U 197/02, NJW-RR 2004, 271. 667  BGH v. 11.11.1999 – III ZR 160/98, NJW-RR 2000, 430, 431; BGH v. 22.04.1964 – VIII ZR 225/62, NJW 1964, 1467, 1469. 668  Zu diesen Pflichten siehe genauer unten unter D.II.3.d). 669  Vgl. OLG Dresden v. 26.08.1998 –8 U 845/98, NZM 1998, 1017. 670  BGH v. 22.04.1964 – VIII ZR 225/62, NJW 1964, 1467, 1468.

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ausschließlich seine Interessen wahrnehmen werde. 671 Das ist eben dann ausgeschlos­ sen, wenn der Makler auch für die andere Seite als Vermittlungsmakler tätig ist. 672 Obwohl also die Doppeltätigkeit des Vermittlungsmaklers dem gesetzlichen Leit­ bild des Zivilmaklers zuwiderläuft, ist sie unter den skizzierten Voraussetzungen zulässig. Die zulässige Doppeltätigkeit hat über die Aufklärungspflichten hinausge­ hende Folgen für den Pflichtenkatalog des Maklers. Weil dieser beiden Parteien zur jeweiligen Interessenwahrnehmung verpflichtet ist, folgt aus der Doppeltätigkeit die Verpflichtung zur Unparteilichkeit. Sie soll die widerstreitenden Interessen ausba­ lancieren und die Pflicht, sich für die jeweiligen Interessen einzusetzen, auf einen gemeinsamen Nenner begrenzen.673 Dabei wird zweierlei deutlich. Erstens ent­ stammt die Pflicht zur Unparteilichkeit nicht dem Umstand, dass der Makler in kei­ nem Lager steht, sondern in beiden Lagern gleichzeitig. Zweitens nähert sich der unparteiische Doppelmakler dem Leitbild des Handelsmaklers als neutraler Ver­ mittler an. 674 ee) Der Handelsmakler Während sich das BGB den Makler als den Wahrer der Interessen einer Partei vor­ stellt, liegt den Regelungen der §§  93 ff. HGB die Annahme zugrunde, dass der Han­ delsmakler als neutraler und objektiver Vermittler zwischen den Parteien agiert. 675 Diese grundsätzliche Ausrichtung kommt auch bei der gesetzlichen Tätigkeitsbe­ schreibung des Handelsmaklers zum Ausdruck. Dieser wird immer als Vermitt­ lungsmakler tätig, die Möglichkeit der bloßen Nachweistätigkeit existiert für ihn nicht. 676 Die Vermittlungstätigkeit des Handelsmaklers wird dann – übereinstim­ mend zu der Definition beim Zivilmakler – als die bewusste und finale Einwirkung auf den Vertragspartner verstanden, um dessen Abschlussbereitschaft herzustel­ len. 677 Ausgehend von der schon angesprochenen unterschiedlichen Ausrichtung des Handelsmaklers ist dessen Doppeltätigkeit nicht die nur eingeschränkt zulässige Ausnahme, sondern die Regel. 678 Das hat seine Ursache darin, dass sich der Handels­ makler vom Zivilmakler vor allem679 nach der Art der Gegenstände des Vertrags unterscheidet, dessen Abschluss er vermitteln soll. 680 Diese müssen nach §  93 Abs.  1 HGB Gegenstände des Handelsverkehrs sein, wozu etwa Wertpapiere oder Versi­ 671 

BGH v. 22.04.1964 – VIII ZR 225/62, NJW 1964, 1467, 1468. BGH v. 26.03.1998 – III ZR 206/97, NJW-RR 1998, 992 Rn.  11. 673  Kleikamp, Doppeltätigkeit des Zivilmaklers, S.  8 0. 674  So auch Kleikamp, Doppeltätigkeit des Zivilmaklers, S.  8 0. 675  Schmidt, Handelsrecht, §   26 Rn.  11; BeckOK-HGB/Lehmann, §  93 Rn.  6; Roth, in: Baum­ bach/Hopt, HGB, §  93 Rn.  33; BGH v. 25.10.1967 – VIII ZR 215/66, BGHZ 48, 344 ff. 676 BeckOK-HGB/Lehmann, §   93 Rn.   47; MünchKommHGB/Ströbl, §  93 Rn.  24; Roth, in: Baumbach/Hopt, HGB, §  93 Rn.  33 spricht von Schlichter zwischen den verschiedenen Teilen, ebenso BGH v. 25.10.1967 – VIII ZR 215/66, BGHZ 48, 344 ff. 677  Vgl. BeckOK-HGB/Lehmann, §  93 Rn.  47; MünchKommHGB/Ströbl, §  93 Rn.  25. 678 BeckOK-HGB/Lehmann, §  93 Rn.  65. 679  Zu den übrigen Voraussetzungen für die Annahme einer Handelsmaklerschaft vgl. Münch­ KommHGB/Ströbl, §  93 Rn.  24 ff. 680  Roth, in: Baumbach/Hopt, HGB, §  93 Rn.  1. 672 

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D. Weitere moderierte Verträge

cherungen gehören. 681 Für diese Gegenstände hat sich ein Marktpreis etabliert, den die Parteien ohne großen Aufwand selbst überprüfen können. Das soll dem Han­ delsmakler ermöglichen, als Doppelmakler neutral zwischen den Parteien zu vermit­ teln. 682 Die aus der Doppeltätigkeit für das Verhalten des Handelsmaklers folgenden Pflichten sind dann wiederum identisch mit denen, die auch für den für beide Seiten tätigen Zivilmakler formuliert wurden. Sie lassen sich unter den Stichworten Unpar­ teilichkeit und Aufklärungspflicht zusammenfassen683 und sind – dem bisherigen Weg der Darstellung in dieser Untersuchung folgend – im Rahmen der Charakteris­ tika der Moderation des Maklers näher zu betrachten. d) Charakteristika der Moderation Es ist – auch wegen der starken richterrechtlichen Fundierung des Maklerrechts – sehr schwer, abstrakt festzusetzen, welche Anforderungen an die Doppeltätigkeit des Maklers zu stellen sind. Die Rechtsprechung verweist in ihren Judikaten auf die Berücksichtigung und Betrachtung des Einzelfalls, sodass sich allgemeine Vorgaben nur schwer entwickeln lassen. 684 aa) Unabhängigkeit und Neutralität Festhalten lässt sich jedoch, dass aus der Doppeltätigkeit des Maklers dessen Pflicht zur neutralen Vermittlung folgen soll. Diese ist tätigkeits- und nicht personenbezo­ gen im Sinne einer Unabhängigkeit, weil der Doppelmakler gerade zu beiden Partei­ en vertragliche Beziehungen unterhält. Diese vertraglichen Beziehungen bilden dann auch die dogmatische Grundlage für das Postulat der Neutralität. Weil er durch den jeweiligen Maklervertrag, den er mit beiden Seiten schließt, ein jeweils identisches Pflichtenprogramm gegenüber den Parteien erfüllen muss, kann er diesem nur dann gerecht werden, wenn er sich – bild­ lich gesprochen – nicht auf eine Seite stellt, sondern stets in der Mitte verbleibt. 685 Die Bildsprache deutet schon darauf hin, dass eine genauere Beschreibung dessen, was unter einer neutralen Vermittlung zu verstehen ist, wohl schwierig ist, jedenfalls aber im Hinblick auf den Makler unterbleibt. Sowohl in Bezug auf den für beide Seiten tätigen Zivilmakler als auch für den Handelsmakler wird lediglich formuliert, dass dieser zu strikter bzw. strenger686 681  §  93 Abs.  1 HGB lautet: Wer gewerbsmäßig für andere Personen, ohne von ihnen auf Grund eines Vertragsverhältnisses ständig damit betraut zu sein, die Vermittlung von Verträgen über An­ schaffung oder Veräußerung von Waren oder Wertpapieren, über Versicherungen, Güterbeförde­ rungen, Schiffsmiete oder sonstige Gegenstände des Handelsverkehrs übernimmt, hat die Rechte und Pflichten eines Handelsmaklers. 682 BeckOK-HGB/Lehmann, §  93 Rn.  65. 683 Vgl. Roth, in: Baumbach/Hopt, HGB, §  93 Rn.  33. 684  Schwerdtner/Hamm, Maklerrecht, Rn.   897; Einzelfallbeispiele für eine Verletzung der Pflicht zur Unparteilichkeit finden sich etwa bei Jauernig/Mansel, BGB, §  654 Rn.  11. 685 BeckOGK/Meier, BGB §  654 Rn.  16; die bildhafte Formulierung stammt von dort. 686 Staudinger/Arnold, BGB, §  653 Rn.  2 25.

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Unparteilichkeit verpflichtet sei und beiden Seiten fair zu dienen habe. 687 Der Makler habe als objektiver bzw. unparteiischer und neutraler Vermittler688 tätig zu werden und dürfe daher die Interessen einer Partei nicht einseitig bevorzugen,689 sondern müsse zwischen den widerstreitenden Interessen schlichten.690 Neben diesen allgemein gehaltenen Formulierungen sind es zwei Vermittlungsbe­ reiche des doppeltätigen Maklers, die im Zusammenhang mit der geforderten Unpar­ teilichkeit nähere Erörterung erfahren, nämlich die Vertragsgestaltung im Allgemei­ nen und das Verhalten im Hinblick auf die Festlegung des Preises im Besonderen. 691 (1) Preisverhandlung Der für beide Seiten tätige Makler soll infolge seiner Pflicht zur Unparteilichkeit nur begrenzt im Hinblick auf die Festlegung des Preises tätig werden.692 Sofern er eine Partei bereits einschlägig beraten oder die Verhandlungen für diese Partei auch in Bezug auf den Preis geführt hat, könne er für die andere nicht mehr als Vermittlungs­ makler tätig werden, was andererseits bedeute, dass – sofern er für beide vermittelnd tätig wird – er jede Beteiligung und Beratung auf den Preis zu unterlassen habe. 693 Diese Enthaltsamkeit des Maklers in Bezug auf die Festlegung des Preises wird in Rechtsprechung694 und Literatur695 aus dessen Pflicht zur Unparteilichkeit gefolgert. Demgegenüber wird aber mit Blick auf diese dogmatische Herkunft jedenfalls ein pauschales Ausklammern der Beratung im Hinblick auf den Preis abgelehnt, weil die vermeintliche Überparteilichkeit in Parteilichkeit umschlage, wenn dem Makler ver­ wehrt sei, die Parteien zur Angemessenheit des Preises zu beraten. 696 Im Hinblick auf den Käufer gelte dies, weil sich naturgemäß der objektive Wert des Kaufgegen­ standes und der gezahlte Preis entsprechen müssten, der Verkehrswert der Sache aber ein Faktum sei, dass bei der Willensbildung des Käufers eine Rolle spielt und deshalb auch bei der Beratung durch den Makler zu berücksichtigen sei. 697 In Bezug auf den Verkäufer gehöre es andererseits zur Pflicht des Maklers, diesen darauf hinzuweisen, dass er den geforderten Preis für zu hoch halte, weil ansonsten die Gefahr bestehe, dass der Verkäufer gar keinen Abschluss erzielt. Die schlichtende Funktion des dop­ peltätigen Maklers ende nicht bei den Fragen der Preisgestaltung. 698 687  Vgl. BGH v. 25.10.1967 – VIII ZR 215/66, BGHZ 48, 344, 347; BGH v. 26.03.1998 – III ZR 206/97, NJW-RR 1998, 992, 993; BeckOK-BGB/Kotzian-Marggraf, §  654 Rn.  14; MünchKomm­ BGB/Roth, §  652 Rn.  7. 688  Diese Formulierungen stammen von Ibold, Maklerrecht, Rn.  9 und Röhricht, in: Röhricht/ Graf von Westphalen/Haas, HGB, §  98 Rn.  1. 689  Wank, NJW 1979, 188, 191; Kleikamp, Doppeltätigkeit des Zivilmaklers, S.  8 0. 690  BGH v. 25.10.1967 – VIII ZR 215/66, BGHZ 48, 344 ff. Rn.  16. 691  Beide Themenbereiche spricht etwa Roth, in: Baumbach/Hopt, HGB, §  93 Rn.  33. 692 Palandt/Sprau, §  654 Rn.  5; Staudinger/Arnold, BGB, §  654 Rn.  8 . 693 BeckOGK/Meier, BGB, §  654 Rn.  17. 694  BGH v. 25.10.1967 – VIII ZR 215/66, NJW 1968, 150; OLG Hamm v. 05.07.1993 – 18 U 258/92, NJW-RR 1994, 125. 695 MünchKommBGB/Roth, §  654 Rn.  12a. 696  Hamm/Schwerdtner, Maklerrecht, Rn.  9 07. 697  Hamm/Schwerdtner, Maklerrecht, Rn.  9 07. 698  Hamm/Schwerdtner, Maklerrecht, Rn.  9 07.

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D. Weitere moderierte Verträge

Auch aus der Sicht und den bisherigen Ergebnissen dieser Untersuchung spricht einiges gegen eine pauschale Ausklammerung der Preisverhandlung aus der Bera­ tung des Maklers. Eine zentrale Eigenschaft des Moderators, die den für beide Seiten tätigen Makler in dessen Nähe rückt, ist die Neutralität seiner Vorgehensweise. Dass diese aber eine Vermittlung im Hinblick auf den Preis ausschließe, wird an keiner Stelle diskutiert. Im Gegenteil: Die in §  278 Abs.  6 ZPO gesetzlich festgehaltene Möglichkeit des unparteiischen Gerichts, einen Vergleich vorzuschlagen, beinhaltet notwendigerweise auch einen Vorschlag in Bezug auf den Preis, da der Gesetzgeber, wie schon die Gesetzesformulierung deutlich macht, davon ausgeht, dass die Partei­ en den Vorschlag durch Schriftsatz gegenüber dem Gericht annehmen können. Das wäre nicht möglich, wenn der Vorschlag des Gerichts im Hinblick auf den Preis lü­ ckenhaft wäre. Deswegen spricht viel dafür, auch für den vermittelnden Makler anzunehmen, was schon für den Moderator gilt: Die Vermittlung muss neutral erfolgen, die Preisver­ handlungen sind jedoch nicht pauschal aus dem Betätigungsfeld zu streichen. Dass es sich hierbei um einen vor dem Hintergrund der zu wahrenden Neutralität sensiblen Bereich handelt, belegt nicht zuletzt der Umstand, dass eine Doppeltätigkeit des Handelsmaklers deswegen als weniger problematisch angesehen wurde, weil dieser per Definition nur Verträge über die Anschaffung oder Veräußerung von Gegen­ ständen des Handelsverkehrs übernimmt, deren Preisermittlung beiden Parteien we­ gen eines regelmäßig etablierten Marktpreises leicht(er) fällt. Deswegen ist der doppeltätige Makler diesbezüglich zwar zur vorsichtigen Ver­ mittlung, insbesondere aber nicht zur völligen Versagung seiner Vermittlungsleis­ tung gehalten. Welches Vorgehen in Bezug auf den Preis dann im Hinblick die Ein­ haltung des Neutralitätsgebots zu verlangen ist, hängt stark von der konkreten Situ­ ation und nicht zuletzt dem Willen der Parteien ab, die den Makler auch explizit darum bitten können, die Preisverhandlungen zu beeinflussen, etwa wenn im kon­ kreten Fall die Verhandlungen zu scheitern drohen. Dann liegt in keinem Fall ein Verstoß gegen die Pflicht zur Unparteilichkeit vor, die gerade dem Vertragsverhältnis mit den Parteien entstammt, dem auch die Bitte zur Vermittlung zugrunde liegt. So wie der Parteiwille ein Verstoß gegen das Neutralitätsgebot ausschließt,699 so lässt sich andererseits festhalten, dass jede Maßnahme des Maklers, den Preis etwa durch Hinzuziehung weiterer Offerten im Sinne einer Partei zu treiben oder zu drü­ cken, stets einen Verstoß darstellt.700 (2) Unparteilichkeit und Vertragsgestaltung Was für den sensiblen Bereich der Preisfestsetzung im Speziellen gilt, lässt sich eben­ falls für die Frage der Vertragsgestaltung im Allgemeinen sagen. Auch hier ist es mit den Pflichten eines Maklers, der zwischen den beiden zukünftigen Vertragsparteien vermittelt, unvereinbar, in einen von ihm gefertigten Vertragsentwurf Erklärungen 699 

So auch MünchKommBGB/Roth, §  654 Rn.  12a. Düsseldorf v. 16.06.2000 – 7 U 207/99, NZM 2001, 480; OLG München v. 19.11.1999 – 23 U 3480/99, WM 2001, 1562, 1564; Roth, in: Baumbach/Hopt, HGB, §  93 Rn.  33. 700  OLG

II. Vermittlung und Moderation

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aufzunehmen, die ausschließlich den Interessen einer Seite dienen,701 weil der Makler auch an das Neutralitätsprinzip gebunden ist, wenn er Vertragsentwürfe ausarbei­ tet.702 Dies bedeutet einerseits, dass er im Rahmen der Vertragsgestaltung die Ver­ handlungsposition nicht einseitig stärken darf.703 Es bedeutet aber eben andererseits – wie beim Moderator – nicht, dass es dem Doppelmakler per se verboten wäre, einen Vertragsentwurf zu erstellen. (3) Aufklärungs- vs. Verschwiegenheitspflicht Praktisch am relevantesten ist die Frage nach der Einhaltung des Neutralitätsgebots beim Konflikt, in den der Makler gerät. Gemeint ist der Zielkonflikt zwischen der für seine Partei geltenden Aufklärungspflicht einerseits und der Verschwiegenheit andererseits, die er – insbesondere gegenüber der Partei, die ihn nicht beauftragt hat – zu wahren hat. Im Fall der Doppeltätigkeit kann die Aufklärung der einen Seite die Verletzung der Verschwiegenheitspflicht gegenüber der anderen bedeuten, während das Verschweigen eine Nichtbeachtung der Aufklärungspflicht darstellen würde. In jedem Fall bevorzugt der Makler also eine Partei und verhält sich damit nicht neutral. Diesbezüglich hat der BGH früh festgehalten, dass im Fall der Kollision von Aufklä­ rungs- und Verschwiegenheitspflicht der Aufklärungspflicht der Vorrang gebührt.704 Die vertragsdogmatische Begründung lautet dahingehend, dass ein solch grundsätz­ licher Vorrang den Interessen beider Auftraggeber entspräche, da jeder in Kauf neh­ me, dass der Makler die Gegenseite über nachteilige Umstände informiert – im Wis­ sen, demgegenüber auch vom Makler die Dinge zu erfahren, deren Kenntnis wiede­ rum für die Gegenseite ungünstig ist.705 Diesen Ansatz hat die Rechtsprechung später dahingehend konkretisiert, dass die für die Zulässigkeit der Doppeltätigkeit notwendige Zustimmung der Parteien für diese Fälle auch eine Entbindung von der Verschwiegenheitspflicht mit umfasse.706 (4) Weitere Dimension der Aufklärungspflicht Die soeben angesprochene Aufklärungspflicht, die evtl. mit der Verschwiegenheits­ verpflichtung gegenüber der anderen Partei kollidiert, umfasst nur eine Dimension der den Makler treffenden Aufklärungspflicht. Eine weitere wird in der Beschäfti­ gung mit dem Makler kaum angesprochen; sie findet höchstens in der Formulierung

701 

S.  87.

Schwerdtner/Hamm, Maklerrecht, Rn.  909; Kleikamp, Doppeltätigkeit des Zivilmaklers,

702 BeckOGK/Meier, BGB, §  654 Rn.  16.1; OLG Düsseldorf v. 07.11.1997 – 7 U 36–97, NJW-RR 1998, 1207, 1209. 703  Kleikamp, Doppeltätigkeit des Zivilmaklers, S.  89. 704  BGH v. 25.10.1967 – VIII ZR 215/66, NJW 1968, 150, 151: Diese Pflicht zum Reden, die ihm gegenüber dem einen Auftraggeber obliegt, geht der gegenüber dem anderen Teil bestehenden Pflicht vor, die von diesem Teil ihm anvertrauten ungünstigen Umstände für sich zu behalten. 705  BGH v. 25.10.1967 – VIII ZR 215/66, NJW 1968, 150, 151. 706  BGH v. 25.06.1969 – IV ZR 793/68, NJW 1969, 1628; vgl. auch die Darstellung bei Staudin­ ger/Arnold, BGB, §  653 Rn.  225.

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D. Weitere moderierte Verträge

Anklang, dass den Makler auch Aufklärungspflichten dahingehend treffen, ob er von beiden Seiten Provision bezieht.707 Die bisherige Untersuchung hat jedoch auch gezeigt, dass aus der Neutralität des Vermittlers regelmäßig Aufklärungspflichten im Hinblick auf solche Umstände fol­ gen, die nicht die Verschwiegenheitspflicht gegenüber der anderen Partei verletzen, sondern die Vermutung rechtfertigen, dass der Moderator seine Tätigkeit nicht neu­ tral ausübt. Hier soll die Partei in die Lage versetzt werden zu entscheiden, ob sie trotzdem eine – nach wie vor neutral zu tätigende – Vermittlung durch den Modera­ tor möchte. Ausdruck dieses, die Parteiautonomie stärkenden, Ansatzes ist etwa die Vorschrift des §  3 Abs.  1 MedG.708 Gerade weil die Tätigkeit des vermittelnden Dop­ pelmaklers auch auf Vertragsbasis geschieht und er ebenfalls neutral vorgehen soll, spricht einiges dafür, eine entsprechende Offenbarungspflicht des Maklers ebenfalls anzunehmen. bb) Freiwilligkeit Mit der vertragsbasierten Vorgehensweise ist dann auch das Charakteristikum der Freiwilligkeit angesprochen, dass sowohl im Hinblick auf die Beauftragung des Mo­ derators als auch in Bezug auf den Abschluss des Hauptvertrags gilt. Der bzw. die Auftraggeber des Maklers sind auch dann nicht zum Abschluss des Hauptvertrags verpflichtet, wenn die vom Makler nachgewiesene oder vermittelte Abschlussmög­ lichkeit genau den Anforderungen des erteilten Auftrags entspricht.709 An einer vollständigen Identität zum moderierten Vertrag fehlt es jedoch in Bezug auf eine hinsichtlich der Moderation erarbeitete Dimension der Freiwilligkeit: Diese beinhaltet für die Parteien auch die Möglichkeit, den Hauptvertrag ohne Maklerbe­ teiligung zu schließen. Das ist den Parteien zwar jederzeit möglich, ihre Autonomie ist damit nicht beeinträchtigt. Sie müssen allerdings, auch wenn sie sich entscheiden, den Vertrag ohne den Makler zu schließen, dessen Honorar bezahlen, wenn sie die­ sen zuvor beauftragt hatten und der Vertrag eine entsprechende Vereinbarung auf­ weist, die häufig Teil eines Alleinauftrags ist.710 Die Möglichkeit, eine Übereinkunft auch wirksam ohne den Makler zu treffen, wird davon nicht beeinträchtigt. e) Haftung Die Haftung des Maklers weist in ihrer grundsätzlichen Ausrichtung Parallelen zu derjenigen des Mediators auf, was zunächst daran liegt, dass beide aufgrund eines Vertrags mit den Parteien des zu vermittelnden Hauptvertrags tätig werden. Insofern gilt für die Haftung des Maklers, was auch schon für die Haftung des Mediators festgehalten wurde: Maklerhaftung ist Haftung für Pflichtverletzungen,711 d. h., die 707 BeckOK-BGB/Kotzian-Marggraf,

§  654 Rn.  14. §  3 MedG Rn.  1. 709  BGH v. 18.04.1966 – VIII ZR 111/64, NJW 1966, 1404, 1405; Fischer, in: Erman, BGB, §  652 Rn.  18; Soergel/Lorentz, BGB, Vor §  652 Rn.  2; Staudinger/Reuter, Vor §§  652 Rn.  2. 710 Jauernig/Mansel, BGB, §  652 Rn.  36. 711  Für den Mediator vgl.: Jost, in: Fischer/Unberath, Das neue Mediationsgesetz, S.  123, 134; 708 MünchKommFamFG/Ulrici,

II. Vermittlung und Moderation

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fehlerhafte Beratung kommt als Pflichtverletzung jedes Maklervertrags in Be­ tracht.712 Mit Blick auf die hier interessierende vermittelnde Tätigkeit des Maklers lässt sich hinsichtlich der Feststellung der Pflichtverletzung formulieren, was auch schon für den Mediator galt. Aufgrund der fehlenden gesetzlichen Vorgaben dürfte eine Pflichtverletzung bzgl. der zwischen den Parteien vermittelnden Tätigkeit des Maklers nur schwer festzustellen sein. Neben den Gemeinsamkeiten lässt sich auch ein zentraler Unterschied zur Haf­ tung des Mediators hervorheben: Anders als beim Mediator existiert für den Makler, genauer gesagt: für den Handelsmakler, eine spezielle Regelung für dessen Haftung. Nach §  98 HGB haftet der Handelsmakler jeder der beiden Parteien für den ent­ standenen Schaden. Durch die Vorschrift kommt die Vorstellung des Gesetzgebers zum Ausdruck, derzufolge der Handelsmakler typischerweise im Rahmen seines Vermittlungsauftrags auch mit der Gegenseite geschäftliche Beziehungen aufnimmt und infolgedessen auch deren Interessen zu wahren und bei einer Verletzung ebenso dieser gegenüber haften soll, selbst wenn keine explizite Beauftragung vorliegt. Mit §  98 HGB wird also keine Haftungsgrundlage an sich geschaffen. Vielmehr soll durch sie nur eine evtl. fehlende vertragliche Haftungsgrundlage überwunden wer­ den. Umstritten ist dann lediglich, auf welchem dogmatischen Weg die Vorschrift die vertragliche Haftungsgrundlage ersetzt, wenn der Makler nicht mit beiden Parteien einen Maklervertrag geschlossen hat.713 Zum Teil wird §  98 HGB als eine ein gesetz­ liches Schuldverhältnis schaffende Norm verstanden.714 Daneben wird die Vorschrift auch als gesetzlicher Fall eines Vertrags mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter ein­ geordnet.715 Unabhängig von der dogmatischen Verankerung ist jedoch auch für die Vorschrift des §  98 HGB zu konstatieren, dass diese zwar eine Pflichtverletzung vo­ raussetzt, aber selbst nicht beschreibt, welche Pflichtverletzung eine Haftung aus­ löst.716 Ein Erkenntnisgewinn für die Blickrichtung dieser Untersuchung ist damit deshalb nicht verbunden. f) Der moderierte Vertrag Aufgabe des Doppelmaklers ist die Vermittlung eines Vertragsschlusses. Das – wie bei der Moderation auch – erstrebte Ergebnis der vermittelnden Tätigkeit ist der Ab­ schluss eines Vertrags, an dem der Makler nicht selbst beteiligt ist. Insofern besteht eine Übereinstimmung zwischen der Situation bei der Moderation und der Makler­ tätigkeit.

Handbuch Mediation/Prütting, §  46 Rn.  18; Tochtermann, in: Fischer/Unberath, Das neue Media­ tionsgesetz, S.  113, 118; Brieske, in: Henssler/Koch, Mediation in der Anwaltspraxis, §  12 Rn.  49. 712 Palandt/Sprau, §  654 Rn.  6 . 713  Eine Darstellung des Streitstandes findet sich bei Röhricht, in: Röhricht/Graf von Westpha­ len/Haas, HGB, §  98 Rn.  1. 714  Roth, in: Baumbach/Hopt, HGB §  98 Rn.  1; Schmidt, HandelsR, §  26 II 3c. 715 Heymann-HGB/Herrmann, §   98 Rn.  1; MünchKommHGB/Ströbl, §  98 Rn.  1; Lutter, FS Bärmann, 1975, S.  605, 615, Rn.  23. 716 BeckOK-HGB/Lehmann, §  98 Rn.  2.

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D. Weitere moderierte Verträge

Beide unterscheiden sich jedoch im Hinblick auf die Ausgangslage bzgl. des späte­ ren Vertragsinhalts. Bei der Moderation gibt es keine notwendige Festlegung, son­ dern der Inhalt des Vertrags wird allein durch den zu Grunde liegenden Konflikt bestimmt. Eine Vorfestlegung von einer Seite ist möglich, aber keinesfalls die Regel. Hiervon unterscheidet sich die Situation der Vermittlung durch den Makler. Der Beauftragung des Maklers, die zudem auch beim Doppelmakler nicht gleichzeitig durch beide Parteien, sondern regelmäßig nacheinander erfolgen wird, liegt aber der Wunsch der Partei zugrunde, einen Vertrag über einen bestimmten Inhalt zu schlie­ ßen, sei es bspw. der Ankauf eines Grundstücks beim Zivilmakler oder der Verkauf von Wertpapieren beim Handelsmakler. In jedem Fall ist der Vertragsgegenstand, jedenfalls jedoch das Vertragsthema, schon vorgegeben. Das zeigt zudem, dass auch beim Vermittlungsmakler stets ein Teil der Maklerleistung verbleibt, der verlangt, zunächst einen geeigneten Vertragspartner zu finden. Bei der Grundkonstellation der Maklertätigkeit liegt hierin der Kern des vom Makler zu erfüllenden Auftrags. Dieses Element fehlt bei der Moderation völlig. Dem Moderator im Sinne dieser Un­ tersuchung sind die Parteien, die im Falle einer erfolgreichen Vermittlung an deren Ende einen Vertrag schließen, bereits zu Beginn seiner Tätigkeit bekannt. Diese er­ folgreich auszuüben, ohne dass eben diese beiden Parteien einen Vertrag miteinander schließen, ist nicht möglich – anders als beim Makler. Auch der Makler, der für zwei Parteien gleichzeitig tätig ist, kann seine Tätigkeit erfolgreich ausüben, wenn er nicht zwischen diesen beiden Parteien, sondern für jede Partei jeweils mit einem weiteren Vertragspartner einen Vertrag vermittelt, der den Vorstellungen der Partei entspricht. Das ist möglich, weil der Einsatz des Maklers eben nicht auf einem Konflikt zwi­ schen Parteien fußt, der sich nur zwischen eben diesen auch beilegen lässt, sondern die – marktwirtschaftliche ebenso bedeutsame Aufgabe – der Vermittlung von Ver­ tragspartnern beinhaltet. Nicht ohne Grund ist die Hochzeitsvermittlung ein Unterfall der Tätigkeit des Maklers. Demgegenüber ist der Moderator – um im Bild zu bleiben – eher der Ehe­ berater zur Beilegung von Konflikten in einer bereits bestehenden Partnerschaft. g) Interesse Typisch ist demgegenüber das Interesse des Maklers am Abschluss des Hauptver­ trags. In der Grundkonstellation des Maklervertrags erhält der Makler überhaupt nur eine Vergütung in Form einer Provision, wenn der Hauptvertrag infolge seiner Tätigkeit geschlossen wird.717 Diese Grundannahme findet ihren Ausdruck in §  652 Abs.  1 Satz 1 BGB. Dies deutet schon auf ein Interesse des Maklers am Abschluss eines wirksamen Hauptvertrags hin.718 Ein solches besteht – ähnlich wie bei den schon beschriebenen Moderatoren, insbesondere etwa beim Mediator – auch dann, wenn der Makler sein Honorar entgegen der gesetzlichen Grundannahme schon für sein bloßes Tätigwerden bekommt. Dann liegt sein Interesse, erfolgreich einen Ver­ 717 

Zum Problem der Ursächlichkeit vgl. nur Jauernig/Mansel, BGB, §  652 Rn.  24. Voraussetzung des Abschlusses eines wirksamen Hauptvertrages vgl. nur BGH v. 14.12.2000 – III ZR 3/00, NJW 2001, 966 f. 718 Zur

II. Vermittlung und Moderation

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trag zu vermitteln, schon deshalb vor, weil er nur als in diesem Sinne erfolgreicher Makler auf dem Markt bestehen kann, weshalb das Verhalten des Maklers zutreffend als zweispurig bezeichnet wird.719 Er tritt in die Öffentlichkeit, um einen Maklerver­ trag zu schließen. Aber eben nicht nur: Seine Absicht ist auch, einen weiteren Vertrag zustande zu bringen. h) Makler als Moderator Ausgehend vom gesetzlichen Leitbild des BGB hat der Makler mit dem Moderator im Sinne dieser Untersuchung nicht viel gemein. Es fehlt an zentralen Elementen der Moderation, nämlich der Unparteilichkeit und der Kommunikationsmittlung als zentrale Leistung. Der Makler lässt sich aber, sofern man die entsprechenden ver­ traglichen Konstellationen wählt, an den Mediator heranrücken. Durch die Verein­ barung einer Doppeltätigkeit entsteht die Pflicht zur Unparteilichkeit. Ebenso lässt sich die Tätigkeit des Maklers auf die der Moderation nähere Vermittlungstätigkeit konzentrieren. Aber auch bei Ausschöpfung aller Möglichkeiten der Annäherung entsteht keine Kongruenz, weil die Grundidee der Maklertätigkeit, die bei allen Anpassungen trotzdem Hintergrund der Tätigkeit bleibt, so stark von dem abweicht, was nach hiesiger Auffassung eine Moderation ausmacht. Die Notwendigkeit, hier den Begriff der Moderation zu wählen, statt den auf den ersten Blick näherliegenden der Ver­ mittlung wird dadurch begründet, dass der Vermittlungsbegriff bereits im Rahmen des §  652 BGB verwendet wird und dort etwas anderes meint. Das wird im Hinblick auf die Unparteilichkeit etwa daran deutlich, dass der Mak­ler, der ursprünglich Interessenvertreter einer Seite ist, im Rahmen seiner Dop­ peltätigkeit zwar unparteilich sein soll, dies aber nicht als Lagerfreiheit verstanden wird, wie das hier bei der Moderation angenommen wurde. Die Tätigkeit wird – eben vor dem Hintergrund, dass der Makler im Normalfall im Interesse einer Partei tätig wird – so verstanden, dass der doppeltätige Makler in beiden Lagern stehe.720 Es zeigt sich eine Nähe zur Mediation. Noch deutlicher wird die fehlende Kongruenz im Hinblick auf die Kerntätigkeit des Maklers. Denn auch der Makler, der als Doppelmakler vermittelnd tätig ist, kann, ohne gegen die Pflicht zur Unparteilichkeit zu verstoßen, immer noch einen weiteren Vertragspartner ins Spiel bringen, der die Vorstellungen eines seiner Klien­ ten eher erfüllt. Auf diesem Wege kann er also auch Vertragsschlüsse seiner beiden Klienten nicht miteinander, wie evtl. ursprünglich oder zwischenzeitlich vorgese­ hen, sondern mit weiteren Personen vermitteln. Diese Möglichkeit besteht in der Moderationssituation gerade nicht. Diese ist darauf angelegt, dass der vermittelnde Moderator zwischen den von vornherein feststehenden Teilnehmern seiner Modera­ tion einen Vertrag zustande bringt, der den zwischen ihnen bestehenden Konflikt löst oder zumindest einer Lösung nahe bringt. Damit ist dann auch der ganz grund­ sätzliche Unterschied zwischen der Tätigkeit des Moderators und des Maklers be­ 719 Von 720 Vgl.

Knieper, NJW 1970, 1293, 1294. Schwerdtner/Hamm, Maklerrecht, Rn.  897.

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D. Weitere moderierte Verträge

schrieben. Der Moderator versucht, einen Konflikt durch die Vermittlung eines zi­ vilrechtlichen Vertrags zu lösen. Der Makler versucht, einen Vertrag zu vermitteln, jedoch nicht um einen Konflikt zu lösen, sondern um des Vertrags selbst willen. Der Makler sorgt im Wege seiner Tätigkeit viel eher dafür, dass sich Angebot und Nach­ frage begegnen – die Beilegung von Konflikten ist demgegenüber nicht seine Aufga­ be. Auch für den Makler gilt letzten Endes, dass die Bestimmung, welche Neutrali­ tätsanforderungen gelten, letztlich den Parteien obliegt.

III. Abgrenzung und Zusammenfassung Die Analyse aus der Perspektive des Vermittlungsbegriffs hat einerseits – im Falle des Notars – zu einer weiteren Vertiefung des Verständnisses des moderierten Ver­ trags beigetragen. Andererseits zeigte der vergleichende Blick auf die Vermittlung durch die Arbeitsagenturen und den Makler, dass der Vermittlungsbegriff schon in einem von der Moderation abweichendem Verständnis gebraucht wird. Die Darstellung ist nicht abschließend, und sie kann es auch nicht sein.721 Es gibt insofern – und dies sollte die Analyse zeigen – keine Festlegung auf ein Rechtsgebiet oder ein bestimmtes Verfahren der Konfliktlösung. Vielmehr sollten durch die Ab­ grenzungen einerseits das Profil des moderierten Vertrags geschärft und andererseits die Bedeutung des moderierten Vertrags herausgestellt werden.

1. Abgrenzung Mit Hilfe dieser Profilbildung lässt sich der moderierte Vertrag gut von den Ergeb­ nisses der Schlichtung sowie des Schiedsverfahrens bzw. dem Schiedsgutachten ab­ grenzen. a) Schlichtung Das Ergebnis der Moderation, der moderierte Vertrag, lässt eine Nähe der Modera­ tion zur Schlichtung vermuten. Es bestehen jedoch zwei wesentliche Unterschiede. Zwar ist der Begriff der Schlichtung weder durch den Gesetzgeber722 noch sonst verbindlich festgelegt,723 dennoch ist regelmäßig dann von Schlichtung die Rede, wenn es um die Beilegung von Regelungsstreitigkeiten und nicht von Rechtsstreitig­ keiten geht.724 Ein Unterschied zwischen beiden besteht – verkürzt dargestellt – dar­

721  Vgl. nur MünchKommZPO/Prütting, §  278 Rn.  6 4, demzufolge die Zahl der vorhandenen Schieds-, Schlichtungs- und Gutachterstellen nahezu unübersehbar groß ist. 722  Greger, in: Greger/Unberath/Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, Teil D: Syste­ matische Darstellung, Rn.  19. 723  Joussen, Schlichtung als Leistungsbestimmung und Vertragsgestaltung durch einen Dritten, S.  17. 724  Joussen, Schlichtung als Leistungsbestimmung und Vertragsgestaltung durch einen Dritten, S.  16.

III. Abgrenzung und Zusammenfassung

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in, dass Rechtsstreitigkeiten auf eine Rechtsanwendung hinauslaufen, Regelungs­ streitigkeiten demgegenüber auf eine Rechtsschöpfung bzw. Rechtssetzung.725 Da das Ergebnis des Verfahrens der Moderation, eine Regelung in Form des mo­ derierten Vertrags, insofern einem Schlichtungsergebnis entspricht, liegt an dieser Stelle eine Parallele zur Schlichtung vor. Der Unterschied zwischen beiden Situatio­ nen liegt jedoch darin, dass eine Schlichtung mit einer Regelungsstreitigkeit startet, während die Moderation auch mit einer Rechtsstreitigkeit beginnen kann, die dann durch eine vertragliche Regelung behoben wird. Klassifiziert man die Schlichtung als Konfliktlösungsmechanismus im Bereich der Regelungsstreitigkeiten,726 so liegt hierin schon ein Unterschied zur Moderation begründet. Die zentrale Differenz liegt in der Tätigkeit des Moderators bzw. Schlichters. Die Funktion des Schlichters besteht auch darin, als neutraler Dritter 727 den Parteien ei­ nen unverbindlichen728 Lösungsvorschlag zu unterbreiten.729 Im Gegensatz zur pro­ zessorientierten Mediation orientiert sich der Schlichter also an seinem abschließen­ den Schlichterspruch.730 Gerade wegen des abschließenden Spruchs sei der Schlichter eine Autorität731 – im Gegensatz etwa zum Mediator.732 Der Moderator kann zwar im Einzelfall Lösungsvorschläge unterbreiten, dies stellt jedoch nicht den Kern seiner Tätigkeit733 dar. Vielmehr kann er das Erarbeiten von Lösungsvorschlägen auch den Parteien überlassen. Auch im Rahmen des Schiedsverfahrens können sich die Parteien naturgemäß einigen, ohne dass es zu ei­ ner Lösungsempfehlung durch den Schlichter gekommen wäre. Dies ändert aller­ dings nichts daran, dass der Schlichterspruch zum Wesen der Schlichtung gehört, ebenso wie der Umstand, dass ein Gerichtsverfahren durch Prozessvergleich beendet werden kann, nicht dazu führt, dass das Urteil nicht mehr Wesensbestandteil des Gerichtsverfahrens ist.734

725  Joussen, Schlichtung als Leistungsbestimmung und Vertragsgestaltung durch einen Dritten, S.  11; ders. S.   12 verweist auf die prägnante Formulierung von Brox: Brox/Rüthers, Arbeits­ kampfrecht, 2.  Aufl. 1982, Rn.  684: „Während es bei Rechtsstreitigkeiten primär darum geht, was rechtens ist, geht es bei den Regelungsstreitigkeiten darum, was künftig rechtens sein soll.“ 726 Wie Joussen, Schlichtung als Leistungsbestimmung und Vertragsgestaltung durch einen Dritten, S.  27; krit. Schmeing, Konfliktmanagement in Familienunternehmen, S.  74. 727  Dürschke/Mayer-Metzner, SGb 2015, 69, 72; MünchKommZPO/Prütting, §  278 Rn.  6 4; Löhner, Die freiwillige Streitschlichtung vor Gütestellen, S.  10. 728  Löhner, Die freiwillige Streitschlichtung vor Gütestellen, S.  10; Schmeing, Konfliktmanage­ ment in Familienunternehmen, S.  74. 729  Greger, in: Greger/Unberath/Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, Teil D: Syste­ matische Darstellung, Rn.  19; vgl. auch BT-Drs. 17/5335, S.  5; Eckstein, JuS 2014, 698, 699; so auch Kracht/Rüssel, JA 2003, 725, 727 f.; Unberath, ZKM 2011, 4, 5; Kleinschmidt, ZZP 2015, 215, 219. 730  Dürschke/Mayer-Metzner, SGb 2015, 69, 70; zur Differenzierung zur Mediation siehe auch Unberath, ZKM 2011, 4, 5. 731 MünchKommZPO/Prütting, §  278 Rn.  6 4; Haft, in: FS Söllner, S.  391, 398. 732  Der ein „bloßer Dienstleister“ sei, so Haft, in: FS Söllner, S.  391, 398. 733 Bzw. den kleinsten gemeinsamen Nenner der Definition der Schlichtung, vgl. Joussen, Schlichtung als Leistungsbestimmung und Vertragsgestaltung durch einen Dritten, S.  17. 734  Dieses Argument findet sich bei Unberath, in: Greger/Unberath/Steffek, Recht der alternati­ ven Konfliktlösung, Einl. Rn.  58.

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b) Schiedsverfahren Von den soeben beschriebenen Schiedsverfahren sind die – gleichnamigen – Schieds­ verfahren im Sinne der §§  1025 ff. ZPO zu unterscheiden, in deren Rahmen dem Schiedsrichter eine quasi-richterrechtliche Entscheidungsbefugnis zufällt.735 Die bisherige Untersuchung hat bereits gezeigt, dass die Konfliktparteien nicht nur ihren Konflikt autonom regeln, sondern auch den Weg zu dieser Lösung beeinflussen kön­ nen. Hierunter fallen die abweichenden Gestaltungen im Hinblick auf das Verfahren zur Erreichung des materiell notwendigen Konsenses ebenso wie etwa die gemeinsa­ me Entscheidung, im Rahmen eines Mediatorvertrags einen Mediator mit der Ver­ mittlung zu beauftragen. Das Schiedsverfahren stellt in diesem Zusammenhang die extremste Möglichkeit der Parteien dar, den Weg zur Konfliktlösung privatautonom zu regeln. Denn von der Regelungsstruktur entsprechen die Rechtsgrundlagen des Mediationsverfahrens den Rechtsbeziehungen in der Schiedsgerichtsbarkeit.736 Nur wird beim Schiedsverfahren ein „privates Gericht“ von den Parteien ermächtigt, an­ stelle des staatlichen Gerichts mit Bindungswirkung zu entscheiden.737 Hierzu be­ rechtigt sie ihre Privatautonomie.738 Das Schiedsverfahren ist dem Gerichtsverfahren in seiner Funktion und Methode eng verwandt.739 Es unterscheidet sich von diesem insbesondere darin, dass die Parteien die Person des Schiedsrichters selbst bestim­ men, größeren Einfluss auf das Verfahren nehmen können und dieses vertraulich ohne Öffentlichkeit durchführen können.740 Darüber hinaus wird auf eine zweite und dritte Instanz verzichtet.741 Der Schiedsrichter kann damit als Moderator im Sinne dieser Untersuchung auf­ treten, z. B. wenn er einen Vergleich (siehe §  1053 ZPO) im Rahmen der fakultati­ ven742 mündlichen Verhandlung vermittelt. Aufgrund der Nähe zum Gerichtsver­ fahren sollen die besonderen Wertungen, die sich aus den Vorschriften der §§  1025 ff. ZPO ergeben, dort ebenfalls berücksichtigt werden. Dies gilt insbesondere, aber nicht ausschließlich für die Regelung des §  1053 ZPO, der zufolge das Schiedsgericht einen Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut nur dann festhält, wenn dieser nicht gegen die öffentliche Ordnung (ordre public) verstößt. c) Schiedsgutachten Die Konfliktparteien können sich im Rahmen ihrer Privatautonomie auch entschei­ den, nicht die ganze Entscheidung ihrer Streitigkeit verbindlich durch einen Dritten 735 

Kracht/Rüssel, JA 2003, 725, 728; Dürschke/Mayer-Metzner, SGb 2015, 69, 70. Handbuch Mediation/Hess, §  43 Rn.  11. 737  Unberath, in: Greger, Mediationsgesetz, Einl. Rn.  23, 77; vgl. auch Joussen, Schlichtung als Leistungsbestimmung und Vertragsgestaltung durch einen Dritten, S.  18; Dürschke/Mayer-Metzner, SGb 2015, 69, 70. 738  Rudkowski, JuS 2013, 398; Bechte, ZJS 2011, 307. 739  Katzenmeier, ZZP 115 (2002), 51, 65 f. 740  Zu weiteren Vor- und Nachteilen vgl. Rudkowski, JuS 2013, 398 f.; Bechte, ZJS 2011, 307 f., aber auch Katzenmeier, ZZP 115 (2002), 51, 83. 741  Unberath, in: Greger, Mediationsgesetz, Einl. Rn.  79. 742  Hierüber können die Parteien Vereinbarungen treffen, vgl. §  1047 ZPO. 736 

III. Abgrenzung und Zusammenfassung

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entscheiden zu lassen, sondern mittels eines Schiedsgutachtens nur ein Teilelement des Streits einer Klärung zuzuführen.743 Die rechtlichen Beziehungen sind wiede­ rum vergleichbar mit denen der Mediation sowie des Schiedsverfahrens. Der Schieds­ gutachter wird als neutraler Dritter für beide Seiten tätig, wie sich aus der dem Schiedsgutachten zu Grunde liegenden Vereinbarung ergeben muss. Handelt er nur für eine Seite, liegt kein Schieds- sondern ein unverbindliches Privatgutachten vor.744 Schiedsgutachten lassen sich in zwei Grundtypen unterteilen, die regelmäßig so­ genannten Schiedsgutachten im engeren Sinne einerseits und solche im weiteren Sin­ ne andererseits. Beim Schiedsgutachten im weiteren Sinne handelt es sich um eine rechtsfolgenori­ entierte Vertragsergänzung, in deren Zusammenhang dem Schiedsgutachter ein Er­ messensspielraum eingeräumt wird.745 Das ist etwa dann der Fall, wenn der Schieds­ gutachter einen lückenhaften Vertrag vervollständigt, in dem er die Leistung oder einzelne Leistungsmodalitäten in Ergänzung des Parteiwillens bestimmt.746 Die Er­ stattung eines solchen Schiedsgutachtens im weiteren Sinne fällt als Leistungsbe­ stimmung durch einen Dritten in den Anwendungsbereich des §  317 BGB.747 Die Vorschrift des §  317 BGB und nicht etwa die Vorschriften zur Schiedsgerichts­ barkeit748 findet ebenso – allerdings entsprechende – Anwendung auf die Erstellung eines Schiedsgutachtens im engeren Sinne. Dabei handelt es sich inhaltlich um ein Gutachten, dass auf die Feststellung bestimmter Tatbestandsmerkmale gerichtet ist, weil die Parteien die vertraglich geschuldete Leistung zwar objektiv bestimmt haben, der Vertragsinhalt aber von der Feststellung bestimmter Tatsachen oder Tatbestands­ merkmale abhängt.749 Der Dritte erstellt ein Schiedsgutachten im engeren Sinne, wenn er einen Wert ermittelt oder einen Mangel feststellt.750 Das Beweisgutachten ist daher ein Schiedsgutachten im engeren Sinne.751 Anders als bei der Leistungsbestim­ mung im Rahmen des Schiedsgutachtens im weiteren Sinne steht dem Schiedsgut­ achter hier – also bspw. bei der Wertermittlung – kein Ermessens-, sondern ein Be­ urteilungsspielraum zu.752 Daher werden die Vorschriften der §§  317 ff. BGB ent­ sprechend angewandt, was bei der Kontrolle der Tätigkeit des Gutachters dazu führt, 743 MünchKommBGB/Würdinger, §  317 Rn.  9 spricht von „Konfliktmanagement mit Sachver­ stand“; vgl. auch Greger, ZKM 2013, 43. 744 Staudinger/Rieble, BGB, §  317 Rn.  17. 745 Staudinger/Rieble, BGB, §  317 Rn.  19. 746 BeckOGK/Netzer, BGB, §  317 Rn.  28. 747 Staudinger/Rieble, BGB, §  317 Rn.  19; BeckOGK/Netzer, BGB, §  317 Rn.  30; Hager, in: Er­ man, BGB, §  317 Rn.  7; BeckOK-BGB/Gehrlein, §  317 Rn.  6. 748  Greger, ZKM 2013, 43; zur Abgrenzung und Darstellung der anderslautenden Mindermei­ nung siehe nur Staudinger/Rieble, BGB, §  317 Rn.  29. 749 Staudinger/Rieble, BGB, §  317 Rn.  19; BeckOGK/Netzer, BGB, §  317 Rn.  31. 750  Weitere Beispiele bei Staudinger/Rieble, BGB, §  317 Rn.  19; BeckOGK/Netzer, BGB, §  317 Rn.  31. 751 Staudinger/Rieble, BGB, §  317 Rn.  19. 752 BeckOGK/Netzer, BGB, §   317 Rn.  33; BGH v. 19.12.1975 – IV ZR 107/74, BeckRS 1975, 30380045; RG v. 23.05.1919 – II 22/19, RGZ 96, 57, 62; BGH v. 22.04.1965 – VII ZR 15/65, BGHZ 43, 374, 376; BGH v. 09.07.1981 – VII ZR 139/80, BGHZ 81, 229, 237; Hager, in: Erman, BGB, §  319 Rn.  8; MünchKommBGB/Würdinger, §  317 Rn.  38.

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D. Weitere moderierte Verträge

dass dessen Aussage nur dann nicht verbindlich ist, wenn sie offenbar unrichtig ist.753 Demgegenüber verlangt die Vorschrift bei der Einräumung eines Ermessensspiel­ raums nach §  317 BGB eine offenbare Unbilligkeit. Ob mit dieser Unterscheidung zwischen direkter und analoger Anwendung im Ergebnis ein Unterschied einhergeht, darf bezweifelt werden, weil aus der offenba­ ren Unrichtigkeit keine andere Kontrolle folgt als aus der offenbaren Unbilligkeit.754 Diese unterschiedliche Bezeichnung ist letztlich wohl nur dem Umstand geschuldet, dass das Gutachten in einem Fall ein im Streit befindliches Tatbestandsmerkmal auf­ klären soll statt – wie in der Grundkonstellation von §  317 BGB vorgesehen – die Rechtsfolge des Vertrags festzulegen, was die Parteien insbesondere schon von vorn­ herein so bestimmt haben können, ohne dass es überhaupt zum Konflikt gekommen wäre. Es bleibt festzuhalten, dass die Rechtsordnung Regelungen zur und eine Kontrol­ le der Tätigkeit des Dritten vorsieht, sofern dessen neutrale Einschätzung für die Vertragspartner verbindlich ist. Weil sich seine verbindliche Entscheidung nur auf einen Teilaspekt bezieht, unterscheidet sich der Schiedsgutachter vom Schlichter, der den Parteien einen Vorschlag für die Beilegung ihres gesamten Konflikts unterbrei­ tet.755 Der Mediator schließlich setzt demgegenüber seine vorhandene Sachkunde nur bei der Gesprächsleitung ein, nicht in Form einer Bewertung oder Entscheidung von divergierenden Ansichten der Parteien756 etwa im Hinblick auf eine Schadenshö­ he oder die Mangelhaftigkeit einer Sache.

2. Zusammenfassung Allein die Häufigkeit seines Vorkommens an prominenten Stellen im Recht, wie in­ nerhalb des Zivilprozesses, im Rahmen des Täter-Opfer-Ausgleichs oder bei der Beilegung von Streitigkeiten, an denen Verbraucher beteiligt sind, verdeutlicht, dass dem moderierten Vertrag als selbstbestimmte Konfliktlösung unter Zuhilfenahme eines Dritten eine große und stetig steigende Bedeutung zukommt. Diese geht über den Abschluss eines Prozessvergleichs weit hinaus. Neben der Streitbeilegung unter Inanspruchnahme eines entscheidungsbefugten Dritten oder im Wege der Einigung, die die Konfliktparteien allein durch eine bilaterale Verhandlung erzielen, kommt der Figur des moderierten Vertrags eine signifikante und eigenständige Bedeutung zu.757 a) Moderator Die erste Definition des moderierten Vertrags ist aus den Ergebnissen entstanden, die bei der Betrachtung der vermittelten Lösung des zivilrechtlichen Konflikts ent­ 753 BeckOGK/Netzer,

BGB, §  317 Rn.  33. BGB, §  317 Rn.  25 spricht von juristischem Glasperlenspiel. 755  Greger, ZKM 2013, 43, 44. 756  Greger, ZKM 2013, 43, 44. 757 Vgl. Wendland, Mediation und Zivilprozess, S.  198. 754 Staudinger/Rieble,

III. Abgrenzung und Zusammenfassung

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standen sind. Die zur Definition erstmals formulierten Erkenntnisse ließen sich durch die Analyse, die in diesem Kapitel stattgefunden hat, erweitern und vertiefen. aa) Vermittlungstätigkeit In Bezug auf die Vermittlungstätigkeit lässt sich zunächst nur das bereits bekannte Ergebnis wiederholen. Gesetzliche Vorgaben fehlen nahezu vollständig, unabhängig ob es um die Moderation im Rahmen der Verbraucherschlichtung oder zur Erzie­ lung eines Täter-Opfer-Ausgleichs geht. Hervorzuheben sind die für den Notar geltenden Notarspflichten, die eine seltene Regelung der Vermittlungstätigkeit darstellen und die das Ziel verfolgen, den Partei­ en eine aufgeklärte und informierte Entscheidung über den Vertragsschluss zu er­ möglichen. Diese Kardinalspflichten stellen eine – gesetzlich verankerte Form – der in dieser Untersuchung so bezeichneten „Vorwirkung“ dar. Diese „Vorwirkung“ beschreibt den Umstand, dass es, häufig auch gerade wegen gänzlich mangelnder Vorgaben zur Vermittlungstätigkeit, die unmittelbar auf den Vertrag gerichteten Regelungen sind, die ihre Wirkung auch für die Vermittlung entfalten. Im Falle der notariellen Ver­ mittlungstätigkeit ist es z. B. das Ziel in Form der perfekten bzw. vollkommenen Urkunde, deren Definitionsmerkmale sich in den Kardinalspflichten widerspiegeln. Eine solche Vorwirkung ließ sich etwa auch beobachten bei den moderierten Ver­ trägen in Form des Täter-Opfer-Ausgleichs oder der einvernehmlichen Regelung im Sinne des §  17 SGB VIII, jedoch mit dem Unterschied, dass dort – anders als beim Notar – keine gesetzlichen Regelungen bestehen. Das mindert die Bedeutung der Vorwirkung allerdings nicht. Einzelne Moderationstechniken finden Anwendung in einer ganzen Reihe von Moderationssituationen. Das sogenannte Ein-Text-Verfahren, das in der Mediation bekannt ist und seine Regelung in §  278 ZPO erfahren hat, entspricht dem Urkunds­ entwurf des Notars. Nicht notwendigerweise zu Beginn, sondern während oder am Schluss des Vermittlungsverfahrens sind die Einigungsvorschläge des Moderators, die nicht nur in §  278 Abs.  6 ZPO, sondern auch in §§  15 Abs.  6 UWG und 19 VSBG geregelt sind. Sie unterscheiden sich im Hinblick auf den Zeitpunkt, in dem sie inner­ halb des Moderationsverfahrens abgegeben werden. Während der Vorschlag beim „Ein-Text-Verfahren“ zu Beginn erfolgt, verortet die Regelung des §  19 VSBG ihn am Ende des Verfahrens. Sämtlich Vorschläge erfüllen zudem auch die Funktion der sogenannten Einigungshilfen. bb) Einigungshilfen Einigungshilfen beschreiben die Maßnahmen des Rechts, die im Rahmen der be­ trachteten Moderationssituationen getroffen wurden, um den Abschluss des mode­ rierten Vertrags zu erleichtern. Dabei ist das Ein-Text-Verfahren innerhalb der Moderation ein gutes Beispiel für so eine Einigungshilfe, die in verschiedenen Moderationsverfahren zum Einsatz kommt. Es wird genutzt als anerkannte Technik im Rahmen des Mediationsverfah­

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D. Weitere moderierte Verträge

rens, als die notarstypische Maßnahme der Moderation, die zudem im Verfahren in Teilungssachen in §  368 Abs.  1 Satz 1 FamFG für den Notar eine gesetzliche Veran­ kerung gefunden hat. Entsprechendes gilt für den Prozessrichter und dessen Ver­ gleichsvorschlag im Sinne des §  278 Abs.  6 Satz 1 Alt.  2 ZPO. Diese schlichte Maßnahme, die Einigung dadurch zu fördern, den Moderator den ersten Entwurf erstellen zu lassen, ist zudem übertragbar auf sämtliche Situationen der Moderation und kann – mit Zustimmung der Parteien – auch dort angewandt werden, wo es nicht bereits explizit gesetzlich geregelt ist, wie die Nutzung in der Mediation verdeutlicht. Auch die verschiedenen Regelungen, welche die Herstellung des zum Vertrags­ schluss notwendigen Konsenses vereinfachen, sind an dieser Stelle zu nennen. Diese sind zuerst durch die hier so bezeichnete „besondere Protokollierung“ bzw. den „be­ sonderen Vertragsschluss“ im Rahmen des §  278 Abs.  6 ZPO in Erscheinung getre­ ten. Mit der sogenannten Widerspruchslösung im Rahmen der Tätigkeit des Ge­ richtsvollziehers war bereits eine weitere hinzugekommen. Innerhalb des Verfahrens nach dem VSBG hat der Gesetzgeber – wohl unbewusst – erneut das bereits aus §  278 Abs.  6 ZPO bekannte Prozedere installiert, das dort bereits als „besonderer Ver­ tragsschluss“ tituliert wurde. Mit der Verankerung eines „doppelten Säumnisverfah­ rens“ in §  366 Abs.  3 FamFG, das im Rahmen der notariellen Vermittlung betrachtet wurde, existiert eine Einigungshilfe, die sich zudem vertragsdogmatisch als ein ge­ setzlicher Fall des Schweigens mit Erklärungswert einordnen lässt. Auch im Hinblick auf diese gesetzgeberischen Maßnahmen gilt das, was schon für das Ein-Text-Verfahren festgehalten wurde: Sie lassen sich auch in anderen Vermitt­ lungsverfahren einsetzen. Denn die Parteien haben zum Beispiel die Möglichkeit, den Moderator zur Entgegenahme von Willenserklärungen zu bevollmächtigen; in dem Sinne, wie dies gesetzlich bereits in §  278 Abs.  6 ZPO vorgesehen ist. Hierin liegt ein großes Entwicklungspotential. cc) Unabhängigkeit und Neutralität Die Aussagen, die im Rahmen der ersten Definition zum Moderator getroffen wur­ den, lassen sich durch die Analyse der weiteren Situationen ergänzen und vertiefen. Zur Erinnerung: 1. Was der Sicherung der notwendigen Freiwilligkeit dient, verstößt nicht gegen die Pflicht zur Neutralität und Unabhängigkeit. 2. Was gegen die Neutralität verstoßen würde, kann vom Moderator nicht zum Schutz der Freiwilligkeit verlangt werden. Diese Grenzbeschreibungen lassen sich wiederholen für alle im vorhergehenden Teil analysierten Prozesse, die sich als Moderation einordnen lassen. Pars pro Toto kön­ nen hier die Feststellungen zum Notar ebenso genannt werden wie diejenigen zum Streitmittler. Die Interdependenz von Neutralität und Unabhängigkeit des Moderators einer­ seits und der Parteiautonomie andererseits zeigt sich nicht nur in den oben formu­

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lierten zwei Aussagen. Sie zeigt sich auch, wenn es um die Absicherung von Neutra­ lität und Unabhängigkeit geht. Während die Unabhängigkeit der Mitglieder der Ei­ nigungsstelle nach dem UWG geschützt wird wie die eines Richters, greift das VSBG auf eine Absicherung zurück, die funktioniert wie diejenige nach dem MedG. Die dortige, unmittelbar nur für den Mediator geltende Wertung, hat der Gesetzge­ ber selbst bereits für den Notar aufgestellt und lässt sich nunmehr verallgemeinern für den Moderator. Wissen die Parteien, dass der Moderator parteilich ist, und wäh­ len sie trotz dieser Kenntnis gerade diesen Moderator aus, so hat der Parteiwille Vorrang. Er findet nur dort seine Schranken, wo zwingende Mitwirkungsverbote bestehen.758 Nach §  43 ZPO können die Parteien den Richter wegen der Besorgnis der Befan­ genheit nicht mehr ablehnen, wenn sie sich bei ihm, ohne den ihnen bekannten Ab­ lehnungsgrund geltend zu machen, in eine Verhandlung eingelassen oder Anträge gestellt haben. Zwar weist die Formulierung in §  43 ZPO eine andere Stoßrichtung auf. Die Regelung verdeutlicht letztlich jedoch nur, dass die oben verallgemeinerte Wertung, die – abgesehen von zwingenden Mitwirkungsverboten bei fehlender Un­ abhängigkeit – dem Parteiwillen den Vorrang einräumt, ihre Geltung auch im Zivil­ prozess entfaltet. Denn die Parteien können eben – trotz Kenntnis der Gründe, die für eine Besorgnis der Befangenheit des Richters sprechen – von deren Geltendma­ chung absehen und den Prozess vor dem nicht neutralen Richter fortführen. Ein solches Einverständnis, dies zeigte besonders die Analyse der Unterstützung seitens des Jugendamts nach §  17 Abs.  2 SGB VIII, ist dann allerdings weiterhin auf eine neutrale Vornahme der Vermittlung gerichtet. Auch ein Interesse des Moderators zugunsten eines Dritten gefährdet diese Neutralität. dd) Interesse Das auf einen wie auch immer gearteten Vertragsschluss fokussierte Interesse des Moderators ließ sich jeweils systemisch belegen. Bei der Einigungsstelle nach dem UWG folgt es z. B. aus §  15 Abs.  6 Satz 1 UWG. Auch dieses spezielle Interesse am Vertragsschluss, welches eine zentrale und einzigartige Eigenschaft des Moderators darstellt, steht nicht losgelöst von den übrigen Definitionsmerkmalen. Dies liegt an den Vorgaben, die im Hinblick auf die Neutralität des Mediators formuliert wurden. Der Mediator handelt dann neutral, wenn er aus der Sicht der Parteien unparteiisch ist und seine Position im Verfahren nicht zur Erreichung eigener Ziele ausnutzt.759 Die obigen Ausführungen zur Unabhängigkeit und Neutralität lassen die Verallge­ meinerung dieser Feststellungen für die Moderation zu, welche die Bedeutung des Definitionsmerkmals der Neutralität weiter erhöht. Die fortbestehende Bedeutung der Unabhängigkeit und Neutralität einerseits und das auch weiterhin existente, systemisch belegbare Interesse des Moderators an ei­ nem (wie auch immer ausgestalteten) Vertragsschluss andererseits rechtfertigt zudem die Titulierung des Moderators als „beteiligter Unbeteiligter“ weiter. Dass ein sol­ 758  759 

Vgl. zum Vergleich Mediator-Notar: Stumpp, ZKM 2000, 34, 36. Siehe dazu näher Klinger/Bierbrauer, in: Haft/Schlieffen, Handbuch Mediation, §  4 Rn.  59.

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ches Interesse die Neutralität jedoch gefährdet, konnte insbesondere die Betrachtung der Moderation des Jugendamts zu §  17 Abs.  2 SGB VIII aufzeigen. ee) Freiwilligkeit Es wurde schon zur Neutralität formuliert, dass diese in einem engen Zusammen­ hang mit der Freiwilligkeit der Parteien steht. Die Bedeutung des Moderators als Garant der Selbstbestimmung ließ sich auch bei den auf die erste Definition folgen­ den Betrachtungen bestätigen. Bezugspunkt der für den Mediator geltenden Neutra­ lität ist zum einen die freiwillige Mitwirkung am Verfahren selbst und zum anderen die Freiwilligkeit im Einigungsprozess.760 Diese Aussage kann Geltung beanspru­ chen über die Mediation hinaus, wie sich anhand der vergleichbaren Neutralitätsan­ forderungen belegen lässt. Als Garant der Selbstbestimmung kommt dem Moderator zudem eine besondere Funktion im Hinblick auf die Autonomie der Parteien zu. Schon im Rahmen der ersten Definition wurde der Begriff der Parteiautonomie um den Begriff der Infor­ miertheit ergänzt. Die Moderation zielt auf eine informierte Autonomie beider Ver­ tragsparteien. Dies wurde besonders deutlich bei der Analyse des VSBG, dessen in Bezug auf den Schlichtungsvorschlag statuierte Begründungspflicht dazu diene, den Parteien eine informierte und fundierte Entscheidung über den Vertragsschluss zu ermöglichen. Das weitere Attribut der Privatautonomie, die Anerkennung, wird im noch fol­ genden Teil der Untersuchung belegt. b) Der moderierte Vertrag Die Wahl des Begriffs des „moderierten“ Vertrags wird gestützt durch den Umstand, dass der Begriff der „Vermittlung“ – dies zeigten die Analysen des SGB III sowie des Maklerrechts – juristisch bereits mit einem anderen Verständnis versehen ist. Neben diesen wurden besonders junge Bereiche des Rechts analysiert. Dies ver­ deutlicht die Bedeutung des Phänomens des moderierten Vertrags im Kontext der Evolution des Rechts. aa) Der moderierte Vertrag Der moderierte Vertrag fungiert dabei, wie schon im Rahmen der ersten definitori­ schen Annäherung festgehalten wurde, als Einbruchstelle interdisziplinärer Er­ kenntnisse. Das geschieht zum Beispiel bei der moderierenden Tätigkeit des Ju­ gendamts, denn die dortigen Mitarbeiter, die die Vereinbarung im Sinn des §  17 Abs.  2 SGB VIII zum Kindesumgang nach Scheidungen vermitteln, wissen aus ihrer regelmäßig nicht juristischen Ausbildung, welche Regelungen zwischen den Eltern im Hinblick auf das Kindeswohl am förderlichsten wären. Vergleichbares lässt sich zur moderierenden Tätigkeit der Bundesagentur für Arbeit feststellen, die im ­BetrVG 760  Unberath, in: Greger/Unberath/Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, §  2 MedG Rn.  153.

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als Vermittler aufgrund ihrer besonderen Kenntnisse der Maßnahmen des Arbeits­ förderungsrechts installiert wurde. Die weitere Untersuchung der einzelnen Moderationssituationen zeigte auch auf, dass die zu Beginn identifizierte Haftungsproblematik stets existiert, weil eine Inan­ spruchnahme des Moderators in jedem Fall schwer zu realisieren ist. Auch aus die­ sem Grund fokussiert sich die Untersuchung nunmehr auf das Ergebnis der Mode­ rationstätigkeit und dessen rechtlicher Absicherung. bb) Rechtssoziologische Bedeutung Ebenso wie sich die Definition des Moderators bzw. des moderierten Vertrags kon­ kretisieren ließ, ist auch der rechtssoziologischen Bedeutung etwas hinzuzufügen. Diese Untersuchung hat nicht den Anspruch, sämtliche moderierten Verträge zu er­ fassen, darzustellen oder gar zu analysieren. Betrachtet man jedoch die hier erfassten Konstellationen, so fällt auf, dass es häufig gerade der Staat ist, der – in unterschied­ lichen Ausprägungen – als Moderator fungiert. Es bestätigt sich damit die in anderem Zusammenhang erarbeitete These zur neu­ en Rolle des Staates. Der zufolge verpflichten die normativen Postulate des Sozialund Wohlfahrtstaates den Staat zu gesellschaftsweiten Integrations- und Steue­ rungsleistungen, welche ohne Mitwirkung der betroffenen gesellschaftlichen Akteu­ re weder konzipiert noch implementiert werden können. Dieser Prozess hebt nicht nur die sozietalen Akteure in einen para-staatlichen Status; er verändert vor allem Funktion und Selbstverständnis des Staates: vom hoheitlichen Souverän zum Primus inter Pares, vom unparteilichen Dritten zum engagierten Beteiligten.761 Wenn der Staat als Moderator fungiert, nimmt er insbesondere die Rolle des engagierten Betei­ ligten ein. In diesem Fall der Beteiligung in einem Verhandlungssystem verliert der Staat den ihm historisch zufallenden hierarchischen Führungsanspruch.762

761  Willke, Entzauberung des Staates, Überlegungen zu einer sozietalen Steuerungstheorie, S.  131. 762  Willke, Entzauberung des Staates, Überlegungen zu einer sozietalen Steuerungstheorie, S.  133 f.

E. Die Legitimation des moderierten Vertrags Die soeben geschilderte gestiegene tatsächliche Bedeutung des moderierten Vertrags wirft die Frage nach den Ursachen auf, die sich nicht monokausal beantworten lässt. Die Jurisprudenz kann nur ihren Teil dazu beisteuern, der in der Bezeichnung der legitimatorischen Basis des moderierten Vertrags besteht. Ausgangspunkt ist die These, dass dem moderierten Vertrag eine stärkere Legiti­ mation innewohnt als dies bei Verträgen der Fall ist, die ohne die Beteiligung eines Moderators geschlossen wurden. Die Umstände, die diese Legitimation begründen, bedürfen der rechtlichen Absicherung: in der gleichen Weise, wie dies auch beim Urteil oder beim Vertrag der Fall ist. Mit Legitimation ist in diesem Zusammenhang nicht lediglich die juristische Er­ mächtigung gemeint, sondern die Anerkennungswürdigkeit bzw. Akzeptanzbereit­ schaft1, welche die generalisierte Bereitschaft beschreibt, das im Wege des moderier­ ten Vertrags gefundene Ergebnis hinzunehmen, 2 d. h. nicht dagegen Widerstand zu leisten.3 Um die Legitimation des moderierten Vertrags darlegen und so den Zugewinn an Bedeutung aufzeigen zu können, wird zunächst vergleichend geklärt, welche Um­ stände der Legitimation von (Zivil-)Urteil und Vertrag zugrunde liegen. Diese Vor­ gehensweise basiert auf der Annahme, dass sich sämtliche Verfahren der Streitbeile­ gung auf drei Grundformen zurückführen lassen, die schlagwortartig mit Verhan­ deln, Vermitteln und Richten überschrieben sind.4 Um die legitimatorische Wirkung, die dem Produkt der Vermittlung zukommt, zu ergründen, wird zuvor der Blick auf den Vertrag als Ergebnis der Verhandlung sowie auf das Urteil als Kern richterlicher Tätigkeit geworfen. Dabei kann und soll es jeweils nicht darum gehen, die Fragen der Legitimation von Urteil und Vertrag, die allein Anlass für eine Vielzahl von Monografien waren, im Rahmen dieser Untersuchung erschöpfend zu beantworten. Es werden lediglich die

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Vgl. insofern nur Lucke, ZfRSoz 1996, 221, derzufolge die Legitimationsprobleme in demokra­ tischen Gesellschaften Akzeptanzprobleme auf Seiten der betroffenen Subjekte darstellen; siehe dort auch näher zur Legitimation durch Akzeptanz aus rechtssoziologischer Sicht. 2  Ähnlich formuliert auch Luhmann, Legitimation durch Verfahren, S.  28, allerdings im Hin­ blick auf die richterliche Streitentscheidung; siehe auch Zippelius, in: FS Larenz, S.  293, 294, demzu­ folge es bei der Legitimation um die Frage geht, warum eine Verhaltensrichtlinie als verbindlich akzeptiert wird. 3  So formuliert – mit Blick auf Luhmann – Röhl, ZfRSoz 1993, 1; ein abweichendes Begriffsver­ ständis existiert z. B. bei Rennert, JZ 2015, 529. 4 Vgl. Wendland, Mediation und Zivilprozess, S.  198.

I. Die Legitimation des Urteils durch Verfahren

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Elemente dargestellt, die für die spätere Betrachtung der Legitimation des moderier­ ten Vertrags von Bedeutung sind.

I. Die Legitimation des Urteils durch Verfahren Dass überhaupt ein Zivilprozess existiert, ist Folge des Gewaltmonopols des Staates, das dem Einzelnen grundsätzlich verbietet, seine Rechte im Wege der Selbsthilfe durchzusetzen.5 In der Folge muss der Staat dann jedoch ein Verfahren anbieten, dass die Rechtsdurchsetzung ohne die Anwendung von privater Gewalt ermöglicht. 6 Diese Funktion erfüllt der Zivilprozess.7 Der Zweck des Zivilprozesses besteht seit Erlass der CPO8 also in der Feststellung und Verwirklichung subjektiver Rechte.9 Indem er hilft, private Rechte durchzusetzen, dient der Zivilprozess auch der Wie­ derherstellung des gestörten Rechtsfriedens und zugleich der Bewahrung der objek­ tiven Rechtsordnung.10 Damit handelt es sich aber nicht um einen gleichberechtigten und selbstständigen Prozesszweck neben dem der Durchsetzung privater Rechte.11 Dies gilt ebenso für die Lösung von Konflikten als Prozesszweck.12 Durch den Schutz des subjektiven Rechts als zentralen Prozesszweck findet auch das bürger­ lich-rechtliche Denken in Ansprüchen seine Fortsetzung im Prozess, denn das An­ spruchsdenken bereitet die Leistungsklage des späteren Zivilprozesses vor.13 Welche Umstände besorgen aber die Akzeptanz der Entscheidung? Man wird zunächst die mit der möglichen zwangsweisen Durchsetzung der Ent­ scheidung verbundene „erzwungene Akzeptanz“ nennen können. Diese basiert auf dem Umstand, dass der Staat sein Gewaltmonopol zugunsten der Durchsetzung des im Zivilprozess festgestellten Anspruchs einsetzt, d. h. (Staats-)Gewalt ist als eine Legitimationsbasis zu nennen.14 Eine zweite Legitimationsbasis ist dann in der inhaltlichen Begründung einer Ent­ scheidung zu sehen, die auch die Akzeptanz derjenigen, für die mit der Entscheidung negative Konsequenzen einhergehen, hervorrufen kann.15 Die genannten Legitima­ 5  Selbsthilfe ist nur in Ausnahmefällen zulässig, wenn dies zur Abwendung eines Rechtsverlus­ tes zwingend geboten ist, §§  227 bis 229, 562b Abs.  1, 859, 904, 962 BGB; Musielak, ZPO, Einl. Rn.  6. 6  Vgl. auch Sikora, Der Notar im sozialen Rechtsstaat, S.  112 ff. 7  Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, Rn.  7; Lüke, Zivilprozessrecht, Rn.  1. 8  Roth, ZfPW 2017, 129, 131. 9  Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, Rn.  7; BGH v. 18.11.2004 – IX ZR 229/03, BGHZ 161, 138, 143; BGH v. 08.10.1953 – III ZR 206/51, BGHZ 10, 333, 336; Katzenmeier, ZZP 115 (2002), 51, 83 m. w. N.; Pohlmann, Zivilprozessrecht, Rn.  5; Jauernig, JuS 1971, 329, 331. 10  Katzenmeier, ZZP 115 (2002), 51, 83 m. w. N.; Pohlmann, Zivilprozessrecht, Rn.  5. 11  Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, Rn.   8; MünchKommZPO/Rauscher, Einl. Rn.  8. 12  Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, Rn.  11; MünchKommZPO/Rauscher, Einl. Rn.  9. 13  Roth, ZfPW 2017, 129, 132. 14  Vgl. insofern Luhmann, Rechtssoziologie, S.  262, der der symbolisch-generalisierenden Wirk­ samkeit von Gewalt eine Legitimationswirkung zuspricht und Katzenmeier, ZZP 115 (2002), 51, 81, sowie die Darstellung bei Machura, ZfRSoz 1993, 97, 101. 15 Vgl. Rödl, Rechtssoziologie, §  48, 4. S.  419.

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E. Die Legitimation des moderierten Vertrags

tionsbasen sollen an dieser Stelle weder kritisiert noch bestritten werden, sie können aber im Rahmen dieser Untersuchung zurücktreten.

1. Die heimliche Theorie des Verfahrens In den Fokus gerückt werden soll demgegenüber der Umstand, dass das gerichtliche Verfahren selbst zur Legitimität der gefundenen Entscheidung beiträgt.16Für diese Untersuchung ist die auf Niklas Luhmann zurückgehende Legitimation durch Ver­ fahren,17 genauer gesagt: die von ihm so bezeichnete heimliche Theorie des Verfah­ rens, von Bedeutung. Diese heimliche Theorie des Verfahrens besteht Luhmann zufolge darin, dass man durch die Verstrickung in ein Rollenspiel im Rahmen des Prozesses die Persönlich­ keit einfangen, umbilden und zur Entgegennahme von Entscheidungen motivieren könne.18 In der Bereitschaft der streitenden Beteiligten, sich bestimmten Verhaltens­ regeln zu unterwerfen und ihr Verhalten dem sich entwickelnden Verfahren anzu­ passen, liegt diesem Ansatz zufolge ein wichtiger Schritt im Hinblick auf die spätere Annahme des Urteils, selbst wenn dieses den eigenen Interessen zuwiderläuft.19 Denn durch die schrittweise Einbindung der Parteien in Verfahrensrollen und durch deren Verstrickung in die Verfahrensgeschichte wird die Annahme auch einer uner­ wünschten Entscheidung erleichtert, denn der unzufriedene oder protestierende Verlierer kann gerade aufgrund des vorangegangenen Verfahrens, dessen Teil er war, leicht isoliert werden.20 Da er damit rechnen muss, mit seinem Protest allein zu blei­ ben, kann bzw. wird er sich deshalb nicht wehren.21

2. Voraussetzungen für die heimliche Theorie des Verfahrens Diese hier in der für das Anliegen der Untersuchung notwendigen Kürze dargestell­ te Theorie22 greift nicht in jedem Fall ein, denn die hierauf basierende Legitimation des Verfahrens ist an Voraussetzungen geknüpft, von denen auch zwei zentrale Prä­ missen für diese Untersuchung von Interesse sind.23 16  So etwa Katzenmeier, ZZP 115 (2002), 51, 80, der von Legitimation und Akzeptanz spricht, aber wohl die hier ebenfalls gemeinte Annahmefähigkeit des Urteils meint. 17  Zentral dargestellt in seinem gleichnamigen Werk, Luhmann, Legitimation durch Verfahren, das Machura, ZfRSoz 1993, 97 als Meilenstein der Rechtssoziologie bezeichnet. 18  Luhmann, Legitimation durch Verfahren, S.  87; Röhl spricht in diesem Zusammenhang von der wichtigen „Verstrickungshypothese“, vgl. Röhl, ZfRSoz 1993, 1, 20. 19  Katzenmeier, ZZP 115 (2002), 51, 81 mit Verweis auf Luhmann, Legitimation durch Verfah­ ren, S.  87 ff.; Röhl, Rechtssoziologie, S.  4 44 hält fest, dass er ansonsten in der Rolle des Sonderlings, Querulanten oder Kriminellen verbleiben würde. 20  Rottleuthner, in: Gottwald/Hutmacher/Röhl/Strempel, Der Prozessvergleich, S.  185, 186. 21  Katzenmeier, ZZP 115 (2002), 51, 81 mit Verweis auf Luhmann, Legitimation durch Verfah­ ren, S.  107 ff. 22  Ausführlich vgl. – neben Luhmann, Legitimation durch Verfahren – die Darstellung bei Machura, ZfRSoz 1993, 97 ff. 23  Zu diesen Voraussetzungen vgl. auch Zippelius, in: FS Larenz, S.  293, 298, der auch die hier diskutierten Voraussetzungen der Unparteilichkeit des Richters und der Öffentlichkeit des Verfah­ rens nennt.

I. Die Legitimation des Urteils durch Verfahren

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a) Öffentlichkeit Die geschilderte Legitimation des Verfahrens basiert nicht auf dem Umstand, dass auch der Unterlegene von der Entscheidung überzeugt ist, sondern auf dessen Isola­ tion, die ihn wehrlos macht.24 Das setzt aber voraus, dass ein unbeteiligtes Publikum existiert, welches im Sinne der Theorie „mitspielt“. Es muss ein breiter, die Aufleh­ nung gegen die Entscheidung ausschließender Konsens tatsächlich vorliegen oder jedenfalls vermutet werden können, der dafür sorgt, dass Proteste ausbleiben und der Verlierer mit seiner Empörung isoliert ist.25 Dass dieser Konsens unter den Zu­ schauern besteht, hängt maßgeblich von der Tatsache ab, ob diese das Verfahren, das sie beobachtet haben, als fair wahrnahmen und sie zu der Überzeugung gelangt sind, dass alles mit rechten Dingen zuging, also in ernsthafter, aufrichtiger und ange­ strengter Bemühung Wahrheit und Recht ermittelt wurde und dass auch sie gegebe­ nenfalls mithilfe dieses Verfahrens zu ihrem Recht kämen.26 Nicht zuletzt brachte diese Voraussetzung der Theorie des Verfahrens, wohl auch vor dem Hintergrund der tatsächlichen öffentlichen Wahrnehmung von Gerichtsprozessen, die Kritik der zu bürokratischen Herangehensweise ein,27 ohne dass damit die grundsätzliche Ausrichtung infrage gestellt würde. Damit ist es die wahrgenommene Gerechtigkeit der Verfahrensabläufe, die die Legitimität trägt,28 insbesondere für die unterlegene Partei.29 b) Verfahrensgerechtigkeit, insb. richterliche Neutralität und Unabhängigkeit Das lenkt den Blick auf die zweite herauszustellende Prämisse, die an die heimliche Theorie des Verfahrens gestellt wird. Das der zu legitimierenden Entscheidung vo­ rausgehende Verfahren muss als gerecht empfunden werden. Zentraler Bestandteil ist hierbei die Unabhängigkeit und Neutralität des entscheidenden Richters. Dabei ist das gerechte Verfahren nicht allein Grundlage für die Legitimation, son­ dern – basierend auf der Arbeit von Rawls 30 – eine zentrale Grundlage für das Erzie­ len von Recht und Gerechtigkeit schlechthin.31 Vor diesem Hintergrund dient das in Art.  6 EMRK explizit festgehaltene und vom BVerfG in zahlreichen Entscheidungen aus dem jeweils betroffenen Grundrecht in Verbindung mit dem Rechts- und Sozial­ staatsprinzip hergeleitete verfahrensrechtliche Generalgrundrecht 32 auf ein faires Verfahren 33 mit den daraus resultierenden Prozessgrundsätzen oder Prozessmaxi­ 24 

Vgl. auch die Darstellung bei Röhl, Rechtssoziologie, §  48, S.  4 40. Röhl, Rechtssoziologie, §  48, S.  4 46. 26  Die Formulierung stammt von Röhl, Rechtssoziologie, §  48, S.  4 46. 27  Zur Kritik an Luhmanns Legitimation durch Verfahren vgl. die Darstellung bei Katzenmeier, ZZP 115 (2002), 51, 81; Machura, ZfRSoz 1993, 97 ff. 28  Vidmar, ZfRSoz 1993, 35; Katzenmeier, ZZP 115 (2002), 51, 81. 29  Vidmar, ZfRSoz 1993, 35. 30  Rawls, Gerechtigkeit als Fairneß, passim. 31  Hierauf weist auch Trenczek, in: Trenczek/Berning/Lenz, Mediation und Konfliktmanage­ ment, Kap.  4 Rn.  2 hin. 32  Stürner, Die richterliche Aufklärung im Zivilprozess, Rn.  41. 33  Kritisch zur Frage, ob die Fairness ein eigener Verfahrensstandard sei: Löhner, Die freiwillige Streitschlichtung vor Gütestellen, S.  181. 25 

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E. Die Legitimation des moderierten Vertrags

men dazu, dass sich das materielle Recht durchsetzt, die Gerechtigkeit zum Zuge kommt. Deshalb kann 34 und wird35 diesen verfahrensrechtlichen Normen ein eigen­ ständiger Gerechtigkeitswert zugesprochen (werden). In diesem Zusammenhang ist die richterliche Unabhängigkeit und Neutralität von zentraler Bedeutung. Das formuliert schon das BVerfG: „Die richterliche Unparteilichkeit ist kein wertfreies Prinzip, sondern an den Grundwerten der Verfassung orientiert. Auch in diesem Zusammenhang enthält das objektive Willkürver­ bot für den Richter das Gebot sachgerechter Entscheidung im Rahmen der Gesetze unter dem Blickpunkt materialer, wertorientierter Gerechtigkeit.“36

Aber auch Luhmann selbst hat die richterliche Unabhängigkeit als eine Bedingung für die von ihm so bezeichnete Selbstverstrickung der Parteien in das symbolische Geschehen angesehen, das die Entscheidung legitimiert. Denn die Unparteilichkeit des Richters sorgt dafür, dass die Ungewissheit über den Ausgang des Prozesses zu dessen Beginn existiert, weil der Richter nicht schon vor Verfahrensbeginn spezifi­ sche Bindungen eingegangen ist.37 Diese Ungewissheit sorgt für ein Einlassen der Betroffenen auf den Prozess, d. h. deren sogenannte Selbstverstrickung. Deren Folge ist nach der geheimen Theorie des Verfahrens gerade die Legitimation der am Ende getroffenen Entscheidung durch Verfahren. Das Vertrauen in die Unparteilichkeit des Richters fördert die Legitimation und damit die Befolgung von Urteilen, weil es den Glauben der Parteien und auch von anderen bestärkt, dass die Entscheidung richtig ausfallen wird. c) Absicherung dieser Legitimation Die hier betrachtete Legitimation durch Verfahren wird in ihren Voraussetzungen abgesichert durch verfahrensrechtliche Vorschriften der ZPO, die – in anderem Zu­ sammenhang – schon Gegenstand dieser Betrachtung waren.38 An dieser Stelle ist – mit Blick auf die folgenden Ausführungen – lediglich festzuhalten, dass die Neutra­ lität und Unabhängigkeit des Richters durch die Vorschriften der §§  41 ff. ZPO ge­ sichert wird. Der Grundsatz der Öffentlichkeit, der das zur Legitimation durch Verfahren zumindest in der Theorie notwendige Publikum ermöglicht, ist in §  169 GVG festgeschrieben. Verstöße gegen beide Vorschriften stellen – und dies verdeut­ licht ihre Bedeutung – einen absoluten Revisionsgrund nach §  547 Nr.  2 bzw. 5 ZPO dar. Das Fundament des Ergebnisses „Urteil“ ist auch insoweit abgesichert, als es auch dann noch aufgehoben werden kann, wenn es materiell-rechtlich vielleicht rich­ tig, aber unter Verstoß gegen Verfahrensregeln zustande gekommen ist. 34 

Katzenmeier, ZZP 115 (2002), 51, 81. auf die entsprechende Arbeit von Henckel, Vom Gerechtigkeitswert verfah­ rensrechtlicher Normen, 1966. 36  BVerfG v. 24.03.1976 – 2 BvR 804/75, BVerfGE 42, 64, 78; nach Rennert, JZ 2015, 529, 530 bezieht die rechtsprechende Gewalt nach der Verfassungsordnung des Grundgesetzes ein wichtiges Stück ihrer Legitimität aus der Unabhängigkeit des Richters. 37  Luhmann, Legitimation durch Verfahren, S.  134. 38  Zur Unabhängigkeit und Neutralität des Richters vgl. oben unter B.II.3.b), zur Öffentlichkeit des Prozesses siehe oben unter B.III.3.c). 35  Zurückgehend

I. Die Legitimation des Urteils durch Verfahren

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3. Legitimation des Urteils durch Richtigkeitschance Weder ist die hier geschilderte Theorie des Verfahrens ohne Kritik geblieben, noch ist sie der einzige Ansatz zur Beschreibung des Bodens, auf dem die Legitimation des richterlichen Urteils fußt. a) Kritik Eine wesentliche Kritik an der heimlichen Theorie des Verfahrens setzt bei dem Um­ stand an, dass das Verfahren allein geeignet sein solle, das Ergebnis zu legitimieren. Weil der Gerichtsakt seine Legitimation nicht etwa aus der erstrebten materiellen Gerechtigkeit oder einem Richtigkeitskonsens erfahren solle,39 müsse dies in der Konsequenz zur Folge haben, dass sich das Normbewusstsein unter den juristischen Experten auflöst und die Eigenständigkeit des Rechtscodes gefährdet wird.40 Drasti­ scher formuliert wird dieser Gedanke durch die Frage: „Sollte zum Beispiel der Be­ schluss, Angehörige einer bestimmten Rasse in Konzentrationslager zu stecken, le­ gitim sein, wenn er nur in einem geordneten Verfahren gefasst wird?“41 Man möchte „Nein“ rufen, muss aber zumindest eingestehen, dass es im Zivilpro­ zess um eine bloße Richtigkeitschance geht, und nicht um eine Gewähr. Denn mit Blick auf den Beibringungsgrundsatz und die strengen Vorgaben im Hinblick auf das verspätete Parteivorbringen wird man eine prozessuale Richtigkeitsgewähr im Sinne einer materialen Richtigkeit jedenfalls für den Zivilprozess ablehnen müssen, weil der Richter sehenden Auges Unrichtiges42 sprechen muss, wenn er verspätetes Vorbringen unberücksichtigt lässt.43 Es überrascht nicht, dass die Kritiker der heimlichen Theorie des Verfahrens vor diesem Hintergrund die Frage nach der Vereinbarkeit des Konzepts mit den Prinzi­ pien der rechtsstaatlichen Demokratie aufwerfen, weil es wohl mit dem Grundgesetz nicht vereinbar wäre, statt einer gerechten, lediglich irgendeine Entscheidung auszu­ werfen, die ihrerseits jedoch durch das vorweg stattgefundene Verfahren legitimiert ist.44 Man kann der Kritik entgegenhalten, dass sie die heimliche Theorie des Verfah­ rens missversteht als eine reine Gerechtigkeit durch Verfahren, die außerhalb des Verfahrens keine Richtigkeitsmaßstäbe für das Ergebnis kennt. Dies sind jedoch nicht die Kategorien der Systemtheorie, auf der die Legitimation durch Verfahren basiert.45 Wie ausgeführt, geht es ihr nicht um eine Legitimation46 im Sinne einer

39 

Diese Konsequenz schildert Gilles, in: FS Schiedermair, S.  183, 184. Habermas, Faktizität und Geltung, 1998, S.  576. 41  Zippelius, in: FS Larenz, S.  293, 295. 42  Greger, Anm. zu BGH v. 06.05.1999 – V ZB 1/99, ZZP 112 (1999), 491, 495 spricht an dieser Stelle von „Unrecht“. 43  Greger, Anm. zu BGH v. 06.05.1999 – V ZB 1/99, ZZP 112 (1999), 491, 495 f. 44  Vgl. die Darstellung bei Gilles, in: FS Schiedermair, S.  183, 186. 45  Und die darüber hinaus keinen Absolutheitsanspruch für sich reklamiert, sondern eine von mehreren Quellen der Legitimation darstellen möchte, vgl. Röhl, Rechtssoziologie, S.  4 41. 46  Siehe schon oben bei der Bestimmung des Begriffs der Legitimation. 40 

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E. Die Legitimation des moderierten Vertrags

juristischen Rechtfertigung, sondern im Sinne einer (eher soziologischen) Akzep­ tanz.47 b) Legitimation durch Richtigkeitschance Die dargestellte Kritik erschöpft sich allerdings inhaltlich nicht in der Ablehnung der Luhmannschen Legitimationstheorie, ihr lässt sich vielmehr eine weitere Basis für die Legitimation entnehmen. aa) Richtigkeit Die Richtigkeit als weitere Legitimationsbasis ist bereits angeklungen und wird von Kriele expliziert formuliert: „Verfahren legitimieren nämlich aus folgendem Grund: Sie erhöhen die Chance, dass alle rele­ vanten Gesichtspunkte zur Geltung kommen und dass die zeitliche und sachliche Prioritä­ tenordnung so gut es geht ausdiskutiert wird. So erhöhen sie deshalb die Chance, dass die Entscheidung rational gerechtfertigt ist. Die dauerhafte Institutionalisierung von Verfahren erhöht die Chance, dass die Entscheidungen der Staatsgewalt auch in der Vergangenheit ge­ rechtfertigt waren der Zukunft gerechtfertigt sein werden, und diese Chance begründet das Vertrauen in die Vernünftigkeit und Gerechtigkeit der getroffenen und noch zu treffenden Entscheidungen.“48

Wenn der Zweck des Zivilprozesses damit (auch) ist, das sachliche Recht auf der Grundlage der Wahrheit zu verwirklichen,49 drängt sich die Frage auf, wie vor die­ sem Hintergrund mit der Möglichkeit eines sachlich unrichtigen Urteils umzugehen ist, dass dann ja eine Verfehlung des Prozesszwecks bedeuten würde. bb) Chance Es ist dies wohl der Grund, warum Kriele in der zitierten Passage nicht von Gewähr, sondern von Chancenerhöhung spricht. Denn der Zweck, das sachliche Recht auf der Grundlage der Wahrheit zu verwirklichen, wird verfehlt, wenn ein sachlich unrich­ tiges Urteil ergeht. Seitdem die Frage des Prozesszwecks diskutiert wird, hat man versucht, das Phänomen des unrichtigen Urteils mit dem bestimmungsgemäßen Zweck des Prozesses in Einklang zu bringen.50 Das gelingt nur dann, wenn man sich vor Augen führt, dass eine als absoluter Wert verstandene Gerechtigkeit letztlich ohnehin unerreichbar, weil schon undefinierbar ist und sich menschlicher Erkennt­ nismöglichkeit entzieht. Das Ziel des Prozesses ist deshalb auf eine relative oder, wenn man so will, menschliche, d. h. menschenmögliche Gerechtigkeit herunter zu

47  Vgl. insoweit auch das richtige Verständnis Luhmanns bei Brehm, in: Stein/Jonas, ZPO, Vor §  1 Rn.  29. 48  Kriele, Einführung in die Staatslehre, S.  25 f.; in diesem Sinne auch Habermas, Faktizität und Geltung, 1998, S.  579. 49  So formuliert Gaul, AcP 168 (1968), 27, 53. 50  Gaul, AcP 168 (1968), 27, 53.

I. Die Legitimation des Urteils durch Verfahren

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schrauben.51 Diese demütigere Haltung kommt dann auch in der Formulierung zum Ausdruck, dass der Prozess die Erhöhung der Chance auf ein richtiges im Sinne eines gerechten Ergebnisses erhöht, was am Ende eben auch dessen Legitimation dient. c) Voraussetzungen Auch dieser Legitimationsansatz ist an Voraussetzungen geknüpft. In den hier inte­ ressierenden Prämissen unterscheiden sich die Legitimationsansätze nicht. Denn auch nach dem nunmehr in Rede stehenden Ansatz sind es die einzuhaltenden Vor­ gaben des Prozessrechts, welche die Chance auf ein richtiges Urteil erhöhen. Dazu zählen die Unparteilichkeit des Richters und die Öffentlichkeit des Verfahrens. In­ sofern formulieren die Kritiker der heimlichen Theorie des Verfahrens und die Be­ fürworter der Legitimation durch die Förderung der Richtigkeitschance zu Recht: Nicht, dass ein Prozess stattgefunden hat, trägt sein Ergebnis, sondern wie er ge­ führt worden ist.52

4. Legitimation durch subjektive Verfahrensgerechtigkeit Eine weitere legitimatorische Basis des Urteils liegt in der sozialpsychologisch 53 ba­ sierten These dahingehend, dass als fair wahrgenommene Verfahren die Akzeptanz auch unvorteilhafter Entscheidungen erhöhen.54 Dabei wird das Verhältnis der wahrgenommenen Gerechtigkeit im Verfahren zur Entscheidung am Ende des Ver­ fahrens im Wesentlichen mit zwei Aussagen beschrieben: Erstens hätten umfangreiche empirische Untersuchungen in den USA zunächst belegt, dass es für Menschen wichtiger sei, wie sie behandelt werden, als was sie be­ kämen.55 Zu dieser Aussage passen etwa die Erfahrungen mit der Mediation im So­ zialrecht, die dort trotz der Bindung der Verwaltung an die rechtlichen Vorgaben und des daraus folgende geringen Entscheidungsspielraums funktionieren kann, weil es den betroffenen Bürgern gar nicht um eine andere Entscheidung in der Sache, sondern um eine andere Behandlung durch die Sozialbehörde geht.56 Zweitens habe die empirische Forschung in den USA ebenfalls gezeigt, dass Ver­ fahren von Beteiligten und Beobachtern unabhängig von ihrem Ausgang als mehr oder weniger gerecht oder fair eingeschätzt werden.57 Das Abhängigkeitsverhältnis besteht viel mehr in die andere Richtung: Die Einschätzung der Verfahrensgerech­ 51  Gilles, in: FS Schiedermair, S.  183, 195, zu den anderen Lösungsansätzen vgl. etwa auch Gaul, AcP 168 (1968), 27, 55. 52  Vgl. AK-ZPO/Schmidt, Einl. Rn.  10. 53  Luhmann formuliert eine soziologische, keine psychologische Theorie des Verfahrens, so Röhl, ZfRSoz 1993, S.  1, 20. 54  Bierbrauer/Klinger, in: Haft/Hof/Wesche, Bausteine zu einer Verhaltenstheorie des Rechts, S.  349, 353; Mähler/Mähler, in: Dieter/Montana/Schulze, Gerechtigkeit im Konfliktmanagement und in der Mediation, S.  9, 28. 55  Bierbrauer/Klinger, in: Haft/Hof/Wesche, Bausteine zu einer Verhaltenstheorie des Rechts, S.  349, 355; vgl. auch die Darstellung bei Röhl, ZfRSoz 1993, S.  1, 9. 56  Vgl. die Beispiele bei Soffner, ZKM 2018, 121 ff. 57 Vgl. Röhl, ZfRSoz 1993, 1, 2.

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E. Die Legitimation des moderierten Vertrags

tigkeit ist von erheblicher Bedeutung für die Frage, ob die am Ende des Verfahrens stehende Zuteilung als gerecht akzeptiert wird.58 Für den Blickwinkel dieser Untersuchung lässt sich damit festhalten, dass ein Ver­ fahren, das von den beteiligten Parteien selbst als fair wahrgenommen wird, zur Ak­ zeptanz des Ergebnisses beiträgt. a) Voraussetzung der Legitimation Damit rücken die Voraussetzungen dieses Ansatzes der Legitimation in den Fokus. Da es um das subjektive Gerechtigkeitsempfinden geht, lassen sich objektive Prämis­ sen an dieser Stelle nicht formulieren. Die Parteien bewerten solche Verfahren als fair, die ihren subjektiven Fairnesserwartungen entsprechen.59 Diese auf den ersten Blick ebenso banale wie zutreffende Aussage bringt dann für diese Untersuchung die Konsequenz mit sich, diejenigen Verfahrensmerkmale zu benennen, die im Rahmen der subjektiven Beurteilung regelmäßig Beachtung finden. Es ist – wieder – die Neutralität des Entscheiders, der eine hervorgehobene Bedeu­ tung zukommt. 60 Neutralität, so wird in diesem Zusammenhang formuliert, meint eine Eigenschaft des entscheidungsbefugten Dritten. Sie soll dann gegeben sein, wenn der Entscheider aus der Sicht der Beteiligten unparteiisch entscheidet und seine Position im Verfahren nicht zur Erreichung eigener Ziele ausnutzt. 61 Auch diese De­ finition der Neutralität stellt damit zentral auf die rein subjektive Einschätzung der Parteien ab, benennt aber zusätzlich als Störquelle der Neutralität das Verfolgen ei­ gener Ziele durch den Entscheider. Das ist deshalb hervorzuheben, weil mit den glei­ chen Worten auch die problematische Situation des moderierten Vertrags umschrie­ ben werden könnte, wenn man berücksichtigt, dass die Moderatoren gerade ein sys­ temisches Interesse am Vertragsschluss haben. Darüber hinaus verdient ein weiterer Punkt an dieser Stelle Hervorhebung. Die Subjektivität der Beurteilung kann nämlich nicht nur aus Sicht der unmittelbar am Verfahren Beteiligten betrachtet werden, sondern lässt sich auf die außerhalb des Verfahrens Stehenden ausdehnen. Auf diesem Wege lässt sich dann auch die soge­ nannte „Verstrickung“ erfassen, auf die Luhmann – ohne quantitative Sozialfor­ schung – abstellt. Die Ergebnisse der Forschung zur hier sogenannten subjektiven Verfahrensgerechtigkeit stützen nämlich die Ansicht, dass staatliche Autoritäten und ihre Organisationen durch den Einsatz von als fair wahrgenommenen Verfahren an Legitimation gewinnen. 62 Voraussetzung für diese These ist, dass in der Gesell­ 58 

So die Darstellung bei Röhl, ZfRSoz 1993, 1, 10. Bierbrauer/Klinger, in: Haft/Hof/Wesche, Bausteine zu einer Verhaltenstheorie des Rechts, S.  349, 352; Röhl, ZfRSoz 1993, 1, 12. 60  Bierbrauer/Klinger, in: Haft/Hof/Wesche, Bausteine zu einer Verhaltenstheorie des Rechts, S.  349, 355, nennen als weitere, juristisch jedoch nicht abzubildende Faktoren Vertrauen und soziale Anerkennung; ebenso Mähler/Mähler, in: Dieter/Montana/Schulze, Gerechtigkeit im Konfliktma­ nagement und in der Mediation, S.  9, 73. 61  Bierbrauer/Klinger, in: Haft/Hof/Wesche, Bausteine zu einer Verhaltenstheorie des Rechts, S.  349, 355. 62  So formuliert Bierbrauer/Klinger, in: Haft/Hof/Wesche, Bausteine zu einer Verhaltenstheorie des Rechts, S.  349, 353. 59 

I. Die Legitimation des Urteils durch Verfahren

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schaft bzw. in der relevanten Gruppe zum einen ein Konsens darüber besteht, wo­ durch sich ein faires Verfahren auszeichnen soll, und zum anderen die übereinstim­ mende Wahrnehmung erlebter Verfahren samt Einschätzung ihrer Fairness exis­ tiert. 63 Wer sich in ein solches Verfahren verstrickt, das die Gesellschaft als fair ansieht, der bleibt mit seinem Protest gegen ein Ergebnis, das man nur selbst unfair findet, allein. Diese Formulierung zeigt: Die Ausdehnung der Subjektivität auf die nicht am Verfahren Beteiligten führt zu einer denklogischen Annäherung an die heimliche Theorie des Verfahrens. Voraussetzung für diesen Ansatz ist dann jedoch, dass in der Gesellschaft eine Vorstellung existiert, welche Bedingungen an ein faires Verfahren zu knüpfen sind. Wenn allerdings in der Gesellschaft eine – durch unzählige einzelne, subjektive Vor­ stellungen gebildete – Ansicht zum Inhalt eines fairen Verfahrens besteht, dann wird diese in der juristischen Forschung nicht mehr als subjektiv eingeordnet. Mit Blick auf die bisherige – juristische – Untersuchung ist es die Neutralität bzw. Unabhän­ gigkeit, die in den bisher betrachteten Verfahren regelmäßig ihren Niederschlag ge­ funden hat. Dies gilt sogar stets, wenn die Verfahren zur Konfliktbeilegung vorgese­ hen waren. Insofern lässt sich die Neutralitätsanforderung, die in den unterschiedlichsten Verfahren rechtlich verankert ist, als Ausdruck eines gesellschaftlichen Grundkon­ senses dahingehend begreifen, dass diese die zentrale Bedingung für ein faires Ver­ fahren ist. b) Absicherung dieser Legitimation Die in Rede stehende Legitimation basiert zentral auf der Neutralität des Entschei­ ders, die im Gerichtsverfahren abgesichert wird über die Regelungen der §§  42 ff. und 547 Nrn.  2 und 5 ZPO, wie oben geschildert. Für die – später zu betrachtenden – freiwilligen Ansätze lässt sich schon an dieser Stelle mit Blick auf die subjektive Verfahrensgerechtigkeit festhalten, dass deren Ab­ sicherung dann effektiver ist, wenn die einzelne Partei das Verfahren jederzeit ohne Begründung abbrechen kann, falls sie – subjektiv – nicht von dessen Fairness über­ zeugt ist.

5. Zum Verhältnis der Ansätze Die dargestellten Ansätze zur Legitimation des Urteils schließen sich nicht aus, im Gegenteil: Die Legitimation im Sinne einer Akzeptanzbereitschaft kann sich auf mehrere Faktoren stützen. Obwohl gerade die Kritik an der heimlichen Theorie des Verfahrens ihrerseits für die Legitimation durch die Erhöhung der Richtigkeitschan­ ce plädiert, bedeutet dies nicht, dass die Annahmen sich zwingend ausschließen. Denn die Bereitschaft, eine gerichtliche Entscheidung zu akzeptieren, kann sich 63  So fomuliert Bierbrauer/Klinger, in: Haft/Hof/Wesche, Bausteine zu einer Verhaltenstheorie des Rechts, S.  349, 354.

406

E. Die Legitimation des moderierten Vertrags

gleichzeitig aus der Annahme ergeben, dass sich die Parteien zuvor in einen Kommu­ nikationsprozess verstricken bzw. ein richtiges Ergebnis erwarten. Dies wurde etwa deutlich bei der hier sogenannten subjektiven Vertragsgerechtigkeit, deren Ansatz partielle Übereinstimmungen mit der heimlichen Theorie des Verfahrens aufweist. Die Ansätze ergänzen sich.

II. Die Legitimation des Vertrags durch Verfahren Das Urteil steht am Ende des Gerichtsverfahrens. Der Vertrag steht am Ende der Verhandlungen. Seine legitimatorische Basis ist auch deshalb von Interesse, weil die soeben holzschnittartig dargestellte Legitimation durch Verfahren vor dem Hinter­ grund diskutiert wurde, die Legitimation durch den Konsens zu ersetzen. 64 In Übereinstimmung mit dem ursprünglichen Sozialmodell des BGB, dessen Leit­ bild der vernünftige, selbstverantwortliche und urteilsfähige Rechtsgenosse ist, 65 wird die Vertragsbindung überwiegend mit dem Hinweis darauf gerechtfertigt, dass die Parteien den Vertrag übereinstimmend und auf der Grundlage eines freien Wil­ lensentschlusses vereinbart haben. 66 Weil hier die Legitimation im Sinne einer Aner­ kennungswürdigkeit bzw. Akzeptanzbereitschaft in Rede steht, ist es die Vertrags­ bindung, d. h. das Anerkennen der im Vertrag gefundenen Ergebnisse, die es näher zu betrachten gilt.

1. Legitimation durch Selbstbestimmung Die Legitimation des Vertrags auf Basis der grundrechtlich geschützten Selbstbe­ stimmung beginnt gedanklich jedoch schon einen Schritt vorher, denn Art.  2 Abs.  1 GG enthält als Ausprägung des Rechts auf freie Entfaltung der Persönlichkeit das Recht auf Selbstbestimmung im rechtlich relevanten Bereich. 67 Art.  2 Abs.  1 GG ge­ währleistet die Privatautonomie und damit die Selbstbestimmung des Einzelnen im Rechtsleben. 68 Damit ist grundgesetzlich entschieden, dass die Rechtsordnung neben dem staat­ lichen Recht auch noch einen weiteren Bereich zur Verfügung stellt, der der Selbst­ gesetzgebung unterliegt. 69 Diese Freiheit, sich selbst Gesetz zu sein, entspricht dem 64  Luhmann, Legitimation durch Verfahren, S.  30; so auch die Einschätzung bei Machura, ZfR­ Soz 1993, 97, 98 und Röhl, Rechtssoziologie, §  48 1., S.  409. 65  Sikora, Der Notar im sozialen Rechtsstaat, S.  114. 66  Stöhr, AcP 214 (2014), 425, 427 m. w. N. 67 BVerfG v. 12.11.1958 – 2 BvL 4/56, BVerfGE 8, 274, 328; BVerfG v. 13.05.1986 – 1 BvR 1542/8472, BVerfGE 155, 170. 68  BVerfG v. 19.10.1993 – 1 BvR 567/89, BVerfGE 89, 214, 219 unter Hinweis auf Erichsen, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Bd.   VI, 1210 Rn.   58; wiederholt in BVerfG v. 05.08.1994 – 1 BvR 1402/89, BeckRS 9998, 56067; vgl. auch Wolf, Entscheidungsfreiheit, S.  23, der festhält, dass die Willenserklärung das Mittel darstelle, durch das sich die Selbstbestimmung recht­ lich frei entfalten kann. 69  Habersack, AcP 189 (1989), 403, 405.

II. Die Legitimation des Vertrags durch Verfahren

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Begriff der Privatautonomie.70 Sie wird verwirklicht, indem die Rechtsordnung das Instrumentarium der Rechtsgeschäfte bereit hält,71 deren wichtigstes der Vertrag ist. In der Vertragsfreiheit liegt damit eine Konkretisierung des Grundrechts auf Selbst­ bestimmung.72 a) Konsequenz: stat pro ratione voluntas Weil das Privatrecht den Bürgern die Freiheit einräumt, ihre Rechtsverhältnisse in Selbstherrlichkeit zu gestalten, gilt für den Bereich der Privatautonomie: stat pro ratione voluntas.73 Das heißt, die Bindungswirkung des Vertrags beruht auf einer privatautonomen Übereinkunft mehrerer Personen, die durch Selbstgesetzgebung ihr eigenes, privates Recht schaffen. Die lex contractus gilt, weil sie von den Beteilig­ ten gewollt ist und nicht, weil sie dem rechtlichen Sollen entspricht.74 b) Voraussetzungen Hieran anknüpfend lassen sich dann leicht die Voraussetzungen für diese Basis der Legitimation formulieren. Wenn die Legitimation des Vertrags letztlich auf der Selbstbestimmung der Vertragsparteien basiert, setzt dies voraus, dass alle Vertrags­ parteien selbstbestimmt über den Vertrag entscheiden. Insoweit wird formuliert: „Volenti non fit inuiria gilt nur für den wirklich Wollenden.“75 Das heißt, dass die Legitimation der Vertragsbindung mit dem auf freien Willensentschluss beruhenden Konsens zusammenhängt. Die Parteien mussten bei Abschluss des Vertrags zumin­ dest ein hinreichendes Maß an Entscheidungsfreiheit besitzen. Ansonsten ist mit den Mitteln des Vertragsrechts allein kein sachgerechter Interessenausgleich reali­ sierbar.76 Kann jedoch ein Vertragsteil die vertraglichen Regelungen faktisch einseitig set­ zen, liegt für den anderen Teil Fremdbestimmung vor,77 sodass bei einer gestörten Vertragsparität kein selbstbestimmtes Handeln des unterlegenen Teils vorliegt.78

70 

Weller/Benz/Thomale, ZeuP 2017, 250, 252. Wolf wird man konkreter sagen können, dass die Willenserklärung das Mittel darstellt, durch das sich die Selbstbestimmung frei entfalten kann, Wolf, Entscheidungsfreiheit, S.  23. 72  Habersack, AcP 189 (1989), 403, 405; Sikora, Der Notar im sozialen Rechtsstaat, S.  115 f. 73  Flume, BGB AT Bd.  II, S.  6 . 74  Sikora, Der Notar im sozialen Rechtsstaat, S.  116. 75  Sikora, Der Notar im sozialen Rechtsstaat, S.  135 mit Verweis auf Grziwotz, in: FS Schippel, S.  9, 31. 76  BVerfG v. 07.02.1990 – 1 BvR 26/84, BVerfGE 81, 242, 254 ff. 77  BVerfG v. 07.02.1990 – 1 BvR 26/84, BVerfGE 81, 242, 254, siehe auch die Darstellung bei Cremer, Freiheitsgrundrechte, S.  474. 78  Diese Feststellung trifft das BVerfG unter anderem im sogenannten Bürgschaftsbeschluss, BVerfG v. 19.10.1993 – 1 BvR 567/89, BVerfGE 89, 214 der nach Preis/Rolfs, DB 1994, 261 in seiner Bedeutung kaum überschätzt werden kann; vgl. auch Stöhr, AcP 214 (2014), 425, 431 m. w. N. 71 Mit

408

E. Die Legitimation des moderierten Vertrags

2. Legitimation durch Richtigkeitsgewähr Der soeben skizzierte Ansatz wird nicht allein zur Legitimation des Vertrags heran­ gezogen. Ein nach richtigem Verständnis diesen heute ergänzender Ansatz knüpft an die Art und Weise des Zustandekommens des Vertrags an. a) Legitimation durch Verhandeln Dass aus dem Vertragsschluss, besser gesagt: vom Mechanismus seines Zustande­ kommens im Wege des Aushandelns zwischen den Parteien,79 eine Gewähr für die Richtigkeit des Vertragsinhaltes folgt, geht zurück auf den viel zitierten Beitrag von Schmidt-Rimpler 80 aus dem Jahr 1941. Gegenüber dem Willensdogma81 lieferte Schmidt-Rimpler eine neue Rechtfertigung für die vertragliche Bindung. Der Ver­ trag ist nicht mehr nur bindend, weil er auf dem Willen beider Vertragsparteien be­ ruht, sondern weil der Vertragsmechanismus des Aushandelns zu einem gerechten Ergebnis auch im Sinne bestimmter Gemeinschaftsziele führt.82 Die vertragliche Richtigkeitsgewähr, die später in eine Richtigkeitswahrscheinlichkeit abgemildert wurde, 83 entstand zur Verteidigung der – damals noch recht jungen – Vertragsfrei­ heit des BGB. 84 Diese stand zur Zeit des Nationalsozialismus zur Disposition, unter anderem auch deshalb, weil nicht mehr im Sinne des ursprünglich liberalen Grund­ gedankens des BGB85 der Wille des Einzelnen im Vordergrund stand, sondern – ganz im Sinne der nationalsozialistischen Doktrin – der Nutzen für das gesamte Volk den Einzelinteressen übergeordnet wurde. 86 Dies brachte – auch und vor allem in der wissenschaftlichen Diskussion um ein Volksgesetzbuch – Wissenschaftler dazu, an der Sinnhaftigkeit der Institution des Vertrags zu zweifeln. Bekanntes Beispiel ist hier etwa die Betrachtung des Arbeitsverhältnisses nicht als Vertrag, sondern – ins­ besondere vor dem Hintergrund des nationalsozialistischen Gesetzes über die Ord­ nung der nationalen Arbeit – als personales Gliedschaftsverhältnis.87 Die Frage, ob der Vertrag ein geeignetes Ordnungsmittel darstellt, wurde für alle schuldrechtli­ chen Verträge gestellt, weil die bloße subjektive, d. h. aus Sicht der Vertragspartner bestehende, Richtigkeit des Vertrags nicht ausreichte. Schmidt-Rimpler stellte sich also die Frage, ob die Richtigkeit einer schuldrechtli­ chen Rechtsfolge dadurch gewährleistet wird, dass sie von den Beteiligten gleicher­ maßen gewollt ist.88 Richtig aus der Sicht Schmidt-Rimplers war das, was erforder­ 79 

Schmidt-Rimpler, in: FS Raiser, S.  1, 5 f. Schmidt-Rimpler, Grundfragen einer Erneuerung des Vertragsrechts, AcP 147 (1941), 130. 81  „Der Vertrag gilt, weil beide Parteien ihn wollen“. 82  Hönn, Kompensation, S.  12 f. 83  Schmidt-Rimpler, Vertragsproblem, S.  1, 8. 84  „Ich wollte den Vertrag vor dem Zugriff des autoritären Staates schützen“, Schmidt-Rimpler, Vertragsproblem, S.  1, 9. 85  Dazu siehe schon oben unter E.II.1. 86  Plastisch wird dies an der Formulierung: „Du bist nichts, das Volk ist alles“, hierzu siehe nur Rüthers, Die unbegrenzte Auslegung, S.  118. 87  Siehe hierzu Siebert, Das Arbeitsverhältnis in der Ordnung der nationalen Arbeit, Hamburg 1935. 88  Schmidt-Rimpler, AcP 147 (1941), 130, 150 f. 80 

II. Die Legitimation des Vertrags durch Verfahren

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lich ist, um das Gemeinschaftsleben einschließlich der notwendigen Gemeinschafts­ zwecke zu verwirklichen.89 Eine Annahme, die ihrer Zeit geschuldet ist, insbesondere wenn Schmidt-Rimpler hinzufügt, dass richtig etwa auch sei, was der Erreichung einer zeitlich begrenzten, etwa kriegswirtschaftlich gebotenen gesamt­ wirtschaftlichen Zielsetzung diene.90 Diese Definition der Richtigkeit hat er später nicht wiederholt, sondern vielmehr darauf hingewiesen, dass es auf den genauen In­ halt des komplexen Rechtsbegriffs der Richtigkeit nicht ankäme, da die Richtigkeits­ gewähr nur in Beziehungen bestehe, die sich auf die Interessen der Parteien gründen, nicht jedoch, sobald die Interessen Dritter tangiert würden.91 Für die hiesige Untersuchung ist zentral, dass der Grundansatz, wonach der Ver­ trag legitimiert wird durch die Art seines Zustandekommens, die eine Gewähr dafür bietet, dass der Inhalt des Vertrags richtig im Sinne einer gerechten und zweckmäßi­ gen Regelung ist, auch heute noch aktuell ist.92 Denn dies entlastet den Vertrag von einem stets zu beachtenden „Erfordernis der inneren Gerechtigkeit“93.94 b) Voraussetzungen Schon Schmidt-Rimpler selbst hatte als Funktionsvoraussetzung des von ihm be­ schriebenen Vertragsmechanismus die Kräfteparität betont: Danach gewährleiste der Vertrag nur dann ein richtiges Ergebnis, wenn die Partner an Macht gleich seien und jede Partei in dem Beschluss, den Vertrag zu schließen, frei sei,95 wobei er davon ausgeht, dass der Machtunterschied sehr hoch sein müsse, um den Vertragsmecha­ nismus zerstören zu können.96 Damit ist aber auch im Hinblick auf diesen Legitima­ tionsansatz unstreitig, dass der vertragliche Interessenausgleich nur anzuerkennen ist, wenn eine grundsätzliche Parität der Vertragspartner besteht.97

3. Zum Verhältnis der Ansätze Beide Ansätze können zur Legitimation herangezogen werden, die Lehre von der Richtigkeitsgewähr des Vertrags ergänzt die Lehre von der Selbstbestimmung.98 Während Letztere formuliert, dass die privatautonome Gestaltung keine weitere Rechtfertigung brauche, als dass der Einzelne sie will, vermisst die Lehre von der Richtigkeitsgewähr das Feld, in dem überhaupt privatautonom gehandelt wird – mit 89 

Schmidt-Rimpler, AcP 147 (1941), 130, 132 ff. Schmidt-Rimpler, AcP 147 (1941), 130, 133, siehe dort Fn.  3. 91  Schmidt-Rimpler, Vertragsproblem, S.  1, 11; auf Letzteres hatte er auch schon zuvor hingewie­ sen, vgl. Schmidt-Rimpler, AcP 147 (1941), 130, 153. 92 Vgl. Habersack, AcP 189 (1989), 403, 407. 93  Die Formulierung stammt von Luhmann, Rechtssoziologie, S.  327. 94  Sikora, Der Notar im sozialen Rechtsstaat, S.  128. 95  Hierauf weist auch Habersack, AcP 189 (1989), 403, 407 hin, vgl. Schmidt-Rimpler, AcP 147 (1941), 130, 157, Fn.  34; Schmidt-Rimpler, in: FS Raiser, S.  4; vgl. auch die Darstellung bei Ritgen, JZ 2002, 114; sowie Becker, Der unfaire Vertrag, S.  6. 96  Schmidt-Rimpler, Vertragsproblem, S.  1, 14. 97  Sikora, Der Notar im sozialen Rechtsstaat, S.  129. 98 So Habersack, AcP 189 (1989), 403, 409. 90 

410

E. Die Legitimation des moderierten Vertrags

der Folge, dass innerhalb dieses Bereiches der Vertrag gilt, weil die Parteien ihn wollen. Die Lehre von der Richtigkeitsgewähr sorgt dafür, dass diese Richtigkeit der ver­ traglichen Lösung nicht mehr infrage gestellt zu werden braucht. Es ist die in einer freiheitlichen Ordnung verbürgte Akzeptanz einer privatautonom getroffenen Re­ gelung, die zur Folge hat, dass diese darüber hinaus auch nicht überprüft werden darf – z. B. anhand von Kriterien für eine objektiv-gerechte Lösung. Denn an dieser Stelle gilt: Stat pro ratione voluntas.99

4. Absicherung der Legitimation Auch die Voraussetzungen, die an die unterschiedlichen Wege der Legitimation von vertraglichen Regelungen gestellt werden, finden sich durch gesetzliche Regelungen geschützt. Neben anderem wird demjenigen, den ein Verstoß gegen die Vorausset­ zungen beschwert, ein Rechtsinstitut zur Seite gestellt, um das insofern nicht legiti­ mierte Ergebnis „Vertrag“ zu beseitigen. Im Hinblick auf den Umstand, dass der Vertrag vom Willen der Parteien getragen sein soll, sind hier etwa die Anfechtungsregeln der §§  119 ff. BGB zu nennen, die demjenigen die Möglichkeit geben, einen Vertragsschluss zu beseitigen, der nicht auf dem fehlerfrei gebildeten Willen basiert. Würde die Rechtsordnung es jedoch bei der Absicherung des freien Willens im Wege der Vorschriften über die Entstehung von Verträgen belassen, dann wäre die Gefahr, dass der Vertrag nicht beiderseitige Selbstbestimmung verwirklicht, sondern von der einen Partei zu einem Mittel der Fremdbestimmung über die andere Partei missbraucht wird, nicht gebannt.100 Ebenso wie Art.  14 GG der ursprünglichen Eigentumsfreiheit des BGB, setzt Art.  2 Abs.  1 GG der Vertragsfreiheit des BGB Grenzen.101 Das Grundrecht schützt die vertragliche Vereinbarung, soweit sie auf der Selbstbestimmung der Beteiligten beruht und eben nicht, weil sie gerecht ist.102 Becker fasst die Rechtsprechung des BVerfG insoweit richtig zusammen, als dass der unfaire Vertrag zivilrechtlich keinen Bestand haben kann, weil er außerhalb der Privatautonomie steht.103 Dieser Recht­ sprechung zufolge sind die Zivilgerichte angehalten, zum Schutz der Privatautono­ mie zu klären, ob und inwieweit beide Vertragspartner über den Abschluss und den

99 Vgl.

Habersack, AcP 189 (1989), 403, 405, 409, der diesen Gedanken sehr ähnlich formuliert. In diesem Sinne auch Wolf, Entscheidungsfreiheit, S.  20, der die Vertragsfreiheit auch als Freiheit vor staatlicher Bevormundung verstehen will; auch nach Preis/Rolfs, DB 1994, 261 hat der Staat die im Rahmen der Privatautonomie getroffenen Vereinbarungen grundsätzlich zu respektieren. 100  Habersack, AcP 189 (1989), 403, 405. 101 Nach Wagner, Jura 1999, 505, 512 verschaffte der demokratische Rechtsstaat den alten Grundwerten der bürgerlichen Ordnung – Freiheit und Gleichheit – neue Geltung in sozialer Ge­ bundenheit. 102  Ritgen, JZ 2002, 114, 117 m. w. N. 103  Becker, Der unfaire Vertrag, S.  2.

III. Die Legitimation des moderierten Vertrags

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Inhalt des Vertrags tatsächlich frei entscheiden konnten.104 Habe im Vertragsrecht einer der Vertragsteile ein so starkes Übergewicht, dass er den Vertragsinhalt fak­ tisch einseitig bestimmen kann, bewirke dies für den anderen Vertragsteil Fremdbe­ stimmung.105 In diesen Fällen hat die Rechtsordnung schon zum Schutz der Ver­ tragsfreiheit ihren Missbrauch zu verhindern, die ansonsten ein Freibrief zur Erpres­ sung des Schwächeren durch den Stärkeren wäre.106 Die Frage des Eingriffs bei Paritätsstörungen ist deshalb schwierig, weil evidente Ungleichgewichtslagen einen Vertrag nicht zwar legitimieren können, gleichzeitig aber nicht jede Ungleichheit der Parteien dazu führen darf, einem Vertrag die Aner­ kennung zu verweigern, weil ansonsten der Selbstbestimmung nicht ausreichend Rechnung getragen würde. Die Rücksicht auf die Selbstbestimmung der Parteien bringt es mit sich, dass der Schutz einer ausreichenden Vertragsparität nicht dazu führen darf, den Menschen vor sich selbst zu schützen, sondern – solange dies seinem Willen entspricht – auch eine objektiv zweifelhafte Entscheidung aus Selbstherrlich­ keit107 zuzugestehen. Dies gelingt dann, wenn er vor dem Vertragsschluss hinreichend über die Vor- und Nachteile des Rechtsgeschäfts und über mögliche Risiken informiert ist. Wer in Kenntnis dieser Faktoren einen Vertrag bewusst schließt, handelt – auch wenn diese objektiv etwas anderes gebieten würden – nicht aus Unterlegenheit, sondern aus Selbstherrlichkeit. Ziel der Maßnahmen, die sowohl die Selbstbestimmung als auch die Verhinderung des Missbrauchs der Privatautonomie vor Augen haben, muss da­ her die hinreichende intellektuelle Waffengleichheit sein, damit würde dann eine Chancen- aber eben keine Ergebnisgleichheit erreicht.108

III. Die Legitimation des moderierten Vertrags Auf Basis der bisherigen Betrachtung zur Legitimation von Urteil und Vertrag lässt sich dann der Blick auf den moderierten Vertrag lenken.

1. Die gesteigerte Legitimation Die Akzeptanz des moderierten Vertrags geht über die eines bilateral vereinbarten Vertrags hinaus. So wird zur Abschlussvereinbarung, die im Wege einer Mediation getroffen wird, festgehalten, dass die parteiliche Bindung an den Vertrag als hoch eingeschätzt werde und deswegen sowohl gegenüber einem Urteil als auch gegenüber einem „einfachen Vertrag“ von einer hohen Erfüllungswahrscheinlichkeit auszuge­ 104  BVerfG v. 19.10.1993 – 1 BvR 567/89, BVerfGE 89, 214, 231 rügt hier, dass der BGH dies nicht getan habe. 105  BVerfG v. 07.02.1990 – 1 BvR 26/84, BVerfGE 81, 242, 255; vgl. auch die Darstellung bei Fastrich, RdA 1997, 65, 66 f. 106  Sikora, Der Notar im sozialen Rechtsstaat, S.  134. 107  An dieser Stelle passt die Bezeichnung Selbstherrlichkeit, die ursprünglich von Flume, BGB AT Bd.  II, S.  6. stammt, besonders gut. 108  Sikora, Der Notar im sozialen Rechtsstaat, S.  136.

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E. Die Legitimation des moderierten Vertrags

hen sei.109 Die gehobene legitimierende Wirkung des moderierten Vertrags ist zudem an anderer Stelle deutlich geworden und hat Eingang auch ins Recht bzw. die Rechts­ folgen gefunden. Die dem Urteil entsprechende Möglichkeit, direkt aus dem Ver­ gleich zu vollstrecken, ist ein prominentes Beispiel, das für verschiedene moderierte Verträge Geltung beanspruchen kann.110 Aber auch die Voraussetzungen, die an ei­ nen gerichtlichen Vergleich im Sinne des TzBfG und andere Gesetze gestellt wer­ den,111 oder die Bedeutung, die einer einvernehmlichen Lösung im Familienrecht zugestanden wird,112 geben Zeugnis ab für die erhöhte Legitimationswirkung, die vom moderierten Vertrag ausgeht. Dies gilt auch für die Beteiligung des Notars am moderierten Vertrag. Eine solche führt etwa auch bei Verträgen, bei denen grund­ sätzlich dem Verbraucher ein Widerrufsrecht eingeräumt wird nach den §§  312 ff. BGB, dazu, dass ein solches Recht grundsätzlich113 nicht besteht, wenn der Verbrau­ chervertrag notariell beurkundet wird. An diesen Befund schließt sich die Frage an, woher diese Legitimationswirkung kommt.

2. Grundlagen der gesteigerten Legitimation des moderierten Vertrags Einen ersten Ansatzpunkt bildet die sogenannte Verbraucherrechterichtlinie,114 wel­ che die Basis für die Regelungen zum verbraucherschützenden Widerruf im BGB bildet. Die Regelungen der §§  312 Abs.  2 Nr.  1 und 312g Abs.  2 Satz 1 Nr.  13 BGB, in de­ nen die hier in Rede stehenden Befreiungen vom Widerrufsrecht für notarielle Ver­ träge enthalten sind, gründen auf der Vorschrift des Art.  3 Abs.  3 lit.  i) der Verbrau­ cherrechterichtlinie, die Verträge aus dem Geltungsbereich der Richtlinie nimmt, „die nach dem Recht der Mitgliedstaaten vor einem öffentlichen Amtsträger geschlossen wer­ den, der gesetzlich zur Unabhängigkeit und Unparteilichkeit verpflichtet ist und durch um­ fassende rechtliche Aufklärung sicherzustellen hat, dass der Verbraucher den Vertrag nur auf­ grund gründlicher rechtlicher Prüfung und in Kenntnis seiner rechtlichen Tragweite ab­ schließt.“

Es ist der unabhängige und unparteiliche Amtsträger, der durch seine Aufklärung sicherstellt, dass der Verbraucher den Vertrag in voller Kenntnis der wesentlichen Umstände schließt und damit bewirkt, dass von einem weiteren Schutz im Wege ei­ nes Widerrufsrechts abgesehen werden kann. 109 Vgl.

Lörcher/Lörcher, in: Haft/Schlieffen, Handbuch Mediation, §  30 Rn.  4 f. Vgl. hierzu oben unter D.III.6.e).(6). 111  Vgl. hierzu oben unter D.III.6.e).(5). 112  Vgl. hierzu oben unter D.I.3. 113  Für Verträge, für die das Gesetz die notarielle Beurkundung des Vertrags oder einer Ver­ tragserklärung nicht vorschreibt, gilt dies nur, wenn der Notar darüber belehrt, dass die Informati­ onspflichten nach §  312d Absatz 1 und das Widerrufsrecht nach §  312g Absatz 1 entfallen, vgl. §  312 Abs.  2 Nr.  2 BGB. 114  Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 25.10.2011 über die Rechte der Verbraucher. 110 

III. Die Legitimation des moderierten Vertrags

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Übersetzt in die Worte dieser Untersuchung würde dies bedeuten, dass die gestei­ gerte rechtliche Anerkennung eine Folge der neutralen Moderation ist, die zu einer informierten und autonomen Entscheidung der Vertragsparteien geführt hat. Dies deckt sich mit den bisherigen Ergebnissen der Untersuchung und der hier vertrete­ nen These. Danach liegt im Falle des moderierten Vertrags eine Stärkung der Vertragslegiti­ mation durch Verfahren vor. Denn Basis für die Legitimation bleibt die vertragliche Legitimation auf Basis der Selbstbestimmung. Dass diese stets Voraussetzung – auch – für den Abschluss des moderierten Vertrags ist, hat die bisherige Untersuchung gezeigt. Das „Plus“ in der Legitimation des moderierten Vertrags besteht in der Ver­ stärkung dieser Legitimation im Vergleich zur „normalen“, d. h. bilateralen Vertrags­ situation durch die Hinzunahme der Vermittlung durch einen Dritten in Person des Moderators. Die legitimationssteigernde Mitwirkung des Moderators kann auf Basis von vier verschiedenen Ansatzpunkten deutlich gemacht werden. a) Öffentlichkeit Besonders im ersten Teil der Arbeit wurde der Aspekt der Vertraulichkeit für den moderierten Vertrag untersucht, mit dem Ergebnis, dass ihre zentrale Bedeutung in der Unterstützung der Verhandlung(satmosphäre) liegt. Die Vertraulichkeit legiti­ miert nicht. Die Öffentlichkeit des moderierten Vertrags führt jedoch zu einer Stär­ kung der Legitimation. Dass dies trotz der zum Teil bestehenden Regelungen zur Vertraulichkeit der Verhandlungen gelten soll, mutet auf den ersten Blick seltsam an, lässt sich aber mit der notwendigen Öffentlichkeit im Rahmen der heimlichen Theo­ rie des Verfahrens erklären. Zur Erinnerung: Das „mitspielende“ Publikum ist not­ wendig, damit derjenige, der später gegen das Urteil rebellieren will, davon ausgehen muss, mit seinem Protest allein zu bleiben. Hierzu ist es nicht erforderlich, dass jeder jederzeit jeden Gerichtsprozess beobachtet und nur die Urteile akzeptiert, deren Zeuge er war. Die notwendige Öffentlichkeit funktioniert vielmehr nach dem Prin­ zip der hier so bezeichneten „möglichen Stellvertretung“. Damit ist gemeint, dass es dem im Sinne der heimlichen Theorie des Verfahrens mitspielenden Publikum aus­ reicht, dass eine Person – stellvertretend für die Öffentlichkeit – der Verhandlung beiwohnen kann. Dieser mögliche Vertreter der Öffentlichkeit würde dann Alarm schlagen, wenn das Verfahren entgegen der Regeln geführt würde, die allgemein zur Erlangung eines gerechten Ergebnisses festgelegt wurden. Besteht also die Möglich­ keit, den Gerichtsprozess zu besuchen, ist die Voraussetzung des „mitspielenden Pu­ blikums“ erfüllt, unabhängig davon, ob der Zuschauerraum prall gefüllt oder gänz­ lich leer ist. Im Falle des moderierten Vertrags übernimmt der Moderator die Rolle des mögli­ chen Stellvertreters, auf den sich das übrige Publikum verlässt, weil es – vergleichbar mit dem Alarmschlagen des Prozessbeobachters – davon ausgeht, dass der Modera­ tor einen Vertrag nicht mit dem Siegel seiner Moderation wird segnen wollen, wenn dieser nicht unter den Vorgaben zustande gekommen ist, die jede(r) an jede Vertrags­ geltung knüpft.

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E. Die Legitimation des moderierten Vertrags

Damit dieser Mechanismus der Öffentlichkeit des moderierten Vertrags funktio­ niert, ist eine Voraussetzung zu erfüllen: Der Moderator muss es wollen. Er muss sich dabei seiner Rolle nicht bewusst sein. Es reicht vielmehr aus, dass er diese Funk­ tion nicht manipuliert. Dies täte er, wenn er so vermitteln würde, dass entweder mindestens eine Partei nicht selbstbestimmt handeln kann und/oder er nicht neutral bzw. unabhängig handelt, etwa in dem er eigene Interessen am Vertragsschluss durchzusetzen versucht.115 In diesen Fällen – so zeigt diese Kontrollüberlegung – fehlt es an den Voraussetzungen dafür, dass der Moderator für das Publikum über den Vertrag wacht. Die Moderation hin zu einem moderierten Vertrag erfüllt jedoch gerade alle diese Voraussetzungen, wenn sie ordnungsgemäß vorgenommen wird. Das führt dann zu einer erhöhten Legitimation. b) Subjektive Verfahrens- und Vertragsgerechtigkeit Wie etwa schon bei der Analyse der Notarstätigkeit und im Rahmen der Legitimati­ on des Urteils deutlich wurde, hat die Mitwirkung des Moderators nicht nur einen Einfluss darauf, wie die Öffentlichkeit die Verträge beurteilt, sondern auch, wie die Vertragsparteien selbst den Vertrag wahrnehmen. Auf diese Wahrnehmung hat die Moderation zentralen Einfluss. Das zeigt sich im Rahmen des zweiten Ansatz­ punktes der gesteigerten Legitimation des moderierten Vertrags, der hier sogenann­ ten subjektiven Vertragsgerechtigkeit. Ihr liegt die Annahme zugrunde, dass Betrof­ fene eine Entscheidung nicht (allein) wegen ihres Inhalts, sondern aufgrund der Fair­ ness des Verfahrens, das die Entscheidung hervorgebracht hat, akzeptieren.116 Ob das Verfahren dabei zur Akzeptanz jedweden Ergebnisses führen kann, ist noch nicht endgültig geklärt. Für diese Untersuchung reicht allerdings die Feststellung, dass ein als gerecht empfundenes Verfahren jedenfalls die Akzeptanz des Ergebnis­ ses steigert, im Sinne des sogenannten „Mehrwerts des Verfahrens“.117 Wann ein Verfahren wiederum als fair bzw. gerecht empfunden wird, hängt zu­ nächst von der zu beurteilenden Verfahrensart ab. Bei der Hinzuziehung eines ver­ mittelnden Dritten besteht neben weiteren, nicht juristisch abbildbaren Kriterien wie Vertrauen118 und sozialer Anerkennung119 Einigkeit im Hinblick auf ein zentra­ les Kriterium: die Neutralität und Unabhängigkeit des Dritten.120 Für die Steigerung der Legitimation kommt es dabei – und insofern fügt er sich in das bisher vom moderierten Vertrag gezeichnete Bild – auf die Sichtweise der Partei­ 115  Für die Anerkennung des Verfahrens beim Publikum betont Stumpp, ZKM 2000, 34, 35 die notwendige Neutralität des Mediators. 116 Vgl. Haft, in: FS Söllner, 391, 396; Kohlhage, in: Kriegel-Schmidt, Mediation als Wissen­ schaftszweig, S.  215, 218 m. w. N.; Klinger/Bierbrauer, in: Haft/Schlieffen, Handbuch Mediation, §  4 Rn.  50 und 57. 117 Vgl. Kohlhage, in: Kriegel-Schmidt, Mediation als Wissenschaftszweig, S.  215, 218. 118  So ist z. B. der Begriff der vertrauensvollen Zusammenarbeit im Sinne des §  2 BetrVG nur schwer zu bestimmen, vgl. Richardi/Maschmann, in: BetrVG, §  2 Rn.  14. 119  Siehe dazu näher Klinger/Bierbrauer, in: Haft/Schlieffen, Handbuch Mediation, §  4 Rn.  59. 120  So etwa Tochtermann, Die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Mediators, S.  45; Klinger/Bierbrauer, in: Haft/Schlieffen, Handbuch Mediation, §  4 Rn.  59; Kohlhage, in: Kriegel-Schmidt, Mediation als Wissenschaftszweig, S.  215, 220.

III. Die Legitimation des moderierten Vertrags

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en an. Das heißt, die hier in Rede stehende Neutralität ist dann gegeben, wenn der Mediator aus der Sicht der Parteien unparteiisch ist und seine Position im Verfahren nicht zur Erreichung eigener Ziele ausnutzt.121 Drei Grundüberlegungen, die auch die bisherige Erörterung prägten, tauchen an dieser Stelle wieder auf. Zunächst ist dies die zentrale Bedeutung der Neutralität in dem Umfang, den die Parteien ihr zumessen. Auch hier können also die Parteien selbst im Hinblick darauf entscheiden, welches Maß an Neutralität sie verlangen. Dieser Umstand – zweite Grundüberlegung – verdeutlicht die hohe Bedeutung der Selbstbestimmung der Parteien, die nur ausgeübt werden kann, wenn die Parteien über die Entscheidungsgrundlage ausreichend informiert sind.122 Für die Neutralität bedeutet dies, dass die Parteien von solchen Umständen Kenntnis haben müssen, welche die Unparteilichkeit beeinflussen können. Führen sie die Moderation trotz­ dem durch, erteilen sie kraft ihrer Selbstbestimmung dem Moderationsverfahren die Erlaubnis zur Steigerung der Legitimation des moderierten Vertrags. Auf diese Weise – drittens – wird der Moderator seiner Verantwortung für den „gerechten“ moderierten Vertrag entledigt, weil für den moderierten Vertrag dann gilt, dass ein gerechtes Verfahren ein gerechtes Ergebnis produziert und dass die freie Zustimmung der Parteien zu diesem Ergebnis signalisiert, dass es ihren subjektiven Gerechtigkeitsvorstellungen entspricht.123 In der angesprochenen Subjektivität bei der Beurteilung der Neutralität liegt dann jedoch auch die große Gefahr. Es ist gerade vor dem Hintergrund des eben Gesagten leicht vorstellbar, dass etwa die Erkenntnisse der Gerechtigkeitspsychologie durch den Moderator bewusst manipulativ eingesetzt werden, um bei den Vertragsparteien lediglich das Gefühl hervorzurufen, an einem gerechten Verfahren teilzunehmen.124 Die beschriebene legitimationssteigernde Wirkung würde die Moderation trotzdem entfalten, was die Frage nach dem Schutz des moderierten Vertrags vor einer Mani­ pulation seitens des Moderators aufwirft, der nachgegangen wird, nachdem zwei weitere Wege, auf denen der Moderator zur Steigerung der Legitimation des mode­ rierten Vertrags beiträgt, besprochen werden. c) Verstärkung der Richtigkeitsgewähr Ausgangspunkt bleibt, zur Erinnerung, dass die besondere legitimatorische Wir­ kung des moderierten Vertrags dadurch erreicht wird, dass die Fundamente der ver­ traglichen Legitimation durch die Tätigkeit des Moderators gestärkt werden. 121  So formulieren Klinger/Bierbrauer, in: Haft/Schlieffen, Handbuch Mediation, §  4 Rn.  59; sie­ he auch Tochtermann, Die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Mediators, S.  45, der von „empfundener“ Fairness spricht. 122  Die Bedeutung der Freiwilligkeit für die Gerechtigkeit unterstreicht auch Kohlhage, in: Krie­ gel-Schmidt, Mediation als Wissenschaftszweig, S.  215, 220. 123 So Kohlhage, in: Kriegel-Schmidt, Mediation als Wissenschaftszweig, S.  215, 220. 124  Diesen Gedanken stellt Kohlhage, in: Kriegel-Schmidt, Mediation als Wissenschaftszweig, S.  215, 220 in Bezug auf die Mediation an, die zudem an anderer Stelle äußert (S.  222), die Macht des Mediators werde in der Literatur tabuisiert.

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E. Die Legitimation des moderierten Vertrags

In diesen Zusammenhang lässt sich die bereits für die Mediation getroffene Fest­ stellung wiederholen,125 wonach durch die Mitwirkung des Mediators die Richtig­ keitsgewähr verstärkt werde. Dies geschieht nicht schon deshalb, weil die Mediation „wie kein anderes Verfahren gerade auf die Herbeiführung eines angemessenen In­ teressenausgleichs ausgerichtet ist.“126 Es gilt vielmehr die bereits für den Notar getroffene Aussage, dass dessen unpar­ teiische Betreuung erst die Voraussetzung für das Funktionieren des Vertragsmecha­ nismus schaffe und damit letztlich auch den Grund der rechtlichen Anerkennung des Vertrags. Denn die notarielle Beratung verfolge in erster Linie das Ziel, die Vertrags­ parteien in die Lage zu versetzen, ihren Willen und ihre Interessen angemessen zur Geltung zu bringen.127 Letzteres wurde unter dem Stichwort „Garant der Selbstbestimmung“ auch für den Moderator festgestellt. Der Moderator steigert damit durch seine Tätigkeit die Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Vertragsmechanismus funktioniert. Das durch den Vertragsmechanismus bedingte Abschleifen der gegenseitigen Interessen be­ günstigt dabei materiell angemessene Einigungen.128 Damit dieses „Abschleifen“ funktioniert, müssen die Parteien jedoch in der Lage sein, Angebote der Gegenseite frei von Zwang und ein eventuelles Entgegenkommen auf Basis der eigenen Interes­ sen zu bewerten. Die bloße Anwesenheit des Moderators kann an dieser Stelle ver­ hindern, dass die stärkere Partei ein unfaires Angebot überhaupt stellt, darüber hi­ naus kann die Tätigkeit des Moderators zu einer ausreichenden Information bei bei­ den Parteien in dem Sinne führen, dass der Vertragsmechanismus (besser) funktioniert. Auch diese Steigerung der Legitimation ist an Voraussetzungen gebunden. Denn die Tätigkeit des Moderators kann ihre legitimationssteigernde Wirkung nur entfal­ ten, wenn sie die Urteilsfähigkeit beider Parteien tatsächlich erhöht und weder ein­ seitig noch von eigenen Interessen motiviert vonstattengeht. d) Heimliche Theorie des Verfahrens/Garant der Selbstbestimmung Bisher ging es um eine Stärkung der legitimatorischen Grundlagen des Vertrags. Das ist nur ein Ansatz. Die Stärkung der Legitimation, die der moderierte Vertrag er­ fährt, kann jedoch auch aus Hinzunahme der legitimatorischen Kräfte des Urteils folgen, über die bereits angesprochene Öffentlichkeit als Legitimationsgrundlage hinaus. Dieser letzte Ansatzpunkt lässt sich veranschaulichen mit dem Gedanken der Konsistenz der Selbstdarstellung. „Überall im Leben wird eine gewisse Konsistenz der Selbstdarstellung verlangt. Wer sich als Nichtraucher einführt, muß mindestens eine plausible Erklärung abgeben, wenn er plötzlich zu rauchen beginnt.“129 125 Von

Wendland, Mediation und Zivilprozess, S.  128. So formuliert jedoch Wendland, Mediation und Zivilprozess, S.  128. 127  Eue, in: FS Schippel, S.  599, 609. 128  So wörtlich und richtig Wendland, Mediation und Zivilprozess, S.  128. 129  Röhl, Rechtssoziologie, S.  4 44. 126 

III. Die Legitimation des moderierten Vertrags

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Im Hinblick auf die Legitimation des Urteils durch Verfahren ist Voraussetzung zu­ nächst, dass die Beteiligten dazu gebracht werden, bestimmte Verfahrensrollen zu übernehmen. Hierzu sind sie bereit; einerseits wegen der Gewissheit, dass eine Ent­ scheidung ergehen wird und andererseits wegen der Ungewissheit des Ausgangs und der Hoffnung, die Entscheidung zu eigenen Gunsten beeinflussen zu können.130 „Die Ungewißheit über den Ausgang ist geradezu der Motor des Verfahrens, die eigentlich legitimierende Kraft, die durch betonte Darstellung der richterlichen Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit gepflegt werden muß.“131

Diese zur heimlichen Theorie des Verfahrens und zur Legitimation des Urteils ange­ stellten Gedanken lassen sich zum Teil auf die Konstellation des moderierten Ver­ trags übertragen. Die Parteien verstricken sich freiwillig in eine Verhandlungsgeschichte – um in der Wortwahl der Legitimation durch Verfahren zu bleiben – wodurch die Legitimation erhöht wird. Denn auch die Moderation hat – nach erfolgreichem Abschluss – eine Isolierung desjenigen zur Folge, der mit dem dort gefundenen Ergebnis nicht einver­ standen ist. Das bedeutet, dass dieser eher zur Akzeptanz des Vertrags bereit ist, als dies beim nicht moderierten Vertrag der Fall wäre. Denn durch die Beteiligung eines neutralen Dritten wird ein Ergebnis unwahrscheinlicher,132 das unter Missachtung der Selbstbestimmung einer Partei geschlossen oder sogar aufgrund eines Machtun­ gleichgewichts der einen von der anderen Partei regelrecht diktiert wird.133 In zwei Schritten wird diese Stärkung der Legitimation erreicht. Zunächst ist es die Neutralität und Unabhängigkeit des Moderators, die dazu führt, dass von seiner Teilnahme keine Gefahr für die Voraussetzungen der Legitimation ausgeht, die näm­ lich bestünde, wenn der Moderator tatsächlich nicht neutral, sondern im Interesse einer Vertragspartei tätig würde. Ein neutral tätiger Moderator, und hierin liegt dann im zweiten Schritt die Stär­ kung der Legitimation begründet, ist ein Garant der Selbstbestimmung. Dass er ein hier so bezeichneter Garant der Selbstbestimmung ist, liegt in seiner Rolle und Funktion als Konfliktmittler begründet, die darin besteht, eine Lösung des Konflikts auf Basis der Selbstbestimmung der Parteien zu ermöglichen. Dies spiegelt sich auch im Interesse des Moderators wider, der – wie für jede der beschrie­ benen Moderationssituationen nachgewiesen werden konnte – ein eigenes Interesse an einem Vertragsschluss an sich hat, weil er dann die ihm zugewiesene Aufgabe er­ folgreich bewältigt hat. Diese erfolgreiche Tätigkeit verlangt aber eben, eine rechts­ gültige und dauerhafte Konfliktlösung zu schaffen, die hierzu zwingend auf der Ba­ sis der Selbstbestimmung stehen muss. Um diese Selbstbestimmung der Parteien auch durch die Tätigkeit des Moderators zu gewährleisten, existieren die Aufklärungs- und Hinweispflichten, die im Rahmen 130 

Röhl, Rechtssoziologie, S.  4 44. Röhl, Rechtssoziologie, S.  4 44. 132  Im Vergleich zum Vertragsschluss ohne die Beteiligung des Moderators. 133  Mit der Folge, dass auch keine von der Selbstbestimmung getragene Entscheidung vorliegt, s. o. unter B.II.7.c). 131 

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E. Die Legitimation des moderierten Vertrags

der – ansonsten sehr spärlichen – Beschreibungen der Moderationstätigkeit bestehen. Wenn der Gesetzgeber Regelungen im Hinblick auf die Vermittlungstätigkeit des Moderators getroffen hat, dann solche zu dessen Neutralität und Unabhängigkeit bzw. eben solche, die eine ausreichende Information der Parteien sicherstellen sollen. Die Vorschrift des §  17 BeurkG, deren Geltung auch für den Moderator angenom­ men wurde, führt zu einem von der Selbstbestimmung der Parteien getragenen Ver­ trag. Denn durch die darin enthaltene Prüfungs- und Belehrungspflicht wird das Zustandekommen eines typischerweise von der Selbstbestimmung getragenen Ver­ tragsresultats bewirkt.134 Nicht rechtlich fixiert, aber aus der Mediation stammend und in diesem Zusam­ menhang von Bedeutung ist die im Mediationsverfahren regelmäßig durchgeführte Kontrollüberlegung des BATNA.135 Denn wer in voller Kenntnis auch der mögli­ chen Alternativen zum Vertragsschluss handelt, dessen Willen trägt dann die Erklä­ rung zum Vertragsschluss. Aus diesem Grund besteht auch die Möglichkeit, bestehende Ungleichgewichtsla­ gen bei Vertragsschluss infolge von Informationsdefiziten durch eine obligatorische Beratung zu verhindern, um so zu erreichen, dass die Parteien zu einer autonomen, also selbstbestimmten Entscheidung in der Lage sind, was dann sogar zur Folge hät­ te, dass es keiner weiteren, die vermeintlich schwächere Vertragspartei schützenden, Vorschriften bedarf.136 Dieser Gedanke hat u. a. eine Ausprägung in der Regelung des bereits erwähnten §  312 Abs.  2 Nr.  1 BGB gefunden, die notariell beurkundete Verträge unter näheren Voraussetzungen vom Anwendungsbereich der Vorschriften über den verbraucherschützenden Widerruf ausnimmt, weil der Schutz, den die Ein­ räumung des Widerrufsrechts für den Verbraucher gewährt, durch die Beratung des Notars sichergestellt wird.137 Es ist die informierte Autonomie, die im Zuge der Beilegung von Verbraucher­ streitigkeiten angesprochen wurde, deren Erreichung aber die Tätigkeit des Modera­ tors an sich dient und die zu einer Stärkung der Legitimation des moderierten Ver­ trags führt. Diese hier so bezeichnete informierte Autonomie steht in einer Reihe mit der vor einem anderen Hintergrund entwickelten Sozialautonomie, deren Vertreter – in Ab­ wandlung zu Luhmann – von einer Legitimation im Verfahren spricht.138 Die Be­ zeichnung Sozialautonomie wird aus der rechtssoziologischen Perspektive gewählt, weil die Dispositionsfreiheit der Parteien eine so bezeichnete informatorische Soli­ darität erfährt, die sich als „sozial“ kennzeichnen lässt. In legitimatorischer Hinsicht setzt allerdings auch die Sozialautonomie bei einer Verstärkung der Legitimation durch und nicht im Verfahren an, weil auch nach diesem Ansatz dem moderierenden Gericht die Rolle zukommt, die Voraussetzungen einer autonomen Gestaltung zu

134 

Habersack, AcP 189 (1989), 403, 423. Best alternative to negotiated agreement. 136  Sikora, Der Notar im sozialen Rechtsstaat, S.  141. 137 BeckOK-BGB/Martens, §  312 Rn.  15; MünchKommBGB/Wendehorst, §  312 Rn.  48. 138  Schmidt, JZ 1980, 153, 159. 135 

III. Die Legitimation des moderierten Vertrags

419

sichern, ohne deren inhaltliche Ausfüllung hoheitlich zu fixieren,139 letztendlich also im Sinne eines Garanten der Selbstbestimmung im Sinne dieser Untersuchung.

3. Gefahren Diese Stärkung der Legitimation geht naturgemäß nur von einem Vertrag aus, dessen Parteien auf Basis einer informierten Autonomie gehandelt haben, die durch die Ver­ mittlung eines neutralen und unabhängigen Dritten zustande gekommen ist. Zwei neuralgische Punkte sind vor dem Hintergrund der Legitimation des mode­ rierten Vertrags besonders zu berücksichtigen und in der Folge auch abzusichern. Zunächst muss der Moderator im Wege der Vornahme seiner Vermittlungstätig­ keit die (informierte) Autonomie tatsächlich stärken und nicht schwächen. Dass die Gefahr einer Autonomieschwächung systemisch besteht, liegt allein daran, dass der Moderator selbst ein Interesse am Vertragsschluss hat, welches ihn etwa im Rahmen seiner Beratung dazu veranlassen könnte, eine Partei im Unklaren über gewisse Punkte zu lassen. Der Moderator könnte sogar entgegen den aus einer informierten Autonomie stammenden Vorgaben beraten, um auf diesem Weg eine Zustimmung zum Vertrag zu erreichen, der dann – auf den ersten Blick – eine Erreichung des Ziels „Vertragsschluss“ darstellt. Ein solcher Vertragsschluss wäre im Falle einer tatsächli­ chen Förderung der informierten Autonomie evtl. nicht zustande gekommen, weil mindestens eine Partei in Kenntnis der Alternativen oder Folgen vorgezogen hätte, den Vertrag nicht zu schließen. Ebenso lässt das Fehlen der Neutralität und Unabhängigkeit des Moderators das Pendel der Legitimation in die andere Richtung ausschlagen. Schlüge sich der – offi­ ziell neutrale – Moderator auf die Seite einer Partei, wäre damit die Selbstbestim­ mung der anderen Partei, die eine neutrale Vermittlung erwartet, ebenso gefährdet wie die Funktionsvoraussetzung des Vertragsmechanismus behoben, da durch die (verdeckt) einseitige Unterstützung einer Partei kein ausreichendes Machtgleichge­ wicht zwischen den Parteien mehr besteht, das im Sinne der oben skizzierten Lehre Schmidt-Rimplers die Möglichkeit schüfe, die Verhandlungen im Wege eines gerech­ ten Ausgleichs zu beenden. Dies bedeutet in der Konsequenz aber auch, dass ein Vertrag, der nur scheinbar unter einer neutralen Vermittlung zustande gekommen ist, mit einer erheblichen Beschwer für den Benachteiligten verbunden ist, weil einer­ seits schon die Voraussetzungen für die Legitimation eines „normalen“ Vertrags nicht vorliegen, andererseits aber „offiziell“ ein moderierter Vertrag existiert, dessen legitimatorische Wirkung noch über die eines Normalvertrags hinaus geht. Das zeigt, wie zentral die rechtliche Absicherung der Legitimationsgrundlagen im Falle des moderierten Vertrags ist.

139 

Schmidt, JZ 1980, 153, 159.

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E. Die Legitimation des moderierten Vertrags

4. Voraussetzungen und deren Absicherung Für die hier beschriebene gehobene Legitimation des moderierten Vertrags ist damit eine durch den moderierenden Dritten gestärkte, jedenfalls nicht vor dem Hinter­ grund seines Interesses am Vertragsschluss geschwächte, Selbstbestimmung im Sin­ ne einer informierten Autonomie Voraussetzung. Ebenso hat die Neutralität bzw. Unabhängigkeit des Moderators auf die Realisie­ rung der Selbstbestimmung sowie auf die legitimatorische Wirkung entscheidenden Einfluss. Die Öffentlichkeit ist keine Voraussetzung und in der Konsequenz auch nicht Ob­ jekt einer rechtlichen Absicherung der Verhandlungen zum moderierten Vertrag, weil die Basis der Legitimation des moderierten Vertrags sich hierauf nicht stützt. Die Stärkung der Legitimation folgt aus einem vorgeschalteten Verfahren, das infol­ ge der Beteiligung eines neutralen Dritten Elemente eines Gerichtsverfahrens auf­ weist. Die für die Legitimation des auf einem Gerichtsverfahren basierenden Urteils wesentliche Öffentlichkeit wird dabei nicht auf das Verfahren des moderierten Ver­ trags übertragen. Vielmehr wird hier – häufig, aber nicht immer – die Vertraulichkeit der Verhandlungen vorgezogen. Von dieser geht dann eine psychologische Wirkung in Form eines besseren Verhandlungsklimas und einer größeren Bereitschaft der Parteien, sich zu öffnen, aus. Für die Legitimation ist eine – pauschale – Wirkung damit nicht verbunden. Das gilt auch, weil im Hinblick auf den moderierten Vertrag nicht einheitlich verfahren wird.

F. Absicherung der gesteigerten Legitimation Bleibt man der Betrachtungsweise treu, die den vergleichenden Blick auf das Urteil und den durch bilaterale Verhandlungen geschlossenen Vertrag wirft, so ist – wie dort – nach der rechtlichen Absicherung dieser Legitimation des moderierten Ver­ trags zu fragen. Zur Erinnerung: Im Falle des Urteils basiert die Legitimation wesentlich auf der Neutralität des Entscheiders. Diese Neutralität wird rechtlich abgesichert über die Regelungen der §§  42 ff. und 547 Nrn.  2 und 5 ZPO. Beim bilateral ausgehandelten „Normalvertrag“ gilt im Hinblick auf dessen Legitimation: volenti non fit iniuria. Das Recht sichert diese Legitimation, indem es nur solche Verträge anerkennt, bei deren Abschluss beide Parteien hinreichend selbstbestimmt gehandelt haben. Der moderierte Vertrag ist zunächst ebenfalls ein Vertrag. Damit verbunden gel­ ten für ihn die legitimatorischen Erwägungen, die für jeden Vertrag greifen. Im vo­ rigen Kapitel wurde jedoch aufgezeigt, dass die Akzeptanz des moderierten Vertrags über die eines „normalen“ Vertrags hinausreicht. Vor diesem Hintergrund geht es in diesem Kapitel nicht um die ganzheitliche Betrachtung dessen, was die Legitimation des Vertrags begründet, sondern es geht um die Frage, wie die Umstände, die die hier identifizierte gesteigerte Legitimation gegenüber dem „Normalvertrag“ ausmachen, ihre Unterstützung und Absicherung im Recht erfahren.1 Das ist deshalb von beson­ derem Interesse, weil die Steigerung der Legitimation einerseits aus einer Übertra­ gung der Legitimationsgrundsätze herrührt, die – neben anderen – als Basis für die Akzeptanzbereitschaft im Hinblick auf das Urteil identifiziert wurden. Andererseits kommt eine Absicherung, wie sie im Zivilprozess etwa in Form des absoluten Revi­ sionsgrundes geschieht, beim Vertrag mangels Verfahrensrechts nicht in Betracht. Es gibt kein „Rechtsmittel“ gegen den Vergleich, 2 auch nicht gegen den Beschluss nach §  278 Abs.  6 ZPO, der sein Zustandekommen feststellt.3 Daher ist für den moderier­ ten Vertrag zu fragen, welches „Rechtsmittel“ den Parteien zur Verfügung gestellt wird, um deren Parteiautonomie vor diesen beeinträchtigenden Maßnahmen des Dritten zu schützen und darüber hinaus eine Reaktionsmöglichkeit auf eine mögli­ che Verletzung der Neutralität bzw. Unabhängigkeit des Moderators zu besitzen.4 1 Nach Tochtermann, Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Mediators, S.  199 stellt sich die Frage, ob die Mitwirkung des befangenen Mediators die Wirksamkeit des Mediationsvergleichs berührt. 2  Fleindl/Haumer, Der Prozessvergleich, Kap.  2 Rn.  13; vgl. auch Brei, JR 2017, 495, 502. 3  Fleindl/Haumer, Der Prozessvergleich, Kap.  4 Rn.  36. 4  So sei die privatautonome Entscheidung der Parteien gerade vor dem „unzulässigem Druck durch den aufgrund seiner Autorität und seiner letztlichen Streitentscheidung berufenen Position

422

F. Absicherung der gesteigerten Legitimation

Und so wie es ein Rechtsmittel gegen das Urteil gibt, wenn dieses unter Verstoß gegen die zentralen verfahrensrechtlichen Vorgaben zustande gekommen ist, bleibt – übertragen auf die Situation des moderierten Vertrags – zu fragen, ob auch hier ein „Rechtsmittel“ existiert, das die Loslösung vom Vertrag erlaubt, wenn seitens des Moderators die Freiwilligkeit beeinträchtigt5 oder die Neutralität bzw. Unabhängig­ keit verletzt wird. Bei diesem vertragsbezogenen Ansatz geht es also – eben wie bei einem Rechtsmittel – darum, das unter Verletzung der Verfahrensvorgaben entstan­ dene Ergebnis zu beseitigen, d. h. es geht um die Aufhebung des sogenannten mode­ rierten Vertrags. 6

I. Legitimation und Vertragstypus, §  779 BGB Es gibt kein Rechtsmittel gegen den Vergleich.7 Ausgehend von dieser soeben ge­ schilderten Feststellung fällt der Blick auf die den Vergleich regelnde Vorschrift des §  779 BGB. Dabei dient die Analyse keinem Selbstzweck, sondern kann unterteilt werden in die Frage, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen der moderierte Vertrag als Vergleich einzuordnen ist. Das hat dann Folgen, die auch außerhalb des §  779 Abs.  1 BGB anzusiedeln sind. Nämlich immer dann, wenn andere gesetzliche Tatbestände die Existenz eines Vergleichs verlangen. 8 Darüber hinaus ist der Umstand, ob der moderierte Vertrag einen Vergleich dar­ stellt, notwendige Vorfrage für die Anwendung des in §  779 Abs.  1 BGB zusätzlich enthaltenen Unwirksamkeitsgrundes und die in diesem Zusammenhang besonders interessierende Frage, ob hierdurch ein vertragsrechtlicher Schutz vor der Manipula­ tion durch den Moderator bewerkstelligt werden kann.

1. Der moderierte Vertrag als Vergleich Nach der Begriffsbestimmung des §  779 Abs.  1 Hs.  1 BGB, die schon im ersten Ent­ wurf des BGB enthalten war,9 ist der Vergleich ein Vertrag,10 durch den der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis im Wege gegenseitigen Nachgebens beseitigt wird. Neben dem Erfordernis des Vertrags, das beim mode­ der Ausübung erheblichen Drucks befähigten Richter zu bewahren“, vgl. Breidenbach, Mediation, S.  211. 5  Die Bedeutung der Autonomie für den Mediationsvergleich betont Unberath, ZKM 2011, 4; nach Eidenmüller, JZ 2015, 539, 544 ist es wichtig, dass verfahrensrechtliche Sicherungen gegen ei­ nen expliziten oder impliziten Einigungsdruck getroffen werden. 6  Auf die allgemeinen Regelungen des BGB verweist in Bezug auf die Gültigkeit der Abschluss­ vereinbarung im Rahmen der Mediation auch Härtling, in: Fischer/Unberath, Das neue Mediati­ onsgesetz, S.  143, 148 ff. 7 Vgl. Fleindl/Haumer, Der Prozessvergleich, Kap.  2 , Rn.  13; vgl. auch Brei, JR 2017, 495, 502. 8  Siehe hierzu die im ersten Teil dieser Arbeit angesprochenen Regelungen ebenso wie Bork, Der Vergleich, S.  191. 9  Motive II, S.  650. 10  Zu diesem Erfordernis vgl. nur: Motive II, S.  650.

I. Legitimation und Vertragstypus, §  7 79 BGB

423

rierten Vertrag vorliegt, sind es damit drei Tatbestandsmerkmale, die es näher zu betrachten gilt. Die Begriffe von Streit und Ungewissheit sind dabei ebenso zweitran­ gig wie die inhaltliche Reichweite des Rechtsverhältnisses, dem der Streit bzw. die Ungewissheit gelten. Eine besondere Bedeutung kommt aus dem Blickwinkel der Moderation lediglich der näheren Betrachtung des gegenseitigen Nachgebens zu. a) Streit oder Ungewissheit Ausgangspunkt ist der Streit bzw. die Ungewissheit der Parteien. Diese Tatbestands­ merkmale des §  779 BGB sind relativ klar definiert und selten Gegenstand von Aus­ einandersetzungen.11 aa) Streit Streit herrscht über ein Rechtsverhältnis, wenn die Parteien diesbezüglich objektiv unterschiedliche, sich wenigstens teilweise widersprechende Standpunkte einneh­ men.12 Schon dies wird für die hier vorliegenden Konstellationen der Moderation regelmäßig der Fall sein, weil gerade diese Standpunktdivergenz den Konflikt be­ schreibt, der die Parteien zur Hinzuziehung des Moderators veranlasst. bb) Ungewissheit Ein Streit zwischen den Parteien ist allerdings nicht einmal notwendig. Ausreichend ist bereits eine Ungewissheit. Diese stellt inhaltlich ein Minus dar, weil die Unge­ wissheit keinen Streit erfordert, Streit jedoch notwendigerweise Ungewissheit er­ zeugt.13 Mit der expliziten Nennung wurde dem vor Erlass des BGB bestehenden Dissens, ob die bloße Ungewissheit ausreichend ist, ein Ende gesetzt.14 Ein Rechts­ verhältnis ist zwischen den Parteien ungewiss, wenn hierüber keine gänzliche15 Klarheit herrscht. Die Ungewissheit ist demnach im Unterschied zum Streit subjek­ tiv zu bestimmen. Damit ist ungewiss im Sinne der Vorschrift auch das, was nur von den Parteien als unklar angesehen wird.16 Die Parteien müssen also Zweifel haben, was zwischen ihnen rechtens ist.17 Für die öffentlich-rechtlichen Vergleiche im Sinne des §  55 VwVfG sowie diejenigen auf dem Gebiet des Sozialrechts nach §  54 SGB X

11 Ebenso

Bork, Der Vergleich, S.  232. v. 30.10.34 – VII 158/34, JW 1935, 1009; BAG v. 26.04.2006 – 7 AZR 366/05, AP TzBfG §  14 Vergleich Nr.  1, Rn.  28; Staudinger/Marburger, BGB, §  779 Rn.  22. 13 Staudinger/Marburger, BGB, §   779 Rn.   24; Ehmann, Schuldanerkenntnis und Vergleich, S.  108. 14  Siehe die Darstellung bei Bork, Der Vergleich, S.  234, für die Ungewissheit als Voraussetzung des Vergleichs auch schon Oertmann, Der Vergleich im gemeinen Recht, S.  51. 15 Staudinger/Marburger, BGB, §  7 79 Rn.  25: In welchem Umfang das Rechtsverhältnis streitig oder ungewiss ist, spielt keine Rolle. 16  RG v. 30.01.1901 – I B Kr. 4/1901, JW 1901, 138; BGH v. 24.03.1976 – IV ZR 222/74, BGHZ 66, 250, 255; BGH v. 06.11.1991 – XII ZR 168/90, NJW-RR 1992, 363; Bork, Der Vergleich S.  234 f.; Ehmann, Schuldanerkenntnis und Vergleich, S.  108. 17  So formuliert Bork, Der Vergleich, S.  234. 12  RG

424

F. Absicherung der gesteigerten Legitimation

gilt ausweislich des dortigen Wortlauts ein objektiver Maßstab,18 weil die Vorschrif­ ten „eine bei verständiger Würdigung des Sachverhalts oder der Rechtslage bestehen­ de Ungewissheit“ verlangen. Für die Betrachtung der Moderation ist nur festzuhalten, dass eine solche Unge­ wissheit subjektiv wie objektiv jedenfalls regelmäßig vorliegen wird, wenn sich die Parteien auf die Moderation einlassen und sich diese spätestens dann – weil sie durch den Beginn der Moderation offen zutage tritt – in einen Streit im Sinne der Vorschrift des §  779 BGB wandelt, der dann stets auch die Anforderungen der §§  55 VwVfG sowie 54 SGB X erfüllt. b) Rechtsverhältnis Bezugspunkt des Streits bzw. der Ungewissheit muss ein Rechtsverhältnis sein. Die­ ser Begriff wird weit gefasst19 und regelmäßig definiert als „jede rechtliche Bezie­ hung einer Person zu einer Person oder zu einer Sache“.20 Diese Definition ist nicht unumstritten, reicht aber in der Praxis in den meisten Fällen aus.21 Zentrale Folge des Tatbestandsmerkmals ist, dass Vergleiche allein über Tatsachen nicht in Betracht kommen, weil die Privatautonomie den Parteien keine Macht über Tatsachen gibt.22 Dieser Untersuchung geht es nicht um die Entscheidung von Zweifelsfragen zum Rechtsverhältnis, weshalb sie sich mit der Feststellung begnügen kann, dass der zwi­ schen den Parteien bestehende Konflikt regelmäßig um Rechtsverhältnisse kreist, wenn nicht ohnehin die Frage um das Innehaben von Ansprüchen einer oder beider Parteien umstritten ist, was jedenfalls die Annahme eines Rechtsverhältnisses im Sinne der Vorschrift des §  779 BGB rechtfertigt.23 c) Gegenseitiges Nachgeben Das Tatbestandsmerkmal des gegenseitigen Nachgebens prägt den Vergleich.24 Das Nachgeben ist dabei keine Erfindung des BGB, sondern, weil es eine wesentliche Komponente menschlichen Sozialverhaltens beschreibt, auch schon im römischen Recht und den Vorläufern des BGB enthalten.25 Für diese Untersuchung lässt sich die Betrachtung bei den Verhandlungen zum BGB beginnen. In den Protokollen heißt es unter Bezugnahme auf den später umge­ setzten Antrag an der entsprechenden Stelle: 18  Vgl. zu §  55 VwVfG: BeckOK-VwVfG/Spieth, §  55 Rn.  35; zu §  5 4 SGB X: KassKomm/Wehrhahn, SGB X, §  54 Rn.  6. 19  BGH v. 14.10.1971 – III ZR 9/69, NJW 1972, 157; BGH v. 28.05.1979 – III ZR 89/78, NJW 1980, 889, 890; BGH v. 06.11.1991 – XII ZR 168/90, NJW-RR 1992, 363; siehe auch Staudinger/ Marburger §  779 Rn.  2 mit weiteren Details. 20  Bork, Der Vergleich, S.  192. 21  Bork, Der Vergleich, S.  192 22  Ehmann, Schuldanerkenntnis und Vergleich, S.  105. 23  Bork, Vergleich, S.  193. 24  Ebel, Berichtigung, Transactio und Vergleich, S.  146; Bork, Der Vergleich, S.  240; Staudinger/ Marburger, §  779 Rn.  27 spricht von „Wesensmerkmal“; Ehlke, Das Wirkungsprivileg des Ver­ gleichsvertrages, S.  40 vom „wesentlichsten Tatbestandsmerkmal“. 25 Vgl. Ehlke, Das Wirkungsprivileg des Vergleichsvertrages, S.  52 m. w. N.

I. Legitimation und Vertragstypus, §  7 79 BGB

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„Der Vergleich bezwecke stets den Streit oder die Ungewißheit der Betheiligten über ein Rechtsverhältnis zu beendigen. Erreicht werde dieser Zweck dadurch, dass der eine Kontra­ hent dem Gegenkontrahenten ein Opfer bringe. Das Opfer könne in einem theilweisen Ver­ zicht auf das in Anspruch genommene Recht, in theilweiser Anerkennung des Rechtes des Anderen oder in irgend einer anderen Leistung bestehen.“26

Weiter heißt es, dass zu erwarten sei, die „Rechtsprechung werde nicht verkennen, dass es sich hierbei nicht um einen technischen juristischen, sondern um einen geläu­ figen und deshalb für den Gesetzgeber annehmbaren Ausdruck des täglichen Lebens handele, der eben deswegen nicht im engeren juristischen Sinne, sondern in dem wei­ teren Sinne auszulegen sei, den der Sprachgebrauch mit ihm verbinde.“27 Gerade auf die letzte Passage nehmen sowohl Rechtsprechung28 als auch Litera­ tur29 Bezug, wenngleich der Gesetzgeber des BGB bei dessen Schaffung die Hoff­ nung formulierte: „Die unvermeidlichen Unvollkommenheiten der Definition wer­ den zweifellos durch die Wissenschaft und Praxis ihre Erledigung finden.“30 Anknüpfend an den allgemeinen und nicht juristischen Sprachgebrauch31 soll das Nachgeben, wie es auch schon in den widergegebenen Motiven des BGB anklang, das völlige oder teilweise Aufgeben einer zuvor eingenommen Position zugunsten des Gegners bedeuten.32 Dass der Begriff des Nachgebens weit zu verstehen ist, zeigt sich auch an dem Umstand, dass es bei der Beurteilung des ursprünglich eingenom­ menen Standpunkts nicht auf die objektive Sach- und Rechtslage ankommt, sondern auf die Sicht der Partei.33 Das heißt, auch der Verzicht auf vermeintliche Ansprüche enthält daher ein Nachgeben.34 Für die Frage, ob der moderierte Vertrag als Vergleich einzuordnen ist, bedeutet dies zunächst, dass selbst die weite Definition des Nachgebens eine pauschale Ein­ ordnung nicht zulässt. Das wäre jedoch anders zu beurteilen, wenn die Bereitschaft, die Moderation eines Dritten in Anspruch zu nehmen, als ein dem Tatbestandsmerk­ mal des Nachgebens entsprechendes Verhalten charakterisiert werden könnte. Diese freiwillige Bereitschaft zur Moderation ist Definitionsmerkmal des moderierten Vertrags, dieser wäre dann – infolge der naheliegenden Bejahung der übrigen Tatbe­ standsmerkmale – stets als Vergleich einzustufen. 26 

Prot. II, S.  524. Prot. II, S.  525. 28  BGH v. 31.01.1963 – III ZR 117/62, BGHZ 39, 60, 64; BGH v. 19.09.1963 – III ZR 121/62, NJW 1963, 2316, 2317. 29 Vgl. Ehmann, Schuldanerkenntnis und Vergleich, S.  109. 30  Motive II, S.  650. 31  Zum Abstellen auf den allgemeinen Sprachgebrauch vgl. RG v. 02.02.1910 – I 80/09, JW 1910, 280 Nr.  3; RG v. 16.05.1911 – VII 528/10, JW 1911, 648 Nr.  18; BGH v. 31.01.1963 – III ZR 117/62, BGHZ 39, 60, 64; BGH v. 19.09.1963 – III ZR 121/62, NJW 1963, 2316, 2317; BAG v. 19.09.1958 – 2 AZR 487/55, BAGE 6, 251. 32  RG v. 21.01.1938 – III 150/36, RGZ 158, 210, 213; BGH v. 31.01.1963 – III ZR 117/62, BGHZ 39, 60, 65; Staudinger/Marburger, BGB, §  779 Rn.  27; Bork, in: Herberger/Martinek/Rüßmann u. a., jurisPK-BGB, §  779 Rn.  13. 33 MünchKommBGB/Habersack, §  7 79 Rn.  26. 34  RG v. 21.01.1938 – III 150/36, RGZ 158, 210, 213; BGH v. 01.12.1955 – II ZR 74/54, NJW 1956, 217; Staudinger/Marburger, BGB, §  779 Rn.  27. 27 

426

F. Absicherung der gesteigerten Legitimation

aa) Bereitschaft zur Moderation als Nachgeben Beginnt man die Analyse beim Gesetzeswortlaut, dann liegt diese Annahme so fern nicht. Denn §  779 Abs.  1 BGB spricht beim Vergleich von einem Vertrag, der „im Wege“ gegenseitigen Nachgebens zustande kommt. Damit stellt der Gesetzeswort­ laut auf den Weg des Zustandekommens ab – und nicht auf das Ergebnis. Darüber hinaus soll durch das Tatbestandsmerkmal des Nachgebens verdeutlicht werden, dass kein Rechtsverfolgungszwang existiert, jeder vermeintliche Rechts­ inhaber also die Freiheit hat zu entscheiden, ob und wie er seine Interessen durchset­ zen will.35 Unter diese Prämissen des Nachgebens ließe sich die Bereitschaft zur Moderation fassen, denn diese beschreibt den Weg des Vertragsschlusses und schließt mindestens zeitweise die Bereitschaft mit ein, auf die Rechtsverfolgung auf anderem Wege zu verzichten. Für diese Hypothese spricht darüber hinaus, dass bei der Beurteilung des Nachge­ bens – anders als ganz früher vertreten – nicht mehr auf einen wirtschaftlich messba­ ren Verzicht abgestellt wird, der sich im Vertragsergebnis nachweisen lässt.36 Ur­ sprünglich war das Nachgeben als eine Schmälerung des Vermögens des Behaupten­ den verstanden worden, d. h. wer nachgebe, gebe nicht nur Standpunkte, sondern auch Vermögenspositionen auf.37 Letztlich sind es der gesetzgeberische Wille, der auf ein umgangssprachliches Verständnis des Nachgebens zielt, sowie die Schwierig­ keit, die Schmälerung des Vermögens im Wege des hypothetischen Vermögensver­ gleichs vor und nach dem Nachgeben in allen Fällen festzustellen, die gegen eine Anwendung dieses Kriteriums sprechen.38 Stattdessen soll die Beurteilung des Nachgebens nicht auf der Ebene des durch den Vertrag herbeigeführten Erfolges, sondern auf der Ebene des „gegnerfreundlichen Verhaltens“ der Parteien stattfin­ den.39 Ein solches Kriterium entspricht zunächst eher dem Wortlaut des §  779 BGB, der eben von einem Vertragsschluss „im Wege“ gegenseitigen Nachgebens spricht und nicht von einer notwendigen Vermögensminderung. Aber auch für die in Rede stehende Frage ist dieser Ansatz interessant. Wenn für das Nachgeben – lediglich – ein gegnerfreundliches Verhalten notwendig ist, dann ließe sich die nach der erarbei­ teten Definition notwendigerweise freiwillige Bereitschaft, an der Moderation teil­ zunehmen, als ein solches gegnerfreundliches Verhalten charakterisieren. Denn ein solches Verhalten erfordere lediglich, dass jede Partei ihre Ausgangsposition verlasse, eine Geste des guten Willens zeige und damit den Gegner in seiner Bereitschaft för­ dere, sich seinerseits gegnerfreundlich zu erweisen.40 Es solle damit nicht mehr auf eine statische Betrachtungsweise ankommen, die auf bloße Vermögensinteressen ab­ stellt. Vielmehr sei das Nachgeben im Wege einer „dynamisch-prozeduralen“ Her­ 35 

Ehlke, Das Wirkungsprivileg des Vergleichsvertrages, S.  41. insofern noch Schnorr von Carolsfeld, Beiträge zur Lehre vom Vergleich, Breslau 1928,

36  Vgl

S.  30. 37  Schnorr von Carolsfeld, Beiträge zur Lehre vom Vergleich, Breslau 1928, S.  30. 38  Vgl. ausführlich hierzu Bork, Der Vergleich, S.  246. 39  Bork, Der Vergleich, S.  246. 40  Bork, Der Vergleich, S.  254.

I. Legitimation und Vertragstypus, §  7 79 BGB

427

angehensweise zu beurteilen, die es ermögliche, das Nachgeben als prozedurales „Ritual“ zu verstehen.41 Unter dieses „dynamisch-prozedurale“ Verständnis ließe sich die Moderation fas­ sen. Schließlich bedeutet die Teilnahme, zumindest zeitweise auf die zwangsweise Durchsetzung des eigenen Anspruchs zu verzichten bzw. sich mit dem Gegner über dessen vermeintlichen Anspruch auseinanderzusetzen, dessen Existenz man eigent­ lich bestreitet. Unter ein so verstandenes gegnerfreundliches Verhalten ließe sich be­ reits die Bereitschaft zur Moderation fassen. Ein moderierter Vertrag würde – wenn er im Wege der Moderation zustande kommt – dann stets das Merkmal des Nachge­ bens erfüllen. Allerdings ist allein das gegnerfreundliche Verhalten nicht ausreichend für ein Nachgeben. Gefordert wird darüber hinaus stets ein Verzicht auf ursprünglich geäu­ ßerte Prätentionen. Die genaue Ausgestaltung dieses Prätentionsverzichts ist ent­ scheidend für die Frage, ob allein die Teilnahme an der Moderation ein Nachgeben darstellt. Hier entscheidet sich nämlich, wie sehr das Nachgeben Ausdruck im Ver­ tragsergebnis gefunden haben muss. Nach Bork geht mit der Erkenntnis, dass das Nachgeben nicht nur gegnerfreund­ liches Parteiverhalten, sondern in gewisser Weise zugleich auch ein vergleichsför­ derndes Ritual ist, die Feststellung einher, dass das Nachgeben nicht mit dem Ver­ gleichsinhalt und den durch den Vertrag erzeugten Rechtsfolgen identisch ist, son­ dern, dass es sich um eine förderliche „Form des Zustandekommens eines Vertrags“ handelt.42 Das Nachgeben sei damit nicht der Vertragsinhalt, sondern es führe zum Vertragsschluss hin. Dieser passe die materielle Rechtslage entsprechend der ver­ gleichsweisen Einigung an, was erst möglich wurde durch den beiderseitigen entge­ genkommenden Verzicht auf die Durchsetzung der ursprünglichen Prätentionen.43 Wenn man mit Bork davon ausgeht, dass ein Verzicht auf die Durchsetzung der ursprünglichen Prätentionen ausreichend ist, dann ließe sich – ohne dass er selbst dies getan hätte – die Bereitschaft zur Moderation als zumindest zeitweisen Verzicht auf die Durchsetzung der ursprünglichen Prätentionen verstehen. Dies gilt aber schon dann nicht mehr, wenn man sich die Ausführungen Tägerts näher betrachtet, den Bork als Urheber der These vom gegnerfreundlichen Verhalten benennt. Nach Tägert gehört zum Wesen des Streits über ein Rechtsverhältnis zunächst das Bestehen einander widersprechender Parteiaussagen über die rechtliche Wirklich­ keit. Für das Nachgeben beim Vergleich sei dann kennzeichnend, dass ein Streitbeseiti­ gungsinteresse existiere, welches aber geringer sei als das an einer wenigstens teilwei­ sen Durchsetzung der Rechtsbehauptung. Daher kommt eine völlige Prätentionsauf­ gabe nicht in Frage, sondern nur, wenn auch der Gegner teilweise nachgibt. Dies wiederum setze voraus, dass auch dort ein Feststellungsbedürfnis vorliege.44 Bezugs­ 41 

Bork, Der Vergleich, S.  253 f. Bork, Der Vergleich, S.  254. 43  Bork, Der Vergleich, S.  254. 44  Tägert, Beiträge zur Theorie des Feststellungsvertrages, S.  21. 42 

428

F. Absicherung der gesteigerten Legitimation

punkt der Aufgabe der Prätention ist damit nicht deren bloße Durchsetzung, son­ dern die – den Konflikt begründende – Prätention an sich. Das wird an zwei Umständen deutlich. Nach Tägert muss zur Prätentionsaufgabe – erstens – noch etwas hinzutreten. Das Interesse der Partei, zu verhindern, dass der Gegner die aufgestellte Prätention mit der gleichen bedrohlichen Wirkung wieder erheben kann, weshalb eine rechtliche Bindung des Gegners geschaffen werden soll.45 Hier muss der Bezugspunkt der Prä­ tentionsaufgabe also eine Rechtsinhaberschaft sein und nicht nur die bloße Verhand­ lungsbereitschaft. Dies zeigt sich – zweitens – auch an den Ausführungen Tägerts zu den Vertrags­ verhandlungen vor Abschluss des Vergleichs, die gerade nichts dem Vergleich eigen­ tümliches aufweisen. Ein solches Feilschen um den Vertragsinhalt sei möglich, aber nicht notwendig, weil das Nachgeben nicht erfordere, nach dem ersten dem Gegner noch ein weiteres, ihm entgegenkommendes Angebot zu machen.46 Der Verzicht auf die ursprüngliche Prätention wird damit von der Verhandlungsphase gelöst. Das lässt sich mit der Feststellung verdeutlichen, nach der ein Nachgeben nicht voraus­ setzt, dass dem Vertragsschluss tatsächlich Verhandlungen vorausgegangen sind.47 Diese Vertragsverhandlungen – wie auch immer sie im Einzelfall aussehen – sind ein Merkmal des Vertrags, nicht des Vergleichs. Die Bereitschaft, sich auf Verhandlun­ gen über einen Vertragsschluss einzulassen, ist notwendig für den darauf eventuell folgenden, freiwillig zu schließenden Vertrag. Das Ziel des Nachgebens ist es demgegenüber, den Streit oder die Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis zu beseitigen. Hierin liegt dann die Besonderheit des Ver­ gleichs, die ihn als Feststellungsvertrag ausweist.48 Wenn man den Bezugspunkt des Nachgebens nicht auch auf die Bereitschaft zur Teilnahme an Vertragsverhandlungen erstreckt, so bleibt für diese Untersuchung festzuhalten, dass die Frage des gegenseitigen Nachgebens für den moderierten Ver­ trag jeweils im Einzelfall zu beurteilen ist. Die regelmäßig existierende Ausgangslage legt den Schluss nahe, erspart aber nicht die konkrete Überprüfung. bb) Gegenseitigkeit Das gilt auch für das Merkmal der Gegenseitigkeit, welches bei einer von einem un­ parteilichen Dritten geführten Verhandlung zwar regelmäßig existieren dürfte, zu­ mal seit jeher49 ein geringes Nachgeben beider Parteien ausreichte.50 Auch hier ist

45 

Tägert, Beiträge zur Theorie des Feststellungsvertrages, S.  21. Tägert, Beiträge zur Theorie des Feststellungsvertrages, S.  23. 47  BGH v. 31.01.1963 – III ZR 117/62, BGHZ 39, 60, 64; RG v. 11.06.1927 – V 27/27, RGZ 117, 226, 228; RG v. 12.02.1927 – V 435/26, RGZ 116, 143, 146; Bork, Der Vergleich, S.  255; Staudinger/ Marburger, BGB, §  779 Rn.  27; BeckOGK/Hoffmann, BGB, §  779 Rn.  43. 48 Staudinger/Marburger, BGB, §  7 79 Rn.  30. 49  Vgl. schon Oertmann, Der Vergleich im gemeinen Recht, S.  129. 50 MünchKommBGB/Habersack, §  7 79 Rn.  26. 46 

I. Legitimation und Vertragstypus, §  7 79 BGB

429

jedoch eine Feststellung im Einzelfall, ob nicht ein die Gegenseitigkeit ausschließen­ des einseitiges Zugeständnis vorliegt,51 anzustellen. d) Zwischenergebnis Damit kann die Schlussfolgerung, der moderierte Vertrag sei stets ein Vergleich, nicht getroffen werden. Dort, wo Tatbestände das Vorliegen eines Vergleichs verlan­ gen, muss auch der moderierte Vertrag im Einzelfall auf die Existenz der in §  779 BGB52 enthaltenen Vorgaben hin überprüft werden. Die Betrachtung der einzelnen Tatbestandsmerkmale hat gezeigt, dass diese bei einem Vertrag, der in Folge eines zwischen den Parteien existierenden Konflikts mittels der Moderation geschlossen wird, ganz regelmäßig vorliegen werden. Aber es können eben auch – seltene – Kon­ stellationen vorliegen, in denen etwa das Merkmal des gegenseitigen Nachgebens nicht erfüllt ist, weil eine Partei den gegnerischen Anspruch voll anerkennt, ohne dafür ein auch nur geringes Zugeständnis zu erhalten. Weil allein die Teilnahme an der Moderation kein Nachgeben im Sinne des §  779 BGB darstellt, liegt zwar ein moderierter Vertrag, aber kein Vergleich vor. Das macht eine Prüfung im Einzelfall erforderlich.

2. Unwirksamkeitsgrund als Schutz vor Manipulation Das gilt auch für den in §  779 BGB enthaltenen besonderen Unwirksamkeitsgrund, der ebenfalls an die Existenz eines Vergleichs anknüpft. Dieser Umstand lässt sich allerdings für den hiesigen Ansatz leicht verschmerzen, weil – so viel sei vorwegge­ nommen – die Regelung des §  779 Abs.  1 Hs.  2 BGB keinen tauglichen Schutz vor der Manipulation des Moderators bereithält. §  779 Abs.  1 BGB enthält die einzige Spezialvorschrift über Mängel des Vergleichs­ vertrags.53 Liegt ein Vergleich vor, so statuiert §  779 Abs.  1 Hs.  2 BGB, dass dieser unwirksam ist, wenn der nach dem Inhalt des Vertrags als feststehend zugrunde ge­ legte Sachverhalt der Wirklichkeit nicht entspricht und der Streit oder die Ungewiss­ heit bei Kenntnis der Sachlage nicht entstanden sein würde. Für diese Untersuchung ist dabei nicht die genaue dogmatische Einordnung des Unwirksamkeitsgrundes von Bedeutung,54 sondern die Frage, inwiefern er den Vertrag bzw. seine Parteien vor einer Manipulation durch den Moderator schützt.

51 MünchKommBGB/Habersack,

§  779 Rn.  26. Bzw. VwGO und SGG. 53  Bork, Der Vergleich, S.  352. 54  Hier geht es um die Frage, ob der Unwirksamkeitsgrund dogmatisch auf der Überlegung fußt, dass der unrichtige Sachverhalt Geschäftsgrundlage wurde und §  779 BGB damit einen Spezialfall des §  313 BGB regelt, oder der unrichtige Sachverhalt von den Parteien im Wege der Vereinbarung zum Inhalt des Vertrages erhoben wurde, vgl. hierzu etwa Ehmann, Schuldanerkenntnis und Ver­ gleich, S.  134; Bork, Der Vergleich, S.  352 ff. 52 

430

F. Absicherung der gesteigerten Legitimation

a) Sachverhalt entspricht nicht den Tatsachen Die erste Voraussetzung ist verlockend. Denn die Vorschrift verlangt zunächst, dass der nach dem Inhalt des Vertrags als feststehend zugrunde gelegte Sachverhalt der Wirklichkeit nicht entspricht. Jedes Rechtsgeschäft, und insofern bildet der Vergleichsvertrag keine Ausnahme, ist auf eine vorgestellte Wirklichkeit bezogen.55 Zu dem als feststehend zugrunde gelegten Sachverhalt gehören demzufolge alle gegenwärtigen tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse, die die Parteien bei Abschluss des Vergleichs übereinstim­ mend als gegeben vorausgesetzt haben.56 Der Begriff des Sachverhaltes ist mithin weit zu verstehen.57 Damit ließe sich im Falle eines moderierten Vergleichsvertrags auch die zum Zeit­ punkt des Vertragsschlusses existierende Vorstellung der Parteien, einer von Mani­ pulation und Eigeninteressen des Moderators freien Vermittlungsleistung zum Ver­ tragsschluss geleitet worden zu sein, zu diesem als feststehend zugrunde gelegten Sachverhalt zählen. b) Streit oder Ungewissheit wäre bei Kenntnis der Sachlage nicht entstanden Es ist das zweite Tatbestandsmerkmal des Unwirksamkeitsgrundes, dass die Hoff­ nung, §  779 Abs.  1 BGB könnte einen Schutz vor der Manipulation des Moderators bewirken, zunichtemacht. Die Vorschrift ist – auch dies zeigt sich an dieser Stelle – vielmehr allein auf die bilaterale Konstellation des Vertragsschlusses zugeschnitten. Denn §  779 Abs.  1 BGB verlangt neben dem Umstand, dass der nach dem Inhalt des Vertrags als feststehend zugrunde gelegte Sachverhalt der Wirklichkeit nicht ent­ spricht, zusätzlich, dass der Streit oder die Ungewissheit bei Kenntnis der Sachlage nicht entstanden sein würde. Dem Vergleichsvertrag fehlt die innere Rechtfertigung, wenn sich die Parteien über einen streitausschließenden Umstand geirrt haben.58 Zentral ist hierbei gerade die streitausschließende Wirkung des falsch eingeschätzten Umstands. Denn das Tatbestandsmerkmal verhindert, dass den Vertragspartnern ein Reurecht einge­ räumt wird. Durch die Festlegung des unstreitigen Sachverhalts bestimmen die Ver­ tragspartner, inwieweit sie bereit sind, gegenseitig nachzugeben, d. h. welches Opfer sie zu erbringen bereit sind. An diesem Verhältnis müssen sich die Parteien festhalten lassen. Dies gelingt eben dadurch, dass ihnen der Unwirksamkeitsgrund nur zur Seite steht, wenn der Streit in Kenntnis der wirklichen Sachlage gar nicht erst ent­ standen wäre.59 In der Folge kommt es nicht darauf an, ob die Parteien bei Kenntnis der Sachlage den konkreten Vergleich nicht vereinbart hätten; ein dahingehender Antrag war im

55 

Ehmann, Schuldanerkenntnis und Vergleich, S.  133. §  779 Rn.  43; Jauernig/Stadler, BGB, §  779 Rn.  16. 57 Jauernig/Stadler, BGB, §  7 79 Rn.  16. 58 MünchKommBGB/Habersack, §  7 79 Rn.  66; vgl. BeckOK-BGB/Fischer, §  7 79 Rn.  43. 59 BeckOGK/Hoffmann, BGB, §  7 79 Rn.  108. 56 BeckOK-BGB/Fischer,

I. Legitimation und Vertragstypus, §  7 79 BGB

431

Gesetzgebungsverfahren60 ausdrücklich ausgeschlossen worden. 61 Entscheidend für die Unwirksamkeit nach §  779 Abs.  1 BGB ist, dass gerade der konkrete Streit nicht entstanden wäre; ob dann ein anderer Streit entstanden oder auf der Grundlage des­ selben Streits ein anderer Vergleich zustande gekommen wäre, ist nicht von Bedeu­ tung. 62 Für die hiesige Betrachtung ist entscheidend, dass das Gesetz eine kausale Ver­ knüpfung schafft zwischen der Fehlvorstellung der Parteien und dem Streit bzw. der Ungewissheit, die der Vergleich beseitigen soll. 63 Weil es aber auf diese Verknüpfung abstellt, schließt es falsche Vorstellungen der Parteien über Umstände, die sich auf die Vergleichsverhandlungen beziehen, aus. 64 Deshalb sind Irrtümer der Parteien, die erst im Zuge der Moderation entstehen, etwa durch die Manipulation des Mode­ rators, nicht von diesem Unwirksamkeitsgrund erfasst. Denn selbst wenn die Partei­ en von der Manipulation gewusst hätten, würde dies nichts an der Existenz des ur­ sprünglichen Streits ändern, der ja erst die Grundlage des Konflikts ist, welcher die Parteien überhaupt erst in die Lage versetzt hat, eine Moderation anzustreben. Was immer auch im Rahmen der Moderation geschieht, kann nicht zur Unwirk­ samkeit des moderierten Vertrags nach §  779 Abs.  1 BGB führen. Hätten die Parteien von der Befangenheit des Moderators gewusst, änderte sich hierdurch nichts an dem zwischen ihnen bestehenden Streit. Die kausale Verknüpfung zwischen der Fehlvorstellung der Parteien und des Streits bzw. der Ungewissheit, die jedoch außerhalb des Prozesses der Moderation liegen und nur die Ursache für diese bilden, verhindert, dass von §  779 Abs.  1 BGB ein Schutz des moderierten Vertrags vor der Manipulation des Moderators ausgehen könnte.

3. Ergebnis: Vergleich Die Betrachtung der Regelung des §  779 Abs.  1 BGB fällt damit aus dem Blickwinkel des moderierten Vertrags ernüchternd aus. Weder konnte festgestellt werden, dass es sich bei einem moderierten Vertrag stets um einen Vergleich handelt, noch lässt sich der in §  779 Abs.  1 BGB enthaltene Unwirksamkeitsgrund zum Schutz des mode­ rierten Vertrags vor einer Manipulation durch den Moderator heranziehen. Der Un­ wirksamkeitsgrund müsste – will man einen entsprechenden Schutz garantieren – über seinen Wortlaut hinaus erweitert werden, was jedoch erst nach der weiteren Analyse möglicher Normen, die evtl. einen entsprechenden Schutz bieten können, infrage kommt.

60 

Prot. II, S.  8490 = Mugdan II S.  1018. Bork, Der Vergleich, S.  367; ebenso Bettermann, DVBl. 1974, 353, 354. 62  Bork, Der Vergleich, S.  368. 63  Bork, Der Vergleich, S.  367, mit Verweis auf Bettermann, DVBl. 1974, 353, 354. 64  Tochtermann, Die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Mediators, S.  217. 61 

432

F. Absicherung der gesteigerten Legitimation

Es erscheint systematisch zudem nicht sinnvoll, den Anwendungsbereich von §  779 Abs.  1 BGB, der ein Spezialfall des gemeinsamen Irrtums über die (subjektive) Geschäftsgrundlage ist, auszudehnen. 65

II. Täuschen und Drohen, §  123 BGB In diesem Kapitel geht es um die rechtliche Absicherung der gesteigerten Legitimati­ on des moderierten Vertrags. Diese basiert auch auf der Beteiligung des Moderators als Garanten der Selbstbestimmung. Eine rechtliche Absicherung muss also dort ein­ setzen, wo der Moderator die Selbstbestimmung der Parteien nicht garantiert, son­ dern manipuliert. Damit fällt der Blick auf die Vorschrift des §  123 BGB. Diese hat zwar zunächst – wie die vertraglichen Regelungen des BGB allgemein66 – die bilaterale Konstellation des Vertragsschlusses vor Augen, ihr Regelungsgehalt ist hierauf jedoch nicht beschränkt, sondern §  123 BGB findet ebenfalls dann An­ wendung, wenn die Störung der Entschließungsfreiheit von einer anderen Person als dem Vertragspartner vorgenommen wird. Deshalb ist die Vorschrift – weil sie auch auf den gerichtlichen Vergleich anwendbar ist67 – für die hier in Rede stehende Situ­ ation des moderierten Vertrags von besonderer Bedeutung. §  123 BGB schützt die rechtsgeschäftliche Selbstbestimmung vor gravierenden Störungen im Bereich der Willensbildung68 und gibt demjenigen, dessen Willensbil­ dung unter unangemessener Beeinflussung durch Täuschung oder Drohung gelitten hat, die Möglichkeit, seine Willenserklärung durch Anfechtung zu beseitigen. 69 Richtigerweise wird jedoch darauf hingewiesen, dass allein mit dem Schutz der Entscheidungsfreiheit das Schutzgut der Vorschrift nicht erschöpfend charakteri­ siert ist. Denn dann müsste eine Erklärung stets anfechtbar sein, wenn eine Manipu­ lation des Willens vorliegt. Das ist aber bei §  123 BGB gerade nicht der Fall. Der Gesetzgeber hat sich, wie besonders in der Täuschungsalternative deutlich wird, für ein Element der Zurechnung entschieden.70 §  123 Abs.  1 BGB fordert nicht nur eine erfolgreiche Täuschung im Sinne eines existierenden Willensmangels beim Erklärenden, sondern darüber hinaus eine arg­ listige, d. h. vorsätzliche Vorgehensweise beim Täuschenden.71 Durch den Rechtsbe­ griff der arglistigen Täuschung wurden moralische Maßstabe und Wertungen in das BGB integriert.72 Täuscht ein Dritter, so verlangt §  123 Abs.  2 BGB, dass der Ver­ tragspartner des Getäuschten Kenntnis bzw. fahrlässige Unkenntnis von der Täu­ 65 

Tochtermann, Die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Mediators, S.  217. Allgemein zum Dritten in der Rechtsgeschäftslehre vgl. Petersen, Jura 2004, 306 ff. 67  Arnold, in: Erman, BGB, §  123 Rn.  2. 68 Staudinger/Singer/Finckenstein, BGB, §   123 Rn.  1; Motive I, S.  204; RG v. 29.10.1931 – VI 231/31, RGZ 134, 43, 55; BGH v. 24.10.1968 – II ZR 214/66, BGHZ 51, 141, 147; MünchKommBGB/ Armbrüster, §  123 Rn.  1; Arnold, in: Erman, BGB, §  123 Rn.  1. 69 HK-BGB/Dörner, §  123 Rn.  1. 70  Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, S.  315, mit Verweis auf Motive I, S.  206 f. 71 BeckOGK/Rehberg, BGB, §  123 Rn.  18. 72  Arnold, JuS 2013, 865, 870. 66 

II. Täuschen und Drohen, §  123 BGB

433

schung hat. Erst wenn beides vorliegt, der Willensmangel einerseits sowie die eine Vorwerfbarkeit begründende Zurechnung über die skizzierten subjektiven Tatbe­ standsmerkmale andererseits, liegt der zur Anfechtung berechtigende Tatbestand vor. Verkehrs- oder Vertrauensgesichtspunkte treten hinter dieser Zurechnung zu­ rück.73 Es ist dann auch der Täuschungstatbestand, der zunächst auf seine Wirkungen im Hinblick auf die Konstellation des moderierten Vertrags hin untersucht werden soll. Die nicht minder bedeutsame zweite Alternative des §  123 Abs.  1 BGB, die den An­ fechtungsgrund infolge widerrechtlicher Drohung beinhaltet, wird im Anschluss betrachtet.

1. Täuschung Zentral ist zunächst die Notwendigkeit der Täuschung, die gerade den Willensman­ gel beschreibt, der die Einräumung einer Anfechtungsmöglichkeit rechtfertigt. Es geht – und insofern ist die Täuschung mit der des Betrugstatbestands gemäß §  263 Abs.  1 StGB vergleichbar 74 – nicht lediglich um die Täuschungshandlung, sondern auch um deren Erfolg, der in der Definition der Täuschung mitumschrieben wird. Erforderlich für eine Täuschung im Sinne des §  123 Abs.  1 BGB ist nämlich die Erre­ gung oder Aufrechterhaltung eines Irrtums durch Vorspiegelung falscher oder durch Unterdrückung wahrer Tatsachen.75 Infolge dieser Voraussetzungen ist Hauptan­ wendungsfall der Täuschungsanfechtung der Motivirrtum,76 was daran liegt, dass durch die Täuschung die Willensbildung und -entschließung beeinträchtigt werden, ohne dass man den Erklärenden selbst hierfür verantwortlich machen könnte. Denn eine durch Täuschung 77 herbeigeführte Willenserklärung ist derart mangelhaft, dass dem Erklärenden nicht seine formal existierende Selbstbestimmung entgegengehal­ ten werden kann.78 Als Bezugspunkt der Täuschung kommt jede für das Täuschungsopfer in Bezug auf den Vertragsschluss relevante Tatsache in Betracht. Das macht eine abschließen­ de Aufzählung unmöglich. Hervorheben lässt sich jedoch, dass eine Anfechtung auch dann infrage kommt, wenn der Moderator über seine Unabhängigkeit bzw. Neutralität79 oder das Prozessrisiko80 täuscht. Werturteile, Vermutungen oder Rechtsauffassungen taugen demgegenüber mangels Tatsacheneigenschaft nicht als Bezugspunkt einer Täuschung nach §  123 BGB. 81

73 

Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, S.  314. §  123 BGB Rn.  2; BeckOK-BGB/Wendtland, §  123 Rn.  7. 75 BeckOK-BGB/Wendtland, §  123 Rn.  7. 76  Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, S.  314. 77  Oder Drohung, dieser Gedanke gilt auch für die zweite Alternative des §  123 BGB. 78  Vgl. Staudinger/Singer/Finckenstein, BGB, §  123 Rn.  1. 79  Für den Mediator vertreten dies auch Greger, in: Greger/Unberath/Steffek, Recht der alterna­ tiven Konfliktlösung, §  3 MedG Rn.  35. 80  Dies formuliert für den vermittelnden Richter Kubisch, NJW 1967, 1605, 1606. 81  Tochtermann, Die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Mediators, S.  2 24. 74 Palandt/Ellenberger,

434

F. Absicherung der gesteigerten Legitimation

a) Täuschung durch Unterlassen (Verschweigen) Für die hiesige Untersuchung ist darüber hinaus von besonderer Bedeutung, dass die Täuschung im Sinne des §  123 Abs.  1 BGB kein aktives Tun des Täuschenden ver­ langt, sondern dieser auch durch bloßes Unterlassen, d. h. Verschweigen, täuschen kann.82 Voraussetzung hierfür ist, dass gegenüber dem durch Unterlassen Getäusch­ ten eine Offenbarungspflicht hinsichtlich des Umstands vorliegt, den der Täuschen­ de verschweigt.83 Allein schon der Umstand, dass eine Täuschung auch möglich ist, wenn der Täu­ schende eine ihn treffende Rechtspflicht zur Aufklärung84 verletzt, ist vor dem Hin­ tergrund der Zielrichtung dieser Untersuchung herauszustellen. Denn die bisherige Betrachtung hat vor allem ergeben, dass der Moderator infolge seiner Tätigkeit gera­ de Adressat von Aufklärungspflichten sein kann. Darüber hinaus muss die zur An­ fechtung berechtigende Täuschung nicht notwendigerweise vom Vertragspartner des Getäuschten ausgehen. Die Vorschrift erlaubt – unter in der Folge noch zu analysierenden weiteren Vor­ aussetzungen – auch die Anfechtung einer Willenserklärung, die infolge der Täu­ schung durch einen Nicht-Vertragspartner85 entstanden ist. Weil Hintergrund der Regelung des §  123 Abs.  1 BGB der Schutz der rechtsgeschäftlichen Entschließungs­ freiheit ist, bleibt es auch bei der Willensmanipulation durch den Nicht-Vertrags­ partner ohne Belang, ob dieser aktiv falsche Tatsachen vorspiegelt oder täuscht, in­ dem er einen bestehenden Irrtum nicht beseitigt, obwohl ihn bezüglich der zugrun­ de liegenden Tatsache eine Aufklärungspflicht trifft. Die dogmatische Basis der Norm liegt im Täuschungserfolg, nicht in der Handlung. Deshalb besteht kein An­ lass, bei der Täuschung durch einen Dritten von den Voraussetzungen abzuweichen, die für die Täuschung durch den Vertragspartner entwickelt wurden. Auch der Nicht-Vertragspartner kann damit durch Unterlassen täuschen, wenn ihn eine ein­ schlägige Offenbarungspflicht trifft.86 Für die Konstellation des moderierten Vertrags verdient erneut die Frage der Un­ abhängigkeit des Moderators besondere Erwähnung. Es sei gerade dann von einer Täuschung auszugehen, wenn der neutrale Dritte auf die Frage nach der Unabhän­ gigkeit eine Vorbefassung bewusst verschweigt.87

82 MünchKommBGB/Armbrüster,

§  123 Rn.  32; Staudinger/Singer/Finckenstein, BGB, §  123 Rn.  10. 83  Arnold, in: Erman, BGB, §  123 Rn.  13; MünchKommBGB/Armbrüster, §  123 Rn.  32. 84  Dies ist das gängige Begriffsverständnis der Offenbarungspflicht, siehe nur MünchKomm­ BGB/Armbrüster, §  123 Rn.  32. 85  Die Erläuterung dieser Begriffswahl folgt sogleich. 86  So im Ergebnis auch OLG Celle v. 06.11.1970 – 4 U 6/70, MDR 71, 392 wo sich aus der Be­ gründung ergibt, dass bei Täuschung durch Makler über bestehende Trocken- und Nassfäule beim Hauskauf die Käufer sowohl den Kaufvertrag als auch den Maklervertrag anfechten können. 87  Löhner, Die freiwillige Streitschlichtung vor Gütestellen, S.  194.

II. Täuschen und Drohen, §  123 BGB

435

b) Die Täuschung durch den Nicht-Vertragspartner Anliegen der aktuellen Betrachtung ist es, die Einschlägigkeit des §  123 BGB im Hinblick auf die Konstellation des moderierten Vertrags hin zu analysieren. Konkret sind es die möglichen Manipulationen durch den Moderator, vor denen §  123 BGB schützen soll. Ein wesentliches Merkmal des Moderators, das im ersten Teil dieser Arbeit entwickelt werden konnte, ist der Umstand, dass dieser gerade nicht Partei des Vertrags wird, den zu moderieren seine Aufgabe darstellt. Wenn der Moderator täuscht, dann täuscht damit ein Nicht-Vertragspartner. Schon die Einführung der Begrifflichkeit des „Nicht-Vertragspartners“ macht eine Besonderheit im Rahmen der Anwendung des §  123 BGB deutlich, die auch für diese Untersuchung zu berück­ sichtigen ist. Während Absatz 1 der Vorschrift des §  123 BGB aus Sicht des Anfechtungsberech­ tigten formuliert ist und dort lediglich die Voraussetzungen arglistige Täuschung bzw. widerrechtliche Drohung enthält,88 ist es §  123 Abs.  2 Satz 1 BGB, der die für das hiesige Interesse bedeutende Einschränkung des Anfechtungsrechts formuliert. Für die Täuschungsanfechtung89 gilt: Wird diese von einem Dritten verübt, so ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung nur dann anfechtbar, wenn der vermeint­ liche Vertragspartner die Täuschung kannte oder kennen musste.90 Damit ist es für die Voraussetzungen, die an das Anfechtungsrecht gestellt werden, entscheidend, ob die Täuschung von einem Dritten im Sinne des §  123 Abs.  2 Satz 1 BGB vorgenom­ men wurde. An dieser Stelle gibt die Begrifflichkeit des Nicht-Vertragspartners, wo­ runter der Moderator jedenfalls zu fassen ist, eine zentrale Grundrichtung vor. Denn nicht jeder, der nicht Vertragspartner – oder bei Willenserklärungen außerhalb des Vertragsschlusses: Erklärender oder Empfänger – ist, kann gleichzeitig als Dritter im Sinne des §  123 Abs.  2 BGB eingestuft werden. Die Entscheidung ist vielmehr ledig­ lich zwischen „Drittem“ und „Nicht-Drittem“ zu treffen. Für Ersteren gilt §  123 Abs.  2 BGB, für Letzteren gilt §  123 Abs.  1 BGB. Der Empfänger der Willenserklä­ rung selbst ist naturgemäß „Nicht-Dritter“, mit der Folge, dass deshalb die Voraus­ setzungen des §  123 Abs.  1 BGB gelten. Damit ist aber andererseits gerade noch nicht festgehalten, dass jeder, der etwa nicht am Vertrag partizipiert, auch als Dritter im Sinne der Vorschrift des §  123 Abs.  2 Satz 1 BGB einzustufen ist. Es besteht vielmehr Einigkeit dahingehend, dass der Begriff des Dritten nicht jede Person außer den Erklärenden und den Erklä­ rungsempfänger umfasst.91 Damit gilt auch für den Moderator nicht ohne Weiteres, dass dieser „Dritter“ im Sinne des §  123 Abs.  2 BGB ist.

88  §  123 Abs.  1 BGB hat folgenden Wortlaut: Wer zur Abgabe einer Willenserklärung durch arg­ listige Täuschung oder widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist, kann die Erklärung anfechten. 89  M.a.W.: Nicht für die zweite Alternative, der Anfechtung wegen widerrechtlicher Drohung. 90  §  123 Abs.  2 Satz 1 BGB hat folgenden Wortlaut: Hat ein Dritter die Täuschung verübt, so ist eine Erklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben war, nur dann anfechtbar, wenn dieser die Täuschung kannte oder kennen musste. 91 RGRK/Krüger-Nieland, BGB, §  123 Rn.  56.

436

F. Absicherung der gesteigerten Legitimation

c) Dritter im Sinne des §  123 Abs.  2 BGB Wer als Dritter im Sinne des §  123 Abs.  2 BGB anzusehen ist, stellt bei der Auslegung des §  123 Abs.  2 BGB die entscheidende Frage dar.92 aa) Ausgangssituation Dabei ist einerseits festzuhalten, dass nicht jeder, der nicht Vertragspartei wird, Drit­ ter im Sinne des Anfechtungstatbestands ist. Andererseits sind auch nicht bloß sol­ che Personen Dritte, die am Zustandekommen des Geschäfts völlig unbeteiligt sind.93 Deshalb lässt sich die Frage, ob der Moderator als „Dritter“ einzuordnen ist, nicht ohne Weiteres beantworten. Wie schon eingangs der Betrachtung des §  123 BGB beschrieben, hat der Gesetz­ geber im Falle der Täuschung entschieden, neben der Täuschung an sich ein zusätz­ liches Element zu fordern, dass die Täuschung dem Anfechtungsgegner zurechnet.94 Diese Zurechnung besteht im Grundfall der Täuschung in der Arglist, die im Sinne eines bestehenden Vorsatzes95 vom Täuschenden gefordert wird.96 Wenn der Vertragspartner aber nicht selbst täuscht, sondern ein Dritter, dann soll die Erklärung grundsätzlich nicht anfechtbar sein. Es sei denn, der Vertragspartner muss sich die Täuschungshandlung des Dritten ausnahmsweise zurechnen lassen, weil – dies postuliert §  123 Abs.  2 BGB – er die Täuschung kannte oder hätte kennen müssen. Der Grund für die so normierte Beschränkung des Anfechtungsrechts liegt darin, dass der Getäuschte die Folgen der Täuschung nicht auf seinen Vertragspart­ ner abwälzen können,97 sondern das Risiko einer Täuschung durch einen vertrags­ fremden Dritten selber tragen soll. bb) Herkunft und Folge Diese Grundidee geht zurück auf den Gesetzgeber des BGB. In den Motiven des BGB sind zwei Sätze für die Begründung der Regelung zentral: „Ist die Freiheit der Willensentscheidung Voraussetzung der Gültigkeit der Willenserklärung, so kann es an sich kein Unterschied machen, ob die rechtswidrige Beeinflussung von einem bei dem Rechtsgeschäft Betheiligten oder Unbetheiligten ausgeübt worden ist.“98 Mit Blick auf den Schutz der Entschließungsfreiheit des Erklärenden kommt da­ mit zum Ausdruck, dass die Herkunft der Täuschung hierfür keine Bedeutung hat, d. h. der Getäuschte insofern auch nicht weniger schutzbedürftig ist.99 92 MünchKommBGB/Armbrüster,

§  123 Rn.  71; zur Entwicklungsgeschichte des Begriffs des Dritten vgl. auch die Darstellung bei Martens, Durch Dritte verusachte Willensmängel, S.  373. 93 RGRK/Krüger-Nieland, BGB, §  123 Rn.  56. 94  Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, S.  315, mit Verweis auf Motive I, S.  206 f. 95  Auch bedingter Vorsatz reicht insofern aus, vgl. BeckOK-BGB/Wendtland, §  123 Rn.  17. 96  Im Falle der Drohung setzt er dagegen, wie Lorenz formuliert, das Lösungsinteresse absolut, Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, S.  315. 97  Petersen, Jura 2004, 306, 308. 98  Motive I, S.  206. 99  Vgl. auch MünchKommBGB/Armbrüster, §  123 Rn.  69.

II. Täuschen und Drohen, §  123 BGB

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Aber im Falle der Täuschung durch Dritte sind es deren Interessen, die – nach Auffassung der Verfasser des BGB – eine Einschränkung der Anfechtungsmöglich­ keit gebieten. In ihren Worten: „Die strenge Durchführung dieses Grundsatzes führt indessen zu Härten, wenn bei einer Willenserklärung […] die Beeinflussung von einem Dritten ausgehen, während der Empfänger der Willenserklärung bei der Beeinflussung nicht betheiligt war, auch dieselbe weder kannte noch kennen muss­ te.“100 Die Einschränkung der Täuschungsanfechtung dient damit dem Erklärungs­ empfänger.101 Dessen Schutzbedürftigkeit hat der Gesetzgeber als so hoch eingestuft, dass er sich gegen die im Gesetzgebungsverfahren zunächst vorgeschlagene vermit­ telnde Lösung, im Falle einer dem Anfechtungsgegner nicht zurechenbaren Täu­ schung durch Dritte die Anfechtung gegen Ersatz des Vertrauensschadens zuzulas­ sen, und zugunsten der existierenden gesetzlichen Radikallösung entschieden hat.102 Damit verbunden drängt sich die Frage auf, worin die Härte zu sehen ist, die der Gesetzgeber zugunsten des Erklärungsempfängers vermeiden will. Die Motive nen­ nen als Beispiel das Interesse des Erklärungsempfängers dahingehend, dass die sei­ tens des Erklärungsgegners übernommene Verbindlichkeit bestehen bleibt,103 womit der Gesetzgeber auf vertragliche, d. h. regelmäßig synallagmatische Rechtsgeschäfte abstellt, um die Notwendigkeit der Anfechtungsbeschränkung zu begründen.104 Die Frage der Anwendung des §  123 Abs.  2 BGB ist damit letztlich die einer ab­ strak­ten Interessenabwägung, die auf die Situation dieser Untersuchung gemünzt lautet: Soll der moderierte Vertrag in seinem Bestand geschützt werden (das ent­ spricht dem Interesse des Nicht-Getäuschten) oder soll dieser „leichter“ anfechtbar sein (das entspricht dem Interesse des Getäuschten)? Wenn die Täuschung von einem Dritten stammt, hält das Gesetz das Vertrauen des Erklärungsempfängers für schutzwürdiger als die Willensfreiheit des Erklären­ den.105 Das ist die dogmatische Grundlage, die der näheren Begriffsbestimmung des Dritten zugrunde zu legen ist.106 cc) Dritter bzw. Nicht-Dritter Den Ansätzen zur Definition ist gemein, dass sie sich darauf beschränken, zwischen Drittem und Nicht-Drittem zu unterscheiden, d. h. denjenigen, auf dessen Täu­ schung §  123 Abs.  1 BGB Anwendung findet, begrifflich von demjenigen zu trennen, für dessen Täuschung aufgrund seiner Eigenschaft als „Dritter“ die Beschränkung der Anfechtung nach §  123 Abs.  2 BGB greift. 100  Motive I, S.  206; zum entstehungsgeschichtlichen Hintergrund vgl. auch Windel, AcP 199 (1999), 421, 427 f. 101  Windel, AcP 199 (1999), 421, 430; MünchKommBGB/Armbrüster, §  123 Rn.  74. 102 Siehe Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, S.  322 Fn.  6 45. 103  Motive I, S.  207. 104  Vgl. auch Windel, AcP 199 (1999), 421, 428. 105 Staudinger/Singer/Finckenstein, BGB, §  123 Rn.  51; zu dieser Interessenabwägung siehe auch Schubert, AcP 168 (1968), 470, 474. 106  Vgl. auch die Darstellung der Entwicklung der Begriffsbestimmung bei Immenga, BB 1984, 5 f.; eine Übersicht über den Meinungsstand findet sich auch bei Arnold, in: Erman, BGB, §  123 Rn.  33.

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F. Absicherung der gesteigerten Legitimation

(1) Rechtsprechung Das Reichsgericht hat sich in seiner Rechtsprechung zum §  123 BGB noch am Wort­ laut der Motive orientiert, die von einer fehlenden Beteiligung des Erklärungsemp­ fängers an der Täuschung sprechen und demzufolge jeden als Dritten einstufen, der nicht Empfänger der Willenserklärung ist.107 Die Rechtsprechung des BGH hat den Kreis des Dritten enger gezogen; zugunsten eines größeren Anwendungsbereichs des Anfechtungstatbestands. Ein am Zustan­ dekommen des Vertrags Beteiligter ist dann Nicht-Dritter, wenn sein Verhalten mit dem des Erklärungsempfängers gleichzusetzen ist.108 Dies gelte etwa für Verhand­ lungsführer oder -gehilfen109 und für Personen, die aufgrund enger Beziehungen zum Verhandlungsführer als dessen Vertrauensperson erscheinen.110 Dritter sei dar­ über hinaus auch derjenige nicht, dessen Täuschung sich der Erklärungsempfänger nach Billigkeitsgesichtspunkten unter Berücksichtigung der Interessenlage zurech­ nen lassen müsse.111 (2) Literatur Die wissenschaftliche Annäherung an den Begriff des Dritten versucht, eine dogma­ tische Basis für die Verortung der Trennlinie zwischen Drittem und Nicht-Drittem zu liefern. Alle Begriffsbestimmungen stellen auf Beziehungen des Täuschenden zum Erklärungsempfänger ab. Diese müssen so eng sein, dass der Erklärungsemp­ fänger die Täuschung wie eine eigene zu vertreten habe.112 (3) Nicht-Dritter als Erfüllungsgehilfe Ausgehend von dem Gedanken, dass eben der mit der Regelung des §  123 Abs.  2 Satz 1 BGB bezweckte Schutz des Erklärungsgegners bei Täuschung durch Dritte bzgl. solcher Personen nicht erforderlich ist, die auf dessen Veranlassung oder mit dessen Wissen auf seiner Seite an den Verhandlungen beteiligt sind, hat Schubert den Ansatz formuliert, dass eine Person dann als Nicht-Dritter einzuordnen sei, wenn sie die Voraussetzungen des Erfüllungsgehilfen nach §  278 S.  1 BGB erfüllt.113

107 

RG v. 27.10.1909 – V 591/08, RGZ 72, 133, 136. BGH v. 17.10.1980 – V ZR 30/79, BeckRS 1980, 31074435; BGH v. 17.04.1986 – III ZR 246/84, NJW-RR 1987, 59. 109  BGH v. 20.02.1967 – III ZR 40/66, BGHZ 47, 224, 230; BGH v. 17.10.1980 – V ZR 30/79, BeckRS 1980, 31074435. 110  BGH v. 17.11.1960 – VII ZR 115/59, BGHZ 33, 308, 310; BGH v. 08.12.1989 – V ZR 259/87, NJW 1990, 1661. 111  BGH v. 20.06.1962 – V ZR 209/60, NJW 1962, 1907; BGH v. 17.04.1986 – III ZR 246/84, NJW-RR 1987, 59; BGH v. 08.12.1989 – V ZR 259/87, NJW 1990, 1661. 112  So auch die Einschätzung bei Schubert, AcP 168 (1968), 470, 476, zu den weiteren Definitions­ ansätzen vgl. auch die Darstellung dort. 113  Schubert, AcP 168 (1968), 470, 481. 108 

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Der Vorschrift des §  278 BGB wurde schon früh114 der Grundsatz entnommen, wonach jeder die rechtlichen Nachteile zu tragen hat, die er aus der bewussten Ver­ wendung fremder Personen in seinem Interesse erleidet, unabhängig davon, wie die­ se Verbindung zur fremden Person rechtlich ausgestaltet ist.115 Die Anwendbarkeit des §  278 Satz 1 BGB auf die Konstellation des §  123 Abs.  2 BGB wird dabei aus ei­ nem Rückgriff auf die unter der Überschrift „Culpa in contrahendo“ entwickelten Grundsätze gefolgert. Durch den Beginn der Vertragsverhandlungen entstehe zwi­ schen den Parteien ein vorvertragliches Schuldverhältnis mit bestimmten Verpflich­ tungen, zu denen auch gehöre, den Geschäftspartner nicht durch unwahre Angaben zu einem Vertragsschluss zu verleiten bzw. – im Falle der Täuschung durch einen anderen – vor Vertragsschluss den Partner entsprechend aufzuklären.116 Wer sich zur Erfüllung dieser vorvertraglichen Verpflichtungen eines Gehilfen bedient, der haftet für dessen Handlung nach §  278 BGB. Einer weiteren Zurechnung nach §  123 Abs.  2 BGB bedürfe es dann nicht, denn die Privilegierung des Anfechtungsrechts, die aus der Anwendung folgt, verliert in diesen Fällen ihre Rechtfertigung.117 (4) Nicht-Dritter als Lagerzugehöriger Weniger eine Gegenposition und mehr ein anderer, ergänzender und wohl auch un­ dogmatischerer Ansatz liegt darin, bei der Beurteilung, wer Dritter im Sinne des §  123 Abs.  2 BGB ist, solche Personen als Nicht-Dritte ausscheiden zu lassen, die im Lager des Erklärungsempfängers stehen.118 Dritte sollen nur diejenigen sein, die un­ ter keinem rechtlichen Gesichtspunkt dem Kreis des Erklärungsempfängers zuzu­ rechnen sind. Wer im Lager bzw. aufseiten119 des Erklärungsempfängers stehe, sei im Zweifel nicht Dritter.120 (5) Nicht-Dritter als Unbeteiligter Wie in der frühen Rechtsprechung des Reichsgerichts wurde und wird auch in der Literatur, z. T. auch unter Bezugnahme auf die Motive, auf den Begriff der Beteili­ gung abgestellt. Das bedeutet, dass als Dritter nur ein am Zustandekommen des Ge­

114 

Oswald, JW 1922, 795. Oswald, JW 1922, 795 gilt dies auch für Personen, „die als unabhängige Personen auch seinen mehr oder minder genauen Anweisungen in seinem Interesse in seiner „Wirtschaft“ tätig“ sind; im Ergebnis so auch Schubert, AcP 168 (1968), 470, 477, mit Verweis auf Larenz, MDR 1954, 516, die diesem Gedanken den §§  31, 278, 831 BGB entnehmen. 116  Schubert, AcP 168 (1968), 470, 480. 117  Schubert, AcP 168 (1968), 470, 477. 118  Den Begriff des Lagers verwenden in diesem Zusammenhang Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, S.  324; Bork, BGB AT, Rn.  879; MünchKommBGB/Armbrüster, §  123 Rn.  73. 119 Nach Flume ist Nicht-Dritter, wer auf der Seite des Erklärungsgegners steht und maßgeblich an dem Zustandekommen des Geschäfts mitwirkt, Flume, BGB AT Bd.  II, §  29/3, S.  544; vgl. auch Moritz, in: Herberger/Martinek/Rüßmann u. a., jurisPK-BGB, §  123 Rn.  77. 120 Palandt/Ellenberger, BGB, §  123 Rn.  13. 115 Nach

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schäfts Unbeteiligter eingestuft werden soll,121 dessen Verhalten sich der Erklä­ rungsempfänger nicht zurechnen lassen muss.122 (6) Nicht-Dritter aus neuer Perspektive Eine Ergänzung erfahren die bisher dargestellten Ansätze, die sämtlich aus der Per­ spektive des Erklärungsempfängers formuliert wurden, durch das Abstellen auf die Sichtweise des Erklärenden. Neben den aufgrund des Rechtsgedankens des §  278 BGB dem Erklärungsgegner zuzurechnenden Personen sollen auch solche Personen Nicht-Dritter sein, die aus dem Horizont des Getäuschten in einer dem Anfech­ tungsgegner zurechenbaren Weise als jemand erscheinen, die nicht mit Wissen und Willen des Anfechtungsgegners für diesen am Mechanismus der Vertragsanbahnung beteiligt sind.123 (7) Kombinationen Die dargestellten Ansätze sind nicht ohne Kritik geblieben.124 Diese speist sich aller­ dings nicht aus der Notwendigkeit, sich für eine Herangehensweise zu entscheiden. Die Ansätze beanspruchen vielmehr keine Exklusivität, im Gegenteil: Zur Bestim­ mung, ob das Tatbestandsmerkmal des Dritten im Sinne des §  123 Abs.  2 BGB erfüllt ist, werden auch unterschiedliche Ansätze kombiniert, etwa wenn die Voraussetzun­ gen des Nicht-Dritten denen des Erfüllungsgehilfen entsprechen sollen, dessen Vor­ liegen dann aber durch eine Abwägung der Umstände und betroffenen Interessen erfolgen soll.125 Eine solche Kombination bietet sich auch deshalb an, weil die Ansät­ ze sich ergänzen und häufig zu gleichen Ergebnissen kommen. dd) Moderator als Dritter Das gilt auch für den Fall des Moderators. Wenn man die dargestellten Annäherungen an den Begriff des „Dritten“ mit Blick auf die in Rede stehende Einordnung der Person des Moderators betrachtet, dann lässt sich festhalten, dass der Moderator wohl bei jedem Begriffsverständnis als „Dritter“ im Sinne des §  123 Abs.  2 BGB gelten muss. Dies liegt an einem Begriffsele­ ment, das allen definitorischen Ansätzen – zum Teil unausgesprochen – zugrunde liegt. Voraussetzung für die Einordnung als „Nicht-Dritter“ ist stets, dass dieser dem Erklärenden näher steht als dem Erklärungsempfänger, damit dem Erklärenden 121 

So bereits Nipperdey, Allgemeiner Teil des BGB, 15.  Aufl. 1960, Bd.  2, §  174 Abs.  2 Fn.  18, der die Beteiligung nicht weiter definiert; Moritz, in: Herberger/Martinek/Rüßmann u. a., juris­PKBGB, §  123 Rn.  77 ergänzend von Unbeteiligten, die aber auf Seiten des Erklärungsgegners maß­ geblich beim Vertragsschluss mitwirken. 122  So BeckOK-BGB/Wendtland, §  123 Rn.  21. 123  Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, S.  317; ebenfalls aus dieser Richtung argumentiert Martens, JuS 2005, 887, 889. 124 Staudinger/Singer/Finckenstein, BGB, §  123 Rn.  52 kritisiert etwa die Begrifflichkeit des Un­ beteiligten als zu vage und ungenau. 125  Dieses Vorgehen schildert Jauernig/Mansel, BGB, §  123 Rn.  10.

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– und nur diesem – die Erklärung des Dritten zugerechnet werden kann. Genau an dieser Voraussetzung fehlt es jedoch beim Moderator. Das wurde für den Notar schon festgestellt.126 Darüber lässt es sich verdeutlichen an den Überlegungen, die im Hinblick auf die Eigenschaft des Maklers als Dritter im Sinne des §  123 Abs.  2 BGB angestellt wurden. Die Maklerfigur kann an dieser Stelle als Verständnisbrücke dienen, weil der Maklerbegriff bereits auf mögliche Parallelen zum Moderator hin untersucht wurde. (1) Makler Schon im Rahmen dieser ersten Betrachtung des Maklers wurde deutlich, dass es „den Makler“ insofern nicht gibt, sondern zwischen unterschiedlichen Konstellatio­ nen, die der Beauftragung des Maklers zugrunde liegen können, zu unterscheiden ist. (2) Makler als Nicht-Dritter Als Nicht-Dritter im Sinne des §  123 BGB wird dabei der Makler eingestuft, der im Rahmen eines Alleinauftrags für eine Seite tätig ist und für diese die Verhandlungen führt.127 Die obige Betrachtung des Maklers hat dabei schon gezeigt, dass diese Konstella­ tion der Maklertätigkeit nicht mit der Situation vergleichbar ist, die Basis der Ver­ mittlung des Moderators ist.128 (3) Makler als Dritter Zwei mögliche Konstellationen der Maklerbeauftragung führen demgegenüber dazu, dass dieser als Dritter im Sinne des §  123 Abs.  2 BGB eingestuft wird. Zunächst werden die Makler, die als Nachweismakler nur für die Zuführung von Vertragsinteressenten zuständig sind, als Dritte angesehen, weil sie nicht oder eben nur in sehr geringem Umfang am Zustandekommen des Vertrags beteiligt sind. Für diese Situation gilt jedoch das oben Gesagte entsprechend. Wie beim Allein­ auftrag, so galt auch für den Nachweismakler, dass die Grundkonstellation seiner Tätigkeit nicht mit der des Moderators übereinstimmt. Dies ist lediglich dann anders, wenn erstens eine Doppeltätigkeit des Maklers, d. h. ein Tätigwerden für beide Parteien vorliegt, die sich zudem nicht im bloßen Nach­ weis von Abschlussgelegenheiten erschöpft, sondern eine Vermittlung durch den

126 Von Habersack am Beispiel des Notars, der als „Hausnotar“ der einen Seite tätig ist und dann dieser als deren Verhandlungsgehilfe zuzurechnen ist, wogegen ein „echter“, d. h. ein unabhängiger und neutraler, Notar gerade als Dritter im Sinne des §  123 Abs.  2 BGB einzustufen ist, Habersack, AcP 189 (1989), 403, 420. 127  Moritz, in: Herberger/Martinek/Rüßmann u. a., jurisPK-BGB, §  123 Rn.  8 0; ebenfalls Schubert, AcP 168 (1968), 470, 494; BGH v. 24.11.1995 – V ZR 40/94, NJW 1996, 452; a. A. wohl RGRK/ Krüger-Nieland, BGB, §  123 Rn.  56 ohne weitere Begründung. 128  Vgl. insofern die Ausführungen oben unter D.II.3.d).(i).

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Makler vorsieht. In dieser Konstellation lag eine grundsätzliche Vergleichbarkeit mit der Ausgangssituation des Moderators vor. Nicht der Umstand, dass der Makler Vermittlungsdienste leistet, jedoch die Tatsa­ che, dass er für beide Seiten tätig wird, hat zu einer Einordnung als Dritter im Sinne des §  123 Abs.  2 BGB geführt.129 Eine Zurechnung der Maklertätigkeit, die eine An­ wendung im Sinne des §  123 Abs.  2 BGB verhindert hätte, scheiterte daran, dass die­ ser Verbindungen zu beiden Seiten hat. An dieser Stelle zeigt sich exemplarisch, was schon eingangs formuliert wurde: Die Eigenschaft des Nicht-Dritten besteht nicht nur in einer wie auch immer zu ermittelnden Nähe zu einer Partei, vielmehr muss diese Nähe auch einzig zu einer Partei bestehen. Unterhält die täuschende Person zu beiden Vertragspartnern Beziehungen, die je­ weils allein eine Einstufung als Nicht-Dritter zuließen, ändert sich dies gerade, wenn – wie im Falle des Moderators – diese Beziehungen zu beiden Parteien bestehen. Damit ist festzuhalten, dass der Moderator im Sinne dieser Untersuchung Dritter im Sinne des §  123 Abs.  2 BGB ist.130 ee) Moderator als Dritter – Anwendung des §  123 Abs.  2 BGB Mit dieser Einordnung des Moderators als Dritten im Sinne des §  123 Abs.  2 BGB geht einher, dass – damit von §  123 Abs.  2 BGB ein effektiver Schutz vor Täuschun­ gen durch den Moderator ausgehen kann – die Tatbestandsvoraussetzungen der Vor­ schrift vorliegen müssen. Andernfalls kann sich die getäuschte Partei nicht vom Ver­ trag lösen.131 Es sind deren zwei, die es näher zu betrachten gilt. (1) Empfangsbedürftigkeit Zunächst ist im Rahmen des Anwendungsbereichs zu berücksichtigen, dass §  123 Abs.  2 BGB danach differenziert, ob eine Willenserklärung empfangsbedürftig ist.132 Der grundsätzliche Ausschluss der Anfechtungsmöglichkeit gilt nicht für Willenser­ klärungen, die nicht empfangsbedürftig sind.133 Deshalb ist es z. B. in den Fällen der Auslobung oder Vaterschaftsanerkennung in der Konsequenz unerheblich, ob die Täuschung von einem Dritten vorgenommen wurde oder nicht.134 Auch an dieser Stelle lässt sich auf die bisherigen Erkenntnisse der Untersuchung rekurrieren. Die Analyse des materiellen Vertragsschlusses im Wege der Moderation hat gezeigt, dass es durchaus vorkommt, dass von der Art und Weise, die das BGB für den Vertragsschluss vorsieht, abgewichen wird. Allerdings nicht in einer Weise, in deren Folge es an einer Empfangsbedürftigkeit der Willenserklärung fehlen wür­ 129  Flume, BGB AT Bd.   II, §  29/3, S.  544; Soergel/Hefermehl, BGB, §  123 Rn.  34; Staudinger/ Singer/Finckenstein, BGB, §  123 Rn.  56. 130  Dieses Ergebnis teilen für den Mediator Greger, in: Greger/Unberath/Steffek, Recht der al­ ternativen Konfliktlösung, §  3 MedG Rn.  35; für die Gütestelle Löhner, Die freiwillige Streit­ schlichtung vor Gütestellen, S.  194. 131  So auch, jedoch lediglich für die Mediation, Unberath, ZKM 2011, 4, 7. 132  Windel, AcP 199 (1999), 421, 424. 133 Staudinger/Singer/Finckenstein, BGB, §  123 Rn.  51. 134  Arnold, in: Erman, BGB, §  123 Rn.  30.

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de. Die Untersuchung hat lediglich gezeigt, dass das Zugangserfordernis zum Teil nur dahingehend modifiziert wurde, dass die Willenserklärung dem Moderator und nicht dem Vertragspartner gegenüber abzugeben war. Damit verbleibt es jedoch bei einer empfangsbedürftigen Willenserklärung, die zum Abschluss des moderierten Vertrags führt. Der Ausschluss der Anfechtungsbeschränkung greift somit jeden­ falls nicht unmittelbar. Auch die hinter der Beschränkung auf empfangsbedürftige Willenserklärungen stehende gesetzgeberische Erwägung verlangt hier keine andere Beurteilung. Wie die Tatbestandsvoraussetzung des Kennen- bzw. Kennenmüssens dient auch diese Aus­ nahme dem Schutz des Erklärungsempfängers, dem die Täuschung eines Dritten zu­ gerechnet wird. Dieser Schutz ist dort nicht vonnöten, wo es keinen material betrof­ fenen Erklärungsempfängers gibt, weshalb die Regelung des §  123 Abs.  2 Satz 1 BGB nur für empfangsbedürftige Willenserklärungen gilt. Diese Empfangsbedürftigkeit schützt den Empfänger dann zweistufig.135 Die Empfangsbedürftigkeit der Willens­ erklärung macht es notwendig, dass der Empfänger die Möglichkeit hat, Kenntnis zu nehmen von der Willenserklärung, die infolge der Täuschung abgegeben wurde.136 Diese erreichbare Kenntnisnahme verschafft dem Empfänger auf zweiter Stufe die Möglichkeit, beim Erklärenden nachzufragen und zu eruieren, ob dieser aufgrund eines durch einen Dritten hervorgerufenen Irrtums handelt. Der Empfänger kann diesen Irrtum dann aufklären, sodass die Anfechtungsmöglichkeit entfällt. Er kann auch schweigen und den Irrtum aufrechterhalten, mit der Folge, dass er dann regel­ mäßig selbst täuscht. Jedenfalls wird der Erklärungsempfänger von der Täuschung eines Dritten in Kenntnis gesetzt, was auch dann zur fahrlässigen Unkenntnis füh­ ren wird, wenn er über den Wahrheitsgehalt der von diesem verbreiteten Behauptun­ gen nichts Abschließendes sagen kann.137 Die dargestellten Erwägungen verlangen vor dem Hintergrund des Schutzes des Erklärungsempfängers nicht nach einer Anpassung für die Situation des moderierten Vertrags. Im Gegenteil: Die Möglichkeit des Erklärungsempfängers, die Erkundi­ gungen über eine mögliche Täuschung einzuziehen, bestehen beim moderierten Ver­ trag noch leichter als bei einer bloß empfangsbedürftigen Willenserklärung. Denn dem Empfänger der Willenserklärung ist stets auch der Dritte bekannt, der die mög­ liche Täuschung verübt hat. Ebenso wie sein vermeintlicher Vertragspartner. Infol­ gedessen ist eine Aufklärung über die Täuschungsmodalitäten, die gerade im Zusam­ menhang mit dem subjektiven Element des Tatbestands zu sehen sind, hier leicht(er) möglich. Eine Einschränkung vor den hinter der Notwenigkeit der Empfangsbe­ dürftigkeit stehenden Erwägungen ist damit nicht angezeigt.

135 

Vgl. hierzu insbesondere Windel, AcP 199 (1999), 421, 438 f. eine empfangsbedürftige Willenserklärung setzt für ihr Wirksamwerden gerade vor­ aus, dass diese in den Machtbereich des Empfängers gekommen ist und dieser die Möglichkeit zur Kenntnisnahme hatte, vgl. MünchKommBGB/Busche, §  133 Rn.  12. 137  Windel, AcP 199 (1999) 412, 438. 136  Denn

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F. Absicherung der gesteigerten Legitimation

(2) Kenntnis bzw. fahrlässige Unkenntnis Die weitere, mit der Empfangsbedürftigkeit der Willenserklärung in der dargestell­ ten Weise verbundene Voraussetzung für die Zurechnung der Dritttäuschung ist die der Kenntnis bzw. fahrlässigen Unkenntnis des Erklärungsgegners von der Täu­ schung.138 Damit gilt für §  123 BGB insgesamt, dass die Vorschrift eine Anfechtung nach Täuschung nur zulässt, wenn den Erklärungsgegner ein Verschulden trifft. Entweder er täuscht selbst vorsätzlich139 oder nutzt eine von einem Dritten hervor­ gerufene Täuschung vorsätzlich oder fahrlässig für eigene Zwecke aus.140 Weil es für die Zurechnung des Drittverhaltens auf einen Verschuldensvorwurf gegenüber dem Empfänger der Erklärung ankommt, ist erstens nicht entscheidend, ob den Ge­ täuschten ein Mitverschulden trifft.141 Zweitens ist es nicht erforderlich, dass der Er­ klärungsempfänger auch den Täuschungsvorsatz des Dritten kannte oder kennen musste.142 d) Anfechtung bei Täuschung durch den Moderator Eine Täuschung kann im Rahmen einer abstrakten Untersuchung weder für eine Fallkonstellation stets ausgeschlossen noch für eine andere immer bejaht werden. Es sind deshalb die in der besonderen Situation des moderierten Vertrags angelegten Umstände, die es zu betrachten gilt. Dem Erklärungsempfänger kann dabei aus zwei systemischen Gründen die Kenntnis von der Täuschung fehlen. Erstens hat der Moderator ein eigenes Interesse am Abschluss des Vertrags, das als dessen Motivation für die Vornahme einer Täuschungshandlung dienen kann, die er auch gegenüber dem anderen, d. h. nicht-getäuschten Vertragsteil geheim hält. Die Motivation im Hinblick auf den Abschluss des Vertrags deckt sich insoweit nicht mit der des Erklärungsempfängers, sodass auch nicht ohne Weiteres von des­ sen Kenntnis von der Täuschung auszugehen ist. Eine Situation, die sich insofern von derjenigen außerhalb des moderierten Vertrags unterscheidet. Besonders des­ halb, weil der Moderator hier als Dritter im Sinne des §  123 Abs.  2 Satz 1 BGB ein­ geordnet wurde, jedoch gegenüber dem Erklärungsempfänger gerade nicht bezie­ hungslos ist, sondern diesem gegenüber – auf unterschiedlicher rechtlicher Basis – als Moderator fungiert. Diese Beziehung des Erklärungsempfängers zum Moderator lässt zunächst leicht ein Nachfragen gegenüber diesem zu, darüber hinaus vertraut der Erklärungsempfänger auf eine ordentliche, d. h. jedenfalls täuschungsfreie Vor­ nahme der Moderationsleistung. Zweitens verstärkt ein weiterer systemischer, weil in der rechtlichen Ausgangssi­ tuation angelegter, Grund diese Überlegung noch. Wie oben dargelegt, kann auch 138 

Schubert, AcP 168 (1968), 470, 479. Dies verlangt das Merkmal Arglist im Sinne des Abs.  1. 140  Schubert, AcP 168 (1968), 470, 479. 141  Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, S.  317; Schubert, AcP 168 (1968), 470, 501. 142  Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, S.  328. 139 

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der Moderator seine Täuschung durch Unterlassen bzw. Schweigen vornehmen. Nämlich dann, wenn ihn eigentlich eine Aufklärungspflicht trifft, die er nicht wahr­ nimmt und die Partei infolge der so bei ihr existierenden Fehlvorstellung den Vertrag schließt. Dass der Erklärungsempfänger in dieser Konstellation von der Aufklä­ rungspflicht und infolgedessen von der Täuschung weiß, ist unwahrscheinlich und wird noch unwahrscheinlicher, wenn man berücksichtigt, dass es im Rahmen des moderierten Vertrags auch möglich und insbesondere im Rahmen des gerichtlichen Vergleichsschlusses nach §  278 Abs.  6 ZPO die gesetzlich vorgesehene Vorgehens­ weise ist, auf einen Zugang der Erklärung beim Moderator abzustellen. Es kommt hinzu, dass der Getäuschte im Falle eines späteren Prozesses die Be­ weislast auch dafür trägt, dass der Dritte eine Täuschung in Kenntnis oder fahrlässi­ ger Unkenntnis des Anfechtungsgegners vorgenommen hat.143 Hier ist nicht zu er­ warten, dass der Moderator sich als Zeuge für seine von ihm selbst vorgenommene Täuschung eignet, zumal er sich wegen des nemo–tenetur Grundsatzes auch nicht selbst beschuldigen muss. Die Leistung des Moderators zielt auf die Vermittlung eines wirksamen Vertrags. An dieser Wirksamkeit fehlt es, wenn er eine Partei zur Abgabe der Zustimmungs­ erklärung durch Zustimmung getäuscht hat. Um sich aber vor Regressansprüchen der Parteien zu schützen, wird der Moderator ein Interesse haben, seine Täuschung beiden Parteien gegenüber geheim zu halten. Wenn er seine Täuschung aktiv verschleiert, täuscht er über eben diese Tatsache im Sinne des Betrugstatbestands nach §  263 Abs.  1 StGB. Aber auch der Moderator, der durch Schweigen täuscht, kann durch ein Schweigen über seine Täuschung eine wei­ tere betrugsrelevante Täuschung vornehmen. Denn den Moderator trifft bei ge­ nauem Hinsehen eine dahingehende Aufklärungspflicht. Ist er doch – wie man der Regelung des §  3 MedG pars pro toto entnehmen kann – verpflichtet, alle Umstände offenzulegen, die seine Unabhängigkeit und Neutralität beeinträchtigen können. Er darf bei Vorliegen solcher Umstände nur als Mediator tätig werden, wenn die Partei­ en dem ausdrücklich zustimmen. Täuscht der Mediator eine Partei, um sie zum Abschluss des Vertrags zu bewegen, liegt darin – auch – ein Umstand, der gegen die Neutralität seiner Vermittlungstätig­ keit spricht und den er demzufolge offenbaren müsste. Unterlässt er dies, täuscht er durch Unterlassen und macht sich – da er zum Schutz vor Regress und zum Erhalt seiner Vergütungsansprüche vorgeht – wegen Betrugs nach §  263 StGB strafbar. Deswegen müsste er in einem Zivilgerichtsprozess zwischen den Parteien, der die­ se Täuschungsanfechtung zum Gegenstand hat, nicht aussagen, weil ihm ein Zeug­ nisverweigerungsrecht gemäß §  384 Nr.  2 ZPO zukommt. Ist die Täuschung zwi­ schen den Parteien streitig, scheidet der, der sie (vermeintlich) verübt hat, als Zeuge aus. Eine Situation, die für den moderierten Vertrag gilt, aber nicht für jede Konstel­ lation innerhalb der Anwendung des §  123 BGB.

143  BGH v. 19.04.2005 – X ZR 15/04, NJW 2005, 2766, 2768; Staudinger/Singer/Finckenstein, BGB, §  123 Rn.  86; MünchKommBGB/Armbrüster, §  123 Rn.  130.

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F. Absicherung der gesteigerten Legitimation

e) Zwischenergebnis Damit sind für den Täuschungstatbestand des §  123 BGB zunächst folgende Ergeb­ nisse festzuhalten: Der Moderator ist Dritter im Sinne des §  123 Abs.  2 Satz 1 BGB. Das führt zur Anwendbarkeit des §  123 Abs.  2 BGB. Bei den Willenserklärungen, die zum Abschluss des moderierten Vertrags notwendig sind, handelt es sich um empfangsbedürftige im Sinne der Vorschrift, sodass diese Voraussetzung gegeben ist. Dies lässt sich für die zweite Voraussetzung, das Kennen(müssen) der Täuschung des Dritten, nicht formulieren. Es konnten vielmehr der Moderationssituation ge­ schuldete, systemische Gründe identifiziert werden, die gegen eine Kenntnis des Er­ klärungsempfängers sprechen. Das führt jedoch dann dazu, dass eine Täuschungs­ anfechtung für den Erklärenden regelmäßig ausscheidet, §  123 BGB also keinen ef­ fektiven Schutz vor einer Beeinträchtigung der Entschließungsfreiheit durch den Moderator bietet. f) Doppeltäuschung Die Motivationslage des Moderators kann auch dazu beitragen, dass er nicht bloß eine Partei durch Täuschung zu einem Vertragsabschluss bewegt, sondern beide Par­ teien täuscht. Das kann geschehen, um die eigene Moderationstätigkeit zu einem er­ folgreichen Abschluss zu bringen. Konstellationen für eine Täuschung gegenüber beiden Parteien gibt es unzählige. Im Rahmen der aktiven Täuschung kann der Mo­ derator, dem – wie im Falle des Vergleichsschlusses nach §  278 Abs.  6 ZPO – die Zustimmung zum Vertrag gegenüber zu erklären ist, diese gegenüber beiden Partei­ en etwa mit dem wahrheitswidrigen Hinweis einholen, die jeweils andere Partei habe schon zugestimmt. Eine Täuschung kann aber auch beiden Parteien gegenüber durch Unterlassen ei­ ner geschuldeten Aufklärungspflicht vorweggenommen werden. Die im Rahmen dieser Untersuchung angesprochenen Aufklärungspflichten bestehen für den Mode­ rator ohnehin gegenüber beiden Parteien. Gehen also beide irrig von einer falschen Annahme aus, die sie zum Abschluss eines Vertrags verleitet, und unterlässt der Mo­ derator die dann gebotene Aufklärung, so ist darin ebenfalls eine hier so bezeichnete Doppeltäuschung zu sehen. In den beschriebenen Situationen verdoppelt sich die Täuschung, nicht jedoch die von §  123 BGB ausgehende Hilfe. Die Vorschrift kommt naturgemäß nur dann zur Anwendung, wenn lediglich eine Partei sich infolge der Täuschung vom Vertrag lö­ sen will; andernfalls müssen nicht beide den Vertrag anfechten, sondern können ihn einvernehmlich auflösen. Die Schwierigkeiten im Hinblick auf den Nachweis der Voraussetzung für eine Anfechtung bleiben bestehen. Das gilt ebenso für die mögliche Kenntnis der Parteien von der Täuschung, an der es – das ist das Wesen der Täuschung – fehlen wird.

II. Täuschen und Drohen, §  123 BGB

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2. Drohung Die Selbstbestimmung der Parteien kann nicht nur durch Täuschung, sondern – dies zeigt sich schon anhand der Vorschrift des §  123 Abs.  1 BGB – ebenfalls durch Dro­ hung beeinflusst werden. Wie bei der Täuschung, so gilt auch im Hinblick auf die Drohung, dass diese nicht notwendigerweise von einer Vertragspartei stammen muss, sondern auch von jemandem stammen kann, der später nicht am Vertrag par­ tizipiert. Dieses Problem wurde für die Mediation explizit beschrieben,144 gilt aber für die Moderation an sich, weil insofern eine Motivationslage besteht, die den Mo­ derator veranlassen kann, mittels einer Drohung zu einer „erfolgreichen“ Vermitt­ lung zu gelangen. Darüber hinaus hat er infolge seiner Vermittlungstätigkeit auch die Möglichkeit, eine Drohung vorzunehmen. Im Vergleich zur Täuschung hat der Gesetzgeber des BGB die Drohung als die gefährlichere Form der Willensbeeinflussung angesehen, was im Wortlaut des §  123 BGB etwa in dessen Absatz 2 zum Ausdruck kommt, der die Einschränkung der Anfechtungsmöglichkeit lediglich bei einer Täuschung durch Dritte vorsieht.145 Bei einer Drohung durch Dritte, zu denen auch der Moderator gehört, findet §  123 Abs.  2 BGB damit keine Anwendung. a) Drohung durch Dritte Gemäß §  123 Abs.  1 BGB soll also jeder, der widerrechtlich durch Drohung zur Ab­ gabe einer Willenserklärung bestimmt wurde, seine Erklärung anfechten können, unabhängig davon, von wem die Drohung ausging.146 Diese Unterscheidung hat der Gesetzgeber bewusst gewählt, der Wortlaut der Norm gibt die gesetzgeberische Intention somit genau wieder.147 Der Grund liegt in einem besonderen Schutzbedürfnis des Bedrohten vor Kollektivdrohungen, das der Gesetzgeber des BGB identifizierte.148 In solchen Fällen sei es dem Bedrohten nicht zuzumuten, dem Erklärungsempfänger eine Kenntnis oder ein Kennenmüssen der Drohung nachzuweisen.149 Genau dies müsste er jedoch, wenn §  123 Abs.  2 BGB auch auf den Drohungstatbestand Anwendung fände. aa) Einschränkungen bei der Drohung durch Dritte Vor diesem klaren Hintergrund scheint die von einem Dritten, hier: dem Moderator, vorgenommene Drohung unproblematisch in den Tatbestand des §  123 Abs.  1 BGB zu fallen. Auch im Hinblick auf die Drohung durch Dritte sind jedoch Vorausset­ 144 Bei

Härtling, in: Fischer/Unberath, Das neue Mediationsgesetz, S.  143, 149. BGB, §  123 Rn.  67; zur Entstehungsgeschichte vgl. auch die Darstellung bei Martens, AcP 207 (2007), 371, 375. 146  Schubert, AcP 168 (1968), 470, 471; Petersen, Jura 2004, 306, 307; Röckrath, in: FS Canaris, 1105, 1106; zur Zurechnung des Verhaltens Dritter im anglo-amerikanischen Rechtsraum vgl. Tochtermann, Die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Mediators, S.  207. 147  Röckrath, in: FS Canaris, 1105. 148 Staudinger/Singer/Finckenstein, BGB, §  123 Rn.  67; vgl. auch Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, S.  348, beide mit Verweis auf Motive I, S.  206. 149  Motive I, S.  206. 145 Staudinger/Singer/Finckenstein,

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F. Absicherung der gesteigerten Legitimation

zungen hervorzuheben, die an die Anfechtbarkeit der Willenserklärung gestellt wer­ den. bb) Verletzung von Schutzobliegenheiten Zum Teil150 wird vertreten, dass eine Anfechtung gegenüber einem an der Drohung unbeteiligten Vertragspartner dann auszuschließen sei, wenn dieser durch den Ver­ tragsschluss keine Schutzobliegenheit gegenüber dem Bedrohten verletze.151 Ausgangspunkt dieser Überlegungen ist ein Sachverhalt, der mit „Freikauf auf fremde Rechnung“ beschrieben wird: Das Opfer einer Erpressung muss ein Darle­ hen aufnehmen, um die Forderung des Erpressers bedienen zu können. Soll das Dar­ lehensgeschäft später anfechtbar sein? Diese Frage wurde schon früh gestellt und – entgegen der anderslautenden Vorschrift des §  123 BGB – zum Teil verneint: „Daher sind Geschäfte in dieser Riscattonothlage,152 welche darauf zielen, nicht die Zwecke dieser durch den Banditen herbeigeführten Nothlage zu erfüllen, sondern sie zu vereiteln, vollgültig. Gültig sind daher die Verträge, welche auf die Beförderung von Nachrichten an Dritte, auf Bestechung des Wachpersonals [bei einer Entführung], auf die Flucht des Gefan­ genen, abzielen; gültig sind die Darlehensgeschäfte, welche dem Gefangenen die Mittel geben sollen, um auf diese Weise zu seiner Befreiung zu wirken und den Banden des Verbrechers zu entschlüpfen.153 (…) Gültig ist aber auch ein Darlehen zum Zwecke des Loskaufs selbst, ein Darlehen, welches dem Gefangenen die Mittel gewähren soll, den Riscatto zu zahlen.“154

Es müsse demjenigen, der sich in einer Notlage befindet, möglich sein, sich rechtlich zu verpflichten, um so anderen einen (juristischen) Anreiz zur Hilfeleistung zu ge­ ben und sich nicht auf die Bereitschaft zu altruistischer Hilfe verlassen zu müssen.155 Vielmehr müsse diese Bereitschaft jedenfalls im geschäftlichen Regelfall durch die Aussicht auf Belohnung gefördert werden.156 Auch, weil durch die Geltung des Rechtsgeschäfts ein (größeres) Unrecht vermie­ den werde: „Wenn es sich um den Beutel des Reisenden oder um seinen Kopfe han­ delt, so würde die Rechtsordnung ihre höchste Aufgabe verkennen, wenn sie das Leben preisgäbe, um das Geld zu retten.“157 In Fortführung dieses Gedankens lässt sich dann formulieren, dass gerade in Situ­ ationen, in denen man dringend einen braucht, man kaum einen Vertragspartner fin­ det, wenn jeder Vertrag, den man unter dem Eindruck einer Drohung schließt, später

150  Und entgegen der herrschenden Meinung, wie Staudinger/Singer/Finckenstein, BGB, §  123 Rn.  71. 151  Martens, AcP 207 (2007), 371, 397. 152  Riscatto meint hier Lösegeld. 153  Kohler, “Menschenhülfe im Privatrecht”, in: Jahrbuch für die Dogmatik des heutigen und deutschen Privatrechts, 1887, S.  1, 19. 154  Kohler, “Menschenhülfe im Privatrecht”, in: Jahrbuch für die Dogmatik des heutigen und deutschen Privatrechts, 1887, S.  1, 19. 155  So auch die Interpretation Kohlers bei Martens, AcP 207 (2007), 371, 389. 156 Vgl. Martens, AcP 207 (2007), 371, 389. 157  Kohler, “Menschenhülfe im Privatrecht”, in Jahrbuch für die Dogmtik des heutigen und deut­ schen Privatrechts, 1887, S.  1, 20.

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anfechtbar ist.158 Es ist diese Ausgangssituation, die die Motivation dafür liefert, eine teleologische Reduktion des Anfechtungsrechts bei einer Drohung durch Dritte zu fordern. Eine Anfechtung soll nur noch dann möglich sein, wenn der nicht drohende Vertragspartner eine Schutzobliegenheit gegenüber dem Bedrohten verletzt hat.159 Man wird diesem Ansatz zunächst mit dem Hinweis auf den eindeutigen und an­ derslautenden Willen des Gesetzgebers entgegentreten können.160 Darüber hinaus sprechen zwei Argumente gegen eine – hier einzig interessierende – Beschränkung der Anfechtbarkeit bei der Drohung durch den Moderator. Schon die Ausgangslage unterscheidet sich drastisch von den Erpressungsfällen, die unter dem Stichwort „Freikauf auf fremde Rechnung“ geschildert wurden. Bei der Moderation ist es ein beiden Parteien bekannter Dritter, der eine Partei zum Vertragsschluss nötigt. Er ist deswegen nicht der Gegenseite zuzurechnen, wie die Betrachtung oben ergeben hat. Er ist aber eben andererseits auch nicht völlig bezie­ hungslos zur Partei des moderierten Vertrags, anders als der Darlehensgeber im Ver­ hältnis zum Erpresser im Rahmen der oben genannten Fälle, die Anlass waren, über eine Beschränkung nachzudenken. Dieser Unterschied ist es auch, der – zweitens – dazu führt, dass auch die zur teleo­ logischen Reduktion entwickelten Kriterien der Begrenzung des Anfechtungsrechts für die Moderation nicht greifen. Mit Blick auf die Vorschrift des §  123 Abs.  2 Satz 1 BGB soll sich eine Schutzoblie­ genheit jedenfalls bei der Kenntnis bzw. fahrlässigen Unkenntnis des Vertragspart­ ners annehmen lassen.161 Insofern ist eine Drohungsanfechtung auch dann möglich, wenn sie im Falle einer Täuschung zulässig wäre. Auch wenn die näheren Inhalte der Schutzobliegenheiten noch näher zu bestimmen wären, sollen Wertungswidersprü­ che zum allgemeinen Programm vorvertraglicher Schutzpflichten jedenfalls vermie­ den werden.162 Auf diesem Weg lässt sich infolge des Verhältnisses, das aufgrund der freiwillig begonnenen Moderation bereits zwischen den Parteien besteht, eine wech­ selseitige Obliegenheit jedenfalls insoweit annehmen, als dass eine Drohung des Mo­ derators stets zu einer Anfechtungsmöglichkeit führt. Dies gilt aufgrund des real existierenden Verhältnisses zwischen den Parteien, das mit der Einschaltung des Mo­ derators begründet wurde. Ob dessen Einschaltung dann auf Basis eines Vertrags geschah oder nicht,163 ist für die Frage, ob der moderierte Vertrag, der nur aufgrund seiner Drohung zustande gekommen ist, anfechtbar sein soll, ohne Belang. Selbst wenn man also diesem Ansatz folgen und eine Begrenzung der Anfech­ tungsmöglichkeit bei einer Drohung durch Dritte fordern würde: Für den Fall der Drohung durch den Moderator gölte sie nicht.

158 So

Martens, Durch Dritte verursachte Willensmängel, S.  343. Martens, AcP 207 (2007), 371, 397; Martens, Durch Dritte verursachte Willensmängel, S.  385. 160 Staudinger/Singer/Finckenstein, BGB, §  123 Rn.  67. 161  Martens, Durch Dritte verursachte Willensmängel, S.  385. 162  So selbst Martens, AcP 207 (2007), 371, 397. 163  Weil es eine prozessrechtliche Einkleidung gibt. 159 

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F. Absicherung der gesteigerten Legitimation

cc) Weitere Einschränkungen/subjektive Voraussetzungen der Drohung Die soeben besprochene teleologische Reduktion der Vorschrift des §  123 Abs.  1 BGB in Form der Forderung einer Verletzung von Schutzobliegenheiten ist die ein­ zige Einschränkung des Drohungstatbestands, deren Denkrichtung auf den §  123 Abs.  2 BGB weist. Eine Einschränkung des Anfechtungsrechts gerade für die Fälle der Drohung von Dritten kann sich darüber hinaus aus den Anforderungen ergeben, die in subjektiver Hinsicht an die Person des Drohenden gestellt werden. Auch hier gilt jedoch für den Fall der Anfechtung durch den Moderator: Die Hürden, an denen eine Anfechtbarkeit bei der Drohung einer Partei, die nicht Vertragspartner werden soll, in anderen Konstellationen scheitert, führen nicht zu einem grundsätzlichen Verlust des Lösungsrechts bei einer Drohung seitens des Moderators. dd) Finalität Dies gilt zunächst im Hinblick auf die Frage der Finalität.164 Vor dem Hintergrund der oben geschilderten Erpressungsfälle wird diskutiert, ob im Sinne einer Finalität zu verlangen sei, dass der Drohende bewusst den Zweck verfolgt, den Bedrohten zur Abgabe der Willenserklärung zu veranlassen.165 Das geschieht vor dem Hintergrund, die Anfechtungsmöglichkeit bei Drohungen durch Dritte zu beschränken.166 Man mag dieses Kriterium bejahen167 oder ablehnen.168 Für die Moderation gilt jedenfalls: In den hier in Rede stehenden Fällen, in denen der Moderator droht, um den Ab­ schluss des moderierten Vertrags zu erreichen, fehlt es nicht an einer Finalität, weil es dem Moderator gerade darum geht, die Abgabe der Willenserklärung(en) zu errei­ chen, die zum Vertragsschluss und damit zur erfolgreichen Vermittlung noch fehlt. An einer Finalität im Sinne des bewussten Bewirkens einer bestimmten Willenser­ klärung scheitert die Anfechtung daher jedenfalls nicht. b) Drohung Damit ist der Weg bereitet für die schwieriger zu beurteilende und zu beweisende169 Frage danach, wann eine Drohung seitens des Moderators vorliegt. Die Drohung im Sinne des §  123 Abs.  1 BGB wird beschrieben als das vom Gegner ernst genommene Inaussichtstellen eines künftigen Übels, auf dessen Eintritt oder Nichteintritt der

164  Zur römisch-rechtlichen Herkunft vgl. Martens, Durch Dritte verursachte Willensmängel, S.  179. 165 MünchKommBGB/Armbrüster, §  123 Rn.  111; RGRK/Krüger-Nieland, BGB, §  123 Rn.  51; in diese Richtung auch BGH v. 20.06.1962 – VIII ZR 249/61, BeckRS 1962, 31190192. 166  Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, S.  351. 167  Zweigert, JZ 1958, 570; Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, S.  351. 168  Martens, AcP 207 (2007), 371, 391; Röckrath, in: FS Canaris, S.  1105, 1108 unter Hinweis auf die zutreffende Tatsache, dass die Anfechtung dann gerade bei Kollektivdrohungen nicht möglich wäre, was der Gesetzgeber jedoch gerade bezweckte. 169  Löhner, Die freiwillige Streitschlichtung vor Gütestellen, S.  200 etwa geht davon aus, dass die Drohung eines Vermittlers regelmäßig nur schwer nachzuweisen ist.

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Drohende einwirken zu können behauptet und das verwirklicht werden soll, wenn der Bedrohte nicht die von dem Drohenden gewünschte Willenserklärung abgibt.170 Für die im Falle des moderierten Vertrags geltende Situation ist zunächst festzu­ halten, dass die – schwierige – Aufgabe darin besteht, die einerseits gewollte Einwir­ kung des Moderators auf die Parteien im Rahmen der Vermittlungstätigkeit von der nicht gewollten Drohung zu unterscheiden. Es ist also notwendig, zu trennen: zwi­ schen der zulässigen Druckausübung auf die oder eine der Parteien im Wege einer Vermittlungstätigkeit lege artis einerseits und einer nicht mehr zulässigen Druckaus­ übung im Sinne des Drohungstatbestands andererseits.171 Diese Trennung vollzieht sich innerhalb des Anfechtungstatbestands an zwei Punkten: zunächst im Rahmen der Beantwortung der Frage nach den unter eine Drohung zu subsumierenden Handlungen. Darüber hinaus bei der – sofern das Vor­ liegen der Drohung angenommen wird – dann notwendigen positiven Feststellung der Widerrechtlichkeit eben dieser Drohung. Im Hinblick auf die Subsumtion unter das Tatbestandsmerkmal der Drohung las­ sen sich – anhand der definitorischen Vorgaben – einzelne Handlungen des Modera­ tors pauschal ausklammern und nicht als Drohung, sondern als Warnung bzw. Hin­ weis, Überrumpelung bzw. Zeitdruck einordnen. aa) Warnung/Hinweis Bei der Warnung wird – im Unterschied zur Drohung – bloß auf bestehende Risiken, Schwierigkeiten oder ohnehin eintretende Übel hingewiesen.172 Es gehöre zum Stan­ dardrepertoire, auf die Risiken eines Gerichtsverfahrens hinzuweisen.173 Weil der Erklärende auf den Eintritt des Übels selbst keinen Einfluss hat oder sich einen sol­ chen nicht zuschreibt,174 gilt es als bloßer Hinweis, wenn er entweder auf ohnehin gegebene Schwierigkeiten im Falle des Scheiterns von Vertragsverhandlungen175 oder auf eine bereits vollzogene Maßnahme176 aufmerksam macht. Im Hinblick auf Vergleichsvorschläge wird formuliert, dass diese dann keine Drohung seien, solange sie den Interessen der Adressaten Rechnung trügen.177 Das Reichsgericht hat am 04.02.1937 erstmals festgehalten, dass die Drohung im Falle des §  123 Abs.  1 BGB auch von einem Dritten – hier dem Sohn der aus einem Unterhaltsvertrag vorgehenden Klägerin – stammen kann, solange der Drohende 170  BGH v. 14.06.1951 – IV ZR 42/50, BGHZ 2, 287, 295; BGH v. 26.06.1952 – III ZR 305/51, BGHZ 6, 348, 351; BGH v. 07.06.1988 – IX ZR 245/86, NJW 1988, 2599, 2600 f.; BGH v. 22.11.1995 – XII ZR 227/94, NJW-RR 1996, 1281, 1282; Soergel/Hefermehl, BGB, §  123 Rn.  40; Münch­ KommBGB/Armbrüster, §  123 Rn.  109; Staudinger/Singer/Finckenstein, BGB, §  123 Rn.  69. 171  Für die Mediation äußert dies explizit Härtling, in: Fischer/Unberath, Das neue Mediations­ gesetz, S.  143, 152. 172 Staudinger/Singer/Finckenstein, BGB, §  123 Rn.  70; PWW/Ahrens, BGB, §  123 Rn.  34. 173  Heck, ZfRSoz 2016, 58, 79. 174  Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, S.  349. 175 Soergel/Hefermehl, BGB, §  123 Rn.  40. 176  Wie z. B. die Mitteilung einer bereits erstatteten Strafanzeige Soergel/Hefermehl, BGB, §  123 Rn.  40. 177  Karakatsanes, Die Widerrechtlichkeit in §  123 BGB, S.  35 ff.

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sich bewusst sei, auf den Erklärenden einen Druck auszuüben, der geeignet ist, die Freiheit der Willensentschließung zu beeinflussen.178 Nachdem in diesem Judikat nur eine grundsätzliche Aussage formuliert wurde, die die Berufungsinstanz übersehen hatte, beschäftigte sich die höchstrichterliche Rechtsprechung im Jahr 1940 erstmals intensiver mit der Frage, welche Vorausset­ zungen an die Drohung durch einen Dritten zu stellen sind bzw. wann von einer bloßen Warnung zu sprechen ist. Der Sachverhalt hat – und dies ist für diese Unter­ suchung von Bedeutung – mit den übrigen noch zu besprechenden einschlägigen Entscheidungen die Gemeinsamkeit, dass es sich bei der Person des Dritten gerade um einen Moderator im Sinne dieser Untersuchung handelt: den Prozessrichter im Rahmen seiner Bemühungen, einen Vergleich zwischen den Parteien des Zivilge­ richts zu vermitteln.179 Gerade in Bezug auf diese Moderationstätigkeit zeigt sich bereits anhand dieses ersten einschlägigen Judikats, dass der Grat zwischen einer Drohung, die den Tatbe­ stand des §  123 BGB erfüllt und einem Hinweis, der zur erfolgreichen Vermittlung sogar geboten ist, sehr schmal ist. Die Parteien hatten im Rahmen der Abwicklung eines Arbeitsvertrags um eine noch fällige Beteiligung180 des ehemaligen Prokuristen aus dem von ihnen so be­ zeichneten Holland-Geschäft gestritten, welche dieser im Klagewege von seinem früheren Arbeitgeber begehrte. Im Rahmen der Vergleichsverhandlungen vor dem Vorsitzenden Richter hatte dieser geäußert, dass für den Fall, dass sich bei weiterer Fortführung des Rechtsstreits der Verdacht eines Devisenvergehens herausstellen sollte, die Akten der Staatsanwaltschaft zugeleitet werden müssten. Deshalb sollten sich die Parteien überlegen, ob eine weitere Durchführung des Rechtsstreits in ihrem Interesse liege. Der Kläger möge auch bedenken, dass er wegen Devisenvergehens vorbestraft sei und dass er sich bei seinem Alter und seinem Gesundheitszustand die Aufregungen eines Devisenstrafverfahrens besser erspare.181 Der daraufhin abgeschlossene Prozessvergleich wurde später vom Kläger, dem früheren Arbeitnehmer, unter Hinweis auf das Verhalten des Richters angefochten. Letztinstanzlich hat dann das RAG am 13.11.1940 festgehalten, dass das in Rede stehende Verhalten des Vorsitzenden nicht den Tatbestand der Drohung nach §  123 Abs.  1 BGB erfüllte.182 Die Begründung des RAG zeigt jedoch, dass es Nuancen sind, die in der flüchtigen (Güte-)Verhandlung zwischen Drohung und Hinweis unterscheiden können: „Es ist nach der Überzeugung des Berufungsgerichts nicht so gewesen, dass der Vorsitzende erklärt hätte, er werde die Akten der Staatsanwaltschaft übersenden, und durch das Inaus­ sichtstellen dieses Übels den Kläger zum Vergleich gedrängt hätte. Vielmehr wurde nur die Möglichkeit des Devisenvergehens in Betracht gezogen und daran anknüpfend die an sich 178 

RG v. 04.02.1937 – IV 284/36, RG Warneyer 1937, Nr.  45. Zu dessen Tätigkeit als Moderator vgl. oben die Darstellung unter B.III. 180  Im Sinne einer (Provisions-)Zahlung. 181  RAG v. 13.11.1940 – RAG 95/40, ARS 1940, 334, 336; vgl. die Darstellung bei Karakatsanes, Die Widerrechtlichkeit in §  123 BGB, S.  23. 182  RAG v. 13.11.1940 – RAG 95/40, ARS 1940, 334. 179 

II. Täuschen und Drohen, §  123 BGB

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allgemein geläufige Rechtslage berührt, dass eine weitere Aufklärung zur Einleitung eines Strafverfahrens führen könne.“183

Aus dieser Urteilspassage lässt sich folgern, dass das Gericht evtl. anders entschieden hätte, wenn der Richter nicht die mögliche Information der Staatsanwaltschaft in Aussicht gestellt, sondern diese für den Fall der Fortführung des Verfahrens ange­ kündigt hätte. Gerade zwischen diesen Alternativen grenzt das RAG jedoch ab, wenn es festhält, dass sich aus dem geschilderten Verhalten des Richters „klar genug der Unterschied [ergibt]184 des bloßen Hinweises auf die möglichen Folgen der rich­ terlichen Feststellung ausreichender Verdachtsgründe für ein Devisenvergehen, eines Hinweises wie er hier im Zusammenhang mit der notwendigen Besprechung der den Klagegenstand bildenden Vorgänge zwanglos und zweckmäßig aus der Sachlage er­ wuchs, und dem Inaussichtstellen eines Übels, der Drohung, die Akten an die Staats­ anwaltschaft weiterzuleiten, als einer auf eine maßgebliche Beeinflussung des Wil­ lens des Klägers abzielenden Verfahrensweise des Richters.“185 Während das eine Verhalten verboten ist und zur Anfechtung berechtigen soll, ist das andere nicht nur nicht ver-, sondern geradezu geboten, denn das RAG formuliert weiter: „Es war dem Vorsitzenden nach der aus der Beweiserhebung geschöpften Überzeugung des Berufungsgerichts nicht darum zu tun, den Kläger in seiner freien Willensentschließung zu beschränken, sondern ihm die Gesamtheit der Unterlagen für eine frei abwägende Willensentschließung an die Hand zu geben.“186 Damit hat also der Vorsitzende mit dem Ziel gehandelt, der Entschließungsfreiheit zu dienen und nicht, um sie zu beeinträchtigen. Wenn der Hinweis bloß dazu diene, die Ver­ gleichsbereitschaft des Klägers zu fördern, dann erfülle er nicht die Voraussetzungen des Drohungstatbestands,187 im Gegenteil: „Die möglichen Folgen der Fortführung des Verfahrens offen anzusprechen, konnten dem Vorsitzenden und dem Beisitzer nicht verwehrt sein, ja der Hinweis lag durchaus im Interesse der Parteien.“188 Damit lässt sich nach Betrachtung dieses Urteils im Hinblick auf die Frage von Drohung und Warnung das festhalten, was schon zuvor allein für die richterliche Vermittlung festgehalten wurde189: Ein richterlicher Druck auf die Parteien, einem Vergleich zuzustimmen, ist unzulässig. Das heißt aber nicht, dass schon der Hinweis auf den voraussichtlichen oder möglichen Prozessausgang oder sonstige Ergebnisse der fehlenden Einigung unzulässig wäre. Gerade die Aussagen des vermittelnden Gerichts im weiteren Verfahrensverlauf sind Gegenstand der Abgrenzung zwischen tatbestandlicher Drohung und bloßem Hinweis. Denn die bloße Verdeutlichung könne nicht als Drohung im Sinne des §  123 Abs.  1 BGB gewertet werden.190 Der Richter müsse, wie das KG in anderem Zusammen­ 183 

RAG v. 13.11.1940 – RAG 95/40, ARS 1940, 334, 338. Eingefügt durch Verf. 185  RAG v. 13.11.1940 – RAG 95/40, ARS 1940, 334, 338. 186  RAG v. 13.11.1940 – RAG 95/40, ARS 1940, 334, 338. 187  RAG v. 13.11.1940 – RAG 95/40, ARS 1940, 334, 338. 188  RAG v. 13.11.1940 – RAG 95/40, ARS 1940, 334, 340. 189 Von Lempp, DRiZ 1994, 422, 423. 190  BAG v. 12.05.2010 – 2 AZR 544/08, AP BGB §  123 Nr.  68; so auch OLG Jena v. 14.11.2005 – 1 W 631/05, BeckRS 2006, 04914. 184 

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hang festhielt,191 im Vergleichsgespräch seine Rechtsansicht darlegen dürfen, auch ohne fortlaufend auf deren Vorläufigkeit hinzuweisen.192 Der BGH will die Grenze des Erlaubten dort ziehen, wo die Furcht des Bedrohten so groß ist, dass eine freie Abwägung des zu fassenden Entschlusses nicht mehr zu erwarten ist.193 Ein bloßer Hinweis soll auch dann nicht mehr vorliegen, wenn die Handlung des Gerichts eine erkennbar willensbeugende Zielrichtung aufweise.194 Es wird deutlich: Im Hinblick auf die Drohung durch Dritte ist die Abgrenzung zwischen diesen Verhaltensweisen schwierig. bb) Überrumpelung und Zeitdruck Darüber hinaus sind es die bloße Kreierung eines Zeitdrucks bzw. die Überrumpe­ lung, die im Rahmen des Tatbestands ausgeschlossen werden können. In der Praxis tauchten diese bisher nicht in der hier interessierenden Konstellation des moderierten Vertrags auf, sondern eher im Nachgang zu arbeitsrechtlichen Auf­ hebungsverträgen.195 Die durch die Moderationssituation grundsätzlich bestehende Motivationslage bietet jedoch hinreichend Gefahr dafür, dass der Moderator durch Zeitdruck und Überrumpelung die Abgabe einer ihm genehmen Willenserklärung erreichen möchte. Der Umstand, dass ihm infolge seiner Funktion gerade die Gestal­ tung des Verhandlungsverlaufs zufällt, gibt ihm hierzu die grundlegende Möglich­ keit. Es geht zudem um eine Frage der moderatorischen Schlechtleistung. Denn der Moderator ist – wie schon herausgearbeitet werden konnte – ein Garant der Selbst­ bestimmung. Diese wird auch durch die Einhaltung einer ausreichenden Bedenkzeit garantiert. Wenn der Moderator einer oder beiden Parteien keine ausreichende Be­ denkzeit einräumt, verstößt er insofern gegen seinen Auftrag. Die Möglichkeit einer Loslösung vom Vertrag gemäß §  123 Abs.  1 BGB geht damit allerdings nicht einher. Denn Überrumpelung und Zeitdruck stellen zwar psychi­ sche Einflussnahmen dar, die jedoch für sich nicht den Drohungstatbestand erfül­ len.196 Insofern lassen sich die Erkenntnisse, die für das bilaterale Verhältnis zwischen den Vertragspartnern entwickelt wurden, auf die Moderationssituation übertragen. Diese kommen zunächst in der Feststellung zum Ausdruck, dass die bloße Verkür­ zung der Bedenkzeit zwar die Selbstbestimmung reduziert, was nicht zuletzt in der Einräumung eines verbraucherschützenden Widerrufsrechts zum Ausdruck kommt, aber eben nicht den Drohungstatbestand erfüllt, weil die Drohung per definitionem 191 Es

ging um die Befangenheit des Richters und nicht um die Anfechtung des Prozessver­ gleichs. 192  So KG v. 21.08.1998 – 28 W 6180/98, BeckRS 2011, 5248. 193  So auch die Darstellung bei Brugger/Ziegler, NJW-Spezial 2011, 115. 194  Brugger/Ziegler, NJW-Spezial 2011, 114. 195  Vgl. nur die Sachverhalte, die den Entscheidungen BAG v. 27.11.2003 – 2 AZR 135/03, BAGE 109, 22 ff.; BAG, v. 22.04.2004 – 2 AZR 281/03, AP BGB §  620 Aufhebungsvertrag Nr.  27 zugrunde lagen. 196  Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, S.  349 mit Verweis auf BAG v. 16.02.1983 – 7 AZR 134/81, DB 1983, 1663 f.; BAG v. 30.09.1993 – 7 AZR 268/93, BeckRS 9998, 55953.

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das Inaussichtstellen eines Übels verlangt, das über den Nichtabschluss des Vertrags hinausgeht. Belegen lässt sich dies im Rahmen der Fragen des Zeitdrucks und der Überrumpelung mit dem Umstand, dass die Gerichte in den einschlägigen Fällen des Aufhebungsvertrags, der unter Zeitdruck geschlossen wurde, stets zusätzlich die evtl. angedrohte Kündigung als das Übel überprüft, das der Arbeitgeber in Aussicht gestellt hatte.197 Allein die Versagung der Bitte, sich den Abschluss noch einen Tag überlegen zu dürfen198 bzw. das Führen von Verhandlungen über eine Beendigung des Arbeitsver­ hältnisses ohne vorherige Ankündigung199 stellt explizit 200 für sich allein keinen Grund dar, der zur Loslösung vom Vertrag nach §  123 Abs.  1 BGB berechtigt.201 Das heißt nicht, dass die Fragen des Zeitdrucks und der Überrumpelung gar keine Be­ rücksichtigung fänden im Rahmen der Prüfung des §  123 BGB, dessen Ziel gerade der Schutz der freien Willensbildung ist. Nimmt man dem Bedrohten durch das Drängen und das Ablehnen jeder Überlegungsfrist die Möglichkeit der freien Ent­ schließung, spricht dies für eine Widerrechtlichkeit der Drohung.202 cc) Drohung mit einem künftigen Übel Eine weitere Einschränkung ergibt sich aus dem Bezugspunkt der Drohung. Diese muss sich auf das Inaussichtstellen eines künftigen Übels beziehen.203 Anders als im Fall des §  240 StGB, der die Drohung mit einem „empfindlichen Übel“ verlangt, geht aus §  123 Abs.  1 BGB nicht hervor, welcher Art und Intensität das angedrohte Übel sein muss.204 Die mit der im Strafrecht verlangten Empfindlichkeit einhergehende Beschränkung des Tatbestands auf solche Übel, die auch von einem „besonnen Durchschnittsmenschen“ und nicht bloß von Überängstlichen und Überempfindli­ chen als solche empfunden werden,205 findet damit in §  123 Abs.  1 BGB nicht in glei­ cher Weise statt. Im Rahmen des §  123 Abs.  1 BGB kann auch mit einem objektiv geringfügigen Übel gedroht werden.206

197  Dies ist etwa der Fall bei BAG v. 16.01.1992 – 2 AZR 412/91, BeckRS 9998, 21520; BAG v. 16.02.1983 – 7 AZR 134/81, AP BGB §  123 Nr.  22; auch bei BGH v. 07.06.1988 – IX ZR 245/86, NJW-RR 1988, 1321 wird eine eigentliche Drohung im Hintergrund geprüft. 198  BAG v. 16.01.1992 – 2 AZR 412/91, NZA 1992, 1023. 199  BAG v. 30.09.1993 – 2 AZR 268/93, BAGE 74, 281 ff. 200  BAG v. 16.02.1983 – 7 AZR 134/81, AP BGB §  123 Nr.  2 2 formuliert: „Wird einer schwange­ ren Arbeitnehmerin der Abschluß eines Aufhebungsvertrages angeboten und eine vom Arbeitneh­ mer erbetene Bedenkzeit abgelehnt, so kann ein gleichwohl abgeschlossener Aufhebungsvertrag nicht allein wegen des Zeitdrucks nach §  123 Abs.  1 BGB angefochten werden.“ 201  So auch Herschel, Anm. zu BAG v. 16.02.1983 – 7 AZR 134/81, AP BGB §  123 Nr.  2 2. 202  So sind wohl auch die Ausführungen von Flume, BGB AT Bd.  II, §  28/2, S.  538 zu verstehen. 203  Statt vieler BeckOK-BGB/Wendtland, §  123 Rn.  27; BeckOGK/Rehberg, BGB, §  123 Rn.  150 spricht abweichend von einer als unangenehm empfundenen Alternative, die der Drohende ansons­ ten herbeizuführen vorgibt, ohne damit allerdings inhaltlich eine Differenzierung vorzunehmen. 204 Staudinger/Singer/Finckenstein, BGB, §  123 Rn.  69. 205  Vgl. die Darstellung bei MünchKommStGB/Sinn, §  240 Rn.  76. 206 Staudinger/Singer/Finckenstein, BGB, §  123 Rn.  69; BeckOK-BGB/Wendtland, §  123 Rn.  26.

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Trotzdem greift das im Strafrecht existierende Geringfügigkeitsprinzip207 auch hier. Denn der Anfechtungstatbestand verlangt zwar nicht, dass mit einem „emp­ findlichen“ Übel gedroht wird, das künftige Übel muss den Bedrohten aber zur Ab­ gabe der Willenserklärung bestimmen.208 Diese Kausalität dürfte indes bei nur ge­ ringfügigen – bzw.: nicht empfindlichen – Übeln regelmäßig zu verneinen sein, denn die Drohung mit einer Lappalie wird die Freiheit der Willensentschließung eines anderen nicht maßgeblich beeinflussen können.209 Damit liegt zwar nicht hinsicht­ lich der dogmatischen Umsetzung, jedoch im Hinblick auf die Voraussetzung, die an den Bezugspunkt der Drohung geknüpft werden, ein Gleichlauf zwischen Zivil- und Strafrecht vor. Das hat zur Folge, dass auch der Moderator für eine spätere Anfecht­ barkeit des moderierten Vertrags nicht bloß mit einer Kleinigkeit, sondern einem so gewichtigen Übel drohen muss, das eben auch in der Lage ist, den Bedrohten zur Abgabe einer Willenserklärung zu bestimmen. Für die besondere Moderation durch den Prozessrichter bedeutet dies dann aller­ dings, dass die Drohung mit einem für den Bedrohten ungünstigen Urteil einen aus­ reichenden Bezugspunkt für die Drohung im Sinne des §  123 Abs.  1 BGB darstellt, weil es geeignet sein kann, den Bedrohten etwa zur Zustimmung zum Vergleichsvor­ schlag zu veranlassen.210 dd) Subjektiver Tatbestand der Drohung Aus dem Umstand, dass der Tatbestand der widerrechtlichen Drohung auf subjekti­ ver Seite erfordert, dass der Drohende erstens sich darüber bewusst ist, dass sein Verhalten die Willensbetätigung des Bedrohten beeinflussen kann und zweitens den Drohungsempfänger gerade zur Abgabe einer bestimmten Willenserklärung veran­ lassen will,211 folgt für die Situation der Moderation keine relevante Beschränkung. Denn nach der herausgearbeiteten Motivationslage des Moderators fehlt es diesem infolge seines Ziels, den Abschluss des Vertrags zu erreichen, nicht an der entspre­ chenden Kenntnis. Mit anderen Worten: Dass der Moderator, der regelmäßig nicht nur einmal als Vermittler tätig ist, „aus Versehen“, d. h. fahrlässig212 droht, ist höchst unwahrscheinlich.

207  Nach dem Prinzip sind geringe Einwirkungen ohne große Folgen nicht im materiellen Sinne sozialschädlich und daher nicht im Wege des §  240 StGB zu sanktionieren, es gilt: „minima non curat praetor“, siehe Roxin, JuS 1964, 373, 376. 208 Staudinger/Singer/Finckenstein, BGB, §   123 Rn.  69; MünchKommBGB/Armbrüster, §  123 Rn.  109. 209 BeckOK-BGB/Wendtland, §  123 Rn.  26. 210 A.A. Wenzel, NJW 1967, 1587, 1588; Kubisch, NJW 1967, 1605, 1606 lehnt dies mit Hinweis auf eine Schrift von Mittermaier aus dem Jahr 1822 ab. 211 BeckOK-BGB/Wendtland, §  123 Rn.  35; Palandt/Ellenberger, §  123 BGB Rn.  23; Flume, BGB AT Bd.  II, §  28/3, S.  538. 212  In dem Fall kommen zudem Ansprüche nach Culpa in contrahendo in Betracht, dazu siehe später unten unter F.III.

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ee) Widerrechtlichkeit der Drohung Die Widerrechtlichkeit ist ein weiterer zentraler Punkt für die Beurteilung, ob eine Drohung seitens des Moderators vorliegt. Denn nicht das Vorliegen einer Drohung allein führt zur Anfechtbarkeit der Willenserklärung. Weil Druck und Gegendruck aus dem Kraftfeld rechtsgeschäftlicher Beziehungen nicht wegzudenken sind, 213 ist es das Kriterium der Widerrechtlichkeit, das den erlaubten, wenn nicht gar ökono­ misch erwünschten Druck, der auch in Form einer tatbestandlichen Drohung aufge­ baut werden kann, vom nicht erlaubten, weil die Selbstbestimmung zu sehr beein­ trächtigenden, Entscheidungsdruck trennen soll. Widerrechtlich ist eine Drohung damit dann, wenn sie sozial inadäquat ist.214 Ob dies der Fall ist, soll – im Falle der bilateralen Verhandlungen – nach einer Gesamtbetrachtung beurteilt werden, die vor allem die Abwägung der Interessen beider Vertragsparteien beinhaltet.215 Stellt man ab – und dies ist für die hiesige Situation interessanter – auf eine Interessenabwägung nicht zwischen den Vertragsparteien, sondern zwischen Drohendem und Bedrohten, dann ist Gegenstand dieser Abwägung einerseits das Interesses des Drohenden, be­ stimmte Mittel zum Abschluss eines bestimmten Vertrags einzusetzen. Demgegen­ über steht das Interesse des Bedrohten an der Nichtbeeinflussung einer bestimmten rechtsgeschäftlichen Entscheidung.216 Auch wenn sich zur Beurteilung der Widerrechtlichkeit drei Fallgruppen heraus­ gebildet haben, 217 so lässt sich auch im Hinblick auf die Prüfung des Tatbestands­ merkmals der Vorwurf formulieren, der auch in Bezug auf §  240 Abs.  2 StGB verfasst wurde:218 Wenn es um die Beurteilung konkreter Fälle geht, verhüllt das ernsthafte Bemühen um theoretische Grundlagen nur die wortreiche Leere subjektiven Mei­ nens. (1) Strafrechtliche Wertung Nicht allein dieser gemeinsame Vorwurf, der im Strafrecht schwerer wiegt,219 regt zum vergleichenden Blick an, sondern ebenfalls der Umstand, dass der Tatbestand des §  240 StGB die Freiheit der Willensentscheidung und der Willensbetätigung schützt.220 Wie bei §  123 BGB gibt es unzählige Verhaltensweisen des täglichen Lebens, die an sich die Voraussetzungen des Nötigungstatbestands in §  240 Abs.  1 StGB erfüllen, aber nicht die Voraussetzungen, die an die positiv festzustellende Rechtswidrigkeit 213 Vgl. Bälz, AcP 176 (1976), 373; diese Formulierung greifen auch auf Schur, Leistung und Sorg­ falt, S.  276, Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, S.  352. 214  Zweigert, JZ 1958, 570. 215  Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, S.  352. 216  Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, S.  353. 217  BGH v. 23.09.1957 – VII ZR 403/56, BGHZ 25, 217, 218 ff.; BGH v. 04.02.2010 – IX ZR 18/09, NJW 2010, 1364, 1366. 218 Von Roxin, JuS 1964, 373. 219  Die vage Vieldeutigkeit bringt eine Vorschrift mit den Anforderungen des Satzes „nullum crimen sine lege“ in Konflikt, vgl. Roxin, JuS 1964, 373. 220  Roxin, JuS 1964, 373, 374.

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gestellt werden. Diese liegt nach §  240 Abs.  2 StGB nur dann vor, wenn die Anwen­ dung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen sind. Verhaltensweisen, die nicht sozialwidrig sind, erfüllen nicht die Voraussetzungen des §  240 Abs.  2 StGB, weil sie der Täter dem Opfer ge­ genüber an den Tag legen darf. Denn in solchen Fällen hat das Opfer kein Recht auf (/der Täter ist kein Garant für) die von ihm beanspruchte Freiheit.221 Damit ist es nicht nur der Begriff der Sozialwidrigkeit, sondern auch die ggf. zu berücksichtigen­ de Freiheit, die hier im BGB wie dort im StGB im Rahmen der Interpretation Ver­ wendung finden. Dies spricht neben dem Umstand, dass der Nötigungstatbestand des StGB nicht auf das Verhältnis zwischen vermeintlichen Vertragspartnern, son­ dern zwischen Drohendem und Bedrohtem abstellt, für eine nähere Betrachtung der dort zur Beurteilung der Rechtswidrigkeit entwickelten Kriterien. Schon der Wortlaut der Vorschrift des §  240 StGB lässt den Schluss zu, dass sich das Urteil der Verwerflichkeit nicht allein auf den Zweck oder das Nötigungsmittel bezieht, sondern stets eine sogenannte Zweck-Mittel-Relation anzustellen ist.222 Im Rahmen einer Gesamtbetrachtung muss dann – und hier findet das Strafrecht wieder in die parallele Spur zum BGB – die Sozialwidrigkeit im Sinne einer sozialethischen Missbilligung festgestellt werden.223 Das zu sanktionierende Verhalten muss als so­ zial unerträglich erscheinen, 224 d. h. dem „Mindestgemeinsamen“225 nicht entspre­ chen. Damit ist zunächst für das Anliegen dieser Betrachtung nicht allzu viel Erkennt­ nisgewinn zu verzeichnen. Hervorzuheben sind jedoch die zur näheren Bestimmung der Verwerflichkeit entwickelten 226 sozialen Ordnungsprinzipien, die sich aus der Rechtsordnung insgesamt „herausinterpretieren“ lassen und bei der Beurteilung, was sozial erträglich ist und was nicht, helfen sollen.227 Die für die Drohung228 in Rede stehenden Prinzipien sind: – das Rechtswidrigkeitsprinzip, demzufolge eine Nötigung eben dann verwerflich ist, wenn ihr Ziel die Erzwingung eines Handelns ist, das seinerseits verboten ist; – das Güterabwägungsprinzip, demzufolge derjenige keine Nötigung begeht, der eine Tracht Prügel androht, um einen Diebstahl zu vermeiden, denn der durch die Drohung beeinträchtigte Wille ist sozialwidrig. Die an anderer Stelle gerade unzu­ lässige Drohung hilft hier, den gesetzlich vorgesehenen Zustand zu bewahren; – das Prinzip des mangelnden Zusammenhangs, demzufolge auch derjenige nötigt, der an sich legitime Zwecke verfolgt, wenn er sich hierzu eines Mittels bedient, das mit dem Ziel in keiner inneren Beziehung steht, wenn er also mit der Aufdeckung 221 SK-StGB/Wolters,

§  240 Rn.  47. BGH v. 18.03.1952 – GSSt 2/51, BGHSt 2, 194, 196; BeckOK-StGB/Valerius, §  240 Rn.  47. 223  Eser/Eisele, in: Schönke/Schröder, StGB, §  240 Rn.  18; Schlüchter, NStZ 1984, 300, 302. 224  BGH v. 19.06.1963 – 4 StR 132/63, BGHSt 18, 391; Kühl, StV 1987, 126. 225  Begriff stammt von Schlüchter, NStZ 1984, 301 f. 226 Von Roxin, JuS 1964, 373, 377. 227  Diesen Ansatz loben Schlüchter, NStZ 1984, 300, 302; SK-StGB/Wolters, §  240 Rn.  4 4. 228  Für die Gewaltalternative soll darüber hinaus das Prinzip des Vorranges staatlicher Zwangs­ mittel gelten. 222 

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früherer Straftaten droht. Ohne dieses Prinzip würde derjenige, der sich einmal etwas hat zuschulden kommen lassen oder sonst Angriffspunkte bietet, denen, die davon erfahren haben, so weitgehend ausgeliefert sein, dass der durch die Rechts­ ordnung gewährte Freiheitsraum nicht mehr gewahrt bliebe; – das Autonomieprinzip, demzufolge keine Nötigung vorliegt, wenn jemand mit der Unterlassung von Handlungen droht, deren Vornahme von der Rechtsord­ nung in das freie Belieben des Einzelnen gestellt ist. Gerade anhand dieses Prin­ zips zeigt sich der Unterschied zwischen dem, was zwar als moralisch verwerflich einzustufen, aber eben nicht sozialwidrig ist. Wer also mit der Aufkündigung von nicht geschuldeten Unterstützungsleistungen droht, um sein Gegenüber zu einer Handlung zu bewegen, der handelt ggf. unmoralisch, aber eben nicht sozialwidrig. Das Autonomieprinzip sorgt dafür, dass die Fälle, in denen die „Besetzungs­ couch“ zur Anwendung kommt, sicherlich moralisch verwerflich sind, aber eben nicht strafbar, weil man nach den Grundprinzipien des gesellschaftlichen Zusam­ menlebens den Verzicht auf Leistungen erdulden muss, zu denen ein anderer nicht verpflichtet ist. Dies gilt unabhängig davon, welche noch so verachtenswerte Mo­ tivation der Versagung zugrunde liegt.229 (2) Zivilrechtliche Bestimmung Löst man den Blick von der Vorschrift des §  240 Abs.  2 StGB und nimmt wieder die Regelung des §  123 Abs.  1 BGB ins Visier, dann fällt auf, dass dort die Zweck-Mit­ tel-Relation, die im Wortlaut der Nötigungsvorschrift bereits angelegt ist, keine Ver­ ankerung im Normtext findet. Aus diesem Grund wird zur Konkretisierung der Interessenabwägung nicht allein auf dieses Verhältnis abgestellt, wenngleich es die wichtigste der drei Fallgruppen beschreibt, die zur Bestimmung der Widerrechtlich­ keit im Sinne des §  123 Abs.  1 BGB herangezogen werden. (a) Mittel Diese liegt immer schon dann vor, wenn das Mittel der Drohung, d. h. das angedroh­ te Verhalten, für sich selbst gesehen rechts- oder sittenwidrig ist.230 Im Fall der Mo­ deration ist dies etwa dann der Fall, wenn der Moderator mit dem Bruch von (Ver­ traulichkeits-)Pflichten droht, die er zu Beginn der Moderation mit den Parteien vereinbart hat.231

229 

Zu den hier wiedergegebenen Prinzipien vgl. insgesamt Roxin, JuS 1964, 373, 377. Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, S.  353; Arnold, in: Erman, BGB, §  123 Rn.  45; Staudinger/Singer/Finckenstein, BGB, §  123 Rn.  75; BGH v. 20.01.1983 – I ZR 90/81, NJW 1983, 1266; BGH v. 12.07.1995 – XII ZR 95/93, NJW 1995, 3052, 3053. 231  Löhner, Die freiwillige Streitschlichtung vor Gütestellen, S.  200; die Vereinbarung, die die Vertraulichkeistabrede vorsieht, also etwa der Mediatorvertrag, ist dann nach §  119 BGB anfecht­ bar, weil die Vertraulichkeit ebenso wie die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit wesentliche Ei­ genschaften des Moderators sind, vgl. in diesem Sinne auch Tochtermann, Die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Mediators, S.  221. 230 

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An dieser Stelle unterscheidet sich das Zivil- vom Strafrecht, weil es nicht das oben genannte Güterabwägungsprinzip anwendet, das eine an sich unzulässige Handlung ausnahmsweise erlauben kann. Dieser Umstand ist besonders für das Verhalten des Moderators von Bedeutung. Denn es ist gerade dessen Rechtswidrigkeit, die in den bisherigen Fällen zur Annah­ me einer Anfechtbarkeit des Vergleichs geführt hat. Dies zeigt sich in den Fällen der Drohung durch den moderierenden Richter, die bislang Gegenstand der höchstrich­ terlichen Rechtsprechung waren, so wie das noch heute232 in einschlägigen Fällen zitierte Judikat des BGH aus dem Jahre 1966.233 Der Vorsitzende Richter hatte die am Vergleichsschluss zweifelnde beklagte Partei zum Vertragsschluss bewegt, indem er – nachdem die Kammer sich zur Beratung zurückgezogen hatte – ankündigte, das Gericht werde ein stattgebendes Urteil ver­ künden, wenn der Beklagte dem Vergleich, den er vorher ablehnte, nicht zustimme. Dabei hatte der Richter ein Blatt mit der schriftlich niedergelegten Urteilsformel deutlich sichtbar vor sich liegen. Der BGH nahm eine widerrechtliche Drohung durch das Gericht an. Dabei lag die Widerrechtlichkeit dem Senat zufolge im Verstoß gegen die Vorschriften der ZPO.234 Denn der Vorsitzende hatte nach der Beratung die mündliche Verhandlung – formell – nicht wiedereröffnet. Bevor dann aber ein Urteil hätte verkündet werden können, hätte erneut verhandelt 235 und insbesondere hätte die Kammer sich erneut beraten müssen. Der Vorsitzende hatte aber den Eindruck vermittelt, das Urteil sofort zu verkünden. Damit habe der Richter ein Verhalten in Aussicht gestellt, das im Wider­ spruch zu den verfahrensrechtlichen Voraussetzungen stehe.236 Darin lag dann nach Auffassung des BGH der Unterschied zu den Fällen, in denen das Gericht im Laufe von Vergleichsverhandlungen den Parteien das Risiko vor Augen führt, das ihnen nach seiner Auffassung bei der Fortführung des Rechtsstreits droht. Die Entscheidung des BGH hat sehr unterschiedliche Reaktionen hervorgeru­ fen.237 Weil der Instanzrichter nicht nur der Partei in der dargestellten Weise den Ver­ gleich abgerungen hatte, sondern darüber hinaus auch über die klare Ablehnung von deren Prozessvertreter hinweggegangen war, feierte die Anwaltschaft die Entschei­ dung mit drastischen Worten. Ostler führte etwa an, dass in dem Übergehen des Prozessanwalts und der Weigerung, dessen Nein zu akzeptieren, das „Hässliche des LG-Verhaltens“ liege.238 Kritisiert wurde das Urteil, nicht minder heftig, von Vertretern der (Instanz-) Richterschaft. Arndt formuliert mit Blick auf die Begründung der Widerrechtlich­ keit durch den Verstoß gegen die Verfahrensregeln der ZPO: „Hier haben „Juris­ 232 

BAG v. 12.05.2010 – 2 AZR 544/08, AP BGB §  123 Nr.  68. BGH v. 06.07.1966 – Ib ZR 83/64, NJW 1966, 2399; zustimmend Staudinger/Singer/Finckenstein, BGB, §  123 Rn.  70. 234 Nach Wenzel, NJW 1967, 1587, 1588 f. hat der BGH die Widerrechtlichkeit prozessual belegt. 235  D.h. Anträge gestellt, vgl. BeckOK-ZPO/von Selle, §  128 Rn.  10. 236  BGH v. 06.07.1966 – Ib ZR 83/64, NJW 1966, 2399. 237  So die Einschätzung von Kubisch, NJW 1967, 1605; Dietrich, ZZP 120 (2007), 443, 451. 238  Ostler, NJW 1966, 2400. 233 

II. Täuschen und Drohen, §  123 BGB

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ten-Richter“ im BGH über die Praktiker gesiegt, aber die Sache der Justiz hat Scha­ den genommen.“239 Auch Schneider formuliert eine entsprechende Kritik, wenn er äußert, die Instanzrichter hätten kein Verständnis dafür und keine Zeit, derartigen Dogmen prozessualer Systematik zu huldigen.240 Dietrich vermutet mit Blick auf diese formalistische Herangehensweise, dass ein Urteil in dieser Form heute nicht mehr ergehen würde.241 Das mag zutreffen oder nicht – jedenfalls ist für die hiesige Untersuchung das Abstellen auf die Vorgaben, die sich für das Verhalten des Pro­ zess­richters aus der ZPO ergeben, von Bedeutung. In diesem Zusammenhang dürfte – und insofern verdient die Aussage Dietrichs Beachtung – jedoch auch das schon oben im Rahmen der Empfindlichkeit der Dro­ hung angesprochene Geringwertigkeitsprinzip von Bedeutung sein, das bei der Analyse des BGH keine Berücksichtigung fand. Dies hatte zur Folge, dass auch der eher geringe Verstoß gegen die formellen Verfahrensvorschriften zu einer Anfecht­ barkeit führte. Um auf diesem Wege eine Widerrechtlichkeit zu bejahen, muss allerdings eine Rechtswidrigkeit der Vorgehensweise auch tatsächlich vorliegen. Erweckt der Rich­ ter durch sein Verhalten bloß den Eindruck, er scheue die ggf. umständliche Urteils­ abfassung, dann verstößt er mit diesem Verhalten nicht gegen ungeschriebenes Rich­ terrecht, das verbietet, diesen Eindruck zu vermitteln bzw. verlangt, im Rahmen der Vergleichsverhandlungen nur schlicht und nüchtern auf die objektive Rechtslage hinzuweisen.242 Für die Moderationssituation gilt damit: Wenn das rechtswidrige Mttel die Wider­ rechtlichkeit der Drohung besorgen soll, dann muss ein nicht unerheblicher Verstoß gegen die an den Moderator gestellten Verhaltenspflichten vorliegen. Worin diese im Hinblick auf die Moderationssituation und vor dem Hintergrund der Prüfung des §  123 Abs.  1 BGB liegen könne, damit hat sich das BAG in seinem Urteil zur Frage der Anfechtbarkeit des Prozessvergleichs infolge der Drohung sei­ tens des Gerichts beschäftigt. Der dortige Instanzrichter in der Arbeitsgerichtsbar­ keit hat es dem BAG dann allerdings in Sachen Drohung um einiges leichter gemacht: Innerhalb einer insgesamt drei Stunden andauernden Verhandlung hat dieser un­ ter anderem 243 gegenüber der später anfechtenden Partei geäußert: „Gleich werden Sie an die Wand gestellt und erschossen; Ich reiße Ihnen den Kopf ab; Seien Sie ver­ nünftig, sonst müssen wir Sie zum Vergleich prügeln.“ Das BAG hat in seiner Entscheidung unter Heranziehung des geschilderten BGHJudi­kats festgehalten, dass es für die Anfechtung wegen Drohung unerheblich sei, von welcher Person die Drohung stamme. Diese könne auch von einem Dritten aus­ 239 

Arndt, NJW 1967, 1585, 1586. Schneider, NJW 1966, 2399; vgl. aber auch Wenzel (Arbeitsrichter), NJW 1967, 1587, der fragt: „Wie weit muss sich ein Richter von seinen elementarsten Berufspflichten entfernt haben, wenn ihm ein solch monströses Versagen zur Last gelegt wird?“ 241  Dietrich, ZZP 120 (2007), 443, 451. 242 A.A. Karakatsanes, Die Widerrechtlichkeit in §  123 BGB, S.  27. 243  Vgl. zu den weiteren Äußerungen des Gerichts den Tatbestand der Entscheidung BAG v. 12.05.2010 – 2 AZR 544/08, AP BGB §  123 Nr.  68. 240 

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F. Absicherung der gesteigerten Legitimation

gehen; Dritter könne auch das Gericht sein.244 Die Tatbestandsvoraussetzungen des §  123 Abs.  1 BGB waren infolge der eindeutigen Aussagen des Instanzrichters hier wohl leichter zu bejahen, sodass der Zweite Senat des BAG nicht den Begründungs­ aufwand des BGH betreiben musste. Dafür enthält die Entscheidung des BAG Aus­ führungen zu den grundsätzlichen Pflichten eines Richters bei dessen Beteiligung an Vergleichsverhandlungen. Das BAG setzt diesem Pflichtenkatalog Leitplanken, wenn es festhält, dass bei der Beurteilung, ob das Drängen des Gerichts auf einen Vergleichsabschluss nach den Umständen des Einzelfalls245 eine widerrechtliche Drohung darstellt, zwei wesentliche grundrechtliche Anforderungen mit zu berück­ sichtigen seien.246 Zum einen setze die Einbettung des Prozessvergleichs in das gerichtliche Urteils­ verfahren die Einhaltung verfahrensrechtlicher Vorschriften voraus, insbesondere des Gebots, einer Partei auch im Rahmen von Vergleichsverhandlungen Gelegenheit zu geben, ihren Standpunkt zu vertreten, und ihr rechtliches Gehör zu gewähren. Außerdem verlange der aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitete Justizgewährungs­ anspruch, einer Partei den Zugang zu Gerichten nicht in einer unzumutbaren, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigenden Weise zu erschweren.247 Die Entschei­ dung an sich sowie die wiedergegebenen Äußerungen sind dabei auf ein positives Echo gestoßen.248 Es sind damit die – leider nur marginal existierenden – gesetzlichen Vorgaben in Bezug auf die Vermittlung, die über die Widerrechtlichkeit des Mittels entscheiden. (b) Zweck Im Rahmen des Anfechtungsrechts liegt die geforderte Rechtswidrigkeit immer auch dann vor, wenn der Zweck rechtswidrig ist, d. h., der erstrebte Erfolg für sich selbst gesehen rechts- oder sittenwidrig ist.249 Unter diese Voraussetzung lässt sich die bei der Moderation existierende Situation regelmäßig nicht ohne weiteres subsu­ mieren, weil der erstrebte Zweck der Drohung, d. h. der geschlossene moderierte Vertrag, nicht ohne weiteres rechts- oder sittenwidrig ist, wenn er nicht wegen seines Inhalts gesetzeswidrig ist, etwa weil in ihm ein verbotenes Handeln mit Drogen be­ inhaltet ist. Da der Moderator in der im Rahmen dieser Untersuchung herausgearbeiteten Konstellation jedoch keinen finanziellen Vorteil durch den Abschluss des moderier­ ten Vertrags hat, weil die Parteien regelmäßig gerade keine Erfolgsprämie schulden, scheidet auch eine Strafbarkeit nach §  253 StGB aus.

244 

BAG v. 12.05.2010 – 2 AZR 544/08, AP BGB §  123 Nr.  68. Wie der Richter das Vergleichsgespräch zu gestalten habe, lässt sich letztlich nur im Einzelfall bestimmen, so auch schon Dietrich, ZZP 2007, 443, 448. 246  BAG v. 12.05.2010 – 2 AZR 544/08, AP BGB §  123 Nr.  68. 247  BAG v. 12.05.2010 – 2 AZR 544/08, AP BGB §  123 Nr.  68. 248  Ulrici, jurisPr-ArbR 49/2010, Anm.  1; Brugger/Ziegler, NJW-Spezial 2011, 114. 249  Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, S.  353; Moritz, in: Herberger/Marti­ nek/Rüßmann u. a., jurisPK-BGB, §  123 Rn.  99. 245 

II. Täuschen und Drohen, §  123 BGB

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Zwar ist – wie dargestellt – im Strafrecht eine Zweck-Mittel-Relation angelegt mit der Folge, dass auch die aktuelle Fallgruppe, die eine Widerrechtlichkeit aus der Rechtswidrigkeit des Zwecks folgert, nicht direkt existiert. Wendet man demgegenüber das oben geschilderte Rechtswidrigkeitsprinzip aus der Prüfung des §  240 Abs.  2 StGB an, so kommt man zu vergleichbaren Ergebnissen, weil dieses Prinzip sagt, dass eine Nötigung dann verwerflich ist, wenn ihr Ziel die Erzwingung eines Handelns ist, das seinerseits verboten ist. Diese tatsächlich doch existierende Nähe zwischen den Rechtsgebieten lässt es zu, einem Aspekt aus der strafrechtlichen Betrachtung aufzugreifen, der für die Drohung durch den Modera­ tor von Bedeutung ist. Denn die Verwerflichkeit des erstrebten Zwecks meint im Rahmen der strafrechtlichen Prüfung die subjektive Zielsetzung des Täters.250 Überträgt man diesen Ansatz auf die Situation bei der Moderation, so würde nicht bloß der objektiv vorliegende Abschluss des moderierten Vertrags über die Wider­ rechtlichkeit entscheiden, vielmehr würde der Blick geweitet und die Perspektive des Drohenden eingenommen. Das ist eine Vorgehensweise, die weniger beim zivilrecht­ lichen Grundfall, der Drohung durch den Vertragspartner, angezeigt ist; sehr viel mehr jedoch bei der hiesigen Konstellation der Drohung eines am Vertrag materi­ ell-rechtlich nicht beteiligten Dritten. Fokussiert man auf die subjektive Zielsetzung des Moderators, dann lässt sich eine Widerrechtlichkeit der Drohung sehr viel eher annehmen als beim bloßen Abstellen auf das objektive Ziel seiner Drohung, den mo­ derierten Vertrag und dessen Inhalt. Handelt der Moderator getrieben von seinem eigenen Interesse am Abschluss des moderierten Vertrags, dessen Abschluss ihm (selten) finanzielle oder (durchaus denkbar) ideelle Vorteile sichert, dann erscheint eine solche Überhöhung des eigenen Interesses zum Nachteil der Selbstbestimmung einer bzw. beider Parteien verwerflich. Denn der Moderator ist aufgrund seines ver­ trags- oder prozessrechtlichen Verhältnisses verpflichtet, den existierenden Konflikt auf Basis der existierenden Selbstbestimmung der Parteien zu lösen. Beeinträchtigt er diese Selbstbestimmung, deren Garant er gerade sein soll, 251 so ließe sich darin eine besondere Verwerflichkeit erkennen, wenn dies nur vor dem Hintergrund seiner Interessen am Abschluss des moderierten Vertrags geschieht. An dieser Stelle sind daher auch diejenigen Stimmen zu verorten, die dem vermit­ telnden Richter aufgeben, nicht allzu sehr auf einen Vergleich zu drängen, weil er sich ansonsten dem Verdacht aussetze, er scheue die Mühen der Findung und Abfas­ sung des Urteils.252 Genauso wenig stehe der Prozessvergleich als Hintertür parat, schwierigen Rechtsfragen auszuweichen.253 Diese soeben beschriebene Folge stellt letztlich lediglich eine weitere Dimension der Rolle des Moderators als unbeteiligter Beteiligter dar, weil hier Elemente der 250  Eisele/Eser, in: Schönke/Schröder, StGB, §  240 Rn.  21; vgl. BGH v. 11.05.1962 – 4 StR 81/62, BGHSt 17, 332; BGH v. 19.06.1963 – 4 StR 132/63, BGHSt 18, 392. 251  Zum Moderator als Garant der Selbstbestimmung siehe oben unter E.III.2.d). 252  BGH v. 06.07.1966 – Ib ZR 83/64, NJW 1966, 2399; unter Bezugnahme auf Rosenberg, Lehr­ buch des deutschen Zivilprozeßrechts, §  58 II 6, S.  270; ebenfalls Brugger/Ziegler, NJW-Spezial 2011, 114. 253  Brugger/Ziegler, NJW-Spezial 2011, 114.

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F. Absicherung der gesteigerten Legitimation

„Beteiligung“ (die geschuldete Vermittlung und das Interesse am Abschluss des Ver­ trags) auf diejenigen der Funktion als „Unbeteiligter“ (keine Partizipation am Ver­ trag, Neutralität und Unabhängigkeit gegenüber den Parteien) treffen, die die Bedeu­ tung der Figur des Moderators ausmachen. (c) Zweck-Mittel-Relation Die Prüfung der Widerrechtlichkeit endet nicht bei der isolierten Betrachtung des Drohungszwecks; vielmehr wird auf das (fehlende) Verhältnis des Mittels zum Zweck zur Bestimmung der Widerrechtlichkeit abgestellt. Wie im Rahmen des Nö­ tigungstatbestands gilt auch hier, dass sich die Verwerflichkeit aus der sozial-ethi­ schen Missbilligung der Verbindung von Mittel und Zweck ergeben muss,254 d. h., mit durchaus erlaubten Mitteln werden sachfremde – an sich erlaubte – Zwecke ver­ folgt.255 Das verlangt regelmäßig nicht weniger als ein noch sozial adäquates von ei­ nem schon widerrechtlichen Geschäftsgebaren zu unterscheiden 256 und wird nicht wesentlich dadurch vereinfacht, dass für die Beurteilung, ob es an einem angemessen Zusammenhang zwischen Zweck und Mittel fehlt, die Grundsätze von Treu und Glauben heranzuziehen sind.257 Neben diesen eher allgemeinen Maßstäben bleibt im Rahmen der Verhältnismä­ ßigkeit von Mittel und Zweck zu fragen, ob die Entschließungsfreiheit so beeinträch­ tigt ist, dass man dem Bedrohten zum Schutze seiner Selbstbestimmung das Recht einräumen muss, sich von dem Rechtsgeschäft zu lösen, was nur bei Berücksichti­ gung der konkreten Belange des Bedrohten und des Drohenden zu entscheiden ist.258 Für die Widerrechtlichkeit ist deshalb eine Interessenabwägung zentral,259 die je­ doch üblicherweise, d. h. im Falle der Drohung seitens des vermeintlichen Vertrags­ partners, stattfindet zwischen dem Lösungsinteresse des Bedrohten und dem Inte­ resse des Drohenden, am vertraglichen Status quo festzuhalten. Es fehlt deswegen an einem unangemessenen Verhältnis von Mittel und Zweck, wenn der Drohende auf den erpressten Erfolg einen Rechtsanspruch hatte.260 Diese Kategorien helfen bei der Beurteilung der Drohung durch den Moderator nicht unmittelbar weiter, weil er gerade keinen eigenen Vertragsschluss beabsichtigt. (d) Konnexität Das Kriterium der Konnexität kann jedoch dafür sorgen, die im Kontext der Mode­ ration ausgesprochene Drohung besser beurteilen zu können. Fehlt es nämlich an einem ausreichenden Zusammenhang zwischen dem Ziel, zu dessen Erreichen das 254 

Arnold, in: Erman, BGB, §  123 Rn.  48. Moritz, in: Herberger/Martinek/Rüßmann u. a., jurisPK-BGB, §  123 Rn.  99. 256 Staudinger/Singer/Finckenstein, BGB, §  123 Rn.  78. 257  BGH v. 23.09.1957 – VII ZR 403/56, BGHZ 25, 217, 221; BGH v. 04.11.1982 – VII ZR 11/82, NJW 1983, 384; vgl. auch Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, S.  353. 258  BGH v. 23.09.1957 – VII ZR 403/56, BGHZ 25, 217, 223; Arnold, in: Erman, BGB, §  123 Rn.  49. 259  Vgl. Soergel/Hefermehl, BGB, §  123 Rn.  47; Arnold, in: Erman, BGB, §  123 Rn.  49. 260  Arnold, in: Erman, BGB, §  123 Rn.  49 mit weiteren Beispielen aus der Rspr. 255 

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465

dann sachfremde Mittel eingesetzt wird, so lässt sich eine Widerrechtlichkeit beja­ hen. Deshalb gilt die Drohung mit einer für sich genommen berechtigten Strafanzei­ ge, mit der aber ein Erfolg erreicht werden soll, der mit der Straftat in keinem Zusam­ menhang steht, als Paradebeispiel für die Inadäquanz von Mittel und Zweck.261 Wie schon im Rahmen der Betrachtung der Widerrechtlichkeit des Zwecks ist es auch bei der Beurteilung der Relation der vergleichende Blick ins Strafrecht, der hilft, die bei der Moderation existierende Situation leichter zu beurteilen. Denn auch dort wird zur Beurteilung der Rechtswidrigkeit das Prinzip des fehlenden Zusam­ menhangs herangezogen, demzufolge auch derjenige nötigt, der an sich legitime Zwecke verfolgt, wenn er sich hierzu eines Mittels bedient, das mit dem Ziel in keiner inneren Beziehung steht, weil das Nötigungsmittel zur Durchsetzung des An­ spruchs dann nicht mehr toleriert werden kann.262 Auch bei der strafrechtlichen Beurteilung findet eine Interessensabwägung statt, in deren Rahmen die Frage der fehlenden Konnexität ein, aber nicht das alleinige Kriterium ist. Auch und gerade das Selbstverantwortungsprinzip ist zu berücksich­ tigen. In den Fällen der Drohung mit der Nichtvornahme einer Handlung bedeutet dies, dass eine Verwerflichkeit ausscheidet, wenn die Drohung tatsächlich nur den Handlungsspielraum des Bedrohten erweitert, die Autonomie seiner Entschlüsse je­ doch nicht in strafwürdiger Weise angetastet wird.263 Für diese Frage ist dann – und hier zeigt sich das Zusammenwirken – der Umstand bedeutend, ob zwischen der angedrohten Situationsverschlechterung bzw. der Nichtabwendung einer drohenden Gefahr und dem abgenötigten Opferverhalten Konnexität besteht.264 An dieser Stelle lässt sich dann eine weitere Argumentation, die zur Drohung durch den Richter seitens des RAG angestellt wurde, dogmatisch unterfüttern. Ge­ rade mit Blick auf die fehlende Verbindung hat es ausgeführt, dass die vom Vorsit­ zenden in Aussicht gestellte Handlung, nämlich die Übersendung der Akten an die Staatsanwaltschaft, an sich nicht widerrechtlich gewesen wäre. Widerrechtlich – so das RAG – wäre es aber, wenn der Vorsitzende sich auf den Standpunkt gestellt hätte, dass er im Falle des Abschlusses des Vergleichs von der Herbeiführung des Strafver­ fahrens absehen, diesen Schritt aber gehen werde, wenn der Vergleich nicht zustande kommt. Denn der Vorsitzende hätte kein Recht gehabt, die Möglichkeit der Herbei­ führung eines Strafverfahrens gegen eine Partei dazu auszunutzen, um ihre Zustim­ mung zu dem Vergleich zu erzwingen.265 Diese Entscheidung verdeutlicht die Bedeutung des Prinzips des fehlenden Zu­ sammenhangs für die Beurteilung der Drohung durch den Moderator.

261 Staudinger/Singer/Finckenstein,

BGB, §  123 Rn.  79. Eser/Eisele, in: Schönke/Schröder, StGB, §  240 Rn.  23. 263 MünchKommStGB/Sinn, §  240 Rn.  156. 264 MünchKommStGB/Sinn, §  240 Rn.  156. 265  RAG v. 13.11.1940 – RAG 95/40, ARS 1940, 334, 340. 262 

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F. Absicherung der gesteigerten Legitimation

(3) Vorstellung des Drohenden/subjektive Seite der Rechtswidrigkeit Ob der Drohende, d. h. hier der Moderator, sich notwendigerweise der Rechtswid­ rigkeit seiner Drohung bewusst gewesen sein muss, ist schon in diesem Ausgangs­ punkt umstritten,266 jedoch gerade mit Blick auf die Situation bei der Drohung durch einen Dritten zu verneinen.267 Die Frage, ob der Drohende vor dem Hintergrund seiner evtl. guten Absichten Schutz verdiene, ist schon im Rahmen der Drohung durch den Vertragspartner kritisch zu beurteilen. Bei der Drohung durch Dritte wie dem Moderator führte dies aus der Sicht der Parteien des moderierten Vertrags, die von einer Anfechtbarkeit des Vertrags betroffen wären, zu zufälligen Ergebnissen, die sich weder mit dem gesetzlichen Telos des §  123 BGB als Schutznorm zugunsten der Selbstbestimmung268 noch mit der Rolle des Moderators als Garanten der Selbst­ bestimmung vertragen lassen. Selbst wenn man mit der Ansicht des BGH von einem entsprechenden Erfordernis auch für die Drohung durch den Moderator ausgehen wollte, geht damit vor dem Hintergrund der beim Moderator vorliegenden Motivationslage regelmäßig keine wesentliche Beschränkung einher. (4) Doppeldrohung Was eben für die Täuschung unter dem Stichwort Doppeltäuschung gesagt wurde, gilt für die Drohung nicht in gleicher Weise. Zwar ist es wie bei der Täuschung vor­ stellbar, dass der Moderator beiden Parteien droht, jedoch geschieht dies – sofern es in einer gemeinsamen Sitzung geschieht – nicht heimlich und ohne Kenntnis der anderen Partei. Im Falle beidseitiger Kenntnis können beide Parteien den unter Dro­ hung geschlossenen Vertrag dann auch einvernehmlich aufheben. Etwas anderes gilt, wenn der Moderator zwar beiden Parteien gedroht hat, dies aber getrennt geschehen ist. Dann stellt sich die soeben geschilderte Situation, die nur die Drohung gegenüber einer Partei vor Augen hatte, jeweils für beide Parteien dar.

3. Ergebnis Das Ergebnis der Untersuchung des §  123 Abs.  1 BGB kann nicht zufriedenstellen, wenn man sich in Erinnerung ruft, dass Ausgangspunkt die Frage war, ob von der Vorschrift ein effizienter Schutz für die Selbstbestimmung der Parteien vor einer Manipulation durch den Moderator ausgeht. Denn der Schutz vor einer die Willensbildung beeinträchtigenden Täuschung oder Drohung seitens des Moderators kann zwar grundsätzlich auch durch die Einräu­ mung eines Anfechtungsrechts nach §  123 BGB gewährleistet werden. Die Hürden,

266 

Pro: BGH v. 23.09.1957 – VII ZR 403/56, BGHZ 25, 217, 224; contra: BeckOK-BGB/Wendtland, §  123 Rn.  35; Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, S.  359 m. w. N. in Fn.  865. 267  So gerade auch Lorenz, JZ 1963, 319 f. 268  Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, S.   359; BeckOK-BGB/Wendtland, §  123 Rn.  1; Lorenz, JZ 1963, 319 f.

II. Täuschen und Drohen, §  123 BGB

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die der Tatbestand des §  123 BGB vor eine Anfechtungsmöglichkeit stellt, sind aller­ dings hoch. Für die Täuschung gilt zunächst, dass mit der Einordnung des Moderators als Dritten im Sinne des §  123 Abs.  2 BGB die notwendige Kenntnis bzw. fahrlässige Unkenntnis des Vertragspartners von der Täuschung durch den Moderator einher­ geht. Diesbezüglich konnten jedoch systemische, der Moderationssituation geschul­ dete Gründe identifiziert werden, die regelmäßig gegen eine Kenntnis des Erklä­ rungsempfängers sprechen. Bei der Drohung folgte die Einschränkung weniger aus dem Umstand, dass diese von einem Dritten stammt, sondern aus den an den Drohungsbegriff gestellten An­ forderungen. Die Analyse der einschlägigen Rechtsprechung ergab, dass eine Grenz­ ziehung zwischen Aussagen des Moderators, die den Drohungstatbestand erfüllen und solchen, die er als Hinweis sogar im Rahmen seiner Tätigkeit schuldet, schwer­ fallen kann. Festhalten lässt sich allerdings auch, dass – allein schon wegen der Folge der An­ fechtbarkeit – die Vorschrift des §  123 BGB den Mangelbegriff des Moderatorver­ trags beschreibt.269 Liegen die Tatbestandsvoraussetzungen vor, hat der Moderator mangelhaft vermittelt, d. h. gegen seine (z. T. dienstvertragliche) Moderatorenpflicht verstoßen, weil er in jeden Fall die Vermittlung eines nicht infolge seiner Tätigkeit anfechtbaren Vertrags schuldet. Täuschung und Drohung stellen insofern eine Pflichtverletzung dar.270 Die denklogische Verbindung zwischen der Regelung des §  123 BGB und der Mo­ derationssituation ist jedoch vielschichtiger, als diese Feststellung vermuten ließe. Denn nicht nur der Tatbestand des §  123 BGB beeinflusst die Bewertung der Tätig­ keit des Moderators, auch umgekehrt haben die im Rahmen der Moderationssituati­ on bestehenden Besonderheiten Einfluss auf den Anfechtungstatbestand. Das hat sich etwa bei der Beurteilung der Widerrechtlichkeit der Drohung gezeigt. Die Frage der Widerrechtlichkeit des Mittels, des Zwecks oder der Relation zwischen beiden wird durch die Umstände, wie sie bei der Moderation vorliegen, zentral mitbestimmt.

4. Die juristische Mehrdimensionalität Die Anfechtbarkeit ist, sofern eine Drohung oder Täuschung bejaht, nicht die einzi­ ge Folge, die innerhalb der Moderationssituation zu beachten ist. Mit der Feststel­ lung gehen – je nachdem, welches Verhältnis man betrachtet – weitere Folgen einher. a) Das Verhältnis zwischen Moderator und Partei Dass die Vornahme einer Täuschung bzw. Drohung eine Verletzung der Moderator­ pflichten darstellt, konnte schon aufgezeigt werden. Dies führt zu einem grundsätz­ 269  D.h. des Vertrages, der der Tätigkeit des Moderators zu Grunde liegt, nicht des moderierten Vertrages! 270  Dies formuliert für den Mediator explizit Greger, in: Greger/Unberath/Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, §  2 MedG Rn.  167.

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F. Absicherung der gesteigerten Legitimation

lich möglichen Schadensersatzanspruch nach §  280 Abs.  1 BGB, wobei allerdings das Bestehen eines ersatzfähigen Schadens infolge der Pflichtverletzung im konkreten Fall häufig nur schwer nachzuweisen sein wird. Die gütliche Einigung hat an sich keinen bezifferbaren Wert. Die Parteien sind bei Täuschung und Drohung durch den Moderator jedoch zur fristlosen Kündigung des Moderatorvertrags gemäß §  626 Abs.  1 BGB berechtigt, sofern der Moderatorentätigkeit ein solcher zugrunde liegt. Wie schon beim Scha­ densersatz ist der Hinweis auf die Kündigungsmöglichkeit eher theoretischer Natur. Weil der Moderator im Sinne des §  627 BGB Dienste höherer Art leistet, die ihm aufgrund besonderen Vertrauens übertragen werden, ist die jederzeitige Kündigung des Moderatorvertrags nach §  627 BGB ohnehin möglich.271 Das gilt unabhängig da­ von, ob das Verhalten des Moderators in Form der Täuschung oder Drohung die Annahme eines wichtigen Grundes im Sinne von §  626 BGB rechtfertigt. b) Verhältnis zwischen den Parteien Die Anfechtungsmöglichkeit selbst bestimmt zunächst schon das Verhältnis zwi­ schen den Parteien. Im Falle der Anfechtung nach §§  119, 120 BGB sieht §  122 BGB zudem den Ersatz des Vertrauensschadens durch den Anfechtenden vor; eine Vor­ schrift, die für eine Anfechtung infolge der Vorschrift des §  123 BGB nicht gilt. An­ ders als bei §§  119, 120 BGB verdient der Anfechtungsgegner keinen Schutz, da die Täuschung bzw. die Drohung – im bilateralen Grundfall der Norm – gerade von ihm ausgehen. Diese Überlegung greift jedoch nicht für die Drohung und die Täuschung durch den Moderator, da dieser nicht der zukünftige Vertragspartner und Profiteur der Anfechtung ist. Das führt zur Frage, ob die Vorschrift des §  122 BGB auf die Fälle der Dritttäuschung bzw. Drittdrohung analog angewendet werden soll(te). Für die Frage der Täuschung lässt sich der Gedanke einer analogen Anwendung schnell wieder ad acta legen. Denn für die Täuschung durch Dritte schafft die An­ wendung der Vorschrift des §  123 Abs.  2 BGB eine Zurechnung der Täuschungs­ handlung zum Erklärungsempfänger, der dann – wieder vergleichbar mit dem Grundfall des §  123 BGB – als Profiteur der Täuschung und damit als nicht mehr schutzwürdig erscheint. Für die Konstellation bei der Drittdrohung gilt dies nicht in gleicher Weise, weil infolge der fehlenden Anwendung des §  123 Abs.  2 BGB das zurechnende Element fehlt. Weder für die Drittanfechtung im Allgemeinen noch für die Drohung durch den Moderator im Besonderen lässt sich deswegen eine analoge Anwendung der Norm des §  122 BGB bejahen.272 Droht der Moderator wie bei den geschilderten Fällen des richterlichen Fehlver­ haltens im Rahmen der Gerichtsverhandlung, so geschieht dies ohnehin in Kenntnis des anderen Vertragspartners. Wenn diese Partei dann – wissend um die Lage der anderen – einen (moderierten) Vertrag schließt, fehlt es ihr ebenso an Schutzbedürf­ 271 

So im Ergebnis auch Löhner, Die freiwillige Streitschlichtung vor Gütestellen, S.  200. A.A. für den Fall der Gutgläubigkeit des Anfechtungsgegners MünchKommBGB/Armbrüster, §  123 Rn.  129 mit Verweis auf Köhler, BGB AT, §  7 Rn.  59. 272 

III. Verhandelnd zum moderierten Vertrag, §  311 Abs.  2 BGB

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tigkeit wie demjenigen, der von der Täuschung durch den Moderator profitiert und hiervon – wie §  123 Abs.  2 BGB unter anderem verlangt – weiß bzw. hätte wissen müssen. In diesen Fällen der Moderation spricht also schon die Interessenlage nicht für eine Anwendung des §  122 BGB. Eine Kenntnis der anderen Partei von der Drohung ist aber im Rahmen der Mode­ ration nicht zwingend gegeben, da die Vermittlungsleistung des Moderators nicht notwendigerweise bei Anwesenheit beider Parteien stattfinden muss. In diesem Fall ist es dann nicht die bestehende Interessenlage, sondern die bewuss­ te Entscheidung des Gesetzgebers, die einer entsprechenden Anwendung der Scha­ densersatzregelung entgegensteht. Auf den Schutz der mit der fehlenden Kenntnis von der Bedrohung einhergehenden Gutgläubigkeit des Erklärungsempfängers hat der Gesetzgeber – auch für die Konstellation der Drittdrohung – zugunsten des be­ sonderen Schutzes des Bedrohten verzichtet.273 Diese Entscheidung kann – weil es an einer lückenhaften Gesetzgebung fehlt – somit auch nicht im Wege der Analogie umgangen werden.274

III. Verhandelnd zum moderierten Vertrag, §  311 Abs.  2 BGB Die Betrachtung der §§  123, 779 BGB hat ergeben, dass (allein) mithilfe dieser Vor­ schriften keine adäquate Absicherung der Legitimation des moderierten Vertrags zu erreichen ist. Damit ist im nächsten Schritt die Regelung des §  311 Abs.  2 BGB in ihrer Bedeutung für die gestiegene Legitimation des moderierten Vertrags zu unter­ suchen. Anders als im Falle der Analyse der §§  779 und 123 BGB drängt sich die Einschlä­ gigkeit der Vorschrift des §  311 Abs.  2 BGB für die Frage der Absicherung der Legi­ timation des moderierten Vertrags nicht unmittelbar auf. Deshalb wird die Darle­ gung dieser Bedeutung in einem ersten Schritt (unter 1.) der eigentlichen Analyse des Tatbestands (unter 2.) vorangestellt.

1. Bedeutung für den moderierten Vertrag Zur Darlegung der Bedeutung der Vorschrift des §  311 Abs.  2 BGB für die Absiche­ rung der gesteigerten Legitimation des moderierten Vertrags ist die Beantwortung von drei (Vor-)Fragen notwendig. Dabei handelt es sich zunächst um diejenige da­ nach, warum hier die Wahl auf den zweiten und nicht auf den dritten Absatz der Vorschrift des §  311 BGB gefallen ist, obwohl letzterer eher eine Drei-Personen-Per­ spektive einnimmt. Der Gegenstand der aktuellen Untersuchung ist die rechtliche Absicherung vor einer Manipulation des Moderators als eigentlichem Garanten der Selbstbestimmung. Das bringt die zweite Frage danach mit sich, ob §  311 Abs.  2 BGB überhaupt zum Schutz der Entscheidungsfreiheit der Vertragsparteien konzipiert ist. 273  274 

Arnold, in: Erman, BGB, §  123 Rn.  56. Ausf. vgl. Röckrath, in: FS Canaris, S.  1105, 1114.

470

F. Absicherung der gesteigerten Legitimation

Mit Blick auf die Analyse des §  123 BGB ist dann drittens zu fragen, ob die Vor­ schrift des §  311 Abs.  2 BGB überhaupt neben §  123 BGB anwendbar ist. a) Warum §  311 Abs.  2 und nicht Abs.  3? Auf den ersten Blick scheint die Regelung des §  311 Abs.  3 BGB interessanter für diese Analyse. Anlass, sich erneut die Perspektive zu vergegenwärtigen, aus der die Untersuchung auf die Vermittlung blickt: aus der Sicht des moderierten Vertrags. Vor diesem Hintergrund bleibt die Vorschrift des §  311 Abs.  3 BGB hier unbeachtet, weil schon ihr Wortlaut von Personen spricht, die nicht selbst Vertragspartei werden sollen. Damit handelt es sich um eine Vorschrift, die für eine evtl. Haftung des Mo­ derators interessant sein könnte, 275 aber nicht für die Frage nach einem „Rechtsmit­ tel“ gegen den durch manipulative Moderation zustande gekommenen moderierten Vertrag. Auch vor diesem Hintergrund erschließt sich die Einschlägigkeit der Regelung des §  311 Abs.  2 BGB nicht unmittelbar. Perspektive der Vorschrift des §  311 Abs.  2 BGB ist entweder das Verhältnis einer Partei zum Moderator oder das an dieser Stelle be­ deutsame vorvertragliche Verhältnis zwischen den (späteren) Vertragsparteien. Ins­ besondere der Verhandlungsprozess und die diesbezügliche Rolle des Moderators interessieren. Diese Verhandlungen finden im Schatten des Rechts statt.276 Insbesondere die Be­ sonderheiten des Vertragsschlusses im Konflikt finden keine gesetzliche Regelung.277 Einzige juristische Lichtquelle ist die Vorschrift des §  311 Abs.  2 BGB, die einschlä­ gig ist, wenn es um die Regeln für den bilateralen Verhandlungsprozess geht.278 Zwar sollen die Regeln zum Vertragsschluss allein nicht Gegenstand der hiesigen Untersuchung sein. Aber die Analyse dessen, was sich aus der Vorschrift für die Vertragsverhandlungen ergibt, dient als Vorarbeit für die sich dann anschließende Frage, welche der Erkenntnisse sich nutzbar machen lassen für den Schutz des mode­ rierten Vertrags gegen die Manipulation durch den Moderator. Bevor die Analyse dessen, was aus der Vorschrift für die Vertragsverhandlungen an Erkenntnissen zu gewinnen sein könnte, beginnen kann, sind auch für das Ver­ hältnis zwischen den Vertragsparteien untereinander noch zwei Fragen zu beant­ worten: Schützt die Vorschrift in ihrer Grundausrichtung überhaupt vor einer Ma­ nipulation in der Verhandlung? Und: Ist die Vorschrift des §  311 Abs.  2 BGB neben §  123 BGB anwendbar?

275  Sie ist es im Ergebnis nicht, weil auch die Vorschrift des §  311 Abs.  3 BGB nicht abzielt auf die Haftung eines neutralen, unabhängigen und „lagerfreien“ Dritten; vgl. Tochtermann, Die Unab­ hängigkeit und Unparteilichkeit des Mediators, S.  230; Staudinger/Löwisch, BGB, §  311 Rn.  162. 276 Vgl. Breidenbach, Mediation, S.  104; anders Wendland, der diese Metapher für die Mediation anders aktzentuieren möchte, wenn er formuliert: „Mediation vollzieht sich nicht im rechtlosen Raum, sondern im Schatten des Rechts“, Wendland, Mediation und Zivilprozess, S.  532. 277  Wendenburg, KritV 2015, 33, 38. 278 NK-BGB/Schulze, Vor §§  145–157 Rn.  17.

III. Verhandelnd zum moderierten Vertrag, §  311 Abs.  2 BGB

471

b) Schutz vor Manipulation Um bei der Manipulation des Moderators weiterzuhelfen, müsste die Vorschrift des §  311 Abs.  2 BGB auch im Zwei-Personen-Verhältnis vor der Willensmanipulation der anderen Vertragspartei schützen, also insofern vergleichbar sein mit der Wirk­ weise des §  123 BGB in seiner bilateralen Ausgangskonstellation. Die Vorschrift des §  311 Abs.  2 BGB räumt jedoch keine Anfechtungsmöglichkeit ein. Vielmehr zielt sie in letzter Konsequenz auf die Gewährung von Schadensersatz gemäß §  280 Abs.  1 BGB, wenn diejenigen Pflichten, die §  311 Abs.  2 BGB auch schon für die Zeit vor dem Abschluss des Vertrags postuliert, verletzt werden. Bei diesen Pflichten handelt es sich um solche nach §  241 Abs.  2 BGB, d. h. um Rücksichtnahmepflichten in Bezug auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils. Damit von der Vorschrift im bilateralen Verhandlungsverhältnis ein Schutz vor Manipulation ausgeht, müsste damit erstens der Schutz der Entscheidungsfreiheit des vertraglichen Gegenübers zu den „Interessen“ gehören, die §  241 Abs.  2 BGB erfasst und die gemäß §  311 Abs.  2 BGB auch im Rahmen des Verhandlungsprozesses zu beachten sind. Darüber hinaus müsste – zweitens – die aus einer Verletzung dieser Pflicht resultierende Rechtsfolge (wie die Anfechtung) auf die Beseitigung des mode­ rierten Vertrags zielen. aa) Interesse Am Tatbestandsmerkmal des Interesses entscheidet sich die Frage, ob die Herbei­ führung eines Vertrags, der nicht auf dem freien Willen des Gegenübers beruht, ein Fall der – nunmehr in §  311 Abs.  2 und 3 BGB geregelten – Culpa in contrahendo ist. Was vor der Normierung umstritten war, ist heute zu bejahen.279 Dafür sprechen nicht zuletzt die Gesetzgebungsmaterialien, aus denen hervorgeht, dass der Gesetz­ geber neben „Rechten und Rechtsgütern“ zusätzlich den Begriff „Interessen“ aufge­ nommen hat, „um deutlich zu machen, dass auch Vermögensinteressen sowie andere Interessen wie zum Beispiel die Entscheidungsfreiheit zu schützen sein können.“280 Damit ist auch 281 die Entscheidungsfreiheit der Vertragspartner vom Begriff des In­ teresses im Sinne des §  311 Abs.  2 i. V. m. §  241 Abs.  2 BGB umfasst.282 bb) Rechtsfolge Um den hier in Rede stehenden Schutz des moderierten Vertrags vor einer Willens­ manipulation zu gewährleisten, müsste aus der Anwendung der Vorschrift zudem 279 So auch Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, S.   388; siehe auch dort die Nachweise zur vor Schaffung des §  311 BGB vertretenen Gegenauffassung; a. A. zuvor etwa: BGH v. 26.09.1997 – V ZR 29/96, NJW 1998, 302, 304. 280  BT-Drs. 14/6040, S.  126; vgl. auch S.  163. 281  Neben den Vermögensinteressen vgl. nur BT-Drs. 14/6040, S.  163. 282  So auch Canaris, JZ 2001, 499, 519; Lorenz, NJW 1997, 2578, 2579; BeckOK-BGB/Sutschet, §  311 Rn.  4 4; HK-BGB/Schulze, §  311 Rn.  23; Wagner, NJW 2005, 2956, 2958; Plum, MDR 2020, 69, 70; eher krit. Kamanabrou, RdA 2020, 201, 205, die darauf hinweist, es sei lediglich um den Schutz der Entscheidungsfreiheit vor Falschinformation zu schützen gewesen.

472

F. Absicherung der gesteigerten Legitimation

für denjenigen, dessen Entscheidungsfreiheit nicht gewahrt wurde, ein Lösungsrecht vom Vertrag folgen. Zunächst bringt die Verletzung der Entscheidungsfreiheit ein Schadensersatzanspruch nach §  280 Abs.  1 BGB mit sich, wenn dem Anspruchsgeg­ ner – vermutetes – Verschulden vorzuwerfen ist. Ein solcher Schadensersatzanspruch zielt nach dem schadensrechtlichen Grundsatz der Naturalrestitution auf die Her­ stellung des Zustands, der bestehen würde, wenn die Pflichtverletzung, also die Be­ einträchtigung der Entscheidungsfreiheit, nicht stattgefunden hätte. Abgesehen von nur unwesentlichen Manipulationen wird der Geschädigte regelmäßig den Vertrag nicht oder jedenfalls mit anderem Inhalt abgeschlossen haben, wäre er in seiner Ent­ scheidung frei gewesen. Bei der Absicherung der Legitimation des moderierten Ver­ trags sind die Konstellationen von Interesse, die den Vertragspartner zum Abschluss eines (so) nicht gewollten Vertrags bewegen. Damit wäre also im Wege des Schadens­ ersatzes der Weg frei für eine Loslösung vom Vertrag. c) Verortung Es ist – neben den Voraussetzungen, die an den Schadensersatzanspruch gestellt wer­ den – auch die Frage der Verortung der rechtlichen Reaktion auf die fehlende Ent­ scheidungsfreiheit einer Partei, die in diesem Zusammenhang zu nennen ist. Virulent geworden ist dies bei den Fragen des eklatanten Machtungleichgewichts, das zum Ausschluss der Entscheidungsfreiheit der unterlegenen Partei führt. Hier hat die bundesverfassungsgerichtliche Rechtsprechung festgelegt, dass – vor dem Hinter­ grund der über Art.  2 Abs.  1 GG geschützten Privatautonomie – Verträge keinen Bestand haben dürfen, die nicht auf der hinreichend freien Willensbetätigung der Vertragspartner beruhen.283 Ob dies über die zivilrechtlichen Generalklauseln der §§  138 bzw. 242 BGB oder das Rechtsinstitut der Culpa in contrahendo geschieht, ist verfassungsrechtlich nicht vorgegeben.284 Der für diese Situation von der Rechtspre­ chung präferierte Weg über §  138 BGB ist demnach nicht alternativlos. Gerade dann, wenn die Unerwünschtheit des Vertrags aus dem Blickwinkel der betreffenden Par­ tei unter Berücksichtigung nicht allein des Vertragsinhaltes, sondern der Art und Weise des Zustandekommens beurteilt werden muss, empfiehlt es sich, die Entschei­ dung darüber, ob der Vertrag gelten soll oder nicht, in die Hände der eventuell be­ nachteiligten Partei zu legen.285 Eine Lösung über das Rechtsinstitut der Culpa in contrahendo wird zudem deswegen präferiert, weil der daraus folgende Schadenser­ satzanspruch – im Gegensatz zu den Alles-oder-nichts-Lösungen des §  138 BGB – auch erlaubt, ein eventuelles Mitverschulden der manipulierten Partei zu berücksich­ tigen.286 Auf die genaue Verortung dieser das Verhältnis der Vertragsparteien zueinander betreffenden Erwägungen kommt es für diese Untersuchung nicht an. Festzuhalten 283 

BVerfG 19.10.1993, 1 BvR 567/89 u. 1044/89, BVerfGE 89, 214. Di Fabio, in: Maunz/Dürig, GG, Art.  2 Abs.  1 Rn.  112. 285  Dies vertrat schon früh Medicus, Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuld­ rechts, Bd.  I, 1981, S.  479, 521; vgl. ebenso Wagner, AcP 205 (2005), 715, 734. 286  So etwa Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, S.  4 47. 284 Vgl.

III. Verhandelnd zum moderierten Vertrag, §  311 Abs.  2 BGB

473

ist: Wenn es um Pflichtverletzungen im Rahmen der Verhandlungen eines abge­ schlossenen Vertrags geht, dann ist das in §  311 Abs.  2 BGB geregelte Rechtsinstitut der Culpa in contrahendo einschlägig und kann insofern Vorgaben für den Verhand­ lungsprozess liefern, die auch für diese Untersuchung wertvoll sein können. d) Anwendbarkeit Neben der Frage der grundsätzlichen Schutzrichtung wird diejenige der Anwend­ barkeit des Rechtsinstituts der Culpa in contrahendo neben einer möglichen Anfech­ tung nach §  123 Abs.  1 BGB diskutiert. Ihren Ursprung hat diese Thematik in der Tatsache, dass die seitens des vermeint­ lichen Vertragspartners vorgenommene arglistige Täuschung bzw. Drohung im Sin­ ne des §  123 Abs.  1 BGB wegen der dadurch per definitionem hervorgerufenen Be­ einträchtigung der Vertragsfreiheit stets auch eine Verletzung der Interessen des Vertragspartners im Sinne des §  311 Abs.  2 i. V. m. §  241 Abs.  2 BGB darstellt.287 Diese doppelte Einschlägigkeit wirft in zweifacher Hinsicht Wertungsfragen auf. Die Möglichkeit der Anfechtung ist infolge der Regelung des §  124 BGB an eine Frist gebunden, die jedenfalls unmittelbar 288 für den aus der Culpa in contrahendo her­ rührenden Schadensersatzanspruch nicht gilt. Der Anfechtungstatbestand setzt zu­ dem ein arglistiges, d. h. vorsätzliches Handeln voraus, während der Schadensersatz­ anspruch infolge der Verletzung der Interessen des Vertragspartners schon greift, wenn dem Täuschenden 289 eine – vermutete – Fahrlässigkeit nach §  276 Abs.  2 BGB vorzuwerfen ist. Daher wurde die Vorschrift des §  123 BGB für ihren Anwendungsbereich als ge­ setzliche Sonderregelung der Haftung für Culpa in contrahendo angesehen.290 Dies wurde von der Rechtsprechung nicht aufgegriffen. Stattdessen wurde von ihr – auch für das aus dem Schadensersatzanspruch folgende Loslösungsrecht vom Vertrag – eine parallele Anwendung der Normen vorgesehen.291 In Kenntnis der Problematik und der Lösung durch die Rechtsprechung hat der Gesetzgeber im Zuge der Schuld­ rechtsreform das Institut der Culpa in contrahendo normiert, ohne eine explizite Veränderung des Anwendungsbereichs aufzunehmen. Damit kann die freie Konkur­ renz zwischen beiden Rechtsbehelfen heute (auch) auf eine Entscheidung des Gesetz­ gebers gestützt werden.292

287 

Siehe auch MünchKommBGB/Armbrüster, §  123 Rn.  102. Teil wird eine entsprechende Anwendung vertreten, etwa von Grigoleit, NJW 1999,

288  Zum

903.

289 

Eine fahrlässige Drohung ist wohl nicht möglich. Vgl. etwa Schubert, AcP 168 (1968), 470, 480. 291  BGH v. 31.01.1962 – VIII ZR 120/60, NJW 1962, 1196, 1198 f.; BGH v. 28.02.1968 – VIII ZR 210/65, NJW 1968, 986, 987; BGH v. 24.10.1996 – IX ZR 4/96, NJW 1997, 254; BGH v. 25.04.2006 – XI ZR 106/05, BGHZ 167, 239. 292 So Arnold, JuS 2013, 865, 869; Mertens, AcP 203 (2003), 818, 847; vgl. auch die Nachweise aus der Gesetzgebungshistorie in Fn.  78. 290 

474

F. Absicherung der gesteigerten Legitimation

e) Perspektive §  311 Abs.  2 BGB fokussiert das vorvertragliche Verhältnis zwischen den Parteien. Diese Perspektive passt zunächst nicht in die Dreidimensionalität, die dieser Analy­ se zugrunde liegt. Mit einbezogen in den Wirkungskreis würde der Moderator nur, wenn seine Manipulation der Entscheidungsfreiheit einer Partei der anderen zuzu­ rechnen wäre. Eine solche Zurechnung kommt im Rahmen des §  311 Abs.  2 BGB nur in Betracht, wenn der Moderator als Erfüllungsgehilfe im Sinne des §  278 BGB an­ zusehen wäre. Dass dies gerade nicht der Fall ist, legen schon die oben zum Begriff des Dritten im Sinne des §  123 Abs.  2 BGB angestellten Betrachtungen nahe. Zwar können auch Personen, die zugleich für beide Vertragspartner tätig sind, als Erfüllungsgehilfen in Betracht kommen.293 Voraussetzung ist, dass sie die zuzurech­ nende Tätigkeit gerade für einen der Vertragspartner übernehmen.294 Der Moderator müsste demzufolge objektiv eine Aufgabe übernehmen, die im Verhältnis zum Gläu­ biger dem Schuldner obliegt.295 Das geschieht nicht. Die durch den Moderator vor­ genommene Vermittlung, in deren Rahmen – vor dem Hintergrund seiner eigenen systemisch existierenden Motivationslage296 – die Beschränkung der Entschlussfrei­ heit stattfindet, schuldet keine Partei der anderen, vielmehr schuldet der Moderator sie beiden. Damit lässt sich der Moderator nicht als Erfüllungsgehilfe gemäß §  278 BGB einordnen. Eine Kontrollüberlegung, die entsprechend auch schon oben zum Dritten im Sin­ ne des §  123 BGB angestellt wurde, stützt dieses Ergebnis: Der Makler, der sich auf die Vermittlung beschränkt, wird nicht als Erfüllungsgehilfe eingeordnet.297 Eine direkte Anwendung des §  311 Abs.  2 BGB auf die hier in Rede stehende Kon­ stellation kommt deshalb nicht in Betracht. Trotzdem soll die Analyse an dieser Stel­ le nicht abgebrochen, sondern die Vorschrift im Hinblick auf ihre Vorgaben für die bilaterale Verhandlung untersucht werden, um daraus dann – in einem weiteren Schritt – die Möglichkeit der Übertragung auf die (Verhandlungs-)Situation des mo­ derierten Vertrags zu untersuchen.

2. Vorgaben für die Vertragsverhandlung Die Analyse des Tatbestands der Vorschrift des §  311 Abs.  2 i. V. m. §  241 Abs.  2 BGB im Hinblick auf mögliche „Spielregeln“ für die Vertragsverhandlungen muss – weil die Entscheidungsfreiheit zum durch die Vorschrift geschützten Interesse gehört – beginnen bei der Frage: Welche Konsequenzen zeitigt die Rücksichtnahme auf das

293 BeckOGK/Schaub,

BGB, §  278 Rn.  37.

294 BeckOGK/Schaub, BGB, §  278 Rn.  37; Staudinger/Caspers, BGB, §  278 Rn.  36: „Man darf auf

dem Wege über §  278 Personen nicht für ein Verhalten haftbar machen, das nach ihrer Position im arbeitsteiligen Rechts- und Wirtschaftsverkehr nicht in ihren Verantwortungsbereich fällt“. 295  BGH v. 08.02.1974 – V ZR 21/72, BGHZ 62, 119; BGH v. 13.01.1984 – V ZR 205/82, NJW 1984, 1748, 1749; BeckOK-BGB/Lorenz, §  278 Rn.  11. 296  Vgl. dazu oben unter III.9.a).9.dd). 297  BGH v. 24.11.1995 – V ZR 40/95, BB 1996, 396.

III. Verhandelnd zum moderierten Vertrag, §  311 Abs.  2 BGB

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Interesse des anderen Teils an der Wahrung der Entscheidungsfreiheit für den Ver­ handlungsprozess? Nähert man sich der Thematik weiter an, so fällt auf, dass die Darstellung der tatbestandlichen Vorgaben zunächst nicht positiv im Sinne eines erlaubten Verhal­ tens geschieht, sondern negativ, d. h. im Sinne der Beschreibung dessen, was gegen das Rücksichtnahmegebot verstößt. Zentral ist an dieser Stelle zunächst der – unju­ ristisch klingende – Begriff der Überrumpelung, der für alle durch §  311 Abs.  2 BGB verbotenen Arten der Einflussnahme auf die Entscheidungsfreiheit verwendet wird. a) Überrumpelung Zentral für diese Untersuchung ist der Begriff auch deshalb, weil er alle unzulässigen Einwirkungen im Vorfeld des Vertragsschlusses bezeichnet, die unabhängig sind von Art und Inhalt des später geschlossenen Vertrags. Auch der objektiv äquivalente, nur subjektiv unerwünschte Vertrag ist damit – anders als im Rahmen von §  138 BGB – erfasst.298 Vergleicht man die unter den Überrumpelungstatbestand fallende Einwirkung zunächst mit der bereits untersuchten Täuschung bzw. Drohung, so lässt sich kons­ tatieren: Von der Täuschung unterscheidet sich die Überrumpelung durch ihr offe­ nes, nicht verstecktes, d. h. heimliches Vorgehen, das der Täuschung immanent ist. Bei der Überrumpelung geht es vielmehr um direkte Einflussnahmen auf den Ver­ tragswillen durch Aufbau eines – wie auch immer gearteten – psychologischen Drucks, der vom Opfer nicht notwendigerweise als solcher empfunden werden muss. Das bedeutet, dass es sich im Vergleich zur offenen Drohung sowohl um ein minus als auch um ein aliud handeln kann.299 Der Überrumpelungsbegriff lässt sich nicht nur im Wege dieser abgrenzenden Betrachtung enger fassen. Es lassen sich auch po­ sitive Feststellungen treffen. Denn die Manipulation erfolgt in der Weise, dass das Opfer in eine Situation gebracht wird, die es an einer vernünftigen Abwägung der eigenen Interessen hindern, d. h. seine materiale Entscheidungsfreiheit beeinträchti­ gen. Diese Situation kann durch Zeitdruck oder durch jede andere Form psychischen Drucks oder durch mehrere Komponenten zusammen geschehen.300 Von besonderer Bedeutung ist dabei, dass die Einwirkung, die die beschriebene Drucksituation her­ stellt, anders als etwa die Täuschung im Sinne des §  123 Abs.  1 BGB, nicht grund­ sätzlich rechtswidrig ist. Die Grenzziehung zwischen zulässiger und unzulässiger Einflussnahme auf die rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit gestaltet sich daher schwierig301 und ist deswegen von Interesse für diese Untersuchung. Dabei erlaubt die Diskussion um diejenigen arbeitsrechtlichen Aufhebungsverträ­ ge, die in einer die Entschließungsfreiheit des Arbeitnehmers ausschließenden Situa­ tion geschlossen werden, eine weitere Annäherung an das Thema und – noch wich­ 298 

Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, S.  4 45. Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, S.  4 45. 300  Zum Ganzen siehe Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, S.  4 46. 301  Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, S.  453; Medicus, Gutachten und Vor­ schläge zur Überarbeitung des Schuldrechts, Bd.  I 1981, S.  479, 486. 299 

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F. Absicherung der gesteigerten Legitimation

tiger – die Abkehr vom Überrumpelungsbegriffs hin zu einem Begriff, der die ge­ samte Verhandlung als solche in den Blick nimmt: Das Gebot des fairen Verhandelns. b) Arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge Gemeint sind insofern nicht sämtliche Aufhebungsverträge, sondern solche, die aus Sicht des betroffenen Arbeitnehmers in einer Situation der Überrumpelung ge­ schlossen werden, die das hierfür kennzeichnende Umstands- und Zeitmoment auf­ weist.302 Der Arbeitgeber bittet den Arbeitnehmer ohne vorherige Ankündigung zu sich ins Personalbüro, wo dieser einer Mehrzahl von Gegenübern ausgesetzt (Um­ standsmoment) und mit dem Beendigungswunsch des Arbeitgebers konfrontiert wird. Weiterhin wird ihm – statt Kündigung – ein vermeintlich günstigerer Aufhe­ bungsvertrag angeboten, allerdings nur für die Dauer des Gesprächs (Zeitmo­ ment).303 Die arbeitsrechtlichen Aufhebungsverträge sind deshalb von besonderer Bedeu­ tung für die zu analysierende Situation der Überrumpelung, weil für diese Verträge seit längerem –wegen der „ungünstigen Gesprächsvoraussetzungen“304 für den Ar­ beitnehmer – Maßnahmen diskutiert werden, die diesen schützen sollen. Diesbezüg­ lich wird etwa darauf hingewiesen,305 dass die 1977, 1992 und 2006306 zur Diskussion gestellten Gesetzentwürfe eines Arbeitsvertragsrechts jeweils ein dreitägiges Wider­ rufsrecht bei Aufhebungsverträgen vorsahen. Es blieb bei der bloßen Diskussion; eine gesetzliche Regelung fehlt – anders als etwa beim Schutz des Verbrauchers bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen.307 Damit einhergeht des­ halb die Notwendigkeit, die bestehende Problematik der Beeinträchtigung der Ent­ scheidungsfreiheit des Arbeitnehmers nach den für alle Verträge – also auch den mo­ derierten Vertrag – geltenden Vorgaben zu lösen. Wie sich die Situation aus Sicht der Arbeitnehmer darstellen kann, hat Hümmerich am Beispiel von zwei Arbeitnehmerinnen beschrieben, die jeweils einen Aufhe­ bungsvertrag innerhalb der insofern typischen Überrumpelungssituation 308 ge­ schlossen haben:

302 

Zum Umstands- und Zeitmoment der Überrumpelung vgl. Lorenz, Der Schutz vor dem un­ erwünschten Vertrag, S.  4 46; zum Ausgangspunkt für diese Konstellationen siehe auch die Darstel­ lung bei Reinecke, in: FS Küttner, S.  327, 330. 303  Becker, Die unzulässige Einflussnahme des Arbeitgebers auf die Entscheidungsfreiheit des Arbeitnehmers am Beispiel des arbeitsrechtlichen Aufhebungsvertrages, S.  395 spricht nicht vom Umstands- oder Zeitmoment bzw. einer Überrumpelung, sondern von einem belästigenden Verhal­ ten, das erfüllt ist, sofern der Arbeitgeber zum sofortigen Vertragsschluss drängt, ohne dass dem Arbeitnehmer Raum und Zeit für eine eigene Willensbildung gegeben wird. 304  Hümmerich, RdA 2005, 315. 305 Von Singer, RdA 2003, 194, 196. 306  Diesbzgl. siehe MünchHdb-ArbR/Wank, 3.  Aufl. 2009, §  94 Rn.  37. 307  Für die ein Widerrufsrecht in §§  312b geschaffen wurde, vgl. dazu Mätzig, Jura 2015, 233 ff. 308  Sie ergeben sich aus den Sachverhalten der Entscheidungen LAG Brandenburg v. 30.10.2002 – 7 Sa 386/02, NZA 2003, 503; sowie LAG Mecklenburg-Vorpommern v. 29.01.2003 – 2 Sa 492/02, BeckRS 2003, 30797925.

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„Im ersten Moment nach der Unterschriftsleistung mögen beide Arbeiterinnen Erleichterung empfunden haben. Einen sie belastenden Konflikt brachten sie mit ihrer Unterschriftsleistung zur Auflösung. Die weitere Entwicklung der Geschehnisse, die andernfalls nicht bei den Ar­ beitsgerichten aktenkundig geworden wäre, belegt, dass die Flucht in den Aufhebungsvertrag beim Arbeitnehmer generell allerdings nur zu einer vorübergehenden Erleichterung führt. Irgendwann werden sich bei unseren Arbeitnehmerinnen Zweifel eingeschlichen haben, es wird Reue aufgekommen sein über den ‚verschenkten‘ Arbeitsplatz, vitaminisiert von Wut über die Spontaneität der Unterschriftsleistung, vermutlich auch ergänzt um Empörungssig­ nale aus dem Angehörigen- oder Freundeskreis.“309

In Bezug auf die Frage der eigenverantwortlichen Handlungsweise ergänzt er: „Verfehlt ist freilich die unter Juristen verbreitete Annahme, der scheidende Arbeitnehmer habe doch als erwachsener Mensch genau gewusst, was er tat! Das ist der Irrtum des akademi­ schen Betrachters. Der Mensch handelt situativ. Arbeitsrechtler wissen um den Verlust des Kündigungsschutzes durch Aufhebungs- und Abwicklungsvertrag. Arbeitsrechtler wissen, dass der Aufhebungsvertrag das Arbeitsverhältnis beendet. (…) Diese Wirkungsmechanismen laufen in den Subsumtionsschächten eines reflektierenden Juristen ab. Nicht so beim Arbeit­ nehmer. Der will sich vordergründig einem äußeren Druck, einem zumindest subjektiv emp­ fundenen Diktat der Einschüchterung, entziehen. “310

Diese Beschreibungen lassen deutlich werden, warum die Thematik der Aufhe­ bungsverträge in den Fokus der Diskussion geraten ist. Das menschliche Verhalten kennt eine Reaktionsform, sich einem Konflikt mit einer Persönlichkeit von hohem Durchsetzungsvermögen durch Nachgeben zu ent­ ziehen. Das hat zur Folge, dass man aus der Schusslinie gerät und – jedenfalls zu­ nächst – weiterhin freundlich behandelt wird.311 Es ist unter anderem diese Reakti­ onsform, die in der hier in Rede stehenden Situation dafür sorgt, dass es dem Arbeit­ nehmer schwer(er) fällt, „Nein“ zu sagen. Das ist gerade der Grund, warum auch bezüglich des arbeitsrechtlichen Aufhebungsvertrags die Einführung eines Wider­ rufsrechts diskutiert wurde, denn dieses wurde deshalb geschaffen, weil es der Kun­ de in den dortigen Situationen nicht fertig brächte, den psychologisch geschulten Verkäufer „abzuweisen”, obwohl die – mehr oder weniger theoretische – Möglich­ keit, dies zu tun, auch bei diesen Geschäften besteht.312 Sind es dort geschulte Ver­ käufer, die dem Kunden ein Ausweichen erschweren, ist hier die Kommunikations­ lage häufig durch professionelle Gesprächstechniken aufseiten des Arbeitgebers ge­ prägt.313 Und obwohl die §§  123, 138, 242 BGB nur ungenügenden Schutz vor der Überrumpelung des Arbeitnehmers bieten,314 wurde und wird eine direkte oder analoge Anwendung der verbraucherschützenden Widerrufsregeln abgelehnt. Dabei hat das BAG die Gefahr der Überrumpelung gesehen. Es hat allerdings – und diese Aussage verdient Hervorhebung – eine direkte oder entsprechende An­ wendung der Vorschriften über den verbraucherschützenden Widerruf abgelehnt, 309 

Hümmerich, NZA 2004, 809, 810. Hümmerich, NZA 2004, 809, 810 f. 311  Hümmerich, NZA 2004, 809, 810; vgl. auch Heinkel, ZTR 2020, 261, 266. 312  Siehe die Darstellung bei Singer, RdA 2003, 194, 196. 313  Reinecke, in: FS Küttner, S.  327, 330. 314  Reinecke, in: FS Düwell, S.  409, 411. 310 

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F. Absicherung der gesteigerten Legitimation

weil der Gefahr durch Informationspflichten und das Gebot fairen Verhandelns be­ gegnet werden könne.315

3. Das Gebot fairen Verhandelns Das BAG erkennt damit das Gebot des fairen Verhandelns zwar ausdrücklich an.316 Eine abschließende Beschreibung des Gebotsinhalts liegt noch nicht vor. In seinem aktuellen Judikat hält das Gericht diesbezüglich fest, dass das Gebot fairen Verhal­ tens dann missachtet werde, wenn die Entscheidungsfreiheit des Vertragspartners in zu missbilligender Weise beeinflusst werde. Eine Verhandlungssituation sei erst dann als unfair zu bewerten, wenn eine psychische Drucksituation geschaffen oder ausgenutzt werde, die eine freie und überlegte Entscheidung des Vertragspartners erheblich erschwere oder sogar unmöglich mache.317 Mit diesen Obersätzen des BAG geht kein großer Gewinn an Klarheit einher. Des­ halb wird der Versuch unternommen, den Inhalt des Gebots mithilfe von drei ver­ schiedenen Ansätzen zu konkretisieren, die über die Grenzen des Arbeitsrechts hin­ ausgehen.318 Zuvor wird jedoch ein weiterer Aspekt beleuchtet, der für den moderierten Ver­ trag von Interesse ist: Die dogmatische Verankerung des Gebots des fairen Verhan­ delns. a) Rechtlicher Standort Nach den Ausführungen des BAG handelt es sich bei dem Gebot des fairen Verhan­ delns im Zusammenhang mit der Verhandlung eines arbeitsrechtlichen Aufhebungs­ vertrags um eine durch die Aufnahme von Vertragsverhandlungen begründete Ne­ benpflicht im Sinne des §  311 Abs.  2 Nr.  1 i. V. m. §  241 Abs.  2 BGB, weil der Aufhe­ bungsvertrag ein eigenständiges Rechtsgeschäft sei. Bei der Bestimmung der Pflichten nach §  241 Abs.  2 BGB sei jedoch zu berücksichtigen, dass sich die Parteien eines Aufhebungsvertrags zum Zeitpunkt der Vertragsverhandlungen bereits in ei­ nem Schuldverhältnis, nämlich ihrem Arbeitsverhältnis, befänden. Die aus dem Ar­ beitsverhältnis stammenden Verpflichtungen zur wechselseitigen Rücksichtnahme gemäß §  241 Abs.  2 BGB strahlen dem Sechsten Senat zufolge auf die Verhandlungen bzgl. die Beendigung des Arbeitsverhältnisses aus.319 315  Für die früher geltenden Regelungen zum Widerruf: BAG v. 27.11.2003, BAGE 109, 22 ff., Rn.  53; sowie BAG v. 22.04.2004 – 2 AZR 281/03, AP §  620 BGB Aufhebungsvertrag Nr.  27, Rn.  35; vgl. auch Reinecke, in: FS Küttner, S.  327, 333; Däubler, NZA 2001, 1329, 1334; Henssler, RdA 2002, 129, 135; für die aktuell geltenden Regelungen: BAG v. 07.02.2019 – 6 AZR 75/18, AP BGB §  620 Aufhebungsvertrag Nr.  50, Rn.  35. 316 Kritisch Holler, NJW 2019, 2206; Fischinger, NZA 2019, 729 ff.; Tiedemann, ArbRB 2020, 61, 63; Bauer/Romero, ZfA 2019, 608, 613 ff. 317  BAG v. 07.02.2019 – 6 AZR 75/18, AP BGB §  620 Aufhebungsvertrag Nr.  50, Rn.  35. 318  Im Hinblick auf Arbeitsverhältnisse vgl. Kamanabrou, RdA 2020, 201 ff. 319  BAG v. 07.02.2019 – 6 AZR 75/18, AP BGB §  620 Aufhebungsvertrag Nr.  50, Rn.  31; so bereits Krause, Anm. zu EzA BGB 2002, §  312 Nr.  1 zu II 4; a. A., weil für eine strikte Trennung der beiden Verträge und der daraus resultierenden Pflichten, Bauer, in: FS Däubler, S.  143, 153.

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Auf dieser Basis benennt das Gericht dann die aus §  241 Abs.  2 BGB für die Ver­ handlungen zum Aufhebungsvertrag stammende Pflicht, die Entscheidungsfreiheit des Vertragspartners nicht in zu missbilligender Weise zu beeinflussen. Darüber ­hinaus formuliert das BAG: „§  241 Abs.  2 BGB zwingt nicht zu einer Verleugnung der eigenen Interessen, sondern zu einer angemessenen Berücksichtigung der Interessen der Gegenseite.“320

Das Vorgesagte bildet eine interessante Konstellation für die Analyse des moderier­ ten Vertrags. Denn losgelöst von der Frage, ob die arbeitsvertraglichen Pflichten auf den Vertragsschluss des Aufhebungsvertrags ausstrahlen, gibt es bei der Moderation einen Pflichtenkanon, der zwischen den Parteien – mehr oder weniger klar – verein­ bart ist und allein dazu dient, die Verhandlung zu regeln. Eine andere Funktion, neben der Vergütung, hat z. B. der Mediatorvertrag nicht. Insofern folgen aus der (vertraglichen) Verbundenheit zwischen den Parteien Pflichten im Hinblick auf den moderierten Vertrag, ganz so, wie dies vom BAG für den Arbeitsvertrag und die daraus resultierenden Pflichten für den Aufhebungsvertrag formuliert wird. In den Fällen des Aufhebungsvertrags fehlt es im Arbeitsvertrag an explizit ge­ nannten Pflichten im Hinblick auf die Verhandlungen von späteren Verträgen. Des­ wegen musste das BAG diese aus den allgemein gefassten gesetzlichen Vorschriften herleiten. Das macht die oben wiedergegebene Aussage, dass §  241 Abs.  2 BGB zu einer Berücksichtigung der Interessen der Gegenseite zwingen, umso bedeutungs­ voller. Denn das BAG leitet diese Pflicht bereits aus den allgemein für das Arbeits­ verhältnis geltenden Rücksichtnahmepflichten her. Wenn zwei Parteien demgegen­ über die Vereinbarung treffen, im Wege eines (Moderations-)Prozesses zu einer ver­ traglichen Einigung zu gelangen, dann können die dann geltenden Pflichten jedenfalls nicht geringer sein. Andernfalls müsste man zu Beginn der Moderation vereinbaren, dass die gesetzlichen Standards für Verhandlungen für die Moderation nicht gelten, besser gesagt: unterboten werden sollen. Das ist nicht der Fall. Deswegen ist die aus §  241 Abs.  2 BGB hergeleitete Anerkennung der Interessen der Gegenseite hervorzu­ heben. b) Inhalt des Gebots Schon die ersten Annäherungen an den Begriff des Gebots der fairen Verhandlung zeigen die Bedeutung, die dem Gebotsinhalt auch für die Situation des moderierten Vertrags zukommt. Denn die dogmatische Andockung an das tatsächliche Phäno­ men der teilweise unter ungünstigen Bedingungen geschlossenen Aufhebungsver­ träge hat bereits etwas gezeigt, das auch in der Bezeichnung als Gebot des fairen Verhandelns deutlich wird: Bei dem Gebot fairen Verhandelns geht es nicht um den Inhalt des Vertrags, sondern um den Weg dorthin, also die Umstände, unter denen

320  BAG v. 07.02.2019 – 6 AZR 75/18, AP BGB §  620 Aufhebungsvertrag Nr.  50, Rn.  33; insge­ samt zustimmend Schmidt, Anm. zu BAG v. 07.02.2019 – 6 AZR 75/18, AP BGB §  620 Aufhebungs­ vertrag Nr.  50.

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F. Absicherung der gesteigerten Legitimation

das Personalgespräch stattfindet und wie das Gespräch geführt wird.321 Ob der von den betroffenen Arbeitnehmern unterzeichnete Aufhebungsvertrag für diese tat­ sächlich und objektiv besonders nachteilig war, ist nicht Gegenstand der Betrach­ tung gewesen, sondern nur der Weg seines Zustandekommens. Mit dem Blick auf die zum arbeitsrechtlichen Aufhebungsvertrag geführte Diskussion lässt sich noch eine weitere Annäherung an den Begriffskern vornehmen. Über die Fokussierung auf den Verhandlungsprozess hinaus lässt sich eine erste vorsichtige Vorgabe bzgl. des­ sen Inhalts anhand der – etwas unglücklich – gewählten Begrifflichkeit des Fairness­ gebots formulieren. Denn die Thematik des Arbeitnehmerschutzes wurde nicht bei jedem Aufhebungsvertrag diskutiert, insbesondere nicht bei den vor Gericht, d. h. etwa im Rahmen des Kündigungsschutzprozesses, geschlossenen Vergleichen, die das Arbeitsverhältnis beenden, sondern nur bei denen, die – grob formuliert – im Rahmen einer unglücklichen Gesprächsatmosphäre zustande gekommen sind. Das verdeutlicht die Richtung, in die das Gebot des fairen Verhandelns eigentlich blickt: Es geht nicht um ein gänzlich faires Verhandeln, sondern nur um ein Mindestmaß an Fairness, das einzuhalten ist. Deswegen wird zurecht vorgeschlagen, eher von einem Verbot unfairen Verhandelns zu sprechen.322 Glücklicherweise bleiben die Versuche, die an ein faires Verhandeln zu stellenden Anforderungen zu konkretisieren, an dieser Stelle nicht stehen. Drei Ansätze sind näher zu betrachten. Das sind die – jeweils hier so bezeichnete(n) – betriebsverfas­ sungsrechtliche Annäherung, der privatautonome/vertragstheoretische Ansatz so­ wie die Anleihe bei der angloamerikanischen Rechtsfigur der sogenannten undue influence. c) Betriebsverfassungsrechtliche Annäherung Ein erster Ansatz zur näheren Inhaltsbestimmung wählt den Weg über das Betriebs­ verfassungsrecht. Das BetrVG kennt eine Regelung betreffend den Verhandlungs­ prozess. Für das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat bestimmt §  74 Abs.  1 BetrVG: „Arbeitgeber und Betriebsrat sollen mindestens einmal im Monat zu einer Besprechung zu­ sammentreten. Sie haben über strittige Fragen mit dem ernsten Willen zur Einigung zu ver­ handeln und Vorschläge für die Beilegung von Meinungsverschiedenheiten zu machen.“

Wenn – und für diese Annahme spricht auf den ersten Blick einiges – ein faires Ver­ handeln auch darin besteht, mit dem ernsten Willen zur Einigung zu verhandeln, dann kann diese Annäherung einen Erkenntnisgewinn bringen.323 Einer Verhandlung, die mit dem ernsten Willen zur Einigung geführt wird, soll insofern entgegenstehen,

321 

Reinecke, in: FS Düwell, S.  409, 411; Plum, MDR 2020, 69, 70. Reinecke, in: FS Düwell, S.  409, 410; Heinkel, ZTR 2020, 261, 266; Schmidt, Anm. zu AP BGB §  620 Aufhebungsvertrag Nr.  50. 323  In diesem Sinne auch Däubler, in: Däubler/Deinert/Zwanziger, KSchR, Einl. Rn.  314b. 322 Von

III. Verhandelnd zum moderierten Vertrag, §  311 Abs.  2 BGB

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– wenn bereits im Gespräch eingeräumte Konzessionen grundlos widerrufen wer­ den, – wenn die eigene Meinung nicht begründet wird, – wenn die faktische Grundlage der eigenen Argumentation nicht offengelegt wird, – wenn die tatsächlichen Feststellungen der anderen Seite infrage gestellt werden, ohne die Gründe dafür zu benennen, – wenn bereits bei Beginn der Beratung der eigene Standpunkt als endgültig und unabänderlich bezeichnet wird, – wenn schlicht die Unwahrheit bezüglich der eigenen Motivation und Ziele gesagt wird, – wenn der äußere Rahmen der Beratung in einer dem Thema nicht angemessenen Form festgesetzt wird (unangemessene zeitliche Begrenzung, unangemessener rangniedriger Vertreter des Arbeitgebers, unangemessener Ort); – wenn der Arbeitgeber bereits in einem Augenblick ablehnen würde, in dem noch nicht alle Argumente ausgetauscht sind und deshalb noch weiterer Erörterungsbe­ darf besteht.324 Diese Aufstellung – so erhellend sie evtl. auch sein mag – steht dogmatisch auf wack­ ligen Beinen. Denn im Ergebnis führt die Anleihe bei §  74 Abs.  1 BetrVG nur dazu, dass man einen unbestimmten Begriff durch einen anderen ersetzt. Es lässt sich nicht weiter begründen, warum gerade die genannten Verhaltensweisen gegen das Gebot des Verhandelns mit dem ernsten Willen zur Einigung verstoßen. Dies gilt auch für eine Übertragung der Verhandlungspflichten, die zum Interessenausgleich entwi­ ckelt wurden, die sich mehr dem ob als dem wie der Verhandlung widmen325 und deswegen bei der Bestimmung dessen, was ein faires Verhandlungsverfahren kenn­ zeichnet, nicht weiterhelfen. Letztlich wird auch von Däubler, der diesen Ansatz unterstützte, zur weiteren Inhaltsbestimmung nicht nur auf das Betriebsverfas­ sungs- sondern auf das angloamerikanische Recht verwiesen.326 d) Privatautonomer/vertragstheoretischer Ansatz Bevor der Empfehlung, auf das britannische und US-amerikanische Recht zu bli­ cken, gefolgt wird, ist der – hier sogenannte – privatautonome/vertragstheoretische Ansatz im Hinblick auf eine (weitere) Erhellung dessen, was unter dem Gebot des fairen Verhandelns zu verstehen ist, zu untersuchen.327 Dieses Anliegen prägt auch den gewählten Weg der Darstellung, der eine dyna­ misch-dimensionale Perspektive einnimmt, d. h., sich von der eindimensionalen Be­ trachtung der Situation eines einzelnen Vertragspartners hin zu einer Analyse der bilateralen Lage eines Vertrags entwickelt, um dann – unter Verwertung der bisheri­

324 

So die Aufstellung bei Richardi/Thüsing, BetrVG, §  92a Rn.  10. Vgl. Richardi/Annuß, BetrVG, §  112 Rn.  228 f. 326  Däubler, in: Däubler/Deinert/Zwanziger, KSchR, Einl. Rn.  314b. 327  Damit bleiben die weiteren Aspekte, die im Zusammenhang von Selbstbestimmung und Ver­ trag(sfreiheit) diskutiert werden, ausgeblendet. 325 

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gen Ergebnisse – die dritte Dimension zu betrachten, mithin die besondere Situation des moderierten Vertrags. aa) Die erste Dimension: die Selbstbestimmung im Sinne der Privatautonomie eines Vertragspartners Als Ausgangspunkt der Gedanken kann zunächst wieder die Situation des arbeits­ rechtlichen Aufhebungsvertrags dienen. Diesbezüglich wurde formuliert, dass der Tatbestand des belästigenden Verhaltens erfüllt sei, wenn der Arbeitgeber zum so­ fortigen Vertragsschluss dränge, ohne dass dem Arbeitnehmer Raum und Zeit für eine eigene Willensbildung gegeben werde.328 Ausgehend von der Feststellung, dass ein belästigendes Verhalten stets auch einen Verstoß gegen das Gebot des fairen Ver­ handelns darstellt, lässt sich damit die freie Willensbildung als Orientierungspunkt auch für die nähere Bestimmung des Gebotsinhalts nutzen. Schon früh wurde fest­ gehalten, dass ein Vertragswerk, das nicht zwischen den Beteiligten im Wege eines gegenseitigen Interessenausgleichs ausgehandelt, sondern praktisch vom Arbeitgeber allein festgelegt werde, sich eine Korrektur nach Billigkeitsgründen gefallen lassen müsse. Das sei bei allen Vertragswerken geboten, bei deren Zustandekommen die Vertragsparität gestört sei.329 Die Aussage, dass für ein selbstbestimmtes Handeln auch Vertragsparität erfor­ derlich ist, hat maßgeblich das BVerfG vor dem Hintergrund der allgemeinen Hand­ lungsfreiheit nach Art.  2 Abs.  1 GG getroffen.330 Nach der ständigen Rechtsprechung des BVerfG ist die Gestaltung der Rechtsver­ hältnisse durch den Einzelnen nach seinem Willen ein Teil der allgemeinen Hand­ lungsfreiheit.331 Art.  2 Abs.  1 GG gewährleiste die Privatautonomie damit gerade zur Selbstbestimmung des Einzelnen im Rechtsleben.332 Mit Wolf wird man konkreter sagen können, dass die Willenserklärung das Mittel darstellt, durch das sich die Selbstbestimmung frei entfalten kann.333 Die Zivilgerichte seien zum Schutz der Pri­ vatautonomie angehalten, zu klären, ob und inwieweit beide Vertragspartner über den Abschluss und den Inhalt des Vertrags tatsächlich frei entscheiden konnten.334 Habe im Vertragsrecht einer der Vertragsteile ein so starkes Übergewicht, dass er 328  Becker, Die unzulässige Einflussnahme des Arbeitgebers auf die Entscheidungsfreiheit des Arbeitnehmers am Beispiel des arbeitsrechtlichen Aufhebungsvertrages, S.  395. 329  Weitnauer, Der Schutz des Schwächeren im Zivilrecht, S.  50. 330  Unter anderem im sogenannten Bürgschaftsbeschluss, der nach Preis/Rolfs, DB 1994, 261 in seiner Bedeutung kaum überschätzt werden kann. 331  BVerfG v. 12.11.1958 – 2 BvL 4/56, BVerfGE 8, 274, 328; BVerfG v. 13.05.1986 – 1 BvR 1542/84, BVerfGE 72, 155, 170. 332  BVerfG v. 19.10.1993 – 1 BvR 567/89, BVerfGE 89, 214, 219 unter Hinweis auf Erichsen, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Bd.   VI, 1210 Rn.   58; wiederholt in BVerfG v. 05.08.1994 – 1 BvR 1402/89, BeckRS 9998, 56067; vgl. auch Wolf, Entscheidungsfreiheit, S.  23, der festhält, dass die Willenserklärung das Mittel darstelle, durch das sich die Selbstbestimmung recht­ lich frei entfalten kann. 333  Wolf, Entscheidungsfreiheit, S.   23; dazu gehört auch Möglichkeit, unüberlegt ungünstige Verträge zu schließen, Kamanabrou, RdA 2020, 201. 334  BVerfG v. 19.10.1993 – 1 BvR 567/89, BVerfGE 89, 214, 231 rügt hier, dass der BGH dies nicht getan habe.

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den Vertragsinhalt faktisch einseitig bestimmen kann, bewirke dies für den anderen Vertragsteil Fremdbestimmung.335 Dies lässt die Schlussfolgerung zu, dass eben die in Art.  2 Abs.  1 GG verbürgte allgemeine Handlungsfreiheit verlangt, dass eine (wie auch immer geartete) vertrag­ liche Parität vorliegt, da andernfalls keine grundrechtlich geschützte Selbstbestim­ mung, sondern Fremdbestimmung besteht. Zu den Hauptaufgaben des Privatrechts gehört es daher nach Auffassung des BVerfG auch, eine evtl. gestörte Parität auszu­ gleichen, besonders unter Anwendung der zivilrechtlichen Generalklauseln. Denn das Grundrecht schützt die vertragliche Vereinbarung, soweit sie auf der Selbstbe­ stimmung der Beteiligten beruht und eben nicht, weil sie gerecht ist.336 Die Notwen­ digkeit der Vertragsparität folgt vielmehr aus der grundrechtlich geschützten Selbst­ bestimmung, an der es fehlt, wenn eine Partei derart überlegen ist, dass aus SelbstFremdbestimmung wird.337 Eine Verhandlung, in der diese Selbstbestimmung nicht gewahrt ist, kann dem Gebot der Fairness nicht entsprechen. In einem solchen Fall folgt aus dem Grund­ recht des Art.  2 Abs.  1 GG in entgegengesetzter Richtung auch die Vorgabe an die Rechtsordnung, dass sie einer Abrede, die nicht auf der Basis der Selbstbestimmung geschlossen worden ist, dementsprechend die Anerkennung verweigert.338 Das BVerfG hat dabei drei Voraussetzungen aufgestellt, die – sofern sie vorliegen – die Aufforderung an den Gesetzgeber postulieren, zum Schutze der Privatautono­ mie einzugreifen. Zunächst muss eine „strukturelle Unterlegenheit“ des einen Ver­ tragsteils vorliegen, die – zweitens – innerhalb einer „typisierbaren Fallgestaltung“ auftritt und drittens zur Folge hat, dass die Abreden des Vertrags für den unterlege­ nen Teil ungewöhnlich belastend sind.339 (1) Unangemessenheit der Vereinbarung Aus der Gesamtschau dieser Voraussetzungen ergibt sich zunächst, dass die bloße Unangemessenheit einer Vereinbarung für sich genommen noch kein Grund zur Korrektur sein kann.340 Bei einem Vertrag, der Ausdruck der freien Selbstbestim­ mung der Parteien ist, gilt nach wie vor: Stat pro ratione voluntas. Die Selbstbestim­ mung der einzelnen Vertragspartei, aus deren Perspektive wir aktuell blicken,341 hat – neben den hier besonders interessierenden Implikationen für den Verhandlungs­ prozess – weitere Auswirkungen, insbesondere im Hinblick auf die (große) Frage der Gerechtigkeit des Vertrags. 335  BVerfG

v. 07.02.1990 – 1 BvR 26/84, BVerfGE 81, 242, 255; vgl. auch die Darstellung bei Fastrich, RdA 1997, 65, 66 f. 336  Ritgen, JZ 2002, 114, 117 m. w. N. 337  Vgl. auch die Darstellung bei Cremer, Freiheitsgrundrechte, S.  474. 338  Zu diesem aus der Rechtsprechung des BVerfG folgenden Recht auf Nichtanerkennung vgl. insb. Cremer, Freiheitsgrundrechte, S.  477. 339  BVerfG v. 19.10.1993 – 1 BvR 567/89, BVerfGE 89, 214, 232; Vaupel, Die Kompensation von Ungleichgewichtslagen im Arbeits- und Verbraucherrecht, S.  25. 340  Vgl. in diesem Sinne auch Thüsing, in: FS Wiedemann, S.  559, 568. 341  Im Rahmen der hier sogenannten ersten Dimension.

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(a) Vertragsgerechtigkeit Den gerechten Gegenwert für eine Leistung im Rahmen einer Austauschbeziehung zu bestimmen, ist regelmäßig schwierig. Die deutsche Privatrechtsordnung lässt die Frage nach der genauen Bemessung des Preises daher auch unbeantwortet.342 Dies kann sie tun, da sie im Hinblick auf die Vertragsbeziehung von einer einfachen Prä­ misse ausgeht: Volenti non fit iniuria.343 Eine objektive Beurteilung, ob der Vertrags­ inhalt an sich gerecht ist, erübrigt sich demnach, weil der Vertrag andernfalls durch die Parteien nicht geschlossen worden wäre. Damit geschieht dem den Vertrag Wol­ lenden dann kein Unrecht, wenn er den Vertrag schließt.344 Denn damit kommt zum Ausdruck, dass der Vertragsinhalt eine für ihn angemessene Lösung darstellt, d. h. nicht ungerecht ist. Um die genannte Prämisse anwenden zu können, müssen ihre Voraussetzungen vorliegen, d. h. die jeweilige Partei muss ihrem Willen entspre­ chend handeln. Für die Frage nach dem gerechten Preis ist damit der Grundsatz der Selbstbestimmung ein maßgebliches Ordnungselement, welches die staatliche Ge­ rechtigkeitskontrolle ersetzt.345 Der gerechte Vertrag fordert das selbstbestimmte Handeln der Parteien. Dessen Folge ist dann ein gerechtes Ergebnis, stat pro ratione voluntas.346 (b) Ergebnis Für die hier in Rede stehende Suche nach möglichen Vorgaben für den Verhand­ lungsprozess geht unmittelbar von der Frage der Vertragsgerechtigkeit damit keine weitere Erkenntnis einher, da diese zunächst die Selbstbestimmung der Parteien vo­ raussetzt, die hier allerdings Ausgangspunkt der Betrachtung war. (2) Strukturelle Unterlegenheit Gerade aus dem Blickwinkel der grundrechtlich geschützten Selbstbestimmung hat das BVerfG festgehalten, dass zusätzlich zur Unangemessenheit der Vereinbarung eine strukturelle Unterlegenheit im Sinne einer typisierbaren Fallgestaltung treten muss. Diese Voraussetzung der strukturellen Unterlegenheit ist für diese Arbeit von besonderem Interesse, denn die Vertragsfolgen werden gesondert angesprochen, d. h., das Kriterium der strukturellen Unterlegenheit ist als Hinweis auf die jeweili­ gen Umstände des Vertragsschlusses zu deuten.347 Dabei lässt sich schon aus der For­ mulierung, dass es sich um eine Unterlegenheit von struktureller Natur handeln 342 

Ganner, ÖJZ 2003, 710, 712. bekommt, was er will, dem geschieht kein Unrecht; vgl. Rüthers/Fischer/Birk, Rechts­ theorie, Rn.  362. 344  Der Schutz der Vertragsfreiheit dient damit auch dem Schutz der Vertragsgerechtigkeit, Ritgen, JZ 2002, 114, 117. 345 Vgl. Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn.  361 f. 346  Fastrich, Inhaltskontrolle im Arbeitsrecht nach der Bürgschaftsentscheidung des BVerfG v. 19.10.1993 – 1 BvR 567/89, BVerfGE 89, 214, der davon ausgeht, dass dies „nicht notwendig im Ein­ zelfall, jedoch im Großen und Ganzen“ zu gerechten Ergebnissen führt. 347  Etwa von Vaupel, Die Kompensation von Ungleichgewichtslagen im Arbeits- und Verbrau­ cherrecht, S.  25; ebenso Drexl, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers, S.  275 f. 343  Wer

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muss, die Erkenntnis gewinnen, dass auch das BVerfG davon ausgeht, dass nicht die Herstellung eines exakten Verhandlungsgleichgewichts das Ziel ist. Denn aufgrund der unterschiedlichen individuellen Fähigkeiten der Teilnehmer am Privatrechtsver­ kehr wird es praktisch niemals eine ausbalancierte Waage der Verhandlungsstärke geben.348 Damit gilt auch aus der Perspektive der Selbstbestimmung, dass die notwendiger­ weise im Rahmen der Vertragsverhandlungen zu beachtende Parität nicht punktuell zu bestimmen ist, sondern vielmehr einen bestimmten Rahmen nicht verlassen darf. Wie schon bei der Voraussetzung der Unangemessenheit der Vereinbarung im Hinblick auf die Vertragsgerechtigkeit, existiert auch an dieser Stelle eine weitere Überlegung, welche die hier aus der Perspektive der notwendigen Selbstbestimmung hergeleiteten Annahmen – gewissermaßen extern – unterfüttert. (a) Die Richtigkeitsgewähr des Vertragsschlusses Die Parität der Vertragspartner gilt als Voraussetzung für die sogenannte Richtig­ keitsgewähr des Vertrags. Zur Erinnerung:349 Dass aus dem Mechanismus seines Zu­ standekommens im Wege des Aushandelns zwischen den Parteien 350 eine Gewähr für die Richtigkeit des Vertragsinhaltes folgt, geht zurück auf einen Beitrag von Schmidt-Rimpler.351 Die vertragliche Richtigkeitsgewähr, die später in eine Richtig­ keitswahrscheinlichkeit abgemildert wurde,352 entstand zur Verteidigung der Ver­ tragsdogmatik des BGB,353 die zur Zeit des Nationalsozialismus zur Disposition stand. Darin stellte er sich die Frage, ob die Richtigkeit einer schuldrechtlichen Rechtsfolge dadurch gewährleistet wird, dass sie von den Beteiligten gleichermaßen gewollt ist.354 Voraussetzung für seine Annahme war jedenfalls eine Parität der Ver­ tragspartner,355 die Schmidt-Rimpler als Gleichheit der Macht bezeichnete, wobei er davon ausging, dass der Machtunterschied sehr hoch sein müsse, um den Vertrags­ mechanismus zerstören zu können.356 (b) Ergebnis Wieder bleibt an dieser Stelle zunächst nur die Erkenntnis, dass auch die unter dem Begriff der vertraglichen Richtigkeitsgewähr formulierten Gedanken die Einhaltung eines gewissen Machtgleichgewichts zwischen den Vertragspartnern voraussetzen, 348  Vgl. in diesem Sinne auch Vaupel, Die Kompensation von Ungleichgewichtslagen im Arbeitsund Verbraucherrecht, S.  25. 349  Siehe bereits die Darstellung der Richtigkeitsgewähr bei der Legitimation des Vertrages. 350  Schmidt-Rimpler, in: FS Raiser, S.  1, 5 f. 351  Schmidt-Rimpler, AcP 147 (1941), 130. 352  Schmidt-Rimpler, Vertragsproblem, S.  1, 8. 353  „Ich wollte den Vertrag vor dem Zugriff des autoritären Staates schützen“, Schmidt-Rimpler, Vertragsproblem, S.  1, 9. 354  Schmidt-Rimpler, AcP 147 (1941), 130, 150 f. 355  Vgl. auch die Darstellung bei Ritgen, Vertragsparität und Vertragsfreiheit, JZ 2002, 114; so­ wie Becker, Der unfaire Vertrag, S.  6. 356  Schmidt-Rimpler, Vertragsproblem, S.  1, 14.

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ohne dass damit eine genaue(re) Beschreibung der einzuhaltenden Grenzen einher­ ginge. Ein Umstand, der den Begrifflichkeiten „Macht“ und „Parität“ den Vorwurf eingebracht hat, sie seien lediglich wertende Metaphern.357 Das führt zurück zur Ausgangsüberlegung und den Anforderungen, die vor dem Hintergrund der Selbstbestimmung an das Zustandekommen des Vertragsschlusses zu stellen sind. Richtigerweise wird man aus der Retrospektive des moderierten Ver­ trags für die Verhandlungen festhalten müssen, dass solche Verträge aufhebbar sein müssen, in denen das Zustandekommen der Willensbildung nicht mehr den Grund­ bedingungen von Autonomie entspricht.358 Es geht insofern nicht um einen Fixpunkt, der einzuhalten, sondern um einen Be­ reich, der nicht zu verlassen ist. (3) Fallgruppen der Imparität Die Grenzen dieses Bereichs sollen im Wege der durch das BVerfG angemahnten „typisierten Betrachtungsweise“ erfassbarer werden. Das setzt voraus, dass die zahl­ losen Einzelfälle des täglichen Lebens zu Fallgruppen gebündelt werden und auf die­ sem Weg möglichst die gleiche Behandlung gleicher Fälle sichergestellt wird.359 Auf die Frage, wer die Schwächeren seien, hat Weitnauer früh geantwortet: „Das sind die Armen gegenüber den Reichen, die Nichtbesitzenden gegenüber den Besitzen­ den, die Nichterwachsenen gegenüber den Erwachsenen, die Frauen – jedenfalls in gewissen Lebenslagen der Mutterschaft – gegenüber den Männern, die weniger Klugen gegenüber den Klugen, die Leichtsinnigen gegenüber den überlegt Handelnden, die Kranken und Schwachen gegenüber den Gesunden und Starken, die Unwissenden gegenüber den Wissenden, die Hung­ rigen gegenüber den Satten, die in eine Zwangslage Geratenen gegenüber den in ihren Ent­ schlüssen Freien, diejenigen, die etwas dringend benötigen, gegenüber denen, die es haben, die Einzelnen gegenüber den organisierten Gruppen, die auf ihrer Hände Arbeit angewiesenen gegenüber den sogenannten Kapitalisten, die kleinen Unternehmer gegenüber den großen – die Reihe bietet bereits ein hinreichend buntes Bild und ließe sich wohl noch weiter fortset­ zen.“360

Schaut man sich diese Aufzählung der Ursachen für eine Unterlegenheit an, so lässt sich konstatieren, dass diese in ihrer abstrakten Beschreibung unmittelbar einleuch­ tend sind und gleichzeitig doch keinen wirklichen Erkenntnisfortschritt im Hinblick auf die genauere Definition der Grenzbereiche des Gebots der fairen Verhandlung bringt. Dort, wo sich klare Trennlinien ziehen lassen, ist dies häufig – zum Schutz der Schwächeren – geschehen. Dies gilt für Minderjährige wie für Arbeitnehmer.361 In vielen Bereichen jedoch, und diese sind hier von Bedeutung, gelingt es gerade nicht. Wer – um die genannten Beispiele Weitnauers zu bemühen – ist reich, wer arm? 357 

Rittner, AcP 188 (1988), 101, 110 ff. So formuliert Breidenbach, Mediation, S.  207. 359  Vaupel, Die Kompensation von Ungleichgewichtslagen im Arbeits- und Verbraucherrecht, S.  27; vgl. auch Thüsing, in: FS Wiedemann, S.  559, 564. 360  Weitnauer, Der Schutz des Schwächeren im Zivilrecht, S.  13. 361  Thüsing spricht insofern richtigerweise von einer „geglückte[n] Vertypung“, Thüsing, in: FS Wiedemann, S.  559, 572. 358 

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Wann ist man gesund? Wann ein kleiner Unternehmer? Befriedigende Antworten hat die Forschung bisher nicht geliefert. Durch die weitere Vertypung wurde – wie anhand einiger Beispiele erörtert werden soll – nicht viel gewonnen. Denn die Gren­ zen des einzuhaltenden Bereichs wurden vor allem deswegen nicht konkreter erfasst, weil zur näheren Bestimmung der unbestimmten Begriffe von Macht und Parität erneut nur sehr unbestimmte Begrifflichkeiten gewählt wurden. Noch mit Blick auf die Aufzählung Weitnauers lassen sich schnell zwei Hauptka­ tegorien herausbilden, denen auch heute noch gefolgt wird: die personenbedingte Imparität einerseits und die situationsbedingte Imparität andererseits. Da es aktuell um die Erhellung des Gebots der fairen Verhandlung geht, liegt der Verdacht nahe, dass vorliegend die Fallgruppen der situationsbedingten Imparität von besonderem Interesse sind. Allerdings kann auch die personenbedingte Unterlegenheit Konse­ quenzen für den Moderator und seine Vermittlung zeitigen. (a) Personenbedingte Imparität Bei den Fällen der personenbedingten Imparität sind es die Vertragsschlüsse der Klugen gegenüber den weniger Klugen, die regelmäßig genannt werden, allerdings unter der aktuellen Bezeichnung des „intellektuellen Gefälles“.362 Die schon ange­ sprochene Ungenauigkeit zeigt sich daran, dass zu diesem intellektuellen Gefälle nicht nur die Fähigkeiten des Einzelnen, sondern auch eine evtl. Differenz bzgl. der Informationen, um den Wert des Geschäfts zu beurteilen, gezählt wird.363 Auch eine Unterlegenheit infolge einer suchtbedingten Alkoholiserung ist hierzu zu zählen.364 Demgegenüber werden „strategisch-taktische Fähigkeiten“ auch losgelöst von der Frage eines intellektuellen Gefälles als Ursache für ein Verhandlungsungleichge­ wicht benannt.365 Allerdings ohne darauf einzugehen, was strategisch-taktische Fä­ higkeiten sind und – noch wichtiger – wie viel mehr die eine Partei von dieser Fertig­ keit innehaben muss, um ein nicht mehr tolerierbares Ungleichgewicht auszulösen. Ob neben dem Intellektuellen auch ein wirtschaftliches Gefälle grundsätzlich ge­ eignet ist, ein relevantes Ungleichgewicht auszulösen, ist umstritten. Zum Teil wird dies unter Hinweis darauf verneint 366 , dass die Tatsache, dass zwei Vertragspartner unterschiedliche finanzielle Ressourcen haben, für sich allein noch nicht die Effizi­ enz des Vertragsschlusses infrage stellen könne. Erheblich werde das Gefälle erst, wenn es der anderen Seite nicht mehr möglich sei, vom Vertrag Abstand zu nehmen; wo sie so sehr darauf angewiesen ist, dass jede Vertragsbedingung akzeptiert wird.367 Diese Grenzziehung wird nicht von allen Seiten geteilt. Es wird demgegenüber fast gegenteilig vertreten, dass die Fähigkeit einer Partei, die im Verlauf der Verhandlung

362 Vgl.

Thüsing, RdA 2005, 257, 259. Etwa durch Thüsing, RdA 2005, 257, 259. 364  Müller, DB 2019, 1792, 1797 mit Verweis auf BAG v. 14.02.1996 – 2 AZR 234/95, NZA 1996, 811 ff. 365 Von Breidenbach, Mediation, S.  110. 366 Von Thüsing, RdA 2005, 257, 260; Thüsing, in: FS Wiedemann, S.  559, 570. 367  Thüsing, in: FS Wiedemann, S.  559, 570. 363 

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anfallenden Kosten, die sogenannten Transaktionskosten, zu tragen, einen wesentli­ cher Faktor für die Begründung von Verhandlungsmacht darstellt.368 (b) Situationsbedingte Imparität Zu den Gründen eines Verhandlungsungleichgewichts, die sich zur Gruppe der situ­ ationsbedingten Ursachen für eine Imparität zählen lassen, gehören etwa folgende Verhaltensmuster, die die Entscheidungsfreiheit (zu) erheblich beeinträchtigen kön­ nen: – Vertragsverhandlungen zu ungewöhnlichen bzw. unpassenden Zeiten oder Orten, – Zeitdruck, Ablehnung einer Bedenkzeit – das Vorhandensein mehrerer Personen auf einer Verhandlungsseite, – das Fehlen von Beratungsmöglichkeiten auf der anderen Seite,369 – Einschränkung der Bewegungsfreiheit.370 Zu den situationsbedingten Ursachen ist – in Fortführung der Luhmannschen Argu­ mentation – auch die (vermutete) Reaktion der Öffentlichkeit zu zählen. Mit Blick auf die Störung des Verhandlungsgleichgewichts lässt sich formulieren, dass die Par­ tei, die eine negative öffentliche Reaktion erwartet, bereit sein wird, entsprechend nachzugeben, um eben dies zu vermeiden. Gleichzeitig wächst die Verhandlungs­ macht der Partei, die durch eine öffentliche Reaktion gestützt würde.371 Dass letztlich nicht einmal die Trennung von situations- und personenbedingten Ursachen durchzuhalten ist, zeigt sich an den Auswirkungen, welche die Lage des Rechts auf den Vertragsschluss hat bzw. haben soll. Eine günstige Rechtslage, d. h. die Stützung des eigenen Interesses durch die Vorschriften des Gesetzes, bewirkt eine Stärkung der Verhandlungsposition. Das ist auf den ersten Blick ebenso nach­ vollziehbar wie situationsbedingt. Allerdings reicht die bloße Existenz der günstigen Rechtslage allein nicht aus. Notwendig zur Beeinflussung der Verhandlungsposition ist deren Kenntnis, denn nur dann kann der begünstigte Verhandlungspartner mit der Anrufung des Gerichts drohen.372 Diese Kenntnis wäre dann eher zu den perso­ nenbedingten Gründen zu zählen. Dies wird noch deutlicher, wenn man sich 373 vor Augen führt, dass selbst bei perfekter Kenntnis der Rechtslage ein Bereich der Unge­ wissheit bleibt, etwa wegen Beweisschwierigkeiten. Dann hat derjenige mehr Ver­ handlungsmacht, der risikofreudiger ist.374 Das Merkmal der „Risikofreude“ ist dann letztlich den personenbedingten Gründen zuzurechnen.

368 

Breidenbach, Mediation, S.  107 f. Die Aufzählung stammt von Reinecke, in: FS Düwell, 409, 411. 370  Dieses Verhaltensmuster nennt Müller, DB 2019, 1792, 1796, der auch die Übrigen aufzählt. 371 Vgl. Breidenbach, Mediation, S.  110. 372 Vgl. Breidenbach, Mediation, S.  104 ff. 373  So wie Breidenbach, Mediation, S.  106 f. 374  Breidenbach, Mediation, S.  106 f. 369 

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(c) Summa Auch wenn man hier auf eine genauere Etikettierung noch verzichten kann, so wird an den Ausführungen zur Beeinflussung der Verhandlungsmacht durch die Rechts­ lage deutlich, was – leider – insgesamt festzuhalten ist und einem größeren Erkennt­ nisgewinn für diese Untersuchung entgegensteht: Nicht jede ungleiche Verhandlungsmacht ist erheblich. Im Gegenteil: Vor dem Hintergrund der möglichen und denkbaren Umstände eines Vertragsschlusses und der nicht zu überschauenden Zahl möglicher Formen der Unter- bzw. Überlegenheit ist auszuschließen, dass bei einem Vertragsschluss einmal Personen mit völlig glei­ cher Verhandlungsstärke zusammentreffen.375 Weil dem so ist, genügt es eben nicht, eine bloße Ursache für ein Verhandlungsungleichgewicht zu definieren. Darüber hi­ naus muss zudem eine Erheblichkeitsschwelle definiert und überschritten werden. Die Beschreibung einer solchen Grenze bringt dann erhebliche Schwierigkeiten mit sich. Diese werden durch die vorzufindenden Begrifflichkeiten, die zur Beschrei­ bung der Ursachen für ein Paritätsgefälle gewählt werden, mit ausgelöst. Denn be­ reits an dieser Stelle werden – weil nicht anders möglich – einzig sehr unbestimmte Begrifflichkeiten gewählt, um den Begriff der Macht aufzuhellen. Stichworte wie strategisches Geschick, Risikofreude, unpassende Zeiten oder eine wie auch immer geartete Reaktion der Öffentlichkeit verdeutlichen die Problematik. Wo aber schon der Beginn einer Beeinträchtigung der Verhandlungsposition schwer zu erfassen ist, lässt sich auch die daraufhin festzustellende Erheblichkeitsschwelle nicht konkret fassen. Die frühe Aussage Schmidt-Rimplers dahingehend, dass ein Gefälle an Ver­ handlungsmacht erst dann erheblich werde, wenn es der anderen Seite nicht mehr möglich ist, vom Vertrag Abstand zu nehmen, d. h. sie so sehr auf ihn angewiesen sind, dass jede Vertragsbedingung akzeptiert wird,376 ist zwar zutreffend. Letztlich ist damit jedoch auch nur gesagt, dass die Verhandlungsmacht gestört ist, wenn es an der notwendigen Selbstbestimmung fehlt. Die fehlende begriffliche Greifbarkeit lässt sich noch krönen durch die zutreffende Feststellung von Lorenz377. Danach handele sich um ein bewegliches System mehre­ rer Elemente, die in ihrem jeweiligen Zusammenspiel eine unzulässige Einflussnah­ me auf die Entscheidungsfreiheit begründen können.378 Im täglichen Leben wird kein Umstand, der Auswirkungen auf die Verhandlungsmacht hat, für sich allein stehen. Die Kenntnis um die gute Rechtslage nutzt demjenigen nichts, der jedes Ri­ siko scheut, während die ungünstige rechtliche Konstellation demjenigen nicht zum Verhandlungsnachteil gereicht, der diese durch sein strategisches Geschick zu ver­ schleiern weiß.

375 

S.  23.

376 

Vaupel, Die Kompensation von Ungleichgewichtslagen im Arbeits- und Verbraucherrecht,

Thüsing, RdA 2005, 257, 260. Lorenz, JZ 1997, 277, 282; auf das Bewegliche System kommen wir zurück. 378 Zustimmend Reinecke, in: FS Düwell, 409, 411. 377 

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F. Absicherung der gesteigerten Legitimation

bb) Die zweite Dimension: It takes two to tango Um das Gebot des fairen Verhandelns näher zu bestimmen, soll die Betrachtung um eine – hier so bezeichnete – Dimension erweitert werden. Von der bisherigen Kon­ zentration auf die einzuhaltende Selbstbestimmung einer Partei hin zur Vertrags­ freiheit beider Vertragsparteien. Diese Freiheit setzt allerdings jeweils die Existenz eines Vertragspartners voraus, denn auch eine völlig selbstbestimmte Person kann mit sich selbst nicht (sinnvoll) kontrahieren. Für eine gelebte Vertragsfreiheit bedarf es also zwei Vertragspartner, die im Sinne der ersten Dimension selbstbestimmt han­ deln. Denn die Selbstbestimmung des Einzelnen ist zwar grundrechtlich geschützt. An­ ders als die Betätigung der allgemeinen Handlungsfreiheit ist die Freiheit, sich ver­ traglich zu binden, nur bei einer entsprechenden Rechtsordnung möglich.379 „Robinson war in seinem Handeln frei, jedoch erst als Freitag kam, konnte es Vertragsfreiheit geben“.380

(1) Vertragsfreiheit vs. Vertragsgerechtigkeit Zum Teil wird vertreten, dass der Vertragsfreiheit Vorrang vor der Vertragsgerech­ tigkeit eingeräumt werde.381 Das gilt aber nur, wenn man in diesem Zusammenhang betont, dass die Frage, wie eine gerechte Lösung aussieht, dann nicht von der Rechts­ ordnung kontrolliert wird, wenn die Voraussetzungen der Vertragsfreiheit vorliegen. Denn in diesem Fall gilt der ebenso schlichte wie zutreffende Gedanke, dass die Vertragspartner selbst am besten beurteilen können, was gerecht ist. Deswegen ist die Aufgabe eigener Interessen, d. h. der Verzicht auf bestimmte Verhandlungsposi­ tionen, durch die Vertragsfreiheit legitimiert.382 Der Vorrang der Vertragsfreiheit vor der Vertragsgerechtigkeit gilt jedoch nicht, wenn es um die rechtliche Legitimation des Vertrags an sich geht.383 Denn der Schutz und die rechtliche Durchsetzung des Vertrags sind nicht bereits durch den überein­ stimmenden Willen der Parteien legitimiert, sondern aufgrund der Angemessenheit des Vertrags.384 Diese Angemessenheit – und insofern schließt sich der Kreis – darf die Rechtsordnung allerdings für den Regelfall vermuten, weil im übereinstimmen­ den Willen der Parteien ein Indiz für die angemessene Regelung liegt.385 Auch wegen dieser Indizfunktion im Hinblick auf eine gerechte Lösung wird der freie Wille der Parteien durch die Rechtsordnung geschützt.386

379 

Thüsing, RdA 2005, 257, 258. Thüsing, RdA 2005, 257, 258. 381  So formuliert Breidenbach, Mediation, S.  206. 382  Breidenbach, Mediation, S.  206. 383  Dazu siehe bereits oben unter E.III. 384  Thüsing, RdA 2005, 257, 260. 385  Thüsing, RdA 2005, 257, 260. 386  Thüsing, RdA 2005, 257, 259 m. w. N. 380 

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(2) Vertragsfreiheit vs. Selbstbestimmung vs. Vertragsgerechtigkeit Neben dieser zivilrechtlich-ökonomischen Herangehensweise gilt es zudem, die grundrechtliche Perspektive zu wahren. Das Grundrecht des Art.  2 Abs.  1 GG schützt zunächst die Selbstbestimmung des Einzelnen und insofern auch die vertrag­ liche Vereinbarung, soweit sie auf der Selbstbestimmung der Beteiligten beruht und eben nicht, weil sie gerecht ist.387 Die bürgerlich-rechtliche Vertragsfreiheit ist durch das Grundrecht aus Art.  2 Abs.  1 GG von vornherein begrenzt, weil es gewisserma­ ßen vorgeschaltet und in erster Dimension die Verwirklichung der Selbstbestim­ mung eines jeden Vertragspartners verlangt. Art.  2 Abs.  1 GG setzt der Vertragsfrei­ heit des BGB ebenso Grenzen, wie dies durch Art.  14 GG im Hinblick auf die ur­ sprüngliche Eigentumsfreiheit des BGB geschieht.388 (3) Folgerungen für das Gebot der fairen Verhandlung Was folgt aus diesen zweidimensionalen Betrachtungen nunmehr für das Gebot der fairen Verhandlung? Sie stützen die Aussage, die Weitnauer getroffen hat, nur insoweit, als er nach We­ gen suchte, den Schwächeren im Zivilrecht zu schützen: „Deshalb muss hier die berühmte ‚Goldene Regel‘ gelten, die in populärer Form besagt: Was Du nicht willst, dass man Dir tu, das füg’ auch keinem anderen zu, und die in der Sprache Kants als das Gebot erscheint, so zu handeln, dass die Maxime dieses Handelns als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könnte.“389

Es ist diese zweite Dimension, die über die eindimensionale Verwirklichung der Selbstbestimmung eines Vertragspartners hinaus auch verlangt, dass dieser die freie Willensbetätigung des Gegenübers anerkennt. Denn nur wenn diese vorliegt, legiti­ miert die Rechtsordnung den Vertrag. Diese anerkennende Ausübung der eigenen Selbstbestimmung, die auch dem Ver­ tragspartner Selbstbestimmung ermöglicht, verlangt jedoch nicht, dass man als ver­ meintlich stärkerer Verhandlungspartner selbst dafür Sorge tragen müsste, den Ge­ genüber auf ein absolut gleiches Niveau der Verhandlungsmacht zu bringen. Hier hat schon die bisherige Betrachtung gezeigt, dass es lediglich um einen Bereich gehen kann, der einzuhalten ist. Dementsprechend kann im Wege der anerkennenden Aus­ übung nicht verlangt werden, jeden persönlichen Verhandlungsvorteil zu Gunsten einer absoluten Gleichheit aufzugeben und wirtschaftliche oder soziale Verschieden­ heiten zu leugnen. Auch insofern formuliert Weitnauer zutreffend, wenn er sagt, 387 

Ritgen, JZ 2002, 114, 117 m. w. N. Cremer, Freiheitsgrundrechte, S.  476, der die Ansicht vertritt, die Vertragsfreiheit sei weder denklogisch noch nach dem Grundgesetz eine „notwendig begrenzte“, sondern eine durch Art.  2 Abs.  1 GG prima facie umfassend gewährleistete und abwehrrechtlich bewehrte Grund­ rechtsposition; nach Wagner, Jura 1999, 505, 512 verschaffte der demokratische Rechtsstaat den al­ ten Grundwerten der bürgerlichen Ordnung – Freiheit und Gleichheit – neue Geltung in sozialer Gebundenheit. 389  Weitnauer, Der Schutz des Schwächeren im Zivilrecht, S.  11; die Bedeutung der Goldenen Regel für das Mediationsverfahren arbeitet Wendland, Mediation und Zivilprozess, S.  299 ff. her­ aus. 388 A.A.

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dass es nicht um die Gleichheit aller Menschen gehe oder um die Erzielung einer perfekten Gleichmacherei. Vielmehr gehe es – und dies ist der zentrale Gedanke – um eine Chancengleichheit, im Rahmen derer jedem Einzelnen ein Freiheitsraum soweit gewährleistet sei, dass daneben die Freiheit der Anderen zur Betätigung, zur Entfal­ tung der eigenen Persönlichkeit bestehen könne.390 „Es ist nicht so, dass Recht alle Ungleichheiten korrigieren müsste oder auch nur könnte. Die Art und Weise, wie der Einzelne die ihm gewährte Chance nützt oder verspielt, ist weithin seine Sache. Das Zivilrecht kann deshalb z. B. einen weniger Klugen nicht einfach deshalb nachsichtiger behandeln, weil er nicht klüger ist, etwa von ihm ein geringeres Maß an Sorgfalt verlangen als die im Verkehr erforderliche Sorgfalt; dieser Gedanke ist bereits in den Digesten in klassischer Form ausgedrückt: ne melioris conditionis sint stulti quam periti.“391

Man wird aus der Perspektive der Selbstbestimmung sagen können, dass mehr als die Schaffung der Chance auf einen gerechten Interessenausgleich nicht nur nicht not­ wendig, sondern sogar zu vermeiden ist, weil sonst auf den (eindimensionalen) Wert der Selbstbestimmung verzichtet werden müsste. Das Institut des Vertrags wird durch die Rechtsordnung auch deshalb anerkannt, weil es der Selbstbestimmung zur Entfaltung verhilft.392 Dort – und auch dies ist bei der zweidimensionalen Betrach­ tung zu beachten – wo das Recht zum Ausgleich eines sozialen Machtgefälles ein­ greift, geschieht dies nicht zuletzt durch Beschränkung der Vertragsfreiheit des sozi­ al überlegenen Partners.393 Für die Erhellung dessen, was unter dem Gebot des fairen Verhandelns gemeint ist, lässt sich insofern festhalten, dass der Vertrag als Ergebnis voraussetzt, dass er auf Basis der Selbstbestimmung beider Vertragspartner geschlossen wurde. Diese muss eindimensional bestehen, aber nicht nur. Die Vertragsfreiheit verlangt für ihre Rea­ lisierung mindestens ein weiteres selbstbestimmt handelndes Individuum. Beide ste­ hen nicht beziehungslos zueinander; vielmehr ist es schon vor Vertragsschluss not­ wendig, die Freiheit des anderen anzuerkennen. Diese anerkennende Autonomie ist es, die auch Auswirkungen auf die Verhandlungen hat. Denn diese sind so zu gestal­ ten, dass die Selbstbestimmung des anderen gewahrt bleibt. cc) Die dritte Dimension: der beteiligte Unbeteiligte als Garant der Selbstbestimmung Die hier so bezeichnete dritte Dimension, unter der die Selbstbestimmung Einfluss auf das Gebot der fairen Verhandlung hat, wird dann durch die Beteiligung des Un­ beteiligten gebildet. Die Moderation durch den neutralen Moderator bildet eine drit­ te Dimension der Selbstbestimmung, die sich von den vorhergehenden wiederum deutlich unterscheidet. Denn es geht an dieser Stelle nicht um die aus der notwendi­ 390 

Weitnauer, Der Schutz des Schwächeren im Zivilrecht, S.  15. Weitnauer, Der Schutz des Schwächeren im Zivilrecht, S.  15, mit Verweis auf (Digestenzitat): D 43.24.4. 392  Wolf, Rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit und vertraglicher Interessenausgleich, S.  206. 393  Isensee, Vertragsfreiheit und Diskriminierung, S.   8; zu den möglichen Grundfiguren des Schwächerenschutzes vgl. Weitnauer, Der Schutz des Schwächeren im Zivilrecht, S.  16. 391 

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gen Existenz der Selbstbestimmung folgenden Vorgaben an das Gebot der fairen Verhandlung, weil insofern keine weitere Dimension im engeren Sinne existiert, als dass es auf die Verwirklichung der Selbstbestimmung des Moderators ankäme. Ob der Moderator sich etwa im Rahmen seiner grundrechtlich geschützten allgemeinen Handlungsfreiheit bewegt, wenn er den Vertragsschluss mittelt, ist für die Existenz des moderierten Vertrags nicht von Bedeutung. Eine Bedeutung erlangt die Modera­ tion in Bezug auf die Selbstbestimmung vielmehr insofern, als der Moderator in sei­ ner Funktion als Garant für die Selbstbestimmung der Parteien im Rahmen seiner Tätigkeit ein besonderes Augenmerk auf die bis dato betrachteten ersten beiden Di­ mensionen der Selbstbestimmung legen muss. Insofern kommt – untechnisch ausge­ drückt – eine weitere Dimension hinzu. Von dieser geht jedoch, und darum geht es an dieser Stelle, keine weitere Erkennt­ nismöglichkeit im Hinblick auf den Inhalt des Gebotes der fairen Verhandlung ein­ her. Das liegt an der Richtung, aus der diese Arbeit auf die Verhandlung blickt. Es sollen gerade die juristischen Vorgaben für die Verhandlung und insbesondere die Vermittlungstätigkeit des Moderators aus dem Umstand entwickelt werden, dass diese später in den Abschluss eines zivilrechtlichen Vertrags münden. Die Beantwor­ tung der Frage, welches Licht dieser Umstand in den Schatten des Rechts wirft, in dem die Verhandlungen stattfinden, führt dann – um im Bild zu bleiben – zu einer Erhellung dessen, was unter der Moderationstätigkeit zu verstehen ist. Damit ist die dritte Dimension allerdings nicht geeignet, den Inhalt des Gebotes der fairen Ver­ handlung zu erhellen. Es wird später noch zu fragen sein, welche Folgerungen die bis dato gewonnenen Erkenntnisse im Hinblick auf die Absicherung des moderierten Vertrags vor einer Manipulation durch den Moderator zulassen.394 Damit lässt sich das Gebot der fairen Verhandlung auf Basis des hier so bezeichne­ ten privatautonomen bzw. vertragstheoretischen Ansatzes nicht weiter definieren. Ein letzter Blick soll daher – wie bereits angekündigt – auf die, unter dem Stich­ wort der undue influence bekannten, Rechtsfigur geworfen werden. Die Heranzie­ hung bzw. Übertragung der im anglo-amerikanischen Recht entwickelten Grund­ sätze zu einer ungebührlichen Beeinflussung im Rahmen der Vertragsverhandlun­ gen wurde395 und wird396 auch in der deutschen Rechtswissenschaft vertreten, wenn es um die nähere Bestimmung des Inhaltes des Gebotes der fairen Verhandlung geht. Die Analyse der undue influence bietet die Möglichkeit der Erkenntnis von „Spiel­ regeln“ für die Verhandlung, die ggf. einen Schutz vor der nicht neutralen bzw. ma­ nipulativen Moderation durch den Moderator bieten. e) Undue influence Als Ausgangspunkt für die Betrachtung dient dabei der Gedanke, dass ein Verstoß gegen das Gebot des fairen Verhandelns immer dann anzunehmen ist, wenn eine 394  An dieser Stelle ist dies schon wegen der Wirkrichtung des §  311 Abs.  2 BGB nicht angezeigt, der Pflichten lediglich für die (späteren) Vertragspartner manifestiert. 395  Namentlich von Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, S.  453. 396  Schmidt, Anm. zu AP BGB §  620 Aufhebungsvertrag Nr.  50.

494

F. Absicherung der gesteigerten Legitimation

unangemessene Beeinflussung397 der Entscheidungsfreiheit des Vertragspartners vorliegt, die zur Aufhebung des Vertrags führt. Es sind wieder die Fälle des arbeitsrechtlichen Aufhebungsvertrags, deren zum Teil kritischer Abschlusskontext Anlass geboten hat, die Lösung in der rechtsver­ gleichenden Heranziehung der im angloamerikanischen 398 Recht existierenden Figur der undue influence zu suchen.399 Die Rechtsfigur der undue influence400 soll dabei gerade dazu geeignet sein, die Fälle der Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit zu erfassen, die von der Regelung des §  123 BGB nicht erfasst werden, weil die Beein­ flussung unterhalb der Schwelle einer widerrechtlichen Drohung oder Täuschung stattfindet.401 Das heißt, es geht bei den mithilfe der undue influence gelösten Fällen um Fallgestaltungen, in denen ein Vertragspartner seinen Einfluss auf die Gegenseite oder eine spezielle Vertrauensbeziehung in einer Weise missbraucht, dass nicht mehr von einer frei ausgeübten Entscheidung des anderen Vertragspartners, den Vertrag zu schließen, ausgegangen werden kann.402 Weil die Manipulation jedoch hinter der tatbestandlichen Täuschung bzw. Drohung im Sinne des §  123 BGB zurückbleibt,403 sind es diese Fälle, in denen sich die schwierige Frage stellt, wo die Grenze zu ziehen ist zwischen zulässiger und unzulässiger Einflussnahme auf die Entscheidungsfrei­ heit. Neben dem Zustandekommen eines Aufhebungsvertrags sind es – die auch in Deutschland viel diskutierten – Fälle der Ehegattinnenbürgschaft, die (besonders in England404) mithilfe der undue influence gelöst wurden und werden.405 Im Wege einer ersten Annäherung lässt sich undue influence bezeichnen als „any improper or wrongful constraint, machination or urgency of persuasion, whereby the will of a person is overpowered, and he is induced to do forbear an act which he would not do, or would do if left to act freely.”406

397 

Eben eine „undue influence.“ Die Unterschiede in den einzelnen Rechtskreisen sind für das Anliegen dieser Untersuchung nicht von Bedeutung. Die Herkunft der Quellen aus Britannien (UK) bzw. den Vereinigten Staaten von Amerika (US) ist jeweils ausgewiesen. 399  Däubler, in: Däubler/Deinert/Zwanziger, KSchR, Einl. Rn.  314b; Giesing, Inhaltskontrolle und Abschlusskontrolle arbeitsrechtlicher Aufhebungsverträge, S.  211 ff.; Lorenz, JZ 1997, 277 ff.; auf den Beitrag von Lorenz stellen ab: BAG v. 07.02.2019 – 6 AZR 75/18, AP BGB §  620 Aufhe­ bungsvertrag Nr.  50, Rn.  33; Krause, Anm. zu EzA BGB 2002 §  312 Nr.  1 zu II 4. 400  Zum weiteren, auch geschichtlichen Hintergrund der undue influence siehe Calamari/Perillo (US), The Law of Contracts, §  9-9, S.  351. 401  Giesing, Inhaltskontrolle und Abschlusskontrolle arbeitsrechtlicher Aufhebungsverträge, S.  219 402  Giesing, Inhaltskontrolle und Abschlusskontrolle arbeitsrechtlicher Aufhebungsverträge, S.  219. 403  Vgl. nur die Wiedergabe bei Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, S.  454; ebenso bei Lorenz, JZ 1997, 277, 281. 404 BeckOGK/Sutschet, BGB, §  620 Rn.  495 weist in diesem Zusammenhang zutreffender Weise darauf hin, dass die englischen Entscheidungen der undue influence nicht zu Fällen des arbeits­ rechtlichen Aufhebungsvertrages ergangen sind, anders als in den USA, vgl. Thüsing, RdA 2005, 257, 268. 405  Lorenz, NJW 1997, 2578, 2579. 406  Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, S.  454; zur gesetzlichen Verankerung vgl. näher Thüsing, RdA 2005, 257, 268. 398 

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aa) Begriff und Zweck der undue influence Mit dieser Beschreibung lässt sich die Situation erfassen, in der die Rechtsfigur zum Tragen kommen soll. Unklar bleibt jedoch, welche genauen Voraussetzungen sich hinter dem Begriff „undue influence“407 verbergen.408 Eine genauere Definition der undue influence ist dabei weder möglich noch erwünscht.409 Unmöglich, weil die Umstände, die einer möglichen Beeinflussung zugrunde lie­ gen, ebenso wie die konkrete Ausübung der Manipulation so stark variieren, dass spezifischere Kriterien nicht entwickelt werden können.410 Unerwünscht, weil solche Kriterien den Gerichten die Möglichkeit nähmen, all die Fälle darunter zu subsumieren, in denen eine Partei einen ungerechten Vorteil dadurch erlangt, dass sie unzulässigen Druck auf die Gegenseite ausübt, der aber eben noch nicht den Tatbestand der Drohung erfüllt.411 Denn genau darin liegt eben das Anliegen der undue influence: Sicherzustellen, dass die Einflussmöglichkeiten, die eine Person über die andere hat, zwar im Rah­ men des im Rechtsverkehr Üblichen gebraucht, aber eben nicht missbraucht wer­ den.412 Das setzt weniger eine konkrete Definition als mehr eine fallgruppenweise Entwicklung bestimmter Beeinflussungstatbestände voraus.413 Dies zeigt sich zudem im Vergleich mit dem Institut der „duress“, welches im ang­ loamerikanischen Recht im Wesentlichen die Fälle erfasst, die im Geltungsbereich des BGB durch §  123 Abs.  1 BGB gehört werden und dessen Zweck hier wie dort darin besteht, sicherzustellen, dass Vereinbarungen nur auf freiwilliger Basis ge­ schlossen werden.414 Beließe man es aber bei der Absicherung allein durch die Vor­ schrift des §  123 BGB, d. h. der duress, dann bestünde aufgrund deren tatbestandli­ cher Begrenztheit gerade die Gefahr, dass Fälle anderer Beeinflussung nicht erfasst 407  Der Begriff selbst wird laut Goff/Jones (UK), The Law of Restitution, 11-001, S.  347, Lord Hardwicke zugeschrieben, wobei es auch möglich sei, dass dieser älter sei als von 1737. 408  Burrows (UK), The Law of Restitution, S.  283: “The Situation is clear. What is less clear is what precisely is meant by undue influence”. 409  Diese Feststellung traf ebenfalls schon Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, S.  455. 410  So etwa Lord Nicholls, in: Royal Bank of Scotland v. Etridge, AP 2001 UKHL 44, Rn.  7: “It is impossible to be more precise or definitive. The circumstances in which one person acquires in­ fluence over another, and the manner in which influence may be exercised, vary too widely to per­ mit of any more specific criterion”. 411 Vgl. Fafinski/Finch (UK), Contract Law, S.   146: “It covers situations where one party has gained an unfair advantage over the other by applying improper pressure (which does not amount to duress at common law). The term undue influence is inherently imprecise and the courts have not provided a precise definition”; nach Goff/Jones (UK), The Law of Restitution, 11-001, S.  347 bein­ haltet undue influence “ambiguous purport”. 412  Vgl. in diesem Sinne Lord Nicholls, in: Royal Bank of Scotland v. Etridge, AP 2001 UKHL 44, Rn.  6: “The objective is to ensure that the influence of one person over another is not abused. In everyday life people constantly seek to influence the decisions of others. They seek to persuade those with whom they are dealing to enter into transactions, whether great or small.”; ebenso Goff/ Jones (UK), The Law of Restitution, 11-001, S.  347: “The equitable doctrine was created to protect people from being forced, tricked or misled in any way by others into parting with their property”. 413  Lorenz, NJW 1997, 2578, 2580. 414  Klass (US), Contract Law in the USA, Rn.  158: “The purpose of the rule for duress is to ensu­ re that agreements will only be enforced if they are entered into voluntarily”.

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werden.415 In diese Lücke soll(te) – aufgrund ihrer tatbestandlichen Weite – die un­ due influence stoßen und auch unter Billigkeitsgesichtspunkten416 die Fälle erfassen, die zwar nicht tatbestandsmäßig, aber wertungsmäßig denen des §  123 BGB entspre­ chen.417 Das zeigt sich nicht zuletzt daran, dass dem Opfer einer unzulässigen Beein­ flussung im Sinne einer undue influence ein Recht zur Auflösung des Vertrags in der Art eines Gestaltungsrechts zugestanden wird. Für diese Untersuchung ist es dabei von besonderer Bedeutung, dass es der Lehre von der undue influence um Einfluss­ nahmen auf die Willensbildung geht und dabei die äußeren Umstände des Vertrags­ schlusses eine hervorgehobene Rolle spielen.418 Weil es im angloamerikanischen Recht gelungen sei, mit dem Begriff der undue influence Manipulationen des Willens in der vorkonsensualen Frage zu bewältigen, könne diese Figur auch rechtsverglei­ chend als Grundlage dienen, um die in Deutschland noch existierenden Lücken zu schließen.419 Diese Annahme wird zunächst unterstützt durch den Umstand, dass die Rechtsfigur der undue influence Aufnahme in das niederländische Recht gefun­ den hat.420 Die Anleihe bei der undue influence wird jedoch auch von vornherein kritisch gesehen. Ein damit verbundener Erkenntnisgewinn sei mindestens zweifelhaft, es gelte vielmehr den Sirenengesängen der vermeintlich schönen neuen Welt der Culpa in contrahendo zu widerstehen.421 Ob die lyrische Kritik zustimmt, ließe sich nur durch eine nähere Betrachtung der undue influence klären. Diese findet im Folgen­ den zwar statt, zielt vorliegend aber nicht auf die Lösung dieses Dissenses, sondern hat den Erkenntnisgewinn in Bezug auf den Inhalt des Gebotes der fairen Verhand­ lung zum Ziel. bb) Der Ansatz „undue influence“ Schon deutlich geworden ist, dass die undue influence als ein den §  123 BGB ergän­ zendes Mittel charakterisiert wird, dass von den Befürwortern einer rechtsverglei­ chenden Heranziehung dazu dienen soll, die Grauzone zwischen fehlender und vol­ ler Geschäftsfähigkeit sowie zwischen widerrechtlicher Drohung und gänzlich fai­ rem Verhandeln abzudecken.422 Damit ist die rechtliche Verortung angesprochen. 415  Goff/Jones (UK), The Law of Restitution, 11-001, S.  347: “The court of chancery had always been conscious that the common law conception of duress was so limited that substantial injustice could result”. 416  Goff/Jones (UK), The Law of Restitution, 11-002, S.  347: “At common law duress is a wrong. In recent years the house of Lords has more than once said that undue influence is an equitable wrong.” 417  Burrows (UK), The Law of Restitution, S.  283: “There is a close link between duress and undue influence. Indeed, until the recent expansion of duress, undue influence was regarded as embracing threats or pressure that fell outside the the narrow doctrine of duress”. 418  Lorenz, JZ 1997, 277, 282. 419 So Lorenz, JZ 1997, 277, 282; ebenfalls Wagner, AcP 205 (2005), 715, 739. 420  Darauf weist MünchKommBGB/Armbrüster, §  123 Rn.  135, Einzelheiten zu der niederländi­ schen Regelung siehe ebendort. 421 Staudinger/Sack/Fischinger, BGB, §  138 Rn.  2 27; kritisch ebenfalls BeckOGK/Sutschet, BGB, §  620 Rn.  494 ff.; Holler, NJW 2019, 2206, 2210. 422  Dies betont auch Thüsing, RdA 2005, 257, 268.

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Es ist jedoch vor allem die Funktionsweise, in der sich die Rechtsfigur der undue influence von der Wirkweise des §  123 Abs.  1 BGB unterscheidet. Während die An­ fechtungsvorschrift ihren Fokus auf das Mittel der Beeinflussung legt und entschei­ det, ob dieses den Grad des Erlaubten überschreitet, nimmt die undue influence den Beeinflussten in den Blick.423 Zudem beurteilt sie, ob die Manipulation – unabhän­ gig, auf welchem Weg sie geschehen ist – dazu geführt hat, dass dieser nicht in Über­ einstimmung mit seinen eigenen Wünschen und Präferenzen handelt.424 Zwar wird die Art der Beeinflussung nicht notwendigerweise näher betrachtet. Das geht aller­ dings nicht so weit, dass auch die Herkunft der Manipulation unerheblich wäre. Viel­ mehr beinhaltet auch die undue influence eine „Konnotation der Unanständig­ keit“.425 Dieser Vorwurf des ungebührlichen Verhaltens trifft dabei denjenigen, der seine Einflussmöglichkeit missbraucht. Diese grundsätzliche Blickrichtung, die zen­ tral die Frage in den Blick nimmt, ob die Vertragszustimmung auf Basis der Selbst­ bestimmung getroffen wurde, führt dazu, dass es im Rahmen der Untersuchung, ob eine undue influence vorliegt, vor allem um Fragen der Beweislastverteilung geht.426 cc) Die Einteilung in Kategorien Der Versuch, den in den einschlägigen Fällen aufgeworfenen Fragen rechtlich ad­ äquat zu begegnen, führte früh427 zur Unterscheidung zwischen einer vermuteten und einer nachgewiesenen undue influence.428 Die Sinnhaftigkeit der Einteilung der undue influence wurde durch das House of Lords in der Entscheidung Royal Bank of Scotland vs. Etridge (No.  2)429 aus dem Jahr 2011 angezweifelt und sollte in der Folge nicht mehr verwendet werden.430 Die Kritik richtete sich gegen eine Unterteilung der Rechtsfigur dergestalt, dass man tatsächlich von verschiedenen Tatbeständen der undue influence ausgehen kön­ ne. Denn dies ist nicht der Fall. Der Tatbestand der undue influence basiert allein auf den oben geschilderten Überlegungen. Die Kritik an der Unterteilung zielte daher 423  Poole (UK), Textbook on Contract Law, S.  570: “The focus should be on the complainant rather than focusing on the motives of the alleged influencer or even whether they were conscious of any wrongdoing”. 424 Vgl. Thüsing, RdA 2005, 257, 268; ebenfalls: Poole (UK), Textbook on Contract Law, S.  571: “What matters is whether the end result involves a taking advantage of the relationship.” 425  Lord Nicholls, in: Royal Bank of Scotland v. Etridge, AP 2001 UKHL 44, Rn.  32: “Undue influence has a connotation of impropriety. In the eye of the law, undue influence means that influ­ ence has been misused.” 426  Poole (UK), Textbook on Contract Law, S.  571: “The Law governing undue influence is con­ cerned with evidence and burdens of proof.” 427 Seit 1887: Burrows (UK), The Law of Restitution, S.   285: “Ever since Allcard vs. Skinner (1887) undue influence has been divided into two categories: actual and presumed”. 428 Vgl. Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, S.  458, dessen Darstellung noch auf dieser Unterscheidung beruht. 429  Royal Bank of Scotland v. Etridge, AP 2001 UKHL 44. 430  Vgl. die Aussagen von Lord Nicholls, Rn.  10, Lord Circle, Rn.  92; Lord Hobhouse, Rn.  105; Lord Scott, Rn.  161; sowie insgesamt Goff/Jones (UK), The Law of Restitution, 11-004, S.  350: “In Etridge the house of lords doubted the utility of this classification, and concluded that it should no longer be adopted”.

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auf den Umstand, dass eine Klassifizierung die Annahme nahelegt, es sei unter dem Oberbegriff der undue influence zwischen verschiedenen Konzepten zu unterschei­ den. Richtig verstanden geht es bei den verschiedenen Kategorien daher nicht um eine Verankerung unterschiedlicher Anforderungen, die die Annahme einer undue influence rechtfertigen können, sondern lediglich um Verschiebungen in der Beweisund Darlegungslast, die den Beweis der Voraussetzungen einer unangemessenen Be­ einflussung erleichtern, aber kein gesondertes Konzept der undue influence darstel­ len. Bei den im Folgenden zu betrachtenden Kategorien geht es also lediglich um unterschiedliche Wege, den Nachweis für eine undue influence zu erbringen.431 Man könnte – anders ausgedrückt – auch ohne die Kategorisierung auskommen, wenn man erstens grundsätzlich davon ausgeht, dass der Kläger darlegen und beweisen muss, dass er den Vertrag nur infolge von undue influence geschlossen hat und ihm zweitens in bestimmten Situationen eine widerlegbare Vermutung im Hinblick auf das Vorliegen einer ungebührlichen Beeinflussung hilft, welche die Beweislast auf die andere Partei verlagert.432 So verstanden, spricht nichts gegen eine Beibehaltung der nun näher zu betrachtenden Kategorien, mit deren Hilfe sich die Rechtsfigur leichter erfassen lässt. (1) Class 1: actual undue influence Mit der sogenannten Class 1 wird die Reinform der undue influence beschrieben, d. h., es gelten keine Besonderheiten im Hinblick auf die Darlegungs- und Beweis­ last.433 Damit obliegt es dem Kläger, nachzuweisen, dass die andere Partei oder je­ mand, der den Vertragsschluss mit Blick auf einen eigenen Vorteil veranlasste, die Möglichkeit besaß, den Kläger zu beeinflussen. Darüber hinaus muss bewiesen wer­ den, dass diese Einflussmöglichkeit nicht nur genutzt, sondern ausgenutzt wurde, d. h., ungebührlicher Einfluss stattfand. Letztlich muss es gerade diese Manipulation gewesen sein, die den Beeinflussten bewegt hat, den Vertrag zu schließen.434 431 Vgl. Burrows (UK), The Law of Restitution, S.  285: “In Etridge, the House of Lords clarified, or redefined, the difference between the categories. Undue influence is a single concept. It does not have two different forms. The presumption of undue influence is an evidential (not legal) presump­ tion. It follows that the correct analysis of the categories is that they refer to two different ways of proving undue influence”. 432  Burrows (UK), The Law of Restitution, S.  285: “One could manage without the two catego­ ries by simply saying that it is for the claimant to prove that a transaction was entered into a result of undue influence and that in some situations the claimant is assisted by a rebuttable evidential presumption of undue influence which shifts the evidential evidential burden of proof to the other party”. 433  Burrows (UK), The Law of Restitution, S.  285: “Actual undue influence refers to where the person alleging undue influence relies on direct proof and does not raise an evidential presump­ tion.”; siehe auch Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, S.  461. 434  Court of Appeal in BCCI v. Aboody 1990, Q.B. 923, 967: “A person relying on a plea of ac­ tual undue influence must show that (a) the other party to the transaction (or someone who induced the transaction for his own benefit) had the capacity to influence the complainant; (b) the influence was exercised; (c) its exercise was undue; (d) its exercise brought about the transaction.”; zum letzten Erfordernis der Ursächlichkeit vgl. auch Giesing, Inhaltskontrolle und Abschlusskontrolle arbeits­ rechtlicher Aufhebungsverträge, S.  220.

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Demgegenüber ist weder eine besondere Beziehung zwischen den Vertragspart­ nern erforderlich, noch – und das ist für diese Untersuchung von Belang – besteht die Notwendigkeit, dass der geschlossene Vertrag selbst inhaltlich einen Nachteil mit sich bringen muss.435 Beim Beeinflussenden muss zudem subjektiv kein Schädi­ gungsvorsatz bestehen.436 Ausreichend für ein Lösungsrecht ist es, dass eine unfaire Vertragsanbahnung stattgefunden hat. Allein der Grundsatz des fairen Verhandelns wird geschützt.437 Allerdings fällt der Nachweis, dass die eigene Selbstbestimmung durch die Beeinflussung der anderen Partei ausgeschlossen wurde, regelmäßig sehr schwer.438 Hinzu kommt, dass es im Hinblick auf die zentrale Frage der Abgrenzung von due zu undue, d. h. von erlaubter zu unangemessener Einflussnahme, an einer definitorischen Festlegung fehlt. Vielmehr sei im Einzelfall zu bestimmen, wann der Grad des Zulässigen überschritten wurde.439 Den Fällen, in denen eine actual undue influence angenommen wurde, lagen – wohl auch deswegen – eher eigentümliche Situationen zugrunde; wie solche, in denen spirituelle Ratgeber ihre Einflussmög­ lichkeit zum Abschluss von für sie günstigen Verträgen nutzen, weshalb in der Pra­ xis dann auch eher Fälle der nun zu betrachtenden Class 2 anzutreffen sind.440 (2) Class 2: presumend undue influence Im Rahmen der sogenannten Class 2 geht es, wie eingangs festgehalten wurde, nicht um eine abweichende Form der undue influence. Deren Voraussetzungen bleiben unverändert. Das angloamerikanische Recht arbeitet an dieser Stelle lediglich mit Beweiserleichterungen, d. h. Vermutungen (vgl. „presumed“) zugunsten der Partei, die sich unter Berufung auf eine undue influence vom Vertrag lösen möchte.441 Die Vorgehensweise verläuft dabei – wie die Darstellung hier – zweischrittig. Zunächst müssen die Voraussetzungen des Vermutungstatbestands vorliegen. Hierbei lassen sich zwei Fallgruppen betrachten, die sogenannte Class 2A und 2B. Beide unter­ scheiden sich in ihren Voraussetzungen, nicht jedoch in ihren Rechtsfolgen, nämlich der Verschiebung der Beweislast infolge einer tatsächlichen Vermutung.442 Deren genaue Funktionsweise wird nach Betrachtung der Voraussetzungen analysiert. 435  Poole (UK), Textbook on Contract Law, S.  573: “Thus, these cases of actual undue influence, which are sometimes referred to as the domination cases, do not require the complainant to show that there was any kind of special relationship or that there was a manifest disadvantage resulting from the transaction”. 436  Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, S.  464. 437  Giesing, Inhaltskontrolle und Abschlusskontrolle arbeitsrechtlicher Aufhebungsverträge, S.  220. 438  Poole (UK), Textbook on Contract Law, S.  573: “On the other hand, complainants have the difficult task of providing that their free will to enter or to decline a particular contract was in some way overcome by the influence of another”. 439  Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, S.  464. 440  Poole (UK), Textbook on Contract Law, S.  572: “One is almost always concerned with pre­ sumed, rather than actual undue influence”. 441  Burrows (UK), The Law of Restitution, S.  285: “Presumed undue influence refers to where the person alleging undue influence relies on an evidential presumption”. 442  Lord Scott, in: Royal Bank of Scotland v. Etridge, AP 2001 UKHL 44, Rn.  153: “First, the

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Anknüpfungspunkt für die Vermutungsregel ist – und hierin liegt ein zentraler Unterschied zur deutschen Rechtslage, deren Vermutung an der aus dem Vertragsin­ halt folgenden finanziellen Überforderung andockt443 – das Verhältnis zwischen den Vertragspartnern, das einer Partei die Möglichkeit zur Beeinflussung überhaupt erst ermöglicht.444 Damit lässt sich das in Rede stehende Verhältnis ganz grundsätzlich beschreiben als eines, in dem eine Person der anderen in Bezug auf die eigenen, per­ sönlichen Angelegenheiten vertraut und dieses Vertrauen durch den Betrauten ledig­ lich in seinem eigenen Interesse genutzt, d. h. missbraucht wird.445 Diese Beschreibung kann als Grundlage für die Unterteilung der Class 2 dienen. In Class 2A haben diejenigen Autoritäts- bzw. Abhängigkeitsverhältnisse Eingang gefunden, die – wegen des notwendigerweise eingeräumten Vertrauens – einer Partei typischerweise die Möglichkeit schaffen, die andere Partei mit dem Ziel der eigenen Bevorteilung zu beeinflussen.446 In der zweiten Unterkategorie Class 2B finden sich dann die Verhältnisse, die nicht typischerweise, aber eben konkret eine mögliche Beeinflussung nahelegen.447 (3) Class 2A: special relationship Als sogenannte „special relationships” werden im Zusammenhang mit der undue influence solche bezeichnet, die so ausgestaltet sind, dass sie die Vermutung einer Einflussnahme begründen und der vermeintlich Beeinflusste die Möglichkeit der Be­ einflussung und Ausnutzung nicht nachweisen muss.448 Bejaht wurde eine solche Beziehung bisher bei den Verhältnissen zwischen Eltern und Kindern, Vormund und Mündel, Anwalt und Mandant, Arzt und Patient, reli­ giösem Ratgeber und Schüler.449 Abgelehnt wurde eine vermutungsbegründende Be­

Class 2 presumption is an evidential rebuttable presumption. It shifts the onus from the party who is alleging undue influence to the party who is denying it”. 443  Vgl. nur BGH v. 04.12.2001 – XI ZR 56/01, NJW 2002, 744, 745 m. w. N. sowie die Darstel­ lung bei Wagner, NJW 2005, 2956, 2958. 444  Poole (UK), Textbook on Contract Law, S.  570: “The court will intervene where there is some relationship between the parties which has been exploited and abused to gain an unfair advantage.” 445  So formuliert Lord Nicholls in Etridge Rn.  9: “Typically this occurs when one person places trust in another to look after his affairs and interests, and the latter betrays this trust by preferring his own interests. He abuses the influence he has acquired“. 446 Vgl. Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, S.  458. 447  Poole (UK), Textbook on Contract Law, S.  571: “Presumed undue influence was subdivided into class 2A cases (certain relationships where this presumption arose automatically) and class 2B cases (where on the facts the relationship was such that the presumption of undue influence ap­ plied)”. 448 Vgl. Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, S.  458; ebenso Burrows (UK), The Law of Restitution, S.  294: “These are relationships in which there is an irrebuttable legal presump­ tion that the relationship is one of influence (albeit not an irrebuttable legal presumption of undue influence)”. 449  Burrows (UK), The Law of Restitution, S.  294 mit den entsprechenden Nachweisen aus der Rechtsprechung; Poole (UK), Textbook on Contract Law, S.  578; Klass (US), Contract Law in the USA, Rn.  159; Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, S.  458.

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ziehung demgegenüber beim Verhältnis zwischen Bankangestelltem und Kunden450 sowie Ehemann und -frau.451 Um an dieser Stelle einen Erkenntnisgewinn zu erzielen, müsste das Verhältnis (einer) der Parteien des moderierten Vertrags zum Moderator vergleichbar sein mit denen, die im Rahmen der undue influence der Kategorie 2A zugeordnet werden. Das ist aber nicht der Fall. Wie sich aus der allgemeinen Beschreibung des zu Grunde liegenden Verhältnisses ergibt, wird die Beziehung bestimmt durch ein hohes Maß an Vertrauen, das eine Person der anderen einräumt bzw. einräumen muss, weil die betraute Partei um einen Wissens452-, Erfahrungs453 - oder sonstigen454 Vorsprung verfügt. Es ist nicht auszuschließen, dass der Moderator über einen entsprechenden Vorsprung verfügt, er ist jedoch im Moderationsverhältnis, wie es im Rahmen dieser Untersuchung beschrieben werden konnte, nicht typischerweise angelegt. Dieses ist durch die – untechnisch gesprochen – Beauftragung des Moderators vor dem Hinter­ grund seiner vermeintlichen Vermittlungsfähigkeiten geprägt. Seine Hinzuziehung geschieht zudem punktuell und freiwillig. Das gilt für die ansonsten beschriebenen Verhältnisse gerade nicht. (4) Class 2B: Evidential undue influence: other cases established on the facts Fehlt es an einer speziellen Beziehung im Sinne der Class 2A, dann bleibt dem Beein­ flussten trotzdem noch die Möglichkeit, den Vermutungstatbestand auszulösen. Hierzu reicht es nicht aus, wenn er lediglich die Existenz des Verhältnisses in dem Sinne nachweist, dass Manipulator sowie Beeinflusster die ihnen in den vertypten Verhältnissen der Class 2A zugewiesen Funktionen innehaben, also die Beeinflus­ sung durch einen Arzt gerügt wird, dessen Patient eine undue influence geltend macht. Um im Wege der sogenannten Class 2B in die Situation der Beweiserleichte­ rung zu gelangen, wird vom Beeinflussten demgegenüber nicht der Nachweis eines speziellen Verhältnisses verlangt. Er muss vielmehr – unabhängig davon, wie das Verhältnis ansonsten beschrieben oder ausgestaltet ist – für den konkreten Fall nach­ weisen,455 dass die zwischen den Vertragsparteien bestehende Beziehung dadurch gekennzeichnet ist, dass eine der anderen hinreichend viel Vertrauen entgegen­ bringt.456 Im Englischen wird bei der Beschreibung des konkreten Verhältnisses die 450 

National Westminster Bank Plc v. Morgan (1985) AC 686, Rn.  707–709. Midland Bank plc v. Shephard (1988) 3 All ER 17: “Relations between husband and wife are said not to rise to a special relationship, and so do not automatically raise any presumption of influ­ ence.”; ebenso Burrows (UK), The Law of Restitution, 3. Edition 2011, S.  294; Lord Nicholls, in: Royal Bank of Scotland v. Etridge AP 2001 UKHL 44, Rn.  19: “It is now well established that hus­ band and wife is not one of the relationships to which this latter principle applies”; a. A. Klass (US), Contract Law in the USA, Rn.  159. 452  Beispielsweise im Verhältnis Anwalt/Mandant oder Arzt/Patient. 453  Beispielsweis im Verhältnis Eltern/Kind. 454  Im Verhältnis von religiösem Ratgeber/Schüler. 455  Burrows (UK), The Law of Restitution, S.   295: “As an alternative to fixed categories, the claimant may be able to establish that on the facts, there was a relationship in which he was under the defendant’s influence”. 456  Poole (UK), Textbook on Contract Law, S.  572: “Outside the class of protected realtionships, 451 

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Formulierung „trust and confidence“ verwandt.457 Durch diese Doppelung der Be­ grifflichkeit wird schon deutlich, dass ein besonderes Verhältnis bestehen muss, dass über Alltagskontakte weit hinaus geht.458 Weil es an dieser Stelle eben auf die Betrachtung des konkreten Falles ankommt, kann der Nachweis, dass ein von „trust and confidence“ geprägtes Verhältnis be­ steht, für jede Konstellation gelingen bzw. scheitern.459 Dies gilt besonders für das Verhältnis unter Eheleuten, das häufig Gegenstand der genauen Analyse ist.460 Weil es aber um eine konkrete Untersuchung des Verhältnisses geht, kann für das Moderationsverhältnis keine allgemeine Feststellung getroffen werden. Ob dies hin­ reichend von „trust and confidence“ geprägt wäre, müsste im Einzelfall entschieden, könnte aber für die Mehrzahl der Moderationssituationen wohl eher abgelehnt wer­ den. dd) Ziel und Inhalt der Vermutungsregel Der Ausgangspunkt, um die durch die Erfüllung der Voraussetzungen der Class 2 ausgelöste Vermutung nachzuvollziehen, ist die auch im angloamerikanischen Rechtsraum geltende Grundannahme, dass derjenige die Voraussetzungen einer un­ due influence nachweisen muss, der sich wegen dieser ungerechten Behandlung vom Vertrag lösen möchte.461 Gelingt dem vermeintlich Beeinflussten der Nachweis ent­ weder eines besonderen Verhältnisses im Sinne der Class 2A oder einer von „trust and confidence“ geprägten Beziehung im Sinne der Class 2B, dann greift zu seinen Gunsten eine Beweiserleichterung in Gestalt einer tatsächlichen Vermutung. Inhalt dieser Vermutung, und das lohnt sich hervorzuheben, ist dabei nicht, dass eine „un­ due influence“ stattgefunden hat. Die Vermutung, die aus der Verwirklichung der Class 2 folgt, bezieht sich allein auf die Tatsache, dass eine „influence“, d. h., Beein­ flussung stattgefunden hat,462 nicht aber, dass diese ungebührlich, d. h., „undue“ the evidential presumption of influence may arise on the facts where one of the parties can be shown to have placed trust and confidence in the other”. 457  Lord Nicholls, in: Royal Bank of Scotland v. Etridge, AP 2001 UKHL 44, Rn.  10: “Sir Guen­ ter Treitel QC has rightly noted that the question is whether one party has reposed sufficient trust and confidence in the other, rather than whether the relationship between the parties belongs to a particular type […]”, diese Stelle wird ebenfalls zitiert von Burrows (UK), The Law of Restitution, S.  296. 458 Auch Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, S.  458 zitiert diese Begrifflichkei­ ten, mit wohl ähnlicher Intention. 459  Gelungen ist die etwa laut Burrows (UK), The Law of Restitution, S.  295: “In important mo­ dern cases a factual relationship of influence has been established between a husband and a wife, between a housekeeper and her elderly charge, between a bank and its elderly customer, between a manager and his pop singer employer, between a farm manager and an elderly farm owner, and between an employer and a junior employee.”; zu anderen Konstellationen vgl. auch Poole (UK), Textbook on Contract Law, S.  581. 460  Vgl. diesbezüglich die Vorgaben von Lord Nicholls, in: Royal Bank of Scotland v. Etridge AP 2001 UKHL 44, Rn.  30, auf die auch Poole (UK), Textbook on Contract Law, S.  580 Bezug nimmt. 461  Vgl. insofern nur Lord Nicholls, in: Royal Bank of Scotland v. Etridge, AP 2001 UKHL 44, Rn.  13: “The burden of proving an allegation of undue influence rests upon the person who claims to have been wronged. This is the general rule”. 462  Poole (UK), Textbook on Contract Law, S.  571: “The House of Lords considered that the law

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war.463 Für den Fall der Class 2A wird die Beeinflussung unwiderleglich, für die Fälle der Class 2B widerleglich vermutet.464 Für diese Untersuchung ist diese Zieltatsache der Vermutungsregel ebenso zentral wie desillusionierend. Denn die ohnehin schwierige Übertragung der soeben be­ schriebenen Beweiserleichterung auf die in Rede stehenden Fälle der Moderation ist schon deswegen sinnlos, weil es gerade Wesen und Charakter der Moderation ist, dass eine Beeinflussung stattfindet. Denn der Moderator soll vermitteln. Eine solche Vermittlung setzt notwendigerweise eine im weitesten Sinne auch beeinflussende Kommunikation voraus, ohne die die Moderation gar nicht wäre, was sie ist. M. a. W.: Dem Moderator erst nachzuweisen, dass er überhaupt mit den Parteien in Kontakt getreten und sie beeinflusst hat, würde bedeuten, dass man ihm nachweisen wollte, überhaupt im Sinne seines Moderationsauftrags tätig geworden zu sein. Die virulen­ ten Fälle sind jedoch die, in denen der Moderator im Rahmen seiner Beeinflussung, d. h. Moderation, die Grenzen des Gewollten und Erlaubten überschreitet. Deshalb ist für das hiesige Anliegen nicht von Bedeutung, wie im angloamerikanischen Recht die „influence“ nachgewiesen wird, sondern wie und in welchen Fällen davon ausge­ gangen werden kann, dass diese auch „undue“ gewesen ist. Auch bezüglich des Merkmals „undue“ existiert eine Vermutungsregel, sodass für die Vermutung einer „undue influence“ insgesamt zwei Beweiserleichterungen grei­ fen.465 (1) Manifest disadvantage Nachdem die geschilderten Vermutungsregeln dem Kläger also helfen sollen nachzu­ weisen, dass überhaupt eine „influence“ stattgefunden hat, existieren auch Überle­ gungen zur ebenfalls grundsätzlich vom Beeinflussten zu beweisenden Frage, ob die Beeinflussung über das für einen gültigen Vertragsschluss erträgliche Maß hinaus­ ging, d. h. „undue“ war. Ähnlich wie bei der Diskussion zur Kategorisierung der unterschiedlichen Klassen der (einen) undue influence liegt auch der Frage, welche tatsächlichen Anforderungen an die Auslösung der Vermutung, dass eine ungebühr­ liche Beeinflussung vorgelegen hat, zu stellen sind, ein Diskurs zugrunde, der – wie on presumed undue influence had not been stated accurately in that the presumption is no more than evidential presumption that influence has been exercised”. 463  Poole (UK), Textbook on Contract Law, S.  574: “However, the House of Lords has now made it clear that it is only the existence of influence which may be presumed in such instances (although irrebuttably in the case of the recognized protected realtionships). It is still necessary to establish the existence of the wrong, i.e. abuse or taking advantage of the relationship [..]”. 464  Poole (UK), Textbook on Contract Law, S.  579: “The result of the decision of the House of Lords in Royal Bank of Scotland plc v. Etridge (No.  2) is that if the relationship in question falls within this category of protected relationships, the presumption of influence is automatic and irre­ buttable. However, it will still be necessary to establish that the influence was undue and evidence of this may include the nature of the transaction in the context of the relationship in question”. 465  Burrows (UK), The Law of Restitution, S.  294: “There are two conditions for the (evidential) presumption of undue influence to arise. Frist, there must be a relationship in which the claimant is under the other person’s influence: ie, a relationship of influence. And secondly, the transaction, be it gift or contract, must be disadvantageous to the claimant in the sense of not being readily expli­ cable on ordinary motives”.

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auch die Frage der Kategorisierung – seine entscheidende Wendung durch die Ent­ scheidung Royal Bank of Scotland vs. Etridge (No.  2)466 erfahren hat. Ihren tatsächlichen Anknüpfungspunkt hat diese zweite Vermutungsregel nicht beim Verhältnis zwischen Beeinflusser und Beeinflussten, sondern beim Ergebnis der „undue influence“, mithin dem (moderierten) Vertrag, dessen Beseitigung der Kläger anstrebt. Ursprünglich wurde, um eine Vermutung für eine unzulässige Beeinflussung so­ wie deren Ursächlichkeit für den Vertragsschluss zu vermuten,467 eine sogenannte „manifest disadvantage“ gefordert, die sich für den Beeinflussten aus dem Abschluss des Vertrags ergeben muss.468 Ein Rechtsgeschäft ist dann „manifestly to the disad­ vantage“ eines Vertragspartners, wenn dessen Nachteiligkeit offensichtlich ist. Mit der Voraussetzung der Offensichtlichkeit wird eine genaue Äquivalenzkontrolle von Leistung und Gegenleistung verhindert, die Schadhaftigkeit des Vertrags soll viel­ mehr „auf der Hand“ liegen.469 (2) Explicable by relationship Doch auch wenn die Notwendigkeit der Beurteilung des Vertragsinhaltes durch das Merkmal der Offensichtlichkeit etwas abgemildert wurde, legte der Begriff “disad­ vantage” eben nahe, dass es um ein Ins-Verhältnis-Setzen von Leistung und Gegen­ leistung gehen könne. Eine solche Beurteilung des Vertragsinhaltes ist aber gar nicht angestrebt.470 Es geht vielmehr bei der Erfüllung dieses Vermutungstatbestands dar­ um, ob sich das vorgenommene Rechtsgeschäft aus der zwischen den Parteien beste­ henden Beziehung erklären lässt471 oder ob der Vertragsinhalt einen „call for expla­ nation“ hervorruft, weil sich das Vertragsergebnis nicht mit üblichen Motiven erklä­ ren lässt.472 Als Motiv für einen (Schenkungs-)Vertrag, der dessen Inhalt erklärt,

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Royal Bank of Scotland v. Etridge, AP 2001 UKHL 44. dieser Reichweite dieses Vermutungstatbestands vgl. Giesing, Inhaltskontrolle und Ab­ schlusskontrolle arbeitsrechtlicher Aufhebungsverträge, S.  220. 468  Poole (UK), Textbook on Contract Law, S.  574: “It is still necessary to establish the existence of the wrong, i.e. abuse or taking advantage of the relationship, albeit the fact that the transaction in manifestly disadvantageous will raise suspicious of the wrong or undue influence”. 469  So die Umschreibung bei Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, S.  458. 470  Lord Nicholls, Royal Bank of Scotland v. Etridge, AP 2001 UKHL 44, Rn.  26: “But experien­ ce has now shown that this expression can give rise to misunderstanding. The label is being under­ stood and applied in a way which does not accord with the meaning intended by Lord Scarman, its originator”; vgl. auch Goff/Jones (UK), The Law of Restitution, 11-007, S.  352; ebenfalls Poole (UK), Textbook on Contract Law, S.  576. 471  Lord Nicholls, in: Royal Bank of Scotland v. Etridge, AP 2001 UKHL 44, Rn.  21: “Second, that the transaction is not readily explicable by the relationship of the parties”. 472  Giesing, Inhaltskontrolle und Abschlusskontrolle arbeitsrechtlicher Aufhebungsverträge, S.  221 mit Verweis auf Royal Bank of Scotland v. Etridge, AP 2001 UKHL 44; Poole (UK), Text­ book on Contract Law, S.  571: “The evidential presumption did not extend to concluding that the influence was also undue; that was a separate matter and required that there be something suspi­ cious in the transaction or something which called for an explanation on the facts, e.g. the size or nature of transaction. If this was the case then presumed undue influence would be established”. 467  Zu

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können beispielsweise Freundschaft, Verwandtschaft oder auch Wohltätigkeit die­ nen.473 Damit verfügt das angloamerikanische Recht über einen im Vergleich zum deut­ schen Recht verfeinerten Ansatz. Denn die deutsche Rechtsprechung arbeitet zwar ebenfalls mit einer Beweiserleichterung in Form der Vermutung, legt aber als vermu­ tungsbegründendes Element eine krasse finanzielle Überforderung zugrunde. Dem­ gegenüber scheint die schlichte Frage nach der Erklärbarkeit leichter zu handhaben zu sein.474 (3) Gegenbeweis Dass es – nach wie vor – um die Bewahrung des freien Willens geht, zeigt sich auch an den Voraussetzungen des Gegenbeweises. Wenn sich die aus dem Vertrag folgende Transaktion nicht anhand des Verhältnisses erklären lässt, dann geht die Beweislast dafür, dass keine ungebührliche Beeinflussung stattgefunden hat, auf den Beklagten über. Denn die fehlende Erklärbarkeit des Vertragsinhalts liefert den Anscheinsbe­ weis dafür, dass die Beeinflussung das Maß des Erlaubten überschritten hat.475 Da­ mit liegt die Beweislast beim Beklagten, der nunmehr nachweisen muss, dass tat­ sächlich keine „undue influence“ vorliegt.476 Weil die Nichtexistenz einer Tatsache schwer zu beweisen ist, wird im Rahmen des Gegenbeweises nicht auf den Nachweis fehlender Ungebührlichkeit der Beein­ flussung abgestellt. Der Beklagte kann den durch die fehlende Erklärbarkeit des Ver­ tragsinhaltes hervorgerufenen Anscheinsbeweis vielmehr dadurch entkräften, dass er seinerseits nachweist, dass die Entscheidung des anderen Teils auf einem freien Willensentschluss beruhte.477 Weil auch dieser Umstand als innere Tatsache nur schwer zu beweisen ist, greift das angloamerikanische Recht hier – ohne dies so zu bezeichnen – erneut auf einen Anscheinsbeweis zurück. Denn es lässt als Gegenbe­ weis den Beleg des Beklagten dahingehend genügen, dass der Kläger sachverständige 473  Diese Erwägungen wurden schon im Urteil Allcard v. Skinner, 36 Ch. D 145 aus dem Jahr 1887 angestellt, vgl. Burrows (UK), The Law of Restitution, S.  296: “As a test for manifest disadvan­ tage, the House of Lords approved the words of Lindley LJ in Allcard v. Skinner that the transac­tion must be one that is not to be reasonably accounted for on the ground of friendship, relationship, charity or other ordinary motives on which ordinary men act.”; diese Urteilspassage wird auch zi­ tiert von Goff/Jones (UK), The Law of Restitution, 11-007, S.  352. 474  Diesen Schluss zieht auch Wagner, NJW 2005, 2956, 2958. 475 Vgl. Burrows (UK), The Law of Restitution, S.  294: “In Etridge (No.  2) the House of Lords clarified the nature of the presumption that applies when one talks of presumed undue influence. What is meant is that there is a shift in the evidential burden of proof. Analogously to the principle of res ipsa loquitur, the presumption of undue influence is a rebuttable evidential presumption”. 476  Burrows (UK), The Law of Restitution, S.  298: “Once a relationship of influence and disad­ vantage has been established, the onus of proof switches to the defendant to rebut the presumption of undue influence.”; vgl. auch Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, S.  459 f. 477  Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, S.  459 f.; Poole (UK), Textbook on Con­ tract Law, 10. Edition, S.  579: “If evidence suggests that the transaction is suspicious and the influ­ ence is undue, the presumption of undue influence will arise and it will then be open to the party alleged to have exercised the undue influence to establish that no undue influence was in fact exer­ cised e.g. by demonstrating that independent advice was received”.

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Beratung und Information in Anspruch genommen hat.478 Eine solche Beratung bie­ tet dann ausreichende Anhaltspunkte für die Annahme, dass die Entscheidung, den Vertrag zu schließen, ausreichend selbstbestimmt getroffen wurde. (4) Zwischenfazit Das Zwischenfazit nach der bisherigen Betrachtung der undue influence fällt im Hinblick auf das gegenwärtige Ziel, den Inhalt des Gebots der fairen Verhandlung weiter aufzuhellen, ernüchternd aus. Dies hat seine Ursache zunächst darin, dass im angloamerikanischen Recht auf eine genauere Definition des Rechtsinstituts ver­ zichtet wird. Damit fehlt es an Konkretisierungen, die sich übertragen ließen. Darü­ ber hinaus bleibt festzuhalten, dass anstatt mit einer weiteren Definition der unge­ bührlichen Beeinflussung mit Beweiserleichterungen in Form von Vermutungstat­ beständen gearbeitet wird. Die in dieser Arbeit charakterisierte Moderation beschreibt dabei kein Verhältnis, das wertungsmäßig vergleichbar wäre mit denen, die nach den zur undue influence ergangenen Entscheidungen die Annahme von Be­ weiserleichterungen rechtfertigen. Das spricht im Rahmen der Moderation zumin­ dest gegen die Forderung einer entsprechenden Vermutungsregel auf Basis des zwi­ schen den Parteien bestehenden Verhältnisses. Eine Erwähnung verdient letztlich noch der Umstand, dass auch im angloamerikanischen Rechtskreis der Möglichkeit, sachkundige Beratung einzuholen, eine große Bedeutung im Hinblick auf die zu wahrende Selbstbestimmung der Vertragspartner beigemessen wird. Das verdeut­ licht die legitimatorische Kraft und die wichtige Funktion des Moderators im Hin­ blick auf die informierte Autonomie. Eine Wertung, die in Deutschland etwa in §  2 Abs.  6 Satz 2 MedG479 ihren Ausdruck im Gesetz gefunden hat. Bei dieser Zwischenbilanz muss die Betrachtung des Rechtsinstituts der undue influence jedoch nicht stehen bleiben. Dabei ist es erneut der Fall des arbeitsrechtli­ chen Aufhebungsvertrags, der einerseits als verdeutlichendes Beispiel dient, an dem sich die Darstellung orientieren kann und andererseits Erkenntnisse für das Anlie­ gen der Untersuchung produziert. ee) Kriterienkatalog Denn es ist der Fall eines angestellten Lehrers im US-Bundesstaat Kalifornien, den der dortige District Court of Appeal480 genutzt hat, die Grenze zwischen zulässiger Überzeugung auf der einen Seite und unzulässiger Überredung im Sinne einer Wil­ 478  Burrows (UK), The Law of Restitution, S.  294: “Once those two conditions are satisfied, the onus of proof switches to the defendant to rebut the presumption of undue influence, most obvious­ ly by showing that the claimant had independent advice.”; Lorenz, Der Schutz vor dem uner­ wünschten Vertrag, S.  459 f.; Giesing, Inhaltskontrolle und Abschlusskontrolle arbeitsrechtlicher Aufhebungsverträge, S.  221. 479  Er [der Mediator] hat die Parteien, die ohne fachliche Beratung an der Mediation teilnehmen, auf die Möglichkeit hinzuweisen, die Vereinbarung bei Bedarf durch externe Berater überprüfen zu lassen. 480  Odorizzi vs. Bloomfield School District, 246 Cal. App.  2 d 123, 54 Cal. Rptr. 533 ff. (1966).

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lensbeugung auf der anderen Seite genauer zu beschreiben.481 Für diese Untersu­ chung ist der Ansatz des Gerichts auch deswegen der Hervorhebung wert, weil die Entscheidung zu einer Fallgestaltung ergangen ist, deren Vorkommen nicht auf die USA beschränkt ist, sondern auch in Deutschland existiert.482 Der sich später auf eine „undue influence“ berufende Lehrer war verdächtigt worden, an Schülern ho­ mosexuelle Handlungen vorgenommen zu haben, und hatte eine 40-stündige Unter­ suchungshaft schlaflos hinter sich gebracht. Im direkten Anschluss daran wurde er zu Hause von mehreren Vertretern der Schule aufgesucht, die ihm rieten, die mitge­ brachte und vorformulierte Kündigungserklärung zu unterschreiben, insbesondere, um weitere Unannehmlichkeiten zu vermeiden.483 Im späteren Verfahren konnte sich der klagende Lehrer, der die Kündigungserklä­ rung zunächst unterschrieben hatte, erfolgreich darauf berufen, Opfer einer unge­ bührlichen Beeinflussung zu sein. Dass seitens der Schulvertreter keine Überzeu­ gung, sondern eine unzulässige Überredung vorlag, hat das Gericht anhand des Vor­ liegens verschiedener Kriterien angenommen, die in ihrer Gesamtschau und Verbindung zu einer Überredung des Vertragspartners führen. Dabei sind nach der hier vorgeschlagenen Zählweise acht Kriterien ausschlagge­ bend für eine ungebührliche Beeinflussung, von denen sich die ersten sechs auf das generelle Setting der Vertragsverhandlungen beziehen. Im Hinblick auf das generelle Setting der Vertragsverhandlungen gilt zu beachten: 1. Vertragsgespräche zu ungewöhnlichen oder unangemessenen Zeitpunkten, 2. Verhandlungen an ungewöhnlichen oder unangemessenen Orten. Im Rahmen des Verhaltens der beeinflussenden Seite ist hervorzuheben: 3. Drängen auf sofortigen Vertragsschluss, 4. deutlicher Hinweis auf mögliche Konsequenzen, die aus der Ablehnung eines so­ fortigen Vertragsschlusses resultieren, 5. eine Vielzahl von Personen auf dieser Vertragsseite, sowie 6. die fehlende Bereitschaft, eine vorherige Einholung von qualifiziertem Rechtsrat zu ermöglichen. Aufseiten des Vertragspartners, der sich später auf undue influence beruft, ist letzt­ lich zu beachten: 7. die zahlenmäßige Unterlegenheit bzw. das alleinige Führen der Verhandlung durch die beeinflusste Person und damit in Zusammenhang, 8. Fehlen eines unabhängigen Beraters auf der beeinflussten Vertragsseite.484 481 

Siehe hierzu auch Lorenz, JZ 1997, 277, 282. Giesing, Inhaltskontrolle und Abschlusskontrolle arbeitsrechtlicher Aufhebungsverträge, S.  222 weist in diesem Zusammenhang zu Recht auf die ähnliche Fallkonstellation hin, die der Ent­ scheidung des BAG v. 14.02.1996 – 2 AZR 234/95, BeckRS 9998, 22977 zu Grunde lag. 483  Eine deutsche Darstellung des Sachverhaltes findet sich auch bei Giesing, Inhaltskontrolle und Abschlusskontrolle arbeitsrechtlicher Aufhebungsverträge, S.  222. 484  Zu den Kriterien vgl. Odorizzi vs. Bloomfield School District, 246 Cal. App.  2 d 123, 54 Cal. Rptr. 533 ff. S.  541 (1966): “However, overpersuasion is generally accomplished by certain characte­ 482 

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F. Absicherung der gesteigerten Legitimation

(1) Zusammenwirken der Kriterien Das Gericht selbst hat sich zum Zusammenwirken der genannten Kriterien geäußert und sinngemäß festgestellt, dass aus der zulässigen Überzeugung dann eine unzu­ lässige Überredung werde, wenn mehrere der genannten Kriterien gleichzeitig vor­ liegen.485 Damit ergibt sich eine undue influence erst aus einer Gesamtschau der Kri­ terien.486 Wie oben bereits angeklungen ist, hat Lorenz dieses Zusammenspiel der verschiedenen Faktoren als eine Art bewegliches System mehrerer Elemente be­ schrieben.487 Die Beweglichkeit des Systems kommt auch dadurch zum Ausdruck, dass es ei­ nerseits jedenfalls nicht ausreicht, wenn nur eines der Kriterien verwirklicht wird, sondern im Falle des arbeitsrechtlichen Aufhebungsvertrags der Arbeitgeber stets mehrere der in Rede stehenden, für sich allein genommen nicht zu beanstandenden Verhandlungsmethoden einsetzen muss, um ein Lösungsrecht für den Arbeitnehmer zu begründen.488 Andererseits lässt sich aber auch nicht abstrakt bestimmen, wie viele Komponen­ ten verwirklicht sein müssen, um von einer ungebührlichen Beeinflussung sprechen zu können. Auch auf Basis des Kriterienkatalogs bleibt eine Betrachtung und Beur­ teilung des Einzelfalls notwendig.489 Nicht ausreichen soll ebenso der Umstand, dass Zeitdruck ausgeübt wurde490 bzw. dass der Arbeitnehmer beim Gespräch über die einvernehmliche Beendigung keine Person seines Vertrauens hinzuziehen konnte.491

ristics which tend to create a pattern. The pattern usually involves several of the following elements: (1) discussion of the transaction at an unusual or inappropriate time, (2) consummation of the transaction in an unusual place, (3) insistent demand that the business be finished at once, (4) extre­ me emphasis on untoward consequences of delay, (5) the use of multiple persuaders by the dominant side against a single servient party, (6) absence of third-party advisers to the servient party, (7) sta­ tements that there is no time to consult financial advisers or attorneys.”; bestätigt und wiederholt hat das Gericht die Kriterien in Keithley vs. Civil Serv. Bd., 11 Cal. App 3 d 443 = 89 Cal. Rptr. 809 (1970), Rn.  11; Wiedergabe auch bei Calamari and Perillo (US), The Law of Contracts, §  9-11, S.  354, eine deutsche Wiedergabe, die von der hiesigen leicht abweicht, findet sich bei Giesing, Inhaltskon­ trolle und Abschlusskontrolle arbeitsrechtlicher Aufhebungsverträge, S.  222, auch Lorenz, JZ 1997, 277, 282 nimmt einzelne Kriterien in Bezug. 485  Odorizzi vs. Bloomfield School District, 246 Cal. App.  2 d 123, 54 Cal. Rptr. 533 ff. S.  5 41 (1966): “If a number of these elements are simultaneously present, the persuasion may be characte­ rized as excessive”, Wiedergabe auch bei Calamari and Perillo (US), the Law of Contracts, §  9 –11, S.  354. 486  Giesing, Inhaltskontrolle und Abschlusskontrolle arbeitsrechtlicher Aufhebungsverträge, S.  222. 487  Lorenz, JZ 1997, 277, 282. 488  Giesing, Inhaltskontrolle und Abschlusskontrolle arbeitsrechtlicher Aufhebungsverträge, S.  230; nach Reufels/Pütz, ArbRB 2020, 253, 256 soll umgekehrt die Einräumung einer Bedenkzeit stets gegen einen Verbotsverstoß sprechen. 489  Winter, Aufklärungspflichten beim Aufhebungsvertrag, S.  113. 490  Giesing, Inhaltskontrolle und Abschlusskontrolle arbeitsrechtlicher Aufhebungsverträge, S.  222; Winter, Aufklärungspflichten beim Aufhebungsvertrag, S.  113; aber auch: Zimmer, NJW 2017, 513, 517. 491  Winter, Aufklärungspflichten beim Aufhebungsvertrag, S.  113.

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(2) Kriterienkatalog in Deutschland Die geschilderten Kriterien haben – zum Teil – Widerhall gefunden in der deutschen, zumeist arbeitsrechtlichen Rechtsprechung492 und Literatur.493 Der Schutz vor Ver­ handlungen zu ungewöhnlichen Zeiten oder an unüblichen Orten hat zudem einen vertypten, allerdings das Arbeitsrecht nicht erfassenden, Schutz in §  312b BGB er­ fahren.494 In der Rechtsprechung haben einige Gerichte – außerhalb des Arbeitsrechts und ohne den Rückgriff auf die undue influence als solchen zu benennen – einen Über­ rumpelungsschutz über die Anwendung des §  311 Abs.  2 BGB geschaffen.495 In dem hier in Rede stehenden Zusammenhang ist es jedoch insbesondere ein jün­ geres Judikat des OLG Hamm, das eine nähere Betrachtung verdient, obwohl es nicht im Rahmen von §  311 Abs.  2 BGB, sondern von §  138 BGB erging und auch nicht zum arbeitsrechtlichen Aufhebungsvertrag, sondern im Rahmen des Erbver­ zichts. (3) OLG Hamm: Unwirksamkeit des Erbteilverzichts Das Urteil das OLG Hamm hielt die Unwirksamkeit eines notariell beurkundeten Erbteilsverzichts fest. Dabei stellte es bei seiner Entscheidung über die Sittenwidrig­ keit nicht auf den Inhalt, sondern auf die Art und Weise des Zustandekommens ab. Streitgegenstand war der Erbteilverzicht eines Sohnes gegenüber seinem Vater, dessen Entstehung und Vorgeschichte einige Besonderheiten aufwies. Kläger ist der Sohn des Beklagten, der aus einer früh wieder geschiedenen Ehe stammt und bei seiner Mutter aufwuchs. Erst mit 17 Jahren zog der Kläger zu seinem Vater, um eine Ausbildung im väterlichen Betrieb zu absolvieren, nachdem es in der Schule zu Schwierigkeiten gekommen war. Zu dieser Zeit erstand der Beklagte von einem Bekannten einen Sportwagen (Nissan GT-R 35 Coupe), für den sich der Klä­ ger sehr begeisterte. Zwei Tage nach dem 18. Geburtstag des Klägers suchten die Parteien gemeinsam einen Notar auf. Dort ließen sie einen im Auftrag des Beklagten vorbereiteten „Erb-, Pflichtteils und Pflichtteilsergänzungsanspruchsverzicht“ un­ terschreiben und beurkunden. Der Kläger verzichtete darin auf sein gesetzliches Erb- und Pflichtteilsrecht. Als Gegenleistung wurde festgehalten, dass der Kläger das ihn so faszinierende Fahr­ zeug erhält, jedoch unter der aufschiebenden Bedingung des Erreichens des 25. Le­ 492  Das BAG v. 07.02.2019 – 6 AZR 75/18, AP BGB §  620 Aufhebungsvertrag Nr.  50, nennt vier Fallgruppen: psychische Drucksituation, körperliche oder physische Schwäche des Arbeitnehmers, unzureichende Sprachkenntnissse, Ausnutzung eines Überraschungsmoments; vgl. auch die Dar­ stellung bei Fischinger, NZA 2019, 729, 732. 493  Siehe etwa Thüsing, RdA 2005, 257, 269; Giesing, Inhaltskontrolle und Abschlusskontrolle arbeitsrechtlicher Aufhebungsverträge, S.  222; mit eigenen Kriterien Becker, Die unzulässige Ein­ flussnahme des Arbeitgebers auf die Entscheidungsfreiheit des Arbeitnehmers am Beispiel des ar­ beitsrechtlichen Aufhebungsvertrages, S.  182; Müller, DB 2019, 1792, 1793 ff.; siehe aber eben auch Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, S.  459. 494 Vgl. Thüsing, RdA 2005, 257, 269. 495  Siehe hierzu die Übersicht bei Thüsing, RdA 2005, 257, 270.

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bensjahres sowie des erfolgreichen Abschlusses der Gesellen- sowie Meisterprüfung. Nachdem der Kläger sich noch am gleichen Tag mit seiner Mutter beraten hatte, reute ihn – anders als seinen Vater – der Abschluss des Vertrags.496 In der darauffolgenden gerichtlichen Auseinandersetzung gab der Zehnte Zivilse­ nat des OLG Hamm, wie auch schon das LG Detmold in der ersten Instanz,497 dem Kläger Recht und stellte die Nichtigkeit des Vertrags wegen eines Verstoßes gegen §  138 BGB fest. Dabei ist hervorzuheben, dass der Zehnte Zivilsenat gerade die äußeren Umstände des Geschäfts anspricht, die seiner Meinung nach die Sittenwidrigkeit der Vereinba­ rung begründen, weil der Beklagte die in erheblichem Gegensatz zu seiner eigenen Geschäftsgewandtheit stehende jugendliche Unerfahrenheit und Beeinflussbarkeit seines Sohnes zu seinem Vorteil ausgenutzt habe.498 Dies folge schon aus der Wahl des Gegenstandes der in Aussicht gestellten Abfindung. Denn die alters- und persön­ lichkeitsbedingte, nahezu fanatische Begeisterung des Klägers führe zu einem Ra­ tionalitätsdefizit, welches der Vater bewusst ausgenutzt habe.499 Zwar stellt das OLG Hamm auf den Vertragsinhalt – nämlich den Sportwagen als Gegengabe – ab, unter­ sucht jedoch dessen Wirkung im Hinblick auf den Zeitraum vor Abschluss des Ver­ trags. Die weitere Begründung ließe sich dann ebenfalls auf den soeben erwähnten Kriterienkatalog stützen. Der Senat kritisiert nämlich den Zeitpunkt des Geschäfts in zweierlei Hinsicht. Zunächst, weil der Beklagte bewusst den Eintritt der Volljäh­ rigkeit abgewartet habe, wohlwissend, dass er eine Zustimmung zu dem Geschäft von Seiten der Mutter des Klägers nicht erlangt hätte, geschweige denn die nach §  2347 BGB erforderliche Genehmigung des Familiengerichts. Darüber hinaus habe er mit der zeitlichen Nähe zum Geburtstag des Klägers Eindruck erweckt, es hande­ le sich um ein Geschenk für den Kläger. Diese Vorgehensweise sei geeignet, dem Kläger eine Ablehnung des Angebots emotional zu erschweren.500 Auch auf weitere Umstände, die eine Überrumpelung des Klägers im Rahmen des Notartermins stützen, geht das Gericht ein, wenn es weitergehend kritisiert, dass der Beklagte den Kläger nicht in die Vorbereitung des Beurkundungstermins mit einbe­ zogen habe. Der Kläger hatte weder einen Entwurf der Vereinbarung im Vorfeld gesehen noch war er in sonstiger Weise vorab über den Inhalt des Gesprächs infor­ miert worden.501 (4) Folgerungen Die Entscheidung des OLG Hamm zeigt, dass die Vorgehensweise, die im anglo­ amerikanischen Rechtskreis zur Analyse, ob eine undue influence vorliegt, angestellt wurde, auch dem deutschen Recht nicht fremd ist. Das gilt zunächst im Hinblick auf die Betrachtung des Einzelfalls und die Berücksichtigung aller Umstände, die sich 496 

Zum Sachverhalt siehe OLG Hamm v. 08.11.2016 – I-10 U 36/15, NJW 2017, 576 ff., Rn.  1 ff. LG Detmold v. 07.04.2015 – 1 O 224/14, BeckRS 2015, 116857. 498  OLG Hamm v. 08.11.2016 – I-10 U 36/15, NJW 2017, 576 ff., Rn.  37. 499  OLG Hamm v. 08.11.2016 – I-10 U 36/15, NJW 2017, 576 ff., Rn.  38. 500  OLG Hamm v. 08.11.2016 – I-10 U 36/15, NJW 2017, 576 ff., Rn.  39. 501  OLG Hamm v. 08.11.2016 – I-10 U 36/15, NJW 2017, 576 ff., Rn.  40 f. 497 

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vorher einer abstrakten Definition entziehen. Dies wird an der Wirkung des Fahr­ zeugs auf den Sohn im Fall des OLG Hamm besonders deutlich. Die Aussicht, einen Nissan zu erhalten, führt bei den wenigsten Menschen zu einem Rationalitätsdefizit. Entscheidend war jedoch, dass dies im konkret zu beurteilenden Fall gerade so war und für das Gericht die Möglichkeit bestand, dies auch zu berücksichtigen. Darüber hinaus finden sich im Rahmen der Analyse des Zehnten Senats eine Reihe von Punkten wieder, die im angloamerikanischen Recht bereits eine explizite(re) Verankerung erfahren haben. Hierzu gehört das bewusste Ausnutzen des Klägers, das in der abstrakten Definition der undue influence beschrieben ist, ebenso wie etwa das Abstellen auf den Zeitpunkt der Verhandlungen. Wenn das OLG Hamm hier ganz bewusst die zur undue influence ergangene Rechtsprechung herangezogen hätte, dann hätte es – und dieser Umstand ist für die­ se Untersuchung von Bedeutung – die Rolle des Notars im Rahmen des Vertrags­ schlusses stärker berücksichtigen müssen. Denn der Notar hat in diesem Fall des Erbverzichts zu einer Verstärkung der unangemessenen Beeinflussung des Sohnes beigetragen. Im Rahmen der Analysekriterien, die zur undue influence entwickelt wurden, wäre also, da man den Notar insofern dem Lager der Beeinflusser zurech­ nen müsste, von einer personellen Übermacht aufseiten der beeinflussenden Partei auszugehen. Dies hätte zur Folge, dass das entsprechende Kriterium im Rahmen des Kriterienkatalogs hätte Berücksichtigung finden müssen. Zur Rolle des Notars im Einzelnen: Der Notar stand – es ging schließlich um den bilateralen Streit zwischen Vater und Sohn um die Wirksamkeit des Erbverzichts – nicht im Fokus des Gerichts. Er hat, so viel lässt sich trotzdem leicht feststellen, das Ziel seiner Tätigkeit (weit) verfehlt. Dieses Ziel lag nicht in der konfliktbeilegenden Moderation. Als die Vertragsparteien den Moderator aufsuchten, existierte zwischen ihnen kein Konflikt, der beiden bekannt war. Dieser entstand vielmehr erst, als der Verzicht mithilfe des Notars beurkundet worden war. Der Notar war also in seiner Funktion als Organ der vorsorgenden Rechtspflege tätig. In diesem Zusammenhang ist dann auch sein Versagen festzustellen. Denn die beurkundende Tätigkeit des No­ tars hat – wie oben herausgearbeitet werden konnte – gerade zum Ziel, dafür zu sorgen, dass die Vertragsdurchführung frei bleibt von Unklarheiten und den daraus gegebenenfalls erwachsenden Konflikten. Diesem Ziel hat die Beteiligung des No­ tars nicht gedient. Im Gegenteil: Der Notar beförderte vorliegend das Entstehen des Konflikts, in­ dem er durch die Formulierung der Verzichtserklärung im Interesse des Vaters vor­ formuliert und dieser gegenüber dem Sohn durch seine Mitwirkung zu einer erhöh­ ten Legitimation verhalf. Das Verhalten des Notars hat nicht zu einer aufgeklärteren Entscheidung des Sohnes geführt, sondern dazu, dass diesem eine Ablehnung des väterlichen Angebots zusätzlich erschwert wurde, weil gerade die Beteiligung des Notars signalisierte, dass alles seine Richtigkeit habe. Die beeinflussende Wirkung, die hier vom Notar ausgeht, ist damit höher einzustufen, als wenn aufseiten der be­ einflussenden Partei „nur“ mehrere Personen einer einzelnen gegenüber stehen, wie

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dies etwa im oben skizzierten Fall Odorizzi vs. Bloomfield School District502 der Fall war. (5) Undue influence im trilateralen Verhältnis Die Rolle des Notars in Bezug auf den Verstoß gegen das Gebot des fairen Verhan­ delns verdient eine nähere Betrachtung. Dass die Mitwirkung des Notars einen Ver­ stoß nicht stets verhindern kann, lässt sich schon durch die Existenz des §  17 Abs.  2a BeurkG belegen, der mit Wirkung vom 08.09.1998 eingefügt wurde503 und sich der Gesetzesbegründung zufolge gegen die planmäßige missbräuchliche Gestaltung des Beurkundungsverfahrens richtet.504 Die Vorschrift war im Zusammenhang mit den sogenannten Schrottimmobilien geschaffen worden,505 weil der Gesetzgeber die Notwendigkeit sah, den beteiligten Verbraucher über die „normale“ Beurkundung hinaus zu schützen. Vor diesem Hintergrund lässt sich der Umstand nachvollziehen, dass insbesondere die 14-Tages-Frist des §  17 Abs.  2a Nr.  2 BeurkG nicht eingreift, die besagt, dass dem Verbraucher der anvisierte Vertragstext im Regelfall zwei Wo­ chen vor dem Beurkundungstermin übergeben wird. Denn die Vorschrift knüpft an eine notwendige Beurkundung nach §  311b Abs.  1 Satz 1 und Abs.  3 BGB an, sprich: an Immobiliengeschäfte. Ein „Schutz vor dem Notar“ lässt sich in den Fällen des Erbverzichts mithilfe des §  17 Abs.  2a BeurkG also nicht realisieren. Wohl auch deswegen wird eine Vertypung der Situation des Erbverzichts im Wege der Einräumung eines Widerspruchsrechts vorgeschlagen.506 Damit wäre dann aber wiederum nur ein punktueller Schutz vor einer Manipula­ tion, an der auch der Notar mitwirkt, erreicht. Denn typische Fälle, in denen auch der Notar den Verstoß gegen das Gebot des fairen Verhandelns nicht verhindert, existieren über die Fälle des Erbverzichts hinaus. Dabei handelt es sich – und das ist nicht überraschend – um besondere Konstellationen des arbeitsrechtlichen Aufhe­ bungsvertrags, in der der Notar durch seine legitimatorische (Mit-)Wirkung die un­ faire Verhandlungsführung in vergleichbarer Art und Weise fördert, wie dies im Fall des OLG Hamm geschehen ist. Bei der angesprochenen Situation des Aufhebungs­ vertrags handelt es sich nicht um den Aufhebungsvertrag im engeren Sinne, der zwar der Schriftform nach §  623 BGB bedarf, nicht allerdings der notariellen Beurkun­ dung. Es geht vielmehr um die Fälle,507 in denen bei einem Kassierer im Einzelhandel im Rahmen der Kassenprüfung Fehlbeträge festgestellt werden. Wenn der Arbeit­ nehmer dann einräumt, den Betrag unterschlagen zu haben, wird er häufig mit der Androhung einer Strafanzeige zur Abgabe eines konstitutiven Schuldanerkenntnis­ ses vor einem Notar gedrängt. 502  Odorizzi vs. Bloomfield School District, 246 Cal. App.  2 d 123, 54 Cal. Rptr. 533 ff. S.  5 41 (1966). 503  BGBl. I 1998, S.  2585. 504  BT-Drs. 13/4184, S.  47. 505  Zimmer, NJW 2017, 513, 516. 506 Von Röthel, NJW 2012, 337, 341. 507  Auf diese Fälle weist in diesem Zusammenhang Zimmer, NJW 2017, 513, 517 hin.

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Es sind drei Feststellungen, die an dieser Stelle zu treffen sind und die auch für diese Untersuchung eine zentrale Bedeutung haben. Erstens existieren Fallgestaltun­ gen, die einen Verstoß gegen das Gebot des fairen Verhandelns beschreiben, in denen der beurkundende Notar durch seine Mitwirkung zum Gebotsverstoß beiträgt. Da­ mit verstößt der Notar nicht nur ganz allgemein gegen seine Aufgabe als Organ der vorsorgenden Rechtspflege, sondern er verstößt gegen die an ihn gerichtete Vor­ schrift des §  17 Abs.  1 Satz 2 BeurkG. Der Vorschrift zufolge soll der Notar darauf hinwirken, dass einer unerfahrenen Partei keine Nachteile entstehen. Weil die Aus­ nutzung der Unterlegenheit gerade Kern der undue influence ist, lässt sich – zweitens – formulieren: Es ist Aufgabe des Notars, die undue influence zu verhindern. Wie lässt sich aber – drittens – verfahren, wenn ein Vertrag unter ungebührlicher Beeinflussung geschlossen worden ist? Der „Schutz vor dem Notar“ soll dann durch ein Lösungsrecht vom geschlossenen Vertrag über §  311 Abs.  2 BGB gewährleistet werden.508 Das heißt, an dieser Stelle wird das hier vorgestellte Anknüpfen am Vertrag, an dem der Notar – wie der Moderator – nicht beteiligt ist, auch bei einer (Mit-)Mani­ pulation durch den Notar beschrieben. Es gilt, das im Blick zu behalten und zu­ nächst weitere dreidimensionale Fälle der undue influence zu untersuchen. (6) Dreidimensionale undue influence Auch im Hinblick auf das angloamerikanische Rechtsinstitut der undue influence wird in den meisten Fällen der später angegriffene Vertrag nicht zwischen Beeinflus­ ser und Beeinflusstem, sondern zwischen Letzterem und einer anderen Partei ge­ schlossen.509 Auch im englischsprachigen Rechtskreis stellt sich dann die Frage, un­ ter welchen Voraussetzungen die Beeinflussung des nicht am Vertrag Partizipieren­ den der anderen Vertragspartei zurechenbar ist. Eine Zurechnung findet dann statt, wenn die Partei den Manipulator entweder als Verhandlungsgehilfe (sogenannter Agent) beauftragt hatte oder die ungebührliche Beeinflussung kannte oder hätte kennen müssen (sogenannte constructive notice).510 Die Fälle, die vor allem im englischen Recht zu einer Weiterentwicklung dieser Vorgaben geführt haben, sind diejenigen, in denen das sich im Gemeinschaftseigen­ tum der Eheleute befindliche Hausgrundstück zur Sicherung der unternehmerischen Aktivitäten eines Ehepartners511 mithilfe der Zustimmung des anderen 512 eingesetzt werden soll. Sicherungsnehmerin ist regelmäßig die Bank, womit sich die Frage stellt, ob ihr eine ungebührliche Beeinflussung, die seitens eines Ehepartners stattge­ funden hat, zuzurechnen ist.513 Bei der Lösung dieser Konstellation sind zunächst die zwei sich gegenüberstehen­ den Interessen zu benennen. Diese liegen zum einen in dem nachvollziehbaren 508 

Dieser Vorschlag stammt von Zimmer, NJW 2017, 513, 517. Burrows (UK), The Law of Restitution, S.  290. 510  Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, S.  466. 511  In den tatsächlichen Fällen stets: des Ehemannes. 512  In den tatsächlichen Fällen stets: der Ehefrau. 513 Vgl. Poole (UK), Textbook on Contract Law, S.  584. 509 

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Wunsch, den schwächeren, evtl. auch geschäftlich unerfahrenen Ehepartner vor ei­ ner Beeinflussung zu schützen. Auf der anderen Seite gilt es jedoch auch aus wirt­ schaftspolitischen Gründen, das gemeinsame Wohnhaus als mögliches Sicherungs­ mittel zu bewahren, weshalb zu hohe Anforderungen an wirksame Sicherungsabre­ den zu vermeiden sind.514 Ausgehend von dieser Konstruktion hat die englische Rechtsprechung in Bezug auf die Zurechnung der vermuteten Beeinflussung ein dreistufiges Modell entwi­ ckelt, an dessen Ende sich die sicherungsgebende Bank eine – ggf. vermutete – unge­ bührende Beeinflussung seitens des von der Sicherungsabrede profitierenden Ehe­ partners zurechnen lassen muss, weil sie von dieser Beeinflussung Kenntnis hätte haben können. Es handelt sich dabei um eine Weiterentwicklung und Ergänzung der bilateralen Vermutungstatbestände um das Element des Kennenmüssens einer drit­ ten Partei. Voraussetzung ist zunächst, dass zwischen dem Sicherungsgeber und dem ver­ meintlich Beeinflussenden ein Vertrauensverhältnis besteht, welches das Risiko für eine ungebührliche Beeinflussung erhöht,515 wozu insbesondere im Falle der Kredit­ sicherung auch das Verhältnis zwischen Eheleuten gezählt wird.516 Zweite Prämisse ist dann, dass das Sicherungsgeschäft für den kontrahierenden Ehepartner mit keinerlei wirtschaftlichem Vorteil verbunden ist.517 Das Geschäft muss also nicht aus dem Verhältnis der beiden Parteien, wie im Fall der bilateralen undue influence, erklärbar sein, sondern aus den zugrunde liegenden wirtschaftli­ chen Verhältnissen. Mit anderen Worten: Wenn die Kreditsicherung auch der Ehe­ frau dient, weil sie am Unternehmen, dem die Kreditgewährung zugutekommt, in gleicher Weise beteiligt ist wie ihr Ehemann, dann fehlt es an eben dieser Vorausset­ zung, weil sie dann in wirtschaftlich gleicher Weise von dem Geschäft profitiert.

514 Vgl.

Goff/Jones (UK), The Law of Restitution, 11-008, S.  353: “On the one hand, the house recognized the desirability of protecting persons who are vulnerable and who have placed their trust in another, and, on the other, the desirability of ensuring that the flow of loan capital should not be reduced because the security, often matrimonial home, becomes an unacceptable security for financial institutions”. 515  Burrows (UK), The Law of Restitution, S.  290: “D must be aware that C is in a relationship of trust and confidence with X so that there is a substantial risk of undue influence”. 516  Poole (UK), Textbook on Contract Law, S.  585: “A bank would be put on inquiry if it knew of the relationship and the transaction was not obviously of any financial advantage or benefit to the wife (or other cohabitee) so that there was a substantial risk that a wrong had been committed”. 517  Poole (UK), Textbook on Contract Law, S.  585: “A bank would be put on inquiry if it knew of the relationship and the transaction was not obviously of any financial advantage or benefit to the wife (or other cohabitee) so that there was a substantial risk that a wrong had been committed.” Demgegenüber wollen andere Stimmen eine Untersuchungspflicht bereits annehmen, wenn die Be­ ziehung zwischen den Parteien nicht besonders, sondern nur „nicht kommerziell“ ist, vgl. Goff/ Jones (UK), The Law of Restitution, 11-009, S.  354: “The bank should be put ‘on inquiry’ in every case where the relationship between the surety and the debtor is non-commercial”; sowie Burrows (UK), The Law of Restitution, S.  291: “First, a bank is put on inquiry wherever a person offers to stand as surety for the debts of another and the relationship betwenn the surety and the debtor is non-commercial.”

III. Verhandelnd zum moderierten Vertrag, §  311 Abs.  2 BGB

515

Die dritte518 Voraussetzung basiert dann auf einer Obliegenheit, die die Bank trifft, sofern die ersten beiden Voraussetzungen verwirklicht sind. Wenn die Bezie­ hung hinreichend verdächtig ist und sich der Abschluss des Vertrags nicht aus wirt­ schaftlichen Motiven erklären lässt, dann gilt für die Bank eine Untersuchungsoblie­ genheit.519 Um ihr zu entsprechen, muss sie angemessene Schritte unternehmen, um sich davon zu überzeugen, dass der vermeintlich beeinflusste Vertragspartner den Vertrag hinreichend freiwillig und in Kenntnis der wesentlichen Tatsachen abge­ schlossen hat.520 Dabei herrscht auch vor dem Hintergrund der oben geschilderten Ausgangssituation dahingehend Einigkeit, dass eine Bank ihrer Untersuchungsob­ liegenheit dann entspricht, wenn sie durch direkte, aber nicht notwendigerweise per­ sönliche,521 Kommunikation mit dem Sicherungsgeber diesem eine unabhängige Be­ ratung anträgt und den Sicherungsvertrag erst abschließt, nachdem ihr eine Bestäti­ gung über diese Beratung vorgelegt wurde.522 In einfacher gelagerten Fällen reicht es auch aus, wenn sich ein Vertreter der Bank mit dem vermeintlich beeinflussten Ehe­ partner trifft und sich davon überzeugt, dass dieser die Reichweite der Vereinbarung erkannt hat.523 Damit wird von der Bank – anders als im Fall der bilateralen undue influence – nicht verlangt, dass sie die Existenz einer undue influence ausschließt. Als ausreichend wird angesehen, wenn sie durch das abverlangte Verhalten dazu bei­ trägt, das Risiko einer ungebührlichen Beeinflussung zu minimieren.524 518 Oder zweite, wenn man die ersten beiden zusammenfasst, vgl. Poole (UK), Textbook on Contract Law, S.  585. 519  Im Englischen ist von „put on inquiry“ die Rede, was in diesem Zusammenhang einer Unter­ suchungsobliegenheit entspricht, da das geforderte Verhalten nicht einklagbar ist, sondern sich nur für die Bank negative Konsequenzen im Fall der Nichterfüllung ergeben, zu der entsprechenden Definition einer Obliegenheit vgl. Wieling, AcP 176 (1976), 334, 346. 520  Poole (UK), Textbook on Contract Law, S.  585: “Once put on inquiry, the bank was fixed with constructive notice of the undue influence exercised by the contracting party, unless the bank had taken reasonable steps to satisfy itself that the wife had entered into the transaction freely and with knowledge of the true facts.” 521  Dies kritisiert Achmuty, Men Behaving Badly: An Analysis of english undue influence cases, Social & Legal Studies 11 (2), S.  257, 270: “Even the new House of Lords guidelines in Etridge, which require banks to communicate directly with sureties, do not go so far as to expect them actually to meet sureties face to face”. 522  Poole (UK), Textbook on Contract Law, S.  585: “Once put on inquiry, the bank was fixed with constructive notice of the undue influence exercised by the contracting party, unless the bank had taken reasonable steps to satisfy itself that the wife had entered into the transaction freely and with knowledge of the true facts”. 523  Lord Nicholls, in: Royal Bank of Scotland v. Etridge, AP 2001 UKHL 44, Rn.  50: “For the future a bank satisfies these requirements if it insists that the wife attends a private meeting with a reprensentative of the bank at which she is told the extent of her liability as surety, warned of the risk that she is running and urged to take independent advice. In exceptional cases, the bank, to be safe, has to insist that the wife is separately advised.”; ebenfalls wiedergegeben bei Goff/Jones (UK), The Law of Restitution, 11-008/ S.  354. 524  Lord Nicholls, in: Royal Bank of Scotland v. Etridge, AP 2001 UKHL 44, Rn.   54: “The furthest a bank can be expected to go is to take reasonable steps to satisfy itself that the wife has had brought home to her, in a meaningful way, the practical implications of the proposed transaction. This does not wholly eliminate the risk of undue influence or misrepresentation. But it does mean that a wife enters into a transaction with her eyes open so far as the basic elements of the transaction are concerned.”; Goff/Jones (UK), The Law of Restitution, 11-008, S.  353: “For that reason, in Etridge, The House of Lords emphasized that the bank was not obliged to inquire whether the wife

516

F. Absicherung der gesteigerten Legitimation

Wenn die Bank eine entsprechende Untersuchungsobliegenheit trifft und sie die­ ser nicht oder nicht ausreichend nachkommt, dann wird ihr die undue influence zu­ gerechnet, unabhängig davon, ob sie hiervon positiv Kenntnis hatte.525 (7) Übertragung auf die Situation der Moderation Diese hier in der notwendigen Kürze dargestellten Überlegungen zur undue influen­ ce einer „third party“ bringen für diese Untersuchung keinen weiteren Erkenntnis­ gewinn mit sich. Das liegt an der besonderen Konstellation, die diesen Überlegungen zugrunde liegt und die sich von derjenigen der Moderation erheblich unterscheidet. Dies gilt zum Teil für die Frage des Verhältnisses zwischen Beeinflusser und Beein­ flusstem, vor allem jedoch für den grundsätzlichen Ansatz, die Problematik über eine Zurechnung der Beeinflussung zu lösen. Im Hinblick auf das Verhältnis zwischen den Personen lag auch bei der dreidimen­ sionalen ungebührlichen Beeinflussung der Fokus auf einem von „trust and confi­ dence“ geprägten Verhältnis, wie dies im Hinblick auf das Geschäftsleben eben an­ genommen wurde zwischen einem Unternehmer-Ehemann und seiner geschäftlich unerfahrenen Hausfrau. Innerhalb eines solchen Verhältnisses lässt sich dann nach­ vollziehbar vermuten, dass der Ehemann in der Lage ist, seine Frau zur – wirtschaft­ lich nicht sinnvollen – Hingabe des Familienheims als Sicherungsobjekt zu bewegen. Ruft man sich in Erinnerung, dass es vorliegend um den Schutz vor einer Beein­ flussung durch den Moderator geht, dann lässt sich in Bezug auf dessen Verhältnis zu einer der bzw. den Parteien feststellen, dass dieses in (seltenen) Einzelfällen das Ni­ veau von „trust and confidence“ erreichen kann. Dieses ist aber – man denke nur an die Moderation durch Richter oder Gerichtsvollzieher – mehr die Ausnahme und nicht die Regel. Das zwischen Moderator und den Parteien des moderierten Vertrags bestehende Verhältnis, so viel hat die bisherige Untersuchung gezeigt, ist zwar eben­ falls als besonders einzustufen. Es basiert aber gerade nicht auf einer länger beste­ henden Beziehung zwischen den Parteien. Mehr noch als die der Beeinflussung zugrunde liegende Beziehung zwischen den Parteien, ist es die Lösung über den Weg der Zurechnung der Manipulation, die sich auch vor dem Hintergrund der Überlegungen des angloamerikanischen Rechtskrei­ ses erneut als nicht zielführend erwiesen hat, wenn es um die Schaffung eines effek­ tiven rechtlichen Schutzes vor der Manipulation durch den Moderator geht. Dies gilt zudem unabhängig davon, ob die Zurechnung bei der personalen Nähe oder bei der Kenntnis der ungebührlichen Beeinflussung ansetzt.

had been induced to enter the surety transaction because of her husband’s misrepresentation or undue influence. It was enough for it to take steps to minimize or even eliminate the risk that a wrong may have been committed, by bringing home, in a meaningful way, to the wife the full im­ plications of the transaction”. 525  Burrows (UK), The Law of Restitution, S.  290: “If such steps are not taken, and the bank has been put on inquiry, a wife who can establish undue influence will be able to rescind the contract because the bank has constructive notice”.

III. Verhandelnd zum moderierten Vertrag, §  311 Abs.  2 BGB

517

Der neutrale Moderator ist kein Verhandlungsgehilfe. Das konnte die obige Be­ trachtung bereits ermitteln,526 weshalb eine Übertragung dieses Zurechnungstatbe­ stands aus dem angloamerikanischen Recht nicht weiter hilft. Aber auch die unterstellte Kenntnis, d. h. die Zurechnung über die bei der undue influence durch eine dritte Partei entwickelte constructive notice, ist für die hiesige Betrachtung nicht zielführend. Denn die hierzu entwickelten Vorgaben lassen sich nicht sinnvoll übertragen. Das liegt nicht allein, aber vor allem, an der die Bank tref­ fenden Untersuchungsobliegenheit, an der sich die Untauglichkeit jedoch anschau­ lich darstellen lässt. Übertrüge man diese Vorgabe auf die in Rede stehende Situation der Moderation, dann wäre – bei unterstelltem Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen – eine Vertragspartei dazu angehalten, durch persönliche Ansprache oder zu überprüfen­ der externer Beratung der anderen Vertragspartei dafür zu sorgen, dass diese den Vertrag selbstbestimmt abschließt. Denn es ist im angloamerikanischen Recht die Bank als Partei des Sicherungsvertrags, die diese Obliegenheit trifft. Für den Fall der Moderation müsste sich also – obwohl sich beide Parteien freiwillig für die Einschal­ tung eines Moderators als Garanten der Selbstbestimmung entschieden haben – eine (welche?) die Freiwilligkeit der anderen zu überwachen haben. Dieser Gedanke liegt auch deshalb fern, weil die die Obliegenheit treffende Partei auch als Marktteilneh­ mer allgemein nicht mit einem Kreditinstitut zu vergleichen ist, dem eine solche Ob­ liegenheit auch vor dem Hintergrund zugemutet wird, dass der Unternehmenszweck eben auch im Abschluss entsprechender Verträge besteht. Hier zeigt sich also erneut die Konsequenz, die vor allem die Neutralität des Mo­ derators zeitigt, die im besonderen Fall des Moderators jedoch nicht gepaart ist mit dem Fehlen eigener Interessen am Vertragsschluss. Das macht es notwendig, über den Schutz der Vertragsparteien vor einer Manipulation durch den Moderator nach­ zudenken, zeigt aber auch zum wiederholten Male, dass dieser nicht über eine – wie auch immer geartete – Zurechnung dieser Manipulation zu einer Partei geschehen kann. Diese Erkenntnis, die schon im Rahmen der Betrachtung des §  123 BGB ge­ troffen wurde, lässt sich an dieser Stelle wiederholen. (8) Undue influence und Legitimation durch Moderation Im Zuge der Betrachtung der undue influence ist letztlich eine rechtstatsächliche Untersuchung zu nennen, die eigentlich die Mediationsforschung in den USA be­ trifft. In einem Fünfjahreszeitraum haben die Autoren 1223 Fälle ausgewertet, deren Besonderheit darin bestand, dass die zivilgerichtliche Auseinandersetzung auf ein Mediationsverfahren folgte, das zuvor zwischen den Parteien stattgefunden hatte.527 Zum Vergleich: Im Evaluationsbericht zum Mediationsgesetz wurden 28 Entschei­ dungen ausgewertet, von denen nicht eine diese Konstellation betraf.528

526 

Siehe oben unter F.II.c.cc). Coben/Thomson, 11 Harv. Negot. L. Rev. 43 (2006), S.  45, 50. 528  Masser/Engewald/Scharpf/Ziekow, Evaluierung des Mediationsgesetzes, S.  39. 527 

518

F. Absicherung der gesteigerten Legitimation

Die US-amerikanische Untersuchung zeigt, dass es schwerer ist, sich wegen Vor­ kommnissen, die während des Verhandlungsprozesses geschehen sein sollen, vom Vertrag zu lösen. Allen Lösungsgründen gemein ist dabei, dass sie erstens nach einer Mediation nur selten geltend gemacht werden und zweitens, wenn geltend gemacht, dann nur in wenigen Ausnahmefällen erfolgreich sind. Pars pro Toto für dieses Ergebnis kann die Entscheidung in Sachen Olam vs. Con­ gress Mortgage529 gelten, in der die Klägerin eine Loslösung vom Vertrag wegen ei­ ner undue influence innerhalb der Mediation geltend gemacht hatte. Das Gericht hatte dies abgelehnt, obwohl die 65-jährige Klägerin unter Bluthochdruck, Kopfund Bauchschmerzen litt und angab, sich während der Verhandlung schwach und schwindelig gefühlt zu haben und selbst von ihrem eigenen Anwalt sowie der Gegen­ seite unter Druck gesetzt worden zu sein, nach einer 15-stündigen Mediationsver­ handlung morgens um 1 Uhr die Abschlussvereinbarung zu unterzeichnen. Man wird unter Heranziehung der oben geschilderten Grundlagen zur undue in­ fluence davon ausgehen dürfen, dass die Entscheidung anders ausfallen dürfte, wenn die gleiche Konstellation außerhalb einer Mediation stattgefunden hätte. Die legitimatorische Kraft des Moderators ist hier mit Händen greifbar. Dies wird bestätigt durch das Versagen des Notars im Sachverhalt der Entschei­ dung des OLG Hamm, der ein Beispiel für den Fall darstellt, in dem der Moderator seine legitimatorische Kraft nicht entfaltet. ff) Das Gebot des fairen Verhandelns Die erste Betrachtung der undue influence führte zu dem ernüchternden Ergebnis der fehlenden Übertragbarkeit der dort generierten Erkenntnisse auf die hiesige Si­ tuation des moderierten Vertrags. Erst der im Rahmen der gerichtlichen Befassung mit der undue influence entwickelte und hier sogenannte Kriterienkatalog lieferte dann Erkenntnisse, die auf eine Verwertbarkeit auch im Rahmen dieser Untersu­ chung hoffen lassen. Dies gilt auch deshalb, weil die ursprünglich in Kalifornien entwickelten Kriterien bereits Einzug gehalten haben in die deutsche Rechtspre­ chung, allerdings ohne Bezugnahme auf die Herkunft aus den Überlegungen zur undue influence. Darüber hinaus sind es die Überlegungen zum Notar, die in diesem Zusammenhang angestellt wurden, die aufhorchen lassen. Denn dort wird ebenfalls versucht, den Schutz vor einer nicht ordnungsgemäßen Leistung des Notars durch ein Lösungsrecht der Partei(en) vom Vertrag zu gewährleisten, an dem dieser gar nicht selbst beteiligt ist. f) Ergebnis zu §  311 Abs.  2 BGB Im Rahmen der Betrachtung der Vorschrift des §  311 Abs.  2 BGB wurde für diese Untersuchung der Blick gelenkt auf das Gebot des fairen Verhandelns, bei dem es nicht um den Inhalt des Vertrags geht, sondern um den Weg dahin.

529 

68 F. Supp.  2 d 1110 (N.D. Cal. 1999).

IV. Geschäftsgrundlage und Legitimation, §  313 BGB

519

Drei Ansätze, dessen Inhalt näher zu bestimmen, wurden verfolgt. Der hier soge­ nannte betriebsverfassungsrechtliche Ansatz brachte keinen Erkenntnisfortschritt, weil zu sehen war, dass dabei lediglich ein nicht konturierter Begriff durch andere inhaltlich unbestimmte Begrifflichkeiten ersetzt wurde. Dieses Fazit lässt sich im Wesentlichen auch zu den Betrachtungen ziehen, die zur eindimensionalen Betrach­ tung der Selbstbestimmung angestellt wurden. Auch dort ist eine greifbare Grenzbe­ schreibung im Hinblick auf den notwendigerweise einzuhaltenden Bereich an Auto­ nomie nicht gelungen. Erst die zweidimensionale Untersuchung brachte dann das Ergebnis der anerkennenden Selbstbestimmung hervor; also die an den Einzelnen durch die Rechtsordnung gestellte Bedingung, die Selbstbestimmung seines Ver­ tragspartners anzuerkennen, wenn der Vertrag durch die Rechtsordnung geschützt sein soll. Die Privatautonomie ist in diesem Sinne auch über das Rechtsinstitut der Culpa in contrahendo zu schützen, weil die Vertragsentscheidung in Kenntnis be­ stimmter Risiken und damit aufgeklärt fallen soll.530 Dies hat Auswirkungen auf die Gestaltung der Verhandlungen, die ebenso in ihrer Konsequenz für den moderierten Vertrag noch zu erörtern sind wie die nähere Be­ stimmung des Gebots der fairen Verhandlung, die mithilfe der Analyse der undue influence einherging. Deren Analyse hat dann zunächst ebenfalls den Befund bestä­ tigt, dass genaue Begrifflichkeiten, die eine rechtssichere Beschreibung ermöglichen, nicht existieren. Die Rechtsprechung hat jedoch Kriterien für den äußeren Ablauf der Verhandlungen entwickelt, die in ihrem Zusammenwirken eine ungebührliche Beeinflussung begründen können und die auch der deutschen Rechtsprechung nicht fremd sind. Beschrieben wurde – und darauf ist zurückzukommen – das Zusammenwirken der Kriterien, die dann wegen des Verhandlungsverlaufs auf eine Ungültigkeit des Vertrags schließen lassen, im Sinne eines Zusammenwirkens als „Art eines bewegli­ chen Systems“.531 Die Betrachtung hat in den Fällen, in denen ein Vermittler beteiligt war und die undue influence entweder nicht verhindert oder verursacht hat, die Bedeutung der Moderation für die Legitimation und damit für die informierte Autonomie angeregt.

IV. Geschäftsgrundlage und Legitimation, §  313 BGB Die wissenschaftliche Diskussion zur Störung der Geschäftsgrundlage ist älter als das BGB. Sie ist weder hier nachzuzeichnen noch um ihrer selbst willen fortzufüh­ ren. An dieser Stelle geht es lediglich um die Anwendung der Grundsätze zur Stö­ rung der Geschäftsgrundlage auf die Fälle des moderierten Vertrags vor dem Hinter­ grund der Frage, ob hierdurch ein effektiver Schutz vor einer Manipulation im Sinne einer nicht neutralen Verhandlungsführung durch den Moderator erreicht werden kann. Das scheint zunächst deswegen möglich, weil §  313 BGB eine Durchbrechung 530  531 

So formuliert Breidenbach, Mediation, S.  207. Lorenz, JZ 1997, 277, 282.

520

F. Absicherung der gesteigerten Legitimation

des Grundsatzes der Vertragsbindung enthält und aus Gründen der Vertragsgerech­ tigkeit die Vertragstreue ausnahmsweise zurücktreten lässt.532 Die Prüfung der Voraussetzungen, ob eine Störung der Geschäftsgrundlage vor­ liegt, folgt den hierzu identifizierten drei Elementen.533 Dem realen Element, das verlangt, dass sich Umstände, die zur Geschäftsgrundlage geworden sind, tatsäch­ lich verändert haben, dem hypothetischen Element, welches verlangt, dass die Partei­ en den Vertrag in Kenntnis der tatsächlichen Gegebenheiten (so) nicht geschlossen hätten, sowie letztlich dem normativen Element, das die Wertung dahingehend ver­ langt, ob ein Festhalten am ursprünglichen Vertragsinhalt trotz veränderter Um­ stände zumutbar bleibt. Nach der Kodifikation in §  313 BGB534 hat diese Prüfungs­ folge ihre Umschreibung in der gesetzlichen Regelung gefunden.535

1. „Umstände oder Vorstellungen, die zur Grundlage des Vertrages geworden sind“ Um den Schutz des moderierten Vertrags vor einer manipulativen Moderation zu gewährleisten, müsste die von Eigeninteressen freie Moderationstätigkeit zunächst Geschäftsgrundlage des moderierten Vertrags geworden sein. Die Geschäftsgrundlage wird gebildet durch die nicht zum eigentlichen Vertrags­ inhalt gewordenen, bei Vertragsschluss aber zutage getretenen gemeinsamen Vor­ stellungen der Vertragsparteien oder die dem anderen Teil erkennbaren und von ihm nicht beanstandeten Vorstellungen der Partei von dem Vorhandensein oder dem künftigen Eintritt bestimmter Umstände, auf denen sich der Geschäftswille der Par­ teien aufbaut.536 Von Bedeutung für die hiesige Untersuchung ist der Fakt, dass Umstände vorlie­ gen müssen, auf denen der Geschäftswille der Parteien fußt. Denn das erfordert – anders ausgedrückt – die äquivalente Kausalität des Vorliegens bestimmter Umstän­ de oder Vorstellungen für den Abschluss des Vertrags mit diesem bestimmten In­ halt.537 In Bezug auf den moderierten Vertrag ist hierbei zunächst festzuhalten, dass die unabhängige, unparteiliche und frei von Eigeninteressen ausgeübte Verfahrenslei­ tung keine vertragliche Entsprechung findet in diesem Vertrag, der das Ende der Vermittlungsbemühungen des Moderators beschreibt.538 Es handelt sich dabei viel­ 532 

Joussen, SchuldR AT, Rn.  728. Joussen, SchuldR AT, Rn.  1465; Rösler, JuS 2004, 1058. 534  Vgl. hierzu BT-Drs. 14/6040, S.  174 ff. 535  Zu diesen Voraussetzungen vgl. BT-Drs. 14/6040, S.  175. 536  So die Formulierung in BT-Drs. 14/6040, S.  174 mit Verweis auf RG v. 03.02.1922 – II 640/21, RGZ 103, 328, 332; BGH v. 23.10.1957 – V ZR 219/55, BGHZ 25, 390, 392; BGH v. 15.12.1983 – III ZR 226/82, BGHZ 89, 226, 231 sowie auf die ursprüngliche Herkunft dieser Definition bei Oertmann, Die Geschäftsgrundlage von 1923; vgl. auch Pfeiffer, in: Herberger/Martinek/Rüßmann/ Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, §  313 Rn.  35; sowie Joussen, SchuldR AT, Rn.  737. 537  Pfeiffer, in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, §  313 Rn.  57. 538  So im Hinblick auf den Moderationsvergleich und die Unparteilichkeit und Unabhängigkeit des Moderators auch Tochtermann, Die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Mediators, S.  232. 533 Siehe

IV. Geschäftsgrundlage und Legitimation, §  313 BGB

521

mehr um Umstände, die das vorhergehende Verfahren begleiten.539 Nämlich dann, wenn die Parteien im Rahmen ihrer freiwilligen Inanspruchnahme das Vorliegen dieser Umstände ausdrücklich oder konkludent vereinbart haben. In diesen Fällen bilden diese Faktoren als objektive Umstände Rahmen und Grundlage für den Ab­ schluss des moderierten Vertrags. Das ist dort relativ leicht zu bejahen, wo Moderationsparteien und Moderator auf eine Verfahrensordnung abstellen, die entsprechende Vorgaben enthält. Dies gilt für die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Mediators etwa dann, wenn die Partei­ en im Rahmen des Mediatorvertrags540 eine Mediation im Sinne des MedG vereinba­ ren.541 Bei den durch richterliche Vermittlung geschlossenen moderierten Verträgen folgt die Neutralitätspflicht aus dem Richteramt an sich. Das bedeutet, dass die Par­ teien im Rahmen dieser Moderationen von einer neutralen Vermittlung ausgehen, eben weil diese durch den Richter stattfindet.542 Im Hinblick auf die Frage der Neutralität der Verhandlungsführung ist es damit die aus dem Element der Freiwilligkeit der Moderation stammende ausdrückliche oder konkludente Absprache der Parteien zu Beginn der Moderation, die darüber entscheidet, ob diese Umstände Geschäftsgrundlage im Sinne des §  313 BGB werden. Was aber gilt für die Frage, ob der Moderator seine Tätigkeit frei von Eigeninter­ essen vornimmt? Diese findet in den im Rahmen dieser Untersuchung betrachteten Moderationssituationen – dort, wo überhaupt Regelwerke existieren – keine explizi­ te Erwähnung. Das im Rahmen dieser Analyse beschriebene Interesse des Moderators ist zwar mit dessen Pflichten zur neutralen Verhandlungsführung verwandt, aber eben nicht deckungsgleich. Denn der Absicherung von Unabhängigkeit und Unparteilichkeit geht es darum, dass der Moderator keine Partei besser behandelt als die andere. Wenn der Moderator seine Vermittlungsleistung allein am eigenen Interesse ausrichtet, kann damit die Bevorzugung einer Partei einhergehen, muss es aber nicht. Der Mo­ derator kann beispielsweise auch einen, aus Sicht der Parteien insgesamt schlechte­ ren, Vertrag vermitteln, der sinnvollerweise zu regelnde Punkte nicht enthält. Das kann geschehen, weil er auf diesem Wege zu einem schnelleren Abschluss des mode­ rierten Vertrags kommen kann. Nicht hinwegtäuschen soll diese Feststellung jedoch über den Umstand, dass eine von den Eigeninteressen geleitete Moderation häufig auch die (versteckte) Verletzung der Neutralität in Kauf nimmt, um zum Abschluss des moderierten Vertrags zu gelangen. 539  Vgl. insofern ebenfalls Tochtermann, Die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Medi­ ators, S.  232. 540  Zu dessen Funktion und Inhalt siehe oben unter B.I.1. 541  Zu kritisch insoweit Tochtermann, Die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Mediators, S.  234, der verlangt, dass sich aus der Mediatorvereinbarung ergeben müsse, dass die Parteien auf die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Mediators ausschlaggebenden Wert gelegt haben, eine besonders bedenklicher Integritätsmangel vorliegt und der Mediator einen stark evaluierenden Me­ diationsstil verfolgt hat. 542  Tochtermann, Die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Mediators, S.  233 stellt im Hin­ blick auf die gerichtsgebundene Mediation auf das Rechtsstaatsprinzip ab, welches die Neutralität verlange.

522

F. Absicherung der gesteigerten Legitimation

Ist dieses Interesse der Parteien, dass eine Moderation frei von den Eigeninteressen des Moderators durchgeführt wird, Grundlage des später geschlossenen moderier­ ten Vertrags, obwohl es in der die Moderation startenden Übereinkunft regelmäßig keinen Anklang findet? Sie ist es gerade deswegen. Denn die Freiheit von Eigeninteressen des Moderators ist denklogisch noch einen Schritt vor der Frage der Unabhängigkeit und Neutralität angesiedelt. Sie wird von den Parteien der Moderation auch deswegen unausgesprochen zugrunde gelegt, weil sich das Interesse des Moderators – anders etwa als das des Maklers – rechtlich nicht aus seiner Vergütung erfassen lässt. Denn die Vergütung des Mediators, des Güte­ richters, des Prozessrichters, des Gerichtsvollziehers richtet sich nicht danach, ob der Abschluss eines moderierten Vertrags erfolgreich vermittelt wird. Das Interesse des Moderators speist sich aus dem rechtlich nicht abgebildeten Anspruch an eine erfolgreiche und – mindestens in den Fällen der richterlichen Moderation – zügige Erledigung seiner Arbeit. Für die Parteien ist dieses Interesse aber rechtlich durch die fehlende Verknüpfung von Vergütung und Ermittlungserfolg eigentlich ausge­ klammert. Mehr noch: Sie können aus ihrer Sicht gar keine weiteren Maßnahmen in Bezug auf das Interesse des Moderators treffen. Die Vereinbarung einer Provision für das Scheitern der Vermittlung liefe dem billigen Grundanliegen des Moderati­ onsprozesses zuwider. Dass die Parteien, wie es etwa im MedG geregelt ist, den Mediator auch beauftra­ gen können, wenn Umstände vorliegen, die seine Unabhängigkeit und Neutralität beeinträchtigen können, bedeutet aber nicht, dass die Parteien dem Moderator ein eigenes Interesse am Vertragsschluss zubilligen. In diesem Fall trauen sie ihm viel­ mehr zu, dass er die Moderation 543 trotz der vorliegenden Umstände im Sinne der Parteien, d. h. ohne eigenes Interesse am Vertragsschluss, wird durchführen können. Letztlich wird der Umstand, dass die Parteien die Interessenlosigkeit des Modera­ tors der Moderation zugrunde legen, auch deutlich in dem Fall der vergütungslosen Moderation. Dort, wo weder die Parteien selbst (wie etwa bei der Mediation) noch ein Dritter (wie bei der richterlichen Moderation) die Vergütung des Moderators übernehmen, sondern dieser – altruistisch – ohne Vergütung handelt, geht damit ge­ rade auch die Aussage einher, dass er nur im Sinne der Parteien und nicht in eigenem Interesse handelt. Wer ein eigenes Interesse am Vertragsschluss hat, ist Makler, nicht Moderator.

2. Objektive vs. subjektive Geschäftsgrundlage Die Vorschrift des §  313 BGB unterscheidet zwischen der sogenannten objektiven Geschäftsgrundlage, die ihre Regelung in Absatz 1 erfährt und der sogenannten sub­ jektiven Geschäftsgrundlage, deren Störung bzw. Wegfall in Absatz 2 normiert ist.544

543 

544 

Bzw. im gewählten Beispiel die Mediation. Vgl. BT-Drs. 14/6040, S.  176.

IV. Geschäftsgrundlage und Legitimation, §  313 BGB

523

Die in Rede stehenden Umstände, die an notwendigerweise subjektive Eigenschaf­ ten des Moderators anknüpfen, sind dabei nicht als Fälle der subjektiven Geschäfts­ grundlage,545 sondern als objektive Umstände im Sinne des Abs.  1 einzuordnen. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers betrifft Absatz 2 das ursprüngliche Fehlen der subjektiven Geschäftsgrundlage. Es sollen dabei die Fälle des gemeinschaftlichen Motivirrtums dazu zählen sowie solche Fälle, in denen sich nur eine Partei falsche Vorstellungen macht, die andere Partei diesen Irrtum aber ohne eigene Vorstellungen hingenommen hat.546 Auf den ersten Blick scheinen diese Voraussetzungen auch die in Rede stehenden Fälle zu erfassen. Denn die Parteien können sich auch in Bezug auf die der Moderation zugrunde liegenden Eigenschaften des Moderators durchaus irren. Aber: Auch die von Absatz 1 erfassten objektiven Umstände werden nicht al­ lein aufgrund ihrer objektiven Bedeutung zur Grundlage des Vertrags, sondern erst dadurch, dass der Geschäftswille der Parteien auf diesem Umstand bzw. der Vorstel­ lung aufbaut, er würde auch zukünftig vorhanden sein bzw. bestehen bleiben.547 Dieser Vorgabe entsprechen die hier interessierenden Fallgestaltungen. Ob der Moderator die Vermittlungstätigkeit neutral und frei von Eigeninteressen vornimmt, ist – im Sinne des §  313 BGB – ein objektiver Umstand. Für diese Einordnung ist es nicht von Bedeutung, dass die betreffenden Umstände z. T. rein subjektive Eigen­ schaften des Moderators beschreiben. Denn es geht um die Frage, ob diese subjekti­ ven Eigenschaften objektiv vorliegen. Deswegen ist die Regelung des Absatz 1 ein­ schlägig, weil es nicht bzw. nicht primär um Parteiirrtümer, sondern um eine Ver­ tragsgrundlage geht, die – anders als von den Parteien angenommen – objektiv nicht vorliegt.

3. Schwerwiegende Veränderungen Allein die Tatsache, dass die Parteien gewisse Umstände ihrem Vertrag zugrunde legen, die dann nicht genau so vorliegen oder bleiben, reicht für den Eingriff in den Grundsatz der Vertragstreue nicht. Verlangt wird vielmehr eine schwerwiegende Veränderung. Dadurch soll verdeutlicht werden, dass nur erhebliche Grundlagenstö­ rungen einen Eingriff in die vertraglichen Vereinbarungen rechtfertigen.548 Es exis­ tieren keine allgemeinen Schwellenwerte, die Erheblichkeit der Grundlagenstörung muss im Einzelfall festgestellt werden. Das schließt nicht aus, für bestimmte typi­ sche Fallgruppen Grundsätze zu erarbeiten, bei deren Vorliegen ein Wegfall der Ge­ schäftsgrundlage anzunehmen ist, wenn nicht besondere Gründe des konkreten Falls dagegensprechen.549 Dass sich die Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, verändert haben, ist die Grundannahme, die erst zur Prüfung des §  313 BGB geführt hat. Aus­ gangspunkt ist dabei, dass der Moderator vor dem Hintergrund seines eigenen Inte­ 545 

So aber Tochtermann, Die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Mediators, S.  232. BT-Drs. 14/6040, S.  176. 547  Pfeiffer, in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, §  313 Rn.  34. 548 BeckOGK/Martens, BGB, §  313 Rn.  108. 549 BeckOGK/Martens, BGB, §  313 Rn.  108. 546 

524

F. Absicherung der gesteigerten Legitimation

resses eine Moderationstätigkeit vornimmt, die nicht alleine auf eine interessenge­ rechte Konfliktlösung für die Parteien abzielt, sondern von dem Interesse gespeist wird, dass überhaupt ein Vertrag geschlossen wird. Es liegt zwar eine Veränderung der Geschäftsgrundlage vor. Damit geht jedoch noch nicht die Feststellung einher, dass diese auch schwerwiegend ist. Dieses werten­ de Merkmal kann – und so soll es auch geschehen – allerdings berücksichtigt werden, wenn jetzt die Zumutbarkeit des Festhaltens am Vertrag beurteilt wird.550 Denn es gilt auch: Je schwerwiegender die Veränderung, desto eher dürfte ein Festhalten am Vertrag unzumutbar sein.

4. Kein oder anderer Vertragsschluss bei vorhergesehener Veränderung Die Parteien dürften den moderierten Vertrag nicht oder nur mit anderem Inhalt geschlossen haben, wenn sie die Veränderung der Geschäftsgrundlage vorausgesehen hätten. Bei dieser von §  313 BGB geforderten hypothetischen Abschlusskausalität geht es darum, ob die Veränderung des Umstands solches Gewicht hat, dass dies abschluss­ entscheidend gewesen ist.551 Das wird man für die in Rede stehenden Fälle bejahen können. Wissen die Parteien, dass es dem Moderator allein um den Abschluss (ir­ gend)eines Vertrags geht und nicht um eine in ihrem Interesse stattfindende Über­ windung des Konflikts, werden sie von vornherein von der Moderation absehen. Je­ denfalls wird man der sich auf die Störung der Geschäftsgrundlage berufenden Par­ tei regelmäßig zugestehen können, dass sie – entweder bei ordnungsgemäßer oder ohne Moderation – keinen oder einen anderen Vertrag geschlossen hätte. Ein solcher hypothetischer Abwägungsakt552 dürfte unter Berücksichtigung der Bedeutung der Moderation für die Verhandlung der sich in einem Konflikt befindlichen Parteien also regelmäßig anzunehmen sein.

5. Unzumutbarkeit des Festhaltens am Vertrag Für eine Nachverhandlungspflicht bzw. ein Lösungsrecht vom Vertrag verlangt die Regelung des §  313 BGB nicht allein, dass sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags gemacht wurden, verändert haben. Damit eine Partei ihr vertragliches Ver­ sprechen ausnahmsweise nicht halten muss, ist vielmehr notwendig, dass ihr die Bin­ dung an den Vertrag unzumutbar ist. Das Gesetz selbst spricht hierbei zwei Parame­ ter an, die bei der Beurteilung der Unzumutbarkeit Berücksichtigung finden sollen. Zum einen sind dies allgemein die Umstände des Einzelfalls und besonders die je­ weils geltende vertragliche oder gesetzliche Risikoverteilung. Als weitere Kriterien zur Ausfüllung der Unzumutbarkeit werden zudem die Vorhersehbarkeit bzw. die Zurechenbarkeit der Grundlagenstörung genannt553 sowie die grundlegende Stö­ 550 

Zur inhaltlichen Verbindung von BT-Drs. 14/6040, S.  174. Riesenhuber/Domröse, JuS 2006, 208, 212. 552  Joussen, SchuldR AT, Rn.  742. 553 BeckOGK/Martens, BGB, §  313 Rn.  118. 551 

IV. Geschäftsgrundlage und Legitimation, §  313 BGB

525

rung der vertraglichen Äquivalenz bzw. des Zwecks, dem die vertragliche Bindung dient.554 Ausgehend von der Prämisse, dass die erhebliche Grundlagenstörung, die zur Un­ zumutbarkeit führt, einerseits zwar für jeden Einzelfall festgestellt werden muss, anderseits aber für typische Fallkonstellationen Grundsätze entwickelt werden kön­ nen, die regelmäßig die Unzumutbarkeit nahelegen, sollen die genannten Ansätze daraufhin untersucht werden, ob sie für bzw. gegen eine Unzumutbarkeit im Falle der manipulativen Moderation sprechen. a) Äquivalenzstörung Ausgangspunkt dieser Betrachtung ist der erste von zwei Lehrbuchfällen zur Stö­ rung bzw. zum Wegfall der Geschäftsgrundlage, der zudem die Situation beschreibt, in der das Institut überhaupt (weiter-)entwickelt worden ist.555 Es sind dies die Zeiten starker Veränderungen der Lebensgrundlagen der am Rechtsverkehr beteiligten Per­ sonen, d. h. insbesondere während und nach den Weltkriegen. Diese auch als „große Geschäftsgrundlage“556 bezeichneten Fälle sind etwa solche der Hyperinflation,557 die zur Folge haben, dass ein heute vereinbarter Leistungsaustausch schon morgen als unangemessen, mit anderen Worten: ungerecht, empfunden wird. Eine solche Äquivalenzstörung beschreibt jedoch nicht die Situation, die typi­ scherweise infolge der Manipulation des Moderators entsteht. Denn dessen von Ei­ geninteressen motivierte Vermittlung geht nicht notwendigerweise mit dem Ab­ schluss eines Vertrags einher, dessen Leistungen in keinem angemessenen Verhältnis mehr stehen. Damit ist nicht ausgeschlossen, dass dies im Einzelfall geschieht, aber es lässt sich kein Grundsatz dahingehend entwickeln, dass eine solche Äquivalenz­ störung jederzeit anzunehmen sei. Denn die auf falschen Motiven beruhende Mode­ ration kann etwa einen Vertrag hervorbringen, dessen Äquivalenz nicht gestört, son­ dern der nur weitere zur Konfliktbeilegung regelnswerte Punkte ausklammert oder dessen Äquivalenzstörung nicht das im Vergleich mit den sonstigen Fällen, bspw. der Inflation notwendige Maß erreicht. b) Zweckstörung Neben der Äquivalenzstörung ist es die Zweckstörung, die für eine Unzumutbarkeit des Festhaltens am Vertrag sprechen kann. Dabei ist die Zweckstörung mit der Be­ rücksichtigung der Risikozuweisung verwandt. Dies wird an der Formulierung deutlich, der zufolge das Risiko der Zweckverwirklichung grundsätzlich jeder Partei alleine zufalle, was bedeute, dass es im Grundsatz Angelegenheit des Gläubigers sei, ob und wie er die Leistung des Schuldners gebrauchen kann.558 Dieser Gedanke und 554 

BT-Drs. 14/6040, S.  174; Böttcher, in: Erman, BGB, §  313 Rn.  26. Zur hier nicht weiter interessierenden genauen historischen Entwicklung vgl. etwa Böttcher, in: Erman, BGB, §  313 Rn.  3; MünchKommBGB/Finkenauer, §  313 Rn.  20 ff. 556  Zur „kleinen Geschäftsgrundlage“ siehe sogleich unter Zweckstörung. 557  Pfeiffer, in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, §  313 Rn.  30. 558 MünchKommBGB/Finkenauer, §  313 Rn.  253. 555 

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F. Absicherung der gesteigerten Legitimation

die im Wege des §  313 BGB hiervon vorzunehmende Ausnahme haben ihre Versinn­ bildlichung im (zweiten) Lehrbuchfall des ausgefallen Krönungszugs erfahren.559 Weil der Zug nicht stattfindet, entfällt der Zweck der Leistung in Form des angemie­ teten Balkons, denn der Krönungszug lässt sich von dort nicht beobachten. Für die Fälle der Moderation lässt sich aus den Fällen zur Zweckstörung kein Er­ kenntnisgewinn generieren. Das liegt am Anknüpfungspunkt. Es geht stets um den Verwendungszweck der Leistung. Dieser lässt sich aber für den moderierten Vertrag naturgemäß nicht abstrakt festhalten, da sich die Definition des moderierten Ver­ trags an seinem Zustandekommen, nicht jedoch an seinem Inhalt orientiert. Aus­ gangspunkt für die Wahl des Moderationsverfahrens ist regelmäßig ein bestehender Konflikt zwischen den Parteien, der – und insofern liegt ein Zweck vor – durch den Abschluss des moderierten Vertrags beigelegt werden soll. Der Zweck der Kon­ fliktbeilegung, der durch eine unsachgemäße Moderation nachträglich gefährdet werden könnte, ist nicht mit dem konkret vereinbarten Leistungsinhalt verbunden, sondern setzt übergeordnet beim Vertrag an sich an. Den Schritt, im Rahmen der Beurteilung der Zweckstörung nicht beim konkreten Leistungszweck, sondern beim übergeordneten Vertragszweck anzusetzen, ist die Rechtsprechung bisher nicht ge­ gangen.560 c) Zurechenbarkeit Eine Berufung auf die Störung oder den Wegfall der Geschäftsgrundlage bleibt dem­ jenigen verwehrt, der diese(n) selbst bewirkt hat, ihm die Störung also zugerechnet werden kann.561 Denn ansonsten würde er sich selbst widersprüchlich verhalten.562 Die Betrachtungen, die insbesondere im Rahmen der Analyse des §  123 BGB ange­ stellt wurden, haben gezeigt, dass eine Zurechnung des Verhaltens des Moderators gerade aufgrund seiner Stellung als neutraler Vermittler vor allem dann ausscheidet, wenn dieser aus eigenen Motiven und ohne Kenntnis einer Partei handelt. Damit scheidet in den Fällen, die hier interessieren, eine Berufung auf die Regelung des §  313 BGB jedenfalls nicht aufgrund einer Zurechnung zu einer der Parteien aus. d) Vorhersehbarkeit Auch die Frage der Vorhersehbarkeit ist mit der in §  313 BGB explizit angesproche­ nen Frage der Risikoverteilung verknüpft. Hierbei geht es nicht um die bereits ange­ sprochene hypothetische Abschlusskausalität für den Fall der Kenntnis der Parteien von der veränderten Geschäftsgrundlage, sondern um die Berücksichtigung der Möglichkeit einer oder beider Parteien, die Veränderung der Geschäftsgrundlage vo­ rauszusehen. Denn insofern gilt, dass voraussehbare Änderungen grundsätzlich kei­ 559 

Vgl. nur die Darstellung bei Riesenhuber/Domröse, JuS 2006, 208, 212. Vgl. die Darstellung bei MünchKommBGB/Finkenauer, §  313 Rn.  258 ff. 561  BGH v. 03.05.1995 – XII ZR 29/94, BGHZ 129, 297, 310; BGH v. 24.09.2002 – XI ZR 345/01, BGHZ 152, 114; BGH v. 21.12.2010 − X ZR 122/07, NJW 2011, 989. 562 MünchKommBGB/Finkenauer, §  313 Rn.  75 unter zutreffendem Hinweis auf den Gedanken des §  162 Abs.  2 BGB. 560 

IV. Geschäftsgrundlage und Legitimation, §  313 BGB

527

ne Rechte aus §  313 BGB begründen. Weil für den Fall, dass die Veränderung erkenn­ bar war, die Partei, zu deren Lasten die Veränderung der Grundlage geht, das ent­ sprechende Risiko übernommen hat.563 Denn sie hat – infolge der Erkennbarkeit sozusagen sehenden Auges – darauf verzichtet, entsprechende, das Risiko ausschlie­ ßende Regelungen in den Vertrag aufzunehmen.564 Eine solche Vorhersehbarkeit wird man im Falle der Moderation verneinen dürfen, weil es den Parteien regelmäßig zuzugestehen ist, von einer manipulationsfreien Moderation auszugehen. Das gilt für beide Parteien, sodass aus dem Umstand der Vorhersehbarkeit keine die Beru­ fung auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage ausschließende Risikoübernahme ge­ folgert werden kann. Vielmehr kann der Umstand, dass die Parteien keine Vorsorge treffen können, für eine Anwendung der Vorschrift streiten.565 Dies allein kann hier noch keine Einschlägigkeit der Regelung des §  313 BGB begründen, sondern leitet den Blick zu einer genaueren Analyse der Risikoverteilung im Rahmen des mode­ rierten Vertrags. e) Risikoverteilung Die vertragliche und die gesetzliche Risikoverteilung bilden den Maßstab zur Be­ stimmung, ob eine beachtliche Störung der Geschäftsgrundlage vorliegt.566 Wie schon zur Frage der Vorhersehbarkeit angeklungen, liegt dieser Aussage zunächst die Überlegung zugrunde, der zufolge die Realisierung eines Risikos dann nicht zu einer beachtlichen Grundlagenstörung führen kann, wenn eine Partei eben dieses Risiko übernommen hat.567 Dieser Gedanke lässt sich jedoch auch in die andere Richtung denken: Fehlt es an einer Risikoübernahme, ist der Vertrag insoweit also lückenhaft und greifen keine (dispositiven) gesetzlichen Regelungen ein, die das Ri­ siko einer Partei zuweisen, dann wäre es unzumutbar, wenn seine Bestimmungen gleichwohl zum Nachteil einer Vertragspartei angewandt würden.568 Fikentscher hat hierzu formuliert: „Das Recht – im Sinn eines gerechten Rechts – verleiht aber der Willenserklärung nicht unter allen Umständen die Macht, sich durchzusetzen. Es muss also Fälle geben, in denen das objek­ tive Recht den Risikorahmen einer Partei für überzogen hält. Dies sind die Fälle, in denen ausnahmsweise „Motive“ erheblich werden, und zwar im Sinn einer Korrektur des Ver­ trags.“569

563 Soergel/Teichmann,

BGB, §  313 Rn.  119. §  313 Rn.  28 mit Verweis auf RG v. 06.01.1923 – V 246/22, RGZ 106, 7; BGH v. 28.06.1965 – VII ZR 75/63, NJW 1965, 1763; BGH v. 11.05.1973 – V ZR 129/71, BeckRS 1973, 31123624; Palandt/Grüneberg, §  313 Rn.  18; Ulmer, AcP 174 (1974), 167, 185. 565 BeckOK-BGB/Lorenz, §  313 Rn.  28; BeckOGK/Martens, BGB, §  313 Rn.  106. 566  Die Anknüpfung an die Risikoverteilung geht – unter dem Begriff der Gefahrübernahme – zurück auf Kegel, in: Kegel/Rupp/Zweigert, Die Einwirkung des Krieges auf Verträge, 1941, S.  151 f. 567 BeckOGK/Martens, BGB, §  313 Rn.  109; dies formuliert auch Schmidt-Rimpler aus der Per­ spektive der Richtigkeitsgewähr, vgl. Schmidt-Rimpler, in: FS Nipperdey, S.  1, 20. 568 Soergel/Teichmann, BGB, §  313 Rn.  20; BeckOGK/Martens, BGB, §  313 Rn.  109. 569  Fikentscher, Geschäftsgrundlage als Frage des Vertragsrisikos, S.  35. 564 BeckOK-BGB/Lorenz,

528

F. Absicherung der gesteigerten Legitimation

Denn das Vertragsrisiko gibt insofern nicht den regelmäßig zu erwartenden Rahmen an, sondern den der äußersten Zumutbarkeit.570 Jenseits der äußersten Zumutbarkeit beginnt die Unzumutbarkeit.571 aa) Vertragliche Risikoübernahme Die Analyse beginnt bei der vertraglichen Risikoverteilung, die ihren Ausgangs­ punkt in der Überlegung findet, ob nicht die Partei, die sich konkret benachteiligt fühlt, vertraglich genau das Risiko übernommen hat, dessen Realisierung nun ihre Beschwer bildet.572 Aufgrund des Grundsatzes der Vertragstreue kann die Vorschrift des §  313 BGB erst zur Anwendung kommen, wenn die Auslegung des Vertrags er­ gibt, dass dieser in Bezug auf das Risiko, dass sich die später tatsächliche Verände­ rung der Umstände realisiert, lückenhaft ist. Wer in Kenntnis der Abwertungsgefahr für den Dollar auf Dollarbasis kontrahiert, kann sich bei tatsächlich erfolgter Dollar­ abwertung nicht auf die Störung berufen.573 Von einer Lücke ist dabei erst dann auszugehen, wenn weder ausdrückliche, noch konkludente Abreden der Parteien, noch eine ergänzende Vertragsauslegung, die auch das Verhalten der Parteien nach der Grundlagenstörung berücksichtigen kann, zu einer Risikozuweisung führen.574 Wie aber stellt sich die Situation der vertraglichen Risikozuweisung in den Fällen des moderierten Vertrags dar? Eine Vertragsauslegung ist notwendigerweise einzel­ fallbezogen. Jedoch dürfte naheliegend sein, dass im moderierten Vertrag eine aus­ drückliche Regelung dahingehend, welche Folgen der Vertrag im Falle einer manipu­ lativen Moderation zeitigen soll, fehlen dürfte. Mehr noch: Man wird für den Nor­ malfall der Moderation sogar festhalten können, dass eine Auslegung, welche die Umstände beim Abschluss des moderierten Vertrags berücksichtigt, zum Ergebnis kommen muss, dass die Parteien eine Regelung im Hinblick auf die Gefahrtragung der schlechten Moderation getroffen haben. Diese unterscheidet sich allerdings von den typischen, regelmäßig im Rahmen des §  313 BGB zu erörternden, Verabredun­ gen in einem zentralen Punkt. Denn die Auslegung des moderierten Vertrags muss regelmäßig mit der Erkenntnis enden, dass zwar Ansatzpunkte vorliegen, die für eine Ermittlung der vertraglichen Risikozuordnung herangezogen werden können. Jedoch liefern diese das mindestens ungewöhnliche Ergebnis, dass beide Parteien gerade keine Risikoübernahme vereinbart haben. Dies liegt an der besonderen rechtlichen und tatsächlichen Situation, die mit einem trilateralen Vertrag, bzw. mit einer trilateralen Übereinkunft575 , beginnt und dann in eine bilaterale Vereinbarung – den moderierten Vertrag – mündet. Dabei ist das Par­ teiverhalten zu Beginn der Moderation auch für die Auslegung des moderierten Ver­ 570 

Fikentscher, Geschäftsgrundlage als Frage des Vertragsrisikos, S.  43. Fikentscher, Geschäftsgrundlage als Frage des Vertragsrisikos, S.  4 4. 572 Vgl. Joussen, SchuldR AT, Rn.  744 m. w. N. 573  Dieses Beispiel stammt von Ulmer, AcP 174 (1974), 167, 185. 574 BeckOGK/Martens, BGB, §  313 Rn.  60. 575  Dort, wo es keines Vertrages zum Beginn der Moderation bedarf, d. h. etwa bei der richterli­ chen Moderation. 571 

IV. Geschäftsgrundlage und Legitimation, §  313 BGB

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trags aufschlussreich, der an deren Ende steht. Denn hier kommt bereits der Partei­ wille im Hinblick auf die Übernahme des Moderationsrisikos zum Ausdruck. Der Parteiwille wirkt bis zum Ende der Moderation fort, weil die Parteien diesen im Verlauf der Moderation nicht mehr ändern. Nachzeichnen lässt sich dieser Gedanke anhand der vertragsbasierten Moderati­ on. Er hat jedoch – wie im Anschluss zu belegen sein wird – auch für die Moderatio­ nen Gültigkeit, die nicht auf einer vertraglichen Vereinbarung basieren, also etwa bei der richterlichen Moderation. Im Rahmen der vertragsbasierten Moderation, also etwa im Rahmen der Mediati­ on, steht zu Beginn des Moderationsprozesses die vertragliche Übereinkunft der Parteien. Im Falle der Mediation ist dies der sogenannte Mediatorvertrag, an dem neben den Parteien auch der Mediator als Moderator im Sinne dieser Untersuchung partizipiert. Innerhalb dieses Mediatorvertrags treffen die Parteien mindestens kon­ kludent auch eine Vereinbarung darüber, wie mit dem Manipulationsrisiko zu ver­ fahren ist. Wie zu Beginn dieser Untersuchung dargestellt wurde,576 ist die Frage, um wel­ chen Vertragstyp es sich beim Mediatorvertrag handelt, umstritten. Das ist für die in Rede stehende Frage der Risikoverteilung ohne Belang. Denn im Hinblick auf das Schlechtleistungsrisiko gilt im Verhältnis der Parteien zum Moderator: pacta sunt servanda. Der Moderator trägt – als derjenige, der es beherrscht – das Risiko der ordnungsgemäßen Durchführung der Moderation. Nämlich als einziger der – min­ destens drei – Parteien, die an der Übereinkunft, die Moderation durchzuführen, partizipieren. Dieser Gedanke lässt sich belegen mit der Existenz der Vorschriften der §§  280, 281 BGB, die unabhängig davon Anwendung finden, ob man die Über­ einkunft als Dienstvertrag, Auftrag oder Geschäftsbesorgungsvertrag einstuft. Die Regelungen der §§  280, 281 BGB verpflichten den Moderator in ihrem Anwendungs­ fall, den durch seine Schlechtleistung entstandenen Schaden zu ersetzen. Aus der Perspektive der Risikotragung für die Schlechtleistung bedeutet dies schlicht, dass der Moderator dieses Risiko trägt, da er gerade nicht ohne jegliche Konsequenz schlecht leisten kann, sondern – wegen der Existenz der Vorschrift des §  281 BGB – zunächst zur ordnungsgemäßen Leistung angehalten wird577 und in letzter Konse­ quenz Schadensersatz leisten muss und den Anspruch auf die Gegenleistung verlie­ ren kann.578 Diese Grundlage schaffen die Parteien zu Beginn der Moderation. Und sie geben diese Grundlage währenddessen nicht wieder auf. Sie gehen vielmehr während der Moderation von deren ordnungsgemäßen Ablauf und vor diesem Hintergrund der grundsätzlichen Haftung des Moderators davon aus, dass der Moderator das Risiko der Schlechtleistung trägt. Mit dem Ende der Moderation und dem Abschluss des moderierten Vertrags, an dem der Moderator nicht mehr partizipiert, verdichtet sich also die ursprünglich 576 

Vgl. oben unter B.I.1. in §  281 BGB enthaltene Erfordernis, dem Schuldner eine Frist zur Leistung bzw. Nacherfüllung zu setzen, soll diesen zur ordnungsgemäßen Leistung anhalten. 578  Im Falle eines großen Schadensersatzes bzw. eines Rücktritts nach §  323 BGB. 577 Das

530

F. Absicherung der gesteigerten Legitimation

trilaterale auf eine bilaterale Vertragssituation. Es fehlt dann gerade der, der das Ri­ siko der schlechten, weil manipulativen Moderation in der bisherigen Konstellation getragen hat, nämlich der Moderator. Die Parteien treffen aber bei Abschluss des moderierten Vertrags keine zusätzliche oder neue Regelung darüber, wie nunmehr mit diesem Risiko, das auch den moderierten Vertrag erfasst, umzugehen ist. Es bleibt also auch im Moment des Vertragsschlusses zum moderierten Vertrag dabei, dass die Parteien – beide – von einer Risikotragung des Moderators ausgehen. Das hat seine Ursache in der zu Beginn der Moderation getroffenen Abrede. Und dies wäre auch dann nicht besonders, wenn die Absicherung der Risikotragung durch die zu Beginn der Moderation getroffene Abrede funktionieren würde. Die bisherige Betrachtung hat jedoch gezeigt, dass dies im besonders gelagerten Fall der Moderation nicht ausreichend der Fall ist, weil die zur ordnungsgemäßen Leistung anhaltenden Vorschriften der §§  280, 281 BGB wegen der fehlenden begrifflichen Griffigkeit der Moderationsleistung ihre Drohkulisse nicht aufbauen können. Auch deswegen war eine eigene rechtliche Absicherung des moderierten Vertrags erst nö­ tig geworden. Deren Notwendigkeit zeigt sich zusätzlich in der hier zu konstatierenden Risiko­ verteilung. Denn es wird deutlich, dass die Parteien zwar – anders als in den im Rahmen des §  313 BGB sonst zu erörternden Fällen – eine Vorstellung über das Ri­ siko der Schlechtleistung der Moderation entwickelt haben. Nur haben sie dieses Risiko ausgelagert und auf eine Person übertragen, die nicht am moderierten Vertrag partizipiert. bb) Gesetzliche Risikoverteilung Die gesetzliche Risikozuweisung ist erst heranzuziehen, wenn die Analyse des Ver­ trags keine Erkenntnisse im Hinblick auf die Risikotragung hervorgebracht hat.579 Das ist im Falle der Moderation, wie soeben gezeigt wurde, gerade nicht der Fall. Denn hier gibt es Umstände, die auf eine Risikoverteilung durch die Parteien rück­ schließen lassen. Weil dies aber zu dem ungewöhnlichen Ergebnis der Auslagerung des Risikos führt und vorliegend analysiert werden soll, ob die Regelung des §  313 BGB als Reaktion auf die besondere Gefahrenlage im Rahmen der Moderationssitu­ ation reicht, sind auch die gesetzlichen Wertungen zur Risikotragung zu analysieren. Denn – so der gedankliche Ausgangspunkt – die Parteien schließen ihr Rechtsge­ schäft vor dem Hintergrund des dispositiven Rechts ab. Daher können dispositive Recht und seine Wertungen eingreifen, um eine vertragliche Lücke zu schließen und die mit dem Rechtsgeschäft verbundenen Risiken unter den Parteien verteilen.580 Da­ bei, und insoweit sei das Ergebnis vorweggenommen, lässt sich den Regelungen zur gesetzlichen Risikoverteilung keine Wertung im Hinblick auf die Fälle der Modera­ tion entnehmen. Die Betrachtung kann ansetzen bei der – für die gesetzliche Risikoverteilung beim Vertrag zentralen – Trias bestehend aus „objektiver Sachverhalt – subjektiver Wille 579 

Vgl. Soergel/Teichmann, BGB, §  313 Rn.  52 m. w. N. BGB, §  313 Rn.  62.

580 BeckOGK/Martens,

IV. Geschäftsgrundlage und Legitimation, §  313 BGB

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– objektiver Erklärungsinhalt der Willenserklärung.“581 Das Verhältnis der einzel­ nen Stufen zueinander beschreibt die von Gesetzes wegen vorgeschriebene Risiko­ verteilung bei Vertragsschluss. Weicht der korrekt gebildete, d. h. auf dem tatsächli­ chen Sachverhalt beruhende Wille vom objektiven Inhalt der Willenserklärung ab, so regelt §  119 Abs.  1 BGB abschließend, dass und unter welchen Voraussetzungen sich der Erklärende von der Willenserklärung lösen kann.582 Das sind nicht die Fälle, von denen hier die Rede ist. Denn für den Fall der Mani­ pulation durch den Moderator ist die Inkongruenz nicht im Verhältnis „subjektiver Wille – objektiver Erklärungsinhalt“ anzusiedeln, sondern in der Beziehung von „objektiver Sachverhalt – subjektiver Wille“, mit anderen Worten: im Prozess der Willensbildung. In diesen Fällen geht die gesetzliche Grundkonzeption nicht grundsätzlich, son­ dern nur ausnahmsweise von einem Lösungsrecht aus. Ein solches besteht dann nämlich nur im Rahmen des §  119 Abs.  2 BGB.583 Sofern darüber hinaus keine (ggf. zurechenbare) Irreführung durch den Vertragspartner vorliegt, wird eine Divergenz nach dem gesetzlichen Grundkonzept der unbeachtlichen Motivationsebene zuge­ wiesen.584 Damit ist für die Risikoverteilung festgehalten, dass das Risiko einer feh­ lerhaften Sachverhaltsermittlung grundsätzlich der trägt, der sich auf die Richtigkeit des Sachverhaltes verlässt.585 Da die Manipulation, die – das ist eine Besonderheit der Situation beim moderier­ ten Vertrag – der Moderator aus eigenen Motiven vornimmt, keiner Partei zuzurech­ nen ist, bliebe es insofern bei der gesetzlichen Grundkonzeption mit der Folge, dass die Partei die Nachteile trägt, die sich auf eine Manipulation beruft. Für die Situation der Moderation bestätigt sich damit ein schon zuvor festgehalte­ ner Befund. Die für den bilateralen Vertrag entwickelten gesetzlichen Regelungen werden der um den Moderator erweiterten Situation im Rahmen des Abschlusses eines moderierten Vertrags nicht gerecht. Die gesetzlich vorgesehene Risikovertei­ lung bürdet einer – aus objektiver Sicht evtl. sogar zufällig – benachteiligten Partei einen Nachteil auf, den diese weder beherrschen, noch effektiv im Wege des Scha­ densersatzes ausgleichen kann. Weil dies aber für beide Parteien des moderierten Vertrags gleichermaßen gilt,586 bringen auch die Kriterien der „abstrakten Beherrsch­ barkeit“ sowie der „Absorbierbarkeit von Risiken“, die zur Ergänzung des gesetzli­ chen Risikoverteilungssystems gefordert werden, kein anderes Ergebnis.587

581  Diese Überlegung und die Formulierung des Trias stammt von Henssler, Risiko als Vertrags­ gegenstand, S.  32 f. 582  Henssler, Risiko als Vertragsgegenstand, S.  32. 583  Vgl. auch hierzu Henssler, Risiko als Vertragsgegenstand, S.  32 f. 584  Henssler, Risiko als Vertragsgegenstand, S.  32 f. 585  Henssler, Risiko als Vertragsgegenstand, S.  32 f. 586  Keine Partei hat in dieser Hinsicht einen „Vorsprung“, der zu ihren Lasten zu berücksichti­ gen wäre, vgl. Koller, in: v. Bydlinski/Krejci/Schilcher/Steininger, Das Bewegliche System im gel­ tenden und zukünftigen Recht, S.  75, 79. 587  Koller, in: v. Bydlinski/Krejci/Schilcher/Steininger, Das Bewegliche System im geltenden und zukünftigen Recht, S.  75, 79.

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F. Absicherung der gesteigerten Legitimation

Die gesetzliche Konzeption macht die Manipulation durch den Moderator zum allgemeinen Lebensrisiko der einzelnen Partei. Dessen Realisierung hat der Einzelne selbst zu tragen.588 Eine solche Wertung erscheint aber im Rahmen des moderierten Vertrags nicht gerecht. Deshalb soll an dieser Stelle die Betrachtung zur Unzumutbarkeit des Fest­ haltens am Vertrag um zwei Ansätze erweitert werden, die der Situation des Ver­ tragsschlusses beim moderierten Vertrag Rechnung tragen. f) Wertungsgrundlage und Richtigkeitsgewähr Die Thematik der Richtigkeitsgewähr wurde bereits angesprochen, weil die Richtig­ keitsgewähr bzw. -chance anknüpft an den von Schmidt-Rimpler so bezeichneten Vertragsmechanismus, der im freien Verhandeln zweier ausreichend gleich starker Partner besteht. In diesen Vertragsmechanismus greift die Moderation ein. Besten­ falls sorgt sie dafür, dass der Mechanismus funktioniert. Im Manipulationsfall sorgt sie für sein Versagen. Fehlt es an einem funktionierenden Mechanismus des Vertrags, lässt sich dessen Gültigkeit dogmatisch nicht mehr auf die Richtigkeitsgewähr stützen. Im Falle des moderierten Vertrags spricht das letztlich dafür, eine Lösungsmöglichkeit für die Situationen zu schaffen, in denen eine Manipulation des Moderators stattgefunden hat. Dieser Gedanke lässt sich anhand der Ausführungen nachvollziehen, die Schmidt-Rimpler zwar nicht zum Vertragsmechanismus sowie der Richtigkeitsge­ währ, sondern später zu dessen Fortentwicklung, im Hinblick auf die Geschäfts­ grundlage angestellt hat. aa) Vertragsmechanismus und Wertungsgrundlage Es ist dabei gerade die Thematik der Geschäftsgrundlage, in deren Zusammenhang Schmidt-Rimpler diese Überlegungen anstellt und äußert, dass es seiner Meinung nach von Übel gewesen sei, dass man den Vertrag im Wesentlichen unter dem Ge­ sichtspunkt des Parteiwillens oder des Parteizwecks betrachte, anstatt von der Rich­ tigkeit der vereinbarten Rechtsfolge auszugehen.589 Ausgehend von dieser – „seiner“ – Richtigkeit löst er den Blick vom Willen des Einzelnen, weil dieser für sich allein keine Richtigkeit gewähre, sondern im Gegenteil damit zu rechnen sei, dass der Ein­ zelne sein Interesse auch dort versuche durchzusetzen, wo es mit der Gerechtigkeit nicht zu vereinbaren ist.590 In diese Gemengelage greift dann der Vertragsmechanismus ein, der sich, obwohl notwendigerweise bilateral, aus Sicht einer Partei beschreiben lässt. Denn jede Partei wird – so schildert dies Schmidt-Rimpler – es ablehnen, eine in ihren Augen unrich­ tige Rechtsfolge auf sich zu nehmen, wenn sie ihr gegenüber nachteilig ist. Dieser Nachteil könne auch im Verhältnis der Rechtsfolgen zueinander (Opfer gegen Vor­ 588 Soergel/Teichmann,

BGB, §  313 Rn.  53. Schmidt-Rimpler, in: FS Nipperdey, S.  1, 5. 590  Schmidt-Rimpler, in: FS Nipperdey, S.  1, 5. 589 

IV. Geschäftsgrundlage und Legitimation, §  313 BGB

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teil) liegen, d. h. insbesondere im Wertverhältnis der eigenen zur Leistung des Ver­ tragspartners.591 Den dann stattfindenden Mechanismus beschreibt Schmidt-Rimpler wie folgt: „Dabei wird jede Partei freilich oft überempfindlich sein und ihren Nachteil sehr leicht als ungerecht empfinden, was bedeutet, dass sie dem anderen einen Nachteil auferlegen will, den er nun wieder ebenso empfindlich wertet: So wird im Ausgleich zwar nicht sicher, aber doch mit gewisser Wahrscheinlichkeit das Richtige vereinbart werden. Da es sich im Vertrage um eine rechtliche Erscheinung handelt, ergibt sich solche Wertung als rechtlich richtig von selbst und findet auch tatsächlich statt.“592

Dass Schmidt-Rimpler an dieser Stelle seiner – immer noch häufig so bezeichnete – Richtigkeitsgewähr in eine „gewisse Wahrscheinlichkeit“593 abmildert, ist für diese Untersuchung weniger von Belang als das Fundament, auf dem der soeben beschrie­ bene Vertragsmechanismus steht. bb) Vertragsmechanismus und Wertungsmomente Diese Basis, die maßgebend für die Rechtsfolge ist, ist die Wertung der Parteien, wie sie durch die Verhandlung mit dem Vertragspartner geformt wurde. Im Ausgangs­ punkt sind die Wertungen verschieden, d. h. was eine Partei als gerecht empfindet, wird die andere als ungerecht empfinden. Der Vertragsmechanismus berichtigt diese Wertungen.594 Eben weil sich die Parteien an die jeweils andere anpassen müssen, wollen sie zu einer Einigung gelangen. Das beschreibt Schmidt-Rimpler anhand ei­ nes – wie er es nennt – schematischen Ereignisses, das auch heute noch auf Flohmärk­ ten stattfinden dürfte: „Wenn dem Käufer der geforderte Kaufpreis von 100 für eine bestimmte Sache kein richtiger, sondern ein zu hoher Ausgleich zu sein scheint, während der Verkäufer den gebotenen Kauf­ preis von 80 als viel zu gering wertet, und beide schließen endgültig zu 90 ab, so ist die Wer­ tung von 90 für beide als die richtige zugrunde zu legen.“595

Worauf basiert aber die abschließende Wertung, dass 90 als Kaufpreis – für beide Parteien – richtig ist? Hier unterscheiden sich die jeweiligen Wertungsmomente wie­ der: „[…] der Käufer erwägt, wozu er die Sache gebrauchen, welche Zwecke er mit ihr erreichen kann, welche billigeren Substitutionsmöglichkeiten es für ihn gibt, wie dringend das Bedürfnis im Verhältnis zu anderen Bedürfnissen ist, was er für den zu zahlenden Kaufpreis an anderen Gütern bekommen kann“.596 Den Verkäufer wird es demgegenüber beschäftigen, „ob er von einem anderen einen höheren Preis erhalten

591 

Schmidt-Rimpler, in: FS Nipperdey, S.  1, 6. Schmidt-Rimpler, in: FS Nipperdey, S.  1, 6. 593  Er spricht auch von „sehr vielen Fällen“, in denen der Vertragsmechanismus zum richtigen Ausgleich führe. 594  Schmidt-Rimpler, in: FS Nipperdey, S.  1, 9. 595  Schmidt-Rimpler, in: FS Nipperdey, S.  1, 9. 596  Schmidt-Rimpler, in: FS Nipperdey, S.  1, 10. 592 

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wird, wie hoch seine Einstandskosten sind, welche Vorteile er durch Erlangung des Kaufpreises erzielen kann usw.“597 Im Hinblick auf die Situation bei der Moderation hält Schmidt-Rimpler so in Be­ zug auf die von ihm so bezeichneten Wertungsmomente einen wichtigen Umstand fest, der sich bei bloßer Betrachtung des Beispielfalls nicht unmittelbar aufdrängt. Denn die Wertungsmomente brauchen den Parteien nicht immer klar ins Bewusst­ sein zu treten. Die Gewohnheit der Parteien, ihre Wertung auf diesen Umständen zu gründen, kann in den Worten Schmidt-Rimplers so „eingewurzelt“ sein, dass die Parteien trotzdem auf ihnen, gewissermaßen im Unterbewusstsein, aufbauten.598 Für die Frage der Vertragsgrundlage sei in solchen Fällen allein entscheidend, dass die Wertungsgrundlage als solche vorhanden sei.599 cc) Folge des Vertragsmechanismus: Richtigkeit Liegen die Voraussetzungen für den Vertragsmechanismus vor, so folgt daraus – mit einiger Wahrscheinlichkeit – die Richtigkeit des Vertrags. „Richtig“ in diesem Sinne ist der Vertrag nicht deshalb, weil er auf dem hinrei­ chend freien Willen der Parteien besteht. Er ist auch nicht „richtig“, weil mit seiner Hilfe das ethische Gebot, ein gegebenes Versprechen auch zu halten, verwirklicht wird. Einerseits kann das Gesetz eine Rechtsfolge nicht allein deshalb garantieren, damit niemand sein Versprechen brechen darf, andererseits ist eine Rechtsfolge nicht deswegen richtig, weil jemand sie versprochen hat. Das Gesetz könnte sich also nicht des Ordnungsmittels des Vertrags bedienen, wenn diese Rechtsfigur nicht ein Ergeb­ nis produziert, welches innerhalb des Bereichs liegt, der als rechtlich „richtig“ anzu­ sehen ist. 600 Mithilfe des Umkehrschlusses macht Schmidt-Rimpler diese Überlegungen dann für die Frage der Geschäftsgrundlage fruchtbar. Erstens könne der Vertrag dort nicht mehr als Ordnungsmittel verwendet werden, wo die tatsächlichen Verhältnisse die Ablehnung des als unrichtig Gewerteten, d. h. die Unterlassung des Abschlusses unmöglich machen. 601 Zweitens schließe das tatsächliche Fehlen einer Wertungs­ grundlage, auf der beide Parteien ihre Wertung gestützt haben, die Geltung des so gefundenen Vertragsinhalts aus, der aufgehoben bzw. mindestens zu modifizieren ist. 602 dd) Fehlen bei Moderation Es ist diese zweite Feststellung, die sich auf die Situation bei der Moderation übertra­ gen lässt. Denn im Rahmen der Moderation wird die Wertungsgrundlage, die Schmidt-Rimpler seinerzeit für den bilateralen, direkt zwischen und allein durch die 597 

Schmidt-Rimpler, in: FS Nipperdey, S.  1, 9. Schmidt-Rimpler, in: FS Nipperdey, S.  1, 10. 599  Schmidt-Rimpler, in: FS Nipperdey, S.  1, 10. 600  Schmidt-Rimpler, in: FS Nipperdey, S.  1, 9. 601  Schmidt-Rimpler, in: FS Nipperdey, S.  1, 9. 602  Schmidt-Rimpler, in: FS Nipperdey, S.  1, 13. 598 

IV. Geschäftsgrundlage und Legitimation, §  313 BGB

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Parteien ausgehandelten Vertrag formuliert hat, erweitert um mindestens ein Ele­ ment. Es tritt eine weitere Wertungsgrundlage aufseiten beider Parteien hinzu. Grundlage der Wertung beider Parteien für die Entscheidung über den Abschluss des moderierten Vertrags ist nämlich das Sich-Verlassen auf die unabhängige und frei von Eigeninteressen stattfindende Moderationsleistung des Moderators. Findet die Moderation – ohne Wissen der Parteien – nicht in der beschriebenen Weise statt, fehlt es an der Basis für die jeweilige Wertung durch die Parteien. Auch diese Erweiterung der geschilderten Überlegungen lässt sich anhand eines schematischen Ereignisses verdeutlichen. Kommt es in der Moderation zu dem Punkt, in dem der Moderator seine Einschätzung abgibt, zu welchem Wert er eine Einigung für angemessen hält, so kommt diesem Kompromissvorschlag deswegen große Bedeutung zu, weil er aus Sicht der Parteien von neutraler Stelle kommt, die, anders als die Parteien, nicht von Eigeninteressen geleitet wird. Diese Bedeutung zeigt sich regelmäßig daran, dass sich nach Abgabe der Einschätzung des Moderators die Argumentationslast verschiebt. Wer sich den Wert des Moderators zu eigen macht, braucht dies nicht zu begründen. Der Hinweis, dass es der vom Moderator vorgeschlagene Wert ist, reicht insofern aus. Etwas anders gilt für die Partei, die von dem vorgeschlagenen Wert abweichen möchte. Sie trifft infolge der Tätigkeit des Mo­ derators die Argumentationslast, weil damit regelmäßig ihr fehlendes Einverständ­ nis begründet wird. Dies gilt darüber hinaus infolge der Beteiligung des Moderators für beide Parteien, unabhängig davon, wie die andere Partei sich verhält. Machen sich beide Parteien den seitens des Moderators vorgeschlagenen Wert zu eigen, kommt eine Einigung (in diesem Punkt) leicht zustande. Wollen sie vom Wert, den der Mo­ derator empfohlen hat, abweichen, müssen beide dies begründen. Das verdeutlicht den Einfluss des Moderators auf den Vertragsmechanismus. Welche Bedeutung die­ sem Vorgang im Rahmen der Frage des Wegfalls der Geschäftsgrundlage zukommt, wird klar, wenn man sich vorstellt, der Moderator würde seine Einschätzung nicht unabhängig und neutral vornehmen, sondern getrieben von seinem eigenen Interesse daran, dass die Parteien irgendeinen Vertrag abschließen. Kennen die Parteien diese Motive, verliert der Vorschlag des Moderators, sich zu einem bestimmten Wert zu einigen, seine soeben beschriebene Wirkung. Im Gegenteil: Die Folgen für die Argu­ mentationslast wären genau entgegengesetzt. Nicht die Partei, die vom Vorschlag des Moderators abweichen möchte, müsste dies begründen. Ein solches Abweichen ließe sich vielmehr allein mit dem Hinweis auf die Motivationslage des Moderators recht­ fertigen. Argumentativ begründet werden müsste im Rahmen der Verhandlung viel­ mehr, warum sich eine Partei den Vorschlag dieses Moderators zu eigen macht. Das schematische Beispiel verdeutlicht mit Blick auf die Überlegungen SchmidtRimp­lers zweierlei. Erstens wird die Bedeutung der Tätigkeit des Moderators für das Funktionieren des Vertragsmechanismus deutlich. Zweitens zeigt sich an der Argu­ mentationslast, dass die neutrale, unabhängige und frei von Eigeninteressen vorge­ nommene Moderation eine der Grundlagen ist, auf der die Parteien ihre Wertung aufbauen. Wie ist aber dann der Fall zu beurteilen, in dem die Parteien gerade nicht wissen, dass der Moderator nicht unabhängig, neutral und frei von Eigeninteressen handelt?

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F. Absicherung der gesteigerten Legitimation

ee) Fehlen der Wertungsgrundlage Was in den Fällen der gestörten Wertungsgrundlage geschehen soll, hat SchmidtRimpler dann wieder selbst formuliert, im Zusammenhang mit der Geschäftsgrund­ lage: „Beruht so die rechtliche Anerkennung der Rechtsfolge darauf, dass sie von beiden Parteien als richtig in einer von ihren individuellen Gesichtspunkten ausgehenden Wertung anerkannt ist und deswegen eine gewisse Gewähr für ihre Richtigkeit besteht, und geht jede Wertung notwendig auf bestimmte für sie grundlegende Momente, die Wertungsgrundlagen, zurück, so ergibt sich ohne weiteres, dass die Rechtsfolge mangels Richtigkeitsgewähr da nicht aner­ kannt werden dürfte, wo die Wertung auch nur einer Partei entweder auf falschen Vorausset­ zungen beruht, weil die Wertung alsdann schon von vornherein keine Gewähr für die Rich­ tigkeit bietet, oder Voraussetzungen, auf denen die Wertung beruht, nachträglich fortfallen, weil alsdann die Rechtsfolge jedenfalls auf Grund der vorgenommenen Wertung nicht mehr richtig ist.“603

Für den Fall des moderierten Vertrags bedeutet das: Fehlt es an der von den Parteien zugrunde gelegten Wertungsgrundlage des neutral, unabhängig und frei von Eigen­ interessen handelnden Moderators, dann bietet das Moderationsverfahren keine Ge­ währ für einen „richtigen“ moderierten Vertrag im Sinne der Lehre Schmidt-Rimplers. Nach dessen Ansicht wäre der Vertrag dann über das Institut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage zu beseitigen. ff) Rückausnahme: Erheblichkeit und Verkehrssicherheit Schmidt-Rimpler selbst wollte jedoch eine solche Beseitigung nicht ausnahmslos in allen Fällen der fehlenden Wertungsgrundlage annehmen, sondern hat von seiner Forderung, Verträge, denen die Wertungsgrundlage fehlt, die Anerkennung zu ver­ weigern, Ausnahmen formuliert. Diese lassen sich mit den Begriffen Erheblichkeit und Verkehrssicherheit überschreiben. Sie beschreiben schon die Koordinaten, die bestimmen, ob die Ausnahme einschlägig ist. Auch ein Vertrag, dessen Wertungsgrundlage fehlte, sei dann – allerdings nur dann – nicht aufzuheben bzw. zu modifizieren, wo und soweit die Verkehrssicherheit ein Festhalten am Vertrag gebiete. 604 Die Folgerungen, die sich auch der Verkehrssicherheit für den Geltungsanspruch des Vertrags ableiten lassen, sind im jeweils konkreten Fall zu beurteilen, weshalb sich allgemeine Aussagen verbieten. Für die Fälle des moderierten Vertrags gibt der Gedanke der Verkehrssicherheit jedoch eine andere gedankliche Stoßrichtung vor. Während die Sicherheit des Rechtsverkehrs eben ansonsten für eine Geltung verein­ barter Verträge streitet, gilt dies in Bezug auf den moderierten Vertrag nicht in glei­ cher Weise. Denn im Interesse der Sicherheit des Moderationsprozesses und der da­ mit einhergehenden Absicherung des Instruments der alternativen Konfliktlösung, deren Bestandteil der moderierte Vertrag häufig ist, erscheint es eher angezeigt, Ver­ trägen, die auf einer manipulativen Moderation beruhen, die Geltung zu verweigern. 603 

Schmidt-Rimpler, in: FS Nipperdey, S.  1, 10. Schmidt-Rimpler, in: FS Nipperdey, S.  1, 12.

604 Vgl.

IV. Geschäftsgrundlage und Legitimation, §  313 BGB

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Das würde zur Erhöhung der wahrgenommenen Sicherheit des Moderationsprozes­ ses führen. Daneben gilt auch für die auf Basis der Richtigkeitsgewähr begründende Beseiti­ gung des Vertrags, dass eine solche nur dann in Betracht kommt, wenn die Schwelle der Erheblichkeit überschritten wird. Bei unerheblichen Abweichungen in den Wer­ tungsgrundlagen, die eine Rechtsfolge produzierten, die auch aus Sicht der Parteien nicht grob unrichtig erscheint, sei es im Interesse der Verkehrssicherheit geraten, diese Rechtsfolge wie vereinbart eintreten zu lassen. 605 Es sind die Bezugspunkte der Erheblichkeit, die für den Blickwinkel dieser Untersuchung von Bedeutung sind. Es soll weniger auf die Störung der Äquivalenz des Vertragsergebnisses ankommen, sondern mehr auf die Erheblichkeit der Einwirkung auf die Rechtsfolge. 606 Für eine mögliche Aufhebung des moderierten Vertrags über das Institut der Stö­ rung der Geschäftsgrundlage ist damit – wenn die Erheblichkeit der Einwirkung in den Blick genommen wird – nicht entscheidend, ob das im moderierten Vertrag ge­ fundene Ergebnis abweicht von einem wie auch immer zu bestimmenden äquivalen­ ten Verhältnis von Leistung und Gegenleistung. Zentral ist die Erheblichkeit der Einwirkung. Das bedeutet in den hier in Rede stehenden Fällen eben, dass die Mode­ rationsleistung auch bei der Beurteilung der Erheblichkeit in den Blick zu nehmen ist. Insofern hat die bisherige Untersuchung gerade gezeigt, dass die dem Moderator zuzuschreibenden Eigenschaften der Neutralität und Unabhängigkeit ebenso zen­ tral sind wie dessen fehlendes Eigeninteresse am Abschluss des Vertrags. Damit ist – bei aller notwendigen Prüfung des Einzelfalls – regelmäßig jedenfalls nicht davon auszugehen, dass die Aufhebung eines moderierten Vertrags, der unter Verletzung dieser Charakteristika der Moderation zustande kommt, an der Schwelle der Erheb­ lichkeit scheitert. gg) Zwischenfazit Könnte man Schmidt-Rimpler nach seiner Meinung zur Möglichkeit der Aufhebung des moderierten Vertrags befragen, so würde dieser für die Fälle, in denen der Mode­ rator das Verfahren nicht neutral, unabhängig und frei von Eigeninteressen geleitet hat, wegen der insoweit fehlenden Wertungsgrundlage für eine Beseitigungsmög­ lichkeit über den Weg des §  313 BGB plädieren. g) Gerechtigkeit Darüber hinaus streiten Überlegungen, die ihren Ursprung bei den Gedanken zum Begriff der Gerechtigkeit haben, für eine Unzumutbarkeit solcher moderierten Ver­ träge, die durch einen tatsächlich nicht neutralen bzw. frei von Eigeninteressen täti­ gen Moderator vermittelt wurden. Schon im Grundfall der Anwendung des §  313 Abs.  1 BGB gilt, dass über das Kri­ terium der Unzumutbarkeit solche Ergebnisse vermieden werden sollen, die mit der 605 

606 

Schmidt-Rimpler, in: FS Nipperdey, S.  1, 18. Schmidt-Rimpler, in: FS Nipperdey, S.  1, 18.

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F. Absicherung der gesteigerten Legitimation

Gerechtigkeit nicht vereinbar sind. 607 Vor diesen Hintergrund soll im Folgenden ver­ sucht werden, die Konsequenzen aufzuzeigen, welche die Überlegungen zum Inhalt eines gerechten Vertrags auf den Geltungsanspruch moderierter Verträge haben. aa) Die Gerechtigkeiten Wenn man hierzu zunächst dem Gerechtigkeitsbegriff – etwas608 – nähertreten möchte, bietet es sich an, zwischen der seit Aristoteles geltenden austeilenden Ge­ rechtigkeit einerseits und der ausgleichenden Gerechtigkeit andererseits zu unter­ scheiden. Beiden liegt das ebenfalls bereits von Aristoteles entwickelte Gleichheitsprinzip zugrunde, dessen Realisierung auch heute noch als zentral angesehen wird für die Erzielung gerechter Ergebnisse. 609 Nach Aristoteles existiert immer dort, wo es „beim Handeln ein Mehr oder Weniger gibt“, auch ein Gleiches. 610 Dies führt ihn dann zu Grundannahme und Ausgangspunkt der weiteren Überlegungen: Man kön­ ne, ohne dass es eines Beweises bedürfe, davon ausgehen, dass das Ungerechte un­ gleich sei, was dann auch bedeute, dass das Gerechte gleich sei.611 Wenn in beiden Gerechtigkeitsarten nun dieses Prinzip der Gleichheit verwirklicht werden soll, geht damit die Erkenntnis einher, dass es bei der Frage der Gerechtigkeit insofern um das Problem des Ausgleichs und der Verteilung von Gütern und Lasten oder von Rech­ ten und Pflichten geht. 612 bb) Die austeilende Gerechtigkeit In Konstellationen, die Fragen der austeilenden Gerechtigkeit aufwerfen, ist stets das Verhältnis von mindestens drei Beteiligten betroffen.613 Der Dritte, häufig in der Gestalt des Staates, teilt in dieser Situation den übrigen mindestens zwei Beteiligten Gegenstände und Güter zu. Ob dies gerecht geschieht, wird sowohl aus Sicht der Zuteilungsempfänger sowie aus der Sicht von nicht an dieser Konstellation Beteilig­ ten beurteilt,614 mit anderen Worten: Der Verteilende hat – will bzw. muss er gerecht und nicht willkürlich handeln – die aus den Überlegungen zur austeilenden Gerech­ tigkeit folgenden Wertungen zu beachten. Im Hinblick auf diese Vorgaben hat Aristoteles formuliert, der Verteilende habe bei seinem Handeln die proportionale Gleichheit nach dem Maß der Würdigkeit zu beachten. 615 Damit ist nicht mehr ge­ 607 

So etwa NK-BGB/Krebs/Jung, Rn.  79; Ulmer, AcP 174 (1974), 167, 194 ff. D. h. in der gebotenen Kürze und möglichen Tiefe; zu den vielen Untersuchungen zum The­ ma Gerechtigkeit vgl. nur die Nachweise bei Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn.  343 ff. 609  Vgl. nur die Darstellung bei Joussen, Schlichtung als Leistungsbestimmung durch einen Drit­ ten, S.  416 m. w. N. in Fn.  1112. 610  Aristoteles, Nikomanichesche Ethik, V, 10, 1131. 611  Aristoteles, Nikomanichesche Ethik, V, 10, 1131; siehe diesbzgl. auch die Darstellung bei Joussen, Schlichtung als Leistungsbestimmung durch einen Dritten, S.  416. 612  Joussen, Schlichtung als Leistungsbestimmung durch einen Dritten, S.  417. 613  Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn.  352. 614  Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn.  352. 615  Siehe hierzu ausführlich Joussen, Schlichtung als Leistungsbestimmung durch einen Dritten, S.  419. 608 

IV. Geschäftsgrundlage und Legitimation, §  313 BGB

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sagt, als das Jedem das Seine zukommen solle. 616 Auch deshalb haben sich seitdem zahllose Ansätze um eine Konkretisierung des Begriffs der austeilenden Gerechtig­ keit bemüht. Weil der Staat regelmäßig als der verteilende Dritte fungiert, ist es die jeweils zugrunde liegende Frage des Staatsverständnisses, nach der sich die verschie­ denen Ansätze kategorisieren lassen. 617 Die verschiedenen Konzeptionen lassen sich grob trennen in die eines libertären Staatsverständnisses einerseits und eines sozial­ staatlichen Ansatzes andererseits. Während die libertäre Konzeption davon ausgeht, dass sich der Staat zurückzunehmen und auf den Schutz der Individualrechte der Bürger zu beschränken habe, schreibt der sozialstaatliche Ansatz staatlichem Han­ deln die Aufgabe zu, für soziale Gerechtigkeit zu sorgen und in diesem Sinne korri­ gierend einzugreifen. 618 Für die Moderation ist es der viel diskutierte Ansatz von Rawls, der einen Er­ kenntnisgewinn auch für die moderierten Verträge bringt, wenn man die für eine gesamte Gesellschaft geltenden Schlussfolgerungen Rawls überträgt auf die kleinere, überschaubarere Situation des Moderators und seines Verhältnisses zu den Vertrags­ partnern des moderierten Vertrags. cc) Gerechtigkeit als Fairness Die von Rawls erdachte Konzeption gehört in den Bereich der austeilenden Gerech­ tigkeit. Das wird deutlich an dem Umstand, dass die von ihm entwickelte Methode darauf abzielt, diejenigen Grundsätze gerecht zu entwickeln, die über die Zuweisung von Rechten und Pflichten in den grundlegenden Institutionen der Gesellschaft ebenso entscheiden wie über die richtige Verteilung der Früchte und der Lasten der gesellschaftlichen Zusammenarbeit. 619 Dies seien die Grundsätze der sozialen Ge­ rechtigkeit,620 die in einem Gesellschaftsvertrag festzulegen sind. Diesen Vertrag ­solle man sich – so Rawls – jedoch nicht so vorstellen, als ob er in eine bestimmte Gesellschaft eingeführt würde oder eine bestimmte Regierungsform errichtete.621 Leitgedanke sei vielmehr, dass sich die ursprüngliche Übereinkunft auf die Gerech­ tigkeitsgrundsätze für die gesellschaftliche Struktur beziehe, womit Rawls meint, dass darin diejenigen Grundsätze enthalten seien, die freie und vernünftige Men­ schen in ihrem eigenen Interesse in einer anfänglichen Situation der Gleichheit zur Bestimmung der Grundverhältnisse ihrer Verbindung annehmen würden und die bei jedwedem späteren Handeln zu beachten seien. 622 Diese Form der Festlegung der Grundsätze der Gerechtigkeit in einem in der gesellschaftlichen Gründungssituation 616 

Vgl. die Darstellung bei Joussen, Schlichtung als Leistungsbestimmung durch einen Dritten, S.  420. 617  Diese Unterteilung nimmt auch Joussen, Schlichtung als Leistungsbestimmung durch einen Dritten, S.  420 in Rahmen seiner Darstellung vor. 618  Siehe hierzu die Darstellung bei Joussen, Schlichtung als Leistungsbestimmung durch einen Dritten, S.  420. 619  Rawls, Eine Theorie der Gerechtigkeit, S.  21. 620  Rawls, Eine Theorie der Gerechtigkeit, S.  21. 621  Rawls, Eine Theorie der Gerechtigkeit, S.  28. 622  Rawls, Eine Theorie der Gerechtigkeit, S.  28.

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F. Absicherung der gesteigerten Legitimation

zu schließendem Gesellschaftsvertrag nennt Rawls dann Theorie der Gerechtigkeit als Fairness. Für diese Untersuchung ist dabei weniger der Umstand von Bedeutung, dass ­R awls einen solchen Gesellschaftsvertrag entwickelt, sondern der Weg, auf dem die­ se von ihm so bezeichnete Gründungsurkunde der Gesellschaft623 nach der Theorie der Gerechtigkeit als Fairness geschlossen wird. Denn ganz wie jeder Mensch durch vernünftige Überlegung entscheiden müsse, was für ihn das Gute sei, so müsse auch eine Gruppe von Menschen ein für alle Mal entscheiden, was ihnen als gerecht und ungerecht gelten solle. Die Entscheidung, die vernünftige Menschen in dieser theore­ tischen Situation der Freiheit und Gleichheit treffen würden, bestimme die Grund­ sätze der Gerechtigkeit. 624 Wie sich diese optimale Situation des Vertragsschlusses, in dem die Menschen frei, gleich und vernünftig sind, zumindest in der Vorstellung erreichen lässt, hat Rawls mit dem berühmten Schleier des Nichtwissens beschrieben: „Die Grundsätze der Gerechtigkeit werden hinter einem Schleier des Nichtwissens festgelegt. Dies gewährleistet, dass dabei niemand durch die Zufälligkeiten der Natur oder der gesell­ schaftlichen Umstände bevorzugt oder benachteiligt wird. Da sich alle in der gleichen Lage befinden und sich niemand Grundsätze ausdenken kann, die ihn aufgrund seiner besonderen Verhältnisse bevorzugen, sind die Grundsätze der Gerechtigkeit das Ergebnis einer fairen Übereinkunft oder Verhandlung.“625

Welche Erkenntnis lässt sich aus diesem hier komprimiert dargestellten Ansatz von Rawls für die Frage der Zumutbarkeit des Festhaltens an einem moderierten Vertrag gewinnen, der, anders als von den Parteien angenommen, nicht auf einer ordnungs­ gemäßen Moderation beruht? dd) Gerechtigkeit als Fairness und Moderation Es sind zwei – für die Theorie der Gerechtigkeit als Fairness zentrale – Prämissen, die auch für die Diskussion um den moderierten Vertrag fruchtbar gemacht werden können. Erstens die Festlegung einzelner Grundsätze in einem Gesellschaftsvertrag und zweitens die Einhaltung dieser – hinter dem Schleier des Nichtwissens verein­ barten Grundsätze – bei späteren Entscheidungen über Gerechtigkeit; wobei eine Einhaltung dieser Grundsätze dann eben für eine gerechte Verteilung und für eine Nichtbeachtung eine ungerechte Zuteilung der Pflichten und Lasten sorgt. Auch die Parteien des moderierten Vertrags schließen einen „Gesellschaftsver­ trag“, der die Grundsätze enthält, die bei der Findung eines gerechten Ergebnisses beachtet werden sollen. Hierbei handelt es sich um die Übereinkunft dahingehend, eine Lösung der bestehenden Problematik unter Zuhilfenahme eines Moderators zu lösen. Die Parteien schließen diesen Vertrag nicht hinter einem Schleier des Nicht­ wissens, der mit dem rawlsschen Original vergleichbar wäre. Sie schließen ihn jedoch in Unkenntnis dessen, welches konkrete Ergebnis das dann folgende Moderations­ 623 

Rawls, Eine Theorie der Gerechtigkeit, S.  28. Rawls, Eine Theorie der Gerechtigkeit, S.  28. 625  Rawls, Eine Theorie der Gerechtigkeit, S.  29. 624 

IV. Geschäftsgrundlage und Legitimation, §  313 BGB

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verfahren hervorbringen wird. Beide gehen – und insofern besteht ein Nichtwissen – davon aus, dass der Moderator weder sie selbst noch die andere Partei bevorzugen und auch nicht von eigenen Interessen geleitet sein wird. Dieses Vorgehen legen beide als dasjenige fest, das ihnen am Ende des Weges ein gerechtes Ergebnis bringen soll. Die besondere Bedeutung des Verfahrens wurde zuletzt schon durch die Darstellun­ gen in Bezug auf die Richtigkeitsgewähr Schmidt-Rimplers dargestellt. Sie lässt sich erneut unterstreichen durch die Überlegungen Rawls. Diese lassen sich wie folgt zusammenfassen: Legen Parteien zuvor Grundsätze fest, die für die Erzielung gerechter Ergebnisse zu beachten sind, so folgt aus ihrer Anwendung ein für die Parteien gerechtes Ergebnis. Kann man aber dann im Umkehrschluss aus dem Fehlen einer Moderation im Sinne der Vereinbarung folgern, dass notwendigerweise ein ungerechtes Ergebnis produziert wird? Auf den ersten Blick liegt dieser Schluss nicht unbedingt nahe: Denn es mag auch am Ende einer Moderation, die nicht wie von Parteien vorgesehen durchgeführt wird, zum Abschluss eines moderierten Vertrags kommen, der aus der Sicht eines objektiven Vierten626 eine gerechte und angemessene Lösung des Kon­ flikts darstellt. Aber darauf kommt es nicht an. Denn auch an dieser Stelle gilt es, die Überlegungen der rawlsschen Theorie der Gerechtigkeit als Fairness auf die Modera­ tionssituation zu übertragen. Nach der Theorie der Gerechtigkeit als Fairness ist es eben der hinter dem Schleier des Nichtwissens geschlossene Gesellschaftsvertrag, der die Grundsätze dessen enthalten soll, was gerecht ist und was nicht. Angewandt auf die Situation der Moderation stellt diese Überlegung die Bedeutung heraus, die die Übereinkunft zwischen den Parteien, überhaupt ein Verfahren der Moderation durchzuführen, für die Frage des gerechten Inhalts des später evtl. geschlossenen moderierten Vertrags hat. Denn es ist der ordnungsgemäße Ablauf der Moderation, den die Parteien niemals ausdrücklich, aber stets stillschweigend für den Abschluss eines gerechten moderierten Vertrags zugrunde legen. Dies ist insofern vergleichbar mit dem Gesellschaftsvertrag, der hinter dem Schleier des Nichtwissens geschlossen wurde und der die Grundsätze dessen, was gerecht ist, festlegen soll. Ein Moderator, der sich von eigenen Interessen leiten lässt bzw. nicht neutral und unabhängig vermittelt, sorgt dafür, dass gegen die Festlegungen im Gesellschafts­ vertrag im Sinne der Theorie der Gerechtigkeit als Fairness verstoßen wird. Dieser Umstand lässt sich juristisch belegen durch die Tatsache, dass der Mediator im Falle einer Schlechtleistung den Medianden wegen einer Verletzung des Mediatorvertrags haftet. 627 Über diese haftungsrechtliche Komponente hinaus entstehen Konsequen­ zen im Hinblick auf den gerechten Inhalt des später geschlossenen Mediatorvertrags. Nähert man sich der Frage mit den Überlegungen Rawls an, so folgt aus der Ver­ letzung der Moderatorpflichten, dass auch kein gerechter moderierter Vertrag mehr geschlossen werden konnte. Das spricht ganz zentral gegen eine Zumutbarkeit, an einem so geschlossenen Vertrag festgehalten zu werden.

626  627 

Dies soll gerade nicht der Moderator sein. Siehe dazu ausführlich oben unter B.I.3.

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F. Absicherung der gesteigerten Legitimation

Diese Erkenntnis kann zunächst innerhalb der Betrachtungen zur Gerechtigkeit nur als Zwischenergebnis festgehalten werden, denn es gilt darüber hinaus, sich der Thematik im Rahmen der zweiten, bereits von Aristoteles beschriebenen, Kategorie zu nähern. ee) Die ausgleichende Gerechtigkeit Die typische Zwei-Parteien-Situation des Vertragsschlusses ist ein Fall der ausglei­ chenden Gerechtigkeit. 628 Bei der ausgleichenden Gerechtigkeit ist das Bild der Waa­ ge maßgeblich,629 denn die Iustitia commutativa verlangt, dass Leistung und Gegen­ leistung sich in ihrem Wert entsprechen.630 Diese Forderung bringt dann die Frage nach dem iustum pretium mit sich. Den gerechten Gegenwert für eine Leistung im Rahmen einer Austauschbeziehung zu bestimmen, ist regelmäßig schwierig. Das lässt sich demonstrieren im Fall des Tausches von Bären- gegen Fuchspelzen. 631 Hier ist den Anforderungen an die Tauschgerechtigkeit632 entsprochen, wenn man einer­ seits annimmt, dass es unter den gegebenen Umständen und bei normaler Geschick­ lichkeit zwanzigmal so viel Zeit kostet, einen Bären wie einen Fuchs zu erjagen und infolgedessen ein Bärenpelz gegen 20 Fuchspelze getauscht wird. Nur funktioniert eine moderne Marktwirtschaft, in der zudem nicht Waren direkt, sondern gegen Geld getauscht werden, so nicht. Deswegen lässt sich die objektive Äquivalenz regel­ mäßig nicht mehr bestimmen. Die deutsche Privatrechtsordnung lässt die Frage nach der genauen Bemessung des Preises daher auch unbeantwortet. Dies kann sie tun, da sie im Hinblick auf die Ver­ tragsbeziehung von einer einfachen Prämisse ausgeht: „Volenti non fit iniuria.“633 Eine objektive Beurteilung, ob der Vertragsinhalt an sich gerecht ist, erübrigt sich demnach, weil der Vertrag andernfalls durch die Parteien nicht geschlossen worden wäre. Damit geschieht dem den Vertrag Wollenden dann kein Unrecht, wenn er den Vertrag schließt. 634 Denn damit kommt zum Ausdruck, dass der Vertragsinhalt eine für ihn angemessene Lösung darstellt, d. h. nicht ungerecht ist. Um diese Prämisse jedoch anwenden zu können, müssen wiederum ihre Voraussetzungen vorliegen, d. h., die Parteien müssen ihrem Willen entsprechend handeln (können). Für die Fra­ ge nach dem gerechten Preis sind damit im Privatrecht die Grundsätze der Selbstbe­ 628 Vgl.

Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn.  361. Hardwig, in: FS Dreher, S.  27, 28. 630 So Hardwig, in: FS Dreher, S.  27, 28 zur Definition der Austauschgerechtigkeit, die seiner Meinung nach allerdings mit dem Begriff der Gerechtigkeit nichts zu tun habe, da die Iustitia com­ mutativa nur verletzt werde, wenn eine der Parteien gegen Normen verstößt, also sich im Unrecht befindet, Unrecht und Ungerechtigkeit seien aber zwei unterschiedliche Dinge; vgl. a. a. O. S.  27, 28, 38; vgl. hierzu auch Aristoteles, Nikomachische Ethik, 1131a ff. 631  Das Beispiel stammt von Dreier, JuS 1996, 580, 581. 632  Zur ebenfalls unter die ausgleichende Gerechtigkeit fallende, hier aber nicht interessierende sogenannte „Wiederherstellungsgerechtigkeit“ vgl. Joussen, Schlichtung als Leistungsbestimmung durch einen Dritten, S.  417 m. w. N. 633  Wer bekommt, was er will, dem geschieht kein Unrecht; vgl. Rüthers/Fischer/Birk, Rechts­ theorie, Rn.  362. 634  Der Schutz der Vertragsfreiheit dient damit auch dem Schutz der Vertragsgerechtigkeit, Ritgen, JZ 2002, 114, 117. 629 So

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stimmung und der Vertragsfreiheit maßgebliche Ordnungselemente. 635 Die Ver­ tragsfreiheit ersetzt die staatliche Gerechtigkeitskontrolle. 636 Zum Ausdruck kommt damit auch und vor allem ein Übergang von materialen (wie im Beispiel des Pelztau­ sches) hin zu prozeduralen Gerechtigkeitsvorstellungen. 637 Ein Tausch ist eben dann gerecht, wenn er in einem Verfahren vereinbart wurde, für das bestimmte Regeln gelten; sowohl in Bezug auf die Einsichtsfähigkeit und die Gleichberechtigung der Vertragspartner als auch im Hinblick auf den Ausschluss von Zwang, Drohung und Täuschung. 638 An die Stelle einer mathematischen Berech­ nung, wie sie noch im Fall des Pelztausches möglich war, tritt dann die Angabe pro­ zeduraler Bedingungen. 639 Sind diese Rahmenbedingungen eingehalten, dann ist der Austausch gerecht. ff) Der Moderator und der Schlichter Das verdeutlich zunächst erneut640 die Bedeutung des Verfahrens zum Abschluss des Vertrags für dessen gerechten Inhalt. Welche Rolle dem Moderator innerhalb dieser Konzeption zufällt, lässt sich im Vergleich mit und in Abgrenzung zu den Ergebnis­ sen, die diesbezüglich bereits zur Funktion des Schlichters erarbeitet worden sind, betrachten. 641 Der Schlichter ist dann kein Moderator im Sinne dieser Untersuchung, wenn sein Schlichterspruch zur Beilegung der Regelungsstreitigkeit eine für die Parteien ver­ bindliche Beendigung des Verfahrens darstellt. Insofern fehlt es an der für die Mode­ ration notwendigen Freiwilligkeit. An dieser Stelle ist allerdings von Bedeutung, dass der Schlichter, weil er nicht in einem Rechts-, sondern in einen Regelungsstreit vermittelt, notwendigerweise krea­ tiv tätig werden muss, spätestens, wenn es um die Formulierung seines Schlichter­ spruchs geht. 642 Diese Kreativität lässt sich auch für den Moderator feststellen. Je­ doch muss sie sich nicht charakteristisch auf den Inhalt der Vereinbarung zur Beile­ gung des Konflikts beziehen. Denn im Gegensatz zur Schlichtung ist der Vorschlag des Moderators nicht so wesensprägend für die Moderation wie der Schlichterspruch für die Schlichtung. Bezugspunkt der notwendigen Kreativität ist deswegen im Rah­ men der Moderation auch weniger der Vorschlag zum Abschluss des Verfahrens als die Gestaltung des Verfahrens an sich. In Ermangelung konkreter gesetzlicher Vor­ gaben bleibt es der Kreativität des Moderators überlassen, das Verfahren zu gestalten. In Bezug auf die Fragen der Gerechtigkeit ergibt sich für den Schlichter eine sehr besondere Situation, weil sich – pointiert formuliert – in seiner Person beide Gerech­ 635 

Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn.  362. Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn.  361 f. 637  Dreier, JuS 1996, 580, 581. 638  Dreier, JuS 1996, 580, 581; vgl. auch Joussen, Schlichtung als Leistungsbestimmung durch einen Dritten, S.  418. 639  Joussen, Schlichtung als Leistungsbestimmung durch einen Dritten, S.  418. 640  In Ergänzung zu den zur sogenannten Richtigkeitsgewähr angestellten Überlegungen. 641 Von Joussen, Schlichtung als Leistungsbestimmung durch einen Dritten, S.  410 ff. 642  Siehe hierzu Joussen, Schlichtung als Leistungsbestimmung durch einen Dritten, S.  410. 636 Vgl.

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F. Absicherung der gesteigerten Legitimation

tigkeiten treffen. Das gilt vor allem643 in den Fällen der Zwangsschlichtung. Hier ist der Schlichter zunächst in einem Über-/Unterordnungsverhältnis tätig und als ver­ teilender Dritter den Grundsätzen der verteilenden Gerechtigkeit verpflichtet. Dar­ über hinaus setzt er jedoch eine vertragliche Regelung fest und muss vor diesem Hin­ tergrund auch danach streben, den Maßstäben der Austauschgerechtigkeit zu ent­ sprechen. Was gilt im Vergleich dazu aber, wenn – wie dies bei der Moderation der Fall ist – der Schlichter auf freiwilliger Basis tätig wird? Insofern formuliert Joussen: „Während der Schlichter im diktierenden Verfahren der Streitbeilegung einen Maßstab verfol­ gen muss, der auf einen „gerechten“ Vertrag hinausläuft und sein Maßstab insofern der des billigen Ermessens ist, ist derjenige, der in einem freiwilligen Rahmen die Leistung als Dritter bestimmt, nicht an diese Gerechtigkeitsvorgabe gebunden. Genauso wenig wie die Parteien selbst, die einen Vertrag schließen und aufgrund der ihnen zustehenden Vertragsfreiheit eben auch ganz unvernünftige, durch und durch ungerechte Verträge schließen können, kann auch der Schlichter entsprechende Leistungsbestimmungen vorschlagen. Die Grenze liegt für ihn wie für die Parteien dann „nur“ noch in den allgemeinen Grenzen der Vertragsgerechtigkeit, also dort, wo Sittenwidrigkeit, gesetzliche Verbote und Treu und Glauben verletzt werden.“644

Dieser Entscheidungsmaßstab des Schlichters im freiwilligen Verfahren gilt deshalb, weil den Parteien anders als in der Zwangsschlichtung nicht ihre Vertragsfreiheit entzogen wird. 645 Oder, positiv formuliert: Weil diese das Ergebnis noch durch ihre freie Entscheidung, es anzunehmen oder abzulehnen, „segnen“ und im Falle der frei­ willigen Zustimmung – dem Wollenden geschieht kein Unrecht – für ein gerechtes Ergebnis sorgen. Mit der Festlegung dieses für den Moderator geltenden Maßstabs geht dann aus der Perspektive der Gerechtigkeit einher, dass er zwar nicht unmittelbar gebunden ist an die Vorgaben der austeilenden Gerechtigkeit, jedoch – soll am Ende der Mode­ ration ein gerechtes Ergebnis stehen – dafür Sorge zu tragen hat, dass die Parteien durch ihre freie Entscheidung für die Gerechtigkeit sorgen. Es bestätigt sich insofern das, was auch schon oben in Bezug auf die Rolle des Moderators festzustellen war: Er fungiert auch und gerade vor dem Hintergrund der Vorgaben der austeilenden Ge­ rechtigkeit als Garant der Selbstbestimmung. Seine Verantwortung für das Verfah­ ren entstammt damit unmittelbar den aus den Gedanken zur Gerechtigkeit entwi­ ckelten Vorgaben. Deswegen ist auch der Ansatz, das den Parteien gemäß §  313 BGB zuzubilligende Lösungsrecht auf eine verfahrensrechtliche Fairnesserwägung zu stützen,646 hier zu verorten. Das setzt zunächst voraus, dass man sich im Rahmen der Lehre von der Störung der Geschäftsgrundlage von einer alleinigen Fokussierung auf die Äquiva­ lenzstörung innerhalb des Vertragsergebnisses verabschiedet und den Weg hin zum 643 Nach Joussen, Schlichtung als Leistungsbestimmung durch einen Dritten, S.  422 sogar „nur“ im Rahmen der Zwangsschlichtung. Ob sich die Situation im Rahmen der freiwilligen Schlichtung tatsächlich anders darstellt, kann hier offenbleiben. 644  Joussen, Schlichtung als Leistungsbestimmung durch einen Dritten, S.  425. 645 Vgl. Joussen, Schlichtung als Leistungsbestimmung durch einen Dritten, S.  422. 646 So Tochtermann, Die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Mediators, S.  235.

IV. Geschäftsgrundlage und Legitimation, §  313 BGB

545

Vertragsschluss gleichberechtigt in den Blick nimmt. Dafür spricht nicht zuletzt die zentrale Bedeutung, die der Moderator im Vorfeld einnehmen kann und die Tochtermann im Hinblick auf den Mediator wie folgt beschreibt: „Er beeinflusst den Informationsaustausch zwischen den Parteien, sorgt durch seine Anwe­ senheit für eine produktivere, rationalere Verhandlungsatmosphäre und schafft ein Umfeld der offenen Kommunikation. Indem er Informationen, die in direkten Verhandlungen aus strategischen Gründen von den Parteien zurückgehalten würden und offenlegt und ergrün­ det, soll Potenzial für kreative, zukunftsorientierte Lösungen geschöpft werden. Das Poten­ zial der Mediation liegt somit in der Offenheit der Parteien, die nur in einer von Vertrauen geprägten Atmosphäre möglich ist. Es ist eine Hauptaufgabe des Mediators, diese Offenheit herzustellen. Daher muss seine Integrität den Rahmen für eine vertrauensvolle Kommunika­ tion gewährleisten. Ist diese Integrität nicht gegeben, sondern ist der Mediator befangen, ist es der benachteiligenden Partei unzumutbar, an dem auf diese Weise zustande gekommenen Me­ diationsvergleich festgehalten zu werden.“647

Fasst man also die Überlegungen, die Joussen zum Schlichter und Tochtermann zum Mediator angestellt haben, unter dem Dach der Analyse der ausgleichenden Gerech­ tigkeit und ihrer Bedeutung für die Moderation zusammen, dann lässt sich auch auf diesem Wege für eine Geschäftsgrundlagenstörung plädieren. Der Moderator bzw. seine Funktion lassen sich vor dem Hintergrund der Bedingungen der austeilenden Gerechtigkeit als die eines Garanten der Selbstbestimmung beschreiben. Diese Ga­ rantenstellung geht einher mit der von Tochtermann beschriebenen Integrität, die den Rahmen für eine vertrauensvolle Kommunikation gewährleisten soll. gg) Zwischenergebnis Gerechtigkeit Diese Zusammenschau von Garantenstellung und Integritätsfunktion verdeutlicht die Rolle, die dem Moderator im Hinblick auf die Vereinbarung eines gerechten mo­ derierten Vertrags zufällt. Sowohl die Gedanken zur austeilenden wie die zur aus­ gleichenden Gerechtigkeit zeigen die Bedeutung auf, die dem Umstand zukommt, dass der Moderator sich an seine zu Beginn der Moderation mindestens stillschwei­ gend gegebene Zusage hält, die Moderation frei von Eigeninteressen sowie neutral und unabhängig durchzuführen. Ein Abweichen hiervon berührt die von den Partei­ en zuvor im Hinblick auf ein gerechtes Ergebnis formulierten Verfahrensvereinba­ rungen. Gerade diesen kommt jedoch – vor dem Hintergrund der rawlsschen Theorie der Gerechtigkeit als Fairness – im Hinblick auf den gerechten Vertragsinhalt eine große Bedeutung zu. Nichts anderes gilt in Bezug auf die Frage der austeilenden Gerechtigkeit, die für den gerechten Vertrag verlangt, dass die Parteien selbstbe­ stimmt handeln. Diese Selbstbestimmung beinhaltet wegen der Bedeutung des Ver­ fahrens für die Gerechtigkeit des Vertrags aber eben auch, nicht nur in Kenntnis über den Inhalt des anvisierten Vertrags zu handeln, sondern auch die tatsächlichen Be­ dingungen zu kennen, in deren Rahmen er geschlossen wurde.

647 

Tochtermann, Die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Mediators, S.  235.

546

F. Absicherung der gesteigerten Legitimation

Insofern streiten auch die unter dem Punkt „Gerechtigkeit“ angestellten Überle­ gungen dafür, die ordnungsgemäße Moderation als Geschäftsgrundlage des mode­ rierten Vertrags anzusehen. h) Öffentliche Interessen Ob auch öffentliche Interessen bei der Beurteilung der Unzumutbarkeit im Rahmen des §  313 Abs.  1 BGB zu berücksichtigen sind, ist schon im Ansatz umstritten. 648 Für das hiesige Anliegen wirft dies zunächst die Frage auf, ob sich überhaupt ein öffentliches Interesse im Hinblick auf den moderierten Vertrag herausfiltern lässt, das übergreifend in Bezug auf alle Verträge gilt, die im Wege der Moderation ge­ schlossen werden. Diese Untersuchung hat gezeigt, dass es an gesetzlichen Festle­ gungen im Hinblick auf den genauen Inhalt der Tätigkeit des Moderators fehlt. Es fehlt jedoch nicht – ansonsten wäre das rechtliche Phänomen des moderierten Ver­ trags auch gar nicht existent – an Vorgaben im Hinblick auf den Umstand, dass ein Dritter den Vertragsschluss zwischen den Parteien mitteln muss. Neben diesem Um­ stand ist den gesetzlichen Regelungen gemein, dass – warum sollten sie sonst den moderierten Vertrag postulieren? – sie ein Interesse haben an einer erfolgreichen Vermittlungstätigkeit des Moderators, d. h. am Abschluss eines moderierten Ver­ trags. Besteht damit aber ein öffentliches Interesse an der Vertragsaufhebung bei feh­ lerhafter Moderation? Die Frage ist in dieser Form falsch gestellt. Das wird deutlich, wenn man die Her­ kunft und den genauen Inhalt der Forderung, öffentliche Interessen im Rahmen der Prüfung des Wegfalls der Geschäftsgrundlage zu berücksichtigen, etwas näher be­ trachtet. Seitdem dieses Postulat erstmals formuliert wurde, geht es nicht um jedwede Be­ rücksichtigung von Interessen der Allgemeinheit im Rahmen des Vertragsrechts, sondern um die Beachtung des Zwecks einer wirtschaftslenkenden Maßnahme im Rahmen der Analyse, ob eine Grundlagenstörung vorliegt. 649 Sofern eine solche wirtschaftslenkende Maßnahme nicht vorhersehbar war und auch nicht von den Par­ teien in die vertragliche Risikoverteilung einbezogen worden ist,650 soll deren Len­ kungszweck bei der Frage, ob eine Vertragsanpassung oder Aufhebung gerechtfer­ tigt ist, Berücksichtigung finden. Ein Ansatz, der eine neue Fallgruppe im seinerzeit noch nicht kodifizierten Institut der Geschäftsgrundlagenstörung bilden sollte651 und jedenfalls an Aktualität nicht verloren hat. Letzteres zeigt sich am aktuellen Fall der Geschäftsgrundlagenstörung von Bausparverträgen, die infolge der Niedrigzins­ politik der Europäischen Zentralbank für die Bausparkassen schwer zu refinanzie­ ren sind und daher gemäß §  313 BGB kündbar sein sollen. 652 Das Beispiel zeigt den – gerade vor dem Ansatz der hiesigen Untersuchung wichtigen – Anknüpfungspunkt 648 Vgl. Tochtermann, Die Unabhängigkeit des Mediators, S.  235; siehe auch die Formulierung bei MünchKommBGB/Finkenauer, §  313 Rn.  79. 649 So Ulmer, AcP 174 (1974), 167, 200. 650  Ulmer, AcP 174 (1974), 167, 189. 651  Ulmer, AcP 174 (1974), 167, 201. 652  Vgl. hierzu Haertlein, BB 2018, 259 ff.

IV. Geschäftsgrundlage und Legitimation, §  313 BGB

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der Diskussion um die Berücksichtigung der Zielrichtung der staatlichen Lenkungs­ maßnahmen. Diese führen nämlich stets zunächst zu einer Äquivalenzstörung in­ nerhalb des betroffenen Vertrags. Sei es, weil im Fall der Bausparverträge die Kapi­ talerträge, die von den Bausparkassen aus den ausgereichten Bauspardarlehen und am Kapitalmarkt erzielt werden, die Zinslasten der Bauspareinlagen nicht mehr übersteigen653 oder sei es, dass – wie in Deutschland 1973 geschehen – internationale Geschäfte von der Einführung der Devisenbannwirtschaft betroffen wird. 654 Wie bereits festgestellt werden konnte,655 ist das Äquivalenzverhältnis nicht not­ wendig betroffen, wenn der moderierte Vertrag innerhalb einer Moderation ge­ schlossen wird, deren Moderator sich von Eigeninteressen leiten lässt bzw. nicht un­ abhängig und neutral vorgeht. Fehlt es an einer Betroffenheit des Austauschverhält­ nisses, wird aktuell eine Aufhebung des Vertrags allein aufgrund einer Änderung des öffentlichen Interesses abgelehnt. Etwa im Fall der exorbitant hohen Bonuszahlun­ gen aufgrund falscher Verhaltensanreize in den Vergütungssystemen der Banken. Seit der sogenannten Finanzmarktkrise und deren Auswirkungen auf die Gesamt­ wirtschaft besteht ein öffentliches Interesse, hier andere Anreize zu setzen. Jedoch kann dies nicht im Wege des §  313 BGB geschehen. 656 Für diese Untersuchung deckt die mögliche Berücksichtigung von öffentlichen In­ teressen lediglich nochmals die Gretchenfrage auf, die für die Aufhebung des mode­ rierten Vertrags nach §  313 Abs.  1 BGB zentral ist. Ist – wie bisher ganz überwiegend angenommen – hierfür eine Störung des Äquivalenzverhältnisses notwendig oder reicht es aus, wenn der sich auf die Geschäftsgrundlage Berufende angibt, dass ein Dritter gegen das zum Abschluss des Vertrags führende Verfahren verstoßen hat?

6. Ergebnis Geschäftsgrundlage Zwei zentrale Punkte lassen sich am Ende der Betrachtung der Vorschrift des §  313 BGB herauskristallisieren. Das ist zunächst die für die Anwendbarkeit in den Fällen der Moderation ernüch­ ternde Erkenntnis, dass es in den hier interessierenden Fällen regelmäßig an einer Zweckstörung bzw. einer Beeinträchtigung des Äquivalenzverhältnisses der im mo­ derierten Vertrag vereinbarten Leistungen fehlt. Das Defizit der Integrität, so for­ muliert Tochtermann in Bezug auf den Mediator, schlägt sich nicht in einer messba­ ren Weise als Äquivalenzstörung nieder. 657 Um die Vorschrift fruchtbar zu machen, müsste der Schritt weggegangen werden vom Abstellen auf Äquivalenz- und Zweckstörung hin zu einer ebenfalls relevanten Störung innerhalb des Verhandlungsvorgangs, jedenfalls dann, wenn dieser nicht bloß bilateral ausgestaltet ist, sondern ein Dritter hieran beteiligt ist. Argumente, 653 

Haertlein, BB 2018, 259, 260. So ein Beispiel bei Ulmer, AcP 174 (1974), 167, 189. 655  Siehe unter F.IV.5.a). 656  Dieses Beispiel und die Argumentation stammt von MünchKommBGB/Finkenauer, §  313 Rn.  80. 657  Tochtermann, Die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Mediators, S.  237. 654 

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F. Absicherung der gesteigerten Legitimation

diesen Schritt zu gehen, sind vorhanden. Die unter den Stichworten der Richtigkeits­ gewähr sowie der austeilenden und ausgleichenden Gerechtigkeit angestellten Ge­ danken konnten die Bedeutung des Verhandlungsverfahrens für den Vertrag zeigen und sprechen für eine Beseitigung des Vertrags, wenn der Moderator das Verfahren dergestalt manipuliert. 658

V. Missbrauchskontrolle und moderierter Vertrag, §§  138, 242 BGB Die Generalklauseln der §  138 und §  242 BGB entfalten auch für den moderierten Vertrag Bedeutung. Das Verbot der sittenwidrigen Rechtsgeschäfte einerseits sowie das Gebot von Treu und Glauben anderseits kumulierten in einer Vertragskontrolle, deren besondere Bedeutung für den moderierten Vertrag zu analysieren ist. Es sind drei Themenkreise, die sich als erörterungswürdig im Hinblick auf ihre Bedeutung für den moderierten Vertrag identifizieren lassen. Dabei handelt es sich zunächst um die Absicherung des selbstbestimmten Handelns, die gerade auch durch die in Rede stehenden Generalklauseln gewährleistet wird. Darüber hinaus wird im Rahmen der Stellvertretung das kollusive Zusammenwirken ebenso über die An­ wendung der Vorschriften gelöst wie – so wird zum Teil vertreten659 – die rechtliche Reaktion auf den Missbrauch der Vertretungsmacht. Ob sich die dort vorzufinden­ den Wertungen auf die Situation der Moderation übertragen lassen, ist ebenfalls Ge­ genstand der folgenden Betrachtungen. Diese schließen dann mit einer Erörterung der Frage, ob sich aus den zur Sittenwidrigkeit von Verträgen entwickelten Vermu­ tungsregelungen Grundsätze herauskristallisieren lassen, die für die Situation des moderierten Vertrags nutzbar gemacht werden können.

1. Bedeutung der Moderation für die Selbstbestimmung Die bereits entwickelte These, dass der Moderator als Garant der Selbstbestimmung fungiert, lässt sich an dieser Stelle erneut belegen. Hierzu ist zunächst festzustellen, dass für eine erfolgreiche Moderation der Ab­ schluss eines – wie auch immer inhaltlich ausgestalteten – Vertrags notwendig ist. Dabei geht es nicht einzig um den Abschluss im Sinne irgendeiner Übereinkunft, sondern es geht darum, einen rechtlich wirksamen Vertrag abzuschließen. Das gilt zunächst deshalb, weil nur ein solcher Vertrag den zwischen den Parteien bestehenden Konflikt final beendet. Dieses Anliegen liegt der Beauftragung des Mo­ derators jedoch regelmäßig zugrunde. Darüber hinaus hat diese Untersuchung auch gezeigt, dass es zwar an gesetzlichen Vorgaben mangelt, wenn es um die konkrete Ausgestaltung der Moderationstätig­ keit geht. Die Moderation selbst ist allerdings, wie die Darstellungen im ersten und 658  So im Ergebnis auch Unberath, ZKM 2011, 4, 6 mit Verweis auf Tochtermann, Die Unabhän­ gigkeit und Unparteilichkeit des Mediators, S.  237. 659  Die genaue Verortung ist umstritten, siehe dazu gleich.

V. Missbrauchskontrolle und moderierter Vertrag, §§  138, 242 BGB

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zweiten Teil dieser Arbeit zeigen, an vielen Stellen durch die Rechtsordnung vorge­ sehen. Im Sinne einer einheitlichen und widerspruchsfreien Rechtsordnung kann eine solche Moderation dann nicht darauf abzielen, einen Vertrag zu produzieren, der seinerseits außerhalb der Rechtsordnung steht. Das gilt für alle Fälle der Mode­ ration, drängt sich aber etwa bei der richterlichen Moderation auf, weil ein staatliches Handeln nicht zu einem Vertrag führen darf, den die Rechtsordnung nicht billigt. Ein solcher wäre darüber hinaus nicht dazu geeignet, den im Fall der richterlichen Moderation anhängigen Prozess zu beenden. Mit der Aufgabe, eine dauerhafte und wirksame Lösung zu vermitteln, geht ein­ her, die selbstbestimmte Entscheidung der Parteien über den Vertragsschluss zu si­ chern. Dies lässt sich mit der entsprechenden Rechtsprechung des BVerfG begrün­ den. Im sogenannten Bürgschaftsbeschluss660 hat das Gericht festgehalten: „Die Zivilgerichte müssen – insbesondere bei der Konkretisierung und Anwendung von Ge­ neralklauseln wie §  138 und §  242 BGB – die grundrechtliche Gewährleistung der Privatauto­ nomie in Art.  2 Abs.  1 GG beachten. Daraus ergibt sich ihre Pflicht zur Inhaltskontrolle von Verträgen, die einen der beiden Vertragspartner ungewöhnlich stark belasten und das Ergeb­ nis strukturell ungleicher Verhandlungsstärke sind.“661

Diese Aussage steht pars pro toto für die ständige Rechtsprechung des BVerfG, der zufolge die Gestaltung der Rechtsverhältnisse durch den Einzelnen nach seinem Willen ein Teil der allgemeinen Handlungsfreiheit sei. 662 Art.  2 Abs.  1 GG gewähr­ leiste die Privatautonomie damit gerade zur Selbstbestimmung des Einzelnen im Rechtsleben. 663 Die zivilrechtliche Willenserklärung stellt das Mittel dar, durch das sich die Selbstbestimmung frei entfalten kann. 664 Die Zivilgerichte seien zum Schutz der Privatautonomie dazu angehalten zu klären, ob und inwieweit beide Vertrags­ partner tatsächlich über den Abschluss und den Inhalt des Vertrags frei entscheiden konnten. 665 Das BVerfG hat sich im Zusammenhang mit der Frage des notwendigen Verhand­ lungsgleichgewichts hierzu geäußert und festgehalten, dass für den Fall, dass im Ver­ tragsrecht einer der Vertragsteile ein so starkes Übergewicht habe, dass er den Ver­ tragsinhalt faktisch einseitig bestimmen kann, dies für den anderen Vertragsteil Fremdbestimmung bewirke.666 Daraus folgt, dass – ebenso wie Art.  14 GG der ur­ 660 

BVerfG v. 19.10.1993 – 1 BvR 567/89, BVerfGE 89, 214, der nach Preis/Rolfs, DB 1994, 261 in seiner Bedeutung wohl nicht überschätzt werden kann. 661  BVerfG v. 19.10.1993 – 1 BvR 567/89, BVerfGE 89, 214. 662  Vgl. BVerfG v. 12.11.1958 – 2 BvL 4/56, BVerfGE 8, 274, 328; BVerfG v. 13.05.1986 – 1 BvR 1542/84, BVerfGE 72, 155, 170. 663  BVerfG v. 19.10.1993 – 1 BvR 567/89, BVerfGE 89, 214, 219 unter Hinweis auf Erichsen, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Bd.   VI, 1210 Rn.   58; wiederholt in BVerfG v. 05.08.1994 – 1 BvR 1402/89, BeckRS 9998, 56067; vgl. auch Wolf, Entscheidungsfreiheit, S.  23, der festhält, dass die Willenserklärung das Mittel darstelle, durch das sich die Selbstbestimmung recht­ lich frei entfalten kann. 664  Wolf, Entscheidungsfreiheit, S.  23. 665  BVerfG v. 19.10.1993 – 1 BvR 567/89, BVerfGE 89, 214, 231 rügt hier, dass der BGH dies nicht getan habe. 666  BVerfG v. 07.02.1990 – 1 BvR 26/84, BVerfGE 81, 242, 255; vgl. auch die Darstellung bei Fastrich, RdA 1997, 65, 66 f.

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F. Absicherung der gesteigerten Legitimation

sprünglichen Eigentumsfreiheit des BGB – Art.  2 Abs.  1 GG der Vertragsfreiheit des BGB Grenzen setzt.667 Das Grundrecht schützt die vertragliche Vereinbarung, so­ weit sie auf der Selbstbestimmung der Beteiligten beruht und eben nicht, weil sie gerecht ist. 668 Die Rechtsprechung des BVerfG lässt sich insoweit zusammenfassen, als dass der unfaire Vertrag zivilrechtlich keinen Bestand haben kann, weil er außer­ halb der Privatautonomie steht. 669 Weil diesen Verträgen über die Anwendung der §§  138, 242 BGB die rechtliche Anerkennung verweigert wird, ist der Moderator, dessen Ziel eine wirksame Eini­ gung ist, ein Garant der Selbstbestimmung. a) Machtmissbrauch Darüber hinaus sind es die Fragen des Machtmissbrauchs, die im Rahmen der §§  138 bzw. 242 BGB verortet werden. Missbraucht wird dabei die gesetzlich oder gewill­ kürt eingeräumte Vertretungsmacht, d. h., der Stellvertreter überschreitet die ihm seitens des Vertretenen gesetzten Grenzen. Schon bei dieser Annäherung an die The­ matik drängt sich die Erkenntnis auf, dass dem Moderator eine solche (Vertretungs-) Macht nicht eingeräumt wird, er also anders als der Vertreter nicht in der Lage ist, eine der Parteien rechtlich zu binden. Ausgehend von der Erkenntnis, dass auch eine bloße Autorität oder Vertrauensstellung zur unbilligen Ausgestaltung von Verträgen missbraucht werden kann,670 ist es daher das Anliegen der folgenden Zeilen, die Fest­ stellungen zum Machtmissbrauch des Stellvertreters auf ihre Übertragbarkeit hin zu analysieren. 671 b) Kollusion Der extremste Fall des Missbrauchs der Vertretungsmacht ist die sogenannte Kollu­ sion, ein Sonderfall der Sittenwidrigkeit des §  138 Abs.  1 BGB, der vorliegt, wenn der Vertreter mit dem Kontrahenten arglistig zum Nachteil des Vertretenen zusammen­ wirkt.672 Die Sittenwidrigkeit wird damit begründet, dass ein solches Zusammen­ wirken hinter dem Rücken und zulasten des Geschäftsherrn gegen die ganz grund­ legenden Regeln des geschäftlichen Anstands und der guten Sitten verstößt. 673 Dies rechtfertigt dann in vertragsdogmatischer Hinsicht die Ausnahme von dem Grund­ satz, nachdem eigentlich der Vertretene das Risiko des Missbrauchs der Vertretungs­

667 Nach

Wagner, Jura 1999, 505, 512 verschaffte der demokratische Rechtsstaat den alten Grundwerten der bürgerlichen Ordnung – Freiheit und Gleichheit – neue Geltung in sozialer Ge­ bundenheit. 668  Ritgen, JZ 2002, 114, 117 m. w. N. 669  Becker, Der unfaire Vertrag, S.  2. 670  Siehe nur MünchKommBGB/Armbrüster, §  138 Rn.  95. 671  So, wie dies bereits im Hinblick auf die Fälle der Treuhand geschehen ist: siehe bei Wank, JuS 1979, 402, 403. 672  Siehe nur Staudinger/Schilken, BGB, §  167 Rn.  93 m. w. N. 673  BGH v. 18.02.2003 – X ZR 245/00, BeckRS 2003, 04866.

V. Missbrauchskontrolle und moderierter Vertrag, §§  138, 242 BGB

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macht trägt. 674 In den Fällen der Kollusion ist die Willenserklärung des Vertreters sittenwidrig und deshalb gemäß §  138 BGB nichtig. 675 c) Missbrauch der Vertretungsmacht Nicht nur die Fälle des bewussten Zusammenwirkens führen zu einer Unwirksam­ keit des seitens des Vertreters vorgenommenen Rechtsgeschäfts. Über die Fälle der Sittenwidrigkeit hinaus wird dem Vertretenen der Einwand der unzulässigen Rechts­ ausübung gemäß §  242 BGB in den Fällen des Missbrauchs der Vertretungsmacht eingeräumt. Hierzu muss der Vertreter entgegen der Interessen des Vertretenen han­ deln und zu dessen Schaden im eigenen bzw. im Sinne des Vertragspartners vorge­ hen. 676 Darüber hinaus ist Voraussetzung, dass der Vertragspartner im Hinblick auf den Bestand der Vertretererklärung nicht schutzwürdig ist. 677 Eine solche Schutzwür­ digkeit ist mit Blick auf die Sicherheit und Zuverlässigkeit des Rechtsverkehrs grund­ sätzlich anzunehmen. Sie ist dann zu verneinen, wenn der Vertragspartner vom missbräuchlichen Handeln des Vertreters weiß. 678 Sie ist auch zu verneinen, wenn der Vertragspartner nur deshalb nicht vom Missbrauch weiß, weil er grob fahrlässig die Augen vor dem Handeln des Vertreters verschlossen hat. 679 Inwieweit sich darü­ ber hinaus eine fehlende Schutzwürdigkeit bejahen lässt, ist im Detail umstritten. 680 Der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung gemäß §  242 BGB dürfte dabei zu­ nächst noch einhellig bejaht werden in den Fällen der so bezeichneten Evidenz, d. h., wenn der Vertreter ersichtlich missbräuchlich gehandelt hat. 681 Wenn der Vertretene in missbräuchlicher Ausnutzung seiner Vertretungsmacht vorgeht, ohne dass dies dem Vertragspartner bekannt bzw. vorwerfbar unbekannt geblieben ist, stellt sich die Frage nach der Verortung des Lösungsweges. Nachdem vom RG zunächst dem Vertretenen auch in diesen Fällen die Einrede der Arglist zugestanden wurde, 682 welche nach heutigem Verständnis dem Einwand der unzu­ lässigen Rechtsausübung entspricht,683 wird aktuell eine Lösung nach den Regeln des Stellvertretungsrechts präferiert. Das heißt, der missbräuchlich handelnde Stell­ vertreter wird demjenigen angenähert, der ohne Vertretungsmacht kontrahiert. 684 Alternativ wurde eine Lösung über die Grundsätze der Culpa in contrahendo ange­ 674 BeckOGK/Jakl,

BGB, §  138 Rn.  495. BGB, §  167 Rn.  100; RG v. 20.10.1930 – VI 763/29, RGZ 130, 131, 142; BGH v. 14.06.2000 – VIII ZR 218/99, NJW 2000, 2896, 2897. 676 Staudinger/Schilken, BGB, §  167 Rn.  96; BeckOGK/Jakl, BGB, §  138 Rn.  497. 677  Vedder, JZ 2008, 1077, 1080. 678 BeckOGK/Jakl, BGB, §  138 Rn.  500. 679 BeckOGK/Jakl, BGB, §  138 Rn.  500. 680  Vgl. hierzu insb. die Darstellung bei Staudinger/Schilken, BGB, §  167 Rn.  101 ff. 681 Staudinger/Schilken, BGB, §  167 Rn.  97; BeckOK-BGB/Schäfer, §  167 Rn.  51 spricht von „er­ sichtlich verdächtiger Weise“. 682  RG v. 14.06.1909 – VI 356/08, RGZ 71, 219, 222; RG v. 07.12.1920 – II 239/20, RGZ 101, 64, 73; RG v. 02.03.1939 – IV 240/38, RGZ 159, 363, 367. 683 Staudinger/Schilken, BGB, §  167 Rn.  101. 684 BeckOK-BGB/Schäfer, §  167 Rn.  53; Staudinger/Schilken, BGB, §  167 Rn.  103 jeweils m. w. N. 675 Staudinger/Schilken,

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F. Absicherung der gesteigerten Legitimation

boten. 685 Betrachtet man die Frage der dogmatischen Verortung zunächst allein aus der Perspektive des missbräuchlichen Stellvertreterhandelns, so spricht einiges für eine Verortung im Recht der Stellvertretung. Denn die dortigen Folgen, die an ein Handeln des vollmachtlosen Vertreters gestellt werden, sind diejenigen, die auch der Situation des missbräuchlichen Vertreterhandelns am ehesten gerecht werden. Der Vertretene wird so von der Bindung an den Vertrag befreit, wenn er ihn nicht trotz des missbräuchlichen Verhaltens im Rahmen der entsprechenden Anwendung des §  177 Abs.  1 BGB genehmigen möchte. Gleichzeitig wird auch der Vertragspartner, dessen Schutzbedürftigkeit in diesen Fällen gerade nicht entfällt, in die Lage versetzt, vom nach wie vor nicht schutzwürdigen Vertreter nach seiner Wahl Vertragserfül­ lung oder Schadensersatz zu verlangen, vgl. §  179 Abs.  1 BGB. Demgegenüber würde bei einer Lösung über die heute in §  311 Abs.  2, 3 BGB verankerten Grundsätze der Culpa in contrahendo zusätzlich ein Verschuldenserfordernis geschaffen. Denn über die notwendige Anwendung des §  280 Abs.  1 BGB würde dem Vertragspartner als Schadensersatz auferlegt, keine Rechte aus eben diesem Vertretergeschäft herzulei­ ten, weil er seine aus dem vorvertraglichen Schuldverhältnis herrührenden Informa­ tionspflichten bzgl. die ordnungsgemäße Vornahme des Vertreterhandelns verletzt hat.686 Hierzu müsste diesen jedoch gemäß §  280 Abs.  1 Satz 2 BGB ein Verschul­ densvorwurf treffen, welcher in den hier noch in Rede stehenden Fällen unterhalb der Evidenz regelmäßig aber gerade nicht vorliegt. Deswegen liegt es insoweit näher, den Missbrauch der Vertretungsmacht den Fällen des Fehlens bzw. der Überschrei­ tung der Vertretungsmacht gleichzustellen. Was sich unabhängig von der genauen rechtlichen Verortung feststellen lässt, wenn man die Fälle nicht allein aus der Perspektive des arglistig handelnden Stellvertreters, sondern aus der des moderierten Vertrags betrachtet, ist Folgendes: Der Stellvertre­ ter soll – wenn er funktionsgemäß auftritt – im Namen687 und im Interesse688 des Vertretenen handeln. Wenn der Vertreter als jemand, der am späteren Vertrag nicht partizipiert, nicht im Interesse des Vertretenen, sondern in eigenem Interesse han­ delt, liegt ein Fall des Machtmissbrauchs vor, an den – auf unterschiedlichen Wegen – Konsequenzen zum Schutz des Vertretenen geknüpft werden. Handelt also ein Dritter entgegen seiner vorgesehenen Funktion im eigenen Interesse, so reagiert das Zivilrecht darauf, besonders im Hinblick auf die Gültigkeit des Vertrags, an dem er gar nicht beteiligt ist. Formuliert man die Aussage derart abstrakt, dann festigt sich einerseits die Er­ kenntnis, dass auch (irgend-)eine Reaktion auf die vom Eigeninteresse des Modera­ tors geprägte Moderation seitens der Rechtsordnung geboten ist und andererseits stellt sich die Frage, ob sich die zum Missbrauch der Vertretungsmacht entwickelten Grundsätze auf die Situation des Moderators übertragen lassen.

685 

Hoffmann, JuS 1970, 286, 288 m. w. N. Frieling, Mißbrauch der Vertretungsmacht, insb. im Gesellschaftsrecht, S.  25 ff. 687  Hiermit wird das sogenannte Offenkundigkeitsprnzip beschrieben, vgl. dazu nur Petersen, Jura 2010, 187 ff. 688  Vgl. MünchKommBGB/Schubert, §  164 Rn.  15; sowie Palandt/Ellenberger, Vor §  164 Rn.  6 . 686 

V. Missbrauchskontrolle und moderierter Vertrag, §§  138, 242 BGB

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d) Machtmissbrauch und Moderation Für die besondere Moderationssituation der Mediation wurde eine Anwendung des §  138 BGB im Falle eines kollusiven Zusammenwirkens zwischen Mediator und ei­ nem Medianden689 gefordert. 690 Hierbei müsse die verbotene Zusammenarbeit nicht notwendigerweise zu einer für die beeinträchtigte Partei ungünstigen Vertragsge­ staltung führen. Für eine Anwendung des §  138 BGB sei vielmehr ausreichend, wenn die beeinträchtigte Partei von dem von ihr beauftragten Mediator hintergangen und insofern in ihren Entscheidungsfindungsprozess eingegriffen werde. 691 Der Unter­ schied im Zusammenwirken von Mediationspartei und Mediator im Vergleich zur Kollusion im Rahmen der Stellvertretung bestehe darin, dass der Stellvertreter in aller Regel in Abwesenheit der anderen Seite mit der Gegenseite in sittenwidriger Weise zusammenwirke, wohingegen die Parteien des Mediationsverfahrens bis auf vertrauliche Einzelsitzungen zeitgleich an der Sitzung teilnähmen. Insbesondere dann, wenn der Mediator Einzelgespräche führe, bestünde eine mit der Stellvertre­ tung vergleichbare Gefährdungslage. 692 Diese Argumentation lädt unmittelbar zum Widerspruch ein, weil sie lediglich die tatsächlichen Gegebenheiten in den Blick nimmt, nicht aber die rechtliche Situation, die dem kollusiven Zusammenwirken im Rahmen der Stellvertretung einerseits und innerhalb der Moderation andererseits zugrunde liegt. Der zentrale rechtliche Un­ terschied, den es für eine Übertragung der zur Stellvertretung gefundenen Ergebnis­ se zu überwinden gilt, liegt nicht in der Frage, wo sich die Parteien befinden bzw. ob der Mediator Einzelgespräche durchführt. Der rechtliche Unterschied besteht vielmehr darin, dass der Stellvertreter auf­ grund der ihm eingeräumten Vertretungsmacht, die er gerade missbraucht, in der Lage ist, den Vertretenen rechtlich zu binden. Nur wenn das Recht in der hier skiz­ zierten Weise eingreift, findet eine solche Bindung nicht statt. Im Falle der Modera­ tion gilt, wie diese Untersuchung gezeigt hat, jedoch etwas anderes. Der Moderator ist nicht in der Lage, eine rechtliche Bindung der Parteien herbeizuführen. Dabei ist zu spezifizieren: Er ist jedenfalls rechtlich nicht in der Lage, dies zu tun. Denn für den Abschluss des moderierten Vertrags ist jeweils die Willenserklärung der Parteien notwendig, wie sich aus dem Prinzip der Freiwilligkeit ergeben hat, das den mode­ rierten Vertrag beherrscht. 693 Der Moderator mag darüber hinaus – und das hängt vom Einzelfall ab – tatsächlich in der Lage sein, den Abschluss eines Vertrags im Sinne einer Partei zu erwirken. Dies kann ihm eben gerade dadurch gelingen, dass er im Rahmen seiner Moderation die Partei über seine wahren Motive täuscht und durch die Angabe von Unwahrheiten zum Abschluss des Vertrags bewegt.

689 

So werden die Teilnehmer des Mediationsverfahrens bezeichnet. Löhner, Die freiwillige Streitschlichtung vor Gütestellen, S.  194; Tochtermann, Die Unab­ hängigkeit und Unparteilichkeit des Mediators, S.  229. 691  Löhner, Die freiwillige Streitschlichtung vor Gütestellen, S.  194. 692  Tochtermann, Die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Mediators, S.  2 29. 693  Siehe hierzu oben unter C.I.3. 690 

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F. Absicherung der gesteigerten Legitimation

2. Übertragbarkeit Sind diese beiden Verhaltensweisen und die betroffenen Interessen aber hinreichend vergleichbar, um die Wertungen bezüglich der Verträge, die im Wege der Stellvertre­ tung geschlossen wurden, auf den moderierten Vertrag zu übertragen? Die Analyse soll in zwei Schritten erfolgen. Ausgehend von dem in Rede stehen­ den missbräuchlichen Verhalten des Stellvertreters, das – auf unterschiedlichen We­ gen – zur Aufhebung des durch ihn geschlossenen Vertrags führen kann, soll in ei­ nem ersten Schritt untersucht werden, ob dieses Verhalten in seiner Vorwerfbarkeit vergleichbar ist mit dem manipulativen Vorgehen des Moderators, der sich von Ei­ gen­interessen leiten lässt. Bejahendenfalls ist dann darüber hinaus die rechtlich-situ­ ative Vergleichbarkeit zu erörtern, um letztlich zu einer entsprechenden Anwendung auf die hier interessierenden Fälle der Moderation zu gelangen. a) Vergleichbarkeit des Verhaltens Wenn es um die Analyse der Vorwerfbarkeit eines Verhaltens geht, bietet sich der Blick in das Strafrecht an. Es sind die dem zweiundzwanzigsten Abschnitt des StGB seinen Namen gebenden Tatbestände des Betruges und der Untreue, die hier in den Mittelpunkt der Betrachtung rücken. b) Untreue Der Straftatbestand der Untreue nach §  266 StGB ist stark mit zivilrechtlichen Im­ plikationen befrachtet. 694 Der an dieser Stelle interessierende Missbrauchstatbestand schützt den nach außen wirksamen Missbrauch der Rechtsmacht (Befugnis), über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten. 695 Bei der Un­ treue schädigt der Täter fremdes Vermögen, indem er eine Vertrauensstellung aus­ nutzt. Diese Vertrauensstellung war ihm gerade zu dem Zweck eingeräumt, das Ver­ mögen des Geschäftsherrn in dessen Interesse zu betreuen. 696 Sieht man von der für die Untreuestrafbarkeit notwendigen Vermögensbetreu­ ungspflicht697 ab, so beschreibt der Missbrauchstatbestand des §  266 StGB das Han­ deln des Stellvertreters, der seine Vertretungsmacht missbraucht. Das Handeln des vor dem Hintergrund seines eigenen Interesses manipulierenden Moderators wird durch den Missbrauchstatbestand demgegenüber nicht beschrie­ ben. Täuscht der Moderator in seinem oder im Interesse der anderen Vertragspartei, so liegt ein Verhalten vor, das – auch hier vorbehaltlich weiterer Tatbestandsmerkma­ le, namentlich der Vermögensschädlichkeit des Verhaltens – unter die Grundkons­ tellation des Betrugstatbestands im Sinne des §  263 Abs.  1 StGB fällt. Ein sogenann­ ter Dreiecksbetrug läge demgegenüber nur vor, wenn die Person des Irrenden bzw. 694 

Kiefner, in: FS Stree/Wessels, S.  1205, 1212, siehe dort insgesamt zur zivilrechtlichen Genea­ logie des Missbrauchstatbestands. 695  Heger, in: Lackner/Kühl, StGB, §  266 Rn.  5. 696  Joecks/Jäger, StGB-Studienkommentar, §  266 Rn.  1. 697  Hierzu siehe etwa Perron, in: Schönke/Schröder, StGB, §  266 Rn.  11 ff.

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des Verfügenden auf der einen und diejenige des Geschädigten auf der anderen Seite auseinanderfallen. 698 Das ist eine im Geschäftsleben übliche Situation, die im Rah­ men des moderierten Vertrags jedoch allein auf einer Vertragsseite anzusiedeln wäre und deshalb außer Betracht bleiben kann. Das gilt nicht für den Umstand, dass es sich beim Betrug um einen Tatbestand handelt, der das Vermögen in seinem wirt­ schaftlichen Wert schützt. 699 Nicht geschützt wird die Wahrheit, die Dispositions­ freiheit oder die Chance der Vermögensmehrung.700 Auch §  266 StGB schützt allein das individuelle Vermögen des Treugebers.701 Die Vorschrift ist neben §  263 StGB der zentrale Tatbestand zur strafrechtlichen Absi­ cherung einer an Zuordnung von Vermögen orientierten Erwartungssicherheit.702 Beide Täter – um das Zwischenergebnis für diese Untersuchung zu formulieren – missbrauchen eingeräumtes Vertrauen. Es unterscheidet sich lediglich der Zeitpunkt, in dem das missbrauchte Vertrauen besteht. Bei der Untreue liegt dieser Zeitpunkt früher, beim Betrug liegt er später. Bei der Untreue besteht das Vertrauen im Mo­ ment der Einräumung der Vertretungsmacht, beim Betrug besteht das Vertrauen zum Zeitpunkt der Vermögensverfügung im Vertrauen auf den vorgetäuschten Sach­ verhalt. Beide Verhaltensweisen werden durch das Strafrecht mit einem vergleichba­ ren Vorwerfbarkeitsvorwurf versehen. Dies wird an der gleichen Strafandrohung von §  263 und §  266 StGB ebenso deutlich wie durch den Umstand, dass die Regel­ beispiele des Betrugstatbestands nach §  266 Abs.  2 StGB auch auf den Untreuetatbe­ stand Anwendung finden. Auf beide Tatbestände werden zudem die Vorschriften der §§  243 Abs.  2, 247, 248a StGB entsprechend angewandt. Die strafrechtliche (Be)Wertung legt damit eine Vergleichbarkeit der Situationen nahe, die eine Übertragung der zu §  138 BGB entwickelten Grundsätze auch auf die Moderationssituation erlauben würde. c) Rechtlich-situative Vergleichbarkeit Allein die Vergleichbarkeit des Verhaltens genügt vorliegend nicht. Hinzukommen muss eine rechtlich situative Vergleichbarkeit, mit anderen Worten: Die aus der Be­ trachtung der strafrechtlichen Vorschriften destillierte Vergleichbarkeit müsste sich fortsetzen im Rahmen der zivilrechtlichen Analyse. Das ist nicht der Fall. Dies hat zwei Ursachen. Das Zivilrecht setzt erstens nicht bei dem zu schützenden Rechtsgut des Vermögens und der dieses Rechtsgut schädigenden Handlungen an, sondern die Aufgabe der hier in Rede stehenden vertragsrechtlichen Vorschriften ist jeweils der Schutz der Entscheidungsfreiheit des einzelnen Vertragspartners. Dieser unterschiedliche dogmatische Ausgangspunkt sorgt dann auch zweitens dafür, dass Drei-Personen-Konstellationen, wie auch die Moderation eine ist, unterschiedlich gelöst werden. 698 MünchKommStGB/Hefendehl,

§  263 Rn.  326. §  263 Rn.  1. 700  Vgl. BeckOK-StGB/Beukelmann, §  263 Rn.  1 m. w. N. 701  BGH v. 17.11.1955 – 3 StR 234/55, BGHSt 8, 254 ff.; BGH v. 07.12.1959 – GSSt 1/59, BGHSt 14, 38, 47; BGH v. 04.11.1997 – 1 StR 273/97, BGHSt 43, 297. 702  Fischer, StGB, §  266 Rn.  2. 699 BeckOK-StGB/Beukelmann,

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F. Absicherung der gesteigerten Legitimation

d) Rechtsgutorientierung Die Sicht auf die unterschiedliche Ausrichtung wird auf den ersten Blick durch die vermeintliche Parallelität der Vorschriften der §  123 Abs.  1 BGB und §  263 Abs.  1 StGB versperrt. Denn die Anforderungen an eine tatbestandliche Täuschungshand­ lung werden hier wie dort gleich beurteilt.703 Damit endet die Parallelität jedoch. Voraussetzung für eine Strafbarkeit ist ein Vermögensschaden. Das verlangt das Zi­ vilrecht nicht. Selbst der „beste“ Vertrag kann angefochten werden, wenn er infolge einer Täuschung zustande kam. Auch im Hinblick auf die Vorschriften der §  266 StGB einerseits und der §§  138, 242 BGB andererseits besteht eine Parallelität wiederum nur in Bezug auf die Hand­ lung, die jeweils im Abschluss des Vertrags durch den Stellvertreter besteht, der im Fall des Strafrechts den Vertretenen schädigt, dessen Vermögen eigentlich gerade zu betreuen war und im Fall des Zivilrechts durch ein kollusives Zusammenwirken bzw. einen sonstigen Missbrauch der Vertretungsmacht entsteht. Wieder zeigen sich die Differenzen: Wieder ist die bloße Handlung nicht strafbar, wenn sie nicht einen Vermögensschaden verursacht. Und wieder verlangt das Zivil­ recht einen solchen Vermögensschaden gerade nicht, sondern stellt auf die Frage der Sittenwidrigkeit ab, die sich durch einen Vertragsschluss „hinter dem Rücken“ des Vertretenen auszeichnet. e) Ergebnis Diese fehlende Parallelität in der Rechtsgutorientierung deutet im Hinblick auf die Frage des Nutzens der §§  138, 242 BGB für die Moderationssituation auf eines hin: Der Angriff des Moderators auf die Entscheidungsfreiheit ist als Täuschung dort zu verorten, wo die Täuschung auch zivilrechtlich zu verorten ist, d. h. bei §  123 BGB und nicht bei §§  138, 242 BGB. f) Konfliktlösungsmonopol Dieses Ergebnis wird gestützt durch die Erkenntnis, dass eine Übertragung der zum Missbrauch der Vertretungsmacht entwickelten Wertungen auf die Moderationssitu­ ation keine weiterführenden Ergebnisse liefert. Folgt man der in Bezug auf den Miss­ brauch der Vertretungsmacht geäußerten Ansicht, der zufolge die Fälle des Miss­ brauchs der Vertretungsmacht wie die Fälle der fehlenden Vertretungsmacht zu be­ handeln sind,704 dann lässt sich mit der – entsprechenden – Anwendung des Stellvertretungsrechts auf die Fälle der Moderation kein Erkenntnisgewinn generie­ ren. Für die originären Fälle des Missbrauchs ist eine Anwendung des Stellvertre­ tungsrechts sinnvoll, weil sie den „Opfern“ des Missbrauchs die bestmögliche Posi­ tion einräumt. Der Vertretene wird entsprechend §  177 Abs.  1 BGB in die Situation versetzt, den Vertrag, obwohl er unter missbräuchlichem Einsatz der Vertretungs­ macht geschlossen wurde, noch zu genehmigen. Das gibt ihm insofern die bestmög­ 703 

Vgl. nur BeckOGK/Rehberg, BGB, §  123 Rn.  13; Arnold, in: Erman, BGB, §  123 Rn.  11. §  164 Rn.  230 f.

704 MünchKommBGB/Schubert,

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liche Position. Genehmigt der Vertretene den Vertrag nicht, was bei einem Miss­ brauch regelmäßig der Fall sein dürfte, dann haftet der Vertreter wie ein Vertreter ohne Vertretungsmacht. In der Folge entsteht analog §  179 BGB im Verhältnis des Vertreters zum Vertragspartner eine interessengerechte Situation. Denn der Vertre­ ter haftet diesem gegenüber nach dessen Wahl auf Erfüllung oder Schadensersatz. Die Haftung ist gemäß §  179 Abs.  3 BGB ausgeschlossen, wenn der Vertragspartner den Mangel kannte oder kennen musste. Auch hier eröffnet die Vorschrift also die Möglichkeit, den Beitrag des Vertragspartners zu berücksichtigen. Ohne die analoge Anwendung detailliert analysieren zu müssen, lässt sich bereits an dieser Stelle fol­ gern, dass eine solche Anwendung des Stellvertretungsrechts auf die Fälle der Mode­ ration keinen Sinn machen würde. Das liegt am Konfliktlösungsmonopol der Partei­ en des moderierten Vertrags. Dies soll den Umstand bezeichnen, dass in der beson­ deren Situation der Moderation eine monopolhafte Situation besteht. Der Moderator wird häufig gerade deswegen zur Moderation hinzugezogen, weil die Parteien sich mit der jeweils anderen Partei einigen müssen, insbesondere, weil sie ihre Nachfrage nicht mithilfe eines Anderen bedienen können. Abstrahiert lässt sich dies dann eben mit dem Konflikt erfassen. Den Wunsch, den Konflikt beizulegen, können die Par­ teien nur durch eine Einigung mit der jeweils anderen Partei erreichen. Diesen Wunsch kann der Moderator weder lösen, indem er selbst Partei des moderierten Vertrags wird, noch durch die Zahlung eines Schadensersatzes. Das sind jedoch die Möglichkeiten, die eine entsprechende Anwendung des Stellvertretungsrechts böte. So interessengerecht deren analoge Anwendung auf die Fälle des Missbrauchs der Vertretungsmacht erscheint, so wenig werden die Rechtsfolgen der Situation des mo­ derierten Vertrags gerecht. Was bleibt, ist das kollusive Zusammenwirken einer Partei mit dem Moderator. Ein offen einseitiges Vorgehen zum Nachteil einer Partei wird ebenso selten wie sit­ tenwidrig sein. Ein vor dem Geschädigten versteckter Angriff ist, wegen der in der Moderationssituation aber stets notwendigen Täuschung705 über die Anwendung des §  123 Abs.  1 BGB abgedeckt. Die zusätzliche Anwendung der §§  138, 242 BGB bringt an dieser Stelle keine Erhöhung des Schutzniveaus. Darüber sind einige aus dem Begriff der Sittenwidrigkeit folgende Wertungen he­ rauszustellen, die auch für die Analyse des moderierten Vertrags Bedeutung entfal­ ten.

3. Sittenwidrigkeit Dabei ist hier nicht die Frage relevant, ob ein Rechtsgeschäft sittenwidrig ist, son­ dern die Art und Weise, wie ein solcher Verstoß festgestellt wird. Nach Aussage des BGH beurteilt sich die Sittenwidrigkeit eines Rechtsgeschäfts entsprechend dessen Gesamtcharakter aus der Gesamtwürdigung von Inhalt, Zweck und Beweggrund des Rechtsgeschäfts.706 Er bezeichnet dies als „Zusammenspiel beweglicher Elemen­ 705 

Weil der Moderator die Moderationspartei nicht wie ein Vertreter rechtlich binden kann. Maurer, Das bewegliche System zur Konkretisierung der Sittenwidrigkeit im Sinne des

706 So

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F. Absicherung der gesteigerten Legitimation

te“.707 Mit dieser Formulierung nimmt die Rechtsprechung Bezug auf das von Wilburg 708 erdachte, sogenannte Bewegliche System.709 Die Feststellung der Sittenwid­ rigkeit im Sinne des §  138 Abs.  1 BGB wird heute als ein – neben anderen – Anwen­ dungsfall dieses Systems angesehen.710 Dessen Funktionsweise zeichnet sich im Fall der Sittenwidrigkeit dadurch aus, dass nicht feste, stets identische Tatsachen für die Subsumtion vorliegen müssen, sondern es vielmehr lediglich Indizien sind, die von Rechtsprechung und Wissenschaft erdacht wurden711 und die, eben als Indizien, auf eine Sittenwidrigkeit des Rechtsgeschäfts hindeuten. Ob dies dann aber letztlich der Fall ist, muss eine Gesamtwürdigung der im konkreten Fall vorliegenden Indizien ergeben.712 Hierbei ist – und das ist ein Kennzeichen des Beweglichen Systems – zu berücksichtigen, dass die Indizien beweglich und austauschbar sind. Ein Indiz allei­ ne wird nicht ausreichen, um das Vorliegen von Sittenwidrigkeit zu begründen. Die Feststellung, dass ein Rechtsgeschäft gegen §  138 Abs.  1 BGB verstößt, lässt sich re­ gelmäßig erst aufgrund des Zusammenwirkens mehrerer Sittenwidrigkeitsindizien anstellen.713 Ob ein bilateraler Vertrag also gegen das Verbot der Sittenwidrigkeit verstößt, wird anhand von Indizien im Wege eines Beweglichen Systems beurteilt, welches dann festlegt, wann einem Vertrag die Geltung zu versagen ist und wann nicht.714 Es wird Anliegen dieser Untersuchung sein, im folgenden, letzten Kapitel ein Bewegli­ ches System des moderierten Vertrags an sich zu entwickeln. Als letzte Vorarbeit zur Erstellung dieses Beweglichen Systems des moderierten Vertrags ist im Rahmen der Analyse des §  138 BGB noch die sogenannte verwerfliche Gesinnung und ihre Vermutung etwas näher zu betrachten.

§  826 BGB, S.  82, mit Verweis auf RG v. 14.12.1903 – II 185/03, RGZ 56, 229, 231; BGH v. 21.12.1960 – VIII ZR 1/60, BGHZ 34, 169, 176 – Umgehung amerikanischer Embargo-Bestimmungen; BGH v. 07.06.1988 – IX ZR 285/86, NJW 1988, 2599, 2602; BGH v. 10.10.1997 – V ZR 74/96, NJW-RR 1998, 590, 591; BGH v. 06.02.2009 – V ZR 130/08, NJW 2009, 1346, Rn.  10; BGH v. 02.02.2012 – III ZR 60/11, BeckRS 2012, 4157, Rn.  20 – Treuhandabrede. 707  BGH v. 02.02.2012 – III ZR 60/11, BeckRS 2012, 4157, Rn.  20; vgl. die Dartstellung bei Maurer, Das bewegliche System zur Konkretisierung der Sittenwidrigkeit im Sinne des §  826 BGB, S.  82. 708 Vgl. Wilburg, Entwicklung eines beweglichen Systems im Bürgerlichen Recht, S.  4. 709  So auch MünchKommBGB/Armbrüster, §  138 Rn.  29. 710 Staudinger/Sack/Fischinger, BGB, §   138 Rn.   120; MünchKommBGB/Armbrüster, §  138 Rn.  29; Mayer-Maly, in: v. Bydlinski/Krejci/Schilcher/Steininger, Das Bewegliche System im gel­ tenden und zukünftigen Recht, 117, 123. 711  Zu diesen Indizien vgl. etwa Mayer-Maly, in: v. Bydlinski/Krejci/Schilcher/Steininger, Das Bewegliche System im geltenden und zukünftigen Recht, S.  117, 122. 712  Maurer, Das bewegliche System zur Konkretisierung der Sittenwidrigkeit im Sinne des §  826 BGB, S.  84; MünchKommBGB/Armbrüster, §  138 Rn.  30; Müssigbrodt, JA 1980, 697, 698 mit Nach­ weisen aus der Rechtsprechung. 713  Mayer-Maly, in: v. Bydlinski/Krejci/Schilcher/Steininger, Das Bewegliche System im gelten­ den und zukünftigen Recht, S.  117, 122. 714  Zu den Funktionen des §  138 BGB vgl. Mayer-Maly, in: v. Bydlinski/Krejci/Schilcher/Stei­ ninger, Das Bewegliche System im geltenden und zukünftigen Recht, S.  117.

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4. Die verwerfliche Gesinnung und ihre Vermutung Dabei ist die Analyse des sogenannten wucherähnlichen Rechtsgeschäfts von Bedeu­ tung, welches nicht unter den Wuchertatbestand des §  138 Abs.  2 BGB fällt, sondern gegen die guten Sitten nach §  138 Abs.  1 BGB verstößt. Ein dann sogenanntes wucherähnliches Rechtsgeschäft, das als sittenwidrig ein­ gestuft wird, liegt vor, wenn neben einem objektiv vorliegenden Missverhältnis zwi­ schen Leistung und Gegenleistung eine verwerfliche Gesinnung aufseiten des Ver­ tragspartners vorliegt. a) Die verwerfliche Gesinnung Die verwerfliche Gesinnung muss also, als subjektives Tatbestandsmerkmal des Schädigers, hinzutreten zur sich aus dem objektiven Inhalt des Vertrags ergebenden Schieflage im Verhältnis der Leistung zur Gegenleistung.715 Eine solche Gesinnung setzt dem BGH zufolge voraus, dass dem Vertragspartner bewusst ist oder er sich grob fahrlässig der Einsicht verschließt, dass der Geschädigte nur unter dem Zwang der Verhältnisse oder aus anderen, die freie Willensentschließung beeinträchtigenden Umständen, wie einem Mangel an Urteilsvermögen oder wegen einer erheblichen Willensschwäche, sich auf den für ihn ungünstigen Vertrag einlässt.716 Für die ver­ werfliche Gesinnung reicht es also – entgegen ihres Wortlauts – aus, dass dem Be­ günstigten das Missverhältnis erkennbar ist, die besondere Vorteilhaftigkeit des Ge­ schäfts muss ihm nicht bewusst sein.717 b) Verwerfliche Gesinnung und Moderation Das Tatbestandsmerkmal der verwerflichen Gesinnung gerät nicht wegen seiner ur­ sprünglichen Funktion in den Fokus dieser Untersuchung, sondern wegen seiner Rolle für die Analyse des moderierten Vertrags. Hierbei konnte bis dato die beson­ dere Interessenlage des Moderators herausgearbeitet werden, die verkürzt gesagt da­ rin besteht, erstens die gute Vermittlung zu schulden, zweitens am geschlossenen Vertrag nicht zu partizipieren und drittens vor dem Hintergrund der zwei erstge­ nannten Faktoren ein Interesse daran zu haben, dass ein Vertrag geschlossen wird, welches jedoch nicht den Vertragsinhalt umfasst. Wenn jetzt der Moderator mit Blick auf diese Grundkonstellation der Moderation sein Interesse an einem erfolgreichen Abschluss über das der Parteien an einer fairen und gerechten Lösung ihres Konflikts stellt, handelt er dann in verwerflicher Gesin­ nung? Man wird dies mit Blick auf die oben genannte Definition einerseits und den schon herausgearbeiteten Umstand, dass der Moderator Garant der Selbstbestim­ 715  Dies gilt auch im Arbeitsrecht vgl. BAG v. 18.11.2015 – 5 AZR 751/13, AP BGB §  138 Nr.  72, Rn.  13. 716  BGH v. 09.10.2009 – V ZR 178/08, NJW 2010, 36, Rn.  10; BGH v. 19.01.2001 – V ZR 437/99, BGHZ 146, 298, 302; BGH v. 05.10.2001 – V ZR 237/00, NJW 2002, 429, 432; vgl. auch Soergel/ Hefermehl, BGB, §  138 Rn.  73. 717 MünchKommBGB/Armbrüster, §   138 Rn.   116; Staudinger/Sack/Fischinger, BGB, §   138 Rn.  317.

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mung ist, andererseits, bejahen können. Wenn der Moderator manipulativ tätig wird, um einen Vertragsschluss zu erreichen, liegt darin ein die freie Willensentschließung ausschließender Umstand, (auch) im Sinne der obigen Definition der verwerflichen Gesinnung. Diese Feststellung ist noch wenig überraschend. Von Interesse ist viel­ mehr der Nachweis dieser verwerflichen Gesinnung. c) Die Vermutung und ihre Widerlegbarkeit Ein solches Tatbestandsmerkmal aus der Sicht des Gerichts bzw. Normsetzers zu fordern ist das eine, es im Streitfall zu beweisen das andere. Das gilt insbesondere für subjektive Tatbestandsmerkmale, da die verwerfliche Gesinnung allein im Kopf des Vertragspartners gebildet wird. Wenn dieser – was unwahrscheinlich ist – eine solche nicht einräumt, muss der Geschädigte diese beweisen. Denn auch in Bezug auf den Tatbestand des wucherähnlichen Rechtsgeschäfts gilt: Wer sich auf die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts beruft, trägt die Beweislast für die objektiven und subjektiven Voraussetzungen der Sittenwidrigkeit.718 Der Nachweis eines subjektiven Tatbestan­ des geschieht häufig nicht direkt, sondern lässt sich oft nur mittelbar über die Aus­ wertung von objektiv verfügbaren Tatsache erreichen. Dabei kann in manchen Fall­ gestaltungen Art und Ausmaß der objektiven Umstände eine Vermutung für das Vorliegen der subjektiven Tatbestandsmerkmale begründen.719 So ist es auch hier. BGH720 und BAG721 haben jeweils eine Vermutungsregel dahingehend aufgestellt, dass aus einem besonders groben Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleis­ tung eine Vermutung dafür spreche, dass der Vertragspartner zudem in verwerfli­ cher Gesinnung gehandelt habe.722 d) Dogmatische Grundlage Diese Vermutung hat ihre gedankliche Stütze in dem laut BGH auf Lebenserfahrung basierenden Erfahrungssatz, wonach außergewöhnliche Gegenleistungen nicht ohne Not oder andere den Benachteiligten hindernde Umstände zugestanden würden und auch der Begünstigte diese Erfahrung teile.723 e) Funktionsweise Liegt das von der Vermutungsregel geforderte besonders grobe Missverhältnis zwi­ schen Leistung und Gegenleistung vor, dann folgt daraus für den Tatrichter eine 718 

Jung, ZGS 2005, 95, 99.

719 Staudinger/Sack/Fischinger,

BGB, §  138 Rn.  291. BGH v. 19.02.2003 – XII ZR 142/00, NJW 2003, 1860, 1861. 721  BAG v. 18.11.2015 – 5 AZR 751/13, AP BGB §  138 Nr.  72, Rn.  13. 722  Vgl. die Darstellung bei Soergel/Hefermehl, BGB, §  138 Rn.  73 mit diversen Nachweisen aus der Rspr.; MünchKommBGB/Armbrüster, §  138 Rn.  116; Staudinger/Sack/Fischinger, BGB, §  138 Rn.  291. 723  So etwa BGH v. 28.03.2012 − VIII ZR 244/10, NJW 2012, 2723, Rn.  19; BGH v. 19.01.2001 − V ZR 437/99, BGHZ 146, 298, 302 f.; BGH v. 05.10.2001 − V ZR 237/00, NJW 2002, 429, jeweils m. w. N.; vgl. auch Jung, ZGS 2005, 95, 99; BeckOGK/Jakl, BGB, §  138 Rn.  176; Staudinger/Sack/ Fischinger, BGB, §  138 Rn.  317. 720 

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beweiserleichternde tatsächliche Vermutung zugunsten des Vorliegens einer ver­ werflichen Gesinnung, die auch im Rahmen der Beweiswürdigung zu berücksichti­ gen ist.724 Für den Geschädigten bedeutet dies, dass er die verwerfliche Gesinnung zwar vor­ tragen,725 die verwerfliche Gesinnung aber nicht beweisen muss, wenn es ihm ge­ lingt, das objektiv auffällige Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung zu beweisen.726 Schon aus der bloßen Tatsache, dass es sich um eine Vermutung han­ delt, folgt ihre Widerlegbarkeit. Das gilt auch für die hier in Rede stehende Vermu­ tung der verwerflichen Gesinnung.727

5. Bedeutung für die Moderation Es geht nicht darum, die bestehenden Erkenntnisse zu §  138 BGB weiterzuentwi­ ckeln bzw. neue hinzuzufügen. Es geht vielmehr um die Klärung der Frage, ob sich aus den bestehenden Ergebnissen zu §  138 Abs.  1 BGB Erkenntnisse auch für den moderierten Vertrag generieren lassen. Das bedeutet insbesondere, ob sich wie im Fall der verwerflichen Gesinnung des Vertragspartners ebenfalls eine Vermutungs­ regelung entwickeln lässt, die den Rückschluss erlaubt auf die zu missbilligende Mo­ tivationslage des Moderators. Bevor allerdings über eine solche Übertragung kon­ kreter nachgedacht werden kann, sind die Argumente zu hören, die bereits im Rah­ men des §  138 BGB gegen das Tatbestandsmerkmal der verwerflichen Gesinnung bzw. gegen die darauf bezogene Vermutungsregelung ins Feld geführt werden. a) Kritik Die Kritik setzt sowohl beim subjektiven Tatbestandsmerkmal als auch bei der Ver­ mutungsregelung an. Im Hinblick auf die Forderung der verwerflichen Gesinnung als Tatbestands­ merkmal lässt sich die Kritik in dem Argument zusammenfassen, dass der Vertrag nicht aufgrund eines Umstands unwirksam sein könne, der auf der anderen Seite nicht seine Wirksamkeit begründe. Dabei ist zunächst – ganz im Sinne des Satzes volenti non fit inuiria – festzuhalten, dass es für die wirksame Begründung einer rechtsgeschäftlichen Verpflichtung umso weniger auf das Verhältnis der Leistungen zueinander ankommt, je unmittelbarer die vereinbarte Rechtsfolge vom Willen der Parteien getragen und je besser die Willensbildung qualifiziert ist.728 Voraussetzung der notwendigen Selbstbestimmung ist eine freie Abwägung der mit einem Vertrags­ 724 BeckOGK/Jakl,

BGB, §  138 Rn.  707. An den Vortrag sind jedoch nicht so hohe Anforderungen zu stellen, vgl. Nassall, in: Herber­ ger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, §  138 Rn.  309. 726  Nassall, in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, §  138 Rn.  309. 727  Siehe nur MünchKommBGB/Armbrüster, §  138 Rn.  116 mit Bsp. zur erfolgreichen Widerle­ gung. 728  So formuliert Jung, ZGS 2005, 95, 98 unter Verweis auf Bydlinski, Privatautonomie und ob­ jektive Grundlagen des verpflichtenden Rechtsgeschäfts, S.  174, der dort das Bewegliche System des gültigen Rechtsgeschäfts entwickelt hat. 725 

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F. Absicherung der gesteigerten Legitimation

schluss verbundenen Vor- und Nachteile. Eine Entscheidung, die umso weniger möglich ist, je stärker ein Vertragspartner auf die Vertragsleistung des anderen ange­ wiesen ist.729 In diesem beweglichen System der Voraussetzungen eines gültigen Rechtsge­ schäfts kommt die subjektive Motivationslage des Vertragspartners, wie Jung zutref­ fend äußert, nicht vor. Deswegen dürfe bei einer die vertragstheorethischen Grundsätze wahrenden Aus­ legung nicht die Bewertung des Gewinnstrebens aufseiten des Vertragspartners im Vordergrund stehen, sondern es müsse die Frage in den Fokus gerückt werden, ob der Benachteiligte auf Grundlage einer freien und selbstbestimmten Entscheidung den Vertrag geschlossen hat. Wenn diese Entscheidungsfreiheit nicht beeinträchtigt sei, komme es im Rahmen der Sittenwidrigkeitsprüfung auf eine wie auch immer geartete Gesinnung des anderen Vertragspartners nicht an.730 Lehnt man mit den geschilderten Argumenten die Notwendigkeit einer verwerfli­ chen Gesinnung ab, so kann auch die hierauf bezogene Vermutungsregel nicht ohne Kritik bleiben, allein deshalb, weil – so Jung – sie sich auf ein im Rahmen der Ver­ tragsrechtsdogmatik sachfremdes Substrat bezöge.731 Darüber hinaus fehle dem Er­ fahrungssatz, der der Vermutungsregel an sich zugrunde liegt und diese begründet, das erforderliche Maß an Typizität, d. h., es sei gerade kein Erfahrungssatz vorhan­ den, wonach außergewöhnliche Gegenleistungen nicht ohne Not oder andere den Benachteiligten hindernde Umstände zugestanden würden und auch der Begünstig­ te diese Erfahrung teile.732 b) Gegenargumentation Die Einwände verfügen über eine argumentative Kraft, die sich jedoch abschließend erst beurteilen lässt, wenn auch die Überlegungen der Rechtsprechung, die zur For­ derung der verwerflichen Gesinnung geführt haben, betrachtet worden sind. Das Argument der Rechtsprechung ist dabei weniger vertragsdogmatisch als his­ torisch-systematisch zu verorten. Ausgangspunkt ist die Feststellung, dass die Schöpfer des BGB sich bewusst gegen eine Aufnahme der laesio enormis ins BGB entschieden haben, anders als etwa der österreichische Gesetzgeber.733 Würde man jetzt allerdings die Voraussetzung der verwerflichen Gesinnung streichen und nur noch auf das Leistungsverhältnis abstellen, dann wäre faktisch eben doch eine laesio enormis ins BGB eingeführt.734 Damit das nicht geschehe, sei das subjektive Tatbe­ standsmerkmal der verwerflichen Gesinnung notwendig.

729 

Jung, ZGS 2005, 95, 98. Jung, ZGS 2005, 95, 98. 731  Jung, ZGS 2005, 95, 99. 732  Jung, ZGS 2005, 95, 100. 733  Vgl. 934 ABGB. 734  Vgl. nur BGH v. 12.05.1981 – III ZR 92/79, BGHZ 80, 153 ff., Rn.  14. 730 

V. Missbrauchskontrolle und moderierter Vertrag, §§  138, 242 BGB

563

c) Bedeutung für die Moderation Die Frage muss an dieser Stelle nicht weiter untersucht werden; es geht schließlich (lediglich) um eine mögliche Übertragbarkeit der entwickelten Grundsätze auf die Situation der Moderation. Dabei sind die für den bilateralen Vertrag geltenden Grundsätze hinreichend analysiert, um sowohl eine Übertragbarkeit der verwerfli­ chen Gesinnung als auch der diesbezüglichen Vermutungsregelung ausschließen zu können. d) Verwerfliche Gesinnung Im Hinblick auf die Motivation des Moderators und ihrer Beachtung bei der Frage der Wirksamkeit des moderierten Vertrags lässt sich nach den vorstehenden Ausfüh­ rungen nur für deren Unbeachtlichkeit plädieren. Denn schon die Frage der Berück­ sichtigungsfähigkeit der Gesinnung des Vertragspartners ist umstritten und wird mit der Vermeidung einer laesio enormis begründet. Dieses Argument für die Be­ rücksichtigung gilt im Falle der Moderation allerdings gerade nicht, weil der Mode­ rator kein Vertragspartner ist. Durch ein Abstellen auf seine Motivation würde inso­ fern nichts erreicht, weil man dann weiterhin zusätzlich – wollte man eine laesio enormis verhindern – auf die verwerfliche Gesinnung des Vertragspartners rekurrie­ ren müsste. Damit fehlt es an dieser Stelle aber an der Begründung für eine Berück­ sichtigung. Es bleibt die zutreffende Aussage, dass die Wirksamkeit eines Vertrags nicht von der Gesinnung des Vertragspartners abhängen sollte. Mit der Abmilde­ rung des einen geht die Stärkung des anderen Arguments einher: Wenn die Wirk­ samkeit eines Vertrags nicht von der Motivation des schädigenden Vertragspartners abhängen sollte, gilt dies erst recht für die Motivationslage von jemanden, der gar nicht an dem Vertrag, dessen Gültigkeit zu beurteilen ist, partizipiert. e) Vermutungsregelung Dieser traurige Befund ist ebenfalls für die zu §  138 Abs.  1 BGB entwickelte Vermu­ tungsregelung zu treffen, deren Übertragbarkeit an den Besonderheiten der Modera­ tionssituation scheitert. Denn unabhängig davon, ob man mit der Kritik an dem Ver­ mutungstatbestand dessen dogmatische Grundlage stets in Abrede stellen will, so ist doch festzuhalten, dass sie jedenfalls im Rahmen der Moderationssituation nicht greift. Konkret ausgedrückt bedeutet dies, dass dahinstehen kann, ob es einen Er­ fahrungssatz dahingehend gibt, dass außergewöhnliche Gegenleistungen nicht ohne Not oder andere den Beteiligten hindernde Umstände zugestanden werden. Für die Moderation kann ein solcher Satz jedenfalls nicht formuliert werden. Denn einem solchen Satz steht die konfliktbereinigende Funktion der Moderation entgegen. Die­ ser Konflikt und seine Lösung kann dazu führen, dass die Parteien, evtl. gerade mit­ hilfe des Moderators, im moderierten Vertrag Leistungen vereinbaren, die bei bloßer Betrachtung des Vertragsinhalts als einseitig bevorteilend erscheinen, es aber wegen der besonderen Situation der Moderation nicht sind. Das wird nicht die Regel sein. Jedoch steht dies der Annahme eines Erfahrungssatzes, wie er im bilateralen Nor­ malfall angewandt wird, entgegen.

564

F. Absicherung der gesteigerten Legitimation

VI. Rechtliche Absicherung der gesteigerten Legitimation Die Analyse, die im Rahmen dieses Kapitels angestellt wurde, zielte auf die Beant­ wortung der Frage, ob die gesteigerte Legitimation, die für den moderierten Vertrag im vorhergehenden Kapitel festgestellt wurde, de lege lata eine adäquate Absiche­ rung findet. Weil die gesteigerte Legitimation des moderierten Vertrags ihre Ursache in der Beteiligung des Moderators hat, der seine Tätigkeit unabhängig und neutral, d. h. insbesondere nicht manipulativ ausübt, waren die bestehenden gesetzlichen Rege­ lungen spiegelbildlich darauf hin zu untersuchen, ob sie den moderierten Vertrag ausreichend vor einem Verstoß gegen das Neutralitätsgebot schützen. Das Ergebnis kann nicht zufriedenstellen. Bei der Analyse des §  779 Abs.  1 BGB konnte weder festgestellt werden, dass es sich bei einem moderierten Vertrag stets um einen Vergleich handelt, noch lässt sich der in §  779 Abs.  1 BGB enthaltene Unwirksamkeitsgrund zum Schutz des mode­ rierten Vertrags vor einer Manipulation durch den Moderator heranziehen. Die Un­ tersuchung des §  123 BGB ergab zwar zunächst, dass der Schutz vor einer die Wil­ lensbildung beeinträchtigenden Täuschung oder Drohung grundsätzlich durch die Einräumung eines Anfechtungsrechts gewährleistet werden kann. Die Hürden, die der Tatbestand des §  123 BGB vor eine Anfechtungsmöglichkeit sowohl infolge einer Täuschung als auch einer Drohung stellt, sind allerdings zu hoch. Im Rahmen der Betrachtung der Vorschrift des §  311 Abs.  2 BGB wurde für diese Untersuchung der Blick auf das Gebot des fairen Verhandelns gelenkt. Die auch be­ reits bei Vertragsverhandlungen geltende Pflicht, auf die Interessen der Gegenseite Rücksicht zu nehmen, machte die Vorschrift des §  311 Abs.  2 BGB für diese Untersu­ chung interessant. Auch aus der Analyse dieser Vorschrift konnte die sogenannte anerkennende Selbstbestimmung entwickelt werden. Diese ließ sich beschreiben als die an den Einzelnen durch die Rechtsordnung gestellte Bedingung, die Selbstbe­ stimmung seines Vertragspartners anzuerkennen, wenn der Vertrag durch die Rechtsordnung geschützt sein soll. Darüber hinaus führte die Betrachtung der Cul­ pa in contrahendo zur näheren Analyse des Gebots der fairen Verhandlung, das in­ zwischen zwar auch durch die Rechtsprechung anerkannt, aber nicht inhaltlich be­ stimmt worden ist. Zur inhaltlichen Erhellung des Gebots wurde die im anglo-ame­ rikanischen Recht existierende Rechtsfigur der undue influence herangezogen. Deren Analyse hat dann zunächst ebenfalls den Befund bestätigt, dass genaue Be­ grifflichkeiten, die eine rechtssichere Beschreibung ermöglichen, nicht existieren. Die Rechtsprechung hat jedoch Kriterien für den äußeren Ablauf der Verhandlungen entwickelt, die in ihrem Zusammenwirken eine ungebührliche Beeinflussung (undue influence) begründen können und die auch der deutschen Rechtsprechung nicht fremd sind. Im Hinblick auf die Frage, ob die ordnungsgemäße Moderation im Vorfeld des Vertragsschlusses eine Geschäftsgrundlage des moderierten Vertrags darstellt, war zunächst – ernüchternd – festzustellen, dass es in den hier interessierenden Fällen regelmäßig an einer Zweckstörung bzw. einer Beeinträchtigung des Äquivalenzver­

VI. Rechtliche Absicherung der gesteigerten Legitimation

565

hältnisses der im moderierten Vertrag vereinbarten Leistungen fehlt. Die Vorschrift lässt sich damit de lege lata für die Absicherung der gesteigerten Legitimation nicht ohne weiteres fruchtbar machen. Hierfür müsste vielmehr der Schritt weggegangen werden vom Abstellen auf Äquivalenz- und Zweckstörungen hin zu einer ebenfalls relevanten Störung innerhalb des Verhandlungsvorgangs, jedenfalls dann, wenn die­ ser nicht bloß bilateral ausgestaltet ist, sondern ein Dritter hieran beteiligt ist. Dass sich ein solcher Schritt argumentativ begründen ließe, hat die Untersuchung belegt. Die zur Missbrauchskontrolle des bilateralen Vertrags entwickelten Gedanken lassen sich nicht zur Absicherung der Legitimation auf die Situation des moderierten Ver­ trags übertragen. Das gilt namentlich für die zu den Fragen der verwerflichen Gesin­ nung sowie zur Vermutungsregelung des §  138 BGB angestellten Überlegungen. Damit bleibt ein in der Gesamtbilanz nicht zufriedenstellendes Ergebnis. Denn die Untersuchung hat gezeigt, dass der moderierte Vertrag über eine gesteigerte Le­ gitimation gegenüber dem bilateralen Normalvertrag verfügt, der ohne den Modera­ tor geschlossen wird. Diese gesteigerte Legitimation hat ihre Ursache in der Beteili­ gung des neutralen Moderators an den Vertragsverhandlungen. Damit wird eine Steigerung der Legitimation erreicht, die – anders als die sonstigen legitimatorischen Grundlagen von Urteil und Vertrag – keine (ausreichende) Absicherung durch das Recht erfährt. Weil dieses Ergebnis nicht zufriedenstellen kann, darf die Untersuchung an dieser Stelle nicht stehen bleiben. Vielmehr soll und wird auf die Feststellung, was fehlt, diejenige folgen, was zu schaffen ist, um die Lücke, die in der rechtlichen Absiche­ rung besteht, zu schließen. Dieser Aufgabe kommt die Untersuchung im folgenden Kapitel nach.

G. Das Bewegliche System des moderierten Vertrags Ein zentrales Ergebnis der bisherigen Analyse ist, dass der moderierte Vertrag einer­ seits über eine gegenüber dem bilateralen „Normalvertrag“ gesteigerte Legitimation verfügt. Diese ist aber andererseits nicht adäquat rechtlich abgesichert. Daraus ent­ steht die Aufgabe, einen Gesetzesvorschlag zu unterbreiten, der diesen Zweck er­ füllt. Auf dieses Ziel steuern die Ausführungen dieses Kapitels zu. Auch wenn am Schluss ein Vorschlag zur Änderung des BGB stehen wird, ist dieses Kapitel nach der notwendigen Vorarbeit, die vor diesem Gesetzesvorschlag zu leisten ist, benannt. Die besondere rechtliche Konstellation, die den moderierten Vertrag beschreibt, soll im Wege eines Beweglichen Systems aufgezeigt werden. Denn die Darstellung eines Beweglichen Systems des moderierten Vertrags erfüllt gleich mehrere Funktionen. Es strukturiert zunächst die weitere wissenschaftliche Diskussion. Gegenstand wei­ terer Auseinandersetzung kann dann z. B. sein, ob dem Beweglichen System des mo­ derierten Vertrags weitere Elemente hinzuzufügen sind bzw. ob aufgeführte Ele­ mente zu streichen sind. Darüber wird auch das Verhältnis der Elemente, so, wie es hier skizziert wird, zur Diskussion gestellt. Im Sinne dessen, was Wilburg ursprünglich mit „seinem“ Beweglichen System be­ zweckte,1 können die folgenden Skizzierungen aber auch Leitplanke und Richtschnur für den gesetzgeberischen Weg zur Normierung von Regelungen betreffend den mo­ derierten Vertrag sein. Auch insofern wird – auf Basis des hier entwickelten Beweg­ lichen Systems – ein Vorschlag für eine gesetzliche Regelung formuliert, die den Be­ sonderheiten des moderierten Vertrags Rechnung trägt und seine legitimatorische Basis sichert. Das Bewegliche System wird zur Konkretisierung diverser Tatbestände herange­ zogen, insbesondere bei unbestimmten Rechtsbegriffen. Dies wurde für die Frage der Sittenwidrigkeit bereits beschrieben 2 und gilt ebenso etwa für den mittlerweile gesetzlich fixierten Begriff des Arbeitnehmers.3 Das Bewegliche System wird zudem angewandt bei der zumindest in Deutschland4 allein auf richterrechtlicher Basis existierenden Haftungsprivilegierung von Arbeitnehmern5 sowie seitens des EuGH 1  Zur historischen Einordnung und Kritik vgl. Maurer, Das Bewegliche System zur Konkreti­ sierung der Sittenwidrigkeit bei §  826 BGB, S.  81 ff. 2  Siehe oben unter F.V.3. 3  Maties spricht demgegenüber von typologischer Methode und einer Gesamtschau, die anzu­ stellen sei, vgl. BeckOGK/Maties, BGB, §  611a Rn.  22 ff. 4 Zur Situation in Österreich vgl. Ostheim, in: v. Bydlinski/Krejci/Schilcher/Steininger, Das Bewegliche System im geltenden und zukünftigen Recht, S.  199, 207. 5  Siehe hierzu etwa BeckOK-BGB/Baumgärtner, §  611a Rn.  75.

I. Das Bewegliche System

567

bei der Beurteilung der Frage, wann ein Betriebsübergang vorliegt. 6 Darüber hinaus findet es Anwendung für die Bewältigung diverser weiterer Aufgaben, deren Vielfalt sich kaum noch überblicken lässt.7 Dies zeigt zudem, dass auch vor dem Hinter­ grund der existierenden Gesetzeslage das Bewegliche System durch den Norman­ wender herangezogen werden kann, wenn es um die rechtliche Beurteilung eines moderierten Vertrags geht. Die Vorarbeiten für das Bewegliche System des moderierten Vertrags sind abge­ schlossen. Es fehlt nur noch die knappe Darstellung dessen, was unter einem Beweg­ lichen System allgemein zu verstehen ist. Darauf folgt dann das Bewegliche System des moderierten Vertrags, aus dem dann der Vorschlag zur gesetzlichen Veranke­ rung des moderierten Vertrags gewonnen wird.

I. Das Bewegliche System Das Bewegliche System soll (auch) helfen bei der Beantwortung der Grundfrage der juristischen Tätigkeit danach, ob ein Lebenssachverhalt unter eine Rechtsnorm fällt oder nicht. 8 Häufig genügt hierzu eine Anwendung der regelmäßig starren gesetzli­ chen Tatbestände, die in einer „wenn-dann“ Beziehung stehen. Dies bedeutet, dass die Summe der Tatbestandsmerkmale die notwendige und hinreichende Bedingung der Rechtsfolge darstellt.9 Einige Lebenssachverhalte lassen sich durch diese Vorge­ hensweise rechtlich nicht oder nicht ausreichend erfassen, insbesondere dann, wenn sich eine tatsächliche Gegebenheit nicht monokausal – d. h. mit Hilfe eines oder mehrerer Tatbestandsmerkmale – erklären lässt.10 Für diese dann schwierigeren Fälle existieren zwei geläufige Vorgehensweisen zur Konkretisierung der gesetzlichen Vorgaben. Die Fallgruppenmethode11 einerseits und die Arbeit mit Rechtsprinzipien12 andererseits. Die Fallgruppenmethode bringt vor allem für den Praktiker den Vorteil, dass sich der aktuelle Fall leicht lösen lässt, wenn sich in der identifizierten Fallgruppe ein Präzedenzfall befindet. Dieser lässt sich dann zur Lösung des aktuellen Falles heran­ ziehen, indem zur Begründung der eigenen Entscheidung auf den Präzedenzfall ver­ wiesen oder dessen Begründung übernommen wird.13 6 

Grau/Hartmann, in: Preis/Sagan, Europäisches Arbeitsrecht, §  15 Rn.  15.38. Westerhoff, Die Elemente des Beweglichen Systems, S.  15. 8 Zur gedanklichen Ausgangssituation des Beweglichen Systems siehe auch Fischer, AcP 197 (1997), 589, 594 ff.; Maurer, Das Bewegliche System zur Konkretisierung der Sittenwidrigkeit im Sinne des §  826 BGB, S.  29 ff. 9  Maurer, Das Bewegliche System zur Konkretisierung der Sittenwidrigkeit im Sinne des §  826 BGB, S.  29. 10  Maurer, Das Bewegliche System zur Konkretisierung der Sittenwidrigkeit im Sinne des §  826 BGB, S.  29. 11  Maurer, Das Bewegliche System zur Konkretisierung der Sittenwidrigkeit im Sinne des §  826 BGB, S.  29 mit einer genaueren Auseinandersetzung. 12  Siehe auch Maurer, Das Bewegliche System zur Konkretisierung der Sittenwidrigkeit im Sin­ ne des §  826 BGB, S.  45. 13  Fischer, AcP 197 (1997), 589, 595. 7 

568

G. Das Bewegliche System des moderierten Vertrags

Darüber hinaus sind es die Rechtsprinzipien, deren Aussagen zur Lösung des nicht leicht zu subsumierenden Falles herangezogen werden. Diese Vorgehensweise besitzt innerhalb der juristischen Arbeit ebenso eine Existenzberechtigung wie die Fallgruppenmethode. Für die Arbeit mit Prinzipien gilt dann das, was Wilburg bei der ersten Schilderung seines Beweglichen Systems festgehalten hat: „Alle aufgestellten Prinzipien haben einen guten Sinn. Ihr Fehler liegt aber darin, dass sie die Alleinherrschaft anstreben und absolute Geltung in Anspruch nehmen wollen.“14

In diese Kerbe soll das Bewegliche System schlagen. Es soll die juristische Dogmatik nicht ersetzen, sondern nur ergänzen.15 Mit seiner Hilfe sollen auch komplexere Sachverhalte rechtlich eingeordnet und gegenüber den Beteiligten überzeugend(er) begründet werden können.16

1. Die drei Thesen des Beweglichen Systems Das dogmatische Fundament des Beweglichen Systems wird durch drei Thesen ge­ bildet, auf denen es gründet und mit deren Hilfe es sich abgrenzt von der Handha­ bung subsumierbarer Tatbestandsmerkmale.17 Die drei Thesen des Beweglichen Sys­ tems sind die Pluralitätsthese, die Abstufbarkeitsthese und die Abwägungsthese.18 a) Pluralitätsthese Aussage der Pluralitätsthese ist, dass in jedem größeren Rechtsgebiet und bei jeder schwierigen Problemlage nicht nur eine einzige entscheidungsleitende Grundmaxi­ me existiert. Es sind vielmehr mehrere rechtliche Wertungen, Zwecke, Elemente,19 Kriterien 20 oder Prinzipien wirksam.21 Mit dieser Pluralität geht jedoch keine Ufer­ losigkeit einher. Wenn auf der einen Seite durch die Pluralitätsthese die Prinzipien­ mehrheit gefordert wird, gilt in diesem Zusammenhang auch, dass die für die Ent­ scheidung des konkreten Falles zu berücksichtigenden Prinzipien zuvor herauszuar­ beiten und zu benennen sind. Die gefundenen Prinzipien dürfen, wenn es an die Entscheidung des Einzelfalles geht, weder vermehrt noch verringert werden.22 Durch diese Vielzahl der zu berücksichtigenden Prinzipien wird bereits an dieser Stelle der Unterschied zur syllogistischen Vorgehensweise deutlich, deren logischer

14 

Wilburg, Entwicklung eines Beweglichen Systems im Bürgerlichen Recht, S.  12. Fischer, AcP 197 (1997), 589, 601; zum Beweglichen System und der Kritik daran siehe auch Bachmann, Private Ordnung, S.  194 ff. 16  Fischer, AcP 197 (1997), 589, 603; vgl. auch Wilburg, AcP 163 (1963), 346. 17  Maurer, Das Bewegliche System zur Konkretisierung der Sittenwidrigkeit bei §   826 BGB, S.  75. 18  Erstmals so herausgearbeitet und bezeichnet von Bydlinski, AcP 204 (2004), 309, 332 f. 19 Den Begriff „Elemente“ verwendet Westerhoff, Die Elemente des Beweglichen Systems, S.  15 ff. 20  Fischer, AcP 197 (1997), 589, 607. 21  Bydlinski, AcP 204 (2004), 309, 332. 22  Bydlinski, AcP 204 (2004), 309, 332. 15 

I. Das Bewegliche System

569

(Rück-)Schluss jeweils nur den Vergleich des Lebenssachverhalts mit einer (einzigen) rechtlichen Vorgabe zulässt.23 b) Abstufbarkeitsthese Auch die Abstufbarkeitsthese lässt sich gut aus der Perspektive des Justizsyllogismus erfassen. Nach der Abstufbarkeitsthese sind die Elemente des Beweglichen Systems jeweils graduell abstufbare Begriffe. Das heißt, dass den Elementen des Beweglichen Systems nicht der die Tatbestandsmerkmale kennzeichnenden „Alles-oder-nichts“ Gedanke innewohnt, sondern diese jeweils graduell abstufbar sind im Sinne eines „Mehr-oder-weniger“.24 Diese Abstufbarkeit spricht zudem gegen die Verwendung des Begriffs „Prinzip“ an dieser Stelle, da mit diesem sprachlich der Absolutheitsan­ spruch einhergeht. Deshalb ist im Folgenden von „Elementen“ die Rede.25 c) Abwägungsthese Die Abwägungsthese beschreibt den Umgang mit Kollisionen. Stellt sich bei der Analyse des Einzelfalles heraus, dass mehrere, und vor allem: gegenläufige Elemente betroffen sind, so schließt die Abwägungsthese den pauschalen Vorrang eines Ele­ mentes aus und ordnet die Abwägung „nach definierter Spielart“26 im konkreten Fall an.27 Wie die Abwägung vollzogen werden soll, ist nicht für alle Beweglichen Syste­ me pauschal, sondern für jedes einzelne festzulegen, nachdem die einschlägigen Ele­ mente benannt worden sind.

2. Die Elemente des Beweglichen Systems Ausgehend von diesen Thesen, die das dogmatische Fundament des Beweglichen Systems bilden, gilt es dort, wo ein Bewegliches System installiert werden soll, die das jeweilige System kennzeichnenden Elemente zu benennen. Im Vergleich zur Vorgehensweise mittels der Orientierung an Fallgruppen oder Rechtsprinzipien gilt für die Elemente des Beweglichen Systems, dass deren Grad der Konkretisierung bildlich gesprochen in der Mitte anzusiedeln ist. Das heißt, die Elemente sollen einerseits abstrakter sein als Fallgruppen und andererseits konkreter als Rechtsprinzipien.28 Mit Blick auf diesen Abstraktionsgrad werden die Elemente 23  Maurer, Das Bewegliche System zur Konkretisierung der Sittenwidrigkeit bei §   826 BGB, S.  75 spricht in diesem Zusammenhang vom Beweglichen System als Gegenteil der subsumierenden Rechtsgewinnung. 24  Bydlinski, AcP 204 (2004), 309, 334; Maurer, Das Bewegliche System zur Konkretisierung der Sittenwidrigkeit bei §  826 BGB, S.  77. 25  Vgl. zur Wahl der Begrifflichkeit im Rahmen des Beweglichen Systems Westerhoff, Die Ele­ mente des Beweglichen Systems, S.  17 f. 26  Maurer, Das Bewegliche System zur Konkretisierung der Sittenwidrigkeit bei §   826 BGB, S.  268. 27 Vgl. Bydlinski, AcP 204 (2004), 309, 334; Maurer, Das Bewegliche System zur Konkretisierung der Sittenwidrigkeit bei §  826 BGB, S.  77. 28  Maurer, Das Bewegliche System zur Konkretisierung der Sittenwidrigkeit im Sinne des §  826 BGB, S.  227.

570

G. Das Bewegliche System des moderierten Vertrags

als „Prinzipien mittlerer Reichweite“ oder „Wertungsgedanken“ bezeichnet.29 Wich­ tiger als der Name ist der Weg, auf dem die Elemente herauszuarbeiten sind. Diesbe­ züglich lässt sich auf die ganz grundsätzliche Systematisierung aller möglichen Ele­ mente eines Beweglichen Systems des Privatrechts aufbauen.30 Die vorgeschlagene Gliederung erfolgt dabei in methodischer Hinsicht entsprechend der Gliederung der Zwecke im Strafrecht. Im Hinblick auf die möglichen Gründe, einer Partei einen Nachteil – etwa in der Loslösung vom moderierten Vertrag – aufzuerlegen, lassen sich Gruppen bilden. Erstens die Gruppe der betroffenen und zu bezeichnenden In­ teressen, zweitens die der sogenannten Einwilligung, d. h. der bewussten Inkaufnah­ me des Nachteils, drittens die der Vergeltung für Verschulden und viertens die Grup­ pe der Verpflichtungen aus sozialen (menschlichen) Bindungen.31 Für die Beantwor­ tung einer konkreten Fallfrage kommt es dann auf das Zusammenwirken der zuvor erarbeiteten Elemente „je nach Zahl und Stärke“ an.32 Das bedeutet, dass in einem ersten Schritt das Bewegliche System des moderierten Vertrags zu bilden ist, um mit dessen Hilfe die hier in Rede stehenden Fragen nach dem Schutz insbesondere vor der Manipulation des nicht neutralen Moderators zu beantworten. Um bei der Bildung des neuen Systems Anleihen nehmen zu können, wird zunächst ein kursorischer Blick auf bestehende und verwandte Bewegliche Sys­ teme geworfen. a) Bewegliche Systeme Eine Erwähnung verdienen zunächst die von Wilburg selbst erdachten Beweglichen Systeme. Diese beschäftigen sich mit dem außervertraglichen Anspruch auf Scha­ densersatz33 sowie „den Kräften, die bei einem Eingriff in ein fremdes Rechtsgut oder bei Empfang einer grundlosen Leistung für eine Ausgleichspflicht wirken kön­ nen, ohne dass für den Schuldner ein Bereicherungserfolg oder für den Gläubiger ein Schaden entstanden ist“.34 Der außervertragliche Schadensersatzanspruch lässt sich nach Wilburg auf ein Be­ wegliches System aus fünf Elementen stützen. Dies sind: – die Inanspruchnahme fremden Gutes oder dessen Gefährdung (erstens); – der Vorwurf eines Mangels, der der Rechtswidrigkeit nahesteht, aber auch das Verschulden in seinen verschiedenen Graden umfasst (zweitens); – die Intensität der Verursachung (drittens); – die Abwägung der Vermögenslage (viertens) sowie – die Idee der Konzentration von Vorteil und Gefahr in einem Unternehmen (fünf­ tens).35 29  Vgl. die Formulierungen bei Maurer, Das Bewegliche System zur Konkretisierung der Sitten­ widrigkeit im Sinne des §  826 BGB, S.  227. 30 Von Westerhoff, Die Elemente des Beweglichen Systems, S.  38. 31  Westerhoff, Die Elemente des Beweglichen Systems, S.  38. 32  Westerhoff, Die Elemente des Beweglichen Systems, S.  38. 33  Wilburg, AcP 163 (1963), 346. 34  Wilburg, AcP 163 (1963), 346, 356. 35  Wilburg, AcP 163 (1963), 346.

I. Das Bewegliche System

571

Es geht an dieser Stelle weniger um die Berechtigung dieser Elemente, sondern um deren vieldimensionales Wirken. Wilburg selbst benutzt an dieser Stelle die wortge­ waltige Beschreibung des „Zusammenwirkens der Elemente nach Zahl und Stär­ ke“.36 Darüber hinaus sollen die Elemente der zivilrechtlichen Zweipoligkeit des An­ spruchsdenkens Rechnung tragen, indem deren Zusammenwirken einen Ersatzan­ spruch dann einerseits begründet, andererseits jedoch Entlastungselemente aufseiten des Geschädigten gegen den Anspruch ins Gewicht fallen.37 In den Fällen des Eingriffs in ein fremdes Rechtsgut seien demgegenüber als ge­ fahr­überwälzende Kräfte zu erwägen: die Wissentlichkeit des Eingriffs, die im Sinne des Eingreifers interessengemäße Verwendung des Guts, der Wille des Eingreifers, ein vermeintlich eigenes Gut zu opfern, sowie dessen Fahrlässigkeit oder Veranlas­ sung.38 Darüber hinaus kommt – dies hat schon die Betrachtung der Vorschrift des §  138 BGB gezeigt – ein Bewegliches System an verschiedenen Stellen zum Einsatz. Neben der Frage der Sittenwidrigkeit im Rahmen des §  138 BGB wurde dies ebenfalls vor­ geschlagen für die Bestimmung der Sittenwidrigkeit innerhalb des Tatbestands von §  826 BGB39 sowie zur Beantwortung von Rechtsfolgenfragen im Recht des Scha­ densersatzes.40 Im Rahmen der letztgenannten Beweglichen Systeme ist ein Gedanke entwickelt worden, dem sowohl Allgemeingültigkeit attestiert wurde41 als auch eine Bedeutung für das Bewegliche System des moderierten Vertrags zukommt. Ausgangspunkt war die seinerzeit ungelöste und auch innerhalb der Rechtspre­ chung umstrittene Frage danach, ob der Schädiger dem Geschädigten einen Gelder­ satz für den entgangenen Gebrauch einer Sache auch dann zu leisten hat, wenn der Schädiger sich – zum Beispiel für die Zeit der Reparatur – keine Ersatzsache ange­ mietet hat. Zur Klärung dieser Grundsatzfrage42 entschied der Große Senat des BGH43 und begründete seine Entscheidung mit Argumenten, die auf dem Begriff des Schadens basierten. Weiterhin analysierte er, ob die in Rede stehende Entschädigung für die entzogene Nutzungsmöglichkeit des beschädigten Eigentums hierunter zu fassen sei. Unter Verwendung des Beweglichen Systems gelingt Flessner dann ein Perspektiv­ wechsel im Rahmen der Argumentation. Das heißt, er gelangt zu einer Veränderung der Fragestellung, die den gedanklichen Einstieg in die Argumentation begründet. Zu fragen sei nicht, ob die begehrte Entschädigung unter den Schadensbegriff falle, sondern welches die Wertungen seien, die den Schadensersatz bei tatsächlicher Er­ 36 

Wilburg, AcP 163 (1963), 346, 347. Wilburg, AcP 163 (1963), 346, 347. 38  Wilburg, AcP 163 (1963), 346, 356. 39 Von Maurer, Das Bewegliche System zur Konkretisierung der Sittenwidrigkeit im Sinne des §  826 BGB, passim. 40  Flessner, JZ 1987, 271 ff. 41 Von Fischer, AcP 197 (1997), 589, 599. 42 Nach Flessner, JZ 1987, 271, 280 fehlte es bereits an der Grundsätzlichkeit, die für eine Ent­ scheidung des Großen Senats nach der Regelung des damaligen §  137 GVG (heute: §  132 Abs.  4 GVG) notwendig ist. 43  BGH v. 09.07.1986 – GSZ 1/86, BGHZ 98, 212 ff. 37 

572

G. Das Bewegliche System des moderierten Vertrags

satzanmietung begründeten. Mithilfe dieser Wertungen lasse sich dann beurteilen, ob der Fall der tatsächlichen Ersatzanmietung dem Fall bloßen Gebrauchsentgangs so ähnlich sei, dass eine Lösung übertragbar ist.44 Es stünden dann, wenn nach dieser Methode gearbeitet werde, nicht die Dogmatik und das System des Schadensrechts im Vordergrund, sondern Typenerfassung und Analogisierung von Fallgruppen und Wertungen.45 Es ginge damit eben nicht um die Begründung einer Lösung auf Basis von Begriffsbildungen, sondern um den Vergleich des als problematisch angesehenen Falls mit einem weniger problematischen Fall, über dessen Beurteilung man sich si­ cherer ist und die ein Vorbild vielleicht auch für den problematischen Fall sein könn­ te.46 Für die Exemplifizierung an der Frage nach der schadensrechtlichen Behandlung der entgangenen Gebrauchsmöglichkeit galt es damit, in einem ersten Schritt die Wertungen herauszuarbeiten, die verantwortlich dafür sind, dem Geschädigten die Kosten einer tatsächlichen Anmietung zu ersetzen. Sind diese benannt, ist zu fragen, ob der nunmehr zu entscheidende Sachverhalt eine Veränderung innerhalb der die erste Entscheidung tragenden Wertungsgesichtspunkte hervorruft, die eine abwei­ chende Beurteilung erfordert.47 Im Falle der entgangenen Gebrauchsmöglichkeit war das nicht der Fall. Die Fälle unterschieden sich nur durch den Umstand, dass der Geschädigte in einem Fall eine andere Sache als zwischenzeitlichen Ersatz anmietet und in dem anderen nicht. Dieser Umstand findet sich aber nicht in den Elementen wieder, die den Schadensersatz im Falle der tatsächlichen Ersatzanmietung rechtfer­ tigen.48 Die Bestimmung der Elemente eines Beweglichen Systems kann also – dies hat Flessner gezeigt – einen Fallvergleich ermöglichen, der das Finden und die Begrün­ dung von Entscheidungen erleichtert. Dieser Umstand macht das Bewegliche System des – hier so bezeichneten – Normalvertrags für diese Untersuchung interessant, weil dessen Kenntnis den vergleichenden Blick auf die den moderierten Vertrag tra­ genden Elemente ermöglicht. b) Das Bewegliche System des Normalvertrags Bydlinski hat es sich, so formuliert er selbst, zur Aufgabe gemacht, die dem Recht der Willenserklärung innewohnende differenzierte Einheit sichtbar zu machen.49 Dies geschieht durch die Erarbeitung der Elemente eines Beweglichen Systems des Nor­ malvertrags, d. h. eines Vertrages, der ohne Moderator zustandegekommen ist. Diese lauten:

44 

Flessner, JZ 1987, 271, 277. Flessner, JZ 1987, 271, 277. 46  Flessner, JZ 1987, 271, 277. 47  Flessner, JZ 1987, 271, 277, 278. 48  Siehe die ausführlichere Darstellung bei Flessner, JZ 1987, 271, 277. 49  Bydlinski, Privatautonomie und objektive Grundlagen des verpflichtenden Rechtsgeschäftes, S.  94. 45 

I. Das Bewegliche System

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„1. Privatautonomie a) Die bloße, reale Möglichkeit der Selbstbestimmung der Rechtsfolgen durch den (geäußer­ ten) eigenen Willen (nicht durch sonstige Steuerung des eigenen Verhaltens). b) Der wirkliche Rechtsfolgewillen mit gemindertem Gewicht (intellektuelle oder charakter­ liche Mängel, die eine Interessenwahrung behindern; erhebliche Zwangslage). c) Der wirkliche, unbedenkliche Rechtsfolgenwille. d) Der wirkliche Rechtsfolgenwille, bei dem zusätzlich ein gewisser Grad von Überlegung gewährleistet ist. e) Der auf fehlerfreier Grundlage gebildete freie Wille. 2. Verkehrssicherheit a) Ist das Geschäft überhaupt ungeeignet, dem Zweck rationaler Befriedigung menschlicher Bedürfnisse zu dienen (z. B. schlechthin unmögliche Leistung), so fällt der Gesichtspunkt der „Verkehrssicherheit“ vollständig weg. b) Notwendig ist der Schutz des begründeten Vertrauens auf eine zugesagte Leistung, von der jener, der sie erbringen soll, weiß, dass auf sie vertraut wird. c) Dem Vertrauensprinzip, das der ökonomischen und rationellen Befriedigung der mensch­ lichen Bedürfnisse im Rechtsverkehr dient, entspricht es, den fehlerhaft handelnden Ver­ kehrsteilnehmer an seiner (scheinbaren) Willenserklärung festzuhalten, wenn ein anderer fehlerlos auf sie vertraut (Vertrauensprinzip kraft des Leistungsprinzips). Umso mehr gilt dies, wenn die Beachtung des wahren Willens, etwa durch Gewährung eines Anfechtungs­ rechts, zu keiner entscheidenden Änderung der Rechtslage führt, weil außergeschäftliche Grundsätze zu ähnlichen Ergebnissen führen. d) Das Bedürfnis nach Verkehrssicherheit im Sinne von Praktikabilität erlangt (nur) dort ent­ scheidende Bedeutung, wo der Versuch, die sonst sachlich maßgebenden Kriterien anzu­ wenden, außerordentliche Mühe macht und überdies im Einzelfall zu höchst unsicheren Ergebnissen führt.50 3. Äquivalenz a) Völlig fehlende Äquivalenz. b) Auffallendes Missverhältnis der Leistungen (oder Rechtspositionen) und „Verkürzung über die Hälfte“. c) Ausreichende Äquivalenz. d) Gewährleistete Äquivalenz. 4. Der ethische Gesichtspunkt des Stehens zum gegebenen Wort stimmt in der Abstufung mit dem Gehalt des Versprechens an Privatautonomie überein.“51

Es ist hier nicht der Ort, dieses Bewegliche System zu diskutieren, da es lediglich als Vergleichsmaßstab dient. Deswegen sollen an dieser Stelle zu den einzelnen Elemen­ ten nur diejenigen Erwägungen wiedergegeben werden, die auch für die spätere Ana­ lyse des moderierten Vertrags von Bedeutung sein werden.

50  Bydlinski, Privatautonomie und objektive Grundlage des verpflichtenden Rechtsgeschäfts, S.  173. 51  Bydlinski, Privatautonomie und objektive Grundlage des verpflichtenden Rechtsgeschäfts, S.  174.

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G. Das Bewegliche System des moderierten Vertrags

aa) Privatautonomie Im Hinblick auf das von Bydlinski als „Privatautonomie“ bezeichnete Element ist zunächst festzuhalten, dass an dieser Stelle der Begriff der Privatautonomie in einem weiten Sinne verstanden wird als die rechtliche Anerkennung der Möglichkeit, durch Willensäußerungen Rechtsfolgen herbeizuführen oder zu verhindern.52 Dieses Be­ griffsverständnis unterscheidet sich von der maßgeblich von Flume geprägten Defi­ nition der Privatautonomie als einem Prinzip der Selbstgestaltung der Rechtsverhält­ nisse durch den einzelnen nach seinem Willen.53 Mit der Verwendung des weiten Begriffsverständnisses bei der Titulierung des ersten Elements geht die Option ein­ her, innerhalb seiner Abstufungen auch die bloße, reale Möglichkeit der Selbstbe­ stimmung als schwächste Form der Ausprägung des Elements aufzunehmen. Dies wäre bei einem Verständnis, das auf die tatsächlich willentliche Ausgestaltung ab­ stellt, nicht möglich gewesen. Dabei steigen die Bedeutung und das Gewicht dieses Elements. Das wird durch die darüber hinaus gewählten Abstufungen deutlich, wenn die Rechtsfolge vom Betroffenen tatsächlich gewollt ist. Begründet wird dies auch mithilfe der Lehre Schmidt-Rimplers dergestalt, dass sich in diesen Fällen durch die im Vertragsmechanismus begründete Abschleifung der gegensätzlichen Interes­ sen eine gewisse Gewähr für die Richtigkeit, d. h. Angemessenheit der Rechtsfolgen ergebe.54 Für den Fall der tatsächlich gewollten Rechtsfolge greife zudem der ethi­ sche Gedanke, dass Versprochenes zu halten ist55 , in vollem Maße. Denn diesem Ge­ danken werde je mehr entsprochen, desto stärker das abgegebene Versprechen auf dem tatsächlich gebildeten Willen basiert.56 bb) Verkehrssicherheit Dass nicht allein die Privatautonomie als alleinige Säule den Vertrag dogmatisch stützt, wird mit dem Teilaspekt der Verkehrssicherheit argumentativ belegt. Wer die Bindung einfach aus dem Willen des Verpflichteten ableite, so Bydlinski, könne der Konsequenz nicht entgehen, dass auch der Fortbestand der Bindung vom Willen des Verpflichteten abhängen müsse.57 Verstehe man darüber hinaus die Verkehrssicher­ heit nicht aus der Perspektive der gesamten Rechtsordnung und der dann geltenden Ordnungsaufgabe, sondern aus dem Blickwinkel des Vertragspartners, dessen Ver­ trauen in die versprochene Leistung zu schützen sei, so erkläre sich hieraus die Not­

52 Vgl. Bydlinski, Privatautonomie und objektive Grundlagen des verpflichtenden Rechtsge­ schäftes, S.  127. 53  So auch die Interpretation bei Hönn, in: v. Bydlinski/Krejci/Schilcher/Steininger, Das Be­ wegliche System im geltenden und zukünftigen Recht, S.  87, 88; Flume, BGB AT Bd.  II, S.  1. 54  Bydlinski, Privatautonomie und objektive Grundlagen des verpflichtenden Rechtsgeschäftes, S.  129. 55  Siehe hierzu sogleich. 56 Vgl. Bydlinski, Privatautonomie und objektive Grundlagen des verpflichtenden Rechtsge­ schäftes, S.  129. 57  Bydlinski, Privatautonomie und objektive Grundlagen des verpflichtenden Rechtsgeschäftes, S.  69.

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wendigkeit des zweiten Elements der Verkehrssicherheit,58 da dieses eben nicht dazu diene, den Rechtsverkehr als solchen, sondern auch den Vertragspartner zu schüt­ zen.59 cc) Äquivalenz Drittes Element des Beweglichen Systems, das den zivilrechtlichen Vertrag dogma­ tisch trägt, ist die Äquivalenz der vertraglich vereinbarten Leistungen. Dies gilt, ob­ wohl sich das BGB in seiner Grundausrichtung gerade gegen ein Prinzip der materi­ ellen Äquivalenz entschieden hatte. Trotzdem – und dem ist auch heute noch zuzu­ stimmen – bleibt die Äquivalenz der Leistungen bei der Beurteilung von Verträgen nicht ausgeklammert. Dies wurde auch damals schon unter den Stichworten der wirtschaftlichen Unmöglichkeit bzw. des Wegfalls der Geschäftsgrundlage disku­ tiert. 60 Für das Bewegliche System von fast noch größerer Bedeutung war die Er­ kenntnis, dass der Maßstab der Äquivalenz zur Abstufung fähig ist, d. h., nicht le­ diglich vorliegen kann oder nicht. 61 Mit dieser möglichen Abstufung lässt sich dann auch erstmals die Funktionsweise dieses Beweglichen Systems exemplifizieren. Fehlt es völlig an einer Äquivalenz, d. h., fehlt es zum Beispiel völlig an einer Gegen­ leistung, so führt dies auch dann nicht zu einer Ungültigkeit des Rechtsgeschäfts, wenn dieses dafür etwa auf einem qualifiziert freien Willen der Vertragspartner, ins­ besondere auf dem durch die Äquivalenz Belasteten, beruht. Der Gedankengang – und dies ist ebenso kennzeichnend für ein Bewegliches System – lässt sich auch in die entgegengesetzte Richtung denken: „Je verdünnter der Einfluss des Willens bei der Begründung des Rechtsverhältnisses ist, umso strenger muss im Rahmen des Möglichen hingegen die Kontrolle der wirtschaftlichen Äqui­ valenz des Vertragsinhaltes sein.“62

dd) Stehen zum gegebenen Wort Das letzte Element des Beweglichen Systems nach Bydlinski ist dasjenige der Ver­ tragstreue oder des Stehens zum gegebenen Wort. Einerseits sei es zwar richtig, dass man nicht mehr versuche, das Vertragsrecht al­ lein aus der ethischen Pflicht zur Vertragstreue zu erklären.63 Über die Verabsolutie­ rung des „pacta sunt servanda“ gelangt man nur zur Rechtsverbindlichkeit aller Ver­ 58  Bydlinski, Privatautonomie und objektive Grundlagen des verpflichtenden Rechtsgeschäftes, S.  138. 59  Vgl. insgesamt zum Element Verkehrssicherheit die Ergebnisse bei Bydlinski, Privatautono­ mie und objektive Grundlagen des verpflichtenden Rechtsgeschäftes, S.  150. 60  Bydlinski, Privatautonomie und objektive Grundlagen des verpflichtenden Rechtsgeschäftes, S.  104. 61  Bydlinski, Privatautonomie und objektive Grundlagen des verpflichtenden Rechtsgeschäftes, S.  124. 62  Bydlinski, Privatautonomie und objektive Grundlagen des verpflichtenden Rechtsgeschäftes, S.  107. 63  Bydlinski, Privatautonomie und objektive Grundlagen des verpflichtenden Rechtsgeschäftes, S.  109.

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träge. Da dieses Ergebnis allerdings nicht gewollt ist, scheidet die Vertragstreue in dieser absoluten Dimension als Element des Beweglichen Systems aus. Andererseits sei ein gänzlicher Verzicht auf dieses ethische Element nicht ange­ zeigt. Das begründet Bydlinski mit der Existenz von zwei Fallkonstellationen, in denen zusätzlich zur Privatautonomie nicht der Gedanke des Vertrauensschutzes die vertragliche Bindung schütze. In diesen Situationen sei es vielmehr allein der Gedan­ ke der ethischen Verbindlichkeit, der zur Rechtfertigung einer bindenden Verabre­ dung tauge. Bei den in Rede stehenden Fallkonstellationen geht es zum einen um den Fall der Auslobung. Dort hat derjenige auch dann einen Anspruch auf den ausgelob­ ten Lohn, wenn er von der Auslobung nichts wusste.64 In den Fällen der Auslobung entsteht damit kein Vertrauen in die Verbindlichkeit der Zusage, das zu schützen wäre. Ebenso liegt der Fall bei jedem anderen Vertrag, den der eine Teil eingeht in dem Wissen und die fehlenden bzw. dem starken Zweifel an der Gegenleistung. Bydlinski wählt hier das Beispiel des Onkels, der seinem Neffen das zwanzigste Darle­ hen gewährt, in dem Wissen, dass dieser noch nie den geliehenen Betrag zurückge­ zahlt hat und dies wohl auch diesmal nicht geschehen werde. 65 Der Onkel entwickle kein Vertrauen in die Leistung, das zu schützen sei. Im Hinblick auf die Abstufbarkeit existieren für das Element der Vertragstreue keine gesondert beschriebenen Stufen. Dies ist jedoch nicht gleichbedeutend damit, dass dieses Element der Abstufung nicht zugänglich wäre. Die Abstufung soll – und hier liegt dann die Besonderheit für dieses Element – nur abhängig sein vom Grad der Realisierung des ersten Elements. In den – zutreffenden – Worten Bydlinskis: „Je besser überlegt und je freier das Versprechen gegeben wurde, umso stärker fordert der Grundsatz der Vertragstreue Beachtung und umgekehrt. Dem erpressten Versprechen wird kaum jemand eine Treuebindung entnehmen wollen.“66

Es zeigt sich an dieser Stelle eine weitere Form der Dependenz zwischen zwei Ele­ menten des Beweglichen Systems. c) Kritik und Ergänzungen Das von Bydlinski entworfene Modell, das auf den soeben vorgestellten vier Elemen­ ten basiert, ist nicht ohne Kritik geblieben. Für diese Untersuchung sind es vor allem die diskutierten Erweiterungen, 67 die eine Erwähnung verdienen. Man wird darüber hinaus auch das Modell und seine vier Elemente kritisieren können. Dies gilt etwa insbesondere für das vierte Element der Vertragstreue, das auf der Prämisse basiert, ein Versprechen zu halten, sei ein ethisches Gebot. Das mag für 64  Bydlinski, Privatautonomie und objektive Grundlagen des verpflichtenden Rechtsgeschäftes, S.  112. 65  Bydlinski, Privatautonomie und objektive Grundlagen des verpflichtenden Rechtsgeschäftes, S.  112. 66  Bydlinski, Privatautonomie und objektive Grundlagen des verpflichtenden Rechtsgeschäftes, S.  124. 67  Hönn, in: v. Bydlinski/Krejci/Schilcher/Steininger, Das Bewegliche System im geltenden und zukünftigen Recht, S.  87 ff.

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das kantianisch geprägte Mitteleuropa ursprünglich noch gelten, dürfte aber bei Menschen anderer Prägung eben nicht bestehen. Belässt man es aber zunächst bei diesem System68 und sucht – um eine möglichst breite Vergleichsbasis herzustellen – nach Elementen, die dieses noch ergänzen kön­ nen, dann stößt man im wissenschaftlichen Diskurs auf das weitere Element der öf­ fentlichen Interessen. aa) Öffentliche Interessen Unter dem weiteren Element der öffentlichen Interessen lassen sich zwei Prinzipien fassen, die als notwendige Stütze des dogmatischen Gerüsts herangezogen werden: das Wettbewerbs- sowie das Sozialstaatsprinzip. 69 bb) Wettbewerbsprinzip Gedanklicher Ausgangspunkt für eine eigenständige Verankerung des Wettbewerbs­ prinzips ist dabei zunächst, dass dies durch die bereits erwähnten Prinzipien der Privatautonomie und der Äquivalenz nicht ausreichend abgebildet wird. Denn diese Elemente bestimmen eher im Wege eines Negativansatzes, ob ein wirksames Rechts­ geschäft vorliegt, das etwa die hinreichend fehlerfreie Willensbildung voraussetzt.70 Demgegenüber sei aber ergänzend auch im Rahmen des Beweglichen Systems zu berücksichtigen, dass die Rechtsordnung in positiver Hinsicht gewährleiste, dass Selbstbestimmung nicht durch Macht und Gefahren bedroht wird. Weil es diesbe­ züglich derart viele Regelungen gebe, sei das Wettbewerbsprinzip als eigenes Prinzip des Vertragsrechts zu nennen.71 Im Rahmen des Beweglichen Systems wäre dies vor allem wegen seiner Blickrichtung unter dem Element der öffentlichen Interessen zu verorten. Denn es geht dem Wettbewerbsprinzip weniger um eine im Einzelfall überprüfbare, der Abstufung zugängliche Voraussetzung, die an einen Vertrags­ schluss zu stellen ist, sondern mehr um die institutionalisierte Schaffung einer sol­ chen Umgebung, die es erlaubt, selbstbestimmt Verträge zu schließen.72 Ob das Wettbewerbsprinzip in das Bewegliche System des Normalvertrags ge­ hört, ist nicht Gegenstand dieser Untersuchung. Für das anvisierte Bewegliche Sys­ tem des moderierten Vertrags gilt jedoch eine wettbewerbsrechtliche Besonderheit. Aufgrund des Konflikts, der zwischen den Parteien besteht und der regelmäßig 68  Hönn schlägt ein anderes System vor, vgl. dessen Ausführungen in v. Bydlinski/Krejci/Schil­ cher/Steininger, Das Bewegliche System im geltenden und zukünftigen Recht, S.  87 ff. 69  Vgl. in diese Richtung bereits Wilburg, Entwicklung eines Beweglichen Systems im Bürgerli­ chen Recht, S.  20. 70  Hönn, in: v. Bydlinski/Krejci/Schilcher/Steininger, Das Bewegliche System im geltenden und zukünftigen Recht, S.  87, 91. 71  Hönn, in: v. Bydlinski/Krejci/Schilcher/Steininger, Das Bewegliche System im geltenden und zukünftigen Recht, S.  87, 91. 72  Für die Schaffung eines wohl ähnlichen Elements „öffentliches Interesse“ mit den Unterprin­ zipien Rechtssicherheit/Gewährleistung von Wettbewerb/Sozialstaatsprinzip Hönn, in: v. Bydlins­ ki/Krejci/Schilcher/Steininger, Das Bewegliche System im geltenden und zukünftigen Recht, S.  87, 100.

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überhaupt erst Anlass für die Inanspruchnahme des Moderators ist, besitzen beide Vertragspartner ein Konfliktlösungsmonopol. Denn anders als durch das Wettbe­ werbsprinzip gewollt, besteht für die Parteien des moderierten Vertrags nur die Möglichkeit, mit der jeweils anderen Seite zu paktieren, wenn sie mittels des mode­ rierten Vertrags eine Lösung des Konflikts erzielen wollen, der allein zwischen den Parteien und nicht auch noch diversen weiteren Marktteilnehmern funktioniert. Das Wettbewerbselement spielt daher für das Bewegliche System des moderierten Ver­ trags keine Rolle. cc) Sozialstaatsprinzip An der Erzeugung dieser vertragsfreundlichen Umgebung hat auch das grundge­ setzliche Sozialstaatsprinzip seinen Anteil. Deshalb gehört es einerseits zu den allge­ meinen Vertragsprinzipien und entfaltet seine Wirkung nicht nur in den Teilberei­ chen des Arbeits-, Miet- oder Sozialrechts.73 Andererseits spielt es auch nicht bei al­ len Verträgen und immer eine Rolle, sondern wirkt sich nur unter bestimmten Umständen aus.74 dd) Funktionsweise Auch in der Art und Weise, wie die genannten Prinzipien funktionieren, zeigt sich eine Besonderheit. Nicht nur der Ausschluss der Wirksamkeit einer vertraglichen Abrede soll durch sie erreicht werden, sondern – in gewissem Sinne gegenteilig – die Herbeiführung einer vertraglichen Abrede im Wege des Kontrahierungszwangs. Hierbei wird dann in der schon im Rahmen des Grundmodells beschriebenen Art und Weise vorgegangen, die von einer Abstufbarkeit der Elemente ausgeht. Aus dem Wettbewerbsrecht sei die Wertung zu entnehmen, der zufolge sich umso eher ein Kontrahierungszwang ergebe, je stärker die Marktstellung des Unternehmens und je größer die Beeinträchtigung des Wettbewerbs ist.75 Ein solcher Kontrahierungs­ zwang könne sich dann darüber hinaus aus dem Vertragsinteresse ergeben, welches bei der Versorgung des Einzelnen mit lebenswichtigen Gütern auch vor dem Hinter­ grund des Sozialstaatsprinzips groß sei.76 Bleibt man bei der Funktionsweise des Beweglichen Systems und lässt den Blick vom Besonderen zum Allgemeinen wandern, so bleibt abschließend ein Blick zu werfen auf die Funktionsweise des Beweglichen Systems, d. h. auf die möglichen Re­ geln des Zusammenwirkens einzelner Elemente.

73  Hönn, in: v. Bydlinski/Krejci/Schilcher/Steininger, Das Bewegliche System im geltenden und zukünftigen Recht, S.  87, 92. 74  Hönn, in: v. Bydlinski/Krejci/Schilcher/Steininger, Das Bewegliche System im geltenden und zukünftigen Recht, S.  87, 92. 75  Hönn, in: v. Bydlinski/Krejci/Schilcher/Steininger, Das Bewegliche System im geltenden und zukünftigen Recht, S.  87, 102. 76  Hönn, in: v. Bydlinski/Krejci/Schilcher/Steininger, Das Bewegliche System im geltenden und zukünftigen Recht, S.  87, 100.

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3. Zur Funktionsweise des Beweglichen Systems Die an dieser Stelle zunächst ernüchternde Erkenntnis, dass es keine allgemeingülti­ ge Regelung für das Verhältnis der Elemente gibt, wurde bereits festgehalten. Trotz­ dem soll versucht werden, sowohl der Abwägungs- als auch Abstufbarkeitsthese Rechnung zu tragen und sie mit Inhalt zu füllen. Im Hinblick auf die Funktionsweise, d. h. das Zusammenwirken der einzelnen Elemente des Beweglichen Systems, dürfte im Ausgangspunkt insoweit Einigkeit be­ stehen, dass den Elementen erstens unterschiedliches Gewicht beigemessen werden kann und zweitens, dass sie untereinander austauschbar sind.77 a) Abwägung Schon die Benutzung des Begriffs des Gewichts, das den einzelnen Elementen in unterschiedlicher Weise zukommen kann, lässt auf einen im Beweglichen System anzusiedelnden Abwägungsvorgang schließen. Denn ein solcher besteht gerade im Ins-Verhältnis-Setzen unterschiedlicher Gewichte. Deshalb ist nachvollziehbar, wa­ rum Wilburg selbst und die Mehrheit seiner Anhänger von einer Abwägung gespro­ chen haben, die im Rahmen der Anwendung des Beweglichen Systems vorzunehmen sei.78 Für die Abwägung der einzelnen Elemente – und dies ist keine Besonderheit des Beweglichen Systems – gilt, dass die Frage, welches Gewicht den einzelnen Ele­ menten zukommt, nicht abstrakt, sondern nur im konkreten Einzelfall bestimmt werden kann.79 Was aber – auch im Unterschied zur Abwägung zwischen nur zwei Rechtsposi­tio­ nen – die Besonderheit des hiesigen Abwägungsvorgangs darstellt, ist der Umstand, dass die Abwägung im Rahmen des Beweglichen Systems nach „definierter Spiel­ art“80 stattfinden soll. Das bringt die Frage auf, wie genau eine solche definierte Spielart aussieht. b) Abwägungsregeln Die Abwägung an sich ist schon die bildhafte Beschreibung eines juristischen Inst­ ruments. Die Neigung zur Metaphorik ist in unserer Erzählsprache angelegt, inner­ halb der juristischen Fachsprache nimmt sie allerdings dort regelmäßig zu, wo die rechtswissenschaftliche Forschung an ihre (zeitweisen) Grenzen stößt. Das Bewegliche System und insbesondere die Stellungnahmen zu seiner Funkti­ onsweise sind zunächst ein Beleg für diese Aussage. Wilburg selbst spricht in diesem Zusammenhang etwa davon, es sei ein Mangel der herrschenden Lehre, dass sie in methodischer Hinsicht einem Feldherrn gleiche, „der über seine strategischen Mittel nicht beweglich und souverän verfügt“. 81 Inwieweit die neue Methode bei den 77 

Diese Einschätzung teilt Westerhoff, Die Elemente des beweglichen Systems, S.  17. Westerhoff, Die Elemente des beweglichen Systems, S.  17. 79  Westerhoff, Die Elemente des beweglichen Systems, S.  82. 80  Maurer, Das Bewegliche System zur Konkretisierung der Sittenwidrigkeit bei §   826 BGB, S.  268. 81  Wilburg, Entwicklung eines beweglichen Systems im Bürgerlichen Recht, S.  2 2. 78 Vgl.

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Rechtsanwendern Verwertung fände, sei eine Frage des „juristischen Tempera­ ments.“82 Für andere liegt der Unterschied des Beweglichen Systems gegenüber tra­ ditioneller Jurisprudenz darin, „dass die maßgeblichen Kategorien in eine Wechsel­ beziehung zueinander gesetzt und damit als partiell austauschbar erfasst werden. Neudeutsch könnte man von einer Interaktion sprechen.“83 Um für das Bewegliche System des moderierten Vertrags eine sinnvolle Vorarbeit zu leisten, sind in einem ersten Schritt zunächst die Abwägungsregeln darzustellen, die – ohne notwendigerweise als solche benannt zu werden – für das Verhältnis der Elemente des Beweglichen Systems zur Verfügung stehen. aa) Das elastische Band Den Vorwurf, wortreich wenig zu sagen, wird man auch Wilburg machen können, der, als er sein Bewegliches System erstmals schilderte, dieses zunächst als Basis für eine gesetzgeberische Tätigkeit verstehen wollte. 84 In diesem Zusammenhang sollte das Recht des Schadensersatzes dergestalt normiert werden, dass sich die Haftung aus dem „Gesamtbild bestimmter Elemente“ ergebe. 85 Der Kritik, so entstünden zu unbestimmte legislative Vorgaben, begegnet Wilburg mit der Metapher, derzufolge ein Gesetz, das elastisch die maßgebenden Gesichtspunkte bestimme, sogar eine fes­ tere Stütze sein könne, als bei einer Regelung mit fixen Tatbestandsvorgaben, „eben­ so wie ein elastisches Band oft besser hält als ein starres Gefüge, das nicht die Fähig­ keit besitzt, den Bewegungen zu folgen.“86 Ein Erkenntnisgewinn ist, jedenfalls für diese Untersuchung, durch das Bild vom elastischen Band nicht zu verzeichnen. Das gilt auch für die – allerdings nicht so klangvolle – Forderung nach der Übernahme der Zweigliedrigkeit des Abwägungsvorgangs aus der grundrechtlichen Güter- und Interessenabwägung.87 bb) Orientierung an der Rechtsfolge Die Orientierung an der Rechtsfolge wird als eine besondere Charakteristik des Be­ weglichen Systems beschrieben. Mit der Rechtsfolge, die der Anspruchsteller geltend mache, sei auch zugleich der erste Gesichtspunkt in die Waagschale geworfen, der bei der Abwägung zu berücksichtigen sei. Denn diese Rechtsfolge stelle für den An­

82 

Wilburg, Entwicklung eines beweglichen Systems im Bürgerlichen Recht, S.  22. Mayer-Maly, in: v. Bydlinski/Krejci/Schilcher/Steininger, Das Bewegliche System im gelten­ den und zukünftigen Recht, S.  117, 123; an diese Stelle gehört auch die – allerdings nicht so klang­ volle – Forderung nach der Übernahme der Zweigliedrigkeit des Abwägungsvorganges aus der grundrechtlichen Güter- und Interessenabwägung, vgl. Maurer, Das Bewegliche System zur Kon­ kretisierung der Sittenwidrigkeit bei §  826 BGB, S.  268. 84 Vgl. Wilburg, Entwicklung eines beweglichen Systems im Bürgerlichen Recht, S.  2 2. 85  Wilburg, Entwicklung eines beweglichen Systems im Bürgerlichen Recht, S.  2 2. 86  Wilburg, Entwicklung eines beweglichen Systems im Bürgerlichen Recht, S.  23. 87 Vgl. Maurer, Das Bewegliche System zur Konkretisierung der Sittenwidrigkeit bei §  826 BGB, S.  268. 83 

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spruchsgegner gerade einen Nachteil dar, dessen Aufbürdung im Wege des Bewegli­ chen Systems zu begründen sei.88 Beim moderierten Vertrag geht es aktuell jedoch um die Frage danach, wie dieser vor einer Manipulation durch den Moderator zu schützen ist. Dieses Loslösungs­ recht vom Vertrag stellt dann gewissermaßen das Gegenteil zum Geltungsgrund dar, bzw. ist es je eher zu gewähren, desto weniger der moderierte Vertrag auf seinen – hier noch zu ermittelnden – Geltungsgründen basiert. cc) Von Röhren und Sandhaufen Zwei zentrale Begriffe bei der Beschreibung des Verhältnisses der Elemente zueinan­ der sind der des Sandhaufentheorems sowie derjenige der kommunizierenden Röh­ ren. Bei der genauen Analyse lassen sich zwei Funktionen separieren, die jeweils uneinheitlich bzw. vermengt unter diesen Begrifflichkeiten diskutiert werden. Zunächst ist zu wiederholen, dass es – im Sinne der Abstufbarkeitsthese – im Hin­ blick auf die einzelnen Elemente eines Beweglichen Systems keinen Binarismus im Sinne eines nur möglichen Vorliegens oder Fehlens des Elements gibt. Es ist gerade ein Markenkern des Beweglichen Systems, wie sich z. B. an dem oben wiedergegebe­ nen Beweglichen System des Normalvertrags von Bydlinski gut zeigt, dass die Ele­ mente in verschiedenen Stufen vorliegen können. Vor diesem Hintergrund geht es sowohl beim Sandhaufentheorem als auch bei den kommunizierenden Röhren darum, zu beschreiben, welche Folgen von einem star­ ken Vorliegen des einen Elements für die übrigen Elemente ausgehen. Davon zu trennen ist die Notwendigkeit, darzustellen, welcher Maßstab über­ haupt vorliegen muss, um die begehrte Rechtsfolge zu begründen. Das gilt besonders dort, wo ein Bewegliches System zur Konkretisierung des Tatbestands benutzt wird. (1) Sandhaufentheorem Erstmals benutzt wurde das Bild des Sandhaufens 1978, außerhalb der Diskussion um das Bewegliche System. 89 Es ging vielmehr um die Frage des möglichen Verhält­ nisses einzelner Tatbestandsmerkmale zueinander, wenn diese als sogenanntes Sand­ haufentheorem angelegt sind. In diesen Fällen soll die Teilerfüllung einzelner Tatbe­ standsmerkmale zusammen betrachtet als volle Erfüllung der Grundnorm anzuse­ hen sein, weil – so die erste Metapher – die mehreren (einzeln nicht ausreichenden) Sandhaufen zu einem (rechtsrelevanten) Sandhaufen zusammengeschüttet werden könnten.90 Exemplifiziert an der Frage des Wuchertatbestands sollte dies bedeuten:

88 

Westerhoff, Die Elemente des beweglichen Systems, S.  22. Bender, in: GS Rödig, 34, 39; OLG Stuttgart v. 24.04.1979 – 6 U 169/78, NJW 1979, 2409, 2412; Mayer-Maly, in: v. Bydlinski/Krejci/Schilcher/Steininger, Das Bewegliche System im geltenden und zukünftigen Recht, S.  117, 125, spricht davon, das OLG Stuttgart und Bender hätten unbe­ wusst Elemente des beweglichen Rechtsdenkens nochmals entdeckt. 90  So formuliert Bender, in: GS Rödig, 34, 39. 89 

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G. Das Bewegliche System des moderierten Vertrags

„Die „listige“ Täuschung, verbunden mit der Ausnutzung eines „gewissen“ Kompetenzgefäl­ les führt jedenfalls dann zur Nichtigkeit des Vertrags, wenn ein „nicht unerhebliches“ objek­ tives Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung hinzukommt.“91

Weil gerade im Rahmen des §  138 BGB auch die Anwendung eines Beweglichen Sys­ tems diskutiert wird, trafen beide hier zusammen und das Sandhaufentheorem er­ hielt seine zweite Metapher. Diese besteht nicht darin, aus vielen kleinen rechtlich irrelevanten Sandhaufen einen großen „zusammenzuschütten“. Es geht vielmehr da­ rum, dass ein „übererfülltes“ Tatbestandsmerkmal dazu geeignet sein soll, den Um­ stand auszugleichen, dass ein anderes in nur geringerem Maße vorliegt. Für den Fall des Wuchertatbestands würde das etwa bedeuten, dass ein besonders grobes Miss­ verhältnis von Leistung und Gegenleistung dazu geeignet wäre, Defizite bei den an­ deren Tatbestandsmerkmalen auszugleichen, also zum Beispiel bei der Unerfahren­ heit des Bewucherten.92 Übertragen auf den Fall des Beweglichen Systems bedeutet die zweite Metapher des Sandhaufentheorems, dass das gänzliche Vorliegen eines Elements das nur ge­ ringfügige Vorliegen eines oder mehrerer anderer Elemente ausgleichen kann. Mit der ersten Metapher des Sandhaufentheorems wird dagegen beschrieben, dass es ebenfalls ausreichen kann, wenn verschiedene Elemente nur zum Teil erfüllt werden, solange sie „zusammengeschüttet“ die Erheblichkeitsschwelle überwinden. Bereits die Betrachtungen zum Sandhaufentheorem verdeutlichen dabei zweierlei: Zunächst ist es für das Bewegliche System wichtig, anzugeben, ob ein „Zusammen­ schütten“ bzw. ein „Ausgleichen“ im Verhältnis der Elemente insgesamt oder nur im Verhältnis einzelner Elemente zueinander möglich sein soll, insbesondere auch, ob nur ein geringfügiges Vorliegen oder auch ein gänzliches Fehlen eines Elementes aus­ geglichen werden kann oder ob im Gegenteil jedes der tangierten Elemente gänzlich vorliegen muss.93 Darüber hinaus – und hier hilft das Bild des Sandhaufens erneut – ist es aber ebenso wichtig zu formulieren, wie viel Sand insgesamt im System sein muss, um dessen Rechtsfolge auszulösen. Das heißt, ein Bewegliches System, das sich nicht dazu verhält, wie groß der Sandhaufen für jedes Element mindestens und ins­ gesamt sein muss, wird sich zu Recht dem Vorwurf der Tatbestandsaufweichung ausgesetzt sehen.94 (2) Kommunizierende Röhren Neben dem Sandhaufentheorem ist es das Bild der kommunizierenden Röhren, das zur Beschreibung von Interdependenzen herangezogen wird, auch, aber – wie schon beim Sandhaufentheorem – nicht nur, im Hinblick auf die Verhältnisse der Elemente des Beweglichen Systems zueinander. Anders als beim Sandhaufen, von dem jeder weiß, was er ist, beginnt hier die Unklarheit schon bei dem metaphorisch übertrage­ 91 

Bender, in: GS Rödig, 34, 39. Siehe die Darstellung bei Staudinger/Sack/Fischinger, BGB, §  138 Rn.  293. 93  Auf diesen Unterschied weist Maurer, Das Bewegliche System zur Konkretisierung der Sit­ tenwidrigkeit bei §  826 BGB, S.  281 hin, der die Notwendigkeit maximaler Berücksichtigung jedoch als Abwägungsthese bezeichnet. 94  Vgl. insoweit Koziol, AcP 188 (1988), 183, 188 f. 92 

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583

nen Bild, welches aus der Naturwissenschaft stammt. Bei kommunizierenden Röh­ ren handelt es sich um (mindestens) zwei Röhren, die oben offen und unten mitein­ ander verbunden sind. Allein diese Tatsache ist im Rahmen der Ursprungsbedeutung noch nicht der Rede wert. Die naturwissenschaftliche Besonderheit kommunizie­ render Röhren liegt nämlich in dem Umstand, dass der Wasserstand in beiden Röh­ ren, unabhängig von Form und Durchmesser der Röhren, gleich hoch ist. Gießt man also in nur eine Röhre Wasser, so steigt der Pegel in beiden Röhren als Folge der „Kommunikation“95 zwischen den Röhren gleichmäßig an. Dieses naturwissenschaftliche Verhältnis zwischen den Röhren wird in die Rechtswissenschaft häufig nur unsauber übertragen. Das Bild der kommunizieren­ den Röhren wird regelmäßig genutzt, um auszudrücken, dass überhaupt eine Bezie­ hung besteht, ohne dass diese dann im Sinne gleichmäßig steigender oder fallender Pegel ausgestaltet sein muss. In den meisten Fällen wird mit dem Bild der kommunizierenden Röhren lediglich zum Ausdruck gebracht, dass zwischen zwei Umständen eine wechselseitige Be­ einflussung besteht. Dies gilt exemplarisch für die Rechtsprechung des BAG zur Verwirkung des Widerspruchsrechts nach §  613a BGB. Das hierzu notwendige­ Zeit- ­sowie Umstandsmoment seien wie kommunizierende Röhren miteinander ver­ bunden.96 Je stärker das gesetzte Vertrauen oder die Umstände sind, die eine Gel­ tendmachung für den Gegner unzumutbar machen, desto schneller kann ein An­ spruch oder Recht verwirken.97 Umgekehrt gilt: Je mehr Zeit seit dem Zeitpunkt des Betriebsübergangs verstrichen ist und je länger der Arbeitnehmer bereits für den neuen Inhaber gearbeitet hat, desto geringer sind die Anforderungen an das Um­ standsmoment.98 Das BAG nutzt an dieser Stelle lediglich das Bild der kommunizie­ renden Röhren, um eine wechselseitige Beeinflussung deutlich zu machen. In diesem Sinne wird das Bild der kommunizierenden Röhren dann auch in anderen Zusam­ menhängen durch die (arbeits-)rechtliche Literatur99 genutzt, ohne dass es einmal im Sinne des identischen Pegelstandes genutzt wurde. Für die Vorarbeit zur Erstellung eines Beweglichen Systems des moderierten Ver­ trags bedeutet dies, dass die mithilfe des Sandhaufentheorems gewonnene Perspekti­ ve auf das Verhältnis der Elemente um eine weitere Dimension zu erweitern ist, näm­ lich um die der Wechselseitigkeit. In einem Beweglichen System können sich die einzelnen Elemente – wie kommunizierende Röhren – wechselseitig beeinflussen.

95 

Hier nutzt die Naturwissenschaft ein Bild. v. 21.12.2017 – 8 AZR 700/16, AP BGB §  613a Nr.  473, Rn.  17; BAG v. 24.08.2017 – 8 AZR 265/16, AP BGB §  613a Nr.  471, Rn.  19. 97  BAG v. 21.12.2017 – 8 AZR 700/16, AP BGB §  613a Nr.  473, Rn.  17 mit Verweis auf BAG v. 24.07.2008 – 8 AZR 175/07, AP BGB §  613a Nr.  347, Rn.  27; vgl. auch BAG v. 24.08.2017 – 8 AZR 265/16, AP BGB §  613a Nr.  471, Rn.  19. 98  BAG v. 21.12.2017 – 8 AZR 700/16, AP BGB §  613a Nr.  473, Rn.  17 mit Verweis auf BAG v. 22.06.2011 – 8 AZR 752/09, AP BGB §  613a Nr.  347, Rn.  30; vgl. auch BAG v. 24.08.2017 – 8 AZR 265/16, AP BGB §  613a Nr.  471, Rn.  19. 99  Aus dem Arbeitsrecht siehe nur: ErfK/Preis, TzBfG, §  8 Rn.  24; Uffmann, ZfA 2015, 101, 109; sonst: Isermann, VuR 2018, 283, 287; Thomale, EuR 2016, 510, 526. 96  BAG

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G. Das Bewegliche System des moderierten Vertrags

(3) Wechselseitige Beeinflussung Gerade diese wechselseitige Beeinflussung ist es, die Bydlinski auch bei seinem hier besonders Beweglichen System des Normalvertrags schildert. Zum Verhältnis der Elemente „seines“ Beweglichen Systems äußert er: „Allgemein kann man nun sagen: Je unmittelbarer die Rechtsfolge vom Willen getragen ist und je besser die Willensbildung qualifiziert ist, umso weniger kommt es auf die Äquivalenz der Leistungen und Rechtspositionen an und umso weniger müssen Interessen der Verkehrs­ sicherheit im Spiel sein, um eine gültige Verpflichtung zu begründen.“100

Der Gedankengang – und dies ist ebenso kennzeichnend für eine wechselseitige Be­ einflussung innerhalb des Beweglichen Systems – lässt sich, begrenzt auf das Verhält­ nis von Wille und Äquivalenz, auch in die entgegengesetzte Richtung denken: „Je verdünnter der Einfluss des Willens bei der Begründung des Rechtsverhältnisses ist, umso strenger muss im Rahmen des Möglichen hingegen die Kontrolle der wirtschaftlichen Äqui­ valenz des Vertragsinhaltes sein.“101

4. Kriterien eines guten Verhandlungsergebnisses Die Bedeutung des sogenannten Harvard-Konzepts für die Verhandlungslehre im Allgemeinen und für die Mediation im Besonderen wurde bereits herausgestellt. Gleich zu Beginn ihrer Ausführungen legen die Autoren, auf den ersten Blick im Wege eines Beweglichen Systems, die Kriterien fest, nach denen eine Übereinkunft beurteilt werden soll. “Any method of negotiation may be fairly judged by three criteria: It should produce a wise agreement if agreement is possible. It should be efficient. And it should improve or at least not damage the relationship between the parties. (A wise agreement can be defined as one which meets the legitimate interests of each side to the extent possible, resolves conflicting interests fairly, is durable, and takes community interests into account).”102

Systematisiert lassen sich die Kriterien dann wie folgt darstellen:103 1.  Vernünftig, wenn überhaupt möglich   a)  Berücksichtigung der Interessen beider Parteien   b)  löst den Interessenkonflikt gerecht 100  Bydlinski, Privatautonomie und objektive Grundlagen des verpflichtenden Rechtsgeschäfts, S.  174. 101  Bydlinski, Privatautonomie und objektive Grundlagen des verpflichtenden Rechtsgeschäftes, bereits auf S.  107. 102  Fisher/Ury, getting to yes, 1981, S.  4; die Übersetzung der deutschen Ausgabe ist an dieser Stelle etwas ungenau: „Jede Verhandlungsweise sollte man am besten aufgrund von drei Kriterien bewerten: Sie sollte eine vernünftige Übereinkunft zustande bringen – sofern Übereinkunft über­ haupt möglich ist. Sie sollte effizient sein. Und sie sollte das Verhältnis zwischen den Parteien ver­ bessern oder zumindest nicht zerstören. (Eine vernünftige Übereinkunft kann man folgenderma­ ßen definieren: die legitimen Interessen jeder Seite werden in höchstmöglichem Maße erfüllt; eine gerechte Lösung bei Interessenkonflikten; sie ist von Dauer und stellt Beteiligten auch die Interes­ sen der Allgemeinheit in Rechnung).“; Fisher/Ury/Patton, das Harvard-Konzept, 2014, S.  30. 103  Vgl. jedoch die hiervon abweichende Darstellung bei Wendland, Mediation und Zivilprozess, S.  207, 213.

I. Das Bewegliche System

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  c)  löst den Konflikt dauerhaft   d)  Berücksichtigung der Interessen der Allgemeinheit 2. Effizient 3. Beziehungsverbessernd a) Zu den Kriterien aa) Vernünftig Ob eine Übereinkunft vernünftig ist, lässt sich ohne weitere Kriterien nicht beurtei­ len. Das gilt umso mehr, weil es ohnehin maßgeblich auf die Einschätzung der Par­ teien ankommt, ob eine Übereinkunft vernünftig ist oder nicht. Möchte man dies aber aus Sicht eines Dritten, etwa des Moderators tun, dann liefert das Harvard-Kon­ zept vier Parameter, die bei der Beurteilung helfen sollen. Diesbezüglich gilt, dass nicht alle Unter-Kriterien in gleicher Weise vorliegen bzw. überhaupt bejaht werden müssen. Es wird insofern nur gelten müssen, dass ein Vertrag je vernünftiger ist, desto interessengerechter, dauerhafter, etc. er ist. bb) Effizient und beziehungsverbessernd Das Effizienzkriterium ist wie das Beziehungskriterium prozeduraler Natur.104 Da­ mit dienen sie als Zielvorgabe an den Mediator, der das Mediationsverfahren ebenso zeit- und kosteneffizient wie beziehungsschonend ausgestalten soll. b) Zum Verhältnis der Kriterien Es gibt ein Bewegliches System nur innerhalb des ersten Kriteriums der vernünftigen Regelung. Die dort genannten Unter-Kriterien wirken in der Weise zusammen, dass nicht jedes einzelne für die Annahme einer vernünftigen Regelung vorliegen muss, sondern jedes Unter-Kriterium, je mehr es vorliegt, desto mehr für eine vernünftige Lösung spricht. Die Abstufbarkeit der Kriterien, die über das binäre Fehlen oder Vorliegen hinaus geht, ist ebenfalls ein definitorisches Merkmal des Beweglichen Systems, welches auch bei den beiden Hauptkriterien der Effizienz und Beziehungs­ förderung gilt. Schließlich kann ein Verfahren nicht nur zeit- und kosteneffizient sein oder nicht, sondern auch in Zwischenstufen und Schattierungen effizient. Das gilt auch für das dritte Kriterium, was schon daran deutlich wird, dass die Skala be­ ginnt bei der Schädigung der Beziehung, über die neutrale, d. h. fehlende Implikation des Verhältnisses hin zur Verbesserung der Beziehung zwischen den Konfliktpartei­ en.105 Das Verhältnis der drei Hauptkriterien zueinander ist nicht thematisiert worden. Man wird von einem „je mehr, desto besser“- Verhältnis ausgehen können, weil es hier ja nicht um die Beurteilung oder Beantwortung einer Rechtsfrage geht, was eine 104 

Wendland, Mediation und Zivilprozess, S.  207, 209. Fisher/Ury, getting to yes, S.  4: “And it should improve or at least not damage the rela­ tionship between the parties”. 105 Vgl.

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G. Das Bewegliche System des moderierten Vertrags

genaue(re) Bestimmung des zu erreichenden Wertes verlangt hätte, sondern „nur“ um die enumerative Nennung von Kriterien zur Beurteilung einer Mediationsver­ einbarung, allerdings nicht aus der Perspektive der Jurisprudenz, sondern der Ver­ handlungslehre. c) Übertragbarkeit auf den moderierten Vertrag Mit den letzten Sätzen ist bereits der Weg für die hier zu treffende Feststellung berei­ tet. Denn: Was aus der Sicht der Verhandlungsforschung und Mediation ein „gutes“ Ergebnis ist, muss nicht auch ein „guter“ moderierter Vertrag sein. Insbesondere die verhandlungsbasierten Kriterien zu 2. und 3. lassen sich nicht per se auf sämtliche Fälle des moderierten Vertrags übertragen, weil dieser weder stets eine zu fördernde Beziehung zwischen den Parteien noch ein unter Effizienzgesichtspunkten zu beur­ teilendes Verfahren vorsieht. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass aktuell die rechtliche Absicherung der gesteigerten Legitimation in Rede steht und es vorliegend nicht darum geht, einzelne Ergebnisse der Konfliktlösung zu evaluieren.

II. Das Bewegliche System des moderierten Vertrags Die Bestimmung der einzelnen Elemente des Beweglichen Systems des moderierten Vertrags basiert auf der vorliegenden vergleichenden Analyse seines Vorkommens im Recht. Dies gilt auch für die vorgeschlagenen Möglichkeiten der Abstufung, die – wie die Elemente – im Anschluss erläutert werden. Die Abstufungen beginnen mit dem gänzlichen Vorliegen und enden mit dem (fast) völligen Fehlen des jeweiligen Elements. Das Bewegliche System des moderierten Vertrags lautet: 1. Anerkennende und informierte Privatautonomie a) Der Wille beider Parteien wird in Kenntnis um die Vertragsfolgen und den Inhalt, der Alternativen zum Vertragsschluss sowie in Anerkennung der Autonomie des Vertragspartners gebildet. b) Der Wille beider Parteien wird in Kenntnis um die Vertragsfolgen und den Inhalt, d. h. auf fehlerfreier Grundlage, gebildet. c)  Es besteht bei den Parteien ein wirklicher Rechtsfolgewille, der durch eine Über­ legung gestützt wird. d) Es besteht ein Rechtsfolgewille, dieser ist jedoch – etwa durch eine ungebührliche Beeinflussung – stark vermindert. e) Etwa aufgrund der Einwirkung von Moderator und/oder Gegner besteht nur noch die theoretische Möglichkeit der freien Willensbildung. 2. Neutralität und Unabhängigkeit des Moderators a) Der neutrale und unabhängige Moderator: Garant der Selbstbestimmung. b) Moderator als: Der beteiligte Unbeteiligte. c)  Der auch von seinem Eigeninteresse am Vertragsschluss geleitete Moderator.

II. Das Bewegliche System des moderierten Vertrags

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d) Der nur von seinem Eigeninteresse am Vertragsschluss geleitete Moderator. e) Moderator fehlt Unabhängigkeit, mit Kenntnis der Parteien. f) Moderator fehlt Neutralität, mit Kenntnis der Parteien. g) Moderator handelt aus eigenem Interesse an irgendeinem Vertragsschluss, ohne Kenntnis der Parteien. h) Moderator verstößt nur in Kenntnis einer Partei gegen Neutralität und Unabhän­ gigkeit. 3. Äquivalenz a) Gewährleistete Äquivalenz. b) Ausreichende Äquivalenz. c)  Auffallendes Missverhältnis der Leistungen (oder Rechtspositionen) und „Ver­ kürzung über die Hälfte“. d) Völlig fehlende Äquivalenz.

1. Zu den einzelnen Elementen Das dritte, als Äquivalenz bezeichnete Element wurde unverändert aus dem oben wiedergegebenen Beweglichen System des Normalvertrags übernommen. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass es sich beim moderierten Vertrag zu­ nächst um einen Vertrag handelt, der den für alle Verträge geltenden Regelungen unterliegt. Der Vertrag kann seine Berechtigung nicht allein aus dem Willen der Par­ teien herleiten, sondern auch aus der Gerechtigkeit seines Inhalts.106 Diese Überle­ gung gilt auch für den moderierten Vertrag, dessen inhaltliche Äquivalenz hier eben­ so Bedeutung entfalten kann wie bei Verträgen außerhalb der Moderation. Demgegenüber wurde das Element „Stehen zum gegebenen Wort“ gestrichen. Dies liegt zum einen daran, dass die von Bydlinski bei Schaffung des Elements ange­ dachten Fallkonstellationen im Rahmen der Moderation nicht vorkommen. Darüber hinaus findet der in diesem Zusammenhang formulierte Gedanke, demzufolge je besser überlegt und je freier das Versprechen gegeben wurde, umso stärker der Grundsatz der Vertragstreue zu beachten sei, seine Berücksichtigung in dem erwei­ terten Element der informierten und anerkennenden Privatautonomie. a) Informierte und anerkennende Privatautonomie Das Element der anerkennenden und informierten Privatautonomie ist im Gegen­ satz zum Beweglichen System des außerhalb der Moderation geschlossenen Vertrags nicht völlig neu. Das für die Vertragsdogmatik zentrale Element der Parteiautono­ mie wurde jedoch um die Begriffe der Anerkennung und der Informiertheit erwei­ tert. Damit verändert sich die mögliche Abstufung im Hinblick auf den Grad des Vorliegens der Parteiautonomie. Die höchste Stufe, die dem moderierten Vertrag

106  Kritisch zu einem „radikalen Voluntarismus“ gerade mit Blick auf Bydlinskis System insb. Mayer-Maly, in: Jakobs, Rechtsgeltung und Konsens, S.  91, 104.

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G. Das Bewegliche System des moderierten Vertrags

auch seine (gestiegene) Legitimation verleiht, lässt sich daher beschreiben als aner­ kennende und informierte Parteiautonomie. b) Information Der Begriff der Information ist in zwei Richtungen abzugrenzen. Eine Information schließt zunächst Bevormundung aus. Der moderierte Vertrag befreit nicht von der Selbstverantwortung. Die Beteiligung des Moderators soll le­ diglich sicherstellen, dass die Vertragsentscheidung autonom getroffen wird, ohne die Partei dabei von der Verantwortung für die aus dem Vertragsschluss resultieren­ den Folgen freizustellen. Denn es entspricht wohl der allgemeinen Gerechtigkeits­ vorstellung, wenn die Rechtsordnung, die dem Einzelnen eine weitreichende Mög­ lichkeit gibt, seine Rechtsverhältnisse nach seinem Willen zu gestalten, ihm für dabei unterlaufende Fehler auch eine strenge Verantwortlichkeit auferlegt.107 Gleichzeitig ist es gerade diese Informiertheit der Partei, welche die autonome Entscheidung begründet. Dem Moderator kommt diesbezüglich eine zentrale Rolle zu, die ihren Niederschlag bereits in den notariellen Kardinalspflichten in §  2 Abs.  6 MedG und in §  17 BeurkG gefunden hat. Die Möglichkeit, sich etwa mittels eines weiteren Beraters losgelöst von zeitlichem Druck in Bezug auf den Vertragsschluss zu informieren, soll gerade durch den Moderator gewährleistet werden. Das macht ihn zum Garanten der Selbstbestimmung. Diese Selbstbestimmung lässt sich ent­ sprechend dem Prinzip, das sowohl bei der Analyse des VSBG als auch bei der Ana­ lyse des §  311 Abs.  2 BGB entwickelt wurde, als informierte Autonomie bezeichnen. In dem Werkzeug der BATNA, das in der Mediation häufig verwendet wird und die Parteien auffordert, die beste Alternative zu einer Nicht-Einigung zu suchen, findet das Prinzip der informierten Autonomie seinen Ausdruck. Der Moderator ist für die ausreichende Information verantwortlich. Diese Funk­ tion kommt ihm gegenüber beiden Vertragsparteien zu und – das ist hervorzuheben – sie wird ihm seitens der jeweils anderen Partei im Wege der anerkennenden Auto­ nomie gerade zugestanden. c) Anerkennung Dieser Umstand wird beschrieben durch die hier so bezeichnete anerkennende Au­ tonomie. Sie besagt, dass die Parteien mit der (stets freiwilligen) Zustimmung zur Moderation die Funktion des Moderators als Garanten der Selbstbestimmung nicht nur für sich selbst, sondern auch in Bezug auf die andere Partei anerkennen. Damit einher geht, dass der Moderator für die soeben beschriebenen Informationsmöglich­ keiten sorgt. Die anerkennende Autonomie greift aber noch weiter. Sie hat zur Folge, dass die Parteien der jeweils anderen eine autonome Vertragsentscheidung zugeste­ hen. Dies entspricht letztlich auch der Anwendung der „Goldenen Regel“ auf das Moderationsverfahren, da beide Parteien selbst eine autonome und vom Moderator 107  So formuliert schon Bydlinski, Privatautonomie und objektive Grundlagen des verpflichten­ den Rechtsgeschäftes, S.  55.

II. Das Bewegliche System des moderierten Vertrags

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unterstützte Entscheidung treffen wollen und dies – als Folge seiner Neutralität – dann auch der Gegenpartei zugestehen. Das Anerkennen der Interessen der Gegen­ seite, wozu auch deren Selbstbestimmung gehört, ist zudem Ausdruck des Gebotes der fairen Verhandlung. Maßnahmen des Moderators, welche die autonome Entscheidung einer Partei ga­ rantieren, sind nicht rechtswidrig. Außerdem hat – nach dem Willen der Partei – in der Moderation das keinen Platz, was die Willensbildung der Gegenpartei unzuläs­ sig beeinflusst. Dies bedeutet konkret, dass das Gebot des fairen Verhandelns ebenso zu beachten ist, wie ein ausreichend gleiches Verhandlungsgewicht, weil dies eine notwendige Voraussetzung ist für das Funktionieren der Privatautonomie und die mit dem Vertragsschluss verbundene Gewähr eines gerechten Vertragsinhalts.108 d) Neutralität/Unabhängigkeit des Moderators Die Untersuchung hat die Bedeutung der Neutralität und Unabhängigkeit des Mo­ derators verdeutlicht. Sie ist das zunächst zentrale Kriterium, welches die Besonder­ heit der Rolle des Moderators erfasst. Die Neutralität und Unabhängigkeit trennen ihn von den sonstigen Dritten, die am Vertragsschluss beteiligt sein können. Die Rolle dieses Merkmals geht über die definitorische Funktion weit hinaus. Es entfaltet seine Wirkung im Hinblick auf die Tätigkeit des Moderators sowie in Bezug auf die erhöhte Legitimation des moderierten Vertrags. aa) Tätigkeit des Moderators Die Suche nach inhaltlichen Vorgaben für die vermittelnde Tätigkeit des Moderators war ein Hauptgegenstand dieser Untersuchung. Dabei ist zunächst die auf den ersten Blick ernüchternde Erkenntnis festzuhalten, dass eine zentrale Gemeinsamkeit aller Moderationssituationen gerade im Fehlen solcher Vorgaben besteht. An dieser Stelle musste die Untersuchung nicht stehenbleiben, denn ein weiteres Bindeglied zwi­ schen sämtlichen Moderationssituationen ließ sich benennen. Die Anforderungen an die Neutralität der Moderatoren beschreiben jeweils die äußerste Grenze der Hand­ lungsoptionen, die dem Moderator im Rahmen seiner Vermittlung zur Verfügung stehen.

108 

Vaupel, Die Kompensation von Ungleichgewichtslagen im Arbeits- und Verbraucherrecht, S.  15 mit Verweis auf BVerfG v. 07.02.1990 – 1 BvR 26/8, BVerfGE 81, 242, 254 f.; BVerfG v. 19.10.1993 – 1 BvR 1044/89, BVerfGE 89, 214, 233; BVerfG v. 06.02.2001 – 1 BvR 12/92, BVerfGE 103, 89, 100 ff.; Brox/Rüthers/Henssler, Arbeitsrecht, Rn.  18; Bülow/Artz, Verbraucherprivatrecht, S.  7; Dieterich, RdA 1995, 129, 131; Hönn, Kompensation gestörter Vertragsparität, S.  9 ff.; Kemper, Verbraucherschutzinstrumente, S.  34; Kempff, Grundrechte im Arbeitsverhältnis, S.  19; Larenz/ Wolf, BGB AT, §  42 Rn.  1; Lieb, Arbeitsrecht, Rn.  108; MünchKommBGB/Kramer, Vor §  145 Rn.  3; Staudinger/Looschelders/Olzen, §  242 Rn.  459; Preis, Grundfragen der Vertragsgestaltung im Ar­ beitsrecht, S.  216 ff.; Soergel/Wolf, BGB, Vor §  145 Rn.  29; kritisch zur Theorie der Vertragsparität insb. Zöllner, AcP 196 (1996), 1, 15 ff.

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G. Das Bewegliche System des moderierten Vertrags

(1) Wechselwirkungen Diese zentrale Rolle der Neutralität wird zudem durch die Wechselwirkung deut­ lich, die zwischen diesem und den übrigen zentralen Merkmalen der Moderation bestehen und die – gewissermaßen über den Umweg der Neutralitätsverletzung – als zentrales Element der Moderationstätigkeit gesichert wird. (2) Garant der Selbstbestimmung Ein neutral tätiger Moderator, das hat die Analyse gezeigt, ist ein Garant der Selbst­ bestimmung. Seine damit angesprochene Funktion im Hinblick auf die Parteiauto­ nomie lässt sich in Verbindung mit dem Neutralitätserfordernis bringen, was letzt­ lich zu einer weiteren Konkretisierung der an die Vermittlungstätigkeit zu stellenden Anforderungen führt. Denn es gilt insofern: 1. Was der Gewährung der notwendigen Freiwilligkeit dient, verstößt nicht gegen die Pflicht zur Neutralität und Unabhängigkeit. 2. Was gegen die Neutralität verstoßen würde, kann vom Moderator nicht zum Schutz der Freiwilligkeit verlangt werden. (3) Interesse des Moderators Des Weiteren ließ sich das im bisherigen Rechtssystem wohl einzigartige Interesse des Moderators beschreiben. Er hat ein systemisch fundiertes Interesse daran, dass der moderierte Vertrag geschlossen wird. Er hat aber kein Interesse am genauen In­ halt des moderierten Vertrags, weil seine Tätigkeit darauf zielt, überhaupt einen Ver­ tragsschluss zu ermöglichen und den Konflikt zwischen den Parteien zu beheben oder wenigstens zu entschärfen. Davon zu trennen ist die Frage, zu welchen (Ver­ trags-)Bedingungen das geschehen soll. Für das Bewegliche System des moderierten Vertrags ist die Erkenntnis zentral, dass ein Moderator, der seine Vermittlungstätigkeit vor dem Hintergrund seines ei­ genen Interesses am Vertragsschluss des moderierten Vertrags vornimmt, auf diesem Wege gegen das an ihn gerichtete Neutralitätsgebot verstößt. bb) Erhöhte Legitimation Die Akzeptanz des moderierten Vertrags geht über die eines bilateral vereinbarten Vertrags hinaus. Die Neutralität und Unabhängigkeit des Moderators ist hierfür die wesentliche Bedingung. Die legitimationssteigernde Wirkung konnte anhand von vier verschiedenen Ansatzpunkten beschrieben werden, die hier als „Öffentlichkeit“, „Subjektive Verfahrens- und Vertragsgerechtigkeit“, „Verstärkung der Richtigkeits­ gewähr“ und „Heimliche Theorie des Verfahrens“ bezeichnet wurden.109 Diese An­ sätze basieren zwar auf unterschiedlichen Überlegungen und gelangen dementspre­ chend auf verschiedenen Wegen zu einer Erhöhung der legitimatorischen Wirkung. Alle Ansätze verbindet jedoch, dass sie ihre Wirkung jeweils von – mindestens – ei­ 109 

Vgl. die Darstellung oben unter E.III.2.

II. Das Bewegliche System des moderierten Vertrags

591

ner Voraussetzung abhängig machen: der Neutralität und Unabhängigkeit des Mo­ derators. Die Beteiligung des Moderators ist nicht die einzige Legitimationsquelle des mo­ derierten Vertrags. Die Umstände, die den Normalvertrag legitimieren, wirken auch hier. Aus diesem Grund ist es möglich, auch vor dem Hintergrund der Legitimation des moderierten Vertrags eine Abstufbarkeit innerhalb des Merkmals zu formulie­ ren, anstatt lediglich dessen komplettes Vorliegen oder gänzliches Fehlen vorzuse­ hen. Der neutrale Moderator, dies war bei der näheren Analyse der Legitimation deut­ lich geworden, ersetzt in der legitimatorischen Wirkung die Öffentlichkeit. Aus die­ sem Grund ersetzt das Element „Neutralität und Unabhängigkeit“ das ansonsten beim Beweglichen System des außerhalb der Moderation geschlossenen Vertrags existente Element „Verkehrssicherheit“. cc) Inhalt und Abstufbarkeit Die Untersuchung, dies kommt in den Abstufungen des Elements zum Ausdruck, hat die Bedeutung der Parteiautonomie offengelegt. Das heißt zunächst, dass eine nicht existente Neutralität anders zu beurteilen ist, wenn die Parteien um deren Feh­ len wissen. Mit dieser Feststellung geht dann im Sinne eines „Wenigers“ die Folge­ rung einher, dass die Parteien die an die Neutralität des Moderators zu stellenden Anforderungen selbst einvernehmlich festlegen können, sofern diese sich nicht aus zwingenden gesetzlichen Vorgaben ergeben. Im Hinblick auf die konkrete Ausgestaltung der Abstufungen ist dementspre­ chend festzuhalten, dass das Element gänzlich erfüllt wird, wenn der Moderator tat­ sächlich als Garant der Selbstbestimmung tätig wurde und die anerkennende und informierte Entscheidung der Parteien garantiert. Der „unbeteiligte Beteiligte“, als der sich der Moderator auch bezeichnen ließ, steht dem Garanten der Selbstbestim­ mung in dessen Garantiefunktion nach. Da er jedoch unabhängig und neutral ver­ mittelt, trägt er auf diesem Wege zur Legitimation des moderierten Vertrags bei. Dies ändert sich dann, wenn der Moderator mit einem eigenen Interesse am Ver­ tragsschluss tätig wird, was darüber hinaus – schlimmstenfalls – den Parteien ver­ borgen bleibt. Demgemäß wurden die weiteren Abstufungen des Elements gewählt.

2. Zur Funktionsweise des Beweglichen Systems des moderierten Vertrags Die Elemente wirken zunächst losgelöst voneinander im Sinne eines „Je mehr, desto besser“. Das heißt, eine optimale dogmatische Basis für den moderierten Vertrag ist gegeben, wenn sämtliche Elemente in ihrer höchsten Stufe vorliegen. Bei dieser isolierten Wirkweise verbleibt es jedoch nicht. Startet man die Betrach­ tung bei der Neutralität des Moderators, so beeinflusst deren Vorliegen das Element der Parteiautonomie, da ein neutraler Moderator Garant für die Selbstbestimmung ist. Liegt dann eine anerkennende und informierte Autonomie der Parteien vor, so wird die Wahrscheinlichkeit für einen äquivalenten Leistungsaustausch erhöht.

592

G. Das Bewegliche System des moderierten Vertrags

Im Hinblick auf die zum Beweglichen System bisher vorliegenden Beschreibungen zum Verhältnis der Elemente lässt sich damit zunächst konstatieren, dass die Bezie­ hungen sich nicht mit „Sandhaufentheorem“ überschreiben lassen. Denn es findet weder ein „Zusammenschütten“ statt noch gleicht die Übererfüllung des einen Ele­ ments das Fehlen oder nur geringe Vorliegen des anderen stets aus. Die Dependenz zwischen den Elementen des Beweglichen Systems des moderier­ ten Vertrags ist weniger fix bzw. starr als die Art der Beziehung, die das Sandhaufen­ theorem beschreibt. Die Elemente stehen jedoch auch nicht beziehungslos zueinan­ der, die oben beschriebene Beeinflussung spricht für eine Kommunikation zwischen den Elementen, die allerdings nicht im Sinne eines Naturgesetzes ausgestaltet ist, also anders als im Fall der kommunizierenden Röhren das Vorliegen des einen Ele­ mentes automatisch ebenfalls das komplette Vorhandensein bzw. gänzliche Fehlen des anderen Elementes zur Folge hat. Stellt man sich die einzelnen Elemente trotz­ dem als Röhren vor, dann bleibt es im Fall des Beweglichen Systems des moderierten Vertrags eine Entscheidung des wertenden Einzelfalls, wie hoch der Pegel in den einzelnen Röhren jeweils sein müsste.

III. Vorschlag einer gesetzlichen Normierung des moderierten Vertrags The proof of the pudding is in the eating. Die Erstellung eines Beweglichen Systems hat für sich allein genommen noch keinen Effekt. Dazu kommt es erst, wenn es an­ gewandt wird. Das geschieht – wie gesehen – zum einen als Grundlage für eine strukturiertere Argumentation im Rahmen der Ausfüllung von unbestimmten Rechtsbegriffen. Darüber hinaus kann es als Grundlage für die zukünftige Gesetz­ gebung genutzt werden,110 wie die Puddingprobe des Beweglichen Systems des mo­ derierten Vertrags zeigt. Denn das Bewegliche System des moderierten Vertrags spricht für eine kleine, aber bedeutsame Gesetzesänderung.

1. Inhalt der Vorschrift Der Vorschlag geht dahin, der Vorschrift des §  313 BGB, die aktuell über drei Absät­ ze verfügt, einen vierten hinzuzufügen. a) Bisher Bisher hat §  313 BGB folgenden Wortlaut: (1) Haben sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, so kann Anpassung des Vertrags verlangt werden, soweit einem Teil unter 110 

Wilburg, Entwicklung eines beweglichen Systems im Bürgerlichen Recht, S.  4.

III. Vorschlag einer gesetzlichen Normierung des moderierten Vertrags

593

Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann. (2) Einer Veränderung der Umstände steht es gleich, wenn wesentliche Vorstellun­ gen, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, sich als falsch herausstellen. (3) Ist eine Anpassung des Vertrags nicht möglich oder einem Teil nicht zumutbar, so kann der benachteiligte Teil vom Vertrag zurücktreten. An die Stelle des Rück­ trittsrechts tritt für Dauerschuldverhältnisse das Recht zur Kündigung. b) Vorschlag Der neue vierte Absatz soll folgenden Wortlaut haben: Wird der Vertrag unter Zuhilfenahme eines neutralen und unabhängigen Modera­ tors geschlossen, so kann jeder Teil vom Vertrag zurücktreten, wenn Umstände vor­ liegen, die bei einem Richter die Ablehnung im Sinne des §  42 der Zivilprozessord­ nung begründen würden. Dies gilt nicht, wenn der Teil die Umstände kannte oder hätte kennen müssen.

2. Begründung Die Begründung trennt zwischen allgemeinen Erläuterungen zur Verortung und Notwendigkeit der gesetzlichen Neuregelung sowie besonderen Ausführungen zu den einzelnen Tatbestandsmerkmalen des §  313 Abs.  4 BGB. a) Allgemein Die Notwendigkeit, überhaupt eine Regelung zu schaffen, folgt aus der legitimatori­ schen Wirkung, die ein moderierter Vertrag entfaltet. Diese legitimatorische Kraft der Beteiligung des Moderators erfährt keine rechtliche Absicherung, die mit derje­ nigen vergleichbar wäre, die zum Vertrag oder Urteil existiert. Die Gedanken zur austeilenden sowie die zur ausgleichenden Gerechtigkeit haben die Bedeutung aufgezeigt, die dem Umstand zukommt, dass der Moderator sich an seine zu Beginn der Moderation mindestens stillschweigend gegebene Zusage hält, der zufolge er die Moderation frei von Eigeninteressen sowie neutral und unabhän­ gig durchführt. Das gilt entsprechend für die zur rawlsschen Gerechtigkeitsdoktrin angestellten Überlegungen. Legt man die Theorie der Gerechtigkeit als Fairness zu­ grunde, dann folgt aus der Verletzung der Moderatorpflichten, dass auch kein ge­ rechter moderierter Vertrag mehr geschlossen werden kann. Weil zudem die Wer­ tungsgrundlage der Parteien im Sinne der Überlegungen Schmidt-Rimplers betrof­ fen ist, wenn der Moderator nicht neutral vermittelt, ist auch aus diesem Gesichtspunkt für eine Möglichkeit zur Aufhebung des Vertrags zu plädieren. Die aktuelle gesetz­ liche Konzeption macht die Manipulation des Moderators zum Lebensrisiko der ein­ zelnen Partei, was darüber hinaus schlicht ungerecht erscheint. Auf einen solchen Befund ließe sich noch mit den Mitteln des geltenden Rechts reagieren, insbesondere im Wege einer möglichen Vertragsaufhebung nach §  313

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G. Das Bewegliche System des moderierten Vertrags

Abs.  1 BGB. Die Untersuchung hat jedoch zudem gezeigt, dass dem moderierten Vertrag inzwischen eine Bedeutung zukommt, die eine Regelung nicht nur rechtfer­ tigt, sondern erfordert. Eine solche Regelung sollte für den moderierten Vertrag an sich gelten und nicht nur für einzelne seiner Erscheinungsformen. Sie muss damit im BGB verortet sein und nicht in der ZPO111 bzw. einem oder mehreren der Spezialge­ setze, die bisher Erwähnung gefunden haben. Auch die Zielrichtung der Regelung ergibt sich aus den Erkenntnissen der bisheri­ gen Untersuchung. Der moderierte Vertrag ist zunächst ein Vertrag. Mit dieser bana­ len Feststellung geht einher, dass in Bezug auf das Verhältnis der Parteien zueinander kein Handlungsbedarf besteht. Insofern gelten die vertraglichen Regelungen des BGB. Dies gilt auch in Bezug auf das Verhältnis der Parteien (bzw. jeweils einer Par­ tei) zum Moderator. Problematisch ist zwar – dies hat die Analyse gezeigt – die Feststellung einer Schlechtleistung durch den Moderator. Da es aber eine nicht überschaubare Zahl an Moderationsstilen etc. gibt, ist es nicht möglich, eine lege-artis-Moderationsleistung allgemeingültig zu erfassen. Deshalb ging es darum, die Grenzen dessen, was einem Moderator im Rahmen seiner Moderation erlaubt ist, zu beschreiben. Hierzu lassen sich zwei Aussagen formulieren: 1. Die Neutralität und Unabhängigkeit der Moderation sind eine zentrale Basis für deren legitimationssteigernde Wirkung. Welche Anforderungen an die Neutrali­ tät und Unabhängigkeit zu stellen sind, bestimmen die Parteien infolge ihrer Par­ teiautonomie. 2. Das Ideal der Parteiautonomie, das beim moderierten Vertrag anzustreben ist, lässt sich als informierte und anerkennende Autonomie bezeichnen. Informiert, weil der Moderator als Garant durch entsprechende Information für eine autono­ me Entscheidung durch die Parteien sorgen muss. Anerkennend, weil die Betei­ ligten des Moderationsverfahrens gerade anerkennen, dass der Moderator für eine autonome Entscheidung auch bei der anderen Partei sorgt. Möchte man vor diesem Hintergrund den moderierten Vertrag vor dem Moderator schützen, so kann man bei der Neutralität bzw. der informierten und anerkennenden Autonomie ansetzen. Besonders hier erweist sich das Bewegliche System als hilfreich. Denn es zeigt, dass die informierte und anerkennende Autonomie „nur“ eine besondere Form der ohnehin beim Vertrag notwendigen Parteiautonomie darstellt, die dementsprechend über die bereits existierenden Regeln geschützt werden kann. Dabei ist zuzugeste­ hen, dass insofern die identischen Probleme bestehen, die auch für den bilateralen Vertrag behandelt werden. Das gilt insbesondere für die Frage der Beweisbarkeit von Umständen, die die Parteiautonomie beeinträchtigen. Damit bleibt, bei der Neutralität und Unabhängigkeit des Moderators anzusetzen und aufgrund der bestehenden Zusammenhänge, die im Laufe dieser Untersuchung 111  Steffek, ZKM 2017, 183, 187 schlägt demgegenüber vor, die ZPO zu einer Konfliktlösungs­ ordnung weiterzuentwickeln.

III. Vorschlag einer gesetzlichen Normierung des moderierten Vertrags

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aufgezeigt wurden, auf diesem Wege auch mittelbar die informierte und anerkennen­ de Autonomie zu schützen. Die rechtliche Absicherung des Neutralitätsversprechens des Moderators basiert gerade auf den Erkenntnissen, dass diese nicht lediglich einen Wert an sich darstellt, sondern als die zentrale Grenze der Moderationstätigkeit fungiert und zudem die Basis für die erhöhte Legitimation des moderierten Vertrags darstellt. Für die Anforderungen an die Neutralität und Unabhängigkeit gilt dann wiede­ rum, was sich für eine ganze Reihe von Moderatoren feststellen ließ. Die Parteien selbst legen autonom den Maßstab fest. b) Besonders Der konkrete Regelungsvorschlag wird im Folgenden anhand der einzelnen Tatbe­ standsmerkmale erläutert. aa) „Zuhilfenahme“ Durch den Begriff der „Zuhilfenahme“ wird die sogenannte Einsetzung des Mode­ rators beschrieben. Dessen Hinzuziehung basiert regelmäßig112 auf dem freien Wil­ len der Parteien, jedenfalls kann die Moderation jederzeit abgebrochen werden. Die­ se Freiwilligkeit kommt in dem Begriff der Zuhilfenahme zum Ausdruck, da „die Verwendung von etwas [hier besser: jemandem]113 als Hilfsmittel“114 voraussetzt, dass dies vorsätzlich geschieht. bb) „neutralen und unabhängigen Moderators“ Nach den Ausführungen zu Beginn der Begründung des Regelungsvorschlags war es die Neutralität und Unabhängigkeit des Moderators, die es durch eine allgemeine Vorschrift abzusichern galt. Dies kommt durch die Formulierung „neutralen und unabhängigen Moderators“ zum Ausdruck. cc) „so kann jeder Teil vom Vertrag zurücktreten“ Bei der Ausgestaltung des „Rechtsmittels gegen den moderierten Vertrag“ als Rück­ trittsrecht war gedankenleitend, dass – wie die Betrachtungen des §  313 BGB gezeigt haben – es auch um eine Klarstellung dahingehend geht, dass die Neutralität des Moderators Geschäftsgrundlage des moderierten Vertrags ist. Insofern wäre es – bei entsprechendem argumentativem Aufwand – möglich, die hier durch die neue Rege­ lung klar formulierte Rechtsfolge auch durch die direkte Anwendung des §  313 Abs.  1 BGB zu erreichen. Diese sieht als (letzte) Rechtfolge das Recht zum Rücktritt vom Vertrag vor. 112 

Im Rahmen der Vermittlungstätigkeit des Gerichtsvollziehers gelten Beschränkungen. Die Ergänzung in der Klammer stammt vom Verfasser. 114 So die Bedeutung von „Zuhilfenahme“ laut Duden, https://www.duden.de/node/211622/ revision/211658, zuletzt abgerufen am 8.9.2020. 113 

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G. Das Bewegliche System des moderierten Vertrags

Die Vorschrift statuiert den Rücktritt allerdings nicht als primäre Rechtsfolge, sondern räumt zunächst das Recht ein, eine Vertragsanpassung zu verlangen. Die Pflicht zum Nachverhandeln ist aber im Rahmen des moderierten Vertrags, der un­ ter den geschilderten Bedingungen zustande gekommen ist, nicht sinnvoll. Denn im Rahmen der Nachverhandlung sollen die Parteien die geänderten Umstände, die zur Geschäftsgrundlage zählen, berücksichtigen und ihren Vertrag dieser neuen Basis anpassen.115 Für die hier in Rede stehende Situation bedeutet dies, dass die Parteien in ihren Nachverhandlungen darüber beraten müssten, wie sie den (gesamten) Ver­ trag ohne oder mithilfe eines tatsächlich neutralen Moderators geschlossen hätten. Diese Verhandlungen sind dann allerdings besser im Hinblick auf einen neuen, feh­ lerfreien Vertrag zu führen. Hierzu ist der alte Vertrag zunächst im Wege des Rück­ tritts zu beseitigen. dd) „die bei einem Richter die Ablehnung im Sinne des §  42 der Zivilprozessordnung begründen würden“ Dieser Teil der Vorschrift postuliert die entsprechende Anwendung des §  42 ZPO und ist Kern der vorgeschlagenen Regelung. Mit der Inbezugnahme der zivilprozes­ sualen Vorschrift, die auch in vielen anderen Prozessen zur Anwendung kommt und ebenso den Maßstab für die Ablehnung des Schiedsrichters bildet,116 werden zwei Ziele erreicht. Erstens der Schutz der Neutralität des Moderators auf Basis der in Forschung und Praxis lange bekannten Vorschrift des §  42 ZPO und zweitens eine angemessene Beweiserleichterung für die Partei, die sich auf das Rücktrittsrecht be­ ruft. Diese Ziele wären mit der Heranziehung eines anderen Regelungskomplexes nicht zu erreichen. Dies gilt für die Regelung aus dem MedG, das in §  3 MedG lediglich eine Aufklärungspflicht enthält, sowie für §§  3, 4 BeurkG, die direkt auf die Wirk­ samkeit der Urkunde keinen Einfluss haben117 und deren tatbestandliche Struktur nicht zu der erwünschten Beweiserleichterung geführt hätte. (1) Der Schutz der Neutralität und Unabhängigkeit Die Vorschrift des §  42 Abs.  1 ZPO regelt zunächst, dass ein Richter sowohl in den Fällen, in denen er von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, als auch wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden kann.118 Damit kann sich die Prozesspartei zunächst auf die Ausschließungsgründe des §  41 ZPO berufen, die im Gerichtsverfahren zudem von Amts wegen zu berücksichtigen sind und – hier wichtiger – dazu dienen, die Neutralität sicherzustellen.119 Letzteres gilt

115  Zum Nachverhandeln im Sinne des §  313 BGB vgl. BeckOGK/Martens, BGB, §  313 Rn.  127; Lüttringhaus, AcP 213 (2013), 266 ff. 116  KG v. 12.02.2008 – 13 SchH 2/17, JR 2019, 144, 145. 117 BeckOGK/Gößl, BeurkG, §  3 Rn.  1. 118  Bork, in: Stein/Jonas, ZPO, §  42 Rn.  1 f.; BeckOK-ZPO/Vossler, §  42 Rn.  1. 119  Schreiber, Jura 2011, 745.

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auch für das in §  42 ZPO verankerte Ablehnungsrecht der Parteien,120 welches durch die vorgeschlagene Regelung Anwendung auf den moderierten Vertrag fände. (2) Besorgnis der Befangenheit – Verfahren Der Vorschlag des §  313 Abs.  4 BGB-E stellt auf Umstände ab, die bei einem Richter die Ablehnung begründen würden. Durch diese Formulierung soll deutlich werden, dass zwar die Gründe der Ablehnung entsprechende Anwendung finden sollen, nicht aber das Verfahren, welches nach der ZPO für die Richterablehnung gilt. Des­ halb ist Voraussetzung des Rücktrittsrechts, dass Umstände vorliegen, die eine Ab­ lehnung begründen würden. Im Streitfall müsste dann der Zivilrichter, der über den möglichen Rücktritt vom moderierten Vertrag entscheidet, beurteilen, ob – wie es in §  42 Abs.  2 ZPO formuliert ist – ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen ge­ gen die Unparteilichkeit eines Richters (jetzt: Moderators) zu rechtfertigen. (3) Besorgnis der Befangenheit – Prüfungsmaßstab und Funktionsweise Die fehlende Neutralität, bzw. positiv formuliert: die Parteilichkeit bzw. Befangen­ heit, ist kein objektiver Zustand, sondern eine innere Einstellung des Moderators. Sie kann, muss jedoch nicht nach außen erkennbar werden und hat gerade im Verborge­ nen das Potenzial, viel schädliche Wirkung zu entfalten.121 Dies führt dazu, dass die Verfahrensbeteiligten des Zivilprozesses bzw. die Parteien des moderierten Vertrags nicht abschließend beurteilen können, ob der Richter bzw. Moderator tatsächlich befangen ist oder nur den Eindruck erweckt.122 Darauf hat §  42 Abs.  2 ZPO reagiert. Denn für die erfolgreiche Ablehnung des Richters ist der Vorschrift zufolge nicht die Befangenheit des Richters notwendig. Es muss vielmehr die Besorgnis der Befangen­ heit bestehen, die dann vorliegt, wenn ein Grund existiert, der geeignet ist, Misstrau­ en gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen.123 Auf diese Weise wech­ selt das Gesetz vom allein subjektiv beim Richter vorliegenden Merkmal der Befan­ genheit hin zur Besorgnis, die zunächst auf objektiven Umständen basiert, die dann subjektiv aus der Sicht des Ablehnenden vernünftigerweise die Sorge hervorrufen können, der Richter stehe dem Prozess nicht neutral gegenüber.124 Damit gilt ein objektiver Maßstab, weil es um tatsächliche und damit beweisbare Gründe geht. Dieser objektive Maßstab wird ergänzt um ein wertendes Element, welches zum Teil ungenau als „gewisser subjektiver Einschlag“125 bezeichnet wird. Die Beurteilung, ob die angegebenen Umstände das Misstrauen rechtfertigen, soll aus der Sicht einer objektiv und vernünftig urteilenden Partei vorgenommen werden.126 Damit wird das 120  Vgl. nur BVerfG. v. 28.04.2011 − 1 BvR 2411/10, BeckRS 2011, 50357; BVerfG v. 20.07.2007 − 1 BvR 2228/06, BeckRS 2007, 25568; BGH v. 08.02.2001 – III ZR 45/00, NJW 2001, 1502. 121  Vgl. die entsprechenden Ausführungen zum Richter bei Krekeler, NJW 1981, 1633; Schreiber, Jura 2011, 745, 747. 122  Krekeler, NJW 1981, 1633. 123  Siehe in diesem Zusammenhang Krekeler, NJW 1981, 1633; Schreiber, Jura 2011, 745, 747. 124  Schreiber, Jura 2011, 745, 747. 125  Ghassemi-Tabar/Nober, NJW 2013, 3686, 3689. 126  Ghassemi-Tabar/Nober, NJW 2013, 3686, 3689.

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G. Das Bewegliche System des moderierten Vertrags

Tatbestandsmerkmal jedoch nicht subjektiv. Beschrieben wird allein der objektive Maßstab der durchschnittlichen Partei, der für die Fallbeurteilung herangezogen werden soll.127 Überträgt man diese zivilprozessuale Vorschrift wie vorgeschlagen in das materi­ elle Vertragsrecht, so geht mit dieser Tatbestandsfassung eine Beweiserleichterung für denjenigen einher, der sich auf das Rücktrittsrecht beruft. Denn in einem späte­ ren Prozess müsste dieser dann – der Baumbachschen Formel entsprechend128 – die Umstände vortragen und ggf. beweisen, die die Besorgnis der Befangenheit des Mo­ derators rechtfertigen sollen. Sind diese Tatsachen bewiesen, obliegt es einer – nicht durch Vortrag oder Beweis zu beeinflussenden – Einschätzung des über den Rück­ tritt entscheidenden Gerichts, ob sie auch ein Misstrauen in die Unparteilichkeit des Moderators stützen. Im Ergebnis bedeutet dies etwa, dass es nicht darauf ankommt, ob der Moderator tatsächlich neutral und unabhängig ist oder sich selbst für neutral hält.129 Mehr noch: Selbst, wenn der Moderator tatsächlich neutral vermittelt hat, kann nach der anvi­ sierten Regelung eine Partei vom Vertrag zurücktreten. Denn es kommt eben auf die Tatsachen an, die die Besorgnis rechtfertigen.130 Sorgen kann man sich auch um et­ was, das nicht existiert. Im Hinblick auf die konkrete Subsumtion wird eine Fallgruppenbildung durch die Rechtsprechung notwendig sein. Anzusetzen ist hier bei der für die richterliche Be­ fangenheit formulierten Erkenntnis, dass ein Ablehnungsgrund aus dem Verhalten im Verfahren stammen kann131 und dort seine Grenze erreichen soll, wo eine Äuße­ rung den Beleidigungstatbestand des §  185 StGB erfüllt.132 Weitere, für die Modera­ tion in diesem Zusammenhang interessante Aussagen gehen dahin, dass sich der Richter nicht einmal dem Anschein der Parteilichkeit aussetzen dürfe133 und darüber hinaus ein persönliches Interesse des Richters am Verlauf und Ausgang des Verfah­ rens die Besorgnis der Befangenheit begründen könne.134 Letzteres ist gerade vor dem Hintergrund des systemischen Interesses des Moderators am moderierten Ver­ trag hervorzuheben. Mit der Inbezugnahme der Regelung der ZPO geht damit auch eine Reaktion auf die schwierige Situation der Beweisbarkeit einer moderativen Schlechtleistung ein­ her, wie sich etwa bei der Betrachtung der undue influence gezeigt hat. Der dort entwickelte Kriterienkatalog kann zusätzlich als Ausgangspunkt für eine Fallgrup­ penbildung zur Situation beim moderierten Vertrag dienen. Weil die Untersuchung 127  Heinrich, in: Musielak/Voit, ZPO, §  42 Rn.  6; a. A. Conrad, MDR 2015, 1048, der auf die Sichtweise der ablehnenden Partei abstellen möchte. 128 Zur Baumbach’schen Formel vgl. nur HK-ZPO/Gierl, §  100 Rn.  19. 129  Vgl. die entsprechenden Ausführungen zum Richter Krekeler, NJW 1981, 1633, 1635; Schreiber, Jura 2011, 745, 747; BeckOK-ZPO/Vossler, §  42 Rn.  5. 130  Siehe hier ebenfalls die entsprechenden Ausführungen zum Grundtatbestand bei Krekeler, NJW 1981, 1633, 1635. 131  Vgl. nur Schreiber, Jura 2011, 745, 748. 132  Taubner, Der befangene Zivilrichter, S.  124. 133  Krekeler, NJW 1981, 1633. 134  Krekeler, NJW 1981, 1633, 1637.

III. Vorschlag einer gesetzlichen Normierung des moderierten Vertrags

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außerdem gezeigt hat, dass eine Handlung des Moderators, die die Selbstbestim­ mung einer Partei beeinträchtigt, stets auch gegen seine Neutralitätspflicht verstößt, ist die Inbezugnahme der zivilprozessualen Regelung auch eine Reaktion auf die bestehende Beweisproblematik. (4) Besorgnis der Befangenheit – Keine weitere Beweiserleichterung Klarzustellen ist in diesem Zusammenhang, dass durch die Funktionsweise des Tat­ bestands von §  42 Abs.  2 ZPO bereits eine ausreichende Beweiserleichterung erreicht wird. Eine weitere Beweiserleichterung, die erreicht würde, wenn man nicht nur die Vorschrift des §  42 ZPO, sondern auch das Verfahren zur Ablehnung des Richters aus der ZPO in das Vertragsrecht übertragen würde, ist auch vor dem Hintergrund der zivilprozessualen Regelungen nicht angezeigt. Schon oben ist dargestellt worden, dass die vorgeschlagene Formulierung des §  313 Abs.  4 BGB-E zur Folge haben soll, die Vorgaben an die Unparteilichkeit zu übertra­ gen, nicht aber das in der ZPO dazugehörige Verfahren. Damit ginge zwar eine wei­ tere Beweiserleichterung einher, die ihre Ursache jedoch im Zivilprozess an sich hat und deswegen nicht auch im BGB zur Anwendung kommen soll. (5) Glaubhaftmachung Nach §  44 Abs.  2 Satz 1 ZPO ist der Ablehnungsgrund glaubhaft zu machen. Für die den Richter ablehnende Partei bedeutet dies, dass sie die tatsächlichen Angaben im Gesuch, aus denen sich die Besorgnis der Befangenheit ergeben soll, im Wege der Glaubhaftmachung nach §  294 ZPO zu belegen hat.135 Wenn eine Glaubhaftmachung vorgesehen ist, dann hat dies Auswirkungen auf die Beweiserhebung und das Beweismaß. (a) Beweiserhebung Grundsätzlich sieht §  294 ZPO zwei zentrale Veränderungen im Hinblick auf die Beweiserhebung vor. In §  294 Abs.  1 ZPO wird die Versicherung an Eides statt als besonderes Beweismittel, neben den übrigen, hervorgehoben.136 Mit dieser Erweite­ rung der Beweismittel in Abs.  1 geht eine zeitliche Einschränkung dergestalt einher, dass nur solche Beweismittel zulässig sind, die eine sofortige Beweisaufnahme er­ möglichen. Das heißt, das Zeugen oder Sachverständige in einer mündlichen Ver­ handlung nur vernommen werden, wenn sie anwesend sind, eine Vertagung zum Zwecke der Beweisaufnahme findet nicht statt.137 Für die besondere Glaubhaftmachung im Rahmen des Verfahrens der Richterab­ lehnung gilt zudem, dass die Partei zur Versicherung an Eides statt – anders als im Grundfall des §  294 ZPO – nicht zugelassen ist, dafür auf das Zeugnis des abgelehn­ ten Richters Bezug genommen werden kann, vgl. §  44 Abs.  2 Satz 2 ZPO. 135 MünchKommZPO/Stackmann,

§  4 4 Rn.  8; BeckOK-ZPO/Vossler, §  4 4 Rn.  12. §  294 Rn.  7. 137  Roth, in: Stein/Jonas, ZPO, §  294 Rn.  19; BeckOK-ZPO/Bacher, §  294 Rn.  14. 136 BeckOK-ZPO/Bacher,

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G. Das Bewegliche System des moderierten Vertrags

(b) Beweismaß Die Glaubhaftmachung entfaltet ebenfalls Wirkungen im Hinblick auf den notwen­ digen Grad der Überzeugung des Gerichts. Tatsachen müssen nicht voll bewiesen werden, es reicht vielmehr, wenn das Gericht zu der Ansicht gelangt, dass ihr Vorlie­ gen überwiegend wahrscheinlich ist.138 Für den hiesigen Kontext bringt diese Absenkung des Beweismaßes, die mit der Glaubhaftmachung einhergeht, die Frage mit sich, ob neben der Übertragung der Voraussetzungen der Richterablehnung aus §  42 ZPO nicht zusätzlich auch die Glaubhaftmachung auf die Situation des moderierten Vertrags übertragen werden sollte. Der Zweck der Glaubhaftmachung, der sich bei der Richterablehnung nur inner­ halb eines Zivilprozesses verwirklicht, spricht dagegen. (c) Zweck: Geschwindigkeit Sowohl die skizzierten Regelungen zur Beweiserhebung als auch die Absenkung des Beweismaßes dienen dem mit der Anordnung der Glaubhaftmachung allgemein und speziell im Fall der Richterablehnung verfolgten Ziel, eine zeitlich schnelle Entschei­ dung über die Befangenheit zu ermöglichen, um dem eigentlichen Zivilprozess so­ dann Fortgang zu gewähren.139 Dieses Ziel wird mit dem inflationär gebrauchten Begriff der Prozessökonomie zwar nicht verfehlt, aber nur sehr ungenau beschrieben.140 Für die Glaubhaftma­ chung nach §  44 Abs.  2 Satz 1 ZPO wird zudem formuliert, dass diese vorschnelle oder rechtsmissbräuchliche Ablehnungsanträge verhindern solle und damit dem Entzug des gesetzlichen Richters und der Verzögerung des Prozesses entgegenwir­ ken solle.141 Die mit der Glaubhaftmachung beabsichtigte Möglichkeit einer schnellen Ent­ scheidung ist erkenntnisleitend für die Feststellung, dass eine Übertragung auf die Situation des moderierten Vertrags nicht angezeigt ist. Denn der Zeitdruck, der die Glaubhaftmachung im Verfahren der zivilprozessualen Richterablehnung rechtferti­ ge, bestünde im Rahmen der Anwendung des §  313 Abs.  4 BGB-E nicht. Mit der In­ bezugnahme des §  42 ZPO durch die vorgeschlagene Regelung verliert dieser in den Anwendungsfällen der neuen Vorschrift seinen Charakter als prozessuale Vorschrift. 138  Allgemein: MünchKommZPO/Prütting, §  294 Rn.  2 ; BeckOK-ZPO/Bacher, §  294 Vor Rn.  1; Greger, in: Zöller, ZPO, §  294 Rn.  1 spricht von Wahrscheinlichkeitsfeststellung im Verfahren der Richterablehnung: Vossler, MDR 2014, 10, 12; Vollkommer, in: Zöller, ZPO, §  44 ZPO Rn.  3; MünchKommZPO/Stackmann, §  44 Rn.  9 mit Verweis auf BGH v. 21.12.2006 – IX ZB 60/06, NJW-RR 2007, 776; näher zur überwiegenden Wahrscheinlichkeit siehe Koch, NJW 2016, 2994, 2995; siehe auch BLAH, ZPO, §  294 Rn.  1. 139  Thole, in: Stein/Jonas, ZPO, §  294 spricht davon, dass die Glaubhaftmachung vor allem in Fällen vorgesehen ist, in denen das Verfahren (zunächst) einseitig ausgestaltet ist, in denen es um die Entscheidung über rein prozessuale Fragen geht, oder in denen besonderer Zeitdruck besteht. Letz­ teres ist der Fall im Verfahren nach §  4 4 ZPO. 140  Siehe etwa BLAH, ZPO, §  4 4 Rn.  2 , BeckOK-ZPO/Vossler, §  4 4 Rn.  1. 141 BeckOK-ZPO/Vossler, §  4 4 Rn.  1.

III. Vorschlag einer gesetzlichen Normierung des moderierten Vertrags

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Die Voraussetzungen der Richterablehnung im Zivilprozess werden zu materiell­ rechtlichen Gründen, die einen Rücktritt vom moderierten Vertrag rechtfertigen. Aufgrund dieser dogmatischen Neuverordnung entfällt der Zeitdruck, der beim in­ nerhalb des Zivilprozesses ablaufenden Ablehnungsverfahren, das eine schnelle Ent­ scheidung benötigt, die Verankerung der Glaubhaftmachung rechtfertigte. Aus diesem Grund ist eine Absenkung des Beweismaßes hier nicht angezeigt. Der neue Rücktrittsgrund ist beweis- und verfahrensrechtlich zu behandeln wie die üb­ rigen gesetzlichen Rücktrittsgründe. Die notwendige Beweiserleichterung für die Partei, die sich aufgrund unsachgemäßer Moderation vom moderierten Vertrag lösen möchte, wird durch die adaptierte Funktionsweise des Tatbestands der Vorschrift des §  42 ZPO gewährleistet. ee) „Dies gilt nicht, wenn der Teil die konkreten Umstände kannte oder hätte kennen müssen.“ Allein diese Adaption des §  42 ZPO würde der Situation des moderierten Vertrags nicht ausreichend gerecht. Denn nicht nur die Neutralität und Unabhängigkeit und deren Schutz wurde durch diese Untersuchung als zentral für den moderierten Ver­ trag herausgearbeitet. Das gilt in gleichem Umfang für die aufgeklärte und anerken­ nende Autonomie, die – wie dargestellt – gerade über die Absicherung der Neutrali­ tät geschützt wird. Es gilt die Autonomie jedoch nicht nur zu schützen, sondern ei­ ner ausgeübten Autonomie ist auch Rechnung zu tragen. Denn das Verfahren des moderierten Vertrags ist geprägt durch die absolute Parteiherrschaft, d. h., es gibt – anders als im Gerichtsverfahren – keine notwendige Neutralität, die zu schützen ist. Wenn die Parteien einen abhängigen und nicht neutralen Moderator beauftragen wollen, dann besteht hierzu die Möglichkeit, die durch diese gesetzliche Klarstellung festgehalten wird. Aus dem Verstoß gegen eine dann nicht bestehende Neutralitäts­ pflicht kann kein Rücktrittsrecht folgen, wie Satz 2 der Vorschrift konsequenterwei­ se festhält. Die Vorschrift des §  313 Abs.  4 Satz 2 BGB-E entspricht in ihren Wertun­ gen zudem §  43 ZPO und §  3 Abs.  4 MedG.

H. Schluss Es gibt drei Wege, einen Konflikt zu lösen. Durch Urteil, durch Vertrag oder durch Vermittlung. Am Ende der Vermittlung steht kein Vertrag und auch kein Urteil, sondern ein moderierter Vertrag. Er ist Gegenstand dieses Buches. Zum Schluss dieser Untersuchung zum moderierten Vertrag steht der Vorschlag, in §  313 BGB einen neuen vierten Absatz einzufügen, der folgenden Wortlaut haben soll: Wird der Vertrag unter Zuhilfenahme eines neutralen und unabhängigen Modera­ tors geschlossen, so kann jeder Teil vom Vertrag zurücktreten, wenn Umstände vor­ liegen, die bei einem Richter die Ablehnung im Sinne des §  42 ZPO begründen wür­ den. Dies gilt nicht, wenn der Teil die Umstände kannte oder hätte kennen müssen. Welche Überlegungen liegen dem zugrunde?

I. Der moderierte Vertrag als Rechtsphänomen Zu Beginn steht die Entdeckung des moderierten Vertrags.

1. Moderation Das zentrale und verbindende Element im Rahmen der Definition des moderierten Vertrags ist eine Tätigkeit, die nach der hier vorgeschlagenen Begriffswahl als Mode­ ration bezeichnet werden soll. Kennzeichnend für die Moderation ist, dass sie nur wenige Kennzeichen hat. Die genaue Art und Weise, wie der Vertrag durch den Drit­ ten vermittelt wird, d. h., wie die Kommunikation zwischen den zukünftigen Ver­ tragspartnern so gefördert wird, dass diese am Ende des Prozesses einen Konsens erzielen, wird nicht von gesetzlichen Vorgaben erfasst. Diese Aussage konnte zu­ nächst formuliert werden für die insgesamt elf Situationen, die im Rahmen dieser Untersuchung betrachtet wurden und die das Zustandekommen eines moderierten Vertrags beschreiben. Die Analyse der Anforderungen, die an das Tatbestandsmerk­ mal des „gerichtlichen Vergleichs“ gestellt werden, konnte diesen Befund bestätigen. Denn wie genau der Beitrag des Gerichts aussehen soll, der zu einer „Gerichtlich­ keit“ des Vergleichs führt, bleibt jeweils unklar. Hier wie dort finden sich, wenn es um die nähere Beschreibung der vermittlerischen Tätigkeit geht, mehr wortschöpfe­ rische Umschreibungen als konkrete Vorgaben.

I. Der moderierte Vertrag als Rechtsphänomen

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Dass der moderierte Vertrag infolge der Vermittlungsabsicht des Moderators etwa nicht als „vermittelter Vertrag“ bezeichnet werden soll, liegt daran, dass der Vermitt­ lungsbegriff fachsprachlich bereits durch das Makler- sowie Arbeitsförderungsrecht mit einer anderen Bedeutung belegt ist. Weil es an einer näheren rechtlichen Darstellung der Moderation fehlt, existieren auf den ersten Blick auch keine Grenzbeschreibungen dahingehend, welche Modera­ tionsleistung gerade noch zulässig ist und welche nicht mehr. Im Rahmen der Unter­ suchung konnten zwei Grenzen formuliert werden. Das Neutralitätserfordernis als negative Beschreibung der Grenzen einer möglichen Moderation sowie als positive Formulierung die Funktion des Moderators als sogenannter „Garant der Selbstbe­ stimmung“ im Sinne einer hier so bezeichneten informierten und anerkennenden Autonomie. a) Neutralität als Grenze Durch die gesamte Analyse der Konstellationen des moderierten Vertrags zog sich die Erkenntnis, dass der Moderator trotz aller Verantwortlichkeit für die gelingende Kommunikation und die Selbstbestimmung der Parteien stets die aus der Neutralität folgenden Grenzen für seine Moderationstätigkeit beachten muss. Insofern ließ sich u. a. mit Blick auf Mediator, (Güte-)Richter und Notar formulieren: 1. Was der Sicherung der notwendigen Freiwilligkeit dient, verstößt nicht gegen die Pflicht zur Neutralität und Unabhängigkeit. 2. Was gegen die Neutralität verstoßen würde, kann vom Moderator nicht zum Schutz der Freiwilligkeit verlangt werden. Es zeigen sich hier bereits Interdependenzen mit der Parteiautonomie. Diese beein­ flusst häufig auch den Inhalt des Neutralitätsgebots. Denn was die Neutralität und Unabhängigkeit vom Moderator jeweils verlangt, bestimmen die Parteien selbst. Die gesetzlichen Vorgaben1 sehen jeweils vor, dass die Parteien Dritte auch trotz mögli­ cher Gefahren für die neutrale Vermittlung beauftragen können, solange dies in Kenntnis der relevanten Umstände geschieht. b) Der Moderator als Garant der Selbstbestimmung Mit Blick auf das Ziel der Tätigkeit konnte die Rolle des Moderators als die eines Garanten der Selbstbestimmung beschrieben werden. Der Moderator soll dabei eine Selbstbestimmung – auch insoweit ließen sich Konkretisierungen vornehmen – ga­ rantieren, die sich mit dem Begriff der informierten und anerkennenden Autonomie erfassen lässt. Diese Funktion des Moderators führt wesentlich zu einer Erhöhung der Legitimation des moderierten Vertrags.2 Die Forderung nach einer informierten Autonomie findet sich etwa in den häufig zur richterlichen Vermittlung getätigten Aussagen dahingehend, dass dieser infor­ mieren, aber nicht manipulieren solle. Sie hat ihre rechtliche Verankerung etwa im MedG gefunden. Nur die informierte Partei kann sich in Freiheit entscheiden. Die­ ser Gedanke liegt ganz zentral der Tätigkeit des Notars zugrunde, weshalb die an

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H. Schluss

ihn gerichteten diesbezüglichen Pflichten auch für die Moderation nutzbar gemacht werden konnten. Diese Freiheit, und dabei handelt es sich um die zweite, besondere Definition des moderierten Vertrags, wird infolge der Durchführung des Moderationsverfahrens von der Gegenseite anerkannt. Letztlich basiert diese Anerkennung auf der Anwen­ dung der sogenannten Goldenen Regel innerhalb des Moderationsverfahrens, die auf die Moderation gemünzt besagt, dass eine Partei, die ihre Selbstbestimmung durch eine neutrale Vermittlungsperson verwirklicht sehen möchte, auch anerkennen muss, dass diese – weil sie neutral vermittelt – auch die Selbstbestimmung der anderen Par­ tei realisiert. Rechtlich verankern lässt sich dieser Gedanke über eine entsprechende Nutzbarmachung des in Deutschland relativ neuen Gebotes der fairen Verhandlung, welches jedoch mithilfe der anglo-amerikanischen Rechtsfigur der undue influence konkretisiert wurde. Die Querschnittsbetrachtung verschiedener Konstellationen des moderierten Vertrags hat den Blick auf zwei rechtliche Phänomene zugelassen, die mit „Vorwir­ kung“ bzw. „Einigungshilfen“ tituliert wurden. c) Vorwirkung „Vorwirkung“ bezeichnet dabei den Umstand, dass es – anstelle direkter Vorgaben – häufig die an das Ergebnis, d. h. den moderierten Vertrag, gekoppelten Vorgaben sind, die ihre Wirkung auch für den Inhalt der Moderation entfalten. Für die erfolg­ reiche Ausübung der Vermittlungstätigkeit muss er einen Vertrag vermitteln, dessen Inhalt einer rechtlichen Kontrolle standhält, also sich etwa in den – weiten – Grenzen der §§  138, 242 BGB bewegt. Ziel des Mediators, des Streitmittlers oder des Ju­ gendamts ist stets die Beilegung oder Vermeidung eines Konflikts. Das gelingt nur bei Abschluss eines wirksamen Vertrags. Deshalb wird z. B. für den Streitmittler explizit formuliert, dass dieser nur solche Vorschläge machen dürfe, die diese Vor­ aussetzungen erfüllen. Der Mechanismus der Vorwirkung lässt sich nicht nur an­ hand der allgemeinen und für alle Verträge geltenden Regelungen beschreiben, son­ dern wird auch deutlich, wenn der Moderator selbst durch den Gesetzgeber dazu bestimmt wurde, den ggf. durch ihn selbst moderierten Vertrag einer besonderen Kontrolle zu unterziehen. Es besteht insofern die Vorstellung des Gesetzgebers, dass der Richter im Rahmen seiner Vermittlung in Aussicht stellt, unter welchen Voraus­ setzungen er einen Vergleich nach §  18 KapMuG und §  611 ZPO genehmigen, nach §  156 Abs.  2 FamFG billigen bzw. nach §  214a FamFG bestätigen kann. d) Einigungshilfen Unter dem neuen Begriff der „Einigungshilfe“ werden diejenigen rechtlichen Kon­ struktionen gefasst, deren Installation mindestens auch dem Zweck dient, das Zu­ standekommen eines moderierten Vertrags zwischen den Parteien zu erleichtern. Die auf dieser Basis als Einigungshilfe zu qualifizierenden Maßnahmen weisen eine große Vielfalt auf. Hervorzuheben ist einerseits der sogenannte neutrale Entwurf, der seit jeher in der notariellen Tätigkeit verankert war. Dieser Entwurf steht im

I. Der moderierte Vertrag als Rechtsphänomen

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Rahmen der notariellen Vermittlung regelmäßig zu Beginn der Moderationstätig­ keit. Dann ist von einem „Ein-Text-Verfahren“ zu sprechen, dessen Anwendungsbe­ reich längst über die Kerntätigkeit des Notars hinausgeht und etwa in der Mediation Verwendung findet. Eine rechtliche Verankerung hat diese Einigungshilfe etwa in §  368 Abs.  1 Satz 1 FamFG erfahren. Eng mit dem „Ein-Text-Verfahren“ verbunden ist der seitens des Moderators zu erstellende Einigungsvorschlag, der sich vor allem durch den Zeitpunkt unterschei­ det, in dem er erstellt wird. Nicht notwendigerweise zu Beginn wie beim „Ein-TextVer­fahren“, sondern gerade zum Ende der Verhandlung kann der Moderator dazu angehalten sein, durch den Vorschlag, wie eine mögliche Einigung aussehen könnte, zu einer Vereinbarung zwischen den Parteien beizutragen. Dieser Ansatz hat seine gesetzliche Erwähnung etwa in §  15 Abs.  6 UWG und §  19 VSBG gefunden. Bei dieser nur sehr geringen Eingriffstiefe in die Dogmatik des Vertragsschlusses bleiben die Maßnahmen, die an unterschiedlichen Stellen installiert wurden, nicht stehen. Vielmehr ging mit der Schaffung weiterer Einigungshilfen eine – bisher still­ schweigende – Veränderung in der Art und Weise einher, wie der Weg zum vertrag­ lichen Konsens rechtlich abgebildet wird. Durch die Beteiligung des Moderators hat sich der Weg, auf dem Verträge geschlossen werden, geändert. Das gilt zunächst für die Vorschrift des §  802b Abs.  3 Satz 1 ZPO, welche die Mo­ deration des Gerichtsvollziehers zum Gegenstand hat. Dort ist – ohne dass dies bis­ her so formuliert wurde – ein gesetzlicher Fall des Schweigens als Annahmeerklä­ rung geregelt. Dies wiederum liegt daran, dass seitens des Gesetzgebers dort die so­ genannte Widerspruchslösung als Einigungshilfe geschaffen wurde, in deren Rahmen die Zustimmung des Vollstreckungsgläubigers vermutet wird. An dieser Stelle ist auch das „doppelte Versäumnisverfahren“ einzuordnen, welches in §  366 Abs.  3 FamFG zur Erleichterung der Einigung installiert wurde und vertragsdog­ matisch ebenfalls als ein Fall des Schweigens mit Erklärungswert einzuordnen ist. Eine zentrale Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang zudem der Vorschrift des §  278 Abs.  6 ZPO zu. Dabei stellt zunächst §  278 Abs.  6 Satz 1 Alt.  1 ZPO einen möglichen Fall sich kreuzender Angebote dar. Der Fall tritt ein, wenn beide Prozessparteien gleichzeitig einen Schriftsatz zu Gericht reichen mit der Bitte, den darin enthaltenen identischen Vergleich zu protokollieren. In diesem Fall kommt schon mit Eingang der beiden Schriftsätze bei Gericht ein Vertrag zustande. Die Vorschrift des §  278 Abs.  6 Satz 1 Alt.  2 ZPO ist demgegenüber der Gesetz gewordene Beleg dafür, dass ein Vertrag nicht nur im Wege von korrespondierenden Willenserklärungen in Form von Angebot und Annahme, sondern auch dadurch zustande kommen kann, dass beide Parteien ihre Zustimmung zu einem bereits exis­ tierenden Vertragstext erteilen. Dies wurde bereits lange vor der Geltung des §  278 Abs.  6 ZPO am Beispiel der von einem Dritten entworfenen Vertragsurkunde, die von beiden Kontrahenten unterzeichnet wird, vertreten. Dieser hier so bezeichnete Weg des „besonderen Vertragsschlusses“ hat mittler­ weile seinen Einsatz auch außerhalb des Anwendungsbereichs des §  278 Abs.  6 ZPO

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gefunden, etwa im Rahmen des Streitbeilegungsverfahrens nach dem VSBG sowie bei der Moderation durch den Gerichtsvollzieher.

2. Das Interesse des Moderators Ändert man den Fokus und nimmt statt der Tätigkeit der Moderation die Person des Moderators in den Blick, dann fällt die besondere Interessenlage des Moderators auf, die erstens einzigartig ist und zweitens bisher im Recht keine Berücksichtigung er­ fahren hat. Denn der Moderator hat kein Interesse im Hinblick auf einen besonderen Inhalt des moderierten Vertrags. Der Moderator hat jedoch ein Interesse daran, dass über­ haupt ein moderierter Vertrag geschlossen wird. Mit diesem Interesse geht eine Ge­ fahr für die Moderation einher, der es rechtlich zu begegnen gilt. Denn die Analyse hat gezeigt, dass eine von Eigeninteressen geleitete Moderation häufig auch die (ver­ steckte) Verletzung der Neutralität in Kauf nimmt, um zum Abschluss eines mode­ rierten Vertrags zu gelangen. Dies gilt vor allem, weil der moderierte Vertrag, wie diese Untersuchung zeigen konnte, eine gesteigerte Legitimation aufweist.

II. Die gesteigerte Legitimation des moderierten Vertrags Gedanklicher Ausgangspunkt ist die hier formulierte These, dass dem moderierten Vertrag eine stärkere Legitimation innewohnt als dies bei Verträgen der Fall ist, die ohne die Beteiligung eines Moderators geschlossen wurden. Diejenigen Umstände, die diese Legitimation begründen, bedürfen der rechtlichen Absicherung; in der glei­ chen Weise, wie dies auch beim Urteil oder beim Vertrag der Fall ist. Mithilfe eines vergleichenden Blicks auf die Parameter, welche die Legitimation des Urteils einerseits und des Vertrags andererseits besorgen, konnten die Umstände identifiziert werden, welche die gesteigerte Legitimation des moderierten Vertrags bedingen. Nach der hier vertretenen These liegt im Falle des moderierten Vertrags eine Stär­ kung der Vertragslegitimation durch Verfahren vor. Basis für die Legitimation bleibt die vertragliche Legitimation auf Basis der Selbstbestimmung, die den Vertrag legiti­ miert. Das „Plus“ in der Legitimation des moderierten Vertrags besteht in der Ver­ stärkung dieser Legitimation im Vergleich zur „normalen“, d. h. bilateralen Vertrags­ situation, durch die Hinzunahme der Vermittlung durch einen Dritten in Form des Moderators. Die legitimationssteigernde Wirkung des Moderators kann anhand von vier An­ satzpunkten deutlich gemacht werden.

II. Die gesteigerte Legitimation des moderierten Vertrags

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1. Öffentlichkeit Der erste Ansatz firmiert unter der Überschrift „Öffentlichkeit“. Die These ist, dass die sogenannte Öffentlichkeit des moderierten Vertrags zu einer Stärkung der Legi­ timation führt, weil der Moderator als hier so bezeichneter „möglicher Stellvertre­ ter“ fungiert. Dass dies trotz der zum Teil bestehenden Regelungen zur Vertraulichkeit der Ver­ handlungen gelten soll, mutet auf den ersten Blick seltsam an, lässt sich jedoch mit der notwendigen Öffentlichkeit im Rahmen der heimlichen Theorie des Verfahrens erklären, welche ursprünglich die Legitimation des Urteils beschreibt. Im Rahmen der heimlichen Theorie des Verfahrens ist das „mitspielende“ Publikum notwendig, damit derjenige, der später gegen das Urteil rebellieren will, davon ausgehen muss, mit seinem Protest allein zu bleiben. Hierzu ist es nicht erforderlich, dass jeder jeder­ zeit jeden Gerichtsprozess beobachtet und nur die Urteile akzeptiert, deren Zeuge er war. Die notwendige Öffentlichkeit funktioniert vielmehr nach dem Prinzip der „möglichen Stellvertretung“. Damit ist gemeint, dass es dem im Sinne der heimlichen Theorie des Verfahrens mitspielenden Publikum ausreicht, dass eine Person – stell­ vertretend für die Öffentlichkeit – der Verhandlung beiwohnen kann. Dieser mögli­ che Vertreter der Öffentlichkeit würde dann Alarm schlagen, wenn das Verfahren entgegen der Regeln geführt würde, die allgemein zur Erlangung eines gerechten Ergebnisses festgelegt wurden. Im Fall des moderierten Vertrags übernimmt der Moderator die Rolle des mögli­ chen Stellvertreters, auf den sich das übrige Publikum verlässt, weil es – vergleichbar mit dem Alarmschlagen des Prozessbeobachters – davon ausgeht, dass der Modera­ tor einen Vertrag nicht mit dem Siegel seiner Moderation wird segnen wollen, der nicht unter den Vorgaben zustande gekommen ist, die jede(r) an jede Vertragsgeltung knüpft. Damit dieser Mechanismus der Öffentlichkeit des moderierten Vertrags funktio­ niert, ist eine Voraussetzung zu erfüllen: Der Moderator muss es wollen. Er muss sich dabei seiner Rolle nicht bewusst sein; es reicht vielmehr aus, dass er diese Funk­ tion nicht manipuliert. Dies täte er, wenn er so vermitteln würde, dass entweder mindestens eine Partei nicht selbstbestimmt handeln kann und/oder er nicht neutral bzw. unabhängig vermittelt, etwa indem er eigene Interessen am Vertragsschluss durchzusetzen versucht.

2. Subjektive Verfahrens- und Vertragsgerechtigkeit Der zweite Ansatzpunkt ist die hier so bezeichnete subjektive Verfahrens- und Ver­ tragsgerechtigkeit. Ihr liegt die Annahme zugrunde, dass Betroffene eine Entschei­ dung nicht (allein) wegen ihres Inhaltes, sondern aufgrund der Fairness des Verfah­ rens, das die Entscheidung hervorgebracht hat, akzeptieren. Ein gerecht empfunde­ nes Verfahren steigert die Akzeptanz des Ergebnisses. Wann ein Verfahren wiederum als fair bzw. gerecht empfunden wird, hängt zu­ nächst von der zu beurteilenden Verfahrensart ab. Bei der hier interessierenden Hin­

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zuziehung eines vermittelnden Dritten besteht zumindest Einigkeit im Hinblick auf ein zentrales Kriterium: die Neutralität und Unabhängigkeit des Dritten. Für den in Rede stehenden Ansatzpunkt zur Steigerung der Legitimation kommt es dabei auf die Sichtweise der Parteien an. Das heißt, die Neutralität ist dann gegeben, wenn der Mediator aus Sicht der Parteien unparteiisch ist und seine Position im Verfahren nicht zur Erreichung eigener Ziele ausnutzt. In der angesprochenen Subjektivität bei der Beurteilung der Neutralität liegt dann jedoch auch die große Gefahr. Vor dem Hintergrund des eben Gesagten ist es leicht vorstellbar, dass etwa die Erkenntnisse der Gerechtigkeitspsychologie durch den Moderator bewusst manipulativ eingesetzt werden, um bei den Vertragsparteien le­ diglich das Gefühl hervorzurufen, an einem gerechten Verfahren teilzunehmen. Die beschriebene legitimationssteigernde Wirkung würde die Moderation trotzdem ent­ falten, was die Frage nach dem Schutz des moderierten Vertrags vor einer Manipula­ tion seitens des Moderators aufwarf.

3. Verstärkung der Richtigkeitsgewähr Der dritte Ansatzpunkt lässt sich mit „Verstärkung der Richtigkeitsgewähr“ über­ schreiben. Grundüberlegung ist hier, dass die besondere legitimatorische Wirkung des mode­ rierten Vertrags dadurch erreicht wird, dass die Fundamente der vertraglichen Legi­ timation durch die Tätigkeit des Moderators gestärkt werden. Im Rahmen der Ana­ lyse der notariellen Vermittlungstätigkeit konnte die Aussage getätigt werden, dass dessen unparteiische Betreuung erst die Voraussetzung für das Funktionieren des Vertragsmechanismus schafft und damit letztlich auch den Grund der rechtlichen Anerkennung des Vertrags. Denn die notarielle Beratung verfolgt in erster Linie das Ziel, die Vertragsparteien in die Lage zu versetzen, ihren Willen und ihre Interessen angemessen zur Geltung zu bringen. Letzteres ließ sich unter dem Stichwort „Ga­ rant der Selbstbestimmung“ auch für den Moderator feststellen. Der Moderator stei­ gert damit durch seine Tätigkeit die Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Vertragsme­ chanismus funktioniert. Das durch den Vertragsmechanismus bedingte Abschleifen der gegenseitigen Interessen begünstigt dabei materiell angemessene Einigungen. Damit dieses „Abschleifen“ funktioniert, müssen die Parteien jedoch in der Lage sein, Angebote der Gegenseite sowie das eigene Entgegenkommen frei von Zwang auf der Basis der eigenen Interessen zu bewerten. Die bloße Anwesenheit des Mode­ rators kann an dieser Stelle verhindern, dass die stärkere Partei ein unfaires Angebot überhaupt stellt, darüber hinaus kann die Tätigkeit des Moderators zu einer ausrei­ chenden Information bei beiden Parteien in dem Sinne führen, dass der Vertragsme­ chanismus (besser) funktioniert. Auch diese Steigerung der Legitimation ist allerdings an Voraussetzungen gebun­ den. Denn die Tätigkeit des Moderators kann ihre legitimationssteigernde Wirkung nur entfalten, wenn sie die Urteilsfähigkeit beider Parteien tatsächlich erhöht und weder von den Interessen einer der Parteien noch von eigenen Interessen motiviert vonstattengeht.

III. Absicherung der Legitimation

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4. Garant der Selbstbestimmung Der vierte und letzte Ansatzpunkt basiert dann – anders als die drei vorhergehenden – nicht auf einer Stärkung der legitimatorischen Grundlagen des Vertrags. Hier er­ folgt die Steigerung der Legitimation durch die Hinzunahme der legitimatorischen Kräfte des Urteils über die bereits erwähnte Erhöhung durch die hier so bezeichnete Öffentlichkeit hinaus. Dieser letzte Ansatzpunkt lässt sich veranschaulichen mit dem Gedanken der Konsistenz der Selbstdarstellung, die überall im Leben verlangt wird. Wer sich als Nichtraucher vorstellt, muss erklären, wenn er plötzlich raucht. Ebenso muss derje­ nige, der sich freiwillig in eine Verhandlungsgeschichte verstrickt, erklären, wenn er später das Ergebnis doch nicht mittragen möchte. Auch die Moderation hat – nach erfolgreichem Abschluss – eine Isolierung desjenigen zur Folge, der mit dem dort gefundenen Ergebnis nicht einverstanden ist. Das bedeutet, dass dieser eher zur Ak­ zeptanz des Vertrags bereit ist, als dies beim nicht moderierten Vertrag der Fall wäre. Denn durch die Beteiligung eines neutralen Dritten wird ein Ergebnis unwahr­ scheinlicher, das unter Missachtung der Selbstbestimmung einer Partei geschlossen oder sogar aufgrund eines Machtungleichgewichts der einen von der anderen Partei regelrecht diktiert wird. Diese Stärkung der Legitimation wird in zwei Schritten erreicht. Zunächst ist es die Neutralität und Unabhängigkeit des Moderators, die dazu führt, dass von seiner Teilnahme keine Gefahr für die Voraussetzungen der Legitimation ausgeht. Diese bestünde nämlich, wenn der Moderator tatsächlich nicht neutral, sondern im Inte­ resse einer Vertragspartei tätig würde. Ein neutral tätiger Moderator, und hierin liegt dann im zweiten Schritt die Stärkung der Legitimation begründet, ist ein Garant der Selbstbestimmung. Dass er ein hier so bezeichneter Garant der Selbstbestimmung ist, liegt in seiner Rolle und Funktion als Konfliktmittler begründet, die darin besteht, eine Lösung des Konflikts auf Basis der Selbstbestimmung der Parteien zu ermöglichen. Dies spiegelt sich auch im Interesse des Moderators wider, der – wie für jede der beschrie­ benen Moderationssituationen nachgewiesen werden konnte – ein eigenes Interesse an einem Vertragsschluss an sich hat, weil er dann die ihm zugewiesene Aufgabe er­ folgreich bewältigt hat. Diese erfolgreiche Tätigkeit verlangt aber eben, eine rechts­ gültige und dauerhafte Konfliktlösung zu schaffen, die hierzu zwingend auf der Ba­ sis der Selbstbestimmung stehen muss.

III. Absicherung der Legitimation Für die hier beschriebene gesteigerte Legitimation des moderierten Vertrags ist da­ mit eine durch den moderierenden Dritten gestärkte, jedenfalls nicht vor dem Hin­ tergrund seines Interesses am Vertragsschluss geschwächte Selbstbestimmung im Sinne einer informierten Autonomie Voraussetzung. Aus der fehlenden Beschrei­ bung der Tätigkeit einerseits und insbesondere wegen der Basis für die gesteigerte

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Legitimation andererseits erwuchs eine Aufgabe: die Analyse der rechtlichen Absi­ cherung des moderierten Vertrags vor einer Manipulation durch den Moderator. Weil die neutrale Vermittlung die Basis der gesteigerten Legitimation des moderier­ ten Vertrags ist, geht es hierbei um die Beantwortung der Frage, ob die Einhaltung der Neutralität des Moderators in der gleichen Weise gesichert wird, wie dies ansons­ ten bei den Basen der Legitimation von Vertrag und Urteil der Fall ist.

1. Keine ausreichende Absicherung der gesteigerten Legitimation Die gesteigerte Legitimation, die für den moderierten Vertrag festgestellt werden konnte, findet de lege lata keine adäquate Absicherung. Der moderierte Vertrag ist nicht vor einer (versteckten) Verletzung der Neutralitätspflicht des Moderators ge­ schützt. Das ist umso bedauerlicher, weil die besondere Interessenlage des Modera­ tors eine Verletzung der Neutralitätspflicht in Kauf nimmt, um zum Abschluss eines moderierten Vertrags zu gelangen. Die Analyse der in Bezug auf den moderierten Vertrag bestehenden Regelungen führte zu diesem nicht zufriedenstellenden Ergebnis und zu den soeben formulier­ ten Thesen. Bei der Analyse des §  779 Abs.  1 BGB konnte weder festgestellt werden, dass es sich bei einem moderierten Vertrag stets um einen Vergleich handelt, noch lässt sich der in §  779 Abs.  1 BGB enthaltene Unwirksamkeitsgrund zum Schutz des mode­ rierten Vertrags vor einer Manipulation durch den Moderator heranziehen. Die Un­ tersuchung des §  123 BGB ergab zwar zunächst, dass der Schutz vor einer die Wil­ lensbildung beeinträchtigenden Täuschung oder Drohung grundsätzlich durch die Einräumung eines Anfechtungsrechts gewährleistet werden kann. Die Hürden, die der Tatbestand des §  123 BGB vor eine Anfechtungsmöglichkeit sowohl infolge einer Täuschung als auch einer Drohung stellt, sind allerdings – zu – hoch. Aus der Analyse des §  311 Abs.  2 BGB konnte die sogenannte anerkennende Selbstbestimmung entwickelt bzw. bestätigt werden. Diese ließ sich beschreiben als die an den Einzelnen durch die Rechtsordnung gestellte Bedingung, die Selbstbe­ stimmung seines Vertragspartners anzuerkennen, wenn der Vertrag durch die Rechtsordnung geschützt sein soll. Darüber hinaus führte die Betrachtung der Cul­ pa in contrahendo zur näheren Analyse des Gebots der fairen Verhandlung, das in­ zwischen zwar auch durch die Rechtsprechung anerkannt, aber nicht inhaltlich be­ stimmt worden ist. Zur inhaltlichen Erhellung des Gebotes wurde die im anglo-ame­ rikanischen Recht existierende Rechtsfigur der undue influence herangezogen. Deren Analyse hat dann zunächst ebenfalls den Befund bestätigt, dass genaue Be­ grifflichkeiten, die eine rechtssichere Beschreibung ermöglichen, nicht existieren. Die Rechtsprechung hat jedoch Kriterien für den äußeren Ablauf der Verhandlungen entwickelt, die in ihrem Zusammenwirken eine ungebührliche Beeinflussung (undue influence) begründen können. Auch die Vorschrift des §  313 BGB lässt sich de lage lata für die Absicherung der gesteigerten Legitimation nicht ohne weiteres fruchtbar machen. Denn es fehlt regel­ mäßig an einer Zweckstörung bzw. einer Beeinträchtigung des Äquivalenzverhält­

IV. Das Bewegliche System des moderierten Vertrags

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nisses der im moderierten Vertrag vereinbarten Leistungen. Um die Vorschrift nutz­ bar für die Moderation zu machen, müsste der Schritt weg vom Abstellen auf Äqui­ valenz- und Zweckstörungen hin zu einer ebenfalls relevanten Störung innerhalb des Verhandlungsvorgangs gegangen werden, jedenfalls dann, wenn nicht bloß bilateral verhandelt wird, sondern ein Dritter hieran beteiligt ist. Dass sich ein solcher Schritt argumentativ begründen ließe, hat die Untersuchung belegt. Die zur Missbrauchskontrolle des bilateralen Vertrags entwickelten Gedanken lassen sich nicht zur Absicherung der Legitimation auf die Situation des moderierten Vertrags übertragen.

2. Folge der fehlenden Absicherung Weil das Ergebnis dieser Analyse, die den fehlenden Schutz des moderierten Vertrags vor dem Moderator festgestellt hat, nicht zufriedenstellen kann, durfte die Untersu­ chung an dieser Stelle nicht stehen bleiben. Vielmehr folgt auf die Feststellung, was fehlt, diejenige, was zu schaffen ist, um die Lücke, die in der rechtlichen Absicherung besteht, zu schließen.

IV. Das Bewegliche System des moderierten Vertrags Mehr noch als der eingangs dieser Schlussbetrachtung bereits skizzierte Gesetzes­ vorschlag steht das Bewegliche System 3 des moderierten Vertrags als Quintessenz dieser Untersuchung. Denn in diesem System kommen die wesentlichen Wertungen, die den moderierten Vertrag ausmachen, zum Ausdruck. Auf diesem Wege kann und soll das in dieser Untersuchung gelieferte Bewegliche System des moderierten Ver­ trags als Grundlage und Ausgangspunkt dienen für die weitere rechtswissenschaftli­ che Befassung. Das Bewegliche System des moderierten Vertrags lautet: 1. Anerkennende und informierte Privatautonomie a) Der Wille beider Parteien wird in Kenntnis um die Vertragsfolgen und den Inhalt, der Alternativen zum Vertragsschluss sowie in Anerkennung der Autonomie des Vertragspartners gebildet. b) Der Wille beider Parteien wird in Kenntnis um die Vertragsfolgen und den Inhalt, d. h. auf fehlerfreier Grundlage, gebildet. c)  Es besteht bei den Parteien ein wirklicher Rechtsfolgewille, der durch eine Über­ legung gestützt wird. d) Es besteht ein Rechtsfolgewille, dieser ist jedoch – etwa durch eine ungebührliche Beeinflussung – stark vermindert.

3 

Zum Beweglichen System an sich vgl. oben unter G.I.

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e) Etwa aufgrund der Einwirkung von Moderator und/oder Gegner besteht nur noch die theoretische Möglichkeit der freien Willensbildung. 2. Neutralität und Unabhängigkeit des Moderators a) Der neutrale und unabhängige Moderator als Garant der Selbstbestimmung. b) Der neutrale und unabhängige Moderator als der beteiligte Unbeteiligte. c)  Der auch von seinem Eigeninteresse am Vertragsschluss geleitete Moderator. d) Der nur von seinem Eigeninteresse am Vertragsschluss geleitete Moderator. e) Moderator fehlt Unabhängigkeit, mit Kenntnis der Parteien. f) Moderator fehlt Neutralität, mit Kenntnis der Parteien. g) Moderator handelt aus eigenem Interesse an irgendeinem Vertragsschluss, ohne Kenntnis der Parteien. h) Moderator verstößt nur in Kenntnis einer Partei gegen Neutralität oder Unabhän­ gigkeit. 3. Äquivalenz a) Gewährleistete Äquivalenz. b) Ausreichende Äquivalenz. c)  Auffallendes Missverhältnis der Leistungen (oder Rechtspositionen) und „Ver­ kürzung über die Hälfte“. d) Völlig fehlende Äquivalenz. Das dritte, als Äquivalenz bezeichnete Element wurde unverändert aus dem Beweg­ lichen System des Normalvertrags übernommen.

1. Informierte und anerkennende Autonomie Auch das Element der anerkennenden und informierten Privatautonomie ist im Ge­ gensatz zum Beweglichen System des außerhalb der Moderation geschlossenen Ver­ trags nicht völlig neu. Das für die Vertragsdogmatik zentrale Element der Parteiau­ tonomie wurde jedoch um die Begriffe der Informiertheit und der Anerkennung erweitert. a) Information Der Begriff der Information ist in zwei Richtungen abzugrenzen. Eine Information schließt zunächst Bevormundung aus. Der moderierte Vertrag befreit nicht von der Selbstverantwortung. Die Beteiligung des Moderators soll lediglich sicherstellen, dass die Vertragsentscheidung autonom getroffen wird, ohne die Partei dabei von der Verantwortung für die aus dem Vertragsschluss resultierenden Folgen freizustellen. Gleichzeitig ist es gerade diese Informiertheit der Partei, welche die autonome Ent­ scheidung begründet. Dem Moderator kommt diesbezüglich eine zentrale Rolle zu, die ihren Niederschlag bereits in den notariellen Kardinalspflichten in §  2 Abs.  6 MedG und in §  17 BeurkG gefunden hat. Die Möglichkeit, sich etwa mittels eines weiteren Beraters losgelöst von zeitlichem Druck in Bezug auf den Vertragsschluss

IV. Das Bewegliche System des moderierten Vertrags

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zu informieren, soll gerade durch den Moderator gewährleistet werden. Dies macht ihn zum Garanten der Selbstbestimmung. Diese Selbstbestimmung lässt sich ent­ sprechend dem Prinzip, das bei der Analyse des VSBG entwickelt wurde, als infor­ mierte Autonomie bezeichnen. b) Anerkennende Autonomie Der Moderator ist für die ausreichende Information verantwortlich. Diese Funktion kommt ihm gegenüber beiden Vertragsparteien zu und – dies ist hervorzuheben – wird ihm seitens der jeweils anderen Partei im Wege der anerkennenden Autonomie zugestanden. Dieser Umstand wird beschrieben durch die hier so bezeichnete anerkennende Autonomie. Sie besagt, dass die Parteien mit der (stets freiwilligen) Zustimmung zur Moderation die Funktion des Moderators als Garanten der Selbstbestimmung nicht nur für sich selbst, sondern auch in Bezug auf die andere Partei anerkennen. Damit geht einher, dass der Moderator für die soeben beschriebenen Informationsmöglich­ keiten sorgt. Die anerkennende Autonomie greift aber noch weiter. Sie hat zur Folge, dass die Parteien der jeweils anderen eine autonome Vertragsentscheidung zugeste­ hen. Dies entspricht letztlich auch der Anwendung der „Goldenen Regel“ auf das Moderationsverfahren, da beide Parteien selbst eine autonome und vom Moderator unterstützte Entscheidung treffen wollen und dies – als Folge seiner Neutralität – dann auch der Gegenpartei zugestehen. Das Anerkennen der Interessen der Gegen­ seite, wozu auch deren Selbstbestimmung gehört, ist zudem Ausdruck des Gebots der fairen Verhandlung.

2. Neutralität/Unabhängigkeit des Moderators Die Untersuchung hat die Bedeutung der Neutralität und Unabhängigkeit des Mo­ derators verdeutlicht. Sie ist das zunächst zentrale Kriterium, welches die Besonder­ heit der Rolle des Moderators erfasst. Die Neutralität und Unabhängigkeit unter­ scheiden ihn von den sonstigen Dritten, die am Vertragsschluss beteiligt sein kön­ nen. Die Rolle dieses Merkmals geht über die definitorische Funktion weit hinaus. Es entfaltet – wie bereits dargestellt – seine Wirkung im Hinblick auf die Tätigkeit des Moderators sowie in Bezug auf die erhöhte Legitimation des moderierten Vertrags. Für das Bewegliche System des moderierten Vertrags ist die Erkenntnis zentral, dass ein Moderator, der seine Vermittlungstätigkeit vor dem Hintergrund seines ei­ genen Interesses am Vertragsschluss des moderierten Vertrags vornimmt, auf diesem Wege gegen das an ihn gerichtete Neutralitätsgebot verstößt. Die Neutralität des Moderators ist zudem die wichtigste Voraussetzung für die gesteigerte Legitimation des moderierten Vertrags. Die hier als „Öffentlichkeit“, „Subjektive Verfahrens- und Vertragsgerechtigkeit“, „Verstärkung der Richtigkeits­ gewähr“ und „Heimliche Theorie des Verfahrens“ bezeichneten Ansätze basieren zwar auf unterschiedlichen Überlegungen. Alle Ansätze verbindet jedoch, dass sie

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ihre Wirkung jeweils von – mindestens – einer Voraussetzung abhängig machen: der Neutralität und Unabhängigkeit des Moderators. Die Untersuchung – das kommt in den Abstufungen des Elementes zum Aus­ druck – hat die Bedeutung der Parteiautonomie offengelegt. Das heißt zunächst, dass eine nicht existente Neutralität anders zu beurteilen ist, wenn die Parteien um deren Fehlen wissen. Mit dieser Feststellung geht dann im Sinne eines „Wenigers“ die Fol­ gerung einher, dass die Parteien die an die Neutralität des Moderators zu stellenden Anforderungen selbst einvernehmlich festlegen können, sofern diese sich nicht aus zwingenden gesetzlichen Vorgaben ergeben. Im Hinblick auf die konkrete Ausgestaltung der Abstufungen ist dementspre­ chend festzuhalten, dass das Element gänzlich erfüllt wird, wenn der Moderator tat­ sächlich als Garant der Selbstbestimmung tätig wurde und die anerkennende und informierte Entscheidung der Parteien garantiert. Der „unbeteiligte Beteiligte“, als der sich der Moderator auch bezeichnen ließe, steht dem Garanten der Selbstbestim­ mung in dessen Garantiefunktion nach. Da er jedoch unabhängig und neutral ver­ mittelt, trägt er auf diesem Wege zur Legitimation des moderierten Vertrags bei. Das ändert sich dann, wenn der Moderator mit einem eigenen Interesse am Vertrags­ schluss tätig wird, was darüber hinaus – schlimmstenfalls – den Parteien verborgen bleibt. Demgemäß wurden die weiteren Abstufungen des Elementes gewählt. Die Elemente wirken zunächst losgelöst voneinander im Sinne eines „Je mehr, des­ to besser“. Das heißt, eine optimale dogmatische Basis für den moderierten Vertrag ist gegeben, wenn sämtliche Elemente in ihrer höchsten Stufe vorliegen. Bei dieser isolierten Wirkweise verbleibt es jedoch nicht. Startet man die Betrach­ tung bei der Neutralität des Moderators, so beeinflusst deren Vorliegen das Element der Parteiautonomie, da ein neutraler Moderator Garant für die Selbstbestimmung ist. Liegt dann eine anerkennende und informierte Autonomie der Parteien vor, so wird die Wahrscheinlichkeit für einen äquivalenten Leistungsaustausch erhöht.

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Sachregister Abstufbarkeitsthese 569 Abwägung 579 Abwägungsthese 569 Akteneinsicht 66 Akzeptanzbereitschaft 406 Amtspflicht  60, 81, 82, 130, 246, 334, 351, 369 Amtsverschwiegenheit 71 Anerkennende Privatautonomie  588, 613 Anerkennungswürdigkeit 406 Anfechtung 432 Äquivalenz 575 Äquivalenzstörung 525 Arbeitsförderungsrecht 338 Arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge  196, 475, 476 Aufhebungsverträge  196, 475–477, 479 Auseinandersetzungsplan  356, 363 Ausgleichstelle  311, 317 – siehe auch Täter-Opfer-Ausgleich – als Moderator  310 – Freiwilligkeit 312 – Interesse 317 – Neutralität 312 – Unabhängigkeit 312 – Vertraulichkeit 312 Aussagegenehmigung 71 Autonomieprinzip 459

Betriebsverfassungsrecht 339 Beurkundung  364, 366 Bewegliches System – Abstufbarkeitsthese 569 – Abwägung 579 – Abwägungsregeln 580 – Abwägungsthese 569 – Äquivalenz 575 – das elastische Band  580 – des Normalvertrags  572 – drei Thesen  568 – Elemente 569 – Funktionsweise  578, 592 – kommunizierende Röhren  583 – Kritik 577 – moderierter Vertrag  611 – Öffentliche Interessen  577 – Orientierung an Rechtsfolge  581 – Pluralitätsthese 568 – Privatautonomie 574 – Sandhaufentheorem 581 – Sozialstaatsprinzip 578 – Stehen zum gegebenen Wort  576 – Verkehrssicherheit 574 – Wettbewerbsprinzip 577 Beweisverwertung 80 Bundesagentur für Arbeit  338, 340, 341, 344 – Vermittlung 338

Beratung nach §  17 Abs.  2 SGB VIII  317 Beschlussvergleich 178 Besorgnis der Befangenheit  597 – Glaubhaftmachung 599 – Kennenmüssen 601 – Prüfungsmaßstab 597 – Verfahren 597 Bestätigter Vergleich  226 Bestätigung  365, 366 Beteiligter Unbeteiligter  268, 269, 275, 312, 393, 492, 586 – als Garant der Selbstbestimmung  492 Betriebspartner 343

Case-Manager 98 Charakteristika der Mediation  17 – Mediation 17 – Neutralität 244 – Vertraulichkeit 245 – vor dem Güterichter  56 Culpa in contrahendo  439, 469, 471, 473, 519, 551, 564 Das elastische Band  580 Der beteiligte Unbeteiligte  269 Doppeldrohung 466 Doppeltätigkeit 375

646

Sachregister

Doppeltäuschung 446 Dritter im Sinne des §  123 Abs.  2 BGB  436 – Erfüllungsgehilfe 438 – Lagerzugehöriger 439 – Makler 441 – Moderator 440 Drohen 432 Drohung 447 – durch Dritte  447 – Einschränkungen 447 – Finalität 450 – Hinweis 451 – Konnexität 464 – künftiges Übel  455 – Mittel 459 – Schutzobliegenheiten 448 – subjektiver Tatbestand  456 – Überrumpelung 454 – Warnung 451 – Widerrechtlichkeit  457, 460 – Zeitdruck 454 – Zweck 462 – Zweck-Mittel-Relation 464 durch Dritte, siehe Drohung Einigungshilfen  391, 604, 605 Einigungsstelle – Freiwilligkeit 331 – Haftung 334 – Interesse 333 – Moderation 328 – moderierter Vertrag  335 – Neutralität 333 – Unabhängigkeit 333 Einzelgespräch  54–57, 67, 122, 553 Elastisches Band  580 Entscheidungsfreiheit 469 Entwurf, neutraler  346 Erbengemeinschaft 353 Erfüllungsgehilfe 438 Evolution des Rechts  270 Faire Verhandlung, siehe Gebot fairen Verhandelns Freiwilligkeit – bei der maklerischen Vermittlung  382 – bei der Moderation  394 – bei der notariellen Vermittlung  357 – bei Vermittlung durch Jugendamt  323 – beim Täter-Opfer-Ausgleich  312 – Einigungsstelle 331

– Güterichter 56 – Güteverhandlung 117 – in der Mediation  18 Garant der Selbstbestimmung  416, 590, 603, 604, 609 Gebilligter Vergleich  225 Gebot fairen Verhandelns  478, 479 – Betriebsverfassungsrechtliche Annähe­ rung 480 – Fallgruppen der Imparität  486 – Inhalt 479 – privatautonomer Ansatz  481 – rechtlicher Standort  478 – Strukturelle Unterlegenheit  484 – Unangemessenheit der Vereinbarung  483 – Vertragsfreiheit 490 – Vertragsgerechtigkeit 491 – vertragstheoretischer Ansatz  481 Gegenseitiges Nachgeben  424 Gegenseitigkeit 428 Genehmigter Vergleich  228 Gerechtigkeit – als Fairness  539 – ausgleichende Gerechtigkeit  542 – austeilende Gerechtigkeit  538 Gerichtlich gebilligter Vergleich  322 Gerichtlicher Vergleich  168 Gerichtsakte 63 Gerichtsvollzieher – Charakteristika des Verfahrens  240 – Einsetzung 236 – Freiwilligkeit 241 – Moderation 236 – Moderierter Vertrag  248 – Ratenzahlung 248 – Unabhängigkeit 244 – Widerspruchslösung 253 – Zahlungsaufschub 248 Gerichtsvollzieher als Moderator  235 Geschäftsgrundlage – Äquivalenzstörung 525 – Gerechtigkeit 537 – objektiv 522 – Öffentliche Interessen  546 – Richtigkeitsgewähr 532 – Risikoverteilung 527 – subjektiv 522 – Unzumutbarkeit 524 – Vertragsmechanismus 534 – Vorhersehbarkeit 526

Sachregister

– Wertungsgrundlage 532 – Zurechenbarkeit 526 Gesetzliche Normierung – Begründung 593 – Vorschlag 592 Gesinnung, verwerfliche  559, 563 Gesteigerte Legitimation  606 – Absicherung  421, 609 – Garant der Selbstbestimmung  416, 609 – Geschäftsgrundlage 519 – Grundlagen 411 – Öffentlichkeit  413, 607 – Richtigkeitsgewähr  415, 608 – Verfahrensgerechtigkeit  414, 607 – Vertragsgerechtigkeit  414, 607 Goldene Regel  14, 491, 588, 604, 613 Gütegedanke 238 Güterabwägungsprinzip 458 Gütergemeinschaft 354 Güterichter – Charakteristika des Verfahrens  56 – Einsetzung 42 – Freiwilligkeit 56 – Gerichtsakte 63 – Haftung 80 – Kräfteparität 90 – Moderation 45 – moderierter Vertrag  87 – Ne ultra petita  89 – Neutralität 58 – Protokollierung 88 – Unabhängigkeit 58 – Vergleich im schriftlichen Verfahren  219 – Vertraulichkeit 61 Güterichterliche Tätigkeit – Ausrichtung am Parteiinteresse  51 – Einzelgespräch 54 – Lösungsvorschläge 51 – Transparenz 50 Güterichtermodell 41 Güteverhandlung 117 – Freiwilligkeit 117 – Neutralität 119 – Unabhängigkeit 119 – Vertraulichkeit 126 Haftung – siehe auch Haftung des Gerichtsvoll­ ziehers – siehe auch Haftung des Güterichters – siehe auch Haftung des Prozessrichters

647

– der Schlichtungsstelle  294 – des Maklers  382 – des Notars  369 – Einigungsstelle 334 – Güterichter 80 – Mediator 29 Haftung des Gerichtsvollziehers  245 – Amtshaftung 246 – Erinnerung 247 Haftung des Güterichters – Haftungsgrund 81 – Privilegierung 83 – Schaden 87 Haftung des Prozessrichters  129 – Amtspflichtverletzung 130 – Schaden 132 – Spruchrichterprivileg 130 Haftungsprivilegierung  84, 86, 130, 131 Handelsmakler  377, 378, 383, Harvard-Konzept  14, 15, 115, 346, 355, 584, 585 Heimliche Theorie des Verfahrens, siehe Theorie des Verfahrens Imparität 486 – personenbedingte 487 – situationsbedingte 488 Inadäquanz von Mittel und Zweck  465 Informierte Autonomie  300, 394, 418, 419, 588, 591, 612 Interesse – Ausgleichstelle 317 – der Einigungsstelle  333 – des Maklers  384 – des Mediators  28 – des Moderators  266, 393, 606 – des Notars  369 – Prozessrichter 231 – Streitmittler 305 Interessenausgleich 340 Jugendamt  317, 320, 325, 326, 604 – Einsatz als Moderator  318 – einvernehmliches Konzept  321 – Freiwilligkeit 323 – gerichtlich gebilligter Vergleich  322 – Moderation 319 – Neutralität 324 – Unabhängigkeit 324 Justizgewährleistungsanspruch  101, 143

648

Sachregister

Kardinalspflichten 347 – Belehrung 348 – Erforschung des Willens  348 – Klärung des Sachverhalts  347 – Wiedergabe der Erklärungen  348 Kollusion 550 Kommunikation 6 Kommunikationsmittler  4, 40 Kommunizierende Röhren  583 Konflikt – Begriff 4 Konfliktlösungsmonopol 556 Kräfteungleichgewicht 91 Lagerzugehöriger 439 Legitimation – Absicherung  400, 410, 420 – des moderierten Vertrags  411 – des Urteils  397, 401, 403 – des Vertrags  406 – durch Selbstbestimmung  406 – durch Verfahren  397 – durch Verhandeln  408 – Richtigkeitsgewähr 408 – und Vertragstypus  422 – Verfahrensgerechtigkeit 399 Legitimation, gesteigert, siehe gesteigerte Legitimation Machtmissbrauch  550, 552, 553 – und Moderation  550 Makler – Alleinauftrag 372 – als Dritter  441 – Aufklärungspflicht 381 – Doppeltätigkeit 375 – Freiwilligkeit 382 – Haftung 382 – Interesse 384 – Moderation 372 – moderierter Vertrag  383 – Neutralität 378 – Unabhängigkeit 378 Maklerische Vermittlung, siehe Makler Maklervertrag 371 Manipulation 471 Mediation – Charakteristika 17 – Freiwilligkeit 18 – Neutralität 22 – Unabhänggkeit 23

– Vertraulichkeit 27 Mediationsgesetz  12, 34, 164 Mediationsrichtlinie  10, 28, 46 Mediator – Charakteristika des Verfahrens  17 – Einsetzung 11 – Haftung 29 – Interesse 28 – Mediatorvertrag 11 Mediatorvertrag 11 Methodenklarheit 50 Methodenvielfalt 51 Methodenwahl 48 Missbrauch der Vertretungsmacht  551 Missbrauchskontrolle 548 – Kollusion 550 – Konfliktlösungsmonopol 556 – Machtmissbrauch 550 – Rechtsgutsorientierung 556 – Sittenwidrigkeit 557 – Untreue 554 – Vertretungsmacht 551 – verwerfliche Gesinnung  559 Moderation – Begriff 2 – beim Täter-Opfer-Ausgleich  310 – der Bundesagentur für Arbeit  341 – des Gerichtsvollziehers  236 – des Maklers  372 – des Mediators  17 – durch die Ausgleichstelle  311 – durch die Einigungsstelle  328 – durch Güterichter  45 – durch Mediator  33 – durch Notar  346 – durch Prozessrichter  97, 102 – Einigungshilfen 391 – Freiwillligkeit 394 – Inhalt 603 – Jugendamt 319 – Selbstbestimmung 548 – Streitmittler 281 – undue influence  492 – Verbraucherstreitbeilegungs­ verfahren 281 Moderation des Güterichters  45 Moderator – als der beteiligte Unbeteiligte  269 – als Dritter  440, 442 – Interesse  393, 590, 606 – Neutralität  392, 589, 613

Sachregister

– Tätigkeit 262 – Unabhängigkeit  392, 589, 614 – Vermittlungstätigkeit 391 Moderierter Vertrag – Begriff 394 – bei der Vermittlung durch das Jugend­ amt 321 – beim Güterichter  87 – beim Notar  352 – Bewegliches System  566, 611 – Definition  262, 270 – des Maklers  383 – Einigungsstelle 335 – Gesetzliche Normierung  592 – gesteigerte Legitimation  411 – in der Evolution des Rechts  271 – in der Mediation  32 – Legitimation 396 – Neutralität 263 – Prozessvergleich 133 – Rechtsphänomen 602 – rechtssoziologische Bedeutung  395 – Streitmittler 295 – Unabhängigkeit 263 – und reflexives Recht  271 – Verbraucherstreitbeilegungs­ verfahren 295 – Vergleich 422 – Vertraulichkeit 268 Musterfeststellungsklage 222 Musterverfahren 220 Nachgeben, gegenseitiges  426 Nachweismakler 374 Neutraler Entwurf  346 Neutralität – bei Vermittlung durch Jugendamt  324 – beim moderierten Vertrag  263 – beim Täter-Opfer-Ausgleich  312 – des Notars  360 – Einigungsstelle 333 – Güterichter 58 – Güteverhandlung 119 – Makler 378 Notar – Auseinandersetzungsplan  356, 363 – Bestätigung  365, 366 – beurkundende Tätigkeit  345 – Beurkundung  364, 366 – Einsetzung 354 – Freiwilligkeit 357

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– Haftung 369 – Interesse 369 – Kardinalspflichten 347 – Moderation 346 – moderierter Vertrag  352 – Neutralität 360 – Säumnisverfahren 357 – Unabhängigkeit 360 – Vermittlung  344, 354 – vorbereitende Vereinbarungen  356, 362 Notarielle Vermittlung, siehe Notar Objektive Geschäftsgrundlage  522 Öffentliche Interessen  546 Opferautonomie 315 Ordnungsgeld  44, 56, 75, 332 Pluralitätsthese 568 Prinzip des mangelnden Zusammen­ hangs 458 Privatautonomie, anerkennende  588, 603, 613 Privatautonomie, informierte  588, 603, 612 Prozessrichter – als Moderator  102 – Druckausübung 143 – Einsetzung 97 – Gesetzesbindung bei Vermittlungs­ tätigkeit 137 – Haftung 129 – Interesse 231 – Kräftegleichgewicht 144 – Kräfteparität 108 – Manipulation durch Autorität  142 – Moderation 102 – moderierter Vertrag  133 – Protokollierung 148 – Sicherung von Drittinteressen  220 – Tätigkeit 114 – Vergleichsvorschlag 144 Rechtspflege, vorsorgende  344 Rechtssoziologische Bedeutung  395 Rechtsstaatsprinzip 350 Rechtsverhältnis 424 Rechtswidrigkeitsprinzip 458 Reflexives Recht  271 Richtigkeitschance  401–403, 405 – Kritik 401 – Voraussetzungen 403 Richtigkeitsgewähr 608

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Sachregister

Sandhaufentheorem 581 Säumnisverfahren 357 Schiedsgutachten 388 Schiedsverfahren 388 Schlichtung  286, 386 Schlichtungsvorschlag – Rechtsbindung 298 Sittenwidrigkeit 557, siehe auch Missbrauchs­kontrolle Sozialplan 341 Sozialstaatsprinzip 578 Spruchrichterprivileg  83, 84, 130, 131, 334 Stat pro ratione voluntas  407, 410, 483, 484 Stehen zum gegebenen Wort  576 Störung der Geschäftsgrundlage, siehe Geschäftsgrundlage Streit 423 Streitmittler – Interesse 305 – Moderation 281 – moderierter Vertrag  295 – Qualifikation 280 – Schlichtungsvorschlag 296 – Tätigkeit 281 Subjektive Geschäftsgrundlage  522

Übel, künftiges  455 Überrumpelung  454, 455, 475–477, 510 Überrumpelungssituation 476 Unabhängigkeit – bei Vermittlung durch Jugendamt  324 – beim moderierten Vertrag  263 – des Notars  360 – Einigungsstelle 333 – Güterichter 58 – Güteverhandlung 119 – Makler 378 – Mediation 23 Undue influence  493 – Begriff 493 – bei der Moderation  516 – Class  1 498 – Class  2 499 – Class 2A  501 – Class 2B  501 – explicable by relationship  504 – Gegenbeweis 505 – Kategorien 497 – Kriterienkatalog 506 – manifest disadvantage  503 – Vermutungsregel 502 – Zweck 493 Ungewissheit 423 Untreue 554 Unzumutbarkeit 524

Täter-Opfer-Ausgleich – siehe auch Ausgleichstelle – Ausgleichstelle 310 – Freiwilligkeit des Opfers  313 – Freiwilligkeit des Täters  314 – Freiwilligkeit 312 – Moderation 310 – Moderator 308 Täuschen 432 Täuschung 433 – durch Dritten  436 – durch Moderator  444 – durch Nicht-Vertragspartner  435 – durch Unterlassen  434 Theorie des Verfahrens  398 – Öffentlichkeit 399 – Verfahrensgerechtigkeit 399 – Voraussetzungen 398 Treu und Glauben, siehe Missbrauchs­ kontrolle

Verbraucherschlichtung 289 – Freiwilligkeit 290 – Neutralität 293 – Schlichtungsvorschlag 296 – Unabhängigkeit 293 Verbraucherstreitbeilegungsverfahren 277 – Moderation 281 – moderierter Vertrag  295 – siehe auch Streitmittler – siehe auch Verbraucherschlichtung Vereinbarungen, vorbereitende  356, 362 Verfahrensgerechtigkeit 607 Vergleich – Gegenseitiges Nachgeben  424 – Rechtsverhältnis 424 – Streit 423 – Ungewissheit 423 – Unwirksamkeitsgrund 429 Vergleich im schriftlichen Verfahren  178 – Güterichter 219

– Verstärkung 415 – Voraussetzungen 409 Riskin-Raster 14

Sachregister

– Kreuzende Angebote  184 – Zustimmung zu Vertragstext  179 Verhaltenskodex für Mediatoren  35, 90 Verhandlungsführer 438 Verhandlungsgeschichte 417 Verkehrssicherheit 574 Vermittlung – durch die Bundesagentur für Arbeit  338 – durch Notar  344 – Notar 354 Vermutung  560, 563 Verstoß gegen gute Sitten, siehe Miss­ brauchskontrolle Vertragsgerechtigkeit 607 Vertragsmechanismus – bei der Moderation  534 Vertraulichkeit – beim moderierten Vertrag  268 – Güterichter 61 – Güteverhandlung 126 – Mediaton 27 Vertraulichkeitsabrede 77 Vertretungsmacht 551 verwerfliche Gesinnung  559, 563 – Vermutung  560, 563

651

Volenti non fit inuiria  407, 421, 484, 542 Vorbereitende Vereinbarungen  356, 362 Vorhersehbarkeit 526 Vorsorgende Rechtspflege  344 Wächteramt 205 Waffengleichheit 109 Wegfall der Geschäftsgrundlage, siehe Geschäftsgrundlage Wertungsgrundlage 532 Wettbewerbsprinzip 577 Widerlegbarkeit 560 Widerrechtlichkeit  457, 460 Widerspruchslösung – Prüfungskompetenz des Gerichts­ vollziehers 254 Wiedergutmachung 309 Wirksamkeitskontrolle 348 Zeitdruck  451, 454, 475, 488, 508, 600, 601 Zeugnisverweigerungsrecht 28 Zivilmakler  371, 375 Zurechenbarkeit 526 Zusammenfassung 602 Zweck-Mittel-Relation 464