Der leidende Mensch in der Gemeinde als Hilfe- und Rechtsgenossenschaft [1 ed.] 9783428539659, 9783428139651

Das neuere, aus dem individualisierten supranationalen Völkerrecht und dem konstitutionellen EU-Regime resultierende Ink

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Der leidende Mensch in der Gemeinde als Hilfe- und Rechtsgenossenschaft [1 ed.]
 9783428539659, 9783428139651

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Schriften zum Genossenschaftswesen und zur Öffentlichen Wirtschaft Herausgegeben von Prof. Dr. D. Budäus, Prof. Dr. W. W. Engelhardt, Prof. Dr. Dr. h. c. F. Fürstenberg, Prof. Dr. Dr. R. Hettlage, Prof. Dr. F. Schulz-Nieswandt, Prof. Dr. Th. Thiemeyer (†)

Band 41

Der leidende Mensch in der Gemeinde als Hilfe- und Rechtsgenossenschaft Von

Frank Schulz-Nieswandt

Duncker & Humblot · Berlin

FRANK SCHULZ-NIESWANDT

Der leidende Mensch in der Gemeinde als Hilfe- und Rechtsgenossenschaft

Schriften zum Genossenschaftswesen und zur Öffentlichen Wirtschaft Herausgegeben von Prof. Dr. D. Budäus, Hamburg, Prof. Dr. W. W. Engelhardt, Köln, Prof. Dr. Dr. h. c. F. Fürstenberg, Bonn, Prof. Dr. Dr. R. Hettlage, Regensburg, Prof. Dr. F. Schulz-Nieswandt, Köln, Prof. Dr. Th. Thiemeyer (†)

Band 41

Der leidende Mensch in der Gemeinde als Hilfe- und Rechtsgenossenschaft

Von

Frank Schulz-Nieswandt

Duncker & Humblot · Berlin

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

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© 2013 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-6925 ISBN 978-3-428-13965-1 (Print) ISBN 978-3-428-53965-9 (E-Book) ISBN 978-3-428-83965-0 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

„Die Feierlichkeit einer Begegnung will man nie sofort einsehen. Der Fremde, egal, wer er ist, ist uns immer so unbequem, dass zunächst nur die Verachtung stärker ist. Man ist auch von Panik ergriffen, wenn eine Unbekannte einen anspricht. Stets versucht man, das Ereignis zu verharmlosen, ihm die Wirkung zu nehmen, einfach weil man verschüchtert ist und vor dem kleinen Wunder, das da geschehen ist, im Grunde Angst hat.“ 1 „Der Mythos ist die Exegese des Symbols.“ 2

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Magnan, P. (2001): Kommissar Laviolettes Geheimnis. Bern u. a.: Scherz, S. 15. Bachofen, J. J. (1954): Versuch über die Gräbersymbolik der Alten. (1859). Gesammelte Werke, Bd. IV. Basel: Benno Schwabe & Co., S. 61. 2

Vorwort „Das Ich ist ein Anderer“ – so zitierte Lacan den Dichter Arthur Rimbaud (1854–1891)3. Diskutiere ich diese Rezeptionsweise nun nicht primär im Lichte seiner Psychologie der Genese des individuellen Selbstbewusstseins im Spiegelstadium der Kindesentwicklung, sondern ontologisch, so wird die eigentliche Dramatik evident. 1 1/2 Seiten der „Tübingen Einleitung in die Philosophie“ von Ernst Bloch4 öffnen die ganze Seinsproblematik des Menschen: „Der Mensch besonders ist auf diesem steten Weg nach außen angewiesen, mittels des Draußen, das eigene Innen selber erfahrend.“ Und: „Vom puren Innen ist kein einziges Wortbild gekommen.“ Der Abschnitt bei Bloch beginnt mit: „Ich bin. Aber ich habe mich nicht. Darum werden wir erst.“ „Das Bin ist innen. Alles Innen ist an sich dunkel. Um sich zu sehen und gar um es ist, muß es aus sich heraus.“ Die vorliegende Arbeit ist ein Beitrag zum religiösen Sozialismus.5 Dieser wiederum kann aber nicht mehr unkritisch als christlich6 klassifiziert werden. 3 Vgl. auch Bloch, E. (1959): Das Prinzip Hoffnung. 2 Bde. Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 1243. 4 Bloch, E. (1985): Tübinger Einleitung in die Philosophie. (1963). Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 13. Zu Bloch zur Orientierung vgl. einführend Markun, S. (1990): Ernst Bloch. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt. 5 Frank, M. (1988): Gott im Exil. Vorlesungen über die neue Mythologie. Frankfurt am Main: Suhrkamp. Ihm verdanken wir ein schönes Kapitel über Gustav Landauer (S. 131 ff.). Zu Landauer siehe auch Fiedler, L. M./Heuer, R./Taeger-Altenhofer, A. (Hrsg.) (1995): Gustav Landauer (1870–1919). Eine Bestandsaufnahme zur Rezeption seines Werkes. Frankfurt am Main/New York: Campus sowie Pfeiffer, F. (2005): „Mir leben die Toten . . .“. Gustav Landauers Programm des libertären Sozialismus. Hamburg: Kovac. Auch andere Quellen des religiösen Sozialismus werden dort gestreift (S. 90, S. 151, S. 341). Bezüge zu Martin Buber fehlen dann natürlich nicht (S. 40 f.). Dies ist wichtig, da ich die Gefahr der unreflektierten und fast schon symbiotischen Vermischung von Romantik und Politik siehe (dazu auch Safranski, R. [2007]: Romantik. Eine deutsche Affäre. München: Hanser, insbesondere S. 348 ff.), aber doch auch die Perspektivität realistischer Utopien nicht ausverkauft sehen will. Dazu auch Frank, M. (1988): Gott im Exil. Vorlesungen über die neue Mythologie. Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 156, 159. Ein religiöser Sozialismus bringt eine Form von Sinnlichkeit ein, die notwendig ist, wenn Wahrheit der menschlichen Existenz diesseitig möglich sein soll. Schließlich ist auf die Freundschaft von Landauer zu Erich Mühsam (1878–1934) zu verweisen: Mühsam, E. (1984): Die Befreiung der Gesellschaft vom Staat. Berlin: Rixdorfer. 6 Nur hinweisen möchte ich auf andere Varianten von religiösem Sozialismus: vgl. etwa zu Leonhard Ragaz (1868–1945): Reuter, H.-R. (1996): „Heiliger Anarchismus“. Zur Rezeption anarchistischer Motive im ,religiösen Sozialismus‘ bei Leonhard Ragaz. In: Diefenbacher, H. (Hrsg.): Anarchismus. Zur Geschichte und Idee der herrschaftsfreien Gesellschaft. Darmstadt: Primus, S. 85–104. Zu Theodor Herzl (1860–1904) vgl.

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Das Genossenschaftsdenken in der Moderne muss m. E. wieder aus dem Geist der antiken, mitunter homerischen Ontologie der Wahrheit der menschlichen Existenz rekonstruiert werden. Was vielen als Anachronismus des Humanismus erscheint oder erscheinen mag, taucht nun wieder7 als Tugendlehre des von Stolz und Selbstwertgefühl geprägten personalen Seins8 aus dem Dunkel schlechter Metaphysik auf. Das Selbst impliziert, wenn es personales Sein sein soll, immer schon den Modus des gelingenden sozialen Mitseins. Insofern handelt es sich um eine Philosophie der Liebe.9 Aber es geht um die Chancen der Liebe in dieser Welt. Eine theologische Position, die mir hier entgegenkommt, ist sicherlich die von Rudolf Bultmann (1885–1976), dem Barth mit Blick auf dessen Ent-Mytho-

auch Bloch, E. (1959): Das Prinzip Hoffnung. 2 Bde. Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 702 ff. 7 Auch bei Peter Wust (1884–1940): vgl. Röbel, M. (2009): Staunen und Ehrfurcht. Eine werkgeschichtliche Untersuchung zum philosophischen Denken Peter Wusts. Berlin: LIT, S. 471. 8 Ich bin mir bewusst, dass die griechische Ehre und die damit verbundenen Kategorien aus sozialgeschichtlicher Sicht primär Gender-orientiert in ihren tiefengrammatischen Maskulinitätslogiken kritisch zu zerlegen sind. Vgl. dazu auch in Thiele-Dohrmann, K. (2000): Ruhm und Unsterblichkeit. Ein Menschheitstraum von der Antike bis heute. Weimar: Hermann Böhlaus Nachfolger, S. 15 ff. Aber hier geht es um die Idee zur Gestaltlehre des Menschen, nicht nur der Männer, die etwa Walter F. Otto entgegen der christlichen Anthropologie entfaltet hat: Otto, W. F. (1923): Der Geist der Antike und die christliche Welt. Bonn: Friedrich Cohen. Ich werde darauf noch eingehen. Man lese die Einleitung von Schadewaldt zu seiner Arbeit „Die griechische Tragödie“ (Schadewaldt, W. [1991]: Die griechische Tragödie. Tübinger Vorlesungen. Band 4. Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 9–66) und man wird den Zusammenhang kraftvoll entfaltet sehen. Es geht auch ihm um die edle Freiheit des Diesseits (also der Welt der Immanenz). Der leidenden Existenz wird nicht die jenseitige Erlösung gegenüber gestellt. Es geht humanistisch vielmehr um die Praxis des menschlichen Charakters in einer nicht völlig verfügbaren Welt. Die tragische Freiheit ist angesiedelt zwischen Sorge und Mut; Gelassenheit und Weisheit wären die höchsten Formen, in denen diese Welt in ihrer Wahrheit zum Ausdruck kommt. Der menschliche Charakter führt diese existenzialen Spannungen als innere Kämpfe aus. Der viel zitierte Götterapparat der alten Griechen (vgl. die Götterlehre von Otto, W. F. [1987]: Die Götter Griechenlands. Das Bild des Göttlichen im Spiegel des griechischen Geistes. 8. Aufl. Frankfurt am Main: Klostermann) spiegelt als Assemble diese Welt der inneren Kämpfe des Menschen. In dieser Welt kann der Mensch schuldlos schuldig werden, ohne kollektivneurotisch von der UrSchuld und ihrer empirischen Ubiquität getrieben zu werden. Die Macht des Dämonischen drückt hier das lebensweltliche System der Verstrickungen menschlicher Praxis aus. Es geht um Prozesse, die gar nicht so beabsichtigt waren. Innerhalb dieser Welt der Verstrickungen geht es um eine charakterliche Tugendlehre, die Mut, Stolz und Ehre umfasst, auch Gerechtigkeit, Freundschaft und Liebe etc. Ich denke, dass ich diese Sicht auch Werner Jaeger (1888–1961) entnehmen kannn: Jaeger, W. (1989): Paideia. Die Formung des griechischen Menschen. 2., ungekürzter photomechanischer Nachdruck in einem Band. Berlin/New York: de Gruyter, insb. S. 1 ff., S. 23 ff. 9 Vgl. auch Bloch, E. (1959): Das Prinzip Hoffnung. 2 Bde. Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 575 ff. zu den Wurzeln der jüdisch-christlichen Idee der universalen Nächstenliebe, die vom Kirchenanstaltswesen getrennt und als ein „Diesseits, nicht Jenseits“-Denken rekonstruiert wird.

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logisierungsprogramm Häresie (Jaspers warf er ein Jasperle-Theater vor) vorgeworfen hat.10 Ich verweise hier auf Bultmanns wunderschön lesbares Buch zum Urchristentum.11 Es geht nicht um supranaturalistische Übertragungen eines schuldneurotischen Subjekts. Es geht um (die horizontalisierte) Güte zwischen den Menschen, nicht um vertikalisierte Autoritätsbeziehungen, die an Hörigkeiten und Buchstabenwahrheiten gebunden ist. Und hier mögen sich durchaus tiefe religiöse Seinserfahrungen12 eröffnen, wenn die Wahrheit dieses gelingenden Daseins spürbar wird wie die leise Flöte von Pan, die im Konzert der Zikaden sinnlich erfahrbar wird.13 „Es gibt zweihundert Millionen Menschen in Europa, die keinerlei Sinn haben und auf ihre Geburt warten.“, so schrieb Saint-Exupéry.14 Und in einem solchen Sinne schrieb auch der Zoologe Adolf Portmann (1887–1992), „daß wir unser Dasein nicht einfach leben dürfen, sondern daß wir es führen müssen.“ 15 Dabei handelt es sich um Möglichkeitshorizonte, die aktualisiert werden müssen. Daher kann der Mensch und somit die Gesellschaft, die er figurativ bildet, an ihnen auch scheitern. Somit geht es auch hier um Wachstum und Reifung, Veredelung und Versittlichung, aber innerhalb dieser Welt, fundiert in Kritik, aber auch in Humor und Gelassenheit, in Liebe zum Sein, wie es in seiner ganzen Ambivalenz eben ist. Es geht nicht um Verdammung und daher nicht um das Jenseits. Es geht um die Wirklichkeit der Existenz in der einzigen Form, wie sie dem Menschen gegeben ist: Als geschichtliche Daseinsaufgabe, die die Frage nach der Kultur als der Kultur des Miteinanders als Modus unserer Natur, die anzunehmen und nicht zu verleugnen ist, aufwirft. Soweit eine erste anthropologische Eröffnungspauke. Nun zum konkreten Forschungskontext, um dann jedoch wieder in die allgemeinen Betrachtungen einzutauchen. Ausgangspunkt der Arbeit war ursprünglich eine qualitative Studie zu Wohnformen im Alter, topographisch definiert jenseits einer hoch problematischen Dichotomie von Privathaushalt und Heim, eine Studie, die, nochmals sei Dank gesagt, vom Generali Zukunftsfonds in Kooperation mit der Stiftung trias durchgeführt worden ist16 und auch theoretische Studien nach sich gezogen hat.17 10 Dazu auch in Hammann, K. (2009): Rudolf Bultmann – Eine Biographie. 2., durchgeseh. Aufl. Tübingen: Mohr Siebeck. 11 Bultmann, R. (1962): Das Urchristentum im Rahmen der antiken Religionen. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt. 12 Dazu fundamental Leidhold, W. (2008): Gottes Gegenwart. Zur Logik der religiösen Erfahrung. Darmstadt: WBG. 13 Bloch, E. (1959): Das Prinzip Hoffnung. 2 Bde. Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 1244 f. 14 Saint-Exupery, A. de (1994): Dem Leben einen Sinn geben. 25. Aufl. München: dtv, S. 125. 15 Portmann, A. (1967): Alles fließt. Wege des Lebendigen. Freiburg u. a.: Herder, S. 23.

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Diese theoretischen Überlegungen werden nunmehr fortgeführt. Zentrale Gedanken durfte ich im Rahmen einer DGGG-Tagung vortragen,18 Aspekte auch im Rahmen einer Session zur angewandten Interventionsgerontologie der DGGGTagung 2012 „Alternsforschung: Transnational und translational“ am 13. September 2012 in Bonn.19 Ich habe am 25.9.2012 auch vor meinen Freunden der Rotarier Köln-Hahnentor die These vorgetragen, die Inklusion und demenzfreundliche Kommune setze eine schizoide Ekstase zugunsten der „Andersheit als atopische Gegeninstanz zum Identitätszwang“ 20 voraus. Zentrale Gedanken dieser Theorie habe ich in sehr angewandten Praxiskontexten (Zukunft der Werkstätten für behinderte Menschen; Zukunft des stationären Pflegesektors etc.) im Rahmen verschiedener Fachkonferenzen im Herbst 2012 in Trier, Essen, Bonn etc. vorstellen können. Die herausgeforderte fachliche Praxis reagierte nicht freudig, aber auch nicht ablehnend oder gar zornig. Das Feld wird tatsächlich von Ängsten und Kränkungsgefühlen angesichts der vorgetragenen Problemdiagnosen mitbestimmt, aber die Perspektivität eines anstehenden kulturellen Change Managements wird letztendlich durchaus akzeptierend verstanden. Im Zentrum steht die strukturale Darlegung einer apotropäischen Affektpsychologie auf anthropologischer Grundlage. Bei Bloch ist eine Affektpsychologie sogar die Grundlage seiner Ontologie des Noch-Nicht.21 Und bei Bloch wird Odysseus zu einer prototypischen Figur der menschlichen Grenzüberschreitung.22 Angst bedeutet hier eine Enge, die überstiegen werden muss.23 16 Schulz-Nieswandt, F./Köstler, U./Langenhorst, F./Marks, H. (2012): Neue Wohnformen im Alter. Wohngemeinschaften und Mehrgenerationenhäuser. Stuttgart: Kohlhammer. 17 Schulz-Nieswandt, F. (2012): Gemeinschaftliches Wohnen im Alter in der Kommune. Das Problem der kommunalen Gastfreundschaftskultur gegenüber dem homo patiens. Berlin: Duncker & Humblot. 18 Vgl. nun auch Schulz-Nieswandt, F. (2012): Der homo patiens als Outsider der Gemeinde. Zur kulturellen und seelischen Grammatik der Ausgrenzung des Dämonischen. In: Zeitschrift für Gerontologie und Geriatrie 45 (7), S. 593–602. 19 Erscheint als Schulz-Nieswandt, F. (2013): Zur Implementation von innovativen Pilotprojekten in der Versorgungs- und Wohnlandschaft älterer Menschen: kulturelle Grammatik und systemische Choreographie. In: Karl, F. (Hrsg.): Transnational und translational – Aktuelle Themen der Alternswissenschaften, Reihe Soziale Gerontologie Bd. 3, Berlin: LIT, S. 97–118. 20 So zitiert aus dem Untertitel zu An, J.-H. (2004): Goethes „Wahlverwandtschaften“ und das Andere der Vernunft. Würzburg: Königshausen & Neumann. 21 Bloch, E. (1959): Das Prinzip Hoffnung. 2 Bde. Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 10 i.V. m. S. 12, S. 81, S. 83. 22 Bloch, E. (1959): Das Prinzip Hoffnung. 2 Bde. Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 15, S. 1175, S. 1206; 1239, S. 1242. Umso weniger sind Blochs Entgleisungen gegenüber der Psychoanalyse zu verstehen. 23 Bloch, E. (1959): Das Prinzip Hoffnung. 2 Bde. Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 92 i.V. m. S. 170. Überwunden werden müssen jene „Blickschranken“ (S. 147), die ich später (Bloch ähnlich: S. 104 ff.) als Dialektik von paranoiden und schizoiden Kräf-

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Auch ich werde dergestalt argumentieren, wenngleich in den Affekten eben beides verankert ist: die syntonische Selbst-Blockade wie die schizoide Kreativität der transgressiven Identitätsfindung. Dieser Fokus grenzt andere Faktoren der Erklärung und des Verstehens sozialen Handelns gar nicht aus. Strukturationsvektoren wie rechtliche Rahmen und ökonomische Anreize spielen durchaus ihre Rolle. Und meine Betonung der intrinsischen Antriebskräfte des sozialen Geschehens ist, wenn sie letztendlich auf eine gemeinwesensorientierte Pädagogik der Tugenden ethisch abzielt, alles andere als neo-romantisch konzipiert. Aber da in den dominanten Beratungswissenschaften der Sozialreform, in der Ökonomie und der Rechtswissenschaft, der Blick kaum auf die Haltung der Person als sozialcharakterliche Dispositivität (in einem Habitus-hermeneutischen Sinne) gelegt wird und daher hier kaum Wert und Betonung erkennbar wird, nehme ich diese Akzentuierung in besonders deutlicher Weise vor. Das ist nicht so heldenhaft gemeint, wie es erscheinen mag; dennoch ist die Tiefengrammatik des Argumentierens als Komplementarität der Tiefengrammatik der zur Choreographie anstehenden sozialen Wirklichkeit in der Tat eine ionische Inwirksetzung gnostischer Immanenz des Sittlichen.24 Dabei oszilliere ich in meinen analytischen Darlegungen („Herumeiern“ wäre eine weniger schöne Umschreibung) zwischen einer fundamentalontologischen Anthropologie einerseits und einer Wissenschaft der konkreten praktischen Sozialpolitik andererseits. Ich greife nicht alle Gedanken (und die entsprechende Literatur) aus der vorangegangenen theoretischen Studie wieder auf; die hier angeführte Literatur ist aufbauend und weiterführend. Natürlich wäre es reizvoll25, nochmals die an der in einem exemplarischen Sinne prototypischen Dionysos-Forschung festgemachte Kontroverse der älteren deutschen26 und der neueren französischen Altertumskunde aufzugreifen und weitere Klassiker (ich denke an Friedrich Creuzer [1771–1858], Karl Otfried Müller [1797–1840], Ludwig Preller [1809–1861] und Ludwig Curtius [1874–1954] u. a.) heranzuziehen.27 Ich habe mich damit einerten deute. Auch hier, mit Blick auf die S. 104 ff. bei Bloch, sind seine erwähnten Abneigungen gegenüber der Psychoanalyse kaum zu verstehen. 24 Bloch, E. (1959): Das Prinzip Hoffnung. 2 Bde. Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 1408 f. 25 Allerdings glaube ich nicht, mehr leisten zu können, als es beeindruckend schon bei Renate Schlesier gelungen ist (wenngleich ich nicht in allen Details übereinstimmen mag). Vgl. Schlesier, R. (1994): Kulte, Mythen und Gelehrte. Anthropologie der Antike seit 1800. Frankfurt am Main: Fischer. 26 Ich habe dabei vor allem Bezug genommen auf Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff (1849–1931). Vgl. aber auch Espagne, M./Raubault-Feuerhahn, O. (Hrsg.) (2011): Hermann Usener und die Metamorphosen der Philologie. Wiesbaden: Harrassowitz. 27 Grundlegend hierzu ist Frank, M. (1982): Der kommende Gott. Vorlesungen über die Neue Mythologie. Frankfurt am Main: Suhrkamp.

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seits auf jene Richtung bezogen, die Jan de Vries in seiner „Forschungsgeschichte der Mythologie“ die „klassische Philologie“ nannte28, andererseits jene französische Forschungsrichtung aufgegriffen, die, in eben typisch französischer Tradition stehend, einen ethnologischen Blick29 integriert. Insofern sei nur nochmals an Vernant angeknüpft30, der gerade im Lichte der (als [letztendlich, also tiefen[psycho- wie kultur]grammatisch gesehen, christliche?] Verdrängungsleistung charakterisierbaren eingebildeten) kulturellen Fremdheit31 des Dionysos zeigen konnte, wie die ebenfalls fremdartige Artemis später konstitutiver Teil der polis wurde. Die Angst vor dem Fremden ist also überwindbar. Bei meiner Studie32 hatte ich mich nicht mehr an die Bedeutung der (vor vielen Jahren rezipierten) Abhandlung von Dodds zum Irrationalen bei den Griechen33 erinnert, die ich hätte anführen können.34 Auch35 Bachofens „Mutterrecht“ (als „demetrisch geordnete Gynaikokratie“)36 ist voller, für mich hier relevanter binärer Codes. Ich gehe auf J. J. Bachofen (1815–1887) später mit Bezug auf eine andere Abhandlung37 von ihm ein. Angeführt hatte ich allerdings V. I.

28 Vries, J. de (1961): Forschungsgeschichte der Mythologie. Freiburg i. Br./München: Alber, S. 297 ff. 29 Einführend vgl. auch Kohl, K.-H. (2012): Ethnologie – die Wissenschaft vom kulturell Fremden. 3., akt. u. erw. Aufl. München: Beck. 30 Vernant, J.-P. (1988): Tod in den Augen. Figuren des Anderen im griechischen Altertum: Artemis und Gorgon. Frankfurt am Main: Fischer, S. 19. 31 Vgl. auch Nakamura, Y. (2000): Xenosophie. Bausteine für eine Theorie der Fremdheit. Darmstadt: WBG. 32 Schulz-Nieswandt, F. (2012): Gemeinschaftliches Wohnen im Alter in der Kommune. Das Problem der kommunalen Gastfreundschaftskultur gegenüber dem homo patiens. Berlin: Duncker & Humblot. 33 Dodds, E. R. (1970): Die Griechen und das Irrationale. Darmstadt: WBG. Dazu auch Devereux, G. (1982): Normal und anormal. Aufsätze zur allgemeinen Ethnopsychiatrie. Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 327 f.: Dodds habe gezeigt, „daß das Irrationale und die orgiastische Ekstase eine ebenso entscheidende Rolle für die griechische Kulturdynamik und die Herausbildung des griechischen Charakters spielten.“, wie die Rationalität des Apollinischen. 34 Neu gelesen habe ich in diesem Lichte auch die Ausführungen von Devereux zur Schoperhauerschen „Normalneurose“ (zu Schopenhauer [1788–1860] vgl. auch Abendroth, W. [2003]: Arthur Schopenhauer. 20. Aufl. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt; Spierling, V. [2002]: Arthur Schopenhauer zur Einführung. Hamburg: Junius), wobei die exzessive Distanz (Fremdheit) eine angemessene Nähe nicht tolerieren kann. Devereux korreliert quasi-struktural diese Binärik von Nähe und Fremdheit mit der Dichotomie Sterilität – Fruchtbarkeit sowie Endogamie und Exogamie. Vgl. Devereux, G. (1985): Träume in der griechischen Tragödie. Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 178 f. 35 Ähnliches findet sich bei Bloch, E. (1959): Das Prinzip Hoffnung. 2 Bde. Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 1113–1115. 36 Bachofen, J. J. (1975): Das Mutterrecht. Frankfurt am Main: Suhrkamp. 37 Bachofen, J. J. (1954): Versuch über die Gräbersymbolik der Alten (1859). Gesammelte Werke, Bd. IV. Basel: Benno Schwabe & Co.

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Ivanov (1866–1949)38, den39 ich nunmehr nochmals intensiver lesen konnte. Seine Position fügt sich meiner Sichtweise der Dinge. Bei ihm mag es ja sein, dass Dionysos aus Thrakien40 einwanderte; das authentische Griechenland war aber mit seinen vordionysischen Kulten aufnahmebereit, ja, letztendlich implizit selbst schon dionysisch.41 Auch das widersprach der damals vorherrschenden akademischen Altertumsforschung, die Dionysos als ein importiertes Fremdes definierte – und damit nicht nur historisch, sondern religionswissenschaftlich und anthropologisch falsch lag. Es wundert heute nicht, dass diese Epoche zugleich der geschichtliche Geburtskontext der Psychoanalyse war. Die Zeit war reif. Denn die kollektiv akkumulierten Verdrängungsprozesse brachten die zunehmend in die Krise gelangte, weil ihre Widersprüchlichkeiten eher erahnende und verspürende, denn wirklich begreifende Moderne zum Überkochen. In der Kunst wird man sich den Spiegel des Verdrängten im Primitivismus42 vorhalten; ebenso wird heute so manche Theoriebildung und Kategorienkonstruktion der (kolonialen) Ethnologie43 als Selbstanalyse der Moderne re-konstruiert. Diese Sicht macht heute noch wenn nicht die Krise, so doch die Dauer(selbst)reflexion der ethnologischen Hermeneutik in der Epoche der Inter-Textualität aus. In die Postulierung der Postmoderne und in die Diagnose vom Ende aller großen Geschichten stimme ich dennoch nicht ein. Wiederum zurück zur sozialpolitischen Konkretisierung. Ausgrenzung, also Exklusion ist ein großes Thema in der neueren Soziologie geworden. Dies mag einerseits mit der zunehmenden Armut in den letzten Dekaden, andererseits, und mit dem soeben genannten Aspekt innerlich verbunden, mit den Migrationsprozessen im Zuge der neuerlichen Globalisierungsschüben (denen Klaus E. Müller einen „Gorgonenanlitz“ zuschreibt44) zusammenhängen. Dem korreliert ein Aufstieg der Wirtschaftsethik im Diskurs, gepaart mit einer breiten Debatte zur Möglichkeit und Notwendigkeit der kulturellen Einbettung des wirtschaftlichen Handelns. Die „Varieties of Capitalism“ werden entsprechend analysiert und disku38 Auf hohem Niveau zu sehr in einer irrationale Ecke stellend: Murasov, J. (1999): Im Zeichen des Dionysos. Zur Mythopoetik in der russischen Moderne am Beispiel von Vjaceslav Ivanov. München: Fink. 39 Ivanov, V. I. (2011): Dionysos und die vordionysischen Kulte. Tübingen: Mohr Siebeck. 40 Vgl. die bereits ältere Darlegung bei Wiesner, J. (1963): Die Thraker. Stuttgart: Kohlhammer. 41 Vgl. auch Otto, W. F. (1996): Dionysos. 6. Aufl. Frankfurt am Main: Klostermann, S. 51 ff. 42 Price, S. (1992): Primitive Kunst in zivilisierter Gesellschaft. Frankfurt am Main/ New York: Campus. Vgl. auch Schüttpelz, E. (2005): Die Moderne im Spiegel des Primitiven. München: Fink. 43 Dazu auch Därmann, I. (2005): Fremde Monde der Vernunft. Die ethnologische Provokation der Philosophie. München: Fink. 44 Müller, K. E. (2012): Die Grundlagen der Moral. Und das Gorgonenantlitz der Globalisierung. 2. Aufl. Konstanz: UVK.

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tiert. Die Literatur dazu ist kaum noch überschaubar.45 Ich werde diese ganze soziologische Debatte nicht vertiefend aufgreifen (verweise aber auf Publikationen aus dem SFB 600 „Fremdheit und Armut. Wandel von Inklusions- und Exklusionsformen von Fremden und Armen von der Antike bis zur Gegenwart“ 46), sondern „archaisieren“, werde also paläoanthropologische Dispositionen ebenso aufgreifen wie frühe kulturgeschichtliche Phänotypen dieser kulturellen Grammatik. Ausgangspunkt ist der mythologische Befund: „Der Komplex aus Erschaffensein, Selbstbehauptung, Schuld und Mühsal ist in der conditio humana von Anfang an mitgesetzt.“ 47 Es geht nicht im normativen Sinne um eine neue Mythologie48 angesichts der Pathologie der Moderne; wohl aber müssen kultur-, religions- und mythosgeschichtliche Studien betrieben werden, um die Moderne49 besser zu verstehen.50 Der Arbeit unterliegt eine tiefere Metastruktur. Ich pendele zwischen Archaisierung einerseits und Aktualisierung andererseits. Auf der Ebene der Aktualisierung geht es im Kern um die Inklusionsidee in Korrelation zur De-Institutionalisierung. Die „demenzfreundliche Kommune“ ist hierbei eine, aber nur eine, wenn auch exemplarische Ausdrucksform. Aber es geht nicht nur um Demenz, sondern um alle Formen des homo patiens. Kultur ist „eine strukturierte Art und Weise“, „sich selbst und die Welt zu begreifen.“ 51 Und die Grammatiken der kulturellen Umgangsweise leiten zur Archaisierung über. Denn die Muster dieser Praktiken und Diskurse sind alt und ubiquitär und

45 Und meine Fakultät hat in der Zeit meines Dekanats selbst eine Professur für das Themengebiet der international vergleichenden Politischen Ökonomie und Wirtschaftssoziologie als Brückenkopf zum Kölner MPI für internationale Gesellschaftsforschung eine Professur geschaffen. 46 Raphael, L./Gestrich, A. (Hrsg.) (2008): Inklusion/Exklusion. Studien zu Fremdheit und Armut von der Antike bis zur Gegenwart. Frankfurt am Main: Lang sowie Uerlings, H./Raphael, L. (Hrsg.) (2008): Zwischen Ausschluss und Solidarität. Modi der Inklusion/Exklusion von Fremden und Armen in Europa seit der Spätantike. Frankfurt am Main: Lang. 47 Angehrn, E. (1996): Die Überwindung des Chaos. Zur Philosophie des Mythos. Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 332. Vgl. etwa dazu auch Luginbühl, M. (1992): Menschenschöpfungsmythen. Ein Vergleich zwischen Griechenland und dem Alten Orient. Bern: Lang. 48 Frank, M. (1989): Kaltes Herz, Unendliche Fahrt, Neue Mythologie. Motiv-Untersuchungen zur Pathogenese der Moderne. Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 93 ff. 49 So auch Lévi-Strauss, C. (2012): Anthropologie in der modernen Welt. Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 100. 50 Dazu auch in Kemper, P. (Hrsg.) (1989): Macht des Mythos – Ohnmacht der Vernunft? Frankfurt am Main: Fischer; Schmidbauer, W. (2001): Mythos und Psychologie. Krummwisch bei Kiel: Königsfurt. 51 Devereux, G. (1982): Normal und anormal. Aufsätze zur allgemeinen Ethnopsychiatrie. Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 339.

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wahrscheinlich anthropologisch universal. Der Mensch ist nie durch und durch modern gewesen. Aber dies ist nicht als Determinismus, sondern als evolutionäre Dispositivität zu verstehen. Dispositionen müssen geweckt, aufgegriffen bzw. abgerufen werden. Und hier kommt die Kultur in Raum und Zeit zur Wirkung. Die kulturellen Inskriptionen, die der Mensch während seiner lebenslangen Sozialisation, die nur zum Teil geplante Intentionalität im Sinne von Erziehung52 (oder gar an der Idee des pädagogischen Verhältnisses53 geknüpft) ist, aktiviert, lenkt, bahnt und überformt die ubiquitären Dispositionen. In der Mitte nun zwischen Archaisierung und Aktualisierung kristallisiert sich die zugespitzte zentrale Frage der vorliegenden Studie: Ist, und wenn ja, wie ist eine polis ohne Exklusion (theoretisch) denkbar und (praktisch) möglich? Es geht mir also nicht um diese Formen der sozialen Ausgrenzung gegenüber dem Fremden im Sinne einer Soziologie der (oftmals erwerbsarbeits- und somit wohlstandsbezogenen, aber auch kriegs- und umweltbedingten) Migration54. Das „Fremde“ thematisiere ich als das schlechthin Dämonische55 in einer anthropologisch fundamentalen Weise. Insofern betreibe ich nicht Xenologie56 in dem engeren Sinne. Das Dämonische war nun nicht immer identisch mit dem Bösen. In der griechischen Antike gab es auch den guten Daimon. Und als Max Weber meinte, jeder Mensch hätte seinen Daimon, der ihn treibt, so meinte er nicht schlechthin das Böse, eher schon die göttlichen Mächte der homerischen Welt. Es mag mitunter eine Resultante der christlichen Blickverengung, ja Dämonisierung des Dämonischen sein, dass hier ein kruder Dualismus zwischen gut und böse bzw. rein und unrein epistemologisiert worden ist. Auf diese Prämisse komme ich nochmals mit Bezug auf Walter F. Otto zurück. Wenn ich später die Gerontophobie als Teil einer Xenophobie verstehe, so meine ich hierbei Xenophobie in eben diesem allgemeinen, anthropologischen Sinne. Daher verweist die Fremdenangst bei einem tieferen Blick eher auf eine grundsätzliche „Menschenangst“ 57. Und 52 Schäfer, A. (2005): Einführung in die Erziehungsphilosophie. Weinheim/Basel: Beltz. 53 Giesecke, H. (1997): Pädagogische Beziehung. Weinheim/München: Beltz-Juventa. 54 Vgl. dazu etwa Oltmer, J. (2012): Globale Migration. Geschichte und Gegenwart. München: Beck. 55 Lichtenberger, H./Lange, A./Römhild, K. F. D. (Hrsg.) (2003): Die Dämonen. Demons. Tübingen: Mohr Siebeck. 56 Duala-M’bedy, M. (1977): Xenologie. Die Wissenschaft vom Fremden und die Verdrängung der Humanität aus der Anthropologie. Freiburg i. Br.: Alber; Behr, H. (1995): Theorie des Fremden als Kultur- und Zivilisationskritik. Ein kritischer Forschungsbericht. In: Philosophisches Jahrbuch 102, S. 191–200; Bremshey, Chr. u. a. (Hrsg.) (2004): Den Fremden gibt es nicht. Xenologie und Erkenntnis. Berlin. LIT. 57 Etzersdorfer, I./Ley, M. (Hrsg.) (1999): Menschenangst. Die Angst vor den Fremden. Berlin/Bodenheim b. Mainz: Philo.

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insofern tauche ich hermeneutisch ein in eine (eben nicht, also keineswegs a-historische) kulturphänomenologische Analyse. Der kulturelle Code „das Eigene/das Fremde“ ist eine Schlüsselfrage der Sozialtheorie und der Kulturanalyse schlechthin.58 Schon Rudolf Otto (1869–1937)59 und Geradus van der Leeuw (1890– 1950)60 haben, ich verkürze, jeweils im Umkreis der Analyse des Dämonischen auf den kulturellen Code von Reinheit und Unreinheit, auch im Zusammenhang mit dem Totenkult, den Ekel als Reaktionsmuster auf die Erfahrung des Unverstandenen der Welt „da draußen“ darlegen können. Die Studie von Müller „Der Krüppel“ 61 bietet eine Fülle an Belegmaterial, bleibt selbst aber bemerkenswert theorielos präsentiert. Insofern „archaisiere“ ich, da noch dem modernen Menschen, also der modernen Gesellschaft in der kulturellen Praxis der Umgangsweise mit dem Anderen/Andersartigen diese quasi animistischen62 Dispositionen innewohnen.63 Daher resultiert eine Art von Hygieneangst64 gegenüber dem homo patiens.65 „Wir neigen dazu, uns gegen schlechte Gerüche zu wehren, weil sie am primitivsten, animalischsten Teil von uns rühren.“ 66 58

Dülmen, R. v. (2000): Historische Anthropologie. Köln u. a.: Böhlau, S. 85 ff. Otto, R. (1997): Das Heilige. München: Beck, S. 143 ff. 60 Van der Leeuw, G. (1933): Phänomenologie der Religion. Tübingen: Mohr Siebeck, S. 117 ff., S. 221 f. 61 Müller, K. E. (1996): Der Krüppel. Ethnologia passionis humanae. München: Beck. 62 Ich erlaube mir trotz Kenntnis der diesbezüglichen Wissenschaftsgeschichte diese terminologische Anleihe. Vgl. auch Albers, I./Franke, A. (Hrsg.) (2012): Animismus. Revisionen der Moderne. Berlin: Diaphanes. Der Animismus ist sicherlich im Rahmen einer linearen Evolutionstheorie von Religion und Kultur hoch problematisch. Grundsätzlich ist das Phänomen keineswegs falsifiziert. Insofern hat die von mir herausgestellte „Hygieneangst“ von Menschen gegenüber den verschiedenen Erscheinungsformen des homo patiens durchaus eine animistische Charakterdimension. 63 Folge ich Jean Piaget (1896–1980) (vgl. auch Kohler, R. [2008]: Jean Piaget. Bern: Haupt [UTB]; Scharlau, I. [2007]: Jean Piaget zur Einführung. 2., vollst. überarb. Aufl. Hamburg: Junius), so durchlaufen die Kinder in ihrem Weltverständnis eine Phase eines animistischen Bildes von ihrer Um-Welt. Diese These ist in der Forschung durchaus kontrovers. Vgl. auch McDole, A. (2012): Wenn Bäche hören und Regentropfen fühlen – Kindlicher Animismus – Erlebniswirklichkeit oder psychologisches Konstrukt? Marburg: Tectum. 64 Vgl. auch die Befundedarstellungen in Laubenstein, D. (2007): Sonderpädagogik und Konstruktivismus. Münster u. a.: Waxmann. Befunde auch in Jensen, Ad. E. (1992): Mythos und Kult bei Naturvölkern. München: dtv, S. 406 ff. Davon zu unterscheiden wäre die neuzeitliche Konstruktion des homo hygienicus im Lichte epidemiologischer Praktiken der aufkommenden öffentlichen Gesundheitspolitik. Vgl. auch Labisch, A. (1992): Homo Hygienicus. Gesundheit und Medizin in der Neuzeit. Frankfurt am Main: Campus. 65 Zur sozialen Distanz (stigmatisierender Art) gegenüber Menschen mit psychischen Erkrankungen vgl. auch den Forschungsüberblick in Kardorff, E. von (2010): Zur Diskriminierung psychisch kranker Menschen. In: Hormel, U./Scherr, U. (Hrsg.): Diskriminierung. Grundlagen und Forschungsergebnisse. Wiesbaden: VS, S. 279–305. 59

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Diese Angst67 ist hier als kulturelle Grammatik auch tiefenpsychologisch zu de-chiffrieren, um den Pfad zu einer Ethik der Achtsamkeit zu finden, einer „Existenzerhellung“ zu bahnen, einer Lichtung, die das Person-Sein nicht nur an die Praxis der polis existenziell knüpft, sondern die Reifung der Person als Individuation68 psychodynamisch an die Offenheit gegenüber dem Anderen bindet. Ich transformiere also auf der Basis eines transaktionalistischen Person-WeltAnsatzes die kulturellen Codes von Identität und Alterität69 zurück in eine intrapersonale Dynamik der seelischen Gleichgewichtsgrammatik und diese wiederum in eine personale Erlebniswelt des Numinosen70. Die Hygieneangst steht im Mittelpunkt meiner Thesen; diese erweist sich als Antizipation der Todesfurcht und transportiert sich quasi-animistisch über implizite epidemiologische Annahmen dämonischer Kräfte. Dem mana71 korreliert so das tabu; das verlinkende tertium comparationis hierbei ist die Praxis der Reinheitsgebote72, und damit ein binärer Ur-Code, nämlich rein/unrein.73 Diese Betonung der Binärismen (asymmetrischer Gegenbegriffe74, die personale Orientierung und soziale Ordnung uno actu stiften, dergestalt, dass die Systemintegration an der sozialen Integration hängt und umgekehrt) basiert auf der von mir präferierten strukturalen Methode, die zugleich hermeneutisch verfährt. Soweit schon eine erste, inhaltlich orientierende Einführung. *

Ich freue mich über die erneute Aufnahme in die Schriftenreihe „GÖW“ bei Duncker & Humblot. 66 Carofiglio, G. (2012): Die Illusion der Weisheit. Erzählungen. München: Goldmann, S.13. 67 Vgl. auch Spörke, M. (2012): Die behindernde/behinderte Stadt. In: Eckhardt, F. (Hrsg.): Handbuch Stadtsoziologie. Wiesbaden: Springer VS, S. 745–774, hier S. 755. 68 Und diese setzt ekstatische Selbsttranszendierung voraus, nicht autistische Egologie: Cusinato, G. (2012): Person und Selbsttranszendenz. Ekstase und Selbsttranszendenz. Ekstase und Epoché des Ego als Individuationsprozesse bei Schelling und Scheler. Würzburg: Königshausen & Neumann. 69 Raible, W. (1998): Alterität und Identität. In: Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Linguistik 110, S. 7–22. 70 Instruktiv auch Kuba, A. (2012): Anziehender Schrecken. Das Denkbild des Heiligen im anthropologischen und ästhetischen Diskurs der Moderne. München: Fink. 71 Dazu umfassend und dicht Moebius, St. (2012): Die Religionssoziologie von Marcel Mauss. Nachwort. In: Mauss, M.: Schriften zur Religionssoziologie. Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 617–682. 72 Vgl. dazu auch Kessler, R. (2008): Identität und Fremdheit und das Rein-UnreinParadigma. In: Evangelische Theologie 68, S. 414–429. 73 Malinar, A./Seidensticker, B./Vöhler, M. (Hrsg.) (2009): Un/Reinheit. Konzepte und Praktiken im Kulturvergleich. München: Fink; Burschel, P./Marx, Chr. (Hrsg.) (2011): Reinheit. Köln u. a.: Böhlau. 74 Weinrich, H. (Hrsg.) (1975): Positionen der Negativität. München: Fink.

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Die Art der von mir gewählten Zitierweise hat einerseits (modal) etwas mit meiner Auffassung von LeserInnenfreundlichkeit zu tun, weil so ein Hin-undHerblättern zum hinteren Literaturverzeichnis vermieden werden kann, andererseits (substantiell) damit, dass ich davon ausgehe, dass angesichts meiner multidisziplinären Arbeitsweise von mir ein gleichwertiger Literaturwissensstand in der LeserInnenschaft nicht vorausgesetzt werden kann. Spezialisten sind eben nur Spezialisten auf dem jeweiligen, ex definitione schmalen Gebiet; und universale Ausbildung ist ja nur noch selten im Wandel der Universitätskultur zu beobachten, vor allem, weil die Art der wissenschaftlichen Nachwuchsbildung und die Rekrutierungspraxis in der Forschung und Lehre der Hochschule einen intellektuell flacheren Habitus systematisch präferiert. Böse Zungen, allerdings leider nur wenige, sprechen von Verblödung. Wer nicht überall folgen kann, muss lesen. Doch da halte ich es mit Ernst Bloch75: Lesen ist wie Berge besteigen, mühsam; aber wenn man oben auf dem Berg angekommen ist, hat man den Überblick, hier nun als Durchblick. Das dürfte mehr als der Mühe wert sein. Nicht alles habe ich hierbei gleich intensiv studieren können. Einige zentrale Quellen begleiten schon seit längerem meine Abhandlungen und werden immer wieder neu, manchmal auch dann anders, rezipiert. Insgesamt gesehen dient der Apparat also einerseits zur Orientierung für die LeserInnen, andererseits sicherlich auch der Dokumentation der Quellen meines Argumentierens, um transparent zu machen, dass fast alles natürlich nicht von mir stammt, sondern sich komplexen Forschungstraditionen verdankt, die allerdings eben auch einer transgenerationalen Weitergabe im Rahmen einer diesbezüglichen Gedächtnisfunktion bedürfen und auch verdienen. Und das erfordert eine seriöse Dokumentation im Anmerkungsapparat und im geordneten Literaturverzeichnis. Und wie immer widme ich das Buch meiner Tochter Alessa Alessandra, nun aber auch ihrem Bruder, dem Erdenneuling Gören Gunnar (*20. Mai 2012). Zugleich gedenke ich Jochen Anthes (verstorben 2010), einem meiner (wenn ich an meine Studienfreunde [Hermann, Michael, Achim und die Anderen werden mir zustimmen] denke: unser) Ziehvater, damals Assistent am Lehrstuhl von Theo Thiemeyer, unserem verehrten akademischen Lehrer. Aachen, September 2012

Frank Schulz-Nieswandt

75 Bloch, E. (1959): Das Prinzip Hoffnung. 2 Bde. Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 10.

Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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A. Grundlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Kulturtheorie psychogrammatisch fundierter Interaktionsordnungen . . . . II. Die Gemeinde als Rechts- und Hilfegenossenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Über die Gabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zur Metaphorologie der „kommunalen Gastfreundschaftskultur“ gegenüber dem homo patiens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

52 52 55 68

B. Die Reflexion der Empirie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Die Anthropologie der explorativen Studie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Die Studie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Durkheimianismus als Soziologie und Sozialpsychologie des heiligen Individualismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zentrale Befunde und relevante vertiefende Argumentationsfortführungen der explorativen Studie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Befunde jenseits von Romantik und Dogmatik . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Politische Schlussfolgerungen der transzendental Werte-fundierten Forschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die notwendigen Voraussetzungen des Wandels: Rechtliche Situation und politischer Wille . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Die hinreichende Bedingung des Wandels: Kulturelle Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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C. Die anthropologische Herausforderung des Wandels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Der strukturale Blick der Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX. Das Gleichgewicht von Offenheit und Bindung. Eine psychodynamische Sicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . X. Die politische Kunst des Wandels: Kommunikative Choreographie in der polis statt „social engineering“ des homo faber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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D. Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XI. Das numinose Erlebnis als seelisches Gleichgewicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . XII. Vom Ertrag der strukturalen Abstraktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XIII. Konkrete Utopie, sozialpolitischer Avantgardismus und surrealistische Ekstase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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174 180 184 184 185 189

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258

Verzeichnis der Schaubilder Schaubild 1: Der homo patiens (I) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schaubild 2: Der homo patiens (II) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Schaubild 3: Das Problem der Gastfreundschaft gegenüber dem homo patiens . . . 102 Schaubild 4: Binär-strukturale Ordnungsüberlappungen zwischen Ontologie, Anthropologie und Theologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 Schaubild 5: Die Idee des intra-personalen psychischen Arbeitsapparates . . . . . . . 171 Schaubild 6: Die soziale Praxis als performative Konstruktion des Sozialen . . . . . Schaubild 7: Der Gleichgewichts-Korridor im Koordinatenkontext der neurotischen Abweichungen (I) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schaubild 8: Der Gleichgewichts-Korridor im Koordinatenkontext der neurotischen Abweichungen (II) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schaubild 9: Der psycho-dynamische Gleichgewichts-Raum . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Schaubild 10: Die Dynamik der neurotischen Abweichungen (I) . . . . . . . . . . . . . . . . 178 Schaubild 11: Die Dynamik der neurotischen Abweichungen (II) . . . . . . . . . . . . . . . 178

Einleitung In der modernen Gesellschaft stehen die Menschen, wenn sie die Daseinsqualität eines personalen Seins erreichen wollen, vor der Aufgabe der Verwirklichung einer genossenschaftlichen Existenzweise.76 Dies ist eine provokative Ausgangsthese. Sie fordert zur umfassenden Argumentation heraus. Ich werde dies in naher Zukunft mit Blick auf die Genossenschaftlichkeit77 der Genossenschaften78 als Formproblematik auf der Basis meiner Vorarbeiten zur Anthropologie der Person in einer hermeneutischen Arbeit zur morphologischen Theorie der gemeinwirtschaftlichen79 Genossenschaftlichkeit80, die zugleich eine 76 In der Genossenschaft GENO findet das personale Sein (pS), wenn es gelingt, seine Form F: GENO = F(pS). 77 Und dabei werde ich vor allem Bezug nehmen auf die neuen, vielfältigen kleinen „Sozialgenossenschaften“ (Allgeier, M. [Hrsg.] [2011]: Solidarität, Flexibilität, Selbsthilfe. Zur Modernität der Genossenschaftsidee. Wiesbaden: VS), die der sozialen Selbsthilfebewegung subsummiert werden können. (Vgl. auch die Studie von Köstler, U./ Schulz-Nieswandt, F. [2010]: Genossenschaftliche Selbsthilfe von Senioren. Stuttgart: Kohlhammer.) In einem gewissen Sinne kann der Frage des leider sehr früh verstorbenen Klaus Novy (Novy, K. [1985]: Renaissance der Genossenschaften – Realismus oder Utopie? In: Gemeinwirtschaft 3, S. 53–63), den meine Studienfreunde und ich in unserer Bochumer Zeit kennenlernen durften, nach einer Renaissance der Genossenschaften zwischen Realismus und Utopie positiv beantwortet werden. Vgl. auch Blome-Drees, J. (2012): Zur Aktualität des genossenschaftlichen Geschäftsmodells. In: Zeitschrift für öffentliche und gemeinwirtschaftliche Unternehmen 35 (4). Zum Phänomen neuerer Sozialgenossenschaften in verschiedenen Feldern vgl. auch die Studien von Göler von Ravensburg, N. (2011): Aktuelle Entwicklung von Kultur- und Sozialgenossenschaften. In: George, W./Bonow, M. (Hrsg.): Regionales Zukunftsmanagement, Bd. 4: Kommunale Kooperation. Lengerich u. a.: Pabst Science Publishers, S. 356–371. Eine besondere Variante dieser differenzierten Diskurse stellt die Perspektive der solidarischen Ökonomie im Gemeinwesen dar: dazu etwa Elsen, S. (Hrsg.) (2011): Solidarische Ökonomie und die Gestaltung des Gemeinwesens – Perspektiven und Ansätze der ökosozialen Transformation von unten. Neu-Ulm: AG SPAK Bücher. 78 Einerseits verstehe ich, ich folge hier der Draheim’schen Begrifflichkeit (Draheim, G. [1955]: Die Genossenschaft als Unternehmenstyp. 2. Aufl. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht), Genossenschaften als wirtschaftliche Betriebsgebilde, andererseits sind sie Personenverbände, (womit Georg Draheim [1903–1972] eine Anlehnung an Max Weber [1864–1920; zu Weber vgl. Kaesler, D. (2011): Max Weber. München: Beck] vornimmt), als Verbände von Personen zur Durchführung von Gegenseitigkeitshilfen, die eine Wirtschaftsart eigener Art darstellen. 79 Thiemeyer, Th. (1970): Gemeinwirtschaftlichkeit als Ordnungsprinzip. Berlin: Duncker & Humblot. Vgl. auch Valentinov, V. (2010): The institutionalist legacy of the Gemeinwirtschaftslehre. In: Zeitschrift für öffentliche und gemeinwirtschaftliche Unternehmen 33 (1), S. 44–53.

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Hermeneutik der Gestaltqualität81 des Daseins darstellt, weiterentwickeln. Es wird dort (ebenso wie in meiner Bachelor-Einführungsvorlesung zur Logik qualitativer Sozialforschung und in meinem Teil der multi-disziplinären Veranstaltung in der Cologne Graduate School zum Thema „Deutungsmuster und die Konstruktion sozialer Wirklichkeit“) um eine Hermeneutik der Morphologie der Genossenschaft gehen. Dabei wird die Problematik der Hylemorphik in ihrer Komplexität gesteigert, indem eine mehr-stellige Hermeneutik82 als Inter-Textualität zwischen Rezeptions- und Produktionsästhetik eine Mehr-Welten-Hermeneutik fundiert, die einerseits in der strukturalistischen Tradition steht, andererseits die Ästhetik des Performativen83 ernsthaft akzeptiert und aufnimmt.84 Diese MehrWelten-Hermeneutik, deren in der Literatur vorfindliche kritische externe Einstufung als „Metaphysik der Strukturen“ von mir anti-kritisch als Lob gewendet wird, ist wiederum als Mehr-Ebenen-Hermeneutik verschachtelt, da es einerseits um die Hermeneutik des Alltags und andererseits um die Hermeneutik der Wissenschaft eben dieser Hermeneutik des Alltags geht. Innerhalb der Alltagshermeneutik besteht eine horizontale Inter-Textualität, wobei Produktion und Rezeption von Sinn, jeweils kontextabhängig, zeitlich ja weit auseinanderfallen können. Und gleiches gilt für die vertikale Inter-Textualität zwischen eben dieser Alltagshermeneutik einerseits und der Hermeneutik als Wissenschaft andererseits. Bei Hans-Georg Gadamer und Walter F. Otto, auf die ich gleich und an weiteren Stellen nochmals Bezug nehmen werde, geht es um mehr und um ein Anderes: um Wahrheit als Gestaltqualität personalen Daseins 80 Schulz-Nieswandt, F. (2011): Bemerkungen zur gemeinwirtschaftlichen, einschließlich genossenschaftlichen Einzelwirtschaftslehre und Sozialpolitikwissenschaft im System der Wissenschaft von der Gesellschaftsgestaltungspolitik. Werner Wilhelm Engelhardt zum 85. Geburtstag. In: Zeitschrift für öffentliche und gemeinwirtschaftliche Unternehmen 34 (1), S. 100–109. 81 Zum Gestalt-Begriff vgl. auch in Frank, M. (1988): Gott im Exil. Vorlesungen über die neue Mythologie. Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 110 ff. 82 Vgl. auch Zenck, M. (Hrsg.) (2011): Erzeugen und Nachvollziehen von Sinn. Rationale, performative und mimetische Verstehensbegriffe in den Kulturwissenschaften. München: Fink. 83 Fischer-Lichte, E. (2011): Ästhetik des Performativen. 8. Aufl. Frankfurt am Main: Suhrkamp. Diese Position ist jedoch abzugrenzen gegenüber der krypto-theologischen Präsenz-Metaphysik von Mersch, D. (2002): Ereignis und Aura. Untersuchungen zu einer Ästhethik des Performativen. Frankfurt am Main: Suhrkamp. Präsenztheoretisch auch Gumbrecht, H. U. (2012): Präsenz. Frankfurt am Main: Suhrkamp. Ich gehe demnach von der strukturalen Linguistik aus und übertrage die generative Grammatik auf die soziale Praxis der Kultur: Sprache : Sprechen = Praxis: Praktiken. Die Praktiken sind performativ, wobei der Programmcode dieser Performativität von der Praxis generiert wird: Praxis ! (Code) ! Praktiken ! Performativität. 84 Form ist also Formung, dennoch ist das Material, ja der textuelle Inhalt vorgegeben. Die Menschen empfangen die Welt, aber diese ist nicht ein inszenierungsfreies Ereignis.

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im geschichtlichen Zeitstrom85. Der Gadamer-Otto-Typus86 der Wahrheit meint ontologisch etwas anderes als die Dilthey87-Panofsky88-Mannheim89-Tradition der Hermeneutik des objektiven Dokumentensinns. Diese wissenssoziologisch fundierte Methodologie der objektiven Dokumentensinnanalyse benötige ich durchaus für die qualitative Sozialforschung, jene ist aber eine propädeutische philosophische Anthropologie der personalen Existenz, die, wissenschaftslogisch gesehen, vor jeder empirischen Soziologie angesiedelt ist, ja, die quasi „transzendental“ den sozialempirischen Befunden überhaupt erst einen Sinn verleiht: So wie Paul Tillich90 (1886–1965)91 in seiner systematischen Theologie92 gesagt 85 Schadewaldt, W. (1979): Die Anfänge der Philosophie bei den Griechen. Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 194 ff. zur „aletheia“. Anders als in der neuzeitlichen Wissenschaftsauffassung der Wahrheit als Richtigkeitsmodus wird unter Wahrheit (wie bei Walter F. Otto) eine Weise des „nicht-defizienten“ Seins verstanden (S. 197). Hier zeichnet sich ein, wie ich es nennen will, Existenzialbinärcode ab: der von Dunkelheit und Helligkeit (S. 199). An der „Heimkehr“ von Odysseus lässt sich hermeneutisch rekonstruieren, was es bedeutet, wenn (mit Hilfe der Götter) der Nebel sich lichtet und aus der Nacht der Tag wird, Erkenntnis aus dem Nebel aufsteigt. Erkannt wird aber nicht einfach ein Sachverhalt (des empirischen „Da“), sondern eine Wahrheit des sich Selbst-Findens im Sein, das zur Heimat wird. Es geht nicht um Objekt-Erkenntnis, sondern um Selbst-Erkenntnis im Sein, um eine seelisch-geistige-sinnliche Grammatik des Menschen im Dasein. Als homerische „Seelenführung“ („Psychagogie“) findet diese Überlegung auch ohne tiefere psychoanalytische Untermauerung Eingang in die Homer-Forschung: vgl. auch Patzek, B. (2003): Homer und seine Zeit. München: Beck, S. 116. Man kann auch über Walter Burkert (*1931), z. T. den klassischen Beitrag von Vladimir J. Propp (1895–1970) zur „Morphologie des Märchens“ (1928) aufgreifend (vgl. Propp, V. J. [1972]: Morphologie des Märchens. München: Hanser; vgl. auch Grazzini, S. [1999]: Der strukturalistische Zirkel. Theorien über Mythos und Märchen bei Propp, Lévi-Strauss, Meletinskij. Wiesbaden: DUV), geschlechtsspezifische Initiationsriten erkennen. Vgl. in Burkert, W. (1998): Kulte des Altertums. München: Beck. Vgl. dazu auch Graf, F. (1999): Griechische Mythologie. Düsseldorf/Zürich: Artemeis & Winkler, S. 52 ff. Zur strukturalen Lesart der Mythen: Bruit Zaidman, L./Schmitt Pantel, P. (1994): Die Religion der Griechen. Kult und Mythos. München: Beck, S. 146 ff. 86 Vielleicht ist als Wurzel auch noch Friedrich Gottlieb Welcker anzugeben. Vgl. auch Henrichs, A. (1986): Welckers Götterlehre. In: Calder III, W. M. u. a. (Hrsg.): Friedrich Gottlieb Welcker. Werk und Wirkung, Stuttgart: Steiner, S. 179–229. 87 Dilthey, W. (1981): Der Aufbau der geschichtlichen Welt in den Geisteswissenschaften. Frankfurt am Main: Suhrkamp. Zu Dilthey vgl. u. a. Jung, M. (1996): Dilthey zur Einführung. Hamburg: Junius; Kühne-Bertram, G./Rido, F. (Hrsg.) (2008): Dilthey und die hermeneutische Wende in der Philosophie. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht; Bube, T. (2007): Zwischen Kultur- und Sozialphilosophie. Wirkungsgeschichtliche Studien zu Wilhelm Dilthey. Würzburg: Königshausen & Neumann. 88 Panofsky, E. (2006): Ikonographie und Ikonologie. Köln: DuMont. 89 Dazu orientierend Barboza, A. (2009): Karl Mannheim. Konstanz: UVK. 90 Schüßler, W. (1997): Paul Tillich. München: Beck sowie Wehr, G. (1998): Paul Tillich zur Einführung. Hamburg: Junius. Vgl. auch Schüßler, W./Sturm, E. (2007): Paul Tillich. Leben – Werk – Wirkung. Darmstadt: WBG. 91 Dienstbeck, St. (2011): Transzendentale Strukturtheorie. Stadien der Systembildung Paul Tillichs. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht. 92 Tillich, P. (1987): Systematische Theologie I/II. Berlin/New York: de Gruyter, S. 30.

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hat93, die Philosophie beschäftige sich mit der Struktur des Seins, die Theologie mit dem Sinn des Seins. Daran will ich mich orientieren, wenngleich wissenschaftstheoretisch hierbei ungelöste Probleme des marburgischen und südwestdeutschen Neu-Kantianismus des Dualismus von Sein und Sollen auf- und durchscheinen. Doch dazu möchte ich auch gerade wegen des umfangreichen Schrifttums94, das hierzu vorliegt, gerade nicht Stellung nehmen. Die Menschen erleben die Möglichkeit der kollektiven Reifung nicht in der Ganzheit des kulturgeschichtliches Stromes, sondern immer nur konkret, am eigenen Leib, mit der eigenen Seele im Umgang mit dem Mitmenschen im geschichtlichen Kontext des Prozessgeschehens der sozialen Interaktionsordnungen. Ein solcher Ort ist die Zeit in der sozialen Gruppe des gegenseitigen Helfens, natürlich auch in anderen Sphären, etwa in denen der Familie und der Freundschaft. Ein solcher Ort ist immer dann gegeben, wenn sich der Mensch im Kontext einer von Vertrauen95 positiv klimatisierten Erfahrung der Gabe und der generalisierten, also trans-utilitaristischen Norm der Reziprozität bewegt. Angesprochen sind somit Orte und somit Zeitpunkte der Begegnung, des leiblichen Erlebens der dialogischen Zwischenräume (ich führe deshalb als Symbol des Zwischenraums {$} als reziproke Bedingungsrelation ein96) gelingender Existenz, definierbar als Kommunikation (durchaus in einem Karl Jaspers’schen97 Sinne eines Aprioris, wenn „Existenzerhellung“ möglich sein soll) einer mehr als verbalen Ausdruckspraxis. Hier werden Botschaften (auch ohne Engel98 als metaphysische Fledermäuse) transportiert99, reifende Entwicklung erlebt, die eigene Person als Gestalt-Werdung erkennbar. Hier werden alltägliche kleine Formen 93 Dazu Schulz-Nieswandt, F. (2009): Paul Tillichs Onto(theo)logie der Daseinsbewältigung und die Fundierung der Wissenschaft von der Sozialpolitik. In: Danz, Chr./ Schüßler, W./Sturm, E. (Hrsg.): Religion und Politik. Internationales Jahrbuch für die Tillich-Forschung. Bd. 4. Berlin: LIT, S. 125–138. 94 Köhnke, K. Chr. (1986): Entstehung und Aufstieg des Neukantianismus. Frankfurt am Main: Suhrkamp; Krijen, Chr./Noras, A. (Hrsg.) (2012): Marburg versus Südwestdeutschland. Philosophische Differenzen zwischen den beiden Hauptschulen des Neukantianismus. Würzburg: Königshausen & Neumann. 95 Hartmann, M. (2011): Die Praxis des Vertrauens. Frankfurt am Main: Suhrkamp. 96 Damit bin und bleibe ich gebunden an die Idee des „Zwischenraums“ von Ich und Du im Sinne des dialogischen Personalismus von Martin Buber (1875–1965). Vgl. auch in Meir, E. (2011): Differenz und Dialog. Münster u. a.: Waxmann. 97 Zur Orientierung vgl. auch in Schüßler, W. (1995): Karl Jaspers zur Einführung. Hamburg: Junius sowie Saner, H. (1970): Karl Jaspers. 12. Aufl. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt. Und spezieller Sitzler, H. (2012): Das Selbstsein des Geschöpfs. Eine theologische Studie zum Transzendenzbezug der menschlichen Freiheit bei Karl Jaspers. Berlin: LIT. 98 Rösch, P. (2009): Die Hermeneutik des Boten. Der Engel als Denkfigur bei Paul Klee und Rainer Maria Rilke. München: Fink. Vgl. auch Krauss, H. (2001): Die Engel. München: Beck. Ferner Dürr, O. (2009): Der Engel Mächte. Systematisch-theologische Untersuchung: Angelogie. Stuttgart: Kohlhammer, insb. S. 16 ff.: Engel und Dämonen. 99 Dazu auch Welt und Umwelt der Bibel (2008): Engel. Boten zwischen Himmel und Erde. 13 (4) Nr. 50.

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kerygmatischen100 Erlebens möglich, denn die sozialen Austauschvorgänge sind ständige Akte der Taufe101 und der Kommunion102, sind Personalisationsvorgänge, also Reifungsprozesse der Person im zeitlichen Alterungsstrom als kalendarische Ablauffolie für seelisches Wachstum und aufgabenorientiertes103 Persönlichkeitswachstum.104 Der Alltag105 auch in der Moderne trägt somit immer 100 Auch hier nehme ich vor allem Bezug auf Bultmann. Dazu vgl. nochmals Jaspert, B. (2012): Rudolph Bultmann Werk und Wirkung. Darmstadt: WBG sowie Hammann, K. (2009): Rudolf Bultmann – Eine Biographie. 2., durchgeseh. Aufl. Tübingen: Mohr Siebeck. 101 Öhler, M. (Hrsg.) (2012): Taufe. Tübingen: Mohr Siebeck (UTB). Vgl. auch Reitzenstein, R. (1967): Die Vorgeschichte der christlichen Taufe. (1929). Darmstadt: WBG. Die Genossenschaft GENO sei ein veralltäglichtes institutionelles Setting (Form F) des Rituals der Initiation zur Person-Werdung (P), wie sie in der Taufe (Initiationsritual der Taufe: I*) kulttheoretisch fassbar wird: GENO = F(P[I*]). Dann gilt die religionsphänomenologische Analogie ˆ  GENO. G Damit gelange ich zur Interpretationsmöglicheit, die eine Onto-Anthropologie der Person-Werdung durch Kommunion als kulturelle Praxis denkt: Im K-Typ (dem Koinoniaˆ ) handelt es sich um eine profan-säkularisierte Form der SozialiTypus der Gemeinde G ˆ ) handelt es sich um sationsagentur; im E-Typus (dem Ekklesia-Typus der Gemeinde G die sakralisierte Form der Sozialisationsagentur. Beide Typen stellen institutionelle Settings (das profanisierte Initiationsritual [pI*] und das sakralisierte Initiationsritual [sI*]) funktional verwandter Sozialisationsprozesse mit Blick auf die Person-Werdung des Menschen dar: ˆ ) : E (G ˆ ) = pI* : sI*. K (G In einem nicht unmittelbar sakralen Sinne (anders als bei den mittelalterlichen Gilden z. B.) bieten genossenschaftliche Formen Vergemeinschaftungsangebote für ihre MitgliederInnen an. Beginnend mit einer Initiationskultur geht es aber um eine Veralltäglichung charismatischer Atmosphäre. Das Kairos-Erleben ist kein punktualistisches Geschehen, sondern ein alltäglichen Geschehen, sofern dieser Alltag „gelichtete“ Lebenswelt w ˆ ist. 102 Dazu auch Hahne, W. (1999): Gottes Volksversammlung. Die Liturgie als Ort lebendiger Erfahrung. Freiburg u. a.: Herder. Klassisch zum Thema: Heitmüller, W. (1911): Taufe und Abendmahl im Urchristentum. Tübingen: Mohr Siebeck, S. 21 und S. 31 zur Aufnahme und Zutritts-Ritualistik. 103 Gilt die weisheitliche Einsicht, man wächst mit den Aufgaben, so wird nun die Grammatik dieses Wachstums deutlich: Der Mensch wächst in Settings der Reziprozitäten mit seinen Rollen in eben diesen Interaktionsordnungen. Biographien werden in und nur in dieser Praxis der Kommunikationsgemeinschaften des dialogischen Zwischenraums von Ich und Du im Wir-Ihr-Kontext durch Relationierungen mittels Mich und Uns konstituiert. 104 Vgl. ferner dazu Längle, A. (2011): Erfüllte Existenz. Entwicklung, Anwendung und Konzepte der Existenzanalyse. Wien: Facultas. 105 Ohne hier auf die (hier eher undogmatische) marxistische Theorie eingehen zu wollen. Dazu etwa Lefébvre, H. (1972): Das Alltagsleben in der modernen Welt. Frankfurt am Main: Suhrkamp; Heller, A. (1978): Das Alltagsleben. Frankfurt am Main: Suhrkamp. Expliziert werden müsste dazu nämlich wiederum die ganze Diskussion um die menschliche Entfremdung. Hierzu etwa Israel, J. (1972): Der Begriff Entfremdung. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt; Mészáros, I. (1973): Der Entfremdungsbegriff bei Marx. München: List.

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auch Züge einer liturgischen Produktion106. In diesem Sinne bietet auch die Erfahrung der Fremdheit eine ressourcenartige Chance auf Selbstentwicklung.107 Gerade am binären Code von „hell“ und „dunkel“ macht sich dieser personale Entwicklungsgedanke fest. Ich erinnere an Formulierungen wie die der „geistigen Umnachtung“ oder, mit Bezug auf die Angst-Disposition des Menschen, wie die der „Schrecken der Nacht“; sie machen deutlich, wie das Helle positiv besetzt ist. Dahinter liegt ein Ur-Code verborgen, nämlich der von „Sein“ versus „Nichts“.108 In diesem Sinne109 gilt: hell : dunkel = Sein : Nichts.

Ich komme später nochmals darauf zurück, wie dieser Code in der philosophischen Kontroverse um die „Lichtung“ und um die „Existenzerhellung“ eine Rolle spielt. Der Übergang vom Dunkeln ins Helle ist die Sphäre des Nebels. Wenn sich der Nebel lichtet, steigt Erkenntnis auf und lichtet das Dasein des Menschen.110 Auf das 13. Buch der Odyssee sei verwiesen. Schon bei Hesiod ist das Nichts die Leere111, aus der das Sein aufsteigt.112

106 Zum Begriff vgl. auch in Bargatzsky, Th. (1997): Ethnologie. Hamburg: Buske, S. 52 ff. 107 Schmidhuber, M./Gmainer-Pranzl, F. (Hrsg.) (2011): Der Anspruch des Fremden als Ressource des Humanen. Frankfurt am Main: Lang. 108 Und diese eher kulturanthropologische Problematik hat ihr Korrelat innerhalb einer fundamentalontologisch orientierten philosophischen Anthropologie dort, wo es um die Perspektiven der „Existenzerhellung“ und der „Lichtung“ im Dasein geht. Diese Problematik nimmt ihren Ausgangspunkt bei Heidegger und hat zu einer Debatte zwischen Karl Jaspers (1883–1969) (vgl. Jaspers, K. [1973]: Philosophie. Bd. 2: Existenzerhellung. Berlin: Springer) und Otto Friedrich Bollnow (1903–1991) geführt. Vgl. Bollnow, O. F. (1938): Existenzerhellung und philosophische Anthropologie. Versuch einer Auseinandersetzung mit Karl Jaspers. In: Blätter für Deutsche Philosophie 12, S. 133–178. 109 Wobei auch Goethe bekanntlich schrieb, dass der Mensch im Dunklen lebt, wenn er sich nicht über seine Geschichte Rechenschaft abgeben kann: vgl. auch Schadewaldt, W. (1990): Die Anfänge der Geschichtsschreibung bei den Griechen. 3. Aufl. Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 257. Das Sprichwort „Die Nacht ist keines Menschen Freund“ hat eine vielfältige Vorgeschichte in der Dichtung, u. a. bei Shakespeare. Und der Begriff des „Lebensabend“ (analog zum Zyklus der Jahreszeiten) verweist auf die Nähe zum Tod. Auch in der Theogonie von Hesiod ist „unten“ immer der Bereich des Dunkeln; in der Höhe (bei den Göttern) findet sich das Licht. Zur Nacht vgl. auch Reimbold, E. Th. M. (1970): Die Nacht in Mythos und Volksglauben und in der transpersonalen Erfahrung. Eine religionsphänomenologische Untersuchung. Köln: Wison. 110 Schadewaldt, W. (1979): Die Anfänge der Philosophie bei den Griechen. Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 199. 111 Schadewaldt, W. (1979): Die Anfänge der Philosophie bei den Griechen. Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 95. 112 Dazu ebenfalls in Schadewaldt, W. (1979): Die Anfänge der Philosophie bei den Griechen. Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 81 f.

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Hier sei bereits darauf verwiesen, wie sich der binäre Code von hell und dunkel verschachtelt mit anderen Dichotomien, ganz zum Leidwesen der Frau, die kulturgeschichtlich hierbei stigmatisiert (zumindest marginalisiert113) worden ist: hell : dunkel = Kultur : Natur = solar : lunar = Mann : Frau.

Die implizite Geschlechterordnung114 des Solaren und Lunaren ist nicht universal, da einige Kulturen den Code auch umdrehen. Dennoch bleibt es bei einer Dichotomie. Doch viele Diskurse und Praktiken, etwa die der Hysterisierung der Frau oder die Dionysierung des Weiblichen (die Fixierung der Idee der weiblichen Verführung115) wurzeln in der Dichotomisierung von männlicher Kultur und weiblicher Natur (die angstbesetzt dämonisiert wird116), in der das zutiefst Dunkle der weiblichen Triebkräfte zum Ausdruck gebracht wird.117 Zurück zur angedeuteten Idee der Gemeinde: Die säkularisierte Form des Erlebens einer Taufe und Kommunion im Rahmen eines uno actu-Prozesses von Personalisation und Gruppenbildung erinnert an den genossenschaftlichen Charakter der ur- und frühchristlichen Kultvereine (worauf nochmals zurück zu kommen sein wird), die sich im römischen urbanen118 Raum des orientalisierten Hellenismus119 entfalteten. Zieht man den ekklesiatischen (und somit sakralen) Charakterzug von diesen koinonischen Gebilden ab, so bleibt die (nicht rein-ökonomische) Mutualität als Wesenskern eines institutionellen Settings, das überhaupt erst gestalthafte Person-Werdung ermöglicht. Hiermit bin ich somit an das 113

Vgl. Neils, J. (2012): Die Frau in der Antike. Stuttgart: Theiss. Vgl. ferner Scheer, T. (2011): Griechische Geschlechtergeschichte, München/Wien: Oldenbourg. 114 Vgl. dazu auch in Schulz-Nieswandt, F. (2004): Geschlechterverhältnisse, die Rechte der Kinder und Familienpolitik in der Erwerbsarbeitsgesellschaft. Berlin: LIT, S. 53 ff.; Schulz-Nieswandt, F. (2006): Sorgearbeit, Geschlechterordnung und Altenpflegeregime in Europa. Berlin: LIT, S. 137 ff. 115 Symbolisiert über die Schlange, die auch in der altägyptischen Mythologie das Böse verkörpert. Vgl. dazu in Howey, M. O. (1996): Die Katze in Magie, Mythologie und Religion. Wiesbaden: Fourier, S. 7 ff. In der modernen Auffassung der Frau als „falsche Schlange“ kommt (damals wie heute noch) das Moment des „Doing Gender“ hinzu. Vgl. auch Kuhlmann, H./Schäfer-Bossert, St. (Hrsg.) (2006): Hat das Böse ein Geschlecht? Stuttgart: Kohlhammer. 116 Dazu auch Anselm, S. (1985): Angst und Solidarität. Eine kritische Studie zur Psychoanalyse der Angst. Frankfurt am Main: Syndikat, S. 186 f. 117 Dazu auch Schneider, L./Seifert, M. (2010): Sphinx – Amazone – Mänade. Bedrohliche Frauenbilder im antiken Mythos. Stuttgart: Theiss. 118 Bendemann, R. v./Tiwald, M. (Hrsg.) (2012): Theologie in der Stadt. Das frühe Christentum in seinem Element. Stuttgart: Kohlhammer; Ebner, M. (2012): Die Stadt als Lebensraum der ersten Christen. Konturen des Christentums I. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht. 119 Dazu u. a. auch Erlemann, K./Noethlichs, K. L./Scherberich, K./Zangenberg, J. (Hrsg.) (2005): Neues Testament und Antike Kultur. Bd. 2: Familie, Gesellschaft, Wirtschaft. Neukirchen-Vluyn: Neukirchener sowie Erlemann, K./Noethlichs, K. L./Scherberich, K./Zangenberg, J. (Hrsg.) (2005a): Neues Testament und Antike Kultur. Bd. 3: Weltauffassung, Kult, Ethos. Neukirchen-Vluyn: Neukirchener.

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Thema der Gemeinde als Hilfe- und Rechtsgenossenschaft angelangt. Es geht letztendlich um die Frage nach der trans-sakralen Gemeindebildung und dem Prinzip der trans-theistischen Liebe.120 Die Übertragung auf den Gegenstandsbereich des Genossenschaftlichen121 bedingt zugleich die Aufnahme eines doppelten Wahrheitsbegriffs, womit an HansGeorg Gadamers (1900–2002) Beitrag122, der in Gadamers Hegel-Preis-Rede123 knapp und prägnant dargelegt wird, ausführlich angeknüpft wird. Das wird von mir noch intensiver zu entfalten sein. Wahrheit124 taucht innerhalb der Herme120 Balthasar, H. U. von (1971): Klarstellung. Zur Prüfung der Geister. Freiburg i. Br. u. a.: Herder, S. 150 ff. 121 Faust, H. (1977): Geschichte der Genossenschaftsbewegung. 3., überarb. u. stark erw. Aufl. Frankfurt am Main: Knapp; Engelhardt, W. W. (1985): Allgemeine Ideengeschichte des Genossenschaftswesens. Darmstadt: WBG; Brockmeier, Th./Fehl, U. (Hrsg.) (2007): Volkswirtschaftliche Theorie der Kooperation in Genossenschaften. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht. Darin auch Göler von Ravensburg, N. (2007): Ideen und Traditionen im neuzeitlichen Westeuropa. In: Brockmeier, Th./Fehl, U. (Hrsg.): Volkswirtschaftliche Theorie der Kooperation in Genossenschaften. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, S. 39–83. 122 Gadamer, H.-G. (1986): Wahrheit und Methode. 5. Aufl. Tübingen: Mohr Siebeck. Dazu (aus der Überfülle der Sekundärliteratur) auch Grondin, J. (2009): Hermeneutik. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht (UTB). 123 Gadamer, H.-G./Habermas, J. (1979): Das Erbe Hegels. Frankfurt am Main: Suhrkamp. 124 „Wahrheit und Methode“ ist das Hauptwerk von Gadamer, dass einerseits den Monopolanspruch der analytischen Wissenschaftstheorie und nomologischen Methode der Naturwissenschaften als Erkenntnisweg nicht akzeptiert, andererseits aber den Methodendualismus von Naturwissenschaften und Geisteswissenschaften nicht verteidigt. Das Problem liegt auch nicht in einer Anti-Haltung zur Methode der Wissenschaft, es geht vielmehr um Wahrheit neben dieser Methode. Wahrheit ist ein Begriff der praktischen Lebensführung, sofern das Dasein des Menschen in seiner Existenzarbeit gelingen soll. Hermeneutik ist nun eine Praxis des gelingenden Daseins im Miteinander der Menschen und des Menschen und seiner Welt insgesamt. Nicht die Menschen fangen dabei die Wirklichkeit erkennend ein, die Wirklichkeit fängt uns ein, oder anders: Die deutlich werdende Vorgängigkeit des Wurfes lässt das Verstehen umgekehrt als ein Antworten verstehen. Damit grenzt Gadamer seine philosophische Hermeneutik (ohne den Anspruch auf eine hermeneutische Philosophie zu erheben) von Methodenfragen ab. Gadamers Auffassung von Hermeneutik als Daseinsmodus versteht das vorgängige Sein kerygmatisch. Wenn die Lebenswelt selbst der Kontext des Ichs ist, ist das Ich selbst nicht unbedingt begründend für die soziale Wirklichkeit. Verstehe ich die Lebenswelt als soziale Praxis, so ist diese transzendental, nicht das Ich. Nicht das Ich ist Herr der Praxis, sondern die Praxis hat das Ich gefangen im Zuge des Geworfenseins des Ich im Dasein. Geworfenheit ist somit der Gegenbegriff zum Subjectum. Adorno, Th. W. (1975): Negative Dialektik. Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 179: „Jenseits des identitätsphilosophischen Zauberkreises läßt sich das transzendentale Subjekt als die ihrer selbst unbewußte Gesellschaft dechiffrieren.“ Verstehen ist somit kein Schaffensprozess des Ich, sondern ein Vollzugsprozess des Daseins selbst. Verstehen ist Selbsterhellung des Daseins, in dem die Bildung des Subjekts eingelassen ist. Gadamer hat bekanntlich in diesem Sinne gesagt, die Geschichte gehört nicht dem Menschen, sondern der Mensch gehört der Geschichte. Und die Subjektivität ist nur ein flackerndes Lichtlein im Strom der geschichtlichen Zeit. Arbeit am Mythos ist diese Hermeneutik des fakti-

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neutik als erfahrungswissenschaftliche (protokollsatzmethodische) Richtigkeitskategorie125 (egal, ob dies falsifikatorisch oder verifikatorisch gemeint ist) auf, aber auch daseinsanalytisch als Begriff des gelingenden126 personalen Seins als Existenzbewältigung. Und hier wird die philosophische Anthropologie als Fundierungsrahmen einer Theorie der Genossenschaft deutlich, die mit der zu kruden zwei-stelligen Hylemorphik von Inhalt und Form bricht (ohne in eine Eine-

schen Daseins deshalb, weil sie deutlich macht, dass die Differenz des Menschlichen zu den Göttern unüberbrückbar ist. Menschen können immer nur wachsam und achtsam sein im Lichte einer Quelle (des Lichts), die nicht die der menschlichen Verfügbarkeitspraxis ist. Das eigene Wirken bleibt an der vorgängigen Tradition gebunden, die sich als Ruf und Angebot offenbart, uns ein-bindet und uns damit zugleich überhaupt erst ermöglicht. Der Ruf und die Antwort sind Kategorien einer Sozialontologie der menschlichen Existenz zwischen Ich, Du und Wir. Sprachphilosophisch ist der Mensch das endogene Element des Gespräches, an dem die menschliche Existenz gebunden ist. Das Subjekt ist erst durch die Erfahrung des Mich ein Subjekt; und dieses Mich verweist auf die Vorgängigkeit des Anderen. Ich verweise hier auf Ricoeur, P. (1974): Die Interpretation. Ein Versuch über Freud. Frankfurt am Main: Suhrkamp. Damit ist eine Psychologie des Subjekts disziplinär überholt. Angemessener wäre eine Sozialpsychologie, wie sie in der Tradition von George Herbert Mead bekannt ist. Vgl. Mead, G. H. (2010): Geist, Identität und Gesellschaft. 16. Aufl. Frankfurt am Main: Suhrkamp. Begriffen werden muss, was den Menschen ergreift. Die Geschichte ist unverfügbar; sie hat uns, nicht wir sie. Alles bleibt dabei an die Sprache gebunden, in der (nicht organologisch, sondern ontologisch) das Dasein selbst gebunden bleibt. Anders ausgedrückt: Sprache ist kein technisches Medium der Praxis, sondern die Praxis selbst in ihrer örtlichen Zeitlichkeit und zeitlichen Örtlichkeit. Sprache ist selbst die Seinserschlossenheit des Daseins. Wahrnehmungspsychologisch gibt es ein Korrelat zur dieser Sprachtheorie: Die Logik der Zusammenhänge zwischen Objekt (O), Wahrnehmung (W) und Subjekt (S) folgt dabei nicht einer Sequenz von S ! W ! O, sondern umgekehrt: O ! (Praxis) ! W ! S ! (Praktiken). 125 Otto, W. F. (1949): Das Vorbild der Griechen. Tübingen/Stuttgart: Leins, S. 11, der von der „bloße(n) Richtigkeit“ spricht. Otto (S. 16) unterscheidet „zwischen der Wahrheit und der allgemein sogenannten Wirklichkeit“. Wahrheit ist das „eigentliche Sein der Dinge“ (S. 17), die sich „enthüllt“. Sie (S. 18) entspringt „nicht der eigenen Seele“ (vgl. auch S. 35, wo argumentiert wird, der moderne Kult der „Selbstfindung“ sollte eher als „Verlust göttlicher Nähe“ definiert werden), sondern resultiert aus der „Begegnung mit einem Anderen“ (S. 18): „überall stehen wir vor einer Offenbarung des Göttlichen“ (S. 22). Und erst so erhält unser „Leben und“ unser „Werken ihre Tiefe und Weite“ (S. 25; auch S. 41). Zu erinnern ist hierbei insgesamt, dass Otto vom Vorbild der Griechen handelt, nicht um Christentum der Anstaltskirche und deren Frömmigkeit und deren „Lehrhafte“ (S. 40), das den alten Griechen so fremd war. Dazu die kontroverse Darlegung von Otto, W. F. (1923): Der Geist der Antike und die christliche Welt. Bonn: Friedrich Cohen. Diese beginnt im Vorwort mit dem eindrucksvollen Satz: „Alle Welt spricht davon, wieviel die Menschheit durch das Christentum gewonnen habe. Was sie aber verlor, erfährt man nicht.“ 126 Hinweise und Anregungen auch in Wyss, D. (1987): Der psychosomatische Kranke. Zwischen Krisen und Scheitern. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht sowie in Wyss, D. (1973): Beziehung und Gestalt. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht. Nun auch Brandtstädter, J. (2011): Positive Entwicklung. Zur Psychologie gelingender Lebensführung. Heidelberg: Spektrum Akademischer Verlag.

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Welten-Theorie zu verfallen) und die Form selbst127 als generatives Prinzip der Wahrheit von Form und Inhalt skizziert.128 In der Form129 der kooperativen gemeinschaftlichen Selbsthilfe, also im Modus der Mutualität, findet die Person ihre Wahrheit als Daseinsform, die so das Private auch zum Öffentlichen hin als Gemeinwirtschaftlichkeit des Handelns (weit über eine formalistische Wohlfahrtsökonomik der Externalitäten hinaus) ermöglicht. Doch mehr soll hier dazu nicht dargelegt werden. Empirische Richtigkeitswahrheit W ist nicht identisch mit der Wahrheit des gelingenden Seins W*: W 6ˆ W* .

Gadamers daseinsontologische Wahrheit W* ist das gelingende Dasein selbst, also „gelichtete“ Lebenswelt w ˆ. W* = w ˆ.

Die Form (F) als Prinzip ist schöpferisch. Die Praxis der Reziprozität, wird sie auch grammatisch generiert aus dem Prinzip der universalen Liebe, generiert die Gestalt-Werdung als Ausdrucksqualität gelingenden sozialen Miteinanders im dialogischen Horizont der Kommunikation der Menschen in ihrer ganzen Leiblichkeit (wobei dieses Miteinander der Menschen nicht erst im Lichte der Rechtstheorie des modernen sozialen Rechtsstaates etwa in der Tradition von Gustav Radbruch [1878–1949]130, sondern schon bei den alten Griechen zentral von der Dike, der Göttin der Gerechtigkeit, beherrscht131 wurde132): 127 Das Dasein kann ausschließlich nur in Formen realisiert werden; die Formen haben jedoch einen eigenen daseinsanalytischen Wahrheitsstatus. Insofern sind die Formen autonom und seinsgebunden zugleich (Adorno, Th. W. [1974]: Ästhetische Theorie. 2. Aufl. Frankfurt am Main: Suhrkamp). Formen sind eine eigene Ebene der Identität, der Daseinsqualität, sind Orte der Wahrheit, wenngleich die Wahrheit nicht vollständig aus der Form stammt. Mit dieser Paradoxie muss eine solche Formphilosophie leben und ihre Kraft zur Reflexion der Eigenheiten des menschlichen Seins schöpfen. 128 Dazu auch Schulz-Nieswandt, F./Köstler, U. (2012): Sparkassen und Kreditgenossenschaften – zwei ungleiche Zwillinge?! Ein morphologischer Beitrag zur widmungswirtschaftlichen Problematik öffentlicher oder gemeinwirtschaftlicher Unternehmen. In: Zeitschrift für öffentliche und gemeinwirtschaftliche Unternehmen 35 (3), S. 345–356. 129 Die Form ist von eigener Bedeutung; sie ist das Medium der Wahrheit des zur Wahrheit Werdenden. Wenn die Form somit nicht einfach nur Ausdruck (eines Inhaltes) ist, sondern (durchaus in einem performativen Sinne) Sinnproduktion, Sinnfindung, als Form der zur Wirklichkeit sich formenden Gestalt personalen Ausdrucks, dann ist die Form zugleich transzendentalkonstitutiv und kehrt die Hylemorphik um: Die Form formt die Formwerdung des Inhalts. Das wertet die Form ästhetisch auf, ohne ihre Seinsgebundenheit zu verlieren. 130 Dazu z. B. Klein, M. D. (2007): Demokratisches Denken bei Gustav Radbruch. Berlin: BWV. 131 Nüchterner geht Veyne mit der Frage der Rolle der Gerechtigkeit im göttlichen Handeln und im Verhältnis zwischen den Menschen und ihren Göttern um. Es scheint bei ihm eine pragmatische Reziprozitätsvorstellung auf, die mitunter recht utilitaristisch wirkt. Dennoch glaubten die Griechen an ihre Götter. Vgl. Veyne, P. (2008): Die grie-

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F!w ˆ ! W*.

Die Form generiert die Sinnwelten der sozialen Praxis des Miteinanders. Ich sehe hier also eine doppelte (zwei-stufige) Generativität vorliegen: a) Eine solche der Fundamentalgrammatik (Liebe133 als Ur-Quelle generierter sozialer Gesellung gelingenden Miteinanders und der darin eingelassenen gelingenden personalen Daseinsgestaltung als Gestalt-Werdung der Person als personaler Modus des Sozialen) und b) eine sekundäre (aber deswegen nicht minder wichtige) generative Logik der Form selbst, die als Form eben generierte Form-Werdung der Fundamentalgrammatik der Liebe ist. Gadamers kerygmatische Hermeneutik ist nur ein Punkt. Im Prinzip bin ich zu Gadamer erst nach meinen Kenntnissen der mythologischen Studien von Walter F. Otto (1874–1958)134 gelangt, dem posthum eine „niveaubedingte Einsamkeit“ im Wissenschaftsprozess bescheinig worden ist135, der aber in der französischen Altertumsforschung (in der das innige Zusammenspiel von Geschichtsschreibung und Poetik, von der auch Schadewaldt136 spricht, geschätzt wird) erfreulich stärker gewürdigt worden ist als in Deutschland137, hier aber138 zumindest von Wolfgang Schadewaldt (1900–1974), auf den ich noch mehrfach zurück kommen werde, oftmals angeführt wurde. Und Walter F. Otto hat mich auf die Spuren von Friedrich Hölderlin (1770–1843)139 gebracht und damit auf das gestalttheoretichisch-römische Religion. Kult, Frömmigkeit und Moral. Stuttgart: Reclam. Diese Haltung nimmt Veyne auch ein im Vorwort zu Brown, P. (1995): Die letzten Heiden. Eine kleine Geschichte der Spätantike. Frankfurt am Main: Fischer, S. 17, wo er Bezug nimmt auf das „Geben und Nehmen“ im Gebet in der Analyse von Heiler, F. (1921): Das Gebet. Eine religionsgeschichtliche und religionspsychologische Untersuchung. 3. Aufl. München: Ernst Reinhardt. Das „do ut des“-Phänomen wurde aber auch ausführlich behandelt in Van der Leeuw, G. (1933): Phänomenologie der Religion. Tübingen: Mohr Siebeck, S. 327 ff. Vgl. aber zur Religionsgeschichte auch Burkert, W. (2010): Griechische Religion der archaischen und klassischen Epoche. 2., überarb. u. erw. Aufl. Stuttgart: Kohlhammer. 132 Schadewaldt, W. (1979): Die Anfänge der Philosophie bei den Griechen. Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 107 ff., S. 115, S. 243 f. Und die Zeit ist dann der Raum, in der sich die Gerechtigkeit vollzieht (S. 246). 133 Vgl. phänomenologisch auch Schmitz, H. (2007): Die Liebe. 3. Aufl. Bonn: Bouvier. 134 Ich verweise nur auf Otto, W. F. (1955): Die Gestalt und das Sein. Darmstadt: WBG. 135 So Reinhardt, K. (1960): Walter F. Otto. In: ders.: Vermächtnis der Antike. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, S. 377–379, hier S. 379. 136 Schadewaldt, W. (1990): Die Anfänge der Geschichtsschreibung bei den Griechen. 3. Aufl. Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 219. 137 Nicht geglückt: Hampl, F. (1961): Die Götterlehre Walter Friedrich Ottos. Weg oder Irrweg moderner Religionsgeschichte? Diss. Universität Innsbruck. 138 Vgl. aber auch Simon, E. (1998): Die Götter der Griechen. 4., neu bearb. Aufl. München: Hirmer, S. 11 ff. 139 Einen schönen neuen Überblick findet sich bei Burdorf, D. (2011): Friedrich Hölderlin. München: Beck.

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sche Dreigestirn140 der Liebe, der Wahrheit und des Schönen141, somit zurückgeführt hat zur Kontroverse um das Kunstwerk bei Gadamer142 und Heidegger143. Statt mich fachlich zu vertiefen und weiter anzudeuten, dass eine Theorie der Genossenschaft aus der Sicht der Daseinswahrheit auf eine Ästhetische Theorie144 der genossenschaftlichen Gesellung wohl hinauslaufen wird145, sei die Andeutungspraktik, die letztendlich nichts Halbes und nichts Ganzes ist, abgeschlossen mit einer Textpassage von Fred Vargas: „Worauf sollte man denn stabile Kriterien für wirkliche Schönheit finden? Und wo befand sich diese verdammte Schönheit? In einer alles übertreffenden Form? In der Verbindung einer Form mit einer Idee? In der Idee, die durch eine Form angeregt wird? ,Verdammt‘, sagte Danglard. ,Ich habe mich in der Frage der Ästhetik146 verzettelt, mit allem, was sich daraus ergibt.‘ ,Ein übles Problem‘, erwiderte Adamsberg. ,Und es harrt schon ziemlich lange einer Lösung.‘“ 147

Insofern stellt die vorliegende dichte Arbeit, andere Arbeiten der letzten Zeit aufgreifend und fortführend, ein Zwischenprodukt dar, weil hier die Idee der Gemeinde als Daseinsort der Gabe und der dadurch generierten sozialen Wirklichkeit von Interaktionsordnungen, deren personale Erlebnisgeschehensordnung von Reziprozitätserfahrungen und Wertschätzungserlebnissen, von Anerkennung und Respekt im ontischen Zwischenraum der Dialogizität148 sozialer Praxis149 ge140 Und dies nochmals vor der sattelzeitlichen Dreigestirnigkeit der Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit der französischen Revolution zu sehen. Dazu u. a. auch Böschenstein, B. (1989): „Frucht des Gewitters“. Hölderlins Dionysos als Gott der Revolution. Frankfurt am Main: Insel. 141 Henrich, D. (2010): Hegel im Kontext. Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 9 ff. („Hegel und Hölderlin“). 142 Vielleicht wird man Gadamers philosophische Ästhetik der Kunst, kulturanthropologisch aufgeschlüsselt in Rekurs auf Kategorien des Spiels, des Symbols und des Festes, als Mittelposition einer Theorie der doch auch hermeneutisch erschließbaren Ereignis-Kunst des Performativen einerseits und der Kunsttheorie der auratischen Daseinswahrheit andererseits verstehen können. Vgl. Gadamer, H.-G. (2009): Die Aktualität des Schönen. Stuttgart: Reclam. 143 Heidegger, M. (2010): Der Ursprung des Kunstwerks. Stuttgart: Reclam. 144 Zur Orientierung vgl. auch Majetschak, St. (2010): Ästhetik zur Einführung. 2. Aufl. Hamburg: Junius. 145 Safranski, R. (2007): Romantik. Eine deutsche Affäre. München: Hanser, insbesondere S. 348 ff. 146 Grassi, E. (1957): Kunst und Mythos. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, S. 50; auch S. 114 f. 147 Vargas, F. (2007): Die schwarzen Wasser der Seine. 5. Aufl. Berlin: atb, S. 9. 148 Hier orientiere ich mich an Michael Bachtin (1895–1975). Zur Einführung: Soboleva, M. (2010): Die Philosophie Michail Bachtins. Hildesheim: Olms sowie Eilenberger, W. (2009): Das Werden des Menschen im Wort. Eine Studie zur Kulturphilosophie Michail M. Bachtins. Zürich: Chronos. Vgl. auch Sasse, S. (2010): Michail Bachtin zur Einführung. Hamburg: Junius. 149 In der einschlägigen Literatur wird mit Blick auf den Begriff der Praxis oftmals unterschieden zwischen poisis und praxis. Etwas anders würde ich pragmata als übergeordneten Begriff annehmen, wobei praxis (vgl. auch Grassi, E. [1957]: Kunst und

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prägt ist, darstellbar ist. Dergestalt ist dann zu verstehen, wie z. B. der Demenzkranke ungern im Krankenhaus gesehen ist150 und allzu gerne (also allzu schnell) Mythos. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, S. 109, S. 112; insbesondere auch S. 117 f.) sicherlich die poisis einschließt: ta ton anthropos pragmata: Was den Menschen angeht – das ist im Kern die Politik, die sich aber als Kommunikation insgesamt erweist, und die Arbeit in der Naturaneignung bleibt dabei eingebunden. Ich betone also die Differenz von Arbeit und Tätigkeit, von Wirtschaften und Politik, wie sie in der griechischen Antike fundiert wurde (Vernant, J.-P. [1973]: Arbeit und Natur in der griechischen Antike. In: Eder, K. [Hrsg.]: Seminar: Entstehung von Klassengesellschaften. Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 246–270). Vgl. auch in Van der Ven, F. (1972): Sozialgeschichte der Arbeit, 3 Bde. Bd. 1: Antike und Mittelalter. München: dtv. 150 Das ist jedoch nicht einmal innerhalb des Krankenhauses mit Blick auf eine Gastfreundschaft gegenüber dem demenziell erkrankten älteren Patienten der Fall. Vgl. dazu Kümpers (Kümpers, S. [2007]: Nationale und lokale Pfadabhängigkeit: Die Steuerung integrierter Versorgung. Institutionenorientierte Studien in England und den Niederlanden am Beispiel der Versorgung von Menschen mit Demenz. WZB. SP I 2007-305, Berlin: WZB) im Rahmen einer Mehr-Ebenen-Mehr-Fälle-Analyse zur Demenzversorgung im internationalen Vergleich. Kümpers nutzt in ihrer Analyse die Methode der institutionellen Ethnographie (S. 14). Dabei spielen neo-institutionelle Ansätze eine Rolle; entscheidend ist hier die Annahme von Akteuren, die kognitiv-kulturell eingebettet sind, also sozial konstruierte Weltsichten (Kittlitz, A. [2010]: „Andershörend“. Die lebensweltliche Konstruktion des Schwerhörigseins. Ein Beitrag aus kulturwissenschaftlicher Sicht. München: Utz) als geteilte normative Vorstellungen aufweisen (S. 15). Institutionen schränken demnach Handlungen ein, gestalten diese aber auch. Kümpers bestätigt ebenfalls die Verbreitung einer akutmedizinischen Versorgungskultur, in der demente Menschen exkludiert werden. Ein aktivierend-rehabilitativer Blick fehlt (S. 39), wird gar nicht gedacht. Eine Verwahrpflege in einer tayloristisch anmutenden Pflegeindustrie überwiegt (S. 40). Ansonsten dominiert ein medizinisches Paradigma (S. 41), Demenz als ein ganzheitlich-soziales Phänomen wird verkannt und tabuiert (S. 45). Der demente Mensch stört den Krankenhausbetrieb; er wird nicht geschätzt, wie überhaupt zusätzliche psychosoziale Begleitbedarfe nicht in das bio-medizinische Weltbild passen. Die rehabilitationszentrierte Geriatrie (stattdessen: Lewis, Ph. [2009]: Gegenwärtige und zukünftige Herausforderungen an die medizinische Rehabilitation. Frankfurt am Main: Lang sowie Gassmann, K. G. [2010]: Geriatrische Prävention als interdisziplinäre Aufgabe. Berlin: LIT) wird belächelt, das Ganzheitliche und die Betonung der Kommunikation wird offensichtlich dem Feld des Mütterlich-Weiblichen zugewiesen (Heidinger, I. [2010]: Das Prinzip Mütterlichkeit – geschlechterübergreifende soziale Ressource. Wiesbaden: VS), Tätigkeiten, die wenig wert-geschätzt werden und in der Hierarchie der Dringlichkeiten weiter unten angesiedelt sind. Woran liegt dieses Dominanzverhalten der Medizin gegenüber Care-Berufen? Tiefenpsychologisch ist es wohl der Kampf des Menschen mit dem Problem der eigenen Endlichkeit, die unbewältigt bleibt. Für die Medizin ist dieser Kampf besonders schmerzlich, haftet ihr (vor dem Hintergrund eines archetypischen Dispositivs der erträumten Unsterblichkeit: Meisig, K. [2010]: Ruhm und Unsterblichkeit. Heldenepik im Kulturvergleich. Wiesbaden: Harrassowitz; vgl. auch Thiele-Dohrmann, K. [2000]: Ruhm und Unsterblichkeit. Ein Menschheitstraum von der Antike bis heute. Weimar: Hermann Böhlaus Nachfolger) immer noch der Mythos vom maskulinen Heldentum in der Überlistung des Todes an, zumindest die Maschinenbaumetapher, die aber im Bild des Heilers ebenso christologische Wurzeln hat (vgl. auch Zilling, H. M. [2011]: Jesus als Held. Odysseus und Herakles als Vorbilder christlicher Heldentypologie. Paderborn: Schöningh). Genealogisch-wissenssoziologisch gesehen, verbergen sich in der modernen Geschichte des Ingenieurs und der Technikwissenschaften Figuren männlicher Produktivität: Paulitz, T. (2012): Mann und Maschine. Eine genealogische Wissenssoziologie des Ingenieurs und

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in die stationäre Langzeitpflege übergeleitet wird.151 Auch der Tod und das Sterben sind dort unerwünscht.152 Es entspricht eben auch nicht dem Programmcode der Medizin, die sich noch als Handlungslogik des maskulinen Drachentöters versteht. Ich möchte Erich Neumann zitieren: „Die Aktivität des männlichen Bewußtseins ist heldisch, indem das Ich den archetypischen Kampf mit dem Drachen des Unbewußten von sich aus aufnimmt und durchführt. Diese Dominanz des Männlichen, welche von entscheidender Bedeutung ist für die Stellung des Weiblichen im patriarchalischen Kulturbezirk, bestimmt die geistige Entwicklung des Abendlandes.“ 153 Eine kulturelle Grammatik der Inklusion korreliert demnach mit einer Psychogrammatik der Offenheit (vgl. Kapitel VI) (und damit eröffnet sich potenziell die Kathexis als affektuelle, aneignende Besetzung der Dinge, vorausblickend und gestalterisch orientiert auf die Zukunft) und der Angstüberwindung154 zugunsten einer Modalität des sozialen Miteinanders, dessen archetypisches Ideal das Prinzip der Liebe155 verkörpert. Eine soziologisch wie psychologisch realistische der modernen Technikwissenschaften, 1850–1930. Bielefeld: transcript. In diesem Lichte ist die Statusschwäche der Geriatrie und somit der medizinischen Rehabilitation im Alter nicht überraschend, von der Pflege ganz zu schweigen. Die Schwierigkeiten der Zusammenarbeitskultur der Geschlechter in sozialen Handlungsfeldern, in denen Geschlechtermerkmalsordnungen (dazu, historisch, bahnbrechend: Hausen, K. [2012]: Geschlechtergeschichte als Gesellschaftsgeschichte. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht) dominieren (vgl. auch Piechotta, G. [2000]: Weiblich und kompetent? Der Pflegeberuf im Spannungsfeld zwischen Geschlecht, Bildung und gesellschaftlicher Anerkennung. Bern: Huber), zeigen sich auch umgekehrt, wenn Männer in von Frauen dominierten Handlungsfelder auftauchen. Vgl. instruktiv Baar, R. (2010): Allein unter Frauen. Der berufliche Habitus männlicher Grundschullehrer. Wiesbaden: VS. 151 Anderson, D. (2012): Demenz und Überleitung zwischen Krankenhaus und Pflegeeinrichtung. Berlin: LIT. 152 Griegoleit, U. (2012): Umgang mit Sterben und Tod in der Institution Krankenhaus. Frankfurt am Main: Lang. 153 Neumann, E. (1995): Ursprungsgeschichte des Bewußtseins. Frankfurt am Main: Fischer, S. 271 f. 154 Systematische Erwägungen zur Angst (in Abgrenzung zur Furcht, aber in Verbindung mit anderen Primäremotionen z. B. wie die der Scham) und zur Unterform der Phobie(n) finden sich in Laux, J. (1995): Zur psychologischen Deutung der Angst vor dem Fremden und Unbekannten. In: Zwierlein, E. (Hrsg.): Normalität – Differenz – Asymmetrie. Ethische Herausforderungen im Umgang mit Schwachen und Fremden. Idstein: Schulz-Kirchner, S. 119–147. Eine interessante Differenzierung nimmt Marcus Wölk vor. Furcht bezieht er auf ein Problem des Könnens im Raum, Angst auf ein Problem des Könnens in der Zeit. Angst ist demnach ein Nicht-mehr-Können des Sich-Hervorbringens in der Zeit, Furcht ein solches Nicht-mehr-Können des Selbst-Hervorbringens im Raum. Darunter leidet dann die Kreativität und Spontanität, letztendlich die Lebensfreude. Vgl. Wölk, M. (2007): Die Polarität der Psyche – Angst und Furcht im Gegensatz. Hürtgenwald: Pressler. 155 Humanistisch poche ich auf die Kategorie der Liebe als Pendent zur Kategorie der Sorge. Beide Kategorien prägen im Wechselspiel fundamentalontologisch die zu begreifende Existenzstruktur des Menschen, die sich im Rahmen einer philosopischen Anthropologie der Person verdichtet, um dann nicht zuletzt vermittels eines Blicks der pädagogischen Psychologie des liebevollen Aufwachsens der Menschen in fördernden

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Praxis fokussiert auf die veralltäglichte (post-charismatische, profanisierte, also non-sakrale) Gastfreundschaft im polaren Spannungsbogen zwischen Freundschaft und Fremdheit156. Wo dies nicht gelingt, nimmt jene (Ver-)Wüstung des Lebens ihren Lauf, die Fred Vargas in ihren existentiellen Kriminalgeschichten so vielgestaltig gemalt hat, aber ebenso auch der „Psychiatrieforscher“ Klaus Dörner (*1933) und natürlich auch Theodor W. Adorno157 (1903–1969)158 als Kategorie ihrer Analysen und Kritik159 sozial- und psychodiagnostisch nutzen. Auch – u. a. und z. B. – an den Dramatiker Thomas S. Eliot (1888–1965)160, denn dort ist das Hauptthema die Vereinzelung und die Leere des modernen Umwelten die zentralen Fragen der Sozialpolitik und der Sozial- und Wirtschaftsordnung als Teile der Gesellschaftspolitik als Lehre und Praxis der Gestaltung der polisOrdnung des Menschen aufzuwerfen. Die Relevanz des radikalen Humanismus ergibt sich quasi automatisch, wenn die Analyse erst einmal das Formprinzip der Gesellschaft begriffen hat, die Form also transzendental als schöpferische Kraft der Gesellung des gelingenden sozialen Miteinanders verstehen hilft. Zugleich muss aber die Form in ihrer Seinsgebundenheit geschichtlich verstanden werden. Denn die Frage lautet: Im welchem „Geist“ ist die Form schöpferisch? Der Sinngehalt, der in und durch die Form zur Wahrheit, also zur sozialen Wirklichkeit der sittlichen Gestalt kommt, ist ihrer Wurzel (Quelle) nach nicht tabula rasa aus der Form entsprungen (das wäre performativer Voluntarismus), sondern entstammt einer tiefengrammatisch unterlegten Ur-Kraft, deren Logik die der Liebe ist. Die Hoffnung, wenn ich davon ausgehe, dass sie auch noch über den Rand der Büchse der Pandora heraus gerutscht sein wollte, stirbt zuletzt. Die kollektive Erinnerung und Selbstvergewisserung der Hoffnung als evolutionäre Ausstattung des Menschen, eingeflochten zwischen Ur-Angst, Ur-Vertrauen und der Liebe als Kraft zum „Mut zum Sein“, als Selbst-Annahme im Lebenszyklus und als kollektive Verantwortungsübernahme in der Geschichte als Wirtschafts-, Sozial-, Kultur- und Geistesgeschichte, integriert als psychohistorische Mentalitätsgeschichte, definiert „Sterne“ (vgl. auch Rosenzweig, F. [1988]: Der Stern der Erlösung. Frankfurt am Main: Suhrkamp; zu Rosenberg vgl. in Casper, B. [2002]: Das dialogische Denken. Franz Rosenzweig, Ferdinand Ebner und Martin Buber. Freiburg i. Br.: Alber sowie in Fonti, D. [2009]: Levinas und Rosenzweig. Würzburg: Königshausen & Neumann) des Sollens im Wechselspiel mit den Pfaden des Möglichen, des Denkbaren und des Machbaren, der sozialen Phantasie und der Ressourcen. Vgl. zu Rosenzweig ferner Fricke, M. (2003): Franz Rosenzweigs Philosophie der Offenbarung. Würzburg: Königshausen & Neumann. Das nannte gute Denktradition die „konkrete Utopie“. Vgl. vor allem Bloch, E. (1959): Das Prinzip Hoffnung. 2 Bde. Frankfurt am Main: Suhrkamp. Als Vorarbeit zu diesem Monumentalwerk ist zu sehen: Bloch, E. (1977): Geist der Utopie. 2. Aufl. Frankfurt am Main: Suhrkamp. Dazu insgesamt auch Herrmann-Sinai, S./Tegtmeyer, H. (Hrsg.) (2012): Metaphysik der Hoffnung. Ernst Bloch als Denker des Humanen. Leipzig: Leipziger Uni-Vlg. 156 Vgl. auch Broders, S./Gruß, S./Waldow, St. (Hrsg.) (2011): Fremdheit als Phänomen. Würzburg: Königshausen & Neumann sowie Eifler, G./Saame, O. (Hrsg.) (1991): Das Fremde – Aneignung und Ausgrenzung. Wien: Passagen. 157 Müller-Doohm, St. (2011): Adorno. Eine Biographie. Frankfurt am Main: Suhrkamp; Scheible, H. (1989): Theodor W. Adorno. 8. Aufl. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt; Schweppenhäuser, G. (2009): Theodor W. Adorno. Hamburg: Junius. 158 Klein, R./Kreuzer, J./Müller-Doohm, St. (Hrsg.) (2009): Adorno-Handbuch. Stuttgart/Weimar: Metzler. 159 Wiggershaus, R. (2010): Die Frankfurter Schule. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt. 160 Ackroyd, P. (1988): T. S. Eliot. Frankfurt am Main: Suhrkamp.

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Menschen, ist zu denken. Es geht um die „Gefährdung der personalen Welt“ im Rahmen der „Brüchigkeit der modernen Welt.“ 161 Neuere Literaturstudien klassischer Positionen haben mir eine (post-strukturalistische) Neu-Interpretation („Lesart“) von Hans Freyer (1887–1969)162 und 161 Oppen, D. von (1965): Das personale Zeitalter. 4. Aufl. Stuttgart/Gelnhausen: Burckhardthaus- und Kreuzverlag, S. 186 ff. 162 Ich beziehe mich auf Freyer, H. (1956): Theorie des gegenwärtigen Zeitalters. Stuttgart: Deutsche Verlags-Anstalt. Ich lasse den politischen Diskurs um Freyers Konservatismus (S. 205; 240) zur Seite: „Die Freiheit retten zu wollen durch Abstriche an der Demokratie wäre völlig verfehlt“ (S. 164). Methodologisch liest sich Freyers „Theorie des gegenwärtigen Zeitalters“ wie eine Synthese von Pierre Bourdieus Habitus-Konzept und Michel Foucaults Dispositiv-Analyse. Denn seine Diagnose der Vereinzelung des Menschen im Kontext der Vermassung durch die technizistische Welt des homo faber wird von ihm als Modus der Vergesellschaftung ausgewiesen, nicht als Ende oder Überwindung von Vergesellschaftung. Vereinzelung meint also nicht Individualisierung als Freiheit von Zwängen, sondern die Transformation der gesellschaftlichen Käfige in neue Formen. Und dies sedimentiert sich als kollektiv geteilte Denkschemata (S. 117) mit Auswirkungen auf die Muster von Handlungsweisen und Lebensstile (S. 225 f.: „Damit greift der Massencharakter bis in die private Sphäre, bis in die häusliche und persönliche Lebensgestaltung.“) Damit gilt: „Der Mensch wird gelebt.“ (S. 227; kursiv auch im Original). Diese Stelle ist heideggerianisch und zugleich poststrukturalistisch. Damit weist Freyers Diagnose eine semiotische Basis auf: Der Mensch wird zum Signifikanten eines Signifikats, das sich als geschichtliche Praxis des Sozialen erweist. Der Mensch wird zum sekundären intermediären Signifikaten, der die symbolischen Ausdrucksformen generiert, aber eben im Code der primären Signifikate. Und diese Stelle ist foucaultianisch: „Das einzige, was von ihm verlangt wird, ist, daß er sich anpasse, möglichst bis in sein Inneres hinein.“ (S. 227) Eigentlich müsste Theodor W. Adorno (oder der [späte] Max Horkheimer: Grimminger, M. [1997]): Revolution und Resignation. Berlin: Duncker & Humblot; auch in Gumnior, H./Ringguth, R. [1979]: Max Horkheimer. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt) an Freyer großes Gefallen gefunden haben. Habitus-hermeneutisch hört sich dies an: „Masse ist der mit Haut und Haaren, mit Herz und Nieren an dem Zivilisationsapparat angepaßte Mensch.“ (S. 228). Freyer will nicht romantisch überzogen von einem neuen Menschentypus sprechen (S. 228). Aber es bleibt die Frage, ob der Mensch sein Leben wirklich führt (S. 229). Oder ob er eben geführt („gelebt“) wird. Zunächst ist Freyer ganz heideggerianisch und differenziert zwischen der Macht des technischen Machens und den Weisen des gelingenden Daseins des Menschen (S. 15 ff.). Ist das schon politisch verdächtig? Hannah Arendt (zu ihr vgl. auch Breier, K. H. [2011]: Hannah Arendt zur Einführung. 4. Aufl. Hamburg: Junius sowie Heuer, W. [1987]: Hannah Arendt. 8. Aufl. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt) oder Richard Sennett argumentieren ähnlich. Interessant die Bemerkung: „Immerhin hat Gott, indem er den Menschen die Erde gab, nicht zu ihnen gesagt: Macht damit, was ihr wollt.“ (S. 31) Freyer geht von einem sozialen Kodex (S. 50) aus, der von der Gesellschaft in das Individuum eingepflanzt wird: „Die durchgängige soziale Bestimmtheit des Menschen ist nun nicht nur eine Luft, in und von der er lebt, und ein allgemeiner Raum, in dem sich sein Handeln abspielt.“ (S. 51) Hier atmet man den Geist von Karl Mannheim (vgl. auch Hofmann, W. [1996]: Karl Mannheim zur Einführung. Hamburg: Junius). Sogar die Sprache ist für den Menschen ein System von Institutionen. Hier ersetzt Martin Heidegger (auch Hans-Georg Gadamer) das technische Organon-Modell der Instrumentaltheorie der Sprache (S. 53). Freyer argumentiert ferner (mit explizitem Bezug auf Norbert Elias!) figurationssoziologisch (S. 58 ff.; 123; 140). Arnold Gehlens Geist wird ebenso deutlich (S. 59). Letztendlich mündet auch Freyer in einer Anthropologie der „Liebe“ (S. 200), die ein Wagnis zum Sein und im

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Ortega y Gasset (1883–1955)163 möglich machen lassen. Hintergrund ist dabei sicherlich die (psychologische164) Auseinandersetzung mit der Erfahrung von Sein ist (S. 200). Dies ist wichtig zu erkennen, da Freyer keine reine negative Anthropologie vertritt, wenngleich er den Menschen als „das Karzoniom der Erde“ (S. 246) bezeichnet und auch auf Thomas Hobbes’ Lehre vom Naturzustand Bezug nimmt, wo der Mensch bekanntlich des Menschen Wolfes sein soll: „bellum omnium contra omnes“ (S. 53). Das Signum „ist Freiheit, und in diesem Abgrund der Freiheit liegt vieles: vom Werden, wozu man sich durch sein Tun macht, bis zum Verfehlen sogar dessen, was man ist.“ (S. 200) Der Mensch ist also in seiner Existenz (S. 204) verwundbar, das ist das Leben (S. 201). Der Mensch steht hierbei in der Situation eines komplizierten „Spiel(s) von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft“ (S. 215; vgl. auch S. 237). In Anlehnung an Heidegger gesprochen ist bei Freyer das Sein des Menschen „vorausgeworfen“ (S. 215; kursiv auch im Original). In diesem Lichte ist der Mensch der europäischen Geschichte, so Freyer (S. 216), Christ und Ingenieur: „Weltentdecker“ und „Weltverbesserer“. Insofern bleibt auch im historischen Kontext der Vereinzelung und Vermassung die Chance zum Schöpferischen verborgen (S. 235 f.). In der Heideggerschen Geworfenheit des Menschen „erschließe die Entschlossenheit die faktischen Möglichkeiten eines eigentlichen Existierens.“ (S. 237) Liest man Freyer demnach nicht nur durch die Brille einer politischen Rezeption, sondern anthropologisch, so sind andere Konnotationen als die, die in der Konservatismusdebatte dominier(t)en, möglich. Es geht auch bei ihm letztendlich um die Frage nach der Gemeindebildung und dem Prinzip der Liebe. Es geht um die Gefährdung der personalen Welt im Rahmen der Brüchigkeit der modernen Welt. Und so, wie auch Freyer nach Freundschaft, Familie, Bünde und Vereine fragt, ist die Frage nach dem gemeindlichen Vereinswesen der Genossenschaft diesseits von Herrschaft in jeder personalen Anthropologie wohl das sozialmorphologische Schlüsselthema. Ohne den personalen Bezug wird es nicht gehen, wenn die moderne technische Welt und ihre Hyperinstitutionen (des Turbo-Kapitalismus, der Bürokratie, der massenmedialen Systeme etc.) beherrschbar werden sollen. Dieses unhintergehbare Leben in institutionellen Kontexten mag als Entfremdung (Freyer, S. 222 ff.; 234 ff.) erlebt werden (S. 89). Anthropologisch gesehen ist der Modus des homo institutionalis wohl unumgehbar. Die Sachlichkeit der Moderne im Denken bei Max Weber (S. 104) ist analog: „Der soziale Zusammenhang ist immer geschürzt in den Individuen wie in lebendigen Knotenpunkten“ (S. 133). Knotenpunkte – das klingt fast wie bei Georg Simmel und Saint-Exupéry. „Das einfache Faktum, daß der Mensch in einer sozialen Situation steht, bestimmt ihn bis in sein Inneres“ (S. 134). Hier klingt es wie die sozialpsychologischen Folgen von Durkheims These von den kollektiv geteilten Denkgewohnheiten. Individualisierung ist daher nicht das Ende, sondern ein Modus der Vergesellschaftung (S. 134; 136–137). Das ist nun wahrlich nahe an Foucaults Gouvernementalitätsanalyse: „Aber all diese Typen, besonders der Grundtypus des Vereinzelten und Gemeinschaftssüchtigen, werden ja von den Ideologien und von dem System, dem sie zugeordnet sind, immerfort erzeugt.“ (S. 144) Die „Systeme bringen den Menschen hervor, den sie brauchen“ (S. 144; vgl. auch S. 224). Person-Sein und die ontologische Faktizität der unabdingbaren Vergesellschaftung gehören zusammen (S. 160). „Dabei erweist sich nun, daß der Mensch (. . .) ein geschichtliches Wesen ist.“ (S. 160; vgl. auch S. 242 f.) Und: „sein Leib und seine Seele stecken voller Erbe“ (S. 160) Die Menschen „sind Erbe, freilich sehr vielschichtiges und durch viele Faltungen und Verwerfungen hindurchgegangenes Erbe.“ (S. 160) Und: Totalitäre Systeme nehmen dem Menschen die Personalität und reduzieren ihn auf Haltungen, die weitaus primitiver sind (S. 172). In korporationstheoretischer Hinsicht ist allerdings interessant, dass sich verschiedene Stellen finden lassen, in denen die Rolle von Assoziationen zwischen Staat und Gesellschaft betont werden (vgl. etwa S. 166). Auch bei Martin Buber (Buber, M. [1967]: Der utopische Sozialismus. Köln: Hegner, S. 249 ff.) wird der Zwischenraum zwischen Gesellschaft und Staat betont. Vgl. auch Buber, M. (1950): Pfade in Utopia. Heidelberg:

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„Masse“ 165 angesichts der Problematisierung der Individualität in der brüchigen Moderne.166 In seiner Abhandlung „Über die Jagd“ hat Ortega y Gasset167 für mich eine höchst interessante Modellstruktur der Analyse entwickelt. Er sieht dort die Jagd einerseits als evolutorische Disposition im Menschen verankert, andererseits sind die konkreten praktischen Ausprägungsformen des Jagens kulturell überformt bzw. geprägt. Insofern fundiert Ortega y Gasset die Soziologie auch im Brauch.168 Der Begriff mag altmodisch im Sinne deutscher Volkskunde klingen. Die Kategorie meint jedoch eine Form selbstverständlich erlebter Vergesellschaftung, die sodann Freiräume zum Schöpferischen ermöglicht. Nochmals anders formuliert: Ausgangspunkt ist die Renaissance des Denkens im Gemeinde-Kontext des personalen Seins. Man könnte auch von einem Paradigma der effizienten paulinischen Ekklesia169 sprechen. Eine hermeneutische Lambert Schneider. Dort auch Ausführungen zu Kropotkin (S. 68 ff.) und zu Landauer (S. 81 ff.). In dieser Abhandlung ist auch Gierke präsent. 163 Ich beziehe mich auf Ortega y Gasset, J. (1967): Der Aufstand der Massen. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt. Seine Analyse der „Masse“ erschien 1930. Auch Ortega y Gasset (1883–1955), anders als (vgl. auch Knapp, H. [2008]: Avantgarde und Psychoanalyse in Spanien. Hamburg: Kovac) Gustave le Bon (1841–1931), der dennoch politisch auch in andere Richtung gewirkt hat: auf Siegmund Freud, Max Weber, Hannah Arendt, politisch eindeutiger auf einer zwar einerseits elitären, andererseits aber eindeutig liberal-demokratischen Seite stehend, sieht einen Substanzverlust menschlichen Seins durch Verlust der Moralität und Sittlichkeit der Vermassung in der technischen Moderne beobachtbar. Seine Sozialdiagnose, die zugleich eine psychogrammatische Zeitdiagnose des Menschentypus ist, kritisiert Faschismus wie Bolschewismus, Kapitalismus, bürokratischen Etatismus wie überholten Traditionalismus. Und er plädiert leidenschaftlich für die liberale Demokratie, sich vom flachen ökonomischen Liberalismus des 19. Jahrhunderts abgrenzend. Und zugleich, und nun wird es schwierig und lässt nach seiner Institutionentheorie fragen, hebt er die Notwendigkeit hervor, dass der einzelne Mensch akzeptieren muss, in vorgängige normative Autoritäten eingebunden sein zu müssen. Der Bezug auf die anthropologische Notwendigkeit einer normativen Einbettung klingt durkheimianisch und taucht ähnlich eigentlich auch bei Gadamer auf. Aber anders als Freyer, und auch anders etwa als bei Hegel, der die konkrete Freiheit in der Sittlichkeit benennbarer, soziologisch fassbarer Institutionen (Familie, Berufsstände, Staat) fundiert, bleibt bei Ortega y Gasset eine institutionelle Konkretisierungslücke. Sollte es sich bei ihm doch nun um eine heroische Romantik des dramatisch-tragischen Individuums handeln, die anvisiert wird? Dass es um Gesinnung und Haltung gehen muss, ist evident. 164 Moscovici, S. (1984): Das Zeitalter der Massen. Eine historische Abhandlung über die Massenpsychologie. München: Hanser. 165 Dazu auch Zeller, R. (2011): „Einer von Millionen Gleichen“. Masse und Individuum im Zeitroman der Weimarer Republik. Heidelberg: Winter. 166 Vgl. dazu auch nochmals Moscovici, S. (1984): Das Zeitalter der Massen. Eine historische Abhandlung über die Massenpsychologie. München: Hanser. 167 Ortega y Gasset, J. (1957): Über die Jagd. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt. 168 Ortega y Gasset, J. (1961): Der Mensch und die Leute. München: dtv, hier S. 9. 169 Muther, U.-U. (2010): Paulinische Ökonomie. Frankfurt am Main: Lang. Dazu mehr in Schulz-Nieswandt, F. (2003): Herrschaft und Genossenschaft. Berlin: Duncker

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Theorie der gemeinwirtschaftlichen Genossenschaftlichkeit im Lichte einer entsprechenden morphologisch relevanten Fundamentalontologie und philosophischen Anthropologie wird sich als „donationale“ Morphologie des sozialen Miteinanders entfalten müssen, also in der Anthropologie der Gabe170 wurzeln und von dort her eine realistische Lehre von der Reziprozität in Netzwerken171 des sozialen Miteinanders entfalten. Dabei wird es aus der Perspektive der Frageakzentuierungen der vorliegenden Abhandlung um das auch sozialräumliche Miteinander von Insidern und Outsidern (von Etablierten und Außenseitern172) gehen.173 Diese Offenheit verweist auf das konstitutive liminale Problem zwischen Innen und Außen, eine Problemsicht, die in der geschlossenen Insider-Gemeinde-Welt etwa in der Religionsphilosophie von Bernhard Welte (1906–1983)174, trotz des Bezuges zur Personalität, verloren zu drohen geht.175 Das ist ganz anders in der „Kunst des Handelns“ bei Michel de Certeau (1925–1986)176. Auch hier will ich nicht auf Details eingehen.177 Seine Theorie der Grenz-Ziehung178 auf der Grundlage seiner Raum-Bestimmung179 ist Resultat narrativer Praxis performativer Akte. (Und so ist auch der Wahn180 eine Frage nach der Grenze, und die Grenzziehung selbst wird zum & Humblot. Konkretisierend in Richtung auf das hier relevante Feld: vgl. Schmälzle, U. Fr. u. a. (2008): Menschen, die sich halten – Netze, die sie tragen. Analysen zu Projekten der Caritas im lokalen Lebensraum. Berlin: LIT. Ferner dazu Albrecht, P.-G. (2008): Professionalisierung durch Milieuaktivierung und Sozialraumorientierung? Caritas-Sozialarbeit am Scheideweg. Wiesbaden: VS. 170 Dazu auch Albert, A. Chr. (2010): Helfen als Gabe und Gegenseitigkeit. Heidelberg: Winter sowie in Adloff, F. (2010): Philanthropisches Handeln. Frankfurt am Main/ New York: Campus. 171 Stegbauer, Chr./Häußling, R. (Hrsg.) (2010): Handbuch Netzwerkforschung. Wiesbaden: VS. 172 Klassisch auch Elias, N./Scotson, J. L. (2010): Etablierte und Außenseiter. 6. Aufl. Frankfurt am Main: Suhrkamp. Dieser figurative Ansatz eröffnet die Perspektive auf soziale Dynamiken und strukturelle Bedingungen, innerhalb derer sich die Balancen in der Figuration als Ergebnis von (oftmals unbewusst bleibenden) Machtressourcen bzw. Kapitalverhältnissen darstellen. Dazu auch Waldhoff, H.-P. (1995): Fremde und Zivilisierung. Frankfurt am Main: Suhrkamp. 173 Runge, M. (2007): Der Aufbau von brückenbildendem sozialem Kapital. Bereitschaft zu und Hindernisse von quartiersübergreifenden Austauschprozessen und Netzwerken. Fachhochschule München. AK SPAK Neu-Ulm. 174 Geiger, St. (2012): Person und Sein. Bernhard Weltes Philosophie der Personalität. Berlin: LIT. 175 Vgl. in Welte, B. (1978): Religionsphilosophie. Freiburg i. Br. u. a.: Herder, S. 207 ff., 224 ff. 176 Certeau, M. de (1988): Kunst des Handelns. Berlin: Merve. 177 Vgl. mehr in Füssel, M. (Hrsg.) (2007): Michel de Certeau. Geschichte – Kultur – Religion. Konstanz: UVK. 178 Certeau, M. de (1988): Kunst des Handelns. Berlin: Merve, S. 266. 179 Certeau, M. de (1988): Kunst des Handelns. Berlin: Merve, S. 218 f., 232. 180 Pazzini, K.-J./Schuller, M./Wimmer, M. (Hrsg.) (2005): Wahn – Wissen – Institution. Bielefeld: transcript.

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Problem.181) Die Ähnlichkeiten in der Analyse der soziologisch begreifbaren Natur des Raumes als durch Formen der sozialen Wechselwirkungen konstituierter Raum bei Georg Simmel (1858–1918)182 sind hierbei überaus deutlich. Doch die Grenze ist eine fluide Erscheinung. (Und deshalb ist der Narr ein ambivalenter Grenz-Gänger183, wie sich hierbei überhaupt das Phänomen der Hybridizität184 herausbildet.) Zu wem oder wem gehört sie, die Grenze, eigentlich? Zum/dem Innen oder zum/dem Außen? Ich gehe in diesem Punkt nun etwas intensiver auf Certeau ein. „Der Raum entsteht, wenn man Richtungsvektoren, Geschwindigkeitsgrößen und die Variabilität der Zeit in Verbindung bringt. Der Raum ist ein Geflecht von beweglichen Elementen. Er ist gewissermaßen von der Gesamtheit der Bewegungen erfüllt, die sich in ihm entfalten. Er ist also ein Resultat von Aktivitäten“.185 So gesehen geht es Certeau, wie er sagt, nicht um den geometrischen, sondern (ethnomethodologisch186) um den anthropologischen Raum.187 Im Alltag sind es nun die erzählten Geschichten, performativ eben das Erzählen von Geschichten, die die Grenzen ziehen.188 Die erzählerische Aktivität zieht somit die Grenzen angesichts des Fremden.189 Hier nun ist die grenzziehende Erzählung jedoch immer von ihrem Widerspruch zugleich gekennzeichnet, dass die Grenze die Brücke anzeigt, die eben diese Grenze übersteigt. Legitimer Raum und fremde Außenwelt sind, an Hegels190 Herr-Knecht-Dialektik erinnernd191, so immer getrennt und verbunden zugleich.192 An (in) der Grenze, die zugleich Brücke ist, treffen also zwei normative Programme und somit Praktiken aufeinander: „Damit

181 Dazu Pazzini, K.-J./Schuller, M./Wimmer, M. (Hrsg.) (2007): Wahn – Wissen – Institution II. Bielefeld: transcript. 182 Simmel, G. (1999): Soziologie. 3. Aufl. Frankfurt am Main: Suhrkamp. Vgl. auch Jung, M. (1990): Georg Simmel zur Einführung. Hamburg: Junius. 183 Willeford, W. (1969): Der Narr an der Grenze. In: Antaios 10, S. 539–561. 184 Ha, K. N. (2010): Unrein und vermischt. Postkoloniale Grenzgänge durch die Kulturgeschichte der Hybridität und der kolonialen „Rassenbastarde“. Bielefeld: transcript. 185 Certeau, M. de (1988): Kunst des Handelns. Berlin: Merve, S. 218. Kursiv auch im Original. 186 Lehn, D. v. (2012): Harold Garfinkel. Konstanz: UVK; Patzelt, W. J. (1987): Grundlagen der Ethnomethodologie. München: Fink. 187 Vgl. auch Fuchs, M. (2013): Wovon wir reden, wenn wir über Raum reden. Raum als Deutungsmuster und Erkenntnisperspektive in der globalisierten Welt. In: Maletzky, M./Seeliger, M./Wannöffel, M. (Hrsg.): Arbeit und Mobilität in einer globalisierten Welt. Frankfurt am Main/New York: Campus Verlag. 188 Certeau, M. de (1988): Kunst des Handelns. Berlin: Merve, S. 226, 228. 189 Certeau, M. de (1988): Kunst des Handelns. Berlin: Merve, S. 231. 190 Vgl. auch in Jaeschke, W. (Hrsg.) (2010): Hegel-Handbuch. 2., akt. Aufl. Stuttgart/Weimar: Metzler. 191 Klassisch dazu Kojève, A. (1975): Hegel. Frankfurt am Main: Suhrkamp. 192 Certeau, M. de (1988): Kunst des Handelns. Berlin: Merve, S. 232.

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entsteht ein dynamischer Gegensatz zwischen jeder Grenzsetzung und ihrer Veränderlichkeit.“ 193 Certeau erweist sich hier (wie schon angedeutet) als ethnomethodologischer Theoretiker der Konstruktivität sozialer Wirklichkeit durch performative Akte194; aber andere zentrale Textstellen zeigen, dass er nicht der einfache „Performatiker“ ist. Er weiß um die orientierenden Codes der Akteure in diesen Performativitäten: Aufbauend auf Überlegungen über die gesellschaftliche Einschreibung der Kultur in die Körper der Menschen195, wo er Kafka196 nennt und Foucault197 zugleich im Hinterkopf hat, legt er die Programmcodes der Akteure dar.198 Bei diesen dynamischen Betrachtungen lasse ich mich von der kulturwissenschaftlichen Wende199 in der Geographie (mitunter als „spatial turn“ verhandelt) ebenso leiten200 wie von anderen kritischen Traditionen der Raumkonstruktionstheorie.201 Aber einige andere Verweise können die Zusammenhänge noch deutlicher werden lassen. Raum ist ohne die Bilder-Welt der Wege, die die Menschen gehen oder zu gehen haben, nicht zu erschließen. Messimeri202 hat dies in einer grundlegenden Arbeit zur früh- bzw. altgriechischen Denkart herausarbeiten können. Dabei erschließt sich so, wie bei Georg Simmel (1858–1918) der Raum als die verörtlichte Ausdruckspraxis von Wechselwirkungen aus den seelischen Haltungen der Personen heraus begriffen wird, auch bei Messimeri der Raum als Daseinspraxis der sich selbst in der Suche erst bildenden (individuierenden) Menschen. Diese Tiefenpsychologie der Wege-Bilder, des Gehens, Wanderns, Suchens, 193

Certeau, M. de (1988): Kunst des Handelns. Berlin: Merve, S. 232. Erinnert sei an dem wirklichkeitserzeugenden Handlungscharakter des Sprechens, wie es sprechakttheoretisch bei Jean L. Austin (1911–1960) fundiert wurde. Vgl. auch Villers, J. (2011): Die performative Wende. Austins Philosophie sprachlicher Medialität. Würzburg: Königshausen & Neumann. Sprechen bezeichnet, im Argumentationshorizont von Ludwig Wittgenstein (1889–1951), eben eine Lebensform. Dazu auch Gebauer, G. (2009): Wittgensteins anthropologisches Denken. München: Beck sowie Römpp, G. (2010): Ludwig Wittgenstein. Eine philosophische Einführung. Köln u. a.: Böhlau. Vgl. in diesem Rahmen auch Searle, J. R. (2011): Die Konstruktion der gesellschaftlichen Wirklichkeit. Frankfurt am Main: Suhrkamp. 195 Certeau, M. de (1988): Kunst des Handelns. Berlin: Merve, S. 253 ff. 196 Plass, U. (2009): Franz Kafka. Köln u. a.: Böhlau (UTB). 197 Kammler, C./Parr, R./Schneider, U. J. (Hrsg.) (2008): Foucault-Handbuch. Stuttgart/Weimar: Metzler. 198 Certeau, M. de (1988): Kunst des Handelns. Berlin: Merve, S. 266 f. 199 Bachmann-Medick, D. (2006): Cultural Turns. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt. 200 Berndt, Chr./Pütz, R. (Hrsg.) (2007): Kulturelle Geographien. Bielefeld: transcript. 201 Schmid, Chr. (2010): Stadt, Raum und Gesellschaft. Henri Lefebvre und die Theorie der Produktion des Raumes. Stuttgart: Steiner. 202 Messimeri, E. (2001): Wege-Bilder im altgriechischen Denken und ihre logischphilosophische Relevanz. Würzburg: Königshausen & Neumann. 194

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Findens203 etc. ist eine Heimkehr im Zuge der Reifung im Prozess dieser WegeGehungen.204 Und in diesem Sinne ist, wie ich in Kapitel XIII. zeigen möchte, der Surrealismus205 nur eine dynamische Sicht der Identität. Messimeri zeigt, wie sehr das Denken im Kontext dieser Wege-Bilder von binären Codes der Polaritäten206 geprägt ist. Zugleich geht es um Bilder der Übergänge und des Überschreitens. Brücke207, aber auch Tor und Tür208 wirken hier als Schlüssel-Bilder.209 Der binäre Strukturalismus erweist sich hier somit als dynamische Hermeneutik des personalen Erlebnisgeschehens. Die humane Re-Vitalisierung der sozialen Räume210 ist in vielfachen Gestalten ein großes Thema geworden. Dazu gehören auch, wie sogar eine Abschlussarbeit bei mir zeigen konnte, eine Imker-Kooperative in Köln-Ehrenfeld (vgl. die Berichterstattung von Ariane Fries: „So süß ist Ehrenfeld. Großstadt-Imker Petra Grünfeld startete mit dem Design Quartier ein Bienenprojekt“, in: Kölner Stadtanzeiger vom 17./18. Mai 2012, S. 34). Man kann also „klein“ anfangen. Hier geht es aber um grundlagenwissenschaftliche Betrachtungen systematischer Art. Zwischen der Analyseebene einer Imker-Kooperative und einer tiefenpsychologischen Anthropologie siedelt sich eine thematische wie analytische MesoEbene an: die kommunale Sozialpolitik. Hier knüpfe ich nunmehr kurz an. 203 Bräuer, G. (1966): Finden als Moment des Schöpferischen. Tübingen: Niemeyer, S. 31 ff. 204 Dazu insbesondere Clarus, I. (1997): Odysseus. Wege und Umwege der Seele. Lenfelden-Echterdingen: Bonz. Dies ganz im Gegensatz zu Hohmann, R. (2005): Was heißt in der Geschichte stehen? Eine Studie zum Verhältnis von Geschichte und Menschsein. Stuttgart: Kohlhammer, S. 389 f. 205 Bloch, E. (1959): Das Prinzip Hoffnung. 2 Bde. Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 114. 206 Dabei nimmt Messimeri u. a. Bezug auf Bilz, R. (1957): Pole der Geborgenheit. Eine anthropologische Untersuchung über raumbezogene Erlebnis- und Verhaltensbereitschaften. In: Studium Generale 10 (9), S. 552–563. 207 Dazu Reimbold, E. Th. M. (1972): Die Brücke als Symbol. In: Symbolon. Jahrbuch für Symbolforschung. N. F. 1, S. 55–78. 208 Dazu auch Lauter, W. (1981): Tür und Tor. Zwischen drinnen und draußen. 2. Aufl. Dortmund: Harenberg. Vgl. auch in Schadewaldt, W. (1979): Die Anfänge der Philosophie bei den Griechen. Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 315. Der Übergang von der Nacht ins Licht des Tages als „Weg“ wird in der Odyssee 21, S. 1 ff. entfaltet. Dazu auch Schadewaldt, W. (1979): Die Anfänge der Philosophie bei den Griechen. Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 316. 209 Vgl. auch hierzu Simmel, G. (1967): Brücke und Tor. Stuttgart: Koehler. Zur topographischen Dimension in Simmels Werk vgl. auch Ziemann, A. (2000): Die Brücke zur Gesellschaft. Erkenntniskritische und topographische Implikationen der Soziologie Georg Simmels. Konstanz: UVK. Zur Brücke und Tor bei Simmel dort Kapitel 4.4. 210 Dazu auch Steinhäuser, H. (2008): Wohnen in Großsiedlungen. Hamburg: Kovac sowie Weck, S. (2005): Quartiersökonomie im Spiegel unterschiedlicher Diskurse. Dortmund: Informationskreis für Raumplanung.

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„Innovationen“ der Kommunalpolitik für ältere Menschen sind zum Handbuch-Thema geworden.211 So wie auch Innovationen im Sozialen212 als Thema, allerdings in weitgehender dogmen- und praxisgeschichtlicher Seinsvergessenheit, wenn es um die Traditionen der Sozialreform (mit Ausnahme einer gouvernementalen Kritik der Denkstiltradition der Sozialingenieure213 und Sozialhygieniker214) geht, formuliert werden. Der ganze thematische Komplex siedelt sich diskurstopographisch an zwischen den wissenschaftlichen und politischen Debatten über kommunale Sozialpolitik215, über soziale Dienste216, über bürgerschaftliches Engagement217 und über Netzwerkbildung und -entwicklung218. Ein Beispiel ist die Idee der „sozialen Stadt“, die als Programmpolitik219 hier jedoch nicht näher abgehandelt werden soll.220 Doch diese Wiederaufnahme221 der kritischen Frage nach der (Un-)Wirk- und (Un-)Wirtlichkeit unserer Städte222, das sei vermerkt, bezieht sich (im Lichte eines Denkens in der sozialstrukturalen Analytik von Zentrum und Peripherie223) auf die Insider, auf die Be-

211 Bischof, Chr./Weigl, B. (Hrsg.) (2010): Handbuch innovativer Kommunalpolitik für ältere Menschen. Freiburg i. Br.: Lambertus. 212 Anheier, H. K./Schröer, A./Then, V. (Hrsg.) (2012): Soziale Innovationen. Wiesbaden: VS. 213 Dazu auch Kuchenbach, D. (2010): Geordnete Gesellschaft. Architekten als Sozialingenieure – Deutschland und Schweden im 20. Jahrhundert. Bielefeld: transcript. 214 Hardy, A. I. (2005): Ärzte, Ingenieure und städtische Gesundheit. Frankfurt am Main/New York: Campus. 215 Dahme, H.-J./Wohlfahrt, N. (Hrsg.) (2011): Handbuch kommunale Sozialpolitik. Wiesbaden: VS. 216 Evers, A./Heinze, R. G./Olk, Th. (Hrsg.) (2010): Handbuch Soziale Dienste. Wiesbaden: VS. 217 Olk, Th./Hartnuß, B. (Hrsg.) (2011): Handbuch Bürgerschaftliches Engagement. Weinheim/München: Juventa. 218 Stegbauer, Chr./Häußling, R. (Hrsg.) (2010): Handbuch Netzwerkforschung. Wiesbaden: VS. 219 Güntner, S. (2007): Soziale Stadtpolitik. Bielefeld: trancript sowie Hohm, H.-J. (2011): Urbane soziale Brennpunkte. Soziale Hilfe und das Programm „Soziale Stadt“. Weinheim/München: Juventa. 220 Zimmermann, I. (2012): „Das hat unserm Viertel gut getan.“ Plädoyer für eine bewohnerzentrierte Evaluation im Programm „Soziale Stadt“. Marburg: Tectum. 221 Die expressionistische Kunst zum Beginn des 20. Jahrhunderts stellt eine der Wurzeln der modernen Großstadtkulturkritik dar. Vgl. auch in Schneede, U. M. (2009): Die Kunst der klassischen Moderne. München: Beck. Vgl. ferner Presler, G. (1992): Glanz und Elend der 20er Jahre. Die Malerei der Neuen Sachlichkeit. Köln: DuMont. 222 Mitscherlich, A. (2010): Die Unwirtlichkeit unserer Städte. 26. Aufl. Frankfurt am Main: Suhrkamp. 223 Becht, L./Hirschfeld, A./Neubauer, S. (Hrsg.) (2011): Mythos Mitte. Wirkmächtigkeit, Potenzial und Grenzen der Unterscheidung „Zentrum/Peripherie“. Wiesbaden: VS.

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wohnerInnen. Doch wie steht es mit den Menschen, die, (noch) ausgegrenzt, „draußen vor der Tür“ 224 stehen?225 Hier, in der Tiefengrammatik von Innen und Außen, wurzelt die Ur-Dichotomie der Kultur, wie sie Schadewaldt226 am Schema „Hellenen versus Barbaren“ im Kontext der Herausbildung der Geschichtsschreibung bei den Griechen herausgearbeitet hat: Hellenen : Barbaren = West : Ost {später227 = Europa : Orient/Asien}.

Eine implizite Ontologie archetypischer Kulturbausteine binär codierter Art entdeckt Schadewaldt bereits bei Homer.228 Es mag sein, wie Dihle229 (mit Blick auf die zahlreichen kulturellen Austauschbeziehungen230 der reisenden231 Griechen) argumentiert, dass bis zum peloponnesischen Krieg232 solche Dichotomien nicht kulturabwertend gemeint waren, sondern eben nur auf (marginale) Differenzen in der kulturellen Lebensführung zwischen der eigenen und der fremden Welt verwiesen. Dihle betont die frühgriechische kulturelle Toleranz gegenüber

224 Borchert, W. (1956): Draußen vor der Tür. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt. Zu Borchert vgl. auch Rühmkopf, P. (1961): Wolfgang Borchert. 29. Aufl. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt. Vgl. ferner Heinemann, A.-M. (2011): Straßenszenen. Obdachlosigkeit in der deutchsprachigen Literatur des 20. Jahrhunderts. Marburg: Tectum sowie Malyssek, J./Störch, K. (2009): Wohnungslose Menschen. Ausgrenzung und Stigmatisierung. Freiburg i. Br.: Lambertus. Vgl. historisch auch Althammer, B. (Hrsg.) (2007): Bettler in der europäischen Stadt der Moderne. Frankfurt am Main: Lang. 225 Kempf, M. (2011): Stigmatisierung psychisch erkrankter Menschen bei der Wohnungssuche. Eine explorative Studie. Universität GHS Siegen: Zentrum für Planung und Evaluation Sozialer Dienste. 226 Vgl. durchgängig und einer seiner zentralen Thesen in Schadewaldt, W. (1990): Die Anfänge der Geschichtsschreibung bei den Griechen. 3. Aufl. Frankfurt am Main: Suhrkamp, etwa S. 89 f., auch S. 131 (Perser), 132 ff., 188, 209, 216, 261. Konstitutiv für die Griechen sei die Freiheit. Dies steht im dichotomen Gegensatz zur Unfreiheit der Herrschaft als Unterwerfung (wie bei Sklaven). Im Sinne einer Lebenstil-Analyse wird dichotomisiert zwischen dem Luxuskonsum der Orientalen und der Einfachheit der Griechen (S, 164, S. 196). In Griechenland geht es um die öffentliche Sache der polis, im Osten geht es um privates Leben. Schadewaldt, W. (1979): Die Anfänge der Philosophie bei den Griechen. Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 13. 227 Hier wurzelt die spätere Identitätsbildung Europas, durch Abgrenzung zum orientalischen Osten. Dazu auch in Schulz-Nieswandt, F. (2011): „Europäisierung“ der Sozialpolitik und der sozialen Daseinsvorsorge? Eine kultursoziologische Analyse der Genese einer solidarischen Rechtsgenossenschaft. Berlin: Duncker & Humblot. 228 Schadewaldt, W. (1979): Die Anfänge der Philosophie bei den Griechen. Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 55 ff. 229 Dihle, A. (1994): Die Griechen und die Fremden. München: Beck. 230 Vgl. auch Burkert, W. (2009): Die Griechen und der Orient. 3., durchgeseh. Aufl. München: Beck. 231 Vgl. dazu auch Lane Fox, R. (2011): Reisende Helden. Die Anfänge der griechischen Kultur im Homerischen Zeitalter. Stuttgart: Klett-Cotta. 232 Bleckmann, B. (2007): Der peloponnesische Krieg. München: Beck.

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den anderen Kulturen. Auch Meuli hebt in seiner „Scythica“ mit Blick auf Herodot dessen „weltoffene, unbefangene Reinheit und Schärfe altionischer Beobachtung“ 233 hervor. Echte „Andersheit“ war demnach nur Merkmal der Monsterwelt der fabelhaften Odysseus-Reisen234, die in der Reise der Argonauten, wie Meuli235 gezeigt hatte, bereits einen Vorläufer hatte. Orientiert man sich jedoch an den differenzierten Darlegungen von Schadewaldt, so spürt man zugleich, wie dünn die Schicht ist, die die Binärik der qualitativen Differenzen transformiert zur Logik der Ausgrenzung des Anderen im Rahmen von Rangordnungen. Dieses Ausgrenzungspotenzial liegt sozusagen in der „Natur“ der binären Codes verankert. Schadewaldt stellt die Gewinnung menschlicher Erkenntnis als Überwindung des Schreckens, der aus der Unterwelt kommt, dar.236 Das 18. Buch der Ilias gibt den Schlüssel zu seiner Analyse ab. Dort geht es um die Schmiedung der Waffen für Achilleus durch Hephaistos.237 Hier entdeckt Schadewaldt ein ganzes System binärer Codes zur Klassifikation der Wirklichkeit. Basis ist allerdings eine DreiTeilung der Welt in Himmel, Erde und Unterwelt. Aber auch diese fügt sich, so meine ich, der Binärik. Denn die Erde ist die Welt der Menschen, deren „Natur“ gerade in der Dichotomie von Himmel238 und Unterwelt (christlich: Hölle239), zwischen „oben“ und „unten“ 240 zu sehen ist. (Dies ist eine Thematik, die ja noch die Barth-Tillich-Kontroverse um Supranaturalismus und existenziellem Humanismus kennzeichnete.) Schadewaldt sieht hier bei Homer eine Ontologie von Kategorien und Denkformen vorliegen, die er als Archetypen menschlicher Kultur versteht.241 Die Dichotomie von „oben“ und „unten“ ist eine Binärik der 233 Meuli, K. (1975): Scythica. In: ders.: Gesammelte Schriften. Zweiter Band. Basel/Stuttgart: Schwabe & Co., S. 817–879. 234 Bloch, E. (1959): Das Prinzip Hoffnung. 2 Bde. Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 932 f. 235 Meuli, K. (1975): Odysee und Argonautika. Untersuchungen zur griechischen Sagengeschichte und zum Epos. In: ders.: Gesammelte Schriften. Zweiter Band. Basel/ Stuttgart: Schwabe & Co., S. 593–676. 236 Schadewaldt, W. (1979): Die Anfänge der Philosophie bei den Griechen. Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 25. 237 Schadewaldt, W. (1979): Die Anfänge der Philosophie bei den Griechen. Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 48 ff. 238 Vgl. dazu auch in Welt und Umwelt der Bibel (2002): Himmel. 7 (4) Nr. 26. Ferner Ebner, M. u. a. (Hrsg.) (2006): Jahrbuch für Biblische Theologie. Bd. 10 (2005): Der Himmel: Neukirchen-Vluyn: Neukirchener. 239 Und der binäre Gegensatz ist der Himmel. Dazu auch Lang, B./McDannell, C. (1990): Der Himmel. Eine Kulturgeschichte des ewigen Lebens. Frankfurt am Main: Suhrkamp. 240 Zur tief sitzenden Oben-Unten-Symbolik findet sich einiges an Befunden in Möbius, F. (2008): Wohnung, Tempel, Gotteshaus. Beobachtungen zur Anthropologie religiösen Verhaltens. Regensburg: Schnell + Steiner. 241 Schadewaldt, W. (1979): Die Anfänge der Philosophie bei den Griechen. Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 60 f.

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göttlichen Lichtgestalten242 (im Raum der Helligkeit) einerseits und der Finsternis andererseits.243 So ergibt sich in der Ilias-Quelle ein ganzes System von dichotomen Vektoren244: Brot : Wein245 = Nahrung : Geist; Tag : Nacht = Jugend : Alter; Hochzeit : Rechtsstreit = Vereinigung : Kampf; Stadt : Land; Landwirtschaft : Jagd; Erde : Meer; Götter : Menschen; Reden : Arbeiten; Hektor : Paris = Krieg : Muse; Frau : Mann.

Der Dualismus transportiert eine politische Anthropologie, die aus griechischer Sicht die polis zur Natur des Menschen zählt246, woraus die Dichotomie resultiert: polis : Reich = Horizontalität : Vertikalität.

Es ist die binäre Codierung zweier politischer Anthropologien. Griechisch sei die segmentäre Ordnung, die sich konzentrisch in der Horizontalen der sehenden Begegnung der Menschen als Verwandte, Freunde, Bürger und Kultgenossen im politischen Raum anordnen. Orientalisch sei der vertikalisierte politische Zentralismus der Reichsidee, bei der sich der Palast (oftmals verknüpft mit dem Tempel) in der Burgregion im urbanen Zentrum ansiedelt. Gegenüber der Morphologie von Herd, Haushalt und Dorf geht es in sakralköniglichen247 Ordnungen um 242 Das wiederum verweist auf die Lichtmetaphysik bei Pindar, wobei bei Platon das Lichte auch das Gute ist. Schadewaldt, W. (1979): Die Anfänge der Philosophie bei den Griechen. Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 104. Vgl. auch Kern, B. (2006): Das altägyptische Licht- und Lebensgottmotiv und sein Fortwirken in israelitisch/jüdischen und frühchristlichen Traditionen. Eine religionsphänomenologische Untersuchung. Berlin: Frank & Thimme. 243 Schadewaldt, W. (1979): Die Anfänge der Philosophie bei den Griechen. Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 99, S. 97 sowie S. 57. 244 Schadewaldt, W. (1979): Die Anfänge der Philosophie bei den Griechen. Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 55 ff. 245 Hier sieht Schadewaldt eine Analogie zu Hölderlins Elegie „Brot und Wein“. 246 Schadewaldt, W. (1979): Die Anfänge der Philosophie bei den Griechen. Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 11. 247 Jungbluth, R. (2011): Im Himmel und auf Erden: Dimensionen von Königsherrschaft im Alten Testament. Stuttgart: Kohlhammer. Vgl. ferner Wilke, A. F. (2006): Kronerben der Weisheit. Gott, König und Fromme in der didaktischen Literatur Ägyptens und Israels. Tübingen: Mohr Siebeck.

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eine politische Hierarchie248, die im Indogermanischen249 wie auch im späteren europäischen Mittelalter250 lebendig ist und die sich in der (indoeuropäischen251) Sozialstruktur von Priester(könig), Krieger und Bauern252 ausdrückt. Die horizontale Geometrie des Platzes der Agora253 (auch wenn die polis auf der herrschaftlichen Agrarökonomik der umliegendenden Chora254 basiert) wird dergestalt dichotomisiert zur vertikalen Geometrie pyramidialer Pharaonenordnung, die noch Max Weber am unfreien Elend der altägyptischen Fellachen geknüpft hat. Noch die Binärik von Kultgenossenschaft (des Polytheismus) versus anstaltsförmige Kirche (des Monotheismus) folgt diesen Dichotomisierungen. Es gesellt sich ein weiterer binärer Code dazu, der von „Sehen versus Hören“, den ich bereits an früherer Stelle255 in Anlehnung an Boman256 konstatiert habe. Diese Sicht ist umstritten; aber in gewisser Begrenztheit (auch bei Bultmann findet sich eine solche Sicht) hat der Code seine Relevanz. Sehen knüpft sich an die face-to-face-Welt der kleinen Gemeindeordnung. Hören bezieht sich auf ver-

248 Statt der Fülle der traditionsreichen Literatur zum Sakralkönigtum: Witte, M./Fögen, M. Th. (Hrsg.) (2005): Kodifizierung und Legitimierung des Rechts in der Antike und im Alten Orient. Wiesbaden: Harrassowitz. 249 Haarmann, H. (2012): Die Indoeuropäer. 2., durchges. Aufl. München: Beck. Zum Indogermanischen vgl. auch in Schadewaldt, W. (1979): Die Anfänge der Philosophie bei den Griechen. Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 122 ff. 250 Schulze, H. K. (2011): Grundstrukturen der Verfassung im Mittelalter. Bd. 4: Das Königtum. Stuttgart: Kohlhammer. 251 Vgl. auch in Benveniste, E. (1993): Indoeuropäische Institutionen. Frankfurt am Main/New York: Campus. 252 Duby, G. (1984): Krieger und Bauern. Die Entwicklung der mittelalterlichen Wirtschaft und Gesellschaft bis um 1200. Frankfurt am Main: Suhrkamp. 253 Schadewaldt, W. (1979): Die Anfänge der Philosophie bei den Griechen. Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 221. Er bezeichnet die Agora als „Markt der Städte als das Feld der Politik“. Eine schwache Parallele findet sich in der Torgerichtsbarkeit der genossenschaftlichen Siedlungen, wie sie in der z. T. königskritischen Tradition des Alten Testaments genannt wird. Hieran hat sich eine ganze Debatte um Formen „primitiver Demokratie“ im altorientalischen Kontext entfaltet. Der dörflichen Selbstverwaltung auch in forensischer Sicht ist die Richterfunktion des Sakralkönigtums entgegenzusetzen: dazu etwa auch Loretz, O. (2003): Götter – Ahnen – Könige als Richter. Der „Rechtsfall“ des Menschen vor Gott nach altorientalischen und biblischen Texten. Münster: Ugarit. Vgl. insgesamt auch Oswald, W. (2009): Staatstheorie im Alten Testament. Stuttgart: Kohlhammer sowie in Schulz-Nieswandt, F. (2003): Herrschaft und Genossenschaft. Berlin: Duncker & Humblot. Grundlegend dazu auch der auf die Theorie segmentierter Gesellschaft und regulierter Anarchie aufbauende Ansatz von Neu, R. (1992): Von der Anarchie zum Staat. Entwicklungsgeschichte Israels vom Nomadentum zur Monarchie im Spiegel der Ethnosoziologie. Neukirchen-Vluyn: Neukirchener. 254 Kolb, F. (Hrsg.) (2004): Chora und Polis. München/Wien: Oldenbourg. 255 Schulz-Nieswandt, F. (2000): Studien zur strukturalen Anthropologie sozialer Hilfeformen und sozialer Risikogemeinschaften. Regensburg: Transfer Verlag, S. 36 f. 256 Boman, Th. (1977): Das hebräische Denken im Vergleich zum Griechischen. 6. Aufl. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.

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schriftlichtes Wort, also auf von Schrifteneliten257 getragende Kanonisierungen und doxischen Wahrheitskodifizierungen von politischen Reichen und anstaltsförmigen Kirchen. Sehen und Sprechen sind die Modi der Kommunikation der Agora der polis; Hören ist die Entsprechung zur Verkündungspraxis politischer Herrschaft und der Offenbarungstheologie. Die binären Codes sind demnach sprechen : schreiben = sehen : hören = suchen : behaupten.

So wie sich als Implikat der binäre Code Mythos : Logos

hier abzeichnet, so der kulturgeschichtlich spätere binäre Code von Lebenswelt : System = Alltag : Wissenschaft.

Diese Binärik von Hören der Worte des Herrn und das Sehen in der face-toface-Gemeinde ist Teil einer umfassenderen und mehr-dimensionalen binären Codierung von Herrschaft versus258 Genossenschaft, die ich entfaltet habe.259 Ich unterscheide zwei Archetypen der Sozialpolitik260, die zugleich zwei archetypische Modalitäten der Vergesellschaftung darstellen: die symmetrisch-horizontale Vernetzung und die asymmetrisch-vertikale Steuerung (oder auch die Sozialversicherung versus die Sozialhilfe). Genossenschaft wird dichotomisiert zum sakralen Königtum261. Es ergeben sich mit Blick auf die (a) Motivhaltung, auf die (b) Bildsprache, auf den (c) Solidaritätstypus, auf die (d) Typik des mentalen Habitus, mit Bezug auf die (e) epistemische Basis und mit Bezug auf die (f) exemplarische Raumorganisationen der Sinne folgende binären Ordnung: (a) reziproke Anerkennung des Bürgerstatus : sakrale Gnade „von oben“/Barmherzigkeit/Mitleid; (b) „runder Tisch“ : „Hirt und Herde“; 257 Goody, J./Watt, I./Gough, K. (1986): Entstehung und Folgen der Schriftkultur. Frankfurt am Main: Suhrkamp. 258 Strittig ist die Zeit der karolingischen Renaissance und ist die Rolle der Gilden in den Kapitularien Karl des Großen. Zur Orientierung vgl. Hägermann, D. (2003): Karl der Große. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt sowie Hartmann, W. (2010): Karl der Große. Stuttgart: Kohlhammer. Wurden Berufsgruppen als eigenständige Rechtsgebilde innerhalb des Staates verboten? Vgl. auch in Becher, M. (2007): Karl der Große. 5., akt. Aufl. München: Beck. 259 Dazu auch Schulz-Nieswandt, F. (2007): Kulturelle Ökonomik des Alterns – Zum Umgang mit dem Alter im Generationengefüge zwischen archetypischer Ethik und Knappheitsökonomik. In: Teising, M. u. a. (Hrsg.): Alt und psychisch krank. Stuttgart: Kohlhammer, S. 31–54, hier S. 42 ff. 260 Vgl. auch meine frühe Skizze: Schulz-Nieswandt, F. (2000): Zu einer archetypischen Morphologie der Sozialpolitik. Genossenschaft und sakrales Königtum. Weiden/ Regensburg: eurotrans-Verlag. 261 Vgl. etwa auch Blöbaum, A. I. (2006): „Denn ich bin ein König, der die Maat liebt“. Herrscherlegitimation im spätzeitlichen Ägypten. Aachen: Shaker sowie Jungbluth, R. (2011): Im Himmel und auf Erden: Dimensionen von Königsherrschaft im Alten Testament. Stuttgart: Kohlhammer.

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(c) Bruderschaft : paternale Gabe; (d) (Teilen durch) gemeinsames Mahl : (Erhoffen durch) proskynetische Huldigung; (e) Egalität (der Brüder) : Differenz (zwischen „oben“ und „unten“ und zwischen Elementen des „unten“ [„arm“ versus „reich“]); (f) Treffen und Dialogik auf der Agora : Erleben der Offenbarung (z. B. in der Art der Lichtmetaphysik der Gotik262).

Zurück zur kommunalen Offenheit. Die Frage lautet: Wie ist also Leben in der Kommune (die hier formgeschichtlich263 als „Sitz im Leben“ ausgemacht wird) als Teilhabe möglich, woran scheitert dieses „Versuchen“?264 Damit komme ich aus der theoretischen Aufarbeitung des kultur-, religions- und mythengeschichtlichen Materials, das der Hermeneutik der archaischen Tiefendimensionen der Moderne dient, zurück zu einer höchst konkreten Ebene: Benötigt wird eine eigenständige kommunale Politik der Gestaltung.265 Die De-Institutionalisierung266 des homo patiens bedarf einer jeweils (urbanen wie ruralen267) intra-kommunalen Netzwerkbildung268, um die personale Lebensqualität jenseits (bildlich besser: diesseits) der sozialen Vereinsamung und Verwahrlosung zu sichern. Diese Netzwerkbildung269 – zunehmend diskutiert als Ziel wie als Medium kollektiver Lernprozesse270 in örtlichen Kontexten271 – ist jedoch eine der 262 Bloch, E. (1959): Das Prinzip Hoffnung. 2 Bde. Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 847. Die Sehnsucht „nach oben“ wird dabei psychohygienisch „nach innen“ fundierend verlagert (S. 847 f.). 263 Ich nehme hier eine Anlehnung an die Methodenlehre der Bibelexegese vor. 264 Erhardt, K./Grüber, K. (2011): Teilhabe von Menschen mit geistiger Behinderung am Leben in der Kommune. Freiburg i. Br.: Lambertus. 265 Künzel, G. (2011): Brauchen wir eine kommunale Pflegepolitik neben der Pflegeversicherung? – Ein Plädoyer für menschenfreundliche Pflegelandschaften und kommunale Gestaltung. In: Gesundheits- und Sozialpolitik 85 (5+6), S. 18–23. 266 Dazu etwa auch Brachmann, A. (2011): Re-Institutionalisierung statt De-Institutionalisierung in der Behindertenhilfe. Wiesbaden: VS sowie Glasenapp, J. (2010): Im Spannungsfeld von Sicherheit und Freiheit. Über Deinstitutionalisieren in der Behindertenhilfe. Berlin: LIT. Vgl. ferner Jantzsen, W. (2003): „. . . die da dürstet nach Gerechtigkeit“: De-Institutionalisierung in einer Großeinrichtung der Behindertenhilfe. Berlin: Wissenschaftsverlag Volker Spiess. 267 Kluschatzka, R. E./Wieland, S. (Hrsg.) (2008): Sozialraumorientierung im ländlichen Kontext. Wiesbaden: VS. 268 Eisbernd, A./Hohloch, F. (2010): Damit die Pflege zu Hause gelingen kann: Ein generationenverbindendes Wohnprojekt. Lage: Lippe. 269 Vgl. auch Franz, D./Lindmaier, B./Ling, K. (2011): Personenzentrierte Hilfen, Soziale Netzwerkförderung, Umfeldkonzepte. In: Beck, I./Greving, H. (Hrsg.): Gemeindeorientierte pädagogische Dienstleistungen. Stuttgart: Kohlhammer, S. 100–109. 270 Dazu auch Gruber, S. (2007): Intermediäre Organisationen in der Stadtentwicklung. Möglichkeitsräume für kollektives Lernen und Demokratieentwicklung. Fachhochschule München. AK SPAK Neu-Ulm.

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schwierigen Probleme, mit denen die aktuelle Gesellschaft konfrontiert ist und an denen sie zu scheitern droht. Die Notwendigkeit, aber auch die Möglichkeit solcher Lernprozesse im Rahmen einer entsprechenden Gemeinwesenarbeit hatte der Pragmatist272 John Dewey (1859–1952)273 bereits herausgearbeitet.274 Die Kernthese K-Hyp meiner angeführten empirischen Studie vor dem Hintergrund dieser Problemherleitung lautet: Die trans-fragmentarische und integrative Netzwerkbildung ist (so wird es in der Systemtheorie reflektiert) unwahrscheinlich, aber nicht unmöglich.275 Innerhalb und im Zuge dieser Netzwerkbildung muss Teilhabeplanung276 partizipativ mit dem (nicht nur für-sorgend für den) homo patiens örtlich geschehen und gelingen.277 Es geht also um vielgestaltige sektoral-thematische Varianten eines „demenzfreundlichen“ Gemeinwesens278 im Lichte komplexer Nosologien.279 Die demenzfreundliche Kommune ist demnach ein thematischer Prototyp meiner phänomenologisch breiteren Fragestellung. Die K-Hyp gilt aber mit Blick auf die Situation des homo patiens insgesamt.

271 Ein Thema ist z. B. die Kooperation im Bildungssektor im kommunalen Raum: Emmerich, M. (2012): Regionalisierung und Netzwerkbildung. Eine Fallstudie zur Entwicklung intermediärer Governanceregimes im Bildungswesen: Wiesbaden. VS. Zum Hintergrund vgl. Tippelt, R. u. a. (Hrsg.) (2008): Lernende Regionen – Netzwerke gestalten. Teilergebnisse zur Evaluation des Programms „Lernende Regionen – Förderung von Netzwerken“. Gütersloh: Bertelsmann sowie Emminghaus, Chr./Tippelt, R. (Hrsg.) (2009): Lebenslanges Lernen im regionalen Netzwerken verwirklichen – Abschließende Ergebnisse zum Programm „Lernende Regionen – Förderung von Netzwerken“. Gütersloh: Bertelsmann. 272 Schubert, H.-J./Joas, H./Wenzel, H. (2010): Pragmatismus zur Einführung. Hamburg: Junius. 273 Suhr, M. (2005): John Dewey zur Einführung. Hamburg: Junius. 274 Dazu auch Oehler, P. (2007): Pragmatismus und Gemeinwesenarbeit. Neu-Ulm: AG SPAK. Vgl. auch grundsätzlich dazu Dollinger, B. (2006): Die Pädagogik sozialer Assoziationen. Hohengehren: Schneider. 275 Grunow, D. u. a. (2010): Vereinbarte Verbindlichkeit im administrativen Mehrebenensystem. Kommunalisierung im Sozialsektor. Wiesbaden: VS. Vgl. auch Düring, D. (2011): Kooperation als gelebte Praxis. Steuerungshandeln in Sozialraumteams der Kinder- und Jugendhilfe. Wiesbaden: VS. 276 Lampke, D./Rohrmann, A./Schädler, J. (Hrsg.) (2011): Örtliche Teilhabeplanung mit und für Menschen mit Behinderungen. Wiesbaden: VS. 277 Vgl. auch Erhardt, K./Grüber, K. (2011): Teilhabe von Menschen mit geistiger Behinderung am Leben in der Kommune. Freiburg i. Br.: Lambertus. 278 Maßgeblich dazu auch Dörner, K. (2012): Helfensbedürftig. Heimfrei ins Dienstleistungsjahrhundert. Neumünster: Die Brücke. Vgl. auch Görres, B./Zechert, Chr. (2009): Der dritte Sozialraum als Handlungsort gemeindepsychiatrischer Organisationen. Gießen: Psychiatrie Verlag. 279 Wißmann, P./Gronemeyer, R. (2008): Demenz und Zivilgesellschaft – eine Streitschrift. Frankfurt am Main: Mabuse.

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Allerdings steht die Demenz im Mittelpunkt vieler Diskurse, vielleicht weil sie für die Tradition der abendländischen Geistes- und Kulturgeschichte (ähnlich wie die multiple Wirklichkeitswelt der Schizophrenie280) die krasseste Herausforderung darstellt.281 Demenz ist eine (demographisch282 mitbedingte283) Herausforderung geworden. Die Versorgungsforschung284 wie die konzeptionell bemühte Praxis reagieren darauf.285

280 Robillard, H. (2012): Schizophrenie im biographischen Bildungsprozess. Stuttgart: ibidem; Bernet, B. (2012): Schizophrenie. Entstehung und Entwicklung eines psychiatrischen Krankheitsbildes um 1900. Zürich: Chronos. 281 Vgl. auch Bär, M. (2010): Sinn erleben im Angesicht der Alzheimerdemenz. Marburg. Tectum. 282 Ich will hier aber auch nicht die „Demographialisierung“ strapazieren. Es gibt kaum noch Themen der gesellschafts- und somit auch der praktischen Sozialpolitik, die nicht „demographialisiert“ sind. Die empirische Befundlage zum Prozess der Alterung ist bekannt. Eventuell könnte noch argumentiert werden, es werde zu wenig über den Aspekt der Schrumpfung der Bevölkerung, der mit der Verschiebung der Altersstruktur verbunden ist, diskutiert. Aber auch hier holt die Diskussion auf, etwa mit Blick auf notwendige Anpassungen der Infrastruktur im insbesondere kommunalen Rahmen der ökonomisch-technischen und sozialen Daseinsvorsorgepolitik. Was kann Neues in die Diskussion eingebracht werden? Amtliche Statistiken und sozialempirische Daten können fortgeschrieben werden und parametrische Reformen in der sozialen Sicherung immer neu durchgerechnet werden. Insgesamt mag es auch so sein, dass das Thema angesichts seiner Ernsthaftigkeit tatsächlich der redundanten Permanenz braucht, denn der eigene Blick der Wissenschaft kann über die Begrenztheit der politischen Absorption täuschen. Denn die Problembewältigungskapazität des politischen Systems ist begrenzt. Nur weil es zur Demokratie keine Alternativen gibt, bedeutet dies nicht, dass demokratische Regimetypen nicht auch defizitäre und unvollkommene Systeme sind. Vielleicht trifft auch hier die These von Camus zu, man müsse sich Sisyphos als einen glücklichen Menschen vorstellen. Camus, A. (2000): Der Mythos des Sisyphos. 10. Aufl. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt; S. 160. Vgl. auch Sändig, B. (2000): Albert Camus. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt. Eine Notwendigkeit der anhaltenden Thematisierung mag darin begründet sein, die notwendige Balance in der Wahrnehmung und folglich in der politischen Beurteilung des Themas der Alterung zu finden. Das Thema der Alterung kann einerseits keineswegs verharmlost werden; aber die kritische Wissenschaft kann sich andererseits daran beteiligen, die mitunter (massenmedial katalysierte) hysterisch-dramatische Inszenierung des Themas in Grenzen zu halten. Was scheint also nach wie vor notwendig zu sein? Ich denke, es gibt gute Gründe, weiterhin mit Blick auf diese Balancefindung an der Architektur der Problemanalyse zu arbeiten und die mit der Alterung verbundenen Versuche anzutreiben, den Wandel als Wandel der anthropologischen Verfasstheit unserer Gesellschaft zu verstehen, also im Lichte der Alterung die Grammatik unseres sozialen Zusammenlebens tiefer zu verstehen. 283 Doblhammer, G. u. a. (2012): Demografie der Demenz. Bern: Huber. 284 Dibelius, O./Maier, W. (Hrsg.) (2011): Versorgungsforschung für demenziell erkrankte Menschen. Stuttgart: Kohlhammer. 285 Vgl. ferner Weyerer, S./Schäufele, M./Hendlmeier, I. (2005): Demenzkranke Menschen in Pflegeeinrichtungen. Stuttgart: Kohlhammer sowie Adler, S. u. a. (Hrsg.) (2009): Seelische Gesundheit und Lebensqualität im Alter. Stuttgart: Kohlhammer.

A. Grundlegungen I. Kulturtheorie psychogrammatisch fundierter Interaktionsordnungen Wie begegnen sich Menschen untereinander? Die Antwort lautet: entsprechend, also infolge der jeweiligen (nicht immer auch im Heideggerischen Sinne „jemeinigen“) personalen „Strickmuster“. So286 wie die Menschen im Kontext der historischen Zeit und des kulturellen Raumes infolge ihrer sozialisatorischen Biographien gestrickt sind, also psychogrammatisch aufgestellt sind, konstruieren sie in der Praxis jene sozialen Interaktionsordnungen287, die die soziale Wirklichkeit ihres Daseins performativ288 ausmachen. Der Umgang mit dem homo patiens als dem Anderen muss im Lichte dieser sozialen Praxis hermeneutisch erschlossen werden. Diskurse über die Entwicklung der demenzfreundlichen Kommune in wiederum größeren Diskurszusammenhängen über De-Institutionalisierung und Ent-Hospitalisierung sowie (umgekehrt) der „Ambulantisierung“ verweisen darauf, wie sehr die Möglichkeit zum personalen Sein von dem Humanismusgrad289 der „Institutionen“ abhängt, in denen die Menschen kulturell eingebettet sind. 286 Hier sehe ich eine Entsprechung zu der Art, wie Schadewaldt über den Daimon im Menschen nachdenkt. Schadewaldt, W. (1990): Die Anfänge der Geschichtsschreibung bei den Griechen. 3. Aufl. Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 122, 203 ff., 274. Ähnliche, z. T. noch treffsichere Formulierungen an verschiedenen Stellen in Schadewaldt, W. (1979): Die Anfänge der Philosophie bei den Griechen. Frankfurt am Main: Suhrkamp, etwa S. 11, 88 f., 197. Schadewaldt spricht auch an verschiedenen Stellen vom Habitus (hexis-Bildung: etwa S. 167 f., S. 172, abgegrenzt von der techne: S. 171; vgl. auch Grassi, E. [1957]: Kunst und Mythos. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, S. 58). In diesem Sinne sei Freiheit nie absolut (S. 35), sondern nur eine „rechte Art von Gebundenheit“. 287 Hanses, A./Sander, K. (Hrsg.) (2012): Interaktionsordnungen. Gesundheit als sozialer Code. Wiesbaden: Springer VS. 288 Ordnungen z. B. im Medizin-Pflege-Komplex, also professionelle Hierarchien und dort eingelassene (berufsspezifische) Geschlechterdualismen, Epiphanien des Heiligen und Rituale des Reinigens, heroische Überlistungen des Todes, Urteilsverkündungen, liturgische Kommunikationen, zeremonielle Abläufe, mysteriöse Sprachen und anderes mehr, das sind hier sowohl Wissensordnungen als auch Ordnungen der Praktiken. 289 Und unter Humanismus verstehe ich nicht jene Kultur der „jämmerlichen Schönfärberei der Griechen im Ideal, die der ,klassisch gebildete‘ Jüngling als Lohn für seine Gymnasial-Dressur ins Leben davonträgt“: Nietzsche, F. (2008): Götzen-Dämmerung. Köln: Anaconda, S. 105.

I. Kulturtheorie psychogrammatisch fundierter Interaktionsordnungen

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Unter Humanismusgrad verstehe ich den Ausprägungsgrad der Befähigungsqualität von Institutionen, dem Telos (im Tillich’schen Sinne290) des personalen Seins eine Chance auf Daseinsgestalt als Ausdrucksform der sozialen Praxis des gelingenden sozialen Miteinanders zu bieten. Und hier stellt sich schon auch heute (noch) die Frage, ob die historisch gegebenen Institutionengestalten 291 dieser Aufgabe nachkommen. Der Mensch erlebt sich in den Landschaften der Institutionen, in denen er eingebettet ist: „Diese Landschaft ist nicht in sich fertig, sondern entsteht aus der Begegnung des Einzelnen mit der umgebenden Wirklichkeit.“ 292 „Sie ist das, was er sieht und empfindet; Ursache seelischer Vorgänge in ihm, aber auch durch seine Erfahrungen bestimmt.“ 293 Institutionen sind epistemisch fundierte Ordnungen sozialer Interaktionen, in denen die impliziten „Drehbücher“ über die seelische Entwicklung der Menschen mitentscheiden. Diesen Blick hat uns Kafkas294 Mythopoetik der Institutionen295 (und der Erfahrungen des Anderen und der Fremde296) und der menschlichen Metamorphosen in ihnen paradigmatisch aufgezeigt. Eine solche existenzanthropologische Soziologie als Kulturwissenschaft ist – trotz aller einzelnen Bausteine, die vorliegen – noch Desiderat. Ebenso ein Desiderat der Forschung ist die dynamische Frage nach der Regie des sozialen Wandels der kommunalen Welten hin auf eine humane Institutionalität des Menschen in seinem möglichen Person-Sein als Sollensordnung. Eine kreative assimilative Übertragung des theaterwissenschaftlichen Forschungswissens zur Choreographie297 auf den sozialen Wandel hin zur Praxis offener Kommunalität (als kommunitäres Bündnis) als Gemeindeordnung auch für den homo patiens ist schließlich ebenfalls ein Desiderat. Choreografieren meint, rekurriere ich hier auf Analogien aus der Tanzanthropologie298, das Einstudieren von Bewegungen und Bewegungsabläufen. Damit wird Soziales kreiert 290

Glöckner, K. (2004): Personsein als Telos der Schöpfung. Berlin: LIT. Kainzbauer, St. (2011): Caritative Befähigungspraxis. Berlin: LIT. 292 Guardini, R. (1946): Form und Sinn der Landschaft in den Dichtungen Hölderlins. Tübingen/Stuttgart: RWV, S. 12. 293 Guardini, R. (1946): Form und Sinn der Landschaft in den Dichtungen Hölderlins. Tübingen/Stuttgart: RWV, S. 10. 294 Im Zusammenhang wichtig: Fleischmann, Y. M. (2009): War Kafka Existentialist? Marburg: Tectum. 295 Höcker, A./Simons, O. (Hrsg.) (2007): Kafkas Institutionen. Bielefeld: transcript. 296 Djoufack, P. (2005): Der Selbe und der Andere, Formen und Strategien der Erfahrung der Fremde bei Franz Kafka. Wiesbaden: DUV. 297 Hardt, Y./Stern, M. (Hrsg.) (2011): Choreographie und Institution. Bielefeld: transcript sowie Alkemeyer, Th. u. a. (Hrsg.) (2009): Ordnung in Bewegung. Choreographien des Sozialen. Bielefeld: transcript. 298 Brandstetter, G./Wulf, Chr. (Hrsg.) (2007): Tanz als Anthropologie. München: Fink sowie Klepacki, L./Liebau, E. (Hrsg.) (2008): Tanzwelten. Zur Anthropologie des Tanzes. Münster u. a.: Waxmann. 291

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A. Grundlegungen

im Raumkontext. Der Raum selbst wird zum Medium des Sozialen.299 Dabei kann Verschiedenes ineinandergreifend choreografiert werden, so die Bewegungen leiblicher Körper mit Musik300 und Sprechakten. Und so entsteht eine Ordnung über das Kakophone hinaus. Ich werde vor dem Hintergrund dieses Prozessverständnisses die Möglichkeit der pathosophilen301 Kommunalität, in der der leidende Mensch302 inmitten sozialer Beziehungen303 Person-seiend werdend steht, diskutieren. Kommunalität und Personalität sind in diesem Sinne ineinander gefaltete Prozesse. Die Mechanismen der Möglichkeit dieser kulturellen Offenheit der Kommune sind (trotz diverser Praxisreflexionen304) noch nicht hinlänglich verstanden worden. Im Kontext der neueren „Commons“-Debatte305, bei der es primär um die Bereitstellung und Pflege öffentlicher Güter geht, kommt die Rolle der handelnden Gemeinschaften als Prozessgeschehen wieder zur Geltung.306 Doch wird es notwendig, anthropologisch fundiert, auf der Grundlage einer habitushermeneutischen Theorie der Skript-gesteuerten kulturellen Grammatik der Peformativitäten des Sozialen (quasi in einem neo-cassirerischen Sinne307) überhaupt erst die Frage der Bildung von Gemeinschaften hinreichend zu klären.

299 Dazu überaus klärend Delitz, H. (2010): Gebaute Gesellschaft. Architektur als Medium des Sozialen. Frankfurt am Main/New York: Campus. 300 Ich kann mich an dieser Stelle aber nicht in die Musikanthropologie vertiefen. Vgl. dazu aber Dobberstein, M. (2000): Musik und Mensch. Grundlegung einer Anthropologie der Musik. Berlin: Reimer. 301 Weizsäcker, V. von (2005): Pathosophie. Frankfurt am Main: Suhrkamp. 302 Der Begriff des homo patiens wird oftmals in der Medizingeschichte benutzt, aber auch in anthropologischen Überlegungen, so vor allem bekanntlich auch bei Frankl, V. (2005): Der leidende Mensch. Anthropologische Grundlagen der Psychotherapie. 3. Aufl. Bern: Huber. 303 Vgl. auch Emondts, St. (1993): Menschwerden in Beziehung. Eine religionsphilosophische Untersuchung der medizinischen Anthropologie Viktor von Weizsäckers. Stuttgart-Bad Cannstadt: frommann-holzboog. 304 Baldas, E. (Hrsg.) (2010): Community Organizing. Menschen gestalten ihren Sozialraum. Freiburg i. Br.: Lambertus. 305 Greiff, M. (2011): Social Approval as an Incentive. The Voluntary Provision of Public Goods in Social Production Communities. Frankfurt am Main: Lang; Rustagi, D./Engel, S./Kosfeld, M. (2010): Conditional Cooperation and Costly Monitoring Explain Success in Forest Commons Management. In: Science 330 (60006), S. 961–965. Vgl. ferner Helfrich, S./Heinrich-Böll-Stiftung (Hrsg.) (2012): Commons. Für eine neue Politik jenseits von Markt und Staat. Bielefeld: transcript. 306 Klassisch dazu Ostrom, E. (2011): Was mehr wird, wenn wir teilen. Vom gesellschaftlichen Wert der Gemeingüter. München: oekom. Dazu auch Schmale, I. (2009): Institutionelle Diversität ist wichtig – Zum Nobelpreis an Elinor Ostrom. In: Wirtschaftsdienst 89 (11), S. 765–769; Schmale, I. (2010): Markt, Hierarchie und die dazwischen liegende Vielfalt: Hybride Organisationen und Selbstverwaltungen von Allmenderessourcen regen zu innovativen Kooperationen an. In: Zeitschrift für öffentliche und gemeinwirtschaftliche Unternehmen 33 (1), S. 54–62.

II. Die Gemeinde als Rechts- und Hilfegenossenschaft

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Ich gehe hierbei davon aus, dass die bisherige Perspektive308 rationaler Akteurstheorien in den ökonomischen und soziologischen Theorien der Kooperation und des kollektiven Handelns nicht negiert, aber überwunden werden muss.309 Die experimentelle Wende in der Spielforschung hat zwar die Mikroökonomik und die Rational Choice-Theorie durch Rezeption der kognitiven Psychologie angereichert310, hat aber (von einzelnen [aber auch eben nicht treffsicheren311] Beiträgen abgesehen) relevante andere Bereiche der Entwicklungspsychologie und der Pädagogischen Psychologie und viele Bereiche der Sozialpsychologie312 weitgehend ausgeklammert. Es fehlt dieser Forschung die sozialisationsbiographische Fundierung.313

II. Die Gemeinde als Rechts- und Hilfegenossenschaft Alt ist die Forschung um die Genossenschaftlichkeit des gemeindlichen Zusammenlebens der Menschen. Überholt, wie auch Otto314 nochmals paraphrasieren kann, sind die Max Weber’schen (1864–1920) Studien zur Eidgenossenschaft im vor-exilischen, vor-staatlichen alten Israel. Ich will diese ganze Debatte als Problem der alttestamentlichen Forschungsgeschichte, früh schon durch die datie307 Büttner, U./Gehring, M./Gotterbarm, M./Herzog, L./Hoch, M. (Hrsg.) (2011): Potenziale der symbolischen Formen. Eine interdisziplinäre Einführung in Ernst Cassirers Denken. Würzburg: Königshausen & Neumann. 308 Vgl. auch Bicchieri, C. (2006): The Grammar of Society. The Nature and Dynamics of Social Norms. Cambridge et al.: Cambridge University Press. 309 Dietz, A. (2005): Der homo oeconomicus. Theologische und wirtschaftsethische Perspektiven auf ein ökonomisches Modell. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus; Rolle, R. (2005): Homo oeconomicus. Wirtschaftsanthropologie in philosophischer Perspektive. Würzburg: Königshausen & Neumann. Ferner Klein, R. A. (2010): Sozialität als Conditio Humana. Eine interdisziplinäre Untersuchung zur Sozialanthropologie in der experimentellen Ökonomik, Sozialphilosophie und Theologie. Göttingen: Edition Ruprecht. 310 Vgl. dazu Tanner, J. (2004): „Kultur“ in den Wirtschaftswissenschaften und kulturwissenschaftliche Interpretationen ökonomischen Handelns. In: Jaeger, F./Rüsen J. (Hrsg.): Handbuch der Kulturwissenschaften. Bd. 3. Stuttgart/Weimar: Metzler, S. 195– 224. 311 Vgl. etwa Sutter, M. (2007): Outcomes versus intentions: On the nature of fair behavior and its development with age. In: Journal of Economic Psychology 28, S. 69– 78 sowie Martinsson, P./Nordblom, K./Rützler, D./Sutter, M. (2011): Social preferences during childhood and the role of gender and age – An experiment in Austria and Sweden. In: Economic Letters 111, S. 248–251. Auf das kalendarische Alter als Variable abzustellen, ist keine entwicklungspsychologische Analyse. 312 Fetchenhauer, D. (2011): Psychologie. München: Vahlen. 313 Vgl. auch Klein, R. A. (2010): Sozialität als Conditio Humana. Eine interdisziplinäre Untersuchung zur Sozialanthropologie in der experimentellen Ökonomik, Sozialphilosophie und Theologie. Göttingen: Edition Ruprecht. 314 Otto, E. (2011): Max Webers Studien des Antiken Judentums. Studienausgabe. Tübingen: Mohr Siebeck, S. 276 ff.

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A. Grundlegungen

rungsgeschichtlichen Revisionen durch Julius Wellhausen (1844–1918)315 ermöglicht, hier nicht aufrollen. Sicherlich ist es ethnologisch nicht falsch, in der vor-staatlichen Zeit nachbarschaftliche Formen der moralischen Ökonomie der gegenseitigen Hilfe genossenschaftsartig anzunehmen. Aber Max Webers Sicht auf die antike Stadtherrschaft als Forschungsschema für das antike Israel316 bewährt sich als relevantes Schema eher für die nach-exilische Zeit, vor allem, wenn die Ähnlichkeiten, aber auch Differenzen zur polis gesucht werden. Strittig ist jedoch die These von der Tempelgemeinde in nach-exilischer Zeit. Aber auch das soll hier nicht das Thema sein. Entscheidend ist, dass man die vor-staatliche Zeit kaum, also entgegen Martin Noth (1902–1968)317, dieser an Albrecht Alt (1883–1956)318 anknüpfend, eindeutig nicht als Eidgenossenschaft auf der Basis tribaler Segmentarität im Zusammenhang mit einer (datierungsgeschichtlich mehr als strittigen) frühen Bundesreligion verstehen kann. Eine nachbarschaftliche „Karität“ ist damit jedoch nicht ausgeschlossen. Im Gegenteil. Dies ist bekannt aus einer synchronisch wie diachronisch breiten Forschung über eine „moral economy“ (u. a. in „peasant societies“ oder in proletarischen Sozialmilieus urbaner Quartiere). Und somit sind in einem solchen siedlungsdörflichen Kontext also die für mich hoch relevanten hilfe-, aber auch rechtsgenossenschaftlichen Entwicklungen mehr als plausibel. Mit den siedlungsarchäologischen Forschungen319 sind Varianten der israelitischen Eroberung Kanaans (LandnahmeTheorem) überholt. Es handelte sich um kulturendogene sozialevolutionäre Prozesse, insofern um autochthone (von durchgängiger Prozesshaftigkeit geprägte) Ethnometamorphosen, die vor allem von sozial marginalisierten Gruppen im Kontext großräumiger sozio-ökonomischer, sozio-politischer und wohl auch ökologischer Umbrüche getragen worden sind. (Zentrale) Stadtentwicklung und (periphere) bäuerliche (Semi-)Sesshaftigkeit und (Semi-)Nomadentum sowie Hirtendasein bilden dabei komplexe dynamische Wechselwirkungszusammenhänge. Die amphiktyonische Eidgenossenschaft des alten Israels haben Noth und Alt an analogen Phänomenen in Griechenland und im etruskischen Italien festgemacht. Das

315 Wellhausen, J. (2001): Prolegomena zur Geschichte Israels. 6. Ausgabe 1927. Berlin/New York: De Gruyter. 316 Dazu auch Kippenberg, H. G. (1991): Die vorderasiatischen Erlösungsreligionen in ihrem Zusammenhang mit der antiken Stadtherrschaft. Frankfurt am Main: Suhrkamp. 317 Noth, M. (1966): Das System der Zwölf Stämme Israels. Darmstadt: WBG. 318 Alt, A. (1970): Grundfragen der Geschichte des Volkes Israel. München: Beck; Alt, A. (1979): Zur Geschichte des Volkes Israel. 2., unveränd. Aufl. München: Beck. Forschungsgeschichtlich vgl. auch Bächli, O. (1977): Amphiktyonie im Alten Testament. Basel: Reinhardt. 319 Zwingenberger, U. (2001): Dorfkultur der frühen Eisenzeit in Mittelpalästina. Freiburg: UniversitätsVerlag Freiburg Schweiz-Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht. Dort werden auch die gesamten Großtheorien dargelegt, u. a. die von Alt, Albright, Gottwald, Callawy, Mazar und Ofer, Lemche, Coote und Whitelam, Finkelstein.

II. Die Gemeinde als Rechts- und Hilfegenossenschaft

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Thema der Amphiktyonie in Griechenland ist auch ein bleibendes Thema in der modernen Forschung. Und mit Blick auf die etruskische Geschichte wird auch hier das Phänomen nicht bezweifelt. Ich führe hier die kritische Forschungsliteratur nicht ausführlich an. Die Übertragung auf das alte Israel ist jedoch gescheitert. Doch mit dem historischen Beispiel ist die Grundproblematik nicht eskamotiert. Es geht um die Kommunalität, um die Genossenschaftsartigkeit der Gemeinde. Es geht hier und heute, lösen wir uns von der geschilderten exemplarischen Forschungsgeschichte ab, ich werde später diese Formulierung nochmals verwenden, sodann um den Gast, der bleibt. Aus der Gemeinde wird eine offene Rechtsgenossenschaft, die in ihrer moralökonomischen Materialität eben auch eine Hilfegenossenschaft ist, eine (kultgenossenschafts320- und gildengeschichtlich 321, 320 Öhler, M. (2005): Die Jerusalemer Urgemeinde im Spiegel des antiken Vereinswesens. New Testament Studies, S. 393–415. Eine Reihe von speziellen Dissertationen könnten aufgezählt werden. Neben der vielfach angeführten Studie von Schmeller (Schmeller, Th. [1995]: Hierarchie und Egalität. Eine sozialgeschichtliche Untersuchung paulinischer Gemeinden und griechisch-römischer Vereine. Stuttgart: Katholisches Bibelwerk) sei vor allem verwiesen auf: Klinghardt, M. (1996): Gemeinschaftsmahl und Mahlgemeinschaft. Soziologie und Liturgie frühchristlicher Mahlfeiern. Tübingen/Basel: Francke. 321 Die hierzu bahnbrechenden Arbeiten von Oexle, Dilcher, Blickle u. a. möchte ich hier nicht nochmals anführen, ebenso auch nicht die Klassiker zur Antike (Poland, Ziebarth) oder zum Frühchristentum (Heinrici). Vgl. dazu in Schulz-Nieswandt, F. (2000): Gilden als „totales soziales Phänomen“ im europäischen Mittelalter. Weiden/Regensburg: eurotrans-Verlag. Zur römischen Kaiserzeit in Kleinasien vgl. auch Pleket, H. W. (2008): Berufsvereine im kaiserzeitlichen Kleinasien: Geselligkeit oder Zünfte. In: Mauritsch, P. u. a. (Hrsg.): Antike Lebenswelten. Konstanz – Wandel – Wirkungsmacht. Wiesbaden: Harrassowitz, S. 533–544. Z. T. liegt jedoch der Befund vor, wonach sich damals die Berufsgruppen (definiert als institutionell gebundenes Handwerk, zum Teil aber auch in freier Kooperation stehend) auch als Wohnquartiere in den Grundrissen der altorientalischen Stadt erkennbar machen. Vgl. in Jursa, M. (2004): Die Babylonier. München: Beck, S. 46 ff.; Hrouda, B. (1997): Mesopotamien. München: Beck, S. 61 ff. sowie in Edzard, D. O. (2004): Geschichte Mesopotamiens. München: Beck, S. 126 ff. Insgesamt ist und bleibt die Forschungslage zum vorchristlichen Altertum problematisch, vor allem dann, wenn die Breite der Forschungsbemühungen Beachtung findet: die lange ägyptische Geschichte ebenso wie die von Mesopotamien und, dazwischen, die des kleinen alten Israel. Stadtmorphologisch fördert die Tatsache, dass Berufsgruppen, wie soeben schon angedeutet, konzentriert in eigenen Stadtteilen angesiedelt waren, die Möglichkeit eines berufsständischen Ethos, der zur Gesellungsverbandsbildung leiten mag. Doch mag strukturell dazu eher die Frage der relativen Autonomie der Berufe relevant gewesen sein. Sind die Berufe funktionell und institutionell eingebunden in die zentralisierten Palast- und Tempelwirtschaften (also Teil eines staatlichen Monopols wie in der Zeit der III. Dynastie von Ur), so werden sich Gilden kaum gebildet haben können. Derartige Gebilde sind jedoch wohl für den späteren syrischpalästinischen Kulturraum konstatierbar. Für spätere Zeitpunkte gibt es auch Hinweise bei Marek zur Geschichte des kleinasiatischen Raumes. Vgl. dazu Marek, Chr. (2010): Geschichte Kleinasiens in der Antike. München: Beck, S. 507 mit Verweisen.

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A. Grundlegungen

grundsätzlich in einem Gierke’schen Sinne322 formuliert323) „Bruder- oder Schwesternschaft“ darstellt, auch ohne offizielle ritualisierte Eid- und Schwursymbolik324.325 Hier gelange ich zu einer der tiefsten Defizitdiagnosen der Moderne: dem Bedeutungsverlust (öffentlicher) symbolischer Initiationskulturen, die an Riten, Ritualen und zeremonialen Prozessordnungen hängen.326 Ein Ritus ist eine geplante, dramatische Szene von sozialen Aktivitäten bzw. ein Kulturausdruck zur Verfestigung eines (memotechnisch, also rhythmisch erinnerten) Ereignisses. Definiert sei demnach ein Ritus als Ordnung zur Durchführung zeremonieller und besonders liturgischer327 Handlungen. Im trans-religiösen Sinne stellen Riten auch Praxisformen im Zusammenhang mit individuellen oder gruppenbezogenen Bräuchen oder Gewohnheiten dar. Riten dienen der individuellen Orientierung ebenso wie der Gruppenintegration. Rituale sind eine standardisierte, detaillierte Szene von Techniken und Verhaltensweisen. Sie sind Teile von Riten als Gesamtordnungsgeschehen von ritualisierten Ablaufhandlungen zeremonieller Art. Es handelt sich um konkrete Handlungen, die formell, feierlich, eben zeremoniell sind, mit hohem Symbolgehalt ausgestattet. Rituale sind im Kontext der Wechselwirkung von Individuen und Gruppen mit ihrer relevanten Umwelt als Kommunikationsprozesse zu begreifen. So können Krisen in routinierte Abläufe transformiert werden. Rituale verknüpfen sich oftmals mit zeitlichen Rhythmisierungen des sozialen Lebens. Anthropologisch verweist die Ri322 Peters, M. (2001): Die Genossenschaftstheorie Otto v. Gierkes (1841–1921). Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht. Vgl. auch Vierkandt, A. (1959): Die Genossenschaftliche Gesellschaftsform der Naturvölker. In: Vierkandt, A. (Hrsg.): Handwörterbuch der Soziologie. Stuttgart: Enke, S. 191–201. Die Unterscheidung von Herrschaft und Genossenschaft findet sich auch bei Franz Oppenheimer: vgl. auch in Kruck, W. (1997): Franz Oppenheimer – Vordenker der Sozialen Marktwirtschaft und Selbsthilfegesellschaft. Berlin: BWV. Ich verzichte hier aus Raumgründen, auf Franz Oppenheimers Werk im Original einzugehen. Dies gilt auch für Otto von Gierke und auch für den inneren Theoriezusammenhang zwischen Gierke und Oppenheimer. 323 Schulz-Nieswandt, F. (2003): Herrschaft und Genossenschaft. Berlin: Duncker & Humblot. 324 Agamben, G. (2010): Das Sakrament der Sprache. Eine Archäologie des Eides. Frankfurt am Main: Suhrkamp. 325 Wobei das Denken in Vertragsideen, hier altassyrischer Herkunft, auch die deuteronomische Bundestheologie geprägt hat. Dazu auch Koch, Chr. (2008): Vertrag, Treueid und Bund. Studien zur Rezeption des altorientalischen Vertragsrechts im Deuteronomium und zur Ausbildung der Bundestheologie im Alten Testament. Berlin/New York: de Gruyter. 326 Dazu auch Schulz-Nieswandt, F./Langenhorst, F. (2012): Minderjährige StudienanfängerInnen an der Hochschule – ein Problem? Eine Recherchestudie unter Berücksichtigung eines breiteren bildungspolitischen Diskursrahmens. Baden-Baden: Nomos. 327 Dazu auch Messner, R. (2009): Einführung in die Liturgiewissenschaft. 2., überarb. Aufl. Paderborn: Schöningh (UTB) sowie Mildenberger, I./Raschzok, K./Ratzmann, W. (Hrsg.) (2010): Gottesdienst und Dramaturgie. Liturgiewissenschaft und Theaterwissenschaft im Gespräch. Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt.

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tualität der Kultur auf die Seinsverfassung des Menschen angesichts von Kontingenz, Endlichkeit etc. „Denn ist der ,Ort‘ des Menschen ein für allemal umgrenzt durch den Horizont der Sterblichkeit, so ist es einzig die eingehaltene Distanz vom Göttlichen, die ihn dem Göttlichen auch wieder nähert.“ 328 Darauf verweist deutlich auch Nillson329. Mir geht es jedoch nicht um eine Restauration traditionaler Vergemeinschaftungsformen330. Aber das neue Gemeindeleben der Inklusionsgemeinschaft soll eben als Form eines stärker gemeinschaftlich akzentuierten inter-personellen Lebens verstanden werden, so dass die Genossenschaftlichkeit des polis-Gedankens auch unter modernen Bedingungen personaler Authentizität angedacht wird. Die „mentalitätsgeschichtliche“ 331 Genealogie332, die bereits auf die homerische333 Kontroverse verweist334, führt mich hierbei auf das frühe Christentum: 328 Schadewaldt, W. (1975): Der Gott von Delphi und die Humanitätsidee. Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 35. 329 „Dies ist die alte Lehre: erkenne dich selbst? Wisse, daß du nur ein Mensch bist, daß eine unübersteigbare Kluft zwischen Göttern und Menschen besteht.“ (Nilsson, M. P. [1950]: Griechischer Glauben. Bern: Francke, S. 66 und: „Zwischen Göttern und Menschen ist eine scharfe Grenze gezogen; es ist hybris, Übermut, sie überschreiten zu wollen“ (S. 27; kursiv auch im Original). 330 Gertenbach, L./Laux, H./Rosa, H./Strecker, D. (2010): Theorien der Gemeinschaft zur Einführung. Hamburg: Junius; Merz-Benz, P.-U. (1995): Tiefsinn und Scharfsinn. Ferdinand Tönnies begriffliche Konstitution der Sozialwelt. Frankfurt am Main: Suhrkamp. 331 Der Begriff der Mentalität ist umstritten, hat aber eine relevante wissenssoziologische Tradition und ist fruchtbar geworden in Forschungskontexten der historischen Anthropologie und der (vor allem französischen) Strukturgeschichte der „langen Dauer“. Definiert sei hier von mir die Kategorie der Mentalität als noetische Organisation des Leibes der intra-personalen Organisation von Seele und Körper, verdichtet als Habitus sozialcharakterlicher Umweltbezogenheit. 332 Wobei Kittsteiner mit Blick auf die Instanz des Gewissens die Antike und das vorchristliche Altertum nur knapp aufgreift. Vgl. Kittsteiner, H. D. (1995): Die Entstehung des modernen Gewissens. Frankfurt am Main: Suhrkamp. 333 Vgl. dazu auch Szlezák, Th. A. (2012): Homer oder die Geburt der abendländischen Dichtung. München: Beck, S. 129 ff. 334 Hier zeichnet sich, worauf auch Schadewaldt (dazu in Schadewaldt, W. [1990]: Die Anfänge der Geschichtsschreibung bei den Griechen. 3. Aufl. Frankfurt am Main: Suhrkamp; vgl. auch in Schadewaldt, W. [1979]: Die Anfänge der Philosophie bei den Griechen. Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 168, 312) hinweist, die Frage nach der Entstehung der strukturalen Entsprechungsverhältnisse von Welt : Ich = Objekt : Subjekt ab. In der alttestamentlichen Tradition des Tun-Ergehen-Zusammenhangs wie auch, analog, im homerischen Epos zeichnen sich erste entscheidende Schritte in der Überwindung der Schwelle hin zum erwachenden Ich (Schmitt, A. [1990]: Selbständigkeit und Abhängigkeit menschlichen Handelns bei Homer. Stuttgart: Steiner; Snell, B. [1993]: Die Entdeckung des Geistes. Studien zur Entstehung des europäischen Geistes bei den Griechen. 7. Aufl. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht; Nestle, W. [1975]: Vom Mythos zum Logos. Die Selbstentfaltung des griechischen Denkens von Homer bis auf die Sophistik und Sokrates. [1940]. 2. Aufl. Stuttgart: Kroener; Williams, B.

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A. Grundlegungen

„Ethik und Sorge um den anderen sind im Christentum integraler Bestandteil des religiösen Empfindens.“ 335 Dennoch will ich, ohne die Forschungslage hier auszubreiten, in Erinnerung rufen, dass die Wurzeln einer solchen auf soziale Gerechtigkeit abstellenden336 personalen Ethik bereits alttestamentlich kontextualisiert337 ist im (sozialpsychologisch verstehbaren) kollektiven deuteronomischen338 Identitätskonstruktivismus339, in der es in Abkehr zum gemeinorienta-

[1993]: Shame and necessity. Berkeley/Los Angeles: University of California Press; Wahl, K. [1989]: Die Modernisierungsfalle. Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 30 ff.; hier sind einzuordnen auch Überlegungen zur Transformation der Logik der Zeit: vgl. dazu Dux, G. [1992]: Die Zeit in der Geschichte. Ihre Entwicklungslogik vom Mythos zur Weltzeit. Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 161 ff.) und somit zur Idee der menschlichen Verantwortung in und angesichts der Geschichtlichkeit (Grethlein, J. [2006]: Das Geschichtsbild der Ilias. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht; Assmann, J./Müller, K. E. [Hrsg.] [2005]: Der Ursprung der Geschichte. Archaische Kulturen, das Alte Ägypten und das Frühe Griechenland. Stuttgart: Klett-Cotta) seiner Existenz ab: Schicksal : Tun = Zwang : Freiheit = Geschichte : Verantwortung. Dazu auch in Schadewaldt, W. (1990): Die Anfänge der Geschichtsschreibung bei den Griechen. 3. Aufl. Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 76 f., wo er auch auf China eingeht. Umstritten ist die Verankerung einer modernen Idee der Seele und der daran geknüpften Idee der Unsterblichkeit der Seele nach dem Tode im Werk von Homer bei Erwin Rohde (1845–1898). Vgl. Rohde, E. (1910): Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. 5. und 6. Aufl. Tübingen: Mohr. Darauf hatte bereits Walter F. Otto ablehnend reagiert. Vgl. Otto, W. F. (1976): Die Manen oder von den Urformen des Totenglaubens. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft. Davon unberührt sind die Aspekte innerhalb etwa der orphischen Bewegungen im Rahmen der antiken Mysterienkulte. Dazu in Bremmer, J. N. (1996): Götter, Mythen und Heiligtümer im Antiken Griechenland. Darmstadt: Primus, S. 97 ff.; Kloft, H. (1999): Mysterienkulte der Antike. München: Beck. Vgl. ferner Welt und Umwelt der Bibel (2002): Isis, Zeus und Christus. 7 (3) Nr. 25. Grundlegend auch Burkert, W. (2003): Antike Mysterien. 4. Aufl. München: Beck. Und an Orpheus mag manches im christologischen Kontext erinnern: Otto, W. F. (1971): Die Musen und der göttliche Ursprung des Singens und Sagens. Darmstadt: WBG, S. 46. Den Forschungsstand sichtend aber auch Jáuregui, H. de (2010): Orphism and Christianity in Late Antiquity. Berlin/New York: de Gruyter. Vgl. auch Obryk, M. (2012): Unsterblichkeitsglaube in den griechischen Versinschriften. Berlin/New York: de Gruyter. Und so manche altägyptische Mythos-Variante um Osiris lässt sich noch heute aktualisieren: Schilm, P. (1999): Der Osiris-Mythos als Medium von Lebensführung und Lebensdeutung. Hamburg: Kovac. 335 Stroumsa, G. G. (2012): Das Ende des Opferkults. Die religiösen Mutationen der Spätantike. Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 45. 336 Moenikes, A. (2007): Der sozial-egalitäre Impetus der Bibel Jesu und das Liebesgebot als Quintessenz der Tora. Würzburg: Echter. Dabei gehe ich auf methodische Probleme in der Redaktions- bzw. Textwachstumsgeschichte nicht ein. Dazu auch Erhard Gerstenberger (vgl. auch Gerstenberger, E. S. [2001]: Theologien im Alten Testament. Stuttgart: Kohlhammer) in Welt und Umwelt der Bibel (2011): Unter der Herrschaft der Perser. Israel erfindet sich. 16 (3) Nr. 61, S. 13. Ferner dazu Welt und Umwelt der Bibel (2003): Wer hat die Bibel geschrieben? 8 (2) Nr. 28. Vgl. auch Welt und Umwelt der Bibel (2008): Die Anfänge Israels. 13 (3) Nr. 49. 337 Kessler, R. (2006): Sozialgeschichte des alten Israel. Darmstadt: WBG. 338 Otto, E. (2007): Das Gesetz des Mose. Darmstadt: WBG, S. 119 ff. 339 Otto, E. (2006): Mose. München: Beck, S. 42 ff.

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lischen Typus des sakralen Königtums zur Königsprädikation Gottes340 kam.341 Hier wurzeln das universale (auch schon homerische342, aber ebenso im Alten Testament verankerte343, dort aber eben nicht Ambivalenz-freie344, sondern auch schon auf die Philister345 zielende identitätsstiftende stereotypisierende Abgrenzung gegenüber Kanaan346 [als Feindbild] basierende347) Fremdensozialrecht348, die Transformation des Gruppen-Ethos zur personenzentrierten Ethik im sittlichen Institutionengefüge der Gemeindeordnung. Hier349 wurzelt, und das macht überaus dramatisch die innere Dialektik bereits der Hochkulturen aus, allerdings auch die Inklusions-Exklusions-Problematik eines wahrheitsmonopolistischen Monotheismus350 wie im Fall der exilisch-nach-exilischen Selbstkonzeptionali340 Speziell dazu Jeremias, J. (1987): Das Königtum Gottes in den Psalmen. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht. Dazu meine Darstellung in Schulz-Nieswandt, F. (2002): Zur Genossenschaftlichkeit der Gesetzlichen Krankenversicherung. Weiden/Regensburg: eurotrans-Verlag, S. 87 ff. Vgl. auch Schreiber, St. (2000): Gesalbter und König. Titel und Konzeptionen der königlichen Gesalbtenerwartung in frühjüdischen und urchristlichen Schriften. Berlin/New York: de Gruyter. 341 Vgl. auch Loretz, O. (1988): Ugarit-Texte und Thronbesteigungspsalmen. Münster: Ugarit, S. 19 ff. 342 „Fremdling, es schickt sich mir nicht, auch wenn ein Elenderer käme als du, einen Fremden nicht zu ehren: von Zeus sind alle Fremden und Bettler. Gering ist die Gabe und gerngegeben, bei unsereins.“ (Homer: Die Odyssee, 14, 56 ff.). 343 Schreiner, J./Kampling, R. (2000): Der Nächste – der Fremde – der Feind. Perspektiven des Alten und Neuen Testaments. Würzburg: Echter. Das Thema hat eine gewisse Forschungskontinuität, etwa von Bultmann, Chr. (1992): Der Fremde im antiken Juda. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht bis zu Zehnder, M. (2005): Umgang mit Fremden in Israel und Assyrien. Stuttgart: Kohlhammer. 344 Steins, G. (1994): „Fremde sind wir . . .“. Zur Wahrnehmung des Fremdseins und zur Sorge für die Fremden in alttestamentlicher Perspektive. In: Jahrbuch für Christliche Sozialwissenschaft 35, S. 133–150. 345 Dothan, T./Dothan, M. (1995): Die Philister. München: Diederichs. 346 Dazu auch Staubli, Th. (2011): Antikanaanismus. Ein biblisches Reinheitskonzept mit globalen Folgen. In: Burschel, P./Marx, Chr. (Hrsg.) (2011): Reinheit. Köln u. a.: Böhlau, S. 349–397. 347 Vgl. auch Knauf, E. A. (2001): Mythos Kanaan. In: Welt und Umwelt der Bibel: Liebe und Eros zur Zeit der Bibel. 6 (3) Nr. 21, S. 41–47. 348 Ich will hier auf die grundlegenden Arbeiten etwa von Frank Crüsemann oder Eckart Otto nicht eingehen. Ich habe sie an anderer Stelle vielfach aufgegriffen. Vgl. jedoch Otto, E. (2002): Gottes Recht als Menschenrecht. Rechts- und literaturhistorische Studien zum Deuteronomium. Wiesbaden: Harrassowitz sowie Crüsemann, F. (2003): Maßstab: Tora. Israels Weisung für christliche Ethik. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus. Grundlegend ist Crüsemann, F. (2005): Die Tora. Theologie und Sozialgeschichte des alttestamentlichen Gesetzes. 3. Aufl. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus. 349 Armstrong, K. (2006): Die Achsenzeit. Vom Ursprung der Weltreligionen. München: Siedler. 350 Zentral ist hier Assmann, J. (2006): Monotheismus und die Sprache der Gewalt. Wien: Picus. Dazu auch Otto, E. (2006): Mose. München: Beck, S. 101 ff. Vgl. aus der Fülle der kontroversen Literatur nur Mell, U. (Hrsg.) (2011): Der eine Gott und die Geschichte der Völker. Neukirchen-Vluyn: Neukirchener. Vgl. auch Assmann, J. (2010): Einleitung: Politische Theologie und die monotheistische Wende. In: Assmann, J./

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A. Grundlegungen

sierung Israels als JAHWE-Gemeinschaft351, so dass sich eine neuere Philosophie dem „Lob des Polytheismus“ widmete. (Ich werde darauf eingehen, wie dieser Kritik des Christentums Walter F. Otto nachkam.352) Diese abschweifend wirkenden Passagen, die mich bis in die Homer-Forschung und die Psyche-Abhandlung von Erwin Rohde (1845–1898)353 sowie in der Deuteronomiumsforschung354 führen, gehören zur Sache. Denn der eigentliche Bezugspunkt der Angstsyndrome ist der Tod355. Die Krankheit (oder die anderen Phänomene des homo patiens), die, dämonisch (wie später auch bei den Christen356 der Spätantike357 von E. R. Dodds [1893–1979]358 dargelegt) transportiert, die Angst produziert, ist ja nur (dynamistisch gesehen) die Passage zum Tod. Der Tod359 ist der eigentliche Feind in dieser Problematik, wie dies auch Strohm, H. (Hrsg.): Herrscherkult und Heilserwartung. München: Fink, S. 11–17. Dazu auch Thonhauser, J. (2008): Das Unbehagen am Monotheismus. Der Glaube an den einen Gott als Ursprung religiöser Gewalt? Eine aktuelle Debatte um Jan Assmanns Thesen zur „Mosaischen Unterscheidung“. Marburg: Tectum. 351 Diesel, A. A. (2006): „Ich bin Jahwe“. Der Aufstieg der Ich-bin-Jahwe-Aussage zum Schlüsselwort des alttestamentlichen Monotheismus. Neukirchen-Vluyn: Neukirchener. 352 Zu den Konturen dieser Kritik vgl. auch in Frank, M. (1988): Gott im Exil. Vorlesungen über die neue Mythologie. Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 28 f. Und berühmt ist Nietzsches Ausspruch: „Erst das Christentum, mit seinem Ressentiment gegen das Leben auf dem Grunde, hat aus der Geschlechtlichkeit etwas Unreines gemacht: es warf Kot auf den Anfang, auf die Voraussetzungen unseres Lebens . . .“. Siehe Nietzsche, F. (2008): Götzen-Dämmerung. Köln: Anaconda, S. 109. 353 Crusius, O. (1902): Rohde. Ein biographischer Versuch. Tübingen: Mohr. Rohde hat frühere Phasen mit späteren, orphischen Phasen der Religionsgeschichte vermischt. Zum Orphischen vgl. auch Jaeger, W. (2009): Die Theologie der frühen griechischen Denker. Stuttgart: Kohlhammer, S. 69 ff., zur frühen Seelenlehre vgl. S. 88 ff. Zur diesbezüglichen Position S. 91. 354 Vgl. auch, für mich relevant: Hagedorn, A. C. (2004): Between Moses and Plato. Individual and Society in Deuteronomy and Ancient Greek Law. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht. 355 Der als der eigene Tod nie wird erfahrbar sein; und der als Tod der Anderen den eigenen Tod gegenwärtig macht und der dennoch eine normale Faktizität und ein ewiges Mysterium zugleich bleibt. Vgl. auch Jankélévitch, V. (2005): Der Tod. Frankfurt am Main: Suhrkamp. 356 Winkelmann, F. (1996): Geschichte des frühen Christentums. München: Beck sowie Markschies, Chr. (2006): Das antike Christentum. München: Beck. 357 Vgl. zum Kontext Bringmann, K. (2012): Römische Geschichte. 10., durchgeseh. Aufl. München: Beck im Übergang zu Brandt, H. (2001): Das Ende der Antike. München: Beck. 358 Vgl. Dodds, E. R. (1992): Heiden und Christen in einem Zeitalter der Angst. Frankfurt am Main: Suhrkamp. Dazu auch Fögen, M. Th. (1997): Die Enteignung der Wahrsager. Studien zum kaiserlichen Wissensmonopol in der Spätantike. Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 197 f. 359 Ich will mich hier jedoch nicht in die Thanatologie vertiefen. Orientierend: Wittwer, H. u. a. (Hrsg.) (2010): Sterben und Tod. Geschichte – Theorie – Ethik. Ein interdisziplinäres Handbuch. Stuttgart/Weimar: Metzler. Vgl. auch Gehring, P. (2011): Theorien des Todes zur Einführung. 2., verbess. Aufl. Hamburg: Junius.

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noch von der aktuellen Ethnologie so gesehen wird, etwa bei Streck360 in Rekurs auf die klassischen Beiträge etwa von Leo Frobenius (1873–1938)361 und E. W. Kramer (*1941)362. In der Bannung der dämonischen Kräfte der Umwelt dienen Masken363, und die Nutzung der Masken364 in rituellen Maskentänzen spielen eine zentrale Rolle. Und so sucht auch noch der moderne Mensch nach funktionellen Äquivalenten zur Maske, um sich zu schützen: Dazu gehören die Praktiken der Ausgrenzung. Die Angst vor der Epidemiologie des Todes produziert so Praktiken des „sozialen Todes“ 365 der Ausgegrenzten. Walter F. Otto hat darlegen können, wie die Menschen diese Verstümmelung der Theologie und Kirche des Christentums zu verdanken haben. Seine Abhandlung „Der Geist der Antike und die christliche Welt“ von 1923 ist eine fundamentale Kritik und entsprechend kontrovers aufgenommen worden.366 Ich will die Schrift hier auch nicht paraphrasieren. Glänzend formulierte Passagen müssten hierzu ausführlich zitiert werden. Es geht ihm um die Kritik des christlichen Nexus von Gehorsam, Selbsterniedrigung und Demütigung des Menschen. Und auch Werner Jaeger hält fest: „Der Begriff der auctoritas, der später für die Haltung der Kirche in Glaubensfragen so entscheidende Bedeutung erhalten sollte, fehlt dem griechischen Denken.“ 367 So praktizierte die christliche Anstaltskirche ihre organisierte Liebensarbeit im Formmodus der Autorität. Das ist das christliche Kulturerbe.

360 Streck, B. (1997): Fröhliche Wissenschaft Ethnologie. Eine Einführung. Wuppertal: Hammer, S. 165 ff. 361 Heinrichs, H.-J. (1998): Die fremde Welt, das bin ich. Leo Frobenius. Ethnologe, Forschungsreisender, Abenteurer. Wuppertal: Hammer. 362 Kramer, F. W. (1987): Der rote Fes. Über Besessenheit und Kunst in Afrika: Frankfurt am Main: Athäneum. 363 Dazu, ohne die ganze Fülle der neueren anthropologisch-kulturhermeneutischen Maskentheorien aufzugreifen, vgl. auch Krause, F. (1931): Maske und Ahnenfigur: Das Motiv der Hülle und das Prinzip der Form. In: Ethnologische Studien I, S. 344–364. 364 Grundsätzlich gilt natürlich: Otto, W. F. (1949): Das Vorbild der Griechen. Tübingen/Stuttgart: Leins, S. 14: „Jeder trägt eine Maske, jeder spielt eine Rolle.“ Und hier bin ich in der Soziologiegeschichte näher bei Georg Simmel und Helmuth Plessner sowie Erving Goffman als bei Ralf Dahrendorf, weil ich diese Anthropologie der Rolle nicht in historische Diskurse um Entfremdung und Sozialpathologie verstrickt sehen will. Vgl. auch Fischer, J. (2010): Die Rollendebatte – der Streit um den „Homo sociologicus“. In: Kneer, G./Moebius, St. (Hrsg.): Soziologische Kontroversen. Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 79–101. Siehe auch Plessner, H. (2010): Grenzen der Gemeinschaft. 3. Aufl. Frankfurt am Main: Suhrkamp. 365 Hasenfratz, H.-P. (1983): Zum sozialen Tod in archaischen Gesellschaften. In: Saeculum 34 (2), S. 126–137. 366 Otto, W. F. (1923): Der Geist der Antike und die christliche Welt. Bonn: Friedrich Cohen. 367 Jaeger, W. (2009): Die Theologie der frühen griechischen Denker. Stuttgart: Kohlhammer, S. 202 (kursiv auch im Original).

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A. Grundlegungen

Es ist mir selbstverständlich klar, dass es subtile, differenzierte theologische Entwürfe etwa zur Demut gibt, die sich hier nicht so leicht fügen. Dennoch wird die kritische Rezeption nicht umhin können, hier eine treffsichere Hinterfragung des Wesenskerns des Christentums erkennen zu können, wenngleich auch hier gilt, dass die Deutungsentwürfe zu eben diesem „Wesen des Christentums“ zahlreich und somit variantenreich sind. Ich verweise nur auf Gogartens Abhandlung.368 Otto, im engen Austausch mit der Kulturmorphologie von Leo Frobenius369, ist theoretisch nicht leicht einzuordnen, wie auch die kurze „Erinnerung und Rechenschaft“ von Kerényi zeigt.370 Otto wird irgendwie, aber nicht eindeutig zwischen Heideggers Daseinsanalyse, Existenzialismus und Tiefenpsychologie topographiert. Einerseits Tiefenpsychologie ablehnend und sich vom Existenzialismus abgrenzend, sind doch die Nähen offensichtlich. Denn die Art, wie Otto die Selbsterniedrigung des christlichen Menschen darlegt, erinnert überaus deutlich an eine psychoanalytische Diagnostik. Und die Betonung einer Existenz-bezogenen Sicht ist ebenso offensichtlich. Vor diesem Hintergrund würde ich auch meine Position als die einer quasignostischen Variante der Wahrheitsimmanenz nennen wollen.371 Wenn ich vom Prinzip der Hoffnung372 spreche, von der auch die Schwab’sche373 Version des Prometheus-Pandora-Mythos erzählt, sie sei nicht374 mit den Übeln zusammen, also quasi kompensatorisch, auf den Menschen gekommen, so geht es mir nicht um die Ausgleichszahlung zwischen Diesseits und Jenseits. Es geht um die Wahrheitsfähigkeit des konkreten Daseins in dieser Welt. Heiler375 schreibt daher, es gäbe verschiedene Formen der Reaktion auf das kulturell verarbeitungsbedürftige Phänomen des Todes: Vernichten und Verbannen oder Konservieren und Verehren. Der Tod vereinigt also beide Seiten des Menschen: das Gute wie das Böse, Hilfe und Schrecken zugleich. „Denn der

368 Gogarten, F. (1963): Was ist Christentum? 3. Aufl. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht. 369 Heinrichs, H.-J. (1998): Die fremde Welt, das bin ich. Leo Frobenius. Ethnologe, Forschungsreisender, Abenteurer. Wuppertal: Hammer. 370 Kerényi, K. (1963): Walter Friedrich Otto. Erinnerung und Rechenschaft. In: Otto, W. F.: Die Wirklichkeit der Götter. Von der Unzerstörbarkeit griechischer Weltsicht. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt. 371 Anhaltspunkte zum Verständnis einer solchen Position finden sich in Marramao, G. (1999): Die Säkularisierung der westlichen Welt. Frankfurt am Main/Leipzig: Insel. 372 Lutz, R. (2012): Der hoffende Mensch. Anthropologie und Ethik menschlicher Sinnsuche. Tübingen/Basel: A. Francke. 373 Schwab, G. (2001): Sagen des klassischen Altertums. Frankfurt am Main/Leipzig: Insel, S. 12. 374 Anders Bloch, E. (1959): Das Prinzip Hoffnung. 2 Bde. Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 388 f. 375 Heiler, F. (1984): Die Religionen der Menschheit. Stuttgart: Reclam, S. 57.

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Tote vereinigt nunmal in sich die Doppelpoligkeit des menschlichen Wesens, die auch zur Polarität des Heiligen wird: Güte und Bosheit.“ 376 Deshalb korreliert der Begegnung mit dem mana das tabu, der Faszination der Schrecken. Diese Idee der Korrelation geht u. a. auf die Arbeit von Robert R. Marett (1866–1943) zurück.377 Hier liegt das ganze Protoplasma der Religion als Gefühlswelt vor.378 Es kann auch eine weniger dramatische Variante dieses Theorems aufgestellt werden. Demnach wäre die Todesfurcht eine Zuspitzung eines Wissens um die Abhängigkeit von Dämonen, die über das Wachstum und Entwicklung des Menschen im Leben entscheiden. Das kann positiv ausfallen, aber auch bösartig negativ. Entscheidend ist das Wissen um die Abhängigkeit von diesen externen Kräften. Das entspricht der Religion der alten Griechen im homerischen Sinne. Diese Religion war Wirklichkeitsreligion379. Sie verurteilt nicht (ich paraphrasiere Walter F. Otto380) die Welt und den Menschen als nur abgründig, böse, ekelig, unrein, schuldig-sündig, verloren, und damit auf „herr“schaftliche Gnade „von oben“ demütig angewiesen. Sie ermöglicht dem Menschen in dieser Welt eine Existenz von (Otto nennt es altmodisch „männlichem“) Stolz und Ehre (und spricht von Rittertum und Helden), ermöglicht so ein positives Selbst-Bild des Menschen statt Selbst-Verachtung und Selbst-Verleugnung, Abkehr von der (wilden) Natur; sie ermöglicht so den Eros des Humanismus der tugendhaften Arbeit des Menschen an seiner Existenz, ohne die Verstrickungen, Abhängigkeiten und Relativitäten unkritisch zu übersehen. Scheitern ist hier durchaus ein Thema. Hier darf der Mensch tatsächlich unvollkommen lieben, ohne an dem Schuldbewusstsein dieser Unvollkommenheit leidend sich selbst zu zerstören. Damit, mit diesem Bezug zur Wirklichkeitsreligion, bewege ich mich mit in der Mythologie der Vegetationsdämonen381 (auch Vegetationsgötter382), wie sie auch heute noch

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Heiler, F. (1984): Die Religionen der Menschheit. Stuttgart: Reclam, S. 58. Marett, R. R. (1909): The Tabu-Mana Formula as a Minimum Definition of Religion. In: Archiv für Religionswissenschaft 12, S. 186–194. Studien von Durkheim und Hubert folgten hier bestätigend: vgl. auch in Petermann, W. (2004): Die Geschichte der Ethnologie. Wuppertal: Hammer, S. 447, 816. 378 Dazu unbedingt auch Leidhold, W. (2008): Gottes Gegenwart. Zur Logik der religiösen Erfahrung. Darmstadt: WBG. 379 Jaeger, W. (2009): Die Theologie der frühen griechischen Denker. Stuttgart: Kohlhammer, S. 197. 380 Otto hat m. E. seine ganze Gestaltlehre dicht dargelegt in Otto, W. F. (1956): Theophania. Der Geist der altgriechischen Religion. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt. 381 Klassisch natürlich Mannhardt, W. (1904–1905): Wald- und Feldkulte. 2. Aufl. 2 Bände. Berlin: Borntraeger. Wichtig sind zum Teil auch die Studien vom FrobeniusSchüler Adolf Ellegard Jensen (1899–1965). Dazu auch Fuchs, H. (1999): Die Religions- und Kulturtheorie Ad. E. Jensens und ihre geistesgeschichtlichen Wurzeln unter besonderer Berücksichtigung des Opferrituals. Aachen: Shaker. 377

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A. Grundlegungen

in der Ethnologie vertreten wird.383 Ich werde diese Diagnose noch in Ottos eigenen Worten zuspitzen. Dieses negative Bild vom Tod, der Tod als Feind und Herrscher, der auch alttestamentlich verbreitet ist384, ist einer der Bilder, die Assmann385 altägyptisch im Kontext des Osiris-Mythos herausgearbeitet hat.386 Der Tod als Kultur-Generator, wie ihn Assmann auffasst und in der Literatur eine gewisse Verbreitung hat387 und von mir in meinem Aufsatz über die Gabe aufgegriffen wurde388, ist in verschiedener Perspektive produktiv wirksam. Hier nun nimmt er eine Wahrnehmungsgestalt (als Feind) ein, die dazu führt, dass die Raumauffassung, die das seelische Erleben zum Ausdruck bringt389, das eines Hauses (erinnert sei an: „my home is my castle“) ist, aus dessen schützender Abgeschlossenheit heraus die Umwelt angenommen wird. (Schmitz hat in seiner Neuen Phänomenologie den Übergang von der Analyse des Numinosen zur Darlegung des Wohnens und der Einrichtung des Menschen im räumlichen Sein überaus prägnant entfalten können.390) Vor diesem Hintergrund ist die Entstehung der Unsterblichkeitsidee der Seele391, ein Reaktionsmuster392 auf das Bewusstwerden der Endlichkeit, aber nicht vor der Epoche des Frühjudentums zu datieren.393 Und insofern ist die 382 Dabei werden z. T. auch Übertragungen auf sakrale Herrschaftsformen wirksam. Vgl. dazu auch Stähler, K. (2001): Der Herrscher als Pflüger und Säer. Herrschaftsbilder aus der Pflanzenwelt. Münster: Ugarit. 383 Vgl. etwa in Streck, B. (1997): Fröhliche Wissenschaft Ethnologie. Eine Einführung. Wuppertal: Hammer, S. 145 ff. 384 Dazu auch Gulde, St. U. (2007): Der Tod als Herrscher in Ugarit und Israel. Tübingen: Mohr Siebeck. 385 Assmann, J. (2000): Der Tod als Thema der Kulturtheorie. Frankfurt am Main: Suhrkamp. 386 Vgl. auch Assmann, J. (2010): Tod und Jenseits im alten Ägypten. 2. Aufl. München: Beck. 387 Vgl. etwa Harrison, R. (2006): Die Herrschaft des Todes. München: Hanser. 388 Schulz-Nieswandt, F. (2001): Die Gabe – Der gemeinsame Ursprung der Gesellung und des Teilens im religiösen Opferkult und in der Mahlgemeinschaft. In: Zeitschrift für Sozialreform 47 (1), S. 75–92. 389 Vgl. dazu in Günther, D. (1962): Der Tanz als Bewegungsphänomen. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, S. 134 ff. in Anlehnung an Frobenius, L. (1921): Paideuma. Umrisse einer Kultur- und Seelenlehre. München: Beck. 390 Schmitz, H. (2005): Das Göttliche und der Raum. System der Philosophie. Dritter Band. Der Raum. Vierter Teil: Das Göttliche und der Raum. Bonn: Bouvier. 391 Wobei Walter F. Otto eine Kritik des individualistischen Innerlichkeits-Kultes der Mysterienreligionen und der christlichen Verderbtheitsparanoia quasi-masochistischer Art vor Auge hat, ein Masochismus, dessen Verarbeitung eine missionarische Aggressionsübertragung auf (heidnische) Dritte oftmals zur Folge hatte, die heute forensisch nur verkürzt als „Kriminal“geschichte eingestuft werden kann. 392 Vgl. dazu auch Welt und Umwelt der Bibel (2003): Sterben und Auferstehen. 8 (1) Nr. 27. 393 Dazu auch Janowski, B./Berlejung, A. (Hrsg.) (2009): Tod und Jenseits im Alten Israel und in seiner Umwelt. Tübingen: Mohr Siebeck.

II. Die Gemeinde als Rechts- und Hilfegenossenschaft

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homerische Welt noch eine diesseitige Ontologie der Wahrheit, noch vor-christlich mit Blick auf die Trennung von Diesseits und Jenseits.394 Zurück aus der Archaisierung in die Aktualität. Aus der Sicht der modernen Grundrechtstheorie der Teilhabechancen in einem universalistischen und inklusionistischen Sinne, die in eine Theorie der Gewährleistungsstaatlichkeit der Sicherstellung sozialer Chancen395 mündet396, ist die Gemeinde eine Rechtsgenossenschaft auf der Basis der Reziprozität, die die Personalität397 der Menschen in ihrer Figuration der Gabe und Gegen-Gabe anthropologisch und rechtsphilosophisch voraussetzt, aber auch erzeugt. Damit thematisiere ich die Kommune als Genossenschaft. Zu den nicht realisierbaren Utopien zähle ich die Idee, ganze, komplexe Staatsgebilde genossenschaftlich zu verstehen. In diesem Sinne war(en) die antike polis (und damit auch die ur- bzw. frühchristliche Gemeinde) unter-komplex. Mit dem kommunalen Bezug weiche ich allerdings auch von der vorherrschenden, ansonsten auch von mir geteilten einzelwirtschaftlichen Betrachtung ab. Gerhard Weisser (1898–1989)398 hat dies in seiner Formenlehre „Form und Wesen der Einzelwirtschaften“ 399 und in der bereits dort entfalteten gesellschaft(spolitikwissenschaft)lichen400 Lehre vom Betriebsformenpluralismus und des pluralistischen Unternehmenstypenspektrums herausgestellt: „Eine positive Einstellung zu den freigemeinwirtschaftlichen und öffentlichen Unternehmen dient nicht der Bildung von Keimzellen totalsozialisierter Wirtschaft, sondern dem Ziel einer um die Freiheit willen erstrebten Vielzahl der realisierten Unternehmenstypen.“ 401 Oder: „Wir können (. . .) sagen, daß die ,dritte Säule‘ ganz allgemein aus freien gesellschaftlichen Kräften besteht, deren Einrichtungen den Sinn haben, unmittelbar der Verwirkli394 Vgl. auch in Georgiades, Th. (1958): Musik und Rhythmus bei den Griechen. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, S. 59, S. 63. 395 Angesichts dieser ontologischen Ausgangslage des Menschen ist sozialpolitisch eine Inklusionslogik zwingend: Keine Personengruppe darf, wenn ich hier im Lichte eines neo-aristotelisch fundierten sozialdemokratischen Essentialismus der Gleichheit argumentieren darf, gesellschaftlich ausgeschlossen bleiben von der Politik der Befähigung der Teilnahme am gesellschaftlichen Leben zum Zwecke der freien Entfaltung der Persönlichkeit als Grundrecht. 396 Schulz-Nieswandt, F. (2011): „Europäisierung“ der Sozialpolitik und der sozialen Daseinsvorsorge? Eine kultursoziologische Analyse der Genese einer solidarischen Rechtsgenossenschaft. Berlin: Duncker & Humblot. 397 Vgl. dazu auch Geiger, St. (2012): Person und Sein. Bernhard Weltes Philosophie der Personalität. Berlin. LIT. 398 Weisser, G. (1989): Wirtschaft. Eingeleitet von Theo Thiemeyer. Göttingen: Otto Schwartz & Co. 399 Weisser (1947), hier Weisser, G. (1949): Form und Wesen der Einzelwirtschaften. Theorie und Politik ihrer Stile. 2. Aufl. Göttingen: Otto Schwartz & Co. 400 Weisser, G. (1978): Beiträge zur Gesellschaftspolitik. Göttingen: Schwartz & Co. 401 Weisser, G. (1973): Freiheit durch Sozialismus. Göttingen: Otto Schwartz & Co., S. 15.

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A. Grundlegungen

chung sozialer Demokratie zu dienen; mögen sie nun genossenschaftlich oder anders organisierte Wirtschaftsunternehmen oder – in verschiedenen Rechtsformen – Gebilde des sozialen Lebens außerhalb der Wirtschaft sein.“ 402

III. Über die Gabe Die Kategorie der Gabe hat eine enorme Konjunktur. Und es wird keine Blase sein. Tiefe Einsichten sind vielmehr wieder neu entdeckt worden. Es handelt sich quasi um eine Wiedergeburt, war die Gabe doch eine klassische Kategorie der klassischen Soziologie, vor allem in ihrer frühen Verbindung zur Ethnologie, und dies nicht nur in Frankreich, auch zum Teil in Deutschland. Auch die frühe Rechtsethnologie wäre hier anzufügen. Die spezifische rechtsgeschichtliche Genossenschaftsforschung in Deutschland findet hierbei ihre Wahlverwandtschaften in der solidaristischen403 Schule von Èmile Durkheim (1858–1917). Ich möchte hier nun nicht nochmals, wie es in einer mehr oder weniger guten Sekundärliteratur der neueren Zeit geschah, die Reihe der Klassiker vorstellen: Nur zu nennen sind nochmals Marcel Mauss (1872–1950), Bronislaw K. Malinowski (1884– 1942), Richard Turnwald (1869–1954), zum Teil Georg Simmel (1858–1918), dann auch Karl P. Polanyi (1886–1964), Marshall Sahlins (*1930), später dann auch Maurice Godelier (*1934) und Paul Ricoeur (1913–2005), der frühe Pierre Bourdieu (1930–2002)404, in seiner spezifischen Art auch Claude Lévi-Strauss (1908–2009). Viel diskutiert werden die neueren Beiträge von Alain Caillé (*1944) und Marcel Henaff, wenngleich405 die dort ausformulierten sphärenspezifischen Differenzierungen sowie die Ideen zu einem Strukturwandel in Bezug auf den öffentlichen und privaten Raum auch nicht wirklich neu sind (und z. T. im Kommunitarismus zu finden sind). Und die soziologische Sekundärliteratur (in Deutschland u. a. von Stephan Moebius, Frank Adloff, Frank Hillebrandt, Christian Stegbauer, Steffen Mau u. a., mit Blick auf die Umverteilungsakzeptanz vgl. auch die Arbeiten von Carsten Ullrich oder von Ursula Dallinger) ist umfassend406, ebenso die eher (ethnologisch informierte) philosophische Sekundärliteratur (etwa wie bei Iris Därmann). Ich habe in meinen vorausgegangenen Schriften umfassend zitiert und möchte mir dies daher an dieser Stelle schenken. 402 Weisser, G. (1969): Die Hohensyburgtagung für Gemeinwirtschaft 1931. Neuausgabe. Göttingen: Otto Schwartz & Co., S. 3. 403 Gülich, Chr. (1989): „Organisation“ der Wirtschaft. Von Durkheims Berufsgruppen zu Bouglés Solidarismus. In: Zeitschrift für Soziologie 18 (3), S. 220–229. 404 Fröhlich, G./Rehbein, B. (Hrsg.) (2009): Bourdieu-Handbuch. Stuttgart/Weimar: Metzler. 405 Die herausragende innovative Bedeutung von Hénaff kann ich auch in der Lektüre des instruktiven Aufsatzes von Moebius, S. (2010): Von Mauss zu Hénaff: Eine kleine Wirkungsgeschichte des Essai sur le don. In: WestEnd. Neue Zeitschrift für Sozialforschung 7 (1), S. 68–80, nicht entdecken. 406 Nicht so oft zitiert, aber ertragreich: Pulcini, E. (2004): Das Individuum ohne Leidenschaften. Berlin: Diaphanes.

III. Über die Gabe

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Das Schrifttum wächst noch an, wenn phänomenologisch die Schnittstellen zu solchen Kategorien wie die des Schenkens407 (an die älteren408 Beiträge von Helmuth Berking, Gerhard Schmied und von Johanna Krafft-Krivanic erinnernd) oder des Stiftens (mit einer Reihe gerade jüngerer Fachbeiträge409) Berücksichtigung findet. Auch hat sich eine eigene Diskussion um die unschönen, schmutzigen bzw. bösartigen Gaben (bzw. der Gabe-Motive) entwickelt.410 Und es ist (in der Tradition der Erforschung des Potlatch-Phänomens stehend) auf das Problem destruktiver Gabezyklen zu verweisen. Eine eigene Diskussion um eine Ökonomie der (Hermeneutik der) Verschwendung411, nicht nur an Thorstein Veblen (1857–1929)412 orientiert, knüpft hier an.413 Von besonderer Bedeutung ist diesbezüglich bereits das Werk von Georges Bataille (1897–1962).414 Und an Bataille knüpft auch Jean Baudrillard (1929–2007) an, wenn er415 im Tod den Höhepunkt eines symbolisches Tausches erkennt (Rückgabe des Lebens), eine natürliche Zyklizität von Gabe (Geburt) und Rück-Gabe (Tod), den die Theorie des ökonomistischen Funktionalismus des Kapitalismus416 nicht versteht, da sie (wie auch die korrespondierende Praxis) eine gegenläufige Logik des linearen Akkumulationsdynamismus vergöttert, wodurch verständlich wird, warum der freiwillige Selbstmord417 ein öffentlicher Skandal ist, da der Mensch sich das Recht (gegen die Gesellschaft) herausnimmt, sich dem ökonomischen Funktionalismus 407 Vgl. ferner Klein, St. (2010): Der Sinn des Gebens. Frankfurt am Main: S. Fischer. 408 Weitgehend vergessen scheint der Beitrag von Francois Perroux (1903–1987) zu sein, der neben dem Tausch auch den Zwang und das Schenken in der ökonomischen Analyse berücksichtigt haben wollte. Ebenso gilt diese Vergessenheit wohl für Bernhard Laum (1884–1974) angesichts seiner Theorie der religiösen Ursprünge des Geldes. 409 Adloff, F. (2010): Philanthropisches Handeln. Frankfurt am Main/New York: Campus. 410 Diverse Aspekte in Miklautz, E. (2010): Geschenkt. Tausch gegen Gabe – eine Kritik der symbolischen Ökonomie. München: Fink. 411 Hoffmann, T. J. (2009): Verschwendung. Philosophie, Soziologie und Ökonomie des Überflusses. Frankfurt am Main: Lang. 412 Veblen, Th. (2007): Theorie der feinen Leute. 2. Aufl. Frankfurt am Main: Fischer. 413 Dazu nochmals auch Hoffmann, T. J. (2009): Verschwendung. Philosophie, Soziologie und Ökonomie des Überflusses. Frankfurt am Main: Lang. Ferner Bähr, Chr. u. a. (Hrsg.) (2009): Überfluss und Überschreitung. Die kulturelle Praxis des Verausgabens. Bielefeld: transcript. 414 Bataille, G. (1985): Die Aufhebung der Ökonomie. Berlin: Matthes & Seitz. Dazu auch Bergfleth, G. (1985): Theorie der Verschwendung. Einführung in das theoretische Werk von Georges Bataille. Berlin: Matthes & Seitz. 415 Baudrillard, J. (2011): Der symbolische Tausch und der Tod. Berlin: Matthes & Seitz. 416 Wichtig, um die Totalität des Kapitalismus zu verstehen, ist Franck, G. (2005): Mentaler Kapitalismus. München: Hanser. 417 Vgl. auch Fenner, D. (2008): Suizid – Krankheitssymptom oder Signatur der Freiheit? Freiburg i. Br.: Alber.

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A. Grundlegungen

zu entziehen. Hinzu kommt noch eine religionswissenschaftliche und theologische Debatte zum Opfer.418 In der englischsprachigen, vor allem US-amerikanischen Fachdiskussion laufen die Themen u. a. unter der Rubrik „gift (exchange) economics/theory“. Sie soll hier nicht weiter entfaltet werden, weil sie m. E. keinen theoretischen Mehrwert gegenüber der deutschsprachigen Debatte aufzuweisen hat.419 Ich habe immer wieder kritisiert, dass die vor allem soziologische Literatur die Kategorie oftmals stark utilitaristisch rezipiert hat und im Rahmen von (Aus-) Tauschtheorien420 vor dem Hintergrund spezifischer Rationalitätsverständnisse gefiltert und der Effizienz-orientierten, weil auf die Allokation von Wohlstandspositionen abstellenden Kategorie der (fairen) Reziprozität subsummiert hat.421 Das gilt für die neuere Mikroökonomik ebenso wie für Rational Choice-Soziologien. Die non- oder trans-utilitaristischen Traditionen, vor allem dann, wenn sie durkheimianisch organisiert sind, werden vorschnell vergessen oder gar übergangen.422 Anders verläuft die philosophische Debatte. Die von Jacques Derrida (1930– 2004) ausgelöste Kontroverse um die (Un-)Möglichkeit der „reinen“ Gabe ist hierbei wichtig.423 Aber die theologischen Wurzeln liegen tiefer, stellt die Gabe doch eine theologische (und in der Theologie [und in der theologischen Anthropologie424] daher breit diskutierte425) Ur-Kategorie dar. Gar nicht einmal nur die Lutherische Tradition der Reziprozität, auch zu ihr gibt es neuere Literatur426, wäre anzuführen; eine breite religionsgeschichtliche und religionsphänomenologische Forschungstradition zum „do ut des“-Prinzip hat die Gabe-Gegengabe418 Aus der Fülle der Literatur vgl. auch Negel, J. (2005): Ambivalentes Opfer. Paderborn u. a.: Schöningh, der auch eine instruktive Typologie der Opfertheorien liefert. Vgl. auch Berner, U./Bochinger, Chr./Flasche, R. (Hrsg.) (2005): Opfer und Gebet in den Religionen. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus. 419 Typisch ist hier z. B. Liebersohn, H. (2011): The Return of the Gift. European History of a Global Idea. New York: Cambridge University Press. 420 Ich verweise u. a. auf die Theorielinie von Peter Blau (1918–2002). Wichtig sind auch die Beiträge von Alvin W. Gouldner (1920–1980). 421 Vgl. auch Scheuregger, D. u. a. (Hrsg.) (2007): Reziprozität und Wohlfahrtsstaat. Analysepotenzial und sozialpolitische Relevanz. Opladen/Farmington Hills: Barbara Budrich. 422 Beindruckend breit Albert, A. Chr. (2010): Helfen als Gabe und Gegenseitigkeit. Heidelberg: Winter. 423 Hier ist erwähnenswert Busch, K. (2004): Geschickte Gaben. Aporien der Gabe bei Jacques Derrida. München: Fink. 424 Schoberth, W. (2006): Einführung in die theologische Anthropologie. Darmstadt: WBG. 425 Lintner, M. M. (2008): Eine Ethik des Schenkens. Wien/Berlin: LIT. 426 Vgl. Holm, B. K. (2006): Gabe und Geben bei Luther. Das Verhältnis zwischen Reziprozität und reformatorischer Rechtfertigungslehre. Berlin/New York: de Gruyter.

III. Über die Gabe

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Beziehung zwischen Gott und Mensch kult- und ritualtheoretisch herausgearbeitet. Die religionsphänomenologischen Klassiker427 will ich hier nicht anführen. Die damit verbundene ausgeprägte kontroverse Dogmengeschichte (ich erinnere nur an das Werk von William Roberston Smith [1846–1894]428) möchte ich hier ebenfalls nur andeuten. Insofern ist die Gabe vor allem in opfertheoretischen Zusammenhängen (auch dazu ist die Literatur umfassend und von mir an anderer Stelle bereits ebenso umfassend rezipiert) breit erörtert worden, sowohl theologisch als auch allgemein religionswissenschaftlich, mit alt- wie mit neutestamentlichen und natürlich auch transeuropäischen und nicht nur orientalistischen Bezügen. Analysen zu Mahlgemeinschaften429 und Tischgenossenschaften stehen hier im Mittelpunkt der Erörterungen. Die Forschungsliteratur spannt sich dazu bereits über einen Zeitraum von über 100 Jahren auf. Die neuere, mitunter von Moses I. Finley (1912–1986)430 geprägte (insbesondere französische) Altertumsforschung hat Gabe und Reziprozität im archaischen Griechenland erforscht.431 An die Euergetismus-Forschung432 im griechisch-römischen Kulturraum ist zu erinnern, ohne hier Spezialstudien anzuführen. Die Soziologie der homerischen Gesellschaft hat dabei tief greifende Erträge erarbeiten können. Hier konnten vor allem auch familialistisch-verwandt-

427 Vgl. dazu das religionsphänomenologische Schrifttum von Geradus van der Leeuw (1890–1950) und Geo Widengren (1907–1996). Vgl. auch in Heiler, F. (1921): Das Gebet. Eine religionsgeschichtliche und religionspsychologische Untersuchung. 3. Aufl. München: Reinhardt. 428 Maier, B. (2009): William Robertson Smith. His Life, his Work and his Times. Tübingen: Mohr Siebeck. 429 Stein, H. J. (2008): Frühchristliche Mahlfeiern. Tübingen: Mohr Siebeck. Bei mir ist die Mahlgemeinschaft mehr als eine Spende, die als Fremdhilfe an Dritte darstellt: A ! B. Eine Mahlgemeinschaft ist eine Reziprozitätsbeziehung: A ! B !A. Ich stelle den Zusammenhang als Linie dar; an sich handelt es sich um einen Kreis. Die Differenz zwischen einer Gegenseitigkeitsgabe und einer Spende ist natürlich fließend, ˆ: weil zwar A 6ˆ B, aber A, B sind alles Mitglieder der Gemeinde G ˆ =G ˆ {A, B, C, . . .}. G Damit ist auch (noch) nichts über die möglichen Formen der Asymmetrie und Symmetrie der Reziprozität ausgesagt, auch nicht über homo- oder heteromorphe Austauschrelationen: homomorph bedeutet: {—to $ —t1}, heteromorph bedeutet: {—to $ wt1}, wobei — 6ˆ w. 430 Finley, M. I. (2005): Die Welt des Odysseus. Frankfurt am Main/New York: Campus. 431 Vgl. auch Wagner-Hasel, B. (2000): Der Stoff der Gaben. Kultur und Politik des Schenkens und Tauschens im archaischen Griechenland. Frankfurt am Main/New York: Campus. Vgl. ferner Ulf, Chr. (1990): Die homerische Gesellschaft. München: Beck. 432 Klassisch Veyne, P. (1992): Brot und Spiele: Gesellschaftliche Macht und politische Herrschaft in der Antike. Frankfurt am Main/New York: Campus.

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A. Grundlegungen

schaftliche oder gar (z. T. deutschrechtliche) tribale Deutungsmuster der sozialen Gesellung in der polis zugunsten artifizieller Formen des Vereinswesens und der Kultgenossenschaften relativiert werden. Die französische Altertumsforschung433 hat auch hier mit der älteren deutschen (tribalistisch orientierten) Forschung aufgeräumt. Auch Beiträge zur symbolischen Praxis von Gabe-Inszenierungen im europäischen Mittelalter434 im Kontext von Politik, Macht, Herrschaft, aber auch von Bünden und Freundschaften haben sich entwickelt.435 Die neuere theologische Gabe-Debatte resultiert wohl vor allem aus der ethischen Relevanz der Kategorie436 und betont im Schnittbereich zur Ontologie und philosophischen Anthropologie (auch als Onto-Theologie) die Verbindungen zu vielfältigen neueren (auch hier wiederum oftmals französischen) Entwicklungslinien des phänomenologischen und hermeneutischen Denkens. Zentral ist, und darauf möchte ich an dieser Stelle die (viel komplexere und stärker differenzierte/ verästelte) Debatte verkürzen, hierbei der Beitrag und die (auch deutsche) Rezeption von Jean-Luc Marion (*1946)437. Es ist nicht falsch, diese (mitunter deutlich katholisch geprägte) Debatte um die Gabe (wie eine neuere einschlägige Literatur darlegen kann) als Philosophie der Liebe438, spezifischer als Philosophie der Performativität, ja der Präsenz der Liebe als Ereignis für den Menschen in seiner Existenz (auch gerade als homo patiens) zu verstehen. Die Liebe wird zur Gabe, als Ruf eine An-Rufung des Menschen439, die ihm, wenn er (und gerade im „Verpassen“ liegt die Eigenschaft des homo abyssus440 begründet) die Chance 433 Vgl. auch in Vernant, J.-P. (Hrsg.) (1996): Der Mensch der griechischen Antike. Frankfurt am Main: Fischer. 434 Vgl. etwa auch Algazi, G./Groebner, V./Jussen, B. (Hrsg.) (2003): Negotiating the Gift. Pre-Modern Figurations of Exchange. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht. 435 Vgl. auch Davis, N. Z. (2002): Die schenkende Gesellschaft. Zur Kultur der französischen Renaissance. München: Beck. 436 Aus der neueren Literatur sei auf Bauer, K. (2012): Einander zu erkennen geben. Das Selbst zwischen Erkenntnis und Gabe. Freiburg i. Br.: Alber verwiesen. 437 Vgl. auch die Interpretationen zu Marion in Gondek, H.-F./Tengelyi, L. (2011): Neue Phänomenologie in Frankreich. Frankfurt am Main: Suhrkamp. Vgl. ferner Gabel, M./Joas, H. (Hrsg.) (2007): Von der Ursprünglichkeit der Gabe. Jean-Luc Marions Phänomenologie in der Diskussion. Freiburg i. Br.: Alber. 438 Dazu auch Wolf, K. (2006): Philosophie der Gabe. Mediationen über die Liebe in der französischen Gegenwartsphilosophie. Stuttgart: Kohlhammer. 439 Marion, J.-L./Wohlmuth, J. (2000): Ruf und Gabe. Zum Verhältnis von Phänomenologie und Theologie. Alfter: Borengässer. 440 Die Differenzlinie zwischen dem Humanen und dem Göttlichen ist, trotz prometheusartigen Individual- und Kollektivneurosen oder gar psychotischen Wahnvorstellungen, stabil. Weniger stabil ist die andere Differenzlinie. Zeigte die eine „nach oben“ (zum Himmel), zeigt die andere „nach unten“, in die Hölle. Vgl. auch Lang, B. (2009): Himmel und Hölle. 2., durchgeseh. Aufl. München: Beck sowie Minois, G. (1994): Die Hölle. München: Diederichs. In dieser Hinsicht ist der Mensch ein homo abyssus, der jeder Zeit knapp am Abgrund der humanistischen Scheidekante steht. Die Entfremdung des Menschen besteht nicht in der Differenz „nach oben“; sie besteht darin, sich abstandslogisch nicht weit genug von der Scheidekante „nach unten“ in den kulturell ge-

III. Über die Gabe

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(eigentlich die Freiheit als „Zwang“ zum Wagnis des Seins, weshalb der „Mut“ so wichtig wird) ergreift, selbst zur Liebe und somit zur Gabe befähigt und dergestalt gelingendes Dasein in seiner ganzen Gestaltqualität ermöglicht. Doch lege ich diese Diskurse humanistisch aus und stelle meine rezeptionshermeneutische Wahrheit der der Produzenten entgegen. Es geht darum, die Wahrheit der menschlichen Existenz vom Menschen her zu denken und damit zum Höheren zu streben, nicht darum, „von oben“ die Wahrheit zu offenbaren. Es geht um den Aufstieg (des Menschen), nicht um Erdrückung (des Menschen). Durch diesen donationalen Charakter der effizienten paulinischen Ekklesia, von der ich oben kurz archetypisch sprach, ist die Rechtsgenossenschaft zugleich eine Hilfegenossenschaft. Ich will es bei dieser kurzen andiskutierenden Skizzierung des anthropologischen, z. T. rechtsethnologischen Denkzusammenhangs belassen. Figuration, Raum und Haltung kommen hier, in der Gabe-Forschung insgesamt, zusammen441: An der Form der Gesellung, eingebunden in die Örtlichkeit der Daseinsfindung, knüpft sich der Wille und die Fähigkeit zur Gestaltwerdung der Person, die nur inter-personell im vorgängigen Kontext der kollektiv geteilten Sinnhorizonte des Miteinanders eines Zwischenraums der leiblichen Dialogizität möglich ist. Die Bedeutung dieses Kapitels wird sich noch im weiteren Verlauf der vorliegenden Studie signifikant erweisen.

hobenen Mittelbereich „auf den approximativen Weg ,nach oben‘“ zu begeben. Vgl. dazu auch Werder, P. (2010): Wenig niedriger als Gott. Der Mensch als Person von der Antike bis zur Gegenwart. Bonn: Verlag für Kultur und Wissenschaft. Die faustische Seele verkörpert dagegen eine Form von strebender Ruhelosigkeit, die auch nicht mehr den angemessenen Ort kennt, an dem der Mensch in der (göttlichen: Schadewaldt, W. [1990]: Die Anfänge der Geschichtsschreibung bei den Griechen. 3. Aufl. Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 260) Ordnung des Kosmos (dazu grundlegend auch Eliade, M. [1994]: Kosmos und Geschichte. (1949). Frankfurt am Main/Leipzig: Insel) angesiedelt ist. Vgl. auch Schadewaldt, W. (1979): Die Anfänge der Philosophie bei den Griechen. Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 81. Im Streben nach dem Höchsten verkauft sich der faustische Mensch sogar an den Teufel und zerstört damit das Soziale wie das eigene Leben, dass am Sozialen des Miteinanders geknüpft ist. Ohne mich besonders zu orientieren in der komplexen Faust-Forschung (vgl. auch Scholz, R. [2011]: Die Geschichte der Faust-Forschung. 2 Bde. Würzburg: Königshausen & Neumann; auch Eibl, K. (2000): Das monumentale Ich – Wege zu Goethes „Faust“. Frankfurt am Main/Leipzig: Insel) vgl. auch Gerber-Münch, I. (1997): Goethes Faust. Eine tiefenpsychologische Studie über den Mythos des modernen Menschen. Küsnacht ZH: Verlag Stiftung für Jung’sche Psychologie. 441 Exemplarisch dazu Elias, N. (1983): Die höfische Gesellschaft. Frankfurt am Main: Suhrkamp. Vgl. auch Schmincke, I. (2009): Gefährliche Körper an gefährlichen Orten. Eine Studie zum Verhältnis von Körper, Raum und Marginalisierung. Bielefeld: transcript.

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A. Grundlegungen

IV. Zur Metaphorologie der „kommunalen Gastfreundschaftskultur“ gegenüber dem homo patiens Nun kehre ich aus der Anthropologie zur Welt der konkreten praktischen Sozialpolitik zurück. Es geht um die Möglichkeit der Wohnformen im Alter(n) (oder auch jüngerer Menschen mit Behinderungen oder auch von schwer chronisch kranken Menschen im fortgeschrittenem mittleren Erwachsenenalter, etwa mit Multipler Sklerose) jenseits der die personalen Erlebnishorizonte verkürzenden Dichotomie von privater Häuslichkeit und Pflegeheim. Speziell geht es um politische (d. h. letztendlich auf die Möglichkeit einer polis abzielenden) Schlussfolgerungen einer qualitativ-explorativen Studie442, auf der ich aufbaue, meine ergänzend publizierten theoretischen Schlussfolgerungen443 nunmehr aufgreifend und vertiefend fortführend. Im Vordergrund steht das Problem einer anthropologisch fundierten Reflexion der kommunikativen Choreographie eines kulturellen Wandels444 des weitgehend (natürlich nicht vollständig von allen Menschen) kollektiv geteilten Skripts zugunsten der Idee(npolitik) der Kommune als Ort des gelingenden Wohnens (auch und eben des homo patiens) im Alter. Ich möchte nun kurz skizzieren445, wie ich im Lichte einer Fundamentalontologie und einer entsprechend ableitbaren philosophischen Anthropologie den homo patiens konzipiere. 442 Schulz-Nieswandt, F./Köstler, U./Langenhorst, F./Marks, H. (2012): Neue Wohnformen im Alter. Wohngemeinschaften und Mehrgenerationenhäuser. Stuttgart: Kohlhammer; die theoretische Vertiefung ist erfolgt in Schulz-Nieswandt, F. (2012): Gemeinschaftliches Wohnen im Alter in der Kommune. Das Problem der kommunalen Gastfreundschaftskultur gegenüber dem homo patiens. Berlin: Duncker & Humblot. 443 Vgl. also Schulz-Nieswandt, F. (2012): Gemeinschaftliches Wohnen im Alter in der Kommune. Das Problem der kommunalen Gastfreundschaftskultur gegenüber dem homo patiens. Berlin: Duncker & Humblot. 444 Das ganze Problem des Wandels ist daher kulturwissenschaftlich zu verstehen und verweist mitunter auf die tiefenpsychologisch zu definierenden Barrieren in der Organisationsentwicklung, weil Akteursidentitäten betroffen sind, Ängste und Kränkungen ausgelöst werden. Damit wird in systemisch-konstruktivistischer Hinsicht der tiefgreifende Bedarf einer Choreographie des Wandels evident. Kulturwissenschaftlich ist das Problem des Wandels deshalb zu verstehen, weil die sozialen Strickmuster und die kulturellen Codes des Systems, also das tiefengrammatische „Drehbuch“ des Alltags hinterfragt werden. Der Wandel greift tief in die Rollenidentitäten ein. Genau deshalb ist dem notwendigen Wandel mit der Herbeiführung angemessener (notwendiger) rechtlicher Rahmenbedingungen und ökonomischer Anreizsituationen (also durch notwendige Geschäftsmodelle) allein nicht beizukommen. 445 Wichtig auch dazu Uzarewicz, C./Uzarewicz, M. (2005): Das Weite suchen. Einführung in eine phänomenologische Anthropologie der Pflege. Stuttgart: Lucius & Lucius sowie Uzarewicz, M. (2011): Der Leib und die Grenzen der Gesellschaft. Eine neophänomenologische Soziologie des Transhumanen. Stuttgart: Lucius & Lucius. Vgl. fer-

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Das etwas weiter unten (S. 78) nachfolgende Schaubild 1 erläutert diese Überlegungen. Das Schaubild versteht den Menschen im heideggerianischen Sinne446 als Geworfen im Sein zum Tode hin. Dies prägt die Sorgestruktur des Lebenslaufes.447 Die Pandora-Effekte448 werden deutlich: Sozialpolitisch zentrale Entwicklungsaufgaben (Arbeit449, Gesundheit/Krankheit etc.) kommen als Themen im Lebenslauf zur Wirkung.450 Altern auf Endlichkeit hin: Das ist das Leben. Ein anderes Leben gibt es für den Menschen nicht, da sie nicht Götter sind. Die einzige Alternative, wie ich es irgendwo gelesen habe, zum Altern ist der frühzeitige Tod. In meiner Abhandlung steht die Krankheit, um die sich der homo patiens zentriert, im Zentrum. Doch, wie vermerkt, spielt auch die Notwendigkeit der Arbeit451, der der homo laborans ausgesetzt ist, eine konstitutive Rolle. Und die Konnexion von Arbeit und Schweiß findet sich nicht nur in der Genesis des Alten Testaments und beim neutestamentlichen Paulus, sondern auch bei Hesiod452, bei dem vor der Arete die Götter den Schweiß gesetzt haben.453

ner Böhnke, U. (2011): Dem Leibkörper auf der Spur. Theoretischer Begründungsrahmen professioneller reflexiver Könnerschaft im Berufsfeld Pflege. Göttingen: V&R unipress. 446 Heidegger, M. (1979): Sein und Zeit. (1927). 15. Aufl. Tübingen: Mohr Siebeck. 447 Schulz-Nieswandt, F. (2007): Lebenslauforientierte Sozialpolitikforschung, Gerontologie und philosophische Anthropologie. Schnittflächen und mögliche Theorieklammern. In: Wahl, H.-W./Mollenkopf, H. (Hrsg.): Alternsforschung am Beginn des 21. Jahrhunderts. Berlin: AKA, S. 61–81. 448 Preußer, H.-P. u. a. (Hrsg.) (2012): Pandora. Zur mythischen Genealogie der Frau. Heidelberg: Winter. Dazu auch in Vernant, J.-P. (2000): Götter und Menschen. Köln: DuMont, S. 74 ff. 449 Vor dem Hintergrund dieses klassischen Mythos des Verlustes des Paradieses (der sich, wie ich zeige, gar nicht einseitig nur als Verlust, sondern als unendlicher Gewinn verstehen lässt), und ich spreche vom Singular, weil es sich um Varianten eines KernMythos handelt, ist die (allmähliche, nicht Ambivalenz-freie) Aufwertung der Arbeit seit der Reformation, also mit Johannes Calvin (1509–1564) ansetzend und klassisch von Max Weber (1864–1920) in seiner auf die protestantische Prädestinationslehre abstellenden These von der Wahlverwandtschaft des „Geist des Kapitalismus“ und der (innerweltlich-asketischen) Ethik des (auf Weltbeherrschung angelegten) Protestantismus (die er im Lichte seiner universalhistorischen und kulturvergleichenden Studien zu den Weltreligionen aufdeckte), nicht das Ende des Mythos, sondern nur eine Fortsetzung der „Arbeit am Mythos“ mit quasi umgekehrtem Vorzeichen. Zur Orientierung vgl. auch Schorn-Schütte, L. (2011): Die Reformation. 5., erg. Aufl. München: Beck; Selderhuis, H. J. (Hrsg.) (2009): Calvin Handbuch. Tübingen: Mohr Siebeck. Klassisch zu Weber siehe Schluchter, W. (1991): Religion und Lebensführung. Bd. 2. Frankfurt am Main: Suhrkamp sowie Schluchter, W./Graf, F. W. (Hrsg.) (2005): Asketischer Protestantismus und der „Geist“ des modernen Kapitalismus. Tübingen: Mohr Siebeck. 450 Dazu eindrücklich Bittner, G. (2011): Das Leben bildet. Biographie, Individualität und die Bildung des Proto-Subjekts. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht. 451 Füllsack, M. (2009): Arbeit. Wien: Facultas (UTB). 452 Schadewaldt, W. (1979): Die Anfänge der Philosophie bei den Griechen. Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 76.

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A. Grundlegungen

In diesem Sinne (ich habe mich beim Pandora-Mythos ganz an der Darstellung bei Schadewaldt gehalten454) war, ohne hier u. a. die ganze Hübner-BlumenbergDiskurslinie455 aufzugreifen, der klassische, gemeinorientalische 456 (sumerische, akkadische, babylonische, altisraelitische) wie der archaische griechische457 Mythos458 eine erste Form der Aufklärung und hatte seine Wahrheit.459 Der Mythos 453 Zum Pandora-Mythos bei Hesiod vgl. auch in Musäus, I. (2004): Der PandoraMythos bei Hesiod und seine Rezeption bis Erasmus von Rotterdam. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht. 454 Schadewaldt, W. (1979): Die Anfänge der Philosophie bei den Griechen. Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 105 f. 455 Dazu auch Jamme, Chr. (1999): „Gott an hat ein Gewand“. Grenzen und Perspektiven philosophischer Mythos-Theorien der Gegenwart. Frankfurt am Main: Suhrkamp. 456 Vgl. auch Pettinato, G. (1971): Das altorientalische Menschenbild und die sumerischen und akkadischen Schöpfungsmythen. Heidelberg: Winter. Auch in Krebernik, M. (2012): Götter und Mythen des alten Orients. München: Beck. Sodann siehe auch Auffarth, Chr. (1991): Der drohende Untergang. „Schöpfung“ in Mythos und Ritual im Alten Orient und in Griechenland am Beispiel der Odyssee und des Ezechielbuches. Berlin/New York: de Gruyter. 457 Wie auch in anderen Studien von mir kann auch hier auf W. H. Roschers „Ausführliches Lexikon der griechischen und römischen Mythologie“ (Leipzig 1884–1937), das auch als Nachdruck von 1993 zugänglich ist, zurückgegriffen werden. Ergänzungen aus dem RGG und dem TRE sind sinnvoll. „Der Kleine Pauly“ (5 Bde., 1975) kann hinzugenommen werden. Grundlegend ist natürlich M. P. Nilssons „Geschichte der griechischen Religion“, 1974 als 3. Aufl. in 2 Bänden zugänglich. Zur alt- und neutestamentlichen Forschung kann zurückgegriffen werden auf die „Biblische Enzyklopädie“, hrsg. von Dietrich, W./Stegemann, W. (1996 ff.). Bd. 1 ff. Stuttgart: Kohlhammer. Grundlegend ist auch Keel, O. (2007): Die Geschichte Jerusalems und die Entstehung des Monotheismus. 2 Teile. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht. 458 Der Mythos (vgl. auch Mader, E. [2008]: Anthropologie der Mythen. Wien: facultas.wuv) ist eine dramatische Erzählung von vorgestellten Ereignissen. Erzählerisch werden Ereignisse verknüpft. Mythen projektieren menschliche Bedürfnisse und Probleme existenzieller Art, begründen die Plausibilität der Gegenwart durch Rückgriff auf die Geschichte und thematisieren oftmals Gründungsprozesse. Der Mythos ist daher nicht einfach durch Aufklärung zu überholen, sondern stellt selbst eine erste Form der Reflexion des Menschen als Menschen in Kosmos und Geschichte dar. Sie entfalten als bildhafte Deutungen und Auslegungen der Welt allgemeine Wahrheiten. Eine innere Beziehung zur Sage besteht durchaus, da eine Sage eine historische Erzählung mit häufig „heroischen“ Bezügen darstellt. 459 Meine Kenntnisse z. B. zu asiatischen, aber auch zu nord- und mittelamerikanischen Mythen sowie zur germanischen und keltischen Mythenwelt sind dagegen sehr beschränkt. Wenn ich über die europäisch-vorderasiatische Geschichte hinausgreife, verfüge ich (außer einigen Spezialstudien) nur über die Kenntnis der klassischen Beiträge etwa von Eliade, Kerényi oder Campbell. Bei Campbell ist auf sein umfassendes Werk zu verweisen: Campbell, J. (1996): Die Masken Gottes. 4 Bände. München: dtv; vgl. ferner Campbell, J. (2011): Der Heros in tausend Gestalten. 6. Aufl. Frankfurt am Main/Leipzig: Insel. Vielen bekannt ist die Edda (Simek, R. [2007]: Die Edda. Germanische Götter- und Heldenlieder. München: Beck), insbesondere auch das Nibelungenlied (vgl. Ehrismann, O. [2005]: Das Nibelungenlied. München: Beck). Eine vertiefende Orientierung ist jedoch schnell möglich: Simek, R. (2009): Götter und Kulte der Germanen. 3., durchgeseh. Aufl. München: Beck; Simek, R. (2006): Lexikon der germanischen Mythologie. 3., vollst. überarb. Aufl. Stuttgart: Kröner; Maier, B. (2004):

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erschließt dem Menschen die Wirklichkeit.460 Noch die heutige Wissenschaft (sie weiss es m. E. mehrheitlich nur nicht) ist eigentlich nur eine Form der „Arbeit an der Wahrheit des Mythos“.461 Leben ist aber auch Weitergabe, dargelegt als das Prinzip der (biologischen, aber auch weisheitlichen) Generativität. Das ist existenzialistisch zu bedenken. Die Heideggersche Variante ist hier fundamental, aber einseitig. Bei Saint-Exupéry z. B. wird dagegen die Sinnsuche an die Möglichkeit zur Liebe gekoppelt. Ebenso bei Paul Landsberg (1901–1944).462 Es ist nicht nur das Sein zum Tode, sondern das Sein zum Tode im ewigen (im biographischen Sinne: [zwischen Zeugung, Geburt, Wachstum und Tod eingefügten] zyklischen, im kollektiven Sinne: linearen) Fluss der generativen Ordnung, das hier die Existenz des Menschen füllt. Diese (in der Literatur konstatierte) Leerstelle bei Heidegger wäre stärker zu bedenken, wenn nach den christlichen Wurzeln der Todesauffassung von Heidegger geforscht wird.463

Die Religion der Kelten. 2., durchgeseh. Aufl. München: Beck. Natürlich ist breit bekannt, dass auch z. B. die nordamerikanischen Indianer (Arens, W./Braun, H.-M. [2008]: Die Indianer Nordamerikas. 2., durchgeseh. Aufl. München: Beck) Schöpfungsmythen hatten. Vgl. etwa den Ethnologen Zimmermann, L. J. (2002): Indianer. Köln: Taschen, S. 114 ff. Über die anthropologische Tiefengrammatik ist substantiell aber schwer zu urteilen. So kennt die Mythologie der Irokesen Zwillingsgötter, die jeweils für das Gute und das Böse stehen. Da es sich aber um nachkolumbianische Befunde handelt, ist es unklar, ob hier bereits Christianisierungseffekte vorliegen: Lindig, W./Münzel, M. (1994): Die Indianer. Band 1: Nordamerika. 6. Aufl. München: dtv, S. 100. Dafür gibt es aber speziell zu dem Schamanismus eine sehr breite Literaturlage. Vgl. etwa Müller, K. E. (1997): Schamanismus. München: Beck; Hoppál, M. (1994): Schamanen und Schamanismus. Augsburg: Pattloch; Vitebsky, P. (2001): Schamanismus. Köln: Taschen. 460 Grassi, E. (1957): Kunst und Mythos. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, S. 131. 461 Der klassische Mythos erzählt die Geschichte von der Statuspassage des Auszugs aus dem Paradies. Dazu auch Flasch, K. (2004): Eva und Adam. Wandlungen eines Mythos. München: Beck. Die weitere Geschichte ist nun eine Geschichte des homo patiens, des leidenden Menschen, der aber, und hier findet sich der Urknall der transaktionalen Logik von Sorge und Liebe als Komplementärprodukt und als Vektoren der Bahnung der weiteren, ergebnisoffenen Weltgeschichte, in eben dieser Geschichte als Abfolge von Generationen das Person-Sein des Menschen als Telos erkennbar macht. Der Auszug aus dem Paradies ist, weil er der Gewinn der Erkenntnis ist, zugleich Gewinn, wenngleich auch ewige Aufgabe, gar Last. Vgl. auch Grassi, E. (1957): Kunst und Mythos. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, S. 104. 462 Landsberg, P. (2009): Die Erfahrung des Todes. Berlin: Matthes & Seitz. 463 Vgl. Milchert, Th. (2012): Christliche Wurzeln der Todesphilosophie Heideggers. Marburg: Tectum.

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A. Grundlegungen

das Sein zum Tode

• Arbeit • Krankheit • Generavität ( • Hoffnung) Altern und Endlichkeit t Schaubild 1: Der homo patiens (I)

Das nächste Schaubild 2 auf S. 89 ist noch stärker existenzialistisch gehalten. Der Mensch ist von Angst464, Einsamkeit und Verzweiflung bedroht. Daher sucht er nach Sinn, um diese Kontingenz zu bewältigen. Die Kraft dazu wird als „Mut zum Sein“ 465 definiert. Der noetische Deutungsbedarf verweist auf ein metaphysisches Urbedürfnis des Menschen als homo abyssus.466 Er muss das Wagnis des Seins467 angehen und auf sich nehmen. Gelingt ihm das, hat er Sinnangebote, die ihn angerufen haben, produktiv angenommen. Hier liegt die Tragödie des Scheiterns tief begründet. Und hier ist auch die Wissenschaft im Prozess der Erkenntnissuche selbst nicht frei von den Angst-Affektualitäten. 468

464 Dazu mit dichter existenzialer Tiefe: Baeyer, W. von/Baeyer-Katte, W. von (1973): Angst. Frankfurt am Main: Suhrkamp. 465 Schulz-Nieswandt, F. (2009): Paul Tillichs Onto(theo)logie der Daseinsbewältigung und die Fundierung der Wissenschaft von der Sozialpolitik. In: Danz, Chr./Schüßler, W./Sturm, E. (Hrsg.): Religion und Politik. Internationales Jahrbuch für die TillichForschung. Bd. 4. Berlin: LIT, S. 125–138. 466 Mit breiter Literaturrezeption dargelegt in Schulz-Nieswandt, F. (2010): Wandel der Medizinkultur? Berlin: Duncker & Humblot. 467 Ulrich, F. (1998): Homo Abyssus. Das Wagnis des Seins. Einsiedeln: Johannes Verlag. 468 Dazu Devereux, G. (1992): Angst und Methode in den Verhaltenswissenschaften. 3. Aufl. Frankfurt am Main: Suhrkamp.

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Aber diese Existenz als Herausforderung ist nicht als totale Sünd- und Schuldhaftigkeit neurotisch zu verdichten, sondern als Aufgabe im Leben, die gelingen kann. Gelingender Lebenslauf469 kennzeichnet sich durch Findung einer Antwort auf die vielen Fragen des Daseins, erhellt sich als Gestalt also im Lichte einer Passung von Suche und Anrufung, die im angenommen Ruf mündet.470 Insofern zähle ich die Hoffnung – „Aber Gott hat uns eben nicht beigebracht, wie man in den schlimmen Augenblicken des Kummers die Hoffnung zum Schweigen bringt.“ 471 – eben auch zu den Pandora-Effekten der erkannten Seinsverfassung des Menschen. Wer sich in die Philosophie der Hoffnung vertiefen will, muss auf Gabriel Marcel (1889–1973)472, der den Menschen als homo viator fasste, zurückgreifen. Neben ihn (wenngleich etwas schwächer) würde ich noch Nicola Abbagnano (1901–1990) stellen.473 Marcel definiert Hoffnung als „die Gesamtheit aller geistigen Kräfte (. . .), die gegen die Verzweifelung ankämpfen.“ Analog dazu spricht er von der „Gesamtheit der gegen den Tod ankämpfenden Kräfte.“ 474 Strukturalistisch (mit Blick auf binäre Paarbildungen475) anmutend schreibt Marcel (an gleicher Stelle): „Tatsächlich vermengt sich auf einer gewissen Ebene die Hoffnung mit dem Leben an sich – wie die Verzweifelung mit dem Tod.“ Also würde eine strukturale Schreibweise lauten: Hoffnung : Leben = Verzweifelung : Tod.

Dabei darf man „indes nicht den dunklen Hintergrund aus den Augen verlieren, diesen Hintergrund von Angst und Tränen, von dem sich die Bejahungen abheben“ 476, die Marcel’s homo viator ausmachen. Marcel betont angesichts des Leidens jedoch widerständig die Freiheit, die am Mut geknüpft ist, um ein Alleinsein zu überwinden, „um der verhängnisvollen 469 Zur Kontroverse der expliziten und impliziten Normativitäten vgl. auch in Kumlehn, M./Kubik, A. (Hrsg.) (2012): Konstrukte gelingenden Alterns. Stuttgart: Kohlhammer. 470 Bloch, E. (1959): Das Prinzip Hoffnung. 2 Bde. Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 1254, S. 1257. 471 Magnan, P. (2001): Kommissar Laviolettes Geheimnis. Bern u. a.: Scherz, S. 29. 472 Vgl. auch Mittl, F. (2012): Hoffnung als anthropologische Grundkategorie. Regensburg: Pustet. 473 Abbagnano, N. (1957): Philosophie des menschlichen Konflikts. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt. 474 Marcel, G. (1957): Philosophie der Hoffnung. München: List, S. 7. 475 Klassisch ist Durkheim, È./Mauss, M. (1993): Über einige Formen von Klassifikation. Ein Beitrag zur Erforschung der kollektiven Vorstellungen. In: Durkheim È.: Schriften zur Soziologie der Erkenntnis. Frankfurt am Main, S. 169–256. 476 Marcel, G. (1957): Philosophie der Hoffnung. München: List, S. 7 f.

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A. Grundlegungen

Monadologie abzusagen, die solange den modernen Menschen gelähmt hat.“ 477 In diesem Lichte, schreibt Marcel an gleicher Stelle, gewendet, gehöre das „letzte Wort (. . .) der Beziehung zwischen Mensch und Mensch, der Liebe also (. . .).“ Ich will es hierbei belassen. Auf das Gesamtwerk von Marcel möchte ich nicht vertiefend eingehen. Allein seine zitierte Philosophie der Hoffnung bietet tiefe Einsichten, die hier nicht angeführt werden. Dort geht es um relevante Fragen von Treue und Vertrauen, um Wachsen und Reifen der Person, um Bändigung, Tun und Lassen, um Sein und Lassen, um Haben versus Sein478, um den Habitus der Liebe und Gegenseitigkeit etc. (Doch ist alles nicht einfach, da es sich um Katholizismus [Katholizität479] handelt.) Im Rahmen einer Hermeneutik der genossenschaftlichen Morphologie der gelingenden menschlichen Gestaltqualität des Daseins muss diese Onto-Theologie480 tiefgreifender entfaltet werden. Ver477

Marcel, G. (1957): Philosophie der Hoffnung. München: List, S. 8. Es geht um die bekannte Formel von Erich Fromm (1900–1980): Sein statt nur Haben, Sein-Können als Gestaltwerdung der Personalität, die das Haben-Wollen als Ökonomik des Begehrens und der Begierde fruchtbar aufnimmt, aber nicht darauf reduziert werden kann und die sozialen Beziehungen nicht durch die symbolische Praxis des heiligen Konsums (ich denke hier an das Passagen-Werk von Walter Benjamin [1892– 1940] – dazu Buck-Morss, S. [1993]: Dialektik des Sehens. Walter Benjamin und das Passagen-Werk. Frankfurt am Main: Suhrkamp, der überaus prägnant den religiösen Charakter des Waren-Kapitalismus und seine praxissymbolischen Ausdrucksformen der „Kathedralen des Konsums“, dargelegt hat; vgl. auch in Lindner, B. [Hrsg.] [2011]: Benjamin-Handbuch. Stuttgart/Weimar: Metzler) und der Tauschökonomie der Märkte kommerzialisiert. Zu Benjamin auch Brodersen, M. (2005): Walter Benjamin. Frankfurt am Main: Suhrkamp sowie Kramer, S. (2010): Walter Benjamin zur Einführung. 3., vollst. überarb. Aufl. Hamburg: Junius. Ferner Weidner, D. (Hrsg.) (2010): Profanes Leben. Walter Benjamins Dialektik der Säkularisierung. Frankfurt am Main: Suhrkamp (allerdings mit fachlichen Schwächen hinsichtlich der Kenntnisse der theologischen Dogmengeschichte). Vgl. zur Problematik des Fetischismus der modernen Habens-Gesellschaft auch Fromm, E. (2011): Haben oder Sein. München: dtv. Dass in der HabensÖkonomie eine Lebenswelt des Seins nicht zur Wirklichkeit kommt, wo der Alltag also nicht zum Geschehens-Ort des Wahren wird, hat sich als Kritik des Alltagslebens auch in Lefébvres Theorie der bürokratischen Gesellschaft des gelenkten Konsums gezeigt. Vgl. in Lefébvre, H. (1972): Das Alltagsleben in der modernen Welt. Frankfurt am Main: Suhrkamp. Zu bedenken ist ja, dass der Konsum und das ganze moderne Leistungssystem nicht unbedingt glücklich macht: dazu auch in Layard, R. (2005): Die glückliche Gesellschaft. Frankfurt am Main/New York: Campus. Mitunter treibt dieses ganze System sogar die Verbreitung der Depression (Payk, Th. R. [2010]: Depression. München: Reinhardt [UTB]) voran, so Ehrenberg, A. (2011): Das erschöpfte Selbst. Depression und Gesellschaft in der Gegenwart. 6. Aufl. Frankfurt am Main: Suhrkamp. Aber auch dieser Befund bleibt kontrovers: Ingenkamp, K. (2012): Depression und Gesellschaft. Zur Erfindung einer Volkskrankheit. Bielefeld: transcript. Vor allem auch Summer, E. (2008): Macht die Gesellschaft depressiv? Alain Ehrenbergs Theorie des „erschöpften Selbst“ im Licht sozialwissenschaftlicher und therapeutischer Befunde. Bielefeld: transcript. 479 Röbel, M. (2009): Staunen und Ehrfurcht. Eine werkgeschichtliche Untersuchung zum philosophischen Denken Peter Wusts. Berlin: LIT, S. 443. 480 Wenn Theologen sagen, die Wahrheit komme von Gott, der die Wahrheit ist, so muss dies m. E. im Lichte einer radikalen anthropologischen Wende ent-mythologisie478

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rend (und damit den Menschen ent-infantilisierend) gelesen werden: Es ist das Prinzip der Liebe; aber diese wird nur „wahr“ in konkreten sozialen Formen sozialer Wirklichkeit. Die patriarchalische Anstaltskirche (Ernst Troeltsch; zu Troeltsch [1865–1923] vgl. auch Drescher, H.-G. [1991]: Troeltsch. Leben und Werk. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht) in ihrem hierarchischen Autoritarismus (Agamben, G. [2010]: Herrschaft und Herrlichkeit. Frankfurt am Main: Suhrkamp; vgl. auch Brown, P. [1995]: Macht und Rhetorik in der Spätantike. Der Weg zu einem „christlichen Imperium“. München: dtv) sollte hier ihre Selbst-Konstituierung im Modus der Hirt-Herde-Metapher (Hunziker-Rodewald, R. [2001]: Hirt und Herde. Ein Beitrag zum alttestamentlichen Gottesverständnis. Stuttgart: Kohlhammer sowie in Taureck, B. H. F. [2004]: Metaphern und Gleichnisse in der Philosophie. Versuch einer kritischen Ikonologie der Philosophie. Frankfurt am Main: Suhrkamp) endlich transzendieren. Liebe ist vielmehr so entmythologisiert (aber nicht mythosfrei) an eine Soziologie der Figurationen gebunden, wie sie wiederum auch an eine Philosophie der symbolischen Ausdruckspraxis geknüpft ist. Diese Formen, in der Art, auf die ich insistiere, generieren also konkrete Gesichter der Liebe als Ausdrucksqualitäten der liebenden Praxis. Außerhalb der Form kommt die Liebe nicht zur Gestalt. Gestalt ist aber charaktervoller, würdiger Ausdruck eines Gehalts, der den Inhalt darstellt. Und dieser ist, wie Theologen sagen, nicht von dieser Welt, was unsinnig ist, wenn die anthropologische Wende auch als kognitive Wende gelesen werden muss. Nur in Stunden der belletristischen Entspannung lese ich die „Wiederentdeckung des Himmels“. Es gibt ansonsten nichts außerhalb des kognitiven Vergegenwärtigungshorizontes des Menschen. Auch die Idee Gottes ist immanent. Auch die Idee der abwesenden Präsenz des Transzendenten. In antiker Tradition meinte Eros (Pechriggl, A. [2009]: Eros. Wien: Facultas [UTB]; Düsing, E./Klein, H. [Hrsg.] [2009]: Geist, Eros und Agape. Würzburg: Königshausen & Neumann) immer mehr als Sex (und hier liegt einer der erstaunlichsten Rezeptionsfehler der platonischen Philosophie bei Freud: vgl. dazu in Traverso, P. [2003]: „Psyche ist ein griechisches Wort . . .“. Rezeption und Wirkung der Antike im Werk von Sigmund Freud. Frankfurt am Main: Suhrkamp) vor und ist auch nicht in Übereinstimmung zu bringen mit der modernen subjektivistischen Auffassung von romantischer Liebe (Lindner, G. Ph. [2010]: Die individuelle Liebe. Versuch einer Mentalitätsgeschichte der Liebe. Marburg: Tectum; Wulf, C. [2008]: Historischer Wandel von Liebesvorstellungen. Hamburg: Kovac; Bardill Arn, S. [2011]: Welche Rolle spielt die Liebe? Individuelle Liebesvorstellungen und Wandel der Geschlechterverhältnisse. Zürich: Rüegger). Allerdings ist Eros auch nicht identisch mit der christlichen Agape (Nygren, A. [1955]: Eros und Agape. 2. Aufl. Berlin: Evangelische Verlagsanstalt; Reicke, B. [1951]: Diakonie, Festfreude und Zelos in Verbindung mit der altchristlichen Agapenfeier. Uppsala: A.-B./Wiesbaden: Harrassowitz). Aber immerhin meinte Eros als humanistische Tugendlehre eine daseinsgelingende Form der Freundschaft, die die polis betraf, aber im konstitutiven Vorfeld der polis die Kultur des Miteinanders gleicher Bürger betraf. Damit war noch nicht die sittliche Praxis der gegenseitigen Anerkennung auf der Basis einer hegelianischen Subjektivität gemeint, aber immerhin das Wissen um die Natur des homo politicus (der polis) als homo institutionalis (des Vereinswesens), der in der (genossenschaftlichen) Kultpraxis des homo religiosus wurzelte. Dass dieses Wissen in einer Pädagogik der Tugendethik wurzelte, machte die traditionelle, also vor-moderne Praxis des Seins aus, ist aber in der modernen sittlich-konkreten Freiheit aufgehoben (um an die Dialektik zu erinnern), nicht genichtet. Agape wurzelt nicht wie (die moderne Verständnisform von) Eros in der Begierde. Quasi dazwischen ordnet sich die philia (die Freundschaft) ein. Eros in der griechischen Antike war keine reine Privatangelegenheit, sondern war durchaus von politischer Natur. Für die griechische Präferenz für Gelassenheit (vgl. auch aus der Sicht der modernen Psychologie: Wagner, A. C. [2011]: Gelassenheit durch Auflösung innerer Konflikte. 2., vollst. überarb. u. erw. Aufl. Stuttgart: Kohlhammer) bzw. für die

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weisen möchte ich jedoch auf Peter Wust (1884–1940)481, der mit Marcel verbunden ist. In einer für meine spätere psychodynamische Analyse482 von schizoider Kreativität483 und syntonischer Bindungsorientierung relevanten Weise unterscheidet auch Wust484 geradezu struktural als Begriffspaar Offenheit : Geschlossenheit,

bezieht dies in einer Zwei-Ebenen-Betrachtung sowohl auf die Metaebene der Wissenschaft wie auf die praktische Primärebene der alltäglichen Existenz des Menschen. Ein solches ekstatisches Denken der Transgressivität ist zentral und fundamental bei Bataille485. Hier ist der Blick aber doxisch nicht gebunden an einer theologischen Perspektivität. Vor der Mitte des 20. Jahrhunderts wurde mit dem KonAtaraxie (Unerschütterlichkeit) ist die menschliche Begierde durchaus ein Problem. Platon erörterte das Eros-Problem vor allem in den Dialogen Symposium (dazu auch Sheffield, F. C. C. [2006]: Plato’s Symposium: The Ethics of Desire. Oxford: Oxford University Press) und Phaidros. Ein Aspekt der platonischen Auffassung ist das Streben nach Einheit des Getrennten, welches in der Liebe auftaucht. Insofern ist die antike griechische Tugendlehre keine Kantische Moralität, aber die Hegelsche Philosophie des Rechts ist die aristotelische Tugendlehre im Prisma der Kantischen Moralität (Ritter, J. [1977]: Metaphysik und Politik. Studien zu Aristoteles und Hegel. Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 281 ff.), also sittliche Konkretion der Freiheit und personale Identität als Fundament sittlichen Miteinanders. Diese Sicht hat heute große Schnittflächen zum modernen kommunitaristischen Denken – oder umgekehrt. Der Humanismus des Eros „von unten“, von der Existenz der Kreatur her zur sittlichen Daseinsweise im sozialen Miteinander ist von eigenem Wert, der durch Ontologie und Anthropologie entschlüsselt und durch Soziologie und Psychologie (immer im Lichte der Ethik der praktischen Philosophie und im Lichte der Darlegungen, was ich [die Menschen] erkenne [können]) verstehbar wird. Und dieser Humanismus fügt sich nicht gehorsam „hörend“ der höheren Wertordnung der offenbarten An-Rufung „von oben“. Es geht um die An-Rufung im Dialog zwischen {$} den Menschen. Im Horizont derartiger kommunikativer Begegnungen ereignet sich die Wahrheit des Lebens. Die Wahrheit des Daseins ist dem Dasein immanent, nicht transzendent. Dieser Humanismus ist der Exterritoralisierung des Glücks durch anstaltsreligiöse Doxa entgegen zu halten. Ort der Wahrheit ist das endliche Sein der Person im geschichtlichen Zeitstrom. 481 Röbel, M. (2009): Staunen und Ehrfurcht. Eine werkgeschichtliche Untersuchung zum philosophischen Denken Peter Wusts. Berlin: LIT. Dogmatischer dagegen Lohner, A. (1995): Peter Wust: Gewißheit und Wagnis. Eine Gesamtdarstellung seiner Philosophie. Paderborn u. a.: Schöningh, S. 436, wenn gegen Bloch, Sartre und Camus gewettert wird. Wie immer einfühlsam: Schüßler, W. (2008): „Geborgen in der Ungeborgenheit“. Einführung in Leben und Werk des Philosophen Peter Wust (1884–1940). Berlin u. a.: LIT. 482 Vgl. auch Ermann, M. (2009): Psychoanalyse in den Jahren nach Freud. Entwicklungen 1940–1975. Stuttgart: Kohlhammer, S. 70 ff. 483 So auch bei Kristeva, J. (2007): Schwarze Sonne. Depression und Melancholie. Frankfurt am Main: Brandes & Apsel. 484 Wust, P. (1946): Der Mensch und die Philosophie. Einführung in die Hauptfragen der Existenzphilosophie. Münster: Regensbergsche Verlagsbuchhandlung. 485 Bischof, R. (2010): Tragisches Lachen. Berlin: Matthes & Seitz.

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zept der Transgressivität486 die Überschreitung von kulturellen Grenzen, ins Neue und Unbekannte hinein, bezeichnet. Durch die Erschließung des Neuen werden Dynamiken der De- und der Re-Territorialisierung ausgelöst. Grenzen selbst werden damit kontingent; es werden Möglichkeitsräume veränderlicher Art generiert. Die Grenze wird zu einem Raumoperator. Vor diesem Hintergrund werden Identitäten produziert und abgewandelt. Dabei werden avantgardistisch auch Raumschemata temporalisiert, weil Zukunft eröffnet wird. Der bipolaren Spannungsbeziehung zwischen Ruhe und Unruhe im Menschen korrespondieren bei Wust eine Reihe weiterer Binärismen: Verstanden wird der Mensch „in seinem ewigen Auf und Ab zwischen Wahrheit und Irrtum, zwischen Licht und Finsternis, zwischen Ruhe und Unruhe.“ 487 Also: Auf : Ab = Wahrheit : Irrtum = Licht : Finsternis = Ruhe : Unruhe.

Und diese Binärismen möchte ich hier psychodynamisch im Rahmen einer entsprechenden personalen Existenzanalyse lesen. Und weiter schreibt Wust: Die Analyse zeige „uns den Menschen als ein Wesen, das nie zu Hause ist: und deshalb immer nach Haus unterwegs ist“ 488. In diesem Sinne beschreibt Wolfgang Schadewaldt (1900–1974) den Menschen als Wanderer. Und so gelingt es auch hier, auf der Basis der generativen Grammatik des Wanderns durch die Welt als Selbst-Findung der Person eine Reihe von Binärismen zu entfalten.489 Das Wandern ist der bewegende Generator bereits im Mythos, der im Epos verkörpert ist, wie auch im Logos, der sich in der Prosa ausdrückt: Epos : Prosa = Mythos : Logos.

Dabei stehen im Entsprechungsverhältnis: Herumirren : Reisen = Labyrinth : ionische490 Kolonisation. 486 Vgl. auch Albers, I./Pfeiffer, H. (Hrsg.) (2004): Michel Leiris – Szenen der Transgression. München: Fink. Zu Leiris (1901–1990) vgl. auch Heinrichs, H.-J. (1992): Ein Leben als Künstler und Ethnologie. Über Michel Leiris. überarb. Ausgabe. Frankfurt am Main: Fischer. 487 Wust, P. (1946): Der Mensch und die Philosophie. Einführung in die Hauptfragen der Existenzphilosophie. Münster: Regensbergsche Verlagsbuchhandlung, S. 63. 488 Wust, P. (1946): Der Mensch und die Philosophie. Einführung in die Hauptfragen der Existenzphilosophie. Münster: Regensbergsche Verlagsbuchhandlung, S. 63. 489 Schadewaldt, W. (1990): Die Anfänge der Geschichtsschreibung bei den Griechen. 3. Aufl. Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 68. 490 Wobei die dorische Wanderung, die der älteren Stamme der Griechen (so auch die Ionier) verdrängt hätten, heute als archäologisch-historisch überholt gilt. Zur griechischen Frühzeit Welwei, K.-W. (2002): Die griechische Frühzeit. 2000 bis 500 v. Chr. München: Beck sowie Fischer, J. (2009): Griechische Frühgeschichte bis 500 v. Chr. Darmstadt: WBG.

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A. Grundlegungen

Die tiefengrammatischen Binärismen, die hier dahinter gelegt sind, sind: Schicksal : Freiheit = göttlicher Kosmos : Geschichte

oder Geschehen : Tun = Genealogie : Biographie.

Philosophiegeschichtlich491 transformiert sich dies zu Tun : Haben = Weisheit : Erinnerung.

Hier liegt eine breite Fachliteratur vor. Schadewaldt entfaltet diese Zusammenhänge in seiner selbst höchst entwickelten Vorlesungssprache, wobei ich jedoch glaube, dass sich hierbei diese strukturalen Codes entbergen lassen. Es wird sich zeigen, wie die sich hier abzeichnenden inneren Haltungen des Menschen als Modi der Offenbarung Formen der Begegnung mit dem Anderen der Welt sind und deshalb für meine Frage nach der Kultur des Umgangs mit dem anderen Mitmenschen als archäologisch konstitutiv einzuschätzen sind. Wenn Schadewaldts Epos von Drama/Tragödie und Lyrik differenziert492, so entfaltet er hier eine dreistellige Binärik: Sagen : Spielen : Singen = Vorstellung : Sprung : Inne-Werden.

Hier ist Schadewaldt unterwegs in den (im Sinne einer historischen Psychologie493), in Anlehnung von die Arbeiten von Jan Hendrik van den Berg (*1914) so genannten metabletischen Transformationen494 der Weltverhältnis-Mentalität des Menschen vom homo (oeconomicus) faber495 zum homo religiosus, der in der Ekstase496 wurzelt. Und genau diese Ekstase497 ist Teil einer binär codierten Ordnungspraxis, wie sie auch in der Soziologie von Michel Maffesoli (*1944) behandelt wird.498 Dort 491 Zum Kosmos-Verständnis vgl. auch Kranz, W. (1938): Kosmos als philosophischer Begriff frühgriechischer Zeit. In: Philologus 93, S. 430–448. Vgl. ferner Gemeinhardt, P./Zgoll, A. (Hrsg.) (2010): Weltkonstruktionen. Religiöse Weltdeutung zwischen Chaos und Kosmos vom Alten Orient bis zum Islam. Tübingen: Mohr Siebeck. 492 Schadewaldt, W. (1997): Die frühgriechische Lyrik. 2. Aufl. Frankfurt am Main: Suhrkamp. 493 Vgl. Jüttemann, G./Sonntag, M./Wulf, Chr. (Hrsg.) (1991): Die Seele. Ihre Geschichte im Abendland. Weinheim: Psychologie Verlags Union sowie auch Crone, K./ Schnepf, R./Stolzenberg, J. (Hrsg.) (2011): Über die Seele. 2. Aufl. Frankfurt am Main: Suhrkamp. 494 Zur Psychohistorie vgl. auch Gestrich, A. (1999): Vergesellschaftungen des Menschen. Einführung in die historische Sozialisationsforschung. Tübingen: discord, S. 69 ff. 495 Schmitz, W. (Hrsg.) (1983): Frischs Homo faber. Frankfurt am Main: Suhrkamp. 496 Eliade, M. (1999): Schamanismus und archaische Ekstasetechnik. 10. Aufl. Frankfurt am Main: Suhrkamp. 497 Vgl. auch Cusinato, G. (2012): Person und Selbsttranszendenz. Ekstase und Selbsttranszendenz. Ekstase und Epoché des Ego als Individuationsprozesse bei Schelling und Scheler. Würzburg: Königshausen & Neumann.

IV. Zur Metaphorologie der „kommunalen Gastfreundschaftskultur‘‘

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korrelieren die schizoiden und die syntonischen Kräfte den Kategorien puissance und pouvoir, jeweils verstanden als Wille zur liminalen Souveränität und als Regierungsmacht, korreliert jeweils zur (castoriadischen) Kreativität/Imagination und zur Ordnung, zu verstehen als dionysisch499 einerseits und promethisch500 andererseits.501 In diesem Kontext ist (nicht nur das neuzeitliche502) „Reisen“ in der ganzen metaphorischen Vielfalt zu beachten.503 Bei mir dominiert die tiefenpsychologi-

498

Dazu in Keller, R. (2006): Michel Maffesoli. Eine Einführung. Konstanz: UVK. Baeumer, M. L. (2006): Dionysos und das Dionysische in der antiken und deutschen Literatur. Darmstadt: WBG sowie Schlesier, R./Schwarzmaier, A. (Hrsg.) (2009): Dionysos. Verwandlung und Ekstase. Regensburg: Schnell & Steiner; Heinemann, A. (2011): Der Gott des Gelages. Bildwelten des Dionysos auf attischem Trinkgeschirr. Berlin/New York: de Gruyter. 500 Pankow, E./Peters, G. (Hrsg.) (1999): Prometheus. Mythos und Kultur. München: Fink sowie Vaupel, B. (2005): Göttergleich – Gottverlassen. Prometheus in der bildenden Kunst des 19. und 20. Jahrhunderts. Weimar: VDG. 501 Gesellschaftliche Praxis besteht aus Kult und Ritus, Routine und Ekstase. Gesellschaft ist aber demnach beides: a) Praktiken einer replikativen sozialen Praxis und b) Praktiken innovativer Suche und Entdeckung von Alterität, weil sich Identität und Alterität ohnehin nur wechselseitig definieren lassen. In diesem Sinne hat sich die Soziologie immer zugleich mit Statik und Dynamik beschäftigt. Das Menschenbild ist daher ein bi-modales Modell. a) In humanwissenschaftlichen Menschenbild-Modellierungen wird der habitualisierte Deutungsmuster-Akteur konzipiert etwa als homo socialis, als homo culturalis oder als homo institutionalis; b) der performative Mensch wird konzipiert etwa als homo pictor oder als homo creator. Beiden Modi liegt aber eine gemeinsame existenzialanthropologische Annahme zugrunde: Der Mensch ist angesichts seines Status als homo abyssus ein homo symbolicus, der also seine kontingente Daseinsbewältigung in kognitiven, diskursiven und pragmatischen Ausdrucksformen realisiert. Und: Der homo religiosus ist sicherlich ein Ur-Typus des homo symbolicus. Folgt der Mensch im a)-Modus in der (bereits in den antiken Philosophie diskutierten) Metapher der „Wachstafel“ der auf reproduktive Mimesis abstellenden Inskriptionslogik des Sozialen, so imaginiert der Mensch im b)-Typus das Soziale in schöpferischer Mimesis in poetisch-ästhetischer Pragmatik. Es wäre aber falsch (wie die ältere homo sociologicus versus homo oeconomicus-Kontroverse nahelegen könnte), im a-Typus den (semiotisch) „über-sozialisierten Menschen“ und im b-Typus den (syntax-freien) „unter-sozialisierten Typus“ erkennen zu wollen, der (neue) Semantik durch voraussetzungslose Pragmatik schafft. Vgl. auch Fischer, J. (2010): Die Rollendebatte – der Streit um den „Homo sociologicus“. In: Kneer, G./Moebius, St. (Hrsg.): Soziologische Kontroversen. Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 79–101. So betont Lefébvre (Lefébvre, H. [1972]: Soziologie nach Marx. Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 47) das menschliche Sein als „Akt und Werk“ und argumentiert über die Mimesis als Vermittlung zwischen Wiederholung und Erneuerung (46). Das Sein des Menschen „ereignet und vollzieht sich (. . .) vermittels und durch Bewußtsein, Willensakte und Ideen.“ (Lefébvre, H. [1971]: Probleme des Marxismus, heute. 6. Aufl. Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 80). Für Lefébvre (Lefébvre, H. [1972]: Soziologie nach Marx. Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 41) ist die Gesellschaft „Schöpferin von Formen“. Und angesichts der Seinsbestimmtheit des Menschen wird man Lefébvre kaum missverstehen können, wenn er dennoch vom „Wirken“ des Menschen ausgeht (S. 32). Er kennt die „kreative Tätigkeit“ (S. 37). 502 Schwara, D. (2007): Unterwegs. Reiseerfahrung zwischen Heimat und Fremde in der Neuzeit. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht. 499

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A. Grundlegungen

sche Interpretation, die die Wandlungsprozesse des Menschen im Lebenszyklus beschreiben und hermeneutisch entschlüsseln. Die räumliche Entfernungsüberbrückung504 korrelliert hierbei mit der kulturellen Persönlichkeitsformung, die prozessuale Individuation mit der teleologischen Findungslogik. Insofern geht es um die „Lebensreise“.505 Hier wurzelt jene „bestimmte Grundhaltung der Seele, jenes Offensein, von dem wir gesprochen hatten.“ 506 Ich werde das später (vgl. Schlusskapitel XIII.) als schizoide Kraft zur Transgression (ich erinnere dabei auch an eine diesbezüglich auszuarbeitende Logik des Surrealismus507), zur Wanderung in Richtung auf Alterität508, darlegen, womit jene Kreativität509 bezeichnet sein soll, die zur gelingenden, Grenzen-überwindenden kommunikativen Begegnung im sozialen Miteinander notwendig ist. Der Mythos von Dädalus und Ikarus, wie ihn Joseph Leo Koerner dargelegt hat510, verweist mich auf verwandte Logiken der Psychodynamik im Spannungsmanagement von Enge und Weite, die Koerner im Lichte der Daseinsanalyse von Ludwig Binswanger referiert. Das Schema ist wie folgt aufgestellt: 503 Dazu Hlavin-Schulze, K. (1998): Man reist ja nicht, um anzukommen. Frankfurt am Main/New York: Campus, S. 20 ff. Vgl. ferner etwa Leed, E. J. (1993): Die Erfahrung der Ferne. Frankfurt am Main/New York: Campus. 504 Zur Psychologie des Urlaubes vgl. auch in Schulz-Nieswandt, F. (2002): Arbeit und Freizeit. Erwartungen und Enttäuschungen. In: Bellebaum, A. (Hrsg.): Glücksforschung. Eine Bestandsaufnahme. Konstanz: UVK, S. 193–212, hier S. 205 ff. 505 Vgl. auch Christen, M. (1999): „to the end of the line“. Zu Formgeschichte und Semantik der Lebensreise. München: Fink. 506 Schadewaldt, W. (1997): Die frühgriechische Lyrik. 2. Aufl. Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 33. 507 Nadeau, M. (1986): Geschichte des Surrealismus. 7. Aufl. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt. 508 Bossinade, J. (2011): Die Stimme des Anderen. Zur Theorie der Alterität. Würzburg: Königshausen & Neumann. 509 Ich verweise auf das Werk von Cornelius Castoriadis (1922–1997). Vgl. Castoriadis, C. (2009): Gesellschaft als imaginäre Institution. 4. Aufl. Frankfurt am Main: Suhrkamp. Dieser bricht mit der gesamten identitätslogischen abendländlichen Ontologie. Seine radikale Imagination kommt aus dem Nichts heraus. Castoriadis geht dagegen von einem Apriori der Phantasie aus, als Magna gedacht, woraus eine Ur-Total-Autonomie, eben des Ichs, resultiert. Castoriadis nimmt eine Ur-Monade an, die vor jeder Inskription des Sozialen zu denken ist. Die Ur-Monade kennt keine hylemorphe Dynamik von Identität und Alterität, sondern ist eine Ur-Einheit, auch das Kopula (vgl. auch Schadewaldt, W. [1979]: Die Anfänge der Philosophie bei den Griechen. Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 156 f. S. 322) betreffend: A = ist = B. Dies ist keine lexikalische (kulturell codierte) Produktivität, die identitätslogisch im Rahmen einer vorgängig gültigen Mengenlehre die Teile generiert. Castoriadis ist u. a. auch diskutiert in Joas, H./Knöbl, W. (2010): Sozialtheorie. 3. Aufl. Frankfurt am Main: Suhrkamp. 510 Koerner, J. L. (1983): Die Suche im Labyrinth. Der Mythos von Dädalus und Ikarus. Frankfurt am Main: Suhrkamp.

IV. Zur Metaphorologie der „kommunalen Gastfreundschaftskultur‘‘

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Labyrinth : Flug = Erde : Himmel = Enge : Weite = Tiefe : Höhe.

Entscheidend ist nun das jeweilige Maß an neurotischer „Verstiegenheit“ (Binswanger). Der an den Tod erinnernde Zeitverlust im aussichtslosen511 Labyrinth512 des alltäglichen Lebens kippt zur Depression und kann, statt zur Lebenskunst der Liebe und der Kunst als Transgressionsmechanismen und Ekstasepfade zu neigen, in Manie wechseln, die auf jenen verstiegenen Größenwahn neurotisch verweist, der aus der Umkippung der Ekstase in der Höhe resultiert, dann nämlich, wenn der Held des menschlichen Alltags den Göttern zu nahe kommen will. Valcarenghi hat in ihrer tiefenpsychologischen Entschlüsselung der symbolischen Komplexität des Archetypus des Labyrinths implizit auf eine strukturale Logik verwiesen: Das Labyrinth sei eine Form513, charakterisiert durch Ende : Anfang = Geheimnis : Wissen = Angst : Suche.

Vieles von diesen Überlegungen erinnert an meine Studien514 zur Dialektik von Systole und Diastole im Leben von Hermann Hesse (1877–1962).515 Psychoanalytisch kommt dann noch eine zweite Deutungsschicht quer hinein, wenn der Flug als Prometheus516-Komplex im Rahmen der Überwindung der 511 Glowinski nennt das Labyrinth den „Raum der Fremdheit“. Vgl. Glowinski, M. (2005): Mythen in Verkleidung. Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 166 ff. Hocke behandelt in der Geschichte der manieristischen Kunst die Welt insgesamt als Labyrinth: Hocke, G. R. (1957): Die Welt als Labyrinth. Manier und Manie in der europäischen Kunst. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt. 512 Dazu auch in Messimeri, E. (2001): Wege-Bilder im altgriechischen Denken und ihre logisch-philosophische Relevanz. Würzburg: Königshausen & Neumann, S. 116 ff., u. a. mit Bezug auf Kerényi, K. (1966): Humanistische Seelenforschung. München u. a.: Langen & Müller (ich beziehe mich hier auf die Ausgabe von 1996) sowie Kern, H. (1982): Labyrinthe – Erscheinungsformen und Deutungen. 5000 Jahre Gegenwart eines Urbilds. München: Prestel. 513 Valcarenghi, M. (1998): Beziehungen. Vom Wir zum Ich. Theseus und Ariadne. Hades und Persephone. Leinfelden-Echterdingen: Bonz, S. 147. 514 Binärismen im Sinne einer derartigen Anthropologie der menschlichen Existenz habe ich am Beispiel der Malerei von Elias Maya darlegen können: Schulz-Nieswandt, F. (2002): Zwischenwelten. Elias Maya. Archetypische Bilder und Grundthemen menschlicher Existenz in der Malerei von Elias Maya. Koblenz: Garwain; vgl. auch Gender-bezogen in Schulz-Nieswandt, F. (2006): Variationen über Frau-Sein. Anthropologische Studien zu Zeichnungen von Elias Maya. Berlin: LIT. 515 Schulz-Nieswandt, F. (2006): Sozialpolitik und Alter. Stuttgart: Kohlhammer, S. 31 f. Vgl. auch Theodorou, P. (2008): Übergangsriten in Hermann Hesses Erzählungen. München: Iudicium sowie Bieliková, M. (2007): Bipolarität der Gestalten in Hermann Hesses Prosa. Hamburg: Kovac. Ob die neueren Hesse-Biographien das auch so sehen, müsste ich erst noch näher erarbeiten. Vgl. Decker, G. (2012): Hermann Hesse. Der Wanderer und sein Schatten. München: Hanser; Schwilk, H. (2012): Hermann Hesse. Das Leben des Glasperlenspielers. 2. Aufl. München: Piper. 516 Pankow, E./Peters, G. (Hrsg.) (1999): Prometheus. Mythos und Kultur. München: Fink sowie Vaupel, B. (2005): Göttergleich – Gottverlassen. Prometheus in der bildenden Kunst des 19. und 20. Jahrhunderts. Weimar: VDG.

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A. Grundlegungen

Position des Vaters durch den Sohn deutlich wird. Diese Sicht ist mir im vorgegebenen Zusammenhang wichtiger als die sonst übliche Sicht, in Prometheus ein Sinnbild für die dramatischen Kehrseiten der technischen Zivilisierung zu sehen. Diese Sicht wiederum findet sich verbreitet, prominent in der Ethik von Hans Jonas (1903–1993), der sich neuerdings einer intensiven aktualisierenden517 Rezeption erfreut518, und der in seinem „Prinzip Verantwortung“ 519 genau diese Entfesselung der Kräfte thematisiert.520 Diese Sicht ist nicht falsch, aber eben – anders – akzentuiert als ich es jetzt präferiere. Es geht also, analog zu den Inhalten der Büchse der Pandora, um die Übel der Technologien für das menschliche Zusammenleben und für das Verhältnis der Menschen zur Natur. Dabei geht es weniger darum, dass eine entsprechende Ethik angesichts inter-generationeller Externalitäten nicht tatsächlich relevant ist und eine zukunftsbezogene advokatorische Ethik verlangt. 521 Ich halte mich aber eher an eine Mythosdeutung522, die ähnlich der von Hans Blumenberg (1920–1996)523 ist (und auch, wie bei Bultmann, nicht das Ende, sondern nur eine permanente neue Arbeit an der Deutung der Mythen ist). Als Teil der „Arbeit am Mythos“ geht es um ein Paradigma (und um spätere Umarbeitungen) der Problematik der menschlichen Selbstbehauptung in einer Umwelt, die „absolutistisch“ in dem Sinne ist, dass ihre Herrschaft vom Menschen angeeignet werden muss.524 Soweit zu dieser Klärung meines Verständnisses des homo patiens. Es ist immer schwierig, Begriffe zu finden, die analytisch fruchtbar sind und zugleich eine den Mitmenschen gewinnende Anmutungsqualität haben. Ich habe mich zu dieser Kategorie der Gastfreundschaftskultur525 aufgrund meiner umfassenden anthropologischen und kulturgeschichtlichen Studien ent517 Wiese, Chr./Jacobson, E. (2003): Weiterwohnlichkeit der Welt. Zur Aktualität von Hans Jonas. Hamburg: Philo Fine Arts. 518 Lenzig, U. (2006): Das Wagnis der Freiheit. Der Freiheitsbegriff im philosophischen Werk von Hans Jonas aus theologischer Perspektive. Stuttgart: Kohlhammer; Müller, W. E. (2003): Hans Jonas – von der Gnosisforschung zur Verantwortungsethik. Stuttgart: Kohlhammer sowie auch Müller, W. E. (2008): Hans Jonas. Philosoph der Verantwortung. Darmstadt: Primus. 519 Jonas, H. (1992): Das Prinzip Verantwortung. Frankfurt am Main: Suhrkamp. 520 In diesem Sinne ist auch die (disziplinierungstheoretische) Zivilisationstheorie des Feuers von Johan Goudsblom zu verstehen. Vgl. Goudsblom, J. (2000): Die Entdeckung des Feuers. Frankfurt am Main/Leipzig: Insel. Tiefergehend und variantenreich: Bachelard, G. (1985): Psychoanalyse des Feuers. (1949). München: Hanser. 521 Birnbacher, D. (1988): Verantwortung für zukünftige Generationen. Stuttgart: Reclam. 522 Anders wiederum in Kerényi, K. (1998): Urbilder der Griechischen Religion. Stuttgart: Klett-Cotta. Hier geht es um gewisse Ähnlichkeiten zur Christusproblematik. 523 Wetz, J. (2011): Hans Blumenberg zur Einführung. 3., vollst. überarb. Aufl. Hamburg: Junius. 524 Blumenberg, H. (2006): Arbeit am Mythos. Frankfurt am Main: Suhrkamp.

IV. Zur Metaphorologie der „kommunalen Gastfreundschaftskultur‘‘

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Suche Angst Einsamkeit

Mut (zum Sein)

Verzweiflung

Sinn-Orienerung (Aufgabe)

(An-)Ruf(ung) Schaubild 2: Der homo patiens (II)

schlossen.526 Sie ist ethisch gehaltvoll und zugleich soziologisch modern brauchbar. Sie ist nicht in temporaler Transitivität kurzfristig definiert (also fokussiert auf einen Gast, der [so Georg Simmel] bald wieder geht). Es geht um nachhaltige Inklusion und insofern um ent-pathologisierende527 Normalisierung.528 Es geht also um eine Ent-Anomalisierung der Anomalien.529 525 Hiltbrunner, O. (2005): Gastfreundschaft in der Antike und im frühen Christentum. Darmstadt: WBG. 526 Vgl. zur diachronen wie synchronen Universalität des Phänomens Pezzoli-Olgiati, D. u. a. (2000): Art. Gastfreundschaft. In: Betz, H. D. u. a. (Hrsg.): RGG, Bd. 3. Tübingen: Mohr Siebeck, S. 473–478. Das Prinzip spielt in der neueren Ethik-Debatte eine zentrale Rolle: Liebsch, B. (2008): Für eine Kultur der Gastlichkeit. Freiburg i. Br.: Alber; Haberer, H. (1997): Gastfreundschaft – ein Menschheitsproblem. Aachen: Shaker; Bischof, S. (2005): Gerechtigkeit – Verantwortung – Gastfreundschaft. Freiburg i. Br. u. a.: Herder. 527 Dazu auch Groß, D./Müller, S./Steinmetzer, J. (Hrsg.) (2008): Normal – anders – krank? Akzeptanz, Stigmatisierung und Pathologisierung im Kontext der Medizin. Berlin: MWV. 528 Dazu auch Lutz, P. u. a. (Hrsg.) (2003): Der (im-)perfekte Mensch. Metamorphosen von Normalität und Abweichung. Köln u. a.: Böhlau. 529 Vgl. auch Schlosser, K. (1952): Körperliche Anomalien als Ursache sozialer Ausstoßung bei Naturvölkern. In: Zeitschrift für Morphologie und Anthropologie 44 (1/2),

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A. Grundlegungen

Es muss als Bemerkung eingeschoben werden, dass der Diskurs zum Normalismus530 nicht so trivial ist (und nicht so leicht umzusetzen ist531), wie eine engagierte Sozialkritik der sozialen Ausgrenzung es vielleicht wahrhaben möchte.532 Geht es um Normalisierung533 im Sinne der Angleichung oder um Akzeptanz des Andersseins im Rahmen einer Diversitätsakzeptanz? Die Dinge liegen also phänomenologisch nicht so einfach.534 Es geht, also, um den Gast, der bleibt.535 Aus der Gemeinde wird (s. o.) eine offene Rechtsgenossenschaft, die in ihrer moralökonomischen Materialität eben auch eine Hilfegenossenschaft ist, eine „Bruder- oder Schwesternschaft“, auch ohne offizielle ritualisierte536 Eid- und Schwursymbolik. Es geht insofern eben nicht um „Gasthaushalte“, sondern um „Gastfamilien“ 537. Und auch das ist terminologisch falsch. Aber das neue Gemeindeleben der Inklusionsgemeinschaft soll nun als Form eines stärker gemeinschaftlich akzentuierten inter-personellen, aber eben artifiziellen Lebens verstanden werden, so dass sprachliche Assoziationen zum Familialismus538 unbedingt zu vermeiden sind, da sonst falsche, nämlich anachronistisch-romantische Rezeptionsmodalitäten wirksam werden könnten. Deswegen ist der Genossenschafts-Begriff geeignet, da er die „kinship“-Assoziationen überwindet zugunsten einer allgemeinen Theorie der, wie es in der modernen Kulturanthropologie (die umfangreiche Literatur führe ich nicht an539) genannt wird, „cultures of relatedness“.

S. 220–236. Vgl. ferner Sagner, A. (2001): Behinderung und Kultur. In: Zeitschrift für Ethnologie (125), S. 175–207. 530 Link, J. (2009): Versuch über den Normalismus. Wie Normalität produziert wird. 4. Aufl. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht. Vgl. auch Rolf, Th. (1999): Normalität. Ein philosophischer Grundbegriff des 20. Jahrhunderts. München: Fink. 531 Ahrbeck, B. (2011): Der Umgang mit Behinderung. Stuttgart: Kohlhammer. 532 Dazu auch Seelmeyer, U. (2007): Das Ende der Normalisierung? Soziale Arbeit zwischen Normativität und Normalität. Weinheim/München: Juventa. 533 Dazu auch Bösl, E. (2009): Politiken der Normalisierung. Zur Geschichte der Behindertenpolitik in der Bundesrepublik Deutschland. Bielefeld: transcript. 534 Waldenfels, B. (2008): Grenzen der Normalisierung. Studien zur Phänomenologie des Fremden 2. 2., erw. Aufl. Frankfurt am Main: Suhrkamp. 535 Dazu auch als Simmel-Exegese: Loyke, A. (Hrsg.) (1992): Der Gast, der bleibt. Dimension von Georg Simmels Analyse des Fremdseins. Frankfurt am Main/New York: Campus. 536 Vgl. auch Manger, K./Pott, U. (Hrsg.) (2007): Rituale der Freundschaft. Heidelberg: Winter. 537 Konrad, M./Becker, J./Eisenhut, R. (Hrsg.) (2012): Inklusion leben. Betreutes Wohnen in Familien für Menschen mit Behinderung. Freiburg i. Br.: Lambertus. Vgl. auch Rosemann, M./Konrad, M. (Hrsg.) (2011): Betreutes Wohnen. Bonn: Psychiatrie Verlag. 538 Schneiders, K. (2011): Zurück zur Großfamilie? Chancen und Grenzen gemeinschaftlicher Wohnformen aus soziologischer Perspektive. In: Sozialer Fortschritt 60 (11), S. 264–271.

IV. Zur Metaphorologie der „kommunalen Gastfreundschaftskultur‘‘

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„Gastfreundschaft“ spielt im Lichte der neueren inter-disziplinären Diskurse zur Überwindung von Ausgrenzung (soziale Exklusion) bzw. (quasi nur umgekehrt) zur Förderung der sozialen Inklusion (nicht einfach der anbieterdominierten Integration) eine tragfähige, fruchtbare Rolle. Gastfreundschaft ist eine universale conditio humana, die als unbedingte Voraussetzung jeglicher Kultur und Zivilisation gelten muss und in diesem Sinne auch weltweit verstanden wird, auch schon im vor-christlichen Altertum. Ich möchte die Forschungsliteratur hier nicht ausbreiten. Ich habe dies Gabe-anthropologisch (s. o.), im Lichte der Soziologie, Mikroökonomik und Psychologie der Reziprozitätsformen und sogar im Lichte der theologischen Anthropologie540 und Fundamentalontologie in meinen Schriften hinreichend bereits getan.541 Die Praxis der Gastfreundschaft, wenn sie gelingt, macht Fremde zu Freunden, macht den Outsider zum Insider. Sie sorgt, wie Forschungen zu den Effekten steigendem psychischen Wohlbefindens infolge sozialen Engagements zeigen542, seitens des gastgebenden Menschen (im Lichte einer personalistischen Psychologie betrachtet)543 sogar für seelische Reifung544 und Persönlichkeitswachstum545 (statt einer depressiv-melancholischen Stagnation als blockierter Individuation546). Ich will hier nicht naiv erscheinen: Das Leben ist neben der Gabe auch von Hass, Feindschaft, Krieg etc. geprägt. Das wusste auch der homerische Grieche, nahm dies aber nicht in christlicher Selbst-Ablehnung in Verstiegenheit bis zur Selbst-Verleugnung an, sondern als Herausforderung, der er sich in dieser Welt heldenhaft stellen muss, womit ich mich wieder an Saint-Exupéry orientiere. Die gewählte Kategorie der Gastfreundschaft(skultur) ist eine Kategorie zur Beschreibung der sozialen Tatsache, dass sich Solidarität nicht nur auf den engsten Kreis der Familie, Verwandtschaft und Freunde bezieht. Diese Solidarität ist relativ trivial. Es geht um die Bereitschaft zur Gabe und zum Teilen mit Frem539 Carsten, J. (Hrsg.) (2000): Cultures of Relatedness. New Approaches to the Study of Kinship. Cambridge/UK: Cambridge University Press. 540 Schoberth, W. (2006): Einführung in die theologische Anthropologie. Darmstadt: WBG. 541 Vgl. u. a. etwa in Schulz-Nieswandt, F. (2010): Wandel der Medizinkultur? Berlin: Duncker & Humblot, dort mit weiteren Verweisen. 542 Dazu vgl. in Fischer, R. (2012): Freiwilligenengagement und soziale Ungleichheit. Eine sozialwissenschaftliche Studie. Stuttgart: Kohlhammer, S. 124 ff. 543 Vgl. dazu auch Brühlmann, T. (2011): Begegnung mit dem Fremden. Zur Psychotherapie, Philosophie und Spiritualität menschlichen Wachsens. Stuttgart: Kohlhammer. 544 Schmidhuber, M./Gmainer-Pranzl, F. (Hrsg.) (2011): Der Anspruch des Fremden als Ressource des Humanen. Frankfurt am Main: Lang. 545 Vgl. auch Steinfort, J. (2010): Identität und Engagement im Alter. Eine empirische Untersuchung. Wiesbaden. VS. 546 Trimborn, W. (2011): Narzissmus und Melancholie. Zur Problematik blockierter Individuation. Gießen: Psychosozial.

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A. Grundlegungen

den, damit auch um die Überwindung von Angst547, Distanz548, Ekel549 und sonstigen affektuellen Haltungen550 der Abgrenzung durch Ausgrenzung.551 (Tragisches552) Lachen553 (und auch hier steht mir Kafka554 [und natürlich auch Plessner555] Pate, wenn der Sinn und die Logik des Lachens tiefer begriffen werden soll556) wäre557 eine Alternative558. Mit Erich Kästner559 gesprochen: Humor wäre eine Tugend; und sie ist möglich, denn „immer und überall ist es einigen gelungen.“ 560 547 Krohne, H. W. (2010): Psychologie der Angst. Stuttgart: Kohlhammer. Spezieller zum hier relevanten Feld: Lotz, M. (2000): Zur Sprache der Angst. Eine Studie zur Interaktion im pflegerischen Aufnahmegespräch. Frankfurt am Main: Mabuse. 548 Roskamm, N. (2011): Dichte. Eine transdisziplinäre Dekonstruktion. Bielefeld: transcript. 549 Dazu insbesondere Menninghaus, W. (2011): Ekel. Theorie und Geschichte einer starken Empfindung. 3. Aufl. Frankfurt am Main: Suhrkamp. Speziell zum Feld: Ringel, D. (2011): Ekel in der Pflege. 3. Aufl. Frankfurt am Main: Mabuse. 550 Unter Affektionalität verstehe ich die „Betroffenheit der Person durch die Welt“, woraus „Verstehen und Begegnung erwachsen.“ (Dietz, G./Kick, H. A. [2005]: Grenzsituationen und neues Ethos. Vom Homers Weltsicht zum modernen Menschenbild. Heidelberg: Winter, S. 70). Affektionalität meint somit das gefühlshafte Angesprochensein, die biographisch gewachsene subjektive Empfänglichkeit für die Welt, eingebettet in „einem Szenario zwischen historischem Gewordensein und künftigem, das Intendieren beanspruchendem Sollen.“ (S. 70). 551 Wolkenstein, L. (2009): Interventionen zur Verbesserung der Einstellung gegenüber psychisch erkrankten Menschen. Hamburg: Kovac. Vgl. auch Horn, H. (1975): Einstellungen und Reaktionen gegenüber Behinderten im sozialen Wandel. In: Zeitschrift für Heilpädagogik 26 (5), S. 281–393. 552 Im Sinne von Bataille. Hierzu vgl. nochmals Bischof, R. (2010): Tragisches Lachen. Berlin: Matthes & Seitz. 553 Dazu auch Nitschke, A./Stagl, J./Bauer, D. R. (Hrsg.) (2009): Überraschendes Lachen, gefordertes Weinen. Gefühle und Prozesse. Kulturen und Epochen im Vergleich. Wien u. a.: Böhlau. 554 Arens, D. (2001): Franz Kafka. München: dtv. 555 Plessner, H. (2003): Anthropologie der Sinne. Frankfurt am Main: Suhrkamp. Zu Helmuth Plessner (1892–1985) vgl. auch Haucke, K. (2012): Plessner zur Einführung. 2. Aufl. Hamburg: Junius sowie Kämpf, H. (2001): Helmuth Plessner. Düsseldorf/Bonn: Parerga. 556 Dazu aber auch Rehberg, P. (2007): lachen lesen. Zur Komik der Moderne bei Kafka. Bielefeld: transcript. 557 Witz, Lachen und Humor spielen in diesem funktionalen Sinne einer (sogar tiefenpsychologisch fundierbaren) Coping-Theorie auch mit Blick auf die Handlungssituation der sozialen Professionen eine zentrale Rolle: vgl. dazu auch Siegel, S. A. (2005): Darf Pflege(n) Spaß machen? Humor im Pflege- und Gesundheitswesen: Bedeutung, Möglichkeiten und Grenzen eines außergewöhnlichen Phänomens. Hannover: Schlütersche; Bischofberger, I. (Hrsg.) (2008): Das kann ja heiter werden. Humor und Lachen in der Pflege. Bern: Huber. 558 Dazu auch Gottwald, C. (2009): Lachen über das Andere. Eine historische Analyse komischer Repräsentationen von Behinderung. Bielefeld: transcript. 559 Hanuschek, S. (2004): Erich Kästner. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt; Schikorsky, I. (1998): Erich Kästner. München: dtv.

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Geben und Nehmen unter Menschen, die sich ohnehin nah sind, miteinander bekannt sind, Vertrauen zueinander haben, das ist (gerade auch im Lichte der Altruismusforschung561 der Soziobiologie562 und der Evolutionspsychologie)563 nicht die komplexeste (kulturwissenschaftlich [indem in traditionsreicher Linie Kulturanthropologie und Tiefenpsychologie zusammen kommen] zu reflektierende) Frage der Soziologie und Psychologie des sozialen Miteinanders. Aber wenn (im Lichte einer hier nicht zu dokumentierenden Forschungslage zu den Generationenbeziehungen564, zur kulturellen Grammatik der Asyl- und Migrationspolitikpraxis565 etc.) der Gesunde auf den Kranken trifft, der Junge auf den Alten, der Einheimische auf den Ausländischen, wenn es also um die Begegnung mit dem „Fremden“ geht, mit dem, was oft gesellschaftlich als das A-Normale566 im Kontrast zum Normalen konstruiert567 wird, dann wirkt oftmals, psychoanalytisch gesehen, eine ausgrenzende Hygiene-Angst. (Erwartete) Gefährdung zieht offensichtlich Reinheitsgebote568 nach sich.569 Eine Fülle kul560 Kästner, E. (1972): Die vier archimedischen Punkte. Kleine Neujahrs-Ansprache vor jungen Leuten. In: ders.: „. . . was nicht in euren Lesebüchern steht“. Frankfurt am Main: Fischer, S. 24. 561 Tomasello, M. (2010): Warum wir kooperieren. Frankfurt am Main: Suhrkamp. Vgl. auch in Bierhoff, H.-W. (2009): Psychologie prosozialen Verhaltens. 2., vollst. überarb. Aufl. Stuttgart: Kohlhammer. Ich habe das Thema immer wieder am Theorem des rationalen Altruismus erörtert und dies metapherngeschichtlich im Spiegel der Rezeptionsweisen von St. Martin bearbeitet. Vgl. auch Happ, M. (2006): Alte und neue Bilder vom heiligen Matin. Brauchtum und Gebrauch seit dem 19. Jahrhundert. Köln u. a.: Böhlau. 562 Kappeler, P. M./Schaik, C. P. van (Hrsg.) (2005): Cooperation in Primates and Humans. Mechanisms and Evolution. Berlin: Springer. Vgl. ferner De Waal, F. (2011): Das Prinzip Empathie. Was wir von der Natur für eine bessere Gesellschaft lernen können. München: Hanser. 563 Vgl. auch Henrich, J. et al. (Hrsg.) (2004): Foundations of Human Society. Oxford University Press. 564 Aus der Fülle der soziologischen Forschung vgl. etwa Haberkern, K. (2009): Pflege in Europa. Wiesbaden: VS; Brandt, M. (2009): Hilfe zwischen Generationen. Wiesbaden: VS. Dazu auch Schulz-Nieswandt, F. u. a. (2009): Generationenbeziehungen. Netzwerke zwischen Gabebereitschaft und Gegenseitigkeitsprinzip. Berlin: LIT. 565 Marschke, B./Brinkmann, H. U. (Hrsg.) (2011): Handbuch Migrationsarbeit. Wiesbaden: VS. Vgl. auch Mund, P./Theobald, B. (Hrsg.) (2009): Kommunale Integration von Menschen mit Migrationshintergrund – ein Handbuch. Freiburg i. Br.: Lambertus. 566 Foucault, M. (2007): Die Anormalen. Frankfurt am Main: Suhrkamp. Vgl. auch Geisenhanslüke, A./Mein, G. (Hrsg.) (2009): Monströse Ordnungen. Zur Typologie und Ästhetik des Anormalen. Bielefeld: transcript. 567 Vgl. etwa auch Pfahl, L. (2011): Techniken der Behinderung. Der deutsche Lernbehindertendiskurs, die Sonderschule und ihre Auswirkungen auf Bildungsbiografien. Bielefeld: transcript. 568 Dazu auch (u. a. mit Blick auf die „humanistische“ Griechenland-Rezeption im 19. Jahrhundert) Said, E. W. (1994): Kultur und Imperialismus. Frankfurt am Main: S. Fischer, S. 52. Dazu auch (dort zitiert) Bernal, M. (1983): Black Athena: the Afroasiatic Roots of Classical Civilization. Bd. 1. New Brunswick: Ruttgers University Press.

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A. Grundlegungen

turanthropologischen Materials (über Reinheit, über Tabu-Regime570, über binäre Codes des Profanen und des Sakralen etc.), das hier nicht zu entfalten ist, klärt auf über die Ubiquität des Mechanismus. Die modernen Theorieentwürfe zur Pathosophie, zur salutogenetischen Perspektivenüberwindung der rein defektorientierten Pathogenese in der Medizin, die gewonnenen Erkenntnisse einer Anthropologie des Schmerzes571 (ich erinnere an den Beitrag von Hans-Georg Gadamer [1900–2002]), die ich an anderer Stelle eingearbeitet habe572, haben deutlich gemacht, wie verkürzt und reduktionistisch die binäre Logik ist und sich die Überlegenheit eines Denkens entlang eines Kontinuums erweist. Aber die binären Codes sitzen tief verwurzelt in der kulturgeschichtlich als kollektives Gedächtnis vererbten Psychogrammatiken, deren Metabletik sich als zäh und mühsam erweist.573 Meine eigene Daseinsanalyse574 basiert schließlich auf einer menschlich offensichtlich schwer zu überwindenden Binärik. Denn die polare Differenz zwischen gelingendem und verfehltem Dasein ist selbst ein normativer binärer Code, der das Kontinuum gedanklich vernachlässigt, das doch konstitutiv ist für die Relativität menschlicher Seinsmöglichkeiten im soziologischen Sinne. Daher verweist Kouba, der die Position von Heidegger575 und dessen Rezeption bei Medard Boss (1903–1990)576 im Rahmen der Zollikoner Gespräche577 der Position von Deleuze und Guatarri578 gegenüberstellt, m. E. zu Recht auf diese Relativität 569 Klassisch dazu Douglas, M. (1985): Reinheit und Gefährdung. Eine Studie zu Vorstellungen von Verunreinigung und Tabu. Berlin: Reimer. 570 Dazu auch Kraft, H. (2004): Tabu. Magie und soziale Wirklichkeit. Düsseldorf/ Zürich: Walter/Patmos. 571 Vgl. auch Schug, W. (2011): Grundmuster visueller Kultur. Bildanalysen zur Ikonographie des Schmerzes. Wiesbaden: VS. 572 Vgl. in Schulz-Nieswandt, F. (2010): Wandel der Medizinkultur? Berlin: Duncker & Humblot. 573 Dazu auch Rathmayr, B. (2011): Selbstzwang und Selbstverwirklichung. Bausteine zu einer historischen Anthropologie der abendländischen Menschen. Bielefeld: transcript. 574 Passie, T. (1995): Phänomenologisch-anthropologische Psychiatrie und Psychologie. Eine Studie über den „Wengener Kreis“: Binswanger – Minkowski – von Gebsattel – Strauss. Hürtgenwald: Pressler. 575 Biemel, W. (1993): Heidegger. 12. Aufl. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt sowie Figal, G. (2011): Martin Heidegger. 6., erg. Aufl. Hamburg: Junius. Vgl. auch Reijen, W. (2008): Martin Heidegger. München: Fink (UTB). 576 Boss, M. (1975): Grundriß der Medizin und der Psychologie. 2., erg. Aufl. Bern: Huber. Dazu auch Paulat, U. (2011): Medard Boss und die Daseinsanalyse – ein Dialog zwischen Medizin und Philosophie im 20. Jahrhundert. Marburg: Tectum. 577 Heidegger, M. (2006): Zollikoner Seminare. Protokolle – Zwiegespräche – Briefe. 3., um reg. erg. Aufl. Frankfurt am Main: Klostermann. 578 Deleuze, G./Guatarri, F. (2012): Anti-Ödipus. Kapitalismus und Schizophrenie I. 13. Aufl. Frankfurt am Main: Suhrkamp. Dazu auch Thakkar-Scholz, A. (2003): Die Schizoanalyse von Félix Guatarri und Gilles Deleuze. Essen: Die Blaue Eule.

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und fordert eher eine Balance, die Heideggers Entschlossenheit nicht als Wahl innerhalb einer Dichotomie aufscheinen lässt: „Das Balancieren des Daseins zwischen der ,eigentlichen‘ und der ,uneigentlichen‘ Existenzweise gewinnt somit eine ganz andere Dimension als diejenige, die ihm in der existenzialen Analytik des Daseins in Sein und Zeit zugeschrieben wird.“ 579 Damit wird gelingendes Dasein zu einer Balance, die die schizoiden bzw. schizophrenen und die paranoiden Kräfte ins Gleichgewicht bringt. Die schizoiden Kräfte sind schöpferisch580, da sie zur Ekstase neigen und den status quo der gegebenen Identität transzendieren können, somit Entwicklung generieren. Die paranoiden Kräfte stabilisieren krampfhaft den status quo, schotten den gegebenen Zustand ab gegen jede Öffnung hin zu einer Veränderung, schotten die Situation ab gegenüber der Umwelt, die Veränderung mit sich bringt, besser: zu bringen droht581.582 Angesichts dieser Bedrohung neigt die paranoide Kraft zur „Reterritorialisierung“. Die schizophrenen Kräfte neigen dagegen eher zur „Deterritoralisierung“. Auch hier wird plausibel, dass sich die schizophrenen und die paranoiden Kräfte jeweils nicht übersteigern dürfen, denn das funktional Positive an der paranoiden Haltung ist die Gabe der Stabilität im Alltag (die der bindungsbedüftige583 und der der sozialen Einbettung bedürftige Mensch durchaus braucht), das funktional Positive an der schizophrenen Haltung ist die Gabe zur Öffnung, zur Überwindung verfestigter Strukturen und überholter Prozesse. Die übersteigerte paranoide Haltung führt zur Nichtung der bedrohenden Umweltveränderung; die übersteigerte schizophrene Haltung führt zur Selbstauflösung.

579 Kouba, P. (2012): Geistige Störung als Phänomen. Perspektiven des Heideggerischen Denkens auf dem Gebiet der Psychopathologie. Würzburg: Königshausen & Neumann, S. 258 (kursiv auch im Original). 580 „Ist doch alles wahre Leben ein Zeugen und Schaffen.“, so Otto, W. F. (1949): Das Vorbild der Griechen. Tübingen/Stuttgart: Leins, S. 8. 581 Analog dazu: Schwarz, T. (2010): Bedrohung, Gastrecht, Integrationspflicht. Differenzkonstruktionen im deutschen Ausweisungsdiskurs. Bielefeld: transcript. 582 Binswanger, L. (1965): Wahn. Beiträge zu seiner phänomenologischen und daseinsanalytischen Erforschung. Pfullingen: Neske. 583 Zu verweisen ist im Kontext der Bindungsforschung (relevant ist für mich vor allem auch Vöttinger, A. [2010]: Der Bindungsstil als Determinante individueller Integrationsdefizite. Hamburg: Kovac) auf das berühmte Baltimore-Experiment von Mary Ainsworth (1913–1999), bei dem es im Kontext experimenteller Herstellung „fremder Situationen“ um die Analyse der Entstehung und Typologie von Bindungserfahrungen und Bindungsverhalten in der Mutter-Kind-Beziehung geht, wobei der ethnologische Befund jedoch zeigt, dass die Identität von Gebärrolle und Erziehungsrolle in universaler Art nicht gesichert ist, biologische und soziale Mutterschaft fallen demnach durchaus auseinander. Dazu auch Zingeler, U. (2005): Jenseits des Muttermythos. Über die Trennung von Gebären und Aufziehen. Weinheim/München: Juventa.

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A. Grundlegungen

Verteidigt der „verstiegen“ 584 paranoide Mensch in seinem BedrohtseinsWahn585 seine Welt, die er eben nicht als seine Welt annimmt, sondern aggressiv abstößt, so verliert586 der „verstiegen“ 587 schizophrene588 Mensch seine Heimat589. Die neurotische Verstiegenheit ist von dem Überstieg590, der als Anthropologie der Transgression zu verstehen ist, zu trennen. Das Gleichgewicht, das hier angestrebt werden muss, wenn das personale Dasein gelingen soll, ist das der herausgeforderten Rekonfiguration von Heimat, weder der Verlust der alten Heimat noch die erfolglose Suche nach einer neuen Heimat. Gefragt ist eine equilibrative Logik der Oszillation zwischen Statik und Dynamik. Nicht einer der beiden Pole ist der prozessuale Ort des gelingenden Daseins, sondern der Zwischenraum. Das ist zutiefst ontologisch zu verstehen. Es ist die Mitwelt, die transaktional zu denken ist und auf die anthropologische Dialogizität der Personalität verweist.591 So gesehen geht es hier um eine Art von Gleichgewichts584 Binswanger, L. (1956): Drei Formen missglückten Daseins. Verstiegenheit, Verschrobenheit, Manieriertheit. Berlin/New York: de Gruyter. 585 Vgl. auch Blankenburg, W. (Hrsg.) (1991): Wahn und Perspektivität. Störungen im Realitätsbezug des Menschen und ihre Tätigkeit. Stuttgart: Ferdinand Enke. 586 Vgl. auch dazu Blankenburg, W. (1971): Der Verlust der natürlichen Selbstverständlichkeit. Ein Beitrag zur Psychopatologie symptomarmer Schizophrenien. Stuttgart: Ferdinand Enke. 587 Binswanger, L. (1956): Drei Formen missglückten Daseins. Verstiegenheit, Verschrobenheit, Manieriertheit. Berlin/New York: de Gruyter. 588 Binswanger, L. (1957): Schizophrenie. Pfullingen: Neske. 589 Heinze, M./Quadflieg, D./Bührig, M. (Hrsg.) (2006): Utopie Heimat. Psychiatrische und kulturphilosophische Zugänge. Berlin: Parodos. Zum konkret-utopischen Verständnis von Heimat vgl. in Bloch, E. (1959): Das Prinzip Hoffnung. 2 Bde. Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 8, S. 16, S. 872, S. 1408. 590 Grassi, E. (1957): Kunst und Mythos. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, S. 51. Die Gestalt ist hierbei die Form des Überstiegs. Dies begründet die Wahrheit der Existenz. Die Wahrheit ist also an einem Akt des Transzendierens der Materie in Form der Gestalt-Werdung gebunden: dort S. 62. Kunst hat so einen „enthusiastischen“ Ursprung (S. 64 ff.). Grassi bezieht sich über Kerényi auf Walter F. Otto (S. 80). An einer Schwellenüberschreitung knüpft sich demnach eine Verwandlung (S. 91). In diesem Lichte betrachtet ist Kunst „Welt-Entwurf menschlicher Möglichkeiten“ (S. 97: kursiv auch im Original). 591 Diese bipolare Psychodynamik des intrapsychischen Arbeitsapparates arbeitet auch die Dissertation von Meisser über Eugène Minkowski heraus: Meissner, R. (1972): Über den Begriff der erlebten Zeit bei Eugène Minkowski. Diss. Tübingen. (Vgl. auch Bollnow, O. F. [1973]: Eugène Minkowski: Die gelebte Zeit. In: Zeitschrift für Pädagogik 19 [1], S. 149–155). Unterschieden wird die Syntonie von der Schizoidie. Kommt der Mensch in seiner syntonischen Ausrichtung zur Ruhe, so orientiert sich die schizoidische Haltung am „noch nicht“. Der „fragende Mensch“ produziert Erwartungen und Hoffnungen. Dies ist angesichts des Erlebens von Angst, die auf die Nichtung verweist, notwendig. In der Oszillation zwischen Höhen und Tiefen entlang der Zeitachse im Lebensstrom darf der Mensch nicht im „nicht mehr“ der Vergangenheit (melancholisch – selbst ein zentraler Begriff in der Psychiatrie) verweilen, sondern muss aus der Örtlichkeit der Gegenwart auf die Zukunft gerichtet sein. Eine Übersteigerung des Syntonischen führt zur symbiotischen Regression. Die Übertreibung des Schizoiden führt zur Entfremdung von der Welt. Hat der übertrieben syntonische Mensch eine erschlagene

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ökonomik des seelischen Haushaltes, der generativ die sozialen Interaktionsordnungen592 bestimmt. Diese Gleichgewichtslogik beherrscht auch das daoistische593 Denken von Ying und Yang.594 Vor diesem Hintergrund zeigen sich strukturale Homologien zwischen Xenophobien, Gerontophobien595, Misogynien (oder gar gynophobischen Formen596)597 etc., die in evolutionärer Perspektive Analogien aufweisen, da es immer um ähnliche Angstfunktionalitäten geht, die im Kontext psychoanalytisch zu verstehender Problematiken der Identitätsfindung wurzeln. Wer sich selbst nicht dergestalt authentisch hat, dass er gelassen in sich selbst ruht, kann nicht unverkrampft weltoffen auf den Anderen als Anderer in bleibender598 Differenz599 zugehen, sondern wird sich selbst abschotten oder in dem Angriff die beste Verteidigung erblicken.

Heimatlichkeit, so hat der übertrieben schizoide Mensch eben keine Bindung an einen festen Seinsgrund mehr. Diese strukturalistisch anmutende Psychodynamik im Denken des „Wengener Kreises“ hat die bereits zitierte Studie von Passie schön herausgearbeitet: vgl. also nochmals in Passie, T. (1995): Phänomenologisch-anthropologische Psychiatrie und Psychologie. Eine Studie über den „Wengener Kreis“: Binswanger – Minkowski – von Gebsattel – Strauss. Hürtgenwald: Pressler. Zu diesem Kreis gehört auch (Passie liefert auch dazu ein Kapitel) Viktor Emil von Gebsattel (1883–1976). Dazu ferner Herwig, B. (2009): Der Mensch, das irrende Wesen. Die personalistische Therapie Viktor Emil von Gebsattels im Lichte einer personalistischen Pädagogik. Würzburg: Ergon sowie in Springer, S. (1996): Zur Theorie der religiösen Erziehung. Darstellung und Analyse der Beiträge von V. E. Frankl, V. E. v. Gebsattel, J. Illies und W. Pannenberg. Hamburg: Kovac. 592 Mögliche Anlehnungen finden sich auch bei Laing, R. D. (1973): Das Selbst und die Anderen. Köln: Kiepenheuer & Witsch. 593 Hutter, M. (2008): Die Weltreligionen. 3., durchges. Aufl. München: Beck, S. 72 ff. 594 Klassisch dazu Granet, M. (1985): Das chinesische Denken. Inhalt, Form, Charakter. Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 86 ff. Vgl. auch Glasenapp, H. von (2001): Die fünf Weltreligionen. Kreuzlingen/München: Hugendubel, S. 145 ff. 595 Zum Problem zur Altersdiskriminierung vgl. systematisch Rothermund, K./ Mayer, A.-K. (2009): Altersdiskriminierung. Erscheinungsformen, Erklärungen, Interventionsansätze. Stuttgart: Kohlhammer. 596 Vgl. auch Frietsch, U. u. a. (Hrsg.) (2007): Geschlecht als Tabu. Bielefeld: transcript. 597 Herrmann, H. (2010): Begehren, was man verachtet. Männer haben Angst vor Frauen. 5. Aufl. Münster: Telos. Vgl. ferner Schneider, L./Seifert, M. (2010): Sphinx – Amazone – Mänade. Bedrohliche Frauenbilder im antiken Mythos. Stuttgart: Theiss. 598 Waldenfels, B. (2010): Grundmotive einer Phänomenologie des Fremden. 3. Aufl. Frankfurt am Main: Suhrkamp. Spezieller für meine Thematik: Ntourou, I. (2007): Fremdsein – Fremdbleiben. Fremdheit und geistige Behinderung – eine Spurensuche. Berlin: LIT. 599 Vgl. auch mit Blick auf die kulturelle Praxis sozialer Arbeit: Lamp, F. (2007): Soziale Arbeit zwischen Umverteilung und Anerkennung. Der Umgang mit Differenz in der sozialpädagogischen Theorie und Praxis. Bielefeld: transcript.

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A. Grundlegungen

Das Asyl600, eine uralte Institution im Lichte der Kulturgeschichte betrachtet , stellt ein typisches Feld dar, um kritisch nach der Tiefengrammatik der Praktiken (heute des stabilitätsorientierten „souveränen“ nationalen Wohlfahrtsstaates im globalen Migrationsgeschehen602) nachzufragen, wozu ein (hermeneutisch bekanntlich nicht einfach zu leistender603) ethnographischer Blick notwendig erscheint.604 601

Diese Hygiene-Angst ist kulturell zu überwinden. Chancen dazu gibt es.605 Gastfreundschaft bedeutet, den Anderen (als Schlüsselkategorie der Ethik606, wobei ich natürlich an Emmanuel Lévinas [1905/06 bis 1995]607 denke) anzunehmen, aufzunehmen, Teil der eigenen Welt zu akzeptieren, unter uns „wohnen“ (leben) zu lassen. Dabei verstehe ich hier unter „Wohnen“ das bauende Einrichten des Menschen als Domestifizierung des Absolutismus der umweltlichen Wirklichkeit, von der Hans Blumenberg (1920–1996)608 (in einer langen Traditionslinie der mythopoetischen Fortschreibung von Platons Höhlengleichnis609 stehend) – „Bis sich der Mensch mit eigener Kraft aus dem selbst erwählten Höhlendasein

600 Waldschmidt spricht von einem feudalistischen Strukturmodell des Asyls und denkt hierbei im Foucault’schen Paradigma des panoptikumischen Ausgrenzungsmodus. Vgl. Waldschmidt, A. (1999): Selbstbestimmung als Konstruktion. Alltagstheorien behinderter Frauen und Männer. Opladen: Leske + Budrich. Ob der Feudalismusbegriff hierbei passend ist, mag dahin gestellt bleiben. Vgl. auch Patzold, St. (2012): Das Lehnswesen. München: Beck sowie Bloch, M. (1999): Die Feudalgesellschaft. Stuttgart: Klett-Cotta. 601 Aus der Fülle der Literatur vgl. Dietrich, Chr. (2008): Asyl. Vergleichende Untersuchung zu einer Rechtsinstitution im Alten Israel und seiner Umwelt. Stuttgart: Kohlhammer; Traulsen, Chr. (2004): Das sakrale Asyl in der Alten Welt. Tübingen: Mohr Siebeck. 602 Scheffer, Th. (2001): Asylgewährung. Eine ethnographische Verfahrensanalyse. Stuttgart: Lucius & Lucius. 603 Dazu auch Einhäuser, Ph. (2011): Dilemmata kultureller Fremdheit. Stuttgart: ibidem. 604 Täubig, V. (2009): Totale Institution Asyl. Weinheim/München: Juventa. 605 Vgl. etwa am Beispiel von AIDS: Rosenbrock, R./Schaeffer, D. (Hrsg.) (2002): Die Normalisierung von AIDS. Berlin: edition sigma sowie Pfundt, K. (2009): Die Regierung der HIV-Infektion. Eine empirisch-genealogische Studie. Wiesbaden: VS. 606 Vgl. auch u. a. Dederich, M./Schnell, M. W. (Hrsg.) (2011): Anerkennung und Gerechtigkeit in Heilpädagogik, Pflegewissenschaft und Medizin. Bielefeld: transcript. 607 Zur Orientierung Staudigl, B. (2009): Emmanuel Lévinas. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht (UTB); Stegmaier, W. (2009): Emmanuel Levinas zur Einführung. Hamburg: Junius; spezieller: Casper, B. (2009): Angesichts des Anderen. Emmanuel Levinas – Elemente seines Denkens. Paderborn: Schöningh. 608 Moxter, M. (Hrsg.) (2011): Erinnerung an das Humane. Beiträge zur phänomenologischen Anthropologie Hans Blumenbergs. Tübingen: Mohr Siebeck. 609 Dazu etwa Blumenberg, H. (1989): Höhlenausgänge. Frankfurt am Main: Suhrkamp; Blum, W. (2004): Höhlengleichnisse. Thema mit Variationen. Bielefeld: Aisthesis.

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befreit, waren ihm noch Jahrtausende unsäglicher Leiden verheißen.“ 610 – sprach.611 Diese gefühlte Abhängigkeit von der Umwelt (religionsphänomenologisch reflektiert in Form einer animistischen Vorstellung von Kausalität, die sich im mana verdichtet) gilt für Jägergesellschaften ebenso wie für Agrargesellschaften seit der neolithischen Revolution.612 Im zweiten Fall kristallisieren sich vor allem auch (mitunter solare613) Wettergötter614 heraus, so auch im Fall von JAHWE615. Im nachfolgenden Schaubild 3 aus S. 102 bringe ich den Kern der Problematik zum Ausdruck. Dominant ist der sozialräumlich als personales Erlebnisgeschehen wahrnehmbare binäre Code des Reinen und Unreinen616, der die Binärik von Insider- und Outsider-Ordnung des Innen- und des Außenraums617 reflektiert. Mag die Gemeinde im Inneren von Gabebereitschaft aus Liebe heraus und durch Sorge im Füreinander geprägt sein, und mag diese innere Ordnung auch durch eine realistische Balance von Nähe und Distanz geprägt sein618; nach „außen“ gelingt die inkludierende De-Institutionalisierung des homo patiens nicht, weil

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Magnan, P. (2001): Kommissar Laviolettes Geheimnis. Bern u. a.: Scherz, S. 97. Und hier folge ich der Perspektive einer historischen Psychologie der Korrelation zwischen psychischer und räumlicher Organisation des Menschen im Wohnen. Vgl. auch Stöbe, S. (1990): Privatheit – Privater Raum? Über den Wandel vom psychischen zum räumlichen Rückzug und seine Auswirkungen auf die Grundrissgestaltung der Wohnung. Diss. Kassel. 612 Childe, V. G. (1959): Der Mensch erschafft sich selbst. Dresden: Verlag der Kunst; Childe, V. G. (1960): Vorgeschichte der europäischen Kultur. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt; Childe, V. G. (1975): Soziale Evolution. Frankfurt am Main: Suhrkamp. Dazu auch Johnson, A. W./Earle, T. (2000): The Evolution of Human Societies. Stanford: Stanford Univeresity Press sowie Bogucki, P. (1999): The Origins of Human Societies. Oxford: Blackwell. 613 Arneth, M. (2000): Sonne der Gerechtigkeit. Studien zur Solarisierung der JAHWE-Religion im Lichte von Psalm 72. Wiesbaden: Harrassowitz. 614 Dazu etwa Müller, R. (2008): Jahwe als Wettergott. Studien zur althebräischen Kultlyrik anhand ausgewählter Psalmen. Berlin/New York: de Gruyter; Leuenberger, M. (2011): Gott in Bewegung. Religions- und theologiegeschichtliche Beiträge zu Gottesvorstellungen im alten Israel. Tübingen: Mohr Siebeck. 615 Lang, B. (2002): Jahwe, der biblische Gott. München: Beck sowie Herrmann, W. (2004): Theologie des Alten Testaments. Stuttgart: Kohlhammer. 616 Vgl. auch Hoss, St./Ristow, S. (2001): „Untertauchen in lebendigem Wasser . . .“. Das jüdische Reinigungsbad und die christliche Taufe: Gemeinsamkeiten und Unterschiede. In: Welt und Umwelt der Bibel: Liebe und Eros zur Zeit der Bibel. 6 (3) Nr. 21, S. 70–75. 617 Ciompi, L. (1988): Außenwelt – Innenwelt. Die Entstehung von Zeit, Raum und psychischen Strukturen. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht. 618 Instruktiv auch Krafft-Krivanec, J. (2008): Wegmarken. Fremdheitserfahrungen in Distanz und Nähe. Wien: Passagen. Hinweise auch in Stierlin, H. (1976): Das Tun des Einen ist das Tun des Anderen. Eine Dynamik menschlicher Beziehungen. Frankfurt am Main: Suhrkamp. 611

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A. Grundlegungen

im Übergangsraum619 von „außen“ nach „innen“ Ekel und Angst die gastfreundschaftliche Aufnahme negativ filtern. Es gehört zu den anthropologischen Befunden, dass der Mensch ein Wesen der Weltoffenheit ist. Nur der Mensch, nicht die sonstigen Tiere, haben eine eigene Welt, zu der er gestaltend geöffnet ist. Nochmals sei anthropologisch konstatiert: Der Mensch hat sein Dasein zu führen, nicht einfach zu fristen wie die Tiere. Der Mensch gibt in der Gestalt der Wirklichkeit Form und bannt so Drohung und Chaos.620 In diesem Lichte wird man Saint-Exupéry lesen müssen. Bei ihm geht es um die Unordnung und die Sehnsucht nach einer wohl geordneten Welt. Aber dies ist nicht romantisch und naiv zu haben. Kritisiert wird auch die Unfähigkeit zum Leiden. Es geht um die wirklichen Probleme des Lebens, um den Tod und ebenso um die Liebe. Und dennoch: „Warum hast du Angst? Mach doch die Tür auf . . .“.621 Und dieses Leben ist ein Ringen: „Und nur im Kampf findet der Mensch zu sich selbst.“ 622 Die Transgressivität ist Teil dieser Findung623. Der Habens-Modus (den Gabriel Marcel fundiert kritisiert624) ist dabei ein eher regressiver Typus der Weltoffenheit; vielmehr geht es um gestalthafte Seins-Modalitäten, um ein existenzerhellendes Dasein in der Welt. Dagegen Saint-Exupéry: „Es gibt nur eine wahrhafte Freude: den Umgang mit Menschen.“ 625 Menschen ohne solchen Sinn warten noch auf ihre Geburt626; sie haben ihr Haus noch nicht gefunden.627 Um dieses Wahrheitsverständnis (nicht im Sinne der wissenschaftlichen Methode) der Existenzweise des personalen Daseins geht es mir in einer Hermeneutik und Morphologie des Genossenschaftlichen in ihren gemeinwirtschaftlichen Bezügen. Bei Giorgio Agamben628 (*1942)629, der hier630 auf Jakob von Uexküll (1864– 1944)631 und Martin Heidegger (1889–1976) rekurriert, wird diese Offenheit zur 619 Dazu auch Lamprecht, G./Mindler, U./Zettelbauer, H. (Hrsg.) (2012): Zonen der Begrenzung. Aspekte kultureller und räumlicher Grenzen in der Moderne. Bielefeld: transcript. 620 Grassi, E. (1957): Kunst und Mythos. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, S. 143. 621 Saint-Exupéry, A. de (2002): Romane Dokumente. Düsseldorf: Karl Rauch, S. 88. 622 Saint-Exupéry, A. de (2002): Romane Dokumente. Düsseldorf: Karl Rauch, S. 117. 623 Saint-Exupéry, A. de (2002): Romane Dokumente. Düsseldorf: Karl Rauch, S. 131. 624 Marcel, G. (1957): Philosophie der Hoffnung. München: List, S. 9 ff. 625 Saint-Exupéry, A. de (2002): Romane Dokumente. Düsseldorf: Karl Rauch, S. 142. 626 Saint-Exupéry, A. de (2002): Romane Dokumente. Düsseldorf: Karl Rauch, S. 515. 627 Saint-Exupéry, A. de (2002): Romane Dokumente. Düsseldorf: Karl Rauch, S. 194. 628 Geulen, E. (2009): Giorgio Agamben zur Einführung. 2., vollst. überarb. Aufl. Hamburg: Junius. 629 Loick, D. (Hrsg.) (2011): Der Nomos der Moderne. Die politische Philosophie Giorgio Agambens. Baden-Baden: Nomos. 630 Agamben, G. (2003): Das Offene. Der Mensch und das Tier. Frankfurt am Main: Suhrkamp.

IV. Zur Metaphorologie der „kommunalen Gastfreundschaftskultur‘‘

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Welt, wenn sie sodann durch kulturelle Institutionen bebauend angeeignet wird (hier könnte man auch die Theorielinie von Arnold Gehlen632 [1904–1976]633 zu Hans Blumenberg [1920–1996]634 anführen), zugleich zur Schließung. Es erinnert auch an die Studien von Elias Canetti635 (1905–1994)636, wenn Agamben diese Schließung als Resultat der politischen Natur des Menschen versteht, der seine innere Ambivalenz zwischen Animalität und Humanität nach außen wirksam trägt und offensichtlich, wenn ich diesen Zusammenhang psychologisch wende, seine abgesicherte Identität nur durch Abgrenzung (die die Identität ex negativo definiert637), mitunter Ausgrenzung, somit vermittels Hierarchien und letztendlich durch Macht, Dominanz und Herrschaft zum Fremden und Anderem638 als der nach erfolgter Identitätsbildung bleibenden Umwelt sichern kann.

631 Mildenberger, F. (2007): Umwelt als Vision. Leben und Werk Jakob von Uexkülls (1864–1944). Stuttgart: Steiner. 632 Thies, Chr. (2007): Arnold Gehlen zur Einführung. 2., überarb. Aufl. Hamburg: Junius. 633 Wöhrle, P. (2010): Metamorphosen des Mängelwesens. Zu Werk und Wirkung Arnold Gehlens. Frankfurt am Main/New York: Campus sowie Delitz, H. (2011): Arnold Gehlen. Konstanz: UVK. 634 Blumenberg, H. (2008): Beschreibung des Menschen. 2. Aufl. Frankfurt am Main: Suhrkamp. 635 Göbel, H. (2005): Elias Canetti. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt sowie Hanuschek, S. (2005): Elias Canetti. Biographie. München: Hanser. 636 Canetti, E. (2011): Masse und Macht. 32. Aufl. Frankfurt am Main: Fischer. Vgl. auch Natarajan, A. (2011): Die Spuren der Andersheit in den Werken von Elias Canetti. Berlin: LIT. 637 Dazu auch Broders, S./Gruß, S./Waldow, St. (Hrsg.) (2011): Fremdheit als Phänomen. Würzburg: Königshausen & Neumann. 638 Auch das Weibliche (vgl. zum ganzen Themenkomplex der Geschlechterunterschiede auch Bischof-Köhler, D. [2011]: Von Natur aus anders. Die Psychologie der Geschlechterunterschiede. 4., überarb. u. erw. Aufl. Stuttgart: Kohlhammer) war oftmals Gegenstand männlicher Selbstabgrenzung, die, angst- und unsicherheitsgesteuert, zum Angriff auf die Frau überging. Männern waren Frauen oftmals „ungeheuerlich“ (vgl. auch exemplarisch Hering, S./Maierhof, G. [2002]: Die unpässliche Frau. Sozialgeschichte der Menstruation und Hygiene. Frankfurt am Main: Mabuse, S. 90 ff.). Auslösende Momente waren vielfach kollektiv erfahrbare Angst- und Kontingenzerlebnisse, mitunter katastrophaler Art. Der Programm-Code zur mitunter nichtenden Reaktion ist aber wohl tiefenpsychologisch verstehbar verankert in der Psychogrammatik der Männlichkeit, die immer korreliert mit der jeweiligen Kultur. Vgl. etwa auch Teuber, N. (2011): Das Geschlecht der Depression. „Weiblichkeit“ und „Männlichkeit“ in der Konzeptualisierung depressiver Störungen. Bielefeld: transcript. Vgl. auch etwa Tsapos, N. (2012): Wie Frauen zu Patientinnen wurden. Soziale Kategorisierungen in psychiatrischen Krankheitsakten der von Bodelschwinghschen Anstalten Bethel (1898–1945). Frankfurt am Main: Mabuse. Der Gegendiskurs zur irrationalen Natur der Frau (eine Praxis, die der binären Geschlechterordnung Frau : Mann = Natur : Kultur ! das „Böse“ : das „Gute“ folgt) ist die Zivilisierung der „bösen Männer“: Kucklick, Chr. (2008): Das unmoralische Geschlecht. Zur Genese der negativen Andrologie. Frankfurt am Main: Suhrkamp.

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A. Grundlegungen

Ich denke mit dieser Interpretation Agambens Projekt vom homo sacer639 als Ontologie des Politischen psychologisch fort. Zugleich sollte sich damit die ontologische Theorie des Politischen jedoch auch lösen aus dem konservativen640 Griff, der die Politik an den Kampf (der Freunde) gegen den Feind fixiert.641 Politik ist der Möglichkeit nach eine Form der organisierten Liebe, aber immer am Abgrund642 des Hasses topologisiert. Vor einer solchen Schließung, quasi draußen vor der Tür als Eingang zur Gemeinde stehend, ist nun auch der homo patiens zu verstehen.

die Gemeinde

das „Reine“

Nähe Sorge

Ekel

Inklusion das „Unreine“

Distanz

Innen

Liebe/Gabe Angst

De-Instuonalisierung

Fremdheit des „homo paens“: der Krüppel, der Bekloppte, der Aussätzige (...) der Alte [das „Dämonische“]

Außen

Schaubild 3: Das Problem der Gastfreundschaft gegenüber dem homo patiens

639 Agamben, G. (2011): Homo sacer. Die souveräne Macht und das nackte Leben. 9. Aufl. Frankfurt am Main: Suhrkamp. 640 Dabei geht es vor allem auch um die phänomenologisch relevante anthropologische Frage, ob Identität sich ex definitione im Sinne von ex negativo an der Ausgrenzung des Anderen konstituiert. Dazu auch in Heiter, B./Kupke, Chr. (Hrsg.) (2009): Andersheit, Fremdheit, Exklusion. Berlin: Parodos. 641 Zum Freund-Feind-Problem in der Theorie der Gemeinschaft: Tietz, U. (2002): Die Grenzen des „Wir“. Eine Theorie der Gemeinschaft. Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 232 ff. Vgl. ferner Wesche, St. (2001): Gegenseitigkeit und Recht. Eine Studie zur Entstehung von Normen. Berlin: Duncker & Humblot, S. 273 ff. zu Fragen der Gruppenabgrenzung im Fernbereich und zur Frage einer weltweiten Sympathie. Entwicklungspsychologisch auch unbedingt Thomae, H. (1968): Das Individuum und seine Welt. Eine Persönlichkeitstheorie. Göttingen: Hogrefe, S. 573 ff. 642 Dries, Chr. (2012): Die Welt als Vernichtungslager. Eine kritische Theorie der Moderne. Bielefeld: transcript.

IV. Zur Metaphorologie der „kommunalen Gastfreundschaftskultur‘‘

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So bleibt die fremde Welt da „Draußen“ 643 eine solche des Dämonischen.644 Religionsgeschichtlich645 gesehen ist es früh schon wirksam als Angst vor dem Dämonischen646, so wie Pan647 im Formkreis des Dionysos eben jene Panik angesichts des Numinosen648 produziert hat. Und diese Numinosität ist analog strukturiert zur Erfahrung der Fremdheit heute, positioniert zwischen Bedrohung und Faszination.649 Insofern ist meine Nutzungsweise des Begriffs das Pendent einer kulturellen Praxis zu den normativen-rechtlichen Regimeentwicklungen650, die gewährleistungsstaatstheoretisch651 unter den Rubriken Grundrechtstheorie, Teilhaberechte, Inklusionsgebote etc. figurieren.

643 Duerr, H. P. (2003): Traumzeit. Über die Grenze zwischen Wildnis und Zivilisation. 7. Aufl. Frankfurt am Main: Suhrkamp. Eine ähnliche Studie zur Dualität von Kultur und Wildnis hat Termer vorgelegt: Termer, M. (2005): Verkörperungen des Waldes. Eine Körper-, Geschlechter- und Herrschaftsgeschichte. Bielefeld: transcript. 644 Fritsch, I. (2007): Dämon – Opfer – Ware. Das Menschenbild in der Arbeit mit Menschen mit Behinderungen im gesellschaftlichen und historischen Kontext. Berlin: LIT. 645 Vgl. auch Giesen, B. (1991): Die Entdinglichung des Sozialen. Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 30. 646 Widengren, G. (1955): Sakrales Königtum im Alten Testament und im Judentum. Stuttgart: Kohlhammer, S. 55. Am Anfang steht das „Heilige“ als das „Numinose“ (wie es Rudolf Otto [1869–1937] formuliert hat) und die transzendentale Rolle des homo religiosus (im breiten Werk von Mircea Eliade [1907–1986] dargelegt). Turcanu, F. (2006): Mircea Eliade. Schellrode: Edition Antaios sowie Reschika, R. (1997): Mircea Eliade zur Einführung. Hamburg: Junius. Vgl. ferner Allen, D. (2002): Myth and Religion in Mircea Eliade. New York/London: Routledge. Offenbarung (vgl. auch instruktiv Stosch, K. von [2010]: Offenbarung. Paderborn: Schöningh [UTB]) ist erst eine späte theologische Kategorie der doxischen Interpretation; Probleme bestehen in der Abgrenzung von Religion, von Magie und Dämonismus, Fetischismus und Mythos. Undogmatisch wird man sehen müssen, wie auch das Alte Testament voller Mythologie ist: Ranke-Graves, R. von/Patai, R. (1994): Hebräische Mythologie. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt. Eine hier nicht weiter anzuführende Spezialforschungsliteratur hat ja auch zeigen können, dass der Monotheismus des alten Israels eine spät zu datierende Erscheinung ist. Die Entwicklungsgeschichte Israels ist voller Magie, Dämonenglauben, Ahnenkult, Familiengötter und örtlichen Heiligtümern etc. Vgl. auch Schmitt, R. (2004): Magie im Alten Testament. Münster: Ugarit. 647 Dazu u. a. Walter, H. (2001): Pans Wiederkehr. Der Gott der griechischen Wildnis. München: dtv. 648 Religionsphänomenologisch klassisch hierzu: Otto, R. (1997): Das Heilige. München: Beck. 649 Bückmann, E. (2007): Dem Fremden auf der Spur. Postmoderne Identität zwischen Eigenem und Fremden. Marburg: Tectum. Vgl. auch Maier, F. (2007): Gefürchtet und bestaunt. Vom Umgang mit Fremden im Mittelalter. Stuttgart: Thorbecke. 650 Schulz-Nieswandt, F. (2011): „Europäisierung“ der Sozialpolitik und der sozialen Daseinsvorsorge? Eine kultursoziologische Analyse der Genese einer solidarischen Rechtsgenossenschaft. Berlin: Duncker & Humblot. Konkreter: Felder, F. (2012): Inklusion und Gerechtigkeit. Das Recht behinderter Menschen auf Teilhabe. Frankfurt am Main/New York: Campus.

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A. Grundlegungen

Gastfreundschaft meint hier, das hatte ich soeben bereits angedeutet, nicht eine vorübergehende oberflächliche Beherbergung (wie sie kulturgeschichtlich in den xenodochianischen Ursprüngen verwurzelt sein mag)652, sondern das Ende der Ausgrenzung des Anderen und somit Selbst-Entfaltung im Modus des Mit-Seins mit dem Anderen. Mit der partiellen Wortschöpfung des Xenodochianischen will ich das mentale Modell, das einer habituellen Haltung eigen ist, aus einer nur architekturgeschichtlichen Sichtweise herausnehmen: Es geht nicht nur um eine baukonzeptionelle und nutzungsfunktionale Stilgeschichte des Hospitals (von der Fremdenherberge über komplexe multi-funktionale Auffangeinrichtungen zum modernen, auf Krankheit spezialisierten Krankenhaus653), sondern um die implizite kulturelle Grammatik der Aussonderung und um die hintergründige Codierlogik des Normalen und des Anormalen.654 Das mögliche Ende der Exklusion ist ein komplizierter, voraussetzungsvoller, mitunter schmerzvoller kollektiver Lernprozess. Die Klärung und die komplexe Hermeneutik dieses Prozessgeschehens sind noch gar nicht vollständig gelungen. Gastlichkeit655 bezeichnet die dynamische (personal als Geschehen erlebte) Passage der (die de-humanisierende Binärik überwindenden) sozialräumlichen „Liminalität“ 656 von „Außen“ nach „Innen“. Damit ist das Problem als ein personales Erlebnisgeschehen bezeichnet, das die ganze Ordnung der Leiblichkeit betrifft.657 651

Dazu meine polemische Kritik in Schulz-Nieswandt, F. (2010): Öffentliche Daseinsvorsorge und Existentialismus. Eine gouvernementale Analyse unter besonderer Berücksichtigung der Wasserversorgung. Baden-Baden: Nomos. 652 Literatur zur Hospitalgeschichte auch in Schulz-Nieswandt, F. (2003): Herrschaft und Genossenschaft. Berlin: Duncker & Humblot. 653 Korff, U. (Hrsg.) (2012): Patient Krankenhaus. Wiesbaden: Springer-Gabler. Die Schwelle zum Krankenhaus als Patient zu überschreiten, bedeutet, seine Identität zu verlieren oder in kritisch-belastender Weise zu verändern: dazu Ziegler, J. (1982): Die Lebenden und der Tod. Frankfurt am Main u. a.: Ullstein, S. 99. 654 Dazu auch Devereux, G. (1982): Normal und anormal. Aufsätze zur allgemeinen Ethnopsychiatrie. Frankfurt am Main: Suhrkamp. Devereux startet mit der These, jede Wissenschaft habe ihr „Schlüsselkonzept“, „dessen Definition das Wesentliche ihrer Problematik ausmacht.“ Für die psychiatrischen Diskurse ist dies das begriffliche Gegensatzpaar normal : anormal. In jeden Kulturkontext kann das jeweils zugeordnete Phänomen jedoch anders ausfallen, zum Teil sogar in Umkehrungen. 655 Friedrich, P./Parr, R. (Hrsg.) (2009): Gastlichkeit. Erkundungen einer Schwellensituation. Krottenmühl: Synchron. 656 Hohmann, C. D. (2006): Liminalität als Begründungsmerkmal für neue Orte der Vermittlung. Aachen: Shaker. 657 Es geht also um eine ethisch achtsame normative Konvergenz der jeweiligen Orientierungen zwischen Person und Umwelt, von Lebenswelt und System, von Bedürfnis und Bedarf, von selbstbestimmten „Nachfragen“ nach selbständigkeitsorientierten Hilfen und „Angeboten“ derartiger befähigender Hilfen.

IV. Zur Metaphorologie der „kommunalen Gastfreundschaftskultur‘‘

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Ort des sozialen Dramas des Gelingens oder auch des Scheiterns dieser daseinsanthropologischen Problematik ist der kommunale Raum658, also der soziale (bezogen auf Netze) und kulturelle (bezogen auf Werte und Normen) Raum des Alltags der lebensweltlichen659 Vernetzung des Arbeitens, Wohnens, Sorgens, Leidens, Liebens etc. . . . und des Sterbens. Das verörtlichte Gemeinwesen des Miteinanders, des Gebens und Nehmens, der Austauschbeziehungen, der Gesellungsformen der Menschen ist der mythopoetische Raum dieser Geschichten. Wäre es nicht besser, auf eine solche bildsprachliche Umschreibung zugunsten exakter Begriffe zu verzichten? Exakte, konsensfähige Begriffe sind auch (m. E.) in der Wissenschaft eine Chimäre. Auch analytische Begriffe, so sachlich/fachlich sie klingen mögen, sind Konventionen (und oftmals forschungspragmatisch getrieben), daher auch nicht zwingend im kollektiven Konsens der epistemischen Gemeinschaften660 der „Soziolekte“ 661 der Denk-Schulen fundiert und getragen. Wichtiger ist aber ein anderer Befund. Seit einigen Jahren gibt es einen sehr ertragreichen wissenschaftlichen662 Diskurs (mitunter als Metaphorologie663, wobei ich hier nur an die Rezeption der paradigmatischen Schriften von Hans Blumenberg [1920–1996] erinnern will) und auch fruchtbare sozialempirische Forschungen (Metaphernanalyse oder auch bildwissenschaftliche bzw. ikonographische/ikonologische Analysen u. a. m.664) dazu und darüber, dass Erkenntnisse mythopoetisch, also durch die Kraft (re-)konstruktiven Erzählens (etwa in der

658 Dazu auch Schulz-Nieswandt, F./Köstler, U. (2012): Das institutionelle und funktionale Gefüge von kommunaler Daseinsvorsorge und bürgerschaftlichem Engagement. Ein anthropologischer Zugang zu einem sozialmorphologisch komplexen Feld in sozialpolitischer Absicht. In: Zeitschrift für öffentliche und gemeinwirtschaftliche Unternehmen 35 (4) S. 465–478. 659 Vgl. auch feldspezifisch: Thiersch, H. (2012): Lebensweltorientierte Soziale Arbeit. 8. Aufl. Weinheim/München: Juventa. 660 Bergmann, J. R./Dausendschön-Gay, U./Oberzaucher, F. (Hrsg.) (2012): „Der Fall“. Zur epistemischen Praxis professionellen Handelns. Bielefeld: transcript. 661 Zima, P. V. (2004): Was ist Theorie? Tübingen/Basel: A. Francke (UTB). 662 Unter historischer Epistemologie als Wissenschaft ist zu verstehen die Erforschung der kulturellen Grammatik, d. h. der Denkstile und Wissensordnungen und deren dispositiv wirkenden Habitualisierungen und Institutionalisierungen in der Wissenschaft als soziales System. Vgl. auch Rheinberger, H. J. (2008): Historische Epistemologie zur Einführung. 2. Aufl. Hamburg: Junius. 663 Dazu auch Haverkamp, A./Mende, D. (Hrsg.) (2009): Metaphorologie. Frankfurt am Main: Suhrkamp. 664 Das ist eher der Gegenstand meiner Bachelor-Einführungsvorlesung in die Logik der qualitativen Sozialforschung.

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A. Grundlegungen

biographischen Forschung, auch in der Demenzforschung665), gewonnen werden (können). Das sei hier, ohne große Belege, angemerkt. Bildsprachen sind komplexe Deutungsmuster, die erkenntnisfördernd sind. Die Identität, die Selbst-Konzeptionen der Menschen (auch von Menschen mit Behinderungen666) sind narrativer667 Art668, also gebunden an das in Geschichten-Verstrickt-Sein der Menschen669 in den (kompliziert verschachtelten) Lebens-, Zeitund Kulturgeschichten.670 Die Deutungen und Rekonstruktionen dieser Zusammenhänge geschehen oftmals in bildsprachlichen Zusammenhängen. In den Diskursen671 über die verwendeten Bildsprachen entfaltet sich eine Verständigung über die Konstruktion sozialer Wirklichkeit.

665 Ehret, S. (2009): Ich werde wieder lebendig. Personale Geschehensordnung und daseinsthematische Begleitung bei Demenz. Saarbrücken: Süddeutscher Verlag für Hochschulschriften. Vgl. auch zur Religiösität im Heim: Baumann-Neuhaus, E./Boothe, B./Kunz, R. (2012): Religion im Heimalltag. Ältere Menschen erzählen. Würzburg: Königshausen & Neumann. 666 Dazu auch Mürner, Chr./Sierck, U. (Hrsg.) (2011): Behinderte Identität. NeuUlm: AK SPAK. 667 Dazu auch Breithaupt, F. (2012): Kultur der Ausrede. Frankfurt am Main: Suhrkamp. Ich vertrete eine personologische Perspektive, wonach der Mensch zum Sein, in das der Mensch geworfen ist, eine poetische Beziehung der Inszenierung narrativer Identität (Kofler, A. [2012]: Erzählen über Liebe. Die Konstruktion von Identität in autobiographischen Interviews. Frankfurt am Main/New York: Campus) in und durch seine Verstrickung mit den Anderen, einnimmt. Ich halte damit (vgl. nochmals Galli, G. [Hrsg.] [2010]: Gestaltpsychologie und Person. Wien: Krammer) fest: Personalismus (P*) > Personologismus (P**); Transaktionalismus (T) > Mondadologismus (M). Oder P* : T 6ˆ P** : M. 668 Dazu auch Hermann, M.-L. (2009): Was im Leben zählt. Kreditierung und Selbstkreditierung alter Menschen im lebensgeschichtlichen Interview, Frankfurt am Main: Lang. Zur Schaffung narrativer Identität sehr alter Menschen, die im Erzählen ihr Leben ordnen, bewerten und bilanzieren: vgl. Wohlfahrt, R. (2012): Individuelle Wege des Alterns? Studie zur Konsistenz und Kohärenz der Identität im hohen Lebensalter und ihrer Bedeutung für die Gesundheitsförderung. Freiburg i. Br.: Centaurus Verlag & Media. 669 Scharfenberg, St. (2011): Narrative Identität im Horizont der Zeitlichkeit. Zu Paul Ricoeurs „Zeit und Erzählung“. Würzburg: Königshausen & Neumann. Dazu Ricoeur, P. (1988–1991): Zeit und Erzählung. 3 Bde. München: Fink; Ricoeur, P. (1996): Das Selbst als ein Anderer. München: Fink. 670 Die Anspielung auf das Werk von Wilhelm Schapp (1884–1965) ist evident. Vgl. auch Lembeck, K. (Hrsg.) (2004): Geschichte und Geschichten. Studien zur Geschichtenphänomenologie Wilhelm Schapps. Würzburg: Königshausen & Neumann; Joisten, K. (Hrsg.) (2010): Das Denken Wilhelm Schapps. Freiburg i. Br.: Alber. 671 Es geht bei Diskursen um Regeln der Organisation von Wissen und Wissensformen als Machtsysteme, die die Gesellschaft mental (Denkformen), habituell (inkorporierte Handlungsmuster) und institutionell (institutionelle, an Organisationen gebundene Praktiken) durchdringen.

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Ich will nun nachfolgend den ganzen Diskurszusammenhang, der um diese Ideenfigur der „Gastfreundschaftskultur“ kreist, wissenschaftlich etwas näher entfalten. Die De-Institutionalisierung in den Bereichen der Langzeitpflege, der Langzeitpsychiatrie672 (wobei in Deutschland, daran darf erinnert werden, der Bericht der Psychiatrie-Enquete von 1975 als Grundlage einer Kritik der Ausgrenzungsund Verwahrpsychiatrie, die jedoch abzugrenzen ist von der radikalen AntiPsychiatrie673, von bahnbrechender Bedeutung war)674 und des stationären Wohnens von Menschen mit Behinderungen ist unterschiedlich fortgeschritten und noch in jeweiligen Übergangsphasen befindlich, die voller Widersprüche und Ambivalenzen sind. Dazu liegen zahlreiche Studien und Surveys vor, die hier nicht anzuführen sind. Die Gemeindeorientierung in der Psychiatrie hat ohne Zweifel große Fortschritte gemacht.675 Auch an die dramatischen Zustände im Kinder- und Jugendheimwesen676 darf erinnert werden.677 Und auch hier sind die sozialen Fortschritte evident.

672 Dazu etwa auch Wolters, Chr./Beyer, Chr./Lohff, B. (Hrsg.) (2012): Abweichung und Normalität. Psychiatrie in Deutschland vom Kaiserreich bis zur Deutschen Einheit. Bielefeld: transcript. 673 Erinnert sei hier an das Werk von Franco und Franca Ongara Basaglia (1924– 1980). Ich verweise etwa auf Basaglia, F./Basaglia, F. O. (1972): Die abweichende Mehrheit. Die Ideologie der totalen sozialen Kontrolle. Frankfurt am Main: Suhrkamp. Voller strukturaler Binärismen ist Basaglia, F. O. (1985): Gesundheit, Krankheit. Das Elend der Medizin. Frankfurt am Main: Fischer. Hier taucht die Analyse auch in die Kultur-und Religionsgeschichte ein. Vgl. auch Szasz, Th. (1997): Grausames Mitleid. Über die Aussonderung unerwünschter Menschen. Frankfurt am Main: Fischer. 674 Nicht eingehen werde ich auf die Kinder- und Jugendheimerziehung, die u. a. im Rahmen der Hospitalismusforschung (Gabriel, Th. [2002]: Forschung zur Heimerziehung. Weinheim/München: Juventa; Crain, F. [2011]: „Ich geh ins Heim und komme als Einstein heraus“. Zur Wirksamkeit der Heimerziehung. Wiesbaden: VS) als Problemfeld erkannt worden ist. Zu erinnern ist hierbei an die klassischen Arbeiten von René Spitz (1887–1974). Vgl. etwa Spitz, R. (2005): Vom Säugling zum Kleinkind. Naturgeschichte der Mutter-Kind-Beziehung im ersten Lebensjahr. Stuttgart: Klett-Cotta. 675 Clausen, J./Eichenbrenner, I. (2010): Soziale Psychiatrie. Stuttgart: Kohlhammer; Armbruster, J./Schulte-Kemna, G./Widmaier-Berthold, Chr. (2006): Kommunale Steuerung und Vernetzung im gemeindepsychiatrischen Verbund. Gießen: Psychiatrie Verlag; Becker, Th. u. a. (2008): Versorgungsmodelle in Psychiatrie und Psychotherapie. Stuttgart: Kohlhammer. 676 Vgl. dazu bindungstheoretisch Höfer, S. (2010): Wie viel Bindung ist nötig? Eine kritische Analyse stationärer Hilfen zur Erziehung. Marburg: Tectum sowie Schleiffer, R. (2009): Der heimliche Wunsch nach Nähe. Bindungstheorie und Heimerziehung. 4. Aufl. Weinheim/München: Juventa. 677 Eilert, J. (2011): Psychologie der Menschenrechte. Menschenrechtsverletzungen im deutschen Heimsystem (1945–1973). Göttingen: V&R unipress. Zur Theorie und Praxis der Menschenrechte vgl. auch Lohmann, G./Pollmann, A. (Hrsg.) (2012): Menschenrechte. Ein interdisziplinäres Handbuch. Stuttgart/Weimar: Metzler.

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A. Grundlegungen

Ich will mit meinen explorativen Überlegungen (trotz der konstatierten Fortschritte dennoch) in vertiefender Weise nach den Barrieren einer möglichst weitgehendenden De-Institutionalisierung fragen. Mich leitet dabei die Theorie, dass (und dies ist der Hintergrund der weiter oben angeführten K-Hyp) die Barrieren primär Fragen sozialcharakterlicher 678 Haltungen679 (und nicht nur eine Funktion mangelnder Zeitressourcen680) im kulturellen Umgang mit dem als fremd- und andersartig681 erfahrenen Mitmenschen in dessen Rolle als homo patiens, als leidender Mensch, betreffen. Ich werde im Rahmen682 der Heidegger-Rezeption, wie sie bei Paul Tillich (1886–1965) und Ludwig Binswanger (1881–1966) durchgeführt wurde, der Kategorie der Sorge, die bei Martin Heidegger (1889–1976) konstitutiv ist, das Prinzip der Liebe, wie sie als Kraft im Postulat des „Mut(es) zum Sein“ bei Tillich gedacht ist683, korrespondierend gegenüber stellen, womit die Idee des leidenden Menschen684 an die Idee des hoffenden Menschen geknüpft wird. Strukturalistisch kann ich daher ein Entsprechungsverhältnis zweier Paar-Bildungen vornehmen: Sorge (S): Liebe (Lie) = Leiden (Lei) : Hoffnung (H).

Auf einer disziplinären Metaebene entspricht dies der Paar-Bildung: Philosophische Anthropologie (S; Lie) : Theologische Anthropologie (Lei; H).

Integrierende Klammer ist jedoch eine Fundamentalontologie FO, denn diese konstituiert die Korrelation der Existenzialien. 678 „Der Charakter ist den Menschen ihr guter Daimon, manchem auch ihr schlechter.“ (Nilsson, M. P. [1927]: Die Religion der Griechen. Tübingen: Mohr Siebeck, S. 82). 679 Ohne den personalen Bezug wird es nicht gehen, wenn die moderne technische Welt und ihre Hyperinstitutionen (des Turbo-Kapitalismus, der Bürokratie, der massenmedialen Systeme etc.) beherrschbar werden sollen, wie auch der Zeitdiagnose von Guardini (aus seinen „Comer Briefen“ von 1923–1925) zu entnehmen ist: vgl. Guardini, R. (1990): Die Technik und der Mensch. 2. Aufl. Mainz: Matthias-Grünewald: Topos. 680 Kumbruck, Chr. (2009): Diakonische Pflege im Wandel: Nächstenliebe unter Zeitdruck. Berlin: LIT. 681 Andersartigkeit meint hier immer „unerwünschtes“ Andersartig-Sein: vgl. auch Fritz, M. (2004): Unerwünscht anders. Gesellschaftliche Diskriminierung aus der Sicht körperbehinderter Erwachsener. Hamburg: Kovac. 682 Dazu auch Brühlmann, T. (2011): Begegnung mit dem Fremden. Zur Psychotherapie, Philosophie und Spiritualität menschlichen Wachsens. Stuttgart: Kohlhammer. 683 Aus der Fülle der Sekundärliteratur vgl. auch Anzenberger, H. (1998): Der Mensch im Horizont von Sein und Sinn. St. Ottilien: EOS. 684 Wehrle, J. (2012): Der leidende Mensch und der mitleidende Gott. Ein Beitrag zur Anthropologie und Theologie des Alten Testaments. Berlin: LIT.

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Der chronisch Kranke, der behinderte Mensch, der schwer pflegebedürftige Mensch, der demente Mensch, überhaupt der alte Mensch, all diese Personenkreise werden durch Haltungen sozial ausgegrenzt, die in tiefen seelischen Dispositionen der Ur-Angst vor dem Fremden als dem nicht Verstehbaren, der „Hygiene-Angst“ vor der „dämonischen“ 685 Umwelt wurzeln. Diese Effekte sind durch eine breite religionsgeschichtliche und religionsphänomenologische Forschung belegt. Es geht vielmehr um das fundamentale Problem des „sozialen Todes“. Im weiter unten (S. 111) nachfolgenden Schaubild 4 wird dargestellt, wie die Begriffspaare Sorge und Liebe sowie Leiden und Hoffnung eine in ihrer korrespondierenden Binärik entsprechende (s. o.) Binärik im Verhältnis von philosophischer (pA) und theologischer Anthropologie (tA) finden. Beiden Disziplinen liegt jedoch eine Fundamentalontologie (FO) zugrunde, aus der alles hervorgeht. Es gilt: FO ! pA(S; Lie) : tA(Lei; H).

Aus der Fundamentalontologie (FO) erwächst auch das binäre Verhältnis der Konzepte des homo donans und dem homo abyssus686. Die Gabe, die der Logik der Liebe zugrunde liegt, steht so in Relation zum Abgrund687, der mit dem Seinswagnis verbunden ist, wenn es eben misslingt. Der homo donans ist eben in sich eine Dialektik, die den homo laborans (dem die Sorge und das Leiden entsprechen) und den (cassirerischen) homo symbolicus (dem die Kulturformenbildungskraft eigen ist) umfasst. Der homo abyssus umfasst die Leidenspraxis des homo patiens, aber eben auch den homo religiosus, der die Noetik des Hoffens generiert. Vielleicht ist Verdun688, der 1. Weltkrieg689 allgemein als kollektiver Wahn, als Symbol des sinnlosen Grauens und somit konstitutives Ausgangserlebnis für die neuere existenziale Wende im Denken der brüchigen Moderne zu verstehen. Fischer690 setzt seine Darstellung der protestantischen Theologie des 20. Jahrhunderts in der Tat mit der existenziellen Verarbeitung des 1. Weltkrieges an. Der radikale Umbruch im Kulturoptimismus der Moderne zeichnet sich (auch breit 685 Vgl. Welt und Umwelt der Bibel (2012): „Teufel und Dämonen“. 17 (2) Nr. 64, dort auch mit Literatur: S. 56 f. 686 Ulrich, F. (1998): Homo Abyssus. Das Wagnis des Seins. Einsiedeln: Johannes Verlag. 687 Dörendahl, R. (2011): Abgrund der Freiheit. Schellings Freiheitsphilosophie als Kritik des neuzeitlichen Autonomie-Projektes. Würzburg: Ergo. 688 Münch, M. (2006): Verdun. Mythos und Alltag einer Schlacht. München: Maidenbauer. Vgl. ferner Küster, B. (Hrsg.) (2008): Der Erste Weltkrieg und die Kunst. Von der Propaganda zum Widerstand. Gifkendorf: Merlin. 689 Ernst, P./Haring, S. A./Suppanz, W. (Hrsg.) (2004): Aggression und Kartharsis. Der Erste Weltkrieg im Diskurs der Moderne. Wien: Passagen. 690 Fischer, H. (2002): Protestantische Theologie im 20. Jahrhundert. Stuttgart: Kohlhammer.

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A. Grundlegungen

dokumentierbar [intensiv etwa bei Otto Dix {1891–1969}691] in der Kunstgeschichte692) bereits schon mit Sören Kierkegaard (1813–1855) und F. M. Dostojewksi (1821–1881) ab. Fischer zeigt die Verarbeitung innerhalb der Theologie der Offenbarung Gottes auf der Basis der diastatischen Dialektik bei Karl Barth (1886–1968) ebenso nach wie die erneute (aber post-liberale, nicht mehr kulturprotestantische) anthropologische Wende im dialogischen Personalismus etwa bei Friedrich Gogarten (1887–1967)693 und Emil Brunner (1889–1966)694. Aber auch Ferdinand Ebner (1882–1931)695 und Martin Buber (1878–1965)696 sind von grundlegender Bedeutung für den dialogischen Personalismus. Ebenso Eduard Thurneysen (1888–1974)697. Vor diesem Hintergrund ist der Aufstieg des religiösen Sozialismus m. E. zu deuten, wobei ich hier aber vor allem auf Paul Tillich fokussiere, zu dessen Kreis bekanntlich auch Eduard Heimann (1889– 1967) und Carl Mennicke (1887–1959) gehörten. Vor allem auch das Ent-Mythologisierungs-Denken von Rudolf Bultmann ist hier anzuführen. Der Ordnung der Dinge, die die Arbeit, die Sorge und das Leiden betrifft, besteht demnach aus korrespondierenden Welterschließungsmodalitäten, die in der Logik der Gabe, der Liebe und der Hoffnung gestrickt sind. Alles entspringt dabei, wie angedeutet, aus der fundamentalen Ontologie, die erst eine philosophische und theologische Anthropologie nach sich zieht. Diese fundamentale Ontologie setzt eine Grammatik frei, die auf eine mögliche, aber jeder Zeit zu scheitern drohende Balance zwischen Tod und Leben, zwischen dem Bösen und dem Guten698, zwischen Stagnation bzw. Regression einerseits und Wachstum und Reifung andererseits verweist. Der Mensch erscheint als sinnhaftes, d. h. sinnfähiges, aber auch sinnbedürftiges Wesen, dessen Deutungsexistenz als Hermeneutik der je eigenen Praxis als Noetik zum Ausdruck kommt. Zwischen Abgrund und Lichtung, zwischen Da691

Schubert, D. (1991): Otto Dix. 3. Aufl. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt. Vgl. etwa auch bei Schneede, U. M. (2009): Die Kunst der klassischen Moderne. München: Beck. Vgl. auch Damus, M. (2000): Kunst im 20. Jahrhundert. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, S. 108 ff. 693 Kroeger, M. (1997): Friedrich Gogarten. Bd. 1: Leben und Werk in zeitgeschichtlicher Perspektive. Stuttgart: Kohlhammer. 694 Jehle, F. (2006): Emil Brunner. Theologe im 20. Jahrhundert. Zürich: Theologischer Verlag Zürich. 695 Dazu auch in Han, S.-H. (2001): Die Wirklichkeit des Menschen im Personalismus Martin Bubers, Ferdinand Ebners, Emil Brunners und Friedrich Gogartens. Hamburg: Kovac. 696 Wehr, G. (2010): Martin Buber. Leben – Werk – Wirkung. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus. 697 Lohberg-Fehring, S. (2007): Thurneysen – neu gesehen. Biografie und Theologie des großen Seelsorgers bis 1927. Marburg: Tectum. 698 Vgl. auch Piper, A. (2008): Gut und Böse. 3., durchgeseh. Aufl. München: Beck. 692

IV. Zur Metaphorologie der „kommunalen Gastfreundschaftskultur‘‘

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seinsverfehlung und Existenzerhellung699 spannt sich der chronotopisch eingebettete700 Bogen der menschlichen Möglichkeiten auf. Das scheint mir ein Humanismus zu sein, der nicht hintergehbar ist, und der zwar große Kontroversen (zwischen Foucault, Sartre701 usw.702) ausgelöst haben mag, aber nicht nur methodologisch als Synthese zwischen Post-Strukturalismus und Hermeneutik möglich ist, sondern auch daseinspolitisch den Freiraum geworfener Entwürfe ermöglicht.

Mut

Gelassenheit

Sorge : Liebe

=

Leiden : Hoffnung

theologische Anthropologie

philosophische Anthropologie

Fundamentalontologie homo donans

homo laborans

:

:

homo = symbolicus

homo abyssus

homo paens

:

homo religiosus

Schaubild 4: Binär-strukturale Ordnungsüberlappungen zwischen Ontologie, Anthropologie und Theologie

699 Neben Heidegger ist Karl Jaspers hier die Quelle des Denkens: vgl. auch Sitzler, H. (2012): Das Selbstsein des Geschöpfs. Eine theologische Studie zum Transzendenzbezug der menschlichen Freiheit bei Karl Jaspers. Berlin: LIT. 700 So m. E. auch Schadewaldt, W. (1979): Die Anfänge der Philosophie bei den Griechen. Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 41. 701 Cohen-Solal, A. (1991): Sartre 1905–1990. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt sowie Hackenesch, Chr. (2001): Jean-Paul Sartre. 2. Aufl. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt. Vgl. auch Suhr, M. (2007): Jean-Paul Sartre zur Einführung. 3. Aufl. Hamburg: Junius. 702 Vgl. dazu etwa auch Richter, M. (2011): Freiheit und Macht. Perspektiven kritischer Gesellschaftstheorie – der Humanismusstreit zwischen Sartre und Foucault. Bielefeld: transcript.

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A. Grundlegungen

Diese uns Menschen evolutionär mitgegebenen Dispositionen sind im historischen Prozess kulturell überformt, nehmen daher unterschiedliche Gestalt und unterschiedliche Intensität an, können unterschiedlich stark aktiviert oder auch umgelenkt sein und werden. Wir Menschen sind durch derlei evolutionäre Dispositionen also nicht zwingend determiniert. Der Mensch kann an der Wirksamkeit und daher an den Konsequenzen derartiger Dispositionen kulturell arbeiten und daher das soziale Miteinander gestalten. Aus vielen Studien in den sozialen Handlungsfeldern der Medizin, der Altenpflege, der Heilpädagogik (auch in vielen anderen sozialen Feldern, die sozialpolitisch relevant sind: Umgang mit MigrantInnen, mit HauptschülerInnen, mit Langzeitarbeitslosen etc.) kennt die (qualitative) Forschung den Befund der sozialen Ausgrenzung durch Stigmatisierung703, kennt die Wissenschaft die Mechanismen der affektuellen Umgangsweise, die durch Angst, Scham und Ekel geprägt sind. Die raumorganisierende, nämlich seelische Distanz in der die soziale Dichte704 schaffenden Funktionalität des Ekels und die im Hintergrund hierbei impulsgebende Rolle der Angst sind wohl unmittelbar evident. Komplizierter scheint mir die Rolle der Scham705 zu sein. Scham (ebenso wie Stigma) sind Verhaltensmuster in Grenzsituationen706, was zunächst durchaus zu meiner quasi-topographischen Sicht des Praxiscodes der Inklusions-/ExklusionsLogik passt. Psychoanalytisch ist die Scham jedoch nicht ohne soziologischem Blick zu verstehen707, da die Psychogrammatik dieses Phänomens ihre eigene kulturelle Grammatik der Sozio-Genese hat. Es geht um den Blick des „Anderen“ 708 und somit um einen „bösen“ 709 Blick der sozialen Umwelt auf das je 703 Goffman, E. (2010): Stigma. 20. Aufl. Frankfurt am Main: Suhrkamp. Vgl. etwa auch Mottier, V./Mandach, L. von (Hrsg.) (2007): Pflege, Stigmatisierung und Eugenik. Integration und Ausschluss in Medizin, Psychiatrie und Sozialhilfe. Zürich: Seismo. Vgl. ferner Lautmann, R. u. a. (1972): Zur Struktur von Stigmata. Das Bild der Blinden und Unehelichen. In: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 24 (1), S. 83–100. 704 Vgl. auch in Kruse, L. (1980): Privatheit als Problem und Gegenstand der Psychologie. Stuttgart u. a.: Kohlhammer. 705 Lietzmann, A. (2007): Theorie der Scham. Eine anthropologische Perspektive auf ein menschliches Charakteristikum. Hamburg: Kovac. Speziell zum Pflegefeld: Gröning, K. (2004): Entweihung und Scham. Grenzsituationen bei der Pflege alter Menschen. Frankfurt am Main: Mabuse. 706 Lipp, W. (2010): Stigma und Scham. Über soziales Grenzverhalten. Würzburg: Ergon. 707 Elias, N. (2010): Über den Prozess der Zivilisation. 26. Aufl. 2 Bde. Frankfurt am Main: Suhrkamp; krass anders argumentierend: Duerr, H. P. (1992): Der Mythos vom Zivilisationsprozess. Bd. 1: Nacktheit und Scham. 4. Aufl. Frankfurt am Main: Suhrkamp. 708 Seidler, G. H. (2012): Der Blick des Anderen. Eine Analyse der Scham. Stuttgart: Klett-Cotta. 709 Wurmser, L. (2011): Scham und der böse Blick. Stuttgart: Kohlhammer.

IV. Zur Metaphorologie der „kommunalen Gastfreundschaftskultur‘‘

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eigene personale Handeln und auch Denken. Scham710 ist somit ohne Analyse der konstitutiven sozialen Figurativität gar nicht verstehbar. Kulturgeschichtlich711 erscheint dieses „Tribunal der Blicke“ 712 als ein ubiquitärer Mechanismus. Dennoch bleibt noch offen, wie hier die Affektualität der Schamerlebnishaltung eine Rolle spielen könnte. Unwahrscheinlich ist der Effekt, dass in der reflexiven Selbsterkenntnis der (von Julia Kristeva713 [*1941]714 herausgearbeiteten psychogrammatischen) Logik, die Angst vor dem externen Fremden sei nur die eben externalisierte Angst vor dem Andersartigen im eigenen internen Selbst715, eine Scham verborgen sei. Es könnte716 sich bei der Scham angesichts der Begegnung mit dem Anderen eher um eine Selbsterfahrung der eigenen Unbeholfenheit handeln, die dem Blick des beobachtendem gesellschaftlichen (und moralischen) „Dritten“ ausgesetzt ist. Zu bedenken ist, dass es hier nicht um die Scham des stigmatisierten Menschen geht, sondern um die Scham des stigmatisierenden Menschen. Scham ist hier die signifikante Ausdruckspraxis eines Signifikaten, der einen gesellschaftlichen Code in die Ausdruckspraxis transportiert. Ist es die Scham, seine eigene Angst offen einzugestehen und sie durch Stigma-Übertragung auf den Anderen „produktiv“ zu wenden? Die Offenheit des Eingestehens der Unbeholfenheits-Angst wäre aber sozial selbst wiederum stigmatisiert, da die Logik des (hier generalisierten) männlichen Helden-Mythos717 verletzt werden würde. Es ist eine Analogie zum Sündenbock-Mechanismus (fundamental bei René Girard *1923718 thematisiert und analysiert)719, der hier erkennbar wird.720 Ich will 710 Tiedemann, J. L. (2010): Die Scham, das Selbst und der Andere. Gießen: psychosozial. 711 Bauks, M./Meyer, M. (Hrsg.) (2011): Zur Kulturgeschichte der Scham. Hamburg: Meiner. 712 Benthien, C. (2011): Tribunal der Blicke. Kulturtheorien von Scham und Schuld und die Tragödie um 1800. Köln u. a.: Böhlau. 713 Keltner, St. (2010): Kristeva. Weinheim: Wiley. 714 Kristeva, J. (2010): Fremde sind wir uns selbst. Frankfurt am Main: Suhrkamp. 715 Zu diesem Deutungszusammenhang insgesamt auch Flatscher, M./Loidolt, S. (Hrsg.) (2010): Das Fremde im Selbst – Das Andere im Selben. Würzburg: Königshausen & Neumann. 716 Andeutungen bei Thiersch, H. (2009): Schwierige Balance. Weinheim/München: Juventa, S. 161 ff. 717 Klassisch dazu Rank, O. (2008): Der Mythos von der Geburt des Helden. Wien/ Berlin: Turia + Kant sowie Campbell, J. (2011): Der Heros in tausend Gestalten. 6. Aufl. Frankfurt am Main: Insel. 718 Z. B. Girard, R. (2008): Ich sah den Satan vom Himmel fallen wie ein Blitz. Eine kritische Apologie des Christentums. Frankfurt am Main: Verlag der Weltreligionen. 719 Angenendt, A. (2011): Die Revolution des geistigen Opfers. Blut – Sündenbock – Eucharistie. Freiburg i. Br.: Herder. Vgl. ferner Dietrich, J. (2010): Kollektive Schuld und Haftung. Religions- und rechtsgeschichtliche Studien zum Sündenkuhritus des Deuteronomiums und zu verwandten Texten. Tübingen: Mohr Siebeck.

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A. Grundlegungen

hier nun nicht auf die kultur- und damit auch mentalitätsgeschichtliche RitterForschung (Europas721) eingehen; bis in die moderne Kunst hinein (wie bei Wassily Kandinsky [1866–1944]722) kristallisieren sich dabei Männlichkeitsmuster heraus. Denkbar sind aber kognitive Dissonanzen, die dann generiert werden, wenn723 der Ekel an den Tod als Ausgangspunkt der eigenen anstehenden Verwesung724, wobei die Trauer als psychosoziales Korrelat verstehbar sein mag725, vor-erinnert.726 Unabhängig von dieser terminalen Grenzsituation der dem Tod folgenden Verwesung geht es grundsätzlich um die Umgangsweise mit Unrat/Kot.727 Kognitive Dissonanzen728 sind Gefühlszustände der Person, in denen mehrere Kognitionen im Widerspruch zueinander stehen. Diese Spannungen bedürfen psychohygienisch der Reduktionen. Unter Kognitionen können hierbei verstanden werden: Gedanken, Wünsche und Absichten, Meinungen und Einstellungen, Wahrnehmungen. Steigert sich, spiegelbildlich, die Scham zum selbstreferentiellen Ekel? Ekel ist manchmal Element auch von Phobien729, dort bleibt jedoch die Angst das 720 An die Hexenverfolgung ist ebenso zu denken. Vgl. dazu Behringer, W. (2009): Hexen. Glaube, Verfolgung, Vermarktung. 5. Aufl. München: Beck. 721 Ehlers, J. (2009): Die Ritter. Geschichte und Kultur. 2. Aufl. München: Beck. Vor allem auch Ossowska, M. (2007): Das ritterliche Ethos und seine Spielarten. Frankfurt am Main: Suhrkamp. Vgl. auch Göttert, K.-H. (2011): Die Ritter. Stuttgart: Reclam. Für mich sind nicht die Realgeschichten des Ritters relevant, sondern die imaginierten Bilder, die handlungsorientierend auch heute noch in spezifischen Handlungskontexten sind bzw. sein mögen. 722 Heinz, K. (2012): Heldische Konstruktionen. Von Wassily Kandinskys Reitern, Rittern und heiligem Georg. Bielefeld: transcript. Vgl. zu Kandinsky auch Riedl, P. A. (2009): Wassily Kandinsky. 1. Aufl. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt. 723 Dazu auch in Kolnai, A. (2007): Ekel, Hochmut, Hass. Zur Phänomenologie feindlicher Gefühle. Frankfurt am Main: Suhrkamp. 724 Walter F. Otto ist der Meinung, bereits im Totenglauben der alten Griechen sei es nicht die Verwesung, sondern die Angst vor den Toten selbst, die hier eine Rolle spielt. Vgl. Otto, W. F. (1976): Die Manen oder von den Urformen des Totenglaubens. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, S. 102 ff. Dennoch ist die Angst vor Ansteckung angesichts der Verwesung der Toten elementar und trans-kulturell verbreitet, so auch thematisiert in alt-japanischen Mythen: vgl. etwa Naumann, N. (2011): Die Mythen des alten Japan. Köln: Anaconda, S. 79. 725 Hertz, R. (2007): Beitrag zur Untersuchung der kollektiven Repräsentation des Todes. (1907). In: ders.: Das Sakrale, die Sünde und der Tod. Konstanz: UVK, S. 65– 180. 726 Ähnlich auch Sartre, J.-P. (1963): Der Ekel. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt. 727 Bourke, J. G. (1913): Der Unrat in Sitte, Brauch, Glauben und Gewohnheitsrecht der Völker. Leipzig: Ethnologischer Verlag. 728 Irle, M./Möntmann, V. (Hrsg.) (1978): Leon Festinger: Theorie der kognitiven Dissonanz. Bern: Huber. 729 Vgl. auch Straus, E. (1978): Geschehnis und Erlebnis. Reprint. Berlin u. a.: Springer, S. 75, 78.

IV. Zur Metaphorologie der „kommunalen Gastfreundschaftskultur‘‘

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Zentrum des Phänomens. Auch berufssoziologisch und -psychologisch bleibt es relevant, dass Ekel als Disposition zwar eine angeborene Fähigkeit ist, aber konkret nur innerhalb der jeweiligen Sozialisation herausgebildet wird. Gesellschaftskritisch relevant wird der Ekel dann, wenn sich aus ihm Formen von Kontaminationsgefühlen bilden, die zur Ausgrenzung Anderer führen. Das evolutionspsychologisch rationale Element ist dabei der tiefsitzende Schutzmechanismus vor Krankheit und Tod. Aber es geht hier nun kritisch um die kulturelle Überformung und die so hergestellte soziale Ausrichtung der Wirksamkeit.730 Das ist das Thema. Der Ekel und die Phobie als Element der Angst steigern die Syntonie des Ichs zu einer selbstreferentiellen Identifikation mit der eigenen Gemeinde als Heimat731, womit die transgressiven Kräfte der schizoiden Disposition verkümmern. Ein Zugang zum gnostischen732 Erleben der Möglichkeiten schwindet dahin und wird dominiert vom ausgrenzenden sympathetischen Erleben. Die neurotische Übersteigerung des Syntonischen verknüpft sich mit einer wahnhaften Übersteigerung vor dem Fremden der Um-Welt, die nicht mehr die eigene soziale MitWelt ist oder werden könnte. Die mögliche Mit-Welt „entfremdet“ sich zur dämonisierten Um-Welt. Die soziale Gruppenzugehörigkeit der kulturellen Insider steigert sich zur regressiven Symbiotik des Wir. Und der homo patiens wird als der andersartige Fremde in die Exklusion getrieben. Die offene Gemeinde setzt ein gelingendes Gleichgewicht von schizoiden und syntonischen Kräften voraus. Die ge- oder verschlossene Gesellschaft basiert auf einem psychodynamischen Ungleichgewicht. Eine regressive Gruppenidentitätsorientierung koppelt sich an eine Wahn-artige Abneigung gegenüber dem Fremden „da draußen“.

730 Kultur bleibt hier ein „Interferenzraum gegensätzlicher Dynamiken“ (Böhme, H. [2006]: Fetischismus und Kultur. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, S. 241). Die soziale Geometrie ist nicht nur ein Raum externer Vektoren, sondern eine Interferenz zwischen der tief-seelischen Inskription und paläoanthropologischer Dispositivitäten einerseits und den externen Erlebnisräumen und -prozessen, wenn das Fremde auftritt, Innen auf Außen und Außen auf Innen als sozialräumliche Identitätswelten treffen. Aus dem (tiefen intra-personalen) Innen ist mit einem phobischen Reflex (S. 243) zu rechnen. Indem die Abnabelung von Subjekt vom Objektraum in der gelingenden Kindheit geschieht, ist das Außen immer ein Ort des Fremden. Ihm kann, als Ausgleich zur Ur-Angst, ein Ur-Vertrauen entgegen treten, wenn die sozialisatorisch gelingenden Bindungserfahrungen das Ur-Vertrauen wecken und zu einem sozialen Vertrauenskapital inkorporierter Art generieren ließen. Aber naturgemäß sind solche Balancen gefährdet, sind vulnerabel und ein ewiges Ringen der Kräftefelder. 731 Heinze, M./Quadflieg, D./Bührig, M. (Hrsg.) (2006): Utopie Heimat. Psychiatrische und kulturphilosophische Zugänge. Berlin: Parodos. 732 Markschies, Chr. (2010): Die Gnosis. 3. Aufl. München: Beck. Vgl. auch knapp in Nowak, K. (1997): Das Christentum. München: Beck, S. 10 f.

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A. Grundlegungen

Die (auch historische733) Altersbilderforschung734 (oder auch Behindertenbilderforschung735 [in der Geschichte]736) zum Beispiel, breit737 und in vielen Kommunikations- und Praxisfeldern multi-disziplinär erforscht, aber auch vielfältige Forschungen zu den performativ inszenierten „Skripten“ der Professionen738, die 733 Ganz neu etwa Wagner-Hasel, B. (2012): Alter in der Antike. Eine Kulturgeschichte. Köln u. a.: Böhlau. Ethnologisch Kollewe, C./Schenkel, E. (Hrsg.) (2011): Alter: unbekannt. Über die Vielfalt des Älterwerdens. Internationale Perspektiven. Bielefeld: transcript. 734 Ein (für den gesamten Wandel der praktischen Sozialpolitik angesichts der Alterung) grundlegender Mechanismus ist der Diskurs der Altersbilder. Altersbilder betreffen auch die Verhaltensmuster, also die habitualisierten sozialen Praktiken der (formellen wie informellen) Akteure und sind als Thema daher ebenso auf der Mikroebene der Analyse angesiedelt. Vor allem generieren Altersbilder systematisch soziale Interaktionsmuster, so dass auch die Mesoebene der Ablaufprozesse in Einrichtungen Outcomes-orientiert relevant ist. Auf der Makroebene geht es aber zunächst um die Konturen der gesellschaftlichen Diskurse, die mentale Ordnungen schaffen, die Wahrheitsansprüche der Wissenssysteme definieren und die sozialen Praktiken generieren. Der altersgerechte Wandel wird nur dann gelingen, wenn hinreichend differenzierte Bilder des Alter(n)s die Gesellschaftsgestaltung lenken. Es darf nun nochmals daran erinnert werden, wie überaus evident die Gerontologie die Befunde zur inter- und intra-personalen Varianz des Alter(n)s sowie zur Plastizität des Menschen bis ins höhere Alter herausgehoben hat, um die Korridore zwischen Verharmlosung und Dramatisierung der Alterung als Herausforderung und Chance zu bahnen. Es geht also um die Kultur der Gesellschaft im Umgang mit dem Alter(n). 735 Scholz, M. (2009): Presse und Behinderung. Wiesbaden: VS sowie Häßler, F./ Häßler, G. (2005): Geistig Behinderte im Spiegel der Zeit. Vom Narrenhäusl zur Gemeindepsychiatrie. Stuttgart: Thieme. Vgl. ferner Reese, I. (2007): Behinderung als Thema in der Kinder- und Jugendliteratur. Hamburg: Kovac. Vgl. ferner Lock, F. (2012): Behinderung im Spiegel. Eine Zeitschriften-Analyse. Marburg: Tectum. 736 Dazu etwa Bösl, E./Klein, A./Waldschmidt, A. (Hrsg.) (2010): Disability History. Bielefeld: transcript. 737 Lessenich, S./Rothermund, K. (Hrsg.) (2011): Zonen des Übergangs. Dimensionen und Deutungsmuster des Alterns. Themenschwerpunkt Zeitschrift für Gerontologie und Geriatrie 55 (5). 738 Die Problematik liegt gerade darin begründet, dass die Kompetenz zur Selbst-Reflexivität ein konstitutives Kriterium der Professionalität sein sollte. Aber Professionen zeichnen sich auch, weit über die Politische Ökonomie ihrer berufsständischen Versuche der (verwissenschaftlichten und sonstigen ausbildungsregulierten) Marktabschottung hinaus, durch ihre spezifischen identitätsstiftenden Handlungslogiken (ProgrammCodes) aus, die ihre Professionalität über die reine Verberuflichung hinaus heben. Die damit verbundene sektorale Spezialisierung (Medizin, Pflege, Pädagogik etc.) führte bislang zu erheblichen „Autonomiekosten“. Im Lichte der Alterung (Seidel, G. u. a. [2012]: Patientengerechte Gesundheitsversorgung für die Ältesten in der Gesellschaft. Anforderungen aus der Sicht älterer und hochaltriger Menschen. Stuttgart: Kohlhammer) und der damit einher gehenden Anforderungen an die integrierten Hilfen für komplexe Bedarfslagen (dazu auch Luthe, E. W. [2001]: Optimierende Sozialgestaltung. Tübingen: Mohr Siebeck) ist die Re-Integration zugunsten multi-professioneller TeamOrientierung nicht nur koordinierungskostenintensiv, sondern als Arbeit am GestaltSwitch der professionellen Identitäten und ihren Domänenabgrenzungen zu begreifen. Hinzu kommen noch Überlagerungen durch erhebliche und tief sitzende Gender-Konflikte (vgl. dazu etwa auch Athenstaedt, U./Alfermann, D. [2011]: Geschlechterrollen und ihre Folgen. Eine sozialpsychologische Betrachtung. Stuttgart: Kohlhammer; Weber,

IV. Zur Metaphorologie der „kommunalen Gastfreundschaftskultur‘‘

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den Habitus739 der Akteure sozialer Dienstleistungen prägen und die Art und Weise und somit die (de-)humane Qualität sozialer Interaktionen generieren740, haben hermeneutisch darüber informieren können, dass das menschliche Verhalten gegenüber dem Mitmenschen von gesellschaftlich konstruierten und in der Regel von Mehrheiten kollektiv geteilten Deutungsmustern des Normalen (binär definiert im Kontrast zum A-Normalen) geprägt ist. Die negativen, stigmatisierenden sowie dependenzierenden Haltungen der diversen Professionen741 gegenüber dem homo patiens werden noch ergänzt durch D. [2005]: Geschlechterkonstruktion und Sozialpsychologie. Wiesbaden: VS), insbesondere die Abwertung der Pflege zur Sorgearbeit einer in die offiziellen Arbeitsmarktsegmente hinein „verlängerten Mütterlichkeit“. Grundlegende Analysen stellen auch die Arbeiten von Susanne Sewtz und Kirsten Sander dar: Sewtz, S. (2006): Karrieren im Gesundheitswesen, Weinheim/München: Juventa; Sander, K. (2009): Profession und Geschlecht im Krankenhaus. Konstanz: UVK. Zur sich verändernden (?) Rolle von Männern in der (professionellen wie informellen) Pflege vgl. etwa Krabel, J./Stuve, O. (Hrsg.) (2005): Männer in „Frauen-Berufen“ der Pflege und Erziehung. Opladen/Farmington Hills: Barbara Budrich; Ummel, H. (2005): Männer in der Pflege. Berufsbiographien im Umbruch. Bern: Huber. Ferner Betz, D./Dosch, E./Langehennig, M. (2012): Männer in der Angehörigenpflege. Weinheim/München: Juventa sowie Herrenbrück, A. (2010): Pflegende Söhne. Gängige Rollenmuster oder neue Lebensentwürfe? Konstanz: Hatung-Görre. Vgl. auch Informationsdienst Altersfragen 39 (4) 2012: „Männer in der Pflege älterer Angehöriger“. Berlin: DZA. 739 In Anlehnung an eine bis auf den Kunsttheoretiker und -historiker Erwin Panofsky (1892–1968) (vgl. zu diesem: Straten, R. van (2004): Einführung in die Ikonographie, 3. überarb. Aufl. Berlin: Reimer, S. 15–36 sowie Kopp-Schmidt, G. (2004): Ikonographie und Ikonologie. Köln: Deubner, S. 44–60) zurückreichende Begrifflichkeit des Soziologen Pierre Bourdieu (1930–2002) meint die Kategorie des Habitus eine in der menschlichen Person im Zuge der Sozialisation skriptartig verinnerlichte, mit Bezug auf seine Leiblichkeit als inkorporiert zu verstehende verhaltensgenerieriende Grammatik, ein „Strickmuster“ als System von Dispositionen, die in der Regel un- oder vorbewusst bleibt oder bleiben kann (aber nicht muss), aus denen heraus die Interaktionen der Person mit seiner Umwelt, in der er steht, als symbolisches Ausdrucksverhalten stilhaft zu verstehen sind. Exemplarisch zur Habitus-Analyse vgl. Michel, B. (2006): Bild und Habitus. Wiesbaden: VS. Vgl. etwa in Bourdieu, P. (2010): Sozialer Sinn. 7. Aufl. Frankfurt am Main: Suhrkamp. 740 Vgl. aus einer Fülle einschlägiger Literatur Niediek, I. (2010): Das Subjekt im Hilfesystem. Eine Studie zur individuellen Hilfeplanung im unterstützten Wohnen für Menschen mit einer geistigen Behinderung. Wiesbaden: VS. 741 Die Professionen (vgl. etwa auch dazu Urban, U. [2004]: Professionelles Handeln zwischen Hilfe und Kontrolle. Sozialpädagogische Entscheidungsfindung in der Hilfeplanung. Weinheim/München: Juventa) stehen mitten in verschachtelten Transformationsprozessen, die längst nicht abgeschlossen sind und voller Ambivalenzen sind. Zum einen sind die Professionen aufgefordert, ihre kulturgeschichtlich bis ins vorchristliche Altertum und in die frühchristliche Antike zurück reichende Logik der barmherzig-gnädigen Hilfe im Sinne der archetypischen Hirt-Herde-Metapher (Hunziker-Rodewald, R. [2001]: Hirt und Herde. Ein Beitrag zum alttestamentlichen Gottesverständnis. Stuttgart: Kohlhammer sowie in Taureck, B. H. F. [2004]: Metaphern und Gleichnisse in der Philosophie. Versuch einer kritischen Ikonologie der Philosophie. Frankfurt am Main: Suhrkamp), wodurch Herrschaft und Herrlichkeit (vgl. auch Agamben, G. [2010]: Herrschaft und Herrlichkeit. Zur theologischen Genealogie von Ökonomie und Regierung.

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A. Grundlegungen

defizitäre Fähigkeiten und Bereitschaften zur Netzwerkbildung742, um im DeInstitutionalisierungsprozess funktionale Äquivalenzen zur Sicherheit und Geborgenheit der Anstalt743 zu generieren. Diese Dependenz-Skripte der Professionen sind wirksam nämlich dann und dadurch, wenn744 (genealogisch re-konstruiert745) auch dort, wo die generalisierten Medien der Liebe und der Macht in der Praxis der Sorge entsprechende Mischungsverhältnisse eingehen746, somit Hilfe und Kontrolle als Motivhaltungen sich dergestalt kombinieren747 oder (in neuerer gouvernementaler Perspektive betrachtet) der Zwang zum Selbstmanagement und der Eigensinn in ein Spannungsverhältnis dergestalt zueinander treten748, dass mitunter (wie die Sprache als Sprechpraxis in der Pflege verrät749) regressive und infantilisierende Interaktionsordnungen zur Praxis werden.750 Das ist alles sehr zentral. Denn das „A und O“ der gelingenden De-Institutionalisierung (um die es mir sozialpolitisch geht) ist das effektiv koordinierte Frankfurt am Main: Suhrkamp) Kuppelprodukte der Kulturgeschichte sind, zu überwinden. Vgl. dazu auch Hardt, P. (2005): Genealogie der Gnade. Eine theologische Untersuchung zur Methode Michel Foucaults. Münster: LIT. Andererseits sollen die fürsorglichen Elemente (Kumbruck, Chr./Rumpf, M./Senghaas-Knobloch, E. [2011]: Unsichtbare Pflegearbeit – Fürsorgliche Praxis auf der Suche nach Anerkennung. Berlin: LIT) angesichts der bestehenden Abhängigkeiten auch nicht eskamotiert werden. Vielmehr geht es um gemeinsame Bewältigung der asymmetrischen Beziehung im Lichte der CareEthik-Orientierung auf personale Würde. Vgl. dazu Greving, H. (2011): Heilpädagogische Professionalität. Eine Orientierung. Stuttgart: Kohlhammer, S. 91 f. Zur personalen Würde vgl. auch Lanius, F. (2010): Menschenwürde und pflegerische Verantwortung. Göttingen: V&R unipress sowie Agoston, I. (2011): Menschenwürde in der Pflege. Hamburg: Kovac. 742 Vgl. dazu auch Dosch, E. (2004): Umgang mit psychisch erkrankten alten Menschen. Wiesbaden: DUV. 743 Klassisch dazu auch Goffman, E. (2011): Asyle. 18. Aufl. Frankfurt am Main: Suhrkamp. Zu Goffman vgl. auch insgesamt Raab, J. (2008): Erving Goffman. Konstanz: UVK. 744 Was der Analyse bei Käeppeli weitgehend angeht: Käppeli, S. (2004): Vom Glaubenswerk zur Pflegewissenschaft. Geschichte des Mit-Leidens in der christlichen, jüdischen und freiberuflichen Krankenpflege. Bern: Huber. 745 Dazu etwa auch Kellner, A. (2011): Von Selbstlosigkeit zur Selbstsorge. Eine Genealogie der Pflege. Berlin: LIT. 746 Dazu auch Hünersdorf, B. (2009): Der klinische Blick in der Sozialen Arbeit. Wiesbaden: VS. 747 Urban-Stahl, U. (2004): Professionelles Handeln zwischen Hilfe und Kontrolle. Weinheim/München: Juventa. 748 Hüper, Chr./Hellige, B. (2012): Kooperative Pflegeberatung und Beratungsqualität. Frankfurt am Main: Mabuse. 749 Abt-Zegelin, A./Schnell, M. W. (Hrsg.) (2006): Die Sprachen der Pflege. Hannover: Schlütersche; Abt-Zegelin, A. u. a. (Hrsg.) (2005): Sprache und Pflege. 2., vollst. überarb. u. aktual. Aufl. Bern: Huber. 750 Dazu einschlägig auch Sachweh, S. (2000): „Schätzle hinsitze!“ Kommunikation in der Altenpflege. 2., durchgesehene Aufl., Frankfurt am Main: Mabuse; Sachweh, S. (2005): „Noch ein Löffelchen?“ Effektive Kommunikation in der Altenpflege. 2., vollst. überarb. u. erw. Aufl. Bern: Huber.

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Quartiersmanagement.751 Nur so sind wirklich inklusive Lebenswelten zu verstehen.752 Doch wie können diese tiefsitzenden Barrieren überwunden werden? Sie sitzen ja so tief, da ich davon ausgehe, dass sie psychogrammatischer Natur sind. Psychogrammatiken sind jedoch Ablagerungen und dies infolge von Inskriptionspraktiken im Rahmen der Sozialisationsbiographien753, die wiederum auf Soziogrammatiken verweisen. Die damit gemeinten Interaktionsordnungen verweisen auf eine ebenso tieferliegende kulturelle Grammatik des Inskriptionsgeschehens. So vielfältig unsere soziale Welt des menschlichen Handelns zunächst aussieht, analysiert man die Grammatik ihrer Tiefenstrukturen, so zeigen sich Dispositive754 wirksamer dichotomer Ordnungsmuster, die sich überlappen und komplexe Klassifikationsschemata ergeben, wie klassisch Roger Caillois (1913– 1978) analysiert hat.755 Die Welt (und ich füge hier nicht die Legende einschlägiger kulturgeschichtlicher und kulturanthropologischer Forschungen an) wird geordnet in „gut und böse“, „schön756 und hässlich“, „gesund und krank“, „normal und unnormal“, „jung und alt“, „männlich und weiblich“, „innen und außen“, „unten und oben“ etc. etc. 751 Neukirch, S. (2007): Geschichte, Einflussfaktoren und Entwicklungstendenzen psychiatrischer Versorgung in Italien. Frankfurt am Main: Lang. 752 Albrecht-Bindseil, N. (2012): Inklusive Lebenswelten. Entwicklung und Evaluation von sozialräumlich orientierten Wohnprojekten. Stuttgart: Kohlhammer. 753 Dazu auch Schadewaldt, W. (1979): Die Anfänge der Philosophie bei den Griechen. Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 125 f., 122 ff., vor dem Hintergrund der transinstrumentellen Theorie der Sprache in der Heidegger-Tradition. Also entgegen der auf Karl Bühler (1879–1963) verweisenden Organon-Theorie der Sprache. 754 Als Dispositiv (als habituell wirkender Prozess der Anordnung oder Anweisung) begreift man in der von Michel Foucault (1926–1984) geprägten Kulturwissenschaft (vgl. auch Birkhan, B. [2012]: Foucaults ethnologischer Blick. Bielefeld: transcript), die Soziologie und Psychologie integriert, eine epochale Struktur, innerhalb derer sich die Diskurse und die sozialen Interaktionen entfalten und die in der Lebenswelt einer Gesellschaft ihren Ausdruck finden. Es ist ein Ensemble, das Diskurse, Institutionen, architektonische Einrichtungen, regulative Regime, Gesetze, administrative Prozesse, wissenschaftliche Aussagensysteme, philosophische und moralische Lehrmeinungen bewusst wie unbewusst integrierend umfasst. Das Dispositiv ist ein kollektiv diffundierendes inskriptives Prägesystem (als Netz, das alle Elemente einbindet) im Sinne eines a priori. Grundlegend ist die Annahme, dass das soziale Handeln den Regeln des Dispositivs folgen muss. Die Geltung des Dispositivs ist chronotopisch: räumlich (kulturell) und zeitlich (historisch) begrenzt. Dieses Netz der einbindenden Normierung des Denkens, Wahrnehmens, Fühlens und Tuns kann als Schema verstanden werden, das die orientierenden Deutungsmuster der beteiligten Personen, wissenssoziologisch gesehen, generiert und reguliert. 755 Caillois, R. (1988): Der Mensch und das Heilige. München/Wien: Hanser, S. 77 ff. 756 Dazu auch instruktiv Menninghaus, W. (2007): Das Versprechen der Schönheit. Frankfurt am Main: Suhrkamp.

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A. Grundlegungen

Ich unterscheide Binärismen in verschieden Seinssphären, die wiederum ineinandergreifen können und die angedeuteten überlappenden Ordnungen bilden können. Ordnungsschemata: Ich differenziere • die ästhetische Ordnungssphäre: schön versus hässlich; • die medizinische Ordnungssphäre: gesund versus krank; • die intra-seelische Ordnungssphäre: (apollinische757) Ruhe versus (dionysische) Unruhe; • die biologische Ordnungssphäre: lebendig versus tot; • die hygienische Ordnungssphäre: rein versus unrein; • die religiöse Ordnungssphäre: sakral versus profan; • die geschlechtliche Ordnungssphäre: männlich versus weiblich; • die generationelle Ordnungssphäre: jung versus alt; 757 Der binäre Code des Apollinischen versus Dionysischen verdanken wir Nietzsche, F. (2000): Die Geburt der Tragödie. Frankfurt am Main/Leipzig: Insel. Fortgeführt wurde dieser anthropologische Code u. a. bei Leo Kofler (1907–1995). Vgl. Kofler, L. (1973): Aggression und Gewissen. München: Hanser. Zu Kofler vgl. auch Jünke, Chr. (2007): Sozialistisches Strandgut. Leo Kofler. Leben und Werk (1907–1995): Hamburg: VSA. Früher als bei Nietzsche findet sich dieser duale Code bereits bei Johann Jakob Bachofen (1815–1887). Vgl. in Bachofen, J. J. (1954): Versuch über die Gräbersymbolik der Alten. (1859). Gesammelte Werke, Bd. IV. Basel: Benno Schwabe & Co., u. a., S. 66, S. 132. Zur breiteren Vorgeschichte dieses bi-polaren Begriffssystems im Sinne archetypischer Dispositionen der Seele vgl. auch in Frank, M. (1988): Gott im Exil. Vorlesungen über die neue Mythologie. Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 36 ff. Vgl. dazu auch Riedel, V. (1994): Nietzsche und das Bild einer „dionysischen Antike“ in der deutschsprachigen Literatur des 20. Jahrhunderts. In: Nietzscheforschung: Jahrbuch der Nietzsche-Gesellschaft 8, S. 63–87. Bei Bachofen finden sich, aufbauend auf einem UrDualismus des Guten und Bösen (vgl. auch S. 140) eine ganze Ordnung binärer Codes: Leben : Tod = Tag : Nacht = Hell : Dunkel = weiß : schwarz = Sonne : Mond = Himmel : Erde = Mann : Frau etc. Dabei ist vor allem die strukturale An-Ordnung der Frau bei Bachofen ambivalent. Einerseits gilt sie mutterrechtlich als Ur-Macht des Lebens, andererseits als abhängiges, passiv empfangendes Wesen angesichts der Rolle des Mannes, und es kommt erst in der Ehe zur Synthese der beiden Pole (S. 91, S. 95). Vgl. auch Bachofen, J. J. (1975): Das Mutterrecht. Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 10, S. 22, S. 24, S. 51 f., S. 53 f. Es geht um die Dichotomien von links : rechts = Dunkel (Nacht) : Licht = Frau (irrational/Natur): Mann = Erde : Meer = Empfangen : Befruchten = Orient : Hellenismus = Stoff : Geist, = Erde : Himmel = Unten : Oben = Mond : Sonne.

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• die kalendarische Ordnungssphäre: früher versus später; • die wissenschaftliche Ordnungssphäre: wahr versus unwahr; • die (vertikal-)geometrische Ordnungssphäre (I) : oben versus unten; • die (horizontal-)geometrische Ordnungssphäre (II): links versus rechts; • die sozialräumliche Ordnungssphäre: innen versus außen; • die politische Ordnungssphäre: Freund versus Feind; • die elektromagnetische Strahlungsordnung: hell versus dunkel. All diese dichotomen Ordnungsschemata könnten Gegenstand ausführlicher Erörterungen sein. So ist z. B. auf die (frühen Vorstufen der) Lichtmetaphysik zu verweisen.758 Vor allem die Querverschachtelungen sind sehr bedeutsam. So ist das Thema „links versus rechts“ in der Kulturgeschichte ein erforschtes Thema759, vor allem auch in den Verschachtelungen mit politischen Ordnungsschemata760 und in der Verflechtung mit moralischen Ordnungen von Gut und Böse. Auch der Zusammenhang mit dualen Geschlechterordnungen ist evident.761 In der indogermanischen762 Sprachwurzel reg wird „rechts“ mit aufrichten, geradeaus, recken, geraderichten und in Verbindung mit dem Guten assoziiert. Das „Linkische“ dagegen erinnert heute noch nicht nur an Ungeschicklichkeit, sondern an etwas, dem man weniger vertrauen kann. Im politischen Kontext von Herrschaft (somit – etwa mit Bezug auf Kyrios-Bezeichnungen [auch schon Adonai-Titel im Alten Testament763] – auch im Kontext der Christologie764) ist die Anordnung um den Thron765 ebenso eine typische symbolische An-Ordnung. 758 Bremer, D. (1976): Licht und Dunkel in der frühgriechischen Dichtung: Interpretationen zur Vorgeschichte der Lichtmetaphysik. Bonn: Bouvier sowie Classen, C. J. (1965): Licht und Dunkel in der frühgriechischen Philosophie. In: Studium Generale 18, S. 97–116. 759 Sattler, J. B. (2000): Links und Rechts in der Wahrnehmung des Menschen. Donauwörth: Auer. Spezieller Deitmaring, U. (1969): Die Bedeutung von Rechts und Links in theologischen und literarischen Texten bis um 1200. In: Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur 98, S. 265–292. 760 Vasilache, A. (2007): Der Staat und seine Grenzen. Zur Logik politischer Ordnung. Frankfurt am Main/New York: Campus. 761 Leeuwen-Turnovcova, J. van (1990): Rechts und Links in Europa: ein Beitrag zur Semantik und Symbolik der Geschlechterpolarität. Wiesbaden: Harrassowitz. 762 Haarmann, H. (2012): Die Indoeuropäer. 2., durchges. Aufl. München: Beck. 763 Rösel, M. (2000): Adonaj – warum Gott „Herr“ genannt wird. Tübingen: Mohr Siebeck. 764 Kügler, J. (1999): Der andere König. Religionsgeschichtliche Perspektiven auf die Christologie des Johannesevangeliums. Stuttgart: Katholisches Bibelwerk. Vgl. zu den pharaonischen Quellen des Christentums auch in Görg, M. (1998): Mythos, Glaube und Geschichte. 3. Aufl. Düsseldorf: Patmos. Zum Sakralkönigtum in der europäischen Geschichte vgl. auch in Bendix, R. (1980): Könige oder Volk. Erster Teil. Frankfurt am Main: Suhrkamp. Dazu auch Erkens, F. R. (2006): Herrschersakralität im Mittelalter. Stuttgart: Kohlhammer. Vgl. auch Schulze, H. K. (2011): Grundstrukturen der Verfassung im Mittelalter. Bd. 4: Das Königtum. Stuttgart: Kohlhammer.

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A. Grundlegungen

In diesen sich oftmals verknüpfenden, überlappenden Ordnungsmechanismen des menschlichen Geistes und der menschlichen Verhaltensmuster wurzeln soziale Konstruktionen der Inklusion und Exklusion. Die Logik der Binärismen ist in sehr unterschiedlichen wissenschaftsdisziplinären Theoriekontexten erforscht worden. Wichtige Referenzpunkte sind einerseits der klassische Strukturalismus von Claude Lévi-Strauss (1910–2008)766, die Systemtheorie von Niklas Luhmann (1927–1998)767, die beide noch die Gemeinsamkeit aufweisen können, eine Subjekt-lose Wissenschaft768 entworfen zu haben (ohne dass ich hier in tiefere Exegesen einsteigen kann), aber auch die multi-disziplinäre Theorie von Gregory Bateson (1904–1980), der nicht ganz so einfach disziplinär und theorieparadigmatisch zu klassifizieren ist.769 Bateson wies in seiner Ethnologie frühe Verwurzelungen im Strukturfunktionalismus auf und beeinflusste durch seine systemisch-kybernetische Denkweise sicherlich auch Luhmann. Er denkt radikal ökologisch, so dass seine Theorien zwar nicht subjektlos konzipiert sind, aber sehr kontextzentriert modelliert sind. Falls die Rezeptionsgeschichte die Herausarbeitung universaler apriorischer Klassifikationssysteme des menschlichen Geistes für das Spezifikum des Strukturalismus hält, so wird deutlich, dass ich meine Position abgrenzen muss und als post-strukturalistisch (oder auch neo-strukturalistisch770) bezeichne. Dies bedeutet keine anti- oder non-strukuralistische Position771, sondern eine nur eben nicht a-historische und a-kulturelle Konzeption der De-Zentrierung772 des Subjekts.773 Habe ich an anderer Stelle in Anlehnung an Lacan von „Struk-jektivität“ gesprochen, so Haller von „Subjektivation“ 774, wodurch das Subjekt zum „Schauplatz“ 765 Eickhoff, H. (1993): Himmelsthron und Schaukelstuhl. Die Geschichte des Sitzens. München/Wien: Hanser. 766 Zur Orientierung vgl. Kauppert, M. (2008): Claude Lévi-Strauss. Konstanz: UVK. 767 Zur Orientierung vgl. etwa Gripp-Hagelstange, H. (2000): Niklas Luhmanns Denken. Interdisziplinäre Einflüsse und Wirkungen. Konstanz: UVK. 768 Siehe dazu auch Weber, A. (2005): Subjektlos. Zur Kritik der Systemtheorie. Konstanz: UVK. 769 Zur Einführung vgl. auch Lutterer, W. (2009): Gregory Bateson – Eine Einführung in sein Denken. Heidelberg: Carl Auer. 770 Frank, M. (1984): Was ist Neostrukturalismus? Frankfurt am Main: Suhrkamp. 771 Dosse, F. (1999): Geschichte des Strukturalismus. 2 Bde. Frankfurt am Main: Fischer. 772 Wunderbar dargelegt in Draheim, S. (2012): Das lernende Subjekt in der Hochschulreform: „Ich“ ist eine Schnittstelle. Subjektdiskurse des Bologna-Prozesses. Bielefeld: transcript, S. 19 ff. 773 Richter, M. (2011): Freiheit und Macht. Perspektiven kritischer Gesellschaftstheorie – der Humanismusstreit zwischen Sartre und Foucault. Bielefeld: transcript. 774 Haller, M. (2011): Dekonstruktion der „Ambivalenz“. Poststrukturalistische Neueinschreibungen des Konzepts der Ambivalenz aus bildungstheoretischer Sicht. In: Forum Psychoanal 27, S. 359–371.

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von Ambivalenzen des Sozialen wird. Es handelt sich um eine Synthese775 aus historischer Anthropologie und aus auf Ubiquität abstellender philosophischer Anthropologie, sucht demnach Quasi-Universalien in den kulturanthropologischen und kulturgeschichtlichen Befundelandschaften, sieht aber alle Universalien als Dispositionen evolutionärer Art zugleich als grundsätzlich nur kulturell aktiviert/aktualisiert und insofern phänotypisch überformt, variiert und transformierbar. Ich kann vor diesem Hintergrund eine Reihe von Annahmen treffen, die aus der bisherigen Forschung generierbar sind. Soll es zu einer offenen kommunalen „Gastfreundschaftskultur“ gegenüber dem Fremden, dem homo patiens in all seinen Erscheinungsformen kommen, sollen also sozial ausgrenzende stationäre Lebensformen außerhalb der „normalen“ Lebenswelten der urbanen und ländlichen776 Siedlungsstrukturen (der Quartiere und Stadtteile, der Dörfer etc.) soweit wie möglich aufgegeben werden zugunsten des selbständigen und vor allem selbstbestimmten Wohnens (wobei die relative semantische Autonomie der intentionalen Direktionalität wichtiger ist als die relative pragmatische Autonomie des technischen Tuns) im „normalen“ Wohnumfeld, so müssen komplexe Vernetzungen der „Ressourcen“ erfolgen, damit die Person außerhalb von Einrichtungen gelingend (ohne Vereinsamung und Verwahrlosung) leben kann. Das ist keine triviale Aufgabe. Ich differenziere zwischen verschiedenen Annahmen. Annahme 1: Gelingende Vernetzung in fragmentierten777, arbeitsteiligen kommunalen Sozialräumen778, wo Sektoren, Funktionen, Institutionen, Professionen hochgradig ausdifferenziert sind, ist eine (systemtheoretisch gesprochen) unwahrscheinliche, aber nicht unmögliche Aufgabe (vgl. oben K-Hyp). Annahme 2: Notwendige Voraussetzung für gelingende Vernetzung und für eine Kooperationskultur im sozialen Raum sind intelligente ökonomische Anreize und zweckmäßige Finanzierungsmodelle, die die Akteure nicht zu Verlie-

775 Epke, Th./Schloßberger, M. (Hrsg.) (2012): Dezentrierungen. Zur Konfrontation von Philosophischer Anthropologie, Strukturalismus und Poststrukturalismus. Berlin: Akademie Verlag. 776 Kluschatzka, R. E./Wieland, S. (Hrsg.) (2009): Sozialraumorientierung im ländlichen Kontext. Wiesbaden: VS. 777 In einem übergreifenden Sinne geht es um die Überwindungen der tiefsitzenden Fragmentierungen im intra- und inter-sektoralen sowie inter-professionellen Sinne, beginnend allerdings bereits mit dem Fragmentarismus des deutschen Systems der Sozialgesetzbücher auf der dominanten Konstruktionsgrundlage des Kausalprinzips. 778 Kessl, F./Reutlinger, Chr./Maurer, S./Frey, O. (Hrsg.) (2005): Handbuch Sozialraum. Wiesbaden: VS.

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A. Grundlegungen

rern und Gewinnern in einem Nullsummenspiel machen, sondern in (paretianische779) Win-Win-Situationen überleiten sowie zweckmäßige rechtliche Regelun779 Das in der Wohlfahrtsökonomik verbreitete Pareto-Prinzip besagt nun, eine Wohlfahrtsveränderung sei dahingehend durch Aufteilung zusätzlicher Ressourcen (etwa resultierend aus dem Sozialproduktwachstum) zu verwirklichen, dass sich zumindest eine Person (oder eine soziale Gruppe) verbessert, ohne dass dadurch eine andere Person (oder soziale Gruppe) verschlechtert wird: @SW/@Ui  0 für alle i. Die Wohlfahrtsfunktionen der Personen/sozialen Gruppen sind also interdependent. Negative Externalitäten drücken sich dann in dieser Wohlfahrtsinterdependenz dergestalt aus, dass sich gerade eine Person/soziale Gruppe dadurch in der Wohlfahrtsposition verbessert, indem dadurch andere Personen/soziale Gruppen schlechter gestellt werden. Ich unterscheide also SW(i – j) und SW(j): Negative Externalitäten j e j liegen vor, wenn @SW(i – j)  0 und @SW(j) < 0.

Es gilt also, dass @SW/@U < 0 ist für die Teilgruppe j, für den Rest (Mehrheit: i – j) mag dagegen gelten: @SW/@U)  0. Es lässt sich sogar zeigen, dass dieses ökonomische Wohlfahrtskriterium analog zum Sittengesetz in der Tradition von Immanuel Kant (1724–1804) zu verstehen ist. Modern, psychologisch und soziologisch im Lichte empathiefundierter sozialer Interaktion reformuliert: Handle so, dass Du in die Maxime deines Handelns auch dann noch einwilligen kannst, wenn Du dich in die Rolle derer versetzt, die von deinem Handeln betroffen sind. Als „goldene Regel“ ist dieses Sittengesetz als normative Grammatik sozialen Miteinanders und der dialogischen Begegnung im zwischenmenschlichen Bereich seit der „Achsenzeit“ der hochkulturellen Weltreligionen, also lange, bevor sich das „moderne“ Gewissen, wobei es auch (mittelalterliche) „missing links“ zwischen (vorchristlichem) Altertum und Neuzeit geben mag, entstand, universal verbreitet. Eigentlich setzt das Pareto-Prinzip demnach Einstimmigkeit voraus: j = 0. Zu hohe Transaktionskosten können es aber schwierig machen, Entscheidungsfindungsprozesse bis zur Einstimmigkeit zu treiben. Daher besteht das Optimierungsproblem darin, die Konsensfindungskosten und die Präferenzfrustrationskosten (der letztendlich in der Entscheidung nicht berücksichtigten/übergangenen Interessen) gemeinsam zu minimieren. Das Ergebnis bleibt – aus der Sicht einer Komparatistik institutioneller Designs betrachtet – immer (relativ) unvollkommen. Das Pareto-Prinzip setzt sich von einer älteren utilitaristischen Tradition der Maximierung der sozialen Wohlfahrt SWF = SFW (SUi) ! max! ab, in der die individuellen Nutzen durch Addierung (also summativ) aggregiert worden sind. Ganz offensichtlich ist dies ethisch nicht haltbar: Jegliche Form massiver (bis zur Tötung gehender) negativer Externalitäten wäre legitim, wäre der quantifizierte Nutzen der Bessergestellten (und damit die aggregierte soziale Wohlfahrt) höher/größer ist als der Nutzenverlust der Schlechtergestellten: @SW(i – j) > @SW(j). Allerdings übergeht das Pareto-Prinzip das Fairness-Problem der wachsenden relativen Ungleichheit (Theorem der relativen Deprivation). Aus sozialpsychologischer Sicht verletzt die Besserstellung der ohnehin Bessergestellten bei Konstanz (nicht Absenkung!) des Wohlstandsniveaus der Schlechtgestellten das Gebot sozialer Fairness. Dies wäre der Fall, wenn mit Blick auf UA und UB gilt: a > b und b 6ˆ 0 ist, vorausgesetzt, dass ausgegangen wird von der Optimierungsgröße (U*A – UA)a (U*B – UB)b,

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gen, die diese neuen Arrangements auch ermöglichen. Aber das sind nur 2*) notwendige Voraussetzungen (die sich im Begriff eines „Geschäftsmodells“ verdichten mögen), ohne die nichts geht. Hinreichende Bedingung für gelingende Netzwerkwelten der Kooperation und der sozialen Integration ist 2**) eine Kultur der Haltungen780, die voraussetzt, die Ängste zu überwinden, die mit den Veränderungen verbunden sind und (narzisstische781) Kränkungen (als „Wunde“ 782) zu verarbeiten, die mit veränderten Rollenbildern, Selbstbildern und Sichtweisen verbunden sein können. Im Verlauf der Arbeit werde ich zu zeigen versuchen, wie hinter dieser Hypothese vom notwendigen Kulturwandel als hinreichende Bedingung des gesamten transformativen Geschehens der De-Institutionalisierung (das, wie gesagt, im Lichte der Kernhypothese unwahrscheinlich, aber nicht unmöglich ist), eine komplexe Entwicklungssequenz tieferliegender Hypothesen stehen. Der Kulturwandel als Haltungswandel hat nämlich wiederum eine transformative Dialektik in der psychodynamischen Bipolarität der schizoiden und syntonischen Kräftefelder intra-personal zur Voraussetzung. Und diese Kräftefelder-Dialektik lässt sich letztendlich als Gleichgewichtsökonomik der seelischen Gefühlswelt in Analogie zum numinosen Erfahrungsfeld verstehen, kurz: Haltungswandel ! SchizoFeld : SyntoFeld = (numinose) Faszination : (numinose) Abschreckung.

Das ist (hermeneutisch gesehen) die nicht-triviale Tiefengrammatik einer Reihe von Hypothesen, die doch deutlicher auf einer unmittelbaren empirischen Ebene angesiedelt sind. wenn also b nicht größer als 0 ist. Eine win-win-Situation setzt dagegen voraus: a > 0 und b > 0, möglich aber ist, dass a 6ˆ b ist. Eine Alternative wären Lösungen entsprechend der Rechtsphilosophie von John Rawls (1921–2002; vgl. Kersting, W. [2008]: John Rawls zur Einführung. 3., unveränd. Aufl. Hamburg: Junius): Rawls-Lösungen (Rl) sind immer Teilmengen der Pareto-Lösungen (Pl), aber nicht alle Pareto-Lösungen sind auch Rawls-Lösungen: Alle Rl sind Pl, aber nicht alle Pl sind Rl. Anders ausgedrückt: Rawls präferiert win-win-Situationen, in der auch der Schlechtgestellte in den Sog des sozialen und/oder wirtschaftlichen Fortschritts kommt. Dies entspricht auch dem Denken der sozialen Marktwirtschaft des europäischen Verfassungsvertragsrechts. 780 Dazu auch Schönwälder, M. (2009): Deprofessionalisierung des Ärztestandes. München: Akademische Verlagsgemeinschaft. Umgekehrt sind die Akademisierungsprozesse der nicht-medizinischen, aber komplementären Berufe zu beobachten. Insgesamt siehe auch Bollinger, H./Gerlach, A./Pfadenhauer, M. (Hrsg.) (2011): Gesundheitsberufe im Wandel. Frankfurt am Main: Mabuse. 781 Dammann, G./Sammet, I./Grimmer, B. (Hrsg.) (2012): Narzissmus. Stuttgart: Kohlhammer. Vgl. ferner Kohut, H. (2011): Narzissmus. 15. Aufl. Frankfurt am Main: Suhrkamp. 782 Schmidbauer, W. (2011): Kleist – Die Entdeckung der narzisstischen Wunde. Gießen: Psychosozial.

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A. Grundlegungen

Vor diesem Hintergrund783 sehe ich ein sozial ausgrenzendes, soziale Handlungsdilemmata produzierendes Prinzip wirksam, wobei ich drei Hypothesen unterscheiden möchte: Hypothese 1: Die Menschen sind mit Blick auf die soziale Inklusion vom St.Florians-Prinzip getragen. Hypothese 2: Die Menschen sind von einem Deutungsmuster der Situation geprägt, die von affektuellen Dispositionen der Angst, des Ekels und der Scham gekennzeichnet sind, wobei H2 die H1 plausibilisieren kann. Hypothese 3: Diese Haltungen zu überwinden betrifft jedoch in strategisch zentraler Weise die Erfüllung der oben genannten hinreichenden Bedingung eines kulturellen Wandels in Richtung auf eine Gastfreundschaftskultur der Kommune gegenüber dem homo patiens. Bevor ich hier weiter in der Analyse voranschreite, muss eine innere Gegenbewegungsdialektik angesprochen werden. Auch auf der Basis einer strukturalen Analyse, wie ich sie von Detienne784 übernehme, ist durchaus eine ganz andere Sicht der Ausgrenzungsproblematik möglich. Die Studie von Uhlig785 zur „Ethnographie der Gehörlosen“ als Gemeinschaft der Gehörlosen macht dies fundiert möglich. Die liminalen Spannungen im Übergang von der hegemonialen Mehrheitskultur zur Minderheit der Andersartigen kann einerseits das Bemühen der Andersartigen motivieren, sich zu integrieren, also an die Normalität anzunähern, etwa durch Pfade der Medikalisierung. Oft spürt man jedoch angesichts der meist nur partiziellen Normalisierungschance den Restbestand der Stigmatisierung. Daher kann die Selbst-Ausgrenzung der Andersartigen im Modus eines selbstbewussten Stigma-Kultes eine Alternative sein. Man bildet eine Gemeinschaft der gleichartigen Andersartigen. Somit findet eine Verkehrung der Fremd- zur Selbst-Ausgrenzung statt. Wäre das, quasi in der Tradition der Freundschaft (philia) des Untereinanders der Pytha-

783 Ich gehe demnach von der Annahme aus, dass ein Kulturwandel im kommunalen Raum dort besteht, wo a) eine „achtsame“ Einbeziehung von Betroffenen gelungen ist, b) eine Veränderung des oftmals negativen (von Ängsten, Ekel, Tabu, Scham etc. geprägten ausgrenzenden) Bilds des (oder Blicks auf den) homo patiens möglich war und c) eine neue Qualität auf kommunaler Ebene mit strukturellen Änderungen der Handlungsrahmenbedingungen, der kommunikativen Sozialatmosphäre, des Vertrauensklimas, der gegenseitigen Wertschätzungserfahrungen etc. umgesetzt wird. Strukturelle, mental-kognitive, leibliche, kulturelle Vektoren greifen also ineinander. 784 Detienne, M. (2000): Die Adonis-Gärten. Gewürze und Düfte in der griechischen Mythologie. Darmstadt: WBG. 785 Uhlig, A. C. (2012): Ethnographie der Gehörlosen. Kultur – Kommunikation – Gemeinschaft. Bielefeld: transcript.

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goreer786 stehend, die optimale Alternative zur ambivalenten Integration? Oder realisieren sich hier nun neue Formen der Blick-Verengung und Selbst-Begrenzung? Verkürzt man seine eigenen schizoiden Chancen auf Alterität, wenn man derartig endogam auf die Alterität pocht? Resultiert eine Phobie vor der Mehrheit? Wäre dies wirklich ein optimales Gleichgewicht von Innen und Außen? Wäre das nach der strukturalen Analyse der binären Differenzen die (eben diese Binärik) übersteigende Innovation einer transdifferenziellen Sicht, nicht, indem die liminalen Überschreitungen von der Minderheit in den Raum der Mehrheit erfolgt, sondern indem auf die Differenz „gepfiffen“ wird? Ich lasse diese Frage offen. Allein, es geht um das Verständnis der nunmehr umgekehrt-dynamischen Ausgrenzung. Mitunter werden Gehörlose mit Implantaten als verräterische Grenzgänger be- oder verurteilt – so leicht fällt die Ausgrenzung seitens der Ausgegrenzten im liminalen Feld.

786 Riedweg, Chr. (2007): Pythagoras: Leben, Lehre, Nachwirkung. 2. Aufl. München: Beck.

B. Die Reflexion der Empirie V. Die Anthropologie der explorativen Studie Nochmals zurück (aus der Archaisierung) zur konkreten sozialpolitischen Aktualität. Finanziert und gefördert von Generali Zukunftsfonds und der Stiftung trias, die zugleich im Rahmen ihres vielfältigen innovativen Engagements den Zugang zu den Wohnprojekten ermöglichte, hat das Seminar für Sozialpolitik der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln in Zusammenarbeit mit dem Seminar für Genossenschaftswesen Ende 2010/Frühjahr 2011 eine qualitativ-explorative Studie durchgeführt.787 Befragt wurden BewohnerInnen, Angehörige und das Personal in einer Demenz-Wohngemeinschaft, einer MS-Wohngemeinschaft und in einem integrierten Mehrgenerationen(wohn)haus in drei Großstädten in Deutschland. Ich werde, wobei ein solcher transzendentaler Wertbezug wissenschaftstheoretisch unvermeidbar ist, aus einer normativen Perspektive heraus argumentieren, die sich wiederum aus einigen spezifischen Menschenbild-fundierten ethischen Folgerungen ergibt. Ich möchte die anthropologische Kernaussage nochmals hervorheben. Im Mittelpunkt steht der Mensch als Person788, dessen personales Sein geknüpft ist an ein gelingendes soziales Miteinander. Gelingendes Person-Sein ist demnach nur im Modus des Mit-Seins mit dem Anderen, dem Mitmenschen789 möglich. Diese Perspektive (eine reichhaltige Tradition philosophischer Anthropologie des Personalismus des 20. und frühen 21. Jahrhunderts reflektierend, die ich hier nicht entfalten möchte790) ist nun in empirischer Hinsicht wiederum an den Be787 Schulz-Nieswandt, F./Köstler, U./Langenhorst, F./Marks, H. (2012): Neue Wohnformen im Alter. Wohngemeinschaften und Mehrgenerationenhäuser. Stuttgart: Kohlhammer. 788 Und dieser Personalismus ist reichhaltiger als der Individuumsbegriff (vgl. auch Guérin, D. [1967]: Anarchismus. Begriff und Praxis. Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 29 ff.) in einigen Strömungen des Anarchismus, der dort ein versteckter Kontraktualismus ist. Dazu auch Bloch, E. (1959): Das Prinzip Hoffnung. 2 Bde. Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 662 ff. 789 Dazu grundlegend die Perspektiven bei Koltan, J. (2012): Der Mitmensch. Zur Identitätsproblematik des sozialen Selbst ausgehend von der Frühphilosophie Martin Heideggers und Karl Löwith. Würzburg: Königshausen & Neumann.

V. Die Anthropologie der explorativen Studie

129

fund geknüpft, dass der Mensch eher gelingend altert, wenn er frei gewählte Wohn- und Lebenssettings791 verwirklichen kann, die ihm Möglichkeiten des Persönlichkeitswachstums792, der seelischen Reifung und der lebendigen sozialen Interaktion bieten. Zur näheren existenzialen Bestimmung dieser Interaktionswelten gehören Erfahrungen in Form der gegenseitigen Hilfe, Erfahrungen im Rahmen sozialer Vertrauensbeziehungen, Erfahrungen aufgabenorientierten Alterns als Lernen und Entwickeln in Rollenspielen. Die Erfahrung von Selbstwirksamkeit, Selbstkontrolle, Selbstbewusstsein oder Selbstwert der menschlichen Person (jenseits quasi neo-liberaler Sinn-Verdrehungen) ist, das zeigen viele psychologische Studien mit ihren validierten Skalen, so (dergestalt) an die soziale Bindung, auch an Formen der sozialen „Abhängigkeit“ geknüpft. Um an eine japanische Redewendung zu denken: „Freiheit“ ist nur als „Freiheit in sozialer Geborgenheit“ möglich.793 Damit ist eine Vorstellung von „Autonomie“ der Person verbunden, die nicht trivial ist794 und auch nicht als absolute Freiheit eines Einzelwesens fehlverstanden werden darf. Autonomie der Person ist immer nur relativ, relational, kontextgebunden. Relativ ist sie, weil Menschen endlich sind, vulnerabel, fehlbar und unvollkommen sind.795 Relational ist sie, weil Menschen lebensweltlich und biographisch „verstrickt“ sind in Geschichten (und etwa in familiale796 Settings), die die Identität der Menschen narrativ überhaupt erst ermöglichen. Kontextgebunden ist sie, weil die Biographien vor dem Horizont der Chancenbahnungen der Zeit- und Gesellschaftsgeschichte und vor der Hintergrundsfolie kulturgeschichtlicher Prägungen geschehen. Nun ist der Mensch das einzige Lebewesen, dass (so erklärt es die gerontopsychologische Forschung zur Entwicklung des Menschen in seiner gesamten Le790 Wojcieszuk, M. A. (2010): „Der Mensch wird am Du zum Ich“. Eine Auseinandersetzung mit der Dialogphilosophie des XX. Jahrhunderts. Freiburg: Centaurus. 791 Und wodurch auch die Arbeitssettings optimiert werden. 792 Zur Theorie des personalen Wachstums (vgl. auch Rattner, J./Danzer, G. [2012]: Erziehung zur Persönlichkeit. Wachsen, lernen, sich entwickeln. Darmstadt: WBG) in gelingender, endlicher Lebensspanne vgl. auch Mahs, C. (2009): Glückliches Alter(n). Frankfurt am Main: Lang. 793 Doi, T. (1982): Amae. Freiheit in Geborgenheit. Zur Struktur japanischer Psyche. Frankfurt am Main: Suhrkamp. 794 Vgl. etwa auch Pfabigan, D. (2012): Würde und Autonomie in der geriatrischen Langzeitpflege. Hungen: Hpsmedia. 795 Greisch, J. (2009): Fehlbarkeit und Fähigkeit. Die philosophische Anthropologie Paul Ricoeurs. Berlin: LIT. 796 Altmeyer, S./Hendrischke, A. (2012): Einführung in die systemische Familienmedizin. Heidelberg: Carl Auer.

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B. Die Reflexion der Empirie

bensspanne) von Plastizität und der Fähigkeit zur Selbstreflexion seines Selbst und der Positionierung seines Selbst in seiner Umwelt und sozialen Mitwelt geprägt ist, dergestalt, dass er daher absichtsvoll (intentional und direktional) im Rahmen kultureller Entwürfe sich selbst (sein Selbst) und seine Umwelt gestalten und verändern kann, und, je nach Maßstab, verbessern kann. So wie er von seiner Welt, in der er „geworfen“ ist, geprägt ist und wird, so wirkt er auf eben diese seine Welt auch ein. Der ganze Zusammenhang ist im Wirken und Merken also transaktionaler Natur. Hier liegen die Möglichkeiten einer Ethik797 des gelingenden Miteinanders, einer sittlichen Praxis der verstehenden Achtsamkeit798 anthropologisch verbürgt. Hier kristallisieren sich (bildungsanthropologisch betrachtet) auch die pädagogischen Notwendigkeiten, (durchaus kommunitaristisch799 gedacht) auf die Generierung von Tugenden als Haltungen im sozialen Miteinander im sozialen Raum hinzuwirken, heraus. Ich erinnere aber daran, dass ich diese Sicht der Dinge, wenn überhaupt religiös, dann onto-theologisch im Lichte einer Wirklichkeitsreligion, wie sie von Walter F. Otto am Vorbild der Griechen entfaltet worden ist, verstehe. Mit der kritisierten Selbstverleugnung der menschlichen Fähigkeiten im Stile der christlichen Dämonisierung der inneren, schlummernden und als Böses immer wieder aufbrechenden Natur des Menschen hat diese mutige Haltung des Stolzes der Person auf seine Daseinsarbeit nichts zu tun. Entwicklungspsychologisch und eingeordnet in die Praxeologie der pädagogischen Psychologie wurzelt im neuronalen System die Empathie (die diesbezügliche aktuelle Forschungsliteratur vor allem auf neurowissenschaftlicher Grundlage 797 Schulz-Nieswandt, F. (2010): Eine Ethik der Achtsamkeit als Normmodell der dialogischen Hilfe- und Entwicklungsplanung in der Behindertenhilfe. Köln: Josefs-Gesellschaft. 798 Eine Ethik der „Achtsamkeit“ in konkreten sozialen Relationen auf der Mikroebene bekommt angesichts dieser Überwindung einseitiger Perspektiven zugunsten einer Perspektivenverschränkung neue Komplexität. Ebenfalls komplex sind mögliche „pädagogische“ Konsequenzen: Es werden erhebliche Anforderungen an die beteiligten Personenkreise gestellt. Beide Seiten, die hier in die Perspektivenverschränkung im Mikro-Kontext sozialer Interaktionen im Meso-Kontext organisationaler und sozialräumlicher Settings angesprochen sind, stehen vor Aufgaben des Persönlichkeitswachstums, die auch „Arbeit“ an der eigenen Sozialisationsbiographie bedeuten. Aus sozialwirtschaftlicher Sicht sind damit erhebliche Anforderungen in der Weiterentwicklung der Personalpolitik und auch in der Habitus-Reflexion professioneller Handlungslogiken, aber auch der Leitbildorientierung der Unternehmensführung verbunden. Vgl. etwa Höfler, A. E. (2012): Führen und Leiten in Hospizarbeit und Palliative Care. Frankfurt am Main: Mabuse. Vgl. dazu auch Lennefer, J./Palm, G. (2012): Kooperationsmangement in der Altenhilfe. Führungskultur in Zeiten von Fachkräftemangel, Leistungsorientierung und Transparenz. Marburg: Tectum. Gleiches gilt für andere Akteure im MesoUmfeld des kommunalen Raumes. 799 Vgl. auch Kaiser, A. (2007): Der Kommunitarismus und seine Rezeption in Deutschland. Göttingen: Sierke.

VI. Die Studie

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ist sehr dynamisch unterwegs) als die kulturell aktivierbaren800 Fähigkeiten des Menschen zum Mitfühlen, Mitleiden und Mitsorgen.801 Die Sorgestruktur und als Korrelat, das Prinzip der „Liebe“ 802, bestimmen die Möglichkeitsgrammatik des menschlichen Soziallebens. Gabe und Gegen-Gabe, Nehmen und Geben, Nähe und Distanz sind hierbei803 ganz zentrale Dimensionen in der Textur804 des Sozialen.805

VI. Die Studie Es geht mir um die (qualitative) Schaffung von Einblick806 in Möglichkeiten und Grenzen, Potenziale und Hindernisse, Erfolgsfaktoren und Faktoren des 800 Dazu auch Breithaupt, F. (2009): Kulturen der Empathie. Frankfurt am Main: Suhrkamp. 801 Interessant dazu auch Schings, H.-J. (2012): Der mitleidigste Mensch ist der beste Mensch. Poetik des Mitleids von Lessing bis Büchner. Würzburg: Königshausen & Neumann. 802 Ich folge hier Binswanger, L. (1993): Grundformen und Erkenntnis menschlichen Daseins. Heidelberg: Asanger. 803 Das gilt auch für die Haltung der Professionen in der Praxis der „helfenden“ Interaktionsordnungen: Dörr, M./Müller, B. (Hrsg.) (2012): Nähe und Distanz. Ein Spannungsfeld pädagogischer Professionalität. 3. Aufl. Weinheim/München: Juventa; Duppel, S. (2005): Nähe und Distanz als gesellschaftliche Grundlegung in der ambulanten Pflege. Hannover: Schlütersche; Hoffmann-Gabel, B. (2008): Könnte ich doch besser abgrenzen. Hannover: Vincentz Network. 804 Schmitz, H.-G. (2011): Die Textur des Sozialen. Stuttgart: Kohlhammer. 805 Dazu auch Schulz-Nieswandt, F. (2012): Gerechtigkeit und Gesundheitswesen im Kontext einer allgemeinen Theorie der Sozialpolitik. In: Brandenburg, H./Kohlen, H. (Hrsg.): Gerechtigkeit und Solidarität im Gesundheitswesen. Stuttgart: Kohlhammer, S. 29–52. 806 Hierbei sind meine Erfahrungen, die ich u. a. im Rahmen der Durchführung der Regionalforumsveranstaltungen „Gut leben im Alter“ im Zusammenhang mit der Begleitung der Servicestelle des Landes RLP „Kommunale Pflegestrukturplanung und Sozialraumentwicklung“, geleitet von der Landeszentrale für Gesundheitsförderung e.V. (LZG) sammeln durfte, zu nennen. Hinzu kommt im Raum Trier noch die Implementierung von „SUSI TD“, einem Projekt der Erprobung assistierender Technologien in ca. 30 Single-Haushalten hochbetagter Menschen im Kontext einer Netzwerkbildung u. a. mit Pflegestützpunkten und Angehörigen. Federführend ist jeweils das Deutsches Institut für angewandte Pflegeforschung (DIP) in Köln unter Leitung von Frank Weidner. Auch meine langjährigen Erfahrungen in der Begleitforschung zum Strukturwandel von Einrichtungen der Behindertenhilfe (vgl. auch Driller, E./Alich, S./Karbach, U./Pfaff, H./Schulz-Nieswandt, F. [2008]: Die INA-Studie. Inanspruchnahme, soziales Netzwerk und Alter am Beispiel von Angeboten der Behindertenhilfe. Freiburg i. Br.: Lambertus sowie Driller, E./Karbach, U./Stemmer, P./Gaden, U./Pfaff, H./Schulz-Nieswandt, F. [2009]: Ambient Assisted Living. Technische Assistenz für Menschen mit Behinderungen. Freiburg i. Br.: Lambertus), in der Implementierung von Piloten der Integrationsversorgung im „Gesundheitsnetz 2025“ der Stadt Zürich (vgl. auch Kurscheid, C./ Schulz-Nieswandt, F./Eisenring, C. [2011]: Das Gesundheitsnetz 2025. Die Stadt Zürich setzt Impulse in der Bewältigung des gesellschaftlichen Wandels. In: Care Management 4 [5], S. 5–7 sowie zuvor Schulz-Nieswandt, F. [2007]: Innovationen in der Gesundheits-

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B. Die Reflexion der Empirie

Scheiterns sowie der Governance-bezogenen Choreographie eines (im grammatischen Kern: inklusionsorientierten) De-Institutionalisierungs-Prozesses. Zur Analyse dieser kommunalen Mesoebene807 im Sinne des wohnumfeldzentrierten Lebens im kommunalen Kontext gehört eine Bestandsaufnahme der Altersbilder und der Grammatik der Dispositionen des Begegnens gegenüber dem homo patiens. Hier geht es demnach um die Haltungen und um die daraus generierten Praktiken von Governance-Akteuren des Umfeldes (Kommunalpolitik, Pflegestützpunkte/Regionalkonferenzen, Wohnungswirtschaft etc.).808 In diesem Zusammenhang, so wird man809 das Problem sehen müssen, hat es „die“ deutsche Kommune schwer, effektiv zu steuern und die Fragmentarität des Feldes zu überwinden. Es ist bekannt, dass dies (zeitlich vor den diesbezüglich kontra-produktiven Gebietskörperschaftsreformen) in Dänemark810 viel besser gelang.811 versorgung in der Stadt Zürich – richtige Fragen stellen, Notwendigkeiten definieren, aber auch die Pfade der Veränderung managen können. In: Sozialmedizin 34 [4], S. 19– 22 sowie Schulz-Nieswandt, F. [2008]: „Viel Zeit bleibt nicht, weil die Bevölkerung altert“. In: Competence [3], S. 12–13) oder im Rahmen meiner Beiratsaufgaben in einem Projekt zum pflegepräventiven Hausbesuch im Alter (Deutsches Institut für angewandte Pflegeforschung [Hrsg.] [2008]: Präventive Hausbesuche bei Senioren. Hannover: Schlütersche) fundieren meine Wahrnehmungen und Interpretationen. 807 Auf der Makroebene ist der komplexe soziale Wandel angesiedelt, der mit der Alterung verbunden ist; er ist nicht rein demografisch, sondern mit Blick auf die sich verändernden sozialen Netzwerkstrukturen sozialmorphologisch zu verstehen, also als soziale Demografie. Dabei ist sozialkapitaltheoretisch nicht nur die Quantität der Netzwerkdichte zu beachten, sondern auch die Qualität, die Belastbarkeit und Verfügbarkeit und Zugänglichkeit, schließlich die Akzeptabilität der Sozialkapital-generierenden Netzwerke zu bedenken. Netzwerke und Alterung sind schließlich im Kontext der sich ebenfalls, wenn auch langsam ändernden Siedlungsstrukturen und der Verkehrssysteme zu verstehen. 808 Das altersgerechte Leitbild wäre als Vernetzung des vernetzten Lebens im Wohnumfeld zu bezeichnen. Die dabei zum Ausdruck kommenden Probleme der Steuerung im kommunalen Kontext sind jedoch im deutschen Föderalismus als schwerwiegend einzuschätzen; aber auch hier ist es eine Frage vor allem der kommunalen Entwicklungskultur, ob Fragmentierungslinien überwunden werden können. Diese Strukturperspektiven basieren auf Welfare-Mix-Ideen (Bahle, Th. [2007]: Wege zum Dienstleistungsstaat. Deutschland, Frankreich und Großbritannien im Vergleich. Wiesbaden: VS). Eine wichtige Aufgabe wird es sein, die Pflegestützpunkte effektiv zu organisieren und in die regionalen Pflegekonferenzen zu integrieren; eventuell vorhandene regionale Gesundheitskonferenzen sind ebenfalls mit der Steuerung der pflegerischen Landschaft zu vernetzen. Den Kommunen kommen hierbei außerordentlich schwierige Aufgaben in der Innovationspolitik zu. Der Kommune fehlen hierzu die rechtlichen Grundlagen und vor allem die politische Macht; auch die ökonomische Situation der Kommunalfinanzen wirft Restriktionen auf. Insbesondere die in den einzelnen Bundesländern sehr unterschiedliche Kompetenzaufteilung der Pflegepolitik und der Eingliederungshilfe auf regionale und überregionale Träger der Sozialhilfe ist dysfunktional. Hier benötigt man eine Multi-Ressort-integrierte Politik aus einer Hand. 809 Nicht nur als Datenproblem ist dies zu verstehen. Vgl. dazu Amrhein, L./Backes, G. M. (2012): Wie Kommunen für das Alter(n) planen können. In: Zeitschrift für Gerontologie und Geriatrie 45 (5), S. 379–391.

VI. Die Studie

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Die Relevanz des Fragens nimmt angesichts dieser Grenzen der Machbarkeit einer Netzwerkarbeit zugunsten der Überwindung der mentalen, charakterlichen812 und strukturellen optionsblockierenden normativen Ligaturen, institutionellen Sektoralismen, ökonomischen Budgetpartikularismen, sozialrechtlichen Fragmentarisierungen, organisationellen Pfadabhängigkeiten und professionshabituellen Selbstreferenzialitäten eher zu als ab. Handlungsleitende, wirklichkeitskonstruierende Dispositionen der Akteure in ihren institutionellen Funktionssettings und in ihren kulturellen Handlungsfeldstrukturierungen sollen dadurch besser und im Rahmen dichter Beschreibungen813 hermeneutisch überhaupt erst erschließend verstanden werden. Dabei geht es im lebensweltlichen kommunalen Sozialraum transaktionalistisch um sozial inkludierende wie auch um sozial exkludierende Dispositionen. Damit wird der Blick meiner Analyse auch wiederum in ihren möglichen Befunde-zentrierten Konsequenzen anschlussfähig zu ethisch relevanten Diskursen im Lichte bedeutsamer normativ-rechtlicher Regimeentwicklungen (Teilhabeund Grundrechtsentwicklungen, Empowerment-Idee und Inklusionsgebote etc.) sein.814 Tugendethisch, und damit auf den Stolz und die Ehre des bemühten Menschen abstellend, stehen dabei aus meiner Sicht der Ordnung der Dinge der Sozialcharakter und seine komplexe intra-personale Schichtung der Psyche im Zentrum der Problematik. Die normative Implikation ist auf den klassischen liberalen Utilitaristen J. St. Mill (1806–1873) gemünzt, der sagte, die Menschen müssen sich entscheiden, ob sie „zufriedene Schweine“ oder „unzufriedene Menschen“ sein wollen. Das ist ganz kantianisch (als Sittengesetz angesichts des dualistischen Menschenbildes bei Immanuel Kant: 1724–1804815) zu verstehen. Und dieses Problem wird von mir hier moralwissenschaftlich, nicht moralisch vorgetragen. 810 Fischer, S. (2008): Das dänische Projekt Skaevinge. Diplomarbeit im Fach Sozialpolitik. Studiengang Volkswirtschaftslehre sozialwissenschaftlicher Richtung. Seminar für Sozialpolitik der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln. 811 Vgl. auch mit Blick auf die internationale Vergleichsliteratur Leichsenring, K. (2008): Die Bedeutung integrierter Versorgungsnetzwerke in Europa: Ergebnisse aus dem europäischen Forschungsprojekt PROCARE. In: Zank, S./Hedtke-Becker, A. (Hrsg.): Generationen in Familie und Gesellschaft im demographischen Wandel. Europäische Perspektiven. Stuttgart: Kohlhammer, S. 117–129. 812 Vgl. auch Rattner, J. (2012): Menschenkenntnis durch Charakterkunde. Hamburg: Nikol. 813 Geertz, C. (2011): Dichte Beschreibung. Beiträge zum Verstehen kultureller Systeme. 11. Aufl. Frankfurt am Main: Suhrkamp. 814 Dazu auch Graumann, S. (2011): Assistierte Freiheit. Von der Behindertenpolitik der Wohltätigkeit zu einer Politik der Menschenrechte. Frankfurt am Main/New York: Campus. 815 Grondin, J. (2007): Immanuel Kant zur Einführung. 4., erg. Aufl. Hamburg: Junius.

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B. Die Reflexion der Empirie

Ich docke also durkheimianisch an: Es geht um Moral (als Gegenstand der Soziologie des Miteinanders) als transzendentale Voraussetzung des Zusammenlebens (Theorem der nicht-kontraktuellen Voraussetzungen des Kontrakts, also das, was Adam Smith [1723–1790] in aristotelischer Rezeption als tugendethische Sympathie bezeichnet hat), also um intrinsische Haltungsfragen der Person in ihrem kulturell erworbenen Sozialcharakter. Dieses Problem stellt sich (als sozialontologisches, nicht nur als normatives Argument) immer, in jeder Gesellschaft. Deshalb ist neben Anreizfragen und Fragen des ökonomisch durchdachten Situationsdesigns in strukturierten Handlungsfeldern die Frage der gelingenden Sozialisation das Alpha und Omega.816 1. Durkheimianismus als Soziologie und Sozialpsychologie des heiligen Individualismus Es wäre ein Fehlverständnis, den Durkheimianismus als ungeeignet für die Moderne/Postmoderne zu halten, wovon Moebius817 in seinen überaus grundlegenden und verdienstvollen Studien handelt. Durkheims Lehre, wie sie von seinen Schülern zugespitzt wurde, ist auch in neuen Darstellungen818 m. E. nicht vollends richtig auf den Punkt gebracht worden.819 Worin besteht dieser Punkt? Ich halte es nach wie vor für richtig, Gesellschaft als System praktizierter Religion zu verstehen. Soziale Ordnung ist ihrem Wesen nach sakraler Art. Soziale Prozesse können in religionsphänomenologischer Terminologie kategorial gefasst 816 Meines Erachtens alles zumindest im Ansatz dargelegt in Schulz-Nieswandt, F. (2006): Sozialpolitik und Alter. Stuttgart: Kohlhammer. 817 Moebius, St. (2006): Die Zauberlehrlinge. Soziologiegeschichte des Collège de Sociologie (1937–1939). Konstanz: UVK. Vgl. dazu auch Richman, M. H. (2002): Sacred Revolutions. Durkheim and the Collège de Sociologie. Minneapolis/London: University of Minnesota Press. Problematisierungen beziehen sich allerdings primär auf die Vision einer Re-Sakralisierung der modernen Gesellschaft und weniger auf die Arbeiten der Durkheim-Schule insgesamt. Moebius hat aber überaus deutlich herausarbeiten können, dass es nicht um die Sakralisierung des (modernen) Alltagslebens geht, sondern um den (modernen) Alltag des Sakralen. Das Sakrale, dass nicht identisch ist mit seinen Formen des Religiösen, stellt eine Tiefenmatrix auch der Moderne dar. Dazu die genial Transparenz-schaffende Darstellung von Albers, I./Moebius, St. (2012): Nachwort. In: Hollier, D. (Hrsg.): Das Collége de Sociologie 1937–1939. Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 757–828. Ich kann auf absehbare Zeit die dort dicht aufgearbeitete Literatur nicht nacharbeiten. 818 Suber, D. (2012): Émile Durkheim. Konstanz: UVK. 819 Vielleicht ist die Rezeption durch René König (1906–1992) in mancher Hinsicht immer noch die treffsicherste Leseweise von Durkheim: König, R. (1978): Emile Durkheim zur Diskussion. München/Wien: Hanser. Wenngleich König in liberaler Haltung dem Gemeinschaftsdenken kritisch gegenüber aufgestellt war, hatte er tiefes soziologisches Verständnis für die Normativitäten (z. B. des Rechts: dazu etwa Veddeler, K. [1999]: Rechtsnorm und Rechtssystem in René Königs Normen- und Kulturtheorie. Berlin: Duncker & Humblot) als „zweite (eben: kulturelle) Natur“ des Menschen.

VI. Die Studie

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werden. Oder anders: Wenn man, wie Durkheim, das Wesen der Religion begriffen hat, hat man auch die innersten Kernmechanismen des Gesellschaftlichen verstanden. Ordnung hat mit Wahrheitspostulaten zu tun, und diese werden wiederum als heilige Ordnungen vorgetragen. Es gibt (meritokratische) Rituale und Zeremonien, Kommunion (der Konsumgesellschaft), Priester (neo-liberaler Ideologen), sakrale Welten der Wenigen und profane Orte der Massen, aber auch Sakralisierungen profaner Orte (die Sportarenen) etc. etc. Ich könnte beliebig weiter konstruieren und hermeneutisch erschließen. Was der Durkheimianismus auf den Punkt gebracht hat, das besteht darin, was auch (aufbauend auf das Werk von Arnold van Gennep [1873–1957]820) Victor Turner (1920–1983)821 im dynamischen Zusammenspiel von Communitas und Liminalität modelliert hat822, nämlich jede Form von Gesellschaft als Vergesellschaftung zu verstehen und diese notwendige und unhintergehbare Vergesellschaftsontik als Spektrum von Modalitäten der Subjektivierungspraxis zu verstehen. Die Vergesellschaftung, und in diesem Sinne823 rezipiere ich Turner, ist 820 Gennep, A. van (1999): Übergangsriten. (Les rites de passage [1909]). Frankfurt am Main/New York: Campus. Vgl. auch Grimes, R. I. (2000): Deeply into the Bone. Re-Inventing Rites of Passage. Berkeley u. a.: University of California Press. 821 Turner, V. (2000): Das Ritual. Struktur und Anti-Struktur. Frankfurt am Main/ New York: Campus. 822 Vgl. dazu auch Bräunlein, P. J. (2012): Zur Aktualität von Victor W. Turner. Wiesbaden: VS, S. 49 ff. 823 Ich ziehe das Werk „Daseinsgestaltung“ von Georg Weippert aus dem Jahre 1938 heran (Weippert, G. [1938]: Daseinsgestaltung: Leipzig: Meiner.). Ein beträchtlicher ontologischer Argumentationsreichtum mit Blick auf eine politische Theorie (des Menschen, der weder Tier noch Gott ist [S. 71] und daher zu existieren und nicht nur zu vegetieren hat [S. 98], und sich vor dem Hintergrund ontologisch von der binären Codierung des Wesens des Politischen im Freund-Feind-Schema [S. 72] und von der Theorie des Machtmenschen [S. 75] vehement absetzt) der sozialökonomischen Gestaltungsaufgaben findet sich hier bei Weippert. Weippert wehrt sich jenseits von Liberalismus und Kollektivismus gegen die aufkommenden autoritären Zeiten des Diktators (S. 106); und seine Kritik am Imperialismus sowie sein Plädoyer für Völkerverständigung im Lichte gegenseitiger Wertschätzung des jeweils Andersartigen, die alle „unmittelbar zu Gott“ sind, sind zutiefst ausgeprägt (S. 90 ff.). Wahrheit ist hier, ähnlich wie bei Gadamer und bei Walter F. Otto, nicht einfach eine Kategorie der Wissenschaft und ihrer Methoden(lehre); Wahrheit ist eine, ja „die“ Qualitätseigenschaft der Existenz selbst. Wahrheit ist der Existenzmodus des gelingenden Daseins. Und diese Wahrheit ist an die Hermeneutik als Praxis des Menschen gebunden. Weippert spricht sich gegen einen Zweckfunktionalismus im Verständnis der lebendigen Sozialgebilde aus. Sie sind die Orte des personalen Seins, der Seinswerdung. Weippert betont, gerade mit Bezug auf die zur Wahrheit drängenden „Materie“, das Formprinzip: „Das Einzelwesen ist für das Gebilde nicht nur wirklichkeitsbegründend, es ist auch, und zwar lediglich durch sein Sosein, formzwingend.“ (Weippert 1938: 26) In diesem Sinne sind die daseinsgelingenden Instititutionen „heilig“: „Der Sinn der Sakramente ist, wohl in abgeschatteter Weise, der Sinn jeder echten Institution.“ (S. 42) Institutionen, wenn sie daseinsgelingend wirken sollen, müssen auf Eigenwillen (S. 88) und Selbstverantwortung beruhen und auf dieser Basis als Orte (Formen) der Selbstwerdung und des personalen Wachstums verstanden werden (S. 58), jenseits einer „Satanie des Ichs“ (S. 56). Damit tritt die Person aus der

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B. Die Reflexion der Empirie

jedoch immer eine Kommunion824 als ritualisierte Praxis der Initiation in eine heilige Ordnung der Normativitäten. Insofern ist Religion der Prototypus der Gesellschaft. Auch die moderne825 Individualität826 und die postmoderne827 kultische Zeremonialpraxis der Selbst-Inszenierungen der diversifizierten Subjektivitäten bleibt ein Modus der Vergesellschaftung. Die moderne Individualität als zelebrierter Individualismus ist und bleibt eine Maske828. Damit betrete ich das weite schwierige Gebiet der kulturgrammatischen Hermeneutik der Maske, möchte aber meine diesbezüglichen Ausführungen, die ich an anderer Stelle gemacht habe829, nicht wiederholen. In diesem Sinne ist die Religionssoziologie von Durkheim zu verstehen, die sich mit den elementaren Formen des Religiösen830 beschäftigte, weil dort bereits im Kern der Zusammenhang zwischen heiliger Normordnung und dem ontischen Charakter der Gesellschaft erkennbar ist. Diese Einsicht ist dem Theorem

Entwicklung zur „Masse“ heraus (S. 61). Es ist die Kategorie der Sorge, die die ontologische Bestimmung des Politischen bei Weippert antreibt (S. 76). Und vor diesem Aufgabenhintergrund existenzialer Art ist die inhaltsgemäße Form zu suchen (S. 82). Politik ist zwar von Macht geprägt, aber, und hier ähnelt seine Argumentation der von Paul Tillich, Macht darf nicht dem Prinzip des Bösen folgen, sondern muss im Gleichgewicht bleiben (S. 191), muss Gleichgewichte in der „polaren Struktur der menschlichen Psyche“ (S. 110) realisieren. Politik darf nicht Macht im Lichte eines Glaubens an ein eigenes Schöpfertum (S. 121) verfremden. Zu verweisen wäre auch auf das Werk des Weippert-Schülers Wössner, J. (1963): Mensch und Gesellschaft. „Kollektivierung“ und „Sozialisierung“. Ein Beitrag zum Phänomen der Vergesellschaftung im Aufstieg und in der sozialen Problematik des gegenwärtigen Zeitalters. Berlin: Duncker & Humblot. 824 Benzing, T. (2007): Ritual und Sakrament. Liminalität bei Victor Turner. Frankfurt am Main: Lang. 825 Schlette, M. (2012): Die Idee der Selbstverwirklichung. Zur Grammatik des modernen Individualismus. Frankfurt am Main/New York: Campus. 826 Koch, O. (2012): Individualität als Fundamentalgefühl. Zur Metaphysik der Person bei Jacobi und Jean Paul. Hamburg: Meiner; Durrer, St. (2012): Imaginationen des Individuums. Das Subjektmodell des klassischen Hollywoodfilms (1930–60). Köln u. a.: Böhlau. Vgl. auch Müller, T. (2011): Der souveräne Mensch. Die Anthropologie Heinrich von Kleists. Göttingen: V&R unipress; Kainz, P. (2012): Unbegrenzte Möglichkeiten? Probleme und Aporien des Individualismus. Baden-Baden: Nomos. 827 Vgl. dazu auch in Lüthe, R. (2012): Absurder Lebensstolz. Postmoderne Auseinandersetzungen mit der Philosophie Albert Camus’. Berlin: LIT. 828 Vgl. Schmitz-Emans, M. (2009): Maske – Verhüllung oder Offenbarung? Einige Stichworte zur Semantik von Masken und Maskierungen. In: Röttgers, K./SchmitzEmans, M. (Hrsg.): Masken. Essen: Die Blaue Eule, S. 7–35 sowie die dort zitierte Literatur (vor allem von R. Olschanski und R. Weihe). Dazu auch Dumouchel, P./Dupuy, J.-P. (1999): Die Hölle der Dinge. René Girard und die Logik der Ökonomie. Wien/ München: Thaur – Münster u. a.: LIT, S. 115. 829 Schulz-Nieswandt, F. (2010): Wandel der Medizinkultur? Berlin: Duncker & Humblot, S. 117, 120, 126. 830 Durkheim, E. (2010): Die elementaren Formen des religiösen Lebens. Frankfurt am Main: Verlag der Weltreligionen/Suhrkamp.

VI. Die Studie

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des „heiligen Ernstes“ im Spiel als Ursprung der Kultur bei Johan Huizinga (1872–1945)831 verwandt.832 Es geht um moralische Tatsachen833, die über die Eigenschaft des Obligatorischen definiert sind. Dazu Durkheim selbst: „Sie alle sind ausdrücklich obligatorischer Art: die Obligation aber ist der Beweis dafür, daß diese Arten des Handelns und Denkens nicht das Werk des Einzelnen sind, sondern von einer Kraft ausgehen, die über ihn hinausreicht, mag man sie nun mystisch begreifen in Form eines Gottes oder sich einen zeitlicheren und wissenschaftlicheren Begriff von ihr machen.“ 834 In diesem Sinne hat auch Pierre Bourdieu (1930–2002) argumentiert, dass diese (seine: „relationale“) Habitus-Soziologie „dem Narzissmus nicht gerade schmeichelt“ 835. Und dieses Insistieren auf die Normativität als Medium des Sozialen verweist auf den Sinn von Durkheims Theorem der non-kontraktuellen Voraussetzungen jeden Kontrakts836, erschließbar als sozialontologische Ohrfeige an die solipsistischen Pleonexia der homo oeconomicus-Varianten, die von Norbert Elias837 (1897–1990)838 passend als homo clausus-Modelle de-chiffriert werden konnten, weil die soziale Welt dort mondadologisch (im Kern den Hempel-OppenheimSchemata gleichkommend) nur als Randbedingung einer Entelechelie-Metyphysik formaler Rationalität der Nutzenkalkülfunktion aufscheint. Die Öffnung der Nutzenfunktion U = U () ! max!

ersetzt keine psychologische Schichtungstheorie der Person! Eine gewisse Nähe zum Alexithymie-Diskurs in Psychologie und Kulturwissenschaft ist gegeben.

831 Huizinga, J. (1987): Homo Ludens. Vom Ursprung der Kultur im Spiel. 22. Aufl. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt. 832 Dazu auch Pfaller, R. (2002): Die Illusionen der Anderen. Über das Lustprinzip in der Kultur. Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 96. 833 Durkheim, E. (1976): Soziologie und Philosophie. Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 85: „Es soll gezeigt werden, daß die moralischen Regeln mit einer besonderen Autorität ausgestattet sind, kraft derer sie befolgt werden, weil sie gebieten.“ Und: „Die Obligation bildet also eines der ersten Merkmale der moralischen Regel.“ 834 Durkheim, E. (1976): Soziologie und Philosophie. Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 72. 835 Bourdieu, P. (1998): Praktische Vernunft. Zur Theorie des Handelns. Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 9. 836 Durkheim, E. (2008): Über soziale Arbeitsteilung. 5. Aufl. Frankfurt am Main: Suhrkamp. 837 Korte, H. (1988): Über Norbert Elias. Das Werden eines Menschenwissenschaftlers. Frankfurt am Main: Suhrkamp. 838 Elias, N. (2010): Über den Prozess der Zivilisation. 26. Aufl. 2 Bde. Frankfurt am Main: Suhrkamp, dort Bd. 1: Einleitung.

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B. Die Reflexion der Empirie

Die Psychoanalyse839 von Ich, Du und Wir840 auch der postmodernen Diversität wird um einen bestimmten sozialontologischen Fixpunkt nicht umhin kommen, der von Durkheim prägnant ausformuliert worden ist: „Die Theoretiker mögen nachweisen, daß der Mensch ein Recht auf Freiheit hat; doch welcher Wert solcher Beweisführungen auch immer zukommt, fest steht, daß diese Freiheit nur in und durch die Gesellschaft eine Realität geworden ist.“ 841 Dies ist die gesellschaftliche Natur des Menschen; diese „Gesellschaft verneinen“ bedeutet, „somit sich selbst verneinen.“ 842 Es gibt kein Subjekt ohne Vergesellschaftung des Subjekts hin zur Form seiner Subjektivität. Subjektivität ist eine Umsetzungsmodalität seiner Gesellschaft, in der er lebt. Die Gesellschaft lebt mittels dieser Subjektivität. D. h.: Das relationale Gefüge vieler Individuen, das wir Gesellschaft nennen, ist also ein Prozess der Inskription des Sozialen in das Subjekt, wodurch sich das Soziale durch sich selbst erklärt. Und jenseits der postmodernen Selbstinszenierungspraktiken der Subjekte, in denen diese (das verbindet Michel Foucault [1926–1984] mit der Kritischen Theorie in der Tradition von Theodor W. Adorno [1903–1969]) doch nur ihr gesellschaftliches Skript entfalten, gilt auch für den modalen Typus des gelingenden Daseins als Person. Der heilige Charakter (der Person kommt somit ein sakraler Charakter zu843), den die Person heute trägt, hat Durkheim als soziale Tatsache erklärt: „er ist die Art und Weise, in der die Gesellschaft den Menschen denkt, die nach außen projektierte und objektivierte Hochachtung, die sie ihm gegenwärtig entgegenbringt.“ 844 839 Die Psychoanalyse besteht aus vielerlei Strömungen. Vgl. auch Quindeau, I. (2008): Psychoanalyse. München: Fink (UTB); Mertens, W. (1997): Psychoanalyse. München: Beck; Ellenberger, H. F. (1996): Die Entdeckung des Unbewußten. 2., verbess. Aufl. Zürich: Diogenes; Rattner, J. (2011): Klassiker der Psychoanalyse. Hamburg: Nikol. Grundlegend auch Laplanche, J./Pontalis, J.-B. (Hrsg.) (2012): Das Vokabular der Psychoanalyse. 19. Aufl. Frankfurt am Main: Suhrkamp; zu Freud selbst siehe Lohmann, H. M. (2006): Sigmund Freud zur Einführung. 6., erg. Aufl. Hamburg: Junius sowie Berkel, I. (2008): Sigmund Freud. München: Fink (UTB). Speziell zu Lacan sehr orientierend: Lang, H. (1998): Die Sprache und das Unbewußte. Jacques Lacans Grundlegung der Psychoanalyse. 3. Aufl. Frankfurt am Main: Suhrkamp. Vgl. auch Pagel, G. (2007): Jacques Lacan zur Einführung. 5., unveränd. Aufl. Hamburg: Junius. 840 Dennoch gibt es keine Orte des glücklichen Menschen außerhalb der sozialen Praxis der Person im Mit-Sein im Zwischenraum von Ich und Du im Lichte der Ansprechung des Ich als Mich und der Anrede des Ihr im Horizont des vorgängigen und als erinnernde Vergegenwärtigung verstehbaren konstituierenden Wir. 841 Durkheim, E. (1976): Soziologie und Philosophie. Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 109. 842 Durkheim, E. (1976): Soziologie und Philosophie. Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 88. 843 Bei Joas, H. (2011): Die Sakralität der Person. Eine neue Genealogie der Menschenrechte. Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 232 ff. völlig ausgeblendet sind die Positionen etwa von Canetti und von Agamben. 844 Durkheim, E. (1976): Soziologie und Philosophie. Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 113.

VI. Die Studie

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Und an dieser Stelle darf ich nochmals an die weiter oben dargelegte BatailleBaudrillard-Linie erinnern. Es ging dort um den Skandal des Selbstmordes. Von besonderer Bedeutung ist diesbezüglich bereits das Werk von Georges Bataille (1897–1962)845, da bei ihm846 die Normalität des Konformismus durch ekstatische Momente, damit die Schnittflächen zum Surrealismus verdeutlichend, durchbrochen wird. Und an Bataille knüpft auch Jean Baudrillard (1929–2007) an, wenn er im Tod den Höhepunkt eines symbolisches Tausches erkennt (Rückgabe des Lebens), eine natürliche Zyklizität von Gabe (Geburt) und Rück-Gabe (Tod), den der ökonomistische Funktionalismus des Kapitalismus (und dessen „Theorie“) nicht versteht, da er (sie) eine gegenläufige Logik des linearen Akkumulationsdynamismus vergöttert, wodurch verständlich wird, warum der freiwillige Selbstmord ein öffentlicher Skandal ist847, da der Mensch sich das Recht (gegen die Gesellschaft) herausnimmt, sich dem ökonomischen Funktionalismus zu entziehen.848 Für Durkheim ist der Ausbruch aus der Ordnung dem Konformismus strukturgleich849, denn beide Typen der Inbeziehungsetzung der Person zur moralischen Tatsache der Gesellschaft bleiben Teil des Vergesellschaftungsgeschehens als Natur der Person. Denn auch die ablehnende Gegnerschaft zur Gesellschaft setzt somit eine situationsgrammatisch zwingende Inbeziehungsetzung von Ablehnungshaltung und Ablehnungsobjekt innig voraus. Die Logik der Negation setzt die Positivität des Objekts der Negation voraus. Hier kehren sich Identität und Alterität im Zuge eines Reziprozitätscharakters der ex negativo-Relation um: Alterität setzt Identität voraus. Und in diesem Lichte besehen, war es geradezu zwingend, dass Durkheim auch eine Studie über den Selbstmord850 schreiben musste, die er moralwissenschaftlich (nicht moralisch) angelegt hat. Moralwissenschaftlich ist der Selbstmord zu behandeln, da seine Ursachen, über die verschiedenen motivationalen Typen hinweg, immer aus den verschiedenen figurativen Modalitäten der sozialen Integration und der sozialen Interaktionen von Person und Kollektiv resultiert. Dies gilt selbst dann, wenn biographisch ein dispositionales suizidales Syndrom vorliegt.

845 Bataille, G. (1985): Die Aufhebung der Ökonomie. Berlin: Matthes & Seitz. Dazu auch Bergfleth, G. (1985): Theorie der Verschwendung. Einführung in das theoretische Werk von Georges Bataille. Berlin: Matthes & Seitz. 846 Dazu überaus instruktiv die Studie von Bischof, R. (2010): Tragisches Lachen. Berlin: Matthes & Seitz. 847 Dazu auch die Studie von Ahrens, J. (2001): Selbstmord. Der Tod gegen die Ordnung. München: Fink. 848 Vgl. nochmals Baudrillard, J. (2011): Der symbolische Tausch und der Tod. Berlin: Matthes & Seitz. 849 Durkheim, E. (1976): Soziologie und Philosophie. Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 120. 850 Durkheim, E. (1999): Der Selbstmord. 7. Aufl. Frankfurt am Main: Suhrkamp.

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B. Die Reflexion der Empirie

Ich komme zurück aus der kontroversen Deutungswelt, die sich um die Durkheim-Schule gruppiert. Forschungsleitende Aspekte dieser hier präferierten kulturwissenschaftlichen Analyse in tiefenpsychologischer Verankerung sind: Wirksamkeit binärer Ordnungscodes („innen-außen“- bzw. „normal-anormal“-Code851 etc.), Wirksamkeit von Ängsten, Ekel und Scham im sozialen Begegnungsprozess, Offenheit mit Blick auf innovative Wohnarrangements jenseits von Haushalt versus Heim, kommunales Vertrauensklima, personale Kohärenzgefühle (Sinnhaftigkeit, Verstehbarkeit, Handhabbarkeit des sozialen Wandels) etc. Das dürfte nunmehr alles überaus deutlich geworden sein. Erscheint die Sichtweise auch akzeptabel? Übergreifendes Deutungsmuster wäre hier eine Art von habituell tiefsitzender „Hygiene-Angst“ angesichts der Alterität: des Fremden, Andersartigen, Unbekannten etc., Formenkreise, zu denen ich die Erscheinungsarten des homo patiens als chronisch Kranker, als Mensch mit Behinderungen, als schwer Pflegebedürftiger und den Demenzkranken zähle. 2. Zentrale Befunde und relevante vertiefende Argumentationsfortführungen der explorativen Studie Die angeführte qualitativ-explorative Studie kann tiefe Einblicke in das alltägliche, lebensweltliche Prozessgeschehen der Wohnprojekte aufzeigen. Erhebliche Aktivierungspotenziale sind realisierbar852 im Rahmen der gegenseitigen Hilfe der BewohnerInnen, aber auch zwischen den BewohnerInnen und dem Personal. Dies führt in vor-pflegerischen Phasen des Hineinalterns in das höhere und hohe Alter ebenso wie in bereits eingetretenen und fortgeschrittenen Pflege- und Betreuungssituationen zu positiven Wirkungen auf das Persönlichkeitswachstum und auf die subjektive Lebensqualität der BewohnerInnen. Diesen Punkt, die Personalisierungseffekte, die in das Prozessgeschehen des Engagements eingelassen sind, möchte ich hier aufgreifen und vertiefend in ihrer Bedeutung entschlüsseln. Zunächst möchte ich aber deutlich von der Archaisierung Abstand nehmen und enge Bezüge zur Aktualität umsetzen. Um im binären Jargon zu bleiben: Ich wende mich den sakralen Erörterungen ab und dem Profanen zu. So sieht es auf dem ersten Blick aus. Ein zweiter Blick, der bekanntlich 851 Historisch-epistemologisch Canguilhem, G. (1984): Das Normale und das Pathologische. Frankfurt am Main u. a.: Ullstein. 852 Zu den Arbeitsrestiktionen in der Altenpflege vgl. auch Arnold, D. (2008): Aber ich muss ja meine Arbeit machen! Ein ethnographischer Blick auf den Alltag im Frauenberuf Pflege. Frankfurt am Main: Mabuse. Zum Ökonomisierungskontext vgl. Slotala, L. (2011): Ökonomisierung der ambulanten Pflege. Wiesbaden: VS. Vgl. ferner Schäper, S. (2006): Ökonomisierung in der Behindertenhilfe. Praktisch-theologische Rekonstruktionen und Erkundungen zu den Ambivalenzen eines diakonischen Praxisfeldes. Berlin: LIT.

VI. Die Studie

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tiefer geht und Anderes aufdeckt, zeigt, wie sich das Profane wieder re-sakralisiert. Das alltägliche Leben hat seine eigene Tiefe, denn es ist das Leben der Menschen, und diese wiederum funktionieren nach einer Grammatik von Kultur und Seele, die zu verstehen eben diese Tiefe ausmacht. Zwei Praxisbeispiele aus der Lebenswelt der Universität zu Köln (es könnten noch mehr sein, wie etwa ein Bezug auch auf die Kölner Asta-Fahrradwerkstatt853 deutlich machen könnte) sollen Exkurs-artig dargelegt werden, um diesen Aspekt der Funktionsanalyse, die Kompetenzentwicklung und das Persönlichkeitswachstum als Reifung im Lebenszyklus im Kontext von Netzwerkbildung und sozialem Engagement zu verdeutlichen. a) Zunächst das FIB, das 2012 den Ehrenamtspreis der Stadt Köln erhalten hat. Exkurs: Praxisbeispiele für Kompetenzerwerb durch Netzwerke des Helfens¨ (I): das FIB e.V. der Universität zu Köln Es lassen sich viele Projekte in vergleichender Perspektive mit Blick auf derartige Funktionszusammenhänge anführen. Der Verein „Studentisches Forum für Integration und Bildung e.V.“ organisiert an Kölner Haupt- und Realschulen ehrenamtliche studentische Nachhilfetutorien (zur Darstellung des FIB e.V. http:// www.fib-ev.org). Zielgruppe sind Jugendliche, oft mit Migrationshintergrund, aus sozial schwächeren Familien. Neben der fachlichen Förderung, also der zentralen Bildungsfunktion, sind die Tutoren Ansprechpartner und Vorbild für die SchülerInnen, so dass familienergänzende Erziehungsaufgaben tangiert werden. Gestartet mit dem Fokus der freiwilligen Fremdhilfe hat sich das Engagement der Studierenden seit dem Wintersemester 2010/2011 auch im Eigeninteresse der Aktiven weiterentwickelt; die Tutorentätigkeit kann u. a. im Rahmen des Programms „Service Learning“ des Professional Centers der Universität zu Köln mit dem Erwerb von Credit Points verbunden werden. Auch Anerkennungen dieser engagierten Tutortätigkeiten im Bereich der schulergänzenden Praktika in der Lehramtsausbildung sind möglich, ebenso Anerkennungen (mit Credit Points) im Bereich Studium Integrale der WiSo-Fakultät. Ein Raum ist dem Projekt seitens der Philosophischen Fakultät zur Verfügung gestellt worden. Der Verein expandiert, stellt sich den Herausforderungen einer stetigen Nachfrage seitens der Schulen (6 Partnerschulen) sowie der studentischen Tutoren (derzeit 50 Studierende) und hat erfolgreich seine Organisationsstruktur angepasst. Hierzu dient auch die Bildung eines wissenschaftlichen Beirates, der aus MitgliederInnen verschiedener Fakultäten zusammengesetzt ist. FIB ist ein Beispiel für gelungenes ehrenamtliches Engagement von Studierenden, denn hier werden Eigeninteressen (Kom853 Dazu auch Reich, F. (2012): Bürgerschaftliches Engagement vor dem Hintergrund des Kommunitarismus. Eine Analyse am Beispiel der Asta-Fahrradwerkstatt der Universität zu Köln. Bachelorarbeit im Studiengang Sozialwissenschaften am Seminar für Sozialpolitik der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln.

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B. Die Reflexion der Empirie

petenzerwerb) mit Gemeinwohlinteressen (Hilfe für Schüler) verbunden. So gesehen ist FIB einerseits eine private, freie und eben frei-gemeinnützige Organisation, die aber durchaus im öffentlichen Interesse arbeitet und hier der öffentlichen Anerkennung würdig ist. Zudem ist sie aus dem sozialen Raum der Universität zu Köln heraus erwachsen und insofern auch unabhängig vom rechtlichen Status und der konkreten organisationalen Aufhängung „Teil“ des universitären Lebens. Die Universität zu Köln hat Nutzen von der sozialen Tatsache, dass „ihre“ Studierenden zu derartigen innovativen und am Gemeinwohl orientierten Selbstorganisationsprojekten motiviert sind. Die Motivanalyse ist im Rahmen einer Kölner Abschlussarbeit854 qualitativ untersucht worden und bestätigt die typischen komplexen Motivgemengelagen. Das Thema der freiwilligen Mithilfe in Schulen ist im Prozess der sozialen Verbreitung (ich verweise etwa auf das Berliner Lesepaten-Projekt des Vereins Berliner Kaufleute und Industrieller [VBI]855) und ist bereits Gegenstand wissenschaftlicher Forschung geworden.856 „Kommunalisierung“ ist auch hier, mit Blick auf „Bildungslandschaften“ 857, ein Thema der Netzwerkbildung, der Entwicklung von Kooperationskultur in einem komplizierten, fragmentierten Multi-Akteurs-Mehr-Ebenen-System.858 Ein besonderes Problem ist jedoch nun wie überall die Bildung multi-professioneller Teams in der sozialräumlichen859 Vernetzung.860 b) Ähnlich ist Nightline einzuschätzen. Dieser „Krisendienst“, der anonym bleibt und keine Hausbesuche kennt, kann institutionen- und methodengeschichtlich auf (nicht nur kirchlich getragene) For854 Vetter, N. (2012): Bildung und Zivilgesellschaft. Diplomarbeit im Fach Genossenschaftswesen des Seminars für Genossenschaftswesen im Studiengang Sozialwissenschaften der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln. 855 Volksholz, S. (2011): Lesepaten in Berlin oder wie man Bildung zur gesellschaftlichen Aufgabe macht. Das Bürgernetzwerk Bildung in der Trägerschaft des Vereins Berliner Kaufleute und Industrieller (VBI). Münster u. a.: Waxmann. 856 Wondratschek, K. (Hrsg.) (2010): Freiwillige in Schulen. Grundlagen und Perspektiven für die Arbeit mit regionalen Bildungsnetzwerken. Weinheim/München: Juventa; vgl. ferner Hugenroth, R. (2011): Schule und bürgerschaftliches Engagement. Lernallianzen in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz als Beitrag zu einer aktiven Bürgergesellschaft? Berlin: LIT. 857 Weiß, W. W. (2011): Kommunale Bildungslandschaften. Chancen, Risiken und Perspektiven. Weinheim/München: Juventa. 858 Stange, W. u. a. (Hrsg.) (2011): Handbuch Erziehungs- und Bildungspartnerschaften. Elternarbeit in Kooperation von Schule, Jugendhilfe und Familie. Wiesbaden: VS. 859 Kessl, F./Reutlinger, Chr./Maurer, S./Frey, O. (Hrsg.) (2005): Handbuch Sozialraum. Wiesbaden: VS. 860 Speck, K. u. a. (2011): Ganztagsschulische Kooperation und Professionenentwicklung. Studien zu multiprofessionellen Teams und sozialräumlicher Vernetzung. Weinheim/München: Juventa.

VI. Die Studie

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men der telefonischen Seelsorge (vor allem in der Suizidprophylaxe861) zurückblicken. Nightline-Projekte gibt es an verschiedenen deutschen Universitäten (z. B. Potsdam, Heidelberg [Gründerort], Freiburg i. Br., Münster, Dresden, Konstanz, Hamburg und eben auch in Köln). Eine bundesweite Unterstützung finden die Projekte in der gemeinnützigen „Förderinitiative Nightlines Deutschland e. V.“. Exkurs: Praxisbeispiele für Kompetenzerwerb durch Netzwerke des Helfens¨ (II): Nightline Köln e.V. an der Universität zu Köln Dieses Projekt ist ein Zuhör- und Informationstelefon von Studierenden für Studierende (http://www.nightline-koeln.de) und ist seit dem Wintersemester 2009 fester Bestandteil der Universität zu Köln. Einerseits ist Nightline e.V. selbstverwaltet und selbstorganisiert durch die Studierenden, andererseits nutzt der Verein universitäre Strukturen. Daraus erwächst ein Spannungsfeld. Nightline e.V. definiert sich durch identitätsstiftende Autonomie, in dem die Mitglieder mit ihren Ideen und Handeln den Verein gestalten. Dann aber erhält der Verein öffentliche Förderung u. a. seitens der Universität (psycho-sozialer Dienst der Universität zur Supervision, Raummitnutzung), die dann wiederum unter dem Blickwinkel der Qualitätssicherung kontrollierende Einblicke in die Arbeit von Nightline fordert. Erste Ergebnisse der näheren Analyse deuten daraufhin, dass es gerade das Zusammenspiel von selbstständigem Handeln des Vereins bei gleichzeitiger Nutzung universitärer Strukturen ist, das eine tragende Plattform der Qualitätssicherung und Nachhaltigkeit bietet. Andererseits kann hier die Universität profitieren und durchaus breitgefächert lebenslaufbezogen auf ein Persönlichkeitswachstum der aktiven Studierenden fördernd wirken, indem sie einen Rahmen für gesellschaftliche Verantwortung, aufgabenorientiertes Engagement und das Leben identitätsstiftender Rollenmuster schafft. Die universitäre Anbindung von studentisch organisierten, zivilgesellschaftlich engagierten Vereinen wie FIB e.V. und Nightline e.V. sehe ich als Chance: Für die Universität als Institution, in dem sie für ihre Studierenden noch mehr ein Ort der Persönlichkeitsentwicklung und Identitätsfindung wird; für die engagierten Studierenden, da deren Engagement Aspekte der Fremdhilfe mit motivationsprägender selbstorganisierter Selbsthilfe verbindet, aber vor allem das Erwerben von Soft Skills ermöglicht. Qualitätsmanagement ist in Nightline-Projekten, wie auch die Geschichte der Telefonseelsorge862 insgesamt gezeigt hat, von zentraler Bedeutung. In diesem 861 Vgl. u. a. Wolfersdorf, M./Etzersdorfer, E. (2011): Suizid und Suizidprävention. Stuttgart: Kohlhammer sowie Bronisch, Th. (2007): Der Suizid. 5., überarb. Aufl. München: Beck. 862 Vgl. zum Überblick Weber, T. (Hrsg.) (2006): Handbuch Telefonseelsorge. 2., überarb. u. erw. Aufl. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht; Habenicht, I. (1994): Telefonseelsorge als Form intentionaler Seelsorge. Hamburg: Kovac.

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B. Die Reflexion der Empirie

Erkenntnisinteresse haben das Seminar für Sozialpolitik und das Seminar für Genossenschaftswesen das Nightline-Projekt in Köln einer qualitativen Begleitforschung863 unterzogen. Hier docken Diskussionen zur Notwendigkeit der Supervision864 an, gerade auch dann, wenn es um die Schulung Ehrenamtlicher geht.865 Methodisch orientiert sich die Nightline-Praxis an Carl Rogers’ (1902–1987)866 Lehre der nichtdirektiven Beratung.867 Rogers’ Anthropologie868 ist für mich von Interesse. Rogers’ Menschenbild ist von einer positiven Anthropologie geprägt. Der Mensch ist weltoffen, plastisch und auf seelisches und soziales Persönlichkeitswachstum im Sinne eines positiven Selbstkonzepts hin angelegt. Zentrale Kategorien gelingenden Aufwachsens und Entwickelns in sozialen Beziehungen sind unbedingte Liebe, Wertschätzung des Anderen, Authentizität des Interesses am Anderen, Autonomie-Orientierung ohne Dominanz sozialer Kontrollbedürfnisse, anregende und unterstützende soziale Umwelten, Sicherheit, Geborgenheit und Zuverlässigkeit als Erfahrungsdimensionen in den sozialen Beziehungen, Offenheit für Expressivität der Gefühlswelt. Diese Überzeugungen bei Rogers passen in meine eigenen anthropologischen Überlegungen, die die vorliegende Arbeit rahmen. Insofern komme ich zur besagten Re-Sakralisierung scheinbar sehr profaner Gebilde des menschlichen Alltags zurück. Noch so profane Sozialgebilde weisen in ihrer Tiefenstruktur Reste einer faszinierenden Logik auf, resultierend aus dem Drang des Menschen, sein Dasein nicht nur zu fristen, sondern zu gestalten, dem Dasein eine Ausdrucksgestalt zu verleihen. In meinen beiden Beispielen korreliert der Wunsch nach Kompetenzentfaltung und Selbstwirksamkeit dem Wunsch, für das gemeine Wohl tätig zu sein. Es ist der Wunsch, im Geiste der polis tätig zu sein. So taucht aus der Tiefe der Wunschstruktur des profanen Alltagsmenschen ein Stück der Wahrheitssuche 863 Dazu Köstler, U. (2012): Nightline: Das Zuhör- und Informationstelefon von Studierenden für Studierende. Ein studentisches Projekt zivilgesellschaftlichen Engagements – Entwicklungschancen und Nachhaltigkeitsprofile. Baden-Baden: Nomos. 864 Bernreiter, Chr. (2001): Persönlichkeitsentwicklung und Supervision. Eine pastoralpsychologische Studie zu Selbstkonzept und Supervisionserwartungen bei ehrenamtlichen MitarbeiterInnen in der Telefonseelsorge. Winzer: Duschl. 865 Dazu auch Pauer, S. (2009): Die Ausbildung Ehrenamtlicher für Sorgentelefone. Hamburg: Diplomica. 866 Vgl. auch Grodeeck, N. (2006): Carl Rogers. Wegbereiter der modernen Psychotherapie. 2., durchgeseh. u. erg. Aufl. Darmstadt: WGB. 867 Rogers, C. (1985): Die nicht-direktive Beratung. 13. Aufl. Frankfurt am Main: Fischer. 868 Deister, B. (2007): Anthropologie im Dialog. Das Menschenbild bei Carl Rogers und Karl Rahner im interdisziplinären Dialog zwischen Psychologie und Theologie. Innsbruck: Tyrolla.

VI. Die Studie

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auf, die auf die Gestaltwerdung des Seins im Tun des Menschen Bezug nimmt. Es ist ein Rückgewinnen des Seins statt des Habens; der Modus des Sozialen als Formwerden eines Schönen überwindet den Utilitarismus, der dem Haben als aktives Streben und passives Erleben anhaftet. Zurück aus diesen Exkursen (zu den Effekten des Persönlichkeitswachstums im Wirkungszusammenhang der Engagementformen) zur Demenz-Wohngemeinschaft in unserer Studie. Der günstige Personalschlüssel, der durch die Mietrechtsverhältnisse und die Vertragsbildung mit ambulanten Pflegediensten ermöglicht wird, trägt auch zu einer positiven Arbeitszufriedenheit des Personals, das so mehr Zeit zum Einbringen fachlicher Kompetenzen869 hat, bei. Da im Lichte von plausiblen Modellrechnungen davon auszugehen ist, dass bei vergleichbaren Bedarfslagen (Risikostruktur) die Kosten vergleichbar sind zu den Kosten eines stationären Wohn- und Pflegearrangements, hat die Studie wichtige Hinweise geliefert, dass die Wirkungen auf die Lebenszufriedenheit, der erlebten Lebensqualität und auf die weiteren Verlaufsformen des Alterns positiver ist als in anderen Wohnsettings. Dies resultiert aus den nur in solchen „interaktionsdichten“ Wohnsettings möglichen gegenseitigen Hilfen (Prinzip der Reziprozität). Dadurch sind vertiefte Aktivierungsprozesse möglich. Dieser Befund passt zu den gerontologischen Erkenntnissen, dass Aktivitätsmuster positiv zusammenhängen mit erfolgreichen Alterungsprozessen, diese Aktivitätsmuster aber von Gegenseitigkeitserfahrungen im Alltag geprägt sein müssen und diese wiederum nicht in allen Wohnsettings gleich gut realisiert werden können. Ein sozialökonomischer Befund wird dann evident: Sind die Input-Kosten mehr oder weniger gleich, so spricht einiges systematisch dafür, dass die Outcomes (weiteres Altern, der Gesundheitszustand dieses weiteren Alterns, subjektive Lebensqualität infolge erlebter sozialer Unterstützung und infolge eines erlebbaren Persönlichkeitswachstums) in den Wohnformen nicht-stationärer Art relativ höher sind. Damit können gelingende Wohnformen jenseits der üblichen Dichotomie von privater Häuslichkeit und stationärer Unterbringung kosteneffektiver sein.870 Da es sich im vorliegenden Fall nur um eine explorative Studie ohne Anspruch auf Repräsentativität und ohne Anspruch auf Eigenschaften einer kontrollierten längsschnittlichen Interventionsstudie handelt871, bleibt weiterhin erheblicher Forschungsbedarf zu konstatieren. 869 Und aktivierend (vgl. dazu etwa Schilder, M. [2007]: Lebensgeschichtliche Erfahrungen in der stationären Altenpflege. Bern: Huber) tätig werden können. 870 Kosten-Effektivität (KE) ist definiert als Outcomes (O), bezogen auf die InputOutput-Effizienz (o/i) eines Sozialgebildes: KE = O/(o/i). 871 Schulz-Nieswandt, F. (2012): Gesundheitsökonomische Aspekte von Interventionsprogrammen. In: Wahl, H.-W./Tesch-Römer, C./Ziegelmann, J. Ph. (Hrsg.): Angewandte Gerontologie. 2., vollst. überarb. u. erw. Aufl. Stuttgart: Kohlhammer, S. 643–647.

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3. Die Befunde jenseits von Romantik und Dogmatik Die Alterungsprozesse in jeder Wohnform können gelingen oder auch misslingen. Institutionalisierungen sind oftmals geprägt von nicht gelingenden Passagen der Heimübersiedlung. Architektur, Personalbestand, aber auch oftmals die stationären Denk- und Handlungskulturen („kulturelle Skripte“) in den Heimsettings (sozusagen die „Drehbücher“ der alltäglichen Ablaufgeschichten) lassen die Realität oftmals weit entfernt sein von den Idealen872 der aktivierenden Pflege, also einer Pflege873, die nicht nur hoffnungslos austherapierte Fälle bis in die Palliativphasen hinein mit Empathie874 begleitet, sondern wo täglich durchaus rehabilitativ auf Erhalt und Stärkung der personalen Daseinsführung hin gefördert wird. Dennoch gibt es auch im Heimsektor eine gewisse Varianz in der Erfolgsmessung. Im Rahmen der strukturellen Möglichkeiten ist auch (mehr) Empowerment in875 stationären Systemen möglich.876 Ein Beispiel877 sind Formen gemeinschaftlichen Wohnens unter dem Dach einer stationären Einrichtung. In Grenzen 872 Dörge, Chr. (2009): Professionelles Pflegehandeln im Alltag. Vision oder Wirklichkeit? Frankfurt am Main: Mabuse. Vgl. ferner Hutwelker, M./Schützler, M. (2007): Ist pflegerisches Handeln professionalisierungsbedürftig? Marburg: Tectum. 873 Die Professionalisierung in der Pflege ist ein Diskurs, der schon seit über 25 Jahren in Deutschland in (international gesehen: nachholender „Modernisierung“, die auch [meta-]theoretisch für die Pflegewissenschaft zu konstatieren ist: vgl. Friesacher, H. [2008]: Theorie und Praxis pflegerischen Handelns. Göttingen: V&R unipress) verstärkt (Krampe, E.-M. [2009]: Emanzipation durch Professionalisierung? Frankfurt am Main: Mabuse) geführt wird. Vgl. dazu etwa Klement, C. (2006): Von der Laienarbeit zur Profession? Opladen/Farmington Hills: Barbara Budrich; Twenhöfel, R. (2011): Die Altenpflege in Deutschland am Scheideweg. Medizinalisierung oder Neuordnung der Pflegeberufe. Baden-Baden: Nomos. Hier steht die Medizinalisierung als Orientierungspfad, der auch in anderen Berufsbereichen (z. B. der Physiotherapie) mitunter zu beobachten ist, in der Kritik. Vgl. grundlegend auch in Hülsgen-Giesler, M. (2008): Der Zugang zum Anderen. Zur theoretischen Rekonstruktion von Professionalisierungsstrategien pflegerischen Handelns im Spannungsfeld von Mimisis und Maschinenlogik, Göttingen: V&R unipress. 874 Dazu auch Scheu, P. (2010): Empathie statt „Mit-Leid“. Ein praktisches Konzept zur Förderung empathischer Kompetenz in der Pflege. Marburg: Tectum. 875 Dies gilt auch für die Nutzung persönlicher Budgets. Vgl. dazu Schlebrowski, D. (2009): Starke Nutzer im Heim. Wirkung persönlicher Budgets auf soziale Dienstleistungen. Wiesbaden: VS. 876 Vgl. dazu auch die qualitative Studie von Näthke, J. F. (2009): Organisationsentwicklung in Sozialunternehmen. Eine Analyse am Beispiel der Umsetzung des Empowerment-Konzeptes in der Behindertenhilfe. Köln: Josefs-Gesellschaft. 877 Siehe auch Michell-Auli, P./Sowinski, Chr. (2012): Die fünfte Generation: KDAQuartiershäuser. Ansätze zur Neuausrichtung von Alten- und Pflegeheimen. Köln: KDA. Vgl. ferner Brinker-Meyendriesch, E./Erdmann, A. (2010): Demenz: Lernkultur und Versorgung im Modellheim Haus Schwansen. Forschungsergebnisse aus dem Leuchtturmprojekt „TransAltern“. Frankfurt am Main: Mabuse.

VI. Die Studie

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kann der Switch von den einrichtungszentrierten zu den personenzentrierten878 Hilfeleistungen auch innerhalb einer Einrichtung bewirkt werden. Man wird sich allerdings das Prozessgeschehen genau anschauen müssen, denn wie überall sind die klassifikatorischen Bezeichnungen von Leistungsprozessen nicht deckungsgleich mit der sozialen Wirklichkeit. Eine Analogie: Eine räumliche Anordnung verschiedener Facharztpraxen unter dem sprichwörtlichen Dach eines Gebäudes macht noch kein medizinisches Versorgungszentrum879, wenn dieses versorgungsmorphologisch definiert sein soll mittels einer wirklichen (mitunter Sozialgesetzbücher-übergreifenden) Patientenund Angehörigen-zentrierten Multi-Disziplinarität in horizontaler Vernetzung und in Verbindung mit einer modularen Bereitschaft zur patientenpfadorientierten vertikalen Integration. Auch private Häuslichkeit kann misslingen. Auch dort kann Vereinsamung oder Verwahrlosung stattfinden. Gewalt in den verschiedenen Erscheinungsformen kann in jedem Setting auftreten und hängt mit einem komplexen Zusammenspiel von Gefühlen wie Scham, Schuld und Angst zusammen.880 StressStressbewältigungs-Inbalancen spielen hier ebenso hinein wie netzwerkbiographische (familien- und ehebiographische) Pfadabhängigkeiten. Wenn eine Gesellschaft trotz wissenschaftlicher Forschungseinsichten letztendlich nicht einfache und eindeutige Antworten finden kann und die Forschung eben nicht, wie oft erwartet, in gesellschaftlich ersehnter Einfachheit „die“ absolut beste Wohnform im Alter(n) definieren kann, dann gibt es eine überaus redliche Lösung: Vielfalt881 anbieten. Politisch bedeutet das: Vielfalt ermöglichen. Aus der Evolution kenne ich die Analogie: „Artenvielfalt erhalten“ erhöht die Fähigkeiten zur Anpassung an Umweltanforderungen und erhöht die Entwicklungschancen insgesamt. Einerseits können sich so in einem längeren sozialen Lern- und politischen Erfahrungsverarbeitungsprozess relativ bessere Lösungen abzeichnen, andererseits, und das sei hier besonders betont, kann die Vielfalt der Wohnformenangebote die gesteigerte Möglichkeit geben, dass die Menschen im Lichte ihrer biographisch gewachsenen persönlichen „Strickmuster“ jene Wohnformen auswählen können, die zu ihren jeweiligen Balancemustern von Nähe und Distanz passen. Hier er878 Zu dieser Personenzentriertheit gerade außerhalb von Einrichtungen vgl. auch Franz, D./Lindmaier, B./Ling, K. (2011): Personenzentrierte Hilfen, Soziale Netzwerkförderung, Umfeldkonzepte. In: Beck, I./Greving, H. (Hrsg.): Gemeindeorientierte pädagogische Dienstleistungen. Stuttgart: Kohlhammer, S. 100–109. 879 Wigge, P./Leoprechting, G. von (2010): Handbuch medizinische Versorgungszentren. Stuttgart: Kohlhammer sowie Schmidt, G. (2011): Medizinische Versorgungszentren in Krankenhausträgerschaft. Hamburg: Kovac. 880 Kranich, M. (2011): Gefühle in der Altenpflege. Berlin: LIT. 881 Blonski, H. (Hrsg.) (2011): Die Vielfalt des Wohnens im Alter. Frankfurt am Main: Mabuse.

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B. Die Reflexion der Empirie

hält die ökonomische Sicht der Präferenzengerechtigkeit eine tiefere daseinsanalytische Bedeutung aus Sicht einer solchen biographischen Existenzanalyse. Denn auch das hat die Studie, in Übereinstimmung mit bekannten psychologischen Befunden, gezeigt: Jede Wohnform ermöglicht unterschiedliche räumliche, interaktive und seelisch erlebte Gleichgewichte zwischen den Bedürfnissen nach Nähe und Distanz. Die Studie zeigt eine gewisse Vielfalt sozialer Milieus und unterschiedliche personale Dispositionen in Hinsicht auf Nähe- und Distanzbedürfnisse. Insofern fügen sich die Befunde auch ein in eine erst neuere (auch sozialkapitaltheoretische) Debatte um die Zusammenhänge von Sozialstruktur, soziale Ungleichheit882 und Hilfe- und Pflegebedürftigkeit.883 Eine Wohngemeinschaft kann den Bedürfnissen der BewohnerInnen und/oder der Angehörigen nachkommen, familien-ähnliche soziale und seelische Dichteräume zu erzeugen („Familialismus“). Mehrgenerationen(wohn)häuser884 können dagegen als Projekt so konstruiert und sodann gelebt werden, dass aus einer stärkeren Distanz heraus eine Kultur der Gegenseitigkeit, des gegenseitigen Helfens, eingebettet in Formen erlebter gemeinschaftlicher Gesellung, möglich werden. Die Studie, das zeigen auch mir bekannte Projekte aus Rheinland-Pfalz, hat auch gezeigt, warum Wohngemeinschaften oder Mehrgenerationenhäuser scheitern können. Es kommt bereits auf das Gelingen der Gründungsphase an, dabei wiederum kommt es darauf an, gemeinschaftliche Planungen und selbstverwaltete Startphasen zu ermöglichen. Die BewohnerInnen dürfen nicht „top-down“ und fremdgesteuert zusammengesetzt werden. Die Wohnformen müssen sich in ihrer Zusammensetzung selbstbestimmt finden. Und die weitere Zusammensetzung infolge von Auszügen oder infolge des Versterbens von BewohnerInnen bleibt ein nicht einfaches und gemeinhin bereits gelöstes Thema. Auch die Verdichtung der Hilfe- oder gar Pflege- und Betreuungsbedarfslagen im Zuge des weiteren Alterns wirft nicht-einfache Fragen der optimalen Zusammensetzung der BewohnerInnenschaft auf.

882 Vgl. dazu auch Bauer, U./Büscher, A. (Hrsg.) (2008): Soziale Ungleichheit und Pflege. Beiträge sozialwissenschaftlich orientierter Pflegeforschung. Wiesbaden: VS. Spezieller dazu: Heite, E. (2012): Bürgerschaftliches Engagement älterer Menschen im Stadtteil. Gleiche Beteiligungschancen und Mitgestaltungsmöglichkeiten für alle? Freiburg i. Br.: Centaurus & Media. 883 Vgl. ferner Karrer, D. (2009): Der Umgang mit dementen Angehörigen. Über den Einfluss sozialer Unterschiede. Wiesbaden: VS. 884 Insgesamt zum Programm der Mehrgenerationenhäuser vgl. auch Emminghaus, Chr./Staats, M./Gess, Chr. (Hrsg.) (2012): Lokale Infrastruktur für alle Generationen. Ergebnisse aus dem Aktionsprogramm Mehrgenerationenhäuser. Gütersloh: Bertelsmann.

VII. Schlussfolgerungen der transzendental Werte-fundierten Forschung

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Große Unterschiede zeigen die Wohnformen hinsichtlich wichtiger Fragen wie die nach der Öffnung zum bürgerschaftlichen Engagement hin und auch zum Wohnumfeld bzw. im Quartiersbezug. Hier siedel ich durchaus Schlüsselfragen der Erfolgschancen von Wohnprojekten an885. Ähnliches gilt aber auch für stationäre Settings886.

VII. Politische Schlussfolgerungen der transzendental Werte-fundierten Forschung Es darf eine zentrale Erkenntnis nochmals zitiert werden: „Wenn eine Gesellschaft trotz wissenschaftlicher Forschungseinsichten letztendlich nicht einfache und eindeutige Antworten finden kann und in oftmals ersehnter Einfachheit ,die‘ absolut beste Wohnform im Alter(n) definieren kann, dann gibt es eine überaus redliche Lösung: Vielfalt anbieten. Politisch bedeutet das: Vielfalt ermöglichen.“ 887 Obwohl sich in Deutschland einige Bewegungen im Feld des Wohnens – mit Bezug auf die ganze komplexe Breite des homo patiens in nosologischer Hinsicht – im Alter abgezeichnet haben, scheint mir der Stand der Dinge doch noch weit entfernt zu sein von der sozialen Gewährleistung einer Vielfalt an Möglichkeiten. 4. Die notwendigen Voraussetzungen des Wandels: Rechtliche Situation und politischer Wille Die (mietvertrags-)rechtlichen Fragen888 sind – bei aller (für den Ethnologen des bundesdeutschen Föderalismus wieder nicht überraschenden) Unterschiedlichkeit im Vergleich der Bundesländer – an sich positiv geklärt. Ambulant betreute Wohnformen gemeinschaftlicher Art sind bei Trennung des Mietvertrages vom Beschaffungsvertrag der ambulanten Pflegeanbieter möglich, ohne dem Regime der Heimgesetzgebung unterworfen zu werden. 885 Vgl. auch Deutsches Institut für angewandte Pflegeforschung (Hrsg.) Weidner, F./ Brandenburg, H./Schulz-Nieswandt, F. (2010): Pflege und Unterstützung im Wohnumfeld. Hannover: Schlütersche. 886 Vgl. etwa auch Ganß, M./Narr, B. (Hrsg.) (2010): Alt und Jung im Pflegeheim. Intergenerative Projekte mit Malen, Werken und Theater. Frankfurt am Main: Mabuse. 887 Dazu nochmals Blonski, H. (Hrsg.) (2011): Die Vielfalt des Wohnens im Alter. Frankfurt am Main: Mabuse. 888 Hier geht es vor allem darum, aus dem engen Regime der Heimgesetzgebung zu gelangen: vgl. etwa Börner, K. (2008): „Betreutes Wohnen“ in Abgrenzung zum Heimgesetz. Berlin: LIT; Scheppke, St. (2008): Betreutes Wohnen für Senioren. Begriff, Konzept und rechtliche Einordnung in Abgrenzung zu Heimeinrichtungen gemäß dem Heimgesetz. Hamburg: Kovac.

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B. Die Reflexion der Empirie

Rolle der Wohnungswirtschaft: Damit dürfte eine Hürde in der Bereitschaft der Wohnungswirtschaft, hier zu investieren, genommen worden sein. Dennoch gibt es Probleme im Detail (auch bautechnischer Regulierung); und insgesamt dürfte es auch noch Informations- und Aufklärungsbedürfnisse geben, die noch nicht transparent befriedigt sind. Gerade in der Wohnungswirtschaft gibt es Beispiele dafür, dass die Macht der gestaltenden Ideen durchaus das Wirtschaftsverhalten lenken kann. Die Wohnungsgenossenschaften, dazu liegt eine einschlägige Forschungsliteratur vor, stehen oftmals immer noch selbstbewusst und reflektiert in der Tradition der Sozialreform, verstehen sich als „anders“, charakterisiert durch die Genossenschaftsprinzipien der Selbsthilfe, der Selbstverwaltung und des Demokratieprinzips. Zahlreiche Beispiele zeigen, wie Wohnungsgenossenschaften889 im Rahmen ihrer Bestandspflege engagiert vernetzt arbeiten: themen- und zielgruppenorientiert, oftmals inter-generationell, Stadtteil-fokussiert, kooperativ – auf soziale Integration und Vitalisierung des Quartiers hin bewegend. Hier ist die aktive Rolle kommunaler Wohnungs(bau)unternehmen zu betonen. Auch die private Wohnungswirtschaft muss Gefallen daran finden, bauliche Projekte in durchdachten innovativen sozialen Entwicklungsprojekten organisch zu integrieren. So wie Architekten, wissenssoziologisch betrachtet, oftmals die bauliche Seite mit Aspekten des sozialen Lebens zukunftsorientiert verknüpfen, sollte auch die Wohnungswirtschaft sich als kulturgestaltend verstehen. Es bedarf angesichts dieses Befundes einer Kommunikationsoffensive. Rolle der kommunalen Politik: Ort der Projektumsetzung ist (daseinsanalytisch betrachtet) jedoch immer der jeweils kommunale Raum, und dort, disaggregiert, der Stadtteil und das Quartier oder die vergleichbaren lokalen Welten in ländlichen Räumen. Und auf dieser Ebene muss der politische Aufbruch stattfinden. Der Aufbruch muss jedoch in den Köpfen beginnen – und wird auch nicht ohne leidenschaftlichen Idealismus gehen. Kommunale Politik muss aufhören, auf die Prognose des demographischen Wandels mit dem Bau stationärer Kapazitäten890 zu reagieren. Das ist doch nur, so möchte ich konstatieren, eine über-simple Reaktionsweise auf die gesellschaftliche Situationsentwicklung. Sie spiegelt ein Denken in Einfachheit, Sauberkeit, Geordnetsein, nachgekommener Verantwortung etc. aus. Sie ist syntonisch ohne schizoide Transgressionsneigung. Traditionelle Formen, die in ihrer Anstaltförmigkeit kulturgeschichtlich von langer Tradition sind, bleiben jedoch unterkom-

889 König, B. (2004): Stadtgemeinschaften. Das Potenzial der Wohnungsgenossenschaften für die soziale Stadtentwicklung. Berlin: edition sigma. 890 Mit Blick auf politisch erwünschte Abbaustrategien stationärer Kapazitäten ist jedoch zu beachten, dass die Sozialunternehmen dazu längere Zeiträume der Transformation benötigen.

VII. Schlussfolgerungen der transzendental Werte-fundierten Forschung

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plexe Antworten auf die differenzierten Anforderungen zu Beginn des 21. Jahrhunderts. Es müssten in diesem Zusammenhang drei strategische Passagen-Szenarien unterschieden werden: a) Expansion der Heimkapazitäten; b) Moratorium in Verbindung mit Modernisierungs- und konzeptionellen intrastationären Umbauinvestitionen; c) Abbau in Verbindung mit gesellschaftlichen Entschädigungen. Das Szenarium a) wäre zu vermeiden. b) und c) sind politisch nur schwierig umzusetzen. Ich vermute, es kommt zu einer Mischstrategie: Ausbau stationärer Kapazitäten (aber kleiner als im Fall von a) in Verbindung mit Wachstum nicht-stationärer Wohn-, Versorgungs-, Betreuungs- und PflegeArrangements und in Verbindung mit der Modernisierungs- und Umbaukomponente von b. Vor allem: Was auf dem ersten Blick nur als überholte architekturtypische (nämlich hospitale, in xenodochianischer891 Tradition stehende) Antwortform erscheint, erweist sich bei näherer Betrachtung als falsche Form des Denkens, als verkürzte Situationsdefinition und Problemwahrnehmung: Institutionalisierung ist eine verhaltenslenkende Art und Weise des Denkens, ein mentales Modell.892

891 Ich darf mich hier wiederholen: Mit der partiellen Wortschöpfung des Xenodochianischen will ich das mentale Modell, das einer habituellen Haltung eigen ist, aus einer nur architekturgeschichtlichen Sichtweise herausnehmen: Es geht nicht nur um eine baukonzeptionelle und nutzungsfunktionale Stilgeschichte des Hospitals (von der Fremdenherberge über komplexe multi-funktionale Auffangeinrichtungen zum modernen, auf Krankheit spezialisierten Krankenhaus), sondern um die implizite kulturelle Grammatik der Aussonderung und hintergründigen Codierlogik des Normalen und des Anormalen. Die hospitale Modalität ist demnach eine Mentalität: eine kulturell grammatikalisierte Haltung habitueller Art, die innerhalb baulich-technischer Einrichtungen spezifische soziale Interaktionsordnungen inszeniert. Während die Umwelt der gesonderten Einrichtungen normalisiert wird, wird die Innenwelt der gesonderten Einrichtungen pathologisiert. Die Umwelt, die sich als das selbige Innen versteht, grenzt das Innere der Einrichtungen als ein Da-Draußen ab. Die mental-habituelle Mondadologie der normalen Welt als Umwelt der anormalen Innenwelt der ausgesonderten Einrichtungen monadologisiert diese ebenso, aber mit Blick auf die Perzeptionschancen asymmetrisch: Während die Möglichkeit der eigenen Abwanderung aus der normalen in die anormale Welt angstvoll erkannt, aber auch gerne im Lichte der Angst vor den eigenen tiefen Möglichkeiten verdrängt wird, wird die Rückwanderung unter Resozialisationsperspektiven extrem selektiv organisiert. Das Fenster der Monade der gesonderten Einrichtungen ist vergittert, das Wohnumfeld der Mikrowelten der Anstalten ummauert. Diese Welt kennt Ausgänge, doch sind diese bewacht. 892 Dazu auch Schädler, J. (2003): Stagnation oder Entwicklung in der Behindertenhilfe? Hamburg: Kovac.

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B. Die Reflexion der Empirie

Es bleibt, auch angesichts der oben genannten lebensgeschichtlich differenziert ausgebildeten Präferenzen der Menschen, unsicher, ob eine Abschaffung der Heime im Rahmen einer radikalen De-Institutionalisierung machbar und wünschenswert ist. Die internationale Forschung zur De-Institutionalisierung hat gezeigt, wie komplex voraussetzungsvoll893 dieser Prozess ist.894 Das ist kein Gegenargument. Aber es verweist auf die Verantwortung, die mit den Experimenten verbunden ist. Es muss zu hochgradig in das Wohnumfeld hinein vernetzte Alternativstrukturen und -prozessen zur Heimlösung kommen. Es geht also um die Sicherstellung funktionaler Äquivalente, um hier die Qualität zu garantieren. Niemals darf die menschliche Sicht die Nachteile der gegebenen, alten Ordnung (AON) nur mit den Vorteilen einer alternativen, neuen Ordnung (NOV) vergleichen; immer ist auch in den Vergleich die Vorteile des status quo (AOV) und die neuen Nachteile der alternativen, neuen Ordnung (NON) einzukalkulieren: AOV /AON : NOV /NON.

Gelten muss, dass (NOV – AOV) > (NON – AON).

Es geht also um ein D, indem die Differenz von NO und AO jeweils zweidimensional hinsichtlich Zähler (V) und Nenner (N) gebildet wird. Das Problem wird ungelöst bleiben, wenn die Parameter von N und V als qualitativ (wenn die Klasse N und V jeweils aus i und j Elementen besteht) unvergleichbar definiert werden, wodurch quantitative Rangordnungen schwierig werden, also das rechtstheoretisch klassische Problem der Güterabwägung entsteht. Dann müssen Gewichtungen vorgenommen werden. Und dieser Akt ist politischer Art, weil Entscheidungen getroffen werden, die die Wohlfahrtvorstellungen der beteiligten Menschen betreffen. De-Institutionalisierung ohne Aufbau von „Community Care“-Strukturen895 ist nicht nur ineffektiv, sondern verantwortungslos riskant und kann zu neuen individuellen Isolationen und sozialen Desintegrationen führen. Das ist aus der (nicht nur US-amerikanischen) Psychiatrie(reform)geschichte ebenso bekannt wie z. B. aus den norwegischen De-Institutionalisierungen in der Behindertenhilfe.

893 So wohl auch Speck, O. (2003): System Heilpädagogik. München/Basel: Reinhardt, S. 350. 894 So argumentierend auch Reissmann, A. (2005): Pflegebedürftigkeit und Institutionalisierung. Chancen und Grenzen häuslicher Pflege. Oldenburg: Paulo Freire Verlag. 895 Dazu auch Aselmeier, L. (2007): Community Care und Menschen mit geistiger Behinderung. Gemeinwesenorientierte Unterstützung in England, Schweden und Deutschland. Wiesbaden: VS.

VII. Schlussfolgerungen der transzendental Werte-fundierten Forschung

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5. Die hinreichende Bedingung des Wandels: Kulturelle Voraussetzungen Vor allem muss im Wohnumfeld eine kulturelle Akzeptanz geschaffen werden. Das oftmals verbreitete St. Florians-Prinzip (s. o. die Hyp 1) muss vermieden werden. Forschungen zu negativen Altersbildern, aber auch zu Hygiene-gesteuerten Bildern, die man sich vom Menschen mit Behinderungen macht896, verweisen psychologisch auf tiefsitzende Ängste der Menschen im kulturell misslingendem Umgang mit dem vermeintlich Anders-Sein des Anderen, dem Fremden, dürfen aber gesellschaftspolitisch und -pädagogisch nicht hingenommen werden. Mut zu der Kritik geben die Befunde zur Plastizität des Menschen als Funktion seiner Sozialisationsbiographien. Dies generiert zwar keine voluntaristischen Freiheitsgrade, wohl aber die Möglichkeit zum Wandel in einer grundsätzlichen Art. Rolle der Anwohner: Die kulturelle Arbeit an dem Aufnahmeklima des örtlichen Kontextes, der sozialen Akzeptanz der Inklusionsprozesse infolge des Normalisierungsdenkens in der Fachlichkeit ist eine Bedingung für die Erfolgschancen einer Projektentfaltung im lokalen Kontext. Die oben erwähnten Rechtsfragen sowie die Anforderungen an praktikable Finanzierungsmodelle solcher Wohnprojekte sind notwendige Voraussetzungen (siehe oben: Hypothese 2*); hinreichende Bedingung (siehe oben: Hypothese 2**) ist aber der Wandel der mentalen Modelle897 und der kulturellen Haltungen der Menschen und der politisch relevanten Akteure. Und hier fehlt es an sozialer (schizoider) Phantasie898. Falsche (defizit-orientierte) stereotypische Altersbilder und angstgesteuerte Bilder vom behinderten Menschen lenken und prägen das Verhalten der Menschen im Umgang mit den Herausforderungen. Zur gelingenden Implementation von neuen Wohnformen gehört daher die vorgängige und projektbiographisch begleitende Arbeit899 am sozialen Kontext und der kulturellen Akzeptanz.

896 Dazu auch Laubenstein, D. (2007): Sonderpädagogik und Konstruktivismus. Behinderung im Spiegel des Anderen, der Fremdheit und der Macht. Münster u. a.: Waxmann. 897 Zur Theorie der Denk-Modelle vgl. auch Fikentscher, W. (2004): Modes of Thought. 2. Aufl. Tübingen: Mohr Siebeck. 898 Zur Möglichkeit ent-blockierter Kreativität vgl. auch Brodbeck, K. H. (2010): Entscheidung zur Kreativität. 4. Aufl. Darmstadt: WBG. 899 Dazu auch Schulz-Nieswandt, F. (2012): Gesundheitsökonomische Aspekte von Interventionsprogrammen. In: Wahl, H.-W./Tesch-Römer, C./Ziegelmann, J. Ph. (Hrsg.): Angewandte Gerontologie. 2., vollst. überarb. u. erw. Aufl. Stuttgart: Kohlhammer, S. 643–647, hier S. 646 f.

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B. Die Reflexion der Empirie

Das ist nicht trivial. Die Denkblockaden900 und die Haltungsdefizite sitzen tief. Im Rahmen einer solchen kommunalen, quartiers- oder wohnumfeldbezogenen Strategie müssen demnach kritische Schwellenwerte überwunden werden, ab denen eine Kommune als innovativer Kraftraum der Veränderung, des Aufbruchs und der langfristig denkenden Politik zu verstehen ist. In diesem Sinne bedarf es einer Rückkehr zur visionären, Ideen-gesteuerten gestaltenden Politik des örtlichen Daseins der BürgerInnen. Interessen müssen zurückgestellt werden; Zeithorizonte müssen transformiert werden; die Akteure müssen ihre – durchaus ja legitimen – Interessen einbetten und (weberianisch gesprochen) bahnen lassen von Ideen, die neue Korridore der Problemlösung entfalten helfen. Meine eigenen Erfahrungen gehen dahin, drei Kommune-Typen (alle Akteure, die Orte und die Geschichte sind wie in jedem Krimi frei erfunden) zu unterscheiden (wobei ich das sozialgeographisch schwer in den Griff zu bekommene Problem ausklammere, die Vielfalt dessen zu beachten, was unter „Kommune“ zu verstehen ist: Kreisfreie Städte, Landkreise, Verbandsgemeinden, Ortsgemeinden etc.): a) der innovative, „unterwegs“-seiende Typus, b) der desorientierte, hilflose Typus der Kommune, der aber, an der Schwelle stehend, veränderungsbereit ist, c) der depressive901 Typus der Kommune. Diese korporative Typologie spiegelt die Typologie der personalen Tiefenpsychologie, die die psychodynamische Dialektik syntonischer und schizoider Kräfte thematisiert hat, wider. Der innovative Kommune-Typus benötigt keine Hilfe und ist ein „Selbstläufer“, der depressive Typus ist schwer erreichbar und schwer zu bewegen. Als Zielgruppe einer Impulspolitik für post-stationäre Pflegestrukturplanung und sozialräumliche Vernetzungspolitik ist, vor allem dann, was der Normalfall ist, wenn Förderressourcen nur begrenzt vorhanden sind, problemloser dagegen der Typus der desorientierten Kommune einzuschätzen. Ein relevantes Minimum an Selbstveränderungsbereitschaft ist da; Veränderungsfähigkeit ist gegeben. Insgesamt zu beachten ist als übergreifendes Kontextmerkmal die problematische Kommunalfinanzsituation902, die sich zukünftig im Zuge der Sicker-Effekte 900 Vgl. etwa auch Giernalczyk, Th./Lohmer, M. (Hrsg.) (2012): Das Unbewusste im Unternehmen. Psychodynamik von Führung, Beratung und Change Management. Stuttgart: Schäffel-Poeschel. 901 Mentzos, St. (2011): Depression und Manie. Psychodynamik und Therapie affektiver Störungen. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht. 902 Grüttemeier, T. (2012): Arme Gemeinden. Gemeindesteuern in Deutschland – Ansätze zur Reform. Marburg: Tectum.

VII. Schlussfolgerungen der transzendental Werte-fundierten Forschung

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der Schuldenbremse in Bund und Länder nicht gerade leichter gestalten wird. Allerdings ist auch zu beachten, wie differenziert die Lage der Kommunalfinanzen im inter-kommunalen Vergleich ist. Stakeholder-orientiert sind alle Akteure und Akteursgruppen dabei angesprochen. So die Anwohner mit ihrem Blick auf mögliche Wertverluste ihrer Wohnlage und des Eigentums, so die Wohnungswirtschaft, die ihr Geld auch in sozialreformpolitisch innovativen Projektformen verdienen soll, und so auch die kommunale Politik, die endlich von isolierten stationären Inseln der sozialen Raumausgrenzung903, paradigmatisch der nordkretischen Lepra-Insel Spinalonga (und in Foucaults panoptikumischer Anstaltsdisziplinierungslogik904 auf den Begriff gebracht905) nachgebildet, des älteren, pflegebedürftigen und/oder behinderten Menschen Abschied nehmen muss. Auch wenn die (hier nicht näher auszuführende) neuere Forschung zeigt, dass der Heimsektor nicht unkritisch und undifferenziert dem Deutungsmuster einer „totalen Institution“ 906 subsummiert werden kann und darf, so bleibt die soziale Architektur der stationären Einrichtung doch immer nahe an der Gefahr der sozialräumlichen Isolation, der lebensweltlichen Marginalisierung und lässt den Eindruck einer vermeidbaren Praxis des (ethnologisch ansatzweise gut erforschten) „sozialen Todes“ 907 aufkommen. Diese Gefahren sind aber mit jedem Wohnsetting verbunden, da Vereinsamung bis hin zur Verwahrlosung auch in vermeintlich autonomen Kontexten privathäuslicher Lebensführung denkbar und auch beobachtbar ist. Und Wohnformen jenseits dieser Dichotomie von autonomer Privatwelt und totaler Institutionalisierung können ebenso misslingen, vor allem, wenn entweder die Gründungsphilosophie und die Pflege der weiteren Projektbegleitung nicht stimmen und die internen sozialen Gruppenprozesse sich nicht entfalten können und/oder wenn die externe Sozialintegration in das lokale Gemeinwesen vernachlässigt wird. 903 Foucault, M. (2011): Wahnsinn und Gesellschaft. 19. Aufl. Frankfurt am Main: Suhrkamp. Vgl. auch Hess, V./Schmiedebach, H.-P. (Hrsg.) (2012): Am Rande des Wahnsinns. Schwellenräume einer urbanen Moderne. Köln u. a.: Böhlau. 904 Wobei das europäische Mittelalter keineswegs die Folie abgibt für eine harmonische Phase der kulturellen Akzeptanz und Integration des Wahnsinns. Vor allem dann, wenn die soziale Ordnung im Wandel bröckelt, taucht in Form eines Angstsyndroms die Furcht vor dem Andersartigen auf. Ausgrenzung ist dann eine der Reaktionsmuster. Vgl. dazu auch Matejovsky, D. (1996): Das Motiv des Wahnsinns in der mittelalterlichen Dichtung. Frankfurt am Main: Suhrkamp. Vgl. auch Maier, F. (2007): Gefürchtet und bestaunt. Vom Umgang mit Fremden im Mittelalter. Stuttgart: Thorbecke. 905 Vgl. auch Mürner, Chr./Sierck, U. (2012): Behinderung. Chronik eines Jahrhunderts. Weinheim/München: Juventa. 906 Goffman, E. (2011): Asyle. 18. Aufl. Frankfurt am Main: Suhrkamp. 907 Giovanni, M. de (2011): Der Sommer des Commissario Ricciardi. Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 111: „Ein Mensch stirbt in dem Augenblick, in dem er niemanden mehr etwas bedeutet.“

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B. Die Reflexion der Empirie

Rolle der Einrichtungsträger, einschließlich der Professionen: Die Einrichtungsträger908 sind daher aufgerufen, ihre (mitunter bornierten, d. h. durch systematische Blickverengung reduzierten) ökonomischen Interessen nicht in fataler Blickverengung auf die kurzfristige Bettenkapazitätsauslastung zu konzentrieren. Auch hier909 ist soziale Phantasie im Interesse der Menschen gefordert. Wo immer möglich, sollten Empowerment-orientiert910 auch Formen gemeinschaftlichen Wohnens in stationären Architekturen eingefügt werden. Wird man sich manchmal fragen müssen, ob die Phrase „der Kunde sei König“ (wobei die Implikationen aus der monarchischen Denktradition der Souveränität911 auch noch912 kritisch zu reflektieren wären) nicht eine zynisch anmutende Chimäre ist, so wird man sich angesichts der im Feld systematisch angelegten Verweigerung, mehr in die Angebotsdiversität zu investieren, tiefgreifender fragen müssen, wie es um die viel beschworene unternehmensphilosophische, gar kirchlich-weltanschauliche Zentrierung um den Menschen wirklich steht. Die Literatur zur Caritas-Philosophie und/oder zur diakonischen Unternehmensethik ist ja Legende.913 Aber so breit wie die Literaturlage ist, so dünn ist die Qualität, so hohl mitunter das Niveau der wissenschaftlichen Durchdringung. So kommt die Pastoraltheologie914 nicht aus der Krise ihres schlechten Rufes heraus. Holt man mit einer relativ verengten Angebotspalette wirklich den in seiner Kreatürlichkeit verletzbaren Menschen im Rahmen einer „organisierten Liebesarbeit“ (wie sie im Arbeitsmarkt überwiegend geschlechtsspezifisch915 implementiert worden ist) ab?

908 Ahlrichs, R. (2012): Zwischen sozialer Verantwortung und ökonomischer Vernunft. Unternehmensethische Impulse für die Sozialwirtschaft. Wiesbaden: VS. 909 Giernalczyk, Th./Lohmer, M. (Hrsg.) (2012): Das Unbewusste im Unternehmen. Psychodynamik von Führung, Beratung und Change Management. Stuttgart: SchäffelPoeschel. 910 Vgl. auch Schulz-Nieswandt, F. (2007): Behindertenhilfe im Wandel. Berlin: LIT. 911 Vgl. auch Balke, F. (2009): Figuren der Souveränität. München: Fink. 912 Vgl. auch im Zusammenhang mit Instrumenten der Subjektförderung: Wiese, B. (2009): Konsumentensouveränität im Bereich sozialer Dienstleistungen: Ein Mittel zur sozialen Integration? Eine qualitative Studie am Beispiel der Obdach- und Wohnungslosenhilfe. Frankfurt am Main: Lang. 913 Vgl. u. a. auch Heller, A. (2003): OrganisationsEthik. Freiburg i. Br.: Lambertus sowie Krobath, Th./Heller, A. (Hrsg.) (2010): Ethik organisieren. Freiburg i. Br.: Lambertus. 914 Steinkamp, H. (2012): Diakonie statt Pastoral. Ein überfälliger Perspektivenwechsel. Berlin: LIT. 915 Kreutzer, S. (2005): Vom „Liebesdienst“ zum modernen Frauenberuf. Die Reform der Krankenpflege nach 1945. Frankfurt am Main/New York: Campus.

VII. Schlussfolgerungen der transzendental Werte-fundierten Forschung

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Einerseits habe ich auf der Mikroebene oftmals von „burn-out“ betroffene916 Professionelle und Angehörige917 zu konstatieren, die ihre Empathie-fundierte Sorgearbeit ohne hinreichende Selbstsorge betreiben; andererseits habe ich eine Anbieterlandschaft zu konstatieren, die die oftmals fehlende Outcomes-orientierte Organisationskultur im Inneren der betrieblichen Leistungserstellung verdoppelt mit einer ebenso oftmals beobachtbaren unternehmensstrategischen Leere, wenn es um humane Visionen für die Menschen im höheren und hohen Alter geht. Es handelt sich um einen Sektor, der erstaunliche Defizite in der Entwicklung von Prozess- und Produktinnovationen aufweist, der sich oftmals systematisch (z. B. gratifikationspsychologisch gesehen918) nachlässig um sein betriebliches Humanvermögen (wobei, genauso wie im pädagogischen Handlungsfeld919, hier die Debatte zur Professionalisierung920 tobt921) kümmert922 und der nicht hinreichend durch externes Qualitäts-bezogenes Regulationsrecht gesteuert werden kann923, wenn es nämlich zugleich derartige Haltungsmängel in der intrinsischen Motivation für eine humane Kultur der abgeforderten existenziellen Arbeit gibt. Eine Restriktion für „echte“ Innovationen ist auch in der Haltung innovationsloser Kostenträger zu entdecken. Allerdings unterliegen die Kostenträger natürlich den Rahmensetzungen des Leistungsrechts und vor allem auch fiskalischen Grenzen. Dennoch sind Handlungsspielräume dar, die nicht zum Qualitätsdumping zwingen müssen. Kostenträger, die als Referenz immer nur die sog. 916 Schneglberger, J. (2010): Burnout-Prävention unter psychodynamischem Aspekt. Wiesbaden: VS. 917 Dazu speziell auch die Studie von Kunstmann, A.-Chr. (2010): Familiale Verbundenheit und Gerechtigkeit. Fehlende Perspektiven auf die Pflege von Angehörigen – Eine Diskursanalyse. Wiesbaden: VS. 918 Dazu auch Becke, G. (2008): Soziale Erwartungsstrukturen in Unternehmen. Zur psychosozialen Dynamik von Gegenseitigkeit im Organisationswandel. Berlin: edition sigma. 919 Wobei ich auf die Forschung zum allgemeinen Schulwesen nicht eingehen möchte. Zur Heilpädagogik vgl. jedoch Doherr, S. (2007): Die Professionalisierung der Behindertenpädagogik. Oldenburg: Isensee. 920 Zur begriffskonzeptionellen Lage vgl. Veit, A. (2004): Professionelles Handeln als Mittel zur Bewältigung des Theorie-Praxis-Problems in der Krankenpflege. Bern: Huber, S. 13 ff. 921 Schnieders, B. (2011): Krankenpflege – Ein Berufsbild im Wandel. Frankfurt am Main: Mabuse; Riedel, A. (2007): Professionelle Pflege alter Menschen. Marburg: Tectum; Schönborn, A. (2007): Fachlichkeit in der Altenpflege. Hamburg: Kovac; Hanussek, Z. (2005): Altenpflege in Deutschland. Hamburg: Kovac; Dangel, B. (2010): Von der Wissenschaftlichen Krankenpflege zur evidenzbasierten Pflegewissenschaft. Aachen: Shaker. 922 Dazu auch Bock, Chr. (2009): Unternehmensbindung von Pflegeberufen. Pflegende im Spannungsfeld von beruflicher Identität und Realität. Hamburg: Diplomica. 923 Hier argumentiere ich explizit gegen den (alten wie neuen) ökonomischen Behaviorismus.

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B. Die Reflexion der Empirie

„billigsten“ Einrichtungen heranziehen, haben nicht verstanden, was unter dem Outcomes-bezogenen Konstrukt der Kosten-Effektivität (die die technische Produktionseffizienz impliziert, diese aber substanziell im Sinne einer Ergebnisqualitäts-bezogenen Wirtschaftlichkeitsrechnung überschreitet) zu verstehen ist. So sollte sich m. E. die strategische Unternehmensplanung auf de-institutionalisierende Investitionen einrichten. Diese Transformationsprozesse der Geschäftsmodelle sind aber, das hatte ich schon betont, nicht trivial und benötigen längere Übergangsfristen. Entsprechend muss (und das ist ebenfalls nicht trivial) auch das Personal auf das neue Paradigma des Empowerments924 der BewohnerInnen hin entwickelt und fortentwickelt werden. Entgegen der symbolischen Welt der fachlichen Diskurse, der Unternehmensphilosophien und der betrieblichen Leitbilder925 („Bei uns steht der Mensch im Mittelpunkt“)926 muss ernst gemacht werden mit der teilhaberechtlich orientierten Idee der Hilfe zur Selbsthilfe der Menschen, der Autonomieförderung, einer Ethik der Achtsamkeit927, die gerade dort, wo Asymmetrien und folglich Abhängigkeiten in der Lebensführung entstehen, den EntPersonalisierungen in den institutionellen Praktiken des Helfens entgegen wirken soll.928 Die ökonomischen Interessen der Sozialunternehmen929, seien diese nun private oder auch freie Träger (auch [deutschrechtlich: steuerfreigemeinnützige 930] 924

Schulz-Nieswandt, F. (2007): Behindertenhilfe im Wandel. Berlin: LIT. Vgl. auch Losch, A. (2011): Leitbilder der Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege und diakonischer und caritativer Träger im Vergleich. Kamen: Spenner. 926 Haas, H.-St. (2011): Unternehmen für Menschen. Diakonische Grundlegung und Praxisherausforderungen. Stuttgart: Kohlhammer. 927 Vgl. auch Schmidt, S. (2012): Achtsamkeit und Wahrnehmung in Gesundheitsfachberufen. Berlin/Heidelberg: Springer. 928 Gefordert sind eher entsprechende fallhermeneutische Kompetenzen: DarmannFinck, I./Böhnke, U./Straß, K. (2008): Fallrekonstruktives Lernen. Frankfurt am Main: Mabuse. Vgl. ferner dazu Riedel, A./Lehmeyer, S./Eisbernd, A. (2011): Einführung von ethischen Fallbesprechungen – Ein Konzept für die Pflegepraxis. Lage: Lippe. 929 Die Unternehmen in den sozialen Dienstleistungsmärkten sind immer mehr dem Wettbewerb ausgesetzt; die Marktöffnung nimmt zu. Neue Steuerungsmechanismen (selektive Verträge statt Kollektivvertragswesen; Methoden des New Public Managements etc.) auf der Grundlage eines (auch europarechtlich favorisierten) Gewährleistungsstaatsmodells produzieren verstärkt Quasi-Markt-Mechanismen (Ausschreibungswettbewerb etc.). Personen-zentrierte Budgetinstrumente (vgl. auch Meyer, Th. [2010]: Potenzial und Praxis des Persönlichen Budgets. Eine Typologie von BudgetnutzerInnen in Deutschland. Wiesbaden: VS; auf Mängel der sozialen Unterstützung bei der Wahrnehmung/Nutzung der Budgets verweist Langer, A. [2012]: Persönlich vor ambulant und stationär. Über Personen im System sozialer Dienstleistungen am Beispiel des persönlichen Budgets in Deutschland. Wiesbaden: VS) verändern das sozialrechtliche Dreiecksverhältnis und führen zu komplizierten Parallelsteuerungslogiken zwischen (z. T. bereits durch Experimentierklauseln modifizierten) Korporatismus des sozialrechtlichen Dreiecksverhältnisses einerseits und den „Einkaufsmodellen“ aus Sicht der „Konsu925

VII. Schlussfolgerungen der transzendental Werte-fundierten Forschung

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Non-profit-Unternehmen machen und müssen Gewinne machen, müssen diese aber auf die gemeinwirtschaftlichen, bedarfsdeckenden Sachziele hin re-investieren und nicht z. B. an den Kreis der Aktionäre ausschütten) müssen willentlich eingebettet werden in soziale Ideen einer verbesserten Wohnsituation im Alter.931 Rolle der Angehörigen: Auch die Angehörigen932 (generell die sozialen Netze933, auch die Besonderheit des Betreuungsrechtsverhältnisses934 gemäß BGB935 müssen beachtet werden) müssen soziale Phantasie entwickeln und mit936 Achtsamkeit sich die Frage stellen, welche Wohnform die passende ist für den älteren Menschen, gerade dann, wenn dieser seine Bedürfnisse nur noch schwer artikulieren kann.

menten“ des Budgets andererseits. Insbesondere die Sozialwirtschaft steht vor erheblichen Anpassungsbedarfen. Vgl. dazu auch in der Zeitschrift Sozialwirtschaft 22 (5): „Von der Objekt- zur Subjektförderung“. Unter anderem betrifft dies das Angebotsdesign; zum Teil geht es um die normative Akzeptanz der neuen Konsumentenrolle, sowohl auf der Unternehmensführungsebene (vgl. auch Ehrhardt, A. [2012]: „Als Mensch dem Lieben dienen“. Der mögliche Einfluss der Ethik Albert Schweitzers auf die Verantwortung von Leitungspersonen in sozialen Einrichtungen. Berlin: LIT) als auch auf der Ebene der Professionen der konkreten Dienstleistungen. Die Alterung erfordert hier einen betriebsmorphologischen Wandel, der Anforderungen an die Unternehmenskultur (Hofmann, B. [2010]: Diakonische Unternehmenskultur. Stuttgart: Kohlhammer) stellt. Die Sozialunternehmen müssen Stakeholder-orientiert ihren Leitbildern der „organisierten Sorgearbeit“ in einem verstärkt wettbewerblichen Umfeld nachkommen. Eine Ausrichtung auf eine Strategie des „kooperativen Wettbewerbs“ liegt nahe, denn die Balance zwischen der unternehmerischen Selbstbehauptung einerseits und den Vernetzungs-, Koordinierungs- und Kooperationsbedarfen andererseits muss gefunden werden, sofern die Sozialunternehmen nicht in Eigenregie in die Sicherstellung von Versorgungsketten strategisch und investiv einsteigen. 930 Dazu auch Droege, M. (2010): Gemeinnützigkeit im offenen Steuerstaat. Tübingen: Mohr Siebeck. 931 Zu betonen ist auch nochmals die Rolle kommunaler Wohnungs(bau)unternehmen. Für die Entwicklung notwendiger Finanzierungsmodelle müssen die Rollen der Kreditgenossenschaften, aber auch der Sparkassen (auch im Rahmen ihrer öffentlichrechtlichen Bindung der Gewinnverwendung) stärker angedacht werden. 932 Kreimer, M./Meier, I. (Hrsg.) (2011): „Die Angehörigen wissen am besten was gut ist“. Eine Analyse des Systems der familialen Langzeitpflege und dessen Auswirkungen auf die Lage pflegender Angehöriger. Graz: Leykam sowie Heusinger, J. J./ Klünder, M. (2005): „Ich lass mir nicht die Butter vom Brot nehmen!“ Aushandlungsprozesse in häuslichen Pflegearrangements. Frankfurt am Main: Mabuse. 933 Lindmeier, B. (2006): Soziale Netzwerke. Ihre Bedeutung für ein differenziertes Verständnis von Unterstützungskrisen in der persönlichen Zukunftsplanung. In: Geistige Behinderung 45 (2), S. 99–111. 934 Vgl. etwa Ließfeld, H. (2012): Betreuungsrecht in der Praxis. Geschichte, Grundlagen und Planung rechtlicher Betreuung. Wiesbaden: VS. 935 Vgl. dazu auch Steinmetz, C. (2012): Betreuung durch Angehörige. Hamburg: Kovac. 936 Das wird hier im Sinne einer auf den Anderen wie auch auf das eigene Selbst gerichteten Hermeneutik, die Bedürfnis-und Bedarfsdefinitionshorizonte inter-textuell zur Sinnverschränkung führt, verstanden.

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B. Die Reflexion der Empirie

Denn personales Sein ist und bleibt an der Möglichkeit des dialogischen MitSeins mit dem Mitmenschen gebunden, bedarf entsprechender sozial integrativer Kommunikationsräume, bedarf des Erlebens von Gegenseitigkeit, bedarf personal jeweils akzentuierter Balancen von Nähe (Intimität) und Distanz, des privaten und des öffentlichen Raumes. Aus der eigenen Studie, auf die ich hier immer wieder rekurriere, wird auch erkennbar, wie sehr die Angehörigen um die Sicherheit des älteren und/oder chronisch kranken und behinderten Menschen zentriert sind. Ein „gutes Heim“ dann zu finden, wenn die eigenen Kräfte und die gesamte Ressourcensituation eine häusliche Pflege und Betreuung nicht (mehr) zulassen, ist eine verkürzte Problemlösungsstrategie. Es verweist auf defizitreiche Informationsmärkte, aber auch auf eigene Blickverengungen. Auch hier zeichnen sich Mängel in der kommunalen Beratungskultur ab. Die Mitverantwortung des betroffenen Menschen in seiner lebensgeschichtlichen Rechtzeitigkeit: Allerdings, wie angedeutet, reicht eine Beratungsinfrastruktur unter den Aspekten der Verfügbarkeit und Erreichbarkeit nicht aus; der Mensch steht auch mit seinem Nutzungsverhalten937 in der Mitverantwortung938, sei es der Angehörige, sei es der betroffene Mensch selbst, wenn er erkennt, dass er sich im Alterungsprozess selbst frühzeitig orientieren muss. Die Raumökonomik der Erreichbarkeit ist nur ein Aspekt eines komplexen Funktions-Prozess-Geschehens. Kognitive Orientierungen innerhalb dieser Möglichkeitsräume und daraus resultierendes Nutzungsverhalten spielen ebenso generative Rollen wie die Design-Grammatik der Angebote. Diese spiegeln den impliziten Programmcode der Einrichtungslogiken wider, etwa z. B. eine sozialbürokratische939 (manchmal geradezu kafkaistische940) Tradition. Man wird den Menschen in seinem Zeithorizont in der Lebensverlaufsplanung auch nicht überfordern dürfen. Oftmals steht die Gegenwartszeit im Zentrum des Erlebens. Im fortgeschrittenen mittleren Erwachsenenalter erweist es sich aber sicherlich nicht als falsch, bereits einmal ein Zwischenfazit zu ziehen und sich auf die verbleibenden Jahre vorausschauend vorzubereiten. Die Entwicklungsanforderung fügt sich in die Erkenntnis der Produktivität sinn- und aufgaben-

937 Vgl. z. B. auch Bindel, K. (2012): In: Inanspruchnahme von Unterstützungsangeboten für versorgende Angehörige von Menschen mit Demenz. Berlin: Logos. 938 Koch, B. (2010): Ressourcen von Nutzern. Eine qualitative Studie zur Erschließung von Ressourcenpotenzialen im Gesundheitswesen. Hamburg: Kovac. 939 Dazu Leibfried, St. (1977): Vorwort, zu: Piven, F. F./Cloward, R. A.: Regulierung der Armut. Die Politik der öffentlichen Wohlfahrt. Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 9– 67, hier S. 62. 940 Ebitsch, S. (2012): Die größten Experten der Macht. Machtbegriffe bei Franz Kafka und Kurt Tucholsky. Marburg: Tectum.

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orientierten Alterns gerade für eben dieses weitere Altern ein. Wer rastet, der rostet. Zum Nicht-Rasten gehört der (eben nicht-depressive941) vorausschauende Blick auf die Zukunft, die in der noch nicht ganz abgeschlossenen Vergangenheit im Moment der immer flüchtigen Gegenwart beginnt. Das gilt auch in räumlicher Orientierungs-Sicht.942 In dem von uns untersuchten Mehrgenerationenhaus habe ich beeindruckende Menschen kennengelernt, die sehr frühzeitig und mit langer Suchzeit und Geduld an ihrer Wohnprojektidee gearbeitet haben. Man wird sich hier nicht den Blick auf die soziale Tatsache verstellen dürfen, dass dabei oftmals ein spezifisches Bildungsmilieu wirksam ist. Die Menschen des Mehrgenerationenhauses, nicht nur die Gründer als charismatische943 Pioniere, verstehen ihr Wohnen nach wie vor und weiterhin als „Projekt“, an dem gearbeitet werden muss, soll es doch und dauerhaft gelingen. Ähnliche „Projekt-Philosophien“ kenne ich auch aus Beispielen inter-generationellen und sozial gemischten Wohnformen gemeinschaftlicher Art in Rheinland-Pfalz. Die Herausforderung für die gesamte kommunale Akteurskonstellation: Neues Wohnen im Alter im lokalen Kontext – das erfordert hochgradige Vernetzung. Die Voraussetzung für das Gelingen dieses Vorhabens ist in Deutschland denkbar schlecht. Das ganze medizinische System944, um hier945 die Analyse der Kettenreaktion der brüchigen Versorgung zu beginnen, ist fragmentiert. Und der (chronisch kranke, oftmals von Multi-Morbidität und von nosologischen Schnittflächen zu Formen der Behinderung und zur Hilfe- und Pflegebedürftigkeit geprägte) Mensch irrt (ohne hier umfassend eine tiefere mythopoetische DeChiffrierung vorzunehmen946) im System umher.947 Dem Patienten im kafkaisti941 Dazu auch Meissner, R. (1972): Über den Begriff der erlebten Zeit bei Eugène Minkowski. Diss. Tübingen. 942 Tellenbach, H. (1956): Die Räumlichkeit des Melancholischen. Analyse der Räumlichkeit melancholischen Daseins. In: Der Nervenarzt 7, S. 289–298. 943 Wobei die „soziale Magie“ (vgl. dazu auch in Jentges, E. [2010]: Die soziale Magie politischer Repräsentation. Charisma und Anerkennung in der Zivilgesellschaft. Bielefeld: transcript) der charismatischen Person ambivalent bleibt, da sie einerseits Entwicklungen (Innovationen) produktiv vorantreibt, andererseits im irrationalem Raum neurotischer Verhaltensmuster hineingesteigert werden kann. 944 Busse, R. (2012): Das deutsche Gesundheitssystem im Überblick. 2. Aufl. Berlin: MWV. 945 Ich kann auch auf Analogiefelder verweisen: Maykus, St. (2011): Kooperation als Kontinuum. Erweiterte Perspektive einer schulbezogenen Kinder- und Jugendhilfe. Wiesbaden: VS oder Geiling, W./Sauer, D./Rahm, S. (Hrsg.) (2011): Kooperationsmodelle zwischen Sozialer Arbeit und Schule. Heilbronn: Klinkhardt. 946 Koerner, J. L. (1983): Die Suche im Labyrinth. Der Mythos von Dädalus und Ikarus. Frankfurt am Main: Suhrkamp. 947 Bargfrede, A. (2010): Patienten auf der Suche. Orientierungsarbeit im Gesundheitswesen. Wiesbaden: VS.

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B. Die Reflexion der Empirie

schen System bürokratischer Architekturen fehlt der minoisch-kretische Faden der Ariadne948. Das System der Sozialgesetzbücher ist gemäß des sozialrechtlichen Kausalprinzips leistungs- bzw. kostenträgerschaftlich versäult und jeweils entsprechend selbstreferentiell (nur mit sich selbst beschäftigt, auf sich selbst bezogen, ohne Perspektivenübernahme mit Blick auf die anderen Lebens- und Leistungsbereiche). Die Sektoren (Medizin, Rehabilitation, Pflege, soziale Dienste) sind949 – trotz neuerer Möglichkeiten der sog. Integrationsversorgung950 (§ 140a–d SGB V i.V. m. § 92b SGB XI, trotz § 19 [4] SGB V, auch die spezialärztliche Versorgungseinrichtung nach dem VStG etc.) – ebenso fragmentiert. An den Schnittstellen der Sektoren bleiben die Patientenpfade brüchig. Das „Herumirren“ des Menschen (auch in anderen Kontexten951) ist leider daher nicht selten keine sozialdramatisch unangemessene Metapher. Auch innerhalb der Sektoren bestehen suboptimal gestaltete Schnittstellen. Die verschiedenen Professionen arbeiten auf der Basis ihrer jeweiligen berufskulturellen952 Handlungslogiken in der Regel nicht im Sinne der Multi-Professionalität team-orientiert gut zusammen. Das gilt auch für die internen Ablaufprozesse953 z. B. innerhalb954 eines Krankenhauses.955 948 Köhn, S. (1999): Ariadne auf Naxos. Rezeption und Motivgeschichte von der Antike bis 1600. München: Utz. Vgl. dazu auch Spura, M. (2009): Das verweigerte Opfer des Prometheus. Der Ariadnefaden der abendländischen Geistesentwicklung. Würzburg: Königshausen & Neumann. 949 Der Wandel der Versorgungslandschaften setzt eine Ausdifferenzierung von Betriebsformen der ambulanten, teil- und vollstationären Einrichtungen und Dienste voraus. Denn die neue, altersgerechte Versorgungslandschaft muss sich aus einer Re-Figuration stärker ausdifferenzierter Betriebsformen zusammensetzen, um schicht-, kultur-, alters- und geschlechtsspezifischen Präferenzen stärker gerecht zu werden. 950 Vgl. Amelung, V. E./Wolf, S. (2012): Integrierte Versorgung – Vom Hoffnungsträger zum Ladenhüter der deutschen Gesundheitspolitik? In: Gesundheits- und Sozialpolitik 66 (1), S. 16–22. 951 Vgl. etwa Resch, J. (2012): Odysseus’ Wandlung im Nachkriegsdeutschland. Die Figur des griechischen Helden in der deutschsprachigen Erzählprosa. Marburg: Tectum. 952 Die Forschung hat aber auch private biographische Genesen der beruflichen Haltungskultur (etwa bei MedizinerInnen) aufdecken können. Wobei die qualitative Studie von Nicole Witte (Witte, N. [2010]: Ärztliches Handeln im Praxisalltag. Eine interaktions- und biographieanalytische Studie. Frankfurt am Main/New York: Campus) zeigen konnte, dass die ärztliche Haltung nicht nur der Berufssozialisation geschuldet ist, sondern auch den je eigenen (frühkindlich geprägten) Biografien. Vgl. ferner Müller-Hermann, S. (2012): Berufswahl und Bewährung in der Sozialen Arbeit. Wiesbaden: VS. 953 Balz, H.-J./Spiess, E. (2009): Kooperation in sozialen Organisationen. Stuttgart: Kohlhammer. 954 Z. B. mit Blick auf die Visite (Weber, H. [2011]: Die Ambivalenz in der Pflege auf dem Professionalisierungsweg. Eine empirische Untersuchung bei der täglichen Visite. Berlin: LIT), deren medizinischer Funktionswert durchaus kontrovers ist (positiver: Vogt, M. [2003]: Visite als Planungs- und Steuerungsinstrument in der Pflege und Therapie im Krankenhaus. Hamburg: Kovac), wenn der ethnographische Blick die sakrale Bedeutung dieser kultischen Inszenierung einer zeremoniellen Interaktionsordnung dar-

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Die Schnittstelle zwischen Professionen/Organisationen und ehrenamtlichen Teilen des bürgerschaftlichen Engagements hat sich – nicht ohne bleibende Konflikte und zumindest nicht ohne Ambivalenzen956 – deutlich positiv entwickelt.957 Ohne diese funktionelle Eingliederung des bürgerschaftlichen Engagements innerhalb und durch die Organisationen der formellen Dienstleistungsangebote würde der Versorgungsalltag des deutschen Sozialstaates gar nicht funktionieren.958 Die Zusammenarbeit des (ambulanten wie stationären) Medizinsystems mit den gemeinschaftlichen Formen der Gesundheitsselbsthilfegruppen auf Gegenseitigkeitsbasis lässt immer noch zu wünschen übrig. Immerhin gibt es im Rahmen der öffentlichen Engagementförderpolitik959 z. B. u. a. die Finanzierung gemäß § 20c SGB V. Das bürgerschaftliche Engagement wird entsprechend des wohlfahrtspluralistischen Leitbildes des SGB XI960 (§ 8 SGB XI: Pflege ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe) zunehmend gefördert (vgl. § 45a–d SGB XI).961 legen kann, wobei es wohl um die Replizierung hierarchischer Strukturen (innerhalb des professionellen Gefüges wie mit Blick auf die Asymmetrie zwischen Medizin und Patient) geht. Vgl. so auch Weidmann, R. (2001): Rituale im Krankenhaus. 3. Aufl., München/Jena: Urban & Fischer, S. 118 ff. 955 Vgl. dazu insgesamt Schulz-Nieswandt, F. (2010): Wandel der Medizinkultur? Berlin: Duncker & Humblot. 956 Vgl. auch Steinbacher, E. (2004): Bürgerschaftliches Engagement in Wohlfahrtsverbänden. Wiesbaden: DUV. Zur Professionalisierung der Freiwilligenarbeit vgl. auch Schnurbein, G. (Hrsg.) (2012): Freiwilligenarbeit zwischen Freiheit und Professionalisierung. Zürich: Seismo. 957 Vgl. auch Rosenkranz, D./Görtler, E./Limbeck, B. (2012): Freiwilligenmanagement: Koordination in der Seniorenarbeit. Weinheim/München: Juventa; Reggentin, H./ Dettbarn-Reggentin, J. (2012): Freiwilligenarbeit in der Pflege. Pflegearrangements als zukünftige Versorgungsform. Stuttgart: Kohlhammer. 958 Vgl. dazu insgesamt Schulz-Nieswandt, F./Köstler, U. (2011): Bürgerschaftliches Engagement im Alter. Stuttgart: Kohlhammer. Vgl. ferner Schulz-Nieswandt, F. (2011): Gesundheitsselbsthilfegruppen und ihre Selbsthilfeorganisationen in Deutschland. Der Stand der Forschung im Lichte der Kölner Wissenschaft von der Sozialpolitik und des Genossenschaftswesens. Baden-Baden: Nomos. Zur gemeinschaftlichen Selbsthilfe jetzt aber auch Engelhardt, H. D. (2011): Leitbild Menschenwürde. Wie Selbsthilfeinitiativen den Gesundheits- und Sozialbereich demokratisieren. Frankfurt am Main/New York: Campus sowie Haller, F./Gräser, H. (2012): Selbsthilfegruppen. Weinheim/Basel: Beltz Juventa. Vgl. ferner Schulz-Nieswandt, F. (2012): Multi-disziplinärer Blick auf soziale gegenseitige Selbsthilfe und politische Selbstorganisation von Menschen mit chronischen und seltenen Erkrankungen. In: Monitor Versorgungsforschung 5 (1), S. 38–42. 959 Vgl. auch Backhaus-Maul, H. u. a. (2012): Freiwilligenagenturen in Deutschland. Wiesbaden: VS. 960 Vgl. zum SGB XI insgesamt Rothgang, H./Jacobs, K. (2011): Substanziell und solidarisch – Zur Zukunft der Pflegeversicherung. In: Gesundheits- und Sozialpolitik 65 (4), S. 9–19. 961 Schulz-Nieswandt, F./Köstler, U. (2012): Das institutionelle und funktionale Gefüge von kommunaler Daseinsvorsorge und bürgerschaftlichem Engagement. Ein anthropologischer Zugang zu einem sozialmorphologisch komplexen Feld in sozialpolitischer Absicht. In: Zeitschrift für öffentliche und gemeinwirtschaftliche Unternehmen 35 (4), S. 465–478.

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B. Die Reflexion der Empirie

Möglichkeiten der Vernetzung der professionellen Systeme und der Vernetzung dieser Systeme mit den bürgerschaftlichen Engagementressourcen bestehen also. Dennoch tut sich der Prozess äußerst schwer. In Deutschland hat die Kommune (darauf hatte ich bereits verwiesen) keine machtvollen Governance-Instrumente, um hier effektiv Vernetzungen zu induzieren. Die Einführung der Pflegestützpunkte962 ist eine Reaktion auf diesen Defizitbefund, erweist sich aber bislang auch nicht als (transsektoraler) Integrations-Nukleus. Regionale Pflegekonferenzen963, zum Teil auch regionale Gesundheitskonferenzen964 scheinen zum Teil gut, zum Teil nur schlecht zu funktionieren, sind aber ohnehin nur in wenigen Bundesländern existent. Politische Machtkompetenzen fehlen der Kommune aber auch in diesem Orientierungs- und Aushandlungsraum. Die alte Debatte um die effektive Modernisierung der Rolle der öffentlichen Gesundheitsämter wurde nie ergebnisoffen produktiv geführt. Die moderierende Rolle der Kommune erweist sich somit angesichts der gesamten Integrationsaufgaben im Lichte des fragmentierten, polyzentrischen Raumes horizontaler Politik- und Akteursverflechtung als strukturell systematisch schwach. Und die vertikalen Politikverflechtungen im Rahmen des bundesdeutschen Föderalismus erschweren ebenso die Möglichkeiten der innovativen Policy-Entwicklung. Hier liegt ein dramatisches Governance-Vakuum vor.965 Vor dem Hintergrund dieser skizzierten Konstellation erweist sich die Vernetzung des kommunalen Raumes (systemtheoretisch gesehen: K-Hyp) als eine sehr unwahrscheinliche, wenn auch nicht unmögliche Aufgabe. Bornierte (also kognitiv verengte) ökonomische Interessen der Einrichtungsträger, bornierte Kostenträgerinteressen, Ressort- und Budgetpartikularismen in kommunaler Politik und Verwaltung sowie in Landesministerien, in ihren Kompetenz-bezogenen Rollenidentitäten966 leicht zu kränkende und mit Blick auf ihre Domänen ökonomisch 962 Dazu auch Michell-Auli, P./Strunk-Richter, G./Tebest, R. (2010): Was leisten Pflegestützpunkte? Konzeption und Umsetzung. Köln: KDA. 963 Schnitger, M. (2011): Pflegekonferenzen als geeignetes Instrument zur Optimierung des deutschen Pflegemarktes? Steuerungspotenzial lokaler Politiknetzwerke im Rahmen von Wohlfahrtsmärkten. Schriftenreihe für Public und Nonprofit Management 6. Universität Potsdam. 964 Heinemann, N. (2008): Der Handlungszyklus in der kommunalen Gesundheitsförderung. Mit dem Schwerpunkt einer regionalen Gesundheitskonferenz. Hamburg: Diplomica. 965 Vgl. auch Bode, I. (2007): Public-Private-Partnership im Pflegesektor. Ein deutsch-englischer Vergleich wohlfahrtsstaatlicher „Governance“ und ihre Folgen. In: Sozialer Fortschritt 56 (3), S. 64–72 und Theobald, H. (2010): Pflegepolitik, Sorgetätigkeiten und Ungleichheit: Europäische Perspektiven. In: Sozialer Fortschritt 59 (2), S. 31–39. 966 Vgl. auch Holzäpfel, S./Neufang, A./Mischo, J. (2012): Neue Arbeitsteilung im Gesundheitswesen. Risiko? Herausforderung? Gewinn? Marburg: Tectum.

VII. Schlussfolgerungen der transzendental Werte-fundierten Forschung

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angstbesetzte Professionen967 (seien es die Hausärzte oder die Care-Professionen968 im medizin-komplementären Handlungsraum: „Wem gehört der Patient?“)969, kleinbürgerliche Weltbilder der AnwohnerInnen in den hier relevanten Nachbarschaftsräumen970 („Ich will nicht ständig den Krankenwagen oder den Leichenwagen hören und sehen“; „meine Kinder sollen nicht mit den ,Mongos‘ aufwachsen“; „ich will nicht, dass bei uns diese ganzen Bekloppten ständig frei herumlaufen“ etc.) – all das sind strukturell verwandte Blockaden, menschliche, allzu menschliche Blockaden, wobei daran zu erinnern ist, das der nietzschesianische Blick keine Entschuldigungshaltung generiert. Es geht hier nicht um eine anti-philantropische Konstatierung diffuser „Dummheit“, eine Haltung, die mit Blick auf die dann zu leistende Neu-Schaffung des (eben „neuen“) Menschen doch nur im Totalitarismus mündet. Eine integrierte Sozialraumplanung971, die mit Blick auf die BürgerInnen partizipativ ist, mit Blick auf wichtige organisierte Akteure (z. B. die Wohlfahrtspflege972) involvierend ist, mit Blick auf die kommunale Verwaltung ressortübergreifend ist etc., hat es sich nicht leicht gemacht, sich dieser Aufgabe zu stellen. Bemerkenswert ist die lange Dauer, mit der sich derartige Kulturfragen des modernen Sozialstaates stellen. Schon in den 1950er Jahren hat Walter Auerbach (1905–1975)973, u. a. 1969 bis 1972 Staatssekretär im Bundesministerium für Arbeit, dafür geworben, unter dem Titel der „Sozialgemeinde“ die Politikbereiche und folglich auch die Ressortbudgets auf eine bereichsübergreifend-integrative

967 Vgl. auch Adler, P. S./Kwon, S.-W./Heckscher, Ch. (2008): Professional Work: The Emergence of Collaborative Community. In: Organization Science 19 (2), S. 359– 376. 968 Vgl. auch Kaba-Schönstein, L./Kälble, K. (2004): Interdisziplinäre Kooperation im Gesundheitswesen. Frankfurt am Main: Mabuse. 969 Heymann, R. (2012): Fachkräfte zur Arztentlastung. Das AGnES-Modell zur Entlastung von Hausärzten, empirische Darstellung der Kapazitäten und Analyse der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Marburg: Tectum; Block, K. u. a. (2012): Allgemeinmedizin und Pflege in der ambulanten und heimstationären Versorgung. Der weite Weg zur Kooperation. Weinheim/München: Juventa. Zum Problem innerhalb des Krankenhauses vgl. auch Wagner, M. (2010): Aufgaben im Krankenhaus neu aufteilen. Stuttgart: Kohlhammer. 970 Thimm, W. (2001): Leben in Nachbarschaften. Struktur und Konzeption eines gemeindenahen Systems besonderer pädagogischer Förderung. In: Zeitschrift für Heilpädagogik, 52 (9), S. 354–359. 971 Kessl, F./Reutlinger, Chr./Maurer, S./Frey, O. (Hrsg.) (2005): Handbuch Sozialraum. Wiesbaden: VS. 972 Lingenfelser, St. (2011): Freie Wohlfahrtspflege in Deutschland. Marburg: Metropolis sowie Jähnichen, T. u. a. (Hrsg.) (2010): Caritas und Diakonie im „goldenen Zeitalter“ des bundesdeutschen Sozialstaats. Stuttgart: Kohlhammer. 973 Auerbach, W. (1971): Beiträge zur Sozialpolitik. Neuwied/Berlin: Luchterhand.

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B. Die Reflexion der Empirie

Weise zu vernetzen. Heute stellt sich diese Aufgabe im Lichte des sozio-demographischen Wandels weiterhin, aber auch neu, dringlicher als je zuvor. Was Kommunen benötigen: kommunale Agenturen für Sozialkapitalförderung: Man wird sich, wenn man Kommunen auch als Dienstleistungszentren974 für die BürgerInnen versteht, die Diskrepanz klarmachen müssen: Ämter für regionale Wirtschaftsförderung gibt es überall; kommunale Agenturen für Sozialkapitalförderung nicht. Und auch Humankapital wird allerorts gefördert. Aber das Sozialkapital wird vergessen. Und damit wird eine der wichtigsten Ressourcen übersehen. Sozialkapital975 ist der Ertrag der Investitionen in soziale Netze, die multiple Funktionen haben: Sozial vernetzte Welten sind Orte der Rollenangebote und somit der Kompetenzentwicklung, -entfaltung und -pflege, sind Orte der sozialen Integration, die für die Lebensqualität der Menschen entscheidend sind und sind Orte der sozialen Unterstützung, ohne die fast alles nicht funktionieren würde.

974 Rauber, B. A. (2012): Finanzierung zentralörtlicher Funktionen. Belastung und Finanzierung Zentraler Orte aus kommunaler Sicht. Berlin: LIT. 975 Schulz-Nieswandt, F. u. a. (2009): Generationenbeziehungen. Netzwerke zwischen Gabebereitschaft und Gegenseitigkeitsprinzip. Berlin: LIT.

C. Die anthropologische Herausforderung des Wandels VIII. Der strukturale Blick der Analyse Es geht hier auch nicht um eine nochmalige Neu-Erfindung eines „neuen Menschen“.976 Das hatte ich bereits deutlich betont. Manches ist (verhaltenswissenschaftlich betrachtet) durch intelligente Anreizpolitik zu motivieren, anderes erfordert (humanwissenschaftlich komplexer gesehen) aber doch eine Veränderung der kulturellen Grammatik des Denkens und Handelns der Menschen, weil menschliches Handeln nicht rattenpsychologisch (das ist eine andere Bezeichnung für Behaviorismus, auch der neueren mikroökonomischen Theorie977, die zwar eine kognitionspsychologische „Wende“, aber keinen „cultural turn“ 978 kennt, also die „black box“ etwas aufhellt, aber die Genese und das Prozessgeschehen dennoch weiterhin un-analysiert lässt) aufgeht in eine Logik der geschickten Setzung von Rahmenbedingungen, die von Ökonomen, Juristen oder anderen Sozialingenieuren inszeniert werden. Politik gewinnt damit ein Aufgabenprofil zurück, dass in der antiken politischen Philosophie das zentrale Moment gelingenden Mensch-Seins war: die Arbeit an der eigenen Tugendethik (wobei sich zugleich vieles agonal um die männliche Ehre drehte979), ohne die das gedeihliche Zusammenleben in der polis nicht gelingen kann.980 An diesem Punkt der Darlegung fügt sich meine Argumentation nahe an die Max Scheler’sche981 (1874–1928) Idee einer Grammatik der Gefühle982, aus der 976 Zu dieser Problematik vgl. auch Salamun, K. (2012): Wie soll der Mensch sein? Tübingen: Mohr Siebeck (UTB). 977 Vgl. in Tanner, J. (2004): „Kultur“ in den Wirtschaftswissenschaften und kulturwissenschaftliche Interpretationen ökonomischen Handelns. In: Jaeger, F./Rüsen J. (Hrsg.): Handbuch der Kulturwissenschaften. Bd. 3. Stuttgart/Weimar: Metzler, S. 195– 224. 978 Dazu orientierend Bachmann-Medick, D. (2006): Cultural Turns. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt. 979 Brüggenbrock, Chr. (2006): Die Ehre in den Zeiten der Demokratie. Das Verhältnis von athenischer Polis und Ehre in klassischer Zeit. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht. 980 Dazu auch Girshausen, Th. (1999): Ursprungszeiten des Theaters. Das Theater der Antike. Berlin: Vorwerk 8. Vgl. auch Knöbl, R. (2012): Das antike Drama. München: Beck. 981 Good, P. (1998): Max Scheler. Düsseldorf/Bonn: Parerga sowie Mader, W. (1980): Scheler. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt. Vgl. auch Sander, A. (2001): Max Scheler zur Einführung. Hamburg: Junius.

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C. Die anthropologische Herausforderung des Wandels

heraus, also nicht nur aus Verstand und Vernunft, die sozialen Interaktionen geschöpft werden, die hier von Interesse sind. Die anvisierte Inklusionspraxis, argumentiere ich aus der Sicht der leiblichen Affektualität983 des Menschen, wobei ich die integrative Kraft einer Noetik des Geistes im Rahmen einer Strukturpsychologie der menschlichen Personalitätsschichtung nicht ausschließen würde, benötigt somit spezifische Motive, die den funktional (ich sollte sagen: transzendental) notwendigen Sozialcharakter fundieren. Da im Lichte der Anthropologie der Mensch (erziehungsphilosophisch gesehen) sowohl kulturbedürftig als auch kulturfähig, also sowohl erziehungsbedürftig als auch erziehungsfähig ist, erweist sich das definierte Programm als erfahrungsgemäß sehr schwierig, aber nicht als a priori unmöglich. Es wird nicht um ein Regierungsprogramm der kollektiven Umerziehung gehen können, wohl aber um die Arbeit an dieser Sozialisationsaufgabe. Unmöglich ist das Programm nicht: Der Mensch weist eine erhebliche Plastizität bis ins hohe Alter hinein auf. „Was Hänschen nicht lernt . . .“, lernt Hans zwar nur noch schwer; aber es wäre falsch zu konstatieren, der älter gewordene Hans könne überhaupt nicht mehr lernen. Gleichwohl ist und bleibt Politik mit Absicht auf Gesellschaftspädagogik und Ideenpolitik im menschlichen Zoo schwierig: Die einzelnen Exemplare der Gattung Mensch haben ihre tief eingravierten Strickmuster, haben ihre lebensgeschichtlichen Inskriptionen984 (Einschreibungen in die „Wachstafel“ 985, die man Persönlichkeit nennt). Rechtsphilosophisch scheint aus diesem Denken vor allem ein Erfordernis des Schutzes der Privatheit986 zu erwachsen. Doch diese Sicht reicht nicht aus. Denn Privatheit (und ihr polares gegenüber: die Öffentlichkeit) sind kulturelle Konstrukte und von hoher semiotischer Varianz gekennzeichnet. Die Problematik987 982

Scheler, M. (2000): Grammatik der Gefühle. München: dtv. Orientierend auch Flam, H. (2002): Soziologie der Emotionen. Konstanz: UVK (UTB). 984 Hier durchaus funktionsanalog zum heiligen Geist der katholischen Doxa gedacht. Dazu etwa Bründl, J. (2010): Gottes Nähe. Der Heilige Geist und das Problem der Negativität in der Theologie. Freiburg i. Br.: Herder sowie Welker, M. (2010): Gottes Geist. Theologie des Heiligen Geistes. Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Verlag. 985 Zur Idee der „Wachstafel“ vgl. in Platons Theaitetos 191c (aber auch bei Aristoteles in De anima III 4, 429b29–430a2). Vgl. auch in Horn, Chr./Müller, J./Söder, J. (Hrsg.) (2009): Platon-Handbuch. Stuttgart/Weimar: Metzler und in Rapp, Chr./Corcilius, K. (Hrsg.) (2011): Aristoteles-Handbuch. Stuttgart/Weimar: Metzler. 986 Zu deren historischen „Aufstieg“ vgl. am Beispiel der USA Coontz, St. (1994): Die Entstehung des Privaten. Amerikanisches Familienleben vom 17. bis zum ausgehenden 19. Jahrhundert. Münster: Westfälisches Dampfboot. 987 Rössler, B. (2002): Der Wert des Privaten. 2. Aufl. Frankfurt am Main: Suhrkamp. 983

VIII. Der strukturale Blick der Analyse

169

ist ambivalenter als eine liberale Einfachheit suggeriert. Was meine ich mit dem Prozess der Inskription? Ohne eine Theorie des intra-personalen psychischen Arbeitsapparates kann dies nicht geklärt werden. Die Annahme eines solchen „Apparates“ ist die Voraussetzung dafür, im Rahmen einer post-strukturalistischen Habitus-Hermeneutik988 überhaupt die Theorie des Skriptes und die Theorie skript-gesteuerter Personen zu verstehen. Das etwas weiter unten nachfolgende Schaubild 5 faltet Person und Sozialität ineinander. Im intra-personalen Raum der leiblich gebundenen, aber eben auch der geistigen und seelischen Schichtung989 organisiert das Ich als „Gleichgewichts-Manager“ die Ambivalenz zwischen der Repräsentation des Sozialen einerseits und der Begierde als Dynamik der inneren Natur des Menschen andererseits. Dieser Ansatz ist im Prinzip freudianisch. Die Repräsentation ist natürlich als internalisierte Ablagerung des Sozialen zu verstehen.990 Darunter verstehe ich sozialisationsbiographisch eine Inkorporierung des Sozialen, die in der Kehrwertseite eben auch die Personalisierung des Subjekts meint. Hierzu zählt, um den Kreislauf (wodurch durkheimianisch tatsächlich das Soziale durch das Soziale vermittels einer sozialpsychologischen Tiefenschichtung der Soziologie erklärt wird) auch zu schließen, aber eben auch die Neigung der Person zur Objektbesetzung. Das Soziale (als Signifikat) inskripiert nicht nur das Subjekt (als Signifikant), sondern das Subjekt strebt nach Aneignung des Sozialen. Die Objektbesetzung ist entwicklungsnotwendig, da es Erfahrungen mit den Versuchen der Verwirklichung der Begierde generiert. In der dabei wirksam werdenden Konfrontation mit der normativen Welt des Sozialen als Welt der Verund Gebote, der Tabus991 und des Sollens, der sozialen Konzeptionen des Wünschenswerten entwickelt sich die Identität in der Ich-Funktionalität der Person, die die Begierde zur Über-Ich-Inskription in der tiefen psychischen Schichtungsarchitektur vermitteln muss.

988

Michel, B. (2006): Bild und Habitus. Wiesbaden: VS. Ich orientiere mich zum Teil an Thomae, H. (1968): Das Individuum und seine Welt. Eine Persönlichkeitstheorie. Göttingen: Hogrefe, damit in der August Vetter/Phillip Lersch-Tradition stehend. Zu verweisen ist auch auf Wilhelm Stern (1871–1938), dem im Personalismus fundierten Begründer der differentiellen Psychologie. 990 Durkheim, E. (1976): Soziologie und Philosophie. Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 113: Die Gesellschaft „ist vor allem eine Gesamtheit von Ideen, Überzeugungen und Gefühlen aller Art, die durch die Individuen Wirklichkeit werden; und den ersten Rang unter diesen Ideen nimmt das moralische Ideal ein, ihr hauptsächlicher Daseinsgrund.“ 991 Kraft, H. (2004): Tabu. Magie und soziale Wirklichkeit. Düsseldorf/Zürich: Walter/Patmos. 989

170

C. Die anthropologische Herausforderung des Wandels

Die personale Welt entwickelt sich, mich hier etwas anlehnend an Edith Jacobson (1897–1978)992, also nur in der Konfrontation mit den normativen Möglichkeiten der Welt der Dinge.993 Das relative Gelingen entscheidet über den Grad der neurotischen (etwa depressiven994) Struktur der transaktionalen Prozessschemata der Person. Der (generalisierte ödipale995) intra-personale Urkonflikt resultiert somit aus einer sozialen Konfliktfiguration, die im Urkonflikt reflektiert wird: Das Soziale – somit der generalisierte Andere – will das Subjekt beherrschen, während das Subjekt die Herrschaft über die soziale Umwelt begehrt. Lösbar ist der Konflikt nur als Daseinsmodus im sozialen Mit-Sein, indem sich die Polarität des kontrafaktischen Begehrens auflöst zur Ontik des Zwischenraumes der reziproken Personalitäten. Und auch hier will ich abschließen mit einem Verweis, der weiter oben bereits vorgenommen worden ist. In meiner bereits im Vorwort als Ankündigung angesprochenen theoretischen Schrift zur Hermeneutik der genossenschaftlichen Morphologie der gelingenden menschlichen Gestaltqualität des Daseins werde ich diese Onto-Theologie tiefgreifender entfalten. Dennoch möchte ich die Dialogizität dieses Personalismus im Kontext einer chronotopischen Vorgängigkeit des historischen Apriori des Geworfenseins nochmals betonen. Daher argumentiere ich auch hier heideggerianisch, wonach die subjektiven Entwürfe des Lebens in ihrer personalen Gestaltqualität immer nur „geworfene Entwürfe“ sein können. Das ist entgegen Jean-Paul Sartre (1905–1980) formuliert und resultiert kulturwissenschaftlich aus dem Dispositivitäts-Denken in der Foucault-Agamben-Linie. Das nunmehr (S. 172) nachfolgende Schaubild 6 bringt die Ontologie des Sozialen im Kern auf den Begriff. Im Zentrum steht die performative Dialogizität von Ich und Du, von Ego und Alter Ego. Ich gehe als Ontologie dieses Zwischen992 May, U./Mühlleitner, E. (2005): Edith Jacobson. Sie selbst und die Welt ihrer Objekte. Leben, Werk, Erinnerungen. Gießen: psychosozial. 993 Jacobson, E. (1998): Das Selbst und die Welt der Objekte. 5. Aufl. Frankfurt am Main: Suhrkamp. 994 Jacobson, E. (1983): Depression. Frankfurt am Main: Suhrkamp. 995 Dazu instruktiv Ahrens, J. (2004): Ödipus. Politik des Schicksals. Bielefeld: transcript. Ahrens kann in überzeugender Weise zeigen, dass die Individualität ein Modus der unhintergehbaren Vergesellschaftung ist und bleibt, womit die Sozialität ein vorgängiges Apriori angesichts der Selbstreflexionen des Subjekts als autonomes Subjekt im historischen Zeitstrom darstellt. Freiheit ist, so interpretiere ich die Darstellung der ontologischen Aprioris der anthropologischen Verfassung des Menschen als Sozialwesen von Ahrens, somit immer nur in der institutionellen Bindung (homo institutionalis) und der politischen Ordnung (homo politicus) des Menschen als homo culturalis möglich. Dazu auch Reckwitz, A. (2012): Die Erfindung der Kreativität. Frankfurt am Main: Suhrkamp.

VIII. Der strukturale Blick der Analyse „Faltung“

171

Gesellscha: soziale Konstellaonen

Repräsentaon des Sozialen Ich* die innere Natur: Begehren

Objektbesetzungen

* Funkon: Gleichgewichts-Management

Schaubild 5: Die Idee des intra-personalen psychischen Arbeitsapparates

raumes also von einer Transzendentalität der sozialen Praxis als Inter-Subjektivität aus. Dieses Kommunikations-Apriori mag zwar in Analogie zur linguistischen Wende in der textualen Sozialtheorie an verbale Kommunikation anschließen, erschöpft sich aber nicht im sprachvermittelten Austausch, sondern umfasst die ganze Leiblichkeit des Menschen, die im gewissen Sinne natürlich auch Sprache (Text) ist. Diese Praxis ist im Lichte eines performativen Turns innerhalb der Kulturwissenschaften zugleich eine Analogie zur Sprechakttheorie, die soziale Wirklichkeit überhaupt erst prozessural erzeugt. Die Einbindung in die linguistische Semiotik bleibt für mich, der Strukturalismus und Hermeneutik so vereinigt, dass auch die Performativität in einem neo-cassierischen Sinne semiotisch fundiert bleibt, jedoch wirksam. Denn im Schaubild 6 wird deutlich zum Ausdruck gebracht, dass die Akteure Ich und Du jeweils Wir-Inskriptionen inkorporieren, die auf die Vorgängigkeit996 der Sozialisationsbiographien in chronotopischen Kontexten verweisen.997 Ich und Du konstituieren sich zwar reziprok (nämlich durch reziproke Mich-Erfahrungen998, die das Ich und das Du jeweils in der Alteritäts-Rolle von Du und Ich 996 Schmid, H. B. (2005): Wir-Intentionalität. Kritik des ontologischen Individualismus und Rekonstruktion der Gemeinschaft. Freiburg i. Br.: Alber. 997 Vgl. dazu auch in Rothe, F. (2006): Zwischenmenschliche Kommunikation. Eine interdisziplinäre Grundlegung. Wiesbaden: DUV. 998 Klassisch und grundlegend dazu Mead, G. H. (2010): Geist, Identität und Gesellschaft. 16. Aufl. Frankfurt am Main: Suhrkamp.

172

C. Die anthropologische Herausforderung des Wandels

WIR (vorgängig) In- skripon

ICH

DU

MICH

MICH (An-Rufung) DU

ICH

In- skripon WIR (vorgängig) Schaubild 6: Die soziale Praxis als performative Konstruktion des Sozialen

erfahren)999, aber dies nur als selbst wiederum jeweils inskripierte Subjekte einer vorgängigen sozialen An-Rufung. Wandel ist angesichts der Vorgängigkeit der Sozialisationsbiographien immer nicht trivial. Wandel als kultureller Wandel funktioniert nicht in der einfachen mechanischen Logik des „switch-on“ und „switch-off“ eines Lichtschalters, der die Situationen von hell und dunkel und zurück wechseln lässt. Diese Lichtschalter-Theorie des lieben Gottes hat in einer realistischen Soziologie des sozialen Wandels im geschichtlichen Zeitstrom keinen Platz. Dennoch gibt es keine Alternative zur Notwendigkeit der Choreographie des Wandels. Und ich orientiere mich an Camus1000, der konstatierte, wir müssten uns Sisyphos als einen glücklichen Menschen vorstellen! Und in verwandter (weil ebenso existenzialistisch1001 angelegter) Weise finden wir bei Saint-Exupéry1002 den Satz: „Es gibt vielleicht auch keinen Sieg. Es gibt keine endgültige Rückkehr aller Flugzeuge.“ 1003 999 Kaminska, M. (2010): Dialogische Pädagogik und die Beziehung zum Anderen. Münster u. a.: Waxmann. 1000 Camus, A. (2000): Der Mythos des Sisyphos. 10. Aufl. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, S. 160. 1001 Oei, B. (2010): Camus. Sisyphos zwischen dem Absurden und der Revolte. Berlin: LIT. Ferner dazu Frey, U. (2009): Von solitaire zu solidaire. Albert Camus’ Entwurf einer Ethik. Marburg: Tectum. 1002 Biermann, K. (2012): Antoine de Saint-Exupéry. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt. 1003 Saint-Exupéry, A. (1960): Nachtflug. Frankfurt am Main/Hamburg: Fischer, S. 23.

VIII. Der strukturale Blick der Analyse

173

Es ist keineswegs so, dass die heutige Gesellschaft (zu) wenig für das Alter tut. Die Behauptung des Gegenteils ist einer der modernen politischen Mythen. Die altersbezogene Sozialleistungsquote ist hoch. Doch tun wir mit dem vielen Geld auch das Richtige? Ich glaube nicht, dass wir uns schuldig machen durch Mangel an ökonomischem Engagement in der Generationenvertragsfrage1004. Die Angst vor dieser Schuld (gegenüber dem Alter) scheint archetypisch.1005 Und das ist zunächst gut so. Doch hier darf die moralische Selbstreflexion nicht stehen bleiben. Wie intelligent oder phantasiereich verwenden wir das Geld in diesem Handlungsfeld? Zumal die Opportunitätskosten immer mit zu kalkulieren sind, denn andere Bedarfsfelder stehen ebenso an, etwa – um an dem vorderen Teil der Lebenspanne anzusetzen – die Gestaltung der Umwelten für gelingendes Aufwachsen der Kinder (bildungsferner sozialer Herkunft und/oder mit Migrationshintergrund). Unsere Antwortmuster auf das Alter(n) des homo patiens folgen dem baulichmentalen Hospitalwesen seit Ausgang des vorchristlichen Altertums. Motiviert auf der Basis durchaus verantwortungsfundierter Haltungen der Gnade und Barmherzigkeit1006, verdichtet in Bildsprachen der Eltern-Kind-Beziehung im privaten Raum oder der Hirt-Herde-Beziehung1007 im öffentlichen Raum, (A) Eltern : Kind = (B) Hirt : Herde = A : B = privat : öffentlich, 1004 Dabei zeichnet sich zunehmend ab, dass es eine falsche Optik ist, das Alter als Altersklasse isoliert zu betrachten. Gesellschaften sind immer Generationengefüge, Verschachtelungen von Generationen, die in intensiven, „in Geschichten verstrickten“ Austauschbeziehungen stehen. Und diese Generationenbeziehungen lassen sich nicht auf markttausch-ähnliche Logiken reduzieren, sondern sind konstitutiv durch von solidarorientierter Gabebereitschaft gekennzeichnete Formen der Reziprozität geprägt. Von „Moralökonomie“ ist daher angemessen die Rede, weil die Ressourcenströme zwischen den Generationen nicht nach einem reinen Markttauschprinzip ablaufen. Diese durch soziologische Datensätze fundierten Befunde schließen den psychologisch definierten Aspekt der Ambivalenz gar nicht aus; nicht fundiert dagegen sind Szenarien, die bis in die Politische Ökonomie der „Gerontokratie“ reichen. Dazu auch Schulz-Nieswandt, F./ Sauer, M. (2009): Von der Demokratie zu Gerontokratie? Anthropologie, Soziologie und Psychologie der Generationenbeziehungen zwischen Gabebereitschaft und Gegenseitigkeitsprinzip. In: Deutsche Rentenversicherung Bund (Hrsg.): Die Lebenslagen Älterer: Empirische Befunde und zukünftige Gestaltungsmöglichkeiten. Berlin, S. 8–22. 1005 Grätzel, St. (2004): Dasein ohne Schuld. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht. 1006 Vgl. dazu auch Benedict, H. J. (2008): Barmherzigkeit und Diakonie. Von der rettenden Liebe zum gelingendem Leben. Stuttgart: Kohlhammer. Vgl. auch Niehr, H. (2005): „Der barmherzige Gott, zu dem es gut ist zu beten“. In: Welt und Umwelt der Bibel 10 (2) Nr. 36, S. 12–17. Vgl. ferner Franz, M. (2003): Der barmherzige und gnädige Gott. Die Gnadenrede vom Sinai (Exodus 34, 6–7) und ihre Parallelen im Alten Testament und seiner Umwelt. Stuttgart: Kohlhammer. 1007 Jungbluth, R. (2011): Im Himmel und auf Erden: Dimensionen von Königsherrschaft im Alten Testament. Stuttgart: Kohlhammer. Grundlegend dazu auch HunzikerRodewald, R. (2001): Hirt und Herde. Ein Beitrag zum alttestamentlichen Gottesverständnis. Stuttgart: Kohlhammer. Vgl. ferner in Taureck, B. H. F. (2004): Metaphern und Gleichnisse in der Philosophie. Versuch einer kritischen Ikonologie der Philosophie. Frankfurt am Main: Suhrkamp.

174

C. Die anthropologische Herausforderung des Wandels

halten wir organisierte Hilfe vor: Orte der verwahrenden Pflege und des SichKümmerns. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts reicht das (als Logik des Um-Sorgens) kulturell nicht mehr hin. Die humanen Wohnformen des Alters und des homo patiens insgesamt in der Zukunft (das gilt aber zugleich für alle Lebensabschnitte im Lebenszyklus) erfordern eine stärkere Öffnung des Privaten in den öffentlichen Nutzungsraum, dem Raum der sozialen Kommunikation hinein und eine stärkere Offenheit der Wohnformen für Rückzüge in private Schutzräume, ohne dass diese personalen Refugien als vermeintliche negative Disengagement1008-Praxis ausgelegt werden müssen. Autonomie-Orientierung verbindet sich mit brennenden Fragen nach einer Kultur des Umgangs mit Abhängigkeiten im hohen Alter. In der Findung von ausbalancierenden Pfaden dieser individuellen wie kollektiven Herausforderungen wird sich zeigen, ob und wie personales Sein im Modus des sozialen Mit-Seins gelingen wird.

IX. Das Gleichgewicht von Offenheit und Bindung. Eine psychodynamische Sicht Die nachhaltige kommunale Gastfreundschaftskultur für den Fremden, der sodann dauerhaft bleibt und zum vollwertigen genossenschaftlichen Mitglied der Rechts- und Hilfegemeinde wird, setzt (psychodynamisch betrachtet1009) psychogrammatische Dynamiken1010 voraus, die sich als nicht-neurotischer Orientierungs-Korridor zwischen Nähe (N) und Distanz (D) beschreiben lassen. Und dieser equilibrative Korridor wird von mir definiert als eine Disposition, die wiederum betitelt als „Offenheit als Basis von Bindung“, klassifiziert wird. Das nachfolgende Schaubild 7 bringt diese equilibrative Topographie zur Darstellung. Der angesprochene Orientierungskorridor liegt im Koordinatensystem zwischen N und D einerseits und Angst (A) und Mut (M) andererseits auf der rechten Seite des oberen und unteren Quadranten.

1008 Tesch-Römer, C. (2010): Soziale Beziehungen alter Menschen. Stuttgart: Kohlhammer, S. 46 ff. 1009 Mentzos, St. (2011): Lehrbuch der Psychodynamik. 5. Aufl. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht. 1010 In der religionsgeschichtlichen Dämonismus-Forschung ist auch von Dynamismus die Rede. Auch damit ist genau die von mir betonte Offenheit gegenüber den andersartigen Umwelterscheinungen angesprochen.

IX. Das Gleichgewicht von Offenheit und Bindung

175

N

Offenheit als Basis der Bindung

Symbiose

A

M

Ekel

D

Schaubild 7: Der Gleichgewichts-Korridor im Koordinatenkontext der neurotischen Abweichungen (I)

Im neurotischen Raum (AN, AD) liegen die Ungleichgewichts-Möglichkeiten, die einerseits als Symbiose, andererseits als Ekel bezeichnet werden. Hier dominiert die Angst (A) und kombiniert sich einerseits mit N, andererseits mit D. Das nun nachfolgende Schaubild 8 macht die Fluchtpunkte der vier Orientierungs-Dispositionen deutlich.

N

Regression

Liebe

A

M

Enremdung

Kontrakte

D

Schaubild 8: Der Gleichgewichts-Korridor im Koordinatenkontext der neurotischen Abweichungen (II)

176

C. Die anthropologische Herausforderung des Wandels

Als neurotische Möglichkeitsräume sind die beiden linken Teilräume, jeweils der obere und der untere Quadrant markiert. Hier liegen Tendenzen zur Regression1011 einerseits und zur Entfremdung (je nach Kombination von A mit N bzw. A mit D) vor.1012 Die beiden rechtseitigen Quadranten haben ihre Fluchtpunkte dispositionaler Art in der Liebe (im Teilraum NM) und im Kontrakt (im Teilraum DM). In diesen beiden Quadranten wurde im vorausgegangenen Schaubild 7 der Gleichgewichtskorridor „Offenheit als Basis der Bindung“ lokalisiert. Das nunmehr nebenstehende Schaubild 9 verdeutlicht die inneren psychodynamischen generativen und verschiebenden Mechanismen. Der Gleichgewichts-Raum ist zwischen A*, N und D aufgespannt. Die Dynamik geht von A* aus, definiert so aber vektoriell (und hier kommt die evolutionär sinnvolle Funktionalität eines nicht-neurotischen Ausmaßes an Angst1013 [als A* definiert] zum Ausdruck)1014 die Korridor-Gerade ND. Abweichungen von N bzw. D „nach oben“ (zu N* bzw. D*) werden durchaus als Gefahr von Überspitzungen in der Liebes- und Kontrakt-Orientierung der

1011 Zur Problematik der Regression als Verfehlung (ein Begriff, denn ich existenziell daseinsanalytisch auslegen möchte) eines authentischen Selbst vgl. auch in Luckner, A./ Kuhl, J. (2007): Freies Selbstsein. Authentizität und Regression. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht. 1012 Die Entfremdung besteht in der Unterausschöpfung seines sittlichen Potenzials im kooperativen – fundamental als Möglichkeit der Liebe des homo donans gedachten – Modus der Existenzerhellung und der praktischen – auf Geben und Nehmen abstellenden – Daseinsführung. Damit stelle ich vor allem auf Tillich ab. Dazu ausführlich in Mugerauer, R. (1996): Versöhnung als Überwindung der Entfremdung. Marburg: Tectum sowie in Murmann, U. (2000): Freiheit und Entfremdung. Paul Tillichs Theorie der Sünde. „Manche Leute, nicht wahr, verbringen ihr Leben ohne es zu wissen.“ (Troller, G. St. [1969]: Pariser Journal. Frankfurt am Main: Fischer, S. 13). In diesem Sinne hat auch Bloch Szenarien missglückter Lebensverläufe reflektiert: Bloch, E. (1959): Das Prinzip Hoffnung. 2 Bde. Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 21 ff. Seine Position reflektiert dieses missglückte Leben im Lichte einer Ontologie des Noch-Nicht, die ich als quasi gnostische Logik der Wahrheit in der Immanenz lese. Oder wie es Romano Guardini (1885–1968) ausdrückte: Das Tier lebt, der Mensch existiert als Dasein (Guardini, R. [1962]: Welt und Person. Würzburg: Werkbund-Verlag Guardini 1962, S. 110 ff). Zu Guardini vgl. auch Börsig-Hover, M. (2008): Romano Guardini (1885–1968): Wegbereiter des 21. Jahrhunderts. Frankfurt am Main: Lang. 1013 Ebenso gilt dies auch für die Scham. Vgl. dazu Bossong, F. (1991): Zu Leben und Werk von Erwin Walter Maximilian Straus (1891–1975). Würzburg: Königshausen & Neumann. 1014 Auch der Kulturwissenschaftler Aby Warburg (1866–1929) hat Angst als „Kulturmacht“ verstanden, „die im Irrationalen die Triebkräfte für Ordnung und Beherrschung schafft. (. . .) Die Angst nämlich zwingt zum Abstandnehmen und zur Bestimmung eines symbolischen Verhältnisses zur Umwelt.“ (Villhauer, B. [2002]: Aby Warburgs Theorie der Kultur. Berlin: Akademie Verlag, S. 113). Vgl. auch Forster, K. W. (2011): Aby Warburg zur Einführung. Hamburg: Junius sowie Rösch, P. (2010): Aby Warburg. München: Fink (UTB).

IX. Das Gleichgewicht von Offenheit und Bindung

N

177

● N*

● N** ●N A**

A*

A ●D ● D** ● D* D Schaubild 9: Der psycho-dynamische Gleichgewichts-Raum

menschlichen Person verstanden, werden jedoch rechtsseitig, also im nicht-neurotischen Möglichkeitsraum platziert. Die problematische Psychodynamik (mit Blick auf als gravierend eingestufte manifeste Neurotrizismen1015) beginnt dort, wo die Angst übersteigert wird, also von A* zu A** abgewandert wird. Es geht also um „Verstiegenheit“ (Ludwig Binswanger). Denn dann verschieben sich N und D jeweils zu N** bzw. D**. Die Neurotrizismen werden also linksseitig im Quadrantenmodell angesiedelt, weil dort auf der linken Seite der X-Achse die übersteigerte Angst die konstruierende Rolle spielt, während auf der rechten Seite der X-Achse der Mut konstitutiv ist. Die beiden nachfolgenden Schaubilder 10 und 11 bringen genau diese generierenden und verschiebenden psychodynamischen Mechanismen zur Darstellung. Zunächst betrachte ich in Schaubild 10 den oberen linken Quadranten. Hier bewirkt die Verschiebung von A* zu A** die topographische Transformation von N zu N**. Das Dasein dieser Menschen wird mutlos und orientiert sich nicht mehr im Teilraum MN, sondern in der symbiotisch1016 übersteigerten Teilräumlichkeit von AN. 1015 Ribi, A. (2011): Neurose – an der Grenze zwischen krank und gesund. Eine Ideengeschichte zu den Grundfragen des Menschseins. Berlin: Springer. 1016 Ruppert, F. (2011): Symbiose und Autonomie. Symbiosetrauma und Liebe jenseits von Verstrickungen. Stuttgart: Klett-Cotta.

178

C. Die anthropologische Herausforderung des Wandels

N N** ●N A

M A**

A*

D Schaubild 10: Die Dynamik der neurotischen Abweichungen (I)

N

A**

A*

A

M ●D D**

D Schaubild 11: Die Dynamik der neurotischen Abweichungen (II)

Nun betrachte ich in Schaubild 11 den unteren linken Quadranten. Hier bewirkt die Verschiebung von A* zu A** die topographische Transformation von D zu D**. Das Dasein dieser Menschen wird mutlos und orientiert sich nicht mehr

IX. Das Gleichgewicht von Offenheit und Bindung

179

im Teilraum MD, sondern in der von der Ekelerfahrung übersteigerten Teilräumlichkeit von AD. Im Pflegefeld würde dies, exemplarisch fokussiert, die Unfähigkeit bedeuten, mit dem ambivalenten Phänomen des „Berührens“ 1017 umgehen zu können. Also: Durch die Verschiebung von A* zu A** verschiebt sich N vom oberen rechten Quadranten zu N** im oberen linken Quadranten. Durch die Verschiebung von A* zu A** verschiebt sich D vom unteren rechten Quadranten zu D** im unteren linken Quadranten. Damit wechseln mögliche Gleichgewichts-Positionen im Korridor ND zu den neurotischen Positionen der Symbiose (N**) und des Ekels (D**). N** ist eine Position im Möglichkeitsraum der Regression. D** ist eine Position im Möglichkeitsraum der Entfremdung. Bei diesen Gleichgewichts- und Ungleichgewichts-Positionen handelt es sich um seelische Entwicklungsszenarien, die psychodynamisch zugleich immer transaktional als Positionierungen im Gefüge der sozialen Beziehungen (hier zwischen Insider und Outsidern, zwischen dem [kollektiven] Selbst und dem [kollektiven] Anderen, dem Fremden) zu verstehen ist. Hier wird daher enneut verständlich, das Psychogrammatiken und kulturelle Grammatiken Korrelate sind, die auch in reziproker generativer Beziehung stehen. Denn die Psychogrammatiken sind personale Ablagerungen im sozialisationsbiographischen Geschehen. Und die Soziogrammatik der Interaktionsordnungen, die alltäglich performativ inszeniert werden, wird von den psychogrammatischen „Strickmuster“ der Menschen transportiert. Dies bezeichnet erneut den transaktionalen Kreislauf von Merkwelt und Wirkwelt, vom Merkcharakter der Welt, in der die Person geworfen ist einerseits und der Wirkwelt, die die kreative Person mit Blick auf die Wirklichkeitskonstruktion bedeutet andererseits. Nochmals anders ausgedrückt: Ist diese seelische Entwicklung auch als Resultat einer Sozialisationsbiographie (auch als kulturelle Verarbeitung der evolutionären Vorgaben des Menschen) zu verstehen, so ist diese seelische Orientierungs-Haltung zugleich (performativ) eine generative Grammatik für die soziale Figurativität, die daraus resultiert. Insbesondere D** generiert einen (siedlungsgemeinschaftlich 1018) geschlossenen Club1019 (gegenüber der dämonisch beseelten, akosmischen Exosphäre1020) 1017 Dazu auch Helmbold, A. (2007): Berühren in der Pflegesituation. Intentionen, Botschaften und Bedeutung. Bern: Huber. 1018 Vgl. dazu auch Müller, K. E. (2010): Die Siedlungsgemeinschaft. Grundriss der essentialistischen Ethnologie. Göttingen: V&R uni press; an anderer Stelle differenziert Müller den angestammten Lebensraum von der Fremdwelt: Müller, K. E. (1999): Die fünfte Dimension. Soziale Raumzeit und Geschichtsverständnis in primordialen Kulturen. Göttingen: Wallstein.

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C. Die anthropologische Herausforderung des Wandels

als soziale Gesellungsform, die morphologisch signifikant von meinem Verständnis einer offenen Gemeindeordnung abweicht.1021

X. Die politische Kunst des Wandels: Kommunikative Choreographie in der polis statt „social engineering“ des homo faber Das Problem der innovativen Pflanzung neuer Wohnformen in vorgegebenen städtischen oder ländlichen Räumen (Stadtteile, Quartiere, dörfliche Siedlungen) besteht nicht darin, im Eigeninteresse der BewohnerInnen deren gegebenen Interessen an Lebensbedingungen durch Vernetzungsarbeit und Sozialraum-Vitalisierung durch partizipative Einbindung in Sozialplanungspolitik zu optimieren. Es geht beim Thema der neuen (de-institutionalisierten) Wohnformen im Alter(n) und der Formen gemeinschaftlichen Wohnens in der vor-pflegerischen Alterungsphase sowie mit Blick auf die Lebenslage1022 des homo patiens insgesamt, also mit Blick auf chronisch Kranke, auf den pflegebedürftigen, demenz-

1019 Eine Clubtheorie wurde vor allem im Rahmen der ökonomischen Theorie gebildet. Vgl. dazu etwa Schemm-Gregory, R. (2010): Europa als Club voller Clubs. Frankfurt am Main: Lang. 1020 Hasenfratz, H.-P. (2002): Religion – was ist das? Freiburg i. Br.: Herder, S. 44 f. 1021 Dazu auch Nelson, B. (1986): Der Ursprung der Moderne. Vergleichende Studien zum Zivilisationsprozeß. Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 180 ff.: „Der Bruder und der Andere. Ein Epilog“. Umfassender dazu auch Brunkhorst, H. (2002): Solidarität. Von der Bürgerfreundschaft zur globalen Rechtsgenossenschaft. Frankfurt am Main: Suhrkamp. Das relativiert die Reichweite des Kleingenossenschaftswesens (von „Tischgenossenschaften“ Hirschman, A. O. [1997]: Tischgemeinschaft. Wien: Passagen) unter dem Aspekt der Übereinstimmung von Gerechtigkeit und Solidarität. Und diese Probleme sind auch im Hintergrund der Transformation der Tischgemeinschaft von Jesu (Bolyki, J. [1998]: Jesu Tischgemeinschaft. Tübungen: Mohr Siebeck) zur frühchristlichen Mahlgemeinschaft der Gemeinde (Klinkhardt, M./Taussig, H. [Hrsg.] [2012]: Mahl und religiöse Identität im frühen Christentum. Tübingen/Basel: A. Francke), bevor sich das gemeinsame Mahl in der Gottesdienstordnung zur Eucharistie (Wick, P. [2002]: Die urchristlichen Gottesdienste. Stuttgart: Kohlhammer) symbolisch verflüchtigte, zu verorten. Auf das diesbezüglich umfassende Schrifttum will ich nicht weiter eingehen. 1022 Vgl. auch Beck, I./Greving, H. (2012): Lebenswelt, Lebenslage. In: Beck, I./Greving, H. (Hrsg.): Lebenslage und Lebensbewältigung. Stuttgart: Kohlhammer, S. 15–59. Dazu aber auch meine eigenen Konzeptualisierungen u. a. in Schulz-Nieswandt, F. (2006): Sozialpolitik und Alter. Stuttgart: Kohlhammer sowie Schulz-Nieswandt, F. (2003): Die Kategorie der Lebenslage – sozial- und verhaltenswissenschaftlich rekonstruiert. In: Karl, F. (Hrsg.): Sozial- und verhaltenswissenschaftliche Gerontologie. Weinheim/München: Juventa, S. 129–139 und Schulz-Nieswandt, F. (2008): Alter und Lebenslauf. Ein Beitrag zur philosophischen Anthropologie in sozialpolitischer Absicht. In: Aner, K./Karl, U. (Hrsg.). Lebensalter und Soziale Arbeit: Ältere und alte Menschen. Hohengehren: Schneider, S. 77–91.

X. Die politische Kunst des Wandels

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kranken und/oder behinderten Menschen zunächst nur um deren Lebensqualität mittels einer wohnumfeldbezogenen integriert-vernetzten Wohnlebensform durch Integration in das vorgegebene wohn- und siedlungsstrukturelle Gefüge. Das ist das semantische Differential zwischen Integration und Inklusion. Bei der Inklusion ist die Majoritätskultur nicht die vorgängige Leitkultur, sondern die Differenz zwischen Majorität und Minorität wird selbst aufgelöst. Das kann, bei entsprechender Bewusstseinshaltung der vorgängigen Bewohnerschaft, auch neue Formen der Lebensqualität für alle bedeuten, muss als Haltung gegenüber sozial integriertem, mehr-generationellem Wohnen und Leben kulturell aber erst generiert werden. Und darin besteht die Herausforderung. Die hier anzuführende Logik der UN-Behindertenkonvention1023 ist auf radikale Inklusion, nicht auf Integration in einen Kontext leitkultureller Vorgaben hin angelegt.1024 Die Gesellschaft hat sich nach den Bedürfnissen der Menschen mit Beeinträchtigungen in ihrer auf Selbstbestimmung fokussierten Autonomie (Akzent der Intentionalität des Wollens) der Selbstständigkeit (Dimension des praktischen Tuns als Könnens), diese Differenz hatte ich w. o. bereits betont, zu richten, nicht umgekehrt.1025 Allerdings würde ich gerne das Prinzip der Dialogizität (von der die Mehrheit, zumindest eine beträchtliche Teilmenge, der Arzt-Patienten-Beziehungen1026 wahrscheinlich noch signifikant entfernt ist) auf die Perspektivenverschränkung von Bedürfnishorizont der hilfebedürftigen Menschen einerseits und Bedarfsdiagnostik der professionellen Assessment-Expertise andererseits übertragen sehen. Die doppelte Hermeneutik der inter-textuellen Sinnverschränkung von Bedürfnisartikulation einerseits und Bedarfsdefinition andererseits ist alles andere als trivial. Und es geht um eine Sinnverschränkung, nicht um eine einseitige Positionierung. Das Ende des Paternalismus muss nicht in der (sozialen Forderung nach) Selbst-Kastrierung der Professionen (gemeint ist ein freiwilliges Entbehren oder gar Leiden: Die Profession scheint für die Sünden des Paternalismus büßen

1023 Rothfritz, L. Ph. (2010): Die Konvention der Vereinten Nationen zum Schutz der Rechte von Menschen mit Behinderungen. Frankfurt am Main: Lang. 1024 Vgl. umfassend und systematisch in der Grundlegung: Welti, F. (2005): Behinderung und Rehabilitation im sozialen Rechtsstaat. Tübingen: Mohr Siebeck. 1025 Dazu auch Wulff, I./Kalinowski, S./Dräger, D. (2010): Autonomie im Pflegeheim – Konzeptionelle Überlegungen zu Selbstbestimmung und Handlungsfähigkeit anhand eines Modells. In: Pflege 23 (4), S. 240–248. Ferner Widdershoven, G. A. M. (1999): Care, cure and interpersonal understanding. In: Journal of Advanced Nursing 29 (5), S. 1163–1169. 1026 Vgl. zum Überblick auch Begenau, J./Schubert, C./Vogd, W. (Hrsg.) (2010): Die Arzt-Patienten-Beziehung. Stuttgart: Kohlhammer; Veit, I. (2010): Praxis der Psychosomatischen Grundversorgung. Die Beziehung zwischen Arzt und Patient. Stuttgart: Kohlhammer; Kowarowsky, G. (2011): Der schwierige Patient. Kommunikation und Patienteninteraktion im Praxisalltag. 2., überarb. Aufl. Stuttgart: Kohlhammer.

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C. Die anthropologische Herausforderung des Wandels

zu wollen und beichtet nun im Diskurs und gibt sich [masochistisch1027] hin, dem Kunden, dem Klientel, durch Selbstaufgabe jeglicher Fachsouveränität) münden. Die Bedürfnishorizonte von Menschen können durchaus (im Lichte eines neu-kantianischen Erkenntniskritizismus) schwerwiegende Probleme der theoretischen (Was kann ich wissen?) und praktischen (Was soll ich tun?) Wahrhaftigkeit aufwerfen. Wird dies geleugnet, treibt die Diskussion in „seichte“ 1028 neo-liberale Gewässer des souveränen Kundenstatus des Nutzers marktlicher Angebote hinein. Zurück zum Wandel der Gemeinde-Ordnung als Ordnung der Dinge, also Ordnung des Denkens, Fühlens und Tuns. Es geht demnach um die Bereitung einer „Kultur der Gastfreundschaft“.1029 Und diese Bereitung ist kein „social engineering“.1030 Solche politischen Sozialreformmodelle, die steuerungszentral, expertenzentriert, wissenszentriert sind, sind überholt. Es geht, mit Blick auf die systemische1031 Akteursaufstellung des Raumes, um eine kommunikationsintensive Choreographie (die man tanzanthropologisch1032 re-konstruieren kann), die das Miteinander der Akteurskonstellation betont und durch gelingende Kommunikation (mit den Blickdimensionen Information, Transparenz und partizipative Involvierung zur Akzeptanzschaffung) Vertrauenskapital schafft. 1027 Dazu auch Wurmser, L. (2008): Das Rätsel des Masochismus. Psychoanalytische Untersuchungen von Gewissenszwang und Leidenssucht. Gießen: Psychosozial. 1028 Und d. h.: Wirksam wäre die Haltung eines dramatisch vereinfachten und gerade deshalb gefahrvollen Realitätsverlustes. Zur Modernisierung der Dienstleistungen gehört sicherlich auch die stärkere Kompetenzgenerierung und -förderung auf der Seite des Nutzers bzw. des „Klientels“. Nur darf diese Enabling-Orientierung nicht neo-liberal zur Risiko-Privatisierung durch überzogene Verantwortungs- und Schuld-Zuschreibungen verkümmern. Insofern bleibt die grundlegende Rolle der öffentlichen Hände für die Gewährleistung und Sicherstellung der sozialen Infrastrukturen zu betonen. Hier sind insbesondere nochmals die Komplexleistungen zu nennen und ist auf die Infrastruktureigenschaften in der Daseinsvorsorgepolitik abzustellen, also auf Verfügbarkeit, Erreichbarkeit, Zugänglichkeit, Akzeptabilität, Kontinuität, Verlässlichkeit, Qualität etc. Den individuellen „Capabilities“ korrespondiert so der Gewährleistungsstaat (und umgekehrt), der die Ressourcenräume und die Handlungskapazitäten zu generieren und vorzuhalten hat. Das gilt für den ganzen Lebenszyklus des Menschen. Vgl. auch Eiffe, F. F. (2009): Auf den Spuren von Amartya Sen. Frankfurt am Main: Lang. 1029 Eindrucksvoll analysiert bei Kal, D. (2010): Gastfreundschaft. Das niederländische Konzept Kwartiermaken. Neumünster: Paranus. 1030 Etzemüller, Th. (2010): Die Romantik der Rationalität. Alva & Gunnar Myrdal – Social Engineering in Schweden. Bielefeld: transcript. 1031 Vgl. dazu auch Schlippe, A. von/Schweitzer, J. (2009): Systemische Interventionen. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht (UTB). 1032 Brandstetter, G./Wulf, Chr. (Hrsg.) (2007): Tanz als Anthropologie. München: Fink sowie Klepacki, L./Liebau, E. (Hrsg.) (2008): Tanzwelten. Zur Anthropologie des Tanzes. Münster u. a.: Waxmann. Spezieller Geiger, M./Kessler, R. (Hrsg.) (2007): Musik, Tanz und Gott. Tonspuren durch das Alte Testament. Stuttgart: Katholisches Bibelwerk.

X. Die politische Kunst des Wandels

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Es geht also um ein kulturelles Change Management sozialer Systeme.1033 Das „Management“ ist aber weder „top-down“ möglich, noch ist es zu organisieren nach einem „Arzt-Patienten-Modell“. So würde keine „Pflanzung“ auf fundierte Akzeptanz stoßen und gelingen. Die Begegnung mit neuen Ideen bedarf bei allen Akteuren einer gewissen inneren Überzeugung, die die Umsetzung mitträgt. Psychologisch gesehen beschreibe ich das notwendige Gefühl, das die Akteure im Prozess der Veränderung charakterisieren muss, als Kohärenzgefühl1034: Die sich wandelnde soziale Welt muss verstehbar, sinnhaft und handhabbar sein. Ist dies nicht der Fall, kommen Gefühle der Ohnmacht, des Überrolltwerdens und in der Folge eine Haltung der Abneigung auf. Dann ist das Spiel bereits verloren. Insofern stimme ich der Notwendigkeit brauchbare „Geschäftsmodelle“ zu, um die wenig nachhaltige „Pilotitis“ 1035 zu überwinden. Aber ich könnte auch argumentieren, dass dies eben nur eine notwendige, keine hinreichende Bedingung für den gelingenden Wandel darstellt.

1033 Klose, R. (2009): Emotionen im Change Management. Eine Analyse emotionalen Verhaltens im organisatorischen Wandel. Hamburg: Kovac. 1034 Dazu auch Felbinger, A. (2010): Kohärenzorientierte Lernkultur. Wiesbaden: VS. 1035 Wedemeier, C. (2012): Vernetztes Wohnen – Konzept und Umsetzung in Wohnungsgenossenschaften. In. Zeitschrift für das gesamte Genossenschaftswesen 62 (3), S. 167–176, hier S. 175.

D. Ausblick Bevor in Kapitel XII. ein Ausblick formuliert wird, der vom Reflektieren über den Ertrag der abstrakten strukturalen Analyse ausgeht, soll in Kapitel XI. die dem ganzen figurativen Prozessgeschehen korrespondieren seelische Logik psychogrammatischer Art nochmals auf den Begriff gebracht werden. Ich nutze dazu eine religionsphänomenologische1036 Analogie, die im Text bereits mehrfach auftauchte: das numinose Erlebnis.

XI. Das numinose Erlebnis als seelisches Gleichgewicht Ich gehe demnach nochmals von Rudolf Otto1037 aus.1038 Das Numinose, das dem Heiligen schlechthin eigen ist, ist ein Erlebnis der menschlichen Person zwischen mysterium tremendum (dem Schaudern bzw. der Furcht) und mysterium fascinans (der Anziehung). Genau diese beiden Seiten machen (ambivalenztheoretisch betrachtet) auch das personale Erleben des Fremden (auch während des Reisens) als dem Anderen aus. Dabei geht es, neurosenpsychologisch gesehen, um das Vermeiden der „Verstiegenheit“, nicht um die harmonistische Illusion einer Überwindung der tiefengrammatischen Ambivalenzstruktur an sich. Die bipolare Korridorsituation bleibt: Der Mensch wandert zwischen den Polen von Offenheit und Rückzug, zwischen Freude und Angst, zwischen Flucht und Örtlichkeit, zwischen Wandel und Bindung. Die Anleihe bei Otto ist auch deshalb günstig, weil bei ihm das Heilige (in Differenz zum Profanen1039) als „gestaltlose“ Göttlichkeit behandelt wurde. Dies

1036 Zur Problematik einer religionsphänomenologischen Methode siehe auch Neu, R. (2010): Das Mediale. Die Suche nach der Einheit der Religionen in der Religionswissenschaft. Stuttgart: Kohlhammer; Michaels, A./Stolz, F./Pezzoli-Olgiati, D. (Hrsg.) (2001): Noch eine Chance für die Religionsphänomenologie? Bern: Lang. Wichtige Klassiker sind, soweit sie mir erschlossen sind, Geradus van der Leeuw (1890–1950), Geo Widengren (1907–1996), Friedrich Heiler (1892–1967), Mircea Eliade (1907– 1986), Kurt Goldhammer (1916–1996), Günter Lanczkowski (1917–1993), Raffaele Pettazzoni (1883–1958). Vgl. auch Greschat, H.-J. (1988): Was ist Religionswissenschaft? Stuttgart u. a.: Kohlhammer, S. 112 ff. 1037 Otto, R. (1997): Das Heilige. München: Beck. 1038 Zu Otto vgl. auch in Tworuschka, U. (2011): Religionswissenschaft. Wegbereiter und Klassiker. Köln u. a.: Böhlau (UTB), S. 111 ff. Vgl. auch in Michaels, A. (Hrsg.) (2010): Klassiker der Religionswissenschaft. 3. Aufl. München: Beck. 1039 Eliade, M. (1987): Das Heilige und das Profane. Vom Wesen des Religiösen. 3. Aufl. Frankfurt am Main: Suhrkamp.

XII. Vom Ertrag der strukturalen Abstraktion

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macht eine analogisierende Kräftefeldanalyse eben überhaupt erst möglich. Sekundäre Analogien zum Numen finden sich z. B. im polynesischen1040 Mana.1041 Damit sind Kräfte1042 gemeint, die auf den Menschen einwirken und die z. T. magisch manipulierbar sind. Eine weitere Analogie findet sich im hau (als Geist der Gabe1043) bei Marcel Mauss (1872–1950)1044. In vielen religionswissenschaftlichen Analysen hat diese Kategorie des Numinosen Eingang gefunden1045 und ist breit debattiert worden.1046 Bei Hermann Schmitz (*1928) wurde das Numinose im Rahmen seiner neuen1047 phänomenologischen Anthropologie1048 zu einer Theorie der numinosen Gefühle insgesamt weiterentwickelt.1049 Das passt mir ins Bild.

XII. Vom Ertrag der strukturalen Abstraktion Der strukturalistische Blick auf die soziale Wirklichkeit ist m. E. wissenschaftsgeschichtlich längst nicht überholt. Gleichwohl ist die französische Modephase lange vorbei. Gerade meine Themenkreise zeigen jedoch nachhaltig die 1040 Nevermann, H./Worms, E. A./Petri, H. (1968): Die Religionen der Südsee und Australiens. Stuttgart u. a.: Kohlhammer, S. 12. „In anderen Kulturen gibt es ähnliche Ausdrücke für den gleichen Sachverhalt: z. B. orenda bei den Irokesen, manitu bei den Algonkin, wakanda bei den Sioux, hasina auf Madagaskar.“, so Heiler, F. (1984): Die Religionen der Menschheit. Stuttgart: Reclam, S. 52 (kursiv auch im Original). 1041 Dazu die Standardanalyse von Lehmann, F. R. (1922): Mana. Leipzig: Spamer. 1042 Vgl. dazu auch Thiel, J. F. (1984): Religionsethnologie. Berlin: Reimer, S. 60. 1043 Mauss, M. (1994): Die Gabe. Form und Funktion des Austausches in archaischen Gesellschaften. 2. Aufl. Frankfurt am Main: Suhrkamp, u. a. S. 32 f. 1044 Orientierend Moebius, St. (2006): Marcel Mauss. Konstanz: UVK. 1045 Vgl. etwa Johannsen, D. (2008): Das Numinose als kulturwissenschaftliche Kategorie. Norwegische Sagenwelt in religionswissenschaftlicher Deutung. Stuttgart: Kohlhammer. 1046 Vgl. etwa Colpe, C. (Hrsg.) (1977): Die Diskussion um das Heilige. Darmstadt: WBG; Willenborg, H. (2011): Das Heilige zwischen Gefühl und Emotion. Berlin/Leipzig: Kirchhof & Franke. 1047 Dazu auch Werhahn, H. (Hrsg.) (2011): Neue Phänomenologie. Hermann Schmitz im Gespräch. Freiburg i. Br.: Alber; Gugutzer, R. (2012): Verkörperungen des Sozialen. Neophänomenologische Grundlagen und soziologische Analysen. Bielefeld: transcript. 1048 Schmitz, H. (2005): System der Philosophie. 10 Bände. Studienausgabe. Bonn: Bouvier. 1049 Hierzu ausführlich in Schmitz, H. (2005): Das Göttliche und der Raum. System der Philosophie. Dritter Band. Der Raum. Vierter Teil: Das Göttliche und der Raum. Bonn: Bouvier, S. 12 ff. Es ist vielsagend, dass Schmitz in diesem Kontext auch das Dionysische abhandelt (S. 43 ff.) sowie gleitend Übergänge zur Phänomenologie des Wohnens im Raumkontext der Innen- und Umwelt findet (S. 207 ff.). Zur Soziologie, Psychologie und philosophischen Architektur des Wohnens in architektonischen Strukturen vgl. auch überaus klärend Delitz, H. (2010): Gebaute Gesellschaft. Architektur als Medium des Sozialen. Frankfurt am Main/New York: Campus.

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D. Ausblick

Relevanz auf, die einem solchen Blick, umgesetzt in qualitative Sozialforschung als ethnographischer Blick1050 auf die eigene, methodisch verfremdete soziale Wirklichkeit, zukommt. Ich will, das ist hier nicht die gestellte Aufgabe, die einschlägige Fachkontroverse innerhalb der Methodenlehre der qualitativen Sozialforschung, aber auch in der Kulturtheorie des Sozialen insgesamt nicht weiter aufrollen. Mein post-strukturalistischer1051 Blick, soviel soll, ja muss hier festgehalten werden, de-zentriert das Subjekt1052 und fokussiert auf die „Drehbücher“, die als kulturelle Grammatik die performative Inszenierung der sozialen Interaktionsordnungen skriptartig codieren. Es ist das Angstsyndrom angesichts des Fremdartigen, des nicht Verstandenem, das paläoanthropologisch tief sitzt. Ich habe dies angesichts meiner empirischen Vorarbeiten1053 nicht nur knapp hier, sondern auch breit an anderer Stelle theoretisch dargelegt1054 und hoffe, hier nun eine vertiefende und erweiternde Sicht auf diese Code-Praxis geboten zu haben. Die Menschen der Moderne sind nie durch und durch modern gewesen; tief sitzen die Archaismen: Antigones Welt ist immer noch unter uns.1055 Meine strukturale Sicht ist aber nicht a-historisch. Mein Post-Strukturalismus verweist mit Blick auf genealogische und archäologische Perspektiven Schnittflächen zur historischen Anthropologie1056 und historischen Epistemologie1057 auf. Insofern geht die strukturale Analyse der geistigen Verfassung des leiblichen Menschen über in eine Habitus-Hermeneutik, die ex definitione nicht a-historisch, aber eben auch nicht nur zeithistorisch ist, sondern epistemische Dispositive von lan-

1050 Dazu auch Schulz-Nieswandt, F./Sauer, M. (2010): Qualitative Sozialforschung in der Gerontologie – forschungsstrategische Überlegungen und implizite Anthropologie in der Gegenstandsbestimmung. In: Meyer-Wolters, H./Breinbauer, I. M. u. a. (Hrsg.): Transdisziplinäre Alter(n)sstudien. Gegenstände und Methoden. Würzburg: Königshausen & Neumann, S. 93–117. 1051 Ein kompliziertes Gewebefeld intellektueller Entwicklungen: Angermüller, J. (2007): Nach dem Strukturalismus. Theoriediskurs und intellektuelles Feld in Frankreich. Bielefeld: transcript. 1052 Vgl. etwa Meißner, H. (2010): Jenseits des autonomen Subjekts. Bielefeld: transcript. 1053 Schulz-Nieswandt, F./Köstler, U./Langenhorst, F./Marks, H. (2012): Neue Wohnformen im Alter. Wohngemeinschaften und Mehrgenerationenhäuser. Stuttgart: Kohlhammer. 1054 Schulz-Nieswandt, F. (2012): Gemeinschaftliches Wohnen im Alter in der Kommune. Das Problem der kommunalen Gastfreundschaftskultur gegenüber dem homo patiens. Berlin: Duncker & Humblot. 1055 Jaumann, B. (2011): Die Vipern von Montesecco. 4. Aufl. Berlin: atb. 1056 Dressel, G. (1996): Historische Anthropologie. Wien: Böhlau; Tanner, J. (2008): Historische Anthropologie zur Einführung. 2. Aufl. Hamburg: Junius. 1057 Orientierend ist dazu Rheinberger, H. J. (2008): Historische Epistemologie zur Einführung. 2. Aufl: Hamburg: Junius.

XII. Vom Ertrag der strukturalen Abstraktion

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ger Dauer1058 (definiert als kollektiv geteilte und somit kulturell im kollektiven Gedächtnis1059 „vererbte“ „Blaupausen“) implizieren.1060 Mein strukturaler Blick verhindert also nicht, die Problematik des Kulturwandels in praxeologischer Absicht in den Mittelpunkt der Schlussfolgerungen zu stellen. Die gesellschaftspädagogische Aufgabe zeichnet sich ab. Der nächste Schritt meiner ausstehenden Studien wird sein, diese Problematik vom homo patiens zu lösen und die engeren gesundheits-, pflege- und alterssozialpolitischen Themenkreise zu transzendieren, um das allgemeine Problem des homo kooperativus1061 zu beleuchten. Das Problem ist daseinsanalytisch im Lichte einer personalistisch (nicht personologisch) gedachten Seinsoffenheit, die gabeanthropologisch fundiert ist, zu entfalten. Die Sisyphosarbeit, die sich hier aus dem hermeneutisch begriffenen Mythos des ewigen Wechselspiels von Sorge und Liebe, von Leiden und Hoffnung, die auch konstitutiv in der vorliegenden Arbeit waren: FO ! pA(S; Lie) : tA(Lei; H),

ergibt, verweist auf die Gesellschaftspädagogik der choreographischen Arbeit am Kulturwandel, die, wenn er als sozialer Fortschritt1062 validiert sein soll, für die Zukunft des Menschen in der Lichtung zugunsten eines freiheitsliebenden personalen Sozialismus fundamental ist und bleibt. Hier mache ich aus einem Makel der deutschen Geistes- und Kulturgeschichte (aus einer Zeit, als diese kollektiv zu spät kam) eine Tugend und löse diese Haltung von der kollektiven Schuld, die damit verbunden war: Technische Zivilisation reicht nicht hin; kultureller Fortschritt bleibt Aufgabe einer Aufklärung, die an ihrer eigenen bisherigen Dialektik1063 arbeiten muss. Es ist keine apollinische Rezeption des romantischen Karl Marx (1818–1883) der Pariser Manuskripte von 1844, wenn hier dem menschlichen Baumeister (im Vergleich zu den Bienen und Ameisen) die (ästhetische) Freiheit (der homo pictor als homo creator) zugesprochen wird, zuerst die Baupläne anzufertigen, bevor er mit dem Bauen beginnt. Dies ist der cassirerischen Universalie des homo symbolicus geschuldet. 1058 Rüth, A. (2005): Erzählte Geschichte. Narrative Strukturen in der französischen „Annales“-Geschichtsschreibung. Berlin/New York: de Gruyter; Burke, P. (2004): Die Geschichte der Annales. Berlin: Wagenbach. 1059 Aus der Fülle der diesbezüglichen Literatur vgl. Pethes, N. (2008): Kulturwissenschaftliche Gedächtnistheorien. Hamburg: Junius. 1060 Vgl. nochmals in Schulz-Nieswandt, F. (2010): Wandel der Medizinkultur? Berlin: Duncker & Humblot. 1061 Hug, H. (1989): Kropotkin zur Einführung. Hamburg: Junius. 1062 Zum Verständnis dieses Konstrukts vgl. auch Dath, D./Kirchner, B. (2012): Der Implex. Sozialer Fortschritt: Geschichte und Idee. Frankfurt am Main: Suhrkamp. 1063 Horkheimer, M./Adorno, Th. W. (2012): Dialektik der Aufklärung. Frankfurt am Main: Fischer.

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D. Ausblick

Wenn Menschen ihre Geschichten machen, und wenn sie diese Geschichten eben nur unter den gegebenen historischen Bedingungen machen können, so grenzt das einerseits den Korridor der Stilgeschichten wohlmöglich ganz im Sinne von Heideggers „geworfenen Entwürfen“ ein und holt Sartres Entwurfsfreiheit chronotopisch ein; andererseits bezieht sich die menschliche Kreativität eben auch auf die Transzendierung der jeweiligen Bedingungen, unter denen Stilgeschichte geschrieben wird. Dies basiert auf dem Befund der exzentrischen Positionalität. Im eher dionysischen Sinne ist der Mensch eine ekstatische1064 Souveränität, um an Georges Bataille (1897–1962)1065 zu denken, die es ermöglicht, die ewige Arbeit am Mythos1066 auch in der kulturellen Praxis des Sozialen mit Blick auf die Daseinsmodalität des liebenden Miteinanders in gelingender Weise voranzutreiben, den bisherigen Bias vom Pfad der verfehlten zum Pfad der gelingenden Existenzerhellung zu verschieben. Im Umgang mit dem Fremden, dem Anders-Sein schlechthin, kristallisiert sich in der kulturellen Praxis der Menschen oftmals ein binärer Code oder eine Topologie des Innen-Außen-Denkens1067, der oder die angstgesteuert sind und auf Selbstschutz (als Notwendigkeit zur Existenzsicherung infolge einer funktional sinnvollen evolutionären Ur-Angst) vor dem Unverstandenen „da draußen“ geeicht ist: Es handelt sich um eine Form der Hygiene-Angst. Das Reine wird vom Unreinen getrennt. Nochmals möchte ich daran erinnern, dass Èmile Durkheim anthropologisch von Gefühlen fundamentaler Zuversicht ausging. In diesem Sinne kann die Gesellschaft nicht nur philosophisch, sondern soziologisch und sozialpsychologisch hoffen, dass der Sorge der menschlichen Existenzpraxis inter-personell mit Mut und Liebe entgegengetreten wird, diese Sorge also in der Form der mutigen Liebe im Wagnis des Seins angenommen wird. Ich komme zum Ende: „Die vorausgegangenen Darlegungen haben den ganzen Raum durchmessen, der zwischen dem Pol der abstraktesten Überlegungen wissenschaftstheoretischer Reflexion und dem Pol der konkretesten Sorgen des geschichtlichen Augenblicks liegt.“ 1068

1064 Schmidt, M. (2004): Ekstatische Transzendenz. Ludwig Binswangers Phänomenologie der Liebe und die Aufdeckung der sozialontologischen Defizite in Heideggers „Sein und Zeit“. Würzburg: Königshausen & Neumann. 1065 Vgl. auch in Moebius, St. (2006): Die Zauberlehrlinge. Soziologiegeschichte des Collège de Sociologie (1937–1939). Konstanz: UVK. 1066 Zgoll, A./Kratz, R. G. (Hrsg.) (2012): Arbeit am Mythos. Tübingen: Mohr Siebeck. 1067 Ciompi, L. (1988): Außenwelt – Innenwelt. Die Entstehung von Zeit, Raum und psychischen Strukturen. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht. 1068 Litt, Th. (1962): Freiheit und Lebensordnung. Heidelberg: Quelle & Meyer, S. 164.

XIII. Utopie, sozialpolitischer Avantgardismus und surrealistische Ekstase

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XIII. Konkrete Utopie, sozialpolitischer Avantgardismus und surrealistische Ekstase Ich möchte mit einem Kapitel abschließen, das eventuell als exotisch anmuten mag. Doch die Frage, die zu lösen ist, und die, wie im Vorwort dargelegt, im Mittelpunkt steht, war ja die, wie (methodisch angesiedelt zwischen Archaisierung und Aktualisierung) eine polis ohne soziale Ausgrenzung des homo patiens denkbar und machbar ist. Systemtheoretisch hat sich einerseits am Rande die Frage ergeben, ob dies überhaupt denkbar ist. Jede Identität definiere sich ja ex negativo durch Abgrenzung von bzw. durch Ausgrenzung des Alteritären. Andererseits ist aus der Evolutionsforschung und vielen anderen humanwissenschaftlichen Bemühungen der Befund ganz offensichtlich geworden, wonach der Mensch a priori altruistisch ist und auf soziale Kooperation angelegt ist. Das Problem erweist sich als Unmöglichkeit der Beendigung einer Dynamik von Innen nach Außen über ein zonales System konzentrischer Kreise hinweg. Solidarkreise können sich umfangslogisch erweitern, kleben aber konstitutiv an einem noch Da-Draußen, dem sozialen Kreis der Dritten, die (noch) nicht inkludiert sind und auf deren Kosten eventuell der sich ausdehnende Solidarkreis seine Binnenmoral non-paretianisch lebt und seinen internen, wenngleich sozialen, also auf den Club der Insider bezogen kollektiven Sozialnutzen maximiert. Das Problem der sozialen Externalität im paretianischen Sinne im Schnittbereich zum Sittengesetz und der goldenen Regel sowie semantisch erweitert im Sinne sozialer Kosten (deren semantischer Definitionsraum als Resultante sozialer Konstruktionsprozesse offen ist) bleibt also aufgeworfen. Den Letzten beißen bekanntlich die Hunde; und einer ist immer der Dumme. Auch in der von mir ja präferierten genossenschaftswissenschaftlichen Perspektive liegt dieses Problem vor. Wann sind Clubs gemeinwirtschaftlich?1069 Und das war auch gildengeschichtlich ein Thema. Wie ist ein Weg aus diesem labyrintischen Existenzialdilemma, bei dem Solidarität wohl auf ewig an Exklusion gebunden bleibt, zu finden? Gibt es ihn? Wohl nicht final. Eine bruder- und schwesterschaftliche (und sonstige „. . . schaftliche“) Weltgenossenschaft bleibt eine Utopie, die keinen Konkretheitscharakter aufweist. Die Komplexität ist zu hoch, das Vertrauenskapital in einem derartig globalen Raum schwer zu bilden; die missionarischen Bemühungen mögen in Transaktionskosten ertrinken. Weitere Aspekte wären zu erwägen. Gilt der Solidarzusammenhang nur für Menschen oder ziehen wir die gesamte Natur advoka1069 Dazu auch Alich, S./Blome-Drees, J./Köstler, U./Schmale, I./Schulz-Nieswandt, F. (2010): Gemeinwirtschaftliche Genossenschaftlichkeit – Das Beispiel der Gesundheitsselbsthilfegruppen unter besonderer Berücksichtigung der Typusbestimmung von Werner Wilhelm Engelhardt. In: Zeitschrift für öffentliche und gemeinwirtschaftliche Unternehmen 33 (2), S. 122–158.

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D. Ausblick

torisch mit ein? Und dies im Rahmen einer eigenen Präferenz oder nur als kalkulierte Randbedingung? Absurde Randfragen docken an: Inkludieren wir auch alle Viren als Teile der evolutionären Schöpfung? Ich bleibe bei der Metapher des Labyrinths. Wie dort herausfinden? Das wäre der Mythos vom klug genutzten Faden. Der Mythos thematisiert aber auch die vertikale Lösung: Könnte der Mensch doch fliegen . . .! Der diesbezügliche Traum ist von anthropologischer Reichweite. Es geht um Transzendenz, um ekstatische Transgressivität, die Individuation im Lebenszyklus überhaupt erst ermöglicht. Dies ist geknüpft am Verlassen des eigenen Raumes und durch die Offenheit zu neuen Räumen. Es geht um die Psychodynamik des Reisens. Und wird das Fremde als konstitutiv für das Eigene erfahrbar, und wird das Andere als fundamental für das Selbst entdeckt, dann wird deutlich, dass das Reisen immer zugleich eine Heimkehr ist. Erst wenn ich die gegebene sozialräumliche Geborgenheit verlasse, finde ich eine reichere, reifere, vollere Stufe der Einbindung im kulturellen und räumlichen Miteinander des Menschen. Die Flucht aus der sozialen Dichte dient nur der Heimkehr in eine Bindungssituation, die nun aber durch ein höher gestuftes Gleichgewicht von Nähe und Distanz, von personaler Individuation gekennzeichnet ist, „erhebt eben damit den Menschen selbst in das höhere Sein, in die Wahrheit.“ 1070 Der Mensch muss also seine soziale Wirklichkeit transzendieren, wenn er nicht psychodynamisch stagnieren, sondern wachsen will. Damit ist ein surrealistisches Programm angesprochen. Diese Konnexion ist nun kurz zu entfalten. Nun will und kann ich nicht den Surrealismus breit abhandeln.1071 Dazu liegt genug Literatur vor, Spezialforschungen1072 wie auch einfache Übersichten1073. Meine Kenntnisse beschränken sich vor allem auf Salvador Dalí (1904–1989)1074 sowie auf Joan Miró (1893–1983)1075. Und natürlich kann man auf Klassiker wie die Geschichte des Surrealismus von Nadeau1076 oder auf die Studien von Peter Bürger zurückgreifen. Bürger ist auch deshalb von Interesse, weil die erste Auflage seiner Darstellung des französischen Surrealismus im korrelativen Kontext

1070

Otto, W. F. (1949): Das Vorbild der Griechen. Tübingen/Stuttgart: Leins, S. 8. Vgl. auch knapp Hofmann, W. (1987): Die Grundlagen der modernen Kunst. 3. Aufl. Stuttgart: Kröner, S. 397 ff. 1072 Bürger, P. (1996): Der französische Surrealismus. Um Neue Studien erweiterte Aufl. Frankfurt am Main: Suhrkamp. 1073 Richter, H. (1993): Geschichte der Malerei im 20. Jahrhundert. Stile und Künstler. 9. Aufl. Köln: DuMont. 1074 Otte, T. (2006): Salvador Dalí. Eine Biographie mit Selbstzeugnissen des Künstlers. Würzburg: Königshausen & Neumann. 1075 Platschek, H. (1993): Joan Miró. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt. 1076 Nadeau, M. (1986): Geschichte des Surrealismus. 7. Aufl. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt. 1071

XIII. Utopie, sozialpolitischer Avantgardismus und surrealistische Ekstase

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der studentischen Kulturrevolution der 1968er Jahre1077 angesiedelt ist. Hier erstellt sich bereits ein auch für mich relevanter Nexus. Brauchen wir eine sozialpolitische Avantgarde, die im Namen der homo patiens-freundlichen Kommune eine Gegen-Welt zum konservativen status-quo inszeniert? Der Avantgardismus1078 ist umstritten; ebenso der Surrealismus (und seine u. a. dadaistischen Vorläufer). Ob1079 der Surrealismus in seiner verstiegenen EkstaseInszenierungen auch faschistischen Alteritäts-Souveränitäten vorgebaut hat, kann dahin gestellt bleiben; der Surrealismus hatte sich hier selbst vom Faschismus distanziert. Und viele Vertreter des Surrealismus waren ja dem Kommunismus zugetan, ohne dass ich hier nun wiederum die Totalitarismus-Debatte anführen muss, um auch diesbezüglich kritisch zu hinterfragen. Selbst die Zuneigung von Salvador Dali (1904–1989)1080 zu Franco gilt heute als umstritten; unklar ist, ob Dali im Rahmen seines Dranges zur Absurdität (auch zur extrem idiosynkratischen Selbst-Inszenierung) Franco nur ironisiert hat. Dali zelebrierte (wie der Dadaismus) ja den Un-Sinn als (paranoide1081) Methode. Der Avantgardismus ist heute umstritten, weil er letztendlich ein Elitedenken gegenüber der folgebereiten Masse konstatiert und praktiziert. Avantgardismus meint (nicht nur in der Kunst) nicht nur Fortschritt und Innovation, denn das wäre noch der Moderne habituell implizit, sondern Provokation als krasse (radikale) Verwerfung der vorgängigen Faktizität. Insofern ist Avantgardismus nicht einfach eine Vorreiter-Bewegung. Denn sie treibt Kunst nicht einfach innovativ voran, sondern kritisiert den Status der Kunst auch in ihrer relativen Autonomie in der bürgerlichen Gesellschaft1082, wodurch auch noch Adornos Theorie des Ästhetischen1083 in ihrer doppelten Rolle von systembezogener Immanenz und Transzendenz kritisch hinterfragt wird. 1077 Etzemüller, Th. (2005): 1968 – Ein Riss in der Geschichte? Gesellschaftlicher Umbruch und 68er Bewegung in Westdeutschland und Schweden. Konstanz: UVK. Vgl. ferner Gilcher-Holtey, I. (2008): Die 68er Bewegung. Deutschland, Europa, USA. 4. Aufl. München: Beck. 1078 Ein Lexikon bei Metzler kann hier ebenso zur Orientierung dienen wie eine Reihe von Abhandlungen. Vgl. Berg, H. v. d./Fähnders, W. (Hrsg.) (2009): Metzler Lexikon Avantgarde. Stuttgart/Weimar. Vgl. auch Böhringer, H. (1978): Avantgarde. Geschichte einer Metapher. In: Archiv für Begriffsgeschichte 22, S. 90–114. 1079 Dazu sind die differenzierenden Klarstellungen bei Moebius hilfreich: Moebius, St. (2009): Im Rausch der Revolution: Kunst und Politik bei André Masson und den surrealistischen Gruppierungen Contre-Attaque und Acéphale. In: Hieber, L./Moebius, St. (Hrsg.): Avantgarden und Politik. Künstlerischer Aktivismus von Dada bis zur Postmoderne. Bielefeld: transcript, S. 89–110, hier insb. S. 90 f. 1080 Salber, L. (2004): Salvador Dali. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt. 1081 Damus, M. (2000): Kunst im 20. Jahrhundert. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, S. 170. 1082 Bürger, P. (1974): Theorie der Avantgarde. Frankfurt am Main: Suhrkamp. 1083 Adorno, Th. W. (1974): Ästhetische Theorie. 2. Aufl. Frankfurt am Main: Suhrkamp.

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D. Ausblick

Surrealistisch motivierte sozialpolitische Kampagnen wären also performativ so angelegt, dass die Ekstase als Praxis der Transgression als Hinwendung zum homo patiens die dominante habituelle Praxis der Ausgrenzung auf der phobischen Basis von Angst und Ekel inszeniert werden würde. Was bedeutet das an Perspektiven konkret nun? So wie die Vision der politischen Umgestaltung der Wirklichkeit durch die radikale Inszenierung der Alterität durch Kunst geschichtlich mehrfach gescheitert ist, sollte hier keine romantische1084 Renaissance einer solchen Avantgardereligion angedacht werden; aber in reduzierter Form kann angedacht werden, dass die mentalen Modelle, die habituellen Blockaden, die kulturellen Praktiken der Exklusion nur durch gegen-kulturelle Kampagnen, nicht durch rationalistisch designierte Informationspolitik aufgebrochen werden können. Zur Choreographie des Wandels gehört wohl eine neue Kultur der politischen Kampagnen. Es bleibt mit Blick auf eine bessere Zukunft des Humanen eben noch eine kontroverse Frage, wie der Flug der Eule der Minerva zu verstehen ist: Läutet sie den Tag oder die Nacht ein? An sich mag dies egal sein: Der Tag erwächst immer aus der Nacht und der Tag mündet in die Nacht ein. Wenn im Lichte einer strukturalen Psychologie die Alterität normativ konnotiert ist, und der Tag die Erhellung bringt, wäre zu wünschen, Minervas Eule startet mit der Dämmerung des Morgens. Andererseits muss der Start reflexiv vorbereitet sein. Die Abenddämmerung mag daher jene Traumzeit (auch, wenn Bloch lieber von Tagträumen sprach) einläuten, die das Neue andenken mag. Hergels Vorrede zur „Philosophie des Rechts“ hin oder her: Das Dunkel verkörpert den „Kellergeruch“, das Helle die „Morgenluft. Deswegen soll die Eule dem Menschen jene Horizont-Eröffnung aufzeigen, die er benötigt, um im Humanen voranzukommen.1085 „Was dem Herzen widerstrebt, läßt der Kopf nicht rein.“ (Arthur Schopenhauer)

1084 Nochmals Safranski, R. (2007): Romantik. Eine deutsche Affäre. München: Hanser, insbesondere S. 348 ff. 1085 Bloch, E. (1959): Das Prinzip Hoffnung. 2 Bde. Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 84, 127, 166, 128, 132, 341 – Stellen, die ich hier verknüpfe.

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Stichwortverzeichnis Achtsamkeit 17, 130, 158 Affektpsychologie – apotropäische 10 Affektualität 168 Akte – performative 41 Alexithymie 137 Alterität 17, 86, 127, 189 Altersbild 153 Altruismusforschung 93 Ambivalenz 9, 101 Ambivalenzstruktur 184 Ambulantisierung 52 Angst 17, 63, 78, 92, 100, 112, 175, 177, 184 Angst-Affektualität 78 Animalität 101 Anomalie 89 A-Normal 93 Anrufung 79 Anstaltsdisziplinierungslogik 155 Anthropologie – fundamentalontologische 11 – philosophische 29 Archaisierung 14, 67 Asyl 93, 98 Ausdrucksgestalt 144 Ausdrucksqualität 30 Ausgrenzung 45, 63, 90 Authentizität 59 Autonomie 129, 174, 181 Avantgardismus 191 Barmherzigkeit 173 Bilder-Welt 41 Binärik 47, 48, 94, 109

Binärismen 17, 83, 122 Bindung 176, 184 Bindungsorientierung 82 Bipolarität 125 Blick – ethnographischer 186 – ethnologischer 12 Brüchigkeit 36 Brücke 40, 42 Büchse der Pandora 88 Change Management, kulturelles 183 Choreographie 11, 53, 74, 132, 172, 180, 182, 192 Code – binärer 12, 27, 47, 188 – kultureller 16 Community Care 152 Daimon 15 dämonisch 15, 16, 102, 103 Daseinsarbeit 130 Daseinsaufgabe 9 Daseinsgestalt 53 Daseinsmodalität 188 Daseinsmodus 170 Daseinsqualität 21 Daseinswahrheit 32 De-Institutionalisierung 14, 49, 52, 99, 107, 152 Deterritorialisierung 95 Deutungsmuster 106 Dialogizität 32, 73, 96, 170, 181 Diastole 87 Dichte 112 dionysisch 13, 85 Dionysos-Forschung 11

Stichwortverzeichnis Distanz 92, 99, 112, 131, 160, 174, 190 Durkheimianismus 134 Ekel 16, 92, 100, 112, 114, 175 Ekklesia 38, 73 Ekstase 10, 84, 87 Empathie 130, 157 Empowerment 146, 158 Endlichkeit 75 Enge 86 Entfremdung 179 Entschlossenheit 95 Existenz 23, 65, 77 Existenzbewältigung 29 Existenzerhellung 17, 24, 111, 188 Exklusion 15 Figuration 73 Figurativität 179 Form 30 Form-Werdung 31 Fremdenangst 15 Fremdensozialrecht 61 Fundamentalgrammatik 31 Fundamentalontologie 108 Gabe 24, 32, 39, 67–72, 91, 131 Gastfreundschaft 35, 91, 98, 104, 182 Gastfreundschaftskultur 88, 174 Gemeinwirtschaftlichkeit 30 Genossenschaft 67 Genossenschaftlichkeit 21, 55 Gerontophobie 97 Geschlechterordnung 27, 121 Gestaltqualität 22, 170 Gestalt-Werdung 24, 73, 145 Gewährleistungsstaatlichkeit 67 Gnade 65, 173 Grammatik – generative 179 – kulturelle 14, 104, 186 Grenze 83

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Grenzüberschreitung 10 Grenzziehung 39 Gruppen-Ethos 61 Habitus 11, 80, 117, 137 Habitus-Hermeneutik 169, 186 Heimat 96 Hermeneutik 22, 42, 111, 171, 181 – kerygmatische 31 Hoffnung 64, 79 Höhlengleichnis 98 homo abyssus 72, 78, 109 homo creator 187 homo donans 109 homo faber 180 homo patiens 14, 49, 52, 62, 74, 75, 88, 102, 140, 173 homo pictor 187 homo sacer 102 homo symbolicus 187 homo viator 79 Humanismus 45 Hybridizität 40 Hygieneangst 16, 17, 93, 98, 140, 188 Hylemorphik 29 Identität 17, 42, 101 Inklusion 10, 34, 91 Inklusionsgemeinschaft 59, 90 Inklusionsidee 14 Inskription 15, 138 Institution, totale 155 Inszenierung 192 – performative 186 Inter-Textualität 13 Kathexis 34 Kohärenzgefühl 140, 183 Kommunalisierung 142 Kommunalität 54, 57 Kommune, demenzfreundliche 10, 14, 52 Kommunion 25, 27

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Stichwortverzeichnis

Kreativität 11, 82, 86 Kreatürlichkeit 156 Kultur des Miteinanders 9 Labyrinth 87, 190 Lebenslauf, gelingender 79 Lichtung 26 Liebe 8, 28, 30, 31, 34, 72, 77, 99, 108, 131, 187 Liminalität 104, 135 mana 17, 65, 185 Manie 87 Maske 63, 136 Menschenangst 15 Metaphorologie 105 Miteinander 30, 39, 53, 86 Monadologie 80 Morphologie 22 Mut 79, 188 Mut zum Sein 78 Mutualität 27, 30 Mythopoetik 53 Mythos 76, 77, 88, 188 Nähe 99, 131, 160, 174, 190 Neu-Kantianismus 24 Normalisierung 89 Numinose 17, 184, 185 Numinosität 103 Offenheit 49, 54 Ontologie 8, 44, 110, 170 Onto-Theologie 72, 80 Ordnungsschema 120 Pandora-Mythos 76 Paternalismus 181 Person 11, 17, 21, 31, 169 Person-Sein 53, 128 Person-Werdung 27 Personalisationsvorgänge 25

Personalismus 110, 128, 170 Personalität 39, 54, 67, 96 Persönlichkeitswachstum 25, 91, 140 Pfadabhängigkeit 147 Plastizität 130, 168 Pleonexia 137 Polarität 42, 170 polis 67, 74 Positionalität, exzentrische 188 Post-Strukturalismus 111, 186 Praxis, narrative 39 Produktion, liturgische 26 Programmcode 160 Prometheus 88 promethisch 85 Psychodynamik 86, 177, 190 Psychogrammatik 94, 179 Regression 179 Reifung 42, 91, 110 Reifungsprozess 25 Reinheit 16, 94 Reinheitsgebote 93 Reterritorialisierung 95 Reziprozität 24, 30, 39, 67, 71, 145 Ritus 58 Scham 112, 113 Scheitern 65 Seinsoffenheit 187 Seinsproblematik 7 Seinsvergessenheit 43 Selbst-Findung 83 Selbsthilfe 30, 143 Selbstsorge 157 Sisyphosarbeit 187 Skript, kulturelles 146 social engineering 182 Sorge 60, 99, 108, 187 Sorgestruktur 75, 131 Souveränität 85, 156 Sozialcharakter 134, 168

Stichwortverzeichnis Sozialgemeinde 165 Sozialisationsbiographie 172, 179 Sozialismus, religiöser 7 Sozialkapital 166 Sozialraum 180 St. Florians-Prinzip 153 Struk-jektivität 122 Strukturalismus 171 – binärer 42 Subjektivation 122 Surrealismus 42, 86, 139, 190 Symbiose 175, 179 Syntonie 115 Systole 87 tabu 17, 65 Taufe 25, 27 Tiefengrammatik 11, 44, 98, 125 Tod 62, 64, 79 – sozialer 155 Transgression 86, 96

Transgressivität 82, 83 Tugend 130 Tugendethik 167 Tugendlehre 8 Über-Ich-Inskription 169 UN-Behindertenkonvention 181 Unreinheit 16 Ur-Angst 188 Ur-Code 26 Verstiegenheit 87, 96, 177, 184 Verstrickung 65 Vertrauen 24, 93 Vertrauenskapital 182 Vertrauensklima 140 Wege-Bild 41 Weite 86 Weltoffenheit 100 Wohnform 9, 74

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