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German Pages 225 [226] Year 2015
Tübinger Schriften zum Staats- und Verwaltungsrecht Band 97
Das Verhältnis von Steuersubjekt und Steuerobjekt im Einkommensteuerrecht
Von Konrad Grünwald
Duncker & Humblot · Berlin
KONRAD GRÜNWALD
Das Verhältnis von Steuersubjekt und Steuerobjekt im Einkommensteuerrecht
Tübinger Schriften zum Staats- und Verwaltungsrecht Herausgegeben von Wo l f g a n g G r a f V i t z t hu m in Gemeinschaft mit J o c h e n v o n B e r n s t o r f f , M a r t i n He c k e l K a r l -He r m a n n K ä s t n e r, F e r d i n a n d K i r c h h o f H a n s v o n M a n g o l d t , M a r t i n Ne t t e s h e i m T h o m a s O p p e r m a n n , G ü nt e r P ü t t n e r Ba rba ra Remmer t, Michael Ronel lenf itsch J o h a n n e s S a u r e r, C h r i s t i a n S e i l e r sämtlich in Tübingen
Band 97
Das Verhältnis von Steuersubjekt und Steuerobjekt im Einkommensteuerrecht
Von Konrad Grünwald
Duncker & Humblot · Berlin
Die Juristische Fakultät der Eberhard Karls Universität Tübingen hat diese Arbeit im Sommersemester 2014 als Dissertation angenommen.
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© 2015 Duncker & Humblot GmbH, Berlin
Fremddatenübernahme: TextFormA(r)t, Daniela Weiland, Göttingen Druck: buchbücher.de gmbH, Birkach Printed in Germany ISSN 0935-6061 ISBN 978-3-428-14550-8 (Print) ISBN 978-3-428-54550-6 (E-Book) ISBN 978-3-428-84550-7 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706
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Für Linus und Leonie
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2014 von der Juristischen Fakultät der Eberhard Karls Universität Tübingen als Dissertation angenommen. Mehreren Personen gebührt mein besonderer Dank: An erster Stelle danke ich meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Christian Seiler, der diese Arbeit nicht nur durch seine ständige Diskussionsbereitschaft und ste tes Fordern und Fördern begleitet hat, sondern es mir durch die freie Arbeitszeit einteilung zudem ermöglicht hat, Dissertation, Lehrstuhltätigkeit und Familie in Einklang zu bringen. Des Weiteren danke ich Herrn Prof. Dr. h. c. Rudolf Mellinghoff, Präsident des Bundesfinanzhofs, für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Zudem bedanke ich mich beim gesamten Lehrstuhl von Herrn Prof. Dr. Chris eiler für die vielen anregenden Diskussionen und kritischen Anmerkungen zu tian S meinen Thesen, die erheblich geholfen haben, die Dissertation weiterzuentwickeln. Für die Aufnahme in die Tübinger Schriften zum Staats- und Verwaltungsrecht danke ich Herrn Prof. Dr. Dr. h. c. Wolfgang Graf Vitzthum. Ein besonderer Dank geht auch an meine Eltern für die gewährte Förderung und die Mithilfe bei der Korrektur der Dissertation. Ganz herzlich danke ich auch meiner Frau, die mir insbesondere in der Endphase der Dissertation stets den Rücken frei gehalten und somit wesentlich zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen hat. Wendlingen am Neckar, im April 2015
Konrad Grünwald
Inhaltsübersicht Einleitung: Problemaufriss und Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23
Erstes Kapitel
Verfassungs- und europarechtliche Maßstäbe der Ertragsbesteuerung
26
A. Verfassungsrechtliche Maßstäbe der Ertragsbesteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 B. Europarechtliche Maßstäbe der Ertragsbesteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47
Zweites Kapitel
Steuersubjekt und Steuerobjekt
51
A. Das Steuersubjekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 B. Das Steuerobjekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 C. Inlandsbezug des Steuersubjekts und Umfang der Steuerpflicht – eine erste Verbindung von Steuersubjekt und Steuerobjekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 D. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68
Drittes Kapitel
Das Verhältnis von Steuersubjekt und Steuerobjekt im Einkommensteuerrecht 69
A. Die Zurechnung als Bindeglied zwischen Steuersubjekt und Steuerobjekt . . . . . . . . 69 B. Der Grundtatbestand der Zurechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 C. Objektbezogene Modifikationen der Regelstruktur bei latenten Einkünften . . . . . . . 71 D. Subjektbezogene Modifikationen der Regelstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106
Viertes Kapitel
Körperschaftsteuer (Anhang)
150
A. Steuersubjekt und Steuerobjekt im Körperschaftsteuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 B. Die Verbindung von Körperschaftsteuer- und Einkommensteuersystem als legislative Grundentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 C. Einzelprobleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166
10
Inhaltsübersicht Zusammenfassung der Ergebnisse und Schlussbetrachtung
186
A. Zusammenfassung der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 B. Schlussbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223
Inhaltsverzeichnis Einleitung: Problemaufriss und Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23
Erstes Kapitel
Verfassungs- und europarechtliche Maßstäbe der Ertragsbesteuerung 26
A. Verfassungsrechtliche Maßstäbe der Ertragsbesteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 I. Die Rechtfertigung der Ertragsbesteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 1. Erfordernis der Rechtfertigung von Steuern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 2. Die Steuerstaatlichkeit als Voraussetzung für die Erhebung von Steuern dem Grunde nach . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 3. Rechtfertigung der Einkommensteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 II. Die Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . 29 1. Inhalt des Leistungsfähigkeitsprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 2. Sachliche Konkretisierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 3. Persönliche Konkretisierung: Das Subjekt steuerlicher Leistungsfähigkeit . . 32 a) Das Markthandeln als maßgebliches Kriterium für die Zuordnung steuer licher Leistungsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 b) Die natürliche Person als Subjekt steuerlicher Leistungsfähigkeit . . . . . . 32 c) Die steuerliche Leistungsfähigkeit von Personenmehrheiten und juris tischen Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 aa) Die wirtschaftliche Betrachtung des Markthandelns von Personen zusammenschlüssen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 bb) Der Einfluss des Art. 19 Abs. 3 GG auf das Markthandeln von Perso nenzusammenschlüssen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 d) Die Individualbesteuerung – ein Prinzip mit Verfassungsrang? . . . . . . . . . 36 III. Das Gebot der Folgerichtigkeit im Steuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 1. Die legislative Grundentscheidung als Basis einer Folgerichtigkeitsprüfung . . 38 2. Rechtfertigungsmöglichkeit und Ausnahme vom Folgerichtigkeitsgebot beim Systemwechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 IV. Finanzverfassungsrechtliche Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 1. Bestandschutz des Steuersystems und der Einzelsteuern . . . . . . . . . . . . . . . . 40 2. Verfassungsrechtliche Bindung des Gesetzgebers bei der konkreten Ausgestal tung der Einzelsteuergesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42
12
Inhaltsverzeichnis V. Zivilrechtliche Einwirkungen über das Prinzip der Einheit der Rechtsordnung . . 44
B. Europarechtliche Maßstäbe der Ertragsbesteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 I. Ausdrückliche primärrechtliche und sekundärrechtliche Vorgaben . . . . . . . . . . . 47 II. Mittelbare, aus den Grundfreiheiten abgeleitete Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 III. Zusammenfassung: Der Einfluss des Unionsrechts auf das Verhältnis von Steuer subjekt und Steuerobjekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50
Zweites Kapitel
Steuersubjekt und Steuerobjekt 51
A. Das Steuersubjekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 I. Begriffsbestimmung und Abgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 II. Das Steuersubjekt im geltenden Einkommensteuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 1. Die Grundentscheidung des § 1 EStG: Steuersubjektivität natürlicher Per sonen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 2. Erscheinungsformen einkommensteuerrechtlicher Steuersubjektivität . . . . . . 54 a) Die unbeschränkte Steuerpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 b) Die beschränkte Steuerpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 c) Sondertatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 aa) Die erweiterte unbeschränkte Steuerpflicht nach § 1 Abs. 2 EStG . . . 55 bb) Die fiktive unbeschränkte Steuerpflicht nach § 1 Abs. 3 EStG . . . . . . 56 cc) Die erweiterte beschränkte Steuerpflicht nach § 2 Abs. 1 AStG . . . . . 57 (1) Inhalt und Ziel der Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 (2) Unionsrechtskonformität des § 2 Abs. 1 AStG . . . . . . . . . . . . . . . 58 3. Der Inlandsbezug als völkerrechtliche Voraussetzung nationaler Besteuerung 60 B. Das Steuerobjekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 I. Begriffsbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 II. Das Steuerobjekt im geltenden Einkommensteuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 C. Inlandsbezug des Steuersubjekts und Umfang der Steuerpflicht – eine erste Verbindung von Steuersubjekt und Steuerobjekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 I. Die Besteuerung nur inländischer Einkünfte beschränkt Steuerpflichtiger . . . . . 65 II. Die Besteuerung des Welteinkommens unbeschränkt Steuerpflichtiger . . . . . . . 66 D. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68
Inhaltsverzeichnis
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Drittes Kapitel
Das Verhältnis von Steuersubjekt und Steuerobjekt im Einkommensteuerrecht 69
A. Die Zurechnung als Bindeglied zwischen Steuersubjekt und Steuerobjekt . . . . . . . . 69 B. Der Grundtatbestand der Zurechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 C. Objektbezogene Modifikationen der Regelstruktur bei latenten Einkünften . . . . . . . 71 I. Zurechnung latenter Einkünfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 1. Entstehung und Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 2. Probleme der Zurechnung latenter Einkünfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 II. Zurechnung stiller Reserven bei Auseinanderfallen von Marktteilnahme und Realisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 1. Zurechnung von im Betriebsvermögen entstandenen stillen Reserven . . . . . . 74 a) Grundprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 aa) Der Grundfall der Realisierung stiller Reserven durch Veräußerung und die Anbindung an das Steuersubjekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 bb) Der Sonderfall der Realisierung stiller Reserven durch Entnahme und die Anbindung an die betriebliche Sphäre des Steuersubjekts . . . . . . 75 (1) Die Anbindung an die einzelnen Erwerbsgrundlagen . . . . . . . . . . 75 (2) Erweiterung der Anbindung durch § 6 Abs. 5 Satz 1 EStG . . . . . 77 cc) Die Anbindung der stillen Reserven an das nationale Besteuerungsrecht 79 dd) Zusammenfassung – Die dreiseitige Anbindung stiller Reserven als Grundentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 b) Modifikationen des Grundprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 aa) Die interpersonelle Verlagerung stiller Reserven durch § 6 Abs. 3 EStG 81 (1) Der Ausnahmecharakter des § 6 Abs. 3 EStG . . . . . . . . . . . . . . . . 81 (2) Rechtfertigung der nicht folgerichtigen Umsetzung des Grund prinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 bb) Die Übertragung stiller Reserven auf andere Wirtschaftsgüter des Be triebsvermögens nach § 6b EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 (1) Steuersystematische Einordnung: § 6b EStG als Ausnahmeregelung 85 (2) Rechtfertigung der nicht folgerichtigen Umsetzung des Grund prinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 2. Zurechnung von im Privatvermögen entstandenen stillen Reserven . . . . . . . . 88 a) Grundprinzip: Die nur einseitige Anbindung der stillen Reserven . . . . . . 88 b) Modifikation des Grundprinzips durch Fortführung der Anschaffungskosten durch den Rechtsnachfolger bei unentgeltlichen Übertragungen . . . . . . . . 90 III. Die Zurechnung konkretisierter latenter Einkünfte bei Auseinanderfallen von Marktteilnahme und Realisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 1. Grundsatz der Zurechnung konkretisierter latenter Einkünfte . . . . . . . . . . . . 92 a) Die Anbindung der konkretisierten latenten Einkünfte an das Steuersubjekt 92
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Inhaltsverzeichnis b) Die Anbindung an die Erwerbsgrundlage bzw. die betriebliche oder private Sphäre sowie an das nationale Besteuerungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 aa) Die dreiseitige Anbindung konkretisierter latenter Einkünfte der Ge winneinkunftsarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 bb) Die nur einseitige Anbindung konkretisierter latenter Einkünfte der Überschusseinkunftsarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 (1) Keine Anbindung der latenten Einkünfte an die Erwerbsgrundlage 95 (2) Keine Anbindung an das nationale Besteuerungsrecht . . . . . . . . . 96 2. Modifikationen der Grundentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 a) Die interpersonelle Verlagerung konkretisierter latenter Einkünfte der Ge winnereinkunftsarten durch § 6 Abs. 3 EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 b) Der doppelte Regelungscharakter des § 24 Nr. 2 EStG bei der Zurechnung nachträglicher Einkünfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 aa) Der Zufluss von Einkünften nach Aufgabe der Erwerbsgrundlage als Bestätigung der Grundentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 bb) Der Zufluss nachträglicher Einkünfte beim Rechtsnachfolger als Mo difikation der Grundentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 (1) § 24 Nr. 2 Hs. 2 EStG als besteuerungslückenfüllende Vorschrift 98 (2) Der Übergang latenter Einkünfte auf den Rechtsnachfolger . . . . 99 (3) Rechtfertigung der Ausnahmeregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 IV. Die Zurechnung aufschiebend bedingter latenter Einkünfte bei Auseinanderfallen von Marktteilnahme und Realisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 1. Grundsatz der Zurechnung aufschiebend bedingter latenter Einkünfte . . . . . 102 2. Modifikationen der Grundentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 3. Die Besteuerung der Hinterbliebenenbezüge als nur scheinbare Modifikation der Grundentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 V. Gemeinsamkeiten der objektbezogenen Modifikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105
D. Subjektbezogene Modifikationen der Regelstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 I. Die Gemeinschaft zweier Steuersubjekte im Rahmen der Ehegattenveranlagung 106 1. Technische Ausgestaltung und materielle Wirkung der Zusammenveranlagung 106 2. Art. 6 Abs. 1 GG als externe Vergleichsgröße einer leistungsfähigkeitsgerech ten Besteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 II. Die gemeinsame Marktteilnahme mehrerer Personen über die Mitunternehmer schaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 1. Die steuersystematische Stellung der Mitunternehmerschaft im Einkommen steuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 2. Materielle Folgen der Gewinnermittlung beim gemeinsamen Gewerbebetrieb aller Mitunternehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 3. Die Anbindung stiller Reserven bei gemeinschaftlichem Markthandeln . . . . 114 a) Grundprinzip: Die dreiseitige Anbindung stiller Reserven . . . . . . . . . . . . 114
Inhaltsverzeichnis
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aa) Die Anbindung der stillen Reserven an das Steuersubjekt . . . . . . . . . 114 (1) Die Anbindung stiller Reserven des Gesamthandsbereichs . . . . . 114 (2) Die Anbindung stiller Reserven des Sonderbereichs . . . . . . . . . . 116 bb) Die Anbindung an das nationale Besteuerungsrecht . . . . . . . . . . . . . . 116 cc) Die sachliche Anbindung der stillen Reserven im Sonderbereich . . . . 116 (1) Die Anbindung an den Sonderbereich des Mitunternehmers . . . . 116 (2) Die Erweiterung der sachlichen Anbindung auf die betriebliche Sphäre durch § 6 Abs. 5 Satz 2 EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 dd) Die sachliche Anbindung der stillen Reserven im Gesamthandsbereich 118 (1) Die anteilige Anbindung an die Erwerbsgrundlage des Steuersub jekts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 (2) Die nur punktuelle und nicht generelle Erweiterung der sachlichen Anbindung durch § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 ee) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 b) Modifikationen des Grundprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 aa) Die interpersonelle Verlagerung stiller Reserven durch § 6 Abs. 3 EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 bb) Die interpersonelle Verlagerung stiller Reserven durch § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 4. Sonderproblem: Die Übertragung von Wirtschaftsgütern zwischen Gesamt handsvermögen verschiedener Mitunternehmerschaften . . . . . . . . . . . . . . . . 123 a) Einfachgesetzliche Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 b) Die Buchwertfortführung als Gebot der Folgerichtigkeit . . . . . . . . . . . . . 126 aa) Der Anteil am gemeinsamen Gewerbebetrieb als Teil der gesamten be trieblichen Sphäre des Mitunternehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 bb) Keine Rechtfertigung der fehlenden folgerichtigen Umsetzung . . . . . 128 cc) Ergebnis: Die Verfassungswidrigkeit des § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG . . . . 130 III. Die Zurechnung von Drittverhalten durch § 6 Abs. 5 Sätze 4 und 6 EStG als wei tere subjektbezogene Modifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 IV. Der Einfluss der Gesamtrechtsnachfolge auf die Steuersubjektivität . . . . . . . . . . 133 1. Die Gesamtrechtsnachfolge in einkommensteuerliche Positionen . . . . . . . . . 133 a) Die zivilrechtliche Gesamtrechtsnachfolge nach § 1922 BGB . . . . . . . . . . 133 b) Die begrenzte Wirkung des § 45 Abs. 1 Satz 1 AO auf die Rechtsnachfolge in steuerliche Positionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 2. Das Sonderproblem der Rechtsnachfolge in Verluste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 a) Der Verlustvortrag nach § 10d EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 b) Der Übergang des verbleibenden Verlustvortrags auf den Gesamtrechts nachfolger als mögliche subjektbezogene Modifikation . . . . . . . . . . . . . . 138 c) Die Behandlung des steuerlichen Verlustvortrags beim Tod eines Steuer subjekts im geltenden Einkommensteuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139
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Inhaltsverzeichnis aa) Rechtsprechungsentwicklung zur Vererblichkeit des Verlustvortrags und die Bedeutung der Streitfrage nach der Entscheidung des Großen Senats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 bb) De lege lata kein Übergang des Verlustvortrags auf den Gesamtrechts nachfolger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 (1) Der Verlustvortrag als Vermögenswert im Sinne des § 1922 BGB? 140 (2) Keine Möglichkeit eines Umkehrschlusses aus steuerrechtlichen Spezialregelungen zum Verlustuntergang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 (3) Keine analoge Anwendung des § 15a Abs. 2 EStG . . . . . . . . . . . . 142 (4) Kein Übergang des Verlustvortrags aufgrund der interpersonellen Verlagerung latenter Einkünfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 (5) Zusammenfassendes Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 d) Der Übergang des Verlustvortrags als notwendige subjektbezogene Modi fikation de lege ferenda? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 aa) Die Vererblichkeit des Verlustvortrags als Ausprägung des Leistungs fähigkeitsprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 bb) Der Übergang des Verlustvortrags als Gebot der Folgerichtigkeit . . . 146 (1) Der Bezug der latenten Einkünfte zur Erwerbsgrundlage als Unter scheidungskriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 (2) Keine weitere Systemdurchbrechung durch das Folgerichtigkeits prinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 e) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149
Viertes Kapitel
Körperschaftsteuer (Anhang) 150
A. Steuersubjekt und Steuerobjekt im Körperschaftsteuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 I. Das Steuersubjekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 1. § 1 KStG als Grundregel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 2. Besonderheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 a) Die Betriebe gewerblicher Art . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 b) Die körperschaftsteuerliche Organschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 II. Das Steuerobjekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 B. Die Verbindung von Körperschaftsteuer- und Einkommensteuersystem als legislative Grundentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 I. Die Ausrichtung der Besteuerung an der natürlichen Person im früheren Voll anrechnungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 II. Die typisierte gleichheitsgerechte Besteuerung der natürlichen Person im Halbbzw. Teileinkünfteverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 1. Gründe für die Einführung des Halbeinkünfteverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . 155
Inhaltsverzeichnis
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2. Das Halb- bzw. Teileinkünfteverfahren – weiterhin bestehende Ausrichtung der Besteuerung an der natürlichen Person oder Systemwechsel? . . . . . . . . . 156 a) Die Besteuerung der Körperschaft und ihrer Anteilseigner im derzeitigen Teileinkünfteverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 b) Die Gesamtsteuerbelastung im Teileinkünfteverfahren als Indiz für eine Ausrichtung der Besteuerung an der natürlichen Person . . . . . . . . . . . . . . 158 c) Die Abmilderung der Doppelbelastung als typisierte leistungsfähigkeits gerechte Besteuerung der jeweiligen Anteilseigner . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 aa) Die gesetzgeberische Zielvorstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 bb) Das Teileinkünfteverfahren als noch zulässige Typisierung . . . . . . . . 160 cc) Ergebnis: Die stellvertretende Marktteilnahme des Körperschaftsteuer subjekts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 d) Bestätigung der Grundentscheidung für die Ausrichtung der Besteuerung an der natürlichen Person im geltenden Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 aa) Vermeidung steuerlicher Doppelbelastung durch § 8b Abs. 1 KStG . . 162 bb) Die Besteuerung der Anteilseigner einer REIT-AG . . . . . . . . . . . . . . . 163 III. Folgewirkungen der Grundentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 1. Die Zurechnung des fremden Steuerobjekts zum Körperschaftsteuersubjekt . 164 2. Die Anbindung der stillen Reserven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 3. Erforderliche Folgeanpassungen aufgrund der technisch getrennten Steuer systeme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 C. Einzelprobleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 I. Die Betriebsausgabenabzugsbeschränkung des § 3c Abs. 2 EStG und des § 8b Abs. 5 KStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 1. Die Abzugsbeschränkungen und das objektive Nettoprinzip . . . . . . . . . . . . . 167 2. Keine Rechtfertigung der Durchbrechung des objektiven Nettoprinzips . . . . 169 a) Keine Rechtfertigung durch die Steuersubjektivität der Körperschaft . . . . 169 b) Keine Rechtfertigung aus Folgerichtigkeitsgesichtspunkten . . . . . . . . . . . 169 c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 II. Die Mindestbeteiligungsquote des § 8b Abs. 4 KStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 III. Der Untergang nicht genutzter Verluste nach § 8c KStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 1. Regelungsinhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 2. Der körperschaftsteuerliche Verlustabzug im Spannungsfeld zwischen Steuer subjektivität der Körperschaft und Ausrichtung der Besteuerung an der natür lichen Person . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 3. Auswirkungen einer Anteilsübertragung auf den Verlustabzug . . . . . . . . . . . 177 4. § 8c KStG als grob typisierende Missbrauchsvermeidungsvorschrift . . . . . . . 179 a) Der Anteilseignerwechsel als grundsätzlich geeignetes Anknüpfungskrite rium für den Verlustuntergang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179
18
Inhaltsverzeichnis b) Die Berücksichtigung der Konzernklausel, der stillen-Reserven-Klausel und der Sanierungsklausel im Rahmen der Typisierung . . . . . . . . . . . . . . 181 c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 IV. Der Ausschluss von der Buchwertfortführung nach § 6 Abs. 5 Sätze 5 und 6 EStG 183
Zusammenfassung der Ergebnisse und Schlussbetrachtung 186
A. Zusammenfassung der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 I. Aus der Grundstruktur des Einkommensteuergesetzes abgeleitete Anforderungen an die konkrete Ausgestaltung des Besteuerungssystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 II. Die Zurechnung latenter Einkünfte bei Auseinanderfallen von Marktteilnahme und Realisation und die interpersonelle Verlagerung latenter Einkünfte als objekt bezogene Modifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 1. Die dreiseitige Anbindung latenter Einkünfte der Gewinneinkunftsarten . . . . 188 2. Die nur einseitige Anbindung latenter Einkünfte der Überschusseinkunftsarten 188 3. Die gemeinsamen Voraussetzungen für die interpersonelle Verlagerung laten ter Einkünfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 III. Die Mitunternehmerschaft als Vehikel zur gemeinsamen Marktteilnahme . . . . . 190 IV. Das Körperschaftsteuersubjekt und die Ausrichtung der Besteuerung an der natür lichen Person . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 B. Schlussbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223
Abkürzungsverzeichnis a. A. andere Ansicht ABl. Amtsblatt der Europäischen Union Abs. Absatz AEUV Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union AG Aktiengesellschaft AO Abgabenordnung AöR Archiv des öffentlichen Rechts (Zeitschrift) Art. Artikel AStG Außensteuergesetz BB Betriebs-Berater (Zeitschrift) Zeitschrift für Bilanzierung, Rechnungswesen und Controlling (Zeitschrift) BC Begr. Begründer BewG Bewertungsgesetz BFH Bundesfinanzhof BFH/NV Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH (Zeit schrift) Bürgerliches Gesetzbuch BGB BGBl. Bundesgesetzblatt bspw. beispielsweise BStBl. Bundessteuerblatt Buchst. Buchstabe BVerfG Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts BVerfGE bzw. beziehungsweise DB Der Betrieb (Zeitschrift) Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung DBA Deutsche Steuerjuristische Gesellschaft e. V. DStJG Deutsches Steuerrecht (Zeitschrift) DStR DStZ Deutsche Steuer-Zeitung (Zeitschrift) DVBl. Deutsches Verwaltungsblatt (Zeitschrift) Entscheidungen der Finanzgerichte (Zeitschrift) EFG ErbStG Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz Erg.-Lfg. Ergänzungslieferung EStG Einkommensteuergesetz Einkommensteuer-Richtlinien 2012 EStR EuG Gericht der Europäischen Union EuGH Gerichtshof der Europäischen Union EUV Vertrag über die Europäische Union idF des Vertrags von Lissabon Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht (Zeitschrift) EuZW Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht (Zeitschrift) EWiR EWS Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht (Zeitschrift)
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Abkürzungsverzeichnis
folgende Seite/Randnummer f. ff. folgende Seiten/Randnummern FG Finanzgericht FMStFG Gesetz zur Errichtung eines Finanzmarktstabilisierungsfonds FR Finanz-Rundschau (Zeitschrift) GewStG Gewerbesteuergesetz GG Grundgesetz GmbHR GmbH-Rundschau (Zeitschrift) Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung (Zeitschrift) HFR h. M. herrschende Meinung Hrsg. Herausgeber Hs. Halbsatz HStR Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland Internationales Steuerrecht (Zeitschrift) IStR Juristische Arbeitsblätter (Zeitschrift) JA juris PraxisReport Steuerrecht (Online-Zeitschrift) jurisPR-SteuerR JuS Juristische Schulung (Zeitschrift) JZ Juristenzeitung (Zeitschrift) KStG Körperschaftsteuergesetz mit weiteren Nachweisen m. w. N. NJW Neue juristische Wochenschrift (Zeitschrift) Nr. Nummer NVwZ Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht (Zeitschrift) Neue Zeitschrift für Sozialrecht (Zeitschrift) NZS Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung OECD OECD-MA 2010 OECD-Musterabkommen 2010 zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (Stand: Okto ber 2010) R Richtlinie REIT Real Estate Investment Trust REITG Gesetz über deutsche Immobilien-Aktiengesellschaften mit börsennotierten Anteilen RFH Reichsfinanzhof RGBl. Reichsgesetzblatt Rn. Randnummer Rs. Rechtssache Rspr. Rechtsprechung RStBl. Reichssteuerblatt S. Seite SGB VI Sozialgesetzbuch Sechstes Buch Slg Sammlung der Rechtsprechung des Gerichtshofes und des Gerichts Erster Instanz Stbg Die Steuerberatung (Zeitschrift) SteuK Steuerrecht kurzgefasst (Zeitschrift) Steuer und Wirtschaft (Zeitschrift) StuW StVj Steuerliche Vierteljahresschrift (Zeitschrift) Ubg Die Unternehmensbesteuerung (Zeitschrift) UmwStG Umwandlungssteuergesetz
Abkürzungsverzeichnis UStG Umsatzsteuergesetz v. vom VVDStRL Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer Gesetzblatt der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebietes WiGBl. Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen WÜD z. B. zum Beispiel Zeitschrift für Wirtschaftsrecht (Zeitschrift) ZIP zust. zustimmend
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Einleitung: Problemaufriss und Gang der Untersuchung Die Steuergerechtigkeit lebt von der Besteuerungsmoral des Staates und der Steuermoral der Bürger1 Steuergerechtigkeit ist regelmäßig Gegenstand breiter öffentlicher Diskussion. In Bezug auf das Einkommensteuerrecht verbindet die öffentliche Wahrnehmung Steuergerechtigkeit vor allem mit der Höhe des Steuersatzes. Dabei ist der „Steuersatz“ nur eines der vier Tatbestandsmerkmale2 eines gesetz lichen Tatbestandes, der auf die Entstehung einer Steuerschuld abzielt (sogenannter Steuertatbestand)3. Der Steuersatz wird überhaupt nur dann relevant, wenn auch die drei anderen Tatbestandsmerkmale „Steuersubjekt“, „Steuerobjekt“ und „Steuer bemessungsgrundlage“ vorhanden sind.4 Aus verfassungsrechtlicher Sicht ist es da her überraschend, dass die Steuergerechtigkeit in der öffentlichen Debatte haupt sächlich mit dieser letzten Stufe des Steuertatbestandes verknüpft wird. Zumal ein progressiver Steuertarif, wie ihn auch § 32a EStG vorsieht, weder gleichheitsrecht lich geboten noch durch das Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG vorgegeben ist,5 sondern ein Instrument sozialstaatlicher Umverteilung6 darstellt. Ein gerechtes Steuersystem braucht letztlich mehr als nur einen „gerechten“ Steu ersatz. Es setzt zunächst einmal einen – anhand auch des Grundgesetzes ermittelten – 1
R. Seer, § 1, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, Rn. 3. R. Seer, § 6, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, Rn. 27 ff.; H.-W. Bayer, Steuerlehre, Rn. 392; O. Beierl, Einkünftequalifikation, S. 62 f.; C. Wasmer, Zurechnung, S. 1; H. Schulz, BB 1978, 1259 (1259 f.). Zum Teil wird die Vier-Elemente-Lehre durch die eigenständigen Prüfungs punkte räumlicher Anwendungsbereich, Zurechnung oder Steuervergünstigungen erweitert, zum Teil werden diese aber auch als im Rahmen eines der vier genannten Tatbestandsmerkmale miterfasst angesehen. Eine Kurzübersicht m. w. N. zu den verschiedenen Ansichten findet sich bei H.-W. Bayer, BB 1991, 517 (518 ff.). 3 H.-W. Bayer, Grundbegriffe des Steuerrechts, Rn. 53b. Zum Steuertatbestand siehe A. Hensel, Steuerrecht, S. 57; J. Lang, Steuervergünstigungen, S. 24 f. Zur Kritik am Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit siehe die Übersicht bei H. Hahn, Gesetzmäßigkeit der Besteuerung, S. 22 ff. m. w. N. 4 Ausgehend vom Prinzip der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung hat A. Hensel, Steuer recht, S. 58 ff. bereits 1933 diese Unterscheidung eines Steuertatbestandes in vier Tatbestands merkmale in seiner Untersuchung des Steuerschuldverhältnisses herausgearbeitet. Die von ihm verwendeten Begriffe „Steuerschuldner“, „sachliche Seite des Steuertatbestandes“, „Steuer maßstab“ und „Steuersatz“ haben dann im Laufe der Zeit eine Wandelung hin zu den oben ge nannten erfahren. 5 K. Wagner, in: Blümich, EStG, § 32a Rn. 33 m. w. N. 6 J. Hey, § 8, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, Rn. 802. 2
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Einleitung: Problemaufriss und Gang der Untersuchung
„Gerechtigkeitsmaßstab“ voraus, an welchem dann der gesamte Steuertatbestand auszurichten ist. Dabei sind die ersten beiden Tatbestandsmerkmale – namentlich das Steuersubjekt und das Steuerobjekt – von zentraler Bedeutung. Denn nur eine entsprechende Ausgestaltung von Steuersubjekt und Steuerobjekt kann die Grund lage für ein gerechtes Steuersystem bereiten. Sind diese beiden Tatbestandsmerk male nicht bereits entsprechend den grundgesetzlichen Vorgaben ausgestaltet, ver mag auch der viel diskutierte Steuersatz keine Steuergerechtigkeit mehr herzustellen. Indes genügt allein die Auswahl geeigneter Steuersubjekte und Steuerobjekte noch nicht, da diese Tatbestandsmerkmale nicht isoliert nebeneinander stehen, sondern aufeinander aufbauen.7 Um eine Steuerpflicht zu begründen, muss dem nach eine bestimmte Beziehung – in Form der Zurechnung des sachlichen Tat bestandes zur entsprechenden Person – zwischen den beiden Tatbestandsmerk malen hergestellt werden.8 Erst diese „Zurechnung“, die die Frage beantwortet, warum dieses Steuerobjekt gerade diesem Steuersubjekt zugeordnet wird, schafft eine Verbindung zwischen Steuersubjekt und Steuerobjekt und eröffnet dadurch die Möglichkeit zur weiteren Verwirklichung des Steuertatbestandes. Das ausgewählte Steuersubjekt, das ausgewählte Steuerobjekt und die einfach gesetzlich angeordnete Zurechnung prägen letztlich die gesamte Struktur des je weiligen Steuerrechtsgebiets. Sie müssen daher jeweils einzeln, aber auch in ihrer Gesamtheit innerhalb des vom Grundgesetz vorgegebenen Rahmens vom Gesetz geber ausgewählt und näher ausgestaltet werden. Dem Verhältnis von Steuersubjekt und Steuerobjekt wird in der bisherigen Praxis jedoch nicht immer die notwendige Aufmerksamkeit geschenkt. Dabei ist eine genaue Bestimmung dieses Verhältnisses nicht nur von theoretischer Bedeu tung, sondern für zahlreiche einfachrechtliche Fragestellungen hilfreich, wenn nicht sogar erforderlich. Dementsprechend zeigt die vorliegende Arbeit zunächst den verfassungs- und europarechtlichen Rahmen der Ertragsbesteuerung und deren Folgen für die ge setzliche Auswahl und Ausgestaltung des Steuersubjekts, des Steuerobjekts und des Verhältnisses beider Elemente zueinander auf. Im Anschluss hieran wird die legislative Grundentscheidung zum Verhältnis von Steuersubjekt und Steuer objekt herausgearbeitet. Ausgangspunkt sind die §§ 1 und 2 des Einkommensteuer gesetzes. Vertiefend sind jedoch noch verschiedene Problemkreise – wie bei spielsweise die Behandlung latenter Einkünfte (insbesondere stiller Reserven), die steuersystematische Stellung der Mitunternehmerschaft und die Wirkung der Gesamtrechtsnachfolge auf die Steuersubjektivität – zu beleuchten, um hieraus Rückschlüsse auf die legislative Grundentscheidung gewinnen und Modifikationen der Grundstruktur erkennen und beurteilen zu können. Die hieraus gezogenen Er 7 Zum Stufenaufbau des Steuertatbestandes siehe H.-W. Bayer, Grundbegriffe des Steuer rechts, Rn. 57 f. 8 So bereits A. Hensel, Steuerrecht, S. 59.
Einleitung: Problemaufriss und Gang der Untersuchung
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kenntnisse sollen dann zur Lösung verschiedener einkommensteuerlicher Streit fragen – namentlich die Übertragung von Wirtschaftsgütern mit stillen Reserven zwischen (personenidentischen) Schwester-Personengesellschaften zu Buchwerten und die Vererblichkeit des Verlustvortrags – genutzt werden. Da nach geltendem Einkommensteuerrecht auch Gewinnausschüttungen von – dem Körperschaftsteuerregime unterliegenden – Kapitalgesellschaften die Höhe des Einkommensteuerobjekts beeinflussen, ist auch der Einfluss der Regelun gen des Körperschaftsteuergesetzes auf das (einkommensteuerliche) Verhältnis von Steuersubjekt und Steuerobjekt zu betrachten. Abschließend ist daher im Rah men einer Gesamtbetrachtung von Einkommen- und Körperschaftsteuersystem zunächst der Frage nachzugehen, ob der Gesetzgeber die Besteuerung an der na türlichen Person ausrichtet oder aber dem Körperschaftsteuersubjekt eine vom Individuum getrennte Leistungsfähigkeit zuordnet. Von dieser folgerichtig wei terzudenkenden Grundentscheidung hängt dann letztlich die Frage ab, ob Regelun gen wie die Betriebsausgabenabzugsbeschränkung des § 3c Abs. 2 EStG und des § 8b Abs. 5 KStG, die neu eingeführte Mindestbeteiligungsquote des § 8b Abs. 4 KStG, der Untergang des Verlustvortrags nach § 8c KStG und der Ausschluss von der Buchwertfortführung nach § 6 Abs. 5 Satz 5 und 6 EStG noch als leistungs fähigkeitsgerechte und folgerichtige Regelungen anzusehen sind oder aber die (materielle) Zuordnung eines Steuerobjekts zum zugehörigen Steuersubjekt un genau abbilden.
Erstes Kapitel
Verfassungs- und europarechtliche Maßstäbe der Ertragsbesteuerung A. Verfassungsrechtliche Maßstäbe der Ertragsbesteuerung I. Die Rechtfertigung der Ertragsbesteuerung 1. Erfordernis der Rechtfertigung von Steuern Eine Steuer im Sinne der Art. 105 ff. GG ist eine dem Leistenden von einem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen hoheitlich auferlegte, einmalige oder lau fende Geldleistungspflicht, die der Deckung des öffentlichen Finanzbedarfs dient und keine Gegenleistung für eine besondere Leistung des Staates darstellt.1 Die Auferlegung einer Steuerpflicht kann jedes Grundrecht berühren,2 greift aber jedenfalls in die allgemeine Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG ein.3 Wie jeder andere klassische Grundrechtseingriff bedarf daher auch der Steuer zugriff der Rechtfertigung.4 Hierbei ist die Rechtfertigung der Steuern an sich
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M. Heintzen, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 105 Rn. 12; F. Kirchhof, Grundriss des Steuer- und Abgabenrechts, Rn. 9 ff.; H. Kube, in: Epping/Hillgruber, GG, Art. 105 Rn. 4; T. Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 104a Rn. 7; K. Vogel/C. Waldhoff, in: Kahl/Waldhoff/ Walter/Dolzer/Graßhof, Bonner Kommentar, Vorbem. z. Art. 104a–115 Rn. 393; C. Waldhoff, § 116, in: Isensee/Kirchhof, HStR V, Rn. 85. Ausführlich zum Verhältnis von verfassungsrecht lichem und einfachgesetzlichem Steuerbegriff siehe H. Schaefer, Der verfassungsrechtliche Steuerbegriff, S. 3 ff. und K. Vogel/C. Waldhoff, in: Kahl/Waldhoff/Walter/Dolzer/Graßhof, Bonner Kommentar, Vorbem. z. Art. 104a–115 Rn. 360 ff. 2 P. Kirchhof, Besteuerungsgewalt, S. 17. 3 BVerfG, Beschluss v. 25.09.1992 – 2 BvL 5, 8, 14/91 (Grundfreibetrag), BVerfGE 87, 153 (169); U. Di Fabio, JZ 2007, 749 (752); F. Kirchhof, § 59, in: Merten/Papier, Handbuch der Grundrechte, Rn. 12; R. Mellinghoff, Vertrauen in das Steuergesetz, in: Pezzer, DStJG 27 (2004), 25 (29). Das BVerfG nimmt mittlerweile auch dann, wenn die Einkommensteuer keine erdrosselnde Wirkung hat, einen Eingriff in den Schutzbereich des Art. 14 GG an, siehe BVerfG, Beschluss v. 18.01.2006 – 2 BvR 2194/99 (Obergrenze für Einkommen- und Gewerbesteuer), BVerfGE 115, 97 (112 f.) sowie zur Vermögensteuer BVerfG, Beschluss v. 22.06.1995 – 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121 (137 f.); anders allerdings noch z. B. BVerfG, Beschluss v. 07.10.1969 – 2 BvL 3/66, 2 BvR 701/64, BVerfGE 27, 111 (131); BVerfG, Be schluss v. 29.11.1989 – 1 BvR 1402, 1528/87, BVerfGE 81, 108 (122). 4 P. Kirchhof, § 118, in: Isensee/Kirchhof, H StR V, Rn. 80; K. Vogel, § 30, in: Isensee/Kirch hof, HStR II, Rn. 64.
A. Verfassungsrechtliche Maßstäbe der Ertragsbesteuerung
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(Rechtfertigung dem Grunde nach) und die Rechtfertigung der konkreten Einzel steuer zu unterscheiden.5 2. Die Steuerstaatlichkeit als Voraussetzung für die Erhebung von Steuern dem Grunde nach Ein Steuerstaat zeichnet sich dadurch aus, dass er sich nicht durch eine eigene wirtschaftliche Betätigung finanziert, sondern die Erwerbstätigkeit der privaten Wirtschaft überlässt und sich daher im Wesentlichen durch Steuern finanziert.6 Ausgehend hiervon ist der Staat des Grundgesetzes Steuerstaat.7 Denn aus den Regelungen der Finanzverfassung in den Art. 105 ff. GG ergibt sich, dass die Steuer die typische Einnahmequelle des Staates darstellt.8 Zudem lässt sich mittelbar aus den Grundrechten die Entscheidung der Verfassung für eine Pri vatwirtschaft entnehmen, da eine freie Vermögensdisposition und eine aus der Berufsfreiheit abgeleitete Wettbewerbsfreiheit nur in einem privatwirtschaftlich verfassten Staat denkbar sind.9 Bei der Steuerstaatlichkeit handelt es sich dabei nicht um ein bloßes Binnen prinzip der Finanzverfassung, sondern um eine Verfassungsvoraussetzung, die nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass von Art. 79 Abs. 3 GG geschützte Verfassungsprinzipien wesentlich beeinträchtigt würden.10 Ist aber der Steuerstaat verfassungsrechtlich vorausgesetzt, so ist der Besteuerungszugriff dem Grunde nach auch verfassungsrechtlich legitimiert.11 5
M. Rodi, Rechtfertigung von Steuern, S. 11 f.; K. Tipke, Steuerrechtsordnung I, S. 228. C. Seiler, Steuerstaat und Binnenmarkt, in: Depenheuer/Heintzen/Jestaedt/Axer, Festschrift Isensee, 875 (875); R. Mellinghoff, Resümee, in: Mellinghoff, DStJG 29 (2006), 337 (337); K. Vogel, § 30, in: Isensee/Kirchhof, HStR II, Rn. 51 ff. 7 J. Isensee, Steuerstaat als Staatsform, in: Stödter/Thieme, Festschrift Ipsen, 409 (409); M. Lehner/C. Waldhoff, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 1 Rn. A 148; R. Melling hoff, Stbg 2005, 1 (1); M. Rodi, Rechtfertigung von Steuern, S. 28; C. Seiler, Steuerstaat und Binnenmarkt, in: Depenheuer/Heintzen/Jestaedt/Axer, Festschrift Isensee, 875 (875); K. Vogel, § 30, in: Isensee/Kirchhof, HStR II, Rn. 69. 8 BVerfG, Beschluss v. 08.06.1988 – 2 BvL 9/85, 3/86 (Fehlbelegungsabgabe), BVerfGE 78, 249 (266 f.); BVerfG, Beschluss v. 31.05.1990 – 2 BvL 12, 13/88, 2 BvR 1436/87 (Absatz fonds), BVerfGE 82, 159 (178); BVerfG, Beschluss v. 07.11.1995 – 2 BvR 413/88, 1300/93 (Wasserpfennig), BVerfGE 93, 319 (342); H.-J. Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 14 Rn. 167; K. Vogel, § 30, in: Isensee/Kirchhof, HStR II, Rn. 70. 9 K. Vogel, § 30, in: Isensee/Kirchhof, HStR II, Rn. 71. 10 J. Isensee, Steuerstaat als Staatsform, in: Stödter/Thieme, Festschrift Ipsen, 409 (421, 433 f.); M. Rodi, Rechtfertigung von Steuern, S. 28; C. Seiler, Steuerstaat und Binnenmarkt, in: Depenheuer/Heintzen/Jestaedt/Axer, Festschrift Isensee, 875 (878). 11 H.-J. Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 14 Rn. 167; M. Rodi, Rechtfertigung von Steuern, S. 29. Anders bspw. D. Birk, Rechtfertigung der Vermögensbesteuerung, in: Birk, DStJG 22 (1999), 7 (8); H. Weber-Grellet, Steuern im modernen Verfassungsstaat, S. 4 f.: „Steuern als sol che bedürfen im modernen Verfassungsstaat keiner ausdrücklichen Rechtfertigung.“ 6
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1. Kap.: Verfassungs- und europarechtliche Maßstäbe der Ertragsbesteuerung
3. Rechtfertigung der Einkommensteuer Die im Grundgesetz vorausgesetzte Steuerstaatlichkeit ermöglicht zwar die Besteuerung an sich, rechtfertigt jedoch nicht die Einkommensteuer in ihrer kon kreten Ausgestaltung.12 Hierfür bedarf es vielmehr eines eigenständigen Recht fertigungsgrundes. Rückschlüsse auf einen solchen Rechtfertigungsgrund lassen sich dabei aus dem derzeit geltenden Einkommensteuergesetz selbst ziehen. Dieses unterwirft nur die am einkommensteuerlichen Markt13 – in Abgrenzung von der in der Pri vatsphäre – erzielten Erträge der Besteuerung.14 Voraussetzung für dieses Markt einkommen ist aber neben einer eigenen Leistung auch deren soziale Einbin dung in Form der Teilnahme am allgemeinen Markt.15 Zugang zum allgemeinen Markt erhält der Einzelne aber nur deshalb, weil der Staat die entsprechenden Voraussetzungen für diesen geschaffen hat, indem er beispielsweise eine Rechts ordnung erlassen, die erforderliche Infrastruktur zur Verfügung gestellt und ein geeignetes Bildungssystem installiert hat.16 Zugleich ermöglicht es die Allgemein heit dem Steuersubjekt durch entsprechende Nachfrage nach dessen angebotener Leistung Einnahmen zu erzielen.17 Da der Staat und die Allgemeinheit den ein kommensteuerlichen Markt gewährleisten und dem Einzelnen hierdurch erst die
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F. Kirchhof, Grundriss des Steuer- und Abgabenrechts, Rn. 28. Grundlegend hierzu H. Ruppe, Übertragung von Einkunftsquellen, in: Tipke, DStJG 1 (1978), 7 (15 f., 24 f.). Siehe ferner P. Kirchhof, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 2 Rn. A 363 ff.; P. Kirchhof, Gutachten für den 57. Deutschen Juristentag, F 16 ff.; P. Kirchhof, AöR 123 (2003), 1 (7 f.); P. Kirchhof, § 118, in: Isensee/Kirchhof, HStR V, Rn. 186; P. Kirchhof, Bundes steuergesetzbuch, S. 3 f., 372 f.; R. Beiser, StuW 2005, 295 (295, 297 f.); M. Lehner, Begren zung der nationalen Besteuerungsgewalt, in: Pelka, DStJG 23 (2000), 263 (276); R. Mellinghoff, StVj 1989, 130 (137); C. Seiler, Parlamentsvorbehalt, S. 261 f.; C. Seiler, Gutachten zum 66. Deutschen Juristentag, F 9 f. Eine verfassungsrechtliche Verankerung ausdrücklich ableh nend P. Ergenzinger, Schenkungsteuergesetz, S. 35; J. Hey, § 7, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, Rn. 31; H. Söhn, Markteinkommenstheorie, in: Lang, Festschrift Tipke, 343 (349 ff.); A. Steichen, Markteinkommenstheorie, in: Lang, Festschrift Tipke, 365 (370 ff.); R. Wittmann, Das Markt einkommen, S. 118 ff. 14 H. M., z. B. BVerfG, Beschluss v. 22.06.1995 – 2 BvL 37/91 (Vermögensteuer), BVerfGE 93, 121 (134); P. Handzik, in: Littmann/Bitz/Pust, EStG, § 2 Rn. 29; J. Hey, § 7, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, Rn. 31 und § 8 Rn. 52; P. Kirchhof, § 118, in: Isensee/Kirchhof, HStR V, Rn. 232 f.; P. Kirchhof, in: Kirchhof, EStG, Einleitung Rn. 5 und 11; C. Lambrecht, Ermittlung der Einkünfte, in: Kube/Mellinghoff/Morgenthaler/Palm/Puhl/Seiler, Leitgedanken des Rechts, 1853 (1853 und 1855); C. Seiler, Parlamentsvorbehalt, S. 261; R. Wittmann, Das Markteinkommen, S. 57 f. A. A. D. Birk/M. Desens/H. Tappe, Steuerrecht, Rn. 611; H. Weber-Grellet, in: Schmidt, EStG, § 2 Rn. 3; A. Musil, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 2 Rn. 10 (keine vollständige Ver wirklichung). 15 C. Seiler, Gutachten zum 66. Deutschen Juristentag, F 10. 16 P. Kirchhof, § 118, in: Isensee/Kirchhof, HStR V, Rn. 88; M. Lehner, Begrenzung der nationalen Besteuerungsgewalt, in: Pelka, DStJG 23 (2000), 263 (276 f.); C. Seiler, Gutachten zum 66. Deutschen Juristentag, F 10. 17 C. Seiler, Parlamentsvorbehalt, S. 262. 13
A. Verfassungsrechtliche Maßstäbe der Ertragsbesteuerung
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Möglichkeit des privatnützigen Wirtschaftens ermöglichen, ist es gerechtfertigt, wenn diese auch am individuellen Markterfolg partizipieren.18 Es kann somit of fenbleiben, ob allein eine eingetretene Bereicherung zur Rechtfertigung der Ein kommensteuer genügt,19 da die derzeitige Einkommensteuer jedenfalls ihren recht fertigenden Grund in der staatlichen Teilhabe am privaten Markterfolg findet (Markteinkommenstheorie).
II. Die Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit 1. Inhalt des Leistungsfähigkeitsprinzips Oberster Vergleichsmaßstab für die gerechte Verteilung von Steuerlasten ist das gleichheitsrechtlich20 verankerte Leistungsfähigkeitsprinzip.21 Dieses verlangt vom Gesetzgeber, dass Steuerpflichtige mit gleicher Leistungsfähigkeit gleich hoch besteuert werden (horizontale Steuergerechtigkeit) und Steuerpflichtige mit unter schiedlichem Einkommen entsprechend deren Leistungsfähigkeit unterschiedlich belastet werden (vertikale Steuergerechtigkeit).22
18 P. Kirchhof, Gutachten für den 57. Deutschen Juristentag, F 17; P. Kirchhof, § 118, in: Isensee/Kirchhof, HStR V, Rn. 88; C. Seiler, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 4 Rn. A 5. 19 So bswp. H. Söhn, Markteinkommenstheorie, in: Lang, Festschrift Tipke, 343 (349 ff.); K. Tipke, Steuerrechtsordnung II, S. 581. 20 BVerfG, Beschluss v. 17.01.1957 – 1 BvL 4/54 (Haushaltsbesteuerung), BVerfGE 6, 55 (70); BVerfG, Beschluss v. 14.04.1959 – 1 BvL 23, 34/57 (Ehegattenbesteuerung), BVerfGE 9, 237 (244); BVerfG, Beschluss v. 23.11.1976 – 1 BvR 150/75 (Kinderfreibetrag), BVerfGE 43, 108 (118); BVerfG, Beschluss v. 22.02.1984 – 1 BvL 10/80, BVerfGE 66, 214 (223); U. Di Fabio, JZ 2007, 749 (749); R. Mellinghoff, „Soziale Gerechtigkeit“ im Steuerrecht, in: Brandt, Für ein gerechteres Steuerrecht, 31 (37); H. Weber-Grellet, FR 2001, 1028 (1030). Zur verfas sungsrechtlichen Verankerung des Leistungsfähigkeitsprinzips siehe auch D. Birk, Leistungs fähigkeitsprinzip, S. 123 ff. (Freiheitsgrundrechte, Gleichheitssatz und Sozialstaatsprinzip); P. Kirchhof, Besteuerung im Verfassungsstaat, S. 23 f.; P. Kirchhof, § 118, in: Isensee/Kirchhof, HStR V, Rn. 168 ff. (Gleichheitssatz und Art. 14); R. Wernsmann, Verhaltenslenkung, S. 288 f. (Gleichheitssatz und Freiheitsgrundrechte); K. Vogel/C. Waldhoff, in: Kahl/Waldhoff/Walter/ Dolzer/Graßhof, Bonner Kommentar, Vorbem. z. Art. 104a–115 Rn. 519 (Steuerertragsvertei lung, Gleichheitssatz, Rechtsstaats- und Sozialstaatsprinzip). Zur Kritik an den unterschied lichen verfassungsrechtlichen Ableitungen des Leistungsfähigkeitsprinzips siehe J. Englisch, Wettbewerbsgleichheit, S. 571 ff. 21 J. Hey, § 3, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, Rn. 40; R. Mellinghoff, StVj 1989, 130 (134); P. Kirchhof, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 2 Rn. A 268. 22 Ständige Rspr., z. B. BVerfG, Beschluss v. 29.05.1990 – 1 BvL 20, 26/84, 4/86 (Kinder geldkürzung), BVerfGE 82, 60 (89); BVerfG, Urteil v. 09.12.2008 – 2 BvL 1, 2/07, 1, 2/08 (Pendlerpauschale), BVerfGE 122, 210 (231); BVerfG, Beschluss v. 06.07.2010 – 2 BvL 13/09 (häusliches Arbeitszimmer), BVerfGE 126, 268 (278); BVerfG, Beschluss v. 12.10.2010 – 1 BvL 12/07 (Betriebsausgabenabzugsverbot), BVerfGE 127, 224 (245).
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1. Kap.: Verfassungs- und europarechtliche Maßstäbe der Ertragsbesteuerung
Das Leistungsfähigkeitsprinzip ist jedoch bedingt durch seinen reinen Prin zipiencharakter unbestimmt.23 Daher lassen sich diesem lediglich grobe Leitlinien der Besteuerung, nicht jedoch der geeignete Vergleichsmaßstab selbst entneh men. Das Leistungsfähigkeitsprinzip ist demzufolge konkretisierungsbedürftig.24 Die dem Leistungsfähigkeitsgedanken innewohnende sachliche und persönliche Dimension lässt sich dabei mithilfe der Grundrechte25 und des den Steuer zugriff rechtfertigenden Markteinkommensgedankens ausfüllen und handhabbar machen. 2. Sachliche Konkretisierungen Eine erste sachliche Konkretisierung erfährt das Leistungsfähigkeitsprinzip über den einkommensteuerlichen Rechtfertigungsgrund. Ist die Einkommensteuer durch die Teilhabe am privaten Markterfolg gerechtfertigt, so kann für die Be steuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit nur der Vergleich des Markterfolges maßgebend sein. Hierfür spricht auch die in Art. 12 GG geregelte Berufsfreiheit. Zwar enthalten Steuergesetze regelmäßig keine unmittelbare Regelung von Berufswahl oder Be rufsausübung.26 Auch fehlt es bei Finanzzwecksteuern wie der Einkommensteuer im Allgemeinen an dem von der Rechtsprechung27 geforderten engen Zusammen hang mit der Ausübung eines Berufes und an der objektiv berufsregelnden Ten denz, so dass auch diesbezüglich ein Eingriff in den Schutzbereich des Art. 12 GG zumeist ausscheiden wird.28 Allerdings legt Art. 12 GG – da ein Steuersubjekt ge 23
K. Tipke, Steuerrechtsordnung I, S. 492; J. Hey, § 3, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, Rn. 41. J. Englisch, Wettbewerbsgleichheit, S. 571 f.; J. Hey, § 3, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, Rn. 49; J. Lang, Leistungsfähigkeitsprinzip, in: Drenseck/Seer, Festschrift Kruse, 313 (326). 25 Vgl. K. Tipke, Steuerrechtsordnung I, S. 493. 26 J. Hey, § 3, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, Rn. 188. 27 BVerfG, Beschluss v. 30.10.1961 – 1 BvR 833/59 (Schankerlaubnissteuer), BVerfGE 13, 181 (186); BVerfG, Urteil v. 22.05.1963 – 1 BvR 78/56 (Werkfernverkehr), BVerfGE 16, 147 (162); BVerfG, Beschluss v. 05.03.1974 – 1 BvL 27/72 (Weinwirtschaftsabgabe), BVerfGE 37, 1 (17); BVerfG, Beschluss v. 11.10.1977 – 1 BvR 343/73, 83/74, 183, 428/75 (Hausgehilfin), BVerfGE 47, 1 (21); BVerfG, Beschluss v. 08.04.1987 – 2 BvR 909, 934, 935, 936, 938, 941, 942, 947/82, 64/83, 142/84 (Künstlersozialversicherung), BVerfGE 75, 108 (153 f.); BVerfG, Urteil v. 07.05.1998 – 2 BvR 1991, 2004/95 (Kommunale Verpackungsteuer), BVerfGE 98, 106 (117); BVerfG, Urteil v. 20.04.2004 – 1 BvR 905/00 (Ökosteuer), BVerfGE 110, 274 (288). A. A. J. Hey, § 3, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, Rn. 188; F. Kirchhof, § 59, in: Merten/Papier, Handbuch der Grundrechte, Rn. 61 ff.; P. Kirchhof, § 118, in: Isensee/Kirchhof, HStR V, Rn. 145 ff.; K. Vogel, Der Staat 25 (1986), 481 (492 ff.). 28 Eine andere Beurteilung ist jedoch angezeigt, wenn die Steuer erdrosselnde Wirkung hat und der Steuerpflichtige den gewählten Beruf damit nicht mehr zur Grundlage seiner Lebens führung machen kann, BVerfG, Beschluss v. 30.10.1961 – 1 BvR 833/59 (Schankerlaubnis steuer), BVerfGE 13, 181 (186 f.); BVerfG, Urteil v. 22.05.1963 – 1 BvR 78/56 (Werk fernverkehr), BVerfGE 16, 147 (165); BVerfG, Beschluss v. 01.04.1971 – 1 BvL 22/67 (Gewinnspielautomat II), BVerfGE 31, 8 (23). 24
A. Verfassungsrechtliche Maßstäbe der Ertragsbesteuerung
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rade nicht seine Arbeitskraft oder sein Vermögen für die staatliche Gemeinschaft aufbringen muss29 – ebenfalls eine Belastung nur des durch marktoffenbare Vor gänge erzielten Ist-Einkommens nahe. Würde die Einkommensteuer hingegen ge nerell als Sollertragsteuer ausgestaltet, so bestünde die Gefahr, dass das Steuer subjekt zur Aufnahme einer marktoffenbaren Tätigkeit gezwungen wird, um die Steuerlast überhaupt aufbringen zu können.30 Je nachdem, ob das Steuersubjekt dadurch zur Aufnahme einer bestimmten Arbeit oder nur allgemein zur Arbeits aufnahme gezwungen wird, wäre eine solche Regelung an Art. 12 Abs. 2 und 3 GG31 oder an Art. 12 Abs. 1 GG zu messen.32 Daneben erfordert die in Art. 1 Abs. 1 GG garantierte Menschenwürde in Ver bindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG die Freistellung des steuerlichen sowie über Art. 6 Abs. 1 GG zusätzlich die Freistellung des familien rechtlichen Existenzminimums und zieht damit eine Untergrenze der Besteue rung.33 Die unter Art. 3 Abs. 1 GG zum Vergleich stehende steuerliche Leistungs fähigkeit kann daher nur oberhalb des Existenzminimums34 ansetzen. Zugleich wirkt das Übermaßverbot einem unverhältnismäßigen Grundrechtsein griff durch die Steuerlast entgegen und zieht eine – wenn auch zahlenmäßig nicht 29
P. Kirchhof, StuW 1984, 297 (298 f.); P. Kirchhof, § 118, in: Isensee/Kirchhof, HStR V, Rn. 16 ff.; W. Schön, Steuergesetzgebung, in: Mellinghoff/Morgenthaler/Puhl, Die Erneuerung des Verfassungsstaates, 143 (162). In Zusammenhang mit der steuerlichen Berücksichtigung des Kinderbetreuungsbedarfs bei nichterwerbstätigen Eltern formuliert F. Kirchhof, StuW 2002, 185 (390): „Das Einkommensteuerrecht reagiert nur auf tatsächliche, ökonomische Leistungs fähigkeit („Ist“-Leistungsfähigkeit), nicht auf unterlassenen, jedoch möglichen Erwerb („Soll“Leistungsfähigkeit).“ 30 Art. 12 GG schließt indes den vereinzelten Ansatz eines hypothetisch erzielbaren Markt erlöses nicht generell aus (so auch C. Seiler, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 4 Rn. B 92). So kann der Gesetzgeber auf einen solchen beispielsweise zurückgreifen, wenn eine Marktteil nahme vorliegt, aus in der Privatsphäre des Steuersubjekts liegenden Gründen – beispielsweise bei einer Entnahme oder aufgrund eines fehlenden Interessengegensatzes der am Leistungsaus tausch Beteiligten – ein (üblicher) Markterfolg aber nicht erzielt wird. 31 J. Kämmerer, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 12 Rn. 83; M. Ruffert, in: Epping/Hillgruber, GG, Art. 12 Rn. 141; R. Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 12 Rn. 7 f. 32 G. Manssen, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 12 Rn. 302; H. Rittstieg, in: Denninger/ Hoffmann-Riem/Schneider/Stein, AK-GG, Art. 12 Rn. 150. 33 BVerfG, Beschluss v. 29.05.1990 – 1 BvL 20, 26/84, 4/86 (Kindergeldkürzung), BVerfGE 82, 60 (85); BVerfG, Beschluss v. 25.09.1992 – 2 BvL 5, 8, 14/91 (Grundfreibetrag), BVerfGE 87, 153 (169); BVerfG, Beschluss v. 10.11.1998 – 2 BvL 42/93 (Kinderexistenzminimum I), BVerfGE 99, 246 (259 f.). Umfassend hierzu R. Mellinghoff, Privataufwendungen, in: Kube/ Mellinghoff/Morgenthaler/Palm/Puhl/Seiler, Leitgedanken des Rechts, 1889 (1891 ff.) m. w. N. 34 Das steuerfreie Existenzminimum muss höher als die staatlichen Sozialleistungen sein (Abstandsgebot zum Sozialhilferecht), denn die Steuerfreistellung folgt aus der freiheits rechtlichen Abwehrfunktion der Grundrechte und genießt somit Vorrang vor den – die Frei heitsvoraussetzungen erst gewährleistenden – Sozialleistungen, R. Mellinghoff, Verfassungs rechtliche Maßstäbe für die Besteuerung von Ehe und Familie, in: Deutsche Sektion der Internationalen Juristen-Kommission, Grundrechtsschutz im Steuerrecht, 39 (53 f.); R. Mellinghoff, Privataufwendungen, in: Kube/Mellinghoff/Morgenthaler/Palm/Puhl/Seiler, Leitgedanken des Rechts, 1889 (1893).
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1. Kap.: Verfassungs- und europarechtliche Maßstäbe der Ertragsbesteuerung
konkretisierbare – Belastungsobergrenze.35 Durch diese lässt sich insbesondere si cherstellen, dass bei einem progressiven Steuertarif die stärkere Belastung höherer Einkommen im Vergleich zur Besteuerung niedrigerer Einkommen angemessen ist, also dem Bezieher eines hohen Einkommens absolut und im Vergleich zu anderen Einkommensgruppen ein ausreichendes, frei verfügbares Einkommen verbleibt.36 3. Persönliche Konkretisierung: Das Subjekt steuerlicher Leistungsfähigkeit a) Das Markthandeln als maßgebliches Kriterium für die Zuordnung steuerlicher Leistungsfähigkeit Der Markteinkommensgedanke beeinflusst das Leistungsfähigkeitsprinzip nicht nur in sachlicher Hinsicht, sondern lässt sich auch zur Konkretisierung der persön lichen Dimension nutzbar machen. Denn wenn der erzielte Markterfolg Vergleichs maßstab ist, so spricht dies dafür, die diesen Markterfolg erzielenden Personen als Zuordnungssubjekte steuerlicher Leistungsfähigkeit anzusehen. Die Frage nach der steuerlichen Leistungsfähigkeit ist daher sowohl eine Frage des Markterfolges als auch eine des Markthandelns. b) Die natürliche Person als Subjekt steuerlicher Leistungsfähigkeit Ist für die Frage des Zuordnungssubjekts steuerlicher Leistungsfähigkeit das Markthandeln maßgebend, so liegt es nahe, zumindest diejenige Person, die eigen ständig am allgemeinen Markt teilnehmen kann (namentlich das Individuum), als Träger steuerlicher Leistungsfähigkeit anzusehen.37 Dieses Ergebnis lässt sich auch aus der Funktion der Grundrechte entneh men. Primär dienen diese dem Schutz vor Eingriffen der staatlichen Gewalt und sind – wie sich insbesondere an der von Art. 79 Abs. 3 GG besonders geschützten Menschenwürde des Art. 1 Abs. 1 GG zeigt – auf die einzelne natürliche Person zugeschnitten.38 Da das Leistungsfähigkeitsprinzip selbst grundrechtlich fundiert 35 BVerfG, Beschluss v. 18.01.2006 – 2 BvR 2194/99 (Obergrenze für Einkommen- und Ge werbesteuer), BVerfGE 115, 97 (115 ff.) m. w. N. 36 BVerfG, Beschluss v. 18.01.2006 – 2 BvR 2194/99 (Obergrenze für Einkommen- und Ge werbesteuer), BVerfGE 115, 97 (117). 37 Nach Ansicht von T. Birtel, Die Zeit im Einkommensteuerrecht, S. 31 kommt auch aus streng ökonomischer Sicht einzig der Mensch als Träger steuerlicher Leistungsfähigkeit in Betracht. 38 Hierzu BVerfG, Beschluss v. 02.05.1967 – 1 BvR 578/63 (Sozialversicherungsträger), BVerfGE 21, 362 (369); BVerfG, Beschluss v. 08.07.1982 – 2 BvR 1187/80 (Sasbach), BVerfGE 61, 82 (100 f.); BVerfG, Beschluss v. 14.04.1987 – 1 BvR 775/84 (Sparkasse), BVerfGE 75, 192 (195); B. Remmert, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 3 Rn. 26; M. Sachs, in: Sachs, GG, Vor Art. 1 Rn. 70 ff.
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ist, spricht vieles dafür, als persönlichen Anknüpfungspunkt die natürliche Person als Grundrechtsträger auszuwählen und untereinander zu vergleichen. c) Die steuerliche Leistungsfähigkeit von Personenmehrheiten und juristischen Personen Schwierigkeiten bereitet die Zuordnung der am Markt erworbenen Leistungs fähigkeit namentlich bei Personenmehrheiten (insbesondere Mitunternehmerschaf ten) und juristischen Personen. Ob diese selbst Träger steuerlicher Leistungsfähig keit sein können oder nicht doch nur die hieran beteiligten natürlichen Personen eine eigene Leistungsfähigkeit besitzen, kann sich zunächst auf die Wahl des ge eigneten Steuersubjekts auswirken, aber auch – insbesondere über eine eventuell erforderliche Verbindung von Einkommen- und Körperschaftsteuerregime – auf das Verhältnis von Steuersubjekt und Steuerobjekt Einfluss nehmen.39 aa) Die wirtschaftliche Betrachtung des Markthandelns von Personenzusammenschlüssen Ist der Personenzusammenschluss zivilrechtlich verselbstständigt, scheint es naheliegend, aus einem Zuwachs des eigenen, von den natürlichen Personen ge trennten Vermögens auf eine eigene steuerliche Leistungsfähigkeit des Verbandes zu schließen. Indes muss das Steuerrecht diese zivilrechtlichen Wertungen nicht nachvollziehen, sondern darf den dahinterstehenden wirtschaftlichen Vorgang würdigen und ihn anschließend der Besteuerung zugrunde legen.40 Für die Frage der Leistungsfähigkeit ist daher maßgebend, ob der Verband bei steuerrechtlicher Betrachtung eigenständig am Markt tätig wird oder ob umge kehrt nicht die natürlichen Personen mittelbar über den Verband am Markt teilneh men. Ersteres spricht für eine eigene Leistungsfähigkeit, letzteres legt hingegen nahe, die natürliche Person als Zuordnungssubjekt steuerlicher Leistungsfähig keit anzusehen. bb) Der Einfluss des Art. 19 Abs. 3 GG auf das Markthandeln von Personenzusammenschlüssen Wie bei den natürlichen Personen sind die Grundrechte auch für die Frage des – aus steuerlicher Sicht zu beurteilenden – Markthandelns bei juristischen Personen und Personenmehrheiten von besonderer Bedeutung. Denn nach Art. 19 Abs. 3 GG 39
Siehe hierzu 4. Kapitel (Anhang) B. Siehe hierzu ausführlich 1. Kapitel A.V.
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1. Kap.: Verfassungs- und europarechtliche Maßstäbe der Ertragsbesteuerung
gelten die Grundrechte auch für juristische Personen41, soweit sie dem Wesen nach auch auf diese anwendbar sind. Art. 19 Abs. 3 GG erklärt die juristischen Per sonen selbst zu Grundrechtsträgern,42 was wiederum für eine eigene – von den an ihnen beteiligten natürlichen Personen unabhängige – Leistungsfähigkeit sprechen könnte. Dies wäre insbesondere dann der Fall, wenn Art. 19 Abs. 3 GG nicht den auf die natürliche Person ausgerichteten Grundrechtsschutz stärken, sondern dar über hinaus für die juristische Person eine neue Schutzdimension erschaffen soll.43 Richtigerweise ist ersteres anzunehmen. Denn unabhängig davon, ob man mit dem Bundesverfassungsgericht auf das personale Substrat44 oder mit einer Literatur meinung auf die grundrechtstypische Gefährdungslage45 abstellt,46 negiert Art. 19 Abs. 3 GG nicht die dahinterstehenden natürlichen Personen. Ohne diese können die über Art. 19 Abs. 3 GG geschützten Grundrechtsträger jedoch typischerweise47 nicht bestehen und sollten daher auch nicht vollkommen isoliert von den natür lichen Personen betrachtet werden. Dies zeigt sich auch daran, dass sich Art. 19 Abs. 3 GG auf das Wesen der Grundrechte generell und nicht auf das jeweils in Be tracht zu ziehende Einzelgrundrecht bezieht.48 Wenn aber die wesentliche Funktion der Grundrechte allgemein der Schutz des Individuums ist, kann Art. 19 Abs. 3 GG letztlich nur den Grundrechtsschutz Einzelner, die sich zur Ausübung ihrer grund rechtlich verbürgten Freiheit zusammengeschlossen haben, absichern.49 Durch 41
Hierzu gehören neben vollrechtsfähigen Kapitalgesellschaften unter anderem auch teil rechtsfähige Organisationen des Privatrechts, insbesondere Personengesellschaften, siehe je weils m. w. N. C. Enders, in: Epping/Hillgruber, GG, Art. 19 Rn. 35; B. Remmert, in: Maunz/ Dürig, GG, Art. 19 Abs. 3 Rn. 38 f.; M. Sachs, in: Sachs, GG, Art. 19 Rn. 57 ff. 42 H. Dreier, in: Dreier, GG, Art. 19 III Rn. 28; C. Enders, in: Epping/Hillgruber, GG, Art. 19 Rn. 34; W. Krebs, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 19 Rn. 29, 44; A. von Mutius, in: Kahl/ Waldhoff/Walter/Dolzer/Graßhof, Bonner Kommentar, Art. 19 Abs. 3 Rn. 34; B. Remmert, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 3 Rn. 35; M. Sachs, in: Sachs, GG, Art. 19 Rn. 48. 43 Hierzu B. Remmert, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 3 Rn. 26. 44 Ständige Rspr., z. B. BVerfG, Beschluss v. 02.05.1967 – 1 BvR 578/63 (Sozialversiche rungsträger), BVerfGE 21, 362 (368 f.); BVerfG, Beschluss v. 08.07.1982 – 2 BvR 1187/80 (Sas bach), BVerfGE 61, 82 (100 ff.); BVerfG, Beschluss v. 14.04.1987 – 1 BvR 775/84 (Sparkasse), BVerfGE 75, 192 (195 ff.). Zustimmend W. Krebs, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 19 Rn. 43 ff.; M. Sachs, in: Sachs, GG, Art. 19 Rn. 10. 45 C. Brüning, in: Stern/Becker, Grundrechte-Kommentar, Art. 19 Rn. 56; H. Dreier, in: Dreier, GG, Art. 19 III Rn. 32 ff.; C. Enders, in: Epping/Hillgruber, GG, Art. 19 Rn. 46; H.-U. Erichsen/A. Scherzberg, NVwZ 1990, 8 (11); A. von Mutius, in: Kahl/Waldhoff/Walter/ Dolzer/Graßhof, Bonner Kommentar, Art. 19 Abs. 3 Rn. 114. 46 Diese Frage wird insbesondere bei der Grundrechtsfähigkeit juristischer Personen des öffentlichen Rechts relevant, vgl. B. Remmert, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 3 Rn. 35. 47 Bei rechtsfähigen Stiftungen fehlt es zwar an natürlichen Personen als (mittelbare) Rechts träger. Allerdings bietet es sich hier an, einen Bezug zum Stifter oder die – zumindest mittel bar – durch den Stiftungszweck begünstigten natürlichen Personen herzustellen. 48 P. Huber, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 19 Abs. 3 Rn. 208 ff.; B. Remmert, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 3 Rn. 28 ff.; offengelassen H. Dreier, in: Dreier, GG, Art. 19 III Rn. 30 Fn. 102. 49 P. Huber, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 19 Abs. 3 Rn. 210; W. Krebs, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 19 Rn. 44; B. Remmert, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 3 Rn. 34 f.
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Art. 19 Abs. 3 GG werden letztlich Lücken im Grundrechtsschutz vermieden, da die juristische Person eine eigene Grundrechtsverletzung geltend machen kann, bevor sich ein staatlicher Eingriff auf die Grundrechte der beteiligten natürlichen Personen auswirken kann.50 Als Ergebnis lässt sich somit festhalten, dass Art. 19 Abs. 3 GG den juristischen Personen den Grundrechtsschutz stets mit Blick auf die hinter diesen stehenden natürlichen Personen vermittelt. Diese verfassungsrechtliche Grundentscheidung, wonach Art. 19 Abs. 3 GG den individuellen Grundrechtsschutz verstärken soll, beeinflusst daher auch die bereits angesprochene wirtschaftliche Betrachtungsweise. Denn die wirtschaft liche Funktion eines solchen Personenzusammenschlusses liegt vor allem darin, seinen Mitgliedern ein (geeigneteres) Instrument zur Marktteilnahme zu verschaf fen. Einem solchen Steuersubjekt kommt demnach bei wertender ökonomischer Betrachtung nur die Rolle eines Stellvertreters zu, der am Markt für die natürlichen Personen Einkommen erzielt.51 Zurechnungssubjekt des Markthandelns und in folgedessen auch des Markterfolgs ist damit die einzelne natürliche Person, die folglich auch Bezugsgröße der Leistungsfähigkeit ist, während einem aus meh reren Personen zusammengesetzten Verband folgerichtig nur eine fremde, jedoch keine eigene Leistungsfähigkeit zugeordnet werden kann.52
50 P. Huber, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 19 Abs. 3 Rn. 221; B. Remmert, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 3 Rn. 36. 51 C. Seiler, Gutachten zum 66. Deutschen Juristentag, F 45. Ähnlich U. Palm, Steuerjuris tische Person, in: Kube/Mellinghoff/Morgenthaler/Palm/Puhl/Seiler, Leitgedanken des Rechts, 1697 (1706): „Die Publikumskapitalgesellschaft erwirtschaftet den Gewinn nicht für sich […], sondern für ihre Anteilseigner.“ 52 Gegen eine eigene Leistungsfähigkeit der Kapitalgesellschaft bspw. A. Grass, Unter nehmensformneutrale Besteuerung, S. 55; F. Kirchhof, StuW 2002, 185 (187 f.); D. Schneider, StuW 1975, 97 (100 ff.); C. Seiler, Gutachten zum 66. Deutschen Juristentag, F 45 f. Für eine eigene Leistungsfähigkeit hingegen BVerfG, Beschluss v. 21.06.2006 – 2 BvL 2/99, BVerfGE 116, 164 (199); BVerfG, Beschluss v. 12.10.2010 – 1 BvL 12/07 (Betriebsausgaben abzugsverbot), BVerfGE 127, 224 (248 f.); D. Birk, StuW 2000, 328 (333); J. Englisch, Divi dendenbesteuerung, S. 116; K. Friauf, StuW 1973, 97 (107); D. Gosch, Körperschaftsteuer, in: Kube/Mellinghoff/Morgenthaler/Palm/Puhl/Seiler, Leitgedanken des Rechts, 1937 (1938); A. Karkmann, Zweistufige Gewinnermittlung, S. 34 f.; H.-J. Pezzer, Einkommen von Unter nehmen, in: Tipke/Bozza, Besteuerung von Einkommen, 235 (241 f.); F. Roser, in: Gosch, KStG, § 8 Rn. 15 f.; E. Schipporeit, StuW 1980, 190 (196); K. Tipke, Steuerrechtsordnung II, S. 1173 ff.; U. Wäckerlin, Betriebsausgabenabzugsbeschränkung, S. 36 ff. Nach Art der Kapital gesellschaft differenzierend H. Ruppe, Die steuerliche Doppelbelastung der Körperschaftsteu ergewinne, S. 105 ff. Zwischen normtypischen Kapitalgesellschaften und juristischen Personen mit transpersonaler Zwecksetzung unterscheidend U. Palm, Steuerjuristische Person, in: Kube/ Mellinghoff/Morgenthaler/Palm/Puhl/Seiler, Leitgedanken des Rechts, 1697 (1704 ff.). Einen anderen, der hier vertretenen Ansicht funktional entsprechenden Ansatz verfolgt J. Hey, Har monisierung der Unternehmensbesteuerung, S. 254 ff., die zwar eine eigene, aber lediglich vor läufige Leistungsfähigkeit der Kapitalgesellschaft annimmt.
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1. Kap.: Verfassungs- und europarechtliche Maßstäbe der Ertragsbesteuerung
d) Die Individualbesteuerung – ein Prinzip mit Verfassungsrang? Bei der Individualbesteuerung wird die einzelne natürliche Person als Besteue rungseinheit angesehen, der Steuertatbestand insgesamt auf diese ausgerichtet.53 Keine Individualbesteuerung in diesem Sinne liegt vor, wenn Steuersubjekt nicht die einzelne natürliche Person ist oder beispielsweise die Bemessungsgrundlage oder der Steuersatz von den Gegebenheiten anderer Steuersubjekte abhängen. Das maßstabgebende Leistungsfähigkeitsprinzip resultiert, wie aufgezeigt, aus grundrechtlichen, im Grundsatz individualbezogenen Wurzeln. Ausgehend hier von liegt eine Individualbesteuerung auch aus verfassungsrechtlicher Sicht nahe.54 Zwingend ist eine solche Individualbesteuerung aber deswegen noch nicht,55 son dern Modifikationen oder aber die Erweiterung der Steuersubjektivität auf eine Personenmehrheit sind lediglich begründungsbedürftig. Dies gilt namentlich bei einem gemeinsamen Markthandeln mehrerer Per sonen. Lässt sich die Belastungsgleichheit der jeweiligen natürlichen Person durch eine gemeinschaftsbezogene Zurechnung des Markterfolges – beispielsweise auf grund der (eventuell nur so bestehenden) Möglichkeit, die persönlichen Verhält nisse leistungsfähigkeitsgerecht abzubilden – einfacher wahren, spricht nichts ge gen eine eigene Steuersubjektivität des Verbandes selbst.56 Aber auch praktische Erwägungen können genügen, um von der Individualbesteuerung abzuweichen und den Steuertatbestand auf den Verband selbst auszurichten. Dies kann ins besondere naheliegen, wenn bereits gesellschaftsrechtlich eine Gewinnermitt lung auf Ebene des Verbandes erfolgt und das Steuerrecht aus Vereinfachungs gründen hieran anknüpfen möchte. Die gemeinsame Marktteilnahme zwingt den Gesetzgeber jedoch nicht, ein einheitliches Steuersubjekt zu normieren, sondern eröffnet ihm lediglich weitere Möglichkeiten zur Ausgestaltung des Steuersys tems. Entscheidet sich der Gesetzgeber allerdings für eine solche Zusammenfas sung, so sollte diese als rein technischer Natur verstanden werden. Infolgedessen wäre, wegen des auf die natürliche Person bezogenen Leistungsfähigkeitsprin zips, die Besteuerung an den jeweils hinter dem Verband stehenden Individuen auszurichten. Ferner können beispielsweise auch persönliche Beziehungen zu anderen natür lichen Personen – namentlich diesen gegenüber bestehende Unterhaltsverpflich tungen – Einfluss auf die Bemessungsgrundlage oder den Steuersatz nehmen (mo 53 J. Hey, § 8, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, Rn. 22; R. Könemann, Individualbesteuerung, S. 26; J. Hey, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, Einf. ESt Rn. 46. Zu den weiteren denk baren Bedeutungsmöglichkeiten siehe J. Becker, Individualbesteuerung, S. 4 ff. 54 Vgl. R. Seer, § 6, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, Rn. 19: „Idealiter sollte [der Steuerschuld ner] ein Träger steuerlicher Leistungsfähigkeit […] sein.“ 55 Anders R. Könemann, Individualbesteuerung, S. 29 f., der aus der Schutzfunktion der Grundrechte für das Individuum den Verfassungsrang der Individualbesteuerung ableitet. 56 Vgl. C. Seiler, Gutachten zum 66. Deutschen Juristentag, F 35 f.
A. Verfassungsrechtliche Maßstäbe der Ertragsbesteuerung
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difizierte Individualbesteuerung), wenn dadurch eine leistungsfähigkeitsgerechte Besteuerung erreicht werden kann. Festzuhalten bleibt daher, dass das grundrechtlich fundierte, auf die natürliche Person ausgerichtete Leistungsfähigkeitsprinzip zwar ein Individualsteuerprinzip in dem genannten Sinne nahelegt, dies verfassungsrechtlich jedoch nicht geboten ist.57
III. Das Gebot der Folgerichtigkeit im Steuerrecht Der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG fordert, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln.58 In seiner Ausprägung als Ge bot der Steuergerechtigkeit fordert er Personen mit gleicher steuerlicher Leis tungsfähigkeit auch gleich zu belasten. Zusätzlich, und insbesondere für den Bereich des Steuerrechts,59 hat der allgemeine Gleichheitssatz durch das – eng mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip verknüpfte – Gebot der Folgerichtigkeit eine bereichsspezifische Fortentwicklung erfahren. Durch dieses Folgerichtigkeitsgebot, wonach „die einmal getroffene Belastungs entscheidung […] dann aber folgerichtig im Sinne der Belastungsgleichheit umzu setzen [ist]“60 wird der gesetzgeberische Gestaltungsspielraum zusätzlich verengt. 57
C. Seiler, Gutachten zum 66. Deutschen Juristentag, F 36. Im Ergebnis ebenso E. Ratschow, Subjektsteuerprinzip, in: Hey, DStJG 34 (2011), 35 (47 ff.). 58 Ständige Rechtsprechung seit BVerfG, Beschluss v. 07.10.1980 – 1 BvL 50, 89/79, 1 BvR 240/79, BVerfGE 55, 72 (88). Siehe bspw. BVerfG, Beschluss v. 31.01.1996 – 2 BvL 39, 40/93 (Auslandszuschlag), BVerfGE 93, 386 (397); BVerfG, Beschluss v. 30.09.1998 – 2 BvR 1818/91 (Verlustabzug), BVerfGE 99, 88 (95); BVerfG, Urteil v. 06.03.2002 – 2 BvL 17/99 (Renten besteuerung), BVerfGE 105, 73 (110); BVerfG, Beschluss v. 07.11.2006 – 1 BvL 10/02 (Erb schaftsteuer), BVerfGE 117, 1 (31); BVerfG, Nichtannahmebeschluss v. 30.03.2007 – 1 BvR 3144/06, NZS 2007, 647 (648); BVerfG, Beschluss v. 12.10.2011 – 2 BvR 236, 237, 422/08 (Telekommunikationsüberwachung), BVerfGE 129, 208 (261). 59 Zur Folgerichtigkeitsrechtsprechung in anderen Rechtsgebieten siehe R. Mellinghoff, Ubg 2012, 369 (370) m. w. N. 60 BVerfG, Urteil v. 27.06.1991 – 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239 (271); BVerfG, Beschluss v. 17.04.2008 – 2 BvL 4/05 (kommunale Wählervereinigung), BVerfGE 121, 108 (120); BVerfG, Urteil v. 09.12.2008 – 2 BvL 1, 2/07, 1, 2/08 (Pendlerpauschale), BVerfGE 122, 210 (231) und BVerfG, Beschluss v. 06.07.2010 – 2 BvL 13/09 (häusliches Arbeitszimmer), BVerfGE 126, 268 (278), jeweils m. w. N. Siehe auch die Rechtsprechungsdarstellung bei K.-A. Schwarz, Folgerich tigkeit, in: Depenheuer/Heintzen/Jestaedt/Axer, Festschrift Isensee, 949 (959 ff.). Zustimmend bspw. D. Birk, DStR 2009, 877 (881); S. Breinersdorfer, StuW 2009, 211 (213); U. Di Fabio, JZ 2007, 749 (754); F. Kirchhof, StuW 2002, 185 (189 f.); G. Kirchhof, Beihefter zu DStR 49 2009, 135 (136); R. Mellinghoff, Ubg 2012, 369. Differenzierend C. Seiler, Objektives Nettoprinzip, in: Hey, DStJG 34 (2011), 61 (69 f.). Kritisch z. B. U. Kischel, Gleichheit und Steuerrecht, in: Mellinghoff/Palm, Gleichheit im Verfassungsstaat, 175 (183 ff.); U. Kischel, in: Epping/Hill gruber, GG, Art. 3 Rn. 153 f.; K.-A. Schwarz, Folgerichtigkeit, in: Depenheuer/Heintzen/Jestaedt/ Axer, Festschrift Isensee, 949 (964). Für die Anwendung des Folgerichtigkeitsgebots auf das ge samte Steuerrecht und nicht lediglich auf den Binnenbereich der einzelnen Steuer J. Englisch, Folgerichtiges Steuerrecht, in: Tipke/Seer/Hey/Englisch, Festschrift Lang, 167 (184 ff.); J. Hey, § 3, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, Rn. 119; K. Tipke, StuW 2007, 201 (206 ff.).
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1. Kap.: Verfassungs- und europarechtliche Maßstäbe der Ertragsbesteuerung
1. Die legislative Grundentscheidung als Basis einer Folgerichtigkeitsprüfung Das Folgerichtigkeitsgebot setzt eine Grundentscheidung des Gesetzgebers vor aus und entfaltet somit erst auf zweiter Stufe seine Wirkung.61 Erste Stufe und damit Grundentscheidung soll zunächst der sogenannte „Aus gangstatbestand“, der sich aus dem Steuerobjekt und dem Steuersatz zusammen setzt, sein. Die Auswahl des Steuerobjekts sowie des Steuersatzes soll lediglich einer Willkürkontrolle unterliegen, so dass dem Gesetzgeber diesbezüglich ein weitreichender Gestaltungsspielraum verbleibt.62 Die willkürfreie Auswahl bindet den Steuergesetzgeber allerdings bei der konkreten Ausgestaltung, da diese nur bei konsequenter Umsetzung der getroffenen Belastungsentscheidung als folgerichtig angesehen werden kann. Daneben können auch sonstige, bei der Ausgestaltung des Steuertatbestandes getroffene legislative Folgeentscheidungen, Basis einer Folgerichtigkeitsprüfung sein. Ist eine solche Grundentscheidung anzunehmen, so hat sich der Steuergesetz geber im Folgenden an dieser zu orientieren. Eine Grundentscheidung sollte jedoch nur dann angenommen werden, wenn die folgerichtig umzusetzende Belastungsentscheidung im Gesetz hinreichend deutlich zum Ausdruck kommt. Lässt sich diese der betreffenden Vorschrift nicht eindeutig entnehmen, so besteht die Gefahr, dass die Regelung Ausgangspunkt für die Beurteilung weiterer Vorschriften wird, obwohl sie lediglich die bisherige Grundentscheidung ausgestaltet und daher selbst am Folgerichtigkeitsgebot zu messen wäre.63 Ausgehend hiervon lassen sich bereits an dieser Stelle zwei Anforderungen an das Einkommensteuerrecht aufzeigen. Ist legislative Grundentscheidung die Besteuerung des privaten Markterfolgs, so wird das Einkommensteuerrecht dem Folgerichtigkeitsprinzip zum einen nur dann gerecht, wenn das Markteinkom men möglichst vollständig erfasst wird. Um den weiten Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers zu wahren, sollten allerdings in Grenzfällen getroffene unterschied liche Zuordnungsentscheidungen zur Markt- oder Privatsphäre trotz der fehlen den Einbeziehung vergleichbarer Einkünfte nicht als Verstoß gegen das Folge richtigkeitsgebot angesehen werden. Zum anderen beeinflusst das willkürfrei ausgewählte Steuerobjekt auch die Auswahl des Steuersubjekts.64 Ein folgerich 61
BVerfG, Beschluss v. 30.09.1998 – 2 BvR 1818/91 (Verlustabzug), BVerfGE 99, 88 (95). BVerfG, Beschluss v. 13.05.1969 – 1 BvR 25/65, BVerfGE 26, 1 (8); BVerfG, Beschluss v. 08.12.1970 – 1 BvR 95/68 (Schankerlaubnissteuer), BVerfGE 29, 327 (335); BVerfG, Be schluss v. 06.12.1983 – 2 BvR 1275/79 (Zweitwohnungsteuer), BVerfGE 65, 325 (354). 63 C. Seiler, Objektives Nettoprinzip, in: Hey, DStJG 34 (2011), 61 (69 f.). 64 So z. B. im konkreten Einzelfall BVerfG, Beschluss v. 15.01.2008 – 1 BvL 2/04 (Ge werbesteuerfreiheit), BVerfGE 120, 1 (30 f.). Siehe auch P. Kirchhof, StuW 1984, 297 (312), der das Steuerobjekt über Art. 14 GG dem jeweiligen Eigentümer zuordnet und dem Gesetz 62
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tiges Einkommensteuersystem setzt demnach voraus, dass allen (potenziellen) Marktteilnehmern die Steuersubjekteigenschaft zuerkannt wird. 2. Rechtfertigungsmöglichkeit und Ausnahme vom Folgerichtigkeitsgebot beim Systemwechsel Ist eine gesetzgeberische Grundentscheidung nicht folgerichtig umgesetzt, so führt dies nur dann zur Verfassungswidrigkeit der betreffenden Folgeregelung, wenn es an einem besonderen sachlichen Grund fehlt.65 Eines solchen Rechtfertigungsgrundes bedarf es hingegen dann nicht, wenn der Gesetzgeber einen grundlegenden Systemwechsel vornimmt oder der bisherigen Grundstruktur eine neue, eigenständige Grundentscheidung anfügt.66 Dabei wird nicht durch jede Ausnahmeregelung ein Systemwechsel vollzogen oder eine neue Grundentscheidung begründet. Erforderlich ist auch hier, dass die legislative Ent scheidung hinreichend konkret im Gesetz zum Ausdruck kommt67 bzw. das ein gefügte Regelwerk bei einem Systemwechsel ein Mindestmaß an neuer System orientierung aufweist.68
IV. Finanzverfassungsrechtliche Vorgaben Beschränkungen des legislativen Gestaltungsspielraums können sich auch aus den finanzverfassungsrechtlichen Vorgaben der Art. 105 und 106 GG ergeben. Der Gesetzgeber wäre in seiner Ausgestaltungsentscheidung jedenfalls dann nicht frei, wenn die Finanzverfassung den Status quo festschreibt oder zumindest die dort aufgeführten Steuern in ihrem Kernbereich schützt.
geber die Möglichkeit einer Zuordnung zu anderen Steuersubjekten nur in Ausnahmefällen (z. B. wenn vertretbar) zubilligt. Zur – insbesondere die Gewerbesteuer betreffenden – Pro blematik, ob ein eng gefasstes, aber willkürfrei ausgewähltes Steuerobjekt zugleich den Grund für die fehlende Einbeziehung bestimmter Personen oder Personengruppen in den Steuer tatbestand liefern und der Gesetzgeber dadurch ohne strenge Rechtfertigungsprüfung bestimm ten Personen höhere steuerliche Lasten auferlegen kann, siehe J. Englisch, Folgerichtiges Steuerrecht, in: Tipke/Seer/Hey/Englisch, Festschrift Lang, 167 (188 f.); J. Hey, DStR 2009, 2561 (2563). 65 BVerfG, Urteil v. 09.12.2008 – 2 BvL 1, 2/07, 1, 2/08 (Pendlerpauschale), BVerfGE 122, 210 (231); BVerfG, Beschluss v. 12.10.2010 – 1 BvL 12/07 (Betriebsausgabenabzugsverbot), BVerfGE 127, 224 (245) jeweils m. w. N. 66 BVerfG, Urteil v. 09.12.2008 – 2 BvL 1, 2/07, 1, 2/08 (Pendlerpauschale), BVerfGE 122, 210 (242). 67 Siehe bereits 1. Kapitel A. III. 1. 68 BVerfG, Urteil v. 09.12.2008 – 2 BvL 1, 2/07, 1, 2/08 (Pendlerpauschale), BVerfGE 122, 210 (242 ff.).
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1. Kap.: Verfassungs- und europarechtliche Maßstäbe der Ertragsbesteuerung
1. Bestandschutz des Steuersystems und der Einzelsteuern Die Antwort auf die Frage, ob Art. 106 GG die legislative Auswahl- und Aus gestaltungsentscheidung von Steuersubjekt und Steuerobjekt beeinflusst, hängt von der Zweckrichtung dieser Regelung ab. Soll Art. 106 GG die Grundzüge69 des Steuersystems verfassungsrechtlich verankern, so würden die dort aufgezählten Einzelsteuern Bestandsschutz genießen.70 Soll Art. 106 GG hingegen lediglich als Verteilungsschlüssel für das Aufkommen der aufgeführten Steuern dienen, würden diese gerade nicht in ihrem Bestand geschützt sein. Richtigerweise wird man letzteres annehmen müssen.71 Dies folgt indes nicht schon daraus, dass manche in Art. 106 GG aufgeführten Steuern72 aktuell nicht er hoben werden.73 Denn ein Verfassungsverstoß entfiele nicht allein dadurch, dass er längere Zeit unbeanstandet bleibt oder weitere folgen. Zielführender ist es, die systematische Stellung des Art. 106 GG näher zu beleuchten. Dieser befindet sich im Abschnitt über das Finanzwesen und regelt ausweislich des Wortlauts nur die Verteilung des Steueraufkommens. Diese Aufkommensverteilung ist zugleich auch das Bindeglied zu Art. 105 GG, der hiervon in Abs. 2 die Gesetzgebungs kompetenz abhängig macht. Art. 106 GG trifft also mittelbar Aussagen darüber, wem die entsprechende Gesetzgebungskompetenz zusteht, beschränkt als Auf kommensverteilungsnorm die von Art. 105 GG gewährleistete Gesetzgebungs kompetenz jedoch inhaltlich nicht.74 69 Art. 106 GG bezweckt jedenfalls nicht, dem gesamten geltenden Steuerrecht Verfassungs rang einzuräumen und dadurch den Status quo festzuschreiben. Ausführlich hierzu C. Sasse, AöR 1960, 423 (428 ff.). Zust. T. Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 106 Rn. 19. 70 So G. Wacke, Das Finanzwesen der Bundesrepublik, S. 64 f., der aus der Aufzählung der in Art. 106 GG aufgeführten Steuern herleitet, dass das Grundgesetz diese Begriffe nur im Sinne der bisherigen Gesetzgebung verstanden haben kann und somit die Grundlagen des bisherigen Steuersystems Verfassungsrecht geworden sind. Infolgedessen gesteht er dem ein fachen Gesetzgeber nur eine Änderung von Steuergesetzen zu, wenn das Wesen der Steuer unangetastet bleibt. Für darüber hinausgehende Änderungen wie z. B. die Abschaffung ganzer Steuern oder eine Umgestaltung des Steuersystems müsse der verfassungsändernde Gesetz geber tätig werden. 71 H. Fischer-Menshausen, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 106 Rn. 13; F. Klein, Finanz Archiv 20 (1959/1960), 115 (127); A. Korte, Steuergesetzgebung, S. 50; R. Seer, § 2, in: Tipke/ Lang, Steuerrecht, Rn. 5; K. Tipke, Steuerrechtsordnung III, S. 1092 f.; K. Vogel/C. Waldhoff, in: Kahl/Waldhoff/Walter/Dolzer/Graßhof, Bonner Kommentar, Vorbem. z. Art. 104a–115 Rn. 581. 72 So gibt es bspw. derzeit keine Straßengüterverkehrsteuer (eingeführt durch StrGüVStG v. 28.12.1968, BGBl. I 1968, 1461, nach § 14 befristet bis 31.12.1970). Durch das Finanz marktförderungsgesetz v. 22.02.1990, BGBl. I, 1990, 266 wurden das Wechselsteuergesetz sowie das Kapitalverkehrsteuergesetz (mit Börsenumsatz- und Gesellschaftsteuer) aufgeho ben. Zudem wird aufgrund des Vermögensteuerbeschlusses des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschluss v. 22.06.1995 – 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121) die Vermögensteuer seit dem 01.01.1997 nicht mehr erhoben. 73 So z. B. T. Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 106 Rn. 19. 74 J. Hidien, in: Kahl/Waldhoff/Walter/Dolzer/Graßhof, Bonner Kommentar, Art. 106 Rn. 1327.
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Somit ist der Gesetzgeber dem Grunde nach75 frei, ob er die in Art. 106 GG aufgeführten Steuern überhaupt erheben will.76 Letztlich steht Art. 106 GG auch einer Abschaffung der derzeitigen Einkommen- oder Körperschaftsteuer77 – trotz ihrer herausragenden fiskalischen Bedeutung – nicht entgegen78, solange das grundgesetzlich geforderte Finanzgleichgewicht auf andere Weise sichergestellt werden kann.79, 80 Fehlt ein verfassungsrechtlicher Bestandsschutz für die einzelnen Steuerarten, so können auch aus der Nennung verschiedener Steuerarten in Art. 106 GG mittel bar keine Vorgaben für Steuersubjekt und Steuerobjekt abgeleitet werden.
75 Eine äußerste Grenze wird lediglich durch das Finanzausgleichsrecht gesetzt, das ein bestimmtes Steueraufkommen von Bund und Ländern zur Erfüllung ihrer grundgesetzlichen Aufgaben voraussetzt; siehe J. Hidien, in: Kahl/Waldhoff/Walter/Dolzer/Graßhof, Bonner Kommentar, Art. 106 Rn. 1330. Ist dies nicht der Fall, so ist über einen Anspruch auf Neuver teilung der Umsatzsteuer nach Art. 106 Abs. 4 GG (so z. B. H. Fischer-Menshausen, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 106 Rn. 13; B. Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 106 Rn. 1) hinaus auch eine Änderung des Art. 106 GG zur Neuverteilung der Steuererträge in Betracht zu ziehen (so H. Kube, in: Epping/Hillgruber, GG, Art. 106 Rn. 9). 76 W. Heun, in: Dreier, GG, Art. 106 Rn. 14; H. Kube, in: Epping/Hillgruber, GG, Art. 105 Rn. 44; B. Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 106 Rn. 1. 77 Etwas anderes soll aufgrund des flexiblen Revisionsmechanismus des Art. 106 Abs. 4 Satz 1 GG nur für die Umsatzsteuer gelten, die deshalb nach herrschender Ansicht in ihrem Bestand geschützt ist, siehe hierzu M. Heintzen, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 106 Rn. 10; J. Hidien, in: Kahl/Waldhoff/Walter/Dolzer/Graßhof, Bonner Kommentar, Art. 106 Rn. 1331; P. Kirchhof, Besteuerungsgewalt, S. 70; B. Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 106 Rn. 1. 78 Einer Abschaffung der einzelnen Steuern können jedoch anderweitig Grenzen gesetzt sein. So sind neben den Grundrechten, den Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit, der Verpflichtung auf ein gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht und gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik durch den Gesetzgeber auch der Schutz der Steuergruppen im Mischsys tem zu beachten, siehe J. Hidien, in: Kahl/Waldhoff/Walter/Dolzer/Graßhof, Bonner Kommen tar, Art. 106 Rn. 634 ff. und 1329. Insbesondere wäre eine Abschaffung der Ertragsteuern und eine zur Sicherung des Gesamtsteueraufkommens damit einhergehende Verlagerung hin zu den indirekten Steuern vor dem Hintergrund einer gleichmäßigen Besteuerung nach der wirt schaftlichen Leistungsfähigkeit problematisch. Denn bei indirekten Steuern bleiben die persön lichen Verhältnisse unberücksichtigt. Anknüpfungspunkt ist also lediglich die in der Einkom mens- oder Vermögensverwendung zum Ausdruck gebrachte (vermutete) Leistungsfähigkeit und nicht die tatsächliche Leistungsfähigkeit, so dass die Steuergleichheit gefährdet wird, vgl. hierzu J. Hey, § 3, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, Rn. 52 ff., 70; J. Hey, § 7, in: Tipke/Lang, Steuer recht, Rn. 6 f., 16 ff.; P. Kirchhof, StuW 2000, 316 (327); P. Kirchhof, § 118, in: Isensee/Kirch hof, HStR V, Rn. 193; M. Rodi, Gestaltungsfreiheit und Gestaltungsauftrag des Steuergesetz gebers, in: Kirchhof/Lehner/Raupach/Rodi, Festschrift Vogel, 187 (197). 79 J. Hidien, in: Kahl/Waldhoff/Walter/Dolzer/Graßhof, Bonner Kommentar, Art. 106 Rn. 1332; T. Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 106 Rn. 19; K. Vogel/C. Waldhoff, in: Kahl/Waldhoff/ Walter/Dolzer/Graßhof, Bonner Kommentar, Vorbem. z. Art. 104a–115 Rn. 581. 80 Etwas anderes gilt auch nicht für die Gemeindesteuern. Art. 28 Abs. 2 Satz 3 GG garantiert den Gemeinden lediglich die Möglichkeit, einen Hebesatz auf eine wirtschaftskraftbezogene Steuerquelle zu erheben, nicht jedoch den Bestand einer bestimmten Steuer, siehe J. Hidien, in: Kahl/Waldhoff/Walter/Dolzer/Graßhof, Bonner Kommentar, Art. 106 Rn. 1334 f.; P. Kirchhof, Besteuerungsgewalt, S. 70 f.; H. Kube, in: Epping/Hillgruber, GG, Art. 106 Rn. 10.
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1. Kap.: Verfassungs- und europarechtliche Maßstäbe der Ertragsbesteuerung
2. Verfassungsrechtliche Bindung des Gesetzgebers bei der konkreten Ausgestaltung der Einzelsteuergesetze Der Gesetzgeber könnte bei der Ausgestaltung aber kompetenzrechtlich über Art. 105 und 106 GG im Kernbereich der jeweiligen Steuer gebunden sein. Denn Art. 106 GG regelt zumindest für die dort aufgeführten Steuern eindeutig und abschließend die Ertragsverteilung.81 Hiervon können Bund und Länder auch bei gegenseitigem Einvernehmen ohne Verfassungsänderung nicht abweichen.82 Im Ergebnis können daher Steuern, deren Erträge unterschiedlichen Steuergläubi gern zustehen, nicht ohne Weiteres zu einer einheitlichen Steuer zusammengefasst werden. Dies führt zu dem auf den ersten Blick merkwürdigen Ergebnis, dass der Gesetzgeber eine Steuerart mangels Bestandsschutzes komplett abschaffen kann, einer grundlegenden Umgestaltung des Steuersystems aber gewisse Grenzen ge setzt sind. Bei genauerer Betrachtung spricht jedoch für dieses Ergebnis, dass durch Abschaffung einer Steuer lediglich deren Ertrag wegfällt, bei einer Umgestaltung hingegen die Gefahr besteht, dass die in Art. 106 GG geregelte Ertragshoheit ver letzt wird. Die von Art. 106 GG geforderte eindeutige und dauerhafte Ertragsverteilung kann nur dann verwirklicht werden, wenn den aufgeführten Steuern ein gewisser, verfassungsrechtlich geschützter Eigenwert zukommt.83 Worin dieser Eigenwert bei den einzelnen Steuern tatsächlich liegt, ist umstritten.84 Richtigerweise sollte vor dem Hintergrund, dass die Vorschrift des Art. 106 GG nur als Verteilungsnorm 81 J. Hidien, in: Kahl/Waldhoff/Walter/Dolzer/Graßhof, Bonner Kommentar, Art. 106 Rn. 1338. Zur Forderung sämtliche Staatseinnahmen in die Art. 105 ff. GG einzubeziehen siehe F. Kirchhof, Finanzverfassung, in: Burmeister/Kirchhof/Krebs/Selmer, VVDStRL 52 (1993), 71 (98); F. Kirchhof, StuW 2002, 185 (199). 82 BVerfG, Urteil v. 01.12.1954 – 2 BvG 1/54, BVerfGE 4, 115 (139); BVerfG, Beschluss v. 21.10.1971 – 2 BvL 6/69, 15, 20, 21/70, 46/71, BVerfGE 32, 145 (156); BVerfG, Urteil v. 04.03.1975 – 2 BvF 1/72, BVerfGE 39, 96 (109). 83 J. Hidien, in: Kahl/Waldhoff/Walter/Dolzer/Graßhof, Bonner Kommentar, Art. 106 Rn. 1338. A. A. K. Tipke, Steuerrechtsordnung III, S. 1093. 84 Für C. Bellstedt, Wirtschaftslenkung, S. 64, 68 ff. ist jeweils der Wesenskern des einzel nen Tatbestandmerkmals vor Änderungen durch den einfachen Gesetzgeber geschützt. Ob und inwieweit dieser Wesenskern eine nicht mehr hinnehmbare Beeinträchtigung erfährt, soll an hand einer wertenden Einzelfallbetrachtung der Auswirkungen des konkreten Gesetzesvor habens bestimmt werden. Der Wesenskern soll dabei nicht dem Wortlaut des Grundgeset zes entnommen werden, sondern sich aus den bei Schaffung des Grundgesetzes vorhandenen Steuerarten selbst ergeben. W. Leisner, Erbschaftsbesteuerung, S. 18 hingegen sieht als wesent liches Merkmal die „Zielsetzungen (die sich meist aus der „Rechtfertigung“ der betreffenden Steuerart ergeben) […] [und] die grundlegende[n] Gestaltungsformen, die den „Charakter“ der Steuerart grundsätzlich bestimmen […]“ an. Vertreten wird auch die sogenannte Steuerquellen lehre, nach welcher Art. 106 GG nicht das Steueraufkommen verteile, sondern auf die einzelne Steuerquelle abstelle, demnach eine Änderung dieser Verteilung durch den einfachen Gesetz geber nicht vorgenommen werden dürfe, siehe bspw. F. Klein, FinanzArchiv 20 (1959/1960), 115 (127); T. Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 106 Rn. 19; C. Sasse, AöR 1960, 423 (450).
A. Verfassungsrechtliche Maßstäbe der Ertragsbesteuerung
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fungiert und lediglich die zu ihrem Entstehungszeitpunkt bestehenden Steuerarten wiedergibt,85 an den verfassungsrechtlich geschützten Eigenwert ein enger Maß stab angelegt werden, um den gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum nicht leer laufen zu lassen. Die gegenständliche Art der Steuerbezeichnung in Art. 106 GG spricht dafür, dass nicht das Steuersubjekt kennzeichnend für die dort aufgeführten Steuern ist,86 sondern die Frage, weshalb oder worauf eine Steuer erhoben wird, maßgebend ist. In Bezug auf das Steuersubjekt ermöglicht die Offenheit des Art. 106 GG da her dem Gesetzeber die uneingeschränkte Weiterentwicklung und Umgestaltung der dort genannten Steuern. Art. 106 GG stünde daher insbesondere einer Trans formation des derzeitigen Körperschaftsteuergesetzes in ein Unternehmensteuer gesetz, welches nicht nur Körperschaften, sondern auch Personengesellschaften einbezöge, nicht entgegen.87 Entsprechendes gilt hinsichtlich des Steuersubjekts im Rahmen der Einkommensteuer. Dort ist es nicht zwingend, dass nur natür liche Personen Steuersubjekte sind.88 Ebenso könnte der Gesetzgeber die bisherige Körperschaftsteuer in das Einkommensteuergesetz integrieren.89 Anderes gilt jedoch für das Steuerobjekt. Dieses ist jedenfalls in Grundzügen über Art. 106 GG verfassungsrechtlich vorgegeben. Denn dieser trifft zumindest grobstrukturierte Aussagen über den Belastungsgrund. Für die auf den Markt erwerb abstellende Einkommensteuer bedeutet dies, dass – eventuell neben wei teren Voraussetzungen – nur ein vom Gesetzgeber anhand der Grundrechte näher ausgestaltetes „Einkommen“ Besteuerungsgegenstand sein kann.90 Hingegen kä men sonstige „Einnahmen“ sowie Erbschaften und Schenkungen ohne Verfas sungsänderung nicht als Besteuerungsgegenstand der Einkommensteuer in Be tracht, da diese bereits durch die Umsatz- bzw. die Erbschaftsteuer erfasst werden und die hieraus resultierenden Steuererträge zumindest teilweise anderen Steuer gläubigern zustehen. Festzuhalten ist, dass die Finanzverfassung keine konkreten Anforderungen an die Auswahl des Steuersubjekts aufstellt. Hingegen gibt sie dem Gesetzgeber zusätzlich zu den grundrechtlichen Vorgaben einen – wenn auch sehr weiten – Rahmen für die Ausgestaltung des Steuerobjekts vor.
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J. Englisch, Wettbewerbsgleichheit, S. 573; H. Kruse, StuW 2006, 297 (297); H. Siek mann, in: Sachs, GG, Art. 106 Rn. 3; K. Tipke, StuW 2007, 201 (208 f.). 86 Anders J. Hidien, in: Kahl/Waldhoff/Walter/Dolzer/Graßhof, Bonner Kommentar, Art. 106 Rn. 1349 f., für den auch das Steuersubjekt ein wesensbestimmendes Merkmal darstellt. 87 R. Seer, § 2, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, Rn. 6. 88 E. Ratschow, Subjektsteuerprinzip, in: Hey, DStJG 34 (2011), 35 (59). 89 So auch P. Kirchhof, Bundessteuergesetzbuch, der in § 42 des Bundessteuergesetzbuches sowohl natürliche als auch steuerjuristische Personen der Einkommensteuer unterwirft. 90 So auch P. Kirchhof, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 2 Rn. A 70.
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1. Kap.: Verfassungs- und europarechtliche Maßstäbe der Ertragsbesteuerung
V. Zivilrechtliche Einwirkungen über das Prinzip der Einheit der Rechtsordnung Auch wenn das Steuerrecht Teil des öffentlichen Rechts ist, bestehen doch sehr enge Beziehungen zum Zivilrecht.91 Denn um das Regelungsziel des Steuerrechts – die Leistungsfähigkeit abzubilden – zu erreichen, bedarf es eines Rückgriffs auf wirtschaftliche Vorgänge. Diese wiederum gehen auf bürgerlich-rechtliche Gege benheiten – zum Beispiel in Form eines zivilrechtlichen Rechtsgeschäfts – zurück.92 So beschreibt Joachim Lang93 das Verhältnis der beiden Rechtsgebiete zutreffend, wenn er formuliert: „Das Zivilrecht liefert die Institutionen für den Rechtsverkehr, der für die an ihm Beteiligten wirtschaftliche Ergebnisse hervorbringt, an die das Steuerrecht anknüpft.“94 Trotz dieser engen Verbindung stellt das Steuerrecht kein Annexrecht des Zi vilrechts dar.95 Prägend für das Steuerrecht – und sich dadurch auch von anderen Teilrechtsordnungen abgrenzend – ist die Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, worauf die Eigenständigkeit des Steuerrechts und ihr folgend die Gleichrangigkeit gegenüber dem Zivilrecht zurückzuführen ist.96 Das Zivil recht entfaltet demnach keinen Vorrang, sondern eine bloße (zeitliche) Vorherig keit.97 Das Steuerrecht wählt eine eigene Teleologie und Dogmatik und muss auf grund des Leistungsfähigkeitsprinzips eine steuerrechtliche Betrachtungsweise vornehmen, da nur so der am Markt erzielte wirtschaftliche Ertrag realitätsgerecht 91 G. Crezelius, Steuerrechtliche Rechtsanwendung, S. 179; D. Felix, Einheit der Rechts ordnung, S. 110 f.; R. Seer, § 1, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, Rn. 31 ff. 92 G. Crezelius, Steuerrechtliche Rechtsanwendung, S. 179, zust. J. Schulze-Osterloh, StuW 1986, 74 (76). 93 J. Lang, § 1, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 20. Aufl. (2010), Rn. 17. 94 Indes ist die Verbindung des Steuerrechts nicht auf eine solche zum Zivilrecht beschränkt, sondern das Steuerrecht ist als Teil der Gesamtrechtsordnung mit einer Vielzahl verschiedener Teilgebiete verwoben. Zu nennen ist hier insbesondere die Einwirkung des Sozialrechts auf die Bestimmung des steuerlichen Existenzminimums (BVerfG, Beschluss v. 25.09.1992 – 2 BvL 5, 8, 14/91 (Grundfreibetrag), BVerfGE 87, 153, Leitsatz 2: „Der Steuergesetzgeber muß dem Einkommensbezieher von seinen Erwerbsbezügen zumindest das belassen, was er dem Be dürftigen zur Befriedigung seines existenznotwendigen Bedarfs aus öffentlichen Mitteln zur Verfügung stellt.“) und die Verknüpfung zum Straf- oder Ordnungswidrigkeitenrecht durch die Regelung des § 40 AO, wonach Verstöße gegen Straf- oder Ordnungsvorschriften grundsätzlich einer Besteuerung nicht entgegenstehen. 95 So aber G. Crezelius, Steuerrechtliche Rechtsanwendung, S. 183 und 334. Zur Kritik hieran siehe die Rezension von J. Schulze-Osterloh, StuW 1986, 74. 96 BVerfG, Kammerbeschluss v. 27.12.1991 – 2 BvR 72/90, BStBl. II 1992, 212 (213); A. Raupach, Darf das Steuerrecht andere Teile der Rechtsordnung stören?, in: Lang, Festschrift Tipke, 105 (107); J. Hey, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, Einf. ESt Rn. 900; R. Seer, § 1, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, Rn. 32 und 34; C. Seiler, Gutachten zum 66. Deutschen Juristen tag, F 12. 97 BVerfG, Kammerbeschluss v. 27.12.1991 – 2 BvR 72/90, BStBl. II 1992, 212 (213); P. Kirchhof, StuW 1983, 173 (181); P. Kirchhof, StuW 2000, 316 (325); A. Raupach, Darf das Steuerrecht andere Teile der Rechtsordnung stören?, in: Lang, Festschrift Tipke, 105 (106 f.).
A. Verfassungsrechtliche Maßstäbe der Ertragsbesteuerung
45
abgebildet werden kann.98 Wird das Zivilrecht diesem Maßstab nicht gerecht, so darf das Steuerrecht ihm nicht folgen, sondern muss abweichend hiervon ver suchen, die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eigenständig zu erfassen. Auch die „Einheit der Rechtsordnung“99 steht einer solchen Abweichung von den zivilrecht lichen Regelungen nicht entgegen.100 Denn selbst wenn man ein solches Gebot, die verschiedenen Teilrechtsordnungen widerspruchsfrei101 aufeinander abzustim men, aus verfassungsrechtlichen Vorgaben überhaupt begründen kann102 und die „Einheit der Rechtsordnung“ nicht lediglich als ein hehres, anstrebenswertes Ideal ohne Verfassungsrang ansieht, stellt gerade die wirtschaftliche Leistungsfähig keit in der Regel einen tauglichen, sachlich hinreichenden Grund für die Rechtfer tigung eines solchen Widerspruchs dar.103 98
C. Seiler, Gutachten zum 66. Deutschen Juristentag, F 12 f. Die Forderung nach einer „Einheit der Rechtsordnung“ soll dabei zur Klärung sich aus der Komplexität der Gesamtrechtsordnung ergebenden konkreten Fragen beitragen und stellt des halb eine Argumentationsfigur dar (D. Felix, Einheit der Rechtsordnung, S. 2 f., 5 ff.), unter wel cher lediglich die Widerspruchsfreiheit, nicht jedoch die Lückenlosigkeit der Rechtsordnung zu verstehen ist (so bereits K. Engisch, Die Einheit der Rechtsordnung, S. 1, 68 und ihm fol gend D. Felix, Einheit der Rechtsordnung, S. 142 ff.; ebenso BVerfG, Beschluss v. 14.02.1973 – 1 BvR 112/65, BVerfGE 34, 269 (287) und R. Claßen, Besteuerung des Unrechts, S. 54). 100 BVerfG, Beschluss v. 15.07.1969 – 1 BvR 457/66, BVerfGE 26, 327 (334 f.); C. Seiler, Gutachten zum 66. Deutschen Juristentag, F 13 Fn. 21. 101 Hierunter fallen jedoch nicht sogenannte Normwidersprüche, also solche Widersprüche, bei denen zwei oder mehrere Normen denselben Sachverhalt mit einander ausschließenden Rechtsfolgen regeln, der Bürger sich somit nicht entsprechend der Rechtslage verhalten kann. Solche Widersprüche sind aus rechtsstaatlichen Gründen nicht hinnehmbar und müssen folg lich beseitigt werden. Siehe hierzu D. Felix, Einheit der Rechtsordnung, S. 244 ff.; B. Grzeszick, Staat, Verfassung und Einheit der Rechtsordnung, in: Depenheuer/Heintzen/Jestaedt/Axer, Festschrift Isensee, 93 (106); H. Jarass, AöR 126 (2001), 588 (592 f.); K. Larenz/C.-W. Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 155; P. Noll, Gesetzgebungslehre, S. 105; H. Sendler, NJW 1998, 2875 (2876). 102 So leitete das Bundesverfassungsgericht die „Widerspruchsfreiheit“ aus dem Rechts staatsprinzip ab, BVerfG, Urteil v. 07.05.1998 – 2 BvR 1876/91, 1083, 2188, 2200/92, 2624/94 (Landesabfallabgabengesetz, Öko-Abgabe), BVerfGE 98, 83 (97 f.) und BVerfG, Ur teil v. 07.05.1998 – 2 BvR 1991, 2004/95 (Kommunale Verpackungsteuer), BVerfGE 98, 106 (118 ff.). Ebenso W. Leisner, in: Sodan, GG, Art. 20 Rn. 55; G. Robbers, in: Kahl/Waldhoff/ Walter/Dolzer/Graßhof, Bonner Kommentar, Art. 20 Abs. 1 Rn. 2323 ff. Ablehnend C. Brüning, NVwZ 2002, 33 (35 ff.); A. Hanebeck, Der Staat 42 (2002), 429 (439 ff.); H. Sendler, NJW 1998, 2875 (2875 f.). Zur Möglichkeit der Begründung aus dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG siehe R. Claßen, Besteuerung des Unrechts, S. 56 ff., ablehnend: D. Felix, Einheit der Rechtsordnung, S. 383 Fn. 1169; B. Grzeszick, Staat, Verfassung und Einheit der Rechtsordnung, in: Depenheuer/Heintzen/Jestaedt/Axer, Festschrift Isensee, 93 (108). R. Bergmann, FR 1981, 292 (292) leitet das Gebot aus dem Rechtsgedanken des Art. 95 Abs. 3 GG ab. Gegen ein verfassungsrechtliches Gebot und für die Berücksichtigung der Wertentscheidungen der anderen Teilrechtsordnungen im Rahmen einer Verhältnismäßigkeitsprüfung D. Felix, Ein heit der Rechtsordnung, S. 187 f. Für ein restriktiv zu handhabendes konkretisierungsbedürfti ges Oberprinzip H. Jarass, AöR 126 (2001), 588 (601 f.). 103 Zur Möglichkeit der Rechtfertigung allgemein siehe D. Felix, Einheit der Rechtsordnung, S. 114, sowie die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Rechtfertigung einer Sondervorschrift, BVerfG, Beschluss v. 16.12.1958 – 1 BvL 3, 4/57, 8/58 (Arbeitslosenhilfe), 99
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1. Kap.: Verfassungs- und europarechtliche Maßstäbe der Ertragsbesteuerung
Eine Präjudizwirkung des Zivilrechts dahingehend, dass der Steuergesetzgeber bei Auswahl und Ausgestaltung des Steuertatbestandes strikt an die zivilrechtlichen Vorschriften – beispielsweise an die zivilrechtliche Rechtsfähigkeit oder an den (handelsrechtlichen) Einkommensbegriff – gebunden ist, ergibt sich daher nicht.104 Solange das Steuersubjekt geeignet ist, wirtschaftliche Leistungsfähigkeit abzubil den, darf der Gesetzgeber die zivilrechtlichen Grundentscheidungen unbeachtet lassen. Gleiches gilt für die Auswahl des Steuerobjekts. Dem Steuergesetzgeber bleibt sein weiter Gestaltungsspielraum demnach trotz der engen Verzahnung von Zivil- und Steuerrecht erhalten. In diesem Zusammenhang stellt sich die weitere – zwar nicht verfassungsrecht liche, sondern rein praktische – Frage, ob nicht aus tatsächlichen Gründen zu mindest einen bedingten Gleichlauf der Steuersubjekteigenschaft mit der zivil rechtlichen Rechtsfähigkeit erforderlich ist. Dies wäre dann der Fall, wenn der Staat die dem Steuersubjekt auferlegten Steuerzahlungspflichten nur durchsetzen könnte, wenn das Steuersubjekt auch zivilrechtlich rechtsfähig ist. Allerdings kann die Steuerzahlungspflicht auch durch einen Rückgriff auf die hinter dem Steuer subjekt stehenden zivilrechtsfähigen Personen (z. B. durch entsprechende Haf tungsregeln) erfüllt werden.105 Es ist somit nicht erforderlich, dass das Steuer subjekt der Steuerzahlungspflicht selbst nachkommt oder Verfügungsmacht über entsprechende finanzielle Mittel zur Steuerzahlung106 hat.107 Der Fiskus kann sein Besteuerungsrecht richtigerweise auch dann durchsetzen, wenn es an der zivil rechtlichen Rechtsfähigkeit des Steuersubjekts fehlen sollte. Es besteht daher auch aus verfahrensrechtlichen Gründen kein Bedürfnis der zivilrechtlichen Rechts fähigkeit zu folgen.
BVerfGE 9, 20 (28 ff.); BVerfG, Beschluss v. 17.03.1959 – 1 BvL 39, 44/56, BVerfGE 9, 201 (207 ff.). Weitere Nachweise finden sich bei G. Crezelius, Steuerrechtliche Rechtsanwendung, S. 187 ff. und 334 f., der sich kritisch mit der Rechtfertigung einer Abweichung vom Zivilrecht auseinandersetzt. 104 A. Raupach, Darf das Steuerrecht andere Teile der Rechtsordnung stören?, in: Lang, Festschrift Tipke, 105 (109) untermauert die Maßgeblichkeit der wirtschaftlichen Betrach tungsweise zudem damit, dass bei Auslandssachverhalten weder der ausländischen noch der inländischen Zivilrechtsordnung Bedeutung zukommt, sondern für die Besteuerung ein Typen vergleich vorzunehmen ist. 105 H. Hahn, Gesetzmäßigkeit der Besteuerung, S. 131. 106 An einem verselbständigten gemeinschaftlichen Vermögen kann es beispielsweise bei einer Haushaltsgemeinschaft fehlen. 107 Zum Streitstand in den ausländischen Rechtsordnungen siehe H. Hahn, Gesetzmäßig keit der Besteuerung, S. 130 ff. Im Ergebnis so auch E. Blumenstein/P. Locher, System des schweizerischen Steuerrechts, S. 53 für das Schweizer Steuerrecht.
B. Europarechtliche Maßstäbe der Ertragsbesteuerung
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B. Europarechtliche Maßstäbe der Ertragsbesteuerung I. Ausdrückliche primärrechtliche und sekundärrechtliche Vorgaben Das primäre Unionsrecht in Form des EUV und des AEUV enthält keine Rege lungen zum Ertragsteuerrecht insgesamt und stellt somit – wie auch das Grund gesetz – keine konkreten Anforderungen an die Auswahl und die Ausgestaltung des Steuersubjekts und des Steuerobjekts.108 Allerdings besteht für die Europäische Union die Möglichkeit, im Wege der Harmonisierung, Einfluss auf die nationale Steuergesetzgebung zu nehmen. Dies ist auf dem Gebiet der indirekten Steuern – ausgehend von der Harmonisierungs befugnis des Art. 113 AEUV – bereits sehr weitreichend geschehen.109 Für direkte Steuern bedarf es wegen des Fehlens einer ausdrücklich normierten Harmonisie rungsbefugnis und der Nichtanwendbarkeit der allgemeinen Harmonisierungs kompetenz des Art. 114 AEUV eines Rückgriffs auf die Befugnis zur Rechts angleichung nach Art. 115 AEUV.110 Die Harmonisierung der direkten Steuern ist aber von hoher gesellschaftspolitischer Relevanz, weshalb die einzelnen Mitglied staaten die ihnen zustehende Gestaltungsmacht nicht abgeben möchten und daher die geforderte Einstimmigkeit – zumindest im Moment – nur schwerlich erreich bar ist.111 Folglich beschränkten sich die Harmonisierungsbemühungen allein auf speziell zugeschnittene Einzelfragen aus dem Bereich der direkten Steuern.112 Eine umfassende Angleichung fand – auch vor dem Hintergrund der dem Harmonisie rungsauftrag durch das Subsidiaritätsprinzip (Art. 5 Abs. 1 und 3 EUV) gesetzten 108
So auch J. Hey, StuW 2004, 193 (203). So z. B. durch die Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie), ABl. Nr. L 347/1, ber. ABl. Nr. L 335/60 oder die Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16. Dezember 2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG (Verbrauch steuer-Systemrichtlinie), ABl. 2009 Nr. L 9/12. 110 C. Seiler, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Art. 113 AEUV Rn. 52. 111 Ebenso J. Englisch, § 4, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, Rn. 69; M. Lang, Rechtsprechung des EuGH, S. 13 ff., wonach die Einstimmigkeit kaum erzielt werden kann, weil sich in den Struk turen der nationalen direkten Steuergesetze die individuellen Anschauungen der einzelnen Mit gliedstaaten – im Besonderen zu Belastungsgerechtigkeitsfragen – widerspiegeln. 112 Bspw. die Richtlinie 2011/96/EU des Rates vom 30. November 2011 über das gemein same Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten (Mut ter-Tochter-Richtlinie), ABl. 2011 L 345/8 oder die Richtlinie 2009/133/EG des Rates vom 19. Oktober 2009 über das gemeinsame Steuersystem für Fusionen, Spaltungen, Abspaltungen, die Einbringung von Unternehmensteilen und den Austausch von Anteilen, die Gesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten betreffen, sowie für die Verlegung des Sitzes einer Europäischen Gesellschaft oder einer Europäischen Genossenschaft von einem Mitgliedstaat in einen ande ren Mitgliedstaat, ABl. 2009 L 310/34. 109
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1. Kap.: Verfassungs- und europarechtliche Maßstäbe der Ertragsbesteuerung
Schranken113 – nicht statt.114 Somit ergeben sich auch aus dem sekundären Unions recht keine Vorgaben für das Steuersubjekt und das Steuerobjekt.
II. Mittelbare, aus den Grundfreiheiten abgeleitete Vorgaben Solange weder das Primär- noch das Sekundärrecht dem nationalen Gesetz geber konkrete Vorgaben für Steuersubjekt und Steuerobjekt machen oder zumin dest den von ihm einzuhaltenden Rahmen abstecken, kann das Europarecht nur über die direkt anwendbaren115 Grundfreiheiten mittelbar auf die nationalstaat lichen Regelungen einwirken. Denn der effet-utile-Grundsatz des Art. 4 Abs. 3 EUV erfordert von den einzelnen Mitgliedstaaten eine unionsrechtskonforme Ausübung der ihnen noch zustehenden Befugnisse.116 Der vom Schutzbereich der als Beschränkungsverbote117 ausgestalteten Grund freiheiten umfasste grenzüberschreitende Sachverhalt wird dabei regelmäßig auf Ebene des Steuerobjekts oder der Bemessungsgrundlage anzutreffen sein. Ledig lich ausnahmsweise – zum Beispiel bei der Anordnung einer Steuersubjekteigen schaft ausländischer ohne gleichzeitige Einbeziehung inländischer Staatsbürger – wirken die Grundfreiheiten auf die Ausgestaltung des Steuersubjekts zurück. Die Frage, ob eine einfachgesetzliche Regelung unionsrechtswidrig ist, erfor dert jeweils eine Einzelfallprüfung. Aus diesem Grund lassen sich für die Vielzahl möglicher einfachgesetzlicher Ausgestaltungen von Steuersubjekt und Steuer objekt kaum generelle Vorgaben der Grundfreiheiten ableiten. Es bietet sich daher grundsätzlich an, die Unionsrechtskonformität jeweils anhand einer Betrachtung des einfachen Gesetzes zu untersuchen. 113 C. Tietje, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Art. 115 AEUV Rn. 29. 114 Stärker auf eine Gesamtharmonisierung angelegt ist jedoch der Vorschlag der Euro päischen Kommission für eine „RICHTLINIE DES RATES über eine Gemeinsame konsoli dierte Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage“ vom 16. März 2011, COM/2011/121. 115 Ständige Rspr., z. B. EuGH, Urteil v. 22.03.1977 – C-74/76 (Iannelli & Volpi), Slg 1977, 557 (576); EuGH, Urteil v. 29.11.1978 – C-83/78 (Redmond), Slg 1978, 2347 (2374); EuGH, Urteil v. 13.04.2000 – C-251/98 (Baars), Slg 2000, I-2787 (2816). 116 Auf dem Gebiet der direkten Steuern bspw. EuGH, Urteil v. 28.01.1986 – C-270/83 (Avoir fiscal), Slg 1986, 273 (306); EuGH, Urteil v. 14.02.1995 – C-279/93 (Schumacker), Slg 1995, I-225 (257); EuGH, Urteil v. 13.03.2007 – C-524/04 (Test Claimants in the Thin Cap Group Litigation), Slg 2007, I-2107 (2174). Für nichtsteuerliche Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten bspw. EuGH, Urteil v. 04.10.1991 – C-246/89 (Kommission/Vereinigtes Königreich), Slg 1991, I-4585 (4611). 117 Grundlegend zur Warenverkehrsfreiheit (Art. 28 bis Art. 36 AEUV) EuGH, Urteil v. 11.07.1974 – C-8/74 (Dassonville), Slg 1974, 837 (852). Zur Arbeitnehmerfreizügigkeit (Art. 45 AEUV) siehe EuGH, Urteil v. 15.12.1995 – C-415/93 (Bosman), Slg 1995, I-4921 (5071). Ausdrücklich für alle Grundfreiheiten: EuGH, Urteil v. 30.11.1995 – C-55/94 (Geb hard), Slg 1995, I-4165 (4197).
B. Europarechtliche Maßstäbe der Ertragsbesteuerung
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Anders ist dies bei der grundlegenden Frage, inwieweit das Europarecht die Einbeziehung der aus ausländischen Einkunftsquellen stammenden negativen Einkünfte erfordert. Hierbei sind zwei verschiedene Konstellationen zu beleuch ten. Erfasst eine nationale Regelung auch ausländisches Einkommen, ohne die für entsprechende inländische Einkünfte geltenden Verlustverrechnungsmöglich keiten zu gewähren, so werden einseitig nur die ausländischen steuererhöhenden Umstände berücksichtigt. Diese asymmetrische Behandlung verstößt gegen die Grundfreiheiten des AEUV und lässt sich in der Regel nicht rechtfertigen.118 Schwieriger zu beantworten ist hingegen die Frage, ob über die Grundfreiheiten negatives ausländisches Einkommen berücksichtigt werden muss, obwohl nach nationalem Recht das ausländische Einkommen generell – sei es aus verfassungs rechtlichen oder politischen Gründen oder durch Regelungen in Doppelbesteue rungsabkommen – nicht vom Steuerobjektbegriff umfasst wird. In diesem Fall würde das Unionsrecht den territorialen Bezugsrahmen des Steuerobjekts erwei tern. Ob dies anzunehmen ist, hängt entscheidend davon ab, inwieweit sich die (zumindest teilweise) Begrenzung des nationalstaatlichen Steueranspruchs auf inländisches Markteinkommen mit den Grundfreiheiten vereinbaren lässt. Eine Rolle spielt dabei, dass der in Art. 3 Abs. 3 Satz 1 EUV genannte Binnenmarkt noch keinen einheitlichen Wirtschaftsraum darstellt.119 Mangels Kompetenz der Europäischen Union Steuern zu erheben, sind die einzelnen Mitgliedstaaten wei terhin souveräne Steuergläubiger eines territorial begründeten Steuerrechts.120 Über diese in den Verträgen getroffene Entscheidung können die auf Verwirk lichung des Binnenmarktes angelegten Grundfreiheiten nicht einfach hinweg gehen.121 Konkret bedeutet dies, dass die Nichtberücksichtigung ausländischer Einkünfte unabhängig von der Art der Steuerpflicht bereits tatbestandsmäßig nicht als Verletzung der Grundfreiheiten angesehen werden sollte,122 jedenfalls aber gerechtfertigt wäre. Lässt ein Mitgliedstaat ausländische Einkünfte komplett unbe 118 Siehe bspw. EuGH, Urteil v. 15.10.2009 – C-35/08 (Busley und Cibrian), Slg 2009, I-9807 (9820 f.) zu § 2a Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 Buchst. a EStG in der in den Jahren 1997 bis 2003 gelten den Fassung. 119 M. Lehner, Territorialitätsprinzip, in: Gocke/Gosch/Lang, Festschrift Wassermeyer, 241 (253 f.). 120 M. Lehner, Territorialitätsprinzip, in: Gocke/Gosch/Lang, Festschrift Wassermeyer, 241 (254). 121 M. Lehner, Territorialitätsprinzip, in: Gocke/Gosch/Lang, Festschrift Wassermeyer, 241 (257); C. Seiler/G. Axer, IStR 2008, 838 (843). 122 C. Seiler/G. Axer, IStR 2008, 838 (843). A. A. J. Hey, StuW 2004, 193 (201); W. Schön, IStR 2004, 289 (294). Der EuGH nimmt in der Regel ebenfalls eine Beschränkung der Grund freiheiten an. Anschließend prüfte er eine oftmals nicht durchgreifende Rechtfertigung durch das Territorialitätsprinzip, siehe bspw. EuGH, Urteil v. 18.09.2003 – C-168/01 (Bosal), Slg 2003, I-9409 (9444 ff.); EuGH, Urteil v. 13.12.2005 – C-446/03 (Marks & Spencer), Slg 2005, I-10837 (10880). Ausführlich hierzu M. Lang, Rechtsprechung des EuGH, S. 60 ff. Mittler weile kann nach Auffassung des EuGH der funktionsgleiche Rechtfertigungsgrund der „Auf teilung der Besteuerungsbefugnisse“ eine solche Beschränkung rechtfertigen, siehe hierzu 2. Kapitel A. II. 2. c) cc) (2) Fn. 53.
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1. Kap.: Verfassungs- und europarechtliche Maßstäbe der Ertragsbesteuerung
rücksichtigt und beschränkt sich folglich darauf, nur das inländische Einkommen zu besteuern, so muss er diese territoriale Beschränkung aus unionsrechtlichen Gründen nicht aufgeben.123 Für Steuerpflichtige negative Folgen einer fehlen den Harmonisierung sind hinzunehmen.124 Somit muss der einzelne Mitgliedstaat keine ausländischen Verluste berücksichtigen, wenn und soweit er entsprechendes positives Einkommen aus der ausländischen Einkunftsquelle nicht zur Besteue rung heranzieht. Erforderlich dürfte dabei ein vollständiger Verzicht auf die aus ländischen Einkünfte sein, eine Freistellung unter Progressionsvorbehalt dürfte in des nicht genügen.125 Europarechtlich ist ein vom nationalen Steuergesetzgeber bestimmtes Steuerobjekt daher regelmäßig nicht territorial zu erweitern.
III. Zusammenfassung: Der Einfluss des Unionsrechts auf das Verhältnis von Steuersubjekt und Steuerobjekt Speziell die Grundfreiheiten des AEUV, aber auch das sekundäre Unionsrecht beeinflussen – wie sich insbesondere an der Vielzahl der zum Steuerrecht ergange nen Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs zeigt – das nationale Steuer recht der einzelnen Mitgliedstaaten in erheblicher Weise. Dennoch begnügt sich das Unionsrecht mit nur punktuellen Aussagen hinsichtlich des Verhältnisses von Steuersubjekt und Steuerobjekt, vermag hierzu aber nichts Grundlegendes bei zutragen.
123 So wohl auch M. Lang, Rechtsprechung des EuGH, (69 f.), der darauf hinweist, dass das Territorialitätsprinzip dann als geeigneter Rechtfertigungsgrund in Betracht kommt, wenn die Steuerpflicht insgesamt territorial abgegrenzt wird, jedoch dann ungeeignet erscheint, wenn die durch das Welteinkommensprinzip entstandenen Vorteile verwehrt werden sollen. 124 C. Seiler/G. Axer, IStR 2008, 838 (843). 125 Ähnlich M. Lehner, Territorialitätsprinzip, in: Gocke/Gosch/Lang, Festschrift Wassermeyer, 241 (260), der bei der Freistellungsmethode aus Leistungsfähigkeitsgesichtspunkten ausnahms weise eine Berücksichtigung fordert, wenn im Ausland eine Berücksichtigung der Verluste nicht möglich ist. Letzteres Merkmal entspricht der ständigen Rechtsprechung des EuGH zur Berück sichtigung finaler Verluste, siehe bspw. EuGH, Urteil v. 13.12.2005 – C-446/03 (Marks & Spen cer), Slg 2005, I-10837 (10884); EuGH, Urteil v. 15.05.2008 – C-414/06 (Lidl Belgium), Slg 2008, I-3601 (3631 f.).
Zweites Kapitel
Steuersubjekt und Steuerobjekt A. Das Steuersubjekt I. Begriffsbestimmung und Abgrenzung Der Begriff des Steuersubjekts selbst hat weder in der Verfassung noch in den Einzelsteuergesetzen seinen Niederschlag gefunden. Lediglich in § 51 Abs. 1 Satz 3 AO findet er am Rande Erwähnung. Der Terminus „Steuersubjekt“ wird vielmehr in der Wissenschaft1 verwendet und hat auch Eingang in die Recht sprechung2 gefunden. Dabei ist zunächst festzuhalten, dass das „Steuersubjekt“ keine Wortschöp fung der jüngeren Wissenschaft ist, sondern beispielsweise bereits 1887 bei Wilhelm Vocke3 Erwähnung findet. Eine exakte Definition des Begriffs stellt Vocke nicht auf. Aus seinen Ausführungen lässt sich allerdings entnehmen, dass er als Steuersubjekt eine bestimmte Person ansieht, die (aufgrund von Vermögen, Ertrag oder Einkommen) Leistungsfähigkeit besitzt und von welcher der Staat deshalb Steuern fordert.4 Der Terminus „Steuersubjekt“ ist heutzutage fester Bestandteil der steuer rechtlichen Literatur und Rechtsprechung. Dennoch fehlt es bislang an einer all gemeingültigen Definition des Steuersubjekts. Dies zeigt sich unter anderem daran, dass eine Vielzahl unterschiedlicher Synonyme verwendet wird. So wird das Steuersubjekt teilweise mit dem „Steuerrechtssubjekt“5, dem „Steuerpflichti
1
Siehe bspw. H.-W. Bayer, Steuerlehre, Rn. 457; H. Hahn, Gesetzmäßigkeit der Besteu erung, S. 102; F. Kirchhof, Grundriss des Steuer- und Abgabenrechts, Rn. 108; M. Lehner/ C. Waldhoff, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 1 Rn. A 40; R. Schranil, AöR 39 (1920), 164 (176). 2 Statt vieler: BFH, Urteil v. 17.02.1995 – VI R 41/92, BStBl. II 1995, 390 (392). 3 W. Vocke, Abgaben, S. 248 ff. 4 W. Vocke, Abgaben, S. 245 ff. Auf S. 250 bezeichnet Wilhelm Vocke zwar den Staat als Subjekt und den Besteuerten als Objekt, will damit aber lediglich darlegen, dass nur bei einem solchen Verständnis von Steuersubjekt und Steuerobjekt beide Begriffe gemeinsam verwendet werden können, bei einem anderen Verständnis (Besteuerter als Subjekt) auf ein Objekt aller dings verzichtet werden könne. 5 H.-W. Bayer, Grundbegriffe des Steuerrechts, Rn. 66; J. Lang, § 6, in: Tipke/Lang, Steuer recht, 20. Aufl. (2010), Rn. 11. Im Ergebnis so wohl auch W. Jakob, Abgabenordnung, Rn. 9 durch das Gleichsetzen des Steuersubjekts mit der steuerlichen Rechtsfähigkeit.
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2. Kap.: Steuersubjekt und Steuerobjekt
gen“6, aber auch dem „Steuerschuldner“7 gleichgesetzt. Andere Autoren bevorzu gen als Synonym den „potenziellen Steuerschuldner“8, da das Steuersubjekt erst durch die Verwirklichung eines Steuertatbestandes zum Steuerschuldner werden könne. Des Weiteren finden sich Literaturansichten, die gänzlich auf eine abstrakte Definition verzichten und das Steuersubjekt pragmatisch anhand des jeweiligen Einzelsteuergesetzes bestimmen wollen.9 Trotz dieser Unterschiede weisen die meisten Begriffsbestimmungsversuche eine wesentliche Gemeinsamkeit auf. Sie legen – ausdrücklich oder konkludent – einen Steuertatbestand in dem oben genannten Sinne zugrunde.10 Es ist daher we nig überraschend, dass sie sich im praktischen Ergebnis nicht unterscheiden. Durch den Bezug zum – auf das Entstehen einer Steuerschuld abzielenden – Steuer tatbestand wird der Steuersubjektbegriff zwangsläufig eingeschränkt. Steuersub jekt ist daher nur diejenige Person, die nach Verwirklichung eines einzelgesetzlich normierten Tatbestandes Steuerschuldner sein kann. „Personen“, die sonstige steu erliche Tatbestände11 verwirklichen, sind somit von vorn herein vom Steuersubjekt begriff ausgenommen. Ausgehend von diesem Ergebnis lässt sich der Steuersubjektbegriff von ande ren Begrifflichkeiten abgrenzen. Da es um die Steuerschuldnerschaft geht, kann das Steuersubjekt nicht mit dem Steuerrechtssubjekt gleichgesetzt werden. Denn hierunter fällt jede steuerlich rechtsfähige Person.12 Unter steuerlicher Rechts fähigkeit13 versteht man die Fähigkeit einer „Person“, Träger (irgendwelcher) steu 6 M. Lehner/C. Waldhoff, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 1 Rn. A 40 m. w. N.; J. Lang, § 6, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 20. Aufl. (2010), Rn. 11. H.-W. Bayer, Grundbegriffe des Steuerrechts, Rn. 66 und T. Birtel, Die Zeit im Einkommensteuerrecht, S. 30 Fn. 16 spre chen von „persönlicher Steuerpflicht“. E. Biergans/C. Wasmer, FR 1985, 57 (57) verweisen auf die Formulierungen „persönliche Steuerpflicht“ oder „Steuerschuldner“ in den Einzelsteuer gesetzen, definieren das Steuersubjekt im Anschluss daran aber doch eigenständig abstrakt. 7 D. Birk/M. Desens/H. Tappe, Steuerrecht, Rn. 101; P. Kirchhof, StuW 1984, 297 (311 ff.); R. Seer, § 6, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, Rn. 30. 8 Ausdrücklich H. Hahn, Gesetzmäßigkeit der Besteuerung, S. 142 f. Anders formulierend aber vom Ergebnis wohl ebenso: E. Biergans/C. Wasmer, FR 1985, 57 (57); T. Birtel, Die Zeit im Einkommensteuerrecht, S. 30; J. Lang, Steuervergünstigungen, S. 49. 9 So zum Beispiel E. Biergans/R. Stockinger, FR 1982, 25 (25); P. Kirchhof, § 118, in: Isen see/Kirchhof, HStR V, Rn. 221 ff.; C. Wasmer, Zurechnung, S. 4. 10 So zum Beispiel H.-W. Bayer, Grundbegriffe des Steuerrechts, Rn. 53 ff.; H.-W. Bayer, Steu erlehre, Rn. 386 ff., 457 ff.; H. Hahn, Gesetzmäßigkeit der Besteuerung, S. 126 f.; M. Lehner/ C. Waldhoff, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 1 Rn. A 40; C. Wasmer, Zurechnung, S. 4. 11 Dies sind Tatbestände, die auf die Auferlegung steuerlicher Pflichten, mit Ausnahme der Pflicht zur Leistung einer Steuer, abzielen. 12 K.-D. Drüen, in: Tipke/Kruse, AO, § 33 Rn. 25; R. Vogt, Rechtsnachfolge, S. 81. 13 A. Hensel, Begriffsbildung, in: Kaufmann/Nawiasky/Hensel/Bühler, VVDStRL 3 (1927), 63 (95 ff.) und ihm folgend H. Hahn, Gesetzmäßigkeit der Besteuerung, S. 134 sowie E. Ratschow, Subjektsteuerprinzip, in: Hey, DStJG 34 (2011), 35 (50 f.) weisen im Ergebnis zutreffend darauf hin, dass es eine Rechtsfähigkeit als solche für die gesamte Teilrechtsordnung des Steuerrechts nicht gibt, sondern diese nur für einzelne Steuerarten existiert. Dementsprechend soll der Begriff der „Steuerrechtsfähigkeit“ auch hier nicht im Sinne einer Rechtsfähigkeit für das gesamte Steuer
A. Das Steuersubjekt
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erlicher Rechte oder Pflichten zu sein.14 Das Steuerrechtssubjekt stellt demnach den Oberbegriff15 dar und schließt das auf die Steuerschuldnerschaft bezogene Steuersubjekt mit ein. Das bedeutet, jedes Steuersubjekt ist zugleich auch Steuer rechtssubjekt und somit steuerrechtsfähig, aber nicht jedes Steuerrechtssubjekt ist auch Steuersubjekt. Auch entspricht das Steuersubjekt aus zweierlei Gründen nicht dem Steuerpflichtigen im Sinne des § 33 Abs. 1 AO. Denn dieser zeichnet sich dadurch aus, dass er der Finanzverwaltung als Träger steuerlicher Pflichten und – entgegen dem Wortlaut des § 33 Abs. 1 AO – auch als Träger steuerlicher Rechte gegenübersteht16, sich seine Steuerrechtssubjektstellung folglich konkre tisiert hat.17 Im Unterschied dazu ist die Steuersubjekteigenschaft auf eine ganz bestimmte steuerliche Pflicht beschränkt, die zudem erst noch durch Tatbestands verwirklichung ausgelöst werden muss. Das Steuersubjekt wird daher am zutreffendsten mit dem potenziellen Steuerschuldner umschrieben. Dieses Begriffsverständnis des Steuersubjekts wird daher im Folgenden zugrunde gelegt.
II. Das Steuersubjekt im geltenden Einkommensteuerrecht 1. Die Grundentscheidung des § 1 EStG: Steuersubjektivität natürlicher Personen § 1 EStG beinhaltet die legislative Grundentscheidung bezüglich des Einkommen steuersubjekts. Steuersubjekt ist demnach die einzelne natürliche Person, unabhän gig von Alter, Geschäftsfähigkeit, Handlungsfähigkeit oder Verfügungsbefugnis.18 Auch die Staatsangehörigkeit spielt mit Ausnahme der Sonderregelung des Abs. 2 keine Rolle. Das Einkommensteuerrecht knüpft für die Steuersubjektivität an die zivilrecht liche Rechtsfähigkeit19 der natürlichen Person an und richtet das Besteuerungssys recht verstanden werden, sondern vielmehr im Sinne der Anordnung von jeglichen, auch auf Teil bereiche des Steuerrechts beschränkten, steuerlichen Rechten und Pflichten Verwendung finden. 14 U. Koenig, in: Koenig, AO, § 33 Rn. 2. 15 K.-D. Drüen, in: Tipke/Kruse, AO, § 33 Rn. 25. 16 K.-D. Drüen, in: Tipke/Kruse, AO, § 33 Rn. 1. 17 R. Vogt, Rechtsnachfolge, S. 81. Abzugrenzen ist dieses Begriffsverständnis von dem von H. Hahn, Gesetzmäßigkeit der Besteuerung, S. 142 f. zugrunde gelegten, sehr weitreichenden Steuerpflichtigenbegriff, wonach „die Eigenschaft, der Steuerhoheit des Steuerhoheitsträgers überhaupt zu unterstehen […]“ als Steuerpflicht bezeichnet, der Steuerpflichtige folglich mit dem potenziellen Steuersubjekt gleichsetzt wird. 18 K. Ebling, in: Blümich, EStG, § 1 Rn. 60 f.; W. Heinicke, in: Schmidt, EStG, § 1 Rn. 11; M. Lehner/C. Waldhoff, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 1 Rn. B 1. 19 Ausführlich zum Beginn der Steuersubjekteigenschaft natürlicher Personen durch Voll endung der Geburt und zum Ende durch den Tod siehe m. w. N. M. Lehner/C. Waldhoff, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 1 Rn. B 3 und B 8 ff.
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2. Kap.: Steuersubjekt und Steuerobjekt
tem dadurch am Individuum als einzigem Träger steuerlicher Leistungsfähigkeit aus. In § 1 EStG kommt somit der Grundsatz der Individualbesteuerung zum Aus druck. Dagegen erfasst § 1 EStG ebenso wenig wie § 1 KStG die Personengesell schaft. Diese ist weder Einkommensteuer- noch Körperschaftsteuersubjekt.20 Ein kommensteuerliche Bedeutung erlangt die Personengesellschaft allerdings über § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG als Mitunternehmerschaft.21 2. Erscheinungsformen einkommensteuerrechtlicher Steuersubjektivität a) Die unbeschränkte Steuerpflicht § 1 Abs. 1 EStG regelt die unbeschränkte Steuerpflicht des Einkommensteuer subjekts. Hiernach unterliegen Steuersubjekte mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland mit ihrem gesamten Welteinkommen der Einkommensteuer. b) Die beschränkte Steuerpflicht Hat eine natürliche Person keine persönliche Beziehung zum Inland, also weder einen inländischen Wohnsitz noch einen inländischen gewöhnlichen Aufenthalt, so ist diese – vorbehaltlich des § 1 Abs. 2 und Abs. 3 sowie des § 1a EStG – nicht un beschränkt steuerpflichtig. Sie unterliegt nach § 1 Abs. 4 EStG vielmehr nur mit den – abschließend in § 49 EStG aufgezählten – inländischen Einkünften der Ein kommensteuer, ist somit lediglich beschränkt steuerpflichtig. Neben dem Umfang der einzubeziehenden Einkünfte unterscheidet sich die be schränkte von der unbeschränkten Steuerpflicht insbesondere dadurch, dass per sönliche Verhältnisse des Steuersubjekts bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens grundsätzlich außer Betracht bleiben.22
20 Etwas anderes gilt bspw. im Umsatzsteuerrecht. Dort ist die Personengesellschaft als Un ternehmerin auch taugliche Steuerschuldnerin. Auch für Zwecke der Gewerbesteuer kann die Personengesellschaft aufgrund der ausdrücklichen Anordnung in § 5 Abs. 1 Satz 3 GewStG selbst Steuerschuldnerin sein. 21 Zur systematischen Stellung der Personengesellschaft im Einkommensteuerrecht siehe 3. Kapitel D. II. 1. 22 D. Gosch, in: Kirchhof, EStG, § 1 Rn. 29.
A. Das Steuersubjekt
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c) Sondertatbestände aa) Die erweiterte unbeschränkte Steuerpflicht nach § 1 Abs. 2 EStG § 1 Abs. 2 EStG erweitert die nach Abs. 1 von einem inländischen Wohnsitz ab hängige unbeschränkte Steuerpflicht auf im Ausland lebende deutsche Staatsange hörige, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis stehen. In dieser Vorschrift kommt das völkerrechtlich anerkannte, sogenannte Kassen staatsprinzip zum Ausdruck, wonach das vorrangige Besteuerungsrecht von im öffentlichen Dienst geleisteter Arbeit nicht dem Wohnsitzstaat, sondern dem Hei matstaat zusteht.23 Für Diplomaten wurde dieses völkergewohnheitsrechtliche Prinzip der Steuerbefreiung im Wohnsitzstaat in Art. 34 WÜD24 explizit und in haltsgleich übernommen.25 § 1 Abs. 2 EStG wirkt dabei zwei Nachteilen einer nur beschränkten Steuer pflicht im Inland entgegen. Zum einen könnten durch einen weitreichenden Be steuerungsverzicht des Wohnsitzstaates und eine nur beschränkte Steuerpflicht in Deutschland weitere Einkünfte eines Steuersubjekts vollständig unversteuert blei ben. Mithilfe einer unbeschränkten Steuerpflicht lässt sich die Entstehung solcher weißen Einkünfte26 jedoch weitestgehend beseitigen.27 Zugleich verhindert diese Vorschrift auch, dass die persönlichen Verhältnisse des deutschen Staatsangehöri gen gänzlich unberücksichtigt bleiben und bringt so das subjektive Nettoprinzip28 in Deutschland zur Anwendung. Die verfassungskonforme29 Regelung des § 1 Abs. 2 EStG ist auch unionsrecht lich nicht zu beanstanden. Denn sie unterscheidet sich in einem wesentlichen Punkt von einer alle Staatsangehörigen umfassenden unbeschränkten Steuer pflicht. Sie greift nach Satz 2 nur, wenn im ausländischen Wohnsitzstaat höchs 23
M. Lehner/C. Waldhoff, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 1 Rn. C 7. Veröffentlicht im Anhang (BGBl. II 1964, 958 [981]) zum „Gesetz zu dem Wiener Über einkommen vom 18. April 1961 über diplomatische Beziehungen“ v. 06.08.1964, BGBl. II 1964, 957. 25 Vgl. M. Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 25 Rn. 25. 26 Zum Begriff der weißen Einkünfte siehe bspw. BFH, Urteil v. 02.09.2009 – I R 90/08, BStBl. II 2010, 394 (396); BFH, Vorlagebeschluss v. 10.01.2012 – I R 66/09, BFH/NV 2012, 1056 (1061). 27 Vgl. D. Gosch, in: Kirchhof, EStG, § 1 Rn. 9. 28 Zur verfassungsrechtlichen Verankerung und zur Ausgestaltung des subjektiven Netto prinzips siehe R. Mellinghoff, Privataufwendungen, in: Kube/Mellinghoff/Morgenthaler/Palm/ Puhl/Seiler, Leitgedanken des Rechts, 1889 (1891 ff.) m. w. N. 29 Zu den gleichheitsrechtlichen Bedenken einer Besteuerung im Ausland lebender Staats angehöriger im Vergleich zu ausländischen Staatsbürgern, die längere Zeit im Inland gelebt haben, siehe M. Elicker, in: Blümich, AStG, § 2 Rn. 4; G. Kraft, in: Kraft, AStG, § 2 Rn. 15; W. Schön, Steuerstaat und Freizügigkeit, in: Becker/Schön, Steuer- und Sozialstaat im euro päischen Systemwettbewerb, 41 (60). 24
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2. Kap.: Steuersubjekt und Steuerobjekt
tens30 eine beschränkte Steuerpflicht besteht. Durch diese bereits vom Wortlaut vorgegebene Einschränkung wird deutlich, dass gerade keine Ausdehnung der nationalen Besteuerungsbefugnisse bezweckt wird. § 1 Abs. 2 EStG fügt sich vielmehr in die internationalen Besteuerungsgrundsätze ein, die insoweit eine gerechte Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse bezwecken.31 Die erweiterte un beschränkte Steuerpflicht im öffentlichen Dienst beschäftigter Staatsangehöriger aufgrund des Kassenstaatsprinzips ist daher unionsrechtskonform. bb) Die fiktive unbeschränkte Steuerpflicht nach § 1 Abs. 3 EStG Gebietsfremde natürliche Personen, die an sich lediglich der beschränkten Steuerpflicht nach § 1 Abs. 4 EStG unterliegen, können nach § 1 Abs. 3 EStG auf Antrag als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt werden, wenn deren Einkünfte zu mindestens 90 % der deutschen Einkommensteuer unterliegen oder die auslän dischen Einkünfte den Grundfreibetrag nicht überschreiten (sogenannte fiktive un beschränkte Steuerpflicht32). Auch wenn diese Vorschrift differenzierungslos auf alle natürlichen Personen mit ausländischem Wohnsitz Anwendung findet, zeigt sich an ihr der Einfluss der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu den Marktfreiheiten auf das nationale Steuerrecht.33 Grundsätzlich befinden sich im Inland und im Ausland ansässige natürliche Personen in verschiedenen, nicht miteinander vergleichbaren Situationen, da der Schwerpunkt der Einkünfte typischerweise im Wohnsitzstaat liegt.34 Werden diese Personen durch die nationalen Steuervorschriften – beispielsweise in Form einer un beschränkten Steuerpflicht bei Inlandsansässigkeit und in Form einer beschränkten Steuerpflicht bei Auslandsansässigkeit – unterschiedlich behandelt, liegt mangels Vergleichbarkeit der Situationen keine Beschränkung der Marktfreiheiten vor.35 Et was anderes soll allerdings dann gelten, wenn der Steuerpflichtige den wesentlichen Teil seiner Einkünfte nicht im Wohnsitzstaat, sondern in einem anderen Mitglied staat erzielt und die persönlichen Verhältnisse mangels entsprechender Einkünfte 30
M. Lehner/C. Waldhoff, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 1 Rn. C 62: Nach Sinn und Zweck der Vorschrift kommt die erweiterte unbeschränkte Steuerpflicht auch zur Anwendung, wenn im Wohnsitzstaat keine Besteuerung eingreift. Ebenso W. Heinicke, in: Schmidt, EStG, § 1 Rn. 36: Voraussetzung ist, dass im Ausland keine unbeschränkte Steuerpflicht besteht. 31 Zu der Möglichkeit, sich hinsichtlich der Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse zu lässigerweise an der internationalen Praxis, insbesondere dem Musterabkommen der OECD, zu orientieren siehe EuGH, Urteil v. 12.05.1998 – C-336/96 (Gilly), Slg 1998, I-2793 (2835); EuGH, Urteil v. 23.02.2006 – C-513/03 (van Hilten-van der Heijden), Slg 2006, I-1957 (1998). 32 Zur Kritik an dieser Begrifflichkeit M. Lehner/C. Waldhoff, in: Kirchhof/Söhn/Melling hoff, EStG, § 1 Rn. D 171 ff. 33 M. Lehner/C. Waldhoff, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 1 Rn. D 25. 34 EuGH, Urteil v. 14.02.1995 – C-279/93 (Schumacker), Slg 1995, I-225 (260). 35 EuGH, Urteil v. 14.02.1995 – C-279/93 (Schumacker), Slg 1995, I-225 (260).
A. Das Steuersubjekt
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im Wohnsitzstaat nicht berücksichtigt werden können.36 Die vorherige Nichtanwen dung der unbeschränkten Steuerpflicht auf im Ausland ansässige Personen ist in diesen Fällen unionsrechtswidrig. Insoweit ergibt sich also eine mittelbare Rück wirkung der Marktfreiheiten auf das Steuersubjekt. Diese unionsrechtlich gebotene Ausnahme hinsichtlich des Umfangs der Be steuerung lässt sich auch mit dem einkommensteuerlichen Belastungsgrund verein baren. Denn wenn trotz Auslandsansässigkeit überwiegend inländische Einkünfte erzielt werden, kann dies im Rahmen einer typisierenden Betrachtung dafür spre chen, dass im Wesentlichen inländische Vorteile zur Erzielung sämtlicher Einkünfte des Steuersubjekts beigetragen haben, dem Wohnsitz folglich keine zentrale Bedeu tung zukommt und es deshalb an einer Einbindung in den ausländischen Markt fehlt. Festzuhalten ist somit, dass § 1 Abs. 3 EStG die unionsrechtlichen Vorgaben in verfassungskonformer Weise37 umsetzt und auch in seiner konkreten Ausgestaltung – insbesondere mit der 90 %-Grenze38 – europarechtlich nicht zu beanstanden ist.39 cc) Die erweiterte beschränkte Steuerpflicht nach § 2 Abs. 1 AStG (1) Inhalt und Ziel der Regelung Verlegt eine im Inland ansässige Person ihren Wohnsitz ins Ausland, so endet grundsätzlich die unbeschränkte Steuerpflicht nach § 1 Abs. 1 EStG und die natür liche Person ist nur noch mit den inländischen Einkünften im Sinne des § 49 EStG nach § 1 Abs. 4 EStG beschränkt steuerpflichtig. Hieran knüpft § 2 AStG an und erweitert nach Satz 1 die beschränkte Steuerpflicht bei bislang unbeschränkt steuerpflichtigen deutschen Staatsangehörigen sowohl zeitlich als auch sachlich. Mit dieser Vorschrift sollte der steuerlich motivierte Umzug ins Ausland unattrak tiv gemacht werden.40 Voraussetzung für die Anwendung des § 2 Abs. 1 AStG ist, dass das – in den letzten zehn Jahren vor Ende der unbeschränkten Steuerpflicht mindestens fünf Jahre als Deutscher unbeschränkt steuerpflichtige – Steuersubjekt im niedrig be steuerten Ausland (Abs. 2) oder in keinem ausländischen Gebiet ansässig ist und wesentliche wirtschaftliche Interessen im Inland hat (Abs. 3). Ist dies gegeben, so ist das Steuersubjekt bis zum Ablauf von zehn Jahren nach Ende der unbeschränk ten Steuerpflicht erweitert beschränkt steuerpflichtig. Zur Besteuerung heran 36
EuGH, Urteil v. 14.02.1995 – C-279/93 (Schumacker), Slg 1995, I-225 (261). FG Baden-Württemberg, Urteil v. 06.12.2001 – 3 K 36/01, EFG 2002, 664 (667). Zur Frage, ob Staatsangehörige von Drittstaaten aus gleichheitsrechtlichen Gründen zwingend in den Anwendungsbereich der Vorschrift einzubeziehen waren M. Lehner/C. Waldhoff, in: Kirch hof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 1 Rn. D 25a. 38 EuGH, Urteil v. 14.09.1999 – C-391/97 (Gschwind), Slg 1999, I-5451 (5490). 39 M. Lehner/C. Waldhoff, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 1 Rn. D 103 m. w. N. 40 M. Elicker, in: Blümich, AStG, § 2 Rn. 1; G. Kraft, in: Kraft, AStG, § 2 Rn. 1. 37
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2. Kap.: Steuersubjekt und Steuerobjekt
zuziehen sind dabei – über § 49 EStG hinaus – alle Einkünfte, die nach § 34d EStG nicht ausländische Einkünfte sind. Zudem unterliegt das Einkommen dem Pro gressionsvorbehalt. Denn nach § 2 Abs. 5 AStG ist der Steuersatz maßgebend, der sich aus dem nach deutschem Steuerrecht ermittelten Welteinkommen unter An wendung des Grundtarifs ergibt.41 (2) Unionsrechtskonformität des § 2 Abs. 1 AStG Unionsrechtlich42 kann die Steuersubjekteigenschaft Staatsangehöriger in Kon flikt mit den Personenfreizügigkeiten (Art. 21, 45 und 49 AEUV) geraten. Möchte ein Staatsangehöriger seinen inländischen Aufenthalt in einen anderen Mitglied staat verlegen, so kann die über die beschränkte Steuerpflicht des § 1 Abs. 4 EStG hinausgehende erweiterte beschränkte Steuerpflicht in Deutschland einen Eingriff in den Schutzbereich der genannten Marktfreiheiten darstellen. Denn durch diese Regelung weitet der Gesetzgeber seine Besteuerungsbefugnisse aus, um damit den Wegzug ins niedrig besteuerte Ausland unattraktiv zu machen.43 An die Rechtfertigung einer solchen Verletzung der Marktfreiheiten sind hohe Maßstäbe anzulegen.44 So reichen die oftmals von den Mitgliedstaaten vorgebrach ten Erwägungen, wie die Verfolgung wirtschaftspolitischer Ziele,45 die Kompen sation durch mögliche anderweitige Vorteile46 oder die Vermeidung von Steuer mindereinnahmen47 bereits dem Grunde nach für eine Rechtfertigung nicht aus. Auch eine zeitliche Fortgeltung des Gesetzes aus Gründen einer verlässlichen Fi nanz- und Haushaltsplanung scheidet in der Regel aus.48 Grundsätzlich anerken nenswerte Rechtfertigungsgründe sind hingegen das Erfordernis einer wirksamen 41
M. Elicker, in: Blümich, AStG, § 2 Rn. 41. Zu den verfassungsrechtlichen Problemen der Wegzugsbesteuerung siehe M. Elicker, in: Blümich, AStG, § 2 Rn. 4; R. Könemann, IStR 2012, 560; G. Kraft, in: Kraft, AStG, § 2 Rn. 14 f. 43 M. Elicker, in: Blümich, AStG, § 2 Rn. 1; G. Kraft, in: Kraft, AStG, § 2 Rn. 1. 44 Zur Kritik an der ehemals sehr strengen Rechtsprechung des EuGH siehe J. Hey, StuW 2004, 193 (196 f.); C. Seiler, StuW 2005, 25 (28 ff.); K. Tiedtke/M. Mohr, EuZW 2008, 424 (426 ff.). 45 EuGH, Urteil v. 06.06.2000 – C-35/98 (Verkooijen), Slg 2000, I-4071 (4130). 46 Ständige Rspr. seit EuGH, Urteil v. 28.01.1986 – C-270/83 (Avoir fiscal), Slg 1986, 273 (305). 47 Statt vieler: EuGH, Urteil v. 21.09.1999 – C-307/97 (Saint-Gobain), Slg 1999, I-6161 (6200). 48 Eine zeitliche Beschränkung der Wirkungen eines Urteils des EuGH kann dabei nur in absoluten Ausnahmefällen in Betracht kommen (statt vieler: EuGH, Urteil v. 15.09.1998 – C-231/96 (Edis), Slg 1998, I-4951 (4985); zu den Möglichkeiten der Anordnung einer be schränkten zeitlichen Wirkung siehe EuGH, Urteil v. 06.03.2007 – C-292/04 (Meilicke), Slg 2007, I-1835 (1887 ff.) m. w. N.). Anders das BVerfG, das aus Gründen einer verlässlichen Finanz- und Haushaltsplanung des Öfteren eine zeitliche Fortgeltung des mit dem Grund gesetz unvereinbaren Steuergesetzes zulässt: ständige Rspr. seit BVerfG, Urteil v. 24.06.1986 – 2 BvF 1, 5, 6/83, 1, 2/85, BVerfGE 72, 330 (422), zuletzt, jedoch im konkreten Fall nicht durch greifend BVerfG, Beschluss v. 07.05.2013 – 2 BvR 909, 1981/06, 288/07, DStR 2013, 1228 (1237 f.). Siehe zum Ganzen ausführlich L. Osterloh, Beschränkungen der Urteilswirkungen, in: Kruthoffer-Röwekamp, Rechtsprechung des EuGH, 105. 42
A. Das Steuersubjekt
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steuerlichen Kontrolle,49 die Missbrauchsbekämpfung,50 die Kohärenz51 oder die Förderung von Forschung und Entwicklung52. Mittlerweile werden auch die Inter essen der einzelnen Mitgliedstaaten an „ihrem“ Steuersubstrat stärker im Rahmen der Rechtfertigung berücksichtigt.53 Eine nationale Regelung, die auf die Staatsangehörigkeit abstellt, wird sich – wenn überhaupt – allenfalls durch eine gerechte Aufteilung der Besteuerungs befugnisse oder aus Gründen der Missbrauchsvermeidung rechtfertigen lassen. Zu beachten ist jedoch, dass § 2 AStG kein treaty overriding anordnet und somit bei Bestehen eines – dem OECD-Musterabkommen entsprechenden – Doppelbesteue rungsabkommens mit dem Niedrigsteuerland nicht anwendbar ist.54 Da nach der zeitigem Stand55 zumindest auf dem Gebiet der Einkommensteuer mit allen Mit gliedstaaten der Europäischen Union ein Doppelbesteuerungsabkommen besteht, kann die erweiterte beschränkte Steuerpflicht nach § 2 AStG bei Wohnsitzverlage rung innerhalb der Europäischen Union praktisch nicht zur Anwendung kommen. Es kann daher offenbleiben, ob eine Verletzung der Marktfreiheiten durch eine von der Staatsangehörigkeit abhängige Steuersubjektivität gerechtfertigt werden kann.56 49
EuGH, Urteil v. 20.02.1979 – C-120/78 (Cassis de Dijon), Slg 1979, 649 (662). EuGH, Urteil v. 13.03.2007 – C-524/04 (Test Claimants in the Thin Cap Group Litiga tion), Slg 2007, I-2107 (2189 f.) m. w. N. 51 EuGH, Urteil v. 28.01.1992 – C-204/90 (Bachmann), Slg 1992, I-249 (282 ff.); EuGH, Ur teil v. 11.03.2004 – C-9/02 (de Lasteyrie du Saillant), Slg 2004, I-2409 (2456 ff.). 52 EuGH, Urteil v. 10.03.2005 – C-39/04 (Laboratoires Fournier), Slg 2005, I-2057 (2075). 53 Ausgangspunkt dieses Wandels war die Entscheidung in der Rs. Marks & Spencer. Hiernach kann eine Beschränkung der Grundfreiheiten bei kumulativem Vorliegen von drei bestimmten Rechtfertigungsgründen (Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse zwischen den Mitgliedstaaten, Verhinderung einer doppelten Verlustberücksichtigung und Eindämmung der Steuerflucht) gerechtfertigt werden, EuGH, Urteil v. 13.12.2005 – C-446/03 (Marks & Spen cer), Slg 2005, I-10837 (10881 ff.). In der Folgezeit erachtete der EuGH dann zwei dieser ge nannten Gründe für eine Rechtfertigung als ausreichend, EuGH, Urteil v. 18.07.2007 – C-231/05 (Oy AA), Slg 2007, I-6373 (6411) und EuGH, Urteil v. 15.05.2008 – C-414/06 (Lidl Belgium), Slg 2008, I-3601 (3630 f.). In seiner Entscheidung zur Rs. SGI lockerte der EuGH seine bishe rige Rechtsprechungslinie zur Rechtfertigung von Steuerumgehungsvorschriften und verlangt nicht mehr auf rein künstliche Gestaltungen ausgerichtete Missbrauchsvermeidungsvorschrif ten, EuGH, Urteil v. 21.01.2010 – C-311/08 (SGI), Slg 2010, I-487 (531). Wenig später ließ der EuGH zur Rechtfertigung einer Beschränkung der Grundfreiheiten sogar nur die Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse zwischen den Mitgliedstaaten genügen, EuGH, Urteil v. 25.02.2010 – C-337/08 (X Holding), Slg 2010, I-1215 (1250). Der gesetzgeberische Spiel raum bleibt durch die strenge Handhabung des Erforderlichkeitskriteriums allerdings weiterhin eingeschränkt, A. Musil/L. Fähling, DStR 2010, 1501 (1505). 54 M. Elicker, in: Blümich, AStG, § 2 Rn. 9; G. Kraft, in: Kraft, AStG, § 2 Rn. 10. 55 Siehe BMF, Schreiben betr. Stand der Doppelbesteuerungsabkommen und anderer Abkom men im Steuerbereich sowie der Abkommensverhandlungen am 1. Januar 2015, v. 19.01.2015, BStBl. I 2015, 128 (129 ff.). 56 Die Möglichkeit einer Rechtfertigung regelmäßig ablehnend W. Schön, Steuerstaat und Freizügigkeit, in: Becker/Schön, Steuer- und Sozialstaat im europäischen Systemwettbewerb, 41 (56 ff.). Siehe hierzu auch M. Elicker, in: Blümich, AStG, § 2 Rn. 7 f.; G. Kraft, in: Kraft, AStG, § 2 Rn. 23; F. Wassermeyer, IStR 2001, 113 (113 f.). 50
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2. Kap.: Steuersubjekt und Steuerobjekt
3. Der Inlandsbezug als völkerrechtliche Voraussetzung nationaler Besteuerung Allen Erscheinungsformen der einkommensteuerrechtlichen Steuersubjektivi tät ist gemein, dass sie stets einen inländischen Bezugspunkt57 voraussetzen. Die ser ist wie bei der Anknüpfung an den inländischen Wohnsitz bzw. Aufenthalt im Rahmen der unbeschränkten Steuerpflicht nach § 1 Abs. 1 EStG oder an die inlän dischen Einkünfte nach § 1 Abs. 3 und 4 EStG regelmäßig territorialer58 Natur (in Form sachlicher Verbundenheit). Da unter den besonderen Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 EStG auch die deutsche Staatsangehörigkeit die Steuerpflicht begründen kann, besteht am Rande auch ein Anknüpfungspunkt subjektiver Natur (das Steuer subjekt persönlich betreffend). Daneben besteht bei § 2 Abs. 1 AStG die Beson derheit, dass die erweiterte beschränkte Steuerpflicht sowohl einen personalen als auch einen territorialen inländischen Bezugspunkt, namentlich die deutsche Staats angehörigkeit und wesentliche wirtschaftliche Interessen im Inland, erfordert. Diese inländischen Bezugspunkte59 sind Ausfluss des Art. 25 GG, der die vor rangige Anwendung der allgemeinen Regeln des Völkerrechts vor dem einfachen Bundesrecht verlangt. Allgemeine Regeln des Völkerrechts sind solche, die von der überwiegenden Mehrheit der Staaten – nicht jedoch notwendigerweise von der Bundesrepublik Deutschland selbst – anerkannt werden.60 Konkret fallen hierunter jedenfalls das universelle61 Völkergewohnheitsrecht und die allgemein anerkann ten Rechtsgrundsätze des Völkerrechts.62 Zum universellen völkerrechtlichen Ge 57 H.-W. Bayer, Steuerlehre, Rn. 392 und 400 ff. und ihm folgend T. Birtel, Die Zeit im Ein kommensteuerrecht, S. 29 f. prüfen den Inlandsbezug unter der Bezeichnung „räumlicher An wendungstatbestand“ oder „Steuerraum“ als eigenständige Vorstufe vor dem eigentlichen Steuertatbestand. Dies führt zwar nicht zu einem unterschiedlichen Ergebnis, aber zu einer teil weisen Vorwegnahme der Prüfung, da der Inlandsbezug des einzelnen Steuersubjekts bereits vor der Prüfung desselben erfolgt. Außerdem wird die Prüfung eines mit verschiedenen Voraus setzungen versehenen Steuersubjekts künstlich in zwei Prüfungsschritte aufgespalten. Kritisch hierzu auch A. Stollenwerk, StVj 1989, 217 (233 f.). 58 Zu den in Betracht kommenden territorialen Anknüpfungspunkten siehe bereits G. Schanz, FinanzArchiv 9 (1892), 365 (368 f.). 59 Eine Anknüpfung an unionsrechtliche Bezüge muss derzeit noch ausscheiden. Denn maßgeblich ist der steuerstaatlich organisierte – und damit inländische – Markt, da das Bin nenmarktkonzept insofern noch unvollständig ist, auch wenn der Binnenmarkt mittelbar zur Erwirtschaftung von Einkünften beiträgt, vgl. M. Lehner/C. Waldhoff, in: Kirchhof/Söhn/ Mellinhoff, EStG, § 1 Rn. A 213. 60 BVerfG, Beschluss v. 30.10.1962 – 2 BvM 1/60 (Jugoslawische Militärmission), BVerfGE 15, 25 (34); BVerfG, Beschluss v. 06.12.2006 – 2 BvM 9/03 (Botschaftskonten pfändung), BVerfGE 117, 141 (148 f.); BVerfG, Beschluss v. 08.05.2007 – 2 BvM 1–5/03, 1, 2/06 (Argentinien-Anleihen), BVerfGE 118, 124 (134). 61 Hingegen fällt das regionale Völkergewohnheitsrecht nach h. M. nicht in den Anwendungs bereich des Art. 25 GG, siehe bspw. W. von Heinegg, in: Epping/Hillgruber, GG, Art. 25 Rn. 20; M. Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 25 Rn. 32. 62 BVerfG, Beschluss v. 14.05.1968 – 2 BvR 544/63 (Kriegsfolgelasten II), BVerfGE 23, 288 (305); BVerfG, Beschluss v. 13.05.1996 – 2 BvL 33/93 (Zwangsarbeiter), BVerfGE 94, 315 (328);
A. Das Steuersubjekt
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wohnheitsrecht gehört insbesondere das Verbot, eine Person zu besteuern, ohne dass eine hinreichend enge (räumliche oder sachliche) Verbindung zum besteuern den Staat besteht (genuine link).63 Der Gesetzgeber darf daher nicht nur an rein in ländische, sondern auch an grenzüberschreitende Sachverhalte anknüpfen.64 Wie eng der Inlandsbezug des Steuersubjekts sein muss, gibt das Völkerrecht jedoch nicht vor, so dass den Staaten ein gewisser Gestaltungsspielraum verbleibt.65 Er forderlich ist jedoch, dass die gewählten „Anknüpfungsmomente und ihre Sach nähe […] einem Mindestmaß an Einsichtigkeit genügen [müssen]“.66 Diesen völkerrechtlichen Anforderungen genügt § 1 EStG, da mit dem Merkmal der Ansässigkeit, der wirtschaftlichen Zugehörigkeit sowie der Staatsangehörig keit nicht jede unwesentliche Verbindung zum Inland den Besteuerungszugriff der Bundesrepublik Deutschland auslöst.67 Gleiches gilt auch für die Vorschrift des § 2 Abs. 1 AStG, deren Anwendbarkeit sogar von zwei kumulativen Voraussetzun gen – der deutschen Staatsangehörigkeit und wesentlichen wirtschaftlichen Inter essen im Inland – abhängt.
W. von Heinegg, in: Epping/Hillgruber, GG, Art. 25 Rn. 19 und 21; M. Herdegen, in: Maunz/ Dürig, GG, Art. 25 Rn. 19; H. Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 25 Rn. 7 f.; O. Rojahn, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 25 Rn. 6. 63 BVerfG, Beschluss v. 22.03.1983 – 2 BvR 475/78, BVerfGE 63, 343 (368 f.); J. Englisch, § 5, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, Rn. 27; F. Haase, Internationales und europäisches Steuer recht, Rn 18 f.; K. Ipsen, Völkerrecht, § 23 Rn. 90 ff.; W. Schön, Internationales Steuerrecht, in: Kube/Mellinghoff/Morgenthaler/Palm/Puhl/Seiler, Leitgedanken des Rechts, 1625 (1628). 64 V. Kluge, Das internationale Steuerrecht, S. 75; W. Rudolf, in: Habscheid/Rudolf, Territo riale Grenzen der staatlichen Rechtsetzung, S. 22 ff. Hiervon zu unterscheiden ist die Geltung nationaler Gesetze im Ausland, H. Schneider, Gesetzgebung, Rn. 587, 591. Diese erstreckt sich grundsätzlich nur auf das Staatsgebiet, sogenanntes Territorialitätsprinzip, siehe W. Rudolf, in: Habscheid/Rudolf, Territoriale Grenzen der staatlichen Rechtsetzung, S. 9 ff.; H. Schneider, Gesetzgebung, Rn. 574 (zur Möglichkeit eines vom Staatsgebiet abweichenden Inlands begriffs für Zwecke der Besteuerung siehe M. Lehner/C. Waldhoff, in: Kirchhof/Söhn/Melling hoff, EStG, § 1 Rn. A 161.). Einer extraterritorialen Geltung steht zwar Verfassungsrecht nicht entgegen (V. Kluge, Das internationale Steuerrecht, S. 75; M. Lehner/C. Waldhoff, in: Kirchhof/ Söhn/Mellinghoff, EStG, § 1 Rn. A 436; W. Rudolf, in: Habscheid/Rudolf, Territoriale Grenzen der staatlichen Rechtsetzung, S. 12 f.), doch bedarf die Geltung staatlichen Rechts – insbeson dere die Vornahme von Hoheitsakten – im Territorium eines anderen Staates einer besonderen (völkerrechtlichen) Vereinbarung (R. Dolzer, Wirtschaft und Kultur, in: Vitzthum, Völkerrecht, Rn. 105; H. Schneider, Gesetzgebung, Rn. 580 ff.; K. Vogel, Räumlicher Anwendungsbereich, S. 341 ff.). 65 F. Haase, Internationales und europäisches Steuerrecht, Rn. 19. 66 BVerfG, Beschluss v. 22.03.1983 – 2 BvR 475/78, BVerfGE 63, 343 (369). Zustimmend K. Ipsen, Völkerrecht, § 23 Rn. 90. 67 Vgl. R. Dolzer, Wirtschaft und Kultur, in: Vitzthum, Völkerrecht, Rn. 101; F. Haase, Interna tionales und europäisches Steuerrecht, Rn. 20 ff.; K. Ipsen, Völkerrecht, § 23 Rn. 93; M. Lehner/ C. Waldhoff, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 1 Rn. A 468. Zur völkerrechtlichen Zu lässigkeit der Besteuerung Staatsangehöriger siehe auch W. Schön, Steuerstaat und Freizügig keit, in: Becker/Schön, Steuer- und Sozialstaat im europäischen Systemwettbewerb, 41 (54 ff.): Besteuerungszugriff ist völkerrechtlich unzulässig, soweit elementare staatsbürgerliche Rechte verweigert werden.
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2. Kap.: Steuersubjekt und Steuerobjekt
B. Das Steuerobjekt I. Begriffsbestimmung Das Steuersubjekt betrifft die persönliche Seite der Steuerpflicht, beantwor tet also die Frage, wer potenzieller Steuerschuldner ist. Beim Steuerobjekt – oft mals auch als Steuergegenstand bezeichnet68 – geht es um die sachliche Seite der Steuerpflicht und somit darum, was steuerpflichtig ist.69 Auswahl und Ausgestaltung des Steuerobjekts obliegen, wie beim Steuersubjekt auch, dem Gesetzgeber, der dabei allerdings etwaige finanzverfassungsrechtliche und insbesondere grundrechtliche Grenzen beachten muss.
II. Das Steuerobjekt im geltenden Einkommensteuerrecht § 2 Abs. 1 EStG bestimmt das Steuerobjekt. Hiernach ist Anknüpfungspunkt der Besteuerung das in den sieben Einkunftsarten konkretisierte Markteinkommen. Der Wortlaut der Vorschrift macht aber zugleich deutlich, dass dieser Markterfolg („Einkünfte“) Ausfluss einer der abschließend aufgezählten Erwerbsgrundlagen70 (sogenannter Zustandstatbestand) und eines auf Einkommenserzielung ausgerich teten Markthandelns71 (sogenannter Handlungstatbestand) des Steuersubjekts („er zielt“) ist.72 Der Gesetzgeber bringt durch diese von ihm gewählte Formulierung zum Ausdruck, dass weder der eingetretene Erfolg73 noch die Handlung74 allein der Belastungsgrund sein sollen, sondern die Besteuerung wegen der Verbindung bei 68 Z. B. H.-W. Bayer, Grundbegriffe des Steuerrechts, Rn. 80; H. Hahn, Gesetzmäßigkeit der Besteuerung, S. 151 ff.; A. Musil, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 2 Rn. 8 und 51. 69 H.-W. Bayer, Steuerlehre, Rn. 503; O. Beierl, Einkünftequalifikation, S. 62; D. Birk/ M. Desens/H. Tappe, Steuerrecht, Rn. 102; L. Jesse, Erbschaft- und Schenkungsteuer, S. 33. 70 Unter Erwerbsgrundlage ist dabei eine Einkunftsquelle zu verstehen, die zur Vermögens mehrung bestimmt und geeignet ist, siehe hierzu auch P. Kirchhof, Einkommensteuergesetz buch, § 2 Abs. 3 Satz 3 EStGB; P. Kirchhof, Bundessteuergesetzbuch, § 43 Abs. 3 Satz 3. 71 P. Kirchhof, Einkommensteuergesetzbuch, S. 35; P. Kirchhof, Bundessteuergesetzbuch, S. 370 verwendet stattdessen den Begriff „Erwerbshandeln“. 72 P. Kirchhof, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 2 Rn. A 105 ff. P. Kirchhof, § 118, in: Isensee/Kirchhof, HStR V, Rn. 233; P. Kirchhof, Bundessteuergesetzbuch, S. 367 f. Zustim mend A. Musil, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 2 Rn. 51, der allerdings anstelle des „Handlungstatbestands“ den Begriff des „Leistungstatbestandes“ bevorzugt. 73 So aber J. Hey, StuW 1998, 285 (286 f.); J. Hey, § 8, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, Rn. 40. Durch Formulierungen wie „der wirtschaftliche Erfolg dieser Handlung [interessiert das Steuerrecht]“ oder „Einkommensteuerobjekt ist […] die „Summe der Einkünfte als Ergebnis von Erwerbstätigkeit(en)“ beziehen die Vertreter dieser sogenannten Einkommenstheorie die Handlung zumindest mittelbar mit ein. 74 So hingegen die Vertreter der sogenannten Erwerbstätigkeitstheorie, wonach allein die Erwerbstätigkeit das Steuerobjekt darstellt, das hieraus erzielte Einkommen hingegen nicht als Belastungsgrund in Frage kommt, siehe H.-W. Bayer/F. Müller, BB 1978, 1; H.-W. Bayer, BB 1988, 1, 141 und 218; H.-W. Bayer, Steuerlehre, Rn. 503 ff.; T. Birtel, Die Zeit im Einkommen
B. Das Steuerobjekt
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der Elemente, die dann notwendigerweise als Grundvoraussetzung auch eine Er werbsgrundlage beinhalten muss, zu erfolgen hat.75 Wie der Erfolg zu bemessen ist, ergibt sich grundsätzlich aus § 2 Abs. 2 EStG. Als Einkommen gilt dabei der für das Steuersubjekt verfügbare Vermögens zuwachs unter Berücksichtigung der Erwerbsaufwendungen.76 § 2 Abs. 2 EStG beinhaltet somit die einfachgesetzliche Grundentscheidung für das – auch verfas sungsrechtlich gebotene77 – objektive Nettoprinzip.78 Indes regelt § 2 EStG nicht unmittelbar, was Einkommen ist, sondern bietet mit der Unterscheidung zwischen Gewinn- und Überschusseinkunftsarten zunächst nur eine allgemeine Weichenstellung. Vervollständigt wird die gesetzliche Kon zeption des steuerbaren Einkommens durch die Regelung zu seiner Ermittlung. Zu diesen gehören die Vorschriften der Bilanzierung (§§ 4, 5 EStG) mitsamt den zu gehörigen Bewertungs- und Abschreibungsregelungen der §§ 6 bis 7k EStG sowie die Regelungen zur Ermittlung des Überschusses (§§ 8 bis 9a EStG) einschließlich der Vorschrift des Zu- und Abflussprinzips gemäß § 11 EStG. Ein wesentlicher Unterschied zwischen materiellem Gewinn-79 und Überschuss konzept besteht dabei in der Behandlung von Wertveränderungen des Stamm vermögens. So sind bei den auf der Reinvermögenszugangstheorie80 beruhen den Gewinneinkunftsarten realisierte Wertveränderungen des Stammvermögens grundsätzlich zu berücksichtigen. Anders ist dies im Rahmen der Überschuss einkunftsarten. Diesen liegt der quellentheoretische Ansatz81 zugrunde, weshalb steuerrecht, S. 31 ff.; H. Hahn, Gesetzmäßigkeit der Besteuerung, S. 182 ff.; K. Oechsle, StuW 1999, 120 (127 f.). Diese Theorie widerspricht aufgrund des eindeutigen Wortlauts von § 2 Abs. 1 EStG allerdings der geltenden Rechtslage. Äußerst kritisch ebenfalls J. Hey, StuW 1998, 285 (286 f.). 75 P. Kirchhof, § 118, in: Isensee/Kirchhof, HStR V, Rn. 232; A. Musil, in: Herrmann/Heuer/ Raupach, EStG, § 2 Rn. 51; H. Weber-Grellet, in: Schmidt, EStG, § 2 Rn. 18. Für eine Un terscheidung zwischen dogmatischem und instrumentalem Steuergegenstand A. Stollenwerk, StVj 1989, 217 (230). 76 P. Kirchhof, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 2 Rn. A 30; P. Kirchhof, § 118, in: Isensee/Kirchhof, HStR V, Rn. 233. 77 Zum objektiven Nettoprinzip als Verfassungsprinzip siehe statt vieler J. Hey, § 8, in: Tipke/ Lang, Steuerrecht, Rn. 54 ff. m. w. N.; offengelassen durch das BVerfG, da es jedenfalls bei Vorliegen gewichtiger Gründe durchbrochen werden kann und sich der Gesetzgeber dabei ge neralisierender, typisierender und pauschalierender Regelungen bedienen darf, zuletzt BVerfG, Beschluss v. 12.10.2010 – 1 BvL 12/07 (Betriebsausgabenabzugsverbot), BVerfGE 127, 224 (248) m. w. N. 78 J. Hey, § 8, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, Rn. 54; P. Kirchhof, in: Kirchhof, EStG, § 2 Rn. 11; C. Seiler, Objektives Nettoprinzip, in: Hey, DStJG 34 (2011), 61 (62); H. Weber-Grellet, in: Schmidt, EStG, § 2 Rn. 9 f. 79 Hierzu C. Seiler, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 4 Rn. B 20. 80 Grundlegend hierzu G. Schanz, FinanzArchiv 13 (1896), 1; G. Schanz, FinanzArchiv 39 (1922), 505. 81 P. Kirchhof, in: Kirchhof, EStG, § 2 Rn. 41. Zur Quellentheorie und deren Ursprung P. Kirchhof, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 2 Rn. A 313 ff. m. w. N.
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2. Kap.: Steuersubjekt und Steuerobjekt
Wertveränderungen des Stammvermögens – soweit sie nicht über die Regelungen der Absetzung für Abnutzung die Höhe des Überschusses beeinflussen – nur aus nahmsweise bei entsprechender gesetzlicher Anordnung – namentlich durch die Vorschriften der §§ 17,82 20 Abs. 2 und 22 Nr. 2 in Verbindung mit 23 EStG – erfasst werden können.83 Da dem Gesetzgeber bezüglich der Umsetzung des dem Ein kommensteuergesetz zugrundeliegenden Markteinkommensgedankens ein weit reichender Entscheidungsspielraum zusteht, ist diese einfachgesetzlich vorgenom mene Abgrenzung von steuerbarer Markt- und nicht steuerbarer Privatsphäre verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Zudem schafft § 2 Abs. 1 EStG in Verbindung mit den jeweiligen Einzelnormen (§§ 15 bis 22 EStG) die Voraussetzungen für eine folgerichtige Umsetzung der Markteinkommenstheorie. Denn über diese Vorschriften lässt sich bei typisieren der84 Betrachtung das Markteinkommen im Wesentlichen vollständig erfassen,85 so dass das Steuerobjekt jedenfalls nicht hinter dem Belastungsgrund „staatliche Teil habe am privaten Markterfolg“ zurückbleibt.
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§ 17 EStG ist ein Spezialfall, da die aus einer Veräußerung von steuerlichem Privatver mögen erzielten Einkünfte nicht im Rahmen einer Überschusseinkunftsart zu erfassen sind, sondern zu gewerblichen Einkünften führen. Diese Vorschrift unterscheidet sich aber nur auf der Rechtsfolgenseite von den §§ 20 Abs. 2 und 22 Nr. 2 in Verbindung mit 23 EStG, nicht je doch von ihrer systematischen Struktur, weshalb sich eine gemeinsame Betrachtung anbietet. 83 Zum Ganzen, auch mit einer Darstellung der historischen Entwicklung, ausführlich R.-M. Dechant, Besteuerung privater Veräußerungsgeschäfte, S. 26 ff., 54 ff. m. w. N. Die h. M. sieht die Nichtsteuerbarkeit von Wertsteigerungen des Privatvermögens als Grund satz, die angesprochenen Regelungen daher als Ausnahmevorschriften an, BFH, Beschluss v. 10.12.2001 – GrS 1/98, BStBl. II 2002, 291 (293); H. Glenk, in: Blümich, EStG, § 23 Rn. 10; D. Gosch, in: Kirchhof, EStG, § 17 Rn. 1; S. Schneider, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 17 Rn. A 1; R. Wernsmann, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 23 Rn. A 1. 84 Zur Möglichkeit der Typisierung und den Anforderungen an die Vereinbarkeit mit Art. 3 Abs. 1 GG siehe bspw. BVerfG, Urteil v. 24.01.1962 – 1 BvR 845/58 (personenbezogene Kapitalgesellschaft), BVerfGE 13, 331 (341); BVerfG, Urteil v. 10.05.1962 – 1 BvL 31/58 (Ge winnspielautomat I), BVerfGE 14, 76 (101 f.); BVerfG, Urteil v. 20.12.1966 – 1 BvR 320/57, 70/63 (Allphasenumsatzsteuer), BVerfGE 21, 12 (27); BVerfG, Beschluss v. 08.10.1991 – 1 BvL 50/86 (Lohnsteuerkarte), BVerfGE 84, 348 (359 f.); BVerfG, Beschluss v. 25.09.1992 – 2 BvL 5, 8, 14/91 (Grundfreibetrag), BVerfGE 87, 153 (172); BVerfG, Beschluss v. 10.04.1997 – 2 BvL 77/92 (Weihnachtsfreibetrag), BVerfGE 96, 1 (6); BVerfG, Beschluss v. 07.11.2006 – 1 BvL 10/02 (Erbschaftsteuer), BVerfGE 117, 1 (31, 44 f.); BVerfG, Beschluss v. 12.10.2010 – 1 BvL 12/07 (Betriebsausgabenabzugsverbot), BVerfGE 127, 224 (245 f., 253 ff.). 85 Im Detail – zu einem Großteil bedingt durch die Arten der Einkünfteermittlung und die spezifischen Regelungen bei den jeweiligen Einkunftsarten (§§ 13 bis 24 EStG) – fehlt es auf den Folgeebenen Bemessungsgrundlage und Steuersatz teilweise an einer hinreichend saube ren und gerechten Ausgestaltung, P. Kirchhof, in: Kirchhof, EStG, § 2 Rn. 40 ff. m. w. N.
C. Inlandsbezug des Steuersubjekts und Umfang der Steuerpflicht
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C. Inlandsbezug des Steuersubjekts und Umfang der Steuerpflicht – eine erste Verbindung von Steuersubjekt und Steuerobjekt § 1 in Verbindung mit § 2 EStG regelt in Abhängigkeit des Inlandsbezugs des Steuersubjekts den Umfang der Steuerpflicht. Zu unterscheiden sind die das Welt einkommen erfassende unbeschränkte und die ausschließlich auf inländische Ein künfte i. S. d. § 49 EStG bezogene beschränkte Steuerpflicht. Für den Umfang der Besteuerung und damit für die Frage, welches „Einkom men“ in den Steuertatbestand einzubeziehen ist, kommt es entscheidend auf den Belastungsgrund der Einkommensteuer an. Denn dieser muss sich im vom Gesetzgeber ausgewählten Steuerobjekt widerspiegeln.86 Die Grundentscheidung „staatliche Teilhabe am privaten Markterfolg“ ist dementsprechend nur dann fol gerichtig umgesetzt, wenn das Steuerobjekt einerseits nicht hinter diesem Belas tungsgrund zurückbleibt,87 andererseits aber auch nicht über diesen hinausgeht. Dies bedeutet zum einen, dass – wie derzeit – nur das Markteinkommen, nicht je doch ein Zuwachs an Leistungsfähigkeit außerhalb des Marktes, das heißt in der Privatsphäre erzieltes Einkommen, Steuerobjekt sein kann. Zum anderen muss dieser erzielte Markterfolg – zumindest bei typisierender Betrachtung – als unter Ausnutzung staatlich eröffneter Vorteile angesehen werden können.
I. Die Besteuerung nur inländischer Einkünfte beschränkt Steuerpflichtiger § 1 Abs. 4 EStG ordnet – in Übereinstimmung mit internationalen Besteue rungsgrundsätzen – unabhängig von der Staatsangehörigkeit die Steuersubjekt eigenschaft derjenigen natürlichen Person an, die im Inland zwar nicht ansässig ist, aber den inländischen allgemeinen Markt für ihre erwerbswirtschaftliche Be tätigung nutzt und dadurch in § 49 EStG näher präzisierte inländische Einkünfte erzielt. Alle in diese beschränkte Steuerpflicht einbezogenen Steuerobjekte sind Aus fluss der staatlich eröffneten Vorteile; § 1 Abs. 4 EStG entspricht damit den Grund prinzipien des Einkommensteuergesetzes.88 86
P. Kirchhof, StuW 1984, 297 (311); R. Mellinghoff, Verhältnis der Erbschaftsteuer zur Ein kommen- und Körperschaftsteuer, in: Birk, DStJG 22 (1999), 125 (136). 87 Siehe hierzu bereits 2. Kapitel B. II. 88 Wird die Steuersubjekteigenschaft allein wegen eines inländischen Steuerobjekts be gründet, so wird der inländische Markt unstreitig nur bezüglich des inländischen Einkom mens in Anspruch genommen, M. Lehner/C. Waldhoff, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 1 Rn. A 177. Der Gesetzgeber darf in dieser Konstellation für die Besteuerung folglich nicht auf das Welteinkommen zugreifen; zu der Ausnahmeregelung des Abs. 3 siehe 2. Kapiel A. II. 2. c) bb).
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2. Kap.: Steuersubjekt und Steuerobjekt
II. Die Besteuerung des Welteinkommens unbeschränkt Steuerpflichtiger Soweit im Rahmen der unbeschränkten Steuerpflicht der aus inländischen Er werbsgrundlagen erzielte Erfolg in den Steuertatbestand einbezogen wird, ent spricht dies ebenfalls zweifelsfrei den einkommensteuerlichen Grundprinzipien. Ob das Welteinkommensprinzip, welches auch den Markterfolg aus ausländischen Erwerbsgrundlagen einbezieht, die legislative Grundentscheidung folgerichtig um setzt, ist indes schwieriger zu beantworten. Denn allein der zusätzliche Mittelerwerb aus der ausländischen Erwerbsgrundlage vermag eine Besteuerung nicht prinzi piell zu rechtfertigen.89 Für einen Steuerzugriff ist vielmehr entscheidend, dass das „ausländische“ Steuerobjekt eine Verbindung zum inländischen Markt aufweist.90 Fraglich ist, ob der – in § 1 Abs. 1 EStG geforderte – auf Dauer angelegte inlän dische Aufenthalt eine entsprechende Verbindung schafft und es dem Gesetzgeber daher ermöglicht, auch das Einkommen aus ausländischen Erwerbsgrundlagen zur Besteuerung heranzuziehen. Bei typisierender Betrachtung ist ein (dauerhaf ter) inländischer Aufenthalt Ausgangspunkt der gesamten erwerbswirtschaftlichen Betätigung des Steuersubjekts und bindet dieses gleichzeitig in die staatliche Ge meinschaft ein. Das Steuersubjekt nutzt hierdurch die inländischen Vorteile – ins besondere die staatlich geschaffene Infrastruktur und die staatlicherseits gewährte Bildung – auch zur Erzielung von aus ausländischen Erwerbsgrundlagen stam mendem Einkommen.91 Die Besteuerung auch des ausländischen Einkommens von im Inland lebenden Personen kann daher noch als nähere Ausformung des ab strakten Leitgedankens der Besteuerung des Markteinkommens angesehen werden und ist daher mit dem Folgerichtigkeitsprinzip zu vereinbaren.92 89
Hierzu J. Mössner, Das Welteinkommensprinzip, in: Tipke/Bozza, Besteuerung von Ein kommen, 253 (259 f.), der zutreffend darauf hinweist, dass das Leistungsfähigkeitsprinzip eine Besteuerung des Welteinkommens, nicht jedoch den Zugriff eines bestimmten Staates auf das Welteinkommen rechtfertigen kann. Siehe auch R. Beiser, StuW 2005, 295 (298) nach dessen Ansicht durch das Welteinkommensprinzip in der derzeitigen Form die steuerliche Gleichbe handlung von In- und Auslandseinkommen nicht hergestellt wird und dieses daher schon über haupt nicht durch das Leistungsfähigkeitsprinzip gerechtfertigt werden kann. 90 P. Kirchhof, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 2 Rn. A 146; P. Kirchhof, § 118, in: Isensee/Kirchhof, HStR V, Rn. 224. 91 M. Lehner/C. Waldhoff, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 1 Rn. A 177. Ähn lich W. Schön, IStR 1995, 119 (124). Ebenso P. Kirchhof, Bundessteuergesetzbuch, S. 531 f.; P. Kirchhof, Einkommensteuergesetzbuch, S. 305 f., der obwohl seiner Meinung nach die Be schränkung auf inländische Einkünfte dem Belastungsgrund der Einkommensteuer entspricht, die Besteuerung des Welteinkommens aufgrund des Lebens und Erwerbshandelns im Inland rechtfertigt und daher das Steuersubjekt auch mit der im Ausland erzielten Leistungsfähigkeit zur Staatsfinanzierung heranziehen möchte. Kritisch hingegen F. Wassermeyer, DStR 2001, 920 (921 f.). 92 Anders K. Vogel, Besteuerungsrechte, in: Kirchhof/Offerhaus/Schöberle, Festschrift Klein, 361 (371 ff.), der eine Besteuerung des ausländischen Einkommens im Rahmen einer unbe schränkten Steuerpflicht weder aus Gründen der Gleichbehandlung, der Folgerichtigkeit noch der Umverteilung für geboten hält. Auch wirtschaftliche Erwägungen sprechen seiner Ansicht
C. Inlandsbezug des Steuersubjekts und Umfang der Steuerpflicht
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Auch bei der unbeschränkten Steuerpflicht deutscher Staatsangehöriger nach § 1 Abs. 2 EStG ist keine andere Beurteilung angezeigt. Denn das Steuersub jekt bezieht nicht nur Arbeitslohn aus einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhält nis, sondern nimmt auch die von der inländischen Rechtsordnung geschaffenen, mit dem Dienstverhältnis eng verwobenen Vorteile (z. B. aufgrund der Art. 29 ff. WÜD93) in Anspruch. Bei der konkreten Ausgestaltung der unbeschränkten Steuerpflicht ist jedoch zu berücksichtigen, dass wegen der Mitveranlassung des Quellenstaates für die ausländischen Einkünfte die Legitimation für den steuerlichen Zugriff (erheblich) abgeschwächt sein kann.94 Für eine dem Mitwirkungsanteil der beteiligten Staa ten entsprechende Aufteilung des Steuersubstrats sorgen in der Praxis regelmäßig Doppelbesteuerungsabkommen.95 Fehlt es an solchen, nimmt der deutsche Staat freiwillig seinen an sich bestehenden Steueranspruch über § 34c EStG regelmäßig (teilweise) zurück. Die an sich zulässige umfassende Besteuerung von Einkünften ausländischer Erwerbsgrundlagen im Rahmen der unbeschränkten Steuerpflicht wird daher tatsächlich nicht verwirklicht.96
nach für ein Ursprungsprinzip, K. Vogel, DStZ 1997, 269 (272 f.). Für eine reine Besteuerung inländischen Markteinkommens und gegen eine Besteuerung des Welteinkommen sind R. Beiser, StuW 2005, 295 (297 ff.) und J. Mössner, Das Welteinkommensprinzip, in: Tipke/Bozza, Besteuerung von Einkommen, 253 (267). Siehe auch G. Morgenthaler, IStR 1993, 258 (260 f.), der in den Doppelbesteuerungsabkommen eine Anerkennung des Ursprungsprinzip sieht und das Weiterbestehen des Welteinkommensprinzips auf rein ordnungspolitische Gründe zurück führt. Anders bspw. BFH, Urteil v. 28.06.1972 – I R 35/70, BStBl. II 1972, 785 (789), der die Zulässigkeit des staatlichen Besteuerungsanspruchs auch auf das Welteinkommen voraussetzt, wenn er formuliert, dass Doppelbesteuerungsabkommen einen Verzicht auf den innerstaatlichen Steueranspruch darstellen. 93 BGBl. II 1964, 957 (975 ff.). 94 P. Kirchhof, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 2 Rn. A 146. So bereits auch G. Schanz, FinanzArchiv 9 (1892), 365 (375), der sowohl den Steuerzugriff des Wohnsitzals auch den des Quellenstaates anerkennt, aufgrund der stärkeren wirtschaftlichen Bindung zum Quellenstaat, diesem aber ein größeres Besteuerungsrecht (im Verhältnis drei Viertel zu einem Viertel der normalerweise in den jeweiligen Ländern angefallenen Steuer) einräumen will. Zu diesem Ergebnis zu Recht kritisch K. Vogel, Auslandseinkünfte, in: Vogel, DStJG 8 (1985), 3 (27); K. Vogel, Besteuerungsrechte, in: Kirchhof/Offerhaus/Schöberle, Festschrift Klein, 361 (373 f.), der die Leistungen des Wohnsitzstaates bereits durch die Umsatzsteuer als abgegolten ansieht. 95 P. Kirchhof, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 2 Rn. A 148; P. Kirchhof, § 118, in: Isensee/Kirchhof, HStR V, Rn. 224. 96 M. Lehner, Territorialitätsprinzip, in: Gocke/Gosch/Lang, Festschrift Wassermeyer, 241 (249); T. Menck, Welteinkommen und Territorialität der Besteuerung, in: Vogel, Steuern auf ausländische Einkünfte, 28 (33 ff.); G. Morgenthaler, IStR 1993, 258 (260); C. Seiler/G. Axer, IStR 2008, 838 (842); K. Vogel, Auslandseinkünfte, in: Vogel, DStJG 8 (1985), 3 (5 ff.); H. Weber-Grellet, in: Schmidt, EStG, § 2 Rn. 4.
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2. Kap.: Steuersubjekt und Steuerobjekt
D. Zusammenfassung Das Steuersubjekt bezeichnet diejenige Person, die durch Verwirklichung eines Steuertatbestandes Steuerschuldner werden kann, mithin also den potenziellen Steuerschuldner. Einkommensteuersubjekt ist nach § 1 EStG – wie das auf die einzelne natürliche Person bezogene, verfassungsrechtlich abgeleitete Leistungs fähigkeitsprinzip nahelegt – nur die einzelne natürliche Person. In Übereinstim mung mit den völkerrechtlichen Grundsätzen knüpft der Gesetzgeber die Steu ersubjekteigenschaft in verfassungs- und unionsrechtskonformer Weise an einen Inlandsbezug – entweder den inländischen Aufenthalt, die inländischen Einkünfte oder die deutsche Staatsangehörigkeit – an. Steuerobjekt ist, wie sich aus § 2 Abs. 1 EStG ergibt, der durch Erwerbstätigkeit aus einer Erwerbsgrundlage erzielte Markterfolg. Als Markterfolg gelten dabei nur die Einkünfte aus den sieben in § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 7 EStG abschließend auf gezählten Einkunftsarten. Da hierüber aber das wesentliche Markteinkommen – in Abgrenzung zum in der Privatsphäre entstandenen Einkommen – erfasst wird, setzt diese Vorschrift den Markteinkommensgedanken folgerichtig um. Das Zusammenspiel von § 1 und § 2 EStG bringt zugleich eine erste Verbindung von Steuersubjekt und Steuerobjekt hervor. So hängt die Frage, welcher Markt erfolg – Welteinkommen oder nur die inländischen Einkünfte – in den Steuer tatbestand einzubeziehen ist, vom Inlandsbezug des Steuersubjekts ab. Der Be steuerung des Welteinkommens stehen dabei keine durchgreifenden Bedenken entgegen, da die aus ausländischen Erwerbsgrundlagen erzielten Einkünfte bei ty pisierender Betrachtung Ausfluss inländisch eröffneter Vorteile sind.
Drittes Kapitel
Das Verhältnis von Steuersubjekt und Steuerobjekt im Einkommensteuerrecht A. Die Zurechnung als Bindeglied zwischen Steuersubjekt und Steuerobjekt Auch wenn der aus Steuersubjekt, Steuerobjekt, Bemessungsgrundlage und Steuersatz zusammengesetzte Steuertatbestand die Eigenständigkeit dieser Tat bestandsmerkmale nahelegt, können Steuersubjekt und Steuerobjekt dennoch nicht isoliert voneinander betrachtet werden. Um letztlich die steuerliche Rechts folge auszulösen, müssen die beiden zueinander in Beziehung gesetzt werden. Hierzu bedarf es als verbindendes Element der „Zurechnung“ des Steuerobjekts zum Steuersubjekt. Diese Zurechnung beantwortet die Frage, welchem Steuer subjekt welches Steuerobjekt aus welchem Grund zugeordnet wird. Zur Zurechnungsfrage schweigt das Grundgesetz allerdings. Weiter kann in des der dem Einkommensteuergesetz zugrundeliegende und folgerichtig umzuset zende Markteinkommensgedanke führen. Grundvoraussetzung für einen Markt erfolg ist stets eine Erwerbsgrundlage, aus deren aktiver Nutzung durch ein Steuersubjekt das Steuerobjekt entsteht. Diese Marktteilnahme des Steuersub jekts sorgt damit einerseits für das Entstehen des Markterfolgs und verbindet an dererseits unmittelbar die Erwerbsgrundlage und damit auch das erzielte Markt einkommen mit dem Steuersubjekt. Ein Steuerobjekt sollte demnach grundsätzlich dem am Markt tätigen Steuersubjekt zugerechnet werden.1 Abweichungen hiervon sind dann insbesondere mit Blick auf das Leistungsfähigkeits- und das Folgerich tigkeitsprinzip rechtfertigungsbedürftig.
B. Der Grundtatbestand der Zurechnung Der Gesetzgeber hat die Frage der persönlichen Zurechnung in § 2 Abs. 1 Satz 1 EStG mitgeregelt.2 In konsequenter Umsetzung der Markteinkommensidee ist, in Verbindung mit den Tatbeständen der sieben Einkunftsarten, der nach § 1 EStG 1 Ähnlich H. Ruppe, Übertragung von Einkunftsquellen, in: Tipke, DStJG 1 (1978), 7 (14 f.), der auf das Innehaben einer marktoffenbaren Einkunftsquelle abstellt. 2 P. Fischer, in: Kube/Mellinghoff/Morgenthaler/Palm/Puhl/Seiler, Leitgedanken des Rechts, 1685 (1687); J. Hey, § 8, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, Rn. 150; P. Kirchhof, in: Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, EStG, § 2 Rn. A 37 ff.; A. Musil, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 2 Rn. 118.
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3. Kap.: Steuersubjekt und Steuerobjekt im Einkommensteuerrecht
steuerpflichtigen natürlichen Person (nur) das von ihr durch eigene Marktteil nahme erzielte Steuerobjekt zuzurechnen. § 2 EStG stellt somit den systemprä genden Ausgangstatbestand3 dar und vervollständigt dadurch, dass jedes Steuer subjekt grundsätzlich nur sein eigenes, aus einer in die Marktsphäre eingebrachten Erwerbsgrundlage hervorgehendes Einkommen zu versteuern hat, die bereits in § 1 EStG angelegte Individualbesteuerung4. Konkret ist Marktteilnehmer und somit Subjekt der Zurechnung also das jenige Steuersubjekt, das aus der Erwerbsgrundlage durch eigenhändige Nutzung Einkünfte erzielt.5 Bei den Einkunftsarten der Nr. 1 bis 4 ist dies diejenige natürliche Person, die ihre Arbeitskraft im Rahmen einer selbständigen oder nichtselbständigen Tätigkeit einsetzt.6 Bei Vermögenseinkünften (Nr. 5 und 6 so wie teilweise auch Nr. 7) kann der Arbeitseinsatz hingegen äußerst gering sein, so dass für die Zurechnungsfrage die Dispositionsbefugnis über den genutz ten Vermögensgegenstand mitentscheidend ist.7 Dabei kommt es nicht auf die rechtliche Dispositionsbefugnis an, sondern es bedarf, um eine leistungsfähig keitsgerechte Besteuerung sicherzustellen, einer wirtschaftlichen Betrachtung.8 Maßgebend ist demnach nicht, wer zivilrechtlich Inhaber des Betriebes, Arbeit nehmer oder Eigentümer bzw. Inhaber des Vermögensgegenstandes ist; entschei dend ist vielmehr, wer bei tatsächlicher Würdigung des Gesamtgeschehens als solcher angesehen werden kann. Besondere Bedeutung kommt der wirtschaft lichen Betrachtungsweise in der praktischen Rechtsanwendung zu, wenn mehrere Steuersubjekte mit gleichgerichteten Interessen zusammenwirken, da sich dann der tatsächliche Marktteilnehmer regelmäßig nicht anhand der zivilrechtlichen Rechtslage ermitteln lässt.9
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P. Kirchhof, in: Kirchhof, EStG, § 2 Rn. 1. Siehe 2. Kapitel A. II. 1. 5 P. Kirchhof, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 2 Rn. A 39; E. Ratschow, in: Blümich, EStG, § 2 Rn. 78 und 95. 6 J. Hey, § 8, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, Rn. 151 f. 7 J. Hey, § 8, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, Rn. 152 f. 8 E. Ratschow, in: Blümich, EStG, § 2 Rn. 80 m. w. N. 9 Siehe hierzu: J. Hey, § 8, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, Rn. 162; A. Musil, in: Herrmann/ Heuer/Raupach, EStG, § 2 Rn. 170 ff.; L. Schmidt, Übertragung von Einkunftsquellen, in: Tipke, DStJG 1 (1978), 41; H. Stadie, Zurechnung von Einkünften, jeweils m. w. N. 4
C. Objektbezogene Modifikationen der Regelstruktur bei latenten Einkünften
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C. Objektbezogene Modifikationen der Regelstruktur bei latenten Einkünften I. Zurechnung latenter Einkünfte 1. Entstehung und Begriff Der Markteinkommensgedanke gibt als Leitlinie die Besteuerung des am Markt erwirtschafteten oder erzielten Einkommens vor. Hierunter fällt jedenfalls das durch entgeltliche Verwertung am Markt, also durch Realisation im Sinne eines Umsatz aktes, erwirtschaftete Einkommen.10 Allerdings ließe sich auch die Besteuerung bloßer Vermögensänderungen noch als folgerichtige Umsetzung der Markteinkom mensidee begreifen, da die Einordnung selbiger als steuerlich noch unkonkrete Er folgsaussicht (verfassungsrechtlich) nicht zwingend ist.11 Indes können sich bei einer sofortigen Besteuerung bloßer Vermögensänderungen – neben praktischen Schwie rigkeiten der Wertermittlung – Härten aufgrund fehlender liquider Mittel ergeben den.12 Zudem besteht, da es sich bei diesen Werten um bloße Erfolgserwartungen handelt, die Unsicherheit, ob der Markterfolg auch tatsächlich eintritt. Die Offenheit und Konkretisierungsbedürftigkeit des Markteinkommensgedankens sowie die mit einer Berücksichtigung von Wertsteigerungen einhergehenden Probleme sprechen dafür, die Behandlung solcher Vermögensänderungen und damit auch die Frage nach der Einkünfterealisation in die Hände des Steuergesetzgebers zu legen.13 10
H. Ruppe, Übertragung von Einkunftsquellen, in: Tipke, DStJG 1 (1978), 7 (16). Vgl. K. Tipke, Rechtfertigung des Themas, in: Ruppe, DStJG 4 (1981), 1 (4); C. Busse, Steuerentstrickungstatbestand, S. 61 f. Dem stünde, da Handels- und Steuerrecht verschiedene Zielsetzungen verfolgen (siehe bspw. P. Kirchhof, Bundessteuergesetzbuch, S. 1066; H.-J. Pezzer, Bilanzierungsprinzipien, in: Doralt, DStJG 14 (1991), 3 [16 ff.]) auch das handelsrechtlich ver ankerte Realisierungsprinzip nicht entgegen. 12 Zu diesen Problemen und zu den weiteren Argumenten gegen eine Sofortbesteuerung R. Eberhard/H. Troeger/H. Fredersdorf/H. Haller u. a., ESt, LSt, in: Bundesministerium der Finanzen, Steuerreformkommission, Rn. 22 ff. Mit den dort vorgebrachten Argumenten setzt sich U. Döring, DStR 1977, 271 (274 ff.) kritisch auseinander. Auch soweit die Erfassung la tenter Einkünfte unter Leistungsfähigkeitsgesichtspunkten als erforderlich erachtet wird (siehe 3. Kapitel C. I. 1. Fn. 13), darf der Gesetzgeber diese aus Gründen der Verhältnismäßigkeit bis zum Realisierungszeitpunkt aufschieben, siehe bspw. K. Tipke, Rechtfertigung des Themas, in: Ruppe, DStJG 4 (1981), 1 (3 ff.); J. Hennrichs, § 9, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, Rn. 450. In diesem Sinne bereits die „Begründung zum Entwurf eines Einkommensteuergesetzes“ v. 23.04.1925, RT-Drs. III. 1924/25, 794/802, S. 23: Ansatz der Wirtschaftsgüter in der Bilanz mit den Anschaffungskosten und nicht mit dem gemeinen Wert aus der volkswirtschaftlichen Not wendigkeit zur Erhaltung des produktiven Kapitals. 13 Siehe jedoch K. Tipke, Rechtfertigung des Themas, in: Ruppe, DStJG 4 (1981), 1 (6); S. Baldauf, Gewinnrealisierung, S. 26 f.; U. Döring, DStR 1977, 271 (274): Besteuerung laten ter Einkünfte entspricht an sich dem Leistungsfähigkeitsprinzip. Nach a. A. zählen hingegen nur tatsächlich realisierte Gewinne zum Einkommen, vgl. D. Schneider, Realisationsprinzip, in: Baetge/Moxter/Schneider, Festschrift Leffson, 101 (116 f.); D. Schneider, FinanzArchiv 42 (1984), 407 (417 ff.); so wohl auch J. Werner, Systemgerechte Entstrickung, S. 67. 11
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3. Kap.: Steuersubjekt und Steuerobjekt im Einkommensteuerrecht
Die dem Einkommensteuerrecht zugrundeliegende gesetzgeberische Grund konzeption ergibt sich aus § 2 EStG in Verbindung mit den Gewinnermittlungsbzw. Einkünfteermittlungsvorschriften. So ist nach dem § 4 Abs. 1 EStG zugrun deliegenden materiellen Gewinnkonzept unter dem Markterfolg grundsätzlich nur der Saldo sämtlicher realisierter Wertzugänge und Wertabgänge zu verstehen.14 Bloße Wertsteigerungen15 werden bei den Gewinneinkunftsarten folglich nicht erfasst.16 Ähnliches gilt bei den Überschusseinkunftsarten. Auch hier werden le diglich verwirklichte Vermögensmehrungen in den Steuertatbestand einbezogen. Entscheidender Unterschied zu den Gewinneinkunftsarten ist jedoch, dass für die Realisation (im weiteren Sinne)17 nach § 11 EStG allein der Zufluss entschei dend ist.18 Kommt es nun aufgrund der erwerbswirtschaftlichen Betätigung eines Steuer subjekts zu einer Vermögensmehrung, ist allerdings der Markterfolg mangels eines Umsatzakts noch nicht eingetreten oder mangels des einfachgesetzlich vorgesehe nen steuerlichen Realisationszeitpunkts noch nicht realisiert, spricht man von la tenten Einkünften.19 Dabei haben sich im Wesentlichen drei Fallgruppen latenter Einkünfte heraus kristallisiert.20 Von großer Bedeutung sind die auf einer steuerlichen Unter- bzw. Überbewertung von Wirtschaftsgütern beruhenden stillen Reserven. Daneben kann es im Anwendungsbereich des § 11 EStG zu konkretisierten latenten Einkünften kommen, wenn zwar ein Umsatzakt am Markt vorliegt, mangels eines Zuflusses aber noch keine (steuerliche) Realisation eingetreten ist. Die dritte Fallgruppe be inhaltet aufschiebend bedingte latente Einkünfte. Diese liegen vor, wenn bei wirt schaftlicher Aktivität des Steuersubjekts der Anspruch auf die Gegenleistung und damit letztlich auch die Vermögensänderung erst bei Eintritt einer bestimmten Be dingung entsteht.
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C. Seiler, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 4 Rn. B 40. Eine Ausnahme gilt nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 4 und Nr. 2 Satz 3 EStG für Zuschreibun gen nach vorangegangenen Abschreibungen auf den niedrigeren Teilwert. 16 P. Kirchhof, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 2 Rn. A 98; P. Kirchhof, in: Kirchhof, EStG, § 2 Rn. 19; A. Musil, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 2 Rn. 12. 17 Siehe A. Musil, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 2 Rn. 12. In Abgrenzung hierzu siehe P. Kirchhof, in: Kirchhof, EStG, § 2 Rn. 19: Realisationsprinzip gilt nur bei Gewinn ermittlung durch Bestandsvergleich. 18 P. Kirchhof, in: Kirchhof, EStG, § 2 Rn. 19; A. Musil, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 2 Rn. 12. 19 Vgl. E. Biergans, FR 1982, 525 (525); C. Wasmer, Zurechnung, S. 31. 20 Ausführlich hierzu E. Biergans, FR 1982, 525 (525) und ihm folgend C. Wasmer, Zurech nung, S. 31 f. 15
C. Objektbezogene Modifikationen der Regelstruktur bei latenten Einkünften
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2. Probleme der Zurechnung latenter Einkünfte Solange der Steuertatbestand ausschließlich durch das erwerbswirtschaftlich tätige Steuersubjekt verwirklicht wird, ergeben sich keine Zurechnungsschwierig keiten. Denn spätestens im steuerlichen Realisierungszeitpunkt sind die latenten Einkünfte diesem Steuersubjekt zuzurechnen. Die Frage sowohl der persönlichen als auch der zeitlichen Zurechnung latenter Einkünfte gewinnt dann an Bedeutung, wenn weitere Steuersubjekte hinzutreten und bei der Tatbestandsverwirklichung mitwirken. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Erwerbsgrundlage als Ganzes oder einzelne Wirtschaftsgüter die ser Erwerbsgrundlage ohne entsprechenden Umsatzakt auf andere Steuersubjekte übergehen. Von der persönlichen Zurechnung der latenten Einkünfte zum diese verursachenden oder zum realisierenden Steuersubjekt hängt dann die Frage ab, wie eine leistungsfähigkeitsgerechte Besteuerung erreicht werden kann und ob sich entsprechende einfachgesetzliche Modifikationen rechtfertigen lassen. Die Zurechnung latenter Einkünfte hängt insbesondere davon ab, ob die noch nicht realisierte Änderung des Vermögenswertes bereits zum Zeitpunkt ihres Eintritts sachlich steuererheblich („steuerverstrickt“) und persönlich einem be stimmten Steuersubjekt zuzuordnen ist.21 Ist dies der Fall, so müssten die laten ten Einkünfte im Zeitpunkt der Realisierung auch von genau diesem Steuersubjekt versteuert werden. Sind die latenten Einkünfte hingegen bis zum Realisations zeitpunkt als steuerlich irrelevant einzuordnen oder im Fall der stillen Reserven unmittelbar an das betreffende Wirtschaftsgut gebunden22, läge es nahe, die laten ten Einkünfte nur dem realisierenden Steuersubjekt zuzuordnen. Der folgerichtig weiterzudenkende Markteinkommensgedanke spricht für eine Zuordnung der latenten Einkünfte nach Maßgabe des Steuersubjekt und Steuer objekt verbindenden Elements der Marktteilnahme. Damit stellt sich allerdings die Frage, welches Markthandeln maßgeblich sein soll. Denn sowohl die Tätigkeit, die zur Entstehung der latenten Einkünfte beigetragen hat, als auch der Realisie rungsvorgang selbst können als ein solches Markthandeln angesehen werden. Im Ergebnis sollte, auch wenn der steuerliche Realisierungszeitpunkt entscheidend für die Einkünfteentstehung ist, dennoch auf das die latenten Einkünfte verursa chende Markthandeln abgestellt werden. Denn bei wertender wirtschaftlicher Be trachtung ist das zur Realisierung der latenten Einkünfte führende Markthandeln typischerweise von untergeordneter Bedeutung. Dieses Markthandeln stellt näm lich lediglich den abschließenden Vorgang dar und kann sich unter Umständen auch darin erschöpfen, dass das Steuersubjekt einen bereits vorbereiteten Ver 21 E. Ratschow, Subjektsteuerprinzip, in: Hey, DStJG 34 (2011), 35 (56 f.) lässt die Frage, wem stille Reserven zum Entstehungszeitpunkt zuzurechnen sind, ausdrücklich offen, da zu diesem Zeitpunkt im geltenden Recht keine Steuer ausgelöst wird. 22 So bspw. B. Keuk, StuW 1973, 74 (77); B. Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuer recht, S. 820.
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äußerungsvorgang vollendet oder gar nur einen noch offenen Geldbetrag in Emp fang nimmt. Demgegenüber steht das frühere, die Steuerbarkeit dem Grunde nach veranlassende Markthandeln (unter Umständen eines anderen Steuersubjekts). Dieses ist, da es die steuerlich relevante Vermögensänderung überhaupt erst er möglicht hat, Ursprung der latenten Einkünfte und damit typischerweise qualitativ bedeutender als das bloße Realisationshandeln. Auch in quantitativer Hinsicht un terscheidet sich das Markthandeln. Insbesondere stille Reserven gehen in der Re gel auf eine über einen längeren Zeitraum andauernde Marktteilnahme zurück. Der Schwerpunkt liegt somit auf der Marktteilnahme des die latenten Einkünfte ver ursachenden Steuersubjekts. Latente Einkünfte sollten daher fortlaufend dem im jeweiligen Entstehungszeitpunkt die Erwerbsgrundlage haltenden und nutzenden Steuersubjekt zugerechnet werden.
II. Zurechnung stiller Reserven bei Auseinanderfallen von Marktteilnahme und Realisation 1. Zurechnung von im Betriebsvermögen entstandenen stillen Reserven a) Grundprinzip Hinter der Zurechnungsproblematik stiller Reserven des Betriebsvermögens steht letztlich die Frage nach der Anbindung der stillen Reserven. Dabei geht es darum, welche Anbindungspunkte die stillen Reserven aufweisen, deren Trennung dann zu einem steuerpflichtigen Markterfolg führt. Ausgangspunkt zur Beantwortung dieser Frage ist die – in § 4 Abs. 1 EStG und den Regeln der Gewinnermittlung zum Ausdruck kommende – legislative Grund entscheidung für die Reinvermögenszugangstheorie. aa) Der Grundfall der Realisierung stiller Reserven durch Veräußerung und die Anbindung an das Steuersubjekt Veräußert ein Steuersubjekt ein im Betriebsvermögen befindliches Wirtschafts gut mit stillen Reserven, so führt dies in Verbindung mit den Gewinnermittlungs vorschriften zu einem diesem Steuersubjekt zuzurechnenden Gewinn in Höhe der Differenz zwischen erzieltem Veräußerungserlös und Restbuchwert. Die stillen Re serven werden im Veräußerungsfall aufgedeckt und gehen nicht auf den Erwerber über. Sie können folglich nicht an das einzelne Wirtschaftsgut angebunden sein. Aus dem Grundfall der Veräußerung folgt jedoch nicht nur (negativ), welcher An bindungspunkt ausscheidet, sondern ihm lässt sich auch (positiv) ein Anbindungs punkt der stillen Reserven entnehmen. Denn die Aufdeckung der stillen Reserven
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beim übertragenden Steuersubjekt geht auf die veränderte Zuordnung des die stil len Reserven enthaltenden Wirtschaftsguts zu einem anderen Steuersubjekt zurück. Dies verdeutlicht, dass der Gesetzgeber die durch Über- oder Unterbewertung ent standenen stillen Reserven im Grundsatz an das die Erwerbsgrundlage nutzende Steuersubjekt bindet. bb) Der Sonderfall der Realisierung stiller Reserven durch Entnahme und die Anbindung an die betriebliche Sphäre des Steuersubjekts Fehlt es an einem entsprechenden Veräußerungsvorgang, so werden die stillen Reserven grundsätzlich nicht aufgedeckt. Ausnahmsweise können die in einem Wirtschaftsgut enthaltenen stillen Reserven dennoch aktuell steuerpflichtig wer den, wenn das betreffende Wirtschaftsgut entnommen (§ 4 Abs. 1 Satz 2 EStG) wird. Denn die Entnahme ist aufgrund der Bewertungsvorschrift des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 Hs. 1 EStG, die den Ansatz des Teilwerts vorschreibt, im Ergebnis wie eine zu marktüblichen Bedingungen erfolgte Veräußerung des betreffenden Wirt schaftsguts zu behandeln. Aus dem Sonderfall der Entnahme könnten sich Rückschlüsse auf das Grund prinzip ziehen lassen. Denn im Unterschied zum Veräußerungsvorgang werden die stillen Reserven auch bei einer Überführung ins Privatvermögen ohne Rechts trägerwechsel aufgedeckt. Werden die stillen Reserven trotz weiterbestehender Anbindung an das Steuersubjekt aufgedeckt, so zeigt dies, dass zumindest noch ein weiterer Anbindungspunkt der stillen Reserven bestehen muss. Da die aktuelle Steuerpflicht der stillen Reserven vorliegend bei einem Zuordnungswechsel zwi schen steuerlichem Betriebsvermögen und Privatvermögen erfolgt, liegt – da der Betrieb die zur Vermögensmehrung bestimmte und geeignete Einkunftsquelle ist und damit die Erwerbsgrundlage darstellt23 – eine zusätzliche Anbindung an die jeweilige Erwerbsgrundlage nahe. (1) Die Anbindung an die einzelnen Erwerbsgrundlagen Bezugspunkt der Gewinnermittlungsvorschrift des § 4 Abs. 1 EStG und damit auch der Entnahme ist die Erwerbsgrundlage „Betrieb“. Der Betriebsbegriff wird aber weder in § 4 Abs. 1 EStG selbst noch in anderen Vorschriften definiert, sondern es ist der Rechtsprechung überlassen worden, diesen näher zu konkretisieren.24 Die Rechtsprechung versteht unter dem Betrieb im Sinne des Einkommensteuerrechts „die auf Erreichung eines arbeits- bzw. produktionstechnischen Zwecks gerichtete organisatorische Zusammenfassung personeller, sachlicher und anderer Arbeits 23
Siehe hierzu 2. Kapitel B. II. Fn. 70. C. Seiler, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 4 Rn. B 50 f.
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mittel zu einer selbständigen Einheit“.25 Ob eine solche organisatorische Zusam menfassung im Einzelfall vorliegt, beurteilt sich nach der Verkehrsanschauung.26 Insoweit legt die Rechtsprechung – zumindest für den Einzelunternehmer – wohl einen engen Betriebsbegriff zugrunde.27 Soweit die Rechtsprechung gelegentlich selbst von einem weiten Betriebs begriff spricht, nach dem lediglich eine Abgrenzung zur Privatsphäre vorgenom men und jegliche unternehmerische Tätigkeit in einem einzigen Betrieb zusam mengefasst wird,28 ist dies nur ein scheinbarer Widerspruch. Denn ausgehend von der gewünschten Rechtsfolge, einer steuerneutralen Überführung von Wirtschafts gütern zwischen mehreren Einzelunternehmen eines Steuersubjekts, soll mit die ser Argumentation lediglich eine Entnahme verhindert werden.29 So trennt die Rechtsprechung dann auch in vielen Entscheidungen klar zwischen den jeweiligen Betriebsvermögen verschiedener Betriebe und verneint lediglich die Entnahme mangels betriebsfremder Zwecke, um eine Gewinnverwirklichung zu verhindern.30 Für den Anbindungspunkt der stillen Reserven ist die Reichweite des Betriebs begriffs von entscheidender Bedeutung. Denn je nachdem, ob das in § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG genannte Tatbestandsmerkmal „betriebsfremd“ im Sinne von „nicht betrieblich“ oder „außerbetrieblich“ zu verstehen ist,31 ergeben sich unterschied liche Anbindungspunkte. Im ersten Fall würde nur die Überführung eines Wirtschaftsguts in die Privat sphäre des Steuersubjekts eine Besteuerung der stillen Reserven auslösen. So lange dieses Wirtschaftsgut in der Marktsphäre verbleibt und weiterhin demsel ben Steuersubjekt zuzurechnen ist, indem es nun beispielsweise einer anderen Erwerbsgrundlage dieses Steuersubjekts dient, wären die stillen Reserven (noch) nicht zu erfassen.32 Die Anbindung würde sich dann auf alle betrieblichen Er 25
BFH, Urteil v. 13.10.1988 – IV R 136/85, BStBl. II 1989, 7 (8); BFH, Urteil v. 29.03.2001 – IV R 62/99, BFH/NV 2001, 1248 (1249). 26 BFH, Urteil v. 13.10.1988 – IV R 136/85, BStBl. II 1989, 7 (8). 27 C. Seiler, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 4 Rn. B 52. Für einen engen Betriebs begriff ebenso W. Heinicke, in: Schmidt, EStG, § 4 Rn. 25; B. Knobbe-Keuk, Bilanz- und Un ternehmenssteuerrecht, S. 273; E. Wied, in: Blümich, EStG, § 4 Rn. 63. Für einen mittleren Be triebsbegriff, wonach alle Einzelbetriebe einer Einkunftsart als Betrieb i. S. d. §§ 4 bis 6 EStG gelten H.-J. Kanzler, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, Vor §§ 4–7 Rn. 89 f. 28 BFH, Urteil v. 25.07.2000 – VIII R 46/99, BFH/NV 2000, 1549 (1550). 29 C. Seiler, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 4 Rn. B 53. 30 Siehe bspw. BFH, Urteil v. 07.02.1964 – VI 19/63 U, BStBl. III 1964, 328 (329); BFH, Urteil v. 17.08.1972 – IV R 26/69, BStBl. II 1972, 903 (904); BFH, Beschluss v. 07.10.1974 – GrS 1/73, BStBl. II 1975, 168 (170); BFH, Urteil v. 16.02.1996 – I R 183/94, BStBl. II 1996, 342 (344). Zur Kritik an dieser Rechtsprechung K. Friauf, Gewinnrealisierung und Entnahme, in: Hörstmann/Niemann/Rose, StbJb 1975/76, 369 (371 ff.); B. Keuk, StuW 1973, 74 (75); B. Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, S. 272 f. 31 C. Seiler, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 4 Rn. B 113. 32 Ständige Rspr., bspw. BFH, Urteil v. 30.09.1960 – VI 137/59, BStBl. III 1960, 489 (490); BFH, Urteil v. 07.02.1964 – VI 19/63 U, BStBl. III 1964, 328 (329); BFH, Urteil v. 17.08.1972 – IV R 26/69, BStBl. II 1972, 903 (904); BFH, Beschluss v. 07.10.1974 – GrS 1/73, BStBl. II
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werbsgrundlagen erstrecken. Versteht man hingegen „betriebsfremd“ im Sinne von außerbetrieblich, so ist einzig entscheidend, ob das Wirtschaftsgut nicht mehr der konkreten Erwerbsgrundlage „Betrieb“ dient. Infolgedessen wären die stillen Reserven nur an die einzelne Erwerbsgrundlage angebunden. Betrachtet man den Kontext, in welchen die Regelung über die Entnahmen eingefügt ist, so wird deutlich, dass „betriebsfremd“ im Sinne von „außerbetrieb lich“ verstanden werden sollte. Denn § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG betrifft die Gewinn ermittlung jedes einzelnen Betriebs und nicht die der gesamten betrieblichen Sphäre eines Steuersubjekts. Demnach kann eine Entnahme auch nur auf diesen speziellen Betrieb bezogen werden.33 Folglich führt das Ausscheiden aus dem Be trieb – unabhängig davon, ob es anschließend Betriebsvermögen eines weiteren Betriebes wird – zu einer Entnahme.34 Diese ist vorbehaltlich einer spezialgesetz lichen Regelung nach den allgemeinen Grundsätzen zu behandeln, führt also über die Bewertung mit dem Teilwert grundsätzlich zur steuerlichen Erfassung der stil len Reserven. Wird das entnommene Wirtschaftsgut anschließend in ein anderes Betriebsvermögen desselben Steuersubjekts überführt, so liegt dort an sich eine nach § 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG mit dem Teilwert zu bewertende Einlage vor.35 Die in den Wirtschaftsgütern enthaltenen stillen Reserven sind demnach über § 4 Abs. 1 EStG nicht nur an das Steuersubjekt selbst, sondern auch an die jewei lige dem Steuersubjekt zuzurechnende Erwerbsgrundlage gebunden. (2) Erweiterung der Anbindung durch § 6 Abs. 5 Satz 1 EStG Der durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/200236 neu in das Einkommen steuergesetz eingefügte § 6 Abs. 5 EStG regelt in Satz 1 die einkommensteuerliche Behandlung der Überführung von Wirtschaftsgütern zwischen zwei Betriebsver 1975, 168 (170); BFH, Urteil v. 14.06.1988 – VIII R 387/83, BStBl. II 1989, 187 (188); BFH, Urteil v. 16.02.1996 – I R 183/94, BStBl. II 1996, 342 (344 f.). 33 K. Friauf, Gewinnrealisierung und Entnahme, in: Hörstmann/Niemann/Rose, StbJb 1975/76, 369 (372 f.); B. Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, S. 273; C. Seiler, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 4 Rn. B 113. 34 C. Seiler, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 4 Rn. B 113 und ihm nun folgend BFH, Vorlagebeschluss v. 10.04.2013 – I R 80/12, DStR 2013, 2158 (2161). 35 Auch die Regelung des § 4 Abs. 4a EStG zum Schuldzinsenabzug ist auf den einzelnen Betrieb zugeschnitten. Diesbezüglich modifiziert der BFH jedoch seinen bislang noch vertrete nen finalen Entnahmebegriff und nimmt – vorbehaltlich § 6 Abs. 3 EStG – für Zwecke des § 4 Abs. 4a EStG eine Entnahme beim abgebenden und eine Einlage beim aufnehmenden Betrieb an, BFH, Urteil v. 22.09.2011 – IV R 33/08, BStBl. II 2012, 10 (11 f.). 36 Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 v. 24.03.1999, BGBl. I 1999, 402 (405). Bis zu diesem Zeitpunkt war die einkommensteuerliche Behandlung der Übertragung von Wirtschafts gütern zwischen verschiedenen Betriebsvermögen desselben Steuerpflichtigen gesetzlich nicht geregelt. Die Rechtsprechung hat versucht, die sich in diesem Zusammenhang ergebenden Pro bleme über eine – vom Ergebnis geleitete – weite Betriebsdefinition und eine hieran anknüpfende einschränkende Auslegung des Entnahmebegriffs zu lösen, siehe 3. Kapitel C. II. 1. a) bb) (1).
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3. Kap.: Steuersubjekt und Steuerobjekt im Einkommensteuerrecht
mögen desselben Steuerpflichtigen, das heißt zwischen zwei Erwerbsgrundlagen desselben Steuersubjekts. Abweichend von § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 Hs. 1 EStG ist sowohl die Entnahme aus dem einen Betriebsvermögen als auch die anschließende Einlage des Wirtschaftsguts in das andere Betriebsvermögen mit dem aktuellen Buchwert zu bewerten. § 6 Abs. 5 Satz 1 EStG erfasst letztlich nur Fälle, in denen einzig die Anbindung des Wirtschaftsguts und damit der stillen Reserven an die Erwerbsgrundlage ge löst, im unmittelbaren Anschluss daran aber eine Bindung zu einer anderen Er werbsgrundlage einer Gewinneinkunftsart dieses Steuersubjekts neu begründet wird. Wird das Wirtschaftsgut hingegen unmittelbar der Erwerbsgrundlage eines anderen Steuersubjekts zugeführt, so ist dieser Vorgang beim Übertragenden – bei betrieblicher Veranlassung als Betriebsausgabe, bei privater Veranlassung als mit dem Teilwert zu bewertende Entnahme37 – erfolgswirksam zu behandeln.38 Die von § 6 Abs. 5 Satz 1 EStG zwingend angeordnete Buchwertfortführung nimmt somit die aus § 4 Abs. 1 EStG abgeleitete Grundentscheidung, die stil len Reserven auch an die konkrete Erwerbsgrundlage zu binden, zurück und stellt stattdessen die gesamte betriebliche Sphäre des Steuersubjekts in den Vorder grund. Solange das Wirtschaftsgut innerhalb dieser betrieblichen Sphäre verbleibt, sind die stillen Reserven nicht zu versteuern. Das Steuersubjekt kann die stil len Reserven daher noch durch einen Umsatzakt am Markt realisieren. § 6 Abs. 5 Satz 1 EStG sichert damit mittelbar auch das im materiellen Gewinnkonzept und den Gewinnermittlungsvorschriften niedergelegte Realisationsprinzip ab. Die für diese Arbeit entscheidende Frage ist allerdings, ob § 6 Abs. 5 Satz 1 EStG als (rechtfertigungsbedürftige) Durchbrechung der Anbindung an die Erwerbs grundlage anzusehen ist oder nicht vielmehr eine eigene (folgerichtig weiter zudenkende) Grundentscheidung für eine erweiterte Anbindung an die betriebliche Sphäre des Steuersubjekts enthält. Ist letzteres zutreffend, so wäre die Grundent scheidung für die Anbindung der stillen Reserven nicht allein aus § 4 Abs. 1 EStG zu entnehmen, sondern aus einer Gesamtbetrachtung mit § 6 Abs. 5 Satz 1 EStG. Gegen eine solche Gesamtbetrachtung spricht zunächst die systematische Stel lung des § 6 Abs. 5 Satz 1 EStG. Denn als reiner Bewertungsvorschrift kann ihr regelmäßig keine zentrale Rolle im Normgefüge des Einkommensteuergesetzes zu kommen, da Bewertungsvorschriften grundsätzlich nur die Frage nach der Höhe des Ansatzes beantworten, aber zum Ansatz dem Grunde nach und auch zur Zu rechnung keine Aussage enthalten. Hinzu kommt, dass § 6 Abs. 5 Satz 1 EStG erst nachträglich in das Einkommensteuergesetz integriert wurde und deshalb frag lich ist, ob mit dieser Regelung die einkommensteuerliche Grundstruktur auch tat 37
E. Kulosa, in: Schmidt, EStG, § 6 Rn. 676; U. Niehus/H. Wilke, in: Herrmann/Heuer/Rau pach, EStG, § 6 Abs. 4 Rn. 1437; J. Werndl, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 6 Rn. K 17 f. 38 Beim Empfänger ist das Wirtschaftsgut nach § 6 Abs. 4 EStG mit dem gemeinen Wert an zusetzen.
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sächlich modifiziert werden sollte oder nicht viel eher eine Ausnahmeregelung für bestimmte Konstellationen geschaffen wurde. Allerdings sollten diese syste matischen Überlegungen nicht den Blick auf den Inhalt dieser Vorschrift verhin dern. Betrachtet man die von § 6 Abs. 5 Satz 1 EStG angeordnete Rechtsfolge, wird die tatsächliche Bedeutung dieser Norm deutlich. So besteht für das Steuer subjekt mangels eines Wahlrechts zur Aufdeckung der stillen Reserven ein Zwang zur Buchwertfortführung. Folglich geht die Überführung von Wirtschaftsgütern zwischen verschiedenen Erwerbsgrundlagen der Gewinneinkunftsarten desselben Steuersubjekts generell – und nicht nur ausnahmsweise – steuerneutral vonstatten. Letztlich bleiben die stillen Reserven auch dann steuerverstrickt, wenn das betref fende Wirtschaftsgut, bei weiterbestehender Anbindung an das Steuersubjekt, einer anderen Erwerbsgrundlage zugeordnet wird. Somit sind die stillen Reserven nur für den Fall, dass dieses Wirtschaftsgut die – aus verschiedenen Einzelbetrieben be stehende – gesamte betriebliche Sphäre des Steuersubjekts verlässt, aufzudecken. § 6 Abs. 5 Satz 1 EStG schließt somit aus, dass allein die Trennung der Anbin dung an die jeweilige Erwerbsgrundlage zu einer aktuellen Steuerpflicht der stil len Reserven führt. Daher sollte diese Vorschrift als – auf die in § 4 Abs. 1 EStG getroffene Entscheidung ausstrahlende – (weitere) Grundentscheidung angesehen werden. Das bedeutet, § 4 Abs. 1 EStG und § 6 Abs. 5 EStG stehen nicht in einem Regel-Ausnahme-Verhältnis. Sie sind vielmehr einheitlich zu betrachten. Infol gedessen sind die stillen Reserven nicht an die einzelne Erwerbsgrundlage, son dern an die, aus verschiedenen Einzelbetrieben bestehende, gesamte betriebliche Sphäre des Steuersubjekts angebunden.39 cc) Die Anbindung der stillen Reserven an das nationale Besteuerungsrecht Gehört das Wirtschaftsgut weiterhin zum Betriebsvermögen eines speziel len Betriebs und wird es lediglich einer ausländischen Betriebsstätte zugeord net, so stellt dies begrifflich an sich keine Entnahme dar, da die Verbindung zum „Betrieb“ und zum Steuersubjekt bestehen bleibt. Eine betriebsgebundene Ver lagerung stiller Reserven ins Ausland würde also nach allgemeinen Regeln noch keinen Realisationstatbestand erfüllen und folglich keine aktuelle Steuerpflicht der stillen Reserven nach sich ziehen.40 39 Anders allerdings BFH, Vorlagebeschluss v. 10.04.2013 – I R 80/12, DStR 2013, 2158 (2163 f.), wonach der Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit die steuerneutrale Überführung eines Wirtschaftsguts zwischen verschiedenen Betriebsver mögen und Sonderbereichen desselben Steuersubjekt fordert und § 6 Abs. 5 Satz 1 und 2 EStG somit als folgerichtige Umsetzung dieser Grundentscheidung anzusehen sind. 40 So im Ergebnis nun auch BFH, Urteil v. 17.07.2008 – I R 77/06, BStBl. II 2009, 464 (469 f.) unter Aufgabe der Theorie der finalen Entnahme. Zur Aufgabe der Rechtsprechung zur finalen Betriebsaufgabe siehe BFH, Urteil v. 28.10.2009 – I R 99/08, BStBl. II 2011, 1019 (1021 ff.).
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Indes hat der Gesetzgeber mit der Regelung des § 4 Abs. 1 Sätze 3 und 4 EStG41 die Entscheidung getroffen, dass eine Beschränkung oder ein Ausschluss des in ländischen Besteuerungsrechts eine Realisierung der latenten Einkünfte auch ohne Umsatzakt am Markt nach sich zieht. Die stillen Reserven haben hierdurch einen weiteren Anbindungspunkt, namentlich an das nationale Besteuerungsrecht, erfah ren, dessen Trennung zur Aufdeckung der stillen Reserven führt. Die Vorschrift des § 4g EStG löst diesen Anbindungspunkt an das nationale Besteuerungsrecht nicht wieder auf. Denn durch die Bildung des Ausgleichspostens und dessen Auf lösung innerhalb von fünf Jahren wird lediglich die Steuerbelastung aus der ge trennten Anbindung auf mehrere Veranlagungszeiträume verteilt. dd) Zusammenfassung – Die dreiseitige Anbindung stiller Reserven als Grundentscheidung Der Gesetzgeber hat in § 4 Abs. 1 EStG42 in Verbindung mit § 6 Abs. 5 Satz 1 EStG seine Grundentscheidung für eine dreiseitige Anbindung der stillen Reserven – einerseits an das Steuersubjekt selbst, zugleich aber auch an die betriebliche Sphäre sowie an das nationale Besteuerungsrecht – niedergelegt. Wird auch nur eine dieser Verbindungen getrennt, weil das die stillen Reser ven enthaltende Wirtschaftsgut auf ein anderes Steuersubjekt übertragen wird, die betriebliche Sphäre des Steuersubjekts verlässt oder in das Ausland transferiert wird und dort nicht mehr dem nationalen Besteuerungszugriff unterliegt, löst dies grundsätzlich eine aktuelle Steuerpflicht der stillen Reserven aus. Durch diese subjektbezogene und die beiden objektbezogenen Anbindungen der stillen Reser ven hat der Gesetzgeber für die Gewinneinkunftsarten im Ergebnis sehr weitrei chende Steuerentstrickungsregelungen geschaffen. Die dreiseitige Anbindung der stillen Reserven sorgt letztlich dafür, dass das Steuerobjekt trotz fehlenden Um satzaktes dem marktteilnehmenden Steuersubjekt zugerechnet und bei diesem be steuert wird. Diese dreiseitige Anbindung sichert damit den in § 2 EStG verorteten Markteinkommensgedanken und die in den §§ 1 und 2 EStG angelegte Individual besteuerung ab. Von dieser Grundstruktur abweichende – das Leistungsfähigkeits- und Folge richtigkeitsprinzip durchbrechende – Zuordnungen stiller Reserven sind dem nach regelmäßig als rechtfertigungsbedürftige Ausnahmeregelungen einzustufen. Ein solcher Rechtfertigungsgrund kann sich zunächst unmittelbar aus dem Grund 41 Zu den europarechtlichen und verfassungsrechtlichen, insbesondere die Rückwirkung betreffenden Problemen dieser Vorschrift siehe C. Seiler, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 4 Rn. B 120 f. m. w. N. 42 Wird der Gewinn nicht durch Betriebsvermögensvergleich, sondern stattdessen durch Einnahme-Überschuss-Rechnung nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelt, so gilt nichts anderes. Denn § 11 EStG regelt nur den Zuflusszeitpunkt, beinhaltet hingegen keine die Entnahmeregelung verdrängende sachliche Entscheidung.
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gesetz selbst ergeben. Zu denken ist insbesondere an grundrechtliche Vorgaben (z. B. Art. 6 Abs. 1, Art. 12 oder Art. 14 GG). Er muss indes nicht in der Verfas sung selbst angelegt sein, sondern Abweichungen können auch möglich sein, wenn die wirtschaftlichen Verhältnisse eine andere Beurteilung der Leistungs fähigkeit gebieten oder gestatten oder auf Vereinfachungsgründen beruhen. Des Weiteren genügt auch ein sonstiger gewichtiger Grund um eine Ausnahmerege lung zu rechtfertigen.43 In Betracht kommen unter anderem finanz-, sozial- aber auch wirtschaftspolitische Gründe.44 Bei der konkreten Ausgestaltung einer sol chen Ausnahmeregelung ist der Gesetzgeber weitgehend frei, muss also nicht eine bestimmte Methode wählen. Allerdings sollte sich die getroffene Maßnahme am Durchbrechungsgrund orientieren, gleichzeitig so wenig wie möglich von der vor gegebenen Grundstruktur abweichen und folgerichtig umgesetzt werden. b) Modifikationen des Grundprinzips aa) Die interpersonelle Verlagerung stiller Reserven durch § 6 Abs. 3 EStG (1) Der Ausnahmecharakter des § 6 Abs. 3 EStG Die Buchwertverknüpfung nach § 6 Abs. 3 EStG lässt im Ergebnis die dem Rechtsvorgänger in Bezug auf die konkrete Erwerbsgrundlage in Form eines Be triebes, Teilbetriebes oder Mitunternehmeranteils zuzurechnenden stillen Reser ven auf den unentgeltlichen Einzel- oder Gesamtrechtsnachfolger übergehen.45 Er hilft damit über die gelöste Anbindung der stillen Reserven an das Steuersubjekt und an dessen betriebliche Sphäre hinweg. § 6 Abs. 3 EStG verhindert somit ebenso wie die Vorschrift des § 6 Abs. 5 Satz 1 EStG die Aufdeckung der stillen Reserven. Fraglich ist aber, ob § 6 Abs. 3 EStG gleichfalls als bloße Modifikation der Grundentscheidung oder aber als diese durchbrechende Ausnahmeregelung zu qualifizieren ist.
43 BVerfG, Beschluss v. 23.11.1976 – 1 BvR 150/75 (Kinderfreibetrag), BVerfGE 43, 108 (120) zur Durchbrechung des Leistungsfähigkeitsprinzips. Vgl. auch BVerfG, Beschluss v. 12.10.2010 – 1 BvL 12/07 (Betriebsausgabenabzugsverbot), BVerfGE 127, 224 (248), wo nach das objektive Nettoprinzip bei Vorliegen gewichtiger Gründe durchbrochen werden darf. 44 C. Busse, Steuerentstrickungstatbestand, S. 50. 45 Diese Rechtsfolge ist zwingend und gilt auch dann, wenn der Rechtsnachfolger den Be trieb tatsächlich nicht weiter fortführt, BFH, Urteil v. 17.10.1991 – IV R 97/89, BStBl. II 1992, 392 (394); T. Ehmcke, in: Blümich, EStG, § 6 Rn. 1228; R. Wacker, in: Schmidt, EStG, § 16 Rn. 590. Dies soll auch dann gelten, wenn der Rechtsvorgänger den Betrieb bereits veräußert hat, aber vor dem vereinbarten Übertragungsstichtag verstirbt, vgl. BFH, Urteil v. 21.09.1995 – IV R 1/95, BStBl. II 1995, 893 (894). Siehe aber FG Berlin, Urteil v. 22.09.1986 – VIII 152/85, EFG 1987, 244 (245): Betriebsaufgabe mit dem Tod der Erblasserin, wenn Alleinerbe keine Möglichkeit hat den schriftstellerischen Betrieb fortzuführen.
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Für letzteres sprechen zunächst die materielle Wirkung des § 6 Abs. 3 EStG sowie der eingeschränkte Anwendungsbereich dieser Vorschrift. Denn anders als § 6 Abs. 5 Satz 1 EStG, der die bereits getroffene Zuordnungsentscheidung zu einem bestimmten Steuersubjekt unberührt lässt und lediglich den Besteuerungs zeitpunkt der stillen Reserven verschiebt, ermöglicht § 6 Abs. 3 EStG die inter personelle Verlagerung der stillen Reserven. Allerdings ist dieser Übergang der stillen Reserven nicht generell möglich, sondern gilt ausschließlich bei den spe zifisch geregelten Fällen der unentgeltlichen Übertragung eines Betriebs, Teil betriebs oder Mitunternehmeranteils. Somit bleibt es in allen anderen Fällen der (Total-)Entnahme, aber auch beim Regelfall der Veräußerung, bei der aus § 4 Abs. 1 i. V. m. § 6 Abs. 5 Satz 1 EStG abgeleiteten Grundentscheidung für die An bindung an das Steuersubjekt und dessen betriebliche Sphäre. Es liegt daher nahe § 6 Abs. 3 EStG als Ausnahmeregelung einzuordnen. Hierfür spricht auch die technische Ausgestaltung der Vorschrift. Denn die ma terielle Wirkung ist nicht Folge einer (steuerlichen) Fortsetzung des bisherigen Betriebs durch den Rechtsnachfolger.46 Richtigerweise sollte – ausgehend vom Normkontext – die Formulierung „bei der Ermittlung des Gewinns des bisheri gen Betriebsinhabers“ als Hinweis auf einen Gewinn aus der Übertragung des Be triebs, also des an sich nach § 16 Abs. 3 EStG anfallenden Aufgabegewinns, ver standen werden. Trifft § 6 Abs. 3 Satz 1 EStG demnach spezielle Regelungen zur Ermittlung dieses Aufgabegewinns, so setzt dies zunächst einen solchen voraus.47 Wird ein aus einer Betriebsaufgabe resultierender Aufgabegewinn dem Grunde nach nicht in Abrede gestellt, so bleibt für die Annahme einer steuerlichen Be triebsfortsetzung kein Raum. Dieses Ergebnis wird auch durch systematische Er wägungen gestützt. So findet sich dieser Absatz in den Bewertungsregeln des § 6 EStG und nicht etwa – was anderenfalls nahegelegen hätte – bei den Vorschrif ten über die Entnahme oder Betriebsaufgabe. Als bloße Bewertungsvorschrift regelt Abs. 3 aber nur den Wertansatz von zu einer Sachgesamtheit gehörenden Wirtschaftsgütern in einer konkreten Situation, trifft aber keine darüber hinausge hende Rechtsfolge, verhindert insbesondere nicht den Tatbestand der Entnahme.48 Insoweit ist die Struktur des § 6 Abs. 3 EStG mit derjenigen des § 20 Abs. 2 und 3 UmwStG vergleichbar. Dort wird bei der Einbringung eines Betriebes in eine Kapitalgesellschaft ebenfalls der Gewinn nicht dem Grunde nach verhin 46 So jedoch die wohl h. M., bspw. T. Ehmcke, in: Blümich, EStG, § 6 Rn. 1228 f.; K. Gratz, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 6 Abs. 3 Rn. 1330; W. Reiß, in: Kirchhof, EStG, § 16 Rn. 15; R. Wacker, in: Schmidt, EStG, § 16 Rn. 590; J. Werndl, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 6 Rn. J 65. Zur Vorgängerregelung des § 7 Abs. 1 EStDV BFH, Urteil v. 02.09.1992 – XI R 26/91, BFH/NV 1993, 161 (162); BFH, Urteil v. 22.09.1994 – IV R 61/93, BStBl. II 1995, 367 (370); BFH, Urteil v. 09.05.1996 – IV R 77/95, BStBl. II 1996, 476 (477); BFH, Beschluss v. 28.08.2001 – VIII B 54/01, BFH/NV 2002, 24 (24 f.). Zu § 5 Abs. 1 EStDVO 1949 siehe BFH, Urteil v. 24.10.1951 – IV 233/51 U, BStBl. III 1952, 5 (6). 47 C. Seiler, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 4 Rn. B 58. 48 C. Seiler, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 4 Rn. B 58 und ihm folgend F. Friz, Erbschaft- und Schenkungsteuer, S. 55 f.
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dert, sondern je nach gewähltem Bewertungsansatz entsteht nur der Höhe nach kein Gewinn.49 § 6 Abs. 3 EStG verhindert somit beim Rechtsvorgänger nicht die Betriebsaufgabe im Sinne des § 16 Abs. 3 EStG, sondern verändert durch den Buchwertansatz lediglich die Höhe des Entnahmegewinns.50 Rein technisch be trachtet werden die Wirtschaftsgüter daher zunächst zu Buchwerten in die Privat sphäre überführt und in einem zweiten Schritt auf den Rechtsnachfolger übertra gen, der diese dann selbst – mit den Entnahmewerten des Rechtsvorgängers – in die Marktsphäre einbringt und damit den Betrieb steuerrechtlich neu gründet.51 § 6 Abs. 3 EStG lässt somit die Grundstruktur von Entnahme und Einlage un berührt und ordnet lediglich für ganz bestimmte Fälle der Betriebsaufgabe die Buchwertfortführung an, stellt folglich nur eine spezielle Bewertungsregel des § 16 Abs. 3 EStG dar. Als solcher kann ihr jedoch keine grundlegende Aussage für die Frage der Anbindung stiller Reserven entnommen werden. § 6 Abs. 3 EStG enthält daher keine Grundentscheidung für eine interpersonelle Verlagerung der stillen Reserven. Vielmehr durchbricht diese Vorschrift, da sie die stillen Reserven nicht dem marktteilnehmenden Steuersubjekt, sondern dem Rechtsnachfolger zurechnet, die gesetzgeberische Grundentscheidung und ist da her als rechtfertigungsbedürftige Ausnahmeregelung einzuordnen.
49 Auch aus der historischen Entwicklung lässt sich nichts Gegenteiliges ableiten. Zunächst räumte § 20 Abs. 2 EStG 1925 (Einkommensteuergesetz v. 10.08.1925, RGBl. I 1925, 189 [193 f.]) dem (unentgeltlichen) Rechtsnachfolger ein Wahlrecht ein, die Wirtschaftsgüter mit den Wer ten des Rechtsvorgängers oder aber den gemeinen Werten anzusetzen. Dieses Wahlrecht sollte indes nicht systemgerecht sein, sondern insbesondere zur Vermeidung einer Doppelbelastung durch Einkommen- und Erbschaftsteuer die Grundstruktur bewusst durchbrechen (Entwurf eines Einkommensteuergesetzes, RT-Drs. v. 23.04.1925, III. 1924/25, Nr. 795, S. 24). Der Ge setzgeber wollte hierdurch erreichen, dass die betriebliche Einheit ökonomisch (zum betriebs wirtschaftlichen Betriebsbegriff siehe H.-J. Kanzler, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, Vor §§ 4–7 Rn. 87) weiterbesteht. Anhaltspunkte dafür, dass auch eine steuerrechtliche Fort setzung angeordnet werden sollte, sind hingegen nicht ersichtlich. Entsprechende Erwägun gen wurden wohl auch bei späteren Gesetzes- oder Verordnungsänderungen nicht angestellt. So sollte beispielsweise mit der Einführung des § 6 Abs. 3 EStG durch das Steuerentlastungs gesetz 1999/2000/2002 v. 24.03.1999, BGBl. I 1999, 402 (405) auch lediglich die bisher in § 7 Abs. 1 EStDV verortete Regelung, die ihrerseits auf § 20 Abs. 2 EStG 1925 zurückgeht, übernommen werden (Entwurf eines Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 v. 09.11.1998, BT-Drs. 14/23, S. 173). 50 C. Seiler, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 4 Rn. B 58; F. Friz, Erbschaft- und Schenkungsteuer, S. 55 f.; so wohl auch W. Jakob, Einkommensteuer, Rn. 929. Zu § 7 Abs. 1 EStDV C. Wasmer, Zurechnung, S. 22 f. 51 Von einer steuerlichen Neugründung des Betriebs durch den unentgeltlichen Rechts nachfolger ging wohl auch der Gesetzgeber aus, als er durch das Jahressteuergesetz 1997 v. 20.12.1996, BGBl. I 1996, 2049 (2065) die mittlerweile wieder aufgehobene Existenzgrün derregelung des § 7g Abs. 7 EStG a. F. in das Einkommensteuergesetz aufgenommen hatte. Denn nach Satz 3 galt „die Übernahme eines Betriebs im Wege der vorweggenommenen Erbfolge […] nicht als Existenzgründung“. Für einen solchen Ausschluss hätte bei einer steu erlichen Betriebsfortführung durch den Rechtsnachfolger nämlich kein Bedürfnis bestanden.
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3. Kap.: Steuersubjekt und Steuerobjekt im Einkommensteuerrecht
(2) Rechtfertigung der nicht folgerichtigen Umsetzung des Grundprinzips Für die Frage der Rechtfertigung des § 6 Abs. 3 EStG bietet es sich an, zunächst die wirtschaftlichen Folgen zu betrachten, die bei Aufdeckung der stillen Reser ven im Rahmen einer unentgeltlichen Übertragung betrieblicher Einheiten ein treten können. Beim Rechtsvorgänger entstünde hierdurch eine aktuelle Steuer belastung. Verfügt der Rechtsvorgänger nicht über ausreichend liquide Mittel zur Steuerzahlung, kann er gegebenenfalls gezwungen sein, einige oder alle betrieb lichen Wirtschaftsgüter zu veräußern; im Extremfall droht sogar die Zerschla gung des Betriebs. Infolgedessen bestünde die Gefahr, dass nötige Investitionen des Rechtsnachfolgers erschwert werden oder die Übergabe der betrieblichen Einheit insgesamt unterbleibt.52 Diese Steuerbelastung würde sich zusätzlich er höhen, wenn neben die zu zahlende Einkommensteuer noch eine Belastung mit Erbschaftsteuer tritt.53 Die Buchwertfortführung ermöglicht eine steuerneutrale Übertragung und beugt somit diesen Gefahren vor. § 6 Abs. 3 EStG sichert daher primär den Fortbestand des betriebswirtschaftlichen Unternehmens.54 Mittelbar werden hierdurch sowohl negative Folgen für andere, mit dem übertragenen Betrieb wirtschaftlich ver bundene Unternehmen (zum Beispiel Folgeinsolvenz bei Wegfall des bisherigen Hauptabnehmers), aber auch für die im Unternehmen selbst vorhandenen Arbeits plätze vermieden.55 Diese am Gemeinwohl orientierte Zwecksetzung ist daher grundsätzlich geeignet, den Übergang latenter Einkünfte auf andere Steuersubjekte zu rechtfertigen. Auch dient eine solche Regelung dem Schutz des verfassungs rechtlich garantierten Erbrechts, wenn dadurch die betriebliche Einheit in ihrem Gesamtbestand auf den Erben übergehen kann.56 Auch in seiner konkreten Ausgestaltung begegnet § 6 Abs. 3 EStG keinen durch greifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Denn der Fiskus verzichtet nicht dauerhaft auf die Besteuerung der latenten Einkünfte bei einem Betriebsübergang, sondern schiebt diese nur zeitlich hinaus. Die Frage, ob der Gesetzgeber den Er halt der betrieblichen Einheit auch durch andere gesetzliche Maßnahmen57 (besser)
52 E. Kulosa, in: Schmidt, EStG, § 6 Rn. 645; J. Werndl, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 6 Rn. J 4 und J 65. 53 Diese mögliche Doppelbelastung bei gleichzeitig fehlender liquider Mittel nahm be reits der historische Gesetzgeber zum Anlass, ein Wahlrecht zur Buchwertfortführung ein zuräumen, Entwurf eines Einkommensteuergesetzes, RT-Drs. v. 23.04.1925, III. 1924/25, Nr. 795, S. 24. 54 S. Baldauf, Gewinnrealisierung, S. 55 ff.; M. Wendt, FR 2005, 468 (472). 55 S. Baldauf, Gewinnrealisierung, S. 90. 56 H.-J. Kanzler, in: Carlé/Stahl/Strahl, Festschrift Korn, 287 (289); E. Kulosa, in: Schmidt, EStG, § 6 Rn. 645; M. Wendt, FR 2005, 468 (472). 57 Bspw. durch eine teilweise Steuerbefreiung, großzügige Stundungsregelungen oder durch die Einführung eines Wahlrechts zur Buchwertfortführung.
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hätte erreichen können, spielt wegen des weitreichenden – vorliegend noch nicht überschrittenen – legislativen Gestaltungsspielraums keine Rolle.58 § 6 Abs. 3 EStG stellt somit eine gerechtfertigte Durchbrechung des verfassungsrechtlichen Folge richtigkeitsprinzips dar. bb) Die Übertragung stiller Reserven auf andere Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens nach § 6b EStG (1) Steuersystematische Einordnung: § 6b EStG als Ausnahmeregelung Nach § 6b EStG können die bei der Veräußerung von bestimmten Wirtschafts gütern des Anlagevermögens entstandenen Gewinne unter weiteren Vorausset zungen von den Anschaffungs- oder Herstellungskosten anderer Wirtschaftsgüter abgezogen werden. Anstelle eines sofortigen Abzugs von den Anschaffungs- oder Herstellungskosten kann nach § 6b Abs. 3 EStG auch zunächst eine den Gewinn mindernde Rücklage gebildet werden.59 Dem durch einen Realisationsakt erzielten Gewinn steht damit ein betrieblicher Aufwand in gleicher Höhe gegenüber, so dass im Ergebnis die stillen Reserven steuerneutral auf andere Wirtschaftsgüter über tragen werden können. Eine Veräußerung führt grundsätzlich dazu, dass das die stillen Reserven ent haltende Wirtschaftsgut die betriebliche Sphäre des Steuersubjekts verlässt. Da durch werden zumindest zwei der drei Anbindungspunkte – namentlich der an die betriebliche Sphäre und an das Steuersubjekt – getrennt, so dass die stillen Reser ven nach allgemeinen Regeln aufzudecken wären. § 6b EStG verhindert aber die Zurechnung des an sich entstandenen aktuellen Markterfolgs zum Steuersubjekt. Im Unterschied zu § 6 Abs. 3 EStG gehen die stillen Reserven aber nicht auf den Rechtsnachfolger über, sondern bleiben – durch Abzug des realisierten Gewinns von den Anschaffungs- und Herstellungskosten eines anderen Wirtschaftsguts – der betrieblichen Sphäre desselben Steuersubjekts zugeordnet. So sorgt § 6b EStG letztlich dafür, dass die dreiseitige Anbindung der stillen Reserven bestehen bleibt, obwohl das betreffende Wirtschaftsgut nicht mehr in der betrieblichen Sphäre des Steuersubjekts vorhanden ist. Betrachtet man nur dieses Ergebnis, so scheint § 6b EStG eine folgerichtige Umsetzung der Grundentscheidung für die dreiseitige Anbindung der stillen
58 A. A. S. Baldauf, Gewinnrealisierung, S. 94 ff., die ein Wahlrecht zum Ansatz des Buch wertes oder des gemeinen Wertes für verfassungsrechtlich geboten hält. Für die erneute Ein führung eines solchen Wahlrechts J. Hey, Individualsteuerprinzip, in: Tipke/Söhn, Gedächtnis schrift Trzaskalik, 219 (229). 59 Zu den weiteren Voraussetzungen und dem spätesten möglichen Auflösungszeitpunkt der Rücklage siehe § 6b Abs. 3 EStG.
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3. Kap.: Steuersubjekt und Steuerobjekt im Einkommensteuerrecht
Reserven darzustellen. Zu beachten ist allerdings, dass die Anbindung durch die Veräußerung bereits getrennt wurde und erst durch die konstitutive Regelung des § 6b EStG wieder begründet wird. Dadurch, dass der unverändert dreiseitig an gebundene Markterfolg zu einem späteren Zeitpunkt berücksichtigt wird, als dies nach der Grundentscheidung des Realisationsprinzips folgerichtig wäre, greift § 6b EStG in die einkommensteuerliche Grundstruktur ein und ist daher wie § 6 Abs. 3 EStG rechtfertigungsbedürftig. (2) Rechtfertigung der nicht folgerichtigen Umsetzung des Grundprinzips Die Frage der Rechtfertigung hängt unter anderem davon ab, ob § 6b EStG auf eine leistungsfähigkeitsgerechte Besteuerung des Einkommensteuersubjekts abzielt oder aber eine wirtschaftspolitische Maßnahme darstellt und somit als gesondert rechtfertigungsbedürftige60 Lenkungs- oder Sozialzwecknorm anzuse hen ist. Richtigerweise wird man – wie auch der Gesetzgeber61 – § 6b EStG als Steuer vergünstigung zu den Lenkungsnormen und nicht zu den Fiskalzwecknormen rechnen müssen. Für eine Fiskalzwecknorm könnte zwar sprechen, dass die er zielten liquiden Mittel in dem Reinvestitionsgut gebunden werden und daher für die Lebensführung und Steuerzahlung nicht zur Verfügung stehen62 oder dass die Geldentwertung im Ergebnis eine Substanzbesteuerung bewirkt, die nicht mehr mit der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit in Ein klang gebracht werden kann63. Diese vorgebrachten Argumente können indes nicht vollständig überzeugen. Denn nach § 2 EStG erhöht jegliches erwirtschaftete Markteinkommen unabhängig vom Anlass seiner Entstehung die steuerliche Leis tungsfähigkeit. Wenn aber bereits der Anlass für die Beurteilung der Leistungs fähigkeit keine Rolle spielt, so muss dies erst Recht für die Frage der Verwen 60
D. Birk/M. Desens/H. Tappe, Steuerrecht, Rn. 209; K. Heger, in: Kirchhof/Söhn/Melling hoff, EStG, § 6b Rn. A 36; J. Hey, § 3, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, Rn. 132; W. Jakob, Einkom mensteuer, Rn. 33; H. Marchal, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 6b Rn. 4. 61 Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes, des Körperschaft steuergesetzes, des Spar-Prämiengesetzes, des Wohnungsbauprämiengesetzes und anderer Ge setze (Steueränderungsgesetz 1964) v. 19.06.1964, BT-Drs. IV/2400, 62 ff. Die Einordnung als Sozialzwecknorm hat unter anderem zur Folge, dass diese Regelung jederzeit und ohne wei teren Rechtfertigungsbedarf aufgehoben werden kann, K. Heger, in: Kirchhof/Söhn/Melling hoff, EStG, § 6b Rn. A 36; J. Hennrichs, § 9, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, Rn. 427; K. Tipke, Rechtfertigung des Themas, in: Ruppe, DStJG 4 (1981), 1 (9). 62 K. Tipke, Rechtfertigung des Themas, in: Ruppe, DStJG 4 (1981), 1 (9). Im Ergebnis ebenso J. Lang, Gewinnrealisierung, in: Ruppe, DStJG 4 (1981), 45 (94), nach dessen Auffas sung die Veräußerung nicht der Erwirtschaftung von Gewinnen dient, sondern lediglich für die Zukunft bessere Gewinnbedingungen geschaffen werden sollen. 63 J. Hennrichs, § 9, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, Rn. 427; H. Marchal, in: Herrmann/Heuer/ Raupach, EStG, § 6b Rn. 4.
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dung des erzielten Erlöses gelten. Richtigerweise wird man daher für die Frage der Leistungsfähigkeit den Veräußerungsvorgang von einer möglichen Anschaffung eines vergleichbaren Wirtschaftsguts trennen müssen. Die Verwendung des Ver äußerungserlöses für die Anschaffung oder Herstellung eines anderen Wirtschafts gutes nimmt dem erzielten Gewinn somit nicht seine leistungsfähigkeitserhöhende Wirkung. Wäre dies anders, so müsste im Grunde bei jedem Gewinn nach seiner zukünftigen Verwendung gefragt werden. Würde dann ein bestimmter (betrieb licher) Zweck festgestellt, so wäre demzufolge aus steuersystematischen Grün den ein Besteuerungsaufschub immer insoweit erforderlich, als der besteuerte Ge winn ansonsten nicht zur beabsichtigten Zweckerfüllung ausreicht. Ein solches Vorgehen ist dem Einkommensteuerrecht aber unbekannt.64 § 6b EStG dient da her nicht der Wiederherstellung von Belastungsgleichheit, sondern ist Sozial zwecknorm.65 Die Durchbrechung der aus § 4 Abs. 1 in Verbindung mit § 6 Abs. 5 Satz 1 EStG abgeleiteten Grundentscheidung ist somit nicht bereits aus Leis tungsfähigkeitsgesichtspunkten gerechtfertigt, sondern bedarf eines besonderen Rechtfertigungsgrundes. Grundanliegen des § 6b EStG ist es, notwendige strukturelle Veränderungen im Anlagevermögen nicht durch eine sofortige und vollständige Steuerbelastung zu verhindern und dadurch die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens beizu behalten oder gar zu verbessern.66 Es liegt daher ein sachlicher Grund für diese Vorschrift vor. Da auch kein vollständiger Steuerverzicht ausgesprochen wird, sondern durch den Übertrag der stillen Reserven auf andere Wirtschaftsgüter le diglich eine Stundungswirkung eintritt, ist diese Sozialzwecknorm insgesamt gerechtfertigt.67 Dem § 6b EStG konzeptionell ähnlich ist R 6.6 EStR. Hiernach können die bei einem zwangsweisen Ausscheiden eines Wirtschaftsguts aufgedeckten stillen Re serven auf ein angeschafftes Ersatzwirtschaftsgut übertragen oder einer steuer freien Rücklage zugeführt werden. Eine gegenüber § 6b EStG andere dogmatische Einordnung dieser Regelung ist nicht deshalb angezeigt, weil es mangels frei 64 BFH, Urteil v. 17.10.1961 – I 283/60 S, BStBl. III 1961, 566 (566); H. Marchal, Rücklage für Ersatzbeschaffung, S. 53. 65 E. Biergans, FR 1982, 525 (526); K. Heger, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 6b Rn. A 63; W.-D. Hoffmann, in: Littmann/Bitz/Pust, EStG, § 6b Rn. 1; H. Marchal, Rücklage für Ersatzbeschaffung, S. 69 f.; H. Marchal, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 6b Rn. 4. A. A. J. Lang, Gewinnrealisierung, in: Ruppe, DStJG 4 (1981), 45 (94); K. Tipke, Rechtfer tigung des Themas, in: Ruppe, DStJG 4 (1981), 1 (9). Differenzierend J. Hennrichs, § 9, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, Rn. 427: Unvollkommene Fiskalzwecknorm soweit die Besteuerung von Scheingewinnen verhindert wird, darüber hinaus Sozialzwecknorm. 66 F. Dötsch, Reinvestitionsrücklage, in: Schön, Gedächtnisschrift Knobbe-Keuk, 411 (412); K. Heger, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 6b Rn. A 43; W.-D. Hoffmann, in: Litt mann/Bitz/Pust, EStG, § 6b Rn. 1; G. Klein, in: Klein/Flockermann/Kühr, EStG, § 6b Rn. 2 f.; H. Marchal, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 6b Rn. 4; H. Schoor, FR 1997, 251 (251); D. Selbmann, § 6b EStG, S. 24. 67 G. Klein, in: Klein/Flockermann/Kühr, EStG, § 6b Rn. 3.
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williger Handlung des Steuersubjekts an einer Gewinnrealisierungsabsicht fehlt.68 Bedenken ruft diese Regelung aber deshalb hervor, weil es an einer gesetzlichen Normierung fehlt.69 2. Zurechnung von im Privatvermögen entstandenen stillen Reserven a) Grundprinzip: Die nur einseitige Anbindung der stillen Reserven Aufgrund des quellentheoretischen Ansatzes im Rahmen der Überschussein kunftsarten sind Wertsteigerungen des Privatvermögens grundsätzlich irrelevant und daher nur ausnahmsweise und nur bei entsprechender gesetzlicher Anordnung steuerlich zu erfassen.70 Im geltenden Einkommensteuerrecht sehen die §§ 17, 20 Abs. 2 und 22 Nr. 2 in Verbindung mit 23 EStG eine solche Steuerpflicht vor und ermöglichen daher ein Entstehen stiller Reserven im Privatvermögen. Fraglich ist jedoch, ob die stillen Reserven des Privatvermögens wie die im betrieblichen Be reich gleichfalls dreiseitig angebunden sind. Nach allen drei genannten Vorschriften sind die stillen Reserven nur aufzu decken, wenn das betreffende Wirtschaftsgut durch einen entgeltlichen Markt vorgang – regelmäßig durch Verkauf, aber etwa auch durch eine verdeckte Einlage in eine Kapitalgesellschaft – von dem dieses Wirtschaftsgut als Erwerbsgrundlage nutzenden Steuersubjekt getrennt wird.71 Die §§ 17, 20 Abs. 2 und 22 Nr. 2 in Verbindung mit 23 EStG stellen jeweils auf einen Veräußerungsvorgang ab und regeln damit den typischen Fall der Markt teilnahme. Es liegt daher nahe, die für diesen Regelfall getroffene Entscheidung – namentlich die Anbindung an das die Erwerbsgrundlage nutzende Steuersubjekt – als folgerichtig weiterzudenkende Grundentscheidung anzusehen. Ob auch eine – der Anbindung an die betriebliche Sphäre entsprechende – objekt bezogene Anbindung der stillen Reserven an die Erwerbsgrundlage oder sogar die gesamte private Sphäre des Steuersubjekts besteht, lässt sich hingegen nicht ohne Weiteres beantworten. So sind zwar – im Unterschied zum betrieblichen Bereich – Überführungsfälle innerhalb der privaten Sphäre regelmäßig nicht denkbar, da das 68 K. Heger, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 6b Rn. A 61. Anders RFH, Urteil v. 02.04.1930 – VI A 514/30, RStBl. 1930, 313 (314): Soweit die Ersatzleistung den Buchwert übersteigt, dient diese nur der Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands und es fehlt da her an einer Gewinnrealisierung; sowie H. Marchal, Rücklage für Ersatzbeschaffung, S. 70: Rücklage für Ersatzbeschaffung ist unechte Steuerbegünstigung. 69 Ausführlich hierzu jeweils m. w. N. K. Ebling, in: Ballwieser/Böcking/Drukarczyk/Schmidt, Festschrift Moxter, 1005 (1015 ff.); H. Marchal, Rücklage für Ersatzbeschaffung, S. 71 ff. 70 Siehe 2. Kapitel B. II. 71 Bei den sonstigen Einkünften besteht zusätzlich die Besonderheit, dass dieser Austausch vorgang innerhalb der von § 23 Abs. 1 EStG geregelten Spekulationsfristen stattfinden muss.
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die stillen Reserven enthaltende Wirtschaftsgut nur genau einer Erwerbsgrundlage einer ganz bestimmten Einkunftsart zugeordnet werden kann. Allein aus dem Um stand, dass sich die Anbindungsfrage insoweit nicht auswirkt, kann jedoch noch nicht auf das Fehlen eines sachlichen Anbindungspunktes geschlossen werden. Betrach tet man allerdings die Überführungen aus der privaten in die betriebliche Sphäre, so zeigt sich, dass auch diese Vorgänge keine aktuelle Steuerpflicht der stillen Reserven nach sich ziehen. Zwar sind Wirtschaftsgüter, deren stille Reserven über § 22 Nr. 2 in Verbindung mit § 23 EStG steuerverhaftet sind, bei einer Einlage ins Betriebs vermögen nach § 6 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 Hs. 1 EStG mit dem Teilwert anzusetzen. Sonstige Einkünfte entstehen nach § 23 Abs. 1 Satz 5 Nr.1 EStG indes nur, wenn das eingelegte Wirtschaftsgut noch innerhalb der Spekulationsfrist veräußert wird, also aus der betrieblichen Sphäre ausscheidet. Auch bei einer wesentlichen Betei ligung im Sinne des § 17 EStG und einer Kapitalanlage im Sinne des § 20 Abs. 2 EStG führt die Verlagerung in die betriebliche Sphäre und die damit einhergehende Zuordnung zu einer anderen Erwerbsgrundlage („Betrieb“) nicht zu einer aktuel len Steuerpflicht der stillen Reserven. Denn die Einlage dieser Wirtschaftsgüter ist nach § 6 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. b und c EStG höchstens mit den Anschaffungskosten zu bewerten, mit der Folge, dass auch die bislang entstandenen stillen Reserven nun an die betriebliche Sphäre angebunden sind. Als Ergebnis lässt sich daher festhalten, dass – nach derzeit geltendem Recht – bei einer Überführung von Wirtschaftsgütern des Privatvermögens die stillen Reserven weiterhin steuerverhaftet bleiben und nicht aufzudecken sind. Wenn nun aber trotz Ausscheidens des Wirtschaftsguts aus der privaten Sphäre generell keine Aufdeckung der stillen Reserven erfolgt, so können diese weder an die private Sphäre noch an die Erwerbsgrundlage angebunden sein. Auch eine Anbindung an das nationale Besteuerungsrecht besteht grundsätzlich nicht. Verlagert das Steuersubjekt seinen Wohnsitz ins Ausland und endet damit die unbeschränkte Steuerpflicht, so führt dies nicht zur Aufdeckung der stillen Reser ven. Dies gilt auch dann, wenn das Besteuerungsrecht Deutschlands mangels inlän discher Einkünfte im Sinne des § 49 EStG oder aufgrund eines Doppelbesteuerungs abkommens zukünftig ausgeschlossen sein sollte. Lediglich für den Spezialfall, dass eine natürliche Person mindestens zehn Jahre unbeschränkt einkommensteu erpflichtig war, sieht § 6 AStG bei Wegzug die Besteuerung der in den Anteilen im Sinne des § 17 EStG enthaltenen stillen Reserven vor. Diese Vorschrift ist wegen ih res eingeschränkten Anwendungsbereichs indes nicht verallgemeinerungsfähig und daher als rechtfertigungsbedürftige Ausnahmeregelung einzuordnen.72 Die von §§ 17, 20 Abs. 2 und 22 Nr. 2 in Verbindung mit 23 EStG erfassten stil len Reserven sind daher nur einseitig und zwar an das Steuersubjekt angebunden, da eine Überführung aus der privaten Sphäre oder ein Ausschluss des nationalen Besteuerungsrechts nicht zu deren Aufdeckung führt. 72 Zur europarechtlichen und verfassungsrechtlichen Einordnung dieser Regelung siehe M. Elicker, in: Blümich, AStG, § 6 Rn. 1 ff.; G. Kraft, in: Kraft, AStG, § 6 Rn. 35 ff. und 60 ff., jeweils m. w. N.
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b) Modifikation des Grundprinzips durch Fortführung der Anschaffungskosten durch den Rechtsnachfolger bei unentgeltlichen Übertragungen Fehlt es an einem Realisationsvorgang, weil das die stillen Reserven enthaltende Wirtschaftsgut unentgeltlich auf ein anderes Steuersubjekt übertragen wird, so wä ren aufgrund der bislang dargestellten Systematik die stillen Reserven trotz der ge lösten Anbindung an das Steuersubjekt mangels Veräußerungsvorgangs nicht ak tuell einkommensteuerpflichtig.73 Bei einem solchen Vorgang treffen dann zwei gesetzgeberische Grundentschei dungen zusammen. Einerseits die an sich eine Besteuerung nach sich ziehende ge trennte Anbindung der stillen Reserven an das Steuersubjekt; andererseits das – kein Betriebsvermögen und damit auch keine Entnahmen vorsehende – materielle Über schusskonzept der Überschusseinkunftsarten. Nach diesem wäre eine Besteuerung der stillen Reserven beim übertragenden Steuersubjekt – wenn überhaupt – mit Zu fluss eines Veräußerungserlöses beim Rechtsnachfolger anzunehmen. Diese Kollision der jeweils folgerichtig weiterzudenkenden Grundentscheidun gen aufzulösen, ist Aufgabe des Gesetzgebers. Hierzu stehen ihm verschiedene Ausgestaltungsmöglichkeiten zur Verfügung. So wäre es beispielsweise denkbar, der Anbindung an das Steuersubjekt Vorrang einzuräumen und die stillen Reser ven im Übertragungszeitpunkt aufzudecken. Aufgrund des fehlenden Betriebsver mögens könnte andererseits auch auf eine Besteuerung der stillen Reserven bis zur Veräußerung durch den Rechtsnachfolger verzichtet werden. Des Weiteren wäre es auch denkbar, die beiden Grundentscheidungen gegenseitig in Ausgleich zu bringen. Der Steuergesetzgeber hat für die unentgeltlichen Übertragungsvorgänge Re gelungen in den §§ 17 Abs. 2 Satz 6, 20 Abs. 4 Satz 6 und 23 Abs. 1 Satz 3 EStG getroffen. Diese Normen sehen vor, dass bei der Veräußerung durch einen unent geltlich Erwerbenden für die Ermittlung des Veräußerungsgewinns die (fortgeführ ten) Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten des Rechtsvorgängers maßgebend sind.74 Die beim Rechtsvorgänger eingetretenen Wertsteigerungen werden dadurch dem unentgeltlich erwerbenden Rechtsnachfolger zugerechnet. 73 D. Gosch, in: Kirchhof, EStG, § 17 Rn. 59 f.; vgl. R. Wernsmann, in: Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, EStG, § 23 Rn. B 110, B 66. Ebenso RFH, v. 14.12.1938 – VI 722/38, RStBl. 1939, 212 zum EStG 1934: Schenkung einer wesentlichen Beteiligung stellt keine Veräußerung i. S. d. § 17 EStG dar. 74 Im Gegensatz zu § 17 Abs. 2 Satz 6 EStG sehen die §§ 20 Abs. 4 Satz 6 und 23 Abs. 1 Satz 3 EStG nur für den unentgeltlichen Einzelrechtsnachfolger die Zurechnung der An schaffungs- bzw. Herstellungskosten vor, so dass bei wortlautgetreuer Auslegung der Gesamt rechtsnachfolger nicht erfasst wäre. Ursächlich hierfür ist wohl die bisherige – hier als un zutreffend erachtete – Rechtsprechung, wonach der Gesamtrechtsnachfolger umfassend in die steuerliche Rechtsstellung des Rechtsvorgängers eintritt (siehe 3. Kapitel D. IV. 1.). Wenn aber bereits der unentgeltliche Einzelrechtsnachfolger, der zivilrechtlich nur in Bezug auf ein
C. Objektbezogene Modifikationen der Regelstruktur bei latenten Einkünften
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Diese Vorschriften verhindern somit zwar eine Besteuerungslücke, da ohne ge setzliche Regelung die bislang entstandenen stillen Reserven gänzlich unversteu ert blieben. Einerseits würde selbst eine spätere Veräußerung durch den Rechts nachfolger nicht zu einer Realisierung beim übertragenden Steuersubjekt führen, da dieses den Tatbestand nicht (auch nicht teilweise) verwirklicht hat.75 Anderer seits läge beim Rechtsnachfolger wegen der Unentgeltlichkeit kein Anschaffungs vorgang vor,76 so dass als „Anschaffungskosten“ an sich über § 1 BewG der ge meine Wert (§ 9 BewG) des übertragenen Wirtschaftsguts maßgebend wäre.77 Die getroffenen Regelungen setzen aber keine der beiden konfligierenden Grundent scheidungen folgerichtig um. Auch bringen sie diese nicht in einen gegenseitigen Ausgleich, sondern ordnen mit dem Übergang der stillen Reserven auf ein anderes Steuersubjekt eine neue, beiden Grundentscheidungen widersprechende Rechts folge an. Die §§ 17 Abs. 2 Satz 6, 20 Abs. 4 Satz 6 und 23 Abs. 1 Satz 3 EStG stel len daher wie § 6 Abs. 3 EStG systemdurchbrechende und demzufolge rechtfer tigungsbedürftige Ausnahmeregelungen dar. Die hinter diesen Vorschriften stehenden Erwägungen ähneln dabei denen der strukturell vergleichbaren Buchwertfortführungsregelung des § 6 Abs. 3 EStG. Denn eine sofortige Besteuerung im Übertragungszeitpunkt beim Rechtsvorgän ger könnte bei fehlenden liquiden Mitteln die Veräußerung des übertragenen Wirt schaftsguts oder anderer, ebenfalls von Art. 14 GG geschützter Wirtschaftsgüter beim Rechtsvorgänger selbst, aber auch beim Gesamtrechtsnachfolger erforder lich machen. Der Übergang der latenten Einkünfte im Rahmen dieser Vorschriften auf ein anderes Steuersubjekt verhindert dies und stellt zugleich sicher, dass die Wertsteigerung überhaupt der Besteuerung unterliegt. Die genannten Vorschriften sind insoweit nicht zu beanstanden.
bestimmtes Wirtschaftsgut die Rechtsstellung seines Vorgängers übernimmt, dessen Anschaf fungskosten fortzuführen hat, so sollte dies erst recht für denjenigen gelten, der im Rahmen der Gesamtrechtsnachfolge in sämtliche Rechte und Pflichten des Rechtsvorgängers eintritt. Infolgedessen finden die §§ 20 Abs. 4 Satz 6 und 23 Abs. 1 Satz 3 EStG auch auf den Gesamt rechtsnachfolger Anwendung. 75 Dies galt vor Einführung des § 23 Abs. 1 Satz 3 EStG selbst dann, wenn die Übertragung auf den Rechtsnachfolger und die anschließende Veräußerung durch diesen als Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten i. S. d. § 42 AO anzusehen war. Denn ein so entstandener Veräuße rungsgewinn war nur beim Rechtsnachfolger zu besteuern, siehe BFH, Urteil v. 12.07.1988 – IX R 149/83, BStBl. II 1988, 942 (944). 76 BFH, Urteil v. 03.08.1976 – VIII R 192/74, BStBl. II 1977, 382 (382); BFH, Urteil v. 22.09.1987 – IX R 15/84, BStBl. II 1988, 250 (251); F. Friz, Erbschaft- und Schenkung steuer, S. 58 f.; H. Glenk, in: Blümich, EStG, § 23 Rn. 95; R. Wernsmann, in: Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, EStG, § 23 Rn. B 80. 77 F. Friz, Erbschaft- und Schenkungsteuer, S. 58 f. Vgl. auch RFH, v. 17.02.1937 – VI A 485/36, RStBl. 1937, 963 (964 f.); RFH, Urteil v. 21.07.1937 – VI A 377/37, RStBl. 1937, 1008 (1010); RFH, v. 14.12.1938 – VI 722/38, RStBl. 1939, 212.
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3. Kap.: Steuersubjekt und Steuerobjekt im Einkommensteuerrecht
III. Die Zurechnung konkretisierter latenter Einkünfte bei Auseinanderfallen von Marktteilnahme und Realisation 1. Grundsatz der Zurechnung konkretisierter latenter Einkünfte Ist ein Steuersubjekt bereits konkret am Markt tätig geworden, fehlt es aller dings wegen der Anwendbarkeit des § 11 EStG noch am steuerlichen Zufluss, so spricht man von konkretisierten latenten Einkünften.78 Da bereits ein Umsatzakt vorliegt, sind diese von anderer Qualität als die stillen Reserven. Konkretisierte latente Einkünfte gehen typischerweise auf noch nicht realisierte Forderungen zurück und entstehen zumeist im Rahmen der Überschusseinkunfts arten. Nur ausnahmsweise – namentlich wenn der Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelt wird – sind sie auch bei den Gewinneinkunftsarten anzutreffen. a) Die Anbindung der konkretisierten latenten Einkünfte an das Steuersubjekt In der Zurechnungsfrage kommt § 11 EStG eine Schlüsselrolle zu. Enthält die ser nicht lediglich ein zeitliches Moment, sondern regelt daneben auch noch die persönliche Zurechnung, so würde das Markteinkommen im Zuflusszeitpunkt dem realisierenden und nicht dem marktteilnehmenden Steuersubjekt zuzurechnen sein. Nach § 11 Abs. 1 EStG sind Einnahmen „innerhalb des Kalenderjahres bezogen, in dem sie dem Steuerpflichtigen zugeflossen sind“. Die Vorschrift beinhaltet da her nicht nur eine zeitliche Komponente, sondern mit dem Verweis auf den Steuerpflichtigen scheinbar auch eine persönliche. Dieser Bezug zu einem Steuersubjekt ist wie die Qualifikation als steuerpflichtige Einnahme jedoch nicht Rechtsfolge des Zuflusses, sondern Tatbestandsmerkmal des § 11 Abs. 1 EStG.79 Die Frage, ob überhaupt steuerlich beachtliche Einnahmen vorliegen und wem diese dann zu zurechnen sind, ist eine dieser Vorschrift vorgelagerte, mithilfe des § 2 Abs. 1 EStG zu beantwortende Frage. Steht dann fest, welches Steuersubjekt Marktteilnehmer war, so tritt bei diesem Steuersubjekt der Zufluss in dem von § 11 Abs. 1 EStG ge regelten Zeitpunkt ein.80 Das Zuflussprinzip wirkt daher lediglich zeitlich, aber nicht zurechnungsbegründend.81 78
Siehe 3. Kapitel C. I. 1. H. Stadie, Zurechnung von Einkünften, S. 15; C. Trzaskalik, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 11 Rn. B 8. 80 H. Stadie, Zurechnung von Einkünften, S. 15. 81 BFH, Urteil v. 20.09.2006 – I R 59/05, BStBl. II 2007, 756 (758); FG München, Urteil v. 29.07.1981 – IX 132/79 F, EFG 1982, 179 (180); G. Crezelius, BB 1979, 1342 (1345); C. Seiler, in: Kirchhof, EStG, § 11 Rn. 1; C. Trzaskalik, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 11 Rn. B 12; C. Wasmer, Zurechnung, S. 33. 79
C. Objektbezogene Modifikationen der Regelstruktur bei latenten Einkünften
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Die bezüglich der persönlichen Zurechnung fehlende materielle Wirkung des § 11 Abs. 1 EStG zeigt sich insbesondere bei der Übertragung einer Forderung auf andere Steuersubjekte. Wird eine solche Forderung gegen Entgelt abgetreten, so führt erst die Zahlung des Schuldners an den Zessionar zu einem Zufluss beim marktteilnehmenden Steuersubjekt, dem Zedenten.82 Gilt das vereinbarte Ent gelt ausnahmsweise als Erfüllungssurrogat, so ist zwar bereits mit Erbringung der Gegenleistung durch den Zessionar ein Zufluss anzunehmen,83 die personale Zu ordnung bleibt indes unverändert. Letzteres gilt auch, wenn eine Forderung aus privaten Gründen unentgeltlich übertragen wird. Bezüglich des Zuflusszeitpunkts ergeben sich allerdings Unter schiede zwischen Forderungen des Betriebs- und des Privatvermögens. Gehört die Forderung zum steuerlichen Betriebsvermögen eines Steuersubjekts, das seinen Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelt, stellt die unentgeltlichen Übertragung eine mit dem Teilwert zu bewertende Entnahme84 dar. Da die latenten Einkünfte bereits im Entnahmezeitpunkt abschließend zu erfassen sind, kommt es auf einen Zufluss beim Zessionar nicht mehr an. Für die Überschusseinkünfte fehlt es in des an einem der Entnahme vergleichbaren Prinzip.85 Dort führt grundsätzlich erst der tatsächliche Zufluss beim Zessionar zu einem steuerlichen Zufluss beim über tragenden Steuersubjekt.86 Unabhängig davon, ob die Übertragung entgeltlich, unentgeltlich, erfüllungshal ber, an Erfüllungs Statt oder aus dem Betriebsvermögen erfolgt, sind die konkre
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H. Glenk, in: Blümich, EStG, § 11 Rn. 55; R. Krüger, in: Schmidt, EStG, § 11 Rn. 50 „Ab tretung“; C. Seiler, in: Kirchhof, EStG, § 11 Rn. 29. 83 RFH, Urteil v. 20.06.1934 – VI A 1667/32, RStBl. 1934, 1030; BFH, Urteil v. 22.04.1966 – VI 137/65, BStBl. III 1966, 394 (395); H. Glenk, in: Blümich, EStG, § 11 Rn. 56; R. Krüger, in: Schmidt, EStG, § 11 Rn. 50 „Abtretung“; C. Seiler, in: Kirchhof, EStG, § 11 Rn. 29. Nach Ansicht des BFH, Urteil v. 30.10.1980 – IV R 97/78, BStBl. II 1981, 305 (306) soll dies auch bei einer sofort realisierbaren Forderung gelten; zust. H. Glenk, in: Blümich, EStG, § 11 Rn. 57; kritisch R. Krüger, in: Schmidt, EStG, § 11 Rn. 50 „Abtretung“. A. A. W. Heinicke, Rechts nachfolger, in: Schulze-Osterloh, DStJG 10 (1987), 99 (121 ff.), der generell auf den tatsäch lichen Zufluss abstellen möchte. 84 Zwar fehlt in § 4 Abs. 3 EStG ein ausdrücklicher Verweis auf Abs. 1, die Anwendbarkeit der Entnahme- und Einlageregelungen ergibt sich aber indirekt aus § 4 Abs. 3 Satz 4 EStG so wie dem Grundsatz der Gesamtgewinngleichheit, W. Bode, in: Kirchhof, EStG, § 4 Rn. 143; W. Heinicke, in: Schmidt, EStG, § 4 Rn. 340; C. Seiler, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 4 Rn. D 119. 85 W. Heinicke, Rechtsnachfolger, in: Schulze-Osterloh, DStJG 10 (1987), 99 (104); C. Trzaska lik, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 11 Rn. B 13. 86 Dieses Ergebnis ist, jedoch mit teilweise unterschiedlicher Begründung, allgemeine Mei nung, siehe bspw. BFH, Urteil v. 01.01.1972 – VIII R 118/71, BStBl. II 1972, 347 (347 f.); BFH, Urteil v. 13.05.1976 – IV R 83/75, BStBl. II 1976, 592 (594); E. Becker, StuW I 1936, Spalte 1669 (1684 ff.); E. Becker, Die Grundlagen der Einkommensteuer, S. 243; J.-H. Kister, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 11 Rn. 58; W. Heinicke, Rechtsnachfolger, in: SchulzeOsterloh, DStJG 10 (1987), 99 (110 f.); C. Seiler, in: Kirchhof, EStG, § 11 Rn. 29; C. Trzaskalik, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 11 Rn. B 13.
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3. Kap.: Steuersubjekt und Steuerobjekt im Einkommensteuerrecht
tisierten latenten Einkünfte immer von dem erwerbswirtschaftlich tätigen Steuer subjekt zu versteuern. Dies spricht für eine Anbindung an das erwerbswirtschaftlich tätige Steuersubjekt. Unterschiede ergeben sich allerdings hinsichtlich des Besteuerungszeitpunkts, obwohl die Forderung zivilrechtlich bereits mit dem Übertragungsvorgang auf das andere Steuersubjekt übergeht. Auf den ersten Blick scheinen die in einer Forde rung ruhenden konkretisierten latenten Einkünfte je nach Übertragungsvorgang verschiedentlich behandelt zu werden. Es liegt daher nahe, dass je nach Konstel lation unterschiedliche Vorgänge die Anbindung an das Steuersubjekt trennen. Bei näherer Betrachtung weisen alle Übertragungsvorgänge jedoch eine Gemeinsam keit auf. Anlass für die aktuelle Steuerpflicht ist nicht jeweils die veränderte zivil rechtliche Zuordnung, sondern die – zu je unterschiedlichen Zeitpunkten stattfin dende – wirtschaftliche Trennung der Forderung vom jeweiligen Steuersubjekt. Sei es, dass die Forderung durch Zahlung oder einen gleichwertigen Erfüllungs vorgang erlischt oder aber durch Entnahme verwirklicht wird. Die konkretisierten latenten Einkünfte sind demnach wie die stillen Reserven auch an das erwerbswirtschaftlich tätige Steuersubjekt angebunden. Sobald diese Anbindung durch (wirtschaftliche) Trennung der Forderung vom Steuersubjekt gelöst wird, sind die latenten Einkünfte zu versteuern. b) Die Anbindung an die Erwerbsgrundlage bzw. die betriebliche oder private Sphäre sowie an das nationale Besteuerungsrecht aa) Die dreiseitige Anbindung konkretisierter latenter Einkünfte der Gewinneinkunftsarten Gehört eine noch nicht realisierte Forderung zum steuerlichen Betriebsver mögen, so führt die Überführung aus der betrieblichen Sphäre des Steuersubjekts in dessen private Sphäre über die Entnahmeregelungen des § 4 Abs. 1 in Verbin dung mit § 6 Abs. 5 Satz 1 EStG zu einer aktuellen Steuerpflicht der konkretisier ten latenten Einkünfte. Diese sind daher auch an die gesamte betriebliche Sphäre des Steuersubjekts angebunden. Da nach § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG87 der Ausschluss oder die Beschränkung des nationalen Besteuerungsrechts einer Entnahme für be triebsfremde Zwecke gleichsteht, sind die konkretisierten latenten Einkünfte zu gleich auch an das nationale Besteuerungsrecht angebunden.
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Dass § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG auch im Rahmen der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG anzuwenden ist, ergibt sich bereits aus der Anwendbarkeit der Entnahmeregelung (siehe hierzu 3. Kapitel C. III. 1. a) Fn. 84). Bestätigt wird dies zudem durch § 4g Abs. 4 EStG, der für einen hieraus entstandenen Gewinn die Bildung eines Ausgleichspostens vorsieht.
C. Objektbezogene Modifikationen der Regelstruktur bei latenten Einkünften
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Die konkretisierten latenten Einkünfte sind somit wie die stillen Reserven88 drei seitig – an das Steuersubjekt, die betriebliche Sphäre und das nationale Besteue rungsrecht – angebunden. Wie dort, löst auch hier die Trennung nur einer dieser Verbindungen (z. B. durch Übertragung der zugrundeliegenden Forderung auf ein anderes Steuersubjekt oder Überführung dieser Forderung in die private Sphäre oder eine ausländische Betriebsstätte) eine aktuelle Steuerpflicht aus. bb) Die nur einseitige Anbindung konkretisierter latenter Einkünfte der Überschusseinkunftsarten (1) Keine Anbindung der latenten Einkünfte an die Erwerbsgrundlage Für einen sachlichen Anbindungspunkt konkretisierter latenter Einkünfte der Überschusseinkunftsarten spricht zunächst die starke Verknüpfung von Forderung und Erwerbsgrundlage. Denn realisiert ein Steuersubjekt eine ihm zugeordnete Forderung, so richtet sich die Zuordnung des hierdurch erzielten Markterfolgs zur Erwerbsgrundlage stets nach dem Markthandeln des Steuersubjekts. Maßgeblich ist also, welche Erwerbsgrundlage das Steuersubjekt genutzt hat, um diese Forde rung zu erzielen. Dem steht auch § 11 EStG nicht entgegen. Denn diese Vorschrift knüpft lediglich an eine bereits durch die Marktteilnahme erfolgte sachliche Zu ordnung zu einer Erwerbsgrundlage an.89 Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die Überschusseinkünfte anders als die Gewinneinkünfte kein steuerliches Betriebsvermögen kennen. Für steuerliche Zwecke ist eine im Rahmen einer Überschusseinkunftsart entstandene Forderung als solche daher (noch) unbeachtlich. Übertragungen mit steuerlicher Wirkung zwischen verschiedenen Erwerbsgrundlagen, die zur Trennung eines Anbindungs punktes führen können, kommen folglich von vornherein nicht in Betracht.90 Eine Anbindung an die Erwerbsgrundlage oder gar an die private Sphäre des Steuersub jekts scheidet daher aus.
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Siehe 3. Kapitel C. II. 1. a) dd). Vgl. H. Glenk, in: Blümich, EStG, § 11 Rn. 4. Zu § 11 Abs. 2 EStG siehe BFH, Urteil v. 20.09.2006 – I R 59/05, BStBl. II 2007, 756 (757 f.): Umzugskosten, die in Zusammenhang mit einer im Ausland ausgeübten nichtselbstständigen Tätigkeit stehen, sind unabhängig vom Abflusszeitpunkt der ausländischen Erwerbsgrundlage zuzurechnen. 90 Dies gilt auch, soweit eine solche Forderung zulässigerweise in ein Betriebsvermögen desselben Steuersubjekts eingelegt wird. Zwar ist die Forderung nun als Betriebsvermögen zu aktivieren; dies ändert allerdings nichts daran, dass diese für die Erwerbsgrundlage der betref fenden Überschusseinkunftsart steuerlich nach wie vor unbeachtlich ist und erst der tatsäch liche Zufluss zu Markteinkommen führt. 89
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3. Kap.: Steuersubjekt und Steuerobjekt im Einkommensteuerrecht
(2) Keine Anbindung an das nationale Besteuerungsrecht Die Frage, ob auch im Rahmen der Überschusseinkunftsarten eine generelle Anbindung an das nationale Besteuerungsrecht besteht, wird regelmäßig dann re levant, wenn konkretisierte latente Einkünfte während der unbeschränkten Steuer pflicht entstanden sind, das Steuersubjekt aber im Zuflusszeitpunkt mangels in ländischen Wohnsitzes nur noch beschränkt steuerpflichtig ist und diese Einkünfte entweder nicht von § 49 EStG erfasst werden oder aber aufgrund eines Doppel besteuerungsabkommens im Inland steuerfrei sind. Bestünde eine solche Anbin dung an das nationale Besteuerungsrecht, so müssten die konkretisierten latenten Einkünfte entweder in dem Zeitpunkt, in dem der nationale Besteuerungszugriff endet, oder zumindest im Zuflusszeitpunkt steuerpflichtig sein. Der das Einkommensteuergesetz durchziehende Markteinkommensgedanke legt eine inländische Besteuerung solcher Einkünfte nahe, da eine konkrete Marktteil nahme des Steuersubjekts während dessen unbeschränkter Steuerpflicht ursäch lich für diese Einkünfte war. Der Gesetzgeber hat indes einen anderen Weg gewählt und besteuert die kon kretisierten latenten Einkünfte nur dann, wenn sie als inländische Einkünfte im Sinne des § 49 EStG zu qualifizieren und abkommensrechtlich nicht steuerfrei zu belassen sind.91 Denn auch wenn die persönliche und sachliche Zuordnung dieser latenten Einkünfte der Marktteilnahme folgt und durch den tatsächlichen Zufluss nicht beeinflusst wird, ist für das Ob und Wie der Besteuerung der Zubzw. Abflusszeitpunkt maßgebend.92 Konkret sind dabei zwei Fallgestaltungen betroffen. Zum einen geht es um latente Einkünfte aus ausländischen Erwerbsgrundlagen, die bei fortbestehen der unbeschränkter Steuerpflicht über das Welteinkommensprinzip im Zeitpunkt des Zuflusses im Inland zu versteuern gewesen wären. Zum anderen sind latente Einkünfte aus inländischen Erwerbsgrundlagen, für die Deutschland aufgrund völkerrechtlicher Verträge nunmehr kein Besteuerungsrecht hat, betroffen. Letzte res ist beispielsweise dann der Fall, wenn ein bislang unbeschränkt Steuerpflich tiger seinen Wohnsitz in die Schweiz verlegt und ihm noch zum Zeitpunkt seiner unbeschränkten Steuerpflicht fällig gewordene Darlehenszinsen erst nach dem Wohnsitzwechsel zufließen. Denn nach Art. 11 DBA-Schweiz93 hat hierfür grund sätzlich der Wohnsitzstaat das ausschließliche Besteuerungsrecht. 91
Dies gilt sogar dann, wenn bei einem Wechsel der unbeschränkten zur beschränkten Steu erpflicht der Zufluss noch innerhalb des Kalenderjahres erfolgt, siehe § 2 Abs. 7 Satz 3 EStG. 92 BFH, Urteil v. 17.04.1996 – I R 78/95, BStBl. II 1996, 571 (572); BFH, Urteil v. 19.12.2001 – I R 63/00, BStBl. II 2003, 302 (303 f.). Siehe zum früheren Lohnsteuerjahres ausgleich auch BFH, Urteil v. 06.04.1984 – VI R 162/81, BStBl. II 1984, 587 (588): Grund sätzlich anzuerkennende Werbungskosten sind nur zu berücksichtigen, wenn sie auch wäh rend des Zeitraums der unbeschränkten Steuerpflicht abgeflossen sind. 93 Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eid genossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Ein
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Hinter dieser Problematik steht letztlich die Frage, wie das Zusammentreffen der Markteinkommensidee mit dem Zuflussprinzip des § 11 EStG zu lösen ist. Erstere fordert aufgrund der erwerbswirtschaftlichen Betätigung des Steuersub jekts die staatliche Teilhabe an dem hierdurch erzielten privaten Markterfolg. Das Zuflussprinzip hingegen verhindert in den konkreten Fällen eine inländische Be steuerung. Die Aufgabe, eine Regelung für die Kollision der jeweils folgerichtig weiterzudenkenden Grundentscheidungen zu treffen, obliegt dabei dem Steuer gesetzgeber. Dieser hat sich – innerhalb seines weitreichenden Gestaltungsspiel raums und daher in nicht zu beanstandender Weise – zugunsten eines Vorrangs des Zuflussprinzips entschieden. Somit ist festzuhalten, dass der deutsche Fiskus nicht generell das Besteue rungsrecht für die aufgrund inländischer Marktteilnahme entstandenen konkre tisierten latenten Einkünfte beansprucht. Ein solches steht ihm nur dann zu, wenn er im Zuflusszeitpunkt noch auf das Steuersubjekt und die betreffende Erwerbs grundlage zugreifen kann. Im Rahmen der Überschusseinkunftsarten fehlt es da her an einer generellen Anbindung der latenten Einkünfte an das inländische Besteuerungsrecht, da der Verlust des nationalen Besteuerungsrechts keine Steuer pflicht der konkretisierten latenten Einkünfte auslöst. Die konkretisierten laten ten Einkünfte der Überschusseinkunftsarten sind daher anders als bei den Ge winneinkunftsarten nicht dreiseitig, sondern nur einseitig an das Steuersubjekt angebunden. 2. Modifikationen der Grundentscheidung a) Die interpersonelle Verlagerung konkretisierter latenter Einkünfte der Gewinnereinkunftsarten durch § 6 Abs. 3 EStG Überträgt ein Steuersubjekt eine betriebliche Einheit, für die der Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelt wurde, unentgeltlich auf ein anderes Steuersubjekt, so wird durch die Entnahme der Forderung sowohl die Anbindung der konkretisier ten latenten Einkünfte an das Steuersubjekt als auch an die betriebliche Sphäre getrennt. Allerdings hilft auch hier die verfassungskonforme94 Regelung des § 6 Abs. 3 EStG über die getrennten Anbindungen hinweg und verhindert durch die interpersonelle Verlagerung eine aktuelle Steuerpflicht der konkretisierten laten ten Einkünfte.95 kommen und vom Vermögen v. 11.08.1971, BGBl. II 1972, 1022 (1026), zuletzt geändert durch Änderungsprotokoll v. 27.10.2010 BGBl. II 2011, 1092. 94 Siehe 3. Kapitel C. II. 1. b) aa) (2). 95 A. A. H. Stadie, Zurechnung von Einkünften, S. 83, wonach unter Geltung des § 7 Abs. 1 EStDV a. F. die unentgeltliche Übertragung eines Betriebes, dessen Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelt wird, nicht dazu führt, dass der Erwerber ihm später zufließende Forde rungen zu versteuern hat, sondern die Grundsätze über die Abtretung zur Anwendung kommen.
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3. Kap.: Steuersubjekt und Steuerobjekt im Einkommensteuerrecht
b) Der doppelte Regelungscharakter des § 24 Nr. 2 EStG bei der Zurechnung nachträglicher Einkünfte aa) Der Zufluss von Einkünften nach Aufgabe der Erwerbsgrundlage als Bestätigung der Grundentscheidung Nach § 24 Nr. 2 Hs. 1 EStG sind Einkünfte, die einem Steuersubjekt, nach dem es die zugehörige Erwerbsgrundlage aufgegeben hat, zufließen, noch von dem am Markt tätig gewordenen Steuersubjekt zu versteuern. Dabei begründet nicht jede irgendwie geartete Verbindung der Einkünfte zur früheren Markttätig keit eine Steuerpflicht, sondern die nachträglichen Einkünfte müssen hierauf beruhen.96 Gibt ein Steuersubjekt seine Erwerbsgrundlage auf, wirkt diese insofern fort, als die latenten Einkünfte nach wie vor an dieses Steuersubjekt angebunden sind. Soweit die entsprechende Forderung im Rahmen der Gewinneinkunftsarten nicht in das Privatvermögen entnommen oder in ein ausländisches Betriebsvermögen überführt wird, bleiben die latenten Einkünfte auch weiterhin an die betriebliche Sphäre und das nationale Besteuerungsrecht angebunden. Da in diesen Fällen keiner der oben herausgearbeiteten Anbindungspunkte97 getrennt wird, entspricht die Besteuerung der latenten Einkünfte als nachträgliche Einkünfte aus der auf gegebenen Erwerbsgrundlage im Zuflusszeitpunkt bzw. mit Bedingungseintritt der steuerlichen Grundstruktur. § 24 Nr. 2 Hs. 1 EStG hat demnach nur deklarato rischen Charakter,98 modifiziert die Grundentscheidung somit nicht, sondern ent spricht dieser. bb) Der Zufluss nachträglicher Einkünfte beim Rechtsnachfolger als Modifikation der Grundentscheidung (1) § 24 Nr. 2 Hs. 2 EStG als besteuerungslückenfüllende Vorschrift Stirbt ein Steuersubjekt, so geht die den latenten Einkünften zugrunde lie gende Forderung zivilrechtlich und wirtschaftlich auf den Rechtsnachfolger über. Obwohl die Anbindung der latenten Einkünfte an das Steuersubjekt getrennt wird, sind diese – zumindest im Rahmen der Überschusseinkunftsarten – man gels Zuflusses nicht beim Rechtsvorgänger zu versteuern. Doch auch der Rechts nachfolger verwirklicht den Steuertatbestand nicht vollständig, da es bei ihm 96
S. Geserich, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 24 Rn. C 3. Siehe 3. Kapitel C. II. 1. 98 S. Geserich, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 24 Rn. C 1; H.-J. Horn, in: Herrmann/ Heuer/Raupach, EStG, § 24 Rn. 70; R. Mellinghoff, in: Kirchhof, EStG, § 24 Rn. 1; B. Heuermann/L. Fischer, in: Blümich, EStG, § 24 Rn. 3 und 70. 97
C. Objektbezogene Modifikationen der Regelstruktur bei latenten Einkünften
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an der Marktteilnahme fehlt. Die Einkünfte werden einkommensteuerlich somit nicht erfasst.99 Diese Besteuerungslücke soll § 24 Nr. 2 Hs. 2 EStG schließen, wonach die nach träglichen Einkünfte auch dann als Einkünfte im Sinne des § 2 Abs. 1 EStG an zusehen sind, wenn sie dem Rechtsnachfolger zufließen. In seiner lückenfüllenden Funktion kann § 24 Nr. 2 Hs. 2 EStG indes nur eingreifen, wenn im Zufluss zeitpunkt bzw. bei Bedingungseintritt eine Besteuerung beim Rechtsvorgänger nicht mehr möglich ist.100 Soweit – wie beispielsweise bei der unentgeltlichen For derungsabtretung im Rahmen einer Überschusseinkunftsart101 – der tatsächliche Zufluss beim Rechtsnachfolger als steuerlicher Zufluss beim Rechtsvorgänger zu werten ist, kommt diese Vorschrift folglich nicht zur Anwendung.102 Entsprechen des gilt, soweit latente Einkünfte über die Entnahmevorschriften noch vom Rechts vorgänger versteuert werden oder über § 6 Abs. 3 EStG bereits beim Rechtsnach folger zu erfassen sind.103 § 24 Nr. 2 Hs. 2 EStG kann daher nur bei einem zeitlich nach dem Tod des Rechtsvorgängers liegenden Zufluss beim Gesamt- oder Einzel rechtsnachfolger zur Anwendung kommen.104 (2) Der Übergang latenter Einkünfte auf den Rechtsnachfolger § 24 Nr. 2 Hs. 2 EStG ordnet die latenten Einkünfte abweichend vom all gemeinen Grundsatz nicht dem erwerbswirtschaftlich tätigen Steuersubjekt zu, sondern schließt die entstandene Besteuerungslücke durch eine Steuerpflicht die ser Einkünfte beim Rechtsnachfolger.105 Der teilweise vertretenen Ansicht, dass 99
FG Hamburg, Urteil v. 09.02.1988 – I 425/85, EFG 1988, 365 (365); S. Geserich, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 24 Rn. C 45; H.-J. Horn, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 24 Rn. 96; R. Mellinghoff, in: Kirchhof, EStG, § 24 Rn. 44; L. Ring, DStZ 1981, 24 (27); H. Stadie, Zurechnung von Einkünften, S. 74 f. 100 H.-J. Horn, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 24 Rn. 103; S. Geserich, in: Kirchhof/ Söhn/Mellinghoff, EStG, § 24 Rn. C 67. 101 Siehe 3. Kapitel C. III. 1. a). 102 S. Geserich, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 24 Rn. C 67; H.-J. Horn, in: Herr mann/Heuer/Raupach, EStG, § 24 Rn. 103; R. Wacker, in: Schmidt, EStG, § 24 Rn. 66 f.; W. Heinicke, Rechtsnachfolger, in: Schulze-Osterloh, DStJG 10 (1987), 99 (109, 115); R. Mellinghoff, in: Kirchhof, EStG, § 24 Rn. 44. Enger T. Birtel, Die Zeit im Einkommensteuerrecht, S. 82 f., der willkürliche Einkünfteverlagerungen durch eine einschränkende, nur auf den Gesamtrechts nachfolger bezogene Auslegung des Begriffs „Rechtsnachfolger“ verhindern will. 103 F. Friz, Erbschaft- und Schenkungsteuer, S. 65 ff. 104 W. Heinicke, Rechtsnachfolger, in: Schulze-Osterloh, DStJG 10 (1987), 99 (113 ff.); H.J. Horn, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 24 Rn. 103; R. Mellinghoff, in: Kirchhof, EStG, § 24 Rn. 46; R. Wacker, in: Schmidt, EStG, § 24 Rn. 66. 105 G. Crezelius, BB 1979, 1342 (1345); F. Friz, Erbschaft- und Schenkungsteuer, S. 65 ff.; S. Geserich, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 24 Rn. C 45; H.-J. Horn, in: Herrmann/ Heuer/Raupach, EStG, § 24 Rn. 96; H. Stadie, Zurechnung von Einkünften, S. 75; B. Heuermann/L. Fischer, in: Blümich, EStG, § 24 Rn. 75a; R. Wacker, in: Schmidt, EStG, § 24 Rn. 68.
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3. Kap.: Steuersubjekt und Steuerobjekt im Einkommensteuerrecht
diese Vorschrift keine Zurechnungsfragen beantworte, sondern nur das im Ein kommensteuergesetz niedergelegte Abschnittsprinzip durchbreche und die laten ten Einkünfte daher in der letzten Veranlagung des Erblassers zu erfassen seien,106 kann nicht gefolgt werden. Denn der Wortlaut spricht davon, dass „zu den Ein künften im Sinne des § 2 Absatz 1 […] auch Einkünfte [gehören] […], wenn sie dem Steuerpflichtigen als Rechtsnachfolger zufließen“.107 Damit kommt zwei felsfrei zum Ausdruck, dass die Einkünfte auch dann vom „Steuerpflichtigen“ zu versteuern sind, wenn er diese nicht originär erwirtschaftet hat, sondern lediglich Rechtsnachfolger ist. Eine solche Interpretation ermöglicht auch keine willkür lichen Einkünfteverlagerungen zwischen verschiedenen Steuersubjekten,108 denn § 24 Nr. 2 Hs. 2 EStG kommt – wie ausgeführt – nur ein enger Anwendungsbereich zu. In der Bezeichnung des Rechtsnachfolgers als Steuerpflichtigen nur einen Hin weis auf dessen generelle Steuerpflicht zu sehen, greift daher zu kurz.109 Dieser Auslegung stehen auch gleichheitsrechtliche Erwägungen nicht ent gegen. So ergeben sich zwar für betriebliche Forderungen im Rahmen der Ge samtrechtsnachfolge, je nachdem ob der Gewinn durch Bestandsvergleich oder durch Einnahme-Überschuss-Rechnung ermittelt wird, unterschiedliche Ergeb nisse. Denn im ersten Fall ist der Realisationszeitpunkt maßgebend, so dass die Einkünfte noch dem Rechtsvorgänger zuzurechnen sind. Bei der Gewinnermitt lung nach § 4 Abs. 3 EStG ist hingegen der Zuflusszeitpunkt entscheidend, so dass bei der dargestellten Interpretation über § 24 Nr. 2 Hs. 2 EStG die Einkünfte einem anderen Steuersubjekt zuzurechnen wären. Die Art der Gewinnermittlung scheint damit Auswirkungen auf die Einkünftezurechnung zu haben. Dies spricht zunächst dafür, die latenten Einkünfte in der letzten Erblasserveranlagung zu er fassen, um gleiche Ergebnisse zu erreichen. Bei Lichte betrachtet erweist sich diese Sichtweise jedoch als verkürzt. Denn ein Betriebsübergang führt – wegen der getrennten Anbindung an das Steuersubjekt und dessen betrieblicher Sphäre – unabhängig von der Gewinnermittlungsart im Grundsatz zur Aufdeckung aller latenten Einkünfte.110 Lediglich der verfassungskonforme § 6 Abs. 3 EStG ver hindert in diesen Fällen eine sofortige Realisierung111 und ordnet die latenten Ein künfte abweichend zu. Die Zuordnung zu unterschiedlichen Steuersubjekten ist 106 So E. Biergans, FR 1982, 525 (530); E. Biergans, Einkommensteuer und Steuerbilanz, S. 977 f.; C. Trzaskalik, StuW 1979, 97 (108 ff.); R. Vogt, Rechtsnachfolge, S. 107 ff.; C. Wasmer, Zurechnung, S. 45 f. 107 FG Hamburg, Urteil v. 09.02.1988 – I 425/85, EFG 1988, 365 (366); F. Friz, Erbschaft- und Schenkungsteuer, S. 66; W. Heinicke, Rechtsnachfolger, in: Schulze-Osterloh, DStJG 10 (1987), 99 (103); H.-J. Horn, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 24 Rn. 96; H. Ruppe, Einkom mensteuerrechtliche Positionen bei Rechtsnachfolge, in: Schulze-Osterloh, DStJG 10 (1987), 45 (57). 108 A. A. E. Biergans, Einkommensteuer und Steuerbilanz, S. 978; R. Vogt, Rechtsnachfolge, S. 108 f. 109 So aber C. Trzaskalik, StuW 1979, 97 (109); ähnlich R. Vogt, Rechtsnachfolge, S. 108. 110 Siehe 3. Kapitel C. II. 1 b) aa) (1). 111 Zur a. A. siehe C. III. 2. a) Fn. 95.
C. Objektbezogene Modifikationen der Regelstruktur bei latenten Einkünften
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somit Folge einer bewussten gesetzgeberischen Entscheidung zur Buchwertfort führung und folgt nicht aus § 24 Nr. 2 Hs. 2 EStG.112 Eine abweichende (verfas sungskonforme) Auslegung dahingehend, dass nach § 24 Nr. 2 Hs. 2 EStG die letzte Erblasserveranlagung zu korrigieren ist, ist demnach – sofern man die von den verschiedenen Gewinnermittlungsarten hervorgebrachten unterschiedlichen Ergebnisse nicht bereits als systemimmanent ansieht – auch gleichheitsrechtlich nicht geboten.113 Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass die konkretisierten latenten Ein künfte nach § 24 Nr. 2 Hs. 2 EStG dem Rechtsnachfolger zuzurechnen und von diesem bei Zufluss zu versteuern sind. (3) Rechtfertigung der Ausnahmeregelung § 24 Nr. 2 Hs. 2 EStG weicht, da die konkretisierten latenten Einkünfte nicht dem am Markt teilnehmenden, sondern einem anderen Steuersubjekt, dem Rechts nachfolger, zugerechnet werden, von der gesetzgeberischen Grundentscheidung ab und bedarf folglich der Rechtfertigung. Allerdings können anders als bei § 6 Abs. 3 EStG Gemeinwohlinteressen nicht zur Rechtfertigung herangezogen werden, da § 24 Nr. 2 Hs. 2 EStG nicht dem Fortbestand einer betrieblichen Einheit dient. Würde man auf den tatsächlichen Zufluss abstellen und jeweils den letzten Steuerbescheid des Rechtsvorgängers korrigieren, wären zudem stets ausreichende liquide Mittel zur Steuerzahlung vorhanden. Indes lassen sich für den von § 24 Nr. 2 Hs. 2 EStG angeord neten Übergang konkretisierter latenter Einkünfte auf andere Steuersubjekte ver waltungsverfahrensrechtliche Aspekte anführen. Wäre stets im Zuflusszeitpunkt die letzte Erblasserveranlagung zu korrigieren, würde dies je nach Sachverhalt mehrmalige Änderungsbescheide erfordern und zudem die materielle Bestands kraft des Steuerbescheids weit in die Zukunft verschieben. Dieses Problem in tensiviert sich insbesondere bei Dauerschuldverhältnissen und wäre insoweit kaum praktikabel handhabbar.114 Werden die nachträglichen Einkünfte allerdings im Zuflusszeitpunkt beim Rechtsnachfolger erfasst, tritt hierdurch ein enormer Vereinfachungseffekt ein und zugleich erübrigt sich eine Abgrenzung zwischen 112 Diesen Vorrang der Buchwertfortführung nach § 6 Abs. 3 EStG und dessen Verhältnis zum besteuerungslückenschließenden § 24 Nr. 2 Hs. 2 EStG lässt der BFH, Urteil v. 29.04.1993 – IV R 16/92, BStBl. II 1993, 716 (717) in seiner im Ergebnis zutreffenden Entscheidung aller dings außer Acht, vgl. F. Friz, Erbschaft- und Schenkungsteuer, S. 66 Fn. 172. 113 Allerdings begründen E. Biergans, Einkommensteuer und Steuerbilanz, S. 978 und C. Trzaskalik, StuW 1979, 97 (109) die Zurechnung der nachträglichen Einkünfte zum Rechts vorgänger unter anderem damit, dass die Art der Gewinnermittlung keinen Einfluss auf die personale Zurechnung haben darf. 114 F. Friz, Erbschaft- und Schenkungsteuer, S. 68; W. Heinicke, Rechtsnachfolger, in: SchulzeOsterloh, DStJG 10 (1987), 99 (104).
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3. Kap.: Steuersubjekt und Steuerobjekt im Einkommensteuerrecht
originären Einkünften des Rechtsnachfolgers und nachträglichen Einkünften des Rechtsvorgängers. § 24 Nr. 2 Hs. 2 EStG lässt sich somit aus Vereinfachungsgrün den rechtfertigen.115
IV. Die Zurechnung aufschiebend bedingter latenter Einkünfte bei Auseinanderfallen von Marktteilnahme und Realisation 1. Grundsatz der Zurechnung aufschiebend bedingter latenter Einkünfte Den aufschiebend bedingten Einkünften liegt wie den konkretisierten laten ten Einkünften, aber anders als den stillen Reserven, bereits ein konkretes Markt handeln durch ein Steuersubjekt zugrunde. Im Unterschied zu den konkretisierten latenten Einkünften ist der Anspruch auf die Gegenleistung bei den aufschiebend bedingten latenten Einkünften aber noch vom Eintritt einer – in der Regel vertrag lich vereinbarten – Bedingung abhängig. Aufschiebend bedingte latente Einkünfte können demnach nur im Zeitraum zwischen Marktteilnahme und Bedingungseintritt vorliegen. Denn tritt diese Be dingung ein, so wird aus dem aufschiebend bedingten Anspruch ein unbedingter. Im Anwendungsbereich der Zuflussregelung des § 11 EStG werden die bislang aufschiebend bedingten latenten Einkünfte nun zu konkretisierten latenten Ein künften, die bei den Gewinneinkunftsarten dreiseitig und bei den Überschussein kunftsarten einseitig angebunden sind. Bei der Gewinnermittlung durch Bestands vergleich tritt durch den Bedingungseintritt bereits eine steuerliche Realisation des Markterfolges ein, da der nunmehr unbedingt gewordene Anspruch in diesem Zeit punkt erstmals in der Bilanz des am Markt tätig gewordenen Steuersubjekts aus zuweisen und auch entsprechend zu bewerten ist.116 Insoweit können daher allen falls nach dem Bedingungseintritt eingetretene Wertveränderungen zu dreiseitig angebundenen stillen Reserven führen. Die Frage der Anbindung aufschiebend bedingter latenter Einkünfte stellt sich somit nur ab dem Zeitpunkt des konkreten Markthandelns bis zum Bedingungs eintritt. Allerdings unterscheiden sich die Anbindungspunkte der aufschiebend bedingten latenten Einkünfte letztlich nicht von den Anbindungspunkten nach Bedingungseintritt.
115 Die durch diesen Übergang latenter Einkünfte auf den Rechtsnachfolger möglicherweise entstehende Doppelbelastung mit Einkommen- und Erbschaftsteuer bedarf allerdings einer eigenständigen Rechtfertigung. Zu dieser Problematik mit einfachgesetzlichen Lösungsmög lichkeiten F. Friz, Erbschaft- und Schenkungsteuer, S. 75 ff. und S. 103 ff. 116 C. Wasmer, Zurechnung, S. 33 f.
C. Objektbezogene Modifikationen der Regelstruktur bei latenten Einkünften
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So kann der aufschiebend bedingte Anspruch auch im Bereich der Gewinnein kunftsarten mit gewinnrealisierender Wirkung veräußert, aus dem Betriebsvermö gen entnommen oder einer ausländischen Betriebsstätte zugeordnet werden. Denn das Realisationsprinzip verhindert lediglich den bilanziellen Ausweis bis zum Be dingungseintritt, nicht jedoch die auf der Marktteilnahme beruhende Zuordnung zum steuerlichen Betriebsvermögen des Steuersubjekts.117 Daher sind die auf schiebend bedingten latenten Einkünfte ebenfalls dreiseitig – an das Steuersubjekt, dessen betriebliche Sphäre und das nationale Besteuerungsrecht – angebunden.118 Im Bereich der Überschusseinkunftsarten sind die aufschiebend bedingten la tenten Einkünfte nur an das Steuersubjekt, nicht jedoch an die private Sphäre oder das nationale Besteuerungsrecht angebunden. Denn wie eine den konkre tisierten latenten Einkünften zugrundeliegende Forderung ist auch der aufschie bend bedingte Anspruch als solcher steuerlich noch unbeachtlich, weshalb zur Steuerpflicht führende Übertragungen zwischen verschiedenen Erwerbsgrund lagen nicht in Betracht kommen, eine Anbindung an die jeweilige Erwerbsgrund lage daher ausscheiden muss.119 Auch beansprucht der Gesetzgeber nicht generell die Besteuerung der aufgrund inländischer Marktteilnahme entstandenen auf schiebend bedingten latenten Einkünfte. Eine aktuelle Steuerpflicht der aufschie bend bedingten latenten Einkünfte wird vielmehr ausschließlich durch eine wirt schaftliche Trennung des aufschiebend bedingten Anspruchs vom Steuersubjekt ausgelöst. 2. Modifikationen der Grundentscheidung Die aufschiebend bedingten latenten Einkünfte sind wegen der Unsicherheit, ob trotz des konkreten Markthandelns auch ein Markterfolg eintritt, zwar von an derer Qualität als die latenten Einkünfte der anderen Fallgruppen. Dennoch kom men auch hier die Buchwertfortführungsregelung des § 6 Abs. 3 EStG und die Vorschrift des § 24 Nr. 2 Hs. 2 EStG über den Zufluss nachträglicher Einkünfte beim Rechtsnachfolger zur Anwendung. Beide modifizieren jeweils die gesetz geberische Grundentscheidung für die dreiseitige bzw. einseitige Anbindung der aufschiebend bedingten latenten Einkünfte der Gewinn- bzw. Überschussein kunftsarten und ermöglichen dadurch – verfassungsrechtlich zulässig – eine inter personelle Verlagerung der aufschiebend bedingten latenten Einkünfte. 117
C. Wasmer, Zurechnung, S. 33. Dies gilt auch, wenn der Gewinn durch Überschuss der Betriebseinnahmen über die Be triebsausgaben nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelt wird. Zwar ist in diesen Fällen der Bedingungs eintritt für die steuerliche Realisation unbeachtlich, da es nach § 11 Abs. 1 EStG nur auf den tatsächlichen Zufluss ankommt. Allerdings gehört der aufschiebend bedingte Anspruch auch hier bereits zum steuerlichen Betriebsvermögen, so dass bereits eine gewinnrealisierende Veräußerung, Entnahme oder Zuordnung zu einer ausländischen Betriebsstätte möglich ist. 119 Siehe 3. Kapitel C. III. 1. b) bb) (1). 118
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3. Kap.: Steuersubjekt und Steuerobjekt im Einkommensteuerrecht
3. Die Besteuerung der Hinterbliebenenbezüge als nur scheinbare Modifikation der Grundentscheidung Erwirbt ein Steuersubjekt während seiner Markttätigkeit Pensions- oder Ren tenansprüche, so muss er diese aufschiebend bedingten latenten Einkünfte im Realisationszeitpunkt als gewerbliche (§ 15 Abs. 1 Satz 2 EStG) oder selbständige bzw. im Zuflusszeitpunkt als nichtselbständige (§ 19 Abs. 1 Nr. 2 EStG) oder sons tige Einkünfte (§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG) versteuern. Stirbt das Steuersubjekt und erhalten nun die Hinterbliebenen120 von dessen Mit unternehmerschaft, dessen früheren Arbeitgeber oder aufgrund von Einzahlun gen des Verstorbenen in die Rentenkasse Leistungen, so richtet sich die Besteue rung dieser Hinterbliebenenbezüge gleichfalls nach § 15 Abs. 1 Satz 2 EStG, § 19 Abs. 1 Nr. 2 EStG („Witwen- und Waisengelder“) bzw. nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG. Die Hinterbliebenenbezüge sind hiernach von den Hinterbliebe nen selbst als gewerbliche, selbständige, nichtselbständige oder sonstige Einkünfte zu versteuern. Diese aufschiebend bedingten latenten Einkünfte scheinen somit abweichend von der Grundstruktur vom Verstorbenen auf die Hinterbliebenen überzugehen, weshalb die Besteuerung bei Letzteren rechtfertigungsbedürftig wäre. Bei genauerer Betrachtung zeichnet sich aber ein anderes Bild. Zivilrecht lich hatte zunächst der Verstorbene einen eigenen Anspruch auf die Altersbezüge. Dieser Anspruch geht aber nicht auf die Hinterbliebenen über, sondern erlischt mit seinem Tod.121 Zeitgleich entsteht dann ein eigenständiger Anspruch in der Person des Hinterbliebenen.122 Das Steuerrecht übernimmt, wie die oben ange führten Vorschriften zeigen, diese Wertungen.123 Bei den Hinterbliebenen ent steht dadurch eine neue Erwerbsgrundlage, die nicht mit der des Verstorbenen identisch ist. Es liegen somit originäre Einkünfte der Hinterbliebenen vor. Konse quenterweise sind diese dann den Hinterbliebenen selbst und nicht dem Verstor benen zuzurechnen.124 Da die Hinterbliebenen keinen Anspruch des Verstorbenen geltend machen, sondern ihnen die Leistungen aus eigenem Recht zufließen, kommt es zu keiner 120 Dies sind in der Regel der Ehegatte und die Kinder des Verstorbenen, die nicht zwangs läufig auch zivilrechtliche Gesamtrechtsnachfolger sein müssen, vgl. H. Pflüger, in: Herrmann/ Heuer/Raupach, EStG, § 19 Rn. 312. 121 Zur Regelaltersrente siehe G. Roßbach, in: Kreikebohm, SGB, § 35 SGB VI Rn. 16. 122 Siehe bspw. § 46 Abs. 1 SGB VI („Witwen oder Witwer […] haben nach dem Tod des versicherten Ehegatten Anspruch auf kleine Witwenrente oder kleine Witwerrente“) und § 48 Abs. 1 SGB VI („Kinder haben nach dem Tod eines Elternteils Anspruch auf Halb waisenrente“). 123 E. Biergans, Zur personellen Zurechnung latenter Einkünfte, in: Raupach/Uelner, Fest schrift Schmidt, 75 (84 f.). Siehe auch BFH, Urteil v. 16.09.2004 – X R 29/02, BStBl. II 2006, 234 (236): Die Hinterbliebenenrente stellt steuerlich eine eigenständige Rente dar. 124 E. Biergans, FR 1982, 525 (526 f.).
C. Objektbezogene Modifikationen der Regelstruktur bei latenten Einkünften
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interpersonellen Verlagerung aufschiebend bedingter latenter Einkünfte.125 Inso weit entsprechen die Regelungen der einkommensteuerlichen Grundstruktur. Nun stellt sich aber das Folgeproblem, dass die Hinterbliebenen eigene Ein künfte zu versteuern haben, obwohl nicht sie selbst, sondern der Verstorbene un mittelbar am Markt tätig geworden ist. § 2 Abs. 1 EStG macht die Besteuerung allerdings davon abhängig, dass das Steuersubjekt den Handlungstatbestand ver wirklicht. Es könnte demnach am Rechtfertigungsgrund für einen Steuerzugriff bei den Hinterbliebenen fehlen. Bei genauerer Betrachtung der Marktteilnahme des Steuersubjekts zeigt sich jedoch, dass diese nicht lediglich eigennützigen Zwecken dient, sondern gleichzeitig ein fremdnütziges Element beinhaltet. Denn das Markthandeln erfolgt nicht nur, um ein eigenes Anwartschaftsrecht auf die Altersbezüge zu erwerben, sondern durch diese sollen auch die nächsten An gehörigen eine eigene Anwartschaft auf Hinterbliebenenbezüge erhalten, um im Todesfall abgesichert zu sein. Diese wesensmäßige Fremdnützigkeit des Markt handelns legt eine wertende Betrachtung dahingehend nahe, dass das Markthan deln des Verstorbenen den Hinterbliebenen zuzurechnen ist. Bei Lichte betrachtet gehen die aus der Erwerbsgrundlage der Hinterbliebenen erzielten Einkünfte so mit auf eine stellvertretend vom Verstorbenen vorgenommene und damit eigene Markttätigkeit der Hinterbliebenen zurück. Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass die im Einkommensteuerge setz normierte Besteuerung der Hinterbliebenenbezüge weder eine interpersonelle Verlagerung aufschiebend bedingter latenter Einkünfte bewirkt, noch den Hinter bliebenen Einkünfte ohne eigenes Markthandeln zugerechnet werden. Die Besteue rung der Einkünfte bei den Hinterbliebenen entspricht vielmehr der einkommen steuerlichen Grundsystematik und ist infolgedessen nicht rechtfertigungsbedürftig.
V. Gemeinsamkeiten der objektbezogenen Modifikationen Die §§ 6 Abs. 3, 17 Abs. 2 Satz 6, 20 Abs. 4 Satz 6, 23 Abs. 1 Satz 3 und 24 Nr. 2 Hs. 2 EStG ermöglichen alle die interpersonelle Verlagerung latenter Ein künfte. Bei oberflächlicher Betrachtung scheinen die Vorschriften keine Gemein samkeiten aufzuweisen, da sie jeweils unterschiedliche Sachverhalte und teilweise auch unterschiedliche latente Einkünfte betreffen. So erfasst § 6 Abs. 3 EStG alle latenten Einkünfte der Gewinneinkunftsarten, während die §§ 17 Abs. 2 Satz 6, 20 Abs. 4 Satz 6, 23 Abs. 1 Satz 3 EStG nur stille Reserven der jeweiligen Einkunfts art betreffen und § 24 Nr. 2 Hs. 2 EStG im Grundsatz nur konkretisierte und auf schiebend bedingte latente Einkünfte betrifft. 125
Aus diesem Grund ist § 15 Abs. 1 Satz 2 EStG, soweit er auf § 24 Nr. 2 Hs. 2 EStG Bezug nimmt, systematisch unzutreffend. Denn § 24 Nr. 2 Hs. 2 EStG erfasst grundsätzlich nur Fälle, in denen der Zufluss einer noch beim Verstorbenen begründeten Forderung beim Rechtsnachfolger erfolgt, trifft aber keine Aussagen zur Besteuerung originärer Ansprüche des Hinterbliebenen.
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3. Kap.: Steuersubjekt und Steuerobjekt im Einkommensteuerrecht
Bei näherer Betrachtung zeigt sich jedoch, dass allen Vorschriften, die abwei chend von der Grundstruktur latente Einkünfte auf andere Steuersubjekte verlagern, derselbe Gedanke zugrunde liegt. So ist in allen Fällen eine willkürliche interper sonelle Verlagerung ausgeschlossen. Es bedarf hingegen stets eines unentgeltlichen Rechtsnachfolgefalls zwischen Markthandeln und Erfolgseintritt. Dieser allein ge nügt indes nicht. So unterbleibt eine interpersonelle Verlagerung der latenten Ein künfte beispielsweise dann, wenn ein einzelnes Wirtschaftsgut in das Betriebsver mögen eines anderen Steuersubjekts übertragen wird. Denn beim Empfänger ist dieses einzelne Wirtschaftsgut – unabhängig von der Behandlung beim übertragen den Steuersubjekt126 – nach § 6 Abs. 4 EStG mit dem gemeinen Wert anzusetzen, so dass diesem die bisherigen stillen Reserven jedenfalls nicht zugeordnet werden. Vielmehr ist eine interpersonelle Verlagerung noch von einem besonderen sach lichen Grund abhängig. Derzeit kommt bei unentgeltlichen Rechtsnachfolgefällen eine interpersonelle Verlagerung latenter Einkünfte nach dem Willen des Gesetz gebers nur aus zwei (besonderen) Gründen in Betracht. Entweder muss durch eine sofortige Steuerpflicht der latenten Einkünfte der Erhalt der Erwerbsgrundlage ge fährdet sein (§§ 6 Abs. 3, 17 Abs. 2 Satz 6, 20 Abs. 4 Satz 6, 23 Abs. 1 Satz 3 EStG) oder aber die Besteuerung beim Rechtsnachfolger einer Vereinfachung der prakti schen Rechtsanwendung dienen (§ 24 Nr. 2 Hs. 2 EStG).
D. Subjektbezogene Modifikationen der Regelstruktur I. Die Gemeinschaft zweier Steuersubjekte im Rahmen der Ehegattenveranlagung 1. Technische Ausgestaltung und materielle Wirkung der Zusammenveranlagung Nach den §§ 26 Abs. 1 und 26b EStG haben Ehegatten127 unter weiteren Voraus setzungen die Möglichkeit zur Zusammenveranlagung. Rechtsfolge ist zum einen die Zusammenfassung der Einkünfte der Ehegatten und zum anderen die Anwendung des Splittingtarifs nach § 32a Abs. 5 EStG. Ma teriell-rechtlich bleiben die Ehegatten aber eigenständige Steuersubjekte. Zwar spricht § 26b EStG davon, die Ehegatten als einen Steuerpflichtigen zu behan deln. Diese „Zusammenfassung“ der Ehegatten steht, wie durch die Verwendung 126 Beim übertragenden Steuersubjekt liegt je nach Anlass entweder eine gewinnrealisierende Entnahme oder aber eine – gegebebenfalls dem Abzusgverbot des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG unterliegende – Betriebsausgabe vor, E. Kulosa, in: Schmidt, EStG, § 6 Rn. 675; T. Ehmcke, in: Blümich, EStG, § 6 Rn. 1267. 127 Zur Verfassungswidrigkeit des Ausschlusses eingetragener Lebenspartnerschaften vom Ehegattensplitting siehe BVerfG, Beschluss v. 07.05.2013 – 2 BvR 909, 1981/06, 288/07, DStR 2013, 1228.
D. Subjektbezogene Modifikationen der Regelstruktur
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der Konjunktion „sodann“ deutlich wird, zeitlich aber nach der Zusammen- und Zurechnung der Einkünfte. Auch wenn § 26b EStG von der gemeinsamen Zurech nung der Einkünfte spricht, meint dieser damit nicht die Zurechnung eines Steuer objekts zu einem einheitlichen Steuersubjekt „eheliche Gemeinschaft“, sondern vielmehr die „Zuordnung“ der im vorherigen Rechenschritt zu einer Besteuerungs größe zusammengeführten Einkünfte der Einzelpersonen zu den Ehegatten.128 Diese individualistische Betrachtung zeigt sich auch auf Rechtsfolgenseite. So kann durch eine Aufteilung der aus dieser materiell-rechtlichen Verbundenheit fol genden Gesamtschuld die Vollstreckung auf den individuellen Anteil an der gesam ten Steuerschuld erreicht werden (§ 268 AO). Materielle Wirkung entfaltet die Zusammenveranlagung aber nicht nur auf Ebene der Bemessungsgrundlage und des Steuersatzes, sondern auch auf Ebene des Steuerobjekts. So kann beispielsweise ein noch nicht verbrauchter SparerPauschbetrag nach § 20 Abs. 9 Satz 3 EStG vom anderen Ehegatten genutzt werden. 2. Art. 6 Abs. 1 GG als externe Vergleichsgröße einer leistungsfähigkeitsgerechten Besteuerung Soweit über die Zusammenveranlagung die Beziehung zum Ehegatten inner halb des Steuertatbestandes berücksichtigt wird, fehlt es an einer vollständigen In dividualbesteuerung. Da – ausgehend von den §§ 1 und 2 EStG – das geltende Ein kommensteuerrecht auf die einzelne natürliche Person zugeschnitten ist, bedarf § 26 EStG – insbesondere im Hinblick auf eine folgerichtige Umsetzung – einer genauen Betrachtung. Für diese Beurteilung spielt Art. 6 Abs. 1 GG eine entscheidende Rolle. Dieser enthält sowohl ein Grundrecht auf Schutz vor Eingriffen des Staates als auch eine In stitutsgarantie.129 Steuerrechtlich bedeutsam ist diese Bestimmung aber vor allem als wertentscheidende Grundsatznorm, wonach „Ehe und Familie als die Keimzelle je der menschlichen Gemeinschaft, deren Bedeutung mit keiner anderen menschlichen Bindung verglichen werden kann, unter den besonderen Schutz der staatlichen Ord nung [gestellt sind]“.130 Für den Staat folgt hieraus sowohl ein Beeinträchtigungs verbot als auch ein Gebot zum Schutz und zur Förderung von Ehe und Familie.131 128
S. Schneider, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 26b Rn. B 41. BVerfG, Beschluss v. 18.04.1989 – 2 BvR 1169/84, BVerfGE 80, 81 (92). 130 BVerfG, Beschluss v. 17.01.1957 – 1 BvL 4/54 (Haushaltsbesteuerung), BVerfGE 6, 55 (71). 131 BVerfG, Beschluss v. 17.01.1957 – 1 BvL 4/54 (Haushaltsbesteuerung), BVerfGE 6, 55 (76); BVerfG, Urteil v. 17.07.2002 – 1 BvF 1, 2/01, BVerfGE 105, 313 (346); R. Mellinghoff, Verfassungsrechtliche Maßstäbe für die Besteuerung von Ehe und Familie, in: Deutsche Sek tion der Internationalen Juristen-Kommission, Grundrechtsschutz im Steuerrecht, 39 (43 f.). Art. 6 Abs. 1 GG enthält jedoch kein Gebot, andere Lebensformen gegenüber der Ehe zu be nachteiligen, BVerfG, Urteil v. 17.07.2002 – 1 BvF 1, 2/01, BVerfGE 105, 313 (348); BVerfG, Beschluss v. 21.07.2010 – 1 BvR 611, 2464/07, BVerfGE 126, 400 (420 f.). 129
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3. Kap.: Steuersubjekt und Steuerobjekt im Einkommensteuerrecht
Der Gesetzgeber ist demnach zu einer ehe- und familiengerechten Ausgestaltung des Steuerrechts verfassungsrechtlich verpflichtet.132 Hinsichtlich der konkreten Aus gestaltung steht ihm dabei ein weiter Gestaltungsspielraum zu, der aber Beschrän kungen durch das genannte Beeinträchtigungsverbot auf der einen Seite und das Förder- und Schutzgebot auf der anderen Seite erfährt.133 Mit § 26b EStG setzt der Gesetzgeber dieses von Art. 6 Abs. 1 GG verbürgte und der einzelnen natürlichen Person134 zustehende Recht auf Gemeinschafts schutz135 um, indem er die Individualbesteuerung materiell-rechtlich verbindet. Damit weicht er zwar vom Individualsteuerprinzip ab, sorgt durch die Würdigung der Ehe als Erwerbsgemeinschaft136 im Ergebnis aber für eine leistungsfähigkeits gerechte Besteuerung des einzelnen Ehegatten.137
II. Die gemeinsame Marktteilnahme mehrerer Personen über die Mitunternehmerschaft 1. Die steuersystematische Stellung der Mitunternehmerschaft im Einkommensteuerrecht Schließen sich mehrere Personen zur Erzielung von Einkünften in einer Per sonengesellschaft zusammen, so wird aus zivilrechtlicher Sicht die Personengesell schaft selbst erwerbswirtschaftlich tätig und erzielt dadurch eigenes Einkommen. Das Steuerrecht weicht indes von dieser zivilrechtlichen Struktur zumindest teil weise ab. Zwar findet die Mitunternehmerschaft, die sich von der vermögensver waltenden Personengesellschaft durch ein eigenes Betriebsvermögen unterschei det,138 in § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG Erwähnung.139 Die Mitunternehmerschaft 132 BVerfG, Urteil v. 03.11.1982 – 1 BvR 620, 1335/78, 1104/79, 363/80, BVerfGE 61, 319 (343 f.); BVerfG, Beschluss v. 17.10.1984 – 1 BvR 527/80, 528/81, 441/82, BVerfGE 68, 143 (152 f.); BVerfG, Beschluss v. 22.03.1990 – 2 BvL 1/86, BVerfGE 81, 363 (376). 133 A. Uhle, in: Epping/Hillgruber, GG, Art. 6 Rn. 35. 134 B. Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 6 Rn. 12; H. Sodan, in: Sodan, GG, Art. 6 Rn. 7; A. Uhle, in: Epping/Hillgruber, GG, Art. 6 Rn. 21. 135 C. von Coelln, in: Sachs, GG, Art. 6 Rn. 19. 136 P. Kirchhof, Gutachten für den 57. Deutschen Juristentag, F 69 ff.; R. Mellinghoff, Ver fassungsrechtliche Maßstäbe für die Besteuerung von Ehe und Familie, in: Deutsche Sektion der Internationalen Juristen-Kommission, Grundrechtsschutz im Steuerrecht, 39 (63); R. Mellinghoff, Beihefter zu DStR 20–21 2003, 3 (12); C. Seiler, Gutachten zum 66. Deutschen Juris tentag, F 36. 137 Entsprechendes gilt, soweit für Kinder im Rahmen des Familienleistungsausgleichs (§§ 31 und 32 EStG) der Kinderfreibetrag sowie der Freibetrag für Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf gewährt werden und hierdurch die den Kindern gegenüber bestehende Un terhaltsverpflichtung berücksichtigt wird. 138 J. Hennrichs, § 10, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, Rn. 26. 139 Über § 13 Abs. 7 EStG und § 18 Abs. 4 Satz 2 EStG gelten die dortigen Grundsätze ent sprechend für eine land- und forstwirtschaftlich bzw. freiberuflich tätige Personengesellschaft.
D. Subjektbezogene Modifikationen der Regelstruktur
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ist – was aufgrund der zivilrechtlichen Rechtslage naheliegen würde – dennoch nie Schuldner der Einkommensteuer und kann damit auch kein Steuersubjekt sein. Selbst bei gemeinsamer Marktteilnahme ergeben sich somit keine grundsätzlichen Änderungen am Steuersubjekt, da weiterhin nur die natürliche Person potenziel ler Steuerschuldner ist. Nach überwiegender Ansicht der Rechtsprechung ist die Mitunternehmerschaft einkommensteuerlich dennoch nicht unbeachtlich. Denn – anders als im Rahmen der mittlerweile nicht mehr vertretenen Bilanzbündeltheorie140 – soll sie maß gebend für die Gewinnerzielung, die Gewinnermittlung und die Qualifikation der Einkünfte und somit partielles Steuer(rechts)subjekt sein.141 Diese Auffassung hat in der Literatur nicht nur Zustimmung142 erfahren, sondern ist auch auf Kritik143 gestoßen. Allerdings unterscheiden sich die von den verschiedenen Ansichten hervor gebrachten Ergebnisse letztlich kaum,144 so dass dieser Streitstand weitestgehend offengelassen werden kann. Für diese Arbeit ist letztlich entscheidend, wie die Mitunternehmerschaft in das Besteuerungssystem eingebunden ist. Konkret ist da bei der Frage nachzugehen, wie die erzielten Einkünfte den jeweiligen Mitunter nehmern zuzurechnen sind. 140
Hierzu E. Becker, Die Grundlagen der Einkommensteuer, S. 94 f. Im Anschluss an die Rechtsprechung des RFH so allerdings noch BFH, Urteil v. 14.01.1958 – I 159/57 U, BStBl. III 1958, 75 (76 f.), sowie BFH, Beschluss v. 19.10.1970 – GrS 1/70, BStBl. II 1971, 177 (178): „Jeder Gesellschafter hat seinen eigenen Betrieb, belastet durch die Rechte seiner Mitgesellschafter.“ 141 BFH, Beschluss v. 25.06.1984 – GrS 4/82, BStBl. II 1984, 751 (761 f.); BFH, Ur teil v. 26.11.1996 – VIII R 42/94, BStBl. II 1998, 328 (329). Siehe auch BFH, Beschluss v. 10.11.1980 – GrS 1/79, BStBl. II 1981, 164 (167 f.): Gewinnermittlung erfolgt auf Ebene der Personengesellschaft; BFH, Beschluss v. 25.02.1991 – GrS 7/89, BStBl. II 1991, 691 (697 ff.): Oberpersonengesellschaft kann Mitunternehmer einer Unterpersonengesellschaft sein. Relativierend hingegen BFH, Beschluss v. 03.05.1993 – GrS 3/92, BStBl. II 1993, 616 (621): Gesellschafter einer Personengesellschaft sind Träger des Unternehmens und des Unter nehmensvermögens; BFH, Beschluss v. 03.07.1995 – GrS 1/93, BStBl. II 1995, 617 (621): Personengesellschaft ist Subjekt der Gewinnerzielung, der Feststellung der Einkunftsart und der Einkünfteermittlung, Subjekt der Einkünfteerzielung ist jedoch stets der einzelne Gesellschafter. 142 W. Bode, in: Blümich, EStG, § 15 Rn. 236; H. Herrmann, DStZ 1998, 87 (88 f.); J. Lang, Subjektfähigkeit von Personengesellschaften, in: Raupach/Uelner, Festschrift Schmidt, 291 (294); B. Rätke, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 15 Rn. 90 ff.; W. Schön, StuW 1996, 275 (286); C. Seiler, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 4 Rn. B 140; R. Wacker, in: Schmidt, EStG, § 15 Rn. 163 f. 143 G. Bodden, DStZ 2002, 391 (393 ff.); J. Hey, § 18, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 20. Aufl. (2010), Rn. 12; T. Kuck, Steuerrechtssubjektivität mitunternehmerischer Innengesellschaften, S. 59 ff.; K. Messmer, Mitunternehmer, in: Knobbe-Keuk/Klein/Moxter, Festschrift Döllerer, 429 (438 ff.); K. Messmer, FR 1990, 205 (207 ff.); R. Pinkernell, Einkünftezurechnung bei Per sonengesellschaften, S. 85 ff.; W. Reiß, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 15 Rn. E 38 ff.; W. Reiß, Stbg 1999, 356 (364); W. Reiß, in: Kirchhof, EStG, § 15 Rn. 169. 144 Vgl. W. Reiß, in: Kirchhof, EStG, § 15 Rn. 169.
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3. Kap.: Steuersubjekt und Steuerobjekt im Einkommensteuerrecht
Grundprinzip des Einkommensteuerrechts ist, wie in den §§ 1 und 2 EStG zum Ausdruck kommt, die Zurechnung des jeweiligen Steuerobjekts zur am Markt teilnehmenden natürlichen Person, dem Einkommensteuersubjekt.145 § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG knüpft konsequenterweise an § 2 Abs. 1 Satz 1 EStG an und spricht davon, dass die Gewinnanteile des Gesellschafters einer Personengesellschaft zu seinen Einkünften aus Gewerbebetrieb gehören. Der Markterfolg (der Gewinn anteil) wird somit durch das in § 1 EStG normierte Steuersubjekt „erzielt“.146 Folg lich wird der Markterfolg den einzelnen Personen steuerlich nicht als fremder Markterfolg der Personengesellschaft, sondern unmittelbar als eigener zugerech net.147 Die Mitunternehmerschaft ist einkommensteuerlich transparent, so dass die grundsätzliche Ausrichtung des Besteuerungstatbestandes auf die einzelne natür liche Person bestehen bleibt.148 Erzielt im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 EStG werden die Gewinnanteile letztlich deshalb, weil das Steuersubjekt gemeinsam mit den anderen Mitunternehmern den Handlungstatbestand verwirklicht.149 Denn die Marktteilnahme ist steuerlich zu würdigen und nicht zivilrechtsakzessorisch. Die originären Einkünfte des Steuer subjekts sind demnach nicht Ausfluss einer stellvertretenden Marktteilnahme der Mitunternehmerschaft, sondern gehen auf eine eigene erwerbswirtschaftliche Be tätigung des Steuersubjekts zurück. Wegen der fehlenden einkommensteuerrechtlichen Eigenständigkeit der Mit unternehmerschaft kommt – im Unterschied zu den Anteilen an Kapitalgesellschaf ten – der Gesellschaftsanteil selbst nicht als Erwerbsgrundlage in Betracht. Er werbsgrundlage kann wie beim Einzelunternehmer nur der „Gewerbebetrieb“ sein. Die gemeinschaftliche Marktteilnahme der Mitunternehmer führt allerdings dazu, dass ein gemeinsamer Gewerbebetrieb aller Mitunternehmer (abgekürzt auch: Ge werbebetrieb der Personengesellschaft)150 entsteht. Dieser – aus den einzelnen Wirtschaftsgütern bestehende – gemeinsame Gewerbebetrieb aller Mitunterneh mer kann aufgrund der nur anteiligen Berechtigung des jeweiligen Mitunterneh mers auch nur anteilig, nicht jedoch jeweils in seiner Gesamtheit Erwerbsgrund lage des einzelnen Mitunternehmers sein. 145
Siehe 3. Kapitel B. W. Reiß, in: Kirchhof, EStG, § 15 Rn. 162. 147 P. Bareiß, FR 2011, 153 (155); D. Birk/M. Desens/H. Tappe, Steuerrecht, Rn. 1103; J. Hey, § 18, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 20. Aufl. (2010), Rn. 12; B. Rätke, in: Herrmann/Heuer/ Raupach, EStG, § 15 Rn. 97; W. Reiß, in: Kirchhof, EStG, § 15 Rn. 162; W. Reiß, Personengesell schaften, in: Kube/Mellinghoff/Morgenthaler/Palm/Puhl/Seiler, Leitgedanken des Rechts, 1925 (1928); R. Wacker, in: Schmidt, EStG, § 15 Rn. 163; so wohl auch A. Raupach, StuW 1991, 278 (281). A. A. J. Hennrichs, § 10, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, Rn. 14; R. Hüttemann, in: Dötsch/ Herlinghaus/Hüttemann/Lüdicke/Schön, Gedächtnissymposium Knobbe-Keuck, 39 (45 f.); B. Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, S. 368; W. Schön, DStR 1993, 185 (191). 148 K. Messmer, FR 1990, 205 (206). 149 R. Pinkernell, Einkünftezurechnung bei Personengesellschaften, S. 85 ff., 128 f.; W. Reiß, in: Kirchhof, EStG, § 15 Rn. 162, 169. 150 W. Reiß, in: Kirchhof, EStG, § 15 Rn. 170. 146
D. Subjektbezogene Modifikationen der Regelstruktur
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2. Materielle Folgen der Gewinnermittlung beim gemeinsamen Gewerbebetrieb aller Mitunternehmer Eine leistungsfähigkeitsgerechte Besteuerung der jeweiligen Mitunternehmer setzt die Ermittlung des jeweiligen Gewinnanteils voraus. Dieser lässt sich anders als bei Kapitalgesellschaften, bei denen Erwerbsgrundlage der Gesellschaftsanteil ist, nicht isoliert für die Mitunternehmer ermitteln. Denn Bezugspunkt für die Ge winnermittlungsvorschriften des Einkommensteuergesetzes (§§ 4 bis 7k EStG) ist jeweils der „Betrieb“, hier also der gemeinsame Gewerbebetrieb aller Mitunter nehmer. Für den Gewinnanteil des einzelnen Mitunternehmers ist daher zunächst auf den jeweiligen – aus der Handelsbilanz abgeleiteten – Steuerbilanzgewinn des Gewerbebetriebs der Personengesellschaft abzustellen.151 Dieser Gewinn ist da bei entsprechend der genannten – auf den Einzelunternehmer zugeschnittenen – einkommensteuerlichen Gewinnermittlungsvorschriften zu ermitteln.152 Der Mit unternehmerschaft kommt insoweit zunächst eine rein technische Funktion zu, da sie für Zwecke der Gewinnermittlung so behandelt wird, als sei sie selbst Steuer subjekt.153 Folglich erlangt die Mitunternehmerschaft trotz ihrer einkommensteu erlichen Transparenz eine gewisse Bedeutung im Besteuerungssystem. Materielle Folge der Gewinnermittlung beim Gewerbebetrieb der Personen gesellschaft ist – obwohl der Markterfolg unmittelbar den Steuersubjekten anteilig zuzurechnen ist – die Zuordnung der Geschäftsvorfälle und Wirtschaftsgüter zur Gesellschaft selbst154 und damit einhergehend eigenes steuerliches Betriebsver mögen der Mitunternehmerschaft. Die auf den gemeinsamen Gewerbebetrieb der Mitunternehmer bezogenen steuerlichen Gewinnermittlungsvorschriften legen da mit eine einheitliche, das heißt gesellschaftsbezogene Betrachtung nahe. Zugleich zieht die Gewinnermittlung auf Gesellschaftsebene eine Trennung zwischen der Gesellschaft und den Gesellschaftern nach sich, so dass Verträge zwischen die sen beiden zivilrechtlich rechtsfähigen Subjekten auch steuerrechtlich regelmäßig anzuerkennen sind. Allerdings besteht die Besonderheit, dass die hiermit in Zu sammenhang stehenden Einnahmen und Ausgaben zur Gleichstellung mit dem Einzelunternehmer155 über § 15 Abs. 1 Nr. 2 Hs. 2 EStG dem Sonderbereich des Gesellschafters zuzuordnen sind und gemeinsam mit dem Gewinnanteil zu ge werblichen Einkünften des jeweiligen Mitunternehmers führen. Die materiellen Wirkungen aufgrund der beim Gewerbebetrieb der Mitunter nehmer angesiedelten Gewinnermittlung sind indes regelmäßig begrenzt. Denn 151 G. Döllerer, DStZ 1980, 259 (261); K. Messmer, FR 1990, 205 (206); W. Reiß, in: Kirchhof/ Söhn/Mellinghoff, EStG, § 15 Rn. E 51. 152 K. Messmer, FR 1990, 205; C. Seiler, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 4 Rn. B 35. 153 M. Groh, ZIP 1998, 89 (94). 154 BFH, Beschluss v. 03.07.1995 – GrS 1/93, BStBl. II 1995, 617 (621); R. Pinkernell, Ein künftezurechnung bei Personengesellschaften, S. 191. 155 Zur Gleichstellungsthese siehe jeweils m. w. N. K. Tiede, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 15 Rn. 520; R. Wacker, in: Schmidt, EStG, § 15 Rn. 161.
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3. Kap.: Steuersubjekt und Steuerobjekt im Einkommensteuerrecht
letztlich dient die Gewinnermittlung bei der transparenten Mitunternehmerschaft als Zwischenschritt für die Einkünfteermittlung der einzelnen natürlichen Per son.156 Das Ziel einer gleichheitsgerechten Besteuerung der Steuersubjekte wirkt dabei auf die Gewinnermittlung zurück. Dieses Ziel lässt sich oftmals nur dann er reichen, wenn anstelle einer gesellschaftsbezogenen eine gesellschafterbezogene Betrachtung angelegt wird (Stichwort: „Einheit der Gesellschaft oder Vielheit der Gesellschafter“157).158 So wird beispielsweise bei § 6b EStG mittlerweile unstreitig159 der Vielheit der Gesellschafter Vorrang vor der Einheit der Gesellschaft eingeräumt.160 Für die Frage, ob § 6b EStG zur Anwendung kommt, ist also nicht auf die Mitunter nehmerschaft abzustellen, sondern die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind für jeden Mitunternehmer gesondert zu prüfen.161 Dieselbe Problematik – gesell schafts- oder gesellschafterbezogene Betrachtung – stellte sich auch bei den nicht abziehbaren Schuldzinsen nach § 4 Abs. 4a EStG.162 So war bis zur Entscheidung des Bundesfinanzhofs im Jahre 2008163 streitig, ob auf den Gewinn der Mitunter nehmerschaft und die Summe der Entnahmen und Einlagen aller Gesellschafter abzustellen ist oder Basis des § 4 Abs. 4a EStG der Gewinnanteil des einzelnen Mitunternehmers und dessen Entnahmen und Einlagen sind. In seiner Entschei dung gibt der Bundesfinanzhof aus systematischen Gründen dann zutreffend einer gesellschafterbezogenen Betrachtung den Vorzug. Denn auf diese Weise lässt 156
Vgl. R. Pinkernell, Einkünftezurechnung bei Personengesellschaften, S. 191. Diese Begrifflichkeit wurde durch den BFH, Urteil v. 10.07.1980 – IV R 136/77, BStBl. II 1981, 84 (88) geprägt. 158 BFH, Beschluss v. 03.07.1995 – GrS 1/93, BStBl. II 1995, 617 (622). Aus neuerer Zeit BFH, Urteil v. 14.04.2011 – IV R 15/09, BStBl. II 2011, 706 (708); BFH, Urteil v. 14.04.2011 – IV R 8/10, BStBl. II 2011, 709 (712 f.). 159 Siehe nur K. Heger, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 6b Rn. A 17; M. Jachmann, in: Kirchhof, EStG, § 6b Rn. 1c; F. Loschelder, in: Schmidt, EStG, § 6b Rn. 4; H. Marchal, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 6b Rn. 25; A. Schlenker, in: Blümich, EStG, § 6b Rn. 24. 160 Für Veranlagungszeiträume vor 1999 war noch streitig, ob eine gesellschafts- oder gesell schafterbezogene Betrachtungsweise anzulegen ist. Zum damaligen Streitstand siehe G. Bodden, DStZ 1996, 73 (77 f.) und H. Marchal, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 6b Rn. 25 jeweils m. w. N. Nachdem der Gesetzgeber für die Jahre 1999 bis 2001 bei Personengesellschaften § 6b EStG ausdrücklich gesellschaftsbezogen angewendet haben wollte (§ 6b Abs. 10 EStG in der Fassung des Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 v. 24.03.1999, BGBl. I 1999, 402 (406) lautete: „Bei Personengesellschaften und Gemeinschaften tritt an die Stelle des Steuerpflichtigen die Gesellschaft oder die Gemeinschaft, soweit Wirtschaftsgüter zum Gesamthandsvermögen der Gesellschaft oder Gemeinschaft gehören.“), gab er diese ab dem Veranlagungszeitraum 2002 wieder auf. So heißt es im Regierungsentwurf des Gesetzes zur Fortentwicklung des Un ternehmensteuerrechts (Unternehmensteuerfortentwicklungsgesetz – UntStFG) v. 10.09.2001, BT-Drs. 14/6882, S. 33: „Im Zuge der „Wiedereinführung“ des Mitunternehmererlasses in § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG erfolgt bei § 6b EStG – als begleitende Folgemaßnahme – eine Rückkehr von der gesellschaftsbezogenen zur gesellschafterbezogenen Betrachtungsweise.“ 161 F. Loschelder, in: Schmidt, EStG, § 6b Rn. 4. 162 Siehe die Übersichten bei U. Schallmoser, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 4 Abs. 4a Rn. 1041 und C. Seiler, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 4 Rn. Ea 121. 163 BFH, Urteil v. 29.03.2007 – IV R 72/02, BStBl. II 2008, 420. 157
D. Subjektbezogene Modifikationen der Regelstruktur
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sich eine leistungsfähigkeitsgerechte Besteuerung beim jeweiligen Steuersubjekt am besten verwirklichen.164 Besonderheiten ergeben sich indes bei der Zinsschrankenregelung des § 4h EStG. Im Rahmen dieser Vorschrift ist sowohl die Zinsabzugsbeschränkung als auch der Zinsvortrag betriebs- das heißt in der Regel gesellschaftsbezogen zu ermitteln.165 Dies ist aber die logische Konsequenz aus den auf den steuerlichen Betrieb zu geschnittenen Gewinnermittlungsvorschriften, an welche die Zinsschrankenrege lung anknüpft. Soweit der mögliche Zinsabzug auf Gesellschaftsebene aber nicht vollständig ausgenutzt wurde, spricht wiederum die gleichheitsgerechte Besteue rung für eine unmittelbare anteilige Nutzungsmöglichkeit im Sonderbereich der einzelnen Gesellschafter166 und damit für eine gesellschafterbezogene Anwendung des § 4h EStG. Diese aufgeführten Beispiele167 zeigen, dass von der grundsätzlich gesell schaftsbezogenen Gewinnermittlung in bestimmten Fällen zugunsten einer gesell schafterbezogenen Betrachtung abgewichen wird. Dahinter steckt regelmäßig die Überlegung, den Mitunternehmer nicht durch eine einheitliche Betrachtung auf Ge sellschaftsebene besser oder schlechter zu stellen als den Einzelunternehmer, son dern – durch auf das einzelne Steuersubjekt ausgerichtete Vorschriften – beide im Ergebnis steuerlich gleich zu behandeln. Der Durchgriff auf den einzelnen Gesell schafter einer Mitunternehmerschaft dient damit letztlich einer gleichheitsgerech ten Besteuerung der Steuersubjekte.168 Somit bleibt es bei der zunächst vorgesehe nen gesellschaftsbezogenen Betrachtung nur solange, wie diese die Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit auch sicherstellen kann. Da allerdings in Grenzfällen in der Regel eine gesellschafterbezogene Betrachtung angelegt wird, überwiegt im Ergebnis die Vielheitsbetrachtung die Einheitsbetrachtung.169 Zusammenfassend kann daher festgehalten werden, dass die gemeinsame Markt teilnahme mehrerer Steuersubjekte an der auf Individualbesteuerung angelegten Struktur des Einkommensteuergesetzes keine grundsätzlichen Änderungen – weder in Bezug auf das Steuersubjekt, das Steuerobjekt noch das Verhältnis zueinander – bewirkt. Dadurch, dass die Gewinnermittlung technisch auf Ebene der Mitunterneh merschaft ansetzt und zugleich materiell für eine gesellschaftsbezogene Betrach tung sorgt, wird der dem Einkommensteuerrecht zugrundeliegende Transparenz gedanke jedoch nicht vollständig umgesetzt. Es kommt somit auch steuerrechtlich zu einer teilweisen Verselbstständigung der Mitunternehmerschaft. 164
R. Wacker, Rechtsfähigkeit von Personengesellschaften, in: Habersack/Hommelhoff, Fest schrift Goette, 561 (573). 165 C. Seiler, in: Kirchhof, EStG, § 4h Rn. 15. 166 C. Seiler, in: Kirchhof, EStG, § 4h Rn. 63. 167 Zu weiteren Fällen einer gesellschafterbezogenen Betrachtung siehe die Übersicht bei B. Rätke, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 15 Rn. 94 f. 168 G. Bodden, DStZ 1996, 73 (83); M. Groh, ZIP 1998, 89 (95). 169 G. Bodden, DStZ 1996, 73 (83); M. Groh, ZIP 1998, 89 (95). Kritisch diesbezüglich W. Schön, StuW 1996, 275 (280).
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3. Kap.: Steuersubjekt und Steuerobjekt im Einkommensteuerrecht
3. Die Anbindung stiller Reserven bei gemeinschaftlichem Markthandeln Bei gemeinschaftlichem Markthandeln von Mitunternehmern kann es zu der Besonderheit kommen, dass sich subjekt- und objektbezogene Modifikation mit einander verbinden. Denn auch bei der subjektbezogenen Modifikation der Mit unternehmerschaft stellen sich Fragen zur steuerlichen Behandlung latenter Ein künfte, insbesondere stiller Reserven. So können zum einen die Anbindungspunkte der stillen Reserven aufgrund der gemischt gesellschafts- und gesellschafterbezo genen Betrachtung der Mitunternehmerschaft von denen des Einzelunternehmers abweichen. Zum anderen ist auch hier eine interpersonelle Verlagerung stiller Reserven und damit eine objektbezogene Modifikation denkbar. a) Grundprinzip: Die dreiseitige Anbindung stiller Reserven aa) Die Anbindung der stillen Reserven an das Steuersubjekt (1) Die Anbindung stiller Reserven des Gesamthandsbereichs Der Mitunternehmerschaft fehlt zwar selbst die Steuersubjektivität. Aufgrund der beim Gewerbebetrieb der Personengesellschaft angesiedelten Gewinnermitt lung kommt der Mitunternehmerschaft aber auch im Einkommensteuerrecht eine gewisse Eigenständigkeit zu. Daher kommt als persönlicher Anbindungspunkt der stillen Reserven nicht nur das Steuersubjekt, also der einzelne Mitunternehmer, sondern auch die Mitunternehmerschaft selbst in Betracht. Da die Wirtschaftsgüter zum steuerlichen Betriebsvermögen der Gesellschaft gehören, liegt zunächst eine Anbindung an die Mitunternehmerschaft selbst nahe. Gegen eine solche formale und für eine wertende Betrachtung und damit eine An bindung an das Steuersubjekt spricht indes, dass nicht nur der durch Veräuße rung, sondern auch der durch Entnahme eines einzelnen Wirtschaftsguts aus dem Gesamthandsvermögen erzielte Gewinn allen Mitunternehmer nur anteilig als eigener Markterfolg zugerechnet wird. Diese anteilige Zurechnung ergibt sich bei der Veräußerung über die Ermittlungstechnik,170 wonach in Höhe der Diffe renz zwischen erzieltem Veräußerungserlös und Restbuchwert des Wirtschafts guts ein – grundsätzlich nach dem allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssel zu verteilender – Gewinn entsteht. Für die aus der Entnahme resultierenden Ein künfte muss letztlich dasselbe gelten; auch diese sind regelmäßig entsprechend 170
C. Seiler, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 4 Rn. B 43.
D. Subjektbezogene Modifikationen der Regelstruktur
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dem Gewinnverteilungsschlüssel anteilig allen Gesellschaftern als eigene Ein künfte zuzurechnen.171 Dies ist zum einen materielle Folge der außerbilanziel len Hinzurechnung der Entnahme, die den auf die Gesellschafter aufzuteilenden Steuerbilanzgewinn des Gewerbebetriebs erhöht. Daneben spricht auch der Ver gleich der Entnahme mit einem entgeltlichen Veräußerungsgeschäft für eine an teilige Zurechnung. Denn die Entnahme dient lediglich als Ersatz für fehlenden, grundsätzlich anteilig zuzurechnenden Markterfolg, so dass, sofern keine anzu erkennende abweichende Vereinbarung für eine anderweitige Zurechnung zwi schen den Mitunternehmern vorliegt, eine unterschiedliche Behandlung nicht an gezeigt ist. Entnimmt also ein einzelner Mitunternehmer ein Wirtschaftsgut, so kann dies auch zu einem steuerpflichtigen Markterfolg bei den anderen Mitunter nehmern führen. Wenn nun der Markterfolg selbst dann, wenn die Aufdeckung der stillen Reserven auf das Verhalten eines einzelnen Mitunternehmers zurückgeht, stets den einzelnen Mitunternehmern – ohne Umweg über Mitunternehmerschaft selbst – anteilig zugerechnet wird, deutet dies auf eine Anbindung der stillen Re serven an die jeweiligen Mitunternehmer hin. Auch die steuerlichen Folgen einer Aufgabe bzw. Veräußerung der Erwerbs grundlage des Mitunternehmers, also seines Anteils am gemeinsamen Gewerbe betrieb aller Mitunternehmer, legen eine Anbindung der stillen Reserven an das Steuersubjekt nahe und sprechen gegen eine Anbindung an die Mitunternehmer schaft selbst. Denn in diesen Fällen bleiben die Wirtschaftsgüter weiterhin gesell schaftliches Betriebsvermögen. Allerdings werden die in diesen Wirtschaftsgütern ruhenden stillen Reserven über § 16 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 EStG entsprechend dem Anteil des ausscheidenden Gesellschafters aufgedeckt und sind dann von die sem zu versteuern.172 Erfolgt die (anteilige) Entstrickung der stillen Reserven be reits bei Ausscheiden eines Mitunternehmers, liegt es nahe, die Zuordnung der Wirtschaftsgüter zur Mitunternehmerschaft als bloße Folgewirkung der primär technischen Verselbstständigung der Mitunternehmerschaft zur Gewinnermittlung ohne materielle Konsequenzen für die Anbindungsthematik anzusehen. Demnach sind die Wirtschaftsgüter des Gesamthandsvermögens – zumindest für die Anbindungsfrage – bei den einzelnen Mitunternehmern anteilig zu berück sichtigen. Da eine Trennung dieser Anbindung zur aktuellen Steuerpflicht der (an teiligen) stillen Reserven führt, sind diese stillen Reserven auch bei gemeinschaft lichem Markthandeln (anteilig) an das Steuersubjekt angebunden.
171 BFH, Urteil v. 28.09.1995 – IV R 39/94, BStBl. II 1996, 276 (280) (Schenkung stil ler Reserven bei Familienpersonengesellschaft); R. Wacker, in: Schmidt, EStG, § 15 Rn. 446. Ähnlich B. Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, S. 430 f. (anteilige Zu rechnung bei Vorwegleistung auf den Gewinnanteil, anderenfalls zulässige Änderung des Ge winnverteilungsschlüssels). A. A. hingegen W. Bode, in: Blümich, EStG, § 15 Rn. 482. 172 Durch eine für den neu eintretenden Gesellschafter zu erstellende Ergänzungsbilanz lässt sich dann sicherstellen, dass diese stillen Reserven nicht nochmals, sondern nur die zukünftig entstehenden stillen Reserven, der Besteuerung unterliegen.
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3. Kap.: Steuersubjekt und Steuerobjekt im Einkommensteuerrecht
(2) Die Anbindung stiller Reserven des Sonderbereichs Zu den gewerblichen Einkünften gehört auch der Sonderbereich des Mitunter nehmers. Innerhalb dessen werden alle nur den jeweiligen Gesellschafter be treffenden Umstände erfasst.173 Mangels organisatorischer, wirtschaftlicher und finanzieller Eigenständigkeit sowie der fehlenden Marktteilnahme begründet dieser Sonderbereich jedoch trotz verselbstständigter Gewinnermittlung keinen „Sonderbetrieb“.174 Hinsichtlich der Anbindung der stillen Reserven ist dieser Sonderbereich we gen der unmittelbaren Zuordnung zu einem bestimmten Mitunternehmer mit dem Betrieb eines Einzelunternehmers vergleichbar. Es gelten daher dieselben Grund sätze. Das bedeutet, die im Sonderbetriebsvermögen ruhenden stillen Reserven sind gleichfalls an das Steuersubjekt angebunden. bb) Die Anbindung an das nationale Besteuerungsrecht Sowohl die im Betriebsvermögen der Mitunternehmerschaft als auch die im Sonderbetriebsvermögen des einzelnen Gesellschafters enthaltenen stillen Reser ven sind über § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG an das nationale (steuersubjektbezogene) Be steuerungsrecht angebunden. Auch insoweit verläuft die Anbindung parallel zum Einzelunternehmer. cc) Die sachliche Anbindung der stillen Reserven im Sonderbereich (1) Die Anbindung an den Sonderbereich des Mitunternehmers Im Sonderbereich gelten wegen der Vergleichbarkeit mit dem Betrieb eines Einzelunternehmers dieselben Grundsätze. Das bedeutet, die stillen Reserven sind zumindest auch an den Sonderbereich des Mitunternehmers angebunden. Fraglich ist jedoch, ob zusätzlich noch eine Anbindung an die Mitunternehmer schaft besteht. Denn gegenüber dem Einzelunternehmer besteht die Besonder heit, dass das betreffende Wirtschaftsgut mit der Personengesellschaft verbunden ist; sei es, dass dieses unmittelbar der Personengesellschaft (Sonderbetriebsver mögen I) oder der Beteiligung (Sonderbetriebsvermögen II) dient.175 Diese Verbin 173
C. Seiler, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 4 Rn. B 142. H.-J. Kanzler, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, Vor §§ 4–7 Rn. 91; C. Seiler, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 4 Rn. B 142. 175 Die Unterscheidung zwischen Sonderbetriebsvermögen I und II ist ständige Rspr., siehe nur BFH, Urteil v. 19.10.2000 – IV R 73/99, BStBl. II 2001, 335 (336); BFH, Urteil v. 18.12.2001 – 174
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dung zieht aber keine zusätzliche Anbindung an die Mitunternehmerschaft nach sich. Denn endet diese Beziehung zur Personengesellschaft, beispielsweise bei Auflösung selbiger oder Rückgabe des vermieteten Wirtschaftsguts an den Gesell schafter, so stellt dies eine Entnahme für außerhalb des Sonderbetriebsvermögens liegende Zwecke bzw. eine Betriebsaufgabe dar. Gelöst wird damit die Anbin dung an den Sonderbereich des Gesellschafters. Die Verbindung zwischen Son derbereich und Gesellschaftsbereich wirkt sich daher lediglich mittelbar über die Qualifikation als Sonderbetriebsvermögen aus, ohne aber zu einem vierten Anbin dungspunkt der stillen Reserven an die Gesellschaft selbst oder über diese gar an die übrigen Gesellschafter zu führen. (2) Die Erweiterung der sachlichen Anbindung auf die betriebliche Sphäre durch § 6 Abs. 5 Satz 2 EStG § 6 Abs. 5 Satz 2 EStG lässt das Betriebsvermögen der Mitunternehmerschaft außer Betracht und regelt lediglich die Überführung von Wirtschaftsgütern zwi schen Betriebsvermögen eines Einzelunternehmers und dessen Sonderbetriebs vermögen sowie zwischen verschiedenen Sonderbetriebsvermögen. Erfasst werden nur die Fälle, in denen ausschließlich die Anbindung an den Sonderbereich oder das Einzelbetriebsvermögen gelöst wird, die Anbindung an das Steuersubjekt sowie das nationale Besteuerungsrecht aber weiterhin Bestand haben. Dieser Vorgang soll dann keine Steuerpflicht der bislang entstandenen stillen Reserven auslösen, wenn das Wirtschaftsgut weiterhin in der betrieblichen Sphäre – bestehend aus allen Einzelbetrieben sowie allen Sonderbereichen – die ses Steuersubjekts verbleibt. Der Sonderbereich des Gesellschafters wird somit wie ein Einzelbetrieb des Steuersubjekts behandelt, obwohl er zum einheitlichen Gesamtbetrieb der Per sonengesellschaft gehört176. Dies ist aber letztlich konsequent, da die im Son derbereich entstandenen stillen Reserven keine Anbindung an die Personenge sellschaft erfahren haben, sondern die Anbindungspunkte der stillen Reserven beim Einzelbetrieb und beim bilanziell verselbstständigten Sonderbereich iden tisch sind. § 6 Abs. 5 Satz 2 EStG überträgt daher den in Satz 1 zum Ausdruck kommenden Grundgedanken (Aufdeckung der stillen Reserven erst bei Aus scheiden des Wirtschaftsguts aus der gesamten betrieblichen Sphäre)177 folgerich tig auf den Mitunternehmer.178 VIII R 27/00, BStBl. II 2002, 733 (734 f.); BFH, Urteil v. 05.11.2009 – IV R 99/06, BStBl. II 2010, 593 (597). 176 C. Seiler, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 4 Rn. B 142. 177 Siehe 3. Kapitel C. II. 1. a) bb) (2). 178 Im Ergebnis ebenso T. Ehmcke, in: Blümich, EStG, § 6 Rn. 1295 und J. Werndl, in: Kirchhof/ Söhn/Mellinghoff, EStG, § 6 Rn. L 26: Keine Realisierung stiller Reserven mangels Rechts trägerwechsels.
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dd) Die sachliche Anbindung der stillen Reserven im Gesamthandsbereich (1) Die anteilige Anbindung an die Erwerbsgrundlage des Steuersubjekts Scheidet ein Wirtschaftsgut aus außerbetrieblichen Gründen aus dem steuer lichen Betriebsvermögen der Mitunternehmerschaft aus, so führt dies über die Ent nahmevorschriften selbst dann zu einer vollumfänglichen Steuerpflicht der stillen Reserven, wenn die Anbindung an das Steuersubjekt teilweise bestehen bleibt. Die auf den gemeinsamen Betrieb der Mitunternehmer ausgerichteten Gewinnermitt lungsvorschriften legen somit neben der Anbindung an das Steuersubjekt und das nationale Besteuerungsrecht auch eine Anbindung an die betriebliche Sphäre der Mitunternehmerschaft nahe. Allerdings ist wie bei der Anbindung an das Steuersubjekt auch hier zu be rücksichtigen, dass die Mitunternehmerschaft an sich eine rein technische Kon struktion zur besseren Abbildung der gemeinsamen Marktteilnahme mehrerer Steuersubjekte ist. Bei wertender Betrachtung kann es demnach nicht auf das für die Gewinnermittlung maßgebende Betriebsvermögen der Mitunternehmer schaft ankommen. Vielmehr sollte auch bei der sachlichen Anbindung der stillen Reserven das Transparenzprinzip beachtet werden. Ist mangels Steuersubjektivi tät der Mitunternehmerschaft nicht die Beteiligung an der Personengesellschaft, sondern anteilig der gemeinsame Betrieb aller Mitunternehmer Erwerbsgrundlage, so spricht dies für eine anteilige Zuordnung der Wirtschaftsgüter – und damit der stillen Reserven – zur Erwerbsgrundlage des Steuersubjekts. Demnach sind die stillen Reserven anteilig an die Erwerbsgrundlage des Steuersubjekts und nicht etwa an eine betriebliche Sphäre der Mitunternehmerschaft angebunden. (2) Die nur punktuelle und nicht generelle Erweiterung der sachlichen Anbindung durch § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG ermöglicht es, die Buchwerte eines Wirtschaftsgutes fortzuführen, wenn das Wirtschaftsgut unentgeltlich oder gegen Gewährung oder Minderung von Gesellschaftsrechten zwischen dem Gesamthandsvermögen einer Mitunternehmerschaft und dem Betriebsvermögen eines Mitunternehmers (Nr. 1), zwischen dem Sonderbetriebsvermögen und dem Gesamthandsvermögen einer Mitunternehmerschaft, an der der Mitunternehmer beteiligt ist (Nr. 2), oder un entgeltlich zwischen Sonderbetriebsvermögen verschiedener Mitunternehmer der selben Mitunternehmerschaft (Nr. 3) übertragen wird. Allen von § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG erfassten Übertragungsvorgängen ist gemein, dass die Anbindung der stillen Reserven an das Steuersubjekt zumindest teilweise getrennt wird. Durch die zwingend angeordnete Buchwertfortführung ermög
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licht Satz 3 somit in den Fällen der Nummern 1 und 2 die anteilige und im Fall der Nummer 3 die vollständige interpersonelle Verlagerung179 stiller Reserven.180 Bei genauerer Betrachtung zeigt sich indes, dass die Vorschrift des § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG noch zwei Aussagen zum sachlichen Anbindungspunkt der stil len Reserven beinhaltet, ihr also ein dreifacher Regelungscharakter zukommt. So verhindert sie zum einen generell die Aufdeckung der stillen Reserven bei Übertragungen von Wirtschaftsgütern aus dem Einzelbetriebsvermögen und dem Sonderbereich eines Mitunternehmers in das Gesamthandsvermögen, obwohl de ren Anbindung an die aus allen Einzelbetriebsvermögen und allen Sonderberei chen bestehende betriebliche Sphäre getrennt wurde. Insoweit erweitert Satz 3 die – bereits durch § 6 Abs. 5 Satz 1 und 2 EStG erweiterte – sachliche Anbindung der stillen Reserven auf die – aus allen Erwerbsgrundlagen der Gewinneinkunfts arten bestehende – gesamte betriebliche Sphäre des Steuersubjekts. Für (anteilig) an den Anteil am gemeinsamen Gewerbebetrieb aller Mitunter nehmer als Erwerbsgrundlage des Mitunternehmers angebundene stille Reserven sieht Satz 3 allerdings keine so weitreichende Erweiterung der Anbindung vor. Denn die Buchwertfortführung bei Übertragungen von Wirtschaftsgütern aus dem Gesamthandsvermögen heraus ist ausweislich des Gesetzeswortlauts nur in den konkret in § 6 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 und 2 EStG genannten Fallkonstellationen mög lich. Da andere Übertragungsvorgänge, bei denen die (anteilige) Anbindung an das Steuersubjekt und das nationale Besteuerungsrecht bestehen bleibt, zur Auf deckung der stillen Reserven führen, kann § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG insoweit keine folgerichtig weiterzudenkende Grundentscheidung enthalten. Dafür spricht auch, dass dieser Regelung kein systematisches Konzept zugrunde liegt, sondern der Gesetzgeber mit der Normierung des Satzes 3 das wirtschaftspolitische Ziel, Um strukturierungen zu erleichtern, verfolgte.181 Auch die in § 6 Abs. 5 Sätze 4 und 6 EStG geregelten Haltefristen stellen ein Indiz für eine Sonderregelung dar. Denn würde Satz 3 insoweit eine legislative Grundentscheidung darstellen, so bestünde kein Bedürfnis für solche Haltefristen. Zusammenfassend ist somit festzuhalten, dass Satz 3 keine Entscheidung für eine generelle Anbindung der stillen Reserven an die – aus sämtlichen Einzel betrieben, Sonderbereichen und Erwerbsgrundlagen des Mitunternehmers beste hende – gesamte betriebliche Sphäre vorsieht. Vielmehr erweitert die Vorschrift die 179 Zur Rechtfertigung der interpersonellen Verlagerung stiller Reserven siehe 3. Kapitel D. II. 3. b) bb). 180 Erfolgt die Übertragung nicht unentgeltlich, sondern gegen Gewährung oder Minderung von Gesellschaftsrechten, so kann die veränderte Beteiligungsquote zugleich zu einer Verlage rung der in den bisherigen bzw. verbleibenden Wirtschaftsgütern des Gesamthandsvermögens enthaltenen stillen Reserven in umgekehrter Richtung führen. Diese lässt sich jedoch nicht auf § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG stützen. Zum Streitstand siehe U. Niehus/H. Wilke, in: Herrmann/Heuer/ Raupach, EStG, § 6 Abs. 5 Rn. 1460 m. w. N. 181 Vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung des Unternehmensteuerrechts (Unter nehmensteuerfortentwicklungsgesetz – UntStFG) v. 10.09.2001, BT-Drs. 14/6882, S. 32 f.
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Anbindung an die gesamte betriebliche Sphäre nur punktuell für die aufgezeigten Fallkonstellationen. Infolgedessen sind im Gesamthandsbereich der Mitunterneh merschaft entstandene stille Reserven de lege lata nur an die jeweilige Erwerbs grundlage des Steuersubjekts angebunden.182 ee) Zusammenfassung Auch bei gemeinsamer Marktteilnahme mehrerer Steuersubjekte sind die stil len Reserven dreiseitig angebunden. Wie beim Einzelunternehmer sind diese an das Steuersubjekt selbst und an das nationale Besteuerungsrecht angebunden. Beim dritten Anbindungspunkt zeigen sich hingegen Unterschiede. So sind die in einem Einzelbetrieb oder in einem Sonderbereich ruhenden stillen Reserven nur dann aufzudecken, wenn das betreffende Wirtschaftsgut die gesamte betriebliche Sphäre, bestehend aus sämtlichen Erwerbsgrundlagen der Gewinneinkunftsarten des Mitunternehmers, verlässt. Hingegen kann die Übertragung eines Wirtschafts guts des Gesamthandsvermögens auch dann zu einer vollumfänglichen Auf deckung der stillen Reserven führen, wenn die Anbindung an das Steuersubjekt zumindest anteilig bestehen bleibt. Die stillen Reserven des Gesamthandbereichs sind daher lediglich an die jeweilige Erwerbsgrundlage des Mitunternehmers an gebunden. b) Modifikationen des Grundprinzips aa) Die interpersonelle Verlagerung stiller Reserven durch § 6 Abs. 3 EStG Auch die unentgeltliche Übertragung eines Mitunternehmeranteils oder eines Teils des Mitunternehmeranteils stellt eine Betriebsaufgabe dar und führt zumin dest zu einer – an sich eine Besteuerung der stillen Reserven auslösenden – Tren nung der Anbindung an das Steuersubjekt und dessen Erwerbgrundlage. Wie beim Einzelunternehmer verhindert § 6 Abs. 3 Satz 1 EStG diese Steuerpflicht und ver lagert die stillen Reserven des bisherigen Mitunternehmers auf den Einzel- oder Gesamtrechtsnachfolger. Hinsichtlich der Rechtfertigung dieser systemwidrigen Regelung gilt dasselbe wie beim Einzelunternehmer. Die interpersonelle Verlage rung der stillen Reserven ist aufgrund des Interesses am Fortbestand des betriebs wirtschaftlichen Betriebs der Personengesellschaft gerechtfertigt.183
182 Zur Folgerichtigkeit der fehlenden Erweiterung auf die gesamte betriebliche Sphäre siehe 3. Kapitel D. II. 4. b). 183 Siehe 3. Kapitel C. II. 1. b) aa) (2).
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bb) Die interpersonelle Verlagerung stiller Reserven durch § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG Insoweit als § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG die interpersonelle Verlagerung der stillen Reserven ermöglicht, weil diese nicht über eine Ergänzungsbilanz184 oder eine ver gleichbare Methode185 weiterhin dem bisherigen Steuersubjekt zuzurechnen sind, sondern an ein anderes Steuersubjekt und dessen betriebliche Sphäre angebunden werden, widerspricht Satz 3 der legislativen Grundentscheidung und ist system widrig.186 Die hierdurch bewirkte Verletzung des Leistungsfähigkeitsprinzips be darf daher der Rechtfertigung. Der subjektive Gesetzgeber führt für die Regelung des § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG die Erleichterung von Umstrukturierungen an. Abgesichert wird dieses Ziel mit den Missbrauchsklauseln der Sätze 4 bis 6187, die verhindern sollen, dass die stil len Reserven interpersonell verlagert und von einem anderen Steuersubjekt zeit nah durch Veräußerung oder Entnahme realisiert werden oder die stillen Reserven künftig lediglich dem damaligen Halbeinkünfteverfahren unterliegen.188 Ob der Gesetzgeber neben der steuerneutralen Übertragung von Betrieben, Teil betrieben und Mitunternehmeranteilen nach § 6 Abs. 3 EStG auch die Übertra gung einzelner Wirtschaftsgüter im Rahmen einer Umstrukturierung privilegieren möchte, liegt grundsätzlich innerhalb seines gesetzgeberischen Beurteilungs- und Gestaltungsspielraums.189 Die Vorschrift wahrt dabei auch den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.190 Zwar ist die Übertragung eines Wirtschaftsguts durch einen Einzel 184 So ist umstritten, ob bei Übertragungen aus dem Gesamthandsvermögen oder zwischen Sonderbetriebsvermögen verschiedener Mitunternehmer überhaupt Ergänzungsbilanzen auf gestellt werden können. Hierzu U. Niehus/H. Wilke, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 6 Abs. 5 Rn. 1460b und D. Selbmann, § 6b EStG, S. 188 f. jeweils m. w. N. 185 So T. Rödder/A. Schumacher, DStR 2001, 1634 (1637). 186 G. Crezelius, FR 2002, 805 (811); F. Schindler, in: Kirchhof, EStG, § 6 Rn. 213; J. Hennrichs, § 10, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, Rn. 158; E. Kulosa, in: Schmidt, EStG, § 6 Rn. 690; U. Niehus/H. Wilke, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 6 Abs. 5 Rn. 1443a; W. Reiß, StuW 2000, 399 (406 ff.); D. Selbmann, § 6b EStG, S. 187; T. Siegel, FR 2011, 45 (46 f.); R. Wacker, Rechts fähigkeit von Personengesellschaften, in: Habersack/Hommelhoff, Festschrift Goette, 561 (574). 187 Zur Problematik der Rückwirkung des Drittverhaltens (Sätze 4 und 6) siehe 3. Kapitel D. III., zum Ausschluss der Buchwertfortführung bei Beteiligung von Kapitalgesellschaften (Sätze 5 und 6) siehe 4. Kapitel C. IV. 188 Entwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung des Unternehmensteuerrechts (Unterneh mensteuerfortentwicklungsgesetz – UntStFG) v. 10.09.2001, BT-Drs. 14/6882, S. 32 f. 189 A. A. H. Brandenberg, FR 2000, 1182 (1188) und D. Selbmann, § 6b EStG, S. 191: Durch brechung des Subjektsteuerprinzips nur bei Übertragung betrieblicher Einheiten. A. A. auch W. Reiß, BB 2001, 1225 (1228): § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG erleichtert Unternehmensumstrukturie rungen nicht. Kritisch auch I. van Lishaut, DB 2001, 1519 (1525 ff.): Nicht alle von Satz 3 er fassten Umstrukturierungen sind schutzwürdig. 190 A. A. allerdings F. Schindler, in: Kirchhof, EStG, § 6 Rn. 213; D. Selbmann, § 6b EStG, S. 191.
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unternehmer in das (Sonder-)Betriebsvermögen eines anderen Steuersubjekts im Gegensatz zur Übertragung zwischen Sonderbetriebsvermögen verschiedener Mit unternehmer derselben Mitunternehmerschaft (Satz 3 Nr. 3) nicht steuerneutral möglich. Allerdings dürfte der erstgenannte Fall kein typischerweise vorkommen der Umstrukturierungsvorgang bei Mitunternehmerschaften darstellen, so dass es bereits an der Vergleichbarkeit beider Konstellationen fehlen sollte, die fehlende Möglichkeit der Buchwertführung aber jedenfalls aufgrund der Typisierungsbefug nis gerechtfertigt wäre. Eine andere Frage ist, ob sich die Erleichterung von Umstrukturierungen und eine leistungsfähigkeitsgerechte Besteuerung nicht auf andere Weise besser mit einander vereinbaren lassen. So könnten die stillen Reserven trotz gelöster An bindung durch eine zwingend zu erstellende Ergänzungsbilanz bzw. eine gleich geeignete (technische) Maßnahme weiterhin dem bisherigen Steuersubjekt zuge rechnet werden. Eine interpersonelle Verlagerung der stillen Reserven würde ver hindert, die steuerliche Wirkung – keine sofortige Aufdeckung der stillen Reser ven – wäre allerdings dieselbe. Eine solch dogmatisch saubere Lösung bliebe aber nicht ohne praktische Nachteile. Insbesondere wenn das betreffende Wirtschafts gut nicht zwischen Sonderbetriebs- und Gesamthandsvermögen derselben Mit unternehmerschaft übertragen wird, ist nicht sichergestellt, dass dem Finanzamt, aber auch den an der Personengesellschaft beteiligten Mitunternehmern die spä tere Realisierung der stillen Reserven bekannt wird. Dieses Problem verschärft sich zudem, wenn das Wirtschaftsgut – ohne Gesamtplan – steuerneutral nach § 6 Abs. 5 EStG oder im Rahmen einer Umwandlung nach dem Umwandlungssteu ergesetz weiterübertragen wird. Letztlich müsste der Fortgang des Wirtschafts guts zeitlich unbegrenzt beobachtet und dokumentiert werden. Gelingt dies nicht, dann besteht die Gefahr, dass die dem Steuersubjekt weiterhin zugeordneten stil len Reserven nicht der Besteuerung zugeführt werden. Die vom Steuergesetzgeber gefundene Lösung, Umstrukturierungen durch interpersonelle Verlagerung stiller Reserven in vollem Umfang steuerneutral zu ermöglichen und Missbräuche durch relativ kurze Fristen zu verhindern, ist daher trotz ihrer dogmatischen Schwächen noch als verfassungskonforme Ausgestaltung anzusehen.191
191 I. van Lishaut, DB 2001, 1519 (1525). Ebenfalls keinen Verfassungsverstoß annehmend W.-D. Hoffmann, in: Littmann/Bitz/Pust, EStG, § 6 Rn. 1173; E. Kulosa, in: Schmidt, EStG, § 6 Rn. 690; U. Niehus/H. Wilke, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 6 Abs. 5 Rn. 1443a. Siehe auch H. Brandenberg, FR 2000, 1182 (1188): Dem Steuersubjektgedanken kann in typisierender Weise durch eine siebenjährige Behaltensfrist Rechnung getragen werden.
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4. Sonderproblem: Die Übertragung von Wirtschaftsgütern zwischen Gesamthandsvermögen verschiedener Mitunternehmerschaften § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG behandelt ausdrücklich nur die Übertragung eines Wirt schaftsguts aus dem Gesamthandsvermögen einer Mitunternehmerschaft in das Einzel- oder Sonderbetriebsvermögen eines Mitunternehmers. Nicht explizit ge regelt ist hingegen die Übertragung eines Wirtschaftsguts in das Gesamthandsver mögen einer anderen Mitunternehmerschaft, an der zumindest teilweise diesel ben Mitunternehmer beteiligt sind. Ob für solche Übertragungsvorgänge zwischen sogenannten Schwester-Personengesellschaften gleichfalls die Buchwerte fortzu führen oder aber die stillen Reserven (anteilig) aufzudecken sind, ist umstritten.192 a) Einfachgesetzliche Rechtslage In § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG differenziert der Gesetzgeber detailliert zwischen den einzelnen Übertragungsvorgängen und den verschiedenen Betriebsvermögen. Dies legt nahe, die getroffene Regelung als abschließenden Katalog zu betrach ten und daher eine unmittelbar auf § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG gestützte steuerneutrale Übertragung zwischen Schwester-Personengesellschaften abzulehnen.193 Auch eine direkte Anwendung des § 6 Abs. 5 Satz 1 EStG scheidet aus. Denn die Mitunternehmerschaft ist, da diese wegen der fehlenden Steuersubjekteigen schaft nie Steuerschuldner werden kann, selbst nicht Steuerpflichtiger im Sinne des Satzes 1. Selbst wenn man den Begriff des Steuerpflichtigen weit auslegt, um die Mitunternehmerschaft mit einzubeziehen, hilft dies nicht weiter. Trotz der Mit unternehmeridentität würden – zivilrechtlich wie steuerrechtlich – zwei verschie dene Mitunternehmerschaften vorliegen. Das Wirtschaftsgut würde demnach nicht zwischen zwei Betriebsvermögen im Sinne des Satzes 1 „überführt“, sondern auf grund des eingetretenen Rechtsträgerwechsels zwischen zwei Betriebsvermögen verschiedener Steuerpflichtiger „übertragen“.194 Der Wortlaut des § 6 Abs. 5 EStG steht somit einer Buchwertfortführung bei der Übertragung von Wirtschaftsgütern zwischen Schwester-Personengesellschaften entgegen.195 192 Statt vieler siehe die divergierenden Entscheidungen des I. und IV. Senats des BFH, jeweils m. w. N.: BFH, Urteil v. 25.11.2009 – I R 72/08, BStBl. II 2010, 471 (Aufdeckung der stillen Reserven) und BFH, Beschluss v. 15.04.2010 – IV B 105/09, BStBl. II 2010, 971 (Buchwertfort führung). Siehe hierzu auch BFH, Vorlagebeschluss v. 10.04.2013 – I R 80/12, DStR 2013, 2158. 193 D. Gosch, DStR 2010, 1173 (1175); M. Wendt, FR 2002, 53 (57 f.). 194 BFH, Urteil v. 25.11.2009 – I R 72/08, BStBl. II 2010, 471 (474 f.); FG Niedersachsen, Urteil v. 31.05.2012 – 1 K 271/10, EFG 2012, 2106 (2107); M. Schmitt/R. Franz, Ubg 2012, 395 (398). 195 Zu einem anderen Ergebnis kommt hingegen U. Ley, DStR 2011, 1208, die den einheit lichen Übertragungsvorgang künstlich in eine Aus- und anschließende Einbringung aufspaltet und auf diese jeweils unmittelbar § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 1 und 2 EStG anwendet.
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Weiterhelfen könnte indes eine analoge Anwendung des Satzes 1 oder 3. Dies setzt neben einer vergleichbaren Interessenlage auch eine planwidrige Regelungs lücke voraus.196 Fehlt es an Letzterer, sollte nach dem Willen des Gesetzgebers ein bestimmter Sachverhalt gerade nicht erfasst werden, so scheidet eine Analogie aus.197 Die heutigen Sätze 3 bis 6 des § 6 Abs. 5 EStG entsprechen im Wesentlichen der durch das Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz198 geänderten Fassung. Während des Gesetzgebungsverfahrens stellte die Fraktion der CDU/CSU den An trag, die Buchwertfortführung auch zwischen Schwester-Personengesellschaften zu ermöglichen. Dieser fand im Finanzausschuss jedoch keine Mehrheit, weshalb in der Beschlussempfehlung ein entsprechender Vorschlag zur Gesetzesänderung unterblieb.199 Auch die Anregung des Finanz- und des Wirtschaftsausschusses des Bundesrats, die Bundesregierung aufzufordern, die Übertragungen von Wirt schaftsgütern zwischen Schwester-Personengesellschaften gleichfalls zu begüns tigen,200 fand keinen Eingang in die Stellungnahme des Bundesrats zum Unterneh menssteuerfortentwicklungsgesetz.201 Nach dem subjektiven Gesetzgeber sollte die Betriebsvermögensübertragung zwischen Schwester-Personengesellschaften daher nicht zu Buchwerten möglich sein.202 Fraglich ist aber, ob dieser im Gesetz gebungsverfahren geäußerte Wille auch beachtlich ist und somit einer analogen Anwendung tatsächlich entgegensteht. Hierfür spricht, dass so dem Willen des Gesetzgebers am besten Rechnung getragen werden kann.203 Da auch der Geset zeswortlaut mit der Intention der am Gesetzgebungsverfahren Beteiligten über einstimmt und es auch innerhalb der Gesetzgebungsmaterialien keine wider sprüchlichen Äußerungen gibt, sollte dem subjektiven Willen des Gesetzgebers 196 BFH, Urteil v. 15.02.1990 – IV R 13/89, BStBl. II 1990, 621 (622); BFH, Urteil v. 08.09.1994 – IV R 85/93, BStBl. II 1995, 67 (68); BFH, Urteil v. 26.08.2010 – III R 47/09, BStBl. II 2011, 589 (590); BFH, Urteil v. 18.01.2012 – II R 31/10, BStBl. II 2012, 519 (520). 197 BFH, Urteil v. 25.11.2009 – I R 72/08, BStBl. II 2010, 471 (475). 198 Gesetz zur Fortentwicklung des Unternehmenssteuerrechts (Unternehmenssteuerfortent wicklungsgesetzes – UntStFG) v. 20.12.2001, BGBl. I 2001, 3858 (3859). 199 Beschlussempfehlung des Finanzausschusses v. 07.11.2001, BT-Drs. 14/7343, S. 3. 200 Empfehlungen der Ausschüsse zum Entwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung des Unter nehmenssteuerrechts (Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetzes – UntStFG) v. 20.09.2001, BR-Drs. 638/1/01, S. 14. 201 Stellungnahme des Bundesrats zum Entwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung des Unter nehmenssteuerrechts (Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetzes – UntStFG) v. 27.09.2001, BR-Drs. 638/01. 202 BFH, Urteil v. 25.11.2009 – I R 72/08, BStBl. II 2010, 471 (475); FG Berlin-Branden burg, Urteil v. 20.03.2012 – 11 K 11149/07, EFG 2012, 1235 (1237); FG Baden-Württemberg, Urteil v. 21.08.2013 – 4 K 1882/08, EFG 2014, 332; W.-D. Hoffmann, in: Littmann/Bitz/Pust, EStG, § 6 Rn. 1195; O. Hubertus/R. Walter, SteuK 2010, 278; E. Kulosa, in: Schmidt, EStG, § 6 Rn. 702; C. Lohmann, EWiR 2010, 605 (606); H. Meyer, Mitunternehmerschaft, S. 208; U. Niehus/H. Wilke, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 6 Abs. 5 Rn. 1447e; J. Werndl, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 6 Rn. L 66. A. A. W. Reiß, in: Kirchhof, EStG, § 15 Rn. 388h f.: Durch das UntStFG sollte die bis VZ 1998 geltende Rechtslage wieder hergestellt werden. Kritisch ebenfalls P. Bareiß, FR 2011, 153 (164): Keine Planmäßigkeit wegen des Zeitdrucks und des Vermittlungsverfahrens. 203 Vgl. H. Weber-Grellet, DStR 1991, 438 (439); R. Wernsmann, NVwZ 2000, 1360 (1363).
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entscheidendes Gewicht zukommen. Gleiches dürfte gelten, wenn man auf einen objektivierten Willen abstellt und dem subjektiven Willen nur dann entschei dende Bedeutung beimisst, wenn dieser im Gesetz selbst zum Ausdruck kommt.204 § 6 Abs. 5 EStG enthält, wie dargelegt, keine ausdrückliche Regelung zur Buch wertfortführung bei Übertragungen zwischen Schwester-Personengesellschaften. Anders als durch (bewusste) Nichtregelung dieser Variante innerhalb der im De tail ausdifferenzierten Sätze 1 bis 3, hätte der Gesetzgeber seinen entsprechenden Willen kaum zum Ausdruck bringen können. Insbesondere wäre es unpraktikabel, bei an sich klarem Wortlaut, die nicht unter eine Vorschrift fallenden Sachverhalte nochmals explizit vom Anwendungsbereich der Norm auszunehmen.205 Es fehlt daher an einer planwidrigen Regelungslücke, weshalb sowohl eine analoge An wendung des Satzes 3 als auch des Satzes 1 ausscheiden muss.206 Somit bleibt auch für eine verfassungskonforme Auslegung kein Raum. Ziel dieser ist es, bei mehreren möglichen Auslegungen, der verfassungsmäßigen Gel tung zu verschaffen.207 Sie findet allerdings ihre Grenze im Wortsinn des Geset zes und dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers, da die Rechtsprechung ande renfalls unzulässig in die Kompetenz des Gesetzgebers eingreifen würde.208 Die zur Analogie angestellten Erwägungen sind entsprechend übertragbar. Sowohl der Wortlaut als auch der Gesetzgeberwille sprechen deutlich gegen die Buchwert fortführung bei Übertragungen zwischen Schwester-Personengesellschaften. Eine verfassungskonforme Auslegung muss daher von vornherein ausscheiden.209 204 So in ständiger Rspr. das BVerfG, z. B. BVerfG, Urteil v. 21.05.1952 – 2 BvH 2/52, BVerfGE 1, 299 (312); BVerfG, Beschluss v. 15.12.1959 – 1 BvL 10/55, BVerfGE 10, 234 (244); BVerfG, Beschluss v. 17.05.1960 – 2 BvL 11/59, 11/60, BVerfGE 11, 126 (130 f.); BVerfG, Beschluss v. 16.12.1981 – 1 BvR 898, 1132, 1150, 1333, 1181/79, 83, 416/80, 1117/79, 603/80, BVerfGE 59, 128 (153) und ihm folgend der BFH, z. B. BFH, Urteil v. 14.05.1991 – VIII R 31/88, BStBl. II 1992, 167 (172); BFH, Urteil v. 10.04.1992 – III R 184/90, BStBl. II 1992, 814 (816); BFH, Urteil v. 28.07.2011 – VI R 5/10, BStBl. II 2012, 553 (556 f.). 205 Anders für den vorliegenden Fall hingegen M. Wittwer, DStR 2010, 1072. 206 So auch BFH, Vorlagebeschluss v. 10.04.2013 – I R 80/12, DStR 2013, 2158 (2162); BFH, Urteil v. 25.11.2009 – I R 72/08, BStBl. II 2010, 471 (475); T. Ehmcke, in: Blümich, EStG, § 6 Rn. 1347; D. Gosch, DStR 2010, 1173 (1175); O. Hubertus/R. Walter, SteuK 2010, 278. 207 BVerfG, Beschluss v. 28.04.1965 – 1 BvR 346/61 (Gebührenfreiheit), BVerfGE 19, 1 (5); BVerfG, Beschluss v. 18.05.1971 – 1 BvL 7, 8/69, BVerfGE 31, 119 (132). 208 BVerfG, Beschluss v. 19.06.1973 – 1 BvL 39/69, 14/72, BVerfGE 35, 263 (280); BVerfG Plenum, Beschluss v. 11.06.1980 – 1 PBvU 1/79, BVerfGE 54, 277 (299 f.); BVerfG, Beschluss v. 15.10.1996 – 1 BvL 44, 48/92, BVerfGE 95, 64 (93); BVerfG, Beschluss v. 19.01.1999 – 1 BvR 2161/94, BVerfGE 99, 341 (358). 209 Im Ergebnis ebenso BFH, Vorlagebeschluss v. 10.04.2013 – I R 80/12, DStR 2013, 2158 (2165); T. Ehmcke, in: Blümich, EStG, § 6 Rn. 1347; D. Gosch, DStR 2010, 1173 (1175); J. Werndl, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 6 Rn. L 66. Auf den objektivierten Willen abstellend und demzufolge eine verfassungskonforme Auslegung bejahend: BFH, Beschluss v. 15.04.2010 – IV B 105/09, BStBl. II 2010, 971 (973); FG Niedersachsen, Urteil v. 31.05.2012 – 1 K 271/10, EFG 2012, 2106 (2107 f.); M. Groh, DB 2002, 1904 (1906); C. Lohmann, EWiR 2010, 605 (606); M. Wendt, FR 2010, 386 (387); M. Wittwer, DStR 2010, 1072;. Differenzierend H.-J. Kanzler, FR 2010, 761 (762).
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3. Kap.: Steuersubjekt und Steuerobjekt im Einkommensteuerrecht
b) Die Buchwertfortführung als Gebot der Folgerichtigkeit Soweit § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG die Buchwertfortführung bei zwischen SchwesterPersonengesellschaften übertragenen Wirtschaftsgütern nicht zulässt, könnte dies gegen das Folgerichtigkeitsgebot210 verstoßen. Rechtsfolge dessen wäre aber nur die Verfassungswidrigkeit des Gesetzes, nicht jedoch die Erstreckung der Buch wertfortführung auf Übertragungen zwischen Schwester-Personengesellschaften. Indes kann die fehlende Folgerichtigkeit nicht bereits damit begründet wer den, dass Satz 3 sogar die interpersonelle Verlagerung stiller Reserven ermöglicht. Einem solchen Erst-Recht-Schluss steht entgegen, dass Satz 3 insoweit eine sys temdurchbrechende Ausnahmeregelung darstellt.211 Eine Verletzung des Folgerichtigkeitsgebots kommt vielmehr nur insoweit in Betracht, als die – durch Übertragung von Wirtschaftsgütern zwischen Schwes ter-Personengesellschaften ausgelöste – Aufdeckung der stillen Reserven der ge setzgeberischen Grundentscheidung widerspricht. Dies setzt voraus, dass die stil len Reserven nach der folgerichtig weiterzudenkenden Grundentscheidung an die gesamte betriebliche Sphäre des Steuersubjekts, bestehend aus sämtlichen Ein zelbetrieben, Sonderbereichen und Anteilen an gemeinsamen Gewerbebetrieben mehrerer Mitunternehmer, angebunden sind. Denn dann bliebe die dreiseitige An bindung der stillen Reserven zumindest anteilig bestehen, so dass für eine voll ständige Aufdeckung der stillen Reserven kein Raum bestünde. aa) Der Anteil am gemeinsamen Gewerbebetrieb als Teil der gesamten betrieblichen Sphäre des Mitunternehmers Die gesetzgeberische Grundentscheidung für die sachliche Anbindung stiller Reserven lässt sich nicht aus einer bestimmten Vorschrift ableiten, sondern kann al lenfalls durch eine Gesamtbetrachtung der verschiedenen einkommensteuerlichen Regelungen ermittelt werden. Ausgangspunkt ist dabei die sachliche Anbindung stiller Reserven des Einzel- bzw. Sonderbetriebsvermögens. Diese sind über § 4 Abs. 1 EStG zunächst an die jeweilige Erwerbsgrundlage bzw. den Sonderbereich des Mitunternehmers angebunden. § 6 Abs. 5 Sätze 1 und 2 EStG erweitern diese Anbindung der stillen Reserven ausnahmslos auf das gesamte Einzel- und Sonder betriebsvermögen des Steuersubjekts. Im Einklang mit dem in § 1 EStG normier ten Individualsteuerprinzip und dem in § 2 Abs. 1 EStG zum Ausdruck kommenden Markteinkommensgedanken unterbleibt somit die Aufdeckung der stillen Reser ven, solange eine Marktrealisation dieser stillen Reserven durch genau dieses Steu 210
Hierzu 1. Kapitel A. III. Einen solchen Erst-Recht-Schluss bspw. befürwortend P. Bareiß, FR 2011, 153 (163); U. Niehus, FR 2005, 278 (279); R. Wacker, Rechtsfähigkeit von Personengesellschaften, in: Habersack/Hommelhoff, Festschrift Goette, 561 (574). 211
D. Subjektbezogene Modifikationen der Regelstruktur
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ersubjekt noch möglich ist. Legislative Grundentscheidung ist demnach nicht die Anbindung an die konkrete Erwerbsgrundlage bzw. den Sonderbereich, sondern die Anbindung an die betriebliche Sphäre des Steuersubjekts.212 Indes erweitert § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG die Anbindung der stillen Reserven nicht generell, sondern nur punktuell auf die betriebliche Sphäre.213 Die Frage, ob dies der Grundentscheidung für die Anbindung an die betriebliche Sphäre widerspricht, hängt davon ab, ob der Anteil am gemeinsamen Gewerbebetrieb aller Mitunter nehmer als Erwerbsgrundlage des Mitunternehmers ebenfalls Teil der betrieb lichen Sphäre des Steuersubjekts ist oder ob er nicht vielmehr getrennt hiervon be trachtet werden muss. Die transparente Stellung der Mitunternehmerschaft legt zunächst die Einbezie hung in die betriebliche Sphäre nahe. Allerdings ist auf der anderen Seite214 zu be rücksichtigen, dass § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG gesellschaftsbezogen ist, da dieser als Bewertungsregelung zur Gewinnermittlung gehört. Diese gesellschafts- und nicht gesellschafterbezogene Betrachtung der Übertragungsvorgänge könnte dafür spre chen, dass die Erwerbsgrundlage des Mitunternehmers anders einzuordnen ist als der Einzelbetrieb und der Sonderbereich. Darauf deutet auch die vom Gesetzgeber in § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 1 und 2 EStG klar vorgenommene Unterscheidung zwi schen dem Gesamthandsvermögen der Mitunternehmerschaft und dem Einzelund Sonderbetriebsvermögen des Mitunternehmers hin.215 Allerdings ist zu be rücksichtigen, dass Regelungskern des Satzes 3 der (systemwidrige) Übergang der stillen Reserven auf andere Steuersubjekte ist. Sollen mit dieser Vorschrift dem nach primär die Folgen einer gelösten Anbindung an das Steuersubjekt überwun den werden, spricht dies gegen eine gesetzgeberische (Grund-)Entscheidung für eine gesellschaftsbezogene Betrachtung. § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG ändert letztlich nichts daran, dass die Mitunternehmerschaft primär als technisches Mittel zur ge meinsamen Marktteilnahme der Gesellschafter angesehen werden sollte. Somit spricht nichts für eine Eigenständigkeit der Erwerbsgrundlage des Mit unternehmers. Vielmehr liegt es nahe, diese als Teil der gesamten betrieblichen Sphäre des Steuersubjekts anzusehen. Denn aufgrund der transparenten Betrach tung der Mitunternehmerschaft bestehen zwischen der Erwerbsgrundlage des Mit unternehmers und dem Einzelbetrieb keine strukturellen Unterschiede.216 Hinzu kommt, dass – dies zeigt auch die Berücksichtigung des Sonderbereichs im Rah men des Steuerobjekts – die gemeinsame Marktteilnahme mehrerer Personen we gen der Ausrichtung der Besteuerung an der einzelnen natürlichen Person im Ver 212
Siehe 3. Kapitel C. II. 1. a) bb) (2) und D. II. 3. a) cc) (2). Siehe 3. Kapitel D. II. 3. a) dd) (2). 214 A. A. A. Leisner-Egensperger, DStZ 2010, 900 (904): „Eine systemtragende steuerrecht liche Grundentscheidung wie die der Transparenz […] muss durchgehalten werden, das ver langt § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG.“ 215 Vgl. BFH, Vorlagebeschluss v. 10.04.2013 – I R 80/12, DStR 2013, 2158 (2161). 216 Ähnlich BFH, Vorlagebeschluss v. 10.04.2013 – I R 80/12, DStR 2013, 2158 (2164). 213
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3. Kap.: Steuersubjekt und Steuerobjekt im Einkommensteuerrecht
gleich zum Einzelunternehmer keine unterschiedlichen Ergebnisse hervorbringen soll. Dieses Ziel lässt sich nur dann verwirklichen, wenn man die Erwerbsgrundlage des Mitunternehmers, den Einzelbetrieb und den Sonderbereich gleichbehandelt. Ergibt sich nun aus § 6 Abs. 5 Satz 1 und 2 EStG die Grundentscheidung für eine Anbindung der – in den Einzelbetrieben und Sonderbereichen entstandenen – stil len Reserven an die gesamte betriebliche Sphäre, so muss dies wegen der Gleich wertigkeit der Erwerbsgrundlagen auch für die stillen Reserven des Anteils am ge meinsamen Gewerbebetrieb aller Mitunternehmer gelten. Dies gilt umso mehr, als Satz 3 steuerneutrale Übertragungen von Wirtschaftsgütern zwischen mitunter nehmerischen Erwerbsgrundlagen und Einzelbetrieben sowie Sonderbereichen an erkennt und lediglich Übertragungen zwischen verschiedenen Erwerbsgrundlagen des Mitunternehmers ausschließt. Folgerichtig müsste die bestehende Anbindung der stillen Reserven an die Er werbsgrundlage des Mitunternehmers ebenfalls erweitert werden. Letztlich müss ten jegliche stillen Reserven der Gewinneinkunftsarten an die gesamte betriebliche Sphäre, bestehend aus sämtlichen Einzelbetrieben, Sonderbereichen und Erwerbs grundlagen des Mitunternehmers angebunden sein. Soweit die Übertragung eines Wirtschaftsguts eine aktuelle Steuerpflicht der stillen Reserven auslöst, obwohl die Anbindung an das Steuersubjekt, das natio nale Besteuerungsrecht und die gesamte betriebliche Sphäre des Steuersubjekts anteilig weiterbesteht, ist § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG nicht folgerichtig ausgestaltet217 und somit rechtfertigungsbedürftig. bb) Keine Rechtfertigung der fehlenden folgerichtigen Umsetzung Durchbrechungen des Folgerichtigkeitsprinzips bedürfen eines besonderen sach lichen Grundes.218 Rein fiskalische Gründe sind von vornherein nicht geeignet, die Durchbrechung des Folgerichtigkeitsprinzips zu rechtfertigen.219 Im Übrigen ist für die Rechtfertigung nach den Beteiligungsverhältnissen bei den Schwester-Per sonengesellschaften zu differenzieren. 217 BFH, Beschluss v. 15.04.2010 – IV B 105/09, BStBl. II 2010, 971 (972); FG Nieder sachsen, Urteil v. 31.05.2012 – 1 K 271/10, EFG 2012, 2106 (2107); U. Niehus/H. Wilke, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 6 Abs. 5 Rn. 1447e; W. Reiß, in: Kirchhof, EStG, § 15 Rn. 388c; M. Wendt, FR 2010, 386 (387). Hingegen ausdrücklich offengelassen durch FG Ber lin-Brandenburg, Urteil v. 20.03.2012 – 11 K 11149/07, EFG 2012, 1235 (1237). Auch der BFH, Urteil v. 25.11.2009 – I R 72/08, BStBl. II 2010, 471 (475) und D. Gosch, DStR 2010, 1173 (1175) teilen die systematischen Erwägungen, ohne jedoch einen Verstoß gegen das Folgerichtigkeitsgebot anzunehmen. 218 Siehe 1. Kapitel A. III. 2. 219 BVerfG, Urteil v. 09.12.2008 – 2 BvL 1, 2/07, 1, 2/08 (Pendlerpauschale), BVerfGE 122, 210 (233) m. w. N.; R. Mellinghoff, Verfassungsbindung, in: Mellinghoff/Schön/Viskorf, Fest schrift Spindler, 153 (165).
D. Subjektbezogene Modifikationen der Regelstruktur
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Bei der Übertragung des Wirtschaftsguts auf eine beteiligungsidentische Schwes ter-Personengesellschaft sind Rechtfertigungsgründe vorliegend entweder nicht ersichtlich oder offensichtlich ungeeignet.220 Allenfalls könnte noch die Miss brauchsvermeidung angeführt werden. Wird beispielsweise ein Wirtschaftsgut mit hohen stillen Reserven in eine andere Mitunternehmerschaft ohne sonstiges we sentliches Betriebsvermögen übertragen und wird diese dann alsbald veräußert, so unterliegt – anders als bei einer direkten Veräußerung des Wirtschaftsguts – der hieraus erzielte Gewinn zum einen nicht der Gewerbesteuer und zum anderen kann für diesen eventuell der Freibetrag des § 16 Abs. 4 EStG in Anspruch genommen werden.221 Jedoch ist zu beachten, dass dies kein spezifisches Problem bei Mit unternehmerschaften darstellt, sondern diese Gestaltung – vorbehaltlich § 42 AO – auch bei Buchwertfortführungen nach Satz 1 und 2 grundsätzlich möglich ist. Zudem geht der komplette Ausschluss von der Buchwertfortführung weit über das Ziel der Missbrauchsvermeidung hinaus.222 Um die missbräuchliche Inan spruchnahme zu verhindern, wird es regelmäßig ausreichen, eine typisierende Be haltensfrist zu normieren. Die Durchbrechung des Folgerichtigkeitsprinzips kann daher bei Übertragungen zwischen beteiligungsidentischen Schwester-Personen gesellschaften nicht gerechtfertigt werden. Entsprechendes gilt auch bei Schwes ter-Personengesellschaften, an denen dieselben Mitunternehmer mit unterschied lichen Quoten beteiligt sind. Anderes könnte allenfalls bei der Übertragung von Wirtschaftsgütern in eine Mitunternehmerschaft mit teilweise anderen Beteiligten gelten. Wird das über tragene Wirtschaftsgut Betriebsvermögen einer solchen Mitunternehmerschaft, so dient es weder allen bisherigen Mitunternehmern gemeinsam noch einem al leine, sondern den Nutzen haben zukünftig die Mitunternehmer der anderen Mit unternehmerschaft gemeinschaftlich. Im Rahmen einer typisierenden Betrachtung könnte man daher zu dem Ergebnis kommen, dass keine typische Unternehmens umstrukturierung vorliege und deshalb die Buchwertfortführung insgesamt zu versagen sei.223 Diese Argumentation kann letztlich aber nicht durchgreifen, so dass richtigerweise auch in diesen Fällen, soweit die dreiseitige Anbindung an teilig bestehen bleibt, eine Buchwertfortführung möglich sein sollte. Denn ist die Anbindung der stillen Reserven an die gesamte betriebliche Sphäre bereits Grund entscheidung, stellt die Buchwertfortführung insoweit keine steuerliche Begüns tigung dar. Die Frage, ob noch eine steuerlich zu fördernde Umstrukturierung vor liegt, kann sich somit nur stellen, soweit neben der Anbindung an die betriebliche Sphäre auch die Anbindung an das Steuersubjekt selbst getrennt wird. 220 BFH, Beschluss v. 15.04.2010 – IV B 105/09, BStBl. II 2010, 971 (972 f.): gesteigerte Leistungsfähigkeit oder Entstrickung; A. Leisner-Egensperger, DStZ 2010, 900 (904): Wort verständnis des § 16 Abs. 1 Satz 1 EStG; C. Lohmann, EWiR 2010, 605 (606); M. Wendt, FR 2010, 386 (387). 221 Siehe hierzu I. van Lishaut, DB 2001, 1519 (1519 f.). 222 So auch BFH, Vorlagebeschluss v. 10.04.2013 – I R 80/12, DStR 2013, 2158 (2164). 223 Vgl. H. Meyer, Mitunternehmerschaft, S. 207.
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3. Kap.: Steuersubjekt und Steuerobjekt im Einkommensteuerrecht
cc) Ergebnis: Die Verfassungswidrigkeit des § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG Insoweit als die stillen Reserven bei der Übertragung von Wirtschaftsgütern aus dem Gesamthandsvermögen einer Mitunternehmerschaft in das Gesamthands vermögen einer anderen Mitunternehmerschaft aufgedeckt werden, obwohl die dreiseitige Anbindung (an das Steuersubjekt, dessen betriebliche Sphäre und das nationale Besteuerungsrecht) anteilig bestehen bleibt, ist § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG wegen Verstoßes gegen das Folgerichtigkeitsprinzip verfassungswidrig. Rechts folge ist indes nicht die Erstreckung der Buchwertfortführung, sondern nur ein Korrekturauftrag an den Gesetzgeber. Konkret bedeutet dies Folgendes: Bei beteiligungsidentischen Mitunternehmer schaften hat der Gesetzgeber sicherzustellen, dass die Buchwertfortführung voll umfänglich gewährt wird. Sind an der übertragenden und der übernehmenden Mitunternehmerschaft nur teilweise dieselben Steuersubjekte beteiligt oder er folgt die Übertragung zwischen Mitunternehmerschaften mit divergierenden Be teiligungsverhältnissen, so ist die Buchwertfortführung nur insoweit erforderlich, als die stillen Reserven weiterhin an die bisherigen Steuersubjekte und deren be triebliche Sphären angebunden sind. Einer vollständigen Buchwertfortführung bedarf es in diesen Fällen hingegen nicht. Denn dies würde aufgrund der unter schiedlichen Beteiligungsverhältnisse zu einer interpersonellen Verlagerung stiller Reserven führen. Eine solche Verlagerung ist aber aus Folgerichtigkeitsgesichts punkten verfassungsrechtlich nicht geboten, da die bislang in Satz 3 vorgesehene interpersonelle Verlagerung stiller Reserven keine legislative Grundentscheidung darstellt, sondern als Ausnahmeregelung einzuordnen ist.224
III. Die Zurechnung von Drittverhalten durch § 6 Abs. 5 Sätze 4 und 6 EStG als weitere subjektbezogene Modifikation Hängt in dem auf die einzelne natürliche Person zugeschnittenen Steuertat bestand die Zurechnung des Steuerobjekts zum Steuersubjekt von dessen eigenem Markthandeln ab, so kann das Verhalten eines Dritten grundsätzlich weder eine solche Zurechnung verhindern noch eine solche begründen. Hiervon weichen die Missbrauchsklauseln der Sätze 4 und 6 des Absatzes 5 auf den ersten Blick ab. Sie ordnen rückwirkend den Ansatz des Teilwerts an, wenn das nach Satz 3 zum Buchwert übertragene Wirtschaftsgut innerhalb einer Sperr frist veräußert oder entnommen bzw. soweit der Anteil einer Kapitalgesellschaft an diesem Wirtschaftsgut begründet oder erhöht wird.225 Soweit diejenigen Steuer 224
Siehe 3. Kapitel D. II. 3. b) bb). Vgl. auch D. Gosch, DStR 2010, 1173 (1175). Eine vergleichbare Regelung enthält auch § 6 Abs. 3 Satz 2 Hs. 2 EStG.
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D. Subjektbezogene Modifikationen der Regelstruktur
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subjekte, denen die stillen Reserven vor der ersten Übertragung des Wirtschafts gutes zugeordnet waren, auf die spätere Übertragung keinen Einfluss haben, begründet damit ein Drittverhalten die rückwirkende Steuerpflicht beim Erstüber tragenden. Vor dieser Rechtsfolge kann sich dieses Steuersubjekt in der Regel auch nicht durch zivilrechtliche Vereinbarungen mit dem Rechtsnachfolger schützen. Solche vertraglichen Abreden ziehen regelmäßig nur Schadensersatzansprüche nach sich und mildern so allenfalls die negativen Steuerfolgen im Nachhinein ab, verhindern aber nicht die Steuerentstehung an sich.226 Somit können Dritte durch eigene Marktteilnahme den Steuertatbestand und damit die Steuerlast eines ande ren Steuersubjekts beeinflussen. Eine solche gesetzlich angeordnete Zurechnung des Drittverhaltens widerspricht der einkommensteuerlichen Systematik, wonach der Steuertatbestand grundsätzlich auf das einzelne Steuersubjekt ausgerichtet ist, und ist daher rechtfertigungsbedürftig.227 Ziel des Steuergesetzgebers war es, durch Satz 3 Umstrukturierungen steuer neutral zu ermöglichen. Die damit einhergehende – systemdurchbrechende – inter personelle Verlagerung stiller Reserven soll dann aber auf diesen Zweck beschränkt bleiben. Die Zurechnung von Drittverhalten durch § 6 Abs. 5 Sätze 4 und 6 EStG könnte daher unter dem Gesichtspunkt der Missbrauchsvermeidung gerechtfer tigt sein. Ein solcher Missbrauchsfall liegt vor, wenn das Wirtschaftsgut und damit die stillen Reserven in der Absicht einer zeitnahen Realisierung auf andere Steuer subjekte übertragen werden. Denn bei wirtschaftlicher Betrachtung liegt eine – durch das übernehmende Steuersubjekt stellvertretend für das übertragende Steu ersubjekt vorgenommene – Veräußerung oder Entnahme sowie eine Schenkung vom Übertragenden an den Übernehmenden vor.228 Demnach begründet das aus schließliche Drittverhalten nur scheinbar die Steuerpflicht der stillen Reserven beim Erstübertragenden. Bei wertender wirtschaftlicher Betrachtung ist hingegen das zielgerichtete Handeln des übertragenden Steuersubjekts das die Steuerpflicht auslösende Moment; die Zurechnung des Steuerobjekts zum Steuersubjekt erfolgt dann aufgrund des eigenen Markthandelns. Fraglich ist jedoch, ob der Gesetzgeber mit den Sätzen 4 und 6 die Missbrauchs fälle zutreffend typisiert hat. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass sich ein Miss brauch der Buchwertfortführung aufgrund des subjektiven Elements tatsächlich 226 G. Crezelius, FR 2002, 805 (808). Anders hingegen FG Berlin, Urteil v. 04.06.2002 – 5 K 5042/00, EFG 2002, 1466 (1468) zur Behaltensvorschrift des § 13 Abs. 2a ErbStG a. F. Zu möglichen Maßnahmen der Berücksichtigung fremdbestimmter Steuerwirkungen allgemein siehe F. Marx/C. Löffler/S. Kläne, StuW 2010, 65 (72 ff.). 227 G. Crezelius, FR 2002, 805 (808 ff.); J. Hey, Individualsteuerprinzip, in: Tipke/Söhn, Ge dächtnisschrift Trzaskalik, 219 (231 f.); U. Niehus/H. Wilke, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 6 Abs. 5 Rn. 1470a. 228 Im Ergebnis ebenso J. Hey, Individualsteuerprinzip, in: Tipke/Söhn, Gedächtnisschrift Trzaskalik, 219 (230): Zurechnung des Drittverhaltens ist bei kollusivem Zusammenwirken un ter dem Gesichtspunkt der Missbrauchsvermeidung gerechtfertigt.
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3. Kap.: Steuersubjekt und Steuerobjekt im Einkommensteuerrecht
nur schwer nachprüfen lässt. Aus diesem Grund ist es an sich nicht zu beanstan den, wenn der Gesetzgeber eine schutzwürdige Umstrukturierung nur annimmt, wenn das übertragene Wirtschaftsgut eine gewisse Zeitdauer im neuen Betriebs vermögen verbleibt, die stillen Reserven also nicht zeitnah realisiert werden. Für diese Zweckerfüllung können auch starren Fristen ohne Öffnungsklausel eine praktikable Lösung darstellen. Auch in ihrer konkreten Ausgestaltung stehen den Sätze 4 und 6 keine durchgreifenden Bedenken entgegen. Man mag diese Rege lung, insbesondere die unterschiedlichen Fristen in Satz 4 und Satz 6, im Detail kritisieren.229 Allerdings bewegt sich der Gesetzgeber insgesamt noch innerhalb des ihm zustehenden Typisierungsspielraums. Denn die Buchwertfortführung des Satzes 3 soll von vornherein nur in (typisierten) nicht missbräuchlichen F ällen zur Anwendung kommen. Ob diese Voraussetzung erfüllt ist, steht jedoch regel mäßig nicht bereits im Übertragungszeitpunkt fest. Ohne das Verhalten des Über nehmenden dem Übertragenden zuzurechnen, ließen sich die zulässig typisier ten Missbrauchsfälle praktisch nicht erfassen und die Behaltensfristen liefen ins Leere. Einer solchen Zurechnung des Drittverhaltens steht auch die Möglich keit einer Sanktion gegenüber dem Dritten selbst nicht entgegen;230 denn dadurch würde die missbräuchliche interpersonelle Verlagerung stiller Reserven nicht verhindert, sondern unter Inkaufnahme der Sanktion erst ermöglicht. Im Ergeb nis führt die Zurechnung des Drittverhaltens letztlich zu einer Besteuerung des eigenen Markthandelns des übertragenden Steuersubjekts; die Zurechnung des Drittverhaltens stellt damit die Grundsystematik wieder her und ist aus diesem Grund gerechtfertigt.231 Zusammenfassend ist festzuhalten, dass jeweils isoliert betrachtet die mit der Buchwertfortführung einhergehende Verlagerung stiller Reserven auf andere Steuer subjekte sowie die Zurechnung von Drittverhalten zwar der einkommensteuerlichen Grundstruktur widersprechen. Jedoch ist aufgrund der gesetzgeberischen Zielset zung, nur tatsächliche Umstrukturierungsmaßnahmen zu erfassen, eine gemeinsame Betrachtung der Sätze 3, 4 und 6 des Absatzes 5 angezeigt. Da durch die Sätze 4 und 6 im Ergebnis eine zutreffende Besteuerung des marktteilnehmenden Steuer subjekts erreicht wird und sich der Gesetzgeber mit diesen Regelungen (noch) in nerhalb des ihm zustehenden Gestaltungs- und Typisierungsspielraums bewegt, ist die Rückwirkung des Verhaltens Dritter auf die Steuerpflicht des übertragenden Steuersubjekts im Ergebnis nicht zu beanstanden.
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So J. Hey, Individualsteuerprinzip, in: Tipke/Söhn, Gedächtnisschrift Trzaskalik, 219 (230). Siehe aber H.-J. Kanzler, in: Carlé/Stahl/Strahl, Festschrift Korn, 287 (303) zu § 6 Abs. 3 Satz 2 Hs. 2 EStG: Fristenregelung ist unbedenklich, wenn Sanktion den Übernehmer trifft. 231 A. A. G. Crezelius, FR 2002, 805 (811) und J. Hey, Individualsteuerprinzip, in: Tipke/ Söhn, Gedächtnisschrift Trzaskalik, 219 (232), wonach die (negativen) Folgen einer system widrigen Regelung (interpersonelle Verlagerung der stillen Reserven) nicht durch eine weitere systemdurchbrechende Norm (Zurechnung von Drittverhalten) gerechtfertigt werden können, auch wenn damit der ursprüngliche Zustand wieder hergestellt wird. 230
D. Subjektbezogene Modifikationen der Regelstruktur
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IV. Der Einfluss der Gesamtrechtsnachfolge auf die Steuersubjektivität Mit dem Tod der natürlichen Person endet sowohl deren zivilrechtliche Rechts fähigkeit als auch deren Steuersubjektivität. Infolgedessen stellen sich verschie dene Nachfolgefragen, insbesondere welche Auswirkungen das Ende der Steuer subjektivität auf steuerlich noch nicht vollständig abgeschlossene Sachverhalte hat, wie beispielsweise offene Steuerforderungen oder -verbindlichkeiten, an den Erblasser angebundene latente Einkünfte oder steuerliche Verlustvorträge. Die Be antwortung dieser Fragen hängt im Wesentlichen davon ab, ob und wenn ja, in welchem Umfang der zivilrechtliche Gesamtrechtsnachfolger an die Stelle des verstorbenen Steuersubjekts rückt, mithin, ob es einen allgemeinen steuerlichen Nachfolgegedanken gibt und bejahendenfalls welchen Inhalt dieser hat. 1. Die Gesamtrechtsnachfolge in einkommensteuerliche Positionen a) Die zivilrechtliche Gesamtrechtsnachfolge nach § 1922 BGB Der Eintritt des Rechtsnachfolgers in die bisherige steuerrechtliche Stellung des verstorbenen Steuersubjekts könnte sich zunächst aus der zivilrechtlich angeord neten Gesamtrechtsnachfolge nach § 1922 BGB (gegebenenfalls in Verbindung mit § 1967 BGB232) ergeben. Diese Vorschrift ordnet zum Zwecke der Rechtsklarheit und im Interesse der Nachlassgläubiger am Erhalt der Haftungseinheit den unmittelbaren Übergang des Vermögens als Ganzes auf den oder die Erben an.233 Zivilrechtlich gehen – soweit keine Sonderregelungen bestehen – alle vermögensrechtlichen Positionen auf den Erben über.234 Eine Fortsetzung der Persönlichkeit des Erblassers durch den Erben lässt sich der Vorschrift indes nicht entnehmen.235 Somit kommt auch steuerrecht lich allenfalls ein Übergang der Vermögenspositionen in Betracht; eine steuer rechtliche Personennachfolge, wonach die Steuersubjektivität trotz des Todes fort bestehen würde, scheidet folglich von vornherein aus.236 232 W. Schlüter, in: Westermann/Grunewald/Maier-Reimer, Erman BGB, § 1922 Rn. 6; a. A. D. Leipold, in: Säcker/Rixecker, MüKo BGB, § 1922 Rn. 16; A. Stein, in: Soergel, BGB, § 1922 Rn. 13. 233 D. Leipold, in: Säcker/Rixecker, MüKo BGB, § 1922 Rn. 117 f.; B. Müller-Christmann, in: Bamberger/Roth, BGB, § 1922 Rn. 15. 234 T. Hoeren, in: Schulze, BGB-Handkommentar, § 1922 Rn. 2; D. Leipold, in: Säcker/Rixecker, MüKo BGB, § 1922 Rn. 19; B. Müller-Christmann, in: Bamberger/Roth, BGB, § 1922 Rn. 24. 235 F. Friz, Erbschaft- und Schenkungsteuer, S. 51; H. Jakobs, DB 1970, 1099 (1100); R. Vogt, DStR 2007, 1373 (1375); P. Windel, Modi der Nachfolge, 240 f. 236 So allerdings noch z. B. BFH, Urteil v. 21.03.1969 – VI R 208/67, BStBl. II 1969, 520 (521): „Der Erbe setzt nicht nur zivilrechtlich, sondern auch einkommensteuerrechtlich die Per son des Erblassers fort. Er tritt in jeder Beziehung in dessen Rechtsstellung ein und ist wie der Rechtsvorgänger zu behandeln […].“
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3. Kap.: Steuersubjekt und Steuerobjekt im Einkommensteuerrecht
Den von § 1922 BGB angeordneten zivilrechtlichen Vermögensübergang an erkennt auch das Einkommensteuerrecht, indem es zum einen die neue zivil rechtliche und wirtschaftliche Zuordnung des übergegangenen Vermögens bei der zukünftigen Besteuerung des Gesamtrechtnachfolgers berücksichtigt, den Gesamt rechtsnachfolger somit in das wirtschaftliche Eigentum des Erblassers eintreten lässt. Zugleich überführt § 45 AO aber auch bereits entstandene oder mit dem Tod entstehende Steuerforderungen und -verbindlichkeiten des Erblassers auf die Erben. Fraglich ist hingegen, ob § 1922 BGB den Erben auch in einen noch nicht voll ständig verwirklichten Steuertatbestand des verstorbenen Steuersubjekts eintre ten lässt. Dies erscheint zunächst nicht fernliegend,237 da § 1922 BGB auch den zivilrechtlichen Eintritt des Erben in noch unfertige Rechtslagen, also in solche Rechtsbeziehungen, die erst durch weitere Ereignisse oder zusätzliche Willens erklärungen vollständig entstehen, bewirkt.238 Allerdings ist zu beachten, dass das Steuerrecht als selbstständiges Rechtsgebiet eigenen Regeln folgt. Während das zivilrechtliche Prinzip der Gesamtrechtsnachfolge durch den Erhalt der Haf tungseinheit sowohl den Interessen der Erben als auch den Interessen der Nach lassgläubiger dient,239 verfolgt das Steuerrecht mit dem auf das Steuersubjekt aus gerichteten Steuertatbestand die Zielrichtung, die einzelnen Steuersubjekte jeweils entsprechend ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu besteuern. Aufgrund dieser abweichenden Zielsetzungen lässt sich der Eintritt des Gesamtrechtsnach folgers in noch nicht vollständig verwirklichte Steuertatbestände des Erblassers nicht begründen.240 Richtigerweise können diese spezifischen steuerrechtlichen Probleme nur durch allgemeine oder spezielle Regelungen241 des – dem Zivilrecht gleichrangigen – Steuerrechts selbst gelöst werden. Aus diesem Grund kann die umstrittene Frage, ob die zivilrechtliche Norm des § 1922 BGB generell geeig net ist, öffentlich-rechtliche Rechtsbeziehungen auf den zivilrechtlichen Gesamt rechtsnachfolger zu übertragen, offenbleiben.242 237 Vgl. bspw. BFH, Urteil v. 21.03.1969 – VI R 208/67, BStBl. II 1969, 520 (521); BFH, Ur teil v. 18.09.1964 – VI R 300/63 U, BStBl. III 1964, 647 (allerdings ohne ausdrückliche Bezug nahme auf § 1922 BGB). 238 D. Leipold, in: Säcker/Rixecker, MüKo BGB, § 1922 Rn. 41; B. Müller-Christmann, in: Bamberger/Roth, BGB, § 1922 Rn. 48; H. Stadie, DVBl. 1990, 501 (505); D. Weidlich, in: Palandt, BGB, § 1922 Rn. 26. 239 D. Leipold, in: Säcker/Rixecker, MüKo BGB, § 1922 Rn. 118; B. Müller-Christmann, in: Bamberger/Roth, BGB, § 1922 Rn. 15. 240 Im Ergebnis ebenso J. Meinicke, Auswirkungen der Rechtsnachfolge, in: Schulze-Osterloh, DStJG 10 (1987), 19 (37); L. Ring, DStZ 1981, 24 (26). 241 Stellt die Pflichtbegründung beim Rechtsvorgänger einen dem Gesetzesvorbehalt unterlie genden Grundrechtseingriff dar, so unterliegt gleichfalls auch der Nachfolgetatbestand einem Gesetzesvorbehalt, J. Dietlein, Nachfolge im öffentlichen Recht, S. 196. Ebenso H.-J. Papier, DVBl. 1996, 125 (126); F.-J. Peine, JuS 1997, 984 (984); R. Vogt, Rechtsnachfolge, S. 29; D. Zacharias, JA 2001, 720 (723, 725 ff.). Zu den Anforderungen an einen solchen Nachfolge tatbestand grundlegend J. Dietlein, Nachfolge im öffentlichen Recht, S. 152 ff. 242 Bejahend H.-J. Papier, DVBl. 1996, 125 (126); H. Stadie, DVBl. 1990, 501 (503); ablehnend J. Dietlein, Nachfolge im öffentlichen Recht, S. 272 f.; H. Ruppe, Einkommensteuerrechtliche
D. Subjektbezogene Modifikationen der Regelstruktur
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b) Die begrenzte Wirkung des § 45 Abs. 1 Satz 1 AO auf die Rechtsnachfolge in steuerliche Positionen Einen allgemeinen steuerlichen Nachfolgegedanken könnte lediglich § 45 Abs. 1 Satz 1 AO beinhalten. Dieser normiert jedenfalls die steuerrechtlichen Folgen einer zivilrechtlichen Gesamtrechtsnachfolge.243 Ob über den Wortlaut des § 45 AO hin aus, wonach nur Forderungen und Schulden aus dem Steuerschuldverhältnis auf den Gesamtrechtsnachfolger übergehen, auch ein umfassender Eintritt des Rechts nachfolgers in die steuerrechtliche Stellung des Rechtsvorgängers verbunden ist, ist umstritten. Bejahendenfalls dürfte die zivilrechtliche Gesamtrechtsnachfolge keine steuerlichen Folgen nach sich ziehen, da das Markthandeln des Erblassers dem Ge samtrechtsnachfolger steuerlich zuzurechnen wäre. Gegen eine solche Auslegung des § 45 AO sprechen zunächst systematische Er wägungen. Die Stellung in der Abgabenordnung zwischen dem Entstehen eines An spruchs aus dem Steuerschuldverhältnis (§§ 37 und 38 AO) und dessen Erlöschen (§ 47 AO) legt es nahe, diese Vorschrift auch nur in diesem Kontext zu verstehen.244 Zudem ist § 45 AO differenzierungslos auf alle – in ihrer Struktur sich stark unter scheidenden – Steuerarten anzuwenden und würde bei einer solch weiten Auslegung den jeweiligen steuerartspezifischen Unterschieden nicht immer gerecht werden.245 Auch eine über den Wortlaut des § 45 Abs. 1 Satz 1 AO hinausgehende Inter pretation kommt nicht in Betracht. Zwar mag der Wortlaut bei einer rechtsfol genorientierten Betrachtung als zu eng angesehen werden und deshalb eine ent sprechende Auslegung dahingehend, dass der Rechtsnachfolger umfassend in die steuerrechtliche Rechtsstellung des Rechtsvorgängers eintritt, naheliegen.246 Aus rechtsstaatlichen Gründen wäre dies jedoch zumindest insoweit bedenklich, als dem Rechtsnachfolger steuerliche Nachteile entstehen, die Auslegung gegen den eindeutigen247 Wortlaut also zu seinen Lasten erfolgt. Hinzu kommt, dass auch entwicklungsgeschichtlich keine andere Auslegung geboten ist.248 So sah auch § 8 Abs. 1 StAnpG 1934249 als Vorgängerregelung des § 45 AO lediglich den Übergang der Steuerschuld auf den Rechtsnachfolger Positionen bei Rechtsnachfolge, in: Schulze-Osterloh, DStJG 10 (1987), 45 (54); F.-J. Peine, DVBl. 1980, 941 (946); F.-J. Peine, JuS 1997, 984 (986 f.). 243 H. Boeker, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, § 45 Rn. 9; U. Koenig, in: Koenig, AO, § 45 Rn. 1; E. Ratschow, in: Klein/Orlopp, AO, § 45 Rn. 1; R. Vogt, Rechtsnachfolge, S. 37 f. 244 K.-D. Drüen, in: Tipke/Kruse, AO, § 45 Rn. 2. 245 H. Ruppe, Einkommensteuerrechtliche Positionen bei Rechtsnachfolge, in: Schulze-Oster loh, DStJG 10 (1987), 45 (55); R. Fischer, Rechtsnachfolge in einkommensteuerliche Posi tionen, S. 18 f.; F. Friz, Erbschaft- und Schenkungsteuer, S. 49. 246 So z. B. E. Ratschow, in: Klein/Orlopp, AO, § 45 Rn. 5. 247 R. Vogt, Rechtsnachfolge, S. 55 ff. 248 H. Ruppe, Einkommensteuerrechtliche Positionen bei Rechtsnachfolge, in: Schulze-Oster loh, DStJG 10 (1987), 45 (55); R. Vogt, Rechtsnachfolge, S. 36 f.; F. Friz, Erbschaft- und Schen kungsteuer, S. 49. A. A. H. Boeker, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, § 45 Rn. 8. 249 Steueranpassungsgesetz v. 16.10.1934, RGBl. I 1934, 925 (927).
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3. Kap.: Steuersubjekt und Steuerobjekt im Einkommensteuerrecht
vor.250 Hiermit wollte der historische Gesetzgeber lediglich Unsicherheiten be seitigen, ob Steuerschulden allein aufgrund zivilrechtlicher Regelungen auf den Rechtsnachfolger übergehen.251 Eine darüber hinausgehende, allgemeine steuer rechtliche Nachfolgeregelung wurde mit § 8 Abs. 1 StAnpG 1934 indes ausdrück lich nicht bezweckt.252 Ausweislich der Gesetzgebungsmaterialien gilt für § 45 Abs. 1 Satz 1 AO nichts anderes. Denn mit dieser gegenüber § 8 Abs. 1 StAnpG 1934 nur leicht modifizierten Vorschrift wollte der Gesetzgeber lediglich klarstel len, dass die zivilrechtlichen Grundsätze, vor allem die des § 1922 BGB, auch im Steuerrecht anzuwenden sind. Dabei stand insbesondere im Vordergrund, dass die Steuerschulden auf den Gesamtrechtsnachfolger übergehen und die Unanfecht barkeit einer Steuerfestsetzung auch gegenüber diesem wirkt.253 Aus den Gesetzgebungsmaterialien ergeben sich auch keine Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber mit § 45 AO eine bisherige höchstrichterliche Rechtsprechung zu § 8 StAnpG, wonach der Gesamtrechtsnachfolger – soweit keine höchstpersön lichen Verhältnisse betroffen sind – umfassend in die materiell- und verfahrens rechtliche Rechtsstellung des Rechtsvorgängers eintritt, fortschreiben wollte.254 Solche Anhaltspunkte wären jedoch für einen Sanktionierungswillen des Gesetz gebers erforderlich, da der Bundesfinanzhof diesen vollumfassenden Eintritt des Gesamtrechtsnachfolgers in die materiell- und verfahrensrechtliche Rechtsstellung des Rechtsvorgängers nur teilweise ausdrücklich aus § 8 StAnpG abgeleitet hat.255 In anderen Entscheidungen rückte er jedoch die zivilrechtliche Wertung des § 1922 BGB in den Vordergrund und übertrug diese auf das Steuerrecht, da beispielsweise nach § 8 StAnpG die Steuerschulden auf den Rechtsnachfolger übergingen, der Erbe über § 119 AO ergangene Bescheide gegen sich gelten lassen müsse oder dieser nach § 7 Abs. 1 EStDV an die Wertansätze des Rechtsvorgängers gebunden sei.256 250
§ 8 Abs. 1 StAnpG 1934 lautete: Bei Gesamtrechtsnachfolge (zum Beispiel bei Erbfolge oder bei Verschmelzung von Gesellschaften) geht die Steuerschuld des Rechtsvorgängers auf den Rechtsnachfolger über. 251 R. Fischer, Rechtsnachfolge in einkommensteuerliche Positionen, S. 18. 252 Begründung zum Steueranpassungsgesetz, RStBl. 1934, 1398 (1403): „Der § 8 Absatz 1 des Steueranpassungsgesetzes spricht nur von dem Übergang der Steuerschuld. Dagegen lässt er die Frage offen, inwieweit auch andere steuerrechtliche Verpflichtungen […] und inwieweit steuerrechtliche Befugnisse […] von dem Rechtsvorgänger auf den Gesamtrechtsnachfolger übergehen.“ 253 Entwurf einer Abgabenordnung (AO 1974) v. 19.03.1971, BT-Drs. VI/1982, S. 115, zu § 48. Die Änderungen in der verabschiedeten Fassung des § 45 AO wurden demgegenüber nur als solche redaktioneller Art angesehen, vgl. den Bericht und Antrag des Finanzausschus ses zu dem von den Fraktionen der SPD, FDP eingebrachten Entwurf einer Abgabenordnung v. 07.11.1975, BT-Drs. 7/4292, S. 19. 254 Einen solche Fortschreibungswillen allerdings annehmend H. Boeker, in: Hübschmann/ Hepp/Spitaler, AO, § 45 Rn. 8. 255 Z. B. BFH, Urteil v. 13.12.1957 – VI 234/56 U, BStBl. III 1958, 72 (72 f.); BFH, Urteil v. 11.11.1971 – V R 111/68, BStBl. II 1972, 80. 256 Z. B. BFH, Urteil v. 22.06.1962 – VI 49/61 S, BStBl. III 1962, 386 (387); BFH, Urteil v. 22.08.1968 – IV 244/63, BStBl. II 1969, 34; BFH, Urteil v. 21.03.1969 – VI R 208/67, BStBl. II 1969, 520 (521 f.).
D. Subjektbezogene Modifikationen der Regelstruktur
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Stützt der Bundesfinanzhof sein Ergebnis nur zum Teil unmittelbar auf § 8 StAnpG und zieht ansonsten Einzelregelungen zur Ergebnisbegründung her,257 so fehlt es bereits an einer einheitlich begründeten und damit fortschreibungsfähigen Recht sprechung zum Eintritt des Gesamtrechtsnachfolgers in die Rechtsstellung des Rechtvorgängers. Ohne entsprechende Hinweise im Gesetzgebungsverfahren kann dem Gesetzgeber daher bei Einführung des § 45 AO nicht der Wille zur Fortschrei bung einer – sich in der Begründung unterscheidenden Rechtsprechung – unter stellt werden.258 § 45 Abs. 1 Satz 1 AO lässt den zivilrechtlichen Gesamtrechtsnachfolger259 so mit nicht umfassend,260 sondern lediglich in Bezug auf Forderungen und Schul den aus dem Steuerschuldverhältnis in die einkommensteuerliche Rechtsstellung des Rechtsvorgängers eintreten. Der Tod eines Steuersubjekts führt daher nicht ge nerell zu einer Zurechnung des bisherigen Markthandelns des Rechtsvorgängers zum Rechtsnachfolger; es erfolgt demnach keine subjektbezogene Modifikation der Grundstruktur.
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Auch unter Geltung des § 45 AO hat sich hieran nichts geändert. Einerseits BFH, Ur teil v. 17.06.1997 – IX R 30/95, BStBl. II 1997, 802 (803): „[…] beim Erbfall [geht] das Ver mögen des Erblassers (Erbschaft) im Wege der Gesamtrechtsnachfolge […] als Ganzes auf den Erben über. Der BFH vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, der Gesamtrechts nachfolger trete materiell-rechtlich in die steuerrechtliche Stellung des Rechtsvorgängers ein […]. Bestätigt wird diese Auffassung durch die Regelung in § 11d Abs. 1 EStDV, wo nach bei unentgeltlichem Erwerb sich die AfA nach den Herstellungskosten des Rechtsvor gängers bemessen.“ Andererseits BFH, Urteil v. 20.03.2002 – II R 53/99, BStBl. II 2002, 441 (442): „Nach § 1922 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB), § 45 Abs. 1 Satz 1 der Ab gabenordnung (AO 1977) gehen bei einer Gesamtrechtsnachfolge auch Forderungen und Schulden aus dem Steuerschuldverhältnis auf den Rechtsnachfolger über. Der Bundesfinanz hof (BFH) vertritt insoweit in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, der Gesamtrechts nachfolger trete materiell- und verfahrensrechtlich in die abgabenrechtliche Stellung des Rechtsvorgängers ein.“ Ebenso BFH, Urteil v. 04.07.2012 – II R 15/11, BStBl. II 2012, 790 (790 f.), offengelassen durch BFH, Beschluss v. 17.12.2007 – GrS 2/04, BStBl. II 2008, 608 (611 f.). 258 Im Ergebnis ebenso R. Fischer, Rechtsnachfolge in einkommensteuerliche Positionen, S. 17; C. Trzaskalik, StuW 1979, 97 (98 Fn. 4). 259 Dies wurde ausdrücklich nur für die Gesamtrechtsnachfolge geprüft, gilt im Falle einer Einzelrechtsnachfolge, die sich von der Gesamtrechtsnachfolge insbesondere dadurch unter scheidet, dass das bisherige Steuersubjekt fortbesteht, aber erst Recht. 260 So bereits C. Trzaskalik, StuW 1979, 97 (98). Ebenso F. Friz, Erbschaft- und Schen kungsteuer, S. 49 f.; S. Müller-Franken, StuW 2004, 109 (113); H. Kruse, Gesamt- und Einzel rechtsnachfolge, in: Schulze-Osterloh, DStJG 10 (1987), 1 (6 ff., 11 f.); H. Ruppe, Einkommen steuerrechtliche Positionen bei Rechtsnachfolge, in: Schulze-Osterloh, DStJG 10 (1987), 45 (55 f.); C. Wasmer, Zurechnung, S. 44.
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3. Kap.: Steuersubjekt und Steuerobjekt im Einkommensteuerrecht
2. Das Sonderproblem der Rechtsnachfolge in Verluste a) Der Verlustvortrag nach § 10d EStG Durch die Entscheidung des Gesetzgebers, die Leistungsfähigkeit an das im Kalenderjahr erzielte Markteinkommen zu binden (§ 25 Abs. 1 EStG), ergeben sich zwangsläufig Härten, die von Verfassungs wegen auszugleichen sind. Diese Ausgleichsfunktion kommt § 10d EStG zu, der durch einen interperiodischen Verlustausgleich die Folgen des Periodizitätsprinzips grundgesetzkonform ab mildert.261 Lässt man Sonderregelungen, die gesonderte Verlustverrechnungskreise vor sehen,262 einmal außer Acht, so sind nach § 2 Abs. 1 bis 3 EStG negative Einkünfte aus einer Erwerbsgrundlage zunächst mit positiven Einkünften aus derselben Ein kunftsart (horizontaler Verlustausgleich) und anschließend mit Einkünften aus den anderen Einkunftsarten (vertikaler Verlustausgleich) zu verrechnen. Soweit nega tive Einkünfte bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte nicht aus geglichen werden können, gestattet § 10d Abs. 1 EStG einen zeitlich und auch der Höhe nach beschränkten Verlustrücktrag. Soweit dieser nicht in Anspruch genom men wird oder nicht ausreicht, sieht § 10d Abs. 2 EStG einen zeitlich unbegrenz ten, aber durch die sogenannte Mindestbesteuerung der Höhe nach beschränkten Verlustvortrag vor. b) Der Übergang des verbleibenden Verlustvortrags auf den Gesamtrechtsnachfolger als mögliche subjektbezogene Modifikation Stirbt ein Steuersubjekt bevor es – mangels ausreichender positiver Einkünfte – den Verlustvortrag nach § 10d Abs. 1 und 2 EStG vollständig mit einem positi ven Gesamtbetrag der Einkünfte anderer Jahre verrechnen konnte, so stellt sich die Frage, welche Folgen dies für den verbleibenden Verlustvortrag hat. Möglich ist einerseits ein ersatzloser Untergang des verbleibenden Verlustvortrags mit dem Tod des Steuersubjekts. Andererseits kommt als subjektbezogene Modifikation 261 S. Müller-Franken, StuW 2004, 109 (122); C. Seiler, Objektives Nettoprinzip, in: Hey, DStJG 34 (2011), 61 (82). Inwieweit ein Verlustvortrag aus verfassungsrechtlichen Grün den grundsätzlich zeitlich unbeschränkt ermöglicht werden muss, ist umstritten. Bejahend bspw. R. Eckhoff, Verluste im Einkommensteuerrecht, in: von Groll, DStJG 28 (2005), 11 (34); M. Lehner, in: Lehner, Verluste im nationalen und internationalen Steuerrecht, 1 (16); H. Clemm, Diskussion zu den Referaten von Prof. Dr. Rolf Eckhoff und Michael Wendt, in: von Groll, DStJG 28 (2005), 81 (82); M. Wendt, Verluste im Einkommensteuerrecht, in: von Groll, DStJG 28 (2005), 41 (68 f.). Ablehnend hingegen H. Kube, DStR 2011, 1781 (1787 f.): Verlustverrechnungszeitraum von fünf bis sieben Jahren wahrt die verfassungsrechtlichen An forderungen; F. Dötsch, DStR 2008, 641 (643). 262 Z. B. § 20 Abs. 6 EStG, § 22 Nr. 3 Sätze 3 – 6 EStG, § 23 Abs. 3 Sätze 7 – 10 EStG.
D. Subjektbezogene Modifikationen der Regelstruktur
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aber auch die Vererblichkeit, also der Übergang des noch nicht verbrauchten Ver lustvortrags auf den Rechtsnachfolger in Betracht. Je nachdem, ob der verbleibende Verlustvortrag untergeht oder vererblich ist, stellen sich unterschiedliche Folgeprobleme. Sieht das geltende Recht den Über gang des Verlustvortrags vor, so bedarf diese subjektbezogene Modifikation des – auf das einzelne Steuersubjekt ausgerichteten – Steuertatbestands grundsätzlich der Rechtfertigung. Anderenfalls stellt sich hingegen die Frage, ob insoweit aus nahmsweise – beispielsweise aufgrund der Qualität des Verlustvortrags oder ein kommensteuerlicher Grundprinzipien – eine Gesamtbetrachtung von Rechtsvor gänger und Rechtsnachfolger geboten ist und infolgedessen der Verlustvortrag vererblich sein müsste. c) Die Behandlung des steuerlichen Verlustvortrags beim Tod eines Steuersubjekts im geltenden Einkommensteuerrecht aa) Rechtsprechungsentwicklung zur Vererblichkeit des Verlustvortrags und die Bedeutung der Streitfrage nach der Entscheidung des Großen Senats Die Frage, ob ein verbleibender Verlustvortrag beim Tod eines Steuersubjekts untergeht oder auf den Gesamtrechtsnachfolger übergeht, hat der Große Senat des Bundesfinanzhofs im Jahre 2007263 zugunsten des Verlustuntergangs entschieden. Diesem Beschluss ging neben dem – auch wohl weiterhin anhaltenden – wissen schaftlichen Diskurs eine sich wandelnde Rechtsprechung voraus. So betonte der Reichsfinanzhof264 zwar zunächst, dass der Erbe wie der Rechtsvorgänger zu be handeln sei, verneinte aber in nachfolgenden Entscheidungen265 den Übergang auf andere (natürliche und juristische) Personen und damit die Vererblichkeit des Ver lustvortrags. Denn diese im öffentlichen Recht wurzelnde Berechtigung sei per sonengebunden und auch zivilrechtlich nicht übertragbar. Eine Ausnahme könne nur dann in Betracht kommen, wenn steuerliche Personengleichheit bestehe. Die ses Ergebnis teilte der Bundesfinanzhof – entgegen der überwiegenden Literatur meinung266 – nicht und gewährte dem Erben – bis zur Großen Senatsentscheidung
263
BFH, Beschluss v. 17.12.2007 – GrS 2/04, BStBl. II 2008, 608. Z. B. RFH, Urteil v. 08.11.1933 – VI A 1488/31, RStBl. 1934, 295 (295). 265 RFH, Urteil v. 07.11.1934 – VI A 875/34, StuW II 1935, Spalte 47 (48 f.). Zustimmend RFH, v. 12.05.1936 – I A 84/36, RStBl. 1936, 789 (790): Untergang des Verlustvortrags bei Umwandlung einer Aktiengesellschaft in eine GmbH; RFH, v. 19.05.1936 – I A 107/36, RStBl. 1936, 790 (791): Untergang des Verlustvortrags bei Verschmelzung; RFH, Urteil v. 02.07.1941 – VI 433/40, RStBl. 1941, 658 (658 f.): Untergang des Verlustvortrags bei Um wandlung einer GmbH auf ihren Alleingesellschafter. 266 Eine umfangreiche Übersicht findet sich im Vorlagebeschluss des XI. Senats, BFH, Be schluss v. 28.07.2004 – XI R 54/99, BStBl. II 2005, 262 (264). 264
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3. Kap.: Steuersubjekt und Steuerobjekt im Einkommensteuerrecht
in ständiger Rechtsprechung – grundsätzlich den noch nicht verbrauchten Verlust vortrag sowie den Verlustausgleich des Erblassers.267 Die Streitfrage, ob der Verlustvortrag vererblich ist oder nicht, hat sich durch diese Entscheidung des Großen Senats zumindest für die praktische Rechts anwendung erledigt. Allerdings hängt die Antwort auf diese Streitfrage maßgeb lich davon ab, wie das Steuersubjekt, das Steuerobjekt und das Verhältnis der beiden zueinander konkret ausgestaltet sind. Hinter dem Problem der Vererblich keit des Verlustvortrags stehen folglich grundlegende steuersystematische Über legungen, so dass die Streitfrage aus wissenschaftlicher Sicht nach wie vor von Bedeutung ist. bb) De lege lata kein Übergang des Verlustvortrags auf den Gesamtrechtsnachfolger Im Einkommensteuergesetz selbst fehlt eine allgemeine Regelung zur Be handlung des Verlustvortrags im Rechtsnachfolgefall. Eine subjektbezogene Mo difikation des auf das einzelne Steuersubjekt bezogenen Steuertatbestands und damit der Übergang des Verlustvortrags kann daher nur – gegebenenfalls mithilfe einer wertenden Betrachtung – auf sonstige zivil- oder steuerrechtliche Normen gestützt werden. (1) Der Verlustvortrag als Vermögenswert im Sinne des § 1922 BGB? Als zivilrechtliche Vorschrift, die den Übergang des Verlustvortrags auf den Gesamtrechtsnachfolger ermöglichen könnte, kommt § 1922 BGB in Betracht. Indes lässt sich über § 1922 BGB ein entsprechendes Ergebnis nicht ohne wei teres begründen. Denn diese Vorschrift führt, wie oben dargelegt, nicht zu einer steuerrechtlich anzuerkennenden Personennachfolge durch den Erben, sondern lässt nur das Erblasservermögen übergehen.268 Letzteres hilft hier nur dann wei ter, wenn dem Verlustvortrag ein Vermögenswert zukommt. Hierfür spricht, dass 267 Z. B. BFH, Urteil v. 15.03.1962 – IV 177/60, HFR 1963, 8 (9); BFH, Urteil v. 22.06.1962 – VI 49/61 S, BStBl. III 1962, 386 (387); zum Verlustausgleich BFH, Urteil v. 17.05.1972 – I R 126/70, BStBl. II 1972, 621 (622); BFH, Urteil v. 10.04.1973 – VIII R 132/70, BStBl. II 1973, 679 (679 f.); BFH, Urteil v. 16.05.2001 – I R 76/99, BStBl. II 2002, 487 (489 f.) zum Verlustausgleich durch eine steuerbefreite Stiftung. Ebenso österreichischer VfGH, Erkennt nis v. 05.03.1988 – G248/87: Übergang des einkommen- und gewerbesteuerlichen Verlust abzugs auf den Erben ist verfassungsrechtlich geboten, da dieser umfassend in die Stellung des Erblassers eintritt. Ausdrücklich offenlassend hingegen BFH, Urteil v. 07.12.1993 – VIII R 160/86, BStBl. II 1994, 331 (332) und BFH, Urteil v. 05.05.1999 – XI R 1/97, BStBl. II 1999, 653 (655). 268 Siehe hierzu 3. Kapitel D. IV. 1. a).
D. Subjektbezogene Modifikationen der Regelstruktur
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der Verlustvortrag die Einkommensteuerlast zukünftiger Veranlagungszeiträume mindern kann.269 Bei Lichte betrachtet zeigt sich aber die Zirkelschlüssigkeit die ses Ansatzes, da Tatbestand und Rechtsfolge vertauscht werden.270 Denn dem auf steuerlichen Vorschriften beruhenden Verlustvortrag kann zum Zeitpunkt des Todes zivilrechtlich nur dann ein Vermögenswert zukommen, wenn dieser auch einkommensteuerlich übergeht.271 Geht er steuerlich nicht über, sondern ver fällt, so wird er wertlos und kann somit auch zivilrechtlich nicht auf den Erben übergehen. (2) Keine Möglichkeit eines Umkehrschlusses aus steuerrechtlichen Spezialregelungen zum Verlustuntergang Fraglich ist, ob sich der Übergang des Verlustvortrags im Umkehrschluss aus speziellen steuerrechtlichen Vorschriften ableiten lässt. So ordnen beispielsweise § 8c KStG, § 10a Sätze 8 bis 10 GewStG oder § 4 Abs. 2 Satz 2 UmwStG explizit den Untergang der Verlustvorträge an. Hieraus könnte der Schluss gezogen wer den, dass in allen anderen nicht ausdrücklich geregelten Fällen der Rechtsnach folge der Verlustvortrag bestehen bleibt und auf den Rechtsnachfolger übergeht. Richtigerweise stellen diese Vorschriften aber weder taugliche Argumente für den Untergang noch für den Fortbestand des einkommensteuerlichen Verlust vortrags im Erbfall dar. Denn die genannten Normen sind spezifisch auf ihre – je weils eine eigenständige Grundstruktur aufweisende – Steuerrechtsgebiete zu geschnitten, fügen sich dort selbst nicht immer dogmatisch sauber ein,272 und können daher keine Wirkungen auf das einkommensteuerliche System entfalten.273 Ein Umkehrschluss ist insoweit daher unzulässig. 269 BFH, Beschluss v. 17.12.2007 – GrS 2/04, BStBl. II 2008, 608 (612); G. Laule/B. Bott, DStR 2002, 1373 (1374); J. Nickel/H. Hilgers, FR 2004, 457 (458 f.). Konsequenterweise werden bei einer Bilanzierung nach IFRS auch aktive latente Steuern auf steuerliche Ver lustvorträge gebildet, wenn und soweit dessen zukünftige Verwendung wahrscheinlich ist, IAS 12.34 – 12.36. 270 Ebenso BFH, Beschluss v. 17.12.2007 – GrS 2/04, BStBl. II 2008, 608 (612). 271 BFH, Beschluss v. 28.07.2004 – XI R 54/99, BStBl. II 2005, 262 (268); S. Müller-Fran ken, StuW 2004, 109 (112); J. Heinrich, Verluste im Fall der Rechtsnachfolge, in: von Groll, DStJG 28 (2005), 121 (143 ff.). Diese Eigenständigkeit des Steuerrechts verkennt T. Gleumes, Verlustabzug, S. 81 ff. 272 Siehe bspw. R. Beiser, DStR 2000, 1505 (1507): Nichtübertragbarkeit der gewerbesteu erlichen Verlustvorträge ist systemwidrig. Nach Ansicht des BFH, Beschluss v. 28.07.2004 – XI R 54/99, BStBl. II 2005, 262 (267) und von S. Müller-Franken, DStZ 2004, 606 (608) soll indes der gesetzlich geregelte Verlustuntergang bei der objektbezogenen Gewerbesteuer nach § 10a GewSt dafür sprechen, dass bei der personenbezogenen Einkommensteuer ein Übergang der Verluste erst Recht nicht gewollt ist. 273 Für die Regelungen des UmwStG ausdrücklich O. Strnad, Vererbung des Verlustabzuges, S. 105 ff.
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3. Kap.: Steuersubjekt und Steuerobjekt im Einkommensteuerrecht
(3) Keine analoge Anwendung des § 15a Abs. 2 EStG Soweit nach § 15a Abs. 2 EStG verrechenbare Verluste im Falle einer unent geltlichen Übertragung des Kommanditanteils ausnahmsweise auf den Einzeloder Gesamtrechtsnachfolger übergehen,274 wirkt dies nicht auf § 10d EStG zu rück. Denn § 15a EStG verhindert als Sonderregelung die steuerliche Geltend machung von rechtlich und wirtschaftlich noch nicht entstandenen Buchverlusten durch den nur beschränkt haftenden Mitunternehmer.275 Diese Verluste mindern die steuerliche Leistungsfähigkeit erst in dem Veranlagungszeitraum, in dem auch Gewinne erzielt werden.276 Im Ergebnis wird dann die steuerliche Leis tungsfähigkeit nur insoweit erhöht, als der Gewinn nicht zur Deckung der bisheri gen Verluste verwendet werden muss. Vor diesem Hintergrund ist es – auch nach der Entscheidung des Großen Senats zur Vererblichkeit des Verlustvortrags nach § 10d EStG – systemkonform, den nach § 15a EStG verrechenbaren Verlust auf den unentgeltlichen Rechtsnachfolger übergehen zu lassen.277 Da bei § 10d EStG be reits im Verlustentstehungsjahr auch eine Minderung der steuerlichen Leistungs fähigkeit eingetreten ist, unterscheidet dieser sich grundlegend von § 15a EStG, weshalb die dortigen Wertungen nicht übertragbar sind. Eine analoge Anwendung der Ausnahmeregelung des § 15a Abs. 2 EStG scheidet somit ebenfalls aus. (4) Kein Übergang des Verlustvortrags aufgrund der interpersonellen Verlagerung latenter Einkünfte Die §§ 6 Abs. 3, 17 Abs. 2 Satz 5, 20 Abs. 2, 22 Nr. 2 in Verbindung mit 23 und 24 Nr. 2 EStG ermöglichen jeweils abweichend von der Grundstruktur eine inter personelle Verlagerung latenter Einkünfte. Wenn nun dem Rechtsnachfolger auf grund dieser objektbezogenen Modifikationen latente Einkünfte des Rechtsvor gängers zugeordnet werden, so ist es zunächst nicht fernliegend, parallel hierzu den Gesamtrechtsnachfolger auch hinsichtlich der Verluste in die Rechtsstellung des Rechtsvorgängers eintreten zu lassen.278 Richtigerweise ist eine solche entsprechende Anwendung dieser Vorschriften jedoch abzulehnen. So schließt § 24 Nr. 2 EStG lediglich die sich aus einem un fertigen Tatbestand ergebende Besteuerungslücke. Der Verlustvortrag ergibt sich 274 BFH, Urteil v. 10.03.1998 – VIII R 76/96, BStBl. II 1999, 269 (272) für die unentgeltliche Einzelrechtsnachfolge, aber verallgemeinerbar. 275 F. Dötsch, jurisPR-SteuerR 16/2008, Anm. 1 Buchst. D; C. Rickert, DStR 2010, 410 (411); O. Strnad, Vererbung des Verlustabzuges, S. 192. 276 H.-J. von Beckerath, in: Kirchhof, EStG, § 15a Rn. 25. 277 H.-J. von Beckerath, in: Kirchhof, EStG, § 15a Rn. 25; F. Dötsch, jurisPR-SteuerR 16/2008, Anm. 1 Buchst. D; B. Heuermann, in: Blümich, EStG, § 15a Rn. 114; R. Wacker, in: Schmidt, EStG, § 15a Rn. 234. 278 Zu § 24 Nr. 2 EStG G. Laule/B. Bott, DStR 2002, 1373 (1375); wohl auch BFH, Urteil v. 16.05.2001 – I R 76/99, BStBl. II 2002, 487 (489).
D. Subjektbezogene Modifikationen der Regelstruktur
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aber aus einem Überschuss negativer Einkünfte, die ihrerseits auf einen beim Rechtsvorgänger bereits erfüllten Tatbestand zurückgehen. Der Verlustvortrag un terscheidet sich somit wesentlich von den durch § 24 Nr. 2 EStG erfassten latenten Einkünften. Er kann daher nicht unmittelbar über diese Vorschrift auf den Rechts nachfolger übergehen.279 Für eine analoge Anwendung des § 24 Nr. 2 EStG besteht wegen der mit dem Ausnahmecharakter dieser Norm verbundenen Analogiefeind lichkeit, aber auch wegen der fehlenden vergleichbaren Interessenlage, da latente Einkünfte und Verlustvortrag wesensverschieden sind, kein Bedarf.280 Entsprechendes gilt auch, soweit der Rechtsnachfolger nach § 6 Abs. 3 EStG die Buchwerte bzw. nach §§ 17 Abs. 2 Satz 6, 20 Abs. 4 Satz 6 oder 23 Abs. 1 Satz 3 EStG die Steuerwerte des Rechtsvorgängers fortzuführen hat. Denn einerseits greifen diese Normen auch bei der unentgeltlichen Einzelrechtsnachfolge. Kon sequenterweise müsste dann, entgegen der allgemeinen Ansicht281, der Verlust vortrag auch zu Lebzeiten (anteilig) auf andere Steuersubjekte übertragbar sein. Zum anderen handelt es sich bei den §§ 6 Abs. 3, 17 Abs. 2 Satz 6, 20 Abs. 4 Satz 6 oder 23 Abs. 1 Satz 3 EStG ebenfalls um (rechtfertigungsbedürftige) Ausnahme regelungen, die deshalb eng auszulegen sind. Diese beschränken sich daher auf den im Wortlaut klar zum Ausdruck kommenden Wertansatz von Wirtschafts gütern des Betriebsvermögens oder bestimmter Wirtschaftsgüter des Privatver mögens und können demnach keine Anwendung auf den Verlustvortrag finden.282 (5) Zusammenfassendes Ergebnis Mangels allgemeiner Überzeugung von der Vererblichkeit des Verlustvortrags in der Fachliteratur konnte die bis zur genannten Großen Senatsentscheidung stän dige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs283 auch nicht zu Gewohnheitsrecht er starken.284 De lege lata tritt der Gesamtrechtsnachfolger in Bezug auf den Verlust vortrag daher nicht in die Rechtsstellung des Rechtsvorgängers ein. Somit kommt es zu keiner subjektbezogenen Modifikation des auf das einzelne Steuersubjekt ausgerichteten Steuertatbestandes. 279 BFH, Beschluss v. 28.07.2004 – XI R 54/99, BStBl. II 2005, 262 (268); BFH, Beschluss v. 17.12.2007 – GrS 2/04, BStBl. II 2008, 608 (613 f.); S. Müller-Franken, StuW 2004, 109 (114). 280 A. A. W. Drenseck, in: Schmidt, EStG (2011), § 24 Rn. 52. 281 BFH, Beschluss v. 17.12.2007 – GrS 2/04, BStBl. II 2008, 608 (613); D. Hallerbach, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 10d Rn. 21; W. Heinicke, in: Schmidt, EStG, § 10d Rn. 14; C. Heinz, BB 2003, 337 (337); C. Lambrecht, in: Kirchhof, EStG, § 10d Rn. 6 und 9; H. Ruppe, Einkommensteuerrechtliche Positionen bei Rechtsnachfolge, in: Schulze-Osterloh, DStJG 10 (1987), 45 (95); A. Schlenker, in: Blümich, EStG, § 10d Rn. 161. 282 H.-J. Kanzler, FR 2000, 875 (875); S. Müller-Franken, StuW 2004, 109 (114). 283 Siehe 3. Kapitel D. IV. 2. c) aa) Fn. 267. 284 BFH, Beschluss v. 17.12.2007 – GrS 2/04, BStBl. II 2008, 608 (616); S. Müller-Franken, StuW 2004, 109 (114 f.). A. A. G. Laule/B. Bott, DStR 2002, 1373 (1377); G. Laule/B. Bott, DStR 2005, 497 (501 f.).
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3. Kap.: Steuersubjekt und Steuerobjekt im Einkommensteuerrecht
d) Der Übergang des Verlustvortrags als notwendige subjektbezogene Modifikation de lege ferenda? Bleibt dem Gesamtrechtsnachfolger – wie im geltenden Einkommensteuerrecht vorgesehen – hinsichtlich des Verlustvortrags der Eintritt in die Rechtsstellung des Erblassers verwehrt und geht der Verlustvortrag daraufhin unter, so könnte dieser Verlustuntergang möglicherweise gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip verstoßen. Daneben stellt sich auch die Frage nach der folgerichtigen Umsetzung, da mit dem Tod des Erblassers auch eine interpersonelle Verlagerung latenter Einkünfte ein hergeht. Würden diese latenten Einkünfte dem Erblasser im Todeszeitpunkt noch als eigene Einkünfte zugerechnet, so könnte zumindest insoweit der Verlustvortrag noch mit positiven Einkünften des Erblassers verrechnet werden. Somit könnte de lege ferenda eine subjektbezogene Modifikation und damit die Vererblichkeit des Verlustvortrags aus steuersystematischen Gründen erforderlich sein. aa) Die Vererblichkeit des Verlustvortrags als Ausprägung des Leistungsfähigkeitsprinzips Eine subjektbezogene Modifikation, also der Eintritt des Gesamtrechtsnach folgers in die Rechtsstellung des Rechtsvorgängers hinsichtlich des Verlustvor trags, kann überhaupt nur dann geboten sein, wenn sich hierdurch eine leistungs fähigkeitsgerechte Besteuerung sicherstellen lässt. Entscheidend sind hierbei zwei Aspekte. Zunächst müsste ein Verlustuntergang beim Erblasser im Widerspruch zum Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit stehen. Nur wenn dies bejaht werden kann, stellt sich anschließend die Frage, ob der Über gang auf ein anderes Steuersubjekt überhaupt geeignet ist, die beim Rechtsvorgän ger nicht erreichte gleichheitsgerechte Besteuerung wiederherzustellen. Zu einer gleichheitswidrigen Besteuerung beim Erblasser kann der Untergang des Verlustvortrags aber ausschließlich dann führen, wenn der Verlustvortrag un tergeht, der Erblasser aber – auf den gesamten Zeitraum seiner Steuerpflicht ge sehen – noch nicht mit Verlusten ausgeglichene positive Einkünfte erzielt hat. Für den Sonderfall, dass alle vom Erblasser jemals erzielten positiven Einkünfte bereits verrechnet wurden und dieser demzufolge keine Steuern bezahlt hat, scheidet eine gleichheitswidrige Besteuerung durch den Verlustuntergang von vornherein aus. Eine solche Betrachtung des gesamten Zeitraums der Steuerpflicht kann aller dings nur zu Grunde gelegt werden, wenn das Leistungsfähigkeitsprinzip von Ver fassungs wegen auf das Lebenseinkommen zu beziehen ist.285 Gegen eine solche 285 Für die Besteuerung des Lebenseinkommens siehe T. Gleumes, Verlustabzug, S. 103 ff.; J. Hey, § 8, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, Rn. 44; J. Lang, Besteuerung von Einkommen, in: Ebling, DStJG 24 (2001), 49 (65 f.); G. Söffing, DStZ 2004, 795 (796); O. Strnad, Vererbung des Verlustabzuges, S. 34 ff.; K. Tipke, Steuerrechtsordnung II, S. 754 ff., jeweils m. w. N. Offengelassen durch BFH, Beschluss v. 17.12.2007 – GrS 2/04, BStBl. II 2008, 608 (613).
D. Subjektbezogene Modifikationen der Regelstruktur
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Lebenszeitbetrachtung und für eine „Besteuerung in der Zeit“ spricht allerdings, dass nicht die Person als solche, sondern ihr von den gegenwärtigen Marktbedin gungen abhängiger Markterfolg besteuert wird. Dies legt eine zeitnahe – nicht notwendigerweise jährliche286 – Belastung der durch Marktteilnahme erzielten Leistungsfähigkeit nahe.287 Für dieses Ergebnis spricht auch, dass das jeweilige Steuersubjekt typischerweise kein möglichst großes Lebenseinkommen ansam meln will, sondern zumindest einen Großteil des aktuell zur Verfügung stehenden Einkommens zur Deckung seines gegenwärtigen Bedarfs benötigt.288 Eine leis tungsfähigkeitsgerechte Besteuerung fordert, da lediglich Gleichheit in der Zeit erreicht werden muss, keinen Ausgleich negativer Einkünfte über die gesamte Lebenszeit des Steuersubjekts.289 Der Verlustuntergang mit dem Tod des Steuer subjekts verstößt somit grundsätzlich nicht gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip. Selbst wenn man im Verlustuntergang eine Verletzung des Leistungsfähigkeits prinzips beim Erblasser erkennen sollte, wäre der Übergang des Verlustvortrags auf den Erben nur systemkonform, wenn Rechtsvorgänger und Rechtsnachfolger ge meinsam zu betrachten sind.290 Denn im Falle einer isolierten Betrachtung würde zu der übermäßigen Besteuerung beim Rechtsvorgänger eine dem Leistungsfähig keitsgedanken widersprechende zu niedrige Besteuerung beim Rechtsnachfolger hinzutreten.291 Gegen eine solche Gesamtbetrachtung spricht allerdings die einkom mensteuerliche Grundstruktur, wonach die Besteuerung der einzelnen natürlichen Zur Möglichkeit der praktischen Ausgestaltung einer auf das Lebenseinkommen bezogenen Einkommensteuer siehe J. Hackmann, Lebenseinkommen, S. 47 ff. Zu den vielfältigen, vor al lem praktischen Problemen einer Besteuerung des Lebenseinkommens R. Ismer, Periodizitäts prinzip, in: Hey, DStJG 34 (2011), 91 (102 ff.). Kritisch auch D. Schneider, FinanzArchiv 42 (1984), 407 (408 ff.). 286 Zur Bemessung dieser Zeitabschnitte H. Kube, DStR 2011, 1781 (1784 f.). 287 P. Kirchhof, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 2 Rn. A 136 f.; C. Lambrecht, Ermitt lung der Einkünfte, in: Kube/Mellinghoff/Morgenthaler/Palm/Puhl/Seiler, Leitgedanken des Rechts, 1853 (1860 f.); C. Seiler, Objektives Nettoprinzip, in: Hey, DStJG 34 (2011), 61 (81). Ähnlich H. Kube, DStR 2011, 1781 (1784). Zur Gleichheit in der Zeit allgemein P. Kirchhof, Die Gleichheit als staatsrechtlicher Auftrag, in: Mellinghoff/Palm, Gleichheit im Verfassungs staat, 1 (12 f.). 288 P. Kirchhof, StuW 1985, 319 (329); P. Kirchhof, Gutachten für den 57. Deutschen Juristen tag, F 75 f.; P. Kirchhof, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 2 Rn. A 136 ff.; P. Kirchhof, in: Kirchhof, EStG, § 2 Rn. 120. Ebenfalls für eine Gleichbehandlung in der Zeit BFH, Beschluss v. 28.07.2004 – XI R 54/99, BStBl. II 2005, 262 (269); BFH, Beschluss v. 17.02.2005 – XI B 138/03, BFH/NV 2005, 1264 (1265); R. Eckhoff, Verluste im Einkommensteuerrecht, in: von Groll, DStJG 28 (2005), 11 (32 ff.). Die Frage nach dem Zeitraum zur Disposition des Gesetzgebers stellend R. Ismer, Periodizitätsprinzip, in: Hey, DStJG 34 (2011), 91 (99, 108); M. Wendt, Verluste im Einkommensteuerrecht, in: von Groll, DStJG 28 (2005), 41 (90, in der anschließenden Diskussion). 289 Vgl. R. Eckhoff, Verluste im Einkommensteuerrecht, in: von Groll, DStJG 28 (2005), 11 (32 ff.). Im Ergebnis ebenso B. Heuermann, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 10d Rn. A 79: Praktische Konkordanz zwischen interperiodischem objektivem Nettoprinzip und Abschnittsbesteuerung als materiellem Prinzip. 290 Vgl. S. Müller-Franken, StuW 2004, 109 (116). 291 O. Strnad, Vererbung des Verlustabzuges,S. 140.
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3. Kap.: Steuersubjekt und Steuerobjekt im Einkommensteuerrecht
Person an deren individueller Leistungsfähigkeit auszurichten ist. Eine personen übergreifende Betrachtung steuerlicher Leistungsfähigkeit ist dem Einkommen steuerrecht hingegen fremd. Anhaltspunkte für eine abweichende Beurteilung in Bezug auf den Verlustvortrag sind hingegen nicht ersichtlich, zumal sich – wenn man auf das Lebenseinkommen abstellt – das Problem einer leistungsfähigkeits gerechten Besteuerung beim Erblasser durch einen unbeschränkten Verlustrücktrag lösen ließe. Somit sind Erblasser und Erbe auch hinsichtlich des Verlustvortrags als verschiedene Steuersubjekte mit jeweils eigener Leistungsfähigkeit anzusehen.292 Eine entsprechende gesetzliche Regelung, die den Verlustvortrag auf den Erben übergehen lässt, ist aus Gründen der Belastungsgleichheit daher nicht geboten.293 bb) Der Übergang des Verlustvortrags als Gebot der Folgerichtigkeit Auch wenn bezüglich der Verluste ein Eintritt des Gesamtrechtsnachfolgers in die Rechtsstellung des Erblassers aus Leistungsfähigkeitsgesichtpunkten nicht ge boten ist, so könnte der – zumindest anteilige – Übergang des Verlustvortrags auf grund einer folgerichtigen Umsetzung der §§ 6 Abs. 3, 17 Abs. 2 Satz 6, 20 Abs. 4 Satz 6 und 23 Abs. 1 Satz 3 EStG erforderlich sein.294 Durch diese Vorschriften ordnet der Gesetzgeber bestimmte latente Einkünfte nicht dem erwerbswirtschaft lich tätig gewordenen Steuersubjekt, sondern dessen Einzel- und Gesamtrechts nachfolger zu. Insofern erscheint es zunächst inkonsequent, den Verlustübergang zu untersagen, zumal dem Erblasser durch die interpersonelle Verlagerung der latenten Einkünfte die Möglichkeit genommen wird, die latenten Einkünfte im Todeszeitpunkt mit dem verbleibenden Verlustvortrag zu verrechnen. Allerdings dürfte es aufgrund des Ausnahmecharakters der genannten Regelun gen bereits an einer legislativen Grundentscheidung fehlen.295 Selbst wenn man 292
BFH, Beschluss v. 17.12.2007 – GrS 2/04, BStBl. II 2008, 608 (612). BFH, Beschluss v. 17.12.2007 – GrS 2/04, BStBl. II 2008, 608 (612); R. Eckhoff, Verluste im Einkommensteuerrecht, in: von Groll, DStJG 28 (2005), 11 (24); B. Heuermann, in: Kirchhof/ Söhn/Mellinghoff, EStG, § 10d Rn. A 244; C. Heinz, BB 2003, 337 (338); S. Müller-Franken, StuW 2004, 109 (117 ff.); O. Strnad, Vererbung des Verlustabzuges, S. 139 ff. Nach a. A. soll die Verletzung des Leistungsfähigkeitsprinzips beim Erblasser mangels fehlenden unbegrenz ten Verlustrücktrags durch die Abzugsmöglichkeit beim Erben geheilt werden, G. Crezelius, Aussprache zu R. Wacker, Wegfall des Verlustabzugs im Erbfall, in: Drüen, JbFfSt, 660 (666 f.); T. Gleumes, Verlustabzug, S. 129; G. Laule/B. Bott, DStR 2002, 1373 (1376); G. Söffing, DStZ 2004, 795 (796). Zu weitgehend allerdings O. Strnad, Vererbung des Verlustabzuges, S. 145 f.: Eine gesetzliche Regelung zur Vererblichkeit des Verlustvortrags verstößt in nicht zu rechtfer tigender Weise gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. 294 So bspw. R. Beiser, DStR 2000, 1505 (1507); G. Mayr, Diskussion zu E. Ratschow, Sub jektsteuerprinzip, in: Hey, DStJG 34 (2011), 35 (127); J. Nickel/H. Hilgers, FR 2004, 457 (459); R. Wacker, Wegfall des Verlustabzugs im Erbfall, in: Drüen, JbFfSt, 660 (664). 295 Eine solche Belastungsentscheidung ebenfalls bereits ablehnend S. Müller-Franken, StuW 2004, 109 (120). 293
D. Subjektbezogene Modifikationen der Regelstruktur
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eine solche annehmen sollte, müsste der Verlustvortrag mit den übergehenden la tenten Einkünften wesensgleich sein und der Übergang des Verlustvortrags sich zudem als folgerichtige Lösung erweisen. (1) Der Bezug der latenten Einkünfte zur Erwerbsgrundlage als Unterscheidungskriterium Entstehungsgrund für die latenten Einkünfte war die Nutzung einer Erwerbs grundlage durch das Steuersubjekt. Konsequenterweise wird im Realisations- bzw. Zuflusszeitpunkt der Markterfolg regelmäßig dieser Erwerbsgrundlage zugeord net. Verstirbt ein Steuersubjekt vor diesem Zeitpunkt, so verhindern die genannten Vorschriften – obwohl die Anbindung der latenten Einkünfte an das Steuersubjekt und dessen betriebliche Sphäre bei den Gewinneinkunftsarten und an das Steuer subjekt bei den Überschusseinkunftsarten getrennt wird – zunächst die Entstehung einer Steuerlast zum Todeszeitpunkt. Gleichzeitig stellen sie eine entsprechende Anbindung an den Gesamtrechtsnachfolger und gegebenenfalls dessen betrieb liche Sphäre her. Realisiert das rechtsnachfolgende Steuersubjekt anschließend die latenten Einkünfte, so wird der Markterfolg bei diesem auch einer Erwerbsgrund lage zugeordnet. Die latenten Einkünfte weisen demnach neben den aufgezeigten Anbindungspunkten, deren Trennung an sich eine Steuerpflicht auslöst, einen kon kreten Bezug zu einer ganz bestimmten Erwerbsgrundlage auf. Der Verlustvortrag unterscheidet sich von diesen auf andere Steuersubjekte übergehenden latenten Einkünften allerdings grundlegend. § 2 Abs. 3 EStG fasst die positiven und negativen Einkünfte aus den sieben Einkunftsarten nach Ab zug verschiedener Entlastungsbeträge296 zum Gesamtbetrag der Einkünfte zusam men. Ergibt sich hieraus – und sei es nur durch die weiteren Abzugsbeträge297 – ein negativer Saldo, so greift der Verlustabzug des § 10d EStG ein. Dieser negative Saldo ist sowohl beim (verzichtbaren) Verlustrücktrag als auch im Rahmen des Verlustvortrags vom Gesamtbetrag der Einkünfte vor sonstigen Abzugsbeträgen abzuziehen (§ 10d Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 EStG). Die aus den einzelnen Erwerbsgrundlagen erzielten Einkünfte gehen zwar mittelbar in den Verlustvor trag ein. Durch den vorrangig vorzunehmenden horizontalen und den sich hieran anschließenden vertikalen Verlustausgleich sowie die genannten Abzugsbeträge wird allerdings ein erwerbsgrundlagenunabhängiger Rechenposten gebildet. Auch die technische Ausgestaltung des Verlustvortrags verdeutlicht den fehlenden Be zug zu einer bestimmten Erwerbsgrundlage. Für den Abzug vom Gesamtbetrag der Einkünfte spielt es keine Rolle, ob die im Verlustentstehungsjahr bestehen den Erwerbsgrundlagen im Rücktragsjahr schon vorhanden waren oder in den fol 296
Dies sind der Altersentlastungsbetrag, der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende und der Abzug nach § 13 Abs. 3 EStG. 297 W. Heinicke, in: Schmidt, EStG, § 10d Rn. 18; B. Heuermann, in: Kirchhof/Söhn/Melling hoff, EStG, § 10d Rn. B 53 f.; A. Schlenker, in: Blümich, EStG, § 10d Rn. 84.
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3. Kap.: Steuersubjekt und Steuerobjekt im Einkommensteuerrecht
genden Jahren noch weitergeführt werden. Bestätigt wird dies auch durch § 10d Abs. 4 EStG, wonach nur der verbleibende Verlustvortrag ohne Bezug zu den Er werbsgrundlagen gesondert festzustellen ist. Der Verlustvortrag stellt demnach einen reinen Rechenposten ohne konkre ten Bezug zur einzelnen Erwerbsgrundlage dar. An diesem Befund ändern auch Sonderregelungen wie beispielsweise § 20 Abs. 6 EStG oder § 23 Abs. 3 Sätze 7 bis 10 EStG nichts. Diese sehen für negative Einkünfte aus bestimmten Erwerbs grundlagen eine Beschränkung des Verlustausgleichs und des Verlustabzugs vor. Allerdings ermöglichen sie stets mindestens die Verrechnung mit positiven Ein künften aus vergleichbaren Erwerbsgrundlagen, ordnen den Verlustvortrag dem zufolge ebenso wenig einer konkreten Erwerbsgrundlage zu wie § 10d EStG. Die latenten Einkünfte und der vom Rechtsvorgänger noch nicht verbrauchte Verlustvortrag sind demnach nicht wesensgleich. Da der Verlustvortrag keinen Be zug zu einer Erwerbsgrundlage aufweist, fehlt es an einem gemeinsamen Element von latenten Einkünften und Verlustvortrag, das bei einem Übergang ersterer als logische Konsequenz auch den Übergang des Letzteren fordert.298 (2) Keine weitere Systemdurchbrechung durch das Folgerichtigkeitsprinzip Selbst wenn man die latenten Einkünfte und den Verlustvortrag als wesens gleich ansehen sollte, folgt hieraus nicht zwangsläufig auch die Vererblichkeit des Verlustvortrags. Denn letztlich würden hierdurch die negativen Folgen einer systemwidrigen interpersonellen Verlagerung latenter Einkünfte durch eine wei tere systemdurchbrechende Vorschrift bekämpft.299 Dem Folgerichtigkeitsgebot lässt sich eine solche Pflicht zur Einführung systemwidriger Vorschriften aber nicht entnehmen. Vielmehr müssten die Ursachen dafür, dass der Erblasser den verbleibenden Verlustvortrag nicht zumindest anteilig nutzen konnte, beseitigt werden. Es liegt daher nahe, im unentgeltlichen Rechtsnachfolgefall ein Wahlrecht zur Aufdeckung der latenten Einkünfte (gegebenenfalls mit Verzicht auf die Mindestbesteue rung) vorzusehen.300 Denn dann könnte der Rechtsvorgänger seinen Verlustvor trag teilweise nutzen und der Rechtsnachfolger würde gegebenenfalls von höhe ren Abschreibungen profitieren. Für eine solche Lösung spricht zudem, dass sich zumindest zu Lebzeiten ein solches Ergebnis durch entsprechende Steuergestal tung – beispielsweise die Zurückbehaltung einer wesentlichen Betriebsgrundlage bei Übertragung eines ganzen Betriebs – relativ einfach erzielen lässt.
298
Ähnlich C. Trzaskalik, StuW 1979, 97 (103 f.). C. Rickert, DStR 2010, 410(414). 300 Siehe hierzu auch den Gesetzesvorschlag von C. Rickert, DStR 2010, 410 (414). 299
D. Subjektbezogene Modifikationen der Regelstruktur
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e) Zusammenfassung Nach dem derzeit geltenden Einkommensteuerrecht tritt der Gesamtrechts nachfolger bezüglich eines noch nicht verbrauchten Verlustvortrags nicht in die Rechtsstellung des Erblassers ein. Eine solche subjektbezogene Modifikation der – auf die einzelne natürliche Person ausgerichteten – einkommensteuerlichen Grund struktur ist auch de lege ferenda nicht ausnahmsweise erforderlich. Denn eine Ge samtbetrachtung von Erblasser und Erbe ist nicht geboten und somit führt der Untergang des Verlustvortrags nicht zu einer gleichheitswidrigen Belastung des Erblassers, die durch den Übergang auf den Gesamtrechtsnachfolger ausgeglichen werden müsste. Da sich der Verlustvortrag als bloßer Rechenposten auch wesens mäßig von den latenten Einkünften unterscheidet, kann auch aus der die interper sonelle Verlagerung ermöglichende objektbezogenen Modifikation der Grund struktur kein Übergang des Verlustvortrags auf den Erblasser abgeleitet werden. Insoweit bleibt es daher bei dem Grundsatz, dass das Markthandeln eines Steuersubjekts, das letztlich zur Entstehung eines Verlustvortrags beigetragen hat, nur Bedeutung für den Steuertatbestand genau dieses Steuersubjekts hat und bei Steuertatbeständen anderer Steuersubjekte keine Berücksichtigung findet. Die derzeitige Rechtslage, wonach mit dem Tod des Steuersubjekts der Verlustvor trag untergeht, bestätigt somit das in §§ 1 und 2 EStG angelegte301 Verhältnis von Steuersubjekt und Steuerobjekt und ist demzufolge zutreffend.
301
Siehe 3. Kapitel A. und B.
Viertes Kapitel
Körperschaftsteuer (Anhang) A. Steuersubjekt und Steuerobjekt im Körperschaftsteuerrecht I. Das Steuersubjekt 1. § 1 KStG als Grundregel § 1 Abs. 1 KStG benennt in den Nr. 1 bis 6 abschließend die Körperschaft steuersubjekte. Die Vorschrift des § 2 KStG erweitert den einbezogenen Perso nenkreis nicht, sondern regelt lediglich die beschränkte Steuerpflicht für die in § 1 KStG genannten Steuersubjekte. Da die in Abs. 1 aufgeführten Steuersubjekte nach Abs. 2 bzw. § 2 KStG je weils nur mit ihren Einkünften steuerpflichtig sind, kommt in § 1 KStG zugleich die Ausrichtung des Steuertatbestandes auf das einzelne Körperschaftsteuersub jekt zum Ausdruck. Die §§ 1 und 2 KStG regeln daneben aber auch den – das Steuerobjekt betref fenden – Umfang der Steuerpflicht. Dieser ist, wie im Einkommensteuerrecht auch, abhängig vom Inlandsbezug des Steuersubjekts. Auch im Körperschaftsteuerrecht wählt der Gesetzgeber mit der Geschäftsleitung1 im Inland (§ 1 Abs. 1 KStG) und den inländischen Einkünften (§ 2 KStG) territoriale Bezugspunkte objektiver Na tur und mit dem – funktional der Staatsangehörigkeit natürlicher Personen ent sprechenden2 – inländischen Satzungssitz (§ 1 Abs. 1 KStG) auch einen solchen subjektiver Natur. Damit genügt der Steuergesetzgeber zugleich dem Völkerge wohnheitsrecht, wonach die Besteuerung eines Steuersubjekts eine hinreichend enge (räumliche oder sachliche) Verbindung zum besteuernden Staat voraussetzt.3
1 Der Ort der Geschäftsleitung entspricht dem Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt bei natürlichen Personen. Er ist im Wesentlichen mit dem zivil- und handelsrechtlichen Verwaltungssitz identisch, BFH, Urteil v. 23.06.1992 – IX R 182/87, BStBl. II 1992, 972 (973); C. Lambrecht, in: Gosch, KStG, § 1 Rn. 47; J. Rengers, in: Blümich, KStG, § 1 Rn. 36. 2 C. Lambrecht, in: Gosch, KStG, § 1 Rn. 51. 3 Siehe 2. Kapitel A. II. 3.
A. Steuersubjekt und Steuerobjekt im Körperschaftsteuerrecht
151
2. Besonderheiten a) Die Betriebe gewerblicher Art Die Körperschaften des öffentlichen Rechts unterliegen als Steuergläubiger grundsätzlich nicht selbst der Besteuerung.4 Wenn sich aber die öffentliche Hand erwerbswirtschaftlich betätigt, also am allgemeinen Markt teilnimmt und somit in einen Wettbewerb mit privaten Anbietern eintritt, ist eine andere Beurteilung im Sinne einer bereichsspezifischen Steuerpflicht geboten. Leitgedanke ist dabei die Herstellung von Wettbewerbsneutralität mit privaten Unternehmen.5 Inwiefern sich verfassungsrechtlich ein solches Gebot der Wettbewerbsgleichheit ableiten lässt,6 kann im Rahmen dieser Untersuchung dahinstehen, da der einfache Ge setzgeber die Steuerpflicht für Betriebe gewerblicher Art in § 1 Abs. 1 Nr. 6 und § 4 KStG ausdrücklich geregelt hat. Umstritten ist allerdings, ob die Körperschaft des öffentlichen Rechts7 oder der einzelne Betrieb gewerblicher Art als Steuersubjekt zu betrachten ist. Rich tigerweise ist der einzelne Betrieb gewerblicher Art das Körperschaftsteuersub jekt. Denn § 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG unterwirft „Betriebe gewerblicher Art von juris tischen Personen des öffentlichen Rechts“ der unbeschränkten Steuerpflicht. Aus dieser Formulierung wird deutlich, dass sich die Steuerpflicht auf den einzelnen Betrieb bezieht. Die Nennung der juristischen Person bewirkt nur das Erfordernis der Zugehörigkeit des betreffenden Betriebs zu einer solchen Trägerkörperschaft. Dieses gefundene Ergebnis wird auch durch § 4 Abs. 4 KStG gestützt, wonach 4
R. Hüttemann, Die Besteuerung der öffentlichen Hand, S. 5. F. Kirchhof, Wettbewerbsschutz durch Besteuerung der Betriebe gewerblicher Art?, in: Kirchhof/Jakob/Beermann, Festschrift Offerhaus, 333 (338 ff.) legt überzeugend dar, dass das derzeitige Steuerrecht die Wettbewerbsneutralität aufgrund der ansonsten ungleichen Marktsituation von privaten und öffentlichen Unternehmen allein nicht vollständig verwirk lichen kann. 6 BFH, Beschluss v. 18.09.2007 – I R 30/06, BStBl. II 2009, 126 (127), obiter dictum und K. Heger, in: Gosch, KStG, § 4 Rn. 1 leiten das Gebot der Wettbewerbsgleichheit aus Art. 3 Abs. 1 EStG ab. Nach Ansicht von R. Hüttemann, Die Besteuerung der öffentlichen Hand, S. 9 folgt das Gebot der Wettbewerbsgleichheit aus Art. 3 Abs. 1 und den Art. 12 und 14 GG. Er zieht zudem (S. 13 ff.) auch die Finanzverfassung und den sich daraus ergebenden Finanzaus gleich zur Rechtfertigung der Besteuerung heran, zust. K. Heger, in: Gosch, KStG, § 4 Rn. 3. M. Siegel, Betrieb gewerblicher Art, S. 170 f. bejaht eine verfassungsrechtliche Pflicht zur Besteuerung der öffentlichen Hand nur insoweit, als auch ein tatsächlicher Wettbewerb mit privaten Unternehmen besteht. 7 Grundlegend BFH, Urteil v. 13.03.1974 – I R 7/71, BStBl. II 1974, 391 (392 f.). Zust. K. Altehoefer, Betriebe gewerblicher Art, in: Raupach/Uelner, Festschrift Schmidt, 677 (679); J. Alvermann, in: Streck, KStG, § 4 Rn. 5; G. Erhard, in: Blümich, KStG, § 4 Rn. 12; F. Hofmeister, Betriebe gewerblicher Art, in: Raupach/Uelner, Festschrift Schmidt, 691 (704 f.); N. Meier/T. Semelka, in: Herrmann/Heuer/Raupach, KStG, § 4 Rn. 7; T. Sauter, in: Erle/Sauter, KStG, § 4 Rn. 28. Eine konsequente Umsetzung dieser Rspr. fordernd R. Hüttemann, Die Besteuerung der öffentlichen Hand, S. 121 f. Kritisch hingegen K. Heger, in: Gosch, KStG, § 4 Rn. 28. 5
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4. Kap.: Körperschaftsteuer (Anhang)
ein Betrieb gewerblicher Art auch dann steuerpflichtig ist, wenn er selbst juristi sche Person des öffentlichen Rechts ist.8 Auch eine systematische Betrachtung be stätigt dieses Ergebnis. Denn wenn die Trägerkörperschaft das Steuersubjekt sein sollte, müsste die Beschränkung der Steuerpflicht auf einen Teil ihrer – nämlich die durch den Betrieb gewerblicher Art erzielten – Einkünfte systemkonform im Rahmen des Umfangs des Steuerobjekts geregelt werden.9 Das geltende Recht be handelt diese Einschränkung aber gerade auf Ebene des Steuersubjekts. Unschäd lich ist auch die fehlende zivilrechtliche Rechtsfähigkeit des Betriebs gewerblicher Art.10 Denn der Steuergesetzgeber ist nicht an zivilrechtliche Vorgaben gebunden, sondern darf hiervon abweichen und eine wirtschaftliche Betrachtung wählen.11 Eine fehlende zivilrechtliche Rechtsfähigkeit steht der nach materiellem Steuer recht zu beurteilenden Steuersubjekteigenschaft nicht entgegen, sondern ist eine verfahrensrechtliche Frage dahingehend, wer die einer nur steuerlich rechtsfähi gen Person auferlegten Pflichten für diese zu erfüllen hat.12 Für den Betrieb ge werblicher Art kann hierfür nur die dahinterstehende Körperschaft des öffentlichen Rechts in Betracht kommen.13 Demzufolge ist jeder einzelne Betrieb gewerblicher Art Körperschaftsteuer subjekt.14 b) Die körperschaftsteuerliche Organschaft Die Regelungen über die körperschaftsteuerliche Organschaft in den §§ 14 ff. KStG bewirken eine Zurechnung des von einer Organgesellschaft erzielten Ge winns oder Verlusts zum jeweiligen Organträger. Infolgedessen entsteht auf Ebene der Organgesellschaft in der Regel keine Steuerschuld. Dieser Umstand führt aber nicht zum Verlust der Steuersubjektivität der Organgesellschaft und zur Begrün dung eines neuen Steuersubjekts „Organschaft“ oder gar zu einem steuerrecht lichen Aufgehen im Organträger. Das Steuerobjekt bleibt weiterhin mit der einzel nen Organgesellschaft verknüpft und nur auf der Ebene der Bemessungsgrundlage 8
M. Siegel, Betrieb gewerblicher Art, S. 52. M. Siegel, Betrieb gewerblicher Art, S. 53. 10 So aber BFH, Urteil v. 13.03.1974 – I R 7/71, BStBl. II 1974, 391 (393), wonach man gels entsprechender Organe die Handlungsfähigkeit des Betriebs gewerblicher Art fehle und deshalb auf die dahinterstehende Körperschaft des öffentlichen Rechts zurückgegriffen werden müsse. Die Trägerkörperschaft sei deshalb Steuersubjekt wegen jedes einzelnen Betriebs ge werblicher Art. Folgt man dieser Ansicht, wäre die Körperschaft des öffentlichen Rechts mehr faches Körperschaftsteuersubjekt. 11 Siehe hierzu bereits 1. Kapitel A. V. 12 M. Siegel, Betrieb gewerblicher Art, S. 54. A.A R. Wenk/K. Stein, FR 1999, 573 (575), die aufgrund fehlenden eigenen Vermögens des Betriebs gewerblicher Art eine Vollstreckung von Steuerbescheiden zu Unrecht für nicht möglich erachten. 13 M. Siegel, Betrieb gewerblicher Art, S. 54. 14 J. Hey, § 11, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, Rn. 29; M. Siegel, Betrieb gewerblicher Art, S. 54. 9
A. Steuersubjekt und Steuerobjekt im Körperschaftsteuerrecht
153
wird die ertragsteuerliche Organschaft nachvollzogen. Aber auch hierdurch ändert sich nichts an einer potenziellen Steuerschuldnerschaft der Organgesellschaft. Bei genauerer Betrachtung erweist sich das Fehlen einer Steuerschuld nämlich nicht als unmittelbare Folge der Organschaft, sondern resultiert aus den Folgeebenen des körperschaftsteuerlichen Tatbestandes durch Anwendung des Körperschaft steuersatzes auf eine Bemessungsgrundlage von Null. Die Organschaft verhin dert also nicht eine Steuerschuldnerschaft als solche, sondern wirkt nur mittelbar auf die tatsächlich zu entrichtende Steuerschuld ein. Gestützt wird dieses Ergeb nis auch durch § 16 KStG, wonach Ausgleichszahlungen an außenstehende Gesell schafter aufgrund ihrer Nichtabzugsfähigkeit nach § 4 Abs. 5 Nr. 9 EStG zu einer Steuerbelastung bei der Organgesellschaft führen. Die Beibehaltung der Steuersubjekteigenschaft der Organgesellschaft erfordert dann auch die grundsätzliche Anerkennung von Rechtsgeschäften zwischen den einzelnen Organgesellschaften untereinander und mit dem Organträger selbst.15 Zudem verbleiben auch alle sonstigen steuerlichen Pflichten (bspw. die Pflicht zur Abgabe der Steuererklärung) bei der Organgesellschaft und werden nicht auf den Organträger verlagert.16 Auch die verfahrensrechtliche Neuregelung des § 14 Abs. 5 KStG17, wonach das dem Organträger zuzurechnende Einkommen und die damit zusammenhängenden Besteuerungsgrundlagen nunmehr gegen über dem Organträger und der Organgesellschaft einheitlich und gesondert fest zustellen sind, bestätigt die Steuersubjektivität der Organgesellschaft. Denn diese Feststellungen sind nach Satz 2 auch für die Besteuerung des Einkommens der Organgesellschaft bindend. Die Regelungen über die körperschaftsteuer liche Organschaft modifizieren daher nicht die Steuersubjektivität der einzelnen Organgesellschaften.18 Dadurch, dass auf Ebene der Bemessungsgrundlage des Organträgers die Ge winne und Verluste eines anderen Steuersubjekts berücksichtigt werden, modifi zieren die Vorschriften über die Organschaft aber die auf das einzelne Steuersub jekt ausgerichtete Struktur des Körperschaftsteuergesetzes. Diese Abweichung ist jedoch nicht zu beanstanden, sofern dadurch eine leistungsfähigkeitsgerechte Be steuerung der verschiedenen, eng miteinander verflochtenen Unternehmen bzw. deren Anteilseignern erreicht werden kann.19 15 R. Hüttemann, Einkünfteermittlung bei Gesellschaften, in: Hey, DStJG 34 (2011), 291 (318). 16 S. Neumann, in: Gosch, KStG, § 14 Rn. 62. 17 Eingefügt durch das „Gesetz zur Änderung und Vereinfachung der Unternehmensbesteue rung und des steuerlichen Reisekostenrechts“ v. 20.02.2013, BGBl. I 2013, 285 (289 f.). 18 Etwas anderes gilt allerdings im Bereich der Umsatzsteuer. Dort führt die Verwirklichung der Tatbestandsvoraussetzungen der umsatzsteuerlichen Organschaft nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG zur Steuersubjektivität des Organträgers, siehe C. Korn, in: Bunjes/Geist, UStG, § 2 Rn. 138 ff. und 150. 19 Ähnlich H. Montag, § 14, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, Rn. 400; K. Olbing, in: Streck, KStG, § 14 Rn. 1.
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4. Kap.: Körperschaftsteuer (Anhang)
II. Das Steuerobjekt § 8 KStG regelt die sachliche Seite der Steuerpflicht.20 Allerdings enthält die Vorschrift keine eigenständige Bestimmung des Steuerobjekts. Vielmehr verweist § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG hinsichtlich des Einkommensbegriffs und dessen Ermitt lung auf die Regelungen des Einkommensteuergesetzes und die Sondervorschrif ten im Körperschaftsteuergesetz. Über die Generalverweisung in § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG kommt § 2 Abs. 1 und 2 EStG somit auch im Körperschaftsteuerrecht zur Anwendung. Steuerobjekt ist demnach wie im Einkommensteuerrecht21 der durch Nutzung einer Erwerbs grundlage erzielte Markterfolg.
B. Die Verbindung von Körperschaftsteuerund Einkommensteuersystem als legislative Grundentscheidung Anders als Personengesellschaften können die in § 1 Abs. 1 KStG aufgeführ ten Steuersubjekte infolge der Zuordnung eines Markterfolgs selbst den Körper schaftsteuertatbestand verwirklichen (Trennungsprinzip). Kommt bei wertender Betrachtung allerdings nur der einzelnen natürlichen Person und nicht einem Per sonenverband eine eigene Leistungsfähigkeit zu,22 so liegt es nahe, das zunächst bei der Personenmehrheit als fremde Leistungsfähigkeit verortete Markteinkom men im ökonomischen Ergebnis nur bei den dahinter stehenden natürlichen Per sonen23 zu besteuern. Dies ließe sich beispielsweise dadurch erreichen, dass die steuerliche Vorbelastung des Markteinkommens auf Ebene des nicht leistungsfähi gen Steuersubjekts bei der Besteuerung der natürlichen Person berücksichtigt oder auf einer der beiden Ebenen steuerfrei gestellt wird.
20
W. Schulte, in: Erle/Sauter, KStG, § 8 Rn. 15. Siehe 3. Kapitel B. II. 22 Ausführlich hierzu 1. Kapitel A. II. 23 Eine Ausnahme bildet die Besteuerung der Betriebe gewerblicher Art, deren Träger eine Körperschaft des öffentlichen Rechts ist. Deren Körperschaftsteuerpflicht folgt aus Gründen der Wettbewerbsgleichheit. Siehe hierzu 4. Kapitel A. I. 2. a). 21
B. Die Verbindung von Körperschaftsteuer- und Einkommensteuersystem
155
I. Die Ausrichtung der Besteuerung an der natürlichen Person im früheren Vollanrechnungsverfahren Seit dem Veranlagungszeitraum 197724 bis zum Übergang zum Halbeinkünftever fahren durch das Steuersenkungsgesetz25 für Veranlagungszeiträume ab 2001 galt das sogenannte Vollanrechnungsverfahren. Vereinfacht gesagt wurden auf Ebene des Körperschaftsteuersubjekts für ausgeschüttete Gewinne 30 % Körperschaft steuer erhoben. Den Einkünften der Anteilseigner wurde indes nicht der Netto-, son dern der Bruttogewinn, soweit er zur Ausschüttung genutzt wurde, h inzugerechnet. Die von der Körperschaft entrichtete Steuer wurde dann auf die persönliche Ein kommensteuerschuld der natürlichen Person angerechnet, so dass zumindest eine Doppelbelastung von Körperschaft- und Einkommensteuer vermieden wurde.26 Durch dieses Vollanrechnungsverfahren wurde daher im Grundsatz eine – unter Berücksichtigung der körperschaftsteuerlichen Vorbelastung – leistungsfähigkeits gerechte Besteuerung beim Anteilseigner erreicht.27 Legislative Grundentschei dung bis einschließlich Veranlagungszeitraum 2000 war somit die Verbindung des Körperschaft- mit dem Einkommensteuersystem, um den von der Körperschaft – bei wirtschaftlicher Betrachtung stellvertretend für ihre Anteilseigner – erzielten Markterfolg im Ergebnis nur einmal mit dem persönlichen Steuersatz der natür lichen Person zu besteuern.
II. Die typisierte gleichheitsgerechte Besteuerung der natürlichen Person im Halb- bzw. Teileinkünfteverfahren 1. Gründe für die Einführung des Halbeinkünfteverfahrens Das Anrechnungsverfahren war indes nicht ausschließlich vorteilhaft. Damit die Vorbelastung mit Körperschaftsteuer zutreffend ermittelt werden konnte, bedurfte es einer relativ aufwendigen Gliederungsrechnung.28 Neben der Missbrauchsver meidung29 waren jedoch insbesondere europarechtliche Aspekte für den System 24
Körperschaftsteuerreformgesetz v. 31.08.1976, BGBl. I 1976, S. 2597. Gesetz zur Senkung der Steuersätze und zur Reform der Unternehmensbesteuerung (Steuersenkungsgesetz – StSenkG) v. 23.10.2000, BGBl. I 2000, 1433. 26 Siehe hierzu H.-J. Pezzer, § 11, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 16. Aufl. (1998), Rn. 2 f. 27 J. Englisch, Dividendenbesteuerung, S. 318 ff. 28 J. Englisch, Dividendenbesteuerung, S. 366. A. A. hingegen J. Hey, § 11, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, Rn. 17; H.-J. Pezzer, StuW 2000, 144 (145). 29 Entwurf eines Gesetzes zur Senkung der Steuersätze und zur Reform der Unternehmens besteuerung (Steuersenkungsgesetz – StSenkG) v. 15.02.2000, BT-Drs. 14/2683, S. 94. Kri tisch hingegen J. Englisch, Dividendenbesteuerung, S. 367 f. 25
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4. Kap.: Körperschaftsteuer (Anhang)
wechsel ausschlaggebend. So war zum einen die grundsätzlich auf unbeschränkt Steuerpflichtige begrenzte Anrechnung der Körperschaftsteuer (§ 50 Abs. 5 Satz 1, § 36 Abs. 2 Nr. 3 Satz 4 Buchst. f EStG i. d. F. vor StSenkG),30 aber auch der Aus schluss von Gesellschaftern ausländischer Körperschaften vom Anrechnungsver fahren (§ 36 Abs. 2 Satz 1 EStG i. d. F. vor StSenkG) unionsrechtswidrig31. Demgegenüber war das Halbeinkünfteverfahren insgesamt, vor allem wegen der nun entbehrlichen Gliederungsrechnung, einfacher zu handhaben.32 Hieran hat sich auch durch das mittlerweile geltende Teileinkünfteverfahren und die Abgeltungsteuer33 für den Regelfall nichts geändert. Entscheidender ist jedoch, dass es nach allgemeiner Ansicht durch den Übergang vom Anrechnungs- zum Halbeinkünfteverfahren gelungen ist, ein unionsrechtskonformes Steuersystem zu schaffen.34 2. Das Halb- bzw. Teileinkünfteverfahren – weiterhin bestehende Ausrichtung der Besteuerung an der natürlichen Person oder Systemwechsel? Fraglich ist, ob der Gesetzgeber mit dem Übergang zum Halbeinkünfteverfah ren und der anschließenden Weiterentwicklung zum Teileinkünfteverfahren mit Abgeltungsteuer einen (gegebenenfalls rechtfertigungsbedürftigen) Systemwech sel hin zum „klassischen“ Körperschaftsteuersystem mit Doppelbelastung voll zogen hat oder er die Besteuerung weiterhin an den hinter der Körperschaft stehen den natürlichen Personen ausrichtet.
30 M. Desens, Das Halbeinkünfteverfahren, S. 90 ff.; J. Englisch, Dividendenbesteuerung, S. 325 ff., jeweils m. w. N. 31 EuGH, Urteil v. 06.03.2007 – C-292/04 (Meilicke), Slg 2007, I-1835 (1883 ff.); M. Desens, Das Halbeinkünfteverfahren, S. 89 f. m. w. N. A. A. J. Englisch, Dividendenbesteuerung, S. 341 ff. 32 M. Desens, Das Halbeinkünfteverfahren, S. 93 ff.; J. Englisch, Dividendenbesteuerung, S. 371; A. Raupach, Die Neuordnung des Körperschaftsteuersystems, in: Seeger, DStJG 25 (2002), 9 (33 f.); H. Zitzelsberger, IStR 2001, 527 (528). A. A. G. Crezelius, DB 2000, 1631 (1631); H.-J. Pezzer, StuW 2000, 144 (145). 33 Eingefügt durch das Unternehmensteuerreformgesetz 2008 v. 14.08.2007, BGBl. I 2007, S. 1912; nach § 52a EStG erstmals anwendbar für den Veranlagungszeitraum 2009. 34 M. Desens, Das Halbeinkünfteverfahren, S. 92; J. Englisch, Dividendenbesteuerung, S. 368 f.; J. Hey, § 11, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, Rn. 18; A. Nacke, in: Herrmann/Heuer/ Raupach, EStG, § 3 Nr. 40 Rn. 4; H.-G. Raber, Europarechtliche Aspekte der Unternehmens steuerreform, in: Pelka, DStJG Sonderband (2001), 103 (107 f.); A. Raupach, Die Neuordnung des Körperschaftsteuersystems, in: Seeger, DStJG 25 (2002), 9 (33); U. Wäckerlin, Betriebs ausgabenabzugsbeschränkung, S. 135; H. Zitzelsberger, IStR 2001, 527 (529).
B. Die Verbindung von Körperschaftsteuer- und Einkommensteuersystem
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a) Die Besteuerung der Körperschaft und ihrer Anteilseigner im derzeitigen Teileinkünfteverfahren Das heutige Teileinkünfteverfahren unterscheidet sich sowohl auf Körperschaftsals auch auf Anteilseignerebene vom früheren Vollanrechnungsverfahren. So wird zunächst das von der Körperschaft erwirtschaftete – sich aus dem Markteinkom men ergebende – zu versteuernde Einkommen nach § 23 Abs. 1 KStG derzeit mit einheitlich35 15 % Körperschaftsteuer belastet. Zusammen mit dem Solidaritäts zuschlag und der Gewerbesteuer beträgt die Gesamtsteuerbelastung auf Ebene der Körperschaft regelmäßig rund 30 %. Auf Ebene der Anteilseigner wird im Unterschied zum Vollanrechnungsverfah ren nur der ausgeschüttete Nettogewinn als Einkünfte hinzugerechnet. Eine An rechnung der von der Körperschaft entrichteten Körperschaftsteuer auf die per sönliche Steuerschuld des Anteilseigner ist indes nicht mehr vorgesehen. Wie die Einkünfte auf Anteilseignerebene dann letztlich besteuert werden, hängt davon ab, ob der Anteilseigner der Einkommen- oder der Körperschaftsteuer unterliegt und im ersten Fall zudem davon, ob die Anteile im Privat- oder Betriebsvermögen ge halten werden. Ist der Anteilseigner selbst Körperschaftsteuersubjekt, so ist nach § 8b Abs. 1 KStG der Beteiligungsertrag regelmäßig in vollem Umfang steuerfrei. Allerdings gelten nach § 8b Abs. 5 KStG 5 % der Bezüge als nicht abziehbare Betriebsausga ben. Für nach dem 28. Februar 2013 erfolgte Ausschüttungen greift diese Steuer befreiung nach § 8b Abs. 4 KStG36 jedoch nur noch ein, wenn der Anteilseigner zu Beginn des Kalenderjahres zu mindestens 10 % an der ausschüttenden Gesell schaft beteiligt ist. Ist der Anteilseigner hingegen eine natürliche Person, so sind Erträge aus Be teiligungen im Betriebsvermögen nach § 3 Nr. 40 Buchst. d EStG zu 40 % steuer frei (sogenanntes Teileinkünfteverfahren). Die mit diesen Erträgen in Zusammen hang stehenden Aufwendungen sind nach § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG jedoch nur zu 60 % zu berücksichtigen. Wird die Beteiligung von einer natürlichen Person im Privatvermögen gehalten, so unterliegt der volle Ertrag hieraus grundsätzlich einer Abgeltungsteuer von 25 % zuzüglich Solidaritätszuschlag und gegebenenfalls Kir chensteuer (§ 32d EStG) oder auf Antrag der niedrigeren tariflichen Einkommen steuer (§ 32d Abs. 6 EStG). Hiermit in Zusammenhang stehende Aufwendungen können über den Sparer-Pauschbetrag hinaus grundsätzlich nicht geltend gemacht werden (§ 20 Abs. 9 Satz 1 EStG).37 35 Siehe im Unterschied dazu die Vorschriften des Vollanrechnungsverfahren: § 23 Abs. 2 KStG a. F. (abweichender Steuersatz) und §§ 23 Abs. 5, 27 ff. KStG a. F. (Minderungen oder Er höhungen der Körperschaftsteuer). 36 Gesetz zur Umsetzung des EuGH-Urteils vom 20. Oktober 2011 in der Rechtssache C-284/09 v. 21.03.2013, BGBl. I 2013, S. 561. 37 Zu den Ausnahmen siehe § 32d Abs. 2 Satz 2 EStG.
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4. Kap.: Körperschaftsteuer (Anhang)
b) Die Gesamtsteuerbelastung im Teileinkünfteverfahren als Indiz für eine Ausrichtung der Besteuerung an der natürlichen Person Beim Vollanrechnungsverfahren ist die Ausrichtung der Besteuerung an der natürlichen Person bereits durch die Anrechnungsmöglichkeit der vom Körper schaftsteuersubjekt bezahlten Körperschaftsteuer beim Anteilseigner angelegt. Im geltenden Teileinkünfteverfahren mit Abgeltungsteuer fehlt es indes an einer sol chen unmittelbaren Verbindung von Körperschaft- und Einkommensteuersystem, da auf beiden Ebenen eine definitive Steuerbelastung eintritt. Maßgebliche Bedeu tung für die Frage, ob das Steuersystem trotz dieser zweimaligen Besteuerung wei terhin auf die natürliche Person ausgerichtet ist, erlangt daher die – sich aus der persönliche Steuerlast der natürlichen Person und der gesamten steuerlichen Vor belastung auf Ebene der ausschüttenden Körperschaft ergebende – Gesamtsteuer belastung. Derzeit ergibt sich bezüglich der Gesamtsteuerbelastung folgendes Bild:38 Bei einem Grenzsteuersatz der natürlichen Person von 45 % entspricht die Gesamt steuerbelastung (ohne Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer bei der natürlichen Person) des erwirtschafteten Markteinkommens sowohl beim Teileinkünftever fahren als auch bei der Abgeltungsteuer mit rund 48,8 % bzw. 47,3 % annähernd dem Grenzsteuersatz. Bei niedrigerem Grenzsteuersatz sinkt zwar die steuer liche Belastung beim Anteilseigner, die Vorbelastung bei der ausschüttenden Ge sellschaft bleibt hiervon allerdings unberührt. Dadurch wird beispielsweise das Markteinkommen bei einem Grenzsteuersatz von Null, also trotz fehlender Leis tungsfähigkeit des Anteilseigners, definitiv mit rund 30 % belastet. Diese Belas tungsunterschiede zwischen ausgeschütteten Gewinnen und anderen Einkünften der natürlichen Person verstärken sich dann, wenn in den ausgeschütteten Gewin nen bereits nach § 8b KStG anteilig versteuerte Gewinnausschüttungen enthal ten sind oder die tatsächlich angefallenen Werbungskosten – da sie den Sparer- Pauschbetrag übersteigen – nicht abziehbar sind. Aus dieser Gesamtbetrachtung allein lässt sich zwar nicht eindeutig entneh men, ob der Gesetzgeber einen Wechsel zu einem – mit Entlastungen versehenen – klassischen Körperschaftsteuersystem vollzogen hat oder aber die Besteuerung weiterhin, jedoch in typisierender Weise, an der einzelnen natürlichen Person aus gerichtet wissen wollte. Da allerdings durch die teilweise Steuerbefreiung bzw. die Abgeltungsteuer die Vorbelastung auf Anteilseignerebene zumindest irgend wie berücksichtigt wird, liegt letztlich kein klassisches Körperschaftsteuersystem mit ungemilderter Doppelbelastung vor. Auch weitere Punkte deuten darauf hin, dass die Besteuerung weiterhin an der natürlichen Person auszurichten ist. So liegt die maximale Gesamtsteuerbelastung nur unwesentlich über dem Spitzensteuer 38 Nach der Übersicht über die „Belastungswirkungen von Teileinkünfteverfahren/Abgel tungssteuer ab 2009“ bei J. Hey, § 11, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, Rn. 19.
B. Die Verbindung von Körperschaftsteuer- und Einkommensteuersystem
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satz von 45 % und somit weit entfernt von einer tatsächlichen Doppelbelastung mit Einkommen- und Körperschaftsteuer. Zudem wurde die geringere Vorbelastung mit Körperschaftsteuer durch die Senkung des Körperschaftsteuersatzes von 25 % auf 15 % im Rahmen des Unternehmensteuerreformgesetz 2008 auf Ebene der An teilseigner durch entsprechende Verringerung der Steuerbefreiung von Dividenden und durch die Abgeltungsteuer berücksichtigt. c) Die Abmilderung der Doppelbelastung als typisierte leistungsfähigkeitsgerechte Besteuerung der jeweiligen Anteilseigner aa) Die gesetzgeberische Zielvorstellung Die aus der Gesamtsteuerbelastung abgeleitete Tendenz, letztlich auf die ein zelne natürliche Person abzustellen, entspricht auch der hinter dem Halb- bzw. Teileinkünfteverfahren stehenden Zielrichtung. So sollte das Halbeinkünftever fahren nach dem Willen des Gesetzgebers „die Doppelbelastung ausgeschütte ter Gewinne in pauschaler Form durch eine Entlastung sowohl auf Unterneh mensebene als auch auf der Anteilseignerebene [beseitigen]“ und dadurch „eine Belastung der ausgeschütteten Gewinne, die der steuerlichen Belastung bei ande ren Einkunftsarten angenähert ist, erreicht werden“.39 Dass sich an dieser Ausrich tung auch durch das Teileinkünfteverfahren und die Abgeltungsteuer nichts ändern sollte, zeigt sich daran, dass der Gesetzgeber bei der steuerlichen Gesamtbelastung der Dividenden weiterhin die Vorbelastung mit Körperschaftsteuer berücksich tigt.40 Die nunmehr nach § 8b Abs. 4 KStG geltende Mindestbeteiligungsgrenze für die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung nach § 8b Abs. 1 KStG bleibt gleichfalls ohne systematische Auswirkung. Denn letztlich sollte nur das nationale Recht un ter grundsätzlicher Beibehaltung der Systematik des § 8b KStG ohne Steuermin dereinnahmen an die unionsrechtlichen Vorgaben angepasst werden.41
39 Entwurf eines Gesetzes zur Senkung der Steuersätze und zur Reform der Unternehmens besteuerung (Steuersenkungsgesetz – StSenkG), BT-Drs. 14/2683, S. 94. 40 Entwurf eines Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 v. 27.03.2007, BT-Drs. 16/4841, S. 33 und 46. 41 So bereits die Stellungnahme des Bundesrats zum Entwurf eines Jahressteuergesetzes 2013 v. 06.07.2012, BR-Drs. 302/12, S. 67 f. Im endgültigen – letztlich vom Bundestag ab gelehnten – Entwurf des Jahressteuergesetzes 2013 war § 8b Abs. 4 KStG indes nicht enthal ten. So sah auch der Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung des EuGH-Urteils vom 20. Okto ber 2011 in der Rechtssache C-284/09 v. 06.11.2012, BT-Drs. 17/11314 zunächst lediglich die Anpassung der Kapitalertragsteuererstattung an die EuGH-Rechtsprechung vor. Erst im Ver mittlungsausschuss einigten sich die Vertreter von Bundestag und Bundesrat dann auf diese Mindestbeteiligungsgrenze.
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4. Kap.: Körperschaftsteuer (Anhang)
bb) Das Teileinkünfteverfahren als noch zulässige Typisierung Fraglich ist indes, ob der Gesetzgeber seine Zielvorstellungen auch in verfas sungskonformer Weise umgesetzt hat, er sich also mit den derzeitigen Regelungen noch innerhalb des ihm zustehenden Typisierungsspielraums bewegt. Dies setzt voraus, dass er keinen atypischen Fall als Leitbild wählt und die mit der Typisie rung verbundenen Nachteile nicht außer Verhältnis zu den damit einhergehenden Vorteilen stehen.42 Vorliegend führt – berücksichtigt man auch die gewerbesteuerliche Vorbelas tung auf Ebene der Körperschaft – das Teileinkünfteverfahren bzw. die Abgel tungsteuer lediglich bei einem Grenzsteuersatz von 45 % zu einer annähernd gleichheitsgerechten Besteuerung. Nun mag man die Definitivbelastung von An teilseignern mit einem persönlichen Steuersatz von Null wegen der wahrschein lich geringen Anzahl Betroffener noch als mit der Typisierung verbundene unver meidliche Härte ansehen;43 aber auch für den Bereich des Grenzsteuersatzes bis 40 % wird eine Belastungsgleichheit der Dividendeneinkünfte und anderer Ein künfte nicht annähernd erreicht. Betrachtet man ausschließlich die Steuerbelastung, so scheint der Gesetz geber mit der derzeitigen Regelung – da eine gleichheitsgerechte Steuerbelastung nur vereinzelt erreicht wird – seinen ihm zustehenden Typisierungsspielraum zu überschreiten.44 Zu berücksichtigen ist indes, dass der Gesetzgeber ein Besteuerungssystem schaffen musste, das sowohl gleichheitsgerecht und einfach handhabbar ist, da neben aber auch europarechtskonform ausgestaltet ist und zugleich die internatio nale Verteilungsgerechtigkeit wahrt.45 Da sich diese teilweise entgegenstehenden Ziele nicht ohne weiteres in Einklang bringen lassen, müssen sie gegeneinander abgewogen werden.46 Diese Abwägung ist Aufgabe des Gesetzgebers, dem hier bei ein weiter Beurteilungs- und Gestaltungsspielraum zusteht, innerhalb dessen er die einzelnen Ziele unterschiedlich gewichten darf.47 Deshalb ist es grundsätz lich nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber einen gröberen Typisierungs maßstab wählt, um die weiteren mit der Regelung angestrebten Ziele überhaupt erreichen zu können.
42 BVerfG, Beschluss v. 12.10.2010 – 1 BvL 12/07 (Betriebsausgabenabzugsverbot), BVerfGE 127, 224 (245 f.) m. w. N. 43 Ähnlich D. Birk, StuW 2000, 328 (335): Der sogenannte „Kleinaktionär“ findet sich re gelmäßig nicht in den sozial schwächeren Schichten, sondern eher bei den gut verdienenden Steuerpflichtigen. A. A. J. Englisch, Dividendenbesteuerung, S. 378. 44 J. Englisch, Dividendenbesteuerung, S. 373 ff. A. A. D. Birk, StuW 2000, 328 (335); M. Desens, Das Halbeinkünfteverfahren, S. 107 f. 45 J. Englisch, Dividendenbesteuerung, S. 385. 46 J. Englisch, Dividendenbesteuerung, S. 385. 47 H.-J. Pezzer, StuW 2000, 144 (147); J. Englisch, Dividendenbesteuerung, S. 386 f.
B. Die Verbindung von Körperschaftsteuer- und Einkommensteuersystem
161
Vor diesem Hintergrund lassen sich das Teileinkünfteverfahren und die Abgel tungsteuer noch als verfassungsrechtlich zulässige Typisierungen einordnen.48 Denn der Gesetzgeber durfte auf Kosten einer feineren Typisierung in seine Über legungen insbesondere einbeziehen, dass eine europarechtskonforme Ausgestal tung des Anrechnungsverfahrens, neben den Problemen der praktischen Umset zung,49 die interstaatliche Aufkommensverteilung stark beeinträchtigen würde.50 Hingegen durfte er wegen des ihm zustehenden weiten Gestaltungsspielraums unberücksichtigt lassen, inwiefern durch Alternativmodelle51 die beabsichtigten Ziele besser hätten verwirklicht werden können, solange diese – was vorliegend nicht der Fall ist – nicht offensichtlich besser geeignet sind. cc) Ergebnis: Die stellvertretende Marktteilnahme des Körperschaftsteuersubjekts Durch die typisierte Berücksichtigung der körperschaftsteuerlichen Vorbelas tung durch das Teileinkünfteverfahren und die Abgeltungsteuer wird somit eine Verbindung zwischen Einkommensteuer- und Körperschaftsteuersystem geschaf fen, wodurch letztlich eine (typisierte) gleichheitsgerechte Besteuerung der ein zelnen natürlichen Person erreicht wird. Zugleich werden durch diese Verbindung die technisch getrennten Steuerobjekte des Einkommen- und Körperschaftsteuer rechts gemeinsam betrachtet und im Ergebnis nur einmal zur Besteuerung heran gezogen. Dies spricht dafür, dass es sich bei den an die Anteilseigner ausgeschüt teten Dividenden und dem vom Körperschaftsteuersubjekt erzielten Einkommen um denselben Markterfolg handelt. Richtigerweise kann dem Körperschaftsteuer subjekt demnach auch im derzeitigen Besteuerungssystem nur die Rolle eines (ökonomischen) Stellvertreters zukommen. Gesetzgeberische Grundentscheidung ist daher nach wie vor die Ausrichtung der Besteuerung an der einzelnen natür lichen Person, so dass weder durch das Halb- noch durch das Teileinkünfteverfah ren ein Systemwechsel vollzogen wurde. 48
Ebenfalls kein Verfassungsverstoß annehmend BFH, Urteil v. 19.06.2007 – VIII R 69/05, BStBl. II 2008, 551 (552 f.); H.-J. von Beckerath, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 3 Nr. 40 Rn. B 40/113 f.; D. Birk, StuW 2000, 328 (334 f.); M. Desens, Das Halbeinkünfteverfah ren, S. 107 f.; H.-J. Pezzer, StuW 2000, 144 (146 f.); H.-J. Pezzer, Die Besteuerung des Anteils eigners, in: Seeger, DStJG 25 (2002), 36 (54). A. A. hingegen bspw. J. Hey, Besteuerung von Unternehmensgewinnen, in: Ebling, DStJG 24 (2001), 155 (194 ff.); J. Hey, Reform des Körper schaftsteuersystems, in: Pelka, DStJG Sonderband (2001), 5 (17); J. Hey, § 11, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, Rn. 20; D. Löhr, StuW 2000, 33 (39); A. Nacke, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 3 Nr. 40 Rn. 15 ff. Ebenso J. Englisch, Dividendenbesteuerung, S. 422 f. wegen der bestehen den Möglichkeit eines gleichheitsgerechteren und europarechtskonformen Steuersystems. 49 H.-J. Pezzer, StuW 2000, 144 (146). 50 Eingehend hierzu J. Englisch, Dividendenbesteuerung, S. 360 ff. 51 Siehe hierzu bspw. J. Hey, Reform des Körperschaftsteuersystems, in: Pelka, DStJG Sonderband (2001), 5 (17 f.) (pauschales Teilanrechnungsverfahren); J. Englisch, Dividenden besteuerung, S. 403 ff. (Kombination aus pauschaler Anrechnung und Teileinkünfteverfahren).
162
4. Kap.: Körperschaftsteuer (Anhang)
Diese Grundentscheidung bedarf dann wiederum einer folgerichtigen Umset zung. Körperschaft- und Einkommensteuersystem sind demnach so auszugestal ten, dass der vom Körperschaftsteuersubjekt stellvertretend erzielte Markterfolg – bei typisierender Betrachtung – entsprechen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der natürlichen Person besteuert wird. Soll dies wie derzeit durch eine Niedrig besteuerung auf Körperschafts- und Anteilseignerebene erreicht werden, so sollte zunächst das Körperschaftsteuerrecht die Voraussetzungen dafür schaffen, dass die Dividenden mit einer annähernd gleichen steuerlichen Vorbelastung an die An teilseigner ausgeschüttet werden können. Denn nur bei annähernd gleicher Vor belastung können einheitliche Regelungen des Einkommensteuerrechts zur Be steuerung von Gewinnausschüttungen die gleichheitsgerechte Besteuerung der Anteilseigner sicherstellen. d) Bestätigung der Grundentscheidung für die Ausrichtung der Besteuerung an der natürlichen Person im geltenden Recht aa) Vermeidung steuerlicher Doppelbelastung durch § 8b Abs. 1 KStG Die Grundentscheidung für die Ausrichtung der Besteuerung an der einzelnen natürlichen Person wird auch durch die Steuerbefreiungsvorschrift des § 8b Abs. 1 KStG bestätigt. Diese verhindert – aufgrund der Hinzurechnungsvorschrift des Abs. 552 nicht vollständig, sondern nur weitestgehend – Mehrfachbelastungen in nerhalb von Beteiligungsketten. Dadurch kann das Markteinkommen mit nur ein maliger Körperschaftsteuerbelastung an die natürliche Person weitergeleitet wer den, bei der es dem Teileinkünfteverfahren bzw. der Abgeltungsteuer unterliegt. § 8b Abs. 1 KStG schafft somit innerhalb des Körperschaftsteuersystems die Vor aussetzungen dafür, dass die Vorbelastung der an natürliche Personen ausgeschüt teten Dividenden mit Körperschaftsteuer stets annähernd gleich ist. Dadurch lässt sich unabhängig davon, über wie viele Beteiligungsstufen das Markteinkom men tatsächlich ausgeschüttet wurde, eine typisierte leistungsfähigkeitsgerechte Besteuerung der natürlichen Person erreichen. Die Vorschrift stellt damit wie § 3 Nr. 40 EStG keine echte Steuerbefreiung dar, sondern ist nur ein technisches Instrument, die leistungsfähigkeitsgerechte Besteuerung der an Körperschaft steuersubjekten beteiligten natürlichen Personen sicherzustellen.53
52
Zu dieser Abzugsbeschränkung siehe ausführlich 4. Kapitel C. I. D. Birk, StuW 2000, 328 (335 f.); D. Gosch, in: Gosch, KStG, § 8b Rn. 1; E. Gröbl/G. Adrian, in: Erle/Sauter, KStG, § 8b Rn. 15; J. Lang, Besteuerung von Einkommen, in: Ebling, DStJG 24 (2001), 49 (92); I. van Lishaut, StuW 2000, 182 (186); J. Rengers, in: Blümich, KStG, § 8b Rn. 1; W. Schön, FR 2001, 381 (384). 53
B. Die Verbindung von Körperschaftsteuer- und Einkommensteuersystem
163
bb) Die Besteuerung der Anteilseigner einer REIT-AG Noch deutlicher als § 8b Abs. 1 KStG untermauert das seit dem 1. Januar 2007 in Kraft getretene Gesetz über deutsche Immobilien-Aktiengesellschaften mit börsennotierten Anteilen (REIT-Gesetz)54 die legislative Grundentscheidung. Erfüllt eine REIT-AG die an sie gestellten Voraussetzungen der §§ 8 bis 15 REITG, ist unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig und gilt nicht aufgrund eines Doppel besteuerungsabkommens als in einem anderen Vertragsstaat ansässig, so ist sie nach § 16 Abs. 1 REITG von der Körperschaft- und Gewerbesteuer befreit. Im Gegen zug sind die Dividendenausschüttungen bei den jeweiligen Anteilseignern, da die Steuerbefreiungsvorschriften des § 3 Nr. 40 EStG und des § 8b KStG nach § 19 Abs. 3 REITG keine Anwendung finden, regelmäßig voll steuerpflichtig. Soweit die ausgeschütteten Erträge allerdings steuerlich mit mindestens 15 % deutscher Körperschaftsteuer oder einer mit dieser vergleichbaren ausländischen Steuer vor belastet sind, wird dies über § 19a Abs. 1 und 2 KStG durch die Steuerbefreiungs vorschriften der § 3 Nr. 40 EStG und § 8b KStG bzw. im Rahmen der Abgeltung steuer in typisierender Weise berücksichtigt. Das REITG sorgt damit im Grundsatz für eine gleichheitsgerechte Besteue rung der jeweiligen Anteilseigner,55 da das der REIT-AG zugerechnete Marktein kommen steuerfrei gestellt wird, diese über § 13 Abs. 1 REITG verpflichtet ist, mindestens 90 % des handelsrechtlichen Jahresüberschusses auszuschütten und anschließend die Dividenden beim jeweiligen Anteilseigner dem persönlichen Steuersatz unterworfen werden.56 Gleichwohl kann das dem REITG zugrunde liegende System nicht ohne weiteres auf die Besteuerung sonstiger Körperschaf ten und deren Anteilseigner übertragen werden. Denn die Steuerbefreiung der REIT-AG rechtfertigt sich dadurch, dass der Staat durch die Ausschüttungspflicht auch zeitnah am Markterfolg teilhaben kann und dadurch die Gleichheit in der Zeit gewahrt wird.57 54 Siehe Art. 1 des „Gesetz zur Schaffung deutscher Immobilien-Aktiengesellschaften mit börsennotierten Anteilen“ v. 28.05.2007, BGBl. I 2007, 914. 55 Vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Schaffung deutscher Immobilien-Aktiengesellschaften mit börsennotierten Anteilen v. 12.01.2007, BT-Drs. 16/4026, S. 24: Steuerbefreiung als tech nisches Mittel, um eine ausschließliche Besteuerung beim Anteilseigner zu erreichen. A. A. hin gegen M. Helios, in: Helios/Wewel/Wiesbrock, REITG, § 16 Rn. 10: Wegen eigener Leistungs fähigkeit der Kapitalgesellschaft ist die Steuerbefreiung des REITG als Steuervergünstigung einzuordnen und daher rechtfertigungsbedürftig. 56 Gleichheitsrechtlich bedenklich ist hingegen, dass die abgeltende Wirkung der nach § 20 REITG einzubehaltenden Kapitalertragsteuer auch dann Anwendung findet, wenn die aus geschütteten Dividenden nicht mit Körperschaftsteuer vorbelastet sind. Sofern der Grenz steuersatz des Anteilseigners über 25 % liegt, führt dies zu einer rechtfertigungsbedürftigen Bevorzugung von Dividendeneinkünften aus einer REIT-AG gegenüber sonstigem erzielten Markteinkommen. Ebenfalls kritisch M. Amort/H. Blum, DStR 2009, 1772 (1776); U. Hufeld, EWS 2008, 209 (211 f.); T. Zumwinkel, Das deutsche REIT-Gesetz, S. 27 f. 57 Vgl. C. Gröpl, DStZ 2008, 62 (66); K.-A. Schwarz, JZ 2008, 550 (552): Ausschüttungspflicht verhindert Besserstellung der REIT-AG gegenüber anderen Körperschaftsteuersubjekten.
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4. Kap.: Körperschaftsteuer (Anhang)
Die Anwendbarkeit der Steuerbefreiungsvorschriften (§ 3 Nr. 40 EStG und § 8b KStG) auf Anteilseignerebene hängt also davon ab, ob die ausgeschütteten Dividenden bereits steuerlich vorbelastet sind oder nicht. Dadurch kommt zum Ausdruck, dass die Marktteilnahme über eine steuerrechtlich verselbstständigte Körperschaft weder zu einer zu geringen noch zu einer zu hohen Gesamtsteuer belastung des stellvertretend erzielten Markteinkommens führen soll, sondern letztlich die einzelne natürliche Person entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit be steuert werden soll.
III. Folgewirkungen der Grundentscheidung 1. Die Zurechnung des fremden Steuerobjekts zum Körperschaftsteuersubjekt Ist das Besteuerungssystem trotz der eigenen Steuersubjektivität der Körper schaft insgesamt auf das Einkommensteuersubjekt ausgerichtet, so kommt dem Körperschaftsteuersubjekt bei wertender Betrachtung demnach keine eigene Leis tungsfähigkeit zu. Vielmehr wird der Verband bei wertender wirtschaftlicher Be trachtung nur stellvertretend für die hinter ihm stehenden natürlichen Personen erwerbswirtschaftlich tätig. Dem Körperschaftsteuersubjekt wird zwar im Rahmen des Steuertatbestan des ein Steuerobjekt zugerechnet; allerdings ist diese Zurechnung nur technischer Natur. Bei materieller Betrachtung geht der erzielte Markterfolg auf das stell vertretende Erwerbshandeln zurück, so dass dem Körperschaftsteuersubjekt kein eigenes Steuerobjekt, sondern ein fremdes Steuerobjekt zugeordnet wird. 2. Die Anbindung der stillen Reserven Über § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG kommt nicht nur § 2 Abs. 1 und 2 EStG zur An wendung, sondern es werden auch das materielle Gewinnkonzept und die Gewinn ermittlungstechnik des § 4 Abs. 1 EStG übernommen.58 Dies führt dazu, dass die stillen Reserven wie beim Einzelunternehmer59 drei seitig angebunden sind. Die Anbindung an das Körperschaftsteuersubjekt zeigt sich daran, dass sowohl die entgeltliche Übertragung als auch die unentgeltliche Übertragung eines Wirtschaftsguts über die Regelung der verdeckten Gewinn ausschüttung eine aktuelle Steuerpflicht der stillen Reserven auslöst. Daneben sind die stillen Reserven im Ergebnis auch an das gesamte Betriebsvermögen der
58
C. Seiler, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 4 Rn. B 144. Siehe 3. Kapitel C. II. 1. a) dd).
59
B. Die Verbindung von Körperschaftsteuer- und Einkommensteuersystem
165
jeweiligen Körperschaft angebunden. Hierbei kann offenbleiben, ob die Körper schaftsteuersubjekte ähnlich den Personengesellschaften insgesamt nur einen Be trieb haben60 oder ihre gesamte gewerbliche Tätigkeit auf mehrere eigenständige Betriebe aufteilen können61. Denn zwischen den verschiedenen Betriebsvermögen desselben Körperschaftsteuersubjekts würde jedenfalls § 6 Abs. 5 Satz 1 EStG An wendung finden und die bislang bestehende enge Anbindung auf das gesamte Be triebsvermögen erweitern. Über § 12 Abs. 1 KStG sind die stillen Reserven auch an das inländische Besteuerungsrecht angebunden. Allerdings ist zu beachten, dass die stillen Reserven auf die stellvertretende Marktteilnahme des Körperschaftsteuersubjekts zurückgehen. Die Anbindung ent spricht zwar technisch der beim Einzelunternehmer, ist aber materiell betrach tet keine originäre, sondern nur eine von den natürlichen Personen vermittelte. Anders als bei den transparenten Personengesellschaften verhindert die steuer rechtliche Eigenständigkeit der Körperschaft jedoch eine unmittelbare Anbindung der stillen Reserven an die Anteilseigner. Infolgedessen führt ein Anteilseigner wechsel grundsätzlich nicht zur Aufdeckung der stillen Reserven auf Ebene des Körperschaftsteuersubjekts. 3. Erforderliche Folgeanpassungen aufgrund der technisch getrennten Steuersysteme Die technische Trennung von Körperschaft- und Einkommensteuerregime führt zunächst dazu, dass sich auf Ebene der Körperschaft abspielende Vorgänge – wie im Zivilrecht – regelmäßig nicht unmittelbar auf die Anteilseigner steuerlich aus wirken und umgekehrt Sachverhalte auf Anteilseignerebene ohne steuerliche Fol gen für das Körperschaftsteuersubjekt sind. Allerdings kann die Bezogenheit des Steuerobjekts auf das Einkommensteu ersubjekt bei technischer Aufspaltung in zwei Besteuerungsakte gewisse Folge anpassungen erforderlich machen, damit die Grundidee (Ausrichtung der Be steuerung an der natürlichen Person) umgesetzt werden kann. Deshalb darf der Gesetzgeber auch Vorgänge auf einer der beiden Ebenen zum Anlass für eine steuerrechtliche Regelung auf der anderen Ebene nehmen, wenn er dadurch die jeweilige natürliche Person im Ergebnis gleichheitsgerecht belastet und syste matische Brüche weitgehend vermeidet. Insoweit sind solche Folgeanpassungen letztlich Ausdruck der Grundkonzeption. So ist beispielsweise für die Steuerpflicht einer Gewinnausschüttung beim Anteilseigner nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG entscheidend, ob für diese Ausschüttung
60 So ausgehend von § 8 Abs. 2 KStG BFH, Urteil v. 10.02.1989 – III R 78/86, BStBl. II 1989, 467 (469). 61 Hierfür C. Seiler, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 4 Rn. B 145.
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4. Kap.: Körperschaftsteuer (Anhang)
auf Ebene der Kapitalgesellschaft das steuerliche Einlagekonto im Sinne des § 27 KStG als verwendet gilt. Hierdurch wird die Steuerpflicht einer der Vermögens sphäre des Gesellschafters zugeordneten Einlagenrückgewähr62 verhindert und der Anteilseigner gleichheitsgerecht belastet. Korrespondierend dazu kann eine durch den Anteilseigner veranlasste Vermögensminderung oder verhinderte Ver mögensmehrung eine verdeckte Gewinnausschüttung darstellen, welche nach § 8 Abs. 3 KStG keinen Einfluss auf das Einkommen des Körperschaftsteuersubjekts haben darf.
C. Einzelprobleme Aus der aufgezeigten legislativen Grundentscheidung lassen sich nicht nur abstrakte Folgewirkungen ableiten, sondern diese kann auch zur Lösung konkreter einkommen- und körperschaftsteuerlicher Fragestellungen beitragen. Von beson derer Relevanz ist dabei, dass die mit der Ausrichtung der Besteuerung auf die einzelne natürliche Person getroffene Belastungsentscheidung in den einzelnen Normen des Einkommen- und Körperschaftsteuergesetzes auch tatsächlich folge richtig im Sinne der Belastungsgleichheit umgesetzt wird.
I. Die Betriebsausgabenabzugsbeschränkung des § 3c Abs. 2 EStG und des § 8b Abs. 5 KStG Kommt für an natürliche Personen ausgeschüttete Dividenden das Teileinkünf teverfahren zur Anwendung,63 so können die in Zusammenhang mit den Divi denden stehenden Aufwendungen nach § 3c Abs. 2 EStG nur im Umfang des steuerpflichtigen Anteils von 60 % geltend gemacht werden. Ist der Dividenden empfänger hingegen eine juristische Person, so gelten 5 % der Dividenden nach § 8b Abs. 5 KStG als nicht abzugsfähige Betriebsausgaben, die dem steuerlichen Gewinn der Körperschaft außerbilanziell wieder hinzuzurechnen sind. Die beiden Regelungen verhindern jeweils im Ergebnis die vollständige Be rücksichtigung von Beteiligungsaufwendungen im Rahmen des Steuertatbestan des und könnten daher gegen das objektive Nettoprinzip und das Folgerichtigkeits gebot verstoßen.
62
B. Lornsen-Veit, in: Erle/Sauter, KStG, § 27 Rn. 7. Unterliegen diese Dividenden dem gesonderten Steuertarif des § 32d EStG, so ist nach § 20 Abs. 9 Satz 1 Hs. 2 EStG der Werbungskostenabzug generell ausgeschlossen. Zur Verfas sungsmäßigkeit dieser Regelung siehe J. Englisch, StuW 2007, 221 (238 f.) m. w. N. 63
C. Einzelprobleme
167
1. Die Abzugsbeschränkungen und das objektive Nettoprinzip § 3c Abs. 2 EStG und § 8b Abs. 5 KStG bauen beide auf die Vorschrift des § 3c Abs. 1 EStG auf. Deren Grundgedanke ist es, durch das Verbot des Betriebs ausgaben- bzw. Werbungskostenabzugs eine doppelte Begünstigung beim Emp fänger der steuerfreien Einnahmen zu verhindern.64 Zu einer solchen Doppel begünstigung könnte ein vollumfänglicher Abzug von Aufwendungen deshalb führen, weil die an Einkommensteuersubjekte ausgeschütteten Dividenden nach § 3 Nr. 40 Buchst. d EStG zu 40 % und die an Körperschaftsteuersubjekte aus geschütteten Dividenden in vollem Umfang nach § 8b Abs. 1 KStG steuerfrei sind. So gesehen scheinen das teilweise Abzugsverbot nach § 3c Abs. 2 EStG und der von § 8b Abs. 5 KStG typisierte nichtabzugsfähige Beteiligungsaufwand logische Folge der Steuerbefreiungsvorschriften zu sein, weshalb eine Durchbrechung des objektiven Nettoprinzips zunächst fernliegt. Der unbeschränkte Abzug von Beteiligungsaufwendungen kann allerdings nur dann zu einer Doppelbegünstigung führen, wenn es sich bei § 3 Nr. 40 Buchst. d EStG und § 8b Abs. 1 KStG um sogenannte „echte Steuerbefreiungen“ handelt. Dies wäre vorliegend der Fall, wenn die Gewinnausschüttungen im Steuertatbestand des jeweiligen Anteilseigners in vollem Umfang berücksichtigt werden müsste. Eine solche Pflicht kann indes nur dann bestehen, wenn die Gewinnausschüttung die eigene Leistungsfähigkeit des betreffenden Steuersubjekts erhöht. Der durch die Betriebsausgabenabzugsbeschränkung eingetretenen steuerlichen Mehrbelastung würde dann eine erhöhte Leistungsfähigkeit gegenüberstehen, sodass das objek tive Nettoprinzip gewahrt wäre.65 Eine solche erhöhte Leistungsfähigkeit ist jedenfalls durch unter § 8b Abs. 1 KStG fallende Gewinnausschüttungen nicht gegeben. Denn nach der gesetzgeberischen Grundstruktur66 kommt den Körperschaftsteuersubjekten nur die Rolle eines öko nomischen Stellvertreters zu. Anlass für die Besteuerung mit Körperschaftsteuer ist demnach nicht eine eigene, sondern – da auf die hinter dem Körperschaftsteuer subjekt stehenden natürlichen Personen abzustellen ist – eine fremde Leistungs fähigkeit. Die Gewinnausschüttung kann die Leistungsfähigkeit des die Dividen den empfangenden Körperschaftsteuersubjekts somit nicht erhöhen,67 so dass § 8b 64 H.-J. von Beckerath, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 3c Rn. A 8 und A 121 ff.; M. Desens, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 3c Rn. 6; G. Erhard, in: Blümich, EStG, § 3c Rn. 6; W. Heinicke, in: Schmidt, EStG, § 3c Rn. 1; H. Ruppe, Die Abgrenzung der Betriebs ausgaben/Werbungskosten von den Privatausgaben, in: Söhn, DStJG 3 (1980), 103(128). 65 Vgl. zu § 8b Abs. 1 und 5 KStG BVerfG, Beschluss v. 12.10.2010 – 1 BvL 12/07 (Betriebs ausgabenabzugsverbot), BVerfGE 127, 224 (251). 66 Siehe 4. Kapitel B. II. 2. c) cc). 67 Da das BVerfG, Beschluss v. 12.10.2010 – 1 BvL 12/07 (Betriebsausgabenabzugsverbot), BVerfGE 127, 224 (249 ff.) entgegen der hier vertretenen Ansicht eine eigene Leistungsfähig keit des Körperschaftsteuersubjekts bejaht, kommt es konsequenterweise zu dem Ergebnis, dass die Betriebsausgabenabzugsbeschränkung des § 8b Abs. 5 KStG nicht gegen das objektive Nettoprinzip verstößt.
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4. Kap.: Körperschaftsteuer (Anhang)
Abs. 1 KStG keinen an sich im Steuertatbestand zu berücksichtigen Markterfolg von der Besteuerung ausnimmt. § 8b Abs. 1 KStG ist daher keine echte Steuerbefreiung. Für § 3 Nr. 40 Buchst. d EStG kann letztlich nichts anderes gelten. Auch dieser ist Teil der – auf die einzelne natürliche Person ausgerichteten – gesetzlichen Grund konzeption. § 3 Nr. 40 Buchst. d EStG stellt die Dividenden nicht um ihrer selbst Willen frei, sondern mit der teilweisen Steuerbefreiung soll der steuerlichen Vor belastung desselben Markterfolgs68 auf Ebene der ausschüttenden Körperschaft in typisierender Form Rechnung getragen werden.69 § 3 Nr. 40 Buchst. d EStG und § 8b Abs. 1 KStG sind demnach als Fiskal zweckbefreiungen einzuordnen.70 Sie stellen anders als die – in der Regel mit dem Gemeinwohlprinzip rechtfertigungsbedürftigen71 – „echten Steuerbefreiungen“ keinen steuerlichen Vorteil dar, sondern dienen als rein technische Maßnahmen der leistungsfähigkeitsgerechten Besteuerung der natürlichen Person. Führen die Steuerbefreiungen zu keinem Steuervorteil, so können § 3c Abs. 2 EStG bzw. § 8b Abs. 5 KStG auch keine Doppelbegünstigung verhindern.72 Viel mehr benachteiligt die teilweise Nichtabzugsfähigkeit die jeweiligen Anteils eigner; denn systematisch zutreffend müssten die Werbungskosten und Betriebs ausgaben vollumfänglich berücksichtigt werden, um dem objektiven Nettoprinzip zu genügen,73 da die Aufwendungen des Anteilseigners auf Ebene der ausschütten den Körperschaft nicht zu einer steuerlichen Vorentlastung geführt haben.74 Sind Werbungskosten oder Betriebsausgaben jedoch (teilweise) nicht abziehbar, erhöht
68
Siehe 4. Kapitel B. II. 2. c) cc). Siehe 4. Kapitel B. II. 2. c) aa) und bb). Ausdrücklich auch Entwurf eines Gesetzes zur Senkung der Steuersätze und zur Reform der Unternehmensbesteuerung (Steuersenkungs gesetz – StSenkG) v. 15.02.2000, BT-Drs. 14/2683, S. 94. 70 M. Desens, Das Halbeinkünfteverfahren, S. 279; BFH, Urteil v. 19.06.2007 – VIII R 69/05, BStBl. II 2008, 551(553) und J. Hey, § 8, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, Rn. 138 (jeweils zu § 3 Nr. 40 EStG). Differenzierend U. Wäckerlin, Betriebsausgabenabzugsbeschränkung, S. 213 ff.: § 3 Nr. 40 EStG ist Fiskalzwecknorm soweit personalistisch beteiligte Anteilseigner betroffen sind, bei kapitalistisch beteiligten Anteilseignern jedoch echte Steuervergünstigung. 71 J. Hey, § 8, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, Rn. 140. 72 H.-J. von Beckerath, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 3c Rn. A 141; J. Englisch, Dividendenbesteuerung, S. 425 f.; J. Hey, § 11, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, Rn. 42; U. Wäckerlin, Betriebsausgabenabzugsbeschränkung, S. 213. A. A. – und sich damit in Widerspruch zur Gesetzesbegründung begebend – die Bundesregierung im „Bericht der Bundesregierung zur Fortentwicklung des Unternehmenssteuerrechts“, Beilage zu FR 11/2001, S. 22. 73 BFH, Urteil v. 19.06.2007 – VIII R 69/05, BStBl. II 2008, 551 (552 f.); H.-J. von Be ckerath, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 3c Rn. A 141; J. Englisch, Dividendenbesteue rung, S. 427; B. Paus, DStZ 2008, 145 (147); H.-J. Pezzer, StuW 2000, 144 (150); H.-J. Pezzer, Die Besteuerung des Anteilseigners, in: Seeger, DStJG 25 (2002), 36 (54 f.), allerdings mit kri tischen Anmerkungen in der anschließenden Diskussion von V. Sarrazin (S. 59 f.) und D. Birk (S. 61); W. Reiß, StuW 2000, 399 (401); W. Schön, FR 2001, 381 (385 ff.). Ausdrücklich zu § 8b Abs. 5 KStG: J. Hey, § 11, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, Rn. 42; H. Watermeyer, in: Herrmann/ Heuer/Raupach, KStG, § 8b Rn. 7. 74 J. Englisch, FR 2008, 230 (231); B. Hamdan/M. Hamdan, DStZ 2007, 730 (732). 69
C. Einzelprobleme
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sich die Gesamtsteuerlast von ausschüttender Körperschaft und Anteilseigner und verhindert dadurch auch bei typisierender Betrachtung eine zutreffende Besteue rung der natürlichen Personen. § 3c Abs. 2 EStG und § 8b Abs. 5 KStG durch brechen somit das objektive Nettoprinzip und bedürfen daher der Rechtfertigung. 2. Keine Rechtfertigung der Durchbrechung des objektiven Nettoprinzips a) Keine Rechtfertigung durch die Steuersubjektivität der Körperschaft Fraglich ist, ob sich diese Abweichung vom objektiven Nettoprinzip rechtfer tigen lässt. So ließe sich als Rechtfertigungsgrund zunächst die von den Anteils eignern getrennte eigene Steuersubjektivität der Körperschaft anführen.75 Dies kann indes nicht genügen, da Einkommen- und Körperschaftsteuer mit der Be steuerung der natürlichen Person einem einheitlichen Gesamtkonzept folgen, die Trennung der Vermögenssphären von Körperschaft und Anteilseigner daher nur technischer Natur ist. Die Annahme einer wirtschaftlichen Eigenständigkeit des Körperschaftsteuersubjekts für Zwecke der Betriebsausgabenabzugsbeschränkun gen würde eine fehlende folgerichtige Umsetzung der gesetzgeberischen Grund entscheidung bedeuten. b) Keine Rechtfertigung aus Folgerichtigkeitsgesichtspunkten Die Durchbrechung des objektiven Nettoprinzips durch § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG und § 8b Abs. 5 KStG könnte jedoch gerechtfertigt sein, wenn der Gesetzgeber aus Gründen der Folgerichtigkeit zum Erlass solcher Abzugsbeschränkungen ver pflichtet war und im Rahmen einer Abwägung zwischen diesen beiden steuer lichen Grundprinzipien dem Gebot der Folgerichtigkeit Vorrang eingeräumt wer den dürfte. Eine entsprechende Verpflichtung könnte sich allenfalls dann ergeben, wenn Gewinnausschüttungen und Anteilsveräußerungen sowohl bezüglich der Einnah men- als auch bezüglich der Ausgabenseite aus systematischen Gründen gleich zu behandeln sind.76 Dies ist jedoch richtigerweise nicht der Fall. Zwar hat der Ge setzgeber Veräußerungsgewinne auch in das Teileinkünfteverfahren einbezogen, um Veräußerungen und Totalausschüttungen gleich zu behandeln. Die Gleich
75
So BFH, Urteil v. 19.06.2007 – VIII R 69/05, BStBl. II 2008, 551 (554); M. Desens, Das Halbeinkünfteverfahren, S. 279 f. (lediglich Vermeidung einer Übermaßbesteuerung). 76 So BFH, Urteil v. 19.06.2007 – VIII R 69/05, BStBl. II 2008, 551 (553 f.) noch zum Halb abzugsverbot des § 3c Abs. 2 EStG.
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4. Kap.: Körperschaftsteuer (Anhang)
behandlung von Gewinnausschüttungen und Veräußerungen stellt aber nicht die folgerichtig weiterzudenkende gesetzgeberische Grundentscheidung dar. Denn die Vorschriften der §§ 3 Nr. 40, 3c Abs. 2 EStG und § 8b KStG sind vielmehr Teil des auf die natürliche Person ausgerichteten Steuersystems, da der Gesetzgeber mit den (teilweisen) Steuerbefreiungen beabsichtigte, die steuerliche Vorbelastung auf Ebene der Körperschaft zu berücksichtigen, um die natürliche Person gleichheits gerecht zu besteuern.77 Folgerichtig umzusetzen ist daher diese Ausrichtung der Besteuerung an der natürlichen Person und nicht der Gleichlauf von Gewinnaus schüttungen und Veräußerungen. An dieser Belastungsentscheidung muss sich der Gesetzgeber mangels Systemwechsels auch festhalten lassen. Denn ein System wechsel kann nicht bereits dann angenommen werden, wenn der Gesetzgeber im gleichen Gesetzgebungsverfahren bei an diese Grundentscheidung anknüpfenden Normen unsystematisch arbeitet oder in späteren Gesetzgebungsverfahren die be reits getroffene Belastungsentscheidung verkennt78.79 Eine folgerichtige Umsetzung dieser Grundentscheidung erfordert daher nicht zwingend eine Gleichbehandlung von laufenden Beteiligungsaufwendungen und Aufwendungen in Zusammenhang mit Anteilsveräußerungen. Vielmehr können umgekehrt sogar unterschiedliche Regelungen geboten sein, wenn nur hierdurch das Ziel, die natürliche Person im Ergebnis gleichheitsgerecht zu besteuern, er reicht werden kann. Letzteres ist vorliegend der Fall. Soll bei Gewinnausschüttungen der – stell vertretend vom Körperschaftsteuersubjekt – erzielte Markterfolg durch die zwei malige Niedrigbesteuerung im Ergebnis nur einmal besteuert werden,80 so bedarf es hierzu konsequenterweise auch des vollen Abzugs der laufenden Beteiligungs aufwendungen.81 Anderes gilt jedoch bei Aufwendungen in Zusammenhang mit
77 Entwurf eines Gesetzes zur Senkung der Steuersätze und zur Reform der Unternehmens besteuerung (Steuersenkungsgesetz – StSenkG) v. 15.02.2000, BT-Drs. 14/2683, S. 94. 78 Die Belastungsentscheidung verkennt bspw. der Bundesrat in seiner Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung des Unternehmensteuerrechts (Unternehmensteuer fortentwicklungsgesetz – UntStFG) v. 27.09.2001, BR-Drs. 638/01, S. 6: „Die Streichung des Abzugsverbots für Beteiligungsaufwendungen ist auch steuersystematisch verfehlt. Das Abzugs verbot des § 3c Abs. 1 EStG für Beteiligungsaufwendungen ist Ausdruck der Besteuerung nach der subjektiven Leistungsfähigkeit und des objektiven Nettoprinzips: Aufwendungen können nur dann steuerlich abziehbar sein, wenn auch die zugehörigen Erträge steuerpflichtig sind.“ Diese Ansicht lehnt die Bundesregierung in ihrer Gegenäußerung vom 10.10.2001 (BT-Drs. 14/7084, S. 8) mit zutreffenden systematischen Argumenten ab, jedoch ohne diese Wertungen auch auf § 3c Abs. 2 EStG zu übertragen. Siehe hierzu auch die Kritik von H.-J. Pezzer, Die Besteuerung des Anteilseigners, in: Seeger, DStJG 25 (2002), 36 (55 f.). 79 Vgl. BVerfG, Urteil v. 09.12.2008 – 2 BvL 1, 2/07, 1, BvL 2/08 (Pendlerpauschale), BVerfGE 122, 210 (240 ff.): Kein Systemwechsel ohne Mindestmaß an neuer Systemorien tierung. 80 J. Hey, Reform des Körperschaftsteuersystems, in: Pelka, DStJG Sonderband (2001), 5 (21); J. Intemann, DB 2007, 2797 (2799). 81 J. Englisch, Dividendenbesteuerung, S. 427.
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Anteilsveräußerungen. Diesbezüglich soll die Einmalbelastung der natürlichen Person im Ergebnis durch Ansatz von 40 % des Gewinns und nicht durch Ansatz von 40 % des Veräußerungserlöses erreicht werden.82 Der nur 60 %ige Abzug von Veräußerungskosten ist demnach systemkonform.83 Die derzeitige Ausgestaltung des Teileinkünfteverfahrens setzt die Belastungsentscheidung daher nur teilweise folgerichtig um.84 Ist die Abzugsbeschränkung für laufende Beteiligungsaufwendungen demnach nicht aus Folgerichtigkeitsgründen geboten, so muss auch eine Rechtfertigung der Durchbrechung des objektiven Nettoprinzips von vornherein ausscheiden. c) Ergebnis Mangels sonstiger Rechtfertigungsgründe lässt sich die nur teilweise Abzugs fähigkeit von Beteiligungsaufwendungen nach § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG daher nicht rechtfertigen.85 Gleiches gilt für die systemwidrige Regelung des § 8b Abs. 5 KStG.86 Auf die Frage, inwieweit die Typisierung der Beteiligungsaufwendungen im Umfang von 5 % der Dividendeneinnahmen der Höhe nach verfassungsrecht lich überhaupt zulässig ist, kommt es demnach nicht mehr an.87
II. Die Mindestbeteiligungsquote des § 8b Abs. 4 KStG Nach § 8b Abs. 4 KStG greift die Steuerbefreiung für Dividenden nach § 8b Abs. 1 KStG nur ein, wenn die Beteiligung an der ausschüttenden Kapitalgesell schaft zu Beginn des Kalenderjahres mindestens 10 % betragen hat. 82 H.-J. von Beckerath, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 3c Rn. A 145; J. Englisch, FR 2008, 230 (231 f.); J. Intemann, DB 2007, 2797 (2800); B. Paus, DStZ 2008, 145 (147 f.). 83 BFH, Urteil v. 27.10.2005 – IX R 15/05, BStBl. II 2006, 171 (172); H.-J. von Beckerath, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 3c Rn. A 144; J. Englisch, FR 2008, 230 (231 f.); B. Paus, DStZ 2008, 145 (147); W. Schön, FR 2001, 381 (385, 388). Im Ergebnis ebenso, da § 3c Abs. 2 Satz 1 Hs. 2 EStG eine echte Steuerbefreiung sei: J. Intemann, DB 2007, 2797 (2800). 84 Anders U. Wäckerlin, Betriebsausgabenabzugsbeschränkung, S. 214 f., der auf die Sicht des Gesetzgebers abstellt. Da dieser irrig glaubte, bei der konkreten Ausgestaltung frei von recht lichen Bindungen zu sein, liege keine folgerichtig umzusetzende Belastungsentscheidung vor. 85 Siehe nur H.-J. von Beckerath, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 3c Rn. A 141; M. Desens, Das Halbeinkünfteverfahren, S. 293; J. Englisch, Dividendenbesteuerung, S. 427; J. Englisch, FR 2008, 230 (232); H.-J. Pezzer, StuW 2000, 144 (150); W. Schön, FR 2001, 381 (388); U. Wäckerlin, Betriebsausgabenabzugsbeschränkung, S. 213. 86 J. Englisch, Dividendenbesteuerung, S. 512 f. A. A. M. Desens, Das Halbeinkünfteverfahren, S. 289 ff. 87 Zu dieser Problematik BVerfG, Beschluss v. 12.10.2010 – 1 BvL 12/07 (Betriebsausgaben abzugsverbot), BVerfGE 127, 224 (253 ff.); J. Englisch, Dividendenbesteuerung, S. 512 ff.; S. Müller, FR 2011, 309 (314 ff.), jeweils m. w. N.
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4. Kap.: Körperschaftsteuer (Anhang)
Die Vorschrift ist eine Reaktion des Gesetzgebers auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtsache C-284/09.88 Dieser hatte in seiner Ent scheidung festgestellt, dass die in § 32 Abs. 1 Nr. 2 KStG vorgesehene abgeltende Wirkung der Kapitalertragsteuer auf an beschränkt Steuerpflichtige ausgeschüt tete Dividenden aus Streubesitzanteilen gegen die Kapitalverkehrsfreiheit verstößt. Ob der Gesetzgeber durch das Gesetz zur Umsetzung des EuGH-Urteils vom 20. Oktober 2011 in der Rechtssache C-284/09 eine unionsrechtskonforme Re gelung getroffen hat, ist zwar zweifelhaft,89 kann vorliegend jedoch offenbleiben. Entscheidend für das Verhältnis von Steuersubjekt und Steuerobjekt ist vorliegend nur, ob § 8b Abs. 4 KStG noch als folgerichtige Umsetzung der gesetzgeberischen Belastungsentscheidung angesehen werden kann. Dies ist deshalb fraglich, weil die Regelungen des Teileinkünfteverfahrens und die Abgeltungsteuer nicht mehr an eine annähernd gleiche körperschaftsteuer liche Vorbelastung der Dividenden anknüpfen können. Denn diese steigt in Ab hängigkeit von der Anzahl der Beteiligungsstufen an, da eine Gewinnausschüttung bei mehrstufigen Beteiligungsstrukturen auf jeder von § 8b Abs. 4 KStG erfass ten Stufe in vollem Umfang dem Regelsteuersatz von 15 % unterliegt.90 Eine an nähernd gleiche Vorbelastung mit Körperschaftsteuer ist indes nach wie vor Vor aussetzung dafür, um – bei typisierender Betrachtung – die einzelne natürliche Person im Ergebnis gleichheitsgerecht besteuern zu können. Denn trotz der Än derung im Körperschaftsteuersystem durch § 8b Abs. 4 KStG folgte keine ent sprechende Anpassung des Körperschaftsteuersatzes oder des Teileinkünftever fahrens und der Abgeltungssteuer. Eine Niedrigbesteuerung durch die genannten einkommensteuerlichen Regelungen kann somit weiterhin nur dann zu einer ein 88
EuGH, Urteil v. 20.10.2011 – C-284/09, DStR 2011, 2038. Da die Steuerbefreiung für Dividenden nur entfällt, wenn die Beteiligung an der aus schüttenden Körperschaft weniger als 10 % beträgt, erfüllt die Neuregelung zumindest die Anforderungen der Richtlinie 2011/96/EU des Rates vom 30. November 2011 über das ge meinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaa ten (Mutter-Tochter-Richtlinie), ABl. 2011 L 345/8. Bedenken bestehen zum einen deshalb, weil nur inländische Körperschaftsteuersubjekte die in Zusammenhang mit den Streubesitz dividenden stehenden Beteiligungsaufwendungen als Betriebsausgabe geltend machen und so mit ihre Steuerlast senken können, während es für ausländische Kapitalgesellschaften hingegen bei der Bruttobesteuerung und damit einer möglicherweise nachteiligen Definitivbelastung der Dividenden bleibt. Siehe hierzu A. Wittkowski/S. Hielscher, BC 2013, 148 (151); noch zu der durch das Jahressteuergesetz 2013 (BR-Drs. 302/12, S. 62 ff.) geplanten Fassung M. Desens, Beihefter zu DStR 04 2013, 13 (15). Da zudem nur Kapitalgesellschaften mit Sitz oder Ort der Geschäftsleitung in der Europäischen Union bzw. einem EWR-Staat, nicht aber Kapital gesellschaften eines Drittstaates erstattungsberechtigt sind, liegt weiterhin ein Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit des Art. 63 AEUV nahe. Eingehend hierzu M. Desens, Beihefter zu DStR 04 2013, 13 (16 ff.). 90 Auf jeder Beteiligungsstufe werden, da die Mindestbeteiligungsquote nach § 9 Nr. 2a und 7 GewStG von 15 % nicht erfüllt ist, die Gewinnausschüttungen grundsätzlich noch mit Gewerbesteuer belastet. Zu den Auswirkungen des § 8b Abs. 4 KStG auf die Gewerbesteuer siehe J. Rengers, in: Blümich, KStG, § 8b Rn. 156. 89
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maligen Belastung desselben Markterfolgs und damit einer gleichheitsgerechten Besteuerung des Einkommensteuersubjekts führen, wenn die Gewinnausschüt tung innerhalb des Körperschaftsteuersystems auch nur einmal mit Körperschaft steuer vorbelastet ist.91 § 8b Abs. 4 KStG verhindert somit eine gleichheitsgerechte Besteuerung der Einkommensteuersubjekte, weicht daher von der legislativen Grundentscheidung, wonach das Besteuerungssystem an der natürlichen Person auszurichten ist, ab und ist demnach nicht folgerichtig.92 Etwas anderes könnte jedoch dann gelten, wenn der Gesetzgeber den Vertre tungsgedanken des Körperschaftsteuersubjekts bei Anteilseignern von Streubesitz anteilen aufgrund deren Anonymität für nicht (mehr) passend erachtete und des halb mit § 8b Abs. 4 KStG einen grundlegenden Systemwechsel vollzogen hat. Denn in einem solchen Fall wäre der Gesetzgeber von den strengen Anforderungen des Folgerichtigkeitsprinzips befreit.93 Eine solche Unterscheidung zwischen Streu besitz- und Nicht-Streubesitzanteilen ist aber bereits aus systematischen Gründen problematisch. Denn sie würde letztlich dazu führen, dass die Marktteilnahme bei Körperschaftsteuersubjekten, an denen sowohl Anteilseigner mit unter 10 % als auch Anteilseigner mit mindestens 10 % beteiligt sind, in eine eigene und eine stellver tretende aufzuspalten wäre und auch der erzielte Markterfolg teilweise eine eigene und teilweise eine fremde steuerliche Leistungsfähigkeit begründen würde. Ob eine solche Aufspaltung der Marktteilnahme und des erzielten Markterfolgs überhaupt möglich ist, kann jedoch offenbleiben, da mit § 8b Abs. 4 KStG jedenfalls kein Sys temwechsel vollzogen wurde. Zum einen enthalten die Gesetzgebungsmaterialen bereits keine ausdrücklichen Hinweise für einen entsprechenden Willen des Gesetz gebers.94 Zum anderen fehlt auch ein Mindestmaß an neuer Systemorientierung, was jedoch Voraussetzung für einen Systemwechsel ist.95 Denn der Gesetzgeber weicht mit der Steuerpflicht von Gewinnausschüttungen aus Schachtelbeteiligungen le diglich in einem Teilbereich von seiner Grundentscheidung ab, da die Veräußerung einer Schachtelbeteiligung nach wie vor nach § 8b Abs. 2 KStG steuerfrei ist, so dass insoweit die Besteuerung weiterhin an der natürlichen Person ausgerichtet bleibt. 91
Ebenso G. Wiese/H. Lay, GmbHR 2013, 404 (408). Vgl. auch M. Haisch/M. Helios, DB 2013, 724 (731). 92 So auch A. Herlinghaus, FR 2013, 529 (553). Zu einem anderen Ergebnis würde wohl das Bundesverfassungsgericht kommen, wenn dieses an seiner Rechtsprechung zur eigenen Leis tungsfähigkeit des Körperschaftsteuersubjekts (siehe hierzu BVerfG, Beschluss v. 12.10.2010 – 1 BvL 12/07 (Betriebsausgabenabzugsverbot), BVerfGE 127, 224 [251]) festhielte. Denn die durch § 8b Abs. 4 KStG beim jeweiligen Körperschaftsteuersubjekt hervorgerufene Steuerbe lastung, ließe sich aufgrund der – durch die empfangene Gewinnausschüttung – erhöhten Leis tungsfähigkeit rechtfertigen. 93 Siehe hierzu 1. Kapitel A. III. 2. 94 Siehe die Stellungnahme des Bundesrates zum Entwurf eines Jahressteuergesetzes 2013 v. 06.07.2012, BR-Drs. 302/12, S. 67 f. und die Protokollerklärung der Bundesregierung zu einer künftigen Besteuerung von Veräußerungsgewinnen aus Streubesitz v. 28.02.2013, Plenar protokoll 17/225, S. 28160 f. 95 Siehe hierzu BVerfG, Urteil v. 09.12.2008 – 2 BvL 1, 2/07, 1, 2/08 (Pendlerpauschale), BVerfGE 122, 210 (242).
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Mangels Systemwechsels durchbricht § 8b Abs. 4 KStG das Folgerichtigkeits prinzip in rechtfertigungsbedürftiger Weise. Die vom Bundesrat für diese Re gelung vorgebrachten haushaltspolitischen Erwägungen und internationale Ge pflogenheiten96 sind allerdings schon dem Grunde nach für eine Rechtfertigung nicht geeignet. Allerdings könnte die Unionsrechtswidrigkeit der früheren Rechts lage als besonderer sachlicher Grund für die fehlende Folgerichtigkeit angese hen werden. Dies sollte jedoch allenfalls dann in Betracht kommen, wenn eine systematische und zugleich unionsrechtskonforme Regelung schlechter steuer dings unmöglich ist oder zu haushaltspolitisch nicht mehr hinnehmbaren Steuer mindereinnahmen führen würde. Beides ist vorliegend nicht der Fall, da der Verzicht auf die Mindestbeteiligungsgrenze mit gleichzeitiger Anrechnungsmög lichkeit für ausländische Kapitalgesellschaften ohne größere Probleme realisier bar wäre und trotz Steuermindereinnahmen von rund 500 Mio. Euro pro Veran lagungszeitraum97 noch finanziell verkraftbar erscheint. Da weitere Rechtfertigungsgründe nicht ersichtlich sind, verstößt § 8b Abs. 4 KStG gegen das Folgerichtigkeitsprinzip98 und ist – da dieser Verstoß auch durch entsprechende gesetzliche Anpassungen auf Ebene der Einkommensteuer beseitigt werden könnte – nicht nichtig, sondern nur mit dem Grundgesetz unvereinbar.99
III. Der Untergang nicht genutzter Verluste nach § 8c KStG 1. Regelungsinhalt § 8c KStG regelt seit dem Veranlagungszeitraum 2008 den Untergang des Ver lustabzugs bei Körperschaften aufgrund eines schädlichen Beteiligungserwerbs.100 Gehen innerhalb von fünf Jahren unmittelbar oder mittelbar mehr als 25 % der An teile an der Körperschaft auf einen Erwerber über, so entfallen grundsätzlich nach Satz 1 im Umfang des Beteiligungserwerbs nicht ausgeglichene oder abgezogene negative Einkünfte (nicht genutzte Verluste). Werden im selben Zeitraum mehr als 96
Stellungnahme des Bundesrates zum Entwurf eines Jahressteuergesetzes 2013 v. 06.07.2012, BR-Drs. 302/12, S. 67 f. 97 Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung des EuGH-Urteils vom 20. Oktober 2011 in der Rechtssache C-284/09 v. 06.11.2012, BT-Drs. 17/11314, S. 1. 98 So wohl auch M. Desens, Beihefter zu DStR 04 2013, 13 (14). 99 Zur Unterscheidung zwischen Nichtig- und Unvereinbarkeiterklärung siehe bspw. BVerfG, Urteil v. 09.12.2008 – 2 BvL 1, 2/07, 1, 2/08 (Pendlerpauschale), BVerfGE 122, 210 (245 f.) und BVerfG, Beschluss v. 06.07.2010 – 2 BvL 13/09 (häusliches Arbeitszimmer), BVerfGE 126, 268 (284 f.) sowie R. Mellinghoff, Verfassungsbindung, in: Mellinghoff/Schön/Viskorf, Festschrift Spindler, 153 (167). 100 Die Vorschrift wurde durch das Unternehmensteuerreformgesetz 2008 v. 14.08.2007, BGBl. I 2007, 1912 (1928) in das Körperschaftsteuergesetz eingefügt und findet nach § 34 Abs. 7b Satz 1 KStG erstmals für den Veranlagungszeitraum 2008 und nach dem 31.12.2007 stattfindende Anteilsübertragungen Anwendung.
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50 % der Anteile unmittelbar oder mittelbar an einen Erwerber übertragen, so ge hen nicht genutzte Verluste nach Satz 2 vollumfänglich unter. Unter bestimmten Voraussetzungen können nicht genutzte Verluste allerdings trotz eines solchen Anteilseignerwechsels abgezogen werden. So bestimmt zu nächst Satz 5, dass ein schädlicher Beteiligungserwerb dann nicht vorliegt, wenn an dem übertragenden und dem übernehmenden Rechtsträger dieselbe Person zu mindest mittelbar zu jeweils 100 % beteiligt ist (sogenannte Konzernklausel). Des Weiteren enthalten die Sätze 6 bis 9 die sogenannte stillen-Reserven-Klausel, wo nach nicht genutzte Verluste trotz schädlichen Beteiligungserwerbs abgezogen werden können, soweit beim Körperschaftsteuersubjekt stille Reserven vorhanden sind. Daneben befindet sich in Abs. 1a eine Sanierungsklausel, die allerdings eine mit dem Binnenmarkt nicht zu vereinbarende rechtswidrige Beihilfe darstellt101 und daher nach § 34 Abs. 7c KStG nicht anzuwenden ist. § 8c KStG ist nach § 14 Abs. 3 FMStFG zudem nicht auf Anteilsübertragungen vom oder durch den Fi nanzmarktstabilisierungsfonds anzuwenden.102 2. Der körperschaftsteuerliche Verlustabzug im Spannungsfeld zwischen Steuersubjektivität der Körperschaft und Ausrichtung der Besteuerung an der natürlichen Person Beim körperschaftsteuerlichen Verlustabzug zeigt sich deutlich, wie schwierig es ist, die Besteuerung auf die einzelne natürliche Person auszurichten, wenn Kör perschaft- und Einkommensteuersystem getrennt sind. Diese Trennung legt es zunächst nahe, nicht genutzte körperschaftsteuerliche Verluste zum Abzug zuzulassen, solange die Körperschaftsteuersubjektivität be steht. Denn die eigene Steuersubjektivität der Körperschaft verhindert zum einen, 101 Die Europäische Kommission war der Ansicht, dass es sich bei der Sanierungsklau sel des § 8c Abs. 1a KStG um eine unzulässige Beihilfe handelt (Beschluss der Kommission v. 26.01.2011 über die staatliche Beihilfe Deutschlands C 7/10 (ex CP 250/09 und NN 5/10) „KStG, Sanierungsklausel“, ABl. L 235 v. 10.09.2011, 26). Gegen diesen Beschluss hat die Bundesrepublik Deutschland zwar am 7. April 2011 Nichtigkeitsklage erhoben (Az. T-205/11, ABl. C 186 v. 25.06.2011, 28). Diese wurde jedoch als unzulässig abgewiesen, da die Bundesre publik Deutschland die Klage nicht fristgemäß erhoben hatte (EuG, Beschluss v. 18.12.2012 – T-205/11, DStR 2013, 132, bestätigt durch EuGH, Beschluss v. 03.07.2014 – C-102/13 P, BB 2014, 1878). Der Beschluss der Kommission ist somit materiell bestandskräftig weshalb die Sanierungsklausel als unzulässige Beihilfe unionsrechtswidrig ist (S. Eilers, SteuK 2013, 82). 102 Ursprünglich war durch das Gesetz zur Modernisierung der Rahmenbedingungen für Kapitalbeteiligungen (MoRaKG) v. 12.08.2008, BGBl. I 2008, 1672 (1677) mit § 8c Abs. 2 KStG eine weitere Ausnahmeregelung für Wagniskapitalbeteiligungsgesellschaften vorgese hen. Diese trat mangels Genehmigung durch die Europäische Kommission jedoch nie in Kraft (Entscheidung der Kommission v. 30.09.2009 über die Beihilferegelung C 2/09 (ex N 221/08 und N 413/08), die Deutschland zur Modernisierung der Rahmenbedingungen für Kapital beteiligungen gewähren will, ABl. L 6 vom 09.01.2010, 32).
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dass Gewinne und Verluste den Anteilseignern direkt zugerechnet werden103 und zum anderen, dass sich in der Sphäre der Anteilseigner abspielende Vorgänge auf die Besteuerung der Körperschaft auswirken.104 Bei Lichte betrachtet lässt sich die Frage, wie nicht genutzte körperschaft steuerliche Verluste richtigerweise zu behandeln sind, indes nicht so einfach be antworten. Denn das Körperschaftsteuersubjekt ist kein Selbstzweck, sondern dient der natürlichen Person als Mittel zur Marktteilnahme, weshalb die Tren nung von Körperschaftsteuersubjekt und Anteilseignern nur technischer Natur ist. Maßgeblich sollte daher sein, dass nicht genutzte körperschaftsteuerliche Verluste nur insoweit abziehbar sind, als hierdurch – bei typisierender Betrachtung – eine gleichheitsgerechte Besteuerung der einzelnen natürlichen Person erreicht wird. Hierbei ist einerseits zu berücksichtigen, dass ein durch stellvertretendes Markt handeln erzielter negativer Markterfolg steuerlich anders behandelt wird als ein positiver Markterfolg. Letzterer unterliegt beim Körperschaftsteuersubjekt als fremdes Steuerobjekt der Körperschaft- und Gewerbesteuer und nach Ausschüt tung beim Einkommensteuersubjekt dem Teileinkünfteverfahren bzw. der Ab geltungsteuer. Die gleichheitsgerechte Besteuerung der natürlichen Person wird in diesem Fall durch eine zweimalige Niedrigbesteuerung sichergestellt. Hin gegen kann ein negativer Markterfolg nicht ausgeschüttet werden, sondern die ser bleibt beim Körperschaftsteuersubjekt verortet. Dürfte dieser stellvertretend von der Körperschaft erzielte negative Markterfolg nicht mit zukünftigem (oder früherem) positiven Markteinkommen verrechnet werden, so würde das in ande ren Veranlagungszeiträumen erwirtschaftete Markteinkommen mit Körperschaft steuer definitiv belastet, obwohl bei materieller Gesamtbetrachtung kein oder nur ein geringerer Markterfolg vorliegt.105 Ein Verlustabzug auf Ebene des Körper schaftsteuersubjekts sichert damit die leistungsfähigkeitsgerechte Besteuerung der Einkommensteuersubjekte. Es ist daher folgerichtig, dass die Regelung zum inter periodischen Verlustausgleich nach § 10d EStG über § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG auch im Körperschaftsteuerrecht anzuwenden ist. Auf der anderen Seite kann ein Abzug nicht genutzter Verlust auch zu einer gleichheitswidrigen Besteuerung der Einkommensteuersubjekte führen. Dies ist dann der Fall, wenn der einem Körperschaftsteuersubjekt zustehende Verlust vortrag im Ergebnis anderen natürlichen Personen zugutekommt, obwohl diesen die – den negativen Markterfolg verursachende – stellvertretende Marktteilnahme nicht zuzurechnen ist.106 In diesen Fällen scheitert also trotz zivilrechtlicher Iden 103
K. Frankus, Verlustverrechnung von Körperschaften, S. 197; J. Lang, GmbHR 2012, 57 (60); H.-P. Roth, Ubg 2011, 527 (531); R. Schwedhelm, GmbHR 2008, 404 (406); M. Suchanek, in: Herrmann/Heuer/Raupach, KStG, § 8c Rn. 5. 104 J. Böhmer, StuW 2012, 33 (34); P. Brendt, in: Erle/Sauter, KStG, § 8c Rn. 3; A. Wittkowski/ S. Hielscher, BC 2013, 148 (514); H. Jochum, FR 2011, 497 (502). 105 Zur Bemessung des Verlustverrechnungszeitraums siehe 3. Kapitel D. IV. 2. a) Fn. 261 und d) aa). 106 Vgl. K. Olbing, in: Streck, KStG, § 8c KStG Rn. 1.
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tität der Körperschaft die materielle Zuordnung zum Individuum, weil es an der wirtschaftlichen Identität des Körperschaftsteuersubjekts fehlt. Hier führt der Un tergang des Verlustvortrags folglich zu einer gleichheitsgerechten Belastung der natürlichen Person. Es ist somit festzuhalten, dass weder ein voraussetzungsloser Abzug noch ein vollständiges Abzugsverbot nicht genutzter Verluste der legislativen Grund entscheidung entspricht. Vielmehr sollte, da das Besteuerungssystem an der na türlichen Person auszurichten ist, ein Körperschaftsteuersubjekt nicht genutzte Verluste abziehen können, wenn dies eine gleichheitsgerechte Besteuerung des Einkommensteuersubjekts ermöglicht; in den anderen Fällen sollte der Verlust abzug hingegen versagt werden. 3. Auswirkungen einer Anteilsübertragung auf den Verlustabzug Obschon der Verlustabzug stets mit Blick auf die hinter dem Körperschaft steuersubjekt stehenden natürlichen Personen zu betrachten ist, bedeutet dies nicht, dass ein Anteilseignerwechsel zwangsläufig zum (anteiligen) Untergang des Verlustabzugs führen muss. Anhaltspunkte für die Behandlung des Verlustvortrags bei einem Anteilseignerwechsel können sich vielmehr daraus ergeben, wie das ein fache Recht versucht, beim Übergang von Anteilen die materielle Einmalbelastung des Markteinkommens sicherzustellen. Die Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften ist bei natürlichen Per sonen nach § 3 Nr. 40 Buchst. a bis c EStG zu 40 % steuerfrei bzw. unterliegt nach § 32d Abs. 1 EStG der Abgeltungsteuer. Bei der Veräußerung durch ein Kör perschaftsteuersubjekt sind die Veräußerungsgewinne nach § 8b Abs. 2 KStG zu 100 % steuerfrei.107 Hinter diesen Vorschriften steht der Gedanke, dass die Ver äußerung wirtschaftlich einer Totalgewinnausschüttung entspricht und somit er tragsteuerlich gleich den Dividenden zu behandeln ist.108 Im Ergebnis verwirklichen diese Vorschriften bei typisierender Betrachtung die gleichheitsgerechte Besteuerung der natürlichen Person. So werden über den Kaufpreis für die Anteile letztlich die offenen Rücklagen, die stillen Reserven und ein Ertragswert vergütet.109 Die offenen Rücklagen sind dabei bereits mit Körper schaftsteuer vorbelastet. Bei den stillen Reserven und dem Ertragswert erfolgt – 107 Allerdings gelten nach § 8b Abs. 3 KStG 5 % des Veräußerungsgewinns als nicht abzieh bare Betriebsausgaben. 108 Entwurf eines Gesetzes zur Senkung der Steuersätze und zur Reform der Unternehmens besteuerung (Steuersenkungsgesetz – StSenkG) v. 15.02.2000, BT-Drs. 14/2683, S. 96. Zu der These von der Totalausschüttung eingehend M. Desens, Das Halbeinkünfteverfahren, S. 133 ff. m. w. N. 109 H.-J. von Beckerath, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 3 Nr. 40 Rn. B 40/125; M. Desens, Das Halbeinkünfteverfahren, S. 139. Kritisch I. van Lishaut, StuW 2000, 182 (192 f.).
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4. Kap.: Körperschaftsteuer (Anhang)
mit im Grundsatz nicht zu beanstandendem Stundungseffekt110 – eine spätere Be lastung mit Körperschaftsteuer im Realisierungszeitpunkt.111 So versteuert der Veräußerer letztlich den Markterfolg, den das Körperschaftsteuersubjekt stellver tretend für ihn erwirtschaftet hat.112 Dies zeigt, dass auch bei der Anteilsveräußerung die Besteuerung nach der individuellen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ausschließlich auf Ebene der Anteilseigner hergestellt wird. Der Anteilseignerwechsel zieht hingegen beim Körperschaftsteuersubjekt keine unmittelbaren steuerlichen Folgen nach sich. Ins besondere unterbleibt – da die dreiseitige Anbindung der stillen Reserven beste hen bleibt – eine Aufdeckung derselben. Es wird also weiterhin nur der realisierte Markterfolg mit dem festgelegten Einheitssteuersatz besteuert. Auch die bereits vorbelasteten thesaurierten Erträge bleiben weiterhin beim Körperschaftsteuersub jekt verortet. Die auf Ebene des Anteilseigners eingreifenden Veräußerungsvor schriften bestätigen damit den dem Einkommen- und Körperschaftsteuersystem zugrundeliegenden Trennungsgedanken. Hat die Anteilsübertragung keine Auswirkung auf thesaurierte Erträge und stille Reserven, so muss dies richtigerweise auch für „thesaurierte“ Verluste gelten. Die leistungsfähigkeitsgerechte Besteuerung der natürlichen Person wird auch im Ver lustfall über die Veräußerungsvorschriften verwirklicht. So werden positiver und negativer Markterfolg dann schlicht gleichbehandelt. Der Anteilseignerwechsel sollte demnach im Grundsatz keine Auswirkung auf den Verlustvortrag des Kör perschaftsteuersubjekts haben. Soweit § 8c KStG den Anteilseignerwechsel zum Anlass für den Untergang des Verlustvortrags nimmt, wirken sich in der Sphäre der Anteilseigner stattfin dende Vorgänge auf die Besteuerung des Körperschaftsteuersubjekts aus. Der Verlustuntergang gefährdet somit nicht nur die leistungsfähigkeitsgerechte Be steuerung des Einkommensteuersubjekts, sondern durchbricht gleichzeitig das einfachgesetzlich niedergelegte Trennungsprinzip.113 110
Vgl. M. Desens, Das Halbeinkünfteverfahren, S. 140 und 143 f.; T. Rödder, Unternehmens umwandlung, in: Seeger, DStJG 25 (2002), 253 (276). Kritisch S. Sieker, Rechtsformneutrale Besteuerung, in: Seeger, DStJG 25 (2002), 145 (173). 111 H.-J. von Beckerath, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 3 Nr. 40 Rn. B 40/125; W. Schön, StuW 2000, 151 (158). 112 Auch beim Empfänger erfolgt bei typisierender Betrachtung eine leistungsfähigkeits gerechte Besteuerung. Zwar kommt es bei Ausschüttung der offenen Rücklagen, realisierten stillen Reserven und der im Kaufpreis bereits berücksichtigten zukünftigen Gewinne zu einer weiteren Belastung des bereits beim Veräußerer belasteten Markterfolgs. Jedoch führt dies – grob vereinfacht – zu einer entsprechenden Wertminderung der Beteiligung des Erwerbers, die spätestens im Verkaufszeitpunkt mit steuerlicher Wirkung zu berücksichtigen ist, I. van Lishaut, StuW 2000, 182 (189 f.). 113 So auch die h. M., siehe bspw. FG Hamburg, Vorlagebeschluss v. 04.04.2011 – 2 K 33/10, EFG 2011, 1460 (1464); J. Böhmer, StuW 2012, 33 (36 f.); P. Brandis, in: Blümich, KStG, § 8c Rn. 22; H. Dörfler/A. Wittkowski, GmbHR 2007, 513 (517); K.-D. Drüen/S. Schmitz, Ubg 2011, 921 (922); K. Frankus, Verlustverrechnung von Körperschaften, S. 197 f.; G. Frotscher,
C. Einzelprobleme
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4. § 8c KStG als grob typisierende Missbrauchsvermeidungsvorschrift Bezüglich der Rechtfertigung des § 8c KStG ist zu differenzieren. Dient der An teilserwerb lediglich dazu, den körperschaftsteuerlichen Verlustvortrag zu erwer ben, scheitert die materielle Zuordnung des Verlustvortrags zum Individuum, für das die Körperschaft stellvertretend den Verlust erwirtschaftet hat. Da § 8c KStG in diesen Fällen die Belastungsgleichheit sicherstellt, ist diese Vorschrift insoweit aus Gründen der Missbrauchsabwehr gerechtfertigt. Soweit von § 8c KStG auch nicht missbräuchliche Sachverhalte erfasst werden, könnte diese Durchbrechung des Leistungsfähigkeits- und Trennungsprinzips aufgrund der dem Gesetzgeber zustehenden Vereinfachungs- und Typisierungsbefugnis gerechtfertigt sein. a) Der Anteilseignerwechsel als grundsätzlich geeignetes Anknüpfungskriterium für den Verlustuntergang Problematisch an § 8c KStG ist, dass – vorbehaltlich der Regelungen in den Sät zen 5 bis 9 und Absatz 1a – der Verlustabzug allein aufgrund eines Anteilseigner wechsels untergeht. Fraglich ist daher zunächst, ob der Anteilseignerwechsel über haupt ein geeignetes Anknüpfungskriterium für den Verlustuntergang darstellt. Dabei ist zu beachten, dass die materielle Zuordnung des Verlustabzugs zum In dividuum regelmäßig nur dann scheitert, wenn sich die Anteilseignerstruktur beim Körperschaftsteuersubjekt geändert hat. Vor diesem Hintergrund und unter Be rücksichtigung des weiten gesetzgeberischen Einschätzungs- und Beurteilungs spielraums ist es nicht zu beanstanden, wenn der Anteilseignerwechsel als ein An knüpfungskriterium für den Untergang des Verlustabzugs gewählt wird. Jedoch kann der Anteilseignerwechsel richtigerweise kein hinreichendes Krite rium für den Verlustuntergang sein.114 Zwar geht der Gesetzgeber typisierend da in: Frotscher/Maas, KStG, § 8c Rn. 5 f.; M. Lenz, in: Kessler/Förster/Watrin, Festschrift Herzig, 131 (132); C. Oenings, FR 2009, 606 (611); T. Rödder, Beihefter zu DStR 40 2007, 2 (12 f.); E. Röder, StuW 2012, 18 (29); H.-P. Roth, Ubg 2011, 527 (531); R. Schwedhelm, GmbHR 2008, 404 (406 f.); J. Thiel, Verlustabzugsbeschränkung für Körperschaften, in: Spindler/Tipke/ Rödder, Festschrift Schaumburg, 515 (532). A. A. H. Jochum, FR 2011, 497 (503) und J. Lang, GmbHR 2012, 57 (60 f.), da die Einkunftssphären von Körperschaft und Anteilseigner auch un ter § 8c KStG getrennt bleiben. 114 So auch die herrschende Literaturauffassung, siehe nur S. Breinersdorfer, StuW 2008, 216 (225); K. Frankus, Verlustverrechnung von Körperschaften, S. 110; H. Graf/M. Bisle, in: Wach ter, Festschrift Spiegelberger, 159 (176); B. Lang, DStZ 2007, 652 (653); M. Lenz, Ubg 2008, 24 (25); M. Lenz/M. Ribbrock, BB 2007, 587 (589); C. Oenings, FR 2009, 606 (611); T. Rödder, Beihefter zu DStR 40 2007, 2 (12 f.); E. Röder, StuW 2012, 18 (29); H.-P. Roth, Ubg 2011, 527 (532); J. Thiel, Verlustabzugsbeschränkung für Körperschaften, in: Spindler/Tipke/Rödder, Festschrift Schaumburg, 515 (521). Anders hingegen H. Jochum, FR 2011, 497 (502). Ähnlich G. Frotscher, in: Frotscher/Maas, KStG, § 8c KStG Rn. 11c f. für den Erwerb einer Beteiligung von mehr als 50 %.
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4. Kap.: Körperschaftsteuer (Anhang)
von aus, dass bei einem in § 8c Abs. 1 Sätze 1 bis 4 KStG genannten schädlichen Beteiligungserwerb das wirtschaftliche Substrat der Körperschaft nach dem An teilseignerwechsel nicht mehr mit dem der Verlustgesellschaft identisch ist.115 Allerdings hat der Gesetzgeber insoweit einen atypischen Fall als Leitbild ge wählt,116 da § 8c Abs. 1 Sätze 1 bis 4 KStG – insbesondere aufgrund der niedrigen 25 %-Grenze – in einer Vielzahl von Fällen den Verlustabzug verwehrt, obwohl dieser bei wirtschaftlicher Gesamtbetrachtung nicht abweichend einem ande ren Einkommensteuersubjekt zugeordnet wird, also eine nicht missbräuchliche Anteilsübertragung vorliegt.117 Bei rein formaler Betrachtung könnte man zwar in jeder Anteilsübertragung eine missbräuchliche Gestaltung sehen, da der neue Anteilseigner zumindest mittelbar – durch die sich aus der Verrechnung mit zu künftigen Gewinnen ergebende niedrigere Steuerlast beim Körperschaftsteuer subjekt – vom Verlustvortrag profitiert. Berücksichtigt man aber, dass sich dieser Vorteil regelmäßig in einem höheren Anteilskaufpreis niederschlägt, kommt der Verlustvortrag tatsächlich demjenigen Einkommensteuersubjekt zugute, für wel ches die Körperschaft stellvertretend den Verlust erzielt hat. Etwas anderes gilt auch nicht deshalb, weil mit einer am atypischen Fall aus gerichteten Typisierung Auslegungsschwierigkeiten wie bei der Vorgängerrege lung in Gestalt des § 8 Abs. 4 KStG118 vermieden werden können und somit eine erhebliche Vereinfachung der praktischen Rechtsanwendung eintritt. Zwar war § 8 Abs. 4 KStG, der die Inanspruchnahme des Verlustabzugs nach § 10d EStG von der wirtschaftlichen Identität des Körperschaftsteuersubjekts abhängig 115 Entwurf eines Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 v. 27.03.2007, BT-Drs. 16/4841, S. 76: „Der Neuregelung des § 8c KStG liegt der Gedanke zugrunde, dass sich die wirtschaft liche Identität einer Gesellschaft durch das wirtschaftliche Engagement eines anderen An teilseigners (oder Anteilseignerkreises) ändert. Die in früherer Zeit erwirtschafteten Verluste bleiben unberücksichtigt, soweit sie auf dieses neue wirtschaftliche Engagement entfallen.“ 116 Zu der Anforderung, sich bei einer Typisierung realitätsgerecht am typischen Fall zu orientieren siehe BVerfG, Beschluss v. 12.10.2010 – 1 BvL 12/07 (Betriebsausgabenabzugs verbot), BVerfGE 127, 224 (245 f.) m. w. N. 117 Vgl. FG Hamburg, Vorlagebeschluss v. 04.04.2011 – 2 K 33/10, EFG 2011, 1460 (1464 f.); K. Frankus, Verlustverrechnung von Körperschaften, S. 202 f.; J. Lang, GmbHR 2012, 57 (61); M. Lenz/M. Ribbrock, BB 2007, 587 (589 f.); C. Oenings, FR 2009, 606 (612); K. Olbing, in: Streck, KStG, § 8c KStG Rn. 1; S. Schmitz, DStZ 2011, 324 (330); R. Schwedhelm, GmbHR 2008, 404 (406); G. Wiese, DStR 2007, 741 (744). 118 Diese durch das Steuerreformgesetz 1990 v. 25.07.1988, BGBl. I 1988, 1093 (1114) einge fügte Regelung war eine Reaktion des Gesetzgebers auf die geänderte Rechtsprechung des Bun desfinanzhofs. Dieser sah anders als bislang (zur Rechtsprechungsentwicklung beim Mantel kauf siehe die Übersichten bei FG Hamburg, Vorlagebeschluss v. 04.04.2011 – 2 K 33/10, EFG 2011, 1460 (1461); P. Brendt, in: Erle/Sauter, KStG, § 8 Abs. 4 aF/Anh § 8c Rn. 4; K. Frankus, Verlustverrechnung von Körperschaften, S. 65 ff.; H. Graf/M. Bisle, in: Wach ter, Festschrift Spiegelberger, 159 [159 f.]) die wirtschaftliche Identität einer Kapitalgesell schaft nicht mehr als Voraussetzung für die Geltendmachung des Verlustabzugs an, sondern beurteilte die erforderliche Personenidentität nun nach rein zivilrechtlichen Kriterien ( BFH, Urteil v. 29.10.1986 – I R 318–319/83, BStBl. II 1987, 310 (309); BFH, Urteil v. 29.10.1986 – I R 202/82, BStBl. II 1987, 308 [312]).
C. Einzelprobleme
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macht,119 in seiner praktischen Anwendung äußerst schwierig zu handhaben und gestaltungsanfällig.120 Dies lag insbesondere daran, dass das in Satz 2 enthaltene Tatbestandsmerkmal der Zuführung überwiegend neuen Betriebsvermögens sehr streitanfällig121 und die Vorschrift daher häufig Gegenstand gerichtlicher Entschei dungen war,122 wobei es jedoch nicht gelungen ist, die bestehenden Zweifelsfragen weitgehend auszuräumen. Allein diese – möglicherweise durch weitere Konkreti sierungen des Gesetzes behebbaren – Schwierigkeiten können es indes nicht recht fertigen, alle Anteilseignerwechsel von mehr als 25 % ohne weitere Prüfung der fehlenden wirtschaftlichen Identität als missbräuchlichen Mantelkauf einzuordnen. Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass eine Typisierung, bei der aus schließlich ein Anteilseignerwechsel als Kriterium für den Wechsel der wirtschaft lichen Identität herangezogen wird, die Durchbrechung des Leistungsfähigkeitsund Trennungsprinzips – auch wenn hierdurch eine erhebliche Vereinfachung der praktischen Rechtsanwendung eintritt – nicht rechtfertigen kann.123 b) Die Berücksichtigung der Konzernklausel, der stillen-Reserven-Klausel und der Sanierungsklausel im Rahmen der Typisierung Richtigerweise darf der Regelungsinhalt des § 8c Abs. 1 Sätze 1 bis 4 KStG al lerdings nicht isoliert betrachtet werden. Auch wenn der Gesetzeswortlaut dies nahelegt, sollte der Untergang des Verlustvortrags im Falle eines Anteilseigner 119 Nach Satz 2 (in der letzten gültigen Fassung) fehlte es an der wirtschaftlichen Identität ins besondere dann, wenn über 50 % der Anteile an der Kapitalgesellschaft übertragen wurden, der Gesellschaft zur Fortführung oder Wiederaufnahme ihres Geschäftsbetriebs überwiegend neues Betriebsvermögen zugeführt wurde und kein Sanierungsfall im Sinne des Satzes 3 vorlag. 120 H. Graf/M. Bisle, in: Wachter, Festschrift Spiegelberger, 159 (165 f.); B. Lang, DStZ 2007, 652 (652). 121 P. Brendt, in: Erle/Sauter, KStG, § 8 Abs. 4 aF/Anh § 8c Rn. 7; H. Dörfler/A. Wittkowski, GmbHR 2007, 513 (515); T. Eisgruber, DStZ 2007, 630 (633); G. Frotscher, in: Frotscher/Maas, KStG, § 8c KStG Rn. 10; H. Graf/M. Bisle, in: Wachter, Festschrift Spiegelberger, 159 (162); B. Lang, DStZ 2007, 652 (652); H.-P. Roth, Ubg 2011, 527 (527); G. Wiese, DStR 2007, 741 (742). 122 Siehe nur: BFH, Urteil v. 08.08.2001 – I R 29/00, BStBl. II 2002, 392 (394 f.): Aktivtausch als Zuführung neuen Betriebsvermögens; BFH, Urteil v. 20.08.2003 – I R 61/01, BStBl. II 2004, 616 (618 f.): Kein Untergang des Verlustabzugs bei mittelbarer Übertragung der Verlust gesellschaft; BFH, Urteil v. 26.05.2004 – I R 112/03, BStBl. II 2004, 1085 (1086): Keine Zu führung neuen Betriebsvermögens bei bloßer Umschichtung von Finanzanlagen; BFH, Urteil v. 14.03.2006 – I R 8/05, BStBl. II 2007, 602 (605): Erforderlich ist neben einem zeitlichen auch ein sachlicher Zusammenhang zwischen Anteilsübertragung und Zuführung neuen Be triebsvermögens, der bei einem Zeitraum von mehr als einem Jahr nicht unterstellt werden kann; BFH, Urteil v. 05.06.2007 – I R 09/06, BStBl. II 2008, 988 (992): Jedenfalls bei einem Branchenwechsel ist im Rahmen der Zuführung neuen Betriebsvermögens auch das Umlauf vermögen zu betrachten. 123 Eine solche Rechtfertigung ausdrücklich verneinend bspw. H.-P. Roth, Ubg 2011, 527 (532); J. Thiel, Verlustabzugsbeschränkung für Körperschaften, in: Spindler/Tipke/Rödder, Festschrift Schaumburg, 515 (537).
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4. Kap.: Körperschaftsteuer (Anhang)
wechsels nicht als Regel angesehen werden.124 Denn durch die als Ausnahme regelung formulierten Sätze 5 bis 9 verlagert der Gesetzgeber – anders als beim früheren § 8 Abs. 4 KStG125 – lediglich die Beweispflicht dafür, dass die wirt schaftliche Identität der jeweiligen Verlustgesellschaft weiterhin besteht, auf das Körperschaftsteuersubjekt.126 Zudem führt die inhaltliche Ausgestaltung der stilleReserven-Klausel und der Konzernklausel dazu, dass der Verlustuntergang beim Anteilseignerwechsel selbst zur Ausnahme wird. So kommt ein Verlustunter gang letztlich nur noch dann in Betracht, wenn die Verlustgesellschaft weder vollumfänglich in einen Konzern integriert ist noch ausreichend stille Reserven besitzt. Insbesondere anhand des letztgenannten Merkmals lässt sich der miss bräuchliche Erwerb von Verlustmänteln oftmals sehr gut beschränken. Denn in soweit als der Anteilserwerber seinen Kaufpreis nicht für stille Reserven leis tet, erfolgt die Zahlung bei typisierender Betrachtung für die bei der Gesellschaft verorteten Verluste.127 Berücksichtigt man im Rahmen einer Gesamtwürdigung der Verlustabzugsbeschränkung auch noch die – von der Europäischen Kommis sion aufgrund des missverstandenen Regel-Ausnahmeverhältnisses als unzuläs sige Beihilfe qualifizierte – Sanierungsklausel des Abs. 1a, so würde der Verlust vortrag darüber hinaus nur untergehen, wenn das Körperschaftsteuersubjekt auch nicht sanierungsfähig ist. Bei einheitlicher Betrachtung erfasst § 8c KStG in (grob) typisierender Weise nun weitestgehend missbräuchliche Anteilsübertragungen.128 Soweit daneben wei tere nicht missbräuchliche Fallgestaltungen erfasst werden, sind diese als mit der Typisierung einhergehende unvermeidliche Härten einzustufen, die gegebe nenfalls durch Billigkeitsmaßnahmen beseitigt werden können. Entsprechendes gilt für das Problem, dass durch einen (anteiligen) Verlustuntergang den nicht am
124 So aber Beschluss der Kommission v. 26.01.2011 über die staatliche Beihilfe Deutschlands C 7/10 (ex CP 250/09 und NN 5/10) „KStG, Sanierungsklausel“, ABl. L 235 v. 10.09.2011, 28. Zur Frage, ob die unionsrechtliche Beihilfe überhaupt anhand des Regel-Ausnahmesys tems einer Vorschrift geprüft werden sollte, siehe die kritisch Ausführungen von M. Lang, Euro päisches Beihilferecht, in: Lüdicke, Praxis und Zukunft des deutschen Internationalen Steuer rechts, 85 (93 ff.). 125 Siehe hierzu und zu den Ausnahmen P. Brendt, in: Erle/Sauter, KStG, § 8 Abs. 4 aF/ Anh § 8c Rn. 29 ff. 126 M. Suchanek, in: Herrmann/Heuer/Raupach, KStG, § 8c Rn. 3 und 16; P. Brandis, in: Blü mich, KStG, § 8c Rn. 61 (bezüglich stiller Reserven); OFD Rheinland v. 30.03.2010, DStR 2010, 929 Rn. 5 (bezüglich der Sanierungsvoraussetzungen). 127 G. Frotscher, in: Frotscher/Maas, KStG, § 8c Rn. 11 f.; S. Schmitz, DStZ 2011, 324 (327 f.). 128 G. Frotscher, in: Frotscher/Maas, KStG, § 8c Rn. 11 f.; S. Neumann, in: Gosch, KStG, § 14 (119); M. Suchanek, in: Herrmann/Heuer/Raupach, KStG, § 8c Rn. 6. A. A. J. Hey, in: Hütte mann, DStJG 33 (2010), 139 (157); J. Hey, § 11, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, Rn. 58; J. Lang, GmbHR 2012, 57 (59 f.); E. Röder, StuW 2012, 18 (31); H.-P. Roth, Ubg 2011, 527 (529); P. Brandis, in: Blümich, KStG, § 8c Rn. 22 (lediglich Minderung aber keine Beseitigung der Eingriffsintensität).
C. Einzelprobleme
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Übertragungsvorgang beteiligten Anteilseignern bei materieller Betrachtung ein geringerer Verlustvortrag zugeordnet wird129 und diese nicht mehr entsprechend ihrer individuellen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit besteuert werden können. c) Ergebnis Soweit § 8c KStG auch bei nichtmissbräuchlichen Anteilsveräußerungen zum Verlustuntergang beim Körperschaftsteuersubjekt führt, kann es zu einer erhöhten Gesamtsteuerbelastung des stellvertretend von der Körperschaft erzielten Markt erfolgs und dadurch zu einer Durchbrechung der legislativen Grundentschei dung, wonach die Besteuerung an der einzelnen natürlichen Person auszurichten ist, kommen. Überdies wird auch das einfachgesetzliche Trennungsprinzip durch brochen. Da die Anwendung des § 8c KStG in der derzeit gültigen Fassung aber weitestgehend auf missbräuchliche Mantelkaufgestaltungen beschränkt ist, sind diese Durchbrechungen der steuerlichen Grundprinzipien aufgrund der – wenn auch sehr groben – Typisierung gerechtfertigt. § 8c KStG ist in der derzeitigen Fassung daher insgesamt verfassungsgemäß.
IV. Der Ausschluss von der Buchwertfortführung nach § 6 Abs. 5 Sätze 5 und 6 EStG Die Frage nach der folgerichtigen Ausgestaltung stellt sich – wie im Verlauf dieser Arbeit aufgezeigt – im derzeitigen Einkommen- und Körperschaftsteuer recht an verschiedenen Stellen. Dass der Gesetzgeber seine einmal getroffene Be lastungsentscheidung nicht immer folgerichtig umsetzt,130 mag auch daran liegen, dass er sich selbst des von ihm geschaffenen Besteuerungssystems nicht immer bewusst ist. Letzteres zeigt sich insbesondere daran, dass der Gesetzgeber die Stellvertreter eigenschaft des Körperschaftsteuersubjekts für die jeweiligen Anteilseigner bei der im Einkommensteuerrecht geregelten Buchwertfortführung nach § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG außer Acht lässt. So scheidet eine Buchwertfortführung bei der Übertragung von Wirtschaftsgütern im Geltungsbereich des § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG insoweit aus, als die an ein Steuersubjekt angebundenen stillen Reserven sofort (Satz 5)
129 Vgl. T. Eisgruber, DStZ 2007, 630 (633); J. Thiel, Verlustabzugsbeschränkung für Kör perschaften, in: Spindler/Tipke/Rödder, Festschrift Schaumburg, 515 (534); R. Schwedhelm, GmbHR 2008, 404 (406 f.). Zwischen Anteilsübertragungen von mehr als 25 % und mehr als 50 % differenzierend G. Frotscher, in: Frotscher/Maas, KStG, § 8c KStG Rn. 11g und 11k. 130 Siehe 3. Kapitel D. II. 4. b) (Buchwertfortführung bei Schwester-Personengesellschaf ten), 4. Kapitel C. I. (Betriebsausgabenabzugsbeschränkung des § 3c Abs. 2 EStG und des § 8b Abs. 5 KStG), 4. Kapitel C. II. (Mindestbeteiligungsquote des § 8b Abs. 4 KStG).
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4. Kap.: Körperschaftsteuer (Anhang)
oder innerhalb von sieben Jahren nach dem Übertragungszeitpunkt (Satz 6) auf eine (andere)131 Körperschaft übergehen. Diese Regelungen sollen verhindern, dass die an eine natürliche Person an gebundenen und dadurch dem Einkommensteuerregime unterworfenen stillen Re serven durch die Verlagerung auf ein Körperschaftsteuersubjekt übergehen und dort bei Realisierung dem niedrigeren Körperschaftsteuersatz132 oder bei einer Anteilsveräußerung nur dem Teileinkünfteverfahren133 unterliegen. Der Gesetz geber bewertet damit an dieser Stelle den niedrigen Körperschaftsteuertarif und die (teilweise) Steuerbefreiung auf Anteilseignerebene als Steuervergünstigung und versucht daher – aus seiner Sicht folgerichtig – die missbräuchliche Inanspruch nahme dieser Vorteile zu verhindern. Allerdings missachtet der Gesetzgeber hier seine eigene Grundentscheidung, wonach durch die (teilweise) Steuerbefreiung lediglich die körperschaftsteuer liche Vorbelastung des vom Körperschaftsteuersubjekt stellvertretend erzielten Markteinkommens berücksichtigt werden soll. Durch die zweimalige Niedrig besteuerung soll ein und dasselbe Markteinkommen bei materieller Betrachtung insgesamt nur einmal belastet werden. Die Steuerbefreiung ist demnach Fiskalund nicht Sozialzwecknorm;134 die hinter der Regelung des § 6 Abs. 5 Sätze 5 und 6 EStG stehenden Erwägungen sind daher steuersystematisch unzutreffend. Betrachtet man – ausgehend von der Grundentscheidung – beide Besteuerungs ebenen gemeinsam, so führt die interpersonelle Verlagerung stiller Reserven auf Körperschaften im Ergebnis nicht zu einem ungerechtfertigten Steuervorteil.135 Soweit der Gesetzgeber im Rahmen der Buchwertfortführung nach § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG an Steuersubjekte angebundene stille Reserven zulässigerweise auf 131 Umstritten ist, ob diese Rechtsfolge auch bei der Übertragung stiller Reserven zwischen zwei Kapitalgesellschaften eintritt. Für eine teleologische Reduktion, da keine Verlagerung stil ler Reserven ins Teileinkünfteverfahren erfolgt: W.-D. Hoffmann, in: Littmann/Bitz/Pust, EStG, § 6 Rn. 1246. A. A. E. Kulosa, in: Schmidt, EStG, § 6 Rn. 722; BMF v. 08.12.2011, BStBl. I 2011, 1279 (1285). 132 W.-D. Hoffmann, in: Littmann/Bitz/Pust, EStG, § 6 Rn. 1242; U. Niehus/H. Wilke, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 6 Abs. 5 Rn. 1474a. 133 Entwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung des Unternehmensteuerrechts (Unterneh mensteuerfortentwicklungsgesetz – UntStFG) v. 10.09.2001, BT-Drs. 14/6882, S. 33. Ähnlich auch bereits die nicht veröffentlichte Begründung zur Beschlussempfehlung des Vermittlungs ausschusses zum StSenkG, zitiert nach U. Niehus/H. Wilke, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 6 Abs. 5 Rn. 1443a. 134 Siehe 4. Kapitel B. II. 2. 135 A. Düll/G. Fuhrmann/M. Eberhard, DStR 2000, 1713 (1717); W.-D. Hoffmann, in: Litt mann/Bitz/Pust, EStG, § 6 Rn. 1242; U. Niehus/H. Wilke, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 6 Abs. 5 Rn. 1474a. Ähnlich K. Korn/M. Strahl, in: Korn, EStG, § 6 Rn. 503 (Übergang ist tolerierbar, da stille Reserven steuerverstrickt bleiben). So im Ergebnis bereits auch G. Luckey, StuW 1979, 129 (143): Besteuerung stiller Reserven innerhalb derselben Steuerart ist bei Ver lagerung stiller Reserven vom Einkommen- in den Körperschafsteuerbereich unter Geltung des Anrechnungsverfahrens gewährleistet.
C. Einzelprobleme
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natürliche Personen übergehen lässt, spricht somit nichts dagegen, diese interper sonelle Verlagerung auch auf Körperschaftsteuersubjekte zuzulassen. Verfassungsrechtlich zwingend ist eine solche Lösung indes nicht. Denn die Buch wertfortführung ist trotz getrennter Anbindung der stillen Reserven an das Steuer subjekt und dessen betriebliche Sphäre nicht Grundentscheidung, sondern Ausnah meregelung und daher nicht Basis einer Folgerichtigkeitsprüfung.136 Dies gilt selbst dann, wenn hinter dem Körperschaftsteuersubjekt diejenigen Einkommensteuer subjekte stehen, bei denen die stillen Reserven bislang angebunden waren. Zwar sind die stillen Reserven materiell den jeweiligen Anteilseignern zuzuordnen. Auf grund der steuerrechtlichen Verselbstständigung sind diese allerdings – anders als bei der Mitunternehmerschaft – an das Körperschaftsteuersubjekt und nicht an die Anteilseigner und deren betriebliche Sphäre angebunden, so dass eine Gleich behandlung auch in diesen Fällen nicht zwingend geboten ist.
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Siehe bereits 3. Kapitel D. II. 4. b) cc).
Zusammenfassung der Ergebnisse und Schlussbetrachtung A. Zusammenfassung der Ergebnisse I. Aus der Grundstruktur des Einkommensteuergesetzes abgeleitete Anforderungen an die konkrete Ausgestaltung des Besteuerungssystems Das Grundgesetz gibt lediglich einen groben Rahmen für das Besteuerungs system vor und legt die konkrete Ausgestaltung desselben und damit auch die Aus wahl von Steuersubjekt und Steuerobjekt in die Hände der Legislative. Auch wenn das derzeitige Einkommensteuergesetz aus einer Vielzahl von teils äußerst komplexen Einzelregelungen besteht, so liegt ihm doch eine erkennbare Grundstruktur zugrunde. Dabei ist das Einkommensteuersystem im Wesentlichen von zwei Grundentscheidungen geprägt: Der Ausrichtung des Steuertatbestandes am Individuum und am Markteinkommensgedanken. Ersteres kommt in § 1 EStG zum Ausdruck. Diese Vorschrift ordnet unabhän gig davon, ob eine gemeinsame Marktteilnahme über eine Mitunternehmerschaft erfolgt oder die Person verheiratet ist, die ausschließliche Steuersubjektivität der natürlichen Person an. Der Belastungsgrund der Einkommensteuer, die staatliche Teilhabe am privaten Markterfolg, kommt in der – die sachliche Steuerpflicht, mithin das Steuerobjekt, regelnden – Vorschrift des § 2 Abs. 1 EStG zum Ausdruck. Besteuert wird hiernach der aufgrund von Markthandeln erzielte Erfolg aus den jeweiligen Erwerbsgrund lagen. Da § 2 Abs. 1 EStG in Verbindung mit den §§ 15 bis 22 EStG das – in Ab grenzung zum in der Privatsphäre entstandenen Einkommen – wesentliche Markt einkommen erfasst, kann durch das ausgewählte Steuerobjekt im Grundsatz eine Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit sichergestellt werden. Zudem beantwortet § 2 Abs. 1 Satz 1 EStG indirekt auch die Zurechnungsfrage des Steuerobjekts zum Steuersubjekt, indem er den erzielten Markterfolg demje nigen Steuersubjekt zurechnet, das die Erwerbsgrundlage eigenhändig genutzt hat. Diese dargestellte Grundstruktur hat wiederum Folgewirkungen für die wei tere Ausgestaltung des Steuertatbestandes. So kann das aus einer ausländischen Erwerbsgrundlage erzielte Einkommen nur in die Besteuerung einbezogen wer den, wenn sich dieses bei typisierender Betrachtung noch als Ausfluss staatlich er
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öffneter Vorteile erweist. Des Weiteren fordert die auf das Individuum bezogene Ausrichtung, dass im Steuertatbestand grundsätzlich nur Sachverhalte zu berück sichtigen sind, die das jeweilige Steuersubjekt betreffen. Dies bedeutet insbeson dere, dass der Markterfolg regelmäßig nicht abweichend von der Marktteilnahme zugerechnet werden sollte und ein ausschließliches Drittverhalten grundsätzlich keinen Einfluss auf den Steuertatbestand eines anderen Steuersubjekts haben darf. Sofern der Gesetzgeber von der von ihm selbst gewählten Grundstruktur ab weichen möchte, ist dies begründungsbedürftig. Dienen die objekt- oder subjekt bezogenen Modifikationen der Erfüllung verfassungsrechtlicher Vorgaben – ins besondere der Herstellung von Besteuerungsgleichheit – so sind diese regelmäßig gerechtfertigt. In seltenen Fällen können Grundrechte – insbesondere der in Art. 6 Abs. 1 GG verbürgte Schutz von Ehe und Familie – sogar erfordern, die Beziehung zu anderen Personen im Steuertatbestand zu berücksichtigen.
II. Die Zurechnung latenter Einkünfte bei Auseinanderfallen von Marktteilnahme und Realisation und die interpersonelle Verlagerung latenter Einkünfte als objektbezogene Modifikation Die Frage der Zurechnung eines Steuerobjekts zum Steuersubjekt stellt sich insbesondere bei latenten Einkünften. Hierbei sind drei Fallgruppen (stille Reser ven, konkretisierte latente Einkünfte und aufschiebend bedingte latente Einkünfte) zu unterscheiden. Die stillen Reserven beruhen auf einer steuerlichen Unter- bzw. Überbewertung von Wirtschaftsgütern. Konkretisierte latente Einkünfte sind im An wendungsbereich des § 11 EStG anzutreffen, wenn zwar ein Umsatzakt am Markt vorliegt, der Erfolg aber mangels eines Zuflusses (steuerlich) noch nicht realisiert worden ist. Aufschiebend bedingte latente Einkünfte liegen hingegen vor, wenn bei wirtschaftlicher Aktivität des Steuersubjekts der Anspruch auf die Gegenleistung und damit letztlich auch die Vermögensänderung erst bei Eintritt einer bestimm ten Bedingung entsteht. Solange dasjenige Steuersubjekt, auf dessen erwerbswirtschaftliche Betätigung die Vermögensmehrung zurückgeht, die latenten Einkünfte später auch selbst reali siert, ergeben sich für keine der drei Fallgruppen Zurechnungsprobleme. Zurech nungsfragen stellen sich mangels eines allgemeinen Rechtsnachfolgetatbestandes jedoch regelmäßig bei einer unentgeltlichen Einzel- oder Gesamtrechtsnachfolge zwischen Markthandeln und Erfolgseintritt. Dann ist entscheidend, ob die latenten Einkünfte noch dem marktteilnehmenden oder bereits dem realisierenden Steuer subjekt zuzurechnen sind. Maßgeblich für die einkommensteuerliche Behandlung der latenten Einkünfte ist dabei, ob diese im Rahmen einer Gewinn- oder einer Überschusseinkunftsart entstanden sind.
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Zusammenfassung der Ergebnisse und Schlussbetrachtung
1. Die dreiseitige Anbindung latenter Einkünfte der Gewinneinkunftsarten Für latente Einkünfte der Gewinneinkunftsarten ergibt sich die folgerichtig weiterzudenkende Grundentscheidung zunächst aus § 4 Abs. 1 EStG. Diese Vor schrift sieht eine dreiseitige Anbindung der latenten Einkünfte an das Steuer subjekt, die Erwerbsgrundlage „Betrieb“ und das nationale Besteuerungsrecht vor. Wird auch nur eine dieser Anbindungen getrennt, weil das zugehörige Wirt schaftsgut oder der aufschiebend bedingte Anspruch auf ein anderes Steuersub jekt übertragen, für außerbetriebliche Zwecke verwendet oder in eine ausländische Betriebsstätte überführt wird, so führt dies grundsätzlich zur Steuerpflicht der la tenten Einkünfte. Wird jedoch ausschließlich die Anbindung der latenten Ein künfte an die Erwerbsgrundlage gelöst, im unmittelbaren Anschluss daran aber eine Bindung zu einer anderen Erwerbsgrundlage einer Gewinneinkunftsart des selben Steuersubjekts neu begründet, so bleiben die latenten Einkünfte aufgrund des § 6 Abs. 5 Satz 1 EStG steuerverstrickt. Da die Überführung von Wirtschafts gütern zwischen verschiedenen Erwerbsgrundlagen der Gewinneinkunftsarten desselben Steuersubjekts nach dieser Vorschrift nicht nur ausnahmsweise, son dern generell steuerneutral ist, kann § 6 Abs. 5 Satz 1 EStG nicht als bloße Aus nahmevorschrift zu § 4 Abs. 1 EStG angesehen werden. Die Vorschrift beinhal tet vielmehr eine weitere Grundentscheidung für eine Anbindung der latenten Einkünfte an die – aus verschiedenen Einzelbetrieben bestehende – gesamte be triebliche Sphäre des Steuersubjekts. Folglich sind die latenten Einkünfte nach § 4 Abs. 1 EStG in Verbindung mit § 6 Abs. 5 Satz 1 EStG dreiseitig angebunden: An das Steuersubjekt selbst, dessen gesamte betriebliche Sphäre sowie an das na tionale Besteuerungsrecht. Bei den Gewinneinkunftsarten sind die latenten Einkünfte letztlich nur dann aufzudecken, wenn das zugehörige Wirtschaftsgut oder der aufschiebend bedingte Anspruch auf ein anderes Steuersubjekt übertragen, in die Privatsphäre oder in eine ausländische Betriebsstätte überführt wird. Abweichend von diesem Grundsatz ermöglicht der Gesetzgeber mit der Buch wertfortführung bei der Übertragung betrieblicher Einheiten nach § 6 Abs. 3 EStG in verfassungsrechtlich gerechtfertigter Weise den Übergang latenter Einkünfte auf andere Steuersubjekte. 2. Die nur einseitige Anbindung latenter Einkünfte der Überschusseinkunftsarten Auch die latenten Einkünfte der Überschusseinkunftsarten sind an das Steuer subjekt angebunden. Diese Anbindung ergibt sich für die im Privatvermögen ent standenen stillen Reserven aus den §§ 17 Abs. 1 Sätze 1 und 2, 20 Abs. 2 und 22 Nr. 2 in Verbindung mit 23 Abs. 1 Sätze 1 und 5 EStG. Hiernach sind die stillen
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Reserven stets dann aufzudecken, wenn das betreffende Wirtschaftsgut durch einen entgeltlichen Marktvorgang auf ein anderes Steuersubjekt übertragen wird. Für die konkretisierten latenten Einkünfte folgt dies daraus, dass § 11 Abs. 1 EStG lediglich zeitlich wirkt und nicht zurechnungsbegründend. Infolgedessen sind die konkretisierten latenten Einkünfte jeweils dann steuerpflichtig, wenn die zugrun deliegende Forderung vom jeweiligen Steuersubjekt durch Zahlung oder einen gleichwertigen Erfüllungsvorgang getrennt wird. Entsprechendes gilt auch für auf schiebend bedingte latente Einkünfte, wenn der Anspruch vor Bedingungseintritt vom Steuersubjekt getrennt wird. Im Unterschied zu den Gewinneinkunftsarten sind die latenten Einkünfte der Überschusseinkunftsarten aber nicht an die Erwerbsgrundlage oder gar an die pri vate Sphäre angebunden. Denn bei den stillen Reserven des Privatvermögens führt selbst die Übertragung des betreffenden Wirtschaftsguts in ein Betriebsvermögen desselben Steuersubjekts nicht zur Aufdeckung der stillen Reserven. Für konkre tisierte und aufschiebend bedingte latente Einkünfte gilt letztlich nichts anderes. Mangels steuerlichen Betriebsvermögens sind im Rahmen einer Überschussein kunftsart entstandene Forderungen und aufschiebend bedingte Ansprüche steu erlich noch unbeachtlich, so dass Übertragungen zwischen verschiedenen Er werbsgrundlagen, die zur Trennung eines Anbindungspunktes führen können, von vornherein ausscheiden. Da die latenten Einkünfte selbst dann steuerlich nicht erfasst werden, wenn die unbeschränkte Steuerpflicht des Steuersubjekts endet und eine zukünftige Be steuerung der latenten Einkünfte über § 49 EStG ausscheidet oder aufgrund eines Doppelbesteuerungsabkommens ausgeschlossen ist, besteht auch keine Anbin dung an das nationale Besteuerungsrecht. Die latenten Einkünfte der Überschuss einkunftsarten sind demnach nur einseitig – an das Steuersubjekt – angebunden. Bei den latenten Einkünften der Überschusseinkunftsarten ergeben sich aber besondere Probleme im Rechtsnachfolgefall. Sowohl bei den stillen Reserven als auch bei den konkretisierten und aufschiebend bedingten latenten Einkünf ten kann es zu Besteuerungslücken kommen. Bei den stillen Reserven ist hierfür ursächlich, dass nur die durch typisches Markthandeln (Veräußerung und gleich gestellte Vorgänge) ausgelöste Trennung der Anbindung an das Steuersubjekt zu einer Steuerpflicht der stillen Reserven führt. Hingegen bleiben die stillen Reser ven unversteuert, wenn die Übertragung unentgeltlich erfolgt, da weder die spä tere Veräußerung dem Rechtsvorgänger zugerechnet wird noch die stillen Reser ven ohne gesetzliche Anordnung auf den Rechtsnachfolger übergehen. Bei den konkretisierten und aufschiebend bedingten latenten Einkünften kommt es dann zu einer Besteuerungslücke, wenn der Zufluss bzw. der Bedingungseintritt nach dem Tod des Steuersubjekts erfolgt. Denn dann hat weder der Rechtsvorgänger noch der Rechtsnachfolger den Steuertatbestand vollständig verwirklicht. Diese Besteuerungslücken schließt der Gesetzgeber bei den stillen Reserven – parallel zu § 6 Abs. 3 EStG – durch Fortführung der Anschaffungskosten durch den unent
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Zusammenfassung der Ergebnisse und Schlussbetrachtung
geltlichen Rechtsnachfolger nach § 17 Abs. 2 Satz 6, § 20 Abs. 4 Satz 6 bzw. § 23 Abs. 1 Satz 3 EStG und ermöglicht dadurch eine interpersonelle Verlagerung stil ler Reserven. Auch für konkretisierte und aufschiebend bedingte latente Einkünfte ordnet der Gesetzgeber durch § 24 Nr. 2 Hs. 2 EStG den Übergang latenter Ein künfte auf andere Steuersubjekte an. Von der rechtfertigungsbedürftigen interpersonellen Verlagerung latenter Ein künfte ist hingegen die Besteuerung der Hinterbliebenenbezüge zu unterschei den. Denn die den Hinterbliebenen zufließenden Bezüge gehen auf die vom Verstorbenen stellvertretende Marktteilnahme zurück und führen zu originären Einkünften der Hinterbliebenen. Die Besteuerung dieser Bezüge bei den Hin terbliebenen ist demnach systemkonform und ist folglich keine objektbezogene Modifikation. 3. Die gemeinsamen Voraussetzungen für die interpersonelle Verlagerung latenter Einkünfte Betrachtet man all die Fälle, in denen latente Einkünfte abweichend von der Grundstruktur auf andere Steuersubjekte übertragen werden, so weisen diese ob jektbezogenen Modifikationen eine Gemeinsamkeit auf. Stets bedarf es eines unentgeltlichen Rechtsnachfolgefalls; sonstige – willkürliche – interpersonelle Verlagerungen sind ausgeschlossen. Zudem ermöglicht der Gesetzgeber nicht bei jeglicher unentgeltlichen Übertragung eine interpersonelle Verlagerung laten ter Einkünfte, sondern lässt diese grundsätzlich nur zu, wenn durch eine sofortige Steuerpflicht der Erhalt der Erwerbsgrundlage gefährdet wäre oder die Besteue rung beim Rechtsnachfolger der Vereinfachung dient.
III. Die Mitunternehmerschaft als Vehikel zur gemeinsamen Marktteilnahme Schließen sich mehrere Steuersubjekte zur gemeinsamen Marktteilnahme zi vilrechtlich in einer Personengesellschaft zusammen, so kommt diesem Verband steuerlich nur eingeschränkte Bedeutung als Mitunternehmerschaft zu. Die Mit unternehmerschaft erwirbt keine eigene Leitungsfähigkeit und erzielt auch nicht stellvertretend für die einzelnen Mitunternehmer einen Markterfolg. Vielmehr ver wirklichen die Mitunternehmer den Handlungstatbestand gemeinsam und erzielen infolgedessen originäre Einkünfte aus der Erwerbsgrundlage „gemeinsamer Ge werbebetrieb aller Mitunternehmer“. Indes ist die Mitunternehmerschaft einkommensteuerlich nicht völlig unbeacht lich, denn sie ist maßgeblich für die Gewinnermittlung. Diese primär technische Funktion der Mitunternehmerschaft entfaltet allerdings auch materielle Wirkung, was sich an der Zuordnung der Geschäftsvorfälle und Wirtschaftsgüter zur Mit
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unternehmerschaft zeigt. Diese materielle Wirkung ist jedoch entsprechend dem Zweck, den jeweiligen Gewinnanteil des Mitunternehmers zutreffend zu ermit teln, begrenzt. So erfolgt im Rahmen der Gewinnermittlung zwar zunächst eine betriebs- und damit gesellschaftsbezogene Betrachtung; um jedoch eine leistungs fähigkeitsgerechte Besteuerung der jeweiligen Einkommensteuersubjekte zu errei chen, sind Sonderregelungen zur Gewinnermittlung wie beispielsweise § 6b EStG oder § 4 Abs. 4a EStG regelmäßig gesellschafterbezogen anzuwenden. Die steuerliche Transparenz der Mitunternehmerschaft zeigt sich auch bei der Anbindung stiller Reserven. Diese sind zunächst wie beim Einzelunternehmer so wohl im Gesamthands- als auch im Sonderbereich dreiseitig – an das Steuersub jekt, die Erwerbsgrundlage des Mitunternehmers bzw. den Sonderbereich und das nationale Besteuerungsrecht – angebunden. Entscheidender Unterschied ist je doch, dass die Anbindung der stillen Reserven des Gesamthandsbereichs durch § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG nur punktuell und nicht generell auf die aus sämtlichen Einzelbetrieben, Sonderbereichen und Erwerbsgrundlagen des Mitunternehmers bestehende gesamte betriebliche Sphäre erweitert wird. Es bleibt somit bei der Anbindung der stillen Reserven an die jeweilige Erwerbsgrundlage des Mitunter nehmers. Folglich führt die Übertragung eines Wirtschaftsguts zwischen verschie denen Erwerbsgrundlagen des Mitunternehmers de lege lata zur Steuerpflicht der stillen Reserven. Allerdings ist die in § 6 Abs. 5 Sätze 1 und 2 EStG enthaltene Grundentschei dung für eine generelle und voraussetzungslose Erweiterung der an die einzelne Er werbsgrundlage bestehenden Anbindung auf die ganze betriebliche Sphäre folge richtig umzusetzen. Dies erfordert, auch die Anbindung an die Erwerbsgrundlage des Mitunternehmers zu erweitern, da der Einzelbetrieb und der „gemeinsamer Ge werbebetrieb aller Mitunternehmer“ strukturell vergleichbar sind. Denn die Mit unternehmerschaft dient lediglich als Vehikel zur gemeinsamen Marktteilnahme, soll aber im Vergleich zum Einzelunternehmer keine unterschiedliche Belastung der Einkommensteuersubjekte nach sich ziehen. Soweit § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG dies nicht sicherstellt, ist diese Vorschrift mangels Rechtfertigungsgrundes verfassungs widrig. Demnach muss der Gesetzgeber die Buchwertfortführung bei Übertragun gen von Wirtschaftsgütern zwischen Schwester-Personengesellschaften insoweit zulassen, als die dreiseitige Anbindung an das Steuersubjekt, dessen gesamte be triebliche Sphäre und das nationale Besteuerungsrecht bestehen bleibt. Bei betei ligungsidentischen Mitunternehmerschaften muss der Gesetzgeber also sicherstel len, dass die Buchwertfortführung in vollem Umfang gewährleistet wird, während er bei Mitunternehmerschaften mit divergierenden Beteiligungsverhältnissen oder gar verschiedenen Mitunternehmern nur eine anteilige Buchwertfortführung er möglichen muss.
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Zusammenfassung der Ergebnisse und Schlussbetrachtung
IV. Das Körperschaftsteuersubjekt und die Ausrichtung der Besteuerung an der natürlichen Person Anders als die Mitunternehmerschaft können die in § 1 Abs. 1 KStG aufgeführ ten Körperschaftsteuersubjekte den Steuertatbestand selbst verwirklichen. Sie ver wirklichen also selbst den Handlungstatbestand und bekommen ein Steuerobjekt zugerechnet. Allerdings stehen Einkommen- und Körperschaftsteuersystem nicht isoliert ne beneinander, sondern der Gesetzgeber hat die beiden Besteuerungssysteme mit einander verbunden. Anders als im früheren Vollanrechnungsverfahren ändern Ausschüttungen des Körperschaftsteuersubjekts zwar nichts an dessen Steuer last, allerdings wird die Vorbelastung mit Körperschaftsteuer über das Teileinkünf teverfahren bzw. die Abgeltungsteuer auf der Ebene des Einkommensteuersub jekts in grob typisierender Weise berücksichtigt. Im Ergebnis wird dadurch eine gleichheitsgerechte Besteuerung der einzelnen natürlichen Person erreicht. Diese Ausrichtung der Besteuerung an der natürlichen Person wird auch innerhalb des Körperschaftsteuersystems selbst mit der Steuerbefreiung des § 8b Abs. 1 KStG sichergestellt und durch die Steuerbefreiung der REIT-AG und der vollen Steuer pflicht der von ihr ausgeschütteten Dividenden beim Anteilseigner bestätigt. Bei materieller Betrachtung wird das Körperschaftsteuersubjekt demnach nicht für sich selbst am Markt, sondern stellvertretend für die an ihr unmittelbar oder mit telbar beteiligten natürlichen Personen tätig. Bei dem von ihm stellvertretend er zielten Einkommen und den ausgeschütteten Dividenden handelt es sich folglich um denselben Markterfolg. Diese legislative Grundentscheidung, wonach den Kör perschaftsteuersubjekten keine eigene, sondern nur eine fremde Leistungsfähigkeit zukommt, gilt es dann folgerichtig im Sinne der Belastungsgleichheit umzusetzen. Das bedeutet, die beiden Besteuerungsebenen sind so aufeinander abzustimmen, dass bei typisierender Betrachtung der Markterfolg der natürlichen Person ent sprechend deren individueller wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit besteuert wird. Dies wird beispielsweise durch die Betriebsausgabenabzugsbeschränkungen des § 3c Abs. 2 EStG und des § 8b Abs. 5 sowie die Mindestbeteiligungsquote des § 8b Abs. 4 KStG in nicht zu rechtfertigender Weise verhindert. Vor dem Hintergrund dieser Grundentscheidung ist auch die Regelung zum Verlustuntergang nach § 8c KStG einzuordnen. Das Ziel, die einzelne natürliche Person im Ergebnis gleichheitsgerecht zu besteuern, kann hierbei sowohl den Abzug als auch den Untergang des körperschaftsteuerlichen Verlustvortrags er fordern. Für die Möglichkeit des Verlustabzugs beim Körperschaftsteuersubjekt spricht, dass nur dann eine Belastung mit Körperschaftsteuer erfolgt, wenn auch bei materieller Gesamtbetrachtung ein positiver Markterfolg vorliegt. Wird der Verlustabzug hingegen versagt, so besteht die Gefahr, dass es – da ein vom Kör
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perschaftsteuersubjekt erzielter negativer Markterfolg nicht an die Anteilseigner ausgeschüttet werden kann – mangels Verrechnungsmöglichkeit von in anderen Veranlagungszeiträumen erzieltem positiven Markteinkommen mit dem negativen Markterfolg zu einer übermäßigen Körperschaftsteuerbelastung kommt, die beim Einkommensteuersubjekt nicht entsprechend berücksichtigt werden kann. Der Verlustuntergang ist jedoch geboten, wenn der Verlustabzug bei materieller Be trachtung einer Person, der das stellvertretende Markthandeln des Körperschaft steuersubjekts nicht zuzurechnen ist, zugutekommt. Letzteres setzt regelmäßig eine geänderte Anteilseignerstruktur voraus, weshalb der Anteilseignerwechsel ein geeignetes Anknüpfungskriterium für den Untergang des Verlustabzugs darstellt. Da allerdings nicht jeder Anteilseignerwechsel dazu führt, dass die materielle Zuordnung des Verlustabzugs zum Individuum scheitert, stellt dieser kein hinreichendes Kriterium dar. Dies führt indes nicht zur Verfassungswidrigkeit des § 8c KStG. Denn die von § 8c Abs. 1 Sätze 1 bis 4 KStG vorgenommene Typisierung sollte nicht isoliert, son dern zusammen mit den Sätzen 5 bis 9 und Abs. 1a betrachtet werden. Ein Anteils eignerwechsel führt hiernach nur insoweit zu einem Verlustuntergang, als mit dem Kaufpreis keine stillen Reserven vergütet werden, keine konzerninterne Umstruk turierung oder kein Sanierungsfall vorliegt. Bei (grob) typisierender Betrachtung werden daher nur missbräuchliche Sachverhalte erfasst, so dass § 8c KStG dem nach nicht die gleichheitsgerechte Besteuerung der natürlichen Person verhindert.
B. Schlussbetrachtung Verschiedene aktuelle Streitfragen – beispielsweise die Buchwertfortführung bei Übertragungen zwischen Schwester-Personengesellschaften, der Verlustuntergang nach § 8c KStG oder die neu eingefügte Mindestbeteiligungsquote in § 8b Abs. 4 KStG – haben auf den ersten Blick keine Gemeinsamkeiten; zu unterschiedlich sind der jeweilige Anwendungsbereich und die Rechtsfolgen. Ihnen gemeinsam ist jedoch, dass sie jeweils Ausdruck einer dem Steuergesetz immanenten Struk tur, eines bestimmten systematischen Verhältnisses von Steuersubjekt und Steuer objekt sind und daher anhand dieser Strukturentscheidung zu beantworten sind. Diese sich aus dem Einkommensteuer- und dem Körperschaftsteuergesetz er gebende zutreffende Strukturentscheidung des Steuergesetzgebers für eine Be steuerung der einzelnen natürlichen Person mit dem von ihr erzielten Markt einkommen gilt es nicht nur beizubehalten, sondern auch zukünftig konsequent umzusetzen. Letzteres würde einen großen Beitrag zu mehr Steuergerechtigkeit leisten. Sofern der Steuergesetzgeber ein Interesse an einem höheren Steuerauf kommen hat, könnte er dieses dann unter Wahrung des Verhältnisses von Steuer subjekt und Steuerobjekt besser über die Höhe des – in der Öffentlichkeit viel dis kutierten – Steuersatzes befriedigen.
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Sachverzeichnis Abgeltungsteuer 156 allgemeiner Gleichheitssatz 37, 121, 151 Anbindung latenter Einkünfte –– bei Körperschaften 164 f. –– bei Mitunternehmerschaften 114 ff. –– bei natürlichen Personen 74 ff., 88 ff., 92 ff., 102 ff. Anteilsübertragung 174 f., 177 f.
Halbeinkünfteverfahren siehe Teileinkünfte verfahren
Berufsfreiheit 27, 30 f., 81, 151 Bestandsschutz des Steuersystems und der Einzelsteuern 40 f. Betrieb 75 ff., 83, 111, 165 –– gewerblicher Art 151 f. Betriebsausgabenabzugsbeschrän kung 166 ff. Betriebsübergang 84, 100 Buchwertfortführung 77 ff. 81 ff., 100 f., 103, 118 ff., 123 ff., 130 ff., 183 ff.
latente Einkünfte –– aufschiebend bedingte 102 ff. –– Begriff 71 f. –– Grundprinzip der Zurechnung 74 ff., 92 ff., 102 f., 114 ff., 164 f. –– konkretisierte 92 ff. –– Modifikationen der Zurechnung 81 ff., 97 ff., 103 ff., 120 f. –– stille Reserven siehe stille Reserven legislative Grundentscheidung 38 f., 53 f., 63, 65, 74, 78 f., 80 f., 88 ff., 98, 104 f., 119, 126 ff., 146, 154 ff., Leistungsfähigkeitsprinzip 29 ff., 36 f., 144 ff.
Drittverhalten 130 ff. Ehegattenveranlagung 106 ff. Einheit der Rechtsordnung 44 ff., 152 Erwerbsgrundlage 62 f., 66 f., 69 f., 75 ff., 94 ff., 103, 104 f., 110 f., 118 ff., 147 f., 154 Europarecht 47 ff., 55 ff., 156, 172, 182 Finanzverfassung 27, 39 ff. Folgerichtigkeit 37 ff., 66, 85, 126 ff., 146 ff., 169 ff., 173 f., 185 genuine link siehe Völkerrecht Gesamtrechtsnachfolge 81, 91, 100, 120, 133 ff. Gesamtsteuerbelastung 157 ff., 164, 183 gesellschafterbezogene/gesellschaftsbezo gene Betrachtungsweise 111 ff., 127 Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers 37 ff., 43, 46, 61, 85, 97, 108, 121, 160 f. Grundfreiheiten siehe Marktfreiheiten
Individualbesteuerung 36 f., 54, 70, 80, 107 f., 113 Interpersonelle Verlagerung latenter Ein künfte siehe latente Einkünfte – Modifi kationen der Zurechnung; stille Reserven
Mantelkauf 180 ff. Markteinkommenstheorie 28 f. Marktfreiheiten 48 ff., 56 ff., 59 Markthandeln 32 ff., 62, 73 f., 114 ff., 131 f., 135, 161 f., 176 Mindestbeteiligungsquote 171 f. Mitunternehmerschaft 33,43,54,108 ff.,154 f.; siehe auch Schwesterpersonengesellschaft nachträgliche Einkünfte 98 ff. Nettoprinzip –– objektives 63, 167 ff. –– subjektives 55 Organschaft 152 f. Personengesellschaft siehe Mitunternehmer schaft
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Sachverzeichnis
private Veräußerungsgeschäfte 64, 88 ff. Quellentheorie 63 f., 88 Rechtfertigung –– der Einkommensteuer 28 f. –– des Eingriffs in Marktfreiheiten 58 f. –– fehlender Folgerichtigkeit 39, 69, 78 f., 80 ff., 87, 91, 101 f., 105, 120, 128 ff., 169 ff., 173 f. –– von Steuern 26 f. Reinvermögenszugangstheorie 63, 74 REIT 163 Rücklage nach § 6b EStG 85 ff., 112 Schwesterpersonengesellschaften 123 ff. Steuerobjekt –– Anforderungen 40 ff., 46, 47 ff., 65, 69 –– Begriff 62 ff. –– im Einkommensteuerrecht 62 ff., 107, 110 –– im Körperschaftsteuerrecht 154, 161, 164 Steuerpflicht –– beschränkte 54, 65 –– erweiterte beschränkte 56 f. –– erweiterte unbeschränkte 55 f. –– fiktive unbeschränkte 57 ff. –– unbeschränkte 54, 66 ff., 89, 96, 163 Steuerrechtsfähigkeit 52 f., 109 Steuerschuldner 52 ff., 62, 108 f., 153 Steuerstaat 27 Steuersubjekt –– Anforderungen 30 ff., 47 ff., 69 ff. –– Begriff 51 ff.
–– im Einkommensteuerrecht 53 ff., 106 f., 108 ff. –– im Körperschaftsteuerrecht 150 ff. stille Reserven –– Begriff 72 –– Grundsätze der Anbindung 74 ff., 88 f., 114 ff., 164 f. –– interpersonelle Verlagerung 81 ff., 90 f., 118 ff., 131 ff., 175 ff., 183 ff. Teileinkünfteverfahren 121, 155 ff., 166, 169, 171 f., 176, 184 Typisierung 64, 65, 66, 122, 129, 131 f., 155 ff., 167 ff., 172, 179 ff. Unionsrecht siehe Europarecht Verlustverrechnung 49 f., 138, 142, 153 Verlustvortrag, Verlustuntergang 138 ff., 174 ff. Völkerrecht 55, 60 f., 96, 150 Vollanrechnungsverfahren 155 Welteinkommen 54, 66 f. wertende/wirtschaftliche Betrachtung 33 ff., 44 f., 70, 73 f., 105, 114, 118, 131, 140, 154 f., 180 Zufluss 72, 90, 92 ff., 98 ff., 102 ff. Zurechnung –– Grundsätze 69 f., 164 –– latenter Einkünfte siehe Anbindung latenter Einkünfte; latente Einkünfte; stille Reserven; Drittverhalten
SUMMARY Under German tax law, in order to establish whether a taxable event has taken place, the event must comprise four elements: a taxable entity, a taxable object, a tax base and a tax rate. An equitable tax system can only be achieved, if a priori the taxable entity, the tax object as well as the “attribution” (as the connecting element between the entity and the object) are not only considered and designed individually, but also as a whole structure by the legislative authority. The subsequent provisions of the legislation designed by the aforementioned authority must fall within the bounds of the Basic German Constitution. Therefore, the first and the second parts of this thesis set out the provisions of the German Constitution and the European legal standards and explore the impact of these provisions on the relationship between a taxable entity and its associated tax object. The third and the fourth parts explain the two basic tenets of the current German Income Tax Act: namely the orientation of the taxable event on (a) the individual and (b) the market income concept. Clearly establishing these two items in the first instance forms the basis for resolving various current income tax and corporate income tax issues, such as the recognition of book value post transfer between identically affiliated partnerships or the expiry of tax losses carried forward according to Sec. 8c CITA.
RÉSUMÉ Le fait générateur est constitué des éléments constitutifs du contribuable, de l’objet imposable, de la base fiscale et du taux d’imposition. Un régime fiscal équitable peut être réalisé si déjà le contribuable et l’objet imposable ainsi que la «addition» comme élément de liaison resepectivement individuellement, mais aussi dans leur intégralité dans le cadre défini par la loi fondamentale sont sélectionnés et conçus en détail par le législateur. Par conséquent, le présent ouvrage montre d’abord les normes du droit constitutionnel et européen de l’imposition réelle et son impact sur la relation entre le contribuable et l’objet imposable. Par la suite, la décision législative de base concernant la relation entre le contribuable et l’objet imposable est dégagée et il est souligné que la loi de l’impôt sur le revenu des particuliers actuelle avec l’orientation de l’événement à la charge sur l’individu et l’idée de revenu du marché est à la base d’une structure de base reconnaissable. Ces résultats sont ensuite utilisés pour résoudre des problems différents de l’impôt sur le revenu courants et l’impôt des sociétés, tels que le maintien de la valeur comptable avec les transferts entre sœurs partenariats identiques en individu ou la perte reportée selon § 8c de la loi relative à l’impôt sur les sociétés (KStG).