Das Verfassungsprozessrecht der Popularklage: Zugleich eine Untersuchung der Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs der Jahre 1995 bis 2011 [1 ed.] 9783428536306, 9783428136308

Bastian Bohn untersucht in der vorliegenden Publikation die verfahrensrechtliche Rechtsprechung des Bayerischen Verfassu

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German Pages 423 Year 2012

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Das Verfassungsprozessrecht der Popularklage: Zugleich eine Untersuchung der Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs der Jahre 1995 bis 2011 [1 ed.]
 9783428536306, 9783428136308

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Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1224

Das Verfassungsprozessrecht der Popularklage Zugleich eine Untersuchung der Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs der Jahre 1995 bis 2011

Von Bastian Bohn

Duncker & Humblot · Berlin

BASTIAN BOHN

Das Verfassungsprozessrecht der Popularklage

Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1224

Das Verfassungsprozessrecht der Popularklage Zugleich eine Untersuchung der Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs der Jahre 1995 bis 2011

Von Bastian Bohn

Duncker & Humblot · Berlin

Die Fakultät für Rechtswissenschaft der Universität Regensburg hat diese Arbeit im Jahr 2010 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2012 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 978-3-428-13630-8 (Print) ISBN 978-3-428-53630-6 (E-Book) ISBN 978-3-428-83630-7 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meinen Eltern

Vorwort Vorwörter bleiben oft weitgehend unbeachtet. Das ist gerade bei Doktorarbeiten sehr schade. Denn meist wirft das Vorwort sozusagen einen Blick „hinter die Kulissen“ der Dissertation, für die nicht nur der Doktorand, sondern auch andere Personen wichtige Rollen spielen. Bei der vorliegenden Arbeit ist das nicht anders. Daher nutze ich die Möglichkeit, diese Personen hervorzuheben, sehr gerne. An erster Stelle steht hierbei mein hochgeschätzter Lehrer und Doktorvater Prof. Dr. Dr. h. c. (Athen) Ekkehard Schumann. Bei ihm durfte ich nicht nur die praktische Seite des Verfahrensrechts kennen-, sondern auch profundes wissenschaftliches Arbeiten erlernen. Die Anregung für diese Dissertation stammt ebenfalls von ihm. Seine Genauigkeit und Hartnäckigkeit bei der Suche nach überzeugenden Antworten sind mir ein großes Vorbild. Ohne seine sehr intensive und kritische Betreuung hätte die Arbeit nur einen Bruchteil ihrer Qualität erlangt. Herzlichen Dank! In diesem Zusammenhang gilt mein Dank auch allen Teilnehmern des wöchentlichen Doktorandenseminars Ekkehard Schumanns. Die dort erfolgten Diskussionen zu meinen Ansichten waren sehr wertvoll. Der Zweitgutachter dieser Arbeit, Prof. Dr. Udo Steiner, Bundesverfassungsrichter a. D., war mir ebenfalls eine große Hilfe. Zum einen, weil er genauso wie Ekkehard Schumann ein sehr ausführliches Gutachten mit wertvollen Hinweisen erstellte. Zum anderen aber auch, weil er in vielen Gesprächen und Diskussionen immer wieder Lust an der Juristerei und wissenschaftlicher Arbeit vermittelte. Von Herzen dankbar bin ich meinen Eltern, die mir sowohl Studium als auch Doktorarbeit ermöglichten und mir stets eine wichtige Stütze waren. Gleiches gilt für meine Frau, die mir stets zur Seite stand. Vielen Dank! Die Hanns-Seidel-Stiftung e.V. förderte die vorliegende Arbeit durch ein Stipendium. Ohne diese Unterstützung wäre eine so eingehende und damit zeitintensive Beschäftigung mit der Popularklage nicht möglich gewesen. Der Hanns-SeidelStiftung gilt daher ebenfalls mein großer Dank. Schließlich darf ich mich bei der Schmitz-Nüchterlein-Stiftung bedanken, die den Druck der Dissertation unterstützte. Bastian Bohn

Inhaltsübersicht 1. Kapitel Grundlagen

37

§1

Natur und Funktion der Popularklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

37

§2

Geschichtliche Wurzeln der Popularklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

39

§3

Rechtsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

70

§4

Objektives Verfahren und Sachurteilsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

76

§5

Die Rolle des Einzelnen im Popularklageverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

77

§6

Popularklage als bayerische Besonderheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

80

§7

Tatsächliche Bedeutung der Bayerischen Popularklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

82

2. Kapitel Antragsberechtigung

86

§8

Tatsächliche Bedeutung in der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

86

§9

Natürliche und juristische Personen und Antragsberechtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

86

§ 10 Nichtrechtsfähige Vereinigungen und Antragsberechtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

91

§ 11 Beziehung zum bayerischen Staatsgebiet und Antragsberechtigung . . . . . . . . . . . . . . .

95

§ 12 Grundrechtsträgerschaft und Antragsberechtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

97

§ 13 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 3. Kapitel Zulässiger Verfahrensgegenstand

102

§ 14 Tatsächliche Bedeutung in der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 § 15 Rechtsvorschriften des bayerischen Landesrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 § 16 Nicht in Kraft befindliche Rechtsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114

10

Inhaltsübersicht

§ 17 Unterlassen des Normgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 § 18 Normen ohne „substantiellem Gewicht“ gegenüber Bundesrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 § 19 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 4. Kapitel Substantiierte Darlegung einer Grundrechtsverletzung

136

§ 20 Tatsächliche Bedeutung in der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 § 21 Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 § 22 Bewertung der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 § 23 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 5. Kapitel Wiederholung einer Popularklage – entgegenstehende Rechtskraft

151

§ 24 Tatsächliche Bedeutung in der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 § 25 Begründung der grundsätzlichen Unzulässigkeit einer Wiederholung . . . . . . . . . . . . . 152 § 26 Vorliegen einer Wiederholung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 § 27 Zulässigkeit einer Wiederholung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 § 28 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 6. Kapitel Missbrauch des Klagerechts

211

§ 29 Tatsächliche Bedeutung in der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 § 30 Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 § 31 Bewertung der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 § 32 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 7. Kapitel Verwirkung der Antragsbefugnis

228

§ 33 Tatsächliche Bedeutung in der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 § 34 Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229

Inhaltsübersicht

11

§ 35 Bewertung der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 § 36 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 8. Kapitel Rechtsschutzinteresse – Rechtsschutzbedürfnis – Klarstellungbedürfnis

258

§ 37 Tatsächliche Bedeutung in der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 § 38 Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 § 39 Bewertung der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 § 40 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 9. Kapitel Prüfungsmaßstab

283

§ 41 Prüfungsmaßstab und Bayerische Verfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 § 42 Prüfungsmaßstab und Bundesrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 § 43 Prüfungsmaßstab und Recht der Europäischen Union . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 § 44 Prüfungsmaßstab und einfaches Landesrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 § 45 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 10. Kapitel Rüge der Verletzung des gemeindlichen Selbstverwaltungsrechts

313

§ 46 Tatsächliche Bedeutung in der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 § 47 Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 § 48 Bewertung der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 § 49 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 11. Kapitel Entscheidung

339

§ 50 Nichtigerklärung ex tunc . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339 § 51 Verfassungswidrigerklärung ohne Nichtigerklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339 § 52 Abweisung mit der Maßgabe verfassungskonformer Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349

12

Inhaltsübersicht 12. Kapitel Einstellung des Verfahrens 351

§ 53 Tatsächliche Bedeutung in der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351 § 54 Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351 § 55 Bewertung der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 353 13. Kapitel Kosten

354

§ 56 Auslagenerstattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354 § 57 Missbrauchsgebühr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 14. Kapitel Zusammenfassung

366

Anhang

369

Übersicht I: Entscheidungen in Popularklageverfahren in den Jahren 1995 bis 2011 . . . . . 369 Übersicht II: Einstellungen von Popularklageverfahren in den Jahren 1995 bis 2011 . . . . 393 Übersicht III: Änderungen der Bayerischen Verfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 396

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 399

Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 420

Inhaltsverzeichnis 1. Kapitel Grundlagen

37

§1

Natur und Funktion der Popularklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

37

§2

Geschichtliche Wurzeln der Popularklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

39

A. Die actio popularis des römischen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

39

B. Die deutschen Verfassungen vor 1946 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

39

C. Die Entstehung der Bayerischen Popularklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

42

I. Entstehung der Bayerischen Verfassung vom 8. Dezember 1946 . . . . . . . . . .

42

II. Entstehung des Art. 98 Satz 4 BV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

44

III. Auslegung des Art. 98 Satz 4 BV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

46

1. Mögliche Auslegung des Art. 98 Satz 4 BV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

46

2. Auslegung des Art. 98 Satz 4 BV nach dem Erlass der Verfassung . . .

46

a) Art. 98 Satz 4 BV in der frühen Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

47

b) Die Auslegung des Art. 98 Satz 4 BV aus Sicht der amerikanischen Militärregierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

47

(1) Kein amerikanisches Vorbild für eine Popularklage . . . . . . . . . . .

48

(2) Verfassungen von Hessen und Württemberg-Baden . . . . . . . . . . . (a) Hessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Württemberg-Baden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

48 48 49

(3) Keine Popularklage in den Gesetzen über die Verwaltungsgerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

50

(4) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

50

IV. Gesetz Nr. 72 über den Verfassungsgerichtshof . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

51

1. Diskussion im Ministerrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

51

2. Regierungsvorlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

52

3. Diskussion im Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen . . . . . . . . .

54

4. Beschlussempfehlung des Ausschusses für Rechts- und Verfassungsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

56

14

Inhaltsverzeichnis 5. Erste Lesung im Bayerischen Landtag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

57

6. Besprechung mit der Militärregierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

58

7. Erneute Diskussion im Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen . .

61

8. Diskussion im Unterausschuss des Ausschusses für Rechts- und Verfassungsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

62

9. Abschließende Diskussion im Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

65

10. Zweite Lesung im Bayerischen Landtag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

66

V. Gesetzesänderungen nach 1947 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

67

1. Änderungen 1949 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

67

2. Änderung 1962 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

67

3. Neufassung 1990 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

67

4. Änderungen nach 1990 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

68

VI. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

69

Rechtsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

70

A. Bayerische Verfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

70

B. Gesetz über den Bayerischen Verfassungsgerichtshof . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

70

C. Ergänzende Heranziehung von Vorschriften der VwGO und ZPO . . . . . . . . . . . . .

71

I. Nachträgliche Aufnahme in das BayVerfGHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

71

II. Regelungslücke als Anwendungsvoraussetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

72

III. Keine entsprechende Anwendung bei grundsätzlichen Unterschieden der Verfahrensordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

73

IV. Rangverhältnis von VwGO und ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

74

V. Anwendbarkeit allgemeiner Rechtsgrundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

75

D. Geschäftsordnung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs . . . . . . . . . . . . . . . . . .

76

§4

Objektives Verfahren und Sachurteilsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

76

§5

Die Rolle des Einzelnen im Popularklageverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

77

A. Die Aufgabe des Bürgers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

77

I. Der Bürger als „Wächter über die objektive Verfassungsordnung“ . . . . . . . .

77

II. Kritik an der Rolle des Bürgers als „Wächter über die objektive Verfassungsordnung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

77

B. Der Einfluss des Bürgers auf das Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

79

§3

Inhaltsverzeichnis

15

§6

Popularklage als bayerische Besonderheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

80

§7

Tatsächliche Bedeutung der Bayerischen Popularklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

82

A. Zeitraum 1947 bis 2007 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

82

B. Zeitraum 1995 bis 2011 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

83

C. Keine Überflutung mit querulatorischen Klagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

83

D. Bedeutungssteigerung durch die Föderalismusreform I . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

84

E. Popularklage als „scharfes Schwert“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

84

2. Kapitel Antragsberechtigung

86

§8

Tatsächliche Bedeutung in der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

86

§9

Natürliche und juristische Personen und Antragsberechtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

86

A. Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

86

B. Bewertung der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

87

I. Anwendbarkeit des § 61 VwGO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

87

II. Natürliche Personen und juristische Personen des Privatrechts . . . . . . . . . . . .

88

III. Juristische Personen des öffentlichen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

88

1. Grundrechtsträgerschaft juristischer Personen des öffentlichen Rechts

88

2. Kein Unterlaufen aufsichtsrechtlicher Befugnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

89

3. Aufgabenbereich der juristischen Personen des öffentlichen Rechts . .

89

4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

90

§ 10 Nichtrechtsfähige Vereinigungen und Antragsberechtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

91

A. Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshof . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

91

B. Bewertung der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

93

§ 11 Beziehung zum bayerischen Staatsgebiet und Antragsberechtigung . . . . . . . . . . . . . . .

95

A. Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

95

B. Bewertung der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

95

I. Keine Rechtsgrundlage für Einschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

95

II. Keine Einschränkung aufgrund der Funktion der Popularklage . . . . . . . . . . .

96

1. Die Ansicht Hans Domckes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

96

2. Bewertung der Ansicht Hans Domckes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

96

16

Inhaltsverzeichnis

§ 12 Grundrechtsträgerschaft und Antragsberechtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

97

A. Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

97

B. Ansicht Franz Knöpfles . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

99

C. Eigene Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 § 13 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 3. Kapitel Zulässiger Verfahrensgegenstand

102

§ 14 Tatsächliche Bedeutung in der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 § 15 Rechtsvorschriften des bayerischen Landesrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 A. Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 I. Vorliegen einer Rechtsvorschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 1. Bejahen des Vorliegens einer Rechtsvorschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 2. Verneinen des Vorliegens einer Rechtsvorschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 a) Verwaltungsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 b) Flächennutzungspläne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 c) Landtagsbeschlüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 d) Vorgänge im Vorfeld des Normerlasses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 e) Staatliche Hoheitsakte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 f) Vollzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 g) Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 h) Spezielle Auswirkungen auf den Antragsteller . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 i) Leistungsanträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 II. Rechtsvorschrift des bayerischen Landesrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 B. Bewertung der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 I. Vorgänge im Vorfeld des Normerlasses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 II. Flächennutzungspläne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 III. Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 § 16 Nicht in Kraft befindliche Rechtsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 A. Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 I. Bejahen eines objektiven Feststellungsinteresses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115

Inhaltsverzeichnis

17

II. Verneinen eines objektiven Feststellungsinteresses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 B. Bewertung der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 § 17 Unterlassen des Normgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 A. Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 I. Unterlassen des Normgebers als Verfahrensgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 II. Abgrenzung von tatsächlichem Regelungsergebnis und Unterlassen . . . . . . 122 1. Unterlassen und Gleichheitssatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 2. Unterlassen und tatsächliches Regelungsergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 III. Unterlassen konkreter Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 B. Bewertung der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 I. Abgrenzung von tatsächlichem Regelungsergebnis und Unterlassen . . . . . . 125 II. Popularklagen gegen tatsächliche Regelungsergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 III. Popularklagen gegen absolutes normatives Unterlassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 IV. Auftrag zur Normsetzung und Grundrechtsverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 V. Unterlassen konkreter Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 § 18 Normen ohne „substantiellem Gewicht“ gegenüber Bundesrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 A. Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 I. Begründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 II. Jüngere Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 1. Entscheidung zum Naturschutzgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 2. Entscheidung zum Beamtengesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 3. Entscheidung zum Besoldungsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 4. Entscheidung zur Notarkasse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 B. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 § 19 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 4. Kapitel Substantiierte Darlegung einer Grundrechtsverletzung

136

§ 20 Tatsächliche Bedeutung in der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 § 21 Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 A. Rüge eines Grundrechtsverstoßes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137

18

Inhaltsverzeichnis B. Rüge eines Verstoßes gegen objektives Verfassungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 C. Anforderungen an die Substantiierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 I. Formelle Anforderungen an die Darlegung der Grundrechtsverletzung . . . . 141 II. Inhaltliche Anforderungen an die Darlegung der Grundrechtsverletzung . . 143 1. Keine Unzulässigkeit aufgrund „offensichtlicher Unbegründetheit“ . . 145 2. Unzulässigkeit bei „Unmöglichkeit“ der Grundrechtsverletzung . . . . . . 146

§ 22 Bewertung der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 § 23 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 5. Kapitel Wiederholung einer Popularklage – entgegenstehende Rechtskraft

151

§ 24 Tatsächliche Bedeutung in der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 § 25 Begründung der grundsätzlichen Unzulässigkeit einer Wiederholung . . . . . . . . . . . . . 152 A. Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 B. Bewertung der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 I. Die Regelung des Art. 29 Abs. 1 BayVerfGHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 II. Die fehlende Regelung einer Gesetzeskraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 III. Ergänzende Heranziehung der VwGO oder ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 IV. Rechtskraft der Normenkontrollentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 1. Formelle Rechtskraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 a) Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht . . . . . . . . . . . 159 b) Menschenrechtsbeschwerde zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 2. Materielle Rechtskraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 a) Die überholte Ansicht der Nichtanwendbarkeit des Instituts der Rechtskraft auf verfassungsgerichtliche Entscheidungen . . . . . . . . . . (1) Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs . . . . (2) Bewertung der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Kein Fehlen einer Normanwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Keine Unanwendbarkeit der Rechtskraft aufgrund des Fehlens von Parteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Grundsätze der Rechtskraft bei verfassungsgerichtlichen Entscheidungen anwendbar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

162 162 163 163 164 164

Inhaltsverzeichnis

19

b) Subjektiver Umfang der Rechtskraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 (1) Argumente gegen eine Wirkung inter omnes . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 (2) Argumente für eine Wirkung inter omnes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 c) Objektiver Umfang der Rechtskraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 d) Zeitliche Grenzen der Rechtskraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 e) Wirkung der Rechtskraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 § 26 Vorliegen einer Wiederholung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 A. Bereits ergangene Entscheidungen des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs in Popularklageverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 I. Erneute Popularklage gegen bereits abgewiesene Popularklage . . . . . . . . . . . 169 1. Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs . . . . . . . . . . . 170 a) Entscheidung zur Gemeindeordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 b) Entscheidung zur Notarkasse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 2. Bewertung der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 a) Entscheidung zur Gemeindeordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 b) Entscheidung zur Notarkasse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 II. Erneute Popularklage gegen dieselbe Norm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 1. Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs . . . . . . . . . . . 172 a) Entscheidung zu einer Verordnung des Landratsamtes Ebersberg . . . 172 b) Entscheidung zum Gesundheitsschutzgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 2. Bewertung der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 a) Entscheidung zu einer Verordnung des Landratsamtes Ebersberg . . . 173 b) Entscheidung zum Gesundheitsschutzgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 III. Erneute Popularklage gegen neue Fassung derselben Norm . . . . . . . . . . . . . . 174 1. Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs . . . . . . . . . . . 174 2. Bewertung der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 IV. Erneute Popularklage gegen formell unterschiedliche Norm bei inhaltlicher Übereinstimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 1. Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs . . . . . . . . . . . 175 a) Entscheidung zum Stiftungsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 b) Entscheidungen zum Mediengesetz sowie zum Gemeindewahlrecht

177

c) Entscheidung zu den Korrekturgesetzen der allgemeinen Gemeindegebietsreform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 2. Bewertung der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179

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Inhaltsverzeichnis V. Erneute Popularklage gegen Ermächtigungsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 1. Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs . . . . . . . . . . . 181 a) Entscheidung zur 5%-Klausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 b) Entscheidung zur Beamtenlaufbahn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 2. Bewertung der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 VI. Erneute Popularklage bei lediglich ähnlichem Prüfungsgegenstand . . . . . . . 182 1. Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs . . . . . . . . . . . 182 a) Entscheidung zur Arbeitszeitverordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 b) Entscheidung I zu Art. 25 BayGLKrWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 c) Entscheidung II zu Art. 25 BayGLKrWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 d) Entscheidung III zu Art. 25 BayGLKrWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 e) Entscheidungen zur Bauordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 2. Bewertung der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 a) Entscheidung zur Arbeitszeitverordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 b) Entscheidung I zu Art. 25 BayGLKrWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 c) Entscheidung II zu Art. 25 BayGLKrWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 d) Entscheidung III zu Art. 25 BayGLKrWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 e) Entscheidungen zur Bauordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 B. Bereits ergangene Entscheidungen des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs in sonstigen Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 I. Interne Richtervorlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 II. Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichthofs . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 III. Bewertung der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 C. Bereits ergangene Entscheidungen anderer Gerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 I. Normenkontrollentscheidung des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . . . . . . 190 II. Normenkontrollverfahren nach § 47 VwGO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 1. Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs . . . . . . . . . . . 191 2. Bewertung der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192

§ 27 Zulässigkeit einer Wiederholung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 A. Grundlegender Wandel der Lebensverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 I. Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs . . . . . . . . . . . . . . . . 194 1. Entscheidung zum Mediengesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 2. Entscheidung zur Schulordnung (Raucherräume) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 II. Bewertung der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195

Inhaltsverzeichnis

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B. Grundlegender Wandel der allgemeinen Rechtsauffassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 I. Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs . . . . . . . . . . . . . . . . 195 II. Bewertung der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 C. Geltendmachung neuer rechtlicher Gesichtspunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 I. Änderung der rechtlichen Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 1. Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs . . . . . . . . . . . 197 2. Bewertung der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 II. Änderung der Norm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 1. Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs . . . . . . . . . . . 199 2. Bewertung der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 III. Änderung des Prüfungsmaßstabes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 1. Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs . . . . . . . . . . . 201 2. Bewertung der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 IV. Im vorangegangenen Verfahren nicht ausdrücklich behandelte Gesichtspunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 1. Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs . . . . . . . . . . . 202 a) Entscheidung zum Stiftungsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 b) Entscheidung zur Naturdenkmal-Verordnung des Landratsamtes Ebersberg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 c) Entscheidung zum Mediengesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 d) Entscheidung zur Ausbaubeitragssatzung der Stadt Cham . . . . . . . . . 204 e) Entscheidung zum Gesundheitsschutzgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 2. Bewertung der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 V. Lediglich erweiternde Ausführungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 1. Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs . . . . . . . . . . . 207 2. Bewertung der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 D. Neue bislang nicht gewürdigte Tatsachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 I. Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs . . . . . . . . . . . . . . . . 208 II. Bewertung der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 E. Neben der Sache liegende oder sonst nicht beachtenswerte Ausführungen . . . . . 209 I. Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs . . . . . . . . . . . . . . . . 209 II. Bewertung der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 § 28 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209

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Inhaltsverzeichnis 6. Kapitel Missbrauch des Klagerechts

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§ 29 Tatsächliche Bedeutung in der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 § 30 Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 A. Begründung der Möglichkeit des Missbrauchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 B. Anwendungsbereich im Popularklageverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 I. Missbrauch und Geltendmachung einer offensichtlich nicht einschlägigen Grundrechtsnorm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 II. Missbrauch und Antragsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 III. Missbrauch und fehlende Selbstbetroffenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 IV. Missbrauch und Antragsteller als Begünstigter der Norm . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 § 31 Bewertung der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 A. Begründung der Möglichkeit des Missbrauchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 I. Keine Regelung in der BV und dem BayVerfGHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 II. Anwendbarkeit des Art. 30 Abs. 1 BayVerfGHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 III. Missbrauchsverbot als allgemeiner Rechtsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 B. Anwendungsbereich im Popularklageverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 I. Missbrauch und Geltendmachung einer offensichtlich nicht einschlägigen Grundrechtsnorm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 II. Missbrauch und Antragsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 III. Missbrauch und fehlende Selbstbetroffenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 IV. Missbrauch und Antragsteller als Begünstigter der Norm . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 V. Missbrauch und Popularklage im Allgemeinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 1. Möglichkeit der missbräuchlichen Klageerhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 2. Popularklage und missbräuchliche Antragstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 a) Missbrauch des Antragsrechts und substantiierte Darlegung der Grundrechtsverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 b) Missbrauch des Antragsrechts und offensichtliche Unbegründetheit 222 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 C. Missbrauch der Klagebefugnis und Systematik des BayVerfGHG . . . . . . . . . . . . . 223 I. Art. 27 Abs. 1 BayVerfGHG als „Missbrauchsgebühr“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223

Inhaltsverzeichnis

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II. Unzulässigkeit als Folge des „Missbrauchs“ in der Systematik des BayVerfGHG nicht erforderlich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 § 32 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 7. Kapitel Verwirkung der Antragsbefugnis

228

§ 33 Tatsächliche Bedeutung in der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 § 34 Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 A. Begründung einer möglichen Verwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 B. Verwirkung und Neugliederungsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 C. Jüngere Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 I. Entscheidung zu einem Bebauungsplan und einer Veränderungssperre des Marktes Gaimersheim . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 II. Entscheidung über die Eingliederung der Gemeinde Pleinting in die Stadt Vilshofen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 III. Entscheidung zur Flächeneingliederung in die Gemeinde Hohenlinden . . . 232 IV. Entscheidung zum Bebauungsplan der Gemeinde Gmund am Tegernsee . . . 233 V. Entscheidung zum Bebauungsplan der Gemeinde Irschenberg . . . . . . . . . . . . 235 § 35 Bewertung der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 A. Begründung der möglichen Verwirkung der Antragsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 I. Keine Normierung der Verwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 II. Verwirkung als Rechtsinstitut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 1. Begründung des Rechtsinstituts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 a) Grundsatz von Treu und Glauben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 b) Rechtsstaatsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 2. Voraussetzungen für das Vorliegen einer Verwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 3. Verwirkung prozessualer Befugnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 4. Verwirkung der Antragsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 5. Vorliegen einer Regelungslücke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 6. Verfahrensrechtliche Besonderheiten der Popularklage . . . . . . . . . . . . . . . 242 a) Begründung des Rechtsinstituts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 (1) Rechtssicherheit schützt nicht den Normgeber . . . . . . . . . . . . . . . . 243

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Inhaltsverzeichnis (2) Rechtssicherheit der Normunterworfenen erfordert keine Verwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 (3) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 b) Voraussetzungen der Verwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 (1) Vertrauen und Antragsberechtigung von „jedermann“ . . . . . . . . (a) Kein Vertrauenstatbestand zwischen Antragsteller und Gericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Kein Vertrauenstatbestand zwischen Antragsteller und Normgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Kein Vertrauenstatbestand zwischen Antragsteller und Normbegünstigten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

247 248 248 249

(2) Verhalten des konkreten Antragstellers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 (3) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 B. Entscheidungen zu Gebietsreformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 I. Hintergrund der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 II. Auch andere prozessuale Lösung wäre denkbar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 C. Entscheidungen zu Bebauungsplänen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 I. Uneinheitliche Einordnung von Bebauungsplänen bei der Unterscheidung als Organisationsakt oder Norm mit fortlaufender Auswirkung . . . . . . . . . . . 255 II. Bebauungsplan hat fortlaufende Auswirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 § 36 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 8. Kapitel Rechtsschutzinteresse – Rechtsschutzbedürfnis – Klarstellungbedürfnis

258

§ 37 Tatsächliche Bedeutung in der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 § 38 Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 A. Ältere Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 I. Grundsätzlich kein Rechtsschutzinteresse erforderlich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 II. Mögliche Ausnahmefälle für das Erfordernis eines Rechtsschutzinteresses

260

1. Rechtsschutzinteresse und unzulässige Wiederholung . . . . . . . . . . . . . . . . 260 2. Rechtsschutzinteresse und aufgehobene Norm als Verfahrensgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 3. Rechtsschutzinteresse und Entscheidung ohne unmittelbare rechtliche Auswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261

Inhaltsverzeichnis

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B. Jüngere Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 I. Entscheidung zu einem Bebauungsplan der Gemeinde Ofterschwang . . . . . 262 II. Entscheidung zum Verbot politischer Rundfunkwerbung bei Volksbegehren und Volksentscheiden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 III. Einstellung eines Popularklageverfahrens zum Glücksspielwesen . . . . . . . . . 264 IV. Entscheidung zu einem Bebauungsplan der Stadt Sonthofen . . . . . . . . . . . . . . 265 V. Entscheidung zu Übergangsregelungen der JAPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 C. Begründung des Erfordernisses eines Rechtsschutzbedürfnisses . . . . . . . . . . . . . . . 266 § 39 Bewertung der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 A. Begründung des Erfordernisses eines Rechtsschutzbedürfnisses . . . . . . . . . . . . . . . 266 I. Heranziehung der VwGO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 II. Heranziehung der ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 III. Allgemeiner Prozessgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 1. Begründung der Sachurteilsvoraussetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 2. Voraussetzungen für das Vorliegen der Sachurteilsvoraussetzung . . . . . 270 3. Grundsätzliche Kritik am Rechtsschutzinteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 4. Kein Raum für Rechtsschutzinteresse, wenn andere Sachurteilsvoraussetzung in Frage steht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 5. Vorwegnahme der Sachentscheidung durch das Rechtsschutzinteresse 273 6. Grundsätzliche Unterschiede zwischen den Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . 274 a) Subjektive Gesichtspunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 b) Objektive Gesichtspunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 7. Vorliegen einer Regelungslücke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 B. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 I. Ältere Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 II. Jüngere Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 III. Sonstige Fälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 § 40 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 9. Kapitel Prüfungsmaßstab

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§ 41 Prüfungsmaßstab und Bayerische Verfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 A. Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 B. Bewertung der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285

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§ 42 Prüfungsmaßstab und Bundesrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 A. Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 I. Prüfung eines Verstoßes gegen Bundesrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 1. Keine unmittelbare Prüfung anhand bundesrechtlicher Normen . . . . . . 286 2. Prüfung eines Verstoßes gegen das Rechtsstaatsgebot aufgrund eines Verstoßes gegen Bundesrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 3. Keine mittelbare Prüfung anhand der Handlungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . 289 4. Keine einfachrechtliche Normenkontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 II. Vorlagepflicht gemäß Art. 100 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 III. Rechtswirksamkeit der Normen der Bayerischen Verfassung . . . . . . . . . . . . . 292 B. Bewertung der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 I. Prüfung eines Verstoßes gegen Bundesrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 1. Keine unmittelbare Prüfung anhand bundesrechtlicher Normen . . . . . . 292 2. Prüfung eines Verstoßes gegen das Rechtsstaatsgebot aufgrund eines Verstoßes gegen Bundesrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 a) Grundsätzliche Kritik Jochen Rozeks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 b) Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip als materiell-rechtliche Frage 293 c) Verzicht auf mittelbare Prüfung als vorzugswürdige Lösung . . . . . . . 294 II. Keine Vorlagepflicht gemäß Art. 100 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 III. Rechtswirksamkeit der Normen der Bayerischen Verfassung . . . . . . . . . . . . . 298 § 43 Prüfungsmaßstab und Recht der Europäischen Union . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 A. Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 I. Keine unmittelbare Prüfung anhand europarechtlicher Regelungen . . . . . . . 299 II. Keine Vorlagepflicht gemäß Art. 267 AEUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 B. Bewertung der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 I. Keine unmittelbare Prüfung anhand europarechtlicher Regelungen . . . . . . . 302 II. Keine Vorlagepflicht gemäß Art. 267 AEUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 III. Rechtswirksamkeit der Normen der Bayerischen Verfassung . . . . . . . . . . . . . 304 § 44 Prüfungsmaßstab und einfaches Landesrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 A. Ordnungsgemäße Durchführung eines Volksgesetzgebungsverfahrens . . . . . . . . . 304 I. Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs . . . . . . . . . . . . . . . . 304 II. Bewertung der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305

Inhaltsverzeichnis

27

B. Bestehen und Einhalten der landesrechtlichen Ermächtigungsgrundlage . . . . . . . 306 I. Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs . . . . . . . . . . . . . . . . 306 II. Bewertung der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 1. Materiell-rechtliche Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 2. Prozessrechtliche Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 a) Mittelbarer Grundrechtsverstoß als Frage der Zulässigkeit . . . . . . . . . 310 b) Mittelbarer Grundrechtsverstoß als Frage der Begründetheit . . . . . . . 311 § 45 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 10. Kapitel Rüge der Verletzung des gemeindlichen Selbstverwaltungsrechts

313

§ 46 Tatsächliche Bedeutung in der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 § 47 Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 A. Nur Gemeinden können Popularklage auf Selbstverwaltungsrecht stützen . . . . . 314 B. Nur selbst betroffene Gemeinden können Popularklage auf Selbstverwaltungsrecht stützen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 C. Einschränkung des Prüfungsmaßstabes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 I. Ausschluss des gemeindlichen Selbstverwaltungsrechts aus dem Prüfungsmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 II. Materielle Prüfung des Selbstverwaltungsrechts bei entsprechendem Willen der Gemeinde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 D. Begründung der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318 E. Jüngere Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 I. Klagebefugnis bei generell für alle Gemeinden geltenden Vorschriften . . . . 319 1. Entscheidung I zum Schulfinanzierungsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 2. Entscheidung zum Bestattungsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320 3. Entscheidung zum Finanzausgleichsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320 4. Entscheidung II zum Schulfinanzierungsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320 5. Entscheidung zum kommunalen Finanzausgleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 II. Popularklage kann auch auf Verletzung des Konnexitätsprinzips gestützt werden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 III. Prüfungsmaßstab bei generell für alle Gemeinden geltenden Vorschriften . . . 322 1. Entscheidung zur Gebietsreform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322

28

Inhaltsverzeichnis 2. Entscheidung zur Einführung des kommunalen Bürgerentscheids . . . . 323 3. Entscheidung zu einer Satzung der Zusatzversorgungskasse . . . . . . . . . . 324 4. Entscheidung zum Büchergeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324

§ 48 Bewertung der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 A. Begründung der Einschränkung der Klagebefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 I. Rechtliche Grundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 1. Keine Regelung in der BV und im BayVerfGHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 2. Vorschriften der VwGO oder ZPO sowie allgemeine Rechtsgrundsätze nicht anwendbar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326 II. Erforderlichkeit einer rechtlichen Grundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326 III. Popularklagen von Körperschaften des öffentlichen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . 327 IV. Einschränkende Rechtsprechung nicht erforderlich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 1. Selbstverwaltungsrecht der Gemeinden und Kommunalverfassungsbeschwerde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 2. Popularklage und Selbstbestimmungsrecht der Gemeinden . . . . . . . . . . . 328 V. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 B. Systemwidrige Folgen der Einschränkung der Klagebefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 C. Jüngere Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 I. Klagebefugnis bei generell für alle Gemeinden geltenden Normen . . . . . . . . 331 1. Die zitierten Entscheidungen führen nicht weiter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 a) BayVerfGHE 12, 48 (55 f.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 b) BayVerfGHE 45, 33 (40) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332 c) BayVerfGHE 47, 165 (171) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332 2. Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332 II. Konnexitätsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 1. Grundsätze des Konnexitätsprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 2. Die Rechtslage in Bayern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 3. Konnexitätsprinzip und Selbstverwaltungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334 4. Folge des Fehlens einer angemessenen Kostendeckungsregelung . . . . . 335 5. Tatsächliche Bedeutung für die Popularklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335 III. Einschränkung des Prüfungsmaßstabs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336 § 49 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337

Inhaltsverzeichnis

29

11. Kapitel Entscheidung

339

§ 50 Nichtigerklärung ex tunc . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339 § 51 Verfassungswidrigerklärung ohne Nichtigerklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339 A. Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339 I. Begründung des Verzichts auf die Nichtigerklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341 1. Bestehen verschiedener Regelungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341 2. Vermeidung eines verfassungsferneren Zustandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342 3. Faktische Unmöglichkeit der rückwirkenden Bereinigung . . . . . . . . . . . . 342 4. Erstmaliges Erkennen der Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343 II. Treffen einer Übergangsregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343 B. Bewertung der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344 I. Verzicht auf Nichtigerklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344 II. Treffen einer Übergangsregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346 § 52 Abweisung mit der Maßgabe verfassungskonformer Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349 A. Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349 B. Bewertung der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 350 12. Kapitel Einstellung des Verfahrens

351

§ 53 Tatsächliche Bedeutung in der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351 § 54 Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351 § 55 Bewertung der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 353 13. Kapitel Kosten

354

§ 56 Auslagenerstattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354 A. Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354 I. Erklärung für verfassungswidrig oder nichtig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354 II. Erklärung für nur in bestimmter Auslegung verfassungsgemäß . . . . . . . . . . . 355

30

Inhaltsverzeichnis III. Verfahrenseinstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356 IV. Keine Auslagenerstattung für Normgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357 B. Bewertung der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 358

§ 57 Missbrauchsgebühr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 A. Tatsächliche Bedeutung in der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 B. Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 360 I. Entscheidung zum Landeswahlgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 360 II. Entscheidung zu Körperschaftsrechten der Kirchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 360 III. Entscheidung zum Kirchensteuergesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361 IV. Entscheidung über eine erneute Popularklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361 V. Entscheidung zur Ausgliederung von Ortsfluren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 362 VI. Entscheidung zum Nationalparkplan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 362 VII. Entscheidung zur Gebührenpflicht bei einem Kirchenaustritt . . . . . . . . . . . . . 363 VIII. Entscheidung zum Rauchverbot in Gaststätten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363 C. Bewertung der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365 14. Kapitel Zusammenfassung

366

Anhang

369

Übersicht I: Entscheidungen in Popularklageverfahren in den Jahren 1995 bis 2011 . . . . . 369 Übersicht II: Einstellungen von Popularklageverfahren in den Jahren 1995 bis 2011 . . . . 393 Übersicht III: Änderungen der Bayerischen Verfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 396

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 399

Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 420

Abkürzungsverzeichnis Abs.

Absatz

a. d.

an der

AEUV

Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union

a. F.

alte Fassung

AfP

Archiv für Presserecht

AGBG

Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen

Alt.

Alternative

AöR

Archiv des öffentlichen Rechts

Art.

Artikel

Aufl.

Auflage

AuR

Agrar- und Umweltrecht

Az.

Aktenzeichen

Bad.-Württ.

Baden-Württemberg

BauGB

Baugesetzbuch

BauR

Zeitschrift für das gesamte öffentliche und private Baurecht

bayer.

bayerische[m]

BayAGSGB

Bayerisches Gesetz zur Ausführung des Sozialgesetzbuches

BayAGVwGO

Bayerisches Gesetz zur Ausführung der Verwaltungsgerichtsordnung

BayBG

Bayerisches Beamtengesetz

BayBO

Bayerische Bauordnung

Bayer.

Bayerischem

BayEUG

Bayerisches Gesetz über das Erziehungs- und Unterrichtswesen

BayFAG

Bayerisches Finanzausgleichsgesetz

BayGLKrWG

Bayerisches Gemeinde- und Landkreiswahlgesetz

BayGO

Bayerische Gemeindeordnung

BayHSchG

Bayerisches Hochschulgesetz

BayKAG

Bayerisches Kommunalabgabengesetz

BayKiG

Bayerisches Kindergartengesetz

BayLErzGG

Bayerisches Landeserziehungsgeldgesetz

BayLKrO

Bayerische Landkreisordnung

BayLStVG

Bayerisches Landesstraf- und Verordnungsgesetz

32

Abkürzungsverzeichnis

BayLWG

Bayerisches Landeswahlgesetz

BayNatSchG

Bayerisches Naturschutzgesetz

BayRS

Bayerische Rechtssammlung

BaySchwBerG

Bayerischen Schwangerenberatungsgesetzes

BayStG

Bayerisches Stiftungsgesetz

BayStGH

Bayerischer Staatsgerichtshof

BayVBl.

Bayerische Verwaltungsblätter

BayVerfGH

Bayerischer Verfassungsgerichtshof

BayVerfGHE

Sammlung von Entscheidungen des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs

BayVerfGHG

Gesetz über den Bayerischen Verfassungsgerichtshof

BayVGH

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

BayVGHE n. F.

Sammlung von Entscheidungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs Neue Folge

BayVSG

Bayerisches Verfassungsschutzgesetz

BayWG

Bayerisches Wassergesetz

BErzGG

Bundeserziehungsgeldgesetz

BGB

Bürgerliches Gesetzbuch

BGBl

Bundesgesetzblatt

BGBl.

Bundesgesetzblatt

BGH

Bundesgerichtshof

BGHZ

Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen

BNotO

Bundesnotarordnung

BRRG

Beamtenrechtsrahmengesetz

BT-Drs.

Drucksache des Deutschen Bundestags

BtPrax

Betreuungsrechtliche Praxis

BV

Bayerische Verfassung

BVerfG

Bundesverfassungsgericht

BVerfGE

Sammlung der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts

BVerfGG

Bundesverfassungsgerichtsgesetz

BVerfGK

Sammlung von Kammerentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts

BVerwG

Bundesverwaltungsgericht

BVerwGE

Sammlung der Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts

BVG

Bundesversorgungsgesetz

BWGZ

Die Gemeinde – Zeitschrift für die Städte und Gemeinden

bzw.

beziehungsweise

ca.

circa

CR

Computer und Recht

Abkürzungsverzeichnis

33

CSU

Christlich-Soziale Union

ders.

derselbe

Der Staat

Zeitschrift für Staatslehre, öffentliches Recht und Verfassungsgeschichte

d. h.

das heißt

DJZ

Deutsche Juristen-Zeitung

DÖV

Die Öffentliche Verwaltung

DRZ

Deutsche Rechts-Zeitschrift

DuD

Datenschutz und Datensicherheit

DVBl

Deutsches Verwaltungsblatt

DVP

Deutsche Verwaltungspraxis

EAV

Vertrag zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft

EG

Europäische Gemeinschaften

EGKS

Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl

EGMR

Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte

EGV

Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften

einschl.

einschließlich

EMRK

Europäische Menschenrechtskonvention

Erl.

Erläuterung

EuG

Gericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften

EuGH

Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften auch: Gerichtshof der Europäischen Union

EuGHE

Sammlung der Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften

EuGRZ

Europäische Grundrechte Zeitschrift

EuR

Europarecht

EUV

Vertrag über die Europäische Union

EuZA

Europäische Zeitschrift für Arbeitsrecht

EuZW

Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht

e.V.

eingetragener Verein

EWGV

Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft

f.

folgende [Seite]

FamRZ

Zeitschrift für das gesamte Familienrecht

FDP

Freie Demokratische Partei

ff.

folgende [Seiten]

FG

Festgabe

FGG

Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit

FGO

Finanzgerichtsordnung

FS

Festschrift oder Forum Strafvollzug

34 Fußn.

Abkürzungsverzeichnis Fußnote

GA

Goltdammer’s Archiv für Strafrecht

GeschOVerfGH

Geschäftsordnung des Verfassungsgerichtshofs für den Freistaat Bayern

GewA

Gewerbearchiv

GG

Grundgesetz

ggf.

gegebenenfalls

GLKrWG

Bayerisches Gemeinde- und Landkreiswahlgesetz

GO

Gemeindeordnung

GS

Gedächtnisschrift

GSG

Gesundheitsschutzgesetz

GVBl

Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt

GVBl.

Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt

GVG

Gerichtsverfassungsgesetz

GWG

Gemeindewahlgesetz

HGR

Handbuch der Grundrechte

HStGHG

Hessisches Gesetz über den Staatsgerichtshof

HStR

Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland

HV

Verfassung des Landes Hessen

HVM

Honorarverteilungsmaßstab

i.V. m.

in Verbindung mit

JA

Juristische Arbeitsblätter

JAPO

Ausbildungs- und Prüfungsordnung für Juristen

JOR

Jahrbuch für Ostrecht

JöR

Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart

JuS

Juristische Schulung

JZ

Juristenzeitung

KirchE

Entscheidungen in Kirchensachen seit 1946

KirchStG

Kirchensteuergesetz

KommJur

Kommunaljurist

LbV

Laufbahnverordnung

LKrO

Landkreisordnung

LKV

Landes- und Kommunalverwaltung

LS

Leitsatz [Leitsätze]

LT-Drs.

Drucksache des Bayerischen Landtags

LVerfG

Landesverfassungsgerichtsbarkeit

LVerfGE

Entscheidungen der Verfassungsgerichte der Länder Baden-Württemberg, Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Hessen, MecklenburgVorpommern, Niedersachsen, Saarland, Sachsen-Anhalt, Thüringen

Abkürzungsverzeichnis

35

LVG

Landesverfassungsgerichtsbarkeit

LWG

Landeswahlgesetz

MarkenG

Markengesetz

MittBayNot

Mitteilungen des Bayerischen Notarvereins, der Notarkasse und der Landesnotarkammer Bayern

n. F.

neue Fassung

NJW

Neue Juristische Wochenschrift

Nr.

Nummer

Nrn.

Nummern

NuR

Natur und Recht

NVwZ

Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht

NVwZ-RR

Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht, Rechtsprechungs-Report

NZBau

Neue Zeitschrift für Baurecht und Vergaberecht

NZS

Neue Zeitschrift für Sozialrecht

OVGE

Entscheidungen der Oberverwaltungsgerichte für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster und für das Land Niedersachsen in Lüneburg mit Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofes NordrheinWestfalen und des Niedersächsischen Staatsgerichtshofs

PartG

Parteiengesetz

PatG

Patentgesetz

RdL

Recht der Landwirtschaft

RdV

Recht der Datenverarbeitung

RegBl.

Regierungsblatt

RGZ

Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen

Rn.

Randnummer

S.

Seite[n]

SachsAnhVerfG

Landesverfassungsgericht Sachsen-Anhalt

SchKG

Schwangerschaftskonfliktgesetz

Sen-Drs

Drucksache des Bayerischen Senats

SGB IV

Sozialgesetzbuch Viertes Buch

SGB V

Sozialgesetzbuch Fünftes Buch

SGG

Sozialgerichtsgesetz

s. o.

siehe oben

Sp.

Spalte

SPD

Sozialdemokratische Partei Deutschlands

StAnz

Staatsanzeiger

Sten. – Ber.

Stenographische Berichte

StG

Stiftungsgesetz

StGB

Strafgesetzbuch

36

Abkürzungsverzeichnis

StGH

Staatsgerichtshof

StGH Bad.-Württ.

Staatsgerichtshof für das Land Baden-Württemberg

TVG

Tarifvertragsgesetz

u. a.

und andere[s / m]

UKlaG

Unterlassungsklagengesetz

U. S.

United States

usw.

und so weiter

Verf.

Verfassung

VerfGH

Bayerischer Verfassungsgerichtshof auch: Sammlung von Entscheidungen des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs

VerfWB

Verfassung des Landes Württemberg-Baden

VerwRspr

Verwaltungsrechtsprechung in Deutschland

Vf.

Verfahren

VfG Bbg

Verfassungsgericht des Landes Brandenburg

VfGHG

Verfassungsgerichtshofgesetz

VGH

Verwaltungsgerichtshof [auch: Verfassungsgerichtshof]

vgl.

vergleiche

v. H.

vom Hundert

VO

Verordnung

Vorb

Vorbemerkungen

VR

Verwaltungsrundschau

VwGO

Verwaltungsgerichtsordnung

WAV

Wirtschaftliche Aufbau-Vereinigung

WHG

Wasserhaushaltsgesetz

WissR

Wissenschaftsrecht

WRV

Weimarer Reichsverfassung

z. B.

zum Beispiel

ZBR

Zeitschrift für Beamtenrecht

ZDF-StV

Staatsvertrag über die Errichtung der Anstalt des öffentlichen Rechts „Zweites Deutsches Fernsehen“

ZfBR

Zeitschrift für deutsches und internationales Bau- und Vergaberecht

ZFSH / SGB

Zeitschrift für Sozialhilfe und Sozialgesetzbuch

ZIP

Zeitschrift für Wirtschaftsrecht

ZPO

Zivilprozessordnung

ZUM

Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht

ZUR

Zeitschrift für Umweltrecht

ZZP

Zeitschrift für Zivilprozeß

1. Kapitel

Grundlagen § 1 Natur und Funktion der Popularklage „Die Popularklage ist ein besonders schönes Beispiel für einen bürgernahen Rechtsstaat, der keine Scheu davor hat, jedem Bürger und jeder Bürgerin die Möglichkeit zu geben, gegen ein Gesetz mit der Behauptung zu klagen, es verletze die Grundrechte. Und dies auch noch grundsätzlich kostenlos und ohne Anwaltszwang.“1 Diese Worte beschreiben die Bayerische Popularklage sehr anschaulich, deren wesentliches Merkmal es ist, dass sie jedermann2 erheben kann, ohne die Verletzung eigener Grundrechte durch die angegriffene Norm rügen zu müssen.3 Da im Rahmen der Popularklage eine ausdrückliche Entscheidung über die Gültigkeit einer Norm erfolgt, ist sie eine prinzipale Normenkontrolle.4 Weil sie ohne Bezug auf einen Rechtsanwendungsfall unmittelbar zu dieser Entscheidung führt, ist das Verfahren ein abstraktes.5 Sie erfasst materielle Rechtsnormen des bayerischen Landesrechts, die Grundrechte der Bayerischen Verfassung in verfassungswidriger Weise einschränken. Der Wesensgehalt der Popularklage ist der Schutz der Grundrechte gegen Akte der Normsetzung.6 Das Verfahren ist kein kontradiktorisches Parteienverfahren; es kennt lediglich einen Antragsteller, aber weder einen Antragsgegner noch sich streitig gegenüberstehende Parteien.7 Von entscheidender Bedeutung ist8, dass die Beschwerde gemäß Art. 55 Abs. 1 Satz 1 BayVerfGHG „jedermann“ erheben kann. Die Verletzung eines eigenen sub1 Lindner, Unser Bayern, Beilage der Bayerischen Staatszeitung, August / September 2006, S. 126. 2 Vgl. hierzu ausführlich 2. Kapitel: Antragsberechtigung (S. 86). 3 Sodan, in: Merten / Papier, HGR III, § 84 Rn. 34. 4 Vgl. Heckmann, Geltungskraft und Geltungsverlust von Rechtsnormen, S. 404; Stern, FS Schäfer, S. 59 Fußn. 2; Ziekow, Forschungssymposium Ule, S. 47 (48). 5 Vgl. Maunz / Papier, in: Berg / Knemeyer / Papier / Steiner, Rn. 251, Ziekow, Forschungssymposium Ule, S. 47 (48); sowie Knöpfle, in: Nawiasky / Schweiger / Knöpfle, BV, Art. 98 Satz 4, Rn. 3; vgl. auch Fleury, Rn. 134; Schumann, FS 25 Jahre BayVerfGH, S. 281 (287). 6 Vgl. Domcke, in: Starck / Stern, LVG II, S. 231 (233); Hoppe, in: Starck / Stern, LVG II, S. 259 (274); Schumann, FS 25 Jahre BayVerfGH, S. 281 (287). 7 Vgl. Maurer, FS Hangartner, S. 247 (264); Söhn, FG 25 Jahre BVerfG, Band I, S. 292 (304) – jeweils zur abstrakten Normenkontrolle zum BVerfG. 8 Oswald, VR 1980, 13 (14).

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1. Kap.: Grundlagen

jektiven Rechts ist hierfür nicht erforderlich.9 Der Beschwerdeführer muss weder gegenwärtig noch unmittelbar betroffen sein10, die angefochtene Rechtsvorschrift braucht ihn nicht zu berühren11. Somit kann grundsätzlich jeder jede Norm des bayerischen Landesrechts anfechten. Deshalb trägt sie die Bezeichnung „Popularklage“.12 Eine Einschränkung der Antrags- oder Klagebefugnis kennt die Popularklage ebenso wenig13 wie eine Antragsfrist. Zur Funktion der Popularklage führt der Bayerische Verfassungsgerichtshof in Übereinstimmung mit der Literatur14 aus: „Die Popularklage dient nicht in erster Linie dem Schutz der verfassungsmäßigen Rechte des einzelnen, sondern bezweckt im öffentlichen Interesse den Schutz der Grundrechte als Institution.“15

Es handelt sich somit um ein objektives Verfahren16. Dies schließt jedoch nicht aus, dass sie auch den subjektiven Interessen des Antragstellers dient. Denn die Bewährung der Rechtsordnung und Individualrechtsschutz sind gleichsam „verschiedene Seiten einer Medaille“.17 Individueller Eigennutz und gesellschaftlicher Nutzen stimmen insofern überein.18 Soweit eine Popularklage auf Antrag einer von der angegriffenen Norm betroffenen Person erfolgt, dient sie als Rechtsschutzverfahren.19 Daher kommt die Popularklage auch dem einzelnen Bürger zugute.20 Denn 9 BayVerfGHE 5, 166 (189); 5, 196 (200); 7, 69 (73, 75); 18, 166 (172); 28, 88 (94); 28, 143 (155 f.); 29, 1 (3); 32, 45 (48); 32, 56 (62 f.); 32, 106 (110); 33, 1 (6 f.); 35, 148 (153); 36, 56 (61); 42, 11 (15); 62, 71 (77); Domcke, in: Starck / Stern, LVG II, S. 231 (233); Fleury, Rn. 140; Hoppe, in: Starck / Stern, LVG II, S. 259 (274); Knöpfle, in: Nawiasky / Schweiger / Knöpfle, BV, Art. 98 Satz 4 Rn. 28; Meder, BV, Art. 98 Rn. 7; Pestalozza, Verfassungsprozeßrecht, § 23 Rn. 106. 10 BayVerfGHE 18, 51 (55); 54, 109 (133); 62, 71 (77); BayVerfGH BayVBl. 2007, 689; BayVerfGH Entscheidung vom 15. 12. 2009, Vf. 6-VII-09, veröffentlicht in juris, ebenda Rn. 30 (insoweit nicht veröffentlicht in NVwZ 2010, 580 und ZfBR 201, 139). 11 BayVerfGHE 18, 166 (172); 28, 88 (94); 35, 148 (155); 36, 56 (61); K. Huber, BayVBl. 2010, 389 (393); Knöpfle, in: Nawiasky / Schweiger / Knöpfle, BV, Art. 98 Satz 4 Rn. 28. 12 Vgl. Halfmeier, S. 29; Knöpfle, BayVBl. 1984, S. 257 (260). 13 Vgl. Pestalozza, Verfassungsprozeßrecht, § 23 Rn. 106; vgl. aber unten 10. Kapitel: Rüge der Verletzung des gemeindlichen Selbstverwaltungsrechts (S. 313). 14 Vgl. Heyde, in: Starck / Stern, LVG II, S. 1 (10); K. Huber, BayVBl. 2008, 65 (68); Kempen, in: Becker / Heckmann / Kempen / Manssen, 1. Teil Rn. 219; Pestalozza, Verfassungsprozeßrecht, § 23 Rn. 90; Wolff, in: Lindner / Möstl / Wolff, BV, Art. 98 Rn. 8. 15 BayVerfGHE 33, 1 (7); vgl. auch BayVerfGHE 25, 45 (47); 36, 56 (61); 48, 46 (49). 16 Hoppe, in: Starck / Stern, LVG II, S. 257 (274); Pestalozza, Verfassungsprozeßrecht, § 23 Rn. 90; Wolff, in: Lindner / Möstl / Wolff, BV, Art. 98 Rn. 8. 17 Brehm, in: Stein / Jonas, ZPO, 22. Aufl., vor § 1 Rn. 12.; auch Maurer weist darauf hin, objektive Rechtskontrolle und subjektiver Rechtsschutz ließen sich in der Praxis nicht eindeutig trennen (Maurer, FS Kern, S. 275 [287 f.]). 18 Vgl. Halfmeier, S. 333. 19 Vgl. Kopp / Schenke, VwGO, § 47 Rn. 3 – zu § 47 VwGO. 20 Kreim, S. 62; vgl. auch Lindner, Bayerisches Staatsrecht, Rn. 490.

§ 2 Geschichtliche Wurzeln der Popularklage

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dieser kann nicht nur vor Akten der Exekutive gerichtlichen Schutz anrufen, sondern auch schon vor einer unmittelbaren Selbstbetroffenheit legislatives Unrecht anfechten21 und damit eigene Interessen verfolgen.22 Dennoch dient der verfassungsgerichtliche Schutz der Popularklage „nicht in erster Linie“23 dem Einzelnen, sondern den verfassungsrechtlichen Institutionen der Grundrechte als solcher.24 In verfahrensrechtlicher Hinsicht steht diese objektive Funktion im Vordergrund. Die abstrakte Normenkontrolle ist dabei mit einer endgültigen Klärung der verfassungsrechtlichen Lage verbunden und dient dem Rechtsfrieden sowie der Rechtssicherheit.25 Im Gegensatz hierzu dient beispielsweise die Verfassungsbeschwerde nach Art. 120 BV dem Schutz der verfassungsmäßigen Rechte des Einzelnen26; sie ist ein subjektives Verfahren.

§ 2 Geschichtliche Wurzeln der Popularklage A. Die actio popularis des römischen Rechts Bereits das römische Recht kannte die Popularklage – die actio popularis.27 Dieser Begriff bezeichnet eine Klage, die im öffentlichen Interesse ihren eigentlichen Grund und Zweck hatte und von jedem Bürger angestrengt werden konnte. Solche Klagen kannte beispielsweise das römische Strafrecht.28 Diese actiones populares unterstützten die Ausübung der Gerichtsgewalt. Darüber hinaus kamen sie zur Anwendung, um die sichere Nutzung der öffentlichen Sachen und Plätze zu garantieren sowie um das ius sacrum, das Heilige, zu schützen.29

B. Die deutschen Verfassungen vor 1946 Bei einer Betrachtung der deutschen Verfassungen aus den Jahren vor 1946 ist zunächst die – nicht rechtswirksam gewordene30 – Frankfurter Reichsverfassung Kreim, S. 63. Vgl. Halfmeier, S. 7. 23 H. Säcker, in: Bocklet, S. 447 (450). 24 Vgl. etwa BayVerfGHE 36, 56 (61). 25 Söhn, FG 25 Jahre BVerfG, Band I, S. 292 (294); vgl. auch Ziekow, Forschungssymposium Ule, S. 47 (49). 26 BayVerfGHE 36, 56 (61); vgl. auch Schumann, in: Starck / Stern, LVG II, S. 149 (160). 27 Domcke, in: Starck / Stern, LVG II, S. 231 (233); Neugärtner, S. 4; vgl. hierzu die ausführlichen Darstellungen bei Halfmeier, S. 29 ff. und Mommsen, Die Popularklage, in: ders., Gesammelte Schriften, Band III, S. 375 ff. 28 Halfmeier, S. 30 f.; Neugärtner, S. 4; vgl. zur Frage, welche Rolle die Popularklage im heutigen Strafrecht spielen könnte, Hefendehl, GA 144 (1997), S. 119 (119 ff.). 29 Halfmeier, S. 30. 21 22

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1. Kap.: Grundlagen

vom 28. März 1849 interessant. Diese ließ in § 126 Buchstabe f)31 ebenfalls subsidiär Klagen an das Reichsgericht zu, ohne dass der Kläger in eigenen Rechten verletzt sein musste. So konnten Angehörige eines Einzelstaates „gegen die Regierung desselben, wegen Aufhebung oder verfassungswidriger Veränderung der Landesverfassung“ klagen. Das Bundesverfassungsgericht stellt dieses Verfahren in eine Linie mit der Popularklage zum Bayerischen Verfassungsgerichtshof.32 Eine institutionelle abstrakte Normenkontrolle kannten die Verfassungen, die in den deutschen Ländern im 19. Jahrhundert ergingen, nicht. Ein solches Verfahren war dem Landesstaatsrecht unbekannt.33 Gleiches gilt für die Reichsverfassung des Deutschen Reiches von 1871, die keine Verfassungsgerichtsbarkeit vorsah.34 Die Weimarer Reichsverfassung eröffnete in Art. 13 Abs. 235 hingegen eine direkte und abstrakte Normenkontrolle für landesrechtliche Normen im Hinblick auf deren Vereinbarkeit mit dem Reichsrecht.36 Der Sache nach handelte es sich um eine föderative Streitigkeit und einen Akt der Reichsaufsicht.37 Ein Gesetzentwurf, der für reichsrechtliche Normen ein abstraktes Normenkontrollverfahren vorsah, in dem alle Reichsgesetze und Reichsverordnungen auf ihre Vereinbarkeit mit der Reichsverfassung hätten geprüft werden können, scheiterte allerdings.38 Die Weimarer Verfassung kannte keine Möglichkeit für den Bürger, sich mittels einer Verfassungsbeschwerde gegen Eingriffe seitens der öffentlichen Gewalt in seine verfassungsmäßigen Rechte zu wehren.39 In Bayern kann die Verfassungsbeschwerde hingegen auf eine lange Tradition zurückblicken.40 So gestand bereits die Bayerische Verfassung von 1818 dem Bürger Maurer, FS Hangartner, S. 247 (254). § 126 der Verfassung des Deutschen Reiches vom 28. 3. 1849 lautete: „Zur Zuständigkeit des Reichsgerichts gehören:“ … „f) Klagen der Angehörigen eines Einzelstaates gegen die Regierung desselben, wegen Aufhebung oder verfassungswidriger Veränderung der Landesverfassung. […]“ (vgl. etwa Dürig / Rudolf, S. 95 [111 f.]). 32 Vgl. BVerfGE 13, 132 (141); Axel Halfmeier betrachtet Art. 98 Satz 4 BV ebenfalls als in der Tradition dieser Regelung der Paulskirchenverfassung stehend (Halfmeier, S. 301). 33 Hoke, in: Starck / Stern, LVG I, S. 25 (70, 78); vgl. auch Maurer, FS Hangartner, S. 247 (254). 34 C. Bock / W. Bock, LKV 1991, 182 (183); Hoke, in: Starck / Stern, LVG I, S. 25 (70, 78). 35 Art. 13 Abs. 2 WRV lautete: „Bestehen Zweifel oder Meinungsverschiedenheiten darüber, ob eine landesrechtliche Vorschrift mit dem Reichsrecht vereinbar ist, so kann die zuständige Reichs- oder Landeszentralbehörde nach näherer Vorschrift eines Reichsgesetzes die Entscheidung eines obersten Gerichtshofes des Reichs anrufen.“ (vgl. etwa Dürig / Rudolf, S. 176 [179]). 36 Vgl. Hoke, in: Starck / Stern, LVG I, S. 25 [92]). 37 Maurer, FS Hangartner, S. 247 (255). 38 Hoke, in: Starck / Stern, LVG I, S. 25 (95); Maurer, FS Hangartner, S. 247 (258); vgl. zu diesem Gesetzentwurf Külz, DJZ 31 (1926), Sp. 837 ff. 39 C. Bock / W. Bock, LKV 1991, 182 (183). 40 Körner, DÖV 1962, 295; Schäfer, FS 25 Jahre BayVerfGH, S. 259; vgl. zu den Vorläufern und Vorbildern der heutigen Landesverfassungsbeschwerden ausführlich Ebersperger, 30 31

§ 2 Geschichtliche Wurzeln der Popularklage

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ein Beschwerderecht wegen der Verletzung verfassungsmäßiger Rechte zu (Titel VII, § 2141).42 Auch die Bayerische Verfassung von 1919 eröffnete jedem bayerischen Staatsbürger die Möglichkeit, den Staatsgerichtshof mit der Behauptung anzurufen, durch die Tätigkeit einer Behörde in den von der Verfassung garantierten Rechten verletzt zu sein (§ 93 Abs. 143).44 Damit war Bayern das einzige Land der Weimarer Republik, das eine echte Verfassungsbeschwerde kannte.45 Rügefähig war jedoch nur ein Akt einer bayerischen Verwaltungsbehörde, nicht hingegen eines Gerichts oder ein Rechtsetzungsakt.46 So führt der Bayerische Staatsgerichtshof aus: „Abhilfe durch den StGH. ist nicht möglich, wenn eine rechtskräftige Entscheidung eines Strafgerichts oder Zivilgerichts vorliegt.“47

Der Akt eines Gesetzgebungsorgans war ebenfalls kein zulässiger Verfahrensgegenstand.48 Der Bayerische Staatsgerichtshof stellt fest: „In dem Verfahren wegen Verfassungsbeschwerden kann der StGH. nicht einen Anspruch über die Rechtsgültigkeit von Verordnungen fällen, vielmehr kann die Rechtsgültigkeit einer Verordnung nur als Zwischenpunkt geprüft werden, wenn eine in der Verfassungsbeschwerde behauptete Verletzung eines subjektiven Rechtes durch die Verordnung selbst oder durch eine zu ihrem Vollzuge ergangenen Entscheidung der Behörde verursacht worden ist.“49

Popularklagen kannten die Bayerischen Verfassungen von 1818 und 1919 nicht. S. 6 ff.; Schumann, in: Starck / Stern, LVG II, S. 149 (162 ff.); Wintrich, Schutz der Grundrechte durch Verfassungsbeschwerde und Popularklage, S. 4 f. 41 Titel VII, § 21 lautete: „Jeder einzelne Staatsbürger, so wie jede Gemeinde kann Beschwerden über Verletzung der constitutionellen Rechte an die Stände-Versammlung, und zwar an jede der beyden Kammern bringen, welche sie durch den hierüber bestehenden Ausschuß prüft, und findet dieser sie dazu geeignet, in Berathung nimmt.“ Der Wortlaut der Verfassung ist veröffentlicht bei E. R. Huber, Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Band 1, S. 155 ff. und A. Wenzel, S. 23 ff. 42 Vgl. zum Verfahren Knöpfle, BayVBl. 1984, 257 (258). 43 § 93 Abs. 1 lautete: „Jeder Staatsangehörige und jede juristische Person, die in Bayern ihren Sitz hat, haben das Recht der Beschwerde an den Staatsgerichtshof, wenn sie glauben, durch die Tätigkeit einer Behörde in ihrem Recht unter Verletzung dieser Verfassung geschädigt zu sein. Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn vorher ohne Erfolg beim Ministerium um Abhilfe nachgesucht worden oder der Rechtsweg erschöpft ist.“ Der Wortlaut der Verfassung ist veröffentlicht bei E. R. Huber, Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Band 2, S. 155 ff. und A. Wenzel, S. 57 ff. 44 Vgl. zu diesem Verfahren Nawiasky, Bayerisches Verfassungsrecht, S. 457 ff. 45 Hoke, in: Starck / Stern, LVG I, S. 25 (101 f.); E. R. Huber, Verfassungsgeschichte VI, S. 559; Knöpfle, BayVBl. 1984, 257 (258); Rumschöttel, FS 50 Jahre BayVerfGH, S. 137 (147). 46 Ebersperger, S. 12 f.; Hoke, in: Starck / Stern, LVG I, S. 25 (102); E. R. Huber, Verfassungsgeschichte VI, S. 559; Nawiasky, Bayerisches Verfassungsrecht, S. 458. 47 BayStGH, Entscheidung vom 12. Mai 1921, Lammers / Simons, Band III, S. 134 Nr. 5. 48 Hoke, in: Starck / Stern, LVG I, S. 25 (102); E. R. Huber, Verfassungsgeschichte VI, S. 559; Nawiasky, Bayerisches Verfassungsrecht, S. 458. 49 BayStGH, Entscheidung vom 2. Februar 1921, Lammers / Simons, Band III, S. 136 Nr. 8.

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1. Kap.: Grundlagen

C. Die Entstehung der Bayerischen Popularklage I. Entstehung der Bayerischen Verfassung vom 8. Dezember 1946 Die Entstehungsgeschichte der Bayerischen Verfassung vom 8. Dezember 194650 geht in ihren Anfängen auf die amerikanische Besatzungsmacht zurück. So legte die Direktive „Elections in the U. S. Zone“ vom 4. Februar 1946 an die Militärregierungen in Bayern, Groß-Hessen und Württemberg-Baden51 einen straffen Zeitplan für die Verfassungsgebung in den Ländern der amerikanischen Besatzungszone fest52. So sollten die Ministerpräsidenten spätestens am 22. Februar 1946 zur Vorbereitung der Verfassungsgebung eine kleine vorbereitende Verfassungskommission aus Fachleuten ernennen. Desweiteren sollte bis zum 30. Juni 1946 die Wahl von Verfassungsgebenden Landesversammlungen stattfinden, bis zum 15. September 1946 der Entwurfs der Verfassung bei der Militärregierung vorgelegt und bis spätestens 3. November 1946 die Volksabstimmung über die Verfassungen in den drei Ländern kombiniert mit Wahlen zu den Landtagen durchgeführt werden.53 Die Militärregierung für Bayern erteilte dem amtierenden Ministerpräsident Wilhelm Hoegner (SPD) gemäß der Direktive mit Schreiben vom 8. Februar 1946 den Auftrag, einen Vorbereitenden Verfassungsausschuss zu gründen.54 Dies geschah am 22. Februar 1946.55 Die Aufgabe des Ausschusses bestand unter anderen darin, die Diskussion über die neue Verfassung zu beleben, wissenschaftliche Literatur und dokumentarisches Material für die praktische Arbeit der Verfassungsgebenden Landesversammlung zu sammeln und dieser einen Bericht vorzulegen.56 Wilhelm Hoegner selbst hatte im Vorfeld einen Verfassungsentwurf verfasst57 und legte diesen dem Vorbereitenden Verfassungsausschuss zu dessen erster Sitzung vor.58 Der Ausschuss kam vom 8. März 1946 bis zum 24. Juni 1946 zu 15 Sitzun-

Vgl. hierzu auch ausführlich Schumann, in Löhnig, S. 99 (99 ff.). Auszugsweise veröffentlicht in Berding, S. 4 f. 52 Will, S. 44. 53 Vgl. den Abdruck der Direktive in Berding, S. 4 f.; sowie Will, S. 44 f. 54 Verfassungs-Ausschuß, Sten. – Ber., Band I, S. 12; vgl. auch Fait, S. 116; Hoegner, Lehrbuch des Bayerischen Verfassungsrechts, S. 20; ders. BayVBl. 1963, 97. 55 Verfassungs-Ausschuß, Sten. – Ber., Band I, S. 12. 56 Verfassungs-Ausschuß, Sten. – Ber., Band I, S. 12; vgl. auch Fait, S. 116; Hoegner, Lehrbuch des Bayerischen Verfassungsrechts, S. 20. Eine wörtliche Wiedergabe der Aufgaben ist zu finden bei Berding, S. 5, sowie bei Will, S. 44 f. 57 Der Entwurf ist veröffentlicht in Gelberg, Vorbereitender Verfassungsausschuss, S. 41 ff., sowie in Nawiasky / Schweiger / Knöpfle, BV, Nr. Ia. 58 Vorbereitender Verfassungsausschuss, Protokoll der 1. Sitzung vom 8. März 1946, veröffentlicht in Gelberg, Vorbereitender Verfassungsausschuss, S. 77 ff.; vgl. auch Fait, S. 122 f.; E. Schmidt, S. 96 f. 50 51

§ 2 Geschichtliche Wurzeln der Popularklage

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gen zusammen59 und erarbeitete einen Verfassungsentwurf.60 Dieser beruhte im wesentlichen auf dem Entwurf Wilhelm Hoegners.61 Am 30. Juni 1946 wählte das bayerische Volk gemäß einer Weisung der Militärregierung eine Verfassungsgebende Landesversammlung.62 Diese trat am 15. Juli 1946 zu ihrer ersten von zehn Sitzungen63 zusammen und gründete den aus 21 Mitgliedern bestehenden Verfassungs-Ausschuß.64 In diesem fand die eigentliche inhaltliche Beratung der Verfassung statt.65 Grundlage für dessen Beratungen war der Verfassungsentwurf des Vorbereitenden Verfassungsausschusses.66 Der Verfassungs-Ausschuß beendete seine Beratungen nach zweimaliger Lesung mit der 35. Sitzung am 22. Oktober 1946.67 Die Verfassungsgebende Landesversammlung nahm die Verfassung am 26. Oktober 1946 mit 136 gegen 14 Stimmen an.68 Anschließend überreichte General Walter J. Muller von der amerikanischen Militärregierung in Bayern dem Präsidenten des Plenums, Michael Horlacher, ein Schreiben des Leiters der amerikanischen Militärregierung in Deutschland, General Lucius Clay. Dieses sprach der Bayerischen Verfassung die formelle Genehmigung aus.69 Beim Volksentscheid am 1. Dezember 1946 erfuhr die Verfassung die Zustimmung von fast 71 % aller Stimmen.70 Am 2. Dezember 1946 fertigte sie Ministerpräsident Wilhelm Hoegner aus. Die Bayerische Verfassung wurde schließlich am 8. Dezember 1946 im Gesetz- und Verordnungsblatt verkündet71, womit sie in Kraft trat.72 Neben Wilhelm Hoegner prägte Hans Nawiasky entscheidend die Verfassungsgebung. Diese beiden Persönlichkeiten gelten als „Verfassungsväter“.73 Beide waren 59 Vgl. die Protokolle des Vorbereitenden Verfassungsausschusses, veröffentlicht in Gelberg, Vorbereitender Verfassungsausschuss, S. 77 ff. 60 Dieser ist veröffentlicht in Gelberg, Vorbereitender Verfassungsausschuss, S. 223 ff., sowie in Nawiasky / Schweiger / Knöpfle, BV, Nr. Ib. 61 Hoegner, Lehrbuch des Bayerischen Verfassungsrechts, S. 20. 62 Bayerische Verfassungsgebende Landesversammlung, Sten. – Ber., S. 1; Hoegner, Lehrbuch des Bayerischen Verfassungsrechts, S. 20. 63 Bayerische Verfassungsgebende Landesversammlung, Sten. – Ber., S. 1 ff.; vgl. Fait, S. 197. 64 Bayerische Verfassungsgebende Landesversammlung, Sten. – Ber., S. 6. 65 Fait, S. 199. Dies wird aus den Sten. – Ber. der Verfassungsgebenden Landesversammlung sowie den Sten. – Ber. des Verfassungs-Ausschusses deutlich. 66 Fait, S. 205; Gelberg, Vorbereitender Verfassungsausschuss, S. 9. 67 E. Schmidt, S. 108; vgl. Verfassungs-Ausschuß, Sten. – Ber., Band III, S. 745 ff. 68 Bayerische Verfassungsgebende Landesversammlung, Sten. – Ber., S. 238; Hoegner, Lehrbuch des Bayerischen Verfassungsrechts, S. 20 f. 69 Bayerische Verfassungsgebende Landesversammlung, Sten. – Ber., S. 239; E. Schmidt, S. 108. 70 Hoegner, Lehrbuch des Bayerischen Verfassungsrechts, S. 22; E. Schmidt, S. 96 f. 71 GVBl S. 333. 72 Hoegner, Lehrbuch des Bayerischen Verfassungsrechts, S. 22; E. Schmidt, S. 109.

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1. Kap.: Grundlagen

während der nationalsozialistischen Herrschaft in die Schweiz emigriert und arbeiteten dort gemeinsam an Gesetzentwürfen für die demokratische Neugestaltung Bayerns.74 Hans Nawiasky gehörte dem Vorbereitenden Verfassungsausschuss als Sachverständiger an.75 Er nahm an fünf Sitzungen teil und beeinflusste dessen Arbeit wesentlich.76 Ebenso berief ihn der Verfassungs-Ausschuß der Verfassungsgebenden Landesversammlung als beratendes Mitglied.77 Viele Inhalte und Formulierungen der Bayerischen Verfassung gehen auf ihn zurück.78

II. Entstehung des Art. 98 Satz 4 BV Weder der Verfassungsentwurf Wilhelm Hoegners noch der des Vorbereitenden Ausschusses kannten eine dem Art. 98 Satz 4 BV entsprechende Regelung.79 Ebenso wenig enthielten sie eine für alle Grundrechte geltende Beschränkungsklausel, wie sie nun Art. 98 Sätze 1 bis 3 BV regelt,80 sondern sahen bei den meisten Grundrechten vor, dass sie durch Gesetze eingeschränkt werden könnten.81 Die amerikanische Militärregierung drängte allerdings darauf, diese Einzelvorbehalte durch deutliche Schranken für den Gesetzgeber zu modifizieren und dadurch die Grundrechte zu stärken.82 Hintergrund war die Befürchtung, der verfassungsmäßige Schutz der Grundrechte würde von bayerischer Seite unzureichend gesichert.83 Die Amerikaner schlugen daher mit einer Empfehlung vom 6. September 1946 folgende Formulierung vor: „Die durch die Verfassung gewährleisteten Grundrechte dürfen grundsätzlich nicht eingeschränkt werden. Einschränkungen durch Gesetze sind nicht zulässig, es sei denn, daß das Interesse der öffentlichen Sicherheit, Gesundheit und Wohlfahrt es zwingend erfordert. Einschränkungen durch Notverordnungen sind nur noch nach dem Notverordnungsrecht des

73 Vgl. Fait, S. 205; E. Schmidt, S. 136 ff.; vgl. zur Rolle Nawiaskys bei der Verfassungsgebung die ausführliche Darstellung von Zacher, FS 50 Jahre BayVerfGH, S. 307 ff. 74 Hoegner, FS Nawiasky, S. 1; Fiedler, in: Starck / Stern, LVG I, S. 103 (109); E. Schmidt, S. 377 f.; vgl. zum Wirken Nawiaskys auch Günther, BayVBl. 2011, 453 (454). 75 Verfassungs-Ausschuß, Sten. – Ber., Band I, S. 12; vgl. auch Fait, S. 119 f.; Hoegner, Lehrbuch des Bayerischen Verfassungsrechts, S. 20. 76 Gelberg, Vorbereitender Verfassungsausschuss, S. 16; vgl. die Protokolle des Vorbereitenden Verfassungsausschusses, veröffentlicht ebenda S. 77 ff. 77 Verfassungs-Ausschuß, Sten. – Ber., Band I, S. 35. 78 E. Schmidt, S. 378. 79 Die beiden Entwürfe sind veröffentlicht bei Gelberg, Vorbereitender Verfassungsausschuss, S. 41 ff. und S. 223 ff., sowie in Nawiasky / Schweiger / Knöpfle, BV, Nr. Ia und Nr. Ib. 80 Vgl. soeben Fußn. 79 (1. Kapitel) sowie E. Schmidt, S. 227. 81 Vgl. hierzu Pestalozza, in: Nawiasky / Schweiger / Knöpfle, BV, Art. 98 Rn. 2. 82 Vgl. hierzu Fait, S. 512 f.; Pestalozza, in: Nawiasky / Schweiger / Knöpfle, BV, Art. 98 Rn. 5. 83 E. Schmidt, S. 228.

§ 2 Geschichtliche Wurzeln der Popularklage

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Art. … zulässig. Der Verfassungsgerichtshof hat Gesetze und Notverordnungen für nichtig zu erklären, welche Grundrechte verfassungswidrig einschränken.“84

Die Verfassungsgebende Landesversammlung beschloss die Empfehlung mit Abweichungen in der Formulierung in seiner 7. Sitzung am 19. September 1946 als Art. 98. Eine inhaltliche Beratung erfolgte dabei nicht.85 Eine solche fand auch bei den weiteren Beratungen nicht statt; so am 20. September 1946 in der 8. Sitzung der Verfassungsgebenden Landesversammlung, in der diese dem II. Hauptteil „Grundrechte und Grundpflichten“ zustimmte86, am 22. Oktober 1946 in der 35. Sitzung des Verfassungs-Ausschusses87 sowie am 26. Oktober 1946 in der 10. Sitzung der Landesversammlung88, in der diese die Verfassung verabschiedete89. Nicht nur die Sätze 1 bis 3 des Art. 98, sondern auch dessen Satz 4 erfuhren leichte Änderungen, die wohl auf Wilhelm Hoegner zurückgehen90 und von der vom Verfassungs-Ausschuß eingesetzten Redaktionskommission – bestehend aus Hans Erhard, Wilhelm Hoegner und Hans Nawiasky91 – vorgenommen wurden92. Art. 98 BV erhielt schließlich folgende Fassung: „Die durch die Verfassung gewährleisteten Grundrechte dürfen grundsätzlich nicht eingeschränkt werden. Einschränkungen durch Gesetz sind nur zulässig, wenn die öffentliche Sicherheit, Sittlichkeit, Gesundheit und Wohlfahrt es zwingend erfordern. Sonstige Einschränkungen sind nur unter den Voraussetzungen des Art. 48 zulässig. Der Verfassungsgerichtshof hat Gesetze und Verordnungen für nichtig zu erklären, die ein Grundrecht verfassungswidrig einschränken.“93

Bei der Einfügung der Vorschrift in die Verfassung sozusagen „in letzter Minute“ habe man – so Hans Nawiasky – an eine etwaige Ergänzung oder Berichtigung des Abschnittes über den Verfassungsgerichtshof nicht gedacht.94

84 Fait, S. 512 f.; Die Empfehlung ist veröffentlicht bei Pestalozza, in: Nawiasky / Schweiger / Knöpfle, BV, Art. 98 Rn. 8 und E. Schmidt, S. 228. 85 Vgl. Bayerische Verfassungsgebende Landesversammlung, Sten. – Ber., S. 167. 86 Bayerische Verfassungsgebende Landesversammlung, Sten. – Ber., S. 201. 87 Verfassungs-Ausschuß, Sten. – Ber., Band III, S. 748. 88 Vgl. Bayerische Verfassungsgebende Landesversammlung, Sten. – Ber., S. 236 f. 89 Vgl. oben Fußn. 68 (1. Kapitel). 90 E. Schmidt, S. 228. 91 Verfassungs-Ausschuß, Sten. – Ber., Band III, S. 685. 92 Fait, S. 513. 93 GVBl 1946 S. 333 (340). 94 Nawiasky / Leusser, Die Verfassung des Freistaates Bayern, S. 182; vgl. auch Knöpfle, in: Nawiasky / Schweiger / Knöpfle, BV, Art. 98 Satz 4 Rn. 1; Pestalozza, Verfassungsprozeßrecht, S. 23 Rn. 87.

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1. Kap.: Grundlagen

III. Auslegung des Art. 98 Satz 4 BV Mit der Aufnahme des Art. 98 Satz 4 in die Bayerische Verfassung war noch nicht über die Einführung eines Popularklageverfahrens entschieden. Ein solches kann allein aus dieser Verfassungsbestimmung nicht abgeleitet werden. Sie zwingt den Gesetzgeber nicht zur Einführung einer Popularklage.95 Eine solche ist aber jedenfalls durch Art. 67 BV gedeckt,96 der dem Gesetzgeber die Möglichkeit einräumt, dem Verfassungsgerichtshof in der Verfassung nicht genannte Entscheidungszuständigkeiten zu übertragen. 1. Mögliche Auslegung des Art. 98 Satz 4 BV Art. 98 Satz 4 BV könnte dahingehend verstanden werden, dass der Bayerische Verfassungsgerichtshof ohne Anstoß von außen von Amts wegen über die Verfassungsmäßigkeit von Rechtsvorschriften entscheiden darf bzw. muss.97 Eine solche Zuständigkeit ex officio ist im deutschen Prozessrechtsystem zwar ungewöhnlich,98 doch erscheint die Einführung einer solchen durch den (Verfassungs-)Gesetzgeber im Jahr 1946 bzw. 1947 durchaus denkbar. Art. 98 Satz 4 BV könnte außerdem dahingehend ausgelegt werden, dass diese Bestimmung kein zusätzliches Verfahren einführt, sondern den Verfassungsgerichtshof zur Nichtigerklärung einer Norm verpflichtet, wenn dieser im Rahmen eines anderen anhängigen Verfahrens zur Überzeugung gelangt, eine Rechtsvorschrift schränke ein Grundrecht verfassungswidrig ein.99 Ein solcher Fall könnte beispielsweise bei der verdeckten Rechtssatzverfassungsbeschwerde auftreten. Im Ergebnis sieht Art. 3 Abs. 3 Satz 1 BayVerfGHG mit dem Zwischenverfahren der internen Richtervorlage dieses Vorgehen im geltenden Recht vor. Diese Auslegung würde damit übereinstimmen, dass die Art. 61 bis 66 der Verfassung im Rahmen der Zuständigkeiten des Verfassungsgerichtshof Art. 98 Satz 4 BV nicht erwähnen.100 2. Auslegung des Art. 98 Satz 4 BV nach dem Erlass der Verfassung Die Betrachtung der frühen Literatur sowie die Auslegung des Art. 98 Satz 4 BV aus Sicht der amerikanischen Militärregierung bestätigen, dass die Verfassungsge-

Lissack, S. 116. Pestalozza, Verfassungsprozeßrecht, S. 23 Rn. 90. 97 Vgl. Knöpfle, in: Nawiasky / Schweiger / Knöpfle, BV, Art. 98 Satz 4 Rn. 2; Pestalozza, Verfassungsprozeßrecht, § 23 Rn. 90. 98 Pestalozza, Verfassungsprozeßrecht, S. 23 Rn. 90. 99 Pestalozza, Verfassungsprozeßrecht, S. 23 Rn. 90; vgl. auch Lissack, S. 116. 100 Pestalozza, Verfassungsprozeßrecht, S. 23 Rn. 90. 95 96

§ 2 Geschichtliche Wurzeln der Popularklage

47

ber mit der Verfassungsnorm (noch) nicht die Einführung des Popularklageverfahrens verbunden sahen. a) Art. 98 Satz 4 BV in der frühen Literatur Entsprechend der dargestellten Auslegungsmöglichkeiten des Art. 98 Satz 4 BV sah die unmittelbar nach der Verfassungsgebung veröffentlichte Literatur in dieser Norm keine eindeutige Grundlage für eine Popularklage. So führen Hans Nawiasky / Claus Leusser in Bezug auf diese Verfassungsnorm aus, es sei nicht ganz klar, ob damit eine neue Zuständigkeit begründet oder nur für die bereits gegebenen Zuständigkeitsfälle Befugnis und Auftrag zur Außerkraftsetzung der widersprechenden Rechtserlasse erteilt werden wollte.101 Willibalt Apelt weist in seinem im Januar 1947 in der Deutschen Rechts-Zeitschrift102 erschienen Beitrag über die Bayerische Verfassung eindringlich darauf hin, die Verfassung habe die Zuständigkeiten des Verfassungsgerichtshofs zu weit gezogen. Die Praxis des Staatsgerichtshofs der Weimarer Verfassung habe in ständig steigendem Maße durch die Erweiterung des Kreises der zur Klageerhebung Berechtigten wie der Klagegegenstände machtpolitische Streitfragen vor sein Forum gezogen. Es empfehle sich dringend, die Zuständigkeit eines Verfassungsgerichts eng zu begrenzen. Diese Linie verfolge die Bayerische Verfassung nicht, wenn sie dem Verfassungsgerichtshof den Ausschluss von Wählergruppen vom Wahlrecht übertrage. Sehr weit gehe auch die Bestimmung, wonach jeder Bewohner Bayerns, der sich durch eine Behörde in seinen verfassungsmäßigen Rechten verletzt fühle, Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof erheben könne.103 Hätte Willibalt Apelt in Art. 98 Satz 4 BV die Eröffnung einer Popularklage gesehen, ist zu vermuten, dass er dies in diesem Zusammenhang erwähnt hätte, was aber nicht geschah.104 Walter Jellinek erwähnt Art. 98 Satz 4 BV in einem 1948 verlegten Festschriftbeitrag zur Frage des richterlichen Prüfungsrechts, in der er sich auch ausführlich mit der Bayerischen Verfassung beschäftigte, nicht. Er führte aus, die Frage der Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes komme nur dann zum Verfassungsgerichtshof, wenn das Prozessgericht dazu den Anstoß gebe. Anderenfalls müssten die Bestimmungen über Verfassungsstreitigkeiten (Art. 64 BV) herhalten. Die Möglichkeit einer Popularklage hält er demgegenüber offenbar nicht für gegeben.105

b) Die Auslegung des Art. 98 Satz 4 BV aus Sicht der amerikanischen Militärregierung Die amerikanische Militärregierung verfolgte mit der Einfügung des Art. 98 BV die Absicht, dem Gesetzgeber Schranken bei Eingriffen in Grundrechte zu setzen.106 Nawiasky / Leusser, Die Verfassung des Freistaates Bayern, S. 182. Die „Deutsche Rechts-Zeitschrift“ erscheint seit dem 1. Januar 1951 nach Vereinigung mit der „Süddeutschen Juristen-Zeitung“ als die „Juristenzeitung“ (vgl. DRZ 1950, 553). 103 Apelt, DRZ 1947, 1 (4). 104 Vgl. Apelt, DRZ 1947, 1 (4). 105 Vgl. Jellinek, FS Laun, S. 269 (274). 101 102

48

1. Kap.: Grundlagen

Unter diesem Gesichtspunkt standen die Sätze 1 bis 3 der Norm im Vordergrund. Es ist daher keineswegs zwingend, dass die Amerikaner mit der oben zitierten Empfehlung107, die schließlich als Art. 98 BV beschlossen wurde, die Einführung eines Popularklageverfahrens beabsichtigten. Eine Betrachtung der in Amerika vorhandenen sowie der in der übrigen amerikanischen Besatzungszone entstandenen Rechtsschutzmöglichkeiten führt zu keinem anderen Ergebnis. (1) Kein amerikanisches Vorbild für eine Popularklage Das US-amerikanische Prozessrecht kennt kein besonderes Verfahren vor dem U.S. Supreme Court, das auf eine prinzipale Prüfung eines vom Kongress verabschiedeten Gesetzes gerichtet ist108, eine abstrakte Normenkontrolle ist ihm fremd109. Vielmehr kommt es im amerikanischen Rechtsschutzsystem grundsätzlich nur zur inzidenten Überprüfung formeller Gesetze aus Anlass eines konkreten Rechtsstreits.110 Darüber hinaus kann eine Partei dort nur dann zulässig Klage erheben, wenn sie ein hinreichendes persönliches Interesse am Ausgang des Verfahrens plausibel behaupten kann.111 Ein amerikanisches Vorbild für das Popularklageverfahren bestand daher nicht.112 (2) Verfassungen von Hessen und Württemberg-Baden In der amerikanischen Besatzungszone trat wenige Tage vor der Bayerischen Verfassung am 28. November 1946 die Verfassung von Württemberg-Baden und am 1. Dezember 1946 die Verfassung des Landes Hessen in Kraft. Die Verfassungsgebung in diesen Ländern wurde durch die amerikanische Besatzungsmacht mit der bereits erwähnten Direktive „Elections in the U.S. Zone“ eingeleitet.113 Die Erarbeitung der drei Landesverfassungen verlief parallel und stand jeweils unter der Aufsicht der amerikanischen Militärregierung. (a) Hessen Die hessische Verfassung kannte und kennt keine Popularklage. Die Bestimmungen der Verfassung des Landes Hessen in Bezug auf die verfassungsgerichtliche Normenkontrolle blieben von 1946 bis heute inhaltlich unverändert. Demnach entschei106 107 108 109 110 111 112 113

Vgl. oben § 2 C. II. (S. 42). Vgl. das Zitat bei Fußn. 84 (1. Kapitel). Kau, S. 264. Dreher, NJW 1951, S. 377 (378). Dreher, NJW 1951, S. 377 (378); Kau, S. 264. Kau, S. 265. Vgl. Dreher, NJW 1951, S. 377 (378). Vgl. hierzu oben § 2 C. I. (S. 42).

§ 2 Geschichtliche Wurzeln der Popularklage

49

det der Hessische Staatsgerichtshof gemäß Art. 131 HV und Art. 132 HV unter anderem über die Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen und Rechtsverordnungen. Die Hessische Verfassung sieht vor, dass ein entsprechendes Verfahren auch von bestimmten Antragsberechtigten eingeleitet werden kann, die nicht – wie bei der Grundrechtsklage114 erforderlich – in einem eigenen Recht verletzt sein müssen. Neben dem Landtag und der Landesregierung kann einen solchen Normenkontrollantrag eine Gruppe von Stimmberechtigten stellen, die mindestens ein Hundertstel aller Stimmberechtigten des Volkes umfasst (Art. 131 Abs. 2 HV, § 19 Abs. 2 Nr. 1 HStGHG). Auch in Hessen können daher Bürger unabhängig von ihrer eigenen Betroffenheit eine Norm des Landesrechts durch den Staatsgerichtshof auf ihre Verfassungsmäßigkeit überprüfen lassen. Da sich hierfür ein Hundertstel aller Stimmberechtigten zusammenfinden muss, kann diese Normenkontrolle nicht als Popularklage bezeichnet werden. Von der Möglichkeit, dem Hessischen Staatsgerichtshof weitere, nicht in der Verfassung vorgesehene Zuständigkeiten zu übertragen (Art. 131 Abs. 1 HV), hat der Gesetzgeber nicht in der Weise Gebrauch gemacht, dass er eine Popularklage eingeführt hätte.115

(b) Württemberg-Baden Die am 30. November 1946 in Kraft getretene Verfassung von Württemberg-Baden [VerfWB]116 kannte keine dem Einzelnen eröffnete abstrakte Normenkontrolle. Diese Verfassung wies dem Staatsgerichtshof weit weniger Zuständigkeiten zu, als die Verfassungen von Bayern und Hessen den jeweiligen Verfassungsgerichten. So kannte Württemberg-Baden insbesondere keine Verfassungsbeschwerde. Gemäß Art. 91 Abs. 3 VerfWB hatte der Staatsgerichtshof hingegen auf Antrag der Regierung oder eines Drittels der Mitglieder des Landtags Zweifelsfragen über die Auslegung der Verfassung zu entscheiden. Art. 92 Abs. 1 VerfWB erkannte den Gerichten unter anderem ein Prüfungsrecht über die Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen zu. Art. 92 Abs. 2 VerfWB regelte den Fall, dass ein Gericht ein nach Inkrafttreten der Verfassung ergangenes Gesetz für verfassungswidrig hielt, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankomme. Das Gericht hatte hierbei die Entscheidung des höchsten ihm übergeordneten Gerichts des Landes herbeizuführen. Bejahte dieses Gericht die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes, so hatte es das erkennende Gericht anzuwenden; verneinte es die Verfassungsmäßigkeit, so legte es die streitige Frage dem Staatsgerichtshof vor. Ein 1948 erschienener Kommentar führt hierzu aus: „Mit Abs. 1 ist aber nicht etwa gemeint, daß jedes Gesetz usw. selbständig der Entscheidung eines Gerichts unterstellt werden könnte, um von diesem auf seine Gültigkeit nachgeprüft zu werden, vielmehr hat die Verf. (wie sich aus Abs. 2 ergibt) durchweg Fälle im Auge, in denen eine der in Abs. 1 genannten Willensbekundungen der öffentlichen Gewalt anläßlich der Kognition über irgendeinen Prozeßgegenstand auf die Entscheidung des erkennenden Gerichts von Einfluß ist, so daß über ihre Wirksamkeit entschieden werden muß.“117

114 115 116 117

Art. 131 Abs. 1 HV, § 43 ff. HStGHG. Vgl. hierzu insbesondere § 15 HStGHG sowie § 19 Abs. 2 HStGHG. Veröffentlicht in Wegener, S. 101 ff. Nebinger, Art. 92 Anmerkung 1 (S. 254).

50

1. Kap.: Grundlagen

(3) Keine Popularklage in den Gesetzen über die Verwaltungsgerichtsbarkeit Die in den drei Ländern der amerikanischen Besatzungszone verabschiedeten Gesetze über die Verwaltungsgerichtsbarkeit kannten ebenfalls kein von der persönlichen Betroffenheit des Antragstellers unabhängiges Normenkontrollverfahren. Bereits vor dem Beginn der Verfassungsgebung wurde in der amerikanischen im Sommer 1945 ein Ausschuss von Universitätsprofessoren und Praktikern in Heidelberg unter Vorsitz von Walter Jellinek eingesetzt. Das Ziel war die Schaffung eines Gesetzentwurfs für die Länder der amerikanischen Zone. Der daraus hervorgegangene Heidelberger Entwurf wurde mit den Ländern Bayern, Württemberg-Baden und Hessen beraten. Am 6. August 1946 beschoss der Länderrat in Stuttgart das Gesetz über die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Im Anschluss an die Genehmigung durch die amerikanische Militärregierung erließen die Länder entsprechende Gesetze über die Verwaltungsgerichtsbarkeit;118 in Bayern mit Gesetz vom 25. September 1946119; in Württemberg-Baden mit Gesetz vom 16. Oktober 1946120 sowie in Hessen mit Gesetz vom 15. November 1946121. Der Wortlaut war in den drei Ländern – von geringen Ausnahmen abgesehen – derselbe. § 25 lautete jeweils wie folgt: (1) Im Rahmen der sachlichen Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte entscheidet der Verwaltungsgerichtshof auf Antrag durch Beschluß über die Gültigkeit einer Verordnung oder einer sonstigen, im Range unter dem Gesetze stehenden Rechtsvorschrift. Den Antrag kann eine Behörde sowie jedermann stellen, der durch Anwendung der Rechtsvorschrift in absehbarer Zeit eine Benachteiligung zu gewärtigen hat. (2) Die Entscheidung ist allgemein verbindlich. Sie ist öffentlich bekanntzumachen. (3) Das Nähere wird durch Verordnung bestimmt. Der Antrag auf Entscheidung über die Gültigkeit einer untergesetzlichen Norm war somit an die Voraussetzung gebunden, dass die Anwendung für den Antragsteller in absehbarer Zeit eine Benachteiligung zur Folge haben würde. Es musste also ein konkretes Rechtsschutzinteresse vorliegen.122

(4) Ergebnis Nach all dem liegt daher der Schluss nahe, dass die amerikanische Militärregierung zwar Wert darauf legte, dem Verfassungsgerichtshof in der Bayerischen Verfassung die Kompetenz zuzuschreiben, verfassungswidrige Normen für nichtig zu erklären. Damit musste aber nicht notwendigerweise ein Popularklageverfahren verbunden sein. Daher kann aus dem Vorschlag der Amerikaner, Art. 98 mit seinem Satz 4 in die Bayerische Verfassung einzufügen, nicht der Schluss gezogen werden,

118 119 120 121 122

van Husen, S. 4. GVBl S. 281. RegBl. S. 221. GVBl S. 194. van Husen, § 25 Anm. 6 (S. 41).

§ 2 Geschichtliche Wurzeln der Popularklage

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die Militärregierung habe damit die Einführung der Popularklage zum Bayerischen Verfassungsgerichtshof angestrebt.

IV. Gesetz Nr. 72 über den Verfassungsgerichtshof Ihre endgültige Ausgestaltung fand die Popularklage erst durch das Gesetz Nr. 72 über den Verfassungsgerichtshof vom 22. Juli 1947123, das rückwirkend zum 1. Juli 1947 in Kraft trat. Im Gesetzgebungsverfahren waren ausführliche Diskussionen voraus gegangen. 1. Diskussion im Ministerrat Das Gesetz über den Verfassungsgerichtshof stand bereits am 11. Dezember 1946 – drei Tage nach dem Inkrafttreten der Bayerischen Verfassung – auf der Tagesordnung der Ministerratssitzung des Kabinetts Hoegner. Im Gegensatz zu Ministerialrat Claus Leusser vertrat Ministerpräsident Wilhelm Hoegner, der gleichzeitig das Amt des Justizministers inne hatte, in dieser Sitzung die Auffassung, dass im Falle des Art. 98 Satz 4 BV der Verfassungsgerichtshof von Amts wegen einzuschreiten habe. Das Protokoll führt aus: „Die Bedenken von Ministerialrat Leusser, daß in den Artikeln 60 bis 69 die Zuständigkeiten des Verfassungsgerichtshofs abschließend geregelt seien, daß also der Verfassungsgerichtshof die Voraussetzungen des Artikels 98 nur prüfen könne, wenn er im Rahmen der Artikel 64 bis 66 um eine Entscheidung angegangen werde, zerstreut [Ministerpräsident Dr. Hoegner] dadurch, daß man diese Frage nicht allein aus dem Text der Verfassung, sondern auch aus ihrer Entstehungsgeschichte beurteilen müsse. Der Schlußsatz des Artikel 98 sei erst nachträglich auf Wunsch der Militärregierung eingefügt und nicht mehr in den Abschnitt über den Verfassungsgerichtshof eingearbeitet worden. In den § 2 des Gesetzes müsse noch eine Bestimmung aufgenommen werden, daß der Verfassungsgerichtshof in diesem Fällen von Amts wegen einzuschreiten habe.“124

Das Protokoll schließt den Tagesordnungspunkt damit, dass der Gesetzentwurf mit einem entsprechenden Zusatz zu § 2 dem Landtag vorgelegt werden solle.125 Am 15. Januar 1947 behandelte der Ministerrat erneut den Gesetzentwurf. In der Zwischenzeit war der SPD-Politiker Wilhelm Hoegner als Ministerpräsident zurückgetreten. Grund hierfür war das Ergebnis der ersten Landtagswahl, die gleichzeitig mit der Volksabstimmung über die Bayerische Verfassung durchgeführt wurde. Dabei waren auf die CSU 52,3% der Stimmen, auf die SPD nur 28,6% entfallen.126

123 124 125 126

GVBl S. 147. Gelberg, Das Kabinett Hoegner I, Band 2, S. 1032. Gelberg, Das Kabinett Hoegner I, Band 2, S. 1032. Baer, S. 61.

52

1. Kap.: Grundlagen

Am 21. Dezember 1946 wählte der Bayerische Landtag Hans Ehard zum neuen Ministerpräsident.127 Bei der erneuten Beratung des Gesetzentwurfs im Ministerrat führte Ministerpräsident Hans Ehard aus, gegenüber der ursprünglich vom Ministerrat beschlossenen Fassung sei in § 2 Nr. 7, der sich vornehmlich auf Art. 98 Satz 4 BV beziehe, eine kleine Änderung vorgenommen worden. Die Frage, die sich nun erhebe, sei die, ob der Verfassungsgerichtshof von Amts wegen die Nichtigkeit von Gesetzen und Verordnungen aussprechen solle.128 Im Gegensatz zu Wilhelm Hoegner sprach sich der neue Ministerpräsident gegen ein Einschreiten des Gerichtshofs von Amts wegen aus. Die Begründung Ehards gibt das Protokoll wie folgt wieder: „Wenn der VGH von Amts wegen zu entscheiden habe, müsse er praktisch jedes Gesetz und jede Verordnung darauf hin prüfen, ob sie verfassungsmäßig seien. Es sei doch nicht so, daß sich ein Gesetz nur mit einem Grundrecht befasse, sondern irgendwo im Gesetz könne eine Bestimmung enthalten sein, die ein Grundrecht in irgendeiner Weise unzulässig einschränke. Es könne dann das ganze Gesetz oder nur eine einzelne Bestimmung nichtig sein. Wenn sich der VGH also mit allen diesen Dingen befassen müsse, könne praktisch kein Gesetz ohne Gefahr angewendet werden. Andererseits müsse man, wenn der VGH einige Zeit keine Stellung genommen habe, annehmen, daß er das Gesetz für verfassungsmäßig halte. Dies sei nicht möglich. Man müsse schon auch darauf abstellen, daß der VGH ein Gerichtshof sei, der nur entscheide, wenn er angerufen werde, und zwar in Form der Beschwerde einer Einzelperson oder durch einen Richter oder von der Staatsregierung oder irgend einem sonstigen Staatsorgan. Stoße der VGH in einem solchen Verfahren dann auf die Frage, ob ein Gesetz verfassungswidrig sei, dann müsse er nicht nur die Beschwerde usw. entscheiden, sondern auch noch aussprechen, daß die fragliche Bestimmung gegen die Verfassung verstoße und deshalb nichtig sei.“129

Hans Ehard sah Art. 98 Satz 4 BV somit als eine Regelung der internen Richtervorlage in einem bereits anhängigen Verfahren an, nicht jedoch als Grundlage eines eigenständigen Verfahrens. Wilhelm Hoegner nahm zwar – als stellvertretender Ministerpräsident und Justizminister – an der Ministerratssitzung teil130, erhob gegen die Ausführungen Hans Ehards aber keinen Widerspruch131. 2. Regierungsvorlage Aufgrund des Beschlusses des Ministerrats vom 15. Januar 1947 übergab der stellvertretende Ministerpräsident Wilhelm Hoegner dem Bayerischen Landtag die Regierungsvorlage für ein Gesetz über den Verfassungsgerichtshof.132 Dieser Ge127 128 129 130 131 132

Bayerischer Landtag, Sten. – Ber., S. 26. Gelberg, Das Kabinett Ehard I, S. 68. Gelberg, Das Kabinett Ehard I, S. 68. Gelberg, Das Kabinett Ehard I, S. 61. Gelberg, Das Kabinett Ehard I, S. 69. Beilage 13 ( = LT-Drs. 1 / 13).

§ 2 Geschichtliche Wurzeln der Popularklage

53

setzentwurf kannte – entsprechend der Diskussion im Ministerrat – kein Popularklageverfahren. Er sah in § 69 Abs. 1 jedoch vor, dass der Verfassungsgerichtshof in Organstreitverfahren sowie in Verfassungsbeschwerdeverfahren nicht in der normalerweise vorgegebenen Besetzung, sondern in der in § 68 Abs. 2 Buchstabe b) BV vorgesehenen, also im sogenannten Berufsrichtersenat, entscheidet, wenn behauptet wird, ein Gesetz oder eine Verordnung sei verfassungswidrig. Dem Landtag, dem Senat und der Staatsregierung sei Gelegenheit zu Äußerung zu geben. Komme der Verfassungsgerichtshof in diesem Verfahren oder im Rahmen einer Richtervorlage zu dem Ergebnis, dass ein Gesetz oder eine Verordnung verfassungswidrig sei, so habe er das Gesetz oder die Verordnung für nichtig zu erklären (§ 69 Abs. 2)133. Beschlüsse des Verfassungsgerichtshofs, durch welche ein Gesetz oder eine Verordnung für nichtig erklärt würden, seien im Gesetz- und Verordnungsblatt zu veröffentlichen (§ 69 Abs. 3). Die Regelung dieses § 69 stand unter der Überschrift „Bei Entscheidungen über die Nichtigkeit von Gesetzen und Verordnungen (§ 2 Nr. 7).“ Gemäß § 2 Nr. 7 der Regierungsvorlage sollte der Verfassungsgerichtshof zuständig sein zur Entscheidung „über die Nichtigkeit von Gesetzen und Verordnungen, insbesondere wegen verfassungswidriger Einschränkung eines Grundrechtes (Art. 98 Satz 4 der Verfassung)“.134 § 69 der Regierungsvorlage bezog sich daher direkt auf Art. 98 Satz 4 BV. Ministerialrat Claus Leusser erläuterte – in Übereinstimmung mit der von Hans Ehard vertretenen Meinung – in einer späteren Sitzung des Verfassungsausschuss des Bayerischen Landtags die Auffassung der Regierung zu diesem § 69 des Gesetzentwurfs. Es habe sich dadurch eine Schwierigkeit ergeben, dass auf Wunsch der Militärregierung Art. 98 Satz 4 in die Verfassung eingefügt worden sei. Es habe sich die Frage ergeben, ob es sich hierbei um eine Zuständigkeit oder eine Befugnis handele. Man habe sich dafür entschieden, dass es nicht möglich sein werde, den Verfassungsgerichtshof von Amts wegen Gesetze und Verordnungen für nichtig erklären zu lassen. Anderenfalls gelange man zu einem ganz unhaltbaren Ergebnis, da dieser sonst alle Gesetze und Verordnungen durchprüfen müsste. Es könne sich nur um eine Zuständigkeit des Gerichtshofs handeln. Wenn an ihn ein Gesetz oder eine Verordnung mit der Behauptung herangetragen werde, es sei verfassungswidrig, dann habe er es auf seine Verfassungsmäßigkeit zu überprüfen und veranlasstenfalls für nichtig zu erklären. Dies könne beispielsweise in einem Verfassungsbeschwerdeverfahren der Fall sein.135

133 Obwohl sich § 69 über die Zuständigkeitsregelung des § 2 Nr. 7 ausdrücklich auf Art. 98 Satz 4 BV bezog, beschränkte er die Nichtigerklärung nicht auf Fälle der Grundrechtswidrigkeit, sondern ließ Verfassungswidrigkeit genügen. 134 Vgl. LT-Drs. 1 / 13. 135 Protokoll des Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen des Bayerischen Landtags – 8. Sitzung vom 30. April 1947, S. 17 f. (nicht veröffentlicht).

54

1. Kap.: Grundlagen

3. Diskussion im Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen Nachdem Wilhelm Hoegner den Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen des Bayerischen Landtags in dessen 3. Sitzung am 5. März 1947 gebeten hatte, den Gesetzentwurf der Staatsregierung so rasch wie möglich zu behandeln,136 diskutierte dieser den Gesetzentwurf bis zum 21. Mai 1947 in sieben Sitzungen äußerst ausführlich.137 Diese bis ins Detail gehende und zeitintensive Debatte über den Verfassungsgerichtshof zeigt, dass die Abgeordneten diesem Gesetz hohe Bedeutung beimaßen. So stellte der Berichterstatter Franz Josef Huber zu Beginn der Beratung fest: „Dieses Gesetz bildet gewissermaßen eine Ergänzung der Verfassung selbst und bedarf in allen Punkten einer gründlichen Prüfung und Durcharbeitung.“138

Der als Sachverständige an der Beratung beteiligte Hans Nawiasky führte zur Aufgabe des Verfassungsgerichtshofs aus: „Was wollen wir mit dem Verfassungsgerichtshof? Wir wollten den Gedanken der Heiligkeit der Verfassung zu einem obersten Rechtsgut machen. Deswegen haben wir den Verfassungsgerichtshof aufgebaut und ausgebaut und ihm alle Fragen, die sich dazu eignen, auch die Wahlprüfung, übertragen, damit in einem künftigen Rechtsstaat, der auf einen derartigen Unrechtsstaat folgt, wirklich eine Stätte da ist, die dafür eintritt, daß das Recht zur Verwirklichung kommt. Das ist ein hoher Gedanke, der uns bestimmt hat, diese Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofs so weit auszubauen. Dazu gehört auch die Verfassungsbeschwerde. Es soll eine Stätte da sein, von der sich der einzelne Bürger sagen kann, wenn ich in meinen verfassungsmäßigen Rechten verletzt werde, so habe ich einen Schutz, an den ich mich wenden kann, der ausserhalb der Politik steht und mir die Gewähr bietet, soweit überhaupt ein Mensch richtig urteilen kann, daß ich zu meinem Recht komme.“139

Während der Verfassungsbeschwerde für den Rechtsschutz des Einzelnen große Bedeutung beigemessen wurde, sollte die Kontrolle von Gesetzen und Verordnungen nicht in der Hand des Bürgers liegen. So führte Mitberichterstatter Carljörg Lacherbauer im Zusammenhang mit der Richtervorlage aus: 136 Protokoll des Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen des Bayerischen Landtags – 3. Sitzung vom 5. März 1947, S. 9 (nicht veröffentlicht). 137 Vgl. die Protokolle des Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen des Bayerischen Landtags – 5. Sitzung vom 9. April 1947, 6. Sitzung vom 16. April 1947, 7. Sitzung vom 29. April 1947, 8. Sitzung vom 30. April 1947, 9. Sitzung vom 13. Mai 1947, 10. Sitzung vom 20. Mai 1947, 11. Sitzung vom 21. Mai 1947 (nicht veröffentlicht). 138 Protokoll des Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen des Bayerischen Landtags – 5. Sitzung vom 9. April 1947, S. 8 – nicht veröffentlicht. Diese Einschätzung findet sich auch in den Ausführungen von Franz Josef Huber in der ersten Lesung des Gesetzentwurfs im Landtagsplenum wieder, der das Gesetz als „Ergänzung der Verfassung selbst“ bezeichnete (Bayerischer Landtag, Sten. – Ber., Band I, S. 483). Otto Schefbeck nannte das Gesetz in der zweiten Lesung „zweites Staatsgrundgesetz“ (Sten. – Ber. über die Verhandlungen des Bayerischer Landtags, Band I, S. 681). 139 Protokoll des Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen des Bayerischen Landtags – 5. Sitzung vom 9. April 1947, S. 82 (nicht veröffentlicht).

§ 2 Geschichtliche Wurzeln der Popularklage

55

„Wenn heute irgendwo in einem Eckchen von Bayern die Behauptung aufgestellt wird, daß ein Gesetz oder eine Rechtsverordnung gegen die Verfassung verstößt, wird nicht mehr der Betroffene Meier oder Müller das Problem auszufechten haben, dann wird sich vielmehr die öffentliche Meinung und werden sich die Organe des Staates um die Angelegenheit kümmern. Dann wird nicht vom Standpunkt des subjektiven Rechts eines einzelnen aus, sondern vom Standpunkt der Wahrung der objektiven Rechtsordnung der Verfassungsgerichtshof, sei es auf Anrufung eines Gerichtes oder auf andere Weise mit dieser grundsätzlichen Frage befaßt werden. Dadurch ist auch für jeden einzelnen Bürger hinreichend Garantie gegeben, daß er seine Rechte verteidigen kann.“140

Die Mitglieder des Verfassungsausschusses sahen offenbar die Verfahren der Verfassungsbeschwerde und Richtervorlage als ausreichend an und waren nicht bestrebt, dem einzelnen Bürger neben der Möglichkeit Verfassungsbeschwerde zu erheben, weitere Möglichkeiten zur Seite zu stellen, Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof einzuleiten. So diskutierten die Abgeordneten die Frage, wem die Befugnis zukommen solle, ein Verfahren zur Überprüfung der Gültigkeit einer Landtagswahl anzustrengen. Carljörg Lacherbauer stimmte der Auffassung zu, wonach der Gerichtshof ausschließlich dann einzugreifen habe, wenn die Gültigkeit innerhalb des Landtags bestritten werde, da ansonsten Tausende ein Verfahren herbeiführen könnten.141 Er fährt fort: „Stellen Sie sich einmal vor, wie lange da Unruhe über dem Parlament herbeigeführt wird, wenn Tausende und Abertausende sich zusammentun und rein aus Sabotagegründen auf diese Art und Weise die Arbeit des Landtags sabotieren!“142

Carljörg Lacherbauer sah keinen Anlass für die Befassung des Verfassungsgerichtshofs, wenn der Wahlprüfungsausschuss und die Mehrheit des Landtages der Auffassung seien, die Wahl sei gültig.143 Er stellte fest: „Man kann hier nicht eine Popularklage einführen.“144

In Bezug auf Art. 98 Satz 4 BV herrschte im Verfassungsausschuss – ebenso wie in der Regierung145 – die Auffassung vor, dieser begründe kein eigenes Verfahren. So führte Carljörg Lacherbauer aus: „Wir sind der Auffassung, daß Art. 98 Satz 4 der Verfassung nicht etwa noch ein 7. Verfahren statuiert, sondern lediglich besagt, wenn in irgend einem Verfahren die Frage der Ver140 Protokoll des Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen des Bayerischen Landtags – 5. Sitzung vom 9. April 1947, S. 91 (nicht veröffentlicht). 141 Protokoll des Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen des Bayerischen Landtags – 6. Sitzung vom 16. April 1947, S. 117 (nicht veröffentlicht). 142 Protokoll des Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen des Bayerischen Landtags – 6. Sitzung vom 16. April 1947, S. 118 (nicht veröffentlicht). 143 Protokoll des Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen des Bayerischen Landtags – 6. Sitzung vom 16. April 1947, S. 118 (nicht veröffentlicht). 144 Protokoll des Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen des Bayerischen Landtags – 6. Sitzung vom 16. April 1947, S. 118 f. (nicht veröffentlicht). 145 Vgl. oben § 2 C. IV. 2. (S. 52).

56

1. Kap.: Grundlagen fassungsmäßigkeit oder Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes auftaucht, hat der Verfassungsgerichtshof für den Fall der Verfassungswidrigkeit des Gesetzes den Ausspruch zu tun, daß das Gesetz nichtig ist. Diese Frage muß vom Senat vorab entschieden werden, der dafür vorgesehen ist, nämlich von dem Berufsrichtersenat“.146

4. Beschlussempfehlung des Ausschusses für Rechts- und Verfassungsfragen Der Verfassungsausschuss legte dem Bayerischen Landtag eine Beschlussempfehlung für das Gesetz über den Verfassungsgerichtshof vor.147 Dieser sah in Bezug auf die Zuständigkeiten des Gerichtshofs in § 2 vor: Der Verfassungsgerichtshof ist zuständig in den durch die Verfassung festgelegten Fällen, und zwar zur Entscheidung […] 7. über die Nichtigkeit von Gesetzen und Verordnungen, insbesondere wegen verfassungswidriger Einschränkung eines Grundrechts (Art. 98 Satz 4 der Verfassung), […].

Unter der Überschrift „7. Bei Entscheidungen über die Nichtigkeit von Gesetzen und Verordnungen (§ 2 Nr. 7).“ Formulierte § 54: (1) Kommt der Verfassungsgerichtshof in einem vor ihm anhängigen Verfahren zu der Auffassung, daß ein Gesetz oder eine Verordnung verfassungswidrig sei, so hat er über diese Frage in der im Art. 68 Abs. 2 b der Verfassung vorgeschriebenen Zusammensetzung vorab zu entscheiden. (2) Er hat dem Landtag, dem Senat und der Staatsregierung Gelegenheit zur Äußerung zu geben. (3) Jede Entscheidung, durch welche ein Gesetz oder eine Verordnung für nichtig erklärt wird, ist im Gesetz- und Verordnungsblatt zu veröffentlichen.

Die Beschlussempfehlung sah somit kein Popularklageverfahren vor und entsprach weitgehend dem Regierungsentwurf. Inhaltliche Abweichungen gegenüber der Regierungsvorlage ergeben sich nur insofern, als § 54 Abs. 1 der Beschlussempfehlung die Anwendbarkeit der Norm nicht auf bestimmte Verfahren beschränkte, während die Regelung des Regierungsentwurfs nur auf Verfassungsbeschwerden, Organstreitverfahren und Richtervorlagen anwendbar gewesen wäre. Außerdem verlangte die Beschlussempfehlung, dass der Verfassungsgerichtshof selbst zu der Auffassung kommen müsse, ein Gesetz sei verfassungswidrig, während der Regierungsentwurf hierfür eine Behauptung hätte ausreichen lassen.148 146 Protokoll des Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen des Bayerischen Landtags – 8. Sitzung vom 30. April 1947, S. 20 (nicht veröffentlicht). 147 Beschlußempfehlung des Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen vom 21. Mai 1947 – Beilage 317 ( = LT-Drs. 1 / 317). 148 Vgl. oben § 2 C. IV. 2. (S. 52).

§ 2 Geschichtliche Wurzeln der Popularklage

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5. Erste Lesung im Bayerischen Landtag In seiner 17. Plenarsitzung behandelte der Bayerische Landtag am 29. Mai 1947 den Gesetzentwurf des Verfassungsausschusses in erster Lesung. Carljörg Lacherbauer wies in seinem Wortbeitrag auf die einstimmige Zustimmung aller Mitglieder des Ausschusses zum Gesetzentwurf hin. Angesichts dieser Tatsache dürfe davon ausgegangen werden, dass auch das Plenum die Zustimmung nicht versagen werde.149 Die Debatte brachte denn auch keine kontroversen Diskussionen zu Tage. Die Redner beschränkten sich vielmehr darauf, die große Bedeutung des Verfassungsgerichtshofs hervorzuheben und die wichtigsten Regelungen des Entwurfs zusammenzufassen.150 Der Landtag stimmte dem Gesetzentwurf unverändert zu.151 Landtagspräsident Michael Horlacher teilte anschließend mit, der Ältestenrat habe beschlossen, das Gesetz auch in zweiter Lesung zu verabschieden. Von Seiten der Militärregierung sei jedoch die Mitteilung zugegangen, diese wünsche sich mit dem Gesetz noch eingehender zu beschäftigen und habe außerdem den Wunsch, es möchten ähnliche Gesetze auch in den anderen Ländern der US-Zone erscheinen. Der Ältestenrat habe mit Rücksicht darauf, dass der Verfassungsgerichtshof dringend benötigt werde, trotzdem beschlossen, das Gesetz auch in zweiter Lesung zu verabschieden. Man sei bereit, auf der Ebene des Länderrats zu verhandeln, ob und inwieweit in den anderen Ländern der US-Zone sich ähnliche Gesetze herbeiführen ließen. Wenn sich dann Änderungen ergäben, würde man sich Ergänzungs- und Abänderungsgesetze vorbehalten.152 Michael Horlacher fuhr fort: „Nun entstehen nach neuerlichen Mitteilungen des Herrn Ministerpräsidenten Schwierigkeiten. Die Militärregierung wünscht trotzdem, daß die erste Lesung verabschiedet wird und die zweite Lesung später stattfindet.“ … „Ich bitte, angesichts der sich neu ergebenden Gesichtspunkte, die zweite Lesung zurückzustellen.“153

Diese Ausführungen zeigen deutlich, dass die Abgeordneten das Verfassungsgerichtshofsgesetz am 29. Mai 1947 bereits endgültig verabschieden wollten. Nach ihrer Auffassung war die Diskussion über dieses Gesetz zu diesem Zeitpunkt abgeschlossen. Der Gesetzgeber wollte somit keine Popularklage einführen, sondern sah lediglich eine Regelung der internen Richtervorlage154 vor. Dem mehrfach geäußerten Wunsch der Militärregierung folgend, stellte der Landtag die zweite Lesung aber schließlich zurück.155

149 150 151 152 153 154 155

Bayerischer Landtag, Sten. – Ber., Band I, S. 484. Bayerischer Landtag, Sten. – Ber., S. 483 ff. Bayerischer Landtag, Sten. – Ber., S. 488 f. Bayerischer Landtag, Sten. – Ber., S. 489. Bayerischer Landtag, Sten. – Ber., S. 489. Vgl. hierzu unten § 26 B. I. (S. 188). Bayerischer Landtag, Sten. – Ber., S. 489.

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1. Kap.: Grundlagen

6. Besprechung mit der Militärregierung Am 6. Juni 1947 trafen Vertreter der bayerischen und amerikanischen Seite in der Bayerischen Staatskanzlei zu einer Besprechung zusammen.156 An diesem Tag sowie an den beiden darauffolgenden Tagen fand außerdem die Münchner Ministerpräsidentenkonferenz statt, die das erste und letzte Treffen von Regierungschefs aus allen Teilen Deutschlands zwischen Kriegsende und Wiedervereinigung werden sollte.157 Wilhelm Hoegner führte in der folgenden Sitzung des Verfassungs-Ausschusses aus, der Umstand, dass die Besprechung mitten in die Ministerpräsidentenkonferenz verlegt worden sei, zeige, dass ihr die Militärregierung die größte Bedeutung beigelegt habe. Es seien die bedeutendsten Vertreter der Militärregierung zu dieser Sitzung aufgeboten gewesen.158 Als Sprecher der Militärregierung trat während der Besprechung Carl J. Friedrich auf.159 Der Verfassungsrechtler und Politikwissenschaftler war 1922 von Deutschland nach Amerika ausgewandert und zählte in der Frage der Länderverfassungen zu den Beratern von Militärgouverneur General Lucius D. Clay.160 Carl J. Friedrich bezeichnete den Gesetzentwurf zunächst als eine Angelegenheit von besonderer Bedeutung und als von anderen Gesetzentwürfen verschieden, weil er sich mit einer ganz wesentlichen strukturellen Angelegenheit des staatlichen Aufbaus befasse und in ganz besonderem Maße ein Grundprinzip der amerikanischen Besatzungspolitik berühre. Die Sicherung der Rechte des Individuums könne nicht in einer bloß deklaratorischen Anerkennung in der Verfassung erblickt werden, sondern es müsse eine institutionelle Sicherung erfolgen. Als die Vorschriften der bayerischen Verfassung niedergelegt worden seien, hätten auf Seiten der amerikanischen Militärregierung erhebliche Bedenken insbesondere gegen die Fassung der Artikel über den Schutz der Individualrechte bestanden. Damals sei angegeben worden, dass diese Bedenken in der ausführenden Gesetzgebung beseitigt werden könnten.161 Die in bestimmten Einzelfragen getroffenen Regelungen kritisierte Carl J. Friedrich teilweise mit sehr deutlichen Worten. So führte er aus, für das mangelnde Verständnis des Gesetzentwurfes für die hohe richterliche Bedeutung dieses Gerichtshofs sei die Bestimmung bezeichnend, wonach die Mitglieder des Verfassungsgerichtshofs ihre Tätigkeit ehrenamtlich wahrnehmen sollen162 und somit ein neben156 Vgl. das Protokoll der Besprechung der Militärregierung über das Gesetz über den Bayerischen Verfassungsgerichtshof am 6. Juni 1947 (nicht veröffentlicht). 157 Kock / Treml, in: Treml, Geschichte des modernen Bayern, S. 435 f.; Willoweit, S. 336. 158 Protokoll des Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen des Bayerischen Landtags – 14. Sitzung vom 12. Juni 1947, S. 2 (nicht veröffentlicht). 159 Protokoll der Besprechung der Militärregierung über das Gesetz über den Bayerischen Verfassungsgerichtshof am 6. Juni 1947, S. 1 (nicht veröffentlicht). 160 Fait, S. 159. 161 Protokoll der Besprechung der Militärregierung über das Gesetz über den Bayerischen Verfassungsgerichtshof am 6. Juni 1947, S. 1 f. (nicht veröffentlicht).

§ 2 Geschichtliche Wurzeln der Popularklage

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amtliches Fungieren hinreiche, um den hohen richterlichen Aufgaben Genüge zu tun.163 Man könne es nicht einem ehrenamtlichen Gerichtshof überlassen, sich gerade zu der Zeit zu versammeln, wo es seinen Mitgliedern in ihre stetige berufliche Tätigkeit hineinpasse. Ein weiterer wesentlicher Einwand gegen den Gesetzwurf sei, dass es dieser dem einzelnen Bürger nicht erleichtere, seine verfassungsmäßigen Rechte vor dem Verfassungsgerichtshof geltend zu machen, sondern ihm dies im Gegenteil so schwer als möglich mache.164 Carl J. Friedrich erörtert außerdem das Problem, wie eine Verfassungsfrage an den Verfassungsgerichtshof gelange. Nach der Fassung des Art. 92 BV habe der Richter, wenn er ein Gesetz für verfassungswidrig halte, die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs herbeizuführen. Dem Prozessführer, der die Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes behauptet, sei aber nicht die Möglichkeit eingeräumt, über den Richter hinweg an den Verfassungsgerichtshof vorzudringen. Zwar seien hier auch die Berufungsvorschriften im ordentlichen Zivil- und Strafverfahren zu berücksichtigen. Es fehle aber an einer klaren und eindeutigen Vorschrift, wie sodann die Sache auf Betreiben des einzelnen Betroffenen an den Verfassungsgerichtshof gelangen könnten.165 Diesen Ausführungen erwidernd wies Wilhelm Hoegner in Bezug auf den Schutz des Individuums auf die Verpflichtung des Gerichtshofs hin, Gesetze und Verordnungen für nichtig zu erklären, die verfassungswidrig in ein Grundrecht des Individuums eingriffen. Der zweite Fall sei der der Verfassungsbeschwerde, wobei Art. 120 BV eine Einschränkung enthalte. Es müsse sich um eine Behörde handeln, durch die sich ein Bewohner Bayerns verletzt fühle. Gegen den Landtag könne also der Verfassungsgerichtshof nicht angerufen werden. Weiter müsse es sich um ein sogenanntes subjektives öffentliches Recht handeln.166 Carl J. Friedrich wiederum fragte nach, ob das Gericht als Behörde im Sinn des Art. 120 BV angesehen werden könne, wenn eine Prozesspartei ein Gesetz für verfassungswidrig hält, der Richter sich dieser Auffassung aber nicht anschließe.167 Zwar ist aus heutiger Sicht die Zu162 § 11 des Gesetzentwurfes lautete: „Die Mitglieder des Verfassungsgerichtshofs sind ehrenamtlich tätig. Sie haben jedoch Anspruch auf eine angemessene Aufwandsentschädigung. Die Regelung der Aufwandsentschädigung erfolgt durch Gesetz.“ (vgl. Beilage 317 [ = LTDrs. 1 / 317]). 163 Protokoll der Besprechung der Militärregierung über das Gesetz über den Bayerischen Verfassungsgerichtshof am 6. Juni 1947, S. 3 (nicht veröffentlicht). 164 Protokoll der Besprechung der Militärregierung über das Gesetz über den Bayerischen Verfassungsgerichtshof am 6. Juni 1947, S. 4 (nicht veröffentlicht). 165 Protokoll der Besprechung der Militärregierung über das Gesetz über den Bayerischen Verfassungsgerichtshof am 6. Juni 1947, S. 4 (nicht veröffentlicht); vgl. zu einer ähnlichen Intervention im Württemberg-Badischen Staatsgerichtshofsgesetz Zacherl, S. 155 f. 166 Protokoll der Besprechung der Militärregierung über das Gesetz über den Bayerischen Verfassungsgerichtshof am 6. Juni 1947, S. 5 (nicht veröffentlicht). 167 Protokoll der Besprechung der Militärregierung über das Gesetz über den Bayerischen Verfassungsgerichtshof am 6. Juni 1947, S. 6 (nicht veröffentlicht).

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1. Kap.: Grundlagen

lässigkeit von Urteilsverfassungsbeschwerden ohne weiteres zu bejahen168, doch ist aus damaliger Sicht der Militärregierung diese Frage durchaus nachvollziehbar. So hatte Carl Lacherbauer in seiner Dissertation zur Verfassungsbeschwerde der Bayerischen Verfassung von 1919 noch ausdrücklich abgelehnt, dass „auch Entscheidungen der Gerichte, die die Schädigung eines Rechts des Beschwerdeführers enthalten sollen, dem Staatsgerichtshof zur Prüfung unterbreitet werden können“.169 Eine Nachprüfung von richterlichen Akten sei nur im gesetzlich vorgeschriebenen Instanzenzug durch die in den Prozessordnungen geregelten Rechtsbehelfe möglich, außerhalb derselben gebe es keine Kontrolle und keinen Einfluss auf richterliche Tätigkeit.170 Während der stellvertretende Vorsitzende des Ausschusses für Rechts- und Verfassungsfragen, Carl Lacherbauer, nicht an der Besprechung teilnehmen konnte171, stellte Wilhelm Hoegner auf die Frage von Carl J. Friedrich fest, dass er für den Fall des Unterlassens einer Richtervorlage trotz Rüge der Verfassungswidrigkeit durch eine Prozesspartei die Verfassungsbeschwerde für gegeben halte, soweit es sich um die Verletzung eines subjektiv öffentlichen Rechts handle. Er schlug vor, dies ausdrücklich im Gesetz zu verankern.172 Dieser Gedanke wurde jedoch offenbar nicht weiter verfolgt. Vielmehr versuchte einer der amerikanischen Gesprächsteilnehmer, Kenneth Dayton, der in Hessen und Württemberg-Baden als Verbindungsoffizier agierte173, die Frage zu klären, ob der Einzelne nicht auch dann an den Verfassungsgerichtshof sollte herankommen können, wenn kein Rechtsvorgang einer Behörde, sondern irgendein anderer vorliege.174 Dies veranlasste Wilhelm Hoegner dazu, über die Verfassungsbeschwerde hinauszugehen und die Einfügung einer Regelung vorzuschlagen, die ein Popularklageverfahren darstellt. So könne bei § 54 des Gesetzes folgende Bestimmung eingefügt werden: „Die Nichtigkeit eines Gesetzes wegen Einschränkung eines Grundrechts (Art. 98 der Verfassung) kann von jedem durch Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof geltend gemacht werden.“175

168 Vgl. hierzu etwa Zacher, in: Nawiasky / Schweiger / Knöpfle, BV, Art. 120 Rn. 26. Da gemäß Art. 51 Abs. 2 Satz 1 BayVerfGHG vor Erhebung der Verfassungsbeschwerde der Rechtsweg zu erschöpfen ist, ist dies sogar der Regelfall (vgl. zur Menschenrechtsbeschwerde zum EGMR: Schumann, FG Machacek und Matscher, S. 901 [903]). 169 Lacherbauer, S. 88. 170 Lacherbauer, S. 89. 171 Vgl. die Ausführung des Abgeordneten Hille, in: Bayerischer Landtag, Sten. – Ber., Band I, S. 682; vgl. auch unten bei Fußn. 185 (1. Kapitel). 172 Protokoll der Besprechung der Militärregierung über das Gesetz über den Bayerischen Verfassungsgerichtshof am 6. Juni 1947, S. 7 (nicht veröffentlicht). 173 Fait, S. 535. 174 Protokoll der Besprechung der Militärregierung über das Gesetz über den Bayerischen Verfassungsgerichtshof am 6. Juni 1947, S. 7 (nicht veröffentlicht). 175 Protokoll der Besprechung der Militärregierung über das Gesetz über den Bayerischen Verfassungsgerichtshof am 6. Juni 1947, S. 8 (nicht veröffentlicht).

§ 2 Geschichtliche Wurzeln der Popularklage

61

Die Besprechung der bayerischen Vertreter mit der amerikanischen Militärregierung am 6. Juni 1947 ist somit die Geburtsstunde der Bayerischen Popularklage. Denn in diesem Rahmen wurde erstmals ein entsprechender Gesetzestext vorgeschlagen. Dabei ist jedoch zu vermuten, dass der bayerische Gesetzgeber dieses Verfahren nicht hätte einführen müssen, um den Forderungen der amerikanischen Militärregierung Genüge zu tun; hierfür wäre wohl die ausdrückliche Normierung der Urteilsverfassungsbeschwerde ausreichend gewesen. 7. Erneute Diskussion im Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen Am 12. Juni 1947 traf sich der Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen zu seiner 14. Sitzung, in der Wilhelm Hoegner zunächst über die Besprechung mit der amerikanischen Militärregierung berichtete.176 Anschließend legte er den Abgeordneten Neufassungen einiger Paragraphen vor, wobei er darauf hinwies, er habe sich bemüht, die Bestimmungen einigermaßen den Wünschen der Militärregierung entsprechend zu fassen.177 Er erläuterte dem Ausschuss, die Militärregierung sei der Auffassung, § 54 des Gesetzentwurfs berücksichtige Art. 98 Satz [4]178 BV nicht genügend, wonach der Verfassungsgerichtshof Gesetze und Verordnungen für nichtig zu erklären habe, die ein Grundrecht verfassungswidrig einschränken. Diese Bestimmung – so Wilhelm Hoegner – würde praktisch zur Folge haben, dass der Verfassungsgerichtshof jedes Gesetz, das vom Landtag beschlossen werde, zunächst daraufhin prüfe, ob es nicht die Grundrechte eines Staatsbürgers verletze. Man könne hier aber einen Mittelweg gehen, indem man auch jedem Staatsbürger den Weg einer Beschwerde eröffne.179 Wilhelm Hoegner weiter: „Das wäre keine eigentliche Verfassungsbeschwerde, sondern die Behauptung der Nichtigkeit eines Gesetzes wegen Verletzung der Grundrechte. Weiter könne der Verfassungsgerichtshof nach der nun vorgeschlagenen Fassung auch von sich aus bei irgendeiner Gelegenheit, sei es, daß ein Richter das Gesetz lese und zur Überzeugung komme, daß es verfassungswidrig sei, oder aus Anlaß der Behandlung irgendeines Falles vor dem Verfassungsgerichtshof zu der Auffassung komme, das Gesetz müsse auf seine Verfassungsmäßigkeit geprüft werden, und könne so diese Prüfung auslösen.“180

176 Protokoll des Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen des Bayerischen Landtags – 14. Sitzung vom 12. Juni 1947, S. 1 ff. (nicht veröffentlicht). 177 Protokoll des Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen des Bayerischen Landtags – 14. Sitzung vom 12. Juni 1947, S. 3 (nicht veröffentlicht). 178 Das Protokoll spricht von Art. 98 Satz 3 BV. Hierbei handelt es sich offensichtlich um einen Tippfehler. 179 Protokoll des Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen des Bayerischen Landtags – 14. Sitzung vom 12. Juni 1947, S. 7 f. (nicht veröffentlicht). 180 Protokoll des Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen des Bayerischen Landtags – 14. Sitzung vom 12. Juni 1947, S. 8 (nicht veröffentlicht).

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1. Kap.: Grundlagen

Die von Wilhelm Hoegner vorgeschlagene Neufassung des § 54 Abs. 1 hatte dem entsprechend folgenden Wortlaut: Die Nichtigkeit eines Gesetzes wegen verfassungswidriger Einschränkung eines Grundrechts (Art. 98 Satz 3 der Verf.) kann von jedermann durch Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof geltend gemacht werden. Der Verfassungsgerichtshof kann auch von sich aus, besonders in einem vor ihm anhängigen Verfahren zu der Auffassung kommen, daß ein Gesetz oder eine Verordnung verfassungswidrig sei. In allen Fällen, in denen über die Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes oder einer Verordnung zu entscheiden ist, muß der Verfassungsgerichtshof in der in Art. 68 Abs. 2 b der Verfassung vorgeschriebenen Art zusammengesetzt sein.181

Nachdem der Ausschuss eine breite Diskussion über die Frage der Wahl der Verfassungsrichter, ihrer Amtszeit und ihrer erforderlichen Qualifikation geführt hatte, trafen daraufhin die Abgeordneten den Beschluss, einen Unterausschuss zu bilden, der konkrete Vorschläge erarbeiten sollte.182 8. Diskussion im Unterausschuss des Ausschusses für Rechts- und Verfassungsfragen Dem Unterausschuss des Verfassungsausschusses gehörten mit den Abgeordneten Arnold Hille, Wilhelm Hoegner, Carljörg Lacherbauer und Otto Schefbeck vier Mitglieder an.183 Nur zwei von ihnen – Wilhelm Hoegner und Otto Schefbeck – hatten an der Besprechung mit der Militärregierung teilgenommen184. Wie Arnold Hille später im Bayerischen Landtag ausführte, war es den Mitgliedern des Verfassungsausschusses aufgrund der plötzlichen Einberufung zu der Besprechung mit der Militärregierung nicht möglich gewesen, daran in größerer Zahl teilzunehmen.185 Die Mitglieder des Unterausschuss kamen bereits am Tag nach ihrer Einsetzung, nämlich am 13. Juni 1947, zusammen. Im Rahmen dieser Sitzung erhielt das Popularklageverfahren seine konkrete Ausgestaltung. In der Diskussion führte Otto Schefbeck in Bezug auf die Richtervorlage aus, die amerikanische Militärregierung stelle die Frage, wie der einzelne Staatsbürger die Nichtigkeit von Gesetzen geltend machen könne.186 Für die Erhebung einer Verfassungsbeschwerde sei Vorausset181 Protokoll des Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen des Bayerischen Landtags – 14. Sitzung vom 12. Juni 1947, S. 8 f. (nicht veröffentlicht). 182 Protokoll des Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen des Bayerischen Landtags – 14. Sitzung vom 12. Juni 1947, S. 39 (nicht veröffentlicht). 183 Protokoll des Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen des Bayerischen Landtags – 14. Sitzung vom 12. Juni 1947, S. 39 (nicht veröffentlicht). 184 Vgl. das Protokoll der Besprechung der Militärregierung über das Gesetz über den Bayerischen Verfassungsgerichtshof am 6. Juni 1947 (nicht veröffentlicht). 185 Vgl. die Ausführung des Abgeordneten Hille, in: Bayerischer Landtag, Sten. – Ber., Band I, S. 682.

§ 2 Geschichtliche Wurzeln der Popularklage

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zung, dass sich der Bürger durch eine Behörde in seinen verfassungsmäßigen Rechten verletzt fühle. Er warf die Frage auf, wie der einzelne Staatsbürger geltend machen könne, dass ein Gesetz verfassungswidrig sei, weil es formell nicht richtig zustande gekommen sei.187 Carljörg Lacherbauer erwiderte hierauf, Art. 92 BV sage klar, dass der Richter die Entscheidung des Gerichtshofs herbeizuführen habe, wenn er ein Gesetz für verfassungswidrig halte. Dem einzelnen Staatsbürger sei diese Möglichkeit hingegen nicht ohne weiteres gegeben. Dieser könne mit einer Verfassungsbeschwerde die Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes erst dann geltend machen, wenn er durch dieses unmittelbar betroffen werde.188 Demgegenüber verwies Otto Schefbeck auf Art. 65 BV. Dieser stelle die ganz allgemein gehaltene Vorschrift dar, dass der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen entscheide. Er beziehe sich nicht nur auf den dort zitierten Fall des Art. 92 BV. Die Erwähnung des Art. 98 BV sei dort vergessen worden.189 Otto Schefbeck stellte außerdem die Frage, wie die Feststellung der Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes getroffen werden könne, wenn keine Verletzung eines subjektiven-öffentlichen Rechts vorliege.190 Wilhelm Hoegner vertrat hierzu in Bezug auf Art. 98 BV die Ansicht, ein Richter des Verfassungsgerichtshofs könne von sich aus die Einleitung eines Verfahrens veranlassen. Der einzelne Staatsbürger habe die Möglichkeit, den Gerichtshof auf einen Grundrechtsverstoß einer Norm aufmerksam zu machen. Dabei handle es sich aber um keine förmliche Klage oder Beschwerde.191 Carljörg Lacherbauer führte die Diskussion in Bezug auf Art. 98 BV auf den entscheidenden Punkt. Nachdem die amerikanische Militärregierung die Frage aufgeworfen habe, müsse man sich schlüssig werden, wem man es ermöglichen wolle, die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen und Verordnungen vor dem Verfassungsgerichtshof geltend zu machen. Hierfür benannte er drei Lösungswege. So könne man diese Möglichkeit jedem einzelnen Staatsbürger im Wege der Popularklage einräumen, hierfür eine eigene Stelle schaffen, oder dem Verfassungsgerichtshof die Überprüfung der Gesetzgebung als Amtsaufgabe übertragen. Carljörg Lacherbauer

186 Protokoll des Unterausschusses des Ausschusses für Rechts- und Verfassungsfragen des Bayerischen Landtags – 13. Juni 1947, S. 5 (nicht veröffentlicht). 187 Protokoll des Unterausschusses des Ausschusses für Rechts- und Verfassungsfragen des Bayerischen Landtags – 13. Juni 1947, S. 6 (nicht veröffentlicht). 188 Protokoll des Unterausschusses des Ausschusses für Rechts- und Verfassungsfragen des Bayerischen Landtags – 13. Juni 1947, S. 6 (nicht veröffentlicht). 189 Protokoll des Unterausschusses des Ausschusses für Rechts- und Verfassungsfragen des Bayerischen Landtags – 13. Juni 1947, S. 6 f. (nicht veröffentlicht). 190 Protokoll des Unterausschusses des Ausschusses für Rechts- und Verfassungsfragen des Bayerischen Landtags – 13. Juni 1947, S. 6 (nicht veröffentlicht). 191 Protokoll des Unterausschusses des Ausschusses für Rechts- und Verfassungsfragen des Bayerischen Landtags – 13. Juni 1947, S. 7 (nicht veröffentlicht).

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1. Kap.: Grundlagen

stellte fest, nach seiner Auffassung bedeute es einen Rückschritt in der Rechtsentwicklung, wenn man sich für die Popularklage entscheide. Er sah keine Veranlassung für deren Einführung, da der Einzelne durch die Verfassungsbeschwerde geschützt sei. Außerdem habe die Minderheit des Landtags die Möglichkeit, einen Verfassungsstreit durchzuführen, wenn nach ihrer Auffassung ein Gesetz verfassungswidrig sei. Mit Rücksicht auf diese Möglichkeiten halte er ein Bedürfnis für die Schaffung einer Popularklage nicht für gegeben.192 Zwar sind im Protokoll der Sitzung keine Wortmeldungen verzeichnet, die sich für die Einführung der Popularklage aussprachen, doch beschloss der Unterausschuss schließlich auf Vorschlag von Wilhelm Hoegner folgende Fassung des § 2 Ziff. 7: Der Verfassungsgerichtshof ist zuständig in den durch die Verfassung festgelegten Fällen, und zwar zur Entscheidung […] 7. über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen und Verordnungen wegen unzulässiger Einschränkung eines Grundrechts (Art. 98 Satz 4 der Verfassung), […]

Außerdem sprach sich der Unterausschuss für folgende Fassung des § 54 aus: (1) Die Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes wegen unzulässiger Einschränkung eines Grundrechts (Art. 98 Satz 4 der Verfassung) kann von jedermann durch Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof geltende gemacht werden. Der Verfassungsgerichtshof entscheidet hierüber in der in Art.68 Abs.2 b der Verfassung vorgeschriebenen Zusammensetzung. (2) Kommt der Verfassungsgerichtshof in einem vor ihm anhängigen anderen Verfahren zu der Auffassung, daß ein Gesetz oder eine Verordnung verfassungswidrig sei, so hat er über diese Frage in der in Abs. 1 vorgeschriebenen Zusammensetzung vorab zu entscheiden. (3) Er hat dem Landtag, dem Senat, der Staatsregierung und den übrigen Beteiligten Gelegenheit zur Äußerung zu geben. (4) Jede Entscheidung, durch welche ein Gesetz oder eine Verordnung für nichtig erklärt wird, ist im Gesetz- und Verordnungsblatt zu veröffentlichen.193

Die Diskussionsbeiträge Wilhelm Hoegners und Carljörg Lacherbauer, die vom Verfassungsausschuss als Berichterstatter bzw. Mitberichterstatter für das Verfassungsgerichtshofsgesetz eingesetzt worden waren,194 zeigen deutlich, dass die Einführung des Popularklageverfahrens keineswegs ihrer eigenen Überzeugung ent192 Protokoll des Unterausschusses des Ausschusses für Rechts- und Verfassungsfragen des Bayerischen Landtags – 13. Juni 1947, S. 9 (nicht veröffentlicht). 193 Protokoll des Unterausschusses des Ausschusses für Rechts- und Verfassungsfragen des Bayerischen Landtags – 13. Juni 1947, S. 13 f. (nicht veröffentlicht). 194 Vgl. das Protokoll des Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen des Bayerischen Landtags – 3. Sitzung vom 5. März 1947, S. 9 (nicht veröffentlicht).

§ 2 Geschichtliche Wurzeln der Popularklage

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sprach. Vielmehr ist zu vermuten, dass sie die entsprechenden Regelungen nur trafen, um die Forderungen der amerikanischen Militärregierung zu erfüllen. Die Einführung der Popularklage wäre hierfür aber wohl nicht zwingend erforderlich gewesen. Legt man die im Besprechungsprotokoll195 niedergelegten Äußerungen der amerikanischen Seite zu Grunde, wäre es ausreichend gewesen, wenn das Verfassungsgerichtshofsgesetz sichergestellt hätte, dass der Einzelne eine Urteilsverfassungsbeschwerde erheben kann, wenn ein Richter entgegen dem Parteivorbringen keine Richtervorlage an den Verfassungsgerichtshofs veranlasst hat. Aus dem Protokoll der Sitzung des Unterausschusses geht nicht hervor, weshalb die von Wilhelm Hoegner schließlich vorgeschlagene Formulierung des Gesetzeswortlauts auf ein Prüfungsrecht des Verfassungsgerichtshofs von Amts wegen verzichtete. Hierfür hatte er sich sowohl im Unterausschuss als auch zuvor im Ministerrat196 eingesetzt. Denkbar ist, dass er hierauf verzichtete, da er damit gegen die Meinung des nun amtieren Ministerpräsidenten Hans Ehard197 gehandelt hätte. Einzelne Verfahrensfragen der Popularklage hat der Unterausschuss nicht näher besprochen. Wilhelm Hoegner hatte nur die Frage aufgeworfen, ob die Verfassungswidrigkeit ex nunc oder ex tunc wirke. Nehme man rückwirkende Kraft an, so seien die Folgen unübersehbar.198 Carljörg Lacherbauer erklärte hierzu, die Wirkung erfolge ex tunc. Er rate aber davon ab, diese Frage überhaupt anzuschneiden. Es müsse nur festgelegt werden, wer das Verfahren in Gang setzen könne.199 9. Abschließende Diskussion im Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen Der Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen beschäftigte sich in seiner 17. Sitzung am 18. Juni 1947 abschließend mit dem Gesetzentwurf. So berichtete Carljörg Lacherbauer über die im Unterausschuss beschlossenen Änderungen.200 In Bezug auf die Neufassung des § 54, führte er aus, es handle sich nicht um Änderungen von Grundsätzen des bisherigen Gesetzes, sondern nur um Änderungen nebensächlicher Art. Wichtig sei in diesem Zusammenhang auch die Frage, von welchem Zeitpunkt an ein Gesetz, das der Verfassungsgerichtshof als nichtig erklärt habe, als nichtig zu behandeln sei, ob ex tunc, oder nur ex nunc. Die Lösung dieser 195 Protokoll der Besprechung der Militärregierung über das Gesetz über den Bayerischen Verfassungsgerichtshof am 6. Juni 1947 (nicht veröffentlicht). 196 Vgl. oben § 2 C. IV. 1. (S. 51). 197 Vgl. oben § 2 C. IV. 1. (S. 51). 198 Protokoll des Unterausschusses des Ausschusses für Rechts- und Verfassungsfragen des Bayerischen Landtags – 13. Juni 1947, S. 12 (nicht veröffentlicht). 199 Protokoll des Unterausschusses des Ausschusses für Rechts- und Verfassungsfragen des Bayerischen Landtags – 13. Juni 1947, S. 13 (nicht veröffentlicht). 200 Protokoll des Unterausschusses des Ausschusses für Rechts- und Verfassungsfragen des Bayerischen Landtags – 18. Juni 1947, S. 1 ff. (nicht veröffentlicht).

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1. Kap.: Grundlagen

schwierigen Frage überlasse man am besten der Praxis.201 Auf weitere inhaltliche Fragen im Zusammenhang mit der Popularklage ging der Ausschuss nicht ein. Er fasst zum Gesetzentwurf auch keine Beschlüsse, da er aus Geschäftsordnungsgründen dem Landtagsplenum keine Änderungsvorschläge unterbreiten konnte. Denn der Landtag hatte den Entwurf nicht an den Ausschuss zurückverwiesen. Daher brachten die Fraktionsvorsitzenden Alois Hundhammer (CSU), Jean Stock (SPD), Alfred Loritz (WAV) und Fritz Linnert (FDP) die im Unterausschuss beschlossenen Neufassungen der jeweiligen Vorschriften als für ihre Fraktionen Abänderungsanträge in den Bayerischen Landtag ein.202 10. Zweite Lesung im Bayerischen Landtag Der Bayerische Landtag behandelte daraufhin den Gesetzentwurf in seiner 22. Sitzung am 26. Juni 1947 in zweiter Lesung. Otto Schefbeck trug vor, von Seiten der amerikanischen Militärregierung habe es nach der ersten Lesung verschiedene Anregungen gegeben, die der Verfassungsausschuss zunächst in einer gemeinsamen Sitzung mit den amerikanischen Vertretern und anschließend intern diskutiert habe. Der Ausschuss sei zu der Überzeugung gekommen, dass ein großer Teil der Anregungen der Besatzungsmacht tatsächlich eine Verbesserung des Gesetzentwurfs darstellten.203 Anschließend erläuterte er die einzelnen Änderungsanträge und führte zu § 54 aus: „Diese Bestimmung wurde gegenüber der Fassung der ersten Lesung etwas deutlicher und klarer formuliert, indem ausdrücklich ausgesprochen wurde, daß die Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes wegen unzulässiger Einschränkung eines Grundrechts von jedermann durch Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof geltend gemacht werden könne.“204

Nach Otto Schefbeck ging nur noch Arnold Hille auf den Gesetzentwurf ein, machte jedoch keinerlei Ausführungen zum Popularklageverfahren.205 Der Bayerische Landtag stimmte schließlich der im Unterausschuss beschlossenen Neufassung des § 2 sowie des § 54 zu.206 Das Gesetz Nr. 72 über den Verfassungsgerichtshof vom 22. Juli 1947207 trat daraufhin in Kraft.

201 Protokoll des Unterausschusses des Ausschusses für Rechts- und Verfassungsfragen des Bayerischen Landtags – 18. Juni 1947, S. 17 (nicht veröffentlicht). 202 Beilage 415 ( = LT-Drs. 1 / 415). 203 Bayerischer Landtag, Sten. – Ber., Band I, S. 679. 204 Bayerischer Landtag, Sten. – Ber., Band I, S. 680. 205 Bayerischer Landtag, Sten. – Ber., Band I, S. 681 ff. 206 Bayerischer Landtag, Sten. – Ber., Band I, S. 687. 207 GVBl S. 147, Berichtigung S. 248.

§ 2 Geschichtliche Wurzeln der Popularklage

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V. Gesetzesänderungen nach 1947 1. Änderungen 1949 Die beiden im Jahr 1949 ergangenen Änderungsgesetze zum Verfassungsgerichtshofsgesetz208 ließen die Regelungen zur Popularklage unberührt. 2. Änderung 1962 Das Änderungsgesetz vom 26. Oktober 1962209 änderte den Namen des Gesetzes von „Gesetz Nr. 72 über den Verfassungsgerichtshof“ in „Gesetz über den Verfassungsgerichtshof (VfGHG)“ und bezeichnete das Normenkontrollverfahren in der Überschrift des § 54 nun ausdrücklich als „Popularklage“.210 Auch der Wortlaut des § 54 wurde geändert und stellte in der neuen Fassung klar, dass zulässiger Verfahrensgegenstand alle Rechtsvorschriften des bayerischen Landesrechts sein können.211 Damit normierte der Gesetzgeber die entsprechende ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs.212 Im Dezember 1962 wurde die Neufassung des Gesetzes bekannt gemacht.213 3. Neufassung 1990 Mit dem Gesetz über den Bayerischen Verfassungsgerichtshof vom 10. Mai 1990214 erfuhr das Gesetz eine weitere Neufassung.215 Dieses ergänzte die Regelungen zur Popularklage um den bis heute unveränderten Art. 55 Abs. 5 BayVerfGHG. Die Gesetzesbegründung führt hierzu aus, dass damit die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs gesetzlich festgeschrieben werde, wonach trotz einer Rück208 Erstes Gesetz zur Änderung des Gesetzes über den Verfassungsgerichtshof vom 28. April 1949 (GVBl S. 91); Zweites Gesetz zur Abänderung des Gesetzes Nr. 72 über den Verfassungsgerichtshof vom 22. Juli 1947 vom 10. Mai 1949 (GVBl S. 113). 209 Gesetz zur Änderung des Gesetzes Nr. 72 über den Verfassungsgerichtshof sowie des Gesetzes über die Entschädigung der Mitglieder des Verfassungsgerichtshofs (GVBl S. 267). 210 GVBl 1962 S. 267 (268). 211 Die aus dem Jahr 1947 stammende Fassung des § 54 sprach nur von „Gesetzen“ als Verfahrensgegenstand (GVBl 1947 S. 147 [151]). Die Neufassung hingegen von „Gesetzen und Verordnungen“ und fügte folgenden Satz an: „Gesetze und Verordnungen im Sinne dieser Bestimmung sind alle Rechtsvorschriften des bayerischen Landesrechts.“ (GVBl 1962 S. 267 [268]). 212 LT-Drs. 4 / 3257, S. 5 unter Verweis auf BayVerfGHE 11, 203 (209); 12, 14 (17); 13, 10 (131). 213 GVBl S. 337. 214 GVBl S. 122. 215 Vgl. hierzu ausführlich Midder, Die Reform des Bayerischen Verfassungsgerichtshofsgesetzes.

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1. Kap.: Grundlagen

nahme der Popularklage über diese entschieden werde, wenn der Gerichtshof eine Entscheidung im öffentlichen Interesse für geboten halte. Mit der Möglichkeit für die juristische Person des öffentlichen Rechts, deren Rechtsvorschrift angegriffen ist, eine Entscheidung zu beantragen, solle in Erweiterung der Rechtsprechung einem möglichen berechtigten Interesse an der Feststellung der Verfassungsmäßigkeit einer Rechtsvorschrift Rechnung getragen werden, die durch die Erhebung einer Popularklage in Zweifel gezogen worden sei.216 Außerdem wurde auf Anregung des Bayerischen Senats die Regelung der internen Richtervorlage217, die bis dahin im Verfahrensrecht der Popularklage geregelt war, in die allgemeinen Verfahrensvorschriften – nämlich Art. 3 Abs. 3 BayVerfGHG – verschoben.218 Eine weitergehende Diskussion zum Verfahrensrecht der Popularklage fand nicht statt.219 4. Änderungen nach 1990 Von den nach 1990 folgenden Gesetzesänderungen blieben die Vorschriften zum Popularklageverfahren weitgehend unverändert.220 § 3 Nr. 9 des Gesetzes zur Ausführung des Gesetzes zur Abschaffung des Bayerischen Senats vom 16. Dezember 1999221 strich aus Art. 55 Abs. 2 und Abs. 4 BayVerfGHG jeweils „dem Senat“, womit nur noch dem Landtag, der Staatsregierung und den übrigen Beteiligten Gelegenheit zur Äußerung zu geben ist und Ausfertigungen der Entscheidungen nur noch dem Landtag und der Staatsregierung zuzustellen sind. § 4 des Zweiten BayeLT-Drs. 11 / 12997, S. 22. Vgl. hierzu § 26 B. I. (S. 188). 218 Der ursprüngliche Gesetzentwurf der Bayerischen Staatsregierung hatte die interne Richtervorlage (ähnlich wie schon das BayVerfGHG 1962 [GVBl S. 337]) im Abschnitt der Popularklage geregelt (vgl. Sen-Drs 158 / 89, S. 14). Im Anschluss an die Empfehlung des Rechts- und Verfassungsausschusses des Bayerischen Senats (vgl. Sen-Drs 194 / 89, S. 11) schlug der Senat vor, die Vorschrift in Art. 3 unterzubringen, da diese nicht nur die Popularklage betreffe und daher in den allgemeinen Teil des Gesetzes gehöre (Sen-Drs 212 / 89, S. 11). Diese Anregung nahm die Staatsregierung auf regelte die interne Richtervorlage in Art. 3 Abs. 3 BayVerfGHG (vgl. LT-Drs. 11 / 12997, S. 4). Der Bayerische Landtag folgte diesem Entwurf (vgl. LT-Drs. 11 / 15850, S. 2). 219 Vgl. Ausschuss für Fragen des öffentlichen Dienstes des Bayerischen Landtags, Protokoll vom 28. 11. 1989 (nicht veröffentlicht); Ausschuss für Geschäftsordnung und Wahlprüfung des Bayerischen Landtags, Protokoll vom 20. 2. 1990 (nicht veröffentlicht); Ausschuss für Verfassungs-, Rechts- und Kommunalfragen des Bayerischen Landtags, Protokolle vom 20. 2. 1990 und vom 28. 3. 1990 (nicht veröffentlicht). Im letztgenannten Protokoll ist auf S. 9 immerhin eine Aussage zu finden, wonach die Möglichkeit der Auferlegung einer Gebühr „ohne prohibitiven Charakter“ sinnvoll sei um zu zeigen, dass die Popularklage kein „Bingospiel“ sei. Vgl. außerdem das Plenarprotokoll 11 / 125 des Bayerischen Landtags. 220 § 2 Gesetz zur Anpassung von Landesrecht an die Änderungen der Verfassung des Freistaates Bayern vom 10. Juli 1998 (GVBl S. 385) sowie § 11 Gesetz zur Neuordnung des Bayerischen Disziplinarrechts und zur Änderung weiterer Vorschriften vom 24. Dezember 2005 (GVBl S. 665 [688]) änderten Art. 55 BayVerfGHG nicht. 221 GVBl S. 521. 216 217

§ 2 Geschichtliche Wurzeln der Popularklage

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rischen Gesetzes zur Anpassung des Landesrechts an den Euro vom 24. April 2001222 änderte Art. 27 Abs. 1 Satz 2 BayVerfGHG mit Wirkung zum 1. Januar 2002 dahingehend, dass der Bayerische Verfassungsgerichtshof dem Beschwerdeführer einer Verfassungsbeschwerde sowie dem Antragsteller einer Popularklage eine Gebühr von 1.500 Euro anstatt 3.000 DM auferlegen kann.

VI. Zusammenfassung Die Gesetzgebungsgeschichte des Gesetzes Nr. 72 über den Verfassungsgerichtshof zeigt deutlich, dass der bayerische Gesetzgeber die Einführung eines förmlichen Popularklageverfahrens nicht für erforderlich hielt und ablehnend gegenüberstand. Die Abgeordneten beschlossen die Fassung der Regelung der Popularklage vielmehr deshalb, um den Anregungen der amerikanischen Militärregierung zu genügen, die ein solches Verfahren jedoch nicht zwingend gefordert hatte.223 Ebenso wie Art. 98 Satz 4 BV fand die Popularklage somit in letzter Minute Einzug in das bayerische Recht. Ohne das Eingreifen der amerikanischen Militärregierung hätte der Gesetzgeber das Verfahren nicht normiert. Einzelne Fragen zum Verfahren der Popularklage wurden im Gesetzgebungsverfahren nicht näher diskutiert. Der Wechsel von der ursprünglich vorgesehen Regelung, wonach der Verfassungsgerichtshof lediglich im Rahmen anderer anhängiger Verfahren über die Verfassungswidrigkeit von Vorschriften hätte entscheiden sollen, hin zu einem selbständigen Verfahren, in dem jedermann die Grundrechtswidrigkeit einer Rechtsvorschrift zulässigerweise rügen kann, ohne selbst von der Rechtsvorschrift betroffen zu sein, stellte tatsächlich eine erhebliche Änderung des Gesetzentwurfes dar. Daher muss es verwundern, wenn die Abgeordneten dies als eine „Veränderung nebensächlicher Art“224 beschreiben bzw. von einer deutlicheren und klareren Formulierung sprechen225. Ob sie der Änderung des Gesetzentwurfs in der Öffentlichkeit bewusst wenig Bedeutung beimaßen, beispielsweise um einem eigenen Autoritätsverlust vorzubeugen, oder ob sie die tatsächliche Bedeutung der Neuformulierung nicht erkannten, muss dahingestellt bleiben. Der Gesetzgeber erarbeitete das Verfahrensrecht der Bayerischen Popularklage in einer sehr kurzen Zeitspanne. Die Regelungen 1947 sind bis heute im wesentlichen unverändert geblieben. Bedenkt man die schwierigen äußeren Umstände und die Vielzahl großer Probleme, die die Politik zu lösen hatte, ist dies eine wirklich beachtenswerte Leistung.

222 223 224 225

GVBl S. 140. Vgl. hierzu oben § 2 C. IV. 6. (S. 58). Vgl. oben bei Fußn. 201 (1. Kapitel). Vgl. das Zitat bei Fußn. 204 (1. Kapitel).

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1. Kap.: Grundlagen

§ 3 Rechtsgrundlagen A. Bayerische Verfassung Die Popularklage zum Bayerischen Verfassungsgerichtshof hat ihren Ausgangspunkt in Art. 98 Satz 4 BV. Dieser ist seit dem Inkrafttreten unverändert und lautet: Der Verfassungsgerichtshof hat Gesetze und Verordnungen für nichtig zu erklären, die ein Grundrecht verfassungswidrig einschränken.

B. Gesetz über den Bayerischen Verfassungsgerichtshof Das Gesetz über den Bayerischen Verfassungsgerichtshof (BayVerfGHG) sieht das Popularklageverfahren vor und gestaltet es näher aus. Art. 55 dieses Gesetzes lautet: (1) Die Verfassungswidrigkeit einer Rechtsvorschrift des bayerischen Landesrechts kann jedermann durch Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof geltend machen. 2Er hat darzulegen, daß ein durch die Verfassung gewährleistetes Grundrecht verfassungswidrig eingeschränkt wird. (2) Der Verfassungsgerichtshof hat dem Landtag, der Staatsregierung und den übrigen Beteiligten Gelegenheit zur Äußerung zu geben. (3) Der Verfassungsgerichtshof kann von einer mündlichen Verhandlung absehen, wenn er eine solche nach der Sach- und Rechtslage nicht für geboten erachtet. (4) Ausfertigungen der Entscheidung sind dem Landtag und der Staatsregierung zuzustellen. (5) Der Verfassungsgerichtshof kann trotz einer Rücknahme der Popularklage über diese entscheiden, wenn er eine Entscheidung im öffentlichen Interesse für geboten hält; er hat über die Popularklage zu entscheiden, wenn die juristische Person des öffentlichen Rechts, deren Rechtsvorschrift angegriffen ist, eine Entscheidung binnen vier Wochen ab Zustellung der Rücknahmeerklärung beantragt.

Darüber hinaus sind die weiteren Regelungen des BayVerfGHG zu beachten. Insbesondere ist für das Popularklageverfahren dessen Zweiter Teil „Zusammensetzung und Organisation“ einschlägig, so zum Beispiel Art. 9 BayVerfGHG zur Ausschließung und Ablehnung eines Mitglieds des Verfassungsgerichtshofs.226 Das Kapitel I des Dritten Teils des BayVerfGHG trifft darüber hinaus allgemeine Verfahrensvorschriften, beispielsweise in Art. 26 zur einstweiligen Anordnung227 und in Art. 27 zu den Kosten228. 226 Vgl. hierzu etwa BayVerfGHE 50, 147; 53, 144; BayVerfGH BayVBl. 2011, 39; sowie die in juris veröffentlichten Entscheidungen BayVerfGH vom 9. 5. 1995 (Vf. 22-VII-94); BayVerfGH vom 1. 7. 1996 (Vf. 22-VII-94); BayVerfGH vom 20. 4. 2009 (Vf. 8-VII-05); BayVerfGH vom 4. 11. 2010 (Vf. 13-VII-08); zur Frage, wann von der „Befangenheit“ eines Verfassungsrichters auszugehen ist vgl. Schumann, JZ 1973, 484 (486 ff.).

§ 3 Rechtsgrundlagen

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C. Ergänzende Heranziehung von Vorschriften der VwGO und ZPO Gemäß Art. 30 Abs. 1 BayVerfGHG sind die Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung, ergänzend die der Zivilprozessordnung entsprechend heranzuziehen, soweit das BayVerfGHG keine Bestimmungen über das Verfahren enthält.229

I. Nachträgliche Aufnahme in das BayVerfGHG Diese Regelung des heutigen Art. 30 Abs. 1 BayVerfGHG enthielt das Gesetz Nr. 72 über den Verfassungsgerichtshof vom 22. Juli 1947230 noch nicht. Jedoch formulierte die auf der Grundlage des § 24 dieses Gesetzes erlassene Geschäftsordnung des Verfassungsgerichtshofs für den Freistaat Bayern vom 24. Mai 1948 in § 26: Soweit das Verfassungsgerichtshofgesetz und diese Geschäftsordnung keine Bestimmungen über das Verfahren enthalten, sind die Vorschriften des Gesetzes Nr. 39 über die Verwaltungsgerichtsbarkeit vom 25. September 1946 (GVBl. Seite 281), ergänzend die der Zivilprozeßordnung heranzuziehen.231

Diese Rechtslage blieb von den Gesetzesänderungen 1949232 und 1962233 unberührt. Die am 15. Juli 1963 neu gefasste Geschäftsordnung des Verfassungsgerichts227 Vgl. hierzu die Abweisungen von Anträgen auf Erlass einer einstweiligen Anordnung in BayVerfGHE 48, 1; 48, 145; BayVBl. 2011, 43; 2011, 141; sowie die jeweils in juris veröffentlichten Entscheidungen des BayVerfGH vom 23. 11. 2004 (Vf. 15-VII-04), 27. 8. 2008 (Vf. 5-VII-08), 27. 8. 2008 (Vf. 7-VII-08), 2. 6. 2009 (13-VII-08); 24. 9. 2010 (Vf. 12-VII10); siehe auch die jeweils in juris veröffentlichten Entscheidungen des BayVerfGH mit Erlassen einstweiliger Anordnungen vom 13. 6. 2005 (Vf. 1-VII-05), 28. 1. 2008 (Vf. 11-VII-07); zu den Problemen der einstweiligen Anordnung in Verfahren vor dem BayVerfGH vgl. außerdem Greßmann; Lichtenberger, FS 50 Jahre BayVerfGH, S. 93 ff.; sowie Schuppert, in: Starck / Stern, LVG II, S. 347 (361 ff.). 228 Vgl. hierzu unten 13. Kapitel: Kosten (S. 354). 229 Im Gegensatz zum BayVerfGHG enthält das BVerfGG keine entsprechende Regelung. Teilweise verweist es ausdrücklich auf Regelungen anderer Verfahrensordnungen, so z. B. in § 17 BVerfGG auf das GVG. Soweit Lücken im BVerfGG bleiben, sind sie durch analoge Anwendung allgemeiner verfahrensrechtlicher Grundsätze im Wege einer Gesamtanalogie zu schließen (vgl. Sachs, Verfassungsprozessrecht, Rn. 55). 230 GVBl S. 147. 231 GVBl 1948, S. 121 (125). 232 Erstes Gesetz zur Änderung des Gesetzes über den Verfassungsgerichtshof vom 28. April 1949 (GVBl S. 91); Zweites Gesetz zur Abänderung des Gesetzes Nr. 72 über den Verfassungsgerichtshof vom 22. Juli 1947 vom 10. Mai 1949 (GVBl S. 113); vgl. hierzu oben § 2 C. V. 1. (S. 67). 233 Gesetz zur Änderung des Gesetzes Nr. 72 über den Verfassungsgerichtshof sowie des Gesetzes über die Entschädigung der Mitglieder des Verfassungsgerichtshofs (GVBl S. 267); vgl. hierzu oben § 2 III. E. 2 (S. 67).

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1. Kap.: Grundlagen

hofs234 verwies in § 26 entsprechend der geänderten Rechtslage nicht mehr auf das Gesetz Nr. 39 über die Verwaltungsgerichtsbarkeit, sondern auf die am 1. April 1960 in Kraft getretene Verwaltungsgerichtsordnung235. Erst mit der Neufassung des BayVerfGHG vom 10. Mai 1990 fand die Regelung ihren Weg in das Gesetz. So sagt der bis heute unveränderte Wortlaut des Art. 30 Abs. 1 des Gesetzes über den Bayerischen Verfassungsgerichtshof vom 10. Mai 1990: Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind die Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung, ergänzend die der Zivilprozeßordnung entsprechend heranzuziehen.236

Die Gesetzesbegründung führt in Bezug auf diese Regelung lediglich aus: „Abs. 1 entspricht dem § 26 GeschOVerfGH.“237

II. Regelungslücke als Anwendungsvoraussetzung Der Rückgriff auf die VwGO sowie die ZPO ist gemäß Art. 30 Abs. 1 BayVerfGHG nur dann erlaubt, wenn das BayVerfGHG keine Bestimmung über das Verfahren enthält.238 Eine entsprechende Voraussetzung ist auch in den Verweisungsregelungen des § 173 Satz 1 VwGO239, des § 202 SGG240 sowie des § 155 FGO241 zu finden. Für diese Normen ist anerkannt, dass ein Rückgriff auf die anderen Verfahrensordnungen nur dann zulässig ist, wenn die VwGO, das SGG bzw. die FGO nicht erkennbar eine abschließende Regelung getroffen haben, sie also eine 234 Geschäftsordnung des Verfassungsgerichtshofs für den Freistaat Bayern vom 15. Juli 1963 (GVBl S. 151). 235 Mit dem Inkrafttreten der VwGO trat unter anderem das bayerische Gesetz über die Verwaltungsgerichtsbarkeit vom 25. September 1946 außer Kraft (§ 195 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchstabe b) der Verwaltungsgerichtsordnung vom 21. Januar 1960 [BGBl I, S. 17]). 236 GVBl S. 122 (128). 237 LT-Drs. 11 / 12997, S. 20. 238 Vgl. BayVerfGHE 48, 131. 239 § 173 Satz 1 VwGO lautet: „Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschließen.“ 240 § 202 SGG lautet: „Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschließen.“ 241 § 155 FGO lautet: „Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und, soweit die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten es nicht ausschließen, die Zivilprozessordnung sinngemäß anzuwenden.“

§ 3 Rechtsgrundlagen

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Lücke aufweisen, die einer Ausfüllung bedarf.242 Gleiches gilt für Art. 30 Abs. 1 BayVerfGHG. Das BayVerfGHG trifft in diesem Sinne nur dann keine Verfahrensbestimmung, wenn eine Regelungslücke vorliegt. Eine solche ist bei einer planwidrigen Unvollständigkeit der Gesetzesordnung gegeben.243 Es ist daher bei jeder festgestellten Regelungslücke zu prüfen, ob diese Lücke planmäßig oder planwidrig ist.244 Soweit das BayVerfGHG die Verfahren abschließend regelt bzw. eine Regelung bewusst unterlässt, ist ein Rückgriff auf die VwGO oder die ZPO unzulässig.

III. Keine entsprechende Anwendung bei grundsätzlichen Unterschieden der Verfahrensordnungen Sowohl die VwGO als auch das SGG lassen einen Rückgriff auf die Regelungen anderer Gesetze nur dann zu, „wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensordnungen dies nicht ausschließen“.245 In der FGO ist dies der Fall, „soweit die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten es nicht ausschließen“.246 Der Text des Art. 30 Abs. 1 BayVerfGHG stellt hingegen keine vergleichbare Voraussetzung auf. Fraglich ist daher, ob dies der Gesetzgeber bewusst unterließ. Die Gesetzesbegründung trifft hierzu keine Aussage.247 Der Gesetzgeber wollte mit dem neugefassten Gesetz über den Bayerischen Verfassungsgerichtshof die Rechtslage umfassend bereinigen, die dadurch gekennzeichnet war, dass das bis dahin geltende Gesetz nur einen Teil der maßgeblichen Vorschriften enthielt, während die Geschäftsordnung des Verfassungsgerichtshofs ergänzend heranzuziehen war. Ziel war es daher, die Regelungen des Gesetzes über den Verfassungsgerichtshof sowie dessen Geschäftsordnung zusammenzufassen sowie teilweise abzuändern und zu ergänzen.248 Der Gesetzgeber hat im Fall des Art. 30 Abs. 1 BayVerfGHG nur die Regelung der Geschäftsordnung249 in das BayVerfGHG übernommen.

242 Vgl. Kopp / Schenke, VwGO, § 173 Rn. 2; Groß, in: Lüdtke, SGG, § 202 Rn. 3; Stapperfend, in: Gräber, FGO, § 155 Rn. 3. 243 Canaris, S. 39; vgl. auch Rüthers / Fischer, Rn. 832. 244 Auer, Verweisung in § 173 VwGO, S. 10 – zur VwGO. 245 Vgl. den Wortlaut des § 173 Satz 1 VwGO in Fußn. 239 (1. Kapitel) sowie des § 202 SGG in Fußn. 240 (1. Kapitel). 246 Vgl. den Wortlaut des § 155 FGO in Fußn. 241 (1. Kapitel). 247 Vgl. oben das Zitat bei Fußn. 233 (1. Kapitel). 248 LT-Drs. Dr. 11 / 12997, S. 1. 249 § 26 der Geschäftsordnung des Verfassungsgerichtshofs für den Freistaat Bayern vom 15. Juli 1963 (GVBl S. 151) hatte folgenden Wortlaut: „Soweit das Verfassungsgerichtshofgesetz und diese Geschäftsordnung keine Bestimmungen enthalten, sind die Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung, ergänzend die der Zivilprozeßordnung heranzuziehen.“ Die Änderung der Geschäftsordnung vom 18. Februar 1966 (GVBl S. 159) ließ die Regelung unverändert.

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1. Kap.: Grundlagen

Ein bewusster Verzicht auf die Regelung der Voraussetzung, wonach ein Rückgriff auf Normen nur möglich ist, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der Verfahrensordnungen dies nicht ausschließen, kann dem Gesetzgeber daher nicht unterstellt werden. Vielmehr ist das Fehlen einer entsprechenden Erörterung bei der Entstehung der Norm vermutlich darauf zurückzuführen, dass ein entsprechender Norminhalt als selbstverständlich vorausgesetzt wurde. Denn auch die Auslegung der Norm anhand deren Zwecks führt zu dem Ergebnis, dass die Heranziehung von Vorschriften der VwGO und der ZPO nur dann möglich ist, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der Verfahrensordnungen dies nicht ausschließen. Auch der Bayerische Verfassungsgerichtshof geht in seiner Rechtsprechung zu der ursprünglich in der Geschäftsordnung enthaltenen Verweisungsregelung250 von dieser Voraussetzung aus.251 Dem entsprechend ist für jede einzelne Vorschrift der VwGO und der ZPO zu entscheiden, ob sie im verfassungsgerichtlichen Verfahren uneingeschränkt, eingeschränkt oder gar nicht angewandt werden kann.252 Ursachen für die grundsätzlichen Unterschiede können insbesondere die verschiedenen Zwecke des jeweiligen Verfahrens, die Verflechtung mit dem materiellen Recht und die Grundsätze des Verfassungsprozessrechts sein.253 Während beispielsweise die Parteien des Zivilprozesses nach dem Verhandlungsgrundsatz weitestgehend selbstständig verpflichtet sind, die entscheidungserheblichen Tatsachen vorzutragen und die Beweise für ihre Behauptungen anzutreten, wird das Popularklageverfahren nach dem Untersuchungsgrundsatz254 von Amts wegen betrieben.255 Daher besteht in diesem unter anderem kein Raum zur Anwendung der Regelungen der ZPO zum Geständnis (§§ 288 – 290 ZPO) oder zum Versäumnisurteil (§§ 330 ff. ZPO).256 IV. Rangverhältnis von VwGO und ZPO Sind die dargestellten Voraussetzungen gegeben, so dass ein Rückgriff auf die Regelungen der VwGO und ZPO möglich ist, legt Art. 30 Abs. 1 BayVerfGHG hierfür ein Rangverhältnis fest. In erster Linie sind die Regelungen der VwGO entsprechend anzuwenden. Trifft auch diese keine einschlägige Bestimmung, sind die Normen der ZPO „ergänzend“ heranzuziehen.

Vgl. oben § 3 C. I. (S. 42). Vgl. das Zitat bei Fußn. 259 (1. Kapitel). 252 Vgl. Stapperfend, in: Gräber, FGO, § 155 Rn. 6 – zu § 155 FGO. 253 Vgl. Auer, die Verweisung in § 173 VwGO, S. 23 – zu § 173 VwGO. 254 Vgl. Art. 23 BayVerfGHG; Fleury, Rn. 42; Pestalozza, Verfassungsprozeßrecht, § 23 Rn. 22. 255 Vgl. Woring, in: Beermann / Gosch, Abgabenordnung Finanzgerichtsordnung, § 155 FGO Rn. 27 – zu § 155 FGO. 256 Vgl. Auer, Verweisung in § 173 VwGO, S. 33 – zu § 173 VwGO. 250 251

§ 3 Rechtsgrundlagen

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V. Anwendbarkeit allgemeiner Rechtsgrundsätze In Bezug auf die Anwendbarkeit allgemeiner Rechtsgrundsätze führt der Bayerische Verfassungsgerichtshof zur inhaltsgleichen Vorgängernorm257 des Art. 30 Abs. 1 BayVerfGHG – dem § 26 GeschOVerfGH258 – aus, gemäß dieser Vorschrift „sind, soweit das Gesetz über den Verfassungsgerichtshof und die Geschäftsordnung keine Bestimmungen über das Verfahren treffen, die Vorschriften des Gesetzes Nr. 39 über die Verwaltungsgerichtsbarkeit vom 25. 9. 1946 (GVBl. S. 281), ergänzend die der Zivilprozeßordnung heranzuziehen. Hierzu zählen außer dem geschriebenen Recht auch die anerkannten Rechtsgrundsätze des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und des Zivilprozesses, vorausgesetzt, daß nicht die Eigenart des verfassungsgerichtlichen Verfahrens ihre Anwendung ausschließt.“259

Auch im Bereich der Verweisungsnorm des § 173 VwGO ist die Geltung allgemeiner Grundsätze des Prozessrechts anerkannt.260 Stefan Auer wendet § 173 VwGO hierfür analog an.261 Er begründet dies mit dem Ziel der größtmöglichen Angleichung der Verfahrensordnungen.262 Dieses Argument ließe sich auch auf die Regelung des Art. 30 Abs. 1 BayVerfGHG übertragen. Ob für die Anwendbarkeit allgemeiner Rechtsgrundsätze eine Verweisungsnorm auf andere Verfahrensordnungen überhaupt erforderlich wäre, ist indes zu bezweifeln. Denn die allgemeinen Prozessgrundsätze, beispielsweise der Antrags- und Dispositionsgrundsatz sowie das Recht auf Gehör, gelten in allen deutschen Verfahren. Gleiches gilt etwa auch für den in § 242 BGB enthaltenen Grundsatz von Treu und Glauben, der als allgemeines Rechtsprinzip in allen Rechtsbereichen Anwendung findet.263 Diese Grundsätze gelten unmittelbar, soweit sie nicht ausdrückliche Regelungen ausschließen.264 Festgehalten werden kann jedenfalls, dass auch in Verfahren vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof die allgemeinen Prozessgrundsätze anwendbar sind. Ebenso wie bei einem Rückgriff auf ausdrückliche Bestimmungen der VwGO oder ZPO ist die Anwendung der allgemeinen Grundsätze jedoch nur dann möglich, wenn keine grundsätzlichen Unterschiede der Verfahrensordnungen entgegenstehen.265

Vgl. oben § 3 C. I. (S. 71). Siehe zu deren Wortlaut Fußn. 249 (1. Kapitel). 259 BayVerfGHE 15, 1 (2). 260 Kopp / Schenke, VwGO, § 173 Rn. 1. 261 Auer, Verweisung in § 173 VwGO, S. 8. 262 Auer, Verweisung in § 173 VwGO, S. 6; vgl. zur prozessrechtsharmonischen Auslegung Schumann, FS Kerameus, S. 1209 (1220 f.). 263 Vgl. Brehm, in: Stein / Jonas, 22. Aufl., vor § 1 Rn. 222. 264 So drängt etwa Art. 55 Abs. 5 BayVerfGHG den Dispositionsgrundsatz zurück (vgl. hierzu unten 12. Kapitel: Einstellung des Verfahrens (S. 351). 265 Vgl. hierzu § 3 C. I. (S. 71) sowie § 3 C. III. (S. 73). 257 258

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1. Kap.: Grundlagen

D. Geschäftsordnung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs Gemäß Art. 30 Abs. 2 BayVerfGHG kann das Berufsrichterplenum des Verfassungsgerichtshofs „im übrigen“ – das heißt so weit Art. 30 Abs. 1 BayVerfGHG nicht einschlägig ist – das Verfahren und den Geschäftsgang durch eine Geschäftsordnung regeln. Dies ist mit der Geschäftsordnung des Bayerischen Verfassungsgerichtshof vom 18. Dezember 1990 geschehen. Sie trifft ergänzende Bestimmungen zum Berufsrichterplenum (§ 1), zur Akteneinsicht (§ 2), zu Tonaufnahmen der mündlichen Verhandlung (§ 3), zu Sondervoten (§ 4), zu dem im Geschäftsverteilungsplan vorgesehen Losverfahren (§ 5), zur Amtstracht (§ 6), zum Tagebuch über alle an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Schreiben (§ 7) sowie über die Eintragung der Eingänge in das Verfahrensregister (§ 8). Gemäß § 9 der Geschäftsordnung trat diese am 1. Januar 1991 in Kraft.

Nach der Neuregelung des BayVerfGHG trifft die Geschäftsordnung zu grundlegenden Fragen des Verfahrens somit keine Regelungen mehr.266

§ 4 Objektives Verfahren und Sachurteilsvoraussetzungen Der weite Kreis der Antragsberechtigten sowie der weitgehende Verzicht auf einschränkende Sachurteilsvoraussetzungen – insbesondere in Bezug auf die eigene Betroffenheit des Beschwerdeführers – entspricht der Funktion der Popularklage. Denn ein von subjektiven Berechtigungen unabhängiges objektives Verfahren kann den Schutz der Grundrechte am effektivsten sichern.267 Der Grundrechtsschutz ist desto weitgehender ausgeprägt, je „leichter“ eine Popularklage angestrengt werden kann. Einschränkungen der Beschwerdemöglichkeit durch Sachurteilsvoraussetzungen stehen daher in einem Spannungsverhältnis zur Funktion der Popularklage. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die jeweilige Zulässigkeitshürde in direktem Zusammenhang mit der Funktion des Grundrechtsschutzes steht, wie dies beispielsweise beim Erfordernis der substantiierten Darlegung einer Grundrechtsverletzung der Fall ist. Der Gesetzgeber hat sich bewusst dafür entschieden, eine sehr weitgehende Möglichkeit zur Erhebung der Normenkontrolle nach Art. 98 Satz 4 BV einzuräumen. Einschränkungen durch Sachenentscheidungsvoraussetzungen sind deshalb eng auszulegen.

266

Dies war auch das Ziel des Gesetzgebers (vgl. dazu den Text bei Fußn. 248 [1. Kapi-

tel]). 267

Vgl. Söhn, FG 25 Jahre BVerfG, Band I, S. 292 (293).

§ 5 Die Rolle des Einzelnen im Popularklageverfahren

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§ 5 Die Rolle des Einzelnen im Popularklageverfahren A. Die Aufgabe des Bürgers I. Der Bürger als „Wächter über die objektive Verfassungsordnung“ Zur Aufgabe des einzelnen Bürgers im Popularklageverfahren sagt der Bayerische Verfassungsgerichtshof: „Mit dem ihm durch die Popularklage eingeräumten Mitwirkungsrecht bei der Nachprüfung von Normen auf ihre Verfassungsmäßigkeit wird der Bürger im Interesse der Wahrung der Verfassung gleichsam zum Wächter über die objektive Verfassungsordnung bestellt“.268

Der Bürger erhält mit der Popularklage auf diese Weise ein Mitwirkungsrecht bei der Nachprüfung von Normen auf ihre Verfassungsmäßigkeit; so ist ihm der Schutz der objektiven Verfassung mit in die Hand gelegt. Er soll damit im Interesse der Wahrung der Verfassung aktiviert werden. Er wird gleichsam zum Wächter für die objektive Verfassungsordnung bestellt.269 Nach Ansicht von Axel Halfmeier enthalten Popularklagen insofern ein „utopisch-emanzipatorisches Moment“, als sie den Bürger als politisch handelndes und für die gesellschaftliche Ordnung verantwortliches Subjekt anerkennen.270 Der Popularkläger verfügt über Kompetenzen, die als „selbstlos“ in dem Sinne verstanden werden, als sie keine Betroffenheit im eigenen Interesse voraussetzen. Jedoch muss der Kläger nicht selbstlos in dem Sinne handeln, dass er ausschließlich zum „Schutz der Grundrechte als Institution“ handelt. Er kann damit vielmehr auch eigene Interessen verfolgen.271

II. Kritik an der Rolle des Bürgers als „Wächter über die objektive Verfassungsordnung“ Eckart Klein kritisiert die Rolle des Bürgers als „Wächter über die objektive Verfassungsordnung“. Es entspreche dem Einzelnen mehr, seinen eigenen Rechtskreis zu verteidigen. Man solle ihn hingegen nicht in die Rolle einer allgemeinen Verfassungsaufsichtsinstanz drängen.272 Er wendet sich gegen die Definition des Bürgers als Akteur im Prozess der Verfassungsentwicklung. Zwar könne der Staat dem Bürger Pflichten auferlegen, der allgemeine Freiheitsstatus dürfe jedoch nicht zum AnBayVerfGHE 36, 56 (61). BVerfGE 13, 132 (141); Häberle, Grundprobleme der Verfassungsgerichtsbarkeit, in: ders., Verfassungsgerichtsbarkeit, S. 1 (S. 14 Fußn. 59). 270 Halfmeier, S. 380. 271 Vgl. oben § 1 (S. 37). 272 E. Klein, DVBl. 1993, 1329 (1333). 268 269

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1. Kap.: Grundlagen

satzpunkt „genereller Inpflichtnahme“ für das allgemeine Wohl werden.273 Diese Ansicht stützt er unter anderem auf Ausführungen von Josef Isensee und Herbert Bethge.274 Josef Isensee wiederum zitiert eine These von Benjamin Constant, die aus dem Beginn des 19. Jahrhunderts stammt. Danach sei im Großstaat der Gegenwart die politische Mitwirkung für das Individuum zur abstrakten Annahme verblasst. Die Unabhängigkeit sei hingegen das erste Bedürfnis des modernen Menschen, weshalb man nie von ihm verlangen dürfe, diese zugunsten der politischen Freiheit zu opfern.275 Herbert Bethge stellt klar, dass es bei grundrechtlich determinierter Teilhabe an behördlichen und gerichtlichen Verfahren ausschließlich um eine von individueller Rechtsbetroffenheit ausgelöste Beteiligung gehe. Eine prozessuale Grundrechtskonkretisierung, die sich vorwiegend als Teilhabe bei der Entstehung einer Entscheidung im staatlichen Verfahren versteht, würde dem Bürger die individuelle „Atmungsmöglichkeit“ nehmen. Individuelle Beliebigkeit als Grundvoraussetzung der Freiheitsidee geriete so zur Pflichtposition.276 Den dargestellten Ausführungen liegt somit der Standpunkt zu Grunde, ein Beteiligungsrecht des Bürgers dürfe nicht zu einer Pflicht werden, da diese die Freiheit des Bürgers einschränken würde. Übertragen auf die Popularklage heißt das, die Möglichkeit, mit der Popularklage als „Wächter über die objektive Verfassungsordnung“ aufzutreten, darf den Grundrechtsschutz des einzelnen Bürgers nicht einschränken. Dies ist jedoch nicht der Fall. Dem einzelnen Bürger gereicht es nicht zum Nachteil, wenn er keine Popularklage erhebt; es besteht für ihn kein Zwang, als „Wächter“ aufzutreten. Dies gilt beispielsweise für die Möglichkeit, eine Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht zu erheben. Zählte die Popularklage zum Rechtsweg im Sinne des § 90 Abs. 2 S. 1 BVerfGG, wäre die Verfassungsbeschwerde nur zulässig, wenn der Kläger im Vorfeld eine (erfolglose) Popularklage erhoben hätte. Aus der Nichterhebung der Beschwerde zum Bayerischen Verfassungsgerichtshof entstünde ihm insofern ein Nachteil. Dies ist jedoch nicht der Fall, da die Popularklage aufgrund der unterschiedlichen Prüfungsmaßstäbe des Bundesverfassungsgerichts und des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs keinen Rechtsweg im Sinne des § 90 BVerfGG darstellt.277

Eckart Klein weist darüber hinaus darauf hin, die Verfassungsbeschwerde zum Bayerischen Verfassungsgerichtshof nach Art. 120 BV sei durch die Popularklage insofern eingeschränkt, als die Verfassungsbeschwerde nicht unmittelbar gegen Rechtsnormen erhoben werden könne.278 Eckart Klein ist insofern zuzustimmen,

E. Klein, DÖV, 1982, 797 (804). E. Klein, DÖV, 1982, 797 (804 Fußn. 96) unter Verweis auf J. Isensee, Der Staat 20 (1981), 161 ff. und Bethge, NJW 1982, 1 (7). 275 Isensee, Der Staat 20 (1981), 161 (173). 276 Bethge, NJW 1982, 1 (7). 277 Vgl. etwa Fleury, Rn. 327. 278 E. Klein, DVBl. 1993, 1329 (1333). 273 274

§ 5 Die Rolle des Einzelnen im Popularklageverfahren

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dass der Bürger eine Popularklage erheben muss, wenn er durch eine Rechtsvorschrift seine Grundrechte verletzt sieht und dies in zulässiger Weise vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof rügen möchte. Dieser „Zwang“ folgt jedoch nicht aus einer Rolle als „Wächter“, sondern aus dem Streben nach Schutz seiner subjektiven Rechte. Der Verweis auf das Popularklageverfahren zur Geltendmachung seiner Rechte, stellt für den Kläger im Vergleich zur Erhebung einer Verfassungsbeschwerde keinen Nachteil279 dar. Vielmehr ergänzt die Popularklage den Rechtsschutz, den die Verfassungsbeschwerde gewährt.280 Dies wird auch dadurch deutlich, dass eine Verfassungsbeschwerde zum Bayerischen Verfassungsgerichtshof, die unmittelbar einen Rechtssatz angreift, regelmäßig in eine Popularklage umzudeuten ist281. Das Popularklageverfahren schränkt den Grundrechtsschutz des Einzelnen daher nicht ein. Vielmehr ist das Gegenteil der Fall. So gibt die Beschwerde nach Art. 98 Satz 4 BV dem einzelnen Bürger die Möglichkeit, auch solche Normen anzufechten, die seine Grundrechte nur mittelbar oder erst zukünftig betreffen. Die Popularklage stärkt somit nicht nur den Schutz der Grundrechte als Institution, sondern auch den Schutz der subjektiven Grundrechtposition des Einzelnen. Die Kritik Eckart Kleins an der Rolle des Bürgers als „Wächter über die objektive Verfassungsordnung“ ist daher unbegründet.

B. Der Einfluss des Bürgers auf das Verfahren Für die Ausgestaltung einer Verfahrensart ist entscheidend, ob mit dieser subjektives Recht geschützt oder objektives Recht durchgesetzt werden soll. Von dieser Frage hängt unter anderem der Einfluss der Beteiligten auf den Gang des Verfahrens ab.282 Da das Popularklageverfahren dem objektiven Schutz der Grundrechte als Institution dient, ist auch der Einfluss des Bürgers auf das Verfahren begrenzt. Dieses ist nicht entscheidend auf die Person des Antragstellers bezogen. Dessen Beschwerde ist lediglich prozessuale Voraussetzung der Einleitung des Verfahrens283 (vgl. Art. 14 Abs. 1 Satz 1 BayVerfGHG); er ist ein „Anstoß von außen“ für die Kontrolle einer Norm284. Daher steht es nicht im Belieben des Antragstellers, das Verfahren durch eine prozessuale Erklärung zu beenden, wenn es in zulässiger Weise eingeleitet worden ist.285 Vielmehr kann der Verfassungsgerichtshof gemäß 279 Bis zum 1. Januar 1991 war dies sogar ein Vorteil. Denn die Popularklage war im Gegensatz zur Verfassungsbeschwerde bis zum Inkrafttreten des Gesetzes über den Bayerischen Verfassungsgerichtshof stets kostenfrei (vgl. Vill, BayVBl. 1991, 353 [358] sowie unten § 31 C. I. [S. 223]). 280 Knöpfle, BayVBl. 1984, 257 (260). 281 Schumann, in: Starck / Stern, LVG II, S. 149 (209 f.); Ebersperger, S. 22. 282 Benda / E. Klein, Rn. 36. 283 BayVerfGHE 25, 45 (47). 284 BVerfGE 1, 208 (219); Söhn, FG 25 Jahre BVerfG, Band I, S. 292 (303 f.) – jeweils zur abstrakten Normenkontrolle zum BVerfG.

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1. Kap.: Grundlagen

Art. 55 Abs. 5 BayVerfGHG trotz einer Rücknahme der Popularklage über diese entscheiden, wenn er es im öffentlichen Interesse für geboten hält. Er muss das Verfahren fortsetzen, wenn die juristische Person des öffentlichen Rechts, deren Rechtsvorschrift angegriffen ist, eine Entscheidung binnen vier Wochen ab Zustellung der Rücknahmeerklärung beantragt. Auch der Tod oder die Auflösung des Antragstellers hindern den Fortgang des Verfahrens nicht, wenn er im öffentlichen Interesse liegt.286 Als Verfahrensbeteiligter kann der Beschwerdeführer – insbesondere durch eigene rechtliche Ausführungen – Einfluss auf das Verfahren nehmen. Der Verfassungsgerichtshof beschränkt seine Prüfung im Popularklageverfahren jedoch nicht auf solche Verfassungsbestimmungen, die der Antragsteller als verletzt rügt.287 Gemäß Art. 23 Abs. 1 BayVerfGHG erhebt der Gerichtshof den nach seinem Ermessen erforderlichen Beweis. Der Feststellung des Sachverhalts kommt im Popularklageverfahren eine wesentlich andere Bedeutung zu als im Zivilprozess. Da Prüfungsgegenstand nicht die Anwendung von Rechtsnormen ist, können tatsächliche Umstände nur mittelbar von Bedeutung sein.288 Der Beschwerdeführer hat jedoch im Popularklageverfahren Anspruch auf rechtliches Gehör und Anspruch auf den gesetzlichen Richter.289

§ 6 Popularklage als bayerische Besonderheit Im subjektivrechtlich geprägten deutschen Rechtsschutzsystem sind objektivrechtliche Beanstandungsverfahren seltene Ausnahmen.290 Das herkömmliche deutsche Rechtsschutzsystem lässt Klagen und Rechtsmittel grundsätzlich nur zu, wenn sie die eigenen Rechte oder wenigstens die eigenen rechtlichen Interessen der Prozessbeteiligten291 betreffen und behandelt daher im Allgemeinen die Verbands- und vor allem 285 BayVerfGHE 52, 268 (270); vgl. auch BayVerfGH BayVBl. 2011, 238; BayVerfGH Entscheidung vom 16. 11. 2004, Vf. 4-VII-04, veröffentlicht in juris, ebenda Rn. 39; Knöpfle, in: Nawiasky / Schweiger / Knöpfle, BV, Art. 98 Satz 4 Rn. 85. 286 Knöpfle, in: Nawiasky / Schweiger / Knöpfle, BV, Art. 98 Satz 4 Rn. 27; Pestalozza, Verfassungsprozeßrecht, § 23 Rn. 93. 287 BayVerfGHE 25, 45 (47); vgl. hierzu auch 9. Kapitel: Prüfungsmaßstab (insbesondere § 41 [S. 283]). 288 BayVerfGHE 25, 45 (47); vgl. zum Verfahrensgegenstand unten 3. Kapitel: Zulässiger Verfahrensgegenstand (S. 102). 289 BVerfGE 13, 132 (141). 290 Murswiek, FS Gauweiler, S. 225 (227). 291 Kann in Bezug auf einen bestimmten hoheitlichen Akt jeder eine Selbstbetroffenheit geltend machen, liegen im Ergebnis starke Ähnlichkeiten zu einer Popularklage vor. Dies gilt beispielsweise für die vom BVerfG im Lissabon-Urteil (BVerfGE 123, 267 [340]) zugelassene Kompetenzverfassungsbeschwerde, wonach sich jeder Deutsche unter Berufung auf Art. 38 GG mittels der Verfassungsbeschwerde zum BVerfG gegen eine Kompetenzüberschreitung seitens der EU wehren kann (vgl. hierzu Schumann, FS Spellenberg, S. 729 [729 f.]; ders., in: Roth, Europäisierung des Rechts, S. 197 [239]).

§ 6 Popularklage als bayerische Besonderheit

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die Popularklage als unzulässig292. Die Popularklage findet daher meist nur mit der Aussage Erwähnung, sie komme im geltenden Recht eigentlich nicht vor.293 So ist beispielsweise die verwaltungsgerichtliche Normenkontrolle nach § 47 VwGO nicht als Popularklage ausgestaltet. Eine natürliche oder juristische Person ist in diesem Verfahren nur dann antragsberechtigt, wenn sie geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden (§ 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO). Bei der abstrakten Normenkontrolle vor dem Bundesverfassungsgericht können gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG nur die Bundesregierung, die Landesregierungen sowie ein Drittel der Mitglieder des Bundestages Verfahren anstrengen. Die Antragsberechtigung ist in diesen beiden Fällen somit weitaus enger gefasst, als bei der Popularklage zum Bayerischen Verfassungsgerichtshof. Diese ist daher eine Besonderheit des bayerischen Verfassungsprozessrechts.294 Weder das Grundgesetzes noch die übrigen Landesverfassungen enthalten eine Parallele.295 In anderen Staaten der westlichen Welt stellt die Popularklage ebenfalls eine nur sehr selten zu findende Ausnahme dar.296 Die Popularklage zum Bayerischen Verfassungsgerichtshof wird insofern als eine die Regel bestätigende Ausnahme verstanden.297 Sie wird als Unikum, gar als Bestandteil des „bayerischen Kuriositätenkabinetts“ betrachtet.298 Josef Franz Lindner bezeichnet sie als die „spektakulärste Verfahrensart im deutschen Verfassungsprozessrecht“.299 Im Gegensatz dazu kennt das geltende Privatrecht durchaus Popularklagen.300 Von erheblicher praktischer Bedeutung ist beispielsweise die in §§ 21, 81 PatG enthaltene Befugnis, wonach jedermann die Nichtigerklärung eines Patents beim Patentgericht beantragen kann.301 Ein weiteres Beispiel enthält das Markengesetz. Gemäß dessen § 54 kann jede Person einen Antrag auf Löschung einer Marke stellen, wenn dieser absolute Schutzhindernisse geltend macht. Ein solches liegt gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 1 MarkenG etwa vor, wenn der Marke für die Waren oder Dienstleistungen jegliche Unterscheidungskraft fehlt.302 292 Schumann, in: Starck / Stern, LVG II, S. 149 (160); Schumann, in: Stein / Jonas, ZPO, 20. Aufl., Einleitung Rn. 8. 293 Halfmeier, S. 3. 294 Domcke, in: Starck / Stern, LVG II, S. 233; J. Menzel, S. 532; Wolff, in: Lindner / Möstl / Wolff, BV, Art. 98 Rn. 7. 295 Vgl. BVerfGE 45, 63 (75); Domcke, in: Starck / Stern, LVG II, S. 231 (233); K. Huber, BayVBl. 2010, 389 (391); Knöpfle, Verfassung des BayVerfGH, S. 9; J. Menzel, S. 532; Pestalozza, Verfassungsprozeßrecht, § 23 Rn. 90. Diese Aussage hat auch nach Gründung der Verfassungsgerichte der Neuen Bundesländer nicht an Richtigkeit verloren. 296 Brunner, JöR 50 (2002), S. 191 (229 f.); vgl. auch Arnold, JOR 2002, S. 26 f. 297 Halfmeier, S. 3. 298 Halfmeier, S. 3. 299 Lindner, Bayerisches Staatsrecht, Rn. 489. 300 Vgl. ausführlich zu einer Reihe von Fällen Halfmeier, S. 51 ff. 301 Halfmeier, S. 51. 302 Vgl. hierzu Halfmeier, S. 76 ff.

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1. Kap.: Grundlagen

§ 7 Tatsächliche Bedeutung der Bayerischen Popularklage A. Zeitraum 1947 bis 2007 In den 60 Jahren seines Bestehens von 1947 bis 2007 hat der Bayerische Verfassungsgerichtshof insgesamt 8.140 verfassungsgerichtliche Verfahren aus allen Bereichen des bayerischen Verfassungsrechts erledigt.303 Im Vergleich zum Bundesverfassungsgericht ist dies wenig – dieses hatte im Zeitraum vom 7. September 1951 bis zum 31. Dezember 2007 169.502 anhängige Verfahren.304 Vergleicht man den Bayerischen Verfassungsgerichthof jedoch mit den anderen deutschen Landesverfassungsgerichten, ist es nicht nur eines derjenigen, die am öftesten angerufen werden, sondern trat unter diesen schon früh hervor; nicht zuletzt aufgrund der Popularklage305. Beim Großteil der Verfahren vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof handelt es sich um Verfassungsbeschwerden – von 1947 bis Juni 2007 waren es 6.697 (82 %).306 Davon hatten 146 (2,2 %) Erfolg.307 Die Bürger machen jedoch auch gern von der Popularklage Gebrauch. Beinahe jede in der Öffentlichkeit kontrovers diskutierte bayerische Rechtsvorschrift wird über kurz oder lang mit der Popularklage angegriffen. Seit Bestehen des Gerichtshofs bis zum Jahr 2007 sind 1.267 – jährlich also rund 20 – Popularklagen eingegangen, was knapp 16 % aller Verfahren entspricht. Davon hatten 141 (ca. 11 %) ganz oder teilweise Erfolg.308 Die erfolgreichen Popularklagen betrafen in der Mehrzahl nicht kommunale Satzungen oder sonstige Vorschriften mit begrenztem Anwendungsbereich.309 Tatsächlich richten sich mehr als zwei Drittel der erfolgreichen Klagen gegen Landesgesetze oder Rechtsverordnungen der Staatsregierung.310

K. Huber, BayVBl. 2008, 65 (66). Jahresstatistik des Bundesverfassungsgerichts, veröffentlicht unter http: // www.bundes verfassungsgericht.de / organisation / gb2007 / A-I-1.html [zuletzt aufgerufen am 30. Juni 2009]. 305 Stern, in: Starck / Stern, LVG I, S. 1 (13 f.); vgl. auch Knöpfle, Verfassung des BayVerfGH, S. 9; Schmitt Glaeser / Horn, BayVBl. 1992, 673; Steiner nennt den BayVerfGH „unter den deutschen Landesverfassungsgerichten herausragend“ (BayVBl. 2009, 480). 306 K. Huber, BayVBl. 2008, 65 (66). Außerdem waren unter anderem anhängig 37 Verfahren zu Entscheidungen über die Gültigkeit der Landtagswahlen und den Verlust der Mitgliedschaft zum Landtag (Art. 63 BV), 27 Entscheidungen in Organ- oder Verfassungsstreitigkeiten (Art. 64 BV) und 68 Richtervorlagen (K. Huber, BayVBl. 2008, 65 [65 f.]). 307 K. Huber, BayVBl. 2008, 65 (66). Im Vergleich dazu wurden beim Bundesverfassungsgericht von 1951 bis Ende 2006 160.676 Verfassungsbeschwerden erledigt, wovon 3.835 (2,5 %) erfolgreich waren (Huber, BayVBl. 2008, 65 [67]). 308 K. Huber, BayVBl. 2008, 65 (68). 309 K. Huber, BayVBl. 2008, 65 (68). 310 K. Huber, BayVBl. 2008, 65 (68). 303 304

§ 7 Tatsächliche Bedeutung der Bayerischen Popularklage

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B. Zeitraum 1995 bis 2011 Der Zeitraum vom 1. Januar 1995 bis zum 31. Dezember 2011 zeichnet ein vergleichbares Bild. In diesen 17 Jahren traf der Bayerische Verfassungsgerichtshof 162 Entscheidungen in Popularklageverfahren, die insgesamt 211 Normenkontrollbeschwerden abschlossen. Außerdem stellte er 24 Verfahren, denen 26 Beschwerden zu Grunde lagen, vollständig und eines teilweise ein. Insgesamt erledigte er so 237 Popularklagen – durchschnittlich 13,9 pro Jahr. Von den 162 Entscheidungen sah der Gerichtshof in 100 (61,7 %) Fällen die Popularklagen als zulässig an. Dahingegen verwarf er 17 (10,5 %) als unzulässig und 36 (22,2 %) als teilweise unzulässig. Bei neun (5,6 %) blieb die Zulässigkeit offen. Insgesamt ging er daher bei 145 (89,5 %) Entscheidungen zumindest teilweise auf die Begründetheit ein. Bei elf (6,8 %) der 162 Entscheidungen gab der Verfassungsgerichtshof den Beschwerden als begründet, bei sechs (3,7 %) als teilweise begründet statt. Insofern hatten 10,5% der Popularklagen zumindest teilweise Erfolg. Den 17 (teilweise) stattgebenden Entscheidungen lagen 20 Beschwerden zu Grunde. Im Verhältnis zu den 211 Normenkontrollbeschwerden, über die der Gerichtshof entschied, beträgt die Erfolgsquote 9,5%. Die (teilweise) erfolgreichen Klagen hatten allerdings nur in sieben Fällen Landesgesetze oder Rechtsverordnungen der Staatsregierung zum Gegenstand. Die restlichen neun Beschwerden griffen Normen mit begrenztem Anwendungsbereich an.311

C. Keine Überflutung mit querulatorischen Klagen Gegenüber der Erfolgsquote von ca. 10% der Popularklage liegt diejenige der Normenkontrollverfahren beim Bundesverfassungsgericht bei knapp 17%.312 Diese Verfahren können nur besonders sachkundige Antragsteller, vor allem Richter und Abgeordnete, in Gang setzen.313 Die Popularklage kann hingegen „jedermann“ erheben. Vor diesem Hintergrund zeigt der relativ geringe Unterschied zwischen den Erfolgsquoten der Normenkontrollverfahren beim Bundesverfassungsgericht und der Popularklage, dass das bayerische „Jedermann“-Beschwerderecht nicht regelmäßig in unsachgemäßer Art und Weise Gebrauch findet. Die Befürchtung, diese Art des Rechtsschutzes könne missbraucht werden und zu einer Überflutung des Verfassungsgerichtshofs mit querulatorischen Klagen führen, ist unbegründet.314

311 Vgl. Übersicht I: Entscheidungen in Popularklageverfahren in den Jahren 1995 bis 2011 (S. 369). 312 K. Huber, BayVBl. 2008, 65 (68). 313 K. Huber, BayVBl. 2008, 65 (68); vgl. Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 2a GG, § 13 Nr. 6 und Nr. 6a BVerfGG.

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1. Kap.: Grundlagen

D. Bedeutungssteigerung durch die Föderalismusreform I Die Föderalismusreform I315 hat die Gesetzgebungskompetenz der Länder erweitert.316 Soweit der Freistaat Bayern von diesen Kompetenzen Gebrauch macht, ist die Popularklage eröffnet. Der Rechtsschutz durch den Bayerischen Verfassungsgerichtshof ist daher auf neue Regelungsgegenstände ausgedehnt. Zwar kann man mit Peter Badura beispielsweise für den Bereich des Versammlungsrechts – für den der Bund nicht mehr über das konkurrierende Gesetzgebungsrecht verfügt – bezweifeln, ob der Landesgesetzgeber aufgrund der strengen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Versammlungsfreiheit des Art. 8 GG inhaltlich über einen großen Gestaltungsspielraum verfügt, die bestehende Rechtslage zu verschärfen.317 Dies ändert aber nichts daran, dass das Popularklageverfahren durch die neuen Landeskompetenzen an Bedeutung gewonnen hat. Denn der Landesgesetzgeber regelt nun weitere wichtige Materien. Hierdurch wird die Zahl der mit der Popularklage angreifbaren Gesetze und damit voraussichtlich auch die Zahl der Popularklagen steigen.318 Dies belegen die hierzu bereits ergangenen Entscheidungen – beispielsweise zur Besoldung der Landesbeamten319 und zum Strafvollzug320.

E. Popularklage als „scharfes Schwert“ Die Normenkontrolle zählt zum „Kernbestand der Verfassungsgerichtsbarkeit“321 und damit zum „Kerngeschäft des deutschen Verfassungsrichters“322. In solchen Verfahren werden oft Rechtsfragen von erheblicher, insbesondere politischer Tragweite, geklärt.323 Sie bieten den wirkungsvollsten Hebel, die Verfassungsmäßigkeit der objektiven Staatsordnung durchzusetzen. Sie sind in besonderer Weise geeignet, 314 Knöpfle, BayVBl. 1984, 296 (300); Wintrich / Lechner, in: Bettermann / Nipperdey / Scheuner, Die Grundrechte, Dritter Band, 2. Halbband, S. 643 (687). Pestalozza, Verfassungsprozeßrecht, § 23 Rn. 90; Wolff, in: Lindner / Möstl / Wolff, BV, Art. 98 Rn. 7. 315 Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 28. August 2006 (BGBl I, S. 2034). 316 Vgl. hierzu etwa Degenhart, NVwZ 2006, 1209 (1213 f.). 317 Vgl. Badura, BayVBl. 2007, 193 (195). 318 K. Huber, BayVBl. 2008, 65 (72). 319 Vgl. BayVerfGH NVwZ 2009, 46. 320 Vgl. BayVerfGHE 62, 45. 321 Friesenhahn, Die Verfassungsgerichtsbarkeit in der Bundesrepublik Deutschland, S. 7; Söhn, FG 25 Jahre BVerfG, Band I, S. 292 (293); Schumann sieht eine typische verfassungsgerichtliche Aufgabe darin, mit bindender Wirkung über das Bestehen oder Nichtbestehen von Rechtssätzen zu entscheiden (Schumann, Verfassungs- und Menschenrechtsbeschwerde, S. 183). 322 Steiner, NJW 2001, 2919 (2921), vgl. auch Bethge, Jura 2009, 18 (20). 323 Söhn, FG 25 Jahre BVerfG, Band I, S. 292 (293).

§ 7 Tatsächliche Bedeutung der Bayerischen Popularklage

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Regelungen zu Fall zu bringen, die fundamentale Werte der Verfassung missachten.324 Nach all dem ist es durchaus gerechtfertigt, die Popularklage als „scharfes Schwert“ zu bezeichnen.325

324 325

Kruis, FS 50 Jahre BayVerfGH, S. 63 (75). Vgl. K. Huber, BayVBl. 2008, 65 (68); ders., BayVBl. 2010, 389 (393).

2. Kapitel

Antragsberechtigung Die Popularklage steht – wie bereits ihr Name sagt – einem sehr weiten Kreis Antragsberechtigter offen. Denn gemäß Art. 55 Abs. 1 Satz 1 BayVerfGHG kann sie „jedermann“ erheben.

§ 8 Tatsächliche Bedeutung in der Rechtsprechung Für jedes gerichtliche Verfahren ist es von erheblicher praktischer Bedeutung, welcher Personenkreis über die Antragsberechtigung verfügt. Wie die nachfolgende Darstellung zeigt, folgt der Bayerische Verfassungsgerichtshof denjenigen Literaturstimmen nicht, die eine Einschränkung des Beschwerderechts fordern. Aus diesem Grund verwarf das Gericht im Zeitraum vom 1. Januar 1995 bis zum 31. Dezember 2011 keine Beschwerde aufgrund mangelnder Antragsberechtigung als (teilweise) unzulässig.1

§ 9 Natürliche und juristische Personen und Antragsberechtigung A. Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs Der Bayerische Verfassungsgerichtshof führt aus: „Die Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs und die herrschende Lehre lassen alle natürlichen und juristischen Personen als Popularkläger zu, stellen also in der Sache an die Antragsberechtigung keine weiteren Anforderungen als die, dass der Popularkläger rechtsfähig sein muss“.2

Der Verfassungsgerichtshof sieht neben natürlichen Personen somit auch juristische Personen als zulässige Beschwerdeführer an. Dies gilt zum einen für juristische 1 Vgl. auch unten Übersicht I: Entscheidungen in Popularklageverfahren in den Jahren 1995 bis 2011 (S. 398). 2 BayVerfGHE 60, 1 (4).

§ 9 Natürliche und juristische Personen und Antragsberechtigung

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Personen des Privatrechts3 sowie für die insoweit gleichstehenden Personenvereinigungen des Handelsrechts, der offenen Handelsgesellschaft (§ 124 Abs. 1 HGB) und der Kommanditgesellschaft (§ 161 Abs. 2 i.V. m. § 124 Abs. 1 HGB)4. Zum anderen stehe die Erhebung der Popularklage – so der Gerichtshof – auch juristischen Personen des öffentlichen Rechts5 wie Gemeinden6, Landkreisen7 und Bezirken8 zu.9 Auch die gemäß Art. 28 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BayHSchG teilrechtsfähigen Fakultäten bayerischer Universitäten seien antragsberechtigt.10

B. Bewertung der Rechtsprechung I. Anwendbarkeit des § 61 VwGO Die durch Art. 55 Abs. 1 Satz 1 BayVerfGHG eröffnete Möglichkeit, wonach „jedermann“ Popularklage erheben kann, umfasst zunächst alle natürlichen Personen. Die Frage, ob die Norm darüber hinaus beispielsweise auch juristische Personen umfasst, ist anhand des Wortlautes hingegen nicht so eindeutig zu beantworten. Da dieser „jedermann“-Begriff weder im öffentlichen noch im privaten Recht feste Konturen aufweist, bedarf er daher einer näheren inhaltlichen Bestimmung.11 Dies könnte eine Heranziehung des § 61 VwGO leisten, wenn die Voraussetzungen des Art. 30 Abs. 1 BayVerfGHG erfüllt sind. Hierfür ist das Vorliegen einer Regelungslücke Voraussetzung.12 Fraglich ist daher, ob Art. 55 Abs. 1 Satz 1 BayVerfGHG, wonach „jedermann“ eine Popularklage erheben kenn, eine abschließende Regelung trifft. Diese Norm beantwortet jedoch nicht die Frage, wer fähig ist, an einer Klage beteiligt zu sein, sondern trifft die Aussage, dass jeder Beteiligungsfähige über das Antragsrecht verfügt. Daher liegt in Bezug auf die Beteiligungsfähigkeit eine Regelungslücke vor. § 61 VwGO ist somit im Popularklageverfahren anwendbar, soweit keine grundsätzlichen Unterschiede zwischen den Verfahren bestehen.13 3 BayVerfGHE 2, 143 (161); 4, 51 (53); 11, 81 (83); 23, 155 (159); 26, 69 (74); 28, 59 (62); 28, 107 (118); 29, 105 (118); 29, 224 (227); 31, 158 (161); 48, 87 (94); 48, 119 (122); 54, 109 (133 ff.); 57, 30 (33); 57, 129 (135); 61, 55 (58); 61, 130 (133); BayVerfGH Entscheidung vom 27. 6. 2011, Vf. 27-VII-10, veröffentlicht in juris, ebenda Rn. 50. 4 BayVerfGHE 26, 69 (74); 60, 234 (244); 61, 55 (58). 5 BayVerfGHE 22, 43 (45); 26, 69 (74); 29, 1 (3); 29, 105 (118); 40, 53 (55); 47, 165 (170); 51, 1 (13); 54, 109 (133 ff.); 60, 184 (209); 61, 55 (58). 6 BayVerfGHE 10, 113 (118); 12, 48 (53); 22, 43 (45); 29, 1 (3); 29, 105 (118); 49, 37 (50); 51, 1 (13); 54, 109 (133); 60, 184 (209). 7 BayVerfGHE 5, 1 (3); 12, 48 (53); 51, 1 (13); 54, 109 (133); 60, 184 (209). 8 BayVerfGHE 60, 184 (209). 9 Vgl. aber zu einer möglichen Einschränkung unten § 12 (S. 97). 10 BayVerfGH WissR 2008, 160 (161). 11 Knöpfle, in: Nawiasky / Schweiger / Knöpfle, BV, Art. 98 Satz 4 Rn. 19. 12 Vgl. oben § 3 C. I. (S. 71).

88

2. Kap.: Antragsberechtigung

II. Natürliche Personen und juristische Personen des Privatrechts Dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof ist insofern zuzustimmen, als er natürliche Personen zum Begriff „jedermann“ (Art. 55 Abs. 1 Satz 1 BayVerfGHG) zählt.14 Gleiches gilt für juristische Personen des Privatrechts.15 Dies entspricht der Regelung des Art. 30 Abs. 1 BayVerfGHG i.V. m. § 61 Nr. 1 VwGO; grundsätzliche Unterschiede zwischen den verwaltungsgerichtlichen Verfahren und er Popularklage bestehen insofern nicht.

III. Juristische Personen des öffentlichen Rechts Der Verfassungsgerichtshof findet in der Literatur auch insofern überwiegend Zustimmung, als er juristischen Personen des öffentlichen Rechts die Antragsberechtigung zuspricht.16 1. Grundrechtsträgerschaft juristischer Personen des öffentlichen Rechts Im Gegensatz hierzu spricht sich Franz Knöpfle für deren grundsätzlichen Ausschluss aus dem Kreis der Antragsberechtigten aus. Dies sei aus denselben Gründen gerechtfertigt, die gegen die Grundrechtssubjektivität der juristischen Personen des öffentlichen Rechts sprächen. Diese seien nämlich selbst als Träger hoheitlicher Befugnisse an der Ausübung der Staatsgewalt beteiligt und deshalb aus Sicht des Bürgers ein Teil der Staatsgewalt.17 Franz Knöpfle beruft sich insofern auf bundesverfassungsgerichtliche Rechtsprechung,18 wonach der Staat Grundrechtsverpflichteter, nicht jedoch Grundrechtsberechtigter sei. Deshalb sei es mit dem Wesen der Grundrechte unvereinbar, wenn der Staat gleichzeitig Grundrechtsberechtigter und Grundrechtsverpflichteter sei.19 Unabhängig von grundsätzlicher Kritik an dieser

13 Knöpfle, in: Nawiasky / Schweiger / Knöpfle, BV, Art. 98 Satz 4 Rn. 24 lässt hingegen offen, ob diese Regelung der Beteiligtenfähigkeit dem verfassungsprozessualen Verfahren im Allgemeinen angemessen sei. 14 Knöpfle, in: Nawiasky / Schweiger / Knöpfle, BV, Art. 98 Satz 4, Rn. 20. 15 Vgl. Domcke, in: Starck / Stern, LVG II, S. 231 (244); Fleury, Rn. 135; Knöpfle, in: Nawiasky / Schweiger / Knöpfle, BV, Art. 98 Satz 4 Rn. 21; Meder, BV, Art. 98 Rn. 7; Pestalozza, Verfassungsprozeßrecht, § 23 Rn. 92. 16 Vgl. Domcke, in: Starck / Stern, LVG II, S. 231 (244); Fleury, Rn. 135; Hoppe, in: Starck / Stern, LVG II, S. 257 (262); Meder, BV, Art. 98 Rn. 7; Pestalozza, Verfassungsprozeßrecht, § 23 Rn. 92. 17 Knöpfle, in: Nawiasky / Schweiger / Knöpfle, BV, Art. 98 Satz 4, Rn. 22. 18 Knöpfle, in: Nawiasky / Schweiger / Knöpfle, BV, Art. 98 Satz 4, Rn. 22. 19 BVerfGE 21, 362 (369 ff.); 61, 82 (103 f.); 68, 193 (205 ff.); 75, 192 (196).

§ 9 Natürliche und juristische Personen und Antragsberechtigung

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Rechtsprechung20, kann diese Argumentation nicht auf die Frage der Antragsberechtigung im Popularklageverfahren übertragen werden. Denn während bei der Grundrechtsträgerschaft juristischer Personen des öffentlichen Rechts deren eigene Rechte in Frage stehen, ist die Erhebung einer Popularklage unabhängig von eigener Betroffenheit.21 Die Ansicht Franz Knöpfles ist daher abzulehnen. 2. Kein Unterlaufen aufsichtsrechtlicher Befugnisse Franz Knöpfle weist darauf hin, dass bei einer unbeschränkten Zulassung der Hoheitsträger als Popularkläger diese alle Normen aller Verwaltungsträger mit der Behauptung der Grundrechtswidrigkeit vor das Forum des Verfassungsgerichtshofs bringen könnten. Damit würden – so Franz Knöpfle – die Beanstandungskompetenzen der Körperschaftsaufsicht mit ihren genau umrissenen Kontroll- und Eingriffsbefugnissen unterlaufen.22 Dem ist entgegen zu halten, dass die Popularklage den Bereich der Fachaufsicht nicht berührt; der Verfassungsgerichtshof prüft nicht, ob der Normgeber die zweckmäßigste Lösung gewählt hat.23 Er kann eigene Abwägungen und Überlegungen nicht an die Stelle derjenigen des Normgebers setzen.24 Die Kontrollbefugnis der Rechtsaufsicht und der Popularklage decken sich nur insoweit, als ein Verstoß gegen die Bayerische Verfassung in Frage steht, nicht hingegen im Bereich des einfachen Rechts oder des sonstigen höheren Rechts. Ein generelles Unterlaufen der aufsichtsrechtlichen Befugnisse ist daher nicht zu befürchten. Diese Bedenken stellen im Übrigen keine Besonderheit der Popularklage dar, sondern sind ebenso für das verwaltungsgerichtliche Verfahren einschlägig. Die Kritik Franz Knöpfles ist daher im Ergebnis abzulehnen. 3. Aufgabenbereich der juristischen Personen des öffentlichen Rechts In Bezug auf die Antragsberechtigung stellt sich desweiteren die Frage, ob eine Popularklage deswegen unzulässig sein könnte, weil die juristische Person des öffentlichen Rechts mit der Antragstellung außerhalb ihrer Zuständigkeit handelte. Erhöbe beispielsweise die Universität Regensburg eine Popularklage gegen das Bayerische Schulfinanzierungsgesetz oder einen Bebauungsplan der Stadt Abensberg, handelte sie außerhalb ihres in Art. 2 BayHSchG festgelegten Aufgabenbereichs. Umgekehrt fällt eine Popular-

20 21 22 23 24

Vgl. etwa R. Schmidt, Rn. 71. Vgl. die Nachweise in Fußn. 9 (1. Kapitel). Knöpfle, in: Nawiasky / Schweiger / Knöpfle, BV, Art. 98 Satz 4, Rn. 22. BayVerfGHE 56, 148 (169); 58, 212 (228). BayVerfGHE 58, 253 (265).

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2. Kap.: Antragsberechtigung

klage gegen die Promotionsordnung der Universität Regensburg nicht in den Aufgabenbereich der Stadt Abensberg.

Aus der Unzuständigkeit für einen solchen Realakt der Klageerhebung könnte dessen Rechtswidrigkeit folgen.25 Dies wiederum muss jedoch nicht zur Unzulässigkeit des Normenkontrollantrags führen. Entscheidend für den vorliegenden Zusammenhang ist, ob der Bayerische Verfassungsgerichtshof diese Frage der Zuständigkeit zur Antragstellung zu prüfen hat.26 Eine entsprechende Regelung enthalten aber weder die Bayerische Verfassung noch das BayVerfGHG. Die Funktion der Popularklage fordert eine solche Prüfung der Zulässigkeit der Antragstellung ebenfalls nicht. Denn ein möglichst weiter Kreis der Antragsberechtigten entspricht der Funktion der Popularklage.27 Eine Rechtsgrundlage für die Prüfung der Zuständigkeit ist daher nicht ersichtlich. Schließlich sprechen auch praktische Gründe gegen eine solche Einschränkung der Antragsbefugnis. Denn die erforderliche Prüfung der Zuständigkeit der juristischen Person des öffentlichen Rechts zur Antragstellung im Rahmen der Zuständigkeit ist völlig unabhängig von der im Rahmen der Begründetheit erfolgenden Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der gegenständlichen Rechtsvorschrift. Für die Frage der Zulässigkeit einer Popularklage ist es daher unerheblich, ob die juristische Person des öffentlichen Rechts hierfür zuständig ist. Auch unter diesem Gesichtspunkt ergeben sich im Popularklageverfahren keine Besonderheiten gegenüber den verwaltungsgerichtlichen Verfahren. Daher ist Art. 30 Abs. 1 BayVerfGHG i.V. m. § 61 Nr. 1 VwGO anwendbar. Die Frage, ob die juristische Person des öffentlichen Rechts rechtswidrig handelte, ist damit nicht beantwortet. So ist beispielsweise ein Verstoß einer antragstellenden Gemeinde gegen den Grundsatz der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit des Art. 61 Abs. 2 BayGO möglich, soweit die angegriffene Norm die Gemeinde nicht betrifft. Denn eine Gemeinde darf keine Ausgaben tätigen, die nicht der Erfüllung einer gemeindlichen Aufgabe dienen.28

4. Ergebnis Dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof ist demgemäß zuzustimmen, dass auch juristische Personen des öffentlichen Rechts uneingeschränkt Popularklagen erheben können.29 25 Vgl. zur Rechtswidrigkeit von Realakten beispielsweise Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 15 Rn. 5; Wolff / Bachof / Stober / Kluth, § 57 Rn. 21 ff. 26 Daher braucht hier nicht der Frage nachgegangen zu werden, ob etwa Art. 55 Abs. 1 BayVerfGHG und Art. 30 Abs. 1 BayVerfGHG i.V. m. § 61 Nr. 1 VwGO eine solche Zuständigkeit begründen. 27 Vgl. hierzu § 4 (S. 76). 28 BayVGH BayVBl. 1992, 628 (630). 29 Vgl. Czybulka, in: Sodan / Ziekow, VwGO, § 61 Rn. 22; Redeker / von Oertzen, VwGO, § 61 Rn. 3.

§ 10 Nichtrechtsfähige Vereinigungen und Antragsberechtigung

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§ 10 Nichtrechtsfähige Vereinigungen und Antragsberechtigung A. Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshof Der Bayerische Verfassungsgerichtshof stellt in einer Entscheidung aus dem Jahr 1952 fest: „Nichtrechtsfähige Vereine haben das Recht der Antragstellung nach Art. 98 Satz 4 BV grundsätzlich nicht.“30 Verfahrensgegenstand waren mehrere Vorschriften des Landeswahlgesetzes. Die Popularklage hatten neben mehreren natürlichen Personen auch die „Vereinigung wirtschaftlich und politisch Entrechteter“ sowie die „Interessengemeinschaft Münchener Evakuierter“ erhoben.31 Der Gerichtshof führt aus: „(Dabei kann hier unerörtert bleiben, ob etwa bei der Überprüfung von Wahlvorschriften den Vereinigungen, denen unter dem besonderen Gesichtspunkt der Wahl Berechtigungen eingeräumt sind, die Geltendmachung dieser Rechte im Verfahren nach Art. 98 Satz 4 einzuräumen ist oder ob den Gruppen [Fraktionen] einer Gemeindevertretung oder einer ähnlichen Repräsentativkörperschaft bei Streit über die Ausübung ihres Vertretungsrechts das Antragsrecht nach Art. 98 Satz 4 zuzuerkennen ist.) Die“ … „Vereinigungen sind keine Organisationen mit dem besonderen Zweck der Ausübung von Wahlrechten im angegebenen Sinn. Der Antrag dieser Vereinigungen, die nicht juristische Personen sind, ist daher als unzulässig abzuweisen.“32

Inhaltlich lag der Bayerische Verfassungsgerichtshof mit dieser Abgrenzung auf der Linie des Gesetzes über das Bundesverwaltungsgericht33 bzw. des 1960 in Kraft getretenen § 61 Nr. 2 VwGO34. Diese Regelung sieht Vereinigungen, die keine juristischen Personen sind, als fähig an, am verwaltungsgerichtlichen Verfahren beteiligt zu sein, soweit ihnen ein Recht zustehen kann. In einer Entscheidung aus dem BayVerfGHE 5, 204 (210); vgl. auch BayVerfGHE 39, 96 (134). BayVerfGHE 5, 204 (204 f.). 32 BayVerfGHE 5, 204 (210). 33 Zum Zeitpunkt der dargestellten Entscheidung des BayVerfGH im August 1952 war das Gesetz über das Bundesverwaltungsgericht vom 23. September 1952 (BGBl I, S. 625) noch nicht in Kraft. Dieses – nur für das BVerwG einschlägige Gesetz – formulierte in § 23 Abs. 1: „Partei im Verfahren kann sein, wer nach bürgerlichem oder öffentlichem Recht Träger von Rechten oder Pflichten ist.“ Das bei der Entscheidung bereits gültige Bayerische Gesetz Nr. 39 über die Verwaltungsgerichtsbarkeit vom 25. September 1946 (GVBl S. 281) regelte in § 53: „(1) Beteiligter (§ 52) kann sein, wer rechtsfähig ist. (2) Personenvereinigungen können, auch ohne Rechtsfähigkeit zu besitzen, Beteiligte sein.“ 34 Die Verwaltungsgerichtsordnung vom 21. Januar 1960 (BGBl I, S. 17) trat am 1. April 1960 in Kraft. Gleichzeitig trat das Gesetz über das Bundesverwaltungsgericht sowie Gesetz Nr. 39 über die Verwaltungsgerichtsbarkeit (vgl. Fußn. 33 [2. Kapitel]) außer Kraft (vgl. § 195 Abs. 2 Nr. 1und Nr. 3 Buchstabe b)). § 61 VwGO ist bis heute in seinem Wortlaut unverändert. 30 31

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2. Kap.: Antragsberechtigung

Jahr 1965 führte der Gerichtshof dementsprechend aus, nichtrechtsfähigen Vereinigungen komme das Beschwerderecht im Popularklageverfahren nur unter den besonderen Voraussetzungen des insofern anwendbaren35 § 61 Nr. 2 VwGO zu. Sie seien parteifähig, soweit ihnen ein Recht zustehen könne.36 Im zu entscheidenden Fall hatte eine Gewerkschaft eine Regelung eines Personalvertretungsgesetzes angegriffen. Der Verfassungsgerichtshof sah es als möglich an, dass die Rechtsposition der Antragstellerin durch diese Norm betroffen sein könne und bejahte demnach die Parteifähigkeit für dieses Verfahren. Dabei verwies er unter anderem auf die grundlegende Entscheidung des Bundesgerichtshofs37, in der dieser den Gewerkschaften die aktive Parteifähigkeit zuerkannt hatte.38

Diese Rechtsprechung bestätigte der Gerichtshof 1986. Antragsteller war wiederum eine Gewerkschaft. Diese griff das Medienerprobungs- und -entwicklungsgesetz mit einer Popularklage an und rügte eine Verletzung des Art. 111a BV.39 Der Verfassungsgerichtshof verweist auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der den Gewerkschaften volle Parteifähigkeit zuerkannt habe, sowie auf die im Schrifttum vertretene Ansicht, wonach Gewerkschaften kraft Gewohnheitsrechts den juristischen Personen im Sinn von § 61 Nr. 1 VwGO gleich stünden. Im vorliegenden Fall führe jedenfalls eine entsprechende Anwendung von § 61 Nr. 2 VwGO zur Zulässigkeit der Popularklage. Die Gewerkschaft könne Normenkontrollanträge gegen Bestimmungen erheben, die sich wie im vorliegenden Fall auf Organisation und Betrieb von Rundfunkt in Bayern bezögen, da sie zu den Gruppen gehörten, die gemäß – dem als verletzt gerügten – Art. 111a Abs. 2 Satz 2 BV an der Kontrolle des Rundfunks zu beteiligen seien.40

Er bestätigte jedoch den Grundsatz, wonach nichtrechtsfähige „Vereine oder Vereinigungen“ grundsätzlich nicht berechtigt seien, eine Popularklage zu erheben.41 Diese Ansicht vertritt der Verfassungsgerichtshof auch in einer jüngeren Entscheidung: „Zwar setzt die Antragsberechtigung in der Regel voraus, dass der Antragsteller eine natürliche oder juristische Person ist. Etwas anderes gilt aber für Gewerkschaften und andere berufsständische Interessenvertretungen“. … „Auch deren Unterorganisationen können eine Popularklage erheben, wenn sie körperschaftlich organisiert sind und ihr Betätigungskreis berührt ist“.42

35 Die Anwendbarkeit des § 61 Nr. 2 VwGO stütze der BayVerfGH auf § 26 GeschOVerfGH (BayVerfGHE 18, 51 [55]); vgl. zu dessen Wortlaut das Zitat bei Fußn. 249 (1. Kapitel). Eine inhaltsgleiche Regelung enthält nun Art. 30 Abs. 1 BayVerfGHG (vgl. dazu oben § 3 C. [S. 71]). 36 BayVerfGHE 18, 50 (55). 37 BGHZ 42, 210 = BGH NJW 1965, 29. 38 BayVerfGHE 18, 50 (55). 39 BayVerfGHE 39, 96 (117). 40 BayVerfGHE 39, 96 (134 f.). 41 BayVerfGHE 43, 100 (103). 42 BayVerfGHE 61, 187 (194).

§ 10 Nichtrechtsfähige Vereinigungen und Antragsberechtigung

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Nicht antragsberechtigt sei hingegen eine einzelne nicht rechtsfähige Untergliederung eines eingetragenen Vereins.43 Bei politischen Parteien bemesse sich die Antragsberechtigung nach § 3 Satz 2 PartG, wonach nur die Partei selbst und ihre Gebietsverbände der jeweils höchsten Stufe unter ihrem Namen klagen und verklagt werden könne, solange die Satzung der Partei nichts anderes bestimme.44

B. Bewertung der Rechtsprechung Die Bayerische Verfassung sowie das BayVerfGHG enthalten keine Regelung in Bezug auf die Antragsberechtigung nichtrechtsfähiger Vereinigungen. Im Rahmen der Bewertung der hierzu ergangenen Rechtsprechung ist daher zu prüfen, ob gemäß Art. 30 Abs. 1 BayVerfGHG eine Regelung der VwGO anwendbar ist. Da nichtrechtsfähige Vereinigungen keine natürlichen oder juristischen Personen im Sinne des § 61 Nr. 1 VwGO sind, könnte § 61 Nr. 2 VwGO heranzuziehen sein. Dies wäre dann der Fall, wenn keine grundsätzlichen Unterschiede zwischen den Verfahren entgegenstünden.45 § 61 Nr. 2 VwGO spricht Vereinigungen die Beteiligungsfähigkeit zu, „soweit ihnen ein Recht zustehen kann“. Dabei ist Voraussetzung, dass das im konkreten Rechtsstreit in Frage stehende oder berührte Recht der Vereinigung zustehen kann.46 Geht man von einer uneingeschränkten Anwendbarkeit des § 61 Nr. 2 VwGO aus, ist die eigene Rechtsbetroffenheit bei nichtrechtsfähigen Vereinigungen im Rahmen der Antragsberechtigung zu prüfen. Diese steht ihnen dann nur zu, wenn und soweit im konkreten Verfahren eine Norm Verfahrensgegenstand ist, die die Vereinigung in ihren eigenen Rechten berührt. Nicht erforderlich ist hingegen deren Grundrechtsfähigkeit. Sie muss insbesondere nicht Trägerin des angeblich verletzten Grundrechts sein.47 Die Antragsbefugnis hängt dieser Ansicht nach somit direkt davon ab, ob sich die Vereinigung selbst auf das geltend gemachte Recht berufen bzw. ob es ihr zustehen kann.48 Diese Voraussetzung kennt die Popularklage jedoch gerade nicht.49 Daher besteht ein grundsätzlicher Unterschied zwischen den Verfahren, weshalb § 61 Nr. 2 VwGO richtigerweise nur eingeschränkt anwendbar ist50. Demnach kann eine

BayVerfGHE 39, 30 (33). BayVerfGHE 43, 100 (103). 45 Vgl. zu den übrigen Voraussetzungen oben § 9 B. I. (S. 87). 46 J. Schmidt, in: Eyermann, VwGO, § 61 Rn. 8; vgl. auch Redeker / von Oertzen, VwGO, § 61 Rn. 4. 47 Fleury, Rn. 136; Pestalozza, Verfassungsprozeßrecht, § 23 Rn. 92. 48 Vgl. Redeker / von Oertzen, VwGO, § 61 Rn. 4. 49 Vgl. Knöpfle, in: Nawiasky / Schweiger / Knöpfle, BV, Art. 98 Satz 4 Rn. 24; Lindner spricht von einer „Durchbrechung des Popularklagegedankens“ (Lindner, Bayerisches Staatsrecht, Rn. 497); vgl. hierzu auch unten § 12 (S. 97). 50 Vgl. hierzu oben Fußn. 252 (1. Kapitel). 43 44

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2. Kap.: Antragsberechtigung

nichtrechtsfähige Personenmehrheit gemäß Art. 30 Abs. 1 BayVerfGHG i.V. m. § 61 Nr. 2 VwGO eine Popularklage unabhängig davon erheben, ob ihr das entsprechende Recht zustehen kann. Voraussetzung ist jedoch, dass sie eine „Vereinigung“ i. S. d. § 61 Nr. 2 VwGO ist. Hierfür ist ein Mindestmaß an Organisation erforderlich, insbesondere die Interessenvertretung Einzelner für die Mehrheit.51 Zu einem vergleichbaren Ergebnis käme man bei einer entsprechenden Heranziehung des § 50 Abs. 2 ZPO52, wonach ein nichtrechtsfähiger Verein klagen kann.53 Diese aktive Parteifähigkeit fand erst mit Wirkung zum 30. September 2009 ihren Niederschlag in der ZPO.54 Damit folgte der Gesetzgeber dem Bundesgerichtshof55, der zunächst der (Außen-)Gesellschaft bürgerlichen Rechts56 und daraufhin dem nichtrechtsfähigen Verein57 die aktive Parteifähigkeit zugesprochen hatte. Da die VwGO aber eine einschlägige Regelung enthält, ist gemäß Art. 30 Abs. 1 BayVerfGHG nicht § 50 Abs. 2 ZPO, sondern vorrangig § 61 Nr. 2 VwGO heranzuziehen.58 Nach all dem ist dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof zuzustimmen, wenn er Gewerkschaften das Recht einräumt, Popularklagen zu erheben, und das Antragsrecht politischer Parteien anhand § 3 PartG beurteilt. Eine nicht rechtsfähige Untergliederung eines eingetragenen Vereins ist entgegen dem Gerichtshof jedoch dann antragsberechtigt, wenn sie ein Mindestmaß an Organisation aufweist, was in der Regel der Fall sein dürfte. Vom Antragsrecht der nicht rechtsfähigen Vereinigung bleibt indes dasjenige des einzelnen Mitglieds unberührt. Diesem steht die Erhebung einer Popularklage offen. Ebenso ist es zulässig, wenn mehrere (antragsberechtigte) Mitglieder der Vereinigung eine gemeinsame Popularklage erheben.59

51 Redeker / von Oertzen, VwGO, § 61 Rn. 4; J. Schmidt, in: Eyermann, VwGO, § 61 Rn. 8. 52 So ist insofern eine Handlungsorganisation, die Erkennbarkeit der Personifikation als selbstständige Einheit sowie in der Regel ein Haftungssubstrat zur Anwendbarkeit des § 50 Abs. 2 ZPO erforderlich (vgl. Lindacher, in: Rauscher / Wax / Wenzel, Münchener Kommentar ZPO, § 50 Rn. 5 und 36). 53 Die hier vertretene Ansicht entspricht daher auch der anzustrebenden prozessrechtsharmonischen Auslegung der deutschen Verfahrensordnungen (vgl. hierzu Schumann, FS Kerameus, S. 1209 [1220 f.]. 54 Vgl. Art. 3 des Gesetzes zur Erleichterung elektronischer Anmeldungen zum Vereinsregister und anderer vereinsrechtlicher Änderungen vom 24. September 2009 (BGBl I, S. 3145). 55 Die Gesetzesbegründung verweist ausdrücklich auf BGHZ 146, 341 sowie BGH NJW 2008, 69 (74) (BT-Drs. 16 / 12813, S. 15, zu Artikel 3). 56 BGHZ 146, 341 (347 ff.). 57 BGH NJW 2008, 69 (74). 58 Vgl. oben § 3 C. IV. (S. 74). 59 Knöpfle, in: Nawiasky / Schweiger / Knöpfle, BV, Art. 98 Satz 4 Rn. 26; vgl. etwa BayVerfGHE 6, 35 (45).

§ 11 Beziehung zum bayerischen Staatsgebiet

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§ 11 Beziehung zum bayerischen Staatsgebiet und Antragsberechtigung A. Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs Bereits im Jahr 1948 stellte der Bayerische Verfassungsgerichtshof fest, einen Popularklageantrag könne grundsätzlich jedermann stellen. In Bezug auf die Frage, ob dies auch für solche Antragsteller gilt, die keinen Bezug zum bayerischen Staatsgebiet aufweisen, führt er aus: „Nichtbayerische Antragsteller können es jedenfalls dann, wenn sie ein Rechtsschutzinteresse an der begehrten Entscheidung haben.“60

In einer Entscheidung aus dem Jahr 1954 verzichtet er hingegen auf das Erfordernis eines Rechtsschutzbedürfnisses und sagt: „Nach § 54 Abs. 1 des Gesetzes Nr. 72 über den Verfassungsgerichtshof“ … „kann die Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes“ … „‚von jedermann‘“ … „geltend gemacht werden. Die Befugnis zur Erhebung einer solchen Popularklage ist also nicht – wie im Fall des Art. 120 BV – davon abhängig gemacht worden, daß der Antragsteller im Staatsgebiet seinen Wohnsitz hat oder sonst in bestimmten Rechtsbeziehungen zum Freistaat Bayern steht. Diese Regelung findet ihre Rechtfertigung darin, daß die Popularklage nicht, wie die Verfassungsbeschwerde des Art. 120 BV, dem Schutz der verfassungsmäßigen Rechte des einzelnen dient, sondern den Schutz der Grundrechte als Institution bezweckt.“61

Dieses Wortlautargument trifft auch unter Geltung des BayVerfGHG – das das Gesetz Nr. 72 über den Verfassungsgerichtshof ablöste – zu. Daher geht der Gerichtshof in seiner jüngeren Rechtsprechung ebenfalls davon aus, dass ein Beschwerdeführer keine Beziehung zum Bayerischen Staatsgebiet aufweisen müsse. So griff eine Popularklage das sogenannte „Kopftuchverbot“ des Art. 59 Abs. 2 Satz 3 BayEUG an. Antragsteller war die „Islamische Religionsgemeinschaft e.V.“, die in das Vereinsregister des Amtsgerichts Charlottenburg eingetragen war. Der Verfassungsgerichtshof ging ohne weiteres von der Zulässigkeit der Beschwerde aus.62

B. Bewertung der Rechtsprechung I. Keine Rechtsgrundlage für Einschränkung Der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs ist zuzustimmen. Denn es gibt keine Rechtsgrundlage für eine Beschränkung des Antragsrechts auf Personen, die 60 61 62

BayVerfGHE 1, 64 (68). BayVerfGHE 7, 69 (73). BayVerfGHE 60, 1 (4).

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2. Kap.: Antragsberechtigung

in irgendeiner Art und Weise eine Beziehung zum Freistaat Bayern aufweisen. Die Bayerische Verfassung und das BayVerfGHG enthalten keine derartige Regelung. Der Verfassungsgerichtshof verweist richtigerweise auf den Wortlaut des Art. 120 BV, der jedem „Bewohner Bayerns“ das Recht einräumt eine Verfassungsbeschwerde zu erheben, während die Popularklage eine solche Einschränkung nicht kennt. Die VwGO und die ZPO gehen vom Grundsatz aus, dass der Kläger eigene Rechte geltend macht und enthalten daher keine hier einschlägige Regelung. Eine entsprechende Einschränkung findet somit auch in Art. 30 Abs. 1 BayVerfGHG in Verbindung mit einer Regelung der VwGO oder ZPO keine Grundlage.

II. Keine Einschränkung aufgrund der Funktion der Popularklage 1. Die Ansicht Hans Domckes Hans Domcke hält es hingegen für erforderlich, den Kreis der Antragsberechtigten aufgrund der Funktion der Popularklage einzuschränken. So erhebe sich der Antragsteller zum „Wächter für die objektive Verfassungsordnung“. Bedenke man ferner, dass die Popularklage nicht in erster Linie dem Schutz der verfassungsmäßigen Rechte des Einzelnen diene, sondern im öffentlichen Interesse den Schutz der Grundrechte als Institution bezwecke, so werde man die Forderung erheben müssen, zur Voraussetzung der Antragsberechtigung zu machen, dass der Antragsteller dem Geltungsbereich der bayerischen Grundrechte zugeordnet sei, sei es durch die Staatsbürgerschaft, den Wohnsitz oder den vorübergehenden Aufenthalt. Die Antragsberechtigung werde zu verneinen sein, wenn der Antragsteller keinerlei Beziehung zum Staatsgebiet habe und in keiner Weise dem bayerischen Recht unterworfen sei.63 2. Bewertung der Ansicht Hans Domckes Der Ansicht Hans Domckes kann nicht gefolgt werden.64 So ist die Rolle des Beschwerdeführers als „Wächter“ über die objektive Verfassungsordnung kein Grund für die Einschränkung der Antragsbefugnis auf solche Personen, die eine Beziehung zum Bayerischen Staatsgebiet aufweisen. Es mag zwar ungewöhnlich erscheinen, das Antragsrecht auch solchen Personen zuzuschreiben, die keinerlei Verbindung zum Staatsgebiet aufweisen. So hatte der Verfassungsgerichtshof in der oben zitierten Entscheidung65 zu klären, ob ein Flüchtling mit der Staatsbürgerschaft der Tschechoslowakei, der zur Zeit der Klageerhebung bereits nach Paraguay ausgewandert gewesen ist, antragsberechtigt war. 63 64 65

Domcke, in: Starck / Stern, LVG II, S. 231 (244). Domcke folgend jedoch Sodan, in: Merten / Papier, HGR III, § 84 Rn. 36. BayVerfGHE 7, 69.

§ 12 Grundrechtsträgerschaft und Antragsberechtigung

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Der ungewöhnlich große Kreis der Antragsberechtigten ist jedoch gerade ein Merkmal der Popularklage. Sie kann ihre Funktion am besten erfüllen, wenn dieser Kreis keine Einschränkung erfährt. Eine solche ist daher aus rechtspolitischer Sicht insofern nicht erstrebenswert. Jedenfalls wäre für eine solche „Zulässigkeitshürde“ eine gesetzliche Grundlage erforderlich66, die wie gezeigt nicht besteht67. Das Abstellen auf die Bayerische Staatsbürgerschaft wäre außerdem schon im Hinblick auf Art. 33 Abs. 1 GG68 nicht möglich; ebenso wäre das Diskriminierungsverbot des Art. 12 Abs. 1 EGV zu beachten. Die Antragsberechtigung ist daher im Ergebnis unabhängig von der Staatsangehörigkeit und dem Wohnsitz des Beschwerdeführers.69

§ 12 Grundrechtsträgerschaft und Antragsberechtigung A. Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs Der Bayerische Verfassungsgerichtshof beschränkt in seiner Rechtsprechung das Recht, eine Popularklage zu erheben, grundsätzlich nicht auf solche Personen, die selbst Träger des als verletzt gerügten Grundrechts sind. So könne beispielsweise jedermann in zulässiger Weise geltend machen, gesetzliche Bestimmungen über die Organisation von Rundfunk verstießen gegen die in Art. 111a Abs. 1 Satz 1 BV verankerte Rundfunkfreiheit einschließlich ihrer zusätzlichen Sicherung durch das Gebot öffentlich-rechtlicher Trägerschaft gemäß Art. 111a Abs. 2 Satz 1 BV. Die Popularklage setze keine eigene Grundrechtsbetroffenheit voraus70, so dass sie auch Personen zulässigerweise anstrengen können, die nicht Grundrechtsträger der Rundfunkfreiheit sind.

In Bezug auf juristische Personen des öffentlichen Rechts verweist er jedoch in einer Entscheidung aus dem Jahr 2001 auf die von Franz Knöpfle vertretene Meinung, wonach diese grundsätzlich aus dem Kreis der zur Erhebung einer Popularklage Berechtigten auszuschließen seien.71 Der Gerichtshof führt dazu aus: „Es muss nicht entschieden werden, ob an der Rechtsprechung festzuhalten ist, wonach juristische Personen des öffentlichen Rechts im Weg der Popularklage nur die Verletzung von Grundrechten geltend machen können, die ihrem Wesen nach auf sie selbst anwendbar sind. Denn diese Voraussetzung ist vorliegend, soweit Willkür gerügt wird, erfüllt.“72 Knöpfle, in: Nawiasky / Schweiger / Knöpfle, BV, Art. 98 Satz 4 Rn. 20. Vgl. oben § 11 B. I. (S. 95). 68 Vgl. Knöpfle, in: Nawiasky / Schweiger / Knöpfle, BV, Art. 98 Satz 4 Rn. 20. 69 Vgl. Hirsch, FS 50 Jahre BayVerfGH, S. 45 (46). 70 BayVerfGHE 39, 96 (135). 71 BayVerfGHE 54, 109 (133) unter Verweis auf Knöpfle, in: Nawiasky / Schweiger / Knöpfle, BV, Art. 98 Satz 4 Rn. 22. 72 BayVerfGHE 54, 109 (134). 66 67

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2. Kap.: Antragsberechtigung

In Bezug auf diese Rechtsprechung, deren Aufrechterhaltung in Frage stehe, verweist das Gericht auf Einzelfälle, in denen er geprüft habe, ob das als verletzt erachtete Grundrecht seinem Wesen nach auf juristische Personen des öffentlichen Rechts anwendbar sei. Eine solche könne der Ausübung der Staatsgewalt in derselben Weise wie eine natürliche Person unterworfen sein und „in einem solchen Fall“ die Verletzung von Grundrechten geltend machen. Zum Beleg dieser Ausführung verweist der Gerichtshof auf ältere Entscheidungen.73 Er hat in diesen jedoch nicht ausgeführt, eine juristische Person des öffentlichen Rechts könne ausschließlich dann eine Popularklage erheben, wenn sie selbst Trägerin des in Frage stehenden Grundrechts sei.74 So sagt der Verfassungsgerichtshof in einem dieser Judikate: „Als juristische Person des öffentlichen Rechts kann die Stadt A. wie jedermann Popularklage erheben.“75

In einem anderen prüft er die Grundrechtsfähigkeit der juristischen Person im Rahmen der Begründetheit.76 In Frage stand in den genannten Fällen somit die Frage, ob der personelle Schutzbereich der jeweiligen Grundrechte auch juristische Personen des öffentlichen Rechts erfasst.77 Stützt ein Beschwerdeführer die Popularklage ausschließlich darauf, es läge in Bezug auf eine bestimmte Personengruppe eine Grundrechtsverletzung vor und ist diese durch das genannte Grundrecht nicht geschützt, ist das gerügte Grundrecht nicht verletzt. Die von Art. 55 Abs. 1 Satz 2 BayVerfGHG geforderte Darlegung einer Grundrechtsverletzung ist daher nicht möglich und die Popularklage ist aus diesem Grund unzulässig.78 Dies betrifft jedoch nicht die Person des Beschwerdeführers, sondern den Schutzbereich der Grundrechte. Eine Einschränkung des Antragsrechts kann aus den zitierten Entscheidungen somit nicht abgeleitet werden. Desweiteren verweist der Verfassungsgerichtshof in der zitierten Entscheidung aus dem Jahr 2001 auf seine Rechtsprechung, wonach Gebietskörperschafen nur Popularklagen erheben könnten, wenn sie durch einen Organisationsakt örtlich betroffen seien.79 In weiteren Fällen habe der Verfassungsgerichtshof die abstrakte Betroffenheit kommunaler Gebietskörperschaften durch Gesetze als ausreichend erachtet.80 In diesen beiden Fallgruppen stand jeweils eine Verletzung des grundrechtsähnlichen Rechts der gemeindlichen Selbstverwaltung in Frage. In Entschei73 BayVerfGHE 54, 109 (133 f.) unter Verweis auf BayVerfGHE 27, 14 (20); 29, 1 (3 f.); 29, 105 (119); 49, 111 (115); Knöpfle, in: Nawiasky / Schweiger / Knöpfle, BV, Art. 98 Satz 4 Rn. 22. 74 BayVerfGHE 27, 14 (20); 29, 1 (3 f.); 29, 105 (119); 49, 111 (115 f.). 75 BayVerfGHE 29, 105 (119). 76 BayVerfGHE 49, 111 (115). 77 Vgl. BayVerfGHE 27, 14 (20); 29, 1 (3 f.); 29, 105 (119); 49, 111 (115 f.). 78 Vgl. hierzu ausführlich unten § 21 C. II. 2. (S. 146). 79 BayVerfGHE 54, 109 (134) unter Verweis auf BayVerfGHE 27, 14 (20); 31, 99 (118 f.). 80 BayVerfGHE 54, 109 (133 ff.) unter Verweis auf BayVerfGHE 49, 37 (50); 49, 79 (85 f.); 50, 15 (40).

§ 12 Grundrechtsträgerschaft und Antragsberechtigung

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dungen zu Gebietsreformen hatte der Verfassungsgerichtshof nur Klagen von den selbst betroffenen Gemeinden für zulässig erachtet. Ausgangspunkt war die Überlegung, dass die jeweils betroffenen Gebietskörperschaften selbst entscheiden sollten, ob sie gegen die jeweilige Reform vorgehen wollten.81 Das Gericht beschränkte dabei für alle Antragsteller – auch für natürliche Personen und juristische Personen des Privatrechts – die Möglichkeit, Popularklagen auf das gemeindliche Selbstverwaltungsrecht zu stützen.82 Diese Entscheidungen beschränken jedoch nicht allgemein das Recht juristischer Personen des öffentlichen Rechts Popularklagen zu erheben. Die vom Verfassungsgerichtshof zitierten Entscheidungen belegen somit keine Ansicht, wonach juristische Personen des öffentlichen Rechts im Wege der Popularklage nur die Verletzung von Grundrechten geltend machen können, die ihrem Wesen nach auf sie selbst anwendbar sind. Eine entsprechende Rechtsprechung – deren Aufrechterhaltung der Gerichtshof in Frage stellt – hat es in dieser Allgemeinheit nicht gegeben.

B. Ansicht Franz Knöpfles Franz Knöpfle sieht die Fähigkeit des Beschwerdeführers, Träger von Grundrechten zu sein, als Voraussetzung für die zulässige Erhebung einer Popularklage an. Ausgangspunkt seiner Argumentation ist der Hinweis, in den Gesetzesmaterialien sei der „Staatsbürger“ als Antragsberechtigter vorgesehen. Dieser sei aber als natürliche Person stets auch Träger von Grundrechten. Dem Träger eines Grundrechts wiederum könne eine grundrechtswidrige Norm zum Nachteil gereichen, weshalb ein zumindest abstraktes Eigeninteresse an der Verhütung oder Beseitigung solcher Verstöße angenommen werden dürfe. Ein solches Eigeninteresse für die Wachsamkeit gegenüber Eingriffen in die Grundrechte fehle jedoch bei rechtlichen Gebilden, die in einer eigenen Grundrechtssphäre nicht verletzt werden könnten. Hieraus zieht Franz Knöpfle den Schluss, die eigene Grundrechtssubjektivität des Antragstellers sei Voraussetzung für die Antragsberechtigung.83

81 Vgl. ausführlich zu dieser Rechtsprechung unten 10. Kapitel: Rüge der Verletzung des gemeindlichen Selbstverwaltungsrechts (S. 313). 82 Vgl. hierzu ausführlich § 47 (S. 314). 83 Knöpfle, in: Nawiasky / Schweiger / Knöpfle, BV, Art. 98 Satz 4 Rn. 19. Der BayVerfGH zitiert in der oben dargestellten Entscheidung (BayVerfGHE 54, 109 [133]) die Rn. 22 dieser Kommentierung Knöpfles. An dieser Stelle wiederholt er seine Aussage für juristische Personen des öffentlichen Rechts.

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2. Kap.: Antragsberechtigung

C. Eigene Bewertung Die historische Auslegung des Verfahrensrechts von Franz Knöpfle ist nicht stichhaltig. So ist dessen Ausgangspunkt falsch, Wilhelm Hoegner habe den Gedanken einer Popularklage ebenso wie die Möglichkeit eines ex officio-Vorgehens des Verfassungsgerichtshofs zum ersten Mal in der Sitzung des Verfassungsausschusses des Bayerischen Landtags am 12. Juni 1947 vorgebracht84. Wilhelm Hoegner hatte sich vielmehr bereits in der Ministerratssitzung vom 11. Dezember 1946 dafür ausgesprochen, dass der Verfassungsgerichtshof in Bezug auf Art. 98 Satz 4 BV von Amts wegen einzuschreiten habe.85 Der Gedanke einer Popularklage wurde bereits in der Besprechung mit der Militärregierung am 6. Juni 1947 diskutiert.86

Die Abgeordneten des bayerischen Landtags wollten ursprünglich keine Popularklage ermöglichen. Dies geschah nur, um Forderungen der amerikanischen Militärregierung zu erfüllen.87 Vor diesem Hintergrund ist es nicht zielführend zu spekulieren, ob die Abgeordneten eine Einschränkung des Antragsrechts für sinnvoll hielten.88 Das Verfahrensrecht der Popularklage erfuhr schließlich keine nähere Ausgestaltung. Folgte man der Argumentation Franz Knöpfles, müsste man einem Antragsteller, der nicht Träger des in Frage stehenden Grundrechtes ist, die Antragsberechtigung deswegen versagen, weil er kein abstraktes Eigeninteresse an der Beseitigung des behaupteten Grundrechtsverstoßes habe. Der Antragsteller, der eine Popularklage erhoben hat, verfügt aber offensichtlich über ein konkretes Interesse an der Beschwerde – anderenfalls hätte er diese nicht erhoben. Die Antragsberechtigung aufgrund des vermeintlich fehlenden abstrakten Eigeninteresses zu versagen, kann deswegen auch im Ergebnis nicht überzeugen. Die von Franz Knöpfle geforderte Sachurteilsvoraussetzung der eigenen Grundrechtssubjektivität des Antragstellers ist aus diesen Gründen abzulehnen. Das Antragsrecht ist unabhängig von der Grundrechtsfähigkeit des Beschwerdeführers.89 Der dargestellten jüngeren Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs liegt wohl ebenfalls dieser Gedanke zu Grunde.

Knöpfle, in: Nawiasky / Schweiger / Knöpfle, BV, Art. 98 Satz 4 Rn. 19. Vgl. oben § 2 C. IV. 1. (S. 51). 86 Vgl. oben § 2 C. IV. 6. (S. 58). 87 Vgl. hierzu ausführlich § 2 C. (S. 42). 88 Knöpfle führt aus, die Gesetzesmaterialien würden nahelegen anzunehmen, dass neben der Rechtssubjektivität auch die Fähigkeit, Träger von Grundrechten zu sein, zusätzliche Antragsvoraussetzung sein solle (Knöpfle, in: Nawiasky / Schweiger / Knöpfle, BV, Art. 98 Satz 4 Rn. 19). 89 Pestalozza, Verfassungsprozeßrecht, § 23 Rn. 92. 84 85

§ 13 Zusammenfassung

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§ 13 Zusammenfassung Der Bayerische Verfassungsgerichtshof zieht den Kreis der Antragsberechtigten im Popularklageverfahren zu Recht sehr weit. Grundlegende Einschränkungen nimmt er nicht vor. So ist von Seiten des Beschwerdeführers weder eine Beziehung zum bayerischen Staatsgebiet90 noch eigene Grundrechtssubjektivität91 erforderlich. Problematisch kann die Zulässigkeit unter diesem Gesichtspunkt nur dann sein, wenn der Kläger nicht rechtsfähig ist. Auch in diesem Fall liegt jedoch unter bestimmten Voraussetzungen Antragsberechtigung vor.92 Den einzelnen Mitgliedern einer nicht rechtsfähigen Vereinigung steht aber stets die Möglichkeit offen – gegebenenfalls gemeinsam mit anderen – eine Popularklage in eigenem Namen zu erheben.

90 91 92

Vgl. oben § 11 (S. 95). Vgl. oben § 12 (S. 97). Vgl. oben § 10 (S. 91).

3. Kapitel

Zulässiger Verfahrensgegenstand Der Bayerische Verfassungsgerichtshof führt zum zulässigen Verfahrensgegenstand der Popularklage aus: „Nach Art. 98 Satz 4 BV hat der Verfassungsgerichtshof Gesetze und Verordnungen für nichtig zu erklären, die ein Grundrecht verfassungswidrig einschränken.“ … „Gesetze und Verordnungen im Sinn dieser Bestimmung sind alle Rechtsvorschriften des bayerischen Landesrechts (Art. 55 Abs. 1 Satz 1 VfGHG).“1

§ 14 Tatsächliche Bedeutung in der Rechtsprechung Die Zulässigkeit des jeweiligen Verfahrensgegenstands spielt in der Rechtsprechung keine unwichtige Rolle. So verwarf der Verfassungsgerichtshof von 1995 bis 2011 17 Popularklagen als unzulässig. Der Grund hierfür war in einer dieser Entscheidung das Vorliegen eines unzulässigen Gegenstandes2, in fünf weiteren war dies unter anderem der Fall3. Im benannten Zeitraum verwarf das Gericht 36 Beschwerden als teilweise unzulässig – davon 15 ausschließlich4 und zehn unter anderem5 aufgrund eines unzulässigen Verfahrensgegenstands. In zwei weiteren Fällen ließ der Gerichtshof offen, ob diese Sachurteilsvoraussetzung erfüllt ist6.7

1 BayVerfGHE 61, 140 (143); ebenso etwa BayVerfGHE 57, 48 (52); 57, 156 (157); 57, 161 (164); 61, 62 (65); 62, 71 (76); 62, 121 (126); BayVerfGH BayVBl. 2010, 19; 2010; 140. 2 BayVerfGH BayVBl. 2007, 557 (557 f.). 3 BayVerfGHE 49, 153 (157); 51, 131 (143 f.); 61, 36 (40); 62, 71 (76 ff.); BayVerfGH BayVBl. 2007, 689. 4 BayVerfGHE 51, 1 (11 f.); 52, 104 (139 f.); 54, 47 (53 f.); 56, 75 (84 f.); 57, 30 (33); 58, 77 (88 ff.); 61, 55 (58); 61, 140 (143); 61, 161 (165); 62, 113 (116 f.); BayVerfGH BayVBl. 2010, 658 (658 f.); 2011, 14 (14 f.); 2011, 300 (301); 2011, 433; 2011, 629 (630). 5 BayVerfGHE 49, 120 (123); 50, 106 (111); 50, 226 (243 f.); 55, 123 (127); 56, 1 (3 f.); 58, 1 (16 f.); 59, 109 (112); 59, 134 (138); 60, 131 (138); 61, 161 (165). 6 BayVerfGHE 48, 29 (32); BayVerfGH Entscheidung vom 22. 2. 2005, Vf. 7-VII-03, veröffentlicht in juris, ebenda Rn. 18 f. 7 Vgl. auch unten Übersicht I: Entscheidungen in Popularklageverfahren in den Jahren 1995 bis 2011 (S. 398).

§ 15 Rechtsvorschriften des bayerischen Landesrechts

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§ 15 Rechtsvorschriften des bayerischen Landesrechts A. Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs I. Vorliegen einer Rechtsvorschrift Ein zulässiger Verfahrensgegenstand liegt nur dann vor, wenn der Normenkontrollantrag die Verfassungswidrigkeit einer Rechtsvorschrift rügt (Art. 55 Abs. 1 Satz 1 BayVerfGHG). Der Bayerische Verfassungsgerichtshof definiert wie folgt: „Rechtsvorschriften“ … „sind abstrakt-generelle Bestimmungen, die sich an andere Rechtssubjekte wenden und für diese Rechte und Pflichten begründen, ändern oder aufheben; kennzeichnend ist ihre unmittelbare Außenwirkung“.8

1. Bejahen des Vorliegens einer Rechtsvorschrift Solche Rechtsvorschriften, die Popularklagen zulässigerweise angreifen können, sind zunächst Normen eines formellen Gesetzes9. Dies gilt gemäß der Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs auch für Gesetze, die nach der Rechtsbehauptung des Antragstellers die Verfassung verfassungswidrig ändern.10 Zu den Gesetzen im Sinn des Art. 98 Satz 4 BV zähle auch die Bayerische Verfassung selbst.11 Wurde das Gesetz im Wege der Volksgesetzgebung beschlossen, ändere dies nichts an dessen Zulässigkeit als Verfahrensgegenstand der Popularklage.12 Auch Zustimmungsbeschlüsse des Bayerischen Landtags zu Staatsverträgen zwischen den Ländern unterlägen der Popularklage.13 Das Gericht führt aus: „Zustimmungsbeschlüsse sind Landesrecht im Sinn des Art. 55 Abs. 1 Satz 1 VfGHG; durch sie wird der Inhalt des Staatsvertrags in innerstaatliches materielles Recht transformiert“.14

Als zulässigen Verfahrensgegenstand sieht der Verfassungsgerichtshof darüber hinaus etwa Verordnungen, die durch die Staatsregierung15, eine Regierung16 oder BayVerfGHE 56, 75 (84 f.); 61, 153 (156). Vgl. BayVerfGHE 48, 61 (68); 48, 87 (94); 48, 119 (122); 49, 1 (4); 50, 1 (6); 50, 181 (195); 50, 156 (166); 51, 170 (174); 52, 173 (177); 55, 82 (89); 55, 98 (106); 55, 123 (126 ff.); 56, 57 (61); 56, 198 (202); 59, 1 (7, 10); 61, 214 (220); 61, 248 (263). 10 BayVerfGHE 58, 253 (259 f.); vgl. auch BayVerfGHE 50, 181 (195). 11 BayVerfGHE 54, 109 (159 f.); 59, 125 (127). 12 Vgl. BayVerfGHE 50, 181 (195). 13 BayVerfGHE 28, 143 (154); 58, 277 (283); 60, 131 (139); 60, 234 (243 f.). 14 BayVerfGHE 58, 277 (283); vgl. auch BayVerfGHE 55, 143 (151). 15 BayVerfGHE 48, 87 (94); 61, 125 (127). 8 9

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3. Kap.: Zulässiger Verfahrensgegenstand

eine Gemeinde17 erlassen wurden, an. Gleiches gilt für Satzungen eines Landkreises18, eines Zweckverbandes19 oder einer Gemeinde20, etwa für einen Bebauungsplan21, eine Veränderungssperre22 oder die Festlegung eines städtebaulichen Entwicklungsbereichs23. Denn die durch eine Körperschaft des öffentlichen Rechts im Rahmen ihrer Satzungsautonomie mit verbindlicher Wirkung für die Mitglieder erlassenen Bestimmungen hätten Rechtsnormcharakter und seien Rechtsvorschriften des bayerischen Landesrechts.24 Die Bestimmung des Sitzes einer Verwaltungsgemeinschaft könne – unabhängig von deren Bildung – selbständig Gegenstand der Popularklage sein.25 Gleiches gelte für die im Landesentwicklungsprogramm enthaltenen Ziele der Raumordnung und Landesplanung.26 Zulässiger Verfahrensgegenstand seien auch Vorschriften des Honorarverteilungsmaßstabs der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns, einer Körperschaft des öffentlichen Rechts.27 Dies sei – so der Verfassungsgerichtshof – auch nach einer Gesetzesänderung der Fall, wonach nicht mehr eine von der jeweiligen Kassenärztlichen Vereinigung im Benehmen mit den Krankenkassen erlassenen Satzung die Honorarverteilung regelt, sondern ein Vertrag zwischen der jeweiligen Kassenärztlichen Vereinigung und den Krankenkassen. Der Gerichtshof führt aus: „Die Honorarverteilungsvereinbarung“ … „hat als öffentlich-rechtlicher Vertrag, der primär die Vergütung der an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte und Einrichtungen regelt, Normcharakter. Mit Abschluss eines solchen Vertrags gehen die Vertragsparteien nicht in erster Linie gegenseitige Verpflichtungen ein, sondern bestimmen die Verteilung des als Gesamtvergütung zur Verfügung stehenden Honorars auf die Vertragsärzte in einer diese unmittelbar bindenden Art und Weise. Infolge der Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung durch Zulassung oder Ermächtigung werden für die Vertragsärzte vertragliche Bestimmungen kraft Gesetzes verbindlich (§ 95 Abs. 3 und 4 SGB V). Für die Vertragsärzte entfaltet der Honorarverteilungsvertrag damit in gleicher Weise Drittwirkung wie die frühere Regelung der Honorarverteilung durch Satzung.“28 BayVerfGH 55, 160 (164). BayVerfGH 55, 66 (69); 57, 175 (178). 18 BayVerfGHE 59, 134 (138). 19 BayVerfGHE 48, 55 (56). 20 BayVerfGHE 44, 124 (130); 48, 99 (102); 55, 1 (6); 56, 178 (185); 58, 1 (14); 60, 71 (74); 62, 156 (159); BayVerfGH BayVBl. 2008, 77; 2008, 203; 2008, 268; 2011, 14. 21 BayVerfGHE 48, 99 (102); 54, 36 (39); 58, 94 (97); 61, 172 (179); 61, 205 (208); 62, 23 (25); BayVerfGH BayVBl. 2011, 14. 22 BayVerfGHE 48, 99 (102). 23 BayVerfGHE 61, 55 (58). 24 BayVerfGHE 51, 74 (81); 56, 148 (160); 59, 80 (91). 25 BayVerfGHE 56, 57 (61 f.). 26 BayVerfGHE 55, 98 (106). 27 BayVerfGHE 59, 80 (91). 28 BayVerfGHE 59, 80 (91 f.). 16 17

§ 15 Rechtsvorschriften des bayerischen Landesrechts

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2. Verneinen des Vorliegens einer Rechtsvorschrift Regelungen, die keine unmittelbare Außenwirkung gegenüber dem Bürger entfalten, sieht der Verfassungsgerichtshofs nicht als Rechtsvorschriften und daher nicht als zulässigen Verfahrensgegenstand einer Popularklage an.29 a) Verwaltungsvorschriften So könne ein Beschwerdeführer nicht in zulässiger Wiese die Verfassungswidrigkeit einer Verwaltungsvorschrift rügen.30 Das Gericht führt dazu aus: „Verwaltungsvorschriften sind interne Direktiven, die eine Behörde einer ihr untergeordneten Stelle oder sich selbst gibt, um die Verwaltungspraxis in bestimmter Weise zu steuern, zu erleichtern, zu verstetigen; kennzeichnend ist das Fehlen unmittelbarer Außenwirkung. Ob eine Regelung als Rechts- oder als Verwaltungsvorschrift zu qualifizieren ist, beurteilt sich zum einen nach ihrer Form, zum anderen nach ihrem Inhalt“.31

Gleiches gelte etwa auch für Durchführungshinweise eines Staatsministeriums. Diese seien keine Rechtsvorschriften, sondern Verwaltungsvorschriften.32 Auf die Abgrenzung zwischen Rechtsnormen und Verwaltungsvorschriften geht der Bayerische Verfassungsgerichtshof in einer Entscheidung aus dem Jahr 2008 ein. Gegenstand der Popularklage war die Frage, ob der Bayerische Ministerpräsident die Ausübung des ihm zustehenden Begnadigungsrechts für weite Bereiche auf andere Stellen übertragen durfte.33 Die entsprechenden Regelungen enthält die Bekanntmachung des Bayerischen Ministerpräsidenten über die Ausübung des Begnadigungsrechts vom 20. September 197334. Der Bayerische Verfassungsgerichtshof stuft die Bekanntmachung nicht als Verwaltungsvorschrift sondern als Rechtsnorm ein35 und führt aus: „Aufgrund ihrer Form ist die Bekanntmachung des Bayerischen Ministerpräsidenten über die Ausübung des Begnadigungsrechts nicht zwingend als Rechtsvorschrift einzuordnen.“ … „Die angegriffene Bekanntmachung ist“ … „gerade nicht als Verordnung tituliert. Anders als bei abgeleiteten Rechtsnormen üblich wird einleitend auch keine Rechtsgrundlage genannt. Dass die Regelung im Bayerischen Gesetz- und Verordnungsblatt veröffentlicht wurde, führt nicht zwingend zu ihrer Einordnung als Rechtsvorschrift.“ … „Da die formelle Beurteilung somit zu keinem eindeutigen Ergebnis führt, ist die inhaltliche Prüfung maßgeblich. Der mit der Popularklage angegriffene § 4 der Bekanntmachung“ … „ist nach seinem materiellen Gehalt eine Rechtsvorschrift. Die Bestimmung hat Außenwirkung, weil sie

Vgl. BayVerfGHE 55, 123 (127). Vgl. BayVerfGHE 17, 117 (119); 35, 33 (37); 37, 115 (117); 41, 13 (15); 55, 123 (127); 59, 63 (68). 31 BayVerfGHE 56, 75 (84); vgl. auch BayVerfGHE 61, 153 (156). 32 BayVerfGHE 55, 123 (127). 33 BayVerfGHE 61, 153. 34 Vgl. GVBl S. 508. 35 BayVerfGHE 61, 153 (157). 29 30

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3. Kap.: Zulässiger Verfahrensgegenstand

im Verhältnis zu den Betroffenen, die ein Gnadengesuch einreichen, verbindlich festlegt, wer hierüber zu entscheiden hat.“36

b) Flächennutzungspläne Im Zeitraum vom 1. Januar 1995 bis zum 31. Dezember 2011 entschied der Bayerische Verfassungsgerichtshof nur in zwei Fällen über Popularklagen, die einen Flächennutzungsplan zum Gegenstand hatten. So griff eine Popularklage sowohl einen Flächennutzungs- als auch einen Bebauungsplan an, die dasselbe Gebiet umfassten. Mit Entscheidung vom 13. Juni 2005 setzte der Verfassungsgerichtshof mit einer einstweiligen Anordnung den Vollzug des Bebauungsplans aus.37 Den Antrag auf vorläufige Außervollzugsetzung der Geltung der Flächennutzungsplanänderung lehnte das Gericht jedoch ab, da dieser noch keine verbindlichen Festsetzungen für die städtebauliche Ordnung enthalte und daher nicht Gegenstand einer Popularklage sein könne.38 Mit Entscheidung vom 31. Mai 2006 erklärte der Verfassungsgerichtshof den Bebauungsplan für verfassungswidrig.39 In Bezug auf den Flächennutzungsplan wies er die Klage jedoch als unzulässig ab und führt aus: „Die Änderung des Flächennutzungsplans kann nicht Gegenstand einer Popularklage sein, weil sie noch keine verbindlichen Festsetzungen für die städtebauliche Ordnung enthält“.40 Diese Rechtsprechung hielt der Gerichtshof in seiner Entscheidung vom 17. März 2011 aufrecht.41 Auch in diesem Fall umfassten die Änderung des Flächennutzungsplanes sowie der Bebauungsplan dasselbe Gebiet.42

c) Landtagsbeschlüsse Ein Landtagsbeschluss, mit dem eine Petition als erledigt erklärt wird, sei – so der Gerichtshof – keine Rechtsvorschrift. Er sei auch dann nicht als solcher zu qualifizieren, wenn eine Verwaltungsbehörde die Erledigung der Petition als Legitimation eines bestimmten Verwaltungshandelns auffassen würde.43

BayVerfGHE 61, 153 (157). BayVerfGH Entscheidung vom 13. 6. 2005, Vf. 1-VII-05, veröffentlicht in juris. 38 BayVerfGH Entscheidung vom 13. 6. 2005, Vf. 1-VII-05, veröffentlich in juris, ebenda Rn. 12. 39 Vgl. BayVerfGHE 59, 109 (114 ff.). 40 BayVerfGHE 59, 109 (112). 41 BayVerfGH BayVBl. 2011, 433. 42 BayVerfGH Entscheidung vom 17. 3. 2011, Vf. 17-VII-10, veröffentlicht in juris, ebenda Rn. 2 (insoweit nicht veröffentlicht in BayVBl. 2011, 433). 43 BayVerfGH BayVBl. 2007, 557 (558). 36 37

§ 15 Rechtsvorschriften des bayerischen Landesrechts

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d) Vorgänge im Vorfeld des Normerlasses Zum Gesetzgebungsverfahren sagt der Verfassungsgerichtshof im Rahmen der Popularklage gegen die Abschaffung des Bayerischen Obersten Landesgerichts, Gegenstand der Normenkontrolle könnten nur das angegriffene Gesetz selbst und „das diesem unmittelbar zugrunde liegende Gesetzgebungsverfahren sein. Vorgänge, die im Vorfeld des parlamentarischen Verfahrens liegen, können die Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes grundsätzlich nicht begründen.“44

So unterläge die Ausübung der Richtlinienkompetenz des Ministerpräsidenten keiner Überprüfung im Normenkontrollverfahren.45 Auch die Gesetzesbegründung46 sowie die dem Bebauungsplan gemäß § 9 Abs. 8 BauGB beizufügende Begründung47 seien kein zulässiger Verfahrensgegenstand. e) Staatliche Hoheitsakte Einen staatlichen Hoheitsakt einer Behörde zur Regelung eines Einzelfalls sieht der Gerichtshof nicht als Rechtsvorschrift an. Ein solcher sei daher kein zulässiger Verfahrensgegenstand.48 f) Vollzug Zulässiger Gegenstand eines Popularklageverfahrens ist gemäß der Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs nur die Verfassungsmäßigkeit der Norm an sich. Er stellt klar: „Es ist nicht Aufgabe des Verfassungsgerichtshofs zu überprüfen, wie die angegriffenen Rechtsnormen in der Praxis vollzogen werden“.49

Unerheblich seien im Popularklageverfahren auf das Verwaltungshandeln bezogene Grundrechtsrügen, die sich nicht auf die zugrunde liegenden Regelungen der Norm bezögen.50 Auf die Frage des Vollzugs im Einzelfall komme es im Verfahren der abstrakten Normenkontrolle nicht an51: „Der Verfassungsgerichtshof überprüft im Popularklageverfahren nicht die Verfassungsmäßigkeit einzelner Vollzugsmaßnahmen“.52 „Ein etwa fehlerhafter Vollzug gesetzlicher 44 45 46 47 48 49 50 51

BayVerfGHE 58, 212 (228). BayVerfGHE 58, 212 (228). BayVerfGHE 55, 123 (127). BayVerfGH BayVBl. 2011, 14 (15). Vgl. BayVerfGH BayVBl. 2007, 689. BayVerfGHE 59, 63 (68). Vgl. BayVerfGHE 56, 1 (4). Vgl. BayVerfGHE 48, 99 (108).

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3. Kap.: Zulässiger Verfahrensgegenstand

Vorschriften in der Praxis würde nicht dazu führen, dass die betreffenden Vorschriften als solche verfassungswidrig sind“.53 „Alle Rügen des Antragstellers, die auf einen unrichtigen Vollzug der angegriffenen Vorschriften in der Praxis abstellen, sind“ … „unzulässig.“54

Dem entsprechend sieht der Gerichtshof beispielsweise einen Gebührenbescheid nicht als zulässigen Verfahrensgegenstand einer Popularklage an55; ebenso wenig eine Baugenehmigung und die hierzu ergangenen verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen56, sowie die Rüge, der Vollzug der Vorschriften sei willkürlich57. Insoweit stehe die Möglichkeit offen, die Vollzugsakte von den Fachgerichten überprüfen zu lassen.58 g) Auslegung Auch die Auslegung einer Regelung sieht der Verfassungsgerichtshof nicht als zulässigen Verfahrensgegenstand an: „Die Popularklage ist“ … „unzulässig, soweit sie sich nicht gegen eine Norm, sondern lediglich gegen eine bestimmte einfachrechtliche Auslegung in der Praxis richtet; die Subsumtion im Einzelfall kann nicht Gegenstand einer Popularklage sein“.59 „Es ist grundsätzlich“ … „nicht Aufgabe des Verfassungsgerichtshofs, eine einfachrechtliche Norm verbindlich auszulegen“.60

Allerdings sei eine Norm vor einer Entscheidung über deren Verfassungsmäßigkeit auszulegen und deren einfachrechtlicher Anwendungs- und Wirkungsbereich zu ermitteln.61 Denn ein sachgerechtes Verständnis der Darlegung des Antragstellers setze ein sachgerechtes Verständnis der angegriffenen Regelungen voraus. Die Zulässigkeit und Begründetheit lasse sich nur beurteilen, wenn feststehe, ob die jeweilige Regelung überhaupt den Inhalt habe, der als verfassungswidrig beanstandet werde.62 Erst nach der Feststellung des konkreten Norminhalts könne beurteilt werden, ob die Vorschrift mit der Bayerischen Verfassung vereinbar sei.63 52 BayVerfGHE 60, 179 (181); vgl. auch BayVerfGHE 41, 44 (50); 50, 226 (245); 56, 1 (4); 56, 148 (160); 57, 30 (33); 58, 77 (89); 59, 23 (26); BayVerfGH BayVBl. 2007, 557 (558). 53 BayVerfGHE 50, 226 (245); 56, 1 (4); vgl. auch BayVerfGHE 48, 145 (148); 49, 120 (123); 56, 148 (160); 57, 30 (33). 54 BayVerfGHE 50, 226 (245); vgl. auch BayVerfGHE 56, 1 (4). 55 BayVerfGH BayVBl. 2007, 595 (596). 56 BayVerfGHE 61, 9 (11). 57 BayVerfGHE 56, 1 (3); 56, 148 (160); 57, 30 (33). 58 Vgl. BayVerfGHE 56, 1 (4); 56, 148 (160); 57, 30 (33); 59, 23 (26). 59 BayVerfGHE 50, 106 (111), vgl. auch BayVerfGHE 48, 145 (148); 49, 120 (123). 60 BayVerfGHE 50, 106 (111); vgl. auch BayVerfGHE 49, 120 (123); 50, 129 (137). 61 BayVerfGHE 57, 30 (34); BayVerfGH BayVBl. 2003, 654. 62 BayVerfGH BayVBl. 2003, 654. 63 BayVerfGHE 47, 165 (171); 47, 276 (295); 57, 30 (34).

§ 15 Rechtsvorschriften des bayerischen Landesrechts

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h) Spezielle Auswirkungen auf den Antragsteller Der Bayerische Verfassungsgerichtshof führt aus: „Die speziellen Auswirkungen, die die angegriffenen Vorschriften auf die Antragsteller nach deren Vortrag haben, sind im Rahmen einer Popularklage“ … „verfassungsrechtlich nicht zu überprüfen.“64 „Gegenstand des Popularklageverfahrens ist nur die generalisierende, auf den Regelfall abstellende Rechtsvorschrift als solche“.65

Kein zulässiger Verfahrensgegenstand sei die persönliche Situation der Antragsteller, wie sie sich aufgrund der angegriffenen Vorschrift darstelle66 oder die spezielle Situation einzelner Normbetroffener67. So geben beispielsweise die persönlichen Verdienste des Kanzlers der Universität Augsburg im Rahmen einer Popularklage gegen dessen – vermeintlich zu niedrige – Besoldung keinen Anhaltspunkt für die Verletzung der Alimentationspflicht.68

i) Leistungsanträge Anträge auf bestimmte Leistungen, die mit der geltend gemachten Verfassungswidrigkeit einer Norm im Zusammenhang stehen, verwirft der Verfassungsgerichtshof als unzulässigen Verfahrensgegenstand.69 So könnten im Popularklageverfahren nicht verlangt werden die Rückzahlung von Gebühren70 oder entrichteter Steuern sowie die Aufhebung von Vollstreckungstiteln71. Ebenso seien Anträge auf finanzielle Entschädigung sowie auf Wiederherstellung des früheren Grundbuchstandes unzulässig.72

II. Rechtsvorschrift des bayerischen Landesrechts Ein zulässiger Verfahrensgegenstand liegt nur dann vor, wenn die angegriffene Rechtsvorschrift eine solche des bayerischen Landesrechts ist (Art. 55 Abs. 1 Satz 1 BayVerfGHG). Dem entsprechend lehnt der Bayerische Verfassungsgerichtshof

BayVerfGHE 58, 77 (90); 60, 101 (108). BayVerfGHE 60, 101 (108); vgl. auch BayVerfGHE 42, 72 (77); 49, 37 (53); 50, 15 (47); 51, 74 (87); 57, 175 (179); 58, 77 (90); BayVerfGH BayVBl. 2004, 268 (269). 66 BayVerfGHE 60, 101 (108); vgl. auch BayVerfGHE 58, 77 (90); BayVerfGH BayVBl. 2004, 268 (269). 67 BayVerfGHE 49, 37 (53); 51, 74 (87); 51, 170 (178). 68 BayVerfGHE 51, 170 (178). 69 Vgl. BayVerfGHE 59, 134 (138); 62, 113 (116). 70 BayVerfGHE 59, 134 (138). 71 BayVerfGHE 62, 113 (116). 72 BayVerfGH BayVBl. 2004, 268. 64 65

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3. Kap.: Zulässiger Verfahrensgegenstand

Normen eines Bundesgesetzes als zulässigen Verfahrensgegenstand ab, da es sich bei einer solchen um kein Landesrecht handele.73 Anders beurteilt dies der Gerichtshof hingegen, wenn Landesrecht74 eine bundesrechtliche Regelung in Bezug nehme. Diese sei dann nicht unmittelbarer Gegenstand der Popularklage. Ihr Inhalt sei aber nach Rang und Geltungskraft auf Grund der Verweisung Bestandteil der landesrechtlichen Norm geworden. Die Popularklage richte sich somit ausschließlich gegen Landesrecht, und zwar insoweit, als dadurch die bundesrechtliche Regelung zum Inhalt des bayerischen Landesrechts gemacht werde.75 Zur Frage der Umsetzung europarechtlicher Vorgaben sagt der Verfassungsgerichtshof: „Der bayerische Normgeber, der eine Richtlinie des europäischen Gemeinschaftsrechts umsetzt, erläßt damit Landesrecht, gleichgültig in welchem Umfang der Inhalt der Rechtsnorm vom europäischen Recht bestimmt wird“.76

Zu den Rechtsvorschriften des bayerischen Landesrechts zählt der Verfassungsgerichtshof auch solche Rechtsvorschriften, die bayerische Körperschaften, Anstalten oder Stiftungen des öffentlichen Rechts im Rahmen der ihnen gesetzlich verliehenen Satzungsautonomie erlassen haben.77 Dies gelte auch dann, wenn die Autonomieverleihung einschließlich der Ermächtigung zum Erlass von Satzungen auf Bundesrecht beruhe, da es für die Zurechnung auf die erlassende Stelle ankomme.78 Auch einem nichtrechtsfähigen Sondervermögen einer rechtsfähigen Anstalt des öffentlichen Rechts könne gesetzlich das Recht eingeräumt sein, ihre Angelegenheiten nach Maßgabe des Gesetzes durch Satzung zu regeln. Diese Satzungsbestimmungen seien tauglicher Verfahrensgegenstand.79 Indes setzen nicht nur staatliche Institutionen Normen, sondern auch Private – beispielsweise in Tarifverträgen oder Vereinssatzungen.80 Hierzu sagt der Verfassungsgerichtshof: BayVerfGHE 49, 1 (7). Im konkreten Fall handelte es sich um eine Bezugnahme auf eine Regelung des Bundeserziehungsgeldgesetzes (BErzGG) in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 des Bayerischen Landeserziehungsgeldgesetzes (BayLErzGG) mit folgendem Wortlaut: „[Das Landeserziehungsgeld] wird bei Überschreiten der nach §§ 5, 6 des BErzGG zu berechnenden Einkommensgrenzen auf den Betrag von fünf Sechstel des nach §§ 5, 6 des BErzGG zu berechnenden Bundeserziehungsgeldes gekürzt.“ 75 BayVerfGHE 48, 109 (112 f.); BayVerfGH Entscheidung vom 27. 6. 2011, Vf. 27-VII10, veröffentlicht in juris, ebenda Rn. 49. 76 BayVerfGHE 50, 76 (95). 77 Vgl. BayVerfGHE 51, 74 (81); 52, 47 (56); 52, 79 (83); 54, 47 (52 f.); 56, 99 (103); 56, 148 (160); 58, 77 (90); 59, 80 (91); 60, 101 (107); BayVerfGHE 51, 74 (81); 56, 148 (160); BayVerfGH Entscheidung vom 9. 8. 2011, Vf. 18VII-10, veröffentlicht in juris, ebenda Rn. 77; Entscheidung vom 6. 12. 2011, Vf. 6-VII-11, veröffentlicht in juris, ebenda Rn. 38. 78 BayVerfGHE 51, 74 (81); 56, 148 (160); 58, 77 (90); 59, 80 (91); BayVerfGH Entscheidung vom 9. 8. 2011, Vf. 18-VII-10, veröffentlicht in juris, ebenda Rn. 77. 79 Vgl. BayVerfGHE 52, 47 (56) zu Satzungsbestimmungen der Zusatzversorgungskasse der bayerischen Gemeinden, die als gesonderte Einrichtung des Bayerischen Versorgungsverbandes geführt wird. 73 74

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„Im Rahmen der Popularklage wird der Schutz der Grundrechte nur gegenüber staatlich oder in sonstiger Weise hoheitlich gesetztem Recht, d. h. gegenüber Akten der unmittelbaren oder mittelbaren Staatsgewalt, zur Geltung gebracht.“81

So seien Tarifnormen kein zulässiger Verfahrensgegenstand, da die Tarifvertragsparteien keine öffentlich-rechtlichen Körperschaften des staatlichen Bereichs seien.82

B. Bewertung der Rechtsprechung Art. 55 Abs. 1 Satz 1 BayVerfGHG beschränkt den zulässigen Verfahrensgegenstand einer Popularklage auf Rechtsvorschriften des bayerischen Landesrechts. Die Abgrenzung, wann eine Regelung als Rechtsvorschrift zu qualifizieren ist, nimmt der Verfassungsgerichtshof ebenso in weitgehender Übereinstimmung mit der Literatur und der Rechtsprechung anderer Gerichte vor,83 wie die Frage, wann eine Norm als eine solche des bayerischen Landesrechts einzuordnen ist.84 Diese Praxis ist zu begrüßen, da sie einer prozessrechtsharmonischen Auslegung der Verfahrensordnungen85 entspricht. Zuzustimmen ist dem Verfassungsgerichtshof darüber hinaus insofern, als er in weiten Bereichen eine weite Interpretation des zulässigen Verfahrensgegenstandes vornimmt, da dies dem Grundrechtsschutz dient und damit der Funktion der Popularklage entspricht86. So sieht der Gerichtshof beispielsweise Normenkontrollanträge gegen Zustimmungsbeschlüsse des Landtags zu Staatsverträgen, gegen (bestimmte) öffentlich-rechtliche Verträge sowie gegen ein Unterlassen des Normgebers als zulässig an. Ebenso qualifiziert er eine bundesrechtliche Norm, auf die der bayerische Gesetzgeber verweist, als einen bayerischen Rechtssatz und damit als zulässigen Verfahrensgegenstand. Allerdings steht diese – zu begrüßende – weite Auslegung in einem gewissen Widerspruch zu einschränkenden Aussagen zum zulässigen Prüfungsgegenstand. I. Vorgänge im Vorfeld des Normerlasses Insbesondere überzeugt es nicht, wenn der Bayerische Verfassungsgerichtshof Vorgänge im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens, die nicht zum unmittelbar dem Vgl. etwa Ossenbühl in: Isensee / P. Kirchhof, HStR V, § 100 Rn. 38 ff. BayVerfGHE 59, 80 (92). 82 Vgl. BayVerfGHE 24, 72 (81); 59, 80 (93). 83 Teilweise beruft sich der BayVerfGH dabei ausdrücklich auf verwaltungsrechtliche Literatur; vgl. beispielsweise BayVerfGHE 61, 36 (42). 84 Vgl. hierzu beispielsweise Kalkbrenner, FS 25 Jahre BayVerfGH, S. 329 (S. 332 ff.). 85 Vgl. hierzu Schumann, FS Kerameus, S. 1209 (1220 f.). 86 Vgl. hierzu § 4 (S. 76). 80 81

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3. Kap.: Zulässiger Verfahrensgegenstand

gegenständlichen Gesetz zugrunde liegenden Gesetzgebungsverfahren zu zählen seien, als für das Normenkontrollverfahren für unbeachtlich ansieht. Denn für die Verfassungsmäßigkeit einer Norm können nicht nur diese „unmittelbar dem Gesetzgebungsverfahren“ zugrunde liegende Vorgänge erheblich sein. So sieht das Bundesverfassungsgericht eine Funktion des Gesetzesvorbehalts in der Sicherstellung, dass Regelungen aus einem Verfahren hervorgehen, das sich durch Transparenz auszeichnet und auch den Betroffenen und dem Publikum Gelegenheit bietet, ihre Auffassungen auszubilden und zu vertreten.87 Vorgänge, die nicht zum unmittelbaren parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren zu zählen sind, können nach seiner Rechtsprechung zur Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes führen. Ein Beispiel hierfür ist das Urteil vom 9. Februar 2010, in dem das Bundesverfassungsgericht die sogenannten „Hartz IV-Regelsätze“ für verfassungswidrig erklärte.88 Aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG ergebe sich – so das Bundesverfassungsgericht – ein Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums.89 Zur Konkretisierung dieses Anspruchs habe der Gesetzgeber alle existenznotwendigen Aufwendungen in einem transparenten und sachgerechten Verfahren nach dem tatsächlichen Bedarf, also realitätsgerecht, zu bemessen.90 Zwar lasse sich nicht feststellen, dass der Gesamtbetrag der festgesetzten Leistungen zur Sicherstellung eines menschenwürdigen Existenzminimums evident unzureichend sei. Der Gesetzgeber habe für die Regelleistung auch grundsätzlich ein taugliches Berechnungsverfahren zur Bemessung des Existenzminimums gefunden. Doch habe er dieses bei der Regelleistung von 345 Euro in verschiedenen Hinsichten verlassen, ohne es durch andere erkennbare oder tragfähige Kriterien zu ersetzen. Außerdem liege im Hinblick auf den kinderspezifischen Bedarf ein völliger Ermittlungsausfall vor. Die entsprechenden Vorschriften genügten daher nicht den Grundsätzen der Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG.91

Nach dem Erlass der Entscheidung zur Abschaffung des Bayerischen Obersten Landesgerichts, in der der Bayerische Verfassungsgerichtshof eine Prüfung der Vorgänge im Vorfeld des formellen Gesetzgebungsverfahrens abgelehnt hatte, bediente er sich einer ähnlichen Argumentation. So führt er im Rahmen einer Popularklage gegen das Finanzausgleichsgesetz aus: „Die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung (Art. 10 Abs. 1, Art. 11 Abs. 2 Satz 2 BV) setzt prozedurale Absicherungen in dem der Entscheidung des Gesetzgebers über den Finanzausgleich zugrunde liegenden Verfahren voraus, deren Fehlen hier zur Unvereinbarkeit des Finanzausgleichsgesetzes mit dieser Verfassungsgarantie führt.“92 … „Ein wirkungsvoller Schutz des kommunalen Selbstverwaltungsrechts [gebietet] eine Rationalisierung des staatlichen Entscheidungsprozesses in Form eines der eigentlichen Entscheidung 87 88 89 90 91 92

BVerfGE 95, 267 (309 f.); vgl. auch BVerfGE 85, 386 (403 f.). BVerfGE 125, 175. BVerfGE 125, 175 (222). BVerfGE 125, 175 (225). BVerfGE 125, 175 (227). BayVerfGHE 60, 184 (212).

§ 15 Rechtsvorschriften des bayerischen Landesrechts

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vorausgehenden transparenten Verfahrens.“93 … „Bei einem derartigen, der eigentlichen legislatorischen Beschlussfassung vorausgehenden Verfahren hält sich“ … „der Gesetzgeber konkret und unmittelbar in Form eines nachvollziehbaren Zahlenwerks die finanziellen Auswirkungen und Folgen seiner Entscheidung“ … „vor Augen.“94

In der Entscheidung zum Finanzausgleichsgesetz erklärt der Verfassungsgerichtshof somit ein Gesetz für verfassungswidrig, weil er das Verfahren vor der eigentlichen Entscheidung für unzureichend hält. Dieser Prüfung der Vorgänge im Vorfeld des Gesetzgebungsverfahrens ist zuzustimmen. Zwar stellen diese keinen Rechtssatz dar und können daher nicht direkt Angriffsgegenstand im Popularklageverfahren sein. Doch ist eine Norm Verfahrensgegenstand, kann deren Entstehungsgeschichte nicht unberücksichtigt bleiben. Freilich ist nicht jeder Vorgang geeignet, zur Verfassungswidrigkeit einer Rechtsvorschrift zu führen, doch sollte der Verfassungsgerichtshof die Vorgänge im Vorfeld des Gesetzgebungsverfahrens nicht grundsätzlich in der Entscheidung unberücksichtigt lassen, so wie er dies bei seiner Entscheidung zur Abschaffung des Bayerischen Obersten Landesgerichts getan hat.

II. Flächennutzungspläne Bei der Bewertung der Frage, ob ein Flächennutzungsplan als Rechtsvorschrift einzustufen ist, ist § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB zu beachten, wonach einer Bebauung im Außenbereich in der Regel unzulässig ist, soweit hierfür durch Darstellungen im Flächennutzungsplan eine Ausweisung an anderer Stelle erfolgt ist. Zumindest insofern geht von Flächennutzungsplänen eine Rechtswirkung aus. Daher sollte der Verfassungsgerichtshof der jüngeren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts95 folgen, wonach ein Normenkontrollverfahren gegen Flächennutzungspläne in analoger Anwendung von § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO zulässig sei, soweit die Flächennutzungspläne Rechtswirkungen nach § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB hervorrufen. III. Auslegung Zumindest verwirrend ist darüber hinaus die Aussage des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs, es sei grundsätzlich nicht seine Aufgabe, eine einfachrechtliche Norm verbindlich auszulegen.96 Denn Art. 27 Abs. 3 BayVerfGHG erkennt eine verfassungskonforme Auslegung der angegriffenen Rechtsvorschrift ausdrücklich als mögliche Entscheidung des Gerichtshofs an.97 Nur wenn verschiedene verfasBayVerfGHE 60, 184 (219). BayVerfGHE 60, 184 (221). 95 BVerwGE 128, 382 (384 ff.); vgl. hierzu Manssen, in: Becker / Heckmann / Kempen / Manssen, 4. Teil Rn. 330 sowie Wolff, JA 2007, 396 (397). 96 Vgl. oben das Zitat bei Fußn. 60 (3. Kapitel). 97 Vgl. hierzu unten § 52 (S. 349). 93 94

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3. Kap.: Zulässiger Verfahrensgegenstand

sungskonforme Auslegungen denkbar sind, ist die zu erfolgende einfachrechtliche Auslegung im Einzelfall nicht Aufgabe des Verfassungsgerichtshofs.98

§ 16 Nicht in Kraft befindliche Rechtsvorschriften A. Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs Als zulässigen Verfahrensgegenstand sieht der Bayerischen Verfassungsgerichtshof grundsätzlich nur eine geltende Rechtsnorm an.99 Er führt in ständiger Rechtsprechung aus: „Bei der Prüfung, ob eine Rechtsvorschrift verfassungswidrig ist, hat der Verfassungsgerichtshof seiner Beurteilung grundsätzlich den Rechtszustand im Zeitpunkt der Entscheidung zugrunde zu legen.“100

Daher sagt das Gericht: „Formell noch nicht erlassene Rechtsvorschriften können mit der Popularklage nicht angefochten werden“.101„Außer Kraft getretene Rechtsvorschriften unterliegen der verfassungsgerichtlichen Kontrolle nur dann, wenn noch ein objektives Interesse an der Feststellung besteht, ob sie mit der Bayerischen Verfassung vereinbar waren.“102

Gleiches gelte für Zustimmungsbeschlüsse des Bayerischen Landtags103, die durch einen neueren überholt seien.104 Bestehe kein objektives Interesse an der verfassungsgerichtlichen Kontrolle der außer Kraft getretenen Rechtsvorschrift, sei die Popularklage unzulässig.105 Darüber hinaus liege ein unzulässiger Verfahrensgegenstand vor, wenn der Bundesgesetzgeber von seiner konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz Gebrauch gemacht habe und daher die mit einer Popularklage angegriffene landesrechtliche

Vgl. insofern das Zitat bei Fußn. 59 (3. Kapitel). BayVerfGHE 49, 37 (50). 100 BayVerfGHE 51, 74 (81); 52, 79 (83 f.); 54, 47 (53); 55, 57 (60); 56, 99 (103); 58, 77 (88); 59, 80 (93); 60, 30 (34); vgl. auch BayVerfGHE 23, 200 (207); 42, 174 (181); 46, 137 (139); 49, 153 (157); 52, 104 (139); 58, 77 (88); 60, 184 (211); 61, 36 (40); BayVerfGH BayVBl. 2007, 689 (690); 2010, 658; BayVerfGH NuR 2011, 133 (134). 101 BayVerfGH BayVBl. 2007, 557 (558); vgl. auch BayVerfGHE 38, 71 (73). 102 BayVerfGHE 58, 77 (88); BayVerfGH BayVBl. 2010, 658 (659); vgl. auch BayVerfGHE 23, 200 (207); 42, 174 (181); 46, 137 (139); 49, 153 (157); 51, 1 (11); 51, 74 (81); 52, 79 (83 f.); 52, 104 (139); 54, 47 (53); 55, 57 (60); 58, 1 (14); 58, 271 (273); 59, 80 (93); 60, 30 (34); 60, 184 (211); 61, 36 (40); BayVerfGH BayVBl. 2007, 689 (690). 103 Vgl. hierzu oben das Zitat bei Fußn. 14 (3. Kapitel). 104 BayVerfGHE 60, 131 (138). 105 Vgl. BayVerfGHE 46, 137 (139); 49, 153 (157); 51, 1 (11); 58, 1 (16 f.); 61, 36 (40); BayVerfGH BayVBl. 2007, 689 (690). 98 99

§ 16 Nicht in Kraft befindliche Rechtsvorschriften

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Norm wegen der Sperrwirkung des konkurrierenden Bundesrechts und des damit verbundenen Wegfalls der Gesetzgebungskompetenz des Landesgesetzgebers unzulässig und nichtig geworden sei.106 Auch in diesem Fall sei eine verfassungsgerichtliche Kontrolle nur dann möglich, wenn hieran noch ein objektives Interesse bestehe.107 So hatte der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungsmäßigkeit einer Regelung des Bayerischen Naturschutzgesetzes zu entscheiden. Während der Bund in diesem Bereich früher gemäß Art. 75 GG a. F. eine Kompetenz zur Rahmengesetzgebung inne hatte, hat er seit der sogenannten Föderalismusreform108 gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 29 GG die konkurrierende Gesetzgebungsbefugnis. Mit der Neufassung des Bundesnaturschutzgesetzes habe der Bundesgesetzgeber von dieser Befugnis Gebrauch gemacht.109 Ein grundsätzlich unzulässiger Verfahrensgegenstand liege daher vor, soweit landesrechtliche Normen denselben Sachbereich regeln wie das Bundesnaturschutzgesetz. Ein objektives Feststellungsinteresse im Hinblick auf die Rechtslage vor Erlass des neuen Bundesnaturschutzgesetzes sah der Gerichtshof im konkreten Fall nicht als gegeben an.110

In einem solchen Fall der konkurrierenden Gesetzgebung bejaht der Bayerische Verfassungsgerichtshof das Vorliegen eines grundsätzlich unzulässigen Verfahrensgegenstandes nur dann, wenn das Landesgesetz und das später erlassene Bundesgesetz dieselbe Materie regeln und der Wegfall der Gesetzgebungskompetenz des Freistaates Bayern daher offensichtlich sei. Er führt aus: „Soweit sich die Popularklage gegen Art. 13e Abs. 1 Nrn. 1 und 5 BayNatSchG richtet, lässt sich die Frage nach einer Sperrwirkung des Bundesnaturschutzgesetzes nicht“ … „eindeutig beantworten. Erforderlich wäre hierfür vielmehr eine detaillierte Prüfung bundesrechtlicher Normen und Zusammenhänge“ … „Dies kann jedoch nicht Aufgabe eines Landesverfassungsgerichts sein. Es wird daher“ … „zugunsten des Antragstellers vom (Weiter-) Bestehen einer Rechtsvorschrift des bayerischen Landesrechts ausgegangen“.111

I. Bejahen eines objektiven Feststellungsinteresses Zu den Voraussetzungen des Vorliegens eines objektiven Interesses an der Feststellung der Verfassungswidrigkeit einer außer Kraft getretenen Rechtsvorschrift sagt der Gerichtshof: „Ein solches Feststellungsinteresse ist gegeben, wenn nicht auszuschließen ist, dass von der Rechtsvorschrift noch Grundrechtsverletzungen ausgehen können, die sich auf dem Weg über eine Popularklage beseitigen ließen“.112

106 107 108 109 110 111

BayVerfGH NuR 2011, 133 (134). BayVerfGH NuR 2011, 133 (134). Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 28. August 2006 (BGBl I, S. 2034). BayVerfGH NuR 2011, 133 (134). BayVerfGH NuR 2011, 133 (134). BayVerfGH NuR 2011, 133 (134).

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3. Kap.: Zulässiger Verfahrensgegenstand

Ein objektives Interesse liege vor, wenn die frühere Rechtslage für bestimmte (ältere) Fälle weiterhin anwendbar bleibe.113 Gleiches gelte, wenn noch Widerspruchs- oder Gerichtsverfahren aus der Geltungszeit der angefochtenen Bestimmungen anhängig seien, deren Ausgang von der Entscheidung über die Popularklage abhänge114, oder wenn die alte Rechtslage bei anhängigen Verwaltungsstreitverfahren115 oder Bußgeldverfahren116 noch nach wirke. Ausreichend sei dabei, wenn es nicht unwahrscheinlich sei, dass es bei noch ganz vereinzelt anhängigen Verfahren auf die Verfassungsmäßigkeit der angefochtenen Norm ankomme.117 Daher bejaht der Gerichtshof das Feststellungsinteresse beispielsweise, wenn die Antragstellerin aus der Geltungszeit der früheren Fassung der angefochtenen Norm mit Nachzahlungsforderungen konfrontiert sei, deren Begründetheit von der Entscheidung über die Popularklage abhänge.118 In einem weiteren Fall sah er eine außer Kraft getretene Regelung als zulässigen Verfahrensgegenstand an, da bei der Feststellung der Verfassungswidrigkeit der Norm nicht auszuschließen sei, dass von Normbetroffenen für die zurückliegende Zeit ein Kinderzuschlag geltend gemacht werden könnte.119 Könnte bei einem Verstoß gegen Art. 83 BV die Verpflichtung des Gesetzgebers entstehen, eine verfassungswidrig unterlassene Ausgleichsregelung hinsichtlich der Kosten rückwirkend nachzuholen, sei ein Popularklage gegen eine außer Kraft getretene Regelung ebenfalls zulässig.120

Das Interesse an der Popularklage bejaht der Verfassungsgerichtshof bei der Anfechtung der Rechtsgrundlage einer Entgelterhebung, wenn diese zwar bereits außer Kraft ist, deren Neufassung die Entgelterhebung dem Grunde nach aber beibehält und nur der Höhe nach einschränkt.121

II. Verneinen eines objektiven Feststellungsinteresses Kein objektives Feststellungsinteresse bestehe hingegen, wenn es keine Fälle mehr gebe, die noch nach der angegriffenen früheren Regelung vollzogen werden müssten122, bzw. wenn es sich um abgeschlossene Tatbestände handele, die einer nachträglichen Änderung nicht zugänglich seien. Bei dieser Sach- und Rechtslage

112 BayVerfGHE 54, 47 (53); 55, 57 (60); 58, 77 (88); vgl. auch BayVerfGHE 46, 137 (139); 49, 153 (157); 52, 104 (139); 60, 184 (211). 113 BayVerfGHE 50, 67 (71). 114 Vgl. BayVerfGHE 51, 74 (81 f.); 54, 47 (53); 59, 80 (93); 59, 219 (223); 60, 30 (34). 115 BayVerfGHE 59, 219 (223). 116 BayVerfGH BayVBl. 2011, 466 (467). 117 BayVerfGHE 58, 271 (274). 118 BayVerfGHE 52, 79 (83 f.). 119 BayVerfGHE 55, 57 (60). 120 BayVerfGHE 60, 184 (211). 121 BayVerfGHE 51, 131 (141). 122 BayVerfGHE 52, 104 (139); 58, 77 (88).

§ 16 Nicht in Kraft befindliche Rechtsvorschriften

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bestehe kein objektives Interesse an der verfassungsgerichtlichen Kontrolle einer inzwischen durch eine andere Regelung überholten Bestimmung.123 So verneint der Verfassungsgerichtshof das Vorliegen eines Feststellungsinteresses beispielsweise, wenn die auf der Grundlage der alten Regelung berechneten Landkreisschlüsselzuweisungen für den fraglichen Zeitraum bestandskräftig festgestellt und ausbezahlt wurden und noch nicht endgültig abgewickelte Fälle nicht ersichtlich seien.124

Das Bestehen eines objektiven Feststellungsinteresses kann in Frage stehen, wenn ein Beschwerdeführer eine Norm angreift, die eine bestehende Vorschrift ändert. Denn bei der Verfassungswidrigkeit dieser Änderungsvorschrift könnte die alte Fassung der Regelung wieder „aufleben“. Daher könnte an der Feststellung der Verfassungswidrigkeit der alten Fassung ein objektives Interesse bestehen. So griff eine Popularklage den Abschnitt D der Anlage 5 des Honorarverteilungsmaßstabs der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns an, der aus dem Jahr 1986 stammte und im Jahr 1989 geändert wurde. Die Kassenärztliche Vereinigung hatte sich auf den Standpunkt gestellt, dass für den Fall der Verfassungswidrigkeit der Regelung aus dem Jahr 1989 die früher geltende Fassung aus dem Jahr 1986 wieder in Kraft trete. Der Antragsteller hatte daher vorsorglich beantragt, auch die Nichtigkeit der außer Kraft getretenen Regelung aus dem Jahr 1986 für den Zeitraum ab 1989 festzustellen. Der Verfassungsgerichtshof wies die Popularklage jedoch insofern als unzulässig ab. Er führt aus: „Entgegen der Auffassung der Kassenärztlichen Vereinigung würde im Fall der Verfassungswidrigkeit des Abschnitts D der HVM 5 1989 die Vorgängerregelung in HVM 5 1986 im Jahre 2001 hier nicht wieder aufleben. Dem Satzungsgeber kann ein dahingehender Wille nicht unterstellt werden, weil er sich im Jahre 1989 für eine Neufassung des Abschnitts D der HVM 5 1986 unter bewusster Aufhebung der seit dem Jahre 1986 geltenden Generalklausel entschieden hat. Bei dieser Sach- und Rechtslage besteht kein objektives Interesse an der verfassungsgerichtlichen Kontrolle einer durch eine Neuregelung überholten Bestimmung aus dem Jahre 1986, die für die Honorarfestsetzungsbescheide ab dem Quartal IV / 1989 keine Bedeutung mehr besitzt“.125

Ein objektives Interesse an der verfassungsgerichtlichen Überprüfung einer außer Kraft getretenen Norm verneint der Bayerische Verfassungsgerichtshof auch dann, wenn in unmittelbarer Zukunft ein Volksentscheid über ein Gesetz stattfindet, das die verfahrensgegenständlichen Regelungen wieder in Kraft setzen soll. Im konkreten Fall wandte sich der Antragsteller mit einer Popularklage gegen Regelungen des Gesundheitsschutzgesetzes vom 20. Dezember 2007126 sowie gegen das Gesetz zur Änderung des Gesundheitsschutzgesetzes vom 27. Juli 2009127. Die ursprüngliche Fassung des Gesetzes aus dem Jahr 2007 sah ein strenges Rauchverbot für öffentlich zugängliche Räumlichkeiten vor.128 Das Änderungsgesetz aus dem Jahr 2009 lockerte diese Gesetzeslage durch die Ein123 124 125 126 127

BayVerfGHE 49, 153 (157). BayVerfGHE 51, 1 (12). BayVerfGHE 54, 47 (53 f.). Gesetz zum Schutz der Gesundheit vom 20. Dezember 2007 (GVBl S. 919). Gesetz zur Änderung des Gesundheitsschutzgesetzes vom 27. Juli 2009 (GVBl S. 384).

118

3. Kap.: Zulässiger Verfahrensgegenstand

fügung mehrerer Ausnahmen.129 Der Antragsteller machte geltend, das durch beide Gesetze geregelte Rauchverbot verletze Grundrechte der Bayerischen Verfassung.130 Nachdem der Bayerische Landtag das Gesetz zur Änderung des Gesundheitsschutzgesetzes 2009 beschlossen hatte, legte ein Volksbegehren einen Gesetzentwurf vor, der zum Ziel hatte, die strengeren Regelungen des Gesundheitsschutzgesetzes aus dem Jahr 2007 im Wesentlichen wieder in Kraft zu setzen. Über diesen Gesetzentwurf wurde am 4. Juli 2010 im Rahmen eines Volksentscheides entschieden.131 Der Verfassungsgerichtshof verwarf in seiner Entscheidung vom 25. Juni 2010 die Popularklage dennoch insofern als unzulässig, als sie außer Kraft getretene Regelungen des Gesundheitsschutzgesetzes in der alten Fassung zum Gegenstand hatte.132 Da offen sei, ob der Gesetzentwurf angenommen werde, bestehe im Hinblick auf den Volksentscheid kein objektives Interesse an der Überprüfung der außer Kraft getretenen Normen. Zudem seien die Bestimmungen dieses Gesetzentwurfs mit der Fassung des Gesundheitsschutzgesetzes vom 20. Dezember 2007 nicht vollständig identisch.133

B. Bewertung der Rechtsprechung Art. 55 Abs. 1 Satz 1 BayVerfGHG begrenzt den zulässigen Verfahrensgegenstand einer Popularklage nicht ausdrücklich auf solche Rechtsvorschriften, die zum Zeitpunkt der Entscheidung in Kraft sind oder an deren verfassungsgerichtlicher Kontrolle ein objektives Interesse besteht. Diese Beschränkung entspricht jedoch einer teleologischen Auslegung dieser Norm. Denn die Funktion der Popularklage – der objektive Schutz der Grundrechte134 – erfordert keine Prüfung solcher Normen, von denen keine Grundrechtsverletzung ausgehen kann. Der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs, der in diesen Fällen vom Fehlen eines „objektiven Feststellungsinteresses“ spricht135, ist daher zuzustimmen. Eine Weiterführung des Verfahrens beim Vorliegen eines solchen Interesses entspricht dem objektiven Charakter des Verfahrens136 und dient dem Grundrechtsschutz.

Vgl. Art. 3 Abs. 1 des Gesundheitsschutzgesetzes 2007 (GVBl S. 919 [920]). Das Änderungsgesetz fügte in Art. 5 des Gesundheitsschutzgesetzes unter näheren Voraussetzungen Ausnahmen vom Rauchverbot für Bier-, Wein- und Festzelte sowie vorübergehend als Festhalle genutzte ortsfeste Hallen und getränkegeprägte Gaststätten mit weniger als 75 m Gastfläche ein, (§ 1 Nr. 2 Buchstabe a) Buchstaben bb) Gesetz zur Änderung des Gesundheitsschutzgesetzes vom 27. Juli 2009 [GVBl S. 384]). 130 BayVerfGH BayVBl. 2010, 658. 131 Vgl. die Bekanntmachung der Bayerischen Staatsregierung vom 20. 4. 2010, StAnz Nr. 17 S. 1. 132 BayVerfGH BayVBl. 2010, 658. 133 BayVerfGH BayVBl. 2010, 658 (659). 134 Vgl. hierzu oben § 1 (S. 37) sowie das Zitat bei Fußn. 17 (8. Kapitel). 135 Vgl. insbesondere das Zitat bei Fußn. 112 (3. Kapitel). 136 Lissack, S. 117. 128 129

§ 17 Unterlassen des Normgebers

119

Die Frage, ob ein unzulässiger Verfahrensgegenstand vorliegt, wenn der Bundesgesetzgeber von seiner konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz Gebrauch gemacht hat und das verfahrensgegenständliche Landesgesetz daher nichtig geworden ist, hängt inhaltlich eng mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Prüfung eines Verstoßes gegen das Rechtsstaatsprinzip des Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV zusammen. Denn Grund für die Nichtigkeit des bayerischen Gesetzes ist in diesem Fall der konkurrierenden Gesetzgebung die Verteilung der Gesetzgebungskompetenz durch das Grundgesetz. Es ist aber nicht nur möglich, dass ein Landesgesetz aufgrund der Sperrwirkung des konkurrierenden Bundesgesetzes nachträglich nichtig wird. Vielmehr kann sich schon zum Zeitpunkt des Erlasses der bayerischen Norm diese Kompetenzfrage stellen. In diesen Fällen geht der Verfassungsgerichtshof davon aus, dass ein Verstoß gegen bundesrechtliche Kompetenzvorschriften gleichzeitig eine Verletzung des Rechtsstaatsgebots der Bayerischen Verfassung darstellen und deshalb die bayerische Norm nichtig sein könne.137

§ 17 Unterlassen des Normgebers Das Unterlassen des Normgebers kann nach allgemeiner Ansicht Gegenstand einer Popularklage sein.138

A. Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs I. Unterlassen des Normgebers als Verfahrensgegenstand Der Bayerische Verfassungsgerichtshof sieht das Unterlassen des Normgebers in ständiger Rechtsprechung als möglichen Verfahrensgegenstand an.139 Zu solchen Popularklagen führt er aus: „Der einzelne Bürger hat nach bayerischem Verfassungsrecht grundsätzlich keinen verfassungsgerichtlich verfolgbaren Anspruch auf ein bestimmtes Handeln des Gesetzgebers oder eines anderen Normgebers. Eine gegenteilige Auffassung wäre mit dem Grundsatz der Ge-

Vgl. den Text bei Fußn. 289 (9. Kapitel). Fleury, Rn. 139; Domcke, in: Starck / Stern, LVG II, S. 231 (248 f.); Knöpfle, in: Nawiasky / Schweiger / Knöpfle, BV, Art. 98 Satz 4 Rn. 60; Meder, BV, Art. 98 Rn. 17; Pestalozza, Verfassungsprozeßrecht, § 23 Rn. 98; demgegenüber vertritt Zacher die Ansicht, die Popularklage lasse keinen Raum für eine Klage gegen ein Unterlassen des Gesetzgebers (Zacher, BayVBl. 1962, 257 [261]). 139 Vgl. etwa BayVerfGHE 18, 79 (81); 38, 143 (146 f.); 40, 14 (17 f.); 40, 45 (48); 42, 188 (192); 43, 1 (5); 43, 95 (98); 44, 156 (160); 45, 143 (146); 46, 104 (108); 46, 298 (299); 48, 29 (31); 48, 55 (57); 51, 155 (159); 55, 85 (96); 55, 160 (173); 56, 141 (142); 58, 1 (15); 62, 61 (65); BayVerfGH Entscheidung vom 21. 6. 2011, Vf. 31-VII-10, veröffentlicht in juris, ebenda Rn. 16. 137 138

120

3. Kap.: Zulässiger Verfahrensgegenstand

waltenteilung (Art. 5 BV) und dem Gestaltungsspielraum unvereinbar, den ein Normgeber bei der Beurteilung und Regelung eines Sachgebiets haben muß.“ … „Das Verlangen nach Erlaß einer bestimmten Regelung kann grundsätzlich nicht im Wege einer Popularklage geltend gemacht werden (vgl. auch Art. 55 Abs. 1 Satz 1 VfGHG, der davon ausgeht, daß die Verfassungswidrigkeit einer – bestehenden – Rechtsvorschrift durch Beschwerde geltend gemacht wird). Eine eng umgrenzte Ausnahme gilt nur dann, wenn sich der Antragsteller auf einen ausdrücklichen Auftrag der Verfassung berufen kann, der Inhalt und Umfang der Gesetzgebungspflicht im wesentlichen umgrenzt, oder wenn er ein relevantes Unterlassen des Normgebers rügt, weil dieser im Zusammenhang mit einer bestimmten Rechtsmaterie etwas nicht getan habe, wozu er unter Beachtung des Gleichheitssatzes verpflichtet gewesen wäre“.140

Nach diesen Ausführungen kann das Unterlassen Verfahrensgegenstand sein, wenn ein entsprechender Auftrag der Verfassung oder der Gleichheitssatz in Frage steht.141 In anderen Entscheidungen führt der Gerichtshof aus, eine Popularklage gegen ein Unterlassen sei zulässig, „wenn in substantiierter Weise geltend gemacht wird, der Normgeber sei auf Grund einer Grundrechtsnorm der Bayerischen Verfassung zum Erlaß einer bestimmten Regelung verpflichtet“.142

Im Gegensatz zum obigen Zitat143 stellt der Verfassungsgerichtshof hier auf die Pflicht zum Normerlass aufgrund einer Grundrechtsnorm ab. Wäre diese Aussage dahingehend auszulegen, dass das Unterlassen nur zulässiger Verfahrensgegenstand sein kann, wenn eine Grundrechtsnorm eine Normsetzungspflicht begründet, stünde dies im Widerspruch zur oben zitierten Aussage, wonach hierfür ein Auftrag der Verfassung ausreicht. Denn nicht jeder Auftrag an den Gesetzgeber entspringt einem Grundrecht. So lautet beispielsweise Art. 70 Abs. 2 BV: „Auch der Staatshaushalt muß vom Landtag durch formelles Gesetz festgestellt werden.“ Der Verfassungsgerichtshof sieht darin einen ausdrücklichen Auftrag an den Gesetzgeber eine Regelung zu treffen.144 Der Normgeber sei verpflichtet diesen auszuführen. Unterlasse er es, so verletze er dadurch die Verfassung.145 Art. 70 Abs. 2 BV stellt somit einen Auftrag der Verfassung zur Normsetzung dar. Der Landtag ist jedoch nicht aufgrund eines Grundrechts zum Erlass eines Gesetzes verpflichtet.

In diesem widersprüchlichen Sinn sind die Ausführungen des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs jedoch nicht zu verstehen. Vielmehr liegt ihre Aussage darin, 140 BayVerfGHE 51, 155 (159); vgl. auch BayVerfGHE 46, 104 (108); 46, 298 (299); 48, 55 (57); 51, 155 (159); 55, 85 (96); 55, 160 (173); 56, 141 (142). 141 Vgl. etwa auch BayVerfGHE 43, 1 (5); 43, 95 (98). 142 BayVerfGHE 45, 143 (146); 48, 55 (57); vgl. auch BayVerfGHE 44, 156 (160); 58, 1 (15); 62, 61 (66); BayVerfGH Entscheidung vom 14. 2. 2011, Vf. 2-VII-10, veröffentlicht in juris, ebenda Rn. 27. 143 Vgl. bei Fußn. 140 (3. Kapitel). 144 BayVerfGHE 18, 43 (47); ebenso Meder, BV, Art. 70 Rn. 4. 145 BayVerfGHE 18, 43 (47).

§ 17 Unterlassen des Normgebers

121

ein Auftrag der Verfassung an den Normgeber könne auch in einem Grundrecht begründet sein. Dies schließt die Zulässigkeit eines Antrages nicht aus, der die Normsetzungspflicht aufgrund eines von einem Grundrecht unabhängigen Verfassungsauftrages rügt. So stellt der Verfassungsgerichtshof nur dann auf die Verpflichtung zur Normsetzung aufgrund eines Grundrechts ab, wenn der Antragsteller selbst ein solches rügt.146 Er wies hingegen keine Popularklage gegen ein Unterlassen ab, weil der Kläger zur Begründung der Pflicht einen sonstigen Auftrag der Verfassung geltend machte.

Rügt eine Popularklage das Unterlassen einer Regelung, die außerhalb der Gesetzgebungskompetenz des Landes liegt, sieht der Verfassungsgerichtshof die Klage als unzulässig an. Denn aus der Landesverfassung lasse sich insoweit von vornherein keine Handlungsverpflichtung des Landesgesetzgebers ableiten.147 Unabhängig von der Frage, welche Normsetzungspflicht vermeintlich verletzt wurde, ist eine Popularklage nur zulässig, wenn sie die Verletzung eines Grundrechts rügt (Art. 55 Abs. 1 Satz 2 BV). Daher muss auch die Beschwerde gegen ein normatives Unterlassen eine solche darlegen. In diesem Zusammenhang führt der Verfassungsgerichtshof aus: „Ein Unterlassen des Normgebers kann nur dann Gegenstand einer Popularklage sein, wenn in substantiierter Weise geltend gemacht wird, der Normgeber sei aufgrund einer Grundrechtsnorm der Bayerischen Verfassung zum Erlass einer bestimmten Regelung verpflichtet. Dies setzt voraus, dass sich der Antragsteller auf einen ausdrücklichen Auftrag der Verfassung berufen kann, der Inhalt und Umfang der Gesetzgebungspflicht im Wesentlichen umgrenzt, oder dass er ein relevantes Unterlassen des Normgebers rügt, weil dieser im Zusammenhang mit einer bestimmten Rechtsmaterie etwas nicht getan habe, wozu er unter Beachtung des Gleichheitssatzes verpflichtet gewesen wäre“.148

Diese Ausführung ist so zu verstehen, dass der Verfassungsgerichtshof für die Zulässigkeit einer Popularklage gegen ein Unterlassen neben dem Vorliegen einer Normsetzungspflicht eine substantiierte Darlegung149 fordert, inwiefern das normative Unterlassen ein Grundrecht verletzt.

146 Vgl. BayVerfGHE 38, 143 (146 f.); 40, 14 (17 f.); 40, 45 (48); 42, 188 (192); 45, 143 (146); 48, 55 (57); 58, 1 (15). 147 BayVerfGH BayVBl. 2011, 629 (630). 148 BayVerfGHE 61, 187 (195). 149 Vgl. hierzu unten 4. Kapitel: Substantiierte Darlegung einer Grundrechtsverletzung (S. 136).

122

3. Kap.: Zulässiger Verfahrensgegenstand

II. Abgrenzung von tatsächlichem Regelungsergebnis und Unterlassen 1. Unterlassen und Gleichheitssatz Die Abgrenzung, ob ein Beschwerdeführer ein tatsächliches Regelungsergebnis oder ein normatives Unterlassen angreift, wenn er rügt, der Normgeber habe etwas nicht getan, wozu er verpflichtet gewesen sei, nimmt der Bayerische Verfassungsgerichtshof nicht einheitlich vor. So stellt er sich in mehreren Entscheidungen auf folgenden Standpunkt: „Im Kern handelt es sich bei“ [diesem] „Fall nicht um die Beanstandung einer (echten) Unterlassung des Gesetzgebers, sondern um die Beanstandung eines tatsächlichen Regelungsergebnisses innerhalb bestehender Normen“.150

In vergleichbaren Fällen lässt er die Abgrenzung hingegen ausdrücklich dahingestellt: „Der vorliegende Antrag richtet sich nach seinem Wortlaut gegen ein Unterlassen des Normgebers. Ob sich der Antragsteller nach dem Kern seines Vorbringens tatsächlich gegen ein Unterlassen wendet“ … „oder ob er der Sache nach gegen eine positive Regelung vorgehen will, die seiner Ansicht nach gleichheitswidrig ist, kann dahinstehen. Denn in jedem der beiden Fälle ist das durch die hier zugrundeliegenden Normen“ … „geschaffene Regelungsergebnis am Maßstab des Gleichheitssatzes der Bayerischen Verfassung zu messen. Auf die Frage, wie – besonders in Fällen der vorliegenden Art – ein normgeberisches Unterlassen von einer positiven Regelung abzugrenzen wäre, muß daher nicht eingegangen werden.“151

In anderen Fällen geht der Verfassungsgerichtshof wiederum ohne nähere Ausführungen von einer Beschwerde gegen ein Unterlassen aus: „Ein Unterlassen des Normgebers kann Gegenstand einer Popularklage sein“. … „[Sie] ist deshalb auch insoweit zulässig, als die Antragsteller rügen, das Fehlen von Vorschriften über Beitragsbefreiungen im Kommunalabgabengesetz (z. B. für Baudenkmäler, Grundstücke im Außenbereich oder Hochwasserbereich, durch Schwerverkehr lärm- oder abgasbelastete Grundstücke, Ödland oder unbebaubare Grundstücke) sei ‚verfassungswidrig‘; aus ihrem Vorbringen insgesamt ergibt sich nämlich, dass sie insoweit Art. 103 Abs. 1 und Art. 118 Abs. 1 BV als verletzt ansehen.“152

Schließlich prüft er in weiteren Popularklageverfahren, denen die Frage zugrunde liegt, ob ein Verzicht auf eine bestimmte Regelung gegen den Gleichheitssatz verstößt, die angegriffene Norm anhand des Art. 118 Abs. 1 BV, ohne auf ein Unterlassen des Normgebers einzugehen.

150 151 152

BayVerfGHE 55, 160 (173); vgl. auch BayVerfGHE 51, 155 (159); 55, 85 (96). BayVerfGHE 48, 137 (141). BayVerfGHE 58, 1 (15).

§ 17 Unterlassen des Normgebers

123

So in einer Entscheidung aus dem Jahr 1997, in der eine Beschwerdeführerin einen Verstoß gegen Art. 118 Abs. 1 BV darin sah, dass die Gemeinde Pleinting im Rahmen der Korrektur der Gemeindegebietsreform durch Gesetz vom 9. November 1993 nicht aus der Stadt Vilshofen ausgegliedert wurde.153

2. Unterlassen und tatsächliches Regelungsergebnis Auch bei Normenkontrollbeschwerden, die keine Verletzung des Gleichheitssatzes, sondern sonstiger Verfassungsbestimmungen rügen, behandelt der Verfassungsgerichtshof die Frage der Abgrenzung, ob eine Popularklage ein Unterlassen oder eine positive Regelung angreift, unterschiedlich. Ebenso wie bei der Geltendmachung einer Gleichheitssatzverletzung verneint der Bayerische Verfassungsgerichtshof teilweise ausdrücklich das Vorliegen eines normativen Unterlassens, wenn es sich bei dem Begehren der Antragsteller „im Kern“ nicht um die Beanstandung eines (echten) Unterlassens des Normgebers, sondern um einen Angriff gegen ein tatsächliches Regelungsergebnis innerhalb bestehender Normen handele.154 So bei einer Entscheidung zur Besoldung der Professoren an Hochschulen. Der Beschwerdeführer rügte, der bayerische Gesetzgeber habe dadurch gegen die Bayerische Verfassung verstoßen, indem er es unterlassen habe, in Abweichung von den Vorgaben des Bundesbesoldungsrechts eine amtsangemessene Besoldung der Professoren sicherzustellen. Hierin sieht das Gericht keine Rüge eines (echten) normativen Unterlassens, sondern des tatsächlichen Regelungsergebnisses innerhalb bestehender Normen.155

In einer anderen Entscheidung lässt der Gerichtshof wiederum die Abgrenzung offen: „Ob sich die Antragsteller gegen ein Unterlassen der Normgeberin wenden oder ob sie der Sache nach gegen eine positive Regelung (Anschluss- und Benutzungszwang) vorgehen wollen, kann dahinstehen. Denn in jedem Fall ist das durch die angegriffene Entwässerungssatzung geschaffene Regelungsergebnis am Maßstab des Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV zu messen. Darauf, wie in Fällen der vorliegenden Art ein normgeberisches Unterlassen von einer positiven Regelung abzugrenzen wäre, muss daher nicht eingegangen werden“.156 In einem weiteren Verfahren bejaht der Verfassungsgerichtshof das Vorliegen eines Unterlassens des Normgebers.157 Verfahrensgegenstand war eine Regelung des Bayerischen Wassergesetzes158. Dieses beruhte zum Zeitpunkt der Entscheidung auf einer Rahmenvorschrift des Bundes, dem Wasserhaushaltsgesetz. Gemäß § 2 Abs. 1 WHG bedurfte eine Benutzung der

Vgl. BayVerfGHE 50, 115 (124). BayVerfGHE 61, 187 (195). 155 BayVerfGHE 61, 187 (195). 156 BayVerfGH NVwZ 2009, 298 (301). 157 BayVerfGHE 62, 61. 158 Bayerisches Wassergesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. Juli 1994 (GVBl S. 822). Diese Fassung trat gemäß Art. 79 Abs. 2 lit. 1 Bayerisches Wassergesetz vom 25. Februar 2010 (GVBl S. 66) mit Ablauf des 28. Februar 2010 außer Kraft. 153 154

124

3. Kap.: Zulässiger Verfahrensgegenstand

Gewässer der behördlichen Erlaubnis oder Bewilligung, soweit sich nicht aus den Bestimmungen des WHG oder aus den im Rahmen dieses Gesetzes erlassenen landesrechtlichen Bestimmungen etwas anderes ergab. Das WHG überließ es dem Landesgesetzgeber, den Kreis der Betätigungen zu bestimmen, die als Gemeingebrauch keiner Erlaubnis oder Bewilligung bedurften. Die entsprechende bayerische Regelung, Art. 21 Abs. 1 BayWG erfasste das Tauchen mit Atemgerät nicht als einen solchen Gemeingebrauch. Die hiergegen erhobene Popularklage ordnete der Gerichtshof als eine solche gegen ein Unterlassen des Normgebers ein.159

III. Unterlassen konkreter Regelungen Der Bayerische Verfassungsgerichtshof musste auch auf die Frage eingehen, ob mit einer Popularklage das Ziel verfolgt werden kann, den Normgeber zum Erlass einer konkret formulierten Regelung zu verpflichten. Ein Antragsteller erhob Popularklage gegen Art. 36 BayStG n. F.160 Diese Norm regelt, unter welchen Voraussetzungen eine kirchliche Stiftung vorliegt. Gegenstand der Popularklage war unter anderem die Frage, ob es verfassungswidrig sei, dass der Gesetzgeber in der genannten Norm Ergänzungen zugunsten kirchlicher Stiftungen unterlassen habe.161 Der Antragteller wollte mehrere Gesetzesergänzungen erreichen, deren Wortlaut er konkret formuliert hatte. Der Landesgesetzgeber sollte verpflichtet werden, diese Regelungen zu erlassen.162 Der Bayerische Verfassungsgerichtshof wies diese Anträge als unzulässig ab und führte aus: „Es muß nicht näher erörtert werden, ob es überhaupt ein zulässiges Ziel einer Popularklage sein könnte, mit der Rüge eines konkreten Unterlassens des Gesetzgebers eine bestimmte Fassung des Gesetzestextes zu verlangen. Denn jedenfalls ist eine Popularklage gegen ein normatives Unterlassen unzulässig, wenn sich aus den als verletzt bezeichneten Grundrechtsnormen von vornherein kein Handlungsauftrag zum Erlaß der vom Antragsteller geforderten Regelungen herleiten läßt“.163

Diese zunächst unbeantwortete Frage klärte der Bayerische Verfassungsgerichtshof in einer Entscheidung aus dem Jahr 2008 dahingehend, dass die Verpflichtung des Normgebers, eine Vorschrift in einem bestimmten Sinn neu zu fassen, kein zulässiger Verfahrensgegenstand einer Popularklage sein könne.164 Im konkreten Fall rügte eine Beschwerde die Verfassungswidrigkeit des Art. 86 a Abs. 2 Satz 3 BayBG, der die Gewährung von Beihilfeleistungen ausschließt, soweit andere Sicherungssysteme dem Grunde nach leisten. Der Antragsteller sah darin wegen der damit angeordneten Ungleichbehandlung gegenüber anderen Beihilfeberechtigten einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 118 Abs. 1 BV. Er beantrage, dem Gesetzgeber aufzugeben, die Norm dahingehend zu ergänzen, dass Leistungen nach § 10 Abs. 2, 4 und 6 BVG nicht zu beihil-

159 160 161 162 163 164

BayVerfGHE 62, 61 (65). BayVerfGHE 49, 153. BayVerfGHE 49, 153. Vgl. BayVerfGHE 49, 153 (155). BayVerfGHE 49, 153 (159 f.). BayVerfGHE 61, 140 (143); vgl. auch BayVerfGHE 59, 134 (138).

§ 17 Unterlassen des Normgebers

125

feausschließenden Leistungen anderer Sicherungssysteme gehören.165 Der Verfassungsgerichtshof führt dazu aus: „Soweit der Beschwerdeführer über einen Ausspruch des Verfassungsgerichtshofs zur Verfassungswidrigkeit des Art. 86 a Abs. 2 Satz 3 BayBG hinaus eine Verpflichtung des Gesetzgebers zur Ergänzung der Vorschrift anstrebt, ist sein Antrag nicht statthaft. Mit der Popularklage kann nur die Verfassungswidrigkeit einer Rechtsvorschrift geltend gemacht werden (Art. 55 Abs. 1 Satz 1 VfGHG). Die Anweisung an den Gesetzgeber, eine für verfassungswidrig erklärte Vorschrift des bayerischen Landesrechts in einem bestimmten Sinn neu zu fassen, würde den Rahmen verfassungsgerichtlicher Normenkontrolle sprengen; der Verfassungsgerichtshof darf sich nicht an die Stelle des Gesetzgebers setzen“.166

B. Bewertung der Rechtsprechung I. Abgrenzung von tatsächlichem Regelungsergebnis und Unterlassen Zur Bewertung der Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs ist zwischen dem Vorliegen eines „absoluten“ und eines „relativen“ Unterlassens abzugrenzen.167 Ein absolutes Unterlassen liegt vor, wenn eine entsprechende Rechtsvorschrift völlig fehlt, ein relatives, wenn gemessen an einer bereits vom Gesetzgeber getroffenen Regelung verfassungsrechtlich gebotene Handlungs- und Schutzpflichten nicht vollständig erfüllt sind.168 Diese Unterscheidung spricht auch der Gerichtshof an, wenn er zwischen einer „(echten) Unterlassung“ und dem „tatsächlichen Regelungsergebnis“ trennt.169

II. Popularklagen gegen tatsächliche Regelungsergebnisse Dem Verfassungsgerichtshof ist insofern zuzustimmen, als er Popularklagen gegen tatsächliche Regelungsergebnisse bzw. relatives normatives Unterlassen für zulässig erachtet. Denn in diesen Fällen steht – wie das Gericht richtig ausführt – „im Kern“ das positive Handeln des Normgebers in Frage.170 Diese Regelungsergebnisse entstehen durch Rechtsvorschriften des bayerischen Landesrechts, die gemäß Art. 98 Satz 4 BV und Art. 55 Abs. 1 Satz 1 BayVerfGHG zulässiger VerfahrensgeBayVerfGHE 61, 140 (142). BayVerfGHE 61, 140 (143). 167 Vgl. hierzu ausführlich Henrichs, S. 22 ff. 168 Vgl. BFHE 156, 543 (546 f.); BayVGH BayVBl. 2003, 433 (434); Benda / E. Klein, Rn. 801 f.; Henrichs, S. 22 ff. 169 Vgl. oben bei Fußn. 150 (3. Kapitel) und Fußn. 154 (3. Kapitel). 170 Vgl. auch Maurer, FS Weber, S. 345 (352 f.); Seufert, S. 188 f. 165 166

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3. Kap.: Zulässiger Verfahrensgegenstand

genstand sind. In diesen Fällen sollte der Verfassungsgerichtshof daher auf die Formulierung verzichten, Verfahrensgegenstand sei ein „Unterlassen“ des Normgebers. Dies würde auch seine uneinheitliche Rechtsprechung zur Abgrenzung zwischen dem Vorliegen eines Unterlassens und eines tatsächlichem Regelungsergebnisses erübrigen. Sofern das Gericht in diesem Zusammenhang eine ausdrückliche Einordnung vornimmt, geht es jeweils davon aus, dass ein tatsächliches Regelungsergebnis angegriffen sei.171 Dem ist zuzustimmen, da die jüngere Rechtsprechung keinen Fall aufweist, in dem ein echtes Unterlassen Verfahrensgegenstand war.172

III. Popularklagen gegen absolutes normatives Unterlassen Ein Grundrechtsverstoß durch absolutes Unterlassen kommt kaum in Betracht, meist besteht ein Zusammenhang mit einer gesetzlichen Regelung.173 Die praktische Bedeutung der Frage, ob absolutes Unterlassen des Normgebers zulässiger Verfahrensgegenstand sein kann, ist daher äußerst gering. Der Wortlaut des Art. 98 Satz 4 BV, der dem Verfassungsgerichtshof die Aufgabe überträgt, verfassungswidrige Gesetze und Verordnungen für nichtig zu erklären, sowie Art. 55 Abs. 1 BayVerfGHG, der von der Verfassungswidrigkeit einer Rechtsvorschrift spricht, erfassen ein absolutes normatives Unterlassen nicht ausdrücklich als zulässigen Verfahrensgegenstand.174 Die Funktion der Popularklage, den objektiven Schutz der Grundrechte als Institution gegenüber dem Normgeber zu gewährleisten, rechtfertigt es jedoch, auch dessen absolutes Unterlassen als zulässigen Verfahrensgegenstand anzuerkennen. Denn auch ein solches kann einen Verstoß gegen eine Norm der Bayerischen Verfassung darstellen.175

IV. Auftrag zur Normsetzung und Grundrechtsverletzung Rügt ein Beschwerdeführer ein Unterlassen des Normgebers, ist mit dem Verfassungsgerichtshof als erste Voraussetzung das Bestehen eines Auftrages zur Normsetzung zu fordern, der Inhalt und Umfang der Normgebungspflicht im wesentlichen umgrenzt. Für den parlamentarischen Gesetzgeber kann der Gleichheitssatz, ein weiteres Grundrecht oder eine sonstige Verfassungsbestimmung einen solchen Auftrag begründen. Für den untergesetzlichen Normgeber ist zusätzlich denkbar,

Vgl. oben Fußn. 150 (3. Kapitel) und Fußn. 154 (3. Kapitel). Den Entscheidungen BayVerfGHE 48, 29; 48, 55; 48, 137; 49, 153; 51, 155; 55, 85; 55, 160; 56, 141; 58, 1; 61, 140; 61, 187; 61, 262 lag jeweils die Rüge eines relativen Unterlassens bzw. eines tatsächlichen Regelungsergebnisses zu Grunde. 173 Maurer, FS Weber, S. 345 (348). 174 Vgl. auch das Zitat des BayVerfGH bei Fußn. 140 (3. Kapitel). 175 Meder, BV, Art. 98 Rn. 17. 171 172

§ 17 Unterlassen des Normgebers

127

dass ein einfaches Gesetz einen Normsetzungsauftrag erteilt. Da eine Popularklage in zulässiger Weise nur die Verletzung eines Grundrechts rügen kann, muss der Antragsteller als zweite Voraussetzung substantiiert darlegen, das Unterlassen verletze ein Grundrecht. Von großer praktischer Bedeutung kann die Frage sein, ob es neben der Darlegung einer Grundrechtsverletzung auch ausreichend ist, die Verletzung eines grundrechtsähnliches Rechts, etwa des gemeindlichen Selbstverwaltungsrechts, zu rügen. Der Verfassungsgerichtshof lässt Popularklagen gegen normatives Unterlassen ebenso zu176, wie die Rüge der Verletzung eines grundrechtsähnlichen Rechts177. Bei konsequenter Fortsetzung dieser Rechtsprechung ist somit auch eine Popularklage als zulässig anzuerkennen, die rügt, der Normgeber habe trotz entsprechendem Handlungsauftrag eine Normsetzung unterlassen und dadurch ein grundrechtsähnliches Recht verletzt. Diese Situation kann insbesondere im Zusammenhang mit dem Konnexitätsprinzip auftreten. Art. 83 Abs. 3 BV verpflichtet den Staat ausdrücklich, eine Kostendeckungsregelung zu treffen, wenn er Gemeinden Aufgaben überträgt. Kommt er diesem Verfassungsauftrag nicht nach, kann beispielsweise eine Gemeinde dieses Unterlassen mit einer Popularklage angreifen und die Verletzung des gemeindlichen Selbstverwaltungsrechts geltend machen.178

V. Unterlassen konkreter Regelungen Zuzustimmen ist dem Verfassungsgerichtshof darin, dass er Popularklagen als unzulässig ansieht, die die Verpflichtung des Normgebers zum Erlass konkreter Regelungen vorsehen. Denn das Gericht verfügt lediglich über die Kompetenz, Rechtsvorschriften, die ein Grundrecht verfassungswidrig einschränken, für nichtig zu erklären (Art. 98 Satz 4 BV). Die Kompetenz, eine Norm zu erlassen oder dem Normgeber den Erlass einer bestimmten Vorschrift aufzugeben179, kommt ihm hingegen nicht zu180. Dies darf daher nicht Inhalt einer Entscheidung eines Popularklageverfahrens sein, weshalb auch ein entsprechender Antrag unzulässig ist.

Siehe oben § 17 A. I. (S. 119). Vgl. unten § 21 A. (S. 137). 178 Vgl. hierzu auch unten § 48 C. II. (S. 333). 179 Bull bezeichnet es als eine Abwertung des Parlaments, würde der BayVerfGH ein bestimmtes Regelungskonzept für verfassungsrechtlich geboten erklären (Bull, CR 1998, 385 [388] in Bezug auf BayVerfGHE 50, 226). 180 Zum Treffen einer Übergangsregelung durch den BayVerfGH soweit dieser von einer Nichtigerklärung der angegriffenen Rechtsvorschrift absieht vgl. unten 11. Kapitel: Entscheidung (S. 339). 176 177

128

3. Kap.: Zulässiger Verfahrensgegenstand

§ 18 Normen ohne „substantiellem Gewicht“ gegenüber Bundesrecht A. Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs Der Bayerische Verfassungsgerichtshof führt in ständiger Rechtsprechung aus: „Der bayerische Normgeber, der aufgrund einer bundesrechtlichen Ermächtigung“ … „tätig wird, setzt bayerisches Landesrecht und bleibt in Bereichen, in denen ihm das Bundesrecht Entscheidungsfreiheit belässt, an die Bayerische Verfassung gebunden“.181

Wie in anderen Entscheidungen zu lesen ist, können jedoch „landesrechtliche Vorschriften, die gegenüber einer bundesrechtlichen Regelung überhaupt kein substantielles Gewicht haben, sondern lediglich eine ‚zitierende‘ Wiedergabe darstellen, mangels eines selbständigen Regelungsgehalts nicht in zulässiger Weise zum Gegenstand einer Popularklage gemacht werden“.182

Teilweise stellt er diese beiden Gesichtspunkte auch in einer Entscheidung nebeneinander und sieht darin ein Regel-Ausnahme-Verhältnis in dem Sinne, dass bei einer solchen „zitierenden Wiedergabe“ kein Landesrecht vorliege, obwohl es von einem Landesorgan erlassen wurde183.

I. Begründung Der Verfassungsgerichtshof begründet in seinen Entscheidungen nicht, weshalb landesrechtliche Vorschriften ohne substantiellem Gewicht gegenüber Bundesrecht kein zulässiger Gegenstand eines Popularklageverfahrens sein könnten. Allerdings enthalten die entsprechenden Entscheidungen als Beleg dieser Aussage jeweils Verweise auf ältere Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs. Diese „Verweisungsketten“ führen letztlich alle zu der Entscheidung BayVerfGHE 20, 101 aus dem Jahr 1967 zurück – nur in einem Fall verweist das Gericht zusätzlich auf die Entscheidung BayVerfGHE 10, 86 (91 f.) aus dem Jahr 1957. So verweist BayVerfGHE 62, 71 (76) auf BayVerfGHE 10, 86 (91 f.); 37, 140 (143); 57, 129 (135); BayVerfGHE 61, 187 (194) auf BayVerfGHE 37, 140 (143); 38, 152 (158); 57, 129 (135); BayVerfGHE 57, 129 (135) auf BayVerfGHE 27, 61 (63); 29, 154 (156); 37, 140 (143); 38, 152 (158); BayVerfGHE 49, 160 (164) auf BayVerfGHE 35, 77 (79); 37, 140 (143); BayVerfGHE 38, 152 (158) auf BayVerfGH BayVBl. 1985, 236 ( = BayVerfGHE 37, 177 [179]); BayVerfGHE 37, 177 (179) auf die Entscheidung vom 24. 10. 1984, Vf. 11-VII83 ( = BayVerfGHE 37, 140); BayVerfGHE 37, 140 (143) auf BayVerfGHE 27, 61 (63); 27, 101 (105 f.); 29, 154 (156); BayVerfGHE 35, 77 (79) auf BayVerfGHE 20, 101 (106); 27, 61

181 182 183

BayVerfGHE 41, 69 (72); 45, 97 (100); 59, 1 (10). BayVerfGHE 61, 187 (194); vgl. auch BayVerfGHE 57, 129 (135). Vgl. BayVerfGHE 27, 61 (63); 35, 77 (79); 38, 152 (158); 49, 160 (164).

§ 18 Normen ohne „Gewicht“ gegenüber Bundesrecht

129

(63); 29, 154 (156); BayVerfGHE 29, 154 (156) auf BayVerfGHE 20, 101 (106); 27, 61 (63); BayVerfGHE 27, 101 (105 f.) auf BayVerfGHE 20, 101 (106); BayVerfGH Entscheidung vom 17. 4. 1974, Vf. 1-VII-73 ( = BayVerfGHE 27, 61); BayVerfGHE 27, 61 (63) auf BayVerfGHE 20, 101 (106).

Darüber hinaus zitiert das Gericht die Kommentierung von Theodor Meder.184 Dieser gibt die Rechtsprechung jedoch ohne eine weitergehende Begründung selbst nur zitierend wieder.185 In der – den „Ausgangspunkt“ bildenden – Entscheidung aus dem Jahr 1967 sagt der Verfassungsgerichtshof: „Bei diesen Rechtsvorschriften handelt es sich um solche des bayerischen Landesrechts, und zwar auch insoweit, als sie sich als Bestimmungen zur Ausführung des auch die kommunalen Wahlbeamten betreffenden Beamtenrechtsrahmengesetzes“ … „darstellen. Als Landesrecht“ … „könnten von einem Landesorgan im Vollzug der Rahmengesetzgebung des Bundes erlassene Vorschriften nur dann nicht angesehen werden, wenn sie gegenüber der bundesgesetzlichen Regelung überhaupt kein substantielles Gewicht mehr hätten (vgl. BVerfGE 4, 129), wenn sie also ihrem Gehalt nach nur eine Wiedergabe der bundesrechtlichen Regelung wären.“186

Auch in dieser Entscheidung begründet der Gerichtshof somit nicht, weshalb eine Norm ohne substantielles landesrechtliches Gewicht nicht zulässiger Verfahrensgegenstand sein könne. Vielmehr verweist er nur auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts187. Dieser lag ein Verfassungsstreit zwischen dem Land Nordrhein-Westfalen und der Bundesrepublik Deutschland zugrunde, der zum Gegenstand hatte, ob das Land die Besoldung seiner Beamten günstiger regeln durfte, als die der Bundesbeamten geregelt war. Der Bund hatte Höchstbeträge für die Besoldung der Landesbeamten festgesetzt. Dazu führt das Bundesverfassungsgericht aus: „Wo der Bund nur die Rahmenkompetenz hat, bleibt die grundsätzlich bestehende Landeskompetenz zur Gesetzgebung erhalten; im Interesse des Gesamtwohls werden ihr aber von 184 So verweisen BayVerfGHE 27, 61 (63); 27, 101 (105 f.); 29, 154 (156) auf Meder, BV, 1. Aufl., Art. 98 Rn. 9; BayVerfGHE 37, 140 (143) zitiert Meder, BV, 2. Aufl., Art. 98 Rn. 9.; BayVerfGHE 49, 160 (164) nennt Meder, BV, 4. Aufl., Art. 98 Rn. 9. 185 So heißt es bei Meder, BV, Art. 98 Rn. 9, 1. Aufl. (die in eckigen Klammern zitierten Passagen wurden in der 2. Aufl. ergänzt): „Bestimmungen, die eines selbständigen Rechtsgehalts entbehren“ … „können mit der Popularklage nicht angegriffen werden“. … „Das trifft für Vorschriften, die von einem Landesorgan im Vollzug der Rahmengesetzgebung des Bundes erlassen worden sind, dann [(aber auch nur dann)] zu, wenn sie gegenüber der bundesgesetzlichen Regelung überhaupt kein substantielles Gewicht haben (VerfGH 20, 101 / 106 [; 27, 61 / 63; 27, 101 / 105 f.; 29, 154 / 156]). Rechtsvorschriften, die unmittelbar durch das höherrangige Bundesrecht gedeckt sind, können nach VerfGH 10, 86 / 92; 11, 167 / 171 nicht gegen die BV verstoßen“. Eine gleichlautende Ausführung ist auch in Meder, BV, 4. Aufl., Art. 98 Rn. 9 zu finden. Dort sind als zusätzlich Rechtsprechungshinweise aufgeführt: BayVerfGHE 35, 77 (79); 37, 140 (143, 148); 37, 177 (179); 38, 152 (158). 186 BayVerfGHE 20, 101 (106). 187 Der Verweis auf BVerfGE 4, 115 (129) ist außerdem zu finden in BayVerfGHE 27, 61 (63); 27, 101 (105 f.); 29, 154 (156).

130

3. Kap.: Zulässiger Verfahrensgegenstand

Bundes wegen Grenzen gesetzt, ohne daß der Gesetzgebungsgegenstand vom Bunde voll ausgeschöpft, bis in alle Einzelheiten geordnet werden darf. Wenn der Bundesgesetzgeber Rahmenvorschriften erläßt, muß er im Hinblick auf das zu ordnende Sachgebiet den Ländern noch etwas zu regeln übrig lassen. Das, was den Ländern zu regeln bleibt, muß von substantiellem Gewicht sein. Die Landesvorschriften müssen sich zwar in den vom Bund gegebenen Rahmen einpassen. Andererseits muß der vom Bund gezogenen Rahmen dem Land die Möglichkeit lassen, die Materie entsprechend den besonderen Verhältnissen des Landes ergänzend zu regeln.“188

Das Bundesverfassungsgericht geht in dieser Entscheidung somit auf die „Grenzziehung“ ein, wie weit der Bundesgesetzgeber bei Rahmengesetzen Einzelheiten regeln durfte. Mit der Frage, ob eine Norm ohne „substantiellem Gewicht“ des Landesnormgebers als Landesrecht bezeichnet werden und mit einer Popularklage angegriffen werden kann, hatte diese Entscheidung jedoch nichts zu tun. Dem entsprechend kann der Verweis auf sie auch nicht die Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs rechtfertigen. Gleiches gilt für die von ihm in einem Fall zitierte189 Entscheidung BayVerfGHE 10, 86 (91 f.) aus dem Jahr 1957. Dieser lag eine Popularklage gegen eine Regelung des Bayerischen Kirchensteuergesetzes zugrunde. Der Gerichtshof sagt dazu: „[die] Rüge des Antragstellers, die angefochtene Vorschrift habe das Einkommensteuergesetz nicht als Maßstab wählen dürfen und verstoße deshalb gegen die Bayerische Verfassung, kann nicht durchgreifen, weil diese Regelung bundesrechtlich gedeckt ist.“190 Durch Art. 137 WRV – der gemäß Art. 140 GG Bestandteil des Grundgesetzes sei – sei geregelt, „daß die Kirchensteuer als Zuschlag zu Bundes-, Landes-, oder Gemeindesteuern berechnet und eingezogen wird.“ … „Die Worte ‚nach Maßgabe der landesrechtlichen Bestimmungen‘ bedeuten nicht, daß die Gewährung des Besteuerungsrechts im Ermessen des einzelnen Landes stünde; der Landesgesetzgeber ist vielmehr verpflichtet, Bestimmungen zu treffen, die den Religionsgemeinschaften die Ausübung ihres verfassungsmäßig gewährleisteten Besteuerungsrechte ermöglichen“. … „Wenn somit das bayer. Kirchensteuergesetz“ … „das Einkommensteuergesetz des Bundes zum Maßstab nimmt“ … „so verwirklicht es nur ein bereits durch Art. 140 GG, Art. 137 Abs. 6 WRV garantiertes Recht. Die vom Antragsteller beanstandete Anknüpfung an die Bundessteuer ist bereits durch die bezeichneten Verfassungsvorschriften zugelassen. Der Landesgesetzgeber kann daher insoweit niemals gegen die Landesverfassung verstoßen, da seine Regelung durch das höherrangige Bundesverfassungsrecht gedeckt ist.“191

Diese Entscheidung behandelt zwar den hier behandelten Problemkreis. Sie bestreitet jedoch nicht die Qualifikation von Normen als Landesrecht, wenn diese kein „substantielles landesrechtliches Gewicht“ aufweisen. Eine Begründung für die entsprechende Rechtsprechung fehlt daher letztlich völlig.

188 189 190 191

BVerfGE 4, 115 (129). BayVerfGHE 62, 71 (76). BayVerfGHE 10, 86 (91). BayVerfGHE 10, 86 (91 f.).

§ 18 Normen ohne „Gewicht“ gegenüber Bundesrecht

131

II. Jüngere Rechtsprechung 1. Entscheidung zum Naturschutzgesetz In der 1996 ergangenen Entscheidung zum Bayerischen Naturschutzgesetz bestätigt der Verfassungsgerichtshof die dargestellte Rechtsprechung, indem er formuliert: „Der verfassungsgerichtlichen Überprüfung des Art. 12 Abs. 1 Satz 1 Alternative 2 BayNatSchG steht nicht entgegen, daß die Norm auf Grund von Rahmenrecht des Bundes“ … „erlassen worden ist. Der bayerische Normgeber, der zur Ausfüllung von Rahmenrecht des Bundes tätig wird“ … „setzt bayerisches Landesrecht und bleibt insoweit an die Bayerische Verfassung gebunden“. … „Zwar können landesrechtliche Vorschriften, die gegenüber einer bundesrechtlichen Regelung überhaupt kein substantielles Gewicht haben, mangels eines selbständigen Regelungsgehalts nicht in zulässiger Weise zum Gegenstand einer Popularklage gemacht werden Ein solcher Fall liegt aber nicht vor.“192

2. Entscheidung zum Beamtengesetz In der Entscheidung zum Bayerischen Beamtengesetz aus dem Jahr 2004 wiederholt der Verfassungsgerichtshof seine bereits dargestellte Rechtsprechung, wonach aufgrund von Rahmengesetzgebung des Bundes erlassenes Recht nicht als Landesrecht angesehen werden könne, wenn sie kein eigenes substantielles Gewicht mehr hätte193 und führt weiter aus: „Ein selbständiger Rechtsgehalt der angegriffenen Vorschrift ergibt sich schon daraus, dass diese vom Landesgesetzgeber erlassen werden konnte, aber nicht erlassen werden musste; darüber hinaus belässt § 12 b BRRG dem Landesgesetzgeber genügend Raum für die sachliche Rechtsgestaltung im Einzelnen, beispielsweise im Hinblick auf die einbezogenen Besoldungsgruppen oder die Dauer der Amtszeiten. Der Landesgesetzgeber hat mit der angegriffenen Vorschrift also eine eigenständige gesetzgeberische Entscheidung getroffen.“194

3. Entscheidung zum Besoldungsgesetz Ob die angegriffenen Regelungen des Bayerischen Besoldungsgesetzes in Bezug auf das Bundesbesoldungsgesetz einen eigenen landesrechtlichen Regelungsgehalt aufwiesen, ließ der Verfassungsgerichtshof in einer Entscheidung aus dem Jahr BayVerfGHE 49, 160 (164). Als Beleg für diese Rechtsprechung verweist er auf seine früheren Entscheidungen sowie auf BVerfG NJW 2004, 2803 f. ( = BVerfGE 111, 226). Auch hier behandelt das Bundesverfassungsgericht – wie in BVerfGE 4, 115 (129); vgl. oben bei Fußn. 188 (3. Kapitel) – die „Grenze“ der zulässigen Bundesrahmengesetzgebung. 194 BayVerfGHE 57, 129 (134). 192 193

132

3. Kap.: Zulässiger Verfahrensgegenstand

2008 offen. Denn seit der sogenannten Föderalismusreform verfügten die Länder über die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz für diese Materie. Jedenfalls seit diesem Zeitpunkt komme den Normen des Bayerischen Besoldungsgesetzes eine eigenständige landesrechtliche Bedeutung zu.195 4. Entscheidung zur Notarkasse In seiner Entscheidung zur Notarkasse lehnte der Bayerische Verfassungsgerichtshof im Jahr 2009 erstmals196 eine Popularklage aufgrund mangelnder „landesrechtlicher Substanz“ als unzulässig ab. Vorangegangen war eine andere Popularklage desselben Beschwerdeführers.197 In dieser hatte er die Rechtsfähigkeit der Notarkasse bestritten. Dem hatte sich der Verfassungsgerichtshof nicht angeschlossen. Unter Verweis auf eine ältere Entscheidung198 führte er aus, er habe die Notarkasse bereits früher als Anstalt des öffentlichen Rechts des Freistaates Bayern anerkannt. Überdies habe der bayerische Gesetzgeber durch Aufnahme der Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz vom 18. April 1925 (GVBl S. 145) in die Bayerische Rechtssammlung (BayRS 303-1-1-J) gemäß dem Gesetz über die Sammlung des bayerischen Landesrechts die Verleihung der Rechte einer Anstalt des öffentlichen Rechts an die Notariatskasse (Notarkasse) in seinen Willen aufgenommen. Ein weiterer Organisationsakt des Landesgesetzgebers sei von der Bayerischen Verfassung nicht geboten.199 Daraufhin erhob der Popularkläger eine weitere Beschwerde und beantragte die Nichtigerklärung dieser Aufnahme der Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz vom 18. April 1925 in die Bayerische Rechtssammlung. Der Verfassungsgerichtshof lehnte die Popularklage als unzulässig ab.200 Er führt aus: „Dem Begehren des Antragstellers liegt kein im Popularklageverfahren zulässiger Prüfungsgegenstand zugrunde.“ … „Ob die Bekanntmachung, gegen die sich der Antragsteller mit der Popularklage wendet, überhaupt als Rechtsvorschrift zu qualifizieren ist“ … „kann dahingestellt bleiben. Jedenfalls fehlt dieser Regelung die für eine Überprüfung im Popularklageverfahren erforderliche landesrechtliche Substanz“. … „Seit Inkrafttreten des Gesetzes über Maßnahmen auf dem Gebiete des Notarrechts im Jahr 1961 ist die Notarkasse in ihrer rechtlichen Existenz durch Bundesgesetz anerkannt.“ … „Die angegriffene Bekanntmachung, deren Gehalt sich in der Kundgabe des Gründungsakts und des Namens der Notarkasse erschöpft, entfaltet keine über die bundesrechtlichen Regelungen des § 113 Abs. 1 Sätze 1 und 2 BNotO201 hinausgehende Wirkung. Ein Wegfall der Bekanntmachung hätte

BayVerfGHE 61, 187 (194). Soweit der Verfassungsgerichtshof in vorangegangenen Entscheidungen diese Frage thematisierte, sah er jeweils einen Mangel an „landesrechtlicher Substanz“ nicht als gegeben an; vgl. BayVerfGHE 20, 101 (106); 27, 61 (63); 27, 101 (106); 29, 154 (156); 35, 77 (79); 37, 140 (143); 37, 177 (179); 38, 152 (158); 49, 160 (164); 57, 129 (135); 61, 187 (194). 197 BayVerfGHE 58, 77. 198 BayVerfGHE 20, 78 (87). 199 BayVerfGHE 58, 77 (92 f.). 200 BayVerfGHE 62, 71 (75). 195 196

§ 18 Normen ohne „Gewicht“ gegenüber Bundesrecht

133

für die Rechtsbeziehungen zwischen der Notarkasse und den von ihrem Handeln betroffenen Grundrechtsträgern keine Änderung der Rechtslage zur Folge, da die Notarkasse ihre (fortdauernde) Existenz als rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts des Freistaates Bayern unmittelbar auf § 113 BNotO stützen kann. Ihre Handlungsbefugnisse bezieht sie allein aus dem Bundesrecht.“202

B. Bewertung Die Ansicht des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs, wonach eine Rechtsnorm, die gegenüber einer bundesrechtlichen Regelung keinerlei substantielles Gewicht habe, nicht Gegenstand einer Popularklage sein könne, fußt auf keiner gesetzlichen Grundlage. Eine entsprechende Regelung enthalten die BV, das BayVerfGHG, die VwGO203 sowie die ZPO204 nicht. Ebenso wenig besteht ein allgemeiner Rechtsgrundsatz dieses Inhalts. Richtig ist hingegen der Ausgangspunkt des Gerichtshofs, wonach für die Unterscheidung zwischen Bundes- und Landesrecht das rechtsetzende Organ ausschlaggebend sei. Ist dieses Organ dem Land zuzurechnen, handelt es sich um Landesrecht.205 Diese Qualifikation kann sich aber nicht dadurch ändern, dass eine bundesrechtliche Norm selben Inhalts besteht. Auch wenn dies der Fall ist, und damit die landesrechtliche Regelung über kein „eigenes substantielles Gewicht“ gegenüber dem Bundesrecht verfügt, bleibt diese eine landesrechtliche Regelung.206 In der Praxis dürfte der Fall, dass eine Norm kein „Eigengewicht“ aufweist, indes nur noch selten auftreten. Denn zum einen ergingen die meisten der Entscheidungen zur „landesrechtlichen Substanz“ von Rechtsvorschriften zu solchen, die Rahmengesetzgebung ausfüllten. Diese schaffte die Föderalismusreform jedoch ab.207 Zum anderen sieht der Gerichtshof eine solche „Substanz“ bereits dann als gegeben an, wenn der Normgeber entscheiden konnte, ob er eine Norm überhaupt erlässt.208

201 § 113 Abs. 1 Sätze 1 und 2 BNotO lauten: „Die Notarkasse ist eine rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts des Freistaates Bayern. Sie hat ihren Sitz in München.“ 202 BayVerfGHE 62, 71 (76). 203 Zur ergänzenden Heranziehung der VwGO gemäß Art. 30 Abs. 1 BayVerfGHG siehe oben § 3 C. (S. 71). 204 Zur ergänzenden Heranziehung der ZPO gemäß Art. 30 Abs. 1 BayVerfGHG siehe oben § 3 C. (S. 71). 205 Ebenso etwa BVerfGE 18, 407 (413 f.); Coelln, S. 181; Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 31 Rn. 2. 206 Vgl. Lindner, EuR 2007, 160 (191). 207 Vgl. hierzu etwa Degenhart, NVwZ 2006, 1209. 208 Vgl. oben das Zitat bei Fußn. 194 (3. Kapitel).

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3. Kap.: Zulässiger Verfahrensgegenstand

Diese Entscheidungsmöglichkeit stand dem Normgeber auch in Bezug auf die Frage zu, ob er die Bekanntmachung der Verleihung der Rechte einer Anstalt des öffentlichen Rechts an die Notarkasse in die Bayerische Rechtssammlung aufnimmt. Insofern führt der Verfassungsgerichtshof seine Rechtsprechung nicht konsequent fort, wenn er in der entsprechenden Entscheidung das „substantielle Eigengewicht“ verneint.209

Die hier einschlägige Frage stellt sich daher nur dann, wenn das Bundesrecht dem Landesnormgeber nicht nur den Erlass einer Regelung, sondern auch deren Inhalt vorschreibt. Sollte eine nach diesen bundesrechtlichen Vorgaben erlassene landesrechtliche Norm gegen die Bayerische Verfassung verstoßen, greift Art. 31 GG ein. Denn ist die (gegen die „Bayerische Verfassung verstoßende“) Norm zwingend durch Bundesrecht vorgeschrieben, bricht die entsprechende bundesrechtliche Regelung das Landesverfassungsrecht.210 Diese Ansicht hat der Bayerische Verfassungsgerichtshof selbst vertreten211 und entspricht auch der von ihm in diesem Zusammenhang zitierten Kommentierung Theodor Meders212. Eine gemäß Art. 31 GG gebrochene Norm des Landesverfassungsrechts ist nichtig.213 Eine Prüfung der verfahrensgegenständlichen Norm am Maßstab dieser Regelung ist daher nicht möglich. Diese Frage, ob die den Maßstab seiner Kontrolle bildenden Normen der Bayerischen Verfassung rechtswirksam, also nicht durch Bundesrecht verdrängt sind, hat der Verfassungsgerichtshof zu prüfen.214 Eine solche Verdrängung durch Bundesrecht und Einschränkung des Prüfungsmaßstabes liegt vor, wenn das Bundesrecht dem Landesnormgeber den Erlass einer Regelung sowie deren Inhalt vorschreibt. Einer Popularklage gegen eine Norm ohne „substantiellem Gewicht gegenüber dem Bundesrecht“ kann der Gerichtshof daher aufgrund der dargestellten Wirkung des Art. 31 GG nicht statt geben. Der entsprechenden Regelung die Qualifikation als Landesrecht abzusprechen, ist hingegen inhaltlich falsch und im Ergebnis unnötig. Daher ist die Ansicht des Gerichtshofs, wonach eine Rechtsvorschrift des bayerischen Landesrechts nur dann zulässiger Verfahrensgegenstand einer Popularklage sein könne, wenn sie ein substantielles Eigengewicht gegenüber einer bundesrechtlichen Regelung habe, abzulehnen.215

Vgl. hierzu oben § 18 A. II. 4. (S. 132). Vgl. Coelln, S. 271; Rozek, Grundgesetz und Landesverfassungsgerichte, S. 235; siehe hierzu auch Knöpfle, in: Nawiasky / Schweiger / Knöpfle, BV, Art. 98 Satz 4 Rn. 71. 211 Vgl. BayVerfGHE 10, 86 (91 f.) – vgl. oben bei Fußn. 191 (3. Kapitel); BayVerfGHE 11, 164 (171). 212 Meder, BV, Art. 98 Rn. 9. 213 P. M. Huber, in: Sachs, GG, Art. 31 Rn. 23. 214 Vgl. unten § 42 A. III. (S. 292) und § 42 B. III. (S. 298). 215 Vgl. zum Aspekt des Rechtsschutzinteresses unten § 39 B. III. (S. 280). 209 210

§ 19 Zusammenfassung

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§ 19 Zusammenfassung Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass zulässiger Gegenstand im Popularklageverfahren nur Rechtsvorschriften des bayerischen Landesrechts sein können. Die Frage, unter welchen Voraussetzungen eine solche vorliegt, beantwortet der Bayerische Verfassungsgerichtshof in Übereinstimmung mit der allgemeinen Ansicht in Literatur und Rechtsprechung.216 Die angegriffene Norm muss sich außerdem in Kraft befinden. Ist dies nicht der Fall, erachtet das Gericht Beschwerden dann als zulässig, wenn von der Norm trotzdem Grundrechtsverletzungen ausgehen können.217 Auch ein Unterlassen des Normgebers kann zulässiger Verfahrensgegenstand sein, wenn ein Auftrag zur Normsetzung besteht, der Inhalt und Umfang der Normgebungspflicht im wesentlichen umgrenzt.218 Beschwerden gegen normatives Unterlassen haben jedoch regelmäßig kein echtes Unterlassen zum Gegenstand, sondern nur ein relatives bzw. ein tatsächliches Regelungsergebnis.219 Schließlich fordert der Verfassungsgerichtshof, die angegriffenen Normen müssten ein „substantielles Eigengewicht“ gegenüber bundesrechtlichen Regelungen aufweisen.220 Im Jahr 2009 verwarf er erstmals eine Popularklage als unzulässig, da er diese Voraussetzung nicht als erfüllt ansah.221 Diese Rechtsprechung ist jedoch abzulehnen.

216 217 218 219 220 221

Vgl. hierzu § 15 (S. 103). Vgl. hierzu § 16 (S. 117). Vgl. hierzu § 17 (S. 127). Vgl. § 17 B. II. (S. 125). Vgl. hierzu § 18 (S. 128). Vgl. § 18 A. II. 4. (S. 132).

4. Kapitel

Substantiierte Darlegung einer Grundrechtsverletzung Gemäß Art. 55 Abs. 1 Satz 2 BayVerfGHG hat der Beschwerdeführer darzulegen, dass ein durch die Bayerische Verfassung gewährleistetes Grundrecht verfassungswidrig eingeschränkt wird.

§ 20 Tatsächliche Bedeutung in der Rechtsprechung In den meisten Fällen bejaht der Bayerische Verfassungsgerichtshof das Vorliegen dieser Sachurteilsvoraussetzung ohne weiteres.1 Von 1995 bis 2011 verwarf das Gericht allerdings fünf der 17 unzulässigen Popularklagen aufgrund unsubstantiierter Darlegung einer Grundrechtsverletzung2, in vier weiteren Fällen unter anderem aufgrund dieses Mangels3. 36 Popularklagen waren teilweise unzulässig. Der Grund hierfür lag bei sieben Entscheidungen ausschließlich in der genannten Zulässigkeitsvoraussetzung4, bei acht weiteren zumindest auch in dieser5. Darüber hinaus lässt der Verfassungsgerichtshof in zwei Fällen offen, ob eine ausreichende Darlegung einer Grundrechtsverletzung vorliegt, da die Klage jedenfalls unbegründet

1 Vgl. hierzu etwa BayVerfGHE 48, 87 (94); 48, 109 (113); 48, 119 (122); 50, 67 (71); 52, 47 (56); 53, 196 (206); 56, 57 (61); 56, 178 (185); 56, 198 (202); 57, 30 (33 f.); 57, 48 (52); 57, 113 (119); 57, 156 (158); 57, 175 (178); 58, 94 (98); 59, 63 (68); 59, 109 (114), 59, 119 (121); 60, 1 (5); 60, 179 (181); 61, 9 (11); 61, 172 (180); 61, 214 (220); BayVerfGH BayVBl. 2010, 140; 2010, 594 (595). 2 BayVerfGHE 54, 1 (5 f.); 61, 205 (209 ff.); BayVerfGH BayVBl. 2007, 595 (595 f.); 2011, 695 (695 f.); BayVerfGH Entscheidung vom 6. 12. 2011, Vf. 6-VII-11, veröffentlicht in juris, ebenda Rn. 37 ff. 3 BayVerfGHE 61, 36 (40 ff.); 62, 71 (77); BayVerfGH BayVBl. 1996, 175; 2007, 689 (689 f.). 4 BayVerfGHE 51, 94 (98); 55, 98 (107 f.); 55, 160 (164); 61, 1 (3); 62, 79 (91 f.); BayVerfGH BayVBl. 2012, 43; BayVerfGH Entscheidung vom 27. 6. 2011, Vf. 27-VII-10, veröffentlicht in juris, ebenda Rn. 51. 5 BayVerfGHE 49, 111 (114); 50, 226 (243 f.); 55, 123 (126 f.); 56, 1 (4); 58, 1 (14 ff.); 59, 109 (113 f.); 59, 134 (138); 60, 131 (138).

§ 21 Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs

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sei.6 Die Substantiierungspflicht spielt in der Rechtsprechung somit eine wichtige Rolle.7

§ 21 Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs Der Bayerische Verfassungsgerichtshof führt zur substantiierten Darlegung einer Grundrechtsverletzung aus: „Zu den prozessualen Voraussetzungen einer Popularklage gehört, dass der Antragsteller substantiiert darlegt, aus welchen Gründen angefochtene Rechtsvorschriften nach seiner Auffassung Grundrechtsnormen der Bayerischen Verfassung verletzen.“8

Erfüllt der Beschwerdeführer diese Voraussetzung nicht, verwirft der Gerichtshof die Popularklage als unzulässig.9

A. Rüge eines Grundrechtsverstoßes Um eine Popularklage in zulässiger Weise zu erheben, muss der Beschwerdeführer gemäß Art. 55 Abs. 1 Satz 2 BayVerfGHG die Verletzung eines Grundrechtes der Bayerischen Verfassung rügen. Die Voraussetzungen für den Erlass eines Sachurteils liegen somit vor, wenn es sich zumindest bei einem der als verletzt gerügten Bestimmungen der Bayerischen Verfassung um ein Grundrecht handelt. Solche garantiert die Bayerische Verfassung in ihrem Zweiten Hauptteil (Art. 98 BV bis Art. 123 BV).10 Hierzu zählt unter anderem der 1998 in die Verfassung eingefügte11 Art. 118a BV, dessen Satz 1 ein als Grundrecht ausgestaltetes spezielles Gleich6 BayVerfGHE 58, 277 (284); BayVerfGH Entscheidung vom 21. 12. 2011, Vf. 3-VII-11, veröffentlicht in juris, ebenda Rn. 20 ff. 7 Vgl. auch unten Übersicht I: Entscheidungen in Popularklageverfahren in den Jahren 1995 bis 2011 (S. 398). 8 BayVerfGHE 53, 196 (206); vgl. auch BayVerfGHE 59, 109 (113); 62, 30 (35); BayVerfGH BayVBl. 2009, 695. 9 BayVerfGHE 18, 108 (109); 24, 1 (11); 38, 43 (45); 54, 1 (5 f.); 59, 109 (113); 59, 134 (138); 61, 36 (40 f.); BayVerfGH BayVBl. 2007, 689 (689 f.); ebenso Wolff, in: Lindner / Möstl / Wolff, BV, Art. 98 Rn. 34. 10 Allerdings stellen nicht alle in diesem Zweiten Hauptteil aufgeführten Rechte Grundrechte dar (vgl. etwa BayVerfGHE 15, 49 [55]). Eine ausführliche Aufstellung aller in der Bayerischen Verfassung enthaltenen Grundrechte ist zu finden bei Knöpfle, in: Nawiasky / Schweiger / Knöpfle, BV, vor Art. 98 Rn. 6 ff.; vgl. auch Lindner, in: Lindner / Möstl / Wolff, BV, vor Art. 98 Rn. 12 ff. 11 § 1 Nr. 4 des Gesetzes zur Änderung der Verfassung des Freistaates Bayern, Verfassungsreformgesetz – Weiterentwicklung im Bereich der Grundrechte und Staatsziele vom 20. Februar 1998 (GVBl S. 38).

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heitsrecht für Menschen mit Behinderungen enthält. Eine Popularklage kann mit der Rüge einer Verletzung dieser Norm erhoben werden.12 Gleiches gilt für das im Gleichheitsgrundsatz (Art. 118 BV) verankerte Willkürverbot.13 Auf dieses können etwa sowohl Gemeinden als auch Bürger Beschwerden gegen Organisationsnormen, beispielsweise der Gemeindegebietsreform, stützen.14

Neben den im Zweiten Hauptteil der Verfassung geschützten kann sich eine Popularklage auch auf weitere Grundrechten berufen, beispielsweise auf das Recht auf Teilhabe an der Staatsgewalt (Art. 7 Abs. 2 BV)15, den Grundsatz der Gleichheit der politischen Rechte und Pflichten aller in der Gemeinde wohnenden Staatsbürger (Art. 11 Abs. 5 BV)16 sowie die Wahlrechtsgrundsätze der Art. 12 Abs. 1 BV und Art. 14 Abs. 1 Satz 1 BV17. Der Bayerische Verfassungsgerichtshof lässt hingegen offen, ob – entsprechend der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Berliner Ladenöffnungsgesetz18 – die Bayerische Verfassung in einer Zusammenschau der Art. 147 BV, Art. 107 Abs. 1 BV und Art. 107 Abs. 2 BV ein „Sonntagsgrundrecht“ kennt.19 Ebenso lässt der Verfassungsgerichtshof dahingestellt, ob Art. 125 Abs. 1 Satz 3 BV, wonach jede Mutter Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge des Staates hat, ein subjektives Recht verbürgt, sodass eine Popularklage hierauf gestützt werden könnte.20 Ebenso lässt er dahingestellt, ob Art. 128 Abs. 1 BV dem Einzelnen ein subjektives Recht auf Ausbildung einräumt und somit ein Grundrecht darstellt21, und ob das in Art. 138 Abs. 2 Satz 1 BV garantierte Selbstverwaltungsrecht der Hochschulen ein eigenständiges Grundrecht verbürgt oder lediglich eine institutionelle Garantie darstellt22. Offen lässt der Gerichtshof außerdem die Frage, ob die zweite Alternative des Art. 175 Satz 1 BV, wonach Arbeitnehmer in Unternehmungen von erheblicher Bedeutung einen unmittelbaren Einfluss auf die Leitung und die Verwaltung der Betriebe haben, ein Grundrecht oder lediglich einen Programmsatz enthält.23 BayVerfGHE 61, 47 (50). BayVerfGHE 48, 17 (22); 51, 1 (13). 14 Vgl. BayVerfGHE 29, 1 (4 f.); 39, 169 (173). 15 BayVerfGHE 27, 139 (142); 28, 222 (229); 44, 23 (25); 50, 181 (196). 16 BayVerfGHE 50, 76 (95 f.). 17 BayVerfGHE 6, 65 (69); 27, 139 (142); 28, 222 (229); 49, 12 (16); 49, 23 (26). 18 BVerfGE 125, 39. 19 BayVerfGH Entscheidung vom 21. 12. 2011, Vf. 3-VII-11, veröffentlicht in juris, ebenda Rn. 22 f. 20 BayVerfGH Entscheidung vom 27. 6. 2011, Vf. 27-VII-10, veröffentlicht in juris, ebenda Rn. 54. 21 BayVerfGHE 28, 143 (162 f.); 34, 106 (110); 38, 16 (26 f.); 51, 109 (118). 22 BayVerfGHE 61, 103 (111). 23 BayVerfGH Entscheidung vom 14. 2. 2011, Vf. 2-VII-10, veröffentlicht in juris, ebenda Rn. 32. 12 13

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Eine Popularklage kann hingegen auch zulässigerweise grundrechtsgleiche Rechte geltend machen.24 So die institutionelle Garantie des Berufsbeamtentums (Art. 95 Abs. 1 Satz 2 BV), soweit die persönliche Rechtsstellung des Beamten betroffen ist.25 Eine Verletzung des kommunalen Selbstverwaltungsrechts können jedenfalls die betroffenen Gemeinden rügen.26 Auf „höherrangige Grundrechtsnormen“ kann sich der Beschwerdeführer berufen, wenn er eine Regelung der Bayerischen Verfassung angreift27. Zu diesen „Fundamentalnormen der Bayerischen Verfassung“ gehört gemäß der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs beispielsweise der Gleichheitssatz des Art. 118 Abs. 1 BV.28

B. Rüge eines Verstoßes gegen objektives Verfassungsrecht Gemäß der Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs kann eine Popularklage „für sich allein“ nicht auf einen „Verstoß gegen objektives Verfassungsrecht“ gestützt werden.29 Insofern sind daher etwa die Rügen unzulässig, es liege ein Verstoß gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung30 oder gegen die Staatszielbestimmung des Schutzes der natürlichen Lebensgrundlagen (Art. 141 Abs. 1 BV)31 vor.

Von Bedeutung ist insofern vor allem die Geltendmachung einer Verletzung des Rechtsstaatsprinzips. So führt das Gericht aus: „Auf die Rüge einer Verletzung des Rechtsstaatsprinzips (Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV) kann eine Popularklage für sich allein nicht gestützt werden, weil diese Verfassungsnorm kein Grundrecht verbürgt.“32

24 Knöpfle, in: Nawiasky / Schweiger / Knöpfle, BV, Art. 98 Satz 4 Rn. 12; Wolff, in: Lindner / Möstl / Wolff, BV, Art. 98 Rn. 34. 25 BayVerfGHE 41, 119 (121); 57,129 (135); 58, 196 (202). 26 Vgl. hierzu ausführlich unten § 47 (S. 314). 27 Vgl. oben § 15 A. I. 1. (S. 103) bei Fußn. 11 (3. Kapitel) sowie bei Fußn. 9 (9. Kapitel) zum Prüfungsmaßstab in solchen Fällen. 28 BayVerfGHE 59, 125 (127 f.); vgl. unten bei Fußn. 9 (9. Kapitel) sowie die ausführliche Übersicht zum „überpositiven Recht“ der Bayerischen Verfassung bei Knöpfle, in: Nawiasky / Schweiger / Knöpfle, BV, vor Art. 98 Rn. 12 f. 29 BayVerfGHE 54, 1 (6); 58, 1 (15). 30 BayVerfGHE 59, 119 (121). 31 BayVerfGH BayVBl. 2012, 43. 32 BayVerfGHE 55, 66 (69); vgl. auch BayVerfGHE 49, 111 (114); 49, 120 (123); 50, 226 (245); 54, 1 (6); 55, 66 (69); 58, 1 (16).

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Insofern kann der Verfassungsgerichtshof eine Norm nur dann am Rechtsstaatsprinzip und dessen Ausprägungen – beispielsweise dem Rückwirkungsverbot33 – prüfen, wenn die Popularklage in zulässiger Weise erhoben ist.34 Denn in diesem Fall erstreckt er den Prüfungsmaßstab auf die gesamte Bayerische Verfassung.35 Gleiches gilt für die Rüge der Verletzung von Bundes- oder Europarecht, da der Verfassungsgerichtshof auch insofern nur prüft, ob ein Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip vorliegt.36 Anders stellt sich die Situation hingegen dar, wenn der Beschwerdeführer – entsprechend dem Gedanken des „Elfes-Urteils“ des Bundesverfassungsgerichts37 – geltend macht, der Verstoß gegen objektives Verfassungsrecht bewirke zugleich einen ungerechtfertigten Eingriff in ein Grundrecht, da dieser auf einer verfassungswidrigen Norm beruhe.38 Denn in diesem Fall legt der Popularkläger eine Grundrechtsverletzung dar. Mit diesem „Umweg“ kann ein Beschwerdeführer somit die Verletzung eines Grundrechts rügen, indem er indirekt die Verletzung objektiven Verfassungsrechts geltend macht. Im Ergebnis erweitert dies die Rügemöglichkeit erheblich.39 Der Bayerische Verfassungsgerichtshof schränkte diese Möglichkeit in der jüngeren Rechtsprechung nicht ein.40 Diese Zulässigkeit der „indirekten“ Rüge objektiven Verfassungsrechts veranschaulicht eine Entscheidung des Gerichtshofs aus dem Jahr 1997, in der es heißt: „Der Verfassungsgerichtshof hat in der Entscheidung vom 11. Dezember 1991 (VerfGH 44, 156 / 163) die Rüge, gegen die Regelung des Art. 11 Abs. 4 Satz 3 BayVSG über die Einschränkung der Auskunftserteilung an den Landesbeauftragen für Datenschutz bestünden verfassungsrechtliche Bedenken, für unzulässig angesehen. Sie war damals als Rüge eines Verstoßes gegen das Rechtsstaatsprinzip zu verstehen. Im gegenwärtigen Verfahren macht der Antragsteller ausdrücklich geltend, die Einschränkung der Auskunftserteilung verstoße gegen Art. 100 und 101 BV; deren Schutzbereich ist berührt.“41 In einer weiteren Entscheidung, die Satzungsbestimmungen einer Steuerberaterkammer zum Gegenstand hat, stellt der Verfassungsgerichtshof fest:

BayVerfGHE 58, 1 (16). BayVerfGHE 54, 1 (6); 61, 36 (43). 35 Vgl. die Nachweise in Fußn. 6 (9. Kapitel). 36 BayVerfGHE 54, 1 (6); Wolff, in: Lindner / Möstl / Wolff, BV, Art. 98 Rn. 35; vgl. unten § 42 (S. 297) und § 43 (S. 303). 37 Vgl. BVerfGE 6, 32 (38). 38 Vgl. etwa Manssen, Grundrechte, Rn. 222; Sodan, in: Merten / Papier, HGR III, § 84 Rn. 39; Zuck, Verfassungsbeschwerde, Rn. 393; vgl. auch das Zitat des BayVerfGH bei Fußn. 55 (4. Kapitel). 39 Wolff, in: Lindner / Möstl / Wolff, BV, Art. 98 Rn. 37. 40 Vgl. etwa das Zitat bei Fußn. 55 (4. Kapitel); siehe zu diesem Problemkreis auch Fleury, Rn. 143 ff.; Wolff, in: Lindner / Möstl / Wolff, BV, Art. 98 Rn. 37; Pestalozza, Verfassungsprozeßrecht, § 23 Rn. 100 ff. 41 BayVerfGHE 50, 226 (243). 33 34

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„Die Rügen des Antragstellers, die Satzung überschreite bei der Festlegung der Aufgaben der Kammer die bundesgesetzliche Ermächtigungsgrundlage und enthalte dem Demokratieprinzip widersprechende Bestimmungen zur kammerinternen Geschäftsordnung, lassen es möglich erscheinen, dass die angegriffenen Regelungen nicht zur verfassungsmäßigen Ordnung gehören und daher die allgemeine Handlungsfreiheit der Kammermitglieder beeinträchtigen (Art. 55 Abs. 1 Satz 2 VfGHG). Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs ist allerdings weitere Voraussetzung einer zulässigen Rüge der Verletzung des Art. 101 BV, dass der Antragsteller dartut, die angegriffene Rechtsvorschrift verletze inhaltlich das Grundrecht der Handlungsfreiheit; sein Vorbringen darf sich nicht ausschließlich auf Gründe beschränken, die in objektivem Verfassungsrecht wurzeln“ … „Diesem Erfordernis ist hier genügt. Der Antragsteller macht geltend, die seiner Meinung nach fehlerhafte Aufgabenzuweisung habe Auswirkungen auf die von den Pflichtmitgliedern der Kammer zu zahlenden Beiträge. Im Hinblick auf die kammerinterne Geschäftsordnung beanstandet er den aus seiner Sicht unzureichenden Minderheitenschutz.“42

C. Anforderungen an die Substantiierung I. Formelle Anforderungen an die Darlegung der Grundrechtsverletzung In formeller Hinsicht fordert der Verfassungsgerichtshof in Bezug auf die Darlegung einer Grundrechtsverletzung die Bezeichnung der angefochtenen Rechtsvorschrift43 sowie dass der Antragsteller die Verletzung „mit einem Mindestmaß an Substantiierung nachvollziehbar darlegt“.44 Er führt hierzu aus: „Eine substanziierte Grundrechtsrüge liegt nicht schon dann vor, wenn ein Antragsteller lediglich behauptet, dass die angefochtene Rechtsvorschrift nach seiner Auffassung gegen Grundrechtsnormen der Bayerischen Verfassung verstößt. Der Verfassungsgerichtshof muss anhand von substanziiert bezeichneten Tatsachen und Vorgängen beurteilen können, ob der Schutzbereich der Grundrechtsnorm berührt ist.“45 Dies sei etwa bei der Rüge eines Verstoßes gegen das Willkürverbot zu verneinen, wenn sich die Popularklage in der nicht näher erläuterten Behauptung erschöpfe, in den „Gegebenheiten“, die einen unzulässigen Eigentumseingriff begründeten, läge auch ein Verstoß gegen das Willkürverbot.46 Ebenso wenig hält es der Gerichtshof für ausreichend, wenn ein Antragsteller allein ausführt, durch die Regelungen der GO zu den Aufgaben des ersten Bürgermeisters könne der Schutzbereich des Art. 118 BV berührt sein.47 42 BayVerfGH Entscheidung vom 9. 8. 2011, Vf. 18-VII-10, veröffentlicht in juris, ebenda Rn. 78. 43 BayVerfGHE 59, 134 (138). 44 BayVerfGH BayVBl. 2008, 595; BayVerfGH Entscheidung vom 6. 12. 2011, Vf. 6-VII11, veröffentlicht in juris, ebenda Rn. 39. 45 BayVerfGH 61, 36 (42); vgl. auch BayVerfGHE 40, 53 (55); 42, 34 (36); 54, 1 (6); 59, 109 (114); 61, 205 (209); BayVerfGH BayVBl. 2006, 598 (599); 2007, 689 (689 f.). 46 BayVerfGHE 54, 1 (6). 47 BayVerfGH BayVBl. 2011, 695.

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Ist eine Unterlassung Verfahrensgegenstand48, muss der Beschwerdeführer darlegen, welche Grundrechtsnorm den Normgeber zum Handeln verpflichte.49 Er genüge der Substantiierungspflicht nicht, wenn er nur einfach-rechtliche Gesichtspunkte geltend mache. Berufe er sich nur auf eine fachgerichtliche Rechtsprechung, ohne ihr etwas „spezifisch Verfassungsrechtliches“ hinzuzufügen, sei der Vortrag unzureichend.50 Die Substantiierung fordert der Gerichtshof auch in Bezug auf eine Verletzung des Rechtsstaatsprinzips aufgrund eines Verstoßes gegen höherrangiges Recht: „Die Rüge, das Europäische Gemeinschaftsrecht sei verletzt, ist nicht ausreichend substantiiert. Der Antragsteller gibt nicht im Einzelnen an, gegen welche Vorschrift des Europäischen Gemeinschaftsrechts die angegriffenen Regelungen seiner Ansicht nach verstoßen. Es kommt damit nicht darauf an, dass das Europäische Gemeinschaftsrecht allenfalls mittelbar über Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV (Rechtsstaatsprinzip) Prüfungsmaßstab im Verfahren nach Art. 98 Satz 4 BV sein kann“.51

Rügt ein Popularkläger die Verfassungswidrigkeit mehrerer Rechtsvorschriften, so müsse für jede einzelne von ihnen ersichtlich sein, inwiefern sie nach seiner Meinung zu einer Grundrechtsnorm in Widerspruch stehe.52 Summarische, nicht präzisierte Anträge seien hingegen unzulässig.53 Dem entsprechend sei es grundsätzlich nicht möglich, ein mehrere Vorschriften umfassendes Gesetz im ganzen mit der Popularklage anzugreifen. Vielmehr müsse der Antragsteller die einzelnen Vorschriften, gegen die sich die Beschwerde richten solle, genau bezeichnen.54 Eine Ausnahme hiervon gelte jedoch, wenn „ein Gesetz insgesamt mit der Rüge angegriffen wird, es verletze das Grundrecht der Handlungsfreiheit, weil es nicht ordnungsgemäß zustandegekommen sei und deshalb nicht zur verfassungsmäßigen Ordnung gehöre.“55

Greift eine Beschwerde alle Vorschriften einer Verordnung an und begründet dies lediglich damit, eine Nichtigkeit der ausdrücklich angegriffenen Vorschriften führe zur Nichtigkeit der Verordnung insgesamt, verwirft das Gericht diesen Antrag als unzulässig, wenn es den übrigen Bestimmungen eine selbständige Bedeutung zuerkennt.56 Desweiteren sagt der Gerichtshof: Vgl. hierzu oben § 17 (S. 127). BayVerfGHE 27, 137 (138); 38, 143 (147); 40, 45 (48). 50 BayVerfGH BayVBl. 2007, 595 (596). 51 BayVerfGHE 55, 123 (127). 52 BayVerfGHE 38, 43 (45); 50, 181 (196); 51, 131 (143); 58, 1 (14); 62, 30 (35); BayVerfGH BayVBl. 2004, 268 (269). 53 BayVerfGHE 38, 43 (45); 55, 160 (164); 58, 1 (14). 54 BayVerfGHE 50, 181 (196); 51, 131 (143); 58, 253 (260); BayVerfGH BayVBl. 2004, 268 (269). 55 BayVerfGHE 50, 181 (196); vgl. auch BayVerfGHE 51, 131 (143 f.); 58, 253 (260); 62, 30 (35). 56 BayVerfGHE 51, 94 (98 f.). 48 49

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„Auf die tatsächlichen Gegebenheiten abstellende Darlegungen des Antragstellers sind besonders bei solchen Normen von Bedeutung, die keine abstrakt-generellen Rechtsvorschriften im klassischen Sinn sind, sondern auch konkret-individuelle Elemente enthalten“.57

Solche Normen seien etwa Zielfestlegungen in Regionalplänen58, Festsetzungen in Bebauungsplänen59 sowie vergleichbare Planungs- und Organisationsregelungen60. Das Gericht führt weiter aus: „Während bei abstrakt-generellen Vorschriften im klassischen Sinn die Vielzahl der davon erfassten Fallgestaltungen kaum feststellbar ist, steht bei auch konkret-individuellen Regelungen der zugrunde liegende Sachverhalt in der Regel klar überschaubar fest. Das gilt besonders bei Bebauungsplänen, die sich häufig auf einen kleineren Bereich beziehen. Die Prüfung, ob bei dem gegebenen Sachverhalt der Schutzbereich einer bestimmten Grundrechtsnorm berührt sein kann, wird in solchen Fällen nicht selten das Ergebnis vorwegnehmen, ob diese Grundrechtsnorm tatsächlich verletzt ist. Gleichwohl handelt es sich dabei noch um eine Frage der Zulässigkeit.“61 Im konkreten Fall beschäftigt sich der Bayerische Verfassungsgerichtshof sehr ausführlich mit den tatsächlichen Begebenheiten in Bezug auf das fragliche Grundstück sowie deren rechtlichen Bewertung und verneint die Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung. Er weist die Klage daher als unzulässig ab.62

II. Inhaltliche Anforderungen an die Darlegung der Grundrechtsverletzung Der Beschwerdeführer hat gemäß Art. 55 Abs. 1 Satz 2 BayVerfGHG das Vorliegen einer Grundrechtsverletzung „darzulegen“. Ließe man hierfür jede Geltendmachung einer solchen Verletzung ausreichen, würde diese Sachurteilsvoraussetzung leer laufen.63 Der Verfassungsgerichtshof lässt daher die bloße Behauptung einer Grundrechtsverletzung nicht genügen.64 Er führt dazu aus:

BayVerfGHE 59, 109 (114); 61, 205 (209 f.); BayVerfGH BayVBl. 2006, 598 (599). BayVerfGHE 61, 36 (42 f.). 59 BayVerfGHE 39, 17 (21); 59, 109 (114); 61, 36 (42 f.); 61, 205 (210). 60 BayVerfGHE 39, 17 (21); 59, 109 (114); 61, 205 (210); BayVerfGH BayVBl. 2006, 598 (599). 61 BayVerfGHE 61, 205 (210). 62 BayVerfGHE 61, 205 (210 ff.). 63 Ein vergleichbares Problem stellt sich im Rahmen der Klagebefugnis des § 42 Abs. 2 VwGO. Nach dessen Wortlaut genügt es, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt in seinen Rechten verletzt zu sein. Nach allgemeiner Ansicht darf jedoch die bloße Behauptung einer Rechtsverletzung für sich allein die Klagebefugnis nicht begründen (vgl. hierzu etwa Happ, in: Eyermann, VwGO, § 42 Rn. 93; Schenke, Verwaltungsprozessrecht, Rn. 493). 64 BayVerfGH BayVBl. 2007, 689 (690); vgl. hierzu auch unten § 30 B. (S. 212). 57 58

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„Insbesondere ist es nicht ausreichend, wenn der Antragsteller eine offensichtlich nicht einschlägige Grundrechtsnorm als verletzt bezeichnet, um dadurch nach außen hin den prozessualen Erfordernissen Genüge zu tun“.65 Der Beschwerdeführer kann mit der Erhebung einer solchen „Scheinrüge“66 insbesondere das Ziel verfolgen, dass der Verfassungsgerichtshof eine Rechtsvorschrift, die vermeintlich kein Grundrecht, sondern nur objektives Verfassungsrecht verletzt, an letzterem misst67. Denn das Gericht erstreckt den Prüfungsmaßstab bei zulässigen Klagen auf die ganze Verfassung68. Im zitierten Fall rügte der Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 103 BV sowie von Art. 11 Abs. 2 Satz 2 BV.69 Im Zusammenhang mit dem Eigentumsrecht machte der Kläger eine fehlerhafte bauplanungsrechtliche Zuordnung bestimmter Grundstücke geltend, die nach Ansicht des Gerichtshofs jedoch nicht mit der Frage im Zusammenhang steht, ob die angefochtene Regelung den Anforderungen im Schutzbereich des Art. 103 Abs. 1 BV genügt.70 Am gemeindlichen Selbstverwaltungsrecht (Art. 11 Abs. 2 Satz 2 BV) sei die allein von einem Bürger erhobene Popularklage in diesem Fall nicht zu messen.71 Der Beschwerdeführer machte hingegen offenbar nicht geltend, der vermeintliche Verstoß gegen objektives Verfassungsrecht verletze zugleich die allgemeine Handlungsfreiheit. Mit dieser Rüge könnte er den Vorwurf umgehen, er mache nur eine offensichtlich nicht einschlägige Grundrechtsnorm geltend.72

In Bezug auf die inhaltlichen Anforderungen an die Darlegung der Grundrechtsverletzung lässt es der Verfassungsgerichtshof genügen, wenn das Vorbringen es „jedenfalls möglich erscheinen“ lasse, dass eine Grundrechtsverletzung vorliege73 bzw. „der Schutzbereich der bezeichneten Grundrechtsnormen ‚berührt‘“74 werde. Es sei ausreichend, wenn die Grundrechtsverletzung nicht „von vornherein ausgeschlossen“, „nicht gleichsam begrifflich unmöglich“ sei.75 Dabei sei es „unschädlich“, wenn der Antragsteller zwar darlege, weshalb die angegriffene Regelung seiner Meinung nach gegen ein Grundrecht verstoße, dieses aber nicht ausdrücklich benenne.76 Ist eine Regelung der Bayerischen Verfassung Verfahrensgegenstand, prüft der Gerichtshof, ob „vom Rangverhältnis her“ ein Verstoß der angegriffenen Norm gegen die geltend gemachte „höherrangige Grundrechtsnorm“ denkbar ist.77 BayVerfGH BayVBl. 2007, 689 (690); Meder, BV, Art. 98 Rn. 21. Knöpfle, in: Nawiasky / Schweiger / Knöpfle, BV, Art. 98 Satz 4 Rn. 13; Meder, BV, Art. 98 Rn. 21; Wolff, in: Lindner / Möstl / Wolff, BV, Art. 98 Rn. 39. 67 Knöpfle, in: Nawiasky / Schweiger / Knöpfle, BV, Art. 98 Satz 4 Rn. 13. 68 Vgl. die Nachweise in Fußn. 6 (9. Kapitel). 69 BayVerfGH Entscheidung vom 29. 3. 2007, Vf. 13-VII-06, veröffentlicht in juris, ebenda Rn. 17 (insoweit nicht veröffentlicht in BayVBl. 2007, 689). 70 BayVerfGH BayVBl. 2007, 689 (690). 71 BayVerfGH BayVBl. 2007, 689 (690). 72 Vgl. hierzu oben § 21 (S. 137). 73 BayVerfGHE 53, 196 (206); 60, 184 (210). 74 BayVerfGHE 50, 181 (196); 53, 196 (206). 75 BayVerfGHE 56, 75 (86). 76 Vgl. BayVerfGHE 10, 101 (105); BayVerfGHE 61, 153 (158). 65 66

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1. Keine Unzulässigkeit aufgrund „offensichtlicher Unbegründetheit“ Da der Verfassungsgerichtshof die Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung im Rahmen der Darlegung einer solchen genügen lässt, erfolgt die inhaltliche Beurteilung, ob die Darlegung des Beschwerdeführers tatsächlich zutrifft, grundsätzlich im Rahmen der Begründetheit. Deshalb verwirft der Verfassungsgerichtshof „offensichtlich unbegründete“ Popularklagen in der Regel nicht als unzulässig, sondern als unbegründet. So rügte beispielsweise eine Popularklage die Regelung des Art. 37 Abs. 2 BayEUG78, soweit schulpflichtige Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf vom Schulbesuch zurückgestellt werden können.79 Der Verfassungsgerichtshof führt zur Zulässigkeit aus: „Der Antragsteller hat hinreichend substantiiert dargelegt, aus welchen spezifisch verfassungsrechtlichen Gründen die angegriffene Norm Kinder mit Behinderungen benachteiligen soll.“ … „Die Popularklage zeigt dazu ausreichend auf, dass die angegriffene Vorschrift nach dem Verständnis des Antragstellers die Zurückstellung einer bestimmten Gruppe behinderter Kinder erlaube, ohne für diese und anders als für nicht behinderte Kinder eine Förderung vorzusehen.“80 Das Gericht weist die Klage jedoch als unbegründet ab. Art. 37 Abs. 2 BayEUG knüpfe für die Möglichkeit der Zurückstellung nicht an das Vorliegen einer Behinderung an. Maßgebliches Kriterium für die Zurückstellung sei vielmehr die aufgrund der körperlichen oder geistigen Entwicklung bestehende Erwartung, dass das Kind nicht mit Erfolg am Unterricht teilnehmen könne.81 Eine andere Popularklage griff die Gebührenpflicht der Erklärung des Kirchenaustritts vor dem Standesamt an.82 Entsprechend der Kostenverordnung fiel bei einem Austritt einer einzelnen Person eine Gebühr in Höhe von 25 芈€, beim gleichzeitigen Austritt mehrerer Personen eine Gebühr in Höhe von 35 芈€ an.83 In deren Erhebung sah der Antragsteller eine Verletzung der Freiheit der Religionsausübung. Sie erschwere es dem Einzelnen, die Zugehörigkeit zu einer Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft zu ändern oder aufzugeben.84 Der Verfassungsgerichtshof sah den Antrag als zulässig an. Der Antragsteller habe hinreichend substantiiert dargelegt, aus welchen Gründen die angegriffene Vorschrift nach seiner Auffassung gegen Grundrechte verstoße.85 Er wies die Klage aber als unbegründet ab. Ein Anspruch auf

BayVerfGHE 59, 125 (127 f.); vgl. auch BayVerfGHE 41, 44 (45 f.). Art. 37 Abs. 2 Satz 1 BayEUG lautet: „Ein Kind, das am 31. Dezember mindestens sechs Jahre alt ist, kann für ein Schuljahr von der Aufnahme in die Grundschule zurückgestellt werden, wenn auf Grund der körperlichen oder geistigen Entwicklung zu erwarten ist, dass es nicht mit Erfolg am Unterricht teilnehmen kann.“ 79 BayVerfGHE 61, 47. 80 BayVerfGHE 61, 47 (50). 81 BayVerfGHE 61, 47 (51). 82 BayVerfGHE 61, 125. 83 BayVerfGHE 61, 125. 84 BayVerfGHE 61, 125 (126). 85 BayVerfGHE 61, 125 (127). 77 78

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4. Kap.: Substantiierte Darlegung einer Grundrechtsverletzung

eine gebührenfreie Aufnahme der Austrittserklärung durch das Standesamt lasse sich aus Art. 107 Abs. 1 BV nicht ableiten. Die Höhe der Gebühr sei auch nicht so bemessen, dass sie den Austritt unverhältnismäßig erschweren oder Austrittswillige von ihrem Vorhaben abhalten würde. Zudem könne die Behörde von der Erhebung der Kosten ganz oder teilweise absehen, wenn diese nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre.86

2. Unzulässigkeit bei „Unmöglichkeit“ der Grundrechtsverletzung Eine Popularklage ist nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs unzulässig, wenn die geltend gemachte Verletzung eines Grundrechts begrifflich nicht möglich sei.87 Der Gerichtshof formuliert: „Eine Popularklage ist unzulässig, wenn die geltend gemachte Verletzung einer Grundrechtsnorm nach Sachlage von vornherein nicht möglich ist, weil der Schutzbereich des Grundrechts offensichtlich nicht berührt wird.“88

Eine solche Unmöglichkeit der Grundrechtsverletzung liege vor, wenn der personale Schutzbereich der gerügten Grundrechte durch die angegriffene Rechtsvorschrift nicht berührt werde.89 So könnten Landkreise und kreisfreie Städte im Rahmen der Erfüllung einer Pflichtaufgabe des eigenen Wirkungskreises keinen Schutz durch Art. 101 BV und Art. 103 Abs. 1 BV beanspruchen. Bestehe die Funktion einer juristischen Person des öffentlichen Rechts in der Wahrnehmung gesetzlich zugewiesener und geregelter öffentlicher Aufgaben, so sei die juristische Person insoweit nicht grundrechtsfähig.90 Da der Beschwerdeführer im konkreten Fall keine weitere Grundrechtsverletzung substantiiert dargelegt hatte, verwarf der Gerichtshof die Klage insofern als unzulässig.91

Gleiches gilt in Fällen, in denen der materielle Schutzbereich der jeweiligen Grundrechtsnorm die vorgebrachte Rüge nicht umfasst. So führt der Gerichtshof in einer Entscheidung zu beamtenrechtlichen Vorschriften aus, das Eigentumsrecht des Art. 103 Abs. 1 BV gewähre keinen Schutz für Vorteile, die sich aus dem bloßen Fortbestand einer günstigen Gesetzeslage ergeben, weshalb dessen Verletzung durch die angegriffenen Normen insofern von vornherein ausscheide.92 Das Grundrecht auf Menschenwürde (Art. 100 BV) könne nur dann verletzt sein, wenn die angegriffene Vorschrift schwerwiegende, an den Kern der menschlichen Persönlichkeit greifende Beeinträchtigungen

BayVerfGHE 61, 125 (127 ff.). BayVerfGH BayVBl. 1996, 175; vgl. auch BayVerfGHE 62, 71 (77). 88 BayVerfGHE 39, 169 (173); vgl. auch BayVerfGHE 55, 98 (107); 55, 123 (126); 61, 205 (209); BayVerfGH BayVBl. 2009, 695; vgl. hierzu außerdem die Fallgruppen bei Pestalozza, Verfassungsprozeßrecht, § 23 Rn. 107. 89 Vgl. BayVerfGHE 54, 1 (5). 90 BayVerfGHE 54, 1 (5 f.). 91 BayVerfGHE 54, 1 (5 f.). 92 BayVerfGHE 55, 123 (127). 86 87

§ 21 Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs

147

der davon betroffenen Personen mit sich bringen würde. Dieser Kern sei etwa offensichtlich dann nicht berührt, wenn der Gesetzgeber die von ihm zunächst gewährte Möglichkeit wieder einschränke, im Rahmen der Altersteilzeit das Blockmodell mit dem Antragsruhestand zu kombinieren.93 Für diese Einschränkung sah es der Verfassungsgerichtshof auch als unmöglich an, dass die Handlungsfreiheit (Art. 101 BV) verletzt sein könnte. Die Befugnis des Gesetzgebers, dieses Grundrecht zu beschränken, finde erst dann eine Grenze, wenn dessen Wesenshalt angetastet werde. Bei der genannten Einschränkung im Rahmen der Altersteilzeit könne hiervon keine Rede sein.94 Da eine Berührung der Schutzbereiche der Grundrechte der Art. 100, 101 und 103 Abs. 1 BV daher von vorneherein nicht möglich sei, verneint der Verfassungsgerichtshof insoweit die Zulässigkeit.95

Wenn die gerügte Rechtsnorm keine unmittelbaren Rechtswirkungen gegenüber dem Grundrechtsträger entfaltet, sieht der Verfassungsgerichtshof eine Grundrechtsverletzung ebenfalls als unmöglich an.96 So führte das Gericht in einer Entscheidung aus dem Jahr 2002 aus, einem Ziel der Raumordnung und Landesplanung komme gegenüber dem Bürger keine unmittelbare Rechtswirkung zu, so dass eine verfassungswidrige Einschränkung des Eigentumsrechts (Art. 103 Abs. 1 BV) von vornherein ausgeschlossen sei.97 Ob an dieser rechtlichen Beurteilung festgehalten werden könne, ließ der Verfassungsgerichtshof später – da sich die Rechtslage geändert habe – ausdrücklich offen.98 Eine weitere Popularklage griff die Bekanntmachung über den Errichtungsakt der Notarkasse als eine rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts und die Aufnahme dieser Bekanntmachung in die bayerische Rechtssammlung an. Verfahrensgegenstand war somit nicht etwa das rechtssatzmäßige Handeln der Notarkasse, etwa in Gestalt der Abgabensatzung, sondern letztlich die Existenz der Notarkasse als solcher. Inwiefern hierdurch – so der Verfassungsgerichtshof – die vom Antragsteller gerügten Grundrechte verletzt sein könnten, belege der unterbreitete Sachverhalt nicht.99

Ergibt eine rechtliche Würdigung des Beschwerdevorbringens, dass eine Verfassungswidrigkeit unter den vorgebrachten Gesichtspunkten in materieller Hinsicht nicht möglich ist, verneint der Verfassungsgerichtshof ebenfalls das Vorliegen einer substantiierten Darlegung einer Grundrechtsverletzung. So rügte ein Antragsteller die Verletzung des durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 BV verbürgten Rechts auf gleiche Wahl der Abgeordneten des Landtags durch alle wahlberechtigten Staatsbürger. In Art. 21 BayLWG sei – so die Beschwerdebegründung – der Ausdruck „nach einem verbesserten Verhältniswahlrecht“ verfassungswidrig. Dem folgte der Verfassungsgerichtshof nicht: BayVerfGHE 55, 123 (126 f.). BayVerfGHE 55, 123 (127). 95 BayVerfGHE 55, 123 (126 f.). 96 Vgl. BayVerfGHE 66, 98 (107); vgl. auch BayVerfGHE 62, 71 (77). 97 BayVerfGHE 55, 98 (107); vgl. hierzu die Anmerkung von Kment, BayVBl. 2003, 496, der den Zielen der Raumordnung und Landesplanung unmittelbare Außenwirkung zumisst. 98 BayVerfGHE 61, 36 (41). 99 BayVerfGHE 62, 71 (77). 93 94

148

4. Kap.: Substantiierte Darlegung einer Grundrechtsverletzung

„Da Art. 14 Abs. 1 Satz 1 BV selbst ausdrücklich ein verbessertes Verhältniswahlrecht vorschreibt, kann die inhaltsgleiche Regelung in Art. 21 LWG von vornherein nicht gegen diese Verfassungsnorm verstoßen.“100 Er lehnte die Popularklage daher insofern als unzulässig ab, da die vom Beschwerdeführer geltend gemachte Grundrechtsverletzung begrifflich nicht möglich sei und daher keine substantiierte Darlegung einer solchen vorliege.101 Ein weiteres Beispiel stellt eine Popularklage gegen Regelungen des BayVerfGHG dar. Ein Beschwerdeführer griff Art. 2 Nr. 7 BayVerfGHG sowie Art. 55 Abs. 1 Satz 1 BayVerfGHG an. Er führte dazu aus, diese Regelungen ließen die Popularklage bei Verfassungswidrigkeit von Rechtsvorschriften zu. Art. 98 Satz 4 BV eröffne hingegen die Popularklage wegen Grundrechtswidrigkeit. Die Normen des BayVerfGHG modifizierten daher die Zulässigkeitsvoraussetzungen für die Popularklage und verstießen gegen den Wesensgehalt des Art. 98 Satz 4 BV, die Rechtsweggarantie der Bayerischen Verfassung und den Rechtsstaatsgrundsatz. Die Bezugnahmen auf Art. 98 Satz 4 BV seien widersprüchlich und verletzten die Grundrechte der Klarheit, „Widerspruchsfreiheit“ und Rechtssicherheit.102 Der Bayerische Verfassungsgerichtshof ordnet diese Rüge als solche gegen das Rechtsstaatsprinzip ein, die unzulässig seien.103 Er fährt fort: „Die Rüge ist darüber hinaus nicht substantiiert begründet. Ein Verstoß der Art. 2 Nr. 7 und Art. 55 Abs. 1 Satz 1 VfGHG gegen Art. 98 Satz 4 BV aus den vom Antragsteller genannten Gründen ist schlechterdings ausgeschlossen.“104 Auch hier verneint der Verfassungsgerichtshof somit eine substantiierte Darlegung aufgrund der materiell-rechtlichen Unmöglichkeit der dargelegten Verletzung. Die Sachurteilsvoraussetzung sieht er somit als nicht gegeben an. Aus dem gleichen Grund verwarf der Bayerische Verfassungsgerichtshof eine Popularklage gegen Regelungen der Studienbeiträge als teilweise unzulässig.105 Der Gerichtshof führt aus: „An einer ausreichend substanziierten Grundrechtsrüge fehlt es allerdings, soweit die Antragsteller sich gegen Art. 71 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 BayHSchG wenden. Nach dieser Bestimmung werden von der Studienbeitragspflicht auf Antrag Studierende befreit, deren nach Bürgerlichem Recht Unterhaltsverpflichtete für drei oder mehr Kinder Kindergeld oder vergleichbare Leistungen in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union erhalten“. … „Die Antragsteller machen geltend, es widerspreche dem Gleichheitssatz, dass dieser Befreiungstatbestand nicht auch die vergleichbare Konstellation eines Ehegatten des Studierenden mit drei oder mehr gemeinsamen Kindern berücksichtige. Diese nicht weiter erläuterte Rüge ist nicht nachvollziehbar, weil auch der Ehegatte zu den nach Bürgerlichem Recht Unterhaltsverpflichteten zählt (§§ 1360 ff. BGB) und demnach vom Wortlaut des

100 101 102 103 104 105

BayVerfGH BayVBl. 1996, 175. BayVerfGH BayVBl. 1996, 175. BayVerfGHE 50, 226 (239 f. [sub 5. a) und l)]. Vgl. hierzu oben § 21 B. (S. 139). BayVerfGHE 50, 226 (245). BayVerfGHE 62, 79 (91 f.).

§ 22 Bewertung der Rechtsprechung

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Art. 71 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 BayHSchG erfasst wird. Insoweit ist die Popularklage unzulässig.“106

§ 22 Bewertung der Rechtsprechung Die Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs, wonach er Popularklagen als unzulässig verwirft, die eine Grundrechtsverletzung nicht substantiiert darlegen, fußt mit Art. 55 Abs. 1 Satz 2 BayVerfGHG auf einer klaren Rechtsgrundlage. Dies entspricht auch der Funktion der Popularklage, die den Schutz der Grundrechte zum Ziel hat107. Kann ein Beschwerdeführer die Verletzung eines solchen nicht darlegen, besteht kein Anlass für die Durchführung eines Popularklageverfahrens. Der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs zu den formellen und materiellen Anforderungen an die Substantiierungspflicht ist daher im Grundsatz zuzustimmen. Dies gilt ebenso für seine Ansicht, wonach Unzulässigkeit vorliege, wenn die Verletzung eines Grundrechts begrifflich nicht möglich sei. Denn auch hier ist kein Verfahren zum Schutz eines Grundrechtes erforderlich. Christian Pestalozza ist jedoch darin zuzustimmen, dass der Schritt von der Unbegründetheit zur Unzulässigkeit aufgrund „begrifflicher Unmöglichkeit der Grundrechtsverletzung“ nur klein108 ist. Dies zeigt sich vor allem in Fällen, in denen das Gericht von der Unzulässigkeit der Popularklage ausgeht, da der materielle Schutzbereich der Grundrechtsnorm die vorgebrachte Rüge nicht erfasse109. Letztlich ist dieses Problem jedoch unvermeidbar.110 Wünschenswert ist insofern eine nicht zu strenge Handhabung der Zulässigkeitsvoraussetzung in der Praxis des Verfassungsgerichtshofs. Denn eine Sachentscheidung ist einer bloßen Prozessentscheidung vorzuziehen. Anders als bei einer Abweisung des Antrages aus materiellen Gründen stellt die den Antrag aus formellen Gründen abweisende Normenkontrollentscheidung nicht die Gültigkeit der überprüften Norm rechtskräftig fest.111 Daher ist es zu begrüßen, wenn der Gerichtshof BayVerfGHE 62, 79 (91 f.). Welche Normen der Bayerischen Verfassung Rechte darstellen, auf die ein solcher Normenkontrollantrag gestützt werden kann, ist letztlich eine materiell-rechtliche Frage. 108 Pestalozza, Verfassungsprozeßrecht, § 23 Rn. 107. 109 Vgl. oben § 21 C. II. 2. (S. 146). 110 Bei der vergleichbaren Frage, wann eine Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO gegeben ist (vgl. Fußn. 63 [4. Kapitel]) folgt die allgemeine Meinung ebenfalls der Möglichkeitstheorie. Diese stellt darauf ab, ob die vom Kläger geltend gemachte Rechtsverletzung möglich ist (vgl. Hopp, in: Eyermann, VwGO, § 42 Rn. 93; Kopp / Schenke, VwGO, § 42 Rn. 66 ff.; Schenke, Verwaltungsprozessrecht, Rn. 494). 111 Quaas / Müller, Rn. 236. Das Urteil über die Begründetheit ist daher immer mit dem Gedanken des Endgültigen verbunden, während die Frage der Zulässigkeit in letzter Linie auf einem prozessökonomischen Interesse beruht (Sauer, S. 507 f.). 106 107

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4. Kap.: Substantiierte Darlegung einer Grundrechtsverletzung

offensichtlich unbegründete Klagen auch als unbegründet, nicht hingegen als unzulässig abweist, wie dies beispielsweise bei der Entscheidungen zum BayEUG112 und der Popularklage gegen die Gebührenpflicht bei der Erklärung des Kirchenaustritts113 der Fall war. Das Gegenbeispiel einer zu weit reichenden Prüfung innerhalb der Zulässigkeit stellt hingegen die Rechtsprechung zu Normen mit „konkret-individuellen Elementen“ dar. Auch in diesem Zusammenhang wäre es wünschenswert, wenn das Gericht die detaillierte Prüfung im Rahmen der Begründetheit vornähme, was es jedoch nicht immer macht.114

§ 23 Zusammenfassung Um eine Popularklage in zulässiger Weise zu erheben, muss der Beschwerdeführer gemäß Art. 55 Abs. 1 Satz 2 BayVerfGHG die Verletzung eines Grundrechtes darlegen. Der Gerichtshof lässt aber auch die Rüge eines grundrechtsgleichen Rechts genügen.115 Unzureichend ist es hingegen, wenn die Klage ausschließlich auf eine Verletzung objektiven Verfassungsrechts gestützt ist. Da mit einer solchen grundsätzlich auch die Verletzung eines Grundrechts, etwa der allgemeinen Handlungsfreiheit, einhergeht, kann sich der Kläger jedoch auf diese stützen. Für ihn besteht somit eine äußerst breite Möglichkeit, Verfassungsverstöße mit einer Popularklage zu rügen.116 Um den Anforderungen des Verfassungsgerichtshofs an eine ausreichende Darlegung zu genügen, muss der Antragsteller die Grundrechtsverletzung mit einem Mindestmaß an Substantiierung nachvollziehbar begründen. Greift eine Popularklage mehrere Rechtsvorschriften an, muss die Voraussetzung für jede einzelne erfüllt werden.117 Die materiell-rechtliche Prüfung, ob die gerügte Grundrechtsverletzung tatsächlich vorliegt, erfolgt grundsätzlich im Rahmen der Begründetheit. Insofern sind auch offensichtlich unbegründete Popularklagen zulässig. Unzulässigkeit kann jedoch vorliegen, wenn die gerügte Verletzung unmöglich ist, etwa weil der Schutzbereich des geltend gemachten Grundrechts nicht berührt ist.118

112 113 114 115 116 117 118

Vgl. oben bei Fußn. 80 (4. Kapitel). Vgl. oben bei Fußn. 86 (4. Kapitel). Vgl. oben bei Fußn. 62 (4. Kapitel). Vgl. oben § 21 A. (S. 137). Vgl. oben § 21 B. (S. 139). Vgl. oben § 21 C. I. (S. 141). Vgl. oben § 21 C. II. (S. 143).

5. Kapitel

Wiederholung einer Popularklage – entgegenstehende Rechtskraft Sowohl die ständige Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs1 als auch die Literatur2 gehen von der grundsätzlichen Unzulässigkeit der Wiederholung einer Popularklage aus. Die Frage, ob eine erneute Beschwerde gegen eine Norm, die bereits Gegenstand eines Popularklageverfahrens war, aufgrund der Wiederholung als unzulässig abzuweisen ist, stellt sich nur dann, wenn der Verfassungsgerichtshof die Verfassungsmäßigkeit der Norm festgestellt hatte. Denn eine mit einer zulässigen Popularklage angegriffenen verfassungswidrigen Rechtsvorschrift erklärt der Gerichtshof– von wenigen Ausnahmen abgesehen – mit Wirkung ex tunc für nichtig.3 Da Popularklagen jedoch grundsätzlich nur gegen bestehende Normen zulässig sind,4 fehlt einer erneuten Popularklage gegen eine nichtige Vorschrift der taugliche Verfahrensgegenstand, weshalb sie schon aus diesem Grund unzulässig ist5. Verneint der Verfassungsgerichtshof die Verfassungsmäßigkeit einer angegriffenen Norm, tritt das Problem der Wiederholung der Popularklage daher nicht auf. Dem entsprechend führt er aus: „Aus der Natur der Sache ergibt sich allerdings, daß in den Fällen, in denen der Verfassungsgerichtshof eine Norm für nichtig erklärt hat, die Frage der Rechtsgültigkeit dieser Norm überhaupt nicht mehr aufgeworfen werden kann. Denn die für nichtig erklärte Norm ist nicht mehr vorhanden.“6

§ 24 Tatsächliche Bedeutung in der Rechtsprechung Der Bayerische Verfassungsgerichtshof verwarf im Zeitraum vom 1. Januar 1995 bis zum 31. Dezember 2011 17 Popularklagen als unzulässig. In fünf Fällen war der 1 BayVerfGHE 48, 61 (68); 49, 153 (157 f.); 52, 91 (94); BayVerfGH BayVBl. 2001, 466; BayVerfGH BayVBl. 2001, 466; 2004, 268 (269). 2 Knöpfle, in: Nawiasky / Schweiger / Knöpfle, BV, Art. 98 Satz 4 Rn. 106; Wolff, in: Lindner / Möstl / Wolff, BV, Art. 98 Rn. 52. 3 Vgl. hierzu unten 11. Kapitel: Entscheidung (S. 339). 4 Vgl. oben § 16 (S. 117). 5 Vgl. BayVerfGHE 25, 71 (73) für den Fall einer gemäß § 47 VwGO für nichtig erklärten Norm; Benda / E. Klein, Rn. 1303. 6 BayVerfGHE 5, 166 (184).

152

5. Kap.: Wiederholung einer Popularklage

Grund hierfür das Vorliegen einer unzulässigen Wiederholung einer Popularklage7, in vier weiteren war dies ein Grund unter mehreren8. Der Gerichtshof sah in 36 Entscheidungen die Beschwerden als teilweise unzulässig an, wobei fünfmal unter anderem eine unzulässige Wiederholung vorlag9. Eine solche stand außerdem bei vier10 der neun Entscheidungen in Frage, in denen der Verfassungsgerichtshof die Zulässigkeit der Beschwerde offen ließ. Der Frage, inwiefern Wiederholungen einer Popularklage zulässig sind, kommt somit eine große praktische Bedeutung zu.11

§ 25 Begründung der grundsätzlichen Unzulässigkeit einer Wiederholung A. Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs In der jüngeren Rechtsprechung begründet der Bayerische Verfassungsgerichtshof nicht, weshalb er von der grundsätzlichen Unzulässigkeit der Wiederholung einer Popularklage ausgeht.12 Er stellt nur fest: „Hat der Verfassungsgerichtshof die Verfassungsmäßigkeit einer Rechtsvorschrift bejaht, so ist die Rechtslage damit geklärt und es muß grundsätzlich dabei sein Bewenden haben.“13

Er belegt diese Ansicht meist mit Verweisen auf ältere Rechtsprechung.14 Diese „Verweisungskette“ geht letztlich bis auf die Entscheidung BayVerfGHE 5, 166 aus dem Jahr 1952 zurück. So verweist BayVerfGH BayVBl. 2012, 13 auf BayVBl. 2011, 107 (108), BayVBl. 2010, 140; BayVerfGH BayVBl. 2011, 107 (108) auf BayVerfGH BayVBl. 2010, 140; BayVerfGH BayVBl. 2010, 140 auf BayVerfGHE 46, 201 (203); 52, 91 (94); BayVerfGHE 52, 91 (94) auf

7 BayVerfGHE 52, 91 (94 ff.); BayVerfGH BayVBl. 2001, 466 (466 f.); 2004, 268 (269 f.); 2010, 140; BayVerfGH Entscheidung vom 9. 12. 2011, Vf. 21-VII-10, veröffentlicht in juris, ebenda Rn. 19 ff. 8 BayVerfGHE 49, 153; 51, 131 (141 ff.); 62, 71 (78); BayVerfGH BayVBl. 1996, 175. 9 BayVerfGHE 49, 120 (122 f.); 50, 106 (111); 50, 115 (123 f.); 50, 226 (244 f.); BayVerfGH BayVBl. 2011, 466 (466 f.). 10 BayVerfGHE 49, 1 (5); 51, 109 (114); 53, 167 (171); 54, 181 (195). 11 Vgl. auch unten Übersicht I: Entscheidungen in Popularklageverfahren in den Jahren 1995 bis 2011 (S. 398). 12 BayVerfGHE 49, 120 (123); 50, 106 (111); 50, 115 (123 f.); 51, 109 (114); 51, 131 (141 ff.); BayVerfGH BayVBl. 1996, 175. 13 BayVerfGHE 49, 153 (157 f.); vgl. etwa auch BayVerfGHE 48, 61 (68); 52, 91 (94); BayVerfGH BayVBl. 2001, 466; 2004, 268 (269); 2010, 140; 2012, 13. 14 Nicht zu Unrecht stellt Knöpfle fest, der BayVerfGH treibe mit seinen Präjudizien einen gewissen „Ahnenkult“ insofern, als er Passagen aus diesen durch ständiges Zitieren gewissermaßen „herunterbete“ und so zu einer formelhaft verwendeten Kanon erstarren lasse (Knöpfle, BayVBl. 1984, 296).

§ 25 Grundsätzliche Unzulässigkeit einer Wiederholung

153

BayVerfGHE 33, 168 (171); BayVerfGHE 51, 109 (114) auf BayVerfGHE 33, 168 (171); 36, 56 (63); 44, 61 (75); 46, 201 (203); 49, 153 (157 f.); BayVerfGHE 50, 115 (123 f.) auf BayVerfGHE 33, 168 (171); 36, 56 (63); 40, 154 (158); 44, 61 (74 f.); 46, 201 (203); BayVerfGH BayVBl. 1994, 494; BayVerfGHE 50, 106 (111) auf BayVerfGH BayVBl. 1994, 494; BayVerfGHE 49, 153 (157) auf BayVerfGHE 44, 61 (75); BayVerfGH BayVBl. 1994, 494; BayVerfGHE 49, 120 (123) auf BayVerfGHE 44, 61 (75); BayVerfGH BayVBl. 1994, 494; BayVerfGH BayVBl. 1994, 494 auf BayVerfGHE 44, 61 (75); BayVerfGHE 46, 201 (203) auf BayVerfGHE 36, 162 (168); 39, 75 (77); 43, 1 (5), BayVerfGHE 44, 61 (75) auf BayVerfGHE 33, 168 (171); 36, 56 (61 f.); 36, 162 (168); BayVerfGHE 43, 1 (5) auf BayVerfGHE 28, 14 (19); 36, 56 (61 f.); BayVerfGHE 40, 154 (158) auf BayVerfGHE 23, 80 (86); 25, 45 (48); 28, 14 (19); 31, 99 (120); BayVerfGHE 39, 75 (77) auf BayVerfGHE 23, 80 (86); 23, 106 (108); 25, 45 (48); 28, 14 (19); 31, 99 (120); 33, 168 (171 f.); 36, 188 (189 f.); BayVerfGH BayVBl. 1985, 115 ff.; BayVerfGH BayVBl. 1985, 115 (116) auf BayVerfGHE 23, 80 (86); 23, 106 (108); 25, 45 (48); 28, 14 (19); 31, 99 (120); BayVerfGH BayVBl. 1983, 494 (495 f.) [ = BayVerfGHE 36, 56]; BayVerfGHE 36, 188 (189) auf BayVerfGHE 23, 80 (86); 23, 106 (108); 25, 45 (48); 28, 14 (19); 31, 99 (120); BayVerfGH BayVBl. 1983, 494 (495 f.) [ = BayVerfGHE 36, 56]; BayVerfGHE 36, 162 (168) auf BayVerfGHE 23, 80 (86); 25, 45 (48); 28, 14 (19); 31, 99 (120); BayVerfGHE 36, 56 (62) auf BayVerfGHE 23, 80 (86); 23, 106 (108); 25, 45 (48); 28, 14 (19); BayVerfGHE 33, 168 (171) auf BayVerfGHE 27, 93 (98); BayVerfGHE 31, 99 (120) auf BayVerfGHE 27, 93 (98); BayVerfGHE 28, 14 (19) auf BayVerfGHE 20, 101 (107); 23, 106 (108); 25, 45 (48); BayVerfGH Entscheidung vom 21. Mai 1974, Vf. 9-VII-73; BayVerfGHE 27, 93 (98) auf BayVerfGHE 18, 30 (35); 23, 106 (108); 25, 45 (48); BayVerfGH Entscheidung vom 21. Mai 1974, Vf. 9-VII-73; BayVerfGH Entscheidung vom 21. Mai 1974, Vf. 9-VII-7315 auf BayVerfGHE 20, 101 (107); 23, 106 (108); 25, 45 (48); BayVerfGHE 25, 45 (48) auf BayVerfGHE 23, 80 (86); BayVerfGHE 23, 106 (108) auf BayVerfGHE 18, 30 (35); 20, 101 (107); 20, 135 (137); BayVerfGHE 23, 80 (86) auf BayVerfGHE 18, 30 (35); 20, 101 (107); 20, 135 (137); BayVerfGHE 20, 135 (137) auf BayVerfGHE 11, 127 (140); 17, 1 (2); 18, 30 (35); BayVerfGH Entscheidung vom 18. Mai 1967, Vf. 35-VII-63 ( = BayVerfGHE 20, 101); BayVerfGHE 20, 101 (107) auf BayVerfGHE 5, 166; 18, 30 (35); BayVerfGHE 18, 30 (35) auf BayVerfGHE 5, 166 (184); BayVerfGHE 11, 127 (140) auf BayVerfGHE 5, 166. BayVerfGHE 17, 1 (2) behandelt die Frage der Zulässigkeit einer erneuten Richtervorlage. In mehreren Entscheidungen verweist der Verfassungsgerichtshof auf Meder, BV, Art. 98 Rn. 38.16 Dessen Ausführungen enthalten jedoch keine weitergehende Begründung, sondern stellen lediglich die Ansicht des Gerichtshofs dar. Das gleiche gilt für die Kommentierung von Wolff, in: Lindner / Möstl / Wolff, BV, Art. 98 Rn. 52 f., auf die der Verfassungsgerichtshof verweist17.

In der grundlegenden Entscheidung aus dem Jahr 1952 zur Wiederholung einer Popularklage begründet der Bayerische Verfassungsgerichtshof deren grundsätzliche Unzulässigkeit wie folgt: „Hat der Verfassungsgerichtshof“ … „die Vereinbarkeit einer Norm mit der Bayerischen Verfassung bejaht, so übt diese Norm ihren regelnden Einfluß auf die von ihr geordneten

15 16 17

Kurztext veröffentlicht in juris. BayVerfGHE 44, 61 (75); 46, 201 (203); BayVerfGH BayVBl. 1996, 175; 2010, 140. BayVerfGH BayVBl. 2010, 140.

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5. Kap.: Wiederholung einer Popularklage

Lebensverhältnisse weiter aus. Die Rechtslage ist in diesem Sinne geklärt und es soll im allgemeinen auch hie[r]bei sein Bewenden haben.“18

In einer Entscheidung aus dem Jahr 1970 ergänzt der Gerichtshof: „Es vertrüge sich nicht mit [der] Stellung [des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs] als oberstes Gericht für staatsrechtliche Angelegenheiten (Art. 60 BV), daß von ihm bereits entschiedene Fragen ohne weiteres erneut seiner Prüfung unterstellt werden dürfen.“19

Im Jahr 1995 führt der Verfassungsgerichtshof im Rahmen einer Entscheidung über Anträge auf Beiladung zu einem Popularklageverfahren aus: „Die Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit einer Norm im Popularklageverfahren ist schon ihrer Natur nach allgemeinverbindlich“. … „Es bedarf daher keiner Beiladung, um die Bindungswirkung der Entscheidung über die Hauptbeteiligten hinaus zu erstrecken.“20

Trotz der zahlreichen Entscheidungen, die die Frage behandeln, ob eine Wiederholung einer abgewiesenen Popularklage zulässig ist, begründet der Bayerische Verfassungsgerichtshof somit nicht näher, weshalb entsprechende Anträge als unzulässig abzuweisen sind. Dieses Ergebnis ist nicht zwingend. Es wäre ebenso möglich, solche Popularklagen als unbegründet zu verwerfen, sofern sich an der inhaltlichen Beurteilung nichts geändert hat. Diese Praxis ist auch in Entscheidungen des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs zu finden. So lag bei einer Entscheidung aus dem Jahr 1960 in einem Teilbereich der Popularklage eine eindeutige Wiederholung vor. Der Verfassungsgerichtshof wies an dieser Stelle jedoch lediglich auf die Begründung der früheren Entscheidung hin, um die Unbegründetheit auch im wiederholenden Verfahren darzulegen. Er führte dazu schlicht aus: „Die Einwendungen, die der Antragsteller erneut gegen Art. 19 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Halbsatz 1 GWG, deren Fassung mit der des Jahres 1952 inhaltlich übereinstimmt, erhebt, sind demnach aus den in der Entscheidung vom 15. 5. 1953 dargelegten Erwägungen unbegründet.“21 Eine ähnliche Argumentation ist in einer Entscheidung aus dem Jahr 2005 zu finden. Die zu Grunde liegende Popularklage griff eine Regelung der Verordnung über die Arbeitszeit für den bayerischen öffentlichen Dienst an. Die Antragsteller rügten unter anderem, dass die Verordnung auf einer verfassungswidrigen Ermächtigungsnorm beruhe.22 Der Bayerische Verfassungsgerichtshof wies die Klage jedoch als unbegründet ab und führt dazu aus: „Der Verfassungsgerichtshof hat bereits in der Entscheidung vom 24. 7. 1995“ … „festgestellt, dass die Arbeitszeitverordnung auf einer ausreichenden gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage beruht.“ … „Hat der Verfassungsgerichtshof die Verfassungsmäßigkeit einer 18 19 20 21 22

BayVerfGHE 5, 166 (184). BayVerfGHE 23, 80 (86); ebenso BayVerfGHE 25, 45 (48). BayVerfGHE 48, 131 (132). BayVerfGH 13, 1 (6). BayVerfGHE 58, 196 (198).

§ 25 Grundsätzliche Unzulässigkeit einer Wiederholung

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Norm bejaht, so ist die Rechtslage geklärt und es soll dabei sein Bewenden haben.“ … „Ausnahmetatbestände liegen hier nicht vor.“23 Im Rahmen einer Entscheidung aus dem Jahr 2010 sieht der Verfassungsgerichtshof eine Popularklage ebenfalls als zulässig. Die Begründetheit verneint er unter anderem mit folgender Aussage: „Der Verfassungsgerichtshof hat bereits am 17. 10. 1967“ … „entschieden, dass das Verfahren beim Abzug der Kirchenlohnsteuer in der von den Antragstellern beanstandeten Form nicht gegen Art. 107 Abs. 5 BV verstößt“. … „Auf diese Ausführungen wird Bezug genommen.“24

In einer jüngeren Entscheidung spricht der Gerichtshof schließlich davon, seine Entscheidungen erwüchsen in Rechtskraft.25

B. Bewertung der Rechtsprechung Die Bayerische Verfassung regelt die Frage der Zulässigkeit der Wiederholung einer Popularklage nicht.

I. Die Regelung des Art. 29 Abs. 1 BayVerfGHG Die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs könnte ihre Grundlage in Art. 29 Abs. 1 BayVerfGHG finden. Dieser lautet: „Die Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofs sind für alle anderen Verfassungsorgane sowie für Gerichte und Behörden bindend.“

Der Wortlaut dieser Norm ist im Wesentlichen mit dem des § 31 Abs. 1 BVerfGG identisch.26 Sie unterscheiden sich nur insofern, als Art. 29 Abs. 1 BayVerfGHG die Bindung ausdrücklich auf alle anderen Verfassungsorgane beschränkt. Wie bereits die Bayerische Verfassung zeigt, die dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof einen eigenen Abschnitt hinter den anderen Verfassungsorganen widmet, ist der Gerichtshof ein Verfassungsorgan.27 Der Wortlaut des Art. 29 Abs. 1 BayVerfGHG zeigt daher, dass diese Regelung zwar die anderen Verfassungsorgane, nicht aber den Gerichtshof selbst in die Bindungswirkung seiner Entscheidungen einbezieht.28 Neben den Verfassungsorganen erstreckt Art. 29 Abs. 1 BayVerfGHG die BindungswirBayVerfGHE 58, 196 (203). BayVerfGH BayVBl. 2011, 107 (108). 25 BayVerfGH BayVBl. 2001, 466 (467). 26 § 31 Abs. 1 BVerfGG lautet: „Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts binden die Verfassungsorgane des Bundes und der Länder sowie alle Gerichte und Behörden.“ 27 Vgl. Wolff, in: Lindner / Möstl / Wolff, BV, Art. 60 Rn. 1. 28 Vgl. Pestalozza, Verfassungsprozeßrecht, § 23 Rn. 123. 23 24

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5. Kap.: Wiederholung einer Popularklage

kung auf Gerichte und Behörden, nicht hingegen auf Privatpersonen. Da Art. 29 Abs. 1 BayVerfGHG weder den Antragsteller29 noch den Verfassungsgerichtshof an dessen frühere Entscheidungen bindet, kann diese Vorschrift30 die grundsätzliche Unzulässigkeit der Wiederholung einer Popularklage nicht begründen.

II. Die fehlende Regelung einer Gesetzeskraft Eine dem § 31 Abs. 2 BVerfGG vergleichbare Regelung, die bestimmten Entscheidungen Gesetzeskraft zumisst, enthält das BayVerfGHG nicht.31 Gerade die Gesetzeskraft der Normenkontrollentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts hat jedoch deren Allgemeinverbindlichkeit zur Folge,32 so dass jeder eine verworfene Norm als ungültig behandeln muss und sich im Falle einer Normbestätigung nicht auf deren Ungültigkeit berufen kann33. Der am Verfahren nicht beteiligte Bürger wird also durch die Gesetzeskraft gemäß § 31 Abs. 2 BVerfGG gebunden – nicht hingegen durch die Bindungswirkung des § 31 Abs. 1 BVerfGG.34 Mit dem Fehlen einer dem § 31 Abs. 2 BVerfGG vergleichbaren Regelung hat das BayVerfGHG eine Sonderstellung innerhalb der entsprechenden Gesetze der einzelnen Bundesländern inne.35 Daher erscheint eine nähere Betrachtung der Entstehungsgeschichte der bayerischen Regelung angebracht. Die Bindungswirkung der Entscheidungen war ursprünglich in § 21 des Gesetzes über den Verfassungsgerichtshof geregelt.36 Die einzige Änderung dieses Gesetzes ließ diese Norm unbe29 Dies gilt nur insoweit, als es sich beim Antragsteller nicht um eine bayerische Behörde handelt, da diese an die Entscheidungen gebunden sind. Insoweit sind jedoch die Grenzen der Rechtskraft auf die Bindungswirkung zu übertragen; vgl. Benda / E. Klein, Rn. 1332 ff. – zu Entscheidungen des BVerfG. 30 Dieses Ergebnis, wonach Art. 29 Abs. 1 BayVerfGHG den Bayerischen Verfassungsgerichtshof nicht an seine Entscheidungen bindet, heißt indes nicht, dass dieser nicht an seine Entscheidungen gebunden ist, etwa wenn er einen Rechtssatz für nichtig erklärt. Diese Bindung folgt vielmehr aus der Rechtskraft seiner Entscheidungen (vgl. hierzu sogleich unten § 25 B. IV. [S. 158]). 31 Pestalozza, Verfassungsprozeßrecht, § 23 Rn. 123. 32 Benda / E. Klein, Rn. 1314; Heusch, in: Umbach / Clemens / Dollinger, BVerfGG, § 31 Rn. 75; vgl. auch Schumann / Leipold, in: Stein / Jonas, ZPO, 19. Aufl., § 322 Anm. XII 6. a). 33 Heusch, in: Umbach / Clemens / Dollinger, BVerfGG, § 31 Rn. 75. 34 Pestalozza, Verfassungsprozeßrecht, § 20 Rn. 98 lit bb). 35 Vgl. Heusch, in: Umbach / Clemens / Dollinger, BVerfGG, § 31 Rn. 10 mit Fußn. 37; Pestalozza, Verfassungsprozeßrecht, § 20 Rn. 95 a. E. 36 Gesetz Nr. 72 über den Verfassungsgerichtshof vom 22. Juli 1947, GVBl S. 147; § 21 hatte folgenden Wortlaut: „Die Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofs sind für alle Gerichte und sonstigen Behörden bindend.“ Zu dieser Norm führte der BayVerfGH aus: „Damit wird nur das Verhältnis zwischen dem Verfassungsgerichtshof einerseits und den bayerischen Gerichten und sonstigen bayerischen Behörden andererseits in dem Sinne festgelegt, daß es diesen verwehrt ist, von den Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofs abzuweichen und gegenteilige Entscheidungen zu treffen; nicht ist aber damit gesagt, daß der Verfassungsge-

§ 25 Grundsätzliche Unzulässigkeit einer Wiederholung

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rührt.37 Erst im Jahr 1990 erfuhr dieser Regelungsbereich durch das BayVerfGHG38 eine Änderung. Art. 29 Abs. 1 BayVerfGHG erhielt seinen noch heute geltenden Wortlaut. Die Begründung des Gesetzeswortlautes geht im allgemeinen Teil indes überhaupt nicht auf die Frage der Bindungswirkung und der Gesetzeskraft ein.39 Zu Art. 29 Abs. 1 führt sie lediglich aus: „Die Regelung in Abs. 1, die an die Stelle des bisherigen Art. 20 tritt, stellt klar, daß die Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofs auch alle anderen Verfassungsorgane binden. Auch der Landtag ist beispielsweise gehindert, ein für nichtig erklärtes Gesetz bei unveränderter Sach- und Rechtslage neu zu erlassen.“40

Sowohl die Ausschüsse als auch das Plenum änderten den Wortlaut des Art. 29 Abs. 1 BayVerfGHG nicht mehr.41 Bei den Gesetzesentwürfen der Oppositionsparteien standen die Fragen der Wahl der Mitglieder des Verfassungsgerichtshofs, dessen Zusammensetzung sowie die Institution des Generalsekretärs im Vordergrund.42 Dementsprechend drehte sich die Diskussion im Plenum vor allem um die Frage der Wahl der Richter.43 Die Gesetzgebungsgeschichte lässt daher keinen Rückschluss auf die Frage zu, ob eine Regelung zu einer Gesetzeskraft bzw. Allgemeinverbindlichkeit der Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofs bewusst unterblieb.

III. Ergänzende Heranziehung der VwGO oder ZPO Da das BayVerfGHG keine Regelung in Bezug auf die Wiederholung einer Popularklage enthält, könnte gemäß Art. 30 Abs. 1 BayVerfGHG eine Vorschrift der VwGO entsprechend heranzuziehen sein. So bestimmt § 47 Abs. 5 Satz 2 Halbrichtshof selbst unter allen Umständen für die Zukunft an seine Entscheidungen gebunden ist.“ … „Der Wortlaut des § 21 spricht eher gegen die Ansicht, daß eine Bindung des Verfassungsgerichtshofs an seine eigenen Entscheidungen geschaffen werden sollte.“ (BayVerfGHE 5, 166 [183 f.]). 37 Vgl. das Gesetz zur Änderung des Gesetzes Nr. 72 über den Verfassungsgerichtshof sowie des Gesetzes über die Entschädigung der Mitglieder des Verfassungsgerichtshofs vom 26. Oktober 1962, GVBl S. 267. 38 Gesetz über den Bayerischen Verfassungsgerichtshof (VfGHG) vom 10. Mai 1990, GVBl S. 122. 39 Vgl. LT-Drs. 11 / 12997, S. 13. 40 Bayerischer Landtag Drucksache 11 / 12997 vom 28. September 1989, S. 20; die Ansicht, wonach der Normgeber durch die Nichtigerklärung einer Norm am Erlass einer inhaltsgleichen Rechtsvorschrift gehindert ist, ist jedoch abzulehnen (vgl. zu dieser Frage etwa Bethge, in: Maunz / Schmidt-Bleibtreu / F. Klein / Bethge, § 35 Rn. 60; Detterbeck, AöR 116 [1991], S. 391 [391 ff.]; Heusch, in: Umbach / Clemens / Dollinger, BVerfGG, § 31 Rn. 59; Korioth, Der Staat 30 [1991], S. 549 [549 ff.]; Sachs, FS Kriele, S. 431 [446 ff.]). 41 Vgl. LT-Drs. 11 / 14055, 11 / 15131, 11 / 15737 und 11 / 15850. 42 Vill, BayVBl. 1991, 353. 43 Vgl. Bayerischer Landtag, Plenarprotokoll 11 / 125, S. 8579 ff.

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5. Kap.: Wiederholung einer Popularklage

satz 2 VwGO die Allgemeinverbindlichkeit der Normenkontrollentscheidung, wenn das Oberverwaltungsgericht die Rechtsvorschrift für unwirksam erklärt. Die Ablehnung eines Antrags gemäß § 47 VwGO entfaltet hingegen nur zwischen den Verfahrensbeteiligten Rechtskraft.44 Die Gültigkeit der Norm ist daher nur nach § 121 VwGO zwischen den Beteiligten rechtskräftig festgestellt.45 Eine ergänzende Heranziehung einer Vorschrift der VwGO kann daher die grundsätzliche Unzulässigkeit der Wiederholung einer abgewiesenen Popularklage nicht begründen. Sofern der Verfassungsgerichtshof eine Beschwerde gemäß Art. 98 Satz 4 BV statt gegeben hatte, stellt sich die Frage der Zulässigkeit einer erneuten Popularklage hingegen nicht,46 weshalb eine Heranziehung des § 47 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 VwGO nicht erforderlich ist. Die Regelung der subjektiven Rechtskraftwirkung des § 325 Abs. 1 ZPO kennt keine Allgemeinverbindlichkeit einer Entscheidung. Eine solche ergibt sich allerdings im Bereich des Gestaltungsurteils. Denn dieses stellt nicht ein Recht als bestehend fest, sondern schafft eine neue Rechtslage. Es wirkt daher für und gegen alle.47 Unabhängig von der Frage, ob es sich hierbei um eine Rechtskrafterstreckung handelt, ist diese Situation mit der Popularklage nicht vergleichbar. Denn der Gerichtshof stellt die Vereinbarkeit bzw. Unvereinbarkeit mit der Bayerischen Verfassung fest, er trifft hingegen kein Gestaltungsurteil. Eine entsprechende Heranziehung einer Norm der VwGO oder ZPO nach Art. 30 Abs. 1 BayVerfGHG kommt daher nicht in Betracht. IV. Rechtskraft der Normenkontrollentscheidung Die grundsätzliche Unzulässigkeit der Wiederholung einer Popularklage könnte darin begründet sein, dass die Entscheidungen des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs in Rechtskraft erwachsen. Bei der Rechtskraft von Entscheidungen handelt es sich um einen allgemeinen Prozessgrundsatz, der im Popularklageverfahren anwendbar ist.48 Denn weder schließt ihn eine ausdrückliche Regelung aus49, noch stehen Unterschiede der Verfahrensarten der Anwendung entgegen. 1. Formelle Rechtskraft Die formelle Rechtskraft bezeichnet den Ausschluss der Möglichkeit, die Entscheidung durch ein Rechtsmittel zu einem übergeordneten Gericht anzugreifen, Kopp / Schenke, VwGO, § 47 Rn. 146. Giesberts, in: Posser / Wolff, VwGO, § 47 Rn. 83. 46 Vgl. oben bei Fußn. 6 (5. Kapitel). 47 Baumbach / Lauterbach / Albers / Hartmann, ZPO, § 325 Rn. 15; Schilken, Zivilprozessrecht, Rn. 195. 48 Vgl. hierzu oben § 3 C. V. (S. 75). 49 Vgl. oben § 25 B. II. (S. 156) und § 25 B. III. (S. 157). 44 45

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also die Unanfechtbarkeit der Entscheidung.50 Auch verfassungsgerichtliche Entscheidungen sind der formellen Rechtskraft fähig.51 Denn aus deren Unanfechtbarkeit folgt die formelle Rechtskraft.52 Fraglich ist damit, ob dies auch auf die Entscheidungen des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs zutrifft, oder ob sie in diesem Sinne mit einem Rechtsmittel zu einem übergeordneten Gericht angreifbar sind. a) Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs können mit einer Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG angegriffen werden.53 Denn auch in den Verfahren vor den Landesverfassungsgerichten gelten die prozessualen Bundesgrundrechte und die sich im prozessualen Forum auswirkenden allgemeinen Grundrechte des Grundgesetzes.54 Dies gilt insbesondere für das Recht auf Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG), das Grundrecht auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 GG) sowie den Satz von der Gleichheit vor dem Richter (Art. 3 Abs. 1 GG).55 Aufgrund der selbständig nebeneinander stehenden Verfassungsräume der Bayerischen Verfassung und des Grundgesetzes besteht hierbei jedoch keine Überordnung des Bundesverfassungsgerichts in der Art eines Instanzenzugs.56 Es liegt insofern kein „übergeordnetes“ Gericht vor. Auch stellt die Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht kein „Rechtsmittel“ in diesem Sinne,57 sondern einen außerordentlichen Rechtsbehelf dar.58 War das Ausgangsverfahren rechtskräftig abgeschlossen, was aufgrund des § 90 Abs. 2 BVerfGG regelmäßig der Fall ist, 50 Benda / E. Klein, Rn. 1292; Grunsky, S. 485; Lange, JuS 1973, 1 (2); Pestalozza, Verfassungsprozeßrecht, § 20 Rn. 52; Rosenberg / Schwab / Gottwald, § 149 Rn. 1; Vogel, FG 25 Jahre, BVerfG I, S. 568 (583); Wenig, DVBl. 1973, 345. 51 Benda / E. Klein, Rn. 1292; Heusch, in: Umbach / Clemens / Dollinger, BVerfGG, § 31 Rn. 30; Maassen, NJW 1975, 1343 (1344); Vogel, FG 25 Jahre BVerfG, Band I, 568 (583). 52 Schnapp / Henkenötter, JuS 1994, 121 (122); Maassen, NJW 1975, 1343 (1344); Heusch, in: Umbach / Clemens / Dollinger, BVerfGG § 31 Rn. 30; Vogel, FG 25 Jahre BVerfG, Band I, 568 (583). 53 BVerfGE 6, 445 (449); 90, 277 (283); 97, 298 (308); Friesenhahn, FG 25 Jahre BVerfG, Band I, S. 748 (794); Kunze, in: Umbach / Clemens / Dollinger, BVerfGG, Vor §§ 17 ff. Rn. 44; Zuck, Verfassungsbeschwerde, Rn. 555; vgl. hierzu ausführlich Schumann, FS 50 Jahre BayVerfGH, S. 201 (201 ff.). 54 Schumann, FS 25 Jahre BayVerfGH, S. 281 (306); das BVerfG hat ausdrücklich festgestellt, dass Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG und Art. 103 Abs. 1 GG im Popularklageverfahren greifen (BVerfGE 13, 132 [140 f.]). 55 Schumann, FS 25 Jahre BayVerfGH, S. 281 (306). 56 BVerfGE 6, 445 (449); Friesenhahn, FG 25 Jahre BVerfG, Band I, S. 748 (794). 57 BVerfGE 49, 252 (258); Fleury, Rn. 247; Schumann, Verfassungs- und Menschenrechtsbeschwerde, S. 34. 58 BVerfGE 49, 252 (258); Fleury, Rn. 247; Schumann, Verfassungs- und Menschenrechtsbeschwerde, S. 35.

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5. Kap.: Wiederholung einer Popularklage

wird mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts die Rechtskraft beseitigt.59 Die Möglichkeit der Erhebung einer Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht gegen eine Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs steht der formellen Rechtskraft dieser Entscheidung somit nicht entgegen. b) Menschenrechtsbeschwerde zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte Ebenso wenig steht der formellen Rechtskraft der Entscheidungen des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs die Möglichkeit entgegen, mit einer Individualbeschwerde gemäß Art. 34 EMRK den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte anzurufen. Auch mit dieser Beschwerde können gerichtliche Entscheidungen angegriffen werden.60 Prüfungsmaßstab des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs ist die Bayerische Verfassung,61 der des Europäischen Gerichtshofs für Menschrechte ist die Europäische Menschenrechtskonvention.62 Letzerer kommt in Deutschland der Rang eines Bundesgesetzes zu,63 so dass auch hier selbständig nebeneinander stehende Prüfungsmaßstäbe vorliegen. Eine instanzenmäßige Überordnung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte gegenüber dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof liegt – ebenso wie beim Bundesverfassungsgericht64 – daher nicht vor.65 Die Menschenrechtsbeschwerde ist nicht als ordentlicher Rechtsbehelf im herkömmlichen Sinne, sondern als außenordentlicher Rechtsbehelf einzuordnen.66 Sie ist nicht als kassatorische, sondern als nicht-kassatorische Beschwerde ausgestaltet. Hat sie Erfolg, kann der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte das menschenrechtswidrige Urteil nicht aufheben67; möglich ist hingegen eine Restitutionsklage nach § 580 Nr. 8 ZPO68, und damit die Wiederaufnahme eines VerfahStark, in: Umbach / Clemens / Dollinger, BVerfGG, § 95 Rn. 73. Schumann, FS 25 Jahre BayVerfGH, S. 281 (307). Da es sich bei der Menschenrechtsbeschwerde um einen subsidiären Rechtsbehelf handelt, der erst nach Erschöpfung aller innerstaatlichen Rechtsbehelfe zulässig ist, greift sie stets eine gerichtliche Entscheidung an, soweit sie sich gegen deutsche Hoheitsgewalt wendet (vgl. Schumann, FG Machacek und Matscher, S. 901 [903]). Vgl. außerdem Peukert, in: Frowein / Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, Art. 34 Rn. 47. Zum Verhältnis zwischen BVerfG und EGMR vgl. Steiner, FS Maurer, S. 1005 (1007 ff.); ders., FS Bethge, S. 653 ff. 61 Vgl. etwa Fleury, Rn. 155; siehe hierzu ausführlich unten 9. Kapitel: Prüfungsmaßstab (S. 283). 62 Schuska, S. 31. 63 BVerfGE 74, 358 (370); Frowein, in: Frowein / Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, Einführung Rn. 7; Schuska, S. 29. 64 Vgl. soeben oben § 25 B. IV. 1. a) (S. 159). 65 Vgl. Lechner / Zuck, BVerfGG, § 31 Rn. 9. 66 Peukert, in: Frowein / Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, Art. 34 Rn. 6; v. Stackelberg / v. Stackelberg, S. 87. 67 Schumann, FS Machacek und Matscher, S. 901 (904 f.), ders., in: Roth, Europäisierung des Rechts, S. 197 (216). 59 60

§ 25 Grundsätzliche Unzulässigkeit einer Wiederholung

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rens, das bereits rechtskräftig war69. Die Menschenrechtsbeschwerde steht daher der formellen Rechtskraft einer Entscheidung nicht entgegen, sondern durchbricht diese. c) Ergebnis Entscheidungen des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs in Popularklageverfahren erwachsen somit in formelle Rechtskraft.70 2. Materielle Rechtskraft Liegt formelle Rechtskraft vor, kommt auch materielle Rechtskraft in Betracht.71 Sie bedeutet die Bindung an den Inhalt eines formell rechtskräftigen Urteils.72 Sie schützt also über die Unanfechtbarkeit hinaus den inhaltlichen Bestand einer konkreten Entscheidung.73 In einem erneuten Verfahren darf das Gericht daher nicht abweichend entscheiden.74 Denn wäre dies der Fall, wäre die Rechtsunsicherheit nicht behoben und der Rechtsfriede weiterhin gefährdet.75 Sinn der materiellen Rechtskraft ist es daher, in den sachlichen und zeitlichen Grenzen des Entscheidungsgegenstandes, Rechtsfrieden zu stiften.76 Ihre verfassungsgemäße Verankerung findet sie im Rechtsstaatsprinzip.77 Dem entsprechend vertritt sowohl das Bundesverfassungsgericht78 als auch die fast einhellige Meinung im Schrifttum79 die Vgl. hierzu ausführlich Schumann, FS Machacek und Matscher, S. 901 (901 ff.). Vgl. J. Braun, in: Rauscher / Wax / J. Wenzel, Münchener Kommentar ZPO, Vor §§ 578 ff., Rn. 1. 70 Pestalozza, Verfassungsprozeßrecht, § 23 Rn. 121. 71 Grunsky, S. 485; Leipold, in: Stein / Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 322 Rn. 8; Rosenberg / Schwab / Gottwald, § 149 Rn. 3. 72 Lüke, Rn. 351. 73 Benda / E. Klein, Rn. 1298. 74 Vgl. Lüke, Rn. 351 f.; Pestalozza, Verfassungsprozeßrecht, § 20 Rn. 58; Brox, FS Geiger, S. 809 (819); Schnapp / Henkenötter, JuS 1994, 121 (122); Pestalozza, Verfassungsprozeßrecht, § 20 Rn. 58; Zuck, NJW 1975, 907 (908). 75 Benda / E. Klein, Rn. 1296; vgl. auch Lüke, Rn. 351. 76 BVerfGE 47, 146 (165); Heusch, in: Umbach / Clemens / Dollinger, BVerfGG, § 31 Rn. 34. 77 Heusch, in: Umbach / Clemens / Dollinger, BVerfGG, § 31 Rn. 34; Rosenberg / Schwab / Gottwald, § 151 Rn. 1. 78 BVerfGE 20, 56 (86); 33, 199 (203); 78, 320 (328); 104, 151 (196). 79 Benda / E. Klein, Rn. 1297; Brox, FS Geiger, S. 809 (815); Detterbeck, Streitgegenstand und Entscheidungswirkungen, S. 328 ff.; Geiger, Besonderheiten, S. 26; H. Klein, NJW 1977, 697; Lange, JuS 1973, 1 (2); Lechner / Zuck, BVerfGG, § 31 Rn. 13; Maassen, NJW 1975, 1343 (1344); Pestalozza, Verfassungsprozeßrecht, § 20 Rn. 54; Rupp, FS Kern, S. 403 (404); Sachs, FS Kriele, S. 431 (439); Vogel, FG 25 Jahre BVerfG, Band I, S. 568 (569); Schumann, JZ 1973, 484 (485); ders., in: Starck / Stern, LVG II, S. 149 (223); Strehle, S. 56, Zuck, NJW 68 69

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5. Kap.: Wiederholung einer Popularklage

Ansicht, dass auch Entscheidungen von Verfassungsgerichten der Rechtskraft fähig sind. Demnach erwachsen auch die Entscheidungen des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs in Popularklageverfahren in materielle Rechtskraft. Dies entspricht der jüngeren Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs.80 a) Die überholte Ansicht der Nichtanwendbarkeit des Instituts der Rechtskraft auf verfassungsgerichtliche Entscheidungen Der Bayerische Verfassungsgerichtshof war in seiner frühen Rechtsprechung der Ansicht, Entscheidungen in Popularklageverfahren erwüchsen nicht in Rechtskraft.81 Dem entsprechend zitieren ihn zahlreiche Literaturstimmen als Vertreter der Ansicht, die entgegen der herrschenden Meinung vertritt, das Institut der Rechtskraft sei auf verfassungsgerichtliche Entscheidungen nicht anwendbar.82 (1) Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs Die Grundsatzentscheidung zur Rechtskraft im Popularklageverfahren traf der Verfassungsgerichtshofs im Jahr 1952. Er ging dabei von einem Begriff der materiellen Rechtskraft aus der bedeute, dass die durch das Gericht aus dem einer Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt gezogenen Rechtsfolge auch für alle künftigen Streitfälle feststehe. Jede neue Verhandlung und Entscheidung über die rechtskräftig festgestellte Rechtsfolge sei also ausgeschlossen.83 Und weiter: „Begrifflich kann also von Rechtskraft nur gesprochen werden, wenn auf einen bestimmten Sachverhalt (Lebensvorgang) eine Norm angewendet wird (‚Subsumption‘).“ … „Im verfassungsgerichtlichen Verfahren können daher diese Grundsätze nur da Anwendung finden, wo über einen Sachverhalt entschieden wird, z. B. in den Fällen der Art. 63 und 120 BV. Das Wesen der Normenkontrolle besteht aber darin, daß eine Norm niedrigeren Ranges an einer Verfassungsnorm, also einer Norm höheren Ranges, gemessen wird. Die für die Rechtskraft geltenden Grundsätze sind deshalb auf die Normenkontrolle – jedenfalls nach Art. 98 Satz 4 und 92 BV – nicht anwendbar und stehen einer erneuten Sachentscheidung nicht entgegen.“84

Auch in späteren Entscheidungen verneint der Verfassungsgerichtshof die Anwendbarkeit der Grundsätze für die Rechtskraft gerichtlicher Entscheidungen auf

1975, 907 (908); zu den Vertretern der Gegenansicht vgl. sogleich unten § 25 B. IV. 2. a) (2) (S. 163). 80 BayVerfGH BayVBl. 2001, 466 (467). 81 Vgl. sogleich § 25 B. IV. 2. a) (1) (S. 162). 82 Brox, FS Geiger, S. 809 (815 f.); Kerbusch, S. 10; H. Klein, NJW 1977, 697 (698); Sachs, Bindung des Bundesverfassungsgerichts, S. 293; Vogel, FG 25 Jahre BVerfG, Band I, S. 568 (605); Zuck, NJW 1975, 907 (908). 83 BayVerfGHE 5, 166 (183). 84 BayVerfGHE 5, 166 (183).

§ 25 Grundsätzliche Unzulässigkeit einer Wiederholung

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das Normenkontrollverfahren.85 In der jüngeren Rechtsprechung geht er ebenfalls von der grundsätzlichen Unzulässigkeit der Wiederholung einer Popularklage aus, geht hierbei aber nicht mehr auf die Frage ein, ob die Entscheidungen in Rechtskraft erwachsen.86 Im Jahr 2001 führt der Gerichtshof schließlich aus, seine Entscheidungen erwüchsen in Rechtskraft. Eine ausdrückliche Abkehr von der alten Rechtsprechung oder eine Begründung dieser Ansicht unterlässt das Gericht allerdings.87 (2) Bewertung der Rechtsprechung Die früher vertretene Ansicht des Verfassungsgerichtshofs, wonach die Grundsätze der Rechtskraft auf Normenkontrollentscheidungen von Verfassungsgerichten nicht anwendbar seien, fand in älteren Literaturstimmen teilweise Zustimmung. So hielt Xaver Schoen die vom Gerichtshof geltend gemachten Gründe für einleuchtend.88 Ernst Friesenhahn stimmte dieser Rechtsprechung ebenfalls zu. Die Frage, ob eine schon einmal geprüfte und nicht für nichtig erklärte Norm erneut zur Prüfung gestellt werden könne, sei kein Rechtskraftproblem, sondern sie müsse aus der Eigenart des Normenkontrollverfahrens heraus entschieden werden.89 (a) Kein Fehlen einer Normanwendung Richtigerweise kann aber das vom Bayerischen Verfassungsgerichtshof ausgemachte terminologische Problem die Unanwendbarkeit der Rechtskraftgrundsätze nicht begründen.90 Mit der durch die Popularklage angegriffenen Norm liegt ein Sachverhalt vor, der an den Verfassungsbestimmungen gemessen wird.91 Der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs liegt eine Subsumtion zu Grunde, nämlich die, ob die jeweilige Norm mit der Bayerischen Verfassung vereinbar ist.92 Vergleichbare Konstellationen sind auch außerhalb des Verfassungsprozessrechts zu finden. So bildet beispielsweise die prozessual beanstandete Klausel bei Prozessen über Allgemeine Geschäftsbedingungen den Sachverhalt und damit den Streitgegenstand der Unterlassungsklage (vgl. § 8 Abs. 1 Nr. 1 und § 9 Abs. 1 Nr. 1 UKlaG).

BayVerfGHE 18, 30 (35); 11, 127 (140); 15, 29 (33 f.); 20, 101 (107). BayVerfGHE 49, 120 (123); 50, 106 (111); 50, 115 (123 f.); 51, 109 (114); 51, 131 (141 ff.); BayVerfGH BayVBl. 1996, 175. 87 BayVerfGH BayVBl. 2001, 466 (467). 88 Schoen, GS Jellinek, S. 407 (410). 89 Friesenhahn, Scritti in onore di Ambrosini I, S. 669 (697). 90 Benda / E. Klein, Rn. 1297; Sachs, Bindung des Bundesverfassungsgerichts, S. 294; Kerbusch, S. 14; Schnapp / Henkenötter, JuS 1994, 121 (122); Wenig, DVBl 1973, 345 (346); Zuck, NJW 1975, 907 (908). 91 Benda / E. Klein, Rn. 1297; Kerbusch, S. 14; Rupp, FS Kern, S. 403 (404); Vogel, FG 25 Jahre BVerfG, Band I, S. 568 (605). 92 Benda / E. Klein, Rn. 1297; Detterbeck, Streitgegenstand und Entscheidungswirkungen, S. 330; Rupp, FS Kern, S. 403 (404); Sachs, Bindung des Bundesverfassungsgerichts, S. 293. 85 86

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5. Kap.: Wiederholung einer Popularklage

(b) Keine Unanwendbarkeit der Rechtskraft aufgrund des Fehlens von Parteien Ein weiteres Argument, das Literaturstimmen gegen die materielle Rechtskraftfähigkeit der Normenkontrollentscheidungen vorbringen, ist das Fehlen von Parteien in objektiven Verfahren. So führt Roland Wenig aus, dass auch das Gericht an seine Entscheidung gebunden sei; allerdings nur im Hinblick auf die spezifischen Parteien, denen gegenüber die Rechtskraft wirke.93 Wenn aber in einem Verfahren keine Parteien vorhanden seien, sei das Gericht gegenüber niemandem gebunden. Die Rechtskraft würde daher „leerlaufen“ und sei aus diesem Grund abzulehnen.94 Diese Schlussfolgerung ist jedoch keineswegs zwingend. Ebenso ist denkbar, dass ein Gericht unabhängig vom Vorhandensein von Parteien durch ein Gesetz oder die Geltung von Verfahrensgrundsätzen gebunden ist. So weist Hans Brox in diesem Zusammenhang zu Recht auf Prozessordnungen hin, die in bestimmten Fällen die Rechtskraftwirkung gegenüber Dritten95 oder sogar gegenüber allen96 bestimmen.97 Auch die Argumentation Roland Wenigs überzeugt daher nicht. Aus dem Fehlen von Parteien im objektiven Normenkontrollverfahren kann nicht darauf geschlossen werden, dass Entscheidungen in Popularklageverfahren nicht der Rechtskraft fähig sind.98 (c) Grundsätze der Rechtskraft bei verfassungsgerichtlichen Entscheidungen anwendbar Richtigerweise sind auch Entscheidungen von Verfassungsgerichten der Rechtskraft fähig.99 Dies gilt auch für Normenkontrollentscheidungen.100 Gerichtsentscheidungen können in materielle Rechtskraft erwachsen, wenn sie der formellen Rechtskraft fähig, nach dem Zweck des vorausgehenden Verfahrens endgültig und eines solchen Inhalts sind, der über das Verfahren hinaus wirkt.101 Die Normenkontrollentscheidungen des Verfassungsgerichtshofs erfüllen diese Voraussetzungen. Die Wenig, DVBl. 1973, 345 (346). Wenig, Die gesetzeskräftige Feststellung einer allgemeinen Regel des Völkerrechts durch das Bundesverfassungsgericht, S. 73. 95 Z. B. § 9 TVG, §§ 325, 326, 327 ZPO. 96 Z. B. §§ 248, 252 AktG. 97 Brox, FS Geiger, S. 817. 98 Sachs, Bindung des Bundesverfassungsgerichts, S. 297. 99 BVerfGE 20, 56 (86); Brox, FS Geiger, S. 809 (815); Engelmann, S. 80; Geiger, Besonderheiten, S. 26; H. Klein, NJW 1977, 697; Kerbusch, S. 16; Lange, JuS 1973, 1 (2); Maassen, NJW 1975, 1343 (1344); Rupp, FS Kern, S. 403 (404); Vogel, FG 25 Jahre BVerfG, Band I, S. 568 (569); Schlaich / Korioth, Rn. 476; Zuck, NJW 1975, 907 (908). 100 BVerfGE 20, 56 (86); Engelmann, S. 80; Maassen, NJW 1975, 1343 (1344); Schumann / Leipold, in: Stein / Jonas, ZPO, 19. Aufl., § 322 Anm. XII 6. a). 101 Brox, FS Geiger, S. 809 (815); Schumann / Leipold, in: Stein / Jonas, ZPO, 19. Aufl., § 322 Anm. V 1. 93 94

§ 25 Grundsätzliche Unzulässigkeit einer Wiederholung

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Sonderstellung der Verfassungsgerichte kann nicht zu dem Ergebnis führen, dass Anträge beliebig wiederholbar wären.102 Sinn und Zweck der Rechtskraft sind auch für verfassungsgerichtliche Entscheidungen die Sicherung der Rechtssicherheit und des Rechtsfrieden, die dem Rechtsstaatsprinzip immanent sind.103 Denn für die Rechtsfriedenssicherung sind endgültige Entscheidungen erforderlich.104 b) Subjektiver Umfang der Rechtskraft Grundsätzlich wirkt die materielle Rechtskraft in subjektiver Hinsicht nur inter partes, also nur im Verhältnis der Verfahrensbeteiligten zueinander, einschließlich ihrer Rechtsnachfolger.105 Ob verfassungsgerichtliche Entscheidungen in Normenkontrollverfahren im Gegensatz hierzu inter omnes wirken, ist umstritten.106 (1) Argumente gegen eine Wirkung inter omnes Gegen die Wirkung inter omnes wird vor allem vorgebracht, dass am Verfahren unbeteiligte Privatpersonen nicht durch die Rechtskraft gebunden sein könnten, da ihnen sonst ihr rechtliches Gehör gewährt werden müsste.107 Das Bundesverfassungsgericht habe dies gerade auch für diejenigen dargetan, die durch eine „Rechtskraft inter omnes“ betroffen werden.108 Gemäß Art. 91 Abs. 1 BV hat „jedermann“ Anspruch auf rechtliches Gehör109. Diese Regelung gewährt aber kein „Popularrecht“ der Anhörung oder Beteiligung.110 Sie kann nicht als eine Verpflichtung verstanden werden, wonach jede beliebige Person in jedem Gerichtsverfahren gehört werden muss.111 Voraussetzung ist vielmehr eine hinreichende Beziehung zum Verfahren.112 Träger des Grundrechts ist nur derjenige, der formell oder materiell durch das Gerichtsverfahren betroffen ist.113 Für die Frage, ob Popularklageverfahren Allgemeinverbindlichkeit zukommen kann, ist ausschlaggebend, ob die formell nicht Vgl. Lechner / Zuck, BVerfGG, § 31 Rn. 12. Brox, FS Geiger, 809 (814); Lange, JuS 1973, 1 (2); Schumann / Leipold, in: Stein / Jonas, ZPO, 19. Aufl., § 322 Anm. III 4.; Vogel, FG 25 Jahre BVerfG, Band I, S. 568 (594). 104 Grunsky, S. 484; Schnapp / Henkenötter, JuS 1994, 121. 105 Heusch, in: Umbach / Clemens / Dollinger, BVerfGG, § 31 Rn. 44; Rosenberg / Schwab / Gottwald, § 156 Rn. 1; Schnapp / Henkenötter, JuS 1994, 121 (122). 106 Detterbeck, Streitgegenstand und Entscheidungswirkungen, S. 439. 107 Vogel, FG 25 Jahre BVerfG, Band I, S. 568 (610). 108 Vogel, FG 25 Jahre BVerfG, Band I, S. 568 (610) unter Verweis auf BVerfGE 21, 132 (137). 109 Vgl. hierzu ausführlich Bretschneider. 110 Kolb, S. 60; vgl. auch Bettermann, JZ 1962, 675 (676); Bork, FS Kerameus, S. 141 (142) – zu Art. 103 Abs. 1 GG. 111 Schilken, Gerichtsverfassungsrecht, Rn. 133 – zu Art. 103 Abs. 1 GG. 112 Bork, FS Kerameus, S. 141 (142) – zu Art. 103 Abs. 1 GG. 113 Bretschneider, S. 56; Wolff, in: Lindner / Möstl / Wolff, BV, Art. 91 Rn. 8. 102 103

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5. Kap.: Wiederholung einer Popularklage

Beteiligten durch die Normenkontrollentscheidung des Gerichtshofs materiell betroffen sind, und sie daher über einen Anspruch auf rechtliches Gehör verfügen. Anhand welcher Kriterien insofern eine Eingrenzung erfolgen soll, wird kontrovers diskutiert.114 In der Literatur vertritt wohl Peter Schlosser die weiteste Definition der materiellen Betroffenheit.115 Auf das rechtliche Gehör könne nach seiner Ansicht nur verzichtet werden, wenn der Beteiligtenkreis in der konkreten Situation so groß ist, dass nicht alle Beteiligten zum Verfahren zugezogen werden können.116 Da von der Entscheidung über die Gültigkeit einer Norm – ebenso wie dieser Norm selbst – alle Normadressaten betroffen sind, wäre deren Zuziehung faktisch nicht möglich. Eine nur mittelbare Betroffenheit oder eine nur faktische Ausstrahlung einer Entscheidung ist für eine materielle Betroffenheit im Sinne des Art. 91 Abs. 1 BV jedenfalls nicht ausreichend.117 Als solche ist die Entscheidung über die Gültigkeit einer Norm einzustufen, so dass die Normadressaten nicht zu den formell oder materiell Beteiligten zählen118. Über einen Anspruch auf rechtliches Gehör verfügen daher nicht alle von der verfahrensgegenständlichen Norm Betroffenen, sondern nur die Verfahrensbeteiligten.119 Die Rechtskraftwirkung inter omnes verstößt daher nicht gegen Art. 91 Abs. 1 BV.120 Ein weiteres Argument in der Diskussion um die subjektiven Grenzen der Rechtskraft hat ihren Ausgangspunkt im objektiven Charakter der Popularklage, in dem es keine Parteien gibt121, so dass insofern zumindest teilweise das „personale Substrat“ fehle.122 Hieraus wird in der Literatur der Schluss gezogen, ein Verfahren ohne Beteiligte könne keine Rechtskraftwirkung entfalten, da es niemanden gebe, der gebunden sein könne.123

Bork, FS Kerameus, S. 141 (144). Bork, in FS Kerameus, S. 141 (147). 116 Schlosser, JZ 1967, 431 (433). 117 Bretschneider, S. 57; Wolff, in: Lindner / Möstl / Wolff, BV, Art. 91 Rn. 8. 118 Meder, BV, Art. 98 Rn. 7a. Ein Anhörungsrecht betroffener Gemeinden kann sich jedoch aus dem gemeindlichen Selbstverwaltungsrecht des Art. 11 Abs. 2 BV ergeben (vgl. BayVerfGH BayVBl. 1984, S. 109). 119 Kolb, S. 62; Pohle, Verfassungsbeschwerde und Normenkontrolle, S. 38. 120 Der von Vogel zitierte Beschluss des BVerfG (vgl. oben Fußn. 108 [5. Kapitel]) steht zu diesem Ergebnis nicht im Widerspruch. Denn dieser bezog sich auf die Anfechtung der Ehelichkeit des Kindes, die für und gegen alle wirkt. Wegen der unmittelbaren Einwirkung des zu erlassenden Urteils in die Rechte des Vaters war ihm rechtliches Gehör zu gewähren, da er nicht als Partei zum Ehelichkeitsanfechtungsprozess zugezogenen war (BVerfGE 21, 132 [137]). Dies kann auf den vorliegenden Fall der indirekten Betroffenheit nicht übertragen werden. 121 Kerbusch, S. 66. 122 Heusch, in: Umbach / Clemens / Dollinger, BVerfGG, § 31 Rn. 47. 123 Vgl. Heusch, in: Umbach / Clemens / Dollinger, BVerfGG, § 31 Rn. 47; Wenig, DVBl. 1973, 345 (346). 114 115

§ 25 Grundsätzliche Unzulässigkeit einer Wiederholung

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(2) Argumente für eine Wirkung inter omnes Aus dem weitgehenden Fehlen der „personellen Komponente“ objektiver Verfahren124 lässt sich jedoch auch der gegenteilige Schluss ziehen. Nämlich dass nicht die materielle Rechtskraft, sondern deren subjektiven Rechtskraftgrenzen entfallen.125 Entscheidend ist indes die Unabhängigkeit der verfassungsprozessualen Normenkontrolle von der Beteiligung oder der Individualbeziehung einer Person zum Streitgegenstand.126 Das Popularklageverfahren ist nicht als kontradiktorisches Streitverfahren ausgestaltet. Dem entsprechend griffe bei einem Normenkontrollverfahren die Wirkung inter partes ins Leere. Bei einem solchen objektiven Verfahren erwächst allein die – vom Antragsteller unabhängige – Frage in Rechtskraft, ob ein bestimmter Rechtssatz gültig ist oder nicht.127 Aus dem Wesen des Verfahrens folgt, dass die Begrenzung der Rechtskraft auf die Wirkung inter partes nicht gelten kann.128 Denn da es keine relative Gültigkeit oder Ungültigkeit von Rechtsnormen gibt, muss auch die richterliche Normenkontrollentscheidung über eine bloß relative Geltungskraft hinausgehen.129 Richtigerweise entfalten daher die verfassungsgerichtliche Normenkontrollentscheidungen Wirkung inter omnes.130 Von dieser Ansicht geht auch das BayVerfGHG aus. Gemäß Art. 25 Abs. 7 BayVerfGHG ist die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs im Gesetz- und Verordnungsblatt zu veröffentlichen, wenn dieser eine Rechtsvorschrift für verfassungswidrig, nichtig oder nur in einer bestimmten Auslegung für verfassungsgemäß erklärt. Diese Veröffentlichung unterstreicht die Allgemeinverbindlichkeit des Richterspruchs. c) Objektiver Umfang der Rechtskraft Über die Frage, wie weit in objektiver Hinsicht der Umfang der materiellen Rechtskraft von Normenkontrollentscheidungen reicht, besteht in Literatur und Rechtsprechung keine Einhelligkeit. Der Umfang wird jedenfalls durch den Ausspruch über den Entscheidungsgegenstand bestimmt.131 Nur die im Tenor getroffene Feststellung erwächst in Rechtskraft.132 Auf die Entscheidungsgründe darf nur zuBethge, in: Maunz / Schmidt-Bleibtreu / F. Klein / Bethge, BVerfGG, § 31 Rn. 53. Benda / E. Klein, Rn. 1300; Bethge, in: Maunz / Schmidt-Bleibtreu / F. Klein / Bethge, BVerfGG, § 31 Rn. 53; Bryde, S. 405; Heusch, in: Umbach / Clemens / Dollinger, BVerfGG, § 31 Rn. 47; Seuffert, AöR 104 (1979), 169 (177). 126 Geiger, Besonderheiten, S. 27. 127 Benda / E. Klein, Rn. 1300; vgl. auch E. Klein, AöR 108 (183), 410 (436). 128 Kerbusch, S. 67; Seuffert, AöR 104 (1979), 169 (177). 129 Bettermann, AöR 86 (1961), S. 129 (160); Papier, FS Menger, S. 517 (519). 130 Benda / E. Klein, Rn. 1300; Geiger, Besonderheiten, S. 28; Kerbusch, S. 67; Seuffert, AöR 104 (1979), 169 (177). 131 Schnapp / Henkenötter, JuS 1994, 121 (122). 132 Kerbusch, S. 25. 124 125

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5. Kap.: Wiederholung einer Popularklage

rückgegriffen werden, um den Sinn der Entscheidungsformel zu klären.133 Bei Normenkontrollentscheidungen ist die im Tenor getroffene Feststellung die Frage der Vereinbarkeit der Norm mit dem geprüften Verfassungsrecht.134 Nach einer Ansicht erwächst daher nur der Schluss, dass eine ganz bestimmte Norm mit der Verfassung im Einklang steht, in Rechtskraft.135 Andere Literaturstimmen vertreten hingegen die Meinung, Angriffs- und Verfahrensgegenstand seien voneinander zu trennen. Die Rechtskraft erstrecke sich in objektiver Hinsicht auf die Feststellung, dass eine Norm dieser Art mit höherrangigem Recht unvereinbar sei.136 Diese Ansicht liegt offenbar auch der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu Grunde.137 Erklärt das Verfassungsgericht eine Norm für verfassungswidrig, kann es sich auf die Feststellung eines einzelnen oder mehrerer einzelner Verfassungsverstöße begrenzen. Die Entscheidung entfaltet dann nur insoweit Rechtskraft. Erklärt das Verfassungsgericht jedoch eine Norm für verfassungsgemäß, bezieht sich dieser Ausspruch auf alle Bestimmungen der Verfassung.138 d) Zeitliche Grenzen der Rechtskraft Die materielle Rechtskraft verfassungsgerichtlicher Entscheidungen stößt insofern an zeitliche Grenzen, als sie sich dem allgemeinen Grundsatz des Prozessrechts entsprechend auf den Zeitpunkt der Entscheidung bezieht. Die Rechtskraft greift also nicht ein, wenn sich die Sach- oder Rechtslage nach der letzten mündlichen Verhandlung verändert hat.139 Die Rechtskraft hindert nicht an der Berufung auf neue Tatsachen, die erst nach der früheren Entscheidung entstanden sind.140

Benda / E. Klein, Rn. 1323; Kerbusch, S. 25. Vgl. Kerbusch, S. 32. 135 BVerfGE 20, 56 (86); Brox, FS Geiger, 809 (820); Heusch, in: Umbach / Clemens / Dollinger, BVerfGG, § 31 Rn. 47. 136 Detterbeck, Streitgegenstand und Entscheidungswirkungen, S. 444; vgl. auch Sachs, Bindung des Bundesverfassungsgerichts, S. 311 f. 137 So leitet das BVerwG aus der materiellen Rechtskraft bei unveränderter Sach- und Rechtslage ein Verbot der inhaltsgleichen Neuregelung ab (vgl. hierzu Fußn. 40 [5. Kapitel]). Die Rechtskraft wird dabei also nicht auf eine konkrete Norm, sondern auf einen bestimmten Norminhalt bezogen (vgl. BVerwG NVwZ 2000, 813 [814]). 138 Rennert, in: Umbach / Clemens, BVerfGG, 1. Aufl., § 31 Rn. 40. 139 Benda / E. Klein, Rn. 1303; Kerbusch, S. 24; Rosenberg / Schwab / Gottwald, § 155 Rn. 1; Schnapp / Henkenötter, JuS 1994, 121 (123). 140 BVerfGE 33, 199 (203); Geiger, Besonderheiten, S. 28 f.; Grunsky, S. 524; H. Klein, NJW 1977, 697 (698); Lange, JuS 1973, 1 (3); Schnapp / Henkenötter, JuS 1994, 121 (123); Vogel, FG 25 Jahre BVerfG, Band I, S. 568 (610). 133 134

§ 26 Vorliegen einer Wiederholung

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e) Wirkung der Rechtskraft Die Rechtskraft bewirkt eine Bindung an die Entscheidung. Ein späterer Richter darf über denselben Streitgegenstand nicht erneut bzw. abweichend entscheiden.141 Die Rechtskraft wirkt darüber hinaus als Wiederholungsverbot.142 Sie ist eine negative Sachurteilsvoraussetzung, die zur Unzulässigkeit eines neuen Antrags über den selben Streitgegenstand führt.143 3. Ergebnis Die Normenkontrollentscheidungen des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs erwachsen in formelle und materielle Rechtskraft. Greift eine Popularklage eine Norm an, deren Verfassungsmäßigkeit vom Verfassungsgerichtshof bereits bejaht wurde, ist die Rechtskraft der ergangenen Entscheidung zu beachten. Die erneute Klage stellt eine Wiederholung dar und ist in den Grenzen der Rechtskraftwirkung unzulässig.

§ 26 Vorliegen einer Wiederholung A. Bereits ergangene Entscheidungen des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs in Popularklageverfahren Die Frage, ob eine Wiederholung einer Popularklage vorliegt, tritt meist dann auf, wenn der Bayerische Verfassungsgerichtshof in einem anderen Popularklageverfahren eine Entscheidung getroffen hat.

I. Erneute Popularklage gegen bereits abgewiesene Popularklage Der offensichtlichste Fall der Wiederholung liegt vor, wenn mit der Erhebung einer Popularklage die erneute Entscheidung über eine abgewiesene Popularklage erreicht werden soll.

Pestalozza, Verfassungsprozeßrecht, § 20 Rn. 58. Pestalozza, Verfassungsprozeßrecht, § 20 Rn. 58. 143 Benda / E. Klein, Rn. 1296; Brox, FS Geiger, S. 809 (820); Rosenberg / Schwab / Gottwald, § 151 Rn. 10. 141 142

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5. Kap.: Wiederholung einer Popularklage

1. Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs a) Entscheidung zur Gemeindeordnung Diese Fallgestaltung lag der Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs vom 5. März 2001144 zugrunde. Diese bezog sich auf einen Antrag auf „Zulassung einer Wiederholung des Normenkontrollbegehrens“145, dessen Ziel eine erneute Entscheidung über eine abgewiesene Popularklage146 war. Im Ergebnis wollte der Antragsteller die zweite Popularklage als Rechtsmittel gegen eine für ihn unbefriedigende Entscheidung in einem abgeschlossenen Verfahren verwenden. Mit der ersten Beschwerde hatte der Antragsteller unter anderem Art. 60 Abs. 3 Satz 4 BayGO angegriffen, der die Wahlvorschläge für Bezirksausschüsse denselben Beschränkungen unterwirft, wie solche für den Gemeinderat einer vergleichbaren Gemeinde. Der Bayerische Verfassungsgerichtshof sah jedoch keinen Grund, diese Regelung verfassungsrechtlich zu beanstanden.147 In der zweiten Popularklage machte der Antragsteller nun geltend, der Verfassungsgerichtshof habe in seiner Entscheidung nicht gewürdigt, dass Bezirksausschüsse nicht mit Gemeindeoder Stadträten vergleichbar seien. Näher heißt es dazu von Seiten des Antragstellers, der Verfassungsgerichtshof habe die gravierend unterschiedlichen Sachverhalte, wie die Kompetenzen und Entscheidungsbefugnisse sowie den Bekanntheitsgrad der Bezirksausschüsse einerseits und der Gemeinderäte andererseits, sicher nicht gleich behandeln wollen. Es sei daher davon auszugehen, dass dem Verfassungsgerichtshof diese Tatsachen, besonders die geringen Befugnisse der Bezirksausschüsse, seinerzeit nicht bekannt gewesen seien, weshalb ein neues Verfahren erforderlich sei.148 Auch könne der Verfassungsgerichtshof in einem neuen Urteil einen „Denkfehler“ der früheren Entscheidung korrigieren, in der das Gericht „eklatant gegen Denkgesetze“ verstoßen habe.149 Diesen sieht der Antragsteller in der Billigung der Regelungen, wonach ein Sitz im Kreistag eine Gruppierung nicht von der Beibringung von Unterstützerunterschriften für die Gemeinderatswahl befreit, ein Sitz im Landtag jedoch schon.150

Der Verfassungsgerichtshof ging in seiner Entscheidung vom Vorliegen einer Wiederholung aus. Die Voraussetzungen für deren Zulässigkeit sah er jedoch nicht als gegeben an.151

BayVerfGH BayVBl. 2001, 466. BayVerfGH BayVBl. 2001, 466 (467). 146 BayVerfGHE 50, 106. 147 BayVerfGHE 50, 106 (113). 148 BayVerfGH Entscheidung vom 5. 3. 2001, Vf. 11-VII-97, veröffentlicht in juris, ebenda Rn. 2 (insoweit nicht veröffentlicht in BayVBl. 2001, 466). 149 BayVerfGH Entscheidung vom 5. 3. 2001, Vf. 11-VII-97, veröffentlicht in juris, ebenda Rn. 4 (insoweit nicht veröffentlicht in BayVBl. 2001, 466). 150 BayVerfGH Entscheidung vom 5. 3. 2001, Vf. 11-VII-97, veröffentlicht in juris, ebenda Rn. 4 (insoweit nicht veröffentlicht in BayVBl. 2001, 466). 151 BayVerfGH BayVBl. 2001, 466. 144 145

§ 26 Vorliegen einer Wiederholung

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b) Entscheidung zur Notarkasse Eine vergleichbare Situation lag einer Entscheidung zur Notarkasse zu Grunde.152 Ein Antragsteller hatte mit einer Popularklage die Rechtsfähigkeit der Notarkasse angegriffen.153 Der Verfassungsgerichtshof wies die Klage als unbegründet ab und verwies unter anderem darauf, der bayerische Gesetzgeber habe durch die Aufnahme der Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz über die Verleihung der Rechte einer Anstalt des öffentlichen Rechts in die Bayerische Rechtssammlung diese in seinen Willen aufgenommen. Ein weiterer Organisationsakt des Landesgesetzgebers sei von der Bayerischen Verfassung nicht geboten.154 Derselbe Antragsteller erhob daraufhin eine weitere Beschwerde gegen die Aufnahme der Bekanntmachung in die Bayerische Rechtssammlung. Der Gerichtshof führt unter anderem aus: „Die im Mittelpunkt der rechtlichen Argumentation des Antragstellers stehende Frage, ob die Notarkasse als rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts des Freistaates Bayern fortbesteht, hat der Verfassungsgerichtshof“… „bereits“ … „entschieden.“ … „Der Gesichtspunkt, dass der bayerische Gesetzgeber durch die Aufnahme der Bekanntmachung in die Bayerische Rechtssammlung die Verleihung der Rechte einer Anstalt des öffentlichen Rechts an die Notarkasse in seinen Willen aufgenommen hat, stellt dabei nur eines von mehreren Gliedern einer Argumentationskette dar. Die neuerliche Popularklage des Antragstellers läuft darauf hinaus, die Bewertung des Verfassungsgerichtshofs nochmals zur Überprüfung zu stellen. Der Sache nach handelt es sich um eine Gegenvorstellung gegen ein Begründungselement in der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs vom 13. April 2005, die im Gewand einer weiteren Popularklage erhoben wird.“155

Der Verfassungsgerichtshof verwarf die Popularklage daher als unzulässig156. Neben diesen Ausführungen stellt er fest, es liege kein zulässiger Verfahrensgegenstand vor157. Außerdem sei nicht erkennbar, inwiefern die angegriffene Bekanntmachung eine Verletzung von Grundrechten bewirken könne.158 2. Bewertung der Rechtsprechung a) Entscheidung zur Gemeindeordnung Im Ergebnis der Unzulässigkeit des Normenkontrollantrags zur Gemeindeordnung ist dem Verfassungsgerichtshof zuzustimmen. Entscheidungen in PopularklaVgl. zu dieser bereits oben § 18 A. II. 4. (S. 132). BayVerfGHE 58, 77. 154 BayVerfGHE 58, 77 (93). 155 BayVerfGHE 62, 71 (78). 156 BayVerfGHE 62, 71 (75). 157 BayVerfGHE 62, 71 (76). Den Grund hierfür sieht der BayVerfGH darin, dass die Regelung nicht über die erforderliche „landesrechtliche Substanz“ verfüge; diese Rechtsprechung ist aber abzulehnen (vgl. ausführlich oben § 18 A. II. 4. [S. 132] und § 18 B. [S. 133]). 158 BayVerfGHE 62, 71 (77); vgl. hierzu oben bei Fußn. 99 (4. Kapitel). 152 153

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5. Kap.: Wiederholung einer Popularklage

geverfahren sind formell rechtskräftig.159 Eine Popularklage mit dem Ziel der Wiederholung des Normenkontrollbegehrens ist unzulässig. Könnte gegen Entscheidungen in Popularklageverfahren eine erneute Popularklage als Rechtsmittel erhoben werden, würde nie Rechtssicherheit herrschen. Letztlich liegt mit einem Antrag auf „Zulassung einer Wiederholung des Normenkontrollbegehrens“ jedoch bereits ein unzulässiger Antragsgegenstand vor. Denn Gegenstand der verfassungsrechtlichen Prüfung können alle Rechtsvorschriften des bayerischen Landesrechts sein (Art. 55 Abs. 1 Satz 1 BayVerfGHG).160 Eine solche stellt eine Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs aber nicht dar. b) Entscheidung zur Notarkasse Im Ergebnis ist dem Verfassungsgerichtshof ebenfalls zuzustimmen, dass er die Klage gegen die Aufnahme der Bekanntmachung zur Notarkasse in die Bayerische Rechtssammlung als unzulässig verwarf. Denn der Kläger legte nicht substantiiert dar, inwiefern die bloße Existenz der Notarkasse Grundrechte der Bayerischen Verfassung verletzt.161 Da der Gerichtshof in seiner vorangegangenen Entscheidung die Rechtsfähigkeit nicht nur mit der Aufnahme der Bekanntmachung in die Rechtssammlung bejahte162, ist ihm auch insofern zu folgen, als er eine Wiederholung der Popularklage als gegeben ansieht. II. Erneute Popularklage gegen dieselbe Norm Weitgehend vergleichbar mit einer erneuten gegen eine bereits abgewiesene Popularklage ist der Fall, dass ein Antragsteller, der bereits eine erfolglose Popularklage gegen eine Norm erhoben hatte eine erneute Klage gegen dieselbe Norm anstrengt. Ebenso ist eine erneute Klage gegen dieselbe Norm durch einen anderen Antragsteller möglich. 1. Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs a) Entscheidung zu einer Verordnung des Landratsamtes Ebersberg Die Konstellation einer zweimaligen Popularklage durch einen Antragsteller lag einer Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs vom 20. Oktober 2003 zu Grunde.163 159 160 161 162 163

Vgl. § 25 B. IV. 1. (S. 158). Vgl. hierzu ausführlich § 15 (S. 103). Vgl. hierzu § 21 C. II. 2. (S. 146) sowie § 22 (S. 149). BayVerfGHE 58, 77 (91 f.). BayVerfGH BayVBl. 2004, 268.

§ 26 Vorliegen einer Wiederholung

173

Der Antragsteller griff eine Verordnung an, die eine bestimmte Fläche unter Naturschutz stellte und in diesem Zusammenhang mehrere Verbote enthielt – z. B. das Verbot der Ausübung des Fischereirechts. In einer vorhergehenden Popularklage hatte der Antragsteller die Verfassungswidrigkeit eines Teils der in der Verordnung normierten Verbote gerügt.164 Dies wies der Verfassungsgerichtshof als unbegründet ab.165 Mit seiner erneuten Popularklage machte der Antragsteller nun die Verfassungswidrigkeit der gesamten Verordnung geltend.166

Dies wertete der Gerichtshof als eine Wiederholung, deren Zulässigkeitsvoraussetzungen er nicht als gegeben ansah. Er wies die Klage daher als unzulässig ab.167 b) Entscheidung zum Gesundheitsschutzgesetz Soweit ein Popularkläger eine Norm angreift, die der Verfassungsgerichtshof zuvor aufgrund einer Klage eines anderen Antragstellers bereits für verfassungsgemäß erklärt hat, bejaht das Gericht ebenfalls das Vorliegen einer Wiederholung.168 Dies war in einer Entscheidung der Fall, die das im Gesundheitsschutzgesetz geregelte Rauchverbot in Gaststätten zum Gegenstand hatte. Diese Gesetzesregelungen hatte der Gerichtshof in vorangegangenen Verfahren bereits als verfassungsgemäß eingestuft.169

2. Bewertung der Rechtsprechung a) Entscheidung zu einer Verordnung des Landratsamtes Ebersberg Die Entscheidung über die vorangegangene Popularklage ist materiell rechtskräftig. Die Rechtskraft bezieht sich dabei auf den konkreten Verfahrensgegenstand;170 im Falle einer hier vorliegenden Normenkontrollentscheidung also nur auf die Feststellung, dass bestimmte Normen mit der Bayerischen Verfassung vereinbar sind.171 Im konkreten Fall der Entscheidung zu einer Verordnung des Landratsamtes Ebersberg griff der Antragsteller im ersten Verfahren nur bestimmte Verbotsnormen der Verordnung an. Diese erklärte der Bayerische Verfassungsgerichtshof für verfassungsgemäß. Allein diese Feststellung der Verfassungsmäßigkeit der konkreten Normen ist daher materiell rechtskräftig.

BayVerfGHE 39, 1. BayVerfGHE 39, 1 (5). 166 BayVerfGH BayVBl. 2004, 268 (269). 167 BayVerfGH BayVBl. 2004, 268 (269). 168 Vgl. BayVerfGH Entscheidung vom 9. 12. 2011, Vf. 21-VII-10, veröffentlicht in juris, ebenda Rn. 22. 169 Vgl. BayVerfGH Entscheidung vom 9. 12. 2011, Vf. 21-VII-10, veröffentlicht in juris, ebenda Rn. 22. 170 Heusch, in: Umbach / Clemens / Dollinger, BVerfGG, § 31 Rn. 43. 171 Vgl. Bethge, in: Maunz / Schmidt-Bleibtreu / F. Klein / Bethge, BVerfGG, § 31 Rn. 50. 164 165

174

5. Kap.: Wiederholung einer Popularklage

Soweit der Antragsteller mit der wiederholenden Popularklage Normen angreift, die in der ersten Entscheidung bereits Antragsgegenstand waren, steht daher der erneuten Klage die materielle Rechtskraft der ersten Entscheidung entgegen. Dem Verfassungsgerichtshof ist somit zuzustimmen, dass in Bezug auf diese Normen eine grundsätzlich unzulässige Wiederholung vorliegt. Alle anderen Regelungen der Verordnung unterfallen jedoch nicht der Rechtskraft. Insofern liegt – entgegen der Ansicht des Verfassungsgerichtshofs – keine Wiederholung vor. b) Entscheidung zum Gesundheitsschutzgesetz Die in einem Popularklageverfahren getroffene rechtskräftige Feststellung, eine bestimmte Norm sei mit der Bayerischen Verfassung vereinbar, wirkt inter omnes.172 Dem Verfassungsgerichtshof ist daher zuzustimmen, dass auch dann eine grundsätzlich unzulässige Wiederholung vorliegt, wenn ein Antragsteller eine Popularklage gegen eine Norm erhebt, die bereits Gegenstand einer vorangegangenen Popularklage war, selbst wenn er nicht am vorangegangenen Verfahren beteiligt war.

III. Erneute Popularklage gegen neue Fassung derselben Norm Denkbar ist desweiteren die Fallgestaltung, dass im Rahmen zweier Popularklagen zwar dieselbe Norm Prüfungsgegenstand ist, jedoch deren alte und neue Fassung inhaltlich voneinander abweichen. 1. Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs So griff eine Popularklage die 5%-Klausel des Art. 14 Abs. 4 BV an.173 Diese Norm war zuvor bereits Gegenstand mehrerer Popularklagen,174 die sich jedoch auf die bis zum 1. August 1973175 geltende Fassung der Norm bezogen. Gemäß dieser alten Fassung der Norm mussten Parteien in mindestens einem Wahlkreis zehn Prozent der abgegebenen Stimmen erzielen, um Sitze im Landtag zu erhalten.176 Die neue Fassung der Vorschrift, wonach Wahlvorschläge, auf die im Land nicht mindestens fünf Prozent der insgesamt abgegebenen gültigen Stimmen

Vgl. oben § 25 B. IV. 2. b) (S. 165). BayVerfGHE 59, 125. 174 BayVerfGHE 11, 127; 23, 80. 175 Gemäß § 2 des Dritten Gesetzes zur Änderung der Verfassung des Freistaates Bayern vom 19. Juli 1973 (GVBl S. 389) trat an diesem Tag die neue Fassung des Art. 14 Abs. 4 BV in Kraft. 176 Art. 14 Abs. 4 BV in der Fassung der Bekanntmachung vom 8. Dezember 1946 (GVBl S. 333 [334]). 172 173

§ 26 Vorliegen einer Wiederholung

175

entfallen, keinen Sitz im Landtag zugeteilt erhalten, stimmt mit der alten Fassung des Art. 14 Abs. 4 BV inhaltlich nicht überein.

Der Bayerische Verfassungsgerichtshof verneint für diesen Fall das Vorliegen einer unzulässigen Wiederholung, da die bisherigen Entscheidungen zur alten Fassung der Vorschrift ergangen seien, die mit der nun angegriffenen Regelung nicht übereinstimme.177 2. Bewertung der Rechtsprechung Dem Bayerischen Verfassungsgerichthof ist zuzustimmen. Geht man davon aus, dass sich die Rechtskraft auf die konkret im vorhergehenden Verfahren streitige Norm bezieht,178 ist diese individualisiert durch den ihr zugrundeliegenden Gesetzgebungsakt. Entscheidungsgegenstand ist dann nur die durch den spezifischen Rechtsetzungsakt geschaffene Norm.179 Wird diese durch einen erneuten Rechtsetzungsakt geändert, liegt eine andere konkrete Norm vor, weshalb keine Rechtskraftbindung besteht. Folgt man der Ansicht, wonach die Rechtskraftwirkung auf eine Norm dieser Art, also auf deren Regelungsgehalt bezogen ist,180 liegt bei einer inhaltlichen Abweichung der formell selben Norm ebenfalls keine Rechtskraftbindung vor. Der Verfassungsgerichtshof ging somit richtigerweise von der Zulässigkeit des Antrags aus.181

IV. Erneute Popularklage gegen formell unterschiedliche Norm bei inhaltlicher Übereinstimmung Erhebt ein Antragsteller eine Popularklage gegen eine Norm, die zwar formell noch nicht Gegenstand einer früheren Entscheidung war, jedoch mit einer bereits bestätigten Norm inhaltlich übereinstimmt, stellt sich die Frage, ob einer erneuten Entscheidung die Rechtskraft der ersten entgegen steht. 1. Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs Der Bayerische Verfassungsgerichtshof geht dabei in ständiger Rechtsprechung von folgendem Grundsatz aus:

177 178 179 180 181

BayVerfGH 59, 125 (128). Vgl. oben bei Fußn. 135 (5. Kapitel). Sachs, Bindung des Bundesverfassungsgerichts, S. 307; vgl. auch Engelmann, S. 83. Siehe oben bei Fußn. 136 (5. Kapitel) und Fußn. 137 (5. Kapitel). Vgl. Benda / E. Klein, Rn. 1335.

176

5. Kap.: Wiederholung einer Popularklage

„Unter dem Gesichtspunkt der Wiederholung kann eine Popularklage auch dann unzulässig sein, wenn sie sich gegen eine Rechtsvorschrift richtet, die der Verfassungsgerichtshof zwar formal noch nicht überprüft hat, die aber inhaltlich mit einer früheren, vom Verfassungsgerichtshof überprüften Vorschrift im wesentlichen übereinstimmt“.182

a) Entscheidung zum Stiftungsgesetz Dies ist etwa dann der Fall, wenn eine Popularklage gegen eine Norm erhoben wird, die lediglich die Rechtsfolgen einer (früheren) Regelung aufrechterhält und diese (frühere) Norm bereits vom Bayerischen Verfassungsgerichtshof bestätigt worden war. So musste sich der Verfassungsgerichtshof mit einer Regelung des Bayerischen Stiftungsgesetzes auseinandersetzen, wonach Stiftungen, die überwiegend religiösen Zwecken dienen, keine kirchlichen Stiftungen sind, wenn sie von einer Behörde des Staates, einer Gemeinde oder einem Gemeindeverband zu verwalten sind.183 Hierdurch sah ein Antragsteller die Rechte der Kirchen verletzt.184 Der Verfassungsgerichtshof wies die entsprechende Popularklage 1984 ab.185 1994 erhob derselbe Antragsteller erneut Popularklage. In diesem Verfahren griff er auch die Regelung des Art. 46 Abs. 4 n. F. BayStG186 an, wonach Stiftungen, die bis zum 1. Januar 1996 satzungsgemäß von einer Behörde des Staates, einer Gemeinde oder eines Gemeindeverbandes zu verwalten sind, weiterhin nicht als kirchliche Stiftungen gelten.187 Dazu führte der Verfassungsgerichtshof aus: „Art. 46 Abs. 4 StG n. F. ist zwar formal noch nicht Gegenstand einer Popularklage gewesen. Inhaltlich stimmt er aber mit dem vom Verfassungsgerichtshof bereits überprüften Art. 36 Satz 1 Halbsatz 2 StG a. F. überein. Die Verfassungsmäßigkeit dieser Vorschrift hatte der Verfassungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 28. Dezember 1984 bejaht. Nach der Gesetzesbegründung zu Art. 46 Abs. 4 StG n. F. ist es der Zweck dieser Bestimmung, zum Ausschluß einer Rückwirkung der neuen Fassung des Art. 36 Abs. 1 die Regelung des Art. 36 a. F. für die davon betroffenen Stiftungen fortgelten zu lassen (vgl. Begründung zum Gesetzentwurf zur Änderung des Stiftungsgesetzes LT-Drs. 13 / 2616 S. 9). Es besteht deshalb zwischen beiden Vorschriften ein innerer Sachzusammenhang, der die Identität des Streitgegenstands herstellt.“188

182 BayVerfGHE 49, 153 (158); vgl. auch BayVerfGHE 36, 56 (63); 46, 201 (203); 48, 61 (68); 51, 131 (141); 52, 9 (16); BayVerfGH BayVBl. 2001, 466; 2004, 268 (269); 2010, 140. 183 Vgl. BayVerfGH 37, 184 (189). 184 BayVerfGHE 37, 184 (191). 185 BayVerfGHE 37, 184. 186 Eingefügt durch § 1 Nr. 27 lit. b) des Gesetzes zur Änderung des Stiftungsgesetzes vom 23. Dezember 1995 (GVBl S. 851); gemäß dessen § 3 trat die Änderung am 1. Januar 1996 in Kraft. 187 Vgl. BayVerfGHE 49, 153 (154). 188 BayVerfGHE 49, 153 (158).

§ 26 Vorliegen einer Wiederholung

177

Der Verfassungsgerichtshof geht in diesem Fall von Vorliegen einer unzulässigen Wiederholung aus und weist die Klage als unzulässig ab.189 b) Entscheidungen zum Mediengesetz sowie zum Gemeindewahlrecht Des weiteren ist der Fall denkbar, dass der Gesetzgeber eine bereits in einem Popularklageverfahren überprüfte Norm in ein formell anderes Gesetz übernimmt. Stellt ein Antragsteller gegen diese (formell) neue Norm einen Popularklageantrag, bejaht der Verfassungsgerichtshof das Vorliegen einer Wiederholung. So hatte der Gesetzgeber eine Regelung aus dem Medienerprobungs- und Entwicklungsgesetz190 in das im Jahr 1992 erlassene – inhaltlich weitgehend identische – Bayerische Mediengesetz191 übernommen, gegen das sich eine Popularklage richtete.192 Der Antragsteller sah darin keine Wiederholung der bereits abgewiesenen Popularklage193, da die angegriffenen Normen einem „anderen Gesetz entstammten“.194 Der Bayerische Verfassungsgerichtshof geht vom Vorliegen einer Wiederholung aus195 und stellt hierzu fest: „Unter dem Gesichtspunkt der Wiederholung kann eine Popularklage auch dann unzulässig sein, wenn sie sich gegen eine Vorschrift richtet, die der Verfassungsgerichtshof zwar formal noch nicht überprüft hat, die aber inhaltlich mit einer früheren, vom Verfassungsgerichtshof überprüften Rechtsvorschrift im wesentlichen übereinstimmt“.196 Ein weiteres Beispiel für eine inhaltliche Übereinstimmung der angegriffenen Normen stellen mehrere Entscheidungen zum Gemeindewahlrecht dar. Bereits im Jahr 1961 hatte der Verfassungsgerichtshof eine Popularklage gegen den zu dieser Zeit gültigen § 78 der Gemeindewahlordnung197 als unbegründet zurückgewiesen.198 Diese Norm sah für die Sitzverteilung bei Wahlen von Gemeinderäten und Kreistagen die Anwendung des d’Hondt’sche Höchstzahlverfahrens vor.199 Der Gerichtshof sah hierin keinen Verstoß gegen den Grundsatz der Wahlgleichheit sowie den allgemeinen Gleichheitssatz.200 Eine nahezu wortgleiche und inhaltlich übereinstimmende Regelung enthielt § 83 der Gemeindewahlordnung 1983.201 Eine hiergegen BayVerfGHE 49, 153 (157 ff.). Medienerprobungs- und entwicklungsgesetz vom 22. November 1984 (GVBl S. 445, Berichtigung S. 546). 191 Bayerisches Mediengesetz vom 24. November 1992 (GVBl S. 584). 192 Vgl. BayVerfGHE 51, 131. 193 BayVerfGHE 44, 61; vgl. zu dieser Entscheidung sowie zur Rechtsprechung des BayVerfGH zur Rundfunkfreiheit Schumann, FS Lerche, S. 721 (721 ff.). 194 BayVerfGHE 51, 131 (135). 195 BayVerfGHE 51, 131 (141). 196 BayVerfGHE 51, 131 (141). 197 Wahlordnung für die Gemeinde- und Landkreiswahlen vom 11. Dezember 1959 (GVBl S. 275). 198 BayVerfGHE 14, 17. 199 Vgl. BayVerfGHE 14, 17 (18). 200 BayVerfGHE 14, 17 (25). 189 190

178

5. Kap.: Wiederholung einer Popularklage

erhobene – zweite – Popularklage verwarf der Gerichtshof 1984 als unzulässig, da diese eine unzulässige Wiederholung der im Jahr 1961 abgewiesenen Klage sei.202 1993 verwarf der Verfassungsgerichtshof abermals eine – dritte – Popularklage aufgrund einer Wiederholung als unzulässig203, die § 83 der Gemeindewahlordnung 1989204 zum Gegenstand hatte. Dieser war Wortgleich mit § 83 der Gemeindewahlordnung 1983. Eine inhaltlich mit den zitierten Normen übereinstimmende Regelung enthält nunmehr Art. 35 Abs. 2 GLKrWG205, der für die Sitzverteilung ebenfalls das d’Hondt’sche Höchstzahlverfahren vorschreibt. Gegen diese Norm erhob ein Antragsteller eine weitere – vierte – Popularklage.206 Der Verfassungsgerichtshof bejaht erneut das Vorliegen einer Wiederholung.207

c) Entscheidung zu den Korrekturgesetzen der allgemeinen Gemeindegebietsreform Ist ein Lebenssachverhalt von mehreren Rechtsvorschriften betroffen, deren Verfassungsmäßigkeit anhand der gleichen verfassungsrechtlichen Fragen zu beurteilen ist, bejaht der Verfassungsgerichtshof das Vorliegen einer Wiederholung, wenn in einem vorhergehenden Verfahren eine Norm Gegenstand war, und eine weitere Beschwerde eine andere dieser Normen angreift. Gegenstand des konkreten Verfahrens war die Frage, ob es mit der Bayerischen Verfassung in Einklang steht, dass die Eingliederung des Marktes Pleinting in die Stadt Vilshofen im Zuge späterer Korrekturen der allgemeinen Gemeindegebietsreform nicht rückgängig gemacht wurde.208 Der Gesetzgeber hatte im Jahr 1979 in die Korrektur nur Verwaltungsgemeinschaften einbezogen, nicht hingegen Gemeinden, die im Zuge der Gemeindegebietsreform aufgelöst worden waren.209 Der Verfassungsgerichtshof sah hierin in einer Entscheidung aus dem Jahr 1980 keinen Verstoß gegen den Gleichheitssatz oder das gemeindliche Selbstverwaltungsrecht.210 Zwei weitere Gesetze aus den Jahren 1985 und 1989 bezogen ebenfalls nur Verwaltungsgemeinschaften in die Korrektur ein. Soweit die Beschwerdeführer einen Verfassungsverstoß insofern rügten, als der Markt Pleinting auch von diesen beiden Korrekturgesetzen nicht er-

201 Wahlordnung für die Gemeinde- und Landkreiswahlen vom 1. Dezember 1983 (GVBl S. 1051). 202 BayVerfGH BayVBl. 1985, 115 (116). 203 BayVerfGHE 46, 201 (203). 204 Wahlordnung für die Gemeinde- und Landkreiswahlen in der Fassung der Bekanntmachung vom 12. September 1989 (GVBl S. 522). 205 Gesetz über die Wahl der Gemeinderäte, der Bürgermeister, der Kreistage und der Landräte – Gemeinde- und Landkreiswahlgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. November 2006 (GVBl S. 834). 206 BayVerfGH BayVBl. 2010, 140. 207 BayVerfGH BayVBl. 2010, 140. 208 BayVerfGHE 50, 115 (115 f.). 209 BayVerfGHE 50, 115 (123). 210 BayVerfGHE 33, 1 (10 ff.).

§ 26 Vorliegen einer Wiederholung

179

fasst worden sei, geht der Verfassungsgerichtshof vom Vorliegen einer Wiederholung aus.211 Er stellt hierzu fest: „Auch wenn diese gesetzgeberischen Entscheidungen formal noch nicht Gegenstand der Prüfung durch den Verfassungsgerichtshof waren, so ist ihre verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit doch, wie dargelegt, dem Grundsatz nach bereits durch die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs vom 31. Januar 1980 (VerfGH 33, 1 / 10 ff.) geklärt. Denn es geht im Kern jeweils in gleicher Weise um das Korrekturkonzept des Gesetzgebers und um die Rechtsfrage, ob bei den Korrekturregelungen bestimmte Gemeinden zu Recht unberücksichtigt blieben oder nicht“.212

2. Bewertung der Rechtsprechung Entscheidend für die Bewertung dieser Rechtsprechung ist die Frage, wie weit die materielle Rechtskraft der ersten Entscheidung reicht. Folgt man der Ansicht, wonach sich die Rechtskraft einer vorhergehenden Entscheidung nur auf die Verfassungsmäßigkeit einer konkreten Norm bezieht,213 liegt bei den Verfahren zum Stiftungsgesetz ebenso wenig ein identischer Streitgegenstand vor wie bei den Entscheidungen zum Medienerprobungs- und Entwicklungsgesetz und zum Mediengesetz. Denn selbst wenn das neuen Verfahren eine Vorschrift betrifft, die mit einer früher vom Verfassungsgericht für verfassungsgemäß erklärten Bestimmung wörtlich übereinstimmt, steht die Rechtskraft der früheren Entscheidung insofern nicht entgegen, da der Streitgegenstand beider Verfahren nicht übereinstimmt.214 In Literatur und Rechtsprechung ist jedoch umstritten, ob die Rechtskraft über die Fälle des identischen Streitgegenstandes bzw. dessen kontradiktorisches Gegenteil sowie die Präjudizialität hinaus erweitert werden muss.215 So sieht Peter Gottwald ein Bedürfnis nach Rechtskraftbindung über die Fälle echter, in der Rechtsnorm ausgewiesener Vorfragen hinaus, um sachlich gänzlich unvereinbare Entscheidungen zu vermeiden. Einigkeit bestehe jedoch nur, dass es solche Fälle überhaupt gebe, nicht jedoch in der Frage, in welchen konkreten Fällen eine Bindungswirkung bestehe.216 Diese sei nur in Grenzbereichen anzuerkennen, die bei wertender Betrachtung Fällen unstreitiger Bindung gleichstehen.217 Auch Dieter Leipold fordert, die Unterscheidung zwischen Schlussfrage und Vorfrage nicht formal, sondern in BayVerfGHE 50, 115 (123). BayVerfGHE 50, 115 (123 f.). 213 Vgl. oben bei Fußn. 135 (5. Kapitel). 214 Brox, FS Geiger, S. 809 (820). 215 Grundlegend Zeuner, Die objektiven Grenzen der Rechtskraft im Rahmen rechtlicher Sinnzusammenhänge; vgl. hierzu ausführlich Schumann / Leipold, in: Stein / Jonas, 19. Aufl., § 322 Anm. IX Nr. 3; ablehnend gegenüber Zeuner etwa BGH NJW 2003, 3058 und Rosenberg / Schwab / Gottwald, § 154 Rn. 12 f. 216 Gottwald, in: Rauscher / Wax / J. Wenzel, Münchener Kommentar ZPO, § 322 Rn. 52. 217 Gottwald, in: Rauscher / Wax / J. Wenzel, Münchener Kommentar ZPO, § 322 Rn. 55. 211

212

180

5. Kap.: Wiederholung einer Popularklage

wertender Betrachtung zu treffen, so dass diejenigen Streitpunkte, die in der entschiedenen Schlussfrage deutlichen Ausdruck finden, als rechtskräftig entschieden angesehen werden können.218 Gegen diese Ansicht wird vor allem vorgebracht, dies sei mit dem Wortlaut des § 322 Abs. 1 ZPO nur schwer vereinbar sei.219 Dieses Argument ist indes nicht auf das Popularklageverfahren übertragbar. Die Rechtskraftbindung ist daher mit Peter Gottwald und Dieter Leipold auf solche Fälle zu erweitern, die bei wertender Betrachtung in der vorhergehenden Entscheidung klar zum Ausdruck gekommen sind und den Fällen unstreitiger Bindung gleichstehen und daher einen zwingenden Sinnzusammenhang bilden. In den Fällen der inhaltlichen Übereinstimmung zweier nur formell unterschiedlicher Normen ist ein solcher zwingender Sinnzusammenhang zu bejahen. Denn die Entscheidung über die Frage, ob der Regelungsgehalt mit der Verfassung vereinbar ist, ist in der ersten Entscheidung klar zum Ausdruck gekommen. Dies steht bei wertender Betrachtung dem Fall gleich, dass dieselbe Norm erneut Antragsgegenstand ist. Die Rechtskraft erstreckt sich daher auf die Frage der Verfassungsmäßigkeit der nur formell unterschiedlichen aber inhaltlich gleichen Norm. Im ersten oben dargestellten Popularklageverfahren zum Stiftungsgesetz hat der Verfassungsgerichtshof einen Verstoß der Regelung gegen die Religionsfreiheit verneint. Eine (neue) Rechtsvorschrift, die diese (alte) Rechtfolge für die Zukunft aufrecht erhält, unterliegt letztlich der gleichen verfassungsrechtlichen Abwägung. Die Verfassungsmäßigkeit der neuen Regelung ist daher bereits in der ersten Entscheidung klar zum Ausdruck gekommen. Gleiches gilt für den Fall, dass der Gesetzgeber ein formell neues Gesetz erlässt, das mit einem außer Kraft getretenen inhaltlich übereinstimmt. Im Verfahren zum Mediengesetz lag daher bei wertender Betrachtung eine Wiederholung der vorhergegangenen Popularklage vor.

Sind hingegen mehrere Rechtsvorschriften Verfahrensgegenstand, die zwar denselben Lebenssachverhalt berühren, aber inhaltlich unterschiedliche Regelungen treffen, ist eine Rechtskrafterstreckung abzulehnen. Denn allein die Tatsache, dass verschiedene Normen anhand der gleichen verfassungsrechtlichen Fragen zu würdigen sind, rechtfertigt keine grundsätzliche Unzulässigkeit einer Popularklage. Der Entscheidung zu den Korrekturgesetzen der allgemeinen Gemeindegebietsreform kann daher in Bezug auf die Verwerfung als unzulässig nicht gefolgt werden. Allerdings hätte der Verfassungsgerichtshof die Popularklage insoweit als unbegründet abzuweisen gehabt; und zwar mit einer weitgehend identischen Begründung wie bei der vorhergegangenen Entscheidung.

218 219

Leipold, in: Stein / Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 322 Rn. 206. BGH NJW 2003, 3058 (3059).

§ 26 Vorliegen einer Wiederholung

181

V. Erneute Popularklage gegen Ermächtigungsgrundlage 1. Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs Hat eine Popularklage eine abgeleitete Rechtsvorschrift zum Gegenstand, prüft der Bayerische Verfassungsgerichtshof als Vorfrage, ob diese auf einer verfassungsgemäßen Ermächtigungsgrundlage beruht.220 Greift eine weitere Beschwerde diese Ermächtigungsgrundlage selbst an, verneint er das Vorliegen einer Wiederholung. a) Entscheidung zur 5%-Klausel So hatte eine Popularklage die 5%-Klausel des Art. 14 Abs. 4 BV zum Gegenstand. Der Verfassungsgerichtshof stellt fest: „Art. 14 Abs. 4 BV in der seit 1. 8. 1973 geltenden Fassung war noch nicht unmittelbar Gegenstand eines Popularklageverfahrens. In der Entscheidung vom 28. 7. 1986“ … „ist der Verfassungsgerichtshof zwar im Rahmen einer Popularklage, die u. a. eine in Art. 52 Abs. 2 Satz 1 des Landeswahlgesetzes“ … „enthaltene Regelung für die Wahl der Vertreter der Stimmkreise betraf, von der Verfassungsmäßigkeit des Art. 14 Abs. 4 BV n. F. ausgegangen. Die Prüfungsgegenstände dieses und des anhängigen Verfahrens sind aber – jedenfalls formal betrachtet –“ … „nicht identisch.“221

b) Entscheidung zur Beamtenlaufbahn Im Rahmen einer Entscheidung zu Regelungen der Beamtenlaufbahn führt der Verfassungsgerichtshof aus: „Gegenstand der Entscheidung vom 16. Oktober 1970“ … „war u. a., ob § 10 Abs. 2 Nr. 1 LbV 1968“ … „in Art. 19 Abs. 1 BayBG 1966“ … „eine rechtsstaatlich ausreichende Ermächtigungsgrundlage finde. Der Verfassungsgerichtshofs bejahte dies; Art. 19 Abs. 1 BayBG 1966 stelle die für eine Ermächtigung erforderlichen Grundsätze und Ziele mit hinreichender Bestimmtheit auf“. … „Der Zulässigkeit der gegenwärtigen Popularklage würden jene Aussagen selbst dann nicht entgegenstehen, wenn die darin angesprochenen Regelungen als mit den hier angegriffenen identisch oder jedenfalls im Wesentlichen übereinstimmend zu bewerten sein sollten. Eine Rechtsvorschrift, die vom Verfassungsgerichtshof in einer früheren Entscheidung nur inzident für verfassungsmäßig erachtet worden ist, kann in zulässiger Weise zum Gegenstand einer (erneuten) Überprüfung im Rahmen einer unmittelbar auf die Rechtsvorschrift bezogenen Popularklage gemacht werden“.222

220 221 222

Vgl. unten § 44 B. I. (S. 306). BayVerfGH BayVBl. 2007, 13 (14). BayVerfGHE 56, 75 (87).

182

5. Kap.: Wiederholung einer Popularklage

2. Bewertung der Rechtsprechung Die Verneinung des Vorliegens einer Wiederholung ist richtig. Denn aus dem vorhergegangenen Verfahren erwuchs nur die Feststellung der Verfassungsmäßigkeit der abgeleiteten Norm in Rechtskraft. Die Vorfrage der Vereinbarkeit der Ermächtigungsgrundlage mit der Bayerischen Verfassung ist als Teil der Entscheidungsgründe hingegen nicht rechtskräftig festgestellt.223 Daher steht einer Popularklage gegen diese keine Rechtskraft der ersten Entscheidung entgegen.

VI. Erneute Popularklage bei lediglich ähnlichem Prüfungsgegenstand 1. Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs Der Bayerische Verfassungsgerichtshof verneint das Vorliegen einer Wiederholung, wenn die erneute Popularklage lediglich einen ähnlichen, jedoch nicht identischen Prüfungsgegenstand hat.224 a) Entscheidung zur Arbeitszeitverordnung Dies war etwa bei einer Entscheidung zur Arbeitszeitverordnung der Fall. Eine Verordnung vom 12. Oktober 1993 erhöhte die regelmäßige Arbeitszeit bayerischer Beamten zunächst von 38 ½ auf 40 Stunden pro Woche.225 Die dagegen erhobenen Popularklagen wies der Bayerische Verfassungsgerichtshof als unbegründet ab.226 Die erneute Verordnungsänderung vom 27. Juli 2004 erhöhte die Wochenarbeitszeit schließlich in einem altersabhängigen Stufenmodell auf bis zu 42 Stunden.227 Hiergegen richteten sich erneut Popularklagen.228 Der Verfassungsgerichtshof führte dazu aus: „Die Popularklagen sind nicht unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen Wiederholung einer bereits abgewiesenen Popularklage“ … „unzulässig. Zwar hat der Verfassungsgerichtshof in der Entscheidung vom 24. Juli 1995 (= VerfGH 48, 87 ff.) die Verfassungsmäßigkeit der seinerzeitigen Änderungsverordnung zur Arbeitszeitverordnung bejaht“ … „dabei hat er zu nahezu allen auch hier aufgeworfenen rechtlichen Fragen Stellung genommen. Bei der nunmehr verfassungsrechtlich zu überprüfenden Arbeitszeitänderung vom

Vgl. oben § 25 B. IV. 2. c) (S. 167). BayVerfGHE 58, 196 (202). 225 § 1 Nr. 1 der Vierten Verordnung zur Änderung der Arbeitszeitverordnung vom 12. Oktober 1993 (GVBl S. 810). 226 BayVerfGHE 48, 87 (94). 227 § 1 Nr. 1 der Verordnung zur Änderung der Arbeitszeitverordnung vom 27. Juli 2004 (GVBl S. 347). 228 BayVerfGHE 58, 196. 223 224

§ 26 Vorliegen einer Wiederholung

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27. Juli 2004 handelt es sich aber um einen lediglich ähnlichen, nicht identischen Prüfungsgegenstand.“229

b) Entscheidung I zu Art. 25 BayGLKrWG Ebenfalls zu betrachten sind in diesem Zusammenhang die Entscheidungen zu Art. 25 BayGLKrWG. Der Bayerische Verfassungsgerichtshof erklärte im Jahr 1960 Art. 19 Abs. 1 BayGWG230 für verfassungsgemäß231, der die Aufstellung neuer Wahlvorschläge bei Kommunalwahlen regelte. Danach waren politische Parteien zur Aufstellung berechtigt, Wählergruppen jedoch nur dann, wenn ihr Wahlvorschlag viermal so viele Unterstützerunterschriften trug, als ehrenamtliche Gemeinderatsmitglieder zu wählen waren. Im Jahr 1995 wandten sich mehrere Popularklagen232 gegen Art. 25 Abs. 1 BayGLKrWG233. Gemäß dieser Regelung waren Wählergruppen und Parteien, die im letzten Gemeinderat oder Kreistag nicht vertreten waren, zur Einbringung von Wahlvorschlägen berechtigt, wenn sie von viermal so vielen Wahlberechtigten unterstützt wurden, wie ehrenamtliche Gemeinderatsmitglieder oder Kreisräte zu wählen waren. Zusätzlich sahen sowohl das GWG 1956 als auch das GLKrWG 1994 vor, dass die jeweiligen Wahlvorschläge die Unterschriften von zehn Wahlberechtigten tragen mussten. Die inhaltliche Neuerung des Art. 25 Abs. 1 GLKrWG beschränkte sich also darauf, dass nun auch politische Parteien, die im letzten Gemeinderat oder Kreistag nicht vertreten waren, entsprechende Unterstützerunterschriften aufweisen mussten. Der Verfassungsgerichtshof führte dazu aus: „Die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs vom 8. Februar 1960 (VerfGH 13, 1 ff.) steht der Zulässigkeit der vorliegenden Popularklage nicht entgegen.“ … „Der Verfassungsgerichtshof hat am 8. Februar 1960 entschieden, daß Art. 19 Abs. 1 und 6 des Gemeindewahlgesetzes“ … „nicht gegen Grundsätze der allgemeinen, gleichen und geheimen Wahl verstoßen.“ … „Soweit die Anforderungen an Wählergruppen gerichtet werden, ist die Bestimmung mit Art. 19 des Gemeindewahlgesetzes vom 11. Dezember 1959 identisch. Insoweit wird sie aber von den gegenwärtigen Popularklägern entweder nicht oder unter neuen, bisher nicht abgehandelten Gesichtspunkten angegriffen.“234 Die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Einbeziehung politischer Parteien in das Erfordernis der Unterstützerunterschriften sah das Gericht somit nicht als identischen Prüfungsgegenstand in Bezug auf die frühere Entscheidung an, die die Frage behandelte, ob dieses Erfordernis für Wählergruppen verfassungskonform ist.

BayVerfGHE 58, 196 (202). Gesetz über die Wahl der Gemeinderäte und der Bürgermeister (Gemeindewahlgesetz) in der Fassung der Bekanntmachung vom 12. Januar 1956 (GVBl S. 13). 231 BayVerfGHE 13, 1. 232 Vgl. BayVerfGHE 48, 61. 233 Gesetz über die Wahl der Gemeinderäte, der Bürgermeister, der Kreistage und der Landräte (Gemeinde- und Landkreiswahlgesetz – GLKrWG) vom 10. August 1994 (GVBl S. 747). 234 BayVerfGHE 48, 61 (68 f.). 229 230

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5. Kap.: Wiederholung einer Popularklage

c) Entscheidung II zu Art. 25 BayGLKrWG Nach dieser soeben dargestellten Entscheidung vom 18. Juli 1995235 trat am 1. August 1995 erneut eine Neufassung des BayGLKrWG in Kraft.236 Diese änderte unter anderem die Anzahl der erforderlichen Unterstützerunterschriften. Art. 25 Abs. 1 a. F. BayGLKrWG forderte viermal so viele Unterschriften, wie Gemeinderatsmitglieder oder Kreisräte zu wählen waren.237 Art. 25 Abs. 2 n. F. BayGLKrWG staffelte die Anzahl der zusätzlich benötigten Unterstützerunterschriften in Abhängigkeit von der Einwohnerzahl.238 Eine Popularklage griff nun unter anderem diese Neufassung an.239 Dazu führte der Bayerische Verfassungsgerichtshof aus: „Die Popularklage ist zulässig. Sie betrifft Rechtsvorschriften, die mit den vom Verfassungsgerichtshof in der Entscheidung vom 18. Juli 1995240“ … „überprüften Normen nicht, auch nicht im wesentlichen, übereinstimmen.“241

d) Entscheidung III zu Art. 25 BayGLKrWG Eine weitere Popularklage gegen Art. 25 BayGLKrWG bezog sich auf eine weitere Änderung der Norm,242 die ebenfalls am 1. August 1995 in Kraft trat. Deren Fassung sah vor, dass für die Teilnahme von Wahlvorschlagsträgern an Kommunalwahlen dann Unterstützerunterschriften erforderlich waren, wenn sie im Gemeinderat oder Kreistag nicht auf Grund eines eigenen Wahlvorschlags ununterbrochen bis zum 90. Tag vor dem Wahltag vertreten waren.243 Neu waren also lediglich die Worte „ununterbrochen bis zum 90. Tag vor dem Wahltag“. Der Bayerische Verfassungsgerichtshof führte dazu aus: „Die Unterscheidung zwischen alten und neuen Wahlvorschlägen hinsichtlich der Anforderungen für die Zulassung ist also jedenfalls dem Grundsatz nach gemäß der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs vom 18. Juli 1995244 verfassungsrechtlich nicht bedenklich. Eine Popularklage, die sich erneut gegen diesen Inhalt des Art. 25 Abs. 1 Satz 1 GLKrWG wendet, ist somit – da diesbezüglich seit 18. Juli 1995 kein grundlegender Wandel der Lebensverhältnisse oder der allgemeinen Rechtsauffassung eingetreten ist und keine neuen Gesichtspunkte geltend gemacht wurden – unzulässig“.245

BayVerfGHE 48, 61. Vgl. § 1 Nr. 15 sowie § 4 Abs. 1 des Gesetzes zur Änderung des Gemeinde- und Landkreiswahlgesetzes vom 26. Juli 1995 (GVBl S. 371). 237 Vgl. die Bekanntmachung des GLKrWG vom 10. August 1994 (GVBl S. 747 [752]). 238 Vgl. § 1 Nr. 15 lit. b) des Gesetzes zur Änderung des Gemeinde- und Landkreiswahlgesetzes vom 26. Juli 1995 (GVBl 371 [372 f.]). 239 BayVerfGH 49, 11. 240 Vgl. dazu oben § 26 A. VI. 1. b) (S. 183). 241 BayVerfGHE 49, 11 (15). 242 BayVerfGHE 49, 120. 243 Vgl. § 1 Nr. 15 lit. a) des Gesetzes zur Änderung des Gemeinde- und Landkreiswahlgesetzes vom 26. Juli 1995 (GVBl S. 371 [372]). 244 Vgl. dazu oben § 26 A. VI. 1. b) (S. 183). 245 BayVerfGHE 49, 120 (123). 235 236

§ 26 Vorliegen einer Wiederholung

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Soweit sich die Popularklage gegen die Einfügung der Worte „ununterbrochen bis zum 90. Tag vor dem Wahltag“ richtete, sah das Gericht die Klage als zulässig an.246

In der neu eingefügten Textstelle sah das Gericht somit nicht einen identischen, sondern einen lediglich ähnlichen Prüfungsgegenstand. e) Entscheidungen zur Bauordnung Die Abgrenzung eines „identischen“ von einem „lediglich ähnlichen“ Prüfungsgegenstand möchte der Bayerische Verfassungsgerichtshof offensichtlich vom Vorliegen einer gewissen Relevanz der inhaltlichen Abweichung der jeweiligen Normen abhängig machen. So war das Gericht in zwei Popularklageverfahren mit einer Regelung der Bayerischen Bauordnung befasst. Die im ersten Verfahren247 gegenständliche Norm formulierte: „Ein- und Zweifamilienhäuser, auch in der Form von Doppelhäusern, es sei denn, es handelt sich um Hausgruppen“248. In der im folgenden Verfahren angegriffenen Vorschrift hieß es: „Wohngebäude mit bis zu je drei Wohnungen, auch in der Form von Doppelhäusern, es sei denn, es handelt sich um Hausgruppen, wenn die dritte Wohnung in der ersten Ebene des Dachgeschosses liegt“249. Der Verfassungsgerichtshof sah eine eventuell vorliegende Wiederholung als zulässig an und ließ es deshalb dahingestellt, „ob diese Änderungen so gewichtig sind, daß sie eine erneute verfassungsrechtliche Überprüfung angezeigt erscheinen lassen“.250 In einer weiteren Entscheidung zur Bayerischen Bauordnung verneint der Gerichtshof das Vorliegen einer Wiederholung. Zwar habe er in einer vorangegangenen Entscheidung die Verfassungsmäßigkeit der seinerzeitigen Neufassung des Art. 7 Abs. 5 BayBO 1982, der ebenfalls bei Einhaltung bestimmter Ausmaße die Grenzbebauung mit Garagen zuließ, bejaht. Dabei habe er zu nahezu allen auch nun aufgeworfenen Fragen Stellung genommen.251 Und weiter: „Bei der nunmehr verfassungsrechtlich zu überprüfenden Norm des Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 BayBO 2008 handelt es sich aber nicht um einen identischen Streitgegenstand, sondern um einen lediglich ähnlichen, der sich in einigen nicht ganz unwesentlichen Punkten von der damaligen Regelung unterscheidet“. … „So können die erfassten Gebäude die Privilegierung beispielsweise auch in Anspruch nehmen, wenn sie nicht direkt an die Grundstücksgrenze angebaut werden.“252

BayVerfGHE 49, 120 (123). BayVerfGHE 39, 1. 248 Art. 86 a Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BayBO in der Fassung des Dritten Gesetzes zur Änderung der Bayerischen Bauordnung vom 15. April 1977 (GVBl S. 115). 249 Art. 68 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BayBO in der Neufassung der Bekanntmachung vom 4. August 1997 (GVBl S. 433 [459]). 250 BayVerfGHE 52, 9 (16). 251 BayVerfGH Entscheidung vom 15. 12. 2009, Vf. 6-VII-09, veröffentlicht in juris, ebenda Rn. 33 (insoweit nicht veröffentlicht in NVwZ 2010, 580 und ZfBR 201, 139). 246 247

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5. Kap.: Wiederholung einer Popularklage

2. Bewertung der Rechtsprechung Eine Rechtskraftbindung besteht nur in Fällen des gleichen Streitgegenstandes, des kontradiktorischen Gegenteils, der Präjudizialität sowie dann, wenn die Verfassungsmäßigkeit einer Norm streitig ist, die inhaltlich mit einer solchen übereinstimmt, deren Gültigkeit das Gericht bereits (rechtskräftig) bestätigt hat.253 Bei einem lediglich ähnlichen, jedoch nicht identischen Streitgegenstand liegt keiner dieser Fälle vor, so dass keine Rechtskraftbindung besteht. Der Bayerische Verfassungsgerichtshof lehnt in diesen Fällen daher zu Recht das Vorliegen einer Wiederholung ab. a) Entscheidung zur Arbeitszeitverordnung Die Entscheidung zur Arbeitszeitverordnung verdeutlicht die Richtigkeit dieses Ergebnisses. Denn die erneute Änderung der Arbeitszeitverordnung intensivierte den Eingriff. Dem Ziel der Popularklage – dem Schutz der Grundrechte – wird nur dann entsprochen, wenn eine erneute Popularklage zulässig ist. Nur so kann sichergestellt werden, dass ein mögliches Überschreiten der Schwelle von der Verhältnismäßigkeit eines Eingriffs zu dessen Unverhältnismäßigkeit vom Bayerischen Verfassungsgerichtshof festgestellt werden kann. b) Entscheidung I zu Art. 25 BayGLKrWG Gleiches gilt, wenn wie bei der Entscheidung I zu Art. 25 BayGLKrWG ein Grundrechtseingriff auf einen weiteren, bislang nicht betroffenen Grundrechtsträger erstreckt wird. Auch hier entspricht es dem Ziel der Popularklage, ein erneutes Verfahren zuzulassen. Dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof ist daher zuzustimmen, dass hier kein Fall der Wiederholung vorliegt. c) Entscheidung II zu Art. 25 BayGLKrWG Im Ergebnis ist dem Bayerischen Verfassungsgerichthof auch in Bezug auf die Entscheidung II zu Art. 25 BayGLKrWG zu folgen. Die Begründung, wonach die beiden Regelungen zur Höhe der erforderlichen Unterstützerunterschriften auch „nicht im wesentlichen übereinstimmen“254, verwundert allerdings. Denn nach der alten Fassung der Norm war diese Zahl abhängig von der Zahl der Gemeindebzw. Kreisräte. Diese ist jedoch wiederum gemäß Art. 31 Abs. 2 BayGO255 bzw. Art. 24

252 BayVerfGH Entscheidung vom 15. 12. 2009, Vf. 6-VII-09, veröffentlicht in juris, ebenda Rn. 33 (insoweit nicht veröffentlicht in NVwZ 2010, 580 und ZfBR 2010, 139). 253 Vgl. oben § 26 A. IV. 2. (S. 179). 254 BayVerfGHE 49, 11 (15).

§ 26 Vorliegen einer Wiederholung

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Abs. 2 BayLKrO256 abhängig von der Einwohnerzahl. Wenn die neue Fassung der Norm die erforderliche Zahl der Unterstützerunterschriften in „direkte“ Abhängigkeit der Einwohnerzahl stellt, stellt dies keinen wesentlichen Unterschied dar. Im Ergebnis wurde im konkreten Fall die Anzahl der benötigten Unterstützerunterschriften aber erhöht.257

Die erneute Gesetzesänderung verstärkte somit den Eingriff, weshalb das Vorliegen einer Wiederholung zu verneinen ist.258 d) Entscheidung III zu Art. 25 BayGLKrWG Der Normenkontrollantrag, der der Entscheidung III zu Art. 25 BayGLKrWG zu Grunde lag, bezog sich auch auf einen neuen Norminhalt. Auch hier entspricht die Verneinung einer Wiederholung dem Ziel der Popularklage. e) Entscheidungen zur Bauordnung Die Entscheidungen zur Bauordnung verdeutlichen ein Problem, das dadurch auftritt, dass eine Wiederholung auch dann zu bejahen ist, wenn formell unterschiedlich Normen inhaltlich übereinstimmen. Fraglich ist insoweit, ob die formell unterschiedlichen Normen inhaltlich völlig identisch sein müssen, oder ob eine materielle Übereinstimmung auch dann noch bejaht werden kann, wenn beispielsweise leichte Abweichungen in der Formulierung vorliegen. Der Bayerische Verfassungsgerichtshof geht davon aus, dass das Vorliegen einer Wiederholung nur dann zu verneinen ist, wenn die Abweichung ein gewisses „Gewicht“ aufweist.259 Dem ist zuzustimmen.260 Folgt man der Meinung, wonach die Rechtskraft auf die Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit eines Norminhalts zu beziehen ist, ist eine (inhaltlich unwesentliche) andere Formulierung des Normtextes unschädlich. Zum gleichen Ergebnis gelangt man über die Rechtskrafterstreckung mit Hilfe einer wertenden Betrachtung.261 255 Gemeindeordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 22. August 1998 (GVBl S. 796); ebenso bereits Art. 31 Abs. 2 BayGO in der Fassung der Bekanntmachung vom 6. Januar 1993 (GVBl S. 65). 256 Landkreisordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 22. August 1998 (GVBl S. 826); ebenso bereits Art. 24 Abs. 2 LKrO in der Fassung der Bekanntmachung vom 6. Januar 1993 (GVBl S. 93). 257 BayVerfGHE 49, 12 (18). 258 Vgl. oben § 26 A. VI. 2. b) (S. 186). 259 Vgl. BayVerfGHE 52, 9 (16). 260 Die Schwierigkeiten der rechtlichen Abgrenzung, wann ein solches „Gewicht“ vorliegt, sind hinzunehmen. Solche Abgrenzungsprobleme sind letztlich nicht immer zu vermeiden. So wirft z. B. auch § 323 Abs. 1 ZPO die Frage auf, unter welchen Voraussetzungen eine „wesentliche Änderung“ vorliegt, die zur Erhebung einer Abänderungsklage befugt. Leipold gesteht dem Gericht insofern „einen gewissen Beurteilungsspielraum“ zu, „um ein dem Einzelfall angemessenes Ergebnis zu gewährleisten.“ (Leipold, in: Stein / Jonas, ZPO, § 323 Rn. 45).

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5. Kap.: Wiederholung einer Popularklage

B. Bereits ergangene Entscheidungen des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs in sonstigen Verfahren Die Frage, ob eine Wiederholung einer Popularklage vorliegt, stellt sich, wie soeben dargestellt, meist dann, wenn bereits eine Entscheidung in einem vorangegangenen Popularklageverfahren vorliegt. Ebenso denkbar ist es jedoch, dass der Bayerische Verfassungsgerichtshofs bereits in einem anderen Verfahren über die Verfassungsmäßigkeit der entsprechenden Rechtsvorschrift entschieden hat (vgl. Art. 65 BV). In Betracht kommt hier zunächst das Organstreitverfahren (Art. 64 BV, Art. 2 Nr. 4 BayVerfGHG), dessen Gegenstand die Verfassungsmäßigkeit einer Rechtsnorm sein kann.262 Gemäß Art. 75 Abs. 3 BV entscheidet der Verfassungsgerichtshof auch darüber, ob ein Antrag auf unzulässige Verfassungsänderung vorliegt. Darüber hinaus ist ein Richter gemäß Art. 92 BV zur Vorlage an den Verfassungsgerichtshof verpflichtet, wenn er ein Gesetz oder eine sonstige Rechtsvorschrift des bayerischen Landesrechts für verfassungswidrig hält.263 Auch in einem solchen Fall trifft der Verfassungsgerichtshof eine Normenkontrollentscheidung. In den anderen Verfahren kann die Frage der Verfassungsmäßigkeit einer Norm nicht direkt Verfahrensgegenstand sein.264 Sie kann jedoch eine Vorfrage innerhalb des Verfahrens darstellen.

I. Interne Richtervorlage In den dargestellten verschiedenen Verfahren, die zur Verfassungswidrigerklärung einer Rechtsvorschrift führen, entscheidet der Verfassungsgerichtshof gemäß Art. 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BayVerfGHG in jeweils gleicher Besetzung, nämlich in der sogenannten Berufsrichterspruchgruppe.265 Für die übrigen Verfahren sieht das BayVerfGHG andere Besetzungen vor (Art. 3 Abs. 2 Nr. 1 und Art. 3 Abs. 2 Nr. 3 BayVerfGHG). Gelangt der Gerichtshof in einer dieser Besetzungen zu der Auffassung, dass eine entscheidungserhebliche Rechtsvorschrift des bayerischen Landesrechts verfassungswidrig sei, hat er darüber gemäß Art. 3 Abs. 3 Satz 1 BayVerfGHG Vgl. dazu § 25 B. IV. 2. c) (S. 167). Meder, BV, Art. 64 Rn. 5. 263 BayVerfGHE 42, 98 (101); 43, 182 (184); 48, 149 (152); 55, 143 (151); Meder, BV, Art. 92 Rn. 2; Wolff, in: Lindner / Möstl / Wolff, BV, Art. 92 Rn. 1. 264 Dies gilt insbesondere für die Verfassungsbeschwerde (Art. 120 BV), in deren Rahmen die Rechtmäßigkeit einer Rechtsvorschrift kein zulässiger Verfahrensgegenstand ist (BayVerfGHE 16, 142 [146]; 18, 37 [38]; 36, 149 [152]; Fleury, Rn. 392; Wolff, in: Lindner / Möstl / Wolff, BV, Art. 120 Rn. 29). Möglich ist hingegen eine verdeckte Rechtssatzverfassungsbeschwerde (Schumann, FS 25 Jahre BayVerfGH, S. 281 [290 Fußn. 41]). 265 Demnach setzt sich das Gericht in diesen Fällen aus dem Präsident sowie acht berufsrichterlichen Mitgliedern, von denen drei dem Verwaltungsgerichtshof angehören, zusammen. Lindner spricht vom „Berufsrichtersenat“ (Lindner, Bayerisches Staatsrecht, Rn. 477). 261 262

§ 26 Vorliegen einer Wiederholung

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vorab in der Berufsrichterspruchgruppe (Art. 3 Abs. 2 Nr. 2 BayVerfGHG) zu entscheiden – also in der Zusammensetzung, in der er in den genannten Fällen Normenkontrollentscheidungen trifft. Bis zu der Entscheidung in diesem Zwischenverfahren hat er das anhängige Verfahren auszusetzen (Art. 3 Abs. 3 Satz 2 BayVerfGHG). Das BayVerfGHG stellt mit der „internen Richtervorlage“266 sicher, dass der Gerichtshof über die Verfassungswidrigkeit einzelner Normen stets in gleicher Besetzung entscheidet.267 II. Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichthofs Hat der Bayerische Verfassungsgerichtshof in der Berufsrichterspruchgruppe (Art. 3 Abs. 2 Nr. 2 BayVerfGHG) über die Verfassungsmäßigkeit einer Norm entschieden, stellt sich die Frage, ob bei einer späteren Popularklage gegen dieselbe Norm eine Wiederholung vorliegt. So stellten mehrere Antragsteller Anträge auf Entscheidung über die Gültigkeit der Landtagswahl 1990. Der Verfassungsgerichtshof in der Zusammensetzung nach Art. 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BayVerfGHG hielt die entscheidungserhebliche Norm des Art. 41 Abs. 2 BayLWG für verfassungswidrig, wonach die Verteilung der Landtagsmandate unter jeweils getrennter Anwendung des d’Hondt’schen Höchstzählverfahrens in den sieben Wahlkreisen (Regierungsbezirke) erfolgte. Er setzte daraufhin das Wahlprüfungsverfahren aus und legte die Sache der Berufsrichterspruchgruppe vor.268 Auch in dieser Besetzung kam der Verfassungsgerichtshof zu der Entscheidung, dass Art. 41 Abs. 2 BayLWG nicht mit der Bayerischen Verfassung zu vereinbaren sei. Zwar verstieße die Wahl in Wahlkreisen nicht gegen die Wahlgleichheit.269 Die siebenfache Anwendung des d’Hondt’schen Höchstzählverfahrens in den jeweiligen Wahlkreisen könne jedoch zu Abweichungen vom landesweiten Proporz führen, die nicht mehr mit der Wahlgleichheit zu vereinbaren seien.270 Ein späteres Popularklageverfahren erklärte der Verfassungsgerichtshof daraufhin insoweit für unzulässig, als der Beschwerdeführer die Festlegung von Wahlkreisen angriff. Diese stelle nach ständiger Rechtsprechung des Gerichts keinen Verstoß gegen die Wahlgleichheit dar.271 Zwar spricht der Verfassungsgerichtshof nicht ausdrücklich vom Vorliegen einer Wiederholung, die Zitierung einer einschlägigen Kommentarstelle272 sowie die Verneinung der möglichen Zulässigkeitsgründe einer Wiederholung273 zeigen jedoch deutlich, dass er vom Vorliegen einer solchen ausgeht. 266 Vgl. zu diesem Verfahren S. Schmidt, BayVBl. 1992, 742 (742 ff.); Schumann, Verfassungs- und Menschenrechtsbeschwerde, S. 152; ders. in: Starck / Stern, LVG II, S. 149 (210 f); Sprenger, BayVBl. 1992, 746 (746 ff.). 267 Vgl. Schumann, in: Starck / Stern, LVG II, S. 149 (210). 268 BayVerfGHE 45, 12 (17). 269 BayVerfGHE 45, 54 (63 f., sub 2.). 270 BayVerfGHE 45, 54 (64 f., sub 4. und 5.). 271 BayVerfGH BayVBl. 1996, 175. 272 Das Gericht verweist auf „Meder, RdNr. 38 zu Art. 98 m.w. N.“ (BayVerfGH BayVBl. 1996, 175.). Diese Randnummer behandelt die „Wiederholung einer abgewiesenen Popularklage“.

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5. Kap.: Wiederholung einer Popularklage

Der Verfassungsgerichtshof geht somit auch dann vom Vorliegen einer grundsätzlich unzulässigen Wiederholung aus, wenn die vorhergehende Normenkontrollentscheidung nicht im Rahmen einer Popularklage, sondern aufgrund einer gerichtsinternen Vorlage an die Berufsrichterspruchgruppe erging.

III. Bewertung der Rechtsprechung Normenkontrollentscheidungen, die der Bayerische Verfassungsgerichtshof nicht im Rahmen einer Popularklage, sondern in einem anderen Verfahren trifft, erwachsen ebenso in Rechtskraft, wie solche in Popularklageverfahren. Dem Gericht ist insofern zuzustimmen, als es eine Popularklage auch in diesen Fällen als grundsätzlich unzulässig ansieht, wenn die Rechtskraft einer anderen Entscheidung entgegensteht. Im zitierten Fall bezog sich der Bayerische Verfassungsgerichtshof jedoch nicht auf den Tenor einer bereits ergangenen Entscheidung, sondern lediglich auf einen Abschnitt der Entscheidungsbegründung.274 Die Begründung nimmt jedoch nicht an der Rechtskraft teil.275 Daher lag im konkreten Fall richtigerweise kein Fall einer grundsätzlich unzulässigen Wiederholung vor.

C. Bereits ergangene Entscheidungen anderer Gerichte I. Normenkontrollentscheidung des Bundesverfassungsgerichts Schließlich ist es auch möglich, dass bereits eine vorausgegangene Normenkontrollentscheidung eines anderen Gerichts vorliegt, etwa des Bundesverfassungsgerichts. Die Verfassungsräume des Bundes und der Länder sind unabhängig voneinander.276 Die Länder sind mit eigener, nicht vom Bund abgeleiteter staatlicher Hoheitsmacht ausgestattet.277 Die Verfassungsbereiche des Bundes und der Länder stehen somit selbständig nebeneinander.278 Damit ist der Prüfungsmaßstab des Bundesverfassungsgerichts mit dem Grundgesetz und der des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs mit der Bayerischen Verfassung verschieden und insofern unabhängig

273 „Daß seither ein grundlegender Wandel der Lebensverhältnisse oder der allgemeinen Rechtsauffassung eingetreten ist oder neue rechtliche Gesichtspunkte oder neue, in der früheren Entscheidung noch nicht gewürdigte Tatsachen geltend gemacht werden, ist nicht ersichtlich.“ (BayVerfGH BayVBl. 1996, 175); vgl. dazu das Zitat bei Fußn. 294 (7. Kapitel). 274 BayVerfGH BayVBl. 1996, 175 verweist auf BayVerfGHE 45, 54 (63 f.). 275 Vgl. dazu oben § 25 B. IV. 2. d) (S. 168). 276 BVerfGE 96, 345 (368); Lindner, EuR 2007, 160 (189); J. Menzel, S. 156. 277 BVerfGE 1, 14 (34). 278 BVerfGE 96, 345 (368).

§ 26 Vorliegen einer Wiederholung

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voneinander279, die Prüfungsmaßstäbe der beiden Verfassungsgerichte sind gespalten.280 Der Umfang der Rechtskraft einer Entscheidung richtet sich nach dem Streitund Urteilsgegenstand, der von der Prüfungskompetenz des Gerichts bestimmt wird. Da beim Bundesverfassungsgericht diese Kompetenz auf den Prüfungsmaßstab des Grundgesetzes beschränkt ist, gilt dies auch für den Streit- und Urteilsgegenstand. Dieser Gegenstand kann also nicht umfassend sein, sondern ist normativ gebildet. Überprüft das Bundesverfassungsgericht eine landesrechtliche Vorschrift, erwächst daher nur diese Entscheidung über die Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz in Rechtskraft. Gleichwohl könnte der Bayerische Verfassungsgerichtshof aufgrund des unterschiedlichen Prüfungsmaßstabes die Unvereinbarkeit derselben Rechtsnorm mit der Bayerischen Verfassung feststellen.281 Der Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit einer Norm durch den Bayerischen Verfassungsgerichtshof steht daher die Rechtskraft einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht entgegen.

II. Normenkontrollverfahren nach § 47 VwGO 1. Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs Im Normenkontrollverfahren nach § 47 VwGO entscheidet das Oberverwaltungsgericht – soweit die Sachurteilsvoraussetzungen vorliegen – über die Gültigkeit einer untergesetzlichen Rechtsvorschrift. Deren Vereinbarkeit mit Landesrecht prüft es gemäß § 47 Abs. 3 VwGO aber nicht, soweit gesetzlich vorgesehen ist, dass diese Prüfung ausschließlich durch das Verfassungsgericht des Landes erfolgt. Der Bayerische Verfassungsgerichtshof stellt zu dieser Vorbehaltsklausel in ständiger Rechtsprechung fest, dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof stünden im Hinblick auf die Popularklage die Grundrechte der Bayerischen Verfassung als Prüfungsmaßstab bei seiner Entscheidung über die Gültigkeit einer untergesetzlichen Rechtsnorm nicht zur Verfügung.282 Normenkontrollentscheidungen in den Verfahren nach § 47 VwGO und Art. 98 Satz 4 BV lägen unterschiedliche Prüfungsmaßstäbe zu Grunde. Der Bayerische Verfassungsgerichtshof sei daher nicht an Entscheidungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs gebunden.283 Daher erkennt der Verfassungsgerichtshof Popularklagen gegen solche Normen als zulässig an, gegen die der Beschwerdeführer zuvor erfolglos ein Normenkontrollverfahren nach § 47 VwGO angestrengt hatte.284 Kalkbrenner, FS 25 Jahre BayVerfGH, S. 329 (362). Vgl. hierzu Schumann, in: Roth, Europäisierung des Rechts, S. 197 (205). 281 Vgl. Benda / E. Klein, Rn. 1312; Pestalozza, Verfassungsprozeßrecht, § 20 Rn. 98 Fußn. 299; Schumann, in: Roth, Europäisierung des Rechts, S. 197 (231). 282 Vgl. etwa BayVerfGHE 30, 40 (43); 36, 173 (177). 283 BayVerfGHE 36, 173 (177). 279 280

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5. Kap.: Wiederholung einer Popularklage

2. Bewertung der Rechtsprechung Folgt man der Ansicht des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs, wonach den Normenkontrollverfahren nach § 47 VwGO und Art. 98 Satz 4 BV unterschiedliche Prüfungsmaßstäbe zu Grunde liegen, kann einer Popularklage nicht die Rechtskraft einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs entgegenstehen. Eine „wiederholende“ Popularklage ist demnach ohne weiteres zulässig.285 Dies setzt voraus, dass dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof die ausschließliche Kompetenz zugeordnet ist, über die Vereinbarkeit einer Norm mit den Grundrechten der Bayerischen Verfassung zu entscheiden (vgl. § 47 Abs. 3 VwGO). Diese Ausschließlichkeit setzt eine Nachprüfungskompetenz des Landesverfassungsgerichts voraus, die die Kompetenz anderer Gerichte verdrängt und eine Monopolstellung begründet.286 Ein solches Monopol nimmt der Bayerische Verfassungsgerichtshof – wie soeben dargestellt287 – für sich in Anspruch. In der Literatur stößt diese Ansicht, wonach dem Gerichtshof die Prüfung am Maßstab der Bayerischen Verfassung vorbehalten sei, hingegen auf breite Kritik.288 In seiner jüngeren Rechtsprechung deutet auch der Verfassungsgerichtshof ein mögliches Abrücken von dieser Ansicht an.289 Auch sprechen die Entstehungsgeschichte und Funktion der Popularklage gegen eine Auslegung, wonach der Schutz der Grundrechte bei Normenkontrollverfahren ausschließlich durch den Verfassungsgerichtshof erfolgen soll. Denn das Verfahren nach Art. 98 Satz 4 BV, Art. 55 BayVerfGHG hat zum Ziel, den Schutz der Grundrechte zu erweitern, nicht hingegen andere Verfahren einzuschränken.290 Selbst wenn die Grundrechte der Bayerischen Verfassung im Verfahren nach § 47 VwGO Prüfungsmaßstab wären, wäre der Verfassungsgerichtshofs in Bezug auf den Grundrechtsschutz in diesen Verfahren nicht außen vor. Denn gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs könnte Urteilsverfassungsbeschwerde gemäß

284 Vgl. BayVerfGHE 54, 36 (37, 39); BayVerfGH Entscheidung vom 8. 11. 2010, Vf. 5VII-09, veröffentlicht in juris, ebenda Rn. 10 und Rn. 28 (insofern nicht veröffentlicht in BayVBl. 2011, 173). 285 Vgl. Wolff, BayVBl. 2003, 321 (322). 286 Wolff, BayVBl. 2003, 321. 287 Vgl. bei Fußn. 282 (5. Kapitel). 288 Bettermann, in: Starck / Stern, LVG II, S. 467 (500); A. Braun, S. 260 ff.; Knöpfle, FS 100 Jahre BayVGH, S. 187 (198 ff.); Wolff, BayVBl. 2003, 321 (323); Ziekow, in: Sodan / Ziekow, VwGO, § 47 Rn. 317. 289 Vgl. BayVerfGHE 55, 43 (48): „Die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs ist freilich der Kritik ausgesetzt“ … „und ist in der Tat nicht frei von Friktionen; im Rahmen eines Verfahrens nach § 47 VwGO landesrechtliche Grundrechte des Antragstellers als Prüfungsmaßstab aus der Betrachtung auszuklammern, lässt sich wohl ohnehin kaum folgerichtig realisieren, da die Ausstrahlung dieser Grundrechte auf andere für die gerichtliche Kontrolle einschlägige Bestimmungen davon doch unberührt bliebe“. Im konkreten Fall ließ der BayVerfGH die Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde offen (vgl. BayVerfGHE 55, 43 [46]). 290 Knöpfle, FS 100 Jahre BayVGH, S. 187 (198 f.); Wolff, BayVBl. 2003, 321 (324).

§ 27 Zulässigkeit einer Wiederholung

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Art. 120 BV erhoben werden.291 In diesem Verfahren müsste der Verfassungsgerichtshof gegebenenfalls eine interne Richtervorlage292 vornehmen. Die Frage, ob eine „wiederholende“ Popularklage vorliegt, stellt sich indes nur dann, wenn der Verwaltungsgerichtshof in einem Verfahren nach § 47 VwGO eine Norm für rechtmäßig erklärt hat. Denn soweit eine Norm für nichtig erklärt wurde, kann diese nicht mehr Prüfungsgegenstand einer Popularklage sein.293 Die Bindungswirkung des § 47 Abs. 5 Satz 2 VwGO erstreckt sich aber nicht auf Abweisungen von Normenkontrollanträgen. Daher ist der Bayerische Verfassungsgerichtshof nicht an eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs gebunden, wonach eine Rechtsvorschrift rechtmäßig ist. Einer darauf hin erhobenen Popularklage steht daher keine Rechtskraftbindung entgegen.

§ 27 Zulässigkeit einer Wiederholung Der Bayerische Verfassungsgerichtshof lässt die Wiederholung einer Popularklage in ständiger Rechtsprechung nur dann zu, „wenn seit der früheren Entscheidung ein grundlegender Wandel der Lebensverhältnisse oder der allgemeinen Rechtsauffassung eingetreten ist oder wenn neue rechtliche Gesichtspunkte geltend gemacht werden“; … „dabei können allerdings neben der Sache liegende oder sonst nicht beachtenswerte Ausführungen die Zulässigkeit eines neuen Antrags nicht begründen“.294

Unter welche dieser verschiedenen Gesichtspunkte der Verfassungsgerichtshof vorgebrachte Argumente einordnet, wird in der Entscheidungsbegründung nicht immer deutlich.295

291 Bauer, BayVBl. 1984, 238 (239); Molodovsky, BayVBl. 1984, 430 (431). Der BayVerfGH lehnt hingegen solche Urteilsverfassungsbeschwerden ab und führt aus: „War es“ … „dem Bayer. Verwaltungsgerichtshof kraft des § 47 VwGO in Verbindung mit Art. 98 Satz 4 BV verwehrt, die Gültigkeit der im Normenkontrollverfahren angefochtenen Satzung unmittelbar an Grundrechten der Bayerischen Verfassung zu messen, so kann mit einer Verfassungsbeschwerde nach Art. 120 BV gegen den den Antrag auf Ungültigerklärung einer Norm zurückweisenden gerichtlichen Normenkontrollbeschluss nicht gerügt werden, dieser Beschluß habe verfassungsmäßige Rechte der Beschwerdeführer dadurch verletzt, daß die angefochtene Satzung nicht auch auf ihre Übereinstimmung mit Grundrechten der Bayerischen Verfassung geprüft worden sei.“ (BayVerfGHE 30, 40 [44]). 292 Vgl. hierzu § 26 B. I. (S. 188). 293 Vgl. dazu oben § 16 (S. 117). 294 BayVerfGHE 49, 153 (157 f.); vgl. auch BayVerfGHE 28, 14 (19); 48, 61 (68); 49, 153 (157 f.); 50, 226 (244); 51, 131 (141); 52, 9 (16); 52, 91 (94); BayVerfGH BayVBl. 1994, 494; BayVBl. 1997, 402; 2001, 466; 2004, 268 (269); 2010, 140; 2011, 466. 295 Vgl. etwa BayVerfGHE 48, 61 (69).

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5. Kap.: Wiederholung einer Popularklage

A. Grundlegender Wandel der Lebensverhältnisse I. Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs Der Bayerische Verfassungsgerichtshof stellt in zahlreichen Entscheidungen klar, dass ein grundlegender Wandel der Lebensverhältnisse die Zulässigkeit der Wiederholung einer Popularklage begründen kann.296 Im Zeitraum von 1995 bis 2011 sah der Verfassungsgerichtshof die Voraussetzungen hierfür jedoch in keinem einzigen Fall als gegeben an. 1. Entscheidung zum Mediengesetz Der Bayerische Verfassungsgerichtshof verneint das Vorliegen eines Rechtfertigungsgrundes für die Wiederholung, so weit die gewandelten Lebensverhältnisse für die Frage der Verfassungsmäßigkeit der angegriffenen Norm nicht erheblich sind. So wandte sich ein Popularkläger im Jahr 1996 gegen die Regelung über das Entgelt für den Bezug von Rundfunkprogrammen aus Kabelanlagen.297 Im Jahr 1991 hatte der Verfassungsgerichtshof die Verfassungsmäßigkeit des Teilnehmerentgelts beim Empfang aus Breitbandkabelanlagen bestätigt.298 Der Antragsteller machte nun einen grundlegenden Wandel der technischen Möglichkeiten auf dem Mediensektor geltend. Die Zahl der Benutzer von Satellitenempfangsanlagen sei stark gestiegen. Die Bedeutung, die die Empfangsart erlangt habe, rechtfertige eine verfassungsrechtliche Neuentscheidung. Ebenso sei die Veränderung der Bewertung des Teilnehmerentgelts durch die Bürger verfassungsrechtlich relevant.299 Dieser Argumentation schloss sich der Verfassungsgerichtshof nicht an. Einen grundlegenden Wandel der Lebensverhältnisse sah er nicht gegeben: „In der Entscheidung vom 11. Juni 1991 ist ausgesprochen, daß es unter dem Blickwinkel des Grundrechts der Rundfunkempfangsfreiheit (Art. 112 Abs. 2 BV) keine entscheidende Rolle spiele, mit welchen technischen Übertragungsmethoden ein Programm den Hörer oder den Zuschauer erreicht (VerfGH 44, 61 / 78). Eine Zunahme des Satelliten-Direktempfangs, wie sie der Antragsteller geltend macht, ist für die Verfassungsmäßigkeit des nur für den Kabelempfang erhobenen Teilnehmerentgelts unter keinem verfassungsrechtlichen Gesichtspunkt von entscheidender Bedeutung.“300

2. Entscheidung zur Schulordnung (Raucherräume) Ein grundlegender Wandel der Lebensverhältnisse liegt nach Ansicht des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs auch dann nicht vor, wenn sich das Bewusstsein in 296 297 298 299 300

Vgl. die Nachweise in Fußn. 294 (5. Kapitel). BayVerfGHE 51, 131. BayVerfGHE 44, 61. BayVerfGHE 51, 131 (135 f.). BayVerfGHE 51, 131 (143).

§ 27 Zulässigkeit einer Wiederholung

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der Öffentlichkeit in den Jahren seit der vorhergehenden Entscheidung lediglich vertieft hat. Im konkreten Fall entschied das Gericht im Jahr 1999 über die Rechtmäßigkeit der Regelung, wonach an Gymnasien das Schulforum den Schülern der zwölften und der 13. Jahrgangsstufe das Rauchen in Raucherzimmern erlauben konnte.301 Bereits im Jahr 1982 hatte er eine inhaltsgleiche Regelung für verfassungsgemäß erklärt.302 Die Antragsteller der wiederholenden Popularklage machten geltend, dass sich auf Grund immer neuer Gutachten über die Gesundheitsgefährdung des Rauchens ein grundsätzlicher Wertungswandel vollzogen habe. „Die Gefahren des Rauchens würden nicht mehr den allgemeinen, nicht bezifferbaren Lebensrisiken zugeordnet, sondern den konkreten Gefahren für die menschliche Gesundheit.“303 Der Verfassungsgerichtshof führt dazu aus: „Eine Vielzahl zwischenzeitlicher Aufklärungskampagnen, gesetzliche Verbote zur Tabakwerbung und Warnhinweise auf Tabakerzeugnissen haben zwar das Bewußtsein von der Gefährlichkeit des Rauchens für die Gesundheit in der Öffentlichkeit vertieft. Damit haben sich aber weder die Lebensverhältnisse noch die allgemeinen Rechtsanschauungen grundlegend geändert.“304

II. Bewertung der Rechtsprechung Die Rechtskraft einer Entscheidung entfaltet dann keine Wirkung mehr, wenn sich die Sach- oder Rechtslage nach der letzten mündlichen Verhandlung verändert hat. Die Rechtskraft stößt hier an ihre zeitlichen Grenzen.305 Dem Verfassungsgerichtshof ist also zuzustimmen, wenn er im grundlegenden Wandel der Lebensverhältnisse eine mögliche Rechtfertigung für die Wiederholung einer Popularklage sieht. Die Grenzen der Rechtskraft sind jedoch nicht berührt, wenn der Wandel der Lebensverhältnisse keine Auswirkungen auf die verfassungsrechtliche Beurteilung der Norm hat. Daher ist dem Gericht auch insofern beizustimmen, als er in den beiden dargestellten Fällen die Rechtfertigung der Wiederholung verneint.

B. Grundlegender Wandel der allgemeinen Rechtsauffassung I. Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs Ein weiterer möglicher Rechtfertigungsgrund für die Zulässigkeit der Wiederholung einer Popularklage liegt nach Ansicht des Bayerischen Verfassungsgerichts301 302 303 304 305

BayVerfGHE 52, 90. BayVerfGHE 35, 90. BayVerfGHE 52, 91 (92). BayVerfGHE 52, 91 (95 f.). Vgl. § 25 B. IV. 2. d) (S. 168).

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5. Kap.: Wiederholung einer Popularklage

hofs in einem grundlegenden Wandel der allgemeinen Rechtsauffassung.306 Das Vorliegen eines solchen hat das Gericht im Zeitraum von 1995 bis 2011 in keinem Fall bejaht. So griff ein Popularkläger Art. 35 Abs. 2 BayGLKrWG an, wonach die Sitzverteilung bei Gemeinderats- und Kreistagswahlen gemäß dem d’Hondt’schen Höchstzahlverfahren erfolgt.307 Die Wiederholung der Popularklage sah er als gerechtfertigt an, da nach den Urteilen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 17. März 2004 ein grundlegender Wandel der allgemeinen Rechtsauffassung stattgefunden habe.308 In diesen Entscheidungen erklärte der Verwaltungsgerichtshof die Anwendung des d’Hondt’schen Verfahrens bei der Ausschussbesetzung von Gemeinderäten und Kreistagen für rechtswidrig, wenn eine im Einzelfall durch eine sogenannte Über-Aufrundung auftretende Überrepräsentation einer Fraktion oder Gruppe zu Lasten einer anderen durch andere Verfahren vermieden werden könne, ohne dass die bei jenen Verfahren auftretenden Rundungsfehler zu einer Unterrepräsentation anderer Fraktionen bzw. Gruppen führe.309 Einen Wandel der allgemeinen Rechtsauffassung sieht der Bayerische Verfassungsgerichtshof hierin nicht begründet. Er weist darauf hin, dass Gegenstand der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung nicht das Zählverfahren für die Verteilung der Sitze in den vom Volk gewählten kommunalen Gremien, sondern die Besetzung von Ausschüssen gewesen sei. Der Verwaltungsgerichtshof habe bekräftigt, dass die Entscheidung eines Gemeinderats für das d’Hondt’sche Höchstzahlverfahren grundsätzlich nicht zu beanstanden sei. Da die Entscheidung über die Anwendbarkeit eines der Systeme verfassungsrechtlich nicht zwingend sei, könne in der Änderung der Sitzverteilungsverfahren in einzelnen Landesgesetzen ein grundlegender Wandel der allgemeinen Rechtsauffassung nicht gesehen werden.310

II. Bewertung der Rechtsprechung Ein Wandel der allgemeinen Rechtsauffassung bzw. ein Wandel der Rechtsprechung rechtfertigt nach der allgemeinen Rechtskraftlehre keine Abweichung von rechtskräftigen Entscheidungen.311 Im Gegensatz dazu hat der Bayerische Verfassungsgerichtshof den Grundsatz entwickelt, dass bei Normenkontrollentscheidungen eine erneute verfassungsgerichtliche Entscheidung möglich sein soll, wenn sich die allgemeine Rechtsaufassung geändert hat.312 Das Bundesverfassungsgericht hat sich dem angeschlossen.313

Vgl. die Nachweise in Fußn. 294 (5. Kapitel). BayVerfGH BayVBl. 2010, 140. 308 BayVerfGH Entscheidung vom 26. 10. 2009, Vf. 16-VII-08, veröffentlicht in juris, ebenda Rn. 8 (insoweit nicht veröffentlicht in BayVBl. 2010, 140). 309 BayVGHE n. F. 57, 49 (LS); 57, 56 (LS 2). 310 BayVerfGH BayVBl. 2010, 140 (142). 311 Vgl. Leipold, in: Stein / Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 322 Rn. 255; Rennert, in: Eyermann, VwGO, § 121 Rn. 49; Schnapp / Henkenötter, JuS 1994, 121 (123). 312 Vgl. BayVerfGHE 5, 166 (184). 313 Zunächst ließ das BVerfG unter Verweis auf die Rechtsprechung des BayVerfGH offen, ob der Wandel der allgemeinen Rechtsauffassung eine erneute Entscheidung über die Verfas306 307

§ 27 Zulässigkeit einer Wiederholung

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So legt das Bundesverfassungsgericht in einer Entscheidung zur Witwenrente dar, zum Zeitpunkt der ersten Befassung habe es der Rechtsauffassung entsprochen, dass die Pflichten der Frau in Ehe und Familie Vorrang vor dem Recht auf Erwerbstätigkeit hätten, weshalb die Erwerbstätigkeit der Frau sie weder ganz noch zum Teil von ihrer Haushaltsführungspflicht entbinde. Im Schrifttum sei damals die Auffassung vertreten worden, es handele sich insofern um zwingendes Recht. Zum Zeitpunkt der erneuten Normenkontrollentscheidung sah das Bundesverfassungsgericht diese Ansicht als aufgegeben an. Nach nunmehr allgemeiner Meinung unterliege die Aufgabenteilung in der Ehe in erster Linie der freien Entscheidung der Ehegatten, die lediglich im Kindeswohl ihre Grenze finde.314 Die erneute Richtervorlage sei deshalb zulässig, da das vorlegende Gericht hinreichend dargelegt habe, dass sich seit dem früheren Urteil des Bundesverfassungsgerichts ein Wandel in der Auslegung des BGB vollzogen habe.315

Michael Sachs und Klaus Vogel stimmen diesem Grundsatz jedenfalls dann zu, wenn der Wandel der allgemeinen Rechtsauffassung eine „neue Tatsache“ darstelle. Dies sei der Fall, wenn die zur Zeit der früheren Entscheidung beststehende allgemeine Rechtsauffassung ein Tatbestandsmerkmal der Maßstabsnorm war.316 Ein Wandel der Rechtsauffassung führe auch dann zu einem Wandel des Norminhalts, wenn dieser durch Wertbegriffe definiert werde, welche ihrem Inhalt nach an allgemeine Wertvorstellungen anknüpfen.317

C. Geltendmachung neuer rechtlicher Gesichtspunkte Von großer praktischer Bedeutung ist die Frage, inwiefern die Geltendmachung neuer rechtlicher Gesichtspunkte die Wiederholung einer Popularklage rechtfertigt.

I. Änderung der rechtlichen Rahmenbedingungen 1. Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs Gemäß der Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs müssen sich die neuen rechtlichen Gesichtspunkte nicht direkt aus der angegriffenen Norm ergeben.

sungsmäßigkeit derselben Norm ermöglichen kann (BVerfGE 20, 56 [87]); später hält es eine erneute Entscheidung für zulässig, da sich ein Wandel in der Auslegung einer BGB-Norm ergeben habe (BVerfGE 39, 169 [182]); Sachs, Bindung des Bundesverfassungsgerichts, S. 333 (insbesondere Fußn. 283); Vogel, FG 25 Jahre BVerfG, Band I, S. 568 (594). 314 BVerfGE 39, 169 (182 f.). 315 BVerfGE 39, 169 (181 f.). 316 Sachs, Bindung des Bundesverfassungsgerichts, S. 333; Vogel, FG 25 Jahre BVerfG, Band I, S. 568 (594). 317 Sachs, Bindung des Bundesverfassungsgerichts, S. 333.

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5. Kap.: Wiederholung einer Popularklage

So hatte der Verfassungsgerichtshof eine Norm der Bayerischen Bauordnung zu prüfen, wonach staatlich geprüfte Techniker der Fachrichtungen Bautechnik und Handwerksmeister des Bau- und Zimmererfachs den Architekten bei der Bauvorlageberechtigung gleichgestellt waren.318 In dieser Gleichstellung sah die Bayerische Architektenkammer einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 118 Abs. 1 BV.319 In einer früheren Entscheidung hatte der Verfassungsgerichtshof einen solchen Verstoß einer entsprechenden Regelung bereits verneint.320 Dabei führte das Gericht aus, dass die Regelung auch im Bereich der Baugestaltung einen angemessenen Schutz des Gemeinschaftsinteresses gewährleiste. Unter anderem sei zu berücksichtigen, dass die behördlichen Befugnisse im bauaufsichtlichen Verfahren auch hinsichtlich der Baugestaltung geeignet seien, Fehlplanungen entgegenzuwirken.321 In der späteren Entscheidung wies das Gericht nun auf die Einführung des Genehmigungsfreistellungsverfahrens sowie die spätere Erweiterung seines Anwendungsbereichs hin. Damit sei ein neuer rechtlicher Gesichtspunkt aufgetreten, der für die verfassungsrechtliche Beurteilung bedeutsam sein könne. Eine etwaige Wiederholung sei deshalb zulässig.322 Der neue rechtliche Gesichtspunkt war in diesem Fall somit nicht in der Norm selbst begründet, sondern vielmehr in den gesetzlichen Rahmenbedingungen. Vergleichbar ist dieser Fall mit einer wiederholenden Popularklage gegen das im Gesundheitsschutzgesetz geregelte Rauchverbot in Gaststätten. Gegenstand des erneuten Verfahrens waren Regelungen, die wörtlich mit bereits für verfassungsgemäß erklärten Normen übereinstimmten bzw. sich nur geringfügig unterschieden. Der Verfassungsgerichtshof führte dazu aus, wegen des nunmehrigen Fehlens gaststättenbezogener Ausnahmeregelungen hätten die gegenständlichen Regelungen nun ein umfassenderes Rauchverbot zur Folge, sodass die vorangegangene Entscheidung nicht unbesehen übertragen werden könne. Insoweit könne daher die Popularklage trotz des im Wesentlichen identischen Wortlauts der zu überprüfenden Bestimmungen als zulässig angesehen werden.323

Der Bayerischen Verfassungsgerichtshofs sieht es als möglich an, dass neue rechtliche Gesichtspunkte durch die Veränderung der rechtlichen Rahmenbedingungen entstehen. Die angegriffene Norm ist dann anhand dieser neu entstandenen rechtlichen Gesichtspunkten zu prüfen. 2. Bewertung der Rechtsprechung Eine Rechtskraftbindung liegt nicht vor, wenn sich die Sach- oder Rechtslage nachträglich verändert hat.324 Denn die Rechtskraft bezieht sich nur auf den Zeitpunkt der Entscheidung325 und damit nicht auf damals noch nicht bestehende GeBayVerfGHE 52, 9. BayVerfGHE 52, 9 (10). 320 BayVerfGHE 31, 1 (9). 321 BayVerfGHE 31, 1 (13). 322 BayVerfGHE 52, 9 (16). 323 BayVerfGH BayVBl. 2011, 466 (467). 324 Benda / E. Klein, Rn. 1303; Rosenberg / Schwab / Gottwald, § 155 Rn. 1; Schnapp / Henkenötter, JuS 1994, 121 (123). 325 s. o. S. 168. 318 319

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sichtspunkte. Hierzu sind auch Veränderungen der rechtlichen Rahmenbedingungen zu zählen. Dem Verfassungsgerichtshof ist daher zuzustimmen, dass beim Vorliegen einer solchen Veränderung die Wiederholung zulässig ist. Neue rechtliche Rahmenbedingungen können insbesondere bei der Prüfung einer Norm am Maßstab des Gleichheitssatzes eine Rolle spielen. Denn in diesem Fall führt regelmäßig erst das Zusammenwirken mehrerer Einzelregelungen zu einer verfassungswidrigen Rechtslage. Gleiches gilt für das Zusammenspiel eines grundsätzlichen Verbotes und dessen Ausnahmeregelungen. Ändert der Normgeber eine dieser im Zusammenhang zu betrachtenden Vorschriften, ist eine wiederholende Normenkontrolle auch dann zulässig, wenn sie die unveränderte Vorschrift zum Gegenstand hat.326

II. Änderung der Norm Ändert der Normgeber eine in einem Popularklageverfahren bestätigte Norm, können sich daraus neue rechtliche Gesichtspunkte für deren Verfassungswidrigkeit ergeben. In den meisten Fällen wird hierbei zwar schon das Vorliegen einer Wiederholung zu verneinen sein.327 Trotzdem können durch die Änderung auch für solche Grundrechtsträger neue rechtliche Gesichtspunkte entstehen, die bereits vor der Änderung in gleichem Umfang wie nach der Änderung betroffen waren. Insbesondere kann dies für den Gleichheitssatz der Fall sein. 1. Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs Ein Beispiel hierfür sind die beiden bereits zitierten Entscheidungen vom 11. Dezember 1959328 und vom 18. Juli 1995329, die sich mit den gesetzlichen Regelungen auseinandersetzten, unter welchen Voraussetzungen Parteien und Wählergruppen (neue) Wahlvorschläge für Kommunalwahlen einbringen konnten. Gemäß der zuerst angegriffenen Norm waren Parteien

326 Vgl. etwa BVerfGE 102, 127 (141). Dieses Verfahren der Richtervorlage nach Art. 100 GG hatte § 23a SGB IV (a. F.) zum Gegenstand. In einem früheren Verfahren hatte das BVerfG es mit dem allgemeinen Gleichheitssatz für unvereinbar erklärt, dass einmalig gezahltes Arbeitsentgelt, wie beispielsweise Weihnachtsgeld, zu Sozialversicherungsbeiträgen herangezogen wurde, ohne dass es bei der Berechnung von kurzfristigen Lohnersatzleistungen berücksichtigt wurde (BVerfGE 92, 53). Der Gesetzgeber hatte daraufhin zwar die bestehenden Beitragsregelungen, die einmalig gezahltes Arbeitsentgelt betreffen, unverändert in der Vorschrift des § 2a SGB IV zusammengefasst. Im Bereich der leistungsrechtlichen Vorschriften hatte er die beanstandeten Normen hingegen nicht einfach wiederholt. Die erneute Normenkontrolle des (unveränderten) § 23a SGB IV sah das BVerfG daher als zulässig an (BVerfGE 102, 127 [141 f.]). 327 Vgl. § 26 A. III. (S. 174). 328 BayVerfGHE 13, 1. 329 BayVerfGHE 48, 61.

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5. Kap.: Wiederholung einer Popularklage

immer zur Aufstellung von Wahlvorschlägen berechtigt, während Wählergruppen für die Einreichung eines Wahlvorschlags Unterstützerunterschriften vorweisen mussten.330 Der Popularkläger machte daher eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung von Parteien und Wählergruppen geltend.331 Laut der später angefochtenen Regelung waren Parteien und Wählergruppen zur Aufstellung von Wahlvorschlägen berechtigt. Neue Wahlvorschlagsträger benötigten hierfür allerdings Unterstützerunterschriften.332 Insofern wurden Parteien und Wählergruppen gleich behandelt. Die Begründung der Popularklage sah jedoch in der Differenzierung zwischen den im Gemeinderat vertretenen und nicht vertretenen Parteien eine Ungleichbehandlung, „ohne daß dafür ein sachlicher Grund bestehe“.333 Für noch nicht im jeweiligen Gemeinderat vertretene Wählergruppen war die erschwerende Voraussetzung für die Einreichung eines Wahlvorschlags nach beiden Regelungen dieselbe: sie mussten von viermal so vielen Wahlberechtigten unterstützt werden, wie ehrenamtliche Gemeinderatsmitglieder zu wählen waren. Die Differenzierung zwischen im Gemeinderat bereits vertretenen und noch nicht vertretenen Wählergruppen stellte jedoch einen neuen rechtlichen Gesichtspunkt dar. Der Bayerische Verfassungsgerichtshof hielt eine Wiederholung für zulässig, wobei er lediglich von „neuen, bisher nicht abgehandelten Gesichtspunkten“334 spricht. Ob damit neue rechtliche oder bislang nicht gewürdigte Tatsachen335 gemeint sind, führt er nicht ausdrücklich aus. Indes bezogen sich die Begründungen der ersten Popularklagen im wesentlichen auf eine vermeintlich ungerechtfertigte Ungleichbehandlung von Wählergruppen im Vergleich zu Parteien.336 Die Begründung der wiederholenden Popularklagen bezieht sich hingegen auf eine Ungleichbehandlung der im Gemeinderat vertretenen und nicht vertretenen Parteien.337 Es handelt sich somit augenscheinlich um einen neuen rechtlichen Gesichtspunkt.

Liegt durch die Änderung einer Norm ein neuer rechtlicher Gesichtspunkt auch für solche Grundrechtsträger vor, für die sich der Grundrechtseingriff nicht geändert hat, rechtfertigt dies nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs die Zulässigkeit einer Wiederholung.

330 Art. 19 Abs. 1 GWG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung der Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern, der Landkreisordnung für den Freistaat Bayern, der Bezirksordnung für den Freistaat Bayern, des Gemeindewahlgesetzes, des Landkreiswahlgesetzes und des Bezirkswahlgesetzes vom 28. November 1959 (GVBl S. 257); vgl. BayVerfGHE 13, 1 (2). 331 BayVerfGHE 13, 1 (3). 332 Art. 23 Abs. 1 und Art. 25 Abs. 1 BayGLKrWG in der Fassung vom 10. August 1994 (GVBl S. 747); vgl. BayVerfGHE 48, 61 (62). 333 BayVerfGHE 48, 61 (63). 334 BayVerfGHE 48, 61 (69). 335 Vgl. dazu § 27 D. (S. 208). 336 BayVerfGHE 6, 65 (66 f.); 13, 1 (3). 337 BayVerfGHE 48, 61 [63, II. sub 1. sub c)].

§ 27 Zulässigkeit einer Wiederholung

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2. Bewertung der Rechtsprechung Dieser Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs, wonach die Änderung einer Norm auch dann zum Vorliegen eines neuen rechtlichen Gesichtspunkt führen kann, wenn der Grundrechtseingriff unverändert bleibt, ist zuzustimmen. Denn in der zugrunde liegenden Konstellation liegt ein Fall vor, in dem sich die Sach- bzw. Rechtslage nachträglich verändert hat.

III. Änderung des Prüfungsmaßstabes Ein neuer rechtlicher Gesichtspunkt kann auch dann vorliegen, wenn ein geänderter Prüfungsmaßstab vorliegt. 1. Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs Hat der Prüfungsmaßstab seit der vorangegangenen Entscheidung eine Änderung erfahren, sieht der Bayerische Verfassungsgerichtshof hierin einen neun rechtlichen Gesichtspunkt, der die Zulässigkeit einer Wiederholung begründet. Im konkreten Fall griff eine Antragstellerin im Jahr 1997 eine Regelung der Satzung der Bayerischen Rechtsanwaltsversorgung an, die einen von den Mitgliedern mindestens zu entrichtenden Grundbeitrag festsetzte. Eine inhaltlich in vollem Umfang identische Regelung338 hatte der Bayerische Verfassungsgerichtshof bereits in einer Entscheidung aus dem Jahr 1984 für verfassungsgemäß erklärt339. Die Antragstellerin der wiederholenden Popularklage machte jedoch auch einen Verstoß der Regelung gegen die in Art. 118 Abs. 2 Satz 2 BV normierte Förderpflicht des Staates in Bezug auf die Durchsetzung der Gleichberechtigung geltend. Ausreichend sei insofern, dass von einer Regelung in ihren tatsächlichen Auswirkungen wesentlich mehr Mitglieder eines Geschlechts nachteilig betroffen würden und dies durch keinen sachlichen Grund gerechtfertigt sei. Die angegriffene Regelung betreffe insbesondere Frauen, die auf Grund der Betreuung von Kindern und pflegebedürftigen Angehörigen ihre berufliche Tätigkeit nur auf Teilzeitbasis ausüben könnten.340 Art. 118 Abs. 2 Satz 2 BV wurde erst im Jahr 1998 in die Bayerische Verfassung eingefügt.341 In seiner Entscheidung im Jahr 1999 führte der Verfassungsgerichtshof daher aus: „Die Popularklage ist trotz der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs vom 8. Oktober 1987 (VerfGH 40, 113 / 121 ff.) zulässig; denn jedenfalls ist mit der Einführung des Art. 118

BayVerfGHE 52, 79 (80). BayVerfGHE 40, 113 (119). 340 BayVerfGHE 52, 79 (81). 341 § 1 Nr. 3 des Gesetzes zur Änderung der Verfassung des Freistaates Bayern, Verfassungsreformgesetz – Weiterentwicklung im Bereich der Grundrechte und Staatsziele vom 20. Februar 1998 (GVBl S. 38). 338 339

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5. Kap.: Wiederholung einer Popularklage

Abs. 2 Satz 2 nach der damaligen Entscheidung ein neuer Prüfungsmaßstab geschaffen worden.“342

2. Bewertung der Rechtsprechung Im konkreten Fall hat die Einfügung der neuen Verfassungsnorm die Rechtslage nach dem Ergehen der ersten Entscheidung verändert. Der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs ist daher beizupflichten. Dies bedeutet aber natürlich nicht, dass mit einer Verfassungsänderung gleichsam „automatisch“ alle nach der Änderung erhobenen Popularklagen zulässig sind. Beim Vorliegen einer Wiederholung muss vielmehr der neu geschaffene Prüfungsmaßstab für die jeweilige Normenkontrolle erheblich sein. Da gemäß Art. 75 Abs. 2 Satz 2 BV das Volk über Verfassungsänderungen entscheiden muss, sind solche sehr selten. Die Änderung des Prüfungsmaßstabes ist daher die Ausnahme.343 Zu denken ist hier insbesondere an das „Verfassungsreformgesetz – Weiterentwicklung im Bereich der Grundrechte und Staatsziele“ vom 20. Februar 1998.344 Mit diesem Gesetz wurden die Art. 3a, Art. 47 Abs. 4 Satz 2, Art. 118 Abs. 2, Art. 118a, Art. 125 Abs. 1 Satz 1, Art. 131 Abs. 4, Art. 140 Abs. 3 und Art. 141 Abs. 1 der Bayerischen Verfassung geändert bzw. eingefügt. Bei Normen, deren Verfassungsmäßigkeit (auch) an diesen Bestimmungen zu prüfen ist, kann daher von der Zulässigkeit einer Wiederholung ausgegangen werden, wenn der Verfassungsgerichtshof die frühere Entscheidung vor dem 20. Februar 1998 getroffen hat.

IV. Im vorangegangenen Verfahren nicht ausdrücklich behandelte Gesichtspunkte 1. Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs Neue rechtliche Gesichtspunkte liegen nicht zwangsläufig bereits dann vor, wenn der Beschwerdeführer mit der wiederholenden Popularklage Argumente geltend macht, auf die der Bayerische Verfassungsgerichtshof in der vorangegangenen Entscheidung nicht ausdrücklich eingegangen ist. Jedenfalls dann, wenn der Gerichtshof die Verfassungswidrigkeit der angegriffenen Norm unter dem entsprechenden Gesichtspunkt bereits „inzident verneint“345 hatte, sieht der Gerichtshof keine neuen rechtlichen Gesichtspunkte als gegeben an, die eine Wiederholung der Popularklage rechtfertigen könnten.

BayVerfGHE 52, 79 (84). Vgl. hierzu ausführlich Übersicht III: Änderungen der Bayerischen Verfassung (S. 396). 344 GVBl 1998, 38. 345 So die Formulierung in BayVerfGH Entscheidung vom 22. 12. 2005, Vf. 7-VII-03, veröffentlicht in juris, ebenda Rn. 19. 342 343

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a) Entscheidung zum Stiftungsgesetz In der Entscheidung zum Stiftungsgesetz aus dem Jahr 1995 stellt der Verfassungsgerichthof klar, dass nicht alle rechtlichen Gesichtspunkte, die in der bereits gefällten Entscheidung nicht ausdrücklich behandelt wurden, neue rechtliche Gesichtspunkte darstellen, die eine Wiederholung der Popularklage rechtfertigen können. Der Beschwerdeführer hatte ausgeführt, der Gerichtshof werde nicht bei seiner Rechtfertigung der angegriffenen Norm bleiben, sobald er sich mit dem staatlichen Neutralitätsgebot auseinandergesetzt habe.346 Dazu stellt der Verfassungsgerichtshof fest: „Wenn ein Popularklageverfahren durch einen zulässigen Antrag in Gang gesetzt ist, so wird die Verfassungsmäßigkeit der angefochtenen Vorschrift anhand aller Normen der Verfassung geprüft, selbst wenn deren Verletzung nicht ausdrücklich gerügt worden ist“. … „Das Gebot der weltanschaulichen Neutralität des Staates ist in der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs schon lange anerkannt“. … „Auch wenn es in der Entscheidung vom 28. Dezember 1984“ … „nicht ausdrücklich erörtert wurde, so ist dennoch davon auszugehen, daß die angefochtene Norm bereits damals unter allen in Betracht zu ziehenden verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten geprüft worden ist“. … „Der Verfassungsgerichtshof hat mit der Entscheidung vom 28. Dezember 1984 abschließend festgestellt, daß Art. 36 Satz 1 StG nicht gegen die Bayerische Verfassung und damit auch nicht gegen das staatliche Neutralitätsgebot verstößt“.347

a) Entscheidung zum Stiftungsgesetz Im Rahmen der wiederholenden Popularklage zur Naturdenkmal-Verordnung des Landratsamtes Ebersberg verneinte der Bayerische Verfassungsgerichtshof das Vorliegen neuer rechtlicher Gesichtspunkte, da die entsprechende Fragestellung bereits im ersten Verfahren inzident verneint worden sei. So hatte der Verfassungsgerichtshof eine Popularklage gegen mehrere Bestimmungen einer naturschutzrechtlichen Verordnung abgewiesen.348 Etliche Jahre später erhob derselbe Antragsteller erneut Popularklage gegen die Verordnung im Ganzen.349 Der Verfassungsgerichtshof führte dazu aus: „Das jetzige Vorbringen des Antragstellers enthält keine neuen rechtlichen Gesichtspunkte.“ … „im Kern verfolgt der Antragsteller ersichtlich das gleiche Anliegen wie bei seiner ersten einschlägigen Popularklage, nämlich von den ihn betreffenden Verboten in der Verordnung nicht mehr beschwert zu werden.“ … „Auch die spezielle Rüge, dass durch § 4 der Verordnung zwar die Jagdausübung, aber gleichheitswidrig nicht auch die Ausübung des Fischereirechts von den Verboten des § 3 der Verordnung ausgenommen sei, führt keinen

346 347 348 349

BayVerfGHE 49, 153 (155). BayVerfGHE 49, 153 (158 f.). BayVerfGHE 39, 1 (5); vgl. zu dieser Entscheidung auch § 26 A. II. 1. (S. 172). BayVerfGH BayVBl. 2004, 268.

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5. Kap.: Wiederholung einer Popularklage

neuen rechtlichen Gesichtspunkt im Vergleich zur früheren Popularklage ein. Denn der Verfassungsgerichtshof hat seinerzeit das Verbot des Angelns bereits vorhandener Fische“ … „mit der Erwägung bestätigt, dass davon mit einer Ausnahmegenehmigung“ … „der Verordnung befreit werden könnte“. … „Diese Erwägung enthält zugleich die Aussage, dass zur Vermeidung unbilliger Härten aus dem Verbot des Angelns die Möglichkeit einer solcher Befreiungen im Einzelfall nach § 5 der Verordnung ausreichend ist, es also der Einbeziehung in die allgemeinen Ausnahmen des § 4 der Verordnung nicht bedarf.“350

Läge die gerügte Gleichheitsrechtsverletzung vor, hätte der Verfassungsgerichtshof dies bereits in der ersten Popularklage feststellen müssen. Eine solche Verletzung hat er in der ersten Entscheidung zwar nicht ausdrücklich verneint; er ist aber von der Verfassungsmäßigkeit der Regelungen ausgegangen. Daraus, dass das Gericht die Norm in der ersten Entscheidung somit als verfassungsgemäß behandelt hat, zieht es den Schluss, dass keine neuen rechtlichen Gesichtspunkte vorliegen. c) Entscheidung zum Mediengesetz In der bereits oben behandelten Entscheidung zum Mediengesetz351 sah der Bayerische Verfassungsgerichtshof das Vorliegen einer Wiederholung als gegeben an.352 Der Antragsteller berief sich darauf, mit der Popularklage würden neue rechtliche Gesichtspunkte vorgetragen. Der Verfassungsgerichtshof führt dazu aus: „Maßgebliche neue rechtliche Gesichtspunkte, die in der Entscheidung vom 11. Juni 1991 nicht gewürdigt worden wären, sind nicht ersichtlich. Im vorliegenden Verfahren stellt der Antragsteller den abgabenrechtlichen Gesichtspunkt in den Vordergrund; das Teilnehmerentgelt sei weder als Gebühr noch als Beitrag oder Sonderabgabe zulässig. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, daß der Verfassungsgerichtshof bei der Entscheidung vom 11. Juni 1991 diesen Problemkreis außer Betracht gelassen hat.“ … „Entscheidend ist hier nicht die begriffliche Zuordnung des Teilnehmerentgelts, sondern die Frage, ob die Erhebung des Entgelts gegen Normen der Bayerischen Verfassung verstößt. Diese Frage hat der Verfassungsgerichtshof“ … „eindeutig verneint“.353

Auch in dieser Entscheidung stuft der Verfassungsgerichtshof somit die geltend gemachten rechtlichen Gesichtspunkte nicht als neu ein, obwohl er diese im Rahmen des ersten Verfahrens nicht ausdrücklich angesprochen hatte. d) Entscheidung zur Ausbaubeitragssatzung der Stadt Cham In einer Entscheidung zu einer Ausbaubeitragssatzung der Stadt Cham ließ der Bayerische Verfassungsgerichtshof hingegen ausdrücklich offen, ob er im ersten

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BayVerfGH BayVBl. 2004, 268 (269). Vgl. § 26 A. IV. 1. b) (S. 177). Vgl. BayVerfGHE 51, 131 (141). BayVerfGHE 51, 131 (143).

§ 27 Zulässigkeit einer Wiederholung

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Verfahren die Verfassungswidrigkeit einer Norm unter einem bestimmten Gesichtspunkt „inzident verneint“ hatte. Der Gerichtshof geht offensichtlich davon aus, dass die Wiederholung der Popularklage zulässig wäre, wenn er diesen Gesichtspunkt bei der vorangegangenen Entscheidung nicht berücksichtigt hätte und ein anerkennenswertes Interesse an der wiederholten Behandlung bestünde. In einer ersten Entscheidung hatte der Verfassungsgerichtshof die Ausbaubeitragssatzung der Stadt Cham vom 27. Oktober 2003 teilweise für nichtig erklärt.354 Parallel zu diesem Verfahren hatte der Antragsteller ein Verfahren gegen die Ausbaubeitragssatzung der Stadt Cham vom 26. Februar 2003 eingeleitet, das er auch nach der ersten Entscheidung aufrecht erhielt. Er machte insofern geltend, die Satzung vom 26. Februar 2003 verstoße unter Gesichtspunkten, die in der Entscheidung vom 12. Januar 2005 nicht gewürdigt worden seien, gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 118 Abs. 1 BV.355 Der Verfassungsgerichtshof führte dazu aus: „Dass die Unterschiedlichkeit der Regelungen über Kosten- und Beitragspflichten in Satzungen nach Art. 47 Abs. 3 BayStrWG einerseits sowie solchen nach Art. 5 Abs. 1 KAG andererseits gegen den allgemeinen Gleichheitssatz verstoße, wurde im Verfahren 3-VII-03“ … „zwar von den dortigen Antragstellern gerügt“, … „in der gerichtlichen Entscheidung vom 12. Januar 2005 indes ohne ausdrückliche Erörterung lediglich inzident verneint. Dass weder Gesetz noch Satzung noch die Praxis dem Einzelnen die Möglichkeit einräumen, die normgemäße Behandlung aller Pflichtigen im Abrechnungsgebiet tatsächlich nachzuvollziehen, und dies unter dem Gesichtspunkt des allgemeinen Gleichheitssatzes einen weiteren verfassungsrechtlichen Mangel der betreffenden Satzungen darstelle, war in dem früheren Verfahren, soweit ersichtlich, kein Thema. Ob die Einwände des Antragstellers im gegenwärtigen Verfahren durch die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs vom 12. Januar 2005 vor diesem Hintergrund als so weit geklärt angesehen werden können, dass an ihrer wiederholten Behandlung kein anerkennenswertes Interesse mehr besteht, ist problematisch und mag letztlich offen bleiben.“356

e) Entscheidung zum Gesundheitsschutzgesetz In einer Entscheidung zum im Gesundheitsschutzgesetz geregelten Rauchverbot in Gaststätten verneint der Verfassungsgerichtshof ebenfalls das Vorliegen eines neuen Gesichtspunktes, obwohl er auf das nunmehr vorgebrachte Argument in der vorangegangenen Entscheidung nicht ausdrücklich eingegangen war. Der Gerichtshof stellt klar: „Mit dem Einwand, für in ihrer Mobilität eingeschränkte alte und behinderte Menschen sei es nicht zumutbar, insbesondere bei schlechten Witterungsbedingungen die Gaststätte zum Rauchen zu verlassen, führt der Antragsteller keinen entscheidungserheblichen, vom Verfassungsgerichtshof noch nicht gewürdigten Gesichtspunkt ein. Zwar ist der VerfassungsgeBayVerfGH BayVBl. 2005, 361 und 399 (403 f.). BayVerfGH Entscheidung vom 22. 12. 2005, Vf. 7-VII-03, veröffentlicht in juris, ebenda Rn. 11. 356 BayVerfGH Entscheidung vom 22. 12. 2005, Vf. 7-VII-03, veröffentlicht in juris, ebenda Rn. 19. 354 355

206

5. Kap.: Wiederholung einer Popularklage

richtshof in den in Bezug genommenen Entscheidungen nicht ausdrücklich auf diese Frage eingegangen. Seine Ausführungen lassen aber erkennen, dass er die Frage der Zumutbarkeit des strikten Rauchverbots in Gaststätten für Raucher umfassend und daher auch im Hinblick auf diesen Personenkreis mitentschieden hat.“357

2. Bewertung der Rechtsprechung Die Frage, ob im jeweiligen Verfahren, das der erneuten Popularklage vorausging, über einen rechtlichen Gesichtspunkt bereits entschieden wurde, stellt sich nur dann, wenn dieser Gesichtspunkt im ersten Verfahren bereits vorlag. Es liegt also gerade kein Fall vor, in dem sich die Sach- oder Rechtslage nach der ersten Entscheidung geändert hat. Vielmehr hätte der Verfassungsgerichtshof die Norm bereits im ersten Verfahren für verfassungswidrig erklären müssen, wenn der jeweilige Gesichtspunkt zu diesem Ergebnis führt. Denn der Gerichtshof prüft die Norm anhand aller Normen der Verfassung.358 Übersieht das Gericht in einem Verfahren einen solchen Gesichtspunkt, der zur Verfassungswidrigkeit einer Norm führt, ist eine normbestätigende Entscheidung unrichtig. Dies ändert jedoch nichts an der Rechtskraftbindung der (unrichtigen) Entscheidung.359 Demgegenüber hält Michael Sachs die Beschränkung des Entscheidungsgegenstands auf die vom Verfassungsgericht tatsächlich berücksichtigten Maßstabsnormen für erforderlich. Dadurch würden nicht berücksichtigte Punkte von der Rechtskraft ausgenommen.360 Da eine hinreichende Richtigkeitsgewähr bei dem Umfang des Streitgegenstandes in Normenkontrollentscheidungen nicht gegeben sei, sei es wenig sinnvoll, die Begrenzung des Gegenstandes von einer ausdrücklichen Anerkennung in der einzelnen Entscheidung des Gerichts abhängig zu machen. Daher sei diese Begrenzung auf die nur vom Verfassungsgericht berücksichtigten Gesichtspunkte auch ohne entsprechende Aussage in der Entscheidung anzuerkennen.361 Dieser pauschalen Ansicht von Michael Sachs, Normenkontrollentscheidungen böten keine ausreichende Richtigkeitsgewähr, kann nicht gefolgt werden. Zwar liegt es in der Natur der Sache, dass über die Richtigkeit der Urteile kontroverse Debatten geführt werden. Der Grund hierfür ist aber in aller Regel nicht der Vorwurf, das Gericht habe einen entscheidenden rechtlichen Gesichtspunkt übersehen und nicht beachtet. Die Darstellung der Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsge-

357 BayVerfGH Entscheidung vom 9. 12. 2011, Vf. 21-VII-10, veröffentlicht in juris, ebenda Rn. 24 f. 358 Vgl. das Zitat bei Fußn. 347 (5. Kapitel) sowie unten § 41 A. (S. 283). 359 Vgl. Grunsky, S. 505; Hopfgarten, S. 107; Leipold, in: Stein / Jonas, 22. Auflage, § 322 Rn. 217 ff.; Sachs, Bindung des Bundesverfassungsgerichts, S. 325. 360 Sachs, Bindung des Bundesverfassungsgerichts, S. 327 f. 361 Sachs, Bindung des Bundesverfassungsgerichts, S. 329; vgl. auch Rinken, in: Wassermann, Alternativkommentar GG, Art. 93 Rn. 29; Sachs, BayVBl. 1980, S. 641 (641 f.).

§ 27 Zulässigkeit einer Wiederholung

207

richtshofs bestätigt, dass auch in Popularklageverfahren ein solches Nichtbeachten nur in den seltensten Fällen im Raum steht. Auch wenn in diesem Zusammenhang Fehlurteile gerade bei Normenkontrollentscheidungen durch den Verfassungsgerichtshof unwahrscheinlich sind, können sie nie völlig ausgeschlossen werden. Der Zweck eines Prozesses, die Rechtssicherheit und den Rechtsfrieden zu sichern, ist nur dann zu erreichen, wenn auch solchen Fehlurteilen Verbindlichkeit zugemessen wird. Diese Verbindlichkeit sichert die materielle Rechtskraft, die die Frage nach der Richtigkeit des Urteils verbietet.362 Die Gefahr, dass die Rechtskraft auch an Fehlurteile bindet, ist im Vergleich zur Rechtsunsicherheit, die ohne der Rechtskraft herrschen würde, das „kleinere Übel“.363 Ein unrichtiges Urteil erwächst daher „notgedrungen“ in Rechtskraft, um Rechtssicherheit und Rechtsfrieden zu gewährleisten und nicht auch die richtigen Entscheidungen erneut Anfechtungsmöglichkeiten auszusetzen.364 Rechtliche Gesichtspunkte, die bereits bei der ersten Entscheidung vorlagen, können daher auch dann nicht die Rechtskraft durchbrechen, wenn sie vom Verfassungsgerichtshof nicht beachtet wurden. Es liegen keine neuen rechtlichen Gesichtspunkte vor, die die Wiederholung einer Popularklage rechtfertigen könnten. Die Frage, ob die jeweiligen Gesichtspunkte in der ersten Entscheidung „inzident“ behandelt wurden, ist daher für die Zulässigkeit des erneuten Antrags unerheblich.

V. Lediglich erweiternde Ausführungen 1. Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs Der Bayerische Verfassungsgerichtshof erachtet die Wiederholung nicht schon dann als gerechtfertigt, wenn die Klagebegründung der erneuten Popularklage lediglich gelegentlich erweiternde rechtliche Ausführungen vorträgt.365 Nur ergänzende Ausführungen reichen demnach nicht aus, um eine Wiederholung zu rechtfertigen.366 2. Bewertung der Rechtsprechung Dem ist zuzustimmen. Erweiternde Ausführungen können die Rechtskraft nicht durchbrechen.

362 363 364 365 366

Vgl. Schumann, FS Bötticher, S. 289 (319 f.). Rosenberg / Schwab / Gottwald, § 151 Rn. 2. Hopfgarten, S. 138. BayVerfGHE 50, 226 (244). BayVerfGH BayVBl. 2004, 268 (269).

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5. Kap.: Wiederholung einer Popularklage

D. Neue bislang nicht gewürdigte Tatsachen I. Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs Der Bayerische Verfassungsgerichtshof erkennt schließlich das Vorliegen neuer, bislang nicht gewürdigter Tatsachen als Rechtfertigungsgrund für die Zulässigkeit einer Wiederholung an.367 In der Praxis spielt dieser Punkt jedoch kaum eine Rolle. Im Zeitraum vom 1. Januar 1995 bis zum 31. Dezember 2011 konnte er die Zulässigkeit der Wiederholung kein einziges Mal begründen. Durchaus denkbar ist jedoch, dass in einer Popularklage bisher nicht gewürdigte Tatsachen geltend gemacht werden, die lediglich einen Einzelfall betreffen. Denn insofern ist es dem Verfassungsgerichtshof nicht möglich, in einem Normenkontrollverfahren alle mit der Norm verbundenen möglichen Einzelfälle und die damit zusammenhängenden Tatsachen zu erfassen. So stand bei der bereits zitierten Popularklage gegen die Naturdenkmal-Verordnung des Landratsamtes Ebersberg368 auch das Vorliegen neuer bislang nicht gewürdigter Tatsachen in Frage. Der Verfassungsgerichtshof führt dazu aus: „Das jetzige Vorbringen des Antragstellers enthält keine neuen, in der Entscheidung vom 23. 1. 1986 nicht gewürdigten Tatsachen. Der Antragsteller macht zwar geltend, dass Gegenstand dieser Entscheidung ausschließlich die teichwirtschaftliche Nutzung, nicht aber das seit Generationen bestehende latente Fischereirecht am geschlossenen Gewässer gewesen sei. Diese Auffassung trifft aber nicht zu.“369 Diese Ausführung legt den Umkehrschluss nahe, dass die Verbotsregelung in Bezug auf das Fischereirecht eine Tatsache ist, deren Vorliegen eine Wiederholung rechtfertigen würde, wenn sie in der vorangegangenen Entscheidung nicht gewürdigt worden wäre.370 Die tatsächliche Auswirkung des Verbotes auf den Einzelfall sieht das Gericht hingegen nicht als eine zu berücksichtigende (bislang nicht gewürdigte) Tatsache an: „Welche tatsächliche Bedeutung das Angeln für den Antragsteller jetzt im Einzelnen hat, ist nicht entscheidend, denn im Normenkontrollverfahren ist nur die generalisierende, auf den Regelfall abstellende Rechtsvorschrift als solche zu überprüfen, nicht dagegen die persönliche Situation des Antragstellers“.371

Vgl. die Nachweise in Fußn. 294 (5. Kapitel). Vgl. § 27 C. IV. 1. b) (S. 203). 369 BayVerfGH BayVBl. 2004, 268 (269). 370 Der BayVerfGH führt indes nicht aus, wie eine Abgrenzung zwischen einer Tatsache und einem neuen rechtlichen Gesichtspunkt erfolgen soll. Eine trennscharfe Abgrenzung ist wohl auch nicht möglich. Denn ein bislang nicht gewürdigtes Verbot, das in einer zu beurteilenden Verordnung enthalten ist, müsste natürlich auch rechtlich gewürdigt und an den Grundrechten gemessen werden. Insofern läge auch ein neuer – weil bislang nicht gewürdigter – rechtlicher Gesichtspunkt vor. Diese Abgrenzung ist indes in der Praxis nicht relevant, da beide Punkte zur Rechtfertigung der Wiederholung führen. 371 BayVerfGH BayVBl. 2004, 268 (269 f.). 367 368

§ 28 Zusammenfassung

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Eine lediglich einen Einzelfall betreffende Tatsache, die die persönliche Situation eines Einzelnen betrifft, erkennt der Verfassungsgerichtshof somit nicht als eine die Norm betreffende „Tatsache“ an. II. Bewertung der Rechtsprechung Soweit Tatsachen in Frage stehen, die nach der ersten Entscheidung entstanden sind, können sie eine neue Sachlage begründen, so dass die Rechtskraft an ihre objektiven Grenzen stößt. Dies gilt hingegen nicht für solche Tatsachen, die bei der ersten Entscheidung bereits vorlagen, jedoch nicht berücksichtigt wurden. Auch wenn diese Berücksichtigung dazu geführt hätte, dass der ersten Popularklage hätte statt gegeben werden müssen, ist sie rechtskräftig.372

E. Neben der Sache liegende oder sonst nicht beachtenswerte Ausführungen I. Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs Nach Ansicht des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs können „neben der Sache liegende oder sonst nicht beachtenswerte Ausführungen die Zulässigkeit eines neuen Antrags nicht begründen“.373

II. Bewertung der Rechtsprechung Dieser Rechtsprechung ist zuzustimmen. Solche Ausführungen können die Rechtskraft nicht durchbrechen.

§ 28 Zusammenfassung Die grundsätzliche Unzulässigkeit der Wiederholung einer Popularklage stellt eine Zulässigkeitshürde dar, die weder in der Bayerischen Verfassung noch im BayVerfGHG ausdrücklich geregelt ist. Sie ist eine Folge des auch im Popularklageverfahren gültigen Prozessgrundsatzes der Rechtskraft. Ihr kommt eine wichtige tatsächliche Bedeutung in der Rechtsprechung zu; ist die Zulässigkeit einer Popularklage nicht eindeutig gegeben, hängt dies in vielen Fällen mit einer möglicherweise vorliegenden Wiederholung zusammen. 372 373

Vgl. dazu § 27 C. IV. 2. (S. 206). BayVerfGHE 28, 14 (19); 49, 153 (157 f.); 51, 131 (141); 52, 9 (16).

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5. Kap.: Wiederholung einer Popularklage

Eine Popularklage ist in diesem Zusammenhang nur dann unzulässig, wenn der Bayerische Verfassungsgerichtshof bereits rechtsverbindlich über die gegenständliche Norm entschieden hat. Dies muss nicht zwangsläufig in einem Popularklageverfahren der Fall gewesen sein. Ob eine Wiederholung vorliegt, ist anhand des Inhalts der entsprechenden Entscheidungen zu beurteilen. So kann auch bei Verfahren über formell unterschiedliche Normen eine Wiederholung gegeben sein, wenn diese inhaltlich im Wesentlichen übereinstimmen.374 Eine Wiederholung kann durch einen grundlegenden Wandel der Lebensverhältnisse oder der allgemeinen Rechtsauffassung gerechtfertigt sein. Diese Gründe sind in der Praxis jedoch nur schwer darzulegen und waren in den Jahren 1995 bis 2011 in keinem Fall gegeben.375 Gleiches gilt auch für das Vorliegen bislang nicht gewürdigter Tatsachen. Diese liegen insbesondere dann nicht vor, wenn es sich um solche handelt, die sich lediglich auf Auswirkungen im Einzelfall beziehen.376 Von großer praktischer Bedeutung ist hingegen die Geltendmachung neuer rechtlicher Gesichtspunkte. Liegt eine solche vor, sieht der Verfassungsgerichtshof eine Wiederholung als zulässig an. Die neuen Tatsachen können insbesondere durch die Änderung der gegenständlichen Norm, durch die Änderung der rechtlichen Rahmenbedingungen sowie durch die Änderung des Prüfungsmaßstabes zu bejahen sein.377

374 375 376 377

Vgl. oben § 26 A. IV. (S. 175). Vgl. oben § 27 A. (S. 194) und § 27 B. (S. 195). Vgl. oben § 27 D. (S. 208). Vgl. oben § 27 C. (S. 197).

6. Kapitel

Missbrauch des Klagerechts Nach ständiger Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs kann ein Normenkontrollantrag unzulässig sein, wenn das Recht, die Popularklage zu erheben, missbraucht wird.1 So führt das Gericht aus: „Eine Popularklage könnte unzulässig sein, wenn sie missbräuchlich erhoben wäre und Sinn und Zweck des Instituts der Popularklage widerspräche“.2

In Frage steht in diesem Zusammenhang somit nicht die Unzulässigkeit einer einzelnen prozessualen Handlung, sondern der Missbrauch des Klagerechts und damit die Zulässigkeit einer Popularklage an sich.

§ 29 Tatsächliche Bedeutung in der Rechtsprechung In den Jahren 1995 bis 2011 hat der Bayerische Verfassungsgerichtshof das Vorliegen eines Missbrauchs in einem Fall ausdrücklich offen gelassen.3 In zwei weiteren Entscheidungen sprach das Gericht die Möglichkeit eines Missbrauchs an, wobei es in einer keine Anhaltspunkte hierfür gegeben sah4 und in der anderen die Popularklage aus anderen Gründen als unzulässig abwies5. Ein möglicher Missbrauch stand somit nur bei drei der 162 Entscheidungen im Raum und wurde in keinem Fall bejaht.6

1 Ebenso Meder, BV, Art. 98 Rn. 7, Kempen, in: Becker / Heckmann / Kempen / Manssen, 1. Teil Rn. 219; Wolff, in: Lindner / Möstl / Wolff, BV, Art. 98 Rn. 51. 2 BayVerfGHE 61, 205 (209); vgl. auch BayVerfGHE 16, 55 (61); 18, 166 (172); 36, 56 (61); 36, 162 (166); 42, 11 (15); 60, 1 (4); BayVerfGH BayVBl. 2007, 689. 3 BayVerfGHE 61, 205 (209). 4 BayVerfGHE 60, 1 (4). 5 BayVerfGH BayVBl. 2007, 689. 6 Vgl. auch unten Übersicht I: Entscheidungen in Popularklageverfahren in den Jahren 1995 bis 2011 (S. 398).

212

6. Kap.: Missbrauch des Klagerechts

§ 30 Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs A. Begründung der Möglichkeit des Missbrauchs In den jüngeren Entscheidungen begründet der Bayerische Verfassungsgerichtshof nicht, inwiefern eine Popularklage einen Missbrauch darstellen und weshalb dies zur Unzulässigkeit des Antrags führen könne. Nähere Ausführungen macht das Gericht jedoch in seiner insofern grundlegenden Entscheidung aus dem Jahr 1963. In dieser Bejaht er das Vorliegen eines Missbrauchs aufgrund der Geltendmachung eines offensichtlich nicht einschlägigen Grundrechts.7 So liege ein Missbrauch bei einer „zweckfremden, funktionswidrigen Rechtsausübung“ vor, die „durch den Inhalt des Rechts nicht mehr gedeckt“ werde.8 Der Verfassungsgerichtshof stützt sich hierbei auf Ausführungen von Ludwig Enneccerus und Hans Carl Nipperdey, die eine Schranke jeden Rechts in den höheren Normen der Sittlichkeit und des Gemeinwohls sehen.9 Rechtsmissbrauch läge daher – so deren Ausführungen – vor, wenn eine gesetzliche Vorschrift außerhalb ihres ursprünglichen Zusammenhangs in einer zweckfremden Weise und mit zweckfremdem Ziel verwandt werde.10 Nach Ansicht Gottfried Baumgärtels, auf den sich der Verfassungsgerichtshof ebenfalls beruft, könne die Rechtspflege ihre Aufgabe nur erfüllen, wenn die Rechtsschutzeinrichtung allein zur Bewährung des Rechts und der Herstellung des Rechtsfriedens in Anspruch genommen werde. Sie bedürfe daher des Schutzes gegen eine missbräuchliche Ausnutzung, insbesondere gegen Querulanteneingaben und Scheinprozesse.11 Der Rechtsmissbrauch bei Querulanten liege darin, dass der Streit zum Selbstzweck werde, wobei prozessuale Möglichkeiten ausgenützt würden, die nur zur Bewährung des Rechts und der Herstellung des Rechtsfriedens gegeben seien. Eine Ausnutzung der Rechtsschutzeinrichtung im Rahmen eines Scheinprozesses störe die Rechtspflege in der Erfüllung ihrer eigentlichen Aufgaben und mache das Gericht zum Handlanger unlauterer Machenschaften der Parteien.12

B. Anwendungsbereich im Popularklageverfahren Als möglichen Anwendungsbereich des Missbrauchsverbots im Popularklageverfahren sprach der Bayerische Verfassungsgerichtshof im Laufe der Zeit verschiedene Gesichtspunkte an. Vgl. hierzu sogleich unten § 30 B. (S. 212). BayVerfGHE 16, 55 (61). 9 Enneccerus / Nipperdey, S. 1441. 10 Enneccerus / Nipperdey, S. 1441 f. Fn. 21. 11 Baumgärtel, ZZP 69 (1956), S. 89 (101). 12 Baumgärtel, ZZP 69 (1956), S. 89 (101). 7 8

§ 30 Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs

213

I. Missbrauch und Geltendmachung einer offensichtlich nicht einschlägigen Grundrechtsnorm In der bereits zitierten Entscheidung aus dem Jahr 196313 bejahte das Gericht einen Missbrauch der Popularklage aufgrund der Geltendmachung einer offensichtlich nicht einschlägigen Grundrechtsnorm durch den Antragsteller. Es führt dazu aus: „Eine Popularklage, welche nur auf die Verletzung einer Verfassungsnorm gestützt ist, die kein Grundrecht verbürgt, ist demnach unzulässig. Sie bleibt auch dann unzulässig, wenn der Antragsteller neben einer objektiven Verfassungsnorm noch irgendeine offensichtlich nicht einschlägige Grundrechtsnorm als angeblich verletzt bezeichnet, um dadurch nach außen hin den prozessualen Erfordernissen des Art. 98 Satz 4 BV“ … „Genüge zu tun und so eine Überprüfung der angegriffenen Bestimmung am Maßstab der objektiven Norm zu erreichen. Hier wird das Recht, Popularklage zu erheben, mißbraucht.“14

II. Missbrauch und Antragsfrist In einer Entscheidungsbegründung aus dem Jahr 1972 wirft der Verfassungsgerichtshof im Zusammenhang mit der fehlenden Regelung einer Antragsfrist die Frage auf, ob eine Popularklage, die spät nach dem Inkrafttreten einer Regelung erhoben wird, einen Missbrauch darstellen könne. „Zwar fehlt im Gesetz über den Verfassungsgerichtshof eine dem § 93 Abs. 2 BVerfGG15 entsprechende Bestimmung, wonach die Verfassungsbeschwerde gegen ein Gesetz nur binnen eines Jahres seit dem Inkrafttreten des Gesetzes erhoben werden kann. Indes bedarf es hier keiner Prüfung der Frage, ob – ungeachtet des Fehlens einer solchen gesetzlichen Vorschrift – etwa unter dem Gesichtspunkt des Rechtsmißbrauchs ein lange Zeit nach dem Inkrafttreten eines Gesetzes erhobener Normenkontrollantrag unzulässig sein könnte“. … „Denn der Antragsteller hat in der mündlichen Verhandlung zureichende Gründe dargetan, weshalb er erst im Jahr 1971 die Popularklage erhoben hat.“16

III. Missbrauch und fehlende Selbstbetroffenheit In zwei Entscheidungen aus dem Jahr 1983 verneint das Gericht einen Missbrauch. Seinen Ausführungen liegt dabei offenbar die Frage zu Grunde, ob ein solVgl. soeben bei Fußn. 8 (6. Kapitel). BayVerfGHE 16, 55 (60 f.). 15 § 93 Abs. 2 BVerfGG in der seit dem 17. 4. 1951 gültigen Fassung lautete: „Richtet sich die Verfassungsbeschwerde gegen ein Gesetz oder gegen einen sonstigen Hoheitsakt, gegen den ein Rechtsweg nicht offensteht, so kann die Verfassungsbeschwerde nur binnen eines Jahres seit dem Inkrafttreten des Gesetzes oder dem Erlaß des Hoheitsaktes erhoben werden.“ (BGBl I, S. 243 [252]). Seit dem 11. 8. 1993 trifft § 93 Abs. 3 BVerfGG dieselbe Regelung (vgl. Art. 1 Nr. 19 lit. c des Fünften Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht vom 2. August 1993 [BGBl I, S. 1442 {1444}]). 16 BayVerfGHE 25, 129 (135). 13 14

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6. Kap.: Missbrauch des Klagerechts

cher dann vorliegen kann, wenn der Antragsteller von der jeweiligen Norm nicht selbst betroffen ist. So hatte ein Antragsteller aus Gaimersheim Popularklage gegen eine Verordnung der Stadt Geisenfeld erhoben. Der Verfassungsgerichtshof führt dazu aus: „Der Antragsteller“ … „wird von der angefochtenen Verordnung“ … nicht berührt“. … „Die Popularklage setzt“ … „nicht ein besonderes Rechtsschutzinteresse des Antragstellers voraus. Dieser muß nicht selbst in einem Grundrecht verletzt sein“ … „Allerdings kann eine Popularklage dann unzulässig sein, wenn sie als Mißbrauch dieser Antragsbefugnis anzusehen ist“. … „Anhaltspunkte dafür, daß ein derartiger Fall gegeben wäre, liegen“ … „hier nicht vor. Dem Antragsteller stehen als Bewohner Bayerns die Grundrechte der Bayerischen Verfassung zu. Die von ihm angefochtene Verordnung“ … „entspricht zudem einem Verordnungsmuster“ … „das auch von anderen bayerischen Gemeinden“ … „übernommen wurde, und zwar nach dem Vorbringen des Antragstellers auch von seiner Wohnsitzgemeinde“.17 Bei einer weiteren Entscheidung stand die Verfassungsmäßigkeit der Eingliederung der Gemeinde Horgau in den Markt Zusmarshausen in Frage. Der Verfassungsgerichtshof führte dazu aus, Anhaltspunkte für den Fall eines Missbrauchs seien nicht gegeben.18 Und weiter: „Die Antragsteller sind Bürger der ehemaligen Gemeinden Horgau, Rommelsried und Streitheim. Für die Bürger von Horgau hat die Frage, ob ihre Gemeinde aufgelöst wird oder fortbestehen kann, so erhebliche Bedeutung, daß es nicht als mißbräuchlich angesehen werden kann, wenn sie die Eingliederung von Horgau in den Markt Zusmarshausen mit der Popularklage anfechten. Entsprechendes gilt aber auch für die Bürger der ehemaligen Nachbargemeinden Rommelsried und Streitheim. Im Rahmen der Gemeindegebietsreform zeichnete sich immerhin eine Zusammenfassung der Gemeinden Streitheim und Rommelsried mit der Gemeinde Horgau ab. Das Interesse von Bürgern aus Rommelsried und Streitheim an der Geltendmachung der Verfassungswidrigkeit der hier angefochtenen Vorschrift ist demnach nicht so fernliegend, daß von einem Mißbrauch der Antragsbefugnis gesprochen werden könnte.“19

Auch einer Entscheidung aus dem Jahr 1989 liegt bei der Frage des Missbrauchs dieser Aspekt des Fehlens der Selbstbetroffenheit durch den Antragsteller zu Grunde: „Eine Popularklage könnte allerdings unzulässig sein, wenn sie mißbräuchlich erhoben wäre und Sinn und Zweck des Instituts der Popularklage widerspräche“. … „Anhaltspunkte dafür sind hier nicht gegeben, und zwar auch nicht hinsichtlich des Antragstellers zu 1. Dieser hat zwar seinen Sitz in Köln; sein Wirkungsbereich erstreckt sich aber auch auf den Freistaat Bayern.“20

17 18 19 20

BayVerfGHE 36, 56 (61). BayVerfGHE 36, 162 (166). BayVerfGHE 36, 162 (166 f.). BayVerfGHE 42, 11 (15).

§ 31 Bewertung der Rechtsprechung

215

IV. Missbrauch und Antragsteller als Begünstigter der Norm Schließlich geht der Bayerische Verfassungsgerichtshof in einer Entscheidung aus dem Jahr 2008 auf das Vorliegen eines Missbrauchs ein. Anknüpfungspunkt ist in diesem Fall eine möglicherweise vorliegende Begünstigung des Antragstellers durch die Norm, die er im Normenkontrollverfahren angreift. Verfahrensgegenstand im konkreten Fall war ein Änderungsbebauungsplan, der für bestimmte Grundstücke ein Sondergebiet festsetzte. Dieser sah unter anderem die Bebauung mit zehn dreigeschossigen Wohnhäusern vor, die die Tagungsgäste des „AllgäuSternHotels“ nutzen sollten.21 Der Antragsteller selbst war Miteigentümer eines betroffenen Grundstücks.22 Die Stadt Sonthofen machte einen Rechtsmissbrauch der Popularklage geltend, weil der Antragsteller selbst Teil der Gesellschaft sei, die den Unternehmenskomplex „AllgäuStern“ betreibe. Er sei somit Mitinhaber der Baugenehmigungen und Begünstigter der Bauleitplanung. Die Bauleitplanung sei auf Betreiben der Eigentümerversammlung durchgeführt worden. Der Antragsteller könne sich nicht auf eine Rechtsposition eines Außenstehenden berufen, der von den Erweiterungsbauten in seinem Eigentum verletzt werde.23 Der Bayerische Verfassungsgerichtshof führte dazu aus: „Ob die Zustimmung der Hotelbetriebsgesellschaft und der Eigentümerversammlung, deren Mitglied der Antragsteller ist, zu der angefochtenen Änderung des Bebauungsplans die Popularklage missbräuchlich erscheinen lässt, braucht nicht entschieden zu werden, weil diese aus anderen Gründen unzulässig ist.“24 So sah der Gerichtshof eine substantiierte Darlegung einer Grundrechtsverletzung nicht als gegeben an und verwarf die Beschwerde daher als unzulässig.25

§ 31 Bewertung der Rechtsprechung A. Begründung der Möglichkeit des Missbrauchs I. Keine Regelung in der BV und dem BayVerfGHG Weder die Bayerische Verfassung noch das BayVerfGHG enthalten eine Regelung, die eine mögliche Unzulässigkeit der Popularklage aufgrund des Vorliegens eines Missbrauchs begründet.

21 22 23 24 25

BayVerfGHE 61, 205. BayVerfGHE 61, 205 (206). BayVerfGHE 61, 205 (208). BayVerfGHE 61, 205 (209). BayVerfGHE 61, 205 (208 ff.).

216

6. Kap.: Missbrauch des Klagerechts

II. Anwendbarkeit des Art. 30 Abs. 1 BayVerfGHG Gemäß Art. 30 Abs. 1 BayVerfGHG könnte eine Regelung der VwGO oder ZPO entsprechend heranzuziehen sein.26 Diese beiden Gesetze enthalten jedoch ebenfalls keine Vorschrift zu einem möglichen Missbrauch des Antragsrechts. III. Missbrauchsverbot als allgemeiner Rechtsgrundsatz Allerdings beansprucht der Grundsatz von Treu und Glauben auch im Prozessrecht Geltung.27 Dessen Fallgruppe des Missbrauchsverbots ist als allgemeiner Rechtsgrundsatz im Prozessrecht anwendbar.28 Da das BayVerfGHG insofern keine abweichende Regelung trifft und keine grundsätzlichen Unterschiede der Verfahrensordnungen entgegenstehen29, ist das Verbot rechtsmissbräuchlichen Handelns auch im Popularklageverfahren anzuwenden.

B. Anwendungsbereich im Popularklageverfahren Noch nicht beantwortet ist damit, ob es im Popularklageverfahren tatsächlich Situationen gibt, in denen das Missbrauchsverbot Anwendung finden kann. Dabei steht wie bereits ausgeführt nicht in Frage, ob einzelne Prozesshandlungen missbräuchlich sein können, sondern ob der Normenkontrollantrag an sich einen Missbrauch darstellen kann. I. Missbrauch und Geltendmachung einer offensichtlich nicht einschlägigen Grundrechtsnorm Einen solchen sah der Bayerische Verfassungsgerichtshof bei der Berufung auf eine offensichtlich nicht einschlägige Grundrechtsnorm gegeben, mit der lediglich Vgl. oben § 3 C. (S. 71). BVerwGE 44, 294 (298); 78, 85 (88 f.); BayVGH NuR 2001, 402 (403); RGZ 102, 217 (222); 161, 350 (359); BGHZ 20, 198 (206); 40, 197 (203); Baumgärtel, ZZP 69 1966), S. 89 (90); Brehm, in: Stein / Jonas, ZPO, 22. Aufl., vor § 1 Rn. 221; Dütz, NJW 1972, 1025 (1027); Grüneberg / Sutschet, in: Bamberger / Roth, BGB, § 242 Rn. 9; Heinrichs, in: Palandt, BGB, § 242 Rn. 92; Klag, S. 61; Pfister, S. 29; Rauscher, in: Rauscher / Wax / J. Wenzel, Münchener Kommentar ZPO, Einleitung Rn. 34; J. Schmidt, in: Eyermann, VwGO, § 47 Rn. 75; Schmitt Glaeser / Horn, Verwaltungsprozeßrecht, Rn. 134; Schumann, in: Stein / Jonas, ZPO, 20. Aufl., Band I, Einleitung Rn. 228 und 242. 28 Vgl. Baumbach / Lauterbach / Albers / Hartmann, ZPO, Einleitung III Rn. 54 ff.; Brehm, in: Stein / Jonas, ZPO, 22. Aufl., vor § 1 Rn. 232 f.; Pohle, in: Stein / Jonas, ZPO, 19. Aufl., vor § 128 Anm. XI 3. f) a. E.; Schilken, Zivilprozessrecht, Rn. 152; Schumann, in: Stein / Jonas, ZPO, 20. Aufl., Band I, Einleitung Rn. 254. 29 Vgl. dazu oben § 3 C. (S. 71). 26 27

§ 31 Bewertung der Rechtsprechung

217

dem prozessualen Erfordernis der Darlegung einer Grundrechtsverletzung (Art. 55 Abs. 1 Satz 2 BayVerfGHG)30 Genüge getan werden sollte.31 Dem Ergebnis der Abweisung als unzulässig ist zuzustimmen. Denn die Berufung auf ein Grundrecht, das offensichtlich nicht einschlägig ist, stellt keine substantiierte Darlegung einer Grundrechtsverletzung dar.32 Der Grund der Unzulässigkeit der Klage liegt daher in diesem Darlegungsmangel – jedoch nicht im Vorliegen eines Missbrauchs.33 Die Berufung auf einen solchen ist unnötig und ist deshalb abzulehnen. Denn für die Berufung auf den Grundsatz von Treu und Glauben bleibt kein Raum, wenn eine speziellere Sachurteilsvoraussetzung einschlägig ist34. In der jüngeren Rechtsprechung behandelt der Verfassungsgerichtshof entsprechende Fälle unter dem Gesichtspunkt der Sachurteilsvoraussetzung der substantiierten Darlegung einer Grundrechtsverletzung.35

II. Missbrauch und Antragsfrist Die Frage, ob eine Popularklage unzulässig sein kann, wenn seit Inkrafttreten der Norm ein großer Zeitraum verstrichen ist, behandelt der Bayerische Verfassungsgerichtshof in neueren Entscheidungen im Rahmen einer möglichen Verwirkung des Antragsrechts.36 Auch unter diesem Gesichtspunkt ist daher die Diskussion um das Vorliegen eines möglichen Missbrauchs nicht erforderlich.

III. Missbrauch und fehlende Selbstbetroffenheit Ein Popularkläger muss von der angegriffenen Norm nicht selbst betroffen sein.37 Ein entsprechender Antrag ist daher nicht missbräuchlich. Auch muss der Kläger keine Beziehung zum bayerischen Staatsgebiet aufweisen.38 Dies sind Fragen des zulässigen Antragstellers.39 Für einen Missbrauchs ist insofern kein Raum.

30 Vgl. hierzu oben 4. Kapitel: Substantiierte Darlegung einer Grundrechtsverletzung (S. 136). 31 Vgl. oben § 30 B. (S. 212). 32 Vgl. hierzu ausführlich 4. Kapitel: Substantiierte Darlegung einer Grundrechtsverletzung (S. 136). 33 Vgl. Knöpfle, in: Nawiasky / Schweiger / Knöpfle, BV, Art. 98 Satz 4 Rn. 30. 34 Vgl. Schumann, in: Stein / Jonas, ZPO, 20. Aufl., Band I, Einleitung Rn. 245. 35 Vgl. oben § 21 C. II. (S. 143). 36 Vgl. dazu ausführlich 7. Kapitel: Verwirkung der Antragsbefugnis (S. 228). 37 Vgl. die Nachweise in Fußn. 9 f. (1. Kapitel). 38 Vgl. § 11 (S. 95). 39 Vgl. hierzu oben 2. Kapitel: Antragsberechtigung (S. 86).

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6. Kap.: Missbrauch des Klagerechts

IV. Missbrauch und Antragsteller als Begünstigter der Norm Die Frage, ob die Popularklage eines von der angegriffenen Norm begünstigten Antragstellers bzw. die Popularklage eines Antragstellers, der der Norm im Vorfeld zustimmte, einen Missbrauch darstellt, stellt sich auch im Normenkontrollverfahren nach § 47 VwGO. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts könne insofern eine Verwirkung der Antragsbefugnis vorliegen, wenn sich der Antragsteller zu seinem eigenen früheren Verhalten in einen mit Treu und Glauben unvereinbaren Widerspruch setze, indem er zur Durchsetzung eines geltend gemachten Rechts das Gericht anrufe. Dies komme in Betracht, wenn er zunächst die ihm günstigen Festsetzungen eines Bebauungsplans ausnutze und sich erst dann gegen die ihm ungünstigen Festsetzungen wende.40 Unabhängig davon, ob man diese Problematik unter dem Stichpunkt des Missbrauchs oder der Verwirkung diskutiert, sollten Popularklagen in dieser Situation nicht als unzulässig verworfen werden. Denn der Antragsteller – und damit auch sein Verhalten im Vorfeld der Klage – steht in diesem objektiven Verfahren, das dem Schutz der Grundrechte als Institution dient41, nicht im Vordergrund.42

V. Missbrauch und Popularklage im Allgemeinen In den vom Bayerischen Verfassungsgerichtshof behandelten Fällen besteht somit kein Raum für den Missbrauch eines Normenkontrollantrags. Fraglich ist jedoch, ob dies in anderen Situationen der Fall sein könnte. 1. Möglichkeit der missbräuchlichen Klageerhebung Die Erhebung einer Klage als solche kann nur im Ausnahmefall als rechtsmissbräuchlich angesehen werden.43 Wolfgang Brehm nennt hier für den Bereich des Zivilprozesses das Beispiel, dass die Klage gegen einen Zeugen erhoben wird, um seine Vernehmung zu verhindern, sofern eine Prozesstrennung nicht in Betracht kommt.44 Die Erhebung einer aktienrechtlichen Klage wird in bestimmten Situationen ebenfalls als rechtsmissbräuchlich angesehen.45

BVerwG NVwZ 1992, 974 (975). Vgl. § 1 (S. 37). 42 Vgl. hierzu ausführlich § 35 A. II. 6. b) (2) (S. 249). 43 Schumann, in: Stein / Jonas, ZPO, 20. Aufl., Band I, Einleitung Rn. 257; Brehm, in: Stein / Jonas, ZPO, 22. Aufl., vor § 1 Rn. 233. 44 Brehm, in: Stein / Jonas, ZPO, 22. Aufl., vor § 1 Rn. 233. 45 Vgl. hierzu ausführlich Pfister, S. 173 ff. 40 41

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Nicht zu verwechseln ist der Missbrauch der Klagebefugnis mit dem Missbrauch des Grundrechts selbst. Wer ein Grundrecht missbraucht, kann sich auf dessen Schutz nicht berufen.46 Dies wäre jedoch eine Frage der Begründetheit der Klage, nicht der Zulässigkeit. Die Möglichkeit des Missbrauchs der Klageerhebung findet vor allem im Zusammenhang mit sogenannten „Querulantenklagen“ Beachtung. So vertritt Wolfgang Hartmann die Auffassung, manche unbelehrbaren Personen, die hartnäckig immer wieder dieselben sinnlosen Eingaben machten, missbrauchten das Verfahrensrecht. Sie vermehrten durch ihr unsoziales Verhalten unnütze die Arbeitslast der Gerichte und trügen zu einer Vergeudung wertvoller Arbeitskraft bei.47 Gottfried Baumgärtel hingegen vertritt die Ansicht, solche Fälle könnten mit dem Institut des Rechtsmissbrauchs nicht erfasst werden. Bei ihnen handele es sich an sich um eine funktionsgerechte Ausnutzung der Rechtspflege. Die Besonderheit der Querulantenklage liege darin, dass die Beharrlichkeit, mit der der Querulant seine Rechte immer wieder aufs Neue verfolge, das normale Maß übersteige und zu einer erheblichen Belastung der Gerichte führen könne.48 Dieser Problemkreis tritt hauptsächlich im Bereich des kostenfreien sozialgerichtlichen Verfahrens auf, das – so Kurt-Dieter Klag – zu „einem Sammelbecken für Querulaten“ geworden sei.49 Im Bereich des Popularklageverfahrens spielen solche „Querulantenklagen“ in der Praxis keine Rolle.50 Die Frage, ob die Klagebefugnis an sich missbraucht werden kann, lässt sich daher mit Rudolf Pohle zusammenfassend beantworten: „Theoretisch müsste die Frage, ob die gerichtliche Geltendmachung eines Rechtes gegen Treu und Glauben verstoßen kann, bejaht werden.“ … „Es sind aber Fälle, in denen das Rechtsschutzbegehren unter diesem Gesichtspunkt überhaupt beanstandet, also die Klagbarkeit“ … „schlechthin verneint werden könnte, schwerlich denkbar. Wenn eine derartige Würdigung einmal naheliegt, wird stets das materielle Recht oder seine Ausübung im allgemeinen, nicht nur seine gerichtliche Verfolgung, abzulehnen sein.“51

2. Popularklage und missbräuchliche Antragstellung Für das Popularklageverfahren hat die Darstellung der Rechtsprechung52 gezeigt, dass das Gericht im Laufe der Zeit der Diskussion um das Vorliegen eines Miss46 BVerfGE 12, 1 (4 f.); BVerwGE 15, 134 (136); Meder, BV, Art. 98 Rn. 6a; vgl. hierzu auch Gallwas, S. 100 ff. 47 Baumbach / Lauterbach / Albers / Hartmann, ZPO, Einl III, Rn. 66. Seine Ansicht, wonach eine vernünftige Rechtsauffassung gewohnheitsrechtlich erlaube und verlange, dass der Richter derartige Eingaben nach einer vorherigen sachlichen Bescheidung und Verwarnung künftig unbeachtet zu den Akten nehme, ist unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten nicht haltbar. Vgl. hierzu auch Klag, S. 67. 48 Baumgärtel, ZZP 86 (1973), 353 (369). 49 Klag, S. 2. 50 Vgl. oben § 29 (S. 211) sowie § 7 C. (S. 83). 51 Pohle, FS Lent, S. 195 (221).

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6. Kap.: Missbrauch des Klagerechts

brauchs völlig verschiedene Ansatzpunkte zu Grunde legte. Dies verdeutlicht, weshalb Franz Knöpfle der Ansicht ist, es sei unklar, unter welchen Voraussetzungen der Verfassungsgerichtshof allgemein einen Missbrauch der Popularklage als gegeben sieht.53 Die bislang von ihm angesprochenen Anknüpfungspunkte für das Vorliegen eines Missbrauchs der Klagebefugnis sind abzulehnen.54 Zu klären bleibt, ob unabhängig von diesen die Zulässigkeit einer Popularklage überhaupt am Missbrauch des Antragsrechts scheitern kann. a) Missbrauch des Antragsrechts und substantiierte Darlegung der Grundrechtsverletzung In diesem Zusammenhang ist das Verhältnis eines möglichen Missbrauchs des Antragsrechts und des Erfordernisses der substantiierten Darlegung eine Grundrechtsverletzung von großer Bedeutung. In seiner Rechtsprechung bezieht sich der Bayerische Verfassungsgerichtshof darauf, ein Rechtsmissbrauch liege vor, wenn eine gesetzliche Vorschrift außerhalb ihres ursprünglichen Zusammenhangs in einer zweckfremden Weise und mit zweckfremdem Ziel verwandt werde.55 Die Funktion der Normenkontrolle nach Art. 98 Satz 4 BV ist der Schutz der Grundrechte als Institution.56 Überträgt man die vom Verfassungsgerichtshof zitierten Ausführungen auf die Popularklage, läge ein Missbrauch daher dann vor, wenn eine Klage nicht auf den Schutz der Grundrechte abzielen würde. Die Beurteilung der Frage, ob ein Antrag ein solches zweckfremdes Ziel verfolgt, ist unter objektiven Gesichtspunkten zu entscheiden. Für den einzelnen Antragsteller wird der Schutz der Grundrechte als Institution in den meisten Fällen im Hintergrund stehen, während etwa eigene Interessen im Vordergrund stehen mögen. Unabhängig von der Schwierigkeit, das jeweilige Motiv des Klägers festzustellen57, rechtfertigt es ein subjektiver Nebenzweck nicht, den Grundrechtsschutz als Hauptzweck der Popularklage zu unterbinden.58 Die Popularklage dient auch als subjektives Rechtsschutzverfahren.59 Dies verdeutlicht eine Popularklage60 der Ökologisch-Demokratische Partei (ÖDP), die eine Regelung des BayGLKrWG angriff. Diese sieht unter anderem vor, dass neue WahlvorVgl. oben § 30 (S. 212). Knöpfle, in: Nawiasky / Schweiger / Knöpfle, BV, Art. 98 Satz 4 Rn. 30. 54 Vgl. § 31 B. (S. 216). 55 Enneccerus / Nipperdey, S. 1441 f. Fußn. 21; vgl. oben bei Fußn. 10 (6. Kapitel). 56 Vgl. oben § 1 (S. 37). 57 Pohle weist im Zusammenhang mit dem Rechtsschutzbedürfnis im Zivilprozess darauf hin, dass es im Einzelfall mehrere Zwecke seien, die die Klage veranlassen. Die Feststelllung des verfolgten Zwecks als einer inneren Tatsache sei schwierig und führe leicht anstatt zu einer Minder- zu einer Mehrbeanspruchung der Gerichte (Pohle, FS Lent, S. 195 [201]). 58 Vgl. Halfmeier, S. 333. 59 Vgl. § 1 (S. 37). 52 53

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schlagsträger bei Kommunalwahlen dann keine zusätzlichen Unterstützerunterschriften vorlegen müssen, wenn sie bei der letzten Landtagswahl mindestens fünf vom Hundert der im Land insgesamt abgegebenen gültigen Stimmen erhalten haben.61 Die ÖDP hatte bei der vorangegangenen Landtagswahl 2,1% erreicht. Damit sei die Ernsthaftigkeit der von ihr getragenen Wahlvorschläge ausreichend belegt. Die strikteren gesetzlichen Regelungen seien verfassungswidrig.62 Es ist naheliegend, dass die Partei mit diesem Normenkontrollantrag nicht in erster Linie den objektiven Schutz der Grundrechte als Institution, sondern eigene politische Interessen verfolgte. Der Versuch, mit Hilfe der Popularklage diese subjektiven Interessen durchzusetzen, ist zulässig.63 Er stellt keinen Missbrauch der Antragsbefugnis dar. Dies bestätigt auch ein Vergleich mit der abstrakten Normenkontrolle zum Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG. Dort werden die oft verschiedenen politischen Interessen und die politischen Rivalitäten der Antragsberechtigten bewusst genutzt, um eine wirksame Normenkontrolle durch die parlamentarische Minderheit oder einer in Opposition zur Bundesregierung stehenden Landesregierung zu sichern.64

Die Beurteilung der Frage, ob ein Missbrauch der Popularklage vorliegt, ist selbst dann unter objektiven Gesichtspunkten zu beurteilen, wenn für den Antragsteller ein subjektiver Nebenzweck im Vordergrund stehen sollte65 oder er nicht schützenswerte persönliche Ziele mit der Popularklage verfolgt. Denn um den Schutz der Grundrechte als Institution zu gewährleisten, ist die Zulässigkeit des Normenkontrollantrags unabhängig von den persönlichen Motiven des Antragstellers zu beurteilen.66 So erklärte der Verfassungsgerichtshof im Jahr 2006 einen Bebauungsplan für nichtig, da die Gemeinde bei dessen Aufstellung gegen das Willkürverbot verstoßen habe.67 Die Planung sollte unter anderem die Errichtung von Ferienwohnungen ermöglichen.68 Zwar liegen im konkreten Fall keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, doch wäre es denkbar, dass der Antragsteller mit seiner Popularklage persönliche Motive verfolgte, die nicht schützenswert sind. Beispielsweise könnte Ziel eines Antragstellers, der einen Bebauungsplan angreift, sein, mit der Popularklage zu verhindern, dass ein Konkurrent mit dem Bau von Ferienwohnungen wirtschaftlichen Erfolg erzielt. Doch selbst wenn der Antragsteller ausschließlich aus diesem (nicht schützenswerten) Grund das Popularklageverfahren angestrengt haben sollte, dient dieses dem Schutz der Grundrechte. Das zeigt die Tatsache, dass der Gerichtshof eine Verletzung des Willkürverbots und damit des Gleichheitssatzes als gegeben ansah. Daher widerspräche es der Funktion der Popularklage, diesen Antrag aufgrund eines Missbrauchs als unzulässig zu verwerfen. Die persönlichen Motive des Klägers sind für die Zulässigkeit unerheblich. BayVerfGHE 50, 106. Art. 25 Abs. 3 Satz 2 BayGLKrWG a. F. sowie Art. 27 Abs. 1 Satz 2 BayGLKrWG n. F. 62 Vgl. BayVerfGHE 50, 106 (109). 63 Vgl. § 1 (S. 37). 64 Söhn, FG 25 Jahre BVerfG, Band I, S. 292 (299). 65 Vgl. hierzu Pohle, FS Lent, S. 195 (220) zum Rechtsschutzbedürfnis. 66 Vgl. zu der ähnlichen gelagerten Frage, ob das Verhalten des Antragstellers zu einer Verwirkung der Antragsbefugnis führen kann, unten § 35 A. II. 6. b) (2) (S. 249). 67 BayVerfGHE 59, 109. 68 BayVerfGHE 59, 109 (110). 60 61

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6. Kap.: Missbrauch des Klagerechts

Entscheidend ist somit, wann aus objektiver Sicht eine Popularklage angestrengt werden kann, deren Zweck nicht im Schutz der Grundrechte liegt. Eine Popularklage ist indes gemäß Art. 55 Abs. 1 Satz 2 BayVerfGHG nur dann zulässig, wenn der Antragsteller eine mögliche Grundrechtsverletzung durch die angefochtene Norm substantiiert darlegt.69 Gelingt diese Darlegung, liegt eine Popularklage unabhängig von subjektiven Gründen des Antragstellers immer im Interesse des Schutzes der Grundrechte als Institution. Etwas anderes wäre nur dann möglich, wenn im Bereich der Grundrechte eine Art „Bagatellgrenze“ für „kleine Grundrechtsverstöße“ anerkannt wäre. Das ist jedoch nicht der Fall. Vielmehr sind hier nur „kleine“ Eingriffe denkbar, die im Rahmen der Verhältnismäßigkeit in der Regel gerechtfertigt sind. Unter diesem Blickwinkel sind auch „Querulantentum“ und „Scheinprozesse“70 dann nicht möglich, wenn die Darlegung einer verfassungswidrigen Grundrechtsverletzung gelingt. Denn erscheint eine Grundrechtsverletzung von vornherein nicht möglich, ist die Popularklage bereits aus diesem Grund unzulässig.71 Ein richtiger Ansatzpunkt, um den Verfassungsgerichtshof vor „missbräuchlichen“ Anträgen zu schützen, liegt daher in der Beurteilung der Darlegung der verfassungswidrigen Grundrechtsverletzung gemäß Art. 55 Abs. 1 Satz 2 BayVerfGHG. b) Missbrauch des Antragsrechts und offensichtliche Unbegründetheit Die Darlegung der Grundrechtsverletzung gelingt jedoch auch in Fällen der „offensichtlichen Unbegründetheit“ einer Popularklage. So ist es nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs für die Zulässigkeit insofern ausreichend, wenn der Antragsteller hinreichend dargelegt, aus welchen Gründen die angegriffene Vorschrift nach seiner Auffassung gegen Grundrechte verstoße, während die Prüfung, ob tatsächlich ein Grundrechtsverstoß vorliegt, im Rahmen der Begründetheit stattfindet.72 Das BayVerfGHG enthält keine Regelung, wonach eine offensichtlich unbegründete Popularklage als unzulässig abzuweisen wäre. Im Gegensatz hierzu bietet das BVerfGG in dessen § 24 die Möglichkeit der a-limine-Abweisung. Danach können unzulässige oder offensichtlich unbegründete Anträge durch einstimmigen Beschluss des Gerichts verworfen werden. Dieser bedarf keiner weiteren Begründung, wenn der Antragsteller vorher auf die Bedenken gegen die Zulässigkeit oder Begründetheit seines Antrags hingewiesen worden ist. Diese Regelung gibt dem Bun-

69 Vgl. dazu ausführlich 4. Kapitel: Substantiierte Darlegung einer Grundrechtsverletzung (S. 136). 70 Vgl. auch zu „Scheinanträgen“ oben bei Fußn. 66 (4. Kapitel). 71 Vgl. hierzu oben § 21 C. II. 2. (S. 146). 72 Vgl. hierzu oben § 21 C. II. 1. (S. 145).

§ 31 Bewertung der Rechtsprechung

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desverfassungsgericht die Möglichkeit, in einem vereinfachten schriftlichen Verfahren abzuweisen und dient der Entlastung der Senate.73 Folgt man der Auffassung, wonach der Grundsatz von Treu und Glauben auch im Verhältnis der Parteien zum Gericht zu beachten ist74, wäre das Argument vorstellbar, die Erhebung einer offensichtlich unbegründeten Popularklage stelle einen Missbrauch des Antragsrechts dar. Ein entsprechender Normenkontrollantrag wäre dann als unzulässig abzuweisen. Dies würde jedoch nicht zur Entlastung des Gerichtshofs führen. Denn eine verfahrenstechnische Vereinfachung – etwa in einer der a-limine-Abweisung gemäß § 24 BVerfGG vergleichbaren Weise – wäre damit nicht verbunden; eine entsprechende Regelung kennt das BayVerfGHG nicht. Im Gegenteil müsste der Verfassungsgerichtshof begründen, was eine „nur unbegründete“ von einer „offensichtlich unbegründeten“ Popularklage unterscheidet.75 Die Darlegung der Unbegründetheit des Antrags erfordert bei einer klaren Rechtslage hingegen nur weniger Worte und stellt daher wohl sogar den geringeren Aufwand dar.76 Außerdem ist eine Sachentscheidung einer reinen Prozessentscheidung grundsätzlich vorzuziehen.77 Auch im Fall einer offensichtlichen Unbegründetheit besteht daher kein Grund, die Klage als unzulässig abzuweisen. c) Zwischenergebnis Im Ergebnis ist somit keine Situation vorstellbar, in der die Erhebung einer Popularklage einen unzulässigen Missbrauch des Antragsrechts darstellt.

C. Missbrauch der Klagebefugnis und Systematik des BayVerfGHG Auch die Systematik des BayVerfGHG bestätigt diese ablehnende Haltung gegenüber der möglichen Unzulässigkeit einer Popularklage aufgrund deren Missbrauchs. I. Art. 27 Abs. 1 BayVerfGHG als „Missbrauchsgebühr“ Gemäß Art. 27 Abs. 1 BayVerfGHG kann der Bayerische Verfassungsgerichtshof dem Antragsteller eine Gebühr von bis zu 1.500 Euro auferlegen, wenn die Popular-

73 74 75 76 77

Lechner / Zuck, BVerfGG, § 24 Rn. 1. Vgl. Klag, S. 61. Vgl. zu § 24 BVerfGG etwa Benda / E. Klein, Rn. 321. Vgl. auch A. Menzel, S. 202. Vgl. auch § 39 A. III. 5. (S. 273).

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6. Kap.: Missbrauch des Klagerechts

klage unzulässig oder offensichtlich unbegründet ist.78 Diese Regelung erinnert an § 34 Abs. 2 BVerfGG, wonach das Bundesverfassungsgericht eine Gebühr auferlegen kann, wenn die Einlegung der Verfassungsbeschwerde oder der Beschwerde nach Art. 41 Abs. 2 GG einen Missbrauch darstellt. Diese Gebühr nach § 34 Abs. 2 GG wird allgemein als „Missbrauchsgebühr“ bezeichnet.79 Die Begriffe „Missbrauch“ und „Missbrauchsgebühr“ verwendet das BayVerfGHG nicht. Auch in der Gesetzesbegründung sind sie nicht zu finden. Bis zum Inkraftreten des Gesetzes über den Bayerischen Verfassungsgerichtshof am 1. Januar 199180 waren Popularklagen immer kostenfrei. Erst seit diesem Zeitpunkt kann das Gericht eine Gebühr erheben.81 Die Gesetzesbegründung führt dazu lediglich aus, diese Regelung fasse die Bestimmungen des bisherigen Art. 22 BayVerfGHG82 sowie des § 25 der GeschOVerfGH83 zusammen.84 Weiter heißt es, die Praxis habe gezeigt, dass für die Möglichkeit, eine Gebühr aufzuerlegen, ein Bedürfnis bestehe, zumal es nicht gerechtfertigt erscheine, den Antragsteller einer Popularklage gegenüber dem Beschwerdeführer einer Verfassungsbeschwerde insoweit besserzustellen.85

Vgl. hierzu § 57 (S. 365). Vgl. etwa Aderhold, in: Umbach / Clemens / Dollinger, BVerfGG, § 34 Rn. 16; Knödler, S. 9; Schmittmann, DVBl. 1997, 988 (988 ff.); Stark, in: Mutschler, § 5 Rn. 6; Zuck, NJW 1996, 1254 (1254 ff.). Zu den Voraussetzungen einer Auferlegung und der Funktionalität dieser Missbrauchsgebühr siehe ter Veen, EuGRZ 1998, 645 (645 ff.). 80 GVBl S. 1990, 122, Berichtigung S. 231. 81 Vill, BayVBl. 1991, 353 (358). 82 Art. 22 BayVerfGHG a. F. lautete: „(1) Das Verfahren des Verfassungsgerichts ist kostenfrei. Ist jedoch in den Fällen des Art. 2 Nr. 6 die Beschwerde unbegründet oder unzulässig, so kann der Verfassungsgerichtshof nach freier Überzeugung dem Beschwerdeführer eine Gebühr bis zu 3000.– DM auferlegen. Der Verfassungsgerichtshof kann dem Beschwerdeführer auch aufgeben, einen entsprechenden Vorschuß zu leisten. (2) In den Fällen des Art. 2 Nr. 1 sind dem nicht für schuldig Befundenen die notwendigen Auslagen einschließlich der Kosten der Verteidigung zu ersetzen. In den übrigen Fällen kann der Verfassungsgerichtshof volle oder teilweise Erstattung von Kosten und Auslagen anordnen.“ (vgl. GVBl S. 1962, S. 337 [339]). Dabei regelte Art. 2 Nr. 6 BayVerfGHG a. F. die Zuständigkeit für Beschwerden wegen Verletzung der verfassungsmäßigen Rechte durch eine Behörde (Art. 66 der Verfassung), Art. 2 Nr. 1 BayVerfGHG a. F. für Anklagen des Landtags gegen ein Mitglied der Staatsregierung oder des Landtags (Art. 61 Abs. 1 der Verfassung); vgl. GVBl 1962, S. 337. 83 § 25 der GeschOVerfGH legte fest, dass der BayVerfGH in der kleinen Besetzung über die Auferlegung eines Kostenvorschusses entscheidet und traf weitere Regelungen über das Verfahren in Verbindung mit Kostenentscheidungen (vgl. GVBl 1963, S. 151 [153]; § 25 GeschOVerfGH blieb durch deren Änderung vom 18. Februar 1966 [GVBl S. 159] unverändert). 84 LT-Drs. 11 / 12997, S. 19 zu Art. 27 Nr. 1. 85 LT-Drs. 11 / 12997, S. 19 zu Art. 27 Nr. 2. Diese Begründung übersieht allerdings, dass die Popularklage dem objektiven Schutz der Grundrechte als Institution dient, während die Verfassungsbeschwerde die subjektiven Rechte des Beschwerdeführers schützt. Dieser Unterschied würde durchaus eine „Besserstellung“ des Popularklägers rechtfertigen. 78 79

§ 31 Bewertung der Rechtsprechung

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Die Grundgedanken der Regelungen des Art. 27 Abs. 1 BayVerfGHG und des § 34 Abs. 2 BVerfGG sind vergleichbar. So führt das Bundesverfassungsgericht aus, es werde durch missbräuchliche Verfassungsbeschwerden darin behindert, anderen Bürgern in angemessener Zeit Rechtsschutz zu leisten.86 Auf ähnliche Ausführungen Gottfried Baumgärtels verweist auch der Bayerische Verfassungsgerichtshof bei der Begründung Missbrauchsverbots.87 Inhaltlich ist die Regelung des BVerfGG weiter gefasst als die des BayVerfGHG. So kann das Bundesverfassungsgericht etwa auch dann eine Missbrauchsgebühr auferlegen, wenn die Verfassungsbeschwerde in ihrer äußeren Form beleidigenden oder verletzenden Charakter hat.88 Diesen Fall erfasst Art. 27 Abs. 1 BayVerfGHG nicht, der auf Unzulässigkeit oder offensichtliche Unbegründetheit abstellt.

Dennoch existieren starke Überschneidungen. So sieht das Bundesverfassungsgericht einen Missbrauch unter anderem als gegeben an, wenn eine Verfassungsbeschwerde offensichtlich unzulässig oder unbegründet ist und ihre Einlegung von jedem Einsichtigen als völlig aussichtslos angesehen werden muss.89 Unter diesen Voraussetzungen kann auch der Bayerische Verfassungsgerichtshof gemäß Art. 27 Abs. 1 BayVerfGHG eine Gebühr erheben. Hält man einen Missbrauch der Antragsbefugnis im Popularklageverfahren für möglich, besteht in solchen Missbrauchsfällen stets die Möglichkeit, eine Gebühr nach Art. 27 Abs. 1 Satz 2 BayVerfGHG festzusetzen. Das „praktische Bedürfnis“ für diese Gebühr, die der Gesetzgeber sah,90 liegt wohl in der Eindämmung des „Missbrauchs“. Nach all dem kann die Gebühr gemäß Art. 27 Abs. 1 BayVerfGHG als „Missbrauchsgebühr“ bezeichnet werden. II. Unzulässigkeit als Folge des „Missbrauchs“ in der Systematik des BayVerfGHG nicht erforderlich Das BayVerfGHG sieht somit eine Handhabe vor, um demjenigen zu begegnen, der sein Antragsrecht „missbraucht“91: Der Verfassungsgerichtshof kann ihm gemäß Art. 27 Abs. 1 BayVerfGHG eine Gebühr auferlegen. 86 Vgl. BVerfG 2. Kammer des Zweiten Senats NJW 1992, 1952 (1953); Aderhold, in: Umbach / Clemens / Dollinger, BVerfGG, § 34 Rn. 16. 87 Vgl. oben § 30 A. (S. 212). 88 Aderhold, in: Umbach / Clemens / Dollinger, BVerfGG, § 34 Rn. 18. 89 Vgl. Lechner / Zuck, BVerfGG, § 34 Rn. 6. 90 LT-Drs. 11 / 12997, S. 19 zu Art. 27 Nr. 2; vgl. die Ausführungen bei Fußn. 85 (6. Kapitel). 91 Als einen solchen Missbrauch könnte man das Verhalten eines Antragstellers einstufen, der in den Jahren 1967 und 1968 siebzehn Popularklagen erhob. Der Berichterstatter des Bayerischen Senats beschrieb dessen Antragstellung wie folgt: „Hier wird nur jeweils in sehr allgemeiner, keineswegs substanziierter, in fast allen Fällen unzureichender und nur mit emotionalen Phrasen ausgestatteter Begründung in der Regel die Verletzung der Würde des Menschen,

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6. Kap.: Missbrauch des Klagerechts

Im Rahmen der Entscheidung zum BayEUG92 – den man als Fall einer „offensichtlichen Unbegründetheit“ einordnen könnte – verzichtete der Verfassungsgerichtshof sogar auf die Erhebung einer „Missbrauchsgebühr“93. In der insofern ähnlich gelagerten Entscheidung über die Popularklage gegen die Gebührenerhebung bei einem Kirchenaustritt94 legte der Gerichtshof dem Antragsteller hingegen eine Gebühr von 1000 Euro auf.95

Dem „Missbrauch“ zusätzlich noch dadurch entgegenzutreten, dass der entsprechende Antrag als unzulässig abgewiesen wird, ist nicht erforderlich. Im übrigen zeigt die Tatsache, dass der Gerichtshof im Zeitraum vom 1. Januar 1995 bis zum 31. Dezember 2011 nur in elf Fällen eine Gebühr auferlegte96, wie sehr sich das vom Gesetzgeber ausgemachte „praktische Bedürfnis“97 für eine „Missbrauchsgebühr“ in Popularklageverfahren in Grenzen hält.

§ 32 Zusammenfassung Die Rechtsfigur des Missbrauchs der Antragsbefugnis ist als allgemeiner Rechtsgrundsatz grundsätzlich auch im Rahmen der Popularklage anwendbar, doch besteht hierfür in diesem Verfahren kein Anwendungsbereich. Zwar spricht der Verfassungsgerichtshof eine mögliche Anwendung unter verschiedenen Gesichtspunkten an. Diese können im objektiven Normenkontrollverfahren aber richtigerweise nicht zur Unzulässigkeit des Antrags führen.98 Eine nähere Betrachtung zeigt, dass im Rahmen der Popularklage in keiner Situation auf die Rechtsfigur zurück gegriffen werden sollte. Soweit die substantiierte Darlegung einer Grundrechtsverletzung gelingt, ist eine Verwerfung des jeweiligen Normenkontrollantrags als unzulässig nicht erforderlich.99 Die Diskussion eines der Glaubens- und Gewissensfreiheit und des Gleichheitssatzes behauptet.“ (Verhandlungen des Bayerischen Senats, Band 21, 11. Tagungsperiode 1968 / 69, 8. Sitzung, S. 149; vgl. hierzu Rygol, S. 85 f.). 92 Vgl. oben § 21 C. II. 1. (S. 145). 93 BayVerfGH Entscheidung vom 11. 3. 2008, Vf. 5-VII-07, veröffentlicht in juris, ebenda Rn. 39 (insoweit nicht veröffentlicht in BayVerfGHE 61, 47; BayVBl. 2009, 173; NVwZ-RR 2008, 618). 94 Vgl. oben § 21 C. II. 1. (S. 145). 95 BayVerfGH Entscheidung vom 8. 5. 2008, Vf. 7-VII-07, veröffentlich in juris, ebenda Rn. 31 (insoweit nicht veröffentlicht in BayVerfGHE 61, 125). 96 Vgl. hierzu unten § 57 (S. 365). 97 Vgl. oben bei Fußn. 85 (6. Kapitel). 98 Es liegt daher die Vermutung nahe, der Verfassungsgerichtshof wolle sich mit dem Institut des Rechtsmissbrauchs ein Instrument in die Hand geben, um Antragstellern die Antragsbefugnis abzusprechen, wenn diese unter keinem Gesichtspunkt ein berechtigtes Interesse an der begehrten Entscheidung zu haben scheinen (Knöpfle, in: Nawiasky / Schweiger / Knöpfle, BV, Art. 98 Satz 4 Rn. 30). 99 Vgl. § 31 B. (S. 216).

§ 32 Zusammenfassung

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möglichen Missbrauchs stellt im Ergebnis eine unnötige Zulässigkeitshürde dar; sie ist daher abzulehnen.100 Dem Verfassungsgerichtshof steht hingegen die Möglichkeit offen, dem Antragsteller gemäß Art. 27 Abs. 1 BayVerfGHG eine „Missbrauchsgebühr“ aufzuerlegen.101

100 101

Vgl. auch Pestalozza, Verfassungsprozeßrecht, § 23 Rn. 108. Vgl. § 31 C. (S. 223) sowie § 57 (S. 365).

7. Kapitel

Verwirkung der Antragsbefugnis Nach allgemeiner Auffassung kann eine Popularklage aufgrund einer Verwirkung unzulässig sein.1 So führt der Bayerische Verfassungsgerichtshofs aus: „Die Erhebung der Popularklage ist an keine Frist2 gebunden. Nach den rechtsstaatlichen Grundsätzen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes kann aber die Antragsbefugnis für eine Popularklage durch Verwirkung erlöschen“.3

§ 33 Tatsächliche Bedeutung in der Rechtsprechung Der Bayerische Verfassungsgerichtshof ging in den Jahren 1995 bis 2011 nur in fünf Entscheidungen auf eine mögliche Verwirkung der Antragsbefugnis ein.4 In zwei Fällen wies er die Popularklagen aufgrund des Vorliegens einer Verwirkung als unzulässig ab.5 Die tatsächliche Bedeutung dieser Sachurteilsvoraussetzung ist jedoch größer als diese Zahlen vermuten lassen. Denn der Verfassungsgerichtshof bejahte im Jahr 1997 erstmals das Vorliegen einer Verwirkung. Mit der zu Popularklagen gegen Gebietsreformen ergangenen Rechtsprechung zieht er mit Hilfe der Verwirkung gleichsam einen Schlussstrich unter die verfassungsgerichtliche Überprüfung dieser Reformen aus den 1970ger-Jahren.6 Entsprechende weitere Popularklagen haben zukünftig wohl keine Aussicht auf Erfolg. Sollte der Verfassungsge1 Knöpfle, in: Nawiasky / Schweiger / Knöpfle, BV, Art. 98 Satz 4 Rn. 32; Meder, BV, Art. 98 Rn. 7; Wolff, in: Lindner / Möstl / Wolff, BV, Art. 98 Rn. 51. 2 Die abstrakte Normenkontrolle zum BVerfG ist ebenfalls unbefristet zulässig (vgl. Pestalozza, Verfassungsprozeßrecht, § 8 Rn. 14), demgegenüber ist die Rechtssatzverfassungsbeschwerde zum BVerfG gemäß § 93 Abs. 3 BVerfGG innerhalb eines Jahres seit Inkrafttreten zu erheben (vgl. Pestalozza, Verfassungsprozeßrecht, § 12 Rn. 53). 3 BayVerfGHE 61, 172 (179); vgl. auch BayVerfGHE 39, 169 (174); 40, 154 (159); 42, 11 (16 f.); 50, 115 (121 f.); BayVerfGH BayVBl. 2007, 689; 2009, 433; BayVerfGH NVwZ 1989, 243. 4 BayVerfGHE 48, 99 (103); 50, 115 (122 f.); 61, 172 (176); BayVerfGH BayVBl. 2007, 689; 2011, 433. 5 BayVerfGHE 50, 115 (122 f.); BayVerfGH BayVBl. 2007, 689. 6 Vgl. dazu § 35 B. I. (S. 253).

§ 34 Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs

229

richtshof außerdem den Ansatz festigen, wonach auch die Interessen von Normbetroffenen zur Verwirkung der Antragsbefugnis anderer Personen führen können7, könnte dies ebenfalls weitreichende Folgen für die Zulässigkeit zukünftiger Klagen haben.8

§ 34 Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs A. Begründung einer möglichen Verwirkung Der Bayerische Verfassungsgerichtshof begründet seine Auffassung, wonach die Antragsbefugnis für eine Popularklage durch Verwirkung erlöschen kann, nicht sehr ausführlich. In der ersten Entscheidung, die sich mit diesem Themenkreis beschäftigt, führt das Gericht lediglich aus: „Im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung stellt sich außerdem die Frage, wie lange noch Popularklagen gegen Neugliederungsvorschriften im Rahmen der allgemeinen Gebietsreform in Bayern erhoben werden können. Zwar ist die Erhebung einer Popularklage an keine Frist gebunden. Hier fragt sich jedoch, ob nicht aus den rechtsstaatlichen Grundsätzen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes abzuleiten ist, daß die Antragsbefugnis für eine Popularklage durch Verwirkung erlöschen kann.“9 … „Den Bedenken, ob die Popularklagen zulässig sind, braucht indessen nicht weiter nachgegangen zu werden, weil die Anträge jedenfalls unbegründet sind.“10

Die Frage, ob die Antragsbefugnis durch Verwirkung erlöschen kann, bleibt also letztlich offen. In späteren Entscheidungen zur Gebietsreform führt der Verfassungsgerichtshof aus: „Zwar ist die Erhebung einer Popularklage an keine Frist gebunden. Nach den rechtsstaatlichen Grundsätzen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes könnte aber die Antragsbefugnis für eine Popularklage durch Verwirkung erlöschen.“11 Ob in den jeweiligen Fällen eine Verwirkung vorliegt, lässt das Gericht jedoch offen, da es die Klagen als jedenfalls unbegründet12 bzw. als aus anderen Gründen unzulässig13 ansieht.

Das Gericht geht in diesen Entscheidungen offensichtlich davon aus, dass eine Verwirkung der Antragsbefugnis tatsächlich möglich ist. In späteren EntscheidunVgl. dazu § 35 A. II. 6. b) (1) (c) (S. 249). Vgl. auch unten Übersicht I: Entscheidungen in Popularklageverfahren in den Jahren 1995 bis 2011 (S. 398). 9 BayVerfGHE 39, 169 (174). 10 BayVerfGHE 39, 169 (175). 11 BayVerfGHE 40, 154 (159); BayVerfGH NVwZ 1989, 243. 12 BayVerfGHE 39, 169 (175). 13 BayVerfGH NVwZ 1989, 243. 7 8

230

7. Kap.: Verwirkung der Antragsbefugnis

gen wird dem entsprechend aus dem zuvor verwandten „könnte“ ein eindeutiges „kann“14. Nähere – über den Verweis auf die rechtsstaatlichen Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes hinausgehende – Begründungen fehlen in diesen Entscheidungen ebenso wie in denjenigen der jüngeren Rechtsprechung15.

B. Verwirkung und Neugliederungsvorschriften Der Bayerische Verfassungsgerichtshof ist jedoch in der dargestellten Rechtsprechung bemüht, die Möglichkeit der Verwirkung auf Neugliederungsvorschriften einzugrenzen. Er führt aus, der Gedanke der Verwirkung sei von „besonderer Bedeutung bei Rechtsvorschriften, die nicht während einer unbestimmt langen Geltungsdauer fortlaufend Rechte und Pflichten begründen, sondern sich im wesentlichen in einmaligen Organisationsakten erschöpfen. Es liegt nahe, daß insbesondere Neugliederungsvorschriften nach einer bestimmten Zeit verläßliche Grundlage für alle Betroffenen sein müssen und daß insoweit die Rechtssicherheit und das Vertrauen auf den Fortbestand einer Neugliederungsmaßnahme höher zu gewichten sind als ein etwaiges Interesse, auch noch nach langer Zeit durch einen verfassungsgerichtlichen Rechtsbehelf die Ungültigerklärung einer Neugliederungsvorschrift herbeizuführen“.16

In einer Entscheidung, der mehrere Popularklagen gegen den Zustimmungsbeschluss des Bayerischen Landtags zum Staatsvertrag über die Errichtung der Anstalt des öffentlichen Rechts „Zweites Deutsches Fernsehen“ sowie gegen die Satzung dieser Anstalt zu Grunde lagen, führt er zur Verwirkung aus: „Dieser Gedanke bezieht sich aber vor allem auf solche Regelungen, die sich im wesentlichen in einmaligen Organisationsakten erschöpfen.“ … „Ein vergleichbarer Fall liegt hier nicht vor. Verstieße § 17 Abs. 1 ZDF-StV gegen das Gebot der Staatsfreiheit des Rundfunks, so hätte die darin liegende Grundrechtsverletzung fortlaufend Auswirkung auf den vom ZDF veranstalteten Rundfunkbetrieb. Der Zulässigkeit der Popularklagen steht also nicht entgegen, daß die Rügen“ … „bereits“ … „im Jahr 1973 hätten erhoben werden können.“17

Der Bayerische Verfassungsgerichtshof unterscheidet somit zwischen einmaligen Organisationsakten auf der einen Seite, und Normen mit fortlaufenden Auswirkungen auf der anderen Seite. Bei ersteren kommt gemäß seiner Rechtsprechung eine Verwirkung in Betracht, bei letzteren hingegen nicht.

Vgl. BayVerfGHE 42, 11 (16 f.); 61, 172 (179). Vgl. BayVerfGHE 48, 99 (103); 50, 115 (121 f.). 16 BayVerfGHE 39, 169 (174 f.); vgl. auch BayVerfGHE 40, 154 (159); BayVerfGH BayVBl. 2011, 433; BayVerfGH NVwZ 1989, 243. 17 BayVerfGHE 42, 11 (16 f.). 14 15

§ 34 Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs

231

C. Jüngere Rechtsprechung I. Entscheidung zu einem Bebauungsplan und einer Veränderungssperre des Marktes Gaimersheim Die Einschränkung der Möglichkeit der Verwirkung setzt der Bayerische Verfassungsgerichtshof auch in der jüngeren Rechtsprechung fort. So in einer Entscheidung aus dem Jahr 1995, der eine Popularklage gegen einen Bebauungsplan und einer Veränderungssperre des Marktes Gaimersheim zu Grunde lag. Der angegriffene Bebauungsplan stammte aus dem Jahr 197318 und wurde 1991 ergänzt19. 1993 erging die Veränderungssperre.20 Der Verfassungsgerichtshof führte dazu aus: „Die Popularklage ist an keine Frist gebunden. Nach den rechtsstaatlichen Grundsätzen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes kann zwar die Befugnis, eine Popularklage zu erheben, durch Verwirkung erlöschen. Dieser Gedanke bezieht sich aber vor allem auf solche Regelungen, die sich im wesentlichen in einmaligen Organisationsakten erschöpfen. Der Verfassungsgerichtshof hat in diesem Zusammenhang mehrfach ausgeführt, es liege nahe, dass insbesondere Neugliederungsvorschriften nach einer bestimmten Zeit eine verlässliche Grundlage für alle Betroffenen sein müssten und dass insoweit das Vertrauen auf den Fortbestand einer Neugliederungsmaßnahme schwerer wiege als ein etwaiges Interesse, auch noch nach langer Zeit durch einen verfassungsgerichtlichen Rechtsbehelf die Ungültigerklärung einer Neugliederungsvorschrift herbeizuführen“. … „Ein vergleichbarer Fall liegt hier nicht vor. Verstießen die Festsetzung des Bebauungsabstands und das Verbot von unmittelbaren Zufahrten zur Kreisstraße EI 9 gegen die als verletzt gerügten Grundrechte, könnte dies fortlaufend Auswirkungen auf eine beabsichtigte weitere Grundstücksnutzung haben. Der Zulässigkeit der Popularklage steht also nicht entgegen, dass bereits der Bebauungsplan Nr. 5 ‚Mittlere Heide‘ von 1965 die strittigen Festsetzungen enthielt und dass der Bebauungsplan Nr. 17 ‚Mittlere Heide IV‘ nach den vorgelegten Planunterlagen bereits am 14. Mai 1973 in Kraft getreten ist.“21

Auch hier unterscheidet der Bayerische Verfassungsgerichtshof deutlich zwischen einmaligen Organisationsakten und Regelungen, die fortlaufende Auswirkungen haben. Für Regelungen mit „fortlaufenden Auswirkungen“ hält das Gericht das Eintreten einer Verwirkung anscheinend nicht für möglich. II. Entscheidung über die Eingliederung der Gemeinde Pleinting in die Stadt Vilshofen Im Rahmen der Popularklage gegen die Eingliederung der Gemeinde Pleinting in die Stadt Vilshofen bejahte der Bayerische Verfassungsgerichtshof 1997 erstmals das Vorliegen einer Verwirkung und wies die Klage als unzulässig ab.22 18 19 20 21

BayVerfGHE 48, 99. BayVerfGHE 48, 99 (100). BayVerfGHE 48, 99 (100). BayVerfGHE 48, 99 (103).

232

7. Kap.: Verwirkung der Antragsbefugnis

Durch eine Rechtsverordnung der Regierung von Niederbayern vom 12. April 1976 wurde der Markt Pleinting mit Wirkung vom 1. Mai 1978 in die Stadt Vilshofen eingegliedert.23 Im Jahr 1995 erhoben die Antragsteller schließlich Popularklage, mit der sie unter anderem die Eingliederungsregelung der genannten Verordnung angriffen. Das Gericht führt dazu aus: „Im vorliegenden Fall beträgt die Zeitspanne zwischen dem Inkrafttreten der angefochtenen Neugliederungsvorschrift und der Erhebung der Popularklage nahezu 17 Jahre. Jedenfalls nach so langer Zeit überwiegen die Belange der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes, vor allem der Stadt Vilshofen, das Interesse der Antragsteller, mit einer Popularklage die Ungültigerklärung der angefochtenen Vorschrift herbeiführen zu können. Dies gilt um so mehr, als der Verfassungsgerichtshof zwischenzeitlich mehrfach deutliche Hinweise auf die Möglichkeit der Verwirkung gegeben hat. Der Verwirkung steht nicht entgegen, daß die am 1. Mai 1978 wirksam gewordene Gemeindegebietsreform in der Folgezeit durch den Gesetzgeber mehrmals korrigiert worden ist.“ … „Lediglich durch das Gesetz zur Änderung der Gliederung von Gemeinden und Verwaltungsgemeinschaften vom 9. November 1993“ … „wurden“ … „auch Gemeinden, die im Rahmen der Gemeindegebietsreform in andere Gemeinden eingegliedert worden waren, wieder ausgegliedert“ … „Die Neubildung ehemals aufgelöster Gemeinden durch dieses Gesetz beschränkte sich jedoch auf wenige Fälle. Auch sie läßt deshalb nicht die Feststellung zu, der Gesetzgeber selbst habe die im Zuge der Gemeindegebietsreform vorgenommenen Eingemeindungen noch bis vor kurzem insgesamt in Frage gestellt und damit dem Vertrauen auf ihren Fortbestand generell den Boden entzogen.“24

III. Entscheidung zur Flächeneingliederung in die Gemeinde Hohenlinden Auch im Jahr 2007 bejahte der Bayerische Verfassungsgerichtshof im Rahmen einer Popularklage gegen eine Entscheidung, mit der Flächen in die Gemeinde Hohenlinden eingegliedert wurden, das Vorliegen einer Verwirkung. Der Antragsteller griff mit einer Popularklage einen Hoheitsakt des Regierungspräsidenten von Oberbayern vom 23. Januar 1939 an, der unter anderem die Ortsfluren Kronacker aus der Gemeinde Mittbach aus- und in die Gemeinde Hohenlinden eingegliederte.25 Der Bayerische Verfassungsgerichtshof sah die Klage als unzulässig an, da dieser Hoheitsakt keine Rechtsvorschrift des bayerischen Landesrechts sei. Selbst wenn dies der Fall wäre, sei die Klage unzulässig.26 Dazu verwies das Gericht auf seine Rechtsprechung zur möglichen Verwirkung der Antragsbefugnis bei Popularklagen gegen einmalige Organisationsakte und führte weiter aus: „Im hier verfahrensgegenständlichen Fall lag die Entscheidung des Regierungspräsidenten“ … „bei Erhebung der Popularklage bereits mehr als 67 Jahre zurück; der Abschluss des 22 23 24 25 26

BayVerfGHE 50, 115 (121). BayVerfGHE 50, 115 (117). BayVerfGHE 50, 115 (122 f.). BayVerfGH BayVBl. 2007, 689. BayVerfGH BayVBl. 2007, 689.

§ 34 Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs

233

Auseinandersetzungsverfahrens in der Besprechung vom 23. März 1954 bei der Regierung von Oberbayern lag 52 Jahre zurück. Nach derart langen Zeiträumen überwiegen die Belange der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes die – unterstellten – Interessen des Antragstellers, zumal die angefochtene Entscheidung Regelungen, die Einfluss auf seine Stellung als Grundstückseigentümer haben könnten, überhaupt nicht getroffen hat und die Auseinandersetzung zudem im Einvernehmen mit dem Vater des Antragstellers als seinem Rechtsvorgänger am 23. März 1954 beendet wurde.“27

IV. Entscheidung zum Bebauungsplan der Gemeinde Gmund am Tegernsee In einer Entscheidung aus dem Jahr 2008 geht der Bayerische Verfassungsgerichtshof ebenfalls auf eine mögliche Verwirkung ein. Gegenstand der Popularklage war ein Bebauungsplan der Gemeinde Gmund am Tegernsee.28 Die Gemeinde bezweifelte die Zulässigkeit der Popularklage, da die Antragsbefugnis verwirkt sein könne. Zwischen der Bekanntmachung des Bebauungsplans und der Erhebung der Popularklage seien dreieinhalb Jahre verstrichen.29 Der Verfassungsgerichtshof verneint jedoch eine Verwirkung des Klagerechts durch Zeitablauf.30 Er führt aus, von besonderer Bedeutung sei der Gedanke der Verwirkung „bei Rechtsvorschriften, die nicht während einer unbestimmt langen Geltungsdauer in abstrakt-genereller Weise fortlaufend Rechte und Pflichten begründen, sondern sich im Wesentlichen in einer konkreten und individuellen Regelung erschöpfen, wie dies beim vorliegenden Bebauungsplan oder bei der Umsetzung eines Organisationsaktes der Fall ist“.31

Im Rahmen der bereits dargestellten Unterscheidung zwischen einmaligen Organisationsakten und Normen mit fortlaufenden Auswirkungen32, reiht er den Bebauungsplan in dieser Entscheidung somit in die erste Kategorie ein. Weiter führt der Verfassungsgerichtshof aus: „Die hier allein in Betracht zu ziehende prozessuale Verwirkung müsste auf einer unredlichen, Treu und Glauben zuwiderlaufenden Verzögerung der Klageerhebung beruhen. Die Klageerhebung durch die Antragsteller müsste gerade deshalb gegen Treu und Glauben verstoßen, weil die Klage erst zu einem derart späten Zeitpunkt erhoben worden ist, dass die Grundstückseigentümerin, die ein Recht aus dem angegriffenen Bebauungsplan ableitet, mit einer Klageerhebung schlechterdings nicht mehr zu rechnen brauchte. Die Verwirkung

BayVerfGH BayVBl. 2007, 689. Vgl. BayVerfGHE 61, 172; der BayVerfGH hatte im Vorfeld eine einstweilige Verfügung erlassen, mit der er den Vollzug des Bebauungsplans aussetzte (Entscheidung vom 28. 1. 2008, Vf. 11-VII-08, veröffentlicht in juris). 29 BayVerfGHE 61, 172 (176). 30 BayVerfGHE 61, 172 (179). 31 BayVerfGHE 61, 172 (179). 32 Vgl. oben § 34 B. (S. 230). 27 28

234

7. Kap.: Verwirkung der Antragsbefugnis

des prozessualen Klagerechts setzt regelmäßig einen längeren Zeitraum voraus, während dessen die Möglichkeit der Klageerhebung bestanden hat. Wie lange dieser Zeitraum zu bemessen ist, ohne dass die Verwirkung eintritt, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Nach den konkreten Umständen konnte die Grundstückseigentümerin bei Einreichung der Popularklage“ … „berechtigterweise noch nicht damit rechnen, dass es nicht mehr zu einer verfassungsgerichtlichen Überprüfung kommen werde.“33 Gegen den Bebauungsplan habe die Antragstellerin einen Normenkontrollantrag nach § 47 VwGO gestellt. Von der Möglichkeit der Beschwerde wegen der Nichtzulassung der Revision habe die unterlegene Antragstellerin des Normenkontrollverfahrens keinen Gebrauch gemacht.34 „Das bedeutete aber nicht, dass die Grundstückseigentümerin seit Eintritt der Rechtskraft des Urteils des Verwaltungsgerichtshofs mit der Erhebung einer Popularklage nicht mehr zu rechnen brauchte. Zwar hätte die Popularklage bereits während des laufenden verwaltungsgerichtlichen Normenkontrollverfahrens erhoben werden können. Die Antragsteller waren dazu nach Treu und Glauben aber nicht verpflichtet. Sie konnten, auch soweit sie an dem Normenkontrollverfahren beim Verwaltungsgerichtshof nicht beteiligt waren, zunächst den Ausgang dieses fachgerichtlichen Verfahrens abwarten und sich nach Zustellung des vollständigen Urteils an die Antragstellerin zu 6 eine Meinung über ihr weiteres Vorgehen bilden. Regelmäßig schließen sich verfassungsrechtliche Rechtsbehelfe an ein erfolglos verlaufenes fachgerichtliches Verfahren erst an. Die Erhebung einer Popularklage konnte gerade im Hinblick auf das mit einer fehlenden Antragsbefugnis nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO begründete Prozessurteil des Verwaltungsgerichtshofs in Betracht kommen. Der“ [seit Rechtskraft des Urteils im verwaltungsgerichtlichen Verfahren] „verstrichene Zeitraum von etwa vier Monaten bis zur Erhebung der Popularklage begründet in Anbetracht dessen keine unredliche, Treu und Glauben zuwiderlaufende Verzögerung der Klageerhebung.“35

Diese Ausführungen zum Vorliegen einer Verwirkung beziehen sich im Gegensatz zu bisherigen Entscheidungen somit nicht auf ein eventuelles Vertrauensverhältnis zwischen Normgeber und Popularkläger, sondern zwischen dem vorteilhaft betroffenen Grundstückseigentümer und dem Antragsteller. Dem Eigentümer hätte der Bebauungsplan den Bau einer Hotelanlage ermöglicht. Der Verfassungsgerichtshof sah jedoch einen Verstoß gegen das Willkürverbot des Art. 118 Abs. 1 BV aufgrund einer Missachtung der Belange des Denkmalschutzes in einer sachlich schlechthin nicht mehr zu rechtfertigenden Weise als gegeben an.36 Er gab der Popularklage daher statt und erklärte die Norm für nichtig.37

33 34 35 36 37

BayVerfGHE 61, 172 (179). BayVerfGHE 61, 172 (179 f.). BayVerfGHE 61, 172 (180). BayVerfGHE 61, 172 (180 ff.). BayVerfGHE 61, 172.

§ 35 Bewertung der Rechtsprechung

235

V. Entscheidung zum Bebauungsplan der Gemeinde Irschenberg Ebenso wie bei der soeben dargestellten Popularklage lag einer Entscheidung vom 17. März 2011 eine Klage gegen einen Bebauungsplan zugrunde. In dieser machte der Gerichtshof „Bedenken unter dem Gesichtspunkt der Verwirkung“ geltend. Grundlage seiner „Bedenken“ war das Verhalten des Antragstellers im Vorfeld der Erhebung der Popularklage. Der angegriffene Bebauungsplan der Gemeinde Irschenberg setzte ein Dorfgebiet fest.38 Der Antragsteller war Eigentümer eines mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks im Geltungsbereich. Am 8. Juli 2005 beschloss der Gemeinderat den Bebauungsplan39 und änderte diesen am 19. Dezember 2005 unter anderem zum Neubau eines kleinen Wohnhauses auf dem Grundstück des Antragstellers40. Der Gerichtshof führt aus: „Gegen die Zulässigkeit der Popularklage bestehen“ … „Bedenken unter dem Gesichtspunkt der Verwirkung.“ … „Der Antragsteller hat seit dem Inkrafttreten des Bebauungsplans fünf Jahre verstreichen lassen, bevor er die Popularklage erhoben hat.“ … „Zwar hat der Antragsteller unter anderem in dem von ihm mit unterzeichneten Schreiben vom 8. Juli 2005 seine Interessen als ‚Alteinwohner‘ an einer restriktiven Baulandausweisung deutlich gemacht. Andererseits hat er aber für sich selbst Vorteile aus dem angegriffenen Bebauungsplan gezogen. Er hat insbesondere eine ihm zusätzliches Baurecht verschaffende Änderung des Bebauungsplans im Dezember 2005 hingenommen, ohne Einwände gegen die Festsetzungen im ursprünglichen Bebauungsplan geltend zu machen. Den sich hieraus unter dem Gesichtspunkt der Verwirkung einer Klagemöglichkeit ergebenden Bedenken braucht jedoch nicht näher nachgegangen zu werden, da die Popularklage jedenfalls unbegründet ist.“41

§ 35 Bewertung der Rechtsprechung A. Begründung der möglichen Verwirkung der Antragsbefugnis Für die Bewertung der Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs ist entscheidend, ob die Möglichkeit der Verwirkung der Antragsbefugnis ausreichend begründet werden kann.

38 BayVerfGH Entscheidung vom 17. März 2011, Vf. 17-VII-10, veröffentlicht in juris, ebenda Rn. 2 (insoweit nicht veröffentlicht in BayVBl. 2011, 433). 39 BayVerfGH Entscheidung vom 17. März 2011, Vf. 17-VII-10, veröffentlicht in juris, ebenda Rn. 7 (insoweit nicht veröffentlicht in BayVBl. 2011, 433). 40 BayVerfGH Entscheidung vom 17. März 2011, Vf. 17-VII-10, veröffentlicht in juris, ebenda Rn. 8 (insoweit nicht veröffentlicht in BayVBl. 2011, 433). 41 BayVerfGH BayVBl. 2011, 433.

236

7. Kap.: Verwirkung der Antragsbefugnis

I. Keine Normierung der Verwirkung Die Bayerische Verfassung sowie das BayVerfGHG enthalten keine Regelung über eine mögliche Verwirkung der Antragsbefugnis. Auch ein Rückgriff auf Art. 30 Abs. 1 BayVerfGHG hilft nicht weiter, da die VwGO und die ZPO keine Regelung zur Verwirkung enthalten.

II. Verwirkung als Rechtsinstitut Die Verwirkung der Klagebefugnis könnte jedoch als Rechtsinstitut im Popularklageverfahren anwendbar sein. Denn als solches Institut ist die Verwirkung anerkannt.42 Auch herrscht Einigkeit darüber, dass die Grundsätze der Verwirkung im Prozessrecht anzuwenden sind.43 An das Eingreifen der Verwirkung sind jedoch strenge Anforderungen zu stellen.44 Insbesondere im Prozessrecht ist sie vorsichtig anzuwenden.45 Für den Bereich des öffentlichen Rechts wies bereits das Reichsgericht, das das Bundesverfassungsgericht bei seiner Rechtsprechung zum vorliegenden Thema zitiert46, darauf hin, dass der Grundsatz der Verwirkung hier nur mit „allergrößter Vorsicht“ angewandt werden könne.47 Das Rechtsinstitut ist nach Entstehung, Inhalt und rechtstheoretischer Begründung umstritten wie die meisten Institute, die nicht ausdrücklich und umfassend geregelt sind.48 1. Begründung des Rechtsinstituts a) Grundsatz von Treu und Glauben Das Rechtsinstitut der Verwirkung wird als ein Unterfall unzulässiger Rechtsausübung angesehen, findet seine Begründung also letztlich im Grundsatz von Treu und Glauben.49 Dieser Grundsatz ist auch im Prozessrecht gültig50, wenngleich er 42 Vgl. etwa Grüneberg / Sutschet, in: Bamberger / Roth, BGB, § 242 Rn.131; Heinrichs, in: Palandt, BGB, § 242 Rn. 87; Looschelders / Olzen, in: Staudinger, BGB, § 242 Rn. 302. 43 Vgl. etwa BayVerfGHE 15, 1 (3); BVerfGE 32, 305 (309); Dütz, NJW 1972, 1025 (1027); Hopfgarten, S. 105; Pohle, in: Stein / Jonas, ZPO, 19. Aufl., vor § 128 XI 3. f) (S. 673); Quaas / Müller, Rn. 100; Schmitt Glaeser / Horn, Verwaltungsprozeßrecht, Rn. 134. 44 Hopfgarten, S. 104. 45 Siebert, S. 245. 46 BVerfGE 32, 305 (309). 47 RGZ 158, 100 (109). 48 Geiger, in: Görres-Gesellschaft, Staatslexikon, 6. Aufl., Band 8, Stichwort „Verwirkung“ Spalte 260 f. 49 Vgl. BVerfGE 32, 305 (308 f.); BVerwGE 44, 294 (298 f.); VGH München NVwZ 1994, 85; BGHZ 105, 290 (298); BGH NJW 1984, 1684; Bettermann, in: Bettermann / Nipperdey / Scheuner, Die Grundrechte, 3. Band, 2. Halbband, S. 779 (807 f.); Brenner, in: Sodan / Ziekow, VwGO, 2. Auflage, § 74 Rn. 57; Brink, in: Posser / Wolf, VwGO, München 2008,

§ 35 Bewertung der Rechtsprechung

237

noch vorsichtiger als im materiellen Recht anzuwenden ist51. Bei der Verwirkung liegt der Verstoß in der illoyalen Verspätung der Rechtsausübung.52 Ekkehard Schumann weist darauf hin, dass häufig richtige prozessuale Ergebnisse unter Berufung auf den Grundsatz von Treu und Glauben gefunden werden, obwohl sich dieselbe Rechtsfolge aus speziellen prozessualen Regelungen ergebe. Es werde nicht selten auf die präzise juristische Argumentation verzichtet und stattdessen die Generalklausel angerufen. Deshalb solle erst dann auf Treu und Glauben zurückgegriffen werden, wenn sich eine spezielle prozessuale Regelung nicht habe finden lassen.53 b) Rechtsstaatsprinzip Eine weitere Begründung für das Rechtsinstitut der Verwirkung hat letztlich das Rechtsstaatsprinzip als Grundlage. So führt der Bayerische Verfassungsgerichtshof im Rahmen eines Verfassungsbeschwerdeverfahrens erstmals in einer Entscheidung aus dem Jahr 1962 näher54, weshalb das Recht Verfassungsbeschwerde zu erheben, der Verwirkung unterliegen könne: „Der allgemeine Rechtsgrundsatz, daß prozessuale Befugnisse im Interesse der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens der Verwirkung unterliegen“, … „gilt auch im verfassungsgerichtlichen Verfahren“.55

Die Grundlage der Möglichkeit der Verwirkung sieht der Verfassungsgerichtshof also im Interesse der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens, und somit in Elementen des Rechtsstaatsprinzips.56 Auch das Bundesverfassungsgericht führt ebenfalls aus: § 74 Rn. 38; Grüneberg / Sutschet, in: Bamberger / Roth, BGB, § 242 Rn.131; Heinrichs, in: Palandt, BGB, § 242 Rn. 87; Holthausen, S. 71; Hopfgarten, S. 98; Klag, S. 80; Kopp / Schenke, VwGO, § 74 Rn. 18; A. Menzel, S. 27; Schmitt Glaeser / Horn, Verwaltungsprozeßrecht, Rn. 134. 50 Vgl. die Nachweise in Fußn. 27 (6. Kapitel). 51 Schumann, in: Stein / Jonas, ZPO, 20. Aufl., Band I, Einleitung Rn. 243; vgl. auch Rauscher, in: Rauscher / Wax / J. Wenzel, Münchener Kommentar ZPO, Einleitung Rn. 35. 52 Vgl. BGHZ 25, 47 (52); 97, 212 (220); Grüneberg / Sutschet, in: Bamberger / Roth, BGB, § 242 Rn. 131; Heinrichs, in: Palandt, BGB, § 242 Rn. 87; Looschelders / Olzen, in: Staudinger, BGB, § 242 Rn. 308; Roth, in: F. J. Säcker / Rixecker, Münchener Kommentar BGB, § 242 Rn. 296. 53 Schumann, in: Stein / Jonas, ZPO, 20. Aufl., Band I, Einleitung Rn. 245. 54 In einer 1958 ergangenen Entscheidung zu einer Verfassungsbeschwerde behandelt der BayVerfGH einen Fall, für den das BayVerfGHG keine Frist zur Einlegung der Beschwerde regelte. In diesem Zusammenhang führte er lediglich aus, es sei nicht richtig, dass überhaupt keine zeitliche Begrenzung zur Einlegung der Beschwerde bestehe. Denn in Fällen grober Fristüberschreitung könne der Verlust des Beschwerderechts mit dem Gedanken der Verwirkung oder auch des Rechtsmissbrauchs begründet werden (BayVerfGHE 11, 109 [193]). 55 BayVerfGHE 15, 1 (4).

238

7. Kap.: Verwirkung der Antragsbefugnis

„Bei der Verwirkung prozessualer Befugnisse im öffentlichen Recht ist auch zu berücksichtigen, daß nicht nur ein schutzwürdiges Vertrauen der Gegenpartei auf das Untätigbleiben des Berechtigten, sondern auch ein öffentliches Interesse an der Erhaltung des Rechtsfriedens es rechtfertigen können, die Anrufung eines Gerichts nach langer Zeit als unzulässig anzusehen“.57

2. Voraussetzungen für das Vorliegen einer Verwirkung Voraussetzung für das Vorliegen einer Verwirkung ist zunächst der Ablauf einer längeren Zeitspanne, was dem Berechtigten auch bewusst gewesen sein muss.58 Dies allein reicht nach der überwiegend vertretenen Ansicht jedoch nicht aus.59 Vielmehr müssen noch besondere Umstände hinzukommen, die das Vertrauen des Verpflichteten rechtfertigen, der Berechtigte werde seinen Anspruch nicht mehr geltend machen.60 Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Kläger, obwohl er von dem Klagegrund bereits längere Zeit Kenntnis hatte oder hätte haben müssen, erst zu einem Zeitpunkt Klage erhebt, in dem der Beklagte und sonstige Beteiligte nach den besonderen Umständen des Falles nicht mehr mit einer Klage rechnen muss, das heißt darauf vertrauen durfte, dass keine Klage erhoben wird.61 Dies ist 56 Vgl. etwa BayVerfGHE 48, 87 (98); 56, 22 (25); BVerfGE 107, 395 (401); Lindner, in: Lindner / Möstl / Wolff, BV, Art. 3 Rn. 33; Schmidt-Aßmann, in: Isensee / P. Kirchhof, HStR II, § 26 Rn. 81; Meder, BV Art. 3 Rn. 13; Schweiger, in: Nawiasky / Schweiger / Knöpfle, Art. 3 Rn. 3; vgl. auch die Nachweise in Fußn. 103 (5. Kapitel). 57 BVerfGE 32, 305 (309); das BVerfG verweist insoweit auf Bettermann, in: Bettermann / Nipperdey / Scheuner, Die Grundrechte, Dritter Band, 2. Halbband, S. 779 (807). Bettermann führt dort aus, der Verletzte könne sein Klagerecht durch längere Untätigkeit verwirken. Dies sei insbesondere bei Verwaltungsakten der Fall, wenn er ein Verhalten an den Tag legt, das bei der Behörde den Anschein erwecke, er erkenne den Staatsakt als rechtsbeständig oder rechtmäßig an, so dass die dennoch erfolgende spätere Anfechtung im Widerspruch zu seinem früheren Verhalten stehe und damit gegen Treu und Glauben verstoße (Bettermann, a. a. O., S. 807 f.). 58 Vgl. BVerwG BayVBl. 2001, 727; BGH NJW 1984, 1684; Brenner, in: Sodan / Ziekow, VwGO, § 74 Rn. 57; Brink, in: Posser / Wolf, VwGO, § 74 Rn. 38; Grüneberg / Sutschet, in: Bamberger / Roth, BGB, § 242 Rn. 131 und Rn. 136; Heinrichs, in: Palandt, BGB, § 242 Rn. 87 und Rn. 93; Roth, in: F. J. Säcker / Rixecker, Münchener Kommentar BGB, § 242 Rn. 301. 59 Vgl. BVerfGE 32, 305 (308 f.); BVerwG BayVBl. 2001, 727; NuR 2001, 402 (403); Baumgärtel, ZZP 67 (1954), 423 (426); Brenner, in: Sodan / Ziekow, VwGO, § 74 Rn. 57; Grüneberg / Sutschet, in: Bamberger / Roth, BGB, § 242 Rn. 131; Heinrichs, in: Palandt, BGB, § 242 Rn. 87 und Rn. 105; Holthausen, S. 71; Kopp / Schenke, VwGO, § 74 Rn. 19; Leipold, in: Stein / Jonas, ZPO, 22. Aufl., vor § 128 Rn. 259; Looschelders / Olzen, in: Staudinger, BGB, § 242 Rn. 306; Quaas / Müller, Rn. 195. 60 Vgl. BGHZ 105, 290 (298); Baumgärtel, ZZP 67 (1954), 423 (426); Brink, in: Posser / Wolf, VwGO, § 74 Rn. 38; Grüneberg / Sutschet, in: Bamberger / Roth, BGB, § 242 Rn. 131 und Rn. 141; Heinrichs, in: Palandt, BGB, § 242 Rn. 87 und Rn. 95; Leipold, in: Stein / Jonas, ZPO, 22. Aufl., vor § 128 Rn. 259; Looschelders / Olzen, in: Staudinger, BGB, § 242 Rn. 306; Roth, in: F. J. Säcker / Rixecker, Münchener Kommentar BGB, § 242 Rn. 296.

§ 35 Bewertung der Rechtsprechung

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objektiv zu beurteilen62 und dann zu bejahen, wenn der Berechtigte unter Verhältnissen untätig bleibt, unter denen vernünftigerweise etwas zur Wahrung des Rechts unternommen zu werden pflegt.63 Die Gegenpartei muss sich hierauf eingerichtet haben, und eine gleichwohl noch erfolgende Geltendmachung der prozessualen Befugnisse muss für sie unzumutbar sein.64 Grundlage für die Annahme der Klageverwirkung sind in der Regel besondere Rechtsbeziehungen unter den Verfahrensbeteiligten, die das Gebot gegenseitiger Rücksichtnahme begründen.65 Die Verwirkbarkeit ist jedoch dann zu verneinen, wenn sich aufgrund der besonderen Rechtsnatur der Befugnis ein Vertrauenstatbestand nicht herausbilden habe kann.66 In Übereinstimmung mit den dargestellten Voraussetzungen führt der Bayerische Verfassungsgerichtshof im Rahmen einer Verfassungsbeschwerde, die sich gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe aufgrund von Verwirkung wandte, aus: „Mit der Verwirkung soll die illoyal verspätete Geltendmachung von Rechten gegenüber dem Verpflichteten ausgeschlossen werden. Das Institut der Verwirkung beruht im Kern auf dem Gedanken des Vertrauensschutzes und vermeidet eine Diskrepanz zwischen rechtlicher und sozialer Wirklichkeit durch Angleichung der Rechtslage an die soziale Wirklichkeit. Ein Recht ist demnach verwirkt, wenn es der Berechtigte über einen längeren Zeitraum hinweg nicht geltend macht, obwohl er dazu in der Lage wäre (Zeitmoment), und der Verpflichtete sich mit Rücksicht auf das gesamte Verhalten des Berechtigten darauf einrichten durfte und eingerichtet hat, dass dieser sein Recht auch in Zukunft nicht geltend machen wird (Umstandsmoment)“.67

3. Verwirkung prozessualer Befugnisse Im Rahmen der Diskussion um die Verwirkung prozessualer Befugnisse ist eine saubere Trennung materiell-rechtlicher und prozessualer Gesichtspunkte wichtig.68 So ist beim Rückgriff auf das Prinzip von Treu und Glauben darauf zu achten, dass prozessuale Verstöße von materiell-rechtlichen Verletzungen unterschieden werden, die während des Prozesses geschehen. Solche materiell-rechtlichen Verstöße werden nicht deshalb zu prozessualen Handlungen, weil sie im Prozess erfolgen. Ihre

61 BVerwG BayVBl. 2001, 727; Kopp / Schenke, VwGO, § 74 Rn. 19; vgl. auch Brenner, in: Sodan / Ziekow, VwGO, § 74 Rn. 57; Dütz, NJW 1972, 1025 (1027). 62 BGHZ 25, 47 (52); 97, 212 (221). 63 BVerfGE 32, 305 (308 f.); Dütz, NJW 1972, 1025 (1027). 64 Vgl. BVerwG BayVBl. 2001, 727; BGHZ 25, 47 (52); Brenner, in: Sodan / Ziekow, VwGO, § 74 Rn. 57; Brink, in: Posser / Wolf, VwGO, München 2008, § 74 Rn. 38; Dütz, NJW 1972, 1025 (1027); Holthausen, S. 71. 65 Brink, in: Posser / Wolf, VwGO, § 74 Rn. 38. 66 Holthausen, S. 72; vgl. auch Griebeling, S. 130. 67 BayVerfGH Entscheidung vom 11. 11. 2005, Vf. 81-VI-04, veröffentlicht in juris, ebenda Rn. 15. 68 Baumgärtel, ZZP 67 (1954), 423 (430).

240

7. Kap.: Verwirkung der Antragsbefugnis

Beurteilung richtet sich daher ausschließlich nach materiellem Recht. Dies gilt insbesondere auch für die Verwirkung des in der Klage geltend gemachten Anspruchs.69 Somit ist die Verwirkung des Klagerechts von der Verwirkung des der Klage zugrunde liegenden materiell-rechtlichen Anspruchs zu unterscheiden.70 Ist dieser materielle Anspruch, den die Klage geltend macht, verwirkt, darf die Klage nicht wegen Verwirkung der Klagebefugnis als unzulässig zurückgewiesen werden. Eine solche Vorwegnahme der Sachentscheidung widerspräche der Struktur des Verfahrens.71 Die Klage ist vielmehr als unbegründet abzuweisen.72 Ein Anspruch kann daher grundsätzlich weiterhin ausgeübt werden, wenn er nicht schon zuvor materiell-rechtlich verwirkt ist.73 Eine Verwirkung der Klagebefugnis kommt dann in Betracht, wenn zwischen den Parteien ein Vertrauenstatbestand im Raum steht, der allein die prozessuale Befugnis betrifft.74 Daher ist darauf abzustellen, ob dieser die prozessuale Befugnis oder das materielle Recht betrifft. Nur wenn er im prozessualen Bereich liegt, kommt die Verwirkung der Klagebefugnis in Betracht.75 4. Verwirkung der Antragsbefugnis Greift die Verwirkung ein, darf der Berechtigte sein Recht nicht mehr ausüben.76 Hätte ein Antragsteller die Antragsbefugnis an sich verwirkt, wäre der entsprechende Antrag als unzulässig abzuweisen. Es ist jedoch umstritten, ob neben einzelnen prozessualen Befugnissen auch die Antragsbefugnis an sich der Verwirkung unterliegen kann. Dies lehnt die herrschende Meinung der Literatur ab.77 Dem ZivilSchumann, in: Stein / Jonas, ZPO, 20. Aufl., Band I, Einleitung Rn. 244. Kopp / Schenke, VwGO, § 74 Rn. 18; vgl. auch BVerwG NVwZ 1989, 653 (654); Roth, in: F. J. Säcker / Rixecker, Münchener Kommentar BGB, § 242 Rn. 300; Schumann, in: Stein / Jonas, ZPO, 20. Aufl., Band I, Einleitung Rn. 259; vgl. auch A. Menzel, S. 127. 71 Baumgärtel, ZZP 67 (1954), 423 (430). 72 Baumgärtel, ZZP 86 (1973), 353 (367); Brehm, in: Stein / Jonas, 22. Aufl., vor § 1, Rn. 235; Schumann, in: Stein / Jonas, ZPO, 20. Aufl., Band I, Einleitung Rn. 259. 73 Holthausen, S. 187. 74 Baumgärtel, ZZP 67 (1954), 423 (433). 75 Vgl. Baumgärtel, ZZP 67 (1954), 423 (432). 76 Hopfgarten, S. 98; Roth, in: F. J. Säcker / Rixecker, Münchener Kommentar BGB, § 242 Rn. 311. 77 Vgl. BGH NJW-RR 1990, 886 (887) – dies gelte jedenfalls grundsätzlich bei zivilprozessualen Leistungsklagen; Baumgärtel, ZZP 86 (1973), 353 (367); Brehm, in: Stein / Jonas, ZPO, 22. Aufl., vor § 1 Rn. 235; Griebeling, S. 59; Henckel, S. 115; Holthausen, S. 183; A. Menzel, S. 192 ff.; Rauscher, in: Rauscher / Wax / J. Wenzel, Münchener Kommentar ZPO, Einleitung Rn. 35; Rosenberg / Schwab / Gottwald, § 65 Rn. 52; Roth, in: Stein / Jonas, ZPO, 22. Aufl., vor § 253 Rn. 159; Roth, in: F. J. Säcker / Rixecker, Münchener Kommentar BGB, § 242 Rn. 300; Schumann, in: Stein / Jonas, ZPO, 20. Aufl., Band I, Einleitung Rn. 259; vgl. 69 70

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prozessrecht sei eine Verwirkung der Befugnis zur Klage fremd.78 Hierfür bestehe auch kein Bedürfnis, da auch die materiell-rechtliche Verwirkung zur Verfügung stehe.79 Solange der materielle Anspruch nicht nach materiellem Recht verwirkt sei, könne das Prozessrecht den Beklagten nicht vor einer Verurteilung schützen.80 Entgegen dieser herrschenden Lehre bejaht Eberhard Schilken die Möglichkeit der Verwirkung. Es könne durchaus sein, dass der materiell-rechtliche Anspruch nicht verwirkt sei, der Gläubiger aber durch sein Verhalten über längere Zeit den Eindruck erweckt habe, er werde auf eine gerichtliche Durchsetzung verzichten.81 Auch Armin Griebeling sieht keine grundsätzlichen Bedenken gegen die Verwirkbarkeit der Befugnis zur Erhebung der Verfassungsbeschwerde. Ein Vertrauen des Gegners darauf, eine ergangene Entscheidung werde nicht mehr durch die allein noch mögliche Verfassungsbeschwerde angegriffen, sei bei fehlender Ausschlussfrist nach einer längeren Zeitspanne angebracht und auch schutzwürdig.82 5. Vorliegen einer Regelungslücke Die Anwendbarkeit des Rechtsinstituts der Verwirkung im Popularklageverfahren setzt voraus, dass keine anderweitige Regelung entgegensteht. In Bezug auf den allgemeinen Grundsatz von Treu und Glauben sowie eine mögliche Verwirkung enthält das BayVerfGHG, ebenso wie die VwGO und die ZPO, keine Regelung, womit eine Anwendung der Grundsätze der Verwirkung grundsätzlich nicht ausgeschlossen ist. Dies gilt jedoch nur insofern, als die allgemein anerkannten Voraussetzungen für das Vorliegen einer Verwirkung auch im Popularklageverfahren Anwendung finden. Der Ablauf einer längeren Zeitspanne allein reicht hierfür nicht aus. Erforderlich ist vielmehr auch das Vorliegen besonderer Umstände, die ein entsprechendes Vertrauen rechtfertigen.83 Auf diese Voraussetzung verzichtet der Bayerische Verfassungsgerichtshof jedoch in seiner Rechtsprechung, indem er alleine auf die vergangene Zeitspanne abstellt.84 Dies wird auch sprachlich deutlich, wenn er von Verwirkung „durch Zeitablauf“85 spricht. Nur in einer Entscheidung aus dem Jahr auch Pfister, S. 196 ff.; für eine Verwirkbarkeit des Klagerechts hingegen BVerwG BayVBl. 2001, 727; BayVGH NuR 2001, 402 (403); BGHZ 97, 212 (220); Stüer, BauR 2007, 1495 (1500). 78 Brehm, in: Stein / Jonas, ZPO, 22. Aufl., vor § 1 Rn. 235; Schumann, in: Stein / Jonas, ZPO, 20. Aufl., Band I, Einleitung Rn. 259; vgl. auch Henckel, S. 115. 79 Brehm, in: Stein / Jonas, ZPO, 22. Aufl., vor § 1 Rn. 235; Schumann, in: Stein / Jonas, ZPO, 20. Aufl., Band I, Einleitung Rn. 259. 80 Henckel, S. 116. 81 Schilken, Zivilprozessrecht, Rn. 151. 82 Griebeling, S. 127. 83 Vgl. dazu oben § 35 A. II. 2. (S. 238), insbesondere die Nachweise in Fußn. 238 (7. Kapitel) und Fußn. 60 (7. Kapitel). 84 Vgl. BayVerfGHE 39, 169 (174 f.); 40, 154 (159); 48, 99 (103); 50, 115 (122 f.); BayVerfGH NVwZ 1989, 243; BayVerfGH BayVBl. 2007, 689.

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7. Kap.: Verwirkung der Antragsbefugnis

2008, die einen Bebauungsplan zum Gegenstand hatte86, fordert er eine unredliche, Treu und Glauben zuwiderlaufende Verzögerung der Klageerhebung. Diese könne vorliegen, wenn die Klage erst zu einem derart späten Zeitpunkt erhoben worden sei, dass die Grundstückseigentümerin mit einer Klageerhebung schlechterdings nicht mehr zu rechnen brauchte.87 Letztlich läge somit auch nach diesen Ausführungen eine Verwirkung vor, wenn der reine Zeitablauf ausreichend groß wäre. Die verschiedenen Verfahrensgesetze sehen regelmäßig eine Befristung des jeweiligen Antragsrechts vor. Unterlässt der Gesetzgeber eine solche Fristbindung, ist daher davon auszugehen, dass die Ausübung beim Fehlen einer solchen nicht begrenzt sein soll. Diese Freiheit darf nicht durch vorschnelle Rückgriffe auf das Verwirkungsprinzip beschnitten werden.88 Die Verwirkung setzt daher neben dem Zeitablauf weitere Umstände voraus.89 Dieses Erfordernis weiterer Umstände grenzt die Verwirkung gerade von der Verjährung sowie von Ausschlussfristen ab.90 Das alleinige Abstellen auf den Zeitablauf ohne Forderung sonstiger Umstände führt daher im Ergebnis zu nichts anderem als einer Antragsfrist.91 Eine solche kennt das Popularklageverfahren jedoch gerade nicht. Dem Gerichtshof ist es daher verwehrt, das Verfahrensrecht durch eine entsprechende (Fristen-) Regelung zu ergänzen.92 Die Anwendung des Rechtsinstituts der Verwirkung unter Verzicht auf das Vorliegen besonderer Umstände ist im Popularklageverfahren daher nicht möglich. 6. Verfahrensrechtliche Besonderheiten der Popularklage Unabhängig davon können auch grundsätzliche Unterschiede zwischen den Verfahrensarten die Anwendbarkeit allgemeiner Prozessrechtsgrundsätze im Popularklageverfahren ausschließen.93 Daher ist zu klären, ob beim Rechtsinstitut der Verwirkung solche bestehen.

BayVerfGHE 61, 172 (179). Vgl. zu dieser Entscheidung oben § 34 C. IV. (S. 233). 87 BayVerfGHE 61, 172 (179). 88 Henckel, S. 116. 89 Henckel, S. 116; vgl. dazu auch die Nachweise in Fußn. 60 (7. Kapitel). 90 Vgl. Grüneberg / Sutschet, in: Bamberger / Roth, BGB, § 242 Rn. 133; Heinrichs, in: Palandt, BGB, § 242 Rn. 90; Looschelders / Olzen, in: Staudinger, BGB, § 242 Rn. 313. 91 Vgl. dazu BVerwG NVwZ 1989, 653 (654) das in Bezug auf § 47 VwGO a. F. zur Verwirkung des Antragsrechts ausführt: „Der Normenkontrollantrag nach § 47 II VwGO ist nicht fristgebunden. Schon deshalb kann das Antragsrecht durch Zeitablauf allein nicht verloren gehen.“ 92 Vgl. BVerfGE 4, 31 (37) – zum Organstreitverfahren vor dem BVerfG. 93 Vgl. oben § 3 C. V. (S. 75). 85 86

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a) Begründung des Rechtsinstituts Nicht überzeugen kann im Rahmen des Popularklageverfahrens unter diesem Gesichtspunkt die Einschränkung der Klagemöglichkeit unter Berufung auf das Rechtsstaatsprinzip (Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV). Dieses hat zur Folge, dass das Recht materiellen Gerechtigkeitsmaßstäben genügen muss, zu denen die Freiheits- und Gleichheitsgrundrechte zählen.94 Die Institution der Grundrechte sind unverzichtbare Bestandteile des Rechtsstaates.95 Der Schutz dieser Grundrechte, und damit auch der Schutz des Rechtsstaates, ist die Aufgabe der Popularklage.96 Jede Zulässigkeitsbeschränkung der Popularklage beschränkt daher gleichzeitig den Schutz des Rechtsstaates. Die Berufung auf dieses Rechtsinstitut ist daher grundsätzlich nicht geeignet, die Möglichkeit einzuschränken, das Normenkontrollverfahren durchzuführen. Eine Ausnahme hiervon wäre nur denkbar, wenn das Gebot der Rechtssicherheit eine solche Einschränkung erfordern würde. Denn die Rechtssicherheit ist ein wesentlicher Bestandteil des Rechtsstaatsprinzips.97 Auch gerichtliche Entscheidungen selbst müssen dem rechtsstaatlichen Gebot der Rechtssicherheit gerecht werden.98 Unter diesem Gesichtspunkt könnte eine Einschränkung der Popularklage zum Schutz des Normgebers sowie des Normunterworfenen in Betracht kommen. (1) Rechtssicherheit schützt nicht den Normgeber Im Rahmen kontradiktorischer Verfahren, z. B. im Zivilprozess, ist es durchaus denkbar, dass die Unzulässigkeit der Klage einer Privatperson die Rechtssicherheit einer anderen Person schützt. Um ein solches handelt es sich bei der Popularklage jedoch gerade nicht. Ein Schutz der Rechtssicherheit des „Klagegegners“ – also des Normgebers – ist nicht Aufgabe des Rechtsstaatsprinzips. Denn dieses dient nicht dem Normgeber, sondern dem Normunterworfenen. Unter diesem Gesichtspunkt kann daher keine Verwirkung der Klagebefugnis gegeben sein. Denn dies würde letztlich bedeuten, dass sich der Normgeber auf das Rechtsstaatsprinzip berufen könnte, um ein Verfahren, das dem Schutz der Grundrechte des Normunterworfenen dient, zu verhindern.

Lindner, in: Lindner / Möstl / Wolff, BV, Art. 3 Rn. 15. Schmidt-Aßmann, in: Isensee / P. Kirchhof, HStR II,§ 26 Rn. 31. 96 Vgl. oben § 1 (S. 37). 97 BayVerfGHE 48, 87 (98); BVerfGE 2, 380 (403); 88, 384 (403); Lindner, in: Lindner / Möstl / Wolff, BV, Art. 3 Rn. 33; Schmidt-Aßmann, in: Isensee / P. Kirchhof, HStR II, § 26 Rn. 81. 98 BVerfGE 47, 146 (159 f.); Schmidt-Aßmann, in: Isensee / P. Kirchhof, HStR II, § 26 Rn. 82. 94 95

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7. Kap.: Verwirkung der Antragsbefugnis

(2) Rechtssicherheit der Normunterworfenen erfordert keine Verwirkung Eine Beschränkung der Zulässigkeit von Popularklagen aufgrund des Erfordernisses der Rechtssicherheit ist daher nur unter dem Blickwinkel denkbar, dass die mögliche Nichtigerklärung einer Norm die Rechtssicherheit eines anderen Normunterworfenen berührt.99 Denn die Freiheit erfordert auch die Verlässlichkeit der Rechtsordnung.100 Unter diesem Gesichtspunkt kann in manchen Fällen fraglich sein, ob eine Popularklage die Verletzung eines Grundrechts deshalb nicht geltend machen kann, weil dies die Rechtssicherheit eines anderen Normunterworfenen insofern berühren würde, als dieser auf die bestehende (verfassungswidrige) Rechtslage vertraut. Die Rechtssicherheit träte damit in Widerstreit zu anderen Bestandteilen des Rechtsstaatsprinzips.101 Diese Situation erinnert an den Gedanken, wonach die Rechtssicherheit zum Ausschluss rückwirkender Gesetzgebung führen kann.102 Eine Nichtigerklärung einer Norm mit Wirkung ex tunc entfaltet zwar keine Rückwirkung im eigentlichen Sinne, denn der Verfassungsgerichtshof hebt verfassungswidrige Normen nicht auf, sondern erklärt sie für nichtig103. Trotzdem kann die verfassungsgerichtliche Entscheidung andere Normunterworfene sozusagen „nachträglich“ berühren. Um deren berechtigten Interessen Gerecht zu werden, ist es jedoch nicht erforderlich, eine entsprechende Popularklage als unzulässig abzuweisen. So bleiben von der Nichtigerklärung einer Rechtsvorschrift durch den Bayerischen Verfassungsgerichtshof gemäß § 183 Satz 1 VwGO Entscheidungen der Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit, die nicht mehr anfechtbar sind, unberührt. Die Vollstreckung aus solchen Entscheidungen ist nach § 183 Satz 2 VwGO unzulässig. § 183 Satz 1 VwGO steht unter dem Vorbehalt abweichender landesrechtlicher Regelungen. Solche bestehen in Hessen104, in Rheinland-Pfalz105, im Saarland106 und in Sachsen107,108 nicht hingegen in Bayern.

99 Unter diesem Gesichtspunkt führt etwa Ekkehard Schumann aus, bei unbefristeten Prozesshandlungen könne auch das Zivilprozessrecht nicht auf die Rechtsfigur der Verwirkung verzichten, um diejenige Partei zu schützen, die aus der langen Zeitdauer berechtigterweise den Schluss ziehen durfte, der Gegner werde die ihm an sich mögliche Prozesshandlung nicht mehr vornehmen (Schumann, in: Stein / Jonas, ZPO, 20. Aufl., Band I, Einleitung Rn. 258). 100 BVerfGE 60, 253 (268); Schmidt-Aßmann, in: Isensee / P. Kirchhof, HStR II, § 26 Rn. 81. 101 Vgl. dazu etwa Schmidt-Aßmann, in: Isensee / P. Kirchhof, HStR II, § 26 Rn. 81. 102 Vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Isensee / P. Kirchhof, HStR II, § 26 Rn. 86. 103 Vgl. Wolff, in: Lindner / Möstl / Wolff, BV, Art. 98 Rn. 72. 104 Vgl. § 40 Abs. 4 hessisches Gesetz über den Staatsgerichtshof: „Erachtet der Staatsgerichtshof die Voraussetzungen des Art. 150 der Verfassung des Landes Hessen für gegeben, so ordnet er zugleich mit der Feststellung der Nichtigkeit an, dass alle Verfahren, deren Entscheidung auf dem nichtigen Gesetz oder der nichtigen Rechtsverordnung beruht, wiederaufzunehmen sind.“ Art. 150 der Verfassung des Landes Hessen lautet: „(1) Keinerlei Verfassungsänderung darf die demokratischen Grundgedanken der Verfassung und die republikanisch-

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§ 183 Satz 1 VwGO erfasst indes nur Entscheidungen von Gerichten. Die Regelung ist daher nicht einschlägig, wenn auf der Grundlage der für nichtig erklärten bayerischen Rechtsvorschrift ein Verwaltungsakt erlassen wurde, der nicht gerichtlich überprüft wurde. Der Bayerische Verfassungsgerichtshof hält für Verwaltungsakte, die auf Grundlage einer für nichtig erklärten Rechtsvorschrift ergingen, die Regelung des § 79 Abs. 2 BVerfGG für anwendbar. Der Fortbestand solcher Verwaltungsakte richte sich nach allgemeinem Verwaltungsrecht.109 Er führt dazu aus: „Das Verfassungsgerichtshofsgesetz enthält zwar keine ausdrückliche Regelung zur Frage, welche Rechtsfolgen sich aus der Nichtigerklärung einer Rechtsvorschrift für darauf beruhende, rechtskräftig gewordene und vollzogene Verwaltungsakte und Gerichtsentscheidungen ergeben. Eine entsprechende Anwendung des § 79 BVerfGG“ … „liegt aber nahe“. … parlamentarische Staatsform antasten. Die Errichtung einer Diktatur, in welcher Form auch immer, ist verboten. (2) Hiergegen verstoßende Gesetzesanträge gelangen nicht zur Abstimmung, gleichwohl beschlossene Gesetze nicht zur Ausfertigung. Trotzdem verkündete Gesetze sind nicht zu befolgen. (3) Auch dieser Artikel selbst kann nicht Gegenstand einer Verfassungsänderung sein.“ 105 Vgl. § 26 Abs. 4 rheinland-pfälzisches Gesetz über den Verfassungsgerichtshof: „Der Verfassungsgerichtshof kann bestimmen, ob und unter welchen Voraussetzungen die Wiederaufnahme anderer, bereits rechtskräftig abgeschlossener Verfahren zulässig ist, soweit eine dort erlassene Entscheidung zu seinem Urteil in Widerspruch steht. Er kann auch bestimmen, ob und unter welchen Voraussetzungen unanfechtbare Hoheitsakte, die seiner Entscheidung widersprechen, aufzuheben sind. Im übrigen bleiben die nicht mehr anfechtbaren gerichtlichen Entscheidungen und die sonstigen Hoheitsakte unberührt. Die Vollstreckung aus ihnen ist unzulässig.“ 106 Vgl. § 46 saarländisches Gesetz über des Verfassungsgerichtshof: „(1) Gegen ein rechtskräftiges Strafurteil, das auf einer gemäß § 45 als nichtig festgestellten Rechtsvorschrift beruht, ist die Wiederaufnahme des Verfahrens nach den Vorschriften der Strafprozessordnung zulässig. (2) Im Übrigen bleiben vorbehaltlich einer besonderen gesetzlichen Regelung die nicht mehr anfechtbaren Entscheidungen, die auf einer gemäß § 45 als nichtig festgestellten Rechtsvorschrift beruhen, unberührt. Die Vollstreckung aus einer solchen Entscheidung ist unzulässig.“ 107 Vgl. § 24 sächsisches Gesetz über den Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen: „Für die Wirkungen der Entscheidung gilt § 79 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht entsprechend.“ 108 Redeker / von Oertzen, VwGO, § 183 Rn. 2. 109 BayVerfGHE 43, 67 (80); ebenso Fleury, Rn. 160; Meder, BV, Art. 98 Rn. 34; Wolff, in: Lindner / Möstl / Wolff, BV, Art. 98 Rn. 80 hält es für umstritten, ob diese Grundsätze aus einer analogen Anwendung von § 79 BVerfGG oder aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen abzuleiten sind; Knöpfle, in: Nawiasky / Schweiger / Knöpfle, BV, Art. 98 Satz 4 Rn. 98 spricht sich aus „rechtsstaatlichen Gründen“ dafür aus, entsprechend der Regelung des § 79 Abs. 1 BVerfGG zu verfahren. Die verwaltungsgerichtliche Literatur hält § 183 VwGO als „Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens“ auf Verwaltungsakte für (entsprechend) anwendbar (vgl. Kopp / Schenke, VwGO, § 183 Rn. 5; Kraft, in: Eyermann, VwGO, § 183 Rn. 9). Der BayVerfGH spricht eine mögliche analoge Anwendung des § 79 Abs. 1 BVerfGG auch im Zusammenhang mit der Wiederaufnahme eines Strafverfahrens sowie auf die Strafvollstreckung, lässt die Anwendung aber offen (BayVerfGH BayVBl. 1983, 270 [270 f.]; vgl. auch Wolff, in: Lindner / Möstl / Wolff, BV, Art. 98 Rn. 80).

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7. Kap.: Verwirkung der Antragsbefugnis

„Erklärt der Verfassungsgerichtshof eine Vorschrift des Landesrechts für nichtig, so kann das nicht zu weiterreichenden Auswirkungen in bezug auf rechtskräftig abgeschlossene Verwaltungs- und Gerichtsverfahren einschließlich der Vollzugsmaßnahmen führen als eine entsprechende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Die Rechtssicherheit hinsichtlich der Bestandskraft rechtskräftiger Entscheidungen hat auch nach bayerischem Verfassungsprozeßrecht Vorrang. Das gilt insbesondere auch im Hinblick darauf, daß die Popularklage an keine Frist gebunden ist und daß deshalb die Zeit der Rechtsunsicherheit sehr lange sein könnte, zumal jedermann, also nicht nur der konkret betroffene Bürger, zur Erhebung der Popularklage berechtigt ist. Die Popularklage dient dem Schutz der Grundrechte gegenüber Rechtsvorschriften, von denen noch rechtliche Wirkungen ausgehen können, nicht dagegen der nachträglichen Beseitigung von Entscheidungen, die trotz der gegebenen Rechtsmittel des Individualrechtsschutzes einschließlich der damit inzident verbundenen Möglichkeiten der Normüberprüfung rechtskräftig geworden sind.“110

Diesen Ausführungen des Verfassungsgerichtshofs kann insoweit nicht gefolgt werden, als er nicht zwischen rechtskräftigen und vollzogenen Verwaltungsakten einerseits und Gerichtsentscheidungen andererseits unterscheidet. Der gemäß Art. 30 Abs. 1 BayVerfGHG heranzuziehende § 183 Satz 1 VwGO sieht für Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit vor, dass deren Entscheidungen unberührt bleiben, wenn der Bayerische Verfassungsgerichtshof eine Rechtsvorschrift für nichtig erklärt, auf der die verwaltungsgerichtliche Entscheidung beruht. Denn eine – gemäß § 183 Satz 1 VwGO mögliche – abweichende Regelung kennt das bayerische Recht nicht111. Für eine analoge Anwendung des § 79 Abs. 2 BVerfGG kann also nur Raum sein, soweit Art. 30 Abs. 1 BayVerfGHG i.V. m. § 183 Satz 1 VwGO nicht einschlägig ist. Diese Analogie kritisiert Udo Steiner unter methodischen Gesichtspunkten zu Recht. Bewerte man die Regelung des § 79 Abs. 2 BVerfGG mit dem Bundesverfassungsgericht112 als gesetzgeberische Entscheidung im Konflikt zwischen Rechtssicherheit und materieller Einzelfallgerechtigkeit, so ergäben sich daraus klare Grenzen für ihre „Analogiefähigkeit“. Die Regelung des Bundesgesetzgebers könne nur innerhalb des dem Bundesgesetzgeber eingeräumten Zuständigkeitsbereichs Geltung beanspruchen und könne daher nur zur Füllung solcher Lücken herangezogen werden, die im gesetzgeberischen Verantwortungsbereich des Bundes lägen. Es sei nicht zulässig, das Grundprinzip des § 79 Abs. 2 BVerfGG in den Fällen zur Anwendung zu bringen, in denen der Landesgesetzgeber sich nicht mit den Folgen der Nichtigkeitsentscheidungen des Landesverfassungsgerichts befasst habe.113 Für die Frage, ob im Popularklageverfahren die Rechtsfigur der Verwirkung erforderlich sein kann, um Normunterworfene unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit zu schützen, ist festzuhalten, dass der Bayerische Verfassungsgerichtshof 110 111 112 113

BayVerfGHE 46, 137 (140); vgl. auch das Zitat bei Fußn. 17 (7. Kapitel). Vgl. oben bei Fußn. 108 (7. Kapitel). Vgl. die Grundsatzentscheidung BVerfGE 7, 194 (196). Steiner, FG 25 Jahre BVerfG, Band I, S. 628 (636).

§ 35 Bewertung der Rechtsprechung

247

die Regelung des § 79 Abs. 2 BVerfGG gerade deshalb analog auf die Nichtigerklärung einer Norm im Popularklageverfahren anwendet, um die Bestandskraft rechtskräftiger Entscheidungen zu schützen. Erfolgt der Schutz der Rechtssicherheit bereits durch diese analoge Anwendung, besteht jedoch kein Erfordernis, die zu Grunde liegende Popularklage als unzulässig abzulehnen. Unabhängig davon steht dem Gerichtshof die Möglichkeit offen, in solchen Ausnahmefällen von der Nichtigerklärung mit Wirkung ex tunc abzusehen und sich auf die Feststellung der Verfassungswidrigkeit zu beschränken.114 Diese Möglichkeit dient gerade dem Schutz der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens.115 Zur Sicherung der Rechtssicherheit des Normunterworfenen ist daher die Möglichkeit der Verwirkung der Klagebefugnis nicht erforderlich. (3) Zwischenergebnis Dementsprechend ist eine Verwirkung der Klagebefugnis im Rahmen einer Popularklage nur unter dem Gesichtspunkt des Grundsatzes von Treu und Glauben denkbar. b) Voraussetzungen der Verwirkung Um die Voraussetzungen für das Vorliegen einer Verwirkung aufgrund einer unzulässigen Rechtsausübung zu erfüllen, ist der reine Zeitablauf nicht ausreichend. Vielmehr ist ein Vertrauenstatbestand erforderlich.116 In diesem Zusammenhang ist – wie bereits dargestellt – strittig, ob ein solcher Vertrauenstatbestand, der lediglich das prozessuale, nicht jedoch das materielle Verhältnis betrifft, überhaupt existieren kann.117 Eine nähere Betrachtung zeigt, dass jedenfalls im Popularklageverfahren ein solcher Vertrauenstatbestand nicht zur Unzulässigkeit eines entsprechenden Antrages führt. (1) Vertrauen und Antragsberechtigung von „jedermann“ Die Summe der Antragsberechtigten umfasst „jedermann“. Gegenüber dieser Gruppe als solcher ist kein Vertrauenstatbestand denkbar, der zu einer Verwirkung des Antragsrechts führen könnte.

Wolff, in: Lindner / Möstl / Wolff, BV, Art. 98 Rn. 74. Wolff, in: Lindner / Möstl / Wolff, BV, Art. 98 Rn. 74. 116 Vgl. dazu oben § 35 A. II. 2. (S. 238), insbesondere die Nachweise in Fußn. 238 (7. Kapitel) und Fußn. 60 (7. Kapitel). 117 Vgl. dazu oben § 35 A. II. 3. (S. 239). 114 115

248

7. Kap.: Verwirkung der Antragsbefugnis

(a) Kein Vertrauenstatbestand zwischen Antragsteller und Gericht Insbesondere besteht zwischen den möglichen Antragstellern und dem Gericht kein solches Vertrauensverhältnis. Zwar vertritt Wilhelm Dütz, dass es bei der Befugnis zur Anrufung des Gerichts nicht um die Beziehung zwischen den Parteien des Rechtsstreits, sondern allein um das Verhältnis zwischen dem Rechtsschutzsuchenden und dem staatlichen Gericht gehe, weshalb die Regelungen zur Verwirkung auf dieses Verhältnis anzuwenden seien.118 In diesem kann jedoch kein für die Verwirkung erforderlicher Vertrauenstatbestand entstehen. Ebenso fehlt in dieser Hinsicht jeder Anhaltspunkt für die vorauszusetzende Schutzwürdigkeit.119 Denkbar wäre es daher, nicht auf einen Vertrauenstatbestand des Gerichts, sondern auf einen neutralen Beobachter abzustellen oder es für wesentlich zu halten, ob niemand mehr habe anzunehmen brauchen, dass der Betroffene das Gericht anrufen werde.120 Zu Recht wird hiergegen jedoch vorgebracht, man verlasse damit den Bereich der herkömmlichen Wirkungsvoraussetzungen, nach denen es auf ein konkretes Vertrauen des an der maßgeblichen Pflichtbindung Beteiligten ankomme.121 Auf ein Vertrauensverhältnis zwischen dem Antragsteller und dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof kann es im Popularklageverfahren daher nicht ankommen. (b) Kein Vertrauenstatbestand zwischen Antragsteller und Normgeber Im Rahmen des Zivilprozesses ist für das Vorliegen einer Verwirkung ein Vertrauensverhältnis zwischen dem Kläger und dessen Gegner Voraussetzung.122 Im Popularklageverfahren könnte mit einem „Klagegegner“ in diesem Sinne nur der Normgeber verglichen werden.123 Der Normgeber darf jedoch nicht darauf vertrauen, dass niemand eine Normenkontrolle anstrengen wird. Zwar ist es denkbar, dass er tatsächlich auf das Ausbleiben einer Klage vertraut. Möglich ist auch eine ausdrückliche Erklärung aller von der Norm – etwa einem Bebauungsplan – direkt Betroffenen, wonach sie kein Rechtsmittel erheben werden.124 Doch kann der Normgeber selbst in einer solchen Situation nicht darauf vertrauen, eine Popularklage werde überhaupt nicht erhoben. Denn deren Besonderheit liegt gerade in der Klagebefugnis von jedermann. Ein Vertrauen darauf, jedermann werde auf eine

118

Vgl. Dütz, NJW 1972, 1025 (1027) unter Verweis auf Baumgärtel, ZZP 75 (1962), 385

(395). Dütz, NJW 1972, 1025 (1027 f.); A. Menzel, S. 197 f. Vgl. Dütz, NJW 1972, 1025 (1027 f.). 121 Dütz, NJW 1972, 1025 (1027 f.). 122 Leipold, in: Stein / Jonas, ZPO, 22. Aufl., vor § 128 Rn. 259. 123 Ein Klagegegner im eigentlichen Sinn steht dem Beschwerdeführer im Popularklageverfahren nicht entgegen, da dieses kein kontradiktorisches Verfahren ist (vgl. oben § 1 [S. 37]). 124 Zur Frage der Zulässigkeit eines Rechtsmittelverzichts vgl. etwa Abel, BayVBl. 2008, 711 (711 ff.). 119

120

§ 35 Bewertung der Rechtsprechung

249

Popularklage verzichten, kann es nicht geben, da niemand das beabsichtigte Verhalten jeder einzelnen Person einschätzen kann. Es bleibt schließlich nur der bereits dargestellte Ansatz, nicht auf ein tatsächlich bestehendes Vertrauensverhältnis abzustellen, sondern auf einen neutralen Beobachter oder darauf, ob niemand mehr habe anzunehmen brauchen, dass eine Popularklage erhoben werde.125 Doch auch ein „neutraler Beobachter“ kann nicht darauf vertrauen, jedermann werde auf einen Normenkontrollantrag verzichten. Aus diesem Grund kann auch eine Situation, in der niemand mehr mit einer Popularklage rechnet, letztlich nur im reinen Zeitablauf begründet sein. Dies würde aber bedeuten, auf den Vertrauenstatbestand zu verzichten. Dies ist jedoch abzulehnen.126 Insofern liegt keine Regelungslücke des BayVerfGHG vor.127 (c) Kein Vertrauenstatbestand zwischen Antragsteller und Normbegünstigten Schließlich kommt für die Begründung besonderer Umstände, die zur Verwirkung der Antragsbefugnis führen könnten, das Vertrauen eines Normbegünstigten auf die Wirksamkeit der jeweiligen Regelung in Betracht. In seiner Entscheidung zum Bebauungsplan der Gemeinde Gmund am Tegernsee128 spricht der Verfassungsgerichtshof das Vorliegen einer Verwirkung unter diesem Gesichtspunkt an und verneint es.129

Jedoch kann ein Normbegünstigter ebenso wenig wie der Normgeber130 darauf vertrauen, „jedermann“ werde auf die Erhebung einer Popularklage verzichten. Auch dieser Gesichtspunkt kann daher keine Verwirkung begründen. Dies ist für den Schutz des Begünstigten auch nicht erforderlich.131 (2) Verhalten des konkreten Antragstellers Fraglich ist hingegen, ob das Verhalten eines konkreten Antragstellers im Vorfeld der Erhebung der Popularklage zur Verwirkung seiner Klagebefugnis führen kann. Hiergegen könnte die objektive Natur des Normenkontrollverfahrens sprechen.132 Vgl. in anderem Zusammenhang Dütz, NJW 1972, 1025 (1027 f.). Vgl. die Nachweise in Fußn. 59 (7. Kapitel) und in Fußn. 60 (7. Kapitel). 127 Vgl. § 35 A. II. 5. (S. 241). 128 Vgl. oben § 34 C. IV. (S. 233). 129 BayVerfGHE 61, 172 (179 f.). 130 Vgl. dazu oben § 35 A. II. 6. a) (1) (S. 243) sowie § 35 A. II. 6. a) (2) (S. 244). 131 Vgl. dazu § 35 A. II. 6. a) (2) (S. 244). 132 Vgl. etwa J. Schmidt, in: Eyermann, VwGO, § 47 Rn. 76 nach dessen Ansicht bei einem von einer Behörde eingeleiteten Normenkontrollverfahren nach § 47 VwGO eine Verwirkung nicht in Betracht komme, da dieses ein ausschließlich objektives Beanstandungsverfahren ohne jegliches Rechtsschutzelement sei. 125 126

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7. Kap.: Verwirkung der Antragsbefugnis

Im Verfassungsbeschwerdeverfahren folgt der Bayerische Verfassungsgerichtshof diesem Argument nicht und führt aus: „Die Verwirkung kann nicht mit dem Hinweis auf das öffentliche Interesse bestritten werden, das an der Tätigkeit des Verfassungsgerichtshofs“ … „besteht“. … „Der Verfassungsgerichtshof“ … „entscheidet“ … „nach Art. 120 BV nur dann, wenn derjenige, der sich durch eine Behörde in seinen verfassungsmäßigen Rechten verletzt fühlt, seinen Schutz anruft. Die Verfassung stellt es also in das Belieben des von einer behördlichen Maßnahme Betroffenen, ob er den vorgesehenen Rechtsbehelf ergreifen oder verfallen lassen will. Da hiernach der Verfassungsgerichtshof“ … „nur auf den Antrag des (unmittelbar) Betroffenen hin tätig wird, ist dessen Verhalten prozessual auch dann erheblich, wenn daraus zu entnehmen ist, daß er von der ihm eingeräumten prozessualen Befugnis keinen Gebrauch mehr machen wolle.“133

Von entscheidender Bedeutung für die Möglichkeit der Verwirkung des Rechts Verfassungsbeschwerde zu erheben ist demnach, dass der Betroffene darüber entscheidet, ob der Verfassungsgerichtshof die jeweilige Maßnahme untersuchen kann. Diese Ausgangslage besteht im Popularklageverfahren hingegen nicht, denn in diesem ist nicht nur der Betroffene antragsbefugt. Daher ist dessen Verhalten gerade nicht erheblich. Abgesehen von dieser grundsätzlich nicht entscheidenden Rolle des Betroffenen, könnte das konkrete Verhalten des jeweiligen Antragstellers zu einer Verwirkung führen, und zwar unabhängig davon, ob dieser von der Norm selbst betroffen ist oder nicht. So ist denkbar, dass er auf die Stellung eines Normenkontrollantrags ausdrücklich verzichtet hatte.134 Eine Verwirkung der Antragsbefugnis könnte auch bei treuwidrigem Verhalten des Antragstellers in Betracht kommen. Im Rahmen von Normenkontrollanträgen gemäß § 47 VwGO wird eine solches etwa bejaht, wenn der Antragsteller zwar die Vorteile der Rechtsnorm ausgenutzt hatte, er sich nun aber Belastungen, die aus der Rechtsnorm erwachsen und praktisch die Kehrseite der Vorteile bilden, durch die Initiierung des Normenkontrollverfahrens entziehen will.135 In seiner Entscheidung zu einem Bebauungsplan der Gemeinde Irschenberg meldet der Bayerische Verfassungsgerichtshof aufgrund eines ähnlichen Verhaltens des Antragsstellers im Vorfeld der Popularklage „Bedenken unter dem Gesichtspunkt der Verwirkung“ an, die er

BayVerfGHE 15, 1 (4). Dieser Fall wäre nach allgemeiner Ansicht jedoch nicht als Verwirkung, sondern als Verzicht anzusehen, so dass ein Rückgriff auf den Grundsatz von Treu und Glauben nicht erforderlich ist (vgl. Kopp / Schenke, VwGO, § 47 Rn. 87; Looschelders / Olzen, in: Staudinger, BGB, § 242 Rn. 305). In Abgrenzung zur Verwirkung setzt der Verzicht eine rechtsgeschäftliche Willensäußerung voraus, der ein Verzichtswille zu Grunde liegt (Grüneberg / Sutschet, in: Bamberger / Roth, BGB, § 242 Rn. 132; Heinrichs, in: Palandt, BGB, § 242 Rn. 89; Looschelders / Olzen, in: Staudinger, BGB, § 242 Rn. 305). Zur Abgrenzung vgl. auch Spieß, S. 19. 135 In Bezug auf § 47 VwGO hierzu grundsätzlich zustimmend etwa BVerwG NVwZ 1992, 974 (975); BayVGH NuR 2001, 402 (403); OVG Münster NVwZ-RR 2006, 484; vgl. auch Kienemund, in: Brandt / Sachs, M Rn. 154; Kopp / Schenke, VwGO § 47 Rn. 87. 133 134

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aber dahin stehen lässt.136 In einem anderen Fall spricht er diese Problematik unter dem Stichpunkt des Missbrauchs an: „Ob die Zustimmung der Hotelbetriebsgesellschaft und der Eigentümerversammlung, deren Mitglied der Antragsteller ist, zu der angefochtenen Änderung des Bebauungsplans die Popularklage missbräuchlich erscheinen lässt, braucht nicht entschieden zu werden, weil diese aus anderen Gründen unzulässig ist.“137

Die Funktion der Popularklage spricht aber dagegen, dass der Beschwerdeführer in dieser Situation die Antragsbefugnis verwirkt bzw. missbraucht. Denn Ziel des Verfahrens ist nicht der Schutz der subjektiven Rechte des Popularklägers, sondern der objektive Schutz der Grundrechte als Institution. Die Verwirkung ist jedoch ausgeschlossen, soweit ihr überwiegende öffentliche Interessen entgegenstehen138, da der einzelne über diese nicht wirksam disponieren kann139. Das öffentliche Interesse am Schutz der Grundrechte ist höher zu gewichten als etwa das Vertrauen eines Normgebers, eine bestimmte Person werde keinen Normenkontrollantrag stellen. Die Rolle der Bürger als „Wächter über die objektive Verfassungsordnung“140 darf nicht dadurch eingeschränkt werden, dass jemand seiner Antragsbefugnis durch sein Vorverhalten verlustig gehen kann. Daher kann auch das Verhalten des Antragstellers nicht Grundlage für eine Verwirkung sein. In diesem Sinne argumentiert bereits das Reichsgericht im Rahmen einer zeichenrechtlichen Popularklage141: „Die Klage aus § 9 Abs. 1 Nr. 2 UWG. auf Löschung eines Warenzeichens wegen Einstellung des Geschäftsbetriebs“ … „ist eine Popularklage.“ … „Der Popularkläger vertritt“ … „das Interesse der Allgemeinheit daran, daß ein Schutz, der infolge dauernder Aufgabe des Geschäftsbetriebs endgültig aufgehört hat, nicht mehr als bestehend betrachtet“ … „wird.“ … „Ist aber davon auszugehen, daß“ … „ein öffentliches Interesse an der Beseitigung dieses unrechtmäßigen Zustandes zu bejahen ist, so folgt daraus, daß derjenige, der die Klage erhoben hat, dem anderen Teil nicht als bestimmte Einzelperson, sondern lediglich als Vertreter allgemeiner Interessen gegenübersteht“ … „Dann muß folgerichtig abgesehen werden von der Person dessen, der die Popularklage“ … „erhoben hat, also auch von seinem früheren Verhalten gegenüber dem anderen Teil und von den etwaigen unlauteren Zwecken, die er mit dem Rechtsbehelf nebenher verfolgt. Die“ … „Möglichkeit, daß die Popularklage selbst eine unerlaubte Handlung darstellt und aus diesem Grunde abzuweisen wäre, muß deshalb ausscheiden.“142

Vgl. oben § 34 C. V. (S. 235). BayVerfGHE 61, 205 (209); vgl. § 30 B. IV. (S. 174). 138 Grüneberg / Sutschet, in: Bamberger / Roth, BGB, § 242 Rn. 143; Heinrichs, in: Palandt, BGB, § 242 Rn. 92; Looschelders / Olzen, in: Staudinger, BGB, § 242 Rn. 312. 139 Looschelders / Olzen, in: Staudinger, BGB, § 242 Rn. 312. 140 Vgl. hierzu oben § 5 A. (S. 77). 141 Vgl. Halfmeier, S. 196. 142 RGZ 120, 402 (404 f.). 136 137

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7. Kap.: Verwirkung der Antragsbefugnis

Vergleichbare Aussagen trifft der Bundesgerichtshof 143: „Zu wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsansprüchen hat der I. Zivilsenat des BGH ausgeführt, der auf § 242 BGB beruhende Einwand der Verwirkung könne grundsätzlich nur gegenüber Ansprüchen erhoben werden, mit denen individuelle Interessen verfolgt werden, nicht dagegen, wenn es bei Wettbewerbsverstößen um Belange der Allgemeinheit gehe“ … „Nichts anderes gilt für die den klagebefugten Verbänden und Kammern im öffentlichen Interesse zugewiesenen Unterlassungsansprüche nach § 13 AGBG“.144

Das Bundesverfassungsgericht stellt fest: „Eine Verwirkung des Antragsrechts kommt mit Blick auf den objektiven Charakters des Normenkontrollverfahrens“ … „,das zudem an keine Frist gebunden ist, grundsätzlich nicht in Betracht.“145 So stehe es der Zulässigkeit von Normenkontrollanträgen etwa nicht entgegen, dass die Antragsteller dem Gesetz im Bundesrat zugestimmt hätten.146

Das Verhalten des Antragstellers kann daher nicht zu einer Verwirkung der Antragsbefugnis führen. (3) Zwischenergebnis Im Ergebnis führen daher die Besonderheiten des Popularklageverfahrens dazu, dass kein Vertrauenstatbestand gegeben sein kann, der die Verwirkung der Antragsbefugnis bewirken könnte.

III. Ergebnis Die Grundsätze der Verwirkung sind auch im Popularklageverfahren anzuwenden. Hieran sind jedoch strenge Anforderungen zu stellen.147 Insbesondere ist eine Trennung von materiellen und prozessualen Gesichtspunkten wichtig.148 Ob die Antragsbefugnis an sich verwirkt werden kann, ist umstritten.149 Der Bayerische Verfassungsgerichtshof geht von dieser Möglichkeit aus und lässt für eine Verwirkung im Ergebnis den reinen Zeitablauf genügen. Letztlich führt dies zu einer Antragsfrist, was mit der gesetzlichen Regelung des Popularklageverfahrens jedoch nicht vereinbar ist150. Das Entstehen eines Vertrauenstatbestandes, der richtiger143 144 145 146 147 148 149 150

Vgl. Halfmeier, S. 196. BGH NJW 1995, 1488 (1489) unter Verweis auf BGH WM 1985, 1153. BVerfGE 99, 57 (66 f.). BVerfGE 101, 158 (213). Vgl. oben § 35 A. II. (S. 236). Vgl. oben § 35 A. II. 3. (S. 239). Vgl. oben § 35 A. II. 4. (S. 240). Vgl. oben § 35 A. II. 5. (S. 241).

§ 35 Bewertung der Rechtsprechung

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weise für das Vorliegen einer Verwirkung Voraussetzung ist, ist im Rahmen der Popularklage in Bezug auf das Antragsrecht von „jedermann“ nicht möglich.151 Das Verhalten des konkreten Antragstellers sollte im objektiven Normenkontrollverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof nicht zur Unzulässigkeit führen.152 Die Möglichkeit der Verwirkung der Klagebefugnis ist daher im Popularklageverfahren abzulehnen.

B. Entscheidungen zu Gebietsreformen Ist schon die Sachurteilsvoraussetzung an sich abzulehnen, so gilt dies natürlich auch für die Bejahung der Verwirkung im Rahmen der Entscheidungen zu Gebietsreformen. Im Rahmen der Popularklage gegen die Eingliederung der Gemeinde Pleinting in die Stadt Vilshofen153 lehnte der Bayerische Verfassungsgerichtshof erstmals eine solche aufgrund von Verwirkung als unzulässig ab154. Bei der Popularklage gegen die Flächeneingliederung in die Gemeinde Hohenlinden verfuhr das Gericht ebenso155.

I. Hintergrund der Rechtsprechung Popularklagen gegen Gemeindegebietsreformen waren es, in deren Rahmen der Verfassungsgerichtshof seine Rechtsprechung zur Verwirkung des Antragsrechts entwickelte.156 Diese sind sozusagen der Ursprung dieses Unzulässigkeitsgrundes. Dabei liegt seinen Ausführungen offensichtlich der pragmatische Gedanke zu Grunde, dass eine nach Jahren ergehende Rückgängigmachung einer Gebietsreform auf große praktische Schwierigkeiten stoßen würde. Diese Schwierigkeiten werden naturgemäß umso größer, je länger die Reformen zurückliegen. Damit diese „verläßliche Grundlage für alle Betroffenen“157 sein können, möchte er deren Nachprüfbarkeit zeitlich begrenzen. Dies erreicht der Verfassungsgerichtshof auf prozessualem Weg mit Hilfe der Verwirkung. Durch deren Bejahung in den beiden genannten Entscheidungen zieht er gleichsam einen Schlussstrich unter die verfassungsgerichtliche Überprüfbarkeit der Gebietsreformen aus den 70ger-Jahren. Bei zukünftigen Popularklagen gegen entsprechende Verordnungen muss daher mit einer Abweisung als unzulässig gerechnet werden. Vgl. oben § 35 A. II. 6. b) (1) (S. 247). Vgl. oben § 35 A. II. 6. b) (2) (S. 249). 153 BayVerfGHE 50, 115; vgl. dazu oben § 34 C. II. (S. 231). 154 BayVerfGHE 50, 115 (121). 155 BayVerfGH BayVBl. 2007, 689; vgl. dazu oben § 34 C. III. (S. 232). 156 Siehe oben § 34 A. (S. 229). 157 BayVerfGHE 39, 169 (174 f.); vgl. auch BayVerfGHE 40, 154 (159); BayVerfGH NVwZ 1989, 243. 151 152

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7. Kap.: Verwirkung der Antragsbefugnis

II. Auch andere prozessuale Lösung wäre denkbar Diese Verwirkungsrechtsprechung ist jedoch nicht die einzige Möglichkeit, diese praktischen Schwierigkeiten zu vermeiden. Zwar ist der angesprochene pragmatische Gedanke des Verfassungsgerichtshofs zunächst durchaus verständlich. Denn eine Nichtigerklärung einer entsprechenden Verordnung mit Wirkung ex tunc würde tatsächlich schwierige Probleme aufwerfen, wie die Gebietsreformen und die damit vor allem auch im Bereich der Verwaltung einhergehenden Veränderungen „rückabgewickelt“ werden könnten. Dem Verfassungsgerichtshof ist zuzustimmen, wenn er hierin den Rechtsfrieden und die Rechtssicherheit berührt sieht.158 Doch deren Schutz könnte er auch auf anderem Weg erreichen. Denn in solchen Situationen kann er auch von der Nichtigerklärung absehen. Er könnte vielmehr eine Gebietsreform für verfassungswidrig erklären und dem Normgeber eine Frist setzen, innerhalb derer er eine neue Regelung schaffen muss.159 Die Umsetzung einer solchen Regelung wäre auch keineswegs undurchführbar. Das zeigt schon die Tatsache, dass der Gesetzgeber Gliederungs- und Gebietsänderungen regelmäßig ohne verfassungsgerichtliche Vorgaben vornimmt.160

Den Erfordernissen des Rechtsfriedens und der Rechtssicherheit wären mit dieser Lösung genügte getan. „Einmalige Organisationsakte“ wie Gebietsreformen blieben hingegen auch nach Jahren angreifbar. Dieses Ergebnis mag zwar ungewöhnlich erscheinen, ist aber letztlich eine Auswirkung der gesetzgeberischen Entscheidungen, auf eine Antragsfrist im Popularklageverfahren zu verzichten. Die mit den Neugliederungsmaßnahmen verbundenen Eingriffe in das gemeindliche Selbstverwaltungsrecht beruhten regelmäßig auf Prognosen des Normgebers, insbesondere in Bezug auf die Leistungsfähigkeit der Kommunen. Ob diese tatsächlich zutrafen, konnte der Bayerische Verfassungsgerichtshof zum Zeitpunkt der Reformen nur in eingeschränktem Umfang überprüfen.161 Klaus Grupp weist darauf hin, dass diese Erwägung jedoch nicht mehr zutreffe, wenn die Auswirkungen der einzelnen Maßnahmen zur Gebietsreform erkennbar geworden seien und eine Verringerung der Kontrolldichte daher nicht mehr geboten sei.162 Mit den auf eine langfristige Wirkung angelegten Neugliederungsgesetzen sei zwangsläufig die Gefahr verbunden, dass mit der gesetzlichen Regelung Entwicklungen in Gang gesetzt würden, die

Vgl. die Nachweise in Fußn. 10 (7. Kapitel) und Fußn. 11 (7. Kapitel). Vgl. Pestalozza, Verfassungsprozeßrecht, § 23 Rn. 112; siehe hierzu auch unten § 51 (S. 339). 160 Vgl. etwa Viertes Gesetz zur Änderung der Gliederung von Gemeinden und Verwaltungsgemeinschaften vom 9. November 1993 (GVBl S. 830); sowie Fünftes Gesetz zur Änderung der Gliederung von Gemeinden und Verwaltungsgemeinschaften vom 26. Juli 1997 (GVBl S. 309), Sechstes Gesetz zur Änderung der Gliederung von Gemeinden und Verwaltungsgemeinschaften vom 23. November 2001 (GVBl S. 738), Verordnung zur Änderung des Gebiets von Gemeinden, Landkreisen und Bezirken vom 5. November 2005 (GVBl S. 557). 161 Vgl. Grupp, FS Stern, S. 1099 (1102); Wolff, in: Lindner / Möstl / Wolff, BV, Art. 11 Rn. 20. 162 Grupp, FS Stern, S. 1099 (1102). 158 159

§ 35 Bewertung der Rechtsprechung

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anfänglich verfassungskonform seien, sich später aber wegen fehlerhafter Prognosen als verfassungswidrig erweisen würden. Es bestehe eine Verpflichtung zur Korrektur der gesetzlichen Entscheidung, wenn die ursprünglich verfassungsgemäße Norm zu einer dauernden Rechtsbeeinträchtigung führe, die sich nachträglich als unvereinbar mit der Verfassung erweise.163 Durch den in diesem Fall regelmäßig vorliegenden Ablauf einer größeren Zeitspanne, ergäben sich für die Anrufung der Verfassungsgerichte erhebliche rechtliche Probleme.164 Um die prozessuale Durchsetzbarkeit des Korrekturanspruchs zu ermöglichen, hält Klaus Grupp in diesem Fall die gesetzlichen Fristenregelungen für Verfassungsbeschwerden für nicht anwendbar.165 Folgt man dieser – aufgrund des eindeutigen Gesetzeswortlautes sicherlich nicht unproblematischen – Ansicht, dürfte die Zulässigkeit einer Popularklage, die einen solchen Korrekturanspruch geltend macht, nicht daran scheitern, dass man die Antragsbefugnis aufgrund des Zeitablaufs als verwirkt ansieht.

C. Entscheidungen zu Bebauungsplänen Da eine Verwirkung des Rechts, Popularklage zu erheben, wie gezeigt abzulehnen ist,166 kann auch den entsprechenden Ausführungen des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs in seinen Entscheidungen zu Bebauungsplänen nicht gefolgt werden. Die bereits dargestellten Popularklagen gegen einen Bebauungsplan des Marktes Gaimersheim167 sowie gegen einen Bebauungsplan der Gemeinde Gmund am Tegernsee168 geben jedoch Anlass zu einer näheren Betrachtung der vom Verfassungsgerichtshof vorgenommenen Unterscheidung zwischen einmaligen Organisationsakten und Normen mit fortlaufenden Auswirkungen169.

I. Uneinheitliche Einordnung von Bebauungsplänen bei der Unterscheidung als Organisationsakt oder Norm mit fortlaufender Auswirkung In der ersten dieser beiden Entscheidungen führt der Gerichtshof aus, ein den einmaligen Organisationsakten vergleichbarer Fall liege bei den Festsetzungen des Bebauungsplans nicht vor.170 Im Gegensatz dazu setzt er bei der zweiten Entscheidung den angegriffenen Bebauungsplan mit der Umsetzung eines Organisationsaktes gleich. Dies seien Rechtsvorschriften, die nicht während einer unbestimmt langen 163 164 165 166 167 168 169 170

Grupp, FS Stern, S. 1099 (1103). Grupp, FS Stern, S. 1099 (1106). Grupp, FS Stern, S. 1099 (1111). Vgl. § 35 A. (S. 235). BayVerfGHE 48, 99, vgl. § 34 C. I. (S. 231). BayVerfGHE 61, 172; vgl. § 34 C. IV. (S. 233). Vgl. dazu oben § 34 B. (S. 230). BayVerfGHE 48, 99 (103), vgl. dazu oben § 34 C. (S. 231).

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7. Kap.: Verwirkung der Antragsbefugnis

Geltungsdauer in abstrakt-genereller Weise fortlaufend Rechte und Pflichten begründen, sondern sich im Wesentlichen in einer konkreten und individuellen Regelung erschöpfen.171 Im Rahmen der ersten Popularklage griff der Antragsteller insbesondere den vom Bebauungsplan geforderten Mindestabstand der Bebauung zur Kreisstraße sowie das Zufahrtsverbot zur selbigen an. Der im zweiten Verfahren gegenständliche Bebauungsplan sollte ermöglichen, weitgehend leerstehende alte Gutsgebäude zu einer Hotelanlage umzubauen um den Fremdenverkehr zu stärken.172 Die Festsetzung eines Mindestabstandes oder eines Zufahrtverbotes als fortlaufende Auswirkung zu bezeichnen ist eingängig und richtig. Auch mag man in einem Umbau alter Gebäude in eine Hotelanlage einen einmaligen Akt sehen.

Eine unterschiedliche Behandlung von Bebauungsplänen, die letztlich zu unterschiedlichen Rechtsschutzmöglichkeiten führt, ist jedoch nicht gerechtfertigt.

II. Bebauungsplan hat fortlaufende Auswirkungen Ein Bebauungsplan wird gemäß § 10 Abs. 1 BauGB als Satzung beschlossen und ist somit eine Rechtsnorm. Als solche ist er aus sich heraus unmittelbar und für jedermann verbindlich.173 Er verliert durch die Genehmigung und Umsetzung der vorgesehenen Projekte nicht seine Gültigkeit.174 Außer Kraft treten kann ein Bebauungsplan nur durch ein förmliches Verfahren oder auf Grund von Funktionslosigkeit. Hieran sind allerdings strenge Anforderungen zu stellen. So müssen die Verhältnisse, auf die sich der Plan bezieht, in der tatsächlichen Entwicklung einen Zustand erreicht haben, der eine Verwirklichung des Planes auf unabsehbare Zeit ausschließt.175 Bis dahin enthält der Bebauungsplan auch nach Verwirklichung aller Bauvorhaben fortwirkende Elemente und ist etwa für eine später erfolgende Änderung oder Nutzungsänderung von Bedeutung (vgl. § 29 Abs. 1 BauGB).176 Auch der Bayerische Verfassungsgerichtshof betont in anderem Zusammenhang, für die planungsrechtliche Zulässigkeit künftiger Bauvorhaben sei die Frage, ob ein Bebauungsplan für nichtig erklärt wird oder nicht, von Bedeutung.177 Daher kann ein Bebauungsplan nicht mit einem einmaligen Organisationsakt gleichgesetzt werden. Vielmehr hat er fortlaufende Auswirkungen.

171 172 173 174 175 176 177

Vgl. BayVerfGHE 61, 172 (179), vgl. dazu auch oben § 34 C. IV. (S. 233). Vgl. BayVerfGHE 61, 172 (174). Stollmann, § 5 Rn. 34. Quaas / Müller, Rn. 188. Manssen, in: Becker / Heckmann / Kempen / Manssen, 4. Teil Rn. 179. Quaas / Müller, Rn. 188. BayVerfGHE 61, 205 (209), vgl. das Zitat bei Fußn. 36 (7. Kapitel).

§ 36 Zusammenfassung

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§ 36 Zusammenfassung Der Bayerische Verfassungsgerichtshof geht in ständiger Rechtsprechung von der Möglichkeit der Verwirkung der Antragsbefugnis im Popularklageverfahren aus. Im Ergebnis stellt er hierbei auf den reinen Zeitablauf zwischen Normerlass und Klageerhebung ab. Diese Zeitspanne betrug in den beiden Fällen, in denen der er bislang das Vorliegen einer Verwirkung bejahte, und die Klagen als unzulässig verwarf, knapp 17178 bzw. 52 Jahre179. Eine besondere Bedeutung gibt der Verfassungsgerichtshof der Verwirkung bei Verfahren, die Neugliederungen von Kommunen zum Gegenstand haben, insbesondere solche aus den 1970ger Jahren. Unter Berufung auf die Verwirkung verneint er die Zulässigkeit weiterer Popularklagen gegen diese Reformen.180 Die Anwendung dieser Sachurteilsvoraussetzung im Popularklageverfahren ist abzulehnen. Denn letztlich führt die Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Einführung einer „Antragsfrist“, die die Bayerische Popularklage nicht kennt.181

178 179 180 181

Vgl. hierzu oben § 34 C. II. (S. 231). Vgl. hierzu oben § 34 C. III. (S. 232). Vgl. dazu § 35 B. (S. 253). Vgl. § 35 A. (S. 235).

8. Kapitel

Rechtsschutzinteresse – Rechtsschutzbedürfnis – Klarstellungbedürfnis Der Bayerische Verfassungsgerichtshof führt in seiner Rechtsprechung aus: „Ein besonderes Rechtsschutzinteresse“ … „setzt die Popularklage nicht voraus.“1 … „Denn sie bezweckt im öffentlichen Interesse den Schutz der Grundrechte als Institution“.2

In einigen Entscheidungen spricht der Gerichtshof jedoch Ausnahmen von diesem Grundsatz an. Dabei sind die die Begrifflichkeiten in diesem Zusammenhang nicht einheitlich. So drücken die Formulierungen „Rechtsschutzinteresse“ und „Rechtsschutzbedürfnis“ das Gleiche aus.3 Auch der Verfassungsgerichtshof verwendet beide Begriffe ohne damit eine inhaltliche Unterscheidung zu verbinden.4

§ 37 Tatsächliche Bedeutung in der Rechtsprechung Im Zeitraum vom 1. Januar 1995 bis zum 31. Dezember 2011 verwarf der Bayerische Verfassungsgerichtshof keine Popularklage auf Grund des Fehlens des Rechts1 BayVerfGHE 60, 1 (4); 60, 80 (87); BayVerfGH BayVBl. 2007, 689; vgl. auch BayVerfGHE 28, 88 (94); 32, 45, (48); 32, 56 (62); 36, 56 (61); 54, 109 (133); 62, 71 (77); BayVerfGH BayVBl. 1979, 144 (145); BayVerfGH VerwRspr 9 (1957), 393 (401); BayVerfGH Entscheidung vom 15. 12. 2009, Vf. 6-VII-09, veröffentlicht in juris, ebenda Rn. 30 (insoweit nicht veröffentlicht in NVwZ 2010, 580 und ZfBR 201, 139); BayVerfGHE 31, 99 (118) formuliert, ein besonderes Rechtsschutzinteresse sei „in der Regel“ nicht Voraussetzung. 2 BayVerfGHE 60, 80 (87); vgl. auch BayVerfGHE 25, 45 (47); 28, 88 (94); 31, 88 (118); 32, 45, (48); 32, 56 (62); 36, 56 (61); BayVerfGH BayVBl. 1979, 144 (144 f.). 3 Lechner / Zuck, BVerfGG, Vor § 17 Fußn. 61; Schenke, Verwaltungsprozessrecht, Rn. 560; Tilch / Arloth, Deutsches Rechts-Lexikon, Band 3, Stichwort „Rechtsschutzbedürfnis“. Synonym verwandt werden neben „Rechtsschutzinteresse“ auch „berechtigtes Interesse“ und „rechtliches Interesse“ (Holthausen, S. 35 Fußn. 72); Lechner / Zuck, BVerfGG, Vor § 17 Fußn. 61, kritisieren die Verwendung des Ausdrucks „Rechtsschutzbedürfnis“, da dies den Eindruck erwecke, der Antragsteller bzw. Beschwerdeführer entscheide selbst über das Vorhandensein eines Rechtsschutzinteresses. 4 So heißt es in BayVerfGHE 61, 227 (234): „Es bestehen erhebliche Zweifel, ob überhaupt ein allgemeines Rechtsschutzbedürfnis“ … „bestand.“ … „Abgesehen vom Rechtsschutzinteresse erscheint es auch aus weiteren Gründen fraglich, ob der Verfassungsgerichtshof überhaupt zu einer Sachentscheidung hätte gelangen können.“

§ 38 Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs

259

schutzbedürfnisses als unzulässig. Auf diese Sachurteilsvoraussetzung geht er lediglich in vier Fällen ein.5 Allerdings stellt er im Rahmen einer dieser Entscheidungen erstmals ausdrücklich fest, die Zulässigkeit einer Popularklage setze ein Rechtsschutzbedürfnis voraus6.7

§ 38 Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs A. Ältere Rechtsprechung I. Grundsätzlich kein Rechtsschutzinteresse erforderlich In Verfassungsbeschwerdeverfahren geht der Bayerische Verfassungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung vom Erfordernis eines Rechtsschutzbedürfnisses aus.8 In einem Popularklageverfahren führt er bereits im Jahr 1948 aus: „Den Antrag nach Art. 98 Satz 4 der Bayer. Verfassung 1946“ … „kann grundsätzlich jedermann stellen. Nichtbayerische Antragsteller können es jedenfalls dann, wenn sie ein Rechtsschutzinteresse an der begehrten Entscheidung haben.“9

Nach der nun seit langem gefestigten Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs lässt dieser Popularklagen auch von nichtbayerischen Antragstellern zu, ohne dafür das Vorliegen eines Rechtsschutzbedürfnisses zu fordern.10 Dem entsprechend trifft er im Jahr 1952 folgende Aussage: „Der Antrag nach Art. 98 Satz 4 BV. kann von jedermann gestellt werden, ohne Rücksicht darauf, ob er selbst in seinen Grundrechten verletzt ist oder nicht“. … „Art. 98 Satz 4 BV. bezweckt den Schutz der Institution der Grundrechte als solcher. Es kann daher für die Zulässigkeit des Antrags nicht auf das Rechtsschutzinteresse des Antragstellers ankommen. Maßgebend muß vielmehr sein, ob die angefochtene Norm noch eine rechtliche Wirkung in die Gegenwart herein äußert.“11

5 BayVerfGHE 60, 131 (139); 61, 205 (209); 61, 227 (234); BayVerfGH BayVBl. 2006, 598 (599). 6 BayVerfGHE 61, 227 (234). 7 Vgl. auch unten Übersicht I: Entscheidungen in Popularklageverfahren in den Jahren 1995 bis 2011 (S. 398). 8 BayVerfGHE 10, 63 (68); 12, 73 (78); 48, 50 (52); 52, 39 (41 f.); 52, 143 (156 f.). 9 BayVerfGHE 1, 64 (68). 10 Vgl. hierzu oben § 11 (S. 95). 11 BayVerfGHE 5, 166 (189); vgl. auch BayVerfGH VerwRspr 9 (1957), 393 (401).

260

8. Kap.: Rechtsschutzinteresse

II. Mögliche Ausnahmefälle für das Erfordernis eines Rechtsschutzinteresses Der Verfassungsgerichtshof sprach in mehreren Entscheidungen verschiedene Gesichtspunkte an, in denen als Ausnahme vom dargestellten Grundsatz ein Rechtsschutzinteresse im Popularklageverfahren erforderlich sein bzw. ein solches fehlen könnte. 1. Rechtsschutzinteresse und unzulässige Wiederholung So führt der Gerichtshof In einer Entscheidung aus dem Jahr 1979 im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung aus, weshalb im vorliegenden Fall keine Bedenken gegen das Rechtsschutzbedürfnis für einen Normenkontrollantrag bestünden. Inhaltlich behandelt er dabei die Frage, ob eine bereits ergangene Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs der Zulässigkeit der erneuten Klage im Wege steht, ob also eine unzulässige Wiederholung vorliegt.12 2. Rechtsschutzinteresse und aufgehobene Norm als Verfahrensgegenstand Auch im Zusammenhang mit einer aufgehobenen Norm als Verfahrensgegenstand spricht der Verfassungsgerichtshof das Rechtsschutzbedürfnis an. So erhob 1981 ein Antragsteller Popularklage gegen eine Verordnung der Gemeinde Bayer. Kurz zuvor hatte der Bayerische Verfassungsgerichtshof eine inhaltlich weitgehend identische Verordnung des Marktes Bodenmais für verfassungswidrig und nichtig erklärt. Die Gemeinde Bayer hob die angegriffene Verordnung daraufhin auf und der Antragsteller erklärte die Popularklage für erledigt.13 Im Rahmen der Kostenentscheidung führt der Verfassungsgerichtshof aus: „Erledigt sich ein Popularklageverfahren dadurch, daß die angefochtene Norm aufgehoben wird, so kann der Antragsteller in der Regel keine Sachentscheidung des Verfassungsgerichtshofs mehr herbeiführen; denn ein objektives Interesse an der Feststellung der Verfassungswidrigkeit einer aufgehobenen Norm wird nur ausnahmsweise zu bejahen sein. Hielte der Antragsteller in derartigen Fällen die Popularklage aufrecht, so wäre diese in der Regel mangels fortbestehenden Rechtsschutzinteresses als unzulässig abzuweisen.“14

12 13 14

Vgl. BayVerfGHE 32, 56 (64). BayVerfGHE 35, 26 (26 f.). BayVerfGHE 35, 26 (28).

§ 38 Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs

261

3. Rechtsschutzinteresse und Entscheidung ohne unmittelbare rechtliche Auswirkung In seiner Entscheidung vom 29. April 1993 ging der Verfassungsgerichtshof der Frage nach, ob eine Popularklage zulässig ist, die auch bei einer stattgebenden Entscheidung zu keinen unmittelbaren rechtlichen Auswirkungen führen kann. Der Entscheidung lag eine Popularklage gegen einen Bebauungsplan insoweit zugrunde, als eine Straße zwei Grundstücke der Antragstellerin durchschnitt.15 Vor Erhebung der Popularklage wies der Bayerische Verwaltungsgerichtshof einen Normenkontrollantrag nach § 47 VwGO wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses als unzulässig ab, da die von der Antragstellerin begehrte Feststellung der Nichtigkeit des Bebauungsplans an der abgeschlossenen und im Grundbuch vollzogenen Baulandumlegung nichts ändern könnte.16 Der Verfassungsgerichtshof führt dazu aus: „Im Popularklageverfahren hat der Verfassungsgerichtshof den Rechtszustand im Zeitpunkt seiner Entscheidung zugrundezulegen. In bezug auf außer kraft getretene Rechtsvorschriften ergibt sich daraus, daß eine verfassungsgerichtliche Überprüfung nur dann stattfindet, wenn ein objektives Interesse an der Feststellung besteht, ob sie mit der Bayerischen Verfassung vereinbar waren“. … „Der Bebauungsplan“ … „ist zwar hinsichtlich der angefochtenen Teilregelung“ … „im Bereich der ehemaligen Grundstücke der Antragstellerin“ … „nicht außer Kraft getreten. Gleichwohl haben die genannten Grundsätze für die gegebene Fallgestaltung Bedeutung. Sämtliche Verwaltungs- und Gerichtsverfahren zum Vollzug des Bebauungsplans in dem eng umgrenzten Teilbereich, der den Gegenstand der Popularklage bildet, sind rechtskräftig abgeschlossen. [Die Straße] ist planmäßig hergestellt und“ … „gewidmet. Der Straßengrund gehört der Antragstellerin nicht mehr. Ihre Rüge, die Inanspruchnahme ihrer ehemaligen Grundstücke für den Straßenbau verletze das Eigentumsrecht, geht jedenfalls nach dem rechtskräftig abgeschlossenen Vollzug hinsichtlich der jetzt gegeben Eigentumsverhältnisse ins Leere. Selbst wenn der Verfassungsgerichtshof bei Überprüfung der [früheren] Rechtslage“ … „zum Ergebnis käme, die Regelung des Bebauungsplans“ … „habe gegen Art. 103 Abs. 1 BV verstoßen, bliebe das hinsichtlich des von der Antragstellerin gerügten Eigentumsübergangs ohne unmittelbare rechtliche Auswirkungen. Aus dem bayerischen Verfassungsprozeßrecht könnte kein Anspruch der Antragstellerin hergeleitet werden, die Vollzugsmaßnahmen“ … „rückgängig zu machen“. … „Die Popularklage dient dem Schutz der Grundrechte gegenüber Rechtsvorschriften, von denen noch rechtliche Wirkungen ausgehen können, nicht dagegen der nachträglichen Beseitigung von Entscheidungen, die trotz der gegebenen Rechtsmittel des Individualrechtsschutzes einschließlich der damit inzident verbundenen Möglichkeiten der Normprüfung rechtskräftig geworden sind.“17

Ohne ausdrücklich auf das Erfordernis eines Rechtsschutzbedürfnisses abzustellen, lehnt der Verfassungsgerichtshof in dieser Entscheidung die Zulässigkeit der Popularklage letztlich allein deshalb ab, weil die Feststellung der Verfassungswid-

15 16 17

BayVerfGHE 46, 137. BayVerfGHE 46, 137. BayVerfGHE 46, 137 (139 f.).

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8. Kap.: Rechtsschutzinteresse

rigkeit der Norm keine unmittelbaren rechtlichen Wirkungen entfalten könnte. Insofern ging er von einem fehlenden Klarstellungsinteresse18 aus.

B. Jüngere Rechtsprechung I. Entscheidung zu einem Bebauungsplan der Gemeinde Ofterschwang In der jüngeren Rechtsprechung ist im Zusammenhang mit dem Rechtsschutzinteresse zunächst eine Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs aus dem Jahr 2006 interessant. Verfahrensgegenstand der Popularklage war unter anderem ein Bebauungsplan der Gemeinde Ofterschwang.19 Dessen Vollzug setzte der Bayerische Verfassungsgerichtshof mit Entscheidung vom 13. Juni 2005 aus.20 Am 4. August 2005 traf der Gemeinderat einen Beschluss zur Aufhebung des Bebauungsplans.21 Die Popularklage gegen den Bebauungsplan sieht der Verfassungsgerichtshof als zulässig an22 und führt dazu aus: „Das Rechtsschutzbedürfnis des Antragstellers ist durch den Beschluss der Gemeinde O. vom 4. 8. 2005 nicht entfallen. Durch diesen Beschluss ist der Bebauungsplan schon deshalb nicht unwirksam geworden, weil das nach § 1 Abs. 8 BauGB vorgeschriebene Verfahren nicht eingehalten worden ist. Auch wenn man der Annahme der Gemeinde O. folgen wollte, der Beschluss habe nur das ergänzende Verfahren (§ 233 Abs. 2 Satz 1, § 214 Abs. 4 BauGB) einleiten sollen, hätte das – obwohl in § 214 Abs. 4 BauGB nicht mehr ausdrücklich geregelt – allenfalls zur Folge, dass der Bebauungsplan bis zur beabsichtigten Behebung der von der Gemeinde angenommenen Fehler keine Rechtswirkungen entfaltet“. … „Ein solches bloß zeitlich befristetes Aussetzen der Rechtswirkungen des Bebauungsplans nimmt dem Antragsteller nicht das Rechtsschutzbedürfnis, zumal wenn mit der Popularklage Mängel der Satzung gerügt werden, für die das ergänzende Verfahren von vornherein nicht zur Verfügung steht.“ … „Dem Antragsteller fehlt auch nicht deshalb das Rechtsschutzbedürfnis, weil im Bereich des Bebauungsplans bereits bestandskräftige Baugenehmigungen für fünf Gebäude erteilt worden sind“ … „Denn nach den Festsetzungen der Satzung besteht die Möglichkeit zur Errichtung von insgesamt sieben Wohngebäuden, so dass der Bebauungsplan noch nicht vollständig vollzogen ist. Durch die Feststellung der Nichtigkeit kann daher zumindest teilweise der Eintritt der vom Antragsteller befürchteten Nachteile verhindert werden.“23

Diesen Ausführungen liegt die Frage zu Grunde, ob das Rechtsschutzbedürfnis entfällt, wenn die Feststellung der Nichtigkeit der Norm durch den Verfassungs18 19 20 21 22 23

Vgl. hierzu unten § 39 A. III. 6. b) (S. 276). BayVerfGHE 59, 109. BayVerfGH Entscheidung vom 13. 6. 2005, Vf. 1-VII-05, veröffentlicht in juris. BayVerfGHE 59, 109 (111). BayVerfGHE 59, 109 (113). BayVerfGHE 59, 109 (113 f.).

§ 38 Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs

263

gerichtshof den Eintritt der Nachteile nicht verhindern kann, die der Antragsteller durch die angegriffene Rechtsvorschrift befürchtet.24 Dies könnte zum einen der Fall sein, wenn die Norm bereits vollständig vollzogen wurde, zum anderen dann, wenn sie der Normgeber inzwischen aufgehoben hat. Denn in letzterem Fall geht von der Rechtsvorschrift kein Nachteil mehr aus, so dass eine Nichtigerklärung der Norm keine Beeinträchtigung (mehr) verhindern kann. Da in der konkreten Entscheidung beides nicht einschlägig ist, geht der Verfassungsgerichtshof nicht darauf ein, ob das Rechtsschutzbedürfnis beim Vorliegen dieser Voraussetzungen zu verneinen wäre. Für den Fall einer lediglich zeitlich befristeten Aussetzung der Norm verneint das Gericht sogar ausdrücklich das Fehlen des Rechtsschutzbedürfnisses.

II. Entscheidung zum Verbot politischer Rundfunkwerbung bei Volksbegehren und Volksentscheiden Die Zulässigkeit einer Popularklage gegen einen Zustimmungsbeschluss des Bayerischen Landtags unter dem Gesichtspunkt des Rechtsschutzbedürfnisses25 behandelt der Verfassungsgerichtshof in einer Entscheidung aus dem Jahr 2007. Verfahrensgegenstand war unter anderem ein Zustimmungsbeschluss des Bayerischen Landtags zum Rundfunkstaatsvertrag.26 Das Gericht verweist dabei zunächst auf eigene Entscheidungen aus den 1970-ger Jahren, wonach der Freistaat Bayern im Fall innerstaatlicher, vom Verfassungsgerichtshof festgestellter Verfassungswidrigkeit einer staatsvertraglichen Norm auch im Außenverhältnis zu den Vertragspartnern berechtigt sei, die Norm nicht anzuwenden.27 Dieser Auffassung habe das Bundesverwaltungsgericht widersprochen. Nach dessen Rechtsprechung könne jedenfalls dann, wenn die Regelung nur länderübergreifend einheitlich anwendbar sei, eine Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs allein die Nichtanwendung der fraglichen Regelung nicht rechtfertigen. Die Vertragspartner des Staatsvertrags – so das Bundesverwaltungsgericht – seien in einem solchen Fall gehalten, eine einvernehmliche Lösung des Konflikts zu suchen und notfalls eine gerichtliche Klärung im bundesrechtlichen Bereich herbeizuführen.28 Der Verfassungsgerichtshof führt dazu aus: „Bereits diese Vorgaben würden jedoch ausreichen, um das Rechtsschutzbedürfnis für die Popularklage zu begründen“.29 Die Möglichkeit der Landesregierung, eine bundesgerichtliche Klärung oder eine einvernehmliche Lösung zu suchen, ist demnach ausreichend.30 Gerade die zweite Möglichkeit wird jedoch immer bestehen.

Vgl. hierzu etwa auch die insoweit vergleichbare Situation bei BVerfGE 98, 70 (81 f.). BayVerfGHE 60, 131 (139 f.). 26 BayVerfGHE 60, 131 (132). 27 BayVerfGHE 60, 131 (139) unter Verweis auf BayVerfGHE 26, 101 (109 f.); 28, 143 (156). 28 BayVerfGHE 60, 131 (139) unter Verweis auf BVerwGE 50, 137 (147 ff.). 29 BayVerfGHE 60, 131 (139). 24 25

264

8. Kap.: Rechtsschutzinteresse

Diese Entscheidung stellt somit nur sehr geringe Voraussetzungen an das Vorliegen des Rechtsschutzbedürfnisses. Bei Klagen gegen Zustimmungsbeschlüsse des Landtages zu Staatsverträgen ist dessen Vorliegen im Ergebnis daher immer zu bejahen.

III. Einstellung eines Popularklageverfahrens zum Glücksspielwesen Im Jahr 2008 stellte der Bayerische Verfassungsgerichtshof ein Popularklageverfahren zum Glücksspielwesen ein.31 Zuvor hatte das Bundesverfassungsgericht mit Urteil vom 28. März 2006 festgestellt, es sei mit Art. 12 Abs. 1 GG unvereinbar, dass nach dem Staatslotteriegesetz in Bayern Sportwetten nur vom Freistaat Bayern veranstaltet und nur derartige Wetten gewerblich vermittelt werden dürfen, ohne das Monopol konsequent am Ziel der Bekämpfung der Suchtgefahren auszurichten.32 Es verpflichtete den Gesetzgeber, die Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten unter Beachtung der sich aus den Gründen der Entscheidung ergebenden verfassungsrechtlichen Vorgaben bis zum 31. Dezember 2007 neu zu regeln. In einer Übergangsregelung erklärte es die bisherige Rechtslage nach Maßgabe der Urteilsgründe für weiter anwendbar. Am 19. Oktober 2006 erhob der Antragsteller Popularklage gegen das Bayerische Staatslotteriegesetz, eine Norm des Bayerischen Lotteriespielgesetzes sowie gegen einschlägige Zustimmungsbeschlüsse des Bayerischen Landtags.33 Nach Inkrafttreten der Gesetzesänderung am 1. Januar 2008 teilte der Antragsteller dem Verfassungsgerichtshof mit, dass das Verfahren eingestellt werden könne. Dem kam das Gericht nach. Im Rahmen der Kostenentscheidung führte der Bayerische Verfassungsgerichtshof aus: „Die zentrale verfassungsrechtliche Problematik ist durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 28. März 2006 (BVerfGE 115, 276) geklärt worden.“ … „Da der Verfassungsgerichthof die Konkretisierung des berufsrechtlichen Anwendungsbereichs des Art. 101 BV in enger Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vornimmt“, … „konnte eine weitergehende Klärung verfassungsrechtlich bedeutsamer Fragen durch die Popularklage insoweit kaum erwartet werden. Es bestehen erhebliche Zweifel, ob überhaupt ein allgemeines Rechtsschutzbedürfnis, das für jedes gerichtliche Verfahren, also auch für eine Popularklage, zu verlangen ist“, … „bestand. Ein solches Rechtsschutzbedürfnis hätte wohl allenfalls im Hinblick auf die angestrebte Nichtigkeitserklärung bejaht werden können.“34 30 Dies entspricht auch einer Entscheidung aus dem Jahr 1978, in der der BayVerfGH das Rechtsschutzbedürfnis einer Popularklage gegen den Zustimmungsbeschluss des Bayerischen Landtags zum Rundfunkgebührenstaatsvertrag bejaht, da eine positive Sachentscheidung die Bayerische Staatsregierung verpflichten könne, den Staatsvertrag zum nächstmöglichen Zeitpunkt zu kündigen oder Verhandlungen mit den anderen Ländern aufzunehmen (BayVerfGHE 31, 158 [162]). 31 BayVerfGHE 61, 227. 32 BVerfGE 115, 276 (277). 33 BayVerfGHE 61, 227 (227 f.). 34 BayVerfGHE 61, 227 (233 f.).

§ 38 Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs

265

Im Rahmen dieser Kostenentscheidung fordert der Bayerische Verfassungsgerichtshof erstmals ausdrücklich das Vorliegen eines Rechtsschutzbedürfnisses bei der Erhebung einer Popularklage. Im konkreten Fall stützt er seine „erheblichen Zweifel“ an dessen Vorliegen darauf, dass in diesem Verfahren vom Bayerischen Verfassungsgerichthof keine Ausführungen erwartet werden könnten, die abweichend oder weitergehender als die des Bundesverfassungsgerichts seien. IV. Entscheidung zu einem Bebauungsplan der Stadt Sonthofen In einer Entscheidung aus dem Jahr 2008 geht der Verfassungsgerichtshof im Rahmen der Zulässigkeit ebenfalls auf das Rechtsschutzinteresse ein: „Dem Antragsteller fehlt für die Popularklage nicht das Rechtsschutzinteresse. Die auf der Grundlage des Änderungsbebauungsplans erteilten Baugenehmigungen sind zwar rechtskräftig geworden und würden auch dann unberührt bleiben, wenn der Verfassungsgerichtshof zu dem Ergebnis käme, der angefochtene Bebauungsplan verstoße gegen die Bayerische Verfassung“ … „Der Bebauungsplan enthält aber zum einen materiell-rechtliche Regelungen, durch die Inhalt und Schranken des Grundeigentums bestimmt werden“ … „zum anderen ist für die planungsrechtliche Zulässigkeit künftiger Bauvorhaben in seinem Geltungsbereich von Bedeutung, ob er auf die Popularklage hin für nichtig erklärt wird oder nicht. Der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs vom 29. April 1993 (VerfGH 46, 137 / 139 f.)35, in der das Rechtsschutzbedürfnis für eine Popularklage verneint wurde, weil Maßnahmen im Vollzug eines Bebauungsplans abgeschlossen waren, lag ein anderer Sachverhalt zugrunde. Diese Popularklage bezog sich auf einen eine Straßenplanung betreffenden Bebauungsplan, wobei der Antragsteller durch die Feststellung der Nichtigkeit des Bebauungsplans seine Rechtsstellung nicht mehr hätte verbessern können, weil er durch Umlegungsmaßnahmen das Eigentum am Straßengrund verloren hatte.“36

V. Entscheidung zu Übergangsregelungen der JAPO Im Zusammenhang mit dem Erfordernis eines Rechtsschutzinteresses ist schließlich eine Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs zur Verfassungsmäßigkeit von Übergangsregelungen der JAPO zu berücksichtigen. Das Gericht führt aus: „Indes unterliegen der Normenkontrolle Rechtsvorschriften nur, wenn nicht auszuschließen ist, dass sie noch von Bedeutung sind, wenn also ein objektives – nicht nur theoretisches – Interesse an der Feststellung besteht, ob sie mit der Bayerischen Verfassung vereinbar waren“. … „Die Übergangsregelung“ … „erfasst nur bestimmte Bewerber“. … „Nur für diese Gruppe konnten die vom Antragsteller behaupteten gesetzlichen Unklarheiten überhaupt auftreten. Eine fortbestehende Relevanz ist hier zu bejahen, da der Antragsteller“ … „Verfassungsbeschwerde gegen verwaltungsgerichtliche Entscheidungen eingelegt hat, die sich u. a. auf die mit der Popularklage angegriffene Übergangsregelung stützten.“37

35 36 37

Vgl. oben § 38 A. II. 3. (S. 261). BayVerfGHE 61, 205 (209). BayVerfGH BayVBl. 2010, 594 (595).

266

8. Kap.: Rechtsschutzinteresse

In diesen Ausführungen benutzt der Verfassungsgerichtshof zwar nicht den Begriff des Rechtsschutzinteresses. In der Sache sieht er es aber als Zulässigkeitsvoraussetzung an, dass ein objektives Interesse an der Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit der gegenständlichen Norm besteht.

C. Begründung des Erfordernisses eines Rechtsschutzbedürfnisses Der Bayerische Verfassungsgerichtshof begründet seine Aussage, wonach für die Popularklage wie für jedes gerichtliche Verfahren ein Rechtsschutzbedürfnis erforderlich sei, nicht. Er verweist lediglich auf Peter Lerche.38 Nach dessen Ausführungen verbreite vielfach auch die nichtige Norm den Schein der Wirksamkeit um sich. Daher sei es nur konsequent, dass die prozessuale Überprüfung für unzulässig gehalten werde, wenn es ausnahmsweise am Rechtsschutzbedürfnis oder an relevanten Konsequenzen fehle. Dies sei beispielsweise der Fall, wenn die angegriffene Norm eines selbständigen Rechtsgehalts entbehre oder wenn sie bereits außer Kraft getreten war und auch sonst keinerlei relevante Wirkungen für die Gegenwart zu entfalten vermöge. Es könne insoweit nur um die Frage gehen, ob ein relevantes Rechtsschutzinteresse vorliegt oder nicht, also jenes Interesse, wie es für jegliches gerichtliche Verfahren, insbesondere auch für die Popularklage, zu verlangen sei.39 Weiterhin führt er aus, dass dieses allgemeine Interesse nicht mit einer auf den Kläger bezogenen subjektiven Beschwer zu verwechseln sei. Eine solche Voraussetzung sei der Popularklage fremd, was jedoch ersichtlich nichts an der Notwendigkeit eines Rechtsschutzinteresses jener allgemeinen Stufe ändere, wie es für jedes gerichtliche Verfahren, das nicht nur auf der Spielwiese geübt werden solle, zu fordern sei. Das Rechtsschutzbedürfnis fehle beispielsweise dann, wenn ein Verfahren nicht den Schutz der Rechtsgüter des Klägers bezwecke, sondern nur zum Schein, zur Umgehung zwingender prozessualer Bestimmungen oder zur Vereitelung eines Rechtes oder Schädigung eines anderen geführt werde.40

§ 39 Bewertung der Rechtsprechung A. Begründung des Erfordernisses eines Rechtsschutzbedürfnisses Im Rahmen der Bewertung der Rechtsprechung ist zunächst darauf einzugehen, ob der Verfassungsgerichtshof die von ihm aufgestellte Zulässigkeitsvoraussetzung 38 BayVerfGHE 61, 227 (234) verweist auf „Lerche, Probleme der Vorfragenkompetenz in der Judikatur des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs, in: Festschrift zum 25-jährigen Bestehen des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs, 1972, S. 247 / 249“. 39 Lerche, FS 25 Jahre BayVerfGH, S. 247 (249). 40 Lerche, FS 25 Jahre BayVerfGH, S. 247 (249 f.).

§ 39 Bewertung der Rechtsprechung

267

des Rechtsschutzbedürfnisses auf eine hinreichende Begründung stützen kann. Diese Voraussetzung findet jedoch weder in der Bayerischen Verfassung noch im BayVerfGHG eine Grundlage. Zu prüfen ist somit, ob gemäß Art. 30 Abs. 1 BayVerfGHG die Vorschriften der Verwaltungsprozessordnung oder der Zivilprozessordnung heranzuziehen sind. I. Heranziehung der VwGO Die Verwaltungsgerichtsordnung kennt den Begriff des Rechtsschutzbedürfnisses nicht. Im Bereich des Normenkontrollverfahrens trifft die VwGO zwar in § 47 Abs. 1 Satz 1 eine Regelung zur Klagebefugnis, jedoch regelt sie das Rechtsschutzbedürfnis oder ein berechtigtes Interesse nicht ausdrücklich. Nur die Regelungen in § 43 Abs. 1 VwGO zur Feststellungsklage sowie in § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO zur Fortsetzungsfeststellungsklage sprechen vom „berechtigten Interesse“.41 Insofern wäre eine Übertragung der Regelung des § 43 Abs. 1 VwGO zum berechtigten Interesse auf die Popularklage denkbar. Das in § 43 Abs. 1 VwGO geforderte „berechtigte Interesse an der baldigen Feststellung“ ist eine besondere Erscheinungsform des Rechtsschutzinteresses.42 Es ist bei jedem nach Lage des Falles anzuerkennenden schutzwürdigen Interesse gegeben, sei es rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art.43 Dieses Interesse muss gemäß § 43 Abs. 1 VwGO der Kläger haben. Und es muss gegenüber dem Beklagten bestehen.44 Die Popularklage erfordert hingegen kein eigenes Interesse des Klägers. Insofern steht ein grundlegender Unterschied zwischen beiden Verfahren, der eine ergänzende Heranziehung dieser Regelung der VwGO ausschließt.45 Gleiches gilt für das erforderliche berechtigte Interesse im Rahmen einer Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO. Denn diese Voraussetzung entspricht der gleich lautenden in § 43 Abs. 1 VwGO.46 Im Ergebnis kann das Erfordernis eines Rechtsschutzinteresses in einem Popularklageverfahren daher nicht durch Art. 30 Abs. 1 BayVerfGHG in Verbindung mit einer Norm der Verwaltungsprozessordnung begründet werden. II. Heranziehung der ZPO Die ZPO enthält keine Regelung, die allgemein für alle Verfahren das Vorliegen eines Rechtsschutzbedürfnisses vorschreibt.47 Sie fordert nur in bestimmten 41 42 43 44 45 46 47

Vgl. Kopp / Schenke, VwGO, Vorb § 40 Rn. 30. Vgl. Kopp / Schenke, VwGO, § 43 Rn. 23. BVerwGE 74, 1 (4); Möstl, in: Posser / Wolff, VwGO, § 43 Rn. 19. BVerwG NJW 1997, 3257; Hufen, § 18 Rn. 14. Vgl. oben § 3 C. V. (S. 75). Kopp / Schenke, VwGO, § 113 Rn. 129. Vgl. Schellhammer, Rn. 140.

268

8. Kap.: Rechtsschutzinteresse

Fällen ein „rechtliches Interesse“.48 Da das Ziel der Popularklage eine Feststellung – nämlich die der Verfassungswidrigkeit einer Rechtsnorm – ist, liegt ein Vergleich mit der zivilgerichtlichen Feststellungsklage nach § 256 ZPO nahe. Diese kann gemäß § 256 Abs. 1 ZPO derjenige erheben, der ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen richterlichen Feststellung hat. Ein tatsächliches oder wirtschaftliches Interesse reicht hierfür nicht aus.49 Das rechtliche Interesse des Klägers besteht, wenn seinem Recht oder seiner Rechtslage eine gegenwärtige Gefahr oder Unsicherheit droht und das Urteil auf die Feststellungsklage mit seiner rein ideellen Rechtskraftwirkung geeignet ist, diese Gefahr zu beseitigen.50 Dabei muss die Ungewissheit gerade zwischen den Parteien des Feststellungsprozesses aufgetreten sein51 und die Rechtslage des Klägers beeinflussen52. Doch die entsprechende Heranziehung dieser Regelung im Popularklageverfahren scheitert an den grundsätzlichen Unterschieden zwischen den Verfahren, da für die Popularklage ein eigenes Interesse des Beschwerdeführers gerade nicht erforderlich ist. Daher kann keine Regelung der Zivilprozessordnung in Verbindung mit Art. 30 Abs. 1 BayVerfGHG das Erfordernis eines Rechtsschutzinteresses im Popularklageverfahren begründen.

III. Allgemeiner Prozessgrundsatz Es bleibt schließlich die Möglichkeit, das Rechtsschutzinteresse als allgemeinen Prozessgrundsatz anzuwenden.53 Die Befürworter dieser Sachurteilsvoraussetzung sehen im Rechtsschutzinteresse eine allgemeine Sachurteilsvoraussetzung aller Klagen.54 So wird das Vorliegen eines Rechtsschutzinteresses als ungeschriebene Verfahrensvoraussetzung für alle Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht ebenso gefordert55 wie für das Normenkontrollverfahren nach § 47 VwGO sowie alle anderen verwaltungsgerichtlichen Verfahren56. Ob dies tatsächlich als ein allgemeiner Prozessgrundsatz anzusehen ist, ist jedoch keineswegs unumstritten.

Schumann, FS Fasching, S. 439 (440). Schilken, Zivilprozessrecht, Rn. 186. 50 Roth, in: Stein / Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 256 Rn. 45; vgl. auch BGHZ 69, 144 (147); Becker-Eberhard, in: Rauscher / Wax / J. Wenzel, Münchener Kommentar ZPO, § 256 Rn. 37. 51 Roth, in: Stein / Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 256 Rn. 48. 52 Roth, in: Stein / Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 256 Rn. 50. 53 Vgl. oben § 3 C. V. (S. 75). 54 Vgl. etwa BVerfGE 61, 126 (135); BVerfGK 4, 287 (293); BVerwGE 56, 172 (175); Lerche, FS 25 Jahre BayVerfGH, S. 247 (249); Quaas / Müller, Rn. 185; Ruppert, in: Umbach / Clemens / Dollinger, BVerfGG, § 90 Rn. 90. 55 Lechner / Zuck, BVerfGG, Vor § 17 Rn. 23. 56 BVerwGE 56, 172 (175); vgl. auch BVerwG NVwZ 1994, 268. 48 49

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1. Begründung der Sachurteilsvoraussetzung Das Bundesverfassungsgericht leitet das Rechtsschutzbedürfnis aus dem auch im Prozessrecht geltenden Gebot von Treu und Glauben, dem Verbot des Missbrauchs prozessualer Rechte sowie dem auch für die Gerichte geltenden Grundsatz der Effizienz staatlichen Handelns ab.57 Dagmar Holthausen vertritt die Ansicht, das Rechtsschutzinteresse solle eine unnütze oder unlautere Anrufung des Gerichts und die Ausnutzung des Verfahrens zur Verfolgung zweckwidriger und daher nicht schützenswerter Ziele verhindern.58 Im Verwaltungsprozessrecht findet sich die Formulierung, diese Zulässigkeitsvoraussetzung beruhe auf der Erwägung, dass nur derjenige, der mit dem von ihm angestrengten gerichtlichen Rechtsschutzverfahren auch ein rechtsschutzwürdiges Interesse verfolge, einen Anspruch auf eine gerichtliche Sachentscheidung habe.59 Mit dem Erfordernis des Vorliegens eines allgemeinen Rechtsschutzinteresses solle vermieden werden, dass die Gerichte in eine Normprüfung eintreten müssen, deren Ergebnis für den Antragsteller wertlos sei.60 Die Begründungen für diese Sachurteilsvoraussetzung beruhen somit auf mehreren Säulen. Nicht ergiebig ist in diesem Zusammenhang die Ansicht, wonach das Rechtsschutzinteresse aus dem Verbot des Missbrauchs prozessualer Befugnisse abzuleiten sei. Denn dieses Missbrauchsverbot wird als eigenständige Zulässigkeitsvoraussetzung diskutiert,61 weshalb ein Abstellen auf das Rechtsschutzinteresse unnötig ist. Gleiches gilt für die „unlautere Anrufung des Gerichts und die Ausnutzung des Verfahrens zur Verfolgung zweckwidriger Ziele“62. Auch dies ist im Rahmen des Missbrauchsverbotes zu behandeln. Das Verlangen nach einem Rechtsschutzbedürfnis kann im Popularklageverfahren seine Rechtfertigung somit nur in der Abwehr „missbräuchlicher Inanspruchnahme“ der Rechtspflege finden.63 Sinn des Rechtsschutzinteresses ist es insofern, „zweckwidrige“ Prozesse zu verhindern um damit zu unterbinden, dass Rechtsstreitigkeiten in das Stadium der Begründetheitsprüfung kommen, die gemessen am Prozesszweck des Rechtsschutzes nicht bedürfen.64 Der Grund für diese Sachurteilsvo-

57 BVerfGK 4, 287 (293); BVerfG 3. Kammer des Zweiten Senats, NJW 2003, 1514 (1515); Holthausen, S. 36. 58 Holthausen, S. 36. 59 Schenke, Verwaltungsprozessrecht, Rn. 560; vgl. auch Hufen, § 23 Rn. 10; Hüttenbrink, in: Kuhla / Hüttenbrink / Endler, D Rn. 19. 60 BVerwG NVwZ 2002, 1126 (1127). 61 Vgl. dazu 6. Kapitel: Missbrauch des Klagerechts (S. 211). 62 Vgl. oben bei Fußn. 58 (8. Kapitel). 63 Pohle, Besprechung von Schönke, Das Rechtsschutzbedürfnis, ZZP 64 (1950), S. 94 (95). 64 Roth, in: Stein / Jonas, 22. Aufl., vor § 253 Rn. 133; Schumann, in: Stein / Jonas, 20. Aufl., vor § 253 Rn. 101.

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8. Kap.: Rechtsschutzinteresse

raussetzung ist somit letztlich das Ziel, die effiziente Arbeit der Gerichte zu sichern.65 Wenn es gelingt sozusagen „rechtsschutzwürdige“ von „rechtsschutzunwürdigen“ Verfahren zu trennen, und letzteren die Sachprüfung zu verweigern, könnte den Gerichten mehr Raum bleiben, um die „schutzwürdigen“ Verfahren zu entscheiden. Insofern könnte durch die Zulässigkeitsschranke des Rechtsschutzinteresses tatsächlich die Effizienz der Gerichte gesteigert werden. Voraussetzung hierfür ist es jedoch, dass es gelingt, die Frage zu beantworten, welche Verfahren als nicht schutzwürdig anzusehen sind. 2. Voraussetzungen für das Vorliegen der Sachurteilsvoraussetzung Näheren Aufschluss darüber, welche Verfahren im soeben dargestellten Sinn als „nicht schutzwürdig“ zu betrachten sind, ist von der Frage zu erwarten, unter welchen Voraussetzungen ein Rechtsschutzbedürfnis vorliegt. Der Bayerische Verfassungsgerichtshof verneint in Verfassungsbeschwerdeverfahren das Rechtsschutzinteresse, wenn die begehrte verfassungsgerichtliche Entscheidung „keinerlei praktische Auswirkungen“ mehr haben könne.66 Unter besonderen Umständen könne es jedoch trotz der Beseitigung der angefochtenen Maßnahme weiterbestehen; so bei Wiederholungsgefahr67 oder wenn sonst eine verfassungsgerichtliche Entscheidung zur Wahrung der Interessen des Beschwerdeführers geboten erscheine, vor allem bei Freiheitsbeschränkungen68.69 Im Rahmen der Verfassungsbeschwerde stellt das Bundesverfassungsgericht klar, der Beschwerdeführer müsse in seinen Grundrechten verletzt sein. Dies schließe ein, dass der angegriffene Akt der öffentlichen Gewalt geeignet sein müsse, den Beschwerdeführer selbst, unmittelbar und gegenwärtig zu beeinträchtigen.70 Bei einem Normenkontrollantrag nach § 47 VwGO sei das Rechtsschutzinteresse gegeben, wenn die mögliche Rechtsverletzung, an welche die Antragsbefugnis gemäß § 47 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 VwGO geknüpft sei, durch die Feststellung der Unwirksamkeit der angegriffenen Norm noch verhindert, beseitigt oder wenigstens gemindert werden könne.71 Das Rechtsschutzinteresse fehle, wenn der Antragsteller dadurch, dass die Norm gemäß seinem Antrag für nichtig erklärt wird, seine RechtsVgl. etwa bei Ruppert, in: Umbach / Clemens / Dollinger, BVerfGG, § 90 Rn. 90. BayVerfGHE 34, 145 (149); vgl. auch BayVerfGHE 12, 73 (78); 42, 65 (67 f.); Meder, BV, Art. 120 Rn. 33b. 67 BayVerfGHE 25, 51 (54). 68 BayVerfGHE 34, 162 (166). 69 Meder, BV, Art. 120 Rn. 33c; Wolff, in: Lindner / Möstl / Wolff, BV, Art. 120 Rn. 92. 70 BVerfGE 53, 30 (48); vgl. auch Engelmann, S. 70. 71 Schenke, Verwaltungsprozessrecht, Rn. 901. 65 66

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stellung nicht verbessern könne72 und die Inanspruchnahme des Gerichts daher „wertlos“73 sei. Nicht erforderlich sei, dass die begehrte Nichtigerklärung unmittelbar zum eigentlichen Rechtsschutzziel führe. Soweit es sich nicht ausschließen lasse, dass die gerichtliche Entscheidung für den Antragsteller von Nutzen sein könne, sei dies für das Rechtsschutzinteresse ausreichend.74 Dieses fehle hingegen, wenn eine Satzungsvorschrift nur eine unmittelbar geltende gesetzliche Vorschrift wortgleich wiederhole und es auch im Falle der Nichtigerklärung dabei bleibe, dass der Antragsteller die inhaltsgleiche Regelung zu beachten hätte.75 Zum Zivilprozess ist die Formulierung zu finden, es müsse ein individuelles Interesse des Klägers vorhanden sein, das auch bei objektiver Beurteilung anzuerkennen sei, damit die allgemeinen Voraussetzungen für das Vorliegen des Rechtsschutzbedürfnisses erfüllt seien. Das Interesse müsse ein gegenwärtiges, prozessuales und schutzwürdiges sein.76 Die Sachurteilsvoraussetzung erfährt eine ständige Ausdehnung. Der Begriff des Rechtsschutzinteresses verfügt über „generalklauselartige Weite“, die wenig aussagekräftig ist.77 Dem entsprechend führt Klaus Engelmann aus, der Begriff des Rechtsschutzbedürfnisses sei weder klar umrissen noch in sich gefestigt. Es handele sich um einen „Mosaikbegriff“, der sich aus einer Vielzahl von Einzelgesichtspunkten zusammensetzte und deshalb abstrakt schwer zu erfassen sei.78 Auch Ekkehard Schumann bemängelt, präzise Grenzen des Rechtsschutzbedürfnisses ließen sich nur noch schwer angeben.79 Kurt Schellhammer führt hierzu aus: „Definieren lässt sich das Rechtsschutzbedürfnis nur schwer, eine handliche Formel gibt es nicht. Man kann allenfalls sagen, die Gerichte seien nicht dazu da, überflüssige oder sinnlose Prozesse zu führen. In der Praxis löst man damit noch keine Fälle. Es bleibt nichts anderes übrig, als den unbestimmten Rechtsbegriff aufzulösen in typische Fälle, denen die Rechtsprechung das Rechtsschutzbedürfnis abspricht.“80

Literatur und Rechtsprechung nennen als solche Fallgruppen: die einfachere Möglichkeit der Erreichung des Ziels81, die offenkundige Aussichtslosigkeit des Rechtsschutzbegehrens82, das Außerkrafttreten einer Norm83, sowie Missbrauch, 72 BVerwGE 82, 225 (231); BVerwG NVwZ 1992, 974 (975); 2002, 1126 (1127); BayVGH BayVBl. 2007, 145; Kienemund, in: Brandt / Sachs, M Rn. 153. 73 BVerwG NVwZ 2002, 1126 (1127); Kienemund, in: Brandt / Sachs, M Rn. 153. 74 BVerwG NVwZ 2002, 1126 (1127). 75 BVerwG NVwZ 2002, 869 (870); VGH Mannheim NJW 1987, 1350 (1351); Redeker / von Oertzen, VwGO, § 47 Rn. 24. 76 Pohle, FS Lent, S. 195 (212). 77 Roth, in: Stein / Jonas, ZPO, 22. Aufl. vor § 253 Rn. 135. 78 Engelmann, S. 70; Leibholz / Rupprecht, BVerfGG, § 90 Rn. 70. 79 Schumann, in: Stein / Jonas, ZPO, 20. Aufl., vor § 253 Rn. 101. 80 Schellhammer, Rn. 140. 81 Vgl. Hufen, § 19 Rn. 35 – zu § 47 VwGO; Hüttenbrink, in: Kuhla / Hüttenbrink / Endler, D Rn. 20 – zu den allgemeinen verwaltungsgerichtlichen Sachurteilsvoraussetzungen.

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8. Kap.: Rechtsschutzinteresse

Verwirkung und Widerspruch zu vorangegangenem Tun84. Ebenso wird das Rechtsschutzinteresse bemüht, wenn ein anderes Verfahren möglich oder anhängig sei85, sowie wenn eine gerichtliche Entscheidung über die Klage offensichtlich nicht geeignet sei, den Rechtsstreit endgültig zu beenden, da die Klage „nicht weit genug“ reiche86. 3. Grundsätzliche Kritik am Rechtsschutzinteresse Das Rechtsschutzinteresse sieht sich grundsätzlicher Kritik ausgesetzt. So bezeichnet Enrico Allorio die „Doktrin vom Rechtsschutzbedürfnis“ als „vollkommen überflüssig“.87 Rudolf Pohle warnt vor einer Enttäuschung des schutzwürdigen Vertrauens der Parteien und einer Schädigung der Rechtssicherheit, wenn das Gericht allzu sehr Rechtsschutzmöglichkeiten beschneidet, die den Parteien nach dem Wortlaut des Gesetzes zuzustehen scheinen und mit deren Beanstandung sie nicht ohne weiteres rechnen könnten. Es könne im Einzelfall auch zweifelhaft sein, ob das Gericht, dem nur ein begrenzter Sachverhalt im Prozess unterbreitet werde, wirklich besser beurteilen könne, wie die Parteien prozessökonomisch vernünftigerweise handeln müssten.88 Es sei daher rechtspolitisch nicht unbedenklich, für prozessökonomisches Verhalten dadurch zu sorgen, dass man dem Gericht mit dem Rechtsschutzbedürfnis die Befugnis gebe, das als unzulässig zu beanstanden, was nach seiner Meinung nicht sachgemäß sei.89 Das Rechtsschutzbedürfnis sei eine juristische „Notbremse“.90 Ekkehard Schumann weist darüber hinaus auf den Missbrauch des Rechtsschutzbedürfnisses im Dritten Reich hin.91 4. Kein Raum für Rechtsschutzinteresse, wenn andere Sachurteilsvoraussetzung in Frage steht Die bereits dargelegte Liste verschiedener und uneinheitlicher Fallgruppen des fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses bietet den Ansatzpunkt für einen weiteren KriVgl. Hufen, § 19 Rn. 35 – zu § 47 VwGO. Schenke, Verwaltungsprozessrecht, Rn. 909. 84 Vgl. Hufen, § 19 Rn. 35; Hüttenbrink, in: Kuhla / Hüttenbrink / Endler, D Rn. 23 – zu den allgemeinen verwaltungsgerichtlichen Sachurteilsvoraussetzungen; Schenke, Verwaltungsprozessrecht, Rn. 902 – zu § 47 VwGO. 85 BVerwGE 108, 182 (185); BVerwG NVwZ 1992, 662 (663). 86 Hüttenbrink, in: Kuhla / Hüttenbrink / Endler, D Rn. 22 – zu den allgemeinen verwaltungsgerichtlichen Sachurteilsvoraussetzungen. 87 Allorio, ZZP 67 (1954), 321 (323). 88 Pohle, FS Lent, S. 195 (205). 89 Pohle, FS Lent, S. 195 (204 f.). 90 Pohle, ZZP 81 (1968), 161 (174). 91 Schumann, FS Fasching, S. 439 (446 f.). 82 83

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tikpunkt, der dieser Sachurteilsvoraussetzung entgegengehalten wird. So bemängelt Ekkehard Schumann das Rechtsschutzbedürfnis sei zu unbestimmt, zu vielgestaltig, zu wenig präzise und nicht generell fassbar.92 Wegen seiner unbegrenzten Weite biete es immer wieder den „Unterschlupf“ oder das „Sammelbecken“ für ungelöste prozessuale Überlegungen. Nicht selten griffen die Gerichte93 kurzerhand zum Rechtsschutzbedürfnis, um eine Klage als unzulässig anzusehen, obwohl für den vorliegenden prozessualen Mangel präzise andere Prozessinstitute bereitstünden. Aber es sei meist bequemer, einfach vom fehlenden Rechtsschutzbedürfnis zu sprechen, als genau zu untersuchen, ob es sich beispielsweise um einen Fall entgegenstehender Rechtskraft oder Rechtshängigkeit handele.94 Richtigerweise darf das Rechtsschutzbedürfnis nicht zum „Unterschlupf“ für scheinbar nicht anders zu lösende Probleme werden.95 Bei einer Klage, die bereits aus anderen Gründen unzulässig ist, besteht kein Bedürfnis, überhaupt nach dem Rechtsschutzbedürfnis zu fragen.96 5. Vorwegnahme der Sachentscheidung durch das Rechtsschutzinteresse Ein weiterer Kritikpunkt richtet sich gegen „Bequemlichkeitsentscheidungen“97 und damit gegen die mögliche Vorwegnahme der Sachentscheidung durch das Rechtsschutzinteresse. So zeigt Ekkehard Schumann im Anschluss an Hans W. Fasching die Gefahr auf, dass der diffuse Inhalt des Rechtsschutzbedürfnisses dazu verleite, anstatt einer Sachentscheidung ein Prozessurteil auf Abweisung der Klage zu fällen.98 Über das Rechtsschutzbedürfnis könne es daher zu einer Verweigerung der Sachentscheidung kommen, was eine Vermengung des Prozessrechts mit materiell-rechtlichen Gesichtspunkten darstelle.99 Rudolf Pohle stellt klar, es sei die Aufgabe des materiellen Rechts darüber zu entscheiden, wann und wieweit ein Recht überhaupt bestehe. Er verweist auf Friedrich Lent, der seit jeher darauf hingewiesen habe, dass die meisten Fälle, in denen häufig

Vgl. Schumann, FS Fasching, S. 439 (440). So habe etwa das BVerfG schon seit Beginn seiner Rechtsprechung den Begriff „Rechtsschutzbedürfnis“ bisweilen recht unbekümmert verwendet (Schumann, FS Fasching, S. 439 [445]). 94 Schumann, FS Fasching, S. 439 (443); vgl. auch die ablehnende Haltung Spanners gegenüber der „derartig allgemeinen Sachurteilsvoraussetzung“ (Spanner, FS Jahrreis, S. 411 [425 f.]). 95 Bötticher, FG Rosenberg, S. 73 (74); zustimmend Baumgärtel, ZZP 67 (1954), 423 (428). 96 Pohle, FS Lent, S. 195 (208). 97 Roth, in: Stein / Jonas, ZPO, 22. Aufl., vor § 253 Rn. 139. 98 Schumann, FS Fasching, S. 439 (441). 99 Schumann, FS Fasching, S. 439 (442). 92 93

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8. Kap.: Rechtsschutzinteresse

von dem prozessualen Mangel des Fehlens der Klagbarkeit gesprochen werde, in Wahrheit Fälle materieller Mängel darstellten. Es bestehe kein Anlass, neben dem materiellen Mangel einen prozessualen Mangel anzunehmen. Für das Gericht sei es keine größere Belastung, wenn die Klageabweisung durch Sachurteil statt durch Prozessurteil ausgesprochen werde. Wenn man den Grundsatz, dass materiell-rechtliche Mängel für sich allein nicht zur Verneinung des Rechtsschutzbedürfnisses führen könnten, nicht anerkennen wolle, müsse man folgerichtig Klagen überhaupt nicht mehr als unbegründet, sondern nur noch wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses als unzulässig abweisen.100 Offenkundig werde der Anspruch auf Rechtsschutz empfindlich tangiert, falls ein Gericht eine Klage nicht sachlich behandelte, sondern unter Anrufung des Rechtsschutzbedürfnisses die Sachentscheidung verweigere.101 Ein Sachurteil wird dem Rechtsbewährungszweck erschöpfender gerecht als eine Prozessabweisung.102 Auch Gottfried Baumgärtel betont nachdrücklich eine Vorwegnahme der Sachentscheidung widerspreche „der Struktur unseres Verfahrens“.103 Trotz solcher und ähnlicher Aussagen finden sich in der Rechtsprechung immer wieder Prozess- statt Sachabweisungen.104 6. Grundsätzliche Unterschiede zwischen den Verfahren Unabhängig von der dargestellten Kritik kann das Erfordernis des Rechtsschutzinteresses nur dann in Betracht kommen, wenn keine grundsätzlichen Unterschiede zwischen den Verfahrensarten entgegenstehen.105 a) Subjektive Gesichtspunkte Soweit die „eigene, gegenwärtige und unmittelbare Betroffenheit“, ein „individuelles“, „gegenwärtiges, prozessuales und schutzwürdiges“, Interesse oder „ein konkretes praktisches Ziel“ des Antragstellers Voraussetzung ist bzw. das Rechtsschutzinteresse abgelehnt wird, wenn er „mit der begehrten gerichtlichen Entscheidung seine Rechtsstellung aktuell nicht verbessern kann“ oder ihm „kein Vorteil aus tatsächlichen Gründen“ erwächst oder weitere subjektive Gesichtspunkte des Antragstellers entscheidend sind,106 kann dies nicht auf das Popularklageverfahren übertragen werden. Insofern stehen grundsätzliche Unterschiede zwischen den Ver100 101 102 103 104 105 106

Pohle, FS Lent, S. 195 (213). Schumann, FS Fasching, S. 439 (445). Pohle, FS Lent, S. 195 (217). Baumgärtel, ZZP 67 (1954), 423 (430). Schumann, FS Fasching, S. 439 (442 Fußn. 23). Vgl. oben § 3 C. V. (S. 75). Vgl. oben § 39 A. III. 2. (S. 270).

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fahrensarten entgegen. Denn diese Zulässigkeitsvoraussetzungen sollen gerade Popularbeschwerden ausschließen.107 So stellte das Bundesverfassungsgericht 1951 fest: „Die rechtliche Möglichkeit aber, eine durch einen Rechtssatz vermeintlich erfolgte Grundrechtsverletzung allgemein und ohne eigene Verletzung zu rügen, ist dem einzelnen Staatsbürger durch die Verfassungsbeschwerde nicht gegeben, da das Gesetz die sogenannte Popularklage nicht zugelassen hat.“108

Die Bayerische Popularklage setzt subjektive Momente der persönlichen Betroffenheit nicht voraus. Dieser grundlegende Unterschied der Popularklage im Vergleich zu anderen Verfahrensarten schließt daher das Erfordernis des Rechtsschutzinteresses in Fällen aus, in denen solche auf die Person des Antragstellers bezogenen persönlichen Gesichtspunkte gefordert sind. Fraglich ist indes, ob das Rechtsschutzinteresse überhaupt von diesen persönlichen Gesichtspunkten getrennt werden kann. Denn es besteht eine enge Verbindung des Bestehens eines Rechtsschutzbedürfnisses mit dem Schutz subjektiver Rechte und Pflichten.109 So fordert Rudolf Pohle für die Verfassungsbeschwerde gemäß Art. 120 BV das Vorliegen eines Feststellungsinteresses, da dieses Verfahren die Rechte des Einzelnen, nicht hingegen die Interessen der Allgemeinheit schützen wolle. Halte man ein solches nicht für erforderlich, bilde man die Verfassungsbeschwerde zur Popularklage um.110 Das Bundesverfassungsgericht führt aus: „Der Gedanke des Rechtsschutzinteresses setzt begrifflich ein gerichtliches Verfahren zum Schutz subjektiver ‚Rechte‘ voraus, ein Verfahren also, in dem über einen ‚Anspruch‘ des Antragstellers entschieden wird. Hier handelt es sich um einen Rechtsstreit, in welchem dem Antragsteller ein Antragsgegner gegenüber stehen muß. Im Verfahren der Normenkontrolle hingegen gibt es zwar einen Antragsberechtigten. Es kann aber keinen Anspruchsberechtigten geben, denn dieses Verfahren ist ein seinem Wesen nach von subjektiven Berechtigungen unabhängiges objektives Verfahren zum Schutze der Verfassung und dient lediglich der Prüfung von Rechtsnormen am Maßstab des Grundgesetzes, nicht aber dem Schutze einer Rechtsstellung der Antragsteller.“111

Die subjektive Schutzfunktion der Verfahrensart ist insofern als unabdingbare Voraussetzung der Sachurteilsvoraussetzung anzusehen.112 Rechtsschutzbedürfnis und objektives Verfahren schließen einander aus.113 In verfassungsgerichtlichen Verfahren ist daher anhand deren Funktionen zu unterscheiden. Nur in Verfahren, in denen das Verfassungsgericht über behauptete oder verletzte, bestrittene und gefähr107 108 109 110 111 112 113

Hillgruber / Goos, Verfassungsprozessrecht, Rn. 166. BVerfGE 1, 91 (96). Engelmann, S. 72. Pohle, FS Rosenberg, S. 145 (180 f.). BVerfGE 1, 396 (407); vgl. auch BVerfGE 52, 63 (80). Engelmann, S. 72. Söhn, FG 25 Jahre BVerfG, Band I, S. 292 (304).

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8. Kap.: Rechtsschutzinteresse

dete Rechte, über Pflichten oder Kompetenzen zu entscheiden hat, kann das Vorhandensein eines Rechtsschutzinteresses – sofern man diese Sachurteilsvoraussetzung aus den bereits dargelegten Gründen nicht gänzlich ablehnt – für die Zulässigkeit des Rechtsbehelfs überhaupt erforderlich sein114. Für das Erfordernis des Rechtsschutzinteresses ist hingegen in solchen Verfahren kein Raum, die nicht in erster Linie dem Schutz des Einzelnen, sondern überwiegend der Wahrung der Verfassung dienen. Im Rahmen eines abstrakten Normenkontrollverfahrens ist daher kein Rechtsschutzbedürfnis erforderlich115, da es unabhängig von subjektiven Berechtigungen dem öffentlichen Interesse dient.116 Für die Erhebung einer Popularklage, die den Schutz der Grundrechte als Institution zum Ziel hat, ist daher kein Rechtsschutzinteresse des Antragstellers erforderlich.117 b) Objektive Gesichtspunkte Für objektive Verfahren fordern jedoch verschiedene Stimmen in der Literatur das Vorliegen eines Klarstellungsbedürfnisses118 bzw. Klarstellungsinteresses119 unter objektiven Gesichtspunkten. Dieses entspreche inhaltlich in etwa dem Rechtsschutzbedürfnis, nur gehe es um ein objektives Interesse, nicht um ein subjektives Interesse des Antragstellers120. Kontrollbedürfnis und Antragsteller seien also nicht miteinander verknüpft121. Mit dieser Unterscheidung ließe sich auch erklären, weshalb der Bayerische Verfassungsgerichtshof ein „besonderes Rechtsschutzinteresse“ des Antragstellers in Popularklageverfahren nicht für erforderlich hält122, wohl hingegen ein sozusagen „allgemeines“ Rechtsschutzinteresse. Dies entspricht auch den Ausführungen Theodor Meders, auf die sich der Gerichtshof bezieht.123 Soweit man dem Ansatz des Erfordernisses eines Klarstellungsinteresses in objektiven Verfahren – trotz der dargestellten Kritik – folgt, kann man diesen auf die Popularklage übertragen. Grundsätzliche Unterschiede zwischen den Verfahren stehen insoweit nicht entgegen.

Vgl. Hoppe, in: Starck / Stern, LVG II, 257 (297). BVerfGE 100, 249 (257 f.). 116 Hoppe, in: Starck / Stern, LVG II, 257 (297 f.); vgl. auch Bodo, S. 148 f.; Spanner, FS Jahrreis, S. 411 (417). 117 Hoppe, in: Starck / Stern, LVG II, 257 (298); vgl. auch Sachs, Verfassungsprozessrecht, Rn. 103. 118 Söhn, FG 25 Jahre BVerfG, Band I, S. 292 (304). 119 Fleury, Rn. 106; Graßhof, in: Umbach / Clemens / Dollinger, BVerfGG, § 76 Rn. 31, Papier, in: Merten / ders., HGR III, § 80 Rn. 25; Pestalozza, Verfassungsprozeßrecht, § 8 Rn. 14. 120 Fleury, Rn. 106; Söhn, FG 25 Jahre BVerfG, Band I, S. 292 (304). 121 Söhn, FG 25 Jahre BVerfG, Band I, S. 292 (305). 122 Vgl. die Nachweise in Fußn. 1 (8. Kapitel). 123 Vgl. dazu oben § 38 C. (S. 266). 114 115

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7. Vorliegen einer Regelungslücke Die Anwendung eines allgemeinen Prozessgrundsatzes ist ausgeschlossen, sofern das jeweilige Verfahrensrecht eine entgegenstehende Regelung trifft.124 Insofern könnte im Bezug auf das Popularklageverfahren darauf verwiesen werden, dass der bayerische Gesetzgeber das Klagerecht bewusst einem weiten Kreis Antragsberechtigter zuerkannt und nur durch wenige Zulässigkeitsvoraussetzungen eingeschränkt hat. Das Erfordernis eines Klarstellungsinteresses begrenzt hingegen den Rechtsschutz und schränkt ihn ein.125 Gleichwohl kann in Bezug auf die objektiven Gesichtspunkte, die für das Vorliegen eines Klarstellungsinteresses erforderlich sind, nicht von einer entgegenstehenden Regelung des BayVerfGHG ausgegangen werden.

B. Anwendungsbereich I. Ältere Rechtsprechung Den Anwendungsbereich des Rechtsschutz- bzw. Klarstellungbedürfnisses hat der Bayerische Verfassungsgerichtshof in der älteren Rechtsprechung unter verschiedenen Gesichtspunkten geprüft. Zuzustimmen ist ihm in seinem Grundsatz, wonach für die Zulässigkeit einer Popularklage maßgebend sein müsse, ob die angefochtene Norm noch eine rechtliche Wirkung in die Gegenwart herein äußere und ein Rechtsschutzinteresse somit grundsätzlich nicht erforderlich sei.126 Kein Anwendungsbereich ist für die Sachurteilsvoraussetzung gegeben, soweit sie der Gerichtshof in älteren Entscheidungen im Zusammenhang mit der Frage erläutert, ob eine Beschwerde aufgrund einer Wiederholung unzulässig ist127; dies stellt vielmehr ein Problem der entgegenstehenden Rechtskraft dar128. Soweit das Gericht in diesem Zusammenhang die Frage anspricht, ob eine Popularklage gegen eine bereits aufgehobene Norm zulässig ist129, ist ein Abstellen auf das Rechtsschutzbedürfnis ebenfalls nicht erforderlich. Diese ist im Rahmen der Zulässigkeit des Verfahrensgegenstandes zu beantworten.130 In der Entscheidung vom 29. April 1993131 lehnte der Verfassungsgerichtshof die Popularklage letztlich deswegen ab, weil auch eine Nichtigerklärung der Norm Vgl. oben § 3 C. V. (S. 75). Vgl. Pohle, FS Lent, S. 195 (204). 126 Vgl. oben § 38 A. I. (S. 259), insbesondere das Zitat bei Fußn. 11 (8. Kapitel). 127 Vgl. oben § 38 A. II. (S. 260). 128 Vgl. hierzu ausführlich 5. Kapitel: Wiederholung einer Popularklage – entgegenstehende Rechtskraft (S. 151). 129 Vgl. oben § 38 A. II. 2. (S. 260). 130 Vgl. hierzu § 16 (S. 117); der BayVerfGH stellt in diesem Zusammenhang darauf ab, ob ein „Feststellungsinteresse“ vorliegt. 131 BayVerfGHE 46, 137; vgl. oben § 38 A. II. 3. (S. 261). 124 125

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8. Kap.: Rechtsschutzinteresse

keine unmittelbaren rechtlichen Wirkungen mehr entfaltet hätte. Denn die Klägerin und frühere Eigentümerin eines Grundstücks hatte aufgrund des Vollzugs der angefochtenen Norm sein Eigentum verloren. Diese Vollzugsmaßnahmen waren rechtskräftig abgeschlossen. Daher hätte die Klägerin sein Eigentum auch mit einer erfolgreichen Popularklage nicht wieder zurückerlangen können.132 Die Popularklage ist indes unabhängig davon, ob man ein Klarstellungsinteresse für erforderlich und gegeben hält, unzulässig. Denn der Verfassungsgerichtshof hat die Verfassungsmäßigkeit der Norm zum Zeitpunkt der Entscheidung zu beurteilen. In diesem war die – insofern allein betroffene – Klägerin nicht mehr Eigentümerin und konnte daher nicht in ihrem Eigentumsrecht am Grundstück verletzt sein. Die substantiierte Darlegung einer Grundrechtsverletzung war daher nicht möglich.133

II. Jüngere Rechtsprechung Der Bayerische Verfassungsgerichtshof bezweifelt in seiner jüngeren Rechtsprechung das Vorliegen eines Rechtsschutzbedürfnisses, wenn von seiner Entscheidung keine abweichenden oder weitergehenden Ausführungen zu erwarten seien, als sie vom Bundesverfassungsgericht bereits vorlägen.134 Die Verwerfung einer solchen Popularklage als unzulässig wäre nicht mit der Funktion der Popularklage vereinbar. Aufgabe des Verfassungsgerichtshofs ist im Rahmen des Art. 98 Abs. 4 BV in erster Linie der Grundrechtsschutz durch die Nichtigerklärung verfassungswidriger Rechtsvorschriften. Das Treffen verfassungsrechtlicher Aussagen ist damit zwar verbunden und spielt für die Rechtspraxis eine wichtige Rolle, steht aber keineswegs im Vordergrund des Zwecks der Popularklage. Gerade in Fällen, in denen die Verfassungswidrigkeit einer Norm offensichtlich vorliegt, ist nicht mit „weitergehenden“ Ausführungen des Gerichts zu rechnen. Dieser Umstand kann aber nicht zur Unzulässigkeit einer Beschwerde führen. So erklärte der Verfassungsgerichtshof Regelungen der Verordnung über das Leichenwesen der Stadt Nürnberg für nichtig.135 Zahlreiche weitere bayerische Gemeinden hatten inhaltlich weitgehend übereinstimmende Rechtsvorschriften erlassen, die ebenfalls Gegenstand von Popularklagen waren.136 In diesen weiteren Verfahren war nicht mit „weitergehenden“ Ausführungen des Gerichts, wohl aber mit der Nichtigerklärung der entsprechenden Regelungen zu rechnen. Die Verwerfung der Beschwerden als unzulässig aufgrund des Fehlens des Rechtsschutzinteresses wäre mit der Funktion der Popularklage nicht vereinbar.

Vgl. BayVerfGHE 46, 137 (139 f.). Vgl. hierzu oben 4. Kapitel: Substantiierte Darlegung einer Grundrechtsverletzung (S. 261). 134 Vgl. oben § 38 B. III. (S. 264). 135 BayVerfGHE 55, 66. 136 Vgl. BayVerfGH Entscheidung vom 16. 12. 2002, Vf. 15-VII-00, veröffentlicht in juris; BayVerfGH Entscheidung vom 15. 11. 2004, Vf. 5-VII-04, veröffentlicht in juris; BayVerfGH Entscheidung vom 16. 11. 2004, Vf. 4-VII-04, veröffentlicht in juris. 132 133

§ 39 Bewertung der Rechtsprechung

279

Mit der in der Entscheidung zum Glücksspielwesen getroffenen Aussage, ein Rechtsschutzbedürfnis hätte wohl allenfalls im Hinblick auf die angestrebte Nichtigkeitserklärung bejaht werden können (vgl. das Zitat bei Fußn. 34), geht der Bayerische Verfassungsgerichtshof auf die Besonderheit des konkreten Falles ein, in dem das Bundesverfassungsgericht die verfahrensgegenständlichen Vorschriften bereits für grundgesetzwidrig erklärt, sie jedoch für eine Übergangszeit für weiter anwendbar erklärt hatte. Die daraufhin angestrengte Popularklage verfolgte im Ergebnis „nur“ das Ziel, eine Nichtigerklärung des Verfassungsgerichtshofs zu erreichen, um die vom Bundesverfassungsgericht zugelassene Übergangszeit zu „verhindern“. Das Abstellen auf das Vorliegen eines Rechtsschutzbedürfnisses ist in dieser Fallgestaltung aber nicht erforderlich. Nach Ablauf der Übergangszeit sind die betroffenen Rechtsvorschriften nicht mehr anwendbar und stellen keinen zulässigen Verfahrensgegenstand mehr dar. Sollte der Bayerische Verfassungsgerichtshof innerhalb der Zeit, in der das Bundesverfassungsgericht die Norm für weiter anwendbar erklärte, zu dem Ergebnis kommen, dass diese mit der Bayerischen Verfassung nicht vereinbar ist, stellt sich für den Verfassungsgerichtshof – ebenso wie zuvor für das Bundesverfassungsgericht – die Frage, ob er die Norm für nichtig erklärt oder sich auf eine Verfassungswidrigerklärung beschränkt und die Norm ebenfalls für eine bestimmte, beispielsweise die selbe, Übergangszeit für anwendbar erklärt.137

Soweit der Gerichtshof an dem Vorliegen eines objektiven Interesses an einer Entscheidung und damit an der Zulässigkeit einer Popularklage zweifelt, sofern für eine (Übergangs-)Regelung kein Anwendungsbereich mehr besteht, ist ein Rückgriff auf das Klarstellungsinteresse nicht erforderlich und deshalb abzulehnen. Denn soweit kein Anwendungsbereich für eine gegenständliche Norm besteht, kann diese kein Grundrecht verletzen. Eine dennoch erhobene Popularklage kann das Vorliegen einer solchen Verletzung nicht substantiiert darlegen und ist aus diesem Grund unzulässig.138 So stellt der Gerichtshof in der entsprechenden Entscheidung zu Übergangsregelungen der JAPO fest, dass die beanstandete Norm nur Teilnehmer der Ersten Juristischen Staatsprüfung beträfen, die spätestens zum Termin 2006 / 2 zugelassen waren und die Prüfung spätestens im Termin 2008 / 2 abgelegt hatten. Nach dem rechtskräftigen Abschluss dieses Prüfungstermins ist kein Grundrechtsträger mehr von der Norm betroffen. Daher ist eine Grundrechtsverletzung nicht mehr möglich. Die Übergangsregelung ist dennoch geltendes Recht. Die Ausführungen sowie der Literaturnachweis139 des Verfassungsgerichtshofes zeigen, dass dieser die Frage, ob ein objektives Interesse an der Feststellung der Verfassungsmäßigkeit einer außer Kraft getretenen Rechtsvorschrift vorliegt, mit dem hier vorliegenden Fall einer nicht außer Kraft getretenen Norm vermischt. Diese beiden Konstellationen sind jedoch zu trennen.

Dem Gerichtshof ist insofern zuzustimmen, als er ein Rechtsschutzbedürfnis nicht für Beschwerden gegen Bebauungspläne verneint; auch wenn diese zeitlich Vgl. hierzu ausführlich unten § 51 (S. 339). Vgl. hierzu ausführlich oben 4. Kapitel: Substantiierte Darlegung einer Grundrechtsverletzung (S. 136). 139 BayVerfGH BayVBl. 2010, 594 (595) verweist auf Meder, BV, Art. 98 Rn. 11, der an dieser Stelle die Prüfung außer Kraft getretener Rechtsvorschriften kommentiert. 137 138

280

8. Kap.: Rechtsschutzinteresse

befristet außer Kraft gesetzt sein mögen oder auf ihrer Grundlage bereits bestandskräftige Baugenehmigungen erteilt wurden140. Denn solange eine Norm Rechtswirkungen entfaltet, kann sie Gegenstand einer Popularklage sein. Dies ist jedoch keine Frage des Klarstellungsinteresses, sondern des zulässigen Verfahrensgegenstandes.141

III. Sonstige Fälle Die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs weist somit keinen Fall auf, in dem ein Anwendungsbereich für das Klarstellungsinteresse gegeben ist. Daher ist die Frage zu beantworten, ob ein solcher in sonstigen Fällen bestehen kann. Zumindest soweit das Rechtsschutzinteresse im Rahmen des Missbrauchs oder der Verwirkung142 des Antragsrechts behandelt wird, ist dies zu verneinen.143 Ein Rückgriff auf das Klarstellungsinteresse ist in diesen Fällen nicht erforderlich. Anwendung könnte die Sachurteilsvoraussetzung somit nur im Zusammenhang mit dem Grundsatz der „Effizienz staatlichen Handelns“ finden. Sie könnte insofern die Normprüfung durch den Gerichtshof in solchen Fällen verhindern, deren Ergebnisse für den Schutz der Grundrechte „wertlos“ sind und daher des Rechtsschutzes „nicht bedürfen“.144 So sind Situationen denkbar, in denen die Grundrechtsbeeinträchtigung auch bei einer stattgebenden Entscheidung nicht entfällt. Beispielsweise deshalb, weil eine bundesrechtliche Norm dieselbe Regelung trifft. Eine solche kann der Bayerische Verfassungsgerichtshof aber nicht für nichtig erklären. So hatte der Verfassungsgerichtshof in Bezug auf die Notarkasse über eine Popularklage zu entscheiden, die die Aufnahme der Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz vom 18. April 1925 in die Bayerische Rechtssammlung angriff. Der Beschwerdeführer bestritt damit die Rechtsfähigkeit der Notarkasse. Der Gerichtshof lehnte die Klage aufgrund mangelnder „landesrechtlicher Substanz“ als unzulässig ab.145 Er führt in der Begründung aus, die angegriffene Bekanntmachung entfalte keine gegenüber der bundesrechtlichen Regelung

Vgl. oben § 38 B. I. (S. 262) sowie § 38 B. IV. (S. 265). Vgl. hierzu ausführlich § 16 (S. 117). 142 Die Ausführungen in BVerfG 3. Kammer des Zweiten Senats NJW 2003, 1514 (1515) zeigen beispielsweise deutlich, dass die Kammer im Rahmen des Rechtsschutzinteresses inhaltliche Gesichtspunkte anspricht, die andernorts im Zusammenhang mit dem Vorliegen eines Missbrauchs oder einer Verwirkung thematisiert werden. Die Kammer führt aus: „So kann das Rechtsschutzbedürfnis auch entfallen, wenn die verspätete Geltendmachung eines Anspruchs gegen Treu und Glauben verstößt. Dies ist anzunehmen, wenn der Berechtigte sich auf sein Recht beruft und unter Verhältnissen untätig bleibt, unter denen vernünftigerweise etwas zur Wahrung des Rechts unternommen zu werden pflegt.“ Vgl. hierzu oben § 35 A. II. 2. (S. 238), insbesondere bei Fußn. 63 (7. Kapitel). 143 Vgl. hierzu ausführlich 6. Kapitel: Missbrauch des Klagerechts (S. 211), 7. Kapitel: Verwirkung der Antragsbefugnis (S. 228). 144 Vgl. oben § 39 A. III. 1. (S. 269). 145 BayVerfGHE 62, 71 (75 f.). 140 141

§ 40 Zusammenfassung

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des § 113 Abs. 1 Sätze 1 und 2 BNotO146 hinausgehende Wirkung. Ein Wegfall der Bekanntmachung hätte keine Änderung der Rechtslage zur Folge.147

Auch in einem solchen Fall ist es jedoch abzulehnen, die Popularklage auf Grund des vermeintlich fehlenden Klarstellungsinteresses als unzulässig zu verwerfen. Denn auch hier kann der Verfassungsgerichtshof grundsätzliche Aussagen zum Schutz der Grundrechte treffen. Die entsprechende Entscheidung muss nicht zwangsläufig „wertlos“ sein. Die geringe praktische Bedeutung der Frage des Vorliegens eines Rechtsschutzbedürfnisses zeigt außerdem, dass die Effizienz der Arbeit des Verfassungsgerichtshofs nicht vom Erfordernis des Klarstellungsinteresses abhängt. Vor diesem Hintergrund kann den Ausführungen Peter Lerches nicht zugestimmt werden, wonach die Voraussetzung eines Klarstellungsinteresses erforderlich sei, wenn das Popularklageverfahren „nicht nur auf der Spielwiese geübt“ werden solle148. Auf die Einführung einer zusätzlichen, gesetzlich nicht verankerten Zulässigkeitshürde, ist daher zu verzichten.

§ 40 Zusammenfassung Der Bayerische Verfassungsgerichtshof führt in ständiger Rechtsprechung aus, ein besonderes Rechtsschutzinteresse setze die Popularklage nicht voraus, da sie den Schutz der Grundrechte als Institution bezwecke.149 Allerdings geht er unter verschiedenen Gesichtspunkten auf die Frage ein, ob das Rechtsschutzbedürfnis entfallen sei, etwa weil die Feststellung der Nichtigkeit der Norm den befürchteten Nachteil nicht verhindern könnte.150 In einer Entscheidung verneinte er das Rechtsschutzbedürfnis, da der Antragsteller durch die Feststellung der Nichtigkeit des Bebauungsplans seine Rechtsstellung nicht mehr hätte verbessern können.151 Er lehnt es aber ab, allgemein von einem Fehlen des Rechtsschutzinteresses auszugehen, wenn auf der Grundlage eines verfahrensgegenständlichen Bebauungsplans rechtskräftige Baugenehmigungen erteilt wurden, die durch eine mögliche Nichtigerklärung des Plans unberührt blieben.152 Im Rahmen einer Kostenentscheidung aus dem Jahr 2008 stellt der Verfassungsgerichtshof schließlich erstmals ausdrücklich fest, das Vorliegen eines allgemeinen Rechtsschutzbedürfnisses sei Voraussetzung für die zulässige Erhebung einer Popularklage.153

146 147 148 149 150 151 152 153

Vgl. Fußn. 201 (3. Kapitel). BayVerfGHE 62, 71 (76). Lerche, FS 25 Jahre BayVerfGH, S. 247 (250); vgl. oben § 38 C. (S. 266). Vgl. die Nachweise in Fußn. 1 (8. Kapitel) und Fußn. 2 (8. Kapitel). Vgl. oben § 38 B. I. (S. 262). Vgl. oben § 38 A. II. 3. (S. 261). Vgl. oben § 38 B. IV. (S. 265). Vgl. oben § 38 B. III. (S. 264).

282

8. Kap.: Rechtsschutzinteresse

Diese Zulässigkeitsvoraussetzung kann im Popularklageverfahren nur insofern eine Rechtsgrundlage finden, als man in ihr einen allgemeinen Prozessgrundsatz sieht.154 Dieser Grundsatz stößt in der Literatur allerdings auf Kritik.155 Jedenfalls stehen seiner Anwendbarkeit im Rahmen der Popularklage insofern grundsätzliche Verfahrensunterschiede entgegen, als für das Vorliegen des Rechtsschutzinteresses bestimmte subjektive Interessen des Antragstellers gefordert werden.156 Denkbar ist daher nur das Erfordernis eines Klarstellungsinteresses unter objektiven Gesichtspunkten.157 Doch auch in diesem Rahmen ist im Popularklageverfahren die Einführung einer gesetzlich nicht geregelten Zulässigkeitshürde nicht erforderlich.158 Das Erfordernis eines allgemeinen Rechtsschutzinteresses für die zulässige Erhebung einer Popularklage ist daher abzulehnen.

154 155 156 157 158

Vgl. oben § 39 A. (S. 266). Vgl. oben § 39 A. III. 3. (S. 272). Vgl. oben § 39 A. III. 6. a) (S. 274). Vgl. oben § 39 A. III. 6. b) (S. 276). Vgl. oben § 39 B. (S. 277).

9. Kapitel

Prüfungsmaßstab § 41 Prüfungsmaßstab und Bayerische Verfassung Gemäß Art. 98 Satz 4 BV hat der Verfassungsgerichtshof Normen für nichtig zu erklären, die ein Grundrecht verfassungswidrig einschränken. Diese Formulierung könnte fraglich erscheinen lassen, ob der Prüfungsmaßstab in Popularklageverfahren auf das gesamte Verfassungsrecht zu erstrecken oder auf die Prüfung einer Grundrechtsverletzung zu beschränken ist. Allerdings spricht Art. 55 Abs. 1 Satz 1 BayVerfGHG von der „Verfassungswidrigkeit einer Rechtsvorschrift“, schränkt den Prüfprogramm also nicht auf die Grundrechte ein.

A. Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs Der Bayerische Verfassungsgerichtshof geht in einer frühen Entscheidung von einem auf die Grundrechte eingeschränkten Prüfungsmaßstab aus. So führt er am 15. Oktober 1948 aus: „Einen Antrag aus Art. 98 Satz 4 der Bayer. Verfassung 1946“ … „kann grundsätzlich jedermann stellen.“ … „Einen Antrag aus Art. 92 und 65 der Verfassung“ … „auf Grund dessen der Verfassungsgerichtshof allgemein, d. h. über die Prüfung der Verletzung von Grundrechten hinaus, über die Vereinbarkeit von ‚Gesetzen‘ mit der Bayerischen Verfassung zu entscheiden hätte, könnte jedoch nur ein Gericht stellen.“1 Im vorliegenden Fall habe der Verwaltungsgerichtshof jedoch keinen Antrag gemäß Art. 92 BV gestellt, sondern lediglich einen nach Art. 98 Satz 4 BV gestellten Antrag an den Verfassungsgerichtshof weitergegeben. Dieser könne daher nur prüfen, ob die angefochtene Verordnung Nr. 83 Grundrechte verletze, nicht aber, ob sie auch sonst noch gegen die Verfassung verstoße.2 Im konkreten Fall sah er einen Grundrechtsverstoß jedoch als gegeben an und gab der Popularklage statt.3

1 2 3

BayVerfGHE 1, 64 (68). BayVerfGHE 1, 64 (69). BayVerfGHE 1, 64 (80 f.).

284

9. Kap.: Prüfungsmaßstab

Bereits am 27. November 1948 sagt der Gerichtshof in Bezug auf diese Entscheidung: „An dieser Auffassung ist grundsätzlich festzuhalten, doch ergibt sich eine Ausnahme, wenn der Verfassungsgerichtshof selbst in einem nach Art. 98 S. 4 BV. bei ihm anhängig gewordenen Verfahren zu der Überzeugung gelangt, daß das betreffende Gesetz aus anderen verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten z. B. wegen Verletzung rechtsstaatlicher Grundsätze, verfassungswidrig ist. In einem solchen Falle hat er bei seiner Entscheidung auch diese anderen Gesichtspunkte zu berücksichtigen. Das ergibt sich aus seiner Aufgabe als Hüter der Verfassung“.4

Im Ergebnis weitet das Gericht mit dieser Aussage den Prüfungsmaßstab in Popularklageverfahren auf die gesamte Bayerische Verfassung aus. So formuliert es im Jahr 1955: „Kommt der Gerichtshof bei der Sachprüfung zu der Überzeugung, daß die angefochtenen Rechtsnormen zwar kein Grundrecht verfassungswidrig einschränken, aber aus anderen Gründen gegen die Bayerische Verfassung verstoßen, so hat er dies nach seiner ständigen Rechtsprechung bei der Entscheidung zu berücksichtigen.“5

Die Erstreckung des Prüfungsmaßstabs auf die gesamte Bayerische Verfassung entspricht nunmehr gefestigter Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs. Er führt aus: „Ist eine Popularklage in zulässiger Weise erhoben, erstreckt der Verfassungsgerichtshof seine Prüfung auf alle in Betracht kommenden Normen der Bayerischen Verfassung, selbst wenn sie nicht als verletzt bezeichnet worden sind oder wenn sie keine Grundrechte verbürgen“.6

Allerdings enthält die Verfassung Bestimmungen, die der Gesetzgeber nicht verletzen kann und die demzufolge in der Prüfung keine Rolle spielen. So binde der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung (Art. 55 Nr. 1 BV) die vollziehende Gewalt an die Verfassung und an die Gesetze. Er sei daher kein geeigneter Maßstab für die Überprüfung von Gesetzen im Popularklageverfahren.7 Ebenfalls prüft das BayVerfGHE 1, 81 (85). BayVerfGH VerwRspr 9 (1957), 393 (394). 6 BayVerfGHE 55, 57 (60); vgl. auch BayVerfGHE 48, 17 (22); 48, 87 (94); 48, 99 (103); 48, 109 (113); 48, 119 (122 f.); 48, 137 (141); 49, 111 (114); 49, 120 (123); 50, 67 (71); 50, 76 (96); 50, 129 (135); 51, 1 (13); 51, 74 (81); 51, 94 (99); 52, 47 (56); 54, 1 (6); 54, 36 (39); 54, 109 (135); 55, 1 (6); 55, 57 (60); 55, 66 (69 f.); 55, 98 (109); 55, 123 (128); 55, 160 (165); 56, 1 (4); 56, 57 (62); 56, 75 (87); 56, 99 (103); 56, 148 (160); 56, 178 (185); 56, 198 (202); 57, 30 (34); 57, 48 (52); 57, 84 (93); 57, 113 (119); 57, 129 (135); 57, 156 (158); 57, 161 (164); 57, 175 (178); 58, 1 (17); 58, 77 (91); 58, 94 (98); 58, 196 (202); 58, 253 (260); 59, 1 (10); 59, 63 (68); 59, 80 (93); 59, 134 (138); 59, 219 (223); 60, 1 (5); 60, 71 (74); 60, 80 (87); 60, 101 (107); 60, 167 (170); 60, 179 (181); 60, 184 (211); 60, 234 (244); 61, 1 (3); 61, 9 (12); 61, 36 (43); 61, 47 (50 f.); 61, 55 (58); 61, 125 (127); 61, 130 (133); 61, 140 (143); 61, 161 (165); 61, 214 (220); 61, 248 (253); 61, 262 (269); 62, 30 (36); 62, 79 (92); 62, 113 (117); 62, 121 (126); 62, 156 (159); BayVerfGH BayVBl. 2002, 558; 2011, 433; BayVerfGH DVBl. 2005, 436. 4 5

§ 41 Prüfungsmaßstab und Bayerische Verfassung

285

Gericht nicht, ob der Normgeber die vernünftigste, gerechteste oder zweckmäßigste Lösung getroffen habe.8 Auch eine Norm der Bayerischen Verfassung selbst kann zulässiger Verfahrensgegenstand sein.9 In diesem Zusammenhang stellt der Verfassungsgerichtshof fest: „Es gibt Verfassungsgrundsätze, die so elementar und so sehr Ausdruck eines auch der Verfassung vorausgehenden Rechts sind, dass sie den Verfassungsgeber selbst binden und dass andere Verfassungsbestimmungen, denen dieser Rang nicht zukommt, wegen eines Verstoßes gegen sie nichtig sein können“.10 „Der Bayerische Verfassungsgerichtshof faßt die elementaren Grundrechte als dem positiven Recht vorausliegende, allen Menschen zustehende natürliche Rechte auf, die die Staatsgewalt beschränken und für sie eine unübersteigbare Schranke bilden.“11

Diese elementaren Verfassungsgrundsätze sind somit Maßstab für die Prüfung einer Verfassungsbestimmung. Hierzu zählt der Gerichtshof beispielsweise das Willkürverbot des Art. 118 Abs. 1 BV, das Recht auf Achtung der Menschenwürde (Art. 100 BV) sowie die Bestimmung des Art. 75 Abs. 1 Satz 2 BV, wonach Verfassungsänderungen, die den demokratischen Grundgedanken der Verfassung widersprechen, unzulässig sind.12

B. Bewertung der Rechtsprechung Durch die Erstreckung des Prüfungsmaßstabes auf die gesamte Bayerische Verfassung verleiht der Bayerische Verfassungsgerichtshof der Popularklage zusätzliches Gewicht13 und sichert in Übereinstimmung mit der Funktion der Popularklage einen umfassenden Grundrechtsschutz. Denn nur ein formell und materiell verfassungsgemäßes Gesetz ist geeignet, den Gewährleistungsinhalt eines Grundrechts in dem in der Verfassung vorgesehenen Maße zu konkretisieren oder ein Grundrecht, soweit zulässig, einzuschränken.14 Dieser Rechtsprechung ist daher ebenso zuzustimmen wie der Auffassung, wonach elementare Verfassungsgrundsätze auch den verfassungsändernden Gesetzgeber binden15. BayVerfGHE 59, 119 (121). Vgl. BayVerfGHE 49, 37 (62); 51, 74 (87); 56, 148 (169); 59, 134 (141). 9 Vgl. hierzu oben § 15 A. I. (S. 103). 10 BayVerfGHE 59, 125 (127); vgl. auch BayVerfGHE 54, 109 (159). 11 BayVerfGHE 2, 45 (47). 12 BayVerfGHE 54, 109 (159 f.); vgl. auch die ausführliche Übersicht zum „überpositiven Recht“ der Bayerischen Verfassung bei Knöpfle, in: Nawiasky / Schweiger / Knöpfle, BV, vor Art. 98 Rn. 12 f. 13 Steiner, NVwZ 1992, 48. 14 Vgl. etwa Kruis, FS 50 Jahre BayVerfGH, S. 63 (74); siehe zu diesem Gedanken des Elfes-Urteils auch oben § 21 B. (S. 139). 15 Lindner, in: Lindner / Möstl / Wolff, BV, Art. 3 Rn. 18. 7 8

286

9. Kap.: Prüfungsmaßstab

§ 42 Prüfungsmaßstab und Bundesrecht A. Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs I. Prüfung eines Verstoßes gegen Bundesrecht 1. Keine unmittelbare Prüfung anhand bundesrechtlicher Normen Der Bayerische Verfassungsgerichtshof prüft im Popularklageverfahren landesrechtlichte Rechtsvorschriften nicht unmittelbar am Maßstab des Bundesrechts. Er sieht Popularklagen als unzulässig an, soweit der Antragsteller die Überprüfung der gegenständlichen Normen anhand des Grundgesetzes16 oder einfachem Bundesrechts17 – etwa § 138 Abs. 2 BGB18 – begehrt. Im Popularklageverfahren habe er nur über die Vereinbarkeit der angefochtenen Bestimmungen mit der Bayerischen Verfassung zu befinden.19 2. Prüfung eines Verstoßes gegen das Rechtsstaatsgebot aufgrund eines Verstoßes gegen Bundesrecht Eine indirekte Prüfung der verfahrensgegenständlichen Norm des Landesrechts am Maßstab des Bundesrechts hält der Verfassungsgerichtshof hingegen für möglich. So könne ein Verstoß einer Vorschrift des bayerischen Landesrechts gegen Bundesrecht, im Popularklageverfahren insoweit entscheidungserheblich sein, als darin zugleich ein Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip des Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV liege.20 Dies könne auch dann der Fall sein, wenn der bayerische Normgeber offensichtlich den Bereich der Rechtsordnung des Bundes verletze und Landesrecht eindeutig ohne Rechtsetzungsbefugnis schaffe.21 Zu den Voraussetzungen stellt der Verfassungsgerichtshof fest: „Unter dem Blickwinkel des Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV kann der Verfassungsgerichtshof nicht umfassend prüfen, ob der Landesgesetzgeber die rechtlichen oder tatsächlichen Voraussetzungen einer bundesrechtlichen Ermächtigung zutreffend beurteilt und ermittelt und ob er

16 BayVerfGHE 49, 111 (114); 58, 1 (14); 58, 277 (284); 59, 134 (137 f.); 61, 125 (127); 61, 153 (158). 17 Vgl. BayVerfGHE 59, 119 (121). 18 BayVerfGHE 59, 134 (137 f.). 19 BayVerfGHE 48, 17 (26); 49, 111 (114); 50, 226 (266); 52, 47 (61); 56, 148 (161); 58, 1 (14); 58, 94 (105), 59, 134 (137 f.); 61, 9 (14); 61, 55 (63); 61, 125 (127); 62, 23 (29). 20 BayVerfGHE 41, 59 (65); 50, 226 (266); 54, 1 (6); 58, 277 (288); 62, 45 (58); 62, 156 (160). 21 BayVerfGHE 48, 17 (27); 48, 137 (145); 49, 141 (146); 49, 160 (166); 50, 129 (145 f.); 51, 94 (99 f.); 55, 57 (64); 55, 123 (130 f.); 59, 1 (17); 61, 55 (64); 61, 248 (254).

§ 42 Prüfungsmaßstab und Bundesrecht

287

andere bundesrechtliche Vorschriften in ihrer Bedeutung für den Inhalt seiner Regelung richtig eingeschätzt hat.“22 „Das Rechtsstaatsprinzip der Bayerischen Verfassung erstreckt seine Schutzwirkung nicht in den Bereich des Bundesrechts mit der Folge, dass jeder formelle oder inhaltliche Verstoß gegen Bundesrecht zugleich als Verletzung der Bayerischen Verfassung anzusehen wäre.“ … „Ein Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip kann“ … „erst dann angenommen werden, wenn der Widerspruch des bayerischen Landesrechts zum Bundesrecht nicht nur offensichtlich zutage tritt, sondern auch inhaltlich nach seinem Gewicht als schwerwiegender, krasser Eingriff in die Rechtsordnung zu werten ist“.23

Nur eine besonders grobe Verletzung höherrangigen Rechts könne somit dazu führen, einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV anzunehmen.24 Das Vorliegen eines solchen verneint der Verfassungsgerichtshof regelmäßig25. Demgegenüber bejaht er in den Jahren 1995 bis 2009 in keiner Entscheidung eine Verletzung des Rechtsstaatsgebots aufgrund einer Verletzung des Bundesrechts. Eine Verletzung des Rechtsstaatsprinzips verneint der Gerichtshof sogar in einem Fall, in dem aufgrund höchstrichterlicher Bundesrechtsprechung von der Bundesrechtswidrigkeit des Landesrechts auszugehen ist. Ein Beschwerdeführer griff im Jahr 2002 die Regelung des Bayerischen Schwangerenberatungsgesetzes an, soweit Beratungsstellen für Schwangerschaftsfragen, die keine Beratungsbescheinigungen erteilen, öffentliche Zuschüsse und Zuweisungen nicht erhielten.26 Gemäß der bundesrechtlichen Regelung des § 4 Abs. 2 SchKG haben die zur Sicherstellung eines ausreichenden Angebots erforderlichen Beratungsstellen Anspruch auf eine angemessene öffentliche Förderung der Personal- und Sachkosten. Näheres regelt Landesrecht (§ 4 Abs. 3 SchKG). Beratungsstellen, die keine Beratungsbescheinigungen ausstellen, erhielten in Bayern entsprechend den Regelungen des Bayerischen Schwangerenberatungsgesetzes [BaySchwBerG] keine öffentliche Förderung.27 Im Juli 2004 entschied das Bundesverwaltungsgericht, dass auch Beratungsstellen, die die allgemeine Beratung nach § 2 SchKG erbringen, ohne Beratungsbescheinigung auszustellen, einen Anspruch auf öffentliche Förderung nach § 4 Abs. 2 SchKG haben.28 Dennoch verneint der Bayerische Verfassungsgerichthof in seiner Entscheidung aus dem Jahr 2006 einen Verstoß der bayerischen Regelung gegen das Rechtsstaatsprinzip auf Grund einer Verletzung des Bundesrechts. Denn das Bundesverwaltungsgericht habe dem Bundesrecht eine Auslegung gegeben, die der Landesgesetz-

BayVerfGHE 59, 1 (17); vgl. auch BayVerfGHE 62, 156 (160). BayVerfGHE 59, 1 (17); vgl. auch BayVerfGHE 45, 33 (40 f.); 48, 17 (26 f.); 48, 46 (48 f.); 48, 99 (106); 48, 119 (123); 48, 137 (144 f.); 49, 160 (166); 50, 76 (98); 50, 129 (145 f.); 50, 226 (266); 51, 94 (99 f.); 54, 36 (45); 55, 57 (64); 55, 98 (109 f.); 55, 123 (130 f.); 55, 160 (166); 56, 99 (107); 56, 148 (161); 58, 94 (104); 58, 277 (288); 59, 1 (17); 59, 80 (107 f.); 59, 219 (224); 60, 101 (110); 60, 234 (244 f.); 61, 9 (14); 61, 55 (64); 61, 248 (254); 62, 23 (29); 62, 45 (58); 62, 156 (160); BayVerfGH BayVBl. 2007, 651 (652 f.); 2011, 433 (433 f.). 24 BayVerfGHE 61, 9 (14). 25 Vgl. BayVerfGHE 50, 226 (266); 51, 94 (99 f.); 54, 36 (45); 55, 98 (109 ff.); 55, 123 (130 ff.); 55, 160 (166); 56, 148 (161); 58, 94 (105); 58, 277 (288); 60, 101 (108); 61, 248 (254); 62, 23 (29); 62, 79 (92); BayVerfGH BayVBl. 2007, 651 (653); 2011, 433. 26 BayVerfGHE 59, 1. 27 BayVerfGHE 59, 1 (2 ff.). 28 BVerwGE 121, 270. 22 23

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9. Kap.: Prüfungsmaßstab

geber bei Erlass des Bayerischen Schwangerenberatungsgesetztes nicht vorgefunden habe. Der Widerspruch, in den das Landesrecht geraten sei, stelle keinen schwerwiegenden, krassen Eingriff in die Rechtsordnung dar, der einen Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip der Bayerischen Verfassung begründen würde. Davon könne nicht ausgegangen werden, weil sich der Landesgesetzgeber für die mit dem Wortlaut der bundesrechtlichen Vorschriften in Einklang zu bringende, in der Begründung zum Schwangerschaftskonfliktgesetz angelegte, historisch gewachsene und mit den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts für die Schwangerenberatung konforme Lösung eines Verbundsystems entschieden habe.29

Erstmals im Jahr 2010 bejahte der Bayerische Verfassungsgerichtshof das Vorliegen eines Verstoßes einer landesrechtlichen Rechtsvorschrift gegen Bundesrecht, der gleichzeitig zu einer Verletzung des Rechtsstaatsprinzips des Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV führe.30 Im konkreten Fall sah der Gerichtshof einen solchen Verstoß einer gemeindlichen Satzung gegen Regelungen des BauGB als gegeben an. Er stellt fest, Gemeinden könnten Außenbereichssatzungen erlassen, soweit sie vor allem mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar seien. Die Wirksamkeit der Satzung setze voraus, dass nach dem Tatbestandsmerkmal „eine Wohnbebauung von einigem Gewicht“ des § 35 Abs. 6 Satz 1 BauGB im Satzungsgebiet eine aufeinanderfolgende, zusammengehörige und geschlossen erscheinende Bebauung vorhanden sei.31 Und weiter: „Die Außenbereichssatzung der Gemeinde Oberhausen erfüllt diese Voraussetzungen nicht. Sie verstößt schon deshalb offensichtlich gegen die Ermächtigungsnorm des § 35 Abs. 6 BauGB, weil sie nicht einmal die Mindestvoraussetzungen für den Erlass der Außenbereichssatzung erfüllt, dass im Satzungsgebiet überhaupt Bebauung vorhanden ist.“ … „Der Erlass der angefochtenen Satzung stellt auch einen schwerwiegenden und krassen Verstoß gegen Bundesrecht dar.“ … „Durch die Außenbereichssatzung werden im Regelfall die rechtlichen Voraussetzungen für die Errichtung, Änderung oder Nutzungsänderung von Wohngebäuden im Außenbereich geschaffen“. … „Die angefochtene Außenbereichssatzung, deren Inhalt und Regelungszweck allein darin besteht, ein an einen Siedlungsansatz angrenzendes unbebautes Grundstück einer Bebauung zuzuführen, verfehlt deshalb in krasser Weise das mit § 35 Abs. 6 BauGB verfolgte Ziel des Gesetzgebers, den von derartigen Siedlungsansätzen im Außenbereich ausgehenden Siedlungsdruck in geordnete städtebauliche Bahnen zu lenken.“32 Der Gerichtshof sah die Popularklage daher aufgrund eines Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV als begründet an.33

Auf die Präklusionsregelungen des BauGB geht der Bayerische Verfassungsgerichtshof in der soeben zitierten Entscheidung nicht ein. Im Gegensatz dazu sieht er in einer kurz zuvor ergangenen Entscheidung eine Präklusion nach § 215 BauGB im Popularklageverfahren für möglich an. 29 30 31 32 33

BayVerfGHE 59, 1 (17 f.). Vgl. BayVerfGH BayVBl. 2010, 757. BayVerfGH BayVBl. 2010, 757. BayVerfGH BayVBl. 2010, 757. BayVerfGH BayVBl. 2010, 757.

§ 42 Prüfungsmaßstab und Bundesrecht

289

Im konkreten Fall erhoben Antragsteller eine Popularklage gegen einen Bebauungsplan der Stadt Fürth, nahmen diese aber später zurück. Der Gerichtshof stellte daraufhin das Verfahren gemäß Art. 55 Abs. 5 BayVerfGHG ein34, da er das Vorliegen eines öffentlichen Interesses an einer Entscheidung verneinte35. Dabei stellt er fest: „Soweit die Antragsteller eine Verletzung des Abwägungsgebots und des – ebenfalls der Abwägung zuzuordnenden – Gebots der Konfliktbewältigung rügen, sind sie mit ihren Einwendungen zudem aufgrund des der Bayerischen Verfassung vorgehenden Bundesrechts möglicherweise präkludiert. Dies ergibt sich aus § 215 Abs. 1 Nr. 2 des Baugesetzbuchs in der ursprünglichen Fassung der Bekanntmachung vom 8. Dezember 198636“.37

Unter dem Gesichtspunkt der Rechtsetzungsbefugnis prüft der Verfassungsgerichtshof sowohl untergesetzliche Rechtsvorschriften auf eine unrichtige Ausfüllung der bundesrechtlichen Ermächtigungsgrundlage38 als auch förmliche Landesgesetze daraufhin, ob der Landesgesetzgeber innerhalb der durch das Grundgesetz vorgegebenen Gesetzgebungskompetenzen handelte39. Vertreten insofern Literatur und Rechtsprechung zur Frage der Gesetzgebungskompetenz unterschiedliche Meinungen, könne von einer Nichteinhaltung der Kompetenzordnung des Bundes in offenkundiger, schwerwiegender, besonders krasser Weise nicht ausgegangen werden.40

3. Keine mittelbare Prüfung anhand der Handlungsfreiheit Macht ein Popularkläger eine Verletzung der Handlungsfreiheit aufgrund eines Verstoßes gegen Bundesrecht geltend, bleibt dies ohne Erfolg. Denn habe die Prü-

Vgl. hierzu ausführlich unten 12. Kapitel: Einstellung des Verfahrens (S. 351). BayVerfGH Entscheidung vom 20. 5. 2010, Vf. 20-VII-09, veröffentlicht in juris, ebenda Rn. 8. 36 Diese alte Fassung des § 215 Abs. 1 Nr. 2 BauGB lautete: „Unbeachtlich sind“ … „Mängel der Abwägung, wenn sie nicht“ … „innerhalb von sieben Jahren seit Bekanntmachung des Flächennutzungsplanes oder der Satzung schriftlich gegenüber der Gemeinde geltend gemacht worden sind; der Sachverhalt, der die Verletzung oder den Mangel begründen soll, ist darzulegen.“ (BGBl 1986 I S. 2253). 37 BayVerfGH Entscheidung vom 20. 5. 2010, Vf. 20-VII-09, veröffentlicht in juris, ebenda Rn. 11. 38 BayVerfGHE 56, 148 (161). 39 Vgl. BayVerfGHE 48, 17 (26); 50, 226 (261); 55, 57 (64); 59, 219 (224 ff.); 60, 80 (88); 61, 248 (254); 62, 167 (171); BayVerfGH BayVBl. 2012, 43 (43 f.). Im Gegensatz zu anderen Landesverfassungsgerichten, prüft er die gegenständliche Norm hingegen nicht direkt an den Kompetenzvorschriften des Grundgesetzes (so aber etwa der Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen, LVerfGE 14, 333 [379], der Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz, DVBl. 2001, 470 [471], sowie der Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen, OVGE 43, 205 [209]; Rozek lehnt diese Rechtsprechung zu Recht ab, vgl. Rozek, FS Bethge, S. 587 [590 ff.]); Sodan stimmt ihr hingegen zu, vgl. Sodan, in: Merten / Papier, HGR III, § 84 Rn. 32. 40 BayVerfGH 55, 57 (64). 34 35

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9. Kap.: Prüfungsmaßstab

fung ergeben, dass die angegriffenen Regelungen mit dem Rechtsstaatsprinzip vereinbar seien, gehörten diese – so der Verfassungsgerichtshof – zur verfassungsmäßigen Ordnung und könnten in diesem Zusammenhang das Grundrecht aus Art. 101 BV nicht verletzen.41 4. Keine einfachrechtliche Normenkontrolle Der Verfassungsgerichtshof prüft eine vermeintliche Verletzung einfachen Rechts durch eine abgeleitete Rechtsvorschrift ausschließlich am Maßstab des Rechtsstaatsgebots. Es sei hingegen nicht seine Aufgabe, gleichsam ein einfachrechtliches Normenkontrollverfahren im Sinn des § 47 VwGO durchzuführen.42 Dies gilt beispielsweise, wenn ein Popularklage eine gemeindliche Satzung zum Gegenstand hat, die einen Bereich festlegt, in dem eine städtebauliche Entwicklungsmaßnahme durchgeführt werden soll und rügt, die beabsichtigten Maßnahmen entsprächen nicht den allgemeinen Zielen und Zwecken einer städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme nach § 165 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauGB. Der Gerichtshof prüft insofern nur, ob die Satzung „offensichtlich und in krasser Weise gegen die bundesrechtlichen Regelungen verstößt“.43

II. Vorlagepflicht gemäß Art. 100 GG Eine Prüfung der mit der Popularklage angegriffenen Rechtsvorschrift anhand des Bundesrechts ist insofern denkbar, als der Bayerische Verfassungsgerichtshof verpflichtet sein könnte, gemäß Art. 100 Abs. 1 GG eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen, wenn es von der Bundesgesetzwidrigkeit der verfahrensgegenständlichen Norm überzeugt ist. Bestünde eine solche Pflicht, müsste der Verfassungsgerichtshof die angefochtene Vorschrift im Rahmen einer solchen Vorfragenkompetenz an Bundesrecht messen. In seiner frühen Rechtsprechung ging der Gerichtshof davon aus, er sei zu dieser Prüfung berechtigt und verpflichtet.44 Erstmals45 zog der Verfassungsgerichtshof in einer Entscheidung aus dem Jahr 1962 zu einer Verfassungsbeschwerde Bundesrecht im Rahmen einer Vorfrage als Prüfungsmaßstab heran.46 BayVerfGHE 50, 76 (104). BayVerfGHE 41, 69 (74); 59, 80 (108); BayVerfGH BayVBl. 2007, 651 (653); vgl. hierzu auch Jäde, BayVBl. 2011, 581 (584), der darauf hinweist, die Diktion der Popularklageentscheidungen unterscheide sich jedoch kaum von derjenigen im verwaltungsgerichtlichen Verfahren. 43 BayVerfGHE 61, 55 (64). 44 So etwa BayVerfGHE 21, 131 (136 f.); vgl. hierzu die Darstellung der Rechtsprechung bei Rozek, Grundgesetz und Landesverfassungsgerichte, S. 214 ff. 45 Vgl. zur Entwicklung der Rechtsprechung des BayVerfGH zur Vorfragenkompetenz die ausführliche Darstellung bei Kreim, S. 112 ff. 46 BayVerfGHE 15, 107 (110, 112). 41 42

§ 42 Prüfungsmaßstab und Bundesrecht

291

1968 entschied er über eine Popularklage und prüfte als Vorfrage im Rahmen der Zulässigkeit, ob der Gesetzgeber die angegriffenen Regelungen unter Überschreitung des grundgesetzlichen Kompetenzrahmens erlassen hatte. Denn dann wären sie – so der Gerichtshof – schon gemäß Art. 31 GG nichtig und könnten Grundrechte der Bayerischen Verfassung nicht einschränken. Da die Grundgesetzmäßigkeit nicht den Entscheidungsgegenstand darstelle, sondern nur eine Vorfrage, sei der Gerichtshof wie jedes andere Gericht zur Prüfung berechtigt und verpflichtet.47

Im Jahr 1973 gab der Bayerische Verfassungsgerichtshof diese Auffassung ausdrücklich auf. Die Grundgesetzmäßigkeit der angefochtenen Vorschrift sei im Popularklageverfahren nicht Vorfrage im Sinne des Art. 100 Abs. 1 GG.48 Dies entspricht der nunmehr ständigen Rechtsprechung. So formuliert das Gericht: „Die beantragte Vorlage an das Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG oder Art. 100 Abs. 3 GG kommt nicht in Betracht. Für eine Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG fehlt es schon an der Entscheidungserheblichkeit, weil der Verfassungsgerichtshof im Popularklageverfahren die angefochtenen Rechtsvorschriften nicht selbst anwendet; er hat vielmehr darüber zu befinden, ob die angegriffenen Bestimmungen als solche mit der Bayerischen Verfassung vereinbar sind oder nicht (vgl. VerfGH 45, 33 / 41). Eine Vorlage nach Art. 100 Abs. 3 GG scheidet aus, weil der Verfassungsgerichtshof bei der Überprüfung der angegriffenen Rechtsvorschriften keine ‚Auslegung des Grundgesetzes‘ im Sinn des Art. 100 Abs. 3 GG vornimmt, sondern eine Kontrolle anhand der Bayerischen Verfassung durchführt.“49

Eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 1 GG im Rahmen eines Popularklageverfahrens schließt der Bayerische Verfassungsgerichtshof jedoch nicht gänzlich aus. Beispielsweise dann, wenn im Rahmen der Prüfung einer abgeleiteten Rechtsvorschrift die Grundgesetzwidrigkeit einer bundesrechtlichen Ermächtigungsnorm in Frage steht. Denn verstieße diese gegen das Grundgesetz, fehlte der angefochtenen Regelung eine gesetzliche Ermächtigung und sie verstieße gegen Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV. Käme der Verfassungsgerichtshof zu der Überzeugung, dass ein solche Verletzung des Grundgesetzes vorliege, müsse er gemäß Art. 100 Abs. 1 GG eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einholen, da die Gültigkeit entscheidungserhebliche Vorfrage bei der Überprüfung der abgeleiteten Norm sei.50 In den Jahren 1995 bis 2011 bejahte der Verfassungsgerichtshof allerdings in keiner Entscheidung einen solchen Fall.51

BayVerfGHE 21, 131 (136 f.). BayVerfGHE 26, 28 (34). 49 BayVerfGHE 50, 156 (180 f.); vgl. auch BayVerfGHE 50, 76 (102); 56, 1 (12); 56, 28 (54 f.). 50 BayVerfGHE 41, 83 (88). 51 Auch in der früheren Rechtsprechung ist keine entsprechende Entscheidung ersichtlich. 47 48

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9. Kap.: Prüfungsmaßstab

III. Rechtswirksamkeit der Normen der Bayerischen Verfassung Der Bayerische Verfassungsgerichtshof geht davon aus, dass er vor der Kontrolle der gegenständlichen Rechtsvorschrift am Maßstab der Bayerischen Verfassung prüfen müsse, ob die den Maßstab seiner Kontrolle bildende Landesverfassungsnorm ihrerseits rechtswirksam ist oder durch höherrangiges Recht mit Anwendungsvorrang verändert oder verdrängt werde.52 In Bezug auf diese Frage ist Bundesrecht somit Prüfungsmaßstab im Popularklageverfahren. So griffen beispielsweise mehrere Popularkläger das Gesetz zur Abschaffung des Bayerischen Senates vom 20. Februar 199853 an. In Bezug auf den als verletzt gerügten Homogenitätsgrundsatz des Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG stellt der Gerichtshof fest: „Das angegriffene Gesetz zur Abschaffung des Bayerischen Senates kann angesichts des grundsätzlich auf die Bayerische Verfassung beschränkten Prüfungsmaßstabs des Verfassungsgerichtshofs selbst nicht unmittelbar an Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG gemessen werden; eine solche Kontrolle ist nur mittelbar durch Überprüfung der Art. 74, 75 BV am Homogenitätsgebot möglich“. … „Insoweit wäre – da die Art. 74, 75 BV gegenüber dem Grundgesetz vorkonstitutionelles Recht sind – dem Verfassungsgerichtshof eine abschließende Beurteilung am Maßstab des Grundgesetzes durch Art. 100 Abs. 1 GG nicht verwehrt (vgl. BVerfGE 2, 124 / 129 ff.; 97, 117 / 122 f.). Ein Verstoß gegen Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG liegt jedoch nicht vor.“54

B. Bewertung der Rechtsprechung I. Prüfung eines Verstoßes gegen Bundesrecht 1. Keine unmittelbare Prüfung anhand bundesrechtlicher Normen Landesverfassungsgerichte haben die spezielle Aufgabe, Hüter ihrer Verfassung, nicht hingegen Sprachrohr der Gesamtrechtsordnung zu sein. Daher scheiden für sie die Vorschriften des Grundgesetzes sowie das gesamte Bundesrecht als Prüfungsmaßstab aus.55 Dieser ist für den Bayerischen Verfassungsgerichtshof vielmehr ausschließlich die Bayerische Verfassung.56 Zuzustimmen ist dem Gerichtshof BayVerfGHE 13, 63 (66); 26, 28 (34). GVBl S. 42. 54 BayVerfGHE 52, 104 (137 f.); vgl. auch die ähnlichen Ausführungen bei BayVerfGHE 58, 253 (265). 55 Schumann, in: Starck / Stern, LVG II, S. 149 (201); vgl. auch BVerfGE 36, 342 (368); Friesenhahn, FG 25 Jahre BVerfG, Band I, S. 748 (751); Rozek, FS Bethge, S. 587 (591). 56 Fleury, Rn. 155; Kalkbrenner, FS 25 Jahre BayVerfGH, S. 329 (362); Knöpfle, in: Nawiasky / Schweiger / Knöpfle, BV, Art. 98 Satz 4 Rn. 64; Lerche, FS 25 Jahre BayVerfGH, 52 53

§ 42 Prüfungsmaßstab und Bundesrecht

293

deshalb insofern, als er verfahrensgegenständliche Rechtsvorschriften nicht unmittelbar anhand bundesrechtlicher Regelungen prüft.57 2. Prüfung eines Verstoßes gegen das Rechtsstaatsgebot aufgrund eines Verstoßes gegen Bundesrecht a) Grundsätzliche Kritik Jochen Rozeks Das Vorgehen des Verfassungsgerichtshofs, das Rechtsstaatsprinzip als „Transmissionsriemen“58 zu nutzen, um Bundesrecht als mittelbaren Prüfungsmaßstab heranzuziehen, stößt auf grundsätzliche Kritik von Jochen Rozek. Er sieht dies als Fortsetzung der vom Gerichtshof inzwischen aufgegebenen „Rechtsprechungstradition“59, Bundesrecht als Vorfrage in Bezug auf eine eventuelle Vorlage an das Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 1 GG zu prüfen.60 Diese Rechtsprechungslinie stoße auf erhebliche Einwände.61 So könne ein Landesverfassungsgericht rechtsverbindlich nur über die Vereinbarkeit oder Unvereinbarkeit mit „seiner“ Landesverfassung entscheiden. Dem trage der Bayerische Verfassungsgerichtshof mit seiner „Instrumentalisierung“ des Art. 3 Abs. 1 Satz1 BV nur vordergründig Rechnung.62 Dies stelle einen „Umgehungsversuch“ der Tatsache dar, dass ihm eine Entscheidungskompetenz in Bezug auf Bundesrecht nicht zukomme.63 Diese Ausführungen Jochen Rozeks sind zwar verständlich, doch bleibt zumindest bei formeller Betrachtung der Prüfungsmaßstab auf die Bayerische Verfassung beschränkt. Denn der Gerichtshof prüft „nur“ das Vorliegen eines Verstoßes gegen deren Rechtsstaatsprinzip. Dem entsprechend kann er auch nur einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV rechtsverbindlich feststellen. b) Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip als materiell-rechtliche Frage Ob ein offensichtlicher und schwerwiegender Verstoß des Landesnormgebers gegen Bundesrecht tatsächlich gleichzeitig auch das Rechtsstaatsprinzip der Bayerischen Verfassung verletzt, ist letztlich eine materiell-rechtliche Frage.64

S. 247 (248); Lindner, Bayerisches Staatsrecht, Rn. 470, Meder, BV, Art. 98 Rn. 14; Schumann, in: Starck / Stern, LVG II, S. 149 (201); Wolff, in: Lindner / Möstl / Wolff, BV, Art. 98 Rn. 55; vgl. auch Benda / E. Klein, Rn. 47. 57 Knöpfle, in: Nawiasky / Schweiger / Knöpfle, BV, Art. 98 Satz 4 Rn. 67. 58 Rozek, Grundgesetz und Landesverfassungsgerichte, S. 212. 59 Vgl. hierzu oben § 42 A. I. 4. (S. 290). 60 Rozek, Grundgesetz und Landesverfassungsgerichte, S. 213. 61 Rozek, Grundgesetz und Landesverfassungsgerichte, S. 222. 62 Rozek, Grundgesetz und Landesverfassungsgerichte, S. 224. 63 Rozek, Grundgesetz und Landesverfassungsgerichte, S. 226.

294

9. Kap.: Prüfungsmaßstab

Kern des Rechtsstaatsprinzips ist die Bindung der Herrschaftsausübung an die Maßstäbe des Rechts und der Gerechtigkeit.65 Rechtsstaatlichkeit bedeutet, dass die Ausübung staatlicher Macht nur auf der Grundlage der Verfassung und von formell und materiell verfassungsmäßig erlassenen Gesetzen mit dem Ziel der Gewährleistung von Menschenwürde, Freiheit, Gerechtigkeit und Rechtssicherheit zulässig ist.66 Die nähere Inhaltsbestimmung erfolgt üblicherweise anhand verschiedener Ausprägungen, etwa dem Rückwirkungsgebot oder dem Bestimmtheitsgrundsatz.67 Das Rechtsstaatsprinzip ist ein materieller Leitgrundsatz im Sinne einer Staatszielbestimmung.68 Dabei ist die Erstreckung der Schutzwirkung des Rechtsstaatsprinzips in den Bereich des Bundesrechts keineswegs selbstverständlich.69

Anerkennt man, dass ein „krasser und offensichtlicher“ Verstoß eines bayerischen Normgebers gegen für ihn verbindliches Bundesrecht nicht nur einen Verstoß gegen die Rechtsordnung des Bundes, sondern daneben zusätzlich eine Verletzung des Rechtsstaatsgebots des Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV darstellt, ist ein solcher Verstoß gegen die Bayerische Verfassung nur unter den vom Verfassungsgerichtshof aufgestellten strengen Anforderungen denkbar. Ein solcher Verstoß kann überhaupt nur bei einem schwerwiegenden Eingriff in das Gefüge der Bundesrechtsordnung gegeben sein.70 c) Verzicht auf mittelbare Prüfung als vorzugswürdige Lösung Heinrich Amadeus Wolff vertritt die Auffassung, die mittelbare Prüfung des Bundesrechts anhand des Rechtsstaatsprinzips des Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV sei ein „vernünftiger und praktikabler Mittelweg, der einerseits dem Grundsatz der Autonomie der Verfassungsräume und andererseits der Besonderheiten des Stufenbaus der Rechtsordnung“ gerecht werde.71 Richtigerweise ist dieser „Mittelweg“ aber verzichtbar. Die beständige Wiederholung der vom Gerichtshof benutzten „Formeln“72 zu Verstößen gegen das Rechtsstaatsprinzip aufgrund einer Verletzung 64 Rozek spricht insofern von einer Verlagerung der Problematik von der verfassungsprozessualen Frage der Anwendungskompetenz in die Ebene des materiellen Verfassungsrechts (Rozek, Grundgesetz und Landesverfassungsgerichte, S. 227). 65 Lindner, in: Lindner / Möstl / Wolff, BV, Art. 3 Rn. 15. 66 Stern, Staatsrecht I, S. 781. 67 Vgl. zur Inhaltsbestimmung beispielsweise Lindner, in: Lindner / Möstl / Wolff, BV, Art. 3 Rn. 15 ff.; Schweiger, in: Nawiasky / Schweiger / Knöpfle, BV, Art. 3 Rn. 3 ff. 68 Lindner, in: Lindner / Möstl / Wolff, BV, Art. 3 Rn. 1; vgl. auch Stern, Staatsrecht I, S. 778. 69 Hierzu kritisch etwa Angerer, BayVBl. 1972, 225 (226): „Es gibt aber keinen Rechtssatz in der Bayerischen Verfassung, der geböte, daß auch ein formelles Landesgesetz nicht über bundesgesetzliche Ermächtigung hinausgehen dürfe“. Ablehnend auch Rozek, Grundgesetz und Landesverfassungsgerichte, S. 227 ff. 70 Vgl. Meder, BV, Art. 3, Rn. 2; Schweiger, in: Nawiasky / Schweiger / Knöpfle, BV, Art. 3 Rn. 3. 71 Wolff, in: Lindner / Möstl / Wolff, BV, Art. 98 Rn. 67. 72 Vgl. die Zitate bei den Fußn. 21 ff. (9. Kapitel).

§ 42 Prüfungsmaßstab und Bundesrecht

295

von Bundesrecht führte erstmals73 im Jahr 2010 zur Nichtigerklärung einer Rechtsvorschrift. Diese Entscheidung, in der der Gerichtshof eine Außenbereichssatzung aufgrund eines Verstoßes gegen das BauGB als unvereinbar mit dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV ansah74, zeigt gleichzeitig die Schwierigkeiten auf, die dadurch entstehen, dass der Bayerische Verfassungsgerichtshof den Verstoß gegen die Bayerische Verfassung mit einem Widerspruch zum Bundesrecht begründet und damit letztlich den bayerischen Verfassungs- und Rechtsraum verlässt. Denn der Bundesgesetzgeber hat die Möglichkeit, auf dem BauGB beruhende Satzungen im Rahmen eines Normenkontrollverfahrens auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen, bewusst75 eingeschränkt. So werden bestimmte Verfahrens- und Formvorschriften, die für die Rechtswirksamkeit von auf dem BauGB beruhenden Satzungen gemäß § 214 Abs. 1 BauGB grundsätzlich beachtlich sind, gemäß § 215 Abs. 1 BauGB unbeachtlich, wenn sie nicht innerhalb eines Jahres seit Bekanntmachung der Satzung schriftlich gegenüber der Gemeinde unter Darlegung des die Verletzung begründenden Sachverhalts geltend gemacht worden sind und hierauf gemäß § 215 Abs. 2 BauGB bei Inkraftsetzung hingewiesen worden war. Darüber hinaus kennt § 47 Abs. 2a VwGO einen Ausschluss der Normenkontrolle nach § 47 Abs. 1 VwGO, wenn die den Antrag stellende Person nur Einwendungen geltend macht, die sie im Rahmen der öffentlichen Auslegung oder der Öffentlichkeitsbeteiligung nicht geltend gemacht hat. Soweit der Verfassungsgerichtshof in den Raum stellt, die Prüfung des Rechtsstaatsgebots des Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV könne aufgrund einer solchen im Bundesrecht vorgesehenen Präklusion ausgeschlossen sein76, kann ihm nicht gefolgt werden. Denn die Prüfung einer Verletzung des Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV beruht auf der Grundlage, dass zwei Rechtsverletzungen vorliegen, nämlich die Verletzung von Bundesrecht und durch die „krasse und offensichtliche“ Missachtung des Bundesrechts gleichzeitig die Verletzung des Rechtsstaatsgebots des Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV. Die Frage, ob eine solche Missachtung bundesrechtlicher Vorschriften beim Akt des Erlasses einer landesrechtlichen Norm gegen das Rechtsstaatsgebot der Bayerischen Verfassung verstieß, kann aber nicht davon abhängen, ob das Bundesrecht die Geltendmachung der Bundesrechtsverletzung nur innerhalb einer bestimmten Frist erlaubt.77 Vgl. Bühring, BayVBl. 2010, 758. Vgl. oben bei Fußn. 30 (9. Kapitel). 75 § 47 Abs. 2a VwGO wurde durch das Gesetz zur Erleichterung von Planungsvorhaben für die Innenentwicklung der Städte vom 21. 12. 2006 (BGBl I, S. 3316) in die VwGO eingefügt. Dieses verfolgte das Ziel, das Baurecht für Vorhaben zur Stärkung der Innenentwicklung zu vereinfachen und zu beschleunigen (BT-Drs. 16 / 2496, S. 1). Die Regelung des § 47 Abs. 2a VwGO trage dem Umstand Rechnung, dass bereits im Aufstellungsverfahren Mitwirkungsbefugnisse bestehen, die dem Ziel dienen, die jeweiligen Interessen rechtzeitig dem Abwägungsmaterial zu zufügen. Dem würde es widersprechen, wenn sachliche Einwendungen ohne Not erst im gerichtlichen Verfahren geltend gemacht würden (BT-Drs. 16 / 2496, S. 18). 76 Vgl. das Zitat bei Fußn. 37 (9. Kapitel). 73 74

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9. Kap.: Prüfungsmaßstab

Eine vergleichbare Konstellation findet sich im Zusammenhang mit der Frage, ob ein bayerisches Gesetz den Regelungen des Grundgesetzes zur Gesetzgebungskompetenz entspricht. Ob der Landesgesetzgeber beim Erlass einer Norm außerhalb seiner grundgesetzlichen Gesetzgebungskompetenz handelte, prüft der Bayerische Verfassungsgerichtshof im Rahmen eines möglichen Verstoßes gegen das Rechtsstaatsgebot des Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV.78 Steht aber im Raum, dass der Bundesgesetzgeber nach dem Erlass des Landesgesetzes von seiner konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz Gebrauch gemacht hat, und das Landesrecht daher nachträglich nichtig geworden sein könnte, kann darin kein (nachträglicher) Verstoß des Landesgesetzgebers gegen die Kompetenzordnung des Bundes gesehen werden. Denn zum Zeitpunkt des Normerlasses stand noch keine Sperrwirkung des konkurrierenden Bundesrechts entgegen. Folgerichtig prüft der Gerichtshof in diesem Fall nicht einen möglichen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV, sondern er prüft, ob aufgrund nachträglicher Nichtigkeit des Landesgesetzes (noch) ein zulässiger Verfahrensgegenstand vorliegt.79

Insbesondere im Zusammenhang mit der verfahrensrechtlichen Vorschrift des § 47 Abs. 2a VwGO scheidet auch der Gedanke aus, diese Regelung ginge als Bundesrecht dem Landesrecht vor, weshalb eine Popularklage in Bezug auf die gemäß § 47 Abs. 2a VwGO präkludierten Einwendungen ausgeschlossen sei. Denn der bayerische Verfassungsgeber und Gesetzgeber ist im Rahmen des Art. 28 Abs. 1 GG ausschließlich zuständig, das Verfahrensrecht des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs zu regeln.80 Präklusionsregelungen und Antragsfristen der VwGO schließen die Prüfung im Rahmen einer Popularklage nach Art. 98 Satz 4 BV, Art. 55 BayVerfGHG daher nicht aus. Im Ergebnis müsste der Bayerische Verfassungsgerichtshof einen Verstoß gegen das Rechtsstaatsgebot des Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV durch einen „offensichtlichen und krassen“ Verstoß gegen Bundesrecht daher unabhängig von bundesrechtlichen Präklusionsvorschriften prüfen: Selbst wenn der Bundesgesetzgeber – für den Bereich bundesrechtlich geregelter Verfahren – die Rüge einer Verletzung von Bundesrecht bewusst durch eine Präklusionsregelung ausschließt, müsste der Bayerische Verfassungsgerichtshof eine Verletzung des Art. 3 Abs. 1 Satz 1 auf der Grundlage dieses Bundesrechtsverstoßes bejahen.81 77 Dies spiegelt auch der Wortlaut des § 215 Abs. 1 BauGB wieder. Unbeachtlich werden demnach in § 214 BauGB genannte Verletzungen und Mängel, nicht hingegen eine Verletzung des Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV. 78 Vgl. oben bei Fußn. 39 (9. Kapitel). 79 Vgl. oben bei Fußn. 106 (3. Kapitel). 80 Vgl. BVerfGE 4, 178 (189); Hense, in: Isensee / P. Kirchhof, HStR III, § 137 Rn. 32; Starck, in: Starck / Stern, LVG I, S. 155 (157). Zwei der seltenen Vorgaben des Grundgesetzes an die Landesverfassungsgerichtsbarkeit enthalten hingegen Art. 100 Abs. 1 GG sowie Art. 100 Abs. 3 GG. Deren Ausgestaltung obliegt den Ländern. (vgl. Schumann, in Löhnig, S. 99 [163]). Für die hier behandelte Fragestellung spielen diese Vorgaben keine Rolle. 81 Vgl. auch die Besprechung der bei Fußn. 32 (9. Kapitel) zitierten Entscheidung des BayVerfGH, in der dieser erstmals einen Verstoß einer Außenbereichssatzung gegen das Rechtsstaatsgebot des Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV bejaht hatte, führt Bühring aus anwaltlicher Sicht aus: „In jedem Falle ist die Entscheidung“ … „zu begrüßen. Stärkt sie doch zumindest in bestimm-

§ 42 Prüfungsmaßstab und Bundesrecht

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Verstößt beispielsweise eine Satzung gegen die Ermächtigung nach § 35 Abs. 6 BauGB, weil sie nicht die Mindestvoraussetzung für den Erlass der Außenbereichssatzung erfüllt, wonach im Satzungsgebiet überhaupt Bebauung vorhanden sein muss, liegt eine offensichtliche Verletzung von Bundesrecht vor. Diese Verletzung führe – so der Verfassungsgerichtshof82 – zu einem Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip des Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV. Hat ein Antragsteller diesen Rechtsverstoß im Rahmen der vom BauGB vorgesehenen Öffentlichkeitsbeteiligung nicht geltend gemacht, ist ein verwaltungsgerichtlicher Normenkontrollantrag gemäß § 47 Abs. 2a VwGO in diesem Fall unzulässig, sofern der Antragsteller nur diese Einwendung geltend macht. Trotz des (offensichtlichen) Rechtsverstoßes schließt die VwGO einen Normenkontrollantrag nach § 47 VwGO also in diesem Fall ausdrücklich aus. Der Bayerische Verfassungsgerichtshof müsste hingegen aufgrund dieses Verstoßes gegen Bundesrecht die Satzung aufgrund einer damit verbundenen Verletzung des Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV für nichtig erklären.

Ein solches Eingreifen in den Bereich des Bundesrechts durch das bayerische Verfassungsgericht ist abzulehnen. Bei Aufrechterhaltung der Rechtsprechung zum Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip ließe er sich aber nur dadurch vermeiden, dass der Verfassungsgerichtshof prüft, ob etwa die Präklusionsvorschriften des § 47 Abs. 2a VwGO oder des § 215 BauGB im konkreten Fall eingreifen,83 und er die Entscheidung im Popularklageverfahren hiervon abhängig macht. Die Prüfung eines Verstoßes gegen Bundesrecht anhand des Rechtsstaatsprinzips der Bayerischen Verfassung führt im Ergebnis daher entweder zu nicht mehr als dem ergebnislosen Wiederholen entsprechender „Formeln“84, oder birgt – soweit der Gerichtshof hierüber hinausgeht – die Gefahr eines Eingriffes in die Bundesrechtsordnung, die nicht Aufgabe des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs ist85. Der Eigenständigkeit des bayerischen Verfassungsraums entspräche es besser, auf eine mittelbare Prüfung des Bundesrechts über den „Umweg“ des Rechtsstaatsprinzips zu verzichten.

ten Fallkonstellationen die durch die Popularklage nach Art. 98 Satz 4 BV eröffneten Rechtsschutzmöglichkeiten gegen Bebauungspläne und andere bauplanungsrechtliche Satzungen. Wichtig ist dies vor allem für diejenigen von einer Planung nachteilig Betroffenen, die in einem Normenkontrollverfahren nicht nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO antragsbefugt wären oder deren Normenkontrollklagen wegen der durch das am 1. 1. 2007 in Kraft getretene „Gesetz zur Erleichterung von Planungsvorhaben für die Innenstadtentwicklung der Städte“ vom 21. 12. 2006 (BGBl. I S. 3316) mit seinen Erschwernissen des Rechtsschutzes (Verkürzung der Fristen des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO und des § 215 Abs. 1 BauGB auf jeweils ein Jahr und Einführung der Präklusion des § 47 Abs. 2 a VwGO) aussichtslos wären.“ (Bühring, BayVBl. 2010, 758). 82 Vgl. oben bei Fußn. 30 (9. Kapitel) zu BayVerfGH BayVBl. 2010, 757. 83 Vgl. das Zitat bei Fußn. 37 (9. Kapitel). 84 Vgl. die Zitate bei den Fußn. 21 ff. (9. Kapitel). 85 Der BayVerfGH führt selbst aus, es könne nicht Aufgabe eines Landesverfassungsgerichts sein, eine detaillierte Prüfung bundesrechtlicher Normen und Zusammenhänge durchzuführen (BayVerfGH NuR 2011, 133 [134]; vgl. auch oben bei Fußn. 115 [3. Kapitel]).

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9. Kap.: Prüfungsmaßstab

II. Keine Vorlagepflicht gemäß Art. 100 GG Zuzustimmen ist dem Verfassungsgerichtshof insofern, als er eine Vorfragenkompetenz nach Art. 100 GG im Popularklageverfahren in Bezug auf die verfahrensgegenständliche Rechtsvorschrift verneint.86 Das rechtliche Nebeneinander von Bundes- und Landesverfassung hat zur Folge, dass es nicht eine Verfassungswidrigkeit schlechthin gibt, sondern jeweils nur ein solche in Bezug auf die den Prüfungsmaßstab bildende Verfassung.87 Dem entsprechend hat der Verfassungsgerichtshof nur die Gültigkeit der angegriffenen Norm anhand der Bayerischen Verfassung zu überprüfen. Die Vereinbarkeit mit Grundrechten des Grundgesetzes ist hierfür keine Vorfrage im Sinne des Art. 100 Abs. 1 GG88 und kann für den Verfassungsgerichtshof dahinstehen89. Da der Bayerische Verfassungsgerichtshof im Popularklageverfahren die angefochtenen Vorschriften nicht selbst anwendet, nimmt er keine „Auslegung des Grundgesetzes“ im Sinne des Art. 100 Abs. 3 GG vor.90 Eine Vorlage ist daher unter diesem Gesichtspunkt ebenfalls nicht erforderlich. Beizupflichten ist dem Gerichtshof auch in seiner Ansicht, wonach eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht etwa dann einzuholen ist, wenn er die bundesrechtliche Ermächtigungsgrundlage der angegriffenen Rechtsvorschrift für grundgesetzwidrig hält.91

III. Rechtswirksamkeit der Normen der Bayerischen Verfassung Vor der Anwendung von Regelungen der Bayerischen Verfassung hat der Bayerische Verfassungsgerichtshof als Vorfrage festzustellen, ob diese noch geltendes Recht sind oder ob und inwieweit sie durch Einwirkung höherrangigen Rechts verändert oder verdrängt worden sind.92 Kommt er dabei zu dem Ergebnis, die Landes-

86 Angerer, BayVBl. 1969, 274 (275); Burmeister, in: Starck / Stern, LVG II, S. 399 (445); Friesenhahn, FG 25 Jahre BVerfG, Band I, S. 748 (757); Kalkbrenner, FS 25 Jahre BayVerfGH, S. 329 (364 f.); Pestalozza, Verfassungsprozeßrecht, § 13 Rn. 24; Schumann, FS 25 Jahre BayVerfGH, S. 281 (297 Fußn. 69); Schumann, in: Starck / Stern, LVG II, S. 149 (202 Fußn. 241); vgl. auch die ausführliche Diskussion bei Kreim, S. 128 ff. sowie Lerche, FS 25 Jahre BayVerfGH, S. 247 (247 ff.). 87 Rozek, Grundgesetz und Landesverfassungsgerichte, S. 188; vgl. auch E. Klein, DVBl. 1993, 1329 (1333). 88 Pestalozza, Verfassungsprozeßrecht, § 13 Rn. 24. 89 Schumann, FS 50 Jahre BayVerfGH, S. 201 (221). 90 BVerfG 1. Kammer des Ersten Senats, BayVBl. 1998, 79; Horn, BayVBl. 2003, 545 (549). 91 Schmitt Glaeser / Horn, BayVBl. 1992, 673 (684). 92 Angerer, BayVBl. 1969, 274 (275); Domcke, in: Starck / Stern, LVG II, S. 231 (240); Hirsch, FS 50 Jahre BayVerfGH, S. 45 (57); Kempen, in: Becker / Heckmann / Kempen / Manssen, 1. Teil Rn. 228 ff.; Lerche, FS 25 Jahre BayVerfGH, S. 247 (257); Meder, BV, Art. 98

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verfassungsnorm verstoße gegen das Grundgesetz oder sonstiges Bundesrecht, scheidet die Norm als Prüfungsmaßstab im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof aus. Hierüber kann der Gerichtshof selbständig entscheiden, eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 1 GG ist nicht erforderlich.93 Denn dieses nimmt ein Verwerfungsmonopol nur für formelle und nachkonstitutionelle Gesetze in Anspruch94; mithin nur für solche, die seit dem 24. Mai 1949 erlassen worden sind.95 Hierzu zählen die 1946 erlassenen Vorschriften der Bayerischen Verfassung nicht; die später eingefügten wenigen Änderungen96 unterfallen jedoch der Richtervorlage.

§ 43 Prüfungsmaßstab und Recht der Europäischen Union A. Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs I. Keine unmittelbare Prüfung anhand europarechtlicher Regelungen Das Recht der Europäischen Union97 sei – so der Bayerische Verfassungsgerichtshof – im Popularklageverfahren nicht unmittelbar Prüfungsmaßstab.98 Es könne allenfalls mittelbar über das Rechtsstaatsprinzip des Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV Prüfungsmaßstab im Popularklageverfahren sein.99 Ob der Bayerische Verfassungsgerichtshof seine entsprechende Rechtsprechung zum Bundesrecht100 auch bezüglich des Rechts der Europäischen Union für anwendbar hält, lässt er bislang jedoch ausdrücklich offen.101 Eine Verletzung des Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV könnte allenfalls Rn. 14; Rozek, Grundgesetz und Landesverfassungsgerichte, S. 200 f.; vgl. auch Tilch, in: Starck / Stern, LVG II, S. 551 (554). 93 Rozek, Grundgesetz und Landesverfassungsgerichte, S. 202. 94 BVerfGE 2, 124 (129 ff.); 97, 117 (122 f.); Maurer, FS Hangartner, S. 247 (261). 95 Schumann, JA 1974, 431 (432); ders., FS 25 Jahre BayVerfGH, S. 281 (288). 96 Vgl. hierzu unten Übersicht III: Änderungen der Bayerischen Verfassung (S. 396). 97 Der Großteil der hier behandelten Entscheidungen erging vor dem Inkrafttreten des Lissabon-Vertrags und damit zum Recht der Europäischen Gemeinschaften. Der Lissabon-Vertrag trat aber nicht an die Stelle der bisherigen Verträge, sondern er lässt diese als solche bestehen und ändert sie (Lindner, BayVBl. 2008, 421 [423]). Da die hier behandelten Gesichtspunkte durch den Lissabon-Vertrag keine wesentlichen Änderungen erfuhren, kann die vor dessen Inkrafttreten ergangene Rechtsprechung des BayVerfGH auf die jetzige Rechtslage übertragen werden. Vgl. auch Fußn. 107 (9. Kapitel). 98 BayVerfGHE 52, 47 (61); 58, 196 (204); 61, 130 (139); BayVerfGH NuR 2011, 133 (134 f.). 99 BayVerfGHE 55, 123 (127); vgl. auch BayVerfGHE 50, 226 (266); 52, 47 (61 f.). 100 Vgl. § 42 A. (S. 286).

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9. Kap.: Prüfungsmaßstab

bei einem „offenkundigen, schwerwiegenden, besonders krassen Widerspruch“ zu diesem höherrangigen Recht vorliegen.102 Diese Voraussetzung sah er in den konkreten Fällen jedenfalls nicht als gegeben an.103 Sogar im Rahmen einer Popularklage gegen eine „Tariftreueregelung“ verneint der Gerichtshof einen mittelbaren Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip. Zwar verweist er darauf, dass der Europäische Gerichtshof eine vergleichbare niedersächsische Regelung für unvereinbar mit einer europäischen Richtlinie erklärt hatte, weshalb auch ein Verstoß der bayerischen Vorschrift gegen das Europäisches Gemeinschaftsrecht nahe liege. Ein schwerwiegender und besonders krasser Widerspruch liege hingegen nicht vor. Denn die gemeinschaftsrechtliche Zulässigkeit derartiger Tariftreueregelungen sei vor der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs umstritten gewesen und sei noch vor kurzem vom Generalanwalt beim Europäischen Gerichtshof bejaht worden.104

Hat der Bayerische Verfassungsgerichtshof einen Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip aufgrund eines vermeintlichen Verstoßes gegen Europarecht abgelehnt, verneint er ebenso eine Verletzung der Handlungsfreiheit, die durch den Verstoß gegen das höherrangige Recht bedingt ist.105

II. Keine Vorlagepflicht gemäß Art. 267 AEUV Der Bayerische Verfassungsgerichtshof geht davon aus, dass ihm im Popularklageverfahren keine Vorlagepflicht an den Europäischen Gerichtshof106 in Bezug auf das Vorabentscheidungsverfahren gemäß Art. 267 AEUV107 zukommen kann. 101 BayVerfGHE 39, 56 (62); 50, 76 (98 f.); 50, 226 (266); 52, 47 (61); 58, 196 (204); 61, 130 (139); BayVerfGH NuR 2011, 133 (134 f.). 102 BayVerfGHE 50, 226 (266); 52, 47 (61); 58, 196 (204). In der Entscheidung BayVerfGHE 59, 196 (204) sieht Lindner Anzeichen dafür, dass der BayVerfGH diese Frage nicht mehr offen lässt, sondern eine Verletzung des Rechtsstaatsprinzips für möglich hält (Lindner, BayVBl. 2009, 65 [69]). Diese Einschätzung ist aber nicht zwingend. So formuliert der BayVerfGH: „Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV könnte in diesem Zusammenhang jedenfalls nur bei einem offenkundigen, schwerwiegenden, besonders krassen Widerspruch“ … „zum Europäischen Gemeinschaftsrecht verletzt sein“. … „Ein derartiger, für eine Verletzung des Rechtsstaatsprinzips der Bayerischen Verfassung vorausgesetzter offensichtlicher, schwerwiegender, besonders krasser Verstoß“ … „liegt hier nicht vor.“ (BayVerfGHE 58, 196 [203]). Auch der BayVerfGH selbst ging in einer späteren Entscheidung weiterhin davon aus, dass diese Frage weiterhin offen ist (vgl. BayVerfGH NuR 2011, 133 [134 f.]). 103 BayVerfGHE 50, 76 (99); 50, 226 (266); 52, 47 (62); 61, 130 (139). 104 BayVerfGHE 61, 130 (139). 105 BayVerfGHE 50, 76 (104); vgl. auch oben bei Fußn. 41 (9. Kapitel) zum Verstoß gegen Bundesrecht. 106 Vgl. zum Spannungsfeld zwischen dem Europarecht und dem deutschen Verfassungsrecht Steiner, EuZA 2009, 140 (140 ff.). 107 Das Modell der Vorabentscheidung durch den EuGH liegt bereits in Art. 41 des EGKS(Montan)-Vertrages vom 18. April 1951 (BGBl 1952 II, S. 445, S. 978) begründet. Dieses übernahmen die Römischen Verträge vom 25. März 1957 (BGBl 1957 II, S. 753, 1014, 1678;

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So richtete sich eine Popularklage gegen die in Art. 43 Abs. 4 BayGO getroffene Bestimmung zur Angemessenheit der Arbeitsbedingungen und der Vergütungen der Angestellten und Arbeiter. Der Antragsteller sah in dieser Regelung eine Bevorzugung einzelner Tarifvertragsparteien, weshalb ein Verstoß gegen europäisches Recht, insbesondere gegen das europäische Kartellverbot, vorliege. Er regte an, die Vorschrift dem Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung vorzulegen. Dazu führt der Verfassungsgerichtshof aus: „Die im Rahmen der Prüfung einer Verletzung des Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV allenfalls gebotene Prüfung, ob ein offensichtlicher, schwerwiegender, besonders krasser Verstoß“ … „gegen Gemeinschaftsrecht vorliegt, hat der Verfassungsgerichtshof selbst vorzunehmen.“ … „Die Vorlage einer die Auslegung oder die Gültigkeit von Normen des Gemeinschaftsrechts betreffenden Frage an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften zur Vorabentscheidung (Art. 234 EGV [Art. 267 AEUV]108) setzt auch für ein letztinstanzliches Gericht voraus, daß es für die Entscheidung des anhängigen Verfahrens auf die Klärung dieser Frage ankommt“. … „Eine solche Entscheidungserheblichkeit ist hier nicht gegeben. Denn selbst wenn die Auslegung der hier in Rede stehenden Vertragsbestimmungen zweifelhaft wäre und Art. 43 Abs. 4 GO bei einer anderen als der hier vorgenommenen Auslegung gegen diese Vertragsbestimmungen verstieße, fehlte es jedenfalls an der Offensichtlichkeit eines solchen Verstoßes, so daß sich an der Feststellung, Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV sei nicht verletzt, nichts ändern würde“.109

Diese Beschränkung des Prüfungsmaßstabs bei Überprüfung von Landesrecht sei nicht ihrerseits mit dem Europarecht unvereinbar.110 Der Verfassungsgerichtshof zitiert insofern Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, wonach die Mitgliedstaaten über Aufbau und Zuständigkeit nationaler Gerichte entscheiden dürften, soweit das Verfahren im Hinblick auf Gemeinschaftsrecht nicht ungünstiger ausgestaltet werde, als bei entsprechenden Klagen, die innerstaatliches Recht betreffen und falls die Ausübung der durch die Gemeinschaftsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert werde.111 Hierzu stellt der Verfassungsgerichtshof fest:

1958 II S. 1) in Art. 150 EAV und Art. 177 EWGV. Der Vertrag von Amsterdam vom 2. November 1997 (Amtsblatt Nr. C 340 vom 10. November 1997) änderte die Bezifferung der Vorschrift des Art. 177 EWGV in Art. 234 EG-Vertrag. Seit dem Inkrafttreten des Lissabon-Vertrags am 1. Dezember 2009 (BGBl 2008 II, S. 1038; vgl. zum Lissabon-Vertrag auch Steiner, DVP 2008, 485 ff.) ist die Vorlage an den EuGH in Art. 267 AEUV geregelt. Die Grundvorschrift bildet Art. 19 Abs. 3 Buchstabe (b) EUV (vgl. Schumann, in: Roth, Europäisierung des Rechts, S. 197 [220]. Inhaltlich blieb die frühere Regelung des Art. 177 EWGV weitgehend unverändert. Angepasst wurde lediglich die Aufzählung des Verfahrensgegenstandes. Außerdem fügte der Vertrag von Lissabon die Regelung ein, wonach der Gerichtshof innerhalb kürzester Zeit entscheidet, soweit eine Frage in einem schwebenden Verfahren, das eine inhaftierte Person betrifft, bei einem einzelstaatlichen Gericht gestellt wird. Die in Literatur und Rechtsprechung zu den Vorgängernormen getroffen Ausführungen sind daher auf Art. 267 AEUV übertragbar. Vgl. zum Modell der Richtervorlage Schumann, FS Spellenberg, S. 729 (735 f.). 108 Vgl. Fußn. 107 (9. Kapitel). 109 BayVerfGHE 52, 47 (62 f.); vgl. auch BayVerfGHE 50, 76 (102). 110 BayVerfGHE 50, 76 (99); 52, 47 (61 f.); 58, 196 (204).

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9. Kap.: Prüfungsmaßstab

„Der eingeschränkte Prüfungsmaßstab des Verfassungsgerichtshofs verletzt diese Grenzen nicht. Die Vereinbarkeit von Landesrecht mit Gemeinschaftsrecht wird nicht anders behandelt als die Vereinbarkeit mit Bundesrecht. Darüber hinaus ist die Ausübung der durch die Gemeinschaftsrechtsordnung dem einzelnen unmittelbar verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich gemacht und auch nicht übermäßig erschwert. Er genießt Rechtsschutz auch im Hinblick auf das unmittelbar geltende Gemeinschaftsrecht durch die Fachgerichte, die“ … „die Frage dem Europäischen Gerichtshof zur Entscheidung vorlegen, wenn die Voraussetzungen des Art. 177 EGV [Art. 267 AEUV]112 gegeben sind.“113

B. Bewertung der Rechtsprechung I. Keine unmittelbare Prüfung anhand europarechtlicher Regelungen Dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof ist darin zuzustimmen, dass er die im Popularklageverfahren gegenständlichen Normen nicht direkt am Recht der Europäischen Union prüft. Denn sein Prüfungsmaßstab ist ausschließlich die Bayerische Verfassung.114 In der Literatur wird die vom Gerichtshof bislang offen gelassene Frage, ob ein schwerwiegender und offensichtlicher Verstoß gegen Europarecht zugleich das Rechtsstaatsprinzip des Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV verletzen kann, bejaht.115 Allerdings blieben die Ausführungen des Verfassungsgerichtshofs zu einer möglichen Verletzung des Rechtsstaatsprinzips aufgrund einer Verletzung des Europarechts bislang ergebnislose „Formeln“. Es ist nicht die Aufgabe des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs die Einhaltung des Europarechts zu prüfen. Ebenso wie für den Bereich des Bundesrechts bereits ausgeführt116, sollte er daher auf mittelbare Prüfung anhand des Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV verzichten.

II. Keine Vorlagepflicht gemäß Art. 267 AEUV Das Vorlageverfahren gemäß Art. 267 AEUV eröffnet die Möglichkeit, die Vereinbarkeit des nationalen Rechts mit dem Unionsrecht einer mittelbaren Überprüfung zu unterziehen. Der Europäische Gerichtshof darf hierbei das Unionsrecht

111 BayVerfGHE 50, 76 (99) unter Verweis auf EuGHE 1995 I, S. 4599 (4620 f., Punkt 12) und EuGHE 1995 I, S. 4705 (4737, Punkt 17). 112 Vgl. Fußn. 107 (9. Kapitel). 113 BayVerfGHE 50, 76 (99). 114 Vgl. die Nachweise in Fußn. 56 (9. Kapitel). 115 Hirsch, FS 50 Jahre BayVerfGH, S. 45 (56); Lindner, BayVBl. 2004, 641 (648); 2009, 65 (69); Wolff, in: Lindner / Möstl / Wolff, BV, Art. 98 Rn. 70; vgl. zu dieser Frage des materiellen Rechts auch oben § 42 B. I. 2. b) (S. 293). 116 Vgl. hierzu ausführlich oben § 42 B. I. 2. c) (S. 294).

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zwar nur auslegen, doch kann sich aus einem Vorabentscheidungsurteil die Unanwendbarkeit nationaler Bestimmungen ergeben, die mit dem Unionsrecht unvereinbar sind.117 Ein mitgliedstaatliches Gericht ist zur Vorlage nach Art. 267 AEUV verpflichtet, wenn dessen Entscheidung nicht mehr mit Rechtsbehelfen des innerstaatlichen Rechts angegriffen werden kann. Da die Möglichkeit, die Entscheidung mit einer Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG anzugreifen, kein Rechtsmittel im Sinne von Art. 267 AEUV darstellt, sind Landesverfassungsgerichte stets vorlagepflichtig.118 Voraussetzung hierfür ist gemäß Art. 267 AEUV jedoch, dass das vorlegende Gericht die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zum Erlass des eigenen Urteils für „erforderlich“ hält. Dieses Kriterium der Entscheidungserheblichkeit muss auch bei letztinstanzlichen Gerichten erfüllt sein.119 Soweit ein Verstoß gegen Unionsrecht vorliegt, ist Landesrecht auf unionsrechtliche Sachverhalte nicht anwendbar. Der Bayerische Verfassungsgerichtshof wendet Rechtsvorschriften jedoch nicht an, sondern überprüft deren Vereinbarkeit mit der Bayerischen Verfassung. Für diese Prüfung ist es nicht rechtserheblich, ob die angefochtene Norm auf unionsrechtliche Sachverhalte anwendbar ist. Daher stellt sich dem Verfassungsgerichtshof insoweit die Frage der Gültigkeit oder Auslegung von Unionsrecht nicht als Vorfrage.120 Geht man davon aus, dass ein Verstoß gegen das Recht der Europäischen Union zugleich das Rechtsstaatsprinzip des Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV verletzen kann, ist hierfür ein offensichtlicher und schwerwiegender Verstoß gegen Unionsrecht Voraussetzung. Die Einholung einer Vorabentscheidung nach Art. 267 AEUV ist nicht erforderlich, soweit am Auslegungsergebnis kein ernsthafter Zweifel besteht.121 Aufgrund dieser „acte-clair“-Doktrin kommt im Hinblick auf eine Verletzung des Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV eine Vorlage des Bayerischen Verfassungsgerichtshof im Hinblick auf die Auslegung von Unionsrecht kaum in Betracht. Eine Vorlagepflicht ist denkbar, wenn für die Beurteilung, ob ein Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip vorliegt, zu entscheiden ist, ob das einschlägige Unionsrecht überhaupt gültig ist. Für die Beantwortung dieser Frage ist allein der Europäische Gerichtshof zuständig.122 Dem Verfassungsgerichtshof ist schließlich darin zuzustimmen, dass die Einschränkung des Prüfungsmaßstabs seinerseits mit dem Unionsrecht vereinbar ist.123

117 118 119 120

Niedermühlbichler, Rn. 262. Vgl. Hirsch, FS 50 Jahre BayVerfGH, S. 45 (54); Pechstein, Rn. 826. Hirsch, FS 50 Jahre BayVerfGH, S. 45 (54). Hirsch, FS 50 Jahre BayVerfGH, S. 45 (55 f.); vgl. auch Lindner, BayVBl. 2009, 65

(72). 121 EuGHE 1982 I, S. 3415 (3429, Punkt 14); Borchardt, EuGH, Art. 234 Rn. 41 f., Niedermühlbichler, Rn. 290; Pechstein, Rn. 834; vgl. hierzu auch Arnold, FS Neumayer, S. 1 (27 f.); Hirsch, FS 50 Jahre BayVerfGH, S. 45 (54); Zimmermann, FS Doehring, S. 1033 (1045 f.). 122 Hirsch, FS 50 Jahre BayVerfGH, S. 45 (57). 123 Lindner, BayVBl. 2009, 65 (69).

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9. Kap.: Prüfungsmaßstab

III. Rechtswirksamkeit der Normen der Bayerischen Verfassung Der Bayerische Verfassungsgerichtshof muss vor der Anwendung von Regelungen der Bayerischen Verfassung feststellen, ob und inwieweit diese durch Einwirkung höherrangigen Rechts verändert oder verdrängt worden sind.124 Der Verfassungsgerichtshof kann in eigener Zuständigkeit entscheiden, ob die seinen Prüfungsmaßstab bildende Verfassungsnorm im Hinblick auf höherrangiges, unmittelbar geltendes Unionsrecht unanwendbar ist.125

§ 44 Prüfungsmaßstab und einfaches Landesrecht A. Ordnungsgemäße Durchführung eines Volksgesetzgebungsverfahrens I. Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs Der Bayerische Verfassungsgerichtshof sieht im Rahmen eines Popularklageverfahrens die Rüge, ein Gesetz sei insgesamt verfassungswidrig, weil das Volksgesetzgebungsverfahren nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden sei, als unzulässig an. Insoweit habe das Verfahren zur Prüfung des Volksentscheids gemäß Art. 80 LWG Vorrang.126 Gegenstand des konkreten Verfahrens war das durch Volksentscheid vom 4. Juli 2010 beschlossene Gesundheitsschutzgesetz, das ein Rauchverbot in Gaststätten regelt.127 Die Antragsteller rügten, das angegriffene Gesetz sei nicht verfassungsgemäß zustande gekommen, da der Volksentscheid nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden sei. Er habe entgegen Art. 74 Abs. 6 BV im Hochsommer stattgefunden, sodass ein Teil der bayerischen Bevölkerung nicht daran habe teilnehmen können. In einigen Landkreisen seien unvollständige Stimmzettel verwendet worden, auf denen ein Großteil des Gesetzestextes gefehlt habe. Der Grundsatz der Wahlgleichheit sei verletzt, weil Gegnern des Volksbegehrens im Unterschied zu dessen Initiatoren nicht die Möglichkeit eingeräumt worden sei, in Rundfunk und Fernsehen für ihre Ziele zu werben, und ihnen in vielen Gemeinden das Anbringen von Plakaten verwehrt worden sei.128 Zur Begründung des Vorrangs des Verfahrens gemäß Art. 80 LWG stellt der Verfassungsgerichtshof fest: „Art. 80 LWG sieht ein besonderes Verfahren für die Prüfung des Volksentscheids vor, das sich an das Wahlprüfungsverfahren bei der Landtagswahl gemäß Art. 33 BV, Art. 51 ff. Vgl. die Nachweise in Fußn. 92 (9. Kapitel). Hirsch, FS 50 Jahre BayVerfGH, S. 45 (58). 126 BayVerfGH BayVBl. 2012, 13 (13 f.); vgl. auch BayVerfGH BayVBl. 2011, 43 (43 f.) [Ablehnung eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung im selben Verfahren]. 127 BayVerfGH BayVBl. 2012, 13. 128 BayVerfGH Entscheidung vom 13. 9. 2011, Vf. 12-VII-10, veröffentlicht in juris, ebenda Rn. 53 (insoweit nicht veröffentlicht in BayVBl. 2013, 13. 124 125

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LWG anlehnt. Bei diesem zweistufigen Verfahren geht es darum, ob der Volksentscheid ordnungsgemäß durchgeführt wurde und damit gültig ist oder ob er zu wiederholen ist“ … „Für diese Prüfung ist zunächst der Landtag zuständig“ … „Im Anschluss daran kann unter den Voraussetzungen des Art. 80 Abs. 2 LWG, Art. 48 Abs. 2 bis 5 VfGHG die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs beantragt werden.“ … „Dieses zweistufige Verfahren dient im Interesse der Rechtssicherheit (vgl. LT-Drs. 15 / 5473 S. 23) der raschen und endgültigen Prüfung, ob ein Volksentscheid gültig ist. Ebenso wie bei der Wahl besteht hier grundsätzlich das Bedürfnis, möglichst zeitnah und abschließend eine Klärung über die Rechtmäßigkeit des Zustandekommens des durch Volksentscheid beschlossenen Gesetzes zu erhalten. Denn im Gegensatz zum Parlamentsgesetz, dessen formelles Zustandekommen in aller Regel relativ einfach überprüft werden kann, beruht das im Volksgesetzgebungsverfahren zustande gekommene Gesetz – dem Wahlvorgang vergleichbar – auf einer Vielzahl von Vorbereitungs- und Abstimmungsvorgängen, die im ganzen Land durchgeführt werden und, müssten sie Jahre später in einem Popularklageverfahren überprüft werden, kaum noch aufzuklären wären (VerfGH 50, 181 / 197 f.). Wird der Verfassungsgerichtshof nach Art. 80 Abs. 2 LWG angerufen, so hat er die Durchführung des Volksentscheids in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht umfassend zu überprüfen“ … „Demgegenüber geht es im Popularklageverfahren ausschließlich darum, ob ein Gesetz wegen Verstoßes gegen die Bayerische Verfassung für nichtig zu erklären ist.“ … „Der dargestellte Sinn und Zweck des Prüfungsverfahrens nach Art. 80 LWG könnte in der Verfassungswirklichkeit nicht zum Tragen kommen, wenn im Popularklageverfahren Rügen gegen die ordnungsgemäße Durchführung des Volksentscheids ohne Bindung an eine Antragsfrist zulässig wären. Auch das Recht des Parlaments, zunächst eine eigenständige Prüfung vorzunehmen, wäre dann nicht gewahrt. Die genannten formellen Rügen können daher nur in dem dafür vorgesehenen besonderen Verfahren nach Art. 80 LWG erhoben werden. Vor allem im Hinblick auf den Aspekt der Rechtssicherheit, dem im öffentlichen Interesse besondere Bedeutung zukommt, gilt dies unabhängig davon, ob die Antragsteller der vorliegenden Popularklage in einem verfassungsgerichtlichen Verfahren nach Art. 80 Abs. 2 LWG überhaupt antragsberechtigt gewesen wären. Inwieweit sie im Volksgesetzgebungsverfahren stimmberechtigt waren, ist daher ebenfalls ohne Bedeutung.“129

II. Bewertung der Rechtsprechung Diese Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs, wonach eine Prüfung der ordnungsgemäßen Durchführung eines Volksgesetzgebungsverfahrens im Rahmen einer Popularklage unzulässig sei, entspricht der gesetzlichen Regelung. Denn gemäß Art. 80 Abs. 1 LWG i.V. m. Art. 51 LWG obliegt dem Landtag die Prüfung, ob der Volksentscheid den gesetzlichen Voraussetzungen entsprechend durchgeführt worden ist.130 Zwar kann gegen dessen Beschlüsse der Verfassungsgerichtshof angerufen werden, doch schränkt Art. 80 Abs. 2 Satz 1 LWG den Kreis der Antragsberechtigten ein. Daher kann nicht jedermann ein solches verfassungsgerichtliches 129 BayVerfGH BayVBl. 2012, 13 (14); vgl. auch BayVerfGH BayVBl. 2011, 43 (43 f.) [Ablehnung eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung im selben Verfahren]. 130 Högner, in: Boettcher / Högner / Spilarewicz, LWG Erl. Art. 80 Rn. 1.

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9. Kap.: Prüfungsmaßstab

Verfahrens einleiten, sondern neben Fraktionen und Minderheiten des Landtages (Art. 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 LWG) und den Beauftragten des Volksbegehrens (Art. 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 LWG) nur ein Stimmberechtigter, dessen Beanstandung des Volksentscheids vom Landtag verworfen worden ist, wenn ihm mindestens einhundert Stimmberechtigte beitreten (Art. 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 LWG). Stimmberechtigte sind somit nur unter dieser Voraussetzung, Nichtstimmberechtigte überhaupt nicht antragsberechtigt. Desweiteren ist ein solcher Antrag gemäß Art. 80 Abs. 2 Satz 2 LWG i.V. m. Art. 48 Abs. 2 Satz 1 BayVfGHG binnen einen Monats seit der Beschlussfassung des Landtags einzureichen. Diesen gesetzlichen Regelungen zum Antragsrecht sowie zur Antragsfrist würde es widersprechen, wenn der Verfassungsgerichtshof die ordnungsgemäße Durchführung des Volksgesetzgebungsverfahrens nicht nur im Verfahren nach Art. 80 Abs. 2 LWG, sondern auch im Popularklageverfahren vollumfänglich prüfen würde. Da die Bayerische Verfassung den Gesetzgeber nicht zur Einführung einer Popularklage zwingt131, stehen der Einschränkung des Prüfungsumfangs in diesem Verfahren keine verfassungsrechtlichen Bedenken entgegen. Der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs ist daher zuzustimmen.

B. Bestehen und Einhalten der landesrechtlichen Ermächtigungsgrundlage I. Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs Über die „Brücke“132 des Rechtsstaatsprinzips prüft der Bayerische Verfassungsgerichtshof bei untergesetzlichen Normen mittelbar das Bestehen und Einhalten der landesrechtlichen Ermächtigungsgrundlage. Er formuliert in ständiger Rechtsprechung: „Werden“ … „die Vorschriften einer abgeleiteten Rechtsnorm in zulässiger Weise mit der Popularklage angegriffen, so hat der Verfassungsgerichtshof zu prüfen, ob sie auf einer ausreichenden gesetzlichen Ermächtigung beruhen und ob sie sich in deren Rahmen halten. Fehlt es daran, so verstößt die abgeleitete Rechtsvorschrift gegen das Rechtsstaatsprinzip (Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV), ohne dass es noch darauf ankommt, ob durch sie Grundrechte der Bayerischen Verfassung verfassungswidrig eingeschränkt werden“.133

Vgl. oben § 2 C. III. (S. 46). Steiner, in: Berg / Knemeyer / Papier / Steiner, Teil C Rn. 30. 133 BayVerfGHE 59, 134 (138 f.); vgl. auch BayVerfGHE 48, 87 (94); 50, 268 (271); 55, 1 (7); 55, 66 (70); 56, 198 (203); 57, 48 (52 f.); 57, 84 (93); 57, 161 (165 f.); 58, 196 (202 f.); 60, 71 (74); 60, 101 (108); 61, 262 (270); 62, 30 (36); 62, 113 (117); BayVerfGH BayVBl. 2009, 334. 131 132

§ 44 Prüfungsmaßstab und einfaches Landesrecht

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Außerdem stellt er in diesem Zusammenhang fest: „Die Begrenzungen in der Prüfungsintensität, von denen der Verfassungsgerichtshof bei der Überprüfung von Landesrecht am Maßstab des Bundesrechts oder sonstigen höherrangigen Rechts ausgeht (vgl. hierzu VerfGH 50, 226 / 266; 51, 94 / 99 f.; 55, 160 / 166; VerfGHE vom 4. Juni 2003 Vf. 4-VII-02134 S. 15)135, sind hier nicht zu beachten.“136

Den Grund für den Verzicht auf die Begrenzung der Prüfungsintensität sieht der Bayerische Verfassungsgerichtshof offensichtlich darin, dass es sich „nur um eine Prüfung von nachrangigem Landesrecht am Maßstab des (ermächtigenden) Landesgesetzes und nicht etwa um eine Prüfung von Landesrecht am Maßstab des Bundesrechts [handelt]“.137

Sofern eine abgeleitete Rechtsvorschrift Verfahrensgegenstand ist, die auf einer landesrechtlichen Ermächtigungsgrundlage beruht, schreibt sich der Gerichtshof somit die Befugnis zu, jede Verletzung dieser einfachrechtlichen Grundlage zu prüfen. Liegt eine solche vor, bejaht er einen Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip und damit die Verfassungswidrigkeit – und zwar unabhängig davon, ob es sich um einen schwerwiegenden, krassen und offensichtlichen Verstoß handelt. Im konkreten Fall griff eine Popularklage eine Regelung einer Verordnung der Landeshauptstadt München an, die Vorschriften über Mindestabstandsflächen für die Bebauung enthielt. Diese beruhte auf einer Ermächtigungsgrundlage der BayBO. Der Verfassungsgerichtshof führt aus, der Bund habe von seiner konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeit für das Bodenrecht Gebrauch gemacht. Dem Landesgesetzgeber verbleibe damit die Zuständigkeit für das Bauordnungsrecht. Daher könne und wolle die BayBO nur zu bauordnungsrechtlichen Regelungen ermächtigen.138 Der Gerichtshof geht ausführlich darauf ein, ob die angefochtene Vorschrift Boden- oder Bauplanungsrecht zuzuordnen ist und verweist unter anderem auf den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof, der eine entsprechende Verordnungsbestimmung in einem Urteil aus dem Jahr 1976 als von der BayBO gedeckt angesehen, im Jahr 2003 diese Auffassung jedoch ausdrücklich aufgegeben habe. Der Verfassungsgerichtshof ordnet die angegriffene Vorschrift der Münchener Verordnung dem Bauplanungsrecht zu, weshalb es nicht von der Ermächtigungsgrundlage gedeckt sei und gegen das Rechtsstaatsprinzip verstoße.139

In Bezug auf eine mögliche Verletzung des Rechtsstaatsprinzips prüft der Verfassungsgerichtshof eingehend Einzelheiten des einfachen Landesrechts. So griff eine Popularklage die Beitragssatzung für die Verbesserung der Wasserversorgungseinrichtung der Gemeinde Hohenwarth an.140 Der Gerichtshof prüft im Rahmen der Begrün134 135 136 137 138 139 140

Veröffentlicht in BayVerfGHE 56, 99. Vgl. hierzu das Zitat bei Fußn. 23 (9. Kapitel). BayVerfGHE 57, 48 (53). BayVerfGHE 57, 48 (53). BayVerfGHE 57, 48 (53). BayVerfGHE 57, 48 (53 ff.). BayVerfGHE 60, 71.

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9. Kap.: Prüfungsmaßstab

detheit zunächst die Einhaltung der Ermächtigungsgrundlage, in diesem Fall Art. 5 BayKAG i. V m. Art. 2 BayKAG.141 Er stellt fest, nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 BayKAG könnten Beiträge nur zur Deckung des Investitionsaufwands erhoben werden. Das sei der Aufwand, der für die Herstellung, Anschaffung, Verbesserung oder Erneuerung der öffentlichen Einrichtung entstehe. Bloße Reparaturen, Ausbesserungen oder Unterhaltsarbeiten seien daher nicht beitragsfähig. In diesem Zusammenhang prüft er, ob die Errichtung des konkreten Hochbehälters als Ersatz für einen alten eine Verbesserung der gemeindlichen Wasserversorgungseinrichtung darstelle, da eine Verneinung dieser Frage zur Gesamtnichtigkeit der Verbesserungsbeitragssatzung führen würde. Unter Verweis auf fachgerichtliche Rechtsprechung bejaht er das Vorliegen einer Verbesserung142 und weist die Popularklage als unbegründet ab143. Ein weiteres Verfahren hatte Regelungen der Satzung für die öffentliche Entwässerungsanlage der Gemeinde Mengkofen zum Gegenstand.144 Zur Ermächtigungsgrundlage des Art. 24 Abs. 1 Nr. 2 BayGO stellt der Bayerische Verfassungsgerichtshof fest, dass die Einführung eines Anschluss- und Benutzungszwangs im Hinblick auf eine öffentliche Entwässerungseinrichtung für im Trennsystem zu beseitigendes Niederschlagswasser im Rahmen der Bindung an Gründe des öffentlichen Wohls regelmäßig eine besondere wasserwirtschaftliche Rechtfertigung verlange.145 Dem Gerichtshof erscheint es im konkreten Fall jedoch offen, ob hinreichende Gründe des öffentlichen Wohls vorliegen. Die Gemeinde habe zwar Gründe genannt, doch sei aufgrund substantiierter Einwendungen der Antragsteller nicht sicher, ob der Vortrag der Gemeinde zutreffe. Es bedürfe daher näherer Prüfung durch sachverständige Behörden oder sonstige Stellen. Eine solche Beweiserhebung sei jedoch nicht Sache des Verfassungsgerichtshofs. Die Verantwortung für diese Ermittlungen trage vielmehr der Normgeber.146 Die Gemeinde sei dieser Aufgabe bislang nicht ausreichend nachgekommen.147 Da keine gesicherten Tatsachen ersichtlich seien, dass sich die angegriffenen Bestimmungen der Entwässerungssatzung im Rahmen der Ermächtigungsgrundlage halten,148 stellt der Gerichtshof einen Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip fest, soweit die Regelungen den Anschluss- und Benutzungszwang auf Wasser erstrecken, das von Niederschlägen aus dem Bereich von bebauten oder befestigten Flächen abfließt.149

II. Bewertung der Rechtsprechung Aufgabe des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs im Popularklageverfahren ist es, als Hüter der Verfassung über die Vereinbarkeit einer Rechtsvorschrift mit der Bayerischen Verfassung zu entscheiden. Eine Verletzung des einfachen Landesrechts könnte jedoch mittelbar einen Verstoß gegen Verfassungsrecht darstellen. 141 142 143 144 145 146 147 148 149

BayVerfGHE 60, 71 (74). BayVerfGHE 60, 71 (75); vgl. zu einem ähnlichen Fall auch BayVerfGHE 51, 1 (22 ff.). BayVerfGHE 60, 71 (74). BayVerfGH BayVBl. 2008, 203. BayVerfGH BayVBl. 2008, 203 (204). BayVerfGH BayVBl. 2008, 203 (205). BayVerfGH BayVBl. 2008, 203 (206). BayVerfGH BayVBl. 2008, 203 (205). BayVerfGH BayVBl. 2008, 203 (204).

§ 44 Prüfungsmaßstab und einfaches Landesrecht

309

1. Materiell-rechtliche Bewertung Eine Rechtsvorschrift, die gegen einfaches Landesrecht verstößt, kann keine Grundlage für einen rechtmäßigen Eingriff in ein Grundrecht darstellen.150 Ebenso vertreten verschiedene Literaturstimmen die Ansicht, ein Verstoß einer untergesetzlichen Norm gegen höherrangiges Recht verletze zugleich die Normenhierarchie und damit das Rechtsstaatsprinzip.151 Insofern ist in materiell-rechtlicher Hinsicht in die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit einer untergesetzlichen Norm die Frage einzubeziehen, ob diese gegen ein einfachrechtliches Gesetz verstößt. Auffällig sind aber die unterschiedlichen Prüfungsmaßstäbe, die der Verfassungsgerichtshof in Bezug auf die Prüfung der Einhaltung einfachrechtlicher Regelungen des Bundes- und des Landesrechts anlegt. So weist er bei der Frage, ob ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV aufgrund eines Verstoß gegen einfaches Bundesrecht vorliegt, darauf hin, es sei nicht seine Aufgabe, gleichsam ein einfachrechtliches Normenkontrollverfahren im Sinn des § 47 VwGO durchzuführen. Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV sei nur verletzt, wenn ein offensichtlicher und schwerwiegender Verstoß gegen Bundesrecht vorliege.152 Diese Einschränkungen macht der Gerichtshof in Bezug auf die Verletzung einfachen Landesrechts nicht.153 Diese Unterscheidung ist nur gerechtfertigt, wenn das Rechtstaatsprinzip des Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV in materiell-rechtlicher Hinsicht dahingehend auszulegen ist, dass dieses zwar bei jedem Verstoß gegen einfaches Landesrecht, in Bezug auf Bundesrecht jedoch nur dann verletzt ist, wenn gegen dieses in offensichtlicher und schwerwiegender Weise verstoßen wird. 2. Prozessrechtliche Bewertung Die Frage des materiellen Verfassungsrechts, ob ein Verstoß einer untergesetzlichen Norm gegen ein einfaches Gesetz zu deren Verfassungswidrigkeit führt, ist von dem prozessualen Problem zu trennen, ob ein solcher Verstoß mit Hilfe der Popularklage beseitigt werden kann.154 Es ist durchaus denkbar, dass aus prozessrechtlichen Gründen die Vereinbarkeit einer Rechtsvorschrift mit einfachen Gesetzen aus dem Prüfungsmaßstab ausgeschlossen ist, obwohl in materiell-rechtlicher Hinsicht ein vermeintlicher Gesetzesverstoß mittelbar zur Grundrechtswidrigkeit führt.

Vgl. hierzu oben § 21 B. (S. 139). Vgl. Löwer, in: Isensee / P. Kirchhof, HStR II, 1. Aufl., § 56 Rn. 60; Stern, Staatsrecht II, S. 987, Fußn. 273; Tillmanns, DÖV 2001, 728 (728 f.). 152 Vgl. oben § 42 A. I. 4. (S. 290). 153 Vgl. oben § 44 B. I. (S. 306). 154 Vgl. zur verdeckten Rechtssatzverfassungsbeschwerde zum BVerfG: Schumann, Verfassungs- und Menschenrechtsbeschwerde, S. 182; ihm folgend zum Grundrecht auf Freiheit der EMRK: Herzog, AöR 86, 194 (212). 150 151

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9. Kap.: Prüfungsmaßstab

a) Mittelbarer Grundrechtsverstoß als Frage der Zulässigkeit Die Frage der Prüfung von Verstößen gegen einfaches Gesetzesrecht stellt sich im abstrakten Normenkontrollverfahren auch dem Bundesverfassungsgericht. Es führt hierzu aus: „Das Bundesverfassungsgericht hat im Verfahren der abstrakten Normenkontrolle von Rechtsverordnungen des Bundes als Vorfrage zu prüfen, ob der Inhalt der Rechtsverordnung in der in Anspruch genommenen gesetzlichen Ermächtigung eine Grundlage findet.“ … „Daran knüpft sich die Frage, ob der Inhalt der Verordnung von der in Anspruch genommenen Ermächtigungsgrundlage gedeckt wird. Hierfür ist allerdings das Grundgesetz nicht unmittelbar Prüfungsmaßstab.“ … „Gleichwohl muß die Frage nach der Vereinbarkeit der Rechtsverordnung mit dem (einfachen) Bundesrecht in einem Normenkontrollverfahren nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG vom Bundesverfassungsgericht vorab beantwortet werden. Nur so läßt sich feststellen, daß für die Prüfung, ob die Verordnung mit dem Grundgesetz übereinstimmt, ein gültiger Gegenstand gegeben ist. Anders als im konkreten Normenkontrollverfahren nach Art. 100 Abs. 1 GG ist hier ein anderes für diese Entscheidung zuständiges Organ nicht vorhanden“.155

Im Ergebnis lehnt das Bundesverfassungsgericht bei der Prüfung von untergesetzlichem Bundesrecht eine mittelbare Verfassungsrechtsverletzung als Maßstab der Begründetheitsprüfung ab156, indem es dies im Rahmen der Zulässigkeitsfrage klärt, ob ein geeigneter Prüfungsgegenstand vorliegt.157 Dieses Vorgehen stößt in der Literatur auf Kritik. Die Vorfragen-Konzeption sei nicht zwingend. Die Frage, ob eine Rechtsverordnung mit den Bundesgesetzen übereinstimmt, sei gegenüber der Frage, ob sie mit dem Grundgesetz vereinbar ist, keineswegs logisch vorrangig.158 Eine Übertragung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auf das Popularklageverfahren ist grundsätzlich denkbar. Allerdings müsste das Verfassungsgericht im Falle eines Verstoßes gegen einfache formelle Gesetze die Beschwerde als unzulässig abweisen, da die angegriffene Norm nichtig und daher kein zulässiger Verfahrensgegenstand wäre.159 Eine solche Verwerfung der Klage als unzulässig würde die Nichtigkeit der jeweiligen Rechtsvorschrift aber nicht rechtskräftig feststellen. Sie würde dem Grundrechtsschutz daher nicht dienen. Eine Übertragung der dargestellten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auf das Popularklageverfahren ist deshalb abzulehnen.

BVerfGE 101, 1 (30 f.). Zur Prüfung der Vereinbarkeit von Landesrecht mit Bundesrecht ist das Bundesverfassungsgericht hingegen gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG und Art. 100 Abs. 1 Satz 2 GG ausdrücklich berufen (vgl. hierzu etwa BVerfGE 7, 111 (120). 157 Vgl. Müller-Terpitz, DVBl. 2000, 235. 158 Tillmanns, DÖV 2001, 728 (731). 159 Vgl. etwa Löwer, in: Isensee / P. Kirchhof, HStR III, § 70 Rn. 66; Müller-Terpitz, DVBl. 2000, 235 (236); siehe Angerer, BayVBl. 1969, S. 274 (275) zur vergleichbaren Frage der möglichen Unzulässigkeit einer Popularklage aufgrund der Nichtigkeit einer Norm wegen eines Verstoßes gegen das Grundgesetz. 155 156

§ 45 Zusammenfassung

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b) Mittelbarer Grundrechtsverstoß als Frage der Begründetheit Die Prüfung eines Verstoßes einer untergesetzlichen Norm gegen ein einfaches Gesetz im Rahmen der Begründetheit könnte jedoch rechtsverbindlich die Feststellung der Verfassungswidrigkeit bzw. Nichtigerklärung der Norm zur Folge haben. Allerdings führt dies zu einer Überschneidung der Prüfungsmaßstäbe des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs im Popularklageverfahren und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs im Normenkontrollverfahren nach § 47 VwGO.160 Dem entsprechend wendet Roland Fleury gegen diese Prüfungszuständigkeit des Verfassungsgerichtshofs ein, die Popularklage, die ohnehin nur durch das Erfordernis der Grundrechtsrelevanz eingeschränkt sei, würde damit über den Schutz der Grundrechte hinaus zum Forum umfassender Normenkontrolle. Dies widerspreche nicht nur dem Sinn des Art. 98 BV, sondern würde auch die schwierige Abgrenzung161 zur Normenkontrolle gemäß § 47 VwGO vollends unmöglich machen.162 Reiner Tillmanns vertritt die Ansicht, die Prüfung von untergesetzlichem Recht an einfachen Gesetzen sei vom Zweck der abstrakten Normenkontrolle nicht gefordert. Dieses diene nicht der Wahrung des Stufenaufbaus der Rechtsordnung, sondern ausschließlich der Sicherung des Vorrangs der Verfassung vor dem übrigen Recht.163 Die Popularklage verfolgt indes den Zweck, die Grundrechte der Bayerischen Verfassung vor grundrechtswidrigen Rechtsvorschriften zu schützen. Die Erstreckung des Prüfungsmaßstabs auf mittelbare Verstöße entspricht – entgegen der Ansicht Roland Fleurys164 – dieser Funktion. Dies spricht dafür, in prozessrechtlicher Hinsicht Verstöße gegen einfaches Recht nicht aus dem Prüfungsmaßstab der Popularklage auszuschließen. Außerdem sind solche „Ungesetzlichkeiten“ viel seltener, als die täglichen Fälle einer unrichtigen Rechtsanwendung. Der Verfassungsgerichtshof ist daher mit dieser Prüfung nicht überfordert.165 Denkbar wäre es aber, die Prüfung – wie im Verfahren der Verfassungsbeschwerde166 – auf die Verletzung spezifischen Verfassungsrechts zu begrenzen.

§ 45 Zusammenfassung Der Bayerische Verfassungsgerichtshof erstreckt in ständiger Rechtsprechung den Maßstab seiner Prüfung bei einer zulässigen Popularklage auf die gesamte BayKalkbrenner, FS 25 Jahre BayVerfGH, S. 329 (356). Vgl. hierzu etwa Herzog, BayVBl. 1961, 368 (372); Kalkbrenner, FS 25 Jahre BayVerfGH, S. 329 (355 ff.). 162 Fleury, Rn. 144. 163 Tillmanns, DÖV 2001, 728 (729) – zur abstrakten Normenkontrolle zum BVerfG. 164 Vgl. die Ausführungen soeben bei Fußn. 162 (9. Kapitel). 165 Vgl. zur verdeckten Rechtssatzverfassungsbeschwerde zum BVerfG: Schumann, Verfassungs- und Menschenrechtsbeschwerde, S. 184. 166 Vgl. hierzu etwa BayVerfGHE 38, 74 (78); Wolff, in: Lindner / Möstl / Wolff, BV, Art. 120 Rn. 39 f. 160 161

312

9. Kap.: Prüfungsmaßstab

erische Verfassung.167 Einen vermeintlichen Verstoß gegen Bundesrecht prüft er hingegen nicht unmittelbar, sondern nur unter dem Gesichtspunkt, ob ein solcher gleichzeitig das Rechtsstaatsprinzip des Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV verletzt.168 Ein solcher Verstoß könne jedoch erst dann angenommen werden, wenn der Widerspruch des bayerischen Landesrechts zum Bundesrecht nicht nur offensichtlich zutage trete, sondern auch inhaltlich nach seinem Gewicht als schwerwiegender, krasser Eingriff in die Rechtsordnung zu werten sei.169 Ob unter den genannten Voraussetzungen ein Verstoß gegen Europarecht gleichzeitig einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV begründen kann, hat der Verfassungsgerichtshof noch nicht ausdrücklich entschieden.170 Eine Vorlagepflicht der verfahrensgegenständlichen Norm an das Bundesverfassungsgericht171 oder den Europäischen Gerichtshof172 im Rahmen eines Vorverfahrens verneint der Bayerische Verfassungsgerichtshof. Dem ist ebenso zuzustimmen wie seiner Rechtsprechung, wonach er die den Prüfungsmaßstab bildenden Normen der Bayerischen Verfassung vorab selbst daraufhin überprüfen müsse, ob diese ihrerseits rechtswirksam seien, oder durch höherrangiges Recht mit Anwendungsvorrang verändert oder verdrängt werden.173 Ist eine untergesetzliche Rechtsvorschrift Prüfungsgegenstand, prüft der Bayerische Verfassungsgerichtshof, ob diese gegen einfache Landesgesetze verstößt. Sieht er einen solchen Verstoß als gegeben an, bejaht er eine Verletzung des Rechtsstaatsprinzips des Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV unabhängig davon, ob ein schwerwiegender, krasser und offensichtlicher Verstoß vorliegt. Er verzichtet in diesem Fall somit auf die Begrenzung der Prüfungsintensität, wie er sie in Bezug auf einen möglichen Verstoß der verfahrensgegenständlichen Norm gegen Bundesrecht vornimmt.174 Die Frage, ob dieser Praxis aus prozessrechtlicher Sicht zuzustimmen ist, ist umstritten. Sie führt aber jedenfalls zu einer Ausweitung des Grundrechtsschutzes.175 Die Rüge, ein Gesetz beruhe auf einem nicht ordnungsgemäß durchgeführten Volksgesetzgebungsverfahren, sieht der Gerichtshof demgegenüber im Rahmen einer Popularklage als unzulässig an.176

167 168 169 170 171 172 173 174 175 176

Vgl. die Nachweise in Fußn. 6 (9. Kapitel). Vgl. oben § 42 A. I. 2. (S. 286). Vgl. die Nachweise in Fußn. 23 (9. Kapitel). Vgl. oben § 43 A. I. (S. 299). Vgl. oben § 42 A. I. 4. (S. 290). Vgl. oben § 43 A. II. (S. 300). Vgl. oben § 42 B. III. (S. 298). Vgl. oben § 44 B. I. (S. 306). Vgl. oben § 44 B. II. (S. 308). Vgl. oben § 44 A. I. (S. 304).

10. Kapitel

Rüge der Verletzung des gemeindlichen Selbstverwaltungsrechts Rügt eine Popularklage eine Verletzung des durch Art. 11 Abs. 2 Satz 2 BV geschützten Selbstverwaltungsrechts der Gemeinden, sind verfahrensrechtliche Besonderheiten in der Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs zu beachten. So ist für die zulässige Erhebung einer Popularklage eine gegenwärtige oder unmittelbare Betroffenheit des Antragstellers nicht notwendig.1 Das Erfordernis einer Klagebefugnis kennt dieses Normenkontrollverfahren somit nicht. Hiervon macht der Verfassungsgerichtshof beim gemeindlichen Selbstverwaltungsrecht eine Ausnahme. Es handele sich hierbei um ein grundrechtsähnliches Recht, dessen Verletzung der Popularkläger rügen könne.2 Bürger und nicht betroffene Gemeinden3 seien insofern aber nicht antragsberechtigt.4 Der Sache nach verlangt er hier eine „echte Klagebefugnis“.5 Darüber hinaus nimmt er in bestimmten Fällen Art. 11 Abs. 2 Satz 2 BV vom Prüfungsmaßstab aus.

§ 46 Tatsächliche Bedeutung in der Rechtsprechung Im Zeitraum vom 1. Januar 1995 bis zum 31. Dezember 2011 wies der Bayerische Verfassungsgerichtshof keine Popularklage aufgrund fehlender Klagebefugnis in Bezug auf das gemeindliche Selbstverwaltungsrecht (Art. 11 Abs. 2 BV) als unzulässig ab.6 Seine jüngere Rechtsprechung in Bezug auf generell alle Gemeinden betreffende Normen ermöglicht in weiten Bereichen Beschwerden, die auf das geVgl. die Nachweise in Fußn. 10 (1. Kapitel). Grundlegend BayVerfGHE 29, 105 (124); vgl. auch Fleury, Rn. 150; Knöpfle, in: Nawiasky / Schweiger / Knöpfle, BV, Art. 98 Satz 4 Rn. 23; Pestalozza, Verfassungsprozeßrecht, § 23 Rn. 108; Wolff, in: Lindner / Möstl / Wolff, BV, Art. 98 Rn. 36. 3 Vgl. hierzu jedoch unten § 47 E. I. (S. 319). 4 Vgl. hierzu § 47 A. (S. 269) sowie § 47 B. (S. 270). 5 Fleury, Rn. 150; Pestalozza, Verfassungsprozeßrecht, Rn. 108, vgl. auch Sodan, in: Merten / Papier, HGR III, § 84 Rn. 38. 6 Vgl. auch unten Übersicht I: Entscheidungen in Popularklageverfahren in den Jahren 1995 bis 2011 (S. 398). 1 2

314

10. Kap.: Verletzung des gemeindlichen Selbstverwaltungsrechts

meindliche Selbstverwaltungsrecht gestützt sind.7 Verbunden mit der Rechtsprechung, wonach eine Klage auch mit der Verletzung des Konnexitätsprinzips begründet werden kann,8 kann dies weitreichende praktische Bedeutung erlangen.9

§ 47 Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs A. Nur Gemeinden können Popularklage auf Selbstverwaltungsrecht stützen Im Jahr 1976 bejahte der Bayerische Verfassungsgerichtshof die Möglichkeit, eine Popularklage zu erheben, die die Verletzung des gemeindlichen Selbstverwaltungsrechts geltend macht. Dies stehe „jedenfalls der betroffenen Gemeinde“ zu.10 Knapp vier Monate später erging eine Entscheidung zu einer Popularklage einer natürlichen Person. Darin führt der Verfassungsgerichtshof aus: „Unzulässig ist hingegen der Normenkontrollantrag, soweit er sich auf Art. 5 BayKiG11 erstreckt. Der Antragsteller rügt in diesem Zusammenhang die Verletzung des Selbstverwaltungsrechts der Gemeinden nach Art. 11 Abs. 2 Satz 2 BV. Gemeinden haben ein subjektivöffentliches Recht auf Wahrung des Wesensgehalts der Selbstverwaltung“. … „Die verfassungsrechtliche Garantie der kommunalen Selbstverwaltung ist jedoch kein Grundrecht im Sinn des Art. 98 Satz 4 BV, dessen Verletzung jedermann mittels Beschwerde zum Verfassungsgerichtshof geltend machen könnte. Es handelt sich vielmehr um ein grundrechtsähnliches Recht zum Schutz der Verfassungsgarantie der Selbstverwaltung entsprechend dem Auftrag des Grundgesetzes in Art. 28 Abs. 2 GG. Es gibt lediglich den betroffenen Gemeinden die Möglichkeit, Popularklage nach Art. 98 Satz 4 BV gegen Vorschriften des bayerischen Landesrechts zu erheben mit der Begründung, diese schränkten den Wesensgehalt des Selbstverwaltungsrechts ein“.12

Der Verfassungsgerichtshof unterscheidet hier zwischen Grundrechten und grundrechtsähnlichen Rechten. In zahlreichen weiteren Entscheidungen hat der Gerichtshof bestätigt, dass einer betroffenen Gemeinde die Möglichkeit offen stehe, Popularklage unter Berufung auf das Selbstverwaltungsrecht zu erheben.13 Ebenso

Vgl. dazu ausführlich § 47 E. I. (S. 319). Vgl. dazu § 47 E. II. (S. 321). 9 Vgl. dazu unten § 48 C. II. 5. (S. 335). 10 BayVerfGHE 29, 105 (124); vgl. zur Entwicklung der Rechtsprechung auch Lissack, S. 78 ff. 11 Bayerisches Kindergartengesetz vom 25. Juli 1972, GVBl S. 297; dessen Art. 5 Abs. 1 Satz 1 lautete: „Unbeschadet der finanziellen Beteiligung des Staates haben die Gemeinden in den Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit dafür zu sorgen, daß die nach dem Bedarfsplan erforderlichen Kindergärten zur Verfügung stehen.“ 12 BayVerfGHE 29, 191 (200). 7 8

§ 47 Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs

315

wies er mehrmals auf die Unzulässigkeit von Normenkontrollanträgen hin, soweit Bürger das Selbstverwaltungsrecht geltend machten: „Hingegen könnten die Antragsteller als Bürger der inzwischen aufgelösten Gemeinden das Unterlassen des Gesetzgebers nicht auf eine Verletzung des Art. 11 Abs. 2 BV stützen, weil insoweit nicht ‚jedermann‘, sondern nur die betroffenen Gemeinden als Träger dieser grundrechtsähnlichen Rechts einen Verstoß gegen die Garantie des Selbstverwaltungsrechts geltend machen können“.14

Art. 11 Abs. 2 BV erfasst ausdrücklich nur Gemeinden und schützt daher nicht die Gemeindeverbände. Deren Selbstverwaltungsrecht sichert Art. 10 Abs. 1 BV, der allerdings nur als institutionelle Garantie verstanden wird, der kein entsprechendes subjektives Recht der Gemeindeverbände gegenüber steht. Art. 10 Abs. 1 BV stellt daher kein grundrechtsähnliches Recht dar, auf das eine Popularklage gestützt werden könnte. Dies hat zur Folge, dass die Gemeindeverbände zur Rüge der Verletzung ihres Selbstverwaltungsrechts auf die Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht gemäß § 91 BVerfGG angewiesen sind.15 In zwei Entscheidungen aus dem Jahr 2007 ließ der Verfassungsgerichtshof dem gegenüber offen, ob er an der Auffassung des rein objektiven Charakters des Art. 10 BV weiter festhalten möchte.16

B. Nur selbst betroffene Gemeinden können Popularklage auf Selbstverwaltungsrecht stützen Zu den Gemeindegebietsreformen fällte der Bayerische Verfassungsgerichtshof 1978 eine grundlegende Entscheidung, der eine von 212 Gemeinden erhobene Popularklage zu Grunde lag.17 Die Antragsteller bezweifelten die Verfassungsmäßigkeit der Rechtsgrundlagen der Gebietsreformen.18 Im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung führt das Gericht aus:

13 BayVerfGHE 31, 44 (54); 31, 99 (117); 33, 47 (53 f.); 33, 144 (153 f.); 34, 1 (6); 34, 64 (72); 34, 180 (187); 36, 15 (18); 37, 59 (66); 39, 17 (24); 40, 14 (19); 40, 154 (158); 47, 165 (171); 50, 15 (39); 55, 98 (106); BayVerfGH BayVBl. 1984, 235 (insoweit nicht veröffentlicht in BayVerfGHE 36, 173); 1987, 364 (365); 2007, 172 (173). 14 BayVerfGHE 33, 1 (7); vgl. auch BayVerfGHE 36, 162 (167); 39, 169 (173); 40, 154 (158); 50, 115 (124); BayVerfGH BayVBl. 1979, 143 (144). 15 Vgl. hierzu Hoppe, in: Starck / Stern, LVG II, S. 257 (263); Lissack, S. 132; Pestalozza, Verfassungsprozeßrecht, § 12 Rn. 63; Steiner, in: Berg / Knemeyer / Papier / Steiner, Teil C Rn. 224; Stern, Staatsrecht II, S.1026; Wolff, in: Lindner / Möstl / Wolff, BV, Art. 10 Rn. 26 ff. 16 BayVerfGHE 54, 1 (6) unter Verweis auf die insofern ablehnende Meinung von Meder, BV, Art. 10 Rn. 4; BayVerfGHE 60, 184 (215); vgl. Wolff, in: Lindner / Möstl / Wolff, BV, Art. 10 Rn. 27. 17 BayVerfGHE 31, 99. 18 BayVerfGHE 31, 99 (103 f.).

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10. Kap.: Verletzung des gemeindlichen Selbstverwaltungsrechts

„Die Zulässigkeit der Normenkontrollanträge der einzelnen Antragsteller müßte in Zweifel gezogen werden, soweit sie gegen Rechtsnormen gerichtet sind, die lediglich Bestands- und Gebietsänderungen sowie Eingliederungsmaßnahmen in Verwaltungsgemeinschaften anderer Gemeinden betreffen. Zulässig wären hingegen nur jene Anträge der 212 Antragsteller, soweit sie gegen legislative Neugliederungsmaßnahmen gerichtet sind, die sie selbst betreffen. Ein dahingehender Wille der Antragsteller kann bei dem erklärten Ziel der Normenkontrollanträge unterstellt werden.“19

Mit dieser äußerst vorsichtigen Formulierung schränkte der Verfassungsgerichtshof im Bereich des gemeindlichen Selbstverwaltungsrechts die Klagebefugnis auf Gemeinden ein, die von der jeweils angegriffenen Regelung selbst betroffen sind. Dazu führte er weiter aus: „Eine solche Beschränkung der Klagebefugnis steht mit dem Wesen der Popularklage nicht im Widerspruch.“ … „Das den Gemeinden bei Verletzung ihres Selbstverwaltungsrechts zustehende grundrechtsähnliche Recht auf Anrufung des Verfassungsgerichtshofs im Wege der Popularklage nach Art. 98 Satz 4 BV dient in erster Linie dem Schutz der Rechtsposition der betroffenen Gemeinde. Es kann nicht dazu führen, daß eine Gemeinde als Körperschaft des öffentlichen Rechts etwa im Wege der Popularklage sich gegen Organisationsakte wenden könnte, die sie örtlich in keiner Weise berührten.“20

Diese Rechtsprechung bestätigt der Gerichtshof auch später. Die Rüge, eine Neugliederungsregelung verstoße gegen Art. 11 Abs. 2 BV, könne grundsätzlich nur von der Gemeinde erhoben werden, die von dieser Neugliederungsvorschrift konkret betroffen werde.21

C. Einschränkung des Prüfungsmaßstabes I. Ausschluss des gemeindlichen Selbstverwaltungsrechts aus dem Prüfungsmaßstab Das Bestreben des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs, eine Norm nur dann am Maßstab des gemeindlichen Selbstverwaltungsrechts zu prüfen, wenn dies dem Willen einer betroffenen Gemeinde entspricht, führt im Popularklageverfahren neben der Frage der Klagebefugnis jedoch noch zu einem weiteren Problem. Denn entsprechende Normenkontrollanträge können beispielsweise auch eine Verletzung des Gleichheitssatzes oder des Willkürverbots rügen. Auch natürliche Personen können solche Verletzungen des Art. 118 Abs. 1 BV geltend machen, wenn sie beispielsweise einen Normenkontrollantrag gegen eine Gemeindegebietsänderung stellen22. BayVerfGHE 31, 99 (118). BayVerfGHE 31, 99 (118 f.). 21 BayVerfGH BayVBl. 1988, 622. 22 Vgl. etwa BayVerfGHE 36, 162, 166; 39, 169 (173); BayVerfGH BayVBl. 1979, 144 (145). 19 20

§ 47 Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs

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Bei einer zulässig erhobenen Popularklage prüft der Verfassungsgerichtshof die angegriffene Norm anhand der gesamten Bayerischen Verfassung.23 Bei einer konsequenten Umsetzung dieses Satzes, müsste er daher im Rahmen einer zulässig erhobenen „Bürgerklage“24 gegen eine Gebietsreform die jeweilige Norm auch anhand des Selbstverwaltungsrechts prüfen. Daher führt der Verfassungsgerichtshof in einer Entscheidung aus dem Jahr 1979 aus: „Soweit die Popularklage in zulässiger Weise erhoben ist, unterliegt nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs seiner Prüfung auch die Frage, ob die angefochtenen Vorschriften mit anderen – keine Grundrechte verbürgenden – Normen der Bayerischen Verfassung vereinbar sind“. … „Hingegen entfällt die Prüfung, ob ein Verstoß gegen Art. 11 Abs. 2 BV vorliegt, weil insoweit nicht ‚jedermann‘, sondern nur die betroffene Gemeinde als Träger dieses grundrechtsähnlichen Rechts einen Verstoß gegen die Grundsätze des Selbstverwaltungsrechts rügen kann.“25

Diese Begrenzung des Prüfungsmaßstabs bestätigt der Verfassungsgerichtshof auch später und begründet dies wie folgt: „Eine Gemeinde soll grundsätzlich durch ihre verfassungsmäßigen Organe entscheiden, ob sie einen legislativen Organisationsakt, der nur ihre eigene Rechtsposition betrifft, hinnehmen oder durch Anrufung des Verfassungsgerichtshofs eine darin gesehen Verletzung ihres Selbstverwaltungsrechts geltend machen will. Deshalb nimmt der Verfassungsgerichtshof bei derartigen Fallgestaltungen auch seine umfassende Prüfungsbefugnis nicht in Anspruch. An diesem Grundsatz wird festgehalten. Wenn eine Gemeinde noch fortbesteht, soll sie bei sie betreffenden legislativen Organisationsakten allein darüber befinden können, ob sie eine Verletzung ihres gemeindlichen Selbstverwaltungsrechts der Nachprüfung durch den Verfassungsgerichtshof unterstellen will. Dasselbe muß grundsätzlich auch dann gelten, wenn die betreffende Gemeinde aufgelöst worden ist und bis zu ihrer Auflösung nicht eindeutig in Form eines Gemeinderatsbeschlusses zu erkennen gegeben hat, daß sie eine Verletzung ihres Selbstverwaltungsrechts beim Verfassungsgerichtshof geltend machen will.“26

II. Materielle Prüfung des Selbstverwaltungsrechts bei entsprechendem Willen der Gemeinde Diese Rechtsprechung zur Begrenzung des Prüfungsmaßstabs, hat der Bayerische Verfassungsgerichtshof jedoch wieder „aufgeweicht“.27 Dem lag eine Popularklage von 712 natürlichen Personen zu Grunde, die eine gemeindliche Neugliederung angriff. In seiner Entscheidung führt der Verfassungsgerichtshof aus: Vgl. die Verweise in Fußn. 6 (9. Kapitel). Diesen Begriff verwendet der BayVerfGH (vgl. etwa das Zitat bei Fußn. 28 [10. Kapitel] sowie BayVerfGH BayVBl. 1988, 12; 1988, 330). 25 BayVerfGH BayVBl. 1979, 143 (145). 26 BayVerfGHE 36, 162 (167); vgl. auch BayVerfGHE 39, 169 (173); 50, 115 (124); BayVerfGH BayVBl. 1988, 12; 1988, 330; 1988, 622. 27 Knöpfle, in: Nawiasky / Schweiger / Knöpfle, BV, Art. 98 Satz 4 Rn. 23. 23 24

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10. Kap.: Verletzung des gemeindlichen Selbstverwaltungsrechts

„Der Gemeinderat von Horgau hatte noch“ … „wenige Wochen vor der Eingliederung der Gemeinde Horgau in den Markt Zusmarshausen einstimmig beschlossen, daß die maßgebliche Vorschrift notfalls auch beim Bayer. Verfassungsgerichtshof angefochten werden sollte; er hatte auch eine entsprechende Vollmacht für einen Rechtsanwalt erteilt, wenn es auch zu einer derartigen Klage im Auftrag der Gemeinde in der Folgezeit nicht gekommen ist. Die Gründe für eine Beschränkung des Prüfungsmaßstabs des Verfassungsgerichtshofs hinsichtlich des gemeindlichen Selbstverwaltungsrechts bei einer Bürgerklage liegen bei dieser Sachlage nicht vor. Die umfassende Überprüfung an allen Normen der Bayerischen Verfassung einschließlich des gemeindlichen Selbstverwaltungsrechts kann hier nicht zu einer möglichen Kollision zwischen dem Willen der antragstellenden Bürger einerseits und dem Willen der untergegangenen Gemeinde andererseits führen.“28 Dem entsprechend prüft das Gericht im konkreten Fall die angegriffene Norm anhand des Selbstverwaltungsrechts.29

Diese Rechtsprechung hat der Verfassungsgerichtshof mehrfach bestätigt. Demnach nimmt er eine Sachprüfung am Maßstab des Art. 11 Abs. 2 BV dann vor, „wenn eine Gemeinde vor ihrer Auflösung eindeutig zu erkennen gegeben hatte, daß sie eine Verletzung des Art. 11 Abs. 2 BV beim Verfassungsgerichtshof geltend machen wollte.“30

Im umgekehrten Fall ist nach seiner Rechtsprechung das Selbstverwaltungsrecht kein Prüfungsmaßstab, wenn die Gemeinde „bis zu ihrer Auflösung nicht eindeutig in Form eines Gemeinderatsbeschlusses zu erkennen gegeben hat, daß sie eine Verletzung ihres Selbstverwaltungsrechts beim Verfassungsgerichtshof gelten machen will“.31

D. Begründung der Rechtsprechung In den ersten Entscheidungen, in denen der Verfassungsgerichtshof die Möglichkeit der Geltendmachung einer Verletzung des Selbstverwaltungsrechts auf Gemeinden beschränkt, begründet er dies nicht.32 Später führt er – wie bereits dargestellt – aus, eine Gemeinde solle selbst entscheiden, ob sie einen Organisationsakt hinnehmen oder angreifen wolle.33 Diese Begründung wiederholt der Verfassungsgerichtshof in mehreren Entscheidungen. Dies geschieht sowohl im Zusammenhang mit BayVerfGHE 36, 162 (167 f.). Vgl. BayVerfGHE 36, 162 (168 ff.). 30 BayVerfGHE 40, 154 (160); vgl. auch BayVerfGHE 50, 115 (124); BayVerfGH BayVBl. 1988, 12; 1988, 330; 1988, 622. 31 BayVerfGHE 39, 169 (173); vgl. auch BayVerfGHE 50, 115 (124 f.). 32 Vgl. BayVerfGHE 29, 191 (200), vgl. das Zitat bei Fußn. 12 (10. Kapitel), weitergehende Ausführungen zu diesem Problemkreis enthält die Entscheidung nicht; BayVerfGH BayVBl. 1979, 143 (144); BayVerfGHE 33, 1 (7), vgl. das Zitat bei Fußn. 14 (10. Kapitel), weitergehende Ausführungen zu diesem Problemkreis enthält die Entscheidung nicht. 33 BayVerfGHE 36, 162 (167); vgl. das Zitat bei Fußn. 26 (10. Kapitel). 28 29

§ 47 Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs

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dem Prüfungsmaßstab34 als auch im Zusammenhang mit der Einschränkung der Klagebefugnis35.

E. Jüngere Rechtsprechung I. Klagebefugnis bei generell für alle Gemeinden geltenden Vorschriften Erhebt eine Gemeinde eine Popularklage gegen eine generell für alle Gemeinden geltende Norm, hält es der Verfassungsgerichtshof in seiner jüngeren Rechtsprechung nicht für erforderlich, dass die antragstellende Gemeinde durch die angegriffene Norm selbst betroffen ist. 1. Entscheidung I zum Schulfinanzierungsgesetz So entschied der Verfassungsgerichtshof im Jahr 1996 über eine Popularklage mehrerer Städte, die das Schulfinanzierungsgesetz36 zum Gegenstand hatte. Zur Zulässigkeit führt er aus: „Daß einzelne in den angegriffenen Vorschriften aufgeführte Schulen nicht in jeder der antragstellenden Städte bestehen, ist für die Zulässigkeit der Popularklagen nicht relevant.“ … „Bei generell für alle Gemeinden in Bayern geltenden Vorschriften – wie hier – hat der Verfassungsgerichtshof“ … „nicht auf eine konkrete Betroffenheit der antragstellenden Gemeinde, sondern darauf abgestellt, ob die angegriffene Vorschrift als solche abstrakt geeignet ist, das gemeindliche Selbstverwaltungsrecht, insbesondere die gemeindliche Finanzhoheit, verfassungswidrig einzuschränken (vgl. VerfGH 12, 48 / 55 f.; 45, 33 / 40). Eine Begrenzung der Antragsbefugnis in dem Sinn, daß nur die jeweils konkret betroffene Gemeinde in zulässiger Weise geltend machen könne, eine Rechtsvorschrift verletze das gemeindliche Selbstverwaltungsrecht, hat der Verfassungsgerichtshof bisher bei Popularklagen einzelner Bürger vorgenommen, die sich auf Art. 11 Abs. 2 Satz 2 BV beriefen; dies gilt vor allem bei konkret-generellen Regelungen wie den in Rechtssatzform ergangenen Maßnahmen der gemeindlichen Gebietsreform (vgl. VerfGH 29, 191 / 200; 33, 1 / 7; 40, 154 / 158 und 160; 44, 41 / 48). Grund für diese Begrenzung der Antragsbefugnis war, daß allein die von solchen Akten konkret betroffene Gemeinde durch ihre verfassungsmäßigen Organe entscheiden soll, ob sie einen legislativen Akt, der nur ihre eigene Rechtsposition betrifft, hinnehmen oder durch Anrufung des Verfassungsgerichtshofs am gemeindlichen Selbstverwaltungsrecht messen lassen will (vgl. VerfGH 44, 41 / 48). Es besteht demgegenüber kein sachlicher Grund, die Antragsbefugnis von Gemeinden gegenüber Rechtsvorschriften, die generell das gemeindliche Selbstverwaltungsrecht berühren, auf eine konkrete Betroffenheit im Einzelfall zu beschränken. Dies widerspräche dem Charakter des Instituts der Popularklage.“37 Vgl. BayVerfGHE 39, 169 (173); 40, 154 (160). Vgl. BayVerfGHE 50, 115 (124); BayVerfGH BayVBl. 1988, 622. 36 Bayerisches Schulfinanzierungsgesetz, Bekanntmachung vom 7. Juli 1994 (GVBl S. 728, berichtigt S. 819). 37 BayVerfGHE 49, 37 (50). 34 35

320

10. Kap.: Verletzung des gemeindlichen Selbstverwaltungsrechts

2. Entscheidung zum Bestattungsgesetz Diese Rechtsprechung bestätigte der Bayerische Verfassungsgerichtshof knapp drei Monate später. Verfahrensgegenstand der Popularklage war eine Regelung des Gesetzes zur Änderung des Bestattungsgesetzes38. In der Entscheidung sagt der Gerichtshof: „Das Selbstverwaltungsrecht der Gemeinden ist ein grundrechtsähnliches Recht, das die Möglichkeit eröffnet, Popularklage nach Art. 98 Satz 4 BV, Art. 55 VfGHG mit der Begründung zu erheben, Vorschriften des bayerischen Landesrechts schränkten den Wesensgehalt des Selbstverwaltungsrechts ein.“ … „Bei grundsätzlich alle Gemeinden in Bayern berührenden Vorschriften – wie hier – stellt der Verfassungsgerichtshof dabei nicht auf die konkrete Betroffenheit der antragstellenden Gemeinden sondern darauf ab, ob die angegriffene Vorschrift als solche abstrakt geeignet ist, das gemeindliche Selbstverwaltungsrecht verfassungswidrig einzuschränken“.39

3. Entscheidung zum Finanzausgleichsgesetz In Bezug auf eine Regelung des Finanzausgleichsgesetzes40 bestätigte der Verfassungsgerichtshof diese Rechtsprechung mit Formulierungen und Verweisungen41, die den soeben zitierten weitgehend entsprechen.42 Im konkreten Fall sah das Gericht die Popularklage daher nicht deshalb als unzulässig an, weil die Norm keine unmittelbare Regelung gegenüber der Antragstellerin enthielt.43

4. Entscheidung II zum Schulfinanzierungsgesetz Bei einer weiteren Entscheidung44 zum Schulfinanzierungsgesetz45 stellt der Bayerische Verfassungsgerichtshof fest:

Gesetz zur Änderung des Bestattungsgesetzes vom 10. August 1994 (GVBl S. 770). BayVerfGHE 49, 79 (85 f.). 40 Finanzausgleichsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 29. Februar 1996 (GVBl S. 72). 41 Der BayVerfGH verweist auf BayVerfGHE 12, 48 (55 f.); 45, 33 (40) sowie BayVerfGH BayVBl. 1996, 462. 42 Vgl. BayVerfGHE 50, 15 (40). 43 BayVerfGHE 50, 15 (40). 44 Vgl. zu dieser Entscheidung auch § 47 E. II. (S. 321). 45 Bayerisches Schulfinanzierungsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 31. 5. 2000 (GVBl S. 455) und in der Fassung des mit Wirkung vom 1. 1. 2005 in Kraft getretenen Gesetzes zur Änderung des Bayerischen Schulfinanzierungsgesetzes vom 24. 6. 2005 (GVBl S. 196). 38 39

§ 47 Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs

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„Bei generell für alle Gemeinden in Bayern geltenden Vorschriften – wie hier – stellt der Verfassungsgerichtshof nicht auf eine konkrete Betroffenheit der Antrag stellenden Gemeinde, sondern darauf ab, ob die angegriffene Vorschrift als solche abstrakt geeignet ist, das gemeindliche Selbstverwaltungsrecht, vor allem die gemeindliche Finanzhoheit, verfassungswidrig einzuschränken“.46 Im konkreten Fall bejahte er die Zulässigkeit der Popularklage.47

5. Entscheidung zum kommunalen Finanzausgleich Auch im Rahmen der Entscheidung zum kommunalen Finanzausgleich forderte das Gericht keine Selbstbetroffenheit der Kommunen. Es führt aus: „Auf eine Verletzung des kommunalen Selbstverwaltungsrechts können sich im Popularklageverfahren jedenfalls die Gemeinden berufen“. … „Die Antragsteller sind durch die angegriffenen Normen selbst betroffen, wobei es bei generell für alle Gemeinden oder Gemeindeverbände in Bayern geltenden Vorschriften – wie hier – ausreicht, dass diese als solche abstrakt geeignet sind, das Grundrecht oder das grundrechtsähnliche Recht einzuschränken“.48

II. Popularklage kann auch auf Verletzung des Konnexitätsprinzips gestützt werden Am 1. April 2004 trat die Einführung des strikten Konnexitätsprinzips in Kraft, das in Art. 83 Abs. 3 BV verankert ist.49 Der Verfassungsgerichtshof sieht eine Popularklage bereits dann als zulässig an, wenn sie eine Verletzung des Konnexitätsprinzips rügt. Eine Popularklage50 griff eine Regelung des Bayerischen Schulfinanzierungsgesetzes51 an, wobei die Antragstellerin unter anderem eine Verletzung des gemeindlichen Selbstverwaltungsrechts und des Konnexitätsprinzips geltend machte.52 In seiner Entscheidung aus dem Jahr 2007 sagt der Bayerische Verfassungsgerichtshof im Rahmen der Zulässigkeit: „Das Selbstverwaltungsrecht der Gemeinden nach Art. 11 Abs. 2 Satz 2 BV ist ein grundrechtsähnliches Recht, das einer Gemeinde die Möglichkeit gibt, Popularklage nach Art. 98 BayVerfGHE 60, 30 (34). BayVerfGHE 60, 30 (33). 48 BayVerfGHE 60, 184 (210). 49 Gesetz zur Änderung der Verfassung des Freistaats Bayern – Gesetz über den Zusammentritt des Landtags nach der Wahl, über die Parlamentsinformation und zur Verankerung eines strikten Konnexitätsprinzips vom 10. November 2003 (GVBl S. 816) – Das Gesetz trat gemäß dessen § 2 am 1. Januar 2004 in Kraft. 50 Vgl. zu dieser bereits oben § 47 E. I. 4. (S. 320). 51 Vgl. oben Fußn. 45 (10. Kapitel). 52 Vgl. BayVerfGHE 60, 30 (31). 46 47

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10. Kap.: Verletzung des gemeindlichen Selbstverwaltungsrechts

Satz 4 BV mit der Begründung zu erheben, Vorschriften des bayerischen Landesrechts schränkten seinen Wesensgehalt ein. Zulässig ist ferner die Rüge einer Verletzung des Konnexitätsprinzips gemäß Art. 83 Abs. 3 BV, weil diese Verfassungsnorm die kommunale Finanzhoheit gewährleistet und eine besondere Ausprägung des gemeindlichen Selbstverwaltungsrechts darstellt“.53

III. Prüfungsmaßstab bei generell für alle Gemeinden geltenden Vorschriften In seiner jüngeren Rechtsprechung sieht der Bayerische Verfassungsgerichtshof – wie bereits dargestellt54 – auf das gemeindliche Selbstverwaltungsrecht gestützte Popularklagen von Gemeinden unabhängig von deren eigener Betroffenheit als zulässig an, wenn Verfahrensgegenstand eine generell für alle Gemeinden geltende Vorschrift war. Damit einhergehend prüft der Gerichtshof die angegriffenen Normen auch anhand des Maßstabs des Art. 11 Abs. 2 BV.55 Darüber hinaus stellt sich auch bei von Bürgern erhobenen Popularklagen die Frage, ob dieser Prüfungsmaßstab zur Verfügung steht. 1. Entscheidung zur Gebietsreform Der Bayerische Verfassungsgerichtshof bestätigt auch in seiner jüngeren Rechtsprechung seine Ansicht, wonach Gebietsreformen nicht am Maßstab des gemeindlichen Selbstverwaltungsrechts zu prüfen sind, soweit die jeweilige Popularklage von einem Bürger erhoben wurde.56 So entschied der Bayerische Verfassungsgerichtshof über eine im Jahr 1995 erhobene Popularklage gegen die durch eine Verordnung aus dem Jahr 1976 erfolgte Eingliederung des Marktes Pleinting in die Stadt Vilshofen.57 Er führt aus: „Eine Überprüfung am Maßstab des verfassungsrechtlich verbürgten Selbstverwaltungsrechts der Gemeinden (Art. 11 Abs. 2 Satz 2 BV) scheidet hier aus. Im Rahmen einer lediglich von Bürgern erhobenen Popularklage mißt der Verfassungsgerichtshof eine Neugliederungsvorschrift nicht am Maßstab des Art. 11 Abs. 2 Satz 2 BV“. … „Eine Ausnahme hat der Verfassungsgerichtshof dann zugelassen, wenn eine Gemeinde vor ihrer Auflösung eindeutig in Form eines Gemeinderatsbeschlusses zu erkennen gegeben hatte, daß sie eine Verletzung des Art. 11 Abs. 2 Satz 2 BV beim Verfassungsgerichtshof geltend machen wolle.“ … „Ein solcher Ausnahmefall ist hier nicht gegeben.“58

53 54 55 56 57 58

BayVerfGHE 60, 30 (34); vgl. zur alten Rechtslage auch BayVerfGHE 45, 33 (40). Vgl. § 47 E. I. (S. 319). Vgl. BayVerfGHE 49, 37 (52 ff.); 49, 79 (86 ff.); 50, 15 (41 ff.); 60, 30 (35). Vgl. oben § 47 C. (S. 316). BayVerfGHE 50, 115; vgl. zu dieser Entscheidung auch § 34 C. II. (S. 231). BayVerfGHE 50, 115 (124).

§ 47 Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs

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2. Entscheidung zur Einführung des kommunalen Bürgerentscheids Soweit der Verfahrensgegenstand einer Popularklage keine Neugliederungsvorschrift ist, erstreckt der Verfassungsgerichtshof hingegen auch bei „Bürgerklagen“ den Prüfungsmaßstab auf das gemeindliche Selbstverwaltungsrecht. So lagen einer Entscheidung aus dem Jahr 1997 mehrere Popularklagen zu Grunde, die das durch Volksentscheid beschlossene Gesetz zur Einführung des kommunalen Bürgerentscheids59 angriffen. In Bezug auf die einzelnen angegriffenen Gesetzesbestimmungen hatten die Antragsteller eine Verletzung der allgemeinen Handlungsfreiheit geltend gemacht. Der Verfassungsgerichtshof sah den Antrag als zulässig an.60 Im Rahmen der sachlichen Prüfung der Regelungen zur Sperrwirkung des Bürgerbegehrens führte er zum Prüfungsmaßstab aus: „Eine Überprüfung am Maßstab des Art. 11 Abs. 2 Satz 2 BV“ … „ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Popularklage von Bürgern erhoben wurde. Zwar kann im Popularklageverfahren die Rüge, das gemeindliche Selbstverwaltungsrecht sei verletzt, grundsätzlich nur von Gemeinden, nicht dagegen von Bürgern erhoben werden“. … „Von der Frage, welche Rügen Bürger in zulässiger Weise mit der Popularklage geltend machen können, ist jedoch die Frage zu unterscheiden, welcher Prüfungsmaßstab dem Verfassungsgerichtshof zu Gebote steht, wenn eine Popularklage“ … „in zulässiger Weise erhoben worden ist.“ … „Auszugehen ist demnach davon, daß der Verfassungsgerichtshof eine mit zulässigen Rügen angefochtene Rechtsvorschrift umfassend am Maßstab aller Normen der Bayerischen Verfassung“ … „mißt“.61 „Lediglich in Fällen, in denen von Bürgern eine Popularklage gegen Neugliederungsvorschriften erhoben wurde, hat der Verfassungsgerichtshof die angegriffene Vorschrift grundsätzlich nicht am Maßstab des Art. 11 Abs. 2 Satz 2 BV gemessen. Denn eine Gemeinde soll durch ihre Organe selbst entscheiden, ob sie einen legislativen Organisationsakt, der ihren Status als Selbstverwaltungskörperschaft betrifft, hinnehmen oder auf eine Verletzung ihres Selbstverwaltungsrechts überprüfen lassen will“. … „Dieser Ausnahmefall liegt hier nicht vor. Es geht im vorliegenden Verfahren nicht um eine Vorschrift, die spezifisch nur den Status einer einzigen oder einer kleineren Anzahl konkretisierbarer Gemeinden betrifft; bei den hier angegriffenen Vorschriften handelt es sich vielmehr um Regelungen, die alle Gemeinden Bayerns betreffen und mithin generell für den Inhalt des Selbstverwaltungsrechts von Bedeutung sein können. Die umfassende Überprüfung an allen Normen der Bayerischen Verfassung einschließlich des gemeindlichen Selbstverwaltungsrechts kann hier nicht zu einer möglichen Kollision zwischen dem Willen der antragstellenden Bürger einerseits und dem Willen einer bestimmten Gemeinde andererseits führen“. … „Es bestehen daher keine Bedenken dagegen, auch im Rahmen einer Bürgerklage“ … „von Amts wegen eine Prüfung am Maßstab des Selbstverwaltungsrechts gemäß Art. 11 Abs. 2 Satz 2 BV vorzunehmen.“62

59 Gesetz zur Einführung des kommunalen Bürgerentscheids vom 27. Oktober 1995 (GVBl S. 730). 60 BayVerfGHE 50, 181 (196). 61 BayVerfGHE 50, 181 (202). 62 BayVerfGHE 50, 181 (203).

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10. Kap.: Verletzung des gemeindlichen Selbstverwaltungsrechts

3. Entscheidung zu einer Satzung der Zusatzversorgungskasse Auch in einer Entscheidung aus dem Jahr 1999 prüfte der Bayerische Verfassungsgerichtshof im Rahmen einer nicht von einer Gemeinde erhobenen Popularklage die angegriffene Norm anhand des gemeindlichen Selbstverwaltungsrechts. Auf die Einschränkung des Prüfungsmaßstabs, die er in früheren Entscheidungen vorgenommen hatte63, ging er dabei nicht ein. Antragsteller war eine natürliche Person, die eine Regelung der Satzung der Zusatzversorgungskasse der bayerischen Gemeinden sowie Art. 43 Abs. 4 BayGO angriff.64 Er vertrat die Auffassung, die angegriffenen Vorschriften hinderten öffentliche Arbeitgeber in verfassungswidriger Weise, aus dem Kommunalen Arbeitgeberverband auszutreten und sich einem anderen Arbeitgeberverband anzuschließen.65 Der Gerichtshof führt aus, ein Grundrechtsverstoß der Vorschriften sei in ausreichend substantiierter Weise dargelegt, womit diese anhand aller in Betracht kommenden Normen der Bayerischen Verfassung zu prüfen seien.66 Im Rahmen der Begründetheit prüft er unter anderem eine Verletzung des gemeindlichen Selbstverwaltungsrechts durch Art. 43 Abs. 4 BayGO.67

4. Entscheidung zum Büchergeld Im Rahmen seiner Entscheidung zur Verfassungsmäßigkeit der Erhebung des Büchergeldes führt der Verfassungsgerichtshof aus, er erstrecke seine Prüfung auf alle in Betracht kommenden Normen der Bayerischen Verfassung, sofern eine Popularklage in zulässiger Weise erhoben sei.68 Und weiter: „Allerdings nimmt der Verfassungsgerichtshof im Rahmen von Popularklagen einzelner Bürger grundsätzlich auch dann keine Prüfung anhand des gemeindlichen Selbstverwaltungsrechts (Art. 11 Abs. 2 Satz 2 BV) vor, wenn die Popularklage – wie hier – mit einer anderen Rüge in zulässiger Weise erhoben worden ist“ … „Das Konnexitätsprinzip des Art. 83 Abs. 3 BV, das eine besondere Ausprägung des gemeindlichen Selbstverwaltungsrechts darstellt“ …, „scheidet daher in den vorliegenden Verfahren als Prüfungsmaßstab aus.“69

63 64 65 66 67 68 69

Siehe dazu oben § 47 C. (S. 316). BayVerfGHE 52, 47. BayVerfGHE 52, 47 (50 f.). BayVerfGHE 52, 47 (56). Vgl. BayVerfGHE 52, 47 (63 f.). BayVerfGHE 60, 80 (87). BayVerfGHE 60, 80 (87).

§ 48 Bewertung der Rechtsprechung

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§ 48 Bewertung der Rechtsprechung A. Begründung der Einschränkung der Klagebefugnis Bei der Bewertung der Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs ist zunächst dessen Begründung der Einschränkung der Klagebefugnis im Bereich des gemeindlichen Selbstverwaltungsrechts zu betrachten. I. Rechtliche Grundlage 1. Keine Regelung in der BV und im BayVerfGHG Die Begründung kann sich jedoch nicht auf die Bayerische Verfassung oder das BayVerfGHG stützen. Denn diese enthalten keine dahingehenden Regelungen. 2. Vorschriften der VwGO oder ZPO sowie allgemeine Rechtsgrundsätze nicht anwendbar Gemäß Art. 30 Abs. 1 BayVerfGHG könnten Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung, der Zivilprozessordnung oder allgemeine Rechtsgrundsätze anwendbar sein. Neben dem Vorliegen einer Regelungslücke ist hierfür erforderlich, dass keine grundsätzlichen Unterschiede zwischen den Verfahren entgegenstehen.70 Die Popularklage zeichnet sich jedoch gerade durch das Fehlen einer erforderlichen Selbstbetroffenheit des Antragstellers aus. Der Verzicht auf die eingeschränkte Klagebefugnis ist eine Besonderheit dieses Verfahrens. So hat die Beschränkung der Klagebefugnis in anderen Verfahren gerade den Sinn, eine Popularklage auszuschließen.71 Die Forderung einer eigenen Betroffenheit ist in diesem Verfahren daher systemwidrig.72 Aus diesem Grund liegt in Bezug auf eine fehlende Regelung der Antragsbefugnis im Popularklageverfahren keine Regelungslücke vor. Der Anwendung von Vorschriften der VwGO oder ZPO sowie von allgemeinen Rechtsgrundsätzen stehen außerdem grundsätzliche Unterschiede zwischen den Verfahren entgegen. Dem Verfassungsgerichtshof ist daher zuzustimmen, wenn er ausführt, die Beschränkung der Antragsbefugnis bei Klagen gegen Regelungen, die generell das gemeindliche Selbstverwaltungsrecht berühren, widerspreche dem Charakter des Instituts der Popularklage.73 Dies gilt jedoch nicht nur für Klagen mit dem genannten Verfahrensgegenstand, sondern allgemein für alle Popularklagen. Vgl. oben § 3 C. (S. 71). Vgl. BVerwGE 19, 269 (271); Griebeling, S. 127; Happ, in: Eyermann, VwGO, § 42, 76; Klag, S. 52; Quaas / Müller, Rn. 132; Seiwerth, S. 99; Zweigert, JZ 1952, 321 (322). 72 Friesenhahn, FS Broermann, S. 517 (533); Hoppe, in: Starck / Stern, LVG II, S. 257 (263). 70 71

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3. Zwischenergebnis Der Bayerische Verfassungsgerichtshof kann die Einschränkung der Klagebefugnis somit auf keine rechtliche Grundlage stützen. II. Erforderlichkeit einer rechtlichen Grundlage In diesem Fehlen der rechtlichen Grundlage sieht Franz Knöpfle jedoch kein Argument gegen die Einschränkung der Klagebefugnis. So könne der Rechtsprechung nicht entgegengehalten werden, sie finde in Art. 55 Abs. 1 Satz 1 BayVerfGHG kaum eine Stütze. Denn Art. 98 Satz 4 BV habe nur den Schutz der Grundrechte im Auge, nicht aber des nur grundrechtsähnlichen Rechts der kommunalen Selbstverwaltung. In der Zulassung einer Popularklage mit der Rüge, dieses Recht werde verletzt, liege daher eine Erweiterung der in Art. 98 Satz 4 BV vorgesehenen Normenkontrolle.74 Dieser Argumentation kann insoweit gefolgt werden, als die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs, wonach eine Popularklage die Verletzung des grundrechtsähnlichen Selbstverwaltungsrechts geltend machen kann, tatsächlich Ansatzpunkte für Kritik bietet.75 Erkennt man eine solche Popularklage trotzdem als zulässig an, muss dies jedoch zur Anwendung des gesamten Verfahrensrechts der Popularklage führen, es gibt nur ein „Entweder – Oder“. Eine „abgeschwächte“ Popularklage, mit der zwar auch „nur“ grundrechtsähnliche Rechte geltend gemacht werden können, die aber ansonsten ihren eigenen Regeln folgt, gibt es nicht. Gernot Lissack sieht in der Beschränkung der Klagebefugnis auf Gemeinden richtigerweise eine „klare Abwendung vom Grundgedanken der Popularklage“76. Die Erweiterung der in diesem Normenkontrollverfahren rügefähigen Rechte rechtfertigt keine systemwidrige Einschränkung der Klagebefugnis. Für eine solche ist vielmehr eine rechtliche Grundlage erforderlich, die jedoch wie gezeigt nicht besteht77. Aus diesem Grund ist die Argumentation Franz Knöpfles abzulehnen. Der Verfassungsgerichtshof selbst schränkt die Antragsbefugnis im Übrigen nicht bei allen grundrechtähnlichen Rechten ein. So sieht er die institutionelle Garantie des Berufsbeamtentums (Art. 95 Abs. 1 Satz 2 BV) als grundrechtähnliches Recht an, soweit die persönliche Rechtsstellung des Beamten betroffen ist. Dessen Verletzung könne in zulässiger Weise mit der Popularklage gerügt werden.78 Eine Einschränkung der Klagebefugnis oder des Prüfungsmaßstabes nimmt er nicht vor. BayVerfGHE 49, 37 (50); vgl. das Zitat bei Fußn. 37 (10. Kapitel). Knöpfle, in: Nawiasky / Schweiger / Knöpfle, BV, Art. 98 Satz 4 Rn. 23. 75 So beispielsweise ablehnend zu dieser Frage Kratzer, BayVBl. 1966, 365 (366); Schweiger, in: Nawiasky / Schweiger / Knöpfle, BV, Art. 10 Rn. 11. 76 Lissack, S. 120. 77 Vgl. § 48 A. I. (S. 325). 78 BayVerfGHE 41, 119 (121); 57, 129 (135); 61, 187 (195). 73 74

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III. Popularklagen von Körperschaften des öffentlichen Rechts In der zur Einschränkung der Klagebefugnis grundlegenden Entscheidung führte der Bayerische Verfassungsgerichtshof aus, die Möglichkeit der Gemeinden, sich mit einer Popularklage auf das Selbstverwaltungsrecht zu berufen, könne nicht dazu führen, dass eine Gemeinde als Körperschaft des öffentlichen Rechts sich gegen Organisationsakte wenden könnte, die sie örtlich in keiner Weise berühren. Dieses Argument, das letztlich die Antragsbefugnis juristischer Personen des öffentlichen Rechts in Frage stellt, ist jedoch abzulehnen.79 Das Gericht geht in den späteren Entscheidungen auf diesen Punkt nicht mehr ein.

IV. Einschränkende Rechtsprechung nicht erforderlich Der Bayerische Verfassungsgerichtshof hält es offensichtlich für erforderlich, die Möglichkeit einzuschränken, das gemeindliche Selbstverwaltungsrecht im Rahmen einer Popularklage geltend zu machen. 1. Selbstverwaltungsrecht der Gemeinden und Kommunalverfassungsbeschwerde Für die Frage, ob es möglich ist, mit einer Popularklage eine Verletzung des gemeindlichen Selbstverwaltungsrechts zu rügen, spielt das Verhältnis der Bayerischen Popularklage zur Kommunalverfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht eine wichtige Rolle. Letztere kann gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG von Gemeinden und Gemeindeverbänden erhoben werden, um eine Verletzung des durch Art. 28 GG geschützten Selbstverwaltungsrechts durch ein Gesetz geltend zu machen. Dies ist jedoch nur zulässig, soweit nicht eine Beschwerde beim Landesverfassungsgericht zur Verfügung steht (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG; § 91 Satz 2 BVerfGG). Bayerische Gemeinden und Gemeindeverbände können Landesgesetze nicht unter Geltendmachung des Selbstverwaltungsrechts mit einer Rechtssatzverfassungsbeschwerde80 zum Bayerischen Verfassungsgerichtshof angreifen. Eine solche scheitert daran, dass die Verfassungsbeschwerde zum Bayerischen Verfassungsgerichtshof kein Gesetz zum Gegenstand haben kann. Dessen Verfassungswidrigkeit kann der Antragsteller nur mit einer Popularklage rügen.81 Vgl. § 9 B. III. (S. 88). Vgl. zum Begriff Schumann, Verfassungs- und Menschenrechtsbeschwerde, S. 118 f. 81 BayVerfGH BayVBl. 2010, 399 (400); Fleury, Rn. 392; Lotz, FS 50 Jahre BayVerfGH, S. 115 (120 f.); Pestalozza, Verfassungsprozeßrecht, § 23 Rn. 71; Schumann, Verfassungsund Menschenrechtsbeschwerde, S. 152; ders., in: Starck / Stern, LVG II, S. 149 (183); Wolff, in: Lindner / Möstl / Wolff, Art. 120 Rn. 29. Jede Verfassungsbeschwerde kann jedoch zu einer Normprüfung führen, also eine verdeckte Rechtssatzverfassungsbeschwerde bedeuten. Art. 53 79 80

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Wäre eine auf das Selbstverwaltungsrecht gestützte Popularklage ebenfalls unzulässig, hätten Gemeinden insofern keine Möglichkeit, die Verfassungswidrigkeit eines Landesgesetzes vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof geltend zu machen. Sie wären dann auf die Kommunalverfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG, § 91 BVerfGG verwiesen.82 Der Bayerischen Verfassungsgerichtshof führt indes aus: „[Der] verfassungsrechtlichen Garantie der kommunalen Selbstverwaltung entspricht“ … „ein besonderer verfassungsgerichtlicher Rechtsbehelf, der den Gemeinden die Möglichkeit gibt, die Verletzung des Rechts auf Selbstverwaltung durch legislative Maßnahmen zu rügen. Andernfalls wäre die wichtige und betonte Verfassungsgarantie der Selbstverwaltung insoweit ohne verfassungsgerichtlichen Schutz gegenüber Maßnahmen des Gesetzgebers.“83

Richtig ist an dieser Aussage, dass gegen Gesetze kein verfassungsgerichtlicher Schutz vor dem Bayerischen Verfassungsgericht bestehen würde, betrachtete man eine auf das gemeindliche Selbstverwaltungsrecht gestützte Popularklage als unzulässig. Vor dem Bundesverfassungsgericht wäre verfassungsgerichtlicher Schutz hingegen gegeben. Gemeinden könnten somit das Selbstverwaltungsrecht des Art. 28 GG vor dem Bundesverfassungsgericht geltend machen, nicht jedoch das des Art. 11 BV vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof. Die Möglichkeit, den Bayerischen Verfassungsgerichtshof mit der Rüge der Verletzung des gemeindlichen Selbstverwaltungsrechts anrufen zu können, ist nicht nur sachgerecht84, sondern wertet auch dessen Stellung auf. Um den Gemeinden die Möglichkeit der Popularklage zu eröffnen, hat der Gerichtshof das gemeindliche Selbstverwaltungsrecht als grundrechtsähnliches Recht deklariert, auf das der Normenkontrollantrag gestützt werden kann. Mit diesem „interessanten Trick“85 konnte er die Kompetenz für die Entscheidung kommunaler Verfassungsbeschwerden retten.86 2. Popularklage und Selbstbestimmungsrecht der Gemeinden Nach der Eröffnung der Möglichkeit, Popularklagen auf die Verletzung des gemeindlichen Selbstverwaltungsrechts zu stützen, hielt es der Bayerische Verfassungsgerichtshof offenbar für erforderlich, dies nicht uneingeschränkt zuzulassen. Dem entsprechend spricht er auch davon, der Grund – nicht die Begründung – für diese Einschränkung sei gewesen, dass allein die konkret betroffenen Gemeinden Abs. 2 BayVerfGHG sieht hierfür eine „interne Richtervorlage“ vor, vgl. hierzu oben § 26 B. I. (S. 188). 82 Vgl. hierzu auch Lissack, S. 79 f. 83 BayVerfGHE 29, 105 (123); vgl. auch BayVerfGHE 31, 44 (54). 84 Stern, BayVBl. 1976, 547 (548). 85 Friesenhahn, FS Broermann, S. 517 (533). 86 Friesenhahn, FS Broermann, S. 517 (533); Hoppe, in: Starck / Stern, LVG II, S. 257 (262 f.).

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entscheiden sollten, ob sie einen legislativen Akt hinnehmen oder gerichtlich überprüfen lassen wollen.87 Diesem Argument der Selbstbestimmung hält Christian Pestalozza jedoch zu Recht entgegen, dass dieses gegen die Popularklage überhaupt spreche. Wenn die Popularklage aber nun einmal eingeführt sei, könne sie mit diesem Argument nicht eingeschränkt werden.88 Ein vergleichbares Problem kann eintreten, wenn nicht das gemeindliche Selbstverwaltungsrecht in Frage steht, sondern etwa das kirchliche Selbstbestimmungsrecht (Art. 142 Abs. 3 BV) oder das Eigentum (Art. 146 BV).89 Eine ähnliche Situation ist auch denkbar, wenn ein Bebauungsplan nur in die Rechte eines einzigen Grundstückbesitzers verfassungswidrig eingreift, dieser aber bewusst auf Rechtsmittel verzichtet. Einem (anderen) Antragsteller müsste – bei Übertragung der Rechtsprechung zum gemeindlichen Selbstverwaltungsrecht – konsequenterweise auch dann die Klagebefugnis abgesprochen werden. Dies ist aber abzulehnen.90 Letztlich besteht in diesen Fällen kein praktisches Bedürfnis für die Einschränkung der Klagebefugnis. Denn die Frage der Selbstbestimmung über grundrechtsähnliche Rechte bzw. Grundrechte ist keine prozessuale, sondern eine materielle – nämlich der des Grundrechtsverzichts91. Im Fall eines zulässigen und sämtliche formellen Voraussetzungen erfüllenden Verzichts wäre das staatliche Handeln nicht als grundrechtswidriger Verstoß zu qualifizieren, womit vor Gericht kein Grundrechtsschutz erlangt werden kann.92 Eine Popularklage gegen eine entsprechende Norm könnte daher nicht erfolgreich sein. Die mit dem Grundrechtsverzicht zusammenhängenden Fragen werden dem vom Verfassungsgerichtshof zu Grunde gelegten praktischen Bedürfnis nach Selbstbestimmung des Rechtsträgers gerecht. Sie sind jedoch im Rahmen der Begründetheit zu prüfen.93 Eine Vorwegnahme im Rahmen der Sachurteilsvoraussetzungen ist abzulehnen. BayVerfGHE 49, 37 (50); vgl. das Zitat bei Fußn. 37 (10. Kapitel). Pestalozza, Verfassungsprozeßrecht, § 23 Rn. 1008. 89 Vgl. BayVerfGHE 37, 184 (195). 90 Da in diesen Fällen die Verletzung von Grundrechten in Frage stehen, würde an diesem Punkt die oben (§ 48 A. II. [S. 326]) dargelegte Argumentation Knöpfles ins Leere laufen, wonach für die Einschränkung der Klagebefugnis im Bereich des gemeindlichen Selbstverwaltungsrechts keine Rechtsgrundlage erforderlich sei, da der Schutz dieses grundrechtsgleichen Rechts von Art. 98 Satz BV nicht umfasst sei. 91 Vgl. dazu etwa Epping, Rn. 106 ff.; Spieß, mit ausführlichen Literaturangaben im 2. Kapitel Fußn. 1; Sturm, FS Geiger, S. 173 ff. 92 Vgl. Epping, Rn. 106; Spieß, S. 47; Sturm, FS Geiger, S. 173 (183). 93 Eine viel diskutierte Frage im Zusammenhang mit dem Grundrechtsverzicht ist, in wie weit ein solcher möglich ist. Schranken des Verzichts könnten sich im Allgemeinen etwa aus der Menschenwürde, der Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 Abs. 2 GG oder dem Gesetzmäßigkeitsprinzip und anderen Verfassungsprinzipien ergeben (vgl. hierzu ausführlich Spieß, S. 91 – 224). Verneinte man die Möglichkeit der jeweils betroffenen Gemeinde, auf das Selbstverwaltungsrecht verzichten zu können, könnte man auch dem Ausgangspunkt der Rechtspre87 88

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V. Ergebnis Im Ergebnis liegt somit kein Grund für die Einschränkung der Klagebefugnis durch den Bayerischen Verfassungsgerichtshof vor. Diese entbehrt jeder rechtlichen Grundlage. Ein praktisches Bedürfnis für sie besteht ebenfalls nicht. Die Einschränkung der Klagebefugnis im Bereich des gemeindlichen Selbstverwaltungsrechts ist daher abzulehnen.

B. Systemwidrige Folgen der Einschränkung der Klagebefugnis Die Einschränkung der Klagebefugnis führt in der Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs zu mit den Grundgedanken der Popularklage unvereinbaren Entscheidungen. So sind zum einen unterschiedliche Ausgestaltungen des Antragsrechts abzulehnen. Eine Popularklage kann „jedermann“ erheben. Hierzu zählen natürliche Personen ebenso wie Gemeinden. Es ist daher nicht möglich, natürlichen Personen eine „Bürgerklage“ zu verweigern, während Gemeinden eine Klage erheben können. Ebenso wenig ist die unterschiedliche Behandlung von selbst betroffenen sowie nicht selbst betroffenen Gemeinden der Popularklage fremd. Die Unterscheidung entspricht zwar den in anderen Verfahren üblichen Anforderungen an die Klagebefugnis, deren Voraussetzungen sind jedoch – wie dargelegt94 – im Popularklageverfahren nicht anwendbar.95 Schließlich hat der Bayerische Verfassungsgerichtshof seit Beginn seiner Rechtsprechung den Prüfungsmaßstab bei zulässig erhobenen Popularklagen auf die gesamte Bayerische Verfassung erstreckt.96 Der Ausschluss der Prüfung anhand des Selbstverwaltungsrechts steht hierzu in direktem Widerspruch und führt klar vor Augen, dass die eingeschränkte Klagebefugnis nicht im Einklang mit der Verfahrensordnung der Popularklage steht.

chung des BayVerfGH nicht folgen, wonach die Gemeinden selbst entscheiden sollen, ob sie gegen Organisationsakte vorgehen wollen (vgl. oben § 47 D. [S. 318]). 94 Vgl. oben § 48 A. I. 2. (S. 325). 95 Vgl. oben § 48 A. I. 2. (S. 325). 96 Vgl. die Nachweise in Fußn. 6 (9. Kapitel).

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C. Jüngere Rechtsprechung I. Klagebefugnis bei generell für alle Gemeinden geltenden Normen In seinen jüngeren Entscheidungen zur Klagebefugnis bei generell für alle Gemeinden geltenden Normen verweist der Bayerische Verfassungsgerichtshof auf eigene ältere Ausführungen. Dadurch erweckt er den Eindruck, die jüngeren Entscheidungen stünden nicht im Widerspruch zu seiner früheren Rechtsprechung. 1. Die zitierten Entscheidungen führen nicht weiter So verweist der Gerichtshof in diesem Zusammenhang auf die älteren Entscheidungen BayVerfGHE 12, 48 (55 f.); 45, 33 (40); 47, 165 (171)97. Diese zitierte Rechtsprechung führt in diesem Zusammenhang jedoch nicht weiter. a) BayVerfGHE 12, 48 (55 f.) Der ersten angeführten Entscheidung98 lag eine Popularklage mehrerer Städte und Landkreise gegen ein Finanzausgleichänderungsgesetz99 zu Grunde. Die Antragsteller machen unter anderem Verletzungen des Gleichheitssatzes (Art. 118 BV) sowie des Art. 11 BV geltend.100 Der Verfassungsgerichtshof führt aus: „Kommt der Verfassungsgerichtshof in einem“ … „anhängigen Verfahren zu der Überzeugung, daß die angegriffenen Vorschriften zwar nicht wegen einer Grundrechtsverletzung, wohl aber aus anderen Gründen mit der Bayer. Verfassung nicht vereinbar sind, so hat er dies nach seiner ständigen Rechtsprechung bei der Entscheidung zu berücksichtigten“. … „Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob auch in sonstigen Vorschriften der Bayerischen Verfassung, deren Verletzung die Antragsteller rügen, Grundrechte im Sinn des Art. 98 Satz 4 BV enthalten sind.“101

97 BayVerfGHE 49, 37 (50) verweist auf BayVerfGHE 12, 48 (55 f.); 45, 33 (40); BayVerfGHE 49, 79 (85 f.) verweist auf BayVerfGHE 12, 48 (55 f.); 45, 33 (40); 47, 165 (171); BayVerfGH Entscheidung vom 18. 4. 1996 Vf. 13-VII-93 [ = BayVerfGHE 49, 37]; BayVerfGHE 50, 15 (40) verweist auf BayVerfGHE 12, 48 (55 f.); 45, 33 (40); BayVerfGH BayVBl. 1996, 462 [ = BayVerfGHE 49, 37]; BayVerfGHE 60, 30 (34) verweist auf BayVerfGHE 49, 37 (50); 50, 15 (40); BayVerfGHE 60, 184 (210) verweist auf BayVerfGHE 50, 15 (40). 98 BayVerfGHE 12, 48. 99 Drittes Gesetz zur Änderung des Gesetzes über den Finanzausgleich zwischen Staat, Gemeinden und Gemeindeverbänden vom 16. 10. 1951 (GVBl S. 197). 100 BayVerfGHE 12, 48 (50 ff.). 101 BayVerfGHE 12, 48 (54).

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Die Frage, inwieweit eine Popularklage die Verletzung eines grundrechtsähnlichen Rechts rügen kann, beantwortet diese Entscheidung nicht. b) BayVerfGHE 45, 33 (40) In einer Entscheidung aus dem Jahr 1992 der eine Popularklage gegen ein Änderungsgesetz zum Kommunalabgabengesetz102 zu Grunde lag formuliert der Verfassungsgerichtshof: „Eine Gemeinde ist als juristische Person des öffentlichen Rechts zur Erhebung einer Popularklage befugt. Sie kann dabei die Rüge erheben, die angefochtene Rechtsvorschrift verstoße gegen das in Art. 11 Abs. 2 BV als grundrechtsähnliches Recht gewährleistete Selbstverwaltungsrecht der Gemeinden.“103

Das Gericht stellt hier also nicht ausdrücklich darauf ab, dass die Gemeinde selbst betroffen sein muss. Im konkreten Fall war sie jedoch betroffen.104 Daher kann aus dieser Entscheidung nicht der Schluss gezogen werden, der Verfassungsgerichtshof wolle auf das Erfordernis der Selbstbetroffenheit verzichten. c) BayVerfGHE 47, 165 (171) In der zitierten Begründung aus dem Jahr 1994 führt der Gerichtshof aus, das Selbstverwaltungsrecht der Gemeinden gebe „der betroffenen“ Gemeinde die Möglichkeit, Popularklage zu erheben.105 Auch diese Entscheidung ist daher kein Beleg für eine Rechtsprechung, wonach bei generell alle Gemeinden betreffenden Normen die Klagebefugnis nicht auf betroffene Gemeinden beschränkt ist. 2. Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung Die Grundsatzentscheidung des Verfassungsgerichtshofs, in der er die Selbstbetroffenheit der jeweils klagenden Popularkläger forderte, bezog sich nicht auf eine generell für alle Gemeinden geltende Norm.106 Die Rechtsprechung zur Klagebefugnis bei solchen Normen steht daher nicht im offenen Widerspruch zu älteren Entscheidungen. Dennoch stellt sie insofern eine gewisse Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung dar, als der Gerichtshof nicht in allen Fällen eine Selbstbetroffenheit fordert. Dies stellt einen „Schritt in die richtige Richtung“ dar. Denn die Zuläs-

102 Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 21. Juli 1989 (GVBl S. 361). 103 BayVerfGHE 45, 33 (40). 104 Vgl. BayVerfGHE 45, 33 (35). 105 BayVerfGHE 47, 165 (171). 106 Vgl. oben § 47 B. (S. 315).

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sigkeitsvoraussetzung der Selbstbetroffenheit ist abzulehnen.107 Dass der Verfassungsgerichtshof sie nicht mehr in allen Fällen fordert, ist daher zu begrüßen.

II. Konnexitätsprinzip Zuzustimmen ist hingegen den Ausführungen, wonach ein Antragsteller die Popularklage auf die Verletzung des Konnexitätsprinzips des Art. 83 Abs. 3 BV stützen kann. Diese Norm ist eine Schutzvorschrift zu Gunsten der kommunalen Selbstverwaltung.108 Sieht man eine auf das Selbstverwaltungsrecht gestützte Popularklage als zulässig an, ist es daher systemgerecht, auch eine solche Beschwerde zuzulassen, die eine Verletzung des Konnexitätsprinzips rügt. 1. Grundsätze des Konnexitätsprinzips Der Ausgangspunkt des Konnexitätsprinzips liegt in der Sicherstellung einer Kongruenz von Entscheidungsverantwortung und Ausgabenlast bei der Übertragung von Aufgaben durch den Gesetzgeber auf die kommunalen Ebenen.109 Aus verfassungsrechtlicher Sicht erfüllt es eine Schutzfunktion zu Gunsten der Kommunen, indem es die kommunale Selbstverwaltung finanziell absichert.110 Bei der Ausgestaltung in den Landesverfassungen kann zwischen zwei Grundtypen unterschieden werden – dem strikten und dem relativen Konnexitätsprinzip.111 Bei beiden hat der Gesetzgeber bei einer Aufgabenübertragung eine Regelung hinsichtlich der Deckung der Kosten zu treffen.112 Beim strikten Konnexitätsprinzip muss er darüber hinaus für die entstehende Mehrbelastung einen angemessenen finanziellen Ausgleich schaffen.113 2. Die Rechtslage in Bayern Die bis zum 1. April 2004 in Bayern geltende Rechtslage114 regelte die Pflicht zur Mittelerschließung nur in schwacher Weise.115 So hat der Bayerische VerfasVgl. ausführlich oben § 48 A. (S. 325). Schoch / Wieland, Aufgabenzuständigkeit und Finanzierungsverantwortung, S. 228. 109 Mückl, DÖV 1999, 841 (843). 110 Mückl, DÖV 1999, 841 (843); Schoch, Verfassungsrechtlicher Schutz der kommunalen Finanzautonomie, S. 165. 111 Henneke, S. 32. 112 Mückl, DÖV 1999, 841 (844). 113 Henneke, S. 32; Mückl, DÖV 1999, 841 (844); Schenek / Kortmann, BWGZ 2005, 332. 114 Art. 83 Abs. 3 BV a. F. hatte folgenden Wortlaut: „Bei Übertragung staatlicher Aufgaben an die Gemeinden sind gleichzeitig die notwendigen Mittel zu erschließen.“ 115 Wolff, BayVBl. 2004, 129 (130). 107 108

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sungsgerichtshof eine vollständige Erstattungspflicht aufgrund des Wortlauts der Norm abgelehnt.116 Außerdem wandte er das Konnexitätsprinzip nur auf übertragene Aufgaben an.117 Art. 83 Abs. 3 BV n. F. schreibt hingegen ein striktes Konnexitätsprinzip fest.118 Es ist auf übertragene Aufgaben ebenso anwendbar wie auf die Verschärfung bestehender Aufgaben.119 Die Regelung greift bei Gesetzen, Rechtsverordnungen sowie Verwaltungsvorschriften und Ausführungsverordnungen ebenso wie bei einer Aufgabenübertragung durch Volksgesetzgebung.120 Die Pflicht eines vollständigen Ausgleichs ist ausdrücklich festgeschrieben.121 3. Konnexitätsprinzip und Selbstverwaltungsrecht Nach ständiger Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs ist aus dem in Art. 11 Abs. 2 BV garantierten gemeindlichen Selbstverwaltungsrecht die Verpflichtung des Staates abzuleiten, im Rahmen seiner finanziellen Möglichkeiten den innerstaatlichen Finanzausgleich in einer Art und Weise zu gestalten, die die finanzielle Lebensfähigkeit der Gemeinden und Gemeindeverbände erhält. Dies folge aus der Tatsache, dass der Staat die Selbstverwaltung und die finanzielle Eigenverantwortlichkeit der kommunalen Körperschaften gewährleiste.122 Der Verfassungsgerichtshof hielt diese Rechtsprechung in späteren Entscheidungen aufrecht123 und formulierte, der Finanzausgleich so zu gestalten sei, dass die Gemeinden die ihnen zukommenden Aufgaben selbstverantwortlich erfüllen könnten.124 Das Konnexitätsprinzip dient dieser verfassungsmäßigen Sicherung der kommunalen Selbstverwaltung, zu deren Kernbereich die Finanzhoheit zählt.125 Denn der Kostendruck, den die Übertragung kostenintensiver Aufgaben ohne entsprechenden Kostenersatz auf die Kommunen verursacht, beeinträchtigt die kommunale Finanzhoheit und damit das kommunale Selbstverwaltungsrecht.126 Insofern ist das Konnexitätsprinzip eine spezielle Ausprägung des gemeindlichen Selbstverwaltungsrechts. Es ist daher stimmig, wenn der Verfassungsgerichtshof Popularklagen für zulässig erklärt, die die Verletzung des Art. 83 Abs. 3 BV rügen. BayVerfGHE 12, 48 (56); 50, 15 (57); Wolff, BayVBl. 2004, 129 (130). Vgl. etwa BayVerfGHE 49, 37 (55). 118 Engelbrecht, BayVBl. 2007, 164; Wolff, BayVBl. 2004, 129 (130). 119 Wolff, BayVBl. 2004, 129 (130). 120 Engelbrecht, BayVBl. 2007, 164 (165). 121 Wolff, BayVBl. 2004, 129 (130). 122 BayVerfGHE 5, 1 (9). 123 BayVerfGHE 12, 48 (55). 124 BayVerfGHE 49, 37 (51); 50, 15 (41); 51, 1 (14). 125 Vgl. OVG Münster, NVwZ 1988, 77 (78); OVG Nordrhein-Westfalen, DVBl. 1980, 763 (764). 126 Schenek / Kortmann, BWGZ 2005, 332. 116 117

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4. Folge des Fehlens einer angemessenen Kostendeckungsregelung Über die Folge des Fehlens einer angemessenen Kostendeckungsregelung besteht in Literatur und Rechtsprechung keine Einigkeit.127 Nach einer Ansicht hätten die Gemeinden in diesem Fall unmittelbar aus Art. 83 Abs. 3 BV einen Anspruch auf Mehraufwandsaufgleich. Die Aufgabenübertragung selbst bleibe hingegen wirksam.128 Die Gegenansicht vertritt die Auffassung, die entsprechende Aufgabenübertragung wäre in einem solchen Fall verfassungswidrig und nichtig.129 Knut Engelbrecht tritt für eine differenzierende Lösung ein. Soweit eine Kostendeckungsregelung völlig fehle, möchte er von der Nichtigkeit der betreffenden Regelung ausgehen. Entspreche die Ausgleichsregelung nicht oder nicht mehr den Anforderungen an einen vollständigen Ausgleich, sei es möglich, durch die Gewährung eines entsprechenden Ausgleichs auf der Grundlage der durch den Gesetzgeber bereits angestellten Überlegungen die Verfassungsmäßigkeit der betreffenden Regelung herzustellen.130 5. Tatsächliche Bedeutung für die Popularklage Folgt man der Ansicht, wonach ein Verstoß gegen das Konnexitätsprinzip zur Verfassungswidrigkeit der Aufgabenübertragung führt, kann diese direkt mit einer Popularklage angegriffen werden, die die Verletzung des Konnexitätsprinzips rügt. Hält man trotz einer ungenügenden Kostendeckungsregelung die Aufgabenübertragung selbst für wirksam, führt dies zur Unzulässigkeit eines entsprechenden Normenkontrollantrags. Denn die Aufgabenübertragung an sich verstößt nach diesem Verständnis nicht gegen das Konnexitätsprinzip, der Verstoß liegt im Fehlen einer ausreichenden Kostendeckungsregelung. Eine Verletzung des verfassungsmäßigen Rechts der Kommunen auf Kostenersatz durch die Aufgabenübertragung ist in diesem Fall unmöglich, weshalb eine entsprechende Rechtsverletzung nicht substantiiert dargelegt werden könnte.131 Fraglich bleibt für diese Auffassung, ob eine Gemeinde das Fehlen einer ausreichenden Kostendeckungsregelung mit einer Popularklage rügen kann. Setzt der Verfassungsgerichtshof seine Rechtsprechung konsequent fort, müsste er auch eine Vgl. Lahmann, KommJur, 2005, 127 (130); Zieglmeier, NVwZ 2008, 270 (273). Wolff, in: Lindner / Möstl / Wolff, BV, Art. 83 Rn. 129; vgl. auch VGH Bad.-Württ. DÖV 2005, 433 (435 f.) zur entsprechenden Rechtslage in Bad.-Württ. 129 Vgl. Engelbrecht, BayVBl. 2007, 164 (170); Zieglmeier, NVwZ 2008, 270 (273); jeweils unter Verweis auf VfG Bbg DÖV 2002, 522; SachsAnhVerfG, NVwZ-RR 2000, 1; das Landesverfassungsgericht Sachsen-Anhalt geht von einer „schwebenden“ Unwirksamkeit der Aufgabenübertragung bei mangelnder Kostendeckung aus (NVwZ-RR 2000, 1 [3]); Schliesky, DÖV 2001, 714 (720). 130 Engelbrecht, BayVBl. 2007, 164 (170). 131 Vgl. hierzu oben § 21 C. II. 2. (S. 146). 127 128

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Popularklage als zulässig anerkennen, die rügt, der Normgeber habe trotz entsprechendem Handlungsauftrag eine Normsetzung unterlassen und dadurch ein grundrechtsähnliches Recht verletzt.132 Im vorliegenden Fall normiert Art. 83 Abs. 3 BV den Handlungsauftrag an den Gesetzgeber. Die Rüge der Verletzung des Konnexitätsprinzips mit der Popularklage ist zulässig. Daher kann darauf auch die Verletzung durch ein Unterlassen des Gesetzgebers gestützt werden. Eine Popularklage gegen das Unterlassen einer ausreichenden Kostendeckungsregelung wäre daher zulässig. Das Fehlen eines solchen Kostenausgleichs bzw. die Aufgabenübertragung selbst betreffen in der Regel generell alle Gemeinden. In diesem Fall schränkt der Verfassungsgerichtshof die Klagebefugnis nicht auf die konkret betroffenen Gemeinden ein, sondern hält die Anträge aller Gemeinden für zulässig.133 Daher können bei einer Verletzung des Konnexitätsprinzips alle Gemeinden eine entsprechende Popularklage erheben. Da entsprechende Landesregelungen meist politisch umstritten sind und oft nicht unbeachtliche finanzielle Auswirkungen auf die einzelnen Gemeinden haben, könnte dies zu einer Vielzahl an Popularklagen führen. Dies hängt jedoch auch von der Frage der Prüfungstiefe ab, also ob der Verfassungsgerichtshof die Umsetzung des strikten Konnexitätsprinzip auch einer strikten Prüfung unterzieht, oder ob er dem Gesetzgeber einen verfassungsgerichtlich nicht überprüfbaren Spielraum einräumt. Unter Geltung des Grundgesetzes vor der Föderalismusreform134 wurde als „offene Flanke“ des Konnexitätsprinzips gesehen, dass dieses nur die bayerische Landesstaatsgewalt bindet. Es greift also insbesondere nicht ein, wenn der Bund neue Aufgaben überträgt.135 Die Änderung des Grundgesetzes hat diese Ausgangslage jedoch wesentlich verändert. Gemäß Art. 84 Abs. 1 Satz 7 GG n. F. und Art. 85 Abs. 1 Satz 2 GG n. F. dürfen nunmehr durch Bundesgesetz keine neue Aufgaben mehr auf Gemeinden und Gemeindeverbände übertragen werden. Dies ist nur noch dem Landesgesetzgeber möglich. In Bayern hat dieser dabei das Konnexitätsprinzip des Art. 83 Abs. 3 BV zu beachten. Dies steigert die tatsächliche Bedeutung der Popularklagen unter Berufung auf das Konnexitätsprinzip zusätzlich.

III. Einschränkung des Prüfungsmaßstabs Die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs zur Einschränkung des Prüfungsmaßstabs widerspricht nicht nur – wie dargelegt136 – dem System des Popularklageverfahrens, sondern ist auch in sich uneinheitlich und widersprüchlich. Wäh132 133 134 135 136

Vgl. hierzu oben § 17 (S. 127). Vgl. oben § 47 E. I. (S. 319). Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 28. August 2006 (BGBl I, S. 2034). Durner, BayVBl. 2007, 161. Vgl. § 48 B. (S. 330).

§ 49 Zusammenfassung

337

rend er bei Beschwerden gegen Gebietsreformen – in deren Rahmen er die Einschränkung der Klagebefugnis entwickelte – seine Rechtsprechung aufrechterhält137, scheint er diese Frage bei der Entscheidung zur Satzung der Zusatzversorgungskasse zu übersehen138. Die Ausführungen des Gerichts im Rahmen der Entscheidung zur Einführung des kommunalen Bürgerentscheids ließen sich ohne weiteres auf die Einführung des Büchergelds übertragen. Denn bei beiden Vorschriften handelt es sich „um Regelungen, die alle Gemeinden Bayerns betreffen und mithin generell für den Inhalt des Selbstverwaltungsrechts von Bedeutung sein können“139. Demnach könne die „umfassende Überprüfung an allen Normen der Bayerischen Verfassung einschließlich des gemeindlichen Selbstverwaltungsrechts“ nicht „zu einer möglichen Kollision zwischen dem Willen der antragstellenden Bürger einerseits und dem Willen einer bestimmten Gemeinde andererseits führen“.140 Diesen Schritt geht der Verfassungsgerichtshof jedoch nicht. Während er die Einführung des kommunalen Bürgerentscheids anhand des Selbstverwaltungsrechts prüft141, lehnt er im Widerspruch hierzu die Prüfung der Einführung des Büchergeldes anhand des Konnexitätsprinzips und damit anhand des Selbstverwaltungsrechts ab142.

§ 49 Zusammenfassung Der Bayerische Verfassungsgerichtshof sieht in ständiger Rechtsprechung Popularklagen als zulässig an, die sich auf eine Verletzung des kommunalen Selbstverwaltungsrechts des Art. 11 Abs. 2 Satz 2 BV stützen. In seiner älteren Rechtsprechung schränkte er bei Beschwerden gegen Normen zur Neugliederung von Gemeinden die Klagebefugnis ein. Er sah Normenkontrollanträge gegen diese Vorschriften nur als zulässig an, wenn eine selbst betroffene Gemeinde das Verfahren betrieb.143 Damit einhergehend schränkte er bei von Bürgern in zulässiger Weise erhobenen Popularklage den Prüfungsmaßstab im Gegensatz zu seiner ständigen Rechtsprechung ein und prüfte die verfahrensgegenständliche Norm nicht anhand des gemeindlichen Selbstverwaltungsrechts. Diese Prüfung führte er hingegen durch, wenn die von einem Bürger erhobene Normenkontrolle dem Willen der betroffenen Gemeinde entsprach.144

137 138 139 140 141 142 143 144

Vgl. § 47 E. III. 1. (S. 322). Vgl. § 47 E. III. 3. (S. 324). Vgl. das Zitat in bei Fußn. 62 (10. Kapitel). Vgl. das Zitat in bei Fußn. 62 (10. Kapitel). Vgl. § 47 E. III. 2. (S. 323). Vgl. § 47 E. III. 4. (S. 324). Vgl. § 47 B. (S. 315). Vgl. § 47 C. (S. 316).

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10. Kap.: Verletzung des gemeindlichen Selbstverwaltungsrechts

In seiner jüngeren Rechtsprechung schränkt der Verfassungsgerichtshof die Klagebefugnis dann nicht ein, wenn die angegriffene Rechtsvorschrift generell alle Gemeinden betrifft. In diesen Fällen ist sein Vorgehen in Bezug auf den Prüfungsmaßstab uneinheitlich. Während er Art. 11 Abs. 2 Satz 2 BV in der Regel in die Prüfung einbezieht, lehnt er dies bei seiner Entscheidung zum Büchergeld ab.145 Entgegen der Ansicht des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs ist die Einschränkung der Klagebefugnis im Popularklageverfahren abzulehnen. Sie entbehrt einer gesetzlichen Grundlage und ist im Ergebnis nicht erforderlich.146 Zuzustimmen ist dem Gerichtshof insofern, als er Popularklagen als zulässig anerkennt, die auf die Verletzung des Konnexitätsprinzips des Art. 83 Abs. 3 BV gestützt sind147. Da er das Unterlassen des Normgebers als zulässigen Verfahrensgegenstand ansieht, sind solche Normenkontrollanträge möglich, die geltend machen, der Gesetzgeber habe im Rahmen einer Aufgabenübertragung eine ausreichende Kostendeckungsregelung unterlassen und dadurch Art. 83 Abs. 3 BV verletzt.148

145 146 147 148

Vgl. § 47 E. III. (S. 322). Vgl. § 48 A. (S. 325). Vgl. § 47 E. II. (S. 321). Vgl. § 48 C. II. (S. 333).

11. Kapitel

Entscheidung § 50 Nichtigerklärung ex tunc Erachtet der Bayerische Verfassungsgerichtshof eine Rechtsvorschrift für verfassungswidrig, erklärt er sie im Allgemeinen rückwirkend auf den Zeitpunkt des Erlasses für nichtig.1 Dies war bei zehn2 der 17 Beschwerden der Fall, denen er im Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis zum 31. Dezember 2011 als zumindest teilweise begründet stattgab. In einer weiteren Entscheidung erklärte er einen Teil der angefochtenen Rechtsvorschriften für nichtig.3 Diese Praxis entspricht sowohl dem Wortlaut des Art. 98 Satz 4 BV als auch der Funktion der Popularklage.

§ 51 Verfassungswidrigerklärung ohne Nichtigerklärung A. Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs Der Gerichtshof erklärt nicht alle verfassungswidrigen Rechtsvorschriften für nichtig. So führt er aus: „Der Verfassungsgerichtshof hat aber, ebenso wie das Bundesverfassungsgericht, schon wiederholt entschieden, die für verfassungswidrig erachtete Bestimmung müsse für eine gewisse Übergangszeit hingenommen werden, um dem Gesetzgeber ausreichend Zeit für die Beratung und den Erlass einer erforderlichen Neuregelung zu geben. Auch können es die Grundsätze des Rechtsfriedens und der Rechtssicherheit, besonders des Vertrauensschutzes, angesichts der Auswirkungen einer Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs ausnahms-

BayVerfGHE 50, 181 (208); 56, 198 (206); 60, 184 (222). Vgl. BayVerfGHE 55, 66 (GVBl 2002, S. 189); BayVerfGHE 57, 48 (GVBl 2004, S. 217); BayVerfGHE 57, 129 (GVBl 2004, S. 485); BayVerfGHE 57, 175 (GVBl 2005, S. 4); BayVerfGHE 58, 1 (GVBl 2005, S. 16); BayVerfGHE 59, 109 (GVBl 2006, S. 354); BayVerfGHE 60, 131 (GVBl 2007, S. 387); BayVerfGHE 61, 172 (GVBl 2008, S. 579); BayVerfGHE 61, 205 (GVBl 2008, S. 832); BayVerfGH BayVBl. 2010, 757 (GVBl 2010, S. 694). 3 BayVerfGHE 50, 181 (GVBl 1997, S. 520). 1 2

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11. Kap.: Entscheidung

weise rechtfertigen, die Ungültigkeit der Rechtsvorschrift nicht mit Wirkung ex tunc oder auch nur ex nunc, sondern erst mit Wirkung zu einem späteren Zeitpunkt auszusprechen“. … „Der Verfassungsgerichtshof kann in einem solchen Fall anordnen, dass die Ungültigkeit der Rechtsvorschrift erst zu einem späteren Zeitpunkt eintritt. Denn es ist Sache des Gesetzgebers, gemäß seinem Beurteilungs- und Entscheidungsspielraum die bei einer Neuregelung maßgebenden Fragen zu lösen.“4

Diese Grundsätze seien im Wesentlichen auch dann anwendbar, wenn ein Verstoß einer abgeleiteten Rechtsvorschrift gegen ihre Ermächtigungsgrundlage und somit gegen das Rechtsstaatsprinzip des Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV vorliege.5 In der Zeit vom 1. Januar 1995 bis zum 31. Dezember 2011 stellte der Verfassungsgerichtshof bei vier6 von 16 zumindest teilweise begründeten Popularklagen nur die Verfassungswidrigkeit der jeweiligen Rechtsvorschriften fest; in einem weiteren Fall7 geschieht dies für einen Teil der angegriffenen Normen. In allen diesen Entscheidungen bestimmt er gleichzeitig eine Übergangsfrist, in der die Vorschriften anwendbar bleiben, so lange sie der Normgeber nicht durch eine andere ersetzt. Ein Verfahren im genannten Zeitraum hatte eine außer Kraft getretene Norm zum Gegenstand.8 In diesem stellte der Gerichtshof fest, die Vorschrift habe gegen die Bayerische Verfassung verstoßen.9 Schließlich erklärte er im Rahmen einer weiteren Beschwerde10 das Fehlen einer Übergangsregelung für verfassungswidrig, hielt den Normgeber jedoch nicht für verpflichtet, nachträglich eine derartige Regelung zu treffen. Im konkreten Verfahren stand das Halten von Kampfhunden im Mittelpunkt. Gemäß Art. 37 Abs. 1 Satz 1 BayLStVG steht dieses unter Erlaubnisvorbehalt. Nach § 143 Abs. 2 StGB war das Halten eines gefährlichen Hundes ohne die erforderliche Genehmigung oder entgegen einer vollziehbaren Untersagung strafbar. Auf Grundlage von Art. 37 Abs. 1 Satz 2 BayLStVG bestimmte das Staatsministerium des Innern durch Verordnung, für welche Hunde die Eigenschaft als Kampfhund vermutet wird. Diese Auflistung erweiterte es mit einer Verordnung vom 4. September 2002, die am 1. November 2002 in Kraft trat.11 Der Bayerische Verfassungsgerichtshof führt hierzu aus: „Das Vorbringen des Antragstellers enthält die Rüge, es verstoße gegen die Verfassung, dass jeder durch die angegriffenen Regelungen neu betroffene Hundehalter gewissermaßen ‚über Nacht‘ nach § 143 Abs. 2 StGB strafbar sei“. … „Insoweit ist die Popularklage begründet. Es verstieß gegen die rechtsstaatlichen Grundsätze (Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV) des Vertrauensschutzes und der Rechtsklarheit, dass in der KampfhundeVO 2002 nicht ausdrücklich eine angemessene Übergangszeit festgelegt war, innerhalb derer die betroffenen BayVerfGHE 56, 198 (206 f.); vgl. auch BayVerfGHE 50, 181 (208 f.). BayVerfGHE 56, 198 (207). 6 BayVerfGHE 56, 198 (GVBl 2003, S. 912); BayVerfGHE 58, 77 (GVBl 2005, S. 135); BayVerfGHE 60, 184 (GVBl 2007, S. 861); BayVerfGHE 61, 262 (GVBl 2008, S. 896). 7 BayVerfGHE 50, 181 (GVBl 1997, S. 520). 8 Vgl. hierzu oben § 16 (S. 117). 9 BayVerfGHE 54, 47 (GVBl 2001, S. 391). 10 BayVerfGHE 57, 84 (GVBl 2004, S. 351). 11 BayVerfGHE 57, 84 (86 f.). 4 5

§ 51 Verfassungswidrigerklärung ohne Nichtigerklärung

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Hundehalter von der Erlaubnispflicht ausgenommen waren“.12 … „Trotz der Feststellung, dass es verfassungswidrig war, keine Übergangsregelung vorzusehen, ist der Normgeber verfassungsrechtlich nicht verpflichtet, noch nachträglich eine derartige Regelung zu treffen. Durch die vorliegende Entscheidung steht mit Bindungswirkung für alle Behörden und Gerichte des Freistaates Bayern (Art. 29 Abs. 1 VfGHG) fest, dass den durch die KampfhundeVO 2002 neu betroffenen Hundehaltern wegen der rechtsstaatlichen Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit für eine Übergangszeit nicht vorgeworfen werden kann, sie hätten unerlaubterweise einen Kampfhund gehalten.“13

I. Begründung des Verzichts auf die Nichtigerklärung 1. Bestehen verschiedener Regelungsmöglichkeiten Der Bayerische Verfassungsgerichtshof sieht einen Verzicht auf eine Nichtigerklärung dann als möglich an, wenn der Normgeber über mehrere Möglichkeiten verfüge, den Verfassungsverstoß zu beseitigen, die erforderliche Rechtsänderung also grundsätzlich in der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers liege.14 Ein Beispiel hierfür ist eine Entscheidung vom 29. August 1997, der mehrere Popularklagen gegen das Gesetz zur Einführung des kommunalen Bürgerentscheids vom 27. Oktober 199515 zu Grunde lagen. Dieses war durch Volksentscheid beschlossen worden. Das Gesetz sah für den Fall, dass ein Drittel der für ein Bürgerbegehren erforderlichen Unterschriften abgegeben wurden, eine Sperrwirkung vor, wonach die Gemeinde- bzw. Landkreisorgane für zwei Monate eine dem Begehren entgegenstehende Entscheidung nicht mehr hätten treffen dürfen. Hierin sah der Verfassungsgerichtshof einen Verstoß gegen das Selbstverwaltungsrecht und erklärte die Regelungen für nichtig. Die Sperrwirkung sei damit ex tunc entfallen.16 Soweit die gesetzlichen Regelungen zwar eine Bindungswirkung des Bürgerentscheids, aber kein Beteiligungsoder Zustimmungsquorum vorsahen, erklärte dies der Gerichtshof für mit der Verfassung unvereinbar und gewährte dem Gesetzgeber eine Frist zur gesetzlichen Neuregelung. Es sei Sache des Gesetzgebers, gemäß seinem Beurteilungs- und Entscheidungsspielraums die maßgebenden Fragen zu lösen. „[Der Gesetzgeber] hat für die Beseitigung des verfassungswidrigen Zustands grundsätzlich mehrere Möglichkeiten, unter denen er im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit auswählen kann. Für derartige politische Entscheidungen ist der Verfassungsgerichtshof nicht zuständig. Es erschien angemessen, dem Gesetzgeber eine Frist spätestens bis zum 1. Januar 2000 für eine entsprechende Neuregelung einzuräumen. Der Verfassungsgerichtshof sieht im Interesse der Kontinuität der kommunalverfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen und der Vielfalt der in Betracht kommenden Regelungsmöglichkeiten davon ab, für die Zeit bis dahin selbst eine Übergangsregelung zu treffen.“17 12 13 14 15 16 17

BayVerfGHE 57, 84 (102). BayVerfGHE 57, 84 (106). BayVerfGHE 50, 181 (209); 56, 198 (207); 61, 227 (234 f.). GVBl S. 730. BayVerfGHE 50, 181 (202). BayVerfGHE 50, 181 (209).

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11. Kap.: Entscheidung

Erachtet der Verfassungsgerichtshof in einem bestehenden Regelungssystem das Fehlen einer Regelung für verfassungswidrig, hält er es für geboten, dem Normgeber ausreichend Zeit für die Beratung und die Verabschiedung der erforderlichen Vorschriften zu lassen und verzichtet daher auf eine Nichtigerklärung.18 Verfahrensgegenstand des konkreten Falles waren Regelungen des kommunalen Finanzausgleiches. Der Gerichtshof stellte in seiner Entscheidung fest, die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung setze prozedurale Absicherungen in dem der Entscheidung des Gesetzgebers über den Finanzausgleich zugrunde liegenden Verfahren voraus, deren Fehlen zur Unvereinbarkeit des Finanzausgleichsgesetzes mit dieser Verfassungsgarantie führe. Er gab der Popularklage daher insoweit als begründet statt.19

2. Vermeidung eines verfassungsferneren Zustandes Ein weiterer Grund für das Vorliegen überwiegender Gründe des Vertrauensschutzes, der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens und damit den Verzicht auf eine Nichtigerklärung sei das Bestehen der Gefahr, dass durch eine rückwirkende Entscheidung ein Zustand geschaffen würde, der einer verfassungsmäßigen Regelung noch ferner stünde als die verfahrensgegenständliche Rechtslage. In diesem Fall verzichtet der Verfassungsgerichtshof auf die Nichtigerklärung.20 So stellt das Gericht im Rahmen der Entscheidung zum kommunalen Finanzausgleich fest, würde der Entscheidung rückwirkende Kraft beigemessen, entfiele die Grundlage sowohl für die Ansprüche der Gemeinden und Gemeindeverbände aus dem kommunalen Finanzausgleichsgesetz als auch für die darauf beruhenden finanziellen Planungen. Eine Rückabwicklung wäre nicht durchführbar. Die Gefahr eines verfassungsferneren Zustandes sah der Gerichtshof daher als gegeben an.21

Eine verfassungsfernere Rechtslage könne auch durch die Verursachung eines bis zum Tätigwerden des Gesetzgebers ungeregelten Zustands verursacht werden, den eine Nichtigerklärung zur Folge hätte.22 3. Faktische Unmöglichkeit der rückwirkenden Bereinigung Sofern der Verfassungsgerichtshof eine Bereinigung der verfassungswidrigen Regelung im Sinne einer abstrakten Einzelfallgerechtigkeit nicht rückwirkend, sondern faktisch nur für die Zukunft für möglich erachtet, ordnet er eine befristete Fortgeltung der Norm an.23 18 19 20 21 22 23

BayVerfGHE 60, 184 (223). BayVerfGHE 60, 184 (212). Vgl. BayVerfGHE 60, 184 (223); 61, 227 (235). BayVerfGHE 60, 184 (223). BayVerfGHE 61, 227 (235). BayVerfGHE 56, 198 (208).

§ 51 Verfassungswidrigerklärung ohne Nichtigerklärung

343

Im konkreten Fall griff eine Popularklage eine Regelung der Verordnung zur Durchführung des Bayerischen Begabtenförderungsgesetzes an, wonach auf ein Stipendium aus dem Kreis der Einkommen von Unterhaltsverpflichteten des Studierenden nur das Einkommen seines Ehegatten als zumutbare Eigenleistung angerechnet wird, andere Einkommen hingegen nicht. Dies verstoße – so der Beschwerdeführer – gegen Art. 118 Abs. 1 i.V. m. Art. 124 Abs. 1 BV.24 Der Gerichtshof gab der Klage statt, da die Norm keine Ermächtigungsgrundlage habe, soweit sie sich auf das Einkommen der Ehegatten beschränkt. Denn diese beziehe ausdrücklich alle „Unterhaltsverpflichteten“ mit ein. Diesem ausdrücklichen Wortlaut werde die angegriffene Vorschrift nicht gerecht. In der – faktischen – Unmöglichkeit der rückwirkenden Bereinigung sah der Verfassungsgerichtshof einen Grund für die befristete Fortgeltung der Norm.25

4. Erstmaliges Erkennen der Rechtslage Einen weiteren Grund für die Fortgeltung einer verfassungswidrigen Regelung sieht der Gerichtshof als gegeben an, wenn in der Entscheidung ein erstmaliges Erkennen der Rechtslage erfolgt. In der bereits dargestellten Entscheidung zum Begabtenförderungsgesetz führt er aus: „Die dargelegte Rechtslage ist bisher nicht erkannt worden. Schon deshalb besteht grundsätzlich Anlass, das bisherige Recht noch für eine Übergangszeit hinzunehmen, um dem Verordnungsgeber Gelegenheit zu geben, sich binnen einer angemessenen Frist auf die geklärte verfassungsrechtliche Lage einzustellen“26

II. Treffen einer Übergangsregelung Geht der Bayerische Verfassungsgerichtshof von der Unvereinbarkeit einer Rechtsvorschrift mit der Verfassung aus, ist es nicht nur denkbar, dass er diese für einen bestimmten Zeitraum für weiterhin anwendbar erklärt. Vielmehr kann der Gerichtshof auch eine Übergangsregelung treffen und der Norm damit einen abweichenden Regelungsgehalt zukommen lassen, bis der Normgeber eine Neuregelung trifft. In der Zeit vom 1. Januar 1995 bis zum 31. Dezember 2011 machte der Verfassungsgerichtshof in keinem Popularklageverfahren von dieser Möglichkeit Gebrauch. Er traf jedoch in einem Fall eine Übergangsregelung, in dem er eine Meinungsverschiedenheit (Art. 75 Abs. 3 BV) und ein Normenkontrollverfahren nach Art. 98 Satz 4 BV zur gemeinsamen Entscheidung verbunden hatte. Die Übergangsregelung traf er im Rahmen seiner Ausführungen zum Antrag nach Art. 75 Abs. 3 BV.

24 25 26

BayVerfGHE 56, 198 (200). BayVerfGHE 56, 198 (203 f.). BayVerfGHE 56, 198 (207).

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11. Kap.: Entscheidung

Verfahrensgegenstand war das Gesetz zur Abschaffung des Bayerischen Senats.27 Hiergegen wurden mehrere Anträge gemäß Art. 75 Abs. 3 BV sowie Art. 98 Satz 4 BV gestellt. Die Antragsteller warfen unter anderem die Frage auf, ob für eine Verfassungsänderung im Rahmen der Volksgesetzgebung ein Quorum erforderlich ist.28 Der Verfassungsgerichtshof sagt hierzu: „Der Verfassungsgerichtshof hält dagegen nicht an der Auffassung fest, daß bei Verfassungsänderungen im Verfahren nach Art. 74 BV beim Volksentscheid kein Quorum erforderlich ist. Diese in der Entscheidung vom 2. Dezember 1949 (VerfGH 2, 181 ff.) vertretene Auffassung wird aufgegeben.“29 … „Die Verfassung hat selbst bereits die Grundentscheidung getroffen, daß die Stabilität der Verfassung und ein Mindestmaß an demokratischer Legitimation durch ein Quorum gewährleistet werden müssen. Gleichwohl kommen mehrere Lösungsvorschläge in Betracht, um diese Ziele im Wege eines schonenden Ausgleichs bei Verfassungsänderungen auf Grund eines Volksbegehrens sicherzustellen.“ … „Da es sich dabei um eine Interpretation der geltenden Verfassung handelt, nicht um eine Änderung, ist der einfache Gesetzgeber zuständig.“30 … „Bis zu dem Zeitpunkt, zu dem die notwendige, die Verfassung insoweit konkretisierende Regelung des Gesetzgebers in Kraft tritt, darf keine rechtliche Unklarheit über die Gültigkeit verfassungsändernder Volksentscheide im Verfahren nach Art. 74 BV bestehen. Der Verfassungsgerichtshof ordnet daher übergangsweise für diesen Zeitraum gemäß Art. 29 Abs. 2 VfGHG an, daß ab Verkündung dieser Entscheidung ein im Verfahren nach Art. 74 BV dem Volk zur Entscheidung vorgelegter Gesetzentwurf, der eine Änderung der Bayerischen Verfassung zum Gegenstand hat, nur dann angenommen ist, wenn mindestens 25 v. H. der stimmberechtigten Bürger dem Gesetzentwurf zugestimmt haben. Dies gilt auch für Gesetzentwürfe, die vom Bayerischen Landtag dem Volk gemäß Art. 74 Abs. 4 BV mit vorgelegt werden, soweit sie Verfassungsänderungen enthalten.“31

B. Bewertung der Rechtsprechung I. Verzicht auf Nichtigerklärung Der Wortlaut des Art. 98 Satz 4 BV geht von der Nichtigerklärung verfassungswidriger Rechtsvorschriften durch den Gerichtshof aus. Das BayVerfGHG erkennt in Art. 27 Abs. 3 jedoch dessen Praxis an, in bestimmten Fällen nur die Verfassungswidrigkeit einer Rechtsvorschrift festzustellen. Diese Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs entspricht weitgehend der des Bundesverfassungsgerichts.32 Dem Verfassungsgerichtshof ist jedenfalls insoweit zuzustimmen, als er von einer Nichtigerklärung absieht, wenn dem Normgeber verschiedene Mög27 28 29 30 31 32

Gesetz vom 20. Februar 1998 (GVBl S. 42). Vgl. BayVerfGHE 52, 104 (108 ff.). BayVerfGHE 52, 104 (127). BayVerfGHE 52, 104 (134 f.). BayVerfGHE 52, 104 (136). Vgl. Pestalozza, Verfassungsprozeßrecht, § 23 Rn. 111.

§ 51 Verfassungswidrigerklärung ohne Nichtigerklärung

345

lichkeiten zur Verfügung stehen, die Verfassungswidrigkeit zu beseitigen33; und zwar in solchen Fällen, in denen der Verfassungsverstoß nicht in einer einzelnen (verfassungswidrigen) Norm begründet liegt, sondern im Verhältnis mehrerer Normen zueinander.34 In dieser Situation ist eine – sozusagen kassatorische – Nichtigerklärung nicht möglich.35 Denn eine solche würde entweder daneben greifen oder über den eigentlichen Verfassungsverstoß hinausschießen.36 Typisches Beispiel für diesen Fall ist ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz.37 Denn insofern steht nicht die Regelung der Sachverhalte als solche in Frage, sondern deren Beziehung zueinander.38 Geboten ist hier ein neuer Gestaltungsakt des Gesetzgebers, der die festgestellte Rechtslage berücksichtigt, den das Verfassungsgericht aber nicht vorwegnehmen darf.39 In dieser Situation ist eine Verfassungswidrigerklärung und die Setzung einer Frist, innerhalb derer der Normgeber eine Neuregelung treffen muss, sachgerecht. So sah der Verfassungsgerichtshof in der Entscheidung zur Einführung des kommunalen Bürgerentscheids die „Kombination“ des Fehlens eines Abstimmungsquorums und des dreijährigen Bestandsschutzes des Entscheids als einen verfassungswidrigen Zustand an.40 Zur Herstellung eines verfassungsgemäßen Zustandes waren mehrere Wege denkbar. Die Entscheidung darüber, welcher Weg gewählt werden sollte, ist Aufgabe des Gesetzgebers, nicht des Gerichtshofs.

Ein weiterer – in der Literatur weitgehend anerkannter41 – Grund für den Verzicht auf eine Nichtigerklärung, ist die Befürchtung, dass diese unter bestimmten Voraussetzungen übergreifende Ordnungszusammenhänge, die ebenfalls Verfassungsrang haben, beeinträchtigen könnte.42 Es soll so ein „rechtliches Chaos“43 bzw. eine Regelungslücke vermieden werden, der mit der Verfassung noch weniger vereinbar wäre44. Hierzu ist auch der Fall zu zählen, dass die Verfassung eine bestimmte Vgl. Domcke, in: Starck / Stern, LVG II, S. 231 (249). Ipsen, S. 214. 35 Ipsen, S. 214; dem hingegen vertritt Graßhof die Ansicht, soweit ein Gleichheitsverstoß durch zwei Normen verursacht werde, seien beide für nichtig zu erklären (Graßhof, Vollstreckung von Normenkontrollentscheidungen, S. 117). 36 Ipsen, S. 214; Maurer, FS Weber, S. 345 (354); vgl. auch Stark, in: Umbach / Clemens / Dollinger, BVerfGG, § 95 Rn. 91. 37 Bethge vertritt darüber hinaus die Ansicht, ein solcher Verzicht auf die Nichtigerklärung biete sich überhaupt an, wenn der Gesetzgeber mehrere Möglichkeiten habe, den verfassungswidrigen Zustand zu beseitigen (Bethge, in: Maunz / Schmidt-Bleibtreu / F. Klein / Bethge, BVerfGG, § 78 Rn. 70). 38 Vgl. hierzu etwa Maurer, FS Weber, S. 345 (354). 39 Vgl. Ipsen, S. 214. 40 Jung, BayVBl. 1998, 225 (232). 41 Vgl. etwa die Nachweise bei Bethge, in: Maunz / Schmidt-Bleibtreu / F. Klein / Bethge, BVerfGG, § 78 Rn. 68. 42 Ipsen, S. 216; vgl. auch Moench, S. 161 ff. 43 Schuppert, AöR 120 (1995), 32 (93); Bethge, Jura 2009, 18 (21). 33 34

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11. Kap.: Entscheidung

Begünstigung fordert, die entsprechende Rechtsnorm diese Forderung jedoch nur teilweise erfüllt. Eine Nichtigerklärung wäre hier nicht zielführend, da mit dieser auch die unzureichende Begünstigung entfallen würde.45 Dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof ist daher zuzustimmen, wenn er in entsprechenden Fällen die angefochtenen Rechtsvorschriften nur für verfassungswidrig erklärt. Kritisch zu betrachten ist es hingegen, wenn das Gericht als Begründung für den Verzicht auf eine Nichtigerklärung anführt, dies sei gerechtfertigt, weil die dargelegte Rechtslage bisher nicht erkannt worden sei. Das allein kann keinen Verzicht auf eine Nichtigerklärung rechtfertigen. Diese Erklärung zieht der Verfassungsgerichtshof in der jüngeren Rechtsprechung jedoch nur im Rahmen einer „budgetwirksamen“ Entscheidung heran.46 Bei einer solchen ist die Verfassungswidrigerklärung oft aus Gründen der Stabilität der öffentlichen Finanzen geboten.47 Udo Steiner weist in diesem Zusammenhang darauf hin, der Gesetzgeber könne die Verfassungsmäßigkeit der von ihm getroffenen Regelung angesichts einer eingeschränkt berechenbaren verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung und einer zu Verfassungsfragen naturgemäß unterschiedliche Auskünfte gebenden Staatsrechtswissenschaft nicht selten schwer einschätzen. Deshalb könne jedenfalls das finanzielle Risiko einer verfassungswidrigen Regelung nicht ausschließlich und uneingeschränkt vom Budgetverantwortlichen getragen werden.48 Unter diesem Gesichtspunkt ist es bei Entscheidungen, die weitreichende finanzielle Auswirkungen nach sich ziehen, gerechtfertigt, wenn der Bayerische Verfassungsgerichtshof von einer Nichtigerklärung absieht, falls die Rechtslage bisher nicht erkannt und daher für den Normgeber nicht vorhersehbar war. In dem vom Verfassungsgerichtshof entschiedenen Fall lag die Verfassungswidrigkeit jedoch darin begründet, dass die angegriffene Vorschrift einer Verordnung gegen den ausdrücklichen Wortlaut der Ermächtigungsgrundlage verstieß.49 Dies wäre für den Verordnungsgeber durchaus vorhersehbar gewesen.

II. Treffen einer Übergangsregelung Der Bayerische Verfassungsgerichtshof stützt den Erlass einer Übergangsregelung auf die Vorschrift des Art. 29 Abs. 2 BayVerfGHG50, die ihm die Kompetenz

44 Bethge, Jura 2009, 18 (21); Maurer, FS Weber, S. 345 (352); Schuppert, AöR 120 (1995), 32 (93), Stark, in: Umbach / Clemens / Dollinger, BVerfGG, § 95 Rn. 89. 45 Vgl. Moench, S. 165 f.; Stark, in: Umbach / Clemens / Dollinger, BVerfGG, § 95 Rn. 90. 46 Vgl. oben die Entscheidung zum Begabtenförderungsgesetz § 51 A. I. 3. (S. 342). 47 Auch das BVerfG verzichtet bei derartigen Entscheidungen regelmäßig auf eine Nichtigerklärung mit Wirkung ex tunc (vgl. Steiner, NJW 2001, 2919 [2922]); vgl. auch Ipsen, S. 216. 48 Steiner, FS Leisner, S. 569 (572). 49 Vgl. oben bei Fußn. 25 (11. Kapitel). 50 BayVerfGHE 52, 104 (136).

§ 51 Verfassungswidrigerklärung ohne Nichtigerklärung

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zuspricht, die Art und Weise des Vollzugs zu regeln. Diese Regelung gleicht weitgehend § 35 BVerfGG, der dem Bundesverfassungsgericht die Befugnis einräumt, Regelungen zur Art und Weise der Vollstreckung zu treffen. Diese beiden Normen unterscheiden sich insofern, als das BayVerfGHG von „Vollzug“, das BVerfGG von „Vollstreckung“ spricht. Doch zeigt die Gesetzgebungsgeschichte des BayVerfGHG, dass der bayerische Gesetzgeber eine inhaltsgleiche Regelung beabsichtigte. So sagt die Gesetzesbegründung zu Art. 29 BayVerfGHG: „Abs. 2 schafft in Anlehnung an § 35 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes eine ausdrückliche Regelung über den Vollzug von verfassungsgerichtlichen Entscheidungen.“51

Die „Vollstreckung“ im Sinne des § 35 BVerfGG meint nicht den engen Vollstreckungsbegriff der fachgerichtlichen Prozessordnungen, namentlich der ZPO.52 Ihm wird im Bereich des BVerfGG vielmehr ein eigener Gehalt zugeschrieben. Der Unterschied im Wortlaut, „Vollstreckung“ gemäß § 35 BVerfGG und „Vollzug“ im Sinne des Art. 29 Abs. 2 BayVerfGHG, ist daher kein Grund für eine unterschiedliche inhaltliche Beurteilung der beiden Regelungen. Die Kompetenzen gemäß § 35 BVerfGG und Art. 29 Abs. 2 BayVerfGHG sind für die Verfassungsgerichte daher letztlich gleichbedeutend. Insofern ist es für den Bayerischen Verfassungsgerichtshof naheliegend, den Erlass einer Übergangsregelung auf Art. 29 Abs. 2 BayVerfGHG zu stützen, da das Bundesverfassungsgericht die Kompetenz zum Erlass entsprechender Entscheidungen in § 35 BVerfGG begründet sieht.53 Doch ist die Nichtigerklärung einer Norm nicht im engeren Sinne vollziehungsbedürftig. Sie erschöpft sich vielmehr in der Feststellung, sie sei von Anfang an verfassungswidrig (und nichtig) gewesen. Da Nichtigkeit das Fehlen der von der Norm beabsichtigten Wirkung bedeutet, ist für den Bereich dieses Ausspruchs als solchen ein eigentlicher Vollzug nicht vorstellbar.54 Das Bundesverfassungsgericht versteht hingegen die in § 35 BVerfGG begründete Kompetenz als die „zur Durchsetzung seiner Entscheidung ‚nötige‘ Kompetenz“.55 Vollstreckung in diesem Sinne sei der Innbegriff aller Maßnahmen, die erforderlich seien, um solche Tatsachen zu schaffen, wie sie zur Verwirklichung des vom Bundesverfassungsgericht gefundenen Rechts notwendig seien.56 Peter Lerche sieht es aufgrund dieser Formulierung als unzweifelhaft an, dass nicht bloß die Regelung des Vollzugs der Entscheidung als solcher beansprucht werde, sondern das durch die Entscheidung „gefundene“ „materielle“ Recht verwirklicht werden solle.57 „Kern der Sache“ sei nicht der unmittel-

LT-Drs. 11 / 12997, S. 20. Bethge, DVBl. 2007, 917 (920). 53 Lechner / Zuck, BVerfGG, § 35 Rn. 13, vgl. etwa BVerfGE 93, 362 (372). 54 Vgl. Lerche, FS Gitter, S. 509; siehe auch Ipsen, S. 237. 55 Lerche, FS Gitter, S. 509 (510). 56 Arndt, DVBl. 1952, 1 (3); Bethge, DVBl. 2007, 917 (920); Lerche, FS Gitter, S. 509 (510). 57 Lerche, FS Gitter, S. 509 (510). 51 52

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11. Kap.: Entscheidung

bare Entscheidungsvollzug, sondern die Bewältigung der Folgen der respektierten Entscheidung.58 Die Ansicht, § 35 BVerfGG begründe eine entsprechende Kompetenz des Bundesverfassungsgerichts, stößt in der Literatur sowohl auf Zustimmung59 als auch auf Ablehnung60. Peter Lerche erkennt dem Bundesverfassungsgericht insofern jedoch eine direkt aus dem Grundgesetz folgende „Notkompetenz“ zu, die nur dann beansprucht werden könne, wenn, soweit und solange andernfalls Wirkungen einträten, die von der Verfassung nicht gebilligt werden.61 Diese Ansichten können auf die Frage, inwiefern dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof eine Kompetenz zum Erlass einer Übergangsregelung zukommt, übertragen werden. Der Verfassungsgerichtshof erließ, wie oben dargestellt62, nur in einem Fall63 eine Übergangsregelung. Diese Zurückhaltung ist aufgrund der ungesicherten rechtlichen Grundlage zu begrüßen. Im konkreten Fall wäre die erlassene Übergangsregelung allerdings nicht zwingend erforderlich gewesen. Der Verfassungsgerichtshof entschied, für eine Verfassungsänderung im Verfahren nach Art. 74 BV sei beim Volksentscheid ein Quorum erforderlich.64 Bis zu einer entsprechenden gesetzlichen Regelung ordnete der Gerichtshof an, dass ein dem Volk zur Entscheidung vorgelegter Gesetzentwurf, der eine Änderung der Bayerischen Verfassung zum Gegenstand hat, nur dann angenommen sei, wenn ein bestimmtes Quorum erfüllt ist.65 Doch auch ohne diese Übergangsregelung hätte der Erlass eines verfassungsändernden Gesetzes ohne die Erfüllung dieser Voraussetzung gegen die Bayerische Verfassung verstoßen. Soweit ein Antragsteller – beispielsweise im Rahmen einer Popularklage – dieses Gesetz angegriffen hätte, hätte es der Verfassungsgerichtshof für nichtig erklären können.

Lerche, FS Gitter, S. 509 (510). Bethge, Jura 2009, 18 (23); Graßhof, Vollstreckung von Normenkontrollentscheidungen, S. 293; H. Klein, Bundesverfassungsgericht und Staatsraison, S. 35 f.; Roellecke, in: Umbach / Clemens / Dollinger, BVerfGG, § 35 Rn. 16, vgl. auch Ossenbühl, Symposium Lerche, S. 75 (82). 60 Ipsen, S. 238 ff.; Lerche, FS Gitter, S. 509 (510); Pestalozza, Verfassungsprozeßrecht, § 19 Rn. 12; Schneider, NJW 1994, 2590 (2592 ff.). 61 Lerche, FS Gitter, S. 509 (511). 62 Vgl. oben § 51 A. II. (S. 343). 63 Vgl. zur „Erfindung des Quorums für verfassungsändernde Volksgesetze“ durch den BayVerfGH im Rahmen dieser Entscheidung Pestalozza, JöR 51 (2003), S. 121 (127 ff.). 64 BayVerfGHE 52, 104 (127). 65 BayVerfGHE 52, 104 (136); vgl. das Zitat bei Fußn. 31 (11. Kapitel). 58 59

§ 52 Abweisung mit der Maßgabe verfassungskonformer Auslegung

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§ 52 Abweisung mit der Maßgabe verfassungskonformer Auslegung A. Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs Schon in seiner frühen Rechtsprechung prüft der Bayerische Verfassungsgerichtshof, ob streitgegenständliche Normen einer verfassungskonformen Auslegung zugänglich sind. Im Rahmen einer Entscheidung aus dem Jahr 1952, der eine Richtervorlage zugrunde lag, führt er aus, das Rechtssystem des Staates bilde eine Einheit, die von der Verfassung und den in ihr enthaltenen Grundgedanken beherrscht werde. Mithin sei nur eine solche Auslegung gesetzlicher Bestimmungen zulässig, die mit der Verfassung in Einklang zu bringen sei. Die bindende Wirkung der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs erstrecke sich in einem solchen Fall auch darauf, welche Auslegung der angefochtenen Norm mit der Verfassung vereinbar sei.66 Im Zeitraum vom 1. Januar 1995 bis zum 31. Dezember 2011 wies der Gerichtshof zwei Entscheidungen mit der Maßgabe als unbegründet ab, dass die gegenständlichen Vorschriften in bestimmter Weise verfassungskonform auszulegen seien.67 In einem Verfahren war Art. 83 BayBO Gegenstand. Diese Norm gewährt den mit dem Vollzug dieses Gesetzes Beauftragten das Recht, in Ausübung ihres Amtes Grundstücke und bauliche Anlagen einschließlich der Wohnungen auch gegen den Willen der Betroffenen zu betreten. Dieses Betretungsrecht griff eine Popularklage an.68 Der Bayerische Verfassungsgerichtshof führt aus, dass die angegriffene Norm das Grundrecht des Art. 106 Abs. 3 BV beschränke.69 Dieses unterliege immanenten Gewährleistungsschranken, die dem Schutz höherwertiger Rechtsgüter dienten.70 Das Gericht führt weiter aus: „Eine derartige, auch für bayerisches Verfassungsrecht zutreffende Interessen- und Güterabwägung enthält Art. 13 Abs. 7 (früher Abs. 3) GG. Deshalb ist nach einhelliger Ansicht, der sich der Verfassungsgerichtshof anschließt, Art. 83 BayBO – soweit er Wohnungen betrifft – in verfassungskonformer Auslegung um die sich aus dem unmittelbar anzuwendenden Art. 13 Abs. 7 GG ergebenden Einschränkungen zu ergänzen“.71 Eine ähnliche materiell-rechtliche Thematik hatte eine weitere Popularklage gegen Art. 24 Abs. 3 BayGO zum Gegenstand.72 Auch dieser erlaubt mit dem Vollzug gemeindlicher Sat66 BayVerfGHE 5, 19 (29); diese Aussage zitiert auch BVerfGE 2, 266 (282) in der ersten zur Frage der verfassungskonformen Auslegung ergangenen Entscheidung des BVerfG (vgl. Moench, S. 20). 67 BayVerfGHE 59, 23, vgl. GVBl 2006, S. 103; BayVerfGHE 60, 179, vgl. GVBl 2007, S. 729. 68 BayVerfGHE 59, 23. 69 BayVerfGHE 59, 23 (25). 70 BayVerfGHE 59, 23 (25). 71 BayVerfGHE 59, 23 (25 f.). 72 BayVerfGHE 60, 179.

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11. Kap.: Entscheidung

zungen beauftragten Personen, zur Überwachung der satzungsmäßigen Pflichten, Grundstücke, Gebäude, Anlagen, Einrichtungen, Wohnungen und Wohnräume im erforderlichen Umfang zu betreten. Der Gerichtshof wies die Beschwerde mit der Maßgabe ab, dass die Vorschrift in verfassungskonformer Auslegung um die Einschränkungen zu ergänzen ist, die sich aus dem unmittelbar anzuwendenden Art. 13 Abs. 7 GG ergeben.73

B. Bewertung der Rechtsprechung Ebenso wie die Verfassungswidrigerklärung ist die Abweisung einer Klage mit der Maßgabe einer bestimmten verfassungskonformen Auslegung nicht in Art. 98 Satz 4 BV vorgesehen. Das BayVerfGHG erkennt hingegen die Möglichkeit einer entsprechenden Entscheidung durch den Bayerischen Verfassungsgerichtshof ausdrücklich an (vgl. Art. 27 Abs. 3 BayVerfGHG). Ausgangspunkt für eine solche Beschränkung der Entscheidung auf eine verfassungskonforme Auslegung ist, dass eine Norm nicht für verfassungswidrig erklärt werden darf, solange sie im Einklang mit der Verfassung ausgelegt werden kann.74 Dies gebietet der Respekt vor dem demokratischen Gesetzgeber.75 Daher ist auch im Popularklageverfahren die Möglichkeit der verfassungskonformen Auslegung – trotz zahlreicher damit verbundener Probleme76 – grundsätzlich anzuerkennen. Unzulässig ist sie hingegen jedenfalls dann, wenn der Gesetzgeber die von ihm getroffene Regelung nach der Interpretation inhaltlich „nicht wiedererkennt“.77 In Bezug auf die dargestellten Entscheidungen zu Art. 83 BayBO und Art. 24 Abs. 3 BayGO78 verwundert, dass der Bayerische Verfassungsgerichtshof eine verfassungskonforme Auslegung der Normen durch Einschränkungen vornimmt, die sich aus dem Grundgesetz ergeben. Zwar kann sich der Gerichtshof bei Fragen der Auslegung der Bayerischen Verfassung an Lösungswegen des Grundgesetzes oder der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts orientieren.79 Eine „direkte Anwendung“ des Grundgesetzes zur Erreichung einer mit der Bayerischen Verfassung konformen Auslegung widerspricht jedoch dem Grundsatz der Trennung der Verfassungsräume.

BayVerfGH GVBl 2007, S. 729. Benda / E. Klein, Rn. 1284. 75 Starck, Verfassungen, S. 165; vgl. auch Bethge, Jura 2009, 18 (21). 76 Vgl. hierzu etwa Benda / E. Klein, Rn. 1284 ff.; Bethge, Jura 2009, 18 (20 f.); Campiche, S. 75 ff.; Ossenbühl, Symposium Lerche, S. 75 (83 f.); siehe zu den Problemen der verfassungskonformen Auslegung auch Schumann, FS Mitsopoulos II, S. 1159 (1174 ff.). 77 Steiner, FS Leisner, S. 569 (573). 78 Siehe soeben § 52 A. (S. 349). 79 Zu methodischen Bedenken in Bezug auf eine analoge Anwendung einer bundesrechtlichen Regelung im Bereich des Landesrechts vgl. Steiner, FG 25 Jahre BVerfG, Band I, S. 628 (636); siehe hierzu auch oben bei Fußn. 113 (7. Kapitel). 73 74

12. Kapitel

Einstellung des Verfahrens Nimmt der Beschwerdeführer die Popularklage zurück, hat der Bayerische Verfassungsgerichtshof gemäß Art. 55 Abs. 5 BayVerfGHG trotzdem eine Entscheidung zu treffen, wenn die juristische Person des öffentlichen Rechts, deren Rechtsvorschrift angegriffen ist, eine Entscheidung binnen vier Wochen ab Zustellung der Rücknahmeerklärung beantragt. Wird ein solcher Antrag nicht gestellt, kann der Gerichtshof entscheiden, wenn er eine Entscheidung im öffentlichen Interesse für geboten hält (Art. 55 Abs. 5 BayVerfGHG). Der Grund für diese Regelung ist die Funktion der Popularklage, die im Schutz der Grundrechte als Institution liegt. Besteht ein öffentliches Interesse an der Fortsetzung des Verfahrens kann der Antragsteller dieses daher grundsätzlich nicht durch eine prozessuale Erklärung von sich aus beenden.1

§ 53 Tatsächliche Bedeutung in der Rechtsprechung Im Zeitraum vom 1. Januar 1995 bis zum 31. Dezember 2011 hat der Bayerische Verfassungsgerichtshof in 25 Fällen Popularklagen eingestellt. Er hat jedoch in dieser Zeit – soweit ersichtlich – keine Popularklage zu einer Entscheidung geführt, obwohl der Beschwerdeführer die Klage zurückgenommen und der Normgeber keinen Antrag auf Entscheidung gestellt hatte.

§ 54 Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs Der Bayerische Verfassungsgerichtshof hält im Falle der Rücknahme einer Popularklage eine Entscheidung nicht für im öffentlichen Interesse geboten und stellt das entsprechende Verfahren ein, wenn die Klage in unzulässiger Weise erhoben worden war.2 Denn eine Entscheidung würde in diesem Fall nicht zur verfassungsgeVgl. § 5 B. (S. 79). BayVerfGH Entscheidung vom 1. 8. 1995, Vf. 4-VII-93, veröffentlicht in juris, ebenda Rn. 12; BayVerfGH Entscheidung vom 18. 10. 2005, Vf. 16-VII-04, veröffentlicht in juris, 1 2

352

12. Kap.: Einstellung des Verfahrens

richtlichen Klärung gegenständlicher Fragen führen.3 Gleiches gilt, wenn die angegriffene Rechtsvorschrift nach Erhebung der Popularklage im Rahmen eines Normenkontrollverfahrens gemäß § 47 VwGO durch den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof für unwirksam erklärt wurde. Damit stehe gemäß § 47 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 VwGO allgemein verbindlich fest, dass die Rechtsvorschrift von Anfang an unwirksam gewesen sei und zu keinem Zeitpunkt Rechtswirkungen entfalten habe können. Eine nach § 47 VwGO für unwirksam erklärte Norm könne daher nicht mehr Gegenstand einer Popularklage nach Art. 98 Satz 4 BV sein. In einem solchen Fall könne ein öffentliches Interesse auch nicht mit der Erwägung begründet werden, der Normgeber wolle erneut eine Norm gleichen Inhalts erlassen, da die Prüfung abstrakter Rechtsfragen nicht Aufgabe des Verfassungsgerichtshofs sei.4 Ebenso verneint der Verfassungsgerichtshof das Vorliegen eines öffentlichen Interesses an der verfassungsgerichtlichen Klärung, wenn die gegenständliche Rechtsvorschrift aufgrund einer Normänderung nicht mehr mit dem angegriffenen Inhalt in Kraft ist und nicht anzunehmen sei, dass sie in einem anhängigen oder künftig anhängig werdenden Verfahren noch von Bedeutung sein könnte.5 Dies sei beispielsweise der Fall, wenn für ein verwaltungsgerichtliches Verfahren, das auf eine rückwirkende Aufhebung bzw. eine Feststellung der Rechtswidrigkeit der Anordnung in der Vergangenheit gerichtet ist und daher anhand der ursprünglichen Rechtslage zu beurteilen wäre, das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis fehlen würde.6 Scheidet die auf einer angegriffenen Norm beruhende Strafbarkeit eines Verhaltens aus, da das Risiko einer durch Gesetzgebung, Rechtsprechung und Verwaltung geschaffenen äußerst unsicheren Rechtslage nicht dem Normadressaten aufgebürdet werden könne, sei eine Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs ebenfalls ohne Bedeutung.7

Soweit eine Entscheidung nicht zur Klärung von über den Einzelfall hinausgehenden Rechtsfragen führen würde, verneint der Bayerische Verfassungsgerichtshof ebenfalls das Vorliegen eines öffentlichen Interesses an der Fortführung des Verfahrens. So sei ein solches öffentliches Interesse zu verneinen, wenn die verfassungsrechtlichen Fragen bereits in früheren Entscheidungen geklärt worden seien.8 Gleiches gelte, wenn sich der Geebenda Rn. 8; BayVerfGH Entscheidung vom 7. 12. 2009, Vf. 2-VII-08, veröffentlicht in juris, ebenda Rn. 10. 3 BayVerfGH Entscheidung vom 18. 10. 2005, Vf. 16-VII-04, veröffentlicht in juris, ebenda Rn. 8. 4 BayVerfGH BayVBl. 2011, 238 (239). 5 Vgl. BayVerfGHE 48, 46 (48); 50, 268; BayVerfGH BayVBl. 2007, 635 (636); BayVerfGH, Entscheidung vom 25. 6. 2010, Vf. 7-VII-08, veröffentlicht in juris, ebenda Rn. 1. 6 BayVerfGHE 61, 227 (232). 7 BayVerfGHE 61, 227 (232 f.). 8 BayVerfGH Entscheidung vom 16. 12. 2002, Vf. 15-VII-00, veröffentlicht in juris, ebenda Rn. 16; BayVerfGH Entscheidung vom 15. 11. 2004, Vf. 5-VII-04, veröffentlicht in juris, ebenda Rn. 38; BayVerfGH Entscheidung vom 16. 11. 2004, Vf. 4-VII-04, veröffentlicht in

§ 55 Bewertung der Rechtsprechung

353

richtshof entsprechenden Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts angeschlossen habe9 oder ein über die fachgerichtliche Rechtsprechung hinausgehender verfassungsgerichtlicher Klärungsbedarf nicht erkennbar sei10. Das Fehlen eines öffentlichen Interesses liege darüber hinaus nahe, wenn die von den Antragstellern gerügten Verletzungen die Anwendung bundesrechtlicher Normen beträfen. Da in Bezug auf Bundesrecht der Prüfungsmaßstab des Verfassungsgerichtshofs eingeschränkt sei11, könne eine solche Entscheidung kaum zur Klärung von Rechtsfragen führen, denen Bedeutung über den konkreten Einzelfall hinaus beizumessen wäre.12

§ 55 Bewertung der Rechtsprechung Der Schutz der Grundrechte erfordert keine Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs, wenn eine Rechtsvorschrift nicht mehr in Kraft ist und keine Verfahren anhängig sind, in denen sie noch eine Rolle spielt. Denn in diesem Fall liegt kein Grundrechtseingriff (mehr) vor.13 Dem Gerichtshof ist daher zuzustimmen, wenn er das jeweilige Verfahren in einem solchen Fall einstellt. Ebenso ist seiner Praxis zuzustimmen, wonach er ein öffentliches Interesse an der Entscheidung verneint, soweit er die entscheidungserheblichen verfassungsrechtlichen Fragen bereits in früheren Entscheidungen geklärt hat.

juris, ebenda Rn. 40; BayVerfGH Entscheidung vom 29. 9. 2008, Vf. 8-VII-07, veröffentlicht in juris, ebenda Rn. 10 . 9 Vgl. BayVerfGH Entscheidung vom 9. 12. 2008, Vf. 8-VII-08, veröffentlicht in juris, ebenda Rn. 14; BayVerfGH Entscheidung vom 15. 6. 2009, Vf. 5-VII-08, veröffentlicht in juris, ebenda Rn. 12 ff. 10 BayVerfGH Entscheidung vom 11. 3. 2009, Vf. 12-VII-08, veröffentlicht in juris, ebenda Rn. 18. 11 Vgl. hierzu oben § 42 A. I. (S. 286). 12 BayVerfGH Entscheidung vom 20. 5. 2010, Vf. 20-VII-09, veröffentlich in juris, ebenda Rn. 10. 13 Vgl. zur vergleichbaren Frage, ob ein objektives Interesse an der Feststellung der Verfassungsmäßigkeit einer außer Kraft getretenen Norm besteht § 16 (S. 117).

13. Kapitel

Kosten Im Rahmen von Popularklageverfahren fallen für den Antragsteller gemäß Art. 27 Abs. 1 Satz 1 BayVerfGHG grundsätzlich keine Verfahrenskosten an. Während bei erfolgreichen Klagen eine Auslagenerstattung möglich ist, kann der Verfassungsgerichtshof bei unzulässig oder offensichtlich unbegründeten Anträgen eine Missbrauchsgebühr auferlegen.

§ 56 Auslagenerstattung Erklärt der Verfassungsgerichtshof in einem Popularklageverfahren eine Rechtsvorschrift für verfassungswidrig, nichtig oder nur in einer bestimmten Auslegung für verfassungsgemäß, ordnet er an, dass die juristische Person des öffentlichen Rechts, deren Vorschrift Gegenstand des Verfahrens war, dem Antragsteller oder Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen ganz oder teilweise zu erstatten hat. So sieht es die Regelung des Art. 27 Abs. 3 BayVerfGHG ausdrücklich vor.

A. Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs I. Erklärung für verfassungswidrig oder nichtig Entsprechend dieser gesetzlichen Vorschrift ordnet der Bayerische Verfassungsgerichtshof in allen Entscheidungen aus den Jahren 1995 bis 2011 an, dass der Normgeber dem Antragsteller sämtliche Auslagen zu erstatten habe, soweit er die Popularklage als zulässig und begründet erachtet.1 Zu einer teilweisen Auslagener1 BayVerfGH Entscheidung vom 19. 4. 2002, Vf. 9-VII-00, veröffentlicht in juris, ebenda Rn. 36 (insoweit nicht veröffentlicht in BayVerfGHE 55, 66); Entscheidung vom 20. 11. 2003, Vf. 2-VII-02, veröffentlicht in juris, ebenda Rn. 63 (insoweit nicht veröffentlicht in BayVerfGHE 56, 198); Entscheidung vom 12. 5. 2004, Vf. 7-VII-02, veröffentlicht in juris, ebenda Rn. 43 (insoweit nicht veröffentlicht in BayVerfGHE 57, 48); Entscheidung vom 26. 10. 2004, Vf. 15-VII-01, veröffentlicht in juris, ebenda Rn. 95 (insoweit nicht veröffentlicht in BayVerfGHE 57, 129); Entscheidung vom 23. 12. 2004, Vf. 6-VII-03, veröffentlicht in juris, ebenda Rn. 42 (insoweit nicht veröffentlicht in BayVerfGHE 57, 175); Entscheidung vom 22. 7. 2008, Vf. 11-VII-07, veröffentlicht in juris, ebenda Rn. 57 (insoweit nicht veröffentlicht

§ 56 Auslagenerstattung

355

stattung verpflichtet er den Normgeber, soweit er Beschwerden als teilweise unzulässig verwirft, ihnen jedoch soweit zulässig als begründet stattgibt2, oder er sie nur teilweise als begründet ansieht3.

II. Erklärung für nur in bestimmter Auslegung verfassungsgemäß Im Zeitraum vom 1. Januar 1995 bis zum 31. Dezember 2011 erklärte der Bayerische Verfassungsgerichtshof im Rahmen von zwei Popularklagen die angefochtenen Rechtsvorschriften für nur in einer bestimmten Auslegung für verfassungsgemäß. Die materiell-rechtliche Situation war in beiden Verfahren vergleichbar.4 Auch die Entscheidungen in Bezug auf die Auslagenerstattung stimmen inhaltlich überein. Das Gericht führt aus: „Die Erstattung notwendiger Auslagen ist nach Art. 27 Abs. 3 VfGHG zwar grundsätzlich anzuordnen, wenn der Verfassungsgerichtshof eine Norm nur in einer bestimmten Auslegung für verfassungsgemäß erklärt. Da die festgestellte verfassungskonforme Auslegung in Rechtsprechung und Literatur bereits seit längerer Zeit anerkannt ist, ist eine Kostenerstattung hier jedoch nicht veranlasst.“5 Im zweiten Fall spricht der Gerichtshof dem Antragsteller ebenfalls keine Auslagenerstattung zu. Die Begründung stimmt mit der soeben zitierten weitgehend überein; sie weicht nur insofern leicht ab, als das Gericht ausführt, die festgestellte verfassungskonforme Auslegung sei in der „Verwaltungspraxis und der Literatur“ bereits unbestritten.6 in BayVerfGHE 62, 172); Entscheidung vom 22. 9. 2008, Vf. 9-VII-07, veröffentlicht in juris, ebenda Rn. 66 (insoweit nicht veröffentlicht in BayVerfGHE 61, 214); Entscheidung vom 10. 11. 2008, Vf. 4-VII-06, veröffentlicht in juris, ebenda Rn. 74 (insoweit nicht veröffentlicht in NVwZ 2009, 298); Entscheidung vom 6. 8. 2010, Vf. 10-VII-09, veröffentlicht in juris, ebenda Rn. 23 (insoweit nicht veröffentlicht in BayVBl. 2010, 757). 2 BayVerfGH Entscheidung vom 4. 7. 2001, Vf. 2-VII-00, veröffentlicht in juris, ebenda Rn. 54 (insoweit nicht veröffentlicht in BayVerfGHE 54, 47); Entscheidung vom 13. 4. 2005, Vf. 9-VII-03, veröffentlicht in juris, ebenda Rn. 128 (insoweit nicht veröffentlicht in BayVerfGHE 58, 77); Entscheidung vom 31. 5. 2006, Vf. 1-VII-05, veröffentlicht in juris, ebenda Rn. 47 (insoweit nicht veröffentlicht in BayVerfGHE 59, 109). 3 BayVerfGH Entscheidung vom 29. 8. 1997, Vf. 8-VII-96 u. a., veröffentlicht in juris, ebenda Rn. 113 (insoweit nicht veröffentlicht in BayVerfGHE 50, 181); Entscheidung vom 15. 7. 2004, Vf. 1-VII-03, veröffentlicht in juris, ebenda Rn. 127 (insoweit nicht veröffentlicht in BayVerfGHE 57, 84); Entscheidung vom 12. 1. 2005, Vf. 3-VII-03, veröffentlicht in juris, ebenda Rn. 258 (insoweit nicht veröffentlicht in BayVerfGHE 58, 1); Entscheidung vom 25. 5. 2007, Vf. 15-VII-04, veröffentlicht in juris, ebenda Rn. 85 (insoweit nicht veröffentlicht in BayVerfGHE 60, 131); Entscheidung vom 28. 11. 2007, Vf. 15-VII-05, veröffentlicht in juris, ebenda Rn. 278 (insoweit nicht veröffentlicht in BayVerfGHE 60, 184). 4 Vgl. hierzu oben § 52 (S. 306). 5 BayVerfGH Entscheidung vom 30. 1. 2006, Vf. 5-VII-05, veröffentlicht in juris, ebenda Rn. 30 (insoweit nicht veröffentlicht in BayVerfGHE 59, 23) . 6 BayVerfGH Entscheidung vom 10. 10. 2007, Vf. 15-VII-06, veröffentlicht in juris, ebenda Rn. 20 (insofern nicht veröffentlicht in BayVerfGHE 60, 179).

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13. Kap.: Kosten

III. Verfahrenseinstellung Art. 27 Abs. 5 BayVerfGHG eröffnet dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof in nicht ausdrücklich geregelten Fällen die Möglichkeit, eine volle oder teilweise Erstattung von Kosten und Auslagen anzuordnen. Von dieser Befugnis kann das Gericht nach dessen ständiger Rechtsprechung auch in Fällen Gebrauch machen, in denen ein Verfahren wegen Erledigung der Hauptsache eingestellt wurde.7 In diesen Fällen nimmt der Gerichtshof eine überschlägige Bewertung der Erfolgsaussichten der Popularklage vor. Hätte diese voraussichtlich Erfolg gehabt, entspräche es der Billigkeit, eine Auslagenerstattung anzuordnen.8 Einen teilweisen Auslagenersatz spricht er zu, wenn die Beschwerde teilweise hätte Erfolg haben können.9 Eine Erstattung von Kosten und Auslagen sei hingegen nicht geboten, wenn die Bewertung der Erfolgsaussichten des eingestellten Verfahrensteils ergebe, dass die Popularklage voraussichtlich keinen Erfolg gehabt hätte.10 Ebenso sieht er von einer Auslagenerstattung ab, wenn dem Antragsteller ersichtlich keine Kosten oder Auslagen entstanden seien.11 Demgegenüber ordnet er eine Auslagenerstattung an, wenn die verfahrensgegenständliche Norm vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof im Rahmen eines Normenkontrollverfahren gemäß § 47 VwGO für unwirksam erklärt worden war.12

7 BayVerfGHE 44, 102 (104); 48, 46 (48); 50, 268 (271); 61, 227 (233); BayVerfGH BayVBl. 2007, 635; 2011, 238 (239); BayVerfGH Entscheidung vom 1. 8. 1995, Vf. 4-VII93, veröffentlicht in juris, ebenda Rn. 14; BayVerfGH Entscheidung vom 12. 1. 1998, Vf. 24VII-94, veröffentlicht in juris, ebenda Rn. 120 (insoweit nicht veröffentlicht in BayVerfGHE 51, 1 sowie BayVBl. 1998, 207 und 237); BayVerfGH Entscheidung vom 16. 12. 2002, Vf. 15-VII-00, veröffentlicht in juris, ebenda Rn. 18; BayVerfGH Entscheidung vom 15. 11. 2004, Vf. 5-VII-04, veröffentlicht in juris, ebenda Rn. 40. 8 BayVerfGHE 50, 268 (271); BayVerfGH Entscheidung vom 16. 12. 2002, Vf. 15-VII-00, veröffentlicht in juris, ebenda Rn. 19; Entscheidung vom 15. 11. 2004, Vf. 5-VII-04, veröffentlicht in juris, ebenda Rn. 41; BayVerfGH Entscheidung vom 16. 11. 2004, Vf. 4-VII-04, veröffentlicht in juris, ebenda Rn. 43; BayVerfGH Entscheidung vom 16. 11. 2004, Vf. 4-VII04 Rn. 42 f. 9 Vgl. BayVerfGHE 61, 227 (233 ff.). 10 BayVerfGHE 48, 46 (48); BayVerfGH Entscheidung vom 12. 1. 1998, Vf. 24-VII-94, veröffentlicht in juris, ebenda Rn. 120 (insoweit nicht veröffentlicht in BayVerfGHE 51, 1 sowie BayVBl. 1998, 207 und 237); vgl. auch BayVerfGH Entscheidung vom 19. 10. 2001, Vf. 10-VII-98, veröffentlicht in juris, ebenda Rn. 5.; BayVerfGH Entscheidung vom 25. 2. 2002, Vf. 5-VII-01, veröffentlicht in juris, ebenda Rn. 8 f.; BayVerfGH Entscheidung vom 10. 3. 2005, Vf. 12-VII-04, veröffentlicht in juris, ebenda Rn. 9 ff.; BayVerfGH Entscheidung vom 18. 10. 2005, Vf. 16-VII-04, veröffentlicht in juris, ebenda Rn. 8.; BayVerfGH Entscheidung vom 29. 9. 2008, Vf. 8-VII-07, veröffentlicht in juris, ebenda Rn. 10; BayVerfGH Entscheidung vom 9. 12. 2008, Vf. 8-VII-08, veröffentlicht in juris, ebenda Rn. 15; BayVerfGH Entscheidung vom 15. 6. 2009, Vf. 5-VII-08, veröffentlicht in juris, ebenda Rn. 15; BayVerfGH Entscheidung vom 7. 12. 2009, Vf. 2-VII-08, veröffentlicht in juris, ebenda Rn. 12. 11 BayVerfGH BayVBl. 2007, 635; BayVerfGH Entscheidung vom 11. 3. 2009, Vf. 12VII-08, veröffentlicht in juris, ebenda Rn. 20. 12 BayVerfGH BayVBl. 2011, 238 (239).

§ 56 Auslagenerstattung

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Zur Begründung dieser Praxis verweist der Verfassungsgerichtshof auf § 161 Abs. 2 VwGO, der ergänzend heranzuziehen sei.13 Gemäß dieser Regelung entscheidet das Gericht unter Berücksichtigung des bisherigen Sachstandes und Streitstandes nach billigem Ermessen über die Kosten des Verfahrens, wenn der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt wurde. Diese Heranziehung der VwGO hielt der Bayerische Verfassungsgerichtshof auch aufrecht, nachdem das Bundesverfassungsgericht ihm Rahmen einer Verfassungsbeschwerde entschieden hatte, dass es nicht in analoger Anwendung der Regelungen in § 91a ZPO, § 161 Abs. 2 VwGO, § 138 Abs. 1 FGO eine Erledigung der Hauptsache aussprechen und eine pauschale Entscheidung über die Kosten treffen könne. Denn eine derartige Entscheidung müsste sich – so das Bundesverfassungsgericht – regelmäßig daran orientieren, ob die Verfassungsbeschwerde bei überschlägiger Beurteilung der Rechtslage Erfolg gehabt hätte, wenn sich die Hauptsache nicht erledigt hätte; eine derartige kursorische Prüfung entspräche nicht der Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts, verfassungsrechtliche Zweifelsfragen mit bindender Wirkung inter omnes zu klären.14 Der Bayerische Verfassungsgerichtshof verweist hingegen darauf, dass das bayerische Recht – im Gegensatz zum Bundesverfassungsgerichtsgesetz – eine ausdrückliche Regelung enthalte, wonach beim Fehlen einer entsprechenden Regelung die Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung und ergänzend die der Zivilprozessordnung heranzuziehen sind.15 Im konkreten Fall ordnete der Verfassungsgerichtshof keine Auslagenerstattung an, da der Antragsteller sein Ziel wahrscheinlich auch ohne die Erhebung einer Popularklage erreicht hätte. Dieser hatte eine Popularklage gegen eine Verordnung des Marktes Bodenmais erhoben, die Erfolg hatte. Bereits vier Tage nach der Zustellung dieser Entscheidung erhob der Beschwerdeführer eine weitere Klage gegen eine im wesentlichen gleichlautende Verordnung der Gemeinde Bayer Eisenstein. Diese hob unmittelbar nach dem Bekanntwerden der vorangegangenen Entscheidung die Verordnung auf. Dieser chronologische Ablauf der Ereignisse dränge – so der Verfassungsgerichtshof – die Annahme auf, dass die Gemeinde die angefochtene Verordnung auch dann alsbald aufgehoben hätte, wenn sich der Antragsteller unter Hinweis auf die Entscheidung zur Verordnung des Marktes Bodenmais unmittelbar und allenfalls unter Ankündigung einer neuen Popularklage an die Gemeinde Bayer Eisenstein gewandt hätte.16

IV. Keine Auslagenerstattung für Normgeber Anträge von Normgebern auf Auslagen- und Kostenersatz lehnt der Bayerische Verfassungsgerichtshof ab.17 Er führt aus:

13 BayVerfGHE 35, 26 (28). Die Entscheidung erging im Jahr 1982. Zu diesem Zeitpunkt ordnete § 26 GeschOVerfGH die ergänzende Heranziehung der VwGO bzw. ZPO an. Der nunmehr geltende Art. 30 Abs. 2 BayVerfGHG ist wortgleich mit § 26 GeschOVerfGH (vgl. oben § 3 C. [S. 36], insbesondere bei Fußn. 247 [1. Kapitel]). 14 BVerfGE 33, 247 (264 f.). 15 BayVerfGHE 35, 26 (28 f.). 16 BayVerfGHE 35, 26 (28 f.).

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13. Kap.: Kosten

„Da das Popularklageverfahren dem Schutz der Grundrechte als Institution dient und deshalb ganz vorrangig im öffentlichen Interesse liegt, soll der Antragsteller grundsätzlich frei sein von dem Risiko, im Fall der Abweisung oder Rücknahme des Antrags mit Gerichtskosten und mit den Auslagen anderer Verfahrensbeteiligter belastet zu werden. Die Möglichkeit der Erstattung von Kosten und Auslagen gemäß Art. 27 Abs. 5 VfGHG wirkt sich nach Sinn und Zweck der Popularklage nur zugunsten der Antragsteller aus“.18

B. Bewertung der Rechtsprechung Es entspricht der Regelung des Art. 27 Abs. 3 BayVerfGHG, wenn der Bayerische Verfassungsgerichtshof vollen bzw. teilweisen Auslagenersatz zuspricht, sofern er verfahrensgegenständliche Normen für verfassungswidrig oder nichtig erklärt. Dieser Rechtsprechung ist daher zuzustimmen. Nicht gefolgt werden kann dem Verfassungsgerichtshof hingegen, soweit er keinen Auslagenersatz zuspricht, wenn er eine Klage mit der Maßgabe einer bestimmten verfassungskonformen Auslegung abweist und diese in Rechtsprechung, Verwaltungspraxis und Literatur unbestritten sei. Mit dem Wortlaut des Art. 27 Abs. 3 BayVerfGHG, der zumindest eine „teilweise“ Erstattung verlangt, ist dies nicht zu vereinbaren. Die Regelung des BayVerfGHG entspricht auch der Funktion der Popularklage, weshalb eine teleologische Reduktion ausscheidet. Denn so lange der Verfassungsgerichtshof nicht über die Verfassungsmäßigkeit der Norm entschieden und eine entsprechende Auslegung vorgegeben hat, ist nicht sichergestellt, dass sie in der Verwaltungspraxis und Rechtsprechung tatsächlich nur in verfassungskonformer Weise angewandt wird. Außerdem hätte der Normgeber die Vorschriften an die Vorgaben der Verfassungen angleichen und somit verhindern können, dass der Wortlaut der Norm durch eine verfassungskonforme Auslegung „korrigiert“ werden muss. Daher ist es keineswegs selbstverständlich, die Verfahrensauslagen des Antragstellers nicht zu erstatten und den Normgeber vor der Kostenlast zu schützen. Der Funktion der Popularklage entspricht hingegen die Praxis des Verfassungsgerichtshofs, bei Einstellung eines Verfahrens eine überschlägige Bewertung der Erfolgsaussichten vorzunehmen und, sofern diese positiv ausfällt, einen entsprechenden Auslagenersatz zuzuerkennen. Denn Grund für die Verfahrenseinstellung ist in der Regel die zwischenzeitliche Änderung der angegriffenen Norm, so dass der Rüge des Klägers (nachträglich) der Boden entzogen wird. So erklärte der Verfassungsgerichtshof im Jahr 2002 Regelungen einer Verordnung der Stadt Nürnberg für nichtig, wonach gewerbliche Bestattungsunternehmen völlig von der Aufbewahrung von Leichen in eigenen Leichenräumen ausgeschlossen wurden, da dies gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoße.19 Im Anschluss an diese Entscheidung stellte das

17 18 19

BayVerfGHE 33, 47 (48); 48, 46 (49); 56, 148 (177 f.). BayVerfGHE 48, 46 (49). BayVerfGHE 55, 66 (70).

§ 57 Missbrauchsgebühr

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Gericht mehrere Verfahren ein, deren Gegenstände inhaltlich weitgehend vergleichbare Regelungen von Verordnungen anderer Gemeinden waren. Diese hatten die angegriffenen Normen während des laufenden Verfahrens aufgehoben oder geändert.20 Dies geschah offensichtlich mit Blick auf die Entscheidung zur Verordnung der Stadt Nürnberg. Denn nach dieser musste davon ausgegangen werden, dass auch die anderen Verordnungen gleichen Inhalts für nichtig erklärt werden würden.

Würde der Verfassungsgerichtshof in einer solchen Situation keine Auslagenerstattung gewähren, läge es in der Hand des Normgebers durch die Änderung der Norm die eigene Kostenlast zu vermeiden, obwohl die konkrete Popularklage tatsächlich dem Schutz der Grundrechte diente. Dies widerspräche dem Ziel der Popularklage ebenso wie eine mögliche Verpflichtung des Beschwerdeführers, bei Abweisung seiner Klage die Auslagen des Normgebers ersetzen zu müssen. Dem Gerichtshof ist daher auch insofern zuzustimmen, als er dem Kläger keinen Ersatz der Ausgaben des Normgebers auferlegt.

§ 57 Missbrauchsgebühr Gemäß Art. 27 Abs. 1 Satz 2 BayVerfGHG kann der Bayerische Verfassungsgerichtshof dem Beschwerdeführer eine „Missbrauchsgebühr“21 in Höhe von bis zu 1.500 €22 auferlegen, wenn die Popularklage unzulässig oder offensichtlich unbegründet ist.

A. Tatsächliche Bedeutung in der Rechtsprechung Der Bayerische Verfassungsgerichtshof erlegt Popularklägern nur selten eine Gebühr auf. Im Rahmen der 162 im Zeitraum vom 1. Januar 1995 bis zum 31. Dezember 2011 ergangenen Entscheidungen in Popularklageverfahren tat er dies in elf Fällen. Darüber hinaus setzte er in einem Fall im Rahmen einer Ablehnung eines Antrages auf Erlass einer einstweiligen Anordnung eine Gebühr fest.

20 Vgl. BayVerfGH Entscheidung vom 16. 12. 2002, Vf. 15-VII-00, veröffentlicht in juris, ebenda Rn. 10 ff.; BayVerfGH Entscheidung vom 15. 11. 2004, Vf. 5-VII-04, veröffentlicht in juris, ebenda Rn. 38; BayVerfGH Entscheidung vom 16. 11. 2004, Vf. 4-VII-04, veröffentlicht in juris, ebenda Rn. 40. 21 Vgl. zu diesem Begriff oben § 31 C. I. (S. 223). 22 Gemäß der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung der Norm konnte der BayVerfGH eine Gebühr von bis zu 3.000 DM auferlegen (vgl. Gesetz über den Bayerischen Verfassungsgerichtshof vom 10. Mai 1990, GVBl S. 122 [128]; geändert durch § 4 des Zweiten Bayerischen Gesetzes zur Anpassung des Landesrechts an den Euro vom 24. April 2001, GVBl S. 140).

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13. Kap.: Kosten

B. Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs Die Popularklagen, in deren Rahmen der Gerichtshof Missbrauchsgebühren verhängte, hatten jeweils offensichtlich keine Erfolgsaussichten.

I. Entscheidung zum Landeswahlgesetz So wies der Bayerische Verfassungsgerichtshof eine Popularklage gegen die Festlegung von Wahlkreisen mit festen Abgeordnetenzahlen als unzulässig ab. Da Art. 14 Abs. 1 Satz 1 BV selbst ausdrücklich ein verbessertes Verhältniswahlrecht vorschreibe, könne die inhaltsgleiche Regelung in Art. 21 BayLWG von vornherein nicht gegen diese Verfassungsnorm verstoßen.23 Eine Grundrechtsverletzung sei daher begrifflich nicht möglich. Soweit der Beschwerdeführer die in Art. 23 Abs. 2 BayLWG getroffene Festlegung von Wahlkreisen mit festen Abgeordnetenzahlen für verfassungswidrig halte, stelle dies eine unzulässige Wiederholung einer abgewiesenen Popularklage dar.24 Der Gerichtshof hielt es für angemessen, dem Beschwerdeführer eine Gebühr von 800 DM aufzuerlegen.25

II. Entscheidung zu Körperschaftsrechten der Kirchen Eine weitere Popularklage griff Art. 143 Abs. 2 Satz 1 BV an, wonach Kirchen und anerkannte Religionsgemeinschaften Körperschaften des öffentlichen Rechts bleiben. Die Beschwerdeführer machten unter anderem geltend, die Korporationsrechte würden ohne den Vorbehalt gesetzes- und verfassungstreuen Verhaltens verliehen. Dieses Verhalten werde jedoch von anderen Religionsgemeinschaften ausdrücklich verlangt.26 Der Verfassungsgerichtshof sah hierin keinen Verstoß gegen den Gleichheitssatz. Religionsgemeinschaften seien an die allgemein geltenden Gesetze gebunden. Es bestehe keine Veranlassung, entsprechend dem Hauptantrag der Antragsteller diese Selbstverständlichkeit ausdrücklich in einem Entscheidungssatz festzustellen.27 Es sei auch kein Gesetzgebungsauftrag zum Erlass der von den Antragstellern verlangten Regelung ersichtlich.28 Der Gerichtshof wies die Beschwerde als unbegründet ab29 und setzte eine Gebühr von 2.000 DM fest30. BayVerfGH BayVBl. 1996, 175. BayVerfGH BayVBl. 1996, 175. 25 BayVerfGH Entscheidung vom 19. 7. 1995, Vf. 11-VII-93, veröffentlicht in juris, ebenda Rn. 32 (insoweit nicht veröffentlicht in BayVBl. 1996, 175). 26 BayVerfGHE 51, 155 (156). 27 BayVerfGHE 51, 155 (158). 28 BayVerfGHE 51, 155 (159 f.). 29 BayVerfGHE 51, 155 (158). 23 24

§ 57 Missbrauchsgebühr

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III. Entscheidung zum Kirchensteuergesetz In einem anderen Verfahren stand die Verfassungsmäßigkeit des Art. 2 Abs. 1 KirchStG in Frage, soweit er die Römisch-Katholische Kirche betrifft.31 Diese Vorschrift bestimmt, dass Schuldner der Kirchensteuer die Angehörigen der in Art. 1 KirchStG genannten Gemeinschaften sind. Der Antragsteller32 sah die durch Art. 101 BV geschützte Freiheit der Willensentschließung verletzt. Denn nach der Taufe sei lediglich die äußere Kirchenmitgliedschaft widerruflich. Die Wahrnehmung der Austrittsmöglichkeit ab Eintritt der Religionsmündigkeit werde von vielen Jugendlichen jedoch deshalb nicht ins Auge gefasst, weil ihnen über Jahre hinweg der Glaube nahegebracht worden sei, der den Kirchenaustritt als „Todsünde“ ansehe.33 Der Beschwerdeführer stellte einen Antrag auf Ablehnung der der zuständigen Spruchgruppe angehörenden Richter, die Mitglieder der Römisch-Katholischen Kirche sind. Die Rüge wegen Besorgnis der Befangenheit gründete sich allein auf die Kirchenzugehörigkeit. Diesen Antrag verwarf der Verfassungsgerichtshof als unzulässig ab.34 Im Rahmen der Entscheidung über den Normenkontrollantrag ließ er dahinstehen, ob eine unzulässige Wiederholung vorlag und wies die Klage als unbegründet ab. Da nach Eintritt der Religionsmündigkeit ein Kirchenaustritt möglich sei, sei ausgeschlossen, dass ein religionsmündiger Bürger entgegen seiner religiösen oder weltanschaulichen Überzeugung Mitglied einer Kirchengemeinschaft bleiben und diese durch die Zahlung von Kirchensteuern unterstützen müsse. Psychische Gegebenheiten und innere Motive entzögen sich hingegen staatlicher Regelung.35 Der Beschwerdeführer musste eine Gebühr in Höhe von 2.500 DM leisten.36

IV. Entscheidung über eine erneute Popularklage Ebenfalls eine Gebühr in Höhe von 2.500 DM setzte der Bayerische Verfassungsgerichtshof im Rahmen eines Verfahrens fest,37 in dem der Antragsteller erreichen wollte, dass über eine abgewiesene Popularklage erneut entschieden wird.38 Der Be30 BayVerfGH Entscheidung vom 18. 11. 1998, Vf. 10-VII-97, veröffentlicht in juris, ebenda Rn. 26 (insoweit nicht veröffentlicht in BayVerfGHE 51, 155). 31 BayVerfGHE 53, 167 (168). 32 Renck hält den Vortrag des Beschwerdeführers für „wenig schlüssig“ (Renck, BayVBl. 2004, 132). 33 BayVerfGHE 53, 167 (168 f.). 34 BayVerfGHE 53, 144 (144 f.). 35 BayVerfGHE 53, 167 (171 ff.). 36 BayVerfGH Entscheidung vom 22. 11. 2000, Vf. 3-VII-99, veröffentlicht in juris, ebenda Rn. 33 (insoweit nicht veröffentlicht in BayVerfGHE 53, 167). 37 BayVerfGH Entscheidung vom 5. 3. 2001, Vf. 11-VII-97, veröffentlicht in juris, ebenda Rn. 19 (insoweit nicht veröffentlicht in BayVBl. 2001, 466).

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13. Kap.: Kosten

schwerdeführer führte an, es sei davon auszugehen, dem Gericht seien bei seiner ersten Entscheidung die geringen Befugnisse der Bezirksausschüsse unbekannt gewesen. Dieses Vorbringen bezeichnet der Verfassungsgerichtshof als „abwegig“.39 Soweit der Antrag darauf abziele, der Gerichtshof möge einen „Denkfehler“ beseitigen, der ihm in der vorangegangenen Entscheidung unterlaufen sei, sei er unzulässig, weil die Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofs in Rechtskraft erwüchsen.40

V. Entscheidung zur Ausgliederung von Ortsfluren Eine weitere Entscheidung aus dem Jahr 2007 hatte eine Popularklage zum Gegenstand, die eine Entscheidung des Regierungspräsidenten von Oberbayern vom 23. Januar 1939 angriff. Diese gliederte Ortsfluren aus der Gemeinde Mittbach aus und in die Gemeinde Hohenlinden ein. Der Verfassungsgerichtshof führte hierzu aus, die angefochtene Entscheidung sei keine Rechtsvorschrift. Darüber hinaus sei das Antragsrecht verwirkt. In Bezug auf Deutsche Gemeindeordnung und der dazu ergangenen Durchführungsverordnung liege keine substantiierte Darlegung einer Grundrechtsverletzung vor. Außerdem seien diese Regelungen außer Kraft. Es bestehe kein objektives Interesse an deren verfassungsgerichtlichen Kontrolle.41 Der Gerichtshof setzte eine Gebühr von 1.500 € fest.42 VI. Entscheidung zum Nationalparkplan Eine andere Beschwerde richtet sich gegen einen Landtagsbeschluss, mit dem die Petition der Antragstellerin als erledigt erklärt wurde. Diesen Verfahrensgegenstand sah der Verfassungsgerichtshof als unzulässig an, da es sich um keine Rechtsvorschrift handele.43 Er wies die Beschwerde auch als unzulässig ab, soweit sie sich gegen die Einrichtung sogenannter Naturzonen im Gebiet des Nationalparks Bayerischer Wald durch die Nationalparkverwaltung und hilfsweise gegen die Festlegung richtete, dort eine Bekämpfung des Borkenkäfers und / oder sonstige Maßnahmen der Walderhaltung und Waldpflege nicht vorzunehmen. Unabhängig von der Frage, ob der Nationalparkplan überhaupt eine Rechtsvorschrift darstelle, komme eine Anfechtung im Weg der Popularklage schon deshalb nicht in Betracht, weil der Nationalparkplan zum Zeitpunkt der Entscheidung erst im Entwurf vorgelegen habe BayVerfGH BayVBl. 2001, 466. BayVerfGH BayVBl. 2001, 466. 40 BayVerfGH BayVBl. 2001, 466 (467). 41 BayVerfGH BayVBl. 2007, 689 (689 f.). 42 BayVerfGH Entscheidung vom 29. 3. 2007, Vf. 13-VII-06, veröffentlicht in juris, ebenda Rn. 52 (insoweit nicht veröffentlicht in BayVBl. 2007, 689). 43 BayVerfGH BayVBl. 2007, 557. 38 39

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und noch nicht in Kraft gesetzt worden sei.44 Der Verfassungsgerichtshof hielt eine Gebühr in Höhe von 1.500 € für angemessen.45 VII. Entscheidung zur Gebührenpflicht bei einem Kirchenaustritt Die Popularklage, die die Gebührenpflicht bei der Erklärung des Kirchenaustritts vor dem Standesamt angriff, lehnte der Bayerische Verfassungsgerichtshof als unbegründet ab. Die Höhe der Gebühren – 25 € für die Aufnahme der mündlichen Austrittserklärung einer Person und von 35 € für mehrere Personen – sei nicht so bemessen, dass sie den Austritt unverhältnismäßig erschweren oder Austrittswillige von ihrem Vorhaben abhalten würde.46 In diesem Fall erlegte der Gerichtshof eine Gebühr in Höhe von 1.000 € auf.47 VIII. Entscheidung zum Rauchverbot in Gaststätten Das Rauchverbot in Gaststätten war Gegenstand mehrerer Popularklagen. Verfassungsbeschwerden gegen dessen gesetzlichte Grundlage im bayerischen Gesundheitsschutzgesetz nahm das Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung an.48 Sie hätten keine Aussicht auf Erfolg, so die Kammerentscheidung vom 6. August 2008.49 Am 27. August 2008 wies der Bayerische Verfassungsgerichtshof einen im Rahmen einer Popularklage gestellten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen das Rauchverbot zurück.50 Zu diesem Zeitpunkt traf der Gerichtshof indes noch keine Aussage zu den Erfolgsaussichten der Klage. Im gegenwärtigen Stadium des Verfahrens könne bei der nur möglichen überschlägigen Prüfung weder von einer offensichtlichen Aussichtslosigkeit noch von offensichtlichen Erfolgsaussichten der Popularklage ausgegangen werden.51 Zu einer Sachentscheidung führte dieses Verfahren indes nicht mehr, da der Verfassungsgerichtshof dieses nach Rücknahme der Popularklage – die vermutlich mit Blick auf die Entscheidung des BunBayVerfGH BayVBl. 2007, 557 (558). BayVerfGH Entscheidung vom 24. 4. 2007, Vf. 11-VII-06, veröffentlicht in juris, ebenda Rn. 21 (insoweit nicht veröffentlicht in BayVBl. 2007, 557). 46 BayVerfGHE 61, 125 (127). 47 BayVerfGH Entscheidung vom 8. 5. 2008, Vf. 7-VII-07, veröffentlicht in juris, ebenda Rn. 31 (insoweit nicht veröffentlicht in BayVerfGHE 61, 125; BayVBl. 2009, 334). 48 BVerfGK 14, 132 (133). 49 BVerfGK 14, 132 (134). 50 BayVerfGH Entscheidung vom 27. August 2008, Vf. 7-VII-08, veröffentlicht in juris. 51 BayVerfGH Entscheidung vom 27. August 2008, Vf. 7-VII-08, veröffentlicht in juris, ebenda Rn.13. 44 45

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13. Kap.: Kosten

desverfassungsgerichts erfolgte – einstellte.52 Ebenso stellte er drei weitere Popularklageverfahren nach Antragsrücknahme ein.53 Bereits im Rahmen der Kostenentscheidung der ersten Verfahrenseinstellung führte der Gerichtshof am 9. Dezember 2008 aus, eine Auslagenerstattung zugunsten des Antragstellers sei nicht anzuordnen gewesen, da die Popularklage keinen Erfolg gehabt hätte.54 Dieselbe Aussage traf der Gerichtshof jeweils auch im Rahmen der drei weiteren Verfahrenseinstellungen.55 Am 2. Juni 2009 lehnte er im Verfahren 13-VII-08 einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ab.56 Unter Verweis auf seine eigene Rechtsprechung sowie auf die des Bundesverfassungsgerichts stellte der Bayerische Verfassungsgerichtshof fest, die Popularklage habe offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Er hielt es für angemessen, dem Antragsteller im Rahmen der Entscheidung über die einstweilige Anordnung eine Gebühr von 1000 € aufzuerlegen.57 Mit Sachentscheidung vom 25. Juni 2010 erklärte er schließlich in einem weiteren Verfahren das Rauchverbot für verfassungsgemäß58 und legte dabei keine Gebühr auf 59. Die weiteren noch anhängigen Popularklagen gegen das Rauchverbot hatten somit offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Trotzdem führte die ergangene Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs nicht dazu, dass er die noch anhängigen Klagen aufgrund von Rücknahmen der entsprechenden Anträge einstellen konnte. In einer Entscheidung vom 14. April 2011 wies der Verfassungsgerichtshof daher die Popularklage gegen das Gesundheitsschutzgesetz im Verfahren 13-VII-08 ab60. In diesem hatte er bereits am 2. Juni 2009 bei der Ablehnung des Erlasses einer einstweiligen Anordnung eine Gebühr auferlegt61 und am 4. November 2010 einen Antrag auf Ablehnung des Gerichtspräsidenten sowie weiterer Mitglieder als unzulässig verworfen.62 In der Sachentscheidung stellte der Gerichtshof schließlich fest, BayVerfGH Entscheidung vom 25. Juni 2010, Vf. 7-VII-08, veröffentlicht in juris. BayVerfGH Entscheidung vom 9. 12. 2008, Vf. 8-VII-08, veröffentlicht in juris; BayVerfGH Entscheidung vom 15. 6. 2009, Vf. 5-VII-08, veröffentlicht in juris; BayVerfGH Entscheidung vom 7. 12. 2009, Vf. 2-VII-08, veröffentlicht in juris. 54 BayVerfGH Entscheidung vom 9. 12. 2008, Vf. 8-VII-08, veröffentlicht in juris, ebenda Rn. 15. 55 BayVerfGH Entscheidung vom 15. 6. 2009, Vf. 5-VII-08, veröffentlicht in juris, ebenda Rn. 15; BayVerfGH Entscheidung vom 7. 12. 2009, Vf. 2-VII-08, veröffentlicht in juris, ebenda Rn. 12; BayVerfGH Entscheidung vom 25. Juni 2010, Vf. 7-VII-08, veröffentlicht in juris. 56 BayVerfGH Entscheidung vom 2. 6. 2009, Vf. 13-VII-08, veröffentlich in juris, ebenda Rn. 11. 57 BayVerfGH Entscheidung vom 2. 6. 2009, Vf. 13-VII-08, veröffentlich in juris, ebenda Rn. 16. 58 BayVerfGH BayVBl. 2010, 658 (659). 59 BayVerfGH Entscheidung vom 25. 6. 2010, Vf. 1-VII-08, veröffentlicht in juris, ebenda Rn. 243 (insoweit nicht veröffentlicht in BayVBl. 2010, 658). 60 BayVerfGH BayVBl. 2011, 466. 61 Vgl. soeben oben bei Fußn. 57 (13. Kapitel). 62 BayVerfGH Entscheidung vom 4. 11. 2010, Vf. 13-VII-08, veröffentlicht in juris. 52 53

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die Popularklage sei teilweise unter dem Gesichtspunkt der Wiederholung unzulässig und im Übrigen unbegründet. Dabei verweist er ausführlich auf seine eigene Rechtsprechung sowie auf die des Bundesverfassungsgerichts.63 Desweiteren führt der Gerichtshof aus, die vorliegende Popularklage gebe zu keiner anderen verfassungsrechtlichen Beurteilung Anlass.64 Er legte dem Antragsteller die Maximalgebühr von 1.500 € auf.65 In zwei weiteren Entscheidungen vom 13. September 201166 sowie vom 9. Dezember 201267, die Popularklagen gegen das Rauchverbot abwiesen, setzte der Verfassungsgerichtshof jeweils eine Gebühr von 1000 € fest.68 In einem dieser Verfahren hatte er vorab einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt69, dabei aber keine Gebühr festgesetzt70.

C. Bewertung der Rechtsprechung Die Auferlegung einer Gebühr im Rahmen einer Entscheidung über einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist von Art. 27 Abs. 1 Satz 2 BayVerfGHG gedeckt. Denn dieser ist einschlägig, wenn eine Popularklage offensichtlich unzulässig oder unbegründet ist. Die Norm enthält hingegen keine Einschränkung dahingehend, dass sie nur im Rahmen einer verfahrensabschließenden Entscheidung anwendbar ist. Die Darstellung der Popularklageverfahren, in deren Rahmen der Bayerische Verfassungsgerichtshof die Auferlegung einer Gebühr für gerechtfertigt hielt, zeigt, dass es sich hierbei nur um solche Klagen handelte, die bei realistischer Betrachtung keine Aussicht auf Erfolg hatten. Der zurückhaltende Umgang mit der Möglichkeit, eine Missbrauchsgebühr festzulegen, ist zu begrüßen. Denn die Funktion der Popularklage liegt gerade in der Aktivierung des Bürgers, damit dieser als Wächter über die objektive Verfassungsordnung auftritt. Nimmt ein Bürger diese ihm zugedachte Aufgabe wahr, kann es nur in Ausnahmefällen gerechtfertigt sein, ihm eine Missbrauchsgebühr aufzuerlegen.

BayVerfGH BayVBl. 2011, 466 (466 ff.). BayVerfGH BayVBl. 2011, 466 (467). 65 BayVerfGH Entscheidung vom 14. 4. 2011, Vf. 13-VII-08, veröffentlicht in juris, ebenda Rn. 53 (insoweit nicht veröffentlicht in BayVBl. 2011, 466). 66 BayVerfGH BayVBl. 2012, 13. 67 BayVerfGH Entscheidung vom 9. 12. 2011, Vf. 21-VII-10, veröffentlicht in juris. 68 BayVerfGH BayVBl. 2012, 13 (17); BayVerfGH Entscheidung vom 9. 12. 2011, Vf. 21VII-10, veröffentlicht in juris, ebenda Rn. 30. 69 BayVerfGH BayVBl. 2011, 43. 70 BayVerfGH Entscheidung vom 24. 9. 2010, Vf. 12-VII-10, veröffentlicht in juris, ebenda Rn. 101 (insoweit nicht veröffentlicht in BayVBl. 2011, 43). 63 64

14. Kapitel

Zusammenfassung Die Popularklage zum Bayerischen Verfassungsgerichtshof ist ein abstraktes Normenkontrollverfahren, deren Besonderheit im weitgehenden Fehlen von Zulässigkeitshürden besteht. Jedermann kann sie erheben, ohne durch die angegriffene Rechtsvorschrift in einem eigenen Recht verletzt oder auch nur berührt zu sein.1 Zulässiger Verfahrensgegenstand ist jede Rechtsvorschrift des bayerischen Landesrechts.2 Daneben sind die Antragsberechtigung3, die substantiierte Darlegung einer Grundrechtsverletzung4 sowie das Fehlen entgegenstehender Rechtskraft5 als Zulässigkeitsvoraussetzungen anzuerkennen. Die Frage der Antragsberechtigung spielt in der Rechtsprechung keine große Rolle, da der Verfassungsgerichtshof diese zu Recht nicht einschränkt6. Insofern kann allenfalls ein Problem bestehen, wenn der Antragsteller nicht rechtsfähig ist. Doch auch das führt keineswegs immer zur Unzulässigkeit des Antrags.7 Von größerer Bedeutung sind die Fragen des zulässigen Verfahrensgegenstandes und der substantiierten Darlegung einer Grundrechtsverletzung. So treten regelmäßig Fälle unzulässiger Popularklagen auf, die die Auslegung8 oder den Vollzug9 einer Norm zum Gegenstand haben oder am Fehlen einer substantiierten Darlegung einer Grundrechtsverletzung leiden10. In diesen Fällen liegt meist die Vermutung nahe, dass Antragsteller versuchen, mit der Popularklage zu ihrem vermeintlichen „Recht“ zu gelangen, wenn andere (verfassungsgerichtliche) Verfahren offensichtlich nicht mehr zur Verfügung stehen. Insgesamt nimmt der Verfassungsgerichtshof die Qualifikation von Gegenständen als Rechtsnorm in weitgehender Übereinstim-

Vgl. § 1 (S. 37). Vgl. 3. Kapitel: Zulässiger Verfahrensgegenstand (S. 102). 3 Vgl. 2. Kapitel: Antragsberechtigung (S. 86). 4 Vgl. 4. Kapitel: Substantiierte Darlegung einer Grundrechtsverletzung (S. 136). 5 Vgl. 5. Kapitel: Wiederholung einer Popularklage – entgegenstehende Rechtskraft (S. 151). 6 Vgl. § 9 A. (S. 86); § 10 A. (S. 91); § 11 A. (S. 95); § 12 A. (S. 97). 7 Vgl. § 10 (S. 91). 8 Vgl. § 15 A. I. 2. g) (S. 108). 9 Vgl. § 15 A. I. 2. f) (S. 107). 10 Vgl. § 21 (S. 137). 1 2

14. Kap.: Zusammenfassung

367

mung mit der sonstigen obergerichtlichen Rechtsprechung und der Literatur vor.11 Die Darlegung einer Grundrechtsverletzung ist für den Antragsteller meist leicht zu bewerkstelligen, muss bei Antragstellung aber beachtet werden. Eine wichtige Rolle spielt darüber hinaus die Frage der entgegenstehenden Rechtskraft einer bereits ergangenen Entscheidung.12 Dieser Prozessgrundsatz ist auch im Popularklageverfahren anwendbar.13 Zu Recht sieht der Verfassungsgerichtshof daher Anträge grundsätzlich als unzulässig an, wenn die angegriffene Rechtsvorschrift bereits Gegenstand einer seiner Entscheidungen war. Hierbei ergeben sich zahlreiche Einzelfragen, beispielsweise ob inhaltlich weitgehend übereinstimmende Normen desselben Normgebers mehrfach überprüft werden können, wenn es sich formal um unterschiedliche Normen handelt14. Eine wichtige Frage ist darüber hinaus, unter welchen Voraussetzungen die Wiederholung einer Popularklage zulässig ist.15 Gerade in der jüngeren Rechtsprechung ist die Tendenz des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs zu erkennen, die Zulässigkeit von Popularklagen weiter einzuschränken, in dem er von der Möglichkeit des Missbrauchs16 und der Verwirkung17 des Antragsrechts ausgeht und das Vorliegen eines Rechtsschutzinteresses18 fordert. Diese Begriffe und deren Anwendung entnimmt der Gerichtshof den sonstigen Prozessordnungen ohne die Besonderheiten der Popularklage ausreichend zu berücksichtigen, die gerade durch das weitgehende Fehlen entsprechender Sachurteilsvoraussetzungen geprägt ist. Sie sind außerdem untauglich, wenn sie verwendet werden, um anderweit prozessual geregelte Situationen zu erfassen, wie dies beispielsweise bei der Wiederholung von bereits entschiedenen Popularklagen geschieht; eine solche Wiederholung scheitert an der entgegenstehenden materiellen Rechtskraft und nicht weil sie missbräuchlich oder verwirkt ist oder das Rechtsschutzinteresse fehlt. Die Begriffe Missbrauch, Verwirkung und Rechtsschutzinteresse haben jedenfalls im Popularklageverfahren keine rechtliche Grundlage, sind für die Bewältigung der damit verbundenen Fragestellungen nicht erforderlich und sind nicht eindeutig und berechenbar. Sie sollten im Verfahren der Popularklage daher keine Anwendung finden. Ist der Normenkontrollantrag in zulässiger Weise erhoben, erstreckt der Verfassungsgerichtshof den Prüfungsmaßstab auf die gesamte Bayerische Verfassung.19 Vgl. § 15 (S. 103). Vgl. 5. Kapitel: Wiederholung einer Popularklage – entgegenstehende Rechtskraft (S. 151). 13 Vgl. § 25 B. IV. (S. 158). 14 Vgl. § 26 A. IV. (S. 175). 15 Vgl. § 27 (S. 207). 16 Vgl. 6. Kapitel: Missbrauch des Klagerechts (S. 211). 17 Vgl. 7. Kapitel: Verwirkung der Antragsbefugnis (S. 228). 18 Vgl. 8. Kapitel: Rechtsschutzinteresse – Rechtsschutzbedürfnis – Klarstellungsbedürfnis (S. 258). 19 Vgl. § 41 (S. 283). 11

12

368

14. Kap.: Zusammenfassung

Mit Hilfe der Prüfung einer Verletzung des Rechtsstaatsprinzips weitet er den Maßstab darüber hinaus teilweise auf einfaches Landesrecht aus und hält sogar die Prüfung von Bundes- und Europarecht unter bestimmten Voraussetzungen für nicht ausgeschlossen.20 In diesem sowie in anderen Zusammenhängen weisen solche Popularklagen einige Besonderheiten auf, die die Verletzung des gemeindlichen Selbstverwaltungsrechts rügen.21 Einzelfragen sind schließlich beim Entscheidungsausspruch des Verfassungsgerichtshofs,22 bei der Einstellung von Verfahren23 sowie Erstattung von Auslagen24 bzw. Erhebung von („Missbrauchs-“)Gebühren25 zu beachten. Insgesamt erweist sich die Popularklage als ein äußerst offenes und bürgerfreundliches verfassungsgerichtliches Verfahren, von dem keineswegs in einer missbräuchlichen oder den Verfassungsgerichtshof „überhäufenden“ Art und Weise Gebrauch gemacht wird26. Die Popularklage hat sich daher bewährt und leistet einen wertvollen Dienst für den Schutz der Grundrechte. Die Erreichung dieses Zwecks hatte für die Amerikanische Besatzungsmacht bei der Erarbeitung der Bayerischen Verfassung von 1946 einen ebenso hohen Stellenwert wie beim Erlass des Gesetzes über den Verfassungsgerichtshof im Jahr 1947. Erst mit diesem Gesetz entstand das Popularklageverfahren. Die Betrachtung des Gesetzgebungsverfahrens zeigt deutlich, dass ohne die Intervention der Amerikaner das Jedermann zustehende bayerische Normenkontrollverfahren nicht seinen Weg in das bayerische Recht gefunden hätte.27

Vgl. § 42 A. I. (S. 286) sowie § 43 A. I. (S. 299). Vgl. 10. Kapitel: Rüger der Verletzung des gemeindlichen Selbstverwaltungsrechts (S. 313). 22 Vgl. 11. Kapitel: Entscheidung (S. 339). 23 Vgl. 12. Kapitel: Einstellung des Verfahrens (S. 351). 24 Vgl. § 56 (S. 357). 25 Vgl. § 57 (S. 365). 26 Vgl. § 7 C. (S. 83). 27 Vgl. § 2 (S. 69). 20 21

Übersicht I

Anhang

Nr.

Datum der Entscheidung

   

Ist in dieser Spalte ein Betrag angegeben, hat der BayVerfGH dem Antragsteller eine Gebühr in dieser Höhe auferlegt; bei der Angabe „kostenfrei“ hat das Gericht hierauf verzichtet; bei der Angabe „Kostenerstattung“ erhielt der Antragsteller eine Kostenerstattung.

Verfahrensgegenstand. Fundstellen [ohne juris; dort sind sämtliche Entscheidungen veröffentlicht]. Ggf. Hinweis auf weitere Entscheidung im selben Verfahren. Ggf. Grund / Gründe der Unzulässigkeit oder Gegenstand, der in der KostenentZulässigkeit offen bleibt. scheidung

(+) bedeutet der Antrag ist zulässig bzw. begründet (- / +) bedeutet der Antrag ist teilweise zulässig bzw. begründet. (-) bedeutet der Antrag ist unzulässig bzw. unbegründet. (■) bedeutet die Zulässigkeit bleibt offen.

Aktenzeichen

Zulässigkeit

Die folgende Übersicht zählt alle Prozess- und Sachentscheidungen über die Zulässigkeit bzw. Begründetheit der Normenkontrollanträge auf, die der Bayerische Verfassungsgerichtshof im Zeitraum vom 1. Januar 1995 bis zum 31. Dezember 2011 in Popularklageverfahren gefällt hat. Die Übersicht ist wie folgt aufgebaut:

Entscheidungen in Popularklageverfahren in den Jahren 1995 bis 2011

Begründetheit

14. 2. 1995

29. 3. 1995

12. 7. 1995

18. 7. 1995

19. 7. 1995

24. 7. 1995

27. 7. 1995

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

2-VII-95, 7-VII-95, 8-VII-95, 11-VII-95

10-VII-93, 12-VII-93, 2-VII-94, 5-VII-94

Vf. 8-VII-93

Vf. Vf. Vf. Vf.

Vf. 11-VII-93

Vf. Vf. Vf. Vf.

Vf. 7-VII-93

Vf. 11-VII-92

Vf. 6-VII-93

(+)

(+)

(-)

(+)

(+)

(■)

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(-)

(-)

(-)

(-)

(-)

kostenfrei

kostenfrei

kostenfrei

800 DM

 § 10 Abs. 3 Beihilfevorschriften.  BayVerfGHE 48, 29; BayVBl. 1995, 397; NVwZ-RR 1995, 451; ZBR 1995, 196.  Offen bleibt, ob ein zulässiger Verfahrensgegenstand vorliegt.  Beitrags- und Gebührensatzung des Wasserzweckverbands Eichlberger Gruppe.  BayVerfGHE 48, 55; BayVBl. 1995, 718; NVwZ-RR 1996, 108.  Verschiedene Vorschriften des Gemeinde- und Landkreiswahlgesetzes zur Regelung der Zulässigkeitsvoraussetzungen neuer Wahlvorschlagsträger.  BayVerfGHE 48, 61; BayVBl. 1995, 624.  Art. 21 und Art. 23 Abs. 2 Landeswahlgesetz (Festlegung von Wahlkreisen mit festen Abgeordnetenzahlen).  BayVBl. 1996, 175.  Unsubstantiierte Darlegung einer Grundrechtsverletzung, unzulässige Wiederholung.

 Bebauungsplan und Satzung über eine Veränderungssperre des Marktes kostenfrei Gaimersheim.  BayVerfGHE 48, 99; BayVBl. 1995, 687.

kostenfrei  Art. 80 Abs. 1 BayBG, Regelungen der Vierten Verordnung zur Änderung der Arbeitszeitverordnung.  BayVerfGHE 48, 87; BayVBl. 1995, 656; ZBR 1995, 379; DÖD 1996, 31.

kostenfrei

 § 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Ausführung der Verwaltungsgerichtsordnung (Verlegung dreier Senate des BayVGH nach Ansbach).  BayVerfGHE 48, 17; BayVBl. 1995, 270; NVwZ-RR 1996, 123.

370 Anhang

28. 7. 1995

27. 9. 1995

5. 12. 1995

15. 1. 1996

15. 2. 1996

12. 3. 1996

18. 4. 1996

4. 7. 1996

8.

9.

10.

11.

12.

13.

14.

15.

Vf. Vf. Vf. Vf. Vf. Vf.

16-VII-94, 19-VII-94, 20-VII-94, 21-VII-94, 25-VII-94, 3-VII-95

Vf. 13-VII-93

Vf. 12-VII-95

Vf. 18-VII-95

Vf. 1-VII-95, Vf. 4-VII-95

Vf. 12-VII-94

Vf. 18-VII-94

Vf. 4-VII-94

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(+)

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kostenfrei

kostenfrei

kostenfrei

kostenfrei

 Änderung des Gesetzes über den Schutz der Sonn- und Feiertage (Streichung des Buß- und Bettages als gesetzlichen Feiertag).  BayVerfGHE 49, 1; BayVBl. 1996, 305; DÖV 1996, 558; DÖD 1996, 161; GewA 1996, 238, KirchE (2000), 34, 17.  Verschiedene Vorschriften des Gemeinde- und Landkreiswahlgesetzes zur Regelung der Zulässigkeitsvoraussetzungen neuer Wahlvorschlagsträger.  BayVerfGHE 49, 11; BayVBl. 1996, 333.  Art. 4 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a Bezirkswahlgesetz.  BayVerfGHE 49, 23; BayVBl. 1996, 397; NVwZ-RR 1997, 1.

 Regelung des Gesetzes zur Änderung des Bestattungsgesetzes, nach der auch private Unternehmen der Betrieb von Feuerbestattungsanlagen genehmigt werden kann.  BayVerfGHE 49, 79; BayVBl. 1996, 590 und 626; NVwZ 1997, 481; GewA 1996, 466; KirchE 34 (2000), 224.

kostenfrei

 Vorschriften des Bayerischen Schulfinanzierungsgesetzes (Gastschulbeiträge). kostenfrei  BayVerfGHE 49, 37; BayVBl. 1996, 462 und 496; NVwZ-RR 1997, 301.

kostenfrei

 Regelungen des BayBG sowie der Fürsorgeverordnung.  BayVerfGHE 48, 137; BayVBl. 1996, 529; ZBR 1996, 111.

kostenfrei  Regelungen des Bayerischen Naturschutzgesetzes.  BayVerfGHE 48, 119; BayVBl. 1996, 18; DVBl. 1996, 99; NVwZ-RR 1996, 142; NuR 1996, 244.  13. 1. 1995: Abweisung eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, BayVerfGHE 48, 1.

 Regelung des Landeserziehungsgeldgesetzes.  BayVerfGHE 48, 109; BayVBl. 1996, 141.

Anhang 371

23. 7. 1996

31. 7. 1996

18. 10. 1996

15. 11. 1996

22. 11. 1996

8. 1. 1997

16.

17.

18.

19.

20.

21.

Vf. 7-VII-96

Vf. 9-VII-93

Vf. 15-VII-94

Vf. 15-VII-95

Vf. 20-VII-95

Vf. 14-VII-95

(+)

(+)

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(- / +)

(- / +)

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(-)

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(-)

kostenfrei

 Art. 25 Abs. 1 Satz 1 Gemeinde- und Landkreiswahlgesetz.  BayVerfGHE 49, 120; BayVBl. 1996, 689.  12. 12. 1995: Abweisung eines Antrags auf einstweilige Anordnung, BayVerfGHE 48, 145.  Teilweise unzulässige Wiederholung, teilweise unzulässiger Verfahrensgegenstand.

kostenfrei

kostenfrei kostenfrei

 Regelungen des Bayerischen Stiftungsgesetzes.  BayVerfGHE 49, 153; BayVBl 1997, 402; KirchE 34 (2000), 425.  23. 10. 1995: Zurückweisung von Anträgen auf Beiladung der Katholischen Kirche in Bayern und der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche (BayVerfGHE 48, 131).  Unzulässiger Verfahrensgegenstand und unzulässige Wiederholung.  Art. 12 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 Bayerisches Naturschutzgesetz.  BayVerfGHE 49, 160; BayVBl. 1997, 174; RdL 1997, 316.  Art. 14 Abs. 6 Bayerisches Beamtenfachhochschulgesetz.  BayVerfGHE 50, 1; BayVBl. 1997, 207; NVwZ-RR 1997, 673; ZBR 1997, 182; DÖD 1997, 189.

 Art. 32 Abs. 7 Nr. 3, Art. 32 Abs. 9 Bayerisches Jagdgesetz i.V. m. § 17 kostenfrei AVBayJG.  BayVerfGHE 49, 141; BayVBl. 1997, 80; RdL 1997, 124; NuR 1997, 286.

kostenfrei

 Regelungen des Gesetzes zur Neuordnung der Rechtsverhältnisse der öffentlich-rechtlichen Versicherungsanstalten.  BayVerfGHE 49, 111; BayVBl. 1996, 656.  Teilweise unzulässig aufgrund unsubstantiierter Darlegung einer Grundrechtsverletzung und Geltendmachung eines unzulässigen Prüfungsmaßstabs.

372 Anhang

27. 2. 1997

18. 3. 1997

15. 5. 1997

21. 5. 1997

27. 6. 1997

2. 7. 1997

1. 8. 1997

22.

23.

24.

25.

26.

27.

28.

Vf. 6-VII-96, Vf. 17-VII-96, Vf. 1-VII-97

Vf. 10-VII-94

Vf. 10-VII-95

Vf. 5-VII-96

Vf. 21-VII-95, Vf. 2-VII-96

Vf. 23-VII-94

Vf. 17-VII-94

(+)

(+)

(- / +)

(- / +)

(+)

(+)

(+)

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(-)

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(-)

(-)

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kostenfrei kostenfrei kostenfrei

kostenfrei

kostenfrei

kostenfrei

 Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Bayerisches Landeserziehungsgeldgesetz.  BayVerfGHE 50, 67; BayVBl. 1997, 659.  Kommunalwahlrecht ausländischer EU-Bürger.  BayVerfGHE 50, 76; BayVBl. 1997, 495; NVwZ 1998, 54.  Art. 25 Abs. 1 Satz 1 und Art. 25 Abs. 3 Satz 2 Gemeinde- und Landkreiswahlgesetz.  BayVerfGHE 50, 106; BayVBl. 1997, 590.  Teilweise unzulässige Wiederholung, teilweise unzulässiger Verfahrensgegenstand.  Eingliederung des Marktes Pleinting in die Stadt Vilshofen.  BayVerfGHE 50, 115; BayVBl. 1997, 751.  Teilweise unzulässig aufgrund Verwirkung und Wiederholung.  Art. 58 Abs. 5 Satz 3 und Art. 76 Abs. 3 Sätze 2 und 3 des Bayerischen Hochschulgesetzes.  BayVerfGHE 50, 129; BayVBl. 1998, 77 und 110; NVwZ 1998, 838.  Gesetz zur Änderung des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesens (sog. Kruzifixentscheidung).  BayVerfGHE 50, 156; BayVBl. 1997, 686; NJW 1997, 3157; EuGRZ 1997, 447; KirchE 35, 298.  Vgl. auch die Entscheidung vom 7. 7. 1997 (Ablehnung von Anträgen auf Ablehnung wegen Befangenheit), BayVerfGHE 50, 147; NJW 1997, 3162.

 Regelungen des Finanzausgleichsgesetzes, des Bayerischen kostenfrei Schulfinanzierungsgesetzes sowie der Verordnung zur Ausführung des Bayerischen Schulfinanzierungsgesetzes.  BayVerfGHE 50, 15; BayVBl. 1997, 303 und 336; NVwZ-RR 1998, 601; DÖV 1997, 639 – 643.

Anhang 373

29. 8. 1997

11. 11. 1997

12. 1. 1998

27. 5. 1998

29.

30.

31.

32.

8-VII-96, 9-VII-96, 10-VII-96, 11-VII-96

Vf. 2-VII-97

Vf. 24-VII-94

Vf. 22-VII-94

Vf. Vf. Vf. Vf.

(+)

(- / +)

(- / +)

(■)

(-)

 Vorschriften des Honorarverteilungsmaßstabs der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns.  BayVerfGHE 51, 74; BayVBl. 1999, 461.

kostenfrei

kostenfrei

   

(-)

Vorschriften des Finanzausgleichsgesetzes. BayVerfGHE 51,1; BayVBl. 1998, 207 und 237. Teilweise unzulässiger Verfahrensgegenstand. Teilweise wurde das Verfahren eingestellt.

kostenfrei

 Vorschriften des Bayerischen Datenschutzgesetzes, des Bayerische Verfassungsschutzgesetzes, des BayVerfGHG sowie des Geschäftsverteilungsplans des BayVerfGH.  BayVerfGHE 50, 226; BayVBl. 1998, 142 und 177; NVwZ-RR 1998, 273; CR 1998, 396; RDV 1998, 164.  Teilweise unsubstantiierte Darlegung einer Grundrechtsverletzung, unzulässige Wiederholung und unzulässiger Verfahrensgegenstand.  Vgl. auch die Entscheidung vom 9. 5. 1995 (Unzulässigkeit der Anträge auf Ablehnung wegen Befangenheit; Abweisung der Anträge auf Aussetzung und Anordnung des Ruhens des Popularklageverfahrens).  Vgl. auch die Entscheidung vom 1. 7. 1996 (Unzulässigkeit der Anträge auf Ablehnung wegen Befangenheit).

(-)

1/3 Auslagenerstattung

(+ / -)  Gesetz zur Einführung des kommunalen Bürgerentscheids.  BayVerfGHE 50, 181; BayVBl. 1997, 622; DVBl. 1998, 136; NVwZ-RR 1998, 82; DÖV 1997, 1044.  Im Rahmen der Zulässigkeit bleibt das Verhältnis von der Popularklage zum Prüfungsverfahren nach Art. 81 BayLWG und dessen Auswirkungen auf die Rügefähigkeit von Grundrechtsverletzungen offen.

374 Anhang

30. 6. 1998

2. 7. 1998

22. 7. 1998

18. 11. 1998

4. 12. 1998

14. 4. 1999

22. 7. 1999

30. 7. 1999

33.

34.

35.

36.

37.

38.

39.

40.

Vf. 7-VII-98

Vf. 19-VII-95

Vf. 4-VII-97

Vf. 3-VII-97

Vf. 10-VII-97

Vf. 4-VII-96

Vf. 13-VII-96

Vf. 9-VII-94

(+)

(+)

(+)

(+)

(+)

(-)

(■)

(- / +)

(-)

(-)

(-)

(-)

(-)

(-)

(-) kostenfrei

kostenfrei

kostenfrei

2000 DM

kostenfrei

kostenfrei kostenfrei

kostenfrei

 Verordnung über den Nationalpark Bayerischer Wald (Beschränkung des Reitens und des Fahrens mit Pferdegespannen).  BayVerfGHE 51, 94; BayVBl. 1999, 13; NVwZ-RR 1999, 1; RdL 1998, 259; NuR 1999, 503.  Teilweise unsubstantiierte Darlegung einer Grundrechtsverletzung.  Regelung über den Beginn der Schulpflicht im Bayerischen Gesetz über Erziehungs- und Unterrichtswesen.  BayVerfGHE 51, 109; BayVBl. 1998, 624; NVwZ 1999, 402.  Offen bleibt, ob eine unzulässige Wiederholung vorliegt.  Regelungen über das Entgelt für den Bezug von Rundfunkprogrammen des Bayerischen Mediengesetzes.  BayVerfGHE 51, 131; BayVBl. 1998, 718; ZUM 1998, 954; AfP 1998, 502.  Unzulässige Wiederholung und unzulässiger Verfahrensgegenstand.  Art. 143 Abs. 2 BV.  BayVerfGHE 51, 155; BayVBl. 1999, 144; NVwZ 1999, 759; DVBl 1999, 706; KirchE 36 (2002), 518.  Eingruppierung des Kanzlers der Universität Augsburg in einer Besoldungsordnung des Bayerischen Besoldungsgesetzes.  BayVerfGHE 51, 170; BayVBl. 1999, 176; ZBR 1999, 133.  Bestimmungen der BayBO über die Bauvorlageberechtigung.  BayVerfGHE 52, 9; BayVBl. 1999, 493; GewA 2000, 250.  Vorschriften der Satzung der Zusatzversorgungskasse der bayerischen Gemeinden, Art. 43 Abs. 4 Gemeindeordnung.  BayVerfGHE 52, 47; BayVBl. 1999, 653.  Art. 4 des Fünften Gesetzes zur Änderung der Gliederung von Gemeinden und Verwaltungsgemeinschaften.  BayVerfGHE 52, 66; BayVBl. 2000, 79.

Anhang 375

4. 8. 1999

5. 8. 1999

17. 9. 1999

13. 12. 1999

13. 1. 2000

22. 11. 2000

15. 12. 2000

41.

42.

43.

44.

45.

46.

47.

Vf. 9-VII-98

Vf. 3-VII-99

Vf. 18-VII-96

Vf. 5-VII-95, Vf. 6-VII-95

Vf. 12-VIII-98, Vf. 14-VII-98, Vf. 15-VII-98

Vf. 11-VII-98

Vf. 12-VII-97

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 Gesetz zur Abschaffung des Bayerischen Senats, Art. 76 Abs. 3 Satz 2 i.V. m. Art. 80 Abs. 2 Landeswahlgesetz.  BayVerfGHE 52, 104; BayVBl. 1999, 719; NVwZ-RR 2000, 65; DÖV 2000, 28.  Teilweise unzulässiger Verfahrensgegenstand.  Verbot, eine ärztliche Praxis in der Rechtsform einer juristischen Person des privaten Rechts zu führen (Art. 18 Abs. 1 Heilberufe-Kammergesetz).  BayVerfGHE 52, 173; BayVBl. 2000, 558; DVBl. 2000, 1052; NJW 2000, 3418.  Art. 68 Abs. 7 Satz 1 HS 2 und Satz 2 Nr. 2 BayBO.  BayVerfGHE 53, 1; BayVBl. 2001, 47.

 Entlassung der Medienbetriebsgesellschaften aus ihren gesetzlichen Rechten und Pflichten im Zusammenhang mit der Organisation von Rundfunk.  BayVerfGHE 53, 196; BayVBl. 2001, 304; AfP 2001, 56.

kostenfrei

 Art. 2 Abs. 1 Kirchensteuergesetz soweit er die Katholische Kirche betrifft. 2500 DM  BayVerfGHE 53, 167; BayVBl. 2001, 208; DVBl. 2001, 469; NVwZ 2001, 916; KirchE 38 (2000), 467.  Vgl. auch die Entscheidung vom 17. 7. 2000 (Unzulässigkeit eines Antrags auf Ablehnung wegen Befangenheit), BayVerfGHE 53, 144; BayVBl. 2001, 16; NVwZ 2001, 917; KirchE 38 (2000), 332.  Offen bleibt, ob eine unzulässige Wiederholung vorliegt.

kostenfrei

 § 133 Abs. 1 Satz 2 der Schuldordnung für die Gymnasien in Bayern.  BayVerfGHE 52, 91; BayVBl. 1999, 690; NJW 2000, 201.  Unzulässige Wiederholung.

 § 19 Abs. 1 Satz 4 der Satzung der bayerischen Rechtsanwaltsversorgung. kostenfrei  BayVerfGHE 52, 79; BayVBl. 2000, 239.

376 Anhang

2. 3. 2001

5. 3. 2001

27. 4. 2001

8. 5. 2001

4. 7. 2001

10. 10. 2001

48.

49.

50.

51.

52.

53.

Vf. Vf. Vf. Vf. Vf. Vf. Vf. Vf. Vf.

2-VII-01, 4-VII-01, 6-VII-01, 7-VIII-01, 8-VII-01, 10-VII-01, 11-VII-01, 12-VII-01, 13-VII-01

Vf. 2-VII-00

Vf. 5-VII-00

Vf. 2-VII-99

Vf. 11-VII-97

Vf. 1-VII-99

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kostenfrei

2500 DM

kostenfrei kostenfrei

4/5 Auslagenerstattung kostenfrei

 Regelungen des Gesetzes zur Ausführung des Tierkörperbeseitigungsgesetzes.  BayVerfGHE 54, 1; BayVBl. 2001, 339; NVwZ-RR 2001, 489.  Keine substantiierte Darlegung einer Grundrechtsverletzung.  Der Antragsteller will erreichen, dass über seine am 21. Mai 1997 abgewiesene Popularklage (Vf. 5-VII-96) erneut entschieden wird.  BayVBl. 2001, 466.  Unzulässige Wiederholung.  Festsetzung einer „Dauerkleingartenanlage“ in einem Bebauungsplan.  BayVerfGHE 54, 36; BayVBl. 2001, 525; NVwZ 2001, 1027.  Art. 26 Satz 2 des Gesetzes über das öffentliche Versorgungswesen (Zwangsmitgliedschaft von Pharmaziepraktikanten in Bayerischer Apothekerversorgung.)  BayVBl. 2001, 687.  Anlage zum Honorarverteilungsmaßstab der Kassenärztlichen Vereinigung.  BayVerfGHE 54, 47; BayVBl. 2002, 79.  Teilweise unzulässiger Verfahrensgegenstand.  Regelungen des Landeswahlgesetzes (Zuschnitt von Stimmkreisen, zulässige Abweichungen der Einwohnerzahl eines Stimmkreises vom Wahlkreisdurchschnitt, u. a.).  BayVerfGHE 54, 109; BayVBl. 2002, 11; NVwZ-RR 2002, 473.

Anhang 377

20. 12. 2001

8. 1. 2002

18. 4. 2002

19. 4. 2002

9. 7. 2002

15. 7. 2002

9. 9. 2002

54.

55.

56.

57.

58.

59.

60.

14-VII-01, 16-VII-01, 17-VII-01, 20-VII-01, 21-VII-01, 22-VII-01

Vf. 24.VII-01

Vf. 10-VII-00, Vf. 12-VII-00

Vf. 9-VII-01

Vf. 9-VII-00

Vf. 11-VII-00

Vf. 6-VII-00

Vf. Vf. Vf. Vf. Vf. Vf.

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kostenfrei Auslagenerstattung kostenfrei

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kostenfrei

 Regelungen des Landeswahlgesetzes (Zuschnitt von Stimmkreisen, zulässige Abweichungen der Einwohnerzahl eines Stimmkreises vom Wahlkreisdurchschnitt, u. a.).  BayVerfGHE 54, 181; BayVBl. 2002, 237.  Es bleibt offen, ob eine unzulässige Wiederholung vorliegt.  Regelungen der Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung der Stadt Alzenau.  BayVerfGHE 55, 1; BayVBl. 2002, 428; DVBl. 2002, 905; NVwZ-RR 2002, 546.  § 3 Fürsorgeverordnung, Art. 86b Abs. 2 Satz 4 BayBG.  BayVerfGHE 55, 57; BayVBl. 2002, 596; ZBR 2002, 354.  Regelungen der Verordnung über das Leichenwesen der Stadt Nürnberg.  BayVerfGHE 55, 66; BayVBl. 2002, 558; GewA 2002, 327.  Regelungen des Landeswahlgesetzes und des Gemeinde- und Landkreiswahlgesetzes.  BayVerfGHE 55, 85; BayVBl. 2003, 44; BtPrax 2003, 34.  Ziel des Landesentwicklungsplans Bayern.  BayVerfGHE 55, 98; BayVBl. 2003, 109; DÖV 2003, 78.  Teilweise unsubstantiierte Darlegung einer Grundrechtsverletzung.  Vorschriften eines Gesetzes zur Änderung beamten- und richterrechtlicher Vorschriften.  BayVerfGHE 55, 123; BayVBl. 2003, 14; DVBl. 2002, 1637; ZBR 2002, 429.  Teilweise unsubstantiierte Darlegung einer Grundrechtsverletzung, teilweise unzulässiger Verfahrensgegenstand.

378 Anhang

18. 11. 2002

28. 1. 2003

28. 3. 2003

11. 4. 2003

5. 5. 2003

4. 6. 2003

20. 10. 2003

5. 11. 2003

61.

62.

63.

64.

65.

66.

67.

68.

Vf. 15-VII-02

Vf. 6-VII-02

Vf. 4-VII-02

Vf. 5-VII-02

Vf. 3-VII-02

Vf. 7-VII-00, Vf. 8-VIII-00

Vf. 10-VII-02

Vf. 3-VII-01

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 In einer Verordnung über ein Naturschutzgebiet enthaltene Beschränkungen.  BayVerfGHE 55, 160; BayVBl. 2003, 269.  Teilweise unsubstantiierte Darlegung einer Grundrechtsverletzung.  Regelungen des Bayerischen Mediengesetzes.  BayVerfGHE 56, 1; BayVBl. 2003, 523.  Teilweise unzulässiger Verfahrensgegenstand, teilweise unsubstantiierte Darlegung einer Grundrechtsverletzung.  Regelungen des PAG (sog. Schleierfahndung)  BayVerfGHE 56, 28; BayVBl. 2003, 560; DVBl. 2003, 861; NVwZ 2003, 1375.  Verlegung des Sitzes einer Verwaltungsgemeinschaft.  BayVerfGHE 56, 57; BayVBl. 2003, 463.  Regelungen des bayerischen Beamtenrechts.  BayVerfGHE 56, 75; BayVBl. 2003, 654; ZBR 2003, 355.  Teilweise unzulässiger Verfahrensgegenstand.  Regelung in der Berufsordnung für die Ärzte Bayerns.  BayVerfGHE 56, 99; BayVBl. 2004, 46.  Verordnung des Landratsamtes Ebersberg (Naturschutz im Poschenmoos).  BayVBl. 2004, 268.  Unzulässige Wiederholung.  Geltendmachung des Fehlens einer Regelung im Gesetz über Landtagswahl, Volksbegehren und Volksentscheid sowie der Wahlordnung für Landtagswahlen, Volksbegehren und Volksentscheide.  BayVerfGHE 56, 141; BayVBl. 2004, 207; FamRZ 2004, 624.

Anhang 379

14. 11. 2003

20. 11. 2003

20. 11. 2003

17. 3. 2004

12. 5. 2004

15. 7. 2004

30. 9. 2004

69.

70.

71.

72.

73.

74.

75.

Vf. 13-VII-02, Vf. 11-VII-03

Vf. 1-VII-03

Vf. 7-VII-02

Vf. 11-VII-02

Vf. 12-VII-02

Vf. 2-VII-02

Vf. 8-VII-02

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(- / +)

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Auslagenerstattung kostenfrei

kostenfrei

Auslagenerstattung

 § 4 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung zur Durchführung des Bayerischen Begabtenförderungsgesetzes.  BayVerfGHE 56, 198; BayVBl. 2004, 237.  Art. 9 Abs. 5 Kommunalabgabengesetz, Regelung eines Änderungsgesetzes des Kommunalabgabengesetzes, Bestimmungen der Satzung über die Benützung der Entwässerungseinrichtung der Landeshauptstadt München.  BayVerfGHE 56, 178; BayVBl. 2004, 138.  Art. 113 Abs. 1 Satz 2 des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungsund Unterrichtswesens, wonach die Schulaufsichtsbehörden beim Probeunterricht einen Vorsitzenden des Aufnahmeausschusses bestellen können.  BayVerfGHE 57, 30; BayVBl. 2004, 592; NVwZ-RR 2004, 802.  Teilweise unzulässiger Verfahrensgegenstand.  § 2 Abs. 1 der Verordnung der Landeshauptstadt München über Mindestabstandsflächen, Höhenlage von Gebäuden, Gestaltung von Dächern und von unbebauten Flächen bebauter Grundstücke in besonderen Siedlungsgebieten.  BayVerfGHE 57, 48; BayVBl. 2004, 559.

(-)

 Art. 75 Abs. 1 Satz 2 und Art. 88 a BayEUG (Schulische Mitteilung an Eltern volljähriger Schüler).  BayVerfGHE 57, 113; BayVBl. 2005, 16; FamRZ 2005, 1091.

kostenfrei

1/3 Auslagenerstattung

kostenfrei

 Regelungen des Honorarverteilungsmaßstabs der Kassenzahnärztlichen Vereinigung.  BayVerfGHE 56, 148; BayVBl. 2004, 367; NZS 2004, 264.

(- / +)  Regelungen des BayLStVG und der Verordnung über Hunde mit gesteigerter Aggressivität und Gefährlichkeit.  BayVerfGHE 57, 84; BayVBl. 2004, 719; NVwZ-RR 2005, 176.

(+)

(-)

(-)

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380 Anhang

26. 10. 2004

28. 10. 2004

9. 11. 2004

23. 12. 2004

12. 1. 2005

13. 4. 2005

22. 4. 2005

20. 9. 2005

76.

77.

78.

79.

80.

81.

82.

83.

Vf. 13-VII-04, Vf. 17-VII-04

Vf. 4-VII-03

Vf. 9-VII-03

Vf. 3-VII-03

Vf. 6-VII-03

Vf. 5-VII-03

Vf. 8-VII-03

Vf. 15-VII-01

kostenfrei Auslagenerstattung

 Taubenfütterungsverbotsverordnung der Stadt Nürnberg.  BayVerfGHE 57, 156; BayVBl. 2005, 172; NuR 2005, 388.  Regelungen der Verordnung über das Leichenwesen der Stadt Nürnberg (Benutzungszwang für das städtische Leichenhaus).  BayVerfGHE 57, 175; BayVBl. 2005, 237; DVBl. 2005, 436; NVwZ-RR 2005, 757; GewA 2005, 205.

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kostenfrei kostenfrei

 Bebauungsplan des Marktes Tussenhausen.  BayVerfGHE 58, 94; BayVBl. 2005, 558.  Änderung der Arbeitszeitverordnung (Erhöhung der durchschnittlichen Arbeitszeit von Beamten auf bis zu 42 Wochenstunden).  BayVerfGHE 58, 196; BayVBl. 2006, 212; ZBR 2006, 416.

1/5 Auslagenerstattung

kostenfrei

 Art. 2 Abs. 1 Schulwegkostenfreiheitsgesetz.  BayVerfGHE 57, 156; BayVBl. 2005, 140.

(- / +) (- / +)  Regelungen der Abgabensatzung der Notarkasse.  BayVerfGHE 58, 77; BayVBl. 2006, 43; NJW-RR 2006, 58; MittBayNot 2005, 330.  Teilweise unzulässiger Verfahrensgegenstand.

Auslagenerstattung

 Art. 32a BayBG.  BayVerfGHE 57, 129; BayVBl. 2005, 111; ZBR 2005, 32.

1 / 20 Auslagenerstattung

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(- / +) (- / +)  Art. 5 Kommunalabgabengesetz, Ausbaubeitragssatzungen der Stadt Cham.  BayVerfGHE 58, 1; BayVBl. 2005, 361 und 399.  Teilweise Begehren einer Prüfung anhand eines unzulässigen Prüfungsmaßstabs, teilweise unsubstantiierte Darlegung einer Grundrechtsverletzung, teilweise unzulässiger Verfahrensgegenstand.

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(+)

Anhang 381

29. 9. 2005

17. 11. 2005

12. 12. 2005

15. 12. 2005

22. 12. 2005

25. 1. 2006

30. 1. 2006

17. 5. 2006

84.

85.

86.

87.

88.

89.

90.

91.

Vf. 2-VII-05

Vf. 5-VII-05

Vf. 14-VII-02

Vf. 7-VII-03

Vf. 8-VII-04

Vf. 7-VII-04

Vf. 10-VII-03 Vf. 4-VII-05

Vf. 3-VII-05, Vf. 7-VIII-05

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 Gerichtsauflösungsgesetz (Auflösung des Bayerischen Obersten Landesgerichts und der Staatsanwaltschaft bei diesem Gericht).  BayVerfGHE 212; BayVBl. 2006, 138; NJW 2005, 3699.  Gesetze zur Änderung der Bayerischen Verfassung.  BayVerfGHE 58, 253; BayVBl. 2006, 272.  § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 Buchstabe d der Verordnung über die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht.  BayVerfGHE 58, 271; BayVBl. 2006, 239; ZUM 2006, 315.  Regelungen des Rundfunkgebührenstaatsvertags, wonach für das Bereithalten von Rundfunkempfangs- und Fernsehgeräten u. a. eine Grundgebühr zu entrichten ist.  BayVerfGHE 58, 277; BayVBl. 2006, 400.  Offen bleibt, ob eine Grundrechtsverletzung substantiiert dargelegt wurde.  Ausbaubeitragssatzung der Stadt Cham.  Offen bleibt, ob ein zulässiger Verfahrensgegenstand vorliegt.  Regelungen des Bayerischen Schwangerenberatungsgesetzes und des Haushaltsgesetzes.  BayVerfGHE 59, 1; BayVBl. 2006, 725.  Teilweise bleibt offen, ob eine substantiierte Darlegung einer Grundrechtsverletzung vorliegt.  Art. 78 Abs. 6, Art. 83, Art. 88 BayBO.  BayVerfGHE 59, 23; BayVBl. 2006, 304; NVwZ-RR 2006, 585; DÖV 2006, 607.  Art. 9 Abs. 2 Satz 1 BayEUG, Regelungen der Gymnasialschulordnung (Einführung des G 8).  BayVerfGHE 59, 63; BayVBl. 2006, 530.

382 Anhang

29. 5. 2006

31. 5. 2006

17. 7. 2006

18. 7. 2006

24. 7. 2006

15. 11. 2006

15. 1. 2007

92.

93.

94.

95.

96.

97.

98.

Vf. 11-VII-05

Vf. 6-VII-05, Vf. 12-VII-05

Vf. 2-VII-04

Vf. 9-VII-04

Vf. 14-VII-05

Vf. 1-VII-05

Vf. 10-VII-04

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 Vorschriften des Honorarverteilungsmaßstabs der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns.  BayVerfGHE 59, 80; BayVBl. 2007, 651; GewA 2006, 485.  Bebauungsplan der Gemeinde Ofterschwang, zugrunde liegende Änderung des Flächennutzungsplans, Beschluss der Gemeinde Ofterschwang (Aufhebung des Satzungsbeschlusses über den Bebauungsplan).  BayVerfGHE 59, 109; BayVBl. 2006, 598; NVwZ 2006, 1158; DÖV 2006, 824; RdL 2006, 297; ZUR 2006, 546.  Vgl. die Entscheidung vom 13. 6. 2005 (Außervollzugsetzung des Bebauungsplans durch einstweilige Anordnung).  Teilweise unzulässiger Verfahrensgegenstand und teilweise unsubstantiierte Darlegung einer Grundrechtsverletzung.  Art. 5 Abs. 5 Satz 2 Kommunalabgabengesetz.  BayVerfGHE 59, 119; BayVBl. 2006, 697; NVwZ 2007, 812.  Teilweise unzulässiger Prüfungsmaßstab.  Art. 14 Abs. 4 BV (5 % -Klausel).  BayVerfGHE 59, 125; BayVBl. 2007, 13; NVwZ-RR 2007, 73.  Regelungen der Abfallgebührensatzung des Landkreises Günzburg.  BayVerfGHE 59, 134; BayVBl. 2007, 42.  Teilweise unzulässiger Prüfungsmaßstab, unzulässiger Verfahrensgegenstand und unsubstantiierte Darlegung einer Grundrechtsverletzung.  § 1 Nr. 2 des Gesetzes zur Änderung des BayAGVwGO (befristete Abschaffung von Widerspruchsverfahren im örtlichen Zuständigkeitsbereich des Verwaltungsgerichts Ansbach).  BayVerfGHE 59, 219; BayVBl. 2007, 79.  Art. 59 Abs. 2 BayEUG.  BayVerfGHE 60, 1; BayVBl. 2007, 235; NVwZ 2008, 420; EuGRZ 2007, 107. kostenfrei

kostenfrei

kostenfrei

kostenfrei

kostenfrei

2/3 Auslagenerstattung

kostenfrei

Anhang 383

6. 2. 2007

12. 3. 2007

29. 3. 2007

18. 4. 2007

19. 4. 2007

24. 4. 2007

99.

100.

101.

102.

103.

104.

17-VII-05, 18-VII-05, 19-VII-05, 20-VII-05, 21-VII-05, 22-VII-05, 23-VII-05, 24-VII-05, 7-VII-06

Vf. 11-VII-06

Vf. Vf. Vf. Vf. Vf. Vf. Vf. Vf. Vf.

Vf. 2-VII-06

Vf. 13-VII-06

Vf. 8-VII-06

Vf. 14-VII-04

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1.500 €

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kostenfrei

1.500 €

 Art. 10 Abs. 1 Satz 1 HS 3 Alt. 2 Bayerisches Schulfinanzierungsgesetz.  BayVerfGHE 60, 30; BayVBl. 2007, 364.  Art. 3 Abs. 2 Satz 3 Feiertagsgesetz.  BayVerfGHE 60, 52; BayVBl. 2007, 462; NVwZ-RR 2008, 218; GewA 2007, 250.  Entscheidung des Regierungspräsidenten von Oberbayern vom 23. Januar 1939.  BayVBl. 2007, 689.  Unzulässiger Verfahrensgegenstand, Verwirkung, unsubstantiierte Darlegung einer Grundrechtsverletzung, unzulässiger Prüfungsmaßstab.  Beitragssatzung für die Verbesserung der Wasserversorgungseinrichtung der Gemeinde Hohenwarth.  BayVerfGHE 60, 71; BayVBl. 2007, 593.  Art. 21 Bayerisches Schulfinanzierungsgesetz (Büchergeld).  BayVerfGHE 60, 80; BayVBl. 2007, 492.

 Petitionsentscheidung des Bayerischen Landtags, Einrichtung sogenannter Naturzonen im Nationalpark Bayerischer Wald.  BayVBl. 2007, 557; RdL 2008, 75.  Unzulässiger Verfahrensgegenstand.

384 Anhang

4. 5. 2007

23. 5. 2007

25. 5. 2007

9. 10. 2007

10. 10. 2007

28. 11. 2007

105.

106.

107.

108.

109.

110.

Vf. 15-VII-05

Vf. 15-VII-06

Vf. 14-VII-06

Vf. 15-VII-04

Vf. 1-VII-06

Vf. 9-VII-06

kostenfrei

1/2 Auslagenerstattung

kostenfrei kostenfrei

 Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung der Stadt Cham.  BayVBl. 2007, 595.  Unsubstantiierte Darlegung einer Grundrechtsverletzung.

(- / +) (- / +)  Zustimmungsbeschlüsse des Bayerischen Landtags zum Rundfunksstaatsvertrag, Art. 8 Abs. 1 Satz 1 Bayerisches Mediengesetz, Art. 4 Abs. 3 Sätze 3 und 4 Bayerisches Rundfunkgesetz, § 1 Abs. 2 Sätze 3 und 4 Wahlwerbesatzung.  BayVerfGHE 60, 131; BayVBl. 2008, 302; NVwZ-RR 2008, 145; DVBl. 2007, 1113; AfP 2007, 553.  Vgl. die Entscheidung vom 23. 11. 2004 (Abweisung eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung).  Teilweise unzulässiger Verfahrensgegenstand und unsubstantiierte Darlegung einer Grundrechtsverletzung.  Art. 47 Abs. 3 Bayerisches Schulfinanzierungsgesetz.  BayVerfGHE 60, 167; BayVBl. 2008, 78.  Art. 24 Abs. 3 Gemeindeordnung.  BayVerfGHE 60, 179; BayVBl. 2008, 49.

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(- / +)  Regelungen der Bezirksordnung, des Gesetzes zur Ausführung des Bundessozialhilfegesetzes, des Gesetzes zur Ausführung des Sozialgesetzbuchs und des Finanzausgleichsgesetzes, auch i.V. m. in Staatshaushaltsplänen enthaltenen Begrenzungen der Zuweisung nach Art. 15 Abs. 1 Satz 1 BayFAG, Art. 7 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 3 BayAGSGB.  BayVerfGHE 60, 184; BayVBl. 2008, 172.

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2/3 Auslagenerstattung

kostenfrei

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 § 2 der Satzung zur Regelung des Hochschulauswahlverfahrens gemäß § 32 Abs. 3 Nr. 3 des Hochschulrahmengesetzes an der LudwigMaximilians-Universität München.  BayVerfGHE 60, 101; BayVBl. 2008, 266.

(+)

Anhang 385

18. 12. 2007

22. 1. 2008

29. 1. 2008

14. 2. 2008

11. 3. 2008

13. 3. 2008

7. 5. 2008

8. 5. 2008

111.

112.

113.

114.

115.

116.

117.

118.

Vf. 7-VII-07

Vf. 19-VII-06

Vf. 12-VII-06

Vf. 5-VII-07

Vf. 1-VII-07

Vf. 17-VII-06

Vf. 2-VII-07

Vf. 9-VII-05

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kostenfrei

1.000 €

 § 14 Lotteriestaatsvertrag, Regionalisierungsstaatsvertrag.  BayVerfGHE 60, 234; BayVBl. 2008, 367.  Einbeziehungssatzung der Gemeinde Ofterschwang.  BayVerfGHE 61, 1; BayVBl. 2009, 77; NVwZ-RR 2008, 556; KommJur 2009, 25.  Teilweise unsubstantiierte Darlegung einer Grundrechtsverletzung.  Bebauungsplan mit Grünordnungsplan der Landeshauptstadt München.  BayVerfGHE 61, 9; BayVBl. 2008, 339.  Teile des Regionalplans der Region Allgäu.  BayVerfGHE 61, 36; BayVBl. 2008, 433.  Unzulässiger Verfahrensgegenstand, unsubstantiierte Darlegung einer Grundrechtsverletzung.  Art. 37 Abs. 2 BayEUG.  BayVerfGHE 61, 47; BayVBl. 2009, 173; NVwZ-RR 2008, 618.  Entwicklungssatzung der Stadt Augsburg.  BayVerfGHE 61, 55; BayVBl. 2008, 494; NVwZ-RR 2008, 635.  Teilweise unzulässiger Verfahrensgegenstand.  Regelungen des Bayerischen Hochschulgesetzes (Zusammensetzung des Hochschulrats, Wahl des Präsidenten durch den Hochschulrat, Zuständigkeit der Hochschulleitung für die Beschlussfassung über Berufungsvorschläge).  BayVerfGHE 61, 103; BayVBl. 2008, 592; WissR 2008, 160; Kahl, Das bayerische Hochschulurteil 2008, S. 193 ff.  Tarif-Nr. 3. II. 2 der Verordnung über den Erlass des Kostenverzeichnisses zum Kostengesetz.  BayVerfGHE 61, 125; BayVBl. 2009, 334.

386 Anhang

20. 6. 2008

24. 6. 2008

8. 7. 2008

11. 7. 2008

22. 7. 2008

28. 7. 2008

13. 8. 2008

119.

120.

121.

122.

123.

124.

125.

Vf. 18-VII-06

Vf. 25-VII-05

Vf. 11-VII-07

Vf. 12-VII-07

Vf. 6-VII-07

Vf. 3-VII-07

Vf. 14-VII-00

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Auslagenerstattung

kostenfrei

kostenfrei

 Art. 3 Abs. 1 Bayerisches Bauaufträge-Vergabegesetz.  BayVerfGHE 61, 130; BayVBl. 2008, 626; NJW-RR 2008, 1403; DÖV 2008, 820; GewA 2008, 350; NZBau 2008, 659; EuZW 2008, 675.  Art. 86a Abs. 2 Satz 3 BayBG.  BayVerfGHE 61, 140; BayVBl. 2009, 239.  Teilweise unzulässiger Verfahrensgegenstand.  Übertragung des Bayerischen Ministerpräsidenten der Ausübung des ihm zustehenden Begnadigungsrechts für weite Bereiche auf andere Stellen.  BayVerfGHE 61, 153; BayVBl. 2009, 427.  § 4 Abs. 2 Leichenwesenverordnung sowie Regelungen der Bestattungs- und Friedhofsgebührensatzung der Stadt Nürnberg.  BayVerfGHE 61, 161; BayVBl. 2009, 268.  Teilweise unzulässiger Verfahrensgegenstand.  Bebauungsplan mit Grünordnungsplan der Gemeinde Gmund am Tegernsee.  BayVerfGHE 61, 172; BayVBl. 2009, 142; NVwZ 2008, 1234.  Vgl. die Entscheidung vom 28. 1. 2008 (Außervollzugsetzung des Bebauungsplans mit Grünordnungsplan).  Vorschriften des Bayerischen Besoldungsgesetzes.  BayVerfGHE 61, 187; BayVBl. 2009, 462; NVwZ 2009, 46; ZBR 2009, 260.  Änderung eines Bebauungsplans der Stadt Sonthofen.  BayVerfGHE 61, 205; BayVBl. 2008, 752.  Unsubstantiierte Darlegung einer Grundrechtsverletzung.

Anhang 387

22. 9. 2008

23. 10. 2008

10. 11. 2008

16. 2. 2009

4. 3. 2009

12. 5. 2009

13. 5. 2009

26. 5. 2009

126.

127.

128.

129.

130.

131.

132.

133.

Vf. 8-VII-05

Vf. 19-VII-08

Vf. 4-VII-08

Vf. 11-VII-08

Vf. 13-VII-07

Vf. 4-VII-06

Vf. 10-VII-07

Vf. 9-VII-07

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(+) Auslagenerstattung kostenfrei

Auslagenerstattung

kostenfrei kostenfrei

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 Regelungen des Gesetzes zur Erprobung einer Freistellung ausgewählter Kommunen von der Einhaltung von Rechtsvorschriften.  BayVerfGHE 61, 205; BayVBl. 2009, 12; NVwZ-RR 2009, 137.  Änderung des BayAGVwGO (teilweise Abschaffung und im Übrigen fakultative Ausgestaltung des Widerspruchsverfahrens).  BayVerfGHE 61, 248; BayVBl. 2009, 109; NVwZ 2009, 716.  Regelungen der Entwässerungssatzung der Gemeinde Mengkofen sowie der Beitrags- und Gebührensatzung zu dieser Satzung.  BayVerfGHE 61, 262; BayVBl. 2009, 203; NVwZ 2009, 298; ZUR 2009, 200.  Neuaufstellung eines Bebauungsplans der Gemeinde Ofterschwang.  BayVerfGHE 62, 23; BayVBl. 2010, 464.  Verordnung zur Änderung der Verordnung über den Nationalpark Bayerischer Wald.  BayVerfGHE 62, 30; BayVBl. 2009, 657; NuR 2009, 431; RdL 2009, 260.  Regelungen des Bayerischen Strafvollzugsgesetzes.  BayVerfGHE 62, 45; FS 2009, 267.  Regelung des Bayerischen Wassergesetzes.  BayVerfGHE 62, 61; BayVBl. 2009, 528.  Aufnahme der Bekanntmachung des Bayerischen Justizministeriums zur Verleihung der Rechte einer Anstalt des öffentlichen Rechts an die Notarkasse in die Bayerische Rechtssammlung.  BayVerfGHE 62, 71; BayVBl. 2009, 749.  Vgl. auch die Entscheidung vom 20. 4. 2009 (Ablehnung eines Antrags auf Ablehnung wegen Befangenheit).  Unzulässiger Verfahrensgegenstand, unsubstantiierte Darlegung einer Grundrechtsverletzung, unzulässige Wiederholung.

388 Anhang

28. 5. 2009

19. 6. 2009

7. 7. 2009

13. 7. 2009

24. 8. 2009

26. 10. 2009

15. 12. 2009

23. 2. 2010

22. 6. 2010

134.

135.

136.

137.

138.

139.

140.

141.

142.

Vf. 15-VII-09

Vf. 12-VII-09

Vf. 6-VII-09

Vf. 16-VII-08

Vf. 20-VII-08

Vf. 3-VII-09

Vf. 15-VII-08

Vf. 17-VII-08

Vf. 4-VII-07

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 Regelungen des Bayerischen Hochschulgesetzes (Erhebung von Studienbeiträgen).  BayVerfGHE 62, 79; BayVBl. 2009, 593.  Teilweise unsubstantiierte Darlegung einer Grundrechtsverletzung.  Erhebung einer Zweitwohnungssteuer für Dauercamper gemäß Art. 3 BayKAG.  BayVerfGHE 62, 113; BayVBl. 2009, 688; NVwZ-RR 2009, 709.  Teilweise unzulässiger Verfahrensgegenstand.  Regelung des Schulwegkostenfreiheitsgesetz und der Schülerbeförderungsverordnung.  BayVerfGHE 62, 121; BayVBl. 2010, 76; ZFSH / SGB 2009, 676.  Bebauungsplan mit integrierter Grünordnung der Großen Kreisstadt Deggendorf.  BayVerfGHE 62, 156; BayVBl. 2010, 43; NVwZ-RR 2009, 825.  Regelung zum Gesetzes über das öffentliche Versorgungswesen.  BayVerfGHE 62, 167; BayVBl. 2009, 760.  Art. 35 Abs. 2 GLKrWG.  BayVBl. 2010, 140; NVwZ-RR 2010, 257.  Unzulässige Wiederholung.  Regelungen der BayBO.  BayVBl. 2010, 338; NVwZ 2010, 580; ZfBR 2010, 139.  Bebauungsplan der Gemeinde Halblech.  BayVBl. 2011, 14.  Teilweise unzulässiger Verfahrensgegenstand.  Übergangsregelungen der JAPO.  BayVBl. 2010, 594.

Anhang 389

25. 6. 2010

6. 8. 2010

9. 8. 2010

12. 10. 2010

8. 11. 2010

16. 12. 2010

14. 2. 2011

17. 3. 2011

143.

144.

145.

146.

147.

148.

149.

150.

Vf. 17-VII-10

Vf. 2-VII-10

Vf. 6-VII-10

Vf. 5-VII-09

Vf. 19-VII-09

Vf. 16-VII-09

Vf. 10-VII-09

Vf. 1-VII-08

(- / +)

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 Regelungen des Gesetzes zum Schutz der Gesundheit sowie des Gesetzes zur Änderung des Gesundheitsschutzgesetzes.  BayVBl. 2010, 658; NVwZ-RR 2010, 658.  Teilweise unzulässiger Verfahrensgegenstand.  Außenbereichssatzung der Gemeinde Oberhausen.  BayVBl. 2010, 757, RdL 2010, 324; AuR 2011, 91.  Art. 46 Bayerisches Strafvollzugsgesetz sowie die unterbliebene Einbeziehung arbeitender Gefangener in die gesetzliche Rentenversicherung.  BayVBl. 2011, 629.  Teilweise unzulässiger Verfahrensgegenstand.  Regelungen des Kirchensteuergesetzes.  BayVBl. 2011, 107; NVwZ 2011, 40; DuD 2011, 59.  Vgl. auch die Entscheidung vom 20. 9. 2010 (Verwerfung eines Antrags auf Ablehnung wegen Befangenheit), NVwZ 2011, 39.  Verordnung des Landratsamtes Miesbach zum Schutz eines Landschaftsbestandteils.  BayVBl. 2011, 173; NVwZ-RR 2011, 100.  Regelungen des BayNatSchG.  BayVBl. 2011, 300; NVwZ-RR 2011, 177; NuR 2011, 133.  Teilweise unzulässiger Verfahrensgegenstand.  Regelungen des Sparkassengesetzes.  ZIP 2011, 664.  Bebauungsplan und Änderung des Flächennutzungsplans der Gemeinde Irschenberg.  BayVBl. 2011, 433.  Vgl. auch die teilweise  Teilweise unzulässiger Verfahrensgegenstand, Bedenken unter dem Gesichtspunkt der Verwirkung. kostenfrei

kostenfrei

kostenfrei

kostenfrei

kostenfrei

Auslagenerstattung kostenfrei

kostenfrei

390 Anhang

14. 4. 2011

21. 6. 2011

27. 6. 2011

21. 7. 2011

27. 7. 2011

27. 7. 2011

9. 8. 2011

23. 8. 2011

151.

152.

153.

154.

155.

156.

157.

158.

Vf. 28-VII-10

Vf. 18-VII-10

Vf. 5-VII-10

Vf. 25-VII-10

Vf. 29-VII-10

Vf. 27-VII-10

Vf. 31-VII-10

Vf. 13-VII-08

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kostenfrei kostenfrei

kostenfrei kostenfrei

 Regelungen des Bayerischen Reisekostengesetzes.  NVwZ-RR 2011, 794.  Regelungen der Entwässerungssatzung sowie der Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung der Gemeinde Mengkofen.  BayVBl. 2012, 43.  Teilweise unsubstantiierte Darlegung einer Grundrechtsverletzung.  Teilweise Einstellung des Verfahrens.  Regelungen der Satzung der Steuerberaterkammer Nürnberg.  Art. 6 Abs. 1 Sätze 1 und 2, Art. 6 Abs. 4 Bayerisches Fischereigesetz.  NVwZ-RR 2011, 921.

750 €

kostenfrei

 Regelungen der Bayerischen Mutterschutzverordnung sowie der Urlaubsverordnung.  Teilweise unsubstantiierte Darlegung einer Grundrechtsverletzung.  Art. 37 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 2 GO, Regelung der Geschäftsordnung für den Stadtrat Lindau (Bodensee).  BayVBl. 2011, 695.  Unsubstantiierte Darlegung einer Grundrechtsverletzung.

kostenfrei

1500 €

 Art. 130 BayBG.

 Regelungen des Gesundheitsschutzgesetzes.  BayVBl. 2011, 466.  Vgl. auch die Entscheidungen vom 2. 6. 2009 (Abweisung eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung) und 4. 11. 2010 (Verwerfung eines Antrags auf Ablehnung wegen Befangenheit).  Teilweise unzulässige Wiederholung.

Anhang 391

13. 9. 2011

6. 12. 2011

9. 12. 2011

21. 12. 2011

159.

160.

161.

162.

Vf. 3-VII-11

Vf. 21-VII-10

Vf. 6-VII-11

Vf. 12-VII-10

(■)

(-)

(-)

(- / +)

(-)

(-)

 Rechtsverordnung der Gemeinde Vaterstetten über die Offenhaltung der Verkaufsstellen an Sonn- und Feiertagen.  Es bleibt offen, ob eine substantiierte Darlegung einer Grundrechtsverletzung vorliegt.

kostenfrei

1000 €

kostenfrei

 § 47 d der Satzung der Bayerischen Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung.  Unsubstantiierte Darlegung einer Grundrechtsverletzung.  Regelungen des Gesundheitsschutzgesetzes.  Unzulässige Wiederholung.

1000 €

 Gesundheitsschutzgesetz.  BayVBl. 2012, 13.  Vgl. auch die Entscheidung vom 24. 9. 2010 (Abweisung eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung), BayVBl. 2011, 43, NVwZ RR 2010, 946.  Teilweise unzulässige Rüge in Bezug auf formelle Beanstandung des Volksgesetzgebungsverfahrens.

392 Anhang

8. 5. 1995

24. 5. 1995

1. 8. 1995

2. 12. 1997

12. 1. 1998

1. 12. 2000

19. 10. 2001

20. 12. 2001

25. 2. 2002

16. 12. 2002

15. 11. 2004

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

9.

10.

11.

Vf. 5-VII-04

Vf. 15-VII-00

Vf. 5-VII-01

Vf. 18-VII-01, Vf. 19-VII-01

Vf. 10-VII-98

Vf. 4-VII-00

Vf. 24-VII-94

Vf. 14-VII-96

Vf. 4-VII-93

Vf. 11-VII-91

Vf. 7-VII-94

kostenfrei kostenfrei kostenfrei Auslagenerstattung kostenfrei kostenfrei kostenfrei kostenfrei kostenfrei

Auslagenerstattung Auslagenerstattung

 Art. 20 Abs. 2 Bayerisches Beamtenfachhochschulgesetz.  Bebauungsplan der Stadt Cham.  BayVerfGHE 48, 46.  Art. 4 Kommunalabgabengesetz.  Verordnung über das Leichenwesen der Stadt Erlangen.  BayVerfGHE 50, 226; BayVBl. 1998, 765.  Finanzausgleichsgesetz.  BayVerfGHE 51, 1; BayVBl. 1998, 207.  Satzung der Stadt Passau.  BayVBl. 2001, 59.  Popularklage gegen die Verwendung von Formularen mit Angaben zu Personentyp oder Volkszugehörigkeit in der Polizeipraxis.  Zuschnitt von Stimmkreisen durch Änderung des Landeswahlgesetzes.  BayVerfGHE 54, 181; BayVBl. 2002, 237.  Anlage 1 der Fachober- und Berufsoberschulordnung, soweit nach den Stundentafeln für die Fachoberschule in der Jahrgangsstufe 11 kein Unterricht in Religionslehre vorgesehen ist.  Regelung der Bestattungs- und Friedhofssatzung der Stadt Röthenbach an der Pegnitz.  Regelungen der Verordnung über das Leichenwesen der Stadt Nürnberg.

Einstellungen von Popularklageverfahren in den Jahren 1995 bis 2011

Übersicht II

Anhang 393

16. 11. 2004

10. 3. 2005

18. 10. 2005

1. 3. 2007

25. 9. 2008

29. 9. 2008

9. 12. 2008

11. 3. 2009

15. 6. 2009

7. 12. 2009

20. 5. 2010

12.

13.

14.

15.

16.

17.

18.

19.

20.

21.

22.

Vf. 20-VII-09

Vf. 2-VII-08

Vf. 5-VII-08

Vf. 12-VII-08

Vf. 8-VII-08

Vf. 8-VII-07

Vf. 16-VII-06

Vf. 3-VII-06

Vf. 16-VII-04

Vf. 12-VII-04

Vf. 4-VII-04 kostenfrei kostenfrei kostenfrei

1/3 Auslagenerstattung kostenfrei kostenfrei kostenfrei

kostenfrei

 Bebauungsplan der Stadt Cham.  Bebauungsplan der Stadt Cham.  Regelungen der Verordnung des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus über die Ausübung des Unterrichts als Skilehrer.  BayVBl. 2007, 635.  Bestimmungen für weite Bereiche des Glücksspielwesens.  BayVerfGHE 61, 227; ZfWG 2008, 375.  Art. 86a Abs. 2 Satz 3 Bayerisches Beamtengesetz.  Regelungen des Gesundheitsschutzgesetzes (Rauchverbot in Innenräumen von Gaststätten).  Regelung der mit Genehmigung des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz erlassenen Richtlinien für die Amtspflichten und sonstigen Pflichten der Mitglieder der Landesnotarkammer Bayern nach § 67 Abs. 2 BNotO.  Regelungen des Bayerischen Gesundheitsschutzgesetzes (Rauchverbot in Gaststätten).  Vgl. auch die Entscheidung vom 27. 8. 2008 (Ablehnung eines Antrages auf Erlass einer einstweiligen Anordnung).

 Bebauungsplan der Stadt Fürth.

kostenfrei

 Regelungen des Bayerischen Gesundheitsschutzgesetzes (Rauchverbot in kostenfrei Gaststätten).

Auslagenerstattung

 Regelungen der Leichen- und Bestattungsordnung der Stadt Augsburg.

394 Anhang

25. 6. 2010

6. 12. 2010

27. 7. 2011

23.

24.

25.

Vf. 5-VII-10

Vf. 2-VII-09, Vf. 9-VII-09

Vf. 7-VII-08

kostenfrei

Auslagenerstattung kostenfrei

 Regelungen des Gesundheitsschutzgesetzes (Rauchverbot in Innenräumen von Gaststätten).  Vgl. auch die Entscheidung vom 27. 8. 2008 (Abweisung eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung).  Verordnung des Landkreises Rosenheim über ein Landschaftsschutzgebiet.  BayVBl. 2011, 238.  Entwässerungssatzung der Gemeinde Mengkofen.  Mit Entscheidung vom 27. 7. 2011 teilweise Einstellung des Verfahrens, im Übrigen Prozess- bzw. Sachentscheidung.  In BayVBl. 2012, 43 ist die Teilentscheidung nicht veröffentlicht.

Anhang 395

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Anhang Übersicht III Änderungen der Bayerischen Verfassung

Verfassung des Freistaates Bayern vom 8. Dezember 1946 (GVBl S. 333). Gesetze zur Änderung der Verfassung des Freistaates Bayern:  Gesetz zur Änderung des Art. 135 der Verfassung des Freistaates Bayern vom 22. Juli 1968 – in Kraft getreten am 1. August 1968  Neufassung des Art. 135 BV [christliche Gemeinschaftsschule]  Zweites Gesetz zur Änderung der Verfassung des Freistaates Bayern vom 15. Juni 1970 (GVBl S. 239) – in Kraft getreten am 1. Juni 1970  Neufassung des Art. 7 Abs. 1 BV [Staatsbürgerschaft]  Neufassung des Art. 7 Abs. 2 BV [passives Wahlrecht]  Drittes Gesetz zur Änderung der Verfassung des Freistaates Bayern vom 19. Juli 1973 (GVBl S. 389) – in Kraft getreten am 1. August 1973  Neufassung des Art. 14 Abs. 1 BV [Wahlgrundsätze, Wahlsystem]  Neufassung des Art. 14 Abs. 4 BV [5 %-Hürde]  Viertes Gesetz zur Änderung der Verfassung des Freistaates Bayern vom 19. Juli 1973 (GVBl S. 389) – in Kraft getreten am 1. August 1973  Einfügung des Art. 111a BV [Rundfunkfreiheit]  Fünftes Gesetz zur Änderung der Verfassung des Freistaates Bayern vom 20. Juni 1984 (GVBl S. 223) – in Kraft getreten am 1. Juli 1984  Einfügung des Art. 3 Abs. 2 BV [Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen und der kulturellen Überlieferung]  Neufassung der Überschrift des 2. Abschnittes im Dritten Haupteil  Neufassung des Art. 131 Abs. 2 BV [Bildungsziele]  Neufassung des Art. 141 BV [Umwelt-, Tier-, Denkmalschutz; Recht auf Naturgenuss]  Art. 1 des Gesetzes zur Einführung des kommunalen Bürgerentscheids vom 27. Oktober 1995 (GVBl S. 730) – in Kraft getreten am 1. November 1995  Neufasssung des Art. 7 Abs. 2 BV [Rechte des Staatsbürgers]  Anfügung des Art. 12 Abs. 3 BV [Bürgerbegehren und Bürgerentscheid]  Verfassungsreformgesetz – Weiterentwicklung im Bereich der Grundrechte und Staatsziele vom 20. Februar 1998 (GVBl S. 38) – in Kraft getreten am 1. März 1998  Einfügung des Art. 3a BV [Bayern im geeinten Europa]  Aufhebung des Art. 47 Abs. 4 Satz 2 BV [Todesstrafe]  Neufassung des Art. 118 Abs. 2 BV [Gleichberechtigung, Förderungspflicht des Staates]1 1 Art. 118 Abs. 2 BV n. F. lautet: „Frauen und Männer sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“ Art. 118 Abs. 2 BV a. F. lautete: „Männer und Frauen haben grundsätzlich dieselben staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten.“

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 Einfügung des Art. 118a BV [Benachteiligungsverbot von Menschen mit Behinderung]  Neufassung des Art. 125 Abs. 1 Satz 1 BV [„Kinder sind das köstlichste Gut eines Volkes“]  Neufassung des Art. 131 Abs. 4 BV [Bildungsziele]  Anfügung des Art. 140 Abs. 3 BV [kulturelles Leben und Sport]  Einfügung des Art. 141 Abs. 1 BV [Tierschutz]  Verfassungsreformgesetz – Reform von Landtag und Staatsregierung vom 20. Februar 1998 (GVBl S. 39) – in Kraft getreten am 1. März 1998     

Neufassung des Art. 13 Abs. 1 BV [Größe des Landtags] Neufassung des Art. 14 Abs. 1 BV unter Anfügung der Sätze 5 und 6 [Wahlsystem] Neufassung des Art. 16 BV [Wahldauer] Einfügung des Art. 16a BV [Parlamentarische Opposition] Änderung des Art. 25 BV [Untersuchungsausschüsse]

 Einfügung des Art. 25a BV [Enquete-Kommission]  Neufassung des Art. 26 Abs. 1 Satz 1 BV [Zwischenausschuss]  Einfügung des Art. 33a BV [Landesbeauftragter für den Datenschutz]  Neufassung des Art. 43 Abs. 2 BV [Zusammensetzung der Staatsregierung]  Neufassung des Art. 44 Abs. 1 BV [Wahl des Ministerpräsidenten]  Neufassung des Art. 49 [Staatsministerien]  Neufassung des Art. 50 BV [Geschäftsbereiche und Sonderaufgaben der Staatsminister]  Aufhebung des Art. 52 Satz 2 BV [Leitung der Staatskanzlei]  Neufassung des Art. 80 BV [Rechnungslegung, Rechnungshof]  Anfügung des Art. 83 Abs. 7 BV [Anhörung der kommunalen Spitzenverbände]  Einfügung des Art. 115 Abs. 2 BV [Petitionsrecht]  Gesetz zur Abschaffung des Bayerischen Senates vom 20. Februar 1998 (GVBl S. 42) – in Kraft getreten am 1. Januar 2000  Aufhebung der Art. 34 bis 42 BV  Anpassung des Art. 68 Abs. 3 Satz 2 BV  Anpassung des Art. 71 BV  Anpassung des Art. 179 BV Bekanntmachung der Neufassung der Verfassung des Freistaates Bayern vom 15. Dezember 1998 in der vom 1. Dezember 1998 an geltenden Fassung (GVBl S. 991) Gesetze zur Änderung der Verfassung des Freistaates Bayern:  Gesetz über den Zusammentritt des Landtags nach der Wahl, über die Parlamentsinformation und zur Verankerung eines strikten Konnexitätsprinzips vom 10. November 2003 (GVBl S. 816) – in Kraft getreten am 1. Januar 2004  Neufassung des Art. 16 Abs. 2 BV [Zusammentritt des Landtags nach der Wahl]  Anfügung des Art. 55 Nr. 3 Satz 2 BV [Parlamentsinformation]  Neufassung des Art. 83 Abs. 3 und Abs. 7 BV [Konnexitätsprinzip]

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 Gesetz zur Weiterentwicklung der Wahlgrundsätze, der Grundrechte und der Bestimmungen über das Gemeinschaftsleben vom 10. November 2003 (GVBl S. 817) – in Kraft getreten am 1. Januar 2004  Neufassung des Art. 14 Abs. 2 BV [Mindestalter der Landtagsabgeordneten]  Neufassung des Art. 100 BV [Menschenwürde]2  Änderung der Überschrift des 1. Abschnitts des Dritten Hauptteils  Einfügung des Art. 125 Abs. 1 Satz 2 BV [Kinderrechte]  Neufassung des Art. 125 Abs. 1 Satz 3 BV [Kinderrechte]

2 Art. 100 BV n. F. lautet: „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“ Art. 100 BV a. F. lautete: „Die Würde der menschlichen Persönlichkeit ist in Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtspflege zu achten.“

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Sachregister § 47 VwGO 81, 158, 191, 192, 193, 218, 234, 250, 261, 268, 270, 290, 297, 309, 311, 352, 356 5%-Klausel 181, 221 Antragsberechtigung 86, 247, 277 Anwaltszwang 37 Anwendungsbereich 82, 83, 212, 226, 277, 279, 280 Anwendungsvorrang 292, 312 Auslagenerstattung 354 Auslegung 46, 49, 74, 100, 108, 111, 113, 118, 167, 192, 197, 287, 291, 295, 298, 301, 303, 349, 350, 354, 355, 358 Außer Kraft getretenes Recht 114, 115, 117, 180, 256, 261, 266, 279, 340, 362 Autonomie der Verfassungsräume 294 Baugenehmigung 108 Bauleitplanung 215 BayGLKrWG 183, 184, 186, 187, 196, 220 Beamtengesetz 131 Bebauungsplan 89, 104, 106, 107, 143, 215, 218, 221, 231, 233, 234, 242, 248, 249, 251, 255, 256, 261, 262, 265, 281, 289, 329 Beihilfeleistungen 124 Bestattungsgesetz 320 Bestimmtheitsgrundsatz 294 Beteiligte 64, 68, 70, 79, 158, 166, 248 Bindungswirkung 154, 156, 179, 193, 341 Bundesrecht 110, 128, 133, 134, 286, 287, 288, 290, 292, 295, 299, 302, 309, 310, 312, 353 Bundesverfassungsgericht 40, 78, 81, 82, 83, 84, 112, 129, 130, 140, 156, 159, 160, 161, 165, 190, 191, 196, 197, 221, 223, 236, 237, 246, 252, 264, 265, 268, 269, 270, 275, 278, 279, 288, 290, 291, 293,

298, 299, 303, 310, 312, 315, 327, 328, 339, 344, 347, 348, 350, 353, 357 d’Hondt’sches Höchstzählverfahren 177, 189, 196 Eigentumsrecht 144, 146, 261, 278 Einstellung des Verfahrens 264, 351, 356, 358 Einstweilige Anordnung 70, 106, 359, 365 Elementare Verfassungsgrundsätze 285 Elfes-Urteil 140 Entscheidung 339 Ermächtigungsgrundlage 154, 181, 182, 289, 298, 306, 307, 308, 310, 340, 343, 346 Europäische Menschenrechtskonvention 160 Europäische Union 148, 299, 302, 303 Finanzausgleichsgesetz 112, 320, 342 Flächennutzungsplan 106, 113 Föderalismusreform 84, 115, 132, 133, 336 Frist 228, 229, 231, 246, 252, 254, 295, 341, 343, 345 Gebietsreform 99, 228, 229, 253, 254, 315, 317, 319, 322, 337 Gemeindegebietsreform 123, 138, 178, 180, 214, 232 Gemeinderat 170, 183, 184, 200, 262, 318 Gemeindeverbände 315, 321, 327, 334, 336, 342 Gemeindewahlordnung 177 Geschäftsordnung 66, 71, 73, 74, 75, 76 Gesetzeskraft 156, 157 Gesetzgebungskompetenz 84, 114, 115, 119, 121, 132, 289, 296 Gleichheitssatz 120, 121, 122, 123, 124, 126, 139, 148, 177, 178, 198, 199, 205, 221, 316, 331, 345, 360 Grundgesetzwidrigkeit 291

Sachregister Handelsgesellschaft 87 Handlungsfreiheit 142, 144, 147, 150, 289, 300, 323 Hüter der Verfassung 284, 308 Juristische Person des öffentlichen Rechts 88 Juristische Person des Privatrechts 88 Kassenärztliche Vereinigung 104, 117 Kirchenlohnsteuer 155 Klarstellungsbedürfnisse 276 Klarstellungsinteresse 276 Kommanditgesellschaft 87 Kommunalabgabengesetz 122, 332 Konnexitätsprinzip 127, 314, 321, 324, 333, 338 Kosten 37, 70, 146, 219, 224, 239, 260, 264, 354 Landesverfassungsgerichte 292, 303 Landtagsbeschluss 106 Landtagswahl 51, 55, 189, 221 Menschenwürde 146, 285, 294 Missbrauch des Klagerechts 83, 211, 251 Missbrauchsgebühr 224, 225, 226, 227, 354, 359, 365 Naturschutzgesetz 131 Neugliederungsvorschrift 230, 231, 232, 316, 322, 323 Nichtigerklärung 339 Normsetzungspflicht 120, 121 Notarkasse 132, 134, 147, 171, 172, 280 objektives Verfassungsrecht 139, 140, 144 Organisationsakt 230, 231, 233, 233, 254, 255, 316, 317, 327 Parteifähigkeit 92, 94 Präjudizialität 179, 186 Prüfungsmaßstab 134, 140, 142, 144, 160, 190, 191, 192, 201, 210, 283, 313, 317, 318, 319, 322, 323, 326, 330, 336, 353 Querulant 83, 212, 219, 222 Rechtsetzungsbefugnis 286, 289 Rechtsfrieden 39, 161, 165, 207, 212, 254

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Rechtskraft 151, 158, 234, 268, 273, 277, 362 Rechtskrafterstreckung 158, 180, 187 Rechtsschutzbedürfnis 95, 258, 352 Rechtsschutzinteresse 50, 95, 214, 258 Rechtssicherheit 39, 148, 165, 172, 207, 228, 229, 230, 231, 232, 233, 237, 243, 244, 246, 247, 254, 272, 294, 339, 341, 342 Rechtsstaatsgebot 119, 287, 290, 294, 295 Rechtsstaatsprinzip 119, 139, 140, 142, 148, 161, 165, 237, 243, 244, 286, 287, 288, 290, 293, 294, 295, 297, 299, 300, 302, 303, 306, 307, 309, 312, 340 Rechtsvorschrift des bayerischen Landesrechts 103 Rechtsweggarantie 148 Richtervorlage 46, 52, 53, 54, 55, 57, 60, 62, 65, 68, 153, 189, 193, 197, 299, 349 Rücknahme 68, 70, 80, 351, 358 Rückwirkungsgebot 294 Rückwirkungsverbot 140 Rundfunkfreiheit 97 Scheinprozess 212 Selbstbetroffenheit 39, 214, 321, 325, 332 Selbstverwaltung 98, 112, 326, 342 Selbstverwaltungsrecht 99, 112, 127, 138, 139, 144, 178, 254, 313 substantiierte Darlegung 226, 278, 362 Substantiierte Darlegung einer Grundrechtsverletzung 76, 120, 121, 136, 172, 215, 217, 220, 222, 335 Treu und Glauben 75, 216-219, 223, 233, 234, 236, 237, 239, 241, 247, 269 Übergangsregelung 343 Unterlassen des Normgebers 119 Urteilsverfassungsbeschwerde 61, 65, 192 Vereine 91, 92 Verfahrenseinstellung 351 Verfahrensgegenstand 41, 67, 91, 93, 102, 142, 144, 147, 151, 168, 171, 173, 180, 188, 215, 260, 262, 263, 279, 285, 296, 307, 310, 320, 322, 323, 338, 342, 344, 362 Verfahrenskosten 354 Verfassungsbeschwerde 53, 250, 259, 270

422

Sachregister

Verfassungsorgan 155, 157 Verhältnismäßigkeit 186, 222, 358 Verletzung von Unionsrecht 299 Verstoß gegen Bundesrecht 286, 292 Verstoß gegen Unionsrecht 302 Verwaltungsvorschrift 105 Verwerfungsmonopol 299 Verwirkung der Antragsbefugnis 217, 218, 228, 272, 280 Vollzug 107, 246, 261, 278

Vorabentscheidungsverfahren 300, 301, 303 Vorlagepflicht 290, 298, 300, 302 Wächter über die objektive Verfassungsordnung 77, 78, 79, 251, 365 Wiederholung einer Popularklage 151, 260, 277 Willkürverbot 138, 141, 221, 234, 285, 316 Zustimmungsbeschluss 103, 111, 114, 264 Zwischenverfahren 46, 189