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German Pages 259 Year 1997
ULRICHRUST
Das kaufrechtliche Gewährleistungsrecht
Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 200
Das kaufrechtliche Gewährleistungsrecht Eine kritische Untersuchung der Reformvorschläge der Schuldrechtskommission
Von Ulrich Rost
Duncker & Humblot • Berlin
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Rost, Ulrich: Das kaufrechtliche Gewährleistungsrecht : eine kritische Untersuchung der Reformvorschläge der Schuldrechtskommission / von Ulrich Rust. - Berlin : Duncker und Humblot, 1997 (Schriften zum Bürgerlichen Recht, Bd.2(0) Zugl.: Trier, Univ., Diss., 1996/97 ISBN 3-428-09130-2
Alle Rechte vorbehalten
© 1997 Duncker & Humblot GmbH, Berlin
Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-7387 ISBN 3-428-09130-2 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 9
Meinen Eltern
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 1996/97 vom Fachbereich Rechtswissenschaft der Universität Trier als Dissertation angenommen. Rechtsprechung und Literatur konnten bis April 1997 berücksichtigt und eingearbeitet werden. Mein besonderer Dank gilt meinem verehrten Lehrer, Prof. Dr. Horst Ehmann für die Themenanregung, die stets engagierte Betreuung der Arbeit und die fortwährende Bereitschaft zur intensiven fachlichen Diskussion. Die Arbeit ist während meiner Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter an seinem Lehrstuhl entstanden. Ferner schulde ich Prof. Dr. Peter Marburger Dank für die äußerst zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Die Mühen des Korrekturiesens haben meine Schwester Brigitte Rust, die der Arbeit auch einige wertvolle inhaltliche Anregungen beigesteuert hat, Herr Frank Weber, Frau Sonja Wüstemann und meine Mutter auf sich genommen. Dafür herzlichen Dank. Des weiteren möchte ich Herrn Thomas Lambrich für die umfassende Unterstützung danken, die er während meines gesamten Promotionsverfahrens mit größtmöglicher Geduld geleistet hat. Trier, Wesei, im Frühjahr 1997
Ulrich Rust
Inhaltsverzeichnis § 1 Einleitung und Zielsetzung ................................................................................. 21 § 2 Die Entwicklungsgeschichte der Schuldrechtsreform ......................................... 24 I. Die Anfänge der Refonnbestrebungen ............................................................... 24 11. Die Gutachten zur Schuldrechtsrefonn ............................................................. 25 III. Der Abschlußbericht und der Refonnentwurf .................................................. 27
§ 3 Die dogmatischen Grundlagen ............................................................................ 31 I. Die Dogmatik des BGB ...................................................................................... 31 I. Der Vertragsinhalt .......................................................................................... 31 a) Die Beschaffenheit als bloßes Motiv ......................................................... 31 b) Die Beschaffenheit als Vertragsinhalt ....................................................... 32 c) Die Grundprinzipien des römischen Rechts ............................................... 34 d) Zusammenfassung ................................................................................ :.... 35 2. Die dogmatische Begründung der Gewährleistung beim Spezieskauf.. ......... 35 a) Die Gewährleistungstheorie ....................................................................... 36 aa) Die Gewährleistungstheorie unter dem Einfluß Zitelmanns ................ 37 bb) Die Gewährleistungstheorie unter dem Einfluß Flumes ...................... 39 cc) Die Gründe gegen die Herleitung aus der Vertragspflicht .................. 40 (I) Der fehlende Erfüllungsanspruch .................................................. 40 (2) Die Nichtigkeit gem. § 306 BGB ................................................... 40 b) Die Nichterfiillungstheorie ........................................................................ 41 aa) Die "bekennenden" Vertreter der Nichterfüllungstheorie ................... 41 bb) Die Ansicht Flumes ............................................................................. 42 cc) Die Rechtsprechung ............................................................................ 42 c) Stellungnahme ........................................................................................... 43 aa) Der fehlende Erfüllungsanspruch ........................................................ 43 bb) Die Nichtigkeit gern. § 306 BGB ........................................................ 45
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Inhaltsverzeichnis d) Ergebnis ..................................................................................................... 46 3. Der Rechtsgrund der Gewährleistung beim Gattungskauf.. ........................... 46 4. Leistungs- und Schutzpflichten ...................................................................... 47 a) Die Lieferung einer mangelhaften Sache als Nichterfüllung einer Leistungspflicht ......................................................................................... 47 b) Der Schadenersatzanspruch wegen schuldhafter Schlechtleistung als schuldhafte Verletzung einer Schutzpflicht.. ............................................. 50 11. Die Dogmatik des Kommissionsentwurfs .......................................................... 52 1. Die Pflicht zur Mangelfreiheit........................................................................ 53 2. Die Pflichtverletzung ..................................................................................... 56 a) Die Begriffsentwicklung ............................................................................ 57 aal Das Einheitliche Kaufgesetz................................................................ 57 bb) Das Huber'sche Gutachten ................................................................... 59 cc) Das UN-Kaufrecht. .............................................................................. 59 dd) Der Kommissionsentwurf.................................................................... 60 b) Die Vereinheitlichung des Haftungstatbestands ........................................ 60 c) Die Differenzierung zwischen Pflichtverletzung und Sorgfaltswidrigkeit .................................................................................................. 63 3. Zusammenfassung .......................................................................................... 65
§ 4 Der Sachmangel.. ................................................................................................... 67 I. Das BGB ............................................................................................................ 68 1. Die Differenzierung zwischen Fehler und zugesicherter Eigenschaft ............ 68 a) Der Fehlerbegriff ....................................................................................... 69 aal Der objektive Fehlerbegriff................................................................. 69 bb) Der subjektive Fehlerbegriff ............................................................... 72 b) Die zugesicherte Eigenschaft ..................................................................... 75 aal Die praktische Relevanz der Zusicherung ........................................... 76 bb) Die stillschweigende Zusicherung ....................................................... 77 c) Zusammenfassung ..................................................................................... 80 2. Die Differenzierung zwischen Fehler und Falschlieferung ............................ 81 a) Handelsrechtlicher Gattungskauf.. ............................................................. 83 aal Die Rechtsprechung ............................................................................ 83
Inhaltsverzeichnis
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bb) Die dogmatische Einordnung und die Reaktion der Literatur ............. 85 b) Bürgerlichrechtlicher Gattungskauf.. ......................................................... 88 c) Stückkauf................................................................................................... 88 d) Zusammenfassung ..................................................................................... 89 11. Der Kornmissionsentwurf .................................................................................. 89 1. Der Begriff des Sachmange1s ......................................................................... 89
a) Die Entscheidung für den subjektiven Fehlerbegriff ................................. 90 b) Der Wegfall der zugesicherten Eigenschaft ............................................... 90 c) Der Unterschied zwischen Beschaffenheit und Umweltbeziehung ............ 93 aa) Der unterschiedliche Haftungsgrund ................................................... 93 bb) Die Aufrechterhaltung der unterschiedlichen Haftungsgrundlagen nach dem Kornissionsentwurf ............................................................. 95 d) Zusammenfassung ..................................................................................... 97 2. Die Falschlieferung ........................................................................................ 97
a) Die Berechtigung der Gleichstellung ......................................................... 98 b) Der Ausnahmetatbestand ........................................................................... 99 c) Die Anpassung der Rechtsfolgen ............................................................. 100 aa) Das Gewährleistungsrecht als Konkretisierung des allgemeinen Leistungsstörungsrechts .................................................................... 100 bb) Die Minderung als spezielles Gewährleistungsrecht ......................... 100 d) Die bleibende Differenzierbarkeit zwischen Spezies- und Gattungskauf. .......................................................................................... 102 e) Zusammenfassung ................................................................................... 103 § 5 Die Nacherfflllung ................................................................................................ 104 I. Das BGB .......................................................................................................... 104 1. Die vereinbarte Nacherfllllung ..................................................................... 105
2. Das Nacherflillungsrecht des Verkäufers ..................................................... 105
a) Die Materialien zum BGB ....................................................................... 106 aa) Der Spezieskauf................................................................................. 106 bb)DerGattungskauf ................................. , .......................................... .. 107 (1) Die Abwendung der Minderung .................................................. 108 (2) Die Abwendung der Wandlung ................................................... 108 b) Die ablehnende Literaturansicht .............................................................. 109
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Inhaltsverzeichnis c) Der Ausnahmetatbestand der Rechtsprechung ......................................... 112 d) Stellungnahme ......................................................................................... 113 3. Die Nacherfüllungspflicht des Verkäufers ................................................... 117 a) Die Literaturansicht für eine gesetzliche Nachbesserungspflicht... .......... 118 b) Die herrschende Meinung gegen eine gesetzliche Nachbesserungspflicht ...................................................................................................... 120 c) Zusanunenfassung ................................................................................... 121 11. Der Kornmissionsentwurf ................................................................................ 122 1. Das Nacherflll1ungsrecht des Verkäufers ..................................................... 124 a) Die Ausnahmetatbestände ........................................................................ 124 aa) Der sofortige Rücktritt ...................................................................... 124 (1) Die offensichtliche Erfolglosigkeit der Nacherfüllung;
§ 323 I1Nr. I KE ........................................................................ 125 (2) Das einfache Fixgeschäft; § 323 11 Nr. 2 KE ............................... 126 (3) Besondere Gründe unter Abwägung der beiderseitigen Interessen; § 323 11 Nr. 3 KE ...................................................... 127 (4) Die fehlgeschlagene Nacherfüllung; § 439 11 KE ........................ 129 (5) Zusanunenfassung ....................................................................... 131 bb) Die sofortige Minderung ................................................................... 131 cc) Der sofortige Schadenersatz .............................................................. 132 b) Zwischenergebnis und kritische Würdigung ........................................... 133 2. Die Nacherfüllungspflicht des Verkäufers ................................................... 135 a) Der Ausnahmetatbestand des § 438 III KE .............................................. 135 aa) Die Bedeutung des § 438 III KE ....................................................... 135 bb) Der Inhalt des § 438 III KE ............................................................... 137 b) Zwischenergebnis und kritische Würdigung ........................................... 139 3. Zusanunenfassung ........................................................................................ 139
§ 6 Wandlung und Minderung ................................................................................ 141 I. Das BGB .......................................................................................................... 141 I. Die Wandlung .............................................................................................. 141 a) Die rechtstechnische Ausgestaltung ......................................................... 142 aa) Die Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch ................................. 143
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bb) Die Wandlungstheorien ..................................................................... 145 cc) Die Rechtsprechung .......................................................................... 147 b) Die Rückabwicklung ............................................................................... 149 2. Die Minderung: ............................................................................................. 151 11. Der Kommissionsentwurf ................................................................................ 152 1. Der Rücktritt ................................................................................................ 152 a) Die rechtstechnische Ausgestaltung ......................................................... 153 b) Der Ausnahmetatbestand der unerheblichen Pflichtverletzung gern. § 323 III Nr. 1 KE ................................................................................... 154 aa) Der Begriff der Unerheblichkeit. ....................................................... 154 bb) Die Reichweite des Ausnahmetatbestandes nach dern Kommissionsentwurf......................................................................... 156 c) Der Rücktritt bei Schutzpflichtverletzungen; § 323 III Nr. 2 KE ............ 157 d) Die Rückabwicklung ............................................................................... 160 e) Zusarnrnenfassung ................................................................................... 162 2. Die Minderung ..................... ;....................................................................... 163 § 7 Der Anspruch auf Schadenersatz....................................................................... 165 I. Das BGB .......................................................................................................... 165
1. Die Verschuldenshaftung bei mangelhafter Lieferung ................................. 166 a) Die allgemeine culpa-Haftung aufgrund Schutzpflichtverletzung ........... 167 b) Die culpa-Haftung bei Sachmängeln ....................................................... 168 aa) Die Materialien zum BGB und die anfängliche RG-Rechtsprechung .......................................................................................... 169 bb) Die konkreten Schutzpflichtverletzungen bei der Lieferung mangelhafter Kaufsachen .................................................................. 172 (1) Der Gattungskauf......................................................................... 172 (a) Fehlerhafte Produktion .......................................................... 173 (b) UnsorgflUtige Auswahl (aufgrund verletzter Untersuchungspflicht) .................................................................... 174 (c) Sorgfaltswidrige Empfehlung einer zum Vertragszweck untauglichen Gattung ............................................................ 175 (2) Der Spezieskauf........................................................................... 175 (a) Fehlerhafte Herstellung ......................................................... 175
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Inhaltsverzeichnis
(b) Unterlassene Untersuchung und Aufklärung ......................... 176 (c) Schuldhafte Mangelverursachung nach Vertragsschluß ........ 177 c) Der Umfang der Schadenersatzpflicht ..................................................... 177
aal Die heutige höchstrichterliche Beschränkung der culpa-Haftung nach der Art des Schadens................................................................. 178 (1) Der Mangelschaden ..................................................................... 179 (2) Der Mangelfolgeschaden ............................................................. 180 (a) Sach- und Personenschäden .................................................. 180
(b) Vennögensschäden ................................................................ 181 bb) Die Ersatzflihigkeit des gesamten Käuferinteresses aus der culpaHaftung .............................................................................................. 182 (1) Die Schutzpflichten zur Wahrung des gesamten Käuferinteresses...................................................................................... 183 (2) Höchstrichterliche Korrekturansätze zum Schutz des gesamten Käuferinteresses ........................................................... 185 cc) Die konkrete Kausalität zwischen Schutzpflichtverletzung und Schaden ............................................................................................. 186 (1) Die kausale Beeinträchtigung des Integritätsinteresses ............... 187 (2) Die kausale Beeinträchtigung des Äquivalenzinteresses ............. 187 (a) Der Gattungskauf .................................................................. 188
(b) Spezieskauf............................................................................ 189 (3) Zwischenergebnis ........................................................................ 191 d) Zusammenfassung ................................................................................... 191 2. Der Umfang der Haftung nach § 463 BGB .................................................. 192 a) Die Zusicherungshaftung ......................................................................... 193
aal Übersicht über die historische Entwicklung ...................................... 193 bb) Die verfehlte Einschränkung des Haftungsumfangs .......................... 194 cc) Das klarstellende erweiterte Verständnis des Haftungstatbestandes .. 195 b) Die Arglisthaftung ................................................................................... 196 H. Der KOrnnUssionsentwurf ................................................................................ 197 1. Die Verschuldenshaftung ............................................................................. 197 a) Die Grundstruktur der Ersatzpflicht......................................................... 197 b) Der "einfache" Schadenersatzanspruch; § 280 I KE ................................ 198 c) Der Ersatz des in der Mangelhaftigkeit selbst liegenden Schadens;
§§ 280 H, 283, 327 KE ............................................................................ 199
Inhaltsverzeichnis
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aa) Die Nacherfilllungsfrist ..................................................................... 200 bb) Die Differenzierung zwischen den §§ 283 und 327 KE .................... 200 d) Stellungnahme ......................................................................................... 201 2. Die Garantiehaftung ..................................................................................... 205 3. Zusammenfassung ........................................................................................ 206
§ 8 Die Verjlhrung.................................................................................................... 207 I. Das BGB .......................................................................................................... 207
1. Die kurze Verjährung des § 477 BGB im Verhältnis zu den sonstigen Anspruchsgrundlagen .................................................................................. 208 a) Die Rechtsprechung ................................................................................. 209 aa) Die positive Forderungsverletzung .................. ,................................ 209 bb) Culpa in contrahendo ........................................................................ 210 cc) § 823 BGB ........................................................................................ 212 dd) Die aliud-Lieferung ........................................................................... 214 b) Die Literatur ............................................................................................ 215 c) Stellungnahme ......................................................................................... 216 2. Der Verjährungsbeginn bei verdeckten Mängeln ......................................... 220 a) Die historischen Grundlagen.................................................................... 220 b) Die Position von Literatur und Rechtsprechung ................................... :.. 221 c) Zusammenfassung ................................................................................... 223 11. Der Kommissionsentwurf ................................................................................ 224 1. Die vertragliche Verjährung ......................................................................... 225
a) Die VeJjährungsfrist ................................................................................ 226 b) Der VeJjährungsbeginn............................................................................ 230 aa) Mängelansprüche; § 196 IV KE ........................................................ 230 bb) Sonstige Pflichtverletzungen; § 196 III KE ....................................... 231 cc) Das Abgrenzungsproblem zwischen Absatz IV und III des § 196 KE ..................................................................................... 232 dd) Zusammenfassung ............................................................................. 234 2. Die deliktische VeJjährung ........................................................................... 234 3. Die VeJjährung bei der Verletzung höchstpersönlicher Rechtsgüter;
§ 201 KE ...................................................................................................... 235
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Inhaltsverzeichnis 4. Die Verjährung bei Anspruchskonkurrenz ................................................... 235
5. Zusanunenfassung ........................................................................................ 237 § 9 Ergebnisse............................................................................................................. 239 I. Die Haftungsgrundlagen .............................................................................. 239 11. Der Sachrnangel ........................................................................................... 239 111. Die Nacherfilllung........................................................................................ 241 IV. Wandlung und Minderung ........................................................................... 242 V. Der Schadenersatzanspruch ......................................................................... 243
VI. Die Verjährung ............................................................................................ 244
VII. Fazit ............................ ;................................................................................ 245 Literaturverzeichnis................................................................................................... 246
Abkürzungsverzeichnis A. A.; a. A. a.D. a.E. a.M. A.a.O., a.a.O. ABGB ABl.EG Abschn. AcP ADHGB AGB-G,AGBG Allg. SehR.
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ArchBürgR Art.; Artt. Aufl. BB Bd. Bes. SehR. BGB BGBl. BGH BGHZ BT BT-Dr. BürgR BVerwG CISG CR
D.
ders. DIN Diss. DJT 2 Rust
anderer Ansicht außer Dienst am Ende [Frankfurt] am Main am angegebenen Ort Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch (Österreich) Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft (Nummer, Datum, Seite) Abschnitt Archiv für die zivilistische Praxis (Band, Jahr, Seite) Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch von 1861 Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen Allgemeines Schuldrecht (preußisches) Allgemeines Landrecht von 1794. Archiv für Bürgerliches Recht (Band, Jahr, Seite) Artikel Auflage Betriebs-Berater (Jahr, Seite) Band Besonderes Schuldrecht Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt (Jahr, Band, Seite) Bundesgerichtshof Amtliche Entscheidungssammlung des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen (Band, Seite). Besonderer Teil Bundestag - Drucksachen (Legislaturperiode, Seite) Bürgerliches Recht Bundesverwaltungsgericht Contracts for the International Sale of Goods Computer und Recht (Jahr, Seite) Digestenstelle derselbe Deutsche Industrie-Norm Dissertation Deutscher Juristentag
18 DNotZ DR Dt.
E e. V.
EG EKG EStG f.; ff. Fn. FS gem. Ges. Aufs. h.M. Habil. HGB Hrsg. hrsg. i. Br. i. d. F.
i. e. i. S. d. insb. JA Jh. Jb.
Jh. n. Chr. JR Jura JuS JW JZ KaufR KE KG KO LG lit. LM
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Abkürzungsverzeichnis Deutsche Notar-Zeitung (Jahr, Seite) Deutsches Recht (Jahr, Seite) Deutscher erster Entwurf zum Bürgerlichen Gesetzbuch eingetragener Verein Europäische Gemeinschaft Einheitliches Kaufgesetz Einkommensteuergesetz folgende Fußnote Festschrift gemäß Gesammelte Aufsätze herrschende Meinung Habilitation Handelsgesetzbuch Herausgeber herausgegeben [Frei burg] im Breisgau in der Form id est im Sinne des/der insbesondere Juristische Ausbildung (Jahr, Seite) Jherings Jahrbücher für die Dogmatik des heutigen Römischen Rechts und Deutschen Privatrechts (Band, Seite) Jahrhundert nach Christus Juristische Rundschau (Jahr, Seite) Juristische Ausbildung (Jahr, Seite) Juristische Schulung (Jahr, Seite) Juristische Wochenschrift (Jahr, Seite) Juristen-Zeitung (Band, Seite) Kaufrecht Kommissionsentwurf Kammergericht [Berlin] Konkursordnung Landgericht Buchstabe LindenmaierlMöhring (Hrsg), Nachschlagwerk des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen (Paragraph, Nummer der Entscheidung) Leipziger Zeitschrift für deutsches Recht (Jahr, Spalte) mit weiteren Nennungen Monatsschrift für deutsches Recht (Jahr, Seite) Münchener Kommentar (Bearbeiter, Vorschrift, Randnummer) Motive zum BGB (Band, Seite) Neue Juristische Wochenschrift (Jahr, Seite)
Abkürzungsverzeichnis
NJW-RR OLG OLGZ PandektenR Prot. Rdn. RG RGZ S. S. o. SehR, SchuldR Sp. Tit.
u. a.
UN Urt. v. VersR Vgl.; vgl. WM z. B. ZEuP ZG ZHR
ZIP zit. ZRP
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Neue Juristische Wochenschrift - Rechtsprechungsreport (Jahr, Seite) Oberlandesgericht Entscheidungen der Oberlandesgerichte in Zivilsachen (Band, Seite) Pandektenrecht Protokolle zum BGB (Band, Seite) Randnummer Reichsgericht Amtliche Entscheidungssammlung des Reichsgerichts in Zivilsachen (Band, Seite). Seite Siehe oben Schuldrecht Spalte Titel und andere United Nations (vereinte Nationen) Urteil vom Versicherungsrecht (Jahr, Seite) vergleiche Wertpapier-Mitteilungen (Jahr, Seite) zum Beispiel Zeitschrift für Europäisches Privatrecht (Jahr, Seite) Zeitschrift für Gesetzgebung (Jahr, Seite) Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht (Band, Jahr, Seite) Zeitschrift für Wirtschaftsrecht (Jahr, Seite) Zitiert Zeitschrift für Rechtspolitik (Jahr, Seite)
§ 1 Einleitung und Zielsetzung Die Sachmängelhaftung des Bürgerlichen Gesetzbuchs geht auf Rechtsgrundsätze zurück, die im antiken Rom von den kurilischen Ädilen für mangelhaftes Vieh und mangelhafte Sklaven entwickelt wurden. Diese im römischen Recht wurzelnde Konzeption hat im BGB zu einer Abtrennung und Verselbständigung der Sachmängelhaftung vom allgemeinen Leistungsstörungsrecht geführt. Folge dieser Trennung ist, daß das Gewährleistungsrecht eine Vielzahl von Abgrenzungsproblemen und inhaltlich kritisierten Regelungen in sich birgt, die dem allgemeinen Leistungsstörungsrecht fremd sind und demzufolge aus dessen Perspektive heraus mit Unverständnis betrachtet werden. Mit dem Abschlußbericht der Kommission zur Überarbeitung des Schuldrechts von 1991 1 und dem darin enthaltenen Gesetzesentwurf 2 soll nun der konstruktive Unterschied dieser beiden Rechtsgebiete zugunsten eines allgemeinen, umfassenden Leistungsstörungsrechtsaufgelöst werden, indem die Einführung eines einheitlichen Grundtatbestands in Form der Pflichtverletzung (vgl. § 280 I KE) vorgeschlagen wird. Demnach wäre der Sachmangel nur noch eine Sonderform der Pflichtverletzung und ohne weiteres in das allgemeine Schuldrecht integrierbar. Mit dieser Vereinheitlichung soll erreicht werden, daß die althergebrachten und nach Meinung Vieler unnötigen Sonderprobleme des Gewährleistungsrechts beseitigt werden. 3 Diese Zielsetzung der Schuldrechtsreform gibt einerseits Anlaß zur Frage, wie es tatsächlich um das gegenwärtige Sachmängelgewährleistungsrecht bestellt ist. Andererseits ist die Beantwortung der Frage von Interesse, ob der Kommissionsentwurf an den einzelnen Problempunkten des Gewährleistungsrechts in der Tat zu einer gegenüber dem geltenden Gewährleistungsrecht konstruktiv vereinfachenden und inhaltlich überzeugenderen Lösung kommt, so daß eine vollständige Auflösung der §§ 459 ff. BGB - wie vom Kommissionsentwurf vorgesehen - zu rechtfertigen ist. Der Gang der folgenden Untersuchungen wird dabei von einem problemorientierten Wechselspiel zwischen der kritischen Bestandsaufnahme des geltenden Rechts und der Untersuchung der diesbezüglichen Reformregelungen bestimmt. Inhaltlich richtet sich diese Arbeit dabei an den gängigen Hauptproblemen des Sachmängelgewähr-
Im folgenden nur: Abschlußbericht. 2 Im folgenden: Kommissionsentwurf (KE). 3 So der Abschlußbericht. S. 32 f.
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§ I Einleitung und Zielsetzung
leistungsrechts aus, deren Lösung auch ein erklärtes Ziel des Abschlußberichts ist4 : Zunächst ist in § 3 dieser Arbeit der Grund für die Haftung des Verkäufers mangelhafter Ware näher herauszuarbeiten, der im geltenden Gewährleistungsrecht auch nach fast 100 Jahren Rechtspraxis nicht eindeutig geklärt und mit dem Streit zwischen der Gewährleistungs- und Nichterfüllungstheorie belastet ist. Der Kommissionsentwurf scheint hier durch die Kodifizierung einer Pflicht zur mangelfreien Lieferung in § 434 KE eine Entscheidung zugunsten der Nichterfüllungstheorie herbeiführen zu können. § 4 der Arbeit beschäftigt sich ausführlich mit dem Begriff des Sachmangels. Dessen derzeitige Problematik besteht einerseits in der subtilen Differenzierung zwischen der bloßen Beschaffenheitsvereinbarung gem. § 459 I BGB und der eine Garantiehaftung auslösenden Eigenschaftszusicherung des § 459 11 BGB, die im übrigen auch noch stillschweigend erfolgen kann. Andererseits verursacht die Abgrenzung zwischen der Schlecht- und der Falschlieferung beim Gattungskauf eine nicht enden wollende Rechtsunsicherheit, welche durch die erhebliche Divergenz der unterschiedlichen Verjährungsfristen der §§ 477 und 195 BGB an praktischer Relevanz noch hinzugewinnt. Auch hier hält der Kommissionsentwurf auf den ersten Blick vereinfachende Regelungen parat, indem der Begriff der zugesicherten Eigenschaft ersatzlos gestrichen werden soll und die Falschlieferung gern. § 435 11 KE bis auf die Ausnahme der offensichtlichen Erfüllungsuntauglichkeit sowohl für den Spezies-, als auch für den Gattungskauf (denn die Schuldrechtskommission will zwischen diesen beiden Arten des Kaufes überhaupt keinen Unterschied mehr machen) den Regelungen der Schlechtlieferung unterworfen werden soll. § 5 dieser Arbeit behandelt daraufhin die Frage der Nacherfüllung, die im BGB als Rechtsbehelf des Käufers nur für den Gattungskauf in § 480 vorgesehen ist. Beim Spezieskauf steht dem Käufer bekanntlich kein entsprechender Anspruch zu. Diesen scheinbaren Mangel im Schutz des Käufers soll einerseits § 438 KE beseitigen, der dem Käufer einen allgemeinen Nacherfüllungsunspruch zugestehen soll. Andererseits soll dem Rücktritt und dem Schadenersatzverlangen in den §§ 323 I und 283 I KE das ergebnislose Verstreichen einer Nachfrist vorangestellt werden, so daß auch dem Verkäufer ein Nacherfüllungsrecht zustehen soll.
In § 6 wird auf die klassischen ädilizischen Rechtsbehelfe der Wandlung und der Minderung eingegangen. Ihre Besonderheit besteht in der zweigeteilten Konstruktion zunächst eines Anspruchs au/Wandlung oder Minderung und erst danach aus Wandlung oder Minderung. Dies hat zu einem nicht gelösten Theorienstreit um die Struktur dieser Rechtsbehelfe geführt, der in der heutigen Praxis allerdings nicht mehr beachtet wird. Der Kommissionsentwurf erhält zwar im Ergebnis diese Rechte des Käufers, will aber auch diese in ein all ge4 Abschlußbericht, S. 20 ff.
§ I Einleitung und Zielsetzung
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meines Leistungsstörungsrecht integrieren und will sie somit zu Gestaltungsrechten machen. Der Schwerpunkt dieser Arbeit liegt in § 7 beim Schadenersatzanspruch des Käufers wegen mangelhafter Lieferung. Der überflüssige Streit um die Existenz einer allgemeinen culpa-Haftung im BGB und die Frage nach deren Konkurrenzverhältnis zu § 463 BGB hat zu einer kaum nachvollziehbaren, aber mittlerweile gefestigten Differenzierung geführt: Die Haftung aus positiver Forderungsverletzung soll zwar Mangelfolgeschäden, nicht aber reine Mangelschäden erfassen. Über die §§ 434 und 280 KE soll nun eine allgemeine culpaHaftung des Verkäufers für die schuldhafte Verletzung der Pflicht zur mangelfreien Verschaffung ausdrücklich vorgesehen werden, womit auch die Konkurrenzproblematik zu sonstigen Schadenersatzansprüchen aus positiver Forderungsverletzung und culpa in contrahendo entschärft werden soll. Als letzter untersuchende Teil dieser Arbeit handelt § 8 von der Verjährung. Fast alle Konkurrenzprobleme des Gewährleistungsrechts zu anderen Ansprüchen führen letztlich auf die Frage nach der für die Parteien jeweils vorteilhaften Verjährungsfrist zurück. Dies ist unter Berücksichtigung der erheblichen Divergenzen zwischen den §§ 477,852 und 195 BGB nur zu verständlich, zumal ein rechtfertigender Grund dafür kaum erkennbar ist. Darüber hinaus ruft der ausnahmslose Verjährungsbeginn mit der Übergabe der Kaufsache seit Existenz des BGB Kritik hervor, denn die mögliche Konsequenz ist, daß Ansprüche bereits verjährt sind, bevor der Käufer den Mangel überhaupt erkannt hat. Auch dieses Problems hat sich der Kommissionsentwurf angenommen, indem er eine Streichung des § 477 BGB vorsieht und statt dessen eine einheitliche Verjährungsfrist für alle vertraglichen Ansprüche vorschlägt und eine Konkurrenzregelung zur Verjährung vertraglicher und deliktischer Ansprüche vorsieht. Für alle diese Probleme gilt es nun zu untersuchen, ob nicht bereits das BGB bei entsprechender Auslegung eine überzeugende Lösung bereithalten kann und ob der Kommissionsentwurf tatsächlich die Vereinfachungseffekte herbeiführt, die von seinen Verfassern erstrebt wurden.
§ 2 Die Entwi~geschichte der Schuldrechtsrefonn Mit dem der Öffentlichkeit seit Dezember 1991 vorliegenden Abschlußbericht der Kommission zur Überarbeitung des Schuldrechts 1 sind die diesbezüglichen Refonnbestrebungen zu einem vorläufigen Abschluß in Gestalt eines konkreten Gesetzesentwurfs gekommen. Bevor im Rahmen dieser Arbeit dessen konkreter Teilbereich des Sachmängelgewährleistungsrechts einer ausführlichen Untersuchung unterzogen wird, erscheint es lohnenswert, die fast zwanzigjährige Entwicklungsgeschichte kurz nachzuzeichnen.
I. Die Anfänge der Refonnbestrebungen Erste konkrete Überlegungen für eine Neuordnung des Schuldrechts kamen in der Bundesrepublik in Zusammenhang mit den Vorbereitungen zum AGBGesetz auf. 2 So betrachtete es der damalige bayerische Justizminister Hillermeier als notwendig, "das im Bürgerlichen Gesetzbuch und in Nebengesetzen geregelte Vertragsrecht durchgehend darauf zu überprüfen, inwieweit es veraltet, unzulänglich, lückenhaft und refonnbedürftig ist"3 , und die Mehrheit der damaligen Bundesländer schlug die Bildung einer Kommission zur Überarbeitung des gesamten Vertragsrechts vor. 4 Als treibende Kraft im Bundesministerium der Justiz sollte während des Frühstadiums der Refonnbewegung Alfred Wolf 5 hervortreten. 6 Stellt man die Frage nach dem geplanten Umfang und Inhalt der Refonnbestrebungen zu diesem Zeitpunkt, so ist keine eindeutige Antwort zu erlangen, da keine klaren rechtspolitischen Vorgaben existierten.7 Als Tendenz, die in den 1 Hrsg.: Bundesminister der Justiz, Köln, 1992, zitiert: Abschlußbericht. 2 Dem gingen die Bestrebungen zur Schaffung eines Volksgesetzbuches in der Zeit des Nationalsozialismus voraus (siehe zum Schuldrecht insb. StolI, Die Lehre von den Leistungsstörungen, 1936), die hier nicht näher dargestellt werden; vgl. auch § 3, dort Fn.122. 3 Hillenneier, BB 1976, 725 [727]. 4 Nachweise in: Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts, Bd. I, 1981 und bei Schlechtriem, Schuldrechtsreform, 1987, S. 8. Zu den politischen Reformbestrebungen vgl. auch BT-Dr. VIII, S. 5374 und 5390 mit Stellungnahme des damaligen Bundesministers der Justiz, H.-J. Vogel und Schmude, NJW 1982,2017. 5 In ZRP 1978,249, aber auch in AcP 182 (1982), S. 80. 6 So Lieb, AcP 183 (1983), S. 327. 7 Anschaulich Schwark, JZ 1980,741.
11. Die Gutachten zur Schuldrechtsreform
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Gutachten von 1981 deutlich zutage tritt, läßt sich festhalten, daß die Reformbedürftigkeit aus der Zersplitterung des bürgerlichen Rechts in eine Vielzahl von Sonderregelungen außerhalb des BGB hergeleitet wurde. Im übrigen fiel der Vorwurf des mangelnden sozialen Bezugs des Schuldrechts8 während der sozial-liberalen Bonner Koalition auf politisch fruchtbaren Boden, und im Rahmen des Gesetzgebungsverfahren zum AGB-Gesetz wurde die umfassende Ausrichtung des bürgerlichen Rechts am Verbraucherschutz diskutiert. 9 Im übrigen wurde aus der Perspektive des Positivismus und der Rechtssicherheit heraus bemängelt, daß das derzeit praktizierte Recht in einigen Bereichen kaum noch aus dem bloßen Gesetzeswortlaut heraus erkennbar sei, sondern daß das bürgerliche Recht trotz des unveränderten Fortbestehens der Normen unentwegt durch die Praxis fortentwickelt werde. Diese Lücke sollte durch eine Reform des Schuldrechts geschlossen werden. 10
11. Die Gutachten zur Schuldrechtsrefonn In den Jahren 1981 und 1983 erschienen in drei Bänden 24 "Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts"ll , die im Auftrag des Bundesjustizministeriums von Wissenschaftlern und Praktikern ausgearbeitet wurden. Diese Gutachten sollten als aktualisierte Problemdarstellung die Grundlagen für eine Entscheidung über Art und Umfang einer konkreten Schuldrechtsreform schaffen. Keinesfalls sollte mit ihnen der Reforrninhalt bereits festgelegt werden. Entsprechend facettenreich stellten sich dann auch die Gutachten dar: Einige beschränkten sich auf eine - allerdings weitgehende - dogmatische Neugestaltung des geltenden BGB12, andere diskutierten eine Vervollständigung des besonderen Schuldrechts durch die Aufnahme von weiteren typischen zivil-
8 Bereits von Gierke, Der Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuches und das Deutsche Recht, 1888/1889, mit der Forderung nach dem "Tropfen sozialistischen Oles", der das Privatrecht zu durchsickern habe. Während des Beginns der Reformtendenzen Hillermeier, BB 1976,725 und Schmude, NJW 1982,2017 [2020]. 9 Überblick bei Westermann, FS Gernhuber, 1993, S. 529 [530]. 10 Dazu Schwark, JZ 1980, 741; Schmude, NJW 1982, 2017 [2020] und H.P. Westermann, ZRP 1983, 249 [254 f.]. 11 Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts, Bände 1 und 2, 1981, Bd. 3, 1983. Zur VorgeschichteA. Wolf, AcP 182 (1982), S. 80. 12 So Peters/Zimmermann, Gutachten, 1981, S.77, zur Verjährungsfrage; Huber, Gutachten I und 11, 1981, S. 647 und 911 zum allgemeinen Leistungsstörungsrecht und Kaufrecht.
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§ 2 Die Entwicklungsgeschichte der Schuldrechtsrefonn
rechtlichen Rechtsgestaltungen l3 , und auch die Diskussion um ein übergreifendes Verbraucherschutzrecht l4 ist in den Gutachten enthalten. Genauso weitgehend wie die Gutachten zur Schuldrechtsüberarbeitung stellt sich die nicht ausgebliebene Kritik dar, die sich nicht nur auf die Aufdeckung konstruktiver Schwächen der Neuvorschläge beschränkte, sondern zum Teil fundamentale Bedenken gegen eine Schuldrechtsreform vorbrachte, deren prägnantesten Ansatzpunkte im Folgenden darzustellen sind. So wird etwa ein völliger Abschied vom BGB befürchtet, indem an Stelle der Vertragsfreiheit ein "Verbraucherschutzgesetzbuch" trete 15 , welches mangels Aussagekraft und Definierbarkeit des Verbraucherschutzes konturlos und inhaltsleer sein müsse. 16 In dieselbe Sparte gehört auch die zutreffende Kritik gegen das Verlangen, das Bürgerliche Gesetzbuch durch eine Reform klarer, volkstümlicher und allgemeinverständlicher zu gestalten. Vielmehr hat der Adressat einer Kodifikation bezüglich der Verständnismöglichkeit Jurist zu sein 17 , dem ein gewisses Maß an Abstraktionsvermögen zumutbar ist. Es ist daher richtig, daß Kötz es als pure Romantik bezeichnet, "wenn man sich vom BGB wünschte, was man vom Code civil behauptet hat, nämlich daß das Gesetzbuch im Bücherregal der Bauersfrau gleich der Bibel aufgestellt steht und von ihr in allen Lebenslagen zu Rate gezogen wird."18 Weit darüber hinaus geht die Kritik H. H. Jakobs.I 9 Seiner Ansicht nach soll der Gesetzgeber zu Regelungen im bürgerlichen Recht nur befugt sein, wenn es um eine schnelle Reaktion auf einen nur durch die politische Entscheidung zu beseitigenden Mißstand im geltenden Recht geht. Diesem dem Gesetzgeber vorbehaltenen beschränkten Freiraum stellt er den ausschließlich der Jurisprudenz vorbehaltenen Bereich gegenüber, der sich mit rechtstechnischen Fragen befaßt und dem Gesetzgeber daher vorzuenthalten sei. Noch vor der Fest13 Siehe nur Deutsch/Geiger, Gutachten, 1981, S. 1049 zum medizinischen Behandlungsvertrag. 14 H.P. Westennann, Gutachten, 1983, S. 1. 15 E. Wolf, ZRP 1982, I und ZRP 1983,241. 16 Lieb, AcP 183 (1983), S. 327 [348 ff.]; vorsichtiger A. Wolf, AcP 182 (1982), S.80 ff. und H.P. WestennannlKarakatsanes. Schuldrechtsrefonn in Deutschland und Griechenland. 1986. S. 28. 17 Richtig Jakobs, Leistungsstörungsrecht. 1985. S. 9. 18 Kötz, 60. DIT. 1994. Bd. 1111, K 13. Im übrigen steht das BOB dank der Pandektistik des 19. Jahrhunderts auf einem qualitativ höheren Abstraktionsniveau als der Code Civil von 1804. und schon hier sei die Frage aufgeworfen, ob der Kommissionsentwurf von 1991 einem Rückschritt gleichkommt. wenn das gesamte Leistungsstörungsrecht mit einem einheitlichen Oberbegriff der Pflichtverletzung definiert werden soll. 19 In: Wissenschaft und Gesetzgebung im bürgerlichen Recht. 1983. S. 45 ff. und 145 f. Dazu wiederum Medicus. AcP 186 (1986), S. 268 und der Abschlußbericht. S.41.
III. Der Abschlußbericht und der Reformentwurf
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legung des genauen Mandats für die Schuldrechtskommission ordnete Jakobs die gesamte Problematik der Reform den technischen Fragen zu, deren Klärung daher der Jurisprudenz zu überlassen sei. Gegen diese Ansicht ist zutreffend eingewandt worden, daß eine Abgrenzung in politische und technische Fragen im Bereich des Zivilrtichts kaum zu bewerkstelligen ist und es der Legislative nicht zumutbar sein kann, untätig abzuwarten, bis die Judikative die Einzelprobleme des Schuldrechts überzeugend löst. 20 Im übrigen sprechen erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken gegen eine derartig begrenzte Befugnis des Gesetzgebers. 21 Zu erwähnen bleibt letztlich eine weitere grundsätzliche Kritik gegen eine Schuldrechtsreform, die auch durch den gegenüber den Gutachten von 1981 und 1983 wesentlich abgeschwächten Vorschlag der Schuldrechtskommission nichts an Schärfe verliert. So wird in Anlehnung an von Savigny und den großen Kodifikationenstreit des 19. Jahrhunderts 22 am Beruf unserer Zeit zur Überarbeitung des Schuldrechts gezweifelt23 , da durch eine "ins Endlose gehende" Ausdifferenzierung und den Verlust nahezu aller überkommenen Konsense auf dem Gebiet des Privatrechts keine gemeinsame Rechtsüberzeugung bestehe, die einer Gesetzgebung von der geplanten Art und wie sie von Savigny vorschwebte als Grundlage dienen könnte. 24 Außerdem befürchtet Braun25 , daß jeder tiefere Eingriff in ein überkommenes System einen Kontinuitätsbruch nach sich zieht und durch ein neues Gesetz die Rechtserkenntnis in gewissem Umfang auf einen "Punkt Null" zurückgeworfen wird.
ill. Der Abschlußbericht und der Refonnentwurf Nach der Veröffentlichung der vorbereitenden Gutachten hat der damalige Bundesminister der Justiz Engelhard eine Kommission zur Überarbeitung des Schuldrechts (im Folgenden: Schuldrechtskommission) eingesetzt, die sich am 2. Februar 1984 konstituiert hat. 26 Sie erhielt den Auftrag, 20 Rolland, NJW 1992,2377 [2378]. 21 Dazu Medicus, AcP 186 (1986), S. 268 [288]. 22 Einerseits von Savigny, Vom Beruf unserer Zeit für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft, Heidelberg, 1814, andererseits Thibaut, Über die Notwendigkeit eines allgemeinen bürgerlichen Rechts für Deutschland, Heidelberg, 1814. 23 Braun, JZ 1993, 1; auch: Westerhoff, ZG 1994,97 [123 f.]. Anders Diederichsen, AcP 182 (1982), S. 101 [125], der diese Gefahr verneint, indem er einen grundlegenden
Unterschied zwischen der ursprünglichen Entscheidung für eine Kodifikation und deren nachfolgenden Änderung sieht. . 24 Braun, JZ 1993, 1 [6]. 25 JZ 1993, 1 [5 f.]. 26 Der Schuldrechtskommission gehörten an: Ministerialdirektor Dr. Günther Schmidt-Räntsch (als Vorsitzender bis 9. Sitzung) (Bonn); Ministerialdirektor Dr.
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§ 2 Die Entwicklungsgeschichte der Schuldrechtsreform
"Vorschläge zu erarbeiten, die es dem Gesetzgeber erlauben, das allgemeine Leistungsstörungsrecht, das Gewährleistungsrecht des Kauf- und Werkvertrages sowie das Veljährungsrecht unter Berücksichtigung insbesondere der Ergebnisse der Rechtsprechung und der Praxis übersichtlicher und zeitgemäßer zu gestalten. Sie soll ihre Arbeitsergebnisse als Bericht vorlegen, der mit einem Gesetzesvorschlag mit Begründung abschließt. Sollte die Kommission im Verlaufe der Arbeit erkennen, daß weitere Bereiche des Schuldrechts der Überarbeitung bedürfen, so sollte sie ihre Überlegungen hierzu ebenfalls in der Form eines Berichts unterbreiten. "27
Sowohl aus diesem Auftrag als auch aus der Stellungnahme des damaligen Justizministers28 wird deutlich, daß die Aufgabe nicht darin bestand, einen Abschied vom BGB einzuläuten, wie es noch aufgrund der wesentlich weiterreichenden Gutachten befürchtet wurde. 29 Vielmehr sollte die zentrale Bedeutung, die dem Schuldrecht des BGB zukommt, erhalten und nach Möglichkeit gestärkt werden. In Auftrag gegeben war also eine Überarbeitung unter Wahrung der systematischen Grundstrukturen, der methodischen Ansätze und der Grundwertungen des Gesetzes in Verbindung mit einer Aufarbeitung der Erfahrungen aus acht Jahrzehnten seiner Anwendung.3 0 Der Schwerpunkt des im Dezember 1991 veröffentlichten Reforrnentwurfs zum Schuldrecht umfaßt dem Auftrag entsprechend eine weitgehende dogmatische Umstrukturierung des allgemeinen Leistungsstörungsrechts, des Gewährleistungsrechts bei Kauf- und Werkverträgen und eine Vereinheitlichung des Verjährungsrechts.3 1 Eine darüber hinausgehende Zurückführung von SonderWalter Rolland (als Vorsitzender ab 10. Sitzung) (Bonn); Notar Prof. Dr. Günter Brambring (Köln); Prof. Dr. Uwe Diederichsen (Göttingen); Ministerialrat Dr. Lothar Haas (Hannover); OLG-Präsident Prof. Dr. Helmut Heinrichs (Bremen); Richter am OLG Dr. Wolfgang Henrich (Koblenz); Vizepräsident des OLG Horst-Heiner Hensen (Hamburg); Präsident des Bayerischen Obersten Landesgerichts Dr. Gerhard Herbst (München); Leitender Minsterialrat a. D. Jürgen Jürgensen (Stuttgart); Prof. Dr. Hein Kötz (Hamburg); Präsident des LG a. D. Rudolf Kuck (Kassel); Prof. Dr. Dieter Medicus (München); Ministerialdirigent Dr. Rolf Meyer ter Vehn (Düsseldort); Rechtsanwalt Dr. Dieter Rabe (Hamburg); Prof. Dr. Peter Schlechtriem (Freiburg); Richter am BGH Prof. Dr. Alfred Walchshöfer (bis 19. Sitzung) (Karlsruhe). 27 Abschlußbericht, S. 15. 28 Engelhard, NJW 1984, 1201. 29 Siehe oben, Fn. 15 und 16. 30 Abschlußbericht, S. 15. Ein politischer Grund für den eingeschränkten Auftrag der Schuldrechtskommission ist sicherlich im damaligen Regierungswechsel hin zu einer christlich-liberalen Koalition zu sehen, die sich nicht nur auf dem Gebiet des bürgerlichen Rechts der Subsidiarität und gesetzgeberischen Zurückhaltung verpflichtet sah. 31 Erläuternd dazu die Kommissionsmitglieder Haas, NJW 1992, 2389 zur Mängelhaftung; Medicus, NJW 1992,2384 zum Leistungsstörungsrecht; Rabe, NJW 1992,2377 zum Veljährungsrecht; allgemein Rolland, NJW 1992,2377 und Schlechtriem, ZEuP 1993,217 mit europäischem Bezug.
III. Der Abschlußbericht und der Reformentwurf
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gesetzen in das Bürgerliche Gesetzbuch hat die Schuldrechtskonunission genauso verworfen, wie die Aufnahme sonstiger praktisch bedeutsamer Vertragstypen. Dementsprechend milder ist die Kritik am Kommissionsentwurf im Vergleich zu den Gutachten von 1981 und 1983 ausgefallen, die sich fast ausschließlich auf rechtstechnische und dogmatische Probleme beschränkt. 32 Ausgeklammert bleibt in der Arbeit der Schuldrechtskonunission der rechtsvereinheitlichende, europarechtliche Bezug. Das Kommssionsmitglied Rolland stellt in diesem Zusammenhang nicht zu Unrecht die Frage, ob eine separate Weiterentwicklung des nationalen Privatrechts überhaupt noch förderungswürdig ist, soweit davon die Gestaltung wirtschaftlicher Verhältnisse beeinflußt wird. 33 Vielmehr ist zu berücksichtigen, daß durch die zunehmenden Bestrebungen zur Rechtsangleichung auf dem Gebiet des Zivilrechts ein nicht unerheblicher Einfluß auf die Änderungen des nationalen Rechts genommen werden kann. 34 So hat etwa die von der EG-Konunission geförderte Lando-Gruppe, die seit 15 Jahren an der Vereinheitlichung des Vertragsrechts arbeitet, vor kurzem ein erstes Arbeitsergebnis vorgelegt35 , und auch das Europäische Parlament hat schon 1991 in einer Entschließung eine "Vereinheitlichung umfassender Bereiche des Privatrechts" und den Beginn "mit den erforderlichen Vorbereitungshandlungen zur Ausarbeitung eines einheitlichen Europäischen Gesetzbuchs" gefordert, um die Verwirklichung des Binnenmarktes besser zu gewährleisten.36 Eine bestandsfeste nationale Reform des Schuldrechts als Fortschreibung des als Errungenschaft des spät entstandenen deutschen Nationalstaates zu verstehenden BGB muß daher als unwahrscheinlich bezeichnet werden. Zu beachten sind weiterhin die sekundären Rechtsetzungsakte der EG in Gestalt der umsetzungsbedürftigen Richtlinien, die den nationalen Gesetzgeber unabhängig von seinen eigenen Reformbestrebungen zum Handeln verpflichten. 32 Zum Schuldrecht allgemein Ahrens, ZRP 1995,417; Ernst, JZ 1994, 801; ders., NJW 1994, 2179; Kriechbaum, JZ 1993, 642 und Schapp, JZ 1993, 637; zum Rücktrittsrecht Kohler, WM 1993,45; zur Gefahrtragung beim Kauf Ernst, ZIP 1993, 481; zum Verzug H.P. Westermann, FS Gernhuber, 1993, S.529; zum Werkvertrag, allerdings noch vor Veröffentlichung des Reformentwurfs Küpper, Der Werkvertrag in der Schuldrechtsreform, 1989; zu den Auswirkungen auf das Arbeitsvertragsrecht Ramrath, MDR 1995, 973; zu versicherungsrechtlichen Aspekten Präve, NJW 1993, 265; zur gesetzestechnischen Methodik Westerhoff, ZG 1994, 97. Zur Kritik am Gewährleistungsrecht vgl. die detaillierten Nachweise in den §§ 3-8 dieser Arbeit. 33 Rolland, NJW 1992,2377 [2383]; ähnlich Ernst, NJW 1984,2177 [2178]. 34 Vgl. insgesamt Rittner, JZ 1995, 849 und Müller-Graf! (Hrsg.), Gemeinsames Privatrecht in der Europäischen Gemeinschaft, 1993. Zu den Reformbestrebungen im ABGB Krejci, Reform des Gewährleistungsrechts, 1994. 35 LandolBeale, Principles of European Contract Law, Part I, 1995. Dabei konnten schon die Principles of International Commercial Contracts des International Institute for the Unification of Private Law (Unidroit), Rom, 1994, berucksichtigt werden. 36 ABI. EG 1989, Nr. C 158 vom 26.05.1989, S. 400 ff.
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§ 2 Die Entwicklungsgeschichte der Schuldrechtsreform
Im Hinblick auf die Schuldrechtsrefonn sind sicherlich die EG-Richtlinie über mißbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen37 und der Richtlinienvorschlag der Kommission zur Haftung bei Dienstleistungen38 zu berücksichtigen, die einen Umsetzungszwang im Bereich des Schuldrechts beinhalten können. Obwohl eine nähere Auseinandersetzung mit diesen Rechtsetzungsakten im Folgenden nicht vorgesehen ist, kann mit ihnen doch verdeutlicht werden, daß eine nationale Refonn ohne die Berücksichtigung der europäischen Rechtsetzung die ständige Gefahr in sich birgt, Makulatur zu erzeugen. Es bleibt noch die Frage nach der Umsetzung innerhalb des förmlichen Gesetzgebungsverfahrens zu beantworten. Diesbezüglich sind lediglich Prognosen möglich. Nach der Auskunft des Vorsitzenden des Rechtsausschusses des deutschen Bundestages Eylmann wird die gegenwärtige 13. Legislaturperiode für Verbandsanhörungen und Referentenarbeit zu nutzen sein, um in der folgenden 14. Legislaturperiode einen Kabinettsentwurf auf den gesetzgeberischen Weg bringen zu können.3 9 Allerdings sind Bedenken allgemeiner Art an der Durchführbarkeit einer Schuldrechtsrefom vorzutragen, die sich aus dem gegenwärtigen, allgemeinen Zustand der Gesetzgebung herleiten. Es muß nämlich bezweifelt werden, ob der Gesetzgeber wie im 19. Jahrhundert die Kraft aufzuweisen bereit ist, der es bedarf, eine derart dogmatische Umgestaltung des BGB herbeizuführen, ohne es dabei aus "Gründen der Taktik, des Stimmenfangs, der parteipolitschen Profilierung und des Kompromisses über sachnahe und sachfremde Probleme bis zur Unkenntlichkeit"4O zu entstellen.
37 ABi. EG 1993, Nr. L 95 vom 21.04.1993, S. 29. 38 ABi. EG 1991, Nr. C 12 vom 18.01.1991, S. 8.. 39 Eylmann auf der Podiumsdiskussion des 24. Deutschen Notartages zum Thema Schuldrechtsreform und notarielle Vertragsgestaltung, DNotZ 1993,77 [101 f.]. 40 Treffend Braun, JZ 1993, 1 [7]. Als Beispiel des Lobbyismus siehe bereits Joussen, 60. DIT, K 29 ff., der die allgemeine Fahrlässigkeitshaftung für Sachmängel und die Verlängerung der Verjährungsfrist aus der Sicht von Industrie und Handel für unangemessen hält.
§ 3 Die dogmatischen Grundlagen Um die angestrebte Reform des Gewährleistungsrechts angemessen würdigen zu können, bedarf es einer Auseinandersetzung mit den dogmatischen Grundlagen der Gewährleistungshaftung des Verkäufers. Warum haftet der Verkäufer bei Vorliegen eines Sachmangels auf Rücktritt, Minderung oder eventuell Schadenersatz? Sowohl nach geltendem Recht als auch nach dem Kommissionsentwurf ist zu klären, ob die auf den ersten Blick schlüssigste, zum allgemeinen Leistungsstörungsrecht passende Herleitung der Gewährleistungshaftung, nämlich die aus dem Vertragsinhalt und der Verkäuferpflicht, die Sache frei von Sachmängeln zu übereignen, auch bei näherer Untersuchung haltbar ist und welchen Kritikansätzen sie dabei ausgesetzt ist.
I. Die Dogmatik des BGB 1. Der Vertrawrinhalt Es wird heute kaum noch l bestritten, daß die Beschaffenheit der Kaufsache Inhalt der vertraglichen Vereinbarung zwischen Käufer und Verkäufer ist. Der Inhalt des Vertrages und der rechtsgeschäftliche Wille des Käufers erschöpfen sich beim Spezieskauf z. B. nicht im Erwerb eines lediglich gegenständlich individualisierten Rings. Vielmehr erstrecken sich Vertragsinhalt und rechtsgeschäftlicher Wille auf den Kauf des bestimmten Rings mit der vereinbarten Eigenschaft, daß er aus Gold ist. Auch ohne eine Zusicherung i. S. d. § 459 11 BGB erstreckt sich der Vertragsinhalt auf die Beschaffenheiten der Kaufsache, im Umkehrschluß also auf deren Fehlerfreiheit. Beim Gattungskauf stellt sich diese Frage nicht. Der rechtsgeschäftliche Wille erfaßt die Eigenschaften und Beschaffenheiten der Kaufsache, da andernfalls überhaupt keine gattungsmäßigen Merkmale bestünden, anhand derer der Verkäufer eine Konkretisierung vornehmen könnte.
a) Die Beschaffenheit als bloßes Motiv Bei und nach Schaffung des BGB war allerdings eine entgegengesetzte Meinung herrschend. Grundlegend für diese Ansicht waren die Untersuchungen 1 Zuletzt nur noch Knöpfte, JZ 1978, 121.
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§ 3 Die dogmatischen Grundlagen
Zitelmanns2 zur Abgrenzung zwischen dem beachtlichen Eigenschafts- und dem unbeachtlichen Motivirrtum. Zitelmann ordnet in seiner psychologischen Untersuchung die Vorstellung einer Vertragspartei über bestimmte Eigenschaften einer Sache lediglich als Motiv des Willens ein. Der rechtlich relevante Inhalt der Willenserklärung des Käufers erstreckt sich nach Zitelmann lediglich auf die räumliche und gegenständliche Individualisierung der Kaufsache unter Ausschluß ihrer Beschaffenheiten. Vorstellungen über die Eigenschaften der Kaufsache sollen demnach nicht zu deren Auswahl gehören, sondern nur noch Aussagen über das bereits Ausgewählte treffen. ,,Es ergibt sich demnach, dass eine Vorstellung über die Eigenschaften eines individuell bestimmten Objects niemals Element derjenigen Absicht ist, welche auf das Eintreten einer sich an diesem Object vollziehenden Veränderung geht. Vielmehr ist sie höchstens Motiv für die Fassung einer Absicht. "3 Diese Ansicht wurde auch von der Kommission zum ersten Entwurf des BGB übernommen. In den Motiven heißt es: "Irrtum in den Gattungseigenschaften ist ebenso wie der Irrtum über Eigenschaften der gegenüberstehenden Person ein Irrtum in den Beweggründen, schließt mithin die Willenswirklichkeit nicht aus. "4 Diese Ansicht war bis weit in das 20. Jahrhundert herrschend. 5 In letzter Zeit wird die Lehre Zitelmanns soweit ersichtlich - nur noch von Knöpfle6 vertreten. Für ihn wäre die Vereinbarung einer anderen Beschaffenheit, als die Sache tatsächlich hat, ebenso wie für Zitelmann7 ein "nonsens"8 .
b) Die Beschaffenheit als Vertragsinhalt Flume warf 1948 die Frage neu auf, in welchem Verhältnis die Vorstellung von Eigenschaften zum rechtsgeschäftlichen Willen steht. In seiner Untersuchung kommt er zu dem allein überzeugenden Ergebnis, daß eine Individualisierung des Kaufgegenstandes ohne eine (zumindest konkludente) Beschaffenheitsvereinbarung undenkbar ist; genauer: "daß bei der Leistungsvereinbarung die Vorstellung der Parteien von den Eigenschaften des bestimmten Leistungsgegenstandes Bestandteil des rechtsgeschäftlichen Willens sein kann und in der Regel auch ist, und die Vorstellung von den Eigenschaften nicht nur dem
2 Zitelmann, Irrtum und Rechtsgeschäft, 1879, S. 235 ff., S. 438 ff., insb. S. 439. 3 Ders., S. 440. 4 Mot. I, 199. 5 Nachweise bei Flume, Eigenschaftsirrtum, 1948, S. 13, dort Fn. 14. Unklar Larenz, SchuldR lI/I, 13. Aufl., 1986, § 41 11 e), Fn. 14: Individualisiert werde die Kaufsache durch Vorweisen; nicht auch durch ihre Eigenschaften, mögen diese auch vom Käufer mitgedacht und für seinen Kaufentschluß mitbestimmend sein. 6 Knöpfte, JZ 1978, 121. 7 Irrtum und Rechtsgeschäft, S. 439. 8 Siehe Fn. 6.
I. Die Dogmatik des BGB
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rechtsgeschäftlichen Willen vorgelagertes Motiv der Willensbildung ist. "9 Dies wird überzeugend damit begründet, daß die Beschaffenheit und Individualität nicht voneinander zu trennen sind, da der Wille nicht bezüglich eines bestimmten individualisierten Gegenstandes zustandekommt, sondern rechtsgeschäftliehe Willensobjekte immer nur Gegenstände von einer bestimmten vorgestellten Beschaffenheit sind, so daß sich der rechtsgeschäftliehe Wille auf die Leistung des Gegenstandes in der vorgestellten Beschaffenheit richtet.l 0 Der auf den Erwerb der Kaufsache gerichtete' Wille des Käufers umfaßt also in der Regel das Kaufobjekt mit den vorgestellten Eigenschaften, so daß dieses Objekt mit seinen Eigenschaften bei Einverständnis des Verkäufers Vertragsgegenstand wird, selbst wenn die individualisierte Sache mit den vorgestellten Eigenschaften gar nicht existiert. In Flumes Argumentation verfangt aber trotz der möglichen Nichtexistenz eines solchen Vertragsgegenstands die Erwägung Zitelmanns und Knöpfles nicht, die Vereinbarung einer anderen Beschaffenheit, als die Sache tatsächlich habe, wäre ein "nonsens" 11. Es kann selbstverständlich nicht vereinbart werden, daß dieser Ring, der in Wirklichkeit aus Messing ist, aus Gold ist, da ein tatsächlicher Zustand als solcher nicht rechtsgeschäftlieh bestimmt werden kann. Ein Zustand der Kaufsache wird auch gar nicht versprochen, solange keine Garantie vorliegt. Vielmehr wird lediglich eine Leistung versprochen, nämlich die Besitz- und Eigentumsverschaffung dieses Rings aus Gold entsprechend der Vorstellung der Vertragsparteien, daß dieser Ring aus Gold ist. Diese Untersuchung Flumes hat den Streit um den Begriff des Sachmangels entschieden: Durch die Einbeziehung der Beschaffenheit in den rechtsgeschäftlichen Willen und durch die untrennbare Verknüpfung von Individualität und Charakteristik der Kaufsache beim Stückkauf wird der subjektive Fehlerbegriff 12, wonach ein Sachmangel dann vorliegt, wenn die Beschaffenheit der gelieferten Sache von der vereinbarten oder vorausgesetzten Beschaffenheit für den Käufer negativ abweicht, argumentativ untermauert. Ist die Beschaffenheit einer Kaufsache zumindest konkludent Vertragsinhalt geworden, so ist dieser Inhalt für den Begriff des Sachmangels i. S. d. § 459 I BGB maßgeblich, nicht aber eine wie auch immer geartete normale Beschaffenheit entsprechend einer objektiv festgelegten Gattung. 9 Flume, Eigenschaftsirrtum, S. 17. 10 Flume, Eigenschaftsirrtum, S. 20, 27; auch: Herberger, Rechtsnatur, Aufgabe und Funktion der Sachmängelhaftung nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch, 1974, S. 56. 11 Vgl. Fn. 7 und 8. 12 In Rechtsprechung und Literatur ganz herrschende Ansicht, vgl. bereits Siber, SehR., 1931, § 51 III 1 a (S. 235); EnnecceruslLehmann, SehR, 15. Aufl., 1930, § 108 Il und Note 3a; EsserlWeyers, SchuldR Il, 1991, § 5 Il 1; K. Schmidt, Handelsrecht, 4. Aufl., 1994, § 29 III 6; JauemiglVolikommer, 7. Aufl., 1994, § 459, Anm. Ill; RGZ 99, 147 (Urt. v. 08.06.1920, Haarkjöringsköd); weitere Nachweise bei SoergellHuber, Vor § 459, Rdn. 20 ff. 3 Rusl
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§ 3 Die dogmatischen Grundlagen
Gehen Käufer und Verkäufer davon aus, daß das Bild ,,Eichen am Wasser" von Jakob Issaakssohn van Riusdael stammt, wurde es aber von dessen weniger bekannten Vetter Jakob Salomonssohn van Ruisdael gemalt 13 , so liegt ein Fehler i. S. d. § 459 I BGB vor, da die vereinbarte Beschaffenheit (gemalt von Issaakssohn) nicht mit der tatsächlichen (gemalt von Salomonssohn) übereinstimmt. Aufgrund des Primats der Parteivereinbarung kommt die das Gewährleistungsrecht ausschließende Argumentation der objektiven Fehlertheorie, ein Bild von Salomonssohn van Ruisdael sei kein fehlerhafter Issaakssohn van Ruisdael, sondern gehöre einer anderen Gattung an, nicht zum Tragen. c) Die Grundprinzipien des römischen Rechts
Bevor das Wesen der Gewährleistung nach geltendem Recht anhand der gewonnenen Erkenntnisse um den Inhalt des Kaufvertrages untersucht wird, erscheint es angebracht, die Prinzipien des römischen Rechts darzustellen. Die Besinnung auf dieses antike Rechtssystem ist nicht bloß ein historischer Exkurs, sondern notwendig zum richtigen Verständnis des geltenden Rechts, da das römische Recht im deutschen gemeinen Recht fortlebte und auch die Entstehung des geltenden Gewährleistungsrechts maßgeblich mitbeeinflußt hat. Nach dem klassischen römischen Recht innerhalb der ersten zweieinhalb Jahrhunderte unserer Zeitrechnung gab es eine Verkäuferhaftung für die sachliche Beschaffenheit aus dem Kaufvertrag als actio empti des Käufers nur in den Fällen der Arglist oder der Garantieübernahme durch Eigenschaftszusicherung in Form von dicta oder promissa. 14 Die ädilizischen Rechtsbehelfe beim Vieh- oder Sklavenkauf, nämlich die actio redhibitoria (Wandlung) und die actio quanti minoris (Minderung) hatten ihren Grund nicht im Vertragsinhalt, sondern in den Edikten der Ädilen. In diesen marktpolizeilichen Vorschriften wurde bestimmt, bei welchen Fehlerarten den Verkäufer eine Aufklärungs- und Garantiepflicht traf. Neben oder anstelle der Garantiestipulation bestanden nach den ädilizischen Edikten die actio redhibitoria und die actio quanti minoris. 15 Da den Ädilen eine polizeiliche Funktion zukam, fügten sie dem Kaufvertrag durch die von ihnen festgelegten Fehlerarten eine hoheitliche objektivierte Haftung von außen zu, ohne den konkreten Vertragsinhalt zu berücksichtigen. Im klassischen römischen Recht beruhte die Sachmängelhaftung nicht auf dem Inhalt des Kaufvertrages, sondern stand selbständig neben ihm. 16 13 Vgl. RGZ 135,339 (Urt. v. 07.03.1932,
van Ruisdael).
14 KaserI, 1971, § 131 11 1, S. 557; Flume, Eigenschaftsirrtum, S. 57.
15 Kaser I, § 131 11 4, S. 558. 16 Allerdings darf nicht unterschlagen werden, daß auch die klassischen römischen
Juristen die Beschaffenheit der Kaufsache nicht vollständig vom Vertragsinhalt trennten. So wurde - anders als im geltenden Recht - zwischen Eigenschaften der Kaufsache getrennt, die einerseits bloße Vorzüge oder Mängel derselben, andererseits aber das
I. Die Dogmatik des BGB
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Erst in der nachklassischen Zeit (3.-6. Jh. n. ehr.) des oströmischen Reiches haftete der Verkäufer ungeachtet der Art der Kaufsache unmittelbar auf Grund des Kaufvertrags. Die Rechtsfolgen der actio empti umfaßten auch die der ädilizischen Rechtsbehelfe. 17 Diese bestanden zwar separat fort, waren aber überflüssig. Indem die Haftung unmittelbar aufgrund des Kaufvertrages angenommen wurde, kann im Rückschluß angenommen werden, daß die Fehlerfreiheit der Kaufsache zum Vertragsinhalt gehörte. d) Zusammenfassung
Nach der überzeugenden und mittlerweile kaum noch angezweifelten Untersuchung Flumes entspricht der für die Sachmängelgewährleistung maßgebliche Kaufvertragsinhalt, der die Beschaffenheiten der Kaufsache, also deren Fehlerfreiheit umfaßt, dem Vertragsinhalt, der bereits im oströmischen Reich die Grundlage der Gewährleistungshaftung war.
2. Die dogmatische Begriindung der Gewährleistung beim Spezieskauf Über die theoretischen Grundlagen der Sachmängelhaftung bestehen beim Spezieskauf Meinungsverschiedenheiten, da die §§ 459 ff. BGB konstruktiv mit dem Leistungsstörungsrecht des allgemeinen Schuldrechts nicht in Einklang stehen. Das Gewährleistungsrecht sieht beim Spezieskauf keinen Anspruch auf mangelfreie Lieferung vor; daher gibt das Verhältnis zwischen Gewährleistungs- und Leistungsstörungsrecht Anlaß zu Diskussionen um das Wesen und die Grundlagen der Gewährleistungspflicht. In diesem Meinungsstreit treffen die Gewährleistungs- 18 und die Nichterfüllungstheorie l9 aufeinander. "Wesen" der Kaufsache selbst betrafen. (Nachweise bei Flume, Eigenschaftsirrtum, S. 64, dort Fn. 30.) Wenn nun das "Wesen" der Kaufsache gravierend vom Inhalt des Vertrages abwich, wenn also Wirklichkeit und Kaufvereinbarung nicht übereinstimmten, so sollte der Vertrag nichtig oder gar nicht zustandegekommen sein. War die als Wein verkaufte Flüssigkeit gar kein Wein sondern Essig, war der Vertrag nichtig; so Vlpian, D. 18. I. 9., § 2. Der Vertragsinhalt bezog sich also auf die Beschaffenheit der Kaufsache, wenn es um deren "Wesen" ging. 17 Kaser 11,1975, § 264 V 2, S. 393 f.; IulianlVlpian, D. 19. I. 13.; LabeolSabinusl Vlpian, D. 19. I. 11., §§ 3 und 5; zusammenfassend Flume, Eigenschaftsirrtum, S. 58. Überblick bei Wendel, Sachmängelgewährleistung, 1994, S. 3 ff. 18 Vertreter: aus der älteren Literatur Oertmann, Die Geschäftsgrundlage, 1921, S. 37 ff.; Siber, S. 106 f. und 237; Süß, Wesen und Rechtsgrund der Gewährleistung für Sachmängel, 1931, S. 129 f., 211; aus der neueren Literatur lArenz, SchR 11/1, § 41 11 e); SoergellBallerstedt, Bd. 11,10. Aufl., 1967, Vor § 459, Rdn. 15. 19 Vertreter: von Caemmerer, FS M. Wolff, 1952, S. 18; Gillig, Nichterfüllung und Sachmängelgewährleistung, 1984, S. 43; Herberger, S. 60 ff.; Huber, AcP 177 (1977), S.281; ders., FS von Caemmerer, 1978, S.837 [848]; Raape, AcP 150 (1949), 3"
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§ 3 Die dogmatischen Grundlagen
Die Gewährleistungstheorie sieht - grob skizziert - in den §§ 459 ff. BGB eine selbständige Haftungsregelung, da durch die Lieferung einer fehlerhaften Sache keine Vertragspflicht verletzt werde. Die Nichterfüllungstheorie versteht die Gewährleistungshaftung hingegen als Sonderform des allgemeinen Leistungsstörungsrechts, da bei Mangelhaftigkeit der Kaufsache eine vertragliche Leistungspflicht nicht erfüllt werde. a) Die Gewährleistungstheorie
Ausgangspunkt der Gewährleistungstheorie ist die nicht bestreitbare Feststellung, daß der Käufer beim Spezieskauf, auch wenn die ihm übergebene Sache mangelhaft ist, diejenige Sache erhalten hat, die er gekauft hat. Ein Anspruch auf Übereignung einer anderen fehlerfreien Sache kann aufgrund der Eigenart des Spezieskaufs nicht bestehen, einen Anspruch auf Nachbesserung der gelieferten Sache sieht das Gesetz nicht vor. Die Gewährleistungstheorie zieht daraus die Konsequenz, daß beim Spezieskauf die Verschaffung der Kaufsache frei von Sachmängeln nicht zu den Leistungspflichten des Verkäufers gehört. 20 Stehen dem Käufer gleichwohl die Rechte aus den §§ 459 ff. BGB zu, so nicht deshalb, weil eine Leistungspflicht nicht erfüllt werde, sondern im Gegenteil, obwohl mit der mangelhaften Sache Erfüllung bewirkt werde. 21 Dem entspricht die Formulierung, daß die Gewährleistung nicht eingreife, weil Mangelfreiheit geschuldet sei, sondern obwohl Mangelfreiheit nicht geschuldet sei. 22 Aus dieser Argumentation resultiert die verfehlte Formulierung, die Übereignung einer mangelhaften Sache sei Erfüllung des Kaufvertrages. 23 Da nach Ansicht der Vertreter der Gewährleistungstheorie die Gewährleistungsrechte beim Spezieskauf keine Reaktion auf eine Pflichtverletzung oder Nichterfüllung darstellen, bedürfen sie einer besonderen dogmatischen Rechtfertigung, soweit man sich nicht positivistisch mit der bloßen Kodifizierung der Rechte begnügt.
S. 481 ff. Weitere Nachweise zu den Vertretern beider Ansichten bei Soergel/Huber, Vor § 459, Rdn. 145, Fn. 1 und Rdn. 151, Fn. 17. 20 So M. Wolf!, Jh. Jb. 56, 1 [4] unter Bezugnahme auf Schollmeyer, Jh. Jb. 49,
93 ff. 21 Grundlegend Schollmeyer, Jh. Jb., S. 97. 22 Süß, S. 19,50. 23 Siber, S. 237; PalandtlPutzo, Vor § 459, Rdn. 5; wohl auch, aber nicht explizit Lareriz, SchR 11/1, § 41 11 e), S. 66 ff.; zuletzt Brüggemeier, 60. DJT, 1994, K 79 und von Wallenberg, ZRP 1994, 306 [308].
I. Die Dogmatik des BGB
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aa) Die Gewährleistungstheorie unter dem Einfluß Zitelmanns Die frühen Vertreter der Gewährleistungstheorie standen erkennbar unter dem Einfluß Zitelmanns24 , wonach die Beschaffenheiten der Kaufsache, also deren Fehlerfreiheit nicht Inhalt des Kaufvertrages, sondern lediglich unbeachtliches Motiv zu dessen Abschluß war. Demzufolge können diese Vertreter den Rechtsgrund der Gewährleistungshaftung keinesfalls aus dem Vertragsinhalt herleiten. Für Oertmann ist die Fehlerfreiheit der Kaufsache "die beini Geschäftsschluß zu Tage tretende und vom etwaigen Gegner in ihrer Bedeutsamkeit erkannte und nicht beanstandete Vorstellung eines Beteiligten oder die gemeinsame Vorstellung der mehreren Beteiligten vom Sein oder vom Eintritt gewisser Umstände, auf deren Grundlage der Geschäftswille aufbaut."25 Demnach ist die Beschaffenheit einer Kaufsache - nach Oertmann z. B. die Nutzbarkeit eines alten Zinnkrugs als Stammschoppen26 - Grundlage des Kaufvertrages, nicht aber Inhalt desselben. Wenn die Kaufsache diese Beschaffenheit nicht aufweist, ist der Krug beispielsweise undicht, so fehlt dem Kaufvertrag nach dieser Ansicht die Geschäftsgrundlage und eröffnet dem Käufer die Rechte aus den §§ 459 ff. BGB. Locher27 entwickelt die Lehre Oertmanns weiter zur Lehre von der Verfehlung des Geschäftszwecks. In den von Oertmann der Lehre von der Geschäftsgrundlage unterstellten Fällen nimmt Locher an, daß der nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts bezweckte Erfolg nicht eingetreten sei und deshalb nach § 812 I 2 BGB für die benachteiligte Partei ein Aufhebungsrecht bestehe. Die Geschäftsgrundlage wird also in das Rechtsgeschäft hineingezogen, indem beim gegenseitigen Vertrag neben der auf die Leistung und Gegenleistung gerichteten Vereinbarung noch eine angestaffelte besondere Zweckvereinbarung angenommen wird. Auch für die Fälle der Sachmängelhaftung nimmt Locher an 28 , daß eine Verfehlung des vereinbarten Geschäftszwecks vorliegt, die nur entgegen der allgemeinen Bestimmung des § 812 I 2 BGB durch die §§ 459 ff. BGB besonders geregelt sei. Nach dieser Ansicht muß man annehmen, daß die Kaufvereinbarung im Sinne Zitelmanns auf die Leistung eines irgend wie individualisierten Gegenstands gerichtet ist, daneben aber noch eine angestaffelte Zweckvereinbarung dergestalt besteht, daß der Käufer die Kaufsache mangelfrei erhält. Süß sieht den Grund der Sachmängelgewährleistung in einem dem synallagmatischen Vertrag virtuellen Vorbehalt, daß der Käufer den Vertrag nur wolle, 24 V gl. oben, 1. a).
25 Oertmann, Geschäftsgrundlage, S. 37 i. V. m. S. 71 f. 26 Oertmann, Geschäftsgrundlage, S. 72. 27 Locher, AcP 121 (1923), S. 1 ff. 28 AcP 121 (1923), S. 1, [98 ff].
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§ 3 Die dogmatischen Grundlagen
wenn er auch eine entsprechende Gegenleistung für seine Leistung erhalte. Seine Argumentationskette setzt sich wie folgt zusammen: "Weil der Käufer den Fehler nicht kennt [... ], bietet er mehr als er bei Kenntnis des Fehlers geboten hätte. Infolgedessen besteht zwischen Leistung und Gegenleistung ein Mißverhältnis [... ]. Und diese nicht zumutbare Inäquivalenz machen es dem Käufer möglich, den Vertrag zu modifizieren [... ]. Dem Kaufvertrag als synallagmatischem Vertrag ist der virtuelle Vorbehalt, die virtuelle V oraussetzung der Äquivalenz immanent [... ]."29 Er übernimmt dabei die Theorie Krückmanns vom virtuellen Vorbehalt. 30 Zusammenfassend ist festzuhalten, daß alle aufgeführten Vertreter der Gewährleistungstheorie den Grund der Gewährleistung keinesfalls im Vertrag begründet sehen, da ihre Begründungsversuche durch die Lehre Zitelmanns geprägt sind, wonach die Beschaffenheiten und demnach die Mangelfreiheit der Kaufsache nicht Vertragsgegenstand sein können)1 Inwieweit sich diese Vertreter der Gewährleistungstheorie in Widerspruch zum historischen Gesetzgeber setzen, bleibt unklar. Die Zweite Kommission äußerte sich zwar wie folgt: "Die Haftung ist im obligatorischen Veräußerungsvertrag begründet [... ]"32 und: "Gemeinsam ist den Instituten [Le. die Rechtsund Sachmängelhaftung] zwar der Rechtsgedanke, daß die Haftung in beiden Richtungen unmittelbar aus dem fraglichen Rechtsgeschäft, an welches sie sich knüpft, entspringt, also nicht auf der Annahme einer besonderen nebenherlaufenden Garantiepflicht beruht."33 Wenn die Mängelhaftung im obligatorischen Veräußerungsvertrag begründet sein soll, so müßte dies zur Annahme führen, daß der Kaufvertrag sich auch auf die Beschaffenheit der Kaufsache bezieht. Ob diese Konsequenz aber den Verfassern des BGB bewußt war, wird nicht deutlich. Vielmehr ist Flume zuzustimmen, daß diese Äußerungen mehr
29 Süß, S. 211, auch: S. 129 ff. 30 Krückmann, AcP 131 (1929), 1 ff. und 257 ff., der allerdings die Anwendung seiner Lehre zur Erklärung der Sachmängelhaftung ausdrücklich ablehnt; vgl. S.93. Diese Theorie geht ihrerseits auf die Lehre von der Voraussetzung von Windscheid zurück. Windscheid versteht unter der Voraussetzung eine unentwickelte Bedingung. Der Erklärende stellt demnach seine Willenserklärung nicht unter den Vorbehalt einer Bedingung, er will jedoch die rechtliche Wirkung nur beim Bestehen bestimmter Umstände. Im Unterschied zur Bedingung erklärt die Vertragspartei also nicht: "ich will, wenn", sondern: "ich will, würde aber nicht wollen, wenn nicht.....; Windscheid, AcP 78 (1892), 194 ff. Nach dieser Lehre bestünde der Rechtsgrund der Gewährleistung darin, daß der Käufer - für den Verkäufer erkennbar - Fehlerfreiheit voraussetzt, seine Erwartung jedoch nicht erfüllt wird. Die Gewährleistungsnormen wären demnach besondere Rechtsfolgebestimmungen für den Fall des Nichtvorliegens einer Voraussetzung. 31 Zu weiteren Vertretern der Gewährleistungstheorie mit abweichender Argumentation vgl. die Nachweise bei Süß, S. 122 ff. 32 Mot. 11, S. 224. 33 Mot. 11, S. 211.
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aus dem gegensätzlichen Verhältnis zur rechtsgeschäftlichen Haftungsübernahme durch die Zusicherung als besondere Garantie zu verstehen sind. 34
bb) Die Gewährleistungstheorie unter dem Einfluß Aumes Durch die Untersuchungen Flumes35 , wonach die Beschaffenheitsvereinbarong und demzufolge die Fehlerfreiheit Bestandteil des Kaufvertrages sind und sich eine Trennung der Willensrichtung in die Individualisierung und die Beschaffenheit der Kaufsache als psychologisch unrichtig erwiesen hat, werden auch die jüngeren Vertreter der Gewährleistungstheorie beeinflußt. 36 So erkennt Ballerstedt ausdrücklich an, daß es richtiger erscheine, die Gewährleistungshaftung unmittelbar aus den mit dem Vertrag übernommenen Pflichten des Verkäufers zu entwickeln. 37 Gleichwohl lehnt er es ab, die Gewährleistung aus einer Leistungspflicht hinsichtlich der fehlerfreien Sache herzuleiten, da der Stückverkäufer im Gegensatz zum Gattungsverkäufer keine auf die Beschaffenheit gerichtete Tätigkeitspflicht übernehme. Demnach könne die Gewährleistungspflicht nicht als Haftung für die Nichterfüllung der Leistungspflicht erklärt werden.3 8 Vielmehr sieht Ballerstedt die Gewährleistung als Folgerung aus dem Grundgedanken des Kaufvertrages, daß die Parteien ihre beiderseitigen Leistungen als wertgleich (als subjektiv äquivalent) gelten lassen wollen. Die §§ 459 ff. BGB sollen demzufolge regeln, wer unter welchen Umständen die Folgen einer Störung des Äquivalenzinteresses durch Sachmängel zu tragen hat. 39 Auch Larenz sieht den Rechtsgrund der Gewährleistung im Kaufvertrag selbst: "Die Rechte des Käufers wegen eines Sachmangels beruhen auf einer im Kaufvertrag selbst begründeten [... ] Einstandspflicht."40 Allerdings liegt für ihn 34 So Flume, Eigenschaftsirrtum, S. 50, dort: Fn. 69; auch: Herberger, S. 46 f. 35 S.o., 1. b). 36 Fabricius, JZ 1967, 464 [471 f.] hingegen meint, daß der Vertragsinhalt und dessen Auslegung nach § 157 BGB i. S. d. Untersuchung Flumes dann nicht ausreichten, wenn der Wille, eine mangelfreie Sache zu liefern, auf Verkäuferseite nicht feststellbar sei. Vielmehr bedürfe es in derartigen Fällen des normativen Elements von Treu und Glauben gern. § 242 BGB, woraus eine Nebenpflicht des Verkäufers herzuleiten sei, eine mangelfreie Sache zu leisten. Diese Nebenpflicht aus Treu und Glauben soll Grundlage des Gewährleistungsrechts sein. 37 Ballerstedt, FS Nipperdey, 1955, S. 261 [272]; ders. in SoergellSiebert, 10. Aufl., Bd. 2, Vor § 459, Rdn. 10. 38 In SoergellSiebert, Vor § 459, Rdn. 13. 39 Ebenda, Vor § 459, Rdn. 15. Auch Raape, AcP 150 (1949), S. 481 [484] und Knöpfte, JZ 1978, 121 [124] sehen den Grundgedanken der Sachmängelhaftung in einer Störung der Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung. 40 Larenz, SchR 1111, § 4111 e), S. 68.
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§ 3 Die dogmatischen Grundlagen
der Haftungsgrund nicht in der Verletzung einer Leistungspflicht, sondern in der Vertragsgerechtigkeit und der enttäuschten Käufererwartung über die Beschaffenheit der Kaufsache.
cc) Die Gründe gegen die Herleitung aus der Vertragspflicht Es sind zwei wesentliche Argumente, wodurch die jüngeren Vertreter der Gewährleistungstheorie veranlaßt werden, die Mängelhaftung nicht aus der Nichterfüllung oder Verletzung des Vertrages herzuleiten, obwohl sie die Beschaffenheitsvereinbarung nicht mehr aus dem Vertragsinhalt ausklammern:
(l) Der fehlende Erfiillungsanspruch
Erstens lehnen die Vertreter der Gewährleistungstheorie eine Herleitung aus der Nichterfüllung des Vertrages damit ab, daß dem Begriff der Nichterfüllung einer Pflicht ein durchsetzbarer Anspruch auf Beseitigung des Sachmangels, also auf Erfüllung und auf Schadenersatz gegenüberstehen müsse. 41 Genau diese Ansprüche werden von den §§ 459 ff. BGB nicht gewährt. Einer Verpflichtung zur Sachmangelfreiheit, die nicht durchgesetzt werden kann, wird daher jeglicher Sinn abgesprochen. 42
(2) Die Nichtigkeit gern. § 306 BGB Der zweite Einwand gegen die Herleitung der Gewährleistung aus der Nichterfüllung des Vertrages wird § 306 BGB entnommen. Wenn sich der Sachmangel beim Stückkauf als unbehebbar erweist (das gelieferte, tatsächlich von Salomonssohn van Ruisdael stammende Gemälde kann durch Nachbesserung selbstverständlich nicht zu einem Gemälde von Issaakssohn van Ruisdael gemacht werden, auch wenn die Vertragsparteien bei Vertragsschluß von dessen Urheberschaft ausgingen43 ), so wäre ein Kaufvertrag mit der entsprechenden Pflicht zur mangel freien Verschaffung nichtig gemäß § 306 BGB. Die Pflicht, eine unbehebbar fehlerhafte Sache fehlerfrei zu übergeben und zu übereignen, sei nämlich anfänglich objektiv unmöglich. Da die §§ 459 ff. BGB aber nicht zwischen beheb baren und unbehebbaren Mängeln differenzierten und 41 Vgl. nur Larenz, SchR 11/1, S. 66 ff., insb. Fn. 103. 42 So Raape, AcP ISO (1949), S.481 [483 f.]. Auch Flume, Eigenschaftsirrtum, S. 36, der wohl nicht zu den Vertretern der Gewährleistungstheorie gerechnet werden kann (vgl. aber unten, Fn. 52 und 65), sieht in der Annahme einer Leistungspflicht, der keine rechtliche Sanktion entspricht, eine ,,nutzlose Konstruktion". 43 Vgl. RGZ 135, 339 (Urt. v. 07.03.1923, van Ruisdael).
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der Kaufvertrag auch bei unbehebbaren Mängeln nicht gern. § 306 BGB nichtig ist, begründe der Kaufvertrag keine Verpflichtung zur mangelfreien Leistung. 44
b) Die Nichterfüllungstheorie aa) Die "bekennenden" Vertreter der Nichterfüllungstheorie Im Gegensatz zur Gewährleistungstheorie sieht die Nichterfüllungstheorie45 den Grund der Sachmängelhaftung in der Nichterfüllung des Kaufvertrages und in der Verletzung der Pflicht zur Lieferung der Sache in mangelfreiem Zustand. Die Gewährleistung ist demnach eine Rechtsfolge, weil Mangelfreiheit geschuldet ist, nicht aber obwohl keine Mangelfreiheit geschuldet ist. 46 Die Vertreter der Nichterfüllungstheorie benutzen die Untersuchungen Flumes zum Vertragsinhalt, um die Sachmängelhaftung dogmatisch zu begründen: Nach Flume ist die Beschaffenheitsvereinbarung Inhalt des Kaufvertrages, so daß der Kaufvertrag auf die Leistung der Kaufsache in mangelfreiem Zustand gerichtet ist. 47 Die Vertreter der Nichterfüllungstheorie gehen einen konsequenten Schritt weiter und rechnen die Mangelfreiheit zum Pflichtenkatalog des Verkäufers. Den Verkäufer trifft demnach auch die Pflicht, den Vertrag durch Lieferung der Kaufsache in mangelfreiem Zustand zu erfüllen. 48 Wenn sich die Vereinbarungen der Parteien nämlich auf die Beschaffenheit erstreckten, so sei die einzig einleuchtende Folgerung zu ziehen, daß diese Eigenschaften auch geschuldet seien. 49 Ist die gelieferte Kaufsache mangelhaft, so habe der Verkäufer eine Leistungspflicht verletzt und den Vertrag nicht erfüllt. Das Gewährleistungsrecht finde somit seine dogmatische Begründung in der Pflichtverletzung des Verkäufers, mit der die Nichterfüllung des Kaufvertrags einhergehe. 44 So Larenz, SehR 11/1, § 41 11 e), S.67; SoergeUSiebertlBallerstedt, 10. Aufl., Vor § 459, Rdn. 18; Süß, S. 48 ff. 45 Von einigen Autoren wird diese Ansicht als "Erfüllungstheorie" bezeichnet; so von Emmerich, Schuldrecht BT, 7. Aufl., 1994, § 4 13, S. 25. Wegen der begrifflichen Nähe zur Erfüllungsproblematik der §§ 362 ff. BGB wird im Folgenden von dieser Bezeichnung Abstand genommen. 46 Genau umgekehrt bei Süß, S. 19 u. 50, als Vertreter der Gewährleistungstheorie. 47 Eigenschaftsirrtum, S. 33,41. 48 ErmanlWeitnauer, 8. Aufl., Vor § 459, Rdn. 35; Gillig, S. 43 ff.; Graue, Die mangelfreie Lieferung beim Kauf beweglicher Sachen, 1964, S. 287 ff.; Huber, AcP 177 (1977), S. 281 [293 f.]; Korintenberg, Abschied von der Gewährleistung, 1947, S.69 ff.; rodt, Schadenersatzansprüche aus Sachmängeln, 1968, S.143; wohl auch von Caemmerer, FS M. Wolff, 1952, S.3 [18], wenn er sowohl zum aliud als auch zum peius ausführt, es handle sich "um die Vertragsmäßigkeit der Ware, um die Frage, auf welche Beschaffenheit der Ware der Käufer nach dem Vertrage Anspruch hat". 49 So Herberger, S. 79.
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§ 3 Die dogmatischen Grundlagen
bb) Die Ansicht Aumes Aume selbst will diese Konsequenz nicht ziehen; im Rahmen seiner Untersuchung legt er vielmehr Wert darauf, nicht in den Streit um das Verhältnis von Erfüllungspflicht und Gewährleistungspflicht hineingezogen zu werden. 50 Insofern kann er weder der Gewährleistungs- noch der Nichterfüllungstheorie klar zugerechnet werden, obwohl beide Theorien Aumes Lehre zur Begründung heranziehen. 51 Für ihn ist die Leistung einer mangelhaften Sache zwar keine Erfüllung des Kaufvertrages und daher breach of contract52 , nicht aber Nichterfüllung einer Leistungs- oder Erfüllungspflicht. Er unterscheidet zwischen Nichterfüllung eines Vertrages und Nichterfüllung einer Vertragspflicht: "Ob die Nichterfüllung einer Pflicht vorliegt, dafür ist maßgebend, ob eine Pflicht [... ] durch die Rechtsordnung konstituiert ist. Ob Nichterfüllung des Vertrages vorliegt, dafür ist dagegen der Vertrag maßgebend."53 Die Annahme einer Vertragspflicht zur mangelfreien Verschaffung lehnt er folglich ab, da sie nicht kodifiziert sei und ihr bei Nichterfüllung keine rechtliche Sanktion - sei es auf Nacherfüllung oder sei es auf Schadenersatz - entspreche. 54
ce) Die Rechtsprechung
Die Rechtsprechung äußerte sich nie ausführlich zu dem Theorienstreit um das Wesen und den Rechtsgrund der Gewährleistung. Wenn sie sich aber mit Selbstverständlichkeit dahingehend äußert, die Gewährleistung sei ein Anspruch
50 Flume, Eigenschaftsirrtum, S. 40.
51 Vgl. einerseits Larenz, SchR 1111, § 41 11 e), dort Fn. 109 und andererseits
Soergel/Huber, Vor § 459, Rdn. 151. 52 Hervorzuheben ist, daß sowohl die Vertreter der Nichterfüllungstheorie als auch Flume sich einig sind, daß die Lieferung einer fehlerhaften Sache keine Erfüllung des Kaufvertrages ist; Flume, Eigenschaftsirrtum, S. 41; ErmanlWeitnauer, 8. Aufl., Vor § 459, Rdn.45. Da sich der Vertragsinhalt auf die Fehlerfreiheit bezieht, ist die gegenteilige Ansicht (Nachweise in Fn. 23), mit der fehlerhaften Sache sei die geschuldete Leistung i. S. d. § 362 I BGB bewirkt, gleichwohl aber die Gewährleistungsrechte gegeben, nicht nachvollziehbar. Weitnauer hebt treffend hervor, daß gegen die Annahme einer Erfüllungswirkung nicht nur dogmatische und begriffliche Bedenken, sondern auch ein erheblicher praktischer Einwand hervorzubringen ist: Wäre die Lieferung der mangelhaften Sache Erfüllung i. S. d. § 362 I BGB, so wäre § 17 I KO nicht anwendbar, solange der Kaufpreis noch nicht voll bezahlt ist; näher KuhnlUhlenbruck, KO, 1994, § 17, Rdn. 18 u. 53 Flume, Eigenschaftsirrtum, S. 41, auch S. 35 ff.; ähnlich Rabel, Ges. Aufs. Bd. 3, 1967, S. 138 [162 ff.]. 54 Flume, Eigenschaftsirrtum, S. 35 ff., insb. S. 36 und 38.
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wegen mangelhafter Vertragserfüllung55 oder von der "Verkäuferpflicht [ ... ], einen Pkw mit intaktem Motor zu liefern"56 spricht, so muß sie zum Lager der Nichterfüllungstheorie gerechnet werden. Bestätigt wird dies durch das BGH-Urteil vom 10. März 1995 57 , in welchem ein Anspruch auf das stellvertretende commodum wegen Sachmangels gern. der §§ 323 11, 281 BGB bejaht wird. Als notwendige Voraussetzung dieses Anspruchs subsumiert das Gericht den Sachmangel als Teilunmöglichkeit. Demzufolge ordnet der BGH die mangelfreie Lieferung den Vertragspflichten, genauer den Leistungspflichten des Verkäufers zu und versteht die Lieferung einer mangehaften Sache als Teilerfüllung. c) Stellungnahme
Die Nichterfüllungstheorie, welche die Sachmängelhaftung aus der Pflichtverletzung des Verkäufers herleitet, findet im Kommissionsentwurf ihre dogmatisch und gesetzestechnisch abgesicherte Bestätigung, indem der Sachmangel dort durch die Verweisungen der §§ 439 und 441 KE als Pflichtverletzung in das allgemeine Schuldrecht eingebunden wird und indem die §§ 434, 438 KE einen durchsetzbaren Anspruch auf die Mangelfreiheit der Kaufsache gewähren. Für das geltende Recht bleibt aber gleichwohl zu klären, ob die hergebrachte Nichterfüllungstheorie auch ohne eine Schuldrechtsreform den angeführten Gegenargumenten standhalten kann, oder ob es tatsächlich des komplizierten, vom Vertragsinhalt und den Vertragspflichten Abstand nehmenden Begründungsaufwands der Gewährleistungstheorie bedarf.
aa) Der fehlende Erfiillungsanspruch Das Argument gegen die Nichterfüllungstheorie, eine Pflicht zur mangelfreien Verschaffung sei weder kodifiziert noch mit den typischen Sanktionen in Gestalt des Erfüllungs- oder Schadenersatzanspruchs versehen und daher eine "nutzlose Konstruktion"58 , ist nicht stichhaltig. Die Pflicht zur sachmangelfreien Lieferung ergibt sich, obwohl nicht im Gesetz statuiert, aus dem Vertrags inhalt, wonach die Sache mit den vereinbarten Beschaffenheiten, also frei von Sachmängeln zu übereignen ist. Die Existenz dieser Pflicht wird nun keinesfalls dadurch in Frage gestellt, daß der Käufer weder auf Erfüllung noch auf Schadenersatz wegen Nichterfüllung 55 56 57 58
So RGZ 66, 76 (Urt. v. 26.04.1907) und RGZ 53, 91 (Urt. v. 27.11.1902). So BGH WM 1983,363 [364] (Urt. v. 26.01.1983). BGH NJW 1995, 1737. S.o., a) ce) (1); Flume, Eigenschaftsirrtum, S. 36.
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§ 3 Die dogmatischen Grundlagen
klagen kann. Entgegen der Ansicht Flumes59 bedingt die Existenz derartiger Rechtsfolgen nicht die Existenz der Pflicht. Huber60 hebt treffend hervor, daß es kein juristisches Sachgesetz gibt, wonach einer schuldrechtlichen Verpflichtung ein Anspruch auf Erfüllung in Natur korrespondieren müsse, auch wenn es sich im deutschen Recht regelmäßig so verhalte. Huber knüpft damit an die von Kress geprägte Einteilung der Pflichten in entwickelte und unentwickelte an61 : Der entwickelte Anspruch besteht grundsätzlich gegenüber Leistungspflichten, also gegenüber den auf die Güterbewegung gerichteten Pflichten; er richtet sich primär auf Erfüllung und sekundär auf Schadenersatz wegen Nichterfüllung. Die unentwickelte Pflicht oder der unentwickelte Anspruch, der nach Kress allerdings nur mit Schutzpflichten in Verbindung gebracht wird, ist hingegen nicht auf Erfüllung geriChtet, denn "die volle Entwicklung [... ] entspricht nicht den Absichten der Rechtsordnung". Vielmehr soll bereits die Drohung, bei der Verletzung einer solchen Pflicht zur Wiedergutmachung verpflichtet zu sein, auf das Verhalten der verpflichteten Person einwirken, eben diese Güterverletzung zu vermeiden und somit auch die Entwicklung der Schutzpflicht zu einer Ersatzpflicht zu vermeiden. Ein diesbezüglicher Erfüllungsanspruch auf ein entsprechendes, die Schutzpflichtverletzung vermeidendes Verhalten besteht hingegen nicht. 62 Ein ähnliches Verständnis scheint der Schaffung der §§ 459 ff. BGB zumindest beim Spezieskauf zugrunde gelegen zu haben, da auch dort kein Erfüllungsanspruch auf die mangelfreie Verschaffung kodifiziert wurde. Damit ist aber nicht gesagt, daß überhaupt keine vertragliche Pflicht zur Mangelfreiheit besteht63 , sondern lediglich, daß es sich dabei um eine unentwickelte Pflicht im Hinblick auf die Erfüllung und Schadenersatzpflicht handelt. Der fehlende Erfüllungsanspruch ist demnach kein Argument gegen die Existenz einer derartigen Pflicht, denn die §§ 459 ff. BGB sanktionieren eben doch die Nichterfüllung der Pflicht zur mangelfreien Lieferung, allerdings nicht mit den typischen Rechtsfolgen in Form des Nacherfüllungs- oder Schadenersatzanspruchs. Sie sind demnach - wie Weitnauer treffend formuliert - "Ersatzerfüllungsansprüche"64. Wenn Flume hingegen der Vertragspflicht den Sinn abspricht und statt dessen den Grund der Sachmängelhaftung damit erklären will, daß zwar Nichterfüllung des Vertrages, nicht aber Nichterfüllung einer Pflicht vorliege, so differenziert er Untrennbares voneinander65 , da eine 59 Eigenschaftsirrtum, S. 38. 60 Soergel/Huber, Vor § 459, Rdn. 173; vgl. auch die Ausführungen in AcP 177 (1977), S. 281 [293 f.]. 61 Kress, Allg.SchR, 1929, S. 1-9 und 578 ff. 62 Kress, Allg.SchR, S. 5 und 578 f.; siehe auch unten, 4. a). 63 Zur Beantwortung dieser Frage sind ausschließlich der Vertragsinhalt und der Partei wille maßgeblich. 64 Erman/Weitnauer, 8. Aufl., Vor § 459, Rdn. 35. 65 Das hat Larenz, SchR I1/1, § 41 11 e), S. 68, dort Fn. 109, dazu veranIaßt, ihn den Vertretern der Gewährleistungstheorie zuzurechnen.
I. Die Dogmatik des BGB
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Einbeziehung der Beschaffenheiten in den Vertrag zugleich eine (nach dem BGB unentwickelte) Pflicht diesbezüglich begründet. 66
bb) Die Nichtigkeit gern. § 306 BGB Schwerer wiegt der Einwand, beim Spezieskauf könne es keine Vertragspflicht zur Mangelfreiheit geben, da andernfalls solche Spezieskaufverträge nichtig wären, in welchen der Sachmangel unbehebbar sei, da dann der Vertrag gern. § 306 BGB, der der römischrechtlichen Regelung des impossibilium nulla est obligatio folgt 67 , auf eine objektiv unmögliche Leistung gerichtet sei. 68 Auch dieses auf den ersten Blick überzeugende Argument gegen die Nichterfüllungstheorie hält einer näheren Untersuchung nicht stand. Zunächst ist nämlich zwischen dem Schuldverhältnis im engeren und im weiteren Sinn zu trennen: Das Schuldverhältnis im weiteren Sinn (der Kaufvertrag) ist keinesfalls ipso iure nichtig, wenn eines der Schuldverhältnisse im engeren Sinn (die Pflicht zur mangelfreien Beschaffung) auf eine anfänglich objektiv unmögliche Leistung gerichtet ist. Die Regelung des § 306 BGB ist nämlich kein zwingendes Naturgesetz, sondern dispositives Recht69 , das durch die Regelung der §§ 459 ff. BGB verdrängt wird. Die §§ 459 ff. BGB setzen nämlich einen gültigen Kaufvertrag voraus, so daß eine gleichzeitige Anwendbarkeit des § 306 BGB damit unvereinbar wäre. Mit dieser Argumentation steht die Wirksamkeit des Vertrages außer Frage, auch wenn sich eine Vertragspflicht auf eine anfänglich objektiv unmögliche Leistung richtet. Jedoch genügt diese Argumentation nicht, um i. S. d. Nichterfüllungstheorie eben jene Pflicht als Rechtsgrund der Gewährleistung zu legitimieren: Zwar ist der Kaufvertrag mit der Differenzierung in ein weiteres und ein engeres Schuldverhältnis in seiner Existenz unabhängig von der konkreten Leistungspflicht zu sehen. Jedoch ändert diese Differenzierung nichts daran, daß die Erfüllung der Pflicht zur mangelfreien Verschaffung bei einem unbehebbaren Fehler anfänglich objektiv unmöglich ist. Demzufolge könnte man für das Schuldverhältnis im engeren Sinn, nämlich die konkrete Vertragspflicht, die Rechtsfolge des § 306 BGB, also Nichtigkeit annehmen. Dann aber kann die Pflicht
66 Sehr kritisch dazu, daß Flume diese Schlußfolgerung nicht gezogen hat, Herberger, S. 79; ähnlich SoergellSiebertlBalierstedt, Vor § 459, Rdn. 14. 67 D. 50.17.185. 68 Vgl. oben, a) cc) (1). 69 Grundlegend Rabel, Ges. Aufs. I, 1965, S. 56 [59 ff., 66 ff.]. Hervorzuheben ist weiterhin, daß das Gesetz selbst bei anfänglicher objektiver Unmöglichkeit Ausnahmen vom Prinzip der Nichtigkeit gern. § 306 BGB anerkennt. So sind die Verträge trotz Nichtbestand der verkauften Forderung und trotz Unmöglichkeit der Mängelbeseitigung am geschuldeten Werk wirksam; vgl. die §§ 437 I, 643 11 BGB.
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§ 3 Die dogmatischen Grundlagen
kaum als die dogmatische Begründung der Sachmängelhaftung nach der Nichterfüllungstheorie begriffen werden. Allerdings gilt auch für das Schuldverhältnis im engeren Sinn die Vorrangigkeit der §§ 459 ff. BGB: Das Gewährleistungsrecht trägt der denkbaren Unmöglichkeit einer solchen Pflicht dadurch Rechnung, daß weder ein Erfüllungsanspruch noch ein Schadenersatzanspruch als Sanktionen gewährt werden. Nochmals sei hervorgehoben, daß die objektive anfängliche Unmöglichkeit nicht denklogisch zur Nichtigkeit führen muß. Das BGB hat statt dessen durch die speziellen Rechtsfolgen der Wandlung und Minderung auf die Sinnlosigkeit eines undurchsetzbaren Erfüllungsanspruchs reagiert. Die Pflicht, die Sache fehlerfrei zu übereignen, kann also durchaus auf Unmöglichkeit gerichtet sein. 70 Im Sinne des allgemeinen Satzes impossibilium nulla est obligatio ist obligatio nur als der erzwingbare Anspruch auf Erfüllung in Natur zu verstehen. Der weitergehenden Wirkung von § 306 BGB (Nichtigkeit des Vertrages) ist der Kauf einer fehlerhaften Speziessache durch den Vorrang der §§ 459 ff. BGB entzogen. Auch § 306 BGB spricht demnach nicht gegen die Herleitung der Sachmängelhaftung aus der vertraglich vereinbarten Pflicht, die Kaufsache sachmangelfrei zu übergeben und zu übereignen.
d) Ergebnis Die vorzugsWÜfdige Nichterfüllungstheorie baut auf der Erkenntnis Flumes auf, daß die Beschaffenheit der Kaufsache und demnach deren Fehlerfreiheit zum Vertragsinhalt gehören. Nach der Nichterfüllungstheorie wird die Fehlerfreiheit zu den Vertragspflichten des Verkäufers gezählt, ohne daß dem Käufer ein durchsetzbarer Erfüllungsanspruch zustünde. Diese dogmatische Begründung der Mängelhaftung muß uneingeschränkte Zustimmung finden. Sie allein wird dem Prinzip des Vorrangs der Parteivereinbarung vor den Minirnalerfordernissen des dispositiven Regelungsvorschlags des Gesetzgebers gerecht.
3. Der Rechtsgrund der Gewährleistung beim Gattungskauf Beim Gattungskauf ist die Frage nach dem Grund der Gewährleistung recht eindeutig zu beantworten: Der Verkäufer erfüllt durch die Lieferung eines fehlerhaften Exemplars aus der Gattung seine Leistungspflicht nicht, so daß ein Fall der Nichterfüllung vorliegt. 71 Zum einen tritt nämlich durch die Lieferung 70 Generell zustimmend Rabe/, Ges. Aufs. I, S. 56 [60]; konkret für den Spezieskauf Thielmann, FS von Lübtow, 1970, S. 702 [726]. 71 Statt aller Ballerstedt, FS Nipperdey, 1955, S. 261 [277].
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eines mangelhaften Exemplars keine Konkretisierung ein, da der Verkäufer dazu gern. § 243 I BGB eine Sache mittlerer Art und Güte leisten müßte. Zum anderen kann die Pflicht zur Lieferung einer mangelfreien Sache angesichts des Erfüllungsanspruchs in § 480 I BGB nicht in Frage gestellt werden. Die Nichterfüllung dieser Pflicht ist die Grundlage für die Sachmängelhaftung beim Gattungskauf, zumal überhaupt nur die fehlende Kodifizierung einer entsprechenden Pflicht beim Spezieskauf zum dortigen Streit um die Grundlage der Sachmängelhaftung geführt hat. Denkbar ist jedoch ein mit dem Spezieskauf vergleichbares Problem, wenn die gesamte Gattung, aus der verkauft wurde, für den vereinbarten Zweck ungeeignet ist, wenn z. B. der Contaktkleber Marke M zum Befestigen von Styroporplatten an Betondecken ungeeignet ist. 72 Hier könnte man argumentieren, den Verkäufer treffe nur die Leistungspflicht, den Contaktkleber M in seiner existenten Beschaffenheit zu liefern, so daß man· für Sachmängelrechte des Käufers eine besondere Grundlage bräuchte. Allerdings ist dieser Gedankengang mit der Argumentation der Nichterfüllungstheorie i. V. m. der Bedeutung der §§ 243 I, 480 I BGB abzulehnen. Auch beim Gattungskauf führt die Beschaffenheitsvereinbarung zur Begründung einer entsprechenden Leistungspflicht. 4. Leistungs- und SchutzpOichten
Die bÜfgerlichrechtlichen Pflichten sind einzuteilen in Leistungs- und Schutzpflichten. Sie dienen entweder der Bewegung oder dem Schutz der Güter. 73 Diese Begriffspaare sind als numerus clausus zu verstehen: Es gibt keine Pflichten, die weder Leistungs- noch Schutzpflichten sind, die also weder auf Bewegung noch auf den Schutz der Güter gerichtet sind. Im Folgenden ist zu untersuchen, wie die Lieferung einer mangelhaften Sache und die damit verbundenen Rechtsfolgen in dieses Pflichtensystem einzuordnen sind.74
a) Die Lieferung einer mangelhaften Sache als Nichterfüllung einer Leistungspflicht Die Pflicht zur mangelfreien Lieferung ist eine Leistungspflicht, die wegen ihrer zumindest beim Spezieskauf fehlenden Durchsetzbarkeit als unentwickelte
72 BGHZ 50, 200 (Urt. v. 29.05.1968, Contact-Kleber). 73 Statt aller Kress, Allg.SchR., S. 1 ff. und S. 578 f. 74 Einige Vertreter der Nichterfilllungstheorie ordnen die Pflicht zur mangelfreien Lieferung zwar bereits als Leistungspflicht ein (so SoergellHuber, Vor § 459, Rdn. 166 ff.), allerdings ohne dies näher zu begründen und ohne Berücksichtigung der Schutzpflichten.
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Pflicht eingeordnet werden muß.?5 Die Lieferung einer mangelhaften Sache ist demnach Teilerfüllung des Kaufvertrages. Typische Leistungspflichten sind etwa auf die Verschaffung eines Rechts, des Besitzes oder der Arbeitsleistung oder auf die Duldung eines Eingriffs des Gläubigers gerichtet, damit dieser sich das Gut zueignen, es gebrauchen oder nutzen kann. 76 Nun fehlt der Pflicht des Verkäufers, die Sache mangelfrei zu verschaffen, der direkte Bezug auf die Güterbewegung, welchen die Pflichten zur Eigentums- und Besitzverschaffung deutlich aufweisen. Vielmehr bleibt die Güterbewegung auch dann möglich, wenn die Pflicht zur mangelfreien Lieferung nicht erfüllt wurde. Es ist allerdings zu berücksichtigen, daß die Erfüllung der Pflicht zur mangelfreien Lieferung entscheidender Bestandteil sowohl des Äquivalenzverhältnisses zwischen dem Kaufpreis und der Gegenleistung als auch des genetischen Synallagmas ist. So sieht Kress die Gewährleistung für Sachmängel als "Nebenanspruch" zur Durchführung der Güterbewegung, die dem Austauschzweck Rechnung trägt.?7 Diese Argumentation weist zwar in die richtige Richtung, reicht aber nicht weit genug. Konsequent kann nur sein, die Pflicht zur mangelfreien Lieferung trotz ihrer mangelnden Durchsetzbarkeit als Leistungspflicht des Verkäufers einzuordnen, denn auch in Bezug auf die Mangelfreiheit entspricht das ,.Leistensollen" des Schuldners dem "Bekommensollen" des Gläubigers. 78 Unterstützt wird dieses Verständnis neuerdings durch den BGH, der einen Anspruch des Käufers auf das stellvertretende comrnodum auch bei Schlechtleistung mit der Begründung bejaht, daß der Sachmangel zugleich als Teilunmöglichkeit zu subsumieren ist. 79 Diese Argumentation setzt voraus, daß auch der BGH die Pflicht zur mangelfreien Verschaffung als Leistungspflicht versteht. Wenn im übrigen die Vertreter der Gewährleistungstheorie den Grund der Sachmängelhaftung in der Störung des Äquivalenzverhältnisses von Leistung und Gegenleistung sehen80 , ist es inkonsequent, daß sie nicht zu den Leistungspflichten der Parteien vordringen. Denn das subjektive Äquivalenzinteresse ist lediglich ein unklarer Erklärungsversuch für den synallagmatischen Charakter des Kaufvertrages. 81 Der Käufer verpflichtet sich zur Kaufpreiszahlung, um im Gegenzug die Kaufsache zu erhalten. Da aber die Fehlerfreiheit zum Vertragsinhalt gehört, verpflichtet sich der Käufer nur zur Kaufpreiszahlung, um die 75 Insofern ist das Kress'sche Verständnis, wonach unentwickelte Pflichten nur als Schutzpflichten auftreten (s.o., Fn. 61) wohl zu eng. 76 Kress, Allg.SchR., S. 3. 77 Kress, S. 2 und 60. 78 So charakterisiert PlanckJSiber, Bd. 1111, Vorbem. III, S. 16, die Leistungspflicht. 79 BGH NJW 1995, 1737 (Vrt. v. 10.03.1995). 80 So Ballerstedt, ähnlich Larenz, s.o., 2. a) bb). 81 Richtig Kress, Allg.SchR., S. 41 f., dort insb. Fn. 15 und S. 59 f.
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Sache fehlerfrei zu erhalten. Bei stringenter Weiterentwicklung des Äquivalenzgedankens müßten auch die Vertreter der Gewährleistungstheorie sowohl die Pflicht zur Verschaffung einer mangelfreien Sache als auch deren Charakter als Leistungspflicht anerkennen. Eine Zuordnung der Pflicht zur mangelfreien Lieferung zu den unentwickelten Schutzpflichten scheidet hingegen aus. Die Pflicht zur mangelfreien Verschaffung bezweckt nicht, einer Rechtsgutverletzung beim Käufer vorzubeugen, sondern ist Bestandteil des genetischen Synallagmas zur Sicherung des Äquivalenzverhältnisses in der Güterbewegung. Kress argumentiert zu den unentwickelten Schutzpflichten zwar: "Der Schuldner hat die Leistung [... ] in einer Art zu bewirken, daß die dabei berührten Güter (die Personen und Sachen) des Gläubigers unverletzt bleiben"82 und: "Der Schuldner hat die sog. "Schlechterfüllung" zu vermeiden (den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen). "83 Die Schutzpflicht des Verkäufers ist allerdings nicht in der mangelfreien Lieferung selbst zu sehen. Vielmehr kann sie je nach Vertragsinhalt darin bestehen, die Kaufsache selbst oder die in der Herstellung verwendeten Vorprodukte zu untersuchen, den Käufer über die Mängel zu informieren, die Kaufsache sorgfaltsgemäß aus der Gattung heraus zu konkretisieren oder sie auch nach Vertragsschluß sorgfaltsgemäß zu behandeln. Im Gegensatz zur Nichterfüllung der Pflicht zur mangelfreien Lieferung impliziert die Verletzung einer derartigen unentwickelten Schutzpflicht bereits einen objektiven Sorgfaltspflichtverstoß.84 Anders verhält es sich bei der Lieferung einer fehlerhaften Sache. Es ist durchaus möglich, daß der Verkäufer überhaupt keine Kenntnis vom vorliegenden Sachmangel hat und ihn auch sonst kein Sorgfaltspflichtverstoß trifft. Es fehlt dann nicht nur an der subjektiven, sondern bereits an der objektiven Sorgfaltswidrigkeit. Daher trifft für die Pflicht zur mangelfreien Lieferung auch der Zweck der unentwickelten Schutzpflicht nicht zu, durch den drohenden Schadenersatzanspruch die Begehung der Verletzungshandlung überhaupt zu vermeiden85 , wenn dem Verkäufer überhaupt kein Sorgfaltspflichtverstoß vorzuwerfen ist. Die Rechtsbehelfe der Wandlung, der Minderung und der Nacherfüllung beim Gattungskauf sind demnach die Sanktionen für die nicht vollständige Erfüllung der Leistungspflichten des Verkäufers. Ein etwaiger Verschuldensvorwurf auf Verkäuferseite ist dabei unbeachtlich. Vielmehr muß der Verkäufer vollständig, also mangelfrei leisten, weil die Fehlerfreiheit Vertrags inhalt geworden ist. Die
82 Kress, S. 580. 83 Kress, S. 580, dort: Fn. 7. 84 Kress, S. 8, wenn er formuliert: "Schließlich ist ohne Zuhilfenahme des relativen unentwickelten Schutzanspruches über den Sinn der Vorschriften (§§ 276 ff. [... ]), wonach die am Schuldverhältnis Beteiligten bestimmte .. Verschuldensgrade zu vertreten haben ", keine volle Klarheit zu gewinnen". 85 Kress, S. 5 ff. 4 Rust
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obigen Rechtsbehelfe sind demnach Ausdruck der Garantiehaftung, die der Verkäufer aufgrund des Vertragsinhalts übernommen hat. Auch § 463 S. 1 BGB sanktioniert die reine Nichterfüllung der Leistungspflicht. Der Umfang der Haftung auf den gesamten Nichterfüllungsschaden beruht auf der gesteigerten Einstandspflicht des Verkäufers, die sich entweder ausdrücklich oder in sonstigen Umständen des Vertragsschlusses manifestiert.
b) Der Schadenersatzanspruch wegen schuldhafter Schlechtleistung als schuldhafte Verletzung einer Schutzpflicht Neben den Gewährleistungspflichten der §§ 459 ff. BGB trifft den Verkäufer einer fehlerhaften Sache auch eine allgemeine Verschuldenshaftung. Deren Haftungsgrund besteht nicht mehr in der reinen Nichterfüllung einer Leistungspflicht und auch nicht in der zu vertretenden Teilunmöglichkeit. Haftungsgrundlage ist vielmehr die schuldhafte Verletzung einer Schutzpflicht, die dem Schutz der Rechtsgüter des Käufers dient. 86, 87 Sie kann je nach konkretem Vertragsinhalt auf die Untersuchung der Kaufsache, die Information des Käufers, die sorgfaltsgemäße Konkretisierung aus der Gattung heraus oder die sorgfaltsgemäße Behandlung der Kaufsache nach Vertragsschluß gerichtet sein. Der Umfang des Schadenersatzanspruches richtet sich dabei nach der Art der konkret verletzten Schutzpflicht, so daß entweder das negative oder das positive Interesse zu ersetzen ist, je nachdem fiir welchen Schaden die Pflichtverletzung kausal geworden ist. Die Differenzierung in Mangel- und Mangelfolgeschäden und die damit einhergehende Beschränkung des Schadenersatzanspruchs erübrigt sich damit. 88 Die Annahme einer derartigen Verschuldenshaftung fiir den Fall der mangelhaften Lieferung beruht auf der Erkenntnis, daß das BGB entgegen der Behauptung Staubs89 durchaus eine umfassende culpa-Haftung fiir schuldhafte Schutzpflichtverletzungen vorsieht, was im folgenden Exkurs darzulegen ist. 90 86 Verfehlt Huber, AcP 177 (1977). S. 281 [296 f.], der die Schutzpflichtverletzung als Haftungsgrund vehement zurückweist. 87 Auch die Haftung aus § 463 S.2 BGB beruht auf der (vorsätzlichen) Verletzung einer Schutzpflicht in Gestalt ordnungsgemäßer Untersuchung der Kaufsache und Information des Käufers. Abweichend von der Fahrlässigkeitshaftung wird bei der Arglisthaftung jedoch nicht der konkret verursachte Schaden, sondern stets das Erfüllungsinteresse ersetzt. Dies ist mit der Straffunktion dieser Vorschrift zu begründen. Näheres unten, § 7 I. 2. b). 88 Ausführlicher mit Nachweisen zur ersten Kommission zum BGB unten, § 7 I. 1. 89 Staub, Die positiven Vertragsverletzungen, 1902, S. 29,41,44 ff. 90 Eine ausführliche Darstellung dieser Problematik erfolgt in einer sich in Bearbeitung befindenden Trierer Dissertation eines anderen Doktoranden meines Lehrers
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Der erste Entwurf zum BGB (im Folgenden: E) enthielt mit § 224 E noch eine allgemeine und ausdrückliche Haftungsgrundlage der culpa-Haftung: "Der Schuldner ist verpflichtet, die nach dem Schuldverhältnis obliegende Leistung vollständig zu bewirken. Er haftet nicht bloß wegen vorsätzlicher, sondern auch wegen fahrlässiger Nichterfüllung seiner Verbindlichkeit. [ ... ]."91 Hervorzuheben ist, daß der Begriff des vollständigen Bewirkens in den Beratungen der ersten Kommission nicht nur auf die Leistungspflichten zur Bewegung der Güter bezogen war, sondern auch auf die Pflichten des Schuldners, die sonstigen Rechtsgüter des Gläubigers zu schützen.92 § 224 E sollte in Verbindung mit einzelnen Schutzpflichtvorschriften des Besonderen Schuldrechts (z. B. die §§ 38411, 44711, 548, 618, 694 BGB) das allgemeine Prinzip einer Verschuldenshaftung verdeutlichen, da es von der ersten Kommission für unmöglich gehalten wurde, "den Umfang und den Inhalt einer Schuldverbindlichkeit nach allen Richtungen und Nebenpunkten genau zu beschreiben. "93 Umfang und Inhalt sollten vielmehr nach den Besonderheiten der jeweiligen Schuldverhältnisse und Lebenssachverhalte bestimmt werden. Erst durch die Zerstückelung des § 224 E durch den zweiten Entwurf in die §§ 157, 242, 276, 277 BGB war das Prinzip der umfassenden culpa-Haftung nicht mehr klar aus dem Gesetzeswortlaut ablesbar, sollte aber durch die redaktionelle Änderung nicht aufgegeben werden und hätte durch einen einfachen Blick in die Beratungen der ersten Kommission erkannt werden müssen. 94 All dies wurde von der Staub'schen Aussage verkannt, das BGB enthalte keine Regelung der Fälle, die er unter dem Begriff der "positiven Vertragsverletzung" zusammenfassen wollte. 95 Diese Ansicht setzte sich auch gegenüber der anfänglichen Rechtsprechung des Reichsgerichts durch, das sich des Prinzips der allgemeinen culpa-Haftung noch bewußt war und Schadenersatzansprüche wegen schuldhafter Verletzung von Vertragspflichten aus § 276 BGB herleitete. 96 Die Kritik an einer derartigen Haftungsherleitung, § 276 BGB sei lediglich eine Definitionsnorm der Fahrlässigkeit, nicht aber die
Prof. Dr. Horst Ehmann. Im übrigen ist zu den folgenden Ausführungen eine eigene Arbeit meines Lehrers, dessen Manuskript mir zur Verfügung stand, in Vorbereitung. 91 Vgl.: Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich, 1888, S.51. 92 Mot. 11, S. 26 ff. und insb. S. 460: Die Einfügung des späteren § 618 BGB wurde für entbehrlich gehalten, denn: ,,Angesichts der §§ 359,224, 141 E (= §§ 157,242,276 BGB) fehlt es jedoch an einem Bedürfnis, die Frage ausdrücklich im Gesetz zu entscheiden". 93 Mot. 11, S. 26. 94 Statt aller Jakobs, Unmöglichkeit und Nichterfüllung, 1969, S. 17 ff.; ders., Leistungsstörungsrecht, 1985, S. 16 f. 95 Staub, Positive Vertragsverletzung. S. 29,44 ff. 96 RGZ 52, 18 (Urt. v. 13.06.1902); RGZ 53,201 (Urt. v. 19.12.1902); RGZ 66, 289 (Urt. v. 09.07.1907). 4·
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Haftungsgrundlage für eine culpa-Haftung97 , ist zwar isoliert betrachtet richtig. Das Reichsgericht hätte jedoch uneingeschränkte Zustimmung verdient, wenn es die allgemeine Verschuldenshaftung an den §§ 157, 242, 276 BGB festgemacht hätte.
Im übrigen werden die Schadenersatzansprüche wegen Unmöglichkeit und Verzug nicht dadurch überflüssig, daß bereits in § 224 E eine allgemeine Haftungsgrundlage besteht. Vielmehr ist es die primäre Aufgabe der Unmöglichkeit und des Verzuges, die Voraussetzungen zu normieren, unter welchen von der Geltendmachung des Erfüllungsanspruchs auf den Schadenersatzanspruch wegen Nichterfüllung umgestellt werden darf. 98 Bestätigt wird dieses Verständnis von Unmöglichkeit und Verzug durch § 360 E, der klarstellen sollte, daß die bloße Nichterfüllung einer Verbindlicheit keinesfalls zum Rücktritt berechtige, solange dies weder durch Gesetz oder Vereinbarung vorgesehen ist. 99 Die Streichung des § 360 E durch die zweite Kommission beruht genau wie die Zersplitterung des § 224 E darauf, daß der Inhalt dieser Regelungen für so selbstverständlich angesehen wurde, daß die KodifIzierung für überflüssig gehalten wurde. 100 Aus diesem Verständnis der Unmöglichkeit heraus ist die Verschuldenshaftung für die Lieferung einer mangelhaften Sache nicht mit der (zu vertretenden) teilweisen Unmöglichkeit, sondern mit der Verletzung einer unentwickelten Schutzpflicht zu begründen. Im übrigen wird in § 7 darzustellen sein, daß die unentwickelte Schutzpflicht als Haftungsgrund eine genauere Ermittlung des zu ersetzenden Schadens ermöglicht als etwa die Unmöglichkeit der mangelfreien Eigentumsverschaffung.
ll. Die Dogmatik des Kommissionsentwurfs Der Kommissionsentwurfbeseitigt die historisch bedingte Sonderstellung des Sachmängelgewährleistungsrechts, indem die Pflichtverletzung als allgemeiner Haftungstatbestand für das gesamte Schuldrecht eingefiihrt wird. Das Gewährleistungsrecht der §§ 434 ff. KE - wenn es diesen hergebrachten speziellen Begriff überhaupt noch verdient - defIniert und sanktioniert den Sachmangel daher als eine lediglich tatbestandlich besonders erwähnte Form der "Pflichtverletzung" .1 0 1
97 Staub, Positive Vertragsverletzung, S. 29, 41. 98 Dazu Mot. 11, S. 49 und Stoll, AcP 136 (1932), S. 257 [276 f.]. 99 Näheres in Mot. 11, S. 199. 100 Mugdan It, S. 630. 101 So der Abschlußbericht, S. 32 f., 195 f.
11. Die Dogmatik des Kommissionsentwurfs
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1. Die POicht zur Mangelfreiheit Zur Integration des Gewährleistungsrechts in das allgemeine Schuldrecht kodifiziert der Kommissionsentwurf in § 434 KE die Verkäuferpflicht dahingehend, die Kaufsache dem Käufer sachmangelfrei zu verschaffen, ohne daß es eine Rolle spielen soll, ob es sich um einen Stück- oder Gattungskauf handelt. 102 Diese Pflicht soll ihre Durchsetzbarkeit durch den Nacherfüllungsanspruch gern. § 438 KE erlangen. Wenn die Nacherfüllung fehlschlägt oder unmöglich ist, soll diese Pflichtverletzung 103 mit den klassischen Rechtsfolgen der Nichterfüllung - Rücktritt gemäß § 439 KE oder Schadenersatz gemäß § 441 KE - oder der typisch gewährleistungsrechtlichen Minderung, § 440 KE, sanktioniert werden. Sowohl § 439 KE als auch § 441 KE sollen bewußt keine selbständigen Rechtsfolgen der Mangelhaftigkeit der Kaufsache bilden 104 , sondern verweisen auf die Regelungen des allgemeinen Leistungsstörungsrechts in den §§ 323 und 280 ff. KE, die ganz abstrakt die Verletzung einer Pflicht sanktionieren sollen. Ziel dieser Regelung ist, die Alternativität zwischen Gewährleistungsrecht und allgemeinem Leistungsstörungsrecht zu beseitigen. Die Realisierung dieses Ziels kann an zwei typischen Problemen des geltenden Gewährleistungsrechts belegt werden, die nach dem Kommissionsentwurf entfielen. Zum einen verliert die nach geltendem Recht folgenschwere Abgrenzung zwischen Sach- und Rechtsmängeln erheblich an Brisanz. Nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch stehen sich bekanntlich zwei völlig unterschiedliche Haftungssysteme gegenüber, nämlich einerseits die nach § 477 BGB in sechs Monaten verjährenden Gewährleistungsrechte der §§ 459 ff. BGB und andererseits die gern. § 195 BGB erst in dreißig Jahren verjährenden Ansprüche des allgemeinen Leistungsstörungsrechts nach den §§ 440 1,320 ff. BGB. Zur Uneinheitlichkeit der Rechtsfolgen kommt nach geltendem Recht noch die häufig nicht nachvollziehbare Abgrenzung der beiden Störungstatbestände in Randgebieten. lOS Mit der vorgeschlagenen Kodifizierung der Pflicht zur sachmangelfreien Verschaffung entspricht der Kommissionsentwurf dem § 434 BGB, wonach für den Verkäufer die Pflicht zur rechtsmangelfreien Beschaffung bereits besteht. Bezeichnend für die Gleichbehandlung von Rechts- und SachAbschlußbericht, S. 195. Der Kommissionsentwurf versteht den Begriff der Pflichtverletzung unabhängig vom Vertretenmüssen. Näheres weiter unten, vgl. 2. c). 104 Ausdrücklich der Abschlußbericht auf S. 215 und 222. 105 So soll es sich um einen Sachmangel handeln, wenn das verkaufte Grundstück mit einer öffentlich-rechtlichen Beschränkung belastet ist (BGH NJW 1979, 2200 (Urt. v. 22.06.1979», dagegen um einen Rechtsmangel. wenn der Staat aufgrund öffentlichen Rechts vom jeweiligen Grundstückseigentümer die Übereignung an sich verlangen kann (BGH NJW 1983,275 (Urt. v. 04.06.1982», hingegen wieder um einen Sachmangel, wenn das Grundstück in Folge öffentlich-rechtlicher Beschränkung nicht an jedermann vermietet werden darf (BGH NJW 1970, 162 (Urt. v. 21.11.1969». 102 103
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§ 3 Die dogmatischen Grundlagen
mängeln ist, daß sie in § 434 KE zusammenfassend geregelt werden sollen; danach hat der Käufer die Sache frei von Sach- und Rechtsmängeln zu verschaffen. Werden diese Pflichten ohne hinzukommenden Sorgfaltsverstoß verletzt, so soll der Käufer gemäß § 323 KE zurücktreten können, handelt der Verkäufer sorgfaltswidrig, so soll dem Käufer ein Schadenersatzanspruch gemäß der §§ 280 ff. KE zustehen. Die Rechtsfolgen sollen demnach - mit Ausnahme der Minderung - unabhängig von der Frage gegeben sein, ob ein Rechts- oder Sachmangel vorliegt. Dieser Vorschlag der Schuldrechtskommission ist zu begrüßen, denn es darf keinen Unterschied machen, ob der Käufer den erworbenen Gegenstand nicht nutzen kann, weil dieser qualitativ hinter dem vereinbarten Standard zurückbleibt oder durch dessen Inbetriebnahme die Rechte eines Dritten beeinträchtigt werden. Zum anderen erweitern sich die Rechte des Käufers durch die Einbeziehung des Sachmangels in das allgemeine Leistungsstörungsrecht. So kann er bei mangelhafter Lieferung nicht nur zurücktreten, mindern oder Schadenersatz verlangen, was ihm bereits nach geltendem Recht zusteht. Vielmehr soll dem Käufer einer mangelhaften Sache auch ein Anspruch auf das stellvertretende commodum gemäß § 281 KE zustehen. Die Existenz dieses Anspruchs ist erst kürzlich vom BGH für das geltende Recht bejaht worden mit der treffenden Begründung, der Sachmangel sei zugleich als Teilunmöglichkeit zu subsumieren.1 06 Diese Lesart des unbehebbaren Sachmangels als Teilunmöglichkeit steht in Einklang mit der Nichterfüllungstheorie und der Annahme einer Leistungspflicht zur mangelfreien Verschaffung, überbrückt jedoch die konstruk.tive Trennung zwischen Gewährleistung und Leistungsstörung nach geltendem Recht nur teilweise, zumal dann die Frage nach der Anwendbarkeit des § 325 BGB auf den Plan gerufen wird. Bezeichnend für die gegenwärtige Stellung des Gewährleistungsrechts ist, daß die genannte Entscheidung mehr von der Konkurrenzproblematik der §§ 459 ff. BGB zu den §§ 320 ff. BGB geprägt ist, als von Überlegungen zur materiellen Rechtfertigung des Anspruchs auf das commodum, dem letztlich kein überzeugender inhaltlicher Grund entgegensteht. 107 Auch hier macht die Schaffung der Pflicht zur mangelfreien Verschaffung gemäß § 434 KE verbunden mit der Auflösung der Sonderstellung des Gewährleistungsrechts den Weg frei für die konstruktiv einwandfreie und
106 BGH NJW 1995, 1737 (Urt. v. 10.03.1995); zustimmend Ehmann/Rust, Jura 1996, 247; im Ergebnis auch Eckardt, JR 1997, 397; für eine analoge Anwendung Soergel/Huber, Vor § 459, Rdn. 251; offengelassen, aber in jedem Fall für die Anwendbarkeit der kurzen Verjährung gern. § 477 BGB BGHZ 114, 34 (Urt. v. 08.03.1991); noch verneinend OLG Hamm, NJW-RR 1993, 1366 (Urt. v. 10.12.1992). 107 Dazu Ehmann/Rust, Jura 1996,247 [249 ff.], mit der Überlegung, daß der Verkäufer keinen doppelten Vorteil in Gestalt des vollen Kaufpreises und des commodums erlangen darf, der dann gegeben wäre, wenn Gewährleistungsrechte vertraglich abbedungen sind und der Anspruch auf das commodum aus Konkurrenzerwägungen heraus nicht gewährt würde. Ähnlich ScluJper/KandelluJrd, NJW 1997, 837 [839 f.].
11. Die Dogmatik des Kommissionsentwurfs
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inhaltlich gerechtfertigte Gewährung des Anspruchs auf das commodum auch bei Sachmängeln. Nach diesen Ausführungen drängt sich der Eindruck auf, die Reformkommission schlage durch die §§ 434 und 438 KE völlig neue Wege auf dem Gebiet der Sachmängelhaftung ein, da das BGB weder die ausdrückliche Verpflichtung des Stückverkäufers kennt, sachmangelfrei zu liefern, noch dem Stückkäufer einen Nacherfüllungsanspruch gewährt. 108 Allerdings ist bei näherer Betrachtung der Funktion der Pflicht zur mangelfreien Leistung als Haftungsgrund und als Bindeglied zum allgemeinen Leistungsstörungsrecht durchaus ein Bezug zum Theorienstreit um den Grund des geltenden Gewährleistungsrechts lO9 erkennbar. So begründen die Vertreter der Nichterfüllungstheorie die geltende Sachmängelhaftung mit der Nichterfüllung oder Verletzung der vertraglich vereinbarten Pflicht, die Kaufsache fehlerfrei zu liefern, obwohl diese Pflicht in den §§ 433, 459 ff. BGB nicht enthalten ist und dieser Pflicht nicht die typischen Sanktionen, nämlich Nacherfüllung und Schadenersatz, entsprechen. lIO Die einzig schlüssige Begründung des geltenden Gewährleistungsrechts wird also ohne Anhaltspunkte im Gesetzeswortlaut und gegen das römische Recht hergeleitet. Wenn die Schuldrechtskommission nun die Pflicht zur Mangelfreiheit kodifizieren will, so entspricht sie damit der schon länger entwickelten Nichterfüllungstheorie. Dabei kann die Kommission im Gegensatz zu den Vertretern der Nichterftillungstheorie die Stringenz ihres Pflichtenmodells verbessern, indem sie ihrem Entwurf einen Nacherfüllungsanspruch in § 438 KE hinzufügt 1I I und § 306 BGB aufhebt 1l2 . Dadurch wird das Problem des unbehebbaren Sachmangels, das nach Ansicht der Vertreter der Gewährleistungstheorie l13 bei Existenz einer derartigen Leistungspflicht zur Vertragsnichtigkeit führen muß, auch legislativ eindeutig entschieden. 1I4 Die ausdrückliche Einbeziehung der Mangelfreiheit in das Pflichtenprograrnm ist eine begrüßenswerte Änderung des Gewährleistungsrechts. Fraglich und im weiteren Verlauf näher zu untersuchen bleibt, ob die mit Einführung dieser Pflicht bezweckte vollständige Vereinheitlichung der Sachmängelhaftung mit dem allgemeinen Leistungsstörungsrecht tatsächlich problemlösend und verein108 Vgl. die Ausführungen oben unter I. 2. 109 Vgl. oben I. 2. 1I0 Vgl. oben, I. 2. b). 111 Bereits hier muß angemerkt werden, daß eine Nacherfüllung in Gestalt der Nachbesserung auch dem geltenden Recht nicht völlig fremd ist, da es häufig kraft Parteivereinbarung an Stelle der abdingbaren ädilizischen Rechtsbehelfe tritt, vgl. nur SoergellHuber, § 462, Rdn. 66. Näheres weiter unten, § 5 I. 1. 1I2 Befürwortend von Wallenberg, ZRP 1994, 306. 113 Ausführlich oben, vgl. I. 2. a) cc) (2). 114 Eine Untersuchung, inwieweit die Rechtsfolge des § 306 BGB zwingendes Recht ist und inwieweit § 306 BGB den gesamten Vertrag oder nur ein Schuldverhältnis im engeren Sinn erfaßt (vgl. oben, I. 2. c) bb», erübrigt sich damit.
§ 3 Die dogmatischen Grundlagen
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fachend wirkt oder ob die dem Sachmangel eigenen Probleme und Abgrenzungsschwierigkeiten auch im Kommissionsentwurf bestehen bleiben. Insbesondere die Frage, ob mit § 434 KE zugleich der Rechtsgrund für eine umfassende Schadenersatzhaftung des Verkäufers bei zu vertretenden Sachmängeln geschaffen ist, bleibt hier noch bewußt offen.l 15
2. Die Pflichtverletzung Zum besseren Verständnis der Konzeption des Sachmangels als Pflichtverletzung werden Entwicklung und Bedeutung dieses Begriffs im Folgenden ausschließlich von der Funktion als Generaltatbestand her untersucht, ohne auf die Besonderheiten der Sachmängelhaftung einzugehen. Die Pflichtverletzung ist Mittelpunkt des von der Schuldrechtskommission neu entwickelten Leistungsstörungsrechts. Damit soll ein einheitlicher Grundtatbestand geschaffen werden, aus welchem sich die Rechte des Gläubigers scheinbar gleichförmig herleiten: Sowohl der Schadenersatzanspruch als auch die Rücktrittsberechtigung sind übereinstimmend und ausschließlich an das Tatbestandsmerkmal der Pflichtverletzung geknüpft; vgl. dazu die §§ 280 I 1 und 323 I 1 KE. Nach Ansicht der Kommission beruht die vorgeschlagene Reform des Leistungsstörungsrechts auf einer "Weiterentwicklung und Verallgemeinerung der Grundsätze über die Haftung wegen positiver Forderungsverletzung. Wenn die Rechtsprechung als positive Forderungsverletzung alle Pflichtverletzungen ansieht, die weder Unmöglichkeit noch Verzug herbeiführen, so beruht dies auf der Erkenntnis, daß auch die Nichtleistung wegen Unmöglichkeit und der Verzug Pflichtverletzungen darstellen."116 Die Kommission sieht sowohl den Begriff als auch die Bedeutung der Pflichtverletzung im erklärten Gegensatz zum Zentraltatbestand des geltenden Leistungsstörungsrechts, der Unmöglichkeit: Anders als die Pflichtverletzung trete die Unmöglichkeit nämlich nur selten und dann auch nur bei ganz bestimmten Schuldverhältnissen auf. 1I7 Die Unmöglichkeit, deren vielfache Unterteilungen oft nur schwer abgrenzbar und wegen der durchaus differierenden Rechtsfolgen manchmal schwer nachvollziehbar seien l18 , wird folglich als ein untauglicher Zentraltatbestand des allgemeinen Leistungsstörungsrechts betrachtet, der durch die Pflichtverletzung abzulösen sei.
115 116 117 118
Dazu ausführlich unten, § 7 11. I. Abschlußbericht, S. 30. Abschlußbericht, S. 16. Huber, Gutachten 1,1981, S. 758.
11. Die Dogmatik des Kommissionsentwurfs
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a) Die Begriffsentwicklung Das Bestreben der Schuldrechtskommission, das gesamte Leistungsstörungsrecht mit einem geeigneten Zentraltatbestand zu erfassen, geht auf das Gutachten Hubers 119 zurück. Huber selbst orientiert seinen gutachterlichen Gesetzentwurfl 20 ausdrücklich am Einheitlichen Kaufgesetz (EKG), was bereits im Untertitel seiner Untersuchung deutlich wird: ,,Empfiehlt sich die Einführung eines Leistungsstörungsrechts nach dem Vorbild des Einheitlichen Kaufgesetzes?"121
aa) Das Einheitliche Kaufgesetz Das für das Leistungsstörungsrecht bedeutsame Einheitliche Kaufgesetz 122 vom 17. Juli 1973 (mit vollem Namen: ,,Einheitliches Gesetz über den internationalen Kauf beweglicher Sachen")123 diente der innerstaatlichen Ausführung der Haager Kaufrechtsübereinkommen vom 1. Juli 1964.1 24 Mit dem Inkrafttreten des Wiener UN-Übereinkommens über Verträge über den internationalen Warenkauf (eISG) in der Bundesrepublik Deutschland am 1. Januar 1991 hat das EKG seine Wirksamkeit eingebüßt. Gleichwohl bleibt es aufgrund
119 Huber, Gutachten I. 120 Huber, S. 671 ff. 121 Zu erwähnen sind noch zwei weitere mögliche, jedoch nicht berucksichtigte Leitbilder einer Schuldrechtsreform, wovon allerdings eines aufgrund seines historischen Ursprungs nur geringe Popularität genießt: So wurde bereits im Ausschuß für Personen-, Vereins- und Schuldrecht der Akademie für Deutsches Recht im Jahr 1936 die schuldhafte Pflichtverletzung als Haftungsgrundsatz des allgemeinen Leistungsstörungsrechts vorgeschlagen; so Heinrich StolI, Die Lehre von den Leistungsstörungen: Denkschrift des Ausschusses für Personen, Vereins- und Schuldrecht, Tübingen, 1936, S. 31 ff. Genauso wenig wurde die 1992 in einem ersten Teil (performance and NonPerformance and Remedies) abgeschlossene Arbeit der Commission of European Contract Law (Kommission zum europäischen Vertragsrecht; sog. Lando-Kommission) berucksichtigt, die allerdings auf den Begriff der Nichterfüllung (non-performance) als Haftungsgrundlage abstellt; insb. Art. 3.101.: "Whenever a Party does not peiform an obligation under the contract [... ], the aggrieved party may resort to any of the remedies set out in Chapter4.". 122 Das andere Einheitliche Kaufgesetz (Einheitliches Gesetz über den Abschluß von internationalen Kaufverträgen über bewegliche Sachen; BGBl. 1973 I, S. 868) regelt den Vertragsschluß, entspricht also nach Diktion des BGB dem Allgemeinen Teil: 123 BGBl. 1973 I, S. 856. 124 Die geringe Anzahl von lediglich neun Ratifikationen (Nachweis bei Döllel Herber, EKG, 1976, Vor Artt. 1-8, Rdn. 4; dazu kommt noch die Ratifikation Luxemburgs am 06.08.1979) spricht gegen einen durchschlagenden Erfolg dieser Übereinkommen.
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§ 3 Die dogmatischen Grundlagen
seines Einflusses auf das Gutachten Hubers auch für den hier untersuchten Kommissionsentwurf von erheblicher Bedeutung. Das EKG geht vom Grundtatbestand der Vertragsverletzung aus; vgl. Art. 10 EKG. Diese Vertragsverletzung ("breach of contract", "contravention au contract") soll der Oberbegriff sein, der alle möglichen Fälle der Nichterfüllung oder Schlechterfüllung von Vertragspflichten umfaßt. Eine Vertragsverletzung liegt demnach immer vor, wenn eine Partei eine Handlung nicht vornimmt oder einen Erfolg nicht herbeiführt, zu deren Vornahme oder dessen Herbeiführung sie nach Vertrag und ergänzendem Gesetzesrecht verpflichtet ist, oder wenn sie eine Handlung vornimmt oder einen Erfolg herbeiführt, deren Vornahme oder dessen Herbeiführung ihr nach Vertrag und ergänzendem Gesetzesrecht verboten ist. 125 Allerdings erfährt dieser Grundtatbestand der Vertragsverletzung hinsichtlich der Sanktionen eine erhebliche Differenzierung dreifacher Art: Zunächst unterscheidet das EKG nach dem Inhalt der Vertragsverletzung verschiedene Verletzungsarten, z .. B. die nicht rechtzeitige Lieferung in den Artt. 24 ff. EKG, die nicht vertragsgemäße Lieferung in den Artt. 41 ff. EKG oder die Nichtbezahlung des Kaufpreises in den Artt. 61 ff. EKG. Weiter unterscheidet das EKG nach dem Grund der Vertragsverletzung, und zwar danach, ob die Partei, die den Vertrag verletzt hat, sich entlasten kann oder nicht, vgl. z. B. Art. 74 EKG. Nach der Terminologie des BGB geht es um die Frage des Vertretenmüssens, besser ausgedrückt um die Frage nach der "Spannung der Schuld ", nämlich welches Maß an geistiger, körperlicher und wirtschaftlicher Kraft der Schuldner zur Erfüllung der Schuld einsetzen muß.1 26 Letztlich differenziert das EKG noch nach dem Gewicht der Vertrags verletzung. So sollen nur wesentliche ("fundamental breach of contract" oder "contravention essentielle au contract") Vertragsverletzungen eine Vertragsaufhebung rechtfertigen; vgl. dazu die Artt. 30 I I, 32 I 1,43 I EKG. Bereits dieser kurz gefaßte Überblick offenbart, daß der vom EKG eingeführte Oberbegriff der Vertragsverletzung kein taugliches Mittel ist, ein so differenziertes System, wie es das Leistungsstörungsrecht darstellt, abschließend zu regeln. Vielmehr bildet auch das EKG Fallgruppen mit Unterbezeichnungen für die konkreten Arten der Pflichtverletzung, um eine angemessene Systematik zu erreichen.
125 Ausführlicher DöllelHuber, Art. 10, Rdn. 1.
126 Kress, Allg.SchR., S. 401.
11. Die Dogmatik des Kommissionsentwurfs
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bb) Das Huber'sche Gutachten Huber bekennt sich in seinem Gutachten vehement zur Vorzugswürdigkeit des EKG gegenüber dem BGB.127 Folglich zentriert er seinen Gesetzentwurf ebenfalls auf einen Grundtatbestand des Leistungsstörungsrechts. In § 275 I des Huber'schen Entwurfs wird dieser Grundtatbestand als ,.Nichterfüllung" eingeführt. Unmöglichkeit, Verzug, positive Forderungsverletzung und Schlechterfüllung sollen demnach als eigene Kategorie der Leistungsstörung entbehrlich werden. Es fällt auf, daß Huber den Wortlaut des EKG